Insolvenzordnung: Band 2 §§ 35-55 [2. neu bearbeitete Auflage] 9783110666175, 9783110661118

This comprehensive commentary goes beyond insolvency law proper to deal with the implementation and reorganization of al

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German Pages 780 [782] Year 2023

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Table of contents :
Die Bearbeiter der 2. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
ZWEITER ABSCHNITT Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger
§ 35 Begriff der Insolvenzmasse
§ 36 Unpfändbare Gegenstände
§ 37 Gesamtgut bei Gütergemeinschaft
§ 38 Begriff der Insolvenzgläubiger
§ 39 Nachrangige Insolvenzgläubiger
§ 40 Unterhaltsansprüche
§ 41 Nicht fällige Forderungen
§ 42 Auflösend bedingte Forderungen
§ 43 Haftung mehrerer Personen
§ 44 Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen
§ 44a Gesicherte Darlehen
§ 45 Umrechnung von Forderungen
§ 46 Wiederkehrende Leistungen
§ 47 Aussonderung
§ 48 Ersatzaussonderung
§ 49 Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen
§ 50 Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger
§ 51 Sonstige Absonderungsberechtigte
§ 52 Ausfall der Absonderungsberechtigten
§ 53 Massegläubiger
§ 54 Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 55 Sonstige Masseverbindlichkeiten
Sachregister
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Insolvenzordnung: Band 2 §§ 35-55 [2. neu bearbeitete Auflage]
 9783110666175, 9783110661118

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Großkommentare der Praxis

Jaeger Insolvenzordnung

Großkommentar Zweite Auflage Begründet zur Konkursordnung von Professor Dr. Ernst Jaeger † herausgegeben von Walter Gerhardt, Diederich Eckardt, Peter A. Windel Zweiter Band §§ 35–55

Bearbeiter: §§ 35–37: Hans-Friedrich Müller §§ 38, 40–44, 45–46, §§ 53–55: Florian Eichel §§ 39, 44a: Falk Mylich §§ 47–52: Jan Felix Hoffmann

Stand der Bearbeitung: September 2022 Zitiervorschlag zB: Jaeger/Eichel InsO § 38 Rn 2. Sachregister: Christian Klie

Wir widmen diesen Band dem Gedenken an unseren Mitautor, Kollegen und Freund Peter Mankowski (1966–2022). Die Herausgeber, die Autorinnen und Autoren und der Verlag

ISBN 978-3-11-066111-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066617-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-066634-2 Library of Congress Control Number: 2022944305 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Die Bearbeiter der 2. Auflage Professor Dr. Diederich Eckardt, Professor an der Universität Trier Professor Dr. Ulrich Ehricke, LL.M. (London), M.A., Professor an der Universität zu Köln Professor Dr. Florian Eichel, Professor an der Universität Bern Professor Dr. Oliver Fehrenbacher, Professor an der Universität Konstanz Professor Dr. Ulrich Foerste, Professor an der Universität Osnabrück Professor Dr. Walter Gerhardt, em. Professor an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn Professor Dr. Richard Giesen, Professor am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR), Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Michael Heese, LL.M. (Yale), Professor an der Universität Regensburg Professor Dr. Jan Felix Hoffmann, Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Professor Dr. Florian Jacoby, Professor an der Universität Bielefeld Professor Dr. Christoph A. Kern, LL.M. (Harvard), Professor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professor Dr. Fabian Klinck, Professor an der Ruhr-Universität Bochum Professor Dr. Björn Laukemann, Maître en droit (Aix-en-Provence), Professor an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Professor Dr. Peter Mankowski †, Professor an der Universität Hamburg Professorin Dr. Caroline Meller-Hannich, Professorin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Professor Dr. Hans-Friedrich Müller, LL.M. (Bristol), Professor an der Universität Trier; Richter am OLG Koblenz Professor Dr. Joachim Münch, Professor an der Georg-August-Universität Göttingen Dr. Falk Mylich, Privatdozent an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Professor Dr. Andreas Piekenbrock, Professor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professorin Dr. Nicola Preuß, Professorin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Professor Dr. Eberhard Schilken, em. Professor an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn Professorin Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham), Professorin an der Universität Bayreuth Professor Dr. Peter A. Windel, Professor an der Ruhr-Universität Bochum

V https://doi.org/10.1515/9783110666175-201

Inhaltsverzeichnis Die Bearbeiter der 2. Auflage V Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur ZWEITER ABSCHNITT Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger 1 § 35 Begriff der Insolvenzmasse 90 § 36 Unpfändbare Gegenstände 126 § 37 Gesamtgut bei Gütergemeinschaft 141 § 38 Begriff der Insolvenzgläubiger 233 § 39 Nachrangige Insolvenzgläubiger 343 § 40 Unterhaltsansprüche 350 § 41 Nicht fällige Forderungen 363 § 42 Auflösend bedingte Forderungen 366 § 43 Haftung mehrerer Personen 382 § 44 Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen 389 § 44a Gesicherte Darlehen 402 § 45 Umrechnung von Forderungen 415 § 46 Wiederkehrende Leistungen 419 § 47 Aussonderung 504 § 48 Ersatzaussonderung § 49 Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen 564 § 50 Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger 593 § 51 Sonstige Absonderungsberechtigte 624 § 52 Ausfall der Absonderungsberechtigten 636 § 53 Massegläubiger 650 § 54 Kosten des Insolvenzverfahrens 660 § 55 Sonstige Masseverbindlichkeiten Sachregister

VII

721

IX

543

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur aA AAG a.a.O. abgedr AbgG Abl abl Abl EG Abl EU Abs abw AcP AdoptionsG ADS aE ÄndG ÄndVO AEntG AEUV aF AfA AFB AFG AG AGB AGB-Bk AGG AHB Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier AiB AKB AktG ALB Alg/ALG allg AllgT Alt AltTZG aM Anders/Gehle Andres/Leithaus AnfG Anh Anl Anm

anderer Ansicht Aufwendungsausgleichsgesetz am angegebenen Ort abgedruckt Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) Amtsblatt ablehnend(-e/er/es) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz) Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen am Ende Änderungsgesetz Änderungsverordnung Arbeitnehmer-Entsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alter Fassung Absetzung für Abnutzungen Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft, auch: Amtsgericht, auch: Ausführungsgesetz, auch: Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Insolvenzrecht Kommentar, hrsg v Martin Ahrens, Markus Gehrlein, Andreas Ringstmeier, 4. Aufl 2020 Arbeitsrecht im Betrieb Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Aktiengesetz Allgemeine Lebensversicherungsbedingungen Arbeitslosengeld Allgemein(-e/er/es) Allgemeiner Teil Alternative Altersteilzeitgesetz anderer Meinung Zivilprozessordnung, Kommentar, hrsg v Monika Anders, Burkhard Gehle, 80. Aufl 2022 (bis 79. Aufl 2021 udT Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle) Insolvenzordnung, Kommentar, Dirk Andres, Rolf Leithaus, 4. Aufl 2018 Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz) Anhang Anlage Anmerkung

IX https://doi.org/10.1515/9783110666175-202

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Annuß/Lembke AO AP ArbBeschFG ArbG ArbGG ArbPlSchG ArbR ArbRB ArbRHb ArchBürgR arg Armbrüster/Preuß/Renner ARS ARST Art AT AtomG AuA Aufl AÜG AuR ausf Ausg AV AVG AVLJM AVO Az BA BadRpr BadWürttNotZ BAFin BAG BAGE Bamberger/Roth/Hau/Poseck BankArch Bankbetrieb BankenK BankR BankR-Hb

Bauer/Schaub BauFG BauG Baumbach/Hefermehl/Casper

Arbeitsrechtliche Umstrukturierungen in der Insolvenz, Georg Annuß, Mark Lembke, 3. Aufl 2016 Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrecht Der Arbeits-Rechts-Berater Arbeitsrechtshandbuch Archiv für bürgerliches Recht argumentum Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und Notare, Kommentar, hrsg v Christian Armbrüster, Nicola Preuß, Thomas Renner, 8. Aufl 2019 Arbeitsrechtssammlung, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, früher Bensheimer Sammlung Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Arbeit und Recht, Zeitschrift für die Arbeitsrechtspraxis ausführlich Ausgabe Die Angestelltenversicherung Angestelltenversicherungsgesetz Ausführungsverordnung des Landesjustizministers Ausführungsverordnung Aktenzeichen Bundesagentur für Arbeit Badische Rechtspraxis und Annalen der Großherzogisch Badischen Gerichte Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts; amtliche Sammlung Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: BGB, hrsg v Heinz Georg Bamberger, Herbert Roth, Wolfgang Hau, Roman Poseck, 4. Aufl 2019/20 (auch zit als BeckOK BGB) Bankarchiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen (aufgegangen in Bankwirtschaft) Zeitschrift für Bankpolitik und Bankpraxis (früher Bankwirtschaft) Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, hrsg v Friedrich L. Cranshaw, Christoph G. Paulus, Nicole Michel, 3. Aufl 2016 Bankrecht Bankrechtshandbuch, hrsg v Jürgen Ellenberger, Hermann-Josef Bunte 6. Aufl 2022, bis zur 5. Aufl 2017 hrsg v Herbert Schimansky, Hermann-Josef Bunte und Hans-Jürgen Lwowski Grundbuchordnung, hrsg v Joachim Bauer, Bernhard Schaub, 4. Aufl 2018 Gesetz zur Sicherung der Bauförderungen Baugesetzbuch Kommentar zum Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht des Zahlungsverkehrs, begr v Adolf Baumbach, fortgef v Wolfgang Hefermehl, Matthias Casper, 24. Aufl 2020

X

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Baumbach/Hopt Baumbach/Hueck Baumbach/Lauterbach/ Hartmann/Anders/Gehle BauR Baur/Stürner InsR Baur/Stürner/Bruns BayJMBl BayObLG BayObLGZ BayrRPflZ BayVBl BayZ BB BBankG BBergG BBiG BBl BBodSchG BC Bd BDSG (aF) BDSG 2018 BeamtVG Bearb Beck/Depré Becker BeckOGK AktG BeckOGK BGB BeckOK ArbR BeckOK BGB BeckOK InsO BeckOK StaRUG BeckOK ZPO BeckOK ZVG BEEG BEG Begr Begr EGemeinschuldO Begr EGKO Begr EKO

XI

Kommentar zum HGB, begr v Adolf Baumbach, hrsg v Klaus J. Hopt, 40. Aufl 2021 (ab 41. Aufl 2022 udT Hopt) Kommentar zum GmbH-Gesetz, begr v Adolf Baumbach, fortgef v Alfred Hueck, 18. Aufl 2006 (ab 23. Aufl 2022 udT Noack/Servatius/Haas) Kommentar zur Zivilprozessordnung, begr v Adolf Baumbach, fortgef v Monika Anders, Burkhard Gehle, bis 79. Aufl 2021 (ab 80. Aufl 2022 udT Anders/Gehle) Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Insolvenzrecht, Fritz Baur, fortgef v Rolf Stürner, 13. Aufl 2006 Zwangsvollstreckungsrecht, Fritz Baur, fortgef v Rolf Stürner, Alexander Bruns, 14. Aufl 2022 Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Bayerische Verwaltungsblätter Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Der Betriebsberater Gesetz über die Deutsche Bundesbank Bundesberggesetz Berufsbildungsgesetz Betriebswirtschaftliche Blätter Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz) Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Band Bundesdatenschutzgesetz Bundesdatenschutzgesetz Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz) Bearbeitung Praxis der Insolvenz, hrsg v Siegfried Beck, Peter Depré, 3. Aufl 2017 Insolvenzrecht, Christoph Becker, 3. Aufl 2010 Beck’scher Online-Großkommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Gerald Spindler, Eberhard Stilz, ständig aktualisiert Beck’scher Online-Großkommentar BGB, hrsg v Beate Gsell, Wolfgang Krüger, Stephan Lorenz, Christoph Reymann, ständig aktualisiert Beck’scher Onlinekommentar Arbeitsrecht, hrsg v Christian Rolfs, Richard Giesen, Ralf Kreikebohm, Miriam Meßling, Peter Udsching ständig aktualisiert Beck’scher Online-Kommentar BGB, hrsg v Wolfgang Hau, Roman Poseck, ständig aktualisiert Beck’scher Online-Kommentar InsO, hrsg v Alexander Fridgen, Arndt Geiwitz, Burkard Göpfert, ständig aktualisiert Beck’scher Online-Kommentar StaRUG, hrsg v Dominik Skauradszun, Akexander Fridgen ständig aktualisiert Beck’scher Online-Kommentar ZPO, hrsg v Volkert Vorwerk, Christian Wolf, ständig aktualisiert Beck’scher Online-Kommentar ZVG, hrsg v Martin Löhnig, Andreas Gietl, ständig aktualisiert Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz) Begründung Motive zum Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung, 1873 Motive zu dem Entwurf eines Einführungsgesetzes einer Konkursordnung, 1875 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1875

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Begr z KO-Nov 1898 Beil Bem Ber ber BerInsRKomm BerlAnwBl bes betr BetrAV BetrAVG BetrVG BfA BFH BFHE BFuP BG BGB BGBl BGH BGHSt BGHZ Bieg/Borchardt/Frind BImSchG BinSchG Birk/Desens/Tappe Birkenfeld/Wäger BJagdG BK BKR Bl Blaurock Bley/Mohrbutter BlfGenW BlGBW BlPMZ BlStSozArbR Blümich BMF BNotO BörsG Böttcher Bolze RG Boochs/Dauernheim Borchardt/Frind Bork AT Bork HdbAnfR

Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes betr. die Änderungen der Konkursordnung und eines zugehörigen Einführungsgesetzes, 1898 Beilage Bemerkung(en) Bericht berichtigt Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985 (1. Bericht) bzw 1986 (2. Bericht) Berliner Anwaltsblatt besonders betreffend betriebliche Altersversorgung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Betriebsverfassungsgesetz Bundesanstalt für Arbeit Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Die Berufsgenossenschaft Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen; amtliche Sammlung Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen; amtliche Sammlung Unternehmenssanierung und Betriebsfortführung, hrsg v Thorsten Bieg, PeterAlexander Borchardt, Frank Frind, 2021 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Gesetz, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt (Binnenschifffahrtsgesetz – BinSchG) Steuerrecht, Dieter Birk, Marc Desens, Henning Tappe, 25. Aufl 2022 Das große Umsatzsteuer-Handbuch, hrsg v Wolfram Birkenfeld, Christoph Wäger, Loseblatt Bundesjagdgesetz Berliner Kommentar Insolvenzrecht, hrsg v Jürgen Blersch, Hans-Wilhelm Goetsch, Ulrich Haas, Loseblatt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blatt Handbuch Stille Gesellschaft, hrsg v Uwe Blaurock, 9. Auflage 2020 Vergleichsordnung, Kommentar, begr v Erich Bley, Neubearbeitung von Jürgen Mohrbutter, unter Mitarbeit von Harro Mohrbutter, 4. Aufl 1970 ff Blätter für Genossenschaftswesen Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht EStG, KStG, GewStG, hrsg v Bernd Heuermann, Peter Brandis, Loseblatt (ab 2022 udT Brandis/Heuermann) Bundesminister der Finanzen Bundesnotarordnung Börsengesetz ZVG, Kommentar, Roland Böttcher, 7. Aufl 2022 Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen, bearbeitet von A. Bolze Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl 2007 Die Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, hrsg v Peter-Alexander Borchardt, Frank Frind, 3. Aufl 2017 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Reinhard Bork, 4. Aufl 2016 Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, hrsg v Reinhard Bork, 2006

XII

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Bork InsR Bork/Hölzle Bork/Koschmieder Boruttau BPatG BPersVG BQG BR Brandis/Heuermann BRAO Braun InsO Braun StaRUG BR-Drucks BReg Brox/Walker BrZ BSG BSGE BSpkG BStBl BT-Drucks BT-RA Bub/Treier Bülow BürgerlR, BürgR Bunjes BUrlG Buth/Hermanns BuW BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW BWNotZ bzw cic CIM CR Cranshaw/Hinkel CTA Dassler/Schiffhauer/Hintzen/ Engels/Rellermeyer DB DepotG Depré Depré/Mayer ders

XIII

Einführung in das Insolvenzrecht, Reinhard Bork, 10. Aufl 2021 Handbuch Insolvenzrecht, hrsg v Beinhard Bork, Gerrit Hölzle, 2. Auflage 2019 Fachanwaltshandbuch Insolvenzrecht, Loseblatt, hrsg v Reinhard Bork, Kurt-Dieter Koschmieder, Loseblatt (Stand 2011) Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl. 2019, ab 2022 udT Viskorf Bundespatentgericht Bundespersonalvertretungsgesetz Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften Bundesrat EStG, KStG, GewStG, hrsg v Bernd Heuermann, Peter Brandis, Loseblatt Bundesrechtsanwaltsordnung Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Eberhard Braun, 9. Aufl 2022 Kommentar zum Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, hrsg v Eberhard Braun, 2021 Drucksachen des deutschen Bundesrates Bundesregierung Zwangsvollstreckungsrecht, Hans Brox, Wolf-Dietrich Walker, 12. Aufl 2021 Britische Zone Bundessozialgericht Entscheidungssammlung des BSG Gesetz über Bausparkassen (Bausparkassengesetz) Bundessteuerblatt (Teile I, II und III) Drucksachen des Deutschen Bundestages; zitiert: Legislaturperiode/Nr/S Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, hrsg v Wolf-Rüdiger Bub, Gerhard Treier, 5. Aufl 2019 Recht der Kreditsicherheiten, Peter Bülow, 10. Aufl 2021 Bürgerliches Recht Umsatzsteuergesetz, begr v Johann Bunjes, 21. Aufl 2022 Bundesurlaubsgesetz Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Aufl 2022 Betrieb und Wirtschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; amtliche Sammlung Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts; amtliche Sammlung Baden-Württemberg Mitteilungen aus der Praxis, Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise culpa in contrahendo Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemins des fer; Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr Computer und Recht Gläubigerkommentar zum Anfechtungsrecht, Friedrich L. Cranshaw, Lars Hinkel, 2. Aufl 2014 Contractual Trust Arrangement ZVG – Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, 16. Aufl 2020 Der Betrieb Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) Kommentar zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung – ZVG, hrsg v Peter Depré, 2. Aufl 2019 Die Praxis der Zwangsverwaltung, Peter Depré, Günter Mayer, 7. Aufl 2013 derselbe

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

DGVZ dh DiskE

DStR DStZ Dt Dürig/Herzog/Scholz DuR DZWIR

Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung das heißt Diskussionsentwurf, speziell: Diskussionsentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, hrsg v Bundesministerium der Justiz, 1988 Dissertation Deutsche Justiz, Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Deutsche Mark Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notarzeitschrift Die Ortskrankenkasse Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Recht (Zeitschrift) Deutsche Richterzeitung Der Deutsche Rechtspfleger Deutsche Richterzeitung Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzGrundverordnung) Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung Deutsch(e/er/es) Grundgesetz, Kommentar, begr v Theodor Maunz, Loseblatt (bis 2021 udT Maunz/Dürig) Demokratie und Recht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

E ebd Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn EBRG ECU EFG EFZG EG EGAktG EGAO EGBGB EGemeinschuldO EGInsO EGOWiG EGStGB Eilers/Schwan Einf EinfG Einl einschl EKO EMRK entspr Entw ErbbauVO ErbR ErfK ErgL/EL

Entwurf ebenda Handelsgesetzbuch, hrsg v Detlev Joost, Lutz Strohn, 4. Aufl 2020 Europäische-Betriebsräte-Gesetz European Currency Unit Entscheidungen der Finanzgerichte Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft, auch Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zur Abgabenordnung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung, 1873 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Sanierungssteuerrecht, Stephan Eilers, Alexander Schwan, 2. Aufl 2020 Einführung Einführungsgesetz Einleitung einschließlich Entwurf einer Konkursordnung, 1875 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechend Entwurf Verordnung über das Erbbaurecht Erbrecht Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl 2022 Ergänzungslieferung

Diss DJ DJT DJZ DM DNotV DNotZ DOK DÖV DR DRiZ DRpfl DRZ DSGVO

XIV

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Erl Erman EStG ESUG etc EU EuGH EuGVÜ EuGVVO 2001

EuGVVO

EuInsVO 2000 EuInsVO EV evtl EWG EWiR EWIV EY EzA EzAÜG f FamFG FamR FamRZ Farr FD-InsR Fehrenbacher ff FG FGG FGO FGPrax FilmR FK FLF Flöther Flöther StaRUG Flume Fn Foerste FoVo Frege/Keller/Riedel Fridgen/Geiwitz/Göpfert Frind

XV

Erläuterungen Handkommentar zum BGB, hrsg v Harm Peter Westermann, Barbara Grunewald, Georg Maier-Reimer, 16. Aufl 2020 Einkommensteuergesetz Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Brüsseler EWG-Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29.5.2000 Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Ernst & Young AG, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz folgend (e) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005 Fachdienst Insolvenzrecht (via Beck-online) Steuerrecht, Oliver Fehrenbacher, 8. Aufl 2022 folgende Finanzgericht, Festgabe, Freundesgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (bis 2009) Finanzgerichtsordnung Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Filmrecht Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Klaus Wimmer, 9. Aufl 2018 Finanzierung, Leasing, Factoring Konzerninsolvenzrecht Handbuch, hrsg v Lucas F. Flöther, 2. Aufl 2018 StaRUG, Kommentar, hrsg v Lucas F. Flöther, 2021 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, Werner Flume, 4. Aufl 1992 Fußnote Insolvenzrecht, Ulrich Foerste, 8. Aufl 2022 Forderung und Vollstreckung (bis 2008: InVo – Insolvenz und Vollstreckung) Insolvenzrecht, Handbuch der Rechtspraxis, Michael Frege, Ulrich Keller, Ernst Riedel, 9. Aufl 2022 Insolvenzrecht, hrsg v Alexander Fridgen, Arnd Geiwitz, Burkard Göpfert, 2022 (hier zit. als BeckOK InsO) Praxishandbuch Privatinsolvenz, Frank Frind, 3. Aufl 2021

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Frotscher FS Fundst

Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl 2021 Festschrift Fundstelle(n)

G Gagel

Gesetz SGB II/SGB III Grundsicherung und Arbeitsförderung, hrsg v Alexander Gagel, LoseblattKommentar GaststG Gaststättengesetz Gaul/Schilken/Becker-Eberhard Zwangsvollstreckungsrecht, Hans-Friedhelm Gaul, Eberhard Schilken, Ekkehard BeckerEberhard, 12. Aufl 2010 GBl Gesetzblatt GBO Grundbuchordnung GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts geänd geändert GebrMG Gebrauchsmustergesetz gem gemäß GenG Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) GeschmMG Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz – GeschmMG) GesO Gesamtvollstreckungsordnung GesR Gesellschaftsrecht GewArch Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- u. Wirtschaftsverwaltungsrecht GewO Gewerbeordnung GewStDV Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung GewStG Gewerbesteuergesetz GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ggf gegebenenfalls GK Großkommentar GK-AktG Aktiengesetz, Großkommentar, hrsg v Heribert Hirte, Peter O. Mülbert, Markus Roth, 5. Aufl 2015 ff GK-BetrVG Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, Günther Wiese, Peter Kreutz, Hartmut Oetker, 12. Aufl 2021 GK-GmbHG GmbHG Großkommentar, hrsg v Mathias Habersack, Matthias Casper, Marc Löbbe, 3. Aufl 2019 ff GKG Gerichtskostengesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau GmS-OBG Gemeinsamer Senat der obersten Gerichte des Bundes Gosch Körperschaftsteuergesetz, hrsg v Dietmar Gosch, 4. Aufl 2020 Gottwald/Haas Insolvenzrechts-Handbuch, hrsg v Peter Gottwald, Ulrich Haas, 6. Aufl 2020 Graf-Schlicker Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Marie-Luise Graf-Schlicker, 6. Aufl 2021 grds grundsätzlich GrEStG Grunderwerbsteuergesetz GrS Großer Senat GruchBeitr Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begr v Gruchot Grüneberg Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, hrsg v Christian Grüneberg, 81. Aufl 2022 (bis 80. Aufl 2021 udT Palandt) GrünhutsZ Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart, begr v Grünhut Grundz Grundzüge GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GS Gedächtnisschrift, Gesetzessammlung GüKG Güterkraftverkehrsgesetz GUG Gesetz über die Unterbrechung von Gesamtvollstreckungsverfahren (Gesamtvollstreckungs-Unterbrechungsgesetz)

XVI

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

GVBl GVG GV NW GWB

Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt von Nordrhein-Westfalen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

H Haarmeyer/Mock Habersack/Drinhausen Hachenburg Häsemeyer HambK InsO HambK Restrukturierungsrecht

Heft Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), Hans Haarmeyer, Sebastian Mock, 6. Aufl 2019 SE-Recht, Kommentar, hrsg v Mathias Habersack, Florian Drinhausen, 3. Aufl 2022 Großkommentar zum GmbH-Gesetz, Max Hachenburg, 8. Aufl 1997 Insolvenzrecht, Ludwig Häsemeyer, 4. Aufl 2007 Hamburger Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Andreas Schmidt, 9. Aufl 2021 Hamburger Kommentar zum Restrukturierungsrecht, hrsg v Andreas Schmidt, 3. Aufl 2022 Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) Hanseatische Gerichtszeitung Hanseatisches Oberlandesgericht Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift Handbuch Gesellschaftsrecht, Kommentar, hrsg v Martin Henssler, Lutz Strohn, 5. Aufl 2021 Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt Kommentar zur Insolvenzordnung, Harald Hess, 2. Aufl 2013 (fortgef udT Kölner Kommentar, zit KK) Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Zivilsachen Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Hinterlegungsgesetz Hinterlegungsordnung Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Godehard Kayser, Christoph Thole, 10. Aufl 2020 herrschende Lehre herrschende Meinung Höfeordnung Kommentar zum HGB, hrsg v Klaus J. Hopt, 41. Aufl 2022 (bis 40. Aufl 2021 udT Baumbach/Hopt) Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Anfechtungsgesetz, Kommentar, Michael Huber, 12. Aufl 2021 Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, hrsg v Walter Hübschmann, Ernst Hepp, Armin Spitaler, Loseblatt Hypothekenbankgesetz

HandwO HansGZ HansOLG HansRGZ Hb, Hdb Henssler/Strohn Herrmann/Heuer/Raupach Hess HEZ HFR HGB HintG, HinterlG HintO, HinterlO HK hL hM HöfeO Hopt HRR Hrsg, hrsg Hs Huber Hübschmann/Hepp/Spitaler HypBankG idF idS IDW IDW RH HFA iE ILLR insb InsbürO InsO Insolvenzgeld-DA der BA InsOuaÄndG InsR

XVII

in der Fassung in diesem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland eV Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland eV, Rechnungslegungshinweise des Hauptfachausschusses im Ergebnis, im Einzelnen International Insolvency Law Review insbesondere Zeitschrift für das Insolvenzbüro Insolvenzordnung Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Insolvenzgeld Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze Insolvenzrecht

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

InsRHdb InsRKomm InsSteuerR, InsStR InsVereinfG InsVV InsVZ InVo IPRax iS iSd iVm

Insolvenzrechts-Handbuch, hrsg v Peter Gottwald, Ulrich Haas, 6. Aufl 2020 Kommission für Insolvenzrecht Insolvenzsteuerrecht Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Zeitschrift für Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung (nur 2009–2010) Insolvenz und Vollstreckung Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne im Sinne des/der in Verbindung mit

JA Jaeger AnfG Jaeger InsO

Juristische Arbeitsblätter Die Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkurses, Ernst Jaeger, 2. Aufl 1938 Insolvenzordnung, Kommentar, begr v Ernst Jaeger, hrsg v Wolfram Henckel, Walter Gerhardt, 1. Aufl 2004 ff (dieser Kommentar) Konkursordnung, Kommentar, Ernst Jaeger, 6./7. Aufl 1931/1936; 8. Aufl 1958–1973, fortgef v Friedrich Lent, Friedrich Weber; 9. Aufl 1977–1990, fortgef v Wolfram Henckel Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg v Othmar Jauernig, 18. Aufl 2021 Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, Othmar Jauernig, Christian Berger, 24. Aufl 2021 Jahrbuch Justizbeitreibungsgesetz Justizbeitreibungsordnung (bis 2016) Juristische Blätter Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie jeweils Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechtes Jahrhundert(s) Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Justizministerialblatt von Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Vierteljahresschrift für die gesamte Zivilrechtspflege (Erstes/Zweites) Gesetz zur Modernisierung der Justiz Juristische Analysen Juristische Ausbildung Das juristische Büro Juristisches Literaturblatt Juristische Schulung Justizverwaltungsblatt Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

Jaeger KO Jauernig BGB Jauernig/Berger Jb JBeitrG JBeitrO JBl JbRR jew JFG Jhdt(s) JherJb JMBl NW JR Judicium JuMoG JurA Jura JurBüro JurLitBl JuS JVBl JW JZ KAGG Kahlert Keller KG KGaA Kilger/K Schmidt Kindl/Meller-Hannich Kindler/Nachmann/Bitzer KK

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Restrukturierungssteuerrecht, Günter Kahlert, 2022 Insolvenzrecht, Ulrich Keller, 2. Aufl 2020 Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Insolvenzgesetze – KO/VglO/GesO, begr v Hartmut Kilger, bearb v Karsten Schmidt, 17. Aufl 1997 Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, hrsg v Johann Kindl, Caroline Meller-Hannich, 4. Aufl 2021 Handbuch Insolvenzrecht in Europa, hrsg v Peter Kindler, Josef Nachmann, Fabian Bitzer, Loseblatt Kölner Kommentar, Insolvenzordnung, hrsg v Harald Hess, 2016 ff

XVIII

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

KKZ Klein KO Kölner Kommentar AktG Kölner Schrift Koenig Koller/Kindler/Roth/Drüen Komm KommBer z KO-Nov 1898 KonkursR KonTraG KO-Prot KraftStG krit KSchG K Schmidt InsO KSI KStG KTS Kübler Kübler/Prütting/Bork Kübler/Prütting/Noack Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried Kuhn/Uhlenbruck KuS KuT KWG LAG LAGE Lang/Weidmüller Larenz/Canaris Lb LeasingR-Hb Leonhardt/Smid/Zeuner LG Lit lit LM LMK Löhnig/Gietl Lorenz/Klanke

XIX

Kommunal-Kassen-Zeitschrift Abgabenordnung – AO, Kommentar, begr v Franz Klein, 16. Aufl 2022 Konkursordnung Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Wolfgang Zöllner, Ulrich Noack, 3. Aufl 2009 ff, 4. Aufl 2020 ff Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl 2000/3. Aufl 2009 Abgabenordnung – AO, hrsg v Ulrich Koenig, 4. Aufl 2021 Handelsgesetzbuch, hrsg v Ingo Koller, Wulf-Henning Roth, Klaus-Dieter Drüen, 9. Aufl 2019 Kommentar, Kommission Bericht der VI. Kommission über die Entwürfe eines Gesetzes betr. Änderungen der Konkursordnung sowie eines zugehörigen Einführungsgesetzes Konkursrecht Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Protokolle der Reichstagskommission von 1875/1876 Kraftfahrzeugsteuergesetz kritisch Kündigungsschutzgesetz Insolvenzordnung, Kommentar, hrsg v Karsten Schmidt, 20. Aufl 2023 Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung Körperschaftssteuergesetz Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen, seit 1989: Zeitschrift für Insolvenzrecht – Konkurs, Treuhand, Sanierung Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, hrsg v Bruno M. Kübler, 3. Aufl 2019 Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Bruno M. Kübler, Hanns Prütting, Reinhard Bork, Loseblatt Gesellschaftsrecht, Ulrich Noack, Sonderband 1 zu Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, 1998 Bank- und Kapitalmarktrecht, begr v Siegfried Kümpel, hrsg v Peter O. Mülbert, Andreas Früh, Thorsten Seyfried, 6. Aufl 2021 Konkursordnung, Kommentar, begr v Georg Kuhn, fortgef v Wilhelm Uhlenbruck, 11. Aufl 1994 Kostenerstattung und Streitwert Konkurs und Treuhandwesen Gesetz über das Kreditwesen Landesarbeitsgericht Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, hrsg v Jan Holthaus Dirk J. Lenhoff, 40. Aufl 2022 Lehrbuch des Schuldrechts Band II/2: Besonderer Teil/2. Halbband, begr v Karl Larenz, fortgef v Claus-Wilhelm Canaris, 13. Aufl 1994 Lehrbuch Handbuch des Leasingrechts, hrsg v Michael Martinek, Markus Stoffels, Susanne Wimmer-Leonhardt, 2. Aufl 2008 Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV), Kommentar, hrsg v Peter Leonhardt, Stefan Smid, Mark Zeuner, 2014 Landgericht Literatur littera/Buchstabe Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, begr v Lindenmaier und Möhring u.a., Loseblatt Lindenmaier-Möhring, Kommentierte BGH-Rechtsprechung, via beck-online Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung – ZVG, hrsg v Martin Löhnig, Andreas Gietl, via beck-online (hier zit als BeckOK ZVG) InsVV – GKG – RVG, Vergütung und Kosten in der Insolvenz, 3. Aufl 2017

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

LPartG LS LSG LStDV LuftfzRG LuftVG LwAnpG LwVfG LZ

Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuerdurchführungsverordnung Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Luftverkehrsgesetz Landwirtschaftsanpassungsgesetz Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m M, Mot

mit Motive zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches erster Lesung für das Deutsche Reich, Amtliche Ausgabe, Band 1 bis 5, 1888 EuInsVO 2015, Peter Mankowski, Michael F. Müller, Jessica Schmidt, 2016 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz – MarkenG) Grundgesetz, Kommentar, begr v Theodor Maunz, Loseblatt (ab 2021 udTDürig/Herzog/ Scholz) BVerfGG, Kommentar, begr v Theodor Maunz, Loseblatt (ab 2022 udT Schmidt-Bleibtreu)

Mankowski/Müller/Schmidt MarkenG Maunz/Dürig Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Bethge maW MDR mE Medicus/Petersen Meikel Mentzel/Kuhn Messerschmidt/Voit MietRRefG MittBayNot MittRhNotK mN Mönning Mohrbutter/Ringstmeier MoMiG Motive I Motive II Motive z Entw eines ZVG MünchAnwHdb MünchKomm AktG MünchKomm AnfG MünchKomm BGB MünchKomm HGB MünchKomm InsO MünchKomm VVG MünchKomm ZPO

mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Bürgerliches Recht, Dieter Medicus, Jens Petersen, 28. Aufl 2021 GBO, Grundbuchordnung, Georg Meikel, 12. Aufl 2020 Konkursordnung, begr v Franz Mentzel, fortgef v Georg Kuhn, 9. Aufl 1976 Privates Baurecht, hrsg v Burkhard Messerschmidt, Wolfgang Voit, 4. Aufl 2022 Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer mit Nachweisen Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz, hrsg v Rolf-Dieter Mönning, 3. Aufl 2016 Handbuch Insolvenzverwaltung, hrsg v Harro Mohrbutter, Andreas Ringstmeier, 10. Aufl 2021 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Begründung des Entwurfs einer Gemeinschuldordnung von 1873, 1873 Begründung des Entwurfs einer Konkursordnung von 1875 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nebst amtlichen Begründungen, 1889 Münchener Anwaltshandbuch Insolvenz und Sanierung, hrsg v Hans-Jörg Nerlich, Georg Kreplin, 3. Aufl 2019 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Wulff Goette, Mathias Habersack, Susanne Kalss, 4. Aufl 2016–2018, 5. Aufl 2019–2022 Münchener Kommentar zum Anfechtungsgesetz, hrsg v Hans-Peter Kirchhof, 2. Aufl 2022 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg v Franz Jürgen Säcker, Roland Rixecker, Bettina Limperg, 8. Aufl 2018 ff, 9. Aufl 2021 ff Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, herausgegeben von Karsten Schmidt, 4. Aufl 2019 ff Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg v Rolf Stürner, Horst Eidenmüller, Heinrich Schoppmeyer, 4. Aufl 2016 ff Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, hrsg v Theo Langheid, Manfred Wandt, 3. Aufl 2022 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg v Wolfgang Krüger, Thomas Rauscher, 6. Aufl 2020

XX

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

MuSchG Musielak/Voit MuW mwN

Mutterschutzgesetz ZPO, Kommentar, hrsg v Hans-Joachim Musielak, Wolfgang Voit, 19. Aufl 2022 Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen

N NdsRpfl Nerlich/Römermann Neuner

Nachweis(e/n) Niedersächsische Rechtspflege Insolvenzordnung (InsO), Kommentar, hrsg v Jörg Nerlich, Volker Römermann, Loseblatt Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, begr v Karl Larenz fortgef v Jörg Neuner, 12. Aufl 2020 neue Fassung; neue Folge Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Zivilrecht Neue Juristische Wochenschrift – Spezial (via Beck-online) Kommentar zum GmbH-Gesetz, hrsg v Ulrich Noack, Wolfgang Servatius, Ulrich Haas, 23. Aufl 2022 (bis 22. Aufl 2019 udT Baumbach/Hueck) Novelle Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Mietrecht

nF NJOZ NJW NJW-RR NJW-Spezial Noack/Servatius/Haas Nov Nr NRW, NW NZA NZG NZI NZM Obermüller Obermüller/Hess öffentl öJBl ÖJZ Österr. Oetker OFD Offerhaus/Söhn/Lange OGH OHG Olbing OLG OLG-NL OLGRspr OLGZ OWiG P PA PachtKrG Palandt Pannen/Riedemann/Smid Pape/Uhländer Pape/Reichelt/Schultz/VoigtSalus PartGG

XXI

Insolvenzrecht in der Bankpraxis, von Manfred Obermüller unter Mitwirkung von Karen Kuder, 9. Aufl 2016 InsO: Eine systematische Darstellung des neuen Insolvenzrechts, Manfred Obermüller, Harald Hess, 4. Aufl 2003 öffentlich Österreichische Juristische Blätter Österreichische Juristen-Zeitung Österreichisch(en/es) Kommentar zum Handelsgesetzbuch, hrsg v Hartmut Oetker, 7. Aufl 2021 Oberfinanzdirektion Umsatzsteuer, Kommentar, Loseblatt Oberster Gerichtshof (für die britische Zone) bzw. Oberster Gerichtshof Wien Offene Handelsgesellschaft Steuerrecht in der Insolvenz, 3. Aufl 2020 Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Protokolle zweiter Lesung zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches Patentamt Pachtkreditgesetz Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, begr von Otto Palandt, 80. Aufl 2021 (ab 81. Aufl 2022 udT Grüneberg) Kommentar zum Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG), hrsg v Klaus Pannen, Susanne Riedemann, Stefan Smid, 2021 NWB-Kommentar zum Insolvenzrecht, hrsg v Gerhard Pape, Christoph Uhländer, 2012 Insolvenzrecht, 3. Aufl 2022 Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

PatAnwO PatG Paulus EuInsVO PfandBG PflegeZG PflVG PlProt prAGO Prölss/Martin PrOVG Prütting/Gehrlein Prütting/Wegen/Weinreich PSV, PSVaG PucheltsZ RabelsZ RAG RAK Rattunde/Smid/Zeuner Rau/Dürrwächter RdA RdL RdTW Recht rechtskr RefE RegBl RegE Reischl Reul/Heckschen/Wienberg RFH RG RGBl RGes RGRK

RGSt RG Warn RGZ RHaftpflG Rh-Pf, RLP Rimmelspacher/Stürner RJA RL Rn RNotZ

Patentanwaltsordnung Patentgesetz EuInsVO, Christoph G. Paulus, 6. Aufl 2021 Pfandbriefgesetz Pflegezeitgesetz Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Stenographische Protokolle zu den Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages Allgemeine Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1815 Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, hrsg v Erich R. Prölss, Anton Martin, 31. Aufl 2021 Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts ZPO, Kommentar, hrsg v Hanns Prütting, Markus Gehrlein, 14. Aufl 2022 BGB, Kommentar, hrsg v Hanns Prütting, Gerhard Wegen, Gerd Weinreich, 17. Aufl 2022 Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit Zeitschrift für französisches Zivilrecht, begr v Puchelt Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr v Ernst Rabel Reichsarbeitsgericht Rechtsanwaltskammer Insolvenzordnung (InsO), Kommentar, hrsg v Rolf Rattunde, Stefan Smid, Mark Zeuner, 4. Aufl 2018 Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, hrsg v Günter Rau, Erich Dürrwächter, Hans Flick, Reinhold Geist, Loseblatt Recht der Arbeit Recht der Landwirtschaft Recht der Transportwirtschaft Das Recht (seit 1935 Beilage zur Deutschen Justiz) rechtskräftig Referentenentwurf, speziell: Referentenentwurf Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, hrsg v Bundesministerium der Justiz, 1989 Regierungsblatt Regierungsentwurf, speziell: Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks 12/2443, S 1 Insolvenzrecht, Klaus Reischl, 6. Aufl 2022 Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Adolf Reul, Heribert Heckschen, Rüdiger Wienberg, 3. Aufl 2022 Entscheidungen des Reichsfinanzhofs; amtliche Sammlung Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgesetz Das Bürgerliche Gesetzbuch: mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes; Kommentar, hrsg v Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, 12. Aufl 1975–1999 Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen; amtliche Sammlung Warneyer Rechtsprechung, Rechtsprechung der Reichsgerichte, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg v Warneyer Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen; amtliche Sammlung Reichshaftpflichtgesetz Rheinland-Pfalz Kreditsicherungsrecht, begr v Bruno Rimmelspacher, fortgef v Michael Stürner, 3. Aufl 2017 Reichsjustizamt, Entscheidungssammlung in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Richtlinie Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift

XXII

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

ROHG Röthel Rosenberg/Schwab/Gottwald Roth Rowedder/Pentz Rpfl RRL

Rs Rspr RStBl RT RT-Drucks Runkel/Schmidt RVG RVO s S sa SAE SächsArch SächsOLG SanInsFoG SARpfl Sarwey/Bossert Schapp/Schur Schaub ScheckG SchiffsBG Schmidt Schmidt COVInsAG – SRHWInsAG Schmidt GesellschaftsR Schmidt HandelsR Schmidt InsO Schmidt SanierungsR Schmidt-Futterer Schmitz Schnitger/Fehrenbacher SchRegO SchRG SchuldR SchuldRAnpG SeeArbG

XXIII

Reichsoberhandelsgericht, Entscheidungssammlung des Reichsoberhandelsgerichts Erbrecht, Anne Röthel, 18. Aufl 2020 Zivilprozessrecht, begr v Leo Rosenberg, fortgef v Karl Heinz Schwab, Peter Gottwald, 18. Aufl 2018 Insolvenzsteuerrecht, Jan Roth, 3. Aufl 2020 Kommentar zum GmbHG, begr v Heinz Rowedder, hrsg v Andreas Pentz, 7. Aufl 2022 Rechtspfleger; Der Deutsche Rechtspfleger Richtlinie (EU) 2019/1023 … vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Drucksachen des Reichstags (Nr, Wahlperiode, Jahr, Seite) Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, hrsg v Hans P. Runkel, Jens Schmidt, 4. Aufl 2022 Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) Reichsversicherungsordnung siehe Seite siehe auch Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozess (ab 14.1904: für Deutsches Bürgerliches Recht; 1.1891–15.1905) Annalen des sächsischen Oberlandesgerichts zu Dresden (von 1880 bis 1920) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz) Sächsisches Archiv für Rechtspflege Konkursordnung für das Deutsche Reich, Otto Sarwey, G. Bossert, 4. Aufl 1901 Sachenrecht, Jan Schapp, Wolfgang Schur, 4. Aufl 2010 Arbeitsrechts-Handbuch, hrsg v Günter Schaub, 19. Aufl 2021 Scheckgesetz Gesetz über Schiffsbanken (Schiffsbankgesetz) Einkommensteuergesetz, hrsg v Heinrich Weber-Grellet, 41. Aufl 2022 COVInsAG – SRHWInsAG Kommentar – Insolvenzaussetzung wegen COVID-19 bzw. Starkregenfällen/Hochwassern – Insolvenzanfechtung – Geschäftsleiterhaftung, hrsg v Andreas Schmidt, 2. Aufl 2022 Gesellschaftsrecht, Karsten Schmidt, 4. Aufl 2002 Handelsrecht, Karsten Schmidt, 6. Aufl 2014 Insolvenzordnung, Kommentar, hrsg v Karsten Schmidt, 20. Aufl 2023 Sanierungsrecht, hrsg v Andreas Schmidt, 2. Aufl 2019 Mietrecht, Kommentar, hrsg v Ulf Börstinghaus, 15. Aufl 2022 Die Bauinsolvenz, Claus Schmitz, 6. Aufl 2015 Kommentar Körperschaftsteuer, KStG, hrsg v Oliver Fehrenbacher, Arne Schnitger, 2. Aufl 2018 Schiffsregisterordnung Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffsrechtegesetz) Schuldrecht Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsanpassungsgesetz) Seearbeitsgesetz

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

SeeR SeuffArch SeuffBl SGB SGG SJZ Skauradszun/Fridgen Slg Smid Hdb InsR Smid Kreditsicherheiten Smid/Rattunde/Martini so Sölch/Ringleb Soergel sog Sonnleitner/Witfeld SozplG SozR Sp Spindler/Stilz SprAuG StaRUG Staub Staudinger Stb StBerG std Stein/Jonas Stephan/Riedel SteuerR StGB Stöber StPO str StuW StVG su teilw Thomas/Putzo ThürBl Tipke/Kruse Tipke/Lang Tit Toussaint TRG TzBfG

Seerecht Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Seufferts Blätter für Rechtsanwendung in Bayern Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristenzeitung StaRUG, Kommentar, hrsg v Dominik Skauradszun, Alexander Fridgen, 2022 (hier zit als beckOK StaRUG) Sammlung Handbuch Insolvenzrecht, Stefan Smid, 7. Aufl 2018 Kreditsicherheiten in der Insolvenz, Stefan Smid, 4. Aufl 2021 Der Insolvenzplan, 4. Aufl 2015 siehe oben Umsatzsteuergesetz, hrsg v Wilfried Wagner, Loseblatt Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Kommentar, 13. Aufl 2000 ff sogenannte(s/r) Insolvenzsteuerrecht, hrsg v Wolfgang Sonnleitner, Alexander Witfeld, 2. Aufl 2022 Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (bis 1998) Sozialrecht Spalte Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg v Gerald Spindler, Eberhard Stilz, 5. Aufl 2022, fortgef in BeckOGK AktG Sprecherausschussgesetz Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) Handelsgesetzbuch, Großkommentar, begr v Hermann Staub, 5. Aufl 2008 ff, 6. Aufl 2021 ff, hrsg v Stefan Grundmann, Mathias Habersack, Carsten Schäfer Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, mit angegebenem Bearbeitungsstand Steuerberater Steuerberatungsgesetz ständig(e) Kommentar zur Zivilprozessordnung, Friedrich Stein, Martin Jonas, 23. Aufl, 2014 ff Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung, Kommentar, 2. Aufl 2021 Steuerrecht Strafgesetzbuch Zwangsversteigerungsgesetz, Kommentar, Kurt Stöber, 23. Aufl 2022 Strafprozessordnung streitig Steuer und Wirtschaft Straßenverkehrsgesetz siehe unten teilweise ZPO, Kommentar, begr v Heinz Thomas, Hans Putzo, fortgef v Klaus Reichold, Carl Friedrich Nordmeier, Reiner Hüßtege, Christian Seiler, 43. Aufl 2022 Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt Abgabenordnung, Kommentar, Klaus Tipke, Heinrich Wilhelm Kruse, Loseblatt Steuerrecht, Klaus Tipke, Joachim Lang, 24. Aufl 2021 Titel Kostenrecht, Kommentar, hrsg v Guido Toussaint, 52. Aufl 2022 Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz) Teilzeit- und Befristungsgesetz

XXIV

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk

ErbStG, Kommentar, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz: ErbStG mit Bewertungsrecht und Verfahrensrecht, begr v Max Troll, hrsg v Dieter Gebel, Marc Jülicher und Paul Richard Gottschalk, 64. Aufl 2022

ua uä UBGG ÜG UFITA UG Uhlenbruck UmwG UrhG UrhR Urt USG

und andere(m) und ähnliche(s) Gesetz über Unternehmensbeteiligungen Überweisungsgesetz Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Insolvenzordnung, Kommentar, hrsg v Heribert Hirte, Heinz Vallender, 15. Aufl 2019–2020 Umwandlungsgesetz Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Urheberrecht Urteil Gesetz über die Sicherung des Unterhalts der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen und ihrer Angehörigen (Unterhaltssicherungsgesetz) Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

UStG UStR usw uU UWG v v Gerkan/Hommelhoff v Westphalen VAG Vallender Vallender/Undritz Var VerBAV VerbrKrG Verh VermA VermBG VermG VersR VerwZG VZS Vfg VG VGH vgl VglO VGS VIA Viskorf VO VOB/B VOBl Voraufl Vorbem

XXV

vom Handbuch des Kapitalersatzrechts, hrsg v Hartwin von Gerkan, Peter Hommelhoff, 2. Auflage 2002 Der Leasingvertrag, hrsg v Friedrich Graf von Westphalen, 7. Aufl 2014 Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) EuInsVO, hrsg v Heinz Vallender, 2. Aufl 2020 Praxis des Insolvenzrechts, hrsg v Heinz Vallender, Sven-Holger Undritz, 3. Aufl 2022 Variante Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen Verbraucherkreditgesetz (bis 2001) Verhandlungen Vermittlungsausschuss Fünftes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung (Bundes-)Verwaltungszustellungsgesetz Vereinigte Zivilsenate Verfügung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergleichsordnung Vereinigte Große Senate Verbraucherinsolvenz aktuell Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl 2022, bis 2019 udT Boruttau Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Verordnungsblatt Vorauflage Vorbemerkung

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

vorl VuR VVG VwGO VwVG

vorläufig Verbraucher und Recht Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung (Bundes-)Verwaltungsvollstreckungsgesetz

Warn WarnRspr

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Rechtsprechung des Reichsgerichts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg v Warneyer Waza/Uhländer/Schmittmann Insolvenzen und Steuern, Thomas Waza, Christoph Uhländer, Jens M. Schmittmann, 13. Aufl 2021 WEG Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) Westermann/Wertenbruch Handbuch Personengesellschaften, hrsg v Harm Peter Westermann und Johannes Wertenbruch, Loseblatt WG Wechselgesetz Wieczorek/Schütze Zivilprozessordnung und Nebengesetze, Goßkommentar, begr v Bernhard Wieczorek, hrsg v Rolf A. Schütze, 4. Aufl 2012 ff, 5. Aufl 2019 ff Wieling/Finkenauer Sachenrecht, Hans Josef Wieling, Thomas Finkenauer, 6. Aufl 2020 1. WiKG Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Wilhelm Sachenrecht, Jan Wilhelm, 7. Aufl 2021 Wimmer/Dauernheim/Wagner/ Insolvenzrecht, Handbuch des Fachanwalts, hrsg v Klaus Wimmer, Jörg Dauernheim, Gietl Martin Wagner, Josef Gietl, 8. Aufl 2018 WM Wertpapier-Mitteilungen (Teil IV, Wirtschafts-, Wertpapier- und Bankrecht) wN weitere Nachweise WoBindG Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz) Wolff/Raiser Sachenrecht, Martin Wolff, Ludwig Raiser, 10. Aufl 1957 WoPG Wohnungsbau-Prämiengesetz (1996) WPg Die Wirtschaftsprüfung WPO Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) WuB Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht WürttNotZ Zeitschrift des Württembergischen Notarvereins WuM Wohnungswirtschaft und Mietrecht z ZAkDR zB ZBB ZBlFG ZDG ZfA ZfB ZfbF ZfG ZfIR ZGR ZHR Ziff Zimmer ZIK ZInsO ZIP ZKW ZMR

zur Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Zivildienstgesetz Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (bis 1960: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht) Ziffer InsVV, Frank Thomas Zimmer, 2. Aufl 2021 Zeitschrift für Insolvenzrecht & Kreditschutz (Österreich) Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Miet- und Raumrecht

XXVI

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Zöller ZPO ZPR ZRI ZRP zust zutr ZVersWiss ZVG ZVI Zwanziger ZZP ZZPInt

XXVII

Zivilprozessordnung, Kommentar, begr v Richard Zöller, 34. Aufl 2022 Zivilprozessordnung Zivilprozessrecht Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz Zeitschrift für Rechtspolitik zustimmend zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Arbeitsrecht der Insolvenzordnung, Bertram Zwanziger, 5. Aufl 2015 Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess international: Jahrbuch des internationalen Zivilprozessrechts

ZWEITER ABSCHNITT Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger § 35 Begriff der Insolvenzmasse (1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). (2) 1Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. 2 § 295a gilt entsprechend. 3Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an. (3) 1Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. 2Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären. (4) 1Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. 2Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Materialien DiskE § 39; RefE § 39; RegE BT-Drucks 12/2443, § 42, Begr S 122; BT-Drs. 16/3227; BT-Drucks 19/25322.

Vorgängerregelungen § 1 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 18 ff, S 20 ff, Begr EKO S 14 ff; KO-Prot S 1 ff u 145 ff; M IV S 211 ff, 259, 291 ff, 787; MzEG (a 13 § 1) S 108 f; Begr z KONov 1898 S 22 ff, KomBer z KO-Nov 1898 S 1947.

Literatur Ahrens Die Novellierung von § 35 InsO, FS Gehrlein (2022) S 1; Blunk Zur Verwertbarkeit von Datenbeständen in der Insolvenz (2006); Dieckmann Zur Behandlung des „Neuerwerbs“ in: Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 127; Emmrich, Das Firmenrecht im Konkurs (1992); Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz (2006); Frotscher Besteuerung bei Insolvenz9 (2021); Geiger Insolvenz einer GmbH nach deutschem Recht und einer Société à responsabilité limitée nach französischem Recht (2008); Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters (2010); Grüneberg Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrats im Konkurs (1988); Gutsche Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren (2003); Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz (2005); Heilmann Aus welchen Gegenständen besteht die Konkursmasse? BB 1988, 1546; Hirte Die Insolvenz der Genossenschaft, FS Uhlenbruck (2000) S 637; Kalter Konkursrecht der GmbH, KTS 1955, 39 und 58; Kautz Die gesellschaftsrechtliche Neuordnung im künftigen Insolvenzrecht (1995); Kluth Die freiberufliche Praxis „als solche“ in der Insolvenz – „viel Lärm um nichts“?, NJW 2002, 186; Kuntz Die Kapitalerhöhung in der Insolvenz, DStR 2006, 519; Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive (2020); H-F Müller Der Verband in der Insolvenz (2002); Müsgen Die GmbH in Konkurs und Insolvenz, MittRhNotK 1997, 409; Neuwinger Die handelsrechtliche Personenfirma in der Insolvenz (2006); Oepen Massefremde Masse (1999); Paulus/Berg Daten als insolvenzrechtlicher Vermögenswert des Schuldners, ZIP 2019, 2133; Pech Die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse (1999); Pelz Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Insolvenz (1999); Prusko Die Gesellschafterstellung in der Insolvenz (2013); Raffel Die Verwertbarkeit der Firma im Konkurs (1993); Rödder Kompetenzbeschränkungen der Gesellschaftsorgane in der Insolvenz der GmbH (2006); Runkel Probleme bei Neuerwerb in der Insolvenz, FS Uhlenbruck (2000) S 315; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers (2006); K Schmidt Haftungsrealisierung in der Gesellschaftsinsolvenz, KTS 2001, 373; ders Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990); Skauradszun Kryoptowerte im Insolvenzverfahren des 1 https://doi.org/10.1515/9783110666175-001

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§ 35

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Anlegers oder Emittenten, ZIP 2021, 2610; Steinrötter/Bohlsen Digitale Daten und Datenträger in Zwangsvollstreckung und Insolvenz, ZZP 133 (2020), 459; Terbrack Die Insolvenz der eingetragenen Genossenschaft (1999); Uhlenbruck Die Firma als Teil der Insolvenzmasse, ZIP 2000, 401; Windel Sondermassen, ZIP 2019, 441; ders Die Verteilung der Befugnisse zur Entscheidung über Vermögenserwerb zwischen (Gemein-)Schuldner und Konkurs-(Insolvenz-)verwalter bzw Vollstreckungsgläubiger nach geltendem und künftigem Haftungsrecht, KTS 1995, 367; Zurth/Lersch Daten und Informationen als Teil der Insolvenzmasse, ZfDR 2021, 175.

Übersicht I. 1. 2. 3. 4. 5. II. 1.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

9. 10. 11.

Einleitung 1 Regelungsgehalt und Genese 2 Funktion des Massebegriffs Die Theorien vom Subjektwechsel und vom Kon3 kurspfandrecht 5 Haftungsrechtliche Zuweisung 7 Soll- und Istmasse 8 Grenzen des Vermögens Das Unternehmen a) Das Unternehmen als Massebestand9 teil b) Anfechtung der Unternehmensveräuße10 rung c) Fortführung des Unternehmens durch den 11 Insolvenzverwalter 12 d) Gewerbegenehmigungen 14 e) Besonderheiten bei Freien Berufen 19 Persönlichkeitsrechte 20 Die Firma 29 Geschäftsbezeichnungen Keine Übernahmehaftung nach §§ 25 HGB, 75 AO, 30 613a BGB 37 Marken 39 Versicherungen Urheberrecht a) Vermögens- und Persönlichkeits42 recht 43 b) Pfändbarkeit 44 c) Insolvenzrechtliche Folgen d) Originale, Vervielfältigungsstücke und Ko45 pien 46 e) Rechtsnachfolger des Urhebers 47 f) Verwandte Schutzrechte 48 g) Geldforderungen des Urhebers 49 h) Unterlassungsanspruch i) Werke im Eigentum des Schuldners, der 50 nicht Urheber ist 51 j) Computerprogramme 53 k) Filmwerke l) Vorrichtungen im Sinne des § 119 55 UrhG 56 Design 57 Gebrauchsmuster Patente 58 a) Grenzen der Massezugehörigkeit

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12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. III. 1.

2.

b) Vorbenutzungsrecht 59 60 c) Stellung des Schuldners d) Befugnisse des Insolvenzverwalters 62 Lizenzen 63 Bundesligalizenzen Sonstige persönliche Befugnisse, Abgren64 zung 65 Unterlassungsansprüche Befugnis zur Entbindung von der Schweige66 pflicht 67 Geschäftsgeheimnisse und Daten 69 Kryptowerte

61

Grenzen der Rechtszuständigkeit Allgemeines 70 a) Der Schuldner als Rechtsträger 71 b) Abgrenzung der Masse 73 c) Konzern 74 d) Masse als Sondervermögen Einzelheiten 75 a) Vertrag zugunsten Dritter b) Personalsicherheiten/ 76 Patronatserklärungen 77 c) Beiträge zur Sozialversicherung d) Versicherung mit Bezugsberechtigung eines 78 Dritten 81 e) Eintragung im Grundbuch f) Unterschlagung von Massebestandtei82 len 83 g) Lasten und Beschränkungen h) Treuhandverhältnisse, Kapitalanlagegesell84 schaften 88 i) Anwartschaften j) Auflösend bedingter, befristeter, schwebend und endgültig nichtiger Rechtser94 werb 95 k) § 817 S 2 BGB l) Beschränkung des Anspruchs durch den 96 Schuldner 97 m) Preisbindungsverträge n) Unter Patentverletzung hergestellte Wa98 ren o) Blankowechsel und Gefälligkeitsak99 zept 100 p) Kontokorrent 101 q) Formelle Legitimation 2

Begriff der Insolvenzmasse

IV. 1.

2.

Neuerwerb Begriff und Abgrenzung a) Dingliche Haftungszuordnung 103 b) Abgrenzung 121 Der eigentliche Neuerwerb a) Neuerwerb des Arbeitnehmers b) Neuerwerb des Selbständigen

102

122 129

V. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit (Abs 2–4) 131 Regelungszweck 133 Voraussetzungen 141 Anzeigepflicht des Schuldners 142 Erklärung des Verwalters 148 Rechtsfolgen 161 Revision durch die Gläubigerorgane

VI.

Streitigkeiten über die Massezugehörig166 keit

VII. Gesamtinsolvenzverfahren, Sonderinsolvenzverfahren und Sondermassen 168 1. Die gesetzlichen Regeln 2. Grundzüge des Sonderinsolvenzverfah174 rens 178 3. Sondermassen 180 4. Zweitverfahren

§ 35

VIII. Die Insolvenzmasse der Verbände 1. Allgemeines a) Maßgeblichkeit des Massebegriffs in 181 § 35 b) Einbeziehung pfändungsfreier Vermögensge182 genstände 183 c) Freigabe 186 d) Anfechtung 2. Kapitalgesellschaften 187 a) Einlageforderungen b) Besonderheiten bei Einlageforderungen aus 197 Kapitalerhöhungen aa) Kapitalerhöhung nach Verfahrenseröff198 nung bb) Die vor Verfahrenseröffnung beschlosse201 ne Kapitalerhöhung 207 cc) Genehmigtes Kapital 208 c) Nachschüsse 209 d) Nebenleistungspflichten 210 e) Rückgewähransprüche 214 f) Ersatzansprüche 230 3. Genossenschaft 237 4. Verein 239 5. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 240 6. Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit

Alphabetische Übersicht Abschlussprüfer 214 Abtretung von Einlageforderungen 196 Abtretungsverbot 96 actio pro socio 243 Anfechtung 5, 6, 10, 31, 71, 75, 79, 95, 96, 104, 120, 126, 164, 177, 178, 186 Anwartschaftsrecht 56, 88 ff, 104, 111 Abwickler 18, 214, 222 Arbeitnehmer 32, 122 ff Arbeitseinkommen 122 ff Aufrechnung, Einlegeforderungen 194 f Aufsichtsrat 214 ff, 222 f Auslagenerstattung 115 Auslandsvermögen 169 Ausübende Künstler 47, 54 Bedingung – auflösende 94 – aufschiebende 40, 88 ff, 93, 111, 112, 118 f, 142, 230 Befreiung von Einlagepflichten 193 Beitragspflichten 230, 239 Betriebsveräußerung 32 ff Bezugsrecht 78 ff BGB-Gesellschaft 171 Blankowechsel 99 Bundesligalizenz 63 Computerprogramme 51 f 3

Daten 68 Dienstbarkeit 182 Ehrenamtlicher Richter 175 Eigenkapitalersatz 203, 207 Eigenverwaltung 5, 16, 30, 224 Einlageforderungen 187 ff, 195 ff, 211 Eröffnungsbeschluss – als Vollstreckungstitel 167 Ersatzansprüche 106, 214 ff Ersatzfirma 25 Existenzvernichtungshaftung 215 Fälligkeit von Einlageforderungen 189 Fehlbetrag, anteiliger 230 Filmwerke 53 f Firma 20 ff, 182 Freigabe 6, 183 – der selbständigen Tätigkeit 1, 131 ff Früchte 104 f Gebrauchsmuster 57 Gefälligkeitsakzept 99 Genehmigtes Kapital 207 Genossenschaft 230 ff Gesamtgut 1, 170, 172, 177 Gesamtinsolvenzverfahren 168 ff Gesamtschaden 71, 228 Geschäftsbezeichnung 29 Müller

§ 35

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Geschäftsführer 135, 215 Geschäftsgeheimnisse 67 Geschmacksmuster 56, 62 Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 240 ff Gesellschafter, ausgeschiedener 178 Gesellschafterhaftung 229, 245 Gewerbegenehmigung 12 f Gläubigerausschuss 15, 132, 140, 161 f, 222 Gläubigerbenachteiligung 35, 128 Gläubigerversammlung 161 f, 222 Gleichbehandlungsgrundsatz 179, 191, 240 Grundbuch 81 Grundschuldbrief 101 Gründungshaftung 215 Güterverkehrserlaubnis 12 Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs 215 Haftung, konzernrechtliche 223 Handelsvertreter 119 Handwerksbetrieb 12 Hauptversammlung 207 Honorarforderung 14 ff, 153 Hypothek 4, 83, 101 Hypothekenbank 170, 178 Hypothekenbrief 101 Industriekreditbank 178 Insolvenzplan 15, 81, 124, 129, 157, 175 Istmasse 7 Kaduzierung 192 Kapitalanlagegesellschaft 84, 87, 170 Kapitalerhöhung 197 ff Kapitalerhöhungsprüfer 214 Kapitalgesellschaften 187 ff Kapitalkonto 242 Kommanditgesellschaft 171, 175 Kommanditistenhaftung 241, 245 Konkurspfandrecht 3 f Kontokorrent 100 Kredite 218 Kreditinstitute 12, 76 Kryptowerte 69 Landwirtschaftliche Rentenbank 170 Lebensversicherung 39 f, 78 ff, 178 Legitimation, formelle 101 Lichtbildner 47, 54 Liquidatoren 215 Lizenzen 62 Lohnsteuer 122 Maklerlohn 118 Marke 9, 37 Massearmut 232 Masselosigkeit 231 Masseunzulänglichkeit 231 Mitgliedsbeiträge 237 Nachgründung 214 Nachlassinsolvenzverfahren 27, 160, 170 ff Nachschüsse 208, 231

Müller

Nachschusspflichten 230 ff Namensrecht 19, 24 ff Nebenleistungspflichten 209 Negativerklärung 146, 149 Neuerwerb 1, 102 ff – des Arbeitnehmers 122 ff – des Selbständigen 129 ff – Neugläubiger 124 ff Nießbrauch 182 Notar 14 ff Nutzungen 104 f Öffentlich-rechtliche Kreditanstalt 170 Offene Handelsgesellschaft 171 Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens 185 Patent 58 ff, 98 Patientenkartei 14 Patronatserklärung 76 Persönlichkeitsrechte 19 ff Pfändungsschutz 48, 121 Pfandbrief 72, 170 Positiverklärung 146, 148 Preisbindungsverträge 97 Prozesskostenerstattung 114 Prozessunterbrechung 28, 227 Rechtsanwalt 14 ff Rechtskraft 167, 227 Rückgewähransprüche 210 ff Rückgewähr von Vergütungen 217 Scheingewinn 186, 210 Schiedsabrede 96 Schiffsbank 170 Schöffe 175 Schuldverschreibung 170, 178 Schweigepflicht 66 Sittenwidrigkeit 95 Sollmasse 7 Sonderinsolvenzverfahren 168 ff, 179 Sondermasse 178 ff Sonderprüfer 214, 216 Sondervermögen 74, 87, 170 f, 175, 177 Sozialversicherung 123 ff Steuerberater 14 ff Steuererstattungsanspruch 112 f Straftat 175 Streit um Massebestand 171 Surrogate 108 Tierarzt 14 ff Treuhand 84 ff – eigennützige 84 f – uneigennützige 86 Umwandlungsprüfer 214 Unfallversicherung 40, 78 ff Unterlassungsanspruch 19, 28, 38, 49, 65, 166 f Unternehmen 9 ff – Fortführung 11

4

Begriff der Insolvenzmasse

– Übernahme, Haftung 30 ff – Veräußerung, Anfechtung 10 Unterschlagung 82 Urheberrecht 42 ff Verarbeitung 110 Verband 181 ff Verbindung 109 Verein 237 f Vergleich 193, 220 ff Vergütungsanspruch 36, 48, 115, 117 f Vermischung 109 Vermögensrechte 8, 12, 19, 42, 56, 58 ff Versicherung 39 ff, 75 ff, 96, 104, 175 – eidesstattliche 175 Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 239 Vertrag zugunsten Dritter 75 – Vertragsstufe 152

§ 35

Verzicht 220 ff Vollabwicklung des Schuldnervermögens 183 ff Vollstreckungsschutz 182 Vertreter, besonderer 216 Vollmacht 92 Vollstreckungsverbot 31, 175, 177 Vorbehaltsurteil 116 Vorbenutzungsrecht 59 Vorkaufsrecht, dingliches 182 Vorstand 207, 214 ff Wechsel 101 Werkvertrag 117 Wirtschaftsprüfer 14 ff Zahnarzt 14 ff Zinsen 104 f, 189 Zuweisung, haftungsrechtliche 2, 5 f

I. Einleitung 1. Regelungsgehalt und Genese § 35 I definiert den Begriff der Insolvenzmasse. Sie umfasst grds das gesamte Vermögen des 1 Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erwirbt. Anders als in der Vorgängervorschrift des § 1 KO wird der sog. Neuerwerb (Rn 102 ff) mit einbezogen. Dadurch soll die Masse angereichert werden. Die Begriffsdefinition wird ergänzt durch eine Einschränkung bezüglich der nicht der Zwangsvollstreckung unterliegenden Gegenstände (§ 36) und eine Sonderregelung für das vom Insolvenzschuldner allein verwaltete Gesamtgut der Gütergemeinschaft (§ 37). Die erst nach Inkrafttreten der InsO sukzessive eingefügte Regelung des § 35 II–IV betrifft den Sonderfall der pauschalen Freigabe der selbstständigen Tätigkeit (Rn 131 ff). Zunächst wurde die bis dahin nicht in Absätze untergliederte Vorschrift des § 35 2007 durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens ergänzt um die Absätze 2 und 3.1 Abs. 2 betrifft die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Schuldner, Abs 3 aF die Anzeige dieser Erklärung gegenüber dem Insolvenzgericht. Mit Wirkung zum 1.1.2021 hat der Gesetzgeber dann in einem neuen Abs 3 spezielle Informationspflichten des Schuldners statuiert, der bisherige Abs 3 wurde zu Abs 4.2

2. Funktion des Massebegriffs Aus §§ 1 und 38 ergibt sich die Funktion der Masse im Insolvenzverfahren. Sie dient zur gemein- 2 schaftlichen, grds gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners, das ihm im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erwirbt, hat jetzt ausschließlich die Funktion der Gläubigerbefriedigung. Das Insolvenzverfahren dient dem Zweck, die Haftung der Masse für die Verbindlichkeiten des Schuldners zu verwirklichen. Die Insolvenzmasse wird deshalb mit der Verfahrenser-

1 Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (Vereinfachungsgesetz) vom 13.4.2007, BGBl I, 509. 2 Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020, BGBl I, 3328. 5

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§ 35

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

öffnung den Insolvenzgläubigern haftungsrechtlich zugewiesen.3 Die Realisierung der Haftung kann in unterschiedlicher Weise geschehen. Entweder durch Verwertung der Gegenstände des Schuldnervermögens, einschließlich einer Unternehmensveräußerung, und Verteilung des Verwertungserlöses oder durch Fortführung des Unternehmens unter Wahrung der Rechte der Gläubiger (§ 1).

3. Die Theorien vom Subjektwechsel und vom Konkurspfandrecht 3 Die rechtliche Konstruktion der haftungsrechtlichen Zuweisung ist unklar. Eine ältere gemeinrechtliche Lehre nahm an, dass die Masse mit der Eröffnung des Verfahrens auf die Gläubigergemeinschaft übergeht. Eine andere Auffassung, die auch in § 33, Titel 50 der preußischen AGO eine gesetzliche Stütze fand, ließ mit der Verfahrenseröffnung ein Konkurspfandrecht oder pfandrechtsähnliches Beschlagsrecht entstehen.4 Schon der Gesetzgeber der Konkursordnung wollte diesen Konstruktionen nicht folgen.5 Seine Vorstellungen sind in den Wortlaut der KO insofern eingegangen, als dieser die Annahme ausschloss, dass mit der Verfahrenseröffnung die Konkursmasse ihren Rechtsträger wechsele. Nach § 6 KO verlor der Gemeinschuldner lediglich die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Die Konkursmasse war also nach wie vor Vermögen des Gemeinschuldners. Sie wurde weder Vermögen der Gläubiger noch selbständiger Rechtsträger.6 Die Insolvenzordnung hat daran nichts geändert. Nach wie vor bleibt die Insolvenzmasse Vermögen des Schuldners, der nach § 80 I lediglich das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen verliert.7 4 Zur Theorie vom Konkurspfandrecht oder Beschlagsrecht enthält die Insolvenzordnung ebenso wenig wie die Konkursordnung eine eindeutige Stellungnahme. Die Gegenargumente in der Begründung zum Entwurf der KO,8 die von Ernst Jaeger aufgenommen und vertieft wurden,9 überzeugen nicht voll. Man sah in dem Konkurspfandrecht eine Form der Generalhypothek, die man mit der Konkursordnung restlos überwunden wissen wollte. Pfandrechte müssten dem Publizitäts- und dem Spezialitätsprinzip genügen, beiden Prinzipien widerstreite die Annahme eines Konkurspfandrechts oder Beschlagsrechts. Mit dieser Argumentation wurde aber der Zweck der genannten Prinzipien verkannt. Das Publizitäts- und das Spezialitätsprinzip dienen der Rechtsklarheit im Interesse derjenigen, die Kredit gewähren wollen und deshalb auf eine klare und übersichtliche Haftungslage Wert legen. Sie berücksichtigen ferner die Interessen derjenigen, die Rechte vom Schuldner erwerben und dabei wissen müssen, ob der erworbene Gegenstand noch für Schulden des Veräußerers haftet. Da aber im Konkurs- und im Insolvenzverfahren niemand mehr freiwillig Kredit gewährt und ein rechtsgeschäftlicher Erwerb aus der Masse eine Verfügung des Verwalters voraussetzt, der stets haftungsfrei veräußert, besteht in der besonderen Situation des Insolvenzverfahrens kein schutzwürdiges Interesse an der Einhaltung der genannten Prinzipien in der Form, wie sie für die Haftungslage werbender Vermögen geboten ist. Es genügt zur Publizität, dass die Verfahrenseröffnung bekannt gemacht wird; die für das Insolvenzverfahren angemessene „Spezialität“ wird dadurch erreicht, dass nach §§ 35–37 das Vermögen, das den Verfah3 Bork ZRI 2022, 845, 847; Henckel FS Weber (1975) S 238, 252; BeckOK/Kirchner InsO26 § 35 Rn 4a; Kübler/Prütting/Bork/ Holzer InsO87 § 35 Rn 10; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 22; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 6. 4 Kohler Lehrbuch S 99 ff; Hellmann Deutsches Konkursrecht 1907 S 622–646; Seuffert Zur Geschichte und Dogmatik des Deutschen Konkursrechts (1888) S 20–49, 76–182; ders Deutsches Konkursprozessrecht (1899) S 151–155, 385, 434, mit Hinweisen auf die Quellen und die Literatur. 5 Begründung des Entwurfs S 15 f, Hahn S 45. 6 Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 2. 7 HK/Ries InsO10 § 35 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 4; 80 Rn 6, 9; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 22; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 10; K Schmidt/Sternel Inso20 § 80 Rn 6, 9; Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/ Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 71 f; FK/Bornemann InsO9 § 35 Rn 6. 8 S 15 ff. 9 Jaeger KO6/7 § 3 Rn 48, Jaeger/Lent KO8 Vorbem II 1 zu §§ 6–9. Müller

6

Begriff der Insolvenzmasse

§ 35

renswirkungen unterliegt, fixiert wird. Freilich ist der Begriff des Pfandrechts in unserer Zivilrechtsordnung anderweitig belegt, und auch das Pfändungspfandrecht kann wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Einzelvollstreckung und des Insolvenzverfahrens mit dessen Rechtsfolgen nicht schlechthin gleichgestellt werden. Deshalb sollte man den Begriff des Konkurspfandrechts oder des Insolvenzpfandrechts vermeiden. Was die Theorie vom Konkurspfandrecht oder Beschlagsrecht der Sache nach zutreffend ausdrücken wollte, wird besser erfasst, wenn man die haftungsrechtlichen Folgen des Insolvenzverfahrens dahin umschreibt, dass die Insolvenzmasse den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen ist. Der Vorgang wird verbreitet auch als Insolvenzbeschlag bezeichnet.10 Aus dem Vergleich mit anderen Formen haftungsrechtlicher Zuweisung (Pfandrecht, Hypothek, Mobiliarpfandrecht, Grundstücksbeschlagnahme in der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung zugunsten eines persönlichen Gläubigers) lassen sich trotz der nicht zu leugnenden Unterschiede für die Lösung insolvenzrechtlicher Probleme durchaus wichtige Erkenntnisse gewinnen.11

4. Haftungsrechtliche Zuweisung Mit der heute weitgehend anerkannten Formel „Haftungsrechtliche Zuweisung“ ist folgendes ge- 5 meint: Normalerweise ist mit dem Innehaben eines Rechts eine Vielzahl von Befugnissen und Funktionen verbunden: Der Eigentümer einer Sache darf sie benutzen und nutzen, verbrauchen, verarbeiten, zerstören, er darf über sie verfügen und durch die Verfügung Verbindlichkeiten erfüllen; die Sache haftet seinen Gläubigern für ihre Forderungen. Außerhalb des Insolvenzverfahrens konkurriert das Zugriffsrecht des Gläubigers auf die haftende Sache mit Gebrauchs- und Verfügungsrechten des Eigentümers. Hat dieser die Sache verbraucht oder veräußert, so ist sie dem Gläubigerzugriff – vorbehaltlich der Gläubigeranfechtung – entzogen. Deshalb fehlt es an einer dinglich wirksamen Haftungszuweisung so lange, bis dem Eigentümer die Verfügungs- und Verbrauchsbefugnis durch Pfändung entzogen ist. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dagegen verdrängt die Haftungsfunktion alle Eigentümerbefugnisse. Damit die Masse der Gläubigerbefriedigung dienen kann (§§ 1, 38), wird dem Schuldner jede Eigentümerbefugnis genommen (§ 80 I). Der Schuldner darf die Haftungsfunktion seiner Vermögensgegenstände nicht durch Rechtshandlungen vereiteln. Das gilt auch bei der Eigenverwaltung (§§ 270 ff). Das dem Schuldner hier verbleibende Verwaltungs- und Verfügungsrecht, das er unter Aufsicht des Sachwalters ausübt, unterscheidet sich von dem Recht eines nicht im Insolvenzverfahren stehenden Rechtsträgers. Es ist zweckgebundenes Recht, dient allein den Zielen des Insolvenzverfahrens, also der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1). Ebenso wie der Insolvenzverwalter übt der Schuldner als Eigenverwalter die Eigentümerbefugnisse nur zu dem Zweck der Gläubigerbefriedigung aus. Die Massegegenstände haben jetzt nur noch Haftungsfunktion. Diese ist als ausschließliche Funktion von Rechts wegen abgesichert.12 Deshalb kann man von einer ausschließlichen haftungsrechtlichen Zuweisung der Masse an die Gläubiger sprechen, die mit der fortbestehenden Rechtsträgerschaft des Insolvenzschuldners ebenso vereinbar ist wie die haftungsrechtliche Zuweisung in Gestalt eines Pfandrechts mit dem fortbestehenden Eigentum des Verpfänders. Der Begriff der Insolvenzmasse umschreibt also die Grenzen der haftungsrechtlichen 6 Zuweisung. Weil nur Vermögensgegenstände haften, umfasst die Masse nur Vermögensrechte (unten II). Weil nur das Vermögen des Schuldners für seine Verbindlichkeiten haftet, gehören zur Masse nur Rechte des Insolvenzschuldners (unten III). Diese muss er vor der Eröffnung des 10 S etwa BGH NJW 2019, 2156 Rn 39; BVerwG NVwZ 2021, 80 Rn 24; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 4; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 22; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 35 Rn 4; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 6. 11 Henckel FS Weber (1975) S 237 ff. 12 Zum verfassungsrechtlichen Schutz gegen Einschränkungen der Zuweisung durch rückwirkendes Gesetz: BGH ZIP 1999, 610, dazu EWiR § 1 a StaatsbankG 1/99, 907 (Eckert). 7

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Insolvenzverfahrens oder im Laufe des Verfahrens erworben haben (zum sog. Neuerwerb s IV). Durch die Anfechtung (§§ 129 ff) wird die Haftungsmasse erstreckt auf Gegenstände, die der Schuldner anfechtbar weg- oder aufgegeben hat. Der von dem Dritten anfechtbar erworbene Gegenstand bleibt den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen, obwohl die Rechtszuständigkeit des Gemeinschuldners beseitigt ist.13 Weil dem Haftungszugriff nur pfändbare Gegenstände unterliegen, beschränkt sich die Masse auf pfändbares Vermögen (§ 36). Pfändungsbeschränkungen, die nur für die Einzelvollstreckung sinnvoll sind, entfallen aber im Insolvenzverfahren (§ 36 II). Der Insolvenzverwalter kann die haftungsrechtliche Zuweisung aufheben, indem er einen Massegegenstand freigibt. Die Freigabe (vgl § 32 III S 1) bedeutet, dass der Insolvenzbeschlag erlischt und der Schuldner die Verfügungsbefugnis zurückerhält. Die betroffenen Gegenstände scheiden aus der Insolvenzmasse aus und unterliegen ebenso wie das von vorneherein insolvenzfreie Vermögen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners.14

5. Soll- und Istmasse 7 Da die haftungsrechtliche Zuweisung nach rechtlichen Kriterien erfolgt, kann Massebestandteil nur sein, was dem Schuldner von Rechts wegen gehört. Ob der Insolvenzverwalter die Massebestandteile schon in Besitz genommen hat, ist belanglos. Umgekehrt unterwirft eine Besitz- oder Inanspruchnahme für die Masse durch den Verwalter haftungsfreie Gegenstände – Vermögen dritter Personen oder unpfändbares Vermögen des Schuldners – nicht dem Insolvenzverfahren und begründet nicht ihre Massezugehörigkeit. Wenn § 86 I Nr 1 noch von der Aussonderung eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse spricht, so ist der Begriff der Insolvenzmasse hier anders zu verstehen als in §§ 35–37 und allen anderen Bestimmungen des Gesetzes, in denen der Begriff der Insolvenzmasse gebraucht wird.15 Aussonderung bedeutet, dass die Massefreiheit von Gegenständen geltend gemacht wird, die der Insolvenzverwalter in Besitz genommen hat oder für die Masse in Anspruch nimmt. Sie setzt also gerade voraus, dass diese Gegenstände nicht zur Masse gehören. Es ist also nicht korrekt, wenn das Gesetz in § 86 I Nr 1 noch von der Aussonderung aus der Konkursmasse spricht. Da der Gesetzgeber in §§ 47 und 48 eine entsprechende unkorrekte Verwendung des Begriffes der Konkursmasse aus den §§ 43 und 46 KO nicht übernommen hat16 und § 50 den Massebegriff korrekt gebraucht,17 weil die Absonderungsrechte zum Vermögen des Schuldners gehören, beruht die Formulierung des § 86 I Nr 1 wohl auf einem Versehen. Um den unterschiedlichen Sprachgebrauch deutlich zu machen, mag man für § 86 I Nr 1 noch den zu §§ 43 und 46 KO entwickelten Begriff der „Istmasse“ verwenden, der dann alle Gegenstände bezeichnet, die der Insolvenzverwalter tatsächlich im Verwaltungsbesitz hat oder für die Masse in Anspruch nimmt. Die Masse als Inbegriff aller Gegenstände, die von Rechts wegen vom Insolvenzverfahren erfasst (§ 35) und den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen sind (§ 38), kann man demgegenüber „Sollmasse“ nennen. Abgesehen von § 86 I Nr 1 wird im Gesetz unter Insolvenzmasse stets die „Sollmasse“ verstanden. Die „Sollmasse“ und die „Istmasse“ können voneinander abweichen, wenn der Insolvenzverwalter Gegenstände im Besitz hat oder für die Masse in Anspruch nimmt, die nicht zur Sollmasse gehören, oder wenn er einen Gegenstand, der zur „Sollmasse“ gehört, nicht in seine Verwaltung einbezieht, etwa weil der Schuldner oder ein Dritter den Gegenstand verheimlicht oder beiseite geschafft hat. Zwar ist es die Aufgabe des Verwalters, durch Sammlung aller eine Verwertung lohnenden Zugriffsgegenstände die tatsächlichen und die rechtlichen Grenzen der Masse in Einklang zu bringen (§§ 35, 38, 60, 148, 159), also die „Istmasse“ zur 13 S § 143 Rn 23 ff. 14 BGH NZI 2018, 275 Rn 6; ausdrücklich geregelt in § 119 V der österreichischen Insolvenzordnung; näher § 80 Rn 28 ff. 15 Zum prozessbezogenen Begriff der Insolvenzmasse in § 85 I s dort. 16 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 10; anders MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 20. 17 AA wiederum MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 20. Müller

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„Sollmasse“ zu machen, doch wird ihm dies nicht immer gelingen. (Zu den Rechtsfolgen einer Verfügung des Verwalters über ein massefremdes Recht siehe zu § 80.)

II. Grenzen des Vermögens Weil die Insolvenzmasse nur das den Gläubigern haftende Vermögen18 umfasst, der Haftung aber 8 nur Vermögenswerte unterliegen, können nur diese in die Masse fallen. Ob sie im Privatrecht oder öffentlichen Recht begründet sind, ist unerheblich. Vermögen einer Person sind deren (bewegliche und unbewegliche) Sachen und geldwerten Rechte und Güter, vorbehaltlich gewisser Unterschiede bei der Verwendung des Begriffes in einzelnen Vorschriften.19 So können auch tatsächliche materielle Werte vom Vermögensbegriff umfasst sein (Rn 9). Vermögensrechte sind alle Rechte, die einen von der Rechtsordnung anerkannten20 Geldwert haben können.21

1. Das Unternehmen a) Das Unternehmen als Massebestandteil. Einen Inbegriff von Vermögenswerten rechtlicher 9 und tatsächlicher Art stellt das Unternehmen des Schuldners dar, einerlei ob es sich um ein kaufmännisches oder um ein anderes gewerbliches oder ein freiberufliches (s. Rn 14 ff) Unternehmen handelt.22 Die InsO verwendet den Begriff des Unternehmens in zahlreichen Vorschriften. So ist in §§ l und 156 von der Erhaltung des Unternehmens, in §§ 19, 22, 157, 228, 230 und 260 von seiner Fortführung, in §§ 157, 158 von seiner Stilllegung, in §§ 160, 162 und 163 von seiner Veräußerung und in § 229 von seiner Zahlungsunfähigkeit die Rede. Soweit die Veräußerung des Unternehmens angesprochen wird, umfasst der Begriff nur aktive, nicht auch passive Vermögensbestandteile. Die Bestandteile des Unternehmens können Gegenstand eines einheitlichen Schuldvertrags (einheitlichen Verkaufs, s. § 453 I 1 Alt 2 BGB, einheitlicher Verpachtung) werden. Das gilt nicht nur für Sachen (zB Betriebsgebäude, Warenvorräte, Einrichtung) und Rechte, wie zB für Außenstände, Rechte an Marken und geschäftlichen Bezeichnungen, Patente, dingliche Lizenzen, Vorbenutzungsrechte im Sinne des § 12 PatG (§ 27 ErstrG), sondern auch für tatsächliche Werte, die für das Unternehmen gewonnen worden sind, wie zB Kundschaft, günstige örtliche Lage, Wertung im Verkehr, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Produktionsverfahren, eigene Datenverarbeitungsprogramme, Kenntnis der Bezugs- und Absatzquellen, ohne Rücksicht darauf, ob in der Einzelzwangsvollstreckung ein gesonderter Gläubigerzugriff zulässig wäre.23 Die Grenzen der Einzelzwangsvollstreckung und des Vermögensbeschlags durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens decken sich hier nicht. Die Einzelzwangsvollstreckung muss darauf Bedacht nehmen, dass dem Unternehmen einzelne Werte untrennbar zugeordnet sind und deshalb nicht durch Pfändung und Verwertung von ihm gelöst werden können. Das Insolvenzverfahren dagegen erfasst das Unternehmen im Ganzen.24 Um die Verschaffungspflicht eines Unternehmensverkäufers zu erfüllen, muss der Insolvenzverwalter die rechtlichen Unternehmensbestandteile durch die im einzelnen zur Übertragung erforderlichen 18 Zum Vermögensbegriff v Tuhr AllgT § 18; Neuner AllgT12, § 26 Rn 15 ff; BeckOGK/Mössner BGB (Stand: 1.3.2021) § 90 Rn 133; Staudinger/Stieper BGB (2021) § 90 Rn 74 f.

19 Medicus AllgT des BGB6, Rn 1198; Staudinger/Stieper BGB (2021) § 90 Rn 74. 20 So hat zB das elterliche Sorgerecht keinen Vermögenswert, mag auch im Einzelfall versucht werden, es abzukaufen.

21 Nicht vorausgesetzt ist, dass sie im konkreten Fall einen solchen haben, insoweit richtig Enneccerus/Nipperdey § 78 II. 22 Zum Unternehmensbegriff: BeckOGK/Mössner BGB (Stand: 1.3.2021) § 90 Rn 141 ff; Staudinger/Stieper BGB (2021) § 90 Rn 81 ff. 23 OLG Frankfurt/M ZIP 2015, 1755, 1756. 24 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 70; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 532; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 268 f. 9

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Rechtsgeschäfte (zB durch Übereignung von Waren, Rohstoffen, Maschinen, durch Abtretung von Forderungen) dem Käufer zuführen, während ihm die tatsächlichen Werte durch Empfehlung, Auskunft und sonstige geeignete Handlungen zugänglich zu machen sind. Eine einheitliche rechtsgeschäftliche Verfügung über das Unternehmen gibt es nicht, wie auch die ZPO keine einheitliche Unternehmenspfändung kennt.25

10 b) Anfechtung der Unternehmensveräußerung. Hatte der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Unternehmen veräußert, so kann der Gesamtvorgang eine iSd §§ 129 ff anfechtbare Handlung darstellen. Der Erwerber hat dann die noch bei ihm vorhandenen Unternehmensbestandteile nach § 143 I S 1 zur Insolvenzmasse zurückzugewähren; im Übrigen haftet er auf Wertersatz (§ 143 I S 2 mit § 818 II BGB).26 Eine Surrogation der Art, dass die jeweiligen Unternehmensbestände den Gegenstand der Rückgewähr bildeten, lässt sich weder aus dem Begriff des Unternehmens noch aus den Regeln der Insolvenzanfechtung begründen. Sie würde auch, wenn etwa ein Nachfolger das erworbene Unternehmen erfolgreich geführt hat, nicht der Billigkeit entsprechen. Zutreffend nimmt daher die Rechtsprechung an, dass die Einzelanfechtung nach dem AnfG nicht auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die „jetzigen“ Unternehmensbestände gerichtet werden kann.27 Der anfechtungsberechtigte Einzelgläubiger hat Wiedererschließung des Zwangszugriffs auf die noch vorhandenen beschlagsfähigen Unternehmensbestandteile und Wertersatz zu beanspruchen, nicht aber Rückgewähr des Unternehmens als einer „Betriebseinheit“, als „eines einheitlichen und selbständigen immateriellen Gutes“, wie dies noch das OLG Dresden in einer älteren Entscheidung28 angenommen hat. Allerdings besteht eine Gewinnherausgabepflicht, sofern der Gewinn nicht auf den persönlichen Leistungen oder Fähigkeiten desjenigen beruht, der die Einnahmen erzielt hat.29

11 c) Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter. Da das Unternehmen, wie es der Schuldner bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibt, im Ganzen zur Insolvenzmasse gehört, muss die Weiterführung eines schon zur Zeit der Verfahrenseröffnung betriebenen Unternehmens und die Verfolgung von Abwehransprüchen zum Schutze der gewerblichen Betätigung dem Insolvenzverwalter jedenfalls insoweit zustehen, als die Fortführung und Verwertung durch ihn nach der Natur des Unternehmens möglich ist, dem Interesse der Masse dient und gewerberechtlich statthaft ist. Nach § 158 ist er grds verpflichtet, das Unternehmen wenigstens bis zum Berichtstermin (§ 156) fortzuführen.

12 d) Gewerbegenehmigungen. Ob die öffentlich-rechtliche Befugnis zum Betrieb eines Gewerbes zur Masse gehört, wenn der Gewerbetreibende einer besonderen Genehmigung (zB §§ 30 ff GewO) bedarf, ist streitig. Die hM lehnt dies ab, wenn die Erlaubnis personenbezogen ist, also an die Person des Inhabers geknüpft ist. Das wird damit begründet, dass die Erlaubnis dann weder übertragbar noch pfändbar ist.30 So soll eine Güternahverkehrserlaubnis,31 eine Spielbankerlaubnis,32 die Genehmigung

25 RGZ 70, 226, 227 f; 95, 235, 237; BGHZ 32, 103, 105 = NJW 1960, 1008, 1009; BGH KTS 1962, 252; BGH DB 1981, 365; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 532; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 269. 26 Näher § 129 Rn 71 ff sowie K Schmidt BB 1988, 5 ff. 27 RGZ 70, 226 ff; 95, 235, 237 f; BGH KTS 1962, 252; BGH DB 1964, 67. 28 OLG Dresden LZ 1910, 332 ff, vgl Weimar MDR 1964, 566 f. 29 Vgl zu § 987 BGB BGHZ 7, 208, 217 f; 63, 365, 368 = JR 1975, 324 mit Anm von Bassenge. 30 S BVerwGE 32, 316 = MDR 1970, 80: Schulz GewArch 1959, 73, 76; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 70; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 582; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 270. 31 BVerwGE 32, 316 = MDR 1970, 80. 32 OVG Magdeburg NZI 2014, 519, 520 f. Müller

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für Krankentransportfahrten nach dem Rettungsgesetz NRW,33 eine Gaststättenerlaubnis34 oder auch die Genehmigung zur Erbringung von Flugdiensten35 aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit nicht in die Masse fallen, anders wird dies für die Taxikonzession wegen § 2 II, III PBefG gesehen.36 Unstreitig erfasst der Insolvenzbeschlag Sachgenehmigungen, zB für Anlagen nach §§ 4 ff BImSchG, denn die Genehmigung ist nicht an die Person des Schuldners gebunden und bleibt auch nach Veräußerung des Gegenstandes, auf die sie sich bezieht, bestehen.37 Die Differenzierung der hM ist fragwürdig, denn ohne die Gewerbeerlaubnis ist eine Fortführung des Unternehmens zur Erhaltung des in ihm verkörperten Werts nicht möglich. Das spricht dafür, das Unternehmen als Einheit zu betrachten und auch personenbezogene Genehmigungen nicht aus der Masse herauszulösen. In ihren praktischen Ergebnissen unterscheiden sich die beiden Ansätze allerdings nur wenig. Denn auch wenn man mit der hier präferierten Auffassung die Massezugehörigkeit bejaht,38 kann der Verwalter die personenbezogene Erlaubnis nicht durch Veräußerung verwerten, auch nicht bei Verkauf des ganzen Unternehmens.39 Der Unternehmenserwerber bedarf einer neuen, eigenen Erlaubnis.40 Der Insolvenzverwalter kann auch nicht ohne weiteres für die Fortführung des Betriebes selbst von der Erlaubnis Gebrauch machen (sog Fortführungskompetenz), sondern nur im Rahmen zulässiger „Vertretung“, die eine Vertretererlaubnis voraussetzt.41 Ansonsten ist er auf die Mitwirkung des Schuldners angewiesen. Eine Stellvertretungsmöglichkeit sehen zB § 9 GastG oder § 45 GewO vor, der auch für Handwerksbetriebe gilt. Die Erlaubnis erlischt nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.42 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solche stellt nach der GewO und dem GaststG keinen Grund zum Widerruf der Erlaubnis dar. Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, finden gem § 12 S 1 GewO während des Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO angeordnet sind, während der Planüberwachung (§ 260 InsO) und uU auch bei Anhängigkeit einer Restrukturierungssache nach dem StaRUG keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens ausgeübt wurde.43 Anders ist es bei einer nach Abs 2 freigegebenen selbstständigen Tätigkeit des Gewerbetreibenden, wenn dessen Unzuverlässigkeit mit Tatsachen begründet wird, die nach der Freigabe eingetreten sind (§ 12 S 2 GewO).44 Auch ändert § 12 GewO nichts daran, dass der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist. Daher bewirkt ein erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren nicht die nachträgliche Rechtswidrigkeit einer Gewerbeuntersagung wegen einer auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruhenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden.45 Dieser ist darauf verwiesen, bei begründeten Sanierungsaussichten einen Antrag auf Wiedergestattung gem § 35 VI GewO zu stellen. Die Sperrwirkung des § 12 GewO erstreckt sich nicht auf den Vertretungsberechtigten eines Gewerbetreibenden (etwa den Geschäftsführer der schuldnerischen GmbH); gegen diesen kann daher eine Untersagungsverfügung nach § 35a VIIa GewO weiterhin verhängt werden.46 Bei Personengesellschaften soll nach hM die Untersagungsverfügung nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die geschäftsführenden Gesellschafter zu richten sein, weil diese als 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 11

OVG Münster GA 2003, 73. Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 119. Redeker NZI 2017, 428, 433 f. VGH Mannheim NVvZ 1993, 445, 446; VG Aachen ZInsO 2010, 147; VG Düsseldorf NZI 2016, 592, 593. MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 588; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 270. Offengelassen in der Vorauflage; s schon Sello JR 1951, 618 ff; Bitter BayVBl 1972, 203. S im Einzelnen Bitter/Laspeyres ZIP 2010, 1157, 1158 ff. Bitter/Laspeyres ZIP 2010, 1157, 1159; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 270. BVerwGE 32, 316 = MDR 1970, 80; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 119; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 271. Bitter BayVBl 1972, 202 f; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 582; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 271. Dazu Antoni NZI 2003, 249 ff und Hatwig ZinsO 2003, 646. Dazu VGH München NZI 2022, 88. BVerwGE 152, 39 = NZI 2015, 776; OVG Sachsen ZinsO 2022, 1301. VGH Kassel NZG 2012, 183; VG Gießen GewA 2011, 439; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 272. Müller

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gewerbebetreibend iSd Gewerberechts angesehen werden.47 Diese tradierte Auffassung ist mit der (Teil-)Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften schwerlich zu vereinbaren. Sie schließt aber die Anwendung des § 12 GewO aber auch dann nicht aus, wenn nur über das Vermögen der Gesellschaft, nicht aber über das der geschäftsführenden Gesellschafter das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Denn diese betreiben das Gewerbe jedenfalls für die insolvente Gesellschaft.48 Bei einer gegen den Insolvenzschuldner gerichteten gewerberechtlichen Untersagung nach § 35 GewO49 wird, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen, dem Insolvenzverwalter oder dem von ihm bestellten Betriebsleiter eine „Stellvertreter“-Erlaubnis zu erteilen sein, ohne dass es eines Antrags des Schuldners bedarf. Das Antragsrecht steht dem Verwalter zu. Eine Rücknahme der Erlaubnis kann nicht auf „Eigenschaften“ des Schuldners gestützt werden, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen fortführt. Vereinzelt wird die Fortführung des Gewerbebetriebs durch den Insolvenzverwalter gewerberechtlich ausgeschlossen. So hat nach § 47 GewO die zuständige Behörde in jedem Einzelfall zu entscheiden, inwiefern für die nach §§ 31, 33i, 34, 34a, 34 b, 34c, 34d, 34f, 34h und 36 GewO konzessionierten Personen eine Stellvertretung zulässig ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Fortführung nicht behindert werden sollte. Für Kreditinstitute gilt § 45 GewO nicht (§ 34 I KWG). Das Bundesaufsichtsamt kann bei Insolvenzgefahr die Erlaubnis aufheben (§ 35 II Nr 4 KWG) und einstweilige Maßnahmen treffen (§§ 46 I KWG, § 36 SAG) und notfalls auch die Schließung der Bankschalter anordnen. Die Fortführung eines Kreditinstituts im Insolvenzverfahren ist praktisch ausgeschlossen. Durch das nach der Finanzmarktkrise eingeführte Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz stellt der Gesetzgeber daher ein spezielles Sanierungsverfahren für Banken bereit.50 Soweit, wie im Regelfall, eine dem Insolvenzschuldner erteilte Gewerbeerlaubnis fortbe13 steht, kann der Insolvenzverwalter das Gewerbe als „Stellvertreter“ ausüben (§ 45 GewO, § 9 GaststG). Der Begriff „Stellvertreter“ ist hier nicht technisch zu verstehen. Er umfasst auch Amtsverwalter,51 so dass es auf den Theorienstreit zur Stellung des Insolvenzverwalters (§ 80 Rn 11 ff ) nicht ankommt.52 Der Stellvertreter iSd §§ 45 GewO, 9 GaststG muss jedoch den für das Gewerbe vorgeschriebenen Erfordernissen genügen. Diesen wird der Insolvenzverwalter häufig nicht gerecht werden, und es wäre unangebracht, mit Rücksicht auf eine evtl Fortführung des Unternehmens im Insolvenzverfahren den Verwalter danach auszuwählen, ob er den gewerberechtlichen Erfordernissen genügt. Ein guter Gastwirt oder Schmied ist noch kein guter Insolvenzverwalter. Abhilfe lässt sich dadurch schaffen, dass der Insolvenzverwalter einen nach § 45 GewO, § 9 GaststG geeigneten Vertreter bestellt. Dies wurde zur Konkursordnung teilweise als unstatthaft angesehen.53 Gewerberechtlich wie insolvenzrechtlich stößt jedoch die Vertreterbestellung auf keine Bedenken. Die Vorschrift des § 79 KO, aus der ein Substitutionsverbot abgeleitet wurde, ist in die InsO nicht übernommen worden. In der Begründung zu § 65 des Regierungsentwurfs (entspricht § 56 InsO) heißt es hierzu: „Die Bestellung mehrerer Verwalter für verschiedene Geschäftszweige des Unternehmens des Schuldners ist im Gegensatz zu § 79 KO nicht vorgesehen. Es hat sich in der Praxis bewährt, auch für große Unternehmen nur einen Verwalter zu bestellen, der sich gegebenenfalls der Hilfe geeigneter Mitarbeiter bedient“. Der Insolvenzverwalter gibt folglich keine seiner gesetzlichen Befugnisse und Pflichten ab, wenn er zur Fortführung des Unternehmens einen gewerberechtlich geeigneten Betriebsleiter bestellt, der die

47 OVG Lüneburg NVwZ-RR 2009, 103; VGH München NJW 1992, 1664; VG Gießen ZIP 2003, 1763; Antoni NZI 2003, 246, 251; BeckOK/Brüning GewO56 § 35 Rn 26; Landmann/Rohmer/Marcks GewO86 § 35 Rn 64. 48 Landmann/Rohmer/Marcks GewO86 § 12 Rn 2a; aA OVG Berlin Brandenburg NZI 2011, 76; VG Gießen ZIP 2003, 1763; H Schmidt GewA 2003, 326, 328. 49 Dazu Bitter BayVBl 1972, 205 f. 50 Dazu etwa H-F Müller KTS 2011, 1 ff; Schelo NJW 2011, 186. 51 Schulz GewArch 1959, 73, 74; Landmann/Rohmer/Marcks GewO86 § 45 Rn 4. 52 Anders Schultzenstein ZZP 33 (1907), 447, 476; der aus der Notwendigkeit gewerberechtlicher Vertretung ein Argument für die Vertretertheorie herleiten wollte. 53 Schultzenstein ZZP 33 (1907), 491 ff; Jaeger KO6/7 § 79 Rn 3, von Jaeger/Weber KO8 § 79 Rn 2 übernommen. Müller

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Funktion des gewerblichen Stellvertreters ausübt.54 Für den Betrieb des Gewerbes braucht der Verwalter und der von ihm bestellte Vertreter eine eigene Erlaubnis (§ 45 GewO, § 9 GaststG). Die für den Tod des Gewerbetreibenden geltenden Vorschriften der §§ 46 GewO, 4 HandwO, 10 GaststG sind auf das Insolvenzverfahren nicht analog anzuwenden.55 Der Schuldner kann während des Insolvenzverfahrens die Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter nicht dadurch hindern, dass er auf die Gewerbeerlaubnis verzichtet, die als Grundlage für die gewerbliche „Vertreter“-stellung bestehen bleiben muss.56

e) Besonderheiten bei Freien Berufen. Die hier beispielhaft57 angeführte Praxis der Anwälte, 14 Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte als solche – nicht ihre Einrichtung – wurde früher als schlechthin unveräußerlich angesehen.58 Die Rechtsprechung hat jedoch diese strenge Haltung schon vor geraumer Zeit aufgegeben und den Praxiskauf und -tausch grds für zulässig erklärt.59 Der „goodwill“ der Praxis ist damit als veräußerlicher, dem Insolvenzbeschlag unterliegender Vermögenswert anzusehen.60 Er stellt einen eigenen Wert neben den Sachwerten, die zur Ausübung der Praxis dem Schuldner gehören, und neben den Honorarforderungen dar. Die Forderungen können vom Verwalter eingezogen61 und die Sachwerte veräußert werden, wenn sie nicht nach § 811 I Nr 1b ZPO (§ 811 I Nr 5 ZPO aF) unpfändbar sind und deshalb nach § 36 nicht zur Masse gehören.62 Die Pfändbarkeit und Massezugehörigkeit der Honorarforderungen trotz grundsätzlicher Unabtretbarkeit,63 zunächst vom BGH nur für Steuerberaterforderungen ausgesprochen,64 wird auch für die Honorarforderungen der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Ärzte und andere Freiberufler anerkannt, wenn der Geheimnisschutz gewahrt und die Persönlichkeitsrechte der Mandanten und Patienten geschützt werden.65 Der Schuldner verletzt auch seine ihm obliegende, gem. § 203 I Nr 3 StGB strafbewehrte berufsrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung nicht, wenn er gem. § 97 InsO dem Verwalter Auskünfte über Honorarforderungen oder eingegangene Mandantengelder erteilt.66 Der Veräußerung des nicht materiellen Vermögenswertes der Praxis stand nach der Konkursordnung entgegen, dass er dem MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 583; so auch schon zur KO Schulz GewArch 1959, 73, 75; Sello JR 1951, 618, 623. BVerwGE 32, 316 = MDR 1970, 81. Schulz GewArch 1959, 73, 76; Sello JR 1951, 618 ff. Zum Begriff der freien Berufe s auch § 18 I Nr 1 EStG. RGZ 66, 139, 141 ff; 153, 280, 284 f; 161, 153, 155. BGHZ 16, 74; LSG NRW MedR 1999, 333, 334 – Arzt; BGHZ 43, 47 u NJW 1973, 98 – Rechtsanwalt; BGH BB 1958, 496 – Steuerberater; BGH NJW 1997, 2453; OLG Braunschweig NJW 1997, 2454 – Zahnarzt. 60 Kluth NJW 2002, 186, 187 f; Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 16 ff; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz S 52 ff; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers S 21 ff; KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 873; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 74; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 576; Uhlenbruck/Hirte/ Praß InsO15 § 35 Rn 270; aA LG Rostock NJW-RR 2002, 846, 847. 61 BGH NJW 2003, 2167 = NZI 2003, 389 (Kothe); BGH NZI 2004, 29; s auch § 36 Rn 43; Zu den Grenzen des Geheimnisschutzes bei der Forderungseinziehung BGHZ 141, 173 = NJW 1999, 1544 = LM Nr 67 SteuerberatungsG (Berger) = ZIP 1999, 621, dazu EWiR § 64 StBerG (1/99) 857 (Johlke); Schumann FS Henckel S 773, 791 f, 799 f; Gerhardt FS Gaul (1997) S 139, 145; OLG Stuttgart NJW 1994, 2838. 62 Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz S 37 ff; Gerhardt FS Gaul (1997) S 139, 145; Meller-Hanich KTS 2000, 37, 49 f; s auch unten Rn 17 und § 36 Rdn 6 ff. 63 § 49 b IV S 2 BRAO, § 64 II S 2 StBerG; BGHZ 115, 123 = NJW 1991, 2955; BGH NJW 1995, 2026, BGH NJW 2014, 141 Rn 9 ff; BGH NJW 2019, 2156 Rn 12 ff; krit Michalski/Römermann NJW 1996, 1305 ff; Gienapp/von Hugo BB 1997, 2229; Wagner NJW 1995, 1584 ff. 64 BGHZ 141, 173, 176 ff = NJW 1999, 1544 = LM Nr 67 SteuerberatungsG (Berger) = ZIP 1999, 621, dazu EWiR § 64 StBerG 1/99, 857 (Johlke). 65 BGH NJW-RR 2004, 54 – Rechtsanwalt; BGHZ 162, 187 = NJW 2005, 1505; BGH NZI 2009, 396 – Arzt; näher Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 41 ff; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz S 63 ff; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers S 63 ff. 66 BGHZ 158, 212 = NJW 2004, 2015.

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Gemeinschuldner erhalten bleiben musste, um die Praxis außerhalb des Konkursverfahrens fortführen zu können und die Einnahmen als Neuerwerb für seinen Lebensunterhalt zu verwenden.67 Dieses Argument gilt im Rahmen der InsO nicht mehr, weil auch der Neuerwerb in die Masse fällt. Damit ist eine an sich dem Schuldner nicht zu verwehrende68 Fortführung der Praxis außerhalb der Masseverwaltung praktisch unmöglich, wenn man mit der Begründung zum Regierungsentwurf annimmt, dass alle einzelnen Vermögenswerte, die der Schuldner während des Verfahrens erwirbt, automatisch in die Masse fallen, während die Neuverbindlichkeiten den Schuldner treffen. Der freiberuflich Tätige könnte seine Unkosten nicht aus seinen Einnahmen decken. Eine Lösungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber mit der Anerkennung einer Pauschalfreigabe des Unternehmens insgesamt (in § 35 II–IV) geschaffen, die verbunden wird mit der Pflicht zur Zahlung von Ablösebeiträgen entsprechend § 295a (s Rn 131 ff).69 Der Veräußerung der Praxis durch den Verwalter als grds zulässige Form der Verwertung70 stehen erhebliche Hindernisse entgegen. Will nämlich der Freiberufler seine Praxis fortführen, gehört die Praxiseinrichtung, soweit sie zur Fortführung erforderlich ist, nach § 36 II Nr 2 mit § 811 I Nr 1b ZPO (Nr 5 ZPO aF) nicht zur Masse71 und der ideelle Wert der Praxis ist einerseits insoweit unveräußerlich, als er in der Leistungskraft des Freiberuflers besteht, und andererseits praktisch kaum zu realisieren, soweit er durch die Mandanten- oder Patientenbeziehungen geschaffen ist. Denn diese dürfen nur mit deren Einverständnis übertragen werden.72 Dasselbe gilt wegen des Geheimnisschutzes für die Honorarforderungen, die zwar pfändbar, aber nicht abtretbar sind.73 Patientenkarteien und Krankenblätter stellen zwar einen wirtschaftlichen Wert dar, dürfen aber nicht ohne Einwilligung des Patienten einem anderen Arzt übertragen werden.74 Wegen der Aufbewahrungspflicht des Arztes über regelmäßig 10 Jahre75 müssen die zur Masse gezogenen Unterlagen dem Arzt zurückgegeben werden, wenn sie nicht – mit Einverständnis des Patienten – einem anderen Arzt übertragen worden sind. Der Aufbewahrungspflicht kann sich der Arzt nicht dadurch entziehen, dass er das Eigentum aufgibt (§ 959 BGB). Weigert sich der Arzt, die Papiere zurückzunehmen oder ist er unauffindbar, muss sich der Verwalter an die Ärztekammer wenden,76 deren Aufgabe es ist, die Erfüllung der Berufspflichten der Kammermitglieder zu überwachen.77 Die Kammer muss dann die notwendigen Anordnungen treffen. Eine Veräußerung der Praxis wird deshalb allenfalls in Betracht kommen, wenn der Schuldner sie nicht fortführen will oder fortführen kann. Letzteres wird meist der Fall sein, weil nach § 14 II Nr 7 BRAO die Zulassung zur Rechtsanwalt67 Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 12; FG Düsseldorf ZIP 1992, 635, dazu EWiR § 1 KO 1/92, 581 (Grub); Häsemeyer InsR2 Rn 9.09, 13.41; Kilger/K Schmidt KO16 § 1 Anm 2 D a bb; aA Kilger/K Schmidt InsG17 § 1 KO Anm 2 D a bb; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 117 Rn 14c; Uhlenbruck FS Henckel (1995) S 877 ff; LG Darmstadt NJW 1994, 2962. 68 AG Köln NJW-RR 2003, 987. 69 Gerhardt FS Gaul, 1997, S 139, 145 f schließt eine Fortführung durch den Schuldner schlechthin aus. Sein Vergleich mit dem Gewerbetreibenden überzeugt nicht, denn auch er kann seinen Beruf weiter ausüben. 70 S BFH ZIP 1994, 1283, dazu EWiR § 1 KO 1/94, 1003 (Pape); Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 169 ff; Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 181 ff; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz S 46 ff; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers S 175; Hess/Röpke NZI 2003, 233, 237; Kluth NJW 2002, 186; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdb6 § 26 Rn 10; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 288. 71 AG Köln NJW-RR 2003, 987; Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 25 ff; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz, S 37 ff; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers S 30 ff; Ziegler ZInsO 2014, 1577, 1585; KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 871; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 278; aA Seidler Selbstständige in der Insolvenz – Der Insolvenzbeschlag von Arbeitsmitteln (2008) S 127 ff; Tetzlaff EWiR § 36 InsO 1/03, 1151. 72 BGH NJW 1992, 737; Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 173 ff; Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters, S 182 ff; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers, S 176 ff; Kluth NJW 2002, 186 f; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 107; KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 874; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 174; teilw aA Nerlich/Römermann/Andres InsO (44 EL 11/2021) § 35 Rn 73, der auch die Zustimmung des Praxisinhabers fordert. 73 S o bei Fn 65 und § 36 Rn 43. 74 Kluth NJW 2002, 186 ff. 75 S § 630f III BGB; § 10 Abs 3 MBO-Ä. 76 AA Fuchtel/Kübler KTS 1999, 443 ff: Übergabe an und Aufbewahrung durch die Ortspolizeibehörde. 77 ZB § 9 I Nr 2 Nds Kammergesetz für die Heilberufe (HKG). Müller

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schaft zu widerrufen ist, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, und ein Vermögensverfall vermutet wird, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet ist.78 Entsprechendes gilt nach § 50 I Nr 6 BNotO für den Notar, nach § 46 II Nr 4 StBerG für den Steuerberater und nach § 20 I Nr 5 WirtschaftsprüferO für den Wirtschaftsprüfer. Dem Arzt kann bei gröblicher Pflichtverletzung die kassenärztliche Zulassung entzogen werden, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein ist dafür aber noch kein zureichender Grund.79 Die Zulassung als Vertragsarzt gehört nach hM als unveräußerliches Recht nicht zur Masse,80 der Schuldner kann danach weiterhin von ihr Gebrauch machen. Das Insolvenzverfahren hindert ihn nicht, die Genehmigung der Verlegung seines Vertragsarztsitzes zu beantragen,81 dies aber wohl nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters. Die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger, der das Insolvenzverfahren dient, kann 15 nach § 1 S 1 dadurch bewirkt werden, dass in einem Insolvenzplan eine „Regelung zum Erhalt des Unternehmens“ getroffen wird. Deshalb ist der Schuldner nicht gehindert, sein „Unternehmen“ fortzuführen, wenn ein zulässiger Insolvenzantrag gestellt ist und das Gericht Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21, 22 II angeordnet hat. Ein nach § 22 I bestellter vorläufiger Verwalter hat „ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt“, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens darf der Verwalter „das Unternehmen des Schuldners“ nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses stilllegen (§ 158 I). Das Gericht kann auf Antrag des Schuldners die Stilllegung untersagen (§ 159 II). Im Berichtstermin hat der Verwalter darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen durch Fortführung zu erhalten und welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen (§ 156 S 2). Auf dieser Grundlage beschließt die Gläubigerversammlung nach § 157 S 1, ob die Praxis stillgelegt oder vorläufig weitergeführt wird. Die Begründungen der Entwürfe lassen nicht erkennen, ob die genannten Vorschriften nur auf gewerbliche Unternehmen angewendet werden sollten. Nach der Vorgeschichte und den diskutierten Reformbedürfnissen hat man sicher in erster Linie an gewerbliche Unternehmen gedacht. Jedoch kann das für die Auslegung des Gesetzes nicht maßgebend sein. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum einem Arzt oder Steuerberater, der insolvent geworden ist, versagt werden soll, was jedem Gewerbetreibenden offensteht: Der Versuch, durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger die Grundlage für eine Fortführung seiner bisherigen Tätigkeit zu schaffen, muss auch ihm gestattet sein. Die Praxis des Freiberuflers muss deshalb als in den Unternehmensbegriff des Gesetzes einbezogen angesehen werden.82 Der Insolvenzverwalter kann daher die Praxis selbst fortführen, wenn er über die erforderli- 16 che Qualifikation verfügt, er etwa als Rechtsanwalt zugelassen ist und als Verwalter des Vermögens eines Rechtsanwalts bestellt ist.83 Vor der Benutzung und Verwertung von Praxisunterlagen, die der Geheimhaltungspflicht des Schuldners unterliegen, muss er allerdings die Zustimmung

78 Vgl BGH ZIP 2000, 1018, dazu EWiR § 14 BRAO 1/2000, 857 (Römermann); BGH BeckRS 2017, 13486. 79 LSG NRW MedR 1999, 333, 339; Schick NJW 1990, 2359, 2360; Ziegler ZInsO 2014, 1577, 1578; ähnlich ist es beim Apotheker, dessen Zuverlässigkeit allein durch eine Insolvenz nicht in Frage gestellt wird, näher Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 29 ff. 80 BVerfG NZI 2013, 717; BSG NZI 2018, 616 Rn 52; LSG NRW MedR 1999, 333, 335 ff; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz, S 61; Ziegler ZInsO 2014, 1577, 1578; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 96: Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 277. 81 BSGE 86, 121 = NZS 2001, 160; LSG NRW MedR 1999, 333, 337 ff. 82 Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 22 f; Kluth NJW 2002, 186, 187; Uhlenbruck FS Henckel (1995) S 877, 889. 83 BFH ZIP 1994, 1283; LG Rostock NJW-RR 2002, 846 = ZinsO 2002, 290; für den Steuerbevollmächtigten BFH ZInsO 2003, 375; Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 53 f; Hess/Röpke NZI 2003, 233, 234; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 104; KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 875; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 580; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 284; aA Pape Wprax 1994, 5; Schick NJW 1990, 2359, 2361; Uhlenbruck FS Henckel (1995) S 877, 889 Fn 48. 15

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

der jeweiligen Klienten einholen.84 Ein automatischer Übergang von Mandaten, die auf einer Vertrauensbeziehung basieren, kann jedoch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bewirkt werden. Es steht aber nichts entgegen, dass der Verwalter, dem ein Mandant des Schuldners Vollmacht erteilt, das Mandat als Insolvenzverwalter fortführt.85 Soweit berufsrechtlich zulässig, kommt auch eine Verpachtung des Betriebs – etwa einer Apotheke (§ 9 ApoG)86 – in Betracht. In der Regel wird es aber der beste Weg sein, den Schuldner für die Insolvenzmasse arbeiten zu lassen, solange seine Berufszulassung besteht.87 Das setzt dessen Einverständnis voraus, weil seine Arbeitskraft nicht zur Masse gehört und er deshalb nicht gezwungen werden kann, für die Masse zu arbeiten.88 Die freiberufliche Tätigkeit selbst wird also vom Schuldner für Rechnung der Masse und unter wirtschaftlicher Kontrolle und Verwaltung des Insolvenzverwalters ausgeübt. Die Honorarforderung, die durch die Tätigkeit des Schuldners entsteht, gehört zur Masse und kann vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Unrichtig ist die Ansicht, der Verwalter sei ohne Abtretung der Honorarforderung durch den Insolvenzschuldner nicht berechtigt, sie gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung geltend zu machen.89 Die Eigenschaft als Vertrags(zahn-)arzt, die für den Anspruch vorausgesetzt wird, muss nur beim Insolvenzschuldner vorliegen, nicht beim Insolvenzverwalter. Möglich ist eine Fortführung der Praxis auch im Rahmen einer überwachten Eigenverwaltung (§§ 270 ff), wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind.90 Schwierigkeiten entstehen aber noch dadurch, dass die berufsregelnden Gesetze unzurei17 chend mit der InsO abgestimmt sind. Eine mit § 12 GewO (dazu oben Rn 12) vergleichbare Regelung fehlt, sie kann auf den Widerruf einer berufsrechtlichen Zulassung bzw Bestellung in der FreiberuflerInsolvenz auch nicht entsprechend angewendet werden.91 Vielmehr zwingt nach § 14 II Nr 7 BRAO die Vermutung des Vermögensverfalls als Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst regel mäßig zum Widerruf der Anwaltszulassung.92 Dann ist eine Fortführung der Praxis durch den Schuldner ausgeschlossen und die Praxiseinrichtung gehört zur Masse, weil sie zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit nicht mehr benötigt wird. Der Insolvenzverwalter könnte sie verwerten. Der Insolvenzverwalter, der „das Unternehmen“ fortführen soll und die Fortführung sicherstellen will, muss, um den Widerruf abzuwehren, erst nachweisen, dass die Interessen der gegenwärtigen und künftigen Mandanten nicht gefährdet sind. Eine Gefährdung verneint der BGH wegen der vorrangigen Belange der Rechtsuchenden aber nur in „seltenen Ausnahmefällen“.93 Eine solche Sondersituation soll etwa bei einem Rechtsanwalt gegeben sein, wenn er seinen Beruf bisher beanstandungsfrei ausgeübt hat, den Insolvenzantrag selbst gestellt hat, keine Anmeldungen von Insolvenzgläubigern vorliegen, die aus Mandaten herrühren, und der Anwalt sich außerdem in seinem Anstellungsvertrag in einer grö84 S § 159 Rn 85; ferner Kluth NJW 2002, 186, 188; Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 56; Ziegler ZInsO 2014, 1577, 1588.

85 BFH ZIP 1994, 1283, dazu EWiR § 1 KO 1/94, 1003 (Pape). 86 OVG Berlin ZVI 2004, 620; Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 125 f. 87 Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 126 ff; Schick NJW 1990, 2359, 236 f; s auch OLG Braunschweig NJW 1997, 2454 und dazu den Nichtannahmebeschluss des BGH NJW 1997, 2453; skeptisch gegenüber der praktischen Möglichkeit einer Fortführung Kluth NJW 2002, 186, 187 f; abl für den Betrieb einer Apotheke OVG Berlin ZVI 2004, 620. 88 BGH DB 1964, 67; BGHZ 167, 363 Rn 16 = NJW 2006, 2485; Grau Die Insolvenz des selbstständigen Freiberuflers aus Sicht des Verwalters S 24; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz S 58 ff; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers S 158; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdb6 § 26 Rn 11; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 38; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 496. 89 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 29; zur KO auch BGH NJW 1997, 2453; OLG Braunschweig NJW 1997, 2454. 90 OVG Berlin ZVI 2004, 620; AG Esssen NZI 2015, 931; Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 145 ff; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz S 138 ff; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers, S 163 ff. 91 BVerwG ZInsO 2009, 1811; BFHE 204, 563 = BStBl II 2004, 1016 = DStRE 2004, 733; OVG Berlin ZVI 2004, 620; Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 27 ff; Harflinger Der Freiberufler in der Insolvenz S 71 f; Schildt Die Insolvenz des Freiberuflers S 137 f; Lenger/Bauchowitz NZI 2015, 494, 496 f; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 290. 92 Vgl auch § 21 I 1 Nr 10 PatAnwO; § 46 II Nr 4 StBerG und § 20 II 2 Nr 5 WPO; Notare: Amtsenthebung § 50 I Nr 6, 8 BNotO. 93 BGH NJW-RR 2013, 175 Rn 5; BGH NJW 2017, 1181 Rn 15. Müller

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ßeren Anwaltskanzlei zum Schutz der Rechtsuchenden erheblichen Beschränkungen unterworfen hat.94 Die Gefährdung der Mandanteninteressen wird aber insbesondere nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt freigibt.95 Ist die vorläufige Vollziehung der Widerrufsverfügung angeordnet, muss die Berufsausübung unterbleiben. Nach § 14 IV iVm § 161 I BRAO wird im Fall eines Bedürfnisses ein Vertreter bestellt. Er wird nach § 161 II iVm § 54 I BRAO für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig. Das führt wieder zu dem Dilemma, dass nach der hM die Honorarforderungen zur Masse gehören, die Verbindlichkeiten aber Neuschulden sind, für die keine Mittel zur Verfügung stehen und kein Haftungsvermögen vorhanden ist. Einen nach §§ 14 IV, 161 BRAO bestellten Vertreter in das Insolvenzverfahren einzubinden, damit der Praxisaufwand durch den Insolvenzverwalter bestritten werden kann und die entsprechenden Verbindlichkeiten Masseschulden werden, geht nicht an. Der Vorschlag, einen Vertreter durch den Insolvenzverwalter oder das Insolvenzgericht zu bestellen,96 scheitert regelmäßig daran, dass dieser allein durch die Bestellung nicht den Mandanten gegenüber berechtigt ist, die bestehenden Mandate fortzuführen. Denkbar ist immerhin, den als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalter zum Vertreter zu bestellen. Doch wirft dies erhebliche Probleme auf, denn die Fortführung einer Anwaltspraxis als Anwalt ist wegen der besonderen Vertrauensbindung gegenüber den Klienten etwas anderes als die Fortführung eines gewerblichen Unternehmens. Der Insolvenzverwalter des Anwalts müsste die Mandanten, die Insolvenzgläubiger oder potentielle Insolvenzgläubiger sind, vertreten und kann damit in Interessenkonflikte und Pflichtenkollisionen geraten, was dem Insolvenzverwalter, der ein gewerbliches Unternehmen fortführt, nicht zugemutet wird. Hat der Schuldner die Praxis stillgelegt und seine Zulassung aufgegeben oder ist sie ihm 18 entzogen worden und ist nach § 55 V BRAO ein Abwickler bestellt worden,97 hat dieser die schwebenden Angelegenheiten der Praxis abzuwickeln (§ 55 II BRAO). Zu diesem Zweck ist er berechtigt, die Kanzleiräume zu betreten, die zur Kanzlei gehörenden Gegenstände in Besitz zu nehmen (§ 55 III S 1 mit § 54 III S 1 BRAO) und Honorarforderungen einzuziehen. Die Befugnisse des Insolvenzverwalters sind entsprechend eingeschränkt. Er darf während der Abwicklung die Praxisräume und deren Einrichtung nicht in Besitz nehmen und die Praxis nicht veräußern. Honorarforderungen darf er nicht einziehen.98 Erst mit Beendigung der Abwicklung kann der Insolvenzverwalter nach § 55 III S 1 mit § 54 I S 3 BRAO und §§ 666, 667 BGB Rechnungslegung und Herausgabe des Überschusses verlangen99 und die Praxisräume und deren Einrichtung in Besitz nehmen. Der Abwickler ist befugt ist, seine Vergütung (§ 55 III S 1 mit § 54 I S 1 BRAO) aus den im Rahmen der Abwicklungstätigkeit erzielten Einnahmen zu entnehmen und gegen einen Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters gegebenenfalls aufzurechnen.100 Der Anspruch auf Vergütung stellt keine Masseverbindlichkeit dar.101 Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ist eine Neuzulassung nicht ausgeschlossen (vgl § 7 Nr 9 BRAO, § 40 III Nr 1 mit § 37 I Nr 2 StBerG, § 16 I Nr 1 mit § 10 I Nr 4 WirtschaftsprüferO).102

2. Persönlichkeitsrechte Nicht Vermögen und darum ausgeschlossen von der Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse sind zu- 19 nächst die persönlichen Familienrechte wie das Recht auf Ehescheidung oder Aufhebung der 94 BGH NJW 2005, 511. 95 BGH NZI 2018, 422 Rn 13; BGH BeckRS 2015, 16810 Rn 6. 96 Zur KO: Jaeger/Weber KO8 § 79 Rn 2. 97 S BGH NJW 2020, 1303 Rn 25. 98 OLG Köln NZI 2009, 851 = ZIP 2009, 2395, dazu Fölsing EWiR 2010, 147 f; LG Rostock ZInsO 2009, 875. 99 LG Rostock ZinsO 2002, 290. 100 BGH ZIP 2005, 1742, 1743; BGH NJW 2020, 1303 Rn 27, 48, dazu Jacoby EWiR 2020, 149 f. 101 BGH NJW 2020, 1303 Rn 13 ff, dazu Jacoby EWiR 2020, 149 f; Kruth DStR 2020, 1340 ff. 102 Zur Aufbewahrung einer Patientenkartei nach Aufgabe der Praxis: Fuchtel/Kübler KTS 1999, 443. 17

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Ehe, das Recht auf Anerkennung oder Anfechtung der Vaterschaft und die sich aus der Ausübung der elterlichen Sorge ergebenden Rechte. Ausgeschlossen ist ferner die Persönlichkeit des Schuldners selbst, sein Leib – auch künstliche Gliedmaßen – und seine Arbeitskraft.103 Darum ist der Schuldner von Rechts wegen nicht gezwungen, seine gewerbliche, wissenschaftliche oder künstlerische Betätigung während des Insolvenzverfahrens in den Dienst der Masse zu stellen.104 Mit der Arbeitskraft bleiben etwaige Unterlassungsansprüche gegenüber unbefugter Beeinträchtigung massefrei.105 Auch entscheidet der Schuldner über eine Klage gegen eine Arbeitgeberkündigung und die Prozessführung106 sowie über den Abschluss eines Vergleichs über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses.107 Eine Zustimmung des Insolvenzverwalters ist trotz der mittelbaren Auswirkungen auf die Masse nicht erforderlich. Im Rahmen des § 97 treffen den Schuldner aber bestimmte verfahrensrechtliche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. Mit der Persönlichkeit gehören auch die einzelnen Persönlichkeitsrechte und das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zur Masse.108 So ist das Namensrecht (§ 12 BGB) als ein der Person des Trägers anhaftendes unveräußerliches Recht109 zwar ein Privatrecht, trotz seiner Kommerzialisierung110 kein Vermögensrecht. Auch das Recht zur Führung eines persönlichen Titels111 und eines als Auszeichnung der Person zu betrachtenden Prädikats gehören im Gegensatz zur Geschäftsbezeichnung112 nicht zur Masse.

3. Die Firma 20 Der kaufmännische Name, die Firma (§§ 17 ff HGB), ist nach heute hM zugleich Persönlichkeitsrecht und Immaterialgüterrecht und damit auch Vermögensrecht, zumal die Firma mit dem Handelsgeschäft (§§ 22, 23 HGB) übertragbar ist und einen hohen Vermögenswert darstellen kann. Die Firma erlischt nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weder beim Einzelkaufmann noch bei den Handelsgesellschaften.113 Sie gehört deshalb zur Insolvenzmasse.114 Die Eröffnung ist von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen ebenso wie die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, wenn zusätzlich dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder angeordnet ist, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 32 I S 1, S 2 Nr 2 HGB). Wird das Unternehmen des Schuldners für Rechnung der Masse fortgeführt, so ist die Benutzung der bisherigen Firma durch den Insolvenzverwalter auch dann kein unzulässiger Eingriff in die Rechte des Schuldners, wenn dessen bürgerlicher Name in der Firma enthalten ist, sondern eine erlaubte Bezeichnung des Firmeninhabers. Dass die Firma nicht der Einzelzwangsvollstreckung unterliegt, weil sie ohne das Unternehmen nicht übertragen werden kann (§§ 23 HGB, 857 I, II, 851 I ZPO), das Unternehmen als Ganzes aber nicht pfändbar ist, 103 BGH DB 1964, 67; BGHZ 167, 363 Rn 16 = NJW 2006, 2485; BAG NJW 2014, 171 Rn 15 ff; BAG NJW 2022, 345 Rn 40; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 38; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 496. 104 RGZ 70, 226, 230; OLG Hamburg Seuff-Arch 50 Nr 69; OLG Köln LZ 1907, 72, hier auch über die Unpfändbarkeit von „Rezepten“, dh Niederschriften einer Arbeitsmethode; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 496. 105 H Lehmann ZZP 38, 79. 106 BAG NJW 2014, 171 Rn 25. 107 BAG NJW 2015, 107 Rn 14. 108 FK/Bornemann InsO9 § 35 Rn 19; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 17. 109 RGZ 29, 123, 133; BGHZ 32, 103, 111; MünchKomm/Säcker BGB9 § 12 Rn 76. 110 Vgl BGHZ 143, 214, 219 ff = NJW 2000, 2195 – Marlene Dietrich; MünchKomm/Säcker BGB9 § 12 Rn 4, 77 ff. 111 OLG Hamburg OLGRspr 11, 355 f. 112 Zur Unterscheidung: Staub/Burgard HGB5 § 17 Rn 15 ff. 113 Staub/Burgard HGB5 § 17 Rn 43, 46. 114 BGHZ 224, 72 Rn 10 = ZIP 2020, 266; Emmrich Das Firmenrecht im Konkurs, (1992 S 33; Neuwinger Die handelsrechtliche Personenfirma in der Insolvenz S 8 ff; Steinbeck NZG 1999, 133, 134; Staub/Burgard HGB5 § 22 Rn 46; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 109; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 31; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 71 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 553; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 275, 379. Müller

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hindert entgegen dem Wortlaut des § 36 nicht ihre Zugehörigkeit zur Masse. Denn im Insolvenzverfahren kann das Unternehmen im Interesse der Gläubiger fortgeführt und als Ganzes zum Zwecke der Verwertung veräußert werden und folglich auch die das Unternehmen bezeichnende Firma fortgeführt und auf den neuen Unternehmensträger übertragen werden. Träger des Firmenrechts bleibt bis zu einer Veräußerung oder bis zur endgültigen Betriebseinstellung der Insolvenzschuldner. Weil die Firma zur Masse gehört und im Verfahren zur Bezeichnung des massezugehörigen Unternehmens dient, kann der Schuldner nicht am gleichen Ort ein neues Handelsgewerbe unter der gleichen Firma eröffnen (§ 30 HGB), und er kann die Firma nicht löschen lassen115 oder ändern.116 Beschließt die Gläubigerversammlung im Berichtstermin, das Unternehmen des Schuldners stillzulegen (§ 157), erlischt damit die Firma noch nicht. Die Abwicklung eines Unternehmens und die Liquidation einer Gesellschaft gehören noch zum Betrieb des Handelsgewerbes.117 Mit dem alten Unternehmen kann der Schuldner nach Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, nach Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen, die im Eröffnungsverfahren getroffen worden sind und nach Einstellung und Aufhebung des Verfahrens auch seine alte Firma fortführen (vgl § 32 S 2 HGB). Ist allerdings die wirtschaftliche Grundlage der Firma völlig geschwunden, zB durch völlige Liquidation des Unternehmens, so dass vom alten Geschäft nichts mehr übernommen werden kann, so ist die Fortführung der alten Firma als solcher unzulässig.118 Wenn aber der Verwalter das Geschäft ohne die Firma veräußert hat, steht es dem Schuldner frei, unter der alten Firma ein neues Geschäft zu gründen, und zwar schon vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Anders als nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, das das Recht an der Firma als ein 21 dem Namensrecht gleichzuachtendes Persönlichkeitsrecht ansah und deshalb stets die Zustimmung des Gemeinschuldners zur Veräußerung der Firma forderte,119 kann nach heute einhelliger Auffassung der Insolvenzverwalter die Firma zusammen mit dem Unternehmen jedenfalls dann ohne die Zustimmung des Schuldners veräußern, wenn es sich um eine Sach- oder Phantasiefirma handelt, die seit Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 auch von einem Einzelkaufmann geführt werden kann. Umstritten ist die Verwertungsbefugnis des Verwalters aber, wenn der Name des Einzelkaufmanns in der Firma enthalten ist. Dann bedarf es nach der Rechtsprechung zur Veräußerung der Firma der Zustimmung des Schuldners.120 Der Bundesgerichtshof begründet dieses Ergebnis mit einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Da der Familienname des Gemeinschuldners ein ausschließliches Persönlichkeitsrecht darstelle, das ihm gegen seinen Willen nicht entzogen werden könne, hätten die Interessen des Gemeinschuldners stärkeres Gewicht als die der Gläubiger an der Verwertung des in der Firma enthaltenen Vermögenswertes. Dem wird aber verbreitet entgegengehalten, dass durch die Abschaffung des Zwangs zur Führung einer Personalfirma mit Wirkung ab dem 1.1.1999 nunmehr eine andere Bewertung angebracht sei und dem Verwertungsinteresse des Verwalters uneingeschränkt der Vorrang gebühre.121 BayObLG JW 1933, 179; Hopt/Merkt HGB41 § 17 Rn 47; MünchKomm/Heidinger HGB5 § 17 Rn 78. Hopt/Merkt HGB41 § 17 Rn 47. Staub/Burgard HGB5 § 17 Rn 46; MünchKomm/Heidinger HGB5 § 17 Rn 78. KG JW 1929, 10. RGZ 9, 104; RG JW 1894, 317; RGZ 58, 166, 169; 70, 229; RG WarnRspr 1931, 295 = MuW XXXI, 431; RGZ 158, 226, 231. BGHZ 32, 103, 108; 58, 322; 85, 221, 223 = ZIP 1993, 193 (Wolf Schulz); BGHZ 109, 364, 367 = NJW 1990, 1605; OLG Frankfurt/M ZIP 1988, 598; Staub/Hüffer HGB4 § 22 Rn 35; Kilger/K Schmidt InsG17 § 1 KO Anm D 2b bb; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 1 Rn 80, 80a; Adler ZHR 85 (1921), 93, 138; Düringer/Hachenburg/Hoeniger HGB3 § 22 Anm 7; E. Ulmer SJZ 1948, 674, 682; von Gierke Lehrbuch des Handelsrechts8 S 100; Leibkutsch NJW 1952, 693; Lindenmaier BB 1953, 629; Kern BB 1999, 1717 ff. 121 Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 54; Steinbeck NZG 1999, 133, 137; Uhlenbruck ZIP 2000, 401 ff; K Schmidt Handelsrecht6 § 12 Rn 45 ff; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 110; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 71a; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 565 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 379; Hopt/Merkt HGB41 § 17 Rn 47; Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth HGB9 § 17 Rn 25; zuvor schon Jaeger/Lent KO8 § 1 Rn 7; Kohler Lehrbuch S 276; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan HGB5 § 17 Rn 13; Baumann Konkurs und Vergleich § 11 I 1 b S 122; Bokelmann KTS 1982, 27, 30, 53 ff, 56 ff; Jauernig JZ 1964, 39; Kuhn KTS 1961, 1; Zunft NJW 1960, 1843.

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Der Begründung des BGH ist entgegenzuhalten, dass eine Güterabwägung zur Lösung des Problems nichts beiträgt.122 Wenn der Persönlichkeitsrechtsgehalt geschützt werden soll, kann die Firma nicht zur verwertbaren Masse gehören, gleichgültig, wie hoch das Vermögensinteresse der Gläubiger an einer Realisierung des Firmenwertes veranschlagt wird. Gehört aber die Firma nicht zur verwertbaren Masse, so müsste begründet werden, warum der Verwalter dennoch, auch nach Ansicht des BGH, unter der Firma soll handeln können, wenn er das Unternehmen fortführt, und warum der Schuldner gehindert sein soll, dem Insolvenzverwalter den Gebrauch der Firma zu verbieten und noch während des Insolvenzverfahrens in einem neuen Unternehmen mit seinem Namen zu firmieren. Trotz des Persönlichkeitsrechtsgehalts der Firma, in der der Name des Schuldners enthalten 23 ist, ist davon auszugehen, dass die Firma wegen ihres Vermögenswertes in die Insolvenzmasse fällt. Denn die Firma gehört zum Unternehmen und dieses befindet sich in der Masse. Weil der Schuldner über Massegegenstände nicht verfügen darf (§ 80 I), darf er die Firma nicht ändern oder löschen lassen. Jedoch ist zu beachten, dass es Gegenstände gibt, die lediglich zur Verwaltung, nicht aber zur Verwertung der Masse zugeordnet sind. Der Insolvenzverwalter darf also jedenfalls das fortbestehende Unternehmen mit der Firma des Schuldners bezeichnen. Für die Frage, ob er die Firma mit dem Unternehmen auch gegen den Willen des Schuldners veräußern darf, gibt die Insolvenzordnung selbst einen Anhaltspunkt, indem sie dem Schuldner die Chance lassen will, sich eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Sie ist zwar insofern geringer als nach der Konkursordnung, die dem Gemeinschuldner den Neuerwerb beließ. Die mit der InsO eingeführte Restschuldbefreiung (§§ 286 ff), die dem Schuldner auch gegen den Willen der Gläubiger gewährt wird, bestätigt aber die Tendenz auch der InsO, den Schuldner nicht restlos aus dem Erwerbsleben, auch dem selbständigen, auszuschließen. Diese Chance kann er nutzen mit dem Einsatz seiner Persönlichkeit, der durch das Insolvenzverfahren nicht behindert werden darf. Deshalb muss ihm auch das Recht erhalten bleiben, unter seinem Namen kaufmännisch zu handeln und die Werbekraft seines Namens für den Neubeginn nutzbar zu machen. Dieses Recht ist ihm zwar durch die Firmenveräußerung nicht schlechthin genommen; er muss nur seinem Namen einen deutlich unterscheidenden Zusatz hinzufügen (§ 30 HGB). Jedoch würde der Namensträger dadurch beeinträchtigt, dass er bei einer seine Zustimmung nicht erfordernden Veräußerung der Firma durch den Insolvenzverwalter gegen seinen Willen hinnehmen müsste, dass am selben Ort ein Unternehmen mit seinem Namen wirbt und ihm möglicherweise Konkurrenz macht. Ob der Schuldner von der Chance, die Werbekraft seines Namens selbst zu nutzen, Gebrauch machen wird, lässt sich im Voraus kaum absehen. Deshalb kann man nicht danach differenzieren, ob zu erwarten ist, dass der Schuldner seinen Namen wieder als Firma verwenden wird. Vielmehr kann es nur darauf ankommen, wie er sich selbst entscheidet. Deshalb ist dem Ergebnis des BGH auch für das Insolvenzverfahren zuzustimmen, dass die Veräußerung der Firma durch den Insolvenzverwalter der Zustimmung des Schuldners bedarf, wenn die Firma seinen Namen enthält.123. Dass der Schuldner während des Insolvenzverfahrens seinen Namen nicht als Firmennamen gebrauchen darf, solange das Unternehmen zur Masse gehört und nicht endgültig eingestellt ist, muss er aber hinnehmen, weil es sein eigenes Unternehmen ist, das sich im Insolvenzverfahren befindet und seinen Gläubigern haftet, die InsO die Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter gestattet und regelmäßig sogar fordert (Rn 11) und der Schuldner nicht gleichzeitig ein zweites Unternehmen mit derselben Firma führen darf. Dass eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsgehalt und dem Gläubigerinteresse am Ver24 mögenswert der Firma, wie sie der BGH fordert, nicht zum Ziele führt, zeigt sich vor allem daran, dass es überzeugende Kriterien für diese Abwägung nicht gibt. Persönlichkeitswerte und Vermögens122 So auch Raffel Die Verwertbarkeit der Firma im Konkurs S 101 ff. 123 H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 170 ff; Kern BB 1999, 1717 ff; Wertenbruch ZIP 2002, 1931 ff; aA Steinbeck NZG 1999, 133, 137; Uhlenbruck ZIP 2000, 401 ff; K Schmidt Handelsrecht6 § 12 Rn 45 ff; Staub/Burgard HGB5 § 22 Rn 62 ff; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 110; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 71a; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 565 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 379; Hopt/Merkt HGB41 § 17 Rn 47; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth HGB9 § 17 Rn 25. Müller

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werte sind inkommensurabel. Deshalb kann es für die Abwägung auch nicht ausschlaggebend sein, ob der Schuldner gezwungen war, seinen Namen im Handelsverkehr zu benutzen.124 Wäre das richtig, müsste die Firma in der Tat stets vom Insolvenzverwalter mit dem Unternehmen des Schuldners veräußert werden können, weil seit Inkrafttreten des HRefG auch der Einzelkaufmann eine Sachfirma führen darf.125 Jedoch ist das kein geeignetes Kriterium. Ob der Name geschützt ist, hängt nicht davon ab, ob man ihn führen muss. Entscheidend ist, ob man ihn führen darf. Dem Schuldner, der seinen Namen als Firma gebraucht hat, darf nicht verboten werden, die Werbekraft seines Namens, die durch seine Persönlichkeit geprägt wird und oft, zB bei Handwerkern, auf der Qualität seiner technischen Leistungen und Erfolge beruht, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens wieder zu nutzen.126 Das Insolvenzverfahren über sein Vermögen kann ihm die Verwendung seines Namens im Handelsverkehr nicht auf Lebenszeit nehmen. Es kann ihn nicht zwingen, in Zukunft auf eine Sachfirma auszuweichen. Nicht schutzwürdig ist allerdings, wer freiwillig der Lösung seines Namens von dem Inhaber zugestimmt hat. Wenn die Firma aus dem bürgerlichen Namen des eines Einzelkaufmanns gebildet wird, so bedeutet dies aber lediglich, dass er unter seinem eigenen Namen im Geschäftsverkehr auftritt. Eine Aufgabe der Verfügungsgewalt über sein Namensrecht liegt darin gerade nicht.127 Hat der Schuldner die Firma zusammen mit dem Unternehmen erworben, so kommt es darauf an, ob der Veräußerer endgültig über sein Namensrecht disponiert hat. Fehlen besondere Abreden, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Erwerber die Firma uneingeschränkt nutzen kann und auch eine spätere Weiterübertragung in den Grenzen des § 23 HGB zulässig ist.128 Dann kann der Namensgeber auch der Veräußerung von Unternehmen und abgeleiteter Firma durch den Insolvenzverwalter nicht widersprechen.129 Aus der Begründung, die auf den Persönlichkeitsrechtsgehalt der den Inhabernamen verwen- 25 denden Firma abhebt, folgt, dass die Firma einer Kapitalgesellschaft vom Insolvenzverwalter ohne Einwilligung ihrer Organe, aber auch des Namensträgers, veräußert werden darf.130 Denn die Kapitalgesellschaft hat kein Persönlichkeitsrecht an ihrer Firma.131 Der Namensträger aber hat sich den Gebrauch seines Namens als Firma in dem selben Ort (§ 30 HGB) selbst verschlossen und damit über sein Namensrecht wirksam disponiert. Einer Veräußerung des Unternehmens mit der Firma könnte er auch außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht widersprechen. Daran hat sich auch durch das HRefG nichts geändert. Die Zustimmung eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft zur Veräußerung der Firma, die seinen Namen enthält, ist deshalb auch nach neuem Firmenrecht nicht notwendig.132 Eine Ausnahme ist nur dann anzuerkennen, wenn der Gesellschafter sein Einverständnis mit der Aufnahme seines Namens in die Firma der Gesellschaft ausdrücklich auf die Firmenführung durch diese beschränkt hatte.133 Umstritten ist, ob und wie während des Verfahrens die Firma geändert werden kann. Die Frage ist vor allem von Bedeutung, wenn das Unternehmen mit der Firma während des Insolvenzverfahrens veräußert wird und für die noch bestehende und abzuwickelnde Gesellschaft eine Ersatzfirma gebildet werden

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So aber BGHZ 85, 221 = ZIP 1993, 193 (Wolf Schulz). So aber insbesondere Steinbeck NZG 1999, 133 ff und Uhlenbruck ZIP 2000, 401 ff. Im Ergebnis ebenso Kern BB 1999, 1717 ff. H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 172 f. Staub/Burgard HGB5 § 22 Rn 75. H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 173 f. BGHZ 85, 221, 224 f = ZIP 1993, 193 (Wolf Schulz); zur GmbH & Co KG BGHZ 109, 364 = NJW 1990, 1605. KG NJW 1961, 833 = GRUR 1962, 104; OLG Frankfurt/M ZIP 1988, 598; H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 172; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 33; ausführlich Klippel Der zivilrechtliche Schutz des Namens (1985) S 577 ff. 132 OLG Hamm ZIP 2018, 596; H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 170 ff; Neuwinger Die handelsrechtliche Personenfirma in der Insolvenz S 124 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 72; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 558 ff; Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 371; aA Kern BB 1999 1717, 1719. 133 OLG Frankfurt/M ZIP 1982, 334, 336; H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 175; aA Bokelmann KTS 1982, 27, 49; Steinbeck NZG 1999, 133, 138 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 575. 21

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muss.134 Nach teilweise vertretener Ansicht kann der Verwalter eine entsprechende Änderung der Satzung (vgl § 23 III Nr 1 AktG, § 3 I Nr l GmbHG) aufgrund einer Annexkompetenz zu seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis selbst ohne Mitwirkung der Gesellschafter vornehmen135 oder doch zumindest außerhalb der Satzung die Firma ändern.136 Demgegenüber steht der Bundesgerichtshof auf dem Standpunkt, dass es auch nach Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens eines satzungsändernden Beschlusses der Gesellschafter bedürfe. Dass die Firmenänderung mittelbar Auswirkungen auf die Verwertung der Masse habe, genüge nicht, um eine originäre Kompetenz des Verwalters zu begründen.137 Dieser ist also auf die Mitwirkung der Gesellschafter angewiesen, wenn er eine Übertragung des schuldnerischen Unternehmens zusammen mit der Firma vornehmen will und eine Doppelfirmierung unzulässig wäre oder vom Erwerber aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt wird. Zumindest sollte man dem Verwalter einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Vornahme der notwendigen Satzungsänderung gem § 97 zugestehen,138 allerdings ist die Durchsetzung praktisch schwierig.139 Schließlich kann die Veräußerung des Unternehmens in einem Insolvenzplan geregelt und die Firmenänderung in den gestaltenden Teil des Plans aufgenommen werden (§ 225a III).140 Doch ist eine solche Vorgehensweise wesentlich aufwändiger und teurer als die herkömmliche übertragende Sanierung durch den Insolvenzverwalter. 26 Für die Personenhandelsgesellschaften gelten die vorstehend dargestellten Grundsätze entsprechend. Durch die Handelsrechtsreform 1998 ist die Notwendigkeit entfallen, in die Firma den Nachnamen zumindest eines persönlich haftenden Gesellschafters aufzunehmen (§ 19 HGB aF). Wer gleichwohl der Verwendung seines Namens zugestimmt und damit zugunsten der Personenhandelsgesellschaft als rechtlich verselbstständigtem Träger des Unternehmens über sein Namensrecht disponiert hat, ist daran auch in der Insolvenz gebunden. Die Veräußerung der Firma im Insolvenzverfahren bedarf daher entgegen der früher hM141 nicht der Zustimmung der namensgebenden Gesellschafter.142 Wird das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet über ein Vermögen, zu dem ein Handelsge27 werbe gehört, so wird der Erbe, der denselben Familiennamen trägt wie der Erblasser, durch die Firmenübertragung nicht gehindert, seinen eigenen Namen als Firma zu benutzen. Denn sein abweichender Vorname genügt als deutliche Unterscheidung im Sinne des § 30 HGB.143 Das gilt erst recht, wenn der Erbe einen anderen Nachnamen trägt als der Erblasser und auch dann, wenn der Firmenname der Geburtsname des Erben oder der Erbin ist.144 Dass eine andere Firma mit 134 Dazu auf die Umstände des Einzelfalls abstellend BGHZ 224, 72 Rn 11 ff. = ZIP 2020, 266; strenger etwa Emmrich Das Firmenrecht im Konkurs S 129 f; Grüneberg Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrats im Konkurs S 59 ff; H.-F. Müller Der Verband in der Insolvenz S 175 ff; Neuwinger Die handelsrechtliche Personenfirma in der Insolvenz S 156 ff; Hacker/von Lilien-Waldau NZI 2017, 787, 788; Linardatos ZIP 2017, 901, 903 ff; Priester DNotZ 2016, 892, 893; Rieländer ZHR 184 (2020), 507, 513 ff; Ulmer NJW 1983, 1697, 1700; für generelle Zulässigkeit einer Doppelfirmierung Bokelmann KTS 1982, 27, 45 ff; Leuering NJW 2016, 3265, 3267 f. 135 OLG Hamm ZIP 2018, 596; KG NZG 2017, 1113, 1114 f; Hacker/von Lilien-Waldau NZI 2017, 787, 788 f; Joussen GmbHR 1994, 159, 162 f; Linardatos ZIP 2017, 901, 906 ff; Priester DNotZ 2016, 892, 895 ff; für eine lediglich subsidiäre Befugnis des Verwalters bei Untätigkeit der Gesellschafter Grüneberg Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrats im Konkurs S 67 ff; Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 359. 136 LG Essen ZIP 2009, 1583, 1584; Horstkotte ZInsO 2016, 1369, 1370 f; Ulmer NJW 1983, 1697, 1700 ff; Wachter GmbHR 2016, 930, 931. 137 BGHZ 224, 72 Rn 24 ff. = NZG 2020, 223; Rieländer ZHR 184 (2020), 507 (521 ff.); krit Noack NZG 2020, 257; H-F Müller WuB 2020, 253; Priester EWiR 2020, 103. 138 Rieländer ZHR 184 (2020), 507, 531 ff. 139 Linardatos ZIP 2017, 901, 907. 140 Rieländer ZHR 184 (2020), 507, 538 ff. 141 S Vorauflage; ferner OLG Frankfurt ZIP 1988, 598, 600; OLG Koblenz ZIP 1991, 1440, 1441. 142 H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 172; Steinbeck NZG 1999, 133, 137 f; Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 110; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 72; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 571 f; zuvor schon Jaeger/Weber KO8 §§ 209, 210 Rn 29; aA Neuwinger Die handelsrechtliche Personenfirma in der Insolvenz S 129 ff; Kern BB 1999 1717 ff. 143 Staub/Burgard HGB5 § 30 Rn 35; MünchKomm/Heidinger HGB5 § 30 Rn 27. 144 Im Ergebnis ebenso OLG Hamm KTS 1964, 184. Müller

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gleichem Zunamen an demselben Ort existiert, musste der Erbe schon zu Lebzeiten des Erblassers hinnehmen. Der Insolvenzverwalter darf also die Firma ohne Einwilligung des Erben mit dem Unternehmen veräußern.145 Ansprüche auf Unterlassung unbefugter Beeinträchtigung des Firmenrechts (§ 37 II HGB) 28 gehören zur Insolvenzmasse, wenn der Insolvenzverwalter die Firma fortführt und die Beeinträchtigung auch das insolvente Unternehmen trifft. Ein vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnener Prozess wird unterbrochen (§ 240 ZPO) und nach § 85 aufgenommen. Führt dagegen der Insolvenzverwalter die Firma nicht fort, so findet keine Unterbrechung statt. Der Schuldner führt den Prozess selbst zu Ende. Führt auch er die Firma nicht fort, so ist die Hauptsache erledigt. Anders aber, wenn die zu unterlassende Handlung auch das Namensrecht des Schuldners (§ 12 BGB) beeinträchtigt. Zur Unterlassungsklage gegen den Schuldner s zu § 86.146

4. Geschäftsbezeichnungen Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 II MarkenG gehören zur Masse und dürfen vom Insol- 29 venzverwalter genutzt werden. Sie sind ebenso wie die Firma an das Unternehmen gebunden und können nur zusammen mit diesem auf den Erwerber übergehen.147 Auch Werktitel (§ 5 III MarkenG) sind Massebestandteile. Sie können nur zusammen mit dem Werk übertragen werden.148 Einen Vermögenswert kann auch die Internet-Domain eines Unternehmens haben.149 Die Rechte des Inhabers der Domain, die sich aus der Vertragsbeziehung zur DENIC ergeben, sind übertragbar und deshalb auch nach § 857 ZPO pfändbar.150 Grenzen der Pfändbarkeit151 und damit der Massezugehörigkeit ergeben sich ähnlich wie bei der Firma aus dem Namensrecht (Rn 21 ff). Außerdem kann § 811 I Nr 1b ZPO (Nr 5 ZPO aF) entgegenstehen.152 Ähnliches gilt auch für die Profile von Unternehmen in sozialen Medien.153 Ebenfalls zur Masse gehören die Adressen in Computernetzen, die auf dem Internetprotokoll basieren (IP-Adressen).154

5. Keine Übernahmehaftung nach §§ 25 HGB, 75 AO, 613a BGB Wird ein Handelsgeschäft, das zur Masse gehört, vom Insolvenzverwalter veräußert und die bisherige 30 Firma von dem Erwerber fortgeführt, so haftet der Erwerber den Insolvenzgläubigern155 nicht nach § 25 HGB. Die Vorschrift passt nicht für den Fall der Geschäftsübertragung aus einer Insolvenzmasse. Denn § 25 HGB geht von einer Übernahme der Aktiva und Passiva aus, während der Insolvenzver145 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 574; Jaeger/Weber KO8 § 214 Rn 29. 146 Vgl auch Jaeger/Henckel KO9 § 10 Rn 19 ff, 72–75. 147 Vgl RGZ 68, 51, 55; BGHZ 21, 66 ff; BGH NZI 2001, 467, 469; BGH GRUR 2002, 972, 974; BGH GRUR 2019, 535 Rn 45; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 246; aA MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 394; Steinbeck NZG 1999, 133, 139. Zum Zeitschriftentitel s RGZ 68, 51 ff und 95, 236 f. 148 BGH GRUR 2019, 535 Rn 42 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 246. 149 LG Essen MMR 2000, 286; Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 247 ff; Plaß WRP 2000, 1077; Berger/ Tunze ZIP 2020, 52, 58; Martini ZInsO 2020, 1445, 1451; Niesert/Kairies ZinsO 2002, 510, 514; BeckOK/Kirchner InsO26 § 35 Rn 37; KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 234; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 76. 150 BGHZ 220, 68 = ZIP 2019, 1498; BGH NJW 2005, 3353; Plaß WRP 2000, 1077 ff; Welzel MMR 2001, 131 ff mw Rechtsprechungs-Nachw; Niesert/Kairies ZinsO 2002, 510, 514 f; aA LG München I MMR 2000, 565, 2001, 319 mit Anm Welzel. 151 In der Einzelvollstreckung von Amts wegen zu beachten, aA Niesert/Kairies ZinsO 2002, 510, 515; s auch Kleespies, GRUR 2002, 764. 152 Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 58; zur Zwangsvollstreckung LG Mühlhausen MMR 2013, 664; abl Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 265 ff. 153 Martini ZInsO 2020, 1445, 1450 f. 154 BeckOK/Kirchner InsO26 § 35 Rn 37b. 155 Zur Haftung gegenüber Massegläubigern s Rn 35. 23

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walter nur Aktiva überträgt. Da die Insolvenzmasse nur das Aktivvermögen umfasst, dieses aber der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger dient (§§ 1, 38), würde es grundlegenden Prinzipien des Insolvenzrechts widersprechen, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen mit allen auf dieses bezogenen Verbindlichkeiten übertragen könnte. Denn der Erwerber würde den Kaufpreis unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten errechnen, der Insolvenzverwalter bekäme allenfalls eine geringfügige Gegenleistung in die Masse, die Geschäftsgläubiger des Schuldners würden durch den Übernehmer voll befriedigt, während die Privatgläubiger leer ausgingen. Die Tilgung der Geschäftsschulden vollzöge sich außerhalb des Insolvenzverfahrens. Es ist ein Grundprinzip unseres Haftungsrechts, dass die Aktiva des Vermögens den Gläubigern haften und die Realisierung dieser Haftung nicht dadurch verkürzt werden darf, dass Aktiva mit Schulden belastet übertragen werden, die den am Verwertungserlös Berechtigten nicht vorgehen. Im Ergebnis besteht auch Einigkeit, dass § 25 HGB auf die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter keine Anwendung findet.156 Dies gilt auch bei Veräußerung durch den Schuldner in der Eigenverwaltung.157 Der Ausschluss der Übernehmerhaftung greift unabhängig davon, ob die Gläubiger am Insolvenzverfahren oder an einer Abstimmung teilnehmen oder nicht. Auch für nachrangige Forderungen (§ 39) haftet der Übernehmer nicht, auch nicht für Neuverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners.158 Zur Begründung wurde oft angeführt, dass § 25 HGB als abbedungen gelte. Dies ist überflüssig und irreführend. Auf den Parteiwillen kommt es hier gar nicht an. Entscheidend ist, dass die Anwendung des § 25 HGB mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens nicht vereinbar ist. 31 Während ein beträchtlicher Begründungsaufwand notwendig war, um die Anwendung des § 25 HGB im Insolvenzverfahren auszuschließen, hat es der Gesetzgeber der AO den Beteiligten leichter gemacht. Nach § 75 II AO ist dessen Absatz 1, der eine Haftung des Betriebs- oder Unternehmensübernehmers vorsieht, für einen Erwerb aus einer Insolvenzmasse nicht anwendbar. Umstritten ist, ob das auch dann gilt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter das Unternehmen oder einen Betrieb veräußert. Der Bundesfinanzhof hat das bejaht, wenn die Veräußerung im Einvernehmen mit dem Konkursgericht erfolgte und sich die Eröffnung des Konkursverfahrens an die Sequestration anschloss.159 Für die Insolvenzordnung dürfte sich der Streit zu § 75 II AO, aber auch zu § 25 HGB fortsetzen, jedoch von geringer praktischer Bedeutung sein. Denn nur wenn man annimmt, der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dürfe in Ausnahmefällen jedenfalls ein stillgelegtes Unternehmen mit Zustimmung des Gerichts und des Schuldners veräußern,160 wird die Streitfrage relevant. Dann aber sollte das Gericht schon wegen der Mitwirkungsrechte der Gläubiger der Veräußerung nur zustimmen, wenn die Veräußerung vor Verfahrenseröffnung unausweichlich ist, um von der Masse Nachteile abzuwenden. Ob in solchen Fällen § 75 II AO anwendbar ist, hängt davon ab, ob die Gläubiger durch die Haftung des Übernehmers unzumutbar benachteiligt würden. Würde der Übernehmer haften, müsste er den Kaufpreis um die ihm auferlegten Schulden mindern. Die Gläubiger in ihrer Gesamtheit wären aber nur dann benachteiligt, wenn sich ihr Zugriff auf die verkürzte Insolvenzmasse beschränken würde. Solange sie aber in das Schuldnervermögen vollstrecken können, sind sie selbst in der Lage, die künftige Masse zu verkürzen. § 75 II AO kann deshalb nur dann analog angewendet werden, wenn den künftigen Insolvenzgläubigern schon im Eröffnungsverfahren der Zugriff auf das Schuldnervermögen verwehrt ist. Das wird regelmäßig der Fall sein, weil das Insolvenzgericht

156 RGZ 58, 166; RAG ARS 19, 176 ff; BGHZ 104, 151; BGH NZG 2014, 511 Rn 17; BAG KTS 1966 189 = NJW 1966, 1984 = AP Nr 7 zu § 419 BGB Betriebsnachfolge mit Anm von Beitzke; Hopt/Merkt HGB41 § 25 Rn 4; Staub/Burgard HGB5 § 25 Rn 46; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 549; Laue AcP 146, 193; K Schmidt Handelsrecht6 § 8 Rn 81; ders Kölner Schrift2 S 1199, 1215; Uhlenbruck KTS 1974, 1, 3. 157 BGH NZI 2020, 285 Rn 11 ff; dazu Neuberger ZIP 2020, 606 ff; anders bei Weiterführung eines materiell insolvenzreifen Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens, BGH NJW 2006, 1001 Rn 14. 158 RG LZ 1910, 783 f. 159 BFHE 186, 318 = ZIP 1998, 1845, zust Bayer DZWiR 1999, 112; Lohkemper ZIP 1999, 1251 ff; Johannsen ZinsO 1998, 374 mwN; abl Bahr EWiR § 75 AO 1/98, 1017. 160 S § 22 Rn 89 ff mwN; ferner MünchKomm/Haarmeyer/Schildt InsO4 § 22 Rn 81; Lohkemper ZIP 1999, 1251, 1252; noch weitergehend Bayer DZWiR 1999, 112; aA Uhlenbruck GmbHR 1995, 81, 1995, 195. Müller

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mit der Einsetzung des starken vorläufigen Verwalters ein Vollstreckungsverbot (§ 21 II Nr 3) erlassen bzw die Immobiliarvollstreckung einstweilen einstellen wird (§ 30d IV ZVG). Ließe man den Übernehmer haften, wäre die Veräußerung des Unternehmens oder Betriebes anfechtbar, weil die Gläubiger durch die Verkürzung des Kaufpreises benachteiligt würden. Diese Lösung kann aber masseschädlich sein, weil die Bestandteile des Unternehmens, die infolge der Anfechtung in die Masse fielen (s o Rn 10), möglicherweise dann nicht mehr so günstig zu veräußern wären wie zuvor das Unternehmen. Wer die Unanwendbarkeit des § 25 HGB auf Veräußerungen durch den Insolvenzverwalter mit 32 einem entsprechenden stillschweigenden Parteiwillen begründet, gerät in Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 613a BGB, denn diese Bestimmung ist als Sozialschutznorm unabdingbar.161 Nach § 613a I BGB tritt der neue Inhaber eines Betriebes oder Betriebsteils,162 der durch Rechtsgeschäft auf ihn übergeht, in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Wäre die Vorschrift auf Betriebsveräußerungen durch den Insolvenzverwalter uneingeschränkt anwendbar, so würde der Erwerber die rückständigen Lohnforderungen, Ansprüche aus Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und rückständige wie zukünftige Pensionsleistungen vom Kaufpreis abziehen. Die Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung noch im Arbeitsverhältnis zum Schuldner stehen, erhielten durch den unbeschränkt haftenden Erwerber volle Deckung für ihre Forderungen auf Kosten der schon ausgeschiedenen Arbeitnehmer und der anderen Insolvenzgläubiger. Dass die ausgeschiedenen Arbeitnehmer für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgeld nach §§ 165 ff SGB III erhalten, beseitigt die Ungleichbehandlung nicht in vollem Umfang. Da die Ansprüche auf das durch das Insolvenzgeld gedeckte Arbeitsentgelt auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen (§ 169 SGB III), wird der Erwerber des Betriebes auch diese Verbindlichkeiten gegenüber der Bundesanstalt mit veranschlagen. Das kann dazu führen, dass der Insolvenzverwalter mit der Gegenleistung, die er aus der Betriebsveräußerung bekommt, nicht einmal die Masseschulden decken kann, was wiederum zu Lasten der ausgeschiedenen Arbeitnehmer geht, die um ihren Lohn gebracht werden, soweit er nach § 55 I Nr 2, II als Masseschuld zu behandeln ist. Die Anwendung des § 613a BGB auf Betriebsveräußerungen durch den Insolvenzverwalter widerspricht hinsichtlich der Haftung des Erwerbers163 also in gleicher Weise den Grundprinzipien des Insolvenzrechts wie die Anwendung des § 25 HGB.164 § 613a BGB darf also nicht in der Weise angewendet werden, dass der Übernehmer für Forderungen der Insolvenzgläubiger165 haftet.166 161 BAG NJW 1982, 1607; BGH NJW 2006, 1792; Grüneberg/Weidenkaff BGB81 § 613a Rn 3; Hopt/Roth HGB41 § 59 Rn 19. 162 Dazu BGH KTS 2003, 159 = NZI 2003, 222 mN. 163 Dass § 613a BGB im Übrigen im Insolvenzverfahren anwendbar ist, setzt § 128 II voraus, LAG Hamm DZWIR 2000, 240; Heinze FS Uhlenbruck (2000) S 751, 761. 164 BAGE 32, 326 = AP Nr 18 zu § 613a BGB = KTS 1980, 255 = ZIP 1980, 117; BGH NJW 1984, 826; NJW 1986, 450 = ZIP 1986, 1523; BAGE 53, 380 = AP Nr 56 zu § 613a BGB = WM 1987, 414 = ZIP 1987, 454, dazu EWiR § 613a BGB 7/87, 667 (Seiter); BAG AP Nr 57 zu 613 a BGB = ZIP 1987, 525, dazu EWiR § 613a BGB 3/87, 357 (Grunsky); BAG NJW 1992, 708; 1993, 2259; BAG BB 1994, 2142 = KTS 1995, 107 = ZIP 1994, 1789 – auch für Ansprüche des Betriebsrats nach § 40 BetrVG; BAG ZIP 1996, 239; BAG BB 2003, 423 = NZI 2003, 222; BAG NJW 2010, 2154 Rn 17 ff; BAG DZWIR 2021, 669; Henckel ZIP 1980, 2 ff; Uhlenbruck KTS 1974 1, 4; Riedel NJW 1975, 765 ff; Hamelbeck NJW 1975, 1497; vgl auch Heilmann KTS 1975, 280; Heinze FS Uhlenbruck (2000) S 751, 763 f; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 550; Staudinger/Annuß BGB (2019) § 613a Rn 358; aA früher ArbG Rendsburg KTS 1975, 251; Richardi Sozialplan und Konkurs (1975) S 37; Dietz-Richardi6 § 11 BetrVG Rn 28; Fitting/Auffarth/Kaiser13 § 111 BetrVG Rn 13; Rumpff Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten (1972) S 62; von Stebut DB 1975, 2438 ff. Das ArbG Regensburg (ZinsO 2002, 1100) verneint eine Haftung des Übernehmers auch bei Betriebsveräußerung während des Eröffnungsverfahrens und erspart dem Verwalter damit schwierige Anfechtungsprozesse; aA insoweit BAG ZinsO 2003, 139. 165 Zu den Masseschulden s Rn 35. 166 Die Richtlinie 2001/23 EG, die an die Stelle der Richtlinie 77/187/EWG getreten ist, steht dem nicht entgegen (Moll KTS 2002, 635, 637 f). Sie ist im Konkurs- und Insolvenzverfahren nicht anwendbar (RL 98/50/EG vom 29.6.1998; zuvor EuGH Slg 1985, 457, 465 Rn 10; 1985, 469, 483 f Rn 14 f; 1998, 1061, 1087 Rn 21; die Mitgliedsstaaten können aber von der Richtlinie abweichende Regelungen treffen (Art 5 II, Art 8 RL 2001/23/EG). Die Richtlinie 80/987 EWG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2002/74 EG (ZinsO 2002, 1173, s auch Pape ZInsO 2002, 1171) betrifft nur die Sicherungseinrichtungen zum Schutz der Arbeitnehmer, nicht aber die Haftung des Übernehmers. 25

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Die übrigen Funktionen des § 613a BGB bleiben im Insolvenzverfahren unberührt. § 128 InsO setzt die Geltung des § 613a BGB insoweit auch im Insolvenzverfahren voraus.167 So tritt der Übernehmer in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein und hat die daraus resultierenden Verpflichtungen vom Betriebsübergang an zu erfüllen. Eine Kündigung wegen des Übergangs des Betriebs ist unwirksam (Bestandsschutz). Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Betriebsrats wird durch die Betriebsübertragung nicht unmittelbar betroffen (Mitbestimmungsfunktion).168 Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gelten nach Maßgabe von § 613a I S 2–4 BGB fort (kollektivrechtliche Weitergeltung).169 Nach hM treten die Wirkungen des § 613a BGB, soweit sie im Insolvenzverfahren nicht ausge34 schlossen sind, mit dem Übergang der Leitungsmacht ein;170 nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts171 soll sogar der Beginn der Möglichkeit, die Leitungsmacht auszuüben, den Zeitpunkt der Übergangswirkung bestimmen. Das mag für die arbeitsrechtlichen Wirkungen des § 613a BGB, die bei einem Betriebsübergang aus einer Insolvenzmasse eintreten, angemessen sein. Ob es auch für die Haftungsfunktion des § 613a BGB gilt, kann hier dahingestellt bleiben, weil diese bei der Veräußerung des Betriebes oder Unternehmens durch den Insolvenzverwalter nicht zur Wirkung kommt.172 Auf Betriebsveräußerungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist § 613a BGB nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts uneingeschränkt anwendbar.173 Die Gegenansicht lässt den Erwerber für Rückstände aus der Zeit vor der Übernahme schon dann nicht haften, wenn der Betriebsübergang nach dem Eröffnungsantrag unter Aufsicht eines vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzgerichts stattgefunden hat.174 Der Streit wird hier nicht anders zu entscheiden sein als zu § 75 II AO und § 25 HGB (s o Rn 31). Die §§ 25 HGB, 613a BGB sind nach der oben gegebenen Begründung im Insolvenzverfahren 35 nicht anwendbar, weil einige Insolvenzgläubiger benachteiligt würden, wenn andere von dem Übernehmer voll befriedigt würden. Eine entsprechende Benachteiligung von Gläubigern tritt regelmäßig nicht ein, wenn man den Übernehmer für die Masseschulden einstehen lässt, die während des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Denn regelmäßig werden dann nicht nur die Gläubiger voll befriedigt, die sich an den Übernehmer halten können, sondern auch die übrigen Massegläubiger, etwa diejenigen, deren Forderungen erst während der weiteren Abwicklung des Insolvenzverfahrens nach der Betriebsveräußerung entstehen. Denn die Masseforderungen sind vor allen anderen zu befriedigen und der Erlös aus der Betriebsveräußerung wird regelmäßig ausreichen, wenigstens die Massegläubiger zu befriedigen. Deshalb haftet der Übernehmer für die bis zum Betriebsübergang entstandenen Masseschulden.175 Das sollte nach dem Zweck der Norm auch für § 75 AO gelten, obwohl der Wortlaut des § 75 II AO dagegen spricht. Der Gesetzgeber hat hier offenbar nicht an die Masseschuldansprüche gedacht. Für den selteneren Fall, dass die Masse nicht ausreicht, alle Massegläubiger zu befriedigen, hat das Bundesarbeitsgericht § 613a BGB uneingeschränkt angewendet und den Massegläubigern, denen der Übernehmer nicht haftet, 167 LAG Hamm DZWIR 2000, 240; LAG Sachsen ZinsO 2002, 499; Berscheid Kölner Schrift3 Kap 34 Rn 95; Düwell Kölner Schrift3 Kap 37 Rn 105 ff; Heinze FS Uhlenbruck (2000) S 751, 761; Staudinger/Annuß BGB (2019) § 613a Rn 357. 168 Staudinger/Annuß BGB (2019) § 613a Rn 10, 371. 169 Staudinger/Annuß BGB (2019) § 613a Rn 199 ff. 170 S Staudinger/Annuß BGB (2019) § 613a Rn 70; Kempter NZI 1999, 93, 95 f. Moll KTS 2002, 635, 646. 171 BAG EzA § 613a BGB Nr 143 = KTS 1997, 153 = NJW 1997, 1027. 172 Für den Betriebsübergang vor der Eröffnung des Verfahrens sollte für die Haftung des Übernehmers der Zeitpunkt maßgebend sein, von dem an der Betrieb auf seine Rechnung geführt wird, Henckel FS Heinsius (1991) S 261, 285. 173 BAG ZIP 1992, 608; BAG ZIP 1992, 49, dazu EWiR 1992, 153 (Joost); BAG KTS 1992, 654; BAG ZIP 1996, 1914. 174 Lohkemper ZIP 1999, 1251 ff; zu § 75 II AO: BFH DStR 1998, 1600 = DZWiR 1999, 109 mit Anm von Wilfried Bayer = NZI 1998, 95 = ZIP 1998, 1845, dazu EWiR § 75 AO 1/98, 1017 (abl Bähr) = ZIP 1998, 1845; Nicole Johannsen ZInsO 1998, 374 f mwN zur steuerrechtlichen Literatur. 175 BAGE 53, 380 = AP Nr 56 zu § 613a BGB = NJW 1987, 1966 = WM 1987, 414 = ZIP 1987, 454, dazu EWiR § 613a BGB 7/87, 667 (Seiter); BAG ZIP 1996, 239, dazu EWiR § 613a 2/96, 345 (Otto); BAG ZIP 2010, 897 Rn 16; Staudinger/Annuß BGB (2019) § 613a Rn 358; aA noch LAG Hamm ZIP 1983, 477; Henckel ZIP 1980, 173§ 613a. Müller

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die Nachteile gegenüber den vom Übernehmer voll befriedigten zugemutet.176 Das ist aus praktischen Gründen unvermeidbar, wenn es um Rentenanwartschaften geht, die während des Insolvenzverfahrens angewachsen sind.177 Soweit es sich aber etwa um Forderungen auf Arbeitsentgelt handelt, ist die Anwendung des § 613a BGB nicht gerechtfertigt, wenn zur Zeit des Betriebsübergangs abzusehen ist, dass die weitere Insolvenzabwicklung die Beschäftigung von Arbeitnehmern fordert und diese vom Insolvenzverwalter nicht voll bezahlt werden können.178 Was für die Masseschuldansprüche zu § 613a BGB gilt, führt auch bei § 25 HGB zu angemessenen Lösungen. Veräußert der Insolvenzverwalter eine Diensterfindung eines Arbeitnehmers des Schuld- 36 ners zusammen mit dem Geschäftsbetrieb, tritt der Erwerber für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an in die Vergütungspflicht des bisherigen Arbeitgebers ein (§ 27 Nr 1 ArbnErfG). Auch hier wird für Altverbindlichkeiten nicht gehaftet. Die Anordnung der Haftung für die von der Verfahrenseröffnung an zu zahlende Vergütung geht offenbar davon aus, dass die Masseverbindlichkeiten im Übrigen voll getilgt werden können. Dass die volle Befriedigung des Arbeitnehmererfinders durch den Übernehmer bei unzulänglicher Masse die übrigen Massegläubiger benachteiligen kann, hat der Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Die Gesetzeslücke sollte ebenso geschlossen werden wie zu § 613a BGB (Rn 35).

6. Marken Anders als das Warenzeichen des durch das Markengesetz abgelösten Warenzeichengesetzes ist 37 das durch die Eintragung, Benutzung oder notorische Bekanntmachung einer Marke begründete Recht nach § 29 I Nr 1 MarkenG pfändbar179 (§ 29 I Nr 2 MarkenG) und damit Massebestandteil (§ 29 III MarkenG), und zwar nicht nur zur Benutzung in dem vom Verwalter fortgeführten Unternehmen, sondern auch zur selbständigen Verwertung.180 Grund der Änderung ist die durch § 27 MarkenG eingeführte selbständige Übertragbarkeit des Rechts.181 Sie hat auch zur Folge, dass die Stilllegung des Unternehmens das Markenrecht und die aus ihm abgeleiteten Ansprüche unberührt lässt.182 § 29 MarkenG enthält keinen Vorbehalt für Marken, in denen der Name des Unternehmers enthalten ist. Deshalb kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs183 zum Warenzeichen, die dessen Veräußerung an die Zustimmung des Namensträgers band, nicht übernommen werden.184 Auch die Unionsmarke kann nach Art. 24 UMV vom Insolvenzbeschlag erfasst sein.185 Die Befugnis zum Antrag auf Eintragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Regis- 38 ter (§ 29 III MarkenG) und zur Umschreibung der Marke (§ 27 III MarkenG) steht dem Insolvenzverwalter, nicht dem Schuldner, zu. Soll der zur Umschreibung geforderte Nachweis durch eine Bewilligung erbracht werden, muss diese vom Insolvenzverwalter erteilt sein. Unterlassungsansprüche und Schadensersatzansprüche auf Grund des MarkenG (§§ 14 ff) sind Massebestandtei176 177 178 179 180

BAGE 53, 380 = AP Nr 56 zu § 613a BGB = ZIP 1987, 454, dazu EWiR § 613a BGB 7/87, 667 (Seiter). Henckel ZIP 1980, 173. Henckel ZIP 1980, 173; Staudinger/Annuß BGB (2019) § 613a Rn 364. S im einzelnen Jochen Volkmer Das Markenrecht im Zwangsvollstreckungsverfahren (1999). Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 108 ff; Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 55; Fezer Markenrecht4 § 29 Rn 31 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 245; zur Bewertung: Häfele/Wurzer DZWIR 2001, 282 ff. 181 Fezer Markenrecht4 § 29 Rn 15; zur Übertragung einer Unternehmensbezeichnung durch einen Konkursverwalter s BGH NZI 2001, 467. 182 Fezer Markenrecht4 § 29 Rn 34. 183 BGHZ 32, 103. 184 Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 121 ff; Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 55; Schmittmann/Ademi DZWiR 2022, 342, 347; Steinbeck NZG 1999, 133, 139 f; Fezer Markenrecht4 § 29 Rn 38; ebenso mit anderer Begründung KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 324. 185 Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 55. 27

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le und als solche vom Verwalter geltend zu machen, gleichgültig ob sie vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach entstanden sind.186

7. Versicherungen 39 Ansprüche aus Versicherungsverträgen bilden als Rechte von Vermögenswert Bestandteile der Insolvenzmasse des Berechtigten.187 Beschlagsfähig sind nicht nur Ansprüche aus dem großen Bereich der Schadensversicherung, zB gegen Feuer, Wasser, Hagel, Viehseuchen, Sturm, Hinbruch, Ausstand, Zahlungsunfähigkeit, Transportschäden, Haftpflicht, sondern auch Ansprüche auf Grund der Personenversicherung (Tod, Krankheit, Unfall, Erwerbsunfähigkeit), es sei denn, dass diese auf Leistungen persönlicher Art gerichtet wären, wie zB freie ärztliche Behandlung oder Verpflegung des Versicherten in einem Krankenhaus oder Altersheim. Zu den Pfändungsschranken s § 36 Rn 27 ff. Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auf geldwerte Kapital- oder Rentenleistungen 40 gehören nicht nur dann zur Masse, wenn die Leistung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Berechtigten bereits fällig, aber noch nicht bewirkt waren, sondern auch dann, wenn der Versicherungsfall erst während des Insolvenzverfahrens eintritt. Dies ist nicht eine Folge der durch die InsO eingeführten Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse (Rn 102 ff), sondern war schon für die KO anerkannt. Denn auf Grund der Versicherung besteht eine Anwartschaft, die bei Gewissheit des künftigen Versicherungsfalls, wie bei der Lebensversicherung auf den Todesfall, ein betagtes, bei dessen Ungewissheit, wie bei der Unfallversicherung, ein aufschiebend bedingtes Masserecht darstellt. Der innerhalb des gedeckten Zeitraums eintretende Versicherungsfall lässt daher das Vollrecht als Recht der Masse zustandekommen, bei der Rentenversicherung auch hinsichtlich der später fälligen Bezüge.188 Ist der Versicherer nicht wegen Zahlungsverzugs von seiner Leistungspflicht frei geworden (§§ 37 II, 38 II VVG) und hat der Insolvenzschuldner nicht vor der Verfahrenseröffnung über den Anspruch wirksam verfügt oder eine Bezugsberechtigung eingeräumt (s Rn 78 ff), kann der Insolvenzverwalter die Versicherungssumme ohne weiteres zur Masse einziehen. Zu diesem Zweck muss er sich den Versicherungsschein vom Schuldner beschaffen (§ 148).189 Sind bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Prämien rückständig, hat der Insolvenzverwalter nach § 103 die Wahl, ob er den Vertrag fortsetzt oder die Erfüllung ablehnt. Eine Fortsetzung ist ausgeschlossen, wenn die Versicherung den Vertrag ihrerseits wirksam – insbesondere nach § 38 III VVG – gekündigt hat. Die früher in § 14 I VVG aF vorgesehene Möglichkeit des Versicherers, sich für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers die Befugnis auszubedingen, das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen, ist durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts 2008 ersatzlos entfallen. Wird über das Vermögen des Versicherers das Insolvenzverfahren eröffnet, endet das Versicherungsverhältnis mit Ablauf eines Monats seit der Eröffnung (§ 16 I VVG). 41 Werden während des Insolvenzverfahrens Prämien fällig, muss sich der Insolvenzverwalter ebenfalls im Rahmen seines Wahlrechts (§ 103) entscheiden. Lehnt er die Erfüllung ab, so hat der Versicherer uU einen Schadensersatzanspruch gem § 103 II als einfache Insolvenzforderung und

186 Fezer Markenrecht4 § 29 Rn 34. 187 Bork FS Kollhosser (2004) S 57, 58; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 82; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 444; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 207. 188 RGZ 52, 51 ff; KGBl 1904, 8; zum betrieblichen Ruhegeld (Direktzusage) vgl BGHZ 92, 339, 341 ff; BGH KTS 1989, 389 = WM 1989, 71 = ZIP 1989, 110; BSG KTS 1991, 182 = ZIP 1991, 384; zur Lebensversicherung BGH NZI 2015, 180 Rn 14; NJW 2019, 999 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 82; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 448; Uhlenbruck/ Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 207. 189 Heilmann KTS 1966, 80 f. Müller

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der gegen ihn gerichtete Leistungsanspruch ist mit sofortiger Wirkung nicht mehr durchsetzbar.190 Wählt der Insolvenzverwalter Erfüllung des Vertrages, begründet er Masseverbindlichkeiten. Laufende Prämien sind dann aus der Masse zu zahlen. Der Verwalter muss also zunächst prüfen, bis zu welchem Zeitpunkt die Versicherung durch Prämien gedeckt ist. Lehnt er die Erfüllung vor diesem Zeitpunkt ab, etwa nach Aufforderung durch die Versicherung nach § 103 II S 2 oder aus freien Stücken, so macht er sich schadensersatzpflichtig (§ 60), wenn der Versicherungsfall noch während der gedeckten Periode eintritt. Denn er hat dann die Anwartschaft für die Masse aufgegeben oder auf die Prämienreserve reduziert, ohne dass ihre Erhaltung die Masse etwas gekostet hatte. Setzt dagegen der Insolvenzverwalter den Vertrag fort, läuft er nicht Gefahr, auch für die folgenden Jahre noch die Prämie zahlen zu müssen. Denn nach § 168 VVG kann er den Vertrag zum Schluss des Kalenderjahres kündigen. Ist mit dem Versicherungsfall während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht zu rechnen, so sollte der Insolvenzverwalter alsbald kündigen und die Erstattung des Rückkaufswertes verlangen (§ 196 VVG). Andernfalls sollte er auf das Ende der Periode, für welche die Versicherungsprämie geleistet ist, kündigen. Zum Eintrittsrecht Dritter s Rn 78.

8. Urheberrecht a) Vermögens- und Persönlichkeitsrecht. Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen 42 geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes (§ 11 S 1 UrhG). Es schützt nicht das Werk als solches: Das Urheberrecht ist ein einheitliches Recht (monistische Theorie);191 mit vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen (Urheberpersönlichkeitsrecht, droit moral) Ausstrahlungen. Die Werke der Literatur, Kunst und Wissenschaft, für die der Urheber Schutz genießt, sind im UrhG nicht abschließend aufgezählt. § 2 UrhG enthält nur Beispiele („insbesondere“), um künftig neu auftretenden Werkarten nicht den Schutz zu versperren. Das persönlichkeitsrechtliche Element des Urheberrechts umfasst das Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG), das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) und das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung des Werkes zu verbieten (§ 14 UrhG). Auch das Recht auf den Zugang zu den Werkstücken (§ 25 UrhG) wird man entgegen der Systematik des Gesetzes zu den persönlichkeitsrechtlichen Elementen zählen dürfen.192 Vorwiegend vermögensrechtlicher Art sind die Verwertungsrechte (§§ 15–23 UrhG), das Folgerecht193 (§ 26 UrhG) und das Recht auf Vergütung für Vermietung und Verleihen („Bibliotheksgroschen“) (§ 27 UrhG).

b) Pfändbarkeit. Das Urheberrecht kann nur in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen 43 oder im Wege der Erbteilung an Miterben rechtsgeschäftlich übertragen werden. Im Übrigen ist es nicht veräußerlich (§ 29 UrhG) und deshalb als solches auch nicht pfändbar (§§ 857 I, 851 I ZPO). Nach § 857 III ZPO, der gem § 112 UrhG auf die Zwangsvollstreckung in das Urheberrecht anwendbar ist, unterliegt dieses jedoch insoweit der Zwangsvollstreckung, als die Ausübung einem anderen übertragen werden kann. Eine solche Nutzungsübertragung ist dem Urheber nach 190 RGZ 56, 238, 240; 73, 58, 63; 135, 167, 170; BGHZ 15, 333, 335 f; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 451. 191 HM, vgl E Ulmer Urheber- und Verlagsrecht3 § 18; Möhring FS H Lehmann, Bd 2 S 615, 621; Haensel Aufführung, Vortrag, Rundfunkweitergabe (1959), S 15; Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 137 ff; Wallner Die Insolvenz des Urhebers (2002) S 43 f; Fromm/Nordemann/Czychowski Urheberrecht12 § 11 Rn 1 f; Möhring/Nicolini UrhRG 1970 § 1 Anm c, § 11 Anm 2; Schricker/Loewenheim/Loewenheim UrhR6 Einl Rn 28; kritisch Skauradszun Das Urheberrecht in der Zwangsvollstreckung (2009), 163 ff, 209. 192 BGH GRUR 1952, 257, 258; Fromm/Nordemann/Nordemann Urheberrecht12 § 25 Rn 1; Möhring/Nicolini UrhRG § 25 Anm 1b; Schricker/Loewenheim/Vogel UrhR6 § 25 Rn 7; zu weiteren Einzelvorschriften als Ausdruck des Urheberpersönlichkeitsrechtes: Schricker/Loewenheim/Peukert UrhR6 vor §§ 12 ff Rn 5. 193 Ulmer UrhR3 § 1 II 3. 29

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

§§ 31 ff UrhG möglich. Deshalb ist die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das Urheberrecht nach § 113 UrhG insoweit zulässig, als der Urheber Nutzungsrechte einräumen kann. Da jedoch die Zwangsvollstreckung auch das Urheberpersönlichkeitsrecht berührt, bedarf sie grds der Einwilligung des Urhebers (§ 113; Ausnahmen: §§ 34, 69b, 88, 89 UrhG194). Der Gesetzgeber wertet die persönliche Bindung des Schuldners zu seinem Werk grds höher als das Befriedigungsinteresse der Gläubiger. Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist das Urheberrecht zur Nutzung in der Art (§ 31 UrhG), die der Vollstreckungsgläubiger in seinem Antrag bezeichnet und zu welcher der Urheber seine Einwilligung erteilt hat, nicht dagegen das Nutzungsrecht.195 Denn als Nutzungsrecht bezeichnet das Gesetz nicht das Recht des Urhebers, sondern das „Tochterrecht“,196 das der Urheber dem Nutzungsberechtigten einräumt.

44 c) Insolvenzrechtliche Folgen. Als insolvenzrechtliche Folge ergibt sich, dass im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Urhebers das Urheberrecht nur zur Nutzung in die Masse fällt, und zwar nur, wenn und soweit der Schuldner die notwendige (Rn 43) Einwilligung zur Einbeziehung in die Masse erteilt.197 Der Insolvenzverwalter darf deshalb das Werk nur in der Art (§ 31 UrhG) für die Masse nutzen oder Dritten Nutzungsrechte einräumen, zu welcher der Schuldner seine notwendige Einwilligung erteilt hat. § 113 UrhG spricht ausdrücklich von einer „Einwilligung“ des Schuldners, verlangt also dessen vorherige Zustimmung (§ 183 BGB). Die Verweigerung kann allerdings bei vorheriger Kommerzialisierung im Einzelfall rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich sein, etwa bei einem Urheberrecht an gewerblich genutzter Software (s Rn 51), bei dem der persönlichkeitsrechtliche Gehalt typischwerweise zurücktritt.198 Dem Urheber verbleiben stets die persönlichkeitsrechtlichen Rückrufrechte nach §§ 41, 42 UrhG sowohl gegenüber dem Insolvenzverwalter als auch gegenüber Dritten, denen der Verwalter Nutzungsrechte eingeräumt hat. Die Entschädigungspflicht nach § 42 III UrhG trifft den Urheber persönlich, nicht die Masse. Der Insolvenzverwalter kann die Rückrufrechte nicht ausüben. Zur Insolvenz des Nutzungsberechtigten, insb. des Verlegers, s vor § 103 ff Rn 114, 120 ff.199

45 d) Originale, Vervielfältigungsstücke und Kopien. Originale, die dem Urheber gehören, sind nur mit seiner Einwilligung pfändbar und Bestandteile der Masse (§ 114 I UrhG). Anderes gilt nach § 114 II Nr 2 und 3 UrhG nur für Originale eines Werkes der Baukunst und anderer Werke der bildenden Kunst, wenn diese veröffentlicht sind. Entsprechend der Möglichkeit der Hilfspfändung nach § 114 II Nr 1 UrhG kann der Insolvenzverwalter ein Original zur Masse ziehen, soweit es zur Verwertung eines massezugehörigen Rechts des Urhebers notwendig ist. Hat also der Schuldner seine Einwilligung erteilt, dass das Urheberrecht zur Masse gezogen wird, so kann der Insolvenzverwalter ohne weitere Einwilligung das Original herausverlangen, wenn es etwa zum Zwecke der Vervielfältigung benötigt wird. Jedoch darf er dann das Original nicht veräußern. Dazu bedürfte er der besonderen Einwilligung nach § 114 I UrhG. Fehlt sie, muss er das Original dem Schuldner zurückgeben, sobald es zur Vervielfältigung nicht mehr benötigt wird. Diese Regelung gilt auch für eine Manuskriptkopie eines unveröffentlichten Werkes. Vervielfältigungsstücke und Kopien, die dem Insolvenzschuldner gehören, dürfen nur mit seiner Einwilligung zur Masse gezogen werden, wenn er sich die Veröffentlichung noch vorbehalten hat. Andern194 Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 141; Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 55; Schricker/LoewenheimWimmers UrhR6 § 112 Rn 13; anderer Ansatz de lege ferenda bei Skauradszun Das Urheberrecht in der Zwangsvollstreckung (2009) S 122 ff. 195 So aber Möhring/Nicolini UrhRG § 112 Anm 4 c. 196 BeckOK/Rudolph UrhG34 § 113 Rn 9. 197 Schmittmann/Ademi DZWiR 2022, 342, 347 f. 198 Martini ZInsO 2020, 1445, 1449. 199 S auch Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 233 ff. Müller

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falls gehören sie ohne weiteres zur Masse,200 es sei denn, der Schuldner benötigt eine Kopie zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit iSd § 811 I Nr 1b ZPO (§ 811 I Nr 5 ZPO aF).

e) Rechtsnachfolger des Urhebers. Ist der Schuldner als Rechtsnachfolger (Erbe, Vermächtnis- 46 nehmer) des Urhebers Inhaber des Urheberrechts, so setzt dessen Einbeziehung in die Masse die Einwilligung des Nachfolgers voraus; der Einwilligung bedarf es jedoch nicht, wenn das Werk bereits erschienen ist (§ 115 UrhG). Die Originale, die dem Rechtsnachfolger gehören, fallen grds nur mit seiner Einwilligung in die Masse. Diese Einwilligung ist aber entbehrlich, soweit das Original im Insolvenzverfahren des Urhebers selbst ohne seine Einwilligung in die Masse fiele (§ 116 II S 1 Nr 1 UrhG, so Rn 45), ferner wenn das Werk bereits erschienen ist (§ 116 II S 1 Nr 2 UrhG). f) Verwandte Schutzrechte. Die §§ 113–117 UrhG sind sinngemäß anzuwenden im Insolvenz- 47 verfahren über das Vermögen des Verfassers wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70 UrhG) und auf das des Lichtbildners (§ 72 UrhG) sowie deren Rechtsnachfolger (§ 118 UrhG). Die Rechte dieser Personen werden insoweit dem Urheberrecht gleichgestellt. Bei den ausübenden Künstlern iSv § 73 UrhG ist dagegen zu differenzieren. Die in §§ 74–76 näher bezeichneten Rechte gewähren einen persönlichkeitsrechtlichen Schutz und sind deshalb nicht übertragbar.201 Die in §§ 77, 78 UrhG genannten Rechte und Ansprüche sind aber nach § 79 UrhG abtretbar. Sie fallen deshalb ohne Einschränkung in die Masse. Die Schutzrechte an nachgelassenen Werken (§ 71 II UrhG) sowie des Veranstalters (§ 81 UrhG), des Tonträgerherstellers (§ 85 II S 1 UrhG), des Sendeunternehmens (§ 87 II S 1 UrhG), des Datenbankherstellers (§§ 87a ff.), des Presseverlegers (§§ 87fg III UrhG) und des Filmherstellers (§ 94 II UrhG) können frei – auch als Ganzes – übertragen werden und unterliegen daher sowohl der Individual- als auch der Gesamtvollstreckung in das Vermögen des Berechtigten.

g) Geldforderungen des Urhebers. Geldforderungen des Schuldners aus der Verwertung des 48 Urheberrechts sind vorbehaltlich des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen (§§ 850 ff, 850i ZPO) pfändbar und fallen insoweit stets in die Masse,202 wenn sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben oder später während des Verfahrens entstanden sind, dies gilt auch für Vergütungsansprüche gegen Verwertungsgesellschaften.203 Ebenfalls Bestandteil der Masse ist der Vertragsänderungsanspruch (§ 32 I S 3 UrhG). Er hat Vermögenswert und die angemessene Vergütung darf den Gläubigern nicht vorenthalten werden.204 Zur Masse gehört auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Urheberrechts, mag auch dieses selbst mangels Einwilligung des Urhebers nicht zur Masse gehören.205 h) Unterlassungsanspruch. Der Unterlassungsanspruch zur Abwehr einer Beeinträchtigung 49 des Urheberrechts gehört zur Insolvenzmasse, soweit dieses selbst Massebestandteil ist. Gegen vermögensrelevante Beeinträchtigungen kann der Insolvenzverwalter vorgehen, während der Unterlassungsanspruch wegen reiner Persönlichkeitsrechtsverletzungen immer dem Urheber 200 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 382; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 248. 201 BeckOK/Rudolph UrhG34 § 112 Rn 53. 202 Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 149; Schwab KTS 1999, 49, 51; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 95a; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 371; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 250. 203 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 95a. 204 AA zur Einzelvollstreckung Berger NJW 2003, 853 ff. 205 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 95a; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 387; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 250. 31

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verbleibt.206 Schwebt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Urhebers eine Unterlassungsklage, so hängt die Anwendbarkeit des § 240 ZPO mit § 85 von der Einwilligung nach § 113 UrhG ab.

50 i) Werke im Eigentum des Schuldners, der nicht Urheber ist. Urheberrechtlich geschützte Werke, die sich im Eigentum des Schuldners befinden, der nicht selbst der Urheber oder dessen urheberrechtlicher Rechtsnachfolger (§§ 28–30 UrhG) ist, fallen grds in die Masse. Denn das Eigentum am Werk kann auf Dritte übertragen werden. Das ausschließliche Verbreitungsrecht des Urhebers (§ 17 UrhG) steht nicht entgegen, da dieses durch die Veräußerung, die der Urheber vorgenommen hat, erschöpft ist (§ 17 II UrhG).207 Jedoch darf der Insolvenzverwalter das Werk nicht anders verwerten als durch Veräußerung, unveröffentlichte Briefe, die Werkcharakter haben, oder Manuskripte also nicht veröffentlichen, weil die Übertragung des Eigentums am Original dem Erwerber im Zweifel kein Nutzungsrecht verschafft (§ 44 I UrhG; Ausnahmen aber in §§ 44 II und 60 UrhG). Der Veröffentlichung von Briefen, die keinen Werkcharakter haben, kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfassers entgegenstehen.208

51 j) Computerprogramme. Das Recht an der Entwicklung einer Software ist ein Urheberrecht (§§ 2 I Nr 1, 69a UrhG),209 auf das grds auch § 113 UrhG anwendbar ist, der die Zwangsvollstreckung und damit auch die Massezugehörigkeit von der Einwilligung des Urhebers abhängig macht. Da jedoch § 113 UrhG dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Urhebers dient, das durch Pfändung und Verwertung des Rechts nur selten beeinträchtigt wird, kann § 113 UrhG nicht uneingeschränkt angewendet werden.210 Persönlichkeitsschutz verdient der Urheber nur insoweit, als es um seine Entscheidung für eine wirtschaftliche Nutzung geht. Wegen der Nähe zu technischen Entwicklungen liegt es nahe, die zum Patentrecht entwickelten Grundsätze entsprechend heranzuziehen.211 Danach ist das Recht ohne Einwilligung pfändbar und massezugehörig, sobald der Berechtigte seine Verwertungsabsicht kundgetan hat.212 Software, die im eigenen Betrieb des Insolvenzschuldners entwickelt worden ist und der Organisation und Leitung des Betriebes dient, darf der Insolvenzverwalter nicht ohne den Betrieb veräußern.213 Zum Urheberrecht in Arbeits- und Dienstverhältnissen s § 69b UrhG. Computerprogramme, an denen der Schuldner ein Nutzungsrecht hat, darf der Insolvenzverwalter zu Zwecken der Masseverwaltung, der Betriebsfortführung und Reorganisation des Unternehmens oder eines Betriebes benutzen.214 Die Übertragung von Nutzungsrechten bedarf grds der Zustimmung des Urhebers gem § 34 I UrhG. Jedoch darf der Insolvenzverwalter ohne Zustimmung des Urhebers das Nutzungsrecht im Rahmen einer Gesamtveräußerung eines Unternehmens oder Unternehmensteils veräußern (§ 34 III UrhG). 52 Von der Massezugehörigkeit des Urheberrechts des Softwareentwicklers zu unterscheiden ist die eines Softwaredatenträgers, der in der Einzelzwangsvollstreckung der Sachpfändung unterliegt.215 Die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse des Eigentümers des Datenträgers hängt deshalb zunächst davon ab, dass dieser nicht nach § 811 I Nr 1b unpfändbar ist (§ 36 InsO), was nur 206 Diese Differenzierung fehlt bei Schwab KTS 1999, 49, 51; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 250. 207 Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 146; Schricker/Loewenheim/Loewenheim UrhR6 § 17 Rn 35 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 168. Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 61; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 169. Paulus ZIP 1996, 2, 3; Schricker/Loewenheim/Spindler UrhR6 vor §§ 69a ff Rn 7. Heidland KTS 1990, 183,191; Paulus ZIP 1996, 2, 4; Gesper CR 1989, 8 ff. Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 857 Rn 23; Chr Paulus ZIP 1996, 2, 4; Hess InsO §§ 35, 36 Rn 113. S u Rn 58 und MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 176; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 152. Gesper CR 1989, 8, 13. Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 151. Paulus ZIP 1996, 2 ff; ders DGVZ 1990, 151 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 63 f, jedoch ohne die notwendige Unterscheidung zwischen Programm und Datenträger.

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in Betracht kommt, wenn dem Schuldner auch ein Computer als unpfändbar zu belassen ist, auf dem er die Software verwenden kann.216 Mit dem Datenträger gehört auch das zugehörige Handbuch zur Masse. Die Verwertung des Datenträgers durch den Insolvenzverwalter scheitert nicht an dem Verwertungsrecht des Urhebers. Dieses ist nach § 69c Nr 3 S 2 UrhG erschöpft.217

k) Filmwerke. Besonderheiten gelten für Filmwerke. Hier ist zu unterscheiden zwischen dem 53 Urheberrecht an dem für die Filmherstellung benutzten Werk und dem Recht am Filmwerk. Benutztes Werk kann ein eigens für den Film hergestelltes Drehbuch oder dafür komponierte Filmmusik sein, aber auch ein sog. vorbestehendes Werk, das nicht unmittelbar für die Verfilmung geschaffen worden ist,218 also etwa ein Roman, eine Oper oder ein anderes musikalisches Werk. Für das Urheberrecht an dem benutzten und dem vorbestehenden Werk gelten die oben wiedergegebenen Regeln (§ 89 III UrhG).219 Das Urheberrecht fällt nur mit Einwilligung des Urhebers-Insolvenzschuldners in die Masse. Will der Insolvenzverwalter einem anderen die Verfilmung des Werkes gestatten (§ 88 UrhG), muss sich die Einwilligung des Schuldners auf diese Art der Verwertung beziehen. Zur Bindung des Insolvenzverwalters an eine vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilte Erlaubnis zum Verfilmen seines Werkes s zu § 103. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Filmherstellers stehen Urheberrechte 54 derjenigen, die sich zur Mitwirkung bei der Herstellung des Films verpflichtet haben, einer Nutzung des Filmwerks durch den Insolvenzverwalter im Zweifel nicht entgegen.220 Denn nach der Auslegungsregel des § 89 I UrhG ist anzunehmen, dass mit der Verpflichtung zur Mitwirkung dem Filmhersteller das ausschließliche Recht eingeräumt worden ist, das Filmwerk sowie Übersetzungen und andere filmische Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Filmwerks auf alle bekannten Nutzungsarten zu nutzen. Auch die Rechte der ausübenden Künstler stehen der Verwertung nicht entgegen, weil die Rechte nach §§ 77 I und II 2 und 78 I Nr 1 und 2 UrhG im Zweifel mit dem Vertrag über die Mitwirkung bei der Herstellung des Filmwerks an den Filmhersteller abgetreten sind (§ 92 I UrhG). Selbstverständlich bleibt der Schutz der Urheber und der ausübenden Künstler gegen gröbliche Entstellungen und Beeinträchtigungen ihrer Werke oder Leistungen (§ 93 UrhG) erhalten. Filmhersteller ist, wer die wirtschaftliche Verantwortung und die organisatorische Tätigkeit übernimmt, die erforderlich sind, um den Film als fertiges, zur Auswertung geeignetes Ergebnis der Leistungen aller bei seiner Schaffung Mitwirkenden herzustellen.221 Der Hersteller selbst hat kein Urheberrecht am Filmwerk. Jedoch gibt ihm § 94 UrhG ein verwandtes Schutzrecht, das nach dessen Abs 2 übertragbar ist. Dieses Recht fällt also in die Insolvenzmasse des Herstellers, ohne dass es dessen Einwilligung bedarf. Ebenso fallen die in § 88 UrhG genannten Nutzungsrechte in die Masse; denn sie sind nach § 34 III UrhG mit dem Unternehmen des Insolvenzschuldners übertragbar. Einer Zustimmung des Urhebers des benutzten oder vorbestehenden Werkes bedarf es zur Übertragung der dem Filmhersteller nach §§ 88 I, 89 II UrhG zustehenden Rechte nicht (§ 90 UrhG). Der Insolvenzverwalter kann also von den Nutzungsrechten am hergestellten Film ohne Einwilligung des Herstellers und des Urhebers des benutzten oder vorbestehenden Werkes sowie des Filmwerkes Gebrauch machen und sie zum Zwecke der Verwertung übertragen. 216 Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 808 Rn 4, 5. 217 Schricker/Loewenheim/Spindler UrhR6 § 69c Rn 32 ff; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 808 Rn 5; Uhlenbruck/Hirte/ Praß InsO15 § 35 Rn 151; Paulus DGVZ 1990, 151, 154.

218 Zu den Begriffen: Marrder Die Verwertung von Filmrechten in der Insolvenz (2006) S 6 ff; Schricker/Loewenheim/ Katzenberger/Reber UrhR6 vor §§ 88 ff Rn 57 ff. 219 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 251. Kritisch dazu hinsichtlich der eigens für den Film hergestellten Werke: Schricker/Loewenheim/Katzenberger/Reber UrhR6 vor §§ 88 ff Rn 65 ff. 220 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 251. 221 BGH UFITA 55 (1970) 313, 320; BGHZ 120, 67, 70, dazu EWiR § 94 UrhG 1/93, 399 (Schricker); Marrder Die Verwertung von Filmrechten in der Insolvenz (2006) S 18 f; Schricker/Loewenheim/Katzenberger/Reber UrhR6 vor §§ 88 ff Rn 31. 33

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Auch § 118 Nr 2 mit § 113 UrhG steht regelmäßig nicht entgegen, denn nach § 89 IV UrhG steht das Recht zur filmischen Verwertung der Lichtbilder im Zweifel allein dem Filmhersteller zu, nicht dem Lichtbildner. Das Erfordernis der Einwilligung des Lichtbildners zur Zwangsvollstreckung nach § 118 Nr 2 mit § 113 UrhG dient dem Persönlichkeitsschutz des Lichtbildners222 und kommt deshalb nicht dem Filmhersteller zugute, der die Bilder kommerziell nutzt.

55 l) Vorrichtungen im Sinne des § 119 UrhG. § 119 UrhG beschränkt die Zwangsvollstreckung in Vorrichtungen, die ausschließlich zur Vervielfältigung oder Funksendung eines Werkes bestimmt sind, wie Formen, Platten, Steine, Druckstöcke, Matrizen und Negative, und in Vorrichtungen, die ausschließlich zur Vorführung eines Filmwerks bestimmt sind, wie Filmstreifen und dergleichen. Sie unterliegen der Zwangsvollstreckung nur, soweit der Gläubiger zur Nutzung des Werkes mittels dieser Vorrichtungen berechtigt ist. Die Vorschrift will verhindern, dass sich Gläubiger nur den Materialwert dieser Sachen zunutze machen.223 Für das Insolvenzverfahren bedeutet diese Vorschrift, dass die genannten Gegenstände nur in die Masse fallen, wenn der Insolvenzverwalter das Werk für die Masse nutzen darf. Veräußern darf er sie nur zusammen mit der Einräumung oder Übertragung eines Nutzungsrechtes.

9. Design 56 Das Recht am eingetragenen Design (früher Geschmacksmuster) ist frei übertragbar (§ 29 DesignG), pfändbar (§ 30 I Nr 2 DesignG) und unterliegt damit auch dem Insolvenzbeschlag (vgl § 30 III DesignG).224 Pfändbar und deshalb Massebestandteil ist aber auch schon das Anwartschaftsrecht, wenn der Entwerfer mit hinreichender Deutlichkeit klargemacht hat, dass die geschaffenen Werke in das Register eingetragen und einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden sollen.225 Genießt der Urheber für das Erzeugnis aber zugleich Urheberschutz nach § 2 UrhG,226 so gelten die in Rn 42 ff dargelegten Grundsätze.227

10. Gebrauchsmuster 57 Das Recht auf das Gebrauchsmuster, der Anspruch auf seine Eintragung und das durch die Eintragung begründete Recht (§ 11, § 13 III GebrMG mit §§ 6, 7 PatG) können frei übertragen werden (§ 22 I S 2 GebrMG), sind pfändbar (§ 857 ZPO) und gehören deshalb zur Insolvenzmasse.228 Das gilt auch für Geheimgebrauchsmuster (§ 9 GebrMG), die allerdings nur unter Wahrung der Geheimhaltung verwertet werden können.229

222 Schricker/Loewenheim/Wimmers UrhR6 § 113 Rn 1. 223 Schricker/Loewenheim/Wimmers UrhR6 § 119 Rn 2. 224 Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdb6 § 25 Rn 58; KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 269; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 96; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 348; zur Bewertung von Immaterialgüterrechten Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 53 ff; Häfele/Wurzer DZWIR 2001, 282 ff. 225 BGH KTS 1998, 473 = NJW-RR 1998, 1057 = WM 1998, 1037 = WuB VI B. § 4 KO 1.98 (Pape); KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 269. 226 S BGHZ 199, 52 = NJW 2014, 469. 227 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 350. 228 Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 43; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 315; Uhlenbruck/Hirte/ Praß InsO15 § 35 Rn 243. 229 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 317; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 243. Müller

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11. Patente a) Grenzen der Massezugehörigkeit. Nach § 15 I S 2 PatG sind das Recht auf das Patent, der 58 Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent beschränkt oder unbeschränkt übertragbar. Sie sind deshalb grds auch pfändbar (§§ 857 I, 851 I ZPO) und gehören zur Masse.230 Das „Recht aus dem Patent“ ist das Recht des Anmelders nach Erteilung des Patents. Der „Anspruch auf Erteilung des Patents“ ist die durch die Anmeldung begründete Anwartschaft auf das in der Entstehung befindliche Recht aus dem Patent. Sie gibt dem Anmelder das Recht, die Erfindung allein und unter Ausschluss Dritter gewerblich zu nutzen. Dieser Anspruch auf Erteilung des Patents, „das Recht auf das Patent“ (§ 6 PatG) ist sowohl ein öffentlichrechtlicher Anspruch des Anmelders gegen das Patentamt auf Prüfung und Erteilung des Patents231 als auch das Recht an der Erfindung, das zwar nicht gegen einen Zweiterfinder, aber gegen jeden Dritten, also absolut wirkt.232 Da das Erfinderrecht sowohl Vermögensrecht als auch Persönlichkeitsrecht ist, ergeben sich für die insolvenzrechtliche Behandlung Schwierigkeiten. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen den Voraussetzungen, unter denen das Recht auf das Patent entsteht und denen seiner Pfändbarkeit und damit seiner Massezugehörigkeit. Das Recht auf das Patent entsteht nach hM, wenn der Erfinder seine Erfindung in einer Weise verlautbart hat, die Dritten die Möglichkeit gibt, von der Erfindung Kenntnis zu nehmen.233 Wegen des Persönlichkeitsgehalts des Rechts ist es aber damit noch nicht pfändbar und nicht Gegenstand der Insolvenzmasse. Nach der hM fällt das Erfinderrecht erst in die Insolvenzmasse, wenn der Erfinder vor der Eröffnung oder während des Insolvenzverfahrens seine Absicht kundgetan hat, die Erfindung zu verwerten.234 Als Kundgebung dieser Absicht werden angesehen: eigene Auswertungshandlungen, wie Benutzung als Geheimverfahren, die Erteilung einer Benutzungserlaubnis an Dritte und Verhandlungen darüber, Verkaufsverhandlungen, Vorführung auf Ausstellungen und Vorbereitungen dazu, Verpfändung und Sicherungsübertragung. Nach anderer Ansicht soll das Erfinderrecht schon dann zur Insolvenzmasse gehören, wenn die Erfindung bei Eröffnung oder während des Insolvenzverfahrens verlautbart, zB schriftlich fixiert, die Verwertungsabsicht aber noch nicht kundgetan ist.235 Noch weiter geht Pfister,236 der ein Persönlichkeitsrecht an der Erfindung leugnet und deshalb die Erfindung von ihrer Vollendung an als pfändbar und massezugehörig ansieht. Das Problem wird dadurch entschärft, dass der größte Teil der in der Bundesrepublik patentierten Erfindungen Arbeitnehmererfindungen sind237 und der Arbeitgeber bedeutsame Erfindungen unbeschränkt in Anspruch nehmen wird (§§ 6, 7 ArbnErfG). Die unbeschränkte Inanspruchnahme sollte als Kundgebung der Verwertungsabsicht gesehen werden. Davon geht offenbar auch § 27 ArbnErfG aus, der die unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindung als zur Masse des Arbeitgebers gehörend behandelt.238 Auch das Recht zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung geht in der Insolvenz des Arbeitgebers gem §§ 35, 80 auf den Insolvenzverwalter über.239 Für Schuldner, die ihre Erfindung nicht als Arbeitnehmer im privaten und im öffentli230 BGHZ 125, 334 ff; Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 15 ff; Schmittmann/Ademi DZWiR 2022, 342, 347. Benkard/Melullis PatG11 § 6 Rn 12. Benkard/Melullis PatG11 § 6 Rn 13. BGH GRUR 1971, 210, 213; BeckOK/Fitzner PatG24 § 6 Rn 3; Benkard/Melullis PatG11 § 6 Rn 7 f mwN. BGHZ 16 172, 175, für jedes Geheimverfahren; BGH KTS 1998, 473 = NJW-RR 1998, 1057 (zum Geschmacksmuster); OLG Hamm JMBl NRW 1951 151; Hubmann FS Lehmann (1956) Bd II S 822 f; Benkard/Melullis PatG11 § 6 Rn 27; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 327; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 239. 235 Feller Die Rechte aus der Erfindung, Diss München (1938); Isay PatG6 Anh §§ 1, 2 Anm 19; Kisch Handbuch des deutschen Patentrechts S 56; Mentzel KuT 1937, 17 f; Bernhardt/Kraßer Lehrbuch des Patentrechts4 § 40 III 3 S 687; Bernhardt NJW 1962, 2194. 236 Das technische Geheimnis „Know how“ als Vermögensrecht (1974) S 157 ff, 165 ff; im Ergebnis ebenso Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 26 ff. 237 Ann Patentrecht8 § 21 Rn 1. 238 S auch Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 240. 239 Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 48; aA OLG Karlsruhe ZIP 2013, 380.

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chen Dienst, als Beamte und Soldaten gemacht haben (vgl § 1 ArbnErfG), gilt Folgendes: Wird die Erfindung in einem gewerblichen Unternehmen des Schuldners erarbeitet, so ist sie regelmäßig eine geplante Erfindung. Die Verwertungsabsicht liegt dann schon im Planungsstadium fest. Die Rechte aus diesen Erfindungen gehören zur Masse, wenn die Erfindung vor der Eröffnung oder während des Insolvenzverfahrens verlautbart ist. Somit bleiben nur die Zufallserfindungen und diejenigen, die der Schuldner in einem privaten, selbständigen Forschungslabor entwickelt hat. Für sie sollte man mit der hM dem Schuldner die Entscheidung belassen, ob und wann er die Menschheit damit beglücken will. Sie gehören deshalb nur zur Masse, wenn der Schuldner vor der Eröffnung oder während des Insolvenzverfahrens die Verwertungsabsicht kundgetan hat. Das Gegenargument, die Gläubiger, welche die Erfindung finanziert haben, stünden vor einer unzureichenden Masse, während der Schuldner die Möglichkeit habe, die Verwertungsabsicht erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens kundzutun und damit die Erfindung dem Insolvenzverfahrens zu entziehen,240 überzeugt nicht. Die Gläubiger müssen auch in Kauf nehmen, dass eine von ihnen finanzierte Erfindung außerhalb der Masse bleibt, wenn sie bei Verfahrenseröffnung noch nicht voll abgeschlossen und vom Schuldner während des Verfahrens nicht weiterbearbeitet wird. Im Übrigen können sich solche Gläubiger auch dadurch sichern, dass sie nur solche Erfindungen finanzieren, die der Erfinder nach Vollendung auch zu verwerten beabsichtigt.

59 b) Vorbenutzungsrecht. Ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG fällt – obwohl nicht isoliert übertragbar (§ 12 I S 3 PatG) und deshalb nicht pfändbar – in die Insolvenzmasse des Berechtigten, kann aber vom Insolvenzverwalter nur zusammen mit dem Betrieb veräußert werden.241

60 c) Stellung des Schuldners. Der Schuldner kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die von ihm davor oder danach vorgenommene Anmeldung nicht mehr zurückziehen.242 Die Verfügung über die zum Vermögensrecht gewordene Erfindung steht ihm nicht mehr zu. Er kann das Patent oder die angemeldete Erfindung weder veräußern (§ 81 InsO) noch Lizenzen erteilen, auch nicht auf ein erteiltes Patent verzichten.

61 d) Befugnisse des Insolvenzverwalters. Der Insolvenzverwalter darf die zur Masse gehörende Erfindung anmelden, den Anspruch des Erfinders gegen einen nicht berechtigten Anmelder auf Abtretung des Anspruchs auf Patenterteilung oder auf Übertragung des bereits erteilten Patents (§ 8 PatG), das Recht zur Benutzung des Patents (§ 9 PatG) ausüben, die Rechte des § 15 PatG übertragen, Lizenzen erteilen (§ 15 II PatG), auf das Patent verzichten (§ 20 I Nr 1 PatG) und die Ansprüche gegen Patentverletzer (§§ 139 ff PatG) geltend machen.243 Geheimpatente (§§ 50 ff PatG) kann er nur unter Wahrung der Geheimhaltungspflicht verwerten.244

12. Lizenzen 62 Lizenzen können durch Vertrag erteilt werden an Patenten (§ 15 II PatG), an Marken (§ 30 MarkenG), Designs (§ 31 DesignG), Geschmacksmustern (§ 3 GeschmMG) und Urheberrechten (§ 31 240 So unter Berücksichtigung der Konkursfreiheit des Neuerwerbs Pfister Das technische Geheimnis „Know how“ als Vermögensrecht (1974) S 160.

241 BGH GRUR 1966, 370; Benkard/Scharen PatG11 § 12 Rn 25; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 331; Uhlenbruck/Hirte/ Praß InsO15 § 35 Rn 242. 242 Benkard/Schäfers PatG11 § 45 Rn 23. 243 Zur Auskunftspflicht des Schuldners gegenüber dem Verwalter s OLG Hamm JMBl NRW 1951, 151, und zu § 97. 244 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 328. Müller

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UrhG). Die einfache Lizenz gehört nicht in dem Sinne zur Masse des Lizenznehmers, dass der Insolvenzverwalter sie durch Übertragung verwerten könnte. Denn sie ist unübertragbar und unpfändbar. Wohl aber gehören die schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Lizenzvertrag zur Masse.245 Der Insolvenzverwalter des Lizenznehmers ist deshalb auch befugt, die Lizenz für die Masse zu nutzen und den Lizenzvertrag vertragsgemäß zu kündigen.246 Der Lizenzvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, der ein Dauerschuldverhältnis sui generis begründet, aber eine gewisse Nähe zum Pachtvertrag aufweist (näher vor §§ 103 ff Rn 120 ff). Da die Sonderregeln der §§ 108 ff nur für Verträge über unbewegliche Gegenstände und für bestimmte Leasingverträge gelten, ist für die Lizenzverträge § 103 maßgebend.247 Der Insolvenzverwalter eines Lizenznehmers, aber auch der eines Lizenzgebers,248 kann die Erfüllung des Lizenzvertrages wählen. Tun sie das nicht, bestehen keine Erfüllungsansprüche, sondern nur Insolvenzforderungen (§ 103 II S 1).249 Hat der Lizenzvertrag einen gesellschaftsrechtlichen Charakter, ist § 728 BGB anwendbar.250 Die ausschließliche Lizenz dagegen gehört zur Masse des Lizenznehmers.251 Ist sie auf einen bestimmten Betrieb bezogen (Betriebslizenz), so ist sie zwar unpfändbar, weil sie an den Betrieb gebunden ist, dieser aber nicht gepfändet werden kann,252 gehört aber dennoch wie das Unternehmen als Ganzes zur Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter kann sie aber nur mit dem Betrieb veräußern.253 Gleiches gilt für die sog. Zwangslizenz (§ 24 VII S 1 PatentG). Der Lizenzgeber kann den Lizenzvertrag, den er mit dem Insolvenzschuldner geschlossen hat, nach Maßgabe des Vertragsinhalts kündigen. Die Kündigungssperre des § 112 (§ 119) gilt grds auch hier.254 Ausnahmsweise kann der Lizenzgeber den Vertrag über eine ausschließliche Lizenz aus Anlass des Insolvenzverfahrens kündigen, wenn sich aus dem Vertrag eine Pflicht des Lizenznehmers zur Ausübung der Lizenz entnehmen lässt und dem Lizenzgeber nicht zugemutet werden kann, dem Schuldner die ausschließliche Lizenz zu belassen, wenn dieser sie nicht ausübt.255

13. Bundesligalizenzen Das Recht eines Vereins zur Teilnahme mit Mannschaften am sportlichen Wettbewerb einer Bun- 63 desliga, das nach der jeweiligen Spielordnung grds übertragbar ist und üblicherweise gegen Entgelt übertragen wird, ist pfändbar und gehört folglich zur Insolvenzmasse.256 Auch nicht übertragbare Teilnahmeberechtigungen eines Sportvereins, gleichgültig ob sie auf einer Mitgliedschaft in einem Spitzenverband oder auf einer Lizenz beruhen, sind nach § 857 III ZPO pfändbar und deshalb Massebestandteile. Der Insolvenzverwalter kann die Teilnahmeberechtigung jedoch lediglich

245 Empting Immaterialgüterrechte in der Insolvenz S 168 ff; Ganter NZI 2011, 833, 834 ff; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdb6 § 25 Rn 57; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 342; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 254; aA (Massezugehörigkeit der einfachen Lizenz) Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 35 Rn 70; differenzierend Heimberg Lizenzen und Lizenzverträge in der Insolvenz (2011) S 143 ff. 246 RGZ 134, 91, 97. 247 BGH NJW 2006, 915 Rn 21; ZIP 2016, 40 Rn 43; Ganter NZI 2011, 833, 837. 248 Brandt NZI 2001, 337, zur Softwarelizenz mit berechtigter rechtspolitischer Kritik. Für Insolvenzschutz der Lizenz schon de lege lata Wallner NZI 2002, 70 ff. 249 Näher zu § 103. 250 Cepl NZI 2000, 357, 358. 251 Abel NZI 2003, 121, 122; Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 60; Cepl NZI 2000, 357; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 344; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 35 Rn 70; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 254. 252 RGZ 134, 91, 98. 253 Vgl RGZ 134, 91, 98; RG GRUR 1930, 174; Benkard/Ullmamm/Deichfuß PatG11 § 15 Rn 70. 254 Abel NZI 2003, 121, 123; Paulus ZIP 1998, 2; FK/Wegener InsO9 § 112 Rn 5. 255 Cepl NZI 2000, 357, 361 f. 256 BGH KTS 2001, 333 = LM § 32 KO Nr 15 (Stürner/Breyer) = NZI 2001, 360 = ZIP 2001, 889, dazu EWiR § 32 KO 1/01, 683 (Eckardt). 37

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verwerten, indem er sie für die Insolvenzmasse ausübt. Eine Verwertung im Wege der Veräußerung scheidet hingegen aus.257

14. Sonstige persönliche Befugnisse, Abgrenzung 64 Als rein persönliche Befugnisse hat § 83 die Wahl zwischen Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, zwischen Fortsetzung oder Ablehnung der ehelichen Gütergemeinschaft gestaltet. Dagegen gibt es keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass Widerrufsbefugnisse höchstpersönlich wären. Als Regel muss vielmehr gelten, dass das Recht, vermögensrechtliche Willenserklärungen zu widerrufen, im Insolvenzverfahren des Berechtigten der Ausübung des Insolvenzverwalters unterliegt. So in Fällen der Schwebe vermögensrechtlicher Verträge (zB §§ 109, 178, 1366 II S 1, 1830 BGB) und bei Verträgen zugunsten Dritter (Rn 75). Das Widerrufsrecht des Schenkers selbst ist dagegen höchstpersönlich, deshalb nicht übertragbar, nicht pfändbar und nicht massezugehörig. Andere Gestaltungsrechte gehören zur Masse, wenn sie sich auf Rechte beziehen, die Massebestandteile sind.258 Zum Vermögen eines Arbeitgeberverbandes gehören nicht die durch einen Tarifvertrag begründeten Rechte und Pflichten der tarifgebundenen Arbeitgeber. Sie sind deshalb nicht Bestandteile der Insolvenzmasse des Verbandes.259 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat deshalb keinen Einfluss auf den Bestand des Tarifvertrages,260 und das Recht zur Kündigung des Tarifvertrages steht nicht dem Insolvenzverwalter, sondern dem zuständigen Verbandsorgan zu.261

15. Unterlassungsansprüche 65 Unterlassungsansprüche des Schuldners gehören zur Insolvenzmasse, wenn sie zum Schutz eines in die Masse fallenden Gegenstandes bestehen.262 Der Anspruch auf Unterlassung einer Wettbewerbshandlung gehört zB mit dem Unternehmen des Insolvenzschuldners (Rn 9) zur Insolvenzmasse und geht auf den Erwerber über, wenn das Unternehmen im Insolvenzverfahren veräußert wird. Wie der Unterlassungsanspruch ist auch ein von einem Zuwiderhandeln abhängiger Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe oder Schadensersatzanspruch Massebestandteil.263

16. Befugnis zur Entbindung von der Schweigepflicht 66 Die Befugnis, einen Rechtsanwalt oder Notar, der für den Schuldner Rechtsstreitigkeiten geführt oder Rechtsgeschäfte beurkundet hat, von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu entbinden, wird allein vom Insolvenzverwalter ausgeübt, wenn die Rechtsbeziehungen, auf die sich die Schweigepflicht bezieht, die Masse berühren.

257 258 259 260 261 262

Haas NZI 2003, 177 ff. Braun/Bäuerle InsO9 § 35 Rn 82. Reuter DZWIR 2001, 242 ff. So im Ergebnis auch BAGE 95, 156 = DZWIR 2001, 239. AA BAGE 95, 156 = DZWIR 2001, 239. Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 89; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 482; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 196. 263 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 482; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 196. Müller

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17. Geschäftsgeheimnisse und Daten Geschäftsgeheimnisse werden seit 2019 durch das GeschGehG (früher §§ 17–19 UWG) geschützt. Der 67 Begriff des Geschäftsgeheimnisses iSv § 2 I Nr 1 GeschGehG umfasst sowohl kaufmännisches als auch technisches Wissen.264 Als werthaltiger Bestandteil des Unternehmens unterliegt es grds dem Insolvenzbeschlag.265 Allerdings genügt es nicht, dass sich das Know-how lediglich „im Kopf“ des Unternehmers und seiner Mitarbeiter befindet, vielmehr muss es bereits Gegenstand eines konkreten Vertrages oder doch zumindest eines konkreten Angebots sein.266 Know-How-Lizenzverträge werden wie Lizenzen über gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte (Rn 62) behandelt.267 Daten kommt als „Rohöl des 21. Jahrhunderts“268 ein immer wichtiger werdender kommerzieller 68 Wert zu, was die Einbeziehung in die Masse rechtfertigt.269 Mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80) und der Inbesitznahme (§ 148) wird der Verwalter zum datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr 7 DSGVO), woraus sich erhebliche Haftungsrisiken (Art 82 ff DSGVO) ergeben.270 Bei der Verwertung personenbezogener Daten Dritter sind die datenschutzrechtliche Vorgaben (Art 5 ff DSGVO) zu beachten, was insbesondere eine sog. übertragende wesentlich Sanierung erschwert.271 Was die personenbezogenen Daten des Schuldners anbelangt, so fallen diese ebensowenig in die Masse wie der darauf bezogene Auskunftsanspruch nach § 15 I DSGVO.272

18. Kryptowerte Zu den Kryptowerten (§ 1 XI KWG) gehören Währungstoken (insbesondere Bitcoins), Utility-Token 69 und Investment-Token. Sie werden von den Marktteilnehmern zunehmend als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert und können auf elektronischem Wege gem §§ 398, 413 BGB übertragen werden. An ihrer Massezugehörigkeit kann daher kein Zweifel bestehen.273 Praktische Probleme ergeben sich für den Insolvenzverwalter beim Auffinden dieser lediglich in rein digitaler Form und häufig anonymisiert existierenden Vermögenswerte, hier ist er regelmäßig auf die Auskünfte des Schuldners (§ 97) angewiesen.274

III. Grenzen der Rechtszuständigkeit 1. Allgemeines a) Der Schuldner als Rechtsträger. Die Insolvenzmasse ist das Vermögen des Schuldners, das 70 den Insolvenzgläubigern haftungsrechtlich zugewiesen ist. Sie ist nicht Rechtssubjekt (Rn 3),275 264 265 266 267 268 269

Ohly GRUR 2019, 441, 442. Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 56; s. schon BGHZ 16, 172. MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 400; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 293. Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 293. Paulus/Berg ZIP 2019, 2133; ähnlich Berberich/Kanschik NZI 2017, 1. Blunk Zur Verwertbarkeit von Datenbeständen in der Insolvenz (2006) S 49 f; Berberich/Kanschik NZI 2017, 1 f; Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 57; Paulus/Berg ZIP 2019, 2133, 2134 ff; Steinrötter/Bohlsen ZZP 133 (2020) 459, 479 ff; BeckOK/ Kirchner InsO26 § 35 Rn 37c. 270 Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 57. 271 S § 159 Rn 110; ferner Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 57 f; zum früheren BDSG Blunk Zur Verwertbarkeit von Datenbeständen in der Insolvenz (2006) S 154 ff. 272 BVerwG NZI 2019, 826 Rn 13; BVerwG NZI 2021, 147 Rn 23 ff. 273 Avoine/Hamacher ZIP 2022, 6, 9; Krüger ZinsO 2022, 1261, 1263 ff; Schmittmann/C Schmidt DZWiR 2022, 648, 651 f; Skauradszun ZIP 2021, 2610, 2611 ff; BeckOK/Kirchner InsO26 § 35 Rn 37a; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 407. 274 Näher Avoine/Hamacher ZIP 2022, 6, 9 f; Krüger ZinsO 2022, 1261, 1265 f; Skauradszun ZIP 2021, 2610, 2614. 275 S auch Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 4 ff. 39

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sondern Rechtsobjekt, genauer: Haftungsobjekt, daher auch nicht parteifähig.276 Passivsubjekt des Insolvenzverfahrens ist der Schuldner als Person mit seinem haftenden Vermögen, welches die Insolvenzmasse bildet. Die Insolvenzmasse gehört weder dem Insolvenzverwalter noch den Insolvenzgläubigern. Der Schuldner bleibt Träger der zur Masse gehörenden Rechte. Sein Vermögen ist, soweit es zur Insolvenzmasse gehört, den Gläubigern lediglich haftungsrechtlich zugewiesen mit der Folge, dass ihm alle massebezogenen Rechtshandlungen untersagt sind, welche die Realisierung der Haftung vereiteln könnten (§§ 80–82).

71 b) Abgrenzung der Masse. Da für die Schulden einer Person grds alle ihr gehörenden Sachen und Rechte haften, ist für die Abgrenzung der Masse als Haftungsvermögen grds die Rechtszuständigkeit maßgebend. Die Masse umfasst deshalb alle Vermögensbestandteile, die dem Schuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens (§ 27 III) gehören (also „dem Rechte nach zustehen“)277 und die er während des Verfahrens erwirbt.278 Vermögen dritter Personen unterliegt vorbehaltlich des § 37 der Aussonderung (§ 47). Erweitert wird die Masse über die Grenzen der Rechtszuständigkeit hinaus durch die Anfechtung (§ 129 ff), welche sich als Rechtsfolge haftungsrechtlicher Unwirksamkeit darstellt,279 und durch § 392 II HGB (§ 47 Rn 146 ff). Ansprüche auf Ersatz eines Gesamtschadens stehen zwar an sich den Gläubigern als den geschädigten Rechtssubjekten zu. Der Insolvenzverwalter, der die Interessen der Gläubiger wahrzunehmen und auszugleichen hat, ist aber allein befugt, den Anspruch für die Masse geltend zu machen. Diese schon zur Konkursordnung vertretene Rechtsfolge280 ist jetzt in § 92 ausdrücklich angeordnet.281 Auf denselben Grundlagen beruht die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters für die Geltendmachung der persönlichen Gesellschafterhaftung nach § 93. Einzelheiten in der Kommentierung zu §§ 92, 93. Zur Bildung von Sondermassen s unten Rn 178 ff. 72 Der Grundsatz, dass die Masse aus allen dem Schuldner gehörenden Gegenständen besteht, wird durchbrochen für das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Pfandfbriefbank. Nach § 30 I PfandBG gehören die im Deckungsregister eingetragenen Werte sowie die bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene Mindestreserve, soweit sie auf Pfandbriefe entfällt, nicht zur Insolvenzmasse der Bank.282 Sie können von deren Insolvenzverwalter nur insoweit zur Masse gezogen werden, wie sie zur Befriedigung der Pfandbriefgläubiger nicht notwendig sind (§ 30 IV PfandBG). Über die Deckungsmasse kann auf Antrag der BaFin ein eigenes Insolvenzverfahren eröffnet werden, wenn sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist (§ 30 VI PfandBG).283

73 c) Konzern. Einbezogen wird nach dem Vorstehenden nur das Vermögen des Schuldners. Eine Abwicklung der Vermögensmassen mehrerer Rechtsträger in einem einheitlichen Verfahren ist demnach ausgeschlossen. Das gilt auch für konzernverbundene Unternehmen. Über das Vermögen jeder einzelnen Gesellschaft ist ein eigenes Insolvenzverfahren durchzuführen.284 Die §§ 3a ff, 269a ff sowie die Art 56 ff EuInsVO sehen lediglich Regeln für eine Koordination der Insolvenzver-

Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 9; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 22. BGH NJW 2019, 1451 Rn 26. Zur Problematik des Neuerwerbs s Rn 102 ff, insb 122 ff. Jaeger/Henckel KO9 § 37 Rn 19 ff. Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 47. Dazu Hasselbach DB 1996, 2213 ff; Oepen Massefremde Masse Rn 11 f; K Schmidt ZGR 1996, 209; zum Gemeinschaftsschaden bei pflichtwidrigen Handlungen des Insolvenzverwalters s zu § 60 und Hanisch Rechtszuständigkeit der Insolvenzmasse (1973) S 140 f. 282 Buchmann WM 2009, 442, 445; Gottwald/Haas/Obermüller InsRHdb6 § 101 Rn 26 ff; zur Rechtsentwicklung Windel ZIP 2019, 441 ff; speziell zum früheren HypBankG s Henckel FS Uhlenbruck (2000) S 19 ff. 283 Näher dazu Buchmann WM 2009, 442, 447 ff; kritisch („unnötig und teuer“); Windel ZIP 2019, 441, 444. 284 § 11 Rn 32; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 6a; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 53.

276 277 278 279 280 281

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fahren der Mitglieder einer Unternehmensgruppe vor, eine Konsolidierung der unterschiedlichen Vermögensmassen nach US-amerikanischem Vorbild wird gerade nicht angeordnet.285

d) Masse als Sondervermögen. Die Masse ist ein Sondervermögen, das wegen seiner aus- 74 schließlichen Zweckbestimmung und der haftungsrechtlichen Zuweisung an die Gläubiger von dem übrigen Schuldnervermögen von Rechts wegen getrennt, gesondert verwaltet und der Haftungsrealisierung zugunsten der Insolvenzgläubiger vorbehalten wird. Wie bei anderen Sondervermögen (Nachlass unter Testamentsvollstreckung, OHG) sind – ohne dass es dafür der Konstruktion einer Rechtsfähigkeit der Masse bedarf – materielle Rechtsbeziehungen zwischen der Masse und dem sonstigen Vermögen des Schuldners denkbar.286 Dass auf beiden Seiten dieselbe Person – der Insolvenzschuldner – Rechtsträger ist, steht nicht entgegen. Er ist einerseits Rechtssubjekt mit der Masse, andererseits mit seinem massefreien Vermögen. Seine massezugehörigen Rechte werden vom Insolvenzverwalter im eigenen Namen ausgeübt – Amtstheorie287 –, die massefreien Rechte dagegen vom Schuldner selbst. Wo das Gesetz von einer Leistung „zur Insolvenzmasse“ (§ 143 I) spricht, meint es eine Leistung in die dem Schuldner gehörende, den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesene Masse zu Händen des Insolvenzverwalters. Bereicherung der Masse (§ 55 I Nr 3) bedeutet Bereicherung des Schuldners in seinem Sondervermögen Insolvenzmasse. Auch steuerrechtlich sind Schuldner und Insolvenzmasse nicht zwei verschiedene Rechtssubjekte. Die gegenteilige frühere Auffassung des RFH288 ist deshalb mit Recht aufgegeben worden.289 Träger der Einkünfte ist stets der Insolvenzschuldner, gleichgültig ob sie zur Masse oder zum massefreien Vermögen fließen.

2. Einzelheiten a) Vertrag zugunsten Dritter. Hatte der Schuldner sich vor dem Insolvenzverfahren in einem 75 echten Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 I BGB) eine Leistung an diesen ausbedungen, so kann zwar der Insolvenzverwalter nicht verlangen, dass der Verpflichtete die dem Dritten geschuldete Leistung an die Masse bewirke,290 wohl aber können auf Grund eines solchen Vertrages Verpflichtungen des Insolvenzschuldners bestehen, die der Insolvenzverwalter durch Anfechtung (§§ 129 ff) oder durch Ausübung von Rechten, die dem Insolvenzschuldner zustehen, etwa einer Widerrufbefugnis, beseitigen kann.291 b) Personalsicherheiten/Patronatserklärungen. Personalsicherheiten wie Bürgschaft, Schuld- 76 beitritt, Garantie und Kreditauftrag fallen in die Insolvenzmasse des Sicherungsnehmers und sind daher vom Verwalter zu verwerten. Bei Patronatserklärungen ist eine differenzierte Betrachtung geboten. Sie dienen dem Zweck, ein Unternehmen, das Schuldner eines Dritten, meist eines Kreditinstituts, ist, wirtschaftlich zu unterstützen oder zu beeinflussen, um dadurch die Kreditfähigkeit oder Liquidität des unterstützten Unternehmens zu erhalten oder zu verbessern.292 Sie können sehr unterschiedlichen Inhalt und dementsprechend verschiedene rechtliche Wirkungen haben, die 285 Dafür de lege ferenda Engert/Schramm FS Gehrlein (2022) S 107; dagegen etwa Dirmeier, Der Konzern in der Insolvenz (2011) S 80 ff; Ehricke Kölner Schrift3 Kap 32 Rn 9 ff. Vgl RG LZ 1915, 225; OLG Nürnberg KTS 1959, 127. S zu § 80 und Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 4 ff. Urteil vom 17.12.1930, Bd 27, 335; ebenso Becker StuW 1928, 486; 1939, 1051 ff. RFH RStBl 1939, 669; 1951 III, 192; BFH ZIP 1994, 1286; Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHdb6 § 120 Rn 8 mwN. Vgl OLG Dresden LZ 1911, 566; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 442. MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 443. Obermüller ZIP 1982, 915 ff; ders ZGR 1975, 1 ff; Schäfer WM 1999, 153 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 436.

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durch Auslegung der Erklärung zu ermitteln sind. Eine grobe Einteilung unterscheidet weiche und harte Patronatserklärungen. Die erstgenannten sind rechtlich unverbindlich und interessieren deshalb hier nicht.293 Dagegen statuiert die harte Patronatserklärung eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht gegenüber dem Adressaten der Erklärung mit dem Inhalt, dass vertragsbestimmte Leistungen des Patrons an das unterstützte Unternehmen zu erbringen sind, etwa dieses finanziell so auszustatten, dass es die Kreditverbindlichkeit erfüllen kann, oder sich in anderer Weise gegenüber diesem Unternehmen zu verhalten, um dieses zur Erfüllung instandzusetzen oder zu veranlassen.294 Eine von der Muttergesellschaft zu Gunsten ihrer Tochtergesellschaft abgegebene konzerninterne Patronatserklärung, die auch als Verlustdeckungszusage oder Verlustübernahmeerklärung bezeichnet wird, begründet in der Insolvenz der Tochtergesellschaft zu deren Gunsten einen eigenen von dem Insolvenzverwalter zu verfolgenden Ausstattungsanspruch gegen die Muttergesellschaft.295 Soll die Patronatserklärung jedoch allein dem Kreditgeber gegenüber wirken, nicht aber dem unterstützten Unternehmen einen Vermögenswert zuführen, auf den auch andere Gläubiger zugreifen können, verschafft diese externe Patronatserklärung dem unterstützten Unternehmen keinen Vermögensgegenstand, der Massebestandteil sein könnte.296 Wird der Kreditgeber als Sicherungsnehmer insolvent, fallen die aus der Patronatserklärung resultierenden Ansprüche allerdings in dessen Masse.297

77 c) Beiträge zur Sozialversicherung die der Insolvenzschuldner für einen nicht sozialversicherungspflichtigen Angestellten geleistet hat, sind nach § 26 II SGB IV zu erstatten. Der Erstattungsanspruch steht nach § 26 III SGB IV demjenigen zu, der den Beitrag getragen hat. Deshalb gehört er nur hinsichtlich des Arbeitgeberanteils zur Insolvenzmasse. Der zu erstattende Arbeitnehmeranteil steht dagegen dem vermeintlichen Arbeitnehmer zu.298

78 d) Versicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten. Hat der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Unfallversicherung widerruflich (Regelfall, § 159 I VVG) einen Bezugsberechtigten benannt und ist der Versicherungsfall noch nicht eingetreten, so hat der Bezugsberechtigte wegen § 159 II VVG noch keine insolvenzfeste Rechtsposition erlangt. Daher gehört die Versicherungsanwartschaft zur Masse des Versicherungsnehmers.299 Der Bezugsberechtigte und, wenn ein Bezugsberechtigter nicht oder nicht namentlich benannt ist, Ehegatten und Kinder des Versicherungsnehmers haben mit Zustimmung des Versicherungsnehmers, also des Insolvenzschuldners selbst, das Eintrittsrecht nach § 170 I und II und schulden dann zur Masse den Rückkaufswert (§ 169 VVG). Bis zum Ablauf der Eintrittsfrist (ein Monat ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 170 III VVG) darf der Insolvenzverwalter die Bezugsberechtigung weder kündigen noch widerru-

293 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 437. 294 BGH NZI 2011, 536 Rn 17 f; NZI 2017, 157 Rn 6. 295 BGH NZI 2011, 536 Rn 19; OLG München ZIP 2004, 2102; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 169, aA noch OLG Celle GmbHR 2001, 303. 296 BGH NZI 2011, 536 Rn 20; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 169; s im Übrigen § 43 Rn 20. 297 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 87; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 438. 298 BGH NJW 1990, 2687 = KTS 1990, 477 = ZIP 1990, 459. 299 BGH NJW 1993, 1994; NJW 2002, 3253; NJW 2015, 341; Bork FS Kollhosser (2004) S 57, 60; Müller-Feldhammer NZ1 2001, 343, 348. Für die betriebliche Alterversorgung BAG ZIP 1991, 1295, dazu EWiR 1991, 859 (Blomeyer); KTS 1996, 173 = ZIP 1995, 2012, dazu EWiR § 6 BetrAVG 1/95, 1161 (Blomeyer) ZIP 1996, 965, dazu EWiR § 7 BetrAVG 3/96, 627 (Blomeyer); NZI 2011, 30, 32; auch bei Entgeltumwandlungsvereinbarung: BAG ZIP 1999, 1638, dazu EWiR § 1 BetrAVG 1/2000 (Blomeyer); OLG Hamm ZIP 1990, 1603; NJW-RR 1993, 43. Zum eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht: OLG Hamm NJW-RR 1998, 1062 = VersR 1998, 1494 und BAG KTS 1991, 163 = ZIP 1991, 1596; OLG Düsseldorf NVersZ 2001, 504; OLG Karlsruhe VersR 2001, 1501; LG Köln ZInsO 2003, 383. Müller

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fen300 noch die Rückkaufssumme von dem Versicherer zur Masse einziehen. Tut er dies dennoch, ist er dem Eintrittsberechtigten schadensersatzpflichtig.301 Nach Ablauf der Frist muss der Verwalter keine Rücksicht mehr nehmen. Ist der Versicherungsvertrag zur Zeit der Verfahrenseröffnung beiderseits noch nicht voll erfüllt, fällt der Rückkaufswert entgegen der früheren Rechtsprechung nicht automatisch in die Masse,302 sondern erst mit der Kündigung durch den Verwalter.303 In der Kündigung liegt regelmäßig auch der Widerruf einer etwaigen Bezugsberechtigung.304 Ist der Versicherungsfall noch vor dem Widerruf eingetreten, so ist umstritten, ob der 79 Bezugsberechtigte den Versicherungsanspruch aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers erwirbt305 oder auf Grund eines eigenen, ihm schon durch die Benennung als Bezugsberechtigten erwachsenen Anspruchs (§§ 328, 330, 331 I BGB).306 Nach der erstgenannten Auffassung fiele der Versicherungsanspruch in die Masse, nach der zweiten dagegen nicht. Eine vermittelnde Ansicht307 will den Versicherungsanspruch nur dann als massefrei behandeln, wenn der Bezugsberechtigte ein Angehöriger des Versicherungsnehmers ist. Diese Differenzierung ist aber de lege lata nicht hinreichend abzusichern. Der mit der Bezugsberechtigung regelmäßig verfolgte Zweck, dem Dritten durch die Versicherung den Unterhalt oder die Ausbildung zu sichern, lässt sich de lege lata nur dadurch erreichen, dass man sich der (herrschenden) Auffassung anschließt, die dem Bezugsberechtigten den Anspruch aus der Versicherung als eigenes Recht zuerkennt, die also den Anspruch nicht in die Masse fallen lässt. Die Erteilung einer Bezugsberechtigung an einen Dritten kann aber eine anfechtbare Rechtshandlung sein, insbesondere wenn sie unentgeltlich erfolgt.308 Der Versicherungsanspruch ist auch dann massefrei, wenn „die Erben“ als Bezugsberechtigte genannt sind (§ 160 II VVG). Dagegen fällt der Versicherungsanspruch in die Masse, wenn „der Nachlass“ oder „der Inhaber des Versicherungsscheins“ als Bezugsberechtigter benannt ist, sofern nicht der Versicherungsschein einer bestimmten Person übergeben wurde.309 Massezugehörig ist der Versicherungsanspruch ferner dann, wenn die Begünstigung vor dem Versicherungsfall durch Erklärung gegenüber der Versicherung oder durch Testament widerrufen war.310 Ist die Bezugsberechtigung unwiderruflich (§ 159 III VVG) und der Versicherungsfall noch 80 nicht eingetreten, so gehören Anwartschaft und Versicherungsanspruch nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers.311 Der Bezugsberechtigte hat ein Aussonderungsrecht, ohne dass es seines Eintritts nach § 170 VVG bedürfte, der auf die widerrufliche Bezugsberechtigung zugeschnitten ist. Stellen der Versicherungsnehmer und der Insolvenzverwalter die Prämienzahlung ein,

300 Sieg FS Klingmüller (1974) S 452 f; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 455; zum Widerrufsrecht des Verwalters s Jaeger LZ 1917, 35 f; Heilmann KTS 1966, 83. 301 Heilmann KTS 1966, 82, 84; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 455. 302 BGH KTS 1993, 447 = ZIP 1993, 600, dazu EWiR § 17 KO 1/93, 473 (Blomeyer); BAG VersR 1996, 85. 303 BGH NZI 2012, 76; BGH NJW 2015, 341 Rn 26; Armbrüster/Pilz KTS 2004, 481, 485; Prölss/Martin/Reiff VVG31 § 168 Rn 13; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 465. 304 BGH NJW 2015, 341 Rn 26; Prölss/Martin/Reiff VVG31 § 168 Rn 13; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 465. 305 Zehner AcP 153, 424, 452 f; Ehrenberg JhJb Bd 41, 404; Hoffmann AcP 158, 178, 194 ff; Wiedemann Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften (1965) S 183 f; Kipp/Coing Erbrecht14 § 81 V 2. 306 RGZ 140, 30, 33; BGHZ 13, 226, 232; 32, 44, 47; 156, 350 = NJW 2004, 214; BGH VersR 1996, 877; BGH NJW 2019, 999 Rn 16; OLG München ZIP 1991, 1505, dazu kritisch EWiR § 32 KO 2/91 (Eckert); Bork FS Kollhosser (2004) S 57, 61; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 218. 307 Sieg FS Klingmüller (1974) S 456 ff. 308 BGHZ 156, 350 = NJW 2004, 214; BGH NZI 2016, 35; s auch Bork FS Kollhosser (2004) S 57, 65 ff; Winter ZVersWiss 1970, 45; Thiele Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, Diss Hamburg (1968) S 118 f; Heilmann VersR 1972, 998 ff und KTS 1966, 83; Bartholomeyczik FS von Lübtow (1970) S 738 ff; Möller III. Internationaler Kongress für Rechtsvergleichung (1950) S 581; Brück LZ 1932, 666. 309 Heilmann KTS 1966, 83. 310 OLG Düsseldorf VersR 1965, 870. 311 BGH NJW 2019, 999 Rn 14 f; BAG KTS 1991, 163 = ZIP 1991, 1596; BAG NZI 2011, 30, 32; OLG Frankfurt/M BeckRS 2006, 139861; Stegmann/Lind NVersZ 2002, 193, 194; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 458; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 221. 43

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kann der Bezugsberechtigte die Versicherung durch eigene Prämienzahlung aufrechterhalten und damit eine Kündigung des Versicherers nach § 38 III VVG abwenden.312 Freilich bleibt auch bei unwiderruflicher Bezugsberechtigung der Versicherungsnehmer Vertragspartner der Versicherung. Deshalb steht ihm auch noch das Kündigungsrecht nach § 168 VVG zu. Dieses fällt in der Insolvenz des Versicherungsnehmers in die Masse, so dass gemäß § 80 das Kündigungsrecht auf den Insolvenzverwalter übergeht. Bei einem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht wird dem Begünstigten zwar grds ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, dieses jedoch unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen. Wenn die Voraussetzungen des Widerrufsvorbehalts vorliegen, bleibt das Widerrufsrecht ebenso erhalten wie im Normalfall (Rn 78 f), ansonsten kann das Bezugsrecht nicht widerrufen werden (Rn 79 f). Bei der Auslegung entsprechender Vorbehalte im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist entscheidend auf die betriebsrentenrechtlichen Wertungen abzustellen. Wird in der Klausel an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Widerrufsgrund angeknüpft, so genügt es nicht, dass ein Betriebsübergang iSd § 613a BGB stattfindet.313 Auch eine insolvenzbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist regelmäßig unschädlich.314

81 e) Eintragung im Grundbuch. Buchrechte (Grundstückseigentum, grundstücksgleiche Rechte, sonstige dingliche Grundstücksrechte), die zur Masse gehören oder erworben werden, sind auf den Namen des Insolvenzschuldners im Grundbuch einzutragen, jedoch muss die Zugehörigkeit zur Masse erkennbar sein, was durch den Insolvenzvermerk (§ 32) sichergestellt wird. Dem Verwalter ist anzuraten, die Eintragung möglichst rasch zu veranlassen, um einen gutgläubigen Erwerb Dritter auszuschließen.315 Eintragungsanträge anderen Inhalts hat das Grundbuchamt abzulehnen.316 Das gilt auch für Personengesellschaften und juristische Personen, die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst werden, da sie zunächst als Abwicklungsverbände fortbestehen. Vollzogene Bucheinträge auf „Die Insolvenzmasse“ oder auf „den Verwalter des Insolvenzverfahrens gegen NN“, sind bei Erkennbarkeit des wahren Rechtsträgers zwar nicht unwirksam, auch nicht „nach ihrem Inhalt unzulässig“ (§ 53 I S 2 GBO), aber sie sind ungenau und unzweckmäßig, da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass das betroffene Buchrecht nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in die freie Verfügungsmacht des Schuldners zurückfällt. Sie müssen auf das Subjekt der eingetragenen „Insolvenzmasse“ umgedeutet werden. Berechtigt ist also, selbst wenn die Eintragung auf eine bestimmte Masse oder deren Verwalter lautet, zunächst jedenfalls und, falls das eingetragene Recht freigegeben oder sonst wegen Einstellung des Verfahrens (§§ 211 ff) oder auf Grund eines Insolvenzplans nicht im Insolvenzverfahren verwertet wird, auch für die Zukunft der Insolvenzschuldner selbst.

82 f) Unterschlagung von Massebestandteilen. Da die vom Insolvenzverfahren erfassten Sachen dem Schuldner gehören, können sie von einem Dritten nur ihm gegenüber unterschlagen werden (§ 246 StGB); der Schuldner selbst als Eigentümer kann sie nicht unterschlagen.317 Zum Strafantragsrecht (§§ 247, 248a, 248b, 248c StGB) s zu § 80.318

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Sieg FS Klingmüller (1974) S 456, 459 f; Heilmann KTS 1966, 84. BAG NZI 2011, 30; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 459. BGH ZIP 2005, 1373; BAG NZI 2016, 35 Rn 19. Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 44; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 179. OLG Hamburg SeuffArch 44 Nr 79; RG vom 29. 9.1887 ebenda; OLG Dresden SächsOLG 21, 471; KG OLGRspr 5, 7; Celle OLGRspr 9, 378; BayObLG LZ 1907, 604 f und ZB1FG 14, 462 f; BayObLG 32, 380. 317 RGSt 39, 414; LZ 1908, 303 Nr 31. 318 S auch Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 146. Müller

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g) Lasten und Beschränkungen. Die Insolvenzmasse umfasst die dem Schuldner gehörenden 83 Gegenstände unbeschadet der ihnen anhaftenden Lasten und Beschränkungen.319 Hypotheken, Pfandrechte und sonstige dingliche Belastungen bleiben also bestehen und berechtigen zur abgesonderten Befriedigung (§§ 49 ff). Hat aber ein pfändender Gläubiger vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Schuldner bindend versprochen, die Pfändung aufzuheben, so gehört der Anspruch des Schuldners auf Aufhebung der Pfändung des beschlagsfähigen Gegenstandes wie dieser selbst zur Masse.320 h) Treuhandverhältnisse, Kapitalanlagegesellschaften. Gegenstände, die der Schuldner einem Gläubiger zur Sicherheit für dessen Forderung übertragen hat (Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung), gehören haftungsrechtlich zur Masse. Der Sicherungsnehmer (eigennütziger Treuhänder) hat lediglich ein Absonderungsrecht an dem Sicherungsgut (§ 51 Nr 1). Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des eigennützigen Treuhänders, dem der Gegenstand zur Sicherheit für dessen Forderung übertragen wurde, gehört dieser folglich nicht zur Masse. Der Sicherungsgeber hat ein Aussonderungsrecht, das er freilich erst geltend machen kann, wenn er die gesicherte Forderung tilgt (s § 47 Rn 57 f).321 Dritten gegenüber, welche die Sache beim Sicherungsgeber pfänden, kann aber der Insolvenzverwalter nach § 771 ZPO intervenieren. Die uneigennützige Treuhand (Verwaltungstreuhand) begründet kein Aussonderungsrecht des Treuhänders im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treugebers. Das Treugut gehört haftungsrechtlich zur Masse des Treugebers. Das Treuhandverhältnis (Geschäftsbesorgung, § 675 BGB) erlischt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 116). Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders kann der Treugeber das Treugut aussondern322 (s § 47 Rn 61, 68). Das gilt auch für Bankkonten. Behandelt der Treuhänder auf ein Treuhandkonto eingezahlte Fremdgelder allerdings als eigenes Vermögen, kann das im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhandene Restguthaben nicht ausgesondert werden.323 Zahlungen, die auf einem von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter oder Treuhänder eingerichteten Anderkonto eingehen, fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse, sondern stehen ausschließlich dem Anwalt zu.324 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (früher Kapitalanlagegesellschaft, § 1 KAGG) gehört das vom eigenen Vermögen der Gesellschaft getrennt zu haltende Sondervermögen nicht zu deren Insolvenzmasse (§ 99 III S 2 KAGB). Das Sondervermögen, das aus dem eingelegten Geld, den damit angeschafften Vermögensgegenständen und den Surrogaten besteht (§ 92 II KAGB), kann entweder im treuhänderischen Eigentum der Kapitalverwaltungsgesellschaft oder im Miteigentum der Anleger) stehen (§ 92 I S 1 KAGB).325 In dem zuletzt genannten Fall – sog. Miteigentumslösung – gehört das Sondervermögen schon der äußeren Rechtszuständigkeit nach nicht zur Insolvenzmasse der Gesellschaft. Wird dagegen die in der Bundesrepublik Deutschland weniger verbreitete, für Kapitalanlagegesellschaften, die das bei ihnen angelegte Geld in Grundstücken anlegen, aber in § 245 KAGB zwingend vorgeschriebene Treuhandlösung gewählt,326 so gehört zwar das Sondervermögen der äußeren Rechtszuständigkeit nach zum Vermögen 319 320 321 322

RGZ 46, 165, 167; 51, 80, 82; 61, 37, 43 f; 72, 192, 197 u ö; BGHZ 44, 1, 4; 56, 228, 230 f. RG LZ 1912, 683 Nr 11. MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 134; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 27. Henckel FS Coing (1982) 137 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 88a; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 131 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 27. 323 BGHZ 188, 317 = ZIP 2011, 777. 324 BGH NZI 2009, 245. 325 Fürbaß WM 2018, 2311 ff; J Baur Investmentgesetze (1970) Anm III 1 zu § 6 KAGG; Staub/Canaris HGB3 Anh § 357 Rn 2394, 2396 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 275. 326 Staub/Canaris HGB3 Anh § 357 Rn 2394; zur Wahl der Treuhandlösung aus aktienrechtlichen Gründen: MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 278. 45

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der Kapitalanlagegesellschaft. § 93 II KAGB stellt jedoch klar, dass das Sondervermögen, das der Kapitalanlagegesellschaft als uneigennütziger Treuhänderin zugeordnet ist, nicht zu dem für ihre Schulden haftenden Vermögen gehört und deshalb aus ihrer Insolvenzmasse auszusondern ist. Dieser Klarstellung bedurfte es, weil die Rechtsprechung zwar dem Treugeber die Aussonderung gestattet, aber voraussetzt, dass der Treugeber das Treugut unmittelbar aus seinem Vermögen dem Treuhänder überlassen hat.327 Das Recht der Kapitalverwaltungsgesellschaft, das Sondervermögen zu verwalten, erlischt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 99 III S 1 KAGB). Bei der Miteigentumslösung geht das Verfügungsrecht über das Sondervermögen, bei der Treuhandlösung das Eigentum am Sondervermögen auf die Verwahrstelle über (§ 100 I KAGB). Zum Sondervermögen gehörendes Grundeigentum erwirbt die Verwahrstelle mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft kraft Gesetzes, ohne dass es einer konstitutiven Eintragung im Grundbuch bedarf. Da das Grundstückssondervermögen nicht zur Insolvenzmasse der Immobilienfondsgesellschaft gehört (§ 99 III S 2 KAGB), darf ein Insolvenzvermerk (§ 32 InsO) bei den Fondsgrundstücken nicht eingetragen werden. Eine Gefährdung des Rechtsverkehrs tritt durch den gesetzlichen Übergang des Grundeigentums auf die Verwahrstelle dennoch nicht ein. Denn schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darf die Immobilienfonds-Gesellschaft über zum Grundstückssondervermögen gehörende Gegenstände nur mit Zustimmung der Verwahrstelle verfügen (§ 84 I Nr 3 KAGB). Diese Verfügungsbeschränkung ist im Grundbuch einzutragen (§ 246 I KAGB). Die Eintragung verhindert wirksame Verfügungen der Insolvenzschuldnerin oder des Insolvenzverwalters in der Zeit zwischen der Verfahrenseröffnung und der berichtigenden Eintragung des gesetzlichen Eigentumsübergangs auf die Verwahrstelle zu Lasten der Anleger (§ 84 II S 2–4, 3 KAGB). Die Verwahrstelle hat das Sondervermögen abzuwickeln und an die Anleger zu verteilen (§ 100 II KAGB). Sie kann aber auch von der Abwicklung und Verteilung absehen und einer anderen Kapitalverwaltungsgesellschaft die Verwaltung des Sondervermögens nach Maßgabe der bisherigen Vertragsbedingungen übertragen (§ 100 III KAGB). Hierfür ist die Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erforderlich; für die Übertragung der Verwaltung eines Spezialsondervermögens auf eine andere AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft genügt die Anzeige bei der BaFin (§ 100 III KAGB). Bei der Treuhandlösung geht damit auch das Treuhandeigentum auf die neu bestellte Verwaltungsgesellschaft über.328

88 i) Anwartschaften. Zur Insolvenzmasse gehören auch die Anwartschaftsrechte, soweit sie sich als haftungsrechtliche Zuordnungen erweisen, und auch die aus diesen Anwartschaftsrechten erwachsenden Vollrechte.329 Das wichtigste Beispiel ist das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers. Durch die aufschiebend bedingte (vgl § 449 BGB) Übereignung erlangt der Käufer eine Rechtsstellung, deren dingliche und haftungsrechtliche Wirkung sich aus § 161 BGB ableiten lässt. Pfändungen der Gläubiger des Verkäufers sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen können nach § 161 I BGB das Anwartschaftsrecht des Käufers nicht vereiteln. Das dem Verkäufer bis zum Bedingungseintritt noch verbliebene Eigentum gehört deshalb nur insoweit zu seinem Haftungsvermögen, als es ihn für den Fall sichert, dass der Kaufpreis nicht gezahlt wird. Zahlt der Käufer, fällt der zwischen bedingter Übereignung und Bedingungseintritt erfolgte Zugriff der Gläubiger des Verkäufers ins Leere, sofern bei Bedingungseintritt die Verwertung noch nicht abgeschlossen ist. Ist aber die Sache zu Gunsten eines Gläubigers des Verkäufers verwertet worden, so hat der Ersteher zwar Eigentum erworben, aber der Gläubiger ist durch den Empfang des Erlöses auf Kosten des anwartschaftsberechtigten Käufers ungerechtfertigt bereichert. Eine Veräußerung durch den Insolvenzverwalter des Ver327 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 279; eingehend dazu unten § 47 Rn 62 ff. 328 J Baur Investmentgesetze (1970) Anm III zu § 14 KAGG; Emde/Dornseifer/Dreibus/Gutsche KAGB2 § 100 Rn 20; Staub/Canaris HGB3 Anh § 357 Rn 2480 verlangen aber rechtsgeschäftliche Übertragung der einzelnen Gegenstände des Sondervermögens. 329 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 94; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 9, 258. Müller

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käufers ist dem Anwartschaftsberechtigten gegenüber unwirksam, wenn der Erwerber bösgläubig ist. Bei gutgläubigem Erwerb nach §§ 161 III, 932 ff BGB ist die Masse nach §§ 816 I BGB, 55 I Nr 3 InsO ungerechtfertigt bereichert. Da die Sache durch die bedingte Übereignung weder dem rechtsgeschäftlichen Verkehr noch dem Haftungszugriff schlechthin entzogen sein kann, gehört das Anwartschaftsrecht als die Rechtsstellung des Käufers, die der Rechtseinbuße des Verkäufers entspricht, zum haftenden Vermögen des Käufers. Es fällt, wie dann auch das Volleigentum, in dessen Insolvenzmasse, sobald der Kaufpreisrest bezahlt wird, gleichgültig, ob dies der Insolvenzverwalter tut, dem die Zahlung nach §§ 103, 107 II InsO freigestellt ist, oder der Schuldner oder ein Dritter. Die Sicherungsinteressen des Verkäufers werden durch diese haftungsrechtliche Zuordnung nicht berührt. Denn der Verkäufer kann, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt, nach § 323 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten und die verkaufte Sache aussondern. Dasselbe Recht hat er, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung ablehnt. Die haftungsrechtliche Zuordnung des Anwartschaftsrechts zum Vermögen des Käufers ist vom Bundesgerichtshof seit Langem anerkannt.330 Die haftungsrechtliche Zuordnungsfunktion des Anwartschaftsrechts hat vor allem Bedeutung 89 für die Rechtsbeziehungen zu Dritten. Die Gläubiger des Veräußerers und dieser selbst können die Sache nicht der Masse entziehen, wenn der Kaufpreis bezahlt wird. Für die Beziehungen der Masse zum Schuldner ist sie dagegen von untergeordneter Bedeutung. Denn der Erwerb des Volleigentums für die Masse bei Zahlung des Restkaufpreises ergibt sich bereits daraus, dass der schuldrechtliche Anspruch auf Übereignung und Übergabe, der mit der bedingten Übereignung noch nicht voll erfüllt ist und deshalb noch bis zum Bedingungseintritt besteht, zur Insolvenzmasse gehört. Dass Gegenstände, auf deren Übertragung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein schuldrechtlicher Anspruch besteht, zur Insolvenzmasse gehören, beruht nicht darauf, dass nach § 35 auch der Neuerwerb zur Masse gehört. Es folgt vielmehr regelmäßig daraus, dass sie der Insolvenzverwalter durch eigene Rechtshandlung für die Masse rechtsgeschäftlich erwirbt. Einer solchen Handlung bedarf es zwar nicht mehr, wenn die Sache vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Schuldner aufschiebend übereignet worden ist. Jedoch fällt, auch ohne dass ein Anwartschaftsrecht besteht, ein Gegenstand in die Masse, wenn er dem Insolvenzschuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet ist und ohne eine nach Verfahrenseröffnung vorgenommene Rechtshandlung des Erwerbers auf diesen übergeht. Hat der Schuldner die Einigungserklärung hinsichtlich einer ihm verkauften und übergebenen Sache vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon abgegeben, wird diese aber erst nach der Eröffnung von dem Verkäufer angenommen, so gehört die Sache zur Masse und es liegt nicht etwa Neuerwerb des Schuldners vor. Um Neuerwerb handelt es sich nur, wenn die geschuldete Sache, die nicht schon vor der Verfahrenseröffnung bedingt übereignet worden ist, nach der Verfahrenseröffnung dem Insolvenzschuldner selbst übereignet wird. Ist die aufschiebend bedingt übereignete Sache dem Insolvenzschuldner nicht geschuldet, 90 etwa weil der Kaufvertrag nichtig ist, so fällt das Eigentum mit Bedingungseintritt ebenfalls in seine Insolvenzmasse. Auch dieses Ergebnis beruht nicht auf der dinglichen Anwartschaft. Vielmehr ist ausschlaggebend, dass der Veräußerer zum Zwecke der Erfüllung einer vermeintlichen Schuld vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle Handlungen vorgenommen hat, die seinerseits zum Eigentumsübergang notwendig sind. Der Insolvenzschuldner bzw an seiner Stelle der Insolvenzverwalter hat es deshalb in der Hand, den Bedingungseintritt herbeizuführen und damit das Vollrecht zu erwerben. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht also für den Schuldner schon die Möglichkeit, ohne weiteres Zutun des Veräußerers das Eigentum zu erwerben. Das genügt, um das Vollrecht in die Masse fallen zu lassen, wenn die Bedingung eintritt. Deshalb gehört auch ein Grundstück, das dem Insolvenzschuldner vor der Verfahrenseröff- 91 nung bindend aufgelassen (§§ 873 II, 925 BGB) ist, zur Insolvenzmasse, auch wenn der Eintragungsantrag erst nach der Verfahrenseröffnung gestellt wird, und zwar gleichgültig, ob der zu Grunde

330 BGHZ 35, 85; BGH NJW 1965, 1475. 47

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liegende Kaufvertrag gültig oder nichtig ist.331 Daraus die Folgerung abzuleiten, dass die Bindung an die Einigung schon ein dingliches Anwartschaftsrecht begründete, wäre verfehlt, weil es eines solchen Rechts zur Annahme der Massezugehörigkeit nicht bedarf. Ob der Grundstückserwerber ein dingliches Anwartschaftsrecht hat, ergibt sich aus seiner Rechtsstellung gegenüber dem Veräußerer und dessen Gläubigern. Da diesen das Grundstück als Haftungsobjekt erst entzogen wird, wenn der Eintragungsantrag gestellt ist (§ 878 BGB), kann vorher von einem dinglichen Anwartschaftsrecht nicht die Rede sein.332 Dass das Grundstück zur Masse gehört, wenn der Eintragungsantrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, erklärt sich auch nicht aus der Einbeziehung des Neuerwerbs, war vielmehr schon im Konkursrecht anerkannt.333 Die Massezugehörigkeit des Grundstücks folgt vielmehr allein daraus, dass der Insolvenzschuldner bei Verfahrenseröffnung die Möglichkeit hatte, das Eigentum ohne Zutun des Veräußerers zu erwerben. Diese Möglichkeit hat einen Vermögenswert, gehört deshalb zur Masse und zieht das Eigentum nach. Gleiches gilt für den Fall, dass der Anspruch auf Übereignung durch eine Vormerkung zugunsten des Schuldners gesichert ist.334 Ist ein Rückauflassungsanspruch durch eine entsprechende Vormerkung gesichert, so kann der in Insolvenz befindliche Gläubiger, auch wenn die Grundstücksübertragung mit Rücksicht auf eine familiäre Verbundenheit stattgefunden hat, auf die Geltendmachung des Anspruchs nicht wirksam verzichten.335 Zur Insolvenzmasse gehört auch die Rechtsmacht, die der Insolvenzschuldner durch eine 92 unwiderrufliche Vollmacht erlangt, die ihm zum Erwerb von Vermögenswerten des Vollmachtgebers dienen soll. Das Recht, durch Gebrauch der Vollmacht zur Auflassung eines dem Vollmachtgeber gehörenden Grundstücks dieses zu erwerben, ist pfändbar und gehört folglich zur Masse, während eine dem Insolvenzschuldner erteilte Vollmacht an sich nicht zu den pfändbaren Vermögensrechten gehört und deshalb nicht Massebestandteil sein kann.336 Die Rechtsposition des Angebotsempfängers gehört zur Masse, wenn sie nach den §§ 398 ff BGB abtretbar und damit auch pfändbar (§§ 851, 857 ZPO) ist. Der Verwalter kann das Angebot annehmen, die aus dem Vertrag resultierenden Ansprüche fallen ebenfalls der Masse zu.337 93 Ist zugunsten des Insolvenzschuldners ein Forderungsrecht vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingt begründet worden, so gehört die Forderung auch dann zur Masse, wenn die Bedingung erst nach der Verfahrenseröffnung eintritt.338 Auch hier handelt es sich um keinen durch § 35 einbezogenen Neuerwerb. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung für den Insolvenzschuldner die vermögenswerte Möglichkeit bestand, das Forderungsrecht ohne weiteres Zutun des Schuldners zu erwerben. Ob es im freien Belieben des Insolvenzschuldners steht, den Bedingungseintritt herbeizuführen, oder ob äußere Umstände als Bedingung gesetzt sind, ist gleichgültig.

94 j) Auflösend bedingter, befristeter, schwebend und endgültig nichtiger Rechtserwerb. Ein auflösend bedingter, auflösend befristeter oder „schwebend nichtiger“, zB mit der Folge des § 142 BGB anfechtbarer, Vermögenserwerb des Schuldners bleibt auch als Massebestandteil unsicher (§ 38 Rn 96, § 42 Rn 3, 6). Weder der Bedingungseintritt noch der Fristablauf oder deren Rechtsfolgen (§§ 158 II, 163 BGB) werden durch das Insolvenzverfahren und speziell durch § 91 gehindert. Dasselbe gilt für die Anfechtung eines Erwerbs des Schuldners durch dessen Ge-

331 332 333 334 335 336 337 338

Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 265. Staudinger/Heinze BGB (2018) § 873 Rn 183 ff. Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 129. Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 265; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 187. OLG München NZI 2010, 527. BayObLG BB 1978, 1929 = Rpfleger 1978, 372. BGH NZI 2015, 376. BGH NJW 2019, 1451 Rn 26.

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schäftsgegner339 und deren Rechtsfolgen. Jedoch kann ein Bedingungseintritt oder ein Fristablauf nicht zu Lasten der Masse wirken, wenn er durch eine nach § 81 unwirksame Rechtshandlung des Insolvenzschuldners herbeigeführt wurde. Anders nur, wenn die auflösende Bedingung in einem Verhalten des Schuldners besteht, das seinem persönlichen Bereich zuzurechnen ist wie zB die Wiederverheiratung. Auch fällt ein dem Schuldner auflösend bedingt übertragenes Recht nicht an den Übertragenden zurück, wenn als Bedingung das Ausbleiben der Bezahlung der Gegenleistung vereinbart war; denn ein Rechtserwerb wegen der insolvenzbedingten Nichterfüllung soll durch § 103 II S 1 ausgeschlossen werden.340 Ein von vornherein nichtiges Rechtsgeschäft des Schuldners kann für die Masse keine Rechte begründen.341

k) § 817 S 2 BGB. Aus dem von der Rechtsprechung betonten und einleuchtenden Grundsatz, 95 dass die dem Schuldner gehörenden Gegenstände mit allen Beschränkungen behaftet bleiben, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden und nicht durch Anfechtung (§§ 129 ff) beseitigt werden können, folgt auch, dass ein Bereicherungsanspruch, der nach § 817 S 2 BGB am Vorwurf eigener Unsittlichkeit des Leistenden scheitert, vom Insolvenzverwalter des Leistenden ebenso wenig erhoben werden kann wie von diesem selbst außerhalb des Insolvenzverfahrens.342 l) Beschränkung des Anspruchs durch den Schuldner. Hat der Schuldner einen ihm zuste- 96 henden Anspruch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Vereinbarung mit dem Drittschuldner wirksam eingeschränkt, so gehört der Anspruch auch nur mit dieser Beschränkung zur Masse. So ist zB an eine Stundung auch der Insolvenzverwalter gebunden. Anders ist es, wenn die Abrede nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner für den Fall eines Insolvenzverfahrens nicht gelten sollte, eine Stundung etwa nur im Hinblick auf eine erwartete Sanierung gewährt worden ist. Ein Abtretungsverbot, das der Insolvenzschuldner vor der Verfahrenseröffnung mit dem Schuldner seiner Forderung vereinbart hat, bindet, wenn es nicht nach § 354a HGB343 unwirksam ist, auch den Verwalter.344 Die Forderung gehört aber dennoch zur Masse (§ 851 II ZPO). Hat der Versicherungsnehmer durch sein vertragswidriges Verhalten die Leistungsfreiheit des Versicherers bewirkt, so ist dieser auch dem Insolvenzverwalter gegenüber leistungsfrei.345 An eine vom Schuldner vor der Verfahrenseröffnung getroffene Schiedsabrede ist auch der Insolvenzverwalter gebunden,346 jedoch nicht für einen anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch (§ 143)347 oder die Ausübung des Wahlrechts aus § 103.348

Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 65. Jaeger/Henckel KO9 § 26 Rn 17. RGZ 51, 80, 82. HM: BGHZ 106, 169, dazu EWiR § 817 BGB 1/89, 243 (F Baur); BeckOK/Wendehorst BGB62 § 817 Rn 17; MünchKomm/ Schwab BGB8 § 817 Rn 73; gegen die frühere Rechtsprechung (RGZ 99, 161; RG JW 1931, 2093; BGHZ 19, 338, 340 f; BGH NJW 1962, 483) schon zutreffend Heck AcP 124, 18 f; Reuter/Martinek Ungerechtfertigte Bereicherung (1983) § 6 V 2d; Kuhn WM 1957, 150; KTS 1963, 71; Weber BB 1962, 1207; Honsell Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte (1974) S 48 ff; Kalter KTS 1973, 24; Hanisch Rechtszuständigkeit der Insolvenzmasse (1973) S 109 f; Erdmann KTS 1967, 92 f Note 22; F Baur Festschrift Weber S 45 f; aA Kaehler Bereicherungsrecht und Vindikation S 286; Klöhn AcP 210 (2010), 804 (839); Linke KTS 1966, 193, 217 ff. 343 Zum Anwendungsbereich der Vorschrift s MünchKomm/Karsten Schmidt/Langenbucher HGB5 § 354a Rn 7 ff. 344 BGHZ 56, 228 ff. 345 BGHZ 44, 1, 4; aA Linke KTS 1966, 193 ff. 346 BGHZ 24, 15 ff; Flöther DZWIR 2001, 89, 93. 347 BGH JZ 1957, 95 m zust Anm von Rosenberg = KTS 1956, 190 = NJW 1956, 1920; BGHZ 24, 15, 18; 179, 304 Rn 14 = NZI 2009, 309; Flöther DZWIR 2001, 89, 93 f. 348 BGH NZI 2011, 634; NZI 2018, 106.

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97 m) Preisbindungsverträge. Der Grundsatz, dass die Rechte des Schuldners mit den von ihm geschaffenen Beschränkungen in die Masse fallen, bedeutet aber nicht, dass der Insolvenzverwalter die Verpflichtungen (voll) erfüllen müsste, die der Schuldner eingegangen ist (s hierzu §§ 38, 103 ff). Hatte sich der Schuldner vor der Verfahrenseröffnung verpflichtet, gekaufte Ware nicht unter dem vom Verkäufer festgesetzten Preis weiter zu veräußern – soweit solche Preisbindungsverträge kartellrechtlich überhaupt zulässig sind (§ 1 GWB) –, so ist der Insolvenzverwalter durch diese Vereinbarung nicht gebunden, wenn er die Ware im Wege der Liquidation veräußert. Eine dingliche Bindung scheitert an § 137 S 1 BGB. Die obligatorische Bindung kann die Masseverwertung nicht beschränken. § 103 InsO findet keine Anwendung, da der Preisbindungsvertrag kein gegenseitiger Vertrag ist. Solange aber der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Schuldners fortführt, bleibt auch für ihn die Preisbindung bestehen.349 Die Abrede, dass der Lieferant im Insolvenzverfahren des Käufers die noch vorhandenen Bestände zu einem bestimmten Preis zurücknehmen dürfe, kann als Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts wirksam sein, auf die § 103 Anwendung findet.

98 n) Unter Patentverletzung hergestellte Waren. Einschränkungen der Handlungsfreiheit des Schuldners, die auf absoluten Rechten Dritter beruhen, muss der Insolvenzverwalter respektieren. Hatte der Schuldner unter Verletzung eines fremden Patentrechts Waren hergestellt, die er nach § 9 PatG nicht in Verkehr bringen darf, so ist es auch dem Insolvenzverwalter nicht gestattet, diese Waren für Rechnung der Masse zu veräußern. Der Patentinhaber kann Unterlassung verlangen (§ 139 PatG, s auch § 38 Rn 77 f). Gelingt also nicht etwa eine Einigung mit dem Patentberechtigten über eine dessen Recht nicht berührende Ausnutzung, so bleibt der Warenbestand für die Masse unverwertbar.

99 o) Blankowechsel und Gefälligkeitsakzept. Befindet sich in der Hand des Schuldners bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein ihm begebener Blankowechsel, so kann ihn der Insolvenzverwalter für die Masse verwerten, wenn der Insolvenzschuldner zur Ausfüllung befugt war.350 Der Blankowechsel als eine unvollständige, aber mit der Bestimmung der Vervollständigung in Verkehr gegebene Wechselurkunde berechtigt den Nehmer und die Nachmänner, durch bestimmungsgemäße Ausfüllung des Blanketts mit rückwirkender Kraft351 einen vollständigen Wechsel herzustellen. Dabei handeln sie im eigenen Namen, nicht als Bevollmächtigte des Ausstellers, zumal wenn die Ausfüllung nur Einsetzung des eigenen Namens ist. Die Ausfüllungsbefugnis ist ein zum Vermögen des Insolvenzschuldners und damit zur Masse gehörendes Gestaltungsrecht.352 Dass sie das Insolvenzverfahren des Ausfüllungsberechtigten zum Erlöschen bringen sollte, kann jedenfalls grds nicht angenommen werden.353 Der Insolvenzverwalter darf also Blankoindossamente nach Art 13, 14 WG ausfüllen oder den Wechsel unausgefüllt weiter indossieren. Auch die Übertragung des Wechsels ohne Indossament354 steht dem Verwalter frei. Beabsichtigt der Verwalter, die Wechselsumme für die Masse zu erheben, empfiehlt es sich, dem Namen oder der Firma des Insolvenzschuldners bei der Ausfüllung anzufügen: „zu Händen des Insolvenzverwalters NN“. Die Ausfüllung durch den Schuldner persönlich würde nach § 81 das Recht nicht der Masse entziehen. In der Verwertung eines so ausgefüllten Blanketts durch den Verwalter läge 349 KG GRUR 1928, 718. 350 Fischer Die Blanketterklärung (1975) S 41; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 197; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 467. 351 Baumbach/Hefermehl/Casper/Casper WG24 Art 10 Rn 1. 352 Fischer Die Blanketterklärung (1975) S 38; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 197; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 467. 353 Ulmer Das Recht der Wertpapiere (1938) S 197. 354 Baumbach/Hefermehl/Casper/Casper WG24 Art 11 Rn 5. Müller

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dessen stillschweigende Genehmigung (§ 80). Andererseits darf der Insolvenzverwalter so wenig wie vor dem Insolvenzverfahren der Ausfüllungsberechtigte selbst den Wechsel bestimmungswidrig ausfüllen. Füllt der Verwalter missbräuchlich bloße Gefälligkeitsakzepte aus, könnte ihm und einem nicht durch guten Glauben geschützten Dritterwerber entgegengehalten werden, dass die Ausfüllungsbefugnis nach dem Willen der Parteien beim Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Nehmers erloschen sei,355 wie auch ein nicht blanko gegebenes Gefälligkeitsakzept kein Gläubigerrecht begründen kann und deshalb auch in der Hand des Insolvenzverwalters nicht vollwertig wird.356

p) Kontokorrent. Die abstrakte Forderung, die entsteht, wenn der Insolvenzverwalter und ein 100 Kontokorrentpartner des Insolvenzschuldners einen zu dessen Gunsten bestehenden Kontokorrentsaldo feststellen (§§ 355 ff HGB), gehört ebenso zur Masse wie die kausale Saldoforderung, die auf dem Verrechnungsvertrag beruht.357 Streitig ist, ob der Insolvenzverwalter aus einem zugunsten des Insolvenzschuldners bestehenden Saldo sofort Zahlung verlangen kann oder erst nach Ablauf der Rechnungsperiode. Die hM sieht das Kontokorrentverhältnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Partners als beendet an,358 auch wenn der Insolvenzverwalter das Kontokorrent „weiterbenutzt“, womit ein neues Kontokorrentverhältnis begründet werde.359 Nach Beitzke360 soll nur die laufende Rechnungsperiode beendet sein. Nach diesen Auffassungen ist die kausale Saldoforderung des Insolvenzschuldners mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sofort fällig, soweit die einzelnen in das Kontokorrent eingestellten Forderungen fällig sind.361 Die Gegenansicht von Canaris362 lässt die Fälligkeit erst mit dem Ablauf der vertraglich bestimmten Rechnungsperiode eintreten, die durch das Insolvenzverfahren nicht beendet werde. Dies folge daraus, dass nicht fällige Forderungen durch das Insolvenzverfahren des Schuldners nicht fällig werden und diene dem Schutz des anderen Teils, der sich vor Ablauf der Rechnungsperiode nicht auf eine Barzahlungspflicht einzurichten brauchte. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die in das Kontokorrent eingestellten fälligen Forderungen des Insolvenzschuldners bis zur Verfahrenseröffnung nur deshalb nicht geltend gemacht werden konnten, weil sie zur Verrechnung mit Leistungen und Forderungen des anderen Teils gestellt wurden. Ist aber das Insolvenzverfahren eröffnet, so dürfen danach entstandene Forderungen des Partners gegen den Insolvenzschuldner nicht mehr in das Kontokorrent eingestellt werden. Der aktive Saldo des Insolvenzschuldners ist endgültig. Ein Aufschub der Geltendmachung wegen der Verrechnung mit künftigen Posten kommt nicht in Betracht. Der hM ist deshalb zuzustimmen.

355 BGHZ 54, 1 = NJW 1970, 1366; Fischer Die Blanketterklärung (1975) S 41 Note 230; Baumbach/Hefermehl/Casper/ Casper WG24 Art 10 Rn 3; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 467. 356 RGZ 75, 153 ff. 357 S hierzu Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 242 ff; K Schmidt Handelsrecht6 § 21 Rn 34 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 424, und unten § 38 Rn 101 ff. 358 RGZ 125, 411, 416; 149, 19, 25; 162, 244, 245; BGHZ 58, 108, 111; 70, 86, 93; 74, 253 ff; 181, 362 ff; Hopt/Leyens HGB41 § 355 Rn 23; MünchKomm/Langenbucher HGB5 § 355 Rn 118; K Schmidt Handelsrecht6 § 21 Rn 65 ff; Schmieder BankRHdb6 § 26 Rn 94; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 426; Bork Zahlungsverkehr in der Insolvenz (2002) Rn 61; Häuser in Zweiter Leipziger Insolvenzrechtstag, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis zu Problemen des Insolvenzrechts, hrsg von Ch Berger ua (2001) S 15; aA Herz Das Kontokorrent, Diss Tübingen (1974); Seifert Kontokorrent im Konkurs, Diss Göttingen (1965); Zwicker KTS 1978, 76 ff, die – mit unterschiedlicher Begründung – für eine nach dem jeweiligen Kontostand differenzierende Lösung plädieren. 359 BGH NJW 1991, 1286; Hopt/Leyens HGB41 § 355 Rn 23, 24; MünchKomm/Langenbucher HGB5 § 355 Rn 121; Schmieder BankRHdb6 § 26 Rn 95. 360 FS von Gierke (1950) S 21 ff. 361 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 428. 362 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 242, 246. 51

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101 q) Formelle Legitimation. Wenn der Insolvenzschuldner trotz seiner Befriedigung einen Wechsel oder einen Hypotheken-, Grund- oder Rentenschuldbrief unquittiert behalten hat und vor Aushändigung der Urkunde (vgl § 1144 BGB) das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist, bleibt auch dem Insolvenzverwalter nur die formelle Legitimation ohne materielle Berechtigung. Er darf also das Papier nicht von neuem in Umlauf setzen. Verwertet er es dennoch durch eine vom Verkehrsschutz gedeckte Verfügung (s Art 17 WG, §§ 892, 1138, 1155 BGB), so macht er die Insolvenzmasse nach § 55 I Nr 1 oder Nr 3 (§ 816 I S 1 BGB), bei Verschulden zugleich sich persönlich haftbar (§ 60).363 Der Grundeigentümer, der durch die Befriedigung des jetzigen Insolvenzschuldners Gläubigerrecht (§§ 1143, 1153, 1163 f, 1177 BGB) und Briefeigentum (§ 952 II BGB) erworben hatte, kann sowohl eine berichtigende Umschreibung als auch die Herausgabe des Briefes auf Grund des § 47 vom Verwalter verlangen.364 Dagegen kann auf Grund eines nur schuldrechtlichen, nicht etwa durch Vormerkung (§ 106) gesicherten Anspruchs auf Änderung der bestehenden Rechtslage (zB auf Löschung oder Vorrangeinräumung) im Insolvenzverfahren des Schuldners diese Änderung selbst nicht erwirkt werden. Der Veräußerer eines Geschäftsanteils an einer GmbH bleibt nach § 16 GmbHG als Gesellschafter legitimiert, auch zur Erhebung einer Anfechtungsklage,365 solange der Erwerb des Anteils nicht in der Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen ist. Folglich kann auch der Insolvenzverwalter des Veräußerers die Anfechtungsklage erheben.366

IV. Neuerwerb 1. Begriff und Abgrenzung 102 a) Dingliche Haftungszuordnung. Anders als nach der Konkursordnung gehört auch der Neuerwerb zur Insolvenzmasse. Mit dieser zeitlichen Erweiterung folgt die InsO der Lösung der meisten europäischen Rechtsordnungen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist Neuerwerb das gesamte Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt. Die Formulierung ist ungenau, weil dem Wortlaut nicht eindeutig entnommen werden kann, wie der Begriff „Vermögen“ verstanden werden soll. Berücksichtigt man, dass schon die Konkursordnung in § 1 von dem „Vermögen“ des Gemeinschuldners sprach und darunter allgemein die einzelnen Vermögensgegenstände des Schuldners verstanden wurden, so liegt es nahe, auch § 35 in diesem Sinn auszulegen; denn ein vom Konkursrecht abweichendes Verständnis hat der Gesetzgeber nicht im Sinn gehabt. Ob etwas zur Masse gehört, ist eine Frage der dinglichen Haftungszuordnung. Diese bezieht sich stets auf spezielle Rechtsobjekte, die in § 1 KO und § 35 InsO unter dem Begriff „Vermögen“ zusammenfassend bezeichnet werden. Dass im Gesetzgebungsverfahren wie im alten Recht die Masse nur als die Gesamtheit der ihr zugeordneten subjektiven Rechte gedacht wurde, zeigt die Begründung zum Regierungsentwurf,367 wenn sie zum Neuerwerb die Einkünfte des Schuldners, Erbschaften und Schenkungen nennt, Einkünfte des Schuldners sind sein Arbeitsentgelt und Honorar- oder Werklohnforderungen aus selbständiger Tätigkeit, nicht aber etwa ein Überschuss seiner Einnahmen über die Ausgaben oder etwa seine Einnahmen abzüglich seiner Verbindlichkeiten. Erbschaften sind die zum Nachlass gehörenden Forderungen und nicht die Aktiva des Nachlasses abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten.

363 364 365 366

Vgl RGZ 19, 60, 62. § 47 Rn 25; zur Sicherungsgrundschuld § 47 Rn 58, 79, 103. BGH NJW 1969, 133. OLG Düsseldorf GmbHR 1996, 443 = NJW-RR 1996, 607 zur Klage gegen Gesellschafterbeschluss auf Einziehung von Geschäftsanteilen. 367 Zu S 42. Müller

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b) Abgrenzung. Nach § 1 I KO umfasste die Konkursmasse nur das zur Zeit der Verfahrenseröffnung vorhandene Vermögen des Schuldners. Jedoch ist die Bedeutung der Rechtsänderung nicht ganz so gravierend, wie es auf den ersten Blick erscheint. Denn es muss daran erinnert werden, dass schon nach altem Recht nicht jeder Rechtserwerb, der sich nach der Verfahrenseröffnung vollendete, außerhalb der Masse blieb.368 Daran hat sich durch die Insolvenzordnung nichts geändert. In diesen Fällen handelt es sich nicht um echten Neuerwerb. Verfahrensfrei bleiben wie unter dem Regime der KO die Rechte, die erst nach Verfahrensaufhebung entstanden sind. Massebestandteil ist eine Forderung, wenn der Rechtsgrund so weit und endgültig verwirklicht worden ist, dass das betreffende Recht sofort als umsetzungsfähiger Bestandteil zum Vermögen des Schuldners zu rechnen ist. Entscheidend ist, ob vom Entstehungstatbestand bereits so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass die Vollendung nicht mehr von einem willensgesteuerten Verhalten des Schuldners abhängt.369 Entsprechendes gilt nach § 300a nunmehr bei Erteilung einer Restschuldbefreiung schon im laufenden Verfahren für die nach Ende der Abtretungsfrist erworbenen Vermögensgegenstände. Zur Freigabe s unten Rn 131 ff. Zur Insolvenzmasse, aber nicht zum eigentlichen Neuerwerb, gehören nach dem zuvor Gesagten Rechte, die sich aus massezugehörigen Rechten entwickeln, wie Nutzungen, Früchte und Zinsen, Schadensersatzansprüche wegen Verletzung massezugehöriger Rechte, Ansprüche auf Versicherungsleistungen (Rn 39) sowie Gegenstände, die kraft Surrogation in die Insolvenzmasse fallen370 oder vom Insolvenzverwalter rechtsgeschäftlich erworben werden, ferner Rechte, auf die ein Anwartschaftsrecht als Massebestandteil bestand,371 Steuer- und Kostenerstattungsansprüche, der Gewinn auf ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Schuldner gehörendes Lotterielos,372 einen Toto- oder Lottoschein und schließlich Gegenstände, die durch Anfechtung (§§ 129 ff) in die Masse gelangen oder dort verbleiben. Sie gehörten schon nach altem Recht zur Konkursmasse. Bringt ein zur Masse gehörendes Stammrecht Nutzungen, Früchten oder Zinsen, so fallen diese, auch wenn sie erst während des Insolvenzverfahrens anfallen, in die Masse. Denn diese einzelnen Ansprüche oder Rechte entwickeln sich auf der rechtlichen Grundlage des Stammrechts, stellen nur Nebenansprüche dar, deren Bestand vom Bestand des Stammrechts abhängig ist. Mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte (§ 99 III BGB), zB Miet- und Pachtforderungen, fallen in die Masse, soweit sie zu dieser nach §§ 103 ff zu erfüllen sind. Der Eigentumserwerb an Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen vollzieht sich zugunsten der Masse, nicht nur im Falle des § 953 BGB, sondern auch in denen der §§ 954–957 BGB, falls nur das Bezugsrecht wenigstens der Ausübung nach zur Insolvenzmasse gehört. Die Ersatzansprüche für die Beschädigung oder Zerstörung von Massebestandteilen, zB von Sachen, fallen wie schon nach der Konkursordnung auch dann in die Masse, wenn das schädigende Ereignis erst nach der Verfahrenseröffnung eintritt. Sie treten an die Stelle der massezugehörigen Rechte an den Gegenständen. Da die Beschädigung oder Zerstörung die Haftungsmasse mindert, muss auch der Ersatz zur Masse geleistet werden. Mit dem Neuerwerb hat das nichts zu tun. Ist eine unerlaubte Handlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen worden, der Schaden aber erst nachher entstanden, wie es besonders bei Körperverletzungen, aber auch bei der Beschädigung massezugehöriger Sachen der Fall sein kann, gehört der gesamte Schadensersatzanspruch zur Masse, denn der Rechtsgrund des Anspruchs ist die unerlaubte Handlung, die vor der Eröffnung liegt. Der Anspruch auf eine in Raten zu zahlende Gegenleistung gehört auch für die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu leistenden Raten zur Masse, ohne dass es sich dabei 368 369 370 371 372

H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 34. BGH NJW 2019, 999 Rn 11. Begründung zu § 42 RegE. Dazu o Rn 88 ff. Genuiner Neuerwerb liegt vor, wenn die Beteiligung an der Lotterie nach Verfahrenseröffnung erfolgte, vgl AG Göttingen NZI 2012, 32.

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um Neuerwerb handelte. Auch hier ist der Rechtsgrund, zB der Kaufvertrag, vor der Eröffnung begründet. Der Anspruch bleibt ein einheitlicher, wenn auch in Raten aufgeteilter. Die Teilansprüche bestehen sämtlich schon zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens und nur ihre Fälligkeit ist hinausgeschoben. Dasselbe gilt entsprechend für alle Ansprüche aus einem Sukzessivlieferungsvertrag.373 Nicht zum Neuerwerb gehören Gegenstände, die der Insolvenzverwalter mit Mitteln der Masse erwirbt. Sie fallen als Verwaltungssurrogate374 in die Masse, wenn der Verwalter als solcher über Massegegenstände disponiert, nicht natürlich, wenn er diese unterschlägt und zu eigenem Nutzen veräußert. In diesem Fall gehört der Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter (§ 60) zur Masse.375 Da die Handlungen des Insolvenzverwalters für die Masse wirken (§ 80), gehört alles, was der Verwalter als solcher erwirbt, zur Insolvenzmasse. Das gilt für die Verwertung von Massegegenständen, die Einziehung von Außenständen, die Ablösung von Grundpfandrechten, durch die ein Eigentümergrundpfandrecht für die Masse entsteht.376 Alle Leistungen an den Verwalter, die auf Grund von Forderungen des Insolvenzschuldners erbracht werden, die schon zur Zeit der Verfahrenseröffnung zur Masse gehörten oder während des Verfahrens durch den Verwalter begründet worden sind, fallen deshalb in die Masse. Zum Neuerwerb gehören dagegen dem Verwalter erbrachte Leistungen, mit denen Forderungen erfüllt werden, die der Insolvenzschuldner nach der Verfahrenseröffnung als Neuerwerb erlangt hat, und auch der Erlös, den der Verwalter durch Nutzung oder Verwertung von Gegenständen des Neuerwerbs erzielt. Als Neuerwerb gehört ferner zur Masse kraft rechtsgeschäftlicher Surrogation alles, was der Schuldner mit Mitteln der Masse erwirbt, etwa durch Veräußerung von Sachen, die der Insolvenzverwalter nicht in Besitz genommen hat oder durch Einziehung massezugehöriger Forderungen. Durch Verbindung und Vermischung von Sachen dritter Personen mit massezugehörigen Sachen entsteht nach §§ 946–948 BGB massezugehöriges Eigentum bzw Miteigentum des Insolvenzschuldners. Verarbeitet der Insolvenzverwalter Sachen Dritter, so erwirbt er unter den Voraussetzungen des § 950 BGB Eigentum für die Masse.377 Eigentum, das auf Grund massezugehörigen Eigenbesitzes während des Konkurses durch Ersitzung erworben wird (§ 937 BGB), gehört ebenfalls zur Masse. Auch im Verhältnis der Masse zum massefreien Vermögen des Schuldners gelten die §§ 946 ff BGB, wie wenn die beiden Vermögen verschiedenen Rechtsträgern zugeordnet wären. Werden Massegegenstände zu wesentlichen Bestandteilen einer massefreien Sache, etwa einer unpfändbaren oder vom Insolvenzverwalter freigegebenen Sache, so scheiden sie aus der Masse aus. Der Schuldner ist der Masse nach §§ 951, 812 BGB ausgleichspflichtig. Entsprechendes gilt, wenn unpfändbare und deshalb nach § 36 nicht zur Masse gehörende Sachen wesentliche Bestandteile eines Massegrundstücks werden (§ 946 BGB). Bei der Verarbeitung (§ 950 BGB) kommt es darauf an, wer als Hersteller anzusehen ist. Verarbeitet der Schuldner Sachen der Masse für sich, so erwirbt er das Eigentum an der neuen Sache als Neuerwerb, der zur Masse gehört. Lässt der Insolvenzverwalter Sachen der Masse oder des freien Vermögens des Schuldners in dem von ihm fortgeführten Betrieb verarbeiten, so gehört die neue Sache als Surrogat zur Masse, und zwar auch dann, wenn der Schuldner die Verarbeitung für den Insolvenzverwalter ausführt. Gehört zur Masse schon zur Zeit der Eröffnung ein dingliches Anwartschaftsrecht als Folge einer aufschiebend bedingten Übereignung einer beweglichen Sache, so gehört auch das Vollrecht, das mit dem Eintritt der Bedingung entsteht, zur Masse (Rn 88 ff). Ein Anspruch des Insolvenzschuldners auf Erstattung von Steuern kann sich ergeben, wenn er zu hohe Vorauszahlungen geleistet hat, wenn Kapitalertrag- oder Körperschaftsteuer angerechnet (§ 36 II und IV S 2 EStG) oder eine Steuerfestsetzung, auf die er gezahlt hat, durch 373 374 375 376 377

Vgl RGZ 148 326, 330; Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 68 ff. S zu § 89 und Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 37; Häsemeyer InsR4 Rn 9.28; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 69. RGZ 78, 186, 188; RG LZ 1919, 207. OLG Celle OLGRspr 9, 379; vgl auch OLG Posen OLGRspr 8, 8. MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 71; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 125.

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Aufhebung, Rücknahme oder Änderung des früheren Bescheides berichtigt wird (§ 37 II AO 1977). Entsteht die endgültige Steuerschuld erst mit Ablauf des Steuerabschnitts, für den sie zu entrichten ist, wie es bei der Einkommensteuer der Fall ist, so entsteht steuerrechtlich der Anspruch auf Erstattung zu hoher Vorauszahlungen erst mit Ablauf des Steuerabschnitts, also nach der neueren Rechtsprechung regelmäßig zum Jahresende (s § 38 Rn 148 ff).378 Die Steuerfestsetzung hat auf den Entstehungszeitpunkt keinen Einfluss, denn sie ist nur deklaratorisch.379 Wurde die Vorauszahlung vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren geleistet oder die Kapitalertragbzw Körperschaftsteuer vor diesem Zeitpunkt abgeführt, ist der Einkommensteuerabschnitt aber erst während des Insolvenzverfahrens abgelaufen, so würde der Erstattungsanspruch jedenfalls als Neuerwerb zur Masse gehören.380 Jedoch dürfte der Erstattungsanspruch als aufschiebend bedingter schon im Zeitpunkt der Zahlung entstanden sein, weil diese unter dem Vorbehalt geleistet ist, dass sie die später festgesetzte Steuer nicht übersteigt. Der Insolvenzschuldner hat deshalb schon mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungsabschnitts entstehenden Erstattungsanspruch, so dass dieser schon deshalb, und nicht als Neuerwerb, in die Masse fällt.381 Wird dem Schuldner im laufenden Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung erteilt, gehört der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen zur Insolvenzmasse und nicht zum insolvenzfreien Neuerwerb des Schuldners, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens vor Ablauf der Abtretungsfrist verwirklicht worden ist.382 Ein Einkommensteuererstattungsanspruch ist aber dann nicht der Insolvenzmasse geschuldet, wenn er auf Vorauszahlungen beruht, die aus Mitteln geleistet worden sind, die zum insolvenzfreien (insbesondere nach § 35 II freigegebenen) Vermögen gehören.383 Wird eine Steuerfestsetzung durch Aufhebung, Rücknahme oder Änderung des früher erlas- 113 senen Bescheids berichtigt (§§ 126, 129, 130 ff, 172 ff AO 1977), so ist der Anspruch auf Erstattung der auf Grund des berichtigten Bescheids überzahlten Steuer schon im Zeitpunkt der Zahlung entstanden. Auch der berichtigende Bescheid hat keine konstitutive Wirkung. Ist die überhöhte Steuer vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt worden, so gehört also der Erstattungsanspruch zur Masse,384 ohne dass er dem Neuerwerb zugerechnet werden müsste. Dass in diesem Urteil auch der Ablauf des Steuerabschnitts für die Entstehung des Erstattungsanspruchs vorausgesetzt wird, ist nicht entscheidungserheblich. Der Anspruch des Insolvenzschuldners auf Erstattung der Prozesskosten gehört von der 114 Rechtshängigkeit der Klage an zu seinem pfändbaren Vermögen und deshalb hinsichtlich aller vor oder während des Verfahrens begonnener Prozesse zur Insolvenzmasse.385 Ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandener Anspruch auf Auslagenerstat- 115 tung und Vergütung, die der jetzige Schuldner für seine Tätigkeit vor diesem Verfahren auf Grund einer fremden Insolvenzverwaltung hat, gehört schon zur Insolvenzmasse, bevor er festgesetzt ist. Ob er zum Neuerwerb gehört, richtet sich also nach dem Zeitpunkt seiner Entstehung, nicht seiner Festsetzung. Der Vergütungsanspruch des Berufsvormunds und des Berufsbetreuers (§§ 1808 III, 1875 II BGB) entsteht mit der jeweiligen Betreuungstätigkeit, also schon vor der Festsetzung. Geschah die Tätigkeit vor der Verfahrenseröffnung, gehörte der Anspruch schon nach Konkursrecht zur Masse, geschah sie danach ist der Anspruch nach § 35 InsO massezugehöriger Neu-

378 379 380 381

BFH ZIP 1996, 641. BFH VI 213/56 vom 10.2.1959 – unveröffentlicht; BFH 73, 300 = BStBl III 1961, 375; BFH HFR 1964, 344. Vgl AG Göttingen NZI 2001, 270. BFH NJW 1994, 1680 = ZIP 1993, 933; BFH BStBl II 1996, 557 = ZIP 1996, 641; BGH NJW 2006, 1127 Rn 14 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 182. 382 BGH NZI 2022, 226. 383 BFH NZI 2015, 386 Rn 20. 384 BFH BStBl II 1968, 496 = KTS 1969, 54 mit Anm von Schwarz; BFH WPg 1979, 614; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 182. 385 BGH NZI 2007, 407. 55

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erwerb. Der Vergütungsanspruch, der einem nicht berufsmäßigen Vormund oder Betreuer zustehen kann (§§ 1808 I S 2, 3, 1876 S 2 BGB), entsteht dagegen erst mit der Bewilligung durch das Gericht. Dieser Anspruch gehört also zum Neuerwerb, wenn die Bewilligung erst während des Insolvenzverfahrens wirksam wird.386 Der Aufwendungsersatzanspruch des Vormundes oder Betreuers nach §§ 1808 II S 1, 1875 BGB entsteht dagegen schon, wenn die Aufwendungen gemacht werden, und der Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Vergütung und Ersatz seiner Auslagen entsteht bereits mit seiner Arbeitsleistung. Die Festsetzung durch das Gericht hat lediglich deklaratorische Bedeutung.387 Der Schadensersatzanspruch bzw Bereicherungsanspruch nach den §§ 302 IV S 3, 600 II, 717 II, III ZPO entsteht mit der Vollstreckung des Vorbehaltsurteils bzw des vorläufig vollstreckbaren Urteils oder mit der vollstreckungsabwendenden Leistung. Die in den genannten Vorschriften vorausgesetzte Aufhebung des Urteils ist kein Entstehungsgrund für den Anspruch, sondern lediglich eine formalisierte Anforderung an den Beweis, dass die Voraussetzungen des Schadensersatz- bzw Bereicherungsanspruchs gegeben sind.388 Ist aus dem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgehobenen Urteil vor der Verfahrenseröffnung gegen den Insolvenzschuldner vollstreckt worden oder hat dieser vor der Verfahrenseröffnung zur Abwendung der Vollstreckung geleistet, so gehört also der Ersatzanspruch zur Masse, aber nicht zum Neuerwerb. Führt der Insolvenzschuldner ein vor Verfahrenseröffnung versprochenes Werk (§§ 631 ff BGB) während des Insolvenzverfahrens selbst aus, so gehört der Vergütungsanspruch zum Neuerwerb. Die Möglichkeit der Erfüllung bleibt ihm allerdings nur dann, wenn die Werkleistung unersetzbar ist und deshalb kein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 besteht389 oder der Insolvenzverwalter im Einverständnis mit dem Vertragspartner die Vertragsbeziehung in das massefreie Vermögen des Schuldners freigibt, nicht dagegen schon, wenn er nach § 103 die Erfüllung ablehnt,390 Der Anspruch auf Maklerlohn entsteht zwar nach § 652 BGB erst nach Abschluss des vermittelten Vertrages und ist bis dahin auch nicht als bedingter Anspruch iSd §§ 158 ff BGB existent.391 Jedoch hat der Makler bereits mit dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages oder dessen Vermittlung eine geschützte Anwartschaft auf den Vergütungsanspruch.392 Deshalb gehört der Vergütungsanspruch zur Masse, aber nicht zum Neuerwerb, auch wenn der vor Verfahrenseröffnung vermittelte Vertrag erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Maklers abgeschlossen worden ist.393 Er gehört dagegen als Neuerwerb zur Masse, wenn die Tätigkeit des Maklers bei Verfahrenseröffnung noch nicht abgeschlossen war, weil eine Teilung des Maklerlohns für die Zeit vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens undurchführbar ist. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters ist nach § 87a I HGB vollgültig erst begründet, wenn der Unternehmer (s aber § 87a II HGB) oder der Dritte das Geschäft ausgeführt hat. Jedoch erwirbt der Handelsvertreter, wie sich insbesondere aus § 87 III HGB ableiten lässt, mit dem Abschluss der Vermittlertätigkeit bereits einen bedingten und aufschiebend befristeten Provisionsanspruch,394 der als solcher schon zur Zeit der Verfahrenseröffnung zu seiner Insolvenzmasse gehört,395 auch wenn das vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vermittelte Geschäft erst

386 387 388 389 390 391 392

KG JFG 10, 43; vgl auch RGZ 127, 103, 106; BGH NJW 1975, 210, 211. BGHZ 116, 233, 242. Henckel Prozessrecht und materielles Recht (1970) S 288. Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 108. Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 154. Soergel/Engel BGB13 § 652 Rn 27. OLG München SeuffArch 73 Nr 149; BGH NJW 1965, 964; BeckOK/Kneller BGB63 § 652 Rn 58; Staudinger/Arnold BGB (2021) § 653 Rn 72. 393 Vgl BGHZ 63, 74 ff. 394 BGH NJW 2010, 298 Rn 14; K Schmidt Handelsrecht6 § 12 Rn 59; Brüggemann in RGRKomm zum HGB4 § 87a Rn 1. 395 S Staub/Emde HGB6 § 87a Rn 136; zum Pfändungsschutz nach §§ 850 ff ZPO s Staub/Emde HGB6 § 87 Rn 31 ff. Müller

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nach der Verfahrenseröffnung ausgeführt wird. Auch der Anspruch auf Provision für nach der Verfahrenseröffnung aufgegebene Nachbestellungen (§ 87 I HGB) gehört von der Verfahrenseröffnung an zur Insolvenzmasse des Handelsvertreters, wenn er das Geschäft vor der Verfahrenseröffnung vermittelt hatte. Gegenstände, die der Schuldner in anfechtbarer Weise weggegeben hat, gehören zwar haf- 120 tungsrechtlich noch zur Masse.396 Rechtsinhaber im Übrigen ist aber der Erwerber, bis er den Gegenstand in die Masse zurückübertragen hat. Von da an gehören sie nicht nur haftungsrechtlich zur Masse. Auch hier liegt kein Neuerwerb vor, obwohl die Rückübertragung erst nach der Verfahrenseröffnung stattfindet. Gegenstände, die der Schuldner in anfechtbarer Weise einem anderen übertragen, aber nicht weggegeben hat, braucht der Insolvenzverwalter dem Erwerber nicht herauszugeben. Er kann den Anspruch des Erwerbers mit der Anfechtungseinrede abwehren. Der Gegenstand bleibt Bestandteil der Masse. Die Rückübertragung des Rechts, mit der alle Funktionen der Rechtsinhaberschaft wieder beim Insolvenzschuldner vereint sind, begründet keinen Neuerwerb. Die Massezugehörigkeit ist die gesetzliche Rechtsfolge der Anfechtung.

2. Der eigentliche Neuerwerb Als Neuerwerb bleiben insbesondere Erbschaften, Vermächtnisse und Geschenke, die dem Insol- 121 venzschuldner zukommen. Die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses steht aber gem § 83 I S 1 dem Schuldner zu. Entsprechendes gilt wegen des vergleichbar höchstpersönlichen Charakters für die Entscheidung über die Annahme einer Schenkung.397 Ferner unterliegen die pfändbaren Sachen, die der Schuldner entgeltlich erworben hat und die, was selten vorkommen wird, so wertvoll sind, dass sie nicht nach § 36 III massefrei bleiben sowie vor allem das pfändbare Arbeitseinkommen und der Erwerb aus einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners, sofern der Verwalter diese nicht nach § 35 II 2 freigegeben hat (Rn 131 ff), dem Insolvenzbeschlag. Auch Gegenstände, die der Schuldner mit seinem unpfändbaren Einkommen oder dem Erlös aus dem Verkauf einer unpfändbaren Sache erwirbt, fallen in die Insolvenzmasse, sofern für sie selbst die Pfändungsschutzvorschriften nicht greifen. Eine dingliche Surrogation findet insoweit nicht statt.398 Der Schuldner kann aber dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern nicht lästigen Neuerwerb aufdrängen. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 333 BGB kann der Verwalter den Neuerwerb zurückweisen.399 Bei juristischen Personen und Personengesellschaften wird der Masse nur selten ein Neuerwerb zuwachsen,400 weil Rechtsgeschäfte, welche die juristische Person verpflichten, nur der Insolvenzverwalter abschließen kann. Unentgeltliche Zuwendungen an die Korporation werden kaum vorkommen. Ersatzansprüche für Rechtsverletzungen könnten als Neuerwerb nur in Betracht kommen, wenn nicht zur Masse gehörige Gegenstände verletzt worden sind. Nimmt man allerdings an, dass in der Verbandsinsolvenz eine Kongruenz von Schuldnervermögen und Masse besteht (Rn 181 ff), dann scheidet auch eine solche Konstellation aus.

a) Neuerwerb des Arbeitnehmers. Zur Masse gehört als Neuerwerb das Arbeitseinkommen 122 des Insolvenzschuldners, soweit es nach §§ 850 ff ZPO pfändbar ist (§ 36), und zwar unmittelbar, ohne dass es einer Übertragung bedürfte. Der Arbeitgeber muss also den pfändbaren Teil des 396 Zur Konstruktion der Anfechtung s Jaeger/Henckel KO9 § 37 Rn 19 ff. 397 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 62; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 114. 398 LG Ansbach NZI 2015, 980; Pech Die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse (1998) S 92 ff; Runkel FS Uhlenbruck (2000) S 315, 318 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 45 f; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 115; speziell zum Lottogewinn AG Göttingen NZI 2012, 32. 399 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 67. 400 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 44. 57

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Arbeitseinkommens an den Insolvenzverwalter zahlen. Zahlungen an den Insolvenzschuldner befreien ihn nur unter den Voraussetzungen des § 82. Der in einem gerichtlichen Vergleich zum Abschluss eines Kündigungsschutzprozesses während des laufenden Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner erworbene Anspruch auf Zahlung einer Abfindung unterfällt als Neuerwerb ebenfalls dem Insolvenzbeschlag. Der Insolvenzverwalter kann in entsprechender Anwendung von § 727 ZPO eine Umschreibung des Titels und die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu seinen Gunsten verlangen.401 Die auf das Arbeitseinkommen zu zahlende Lohnsteuer hat der Arbeitgeber einzubehalten (§ 38 EStG) und an das Finanzamt abzuführen (§ 41a I Nr 2 EstG). Der Arbeitgeber erfüllt mit der Abführung der Lohnsteuer eine Verpflichtung des Arbeitnehmers. Denn dieser ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 II EStG). Ein etwaiger Erstattungsanspruch gem § 36 IV S 2 EStG steht dem Arbeitnehmer zu, er fällt in dessen Insolvenz in die Masse, auch soweit er sich auf die nach Insolvenzeröffnung erzielten Einkünfte bezieht (Rn 112).402 Fließt der Lohn dem Insolvenzschuldner erst nach der Verfahrenseröffnung zu, ist die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers nach § 38 nicht mehr Insolvenzforderung, sondern eine Neuverbindlichkeit, für die grds die Masse nicht haftet.403 Insbesondere beruht die Lohnsteuerschuld nicht auf einer Verwaltungsmaßnahme iSd § 55 I Nr 1, sondern auf der Arbeitstätigkeit des Schuldners. Ein Massebezug ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Arbeitskraft des Schuldners nicht zur Masse gehört. Aus der Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse folgt nicht, dass die mit dieser Forderung zusammenhängenden Verbindlichkeiten stets Masseverbindlichkeiten sind. Im Übrigen gehört zur Masse nach §§ 35, 36 I S 2 InsO mit § 850e Nr 1 ZPO nur der Anspruch auf den Nettolohn; denn nur dieser ist pfändbar. 123 Für die Sozialversicherung ist die Konstruktion eine andere. So „trägt“ in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung der versicherte Arbeitnehmer grds die Hälfte des Beitrags (§ 249 I SGB V, § 168 I Nr 1 SGB VI). Das bedeutet aber nicht, dass er den Beitrag schuldet. Das ist nur der Fall, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 252 SGB V, § 173 SGB VI). Für die Zahlung der Beiträge aus Arbeitsentgelt bei einer versicherungspflichtigen Beschäftigung hat der Arbeitgeber den Gesamtversicherungsbeitrag zu zahlen (§ 253 SGB V; § 174 I SGB VI, § 28e SGB IV). Er ist der Schuldner auch des Anteils des Arbeitnehmers.404 Gegen den Beschäftigten hat er einen Anspruch auf den von diesem zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, der nur durch Abzug vom Arbeitslohn geltend gemacht werden kann (§ 28g SGB IV). Im Insolvenzfall zahlt der Arbeitgeber in die Masse aber lediglich den pfändbaren Teil des Nettoeinkommens, weil nur dieser der pfändbare Betrag ist (§ 36 I S 2 InsO, § 850e Nr 1 ZPO). Der Arbeitgeber zieht also zuerst vom Gesamtlohn den Beitragsanteil des Arbeitnehmers ab und zahlt dann den pfändbaren Teil des Nettoarbeitseinkommens in die Masse. Eine Verrechnung mit dem massezugehörigen Teil des Arbeitslohnes findet nicht statt. 124 Während der Steuerfiskus und die Sozialversicherungsträger durch die Einbeziehung des pfändbaren Arbeitsverdienstes des Schuldners in die Masse regelmäßig keine Nachteile erleiden, sind andere Neugläubiger erheblich benachteiligt.405 Da dem Schuldner nur unpfändbare Gegenstände verbleiben, ist ihnen die Zwangsvollstreckung für die Dauer des Insolvenzverfahrens verwehrt. Zwar hat der Gesetzgeber inzwischen die Möglichkeit geschaffen, das Verfahren schon zu beenden, obwohl noch künftiges Arbeitseinkommen zu erwarten ist und zu verteilen wäre (§ 196 I),406 und hat damit die Wartezeiten der Neugläubiger verkürzt. Aber die Verfahren ziehen

401 402 403 404 405 406

BAG NJW 2015, 107. BFHE 259, 229 = DStRE 2018, 2. BFHE 232, 318 = DStR 2011, 804. Linck in Schaub ArbRHb19 § 71 Rn 18. Kübler/Prütting/Holzer InsO87 § 35 Rn 36; speziell zu Unterhaltsgläubigern Uhlenbruck FamRZ 1993, 1026 ff. IdF des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001, in Kraft getreten am 1.12.2001 (s Einleitung Rn 66). Müller

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sich oft auch so noch erheblich in die Länge. Ist schließlich das Verfahren aufgehoben worden, ohne dass ein Insolvenzplan zustandegekommen ist, gehen die Neugläubiger weiterhin leer aus, weil der Schuldner seine Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von drei Jahren nach der Eröffnung des Verfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abzutreten hat, wenn er von seiner Restschuld befreit werden will (§ 287 II). Alle Beträge, die beim Treuhänder verbleiben, dienen nur der Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Den Neugläubigern, also allen, deren Forderungen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind und die nicht zu den Massegläubigern gehören, bleibt der Zugriff auf das Treuhandvermögen verschlossen. Erst nach Ende der Abtretungsfrist wird der Insolvenzbeschlag aufgehoben (s. § 300a InsO). Was der Gesetzgeber für die Insolvenzgläubiger vermeiden wollte, nämlich die Ungleichbe- 125 handlung, die durch die Rangordnung der Konkursordnung bewirkt worden war, hat er den Neugläubigern angetan. Steuerfiskus und Sozialversicherungsträger erleiden zwar keine Einbußen an Lohnsteuer und Versicherungsbeiträgen für die Pflichtversicherten, Bereicherungsgläubiger, deren Leistung als Neuerwerb der Masse zugeflossen ist, sind als Massegläubiger geschützt, aufmerksame Gläubiger werden keinen Kredit gewähren. Benachteiligt sind aber die unfreiwillig Kredit gewährenden und die Deliktsgläubiger sowie die kleinen Gläubiger, für die eine „öffentliche“ Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung eine Fiktion bleibt. Auch Unterhaltsgläubiger sind betroffen.407 § 100 bietet keinen ausreichenden Schutz. Der Gesetzgeber der Konkursordnung wollte mit der Beschlagsfreiheit des Neuerwerbs auch 126 die Neugläubiger schützen.408 Die Begründung des Regierungsentwurfs409 hielt diesen Schutz für entbehrlich. Der Schuldner habe ohnehin seinen künftigen Lohn oft im Voraus abgetreten und es sei gerechtfertigt, dass sein laufendes Arbeitseinkommen in die Schuldenbereinigung einbezogen werde. Das erste Argument überzeugt nicht. Denn wenn die Vorausabtretung der Lohnforderung Gläubiger benachteiligt, sollte man gegen die Vorausabtretung angehen, nicht aber argumentieren, dass die Neugläubiger auch andere Nachteile hinnehmen müssten. Im Übrigen ist in der Begründung nicht berücksichtigt, dass die Vorausabtretung auch die Insolvenzgläubiger benachteiligt, weil ihnen Neuerwerbsmasse entzogen wird, so dass eine Anfechtung der Vorausabtretung nach §§ 129 ff in Betracht kommt. Diese bringt aber wiederum nur den Insolvenzgläubigern, nicht aber den Neugläubigern Vorteile. Mit dem zweiten Argument bleibt unberücksichtigt, dass die angestrebte Schuldenbereinigung nicht nur ein Privileg für den Schuldner sein kann, sondern einen Interessenausgleich zwischen Schuldner und Gläubigern herbeiführen soll. Die Zuordnung des Neuerwerbs zur Masse berücksichtigt nicht die Interessen der Neugläubiger und gewinnt den Ausgleich zwischen dem Schuldner und den Insolvenzgläubigern auf Kosten schutzwürdiger Interessen von Neugläubigern. Er nimmt ihnen auf Jahre hinaus ihre Rechte und mutet ihnen zu, die Verjährung durch ein Mahnverfahren oder einen Prozess zu unterbrechen, deren Kosten er vorschießen muss und auf lange Zeit nicht erstattet bekommen kann.410 Rechtspolitisch ist die Regelung problematisch. Die ausländischen Vorbilder, auf die sich die Begründung des Regierungsentwurfs bezieht, 127 um die „Sonderstellung“ zu beseitigen, welche die deutsche Konkursordnung hinsichtlich des Neuerwerbs einnahm, hätten genauer betrachtet werden sollen. So gehört zB nach dem Recht der Schweiz das Einkommen des „Konkursiten“ für die nach der Konkurseröffnung geleistete Arbeit bzw Erwerbstätigkeit jeder Art nicht zu dem von der Masse erfassten Neuerwerb.411

407 408 409 410

Uhlenbruck KTS 1999, 413, 419 ff. Begr EGemeinschuldO IT S 19 ff; KO-Prot S 1 ff, 145; Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 117. Zu § 42 RegE, der § 35 InsO entspricht. Kritisch zur Regelung des Gesetzes deshalb: Häsemeyer InsR4 Rn 9.02, 9.25 f; Windel KTS 1995, 367, 392 ff; Nerlich/ Römermann/Andres InsO44 § 35 Rn 90 ff; Dieckmann in Leipold (Hrsg) Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 127 ff. 411 Kindler/Nachmann/Bitzer/Strub/Jeanneret CH Rn 216. 59

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Solange der Gesetzgeber die Benachteiligung der Neugläubiger nicht beseitigt, sollte man nach Notbehelfen suchen,412 um im Einzelfall krasse Ungerechtigkeiten zu verhindern. So können bei der Bemessung des dem Schuldner aus der Masse zu gewährenden Unterhaltsverpflichtungen (§ 100) gegenüber Neugläubigern berücksichtigt werden, wenn die Neugläubiger nicht freiwillig das Kreditrisiko eingegangen sind. Um diese Gläubiger sicherzustellen, könnte diese Unterhaltsleistung als Befreiung des Schuldners, also Zahlung an den Gläubiger, geleistet werden. Bei höherem Arbeitseinkommen des Schuldners wäre auch daran zu denken, bei einer Vollstreckung eines Neugläubigers gegen den Schuldner den pfändungsfreien Betrag aus dem Lohnanteil zu berechnen, der dem Schuldner nach §§ 36 InsO, 850 ff ZPO verbleibt.413 Ein Existenzminimum bleibt ihm dann noch immer. Reicht es nicht aus, wäre es nach § 100 InsO zu ergänzen.

129 b) Neuerwerb des Selbständigen. Dass ein Schuldner nicht nur darauf hoffen will, dass er seine selbständige Tätigkeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens auf Grund eines schuldbefreienden Insolvenzplans fortsetzen kann, sondern neben dem Insolvenzverfahren sich eine neue Existenz aufbauen möchte, hat der Gesetzgeber bei der Verabschiedung der Insolvenzordnung zunächst nicht berücksichtigt. Geht man davon aus, dass grundsätzlich alle Rechte, die der Schuldner während des Verfahrens erwirbt, als Neuerwerb der Masse dinglich zugeordnet werden,414 ist eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen. Alle Forderungen und Bareinnahmen gehörten kraft Gesetzes zur Masse. Dem Schuldner blieben keine Mittel, Kosten zu decken, Steuern zu bezahlen,415 Material zu kaufen etc, es sei denn, er erschleicht sich Kredit und schädigt damit seine Neugläubiger, die auf Jahre leer ausgehen. 130 Auch hier hätte ein Blick in die ausländischen Rechte nahegelegen. Im österreichischen Recht wird nur der Reinertrag aus dem einzelnen Umsatzgeschäft zur Masse gezogen.416 Zu ähnlichem Ergebnis führt das italienische Konkursrecht.417 Danach umfasst der Konkurs die vom Schuldner während des Konkursverfahrens erlangten Güter abzüglich der für deren Erwerb und Erhaltung angefallenen Auslagen. Auch ein Blick in die Rechtsgeschichte hätte helfen können. Nach § 1 EGemeinschuldO von 1873, des Vorläufers des Entwurfs zur Konkursordnung, sollte die Masse auch das Vermögen umfassen, das der Gemeinschuldner während der Dauer des Verfahrens erwirbt. Ergänzend hieß es aber in § 2 des Entwurfs: „Der Reingewinn aus Geschäften, welche der Gemeinschuldner nach der Eröffnung des Verfahrens unternimmt, … gehört nur soweit zur Gemeinmasse, als er nicht für den angemessenen Unterhalt des Gemeinschuldners und dazu nötig ist, um eine gesetzliche Verpflichtung desselben zum Unterhalte seiner Ehefrau und zum Unterhalte und zur Erziehung seiner Kinder zu erfüllen.“ Es sollten also nicht die Forderungen und die Gegenstände in die Masse fallen, die der unternehmerische Schuldner erwarb, sondern nur der Reingewinn und auch dieser nur unter Vorbehalt der angemessenen Bedürfnisse der Familie des Schuldners. Eine solche Begrenzung auf einen Netto-Neuerwerb ist aber mit § 35 InsO nicht zu vereinbaren.418 Der Gesetzgeber hat durch die spätere Einführung der Abs 2–4 Regelungen zur Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners getroffen, dadurch jedoch eine ganze Reihe neuer Probleme geschaffen (Rn 131 ff). 412 Der Vorschlag von Kübler/Prütting/Holzer InsO87 § 35 Rn 38, die Neugläubiger zu Insolvenzgläubigern zu machen oder zumindest ihre Teilnahme am Insolvenzverfahren zu ermöglichen, dürfte de lege lata nicht zu realisieren sein.

413 W Henckel in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts (2000) S 97, 114 f. 414 S o Rn 102 und BGH NZI 2015, 376 Rn 8. Zum Anspruch auf die vom Schuldner versprochene Gegenleistung su § 80 und Kunkel FS Uhlenbruck (2000) S 315, 326 ff. 415 Vgl LG Erfurt ZinsO 2002, 1090. 416 Koller/Lovrek/Spitzer/Zöppel, Insolvenzordnung (2019) § 5 IO Rn 6; Petschek/Reimer/Schiemer Das österreichische Insolvenzrecht (1973) S 228 f. 417 Codice della crisi d’impresa e dell’insolvenza, Art 142 II. 418 BGH NJW 2003, 2167, 2170. Müller

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V. Die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit (Abs 2–4) 1. Regelungszweck Durch die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit soll es dem Schuldner ermöglicht werden, sich 131 noch während des laufenden Insolvenzverfahrens eine neue Existenz aufzubauen.419 Die Regelung wurde zum 1.7.2007 eingeführt420 und ist seitdem mehrfach ergänzt worden. Anders als bei der seit jeher anerkannten Freigabe einzelner Vermögensgegenstände (Rn 6) erfasst die Freigabeerklärung des Verwalters nach § 35 II S 1 eine Gesamtheit von Vermögensgegenständen, die der selbstständigen Tätigkeit gewidmet ist, einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse.421 Das gesetzliche Regelungsmodell geht dahin, einerseits die aus der fortgesetzten freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit erzielten Einkünfte des Schuldners den Neugläubigern, die nach Verfahrenseröffnung mit dem Schuldner kontrahiert haben, als selbstständige Haftungsmasse zur Verfügung zu stellen, und andererseits das Risiko auszuschalten, dass die Masse des bereits eröffneten Verfahrens durch Verbindlichkeiten des Schuldners aus seiner weiteren selbstständigen Tätigkeit belastet wird.422 Die Freigabeerklärung zerschneidet damit das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstständigen Tätigkeit.423 Als Ausgleich für diese Trennung der Vermögenssphären wird der Masse ein fiktives adäqua- 132 tes Arbeitseinkommen zugeführt (§ 35 I S 2 iVm § 295a). Einen Anspruch auf eine Freigabe hat der Insolvenzschuldner nicht, die Entscheidung hierüber liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzverwalters.424 Dabei muss er darauf abstellen, ob er durch eine Fortführung des Unternehmens im Verfahren einen höheren Erlös für die Gläubigergesamtheit (§ 1) realisieren kann als im Fall einer Freigabe. Er ist nach § 35 II S 1 dem Schuldner gegenüber lediglich verpflichtet, diesem das Ergebnis seiner Abwägung mitzuteilen, auf dessen Ersuchen hin innerhalb einer Maximalfrist von einem Monat (§ 35 III S 2). Auf Antrag von Gläubigerversammlung bzw Gläubigerausschuss ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an (§ 35 II S 3). Durch dieses Widerspruchsrecht wird die vorrangige Berücksichtigung der Gläubigerinteressen verfahrensmäßig sichergestellt.

2. Voraussetzungen Durch das Merkmal der Selbstständigkeit wird die abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer 133 aus dem Anwendungsbereich des § 35 II S 1 genommen. Selbstständige Tätigkeit meint wie bei § 295a (§ 295 aF), der in Bezug genommen wird, eine Tätigkeit, die auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko vorgenommen wird. Sie muss eine gewisse Nachhaltigkeit (nicht notwendig Regelmäßigkeit) aufweisen und auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sein.425 Ein Mindestumfang wird nicht vorausgesetzt.426 Erfasst wird sowohl die hauptberufliche als auch die nebenberufliche Betätigung.427 Übt der Schuldner mehrere selbstständige Tätigkeiten aus, so hat sich der Verwalter zu jeder einzeln zu äußern.428 Eine Tätigkeit als Scheinselbstständiger genügt nicht, 419 BT-Drs 16/3227, 17. 420 Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007, BGBl I S 509. 421 BT-Dr 16/3227, S 26 f; BGHZ 192, 322 Rn 14 = NZI 2012, 409 Rn 14; BGHZ 221, 212 Rn 19 f = NJW 2019, 1451, näher unten Rn 149 ff.

422 BGHZ 192, 322 Rn 14 = NZI 2012, 409; BGHZ 222, 165 Rn 43 = NJW 2019, 2156; BGH NZI 2018, 275 Rn 10; Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive Rn 18 ff. BGHZ 192, 322 Rn 14 = NZI 2012, 409; BGH NZI 2018, 275 Rn 10. Heinze ZinsO 2019, 657, 671; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1149. Heinze ZinsO 2019, 657, 658. Heinze ZinsO 2019, 657, 659. Heinze ZinsO 2019, 657, 659; BeckOK/Kirchner InsO26 § 35 Rn 69. HK/Ries InsO10 § 35 Rn 73.

423 424 425 426 427 428 61

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da es auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt.429 Erteilt ein Insolvenzverwalter gegenüber einem Insolvenzschuldner die Freigabe des vermeintlich selbstständig geführten Geschäftsbetriebs gemäß Abs 2 S 1, ist er allerdings an diese Erklärung gebunden, auch wenn sich später herausstellt, dass der Insolvenzschuldner in Wahrheit Arbeitnehmer ist.430 Eine Nichtigerklärung kann aber auf Antrag der Gläubiger durch das Insolvenzgericht gem Abs 2 S 3 erfolgen. § 35 II S 1 Hs 1 Alt 2 stellt klar, dass eine Freigabe auch für eine noch nicht ausgeübte, sondern lediglich beabsichtigte selbstständige Tätigkeit des Schuldners ausgesprochen werden kann. Allerdings muss der Verwalter sich hierzu nur erklären, wenn die Planungen hinreichend konkret sind und eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass diese auch in einem überschaubaren Zeitraum (“demnächst“) umgesetzt werden. Ganz vage und unausgereifte Überlegungen genügen hierfür nicht.431 Auf die Erlaubtheit der Tätigkeit kommt es nicht an, der Verwalter muss also insbesondere nicht prüfen, ob der Schuldner über die notwendige berufsrechtliche oder gewerberechtliche Erlaubnis verfügt.432 Nicht selbstständig tätig ist der Geschäftsführer einer GmbH, auch wenn er zugleich deren Allein- oder Mehrheitsgesellschafter ist, da nicht er, sondern die Gesellschaft aus den von ihm abgeschlossenen Verträgen berechtigt und verpflichtet wird.433 Damit steht auch der Neuerwerb, auf den sich die Freigabe nach Abs 2 bezieht, der Gesellschaft zu. Es ist ausgeschlossen, dass der Verwalter über das Vermögen des Geschäftsführers Gegenstände aus dem Gesellschaftsvermögen freigibt, das überhaupt nicht seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80) unterliegt. Gleiches gilt für die persönlich haftenden Gesellschafter einer KG oder OHG. Auch hier ist zwischen den unterschiedlichen Vermögenssphären genau zu unterscheiden. Nach ganz hM können nur natürliche Personen von der Freigaberegelung profitieren.434 Dafür spricht schon, dass bei juristischen Personen und Personengesellschaften kein Bedürfnis für einen Neuanfang schon während des laufenden Verfahrens anzuerkennen ist. Denn anders als bei natürlichen Personen hängt ihre fortgesetzte Existenz vom Ausgang des Verfahrens ab. Nur wenn hier eine Sanierung gelingt, kann der Verband weiterbestehen, ansonsten ist er bis zur Vollbeendigung abzuwickeln (§ 199 S 2).435 Die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, sie kann nur durch den Insolvenzverwalter erklärt werden.436 Nur dieser, nicht aber der vorläufige Insolvenzverwalter wird in Abs 2 genannt, die Norm wird in § 21 II Nr 1 auch nicht in Bezug genommen. Der vereinzelt befürworteten Analogie437 steht entgegen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter das schuldnerische Vermögen im Interesse der Gläubiger zu sichern und zu erhalten hat (§ 22 I S 2 Nr 1). Mit dieser Sicherungsfunktion ist es nicht vereinbar, dass er durch eine Freigabeerklärung den gesamten Neuerwerb der Masse endgültig entziehen kann. Die Möglichkeit der Revision gem § 35 II S 3 würde leerlaufen, da es im vorläufigen Insolvenzverfahren noch keine Gläubigerversammlung und zumeist auch keinen vorläufigen Gläubigerausschuss (§ 22a) gibt, der eine Überprüfung der Entscheidung durch das Insolvenzgericht einleiten könnte. Selbstverständlich bleibt es den Beteiligten unbenommen, schon vor der Eröffnung des Verfahrens, insbesondere im Eröffnungsgutachten (§ 22 I S 2 Nr 3), Überlegungen zu den möglichen 429 430 431 432 433 434

LAG Stuttgart ZIP 2020, 191, 194. Einschränkend LAG Stuttgart ZIP 2020, 191, 194. Sehr großzügig aber Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 110. Heinze ZInsO 2019, 657, 659. AA Heinze ZinsO 2019, 657, 665; zu § 304 auch BGH ZIP 2009, 626. BGHZ 192, 322 Rn 14 = NZI 2012, 409; Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive Rn 63; Ahrens NZI 2007, 622, 624; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 70; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 107; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 93; aA Bartels KTS 2012, 381, 401 f; Heinze ZVI 2007, 349, 351; ders ZInsO 2019, 657, 659. 435 S zur echten Freigabe unten Rn 183. 436 Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive Rn 65 ff; Ahrens NZI 2007, 622, 623; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 109. 437 Heinze ZVI 2007, 349, 355; ders ZInsO 2019, 657, 666 ff. Müller

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Vorteilen einer späteren Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners anzustellen. Nur eine bindende Vorfestlegung ist in diesem frühen Stadium ausgeschlossen.438 Ungeschriebenes Merkmal des § 35 II ist, dass der Schuldner überhaupt zur Fortführung sei- 139 ner selbstständigen Tätigkeit bereit ist.439 Verpflichtet ist er hierzu nicht, da seine Arbeitskraft nicht zur Masse gehört. Fehlt es an einem Fortführungswillen zumindest für einen überschaubaren Zeitraum, so wird es in der Regel ohnehin nicht zu einem echten Neuerwerb kommen und die Freigabeerklärung ins Leere gehen. Bestehen hier Zweifel, so muss der Verwalter vor der Abgabe seiner Erklärung entsprechende Erkundigungen vornehmen. Eine Zustimmung des (fortführungswilligen) Schuldners zur Freigabe ist nicht notwendig. 140 Bei der Freigabe handelt es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht des Verwalters. Auch vom Einverständnis der Gläubigerorgane hängt die Wirksamkeit der Erklärung nicht ab.440 Allerdings ist deren Zustimmung im Innenverhältnis oftmals vor der Freigabe der freiberuflichen Tätigkeit nach § 160 einzuholen, wenn die Entscheidung von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren ist. Gläubigerausschuss bzw Gläubigerversammlung können überdies durch einen Antrag nach § 35 II S 3 beim Insolvenzgericht erreichen, dass dieses die Erklärung des Verwalters nachträglich kassiert (Rn 161).

3. Anzeigepflicht des Schuldners Durch die zum 31.12.2020 für alle nach diesem Zeitpunkt eröffneten Insolvenzverfahren geltende 141 Regelung des § 35 II S 1 wird klargestellt, dass der Schuldner unverzüglich den Verwalter über die Aufnahme oder Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit zu informieren hat. Der Sache nach ergab sich eine solche Pflicht zuvor schon aus der allgemeinen Auskunftspflicht des § 97, diese wird lediglich näher spezifiziert.441 Daraus folgt auch, dass zur Durchsetzung der Anzeigepflicht die Sanktionen nach § 98 zur Verfügung stehen. Auch kann eine Missachtung dieser Pflicht zur Versagung der Restschuldbefreiung gem § 290 I Nr 5 führen.442

4. Erklärung des Verwalters Die Erklärung des Verwalters zur Freigabe ist formfrei, sie kann also auch mündlich oder in 142 Textform abgegeben werden. Die Einhaltung der Schriftform kann sich aber zu Beweiszwecken durchaus empfehlen.443 Auch auf einen Zustellungsnachweis sollte der Verwalter achten.444 Die Erklärung darf nicht bedingt oder befristet abgegeben werden. Sie ist auch ohne Begründung wirksam. In Abs 3 S 2 nF ist nunmehr eine Frist für den Fall vorgesehen, dass der Schuldner den Verwalter 143 um eine Freigabe ersucht. Der Verwalter hat sich dann unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Zugang des Ersuchens zu erklären. Die Monatsfrist ist nach § 4 iVm § 222 I ZPO und §§ 188 I, 187 I BGB zu bestimmen.445 Aber auch ohne eine Aufforderung sollte der Verwalter seiner

438 Ahrens NZI 2007, 622, 623; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 110. 439 Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive Rn 68 ff; HK/ Ries InsO10 § 35 Rn 71; aA LAG Hessen ZInsO 2016, 1940. 440 Sternal NJW 2007, 1909, 1912 (der allerdings die vorherige Befassung empfiehlt); Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 112. 441 Ahrens NZI 2021, 57, 58; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1150. 442 Ahrens NZI 2021, 57, 58; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1150. 443 BFHE 267, 217 Rn 22 = NZI 2020, 626; Holzer ZVI 2007, 289, 293; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 72; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 94. 444 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 117. 445 Ahrens NZI 2021, 57, 62. 63

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Erklärungspflicht ohne schuldhaftes Zögern nachkommen, um eine etwaige Haftung nach § 60 zu vermeiden.446 Handelt es sich wie in der überwiegenden Zahl der Fälle um eine verlustbringende selbstständige Tätigkeit, ist es geboten, möglichst unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Freigabeerklärung abzugeben, damit die unnötige Entstehung von Masseverbindlichkeiten verhindert wird. Hat der Insolvenzverwalter Kenntnis davon, dass der Insolvenzschuldner eine selbstständige Tätigkeit ausübt, oder ist eine solche Tätigkeit für ihn zumindest erkennbar, führt das Unterbleiben oder Verzögern der Erklärung dazu, dass Verbindlichkeiten „in anderer Weise“ iSd § 55 I Nr 1 Alt 2 zu Lasten der Masse begründet werden.447 Nach dem gerichtlichen Schlusstermin ist eine Erklärung nicht mehr möglich.448 Adressat der Erklärung ist allein der Schuldner. Mit dem Zugang bei ihm wird die Erklärung wirksam.449 Der Verwalter muss nicht an Dritte gerichtet werden, auch wenn diese von der Freigabe mittelbar betroffen sind, etwa als Vertragspartner von Dauerschuldverhältnissen.450 Nach Abs 4 S 1 nF trifft den Insolvenzverwalter allerdings zusätzlich eine Pflicht zur Anzeige seiner Erklärung gegenüber dem Gericht, das nach Abs 4 S 2 diese Erklärung öffentlich bekannt zu machen hat. Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Veröffentlichung aber nicht.451 Sie ist vielmehr rein deklaratorisch und dient der Information der Neugläubiger und des Rechtsverkehrs im Allgemeinen über die Haftungsverhältnisse.452 Die Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des § 9. Für den Inhalt der Erklärung gibt es nur zwei Optionen. Entweder wird das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit vom Insolvenzbeschlag erfasst und aus ihr resultierende Ansprüche können aus der Tätigkeit im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten geltend gemacht werden können (sog. Positiverklärung). Oder das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit wird nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst und Ansprüche aus dieser Tätigkeit können nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (sog. Negativerklärung).453 Die Wirkungen des § 35 II S 1 können nur einheitlich herbeigeführt werden454 (entweder-oder). Eine Kombination der beiden Varianten in der Weise, dass zwar Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit vom Insolvenzbeschlag erfasst wird, aber Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, verstößt gegen § 55 I Nr 1 und ist unzulässig. Erst Recht ist es ausgeschlossen, zum Nachteil der Gläubigergesamtheit Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit freizugeben, gleichwohl aber die Verfolgung von Ansprüchen aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren zuzulassen.455 Ebensowenig ist es mit den Vorgaben des § 35 II zu vereinbaren, die Freigabe auf nur einen Teil der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners, etwa einen bestimmten Geschäftszweig oder ein bestimmtes Marktsegment, zu beschränken.456 Anders liegt es, wenn der Schuldner mehrere, klar voneinander abgrenzbare selbstständige Tätigkeiten entfaltet. Dann ist für jede dieser Tätigkeiten eine eigene Erklärung abzugeben (oben Rn 133). Basis der Entscheidung des Insolvenzverwalters muss eine sorgfältig erstellte Prognoserechnung sein, in der die wahrscheinlichen Ergebnisse der beiden Varianten für die Gläubiger miteinander verglichen werden.457 Hierfür ist er auf Auskünfte des Schuldners insbesondere zu Art

Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 94. BFHE 267, 217 Rn 21 ff = NZI 2020, 626. HK/Ries InsO10 § 35 Rn 73. BGHZ 192, 322 Rn 19 = NZI 2012, 409; BFHE 267, 217 Rn 23 = NZI 2020, 626; BSG NZI 2015, 620 Rn 19; Sternal NJW 2007, 1909, 1912. 450 HK/Ries InsO10 § 35 Rn 72. 451 BSG NZI 2015, 620 Rn 19; Sternal NJW 2007, 1909, 1912. 452 Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive Rn 80; HK/ Ries InsO10 § 35 Rn 73. 453 BeckOK/Kirchner InsO26 § 35 Rn 70; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 96. 454 BGHZ 221, 212 Rn 23 = NJW 2019, 1451. 455 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 96. 456 Berger ZInsO 2008, 1101, 1103. 457 Heinze ZInsO 2019, 657, 672; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 97.

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und Umfang der geplanten selbstständigen Tätigkeit angewiesen, zu deren Erteilung dieser nach § 97 verpflichtet ist.458

5. Rechtsfolgen Durch die Positiverklärung wird lediglich der schon bestehende Rechtszustand bestätigt. Das 148 pfändbare Vermögen des Schuldners unter Einschluss des Neuerwerbs unterliegt ohnehin dem Insolvenzbeschlag. Die aus der selbstständigen Tätigkeit herrührenden Verbindlichkeiten sind Masseschulden, was sich aus § 55 I Nr 1 ergibt. Auch insoweit hat die Erklärung nur deklaratorische Bedeutung.459 Die Abgabe der Erklärung dient lediglich der Rechtssicherheit. Der Verwalter ist an sie nicht gebunden, sondern kann sich später immer noch für eine Freigabe entscheiden, auch wenn er dies zunächst abgelehnt hat.460 Es kann durchaus sinnvoll sein, zunächst das Unternehmen selbst fortzuführen und eine Sanierung vorzubereiten, etwa durch die Ablehnung der Erfüllung ungünstiger Verträge nach § 103. Auch wenn der Verwalter wegen der Unübersichtlichkeit der Verhältnisse innerhalb der knapp bemessenen Monatsfrist des § 35 III S 2 nicht in der Lage ist, ein Freigabeersuchen des Schuldners zu beurteilen, kann es sich empfehlen, zunächst die Freigabe abzulehnen und die Entscheidung dann später gegebenenfalls auf angemessener Informationsgrundlage zu revidieren.461 Auch bleibt es dem Verwalter unbenommen, einzelne Gegenstände freizugeben. Mit der Negativerklärung wird die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete 149 Haftungszuweisung hingegen grundlegend umgestaltet. Der Verwalter verzichtet endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der durch die selbstständige Tätigkeit generierten Vermögenswerte. Infolge der Freigabe fällt darum der Neuerwerb des Schuldners aus dieser Tätigkeit – anders als bei einer Fortführung des Unternehmens durch den Verwalter selbst – nicht mehr in die Masse. Die vom Schuldner ab Wirksamwerden einer Freigabeerklärung aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte stehen den Gläubigern, deren Forderungen erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind, als eigenständige Haftungsmasse zur Verfügung.462 Überdies werden die mit der selbstständigen Tätigkeit verknüpften Vertragsverhältnisse von der Masse auf den Schuldner übergeleitet.463 Die Wirkung tritt ex nunc mit dem Zugang der Freigabeerklärung beim Schuldner ein.464 In der Literatur wird verbreitet die Ansicht vertreten, dass sich die Freigabe nach § 35 II nicht 150 nur auf den späteren Neuerwerb, sondern auch auf das Bestandsvermögen erstreckt.465 Dem hat der Bundesgerichtshof zu Recht eine Absage erteilt.466 Mit dem „Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit“ sind die durch die freigegebene Tätigkeit erwirtschafteten Einkünfte und sonstigen Vermögenswerte einschließlich ihrer Surrogate467 gemeint. Würde man Vermögen, das dem Schuldner bereits vor der Freigabeerklärung gehört, mit einbeziehen, würde die Masse beein458 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 97. 459 Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive Rn 82; HK/ Ries InsO10 § 35 Rn 76; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 113. 460 Ahrens NZI 2021, 57, 62; ders FS Gehrlein (2022) S 1, 9; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 76; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 113. 461 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 109d. 462 BGHZ 192, 322 Rn 14 = NZI 2012, 409; BGH NZI 2013, 641 Rn 23; BGH NZI 2018, 275 Rn 10; BFHE 267, 217 Rn 24 = NZI 2020, 626. 463 BGHZ 192, 322 Rn 19 = NZI 2012, 409; BGHZ 221, 212 Rn 19 = NJW 2019, 1451; BGH NZI 2018, 275 Rn 10. 464 BGHZ 221, 212 Rn 23 = NJW 2019, 1451; BAG NJW 2014, 1037 Rn 22; Gehrlein NZI 2020, 501, 502. 465 Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive Rn 89 ff; Bartels KTS 2012, 381, 387 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 115. 466 BGHZ 221, 212 Rn 21 ff = NJW 2019, 1451; ebenso BFHE 267, 217 Rn 25 = NZI 2020, 626; Ahrens FS Gehrlein (2022) S 1, 6 ff; Richter BKR 2019, 549, 552. 467 LG Duisburg ZInsO 2018, 1313. 65

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trächtigt. Ihr würden Vermögenswerte entzogen, die nach § 38 für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger vorgesehen sind, wäre aber weiterhin mit den Kosten und Risiken belastet, die der Schuldner auf sich genommen hat, um die Vermögenswerte zu erwirtschaften. Deshalb steht den Neugläubigern grundsätzlich nur der Neuerwerb zur Verfügung. Will der Insolvenzverwalter darüber hinaus weitere Vermögenswerte aus der Masse freigeben, muss er eine gesonderte (echte) Freigabe erklären und im Einzelfall abwägen, ob die Freigabe des jeweiligen Gegenstands zur Verwirklichung des Verfahrenszwecks sinnvoll ist.468 Unabhängig von der Freigabe steht dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Sachen zu, die er zur Erbringung persönlicher Leistungen benötigt, da diese gem § 36 II Nr 2 Hs 2 von vorneherein nicht in die Masse fallen.469 Doch gehören auch die mit diesen insolvenzfreien Arbeitsmitteln vor der Freigabe erwirtschafteten Einkünfte zur Masse. Auch Forderungen, die der Schuldner schon vor dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung erworben hat, bleiben Bestandteil der Masse. Zwar wird ein zum Zeitpunkt der Freigabe bestehendes Vertragsverhältnis, das der selbstständigen Tätigkeit dient, auf den Schuldner übergeleitet. Dies geschieht aber nur mit Wirkung ex nunc. Die Zuordnung bereits entstandener Forderungen aus dem Vertragsverhältnis bleibt – ebenso wie bestehende Verbindlichkeiten – vom Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unberührt. Sie gehören weiter zur Insolvenzmasse und können vom Insolvenzverwalter nach § 80 zugunsten der Altgläubiger eingezogen werden.470 Wegen des weiterhin geltenden Erwerbsverbots nach § 91 ist auch eine Vorausabtretung bis zur Beendigung des Verfahrens unwirksam. Für eine Konvaleszenz entsprechend § 185 II S 1 Fall 2 BGB ist kein Raum, weil sonst der Zweck des § 35 II S 1, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang außerhalb des laufenden Insolvenzverfahrens zu ermöglichen, beeinträchtigt würde.471 Mit dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung werden zwei getrennte Vermögensmassen geschaffen, sie bedeutet daher eine Zäsur. Bei der Abgrenzung kann auf die gleichen Kriterien zurückgegriffen werden, die für die in § 35 I getroffene Unterscheidung zwischen dem Vermögen, das dem Schuldner bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits gehört, und dem Vermögen, das er während des Verfahrens erlangt, maßgeblich sind.472 Besondere Schwierigkeiten wirft die zeitliche Zuordnung der Honorarforderungen von Ärzten und Zahnärzten auf. Entsprechende Forderungen gegen Privatpatienten gehören zum Vermögen des Schuldners, sobald die Leistung erbracht und ein Gebührentatbestand erfüllt ist. Die Honorarforderung eines Vertragszahnarztes gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung gehört mit Abschluss des Quartals, in dem der Vertragszahnarzt vertragszahnärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zum Vermögen des Schuldners.473 Für die Zuordnung von Abschlagszahlungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung kommt es auf den Zeitpunkt ihrer Zahlung an.474 Nach der Freigabe können auf die selbstständige Tätigkeit bezogene vertragliche Ansprüche von Gläubigern, die nach dem Zugang der Erklärung beim Schuldner entstehen, nur gegen den Schuldner und nicht gegen die Masse verfolgt werden. Einer zusätzlichen Kündigung des jeweiligen Vertragsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter bedarf es nicht.475 Doch können die Neugläubiger auf den Neuerwerb zur Verwirklichung ihrer Forderungen zugreifen. Den Altgläubigern ist hingegen gem § 89 eine Vollstreckung in diese Vermögensgegenstände verwehrt.476 Überdies kann auf Antrag eines Neugläubigers ein auf den Neuerwerb beschränktes zweites Insolvenzver468 469 470 471 472 473 474 475 476

BGHZ 221, 212 Rn 24 = NJW 2019, 1451. Richter BKR 2019, 549, 552. BGHZ 221, 212 Rn 27 = NJW 2019, 1451; BFHE 267, 217 Rn 24 = NZI 2020, 626. BGHZ 222, 165 Rn 38 ff = NJW 2019, 2156. BGHZ 221, 212 Rn 25 = NJW 2019, 1451. BGHZ 221, 212 Rn 31 ff = NJW 2019, 1451. BGHZ 221, 212 Rn 37 = NJW 2019, 1451; BGH NJW 2022, 67 Rn 23. BGHZ 192, 322 Rn 13 ff = NZI 2012, 409; BAG NJW 2014, 1037 Rn 20 ff. BT-Drucks 16/3227 S 17; BGHZ 192, 322 Rn 28 = NZI 2012, 409.

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fahren gegen den Schuldner eröffnet werden.477 Diesem ist im Zweitverfahren die Möglichkeit versagt, einen Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen, solange über seinen im Erstverfahren gestellten Restschuldbefreiungsantrag nicht entschieden ist.478 Über die Folgen einer Freigabeerklärung nach § 35 II S 1 kann der Verwalter nicht disponie- 155 ren, sie treten kraft Gesetzes ein. Insbesondere kann er die mit Zugang der Erklärung ex nun eintretende Wirksamkeit nicht vorverlagern. Vertragsverhältnisse, die übergehen können, weil der Schuldner auf ihren Fortbestand zur 156 Wahrnehmung einer selbstständigen Tätigkeit angewiesen ist, sind beispielsweise Miet- und Pachtverträge,479 Dienstverträge480 und Giroverträge.481 Auf diese Verträge bezogene Gestaltungsrechte kann der Schuldner wieder selbst ausüben, Erklärungen sind ihm gegenüber abzugeben.482 Insbesondere sind auch die Arbeitsverhältnisse des Schuldners von der Freigabe erfasst,483 er wird erneut zum Arbeitgeber mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten.484 Daher ist auch eine Kündigungsschutzklage gegen ihn zu richten.485 Die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 II S 1 ändert aber nichts daran, dass das Gebäude, in dem die Tätigkeit betrieben wird, weiterhin zur Insolvenzmasse gehört und die auf das Grundstück entfallenden Abfallgebühren Masseschulden sind. Dies kann der Verwalter nur durch eine echte Freigabe des Grundstücks vermeiden.486 Als Kompensation für die Freigabe gilt nach § 35 II S 2 iVm § 295a (§ 295 II aF) eine Abfüh- 157 rungspflicht. Die Masse soll so gestellt werden, als wäre der Schuldner ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen. Damit wird eine Bevorzugung der selbstständig tätigen Schuldner gegenüber den abhängig beschäftigten Schuldnern vermieden. Die Zahlungen sind kalenderjährlich bis zum 31. Januar des Folgejahres zu leisten (§ 295a I S 2). Auf die Einhaltung der Abführungspflicht hat der Insolvenzverwalter einen durchsetzbaren Anspruch. Voraussetzung ist allerdings, dass der Schuldner tatsächlich einen Gewinn aus der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erwirtschaftet hat, der den unpfändbaren Betrag bei unselbstständiger Tätigkeit übersteigt.487 Bemessungsgrundlage für den an die Masse abzuführenden Ausgleichsbetrag ist aber das pfändbare fiktive Nettoeinkommen.488 Die angemessene Art des Dienstverhältnisses ist nach den konkreten persönlichen Verhältnissen des Schuldners zu bestimmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die schulische und berufliche Ausbildung, die individuelle Erwerbsbiografie, die familiäre Situation, der gesundheitliche Zustand, das Alter sowie die Arbeitsmarktlage.489 Angemessen ist nur eine dem Schuldner tatsächlich mögliche abhängige Beschäftigung. Der Umstand, dass der Schuldner das Renteneintrittsalter erreicht hat, schließt diese Möglichkeit nicht generell aus.490 Er ist gegenüber dem Insolvenzverwalter umfassend zur Auskunft verpflichtet über alle Umstände, aus denen sich die 477 BGHZ 192, 322 Rn 28 = NZI 2012, 409; BGHZ 222, 165 Rn 48 = NJW 2019, 2156; BGH NZI 2018, 275 Rn 10; Kübler/ Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 116b; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 107. 478 BGH NZI 2015, 289; NZI 2021, 1064; weitergehend AG Mannheim NZI 2019, 945, wonach während der Anhängigkeit des Erstverfahrens die Möglichkeit der Restschuldbefreiung insgesamt ausgeschlossen ist. 479 BGHZ 192, 322 Rn 26 = NZI 2012, 409; LG Krefeld NZI 2010, 485. 480 BGHZ 192, 322 Rn 26 = NZI 2012, 409. 481 BGHZ 221, 212 Rn 14 = NJW 2019, 1451. 482 BGHZ 221, 212 Rn 27 = NJW 2019, 1451. 483 BAG NJW 2014, 1037 Rn 20; ArbG Herne BeckRS 2010, 25642. 484 SG München ZInsO 2016, 859; ausführlich Meyer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 II InsO aus arbeitsrechtlicher Perspektive, Rn 141 ff. 485 BAG NJW 2014, 1037. 486 VG Saarlouis ZIP 2021, 2038 = BeckRS 2021, 22712. 487 BGH NZI 2018, 702 Rn 11; zu § 295 II aF schon BGH NZI 2013, 797 Rn 11 ff; BGH NZI 2014, 461 Rn 21; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1150 f. 488 BGH NZI 2013, 797 Rn 17; BGH NZI 2014, 461 Rn 22. Zur Berechnung bei zusätzlichen Einkünften aus abhängiger Beschäftigungen s BGH ZIP 2022, 2622. 489 Ahrens NZI 2021, 57, 65. 490 BGH NZI 2018, 702 Rn 11. 67

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ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive (Netto-)Einkommen ableiten lässt.491 Über seinen aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Gewinn muss er grds keine Auskunft geben, da dieser für die Ermittlung des fiktiven Nettoeinkommens unerheblich ist.492 Macht der Schuldner allerdings geltend, dass ihn keine Abführungspflicht nach § 295a treffe, weil der tatsächliche Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit im fraglichen Zeitraum unterhalb des pfändbaren Betrages bei einer abhängigen Tätigkeit liegt, so muss er dies im Einzelnen darlegen und gegebenenfalls beweisen.493 Wird die Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch einen Insolvenzplan angestrebt und beruft sich der Schuldner darauf, er könne aus gesundheitlichen Gründen keiner Tätigkeit im Anstellungsverhältnis nachgehen, so dass er den Ausgleichsbetrag gem § 35 II S 2 iVm § 295a nicht entrichten müsse, so hat er Art und Umfang der behaupteten selbstständigen Tätigkeit substantiiert im darstellenden Teil des Insolvenzplans darzulegen.494 Der Schuldner kann nach § 35 II S 2 iVm § 295a II S 1 beantragen, dass das Insolvenzgericht, 158 dort der Rechtspfleger (§ 3 Nr 2 lit e) RPflG),495 den fiktiven Brutto-Einkommensbetrag festsetzt. Auf dieser Grundlage kann er dann selbst den pfändbaren Anteil am Nettoeinkommen und damit die Höhe der von ihm zu erbringenden Ausgleichszahlungen errechnen.496 Als besondere Sachentscheidungsvoraussetzung ist vorgesehen, dass der Schuldner die Höhe der Bezüge glaubhaft zu machen hat, die er aus einem angemessenen Dienstverhältnis erzielen könnte (§ § 35 II S 2 iVm § 295a II S 2). Der Insolvenzverwalter497 und die Insolvenzgläubiger sind vor der Entscheidung zu hören (§§ 35 II S 2 iVm § 295a II S 3). Nach Maßgabe von § 5 II kann die Anhörung schriftlich durchgeführt werden. Gegen die Entscheidung steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu (§§ 35 II S 2 iVm § 295a II S 4). Durchzusetzen ist der Zahlungsanspruch vom Insolvenzverwalter auf dem Prozessweg.498 Die Ausgleichszahlungen kann der Schuldner steuerlich als Betriebsausgaben geltend machen.499 159 Dem Schuldner bleibt es auch nach der Freigabe unbenommen, Unterhaltsansprüche gem § 100 geltend zu machen. Diese richten sich weiterhin gegen die Insolvenzmasse, sofern der Schuldner den Unterhalt für sich und seine Familie mit seinem Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit nicht leisten kann.500 Die Freigabeerklärung wirkt auch nach dem Tod des Schuldners weiter fort. Das nach der 160 Wirksamkeit der Erklärung erwirtschaftete Vermögen fällt nicht in die Masse des Nachlassinsolvenzverfahrens. Es steht vielmehr den Erben als insolvenzfreies Vermögen zu, sofern nicht ein Zweitinsolvenzverfahren eröffnet wird.501

6. Revision durch die Gläubigerorgane 161 Sind Gläubigerausschuss bzw Gläubigerversammlung mit der Freigabe nicht einverstanden, so können sie beim Insolvenzgericht beantragen, dass dieses die Unwirksamkeit der (Negativ-)Erklärung anordnet. Das Gericht, dh der Rechtspfleger, hat dem Antrag stattzugeben. Eine eigene mate-

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BGH NZI 2014, 461 Rn 23 f. BverfG NZI 2017, 111. BGH NZI 2014, 461 Rn 25. AG Köln NZI 2017, 664. Ahrens NZI 2021, 57, 63 f; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1152. BT-Drucks 19/25322 S 18; Ahrens NZI 2021, 57, 65; Blankenburg ZInsO 2021, 1194, 1202; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1152; aA Hain VIA 2022, 25, 26: Festsetzung des abzuführenden Betrags. 497 Anstelle des in § 295a II S 3 genannten Treuhänders, Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1153. 498 BGH NZI 2014, 461 Rn 13 ff; Ahrens FS Gehrlein (2022) S 1, 13; Wipperfürth ZInsO 2021, 1148, 1152. 499 Näher Weißling DStR 2020, 1605 ff. 500 BGH NZI 2018, 275 Rn 11; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 116. 501 Näher Wipperfürth ZInsO 2021, 2182, 2183 f. Müller

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rielle Prüfungskompetenz hat das Gericht insoweit nicht.502 Allerdings unterliegt ein Beschluss der Gläubigerversammlung, mit dem sie die gerichtliche Unwirksamkeitsanordnung beantragt, der gerichtlichen Kontrolle nach § 78 I.503 Dem Schuldner steht kein Rechtsmittel zu (§ 6).504 Eine Frist für den Antrag der Gläubigerorgane ist nicht vorgesehen. Daher müssen Schuldner und Insolvenzverwalter im laufenden Verfahren jederzeit mit einem Aufhebungsantrag rechnen, womit eine erhebliche Unsicherheit verbunden ist. In Zweifelsfällen kann es sich daher empfehlen, vor der Entscheidung über die Freigabe von der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw der Gläubigerversammlung einzuholen. Die gerichtliche Unwirksamkeitsanordnung nach Abs 2 S 3 tritt mit ihrer öffentlichen Bekanntmachung (Abs 4 S 2) in Kraft. Sie beseitigt die Wirkungen der Verwaltererklärung nach hM nur für die Zukunft.505 Eine rückwirkende Beseitigung würde einen für alle Beteiligten gänzlich unzumutbaren Schwebezustand herbeiführen und so die ohnehin schon gegebene Unsicherheit noch vergrößern. Auch wären die Rückabwicklungsprobleme erheblich. Daher bleibt das bis zum Wirksamwerden der gerichtlichen Anordnung aus der selbstständigen Tätigkeit erwirtschaftete Vermögen insolvenzfrei, es steht zur Befriedigung der in diesem Zeitraum begründeten Verbindlichkeiten des Schuldners zur Verfügung.506 Der Verwalter selbst kann seine Freigabeerklärung nicht mehr revidieren. Nach der Gesetzesbegründung verzichtet er „endgültig und unbedingt“ auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis.507 Auch eine Anfechtung wegen Irrtums und selbst wegen arglistiger Täuschung ist ausgeschlossen.508 Der Verwalter kann aber jederzeit eine Korrektur durch die Gläubigerorgane anregen. Zweifelhaft ist, ob eine Positiverklärung des Verwalters über Abs 2 S 3 nachträglich wieder beseitigt werden kann.509 Der Wortlaut der Norm enthält insoweit keine Einschränkung, doch ist ein Rechtsschutzinteresse insoweit nicht ersichtlich. Die Erklärung, dass das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Masse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, ist ohnehin nur deklaratorisch, der Verwalter an diese Erklärung im weiteren Fortgang des Verfahrens nicht gebunden. Die Gläubigerorgane haben jedenfalls keine Möglichkeit, über einen Antrag nach Abs 2 S 3 eine Freigabe der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Schuldners zu erzwingen. Weigert sich der Verwalter, eine für die Masse günstige Trennung herbeizuführen, macht er sich nach § 60 schadensersatzpflichtig und setzt uU einen wichtigen Grund für seine Abberufung (§ 59). Der Verwalter kann seine ablehnende Entscheidung jederzeit revidieren und eine Freigabe bis zum Abschluss des Verfahrens erklären. Nur gegen diese Entscheidung sollen sich die Gläubiger nach Sinn und Zweck des Abs 2 S 3 wehren können.

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VI. Streitigkeiten über die Massezugehörigkeit Der Insolvenzverwalter ist, anders als der Gerichtsvollzieher, kein staatliches Vollzugsorgan, das 166 mit Zwangsbefugnissen ausgestattet ist, und das Insolvenzverfahren ist keine „Zwangsvollstre-

502 Gehrlein ZInsO 2016, 825, 829; Zipperer ZIP 2019, 1741 f; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 77; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 106; aA Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 124. 503 LG Duisburg NZI 2010, 905; Zipperer ZIP 2019, 1741, 1742 f. 504 Zipperer ZIP 2019, 1741, 1745 f. 505 BSG NZI 2015, 620 Rn 23 ff; LG Duisburg NZI 2010, 905; Zipperer ZIP 2019, 1741, 1743 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 122; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 60; aA etwa HK/Ries InsO10 § 35 Rn 78. 506 Zipperer ZIP 2019, 1741, 1745. 507 BT-Drucks 16/3227 S 18. 508 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 119; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 91; aA Heinze ZInsO 2019, 657, 670. 509 So Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 123. 69

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ckung wegen Geldforderungen“ iSd §§ 803 ff ZPO. Wenn der Insolvenzverwalter, ohne auf Widerstand zu stoßen, Sachen, die er in den Räumen des Schuldners vorfindet, in Besitz nimmt, kann der Schuldner, der die Massezugehörigkeit einer dieser Sachen bestreitet, sich nicht mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) wehren. Die Inbesitznahme der Sachen ist eine Maßnahme der Insolvenzverwaltung, nicht der Zwangsvollstreckung. Dementsprechend muss die materiellrechtliche Frage der Massezugehörigkeit eines Gegenstandes im Wege des Prozesses, sei es durch Feststellungs-, Leistungs- oder Unterlassungsklage des Schuldners gegen den Verwalter ausgetragen werden.510 Das Insolvenzgericht ist als Aufsichtsbehörde (§§ 58, 59) kein zur verbindlichen Klärung von Sachrechtsstreitigkeiten berufenes Prozessgericht,511 es entscheidet daher nur in den in § 36 IV genannten Fällen. Der Gesetzgeber hat ansonsten den Streit des Schuldners mit dem Verwalter um die Massezugehörigkeit in die Aussonderung einbezogen512 und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Streit wie jeder andere Aussonderungsstreit im Zivilprozess auszutragen ist. 167 Setzt der Insolvenzschuldner der Inbesitznahme des Verwalters Widerstand entgegen, so ist dieser nicht zur gewaltsamen Besitzergreifung berechtigt. Es wäre aber umständlich und zum Widerstand ermutigend, den Verwalter auch in diesem Fall auf den Klageweg zu verweisen und damit die Erfassung der Masse zu verzögern. Entsprechend der hM zu § 117 KO hat der Gesetzgeber jetzt ausdrücklich angeordnet, dass insoweit der Eröffnungsbeschluss einen Vollstreckungstitel auf Herausgabe gegen den Insolvenzschuldner darstellt (§ 148 II S 1). Der Verwalter kann also die Herausgabe mit Hilfe des Gerichtsvollziehers erzwingen, ohne zuvor einen Prozess führen zu müssen. Die vollstreckbare Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses wird vom Insolvenzgericht erteilt. Erinnerungen gegen die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung und gegen pflichtwidrig unterlassene Vollstreckungshandlungen sind nach § 148 II S 2 beim Insolvenzgericht einzulegen. § 148 gilt auch für die Räumungsvollstreckung. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Beschränkung auf bewegliche Sachen hat der Rechtsausschuss des Bundestages gestrichen.513 Die Verwertung ist Sache des Insolvenzverwalters und deshalb nicht mehr Vollstreckung im Sinne der ZPO, so dass eine Erinnerung des Schuldners gegen Verwertungshandlungen des Verwalters unzulässig wäre. War die Erinnerung gegen die Vollstreckungsmaßnahme erfolglos, weil das Insolvenzgericht die Sache als massezugehörig angesehen hat, ist damit nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner weiterhin die Massefreiheit der Sache geltend macht. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Massezugehörigkeit erwächst nicht in Rechtskraft. Nach wie vor besteht deshalb die Möglichkeit, den Streit über die Zugehörigkeit zur Masse als Aussonderungsstreit im Klagewege auszutragen. Auch der Insolvenzverwalter kann auf Feststellung oder Unterlassung klagen. Dass er auf Grund des Eröffnungsbeschlusses die Herausgabevollstreckung gegen den Schuldner betreiben kann, schließt sein Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) nicht aus. Solange über die Massezugehörigkeit nicht durch ein rechtskräftiges Urteil entschieden ist, muss auch der Verwalter in der Lage sein, einen Streit mit dem Schuldner über die Massezugehörigkeit zur gerichtlichen Entscheidung zu stellen.514 Gegen dritte Personen, die Sachen der Masse im Besitz haben, ist eine Vollstreckung auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses ausgeschlossen. Der Verwalter muss sich einen gegen sie vollstreckbaren Titel im Prozess beschaffen.

510 RGZ 131, 113 f; BGH NJW 1962, 1392 = KTS 1962, 170; BGH NZI 2008, 244 Rn 7; BGH NZI 2009, 824; 2016, 607 Rn 7; AG Duisburg NZI 2000, 385; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 86; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 30. AG Köln Rpfleger 2001, 197. S u § 47 Rn 3, 8. Ausschussbericht zu § 167 Abs 2, 3 RegE. BGH NJW 1962, 1392 = KTS 1962, 170; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 128.

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VII. Gesamtinsolvenzverfahren, Sonderinsolvenzverfahren und Sondermassen 1. Die gesetzlichen Regeln Als Grundregel gilt: Eine Person, ein Vermögen, ein Insolvenzverfahren. So erfasst das Insolvenzverfahren des Einzelkaufmanns als einheitliches Verfahren dessen gesamtes Vermögen. Obwohl die kaufmännische Buchführung das Handelsvermögen auch des Einzelkaufmanns von seinem Privatvermögen trennt, gibt es kein besonderes Insolvenzverfahren über das Handelsgeschäft515 und auch kein Absonderungsrecht der Handelsgläubiger an diesem Vermögen. Ebensowenig findet über eines von mehreren Unternehmen desselben Schuldners ein getrenntes Insolvenzverfahren statt. Ausnahmen von der Regel des Gesamtinsolvenzverfahrens können nicht dadurch geschaffen werden, dass eine Person willkürlich ihr Vermögen der Verwaltung nach in verschiedene Massen sondert. Sie sind nur insoweit statthaft, als das Gesetz eine Teilmasse gesonderter Haftung unterwirft. Auch das im Ausland belegene Aktivvermögen des Schuldneners gehört grds zur Insolvenzmasse, unabhängig davon, ob es nach den Vorschriften des ausländischen Rechts tatsächlich zur Masse gezogen werden kann oder nicht (Universalitätsprinzip). Soweit ausnahmsweise nur das Inlandsvermögen eines Schuldners erfasst wird (Art 3 II EuInsVO, § 354),516 spricht man von einem Partikularverfahren. Um ein Sonderinsolvenzverfahren handelt es sich nicht,517 weil die inländische Insolvenzmasse allen persönlichen Gläubigern, auch den ausländischen, unterschiedslos haftet.518 Sonderinsolvenzverfahren sind nach der hier verwendeten Begriffsbildung nur Verfahren über eine Vermögensmasse, die nicht allen Gläubigern gleichermaßen haftet, sondern einer besonderen Gruppe persönlicher Gläubiger zur gemeinschaftlichen Befriedigung dient. Typische Beispiele eines Sonderinsolvenzverfahrens sind das Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff), das Insolvenzverfahren über das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 332) und über das von den Ehegatten gemeinsam verwaltete Gesamtgut der Gütergemeinschaft (§§ 333 f) sowie das Insolvenzverfahren über die Deckungsmasse einer Pfandbriefbank (§ 30 I, VI PfandBG).519 In einem weiteren Sinne lässt sich von einem Sonderinsolvenzverfahren auch sprechen, wenn ein dem Schuldnerunternehmen treuhänderisch gehörendes Sondervermögen nicht zu seiner Insolvenzmasse gehört, wie das Sondervermögen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (§ 99 III S 2 KAGB).520 Kein Sonderinsolvenzverfahren ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ iSd § 11 II Nr 1 (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft; Partnerschaftsgesellschaft; Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, Partenreederei und Europäischen wirtschaftliche Interessenvereinigung),521 da diese Gesellschaften entgegen der tradierten Auffassung heute nicht mehr als gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen der Gesellschafter,522 sondern als eigenständige Rechtssubjekte angesehen werden.523 Das Gesellschaftsvermögen haftet nicht für private Verpflichtungen der Gesellschafter, selbst dann nicht, wenn sie alle als Ge515 KG LZ 1910, 484. 516 S Vor § 354 Rn 37 ff. 517 Anders Endemann S 38; Seuffert S 74; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 14; MünchKomm/Lwowski InsO1 § 35 Rn 73; s jetzt aber MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 87. 518 S nur Vor § 354 Rn 41. 519 S oben Rn 72. 520 S oben Rn 87. 521 Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 24 Rn 9. 522 So zB RGZ 139, 252, 264; BGHZ 34, 293, 296 f; BGH NJW 1988, 556; Henckel Parteilehre und Streitgegenstand (1961) S 116 f; Alfred Hueck OHG § 16 II; Wiedemann Gesellschaftsrecht (1980) I § 5; Schulze-Osterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung (1972) S 11 ff, 163 ff. 523 So jetzt ausdrücklich § 705 II BGB nF; zuvor BGHZ 146, 341 ff; Flume ZHR 136 (1972) 177 ff; ders AllgT des Bürgerlichen Rechts, Erster Teil, Die Personengesellschaft (1977) § 4; K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 46 II 1, II 3 b; ders in FS 100 Jahre KO (1977) S 247, 253. 71

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samtschuldner für eine solche Verpflichtung haften. Wie in der Einzelzwangsvollstreckung der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen nur den Gesellschaftsgläubigern gestattet ist (§§ 124 II, 161 II HGB, § 7 II PartG), sind im Insolvenzverfahren nur die Gesellschaftsgläubiger Insolvenzgläubiger. Aus § 736 ZPO ergibt sich für die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts nichts anderes. Zwar lässt die Vorschrift eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen mit einem Titel gegen alle Gesellschafter zu. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Titel auf einer Gesellschaftsverbindlichkeit beruht, nicht aber, wenn es sich um Privatverbindlichkeiten der Gesellschafter handelt.524 Angesichts dieser Verselbstständigung und haftungsrechtlichen Trennung ist es nur folgerichtig, dass die Insolvenzordnung anders als noch die alte Konkursordnung nunmehr auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der BGB-Gesellschaft für zulässig erklärt.525 Eine spezielle Situation ergibt sich, wenn der vorletzte Gesellschafter aus einer Personengesellschaft ausscheidet und dies dies zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft und zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögen bei dem verbliebenen Gesellschafter führt.526 In diesem Fall ist ein Sonderinsolvenzverfahren über das beim letzten Gesellschafter angewachsene Vermögen zulässig.527 Das Gesamtgut der Gütergemeinschaft haftet nur den Gesamtgutsgläubigern. Wird das Ge172 samtgut nur von einem Ehegatten verwaltet, so sind dessen Gläubiger ausnahmslos Gesamtgutsgläubiger (§§ 1437 f BGB), so dass es einer haftungsrechtlichen Sonderung des Gesamtguts von dem Eigenvermögen des verwaltenden Ehegatten nicht bedarf. Ein Sonderinsolvenzverfahren über das Gesamtgut gibt es deshalb nur, wenn die Ehegatten das Gesamtgut gemeinsam verwalten. Denn dann haftet das Gesamtgut den Gläubigern der Ehegatten nur, wenn es sich um Gesamtgutsverbindlichkeiten handelt (§§ 1459 ff BGB). Nicht alle Verbindlichkeiten eines jeden der Ehegatten sind Gesamtgutsverbindlichkeiten. Soweit keine Gesamtgutsverbindlichkeit, sondern eine Einzelschuld besteht, ist dem Gläubiger der Zugriff auf das Gesamtgut verschlossen. 173 Beim Nachlassinsolvenzverfahren besteht die haftungsrechtliche Sonderung des Nachlasses darin, dass er nur den Nachlassgläubigern haftet. Sonderinsolvenzverfahren ist auch das Verfahren über das Eigenvermögen des beschränkt haftenden Erben, weil sein Vermögen, das er außer dem Nachlass hat, nicht den Nachlassgläubigern, sondern nur den Eigengläubigern des Erben haftet.

2. Grundzüge des Sonderinsolvenzverfahrens 174 Die Zulässigkeit eines Sonderinsolvenzverfahrens muss mit Rücksicht auf die §§ 35, 38 nach der Haftungslage zur Zeit der Verfahrenseröffnung bestimmt werden. Ein Verfahren, das als Gesamtinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, bleibt Gesamtinsolvenzverfahren. Ein Sonderinsolvenzverfahren bleibt ein solches, auch wenn daneben ein Insolvenzverfahren über das übrige Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist. So läuft ein Nachlassinsolvenzverfahren als solches weiter, wenn über das Vermögen des Erben ein Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 331). Der Unterschied zwischen dem Gesamtinsolvenzverfahren und dem Sonderverfahren ist be175 deutsam für die Verfahrensvoraussetzungen und die Verfahrensfolgen. Der Eröffnungsgrund ist lediglich hinsichtlich des Sondervermögens festzustellen.528 Eine entsprechende Beschränkung ergibt sich für die Anfechtbarkeit auf Grund der §§ 129 ff (Rn 177). Der Gläubigerantrag auf Eröffnung des Sonderinsolvenzverfahrens kann nur ausgehen von einem Gläubiger, dem dieses Sondervermögen haftet, also zB der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nur von einem Nachlassgläubiger, nicht von einem Eigengläubiger des Erben (§ 317 I). Nur Insolvenzgläubiger des Sonderinsolvenzverfahrens als solche unterliegen dem Vollstreckungsverbot des § 89 (Rn 177) und den Wirkungen eines im Sonderinsolvenzverfahren zustande gekommenen In524 525 526 527 528

BGH NJW 2008, 1378 Rn 10; anders die Vorauflage. S näher §§ 11 Rn 65 ff. Vgl BGH NZI 2008, 612 Rn 9. AG Hamburg ZInsO 2009, 2404. RG WarnRspr 1915, 87.

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solvenzplans, soweit diese nicht durch Ausnahmevorschrift (§ 227 II) erstreckt sind. Die Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 153 II beschränkt sich auf das verfahrensbefangene Sondervermögen. Nur ein dieses Vermögen betreffender Rechtsstreit wird nach § 240 ZPO durch Eröffnung des Sonderinsolvenzverfahrens unterbrochen. Die Rechtssätze über den Einfluss des Insolvenzverfahrens auf die persönliche Rechtsstellung des Schuldners gehen vom Regelfall des Gesamtinsolvenzverfahrens aus. Inwieweit sie im Sonderverfahren anwendbar sind, ist eine nach Zweck und Fassung des Gesetzes zu beurteilende Auslegungsfrage. So gelten die Strafvorschriften der §§ 283 ff StGB auch für die Fälle des Sonderinsolvenzverfahrens, aber eben nur hinsichtlich der gerade in Bezug auf das im Verfahren befangene Sondervermögen verübten Straftaten. Beispielsweise muss der Erbe, der bei Überschuldung Nachlassgegenstände beiseite geschafft hat, nach § 283 I Nr 1 StGB bei Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ebenso strafbar sein, wie wenn er Gegenstände seines Eigenvermögens bei Eröffnung des Eigeninsolvenzverfahrens beiseite geschafft hätte. Die Zahlungseinstellung iSd §§ 283 ff StGB muss sich auf das Sondervermögen beziehen. Inwieweit die einen Schuldner treffenden Rechtsminderungen mit der Eröffnung eines Sonderinsolvenzverfahrens verknüpft sind, ist streitig. Diese Einbußen erscheinen unangebracht, wenn nach Art des Sonderinsolvenzverfahrens dem Träger der Schuldnerrolle der Zusammenbruch nicht zugerechnet werden kann. Deshalb kann der Erbe auch während des Nachlassinsolvenzverfahrens Schöffe und ehrenamtlicher Richter sein (vgl §§ 33 Nr 6, 109 III S 2 GVG, § 21 II Nr 3 ArbGG, § 17 Nr 3 SGG, § 21 Nr 4 VwGO, § 18 Nr 3 FGO). Die in der Insolvenzordnung dem Schuldner zur Sicherstellung des Verfahrenszwecks aufer- 176 legten Pflichten und Lasten (§§ 20, 21, 97, 98, 99, 153 II) treffen auch den Schuldner des Sonderinsolvenzverfahrens.529 Weil Insolvenzmasse des Sonderinsolvenzverfahrens nur das Sondervermögen ist, verliert 177 der Schuldner des Sonderverfahrens nur hinsichtlich dieser Masse, nicht zugleich seines übrigen Vermögens die Verfügungsmacht (§ 80). Seine Rechtshandlungen aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterliegen der Anfechtung (§§ 129 ff) nur insoweit, als sie dieses Sondervermögen betreffen. Andererseits gehören zu dem „sonstigen Vermögen“ iSd Vollstreckungsverbots des § 89 I nur die Rechte, welche dem Insolvenzschuldner in der Eigenschaft zukommen, die ihn zum Insolvenzschuldner macht, die aber trotzdem nicht zur Masse des Sonderkonkurses gehören (§ 36). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das von den Ehegatten gemeinsam verwaltete Gesamtgut der Gütergemeinschaft hindert die Insolvenzgläubiger nicht, auf das Vorbehaltsgut des einen oder anderen Ehegatten zuzugreifen, und während des Nachlassinsolvenzverfahrens ist den Nachlassgläubigern die Vollstreckung in das konkursfreie Eigenvermögen des (unbeschränkt haftenden) Erben nicht verwehrt.

3. Sondermassen Von dem Sonderinsolvenzverfahren zu unterscheiden ist die Bildung einer Sondermasse inner- 178 halb eines Insolvenzverfahrens.530 Sie dient dem Schutz bestimmter Gläubiger, die aus der Sondermasse Befriedigung ihrer Forderungen erhalten sollen, während allen übrigen Gläubigern nur die übrige Masse haftet. Den begünstigten Gläubigern haftet ausschließlich ein Deckungsstock als Sondermasse, die vom Insolvenzverwalter zugunsten dieser Gläubiger gesondert verwaltet wird. Eine Sondermasse muss gebildet werden, wenn ein aus einer Gesellschaft ausgeschiedener Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht allen Insolvenzgläubigern der Gesellschaft haftet, sondern nur denen, deren Forderungen zur Zeit des Ausscheidens des Gesellschafters schon begründet waren. Zur Sondermasse gehört alles, was der Insolvenzverwalter der Gesellschaft nach

529 Jaeger Festgabe für Sohm (1914) S 76. 530 Windel ZIP 2019, 441, 445; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 13; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 88; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 55. 73

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§ 93 bzw § 171 II HGB von dem ausgeschiedenen Gesellschafter einfordern kann.531 Entsprechendes gilt, wenn ein Gesamtschaden iSd § 92 nur bei einem Teil der Gläubiger eingetreten ist.532 Eine Sondermasse ist auch zu bilden, wenn eine Personengesellschaft durch Übernahme aller Gesellschaftsanteile in einer Kapitalgesellschaft aufgegangen ist und der Insolvenzverwalter der Kapitalgesellschaft Rechtshandlungen anficht, die vor der Übernahme von der Personengesellschaft vorgenommen worden sind. Da die durch die Anfechtung zur Masse der Kapitalgesellschaft gelangenden Gegenstände nicht den Gläubigern der Kapitalgesellschaft hafteten, deren Forderungen schon vor der Übernahme begründet waren, darf ihnen der Anfechtungserfolg nicht zugutekommen.533 Obwohl § 1629a BGB eine gegenständliche Haftungsbeschränkung anordnet, bildet das Vermö179 gen, das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden ist, im Insolvenzverfahren des volljährig gewordenen Schuldners keine Sondermasse. Nach § 1629a BGB kann der Schuldner mit der Unzulänglichkeitseinrede die Haftung des Vermögens, das er nach Eintritt der Volljährigkeit erworben hat und erwerben wird, vorbehaltlich des § 1629a II BGB, für Altverbindlichkeiten abwehren. Altverbindlichkeiten sind die von den Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstigen vertretungsberechtigten Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder sonstige Handlungen mit Wirkung gegenüber dem Kind oder durch einen Erwerb von Todes wegen während der Minderjährigkeit begründeten Verbindlichkeiten. Altverbindlichkeiten sind außerdem die Verwaltungsverpflichtungen des Schuldners nach §§ 1629a I S 2, 1991 I, 1978, I, 667, 668 BGB. Den Neugläubigern haftet das gesamte Vermögen des Schuldners. Obwohl die Haftungsbeschränkung des § 1629a BGB der Erbenhaftung nachgebildet ist, sieht das Gesetz kein Sonderinsolvenzverfahren über das Altvermögen vor. Der Insolvenzverwalter hat zu prüfen, ob das Altvermögen zur Befriedigung der Altgläubiger ausreicht. Ist das der Fall, verteilt er das gesamte Vermögen des Schuldners, also das Altvermögen mit dem Neuvermögen gleichmäßig an alle Gläubiger. Denn ohne die haftungsbeschränkende Einrede haftet allen Gläubigern das gesamte Vermögen. Reicht das Altvermögen zur Befriedigung der Altgläubiger nicht aus, hat der Insolvenzverwalter die haftungsbeschränkende Einrede zu erheben. Sie bewirkt, dass er den Altgläubigern nach § 1990 BGB das Altvermögen und seine Surrogate „zum Zwecke der Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben“, also die Zwangsvollstreckung in die Gegenstände dieses Vermögens zu dulden hat. § 89 I hindert die Einzelvollstreckung der Altgläubiger nicht. Wie im Erbeninsolvenzverfahren, in dem der Insolvenzverwalter die Einrede des § 1990 BGB erhebt, die Nachlassgläubiger nicht Insolvenzgläubiger und nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterworfen sind,534 sind auch die Altgläubiger, denen gegenüber die Einrede des § 1629a BGB erhoben wird, nicht Insolvenzgläubiger. Ihre Befriedigung aus dem Altvermögen folgt dem Prioritätsprinzip. Das Neuvermögen haftet ihnen nicht. Nur dieses bildet die Masse im Insolvenzverfahren des volljährig gewordenen Schuldners.535

4. Zweitverfahren 180 Ein zweites Insolvenzverfahren, das während eines laufenden Erstverfahrens geführt wird, kann es – anders als nach Konkursrecht – kaum noch geben, weil der Neuerwerb, der im Konkursrecht die Masse des Zweitverfahrens bildete, nach § 35 InsO zur Masse des Erstverfahrens gehört.536 In der Regel haben die Neugläubiger, solange das Insolvenzverfahren nicht abgeschlossen ist, kein rechtlich 531 532 533 534 535 536

BGH NZI 2009, 108 Rn 9; Oepen Massefremde Masse Rn 91 ff; § 93 Rn 56. BGHZ 197, 75 Rn 45 = NJW 2013, 1434 = EWiR 2013, 367 (H-F Müller); Windel ZIP 2019, 441, 445. BGHZ 71, 296 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 88; kritisch Petersen NZG 2001, 836 ff. Jaeger/Weber KO8 § 234 Rn 5. Bittner FamRZ 2000, 325 ff. MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 89; zu Konkursverfahren und parallel laufenden Insolvenzverfahren über den Neuerwerb des Gemeinschuldners Bremen ZinsO 2002, 1 ff. Müller

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geschütztes Interesse an der Eröffnung eines weiteren Insolvenzverfahrens.537 Anders kann es sein, wenn der Insolvenzverwalter Gegenstände freigegeben hat, deren Wert er verkannt hat oder die nachträglich wertvoll geworden sind.538 Ferner kommt ein Zweitverfahren in Betracht, wenn der Verwalter die selbstständige Tätigkeit des Schuldners nach § 35 II freigibt und dieser in der Folge insolvenzfreies Vermögen erwirbt, auf das die Neugläubiger zugreifen können.539

VIII. Die Insolvenzmasse der Verbände 1. Allgemeines a) Maßgeblichkeit des Massebegriffs in § 35. Der Massebegriff des § 35 gilt auch für die 181 Insolvenz von Gesellschaften und Vereinen. Erfasst wird demnach das gesamte Vermögen, das dem Verband zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. b) Einbeziehung pfändungsfreier Vermögensgegenstände. Eine Ausnahme für pfändungs- 182 freie Vermögensgegenstände kann es in der Verbandsinsolvenz nicht geben. § 36 ist im Wege teleologischer Reduktion auf natürliche Personen zu beschränken.540 Nur hier passt der Normzweck, dem Schuldner die materiellen Grundlagen seiner individuellen Existenz zu erhalten. Ist der Schuldner hingegen eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so gibt es keinen Grund, ihm einen privaten, verfahrensfreien Vermögensbereich zuzubilligen. Der Insolvenzverwalter muss vielmehr das Recht haben, das Vermögen ohne Einschränkung im Interesse der Gläubigergesamtheit zu verwerten. Zur Masse gehören daher die Firma,541 Nießbrauch, beschränkt persönliche Dienstbarkeit und das dingliche Vorkaufsrecht, obwohl diese Rechte nicht der Einzelzwangsvollstreckung unterliegen. Auch für einen Vollstreckungsschutz nach §§ 811 ff ZPO gibt es im Insolvenzverfahren der Verbände keine Rechtfertigung.542 Im Insolvenzverfahren juristischer Personen des öffentlichen Rechts gilt die Pfändungsbeschränkung des § 882a ZPO nicht.543

c) Freigabe. Außerordentlich umstritten ist, ob der Verwalter im Insolvenzverfahren eines Ver- 183 bands Gegenstände, deren Verwertung nicht lohnt, aus der Masse freigeben kann544 (vgl dazu 537 538 539 540

BGH NZI 2004, 444; OLG Köln NZI 2003, 99. MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 89. BGHZ 192, 322 Rn 28 = NZI 2012, 409; BGH NZI 2018, 275 Rn 10; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 107. H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 29 f; Gehrlein ZInsO 2017, 1977, 1980; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 275. 541 Dazu o Rn 20 ff. 542 H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 30 ff; für die Einzelzwangsvollstreckung grds auch Herberger Menschenwürde in der Zwangsvollstreckung (2022) S 75 ff mwN. 543 Differenzierend dagegen Jaeger/Weber KO8 § 213 Rn 13. 544 Befürwortend RGZ 127, 197, 200; BGHZ 35, 180, 181; 148, 252, 258 f = NJW 2001, 2966; BGHZ 163, 32, 34 ff = NJW 2005, 2015; BGHZ 219, 98 Rn 29 = NJW 2018, 2494; BGH NJW 1966, 51; 1996, 2035; BGH ZInsO 2006, 260 Rn 14; BVerwG NJW 1984, 2427; BVerwG ZIP 2004, 2145, 2147 f; OVG Magdeburg ZIP 1994, 1130; OLG Naumburg ZIP 2000, 976; LG Chemnitz ZIP 1995, 2007; LG Osnabrück ZIP 1994, 384; VG Darmstadt ZIP 2000, 2077; Ganter ZRI 2021, 113, 114; Förster ZInsO 2000, 315; Gehrlein ZInsO 2017, 1977, 1980; Götker Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH (1999) Rn 989; Henssler ZInsO 1999, 121, 127; Hess/Weis InVo 1998, 273, 274; Kleine/Flöther NJW 2000, 405, 406; Kluth NZI 2000, 351, 356; Kunkel FS Uhlenbruck (2000) S 315, 317; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2345 f; Mitlehner ZIP 2000, 977, 978; Tetzlaff ZIP 2001, 10, 19; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 281; Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 18; § 80 Rn 29 f; HK/Ries InsO10 § 35 Rn 53; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 118 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 72; abl OLG Karlsruhe ZIP 2003, 1510 = EWiR § 85 InsO 1/03 (Johlke/Schröder); OVG Greifswald NJW 1998, 175 = ZIP 1997, 1460; H-F Müller Der 75

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auch die Kommentierung zu § 80). Die Antwort auf die Frage hängt maßgeblich davon ab, ob man der von Karsten Schmidt545 begründeten Auffassung folgt, dass im Insolvenzverfahren eines Verbandes die Vollabwicklung des Schuldnervermögens (bei fehlender Sanierungsmöglichkeit) zu den Verwalteraufgaben gehört. Für eine solche Integration der gesellschaftsrechtlichen Liquidation in das Insolvenzverfahren spricht zumindest nach neuem Recht einiges:546 184 Die Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfs hob den Grundsatz der Vollabwicklung als wesentliches Verfahrensprinzip hervor.547 In § 1 II S 3 des Entwurfs hieß es ausdrücklich: „Bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit tritt das Verfahren an die Stelle der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung.“ Zwar fiel diese programmatische Aussage der redaktionellen Straffung des gesamten Entwurfs durch den Rechtsausschuss des Bundestags zum Opfer, doch gibt es keine Hinweise darauf, dass damit eine inhaltliche Neuausrichtung gewollt war. Vielmehr zeigt sehr klar § 199 S 2, wonach der Verwalter jeder am Schuldner beteiligten Person den Anteil des Überschusses herauszugeben hat, der ihr bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde, dass sich künftig nach dem Insolvenzverfahren keine gesellschaftsrechtliche Liquidation mehr anschließen soll. Ausdruck der Neukonzeption ist auch der durch die Insolvenzrechtsreform neu eingefügte § 141a FGG (nunmehr § 394 FamFG). Danach sind Kapitalgesellschaften von Amts wegen zu löschen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt. Der Gesetzgeber geht ausweislich der Begründung zu der Vorschrift davon aus, dass die Korporation im Insolvenzverfahren regelmäßig bis zur Löschungsreife abgewickelt wird.548 Auch dies entspricht dem Liquidationsmodell der Insolvenzordnung. 185 Rechtssystematisch gibt es demnach gute Gründe für ein Verbot der Freigabe in der Verbandsinsolvenz. Demgegenüber wird argumentiert der BGH, der Grundsatz der Vollabwicklung werde jedenfalls durch den Verfahrenszweck der optimalen Haftungsverwirklichung (§ 1 S 1) eingeschränkt. Wenn die Abwicklung die Gläubigerbefriedigung verkürzen würde, so habe letztere uneingeschränkt den Vorrang.549 Doch muss man sehen, dass an der zuverlässigen Abwicklung insolventer Rechtsträger ein überragendes öffentliches Interesse besteht, das gegenüber dem privaten Befriedigungsinteresse der Gläubiger nicht ohne weiteres zurückzustehen hat. Überaus problematisch ist es, die Abwicklung den Gesellschaftsorganen zu überlassen, da es ihnen an liquiden Mitteln fehlt, so dass die notwendigen Maßnahmen entweder gar nicht vorgenommen werden können oder auf Kosten der Allgemeinheit erfolgen müssen. Vor diesem Hintergrund muss es als sehr zweifelhaft erscheinen, ob sich der Verwalter seinen Liquidationspflichten durch Lösung einzelner Massebestandteile aus dem Insolvenzbeschlag entledigen kann. Die Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens, dessen Ausdruck auch der Grundsatz der Vollabwicklung ist, spricht dagegen. Dem Verwalter bleibt es unbenommen, den Geschäftsleitern die Verwertung einzelner Massegegenstände für Rechnung der Masse zu überlassen.550 Mit einer Freigabe hat dies nichts zu tun.

Verband in der Insolvenz S 37 ff; Pieper Die Freigabe in der Insolvenz einer GmbH (2007) S 163 ff; Rödder Kompetenzbeschränkungen der Gesellschaftsorgane in der Insolvenz der GmbH S 24 ff; K Schmidt KTS 1988, 1, 12 f; ders Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen S 73 ff; ders ZGR 1998, 633, 637 f; ders ZIP 2000, 1913, 1920; ders/W Schulz ZIP 1982, 1015, 1021 f; W Schulz NJW 1984, 2428 f; Westpfahl Umweltschutz und Insolvenz (1998) Rn 319 ff; Kübler/Prütting/Bork/ Holzer InsO87 § 35 Rn 32; krit gegenüber der Freigabe bei juristischen Personen bereits F Weber JZ 1963, 223 f. Wieder anders (aber wenig überzeugend) Gutsche Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren Rn 132 ff: Keine Freigabe während des Verfahrens, aber der Verwalter kann unverwertbare Gegenstände den Gesellschaftsorganen zu einer Liquidation nach Abschluss des Verfahrens überlassen. 545 K Schmidt KTS 1984, 345, 366; ders KTS 1988, 1, 6 f; ders Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen S 27 f, 161; ders Kölner Schrift2 S 1199, 1207 ff Rn 20 ff. 546 Dazu ausführlich H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 13 ff. 547 Allg Begr RegE (unter 4a dd). 548 Begr zu Art 22 RegE EG InsO. 549 BGHZ 148, 252, 258 f = NJW 2001, 2966; BGHZ 163, 32, 34 ff = NJW 2005, 2015. 550 K Schmidt ZGR 1998, 633, 638. Müller

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d) Anfechtung. Zur Insolvenzmasse gehört auch dasjenige, was der Insolvenzverwalter durch 186 erfolgreiche Anfechtung nach § 143 erlangt. Gegenüber gesellschaftsrechtlichen Insidern iSd § 138 II wird die Anfechtung erleichtert. Anfechtbar können insbesondere Veräußerungsgeschäfte mit Gesellschaftern oder Organen, Verzichts- und Entlastungsbeschlüsse sowie Änderungen der Firma vor Verfahrenseröffnung sein.551 Sicherung und Befriedigung von Forderungen aus Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Leistungen sind nach Maßgabe von § 135 Abs I, II, IV InsO anfechtbar. Zur Anfechtung der Ausschüttung von Scheingewinnen nach § 134 s Komm zu § 134 und unten Rn 210.

2. Kapitalgesellschaften a) Einlageforderungen. Forderungen auf Leistung rückständiger Einlagen (§ 54 AktG, § 19 187 GmbHG) gehören zur Insolvenzmasse. Auf die Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch den Insolvenzzweck kann sich der Einlageschuldner schon deshalb nicht berufen, weil die Einlageforderungen der Gläubigersicherung dienen. Dieser Zweck wird gerade in der Insolvenz aktuell. Zur Einziehung ist ausschließlich der Insolvenzverwalter berufen (§ 80), er verdrängt insoweit Vorstand bzw Geschäftsführer. Der im GmbH-Recht nach § 46 Nr 2 GmbHG erforderlichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf es im Insolvenzverfahren nicht.552 Dies gilt auch für ein etwaiges Agio.553 Die rückständigen Einlageforderungen macht der Insolvenzverwalter so geltend, wie sie der Gesellschaft zustehen, also mit etwaigen Zinsen und Vertragsstrafen (§ 63 II, III AktG, § 20 GmbHG).554 An in der Satzung festgelegte Zahlungstermine ist er jedoch nicht gebunden, da die Gläubigersicherung hier Vorrang vor Fälligkeitsvereinbarungen der Gesellschafter haben muss.555 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat vielmehr die automatische Fälligkeit der Einlageforderungen zur Folge. Voraussetzung für die Geltendmachung ist allerdings, dass die Erfüllung der Einlagepflicht zur Gläubigerbefriedigung notwendig ist. Dies ist aber bei einer insolventen Gesellschaft regelmäßig zu vermuten. Den Beweis für das Gegenteil hat der in Anspruch genommene Einlageschuldner zu führen.556 Ob der Insolvenzverwalter bei der Einziehung an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist,557 erscheint zweifelhaft. Jedenfalls liegt kein Verstoß vor, wenn er einen Einlageschuldner wegen Vermögenslosigkeit nicht heranzieht.558 Da der Anspruch auf Leistung der rückständigen Einlage zur Masse gehört, übt der Insolvenzverwalter auch das Recht der Kaduzierung aus (§ 64 AktG, § 21 GmbHG).559 Im Insolvenzverfah551 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 46; Scholz/Bitter GmbHG12 vor § 64 Rn 171 f. 552 RGZ 138, 106, 111; BGH NZG 2008, 73 Rn 18; Gutsche Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren Rn 363; Kübler/ Prütting/Noack GesR Rn 284; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 308; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 49; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 63 Rn 85; Scholz/Bitter GmbHG12 vor § 64 Rn 180. 553 BGH NZG 2008, 73 Rn 19; Gehrlein ZInsO 2017, 1977, 1982. 554 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 260; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 308; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 49. 555 BGH NZG 2008, 73 Rn 18; Gutsche Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren Rn 363; Gehrlein ZInsO 2017, 1977, 1982; Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 372; Scholz/Bitter Vor § 64 Rn 180; Kübler/Prütting/ Noack GesR Rn 284; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 S 63 Rn 85; aA Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 49. 556 RG JW 1899, 305; RGZ 79, 174, 175; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 309; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 49; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 63 Rn 85; Scholz/Bitter GmbHG12 vor § 64 Rn 180. 557 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 49; Scholz/Bitter GmbHG12 vor § 64 Rn 180; aA OLG Köln ZIP 1983, 310; Gottwald/ Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 373; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 309. 558 RGZ 149, 293, 300; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 49. 559 OLG Jena NZG 2007, 717, 718, dazu EWiR § 74 GmbHG 1/08, 15 (Höpfner); Kalter KTS 1955, 39, 59; Gottwald/Haas/ Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 372; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 49; Scholz/Bitter GmbHG12 vor § 64 Rn 180. 77

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ren der Aktiengesellschaft kommt dies in der Regel nur bei Namensaktien in Betracht. Durch die Ausübung dieses Rechts wird nach § 65 AktG die Zahlungspflicht von im Aktienregister verzeichneten Vormännern ausgelöst. Bedeutsamer ist das Recht der Kaduzierung im Insolvenzverfahren der GmbH, denn hier führt sie nicht nur zur Zahlungsverpflichtung eventuell vorhandener und bei der Gesellschaft angemeldeter Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen (§ 22 GmbHG), sondern darüber hinaus zur Ausfallhaftung der Mitgesellschafter nach § 24 GmbHG. Der Gesellschafter trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er seiner Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlagen nachgekommen ist.560 Das Verbot der Befreiung von den Einlageleistungen (§ 66 I S 1 AktG, § 19 II S 1 GmbHG) gilt 193 grds auch für den Verwalter.561 Dem wirksamen Abschluss eines Vergleichs (§ 779 BGB) mit dem Einlageschuldner steht dies aber nicht im Wege.562 Auch ein im Vergleichsweg vereinbarter Teilerlass kann durchaus im Interesse der Masse liegen, da er zB bei Streit über Bestehen oder Höhe der Einlageverpflichtung kostspielige und in ihrem Ausgang ungewisse Prozesse erspart. Bei ernsten Zweifeln an den Erfolgsaussichten ist der Verwalter nicht gezwungen, den Rechtsweg auszuschöpfen. Lässt er sich allerdings ohne zwingenden Grund auf einen solchen Vergleich ein, so haftet er der Masse nach § 60. Das Entgegenkommen muss sich stets daran messen lassen, ob es der Verfolgung des Insolvenzzwecks dient. 194 Der Einlageschuldner kann seine Verbindlichkeit gemäß § 66 I S 2 AktG, § 19 II S 2 GmbHG nicht durch Aufrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft tilgen. Dieses Verbot gilt selbstredend auch im Insolvenzverfahren.563 Eine Ausnahme ist nur für den (unwahrscheinlichen) Fall zu machen, dass sämtliche Gläubiger befriedigt sind und mit dem Entstehen neuer Schulden nicht zu rechnen ist.564 195 Einer näheren Erörterung bedarf die Frage, ob dem Verwalter die Aufrechnung gestattet ist oder er mit dem Einlageschuldner die Aufrechnung vereinbaren kann. Im Grundsatz ist anerkannt, dass die Gesellschaft (außerhalb eines Insolvenzverfahrens) die Einlageforderung nur gegen vollwertige Forderungen des Einlageschuldners einseitig oder durch Vereinbarung aufrechnen kann.565 Vollwertig ist die Forderung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft regelmäßig nur dann, wenn es sich um eine Masseforderung handelt. Bei einer Insolvenzforderung ist dagegen damit zu rechnen, dass sie nur quotal befriedigt wird. Durch die einseitige oder vereinbarte Aufrechnung würde dem Einlageschuldner als Insolvenzgläubiger entgegen dem Grundsatz der par conditio creditorum zum Nachteil der Insolvenzmasse eine bevorzugte Befriedigung zuteil. Dem Verwalter muss die Aufrechnung jedoch immer dann gestattet sein, wenn die Durchsetzung der Einlageforderung infolge der schlechten wirtschaftlichen Lage des Gesellschafters gefährdet oder ausgeschlossen ist und er bei Barzahlung zur Tilgung der Forderung des Gesellschafters mehr aufwenden müsste, als er angesichts der Umstände von diesem voraussichtlich hereinholen kann. Denn sonst würde das Aufrechnungsverbot nicht die Aufbringung des Haftkapitals sichern, sondern zu einer Schädigung der Insolvenzmasse führen.566

560 Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 372. 561 BayObLG ZIP 1985, 33; K Schmidt KTS 2001, 373, 378 f; Walker Die GmbH-Stammeinlageforderung in der Insolvenz (2004) S 86; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 63 Rn 85; aA § 80 Rn 86.

562 K Schmidt KTS 2001, 373, 379 f; Walker Die GmbH-Stammeinlageforderung in der Insolvenz (2004) S 140 ff; Jaeger/ Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 50. 563 BGHZ 15, 52, 56; BGH NJW 1979, 216; Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 374; Uhlenbruck/Hirte/ Praß InsO15 § 35 Rn 309; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 50; 6 GK-AktG5/Gehrlein/Steffek/Notz § 66 Rn 96; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 19 Rn 30; Rowedder/Pentz/Pentz GmbHG7 § 19 Rn 73. 564 BGH NJW 1979, 216; Rowedder/Pentz/Pentz GmbHG7 § 19 Rn 73. 565 RGZ 94, 61, 63; 134, 262, 268; BGHZ 15, 52, 57; 42, 89, 93; 90, 370, 373; 179, 285 Rn 10; 191, 364 Rn 36 Wilhelm ZHR 167 (2003) 520, 531; K-AktG5/Gehrlein/Steffek/Notz § 66 Rn 53; KK/Dygala AktG3 § 66 Rn 26 ff; Koch AktG16 § 66 Rn 6 f; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 19 Rn 37; kritisch Frey Einlagen in Kapitalgesellschaften (1990) S 51 ff. 566 BGHZ 15, 52, 57 f; 191, 364 Rn 39; Walker Die GmbH-Stammeinlageforderung in der Insolvenz (2004) S 21 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 310; Rn 39 abl Kalter KTS 1955, 39, 58 f. Müller

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Eine Abtretung der Einlageforderung ist der Gesellschaft nach hM nur gegen vollwertiges 196 Entgelt erlaubt.567 Diese Beschränkung gilt aber jedenfalls nicht für eine Abtretung durch den Insolvenzverwalter,568 denn das Streben nach einer möglichst zügigen Insolvenzabwicklung kann es durchaus rechtfertigen, Abschläge hinzunehmen. Sonst müsste der Verwalter von einer Verwertung der Einlageforderung zum Nachteil der Insolvenzgläubiger absehen. Der Schutz der Interessen der Beteiligten wird hier nicht im Wege einer Beschränkung der Verfügungsmacht des Verwalters, sondern durch seine persönliche Haftung für Schädigungen der Insolvenzmasse durch schuldhaft pflichtwidrige Verwertungsmaßnahmen erreicht (§ 60).

b) Besonderheiten bei Einlageforderungen aus Kapitalerhöhungen. Besondere Probleme 197 ergeben sich, wenn die Einlageverpflichtungen aus einer Kapitalerhöhung stammen: aa) Kapitalerhöhung nach Verfahrenseröffnung. Die Zulässigkeit einer Kapitalerhöhung 198 gegen Einlagen im Insolvenzverfahren steht heute außer Streit.569 Nach altem Recht waren die erst nach Konkurseröffnung begründeten Einlageforderungen konkursfreier Neuerwerb.570 Durch die Einführung der Insolvenzordnung hat sich dies jedoch geändert. § 35 erfasst anders als die Vorgängernorm des § 1 KO auch das Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt. Nach Ansicht von Uhlenbruck571 gilt dies jedoch für den Neuerwerb aus einer Kapitalerhöhung nicht. Dieser müsse wie nach altem Recht insolvenzfrei bleiben und der Verfügungsgewalt des Verwalters entzogen sein, wolle man Sanierungsbemühungen nicht von vornherein zum Scheitern verurteilen. Eine solche teleologische Reduktion des § 35 entbehrt jedoch der Überzeugungskraft. Denn 199 der Gesetzgeber hat das Problem durchaus erkannt und den Beteiligten mit dem Institut des bedingten Plans (§ 249) ein geeignetes Instrument an die Hand gegeben, um ihre Interessen zu wahren. Gesellschaftsrechtliche Beschlüsse müssen erst dann gefasst werden, wenn die Zustimmung der Gläubiger zu dem Plan feststeht, der Plan wird jedoch nicht wirksam, wenn die vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Beschlüsse ausbleiben. Die Begründung des Regierungsentwurfs betont die Bedeutung des bedingten Plans gerade für Kapitalerhöhungen.572 Wollen die Gesellschafter sichergehen, dass ihre Beiträge zur Sanierung der Gesellschaft und nicht einfach zur Gläubigerbefriedigung verwendet werden, so mögen sie auf einer derartigen Verzahnung gesellschaftsrechtlicher und insolvenzrechtlicher Maßnahmen bestehen,573 Keineswegs hat die Einbeziehung des Neuerwerbs in das Insolvenzverfahren zur Folge, dass notwendige Sanierungsmaßnahmen unterbleiben müssen. Der Rechtsanwender ist an den eindeutigen Wortlaut des § 35 567 GK-AktG5/Gehrlein/Steffek/Notz § 66 Rn 53; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 19 Rn 42; Noack/Servatius/Haas/ Servatius GmbHG23 § 19 Rn 42; aA Frey Einlagen in Kapitalgesellschaften (1990) S 35 ff; einschränkend KK/Dygala AktG3 § 66 Rn 53. 568 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 310; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 50; anders aber RGZ 124, 380 ff; GKAktG5/Gehrlein/Steffek/Notz § 66 Rn 96; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 19 Rn 42. 569 OLG München ZIP 2018, 1038; LG Heidelberg ZIP 1988, 1257; Götze ZIP 2002, 2204 ff; Grüneberg Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrats im Konkurs S 74 f; Gutsche Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren Rn 355; Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2007, 692; Lutter FS Schilling (1973) S 207, 212; Noack FS Zöllner (1998) S 411, 421 f; Weber KTS 1970, 73, 80; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 380; GK-AktG4/Wiedemann § 182 Rn 96; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 55 Rn 43; anders noch RGZ, 77, 152, 155; 85, 205, 207 f; OLG Bremen NJW 1957, 1560; OLG Hamm AG 1981, 53; Baumbach/Hueck AktG13 § 182 Rn 4; Godin/Wilhelmi AktG4 § 182 Rn 1. 570 Kalter KTS 1955, 39, 59; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 51. 571 Uhlenbruck Kölner Schrift2 S 1157, 1174 Rn 24; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz (1997) S 88 ff; ebenso Götker Der Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH (1999) Rn 984 ff; Robrecht GmbHR 2002, 692; Schlitt NZG 1998, 701, 755 f. 572 Begr zu RegE § 296. 573 Vgl dazu im Einzelnen H-F Müller KTS 2002, 209, 213 ff. 79

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gebunden. Mittel aus einer Kapitalerhöhung fallen nach neuem Recht ohne Rücksicht darauf in die Insolvenzmasse, ob die Rechtsgrundlage vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt wurde,574 200 Die Einlageforderungen gehören bereits unmittelbar mit dem Abschluss des Zeichnungsbzw Übernahmevertrags durch die Gesellschaft zur Masse. Denn schon in diesem Moment wird die Verpflichtung des Inferenten zur vorgesehenen Leistung begründet.575 Der Anspruch steht zwar noch unter dem Vorbehalt der späteren Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister,576 doch ist dies unschädlich, da auch auflösend bedingte Rechte dem Insolvenzbeschlag unterliegen.577 Daraus folgt, dass die Gesellschafter nach der Zeichnung bzw Übernahme der neuen Anteile den Kapitalerhöhungsbeschluss entgegen der hM nicht mehr aufheben können, weil sie dadurch die Aktivmasse verkürzen und so unzulässigerweise in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters eingreifen würden.578

201 bb) Die vor Verfahrenseröffnung beschlossene Kapitalerhöhung. Nach einer früher verbreiteten Auffassung erledigt sich eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossene, jedoch noch nicht eingetragene Kapitalerhöhung infolge der Änderung der Lage der Gesellschaft von selbst.579 Danach kann der Verwalter keine Ansprüche gegen die Zeichner bzw Übernehmer der Stammeinlagen geltend machen. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistungen auf die Einlage können nach Bereicherungsrecht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden. Der BGH hat demgegenüber in seiner Leitentscheidung aus dem Jahr 1994 gesagt, dass die zwischenzeitliche Eröffnung des Verfahrens nicht automatisch zur Unwirksamkeit einer formgerecht beschlossenen Kapitalerhöhung führt. Dem ist zu folgen, denn nach mittlerweile einhelliger Auffassung (Rn 198) steht die Verfahrenseröffnung der Zulässigkeit einer Kapitalerhöhung nicht entgegen. Daher kann auch eine bereits vorher eingeleitete Kapitalerhöhung weiter durchgeführt werden. Der Annahme einer automatischen Erledigung des Kapitalerhöhungsbeschlusses fehlt jede gesetzliche Grundlage. 202 Keine Gefolgschaft verdient der BGH jedoch, wenn er den Gesellschaftern das Recht zubilligt, den Kapitalerhöhungsbeschluss bis zur Eintragung aufzuheben. Wie oben bereits ausgeführt (Rn 200) ist eine Aufhebung nach Zeichnung bzw Übernahme der Anteile unvereinbar mit § 80, der alle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse hinsichtlich der Masse dem Insolvenzverwalter zuweist. Dabei ist die vor Verfahrenseröffnung beschlossene Kapitalerhöhung genauso zu behan574 So im Ergebnis auch Gutsche Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren Rn 355; Heilmann KTS 1989, 67, 70; Kautz Die gesellschaftsrechtliche Neuordnung im künftigen Insolvenzrecht S 208; Noack FS Zöllner (1998) S 411, 422; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 308; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 55 Rn 37. 575 Vgl BGHZ 140, 258, 261; Frey Einlagen in Kapitalgesellschaften (1990) S 8 f; GK-AktG4/Wiedemann § 185 Rn 34; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG20 § 55 Rn 51; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 55 Rn 76; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG2 § 55 Rn 40; Scholz/Priester/Tebben GmbHG12 § 55 Rn 96; für eine Entstehung des Anspruchs erst mit Eintragung der Kapitalerhöhung dagegen noch Feine, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (1929) S 609; Ruth ZHR 88 (1926), 454, 507. 576 BGHZ 140, 258, 261; Frey Einlagen in Kapitalgesellschaften, (1990) S 9; GK-AktG4/Wiedemann § 185 Rn 34; Hachenburg/ Ulmer GmbHG8 § 55 Rn 76; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 55 Rn 40; Scholz/Priester/Tebben GmbHG12 § 55 Rn 96. 577 Zur Massezugehörigkeit auflösend bedingter Rechte Kalter KTS 1975, 1, 7; und o Rn 93. 578 H-F Müller Der Verband in der Insolvenz S 184 f; ders ZGR 2004, 842, 848 ff; Pujol Die Sanierung der Schuldnergesellschaft vor dem Hintergrund der gesellschaftsrechtlichen Neutralität des Insolvenzrechts nach deutschem und französischem Recht (2007) S 62 ff; Gehrlein ZInsO 2017, 1977, 1986; Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2007, 692, 693 ff; anders aber BGH NJW 1995, 460; OLG Zweibrücken ZIP 2014, 588, 589; Kautz Die gesellschaftsrechtliche Neuordnung im künftigen Insolvenzrecht S 214; Kuntz DStR 2006, 519, 521 ff; GK-AktG4/Wiedemann § 182 Rn 95; Scholz/Priester/Tebben GmbHG12 § 55 Rn Rn 33, 36. 579 So Grüneberg Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrats im Konkurs S 78 ff; Lutter FS Schilling (1973) S 207, 212, 220; Robrecht GmbHR 1982, 126, 127 f; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 52; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 25 Rn 7. Müller

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deln wie der während des Verfahrens gefasste Erhöhungsbeschluss. An der Massezugehörigkeit der eingeworbenen Mittel ändert sich dadurch nichts. Keinesfalls dürfen die Gesellschafter in die Lage versetzt werden, durch Aufhebung des Beschlusses die Insolvenzmasse zu Lasten der Gläubiger zu verkürzen. Der BGH hat in der angesprochenen Entscheidung ferner diejenigen Gesellschafter, denen die kritische Lage der Gesellschaft nicht bekannt war, für berechtigt erklärt, den Übernahmevertrag zu kündigen.580 Auch insoweit unterliegt die Position des BGH erheblichen Bedenken. Ein Kündigungsrecht der Inferenten lässt sich weder auf eine Analogie zu § 490 BGB noch auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) stützen. Der Parallele zur Kreditkündigung steht entgegen, dass sich die Zusage hier auf die Bereitstellung von Eigenkapital bezieht. Von Fremdkapital unterscheidet es sich vornehmlich dadurch, dass es der Gesellschaft dauerhaft zur Verfügung gestellt wird und somit einer freien Kreditkündigung entzogen ist (Investitionsfunktion). Es handelt sich ferner um haftendes Kapital, denn es soll den Drittgläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung stehen (Haftungsfunktion).581 Die Bindungswirkung der Einlageverpflichtung ist deshalb viel stärker als die eines Darlehensversprechens. Der Darlehensgeber kann nach § 490 BGB im Zweifel seine Zusage zurückziehen, wenn der Darlehensnehmer in Vermögensverfall gerät, ein vergleichbares Recht kann derjenige, der Haftkapital zur Verfügung stellen soll, gerade nicht für sich in Anspruch nehmen. Auch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommen nicht zum Tragen. Nach der Neukonzeption durch den Gesetzgeber der Insolvenzordnung ist die Eröffnung des Verfahrens nicht mehr wie im überkommenen, auf Zerschlagung gerichteten Konkurs praktisch gleichbedeutend mit dem endgültigen Scheitern der Gesellschaft. Vielmehr ist die Reorganisation der Schuldnergesellschaft nunmehr eine gleichberechtigte Verfahrensalternative.582 Mit der Eröffnung des Verfahrens ist deshalb noch keine Entscheidung über den Fortbestand der Gesellschaft gefallen. Es besteht immer noch die Chance, dass die Inferenten Mitglied einer werbenden, auf Gewinnerzielung gerichteten Gesellschaft werden können. Die Eröffnung des Verfahrens ist daher nicht geeignet, den Bestand der zuvor abgeschlossenen Zeichnungs- bzw Übernahmeverträge in Frage zu stellen. Im Übrigen ist es auch verfehlt, das Insolvenzrisiko einseitig der Gesellschaft und damit letztlich ihren Gläubigern aufzubürden. Vielmehr ist es Sache desjenigen, der Anteile an einer Gesellschaft erwerben will, sich über deren wirtschaftliche Situation genau zu informieren. Unterlässt er dies, muss er die Folgen tragen. Warum diese Risikoverteilung erst ab Eintragung der Kapitalerhöhung gelten soll,583 ist plausibel nicht zu begründen. Darauf hinzuweisen ist schließlich, dass die herrschende Meinung sich im Ergebnis sanierungsfeindlich auswirkt. Die Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts im Insolvenzfall widerspricht der erklärten Absicht des Gesetzgebers, wirtschaftlich sinnvolle Sanierungen zu fördern. Die bereits vor Verfahrenseröffnung beschlossene Kapitalerhöhung kann die Basis für eine solche Sanierung sein. Dies setzt aber voraus, dass nicht einzelne Zeichner bzw Übernehmer durch Lösung von ihren Verpflichtungen den Erfolg der Maßnahme gefährden können. Eine tragfähige Grundlage für die Zuführung neuer Mittel durch eine Kapitalerhöhung ist nur gegeben, wenn die Inferenten ungeachtet der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens an ihre Finanzierungszusagen gebunden sind.

580 BGH NJW 1995, 460; ebenso KG NZG 2000, 103; Götze ZIP 2002, 2204, 2206 ff; Kautz Die gesellschaftsrechtliche Neuordnung im künftigen Insolvenzrecht S 212 ff; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 283; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 194; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 55 Rn 37; aA Kalter KTS 1955, 39, 59. 581 Habersack, ZHR 161 (1997), 457, 480 f; K Schmidt FS Goerdeler (1987) S 487, 490 ff; Wiedemann FS Beusch (1993) S 893, 896 ff. 582 Allg Begr RegE (unter 3 a bb). 583 Götze ZIP 2002, 2204, 2208. 81

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207 cc) Genehmigtes Kapital. Die vorstehend dargelegten Prinzipien gelten sinngemäß auch für das genehmigte Kapital in der Aktiengesellschaft (§§ 202 ff AktG) und der GmbH (§ 55a GmbHG). Der Vorstand bleibt also über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus ermächtigt, das Grundkapital bis zu dem in der Satzung bestimmten Nennbetrag durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen. Demgegenüber wird die Ansicht vertreten, dass die Entscheidung, ob in einer solchen Ausnahmesituation die Gesellschafter noch zu Leistungen herangezogen werden dürfen, ausschließlich der Hauptversammlung obliegen müsse.584 Dem ist nicht zu folgen. Das genehmigte Kapital soll es dem Vorstand ermöglichen, schnell und flexibel neues Eigenkapital zu beschaffen.585 Dieses Finanzierungsinstrument ist insbesondere in einer Sanierungssituation von Vorteil. Muss der Vorstand hier erst die Hauptversammlung einberufen, um eine viel langwierigere und schwerfälligere reguläre Kapitalerhöhung einzuleiten, kann es für eine Rettung schon zu spät sein. Nach seinem Sinn und Zweck kommt das genehmigte Kapital also gerade in einer solchen Situation zum Tragen. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands aufgrund einer entsprechenden Satzungsermächtigung zu entscheiden, ob durch die rasche Durchführung einer Kapitalerhöhung die Voraussetzungen für die Sanierung der Gesellschaft aus der Insolvenz heraus geschaffen werden können. Den Aktionären bleibt es allerdings unbenommen, die Ermächtigung bis zum Abschluss der Zeichnungsverträge aufzuheben. Ein automatisches Erlöschen bewirkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht.

208 c) Nachschüsse. Im Insolvenzverfahren der GmbH hat der Insolvenzverwalter rückständige Nachschüsse einzuziehen, deren Einforderung die Gesellschafter beschlossen haben (§ 26 GmbHG). Ein solcher Beschluss kann auch noch nach Eröffnung des Verfahrens getroffen werden.586 Die daraus resultierenden Ansprüche unterliegen – abweichend von der Rechtslage nach der Konkursordnung587 – als Neuerwerb ebenfalls dem Insolvenzbeschlag. Die Zuständigkeit für die Einforderung verbleibt bei den Gesellschaftern. Diese können die Einforderung im Insolvenzverfahren nicht mehr rückgängig machen, da es sonst zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse kommen würde.588

209 d) Nebenleistungspflichten. Nebenleistungspflichten (§ 55 I AktG, § 3 II GmbHG) sind im Insolvenzverfahren weiter zu erfüllen, soweit hierfür Bedarf besteht. Dies ist bei Zuzahlungen stets der Fall,589 bei Sach- und Dienstleistungen immer dann, wenn der Verwalter zur zulässigen Fortführung des Unternehmens auf sie angewiesen ist.590 Handelt es sich um entgeltliche Nebenleistungspflichten, so gilt § 103 entsprechend. Solange der Insolvenzverwalter das Unternehmen der Gesellschaft fortführt, kann er also die Nebenleistungen zur Masse verlangen, muss sie dann allerdings nach § 55 I Nr 2 voll aus der Masse vergüten.591 Rückständige Entgeltansprüche für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen sind Insolvenzforderungen, durch die Aufforderung, in Zukunft weiter die vereinbarten Nebenleistungen zu erbringen, werden sie nicht zu Masse-

584 Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 193; ähnlich Lutter FS Schilling (1973) S 207, 232; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 53.

585 BGHZ 136, 133, 136 f. 586 Gutsche Die Organkompetenzen im Insolvenzverfahren Rn 364; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 54; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 26 Rn 8.

587 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 54. 588 Grüneberg Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrats im Konkurs S 79; Steinbeck ZGR 2000, 503, 517; Scholz/Emmerich GmbHG12 § 26 Rn 19.

589 Kübler/Prütting/Noack Rn 288. 590 Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 288; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 318; Koch AktG16 § 55 Rn 8; gänzlich abl GK-AktG5/Arnold/Notz § 55 Rn 65.

591 Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 399; zum alten Recht Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 54. Müller

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schulden. Sind bei Verfahrenseröffnung Lieferungen rückständig, so muss der Verwalter auch diese voll aus der Masse bezahlen, wenn er sie zur Masse einzieht.592

e) Rückgewähransprüche. Zur Insolvenzmasse gehören auch die Ansprüche der Gesellschaft ge- 210 gen Gesellschafter auf Rückgewähr von Leistungen, die sie unter Verstoß gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung empfangen haben (§§ 57, 62 AktG; §§ 30, 31 GmbHG; zur Mithaftung der übrigen Gesellschafter vgl § 31 III GmbHG). In der Aktiengesellschaft ist die Rückforderung allerdings ausgeschlossen, soweit die Aktionäre die Leistungen in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben. Dieser Schutz darf durch eine Insolvenzanfechtung nach § 134 nicht unterlaufen werden.593 Im GmbH-Recht wird die Haftung des gutgläubigen Empfängers zwar generell davon abhängig gemacht, dass die Erstattung zur Befriedigung der Gläubiger notwendig ist (§ 31 II GmbHG). Doch hat diese Einschränkung im Insolvenzverfahren praktisch keine Bedeutung, denn die volle Rückgewähr ist regelmäßig notwendig, um die Masse anzureichern.594 Die Rückeinlageforderungen sind durch den Insolvenzverwalter nach § 80 geltend zu machen. 211 Das außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehende Einziehungsrecht der Gläubiger der Aktiengesellschaft erlischt mit der Verfahrenseröffnung (§ 62 II AktG). Soweit die Verfügungsbefugnis der Gesellschaft über diese Ansprüche zur Sicherung der Erhaltung des Grund- bzw Stammkapitals in gleicher Weise wie die über die Einlageforderungen eingeschränkt ist (§ 66 II AktG, § 31 IV GmbHG), gelten für die gesetzliche Verfügungsmacht des Insolvenzverwalters die obigen Erläuterungen (Rn 193) sinngemäß. Eine Aufrechnung des Gesellschafters ist wie bei der originären Kapitalaufbringung unzu- 212 lässig (§ 66 I S 2 AktG).595 Dem Insolvenzbeschlag und damit auch der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Ver- 213 walters unterlagen bis zur Abschaffung der zu §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Rechtsprechungsregeln596 durch das MoMiG 2008 (§ 32 I S 3 GmbHG nF) auch Ansprüche aus kapitalersetzenden Gesellschafterleistungen.

f) Ersatzansprüche. Bestandteile der Insolvenzmasse und als solche der ausschließlichen Verfü- 214 gungs- und Prozessführungsmacht des Insolvenzverwalters unterworfen sind ferner die Ersatzansprüche der Gesellschaft. Für die Aktiengesellschaft kommen in Betracht: Ansprüche aus Pflichtverletzungen bei der Gründung gegen die Gründer (§ 46 I–IV AktG) sowie Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben (§ 46 V AktG), gegen die so genannten Gründergenossen (§ 47 Nr 1, 2 AktG) und Emittenten (§ 47 Nr 3 AktG), die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 48 AktG), Ersatzansprüche aus einer Nachgründung gemäß §§ 52, 53 AktG, Ansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats wegen Pflichtverletzung bei der Amtsführung (§§ 93, 116 AktG, Haftung der Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern: § 94 AktG), Ansprüche gegen Abschlussprüfer (§ 323 HGB), Gründungsprüfer (§ 49 AktG iVm § 323 I–IV HGB), Sonderprüfer (§§ 144 AktG iVm § 323 HGB), Kapitalerhöhungsprüfer (§ 49 AktG analog iVm § 323 I–IV HGB), Umwandlungsprüfer (§§ 11 II, 125, 176 I, 177 I, 30 II, 208 UmwG iVm § 323 HGB), Ersatzansprüche gegen Personen, die unter Benutzung ihres Einflusses auf die Gesellschaft vorsätzlich Mitglieder der Gesellschaftsorgane, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte zu schädigenden Handlungen bestimmt haben (§ 117 AktG; Mithaftung der Mitglieder des Vorstands und des Auf592 Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 400; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 54. 593 Foerster WM 2022, 2359 ff; Gottwald/Haas/Mock InsRHdB6 § 91 Rn 87; anders OLG Frankfurt ZIP 2022, 1556; Habersack ZIP 2022, 1621, 1622 ff.

594 Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHdB6 § 90 Rn 397. 595 Für die GmbH BGHZ 146, 105 ff; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff GmbHG20 § 31 Rn 27; Rowedder/Pentz/Pentz GmbHG6 § 31 Rn 44; anders noch Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 54.

596 BGHZ 90, 370, 380; 95, 188, 192. 83

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sichtsrats: § 117 II AktG), Ansprüche abhängiger Gesellschaften auf Verlustausgleich und Schadensersatz (§§ 302, 309, 310, 311, 317, 318 AktG, eingegliederte Gesellschaft: § 323 I iVm §§ 309, 310 sowie § 324 III AktG). Befand sich die AG bei Verfahrenseröffnung bereits im Stadium der Liquidation, so kommen auch Ersatzansprüche gegen Abwickler wegen Verletzung ihrer Pflichten gemäß § 268 AktG in Betracht. Einer GmbH können Ansprüche aus Differenzhaftung (§ 9 GmbHG), Gründungshaftung (§ 9a GmbHG), Vorbelastungshaftung,597 Existenzvernichtungshaftung (§ 826 BGB),598 Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer (§ 43, § 15b InsO; Stellvertreter von Geschäftsführern: § 44 GmbHG), Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 52 GmbHG mit §§ 116, 93 I, II AktG) und Liquidatoren (§§ 69 I, 73 III GmbHG) als Bestandteile der Insolvenzmasse zustehen. Über die Geltendmachung derartiger Ansprüche entscheidet der Insolvenzverwalter allein und in eigener Verantwortung (§ 80). Ein auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen gerichteter Beschluss des Aufsichtsrats (§ 112 AktG) bzw der Gesellschafter der GmbH (§ 46 Nr 8 GmbHG) ist nicht erforderlich. Ebenso wenig ist er an ein Verlangen der Hauptversammlung oder von Minderheitsaktionären nach § 147 AktG gebunden, Ansprüche geltend zu machen. Da die Entschließung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen ausschließlich dem Insolvenzverwalter obliegt, entfällt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch das Recht der Hauptversammlung, Sonderprüfer zu bestellen (§ 142 I AktG), sowie das Recht einer Aktionärsminderheit, ihre Bestellung durch das Gericht zu beantragen (§ 142 II AktG).599 Es ist nunmehr ausschließlich Sache des Insolvenzverwalters zu entscheiden, in welcher Weise er die Prüfung der möglicherweise einen Schadensersatzanspruch rechtfertigenden Vorgänge vornimmt. Die Vertretungsmacht eines nach § 147 III AktG bestellten besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ansprüchen ruht mit Rücksicht auf den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis während der Verfahrensdauer.600 Zur Insolvenzmasse gehören auch Ansprüche auf Rückgewähr von Vergütungen, die Aufsichtsratsmitgliedern unter Verletzung der §§ 113, 114 AktG geleistet wurden.601 Kredite, welche die Gesellschaft entgegen den Bestimmungen der §§ 89 I–IV, 115 I–III AktG an Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder die in §§ 89 II–IV, 115 II, III AktG genannten Personen gewährt hat, sind sofort zur Rückzahlung fällig, es sei denn, der Aufsichtsrat stimmt nachträglich zu (§§ 89 V, 115 IV AktG). Nach Eröffnung des Verfahrens ist die Genehmigung des Aufsichtsrats jedoch unbeachtlich, da er sonst auf eine zur Insolvenzmasse gehörenden Forderung einwirken würde.602 Bei Verstößen eines Vorstandsmitglieds gegen das Wettbewerbsverbot des § 88 I AktG steht die Befugnis, zwischen Schadensersatzanspruch und Eintritt in das Geschäft zu wählen (§ 88 II AktG), in der Insolvenz dem Verwalter zu.603 Fraglich ist, ob der Verwalter gebunden ist, wenn der Aufsichtsrat bereits vor Verfahrenseröffnung die Wahlbefugnis ausgeübt hat.604 § 263 II BGB ist hier weder unmittelbar noch analog anwendbar. Deshalb kann eine Bindung nur ausnahmsweise dann in Frage kommen, wenn sich das betreffende Vorstandsmitglied bereits in schutzwürdiger Weise auf die Entscheidung der Gesellschaft eingerichtet hat.605 Die Aktiengesellschaft kann außerhalb des Insolvenzverfahrens auf die meisten Ersatzansprüche erst drei Jahre nach der Entstehung wirksam verzichten oder sich über sie vergleichen, und 597 BGHZ 80, 129, 140 f. 598 BGHZ 173, 246 Rn 34 = NJW 2007, 2689; BGHZ 176, 204 Rn 11 = NJW 2008, 2437; HK/Kleindiek InsO10 Anh § 35 Rn 188 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 316. 599 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 56; aA OLG München ZIP 2018, 1038. 600 BGH NJW 1981, 1097 = ZIP 1981, 178 = KTS 1981, 234; OLG Frankfurt/M NZG 2004, 95, 96; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 345. 601 LG Stuttgart ZIP 1998, 1275. 602 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 57. 603 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 333; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 57. 604 So Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 57. 605 Vgl Koch AktG16 § 88 Rn 6 f; KK/Mertens/Cahn AktG3 § 88 Rn 20; Spindler/Stilz/Fleischer AktG5 § 88 Rn 39 mwN; zur Parallelvorschrift des § 113 Abs 1 HGB auch Staub/Schäfer HGB5 § 113 Rn 10. Müller

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dies auch nur dann, wenn die Hauptversammlung zustimmt und kein Minderheitswiderspruch erfolgt (§§ 50, 53, 93 IV S 3, 116, 117 IV AktG). Gleiches gilt für die Ersatzansprüche einer abhängigen Gesellschaft (§§ 309 III, 310 IV, 317 IV, 318 IV AktG), einer eingegliederten Gesellschaft (§ 323 I S 2 iVm § 309 III AktG) sowie für die Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens (§ 302 III AktG). Adressaten dieser Normen sind jedoch ausschließlich die Gesellschaft und ihre Organe, nicht aber der Verwalter. Er ist an die genannten Verfügungsbeschränkungen nicht gebunden und kann folglich auch vor Ablauf der Dreijahresfrist und unabhängig von einer Zustimmung der Hauptversammlung über die genannten Ersatzansprüche mit Wirkung für die Insolvenzmasse und die Aktiengesellschaft als deren Trägerin verfügen.606 Ein Verzicht des Insolvenzverwalters ohne Gegenleistung ist jedoch evident insolvenzzweckwidrig und damit unwirksam. Für einen für die Insolvenzmasse ungünstigen Vergleich haftet der Verwalter nach § 60.607 Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für entsprechende Verfügungsbeschränkungen der GmbH über Ersatzansprüche (§§ 9b II, 43 III S 2, 73 III S 2 GmbHG). Sofern der Ersatzanspruch einen erheblichen Wert darstellt, hat der Insolvenzverwalter nach § 160 I, II Nr 3 die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher Ausschuss nicht bestellt ist, das Einverständnis der Gläubigerversammlung zu dem Vergleich einzuholen.608 Ferner hat er der Gesellschaft als Schuldnerin Mitteilung zu machen, der dann das Recht zum Antrag auf Untersagung der Rechtshandlung zusteht (§ 161). Im Rahmen des § 161 wird die Gesellschaft durch das Organ vertreten, das außerhalb der Insolvenz über die Geltendmachung des Anspruchs zu entscheiden hätte. Es sind dies in der Aktiengesellschaft grds der Vorstand bzw die Abwickler. Handelt es sich um einen Ersatzanspruch gegen ein Vorstandsmitglied oder einen Abwickler, so wird die Gesellschaft in entsprechender Anwendung des § 112 AktG durch den Aufsichtsrat vertreten.609 In der GmbH fällt die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr 8 GmbHG), nach der ratio legis muss sie im Insolvenzverfahren daher darüber befinden, ob ein Untersagungsantrag nach § 161 zu stellen ist. Die Unterlassung der Mitteilung durch den Verwalter berührt die Wirksamkeit des Verzichts oder Vergleichs nicht (§ 164). Hat der Insolvenzverwalter über einen Ersatzanspruch der Gesellschaft wirksam verfügt, so ist die Gesellschaft auch nach Verfahrensbeendigung daran wie an die sonstigen Verfügungen des Verwalters über Massegegenstände gebunden (§ 80). Der Ersatzanspruch der Gesellschaft unterliegt im Ganzen der Verfügung des Verwalters, nicht etwa bloß insoweit, als er zur Deckung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist, denn er gehört in seiner vollen Höhe zur Insolvenzmasse.610 Im Aktienrecht besteht die Besonderheit, dass die Ersatzansprüche der Gesellschaft „auch“ von den Gesellschaftsgläubigern „geltend gemacht werden“ können, allerdings nur insoweit, als sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt für die Ersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats aus Pflichtverletzungen bei ihrer Geschäftsführung (§§ 93 V S 1, 116 AktG) und bei der Gründung der Gesellschaft (§ 48 S 2 iVm §§ 93 V, 116 AktG), für die Ansprüche wegen unzulässiger Einflussnahme nach § 117 I–III (§ 117 V S 1 AktG), ferner die Ersatzansprüche gegen die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens (§ 309 IV S 3, § 317 IV), die Leitungsorgane einer abhängigen AG nach §§ 310, 318 AktG (§ 310 IV, 318 IV iVm § 309 IV S 3 AktG) und einer eingegliederten Gesellschaft bzw der Hauptgesellschaft nach § 323 I iVm § 309 IV S 3 AktG. Bei den konzernrechtlichen Ansprüchen steht eine Klagebefugnis auch den Aktionären zu (§§ 309 IV S 1, § 310 IV, 317 IV, 318 IV AktG). Während der Dauer des Insolvenzverfahrens übt der Verwalter das Einziehungsrecht gegen die Verantwortlichen aus (§ 93 V S 4 AktG, §§ 93 V S 4, 116 AktG, § 48 S 2 iVm § 93 V S 4 606 RGZ 63, 203, 212 f; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 402; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 58; GK-AktG5/Hopt/Roth § 93 Rn 536; MünchKomm/Koch AktG5 § 264 Rn 51. Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 402; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 339; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 58. Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 402; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 340; GK-AktG5/Hopt/Roth § 93 Rn 537. Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 58. So auch RGZ 63, 203, 213.

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AktG, § 117 V S 3 AktG, § 309 IV S 5 AktG, der auch für die Ansprüche nach §§ 310, 317, 318, 323 I AktG gilt). Das folgt an sich schon aus dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der schuldnerischen Gesellschaft: Die Einziehungsbefugnis der Gläubiger und der Aktionäre und die auf ihr beruhende Prozessstandschaft erlischt mit der Eröffnung des Verfahrens, da der Anspruch der Gesellschaft zur Masse gehört und daher ausschließlich vom Verwalter geltend zu machen ist. Indessen beschränkt sich die Bedeutung der genannten Vorschriften nicht auf diese Klarstellung. Sonst hätte die Bestimmung genügt, dass während der Dauer des Insolvenzverfahrens die Ersatzansprüche der Gesellschaft nur vom Verwalter geltend gemacht werden können. Wenn der Gesetzgeber die Fassung gewählt hat, dass der Insolvenzverwalter „das Recht der Gläubiger“ gegen die Ersatzpflichtigen während des Insolvenzverfahrens „ausübe“, so bedeutet dies über die Verdrängung des Einzelzugriffs hinaus, dass der Verwalter den Ersatzanspruch der Gesellschaft so geltend machen kann, wie ihn die Gläubiger außerhalb des Verfahrens geltend machen konnten. Soweit das Gesetz anordnet, dass die Ersatzpflicht den Gläubigern gegenüber nicht durch Verzicht, Vergleich oder einen Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen wird (vgl § 93 V S 3 AktG, § 117 V S 2 AktG, § 309 IV S 4 AktG), bedeutet dies, dass solche Rechtsakte auch dem Verwalter nicht entgegengehalten werden können.611 Ist Eigenverwaltung angeordnet, so steht das Einziehungsrecht abweichend von § 270 dem Sachwalter zu (§§ 93 V S 4, 117 V S 1, § 309 IV S 3 AktG). Da der Ersatzanspruch als solcher der Verfügungsmacht des Verwalters unterliegt, sind auch die Insolvenzgläubiger nach Beendigung des Insolvenzverfahrens an eine vom Verwalter wirksam über ihn vorgenommene Verfügung in der gleichen Weise gebunden wie die Gesellschaft. Durch eine nach Verfahrenseröffnung an einen Gesellschaftsgläubiger erbrachte Leistung wird der Ersatzpflichtige gegenüber der Insolvenzmasse nicht befreit, da der Gläubiger im Zeitpunkt der Leistung keine Einziehungsermächtigung hat.612 Lehnt der Verwalter die Verfolgung eines Ersatzanspruchs ab, so kann ihn ein Gläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht geltend machen. Eine Freigabe des Anspruchs aus der Insolvenzmasse ist ausgeschlossen.613 Erhebt ein Gläubiger bzw Aktionär während des Insolvenzverfahrens Klage, so ist diese als unbegründet abzuweisen.614 War die Klage bei Verfahrenseröffnung bereits rechtshängig, so tritt analog § 240 ZPO Unterbrechung ein,615 der Verwalter hat ein Wahlrecht, ob er den Prozess wieder aufnehmen möchte. Nimmt er ihn auf, so gilt er als Rechtsnachfolger des bisherigen Klägers (§ 325 ZPO). Die Rechtskraft eines Urteils, das der Verwalter erstreitet, wirkt auch für und gegen die Gläubiger bzw Aktionäre.616 Von den vorstehend behandelten Ersatzansprüchen der Gesellschaft sind die Fälle zu unterscheiden, in denen einzelnen Gesellschaftsgläubigern eigene Ansprüche gegen Gesellschaftsorgane zustehen. Derartige Ansprüche können nicht vom Insolvenzverwalter, sondern nur von dem geschädigten Gläubiger, von diesem aber auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft geltend gemacht werden. Von diesem Grundsatz wird allerdings in § 92 eine Ausnahme hinsichtlich solcher Schäden gemacht, welche die Gesellschaftsgläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens erlitten haben. Einen derartigen Gesamtschaden zugunsten aller Gläubiger zu liqui-

Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 59; GK-AktG5/Hopt/Roth § 93 Rn 574; Koch AktG16 § 93 Rn 174. Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 60. Oepen Massefremde Masse Rn 180; aA Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 344; GK-AktG5/Hopt/Roth § 93 Rn 576. RGZ 74, 428, 429 f; RG JW 1935, 3301; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 344; GK-AktG5/Hopt/Roth § 93 Rn 575; Koch AktG16 § 93 Rn 174; für eine Abweisung als unzulässig (wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis) Oepen Massefremde Masse Rn 105. 615 Habscheid FS Friedrich Weber (1975) S 197, 211; Oepen Massefremde Masse Rn 112; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 343; GK-AktG5/Hopt/Roth § 93 Rn 575; Koch AktG16 § 93 Rn 174. 616 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 343; GK-AktG5/Hopt/Roth § 93 Rn 577.

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dieren, ist gem § 92 ausschließlich Sache des Insolvenzverwalters (vgl näher dazu die Kommentierung zu § 92). Eine ausnahmsweise bestehende unmittelbare Haftung der Gesellschafter wegen Vermö- 229 gensvermischung gegenüber den Gläubigern wird im Insolvenzverfahren nach § 93 ebenfalls vom Verwalter über die Masse abgewickelt.617

3. Genossenschaft Ansprüche auf rückständige Einlagen (§ 7 Nr 1 GenG) und auf Zahlung eines anteiligen Fehlbetrags (§ 73 II GenG) zieht als Massebestandteile im Insolvenzverfahren der Verwalter ein.618 Soweit das Statut für den Insolvenzfall eine Nachschusspflicht der Genossen vorsieht (§ 6 Nr 3 GenG), ist diese ebenfalls vom Verwalter geltend zu machen (§ 105 GenG). Dabei handelt es sich um eine mitgliedschaftliche Beitragspflicht der Genossen, die nur gegenüber der Gesellschaft besteht.619 Sie entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nicht etwa als aufschiebend bedingter Anspruch bereits mit dem Beitritt des Gesellschafters.620 Die Nachschussverpflichtungen sind bei der Prüfung der Massedeckung zu berücksichtigen.621 Durch die Neufassung des § 105 GenG ist klargestellt worden, dass die Nachschusspflicht jedenfalls auch bei Masseunzulänglichkeit (§ 208) besteht.622 Zweifelhaft ist die Rechtslage jedoch im Falle der Einstellung wegen Masselosigkeit (§ 207), denn dann ist kein Verwalter vorhanden, der die Berechnung der Höhe der Nachschüsse nach § 114 GenG vornehmen und die geschuldeten Beiträge einziehen kann. Außerdem würden die Zahlungen der Genossen nach der Einstellung des Verfahrens nicht mehr wie § 105 I GenG dies vorsieht „zur Insolvenzmasse“ geleistet. Daher wird man wohl hier eine Nachschusspflicht verneinen müssen.623 Jedenfalls greift § 105 GenG nach Wortlaut und systematischer Stellung nicht ein, wenn das Verfahren wegen Massearmut gar nicht erst eröffnet wird (§ 26).624 Den Gläubigern bleibt es unbenommen, durch Zahlung eines Verfahrenskostenvorschuss nach §§ 26 I S 2, 207 I S 2 die Eröffnung des Verfahrens bzw dessen Weiterführung zu ermöglichen. Die Nachschüsse sind von den Genossen, sofern nicht im Statut etwas anderes bestimmt ist, nach Köpfen zu leisten (§ 105 II GenG). Sieht die Satzung als Verteilungsmaßstab die Anzahl der Geschäftsanteile vor, so stellt sich die Frage, ob auch pflichtwidrig noch nicht übernommene Anteile (§ 7a II GenG) bei der Berechnung zu berücksichtigen sind. Nach Auffassung des BGH625 erlischt die eingegangene Verpflichtung mit Verfahrenseröffnung. Dies folge daraus, dass im Insolvenzverfahren ein Beitritt nicht mehr möglich sei. Damit entfalle auch die an den zusätzlichen Erwerb geknüpfte Nachschusspflicht.626 Dass damit die Jawansky DB 2003, 2757, 2760 ff; HK/Kleindiek InsO10 Anh § 35 Rn 106. BGH ZIP 2009, 1318 Rn 17. BGHZ 41, 71, 76 f; Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1119; Gottwald/Haas/Mock InsRHdB6 § 92 Rn 30. RGZ 85, 209, 212 ff; BGHZ 41, 71, 78; K Schmidt KTS 1997, 339, 340 f; Gottwald/Haas/Mock InsRHdB6 § 92 Rn 30; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 350; Müller GenG2 § 105 Rn 5; aA Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1119; offengelassen vom OLG Oldenburg NJW 1963, 1551. 621 Terbrack Die Insolvenz der eingetragenen Genossenschaft Rn 323; Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1120; Gottwald/ Haas/Mock InsRHdB6 § 92 Rn 30. 622 Vgl schon zum alten Recht OLG Frankfurt KTS 1997, 519; K Schmidt KTS 1997, 339, 341 ff; Kilger/K Schmidt InsG17 § 213 KO Rn 4. 623 Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1120; Gottwald/Haas/Mock InsRHdB6 § 92 Rn 31; anders Begr zu Art 47 Nr 22 RegE EGInsO; Hirte FS Uhlenbruck (2000) S 637, 645; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 608; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 350. 624 Terbrack Rn 344 ff; Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1120; aA Hirte FS Uhlenbruck (2000) S 637, 645; Kübler/Prütting/ Noack GesR Rn 609; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 350. 625 BGH NJW 1978, 2595. 626 Ebenso Terbrack Die Insolvenz der eingetragenen Genossenschaft Rn 377 ff.

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Pflichtvergessenheit eines Genossen im Ergebnis belohnt wird, erscheint jedoch schwer erträglich. Schon im Ausgangspunkt verfehlt ist die Annahme, dass ein Beitritt nach Eröffnung des Verfahrens nicht mehr möglich ist. Denn die Fortführung der Genossenschaft ist eine denkbare Verfahrensalternative.627 Es kann der Genossenschaft daher nicht verwehrt sein, zur Vorbereitung neue Mitglieder zu werben. Folglich ist auch eine vor Verfahrenseröffnung eingegangene Übernahmeverpflichtung weiter durchsetzbar. Der Verwalter muss aber nicht unbedingt abwarten, bis die Übernahme des Anteils tatsächlich vollzogen ist.628 Vielmehr erfolgt hier entsprechend § 87a II S 5 GenG eine fiktive Zurechnung auf das übernahmesäumige Mitglied.629 Der Insolvenzverwalter kann nach § 108a GenG Ansprüche der Genossenschaft auf rückständige 235 Einzahlungen auf den Geschäftsanteil (§ 7 Nr 1 GenG), auf anteilige Fehlbeträge (§ 73 II GenG) und auf Nachschüsse (§§ 106, 108) nur mit Genehmigung des Insolvenzgerichts abtreten. Zwar nennt § 108a GenG Nachschussleistungen nach § 114 GenG nicht ausdrücklich, nach Sinn und Zweck der Vorschrift sind jedoch auch sie erfasst.630 Das Gericht soll vor seiner Entscheidung den Prüfungsverband anhören und nur einer Zession an eine genossenschaftliche Zentralkasse oder eine der fortlaufenden Überwachung durch einen Prüfungsverband unterliegende Stelle zustimmen. Ein Vergleich über Nachschüsse bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Gläubi236 gerausschusses, sofern ein solcher bestellt ist, sowie der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. Kommt der Genosse in Schuldnerverzug, so wird der Vergleich hinfällig (§ 112a GenG).

4. Verein 237 Zur Insolvenzmasse des (eingetragenen wie nicht eingetragenen) Vereins gehören insbesondere Haftungsansprüche gegen Organe und die noch ausstehenden Mitgliedsbeiträge. Ob nach Verfahrenseröffnung noch weitere Beiträge geschuldet sind, ist eine Frage der Ausle238 gung der Satzung und im Zweifel anzunehmen, solange noch Aussichten für eine Fortführung des Vereins bestehen.631 In die Masse fällt auch das Recht zur Teilnahme mit einer Mannschaft am Spielbetrieb einer Profiliga.632

5. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 239 Obwohl die Versicherungsverhältnisse im Insolvenzverfahren des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit erlöschen (§ 16 VVG, § 116 VAG), bestehen die Beitragspflichten nach §§ 179 ff, 207 VAG weiter fort. Die Ansprüche werden durch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe von § 209 VAG geltend gemacht. Hinsichtlich des Verfahrens verweist die Vorschrift weitgehend auf das Genossenschaftsrecht.

6. Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 240 Zur Masse einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit gehören vor allem die noch unerfüllten Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter auf Entrichtung von Einlagen. Versproche627 628 629 630

Beuthien/Titze ZIP 2002, 1116, 1118. So aber offenbar Kuhn/Uhlenbruck KO11 Vorbem E § 207 Rn 24. Hirte FS Uhlenbruck (2000) S 637, 647; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 354. Hirte FS Uhlenbruck (2000) S 637, 645; Terbrack Die Insolvenz der eingetragenen Genossenschaft Rn 401; Müller GenG2 § 108a Rn 1. 631 Enger BGHZ 96, 253, 255 ff; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 240; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 372; Gottwald/Haas/Mock InsRHdB6 § 93 Rn 34: Nur wenn in der Satzung für den Insolvenzfall vorgesehen. 632 BGH KTS 2001, 333 = ZIP 2001, 889 = EWIR § 32 KO 1/01, 683 (Eckardt); o Rn 63. Müller

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ne, aber an sich noch nicht fällige Beiträge werden mit der Verfahrenseröffnung fällig.633 Der Verwalter kann die rückständigen Einlagen nur insoweit einfordern, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich sind. Doch ist eine solche Notwendigkeit im Insolvenzverfahren im Zweifel zu unterstellen, der die Leistung der Einlage verweigernde Gesellschafter ist daher insoweit für die gegenteilige Annahme darlegungs- und beweispflichtig.634 An den Gleichbehandlungsgrundsatz ist der Verwalter nicht gebunden, er darf denjenigen Gesellschafter in Anspruch nehmen, der ihm am geeignetsten erscheint. In der Regel muss der Verwalter aber ohnehin alle offenen Einlagen in voller Höhe einziehen, um die Gläubiger befriedigen zu können. Zu Nachschüssen über die vertragliche Einlagepflicht hinaus sind die Gesellschafter nach § 707 BGB (710 BGB nF) nicht verpflichtet, es sei denn solche sind besonders vereinbart. Jedoch wird in der Regel eine Nachschusspflicht nach § 735 BGB (737 BGB nF) bestehen. Nach der Vorschrift hat jeder Gesellschafter der aufgelösten Gesellschaft für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis aufzukommen, nach dem sie Verluste zu tragen haben. Gläubigerin ist die Gesellschaft, so dass bei insolvenzbedingter Auflösung der Verwalter den erforderlichen Betrag einzuziehen hat.635 Die Inanspruchnahme eines Kommanditisten wird nach § 167 III HGB auf die Höhe des Kapitalanteils und der noch rückständigen Einlagen beschränkt. Ein etwaiger Passivsaldo des Kapitalkontos (negativer Kapitalanteil) eines Gesellschafters begründet keine Verbindlichkeit und verleiht dem Verwalter daher keinerlei Rechte. Aktiv- und Passivkonten bestimmen vielmehr nur die Ausgleichung unter den Gesellschaftern, die bei einer etwaigen Auseinandersetzung vorzunehmen ist.636 Auch sonstige aus dem Gesellschaftsverhältnis zugunsten der Gesellschaft gegen einzelne Mitglieder erwachsene Ansprüche (Sozialansprüche) bilden Massebestandteile,637 zB Ansprüche auf Verzinsung unbefugter Entnahme von Geldern aus der Gesellschaftskasse (§ 111 HGB bzw § 119 II HGB nF), auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Geschäftsführung, Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht oder des Wettbewerbsverbots (§ 113 HGB bzw § 118 HGB nF), auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung für die Gesellschaft Erlangten (§§ 713, 667 BGB § 716 III BGB nF). Daher ist ausschließlich der Insolvenzverwalter ermächtigt, solche Ansprüche zu verfolgen (§ 80), die außerhalb des Insolvenzverfahrens zulässige actio pro socio (§ 715b HGB nF) durch einen Gesellschafter kommt während der Dauer des Verfahrens nicht in Betracht.638 Ein Beschluss der Gesellschafter, den das Gesetz (§ 113 II HGB; § 118 II HGB nF) oder der Gesellschaftsvertrag für die Geltendmachung derartiger Ansprüche verlangt, ist für die Verfolgung durch den Verwalter weder erforderlich noch bindend. Dieser übt auch das Wahlrecht nach § 113 I HGB (§ 118 I HGB nF) aus.639 Die Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen (§§ 39 I Nr 5, IV, V, 135) gelten auch für kapitalistische Personengesellschaften. Auf die normtypische Personengesellschaft findet es hingegen keine Anwendung.640 Nach der Neuregelung des § 93 wird nunmehr auch die persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (§ 128 HGB bzw § 721 BGB nF) während des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter geltend gemacht. Gleiches galt schon nach altem Recht für die Kommanditistenhaftung (§ 171 II HGB). Zu den damit zusammenhängenden Rechtsfragen vgl die Kommentierung zu § 93. 633 Gottwald/Haas/Haas/Mock InsRHdB6 § 94 Rn 41; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 380; Jaeger/Weber KO8 §§ 209, 210 Rn 30. 634 Gottwald/Haas/Haas/Mock InsRHdB6 § 94 Rn 41; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 467; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 380; Jaeger/Weber KO8 §§ 209, 210 Rn 30. 635 Gottwald/Haas/Haas/Mock InsRHdB6 § 94 Rn 41; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 469; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 385. 636 BGH 26, 126,128 f mit zust Anm von Fischer LM § 155 HGB Nr 1 und Hueck JZ 1958, 401; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 468; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 381; Jaeger/Weber KO8 §S 209, 210 Rn 30. 637 BGH NJW 2021, 928 Rn 73. 638 Jaeger/Weber KO8 §§ 209, 210 Rn 30; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 288; aA KG NZI 2000, 273. 639 Jaeger/Weber KO8 §§ 209, 210 Rn 30; Staub/Schäfer HGB5 § 113 Rn 10. 640 Vgl zum früheren Kapitalersatzrecht auch Kleindiek FS Lutter (2000) S 871 ff. 89

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§ 36 Unpfändbare Gegenstände 1 Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. 2Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. 3 Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter. (2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch 1. die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt; 2. im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nr. 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung; hiervon ausgenommen sind Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht. (3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht. (4) 1Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. 2Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. 3Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1)

Materialien DiskE § 41; RefE § 41; RegE BT-Drucks 12/2443, § 43, Begr S 122; zu I S 2 und IV: BT-Drucks 14/5680, BR-Drucks 689/01 BT-RA BT-Drucks 14/6468.

Vorgängerregelungen § 1 KO, dazu Begr EGemeinschuldO Bd. 1 S 18 ff, S 20 ff, Begr EKO S 14 ff; KO-Prot S 1 ff u 145 ff; M IV S 211 ff, 259, 291 ff, 787; MzEG (a 13 § 1) S 108 f; Begr z KO-Nov 1898 S 22 ff, KommBer z KO-Nov 1898 S 1947.

Literatur Busch Das Pfändungsschutzkonto des Schuldners im Insolvenzverfahren, VIA 2010, 57; Herberger Menschenwürde in der Zwangsvollstreckung (2022); Meller-Hanich Verfügbarkeit von Forderungen und Gläubigerzugriff, KTS 2000, 37; Meller-Hannich Gleicher Pfändungsschutz für alle Einkünfte?, WM 2011, 529; Seidler Selbstständige in der Insolvenz – Der Insolvenzbeschlag von Arbeitsmitteln (2008); Steder Behandlung des Arbeitseinkommens und sonstiger laufender Bezüge im eröffneten Insolvenzverfahren, ZIP 1999, 1874.

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung Normzweck und Genese 2 Überblick

II. 1. 2. 3.

Bewegliche Sachen und Tiere 6 § 811 ZPO Verzicht auf Pfändungsschutz 9 Austauschpfändung

4. 1

Müller https://doi.org/10.1515/9783110666175-002

5. 6. 7. 8

8.

Betriebsinventar bei selbstständiger Tätig10 keit 12 Geschäftsbücher, Abs 2 Nr 1 14 Hausrat, Abs 3 Ansprüche auf Herausgabe oder Verschaffung un15 pfändbarer Sachen 16 Fahrnisversicherung

90

Unpfändbare Gegenstände

III. 1. 2. 3. 4. 5.

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.

Forderungen und andere Vermögensrechte 17 Arbeitseinkommen 22 Pfändungsschutzkonto 25 Unterhalts- und Rentenansprüche 26 Freigebige Zuwendungen 27 Private Versicherungen a) Private Kranken-, Lebens-, Unfall- und Al28 tersvorsorgeversicherungen 30 b) Handwerker-Lebensversicherung c) Wiederaufbauklausel in der Gebäudeversi31 cherung 32 Baugeldforderungen 33 Ansprüche aus Bausparverträgen 34 Sparzulagen Recht zur Rücknahme einer hinterlegten Sache 35 und auf Erstattung des Zahlbetrags Anspruch des Gläubigers auf eine für ihn hinter39 legte Sache; Pfandrecht des § 233 BGB Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhält40 nis Vermögensrechtliche Ansprüche zwischen Ehegat41 ten Honorarforderungen schweigepflichtiger Berufs43 gruppen Rückforderungsrecht des Schenkers, Pflichtteils44 anspruch, Zugewinnausgleich 45 Schenkungswiderruf 46 Befreiungsanspruch, Rückversicherung 48 Vorkaufsrecht des Schuldners 49 Vorkaufsrecht gegenüber dem Schuldner 50 Wiederkaufsrecht 51 Miet- und Pachtrecht 52 Krediteröffnungsverträge und Darlehen

22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. IV. 1. 2. 3. 4.

§ 36

53 Leibrentenrecht Nutzungsrecht nach § 14 I Höfeordnung und Al54 tenteilsrecht 55 Nießbrauch 60 Persönliche Dienstbarkeit 61 Recht der Eltern nach § 1649 II S 1 BGB Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft alten 62 Rechts Hausratsverteilung unter getrennt lebenden Ehe63 gatten 64 Gemeinschafts- und Gesellschaftsanteile Vinkulierte Namensaktien und GmbH-An65 teile 66 §§ 851a, b ZPO 67 Pfändungsschranken in Sozialgesetzen 68 Entschädigungsanprüche 69 § 13 Pachtkreditgesetz

5. 6.

Unbewegliches Vermögen 70 Begriff 71 Erbbaurecht 72 Wohnungseigentum Land- und forstwirtschaftliche Grundstü73 cke 74 Schiffe 75 Luftfahrzeuge

V. 1. 2. 3. 4.

Verfahren (Abs 4) 76 Zuständigkeit 77 Antragsberechtigung 78 Entscheidung Besonderheiten im Eröffnungsverfahren

80

Alphabetische Übersicht Abgeordnetendiäten 67 Altenteil 54 Apotheke 10 Arbeitseinkommen 17 ff Arbeitsentgelt von Gefangenen 17 Arzt 43 Austauschpfändung 9 Baugeld 32 Baugesetzbuch 49 Bausparvertrag 33 Beamtenversorgung 67 Befreiungsanspruch 46 Betriebsinventar 10 Bundesfernstraßengesetz 49 Corona-Soforthilfen 5 Darlehen 52 Dienstbarkeit 60 Ehegatten 41 f, 44, 54, 62 f

91

Eisenbahnen 11 Erbbaurecht 71 Erinnerung 3 Errungenschaftsgemeinschaft 62 Erstattung des Zahlbetrags 35 Fahrbetriebsmittel 11 Fahrnisgemeinschaft 62 Flugzeug 75 Geheimnisschutz 43 Geschäftsbücher 12 f Gesellschaft 40, 64 GmbH-Anteile 65 Grundstücksverkehrsgesetz 73 Hausrat 14 Hausratsteilung 63 Hinterlegung 35 ff Höfeordnung 54 Honorarforderung 43

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§ 36

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Jagdpacht 51 Kindeseinkünfte 61 Krediteröffnung 52 Landwirt 10, 48 f, 66 Landwirtschaftsanpassungsgesetz 48 f Leibrente 53 Luftfahrzeuge 75 Lohnschiebung 20 Miete 51, 66 Miterbe 48 Namensaktie, vinkulierte 65 Neuerwerb 17 Nießbrauch 55 ff Pacht 51, 66 Pachtkredit 69 Pfändungsschutzkonto 22 Pflichtteilsbeschränkung 26 Renten 25 Rechtspfleger 76, 80 Rückversicherung 46 Sachen, bewegliche 6 ff – unbewegliche 70 ff Schenkung 20, 45 Schiff 74 Schuldrechtsanpassungsgesetz 48 f

Sozialgesetze 67 Sparzulage 34 Spende 26 Steuerberater 43 Strafverfolgungsentschädigung 68 Unterhalt 25 Unterhaltssicherungsgesetz 67 Vermögenssorge 61 Versicherung – befreiende 21 – Fahrnis 16 – Gebäude 27, 31 – Handwerker 30 – Krankheit 27 – Leben 28, 30 – Unfall 21, 28 Verzicht auf Pfändungsschutz 8 Vorkaufsrecht 48 f Wiederkaufsrecht 50 Wirtschaftsprüfer 43 Wohnungsbauprämie 33 Wohnungseigentum 72 Zeitpunkt, maßgebender 4 Zugewinnausgleich 44 Zuständigkeit 76

I. Einleitung 1. Normzweck und Genese 1 § 36 übernimmt die in § 1 I KO enthaltene Einschränkung, dass zur Masse nur die pfändbaren Gegenstände des Schuldnervermögens gehören, und die ergänzenden Vorschriften des § 1 II bis IV KO. Die Einschränkung bezieht sich auch auf den Neuerwerb, der nach § 35, abweichend von § 1 KO, zur Masse gehört. Die Aufteilung des § 1 KO auf zwei Paragraphen der InsO trägt wohl der vom Rechtsausschuss des Bundestages angeregten (inzwischen schon lange nicht mehr beachteten) Übung Rechnung, einem Paragraphen nicht mehr als drei Absätze zuzuweisen, erweist sich hier aber als wenig günstig, weil Überschneidungen unvermeidlich sind. So beruht die Unpfändbarkeit mitunter darauf, dass ein Recht ganz oder teilweise kein Vermögensrecht iSd § 35 ist, weil es nicht übertragen werden kann (vgl § 851 ZPO). Soweit der Vermögensbeschlag in § 36 weiter eingeschränkt wird, dient dies dem Schutz des Schuldners. Er soll vor einem Verlust sämtlicher Vermögensgegenstände bewahrt werden und ihm soll ein unantastbarer Kernbereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter erhalten bleiben.1 § 36 trägt damit der verfassungsrechtlich verbürgten Menschenwürde (Art 1 I GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 III GG) Rechnung.2 Bedeutung hat diese Einschränkung nur in der Insolvenz natürlicher Personen, nicht aber in der Verbandsinsolvenz. Die Norm ist seit ihrem Inkrafttreten mehrfach angepasst und verändert worden. Zuletzt wurden durch Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (GVSchuG) vom 7.5.2021,3 mit Wirkung ab dem 1.1.2022 (Art 7

1 BGHZ 167, 352 Rn 16 = NJW 2006, 2698. 2 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO74 § 36 Rn 2; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 1. 3 BGBl I 850. Müller

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Unpfändbare Gegenstände

§ 36

1 GVSchuG) wichtige pfändungsschutzrechtliche Bestimmungen modernisiert und der Massebegriff entsprechend modifiziert.

2. Überblick Das Insolvenzverfahren erfasst dem Zweck des Verfahrens entsprechend nur das beschlagsfähige 2 Vermögen des Schuldners, weil nur dieses den Gläubigern haftet und zur Deckung ihrer Forderungen verwaltet und verwertet werden kann. Ob ein Gegenstand der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist nach rechtlichen Kriterien zu beurteilen und nicht danach, ob er tatsächlich verwertbar ist.4 Der pfändbare unverwertbare Gegenstand gehört zur Masse, solange der Verwalter ihn nicht freigegeben hat. Ob ein Gegenstand der Zwangsvollstreckung unterliegt, bestimmt in erster Linie die Zivilpro- 3 zessordnung. Diese differenziert zwischen dem beweglichen Vermögen, bestehend aus körperlichen Sachen (§§ 808 ff ZPO) sowie Forderungen und sonstigen Vermögensrechten (§§ 828 ff ZPO), und dem unbeweglichen Vermögen (§§ 864 ff ZPO). Sind nach den §§ 811 ff, 850 ff ZPO oder sonstigen gesetzlichen Vorschriften unpfändbare Gegenstände vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändet worden, so ist zur Erinnerung nach § 766 I ZPO nur der Schuldner persönlich, nicht der Verwalter berufen. Nur wenn der gepfändete Gegenstand nach § 36 II ausnahmsweise trotz der Unpfändbarkeit zur Insolvenzmasse gehört, wie zB die Geschäftsbücher des Schuldners (§ 811 I Nr 4 ZPO), ist der Insolvenzverwalter kraft seines Verwaltungsrechts (§ 80) zur Erinnerung nach § 766 I ZPO berechtigt.5 Hat der Schuldner eine unpfändbare Sache veräußert, gehören der Erlös und ebenso die Forderung auf den noch ausstehenden Erlös zur Insolvenzmasse, sei es als bei Verfahrenseröffnung schon vorhandenes Vermögen, sei es als Neuerwerb, wenn die Sache erst nach der Verfahrenseröffnung veräußert worden ist. Was für den Erlös gilt, muss auch für den Ersatz für Beschädigung oder Zerstörung beschlagsfreier Sachen gelten. Unpfändbare unkörperliche Vermögensgegenstände sind auch nicht übertragbar (§§ 400, 413 BGB). Über sie kann der Schuldner nicht wirksam verfügen. Bekommt er aber für die unwirksame Verfügung eine Gegenleistung, gehört diese zur Insolvenzmasse, bis sie zurückgewährt worden ist. Gegenstände, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unpfändbar sind, werden 4 Bestandteile der Masse, wenn sie während des Verfahrens pfändbar werden, gleichgültig, worauf die Unpfändbarkeit beruht.6 Werden zB die in § 811 I Nr 3 ZPO genannten pfändungsfreien Geldbeträge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge neuen Gelderwerbs pfändbar, fallen sie als Neuerwerb in die Masse. Kann der Schuldner trotz der Verfahrenseröffnung seine Erwerbstätigkeit fortsetzen (§ 811 I Nr 1b ZPO), so bleiben die zur Fortsetzung dieser Tätigkeit erforderlichen Sachen massefrei, auch wenn der Schuldner zunächst arbeitslos ist. Denn wenn es dem Schuldner, der Restschuldbefreiung erreichen will, obliegt, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen (§ 295 I Nr 1, vgl. auch § 4c Nr 4), kann man ihm nicht die dafür notwendigen Arbeitsmittel entziehen.7 Stellt der Schuldner seine Erwerbstätigkeit erst nach der Verfahrenseröffnung ein, so werden diese Gegenstände pfändbar und fallen in die Masse, soweit nicht zu erwarten ist, dass er sie für die in § 295 I Nr 1 angesprochene Erwerbstätigkeit benötigen wird. Dass durch die nachträgliche Einbeziehung in die Masse die Neugläubiger, selbst wenn ihre Forderungen aus der fortgesetzten Erwerbstätigkeit herrühren, benachteiligt werden, weil sie keine Insolvenzgläubiger sind (§ 38), gehört zu den unbedachten Folgen der Erweiterung der Masse um den Neuerwerb (vgl § 35 Rn 129 f). Gegenstände, die nur mit Zustimmung des Schuldners

4 Bedenklich RGZ 52, 49, 51. 5 Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 766 Rn 33. 6 Die nach der KO gebotene Unterscheidung beruhte auf der Konkursfreiheit des Neuerwerbs, Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 62.

7 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 16. 93

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

gepfändet werden können, wie zB das Urheberrecht (§ 113 UrhG), werden Bestandteile der Masse, sobald die Zustimmung erteilt ist. 5 Relativ, dh nur zugunsten einzelner Personen pfändbare Ansprüche bleiben nicht schon deshalb außerhalb der Masse, weil sie für die übrigen Gläubiger unpfändbar sind. Einen allgemeinen Grundsatz, dass Gegenstände, die im Allgemeinen unpfändbar, jedoch dem Zugriff einzelner Insolvenzgläubiger unterworfen sind, nicht zur Insolvenzmasse gehören, kennt das Insolvenzrecht nicht.8 Vielmehr bleiben relativ pfändbare Ansprüche nur dann massefrei, wenn die Unpfändbarkeit für die Allgemeinheit der Gläubiger dem Schutz des Schuldners dient (Rn 16, 25, 46). So liegt es etwa beim Anspruch des Beamten auf Beihilfe, der grds unübertragbar und damit unpfändbar ist.9 Der Umstand, dass die Forderung (nur) an den Leistungserbringer abgetreten und von diesem auch gepfändet werden kann,10 führt nicht etwa im Insolvenzfall zur Einbeziehung in die Masse. Denn ansonsten würde der enge Zusammenhang mit der Heilbehandlung duchbrochen, deren Finanzierung der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gewährleisten möchte. Der Gläubiger, der die Leistung erbracht hat, kann weiterhin in die (massefreie) beihilfefähigen Forderung vollstrecken. Anders zu beurteilen sind Ansprüche auf Corona-Soforthilfen für Unternehmen. Sie sind grds unpfändbar,11 können aber ebenfalls von sog Anlassgläubigern (hier Vermieter und Lieferanten) verwertet werden.12 Hier lässt sich die Zweckbindung auch durch eine Fortführung des Betriebs durch den Verwalter verwirklichen. Deshalb unterliegt die Forderung dessen Verfügungsgewalt gem §§ 35, 80.13

II. Bewegliche Sachen und Tiere 1. § 811 ZPO 6 Zu den Gegenständen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören die in § 811 I ZPO aufgeführten beweglichen Sachen (§ 90 BGB) und Tiere (§ 90a BGB). Die Norm ist zum 1.1.2022 grundlegend umgestaltet worden, um den aktuellen rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten besser Rechnung zu tragen. § 811 II S 1 ZPO ist nicht anwendbar,14 weil der Vorbehaltsverkäufer wegen seiner Kaufpreisforderung während des Insolvenzverfahrens nicht die Vollstreckung betreiben kann (§ 89). § 36 II bezieht bei unternehmerischer oder sonstiger selbstständiger Tätigkeit bestimmte Gegenstände in Abweichung von § 811 I Nr 1b, 4, 8b ZPO trotz ihrer Unpfändbarkeit in die Masse ein. Angelehnt an § 812 ZPO wird in § 36 III der Insolvenzbeschlag von Hausratsgegenständen beschränkt. 7 Insbesondere fallen Sachen, die der Schuldner oder eine in seinem Haushalt lebende Person für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt (Lebensmittel, Heizmaterial, Betten, Möbel, Küchengeräte, Wäsche, Bekleidung, Fernseher, uU auch Computer etc) nicht in die Masse (§ 811 I Nr 1a ZPO, früher § 811 I Nr 1, 2 ZPO aF). Gleiches gilt für die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder einer damit im Zusammenhang stehenden Aus- oder Fortbildung erforderlichen Sachen (§ 811 I Nr 1b ZPO). Dabei wird nicht zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit differenziert, für letztere schränkt § 36 II Nr 2 aber die Massefreiheit ein (Rn 10). Recht weit ist der durch § 811 I Nr 1c ZPO vermittelte Schutz der Sachen, die der Schuldner oder ein Haushaltsmitglied aus gesundheitlichen Gründen benötigt, so dass er über die bisherige Rechtslage hinausgehend (§ 811 I Nr 12 ZPO aF) nicht nur künstliche Gliedmaßen, Brillen, Hörgerä8 AA Jaeger/Lent KO8 § 1 Rn 18, 28, jedoch ohne Abweichungen in den Einzelergebnissen. 9 BVerwG NJW 1997, 3256 f. 10 BAG DB 1970, 1327; BGH WM 2008, 87, 88. 11 BGHZ 229, 94 Rn 9 ff = NJW 2021, 1322. 12 LG Köln NZI 2020, 494, 495. 13 Hackländer ZInsO 2020, 2021, 2022 ff; Thole ZIP 2022, 97, 99 f. 14 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 18 mit anderer Begründung. Müller

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Unpfändbare Gegenstände

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te, Gehhilfen und Rollstühle umfasst, sondern nunmehr auch medizinische Messgeräte oder Sachen, die der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung – etwa eine Staffelei im Rahmen einer Kunsttherapie – benötigt.15 Der private PKW eines gehbehinderten Schuldners ist nicht pfändbar, wenn die Benutzung des Autos erforderlich ist, um die Gehbehinderung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung des Schuldners in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern. Dabei ist auch zu würdigen, inwieweit dem Schuldner die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in seiner konkreten Situation zugemutet werden kann.16 Bargeld wird lediglich unter den Voraussetzungen des § 811 I Nr 3 ZPO vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Zu beachten hat der Verwalter ferner die Pfändungsverbote des § 811 I ZPO für Kultusgegenstände (Nr 1d), Gartenhäuser und Wohnlauben (Nr 2), private Aufzeichnungen (Nr 5), öffentliche Urkunden (Nr 6) sowie Trauringe, Orden und Ehrenzeichen (Nr 7). Der Pfändungsschutz für Unterlagen, die Buchführungs- oder Dokumentationszwecken dienen, wird durch § 36 II Nr 1 überlagert (Rn 12). Bei Tieren, die privat gehalten, oder für eine Erwerbstätigkeit benötigt werden, greift § 811 I Nr 8 ZPO. Entsprechend § 811 III ZPO kann der Verwalter Haustiere des Schuldners zur Masse ziehen, wenn diese einen hohen Wert haben und die Unpfändbarkeit für die Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.17 Dies kommt etwa bei wertvollen Reitpferden, Rassehunden und seltenen, exotischen Tierarten in Betracht. Kosten für die Versorgung des Tieres sind nur dann Masseverbindlichkeiten, wenn das Tier zur Masse gehört, sie können aber im Einzelfall bei der Bemessung des Unterhalts (§ 100) berücksichtigt werden.

2. Verzicht auf Pfändungsschutz Umstritten ist die Frage, ob der Schuldner auf die in § 811 ZPO angeordnete Unpfändbarkeit ver- 8 zichten und damit die Massezugehörigkeit einer Sache begründen kann.18 Soweit die Unwirksamkeit des Verzichts darauf gegründet wird, dass im öffentlichen Interesse eine Kahlpfändung des Schuldners unterbleiben müsse,19 ist es widersprüchlich, dem Schuldner den Verzicht zu gestatten und ihn damit über das öffentliche Interesse disponieren zu lassen.20 Jedoch ist die Annahme, dass der Pfändungsschutz öffentlichen Interessen diene, so nicht haltbar. Der Schuldnerschutz respektiert das Interesse des Schuldners an der Erhaltung eines Existenzminimums gegenüber dem Rechtsausübungsinteresse des Gläubigers. Er gründet sich deshalb auf materiell privatrechtliche Wertungen21. Das zeigt sich im Rahmen des § 811 ZPO schon daran, dass der Schuldner nicht gehindert ist, die unpfändbare Sache zu veräußern und den Gläubiger aus dem Erlös zu befriedigen. Auch privatrechtlich motivierter Schutz ist freilich nicht uneingeschränkt disponibel. Deshalb ist ein im Voraus erklärter Verzicht unwirksam, weil der Schuldner die Tragweite des Verzichts meist erst erfasst, wenn ihm die Sache tatsächlich weggenommen wird. Wohl aber

15 16 17 18

BT-Drucks 19/27636, S 29 f. BGH NJW-RR 2011, 1367. HK/Ries InsO10 § 36 Rn 18. Dafür, wenn der Schuldner bei der Pfändung oder nachträglich auf den Pfändungsschutz verzichtet: RG JW 1895, 239; KG JR 1952, 281; DGVZ 1956, 89; NJW 1960, 682; LG Bremen MDR 1951, 752; LG Bonn MDR 1965, 303; LG Stuttgart DGVZ 1980, 91; AG Köln NZI 2003, 387; Jaeger/Lent KO8 § 1 Rn 47; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 41; Gaul Rpfleger 1971, 1, 3; dagegen: BGHZ 137, 193, 197 = NJW 1998, 1058 (obiter dictum); RGZ 72, 181; RG JW 1933, 535; BayObLG NJW 1950, 697; OLG Bremen MDR 1952, 237; OLG Frankfurt NJW 1953, 1835, Rpfleger 1954, 194; OLG Köln MDR 1973, 48; LG Berlin DGVZ 1953, 118; LG Stuttgart ZZP 69, 447; Herberger Menschenwürde in der Zwangsvollstreckung S 100 ff; MünchKomm/Gruber ZPO6 § 811 Rn 13 ff; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 811 Rn 8; Jaeger KO6/7 § 1 Rn 49. 19 So etwa Jaeger/Lent KO8 § 1 Rn 47; MünchKomm/Gruber ZPO6 § 811 Rn 14; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 811 Rn 1 ff; Voigt/Gerke ZinsO 2002, 1054, 1055. 20 So richtig: Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 811 Rn 8. 21 Henckel Prozessrecht und materielles Recht (1970) S 349 ff. 95

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§ 36

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

ist ein bei der Pfändung oder nachträglich erklärter Verzicht wirksam.22 Darüber hinaus kann der Pfändungsschutz auch verwirkt werden, wenn der Schuldner keine Erinnerung einlegt, bevor die Sache verwertet wird.23 Für das Insolvenzverfahren folgt daraus, dass der Schuldner bei oder nach der Besitzergreifung der unpfändbaren Sache durch den Insolvenzverwalter (§ 148) auf die Unpfändbarkeit verzichten und damit die Massezugehörigkeit der Sache begründen kann24 und dass er keine Ausgleichsansprüche gegen den Insolvenzverwalter oder den Erwerber hat, wenn der Verwalter die Sache veräußert, ohne dass der Schuldner der Einbeziehung der Sache in die Masse widersprochen hat.

3. Austauschpfändung 9 Die Vorschriften der ZPO über die Austauschpfändung (§§ 811a, b ZPO) sind im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar.25 Die Gegenansicht von Lent26 war aus der Konstruktion der Vertretertheorie abgeleitet. Geht man demgegenüber davon aus, dass es Aufgabe und Amt des Verwalters ist, die Haftung der Masse für die Gläubiger zu realisieren, steht der analogen Anwendung der §§ 811a, b ZPO nichts im Wege. Dies bedeutet, dass eine an sich unpfändbare Sache in die Masse fällt, wenn der Insolvenzverwalter dem Schuldner ein Ersatzstück oder den zur Ersatzbeschaffung erforderlichen Geldbetrag vor der Wegnahme anbietet. Eine Mitwirkung des Vollstreckungsoder des Insolvenzgerichts ist nicht notwendig. Will der Schuldner sich wehren, weil er die Voraussetzungen der Austauschpfändung nicht für gegeben hält, ist das Insolvenzgericht zuständig.27

4. Betriebsinventar bei selbstständiger Tätigkeit 10 Nach der bis zum 31.12.2021 geltenden Rechtslage blieben gemäß § 811 I Nr 5 ZPO aF die Gegenstände, die der Schuldner für seine durch persönliche Arbeit geprägte Erwerbstätigkeit benötigte,28 pfändungsfrei. Dies ermöglichte es dem Schuldner, mit den für pfändungsfrei gehaltenen Betriebsmitteln sein kleines Unternehmen außerhalb des Insolvenzverfahrens fortzuführen. Nach § 36 II Nr 2 aF galt allerdings eine Ausnahme für das Betriebsinventar der Landwirte und der Apotheken,29 das entgegen § 811 I Nr 4 bzw Nr 9 ZPO aF beschlagsfähig war. Der durch das GVSchuG reformierte § 811 ZPO nimmt nunmehr in Abs 1 Nr 1b Sachen, die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder eine damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung und in Abs 1 Nr 8b Tiere, die für die Ausübung der Erwerbstätigkeit benötigt werden, von der Einzelzwangsvollstreckung aus. § 36 II Nr. 2 Hs 1 sieht vor, dass diese Sachen und Tiere grundsätzlich dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Ausgenommen sind nach § 36 II Nr. 2 Hs 2 aber die Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, die in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht. Diese Rückausnahme war im Regierungsentwurf noch nicht enthalten, sie wurde erst auf Initiative des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz in das Gesetz aufgenommen.30 Damit ist die weitgehende Massefreiheit des Betriebsinventars von Kleinunternehmen im Ergebnis beibe-

22 Henckel Prozessrecht und materielles Recht (1970) S 337 Fn 92. 23 Henckel Prozessrecht und materielles Recht, a.a.O. 24 HK/Ries InsO10 § 36 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO74 § 36 Rn 9; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 95; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 41.

25 Baur JZ 1956, 71; Häsemeyer, InsR4 Rn 9.12; Braun/Bäuerle9 InsO § 36 Rn 3; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Kexel InsO6 § 36 Rn 9; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 43. 26 Jaeger/Lent KO8 § 1 Rn 19. 27 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 43. 28 Zur Auslegung Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 811 Rn 42 ff. 29 Dazu näher Bunzel Die Insolvenz des Apothekers, Diss Köln 2013, S 34 ff. 30 BT-Drucks 19/29246, S 13. Müller

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halten worden,31 auch wenn die Regelung unnötig kompliziert geraten ist.32 Entfallen ist die bisherige Sonderregelung für Landwirte und Apotheker, deren Betriebsvermögen unter den vorstehend genannten allgemeinen Voraussetzungen also nicht mehr dem Massebeschlag unterliegt. In § 36 II Nr 2 Hs 2 werden Tiere, die für die Ausübung der Erwerbstätigkeit aufgrund einer persönlichen Leistung benötigt werden, zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dabei dürfte es sich aber um ein bloßes Redaktionsversehen handeln. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er solche Selbstständige, die ihrem Erwerb durch persönliche Arbeit auf Tiere angewiesen sind, gegenüber anderen Unternehmern diskriminieren wollte.33 Der Betrieb von privaten Bahnunternehmen des öffentlichen Verkehrs darf auch im Insol- 11 venzverfahren des Bahneigentümers nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde eingeschränkt, oder stillgelegt werden (§ 1 des Gesetzes über Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs von Bahnunternehmen des öffentlichen Verkehrs vom 7.3.193434). Unbewegliche Gegenstände, die dem Betrieb des Bahnunternehmens gewidmet sind, dürfen bis zum Erlöschen der Betriebsgenehmigung nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zwangsversteigert werden (§ 3 I BahnBetrAufrErhG). Jedoch gilt diese Bestimmung nur subsidiär gegenüber landesrechtlichen Regeln (§ 3 IV BahnBetrAufrErhG.35 Die Fahrbetriebsmittel der privaten Eisenbahnen sind zwar nach § 4 II BahnBetrAufrErhG iVm dem Gesetz betreffend die Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnfahrbetriebsmitteln vom 3.5.188636 unpfändbar, gehören aber nach I S 2 dieses Gesetzes dennoch zur Insolvenzmasse. Soweit mit ihrer Veräußerung aber eine Betriebseinschränkung verbunden ist, muss § 1 des BahnBetrAufrErhG beachtet werden. Hinsichtlich des rollenden Eisenbahnmaterials im grenzüberschreitenden Verkehr s Art 12 § 5 des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9.5.1980 (BGBl 1985 II, 130, 666).37

5. Geschäftsbücher, Abs 2 Nr 1 Nach § 36 II Nr 1 gehören die Geschäftsbücher des Schuldners zur Insolvenzmasse. Ob dieser Kauf- 12 mann iSd §§ 1 ff HGB ist oder nicht, hat für die Anwendung der Vorschrift keine Bedeutung. Zu den Geschäftsbüchern gehören nicht nur die handels- und steuerrechtlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen und Bilanzen, sondern auch nicht kaufmännisch geführte Rechnungen und die Geschäftskorrespondenz, Arbeitsaufzeichnungen, Lohnlisten, Kunden- und Lieferantenverzeichnisse, Frachtbriefe, Belege und Quittungen.38 Auch Vertragsurkunden sind Bestandteil der Masse, wenn sie diese betreffen. Entscheidend ist der vermögensrechtliche Beweiswert der Unterlagen.39 Diese sollen es dem Verwalter ermöglichen, das zur Masse gehörige Vermögen in Besitz zu nehmen, zu verwalten und zu verwerten (§§ 148 I, 159 I). Auf die Art der Aufzeichnungen kommt es nicht an. Deshalb umfassen die „Geschäftsbücher“ auch Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern.40 Nicht zu den Geschäftsbüchern zählen Notiz- oder Haushaltungsbücher, die nur 31 32 33 34

Ahrens NZI 2021, 531, 532. Ahrens NJW-Spezial 2022, 85. Braun/Bäuerle9 InsO § 36 Rn 34. In der im BGBl III Gliederungsnummer 932-1 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art 101 Bundesrecht-BereinigungsG vom 8.12.2010 (BGBl I S 1864). 35 Nachweise zum Landesrecht bei Staudinger/J Hönle/U Hönle (2018) Art 112 EGBGB Rn 12 ff. 36 RGBl 13, 1, geändert durch Insolvenzordnung-EinführungsG vom 5.10.1994, BGBl I S 2911. 37 Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9.5.1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 3.6.1999, BGBl 2002 II S 2149, zuletzt geändert durch ÄndBeschl vom 29.9.2015, BGBl 2017 II S 820, 822, 826, 828. 38 Kalter KTS 1960, 65. 39 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 47. 40 OLG Saarbrücken DZWIR 2001, 39 m Anm von Becker = NZI 2001, 41 = ZIP 2001, 164, dazu EWiR § 36 InsO 1/01, 437 (van der Moolen); Paulus DGVZ 1990, 151, 153 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO74 § 36 Rn 30; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 101; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 47. 97

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das Privatvermögen des Schuldners betreffen, auch nicht solche, die von ihm gemeinschaftlich mit anderen geführt werden, auch nicht die Handakten des Insolvenzverwalters.41 Die Herausgabe der Geschäftsbücher kann der Verwalter gem § 148 II 1 im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. 13 Der Umfang der Insolvenzmasse ist auch hier gegenüber dem der Einzelzwangsvollstreckung unterliegenden Vermögen erweitert. Denn nach § 811 I Nr 4 ZPO sind Unterlagen, zu deren Aufbewahrung eine gesetzliche Verpflichtung besteht oder Buchführungs- oder Dokumentationszwecken dienen (ähnlich schon § 811 I Nr 11 ZPO aF: die in Gebrauch genommenen Geschäftsbücher) der Pfändung entzogen. Für das Insolvenzverfahren ist diese Ausnahme nicht angebracht, da die Fortführung und die Veräußerung des zur Masse gehörenden Unternehmens die Benutzung und Mitübertragung der Geschäftsbücher notwendig oder doch wünschenswert macht. § 117 II KO, der dem Konkursverwalter die Veräußerung der Geschäftsbücher nur mit dem Unternehmen im Ganzen gestattete und nur soweit sie zur Fortführung des Unternehmens unentbehrlich waren, ist nicht in die InsO übernommen worden, weil die Vorschrift „allgemein als übermäßig angesehen“ worden sei.42 Aus dem Hinweis des § 36 II Nr 1 auf die gesetzlichen Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen (§ 257 HGB, § 147 AO) folgt aber, dass die Geschäftsbücher nicht vom Unternehmen getrennt werden dürfen, solange es besteht und soweit die gesetzliche Aufbewahrungspflicht reicht. Getrennt veräußern darf der Verwalter zB Kundenlisten oder -karteien. Sie unterliegen nicht der Aufbewahrungspflicht und können einen erheblichen Wert darstellen.43 Geschäftsunterlagen, die nicht mit dem Unternehmen im Ganzen oder einzeln veräußert worden sind, hat der Verwalter nach Beendigung des Verfahrens dem Schuldner zurückzugeben.44 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Handelsgesellschaft hat der Insolvenzverwalter wie ein Liquidator dafür zu sorgen, dass die Geschäftsbücher nach Abwicklung der Gesellschaft gemäß § 157 II HGB, § 74 II GmbHG, § 273 II AktG in Verwahrung genommen werden.45 Der einzelne Insolvenzgläubiger hat kein Recht auf Einsicht in die Geschäftsbücher.46

6. Hausrat, Abs 3 14 Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören grundsätzlich nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, dass durch ihre Verwertung ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht (III). Gemeint sind die Gegenstände, die nach § 811 IV ZPO nicht gepfändet werden sollen. Die Vorschrift ist nicht neu. § 1 IV KO enthielt eine Verweisung auf § 812 ZPO aF, die in § 36 III aufgelöst worden ist. Allerdings hat der Gesetzgeber es 2021 bei der Reform des Pfändungsschutzes versäumt, den Wortlaut der insolvenzrechtlichen Regelung an den neuen § 811 IV ZPO, der an das Missverhältnis des zu erwartenden Verwertungserlöses zum Anschaffungswert anknüpft, anzupassen, was an sich folgerichtig gewesen wäre. Der gewöhnliche, keine Luxusgegenstände enthaltende tatsächlich im Haushalt des Schuldners gebrauchte „Hausrat“ bildet auch jenseits der Grenzen des § 811 I Nr 1a ZPO massefreies Vermögen. Zum Hausrat gehören zB Möbel, Geschirr, Küchengeräte, nicht dagegen Kleider, Nahrungsmittel oder Heizmaterial. Die Wertgrenze soll verhindern, dass Hausrat ohne wesentlichen Ertrag für die Masse verschleudert werden muss. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass gebrauchte Hausratsgegenstände heute kaum noch verkäuf41 LG Leipzig KuT 1934, 93; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 102. 42 Begr zu § 43 RegE. 43 Begr zu § 43 RegE; OLG Saarbrücken DZWIR 2001, 39 m Anm von Becker NZI 2001, 41 = ZIP 2001, 164, dazu EWiR § 36 InsO 1/01, 437 (van der Moolen). 44 OLG Stuttgart ZIP 1998, 1880. 45 LG Koblenz KTS 1965, 241, 243; H-F Müller Der Verband in der Insolvenz (2002) S 22 f; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 107. 46 MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 106. Müller

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lich sind, jedenfalls aber der Gebrauchswert für den Schuldner wesentlich höher ist als ein etwa noch zu erzielender Veräußerungserlös. Der Umstand allein, dass der Liebhaberwert einer Sache für den Schuldner ungleich höher ist als ihr Verkaufswert, etwa bei Familienstücken, bei Sammlungen von Autographen, Münzen, Briefmarken, schließt ihre Massezugehörigkeit und ihre Verwertung nicht aus. So können Briefe berühmter Persönlichkeiten, auch wenn der Briefinhalt nicht die geringste Beziehung zur Masse hat, Massebestandteile bilden, soweit nicht Urheber- oder Persönlichkeitsrechte entgegenstehen (§ 35 Rn 45, 50). Privatbriefe sind massefrei. Geschäftsbriefe gehören wie Geschäftsbücher zur Masse (Rn 12).

7. Ansprüche auf Herausgabe oder Verschaffung unpfändbarer Sachen Persönliche und dingliche Ansprüche auf Verschaffung oder Herausgabe unpfändbarer Sachen, 15 zB aus dem Kauf einer unter § 811 I Nr 1 ZPO fallenden Sache sind selbst unpfändbar. Die Anspruchspfändung würde nur auf einem Umwege zu der unzulässigen Sachpfändung führen.47 Folglich gehört der Anspruch auf Leistung der unpfändbaren Sache nicht zur Insolvenzmasse.48

8. Fahrnisversicherung Ansprüche aus der Versicherung pfändbarer Sachen sind selbst beschlagsfähig. Sind aber un- 16 pfändbare bewegliche Sachen versichert, kann der Anspruch aus der Versicherung nur an Gläubiger des Versicherungsnehmers übertragen werden, die diesem zum Ersatz der zerstörten oder beschädigten Sachen Ersatz geleistet haben (§ 17 VVG). Nach § 851 I ZPO ist der Anspruch deshalb auch nur zugunsten solcher Gläubiger pfändbar. Er kann deshalb nicht Haftungsobjekt für andere Gläubiger sein und deshalb nicht in die Masse des Versicherungsnehmers fallen. Wer unpfändbare Sachen versichert, soll diese mit der Versicherungssumme ersetzen können. Die Gläubiger, die zum Ersatz der beschädigten oder zerstörten Sache eine andere geliefert oder die vollzogene Ersatzbeschaffung finanziert haben, können auch während des Insolvenzverfahrens die Forderung pfänden lassen.49 Soweit diese Gläubiger ihre Forderungen nach der Verfahrenseröffnung erworben haben, folgt dies daraus, dass sie keine Insolvenzgläubiger sind. Aber auch wenn ihre Forderungen vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind, steht ihrer Vollstreckung § 89 I nicht entgegen. Denn dieser schützt nicht Vermögensgegenstände, die schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugunsten nur einzelner Gläubiger pfändbar waren. Die relative Pfändbarkeit nach § 17 VVG beruht auf dem Umstand, dass der Schuldner den Ersatz für die pfändungsfreie Sache bereits hat und der Versicherungsanspruch für die Ersatzbeschaffung zweckgebunden ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert daran nichts und kann deshalb nicht bewirken, dass der Schuldner den Ersatzlieferanten auf die Masse verweisen dürfte, während er das pfändungsfreie Ersatzstück schon hat und dazu noch den massefreien Anspruch gegen die Versicherung. Hat der Schuldner aber die Versicherungssumme schon vor Verfahrenseröffnung eingezogen, fällt der Geldbetrag in die Masse. Ebenso gehören zur Masse Ansprüche aus einer Versicherung, die sich auf Sachen bezieht, die trotz ihrer Unpfändbarkeit zur Masse gehören (Rn 12–15).50

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Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 847 Rn 2. Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 41 f. MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 73. Jaeger DJZ 1906, 420 f; Seuffert LZ 1909, 102 ff; Kirchberger ZHR 68, 170. Müller

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III. Forderungen und andere Vermögensrechte 1. Arbeitseinkommen 17 Aus § 36 I S 1 folgt, dass grundsätzlich alle in der Zwangsvollstreckung für unpfändbar erklärten Forderungen im Insolvenzverfahren massefrei sind. Für das nach Maßgabe der §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f I, 850g–850l ZPO (§ 36 I S 2)51 unpfändbare Arbeitseinkommen gilt dies sowohl für die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründeten als auch für die während des Verfahrens entstehenden Forderungen, die als Neuerwerb nur in ihrem pfändbaren Teil zur Masse gehören.52 Der Begriff des Arbeitseinkommens ist weit auszulegen. Erfasst werden alle Bezüge und Vergütungen, deren Rechtsgrundlage gegenwärtige und frühere Arbeitsleistungen oder Zusagen von Arbeitsleistungen sind.53 Ausdrücklich klargestellt wird in § 850 II ZPO, dass auch die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten als Arbeitskommen zu behandeln ist. Das Entgelt der in Heimarbeit Beschäftigten wird in § 27 Heimarbeitergesetz (HAG) gleichgestellt. Nicht den §§ 850 ff ZPO unterliegt das Arbeitsentgelt von Gefangenen nach § 43 StVollzG, die Pfändbarkeit richtet sich wegen der besonderen Zweckbestimmung allein nach § 51 IV, V StVollzG.54 18 Die Höhe des pfändungsfreien und damit massefreien Anteils des Arbeitseinkommens wird ausgehend von den pauschalisierten Sätzen des § 850c ZPO ermittelt. Die aus besonderen Gründen gem § 850a ZPO für unpfändbar erklärten Einkommensbestandteile55 bleiben bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens unberücksichtigt (§ 850e Nr 1 ZPO). Nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen, die abhängig beschäftigten Personen für persönlich geleistete Arbeiten zustehen, etwa Abfindungen,56 und eigenständig erwirtschaftete Einkünfte, zählen jedoch grundsätzlich in vollem Umfang zur Masse und können lediglich auf Antrag des Schuldners vom Insolvenzgericht freigegeben werden (Abs 1 S 2 iVm § 850i ZPO). Anders als bei der Sachpfändung (Rn 8) ist ein Verzicht des Schuldners auf den Pfändungsschutz bei der Forderungspfändung wegen §§ 400, 413, 1274 II BGB unwirksam.57 Folglich kann der Schuldner insoweit auch nicht über den Umfang der Masse disponieren. Das unpfändbare und deshalb massefreie Arbeitseinkommen darf der Insolvenzverwalter nicht einziehen.58 Der Arbeitgeber hat es dem Insolvenzschuldner auszuzahlen.59 19 Mehrere Arbeitseinkommen und Ansprüche auf laufende Sozialleistungen nach dem SGB sind nach § 850e Nr 2 und 2a ZPO zusammenzurechnen. Zuständig ist das Insolvenzgericht (§ 36 IV S 1), Die Bestimmung, dass eine unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt (§ 850c VI ZPO), erfolgt ebenfalls gem Abs 4 S 1 durch das Insolvenzgericht. Ob neben der Gewährung des Unterhalts für den Schuldner und seine Familie nach § 100, die auch möglich ist, wenn der Schuldner Arbeitnehmer ist und pfändungsfreies Arbeitseinkommen bezieht, für die Anwendung des § 850f I ZPO Raum bleibt, war bis zum Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und ande51 Eingefügt durch Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001, in Kraft getreten am 1.12.2001; geändert durch Art 2 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfändungsschutzzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-FortentwicklungsG) vom 22.11.2020 (BGBl I S 2466) mit Wirkung vom 1.12.2021. 52 Steder ZIP 1999, 1874; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 153, § 36 Rn 20. 53 Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 850 Rn 19. 54 BGHZ 160, 112 = NJW 2004, 3714; BGH NJW 2013, 3312; BGH NJW 2015, 2493 Rn 36 ff; Heyer NZI 2010, 81, 83 f; Stöber/ Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.182 ff. 55 Dazu Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn C.137 ff. 56 BAG NZI 2014, 870 Rn 16. 57 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZwVR12 § 33 IV 1c aa; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 95; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 42. 58 Braun/Bäuerle InsO9 § 36 Rn 18; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 50; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 36 Rn 35d. 59 Steder ZIP 1999, 1874, 187 f; aA Smid FS Rolland (1999) S 355, 358. Müller

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rer Gesetze vom 26.10.2001 umstritten.60 Hinsichtlich der vorläufigen Unterhaltsgewährung durch den Insolvenzverwalter mag dem Schutzbedürfnis des Schuldners und seiner Familie durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58) hinreichend Rechnung getragen sein. Anders ist es, wenn die Gläubigerversammlung dem Schuldner den Unterhalt versagt. Die Aufhebung von Beschlüssen der Gläubigerversammlung nach § 78 dient nicht dem Schutz des Schuldners, sondern dem der gemeinschaftlichen Interessen der Gläubiger. Dass das Insolvenzgericht sich trotzdem über einen entsprechenden Beschluss hinwegsetzen und dem Schuldner Unterhaltszahlungen gewähren soll, lässt sich auch mit verfassungsrechtlichen Argumenten kaum begründen61 zumal andere Schutzinstrumente vorhanden sind. Mit gutem Grund ist durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 § 850f I ZPO ausdrücklich für anwendbar erklärt worden. Auch hier ist das Insolvenzgericht zuständig (§ 36 IV S 1).62 Auch die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Geset- 20 ze vom 26.10.2001 am 1.12.2001 umstrittene Frage, ob der Insolvenzverwalter die Masse nach § 850h ZPO erweitern kann,63 ist durch das Änderungsgesetz positiv entschieden worden. Dabei ist aber zu beachten, dass § 850h I ZPO einerseits eine Verfahrensregel und andererseits materielle Haftungsregeln enthält. Die Verfahrensregel gestattet dem Gläubiger, den Anspruch des Dritten auf Grund eines Titels gegen den Schuldner zu pfänden und bewirkt außerdem, dass eine Pfändung des – vermeintlichen – Anspruchs des Schuldners den Anspruch des Dritten erfasst, dem der Pfändungsbeschluss ebenso wie dem Schuldner zuzustellen ist. Diese Verfahrensregel kann auf das Insolvenzverfahren nicht übertragen werden. Denn die Haftungsverwirklichung im Insolvenzverfahren geschieht nicht durch Pfändung. Entsprechende Anwendung kann in § 36 I S 2 deshalb nur bedeuten, dass die materiellen Haftungsnormen des § 850h ZPO auch im Insolvenzverfahren gelten sollen. Es handelt sich um eine Spezialregel der Gläubigeranfechtung. Weil nämlich die Rechtsprechung des Reichsgerichts64 und des Reichsarbeitsgerichts65 die Lohnschiebungsverträge für unanfechtbar erklärt hatte, eröffnete das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Zwangsvollstreckung vom 24.10.1934 (RGBl I 1070) den Zugriff nach den Prinzipien der Gläubigeranfechtung. Dabei entspricht die haftungsrechtliche Regel des § 850h I ZPO der Schenkungsanfechtung eines im Valutaverhältnis unentgeltlichen Vertrages zugunsten eines Dritten und § 850h II ZPO der Schenkungsanfechtung einer unentgeltlichen Arbeitsleistung. Die Anwendung dieser materiellen Haftungsnormen im Insolvenzverfahren stellt die in §§ 3, 4 AnfG, 133, 134 InsO erkennbare Harmonisierung der Gläubigeranfechtung außerhalb und innerhalb des Insolvenzverfahrens auch für die Fälle des verschleierten Arbeitseinkommens her. Zur Masse kann danach alles gezogen werden, was dem Gläubigerzugriff außerhalb des Insolvenzverfahrens nach § 850h ZPO unterliegt. Der Insolvenzverwalter kann deshalb von dem in § 850h I ZPO genannten Dritten verlangen, dass er sich der Einziehung der Lohnforderungen enthält, soweit diese pfändbar sind, und von dem Arbeitgeber kann er die Auszahlung des pfändbaren Lohnanteils in die Masse verlangen. Im Falle des § 850h II ZPO kann der Insolvenzverwalter vom Arbeitgeber den 60 Dafür Steder ZIP 1999, 1874, 1880; Mäusezahl ZInsO 2000, 193 f; Grote Einkommensverwertung und Existenzminimum des Schuldners im Verbraucherinsolvenzverfahren S 78 ff; ders ZInsO 2000, 490; aA LG Dortmund NZI 2000, 182 = ZInsO 2000, 240; AG Duisburg NZI 2000, 385. 61 So Kohte Kölner Schrift3, Kap 34 Rn 82 ff. 62 So schon vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 26.10.2001 am 1.12.2001 zutreffend OLG Köln DZWIR 2001, 29 m Anm von Kohte = NJW-RR 2001, 191 = ZInsO 2000, 499 = ZIP 2000, 2074; OLG Köln NZI 2000, 590 = ZInsO 2000, 603; Steder ZIP 1999, 1874; Mäusezahl ZInsO 2000, 193; Stephan ZInsO 2000, 376; Grote ZInsO 2000, 490; für die vor dem 1.12.2001 eröffneten Verfahren (vgl Art 103a EGInsO) gilt deshalb nichts anderes als für die neuen Verfahren; aA für das alte Recht AG Köln DZWIR 2001, 126 = Rpfleger 2001, 197; AG Münster ZInsO 2001, 676; für analoge Anwendung des § 850f ZPO im Weg der Aufsicht des Insolvenzgerichts: OLG Frankfurt/M DZWIR 2001, 32 m Anm von Kohte = NJW-RR 2001, 189; für Zuständigkeit des Prozessgerichts: Fuchs Insrep 2001 Nr 12; für das neue Recht, Zuständigkeit des Insolvenzgerichts: AG Göttingen ZInsO 2003, 435. 63 Dafür Bötticher ZZP 77, 66 Fn 18; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 1 Rn 29; dagegen Jaeger/Lent KO8 § 1 Rn 24; Jaeger ZZP 60, 87. 64 RGZ 69, 59, mwN Jaeger Gläubigeranfechtung2 § 1 Anm 41. 65 WarnRspr 1930 Nr 86, 184, 222. 101

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pfändbaren Teil der angemessenen Vergütung beanspruchen.66 Nur so lässt sich das ungereimte Ergebnis vermeiden, dass die Neugläubiger wegen der Lohnschiebung nach § 850h ZPO zu Lasten der Altgläubiger auf das pfändbare Arbeitseinkommen des Schuldners zugreifen könnten, was ihnen bei ehrlichen Dienst- und Arbeitsverträgen versagt ist. Der Insolvenzverwalter kann einer solchen Pfändung widersprechen (§ 771 ZPO) oder die Forderung ohne Rücksicht auf die Pfändung gegen den Arbeitgeber geltend machen,67 weil die Lohnforderung des Dritten (§ 850h I ZPO) oder die fingierte Lohnforderung (§ 850h II ZPO) zur Masse gehört. Eine Anfechtung nach §§ 129 ff ist nicht notwendig. Verweigert sich der Arbeitgeber, so erlässt gemäß § 36 IV S 1, 2 das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, und zwar ohne sachliche Überprüfung des der Insolvenzmasse angeblich zustehenden Anspruchs.68 Zum Arbeitseinkommen gehören nach § 850 IIIb ZPO auch Renten aus privaten Lebens21 und Unfallversicherungen, wenn die Versicherungsverträge zur Versorgung des Versicherungsnehmers oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen worden sind; so auch die „befreiende Lebensversicherung“ (Rn 28).

2. Pfändungsschutzkonto 22 Forderungen auf Auszahlungen eines Kontoguthabens fallen grundsätzlich in die Insolvenzmasse.69 Ausgenommen ist über § 36 I 2 das der Zwangsvollstreckung entzogene Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto iSd § 850k ZPO. Das Pfändungsschutzkonto („P-Konto“) wurde durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 zum 1.7.2010 eingeführt.70 Es soll dem Schuldner durch einen automatischen Pfändungsschutz71 einen praktisch wirksamen Zugang zum soziokulturellen Existenzminimum sichern und damit zugleich die verfassungsrechtlich gebotenen Teilhabegedanken verwirklichen.72 Ergänzt wird es durch das mit dem Zahlungskontengesetz 2016 eingeführten Anspruch auf ein Basiskonto für jedermann. Inzwischen gibt es mehr als 2,5 Mio Pfändungsschutzkonten,73 deren Bedeutung für die Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzpraxis ganz erheblich ist. Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz durchgeführte Studie konstatierte, dass sich das Instrument zwar grundsätzlich bewährt habe, sah aber in verschiedenen Punkten durchaus Reformbedarf.74 Dem hat der Gesetzgeber durch das am 1.12.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PkoFoG)75 Rechnung getragen.76 Nach § 850k I ZPO kann eine natürliche Person von ihrem Kreditinstitut auch bei einem im Soll 23 geführten Konto die Umwandlung in ein P-Konto verlangen, das allerdings ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden darf. Die Umwandlung eines mit einer Pfändung belasteten Zahlungskontos in ein P-Konto hat auf Verlangen des Schuldners spätestens zu Beginn des vierten Geschäftstages nach dem Verlangen zu erfolgen, § 850k II ZPO. Der Schuldner kann auch noch nach Insolvenzeröffnung

BAG NZA 2013, 1079 Rn 16; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87/74 § 35 Rn 77, § 36 Rn 28b. A Blomeyer Zivilprozessrecht, Vollstreckungsverfahren, § 55 II. Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 22. S nur OLG Dresden NZI 2021, 1086. BGBl I 2009, S 1707; zum Gesetz s etwa Ahrens NJW 2010, 2001 („Aufbruch in die Moderne“). Zum unzureichenden nachgelagerten Schuldnerschutz nach § 850k aF s Kohte/Busch ZVI 2006, 142 ff; Vorauflage Rn 17. 72 Herberger Menschenwürde in der Zwangsvollstreckung (2022) S 292; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 850k Rn 1 f. 73 Kraft/Tkotsch DGVZ 2020, 109. 74 Institut für Finanzdienstleistungen Schlussbericht zur Evaluierung des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes (2016), abrufbar unter www.bmj.de. 75 Gesetz vom 22.11.2020, BGBl I S 2466. 76 S Els RPfleger 2021, 326 ff; Giers FamRZ 2021, 1098 ff; Lissner JurBüro 2021, 397 ff; Salten MDR 2021, 11 ff.

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die Umwandlung seines Kontos in ein P-Konto verlangen.77 Im Insolvenzfall erlischt ein bereits bestehendes P-Konto nicht nach §§ 115, 116. Der Schuldner kann weiterhin über das pfändungsfreie Guthaben verfügen. Einer Freigabe des Insolvenzverwalters bedarf es hierzu nicht, wie der neue § 36 I S 3 nunmehr ausdrücklich klarstellt.78 Jeder Schuldner kann nach § 850k III S 1 ZPO nur ein Pfändungsschutzkonto unterhalten. Führt er mehr als ein P-Konto, ordnet das Vollstreckungsgericht – dh während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß § 36 IV S 1 das Insolvenzgericht – ohne Anhörung des Schuldners auf Antrag des Insolvenzverwalters, der hier die Interessen der Gläubigergesamtheit vertritt, an, dass nur das vom Verwalter angegebene Zahlungskonto P-Konto ist. Der Beschluss ist allen Drittschuldnern zuzustellen. Mit der Zustellung an die Kreditinstitute, deren Zahlungskonten nicht zum P-Konto bestimmt worden sind, entfallen die Wirkungen dieser Pfändungsschutzkonten. Der Schuldner kann mit einer Frist von vier Geschäftstagen zum Monatsende die Rückumwandlung eines P-Kontos in ein normales Zahlungskonto gemäß § 850k V ZPO verlangen. Die Zustimmung des Verwalters benötigt er hierfür nicht, doch wird er während des laufenden Verfahrens auf den Pfändungsschutz in der Regel nicht verzichten wollen. § 850l ZPO ermöglicht bei einem Gemeinschaftskonto (Oder-Konto) die Einrichtung von Einzelkonten und den Schutz der unpfändbaren Teile des Guthabens auf diesen Einzelkonten innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten ab Zustellung der Pfändung beim Drittschuldner. Die Wirkungen des P-Kontos sind im neu gefassten 4. Abschnitt des 8. Buchs der ZPO in den 24 §§ 899–910 ZPO geregelt worden. Pfändungsfrei ist bei Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gem § 899 I ZPO der aufgerundete monatliche Freibetrag nach § 850c I, IV ZPO (sog Sockelbetrag). Dieser Sockelbetrag wird dem Schuldner automatisch zur Sicherung seines Existenzminimums gewährt. Ohne Bedeutung ist dabei, auf welchen Gutschriften das geschützte Guthaben beruht. Der Pfändungsschutz knüpft nicht an die Art der Einkünfte an.79 Der nicht verbrauchte pfändungsfreie Betrag des P-Kontos wird bis zu drei Monate übertragen (§ 899 II S 1 ZPO). Verfügungen sind jeweils mit dem Guthaben zu verrechnen, das zuerst dem P-Konto gutgeschrieben wurde (§ 899 II S 2 ZPO).80 Kreditinstitute können bei negativem Saldo eines P-Kontos eine Gutschrift nicht verrechnen und die Einzahlung zum eigenen Kontoausgleich verwenden, § 901 ZPO. Der pfändungsgeschützte Sockelbetrag wird nach § 902 ZPO erhöht wegen Unterhaltsgewährung aufgrund gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen, Geldleistungen nach § 54 II oder III Nr 3 SGB I, Geldleistungen gemäß § 5 I MuKStiftG, Geldleistungen nach SGB II, SGB XII oder dem AsylbewerberleistungsG, Kindergeld oder unpfändbarer Geldleistungen. Den Nachweis für die Erhöhungsbeträge muss der Schuldner erbringen (§ 903 ZPO). Erhält der Schuldner Nachzahlungen, so werden laufende Geldleistungen nur nach Maßgabe von § 904 I-IV ZPO erfasst. Für die Festsetzung der Höhe des pfändungsfreien Betrags bei einer erfolgten Nachzahlung an den Insolvenzschuldner ist gemäß § 904 V ZPO iVm § 36 IV 4 S 1 das Insolvenzgericht zuständig. Kann der Schuldner die erforderliche Bescheinigung der zuständigen Stellen für die Erhöhungsbeträge nicht in zumutbarer Weise erlangen, entscheidet wiederum das Vollstreckungsgericht bzw nach § 36 IV 4 S 1 das Insolvenzgericht durch Beschluss, der als Bescheinigung iSd § 903 I 1 S 2 ZPO gilt (§ 905 ZPO). Dieses kann zugunsten des Schuldners, aber auch der Gläubiger in den in § 906 ZPO genannten Fällen einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen.

3. Unterhalts- und Rentenansprüche Nach geltendem Prozessrecht sind nicht bloß der gesetzliche Unterhaltsanspruch selbst (§§ 1360 ff, 25 1569 ff, 1601 ff, 1969 BGB), sondern auch die ihn nach §§ 844, 618 III BGB (Tötung des Ernährers) ersetzende Rente (§ 850b I Nr 2 ZPO) sowie die insbesondere nach § 843 BGB, § 8 HaftpflG, 13 StVG, 38 77 Casse ZInsO 2015, 1033, 1035; Musielak/Voit/Lackmann ZPO19 vor §§ 850k, 850l Rn 14; offengelassen von BGH NZI 2014, 414 Rn 10. 78 Kraft/Tkotsch DGVZ 2020, 109, 114. 79 BGHZ 191, 270 Rn 7 = NJW 2012, 79; OLG Dresden NZI 2021, 1086, 1087. 80 So schon vor Inkraftreten des PkoFoG BGHZ 216, 184 Rn 29 f = NJW 2018, 299. 103

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

LuftVG, § 30 AtomG wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichtende Rente (§ 850b I Nr 1 ZPO) bedingt pfändbar. Da nach § 850b II ZPO auch die Art des beizutreibenden Anspruchs zu berücksichtigen ist, können die in § 850b I ZPO genannten Forderungen jeweils nur zugunsten einzelner Gläubiger pfändbar sein. Würden sie zur Masse gezogen, kämen sie aber allen Gläubigern zugute. Außerdem wird § 850b ZPO in der Verweisungsnorm des § 36 I S 2 nicht genannt. Dennoch hat der Bundesgerichtshof mit plausiblen Argumenten entschieden, dass § 850b ZPO im Insolvenzverfahren insgesamt anwendbar sei. Dies ergebe sich schon aus § 36 I S 1, auf die fehlende Erwähnung in § 36 I S 2 soll es demgegenüber nicht ankommen. Abzuwägen sind demnach bei der Billigkeitsentscheidung nach § 850b II ZPO die Interessen des Schuldners und die Belange der Gläubigergesamtheit.81 Erforderlich ist eine umfassende und nachvollziehbare Gesamtwürdigung, in die alle in Betracht kommenden Umständen des Einzelfalls einfließen, etwa die Höhe der Bezüge und vom Schuldner dargelegte erhöhte Bedürfnisse wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit. Sind auf Seiten des Schuldners keine besonderen Gesichtspunkte ersichtlich, kann die Pfändbarkeit auch anhand der Freigrenzen des § 850c I ZPO bestimmt werden.82 Die Entscheidung, die bedingt pfändbaren Bezüge des Schuldners zur Masse zu ziehen, trifft das Insolvenzgericht, der Insolvenzverwalter ist antragsberechtigt.83

4. Freigebige Zuwendungen 26 Der Spender kann auch bei freigebigen Zuwendungen kein Pfändungsverbot als solches begründen. Auch kann er die Befugnis des Bedachten, über zugewendete veräußerlichte Rechte zu verfügen, soweit das Gesetz keine Ausnahme zulässt (wie etwa eine auflösende Bedingung oder eine Testamentsvollstreckung), nicht rechtsgeschäftlich beschränken (§ 137 BGB). Im Insolvenzverfahren versagen sogar relative gesetzliche und behördliche Veräußerungsverbote (§ 80 II, zum Insolvenzverfahren eines Vorerben s § 83 II). Wohl aber kann der Spender, namentlich zum Vorteil dritter Personen, das zugewendete Recht selbst herabmindern und damit auch dem Zugriff der Gläubiger des Bedachten feste Grenzen setzen.84 Kommt eine unentgeltliche Zuwendung dem Insolvenzschuldner nur dem Ertrage nach zu, so fällt auch nur der Ertrag in die Masse und auch der Ertrag gebührt den Insolvenzgläubigern nicht in vollem Umfange, sondern nur in den Grenzen des § 850b I Nr 3 ZPO. Die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht (§ 2338 BGB) entzieht die dem Erben-Insolvenzschuldner gebührenden Nutzungen in den Grenzen des § 863 ZPO – also namentlich nicht für das Nachlassinsolvenzverfahren (§ 863 II ZPO mit § 327 InsO) – dem Zugriff der Gläubiger. Besteht die Pflichtteilsbeschränkung in der Übertragung der Verwaltung auf einen Testamentsvollstrecker (§ 2338 I S 2 BGB, § 863 I S 2 ZPO), so behält dieser im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben die Verfügungsmacht. Vgl aber für das Nachlassinsolvenzverfahren die Erläuterungen zu §§ 315 ff.

5. Private Versicherungen 27 Ansprüche aus Versicherungsverträgen bilden als Rechte von Vermögenswert an sich Bestandteile der Insolvenzmasse des Berechtigten.85 Beschlagsfähig sind nicht nur Ansprüche aus dem Bereich der Schadensversicherung, zB gegen Feuer, Wasser, Hagel, Viehseuchen, Sturm, Einbruch, Zahlungsunfähigkeit, Transportschäden, Haftpflicht, sondern auch Ansprüche auf Grund der Perso81 BGH NZI 2010, 141 Rn 7 ff mablAnm von Asmuß; bestätigt durch BGH NZI 2010, 777 Rn 41; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 493 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 9; anders noch die Vorauflage mwN. 82 BGH NZI 2010, 141 Rn 14. 83 BGH NZI 2010, 141 Rn 10; NZI 2010, 777 Rn 41. 84 RGZ 25, 291; 46, 165. 85 Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 34 ff. Müller

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nenversicherung (Tod, Krankheit, Unfall, Erwerbsunfähigkeit), es sei denn, dass bei den letztgenannten die Leistungen des Versicherers rein persönlicher Art wären, wie zB freie ärztliche Behandlung oder Verpflegung des Versicherten in einem Krankenhaus oder Altersheim. Doch bestehen besondere Beschlagsschranken. So für die Versicherung unpfändbarer Fahrnis (Rn 16), die Kranken-, Lebens- und Unfallversicherung und die Gebäudeversicherung.

a) Private Kranken-, Lebens-, Unfall- und Altersvorsorgeversicherungen. Ansprüche aus 28 privaten Kranken-, Lebens- und Unfallversicherungen fallen insoweit nicht in die Masse, als sie nach § 850b I Nr 4 ZPO bedingt pfändbar sind. Ansprüche aus Lebens- und Unfallversicherungen, die nur auf den Todesfall und über eine Summe von nicht mehr als 5400 A abgeschlossen sind, bleiben massefrei. Eine abweichende Billigkeitsentscheidung des Insolvenzgerichts auf Antrag des Insolvenzverwalters nach § 850b II ZPO ist im Einzelfall möglich (Rn 25). Andere Lebens- und Unfallversicherungen bleiben massefrei, wenn es sich um eine Rentenversicherung handelt, die zur Versorgung des Versicherungsnehmers oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen worden ist, allerdings nur insoweit, als die Rente die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO nicht übersteigt (§ 850 IIIb ZPO). Für private Versicherungen, die der Altersvorsorge dienen, wurde der Pfändungsschutz 29 durch die mit Wirkung ab 31.3.2007 eingeführten §§ 851c, 851d ZPO erweitert.86 Damit wird die verfassungsrechtlich gebotene (Art 3 GG) Gleichstellung der Altersvorsorge von Selbstständigen mit der von Arbeitnehmern verwirklicht. Der Schutz von Ansprüchen auf Leistungen nach § 851c ZPO (sog „Rürup-Rente“) setzt voraus, dass die in der Zahlphase gewährte Rente nach Eintritt des 60. Lebensjahres oder bei Berufsunfähigkeit gewährt wird, über die Ansprüche nicht verfügt werden darf, die Bestimmung von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen ausgeschlossen ist und kein Kapitalwahlrecht besteht. Liegen diese Voraussetzungen vor, bleibt schon in der Ansparphase nach Maßgabe von § 851c II ZPO für den Versicherungsnehmer die Möglichkeit, einen nach dem Lebensalter zu berechnendes, pfändungsfreies Deckungskapital von bis zu 340.000 A anzusammeln. Soweit der maßgebliche Maximalbetrag überschritten wird, bleiben nach § 851c II S 3 ZPO noch weitere drei Zehntel des überschießenden Betrags pfändungsfrei. Die späteren Rentenzahlungen sind entsprechend den Vorschriften über die Pfändung von Arbeitseinkommen pfändbar (dazu oben Rn 17 ff). Geschützt ist der Schuldner aber nur dann, wenn sämtliche Voraussetzungen im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen. Für die Beurteilung der Massefreiheit ist auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung abzustellen.87 Bei den sog Riester-Verträgen nach dem Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz kann der Verwalter die ausgezahlte Rente gemäß § 36 I S 2 iVm § 851d ZPO nur wie Arbeitseinkommen zur Masse ziehen. Gemäß § 97 S 1 EStG ist das steuerlich geförderte Altersvorsorgevermögen nicht übertragbar und unterliegt insoweit gemäß § 851 I ZPO iVm § 36 I 1 nicht dem Insolvenzbeschlag.88 Daher kann der Verwalter den Vertrag auch nicht kündigen.89 b) Handwerker-Lebensversicherung. Nach § 22 I der VO vom 13.7.1939 (RGBl I 1255) war der 30 Kapitalanspruch aus einer Handwerker-Lebensversicherung bis zum Höchstbetrage von 10000,– DM und der Anspruch auf Zahlung einer Rente in dem gleichen Umfange wie Ansprüche auf Arbeitsvergütung unpfändbar und damit der Konkursmasse entzogen, wenn auf Grund eines Lebensversicherungsvertrages Versicherungsfreiheit oder Halbversicherung in der gesetzlichen Versicherung geltend gemacht worden ist (Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk – HVG). § 22 I der genannten VO und das HVG sind durch § 14 des Gesetzes über die Rentenversicherung der Handwerker – HwVG – vom 8.9.1960 (BGBl I 737) mit Wirkung vom 1.1.1962 aufgehoben worden. Das 86 87 88 89 105

Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26.3.2007, BGBl I S 368. BGH NJW 2015, 350 Rn 12. BGH NJW 2018, 1166 Rn 13 ff. Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 850d Rn 1. Müller

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

HwVG lässt keine Befreiungsversicherungen mehr zu. Nach § 6 III HwVG bleiben jedoch diejenigen Handwerker versicherungsfrei, die bis zum 31.12.1961 von der Versicherungspflicht befreit waren. Über den Pfändungsschutz für die alten Befreiungsversicherungen sagt das HwVG nichts. Der BGH90 wendet aber § 22 I der VO vom 13.7.1939 nach wie vor auf diese Versicherungen an.91 Sie sollen auch dann nicht in die Insolvenzmasse fallen, wenn die Versicherung in eine prämienfreie umgewandelt wurde und damit die Befreiungswirkung entfallen ist.92

31 c) Wiederaufbauklausel in der Gebäudeversicherung. Eine vertragliche rechtsbeschränkende Zweckbestimmung enthält die sog Wiederaufbauklausel im Gebäude-Feuerversicherungsvertrag, wonach der Versicherer die Entschädigungssumme ganz oder teilweise nur zur Wiederherstellung des versicherten Gebäudes zu zahlen hat93 Ist danach der Versicherer nur verpflichtet, die Entschädigungssumme zum Zwecke des Wiederherstellung des Gebäudes zu zahlen, dann ist der Versicherungsanspruch inhaltlich auf einen bestimmten Zweck beschränkt. Daran ist auch der Insolvenzverwalter gebunden.94 Allerdings kann er nach § 93 S 1 VVG (anders als nach § 97 VVG aF) im Zweifel – die Regelung ist dispositiv – den Zeitwert iSd § 88 VVG sofort ersetzt verlangen, lediglich die Zahlung eines darüber hinausgehenden Mehrbetrags ist daran geknüpft, dass die Wiederherstellung des Gebäudes gesichert ist. Wird die Wiederherstellung dann nicht innerhalb angemessener Frist vorgenommen, so ist die sog Neuwertspitze der Versicherung zurückzuerstatten (§ 93 S 2 VVG). Eine Beschränkung der Abtretung des Entschädigungsanspruchs ist abweichend vom früheren Recht (§ 98 VVG aF) nicht mehr vorgesehen, daher kann die Verwertung auch durch Übertragung an einen beliebigen Dritten erfolgen. Die Neuwertspitze wird der Zessionar aber idR nur realisieren können, wenn er zugleich das Grundstück erwirbt und den Wiederaufbau vornimmt. Der Insolvenzverwalter wird also bei Versicherung für eigene Rechnung des Versicherungsnehmers bemüht sein, entweder die Baustelle samt dem durch die Zweckbindung beschränkten Versicherungsanspruch zu veräußern oder, wenn dies für die Masse vorteilhafter ist, die Entschädigungssumme nach Sicherung ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung einzuziehen, mit diesen Mitteln das Gebäude herzustellen und es dann zu veräußern. Der Erlös fällt in jedem Fall in die Masse95 und steht zur gleichmäßigen und ranggerechten Befriedigung der Gesamtheit der Gläubiger zur Verfügung, eine Bevorzugung der Baugläubiger ist nicht zu rechtfertigen.96 Soweit die Baugläubiger Massegläubiger sind (§§ 103, 55 I Nr 1 oder Nr 2), können sie die Versicherungsforderung allerdings pfänden. Sind sie Insolvenzgläubiger – etwa wenn sie den Vertrag vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens voll erfüllt haben oder der Insolvenzverwalter die weitere Erfüllung ablehnt –, steht dem Zugriff auf einen Gegenstand, der zur Masse gehört, § 89 entgegen. Die Grundpfandgläubiger sind nach Maßgabe von §§ 1128 ff BGB, 142 ff VVG geschützt.

6. Baugeldforderungen 32 Nach § 1 des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen vom 1.6.1909 (RGBl 449) ist der Empfänger von Baugeld verpflichtet, dieses zur Befriedigung solcher Personen zu verwenden, die

90 BGHZ 44, 192. 91 Ebenso LG Berlin VersR 1963, 813; KG VersR 1964, 326; AG Tempelhof VersR 1964, 328; Heilmann KTS 1966, 79, 80; aA Keltenich VersR 1963, 401 ff; LG Kiel VersR 1963, 1213. BGHZ 44, 192 in Anlehnung an KG VersR 1964, 326 und BGHZ 35, 261. Vgl RGZ 95, 207. K Schmidt/Büteröwe InsO20 § 35 Rn 12. BGH KTS 1994, 231 = LM Nr 15 § 1 KO = NJW-RR 1994, 343 = ZIP 1994, 142, dazu EWiR § 1 KO 1/94, 163 (Grub) = WuB VI B. § 1 KO 2.94 Krumwiede; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 9. 96 Anders (Sondermasse) Meller-Hanich KTS 2000, 37, 55 und die Vorauflage; für Massefreiheit Faber VersR 1956, 399; Seuffert LZ 1909, 104; Kirchberger ZHR 68, 172.

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an der Herstellung des Baues beteiligt sind. Baugeld sind Geldbeträge, die zu dem Zwecke der Bestreitung der Kosten eines Baues in der Weise gewährt werden, dass zur Sicherung der Ansprüche des Geldgebers eine Hypothek oder Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstück dient oder die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück erst nach gänzlicher oder teilweiser Herstellung des Baues erfolgen soll (§ 1 III BauFordSiG). Auf Grund der Zweckbindung ist der Anspruch auf Auszahlung des Baugeldes nur für Bauhandwerker, Architekten etc pfändbar.97 Wird der Darlehensvertrag nicht nach § 490 BGB gekündigt, so fällt der Anspruch auf Auszahlung des Baudarlehens in die Insolvenzmasse.98 Dass unpfändbare Gegenstände nach § 36 nicht in die Masse fallen, soll bewirken, dass sie dem Schuldner zur freien Verfügung bleiben. Dient die Unpfändbarkeit aber dem Schutz Dritter, wie hier dem der Baugläubiger, so wäre es unangemessen, die Forderung dem freien Vermögen des Schuldners zuzuweisen. Die Strafbarkeit der zweckwidrigen Verwendung (§ 2 BauFordSiG)99 reicht nicht aus, um die Baugläubiger zu schützen, wenn man dem vermögenslosen Schuldner die Verfügungsbefugnis über den Anspruch belässt. Zu überlegen ist, ob der vom Gesetz bezweckte Schutz der Baugläubiger dadurch verwirklicht werden kann, dass der Insolvenzverwalter die Baugelder von der übrigen Masse getrennt hält und an die Baugläubiger gesondert verteilt.100 Nach der Rechtsprechung begründet das BauFordSiG jedoch keine Zuweisung eines bestimmten Vermögensbestandteils an einzelne Gläubiger, sondern nur eine unselbstständige Verhaltenspflicht.101 Der Insolvenzschutz der Baugläubiger ist also nicht stärker als bei einer vertraglichen Abrede (Rn 31, 52).

7. Ansprüche aus Bausparverträgen Nach § 5 III Nr 7 BSpKG können die Bausparbedingungen vorsehen, dass die Ansprüche aus dem 33 Bausparvertrag auf Auszahlung der angesparten Summe und der Habenzinsen sowie auf Gewährung des Bauspardarlehens nicht abgetreten und verpfändet werden dürfen. Solche Klauseln hindern jedoch die Pfändung der genannten Ansprüche nicht (§ 851 II ZPO).102 Sie fallen deshalb in die Masse. Der Anspruch auf Auszahlung des Darlehens ist freilich für die Masse regelmäßig wertlos, da die Bausparkasse den Vertrag nach § 490 BGB oder auf Grund der in den Verträgen üblichen Insolvenzklauseln kündigen wird. Wird das Darlehen trotz des Insolvenzverfahrens gewährt, so unterliegt der Verwalter der vertraglich vereinbarten Zweckbindung, anderes gilt für den Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens.103 Die Wohnungsbauprämien sind gem § 5 II Wohnungsbau-Prämiengesetz (WoPG) zu dem vertragsgemäßen Zweck zu verwenden, andernfalls müssen sie zurückgezahlt werden.104 Nur in dem Ausnahmefall des § 5 III WoPG kann der Insolvenzverwalter über die Prämie frei verfügen.

8. Sparzulagen Aus staatlichen Mitteln gewährte Arbeitnehmersparzulagen gem § 13 des 5. Vermögensbildungs- 34 gesetzes – VermBG – sind nicht übertragbar (§ 13 III S 2 VermBG) und damit weder pfändbar 97 BGH NJW 2013, 2514 Rn 5; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 851 Rn 21. 98 OLG Hamm ZInsO 2007, 331; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 412; aA Faber VersR 1956, 399. 99 Dazu BGH NStZ 2022, 420. 100 Vorauflage Rn 25; K Schmidt/Büteröwe InsO20 § 36 Rn 4. 101 OLG Hamm ZInsO 2007, 331; für die bereits eingezogenen Beträge auch BGH NJW 2013, 2514 Rn 5; ferner Jaeger/ Lent KO8 § 30 Rn 41; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 175. 102 Rebsamen JW 1935, 816, gegen die dort abgedruckte Entscheidung des LG Naumburg; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 176. 103 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 176. 104 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 177. 107

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

noch Bestandteil der Insolvenzmasse. Gleiches gilt für die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers (§ 2 VII S 2 VermBG), allerdings nur bis zu dem in § 13 II VermBG als förderungswürdig anerkannten Umfangs.105 Insoweit sind auch die bereits angelegten vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt (§ 11 II VermBG).106 In die Masse fallen aber etwa die Zinsen aus Sparverträgen.

9. Recht zur Rücknahme einer hinterlegten Sache und auf Erstattung des Zahlbetrags 35 Unmittelbar durch das BGB (§ 377 I) ist das Recht zur Rücknahme einer zum Zwecke der Schuldbefreiung hinterlegten Sache der Pfändung entzogen. Das Recht gehört deshalb auch nicht zur Insolvenzmasse.107 Dem Insolvenzverwalter ist also die Möglichkeit genommen, die hinterlegte Sache zur Masse zu ziehen, obgleich sie zunächst dem Schuldner noch „gehört“. Auch der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch rücknahmeberechtigte Schuldner darf während des Verfahrens das Recht zur Rücknahme nicht ausüben (§ 377 II BGB). Durch diese Vorschriften wird das Recht des Gläubigers auf die hinterlegte Sache (§§ 376 II Nr 2, 382 BGB) sichergestellt einerseits gegenüber der Gläubigergemeinschaft, andererseits gegenüber dem Schuldner. Notwendige Folge ist, dass der Gläubiger die Befugnis behält, der Hinterlegungsstelle wirksam die Annahme zu erklären und so im Laufe des Insolvenzverfahrens das Eigentum an der hinterlegten Sache zu erwerben. Indem die Sondervorschrift des § 377 BGB auf diese Weise dem empfangsberechtigten Gläubiger die Aneignungsmacht gegenüber den übrigen Gläubigern gewährleistet, schließt sie die Anwendung des § 91 aus. Der durch § 377 BGB gesicherte Rechtserwerb des Gläubigers scheitert nicht an § 91.108 Weil das Rücknahmerecht nicht zur Masse gehört, kann auch die Annahmeerklärung des Gläubigers während des Insolvenzverfahrens nicht wirksam gegenüber dem Verwalter abgegeben werden. Deshalb kann der Schuldner, nicht aber der Insolvenzverwalter, auf das Rücknahmerecht verzichten und damit nach § 376 II Nr 1 BGB die Rücknahme ausschließen.109 War die Hinterlegung mit der Maßgabe des § 373 BGB erfolgt, so hat der Gläubiger auch im Insolvenzverfahren des Schuldners die hinterlegte Sache nur zu beanspruchen, wenn er seine Gegenleistung Zug um Zug bewirkt, die massefreie an den Schuldner in Person, die der Insolvenzmasse gebührende an den Verwalter (§§ 81, 82). Das Rücknahmerecht darf vom Schuldner auch dann nicht ausgeübt werden, wenn der Gläu36 biger der Rücknahme zustimmt,110 denn die Rücknahme würde die Hinterlegungsfolgen des § 379 BGB beseitigen und könnte deshalb der Masse Nachteile bringen. Gehört die hinterlegte Sache an sich zur Masse und stimmt der Gläubiger der Rücknahme zu, so kann nur der Insolvenzverwalter das Rücknahmerecht ausüben. Solange die Rücknahme der hinterlegten Sache nicht ausgeschlossen ist, besteht die Forde37 rung des Gläubigers weiter (§ 378 BGB). Doch kann ihn der Verwalter auf die hinterlegte Sache verweisen (§ 379 BGB) und erforderlichenfalls auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der Hinterlegung klagen (§ 256 ZPO). Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wird das Rücknahmerecht des Schuldners wieder frei, falls er es nicht unterdessen zB durch Verzicht bereits verloren hat (§ 376 II BGB). Stand es dem Schuldner schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zu (§ 378 BGB), darf der Gläubiger erst recht die Auslieferung der hinterlegten Sache auch wäh105 MünchKomm/Smid ZPO6 § 850 Rn 31. 106 Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 850 Rn 29; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 21. 107 BGHZ 186, 269 Rn 30 = NJW 2010, 3510; Soergel/Schreiber BGB13 § 377 Rn 3; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 44; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 74; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 206.

108 Enneccerus/Lehmann Schuldrecht15 § 67 I 4; Soergel/Schreiber BGB13 § 377 Rn 3; Staudinger/Kern BGB (2022) § 377 Rn 10; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 206; aA Hellwig Verträge auf Leistung an Dritte (1899) S 462 ff. 109 Soergel/Schreiber BGB13 § 377 Rn 3; Staudinger/Kern BGB (2022) § 377 Rn 9. 110 AA Staudinger/Kern BGB (2022) § 377 Rn 11. Müller

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rend des Insolvenzverfahrens verlangen. § 377 BGB ist unanwendbar, wenn das Annahmerecht des Gläubigers nach § 382 BGB erloschen ist; die Geltendmachung des Rückfalls steht im Insolvenzverfahren dem Verwalter zu (§ 80). § 377 BGB ist ferner unanwendbar, wenn die Voraussetzungen rechtswirksamer Hinterlegung (§ 372 BGB) nicht oder nicht mehr vorliegen, weil etwa der Dritte in Wirklichkeit nicht oder nicht mehr Gläubiger ist. War hier die Hinterlegung noch nicht unwiderruflich geworden, übt der Insolvenzverwalter des Hinterlegers dessen Rücknahmerecht für die Insolvenzmasse aus (§ 376 BGB mit § 80 InsO). War aber die einseitige Rücknahme bereits ausgeschlossen, kann der Verwalter die Bewilligung der Rücknahme vom Dritten, der die Anwartschaft aus der Hinterlegung auf Kosten der Insolvenzmasse ohne rechtlichen Grund hat, beanspruchen (§ 812 BGB). Ist der Schuldner auf Grund unwiderruflicher Hinterlegung nach § 75 ZPO aus dem Rechtsstreit entlassen, kann es zu einem Urteil zwischen den beiden verbleibenden Parteien, dass keiner von ihnen berechtigt ist, nicht kommen, denn das Zivilprozessrecht kennt eine solche Möglichkeit nicht. Damit ist auch ein Bereicherungsanspruch der Masse ausgeschlossen.111 In entsprechender Anwendung von § 377 I BGB fällt der Anspruch des Zahlers gem § 675x I, II, 38 IV BGB binnen acht Wochen ab Belastungsbuchung von seinem Kreditinstitut Erstattung des Zahlbetrags verlangen zu können, nicht in die Insolvenzmasse.112 Mit der Erteilung des Zahlungsauftrags an seine Bank hat der Schuldner bereits mit der endgültigen Befriedigung des Gläubigers begonnen und diesem eine weitgehendere Position als im Hinterlegungsverfahren verschafft. In diesen Vorgang darf der Insolvenzverwalter – unbeschadet der Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff InsO) – nicht mehr eingreifen. Keine analoge Anwendung findet jedoch § 377 I BGB. Verlangt der Schuldner nach Eröffnung des Zahlbetrages, führt dies zu einem Neuerwerb der Insolvenzmasse.113

10. Anspruch des Gläubigers auf eine für ihn hinterlegte Sache; Pfandrecht des § 233 BGB Der Anspruch des Gläubigers auf eine für ihn hinterlegte beschlagsfähige Sache ist pfändbar und 39 gehört dementsprechend zu seiner Insolvenzmasse. Wird nach einer Hinterlegung zum Zwecke der Sicherheitsleistung (§ 232 BGB) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hinterlegenden eröffnet, ist der Berechtigte durch das gesetzliche Pfandrecht des § 233 BGB als Absonderungsberechtigter gesichert. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Inhabers des Pfandrechts gehört dieses mit der pfandgesicherten Forderung zur Masse.

11. Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis Da eine nicht übertragbare Forderung nach § 851 ZPO grundsätzlich auch nicht gepfändet wer- 40 den kann, führt die Unübertragbarkeit eines Rechtes nach § 857 ZPO zu seiner Unpfändbarkeit, und damit auch zur Massefreiheit.114 Der Anteil des Schuldners an einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, OHG oder KG ist aber gem § 859 BGB pfändbar und damit Massestandteil.115 Die Gesellschafterrechte werden vom Insolvenzverwalter wahrgenommen.116 Ausgenommen sind lediglich höchstpersönliche Rechte wie das Recht zur Geschäftsführung.117 Auch hat der Verwalter 111 Stein/Jonas/Jacoby ZPO23 § 75 Rn 13; aA Jaeger KO6/7 § 1 Rn 30; Hellwig System § 183 bei N 33; Picker FS Flume (1978) Bd I S 715 ff; MünchKomm/Schultes ZPO14 § 75 Rn 14. 112 BGHZ 186, 269 Rn 27 ff = NJW 2010, 3510; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 206. 113 BGHZ 186, 269 Rn 30 = NJW 2010, 3510. 114 Meller-Hanich KTS 2000, 37, 54. 115 OLG München NZG 2017, 612, 613; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 481; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 194. 116 OLG München NZG 2017, 612, 613; Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 481. 117 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 197, 208. 109

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

aufgund der Trennung der Vermögenssphären keinen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen.118 Er ist aber insbesondere befugt, die Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaft des Schuldners (§§ 713, 666 BGB; § 711 BGB nF) geltend machen, auch wenn diese Rechte nach nach § 717 S 1 BGB (§ 711a S 1 BGB nF) nicht isoliert übertragbar und damit unpfändbar sind. Er kann also darauf klagen und auch aus einem schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom jetzigen Insolvenzschuldner erstrittenen Urteil gegen den Mitgesellschafter nach § 888 ZPO die Vollstreckung betreiben.119 Denn der Insolvenzverwalter übt die Rechte des Gesellschafters aus und ist kein Dritter iS einer außerhalb der Gesellschaft stehenden Person, der die Auskunft verweigert werden könnte. Ansprüche eines Gesellschafters, die sich bereits aus dem Gesellschaftsverhältnis gelöst haben, wie solche auf Anteil am tatsächlich gezogenen Gewinn oder auf Zahlung einer Abfindung, bilden gemäß § 717 S 2 BGB (§ 711a S 2 BGB nF) selbständige Massebestandteile. Wird die Gesellschaft durch die Insolvenz des Gesellschafters ausnahmsweise aufgelöst, so erfolgt die Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 84). Der Anteil des Gesellschafters am Liquidationserlös fällt in die Masse.120 Bei einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehört der Anteil des Schuldners ebenfalls zur Masse, und zwar auch dann, wenn die Veräußerung satzungsmäßig nur mit Genehmigung der Gesellschaft zulässig ist (§ 68 II AktG, § 15 V GmbHG). Damit kann der Verwalter auch das Informationsrecht des Gesellschafters nach §§ 51a GmbHG121 und dessen Stimmrecht122 geltend machen, obwohl diese Rechte nicht isoliert übertragbar und damit unpfändbar ist.123 Im Gesellschaftsinsolvenzverfahren fällt das Recht auf Zahlung der Einlagen in die Masse. Durch die Satzung kann nicht bestimmt werden, dass im Insolvenzverfahren eines Gesellschafters dessen Geschäftsanteil unentgeltlich durch die Gesellschaft eingezogen werden kann; nur die Einziehung gegen angemessenes Entgelt kann vorgesehen werden.124

12. Vermögensrechtliche Ansprüche zwischen Ehegatten 41 Der Anspruch eines Ehegatten gegen den anderen, durch Arbeit die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 BGB) ist nach § 851 ZPO unpfändbar und deshalb auch kein Massebestandteil, während der Anspruch eines Ehegatten gegen den anderen auf Unterhaltszahlung nach § 850b I Nr 2 ZPO bedingt pfändbar ist, als solcher aber grds ebenfalls nicht zur Insolvenzmasse gehört (s Rn 25). Stellt ein Recht das gesamte Vermögen eines Ehegatten dar, der im gesetzlichen Güterstand 42 lebt, und unterliegt es deshalb der Verfügungsbeschränkung des § 1365 BGB, so ist es dennoch pfändbar125 und gehört zur Insolvenzmasse (s zu § 37 Rn 8).

13. Honorarforderungen schweigepflichtiger Berufsgruppen 43 Honorarforderungen der Personen, die nach § 203 StGB zur Wahrung von Privatgeheimnissen verpflichtet sind, können wegen der Auskunftspflicht des § 402 BGB nicht ohne weiteres wirksam abgetreten werden. Da § 203 StGB dem Schutz des honorarpflichtigen Patienten oder Mandanten und der Wahrung dessen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dient, ist dessen Einwilligung erfor118 119 120 121 122 123 124 125

Kübler/Prütting/Noack GesR Rn 481. KG OLGRspr 41, 132. Nerlich/Römermann/Andres InsO15 § 35 Rn 53. Scholz/K Schmidt GmbHG12 § 51a Rn 15a. OLG München NZI 2011, 28. BGHZ 197, 181 = ZIP 2013, 1071. RGZ 142, 373, 376 f; BGHZ 32, 151, 156; 65, 22, 26; zu Buchwertklauseln: BGHZ 144, 365, 367 und BGH ZIP 2002, 258. OLG Hamburg NJW 1970, 952; Soergel/Czeguhn BGB13 § 1365 Rn 11; Staudinger/Thiele BGB (2017) § 1365 Rn 13; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 79. Müller

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derlich.126 Für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist das Abtretungsverbot ausdrücklich geregelt in § 49b IV S 2 BRAO, § 64 II StBerG und § 55 III WPO, für die anderen geheimhaltungspflichtigen Berufsgruppen folgt das Abtretungsverbot aus § 134 BGB.127 Dennoch sind entgegen dem Wortlaut des § 851 ZPO die genannten Honorarforderungen pfändbar und demzufolge auch Bestandteile der Insolvenzmasse. Zutreffend hat der Bundesgerichtshof128 darauf hingewiesen, dass die Forderungen aus einer laufenden Erwerbstätigkeit des Schuldners für seine Verbindlichkeiten haften müssen und die Pfändbarkeit und Massebefangenheit der Forderungen das Grundrecht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt. Für abtretbar erklärt wurde der Vergütungsanpruch des Insolvenzverwalters,129 dieser unterliegt daher ohne Weiteres im Falle der Insolvenz des Verwalters dem Zugriff seiner Gläubiger.

14. Rückforderungsrecht des Schenkers, Pflichtteilsanspruch, Zugewinnausgleich Einzelne Ansprüche, die zunächst höchstpersönlich sind, werden pfändbar, wenn der Berechtigte 44 selbst den Willen der Rechtsverfolgung bekundet, sei es in der Entgegennahme einer Anerkennung oder in der Erhebung einer Leistungs- oder Feststellungsklage. Der Klageerhebung steht insoweit die Anmeldung zur Tabelle des Insolvenzverfahrens des Verpflichteten gleich. Dahin gehören nach § 852 ZPO das Rückforderungsrecht des verarmten Schenkers (§ 528 BGB), der Pflichtteilsanspruch und der Anspruch eines Ehegatten oder Lebenspartners auf Ausgleich des Zugewinns. Diese Ansprüche sind zwar von ihrer Entstehung an übertragbar130 und vererblich (§§ 1378 III, 2317 II BGB), dürfen aber wegen ihres höchstpersönlichen Charakters nur „als in ihrer zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingte Ansprüche“131 gepfändet werden, solange sie nicht durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden sind (§ 852 I ZPO). Zur Insolvenzmasse gehören sie folglich nur bedingt, unbedingt nur, wenn sie vor oder nach der Verfahrenseröffnung anerkannt oder rechtshängig geworden sind.132 Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, kann der Schuldner noch auf den Pflichtteilsanspruch verzichten.133 Das folgt aus der ihm in § 852 ZPO eingeräumten Entscheidungsfreiheit. Wird der vor Eröffnung oder während des Insolvenzverfahrens entstandene Pflichtteilsanspruch erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens anerkannt oder rechtshängig gemacht, unterliegt er der Nachtragsverteilung.134 Die Beschränkung der Übertragung des Schmerzensgeldanspruchs (§ 847 BGB, jetzt § 253 BGB) ist mit dem Gesetz vom 14.3.1990 mit Wirkung vom 1.7.1990 weggefallen. Der Anspruch gehört seither uneingeschränkt zur Insolvenzmasse.135 Gleiches gilt für Staatshaftungsansprüche, soweit diese auf den Ersatz immaterieller Schäden gerichtet sind.136 Eine Schmerzensgeldrente137 ist aber nach § 850b I Nr 1 bedingt pfändbar und grds deshalb nicht Massebestandteil 126 BGHZ 115, 123 ff; 116, 268, 272. 127 BGHZ 115, 123 ff; BGH NJW 1996, 2087; 2010, 2585, 2586; 14, 141, 142; Meller-Hanich KTS 2000, 37, 49 f. 128 BGHZ 141, 173, 176 ff = KTS 1999, 372 = NJW 1999, 1544 = LM Nr 67 SteuerberatungsG (Bereger) = NZI 1999, 191 = WM 1999, 787 = ZIP 1999, 621, dazu EWiR § 64 StBerG 1/99, 857 (Johlke); bestätigt durch BGH NJW-RR 2004, 54; BGHZ 162, 187 = NJW 2005, 1505; BGH NZI 2009, 396; s § 35 Rn 14. 129 BAG DZWIR 2021, 664. 130 Der Anspruch des § 528 BGB jedenfalls an die in Abs 1 S 1 genannten Personen und an einen Dritten, soweit er den Unterhalt des Schenkers bestritten hat, BGH NJW-RR 1993, 250; BGH NJW 1995, 323; Grüneberg/Weidenkaff BGB81 § 528 Rn 4. 131 BGHZ 123, 183 ff; BGH NJW 2013, 692 Rn 14; OLG Brandenburg FamRZ 1999, 1436; Greve ZIP 1996, 699; Kuchinke NJW 1994, 1769, 1772; vgl auch Jaeger/Henckel KO9 § 9 Rn 16; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 484, 488; Uhlenbruck/ Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 203. 132 BGH NZI 2011, 369 Rn 8; NZI 2015, 821 Rn 9; KK/Hess InsO §§ 35, 36 Rn 401. 133 HK/Thole InsO10 § 129 Rn 25. 134 BGH NZI 2011, 369 Rn 9. 135 Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 40; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 475. 136 BGH NJW 2011, 2296 Rn 33. 137 Grüneberg/Grüneberg BGB81 § 253 Rn 21. 111

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

(Rn 25).138 Der Schutz entfällt, wenn statt der Rente eine Abfindung gezahlt wird.139 Nicht übertragbar und damit auch nicht dem Gläubigerzugriff unterworfen sind Entschädigungen nach Art 41 EMRK (Rn 68)140 und wegen sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich,141 massezugehörig sind dagegen Entschädigungsansprüche des diskriminierten Arbeitnehmers nach § 15 II AGG142

15. Schenkungswiderruf 45 Das Recht des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks nach §§ 530–534 BGB ist streng persönlich und deshalb nicht Massebestandteil. Der Anspruch auf Rückgewähr der Aussteuer oder der Brautgeschenke (§§ 812 ff, 1301 BGB) bildet dagegen als übertragbares Vermögensrecht ein Masseaktivum.

16. Befreiungsanspruch, Rückversicherung 46 Der Anspruch des Insolvenzschuldners gegen einen Dritten auf Befreiung von einer Schuld (§ 257 BGB) bildet als beschlagsfähiges Vermögensrecht einen Bestandteil der Insolvenzmasse,143 obwohl er nur zugunsten des Drittgläubigers, dh des Gläubigers, von dessen Forderung der Inhaber des Befreiungsanspruchs befreit werden soll, abtretbar (§ 399 BGB) und pfändbar (§ 851 I ZPO) ist. Denn die Unabtretbarkeit und Unpfändbarkeit im Übrigen dient nicht dem Schuldnerschutz und soll auch keine massefreie haftungsrechtliche Zuweisung an den Drittgläubiger bewirken (s o Rn 5). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwandelt sich der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch,144 wenn der Befreiungsschuldner für die Schuld, von der er befreien soll, nicht selbst neben dem Insolvenzschuldner in Anspruch genommen werden kann.145 Der in einen Zahlungsanspruch umgewandelte Befreiungsanspruch ist vom Befreiungsschuldner in voller Höhe der Forderung des Dritten zur Masse zu erfüllen, obwohl dieser nur die Quote erhält.146 Anderes gilt nach der Ausnahmeregelung des § 110 VVG (= § 157 VVG aF) bei der Haftpflichtversicherung, wonach dem Geschädigten ein Recht zur abgesonderten Befriedigung aus dem Befreiungsanspruch des insolventen Versicherungsnehmers gegen die Versicherung zusteht. Der Rechtsschutzversicherer schuldet dem Versicherungsnehmer in dessen Insolvenzverfahren den vollen Versicherungsbetrag, während der Rechtsanwalt wegen seiner Honorarforderung nur Insolvenzgläubiger ist.147

Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 40; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 481. Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO87 § 35 Rn 78; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 481. BGHZ 189, 65 ff = NJW 2011, 2296. BGH NJW-RR 2014, 1009. BGH NZI 2020, 839; LAG Baden Würtemberg NZI 2012, 333. BGH JZ 1955, 337 = ZZP 68, 35; BGH ZIP 2001, 1248, dazu EWiR § 1 GesO 1/01, 1007 (Gerhardt); Gerhardt Der Befreiungsanspruch (1966) S 100 f; Braun/Bäuerle InsO8 § 35 Rn 80; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 432; Uhlenbruck/ Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 162. 144 BGH KTS 1972, 86, 87 f; BGH NJW 1994, 49 = ZIP 1993, 1656; BGH ZIP 2001, 1248, dazu EWiR § 1 GesO 1/01, 1007 (Gerhardt); OLG Köln NJW-RR 1999, 700; Gerhardt Der Befreiungsanspruch (1966) S 102 ff; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 43; Braun/Bäuerle InsO8 § 35 Rn 80; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 432; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 162; aA Gursky KTS 1973, 27 ff; Kretschmer Der Schuldbefreiungsanspruch des Befreiungsgläubigers, Diss Freiburg (1977). 145 OLG Hamburg NJW-RR 1995, 673 = ZIP 1994, 477, dazu EWiR § 1 KO 2/94, 371 (Gerhardt). 146 OLG Frankfurt/M ZinsO 2005, 1274; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 432; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 163; dagegen Kretschmer Der Schuldbefreiungsanspruch im Konkurs des Befreiungsgläubigers, Diss. Freiburg (1977). 147 Bergmann VersR 1981, 512, 515.

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Rückversicherungsansprüche148 des Insolvenzschuldners wegen eines Schadensfalls hat 47 der Rückversicherer alsbald und ganz zu erfüllen, auch wenn der im Insolvenzverfahren stehende Rückversicherte seinerseits nur die Insolvenzquote an den Hauptversicherten zahlt.149 Die Sondervorschrift des § 110 VVG (§ 157 VVG aF) lässt sich auf die Rückversicherung nicht übertragen. Ist der Versicherungsvertrag beiderseits nicht voll erfüllt, kommt § 103 zur Anwendung.150

17. Vorkaufsrecht des Schuldners Das persönliche Vorkaufsrecht (§§ 463 ff BGB) ist nach § 473 BGB im Zweifel unübertragbar und 48 damit massefrei. Ein dem Insolvenzschuldner für seine Person kraft Vertrags oder Testaments zustehendes dinglich wirksames Vorkaufsrecht (subjektiv-persönliches Recht, § 1094 I BGB) fällt gleichfalls im Zweifel nicht in die Insolvenzmasse (arg § 1098 I S 1 BGB mit § 473 BGB, § 857 I ZPO mit § 851 I ZPO).151 Nicht übertragbar und pfändbar und deshalb nicht massezugehörig sind ferner die Vorkaufsrechte des § 20 VermG (VII), des § 42 II S 2 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes, des § 57 des Schuldrechtsanpassungsgesetzes und des § 577 BGB). Dagegen ist ein dem Schuldner als Eigentümer eines Grundstücks, nicht für seine Person, zustehendes Vorkaufsrecht (subjektiv-dingliches Recht, § 1094 II BGB) untrennbar vom Eigentum am herrschenden Grundstück (§ 1103 I BGB) und bildet mit diesem Eigentum einen Bestandteil der Insolvenzmasse.152 Das dem Schuldner als Miterben kraft Gesetzes zustehende Vorkaufsrecht (§§ 2034, 2035 BGB) ist nach § 473 S 1 BGB unter Lebenden für sich allein unübertragbar und aus diesem Grunde unpfändbar und nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Anteil des Miterben am Nachlass veräußerlich (§ 2033 BGB) und pfändbar (§ 859 II ZPO) ist und deshalb zur Insolvenzmasse gehört, wenn der Erbteil vom Schuldner noch während des Insolvenzverfahrens angenommen wird oder bereits vorher angenommen worden war (§ 83 InsO, § 1922 II BGB). Denn das Vorkaufsrecht ist auch nicht in Verbindung mit dem Erbteil übertragbar und pfändbar gehört deshalb nicht zur Insolvenzmasse und kann nicht vom Insolvenzverwalter des Miterben ausgeübt werden.153

18. Vorkaufsrecht gegenüber dem Schuldner Ein persönliches Vorkaufsrecht gegenüber dem Insolvenzschuldner ist ausgeschlossen, wenn der 49 Insolvenzverwalter des Vorkaufspflichtigen den Gegenstand im Wege freiwilligen Verkaufs oder in den Formen der Zwangsvollstreckung veräußert (§ 471 BGB). Dasselbe gilt für die Vorkaufsrechte des § 577 BGB, der §§ 20, 20a VermG, (§§ 20 VIII, 20a S 5 VermG), des § 42 II S 2 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes, des § 57 des Schuldrechtsanpassungsgesetzes, die Vorkaufsrechte der §§ 24, 25 BauGB (§ 28 II S 1 BauGB), des § 9a VI Bundesfernstraßengesetz (FStrG) und des § 19 III Allg Eisenbahngesetz (AEG). Dagegen kann das dingliche Vorkaufsrecht im Insolvenzverfahren des Vorkaufspflichtigen wenigstens für den Fall ausgeübt werden, dass der Insolvenzverwalter das Grundstück aus freier Hand verkauft (§ 1098 I S 2 BGB), nicht dagegen, wenn er die Zwangs148 Zu den Formen der Rückversicherung s Prölss/Martin/Klimke VVG31 § 209 Rn 4 ff und die dort vor Rn 1 aufgeführte Literatur.

149 RGZ 55, 86; BGHZ 57, 78 ff; 9; Gerhardt Der Befreiungsanspruch (1966) S 102 ff mit ausführlicher Kritik der Gegenansicht Flechtheims LZ 1908, 814 ff. Dazu Vor §§ 103–109 Rn 15 ff; Jaeger/Henckel KO9 § 25 Rn 10. Vgl OLG Dresden OLGRspr 40, 58. HK/Keller InsO10 § 36 Rn 48; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 499; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 185. KG OLGRspr 9, 388; OLG Colmar OLGRspr 26, 302; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 503; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 186.

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versteigerung des Grundstücks betreibt (§ 165). Für das Vorkaufsrecht des Miterben fehlt es an einer dem § 1098 I S 2 BGB entsprechenden Vorschrift. Daher bleibt es bei der Regel des § 471 BGB.154

19. Wiederkaufsrecht 50 Das Recht des Wiederkaufs (§§ 456 ff BGB) ist mangels einer gegenteiligen Vorschrift übertragbar. Das Wiederkaufsrecht stellt ein vermögensrechtliches Gestaltungsrecht dar,155 das als solches vom Insolvenzverwalter des wiederkaufsberechtigten Verkäufers ausgeübt wird. Die Ausübung kann zugunsten und zulasten der Insolvenzmasse ein gegenseitiges, nach den Regeln des Kaufs zu beurteilendes Rückgewährschuldverhältnis auslösen. Entsprechendes gilt für das im BGB nicht besonders geregelte Wiederverkaufsrecht, das zB in Leasingverträgen und Bauherrenmodellverträgen oder beim drittfinanzierten Verkauf vereinbart wird.156 Die Wiederkaufsrechte der §§ 20, 21 ReichssiedlungsG haben dingliche Wirkung.157

20. Miet- und Pachtrecht 51 Das Miet- und Pachtrecht ist nach der Auslegungsvorschrift des § 540 I BGB iVm § 581 II BGB unübertragbar und somit auch der Pfändung entzogen (§ 851 I ZPO), wenn dem Mieter nicht ausnahmsweise die Gebrauchsüberlassung gestattet ist (vgl § 857 III ZPO). Das Überlassungs- und Pfändungsverbot bedeutet jedoch für das Insolvenzverfahren nur, dass der Insolvenzverwalter das Miet- oder Pachtrecht nicht durch Übertragung auf Dritte verwerten kann. Wohl aber gehört es zur Masse (§ 108), so dass der Insolvenzverwalter gemietete Geschäftsräume vertragsgemäß weiter benutzen und über das Mietverhältnis durch Kündigung disponieren kann (§ 109). Verwendungs- und Schadensersatzansprüche des Mieters sind pfändbar und massezugehörig.158 Das Jagdpachtrecht (§§ 11–14 BJagdG) ist unpfändbar und deshalb nicht Massebestandteil, denn das Gesetz kennt keine Übertragung des Rechts. In der Insolvenz des Vermieters fallen die Mieteinnahmen und Betriebskostenzahlungen als Neuerwerb in die Masse.159

21. Krediteröffnungsverträge und Darlehen 52 Ansprüche aus Krediteröffnungsverträgen auf Gewährung des Kredits sind grundsätzlich unpfändbar.160 Sie gehören deshalb nicht zur Masse. Der Insolvenzverwalter könnte ohnehin den Kredit nicht abrufen, weil der Krediteröffnungsvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch erlischt (§ 116),161 und der Kredit daher nach der Verfahrenseröffnung nicht mehr in Anspruch genommen werden kann.162 Der Schuldner ist allerdings nicht daran gehindert, einen neuen Krediteröffnungsvertrag abzuschließen. Dann allerdings 154 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 187. 155 Bötticher FS Dölle, Bd I S 46 f; Larenz, Schuldrecht II14 § 44 II S 147 f; Stoppel JZ 2007, 218, 221; aA RGZ 69, 281, 282; 121, 367, 369; BGHZ 38 369, 371 f; BGH NJW 2000, 1322; aufschiebend bedingter Rückkauf; vermittelnd Erman/Grunewald BGB16 § 456 Rn 3; MünchKomm/Westermann BGB8 § 456 Rn 3. 156 Seuffert LZ 1907, 20ff; RGZ 126, 308, 311; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 505; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 188; aA Hellmann S 139 Nr 5, S 260 Nr 4. 157 BGHZ 57, 356. 158 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 205. 159 BGH NJW 2016, 2260 Rn 15. 160 Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.147. 161 S §§ 115, 116 Rn 132. 162 Spliedt NZI 2001, 524 f. Müller

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liegt die Entscheidung, ob er den Kredit tatsächlich abruft, allein bei ihm, nicht etwa beim Insolvenzverwalter. Nimmt er den Kredit aber in Anspruch, unterliegt die Darlehensforderung dem Gläubigerzugriff.163 Ebenso gehört der Anspruch des Insolvenzschuldners auf Auszahlung eines bereits gewährten Kredits zur Insolvenzmasse.164 Das gilt auch dann, wenn der der Darlehensvertrag eine Zweckbestimmung vorsieht, den Kreditbetrag einem bestimmten Gläubiger zuzuwenden.165 Allerdings kann der Verwalter wohl die Zweckabrede nicht einseitig ändern, eine abredewidrige Auszahlungsanordnung muss die Bank nicht befolgen.166 Dem Insolvenzbeschlag gänzlich entzogen ist der Anspruch nur bei einer über eine bloße Zweckbestimmung hinausgehende treuhänderischen Bindung des Schuldners zugunsten des Dritten.167 Zur Verwaltungstreuhand s § 35 Rn 86.

22. Leibrentenrecht Das Leibrentenrecht (§§ 759 ff, 330 BGB) gehört zur Insolvenzmasse des Bezugsberechtigten.168 53 Sowohl das Stammrecht169 als auch die sich daraus entwickelnden Ansprüche auf die einzelnen fortlaufend wiederkehrenden Leistungen als Nutzungen (§§ 100, 99 II, III BGB) sind übertragbar170 und damit beschlagsfähig (vgl § 1069 II mit § 1073 BGB). Dementsprechend gehören alle während des Verfahrens fällig werdenden Einzelleistungen – vorbehaltlich des § 850b I Nr 3 ZPO (Rn 26) – zur Aktivmasse des Rentengläubigers. Das gilt auch für eine durch letztwillige Verfügung begründete Leibrente. Ebenso hat die in einem Versicherungsvertrag bedungene Leibrente einheitlichen Charakter. Für sie ist § 850 IIIb ZPO zu beachten.

23. Nutzungsrecht nach § 14 I Höfeordnung und Altenteilsrecht Das Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten nach § 14 I HöfeO ist nicht übertragbar171 und 54 nicht pfändbar und fällt deshalb nicht in die Masse des Überlebenden.172 §§ 857 III ZPO und 1059 BGB sind nicht anwendbar. Dasselbe gilt für das Altenteilsrecht nach § 14 II HöfeO. Unpfändbar und deshalb massefrei ist aber nicht nur das Stammrecht, sondern auch die von diesem umfassten Einzelrechte: das Recht auf die Auszüglerwohnung nach §§ 1092 BGB, 857 I, 851 I ZPO, das Recht auf sonstige den rein persönlichen Verhältnissen angepasste Bezüge, wie zB auf Beköstigung nach §§ 413, 399 BGB, 857 I, 851 I, II ZPO), ein etwa eingeschlossenes Recht auf Geldleistungen nach § 850b I Nr 3, II ZPO.173 Entsprechendes gilt für vergleichbare Rechte in einschlägigen Landesgesetzen.174 163 So zur Einzelzwangsvollstreckung BGHZ 147, 193 = BGH JZ 2001, 1140 m krit Anm Honsell = DZWIR 2002, 153 = NJW 2001, 1937 = ZIP 2001, 825, dazu EWiR § 851 ZPO 1/01, 599 (Prütting) und Fischer DZWIR 2002, 143. S auch OLG Hamm DZWIR 2002, 211 = NJW-RR 2002, 1477 zur Pfändbarkeit einer geduldeten Kontenüberziehungsmöglichkeit. 164 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 421. 165 BGH NZI 2001, 539 = ZIP 2001, 1248, dazu EWiR § 1 GesO 1/01, 1007 (Gerhardt); kritisch zur Begründung von Olshausen LM Nr 68 z GesO; bestätigend BGH NZI 2011, 400. 166 Spliedt NZI 2001, 524, 525. 167 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 421. 168 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 507 f. 169 So die Rechtsprechung BGH WM 1989, 1021, 1022; zur Dogmatik Erman/H-F Müller BGB16 § 759 Rn 7 ff. 170 Erman/H-F Müller BGB16 § 759 Rn 12. 171 Graß Höfeordnung (2018) § 14 Rn 5. 172 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 519. 173 Vgl RG JW 1905, 684; OLG Celle RdL 1966, 320; BGHZ 53, 41; BGH NJW-RR 2010, 1235; Staudinger/Albrecht (2018) Art 96 EGBGB Rn 52, 56. 174 Nachweise zu den landesrechtlichen Gesetzen zum Altenteilsrecht bei Staudinger/Albrecht (2018) Art 96 EGBGB Rn 37. 115

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

24. Nießbrauch 55 Nach § 857 III ZPO ist ein unveräußerliches Recht insoweit der Pfändung und damit dem Insolvenzverfahren unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Dies gilt namentlich vom Nießbrauch an Sachen wie an Rechten (§§ 1059, 1068 II BGB). Nach § 1059 BGB ist der Nießbrauch unübertragbar – Ausnahme jedoch für juristische Personen, § 1059a BGB, dort ist er aber auch dann unpfändbar (§ 1059b BGB), aber seine Ausübung kann einem anderen überlassen werden. Die Zulässigkeit einer Ausnutzung des Nießbrauchs im Wege der Vermietung oder Verpachtung des nießbrauchbelasteten Gegenstandes wird bereits in § 1056 BGB als selbstverständlich vorausgesetzt. Auch bedurfte es keiner besonderen gesetzlichen Regelung, dass der Nießbraucher einen Vertreter bestellen kann, der an seiner Stelle die Nutzungen zu ziehen hat. Die besondere Vorschrift des § 1059 S 2 BGB muss also weiter reichen. Ob sie lediglich gestattet, dass der Nießbraucher sich schuldrechtlich zur Duldung der Ausübung durch einen Dritten verpflichtet, oder ob sie eine Verfügung über die jeweils aus dem Nießbrauch erwachsenden Einzelrechte zulässt, darüber herrscht Streit. Die hM versteht die Ausübungsgestattung nur obligatorisch.175 Für die Frage der Massezugehörigkeit ist dieser Streit ebenso von untergeordneter Bedeutung wie das Problem, ob der Nießbrauch als so genanntes Stammrecht pfändbar ist176 und zur Masse gehört. Entscheidend ist, dass nach § 857 III ZPO der Nießbrauch insoweit der Pfändung unterworfen ist, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Deshalb gehören zur Masse die Nutzungen und die Ausübungsbefugnis, die der Insolvenzverwalter zur Verwertung auf einen Dritten übertragen kann (vgl § 160 II Nr 1).177 Auch darf er den nießbrauchbelasteten Gegenstand nach § 1056 BGB verpachten oder die in ihm enthaltenen bestimmten Einzelrechte, soweit dies rechtlich möglich ist, mit dinglicher Wirkung einem Dritten überlassen. Freilich wirkt die Überlassung des Nießbrauchs durch den Insolvenzverwalter wie außerhalb des Insolvenzverfahrens durch den Nießbraucher selbst nur innerhalb der ihm gezogenen Grenzen. Mit dem Tod des Nießbrauchers und, wenn dieser eine juristische Person ist, deren Vollbeendigung (Rn 59) erlischt auch die Berechtigung des Erwerbers (§ 1061 BGB), und zwar auch nach der Meinung, welche die Überlassung dinglich versteht. Hat der Insolvenzverwalter ein mit dem Nießbrauch belastetes Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet oder verpachtet, so finden nach § 1056 I BGB die §§ 566, 566a, 566b I, 566c–e und 567b BGB entsprechende Anwendung. Die Verfügungen des Verwalters binden den Insolvenzschuldner auch über die Beendigung des Verfahrens hinaus. Die Einschränkung der Übertragbarkeit und der Pfändbarkeit des Nießbrauchs soll sicherstellen, dass die Person des Nießbrauchers nicht ausgewechselt wird. Sie schließt deshalb nicht andere Verfügungen über den Nießbrauch aus. Das Recht des Nießbrauchers, auf den Nießbrauch zu verzichten, gehört deshalb zur Masse, und der Insolvenzverwalter ist berechtigt, dieses Recht auszuüben. Er kann den Nießbrauch in der Weise durch Vereinbarung mit dem Eigentümer verwerten, dass er gegen Entschädigung die Aufgabe des Nießbrauchs erklärt.178 Aus § 81 folgt, dass der Insolvenzschuldner nicht auf den Nießbrauch verzichten kann, weil er andernfalls der Insolvenzmasse die Erträge entziehen könnte.179 Die Forderung auf Bestellung eines Nießbrauchs, etwa aus einem Vermächtnis, bildet unbeschadet des § 83 I einen Bestandteil der Insolvenzmasse des Gläubigers.180 Der Verwalter kann die Bestellung erzwingen und das bestellte Recht für die Masse ausnutzen.181

175 Planck/Brodmann BGB4 § 1059 Anm 3a; Soergel/Stürner BGB13 § 1059 Rn 2; Staudinger/Heinze BGB (2021) § 1059 Rn 18; RGZ 159, 193, 208; für eine dingliche Wirkung: Eccius Gruchots Beitr 50, 503, Kretzschmar LZ 1914, 991; Wolff/ Raiser § 118 I. 176 So die heute hM, BGHZ 62, 133, 136ff; Soergel/Stürner BGB13 § 1059 Rn 9 mwN in Fn 30. 177 Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 48; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 512; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 191. 178 OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 445; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 511; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 190. 179 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 189. 180 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 194. 181 Vgl OLG Bamberg OLGRspr 1, 18 ff. Müller

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Sind nach einem der Nießbrauchsbestellung zugrundeliegenden Schuldvertrage von dem im Insolvenzverfahren stehenden Nießbraucher fortlaufende Gegenleistungen zu bewirken, kann deren Gläubiger sie für die Zeit des Insolvenzverfahrens nach § 55 I Nr 2 als Masseschulden in Anspruch nehmen, unbeschadet einer bei Anwendbarkeit des § 103 dem Verwalter freistehenden Erfüllungsablehnung. Beruhen die Gegenverpflichtungen des Schuldners auf letztwilliger Anordnung, greift § 55 I Nr 3 ein. War dem späteren Insolvenzschuldner ein Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen (§ 92 BGB) bestellt worden (uneigentlicher Nießbrauch), so sind nach § 1067 BGB diese Sachen selbst (dem Eigentum nach) Bestandteile der Insolvenzmasse und vom Verwalter, soweit sie nicht bereits in Geld bestehen, für Rechnung der Masse zu verwerten.182 Der Wertersatzanspruch des Bestellers ist wie der Anspruch auf Rückgewähr eines Darlehens Insolvenzforderung und zwar auch dann, wenn der Verbrauch oder die Veräußerung erst durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Denn wie der Eigentumswechsel knüpft sich die Entstehung des Wertersatzanspruchs unmittelbar an die Bestellung des Nießbrauchs (§ 1032 BGB), nicht etwa erst an den Vorgang des Verbrauchs oder der Veräußerung. Der Wertersatzanspruch entsteht also nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters (§ 55 I Nr 1). Dementsprechend ist auch derjenige Wert zu ersetzen, „den die Sachen zur Zeit der Bestellung hatten“ (§ 1067 I S 1 BGB), und dem Nießbraucher eine Rückgewähr der tatsächlich unverbrauchten Sachen in Natur einseitig gar nicht gestattet. Der Ersatzanspruch wird bei Beendigung des Nießbrauchs fällig, also spätestens im Zeitpunkt des § 1061 BGB. Mit Rücksicht auf die Unbestimmtheit des Verfallstages wird er nach § 45 abgeschätzt. Hatte der durch die Vermögenslage des Nießbrauchers gefährdete Besteller vor dem Insolvenzverfahren eine Sicherheitsleistung nach Maßgabe der §§ 1067 II, 233 BGB erwirkt, so steht ihm ein Absonderungsrecht nach § 50 I zu. Der vor dem Insolvenzverfahren entstandene, noch unerfüllte Anspruch auf Sicherheitsleistung würde bloße Insolvenzforderung (§ 38)183 und neben dem Ersatzanspruch kaum von Bedeutung sein. Ein dem späteren Insolvenzschuldner an dem Vermögen eines Dritten oder an einer Erbschaft bestellter Nießbrauch (vgl §§ 311b III, 1085, 1089 BGB) gehört, je nachdem die einzelnen belasteten Gegenstände dauerhafte oder verbrauchbare Sachen sind, nach Maßgabe der Rn 55 oder 57 zur Insolvenzmasse des Nießbrauchers. Den Altgläubigern des Bestellers, also denjenigen, deren Forderungen vor der Bestellung entstanden, haftet nach § 1086 BGB, ohne dass es erst einer Gläubigeranfechtung bedarf, und ungeachtet der Nießbrauchsbestellung das nießbrauchbelastete Vermögen, bei Verbrauchbarkeit der Wertanspruch des Bestellers. Daher steht im Insolvenzverfahren des Nießbrauchers den Altgläubigern des Bestellers ungeachtet des Nießbrauchs der Sonderzugriff auf Nießbrauchsgegenstände nach Maßgabe der §§ 737 f, 794 II ZPO zu. Sie vollstrecken insoweit als Gläubiger des Bestellers, nicht als Insolvenzgläubiger, und bleiben darum im Insolvenzverfahren des Nießbrauchers vom Verbote des § 89 I unberührt.184 Wird über das Vermögen des Bestellers das Insolvenzverfahren eröffnet, so können außer den Altgläubigern, denen die Nießbrauchsgegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch haften, auch Neugläubiger, deren Forderungen erst bei oder nach der Nießbrauchsbestellung entstanden sind und darum nur unbeschadet des Nießbrauchs geltend gemacht werden dürfen, in Betracht kommen. Nur zum Zwecke der Befriedigung von Altgläubigern sind daher die Nießbrauchsgegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch als Massebestandteil dem Insolvenzverwalter des Bestellers herauszugeben (vgl § 1087 BGB). Den Neugläubigern gebühren die im Nießbrauch enthaltenen Vermögenswerte nicht. Deshalb wird beim Zusammentreffen beider Gläubigergruppen im Insolvenzverfahren des Bestellers eine gesonderte Rechnungsführung nötig. Der einem rechtsfähigen Verein, einer Stiftung, einer Handelsgesellschaft, einer Partnerschaftsgesellschaft oder einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (§ 1059a II

182 Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 193. 183 AA Wolff KO2 S 17. 184 Zust Biermann SachenR3 § 1086 Anm 4; vgl Wolff/Raiser § 124 I. 117

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BGB)185 bestellte Nießbrauch erlischt nicht sofort mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Nießbrauchers, sondern besteht für das Abwicklungsstadium und im Falle einer Fortsetzung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere infolge eines Insolvenzplans, auch für die Zukunft weiter. Denn das Erlöschen des Rechtsträgers des Nießbrauchs (§ 1061 S 2 BGB), tritt, wie die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens und Fortsetzung nach dem Insolvenzverfahren zeigt, nicht sofort mit der Eröffnung des Verfahrens ein. Es ist deshalb denkbar, dass das Insolvenzverfahren bis zur Vollbefriedigung aller Insolvenzgläubiger aus den Nutzungen fortgeführt wird, falls nicht etwa vorher ein anderer Nießbrauchsbeendigungsgrund (zB Endtermin, auflösende Bedingung) eintritt. Erst wenn auch die Abwicklungsgesellschaft endgültig beendet ist, erlischt der Nießbrauch. Zur Veräußerung des Nießbrauchs einer juristischen Person und der gleichgestellten Personengesellschaften vgl §§ 1059a–e BGB. Obwohl der Nießbrauch hier übertragbar ist, gelten nach § 1059b BGB für die Pfändung und die Massezugehörigkeit des Nießbrauchs dieselben Regeln wie für den Nießbrauch einer natürlichen Person (Rn 55, 57).186

25. Persönliche Dienstbarkeit 60 Auch das Erlöschen einer persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) setzt die Vollbeendigung des berechtigten Verbandes voraus. Steht sie also zB einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu, bewirkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nicht schon als solche den Untergang der Dienstbarkeit (§ 1090 II mit § 1061 BGB). Anders als beim Nießbrauch gehört aber das Recht seinem Ertrage nach nicht schon kraft Gesetzes zur Masse. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Belastete die Ausübungsüberlassung gem § 1092 I 2 BGB an Dritte besonders erlaubt hat.187 Danach bildet zB das einer natürlichen Person eingeräumte Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) im Zweifel auch der Ausübung nach massefreies Gut.188 Die Massezugehörigkeit folgt nicht daraus, dass die Dienstbarkeit dem Gewerbebetrieb des Berechtigten dient.189 Vielmehr hat der Insolvenzverwalter, der die Erträgnisse des Rechts für die Masse in Anspruch nimmt, im Streitfalle zu beweisen, dass dem Schuldner eine Ausübungsüberlassung gestattet ist. Das kann bei Wohnrechten von Unternehmern der Fall sein, wenn dem Schuldner vom Besteller gestattet ist, die Wohnungen zur Unterbringung von Mitarbeitern oder Gästen zu nutzen.190 Anderes gilt für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die einer juristischen Person zusteht (§ 1092 II mit §§ 1059a–1059d BGB).191 Als übertragbares Recht gehört sie zur Masse der berechtigten Person.

26. Recht der Eltern nach § 1649 II S 1 BGB 61 Das Recht der Eltern, nach § 1649 II S 1 BGB Einkünfte des Kindesvermögens für ihren eigenen Unterhalt und für den Unterhalt der minderjährigen unverheirateten Geschwister des Kindes zu verwenden, ist nicht übertragbar und unterliegt deshalb nicht dem Zugriff der Gläubiger der

185 Grüneberg/Herrler BGB81 § 1061 Rn 2, 1059a Rn 3. 186 BGHZ 62, 133, 138. 187 BGH NJW 1962, 1392 = KTS 1962, 170 = LM Nr 5 zu § 1 KO; BGH NJW 1963, 2319 = KTS 1963, 255 = LM Nr 7 zu § 1090 BGB; BGH ZIP 2006, 2321 Rn 9; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 49; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 514 ff; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 141. 188 Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 50. 189 AA Joseph LZ 1914, 458 ff. 190 Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 25 Rn 50. 191 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 518. Müller

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Eltern.192 Da dieses Recht auf der Vermögenssorge beruht,193 erlischt es mit dem Vermögenssorgerecht,194 das seit der Aufhebung des § 1670 BGB nicht mehr mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet, sondern allenfalls nach § 1666, 1666a II entzogen werden kann, wenn das Vermögen des Kindes gefährdet ist.195

27. Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft alten Rechts Diese Vertragsgüterstände bestehen nach Art 8 I Nr 7 des Gesetzes über die Gleichberechtigung 62 von Mann und Frau auf dem Gebiete des Bürgerlichen Rechts vom 18.6.1957 (BGBl I 609) fort, soweit sie von Ehegatten vor dem 1.7.1958 vereinbart worden sind. Für sie gelten die alten Vorschriften der §§ 1519–1548 und 1549–1557 BGB aF sowie § 2 KO aF unbeeinflusst durch den Grundsatz der Gleichberechtigung fort. Wegen der nur noch geringen Bedeutung dieser Vorschriften wird hier von der Behandlung der Frage abgesehen, inwieweit die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezogenen Nutzungen in die Masse fallen.196

28. Hausratsverteilung unter getrennt lebenden Ehegatten Haushaltsgegenstände, die dem nicht im Insolvenzverfahren befindlichen getrennt lebenden Ehe- 63 gatten gehören, kann dieser aussondern (§ 47 InsO, §§ 1361a I S 1, 1362 BGB). Haushaltsgegenstände, die dem Insolvenzschuldner gehören, fallen, selbst wenn sie nach § 811 I Nr 1 ZPO pfändbar sind, nicht in die Masse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, dass durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht (§ 36 III). Soweit danach die Haushaltsgegenstände des Insolvenzschuldners massefrei bleiben, richtet sich der Anspruch des anderen Ehegatten auf Gebrauchsüberlassung nach § 1361a I S 2 BGB gegen ihn persönlich. In seine Insolvenzmasse fallen nur die ihm gehörenden pfändbaren und wertvollen Haushaltsgegenstände. Sie werden durch das Insolvenzverfahren auch seiner Benutzung entzogen, so dass eine Verteilung zwischen den Ehegatten nicht in Frage kommt. Denn der Anspruch des § 1361a I S 2 BGB auf Gebrauchsüberlassung richtet sich nur auf Gegenstände, über die der Ehegatte, der Eigentümer ist, verfügen und die er nutzen kann.

29. Gemeinschafts- und Gesellschaftsanteile Über die Zugehörigkeit von Anteilen des Schuldners an den Gemeinschaftsmassen des Vereins-, 64 Gesellschafts-, Familien- und Erbrechts zur Insolvenzmasse siehe zu §§ 37, 83, 84.197

30. Vinkulierte Namensaktien und GmbH-Anteile Die Vinkulierung von Namensaktien (§ 68 II AktG) oder GmbH-Anteilen (§ 15 V GmbHG) schließt 65 weder die Massezugehörigkeit dieser Mitgliedschaftsrechte aus,198 noch hindert sie den Insolvenz192 193 194 195 196 197 198

Soergel/Löhnig BGB13 § 1649 Rn 14; Staudinger/Heilmann BGB (2020) § 1649 Rn 25. Soergel/Löhnig BGB13 § 1649 Rn 3. Soergel/Löhnig BGB13 § 1649 Rn 19; Staudinger/Heilmann BGB (2020) § 1649 Rn 36. Staudinger/Coester BGB (2020) § 1666 Rn 178, 202. S hierzu Jaeger/Lent KO8 § 1 Rn 44. S auch Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 36 Rn 38. Bork FS Henckel (1995) S 23, 37; Scholz Vinkulierungsklauseln in Zwangsvollstreckung und Insolvenz (2022) S 117 ff,

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verwalter, die Rechte zu veräußern. Der Zustimmung der Gesellschaft bedarf es dazu grundsätzlich nicht,199 wohl aber kann die Gesellschaft der Veräußerung der Aktien oder des GmbH-Anteils widersprechen, wenn sie dem Verwalter einen ihr genehmen Interessenten nachweist, der bereit und in der Lage ist, die Aktien oder den Anteil zu einem angemessenen Preis zu übernehmen200 oder wenn der Verwalter sie an einen Dritten veräußern will, der aus wichtigem Grund für die Gesellschaft nicht tragbar ist.201

31. §§ 851a, b ZPO 66 Keine Beschränkung der Massezugehörigkeit bewirkt § 851a ZPO. Die Forderungen, die einem die Landwirtschaft betreibenden Schuldner aus dem Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zustehen, gehören also zu seiner Insolvenzmasse.202 Die Sicherung seines Unterhalts wird im Insolvenzverfahren durch § 100 abschließend geregelt. Ebenso wenig hindert § 851b ZPO die Einbeziehung der dem Schuldner zustehenden Miete und Pacht in die Insolvenzmasse. Gehört das Grundstück zur Masse, so sind die Ansprüche auf Miete und Pacht mit erfasst. Zweck des § 851b ZPO ist es, dem Vermieter oder Verpächter die Mittel zu belassen, die er zur Erhaltung des Grundstücks benötigt. Im Insolvenzverfahren aber ist die Erhaltung des Grundstücks Aufgabe der Insolvenzverwaltung, die aus der Masse finanziert werden muss. Folglich müssen ihr die Miete und die Pacht zufließen.203

32. Pfändungsschranken in Sozialgesetzen 67 Die Zugehörigkeit der Vermögensgegenstände des Schuldners zur Masse wird auch durch eine Reihe von Sozialgesetzen beschränkt, die bestimmte Ansprüche für unpfändbar erklären.204 Im Folgenden werden die Gesetze genannt, die im Insolvenzverfahren Bedeutung erlangen können: §§ 53, 54 SGB I,205 § 42 II SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende), § 171 SGB III (Anspruch auf Insolvenzgeld vor dessen Beantragung),206 § 18 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) mit §§ 53, 54 SGB I207 und § 76 EStG208 (Kindergeld), §§ 4a, 14, 26, 39, 41, 46, 50, 140, 141, 141a, 163 Bundesentschädigungsgesetz (BEG),209 § 17 I SGB XII (Sozialhilfe), §§ 244, 262, 294 Lastenausgleichsgesetz (LAG), § 13 V Conterganstiftungsgesetz,210 § 17 II HIV-Hilfegesetz, § 2 VII des 5. Vermögensbildungsgesetzes (VermBG), § 78 Bundesversorgungsgesetz (BVG), §§ 48, 85 V S 1, 86 I S 3 Soldatenversorgungsge-

199 RGZ 70, 64; 142, 373; BGHZ 32, 151, 155; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO877 § 35 Rn 2; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 266; Nerlich/Römermann/Andres InsO15 § 35 Rn 54; Würdinger Aktienrecht4 § 12 VI 3; Scholz/Seibt, GmbHG12, § 15 Rn 256; aA OLG Hamburg NJW 1960, 870; Scholz Vinkulierungsklauseln in Zwangsvollstreckung und Insolvenz (2022) S 201 ff, 242 f; Heckschen/Weitbrecht NZG 2019, 721, 731 f; Liebscher/Lübke ZIP 2004, 241, 251; Niehaus/Baorda BB 2022, 1033, 1035 ff; Skaraudszun NZG 2012, 1244 ff; MünchKomm/Bayer AktG5 § 68 Rn 114; Spindler/Stilz/Cahn AktG5 § 68 Rn 36. 200 Bork FS Henckel (1995) S 23, 39. 201 Nerlich/Römermann/Andres InsO15 § 35 Rn 54. 202 Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 851a Rn 9. 203 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 1 Rn 61. 204 Ausführliche Darstellung bei Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn D.2 ff. 205 Pfändbarkeit zukünftig entstehender oder fälliger Ansprüche: BGH KTS 2003, 398; zur Massezugehörigkeit des Anspruchs auf Krankengeld: LG Freiburg ZIP 1987, 1404. 206 Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn D.150 ff. 207 Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn D.114 ff. 208 Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.222 ff. 209 Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.123 ff. 210 Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.136. Müller

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setz,211 § 67 Infektionsschutzgesetz (IfSG),212 § 9a II, 9b, 25b Häftlingshilfegesetz (HHG).213 Zu beachten sind ferner § 51 III Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) und die Pfändungsschutzbestimmungen in den Gesetzen über die Diäten der Abgeordneten in Bund (§ 31 AbgG) und Ländern.214

33. Entschädigungsanprüche Die Ansprüche, die das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) 68 gewährt, sind nach § 13 II dieses Gesetzes erst von der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag an übertragbar und pfändbar (§ 851 I ZPO)215 und gehören deshalb nur von diesem Zeitpunkt an zur Insolvenzmasse des Berechtigten. Nicht übertragbar und damit auch nicht dem Gläubigerzugriff unterworfen ist eine vom EuGH für Menschenrechte zugebilligte Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer216 und die Ansprüche auf Entschädigung für Personen, die aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilt und rehabilitiert wurden (§ 5 IV StrRehaHomG217). Der Anspruch auf eine besondere Zuwendung für Haftopfer aus dem Beitrittsgebiet ist gem § 17a V des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StRehaG) unpfändbar. Die dem Schuldner auf der Grundlage des § 17 StrRehaG gewährte Kapitalentschädigung genießt hingegen keinen Pfändungsschutz und ist folglich Bestandteil der Insolvenzmasse.218

34. § 13 Pachtkreditgesetz Die Beschränkung der Abtretbarkeit in § 13 des Pachtkreditgesetzes (PachtkredG) entzieht die 69 durch das Inventarpfandrecht gesicherte Darlehensforderung nicht der Insolvenzmasse des Kreditinstituts. Zwar kann die Forderung nur an ein anderes, ebenfalls nach Maßgabe des Gesetzes zugelassenes Kreditinstitut abgetreten (13 I S 1 (PachtkredG) und folglich auch nur durch ein solches Institut gepfändet werden (§ 851 I ZPO). Diese relative Pfändbarkeit dient aber nicht dem Schutz des Schuldners (vgl Rn 5), so dass die Forderung nicht der Insolvenzmasse entzogen wird. Vielmehr hindert der beschränkte Zweck der Vorschrift den Insolvenzverwalter nicht, die Forderung einzuziehen. Er kann sie aber auch durch Abtretung verwerten, sei es durch Übertragung unter Mitübergang des Pfandrechts an ein zugelassenes Kreditinstitut (§ 13 I PachtkredG), sei es an einen beliebigen Dritten unter einem das Pfandrecht zum Erlöschen bringenden Ausschluss des Mitübergangs (§ 13 II PachtkredG).219

IV. Unbewegliches Vermögen 1. Begriff Unbewegliches Vermögen iSd Vollstreckungsrechts sind Grundstücke, eingetragene Schiffe (§ 864 70 ZPO) und Luftfahrzeuge (§ 99 LuftfzRG), ferner Sachen und Rechte, auf die sich bei Grundstücken Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn C.42 ff. Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.213 ff. Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.200. Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.134 f. Stöber/Rellermeyer Forderungspfändung17 Rn A.164. BGHZ 189, 65 ff = NJW 2011, 2296. Gesetz zur Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilter Personen vom 17.7.2017, BGBl I S 2443. 218 BGH NZI 2011, 979. 219 Bley in den Jahreskursen für Jurist Fortbildung 1927, S 288; Stillschweig JW 1926, 2610.

211 212 213 214 215 216 217

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§ 36

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

die Hypothek, bei Schiffen die Schiffshypothek, bei Luftfahrzeugen das Registerpfandrecht erstreckt (§ 865 ZPO). Unbewegliches Vermögen sind auch Berechtigungen, für welche die auf Grundstücke bezüglichen Vorschriften gelten, sowie die mithaftenden Gegenstände. Diese Berechtigungen sind teilweise landesrechtlich geregelt, wie das Bergwerkseigentum (Art 67 EGBGB).

2. Erbbaurecht 71 Bundesrechtlich ist das Erbbaurecht geregelt, und zwar für die bis zum 22.1.1919 (einschl) begründeten Erbbaurechte durch die §§ 1012–1017 BGB, für später entstandene durch die ErbbauVO vom 15.1.1919, die seit 2007 als Erbbaurechtsgesetz bezeichnet wird.220 Als beschlagsfähige Vermögensgegenstände gehören Erbbaurechte alten und neuen Stiles zur Insolvenzmasse des Erbbauberechtigten.221 Bei neuen kann der Erbbauberechtigte in der Verfügung über das Recht dinglich derart beschränkt werden, dass er zur Veräußerung des Rechts der Zustimmung des Eigentümers des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks bedarf (§ 5 ErbbauRG). Die Schranke wirkt als dingliche auch im Insolvenzverfahren. Deshalb kann auch der Insolvenzverwalter des Erbbauberechtigten nur mit Zustimmung des Grundeigentümers über das Erbbaurecht verfügen (§§ 6, 8 ErbbauRG).222 Der Insolvenzverwalter kann jedoch unter den Voraussetzungen des § 7 I ErbbauVO von dem Eigentümer die Zustimmung zur Veräußerung verlangen. Wird sie ohne ausreichenden Grund verweigert, so kann sie nach § 7 III ErbbauRG durch das Amtsgericht ersetzt werden. Als Grundlage der Ersetzung reicht aber nicht allein aus, dass das Erbbaurecht im Insolvenzverfahren veräußert werden soll.223

3. Wohnungseigentum 72 Das Wohnungseigentum, das Wohnungserbbaurecht und das Dauerwohnrecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz fallen als veräußerliche und vererbliche dingliche Rechte (vgl §§ 12, 33 WEG) in die Insolvenzmasse. Nach § 12 WEG kann aber als Inhalt des Sondereigentums mit dinglicher Wirkung vereinbart werden, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf. Solche Vereinbarungen binden nach § 12 III S 2 WEG auch den Insolvenzverwalter. Nach § 12 II WEG darf die Zustimmung nur aus wichtigem Grund versagt werden. Der Insolvenzverwalter kann im Verfahren nach § 43 WEG den Anspruch auf Erteilung der Zustimmung geltend machen, wenn er einen wichtigen Grund für die Verweigerung bestreitet. Die stattgebende Entscheidung ersetzt nicht die Zustimmung.224 Sie spricht die Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung aus und ist nach § 894 ZPO zu vollstrecken.225 Mit dem Wohnungseigentum fällt auch das Recht, sie zu nutzen, als Vermögen des Schuldners mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse. Der Schuldner ist im Insolvenzverfahren nur dann berechtigt, seine Wohnung unentgeltlich zu nutzen, wenn ihm dies nach § 100 als Unterhaltsgewährung gestattet wird. Ansonsten muss er nach § 812 I S 1 Alt 2 BGB eine angemessenen Nutzungsentschädigung zahlen.226

220 221 222 223 224 225 226

Grüneberg/Wicke BGB81 Einl ErbbauRG Rn 2. Keller NZI 2012, 777. BGHZ 33, 76, 85 ff. OLG Düsseldorf KTS 1958, 43; Kalter KTS 1966, 139. BayObLG 1977, 40; Grüneberg/Wicke BGB81 § 12 WEG Rn 13. Grüneberg/Wicke BGB81 § 12 WEG Rn 13. BGH NZI 2016, 89.

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4. Land- und forstwirtschaftliche Grundstücke Auch land- und forstwirtschaftliche Grundstücke gehören zur Insolvenzmasse. Bei ihrer Veräuße- 73 rung sind aber die Beschränkungen des Grundstücksverkehrsgesetzes zu beachten.

5. Schiffe § 870a I S 2 ZPO (§ 482 HGB aF) beschränkt für die Einzelvollstreckung den Zugriff auf eingetrage- 74 ne und nichteingetragene Schiffe. Die Anordnung der Zwangsversteigerung und die Vollziehung des Arrests in diese Schiffe sind unzulässig, wenn sich das Schiff auf Reise befindet und nicht in einem Hafen liegt. Diese Schranke schränkt jedoch nicht auch die Zugehörigkeit des Schiffes, das nicht selten den Grundstock des Schuldnervermögens bildet, zur Insolvenzmasse ein. Der Insolvenzverwalter kann das Schiff freihändig veräußern, auch wenn es sich auf See befindet, da zur Übereignung des Seeschiffes die bloße Einigung genügt (§ 929a BGB, § 2 SchiffsRG). Einer Anordnung der Zwangsversteigerung auf Antrag des Insolvenzverwalters (§§ 165 InsO, 172 ZVG) steht § 870a I S 2 ZPO nicht im Wege. Denn diese Vorschrift soll, wie sich aus der amtlichen Begründung227 ergibt, die Beschlagnahme des Schiffes während der Reise ausschließen. Der Beschluss, durch den auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zwangsversteigerung angeordnet wird, gilt aber nicht als Beschlagnahme des Schiffes (§ 173 ZVG). Die Massezugehörigkeit des Schiffes kann § 870a I S 2 ZPO nicht hindern. Der Insolvenzverwalter kann während der Reise über das Schiff disponieren, insbesondere auch das Schiff zum Zwecke der Zwangsversteigerung zurückrufen. Frachtverträge erlöschen im Insolvenzverfahren des Verfrachters von Rechts wegen (§ 116), während eine Schiffsvermietung auch die Insolvenzmasse des Vermieters bindet (§ 111), wenn es dem Verwalter nicht gelingt, sie im Wege der Übereinkunft mit dem Mieter zu lösen. Im Regelbereich des § 103 aber wählt der Verwalter zwischen Erfüllung und Nichterfüllung.

6. Luftfahrzeuge Für Luftfahrzeuge iSv § 1 II LuftVG gibt es keine im Insolvenzverfahren relevanten Pfändungs- 75 schutzbestimmungen. Die Beschränkungen der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung im Gesetz über die Unzulässigkeit der Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 17.3.1935 (RGBl I 385)228 hindern den Insolvenzbeschlag nicht.

V. Verfahren (Abs 4) 1. Zuständigkeit § 36 wurde 2001 um die Verfahrensregelung des Abs 4 ergänzt.229 Die Entscheidung, ob ein Gegen- 76 stand nach Abs 1 S 2 der Zwangsvollstreckung unterliegt, obliegt wegen des Sachzusammenhangs 227 S zu § 482 HGB aF BTagDs VI 2225 S 14. 228 Zuletzt geändert durch Art 57 Erstes BMJ-RechtsbereinigungsG vom 19.4.2006, BGBl I S 866. 229 Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001, BGBl I S 2710), in Kraft getreten am 1.12.2001. Nach Art 103a EGInsO idF des Art 11 des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.12.2001 eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Sie wurden schon zutreffend im Sinne der Ergänzung des Abs 4 ausgelegt vom OLG Köln NZI 2000, 590 = ZInsO 2000, 603; LG Rostock ZinsO 2001, 914 mwN und Steder ZIP 1999, 1874, 1876 f, so dass die Altverfahren wie die neuen zu behandeln sind. 123

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zwischen Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenzverfahren dem Insolvenzgericht (Abs. 4 S 1); das Insolvenzverfahren ist insoweit unmittelbar durch die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Einzelzwangsvollstreckung betroffen.230 Funktionell zuständig ist hier gemäß § 20 Nr 17 RPflG grundsätzlich der Rechtspfleger, nur für die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO der Insolvenzrichter.231 Betrifft der Streit zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter nicht die Zulässigkeit der Vollstreckung, sondern die Massezugehörigkeit des betreffenden Gegenstands als solche, so entscheidet nicht gemäß Abs 4 S 1 das Insolvenzgericht, sondern das Prozessgericht.232

2. Antragsberechtigung 77 Antragsberechtigt ist der Insolvenzverwalter, der die gebündelten Interessen der Gläubiger wahrzunehmen hat (Abs 4 S 2).233 Eigene Anträge einzelner Gläubiger – auch von Massegläubigern – sind ausgeschlossen.234 Dem Schuldner ist rechtliches Gehör zu gewähren. Nicht berührt wird durch Abs 4 S 2 das Recht des Schuldners, Anträge auf Erweiterung des Pfändungsschutzes zu stellen, wenn er der Auffassung ist, dass das Existenzminimum sonst nicht gewahrt ist.235 Vor der Entscheidung des Insolvenzgerichts hat dieses dem Insolverzverwalter Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

3. Entscheidung 78 Das Insolvenzgericht entscheidet durch Beschluss, den es zu begründen hat. Der Beschluss ist gemäß § 8 dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter zuzustellen, einer öffentlichen Bekanntgabe bedarf es nicht.236 79 Der Rechtsmittelzug richtet sich nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, weil das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet. Die nach § 793 ZPO eröffnete sofortige Beschwerde wird daher durch § 6 nicht ausgeschlossen.237 Gegen die Beschwerdeentscheidung ist die Rechtsbeschwerde eröffnet, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 I Nr 2 ZPO).238

4. Besonderheiten im Eröffnungsverfahren 80 Das Insolvenzgericht ist nach Abs 4 S 3 auch für Entscheidungen zuständig, die im Eröffnungsverfahren zu den in § 36 I S 2 genannten vollstreckungsrechtlichen Vorschriften ergehen. Die Formulierung des Abs 4 S 3 ist wenig gelungen. Im Eröffnungsverfahren kann es nicht darum gehen, ob ein Gegenstand gemäß §§ 850, 850a, 850b, 850c, 850e, 850f I, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899–904, 905 S 1 sowie § 906 II–IV ZPO zur Insolvenzmasse gezogen oder von ihr ausgenommen werden 230 BGH NZI 2004, 278. 231 BGH NZI 2004, 278; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Kexel InsO6 § 36 Rn 35; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO74 § 36 Rn 38; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 117. 232 BGH NZI 2012, 672 Rn 6; NZI 2019, 43 Rn 9; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 116. 233 So schon vor dem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 zutreffend Steder ZIP 1999, 1874, 1877 f, so dass für die Altverfahren nicht anderes gilt wie für die nach dem 1.12.2001 eröffneten. 234 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO74 § 36 Rn 39. 235 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO74 § 36 Rn 40. 236 HK/Keller InsO10 § 36 Rn 108. 237 BGH NZI 2004, 278; BGH BeckRS 2010, 28748; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Kexel InsO6 § 36 Rn 36; HK/Keller InsO10 § 36 Rn 110. 238 BGH NZI 2013, 98 Rn 3; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Kexel InsO6 § 36 Rn 37; HK/Keller InsO10 § 36 Rn 110; MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 117. Müller

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kann, weil es vor der Verfahrenseröffnung keine Insolvenzmasse gibt (§ 35). Es können deshalb nur Entscheidungen gemeint sein über den Umfang des Vermögens, das den Beschränkungen des § 21, vor allem der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des „starken“ Insolvenzverwalters (§ 22 I) unterliegen.239 Nicht gemeint sind dagegen Entscheidungen, die nach den genannten Vorschriften der ZPO ergehen, wenn ein Gläubiger während des Eröffnungsverfahrens die mangels entsprechender Anordnung (§ 21 II Nr 3) noch mögliche Zwangsvollstreckung betreibt. Hier entscheidet nach wie vor das Vollstreckungsgericht. Soweit das Insolvenzgericht nach Abs 4 S 3 zuständig ist, ist wie im eröffneten Verfahren der Rechtspfleger zur Entscheidung berufen.240 Antragsberechtigt ist im Eröffnungsverfahren der vorläufige Verwalter.241

239 MünchKomm/Peters InsO4 § 36 Rn 116; zum Verbraucherinsolvenzverfahren AG Göttingen NZI 2003, 333. 240 Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Kexel InsO6 § 36 Rn 35; aA HK/Keller InsO10 § 36 Rn 106. 241 Graf-Schlicker/Graf-Schlicker/Kexel InsO6 § 36 Rn 39. 125

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§ 37 Gesamtgut bei Gütergemeinschaft 1 Wird bei dem Güterstand der Gütergemeinschaft das Gesamtgut von einem Ehegatten allein verwaltet und über das Vermögen dieses Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, so gehört das Gesamtgut zur Insolvenzmasse. 2Eine Auseinandersetzung des Gesamtguts findet nicht statt. 3Durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des anderen Ehegatten wird das Gesamtgut nicht berührt. (2) Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, so wird das Gesamtgut durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Ehegatten nicht berührt. (3) Absatz 1 ist bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle des Ehegatten, der das Gesamtgut allein verwaltet, der überlebende Ehegatte, an die Stelle des anderen Ehegatten die Abkömmlinge treten. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Lebenspartner entsprechend.

(1)

Materialien DiskE § 42; RefE § 42; RegE § 44, BR-Drucks 1/92 S 122, BT-Drucks 12/2443, S 122, 250, 262.

Vorgängerregelungen § 2 KO, dazu M VI S 211 ff, 259, 291 ff, 370 ff, 398, 408 ff, 528 f, 534, 548. P IV S 242, 263 f, 281, 285, 335, 339, 344, 368, 370, 372, V S 841 f, VI S 753, 767 ff; Begr z KO-Nov 1898 S 24 f; KommBer z KO-Nov 1898 S 1947 f, 1951; zum GleichberG v 18.7.1957 (BGBl I 609) BT-Drucks 1/3802, 2/224, 2/3409.

Literatur Holzer Das Insolvenzverfahren über das gesamte Vermögen einer beendeten Gütergemeinschaft, NZI 2016. 713; Thiele/ Salmen Besonderheiten eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des allein verwaltenden Ehegatten einer Gütergemeinschaft, ZInsO 2014, 2259; Wipperfürth „Drum prüfe, wer sich ewig bindet!“ – Massebeschlag bei bestehender Gütergemeinschaft in der Insolvenz, InsbürO 2012, 59.

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung 1 Genese Anwendungsbereich 2 a) Gütergemeinschaft b) Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft 3 alten Rechts

II.

Insolvenzverfahren und gesetzlicher Güterstand, Gütertrennung 6 Gesetzlicher Güterstand 7 a) Die Vermutung des § 1362 BGB 8 b) Verfügungsbeschränkungen 9 c) Zugewinnausgleich d) Erbteilserhöhung und Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes durch 10 Tod e) Ausgleichspflicht des Insolvenzschuld11 ners 13 Gütertrennung

1.

2.

Müller https://doi.org/10.1515/9783110666175-003

III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. IV.

1. 2. 3.

Insolvenzverfahren des allein verwaltenden Ehegatten während der Gütergemeinschaft Grundsatz 14 15 Insolvenzmasse 16 Ausschluss der Auseinandersetzung 17 Insolvenzschuldner 19 Insolvenzgläubiger 20 Fortbestand der Gütergemeinschaft Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten während der Gütergemeinschaft 21 Massefreiheit des Gesamtguts 22 Zugriff der Gläubiger auf das Gesamtgut 23 Insolvenzmasse

V.

Gesamtgutsinsolvenzverfahren bei gemeinschaft24 licher Verwaltung (II)

VI.

Eigentums- und Vermögensgemeinschaft

25

126

Gesamtgut bei Gütergemeinschaft

VII. Fortgesetzte Gütergemeinschaft 26 1. Der Grundsatz des § 37 III 2. Insolvenzverfahren des überlebenden Ehegat27 ten 3. Insolvenzverfahren eines anteilsberechtigten Ab28 kömmlings 4. Beschränkte Haftung des überlebenden Ehegat29 ten 5. Eröffnung des Insolvenzverfahrens während des 30 Laufs der Ablehnungsfrist

§ 37

VIII. Insolvenzverfahren nach Beendigung der ehelichen oder der fortgesetzten Gütergemeinschaft 31 1. Unanwendbarkeit des § 37 32 2. Auseinandersetzung 3. Selbstständiges Insolvenzverfahren über das Ge34 samtgut in Liquidation 4. Einzelfragen zum Sonderinsolvenzverfahren 35 über das ungeteilte Gesamtgut

Alphabetische Übersicht Aufhebung der Gütergemeinschaft 20, 31 Auseinandersetzung 16, 32 Eigentums- und Vermögensgemeinschaft 25 Eigentumsvermutung 7 Einzelverwaltung 14, 26, 31 Errungenschaftsgemeinschaft 3 ff Fahrnisgemeinschaft 3 ff Gütergemeinschaft, fortgesetzte 26 ff Güterstand, gesetzlicher 6 ff Gütertrennung 13

Insolvenzgläubiger 19, 37 Insolvenzmasse 7, 9, 10, 13, 15, 23 f, 26, 28, 38 Insolvenzschuldner 17 f, 27, 36 Lebenspartnerschaft 1 f Liquidationsstadium 34 ff Sondergut 14, 15, 16, 23 Verfügungsbeschränkungen 8 Verwaltung, gemeinschaftliche 24 Vorbehaltsgut 15, 16, 23, 24 Zugewinnausgleich 9 ff

I. Einleitung 1. Genese § 37 entspricht mit geringfügigen redaktionellen Änderungen dem § 2 KO in der Fassung, die 1 dieser durch Art 3 I Nr 1 des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18.6.1957 (BGBl I S 609) erhalten hat. § 2 II Hs 2 KO ist nicht übernommen, weil sich schon aus § 11 II Nr 2 InsO ergibt, dass ein selbständiges Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut eröffnet werden kann. Rechtsprechung und Literatur zu § 2 KO sind uneingeschränkt verwertbar. § 37 IV ist Ende 2015 eingefügt worden um klarzustellen, dass Abs 1–3 auch für eingetragene Lebenspartner gelten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft (§ 7 LPartG iVm §§ 1415–1482 BGB) leben. Angesichts der ständig abnehmenden Verbreitung der Gütergemeinschaft1 hat § 37 bisher kaum praktische Bedeutung erlangt.

2. Anwendungsbereich a) Gütergemeinschaft. § 37, der auf die am 1.7.1958 in Kraft getretene Fassung des § 2 KO 2 zurückgeht, gilt auch, wenn die Eheleute vor dem 1.7.1958 in allgemeiner Gütergemeinschaft gelebt haben (Art 8 I Nr 6 I Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957, BGBl 1 S 609). Hinsichtlich der Verwaltung dieser alten Gütergemeinschaften gilt folgendes: War die Gütergemeinschaft vor dem 1.4.1953 (im Saarland: 1.1.1957, Art 8 I Nr 11 Gleichberechtigungsgesetz) vereinbart worden, so wird das Gesamtgut weiterhin von dem Mann verwaltet. Haben die Eheleute die Gütergemeinschaft 1 MünchKomm/Münch BGB9 § 1417 Rn 19; vgl auch Staudinger/Thiele BGB (2018) Vor §§ 1415 ff Rn 10: „alternder Güterstand“. 127

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§ 37

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

später vereinbart, so bleibt ihre Vereinbarung über die Verwaltung des Gesamtgutes maßgebend (Art 8 I Nr 6 II Gleichberechtigungsgesetz). Ist im Ehevertrag keine Regelung enthalten, muss der Wille, den die Ehegatten bei Vertragsschluss hatten, durch Auslegung ermittelt werden. Dabei wird vor allem darauf zu achten sein, wer bis zum 1.7.1958 das Gesamtgut tatsächlich verwaltet hat. Eine Vermutung für die Gesamtverwaltung besteht in diesen Fällen trotz § 1421 S 2 BGB nicht, weil Art 8 I Nr 6 II Gleichberechtigungsgesetz nur auf die Vereinbarung abhebt.2 Haben Ehegatten, die vor dem 1.7.1958 in allgemeiner Gütergemeinschaft lebten, die Fortsetzung der Gütergemeinschaft nicht ausgeschlossen, so gilt diese als vereinbart, weil nach altem Recht die Fortsetzung die Regel bildete und die Ausschließung einer Vereinbarung durch Ehevertrag bedurfte (Art 8 I Nr 6 I Hs 2 Gleichberechtigungsgesetz). Auch Lebenspartner iSd § 1 I S 1 LPartG können seit dem 1.1.20053 ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag (Lebenspartnerschaftsvertrag) regeln und den Güterstand der Gütergemeinschaft nach §§ 1415–1518 BGB begründen (§ 7 LPartG). Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts4 am 1.10.2017 dürfen allerdings keine neuen Lebenspartnerschaften mehr begründet werden. Die zuvor eingegangenen Lebenspartnerschaften bestehen fort, wenn die Lebenspartner ihre Lebenspartnerschaft nicht in eine Ehe umwandeln (§ 20a LPartG). Für diese fortbestehenden Lebenspartnerschaften gelten die Abs 1–3 nach Abs 4 entsprechend. Hingegen finden die Abs 1–3 seit dem 1.10.2017 unmittelbare Anwendung auf Ehen von zwei Personen gleichen Geschlechts, sofern diese eine (fortgesetzte) Gütergemeinschaft vereinbart haben.5

3 b) Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft alten Rechts. Lebten die Ehegatten am 1.7.1958 im alten vertraglichen Güterstand der Errungenschafts- oder Fahrnisgemeinschaft des BGB, so bleiben, soweit die Ehegatten nichts anderes vereinbart haben, die Vorschriften maßgebend, die vor dem 1.4.1953 für diese Güterstände gegolten haben (Art 8 I Nr 7 Gleichberechtigungsgesetz). Das sind die §§ 1519–1557 BGB und für das Konkursrecht § 2 KO in der folgenden Fassung: „Wird bei dem Güterstande … der Errungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft das Konkursverfahren über das Vermögen des Ehemannes eröffnet, so gehört das Gesamtgut zur Konkursmasse; eine Auseinandersetzung wegen des Gesamtguts zwischen den Ehegatten findet nicht statt. Durch das Konkursverfahren über das Vermögen der Ehefrau wird das Gesamtgut nicht berührt. Diese Vorschriften finden bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Ehemanns der überlebende Ehegatte, an die Stelle der Ehefrau die Abkömmlinge treten.“

4 Der Grundsatz der Gleichberechtigung bleibt hier also unberücksichtigt, solange die Ehegatten ihm nicht durch Änderung des Ehevertrages Rechnung tragen. Das gilt auch dann, wenn die Errungenschafts- oder Fahrnisgemeinschaft nach dem 31.3.1953, aber vor dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes vereinbart worden ist.6 Für Verfahren, die vom 1.1.1999 an eröffnet worden sind, ist in der oben (Rn 3) wiedergegebenen Fassung des § 2 KO „Konkurs“ durch „Insolvenz“ zu ersetzen. Wegen der geringen praktischen Bedeutung wird hier von der Kommentierung der alten, für 5 die Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft noch fortgeltenden Fassung des § 2 KO abgesehen und auf die 8. Auflage verwiesen.

2 3 4 5 6

Soergel/Lange BGR10 Art 8 I Nr 6 Gleichberechtigungsgesetz Rn 4. Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004, BGBl I S 3396. Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017, BGBl I S 2787. MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 5. Staudinger/Thiele BGB (2017) Einl zu §§ 1363 ff Rn 20.

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Gesamtgut bei Gütergemeinschaft

§ 37

II. Insolvenzverfahren und gesetzlicher Güterstand, Gütertrennung 1. Gesetzlicher Güterstand § 37 handelt nur von der Gütergemeinschaft, weil deren besondere Haftungsverhältnisse besonde- 6 re Konsequenzen des Insolvenzrechts fordern. Für den gesetzlichen Güterstand dagegen hielt schon der Gesetzgeber der KO spezielle Regeln nicht für erforderlich. Seine Behandlung im Insolvenzfall lässt sich aus den allgemeinen Vorschriften der InsO ableiten. Um der Vollständigkeit willen werden sie aber hier im Zusammenhang mit dem Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft kurz dargestellt. Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff BGB) ist in Wahrheit Gütertrennung mit gewissen Bindungen (§§ 1365–1369), die der Erhaltung der materiellen Grundlage der Familie und der Sicherung des Zugewinnausgleichs dienen.7 Jeder Ehegatte behält sein Vermögen, das ihm bei Eingehung der Ehe gehört und das er während der Ehe hinzuerwirbt, und verwaltet es selbständig. Jeder Ehegatte haftet allein für seine Schulden. Wird über das Vermögen eines Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, so gehört nur dessen Vermögen, dieses aber im Ganzen, zur Insolvenzmasse.

a) Die Vermutung des § 1362 BGB. Allerdings besteht die Gefahr, dass in die Haftungsmasse 7 des einen Ehegatten bewegliche Sachen des anderen einbezogen werden, weil § 1362 I S 1 BGB zugunsten der Gläubiger des einen Ehegatten die Vermutung begründet, dass die im Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. § 1362 BGB gilt auch im Insolvenzverfahren.8 Auch hier greift die Vermutung aber nicht Platz, wenn die Ehegatten getrennt leben und die Sachen sich im Besitz des Ehegatten befinden, der nicht Schuldner ist (§ 1362 I S 2 BGB). Inhaber- und mit Blankoindossament versehene Orderpapiere stehen den beweglichen Sachen gleich (§ 1362 I S 3 BGB). Der nicht im Insolvenzverfahren befindliche Ehegatte, der seine Sachen aussondern oder dem Zugriff des Insolvenzverwalters entziehen will, muss also sein Eigentum beweisen, wenn die Vermutung des § 1362 I S 1 BGB zugunsten der Insolvenzmasse eingreift, oder den Nachweis führen, dass die Sache zu seinem persönlichen Gebrauch bestimmt ist. Damit kann er die Eigentumsvermutung des § 1362 II BGB begründen, die der Insolvenzverwalter wiederum dadurch widerlegen kann, dass er das Eigentum des Insolvenzschuldners beweist. Zugunsten der Insolvenzmasse ist die Vermutung des § 1362 II BGB nur dann von Bedeutung, wenn die des § 1362 I BGB nicht eingreift, also wenn keiner der Ehegatten Besitzer der Sache ist oder die Ehegatten getrennt leben und sich die Sache im Besitz des Ehegatten des Insolvenzschuldners befindet.9 Stehen beide Ehegatten im Insolvenzverfahren, heben sich die Vermutungen des § 1362 I S 1, II BGB wechselseitig auf. Das Prioritätsprinzip, das zur Lösung des Vermutungskonflikts in der Einzelzwangsvollstreckung herangezogen wird, wenn ein Gläubiger des Mannes und ein Gläubiger der Frau dieselbe Sache pfänden,10 kann im Insolvenzverfahren nicht gelten. Deshalb muss hier auf § 1006 BGB zurückgegriffen werden.11 Anders ist es zu sehen, wenn der Insolvenzverwalter vor der Eröffnung des Verfahrens über das Vermögen des anderen Ehepartners den betreffenden Gegenstand bereits in Besitz genommen hat (§ 148 I).12 Bei nachge-

7 Dölle FamR I S 750; Soergel/Czeguhn BGB13 § 1363 Rn 3, 6; Staudinger/Thiele BGB (2017) § 1363 Rn 2, 33. 8 BGH FamRZ 1955, 42 = NJW 1955, 20 = LM Nr 2 zu § 1362 BGB; Soergel/Lipp BGB13 § 1362 Rn 9; Gottwald/Haas/ Adolphsen InsRHdB6 § 40 Rn 103; KK/Hess InsO §§ 37 Rn 5; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 37 Rn 31 f. 9 Brox FamRZ 1968, 406, 407. 10 Brox FamRZ 1968, 406, 408; Baur FamRZ 1958, 252, 254; MünchKomm/Heßler ZPO6 § 739 Rn 17. 11 Brox FamRZ 1968, 406, 408; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdB6 § 40 Rn 104 ; Menz Das Aussonderungsrecht des einen Ehegatten im Konkurs des anderen, Diss Tübingen (1961) S 36 ff; anders H Müller Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten (1970) S 66 ff; KK/Hess InsO §§ 37 Rn 5 ff; MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 9. 12 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 37 Rn 36. 129

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§ 37

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

wiesenem Miteigentum gilt § 84.13 Eine Parallelregelung zu § 1362 BGB findet sich für die eingetragene Lebenspartnerschaft in § 8 LPartG. Ob die Vorschrift auf die nichteheliche Lebensgemeinschaften entsprechend angewendet werden kann, ist sehr umstritten.14

8 b) Verfügungsbeschränkungen. Die Verfügungsbeschränkungen, denen ein Ehegatte im gesetzlichen Güterstand hinsichtlich seines Vermögens im Ganzen (§ 1365 BGB) und der Haushaltsgegenstände (§ 1369 BGB) unterliegt, gelten im Insolvenzverfahren nicht. Der Insolvenzverwalter kann deshalb das Vermögen des Schuldners im Ganzen und die Haushaltsgegenstände, soweit sie pfändbar sind und deshalb zur Masse gehören, unbeschränkt veräußern.15

9 c) Zugewinnausgleich. Den zur Auslegung des § 2 KO geführten Streit, ob ein Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns zur Masse gehört, wenn er erst nach der Eröffnung des Verfahrens nach § 852 II ZPO pfändbar geworden ist,16 hat der Gesetzgeber mit § 35 entschieden. Der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns gehört jedenfalls als Neuerwerb zur Insolvenzmasse, sobald er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig gemacht worden ist.17

10 d) Erbteilserhöhung und Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes durch Tod. Werden gesetzlicher Güterstand und Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird statt des Zugewinnausgleichs der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um 1/4 der Erbschaft erhöht, gleichgültig ob die Ehegatten im Einzelnen Fall einen Zugewinn erzielt haben (§ 1371 I BGB). Ist über das Vermögen des überlebenden Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht ihm das Recht der Annahme oder Ausschlagung der vor der Verfahrenseröffnung angefallenen Erbschaft zu (§ 83). Nimmt er die Erbschaft an, so gehört sie zur Masse. Schlägt er die Erbschaft aus, so wird er auf den Ausgleich des Zugewinns und den „kleinen Pflichtteil“ verwiesen (§ 1371 II, III BGB).18 Der Ausgleichs- und der Pflichtteilsanspruch gehören zur Insolvenzmasse.19

11 e) Ausgleichspflicht des Insolvenzschuldners. Dass der Insolvenzschuldner ausgleichspflichtig ist, dürfte nur selten vorkommen. Ist der Güterstand vor dem Zusammenbruch des Schuldners beendet worden und im Berechnungszeitpunkt noch ein Zugewinn vorhanden gewesen, so ist mit der Beendigung des Güterstands eine Ausgleichsforderung entstanden. Ist sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht erfüllt, ist der Ausgleichsberechtigte Insolvenzgläubiger (§ 38). Hat der Ausgleichspflichtige gemäß § 1382 III BGB Sicherheit geleistet durch Verpfändung oder Hinterlegung (§ 233 BGB), ist der Ausgleichsgläubiger absonderungsberechtigt (§§ 49 ff; s auch Rn 12). Ein Ausgleichsanspruch kann auch bestehen, wenn der Insolvenzschuldner zwar zahlungsunfähig, aber nicht überschuldet ist, so dass der Überschuss der Aktiven über die Passiven unter

13 MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 8. 14 Befürwortend etwa Soergel/Lipp BGB13 § 1362 Rn 5 f mwN. 15 Für die Einzelvollstreckung wegen einer Geldforderung: BGH NJW 2006, 849 Rn 8; OLG Hamburg NJW 1970, 952; W Lorenz JZ 1959, 109; Soergel/Czeguhn BGB13 § 1365 Rn 9; Erman/Budzikiewicz § 1365 Rn 3; für die Insolvenz: Berges KTS 1958, 69; W Lorenz JZ 1959, 109; Ziege NJW 1957, 1580 f; Soergel/Czeguhn BGB13 § 1364 Rn 1; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 37 Rn 36. 16 Jaeger/Henckel KO9 § 2 Rn 6 mwN. 17 Leipold FS Gaul (1997) S 367, 369 f, 373; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 37 Rn 26. 18 Staudinger/Thiele BGB (2017) § 1371 Rn 81 ff. 19 Grüneberg/Siede BGB81 § 1371 Rn 19. Müller

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Gesamtgut bei Gütergemeinschaft

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Einbeziehung evtl Hinzurechnungsbeträge nach § 1375 II BGB das Anfangsvermögen übersteigt oder kraft der Vermutung des § 1377 III BGB als Zugewinn gilt. Hat der Schuldner gemäß § 1382 III BGB Sicherheit geleistet, so kann der Ehegatte, wenn die 12 zur Sicherheit gegebenen Gegenstände zur Masse gehören, an sich abgesonderte Befriedigung verlangen, und zwar auch dann, wenn die gesicherte Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht. Denn die Mobiliar- und Immobiliarpfandrechte entstehen schon mit der Bestellung der Sicherheit, nicht erst mit der Entstehung der Forderung, so dass § 91 den Pfandrechtserwerb nicht hindert. Der Zweck der Sicherheitsleistung fordert, dass die Sicherheit dem haftenden Vermögen des Ausgleichspflichtigen entzogen ist. Die Sicherheiten nützen aber dem Ausgleichsberechtigten nicht viel, wenn der Güterstand erst während des Insolvenzverfahrens beendet worden ist. Denn wenn bei Beendigung des Güterstandes kein Überschuss der Aktiven über die Passiven vorhanden ist, besteht nach § 1378 II BGB keine Ausgleichsforderung, so dass die Sicherheiten frei werden. Im Falle der Scheidung wird der Berechnungszeitpunkt auf den Eintritt der Rechtshängigkeit vorverlagert (§ 1384 BGB).20 Vermögensänderungen nach Zustellung des Scheidungsantrags können die Höhe des Anspruchs nicht mehr beeinflussen können. Durch die zum 1.9.2009 in Kraft getretene Neuregelung21 soll die Rechtsposition des von einer illoyalen Vermögensminderung betroffenen Ehegatten gestärkt werden.22 Eine einschränkende Auslegung dahin, dass von der Regelung nur Fälle erfasst werden, in denen der Ausgleichspflichtige für den bis zur Beendigung des Güterstands eingetretenen Vermögensverlust verantwortlich ist, kommt angesichts des insoweit klaren Wortlauts der §§ 1378, 1384 BGB nicht in Betracht und würde auch der Zielrichtung des Gesetzgebers widersprechen.23 Zum erbrechtlichen und güterrechtlichen Ausgleich im Insolvenzverfahren über den Nachlass des ausgleichspflichtigen Ehegatten s zu §§ 325, 327.

2. Gütertrennung Das Vermögen des Mannes und das der Frau bleiben auch hier getrennt. Jedoch bestehen keine 13 Verfügungsbeschränkungen und ein Zugewinnausgleich findet nicht statt. Zur Insolvenzmasse jedes Ehegatten gehört jeweils nur sein eigenes Vermögen. Die Vermutungen des § 1362 BGB (Rn 7) gelten aber auch hier.24

III. Insolvenzverfahren des allein verwaltenden Ehegatten während der Gütergemeinschaft 1. Grundsatz In der Zwangsvollstreckung wird das Gesamtgut der Gütergemeinschaft wie Alleinvermögen des 14 verwaltenden Ehegatten behandelt. Deshalb ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein gegen ihn ergangenes Urteil erforderlich und genügend (§ 740 ZPO). Der nicht verwaltende Ehegatte und seine Gläubiger müssen es sich also gefallen lassen, dass die Gläubiger des verwaltenden Ehegatten auf das Gesamtgut auch wegen solcher Gesamtgutsverbindlichkeiten zugreifen, die im Verhältnis der Ehegatten zueinander (§ 1441 BGB) dem verwaltenden Ehegatten allein zur Last fallen. Das Gesamtgut haftet nach dem Gesetz allen Gläubigern des verwaltenden Ehegatten (§ 1437 BGB). Wie außerhalb des Insolvenzverfahrens alle Gläubiger des verwaltenden Ehegatten 20 21 22 23 24 131

Erman/Budzikiewicz § 1378 Rn 5; Grüneberg/Siede BGB81 § 1378 Rn 8; Soergel/Kappler/Kappler BGB13 § 1378 Rn 11. Gesetz vom 6.7.2009, BGBl I S 1696. BT-Drucks 16/10798 S 18; Nachweise zur früheren Rechtslage in der Vorauflage. BGH NJW 2012, 2657; BGH NJW 2014, 2877 Rn 12. MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 15. Müller

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

in das Gesamtgut vollstrecken dürfen, so erstreckt sich auch das gegen den verwaltenden Ehegatten geführte Insolvenzverfahren auf alle pfändbaren Gegenstände des Gesamtguts. Die Anknüpfung des § 37 an die Verwaltungszuständigkeit steht deshalb im Einklang mit der Haftungsordnung.25 Umgekehrt ist ein selbständiges Insolvenzverfahren über das Gesamtgut, das nicht auch das übrige Vermögen des allein verwaltenden Ehegatten umfasst, ausgeschlossen. Das Insolvenzverfahren über das Gesamtgut der bestehenden Gütergemeinschaft muss auch dann als Insolvenzverfahren des verwaltenden Ehegatten eröffnet werden, wenn dieser kein anderes Vermögen, also weder Vorbehalts- noch Sondergut, hat. Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 18) des verwaltenden Ehegatten.

2. Insolvenzmasse 15 Zur Insolvenzmasse des verwaltenden Ehegatten gehören alle pfändbaren Gegenstände, die ihm allein gehören (Vorbehaltsgut, § 1418 BGB), auch wenn sie erst nach der Verfahrenseröffnung in sein Vorbehaltsgut gelangen (§ 35), und die Gegenstände, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits Bestandteile des Gesamtguts bilden oder während des Verfahrens Gesamtgutsbestandteile werden (§ 35). Die Insolvenzmasse umfasst nicht nur den Neuerwerb des verwaltenden Ehegatten, sondern auch den des anderen, soweit er nach §§ 1416 ff BGB zum Gesamtgut gehört, also zB die pfändbaren Einkünfte26 aus einem Arbeitsverhältnis.27 Ob sich der Gesetzgeber dieser Konsequenz bewusst war,28 ist unerheblich. Die Regelung entspricht der materiellen Haftungsordnung, die geändert werden müsste, wenn § 1416 BGB von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an nicht mehr gelten sollte.29 Die Eheleute sollten rechtzeitig durch entsprechende Gestaltung des Ehevertrages (vgl § 1418 II Nr 1 BGB) Vorsorge treffen, etwa indem sie die pfändbaren Forderungen des nicht verwaltenden Ehegatten aus einem Arbeitsverhältnis zu Bestandteilen seines Vorbehaltsguts erklären, sobald über das Vermögen des verwaltenden Ehegatten das Insolvenzverfahren beantragt wird. Damit bleiben auch die Surrogate dieser Forderungen außerhalb des Gesamtguts (§ 1418 II Nr 3 BGB.30 Anfechtungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Vereinbarung bestehen nicht, weil die Gläubiger kein Recht darauf haben, dass diese Forderungen ihnen stets als Gesamtgutsbestandteile haften. Daher kann eine entsprechende Vereinbarung auch noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden.31 Das zur Masse gehörende Gesamtgut ist wie das Alleinvermögen des Insolvenzschuldners nach § 148 vom Verwalter in Besitz und Verwaltung zu nehmen und zu verwerten, soweit nicht Beschlüsse der Gläubigerversammlung entgegenstehen (§ 159). Verfügungsbeschränkungen, denen der verwaltende Ehegatte selbst mit Rücksicht auf die Mitberechtigung des nicht verwaltenden unterliegt (§§ 1423 ff BGB), stehen, da das Insolvenzverfahren diese Mitberechtigung außer Betracht lässt, dem Insolvenzverwalter nicht im Wege.32 Der Umfang des Gesamtguts bemisst sich nach § 1416 BGB. Sondergut des verwaltenden Ehegatten iSd § 1417 BGB gehört dem Ertrage nach zur Masse, soweit die Ausübung übertragbar ist wie beim Nießbrauch (§ 36 Rn 55 ff).

25 Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2260; aA Kübler/Prütting/Holzer InsO74 § 37 Rn 5. 26 MünchKomm/Münch BGB9 § 1417 Rn 4. 27 MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 21; krit Kübler/Prütting/Holzer InsO87 § 35 Rn 39 ff; Leipold in Dieckmann, Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S 127, 136.

28 So Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2261; MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 21; aA Kübler/Prütting/Holzer InsO87 § 35 Rn 39. 29 Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2261. 30 MünchKomm/Münch BGB9 § 1418 Rn 11 f. 31 Grziwotz RPfleger 2008, 289, 290; Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2261; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 37 Rn 8. 32 Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2262; MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 26; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 37 Rn 7; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 29 Rn 7. Müller

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Gesamtgut bei Gütergemeinschaft

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3. Ausschluss der Auseinandersetzung Der Haftung des Gesamtguts für alle Schulden des verwaltenden Ehegatten entspricht der Aus- 16 schluss einer Auseinandersetzung des zur Insolvenzmasse gehörenden Gesamtguts unter den Ehegatten, wie sie sonst nach Maßgabe des § 84 stattzufinden hätte (vgl §§ 1471 ff BGB). Der nicht verwaltende Ehegatte verliert also seinen Anteil am massezugehörigen Gesamtgut ersatzlos. Andererseits ist dem nicht verwaltenden Ehegatten auch nur hinsichtlich des Gesamtguts das Recht auf Auseinandersetzung und Absonderung (§ 84 I) versagt.33 Alles übrige Vermögen des nichtverwaltenden Ehegatten, Vorbehaltsgut und Sondergut, unterliegt im Insolvenzverfahren des verwaltenden Ehegatten der Aussonderung. Jedoch trägt er die Beweislast für die Behauptung, der Gegenstand gehöre nicht zum Gesamtgut (§§ 1416–1418 BGB).

4. Insolvenzschuldner Insolvenzschuldner in dem nach § 37 eröffneten Verfahren ist nur der verwaltende Ehegatte. 17 Zwar ist das Gesamtgut gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (§ 1416 BGB). Jedoch lässt das Gesetz die Mitberechtigung des nicht verwaltenden Ehegatten unbeachtet, indem es bestimmt, dass im Insolvenzverfahren über das Vermögen des verwaltenden Ehegatten das Gesamtgut zur Insolvenzmasse gehört, während das Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten das Gesamtgut nicht berührt. Das Gesetz kennt einen Zwangszugriff auf Gesamtgut – Einzelvollstreckung (§ 740 ZPO) und Insolvenzverfahren (§ 37 InsO) – nur als Vollstreckung gegen den verwaltenden Ehegatten. Da der verwaltende Ehegatte allein Träger der Insolvenzschuldnerrolle ist, hat auch nur er 18 Rechte und Obliegenheiten des Schuldners wahrzunehmen, nur er Lasten und Rechtsminderungen des Schuldners zu tragen. Der nicht verwaltende Ehegatte hat daher insbesondere nicht das Recht zur Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss (§ 34 II), zur Erklärungsabgabe im Prüfungstermin (§ 176) und zur Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218). Andererseits bildet die Feststellung einer Gesamtgutsverbindlichkeit, für welche der nicht verwaltende Ehegatte auch persönlich haftet, nicht zugleich diesem persönlich gegenüber einen vollstreckbaren Schuldtitel iSd §§ 201, 257, 215 II. Die Insolvenzgläubiger werden durch das Verbot des § 89 an einer Vollstreckung in das massefreie Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten nicht gehindert. Verfügungen des nicht verwaltenden Ehegatten über Gegenstände des massezugehörigen Gesamtguts sind Verfügungen eines Nichtberechtigten. § 81 ist insoweit nicht maßgebend. Darum unterliegen sie aber auch nicht dem beschränkten (§ 81 I S 2), sondern dem unbeschränkten Verkehrsschutz.34 Rückwirkende Kraft kommt § 37 nicht zu. Rechtsgeschäfte des nicht verwaltenden Ehegatten aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des verwaltenden Ehegatten behalten deshalb auch hinsichtlich des Gesamtguts ihre Wirksamkeit. Das gilt für Verpflichtungen und für Verfügungen, etwa in den Fällen der §§ 1429, 1430, 1431 BGB. Jedoch können solche Rechtshandlungen, auch wenn der nicht verwaltende Ehegatte nicht, was ihm § 1429 BGB gestattet, als Vertreter des verwaltenden gehandelt hat, nach dem Zweck des § 37 unter der Voraussetzung der §§ 129 ff anfechtbar sein und Ansprüche auf Rückgewähr zur Insolvenzmasse des verwaltenden Ehegatten begründen. Die selbstständigen Rechtsgeschäfte des nichtverwaltenden Ehegatten, durch die zum Nachteil der Gläubiger Gesamtgutswerte weggegeben wurden, müssen in gleicher Weise anfechtbar sein wie die des verwaltenden, wenn sie zur Verkürzung des Gesamtguts geführt haben. Eine Rückgewähr an den nicht verwaltenden Ehegatten scheidet aus, weil das anfechtbar Weggegebene nicht dessen Eigenvermögen entzogen worden ist.

33 Zur Rechtslage, wenn das Insolvenzverfahren nach Beendigung der Gütergemeinschaft, aber vor der Auseinandersetzung des Gesamtguts eröffnet wird, su Rn 31 ff. 34 Offengelassen von OLG Colmar LZ 1913, 494. 133

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

5. Insolvenzgläubiger 19 Insolvenzgläubiger sind alle persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Verfahrenseröffnung begründeten Vermögensanspruch gegen den verwaltenden Ehegatten haben (§ 38). Dazu gehören auch diejenigen Gesamtgutsgläubiger, deren Forderungen in der Person des nicht verwaltenden Ehegatten entstanden sind. Denn auch solchen Gläubigern haftet der verwaltende Ehegatte persönlich (§ 1437 II BGB). Das gilt auch dann, wenn es sich um eine Verbindlichkeit aus dem Erwerbsgeschäft des nicht verwaltenden Ehegatten handelt, für deren Eingebung als Gesamtgutsverbindlichkeit die Zustimmung des verwaltenden Ehegatten nach § 1431 BGB nicht erforderlich ist (§§ 1438 I, 1440 S 2 BGB). Da auch für eine solche Verbindlichkeit der verwaltende Ehegatte als Gesamtschuldner haftet (§ 1437 II BGB), ist die Haftung nicht auf das Gesamtgut beschränkt, so dass es der Bildung einer Sondermasse für die Geschäftsgläubiger nicht bedarf.35

6. Fortbestand der Gütergemeinschaft 20 Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des verwaltenden Ehegatten, welches das Gesamtgut mitumfasst, lässt an sich den Bestand der Gütergemeinschaft unberührt.36 Eine Aufhebung kraft Gesetzes würde dem nicht verwaltenden Ehegatten wider seinen Willen die Anwartschaft auf Mitberechtigung am künftigen Erwerbe des verwaltenden und die Vorteile der fortgesetzten Gütergemeinschaft entziehen. Das wäre unbillig. Dagegen bleibt es, von einer Aufhebung durch Ehevertrag abgesehen,37 dem nicht verwaltenden Ehegatten unbenommen, durch Klage gegen den verwaltenden Ehegatten persönlich, nicht gegen den Insolvenzverwalter, die Aufhebung der Gütergemeinschaft für die Zukunft zu erwirken, sofern die Voraussetzungen des § 1447 BGB, besonders dessen Nr 3, gegeben sind.38 Im Insolvenzverfahren des verwaltenden Ehegatten wird der Fall der Nr 3 häufig, wenn auch durchaus nicht immer, vorliegen. „Überschuldung“, nicht Insolvenzverfahren, ist Klagegrund.

IV. Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten während der Gütergemeinschaft 1. Massefreiheit des Gesamtguts 21 Durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten wird das Gesamtgut der Gütergemeinschaft nicht berührt (§ 37 I S 3). Dementsprechend kann der verwaltende Ehegatte im Insolvenzverfahren des nicht verwaltenden das ganze Gesamtgut aussondern (§ 47 InsO, § 1422 BGB).39 Diese Regelung rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass das Gesamtgut den Gläubigern des nicht verwaltenden Ehegatten nicht schlechthin haftet wie den Gläubigern des verwaltenden. Ob alle Gläubiger, nur einzelne oder kein Gläubiger des nicht verwaltenden Ehegatten auf das Gesamtgut als Haftungsobjekt zugreifen können, hängt davon ab, ob die Forderungen nach §§ 1438–1440 BGB eine Gesamtgutsverbindlichkeit begründen. Ein Sondervermögen, das nicht für alle Verbindlichkeiten des Schuldners haftet, kann nicht zu seiner Insolvenzmasse gehören, weil diese nach § 35 InsO zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger dient. Auch der Anteil des nicht verwaltenden Ehegatten am Gesamtgut gehört nicht zu seiner Insolvenzmasse. Denn der Anteil ist nach 1419 I BGB iVm § 860 I S 1 ZPO nicht pfändbar 35 36 37 38 39

Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2262; aA Baur FamRZ 1958, 252, 258. Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2261; Gernhuber/Coester-Waltjen FamR7 § 38 Rn 107. Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2261 f. Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2262. BGH NZI 2006, 402 Rn 4 ff.

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Gesamtgut bei Gütergemeinschaft

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und folglich nach § 36 InsO nicht massezugehörig.40 Auch im Insolvenzverfahren des nicht verwaltenden Ehegatten, der selbständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, gehört das Gesamtgut nicht zur Masse. Zwar haftet das Gesamtgut für alle Geschäftsverbindlichkeiten, wenn der verwaltende Ehegatte in die selbständige Erwerbstätigkeit eingewilligt oder ihr nicht widersprochen hat (§ 1431 I, 2). Jedoch enthält § 37 I S 3 für diesen Fall keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten das Gesamtgut nicht berührt wird.41 Eine Gefahr für die Geschäftsgläubiger des nicht verwaltenden Ehegatten besteht nicht. Da ihnen der verwaltende Ehegatte auch persönlich haftet (§ 1437 BGB), können sie, wenn er sie nicht voll befriedigen kann, zugleich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragen, das das Gesamtgut mit erfasst.

2. Zugriff der Gläubiger auf das Gesamtgut Ist während der Gütergemeinschaft das Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwal- 22 tenden Ehegatten eröffnet worden, so können solche Insolvenzgläubiger, die einen Vollstreckungstitel gegen den verwaltenden Ehegatten erwirkt haben oder während des Verfahrens noch erwirken, nach § 740 ZPO in das Gesamtgut vollstrecken, obgleich dieses auch Vermögen des Insolvenzschuldners ist (§ 1416 BGB). Einer solchen Vollstreckung steht das Verbot des § 89 deshalb nicht entgegen, weil die Gläubiger beim Zwangszugriff auf Gegenstände des Gesamtguts nicht als Gläubiger des Schuldners, sondern lediglich als Gläubiger des verwaltenden Ehegatten auftreten, also bei dieser Sondervollstreckung nicht als „Insolvenzgläubiger“ iSd § 89 erscheinen.42

3. Insolvenzmasse Insolvenzmasse ist das Eigenvermögen des nicht verwaltenden Ehegatten in den Grenzen der 23 35, 36, also das Vorbehaltsgut und dessen Surrogate (§ 1418 BGB). Sondergutsgegenstände des nicht verwaltenden Ehegatten iSd § 1417 BGB bleiben, soweit sie beschlagsunfähig sind (zB nach §§ 850 ff ZPO), auch massefrei. Sind sie der Ausübung nach übertragbar, so unterliegen sie insoweit auch dem Haftungszugriff. Jedoch ist zu beachten, dass die Nutzungen des Sonderguts in das Gesamtgut fallen (§ 1417 III S 2 BGB)43 und rechtsgeschäftlich übertragbare Surrogate von Sondergutsgegenständen zum Gesamtgut gehören.44 So fällt das zur Erfüllung einer unpfändbaren Lohnforderung gezahlte Geld, soweit es nicht nach § 811 I Nr 8 ZPO unpfändbar ist, ebenso in das Gesamtgut wie der pfändbare Teil der Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis und die darauf gezahlten Beträge,45 ferner das Auseinandersetzungsguthaben eines aus einer OHG ausgeschiedenen Gesellschafters, dessen Gesellschaftsanteil unübertragbar ist, oder der Anspruch auf Ersatz wegen Zerstörung einer Sache, an welcher dem nichtverwaltenden Ehegatten ein Nießbrauch zustand. Soweit also eine Haftung des Sonderguts nach § 857 III ZPO oder durch Zugriff auf Surrogate überhaupt möglich ist, gehören die Haftungsobjekte zum Gesamtgut. Das ist deshalb angemessen, weil Sondergut nicht die Funktion hat, dem nicht verwaltenden Ehegatten eine Sphäre freier Vermögensverfügung oder eine selbständige Haftungsgrundlage zu verschaffen, sondern lediglich auf der Unübertragbarkeit beruht. Soweit diese reicht, sind die Sondergutsge40 BGH NZI 2006, 402 Rn 5; KK/Hess InsO §§ 37 Rn 16; MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 28. 41 BGH NZI 2006, 402 Rn 5 f; aA noch Petersen/Kleinfeller KO4 § 2 Anm 2, die aus § 741 ZPO folgerten, das ganze Gesamtgut falle in die Konkursmasse des nicht verwaltenden Ehegatten.

42 Baur FamRZ 1958, 252, 258; Soergel/Gaul/Althammer BGB13 § 1437 Rn 10. 43 Soergel/Gaul/Althammer BGB13 § 1417 Rn 6; Staudinger/Thiele BGB (2018) § 1417 Rn 17; Gernhuber/Coester-Waltjen FamR7 § 38 Rn 34–36.

44 Staudinger/Thiele BGB (2018) § 1417 Rn 21. 45 MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 28 und oben Rn 15. 135

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

genstände auch unpfändbar (§§ 851, 857 III ZPO). Soweit sie pfändbar sind, scheiden sie dagegen aus dem Sondergut aus. Die Gläubiger des nichtverwaltenden Ehegatten werden dadurch nicht benachteiligt, weil Gesamtgutsverbindlichkeiten entstehen, soweit es sich um Geschäftsverbindlichkeiten handelt oder um solche, die zu den Lasten des Sondergutes gehören, die aus den Einkünften bestritten zu werden pflegen (§ 1440 S 2 BGB). Aus dieser haftungsrechtlichen Regelung folgt, dass die zum Sondergut gehörenden Gegenstände auch dem Ertrage nach nicht zur Insolvenzmasse des nicht verwaltenden Ehegatten gehören können. Auch wenn der Ehegatte, dem das Sondergut gehört, oder sein Insolvenzverwalter in Ausübung des selbständigen Verwaltungsrechts (§ 1417 III S 1 BGB) die Erträge zunächst selbst einziehen, findet kein haftungsrechtlich relevanter Durchgangserwerb statt, der die Erträge massebefangen machen könnte. Vielmehr gehören sie sofort haftungsrechtlich zum Gesamtgut. Der dieses verwaltende Ehegatte kann die Erträge und übertragbaren Surrogate aus der Masse des nicht verwaltenden aussondern. Die Gläubiger können nur mit einem Titel gegen den verwaltenden Ehegatten in der Einzelvollstreckung (§ 740 I ZPO) oder im Insolvenzverfahren des verwaltenden Ehegatten darauf zugreifen.

V. Gesamtgutsinsolvenzverfahren bei gemeinschaftlicher Verwaltung (II) 24 Verwalten die Eheleute das Gesamtgut gemeinschaftlich, findet nach §§ 11 II Nr 2, 333, 334 ein besonderes Insolvenzverfahren über das Gesamtgut statt, das als Sondervermögen eigenständiges Objekt eines Insolvenzverfahrens sein kann. In § 37 II ist lediglich geregelt, wie sich das Insolvenzverfahren eines Ehegatten auf das Gesamtgut auswirkt. Dieses wird nicht berührt. Zur Insolvenzmasse des Ehegatten gehört nur sein Vorbehaltsgut. Zum Sondergut s Rn 23.

VI. Eigentums- und Vermögensgemeinschaft 25 Haben die Ehegatten am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland (3. Oktober 1990) im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des Familiengesetzbuchs der DDR (§§ 13 ff) gelebt, gelten von diesem Zeitpunkt an die Vorschriften des BGB über den gesetzlichen Güterstand (Art 234 § 4 I EGBGB). Gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten wird Miteigentum46 zu gleichen Bruchteilen,47 auf das die §§ 1008–1011, 741–758 BGB, § 84 InsO anwendbar sind (Art 234 § 4a I S 1 EGBGB). Die Auseinandersetzung des bis zum Beitritt erworbenen gemeinschaftlichen Eigentums und Vermögens erfolgt in sinngemäßer Anwendung des Art 234 § 4 IV EGBGB.48 Nach Art 234 § 4 II EGBGB konnte jeder Ehegatte bis zum Ablauf von zwei Jahren nach dem 3.10.1990 dem Kreisgericht gegenüber erklären, dass für die Ehe der bisherige Güterstand fortgelten solle. In diesem Fall finden auf das bestehende und künftige gemeinschaftliche Eigentum die Vorschriften über das durch beide Ehegatten verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft des BGB entsprechende Anwendung (Art 234 § 4a II EGBGB), also auch § 233 InsO.49 Für die Auflösung dieser Gemeinschaft im Falle der Scheidung sind jedoch die Vorschriften des Familiengesetzbuchs der DDR (§ 39) nach Maßgabe des Art 234 § 4 EGBGB anzuwenden.50

46 47 48 49 50

Stichtag: 25.12.1993, Staudinger/Rauscher (2016) Art 234 § 4a EGBGB Rn 18. Für Grundstücke waren abweichende Anteile möglich (Art 234 § 4a I S 2–5 EGVGB). Dazu Staudinger/Rauscher (2016) Art 234 § 4 EGBGB Rn 73 ff. Zur GesO: Wenzel FuR 1992, 212. Einzelheiten bei Staudinger/Rauscher (2016) Art 234 § 4 EGBGB Rn 30 ff.

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Gesamtgut bei Gütergemeinschaft

§ 37

VII. Fortgesetzte Gütergemeinschaft 1. Der Grundsatz des § 37 III Fortgesetzte Gütergemeinschaft tritt nach § 1483 BGB nur kraft Ehevertrags ein. Der überlebende 26 Ehegatte hat diejenige Rechtsstellung, die bei der ehelichen Gütergemeinschaft der alleinverwaltende Ehegatte einnimmt. Die anteilsberechtigten Abkömmlinge haben die rechtliche Stellung des nicht verwaltenden Ehegatten (§§ 1487 I BGB). Dementsprechend bestimmt § 37 III: Im Insolvenzverfahren des überlebenden Ehegatten gehört das Gesamtgut (§ 1485 BGB) zur Insolvenzmasse; eine Auseinandersetzung mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen (§§ 1497 ff BGB) findet nicht statt; durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Abkömmlings wird das Gesamtgut nicht berührt. Sind neben den gemeinschaftlichen Abkömmlingen andere Abkömmlinge vorhanden, so erfolgt mit letzteren eine Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens (§§ 1483 II, 1485 I BGB, § 84 I InsO).

2. Insolvenzverfahren des überlebenden Ehegatten Das Insolvenzverfahren des überlebenden Ehegatten ergreift auch das Gesamtgut, weil dieses 27 nach § 1488 BGB allen Gläubigern des überlebenden Ehegatten auf derselben Stufe haftet wie dessen sonstiges Vermögen. Wie das Gesamtgut in der Einzelvollstreckung nach § 745 I ZPO dem Zugriff der Gläubiger des überlebenden Ehegatten offen steht, so gehört es auch im Insolvenzverfahren zu dessen Masse. Nach § 1485 I BGB fällt nur der Neuerwerb des überlebenden Ehegatten in die Masse.51 Insolvenzschuldner ist nur der überlebende Ehegatte.

3. Insolvenzverfahren eines anteilsberechtigten Abkömmlings Das Insolvenzverfahren eines anteilsberechtigten Abkömmlings erstreckt sich nicht auf das Ge- 28 samtgut, weil dieses für die Verbindlichkeiten der Abkömmlinge nicht haftet (§ 1488). Auch sein Anteil an der fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört nicht zu seiner Insolvenzmasse, weil er nicht pfändbar ist (§ 860 I S 2 ZPO, § 36 InsO).

4. Beschränkte Haftung des überlebenden Ehegatten Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu Rn 14–23 verwiesen. Eine Besonderheit gilt in dem 29 Falle, dass die beschränkte Haftung des überlebenden Ehegatten für die Verbindlichkeiten, für die dieser lediglich infolge des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft haftet, auf Grund des § 1489 II BGB geltend gemacht wird. Hier findet im Gegensatz zur ehelichen Gütergemeinschaft mit Einzelverwaltung ein selbstständiges, den Regeln des Nachlassinsolvenzverfahrens angepasstes Insolvenzverfahren über das Gesamtgut statt (§ 332).

5. Eröffnung des Insolvenzverfahrens während des Laufs der Ablehnungsfrist Wird über das Vermögen des überlebenden Ehegatten während der für die Ablehnung der fortge- 30 setzten Gütergemeinschaft gewährten Überlegungsfrist (§ 1484 II mit § 1944 BGB) das Insolvenzverfahren eröffnet, ist er noch als Insolvenzschuldner berechtigt, zum Nachteil der Masse auf Fortsetzung der Gütergemeinschaft zu verzichten (§ 83 I S 2). 51 MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 42. 137

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§ 37

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

VIII. Insolvenzverfahren nach Beendigung der ehelichen oder der fortgesetzten Gütergemeinschaft 1. Unanwendbarkeit des § 37 31 Die Vorschriften des § 37 treffen nur den Fall, dass während des Bestehens einer ehelichen oder fortgesetzten Gütergemeinschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das Gesamtgut gehört demnach zwar auch dann zur Insolvenzmasse des verwaltenden Ehegatten oder des überlebenden Ehegatten, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen der nichtverwaltende oder ein Abkömmling die Klage auf Aufhebung der Gütergemeinschaft bereits erhoben hatten (§§ 1447, 1495 BGB), die Aufhebung selbst jedoch noch nicht eingetreten war (§§ 1449, 1496 BGB), und bleibt selbstverständlich Massebestandteil, auch wenn der verwaltende Ehegatte oder der überlebende Ehegatte nach der Verfahrenseröffnung stirbt. War dagegen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 108) über das Vermögen des einen oder anderen Ehegatten, des überlebenden Ehegatten oder des anteilsberechtigten Abkömmlings die Gemeinschaft bereits aufgehoben (vgl 1414, 1449, 1492, 1493, 1494, 1496 BGB), so findet § 37 keine Anwendung, auch wenn die Auseinandersetzung bei Verfahrenseröffnung noch nicht vollzogen ist. Auch im Liquidationsstadium ergreift daher das Insolvenzverfahren des verwaltenden Ehegatten oder des überlebenden Ehegatten und ebenso das Insolvenzverfahren über den Nachlass des einen oder anderen das ungeteilte Gesamtgut als solches nicht mehr. Das ist deshalb geboten, weil die nach Beendigung der Gemeinschaft lediglich in der Person des verwaltenden Ehegatten oder des überlebenden Ehegatten (oder ihres Erben) neu entstandenen Schulden in einem nun eröffneten Insolvenzverfahren zwar Insolvenzforderungen, aber keine Gesamtgutsverbindlichkeiten wären. Im Zustand der Auseinandersetzung bleibt sonach § 37 unanwendbar, gleichgültig, aus welchem Grunde die Gütergemeinschaft endete.52

2. Auseinandersetzung 32 Die Auseinandersetzung zwischen den Anteilsberechtigten (§§ 1471 ff, 1497 ff BGB) findet nach § 83 I außerhalb des Insolvenzverfahrens statt. 33 Zwischen Beendigung und Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft ist ein Insolvenzverfahren, auch ein Nachlassinsolvenzverfahren, über das Eigenvermögen eines Gemeinschafters statthaft. Es ergreift auch den in dieser Zeit beschlagsfähigen Gesamtgutsanteil des Insolvenzschuldners (§ 860 II ZPO). Bei der Auseinandersetzung zwischen dem Insolvenzschuldner und den übrigen Gemeinschaftern (§ 83) kann der Insolvenzverwalter nicht mehr Rechte geltend machen, als der im Insolvenzverfahren stehende Schuldner hat, also zB nicht selbständig, sondern nur zusammen mit den übrigen Gemeinschaftern über Gegenstände des ungeteilten Gesamtguts verfügen (§§ 1472, 1497 II BGB).53

3. Selbstständiges Insolvenzverfahren über das Gesamtgut in Liquidation 34 Befindet sich das Gesamtgut im Liquidationsstadium, so kann über dieses Sondervermögen ein selbstständiges Insolvenzverfahren in analoger Anwendung des § 333 eröffnet werden.54 Der Mangel ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung steht nicht entgegen. Dass § 13 II 3 RegE, der ein solches 52 BayObLG BayZ 1916, 295 f: Staudinger/Thiele BGB (2018) § 1471 Rn 14; Gottwald/Haas/Wimmer InsRHdB6 § 29 Rn 11; aA Roth Recht 1918, 180 ff.

53 BayObLG BayZ 1916, 295 f. 54 § 333 Rn 4 ff; MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 38; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 37 Rn 17; für eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung Holzer NZI 2016, 713 ff. Müller

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Gesamtgut bei Gütergemeinschaft

§ 37

Insolvenzverfahren vorsah, nicht Gesetz geworden ist, bedeutet keine Ablehnung.55 Neuerwerb der Ehegatten gehört nicht zur Insolvenzmasse, weil die Eheleute in diesem Verfahren nicht persönlich Insolvenzschuldner sind und § 1416 BGB nicht mehr anwendbar ist.56 Die bisherigen Gesamtgutsgläubiger können an einem solchen Sonderinsolvenzverfahren ein besonderes Interesse haben, zumal bei der Gütergemeinschaft das Gesamtgut regelmäßig die einzige Haftungsmasse des persönlichen Gläubigers bildet. Ihre Verteilung in einem geordneten Verfahren muss ebenso gesichert sein wie die insolvenzrechtliche Verteilung des Gesamtguts während bestehender Gütergemeinschaft. Wird über das Vermögen eines Mitglieds der Gütergemeinschaft in der Zwischenzeit, also nach Beendigung der Gemeinschaft und vor Vollzug der Teilung, das Insolvenzverfahren eröffnet, sind während der zur Ermittlung seines Anteils außerhalb des Insolvenzverfahrens stattfindenden Auseinandersetzung (§ 83) die bisherigen Gesamtgutsgläubiger gefährdet. Zwar sind die Mitglieder der Gemeinschaft untereinander gehalten, zunächst die Gesamtgutsverbindlichkeiten nach Maßgabe der §§ 1475, 1498 BGB zu berichtigen. Jedoch ist die Auseinandersetzung unter den Teilhabern rein privater Natur, nicht eine gerichtlich überwachte und unter Beteiligung der Gläubiger stattfindende Liquidation. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Insolvenzverfahrens ist für die Auseinandersetzung nicht maßgebend. Die Anteilsberechtigten dürfen, ohne nach § 1480 BGB haftbar zu werden, auch bei Unzulänglichkeit des Gesamtguts die Gläubiger in der Reihenfolge befriedigen, in der sie sich melden.57 Das muss im Interesse der Gläubigergemeinschaft ausgeschlossen werden. Zudem müssten die Gesamtgutsgläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Mitglieds der Gemeinschaft auch hinsichtlich der in dessen Gemeinschaftsanteil enthaltenen Gesamtgutswerte mit dessen übrigen Gläubigern teilen. Das Gesamtgut, das nur den Gesamtgutsgläubigern haften soll, würde auch den Gläubigern einzelner Gemeinschaftsmitglieder zugute kommen. Besonders bedrohlich wird die Privatliquidation für solche Gesamtgutsgläubiger, deren Befriedigung aus dem Gesamtgut nach §§ 1475 II, 1498 BGB verweigert werden kann.58 Aus diesen Gründen bedarf es zum Schutz der Gesamtgutsgläubiger eines selbständigen Insolvenzverfahrens über das in Auflösung begriffene Gesamtgut. Seine Zulässigkeit scheitert nicht daran, dass das BGB keinen Rechtssatz des Inhalts enthält, dass das Gesamtgut auch während der Auseinandersetzung den bisherigen Gesamtgutsgläubigern ausschließlich oder doch im voraus haftet und dass nach §§ 743, 744, 745 II ZPO die Zwangsvollstreckung in Gegenstände des ungeteilten Gesamtguts während der Liquidation nicht nur wegen der bisherigen Gesamtgutsverbindlichkeiten, sondern überhaupt wegen gemeinsamer Schulden der Genossen, zB auch wegen Neuschulden aus den §§ 427, 769, 830, 840 BGB, zugelassen wird, ja sogar den Einzelgläubigern die Pfändung der Gesamtgutsanteile ihrer Schuldner gestattet wird (§ 860 II ZPO). Denn die InsO erkennt selber an, dass ein Gesamtgutsinsolvenzverfahren nach Beendigung der Gütergemeinschaft zulässig ist, indem sie in § 236 diese Zulässigkeit voraussetzt, und zwar sogar für den Fall, dass die Teilung schon vollzogen ist (§ 332 I mit § 316 II). Für die Anwendbarkeit des § 316 II spricht nämlich nicht bloß die unterschiedslose Verweisung auf die §§ 315–331, sondern auch die Gleichheit des Zwecks. Der § 316 II will die Nachlassgläubiger schützen, wenn die Miterben entgegen der innenrechtlichen Anordnung des § 2046 BGB vor Berichtigung der Schulden den Nachlass unter sich geteilt haben. Das Gebot der §§ 1475, 1498 BGB bedarf der gleichen Sicherstellung. Der Schutz der §§ 1480, 1498 BGB reicht so wenig aus wie der entsprechende der §§ 2058, 2060 f BGB, weil bei der Inanspruchnahme der einzelnen Mitberechtigten die Konkurrenz ihrer Eigengläubiger in Kauf genommen werden muss. Die Zulässigkeit des Sonderinsolvenzverfahrens, die für das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft sogar nach Vollzug der Teilung besteht, muss bei ganz entsprechender Haftungslage auch für das Gesamtgut der beendeten ehelichen Gütergemeinschaft gelten, mindestens im Auseinandersetzungsstadium. Hinzu kommt, dass ein Gesamtgutsinsolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut zulässig ist (§ 333). Hat der Gesetzgeber hier das Sonderinsolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete 55 BT-RA (BT-Drucks 12/7302) zu § 378a. 56 Thiele/Salmen ZInsO 2014, 2259, 2262; MünchKomm/Schumann InsO4 § 37 Rn 36. 57 Dies verkennen die Motive zum Entwurf eines BGB IV S 480, 412; Hellmann Lehrbuch S 127 Fn 3; Roth Recht 1918, 182; dagegen Protokolle zum Entwurf eines BGB I S 285; Kannengießer DJZ 1898, 140.

58 Kannengießer DJZ 1898, 140. 139

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§ 37

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Gesamthandsvermögen im Interesse der Gesamthandsgläubiger anerkannt, so muss wegen der vergleichbaren Interessenlage auch das Sonderinsolvenzverfahren über das ebenfalls gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut in Liquidation zugelassen werden.59

4. Einzelfragen zum Sonderinsolvenzverfahren über das ungeteilte Gesamtgut 35 Insolvenzgrund ist entsprechend §§ 17, 18, 333 II die Zahlungsunfähigkeit, auch die drohende. In analoger Anwendung des § 333 genügt es aber nicht, dass aus dem Gesamtgut keine Zahlungen mehr geleistet werden können. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Ehegatte, der persönlich schuldet und das Gesamtgut bis zur Beendigung allein verwaltet hat, zahlungsunfähig ist. Haftet auch der andere Ehegatte für die Gesamtgutsverbindlichkeiten persönlich, so ist auch dessen Zahlungsunfähigkeit vorauszusetzen. 36 Insolvenzschuldner sind sämtliche Gemeinschafter, Mann und Frau, bei Gemeinschaftsbeendigung infolge Todes auch der Erbe des Verstorbenen. Denn die Anteilsberechtigten sind in der Zeit zwischen Gemeinschaftsbeendigung und Teilungsvollzug gleichberechtigte Verwalter des Gesamtguts (§ 1472 BGB). Ob die Ehegatten die Insolvenzschuldnerrechte einzeln oder nur gemeinsam ausüben dürfen, bestimmt sich nach den zu § 333 entwickelten Regeln. Insolvenzgläubiger sind alle Gesamtgutsgläubiger, auch solche, deren Forderungen nach 37 dem innenrechtlichen Verhältnis nur den einen der Gemeinschafter treffen, nicht aber solche Gläubiger, deren Forderungen erst nach Beendigung der Gemeinschaft, wenn auch noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der Person eines einzelnen Teilhabers entstanden sind. Die gemeinschaftliche Neuschuld dagegen ist mit Rücksicht auf § 743 ZPO als Insolvenzforderung verfolgbar, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist. 38 Insolvenzmasse (§ 35) ist das Gesamtgut in dem zur Zeit der Verfahrenseröffnung vorhandenen und beschlagsfähigen Umfang. Nicht zur Insolvenzmasse gehört das etwaige Sondervermögen der einzelnen Gemeinschafter. Im gleichzeitigen Insolvenzverfahren über das Eigenvermögen eines Teilhabers können die Gesamtgutsgläubiger, denen dieser Teilhaber auch persönlich haftet, selbst keine Befriedigung verlangen. In entsprechender Anwendung des § 334 I kann nur der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter die persönliche Haftung einzelner Teilhaber geltend machen.

59 Uhlenbruck/Weidmüller InsO15 § 333 Rn 9; Kilger/K Schmidt InsG17 § 2 KO Anm 3; Schuler NJW 1958, 1609; zur älteren Literatur, die überwiegend die Gegenmeinung vertrat, s Jaeger KO6/7 § 2 Rn 26. Müller

140

§ 38 Begriff der Insolvenzgläubiger Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).

Materialien DiskE § 49, Begr S 40; RefE § 49, Begr S 47; RegE, BT-Drucks 12/2443, § 51, Begr S 124.

Vorgängerregelungen § 3 I KO, dazu Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 32 ff, Begr EKO S 25 f; KO-Prot S 8.

Literatur Eckardt Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts in Kölner Schrift, S 580; Eichel Künftige Forderungen (2014); Fuchs/Masarwah Einmal Rechtskraft, immer Rechtskraft? Die Bedeutung des Tabelleneintrags nach § 178 III InsO für Folgeprozesse, NZI 2019, 401; Frotscher Besteuerung bei Insolvenz9 (2021); Ganter Die betriebliche Altersversorgung in der Unternehmensinsolvenz, NZI 2013, 769; Gorny Die materielle Polizeipflicht und die Durchsetzung in Konkurs und Insolvenz des Störers (2000); Gottwald/Haas InsRHandb6 (2020); Habscheid Öffentlichrechtliche Forderungen, insbesondere Steuerforderungen im Konkurs, KTS 1996, 201; Henckel Insolvenzgläubiger – Massegläubiger – Neugläubiger, in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts, hrsg vom Arbeitskreis Insolvenzrecht und Schiedsgerichtswesen eV (2000) S 97; Hess/Boochs/Weis Steuerrecht in der Insolvenz (1996); Huntemann/Graf Brockdorff (Hrsg) Der Gläubiger im Insolvenzverfahren (1999); Keller Der Unterhaltsanspruch als Insolvenzforderung und die Stellung des Unterhaltsgläubigers im Insolvenzverfahren, NZI 2007, 143; Markert Die Einordnung von Steuerforderungen in der Insolvenz (2020); Mocker Der Staat als Umsatzsteuergläubiger im Insolvenzverfahren (2021); Onusseit/Kunz Steuern in der Insolvenz2 (1997); Onusseit Zur notwendigen Reform umsatzsteuerrechtlicher Fragen im Rahmen einer Reform des Insolvenzrechts, ZInsO 2000, 586; Roth Insolvenzsteuerrecht3 (2020); Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg) Bankrechts-Handbuch5 (2017); Vogel Ist die Absicherung des Kautionsversicherers insolvenzfest?, ZIP 2007, 2198; Waza/Uhländer/Schmittmann Insolvenzen und Steuern13 (2021); Wenner/Schuster Sind Geheimhaltungsvereinbarungen insolvenzfest? ZIP 2005, 2191.

Übersicht I.

Einleitung

II. 1. 2.

Zweckbindung der Masse 4 Zweck der Masse Haftungsrechtliche Zuweisung, Konkurspfand5 recht, Konkursanspruch

III. 1.

2.

1

8 Begriff des Insolvenzgläubigers Funktion des Begriffes 9 a) Materiell-rechtliche Definition b) Prüfung der Insolvenzgläubigereigenschaft 10 für die einzelnen Verfahrenszwecke c) Nicht erzwingbare Verbindlichkei11 ten d) Bindung an die Qualifikation des rechtskräf18 tig festgestellten Anspruchs? e) Insolvenzgläubiger, die am Verfahren nicht 19 teilnehmen Persönliche Gläubiger, Abgrenzung

141 https://doi.org/10.1515/9783110666175-004

a) b)

c)

d) e) f) g)

Persönliche Gläubiger und dingliche Haf20 tungsrechte Beschränkte Haftung, Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommanditis22 ten Ansprüche aus sachenrechtlichen Rechtsverhältnissen, privatrechtlicher Beseitigungsan24 spruch Öffentlich-rechtliche Beseitigungsansprüche, 27 Altlasten Persönliche Ansprüche aus familien- und 30 erbrechtlichen Rechtsverhältnissen 31 Aussonderungsberechtigte 32 Mitgliedschaftsrechte 35 aa) Aktiengesellschaft 46 bb) GmbH 48 cc) Verein 50 dd) OHG, KG 60 ee) Partnerschaftsgesellschaft 61 ff) BGB-Gesellschaft

Eichel

§ 38

3.

4.

IV. 1. 2. 3.

4. V. 1. 2. 3.

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

gg) Partenreederei 62 hh) Europäische wirtschaftliche Interessen63 vereinigung (EWIV) 64 ii) Stille Gesellschaft 65 h) Vertrag zugunsten Dritter Vermögensansprüche 67 a) Allgemeines 68 b) Unerheblichkeit des Rechtsgrundes c) Ansprüche auf vertretbare Handlungen, Be69 freiungsanspruch d) Ansprüche auf nicht vertretbare Handlun73 gen 77 e) Insbesondere: Auskunftsanspruch f) Schadensersatzansprüche wegen Verletzung 81 von Handlungspflichten 82 g) Unterlassungsansprüche 84 h) Gestaltungsrechte i) Abstrakte Forderung und Kausalforde85 rung Abtretung und gesetzlicher Forderungsüber86 gang Zeitpunkt der Begründung der Forderung – Grundlagen 89 Relevanz des „Begründetseins“ Bereits entstandene Forderungen, insb „betagte 90 Forderungen“ Noch nicht entstandene Forderungen – Abgren91 zung zur lediglich künftigen Forderung 92 a) Maßstäbe für die Abgrenzung b) Terminologie (bedingte Forderungen, künfti96 ge Forderungen) c) Illustration der vorstehenden Grundsätze 97 an Fallbeispielen d) Dauerschuldverhältnisse (Grundla99 gen) 100 Erloschene Forderungen (Tilgung) Bei Eröffnung noch nicht entstandene Forderungen (Beispiele nach Anspruchstypen) 101 Ersatzansprüche bei Pflichtverletzungen 102 Forderungen aus unerlaubter Handlung Rückgriffsansprüche a) Rückgriffsanspruch aus Gesamtschuld als In104 solvenzforderung b) Rückgriffsanspruch des Bürgen als Insol108 venzforderung c) (Teil-)Befriedigung des Hauptgläubigers vor 111 der Verfahrenseröffnung

d) 4. 5.

6. 7. 8.

VI. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

8.

9.

10. 11.

12.

13.

(Teil-)Befriedigung des Hauptgläubigers 113 nach Verfahrenseröffnung 115 Rückgewähransprüche Schuldanerkenntnis, Kontokorrent 116 a) Schuldanerkenntnis 117 b) Kontokorrent 122 Nutzungen Insolvenzforderungen kraft Rechts123 scheins Vergütungsansprüche bei amtlicher Festsetzung 125 oder Bewilligung

Bei Eröffnung noch nicht entstandene Forderungen (Beispiele nach Sachbereichen) 126 Arbeitsrecht 127 Darlehensverträge 128 Erbrechtliche Forderungen 129 Familienrecht, insb Unterhaltsansprüche 131 Gesellschaftsrechtliche Ansprüche 132 Miete, Pacht und WEG Öffentlich-rechtliche Forderungen 136 a) Grundlagen 137 b) Einzelfälle Steuerforderungen 138 a) Grundlagen b) Einkommen- und Körperschaft141 steuer 149 c) Lohnsteuer 157 d) Gewerbesteuer 158 e) Umsatzsteuer 163 f) Grund- und Grunderwerbsteuer 165 g) Kraftfahrzeugsteuer 166 h) Erbschaftsteuer Verfahrenskosten, Prozessrecht 167 a) Gerichtskosten 168 b) Kosten sonstiger Verfahren 169 c) Kostenerstattungsansprüche 173 d) Strafverfahrensrecht e) Ansprüche nach §§ 302 IV, 600 II, 717 II, III, 175 945, 958 ZPO 176 Versicherungsverträge Zahlungsverkehr 180 a) Banküberweisung 181 b) Lastschrift Sonstige Sachbereiche 186 a) Energierecht 187 b) Leibrentenrecht 188 Wechselrecht

Alphabetische Übersicht Abfindung 46, 56 f, 98, 126, 129 – überhöhte 46 Abfindungsguthaben 56 f Eichel

Absonderung 21, 24, 58, 77, 113, 121, 123, 172, 188 Abstraktionsprinzip 21 Abtretung 76, 84, 86 f, 106, 123, 191 142

Begriff der Insolvenzgläubiger

Aktiengesellschaft 32, 35, 41, 45 Akzessorietät der Gesellschafterhaftung 54, 60 ff Altersversorgung, betriebliche 9, 126 Altgläubiger KG 57 Altlast 27–29 Anleihegläubiger 125, 131, 169 Anwartschaftsrecht, haftungsrechtliches 91, 126, 191 Arbeitsentgelt 9, 126, 151, 154, 156, 179 Auflage (Erbrecht) 30, 128 Aufwendungsersatz 25, 54, 58, 107, 109 Auseinandersetzungsguthaben 50, 56, 58 Auskunftsanspruch 77 ff Außengesellschaft 61 Aussonderung 21, 24, 31, 51, 67, 77, 82, 133 Banküberweisung 180 Befreiungsanspruch 65, 70 ff, 104 f, 108, 114, 192 Berufsgenossenschaft 179 Beseitigungsanspruch 1, 25–29 – öffentlichrechtlicher 27 ff Besserungsabrede 13 Bezugsrecht 35, 45 BGB-Gesellschaft 50, 61 Blankoindossament 86, 190 Blankowechsel 86, 189 Bodenschutz 27 Bürge 108 ff, 192 Darlehen 32 f, 37 f, 54, 64, 115, 127, 188 – stehengelassenes 38 Dauerschuldverhältnisse 99, 177 Dinglichkeit 5, 20 f, 23, 31 Dividende 34, 38 Drittgeschäfte 47, 49, 54 Durchgriff 37 Eingriff, existenzvernichtender 37 Einkommensteuer 141 ff Einlagensicherung 9 Energierecht 186 Entnahmeanspruch 55 Entnahmerecht 46, 51 Erbschaftsteuer 166 Erbschein 86 Erfüllungsübernahme 65 Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) 63 Forderungsverletzung 101 Geldstrafe 67, 173 Genossenschaft 32, 131, 141, 179 Genussrecht 39, 46 Gerichtskosten, s Prozesskosten Gesamtschuld 54, 60 ff, 71 f, 104 ff, 149, 153 – unechte 106 Geschäftsbericht 36 Geschäftsführervergütung 46, 53 Geschäftsguthaben 32 Gesellschafter 21, 32 ff, 46 ff, 78, 131 – ausgeschiedener 46, 56 ff

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Gesellschaftereinlagen 22, 32 ff, 64 Gestaltungsrechte 1, 84 Gewerbesteuer 157, 163 Gewinnausschüttung, verdeckte 47 Gewinnbeteiligung 46 GmbH 35, 46 f, 131 Gründerentschädigung 46 Grundsteuer 163 Gründungsaufwand 40 Haftung, beschränkte 1, 22 f Handelndenhaftung 36, 49 Handlung – nicht vertretbare 73 ff, 81 – unerlaubte 50, 54, 68, 102 – vertretbare 26, 69 ff, 81 Handlungspflicht 81 Individualanspruch 54 Inhaberschuldverschreibung 124 Insolvenzgeld 9, 154, 156 Investitionszulage 115 Kapitalanteil 51 f, 55 Kapitalerhöhung 45 Kapitalersatz 64, 67 Kapitalherabsetzung 41, 44, 46 – effektive 41 – Einziehung von Aktien 44 – Rückzahlungsansprüche 41, 46 – vereinfachte 44 Kommanditgesellschaft 22, 51, 55 ff Kommanditgesellschaft auf Aktien 55 Kommanditist 22, 51, 55 ff, 64 Konfusion 87 Konkursanspruch 5 ff Konkurspfandrecht 5 f Kontokorrent 117 ff Konzernrecht, Ausgleichs- und Abfindungsansprüche 38 Körperschaftsteuer 141 f, 144, 146 Kostenerstattung 169 ff Kraftfahrzeugsteuer 139, 165 Künftige Forderungen 91 f, 96 Lastschriftverfahren 181 ff Leibrente 66, 187 Liquidation 4, 19, 51, 53, 78, 141, 146 Liquidator 53, 78 Lohnsteuer 149–156 Masseverbindlichkeit 26, 29, 69, 75, 82, 107, 116, 124, 126, 132, 135 f, 142, 153 ff, 161, 163, 165, 166, 170, 177 Miete 31, 81, 132 ff Mitgliedschaftsrechte 32–64 Nachlassinsolvenzverfahren 128, 166 Nebenleistungen 47 Neuerwerb 5, 89, 142 f, 148, 150, 178 Neugläubiger 57, 89 Nutzungen 122 Öffentlich-rechtliche Forderungen 27, 68, 115, 136 f

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Offene Handelsgesellschaft 50 ff, 78 Option 84 Pacht 132 f Partenreederei 62 Partnerschaftsgesellschaft 60 Personengesellschaften 50 ff, 157 Pflichtteil 30, 128 Pflichtverletzung 101 Privatgläubigerforderung 50 Privatkonto 52 f Progression 148, 156 Prospekt 36 Prozesskosten 107, 167 ff – Strafprozess 173 – Zivilprozess 169 ff – PKH 167 Rechnungslegung 77 f Rechtsbedingte Forderungen 96, 102, 104, 115, 125, 136, 147 Rechtsgrund 5, 14, 55, 68, 85, 91, 100 Rechtskraft 17 f Rechtsschein 123 f, 190 f Reiseveranstalter 9 Rentenanspruch 66, 103 Restschuldbefreiung 14, 19, 89, 129 Rückgewähransprüche 115 Rückgriffsansprüche 49, 71, 104 ff, 191 – bei Teilleistung 112 ff Rückzahlung von Nachschüssen 46 Sacheinlagen 51 Schadensersatzansprüche 24, 33, 36, 81 ff, 101–107, 126, 131, 175 Schuldanerkenntnis 13, 116 Separatkonto 55 Sicherungsrecht 20, 54, 58 Sicherungszession 5, 20, 77 Sondermasse KG 57, 60 Sozialanspruch 54 Sozialplan 126

Spruchverfahren 169 Steuerforderungen 16, 92, 138 ff, 143, 147, 150–155, 157, 159, 162 f Stille Gesellschaft 64, 78 Tätigkeitsvergütung 53 Umsatzsteuer 158–162 Unterhaltsansprüche 30, 103, 129 Unterlassungsanspruch 82 f Veräußerungsgewinn 143–147 Verbindlichkeit – erbrechtliche 30 – familienrechtliche 30, 129 – nachrangige 2, 4, 18, 32, 33, 46, 54, 64, 67, 122, 123, 127 f, 171, 173 – nicht erzwingbare 11 ff – rechtskräftig festgestellte 18 – unvollkommene 11, 14 – verjährte 11, 15 Verein 48 f Vergütung 40, 46, 53, 77, 169 – überhöhte 46 – Vergütungsansprüche 125 Verjährung 15 f, 59 Verlust in Gesellschaftsangelegenheiten 54 Vermächtnis 30, 93, 128 Versicherungsverträge 176–179 Vertrag zugunsten Dritter 65 f Vollstreckbarkeit, vorläufige 100 Vorbehaltsurteil 175 Vorvertrag 84 Wandelschuldverschreibung 45 – Bezugsrecht 35, 45 – Umtauschrecht 45 Wechsel 85, 86, 188–192 Wiederkaufsrecht 35 Wiederkehrschuldverhältnis 177 Wohnungseigentum 135 Zession 86, 123 Zuweisung, haftungsrechtliche 4–6, 9, 20, 145

I. Einleitung 1 Während die §§ 35–37 den Umfang der Insolvenzmasse begrenzen, bestimmt § 38 den Zweck der Insolvenzmasse (Rn 4 ff) und zugleich den Begriff „Insolvenzgläubiger“ (Rn 8 ff). Der Begriff „Insolvenzgläubiger“ ist komplementär zum Begriff „Insolvenzforderung“. Die Insolvenzforderung zeichnet sich im Wesentlichen durch drei Tatbestandsmerkmale aus: die Eigenschaft als persönliches Recht, als Vermögensanspruch und dessen „Begründetsein“ im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Das persönliche Recht zeichnet aus, dass der Schuldner mit seinem ganzen Vermögen oder einem haftungsrechtlich relevanten Sondervermögen für die Verbindlichkeit einzustehen hat; hierunter sind Grenzbereiche oder Probleme wie zB die dingliche oder sachenrechtliche Haftung, die beschränkte Haftung, die Qualifikation öffentlicher Beseitigungsansprüche oder gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsrechte zu erörtern (s dazu Rn 20 ff). Einen Vermögensanspruch zeichnet aus, dass er auf eine geldwerte, aus dem Vermögen des Schuldners beitreibbare Leistung gerichtet ist. Hierzu werden ua die Problemkreise der (nicht) vertretbaren Ansprüche, Eichel

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Gestaltungsrechte, Auskunftsansprüche, Unterlassungsansprüche und der abstrakten Forderung erörtert (Rn 67 ff). Was das „Begründetsein“ einer Insolvenzforderung angeht, folgt daraus, dass Ansprüche in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium bereits als Insolvenzforderung gelten, obwohl sie bei Verfahrenseröffnung noch nicht entstanden sind. Hierzu wird erörtert, wie dieses Stadium zu beschreiben ist und in der Rechtsprechung gehandhabt wird (Rn 89 ff). § 38 ist eine zentrale Vorschrift und steht folglich mit vielen Vorschriften in Zusammenhang. 2 § 332 II schränkt den durch § 38 definierten Kreis der Insolvenzgläubiger ein, und §§ 115 III S 2, 118 S 2 erweitern ihn. Die Art der Berichtigung einer Insolvenzforderung wird in den §§ 41–46, 52, 94–96, 174–205, 326, 327, 328, 331, 332 geregelt. § 39 definiert nachrangige Insolvenzgläubiger, was gegenüber der früheren Konkursordnung eine Neuerung bedeutete, unter der diese Gläubiger nicht teilnahmeberechtigt waren (§ 63 KO, § 32a I S 1, III GmbHG aF). In der Gesetzeshistorie findet § 38 seine Vorläufer in § 3 I KO und § 25 I VglO, während § 3 II 3 KO und § 25 II VglO in § 40 InsO aufgenommen worden sind. Die Änderungen des § 38 gegenüber § 3 I KO sind minimal. Das Wort „Konkurs“ wurde durch „Insolvenz“ ersetzt und aus der „gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger“ wurde die „Befriedigung der persönlichen Gläubiger“. Einen Grund dafür nennt die Begründung des Regierungsentwurfs nicht. Eine inhaltliche Änderung war nicht beabsichtigt, zumal schon § 1 das Ziel der „gemeinschaftlichen“ Befriedigung der Gläubiger nennt. Literatur und Rechtsprechung zu § 3 I KO und § 25 I VglO sind uneingeschränkt verwendbar.

II. Zweckbindung der Masse 1. Zweck der Masse § 38 legt den Zweck fest, dem das Sondervermögen (§ 35 Rn 74) „Insolvenzmasse“ dient. Entspre- 4 chend dem in § 1 festgelegten Zweck des Verfahrens ist die Masse entweder ein Liquidationsvermögen oder ein Unternehmensvermögen, welches erhalten werden soll. In beiden Fällen dient aber das Insolvenzvermögen, wie § 1 ausdrücklich sagt, der Befriedigung der Gläubiger. Eine Sanierung des Unternehmens auf Kosten der Gläubiger will die InsO ausschließen. Das Insolvenzvermögen, die Insolvenzmasse, ist den Insolvenzgläubigern haftungsrechtlich zugewiesen (§ 35 Rn 5 f). Sie dient deren gemeinschaftlicher Befriedigung. Das bedeutet, wie in den §§ 87, 89, 174 ff, 224 ff näher ausgeführt wird, dass die individuelle Rechtsverfolgung, wie sie außerhalb des Insolvenzverfahrens zulässig ist, den Insolvenzgläubigern verwehrt ist und durch ein besonderes Verfahren verdrängt wird, das auch dem Ausgleich der Gläubigerinteressen untereinander dient. „Gemeinschaftliche Befriedigung“ bedeutet zwar nicht notwendig gleichmäßige Befriedigung. Anders als noch die Konkursordnung strebt die Insolvenzordnung aber wenigstens im Grundsatz eine gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger an. Die alten Konkursvorrechte des § 61 KO gibt es in der InsO nicht mehr. Die InsO unterscheidet insoweit lediglich zwischen Insolvenzgläubigern und nachrangigen Insolvenzgläubigern gemäß § 39 (Rn 2), sofern nicht Spezialgesetze einen besonderen Rang anordnen (wie zB § 46f V KWG in der Insolvenz von Kreditinstituten1).

2. Haftungsrechtliche Zuweisung, Konkurspfandrecht, Konkursanspruch Aus dem Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung, das auch für die Insolvenzordnung maßgebend 5 ist (Rn 3), folgt, dass die Gläubiger zu einer Interessengemeinschaft, regelmäßig einer Verlustgemeinschaft, zusammengeschlossen sind, die durch eigene Organe, nämlich die Gläubigerversammlung und den Gläubigerausschuss, handelt. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Indivi1 Friedrich/Skorobogatov WM 2017, 840, 844. 145

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dualinteressen der einzelnen Gläubiger auch einander widerstreiten können, insbesondere wenn es um die Feststellung ihrer Forderungen geht. Wie die Stellung der Gläubiger durch juristische Konstruktion erfasst werden kann, ist seit langem umstritten. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sprach die hL den Gläubigern ein gemeinschaftliches Konkurspfandrecht oder dingliches Beschlagsrecht an der Konkursmasse zu.2 Unter dem Einfluss der Begründung des Entwurfs der KO3 und der Kommentierung Jaegers4 wurde diese Auffassung verdrängt. Maßgebend dafür war die Abkehr von den im Laufe des 19. Jahrhunderts mühsam überwundenen Generalhypotheken, als deren letzte Erscheinung die Motive das Konkurspfandrecht verstanden. Dabei wurde jedoch verkannt, dass die Generalhypotheken sich nur deshalb als nachteilig erwiesen hatten, weil sie die Belastungen und die Haftungslage unübersichtlich machten und damit einem geordneten Kreditwesen, wie es die Wirtschaftslage des 19. Jahrhunderts forderte, abträglich waren. Ist aber das Insolvenzverfahren eröffnet, ist das Objekt der Haftung nicht unbestimmt oder ungewiss. Das haftende Vermögen wird mit der Verfahrenseröffnung fixiert (§ 35) und allenfalls durch Neuerwerb vermehrt. Einer darüber hinausgehenden Publizität der Haftungslage bedarf es ebenso wenig für die Zwecke des Insolvenzverfahrens wie einer Spezialität hinsichtlich der den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesenen Gegenstände.5 Der Sache nach hat die Lehre vom Konkurspfandrecht oder Beschlagsrecht die Haftungslage im Konkurs bzw in der Insolvenz richtig erfasst. Sie trägt nämlich dem Umstand Rechnung, dass in der Insolvenz die Haftung des Schuldnervermögens für seine Verbindlichkeiten realisiert wird und dass deshalb die Insolvenzgläubiger dem Schuldner nicht nur als forderungsberechtigte persönliche Gläubiger gegenübertreten, sondern auf die Verwertung der Masse als Haftungsobjekt zielen. Die Masse ist ihnen gemeinsam haftungsrechtlich, dh zu ihrer Befriedigung durch Substanzverwertung oder durch Realisierung ihres Fortführungswertes zugewiesen ähnlich wie dem Gläubiger in der Einzelvollstreckung der gepfändete Gegenstand durch das Pfändungspfandrecht haftungsrechtlich zugewiesen ist. Die Lehre vom Konkurspfandrecht hat lediglich den Nachteil, dass sie zur richtigen Umschreibung der Haftungslage den falschen Begriff verwendet. Denn der Begriff des Pfandrechts wird im deutschen Zivilrecht für eine eigene haftungsrechtliche Zuweisung eines speziellen Rechts verwendet. Deshalb ist es korrekter, nicht von einem Konkurspfandrecht zu sprechen, sondern von einer haftungsrechtlichen Zuweisung der Masse an die Insolvenzgläubiger.6 Auf diese Weise wird deutlicher erkennbar als nach der Auffassung der Begründung des Entwurfs der KO und Jaegers, dass die haftungsrechtliche Zuweisung der Masse an die Gläubiger sich nicht prinzipiell von anderen haftungsrechtlichen Zuweisungen unterscheidet, wie wir sie in Gestalt von Mobiliarpfandrechten, Pfändungspfandrechten, Hypotheken oder Grundschulden kennen. Das fördert die Erkenntnis, dass die Haftung der Masse für die Forderungen der Insolvenzgläubiger qualitativ nicht von der Haftung einzelner Gegenstände auf Grund von Pfandrechten im weitesten Sinne verschieden ist. So bewahrt man sich vor dem Irrtum, dass das Verhältnis der Insolvenzgläubiger zu dinglich gesicherten Gläubigern unangreifbar vorentschieden wäre durch die These, dass erstere nur persönliche Gläubiger seien, während letztere allein eine haftungsrechtliche Zuweisung für sich in Anspruch nehmen könnten. Das Problem der richtigen Rangordnung zwischen den Insolvenzgläubigern, denen die Masse haftungsrechtlich zugewiesen ist, und den dinglich gesicherten Gläubigern ist ein offenes Problem auch des der Konkursordnung nachgefolgten Insolvenzrechts. Die Lehre von der haftungsrechtlichen Zuweisung verdeutlicht, dass durch rechtliche Wertung, nicht durch begriffliche

2 von Canstein GrünhutsZ 9, 466 ff; Kohler Lehrbuch S 99, 102; ders AcP 81 (1893) 329 ff; ders Leitfaden § 11; Hellmann Insolvenzrecht (1907) S 622 ff; Seuffert Zur Geschichte und Dogmatik des Deutschen Insolvenzrechts (1888) S 20–49, 76– 81, 81–182; ders Deutsches Insolvenzprozessrecht (1899) S 151–155, 385, 434; s auch § 33 Tit 50 der Preußischen AGO, der den Gläubigern „zusammengenommen ein allgemeines Pfandrecht auf den ganzen Inbegriff des Vermögens“ des Gemeinschuldners zusprach. 3 Begr EKO S 15 f. 4 Bis Jaeger KO6/7, dort § 3 Rn 48; s auch Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 3 Rn 1; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 5 ff. 5 Dazu und zum Folgenden näher: Henckel in FS Weber (1975) S 237 ff. 6 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 4; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 2; Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011) S 249 ff. Eichel

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Konstruktion, die Rangordnung der haftungsrechtlichen Zuweisungen im Insolvenzverfahren festgelegt werden muss. Die gegenwärtige Regelung der §§ 51 Nr 1, 166–173 ist dem Insolvenzrecht nicht bindend vorgegeben, sondern steht zur Disposition des Gesetzgebers. Der Rechtsprechung ist stets bewusst gewesen, dass die Rangordnung haftungsrechtlicher Zuweisungen nicht absolut gesetzt werden darf. Sie hat sich deshalb bemüht, mit Hilfe der § 138, § 826 und § 307 BGB den Vorrang der Sicherungseigentümer und Sicherungszessionare einzuschränken.7 Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Rechtsprechung und die hL den durch Konstruktion scheinbar zwingenden Vorrang des Pfändungspfandrechts dadurch zurückgedrängt haben, dass sie das Pfändungspfandrecht stets als inkongruente Deckung iSd § 131 InsO (§ 30 Nr 2 KO aF) eingeordnet haben.8 Die Lehre vom Konkurspfandrecht bedarf ferner insoweit einer Korrektur, als sie zu einseitig die Zuweisung an die Gemeinschaft der Gläubiger im Blick hatte und deshalb das Konkurspfandrecht nur als gemeinschaftliches Recht der Gläubiger verstand. Dem ist entgegenzuhalten, dass die haftungsrechtliche Zuweisung auch dem einzelnen Gläubiger eine individuelle Rechtsposition verschafft, die freilich dadurch gekennzeichnet ist, dass es sich um ein Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger handelt und deshalb Individualinteressen grundsätzlich durch die gemeinschaftlichen Interessen der Gläubiger beschränkt werden.9 Die individuelle Rechtsposition, die der einzelne Gläubiger durch die haftungsrechtliche Zuweisung erlangt, wird aber bedeutsam, wenn ein Gläubiger im Feststellungsprozess um seine Forderung streitet (§§ 179 ff), ferner als Rechtsgrund für Leistungen, die der Gläubiger als Quote aus der Masse erhalten hat.10 Die Begründung des Entwurfs der KO, die das Konkurspfandrecht als Erklärung für die durch 6 den Konkurs begründete Haftungslage ablehnte (Rn 5), umschrieb die Rechtsstellung der Gläubiger mit dem Begriff des Konkursanspruchs.11 Dieser Anspruch war als privatrechtlicher gedacht. Jaeger12 hat ihn als überflüssigen Begriff bezeichnet, weil er nichts anderes sei als das Forderungsrecht selbst in der durch die Konkurslage gebotenen wechselseitigen Gläubigerbeschränkung. Auch von dem hier vertretenen Standpunkt aus ist der Begriff des privatrechtlichen Konkursanspruchs entbehrlich, da die haftungsrechtliche Zuweisung die Rechtsstellung des Gläubigers deutlicher umschreibt. Der Konkurs- bzw Insolvenzanspruch wird aber auch in einem anderen, öffentlich-rechtli- 7 chen Sinne verwendet, gerichtet auf Einleitung und Durchführung des Insolvenzverfahrens.13 Als solcher ist der Begriff ebenfalls entbehrlich. Zur Klärung der insolvenzrechtlichen Rechtsbeziehungen trägt er nichts bei. Um auszudrücken, dass der im Insolvenzverfahren gewährte Rechtsschutz von jedermann in Anspruch genommen werden kann, genügt es, wie im Zivilprozess von einem öffentlichen subjektiven Recht auf Rechtsschutzgewährung zu sprechen.

III. Begriff des Insolvenzgläubigers Insolvenzgläubiger sind nach § 38 alle persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung 8 des Insolvenzverfahrens begründeten und aus dem Vermögen des Schuldners zu erfüllenden Anspruch haben.

7 BGHZ 30, 149 = NJW 1959, 1533; Brinkmann (Fn 6) S 206 ff, 279 ff; MünchKomm/Armbrüster BGB8 § 138 Rn 98 ff. 8 Jaeger/Henckel InsO1 § 131 Rn 49 ff; Jaeger/Henckel KO9 § 30 Rn 231 ff; MünchKomm/Kayser/Freudenberg InsO4 § 131 Rn 26 ff.

9 Begr EKO S 18. 10 Henckel FS Weber (1975) S 237, 243 ff. 11 Begr EKO S 14 f, 18, 102 f, 117 ff, 330. 12 Jaeger KO6/7 § 3 Rn 49. 13 Vgl für und wider Mentzel Anfechtungsrecht S 175 f; Oetker I S 172 ff; Kleinfeller Zivilprozessrecht5 § 13; Weismann Zivilprozessrecht §§ 20 II, 122 VII; R Schmidt Zivilprozessrecht2 § 4. 147

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1. Funktion des Begriffes 9 a) Materiell-rechtliche Definition. § 38 definiert den Begriff des Insolvenzgläubigers materiell-rechtlich. Es geht nicht darum, wer am Insolvenzverfahren teilnehmen darf.14 § 38 definiert vielmehr diejenigen Personen, denen die Masse haftungsrechtlich zugewiesen ist.15 Dennoch setzt § 38 nicht voraus, dass der Gläubiger den in der Vorschrift näher beschriebenen Vermögensanspruch tatsächlich hat, dass also seine Forderung wirklich besteht. In diesem Sinne wäre die Definition des § 38 für die übrigen Bestimmungen der InsO und für das Insolvenzverfahren ohne Bedeutung. § 38 dient nämlich nicht dem Zweck, Gläubiger von Nichtgläubigern abzugrenzen. Die Vorschrift will vielmehr darüber etwas aussagen, welche der Gläubiger, die sich im Verfahren als forderungsberechtigt erweisen, Insolvenzgläubiger sind und deshalb an der gemeinschaftlichen Befriedigung teilhaben können und welchen diese Eigenschaft nicht zukommt, sei es, dass sie als Massegläubiger (§§ 53–55) vorweg zu befriedigen sind (§ 53), sei es, dass sie von der Teilnahme am Insolvenzverfahren ausgeschlossen sind und sich nur an den Schuldner persönlich halten können.16 § 38 gibt ferner Auskunft darüber, welche Gläubiger vom Insolvenzverfahren betroffen werden, auch wenn sie sich am Verfahren nicht beteiligen (dazu Rn 19). Die Einordnung als Insolvenzgläubiger bringt einerseits einen Vorteil, weil sie die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Befriedigung und die Verteilung einer allen Gläubigern gleichmäßig zustehenden Quote möglich macht, ohne dass die anderen Insolvenzgläubiger ihre Ansprüche ohne Rücksicht auf andere durchsetzen dürften. Andererseits bringt sie auch Nachteile, und zwar sowohl gegenüber den Massegläubigern, die nach § 53 vor den Insolvenzgläubigern befriedigt werden, als auch dadurch, dass jedenfalls während der Dauer des Insolvenzverfahrens jede Ausübung des Forderungsrechts außerhalb des Verfahrens ausgeschlossen ist (§ 87) und im Verfahren regelmäßig nur eine meist geringe Quote auf die Forderung ausgeschüttet wird. Der Gläubiger, der sich gegen dieses Risiko nicht abgesichert hat, muss es hinnehmen, durch die Insolvenz seines Schuldners Vermögensnachteile zu erleiden. Dieses Risiko wird ihm nur in wenigen Sonderfällen auf Kosten Unbeteiligter abgenommen. So erhalten die Arbeitnehmer mit dem Insolvenzgeld Schutz vor dem Ausfall ihres Arbeitsentgelts (§§ 165 ff SGB III), Versorgungsempfänger und Inhaber einer unverfallbaren Anwartschaft aus einer betrieblichen Altersversorgung werden durch Leistungen des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSVaG) geschützt (§§ 7 ff BetrAVG), die Inhaber von Guthaben bei privaten Banken durch die gesetzliche Sicherungseinrichtung für die privaten Banken (Einlagensicherungsgesetz – EinSiG)17 und darüber hinaus durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken eV, durch das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe, durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands eV und die Sicherungseinrichtung des Bundesverbands der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) zusammen mit der BVR Institutssicherung GmbH. Der Reisende ist vor der Insolvenz des Reiseveranstalters geschützt durch einen Absicherungsvertrag, den dieser nach § 651r BGB schuldet.18 Die Finanz-, die Corona- sowie die Gaskrise im Zuge des Krieges gegen die Ukraine haben ferner zu Stabilisierungsfonds und damit verbundenen Maßnahmen geführt, welche darauf abzielen, Unternehmen vor der Insolvenz zu retten, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte.19

HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 4. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 8; Eichel Künftige Forderungen (2014) S 66. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 2; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 3. Gesetz vom 28.5.2015 (BGBl 2015 I, 786) in Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU (ABl EU 2014, Nr. L 173, S 149). Tonner MDR 2021, 1240; Falk ZIP 2021, 2261. Gesetz vom 17.10.2008 zur Errichtung eines Finanzmarkt- und eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds, BGBl 2008 I, 1982; BGBl 2021 I, 5247; § 29 Energiesicherungsgesetz vom 8.7.2022, BGBl 2022 I, 1054.

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b) Prüfung der Insolvenzgläubigereigenschaft für die einzelnen Verfahrenszwecke. Ob 10 eine Person, die bei Unterstellung des Bestehens ihrer Forderung Insolvenzgläubiger ist, die Forderung tatsächlich hat, wird nach besonderen Verfahrensbestimmungen mit unterschiedlicher Intensität geprüft.20 Für die Zulassung des Insolvenzantrages (§ 13) genügt die Glaubhaftmachung der Forderung (§ 14 I). Für den Eröffnungsbeschluss genügt ebenfalls Glaubhaftmachung, es sei denn, die Forderung des antragstellenden Gläubigers ist die einzige, aus der auf Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu schließen ist.21 Bei einer Verteilung werden alle Insolvenzgläubiger berücksichtigt, deren Forderungen zur Tabelle angemeldet (§§ 174 ff) und im Prüfungstermin geprüft sind; sofern sie dort bestritten geblieben sind, gilt dies aber nur, wenn sie tituliert sind oder der in § 189 geforderte Nachweis rechtzeitig geführt wird. Ausgezahlt wird die Verteilungsquote nur an solche Gläubiger, deren Forderungen entweder festgestellt (§§ 178 I, 183) oder tituliert sind, ohne dass ein erhobener Widerspruch im Prozess verfolgt wird.22 Zur Teilnahme an Abstimmungen sind die Gläubiger angemeldeter und nicht bestrittener Forderungen berechtigt (§§ 77 I, 237), unter den Voraussetzungen des § 77 II aber auch die Gläubiger streitig gebliebener Forderungen. Wird eine angemeldete Forderung nicht festgestellt, weil sie bestritten geblieben ist und der Gläubiger sie nicht nach § 179 I im Prozess verfolgt, so bedeutet das zwar, dass der Gläubiger nicht an der gemeinschaftlichen Befriedigung aus der Insolvenzmasse (§ 38) teilnimmt. Jedoch folgt daraus nicht, dass er nun kein Insolvenzgläubiger mehr wäre und seinen Anspruch gegen den Insolvenzschuldner persönlich einklagen und vollstrecken könnte. Die Rechtsverfolgungsverbote der §§ 87 und 89 treffen alle Gläubiger, die bei Unterstellung des Bestehens ihrer Forderung Insolvenzgläubiger sind. Sie werden nicht schon dadurch außer Kraft gesetzt, dass ein Gläubiger mangels insolvenzrechtlicher Feststellung seiner Forderung nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen kann (Rn 19).

c) Nicht erzwingbare Verbindlichkeiten. Kommt es also für die Eigenschaft eines Insolvenz- 11 gläubigers nicht darauf an, ob seine Forderung besteht oder nicht besteht, sondern allein darauf, ob sie – ihr Bestehen unterstellt – zur Teilnahme an der gemeinschaftlichen Befriedigung berechtigt, so geht es auch nicht an, dem Gläubiger einer nicht erzwingbaren Verbindlichkeit die Insolvenzgläubigereigenschaft abzusprechen. Eine solche Verbindlichkeit unterliegt wie jede andere einredebehaftete Forderung der Prüfung gemäß § 176.23 Als nicht erzwingbare Ansprüche sind hier in einem weiteren Sinne unvollkommene oder verjährte Verbindlichkeiten gemeint sowie rechtskräftig aberkannte Forderungen. Was nicht vollstreckbare Ansprüche angeht, so scheiden die Fälle der § 888 III ZPO, § 120 III FamFG allerdings aus. Denn dort handelt es sich nicht um Vermögensansprüche, sodass aus diesem Grunde (s Rn 67 ff) keine Insolvenzforderung vorliegt. Für die Dienstleistungsansprüche folgt dies daraus, dass nur unvertretbare Dienste von § 888 III ZPO erfasst werden,24 Ansprüche auf diese aber keine Vermögensansprüche sind (Rn 73 ff). Was vertraglich vereinbarte Vollstreckungsbeschränkungen angeht, kommt es auf die Frage, ob eine Insolvenzforderung vorliegt, nicht an, wenn die Abgrenzungsprobleme, die § 38 lösen soll, nicht auftreten:25 Soweit die Vollstreckungsbeschränkung auch für den Fall des Insolvenzverfahrens gelten soll, was durch Auslegung zu ermitteln ist, genügt die Feststellung, dass die Forderung auch im Insolvenzverfahren nicht durchsetzbar ist. Hier wäre es sinnlos, darüber hinaus zu fragen, ob diese Forderung gegen den Insolvenzschuldner persönlich während des Insolvenzverfahrens durchgesetzt werden kann, weil sie keine Insolvenzforderung wäre, oder nur im Insol20 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 20. 21 Jaeger/H F Müller InsO1 § 16 Rn 7; Jaeger/Weber KO9 § 105 Rn 2. 22 Da eine dem § 168 Nr 1 KO entsprechende Vorschrift versehentlich fehlt, ist § 189 II entsprechend anzuwenden; Eckardt in Kölner Schrift S 580 ff Rn 64; Nerlich/Römermann/Westphal InsO43 § 189 Rn 18. 23 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 27. AA Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 13 f. 24 MünchKomm/Gruber ZPO6 § 888 Rn 20. 25 MünchKomm/Ehricke/Ehme InsO4 § 38 Rn 59. 149

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venzverfahren, weil sie die Qualität einer Insolvenzforderung hätte; denn sie kann so oder so nicht durchgesetzt werden. Bezieht sich aber die haftungsbeschränkende Vereinbarung nur auf die Insolvenzmasse, verzichtet also der Gläubiger nur auf seine Teilnahme am Insolvenzverfahren, so entgeht er dadurch nicht den Beschränkungen, denen er als Insolvenzgläubiger unterliegt.26 Er kann also insbesondere seine Forderung gegen den Insolvenzschuldner weder einklagen (§ 87)27 noch vollstrecken (§ 89 I) und unterliegt den Wirkungen eines Insolvenzplans (§ 254b).28 Eine sog Besserungsabrede kann juristisch unterschiedlich qualifiziert werden. Denkbar ist die Deutung als auflösend bedingter Forderungserlass, der mit einem aufschiebend bedingten Schuldanerkenntnis oder einer aufschiebend bedingten Neubegründung verbunden ist.29 Statt des Forderungserlasses wird auch ein pactum de non petendo30 oder eine Stundung angenommen. Eine allgemein gültige Konstruktion wäre nicht überzeugend zu begründen. Was von den Beteiligten gewollt ist und ihren Interessen am besten entspricht, muss im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden.31 Das gilt auch für die Voraussetzungen des Bedingungseintritts. Möglich ist, dass die Forderung nur aufleben bzw einredefrei werden soll, wenn der vereinbarte Besserungsfall eintritt, aber auch, dass die Forderung geltend gemacht werden können soll, wenn eine außergerichtliche Sanierung misslingt und das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder wenn ein Insolvenzplan scheitert. Solange von den Parteien der Besserungsvereinbarung gewollt ist, dass die Forderung erst im Besserungsfall entstehen soll bzw durchgesetzt werden kann, liegt keine Insolvenzforderung vor.32 Die insolvenzrechtliche Bedeutung der unvollkommenen Verbindlichkeiten lässt sich nicht dadurch erfassen, dass man ihren „Gläubigern“ die Insolvenzgläubigereigenschaft abspricht.33 Der Gläubiger einer solchen Verbindlichkeit nimmt am Insolvenzverfahren nicht teil, weil er keine durchsetzbare Forderung hat. Die Frage, ob jemand Insolvenzgläubiger ist, stellt sich überhaupt nur, wenn er einen Anspruch haben kann. Denn nur dann wird die durch § 38 beantwortete Frage relevant, ob er an der gemeinschaftlichen Befriedigung teilhat, vorweg befriedigt wird (§ 53) oder sich nur an den Schuldner persönlich halten kann. Die unvollkommene Verbindlichkeit aber begründet gerade keinen Anspruch,34 sondern hat nur die Funktion des Rechtsgrundes für die empfangene Leistung. Hierher gehören: das Versprechen des Heiratsvermittlerlohnes (§ 656 BGB), Schulden aus Spiel und Wette (§ 762 BGB) sowie aus unverbindlichen Finanztermingeschäften (arg § 99 WpHG), während verbotene Finanztermingeschäfte nichtig sind (§ 100 WpHG) und deshalb nicht einmal einen Rechtsgrund schaffen. Unvollkommene Verbindlichkeiten sind ferner die in einem Insolvenzplan erlassene Schuld (§ 254 III) und die Verbindlichkeit, die von der Restschuldbefreiung betroffen wird (§ 301 III).35 Dass im Forderungsfeststellungsverfahren jeder Gläubiger der Anmeldung einer solchen unvollkommenen Verbindlichkeit widersprechen kann, heißt nicht, dass die Insolvenzgläubigereigenschaft verneint werden könnte.36 Ob die Forderung Insolvenzforderung ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob sie verjährt ist, sondern davon, ob sie die Voraussetzungen des § 38 erfüllt und deshalb, wenn sie durchsetzbar ist, an der Masseverteilung teilhat, oder ob sie gegen den Schuldner auch während des Insolvenzverfahrens durchgesetzt werden kann. Es ist daher unangebracht, darum zu streiten, ob die verjährte Forde-

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HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 4, 62. Jaeger/Windel InsO1 § 87 Rn 11. AA Henckel Voraufl § 38 Rn 11. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 10–12. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 23. Schrader Die Besserungsabrede (1995); s auch Herlinghaus Forderungsverzicht und Besserungsabrede (1995). K Schmidt/Büteröwe InsO19 § 38 Rn 12; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 60. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 23; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 60; Schultze/Tögel ZIP 2011, 1250. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 56; K Schmidt/Büteröwe InsO19 § 38 Rn 13. AA Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 14. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 26. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 57; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 20. AA Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 14; zu unvollkommenen Verbindlichkeiten kraft Parteiwillens s RGZ 67, 390, 392.

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rung eine Insolvenzforderung ist.37 Erhebt der Insolvenzverwalter oder ein anderer Widersprechender die Verjährungseinrede, macht dieser ein Leistungsverweigerungsrecht geltend, das eine Durchsetzung der Forderung im Insolvenzverfahren ausschließt. Der Gläubiger ist dann nicht etwa berechtigt, seine Forderung gegen den Schuldner persönlich geltend zu machen. Auch das Verbot, in „das sonstige Vermögen des Schuldners“ zu vollstrecken (§ 89 I), gilt für den Gläubiger der verjährten Forderung. Die verjährte Forderung wird also wie jede andere einredebehaftete Insolvenzforderung behandelt.38 Verjährung kann übrigens noch während des Insolvenzverfahrens eintreten, weil sie nicht schon durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern erst durch die Forderungsanmeldung gehemmt wird (§ 204 I Nr 10 BGB). Der Anmeldung einer verjährten Forderung zur Tabelle kann nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern jeder Insolvenzgläubiger widersprechen.39 Denn die Verjährungseinrede ist kein höchstpersönliches Recht des Schuldners. Der Insolvenzverwalter wird regelmäßig den Gläubigern, deren Interessen er zu wahren hat, zur Geltendmachung der Einrede verpflichtet sein. Die Gläubiger können aber ihre Interessen im Forderungsfeststellungsverfahren auch selbst wahrnehmen (§ 178 I) und die Vergrößerung der Schuldenmasse, die zu ihren Lasten ginge, durch Erhebung der Verjährungseinrede hindern. Der Gläubiger der verjährten Forderung wird auch von den Wirkungen eines Insolvenzplans betroffen (§ 254).40 Hat im Feststellungsverfahren weder der Insolvenzverwalter noch ein Gläubiger der angemeldeten verjährten Forderung widersprochen, so wirkt die Eintragung in die Tabelle zwar wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber allen Insolvenzgläubigern (§ 178 III), sodass die Verjährungseinrede jetzt ausgeschlossen ist und eine neue dreißigjährige Verjährungsfrist beginnt (§§ 197 I Nr 3 und 5, 201 BGB). Aber diese Wirkung trifft nicht den Insolvenzschuldner, der selbst der angemeldeten Forderung widersprochen hat (§§ 184, 201 II). Gegen ihn findet auch keine Zwangsvollstreckung nach § 257 statt. Vielmehr müsste der Gläubiger nach Abschluss des Planverfahrens sich erst noch einen Titel gegen den Schuldner verschaffen. In diesem Prozess kann dann der Schuldner die Einrede der Verjährung erheben bzw sich auf die mit seinem Widerspruch erhobene Einrede berufen. Es ist also nicht notwendig, der verjährten Forderung die Eigenschaft als Insolvenzforderung abzusprechen, um dem Schuldner nach Bestätigung des Insolvenzplans die Disposition über die Verjährungseinrede zu erhalten. Hat der Schuldner der angemeldeten Forderung nicht widersprochen, unterliegt sie nach § 197 I Nr 5 BGB der dreißigjährigen Verjährung, deren Beginn durch § 201 BGB festgelegt ist. Die Aufrechnung mit einer verjährten Forderung nach Maßgabe des § 215 BGB gegen den Schuldner bleibt auch im Insolvenzverfahren erhalten. Für steuerrechtliche Ansprüche, deren Verjährung § 232 AO unterliegt, ist zu beachten, 16 dass der Ablauf der Verjährungsfrist zum Erlöschen des Anspruchs führt, also nicht lediglich eine Einrede begründet.41 Wenn die verjährte Steuerforderung demnach nicht mehr besteht, ist es müßig, nach ihrer Eigenschaft als Insolvenzforderung zu fragen. Sie wird im Insolvenzverfahren ebenso behandelt wie jede andere nicht bestehende Forderung, die im Falle ihres Bestehens Insolvenzforderung wäre. Die Ausgestaltung der Verjährung im Steuerrecht bringt also keine spezifisch insolvenzrechtlich relevanten Abweichungen von der des Zivilrechts.42 Sie trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass entsprechend den Verfahrensprinzipien des Steuerrechts die Verjährung von Amts wegen beachtet werden muss. Das bedeutet im Insolvenzverfahren aber nicht etwa, dass die Anmeldung einer verjährten Steuerforderung von Amts wegen als unzulässig zurückzuweisen wäre. Sie wird vielmehr wie jede andere zu Unrecht angemeldete Forderung zur Erörterung gestellt (§ 176). Ihr Erlöschen muss durch Widerspruch geltend gemacht werden.

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MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 58. AA Jaeger KO7 § 3 Rn 14. Gottwald/Haas/Pechartscheck InsRHandb6 § 19 Rn 13; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 58. HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 22. So schon für den Zwangsvergleich Henckel Voraufl § 3 Rn 10. AA Jaeger KO6/7 § 3 Rn 14. Guckelberger Die Verjährung im Öffentlichen Recht (2004) S 57 f; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 22. AA Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 14. Eichel

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Auch die rechtskräftige Aberkennung einer Forderung nimmt ihr nicht die Qualität als Insolvenzforderung.43 Vielmehr steht rechtskräftig fest, dass überhaupt keine Forderung besteht. Das hindert allerdings den Gläubiger nicht, seine Forderung zur Tabelle anzumelden. Die Anmeldung ist zulässig und wird im Prüfungstermin erörtert. Jedoch wird der Gläubiger den zu erwartenden Widerspruch nur ausräumen können, wenn es ihm gelingt, die Rechtskraftwirkung mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder im Wiederaufnahmeverfahren zu beseitigen.

18 d) Bindung an die Qualifikation des rechtskräftig festgestellten Anspruchs? Die in einem rechtskräftigen Urteil festgestellte Qualifikation eines Anspruchs, die für die Teilnahme am Insolvenzverfahren erheblich ist, bindet für das Insolvenzverfahren nicht, wenn sie in dem rechtskräftig entschiedenen Prozess nicht entscheidungserheblich war.44 Hat zB ein Kind des späteren Insolvenzschuldners auf Erfüllung eines notariell beurkundeten Ausstattungsversprechens geklagt und das Gericht in dem stattgebenden Urteil teilweise ein Schenkungsversprechen angenommen, weil die Ausstattung insoweit das den Vermögensverhältnissen des Vaters oder der Mutter entsprechende Maß übersteige (§ 1624 I BGB), so bindet diese Qualifizierung des Anspruchs im Insolvenzverfahren nicht. Denn der Klage war unabhängig davon stattzugeben, ob es sich um ein Ausstattungs- oder um ein Schenkungsversprechen handelte. Da die rechtliche Qualifikation, die das Urteil zugrunde legt, regelmäßig nicht in materielle Rechtskraft erwächst, bindet sie auch nicht für die Frage, ob eine festgestellte Forderung als normale oder als nachrangige Insolvenzforderung (§ 39 I Nr 4) geltend gemacht werden kann.

19 e) Insolvenzgläubiger, die am Verfahren nicht teilnehmen. Gläubiger, welche die Merkmale des § 38 erfüllen, unterliegen auch dann den Beschränkungen eines Insolvenzgläubigers, wenn sie am Insolvenzverfahren nicht teilnehmen.45 Sie dürfen während des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen nicht gegen den Schuldner persönlich einklagen (§ 87),46 nicht in das vom Insolvenzverfahren nicht erfasste Vermögen des Schuldners vollstrecken (§ 89 I), unterliegen den Aufrechnungsbeschränkungen der §§ 55 I, 96 und werden von einem Insolvenzplan betroffen (§ 254b). Andererseits ist niemand zur Teilnahme am Verfahren genötigt. Wer dem Insolvenzverfahren fernbleibt, kann – abgesehen von einem Insolvenzplan (§ 254b) und den Folgen der Restschuldbefreiung (§ 301 I S 2) – nach Beendigung des Insolvenzverfahrens seine Rechte unbeschränkt gegen den Schuldner verfolgen (§§ 201, 215 II). Wer sich am Verfahren nicht beteiligt, wird aber bei der Verteilung der Masse nicht berücksichtigt. Die Teilhabe am Liquidationserlös setzt Rechtsausübung des Gläubigers voraus. Er muss seine Forderung anmelden (§§ 174 ff; Nachzügler: §§ 177, 192). Nur durch die Anmeldung erwirkt er Feststellung (§§ 178 ff) und Berücksichtigung bei den Verteilungen (§§ 187 ff). Auch für die Ausübung der sonstigen Befugnisse eines Insolvenzgläubigers innerhalb des Verfahrens, der Stimm-, Widerspruchs-, Antrags- und Beschwerderechte, ist die Anmeldung unerlässlich. Zur Einstellung des Verfahrens nach Ablauf der Anmeldefrist (§ 213) ist nur die Zustimmung der Gläubiger erforderlich, die ihre Forderung angemeldet haben.

2. Persönliche Gläubiger, Abgrenzung 20 a) Persönliche Gläubiger und dingliche Haftungsrechte. Insolvenzgläubiger sind nur die persönlichen Gläubiger des Schuldners. Ein persönliches Gläubigerrecht zeichnet sich dadurch aus, 43 IE Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 27. AA MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 61; Wolff KO2 § 3 Anm 4. 44 Henckel Prozessrecht und materielles Recht (1970) S 166 f. 45 RGZ 152, 321, 323; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 10 f; Birkenhauer Probleme der Nichtteilnahme am und im Insolvenzverfahren (2002). 46 s Rn 12. Eichel

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dass der Schuldner mit seinem ganzen Vermögen oder einem haftungsrechtlich relevanten Sondervermögen im Ganzen für die Verbindlichkeit einzustehen hat, sodass der Gläubiger mit allen anderen Gläubigern, die aus dem haftenden Vermögen Befriedigung suchen dürfen, konkurriert. Den persönlichen Gläubigern ist die Masse als Ganzes zur gemeinschaftlichen Befriedigung haftungsrechtlich zugewiesen. Vom persönlichen Gläubigerrecht ist das dingliche spezielle Haftungsrecht zu unterscheiden. Es entsteht durch die Belastung eines Gegenstandes mit einem rechtsgeschäftlich, gesetzlich oder durch Vollstreckung begründeten Pfandrecht oder durch eine Sicherungsübertragung (Sicherungsübereignung und Sicherungszession). Es kann auch auf einem öffentlich-rechtlich begründeten speziellen Sicherungsrecht beruhen (§ 51 Nr 4) oder „quasi“ durch eine Vormerkung des Anspruchs erreicht werden (§ 106). Es ist niemals eine Insolvenzforderung, sondern ein Anspruch auf Sonderbefriedigung aus bestimmten Haftungsgegenständen.47 Es bedeutet eine spezielle haftungsrechtliche Zuweisung des belasteten Gegenstandes an den Inhaber des Haftungsrechts, die dem Insolvenzverfahren grundsätzlich standhält und obligatorisch sowie dinglich nachrangig Berechtigte verdrängt. Diese spezielle Zuweisung bewirkt, dass der belastete Gegenstand nicht zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger bereitsteht, soweit der Verwertungserlös dem Inhaber des Haftungsrechts gebührt. Die durch das Insolvenzverfahren bewirkte haftungsrechtliche Zuweisung der Massegegenstände an die Insolvenzgläubiger geht den insolvenzfesten speziellen dinglichen Haftungsrechten im Range nach. Der Inhaber eines solchen speziellen dinglichen Haftungsrechts ist zur abgesonderten Befriedigung berechtigt (§§ 49–51), die ihm den Verwertungserlös, gegebenenfalls nach Abzug des Kostenbeitrags (§§ 170, 171), vor allen nachrangig Berechtigten sichert. Haftet ihm der Schuldner auch persönlich, wie der Eigentümer des mit einer Hypothek belasteten Grundstücks, der zugleich persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung ist, so ist der Gläubiger nach Maßgabe des § 52 auch Insolvenzgläubiger; es gilt dann der sog Ausfallgrundsatz. Wegen dieser unterschiedlichen Behandlung der persönlichen Gläubigerrechte und der dingli- 21 chen Haftungsrechte gilt das Insolvenzverfahren wie zuvor der Konkurs als Prüfstein der Dinglichkeit. Jedoch muss man sich hier vor begrifflichen Überspitzungen hüten. Ob eine Rechtsposition nur ein persönliches Gläubigerrecht verleiht oder sich als dingliches Recht darstellt, ist keine Frage juristischer Konstruktion, sondern das Ergebnis einer rechtlichen Wertung.48 Dass die abgesonderte Befriedigung mit Vorrang vor den Insolvenzgläubigern erfolgt, ist nicht deshalb angeordnet, weil das Absonderungsrecht ein dingliches Recht ist. Vielmehr ist das Absonderungsrecht Ausdruck einer besonderen Schutzwürdigkeit, die, jedenfalls nach dem Willen des Gesetzgebers der Konkursordnung, nur demjenigen zugesprochen werden sollte, der ein spezielles und offenkundiges Haftungsrecht vor der Verfahrenseröffnung erworben hat.49 Zum anderen ist zu beachten, dass auch persönliche Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen ihres Schuldners eine haftungsrechtliche Privilegierung erfahren können. Das gilt für die Wohngeldansprüche gegen säumige Miteigentümer, die nach § 10 I Nr 2 ZVG bei der Zwangsversteigerung den dinglich Berechtigten vorgehen, und entsprechend für die Bergarbeiter, denen kraft Landesrechts50 ein gleiches Vorrecht eingeräumt ist. Ferner sind nach § 84 I S 2 die Miteigentümer und Gesellschafter wegen persönlicher Forderungen absonderungsberechtigt und nach § 51 Nr 2 und 3 die Inhaber bestimmter Zurückbehaltungsrechte. Eine insolvenzfeste haftungsrechtliche Position nimmt ferner der Gläubiger ein, der nach § 48 ersatzaussonderungsberechtigt ist und in analoger Anwendung dieser Vorschrift der Ersatzabsonderungsberechtigte. Ob darüber hinaus insbesondere Bereicherungsansprüche wegen Eingriffs in eine absolut geschützte Rechtsposition insolvenzfest sind und damit einen haftungsrechtlichen Vorzug erfahren, wird zu § 48 Rn 9 erörtert. Dass die Abgrenzung zwischen persönlichen und dinglichen Rechtspositionen nicht begrifflich erfolgen darf, zeigt sich auch an den Durchbrechungen des Abstraktionsprinzips. Inwieweit sie zulässig sind, ist insbesondere auch im Hinblick auf die insolvenzrechtlichen Folgen zu beurteilen. Dass die Verfügungen des Geschäftsunfähigen, des Bewucherten 47 48 49 50 153

Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 5. Grundlegend Brinkmann (Fn 6) S 225 ff, 498 ff. Dazu näher Vorbem zu §§ 49–52 Rn 3. Nachweise bei BeckOK/Fischinger ZVG8 § 10 Rn 61. Eichel

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(§ 138 II BGB) und des arglistig Getäuschten nichtig sind, lässt sich nicht allein damit begründen, dass der Geschäftsmangel hier auch das dingliche Rechtsgeschäft ergreift und deshalb das Abstraktionsprinzip zurücktreten müsse. Vielmehr sind die Interessen dieser Personen als besonders schutzwürdig anerkannt und aus diesem Grunde müssen die Gläubiger desjenigen, zu dessen Gunsten verfügt werden sollte, hinter diesen schutzwürdigen Personen zurückstehen. Sie können auf das Objekt der Verfügung nicht zugreifen. Es haftet nicht für die Schulden ihres Schuldners.

22 b) Beschränkte Haftung, Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommanditisten. Persönlicher Gläubiger ist auch derjenige, dem der Schuldner nur summenmäßig oder auf ein Sondervermögen beschränkt haftet. Eine summenmäßige Beschränkung der Haftung greift zugunsten des Kommanditisten Platz, der nur in Höhe der rückständigen Hafteinlage für die Gesellschaftsschuld einzustehen hat (§§ 171–176 HGB). Hier handelt es sich in Wahrheit nicht um eine Beschränkung der Haftung im strengen Sinne einer beschränkten Zugriffsmöglichkeit. Vielmehr haftet der Kommanditist mit seinem ganzen Vermögen für die durch den Rückstand der Hafteinlage begrenzte Schuld.51 Deshalb wird der Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren des Kommanditisten aus der einheitlichen Masse gemeinschaftlich mit allen anderen Gläubigern befriedigt. Jedoch darf er seine Forderung nur in Höhe des Rückstandes der Haftungseinlage anmelden.52 Melden mehrere Gesellschaftsgläubiger ihre Forderungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommanditisten an und übersteigt der Gesamtbetrag der Anmeldungen die Haftsumme, so gilt Folgendes: Nach § 171 I HGB würde die Kommanditistenhaftung erst erlöschen, wenn die Summe der vom Insolvenzverwalter an die Gesellschaftsgläubiger ausgezahlten Quoten die volle Haftsumme erreicht. Beträgt die Haftsumme 10 000 A, die Summe der von den Gesellschaftsgläubigern angemeldeten Forderungen 100 000 A und die Quote 10 %, so müsste der Insolvenzverwalter die 10 000 AQuote voll an die Gesellschaftsgläubiger ausschütten und wäre erst damit in der Lage, weiteren Anmeldungen von Gesellschaftsgläubigern zu widersprechen. Auf diese Weise würden aber die übrigen Gläubiger des Schuldners benachteiligt. Zur Wahrung ihrer Interessen darf auf die Haftsumme insgesamt nicht mehr gezahlt werden als die darauf entfallende Insolvenzquote. Haben die übrigen Gläubiger Forderungen von insgesamt 100 000 A angemeldet und beträgt die zur Verteilung auf die Gläubiger verfügbare Masse 22 000 A, so ist die Quote zu errechnen nach einem Schuldenstand von 100 000 A zuzüglich 10 000 A Haftsumme, also 110 000 A. Das ergibt eine Quote von 20 %. Auf die Haftsumme sind also nicht mehr als 2 000 A auszuzahlen. Bei der Verteilung dieser 2 000 A auf die Gesellschaftsgläubiger kann das außerhalb des Insolvenzverfahrens geltende Prioritätsprinzip, das aus § 171 I HGB herzuleiten ist, im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommanditisten nicht gelten. Das zeigt ein Vergleich mit den Rechtsfolgen, die sich ergeben, wenn auch über das Vermögen der Kommanditgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Dann wird nämlich die Gleichbehandlung der Gesellschaftsgläubiger auch hinsichtlich der Haftung des Kommanditisten dadurch sichergestellt, dass diese nur durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden kann (§ 171 II HGB).53 Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft erhebt dann im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommanditisten nur die auf die Haftsumme entfallende Quote, die im Insolvenzverfahren der Gesellschaft zur gleichmäßigen Verteilung an die Gesellschaftsgläubiger gelangt. Deren Gleichbehandlung kann aber nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft etwa mangels Masse unterbleibt. In diesem Fall wird zwar die Geltendmachung der Kommanditistenhaftung den Gesellschaftsgläubigern nicht durch § 171 II HGB verwehrt. Der mit dieser Vorschrift verfolgte Zweck der Gleichbehandlung der Gesellschaftsgläubiger muss sich aber gleichwohl auch im Insolvenzverfahren des Kommanditisten durchsetzen. Die Gesellschaftsgläubigerforderungen müssen also verhältnismäßig in

51 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 7. 52 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 16; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 3 Rn 25. 53 MünchKomm/K Schmidt HGB4 §§ 171, 172 Rn 102; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 386 ff. Eichel

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dem Maße gekürzt werden, dass ihre Summe der Haftsumme entspricht. Über die Höhe der Berücksichtigung wird im Prüfungstermin verhandelt (§ 176 InsO). Eine dem Gegenstand nach beschränkte persönliche Haftung liegt in den Fällen der 23 §§ 1480 S 2, 1489 II, 1504 S 2, 1629a, 1975, 1990–1992, 2187 BGB (vgl §§ 780, 786 ZPO) vor. Die Beschränkung macht der Insolvenzverwalter geltend. Die gegenständlich (nicht nur rechnerisch) beschränkte Haftung kann ein Sonderinsolvenzverfahren ermöglichen (§ 35 Rn 168 ff). Die dingliche Haftung eines Sondervermögens auf Geldzahlung begründet Rechte auf abgesonderte Befriedigung, nicht aber die Zulässigkeit eines Sonderinsolvenzverfahrens. So können die Schiffsgläubiger aufgrund der dinglichen Haftung des Schiffes (§ 597 HGB) nicht ein Sonderinsolvenzverfahren, wohl aber mit ähnlichem Erfolg abgesonderte Befriedigung im Gesamtinsolvenzverfahren über das Vermögen des Reeders erwirken.

c) Ansprüche aus sachenrechtlichen Rechtsverhältnissen, privatrechtlicher Beseiti- 24 gungsanspruch. Ansprüche aus Sachenrechten sind keine Insolvenzforderungen, wenn sie auf Aussonderung oder Absonderung gerichtet sind (für erstere § 47 S 1; s Rn 31). Wohl aber bilden die Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Sachenrechten Insolvenzforderungen, wenn sie vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Schuldner erwachsen sind, so zB der Anspruch des Eigentümers wegen Notstandseinwirkung (§ 904 S 2 BGB) oder wegen unterlassener Fruchtziehung oder Unmöglichkeit der Herausgabe (§§ 987 ff BGB). Hinsichtlich des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 I S 1 BGB (§§ 1027, 1065, 1227 BGB) ist zu un- 25 terscheiden: Als Gefahrenbeseitigungsanspruch (vgl auch § 907 BGB) setzt er die Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung voraus und dient deshalb vorbeugendem Rechtsschutz.54 Soweit diese Gefahr auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch fortbesteht und dem Insolvenzverwalter zugerechnet werden kann – die Gefahr geht zB von einer vom Verwalter fortbetriebenen Anlage aus – richtet sich der Anspruch gegen die Masse und ist gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen.55 Ist aber die Gefahr mit der Eröffnung des Verfahrens entfallen oder geht sie von der insolvenzfreien Sphäre des Insolvenzschuldners aus, so besteht entweder gar kein Anspruch oder er richtet sich nur gegen den Schuldner. Insolvenzforderung kann der Gefahrenbeseitigungsanspruch deshalb niemals sein.56 Dabei hat es sein Bewenden, wenn man den Anspruch aus § 1004 I S 1 BGB nur als Gefahrenbeseitigungsanspruch versteht, der dem Eigentümer für die Zukunft die seinem rechtlichen Dürfen entsprechende tatsächliche Handlungsfreiheit verschaffen soll und dementsprechend eine Beeinträchtigung iSd § 1004 I S 1 BGB nur dann bejaht, wenn der Gegner eine Position einnimmt, die ihm nach der Eigentumsordnung nicht zukommt, mit der er also der Verwirklichung des geschützten Rechts im Wege steht.57 Zu demselben Ergebnis kommt man aber auch, wenn man mit F Baur58 zwar von einem weiten Begriff der Beeinträchtigung ausgeht, jedoch die Rechtsfolgen des § 1004 I S 1 BGB auf die Gefahrenbeseitigung beschränkt. Geht man dagegen darüber hinaus und gibt dem Eigentümer etwa auch einen Anspruch auf Wiederherstellung seines durch den Störer beschädigten Gebäudes,59 so gibt man dem Beseitigungsanspruch eine Restitutionsfunktion, die eine Abgrenzung vom Schadensersatzanspruch erheblich erschwert. Da aber der Schadensersatzanspruch Insolvenzforderung ist, muss dies auch für einen Beseitigungsanspruch gelten, der auf die Wiederherstellung eines früheren unbeeinträchtigten Zustands gerichtet ist.60 Es zeigt sich 54 55 56 57

Henckel AcP 174, 97, 99. BGHZ 150, 305 = ZIP 2002, 1043; dazu EWiR § 9 GesO 1/02, 573 (Tetzlaff). AA MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 41, 353a; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 51 d. So Picker Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972); dazu Baur AcP 175, 177; Henckel AcP 174, 101 ff; MünchKomm/Raff BGB8 § 1004 Rn 47 ff, 66 f, 229 ff. 58 Baur AcP 160, 465, 487 ff. 59 Beispiele aus der Rechtsprechung bei Staudinger/Thole (2019) § 1004 Rn 357 ff. 60 Zustimmend MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 52; in diesem Sinn ist auch das Urteil BGHZ 150, 305 = ZIP 2002, 1043 hinsichtlich der Beseitigungspflicht zu verstehen. 155

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hier, dass es auch aus insolvenzrechtlichen Gründen sinnvoll und notwendig ist, den Beseitigungsanspruch des § 1004 I S 1 BGB auf die Gefahrenbeseitigung zu beschränken und damit eine deutliche Grenze zum Schadensersatzanspruch zu ziehen. Der Bundesgerichtshof versteht den Anspruch des § 82 I SachRBerG als Beseitigungsanspruch in dem bezeichneten weiten Sinn und ordnet ihn folgerichtig als Insolvenzforderung ein.61 Das zutreffende Ergebnis hätte allerdings einfacher begründet werden können, wenn berücksichtigt worden wäre, dass § 82 SachRBerG keinen Beseitigungsanspruch gewährt, sondern nur einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für eine vom Anspruchsinhaber vorgenommene Beseitigung, zu dessen Abwendung dem Störer zuvor Gelegenheit gegeben werden muss (§ 82 III SachRBerG). 26 Soweit der Beseitigungsanspruch nicht Insolvenzforderung ist und deshalb gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann (Rn 25), ist noch nichts darüber gesagt, wer die Kosten der Beseitigung zu tragen hat. Nach bürgerlichem Recht hat der Störer die Kosten der Beseitigung zu tragen. Störer kann der Insolvenzschuldner sein, aber auch der Verwalter, dieser aber nur in dieser Eigenschaft, sodass die Kosten nicht seinem Vermögen, sondern der Masse zur Last fallen. Weigert sich der Verwalter, einer auf die Insolvenzmasse bezogenen Beseitigungspflicht nachzukommen, kann der Inhaber des Beseitigungsanspruchs diesen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen, weil er nicht Insolvenzgläubiger ist und deshalb § 89 I seine Vollstreckung nicht hindert. Ist die Beseitigung eine vertretbare Handlung, wird sie im Wege der Ersatzvornahme erzwungen (§ 887 ZPO). Die Kosten der Ersatzvornahme sind nicht schon deshalb Masseverbindlichkeiten, weil der Gläubiger die Störung oder Gefahr nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beseitigt hat oder hat beseitigen lassen. Die Einordnung einer Forderung kann nicht davon abhängen, ob ein Gläubiger wegen eines schon vor der Verfahrenseröffnung bestehenden Anspruchs die Vollstreckung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibt. Der Gläubiger kann nicht über die Einordnung disponieren. Bestand die Beseitigungspflicht bereits vor der Verfahrenseröffnung, ist die Kostenersatzforderung Insolvenzforderung.62

27 d) Öffentlich-rechtliche Beseitigungsansprüche, Altlasten. Die nach den einschlägigen Landesgesetzen63 den Verwaltungsbehörden und der Polizei obliegende Aufgabe der Abwehr von Gefahren wird durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht tangiert. „Eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird“ (§ 2 Nr 1 NPOG), darf nicht deshalb aufrechterhalten bleiben, weil der Gegenstand, von dem die Gefahr ausgeht, zu einer Insolvenzmasse gehört, die der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dient. Das gilt auch dann, wenn die Gefahr von einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast ausgeht und eine Pflicht zur Sanierung (§ 4 III BBodSchG) auslöst.64 Die Eingriffsvoraussetzungen werden allein durch die einschlägigen öffentlichrechtlichen Vorschriften bestimmt. Nur aus ihnen lässt sich ableiten, ob eine Verfügung gegen den Insolvenzverwalter ergehen darf oder nur gegen den Schuldner:65 Reicht danach (wie in § 4 III S 1 BBodSchG) die tatsächliche Sachherrschaft aus, wird der Insolvenzverwalter bereits mit der Besitzergreifung ordnungspflichtig;66 knüpft die öffentlich-rechtliche Pflicht demgegenüber an die Stellung als Betreiber einer Anlage an, kann die Besitzergreifung allein nicht zur persönlichen Inanspruch-

61 BGHZ 150, 305 = ZIP 2002, 1043; dazu EWiR § 9 GesO 1/02, 573 (Tetzlaff). 62 So zutreffend auch BGHZ 150, 305 = ZIP 2002, 1043 zu den Beseitigungskosten, die nach § 82 I Nr 1 SachenRBerG zu ersetzen sind; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 90.

63 ZB Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) idF vom 19.1.2005 (Nds GVBl S 9). 64 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des BBodSchG und bei Anwendung des BImSchG s Nachw bei Henckel Voraufl § 38 Rn 26 Fn 63; s auch Lwowski/Tetzlaff Umweltrisiken und Altlasten in der Insolvenz (2002). Zur Übertragung der Altlastenproblematik auf die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters s Thole ZIP 2018, 1001, 1007 f. 65 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 29 ff. AA K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 29. 66 BVerwG ZIP 2004, 2145, 2146 f. Eichel

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nahme des Insolvenzverwalters führen.67 Soweit die Ordnungspflicht nicht an den aktuellen Zustand, sondern an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Schuldners anknüpft, kann die Besitzergreifung von vornherein nicht zur öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters führen.68 Nur aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergibt sich deshalb auch die Antwort auf die Frage, ob die öffentlich-rechtliche Pflicht durch Freigabe einer ordnungswidrig störenden Sache auf den Insolvenzschuldner verlagert werden kann.69 Damit können die Ordnungspflichten als solche – entgegen der Formulierung des BVerwG70 – nicht in die vermögensrechtliche Dichotomie von Insolvenz- und Masseforderung eingeordnet werden.71 Die Ordnungspflicht ist haftungsrechtlich neutral.72 Ordnungspflichten haben nicht zwangsläufig einen Geldwert. Die öffentlich-rechtliche Pflicht des Störers ist nicht als Insolvenzforderung einzuordnen, auch dann nicht, wenn sie vor der Verfahrenseröffnung entstanden ist.73 Folglich darf die Behörde ihre Verfügung auch im Wege der Ersatzvornahme vollstrecken, selbst wenn die konkrete Gefahr vor der Verfahrenseröffnung entstanden ist.74 Eine von diesen öffentlich-rechtlichen Aspekten verschiedene Frage ist es, wie die Kosten 28 einer Ersatzvornahme einzuordnen sind, wenn der Insolvenzverwalter der an ihn adressierten Verfügung nicht nachkommt und der Staat die Altlasten beseitigt. Rechtspolitisch geht es um die Problematik, dass im Fall einer Qualifizierung der Kosten als Insolvenzforderung die Beseitigung vorwiegend aus Steuermitteln erfolgt, wodurch sich die Insolvenzquote erhöht, wohingegen eine Qualifizierung als Masseschuld zuvörderst die Gläubiger belasten würde, die das Grundstück immerhin einmal als Haftungsmasse akzeptiert haben.75 Diese Zuspitzung wird allerdings in der Lehre im Hinblick auf den Wertausgleich nach § 25 BBodSchG auch bezweifelt.76 Insolvenzrechtlich geht es um die Frage, ob man die Kostenschuld wegen der schon bei Eröffnung abstrakt vorhandenen Beseitigungspflicht als Insolvenzforderung begreift77 oder ob man von einer Masseforderung iSv § 55 I Nr 1 ausgeht, weil die Kosten dadurch entstehen, dass der Insolvenzverwalter eine originär an die Masse gerichtete Beseitigungsschuld nicht erfüllt.78 Im Ausgangspunkt gilt es festzuhalten, dass die Qualifizierung der Ersatzvornahmekosten eine 29 originär insolvenzrechtliche Frage ist, die nicht vom öffentlich-rechtlichen Ordnungstatbestand abhängen kann.79 Der Anspruch auf Zahlung der Kosten einer Ersatzvornahme ist folglich unabhängig von der Qualifizierung der Ordnungspflicht einzuordnen. Das ist dem BVerwG nicht gelungen, wobei diesem aber (entgegen der Vorauflage80) im Ergebnis darin zuzustimmen ist, dass die Ersatzvornahmekosten betreffend eine an die Masse gerichtete Beseitigungsverfügung eine Masseschuld iSv § 55 I Nr 1 sind, wenn sie aus einer an den Insolvenzverwalter gerichteten Beseitigungs-

67 BVerwG NVwZ 2007, 86 Rn 14; zur Entwicklung der Rechtsprechung Lwowski/Tetzlaff WM 2005, 921. 68 BVerwG ZIP 2004, 2145, 2146 f. 69 BVerwG ZIP 2004, 2145, 2147; K Schmidt ZIP 2000, 1913, 1919; ders NJW 2010, 1489. AA Küpper/Heinze ZInsO 2005, 409, 411 f. Näher zur Freigabe Jaeger/Windel InsO1 § 80 Rn 42; Bartels KTS 2012, 381. 70 BVerwG ZIP 2004, 2145, 2147. 71 K Schmidt ZIP 2000, 1913, 1919. Insoweit ist die Begründung des BVerwG nicht überzeugend. 72 Henckel Voraufl § 38 Rn 26. 73 OVG Niedersachsen ZIP 1991, 1607; ZIP 1993, 1174; OVG Greifswald ZIP 1997, 1460; K Schmidt ZIP 1997, 1441, 1444; Stürner in FS Merz (1992) S 563, 569; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 29 f. AA Pape ZInsO 2002, 453 ff; Blum Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit in der Insolvenz (2001) S 118 ff; Lüke a.a.O. Rn 20 ff. 74 BVerwGE 107, 299; OVG Lüneburg NJW 1998, 398; VG Hannover NJW 2002, 843; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 97; Hess InsO2 § 38 Rn 47; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 32. AA Lüke a.a.O. Rn 39; von Wilmowsky ZIP 1997, 1445, 1447; K Schmidt ZIP 2000, 1913, 1916. 75 K Schmidt ZIP 2000, 1913. 76 Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 73; Henckel Voraufl § 38 Rn 28. 77 Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 72 f; Henckel Voraufl § 38 Rn 26; Pöhlmann NZI 2003, 486. 78 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 103. 79 Henckel Voraufl § 38 Rn 26. 80 Henckel Voraufl § 38 Rn 26 f mwN. 157

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anordnung resultieren.81 Die Wertung aus § 25 BBodSchG steht diesem Ergebnis nicht entgegen,82 da die insolvenzrechtliche Qualifikation vom öffentlichen Recht unabhängig ist. Die Verpflichtung zum Wertausgleich nach § 25 BBodSchG, die entstehen kann, wenn während des Insolvenzverfahrens die Altlast im Wege der Ersatzvornahme beseitigt wird, wäre selbst eine Masseverbindlichkeit.83

30 e) Persönliche Ansprüche aus familien- und erbrechtlichen Rechtsverhältnissen. Namentlich im Familienrecht begegnen Ansprüche, die höchstpersönlich und kein Vermögensanspruch iSv § 38 sind, wie zB der Anspruch auf Umgang mit dem Kind oder auf Anerkennung der Elternschaft.84 Dennoch kommen persönliche Gläubigerrechte iSd § 38 nicht nur in Schuldverhältnissen vor, sondern können auch aus familien- oder erbrechtlichen Rechtsverhältnissen erwachsen. Familienrechtliche Ansprüche auf Leistung von Geld oder Geldeswert können damit ebenfalls Insolvenzforderungen sein, so Ansprüche auf rückständigen Unterhalt (Rn 129) oder der Anspruch aus einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.85 Schließlich stellen auch erbrechtliche Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen (§§ 2174, 2192, 2303 BGB) persönliche Ansprüche iSv § 38 dar (§§ 325, 327 I InsO).86

31 f) Aussonderungsberechtigte. Keine Insolvenzforderungen bilden die Rechte auf Aussonderung eines dem Schuldner nicht gehörenden Gegenstandes gegenüber dessen Inanspruchnahme für die Insolvenzmasse (§ 47 S 1). Sie stehen nicht nur einem dinglich Berechtigten zu, wie der Anspruch aus § 985 BGB dem Eigentümer; wie § 47 S 1 InsO klarstellt, können vielmehr auch persönliche Gläubiger einen Aussonderungsanspruch haben, sofern der auszusondernde Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Das gilt in gewissem Umfang zB für den Verleiher, Vermieter oder Hinterleger, wenn sie ihre Sache nicht aufgrund einer Eigentümerstellung zurückfordern.87 Entscheidend für das Bestehen eines Aussonderungsanspruchs ist nämlich nicht seine dingliche oder obligatorische „Natur“, sondern allein die Frage, ob das Objekt des Anspruchs der Masse haftungsrechtlich eingegliedert ist oder nicht.88 Vertragliche Ansprüche auf Verschaffung eines Gegenstandes, wie zB der Anspruch des Käufers aus § 433 I S 1 BGB, der nach § 35 InsO zur Masse gehört, berechtigen deshalb niemals zur Aussonderung. Denn die Haftungsmasse dient der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger. Keiner von ihnen darf deshalb Haftungsobjekte aus der Masse herausziehen.

32 g) Mitgliedschaftsrechte.89 Die Mitgliedschaftsrechte der Teilhaber einer Gesellschaft, ihre Einlagen und Beiträge begründen im Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen keine Insol81 BVerwG NZI 1999, 246 = ZIP 1999, 538; NJW 1999, 1416, 1418; ebenso statt vieler MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 103; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 30; K Schmidt ZIP 2000, 1913, 1916, 1920; Stürner in FS Merz (1992) S 565, 577; Blum Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit in der Insolvenz (2002). AA Henckel Voraufl § 38 Rn 26 f mwN; Nerlich/ Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 72 ff, mit Verweis auf § 25 BBodSchG. 82 AA Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 73. 83 Häsemeyer in FS Uhlenbruck (2000) S 97, 110; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 73; näher Henckel Voraufl § 38 Rn 28. 84 HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 14. 85 BGH FamRZ 2011, 1938, 1939. 86 BGH ZIP 2006, 1258 Rn 32; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 11. AA, aber ohne Berücksichtigung von § 327 InsO, MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 43. 87 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 61. 88 § 47 Rn 5 f, 11 ff. 89 Die folgenden Ausführungen (Rn 32–64) gehen auf die Kommentierung der §§ 208–210, 213 KO in Jaeger/Weber KO8 zurück, soweit sie die Insolvenzgläubiger der juristischen Personen und sonstigen Gesellschaften betrifft (ebd §§ 207, 208 Rn 36–45, §§ 209, 210 Rn 25–28; § 213 Rn 24–25). Eichel

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venzforderungen.90 Deshalb kann der Aktionär im Insolvenzverfahren der Aktiengesellschaft (§ 11 I) nicht seine Aktieneinlage, der Gesellschafter im Insolvenzverfahren der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 11 I) nicht seinen Geschäftsanteil und der Genosse im Insolvenzverfahren der eingetragenen Genossenschaft (§ 11 I InsO, §§ 98 ff GenG) nicht sein Geschäftsguthaben als Insolvenzgläubiger herausverlangen.91 Die Einlagen der Gesellschafter bilden den Grundstock des Gesellschaftsvermögens und damit der den Gesellschaftsgläubigern im Insolvenzverfahren der Gesellschaft zugewiesenen Haftungsmasse (§ 199 S 2). Der Gesellschafter oder Genosse bringt das den Gläubigern haftende Kapital mit auf. Dadurch unterscheidet er sich von einem Darlehensgeber, der im Vertrauen auf das Kapital der Gesellschaft und deren Leistungsfähigkeit Kredit gewährt und Insolvenzgläubiger ist.92 Während ein dem Schuldner gegebenes Kreditversprechen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht mehr erfüllt zu werden braucht,93 können und müssen rückständige Einlagen als haftendes Kapital eingefordert und Ansprüche auf Rückgewähr zurückbezahlter Einlagen vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die geleisteten Einlagen der Gesellschafter sind infolge des Insolvenzverfahrens regelmäßig verloren, weil nur das nach der Befriedigung aller, auch der nachrangigen Gläubiger (§ 39), verbleibende Vermögen der durch die Verfahrenseröffnung aufgelösten Gesellschaft an die Gesellschafter verteilt werden kann und darf (§ 271 AktG, §§ 72, 73 GmbHG, §§ 90 f GenG).94 Um diese Stellung des Gläubigers aus § 199 S 2 InsO zu beschreiben, der im Rang noch hinter den iSv § 39 nachrangigen Gläubigern steht, wird heute von einem „nach-nachrangigen Gläubiger“ gesprochen.95 Dass der Gesellschafter im Insolvenzverfahren seine Einlage nicht zurückverlangen kann, 33 bedeutet nicht, dass er schlechthin nicht Insolvenzgläubiger sein könnte. Durch Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft kann er Forderungen erworben haben, die er wie jeder andere Gläubiger der Gesellschaft gegenüber als Insolvenzforderungen geltend machen kann („Drittgläubigerrechte“).96 Das gilt zB für Forderungen aus Kauf- oder Mietverträgen, auch aus Darlehensverträgen, die allerdings nur nachrangig verfolgt werden können, wenn es sich um ein Gesellschafterdarlehen handelt (§ 39 I S 1 Nr 5). Auch Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen können Insolvenzforderungen sein, so etwa Schadensersatzansprüche oder Ansprüche wegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigten Bereicherung der Gesellschaft.97 Für die Auslegung von § 38 folgt daraus, dass die mit den Mitgliedschaftsrechten verbunde- 34 nen Ansprüche im Rang von § 199 S 2 von solchen Drittgläubigerrechten zu unterscheiden sind, die Insolvenzforderungen sind, sofern für sie im Übrigen die Voraussetzungen von § 38 vorliegen. Darüber hinaus sind die Mitgliederrechte iSv § 199 S 2 von denjenigen Ansprüchen der Mitglieder zu unterscheiden, die zwar allenfalls aus dem Gesellschaftsverhältnis erwachsen, sich aber von der Mitgliedschaft derart gelöst und rechtlich verselbstständigt haben, dass sie eine Insolvenzforderung iSv § 38 oder § 39 I S 1 Nr 5 darstellen („Gläubigerrechte“).98 Zu diesen zählt zB der Anspruch des Aktionärs auf die für ein Geschäftsjahr festgesetzte Dividende. Er ist unabhängig von der Mitgliedschaft übertragbar und pfändbar und damit im späteren Insolvenzverfahren der Gesellschaft gleichberechtigte Insolvenzforderung (näher Rn 38).

90 BGHZ 224, 235 = BGH ZIP 2020, 511 Rn 27; ZIP 2018, 18 Rn 24; BGH v 30.6.2009, IX ZA 21/09, juris-Rn 2 = NZG 2009, 984; OLG Nürnberg ZIP 2011, 1015, 1016; OLG Hamburg ZIP 2015, 1694, 1695; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 63; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 38 Rn 19; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 8. 91 Ebenso im Konkurs der noch nicht eingetragenen Genossenschaft: LG Hannover Nds Rpfl 1959, 182. 92 Zum Nachrang des Gesellschafterdarlehens s § 39 Rn 77 ff. 93 Zu der Besonderheit des Finanzplankredits s Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHandb6 § 90 Rn 585. 94 Deckers Die Mitgliedschaft in der Insolvenz (2019) S 115. 95 Brinkmann/Richter AG 2021, 489 Rn 42; Thole ZIP 2020, 2533, 2534. 96 BGHZ 224, 235 = ZIP 2020, 511 Rn 27 ff; Brinkmann/Richter AG 2021, 489 Rn 1–6. 97 Kilger/Schmidt KO17 § 207 Anm 6; MünchKomm/Bayer AktG5 § 57 Rn 64; Kalter KTS 1955, 58, 60 f; Rowedder/SchmidtLeithoff/Pentz GmbHG6 § 30 Rn 32. 98 BGHZ 224, 235 = ZIP 2020, 511 Rn 27 ff; OLG Hamburg ZIP 2015, 1694, 1695. 159

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35 aa) Aktiengesellschaft. Keine Insolvenzforderung ist ein Bezugsrecht des Aktionärs. Er kann also nicht dessen etwa noch vorhandenen Wert in Geld umgerechnet zur Tabelle anmelden. Auch durch besondere auf die Einlage bezogene Abreden können für die Gesellschafter oder Genossen keine Insolvenzgläubigerrechte begründet werden.99 So verstieße eine Verpflichtung der Aktiengesellschaft, Aktionären unter bestimmten Voraussetzungen ihre Aktien gegen Entgelt abzunehmen (etwa einem Mitglied des Vorstandes nach Beendigung seines Amtes) gegen § 57 AktG,100 und zwar mit der Folge des § 62 AktG.101 Für derartige Versprechen einer GmbH wird zwar nicht generell Nichtigkeit angenommen, wenn sie gegen die zwingende Vorschrift des § 30 GmbHG verstoßen, wohl aber Recht und Pflicht der Gesellschaft, die Leistung zu verweigern, die im Insolvenzverfahren auch dem Verwalter gegenüber nicht durchgesetzt werden kann.102 Dasselbe gilt für eine Abrede, dass ein Gesellschafter oder Genosse beim Eintritt bestimmter Umstände, etwa gerade im Fall eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft berechtigt sein soll, eine Sacheinlage gegen Rückgabe von Aktien zurückzuverlangen.103 Unbedenklich ist dagegen die Vereinbarung eines Wiederkaufrechts gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts.104 36 Rege umstritten ist, ob getäuschte Aktionäre mit kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüchen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten nur mit dem Nachrang des § 199 Satz 2 an einem allfälligen Überschuss teilhaben können oder ob sie als Insolvenzgläubiger iSv § 38 oder § 39 am Insolvenzverfahren teilnehmen. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der unter der Konkursordnung herrschenden Meinung konnte ein Aktionär, der durch einen unrichtigen Prospekt oder einen falschen Geschäftsbericht verleitet worden war, Aktien zu erwerben, nicht verlangen, dass ihm der dadurch erlittene Schaden von der Gesellschaft aus deren Insolvenzmasse ersetzt werde.105 Man sah es als mit dem Wesen der Beteiligung eines Aktionärs unvereinbar, wenn er auf diese Weise der Gesellschaft die von ihm mitaufzubringende Haftungsmasse entziehen dürfte. Schadensersatz konnte der Aktionär nur von den für die falsche Information verantwortlichen Personen verlangen. Demgegenüber hat heute die auch in den Gesetzesberatungen106 favorisierte Gegenauffassung an Boden gewonnen, wonach die Haftung der handelnden Personen die Haftung der Gesellschaft nicht verdrängt, der Ersatzanspruch gegen die Gesellschaft nicht am Kapitalerhaltungsrecht des § 57 AktG scheitert und es sich deshalb bei den Schadensersatzansprüchen um Drittgläubigerrechte handele, welche § 38 InsO unterfallen.107 37 Den auf Rechtsgeschäft beruhenden internen Forderungen kann die Berücksichtigung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft auch dann nicht generell aberkannt oder durch Zurückstellung hinter die Forderungen anderer Gläubiger verkürzt werden, wenn sie dem einzigen oder dem beherrschenden Gesellschafter zustehen.108 Ebenso wenig wie die Abhängigkeit einer Kapitalgesellschaft für sich allein den direkten Haftungsdurchgriff ihrer Gläubiger auf den einzigen oder den beherr99 Koch AktG16 § 26 Rn 3, § 57 Rn 2, 4; Lutter in KK/AktG2 § 57 Rn 9. 100 RGZ 77, 73; RG LZ 1912, 847 f; MünchKomm/Bayer AktG5 § 57 Rn 78; Koch AktG16 § 26 Rn 3; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 199. 101 BGH NJW 2013, 1742 Rn 15 ff; Großkomm/Arnold/Notz AktG5 § 57 Rn 9. 102 BGH BB 1997, 1807 = GmbHR 1997, 790 = WM 1997, 1621 = ZIP 1997, 1450; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 30 Rn 1, 67 mN; Hachenburg/Zutt GmbHG8 Anh § 15 Rn 97; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz GmbHG6 § 30 Rn 48; Scholz/Westermann GmbHG12 § 30 Rn 120. 103 RGZ 81, 411 ff. 104 MünchKomm/Bayer AktG5 § 57 Rn 79; Großkomm/Arnold Notz AktG5 § 57 Rn 131; Baumbach/Hueck AktG13 § 57 Rn 5 mN; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 199; RGZ 81, 404 steht nicht dagegen, s Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 37. 105 RGZ 54, 128; Kilger/Schmidt KO17 § 207 Anm 6; Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 37 mN. 106 BT-Drucks 13/8933. 107 Becker NZI 2022, 319; Brinkmann/Richter AG 2021, 489 mwN; Becker NZI 2021, 302; Bitter/Jochum ZIP 2021, 653; MünchKomm/Bayer AktG5 § 57 Rn 43, 45; LG Frankfurt/M WM 1998, 1185 = ZIP 1998, 641 ff; Huber ZIP 1998, 645; für Nachrang nach § 39 Langenbucher ZIP 2005, 239, 244. AA Thole ZIP 2020, 2533 mwN; Gehrlein WM 2021, 763 und 805; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 10. 108 Vgl Drobnig Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften (1959) S 75, 81. Eichel

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schenden Gesellschafter rechtfertigt, kann sie einen auf bestimmte Vermögensgegenstände des Gesellschafters, nämlich seine Ansprüche gegen die Gesellschaft beschränkten Durchgriff in Gestalt einer Zurücksetzung dieser Forderungen im Insolvenzverfahren der Gesellschaft begründen.109 Nur unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen kann es daher in Frage kommen, dass Forderungen eines Alleingesellschafters hinter die Forderungen der übrigen Insolvenzgläubiger zurücktreten müssen. In Anlehnung an die entsprechende Rechtsprechung des BGH110 würde das einen „existenzvernichtenden Eingriff“ in das Gesellschaftsvermögen voraussetzen. Vor allem aber müssen Gesellschafterforderungen hinter denen der Gesellschaftsgläubiger zurückstehen, wenn es sich um Gesellschafterdarlehen iSv § 39 I S 1 Nr 5 handelt, schließlich auch, wenn sie Leistungen als „verdeckte Einlagen“ erbracht haben.111 Als Beispiel sind Umsatzgeschäfte zu nennen, die dem Gesellschafter einen Wert verschaffen, der den Wert seiner eigenen Leistung übersteigt.112 Forderungsrechte der Gesellschafter aus der Mitgliedschaft sind regelmäßig Insolvenzfor- 38 derungen. Zu ihnen gehört der durch den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 174 AktG) endgültig entstandene Anspruch des Aktionärs auf die für ein Geschäftsjahr festgesetzte Dividende (§§ 58 IV, 60 oder § 139 I AktG). Er ist ein durch den Verlust späterer Geschäftsjahre nicht mehr zu schmälerndes reines Gläubigerrecht.113 Er ist unabhängig von der Mitgliedschaft übertragbar und pfändbar und damit im späteren Insolvenzverfahren der Gesellschaft gleichberechtigte Insolvenzforderung.114 Zu beachten ist aber, dass der Anspruch durch Stundung oder „Stehenlassen“ einem Gesellschafterdarlehen gleichstehen kann (§ 39 Rn 105). Zu den Forderungen aus der Mitgliedschaft gehören ferner die Ausgleichs- und Abfindungsansprüche des Konzernrechts (§§ 304, 305, 327a AktG) und des Umwandlungsrechts (§§ 29 ff, 36, 207 ff UmwG).115 Die häufig in Genussscheinen verbrieften Genussrechte (§ 221 III AktG) bilden auch in der 39 Hand von Aktionären echte Gläubigerrechte.116 Soweit sie Ansprüche auf Gewinnanteile zum Inhalt haben, können diese daher unter den gleichen Voraussetzungen wie die Dividendenansprüche der Aktionäre als Insolvenzforderungen im Gesellschaftsinsolvenzverfahren geltend gemacht werden. Soweit sie Ansprüche auf Beteiligung am Liquidationsüberschuss gewähren, hängt ihre Einordnung als Insolvenzforderung davon ab, ob die Verteilung eines nach Befriedigung der Gläubiger verbleibenden Massebetrags noch im Rahmen des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter vorzunehmen ist.117 Ein reines Gläubigerrecht ist auch der Anspruch des Aktionärs auf Entschädigung oder Beloh- 40 nung für die Gründung oder deren Vorbereitung (§ 26 II–IV AktG „Gründungsaufwand“). Der Aktionär kann ihn deshalb als Insolvenzforderung anmelden.118 Dasselbe gilt für den Anspruch 109 110 111 112 113

BGH NJW 1969, 1719 = WM 1969, 1079; Drobnig a.a.O. (Fn 108) S 24 f, 68 ff. BGH ZIP 2002, 1578; NJW 2007, 2689; dazu Koch AktG16 § 1 Rn 22 ff. Koch AktG16 § 57 Rn 6, 8 ff. MünchKomm AktG/Bayer § 57 Rn 56 ff; Koch AktG16 § 57 Rn 8 ff. BGHZ 7, 264; 23, 154; Koch AktG16 § 58 Rn 28; GroßKomm/Arnold/Notz AktG5 § 58 Rn 205; MünchKomm/J Koch AktG5 § 264 Rn 82; für § 139 I AktG ebenso der Nachzahlungsanspruch des Vorzugsaktionärs nach § 139 I AktG Madaus ZIP 2010, 1214, 1217. 114 Großkomm/Arnold/Notz AktG5 § 57 Rn 10, § 58 Rn 135; Kilger/Schmidt KO17 § 207 Anm 6; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 144; zweifelnd Ritter AktG2 § 52 Anm 4 zu f. AA insb Brodmann AktR S 150. 115 Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 144; zu einzelnen Ansprüchen Böcker GmbHR 2004, 1314, 1315; Müller ZIP 2008, 1701, 1702 f. 116 Koch AktG16 § 221 Rn 26; Großkomm/Hirte AktG4 § 221 Rn 428 ff; MünchKomm/J Koch AktG5 § 264 Rn 82; Bitter/ Rauhut ZIP 2014, 1005, 1015; vgl auch Hachenburg LZ 1917, 776 ff; Kübler/Prütting/Noack InsO GesR Rn 410. 117 Dafür Henckel Voraufl § 38 Rn 37; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 66 Rn 6 f; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 148; Koch AktG16 § 264 Rn 6 mit Einschränkungen auch Rn 7. AA Liquidation nach gesellschaftsrechtlichen Regeln BGH ZIP 2021, 255 Rn 70 ff; Hopt/Roth HGB41 § 131 Rn 13; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 127; Bett Konkurs der Aktiengesellschaft (1904) S 72 ff. 118 Großkomm/Röhricht/Schall AktG5 § 26 Rn 31; Arnold in KK/AktG3 § 26 Rn 18; MünchKomm/Pentz AktG5 § 26 Rn 28, zum „verschleierten Gründungsaufwand“ s auch Rn 37 und Arnold in KK/AktG3 § 26 Rn 26; Koch AktG16 § 26 Rn 5 f mit Rn 2. 161

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auf das angemessene Entgelt für wiederkehrende Leistungen, zu denen der Aktionär neben den Einlagen satzungsgemäß verpflichtet ist (§§ 55, 61 AktG), soweit es sich um die Vergütung von Leistungen handelt, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht worden sind.119 41 Hat die Aktiengesellschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihr Grundkapital wirksam herabgesetzt (§§ 222, 224 AktG) und ist in dem Herabsetzungsbeschluss festgesetzt worden, dass Teile des Grundkapitals an die Aktionäre zurückgezahlt werden sollen (§ 222 III AktG, „effektive Kapitalherabsetzung“), so sind die Rückzahlungsansprüche der Aktionäre Insolvenzforderungen, die durch spätere Verluste der Gesellschaft nicht mehr berührt werden.120 Sie dürfen erst erfüllt werden, wenn seit der Bekanntmachung der Eintragung der Kapitalherabsetzung sechs Monate verstrichen sind und nachdem den Gläubigern, die sich rechtzeitig gemeldet haben (§ 225 I AktG), Befriedigung oder Sicherheit gewährt worden ist (§ 225 II S 1 AktG). Nur wenn diese Voraussetzungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt sind, können die Ansprüche der Aktionäre als Insolvenzforderungen berücksichtigt werden. Andernfalls könnte man die Ansprüche der Aktionäre zwar als befristete (§ 41 InsO) und aufschiebend bedingte Forderungen ansehen; das brächte den Aktionären jedoch nichts ein, weil die Bedingung der dann regelmäßig noch ausstehenden Gläubigerbefriedigung oder -sicherung im eröffneten Verfahren nicht mehr eintreten kann (vgl § 191 II InsO).121 Gläubigern, die sich nicht rechtzeitig gemeldet haben oder deren Forderungen erst nach Ablauf der Anmeldefrist des § 225 I AktG entstanden sind, ist nach dieser Vorschrift keine Sicherheit zu leisten und ihre Befriedigung ist nicht Voraussetzung für die Zahlung an die Aktionäre. Diesen gegenüber haben sie also keinen Vorrang. Sind nur solche neuen Gläubiger bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht befriedigt, sind die Ansprüche der Aktionäre als unbedingte zu berücksichtigen.122 Ist die Summe der ungedeckten rechtzeitig angemeldeten Forderungen geringer als die der Rückzahlungsansprüche der Aktionäre, dürfen ihre Forderungen nur mit dem Betrag berücksichtigt werden, der nach Abzug der Summe der rechtzeitig angemeldeten Forderungen verbleibt. Zwei Zahlenbeispiele sollen das verdeutlichen: 1. Stehen zur Verteilung an die Insolvenzgläu42 biger 400 000 A zur Verfügung und beträgt die Summe der rechtzeitig angemeldeten Forderungen (§ 255 I AktG) 200 000 A, die der neuen Gläubiger 250 000 A und der Gesamtbetrag der Rückzahlungsansprüche der Aktionäre 350 000 A, so beträgt die Quote an sich 50 %. Da jedoch die Rückzahlungsansprüche der Aktionäre durch die Befriedigung der alten Gläubiger aufschiebend bedingt sind, müssen sie sich einen Abzug in Höhe des Betrages gefallen lassen, der zur Vollbefriedigung der alten Gläubiger erforderlich ist, hier also 100 000 A. Die alten Gläubiger erhalten zu Lasten der Quote der Aktionäre volle Befriedigung = 200 000 A, die Aktionäre 75 000 A, das sind 18,75 %, und die neuen Gläubiger die normale Quote von 50 % = 125 000 A. 43 2. Betragen jedoch bei gleichem Stand der Aktiven (400 000 A) und des Rückzahlungsgesamtbetrags (350 000 A) die alten Schulden 950 000 A und die neuen nur 50 000 A, so steht fest, dass die alten Gläubiger keine volle Deckung erhalten können, auch nicht durch Erhöhung ihrer Quote zu Lasten der Rückzahlungsansprüche der Aktionäre. Die Bedingung für die Berücksichtigung der Rückzahlungsansprüche ist ausgefallen. Nach § 225 II AktG darf an die Aktionäre nichts geleistet werden. Sie scheiden bei der Verteilung aus. Der Verwertungserlös wird zu einheitlichen Quoten an die alten und neuen Gläubiger verteilt. Die alten erhalten insgesamt 380 000 A, die neuen 20 000 A, das sind jeweils 40 %. Die Annahme Jaegers,123 in diesem Fall werde der rechnerisch auf die Rückzahlungsansprüche entfallende Betrag von 105 000 A zugunsten der alten Konkursgläubi119 Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 144; Kilger/Schmidt KO17 § 207 Anm 6; Lutter in KK/AktG2 § 61 Rn 9; Bett a.a.O. (Fn 117) S 69; Kübler/Prütting/Noack InsO GesR Rn 409. 120 Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 144; Ekkenga in KK/AktG3 § 224 Rn 21 f, § 225 Rn 64 ff; MünchKomm/Oechsler AktG5 § 224 Rn 14; MünchKomm/J Koch AktG5 § 264 Rn 82. 121 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 39. 122 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 39. AA Jaeger KO6/7 §§ 207, 208 Rn 18, der den Rückzahlungsansprüchen der Aktionäre Vorrang vor den neuen Gläubigern einräumt. 123 Jaeger KO6/7 §§ 207, 208 Rn 20. Eichel

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ger frei, ist nicht zutreffend; die rechnerische Berücksichtigung der aufschiebend bedingten Rückzahlungsansprüche der Aktionäre diente hier nur zur Feststellung, ob eine Vollbefriedigung der alten Gläubiger unter Heranziehung des auf die Rückzahlungsansprüche entfallenden Betrages möglich ist. Ergibt sich jedoch, wie im zweiten Beispielsfall, dass dies nicht der Fall ist, so scheiden die Rückzahlungsansprüche bei der Verteilung überhaupt aus; die zur Verteilung stehende Masse ist allein an die alten und neuen Gläubiger zu verteilen, unter denen kein Rangverhältnis besteht. Auch bei einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam gewordenen Kapitalher- 44 absetzung durch Einziehung von Aktien (§§ 237 ff AktG) können Ansprüche der betroffenen Aktionäre auf Zahlung eines Entgelts bestehen. Da auch für sie die Gläubigerschutzvorschrift des § 225 II AktG (§ 237 II S 3 AktG) gilt, richtet sich das Recht auf Teilnahme am Insolvenzverfahren derartiger Forderungen nach denselben Grundsätzen wie das der Rückzahlungsansprüche der ordentlichen Kapitalherabsetzung.124 Das Einziehungsentgelt nach § 237 II AktG stößt sich nicht am Verbot der Einlagenrückgewähr.125 Es kann daher Insolvenzforderung sein. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Einziehung der Aktien nicht mehr zulässig, wenn sie dem Zweck des Verfahrens widerspricht.126 Eine vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 229 ff AktG) ist als effektive (Rn 41) nicht zulässig (§ 230 AktG).127 Wandelschuldverschreibungen, die nach § 221 I AktG dem Gläubiger entweder ein Umtausch- 45 recht oder ein Bezugsrecht einräumen, begründen zunächst nur ein Forderungsrecht, das auch der Aktionär, der Inhaber einer solchen Schuldverschreibung ist, im Insolvenzverfahren der Aktiengesellschaft geltend machen kann. Gewährt die Wandelschuldverschreibung ein Bezugsrecht, gilt nichts besonderes. Neben dem Bezugsrecht bleibt der Zahlungsanspruch aus der Schuldverschreibung als Insolvenzforderung bestehen. Umtauschberechtigte Inhaber von Schuldverschreibungen sind und bleiben Insolvenzgläubiger, wenn bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Umtauschrecht nicht ausgeübt worden ist.128 Dagegen sind Gläubiger, die ihr Umtauschrecht vor der Verfahrenseröffnung ausgeübt und die Umtauschaktie erhalten haben, nicht mehr teilnahmeberechtigte Insolvenzgläubiger, sondern Aktionäre.129 Ist die Umtauscherklärung gemäß § 198 I AktG mit § 192 V AktG zwar vor der Verfahrenseröffnung abgegeben, die Umtauschaktie aber dem Gläubiger nicht ausgehändigt worden, so ist die bedingte Kapitalerhöhung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr wirksam geworden (§ 200 AktG). Nach hM kann sie aber auch nach Eröffnung des Verfahrens noch wirksam werden.130 Nur wenn man dies verneinen würde, hätte der Gläubiger nicht die Stellung eines nichtteilnahmeberechtigten Aktionärs erworben und er könnte sie auch während des Verfahrens nicht mehr erwerben. Er bliebe Insolvenzgläubiger. Folgt man dagegen der herrschenden Ansicht, dass eine Kapitalerhöhung jedenfalls dann noch während des Insolvenzverfahrens wirksam werden kann, wenn sie zuvor formgerecht beschlossen und zum Handelsregister angemeldet war,131 bleibt die Einlagepflicht des Gläubigers bestehen und er wird mit der Aushändigung der Aktie Aktionär, seine Insolvenzforderung aus der Wandelschuldverschreibung erlischt. Anderes gilt dann nur, wenn der Antrag auf Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handels-

Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 144. Koch AktG16 § 57 Rn 4. HM Koch AktG16 § 237 Rn 1; Ekkenga/Schirrmacher in KK/AktG3 § 237 Rn 23; Großkomm/Sethe AktG4 § 237 Rn 19. MünchKomm AktG/Oechsler § 230 Rn 1 ff. Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 198; Kübler/Prütting/Noack InsO GesR Rn 404; Möhlenkamp/Harder ZIP 2016, 1093, 1095. 129 Kübler/Prütting/Noack InsO GesR Rn 404; Möhlenkamp/Harder ZIP 2016, 1093, 1096. 130 Dafür Uhlenbruck/Hirte InsO5 § 11 Rn 194 mN; Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHandb6 § 90 Rn 376; Hachenburg/Ulmer GmbHG7 § 55 Rn 29; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 55 Rn 32, 43; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 55 Rn 14; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus GmbHG6 § 55 Rn 27. Dagegen Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 52 f; Noack/ Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 55 Rn 31. Näheres zu § 35 Rn 201 ff. 131 Zur GmbH BGH ZIP 1995, 28; dazu EWiR § 188 AktG, 1/95 (v Gerkan).

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register zurückgenommen und während des Insolvenzverfahrens nicht neu gestellt wird.132 Jedoch kann sich der Gläubiger von der Einlagepflicht befreien, indem er den Übernahmevertrag aus wichtigem Grund kündigt.133 Dann bleibt er Schuldverschreibungsgläubiger. Hat aber der Gläubiger, der von der Übernahmepflicht befreit ist, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wandelschuldverschreibung hingegeben (vgl § 194 I S 2 AktG), ist er zwar nicht mehr Schuldverschreibungsgläubiger, weil er seine Forderung zur Tilgung seiner (vermeintlichen) Einlageverpflichtung verwendet hat. Jedoch hat er einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Gesellschaft, den er als Insolvenzforderung geltend machen kann.134

46 bb) GmbH. Für das Teilnahmerecht der Gesellschafter einer GmbH mit Ansprüchen, die in ihrer Mitgliedschaft begründet sind, ist das Verbot des § 30 GmbHG zu beachten. Die Vorschrift verbietet, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszuzahlen (Abs 1). Soweit selbstständige Forderungsrechte ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis haben, unterliegen auch sie dem Verbot. Das gilt zB für Gewinnauszahlungsansprüche135 (§ 29 GmbHG), Entnahmerechte,136 eine überhöhte Vergütung für einen Gesellschafter-Geschäftsführer137 oder für Abfindungen bei vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingezogenen Geschäftsanteilen (§ 34 III GmbHG).138 Ebenso sind Ansprüche der Gesellschafter auf Rückzahlung von Nachschüssen zu behandeln, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ordnungsgemäß beschlossen waren (§§ 30 II, 46 Nr 3 GmbHG)139 und Rückzahlungsansprüche aus einer vor der Verfahrenseröffnung wirksam gewordenen Kapitalherabsetzung (§ 58 GmbHG),140 ferner Ansprüche der Gesellschafter auf Gewinnbeteiligung aus Genussscheinen oder auf Gründerentschädigung.141 Für die Beurteilung, ob die Zahlung zur Unterbilanz führt, ist der Zeitpunkt der Zahlung oder sonstigen Leis132 Fraglich ist, wer antrags- und rücknahmeberechtigt ist. Gegen die Berechtigung des Vorstandes bzw Geschäftsführers (GmbH) oder der Gesellschafter (so Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHandb6 § 90 Rn 376 und Uhlenbruck/ Hirte InsO § 11 Rn 194; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 55 Rn 29; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus GmbHG6 § 55 Rn 27; Scholz/Priester/Tebben GmbHG12 § 55 Rn 91) spricht, dass die Einlagepflicht der Masse gegenüber besteht und die geleisteten Einlagen zur Masse gehören (so auch Jaeger/Müller InsO1 § 35 Rn 202). 133 Gottwald/Haas/Haas/Kolmann/Kurz InsRHandb6 § 90 Rn 377; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 194; Lutter in FS Schilling (1973) S 207, 221; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 55 Rn 29, 79; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus GmbHG6 § 55 Rn 27; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 55 Rn 14 unter Hinweis auf § 313 BGB. AA Jaeger/Müller InsO1 § 35 Rn 203 ff. 134 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 45. 135 Hachenburg/Goerdeler/Müller GmbHG8 § 29 Rn 6, 95, § 30 Rn 59; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Heidinger GmbHG3 § 30 Rn 59, 65, 68; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 29 Rn 47; Scholz/Verse GmbHG12 § 29 Rn 91; BGH ZIP 1993, 917, dazu EWiR § 31 GmbHG 1/93, 693 (Maier/Reimer); vgl auch BGH ZIP 2002, 2045, dazu EWiR § 7 GmbHG 1/03, 63 (Saenger/Scharf). AA Wilhelm in FS Flume II S 337, 359; Sieker ZGR 1995, 250, 263 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Pentz GmbHG6 § 29 Rn 28, § 30 Rn 32, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss ordnungsgemäß gefasst worden ist und ein verteilungsfähiger Gewinn vorhanden war, der nicht kapitalersetzend stehengelassen wurde. 136 Noack/Servatius/Haas/Kersting GmbHG23 § 29 Rn 64; Hachenburg/Goerdeler/Müller GmbHG8 § 30 Rn 59; Michalski/ Heidinger/Leible/Schmidt/Heidinger GmbHG3 § 30 Rn 68; Scholz/Verse GmbHG12 § 29 Rn 112. 137 Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 30 Rn 52. 138 Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Heidinger GmbHG3 § 30 Rn 108; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz GmbHG6 § 30 Rn 45; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 30 Rn 73, § 34 Rn 16; Scholz/Westermann GmbHG12 § 34 Rn 51; Robrecht DB 1968, 472. 139 Hachenburg/Goerdeler/Müller GmbHG8 § 30 Rn 103; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz GmbHG6 § 30 Rn 107; Scholz/ Verse GmbHG12 § 30 Rn 135 ff. 140 Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 58 Rn 8; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 58 Rn 9; bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung der §§ 58a ff GmbHG, die vor allem im Rahmen eines Insolvenzplans in Betracht kommt (dazu vor allen Scholz/Priester/Tebben GmbHG12 Vor § 58a Rn 1 ff und Noack/Servatius/Haas/Kersting GmbHG23 § 58a Rn 1 ff), verbietet § 58b GmbHG Zahlungen an die Gesellschafter, sodass Insolvenzforderungen nicht entstehen können. 141 Nicht jedoch für gesetzlich anfallenden Gründungsaufwand: Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 5 Rn 57; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 5 Rn 188; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 3 Rn 52; Michalski/Heidinger/Leible/ Eichel

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tung maßgebend, nicht der, in dem die Forderung begründet worden ist.142 Bei der insolvenzrechtlichen Einordnung solcher Forderungen ist ihren etwaigen haftungs- oder kapitalerhaltungsrechtlichen Bindungen (zB §§ 30 f GmbHG) Rechnung zu tragen, da sie einer gleichrangigen Befriedigung mit Forderungen anderer Gläubiger entgegenstehen können.143 Nach der Rechtsprechung ist die Abfindungsforderung eines vor der Insolvenz ausgeschiedenen Gesellschafters – wenn sie gegen §§ 30, 31 GmbHG (analog) verstößt –, weder eine einfache (§ 38) noch eine nachrangige (§ 39) Insolvenzforderung, sondern ein Gläubigerrecht, das wegen des Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsregeln analog § 199 S 2 auf die Schlussverteilung verwiesen ist.144 Die Rechtsprechung ist damit der in der Vorauflage von Henckel de lege ferenda geforderten Lösung entgegengetreten, solche Forderungen wie eine nachrangige Insolvenzforderung analog § 39 I S 1 Nr 5 zu behandeln.145 Ansprüche auf das rückständige angemessene Entgelt für Nebenleistungen, die vor der 47 Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht worden sind, unterliegen nicht dem Verbot des § 30 I GmbHG, da dem Gesellschaftsvermögen ein entsprechender Gegenwert zugeflossen ist.146 Dasselbe gilt für Forderungen aus sog Drittgeschäften, die eine Gesellschaft mit einem Gesellschafter wie mit außenstehenden Dritten abschließt.147 Ob solche Geschäfte von § 30 I GmbHG als sog verdeckte Gewinnausschüttungen verboten werden, wenn die Gegenleistung, die der Gesellschafter erbringt, der Leistung der Gesellschaft nicht äquivalent ist, beurteilt sich insbesondere anhand von § 30 I S 2 GmbHG.148

cc) Verein. Insolvenzgläubiger sind die persönlichen Gläubiger des rechtsfähigen Vereins, die 48 einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch haben. Die Mitgliedschaft selbst begründet kein Gläubigerrecht. Jedoch können die Mitglieder aus besonderen Gründen Insolvenzgläubiger sein. Gläubiger der Mitglieder sind als solche nicht auch Gläubiger des Vereins. Insolvenzgläubiger eines nicht rechtsfähigen Vereins sind persönliche Gläubiger, die Vermö- 49 gensansprüche aus Rechtsgeschäften haben, die für den Verein durch seine Organe abgeschlossen worden sind. Aber auch Deliktsgläubiger des Vereins sind Insolvenzgläubiger, weil nach heute allgemein anerkannter Meinung nicht nur § 831 BGB, sondern auch § 31 BGB auf den nicht rechtsfähigen Verein anzuwenden ist.149 Auch andere gesetzliche Schuldverhältnisse können die Haftung des nicht rechtsfähigen Vereins auslösen mit der Folge, dass die Gläubiger, die zB aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung Ansprüche vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben haben, Insolvenzgläubiger sind. Vereinsmitglieder sind Insolvenzgläubiger nicht nur mit Forderungen, die von der Vereinsmitgliedschaft unabhängig sind (Forderungen aus sog Drittgeschäften), sondern auch mit Forderungen wegen Verletzung ihrer MitSchmidt/Leitzen GmbHG3 § 5 Rn 203; Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG6 § 5 Rn 68 ff; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 5 Rn 50. 142 RGZ 133, 395; 142, 290; RG JW 1938, 1176; BGHZ 9, 169; BGH NJW 1987, 1194; 1988, 139; BGH ZIP 2003, 2068, 2070; ZIP 2020, 511 Rn 40; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 30 Rn 22; Hachenburg/Goerdeler/Müller GmbHG8 § 30 Rn 63; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Heidinger GmbHG3 § 30 Rn 30; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz GmbHG6 § 30 Rn 11; Scholz/Westermann GmbHG12 § 34 Rn 51. 143 BGH ZIP 2020, 511 Rn 25 ff. 144 BGH ZIP 2020, 511 (Heckschen EWiR 2020, 229; Leithaus NZI 2020, 370; Otte/Schwarzer GmbHR 2021, 862). 145 Näher Henckel Voraufl § 38 Rn 44 und mwN in die Vorauflagen. 146 Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 3 Rn 36, § 30 Rn 19 f; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG20 § 3 Rn 33; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Heidinger GmbHG3 § 30 Rn 61; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz GmbHG6 § 30 Rn 32; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 3 Rn 29. 147 Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG23 § 30 Rn 24, 52; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Heidinger GmbHG3 § 30 Rn 69; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff GmbHG20 § 30 Rn 25; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 § 30 Rn 73; Scholz/ Verse GmbHG12 § 30 Rn 35 ff; Kübler/Prütting/Noack InsO GesR Rn 406. 148 Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Heidinger GmbHG3 § 30 Rn 69. 149 Staudinger/Schwennicke (2019) § 31 Rn 10 ff. 165

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gliedschaftsrechte.150 Eine Haftung der Vereinsmitglieder gilt heute bei nichtwirtschaftlichen Vereinen – mit unterschiedlicher Begründung – als ausgeschlossen,151 sodass die früher erörterte Frage, ob § 68 KO (jetzt § 43 InsO) anzuwenden ist oder besser § 212 KO152 (ohne direkte Entsprechung in der InsO vgl jedoch § 93 InsO), bedeutungslos geworden ist. Nicht generell ausgeschlossen ist aber die Haftung des Handelnden (§ 54 S 2 BGB).153 Hier sollte § 93 InsO entsprechend angewendet werden mit der Folge, dass während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des nichtrechtsfähigen Vereins der Handelnde nur vom Insolvenzverwalter, nicht aber vom Gläubiger in Anspruch genommen werden kann.154 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Handelnden gilt § 43. Nimmt der Gläubiger an dem Verfahren teil, kann er seine Forderung in der Höhe geltend machen, in der sie zur Zeit der Verfahrenseröffnung bestand. Zahlungen des Vereins während des Verfahrens, die seine Forderung nicht voll tilgen, braucht er sich nicht anrechnen zu lassen. Rückgriffsansprüche des Vereins gegen den Handelnden stehen hinter denen des Gläubigers zurück (§ 44).

50 dd) OHG, KG. Insolvenzgläubiger der Personengesellschaften sind die persönlichen Gläubiger der Gesellschaft, die einen bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten und im Verfahren verfolgbaren Vermögensanspruch haben (§ 38). Ob die Forderung gegen eine Handelsgesellschaft aus einem Handelsgeschäft herrührt oder nicht, macht keinen Unterschied. Andererseits ist die Forderung, die sich nur gegen einen Gesellschafter richtet („Privatgläubigerforderung“) auch dann von der Teilnahme am Insolvenzverfahren der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn sie auf einem Handelsgeschäft beruht. Auch eine Schuld, die Verbindlichkeit aller Gesellschafter, aber nicht der Gesellschaft ist, zB aus einer gemeinsam im außergesellschaftlichen Bereich begangenen unerlaubten Handlung, kann im Gesellschaftsinsolvenzverfahren der OHG und KG nicht verfolgt werden; anders im Verfahren über das Vermögen einer BGB-Gesellschaft, wie sich aus § 736 ZPO ergibt.155 Die Gläubiger der Gesellschafter sind auf das Eigenvermögen ihres Schuldners angewiesen, ohne aber hinsichtlich dieses Vermögens den Gesellschaftsgläubigern gegenüber bevorzugt zu sein, denen ebenfalls das Eigenvermögen der Gesellschafter haftet (§ 128 HGB, §§ 421 ff BGB). Dem zum Eigenvermögen eines Gesellschafters gehörenden Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben kommt im Gesellschaftsinsolvenzverfahren kaum praktische Bedeutung zu, weil ein solches Guthaben regelmäßig nicht besteht. Der in eine bestehende offene Handelsgesellschaft aufgenommene Gesellschafter haftet zwar seinerseits persönlich für die vor seinem Eintritt entstandenen Schulden der Gesellschaft (§ 130 HGB), seine eigenen aus Handels- und Nichthandelsgeschäften herrührenden Verbindlichkeiten gehen aber – von besonderer Übernahme sowie im Fall des § 25 I S 1 HGB abgesehen – selbst dann nicht auf die Gesellschaft über, wenn er sein Handelsgeschäft in die Gesellschaft einbringt. Doch kann der zum Schaden der Eigengläubiger vollzogene Eintritt eines Schuldners in eine Gesellschaft der Anfechtung durch die Eigengläubiger und im Eigeninsolvenzverfahren durch dessen Verwalter ausgesetzt sein. Dagegen sind die Geschäftsgläubiger eines Einzelkaufmanns, der sein Geschäft in eine neu gegründete OHG oder KG eingebracht hat, grundsätzlich Gesellschaftsgläubiger (§ 28 I S 1, II HGB) und damit Insolvenzgläubiger in einem späteren Gesellschaftsinsolvenzverfahren. 51 Persönlich haftende Gesellschafter und Kommanditisten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft (§ 11 II Nr 1) können ihre aktiven Kapitalanteile nicht als Insolvenzforderungen geltend machen, obwohl diese Anteile

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RGZ 143, 212 ff. Staudinger/Schwennicke (2019) § 54 Rn 100 ff mN. Jaeger/Weber KO8 § 213 Rn 25. Soergel/Hadding BGB13 § 54 Rn 30; MünchKomm/Leuschner BGB9 § 54 Rn 42; großzügiger Staudinger/Schwennike (2019) § 54 Rn 101. 154 So wohl auch Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 93 Rn 8. AA Gottwald/Haas/Mock InsRHandb6 § 93 Rn 67. 155 S auch unten Rn 61. Eichel

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sich in der kaufmännischen Buchführung als Guthaben an die Gesellschaft darstellen.156 Aus diesen Mitgliederanteilen setzt sich die Haftungsmasse der Gesellschaft, deren Vorhandensein ein Gesellschaftsinsolvenzverfahren erst möglich macht, im Wesentlichen zusammen. Das Mitgliedsrecht bedeutet nicht eine Schuld der Gesellschaft. Ansprüche der Gesellschafter, die auf die (ggf erneute) Rückzahlung ihrer Einlage gerichtet sind, betreffen das Eigenkapital der Gesellschaft und fallen deshalb nicht unter § 38, sondern unter § 199 S 2.157 Gleiches gilt für die auf die Einlage entfallenden Zinsen sowie die Rechtsverfolgungskosten.158 Selbst ein durch Vertrag vom Verlust befreiter Gesellschafter kann seinen Aktivsaldo nicht als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden.159 Auch das Recht auf 4 % des Kapitalanteils und auf entbehrlichen Gewinn, das § 122 I HGB für das letzte Geschäftsjahr anerkennt und das schon im Liquidationsverfahren nicht berücksichtigt werden darf (§ 155 II S 3 HGB), versagt ebenso wie vertragsmäßig eingeräumte Entnahmerechte im Insolvenzverfahren der Gesellschaft, selbst wenn es schon vorher geltend gemacht war; denn durch seinen Vollzug würde der den Gesellschaftsgläubigern haftende Kapitalanteil des Gesellschafters vermindert werden.160 Sacheinlagen unterliegen zwar der Aussonderung, wenn sie unter Eigentumsvorbehalt geleistet worden sind. Ist der Gesellschafter aber verpflichtet, die Sacheinlage zum Vollrecht einzubringen, muss er nachleisten, wie auch sonst Einlagerückstände zur Masse einzuziehen sind. Nur wenn nach Deckung aller Gesellschaftsverbindlichkeiten Überschüsse verbleiben, werden diese durch den Insolvenzverwalter an die Gesellschafter verteilt (§ 199 S 2).161 Sind Gewinnanteile aus früheren Geschäftsjahren vereinbarungsgemäß nicht, wie es die 52 gesetzliche Regelung vorsieht (§§ 120 II, 167 I HGB), dem Kapitalanteil zugeschrieben, sondern auf Privatkonto gutgeschrieben worden, so wird damit zum Ausdruck gebracht, dass eine von den Schranken des § 122 HGB unabhängige echte Forderung auf Auszahlung gegen die Gesellschaft bestehen soll. Einen Aktivsaldo auf einem solchen Sonderkonto kann ein Gesellschafter deshalb als Insolvenzforderung im Gesellschaftsinsolvenzverfahren geltend machen.162 Bei den in den Büchern der Gesellschaft geführten Privatkonten der Gesellschafter muss jedoch beachtet werden, dass die betriebswirtschaftliche Praxis im Gegensatz zur juristischen Terminologie auch Konten als Privatkonten bezeichnet, auf denen das Kapitalkonto betreffende Vorgänge übergangsweise gebucht werden (sog Übergangs- oder Vorkonten).163 Daraus ergibt sich für den Insolvenzverwalter die Pflicht, bei der Prüfung von angemeldeten Gesellschafterforderungen, welche auf Privatkonto verbucht wurden, sorgfältig die rechtliche Bedeutung des Privatkontos und der jeweiligen Buchung zu untersuchen. Steht einem geschäftsführenden Gesellschafter auf Grund vertraglicher Vereinbarung eine in 53 einem festen Entgelt bestehende Tätigkeitsvergütung zu (Geschäftsführergehalt), kann regelmäßig angenommen werden, dass ihm auf diese ein neben seine Kapitalbeteiligung tretender Anspruch eingeräumt werden soll, der daher auf Privatkonto gutzubringen ist.164 Eine Forderung auf rückständiges Geschäftsführergehalt kann dann als Insolvenzforderung geltend gemacht wer156 K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 47 III 2, 1382 ff; Staub/Schäfer HGB5 § 131 Rn 34; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 294. BGH ZIP 2021, 255 Rn 22; ZIP 2018, 18 Rn 24; OLG Hamburg ZIP 2019, 862, 863; OLG Hamburg NZG 2015, 1192. BGH ZIP 2021, 255 Rn 23. Düringer/Hachenburg/Flechtheim HGB3 § 144 Anm 7. AA Kapp Das Entnahmerecht der Gesellschafter einer OHG in der Unternehmenskrise und im eröffneten Insolvenzverfahren (2021) S 111 ff. 161 BGH ZIP 2021, 255 Rn 72 f; ZIP 2018, 18 Rn 44; BGHZ 93, 164; umstritten ist, ob der Insolvenzverwalter sogleich den gesellschaftsrechtlichen Innenausgleich vornimmt: dagegen BGH ZIP 2021, 255 Rn 70 ff; dafür K Schmidt Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen (1990) S 99; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 148; Koch AktG16 § 264 Rn 6 f; Rock/ Contius ZIP 2017, 1889. 162 A Hueck Das Recht der Offenen Handelsgesellschaft § 16 V 4; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 295; Kapp a.a.O. (Fn 160) 113 ff. 163 Zu den verschiedenen Konten Staub/Schäfer HGB5 § 120 Rn 54 ff; Klauss-Mittelbach Kommanditgesellschaft2 (1969) S 105 ff. 164 Vgl dazu A Hueck a.a.O. (Fn 162) § 17 II 3 S 177 f.

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den. Soll dagegen die vereinbarte Tätigkeitsvergütung das Kapital vermehren, was insbesondere anzunehmen ist, wenn sie in der Form einer Tantieme oder der Erhöhung des Gewinnanteils des Gesellschafters gewährt wird, ist sie dem Kapitalkonto zuzuschreiben,165 kann also im Insolvenzverfahren ebenso wie das Recht nach § 122 I HGB nicht geltend gemacht werden. Dieselben Grundsätze haben im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Liquidationsstadium für eine Vergütung zu gelten, die einem Gesellschafter für seine Tätigkeit als Liquidator vertraglich zugesagt wurde. Die Teilnahme vertraglicher Ansprüche dritter Personen für ihre Tätigkeit als Liquidatoren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. 54 Anderes gilt für die Gläubigerrechte, die den Mitgliedern wie dritten Personen zustehen, aus Rechtsgeschäften (sog Drittgeschäfte),166 zB aufgrund eines Darlehens, das der Gesellschafter der Gesellschaft gewährt hat, wegen einer der Gesellschaft zurechenbaren unerlaubten Handlung oder ungerechtfertigter Bereicherung der Gesellschaft. Solche Gläubigerrechte bilden Insolvenzforderungen im Insolvenzverfahren der Gesellschaft, unter den Voraussetzungen des § 39 I S 1 Nr 5 allerdings nur nachrangige (sog Individualansprüche). Daneben gibt es aber auch Ansprüche, die einem Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis selbst erwachsen sind (Sozialansprüche) und die im Gesellschaftsinsolvenzverfahren als Insolvenzforderungen einzuordnen sind. Dahin gehören die Ansprüche aus § 110 HGB auf Ersatz von Aufwendungen und Verlusten in Gesellschaftsangelegenheiten.167 Auch diese Forderungen sind echte Gläubigerrechte. Mit der Kapitalbeteiligung des Gesellschafters haben sie nichts zu tun. Hat ein Gesellschafter, der nach § 128 HGB von einem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen wurde, diesen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befriedigt, kann er den gezahlten Betrag als Aufwendung nach § 110 HGB erstattet verlangen; den Anspruch auf Erstattung einer vor der Verfahrenseröffnung an einen Gläubiger geleisteten Zahlung kann er daher im Gesellschaftsinsolvenzverfahren als Insolvenzforderung geltend machen.168 Da im Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft keine Gesamtschuld besteht, die Gesellschafter vielmehr nach jetzt herrschender Meinung akzessorisch haften,169 findet § 426 II BGB keine Anwendung. Jedoch ist § 774 I S 1 BGB entsprechend anwendbar.170 Sicherungsrechte, die der Gläubiger gegenüber der Gesellschaft hat, gehen auf den Gesellschafter über (§§ 412, 401 BGB). Befriedigt der Gesellschafter den Gesellschaftsgläubiger während des Insolvenzverfahrens, hat er keinen Regressanspruch; denn der Anspruch konnte nach § 93 InsO nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden und ist auf Leistung in die Masse gerichtet. Die Leistung des Gesellschafters an den Gläubiger befreit ihn deshalb (vorbehaltlich des § 82) nicht (s § 43 Rn 34, § 44 Rn 13). Folglich hat er weder einen Aufwendungsersatzanspruch, noch geht die Forderung des Gläubigers auf ihn über. 55 Auch der Kapitalanteil eines Kommanditisten ist kein Gläubigerrecht.171 Der Anspruch auf Gewinnanteile aber, die den Betrag der bedungenen Einlage des Kommanditisten übersteigend 165 166 167 168

Hueck (Fn 162) a.a.O. Oben Rn 33; Staub/Habersack HGB5 § 128 Rn 79 mit Rn 13; Kübler/Prütting/Noack InsO GesR Rn 458. Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 293; Staub/Schäfer HGB5 § 131 Rn 34; MünchKomm/Fleischer HGB5 § 110 Rn 24. BGH ZIP 2018, 18 Rn 38; Staub/Schäfer HGB5 § 110 Rn 30; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 293; Mohrbutter NJW 1968, 1125, 1126 f; J Blomeyer BB 1968, 1462 ff; Die von K Müller (NJW 1968, 229 f, 2231) vertretene, von Weber (Jaeger/ Weber KO8 §§ 209, 210 Rn 26 zu a) treffend widerlegte Gegenansicht hat sich nicht durchgesetzt. 169 BGH 146, 341; 148, 201; 150, 1; BGH ZIP 2003, 664; BGH DZWIR 2003, 428 = NJW 2003, 1803 = ZIP 2003, 899, dazu EWiR § 705 BGB 6/03, 513 (H P Westermann); Keil DZWIR 2003, 404; Staub/Habersack HGB5 § 128 Rn 20 ff, 70; K Schmidt Gesellschaftsrecht4, für die OHG § 49 II 3, für die BGB-Gesellschaft § 60 III 2 jeweils mN; zu den unterschiedlichen Konstruktionen s auch Ulmer ZIP 1999, 509 ff, 554 ff; ders ZIP 2003, 1113. 170 K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 49 V 1; Kubis Der Regress des Personenhandelgesellschafters aus materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Sicht (1988) S 107 ff; Koller/Roth/Morck HGB3 §§ 128, 129 Rn 8; Schlegelberger/K Schmidt HGB5 § 128 Rn 31; Habersack AcP 198 (1998) 159 ff; Staub/Habersack HGB5 § 128 Rn 79. AA BGHZ 39, 323; Hopt/Roth HGB41 § 128 Rn 25; A Hueck a.a.O. (Fn 162) § 21 II 7; Hüffer Gesellschaftsrecht5 § 18, 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Hillmann HGB4 § 128 Rn 30; Michalski Gesellschaftsrecht (2001) § 128 Rn 16; Röhricht/v Westphalen/v Gerkan HGB2 § 128 Rn 7. 171 BGH ZIP 2018, 18. Eichel

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mit Recht nicht mehr als Kapitalanteil zugeschrieben, sondern auf Separatkonto gebucht worden sind,172 ist Insolvenzforderung.173 Auch hier kann § 39 I Nr 5 zur Anwendung kommen, wenn der Anspruch gestundet oder der Gewinnanteil stehen gelassen wurde (§ 39 Rn 105). Forderungen des Kommanditisten gegen die KG aus einem außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses bestehenden Rechtsgrund sind gleichberechtigte Insolvenzforderungen. Persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien können in den gleichen Fällen wie die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft Forderungen im Gesellschaftsinsolvenzverfahren geltend machen, können aber ebenso wenig wie diese einen aktiven Kapitalanteil oder Entnahmeansprüche (vgl § 278 II AktG, § 122 I HGB mit § 288 AktG) als Insolvenzforderungen verfolgen. Der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ausgetretene oder ausgeschlossene Ge- 56 sellschafter einer OHG (§§ 139 II, 140 HGB) bzw persönlich haftende Gesellschafter einer KG (§ 161 II HGB) hat sein Abfindungsguthaben als Insolvenzgläubiger zu beanspruchen (§ 738 BGB). Seine Kapitalbeteiligung ist erloschen; er steht nun der Gesellschaft als ein Dritter gegenüber. Mitträger der Schuldnerrolle ist er auch dann nicht mehr, wenn er noch für Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet (vgl §§ 159, 143 InsO mit § 15 HGB). Ein Gesellschaftsgläubiger, dem der Ausgeschiedene auf Grund der §§ 143, 15 HGB noch haftet, kann dessen Forderung auf das Auseinandersetzungsguthaben nicht schon deshalb mit Erfolg bestreiten, weil der Ausgeschiedene noch sein Schuldner sei.174 Ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschiedener Kommanditist kann den 57 Anspruch auf sein Abfindungsguthaben jedenfalls dann im Gesellschaftsinsolvenzverfahren als Insolvenzforderung verfolgen, wenn keine sog Altgläubiger mehr vorhanden sind, dh Gesellschaftsgläubiger, deren Forderungen vor seinem Ausscheiden bzw dessen Eintragung im Handelsregister bereits entstanden waren.175 Nehmen jedoch Altgläubiger am Insolvenzverfahren teil, würde eine auf die Abfindungsforderung ausgezahlte Quote nach § 172 IV S 1 HGB den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet gelten und die Haftung des Kommanditisten wiederaufleben lassen. Der Insolvenzverwalter müsste nach § 171 II HGB insoweit die Quote wieder zur Masse einfordern.176 Deshalb hat der Kommanditist bis zur vollständigen Befriedigung der Altgläubiger mit seinem Abfindungsanspruch diesen gegenüber zurückzustehen.177 Andererseits ist aber sein Abfindungsanspruch im Verhältnis zu den Neugläubigern gleichberechtigte Insolvenzforderung,178 sodass eine Versagung der Verfahrensteilnahme diese ungerechtfertigt begünstigen würde. Der Kommanditist kann deshalb seinen Abfindungsanspruch als Insolvenzgläubiger im Gesellschaftsinsolvenzverfahren geltend machen, eine auf ihn entfallende Quote ist jedoch mit Rücksicht auf §§ 172 IV S 1, 171 II HGB als zusätzliche Haftungsmasse (Sondermasse) gleichmäßig an die Altgläubiger zu verteilen.179 Nur ein nach deren vollständiger Befriedigung verbleibender Überschuss darf an den Kommanditisten ausgezahlt werden (s auch § 44 Rn 14).180 Hat ein ausgeschiedener Gesellschafter einen Gesellschaftsgläubiger, dem gegenüber seine 58 persönliche Haftung fortbesteht, vor der Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens befriedigt, kann er, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag oder bei der Auseinandersetzung eine abweichende Vereinbarung getroffen worden ist, von der Gesellschaft die Erstattung seiner Aufwendungen in voller Höhe verlangen (vgl § 105 II HGB, § 738 I S 2 BGB)181 und diesen Anspruch als Hopt/Roth HGB41 § 167 Rn 3. RFH 26, 108; Staub/Casper HGB5 § 167 Rn 18 f; Schneider BB 1954, 246. AA v Wilmowski/Kurlbaum § 209 Anm 4. BGHZ 27, 56; BGH ZIP 2020, 511 Rn 34. BGHZ 27, 56; BGH ZIP 2020, 511 Rn 34; MünchKomm/K Schmidt/Grüneberg HGB5 § 172 Rn 132; Hopt/Roth HGB41 § 171 Rn 14; Gottwald/Haas/Haas/Mock InsRHandb6 § 94 Rn 75. 177 BGH ZIP 2020, 511 Rn 34; vgl auch BGH ZIP 2021, 528 Rn 33; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 296. 178 BGHZ 27, 56. 179 MünchKomm/K Schmidt/Grüneberg HGB5 § 172 Rn 132; Hopt/Roth HGB41 § 171 Rn 14. 180 So zutr Tschierschke Das Ausscheiden eines Kommanditisten und die Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs der Gesellschaft, Diss München (1966) S 870 mit S 72 ff. 181 BGHZ 27, 56; Staub/Habersack HGB5 § 128 Rn 79; Hopt/Roth HGB41 § 128 Rn 25.

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Insolvenzforderung geltend machen. Wenn man die Auffassung teilt, dass hier mit der Befriedigung des Gläubigers in entsprechender Anwendung des § 774 I S 2 BGB182 dessen Forderung auf ihn übergeht, kann der ausgeschiedene Gesellschafter auch die für die Gläubigerforderung bestehenden Sicherungsrechte an Gegenständen des Gesellschaftsvermögens als Absonderungsberechtigter in Anspruch nehmen (§§ 412, 401 BGB). Für den Erstattungsanspruch eines Kommanditisten gilt die gleiche Beschränkung wie für seinen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben.183 Die Anmeldung einer Insolvenzforderung zum Gesellschaftsinsolvenzverfahren hemmt die 59 Verjährung nicht nur gegenüber der Insolvenzmasse, sondern auch gegenüber sämtlichen Gesellschaftern, die der Gesellschaft zur Zeit der Verfahrenseröffnung angehört haben (§ 204 I Nr 10 BGB, § 159 IV HGB). Mit dem Ende des Tages, an dem die zur Auflösung der Gesellschaft führende Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens nach § 32 HGB in das Handelsregister eingetragen wird (vgl § 31 InsO), beginnt für Ansprüche gegen einen Gesellschafter die fünfjährige Verjährungsfrist des § 159 I HGB (§ 159 II HGB).

60 ee) Partnerschaftsgesellschaft. Die Partner haften nach § 8 I S 1 PartGG für die Verbindlichkeiten der Partnerschaft neben dem Vermögen der Partnerschaft als Gesamtschuldner. Diese dem § 128 S 1 HGB entsprechende Vorschrift wird durch die Verweisung auf die §§ 129 und 130 HGB ergänzt (§ 8 I S 2 PartGG). Die Haftungsverhältnisse entsprechen also grundsätzlich denen der OHG (s Rn 50 ff). Gesamtschuldner sind die Partner auch hier nur im Verhältnis zueinander. Wie § 128 HGB der heute herrschenden Annahme einer akzessorischen Haftung der Gesellschafter steht auch § 8 I S 1 PartGG der Akzessorietät der Partnerhaftung nicht entgegen. Jedoch sind zwei Abweichungen von der Haftungsstruktur der OHG zu beachten: Waren nur einzelne Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags beauftragt, haften nur sie als Gesamtschuldner neben dem Vermögen der Partnerschaft für berufliche Fehler (§ 8 II Hs 1 PartGG). Beiträge von untergeordneter Bedeutung begründen eine solche Einzelhaftung noch nicht (§ 8 II Hs 2 PartGG). Die möglicherweise unterschiedliche Haftung einzelner Partner, die im Insolvenzverfahren der Partnerschaft vom Insolvenzverwalter geltend zu machen ist (§ 93 InsO), kann die Bildung von Sondermassen fordern.184 Nach § 8 III PartGG kann durch Gesetz für einzelne Berufe eine Beschränkung der Haftung für Ansprüche aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung auf einen bestimmten Höchstbetrag zugelassen werden, wenn zugleich eine Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung der Partner oder der Partnerschaft begründet wird.185

61 ff) BGB-Gesellschaft. Die früher nicht unerheblichen Unterschiede im Verständnis der BGBGesellschaft und der OHG sind hinsichtlich der Haftung weitgehend aufgelöst. Das Gesellschaftsvermögen wird als selbstständiges Haftungsobjekt anerkannt, nicht zuletzt dadurch, dass der BGBGesellschaft ausdrücklich die Insolvenzverfahrensfähigkeit zugesprochen wird (§ 11 II Nr 1). Praktische Bedeutung hat das nur für Außengesellschaften,186 weil die BGB-Innengesellschaft kein gesamthänderisch gebundenes Vermögen hat, das in einem Insolvenzverfahren als Haftungsobjekt abgewickelt werden könnte. Die Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten der Außengesellschaft wird als gesetzliche187 und im Verhältnis zur Gesellschaft wie bei der OHG

182 Preuß ZHR 160 (1996), 174; Staub/Habersack HGB5 § 128 Rn 79. AA BGHZ 39, 324 f; ZIP 2011, 1657 Rn 60; Hopt/Roth HGB41 § 128 Rn 25; Kuhn WM 1963, 1172. 183 Vgl BGHZ 27, 56; Fischer LM § 172 Nr 2–4; Tschierschke a.a.O. (Fn 180) S 53 ff, 62 ff, 72 ff. 184 Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 93 Rn 33. 185 Krit dazu K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 64 IV 4 b. 186 K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 60 IV 3 b; AG Köln NZI 2002, 614. 187 BGHZ 142, 315; K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 60 III 2 S 1791; Staub/Habersack HGB5 § 128 Rn 17. AA Beuthien JZ 2003, 969 ff. Eichel

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als akzessorische verstanden.188 Im Verhältnis zueinander sind die Gesellschafter Gesamtschuldner. Für die insolvenzrechtlichen Konsequenzen kann deshalb auf die Ausführungen zur OHG (Rn 50 ff) verwiesen werden.189 Eine Besonderheit besteht nur insofern, als Gläubiger, denen die Gesellschafter gesamtschuldnerisch haften, ohne dass eine Gesellschaftsschuld vorliegt, nach § 736 ZPO auf das Gesellschaftsvermögen mit Titeln gegen alle Gesellschafter zugreifen können.190 Diese haftungsrechtliche Position darf ihnen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht genommen werden. Sie müssen deshalb als Insolvenzgläubiger am Verfahren teilnehmen können.191

gg) Partenreederei. Das Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts vom 20.4.2013 hat diese 62 Rechtsform abgeschafft; für Partenreedereien, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes (25.5.2013) entstanden sind, bleiben nach Art. 70 des Reformgesetzes aber die §§ 489–509 HGB aF maßgebend.192 Die Haftung der Reederei und der Mitreeder, welche als Gesellschafter, nicht als Miteigentümer des Schiffes anzusehen sind,193 entsprach der einer OHG (s Rn 50 ff) mit der Besonderheit, dass die primär und akzessorisch haftenden Mitreeder nicht Gesamtschuldner, sondern Teilschuldner waren (§ 507 HGB aF). hh) Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Die EWIV ist die erste auf 63 Europarecht beruhende, supranationale Gesellschaftsform, die eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Unternehmen und Angehörigen freier Berufe im Binnenmarkt erleichtern soll. In ihrer rechtlichen Ausgestaltung entspricht sie in Deutschland einer OHG mit Fremdgeschäftsführung.194 Wie bei der OHG haften die Gesellschafter persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für jede Verbindlichkeit der EWIV (Art 24 I EWIV-VO195). Inhalt und Folgen der Haftung richten sich nach §§ 128, 129 HGB mit der Besonderheit, dass die Haftung der Gesellschafter subsidiär ist. Der Gläubiger muss nach Art 24 II EWIV-VO zunächst die Vereinigung zur Zahlung auffordern und eine angemessene Frist abwarten.196 Unter Berücksichtigung dieser Besonderheit kann auf die Ausführungen zur OHG (Rn 50 ff) verwiesen werden. Ob die Haftung der Gesellschafter hier, anders als bei der OHG, im Verhältnis zur Gesellschaft als gesamtschuldnerische verstanden werden muss, ist fraglich. Genauso wie die gesamtschuldnerische Haftung, von der § 128 HGB spricht, von der heute herrschenden Meinung nur auf die Beziehungen der Gesellschafter untereinander, nicht aber auf das Verhältnis der Haftung der Gesellschaft zu der der Gesellschafter bezogen wird, sollte man auch die EWIV-VO entsprechend auslegen und eine akzessorische Haftung der Gesellschafter annehmen.

ii) Stille Gesellschaft. Die stille Gesellschaft ist nicht insolvenzverfahrensfähig. Ein Verfahren 64 kann nur über das Vermögen des Geschäftsinhabers eröffnet werden und gegebenenfalls daneben 188 BGHZ 146, 341; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 373; K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 60 III 2 S 1791 mN; Beuthien JZ 2003, 969, 978; Gottwald/Haas/Haas/Mock InsRHandb6 § 94 Rn 129. 189 Vgl K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 60 III 2 S 1792, § 60 III 5 S 1805, § 60 III 6 S 1806. 190 HM Baur/Stürner/Bruns Zwangsvollsteckungsrecht14 Rn 20.30. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard Zwangsvollstreckungsrecht12 § 19 I 2; Hüffer in FS Stimpel (1985) S 184; Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 151; zweifelnd Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 736 Rn 7. 191 AA K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 60 IV 3 b; Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 736 Rn 7, jedenfalls bei Teilschulden der Gesellschafter. 192 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler HGB4 § 1 Rn 75. 193 K Schmidt Gesellschaftsrecht4 § 65 I 3 S 1894 f mN; dafür spricht schon der Wortlaut des § 11 II Nr 1. 194 Meyer-Landrut Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (1988) S 115 f; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 11 Rn 383. 195 VO (EWG) 2137/85 v 25.7.1985, AB1 EG 1985 Nr L 199/1. 196 Baumbach/Hopt HGB31 Anh § 160 Rn 44; K Schmidt GesR4 § 66 II 3d. 171

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ein selbstständiges Verfahren gegen den stillen Gesellschafter. Dieser steht im Verfahren über das Vermögen des Geschäftsinhabers besser als ein Kommanditist. Er darf nämlich seine Einlage als einfacher, aber vollberechtigter Insolvenzgläubiger zurückfordern, soweit sie seinen vertragsmäßigen Verlustanteil übersteigt (§ 236 I HGB); also seine ganze Einlage, wenn er überhaupt nicht am Verlust teilzunehmen hat. Unbeschadet freilich bleibt die Befugnis des Insolvenzverwalters, eine Vereinbarung anzufechten, die im letzten Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers den Anteil des stillen Gesellschafters am Verlust ganz oder teilweise erlassen hat (§ 136 InsO). Das erklärt sich daraus, dass der stille Gesellschafter, anders als der Kommanditist, keinen Anteil am Geschäftsvermögen hat (§ 230 HGB), sondern jenseits der seine Garantiehaft begrenzenden Verlustbeteiligung wie ein Darlehensgeber mit den Geschäftsgläubigern konkurriert. Die Höhe der Insolvenzforderung wird auf Grund einer zwischen dem Insolvenzverwalter des Geschäftsinhabers und dem stillen Gesellschafter außerhalb des Insolvenzverfahrens stattfindenden Auseinandersetzung ermittelt (§ 84).197 Grundlage dieser Auseinandersetzung ist der Vermögensstand zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 236 I HGB).198 Deshalb kommen die Vorteile neuer Unternehmungen und spätere Verbesserungen des Vermögens des Geschäftsinhabers dem stillen Gesellschafter nicht mehr zugute. Das gilt vor allem für einen vom Verwalter während des Verfahrens erzielten Geschäftsgewinn. Dagegen hat der stille Gesellschafter am Ertrage der bereits begonnenen, aber noch nicht beendeten Geschäfte – ihre Abwicklung gehört zur Auseinandersetzung iSd § 84 – teilzunehmen.199 Wenn er das Ergebnis der Auseinandersetzung nicht abwartet, sondern selbst den Verlust berechnet und den so ermittelten Guthabensbetrag zur Tabelle anmeldet, steht dem Insolvenzverwalter und jedem einzelnen Insolvenzgläubiger der Widerspruch im Prüfungsverfahren offen. Ein solcher Streit ist nach Maßgabe der §§ 178, 179 auszutragen.200 Soll der Gesellschafter nach unanfechtbarer Vereinbarung seine Einlage unversehrt zurückerhalten, so ist deren ganzer Betrag einfache Insolvenzforderung.201 § 39 I S 1 Nr 5 ist auf den stillen Gesellschafter idR nicht anwendbar.202 § 236 HGB steht nur eingeschränkt zur Disposition; eine Modifizierung zulasten der Gläubiger ist unzulässig.203 Handelt es sich jedoch um eine atypische stille Gesellschaft, bei der die Vertragsgestaltung vom Gesetzestyp derart abweicht, dass der stille Gesellschafter wie ein am Geschäftsvermögen Beteiligter zu behandeln ist, kann seine Einlage nicht als Fremdkapital angesehen werden. Der stille Gesellschafter ist dann nicht normaler Insolvenzgläubiger, sondern jedenfalls nachrangiger Gläubiger,204 wenn nicht sogar im Einzelfall eine Gestaltung vorliegt, die eine Anwendung von § 199 S 2 rechtfertigt.205 § 39 I S 1 Nr 5 ist entsprechend anzuwenden, wenn der stille Gesellschafter an einem Unternehmen beteiligt ist, das nicht in der Form einer GmbH oder einer hinsichtlich des Kapitalersatzes gleich gestellten Gesellschaft betrieben wird.206 Zur unmittelbaren Anwendung des § 39 I S 1 Nr 5 bei der typischen stillen Gesellschaft s § 39 Rn 125.

65 h) Vertrag zugunsten Dritter. Erwirbt der Dritte kein Recht aus dem Vertrage (unechter oder ermächtigender Vertrag zugunsten eines Dritten), so ist ausschließlich der Versprechensemp197 Polzer Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts5 II § 93 Rn 2. 198 RG JW 1901, 404 f; Staub/Harbarth HGB5 § 236 Rn 1; Polzer Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts5 II § 93 Rn 3; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 8. 199 S zu § 84 Jaeger/Eckardt InsO1 § 84 Rn 38 ff. 200 RG JW 1884, 270 Nr 20. 201 RGZ 31, 33, 36; Polzer Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts5 II § 93 Rn 7 f; Geissler GmbHR 2008, 515, 520; Hölzle FR 2004, 1193, 1202. 202 BGH ZIP 2013, 2400 Rn 20; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 43; s zudem § 39 Rn 125 ff; vgl auch Jaeger/Henckel KO9 § 32a Rn 55 und 73. 203 Staub/Harbarth HGB5 § 236 Rn 10; Polzer Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts5 II § 93 Rn 9. 204 Vgl BGH ZIP 2013, 2400 Rn 20 ff; ZIP 2012, 1869; Geissler GmbHR 2008, 515, 520 f. 205 Polzer Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts5 II § 93 Rn 17. 206 Renner ZIP 2002, 1430. Eichel

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Begriff der Insolvenzgläubiger

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fänger zur Geltendmachung der Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versprechenden befugt. Ob aber die Quote an den Versprechensempfänger oder an den Dritten auszuzahlen ist, lässt sich nur nach dem Inhalt des Vertrags entscheiden.207 Unechter Vertrag zugunsten Dritter ist zB der Erfüllungsübernahmevertrag iSd §§ 415 III, 329 BGB.208 Hat sich bei einem solchen Erfüllungsübernahmevertrag der Hauptgläubiger den Befreiungsanspruch abtreten oder auf Grund einer Pfändung überweisen lassen,209 kann er vom Übernehmer Leistung an sich selbst verlangen und in dessen Insolvenzverfahren eine Forderung auf den Leistungsinhalt, der ihm vom Urschuldner gebührt (zB auf Zahlung einer Kaufpreissumme), verfolgen (vgl § 45). Erwirbt dagegen der Dritte durch echten Vertrag zugunsten eines Dritten das Recht, die 66 Leistung zu fordern (§ 328 II BGB), so sind – im Zweifel (§ 335 BGB) – Versprechensempfänger und Dritter zur Geltendmachung der Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versprechenden befugt. Nach § 330 BGB ist (namentlich bei Lebensversicherungs- und Leibrentenverträgen, die Zahlungen an Dritte ausbedingen) im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte – wenn auch erst beim Tode des Versprechensempfängers (§ 331 BGB) – ein unmittelbares Recht auf die Leistung erwerben soll. Auch wenn Versprechensempfänger und Dritter die Leistung fordern können, darf indessen der Schuldner nur an den Dritten leisten. Es besteht keine Gesamtgläubigerschaft.210 Die Quote ist daher dem Dritten auszuzahlen. Das Stimmrecht (§§ 77, 237 InsO) können Versprechensempfänger und Dritter, wenn beide zur Geltendmachung der Forderung berechtigt sind, ebenso wie Gesamtgläubiger nur einheitlich ausüben. Wenn nach dem Willen der Vertragsparteien der Dritte allein forderungsberechtigt sein soll, steht die Geltendmachung des Anspruchs im Insolvenzverfahren ausschließlich dem Dritten zu.

3. Vermögensansprüche a) Allgemeines. Vermögensanspruch iSd § 38 ist das Recht auf eine geldwerte, aus dem Vermö- 67 gen des Schuldners beitreibbare Leistung. Das Insolvenzverfahren kann seinem Wesen und Zweck nach nur Befriedigung in Geld bieten. Der Grundsatz gleichmäßiger Befriedigung der Gläubiger kann anders nicht verwirklicht werden. Ansprüche, die nicht auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet sind, können zwar nicht mit ihrem ursprünglichen Inhalt im Insolvenzverfahren verfolgt werden. Allerdings können sie – wie sich aus § 45 ergibt – mit ihrem für die Zeit der Eröffnung geschätzten Geldwert Insolvenzforderungen sein.211 Für die Eigenschaft als Vermögensanspruch iSv § 38 ist daher lediglich Voraussetzung, dass die Forderung auf eine Leistung gerichtet ist, die auch außerhalb des Insolvenzverfahrens aus dem Vermögen des Schuldners beigetrieben werden kann. Ansprüche auf Leistungen, die im Wege der Einzelvollstreckung nicht aus dem Vermögen des Schuldners erwirkt werden können, sind als solche auch im Insolvenzverfahren nicht verfolgbar.212 Dem entspricht die grundsätzliche Begrenzung der nach § 38 zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger dienenden Masse auf die der Einzelvollstreckung zugänglichen Gegenstände des Schuldnervermögens (§ 36). Ansprüche auf Herausgabe eines nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstandes führen nach § 47 zur Aussonderung (Rn 31). Ansprüche auf Begründung von Rechten an Gegenständen der Masse, zB auf Übereignung einer gekauften Sache, auf Bestellung eines Nießbrauchs oder Pfandrechts, sind dagegen – abgesehen vom Falle der Vormerkung 207 Hellwig Verträge auf Leistung an Dritte (1891) S 81; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 44. 208 MünchKomm/Gottwald BGB8 § 329 Rn 1. Zu dem daraus erwachsenden Befreiungsanspruch des Versprechensempfängers s näher Rn 70 ff. 209 Zur Zulässigkeit: RGZ 80, 183, 184; 81, 250, 253; 140, 373, 378; 158, 6, 12; BGHZ 12, 136, 141 f. 210 Enneccerus/Lehmann SchuldR15 § 35 IV 2; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 13. 211 BGH ZIP 2018, 2174 Rn 11. 212 BGH ZIP 2004, 1974, 1976; Wenner/Schuster ZIP 2005, 2191, 2195. Gegen die Qualifizierung der öff-rechtl Abgabepflicht nach § 6 I TEHG als Vermögensanspruch und für die Durchsetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens Köhn ZIP 2006, 2015, 2018 ff; Schumacher ZInsO 2020, 1916. Zu öff-rechtl Ordnungspflichten auch Rn 27, 136. 173

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

(§ 106) – bloße Insolvenzforderungen. Da sie nicht auf einen Geldbetrag gerichtet sind, müssen sie in Geld veranschlagt werden (§ 45). Nur als Geldforderungen sind sie im Insolvenzverfahren verfolgbar. Nur als solche darf sie der Insolvenzverwalter berücksichtigen. Darum kann ihn weder der Vorwurf der Vertragswidrigkeit noch der Arglist treffen, wenn er nicht die ursprünglich geschuldete Leistung bewirkt. Er würde vielmehr, wenn er das täte, persönlich nach § 60 haftbar werden.213 Bei Forderungen aus einem gegenseitigen, zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Vertrag greifen die Besonderheiten der §§ 103 ff Platz. Anders als nach der Konkursordnung (§ 63 Nr 4 KO) sind auch Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners Insolvenzforderungen, allerdings nachrangige (§ 39 I S 1 Nr 4). Dasselbe gilt für die seit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Zinsen der Forderungen der Insolvenzgläubiger, für die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen, für Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und auf Geldzahlung gerichtete Nebenfolgen einer Straftat (§ 39 I S 1 Nr 1–3) und für Forderungen auf Rückgewähr kapitalersetzender Leistungen (§ 39 I S 1 Nr 5). Betagte und besonders kündbare Verbindlichkeiten des Schuldners gelten für das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners als fällig (§ 41). Auflösend bedingte Forderungen werden wie unbedingte behandelt (§ 42), aufschiebend bedingte berechtigen während der Schwebe nur zur Sicherstellung (§§ 191, 198).

68 b) Unerheblichkeit des Rechtsgrundes. Ob eine Forderung ein Vermögensanspruch iSv § 38 ist, entscheidet sich unabhängig von ihrem Rechtsgrund. Sie kann auf einem Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen, auf unerlaubter Handlung oder unmittelbar auf Gesetz beruhen. Sie braucht nicht in schuldrechtlichen Rechtsverhältnissen, nicht einmal im bürgerlichen Recht begründet zu sein. Daher unterliegt beispielsweise der Anspruch des Notars auf Gebühren und Auslagenersatz, auch sofern er öffentlich-rechtlicher Art ist, genauso den §§ 87, 89, 174 ff, 217 ff wie öffentlich-rechtliche Ansprüche aus Gebührenbescheiden der Verwaltung214 oder Ansprüche des Staates aus dem Strafrecht (vgl § 39 I S 1 Nr 3).215 Zu den Prozesskosten s Rn 167 ff; zu den Steuerschulden s Rn 138 ff; zu den Verwaltungsgebühren s Rn 136 f.

69 c) Ansprüche auf vertretbare Handlungen, Befreiungsanspruch. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Ansprüche auf vertretbare Handlungen, dh auf solche, die ebenso gut von einem Dritten wie vom Schuldner persönlich vorgenommen werden können, wie zB auf Errichtung oder Niederlegung einer Mauer oder auf Sicherheitsleistung,216 bilden von vornherein Insolvenzforderungen, da sie in der Einzelvollstreckung durch Zugriff auf das Vermögen des Schuldners realisiert werden können (§ 887 ZPO; Rn 67). Im Insolvenzverfahren sind sie nach § 45 zum Geldbetrag des Kostenaufwands anzumelden,217 den eine Vornahme der Handlung durch Dritte verursacht. Dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter durch eine im Einzelfall für die Masse vorteilhaftere Abhilfe, etwa durch Entfernung einer Mauer oder Wegsperre, die Masse entlastet. Unterlässt er solche tatsächliche Abwehr, löst er damit aber nicht eine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 1 aus.218 70 In der Einzelvollstreckung wird auch der Befreiungsanspruch als Anspruch auf eine vertretbare Handlung angesehen, wenn die Schuld der Höhe nach feststeht und auch von einem Dritten gleichwertig erfüllt werden kann. Er wird dann nach § 887 ZPO vollstreckt, nicht nach §§ 803 ff

213 214 215 216 217 218

RGZ 77, 106, 109 f. VGH Mannheim ZIP 2022, 1168, 1169 f; OVG Weimar ZIP 2007, 880, 881. S unten Rn 174. Begriff und Beispiele bei Musielak/Voit/Lackmann ZPO18 § 887 Rn 8 ff. HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 26; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 18. AA Wolff KO2 § 3 Anm 5.

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§ 38

ZPO, auch wenn die Befreiung von einer Geldschuld geschuldet ist.219 Der Befreiungsschuldner muss zusehen, wie das Geld zum Drittgläubiger kommt, auch wenn das mit Gebühren verbunden sein sollte.220 Die Vollstreckung nach § 887 ZPO belässt dem Befreiungsschuldner die ihm nach materiellem Recht zustehende Wahl, wie er die Befreiung bewirkt, denn vor der Entscheidung nach § 887 I, II ZPO ist der Befreiungsschuldner zu hören (§ 891 S 2 ZPO). Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Befreiungsschuldners221 stößt dagegen die 71 Einordnung des Befreiungsanspruchs als Anspruch auf eine vertretbare Handlung auf Schwierigkeiten. Nach dem in Rn 67 f entwickelten Grundsatz müsste der Befreiungsanspruch in einen Geldanspruch umgewandelt und zur Tabelle angemeldet werden. Der Insolvenzverwalter müsste dann die Quote an den Befreiungsgläubiger auszahlen, ohne dass sichergestellt wäre, dass dieser den Betrag an den Drittgläubiger weiterreicht, dessen an den Befreiungsgläubiger gerichtete Forderung der Befreiungsschuldner erfüllen soll. Das ist insbesondere dann misslich, wenn der Insolvenzschuldner neben dem Befreiungsgläubiger, etwa als Gesamtschuldner, haftet. Die Schwierigkeiten werden zwar teilweise dadurch ausgeräumt, dass der Befreiungsgläubiger seinen Befreiungsanspruch im Insolvenzverfahren des Befreiungsschuldners nicht anmelden darf, wenn der Drittgläubiger sich an dessen Insolvenzverfahren beteiligt (s Rn 104 ff). Verzichtet dieser aber auf die Anmeldung seiner Forderung, so ist der Befreiungsgläubiger teilnahmeberechtigt. Es stellt sich dann die Frage, ob er für seinen Befreiungsanspruch nur Sicherung nach §§ 191, 198 verlangen222 oder ihn als fällige Geldforderung geltend machen kann. Letzteres scheidet deshalb aus, weil der Insolvenzschuldner und der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet sind, dem Befreiungsgläubiger den dem Drittgläubiger geschuldeten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, ohne dass die Weiterleitung an den Dritten sichergestellt ist. Behielte nämlich der Befreiungsgläubiger den Geldbetrag für sich, so müsste der Insolvenzschuldner weiterhin mit einer Inanspruchnahme durch den Drittgläubiger rechnen, wenn er diesem ebenfalls direkt verpflichtet ist. Würde man den Befreiungsanspruch dagegen als aufschiebend bedingte Forderung behandeln (§§ 191, 198), so bedeutete das in Wahrheit, dass der Befreiungsanspruch im Insolvenzverfahren des Befreiungsschuldners überhaupt nicht berücksichtigt werden dürfte.223 Denn der Befreiungsanspruch selbst ist nicht bedingt. Zu erwägen wäre allenfalls, ob der mit der Zahlung des Befreiungsgläubigers an den Drittgläubiger entstehende Rückgriffsanspruch gegen den Insolvenzschuldner vor der Zahlung als bedingter iSd § 191 behandelt werden kann (s dazu Rn 104 ff). Der Befreiungsgläubiger könnte nach dieser Ansicht nur den „bedingten“ Rückgriffsanspruch, nicht aber den Befreiungsanspruch im Insolvenzverfahren des Befreiungsschuldners anmelden. Es ist aber nicht einzusehen, warum der Befreiungsgläubiger entgegen der materiellen Rechtslage infolge des Insolvenzverfahrens keinen durchsetzbaren Freistellungsanspruch haben sollte und in Kauf nehmen müsste, zunächst selbst vom Drittgläubiger – gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung – in Anspruch genommen zu werden, ehe er bei der Auszahlung der Insolvenzquoten berücksichtigt wird. Die besondere Lage des Insolvenzverfahrens nötigt den Befreiungsgläubiger lediglich, hinsichtlich des Betrages, der durch die Insolvenzquote gedeckt ist, solange der Gefahr der Inanspruchnahme durch den Drittgläubiger ausgesetzt zu sein, bis das Verfahren bis zur Quotenauszahlung vorangeschritten ist. Dagegen ist es nicht gerechtfertigt, dem Befreiungsgläubiger sogar noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens das Risiko aufzuerlegen, auch in Höhe der zu erwartenden Quote von dem Drittgläubiger in Anspruch genommen zu werden. Dieses Risiko müsste er aber tragen, wenn man ihm nur die Anmeldung des „bedingten“ Rückgriffsanspruchs gestattete. Denn dann wäre seine Quote nach § 191 zurückzubehalten und nach § 198 zu hinterlegen, sodass er sie erst 219 BGHZ 25, 1, 7; BGH NJW 1958, 497; OLG Koblenz MDR 2015, 980; MünchKomm/Gruber ZPO6 § 887 Rn 4; Gerhardt Der Befreiungsanspruch S 14 ff; Körner Der Schuldbefreiungsanspruch in der Insolvenz des Befreiungsgläubigers (2013) S 192. AA Schulte NJW 1960, 902; Trinkl NJW 1968, 1077. 220 BGHZ 25, 1, 7. 221 Zum Insolvenzverfahren über das Vermögen des Befreiungsgläubigers s § 36 Rn 40; Körner a.a.O. (Fn 219). 222 So BAG WM 1975, 1190 = DB 1975, 2090; OLG Jena FamRZ 2012, 372, 373; Jaeger/Lent KO8 § 67 Rn 5; Braun/Bäuerle InsO9 § 38 Rn 34. 223 So konsequent Böhle/Stamschräder KO11 § 3 Anm 2e. 175

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

nach Bedingungseintritt ausgezahlt bekäme, also erst, wenn er an den Drittgläubiger geleistet hat. Im Ergebnis kann der Befreiungsanspruch also weder als bedingter Anspruch noch als Geldforderung des Befreiungsgläubigers angemeldet werden. 72 Die richtige Lösung ist demgegenüber von Jaeger224 vorgezeichnet worden. Der Anspruch des Befreiungsgläubigers geht dahin, dass der Befreiungsschuldner die Forderung des Drittgläubigers zum Erlöschen bringt, also regelmäßig, dass er an den Drittgläubiger zahlt. Der Befreiungsgläubiger kann seinen Anspruch daher als unbedingten Anspruch mit der Maßgabe der Zahlung an den Drittgläubiger zur Tabelle anmelden,225 ohne dass eine Umrechnung nach § 45 zu erfolgen hat (§ 45 Rn 6).226 Die Quote ist dann – wie beim unechten Vertrag zugunsten Dritter (Rn 65) – an den Drittgläubiger auszuzahlen. Gelingt es dem Insolvenzverwalter, den Drittgläubiger zum Verzicht auf seine Forderung gegen den Befreiungsgläubiger zu bewegen, so erlischt der Befreiungsanspruch. Haftet der Insolvenzschuldner selbst neben dem Befreiungsgläubiger, etwa als Gesamtschuldner, so kann der Befreiungsgläubiger seinen Befreiungsanspruch nicht zur Tabelle anmelden, wenn sich der Drittgläubiger selbst am Insolvenzverfahren beteiligt (§ 44). Denn dessen Forderung ist auf denselben Wert bezogen wie der Anspruch des Befreiungsgläubigers auf Zahlung an den Drittgläubiger. Dieser identische Wert darf aber nicht doppelt angemeldet und berücksichtigt werden.

73 d) Ansprüche auf nicht vertretbare Handlungen. Ansprüche auf eine nicht vertretbare Handlung des Schuldners, also auf eine Leistung, die nur durch ihn persönlich bewirkt werden kann, bilden keine Insolvenzforderungen, da sie nicht aus seinem Vermögen beigetrieben werden können.227 Sie sind überhaupt nur erzwingbar, soweit die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Insoweit aber richtet sich der Zwang gegen die Person, nicht gegen das Vermögen des Schuldners (§ 888 ZPO). Der Anspruch auf eine Handlung, die nur durch persönliche Tätigkeit vollzogen werden kann, bildet wegen dieses Inhalts auch dann keine Insolvenzforderung, wenn der Anspruch einen berechenbaren Vermögenswert hat.228 Beispiele für solche Ansprüche sind derjenige auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses durch den Insolvenzschuldner (§ 630 BGB, § 109 GewO),229 auf Unterweisung in einer Kunst oder Wissenschaft, auf Herstellung eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Werkes, auf Betätigung als Schauspieler oder Sänger, auf ärztliche Behandlung durch den Schuldner oder idR auch Ansprüche auf anwaltliche Leistungen;230 zum Auskunftsanspruch Rn 77 ff. 74 Auf gegenseitige, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch von keiner Seite ganz erfüllte Verträge, durch die der Schuldner zu einer nicht ersetzbaren Handlung verpflichtet ist, findet § 103 keine Anwendung, da der Insolvenzverwalter gar nicht in der Lage wäre, seinerseits zu erfüllen.231 Sind nach Rn 73 die Ansprüche auf Vornahme unvertretbarer Handlungen keine Insolvenzfor75 derungen, so ist damit noch nicht gesagt, dass sie sich notwendig und ausschließlich gegen den Insolvenzschuldner richten. Verpflichtet sich etwa der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner

224 KuT 1932, 49 f. 225 Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 38 Rn 11; KK/Hess InsO2 § 45 Rn 9; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 37 (dort allerdings unklar, warum „im Übrigen“ bedingter Anspruch). Der Anspruch auf Freistellung von Zinsverpflichtungen, die der Befreiungsgläubiger eingegangen ist, ist keine Insolvenzforderung, soweit er die Zinsen nach der Verfahrenseröffnung zu zahlen hat, OLG Karlsruhe MDR 1996, 487. 226 AA HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 27. 227 BGH ZIP 2020, 371 Rn 37; ZIP 2005, 1325, 1327; ZIP 2002, 1043, 1044; Gottwald/Haas/Pechartscheck InsRHandb6 § 19 Rn 10; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 20 f; v Wilmowsky ZIP 2021, 989, 991. 228 BGH ZIP 2005, 1325, 1327; Jaeger ZZP 50, 157 ff; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 23. 229 BGH ZIP 2004, 1974, 1976. 230 BGH ZIP 2020, 371, 375. 231 Jaeger/Jacoby InsO2 Vor §§ 103–109 Rn 49 f. Eichel

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§ 38

Verwaltungstätigkeit zu einer solchen Handlung, so begründet er eine Masseverbindlichkeit iSd § 55 I Nr 1. Ist die unvertretbare Handlung auf Grund einer Nebenpflicht geschuldet, die auf Vertrag 76 oder gesetzlichem Schuldverhältnis beruht, so kommt es darauf an, wie das Rechtsverhältnis, dem die Nebenpflicht entspringt, haftungsrechtlich einzuordnen ist. So ist der Anspruch auf eine öffentlich beglaubigte Abtretungsurkunde (§§ 403, 1154 I S 2 BGB) gegen den Insolvenzschuldner persönlich gerichtet und nicht gegen den Insolvenzverwalter,232 wenn die Abtretung vor Verfahrenseröffnung vom Schuldner vorgenommen worden ist. Denn dieser Hilfsanspruch sichert das abgetretene Recht, das infolge der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Abtretung aus dem Haftungsvermögen des Insolvenzschuldners ausgeschieden ist und deshalb nicht zur Masse gehört.

e) Insbesondere: Auskunftsanspruch. Nach demselben Prinzip wie in Rn 76 ist auch der An- 77 spruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu behandeln.233 Auskunftsansprüche über gegen den Schuldner persönlich gerichtete Forderungen sind keine Insolvenzforderungen.234 Der Anspruch auf Auskunft über die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetretene Forderung (§ 402 BGB) richtet sich danach gegen den Insolvenzschuldner persönlich, weil aus dem Rechtsverhältnis, aus dem sich der Auskunftsanspruch ableitet, keine Haftung der Masse mehr besteht.235 Auskunftsansprüche der Mobiliarkreditgeber (Vorbehaltsverkäufer, Sicherungseigentümer, Sicherungszessionar) über den Umfang des noch vorhandenen Sicherungsgutes oder dessen Verbleib richten sich dagegen auf die Masse und sind vom Insolvenzverwalter zu erfüllen.236 Soweit es sich um absonderungsberechtigte Gläubiger handelt (§ 167), folgt dies daraus, dass sie mit der abgesonderten Befriedigung Deckung aus Massegegenständen suchen.237 Ist der Sicherungsnehmer zur Aussonderung berechtigt, so richtet sich sein Auskunftsanspruch gegen den Insolvenzverwalter, weil und soweit dieser die Gegenstände zur Masse zieht und nicht freiwillig an den Kreditgeber herausgibt. Zudem kann die Insolvenzforderung etwa des Vorbehaltsverkäufers auf Zahlung des Kaufpreises bzw Schadensersatz oder Nutzungsvergütung nur beziffert angemeldet werden, wenn der Verkäufer erfährt, ob die verkaufte Sache noch vorhanden ist und zurückgewährt werden kann. Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage kön- 78 nen sich im Rahmen der Liquidation oder Auseinandersetzung einer durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelösten Gesellschaft ergeben. Wenn sie der zu liquidierenden Gesellschaft und ihren übrigen Gesellschaftern zustehen,238 richten sie sich nicht gegen den Insolvenzschuldner, sondern gegen dessen Insolvenzverwalter, der bei der Liquidation (§§ 730 ff BGB; §§ 145 ff HGB; § 84 InsO) die Stelle des Insolvenzschuldners als Liquidator übernimmt bzw bei der stillen Gesellschaft die Auseinandersetzung vorzunehmen hat.239 Da es bei der Auseinandersetzung der OHG und KG darum geht, welcher Liquidationsanteil der Masse zufließt und welcher den übrigen Gesellschaftern, ist das Abwicklungsverhältnis auf die Masse bezo232 Jaeger ZZP 50, 158 f. 233 BGHZ 49, 11, 16 f; BGH ZIP 2005, 1325, 1327 = NZI 2005, 628; Häsemeyer ZZP 80, 263 ff; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 54; Uhlenbruck KTS 1989, 527, 535. 234 BGH ZIP 2005, 1325, 1327 = NZI 2005, 628; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 54. 235 Häsemeyer ZZP 80, 263, 286; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 10; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 25; LG Berlin NJW 1957, 1563 = KTS 1957, 190. 236 BGH ZIP 2005, 1325, 1327 = NZI 2005, 628; ZIP 2004, 326, 327 = NZI 2004, 209 m Anm Pape EWiR 2004, 349 (betreffend Vermieterpfandrechte); Häsemeyer ZZP 80, 263, 286; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 25; für Nachw in die frühere Diskussion s Vorauflage. 237 Zur Interessenlage beim Vermieterpfandrecht Pape EWiR 2004, 349 f. 238 Vgl MünchKomm/Schmidt HGB4 § 145 Rn 23. 239 OLG Hamm BB 2002, 375; MünchKomm/Gehrlein InsO4 § 84 Rn 13; Gerhardt ZIP 1980, 941, 946; s auch zu § 84 und Jaeger/Henckel KO9 § 16 Rn 5 ff. 177

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gen. Bei der stillen Gesellschaft richtet sich ein Auskunftsanspruch des stillen Gesellschafters gegen den Insolvenzverwalter des Inhabers des Handelsgeschäfts. Die Massebezogenheit des Anspruchs und damit die Rechenschaftspflicht des Insolvenzverwalters ergibt sich hier daraus, dass der stille Gesellschafter nach § 236 I HGB Insolvenzgläubiger ist.240 Der Insolvenzverwalter ist einem persönlich haftenden Gesellschafter auch zur Auskunft über die Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeiten verpflichtet, wenn dieser ein schutzwürdiges Interesse hat, Informationen über den Umfang seiner persönlichen Haftung zu erhalten.241 Ist der Hauptanspruch eines Gläubigers Masseforderung (§ 55) oder Insolvenzforderung, 79 so richtet sich der Auskunftsanspruch stets gegen den Insolvenzverwalter.242 Eine Vollstreckung aus einem auf Auskunftserteilung gerichteten Titel gegen den Insolvenzschuldner ist nach § 89 I unzulässig.243 Dass die Auskunftspflicht eine persönliche Pflicht ist, steht der Verpflichtung des Insolvenzverwalters ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass dem Insolvenzverwalter die notwendigen Kenntnisse fehlen könnten. Diese kann sich der Insolvenzverwalter verschaffen, sei es vom Schuldner nach §§ 97, 98, von einem Vorgänger im Amt des Insolvenzverwalters oder von einem ihm auskunftspflichtigen Dritten.244 Im Feststellungsprozess (§ 179) ist auch eine Stufenklage zuzulassen.245 80 Freilich muss für die Praxis beachtet werden, dass der Insolvenzverwalter nicht durch übermäßige Auskunftsverlangen in seiner Verwaltung blockiert wird. Ist es dem Gläubiger möglich und zumutbar, seine Insolvenzforderung in der Anmeldung zu beziffern, ist ein Auskunftsanspruch gegen den Insolvenzverwalter nicht gegeben, solange die angemeldete Forderung nicht bestritten wird. Die Auskunftserteilung kann den Insolvenzverwalter mit erheblicher Arbeit und die Masse mit Kosten belasten, welche die Gesamtheit der ungesicherten Insolvenzgläubiger zu tragen hat, soweit sie durch den Pauschalsatz von 4 % des Verwertungserlöses (§ 171 I) nicht gedeckt sind. Mit Rücksicht auf eine Belastung der ungesicherten Insolvenzgläubiger und zur Vermeidung eines Arbeitsaufwandes, der eine ordnungsmäßige Vermögensverwaltung und Verwertung unangemessen behindert, sollte man wenigstens den Umfang der Auskunftspflicht begrenzen. Dies ist möglich, weil die Auskunftspflicht in diesen Fällen aus § 242 BGB abgeleitet wird und voraussetzt, dass der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang des Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann. Bei der danach gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass ein Sicherungsnehmer selbst das Risiko der Unaufklärbarkeit trägt, wenn er sich undurchsichtige Sicherungen bestellen lässt, und dass die Verwaltungsaufgabe des Insolvenzverwalters nicht dahingeht, den Sicherungsnehmern bei der Ausübung ihrer Rechte zu helfen.246 Vermeidbar unübersichtliche Sicherungen sollte man getrost daran scheitern lassen, dass der Sicherungsnehmer keine Vorsorge für eine leicht erkennbare und offenzulegende Rechtslage getroffen hat.

81 f) Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Handlungspflichten. Schadensersatzforderungen, die schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Ansprüchen auf 240 Vgl MünchKomm/Schmidt HGB4 § 236 Rn 13. 241 OLG Karlsruhe WiB 1996, 634 m Anm Pape. 242 Häsemeyer ZZP 80, 263, 285; Gaertner KTS 1958, 181; K Schmidt/Büteröwe InsO19 § 38 Rn 8; MünchKomm/Ehricke/ Behme InsO4 § 38 Rn 54; BGHZ 49, 11, 16; KG OLGRspr 2, 33; JW 1931, 2153; GRUR 21 (1916), 28; OLG München OLGRspr 41, 267; OLG Köln HRR 38, Nr 758; ArbG Hamm KTS 1969, 60 m Anm Mohrbutter; OLG Naumburg NJW-RR 1996, 993, dazu EWiR § 87c HGB 2/96, 313 mit einschr zust Anm Wittkowski; KG ZinsO 2001, 959. AA für den Auskunftsanspruch der Insolvenz- bzw Konkursgläubiger OLG Naumburg NZI 2002, 605; Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 10; Jaeger ZZP 50, 158; Haenecke KTS 1959, 54; Bley/Mohrbutter VglO3 § 25 Rn 28 und die hM in der älteren Literatur: Kuhn WM 1969, 226 ff; Kilger KTS 1975, 149 f; wN bei Häsemeyer ZZP 80, 263, 265 Rn 10. 243 OLG Stuttgart ZIP 1995, 45. 244 BGH ZIP 2004, 326, 328 = NZI 2004, 209. 245 Häsemeyer ZZP 80, 263, 287. 246 Uhlenbruck/Mock InsO15 § 80 Rn 122; s auch OLG Düsseldorf NZI 2000, 82, 83 aE. Eichel

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vertretbare oder nicht vertretbare Handlungen entstanden waren, sind Insolvenzforderungen (vgl §§ 280, 281–283 BGB).247 Entsteht dagegen der Schadensersatzanspruch erst während des Insolvenzverfahrens, weil etwa der Schuldner selbst erst jetzt mit der Leistung der vor dem Insolvenzverfahren versprochenen Dienste oder der Herstellung des Werkes in Verzug gerät (§ 286 BGB), so kann der Schaden im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden.248 Da der Ersatzberechtigte in diesen Fällen nicht Insolvenzgläubiger ist und der Anspruch auf eine nicht vertretbare Handlung sich gegen den Insolvenzschuldner persönlich richtet, steht das Verbot des § 89 einer Zwangsvollstreckung gegen diesen nicht entgegen. Auch wird ein Ersatzanspruch durch einen Insolvenzplan nicht betroffen (§§ 217, 254). Ebenso wenig entsteht eine Insolvenzforderung, wenn der Insolvenzschuldner eine fremde Sache, zu deren Herausgabe er aufgrund eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen Vertrags (Miete, Leihe, Verwahrung, Verpfändung) verpflichtet ist, während des Insolvenzverfahrens schuldhaft beschädigt oder zerstört (zur Veräußerung fremder Sachen s § 48; Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters: § 55 I Nr 1). Wenn der Insolvenzschuldner als nicht vertretender Geschäftsbesorger eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung erworbene und noch nicht auf den Geschäftsherrn übereignete Sache während des Insolvenzverfahrens beschädigt, so beschädigt er einen Gegenstand der Masse. Der Anspruch des Geschäftsherrn auf Übereignung bildet – soweit er nicht nach Maßgabe der §§ 103, 55 I Nr 2 Masseanspruch wird – eine in Geld zu veranschlagende Insolvenzforderung, deren Höhe durch die nachfolgende Sachbeschädigung nicht beeinflusst wird.

g) Unterlassungsansprüche. Ansprüche auf Unterlassung sind als solche keine Insolvenzforde- 82 rungen. Wie die Unterlassung in der Einzelvollstreckung durch Zwang gegen die Person des Pflichtigen (§ 890 ZPO) und nicht im Wege des Vermögenszugriffs erzwungen wird, so kann auch im Insolvenzverfahren der Unterlassungsanspruch nicht zur Teilhabe an der Haftungsmasse führen. Der Unterlassungsanspruch darf also nicht nach § 45 in Geld umgerechnet und zur Tabelle angemeldet werden.249 Der BGH deutet in jüngerer Zeit etwas nebulös an, dass er dies anders sehen könnte. Ein Unterlassungsanspruch könne Insolvenzforderung sein und als eine solche mit seinem etwaigen Vermögenswert zur anteiligen Befriedigung berechtigen.250 Das funktioniert indes nicht. Wenn der Insolvenzverwalter, wie in beiden BGH-Entscheidungen, nicht daran gebunden ist, im Umgang mit Massegegenständen etwas zu unterlassen, dann trifft die Unterlassungsverpflichtung entweder weiterhin den Schuldner oder sie hat sich erledigt.251 Für ein gegenüber der Masse anzuerkennendes monetäres Interesse des Gläubigers daran, dass dieser Umgang nicht erfolgen soll, besteht kein Raum. Dieses Interesse ist nur, dann aber vollständig geschützt, wenn auch der Insolvenzverwalter unterlassungspflichtig ist (dazu auch § 55 Rn 17). Wer unterlassungspflichtig ist, der Insolvenzschuldner oder der Insolvenzverwalter, hängt jedenfalls bei absolut geschützten Rechtsgütern allein davon ab, wer dem Unterlassungsgebot zuwiderhandelt. Verletzt der Schuldner persönlich ein fremdes Namensrecht, so ist er auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Führt der Insolvenzverwalter das Unternehmen fort unter einer Firma, mit der er das Firmenrecht eines Dritten verletzt, 247 HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 19, 48. 248 HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 49; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 41; s auch Rn 101. 249 RGZ 134, 377, 379; KG NZI 2000, 228; OLG Stuttgart NZI 2002, 489 = ZinsO 2002, 774; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 12; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 44; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 77; KK/Hess InsO § 38 Rn 20; eine Ausnahme besteht auch nicht für Ansprüche aus Patentverletzungen „nach § 139 Abs. 1 PatG“ (Kübler/ Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 38 Rn 18 unter nicht passender Berufung auf K Schmidt ZZP 90 (1972), 38, 62, der dort aber den Schadensersatzanspruch des § 47 II (jetzt § 139 II) PatG behandelt, nicht den Unterlassungsanspruch); missverständlich auch MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 44. 250 BGH ZIP 2016, 828 Rn 21 f = NZI 2016, 451 im Anschluss an Berger Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen (1998) S 128 f; BGHZ 155, 371 = ZIP 2003, 1550, 1553 (dazu K Schmidt FS Schilken (2015) S 789, 794 f; zustimmend MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 8b. 251 Vgl für vertragl Geheimhaltungspflichten Wenner/Schuster ZIP 2005, 2191, 2193. 179

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

so ist er der Unterlassungspflichtige.252 Das Unterlassungsbegehren gegen den Insolvenzverwalter deshalb generell als Aussonderungsrecht zu bezeichnen, ist nicht richtig.253 Der Verletzte will nicht einen ihm zugewiesenen Gegenstand dem Haftungsverband der Masse entziehen, sondern die Beschränkung der Handlungsfreiheit des Insolvenzverwalters geltend machen. Von einem Aussonderungsrecht kann man nur sprechen, wenn der Kläger das Recht, das sich der Insolvenzverwalter zur Rechtfertigung seines Handelns anmaßt, für sich in Anspruch nimmt, nicht aber schon dann, wenn der Insolvenzverwalter seine Zuwiderhandlung mit einem massezugehörigen Recht rechtfertigen will.254 Verletzungshandlungen, die der Insolvenzverwalter in Ausübung seines Amts vornimmt, begründen Schadensersatzpflichten als Masseverbindlichkeiten iSd § 55 I Nr 1 (§ 55 Rn 17).255 So wenn er fremde Warenzeichen, Patentrechte oder absolut geschützte Geheimnisse256 verletzt oder einer auf dem massezugehörigen Grundstück lastenden Dienstbarkeit zuwider Handlungen auf dem Grundstück vornimmt (§§ 1018, 1090 BGB).257 Handelt dagegen der Insolvenzverwalter einer vom Schuldner vor der Eröffnung des Verfahrens vertraglich begründeten Unterlassungspflicht zuwider, entsteht keine Masseverbindlichkeit, wenn die Unterlassungspflicht mangels dinglicher Absicherung den Verwalter nicht bindet.258 Das kann misslich sein für den Gläubiger, der wegen Insolvenz des Übergabeempfängers von einem Übergabevertrag zurücktritt, und erkennen muss, dass die rein schuldrechtlich getroffene Vereinbarung, über die Grundschulden nicht zu verfügen, für den Insolvenzverwalter keine Bindung entfaltet.259 Inwieweit mit dem Schuldner vertraglich vereinbarte Unterlassungspflichten den Insolvenzverwalter binden, ist mit den zu § 103 entwickelten Grundsätzen zu beantworten.260 Zuwiderhandlungen des Schuldners während des Insolvenzverfahrens begründen keine Scha83 densersatzpflichten zu Lasten der Masse. Der aus einer solchen Zuwiderhandlung resultierende Schadensersatzanspruch kann wie der Unterlassungsanspruch261 während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner eingeklagt und vollstreckt werden. Schadensersatzansprüche aus Zuwiderhandlungen des Schuldners, die sich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ereignet haben, sind dagegen Insolvenzforderungen.262

84 h) Gestaltungsrechte. Gestaltungsrechte sind keine Insolvenzforderungen, weil sie keine Ansprüche sind. Die einer Person gesetzlich gewährleistete Macht, die Änderung einer Rechtslage zu bewirken oder zu erwirken, bildet kein Gläubigerrecht, das den für Insolvenzforderungen geltenden Regeln und Beschränkungen (zB den §§ 45, 87) unterworfen sein könnte.263 Der vom Verkäufer arglistig getäuschte Käufer kann folglich seine Anfechtungsbefugnis (§§ 123 f, 142 f 252 Vgl BGH ZIP 2010, 948 Rn 27 f. 253 OLG Stuttgart NZI 2002, 489 = ZInsO 2002, 774; s zu §§ 85 und 86 auch Jaeger/Henckel KO9 § 10 Rn 19–25, 72–75, § 11 Rn 11. 254 So aber H Lehmann ZZP 38, 68, 86 ff, der freilich einen Unterlassungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter nur annehmen will, wenn er Aussonderungskraft habe; s auch LZ 1910, 814 ff. 255 HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 19. 256 Zu solchen gesetzl Geheimhaltungspflichten Wenner/Schuster ZIP 2005, 2191, 2193. 257 Vgl BGH ZIP 2010, 948 Rn 32. 258 BGHZ 155, 371 = ZIP 2003, 1550, 1553 f = NZI 2003, 539 (dort auch zum Einfluss von § 103 InsO, § 17 KO); BGH ZIP 2016, 828 Rn 22 = NZI 2016, 451; OLG Stuttgart NZI 2002, 489 = ZInsO 2002, 774; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 19; für Pflichten des Vorbehaltsverkäufers v Wilmowsky ZIP 2021, 989, 991. 259 BGH ZIP 2016, 828 Rn 22 = NZI 2016, 451 m Anm Meller-Hannich LMK 2016, 378396. 260 Siehe bei § 103 und Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 109. 261 Zur Vollstreckung von Unterlassungsansprüchen s KG NJW-RR 2000, 1075. 262 BGHZ 155, 371 = ZIP 2003, 1550, 1553 unter bb) = NZI 2003, 539; Häsemeyer InsR4 Rn 16.05; MünchKomm/Ehricke/ Behme InsO4 § 38 Rn 44. 263 Gottwald/Haas/Pechartscheck InsRHandb6 § 19 Rn 11; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 16; für das Wandlungsrecht des Wandelschuldverschreibungsinhabers Kaufmann, Die umgekehrte Wandelschuldverschreibung in der Insolvenz (2019) S 155 ff. Eichel

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Begriff der Insolvenzgläubiger

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BGB) auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers gegenüber dem Zahlungsverlangen des Insolvenzverwalters ausüben. Eine mit einem Willensmangel behaftete rechtsgeschäftliche Verfügung (zB Übereignung, Abtretung, Belastung) ist auch dann anfechtbar, wenn sie dem Insolvenzschuldner ein Recht verschafft hat, das in der Schwebezeit bis zur Wirksamkeit der Anfechtung zur Insolvenzmasse (§ 35) gehört hat. Erst mit der Ausübung eines Gestaltungsrechts können Ansprüche erwachsen.264 Gleichsam stellt das aus einer Option erwachsende Recht des Gläubigers, durch Erklärung einen Vertrag mit dem Schuldner zustande zu bringen, keinen Vermögensanspruch dar, wohl aber der Anspruch, welcher nach Ausübung der Option aus dem Vertrag entsteht.265 Der aus einem Vorvertrag erwachsende Anspruch gegen den Schuldner, einen Vertrag abzuschließen, kann hingegen ein Vermögensanspruch sein und wäre nach § 45 anzumelden.

i) Abstrakte Forderung und Kausalforderung. Beruht eine einmalige Haftung des Schuldners 85 auf doppeltem Rechtsgrund, so besteht auch zu Lasten der Insolvenzmasse nur eine Haftung. Hatte daher der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Zweck der Befriedigung eines Gläubigers erfüllungshalber eine neue Verbindlichkeit (zB nach §§ 780 f BGB) übernommen (§ 364 II BGB), so kann der Gläubiger nicht neben dieser auch noch die Kausalforderung anmelden. Innerhalb wie außerhalb des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner nur einmal zu zahlen. Besteht für die Kausalforderung ein Pfandrecht an einem Gegenstand der Masse, so geht es zwar nicht unter; aber dem Grundsatz des § 52 entsprechend hat der Gläubiger als Insolvenzgläubiger auch wegen der abstrakten Forderung Befriedigung aus der Masse nur für den Betrag zu beanspruchen, mit dem er bei der abgesonderten Befriedigung ausfällt.266 Zur Qualifizierung der abstrakten Forderung als Insolvenzforderung Rn 116; zum Wechselrecht, s Rn 188 ff.

4. Abtretung und gesetzlicher Forderungsübergang Ein sich nach Verfahrenseröffnung ereignender Wechsel in der Person des Insolvenzgläubigers – 86 durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge (zB auf Grund von § 398 oder §§ 268, 426, 774, 1143, 1225 BGB) oder infolge einer Pfändung oder Verpfändung der Insolvenzforderung – hat auf die Eigenschaft als Insolvenzforderung keinen Einfluss.267 Die übergegangene Forderung entsteht beim neuen Gläubiger nämlich nicht als eigene, neue Forderung. Vielmehr behält sie ihre Identität und Anbindung an das vor Verfahrenseröffnung mit dem alten Gläubiger bestehende Schuldverhältnis, aus dem sie entstanden war oder (im Fall einer bedingten Forderung) entstehen wird.268 Wohl aber schließt der Umstand, dass eine Insolvenzforderung nach Eröffnung des Verfahrens auf einen anderen Gläubiger übergegangen ist, regelmäßig die Aufrechnungsbefugnis des Erwerbers aus (s § 96 Nr 2, 3). Auch eine befugte Ausfüllung der Blankozessionsurkunde oder des blanko indossierten Wechsels (s Rn 188 ff) durch den Empfänger wird durch das Insolvenzverfahren nicht gehindert. Eine zu einer Erbschaft gehörende Insolvenzforderung kann, auch während der Schuldner im Insolvenzverfahren steht, auf Grund des öffentlichen Glaubens eines Erbscheins durch Verfügung des nichtberechtigten Scheinerben wirksam abgetreten oder durch Zahlung der Quote an ihn teilweise getilgt werden (§§ 2366 f, vgl § 816 BGB). Wenn der Insolvenzschuldner selbst während des Insolvenzverfahrens Rechtsnachfolger ei- 87 ner ursprünglich gegen ihn gerichteten Insolvenzforderung wird, so fragt sich, ob die Forderung durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit erlischt (Konfusion). Das kann vorkommen, 264 265 266 267 268 181

MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 55. Gehrlein WM 2020, 1, 5. Zum Wechselrecht MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 127. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 38; vgl Bley/Mohrbutter VglO4 § 25 Rn 46. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 430 f. Eichel

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

wenn der Schuldner infolge eines nach Beginn des Insolvenzverfahrens eingetretenen Erbfalls den Insolvenzgläubiger beerbt. Zur Rechtslage nach der alten Konkursordnung war dies in früheren Auflagen dieses Kommentars zunächst bejaht269 und zuletzt mit der Begründung verneint worden, dass der nach Eröffnung des Konkursverfahrens angefallene Nachlass nicht zur Konkursmasse gehöre und deshalb die erworbene Forderung nicht im Konkursverfahren zur Deckung der Konkursforderungen dienen dürfe.270 Dieses Argument ist für das Insolvenzverfahren hinfällig geworden, weil der Nachlass, der dem Insolvenzschuldner nach der Verfahrenseröffnung zufällt, nach § 35 zur Insolvenzmasse gehört, eine Vermögenstrennung also nicht mehr eintritt. Deshalb erlischt die mit dem Nachlass erworbene Forderung, die dem Erblasser gegen den Insolvenzschuldner zustand, durch Konfusion.271 Der Übergang der Verbindlichkeiten auf Schuldnerseite im Fall einer Betriebsübernahme 88 nach § 613a BGB während des Insolvenzverfahrens hat auf die insolvenzrechtliche Qualifikation als Insolvenz- oder Masseforderungen ebenfalls keinen Einfluss (näher § 53 Rn 21).

IV. Zeitpunkt der Begründung der Forderung – Grundlagen 1. Relevanz des „Begründetseins“ 89 Insolvenzgläubiger sind gemäß § 38 nur solche Gläubiger, deren persönliche Vermögensansprüche zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens (§ 27) so weit gediehen sind, dass sie bereits „begründet“ sind. Der Entwicklungsstand einer im Entstehen begriffenen Forderung zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ist folglich Bestandteil des Insolvenzgläubigerbegriffs. Nach diesem Zeitpunkt begründete Forderungen sind entweder Masseforderungen (vgl § 55 I Nr 1) oder Neuforderungen, die gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gerichtet sind.272 Schon § 3 KO hob auf das „Begründetsein“ als Merkmal einer Konkursforderung ab; die Judikatur dazu ist unverändert gültig (Rn 3). Allerdings hat sich unter der Insolvenzordnung die Relevanz der Abgrenzung für die Neugläubiger erhöht, da die Haftung des insolvenzfreien Vermögens im Vergleich zur Konkursordnung weniger attraktiv ist, obwohl die Situation der Neugläubiger durch die reformweise Verkürzung der Abtretungsfrist (§ 287 II) und die Freigabemöglichkeit des Neuerwerbs (§ 35 II) im Vergleich zur ursprünglichen Fassung der InsO ein wenig verbessert wurde.273 Ob eine nach Eröffnung entstandene Forderung als bei Eröffnung begründete Forderung qualifiziert oder nicht, ist daher weiterhin von höherer Bedeutung als unter der Konkursordnung: Nach der Konkursordnung konnte der Neugläubiger auf den massefreien Neuerwerb (§ 1 I KO) des Gemeinschuldners zugreifen, soweit dieser pfändbar war. Die Insolvenzordnung kennt hingegen grundsätzlich keinen verfahrensfreien Neuerwerb (§ 35). Alle der Zwangsvollstreckung unterliegenden Gegenstände, die der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erwirbt, gehören zur Insolvenzmasse.274 Solange das Insolvenzverfahren läuft, hat der Neugläubiger deshalb praktisch keine Möglichkeit, seine Ansprüche zwangsweise durchzusetzen,275 wenn nicht ausnahmsweise eine Freigabe nach § 35 II erfolgt.276 Wird dem Schuldner Restschuldbefrei269 Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 33a unter Verweis auf LG Colmar LZ 1907, 366; zustimmend Kilger/K Schmidt InsG17 § 3 KO Anm 8. Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 53. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 39. HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 28. I.E. BGH ZIP 2021, 1020 Rn 13; ZIP 2021, 478 Rn 13; grundlegend und krit Ganninger, Neugläubigerforderungen aus Austauschverträgen des Schuldners in der Insolvenz der natürlichen Person (2015) passim. 274 Zu der Ansicht, dass nur der Nettoerwerb zur Masse gehöre (Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 35 Rn 133), s § 35 Rn 122 ff. 275 Uhlenbruck/Breuer/Flöther InsO15 § 87 Rn 15; Ganninger a.a.O. (Fn 273) S 35 ff; einer Klage fehlt aber deshalb nicht das Rechtsschutzbedürfnis, OLG Celle NZI 2003, 201. 276 MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 55; vgl BGH ZIP 2011, 1326 Rn 7 ff.

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ung erteilt, ist der Neugläubiger drei Jahre seit der Verfahrenseröffnung weitgehend rechtlos gestellt, weil die pfändbaren Einkünfte des Schuldners aus einem Dienstverhältnis an den Treuhänder abgetreten sind (§ 287) oder ein entsprechender Teil der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an den Treuhänder gezahlt ist (§ 295a) und der Treuhänder die ihm abgetretenen oder gezahlten Beträge nur zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwenden darf (§ 292 I).

2. Bereits entstandene Forderungen, insb „betagte Forderungen“ Ein Anspruch ist in jedem Fall „begründet“ und damit Insolvenzforderung, wenn er vor der Ver- 90 fahrenseröffnung bereits „entstanden“ ist, dh alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage gegeben waren. So ist zB ein Vertragsanspruch Insolvenzforderung, wenn der Vertrag vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbedingt abgeschlossen wurde und der Anspruch nach dem Inhalt des Vertrages mit Vertragsschluss entstehen sollte. Dass der Anspruch bei Verfahrenseröffnung noch nicht fällig war, ist für die Qualifizierung als Insolvenzforderung allemal unschädlich; das zeigt der Rückschluss aus § 41. Die entstandene, noch nicht fällige Forderung (sog betagte Forderung) ist problemlos eine Insolvenzforderung iSv § 38.277 Die betagte Forderung ist von der aufschiebend befristeten Forderung zu unterscheiden. Diese ist nicht nur in ihrer Durchsetzbarkeit, sondern in ihrer Entstehung von einem Anfangstermin abhängig;278 für sie gelten daher die folgenden Ausführungen (zum Begriff Rn 96). Für auflösend bedingte oder befristete Insolvenzforderungen siehe zu § 42.

3. Noch nicht entstandene Forderungen – Abgrenzung zur lediglich künftigen Forderung Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich vor allem, wenn die Forderung bei Verfahrenseröff- 91 nung noch nicht entstanden ist, wenn also der Gläubiger bis dahin nur eine Aussicht auf eine in Zukunft entstehende Forderung hat, die erst nach Verfahrenseröffnung entstehen wird. Hier ist es erforderlich, zu bestimmen, wie weit die Grundlage des bei Verfahrenseröffnung noch künftigen Anspruchs bereits gelegt sein muss, damit er iSv § 38 als „begründet“ angesehen werden kann. Für diesen Status einer künftigen Forderung, die bei Verfahrenseröffnung bereits begründet ist, kursieren in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Begriffe wie „Rechtsgrund“, „Rechtsboden“, „Schuldrechtsorganismus“,279 „Anwartschaft(srecht)“,280 „Schuldverhältnis“ oder „Verwirklichung typischer Tatbestandsmerkmale“.281 Nach dem BGH muss „der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen sein“.282 In der vorliegenden Kommentierung wird die künftige Forderung, die im Hinblick auf ihr „Begründetsein“ § 38 genügt, als „(aufschiebend) bedingte Forderung“ bezeichnet (s noch Rn 96), während mit „künftigen Forderungen“ hier solche bezeichnet werden, die bei Verfahrenseröffnung noch nicht hinlänglich begründet sind.283

a) Maßstäbe für die Abgrenzung. Wichtiger als Begrifflichkeiten sind freilich die Maßstäbe 92 für die Abgrenzung, über die noch keine Einigkeit herrscht. Das Merkmal des „Begründetseins“ BGH NZI 2011, 953, 954; BAG ZIP 1994, 1789, 1791; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 38 Rn 14. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 42 f. BAG ZIP 2019, 777, 779. Namentlich Henckel Voraufl § 38 Rn 87 mit ausführlicher Begründung; BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 20. Nachw bei Eichel Künftige Forderungen (2014) S 60. BGH NZI 2012, 24; NZI 2011, 953; NZI 2005, 403, 404. So schon Henckel Voraufl § 38 Rn 89; ebenso MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 22; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 35; Eichel Künftige Forderungen (2014) S 73.

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einer Insolvenzforderung ist kein Gegensatz zur Masseforderung. Das gerät hin und wieder in Vergessenheit, wodurch manche für eine Abgrenzung zur Masseforderung gelieferte Argumentation etwas unübersichtlich wird. Die Regelungen in § 55 I Nr 2, II beweisen, dass es auch Masseforderungen gibt, die schon bei Verfahrenseröffnung begründet waren.284 Sowohl bei § 55 I Nr 1 und – noch regelmäßiger – bei § 55 I Nr 2 geht es häufig um Insolvenzforderungen, die zu Masseforderungen „aufgewertet“ werden, damit oder weil die Gegenleistung der Masse zu Gute kommt.285 Diese Aufwertung kann erfolgen, weil der Insolvenzverwalter handelt und damit die Verantwortlichkeit der Masse herbeiführt (§ 55 I Nr 1 Alt 1),286 weil ein Bezug zur Insolvenzmasse vorliegt (§ 55 I Nr 1 Alt 2)287 oder weil die Gegenleistung der Masse zu Gute kommt (§ 55 I Nr 2). Im Fall von § 55 I Nr 2 Alt 2 wird die Abgrenzung zur Masseforderung durch eine weitere Vorschrift, nämlich § 108 mitbeeinflusst. Daneben gibt es – v.a. bei § 55 I Nr 1 – selbstverständlich Masseforderungen, die erst nach Verfahrenseröffnung „begründet“ werden, sodass vorher allenfalls eine lediglich künftige Forderung vorlag. Das spielt insbesondere bei Steuerforderungen eine große Rolle (Rn 138 ff), ist aber lediglich ein Ausschnitt der Thematik, der keine Grundlage für eine allgemeingültige Abgrenzung liefern kann. Ob eine Forderung „begründet“ war, lässt sich daher nicht in Abgrenzung zu § 55 bestimmen.288 Die Prüfung von § 55 erfolgt, dogmatisch gesehen, erst nach der Prüfung, ob eine iSv § 38 begründete Forderung vorliegt. Selbst wenn dies der Fall ist, muss § 55 daraufhin geprüft werden, ob diese Forderung ausnahmsweise289 das Privileg einer Masseforderung erhält.290 Die Masseforderung mag ein Gegenbegriff zur Insolvenzforderung sein, das Merkmal des „Begründetseins“ ist es nicht. Ebenso unerheblich für die Abgrenzung begründeter von nicht-begründeten Forderungen ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Forderung künftig entstehen wird: Auch die Forderung, die höchst unwahrscheinlich jemals werthaltig wird, nimmt zunächst und bis zum Schluss als Insolvenzforderung am Verfahren teil (arg e § 191 II, § 77 III Nr 1). 93 Das Merkmal des Begründetseins steht allerdings in Zusammenhang mit §§ 80 ff:291 Da Rechtshandlungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung keine Wirkungen gegenüber der Masse entfalten, müssen Willenserklärungen oder Handlungen, die seitens des Schuldners zur Begründung der Forderung nötig sind, bereits vor Verfahrenseröffnung getätigt worden sein. War zB der Schuldner vor dem Insolvenzverfahren Erbe seiner Frau geworden, aber für den Fall der Wiederverheiratung mit einem Vermächtnis zugunsten eines Verwandten der Frau beschwert, so bleibt zwar eine Eheschließung des Schuldners, die während des Insolvenzverfahrens geschieht, in ihrer Gültigkeit durch das Insolvenzverfahren selbstverständlich unberührt und löst auch den Vermächtnisanspruch aus. Dieser kann jedoch nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht werden. Nicht anders ist zu entscheiden, wenn eine Vertragsstrafe für den Fall der Nichterfüllung einer Verbindlichkeit vereinbart ist. Auch der Anspruch auf diese Strafe bleibt nach § 81 von der Teilnahme am Insolvenzverfahren ausgeschlossen, wenn die Verwirkung auf das persönliche Verhalten des Insolvenzschuldners (zB Zuwiderhandeln gegen ein Wettbewerbsverbot) abstellt und nicht schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist.292 Forderungen, welche der Schuldner nur entgegen §§ 80 ff zur Entstehung bringen kann, können nur als Neuforderung gegen das massefreie Vermögen des Schuldners gerichtet

284 Für ein weiteres Beispiel aus der alten Vergleichsordnung Henckel Voraufl § 38 Rn 83 (Rückzahlungsanspruch aus Verwalterdarlehen). 285 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 63. 286 ZB Prozesskosten, bei denen von Erstarkung von Insolvenz- zu Masseforderungen gesprochen werden muss, s § 55 Rn 19. 287 ZB BVwerG ZIP 2020, 1419 Rn 22 f. 288 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 65; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 31. AA Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 38 Rn 13; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 21; BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 20a. 289 Häsemeyer InsR4 Rn 2.27. 290 Vgl BGHZ 72, 263, 266 = NJW 1979, 310. 291 Henckel Voraufl § 38 Rn 88 mwN; Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 155. 292 RGZ 59, 53 ff. Eichel

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sein.293 Ist hingegen der Einfluss auf die Begründung der Forderung, also auf die Setzung der Bedingungen, unter denen sie entsteht, seitens des Schuldners abgeschlossen, so ist es unschädlich, wenn zur Entstehung der Forderung noch ein weiteres Rechtsgeschäft des Schuldners erforderlich ist. In diesen Fällen kann die Forderung nämlich nur als Forderung gegen die Masse entstehen, wenn der Insolvenzverwalter dieses Rechtsgeschäft bewilligt (§ 80).294 Als Beispiel sei eine vertragliche Abfindungsforderung genannt, die erst entstehen wird, wenn der Schuldner eine Kündigung ausspricht. Weil die Verfügungsmacht gemäß § 80 auf den Insolvenzverwalter übergeht, kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners die Forderung zur Entstehung bringen, indem er die Kündigung ausspricht und die Potestativbedingung erfüllt. Dann würde die Forderungsentstehung gerade nicht an §§ 80 ff scheitern, obwohl sie ursprünglich von einem Zutun des Schuldners abhängig war. Eine solche Forderung war also jedenfalls „begründet“ und ist daher keine Neuforderung; ob sie deshalb eine Insolvenzforderung iSv § 38 ist, entscheidet sich nun anhand von § 55, der bei Eröffnung begründete Forderungen zu Masseforderungen aufwerten kann.295 Eine Insolvenzforderung, die noch nicht entstanden, aber bereits begründet ist, zeichnet also aus, dass der Einfluss des Schuldners auf die Grundlegung der Forderung abgeschlossen ist, sodass die Masse auch den künftigen Gläubigern zur Befriedigung zugewiesen ist, falls die Forderung später entsteht.296 Die „Begründung“ der Forderung iSv § 38 setzt voraus, dass der Schuldner zum grundlegenden Tatbestand, aus dem sich die Forderung entwickelt, im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung alles beigetragen haben muss, was von seiner Seite dafür erforderlich ist; der schuldbegründende Akt des Schuldners muss bereits stattgefunden haben. Wie dieser schuldbegründende Akt aussieht, kann von Anspruchsgrundlage zu Anspruchs- 94 grundlage verschieden sein, wobei sich gewisse verallgemeinerungsfähige Leitlinien feststellen lassen. Für Forderungen, die kraft Rechtsgeschäfts entstehen, muss der Schuldner schon vor der Insolvenzeröffnung seine Willenserklärung abgegeben haben, welche seinerseits für die Entstehung des Anspruchs erforderlich ist oder jedenfalls die Bedingungen dafür festlegt. Für Forderungen, die aufgrund Gesetzes oder Hoheitsakts entstehen, ist der schuldbegründende Akt des Schuldners aufgrund der Vielfalt von Lebenssachverhalten nicht so verallgemeinerungsfähig zu umschreiben wie im Fall der rechtsgeschäftlich begründeten Forderung. Der Forderungstatbestand muss bei Verfahrenseröffnung bereits so weit verwirklicht sein, dass die hieraus hervorgehende Bindung der Masse dem Schuldner immer noch zugerechnet werden kann, obwohl er bei Entstehung der Forderung nicht mehr verwaltungs- und verfügungsbefugt ist.297 Das wird unten noch an Fallbeispielen illustriert (Rn 97 f). Neben dem Erfordernis, dass der schuldbegründende Akt des Schuldners bereits stattge- 95 funden haben muss, muss die Grundlegung der Forderung so weit gediehen sein, dass die Person des Gläubigers bestimmt ist.298 Die Höhe der Forderung kann demgegenüber bei Verfahrenseröffnung noch unbestimmt sein (§ 45). Da der Gläubiger die Forderung mit ihrem Schätzwert anmelden muss (§ 45 Rn 13), muss der Wert der Forderung aber wenigstens geschätzt werden können, damit der Gläubiger mit ihr am Insolvenzverfahren teilnehmen kann.

b) Terminologie (bedingte Forderungen, künftige Forderungen). Ob man die vorstehend 96 beschriebenen künftigen Forderungen, deren schuldbegründender Akt seitens des Schuldners bereits gesetzt ist, als „aufschiebend bedingte Forderung“ bezeichnet, ist eine begriffliche Frage. Für die Diskussion gilt es aber zu beachten, dass es im vorliegenden Kontext nicht um Bedingungen iSv § 158 I BGB geht, sondern um Bedingungen im Sinne der allgemeinen Rechtslehre.299 Das 293 294 295 296 297 298 299 185

Henckel Voraufl § 38 Rn 83, 88; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 28. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 67 f; Muthorst ZIP 2009, 1794, 1799. Für Beispiel einer Insolvenzforderung in einem solchen Fall: OLG Frankfurt/M NZI 2004, 667. Auch zum Folgenden Eichel Künftige Forderungen (2014) S 65 ff. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 71. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 67. Zu dieser Eichel Künftige Forderungen (2014) S 34 ff. Eichel

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

geht in der Diskussion bisweilen unter, in der die §§ 158 ff BGB rege zitiert werden, obgleich diese nur einen Ausschnitt des Phänomens bedingter Forderungen beschreiben und zudem wesentlich jüngere Vorschriften sind als diejenigen der KO, auf die §§ 38, 41, 42 InsO zurückgehen.300 Die Anlehnung an die Begrifflichkeit der allgemeinen Rechtslehre (im Gegensatz zu §§ 158 ff BGB) bedeutet, dass Forderungen, welche iSv §§ 163, 158 I BGB „aufschiebend befristet“ sind, im vorliegenden Kontext des § 38 ebenso als „aufschiebend bedingte Forderung“ bezeichnet werden dürfen, weil ihnen zu ihrer Entstehung noch der Eintritt einer Tatsache („Bedingung“) fehlt, auf deren Eintritt der Schuldner keinen Einfluss hat. Auf die zu §§ 158 ff BGB gepflegte Unterscheidung, wonach die „Bedingung“ nur die Abhängigkeit von einem ungewissen Ereignis beschreibe, während im Übrigen eine „Befristung“ vorliege,301 kommt es für § 38 nicht an (zur Irrelevanz der Entstehungswahrscheinlichkeit einer Forderung Rn 92).302 Die aufschiebend befristeten Forderungen sind also Insolvenzforderungen iSv § 38;303 das war schon unter der Geltung der Konkursordnung anerkannt.304 Darüber hinaus sind mit „aufschiebend bedingten Forderungen“ im vorliegenden Kontext auch „aufschiebend rechtsbedingte Forderungen“ gemeint, dh Forderungen, deren noch unerfüllte Tatbestandsmerkmale sich aus dem Gesetz (und nicht wie bei § 158 I BGB lediglich aus Vereinbarung) ergeben.305 Sie sind iSv § 38 „begründete Forderungen“, wenn der oben beschriebene schuldbegründende Akt des Schuldners gesetzt worden ist. Die bei Verfahrenseröffnung „aufschiebend bedingten Forderungen“ (im hier erläuterten Sinn) nehmen kraft § 38 am Insolvenzverfahren teil. Wenn der Eintritt der Bedingung ungewiss ist, berechtigen sie jedoch nur zu einer Sicherung (§§ 191, 198; dazu und zu den aufschiebend befristeten Forderungen noch § 41 Rn 3 ff).306 Für auflösend bedingte Insolvenzforderungen s § 42.

97 c) Illustration der vorstehenden Grundsätze an Fallbeispielen. Eine gegen den Insolvenzschuldner gerichtete Forderung einer Rechtsanwältin auf Zahlung ihres Honorars ist bereits „begründet“, wenn der Anwaltsvertrag vor dem Eröffnungszeitpunkt abgeschlossen wurde, obgleich ihre den Gebührentatbestand auslösende Tätigkeit erst nach Verfahrenseröffnung erfolgt ist.307 Hier lag mit dem Anwaltsvertrag bei Verfahrenseröffnung bereits ein Tatbestand vor, aus dem sich eine Forderung gegen den Schuldner ergeben konnte, ohne dass dafür noch eine Rechtshandlung des Schuldners nötig gewesen wäre. Irreführend ist deshalb die Argumentation des BGH zum Provisionsanspruch aus einem vor Verfahrenseröffnung geschlossenen Maklervertrag für die nach Verfahrenseröffnung geleistete Tätigkeit des Maklers. Der BGH sprach der Forderung des Maklers die Eigenschaft als „begründete“ Forderung ab, obwohl doch – wie die Rechtsanwältin im vorhergehenden Beispiel – nur noch der Makler tätig werden musste, damit die Forderung entsteht. Die Begründung des BGH, dass erst die Tätigkeit des Maklers den rechtlichen und tatsächlichen Schwerpunkt des forderungsbegründenden Tatbestands bilde,308 schafft keine tragfähige Grundlage, welche die Auslegung von § 38 befördern könnte.309 Richtigerweise war die Forderung des Maklers „begründet“. Dem eigentlichen Ziel des BGH im Maklerfall, die Maklerforderung als Masseforderung zu qualifizieren, steht dies nicht entgegen; die Qualifikation als Masseforderung hängt nämlich nicht vom Begründungsmerkmal ab, sondern bestimmt sich nach § 55 (Rn 92). In

300 Zur vergleichbaren Problematik bei § 95 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 89. 301 MünchKomm/Westermann BGB9 § 158 Rn 8. 302 Zur gleichen Stellung von aufschiebend bedingten und aufschiebend befristeten Forderungen im Insolvenzverfahren s auch § 41 Rn 3, 6 f. 303 Muthorst ZIP 2009, 1794, 1795 f. 304 RGZ 58, 11; 59, 56; RG JW 1904, 97; LZ 1916, 1191; Jaeger/Lent KO8 § 65 Rn 1; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 67 Rn 1. 305 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 35. 306 Zur Anwendung von § 191 auf rechtsbedingte Forderungen Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 191 Rn 4. 307 BGH NJW-RR 2005, 990, 991. 308 BGHZ 63, 74, 76, zum früheren § 25 VerglO, der § 38 InsO entspricht. Vgl. auch Bork ZIP 1991, 988, 992. 309 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 69 f. Eichel

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einer anderen Entscheidung gelingt dem BGH dieser Ansatz, wenn er zunächst feststellt, dass es sich um eine nach § 3 KO (heute: § 38 InsO) begründete Forderung handelt und anschließend ihre Eigenschaft als Masseforderung unter der Prämisse prüft, dass sie „nur dann gegenüber anderen Forderungen als Masseschuld privilegiert ist, wenn sie unter einen der in § 59 KO [heute: § 55 InsO] aufgeführten Tatbestände fällt.“310 Wegen des verbleibenden Einflusses auf der Schuldnerseite ist die Abfindungsforderung des 98 Geschäftsführers aus einem vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Geschäftsführervertrag interessant, wenn sie durch eine Kündigung des Insolvenzverwalters entsteht. Das OLG Frankfurt/M sah sie richtigerweise als Insolvenzforderung an: Für ihre „Begründung“ gemäß § 38 ist allerdings nicht entscheidend, ob es sich bei der Kündigung um eine aufschiebende Bedingung nach Art einer Fälligkeitsregelung oder einer Vertragsbedingung handelt,311 sondern dass mit dem Geschäftsführervertrag ein von der Schuldnerin verbindlich gesetzter Tatbestand vorlag, aus dem eine Forderung zulasten der Masse entstehen konnte, ohne dass ein Verhalten der Schuldnerin erforderlich gewesen wäre, das sich an §§ 80 ff stoßen würde.312

d) Dauerschuldverhältnisse (Grundlagen). Dauerschuldverhältnisse sind dadurch gekenn- 99 zeichnet, dass aus ihnen fortwährend neue Leistungspflichten entstehen, sodass der Umfang der Leistungspflicht durch die Zeit bestimmt wird. Wenn sie über die Verfahrenseröffnung hinaus fortexistieren, liegt es folglich in ihrer Natur, dass nach Verfahrenseröffnung weiterhin Ansprüche aus ihnen erwachsen. Während einige von diesen neu entstehenden Forderungen Insolvenzforderungen iSv § 38 darstellen, gelten andere als Masseforderungen oder Neuforderungen. Sofern das nicht aus Vorschriften wie §§ 105, 108 ff folgt, will die hL diesen Unterschied dogmatisch damit erklären, dass erstere bei Verfahrenseröffnung iSv § 38 bereits begründet seien, letztere erst danach begründet würden. Das weckt Skepsis, da in beiden Fällen das Schuldverhältnis (bzw der Vertrag), aus dem die Forderung hervorgeht, bei Verfahrenseröffnung bereits existierte. Das bestehende Schuldverhältnis aber gilt gerade als Inbegriff für die Begründung einer Forderung iSv § 38, während es unerheblich ist, wenn der daraus erwachsende Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung entsteht (Rn 91). Um diese Skepsis aufzulösen, differenziert die hL zwischen Forderungen, die aus dem einmal zu Anfang begründeten „Stammrecht“ hervorgehen, und solchen, die zwar im situativen Rahmen dieses Schuldverhältnisses entstehen, in ihm jedoch nicht von Anfang an angelegt sind.313 Letztere würden in jedem Leistungsabschnitt „fort und fort“ neu begründet, sodass nach Verfahrenseröffnung erwachsende Ansprüche keine Insolvenzforderungen wären.314 Ausschlaggebend für die Einordnung als eine „fort und fort“ begründete (Masse-)Forderung soll insbesondere die Abhängigkeit von einer durch den Gläubiger zu erbringenden Gegenleistung sein.315 Dem Ansatz der hL wird hier nicht gefolgt, da er Unklarheiten in die Auslegung des „Begründungs“-Merkmals hineinträgt.316 Masse- und Insolvenzforderungen lassen sich gerade im vorliegenden Zusammenhang nicht danach abgrenzen, ob sie begründet waren oder nicht (schon Rn 92). Es gibt zahlreiche Masseforderungen, die bei Verfahrenseröffnung bereits iSv § 38 begrün-

310 311 312 313

BGHZ 72, 263, 266 = NJW 1979, 310. OLG Frankfurt/M NZI 2004, 667, welches noch die Aufwertung zu einer Masseforderung prüfte, aber verneinte. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 69 f. HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 34 ff; Henckel Voraufl § 38 Rn 158; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 58; MünchKomm/ Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 24 ff; K Schmidt/Büteröwe InsO19 § 38 Rn 17 f. 314 Henckel Voraufl § 38 Rn 158; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 26 ff; Häsemeyer InsR4 (2007) Rn 16.16; Ganter ZIP 2019, 97. Solche Schuldverhältnisse „Wiederkehrschuldverhältnisse“ zu nennen (Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 38 Rn 26–27), ist ungünstig, da dies Assoziationen mit § 46 InsO weckt, der gerade Insolvenzforderungen regelt. 315 Henckel Voraufl § 38 Rn 158; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 58; Braun/Bäuerle InsO9 § 38 Rn 9; K Schmidt/Büteröwe InsO19 § 38 Rn 17. 316 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 63–65. 187

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det waren; sie werden zu Masseforderungen „aufgewertet“.317 Diese Aufwertung kann erfolgen, weil der Insolvenzverwalter handelt und damit die Verantwortlichkeit der Masse herbeiführt (§ 55 I Nr 1 Alt 1),318 weil ein Bezug zur Insolvenzmasse vorliegt (§ 55 I Nr 1 Alt 2)319 oder weil die Gegenleistung der Masse zu Gute kommt (§ 55 I Nr 2). Im Fall von § 55 I Nr 2 Alt 2 wird die Abgrenzung zur Masseforderung durch § 108 mitbeeinflusst. Häufig steht hinter der Privilegierung der Gedanke, dass ein neuer auf Leistung und Gegenleistung beruhender Leistungsaustausch mit der Masse, welcher der Anreicherung der Masse dient, nur erreicht werden kann, wenn der Gläubiger seinerseits voll befriedigt wird.320 Bei den „fort und fort“ entstehenden Ansprüchen handelt es sich in Wirklichkeit also um solche, die gemäß § 38 zwar begründet sind, aber aus besonderen insolvenzrechtlichen Wertungen privilegiert und zu Masseforderungen aufgewertet werden.321 Die Abhängigkeit von einer Gegenleistung, die von der hL als Abgrenzungsmerkmal bemüht wird, steht im Zusammenhang mit dieser Privilegierung durch § 55, ist aber nicht das einzige sie tragende Merkmal. Sie eignet sich zudem nicht als Charakterisierung des „Entwicklungsstadiums“ einer entstehenden Forderung, zumal die Abhängigkeit von einer Gegenleistung schon nach der allgemeinen Rechtslehre keine Eigenschaft einer Forderung, sondern im Schuldverhältnis angelegt ist.322 Die Missachtung dessen würde dazu führen, dass die Trennlinie zwischen begründeten und erst später begründeten Forderungen künstlich und kasuistisch erfolgen müsste. Richtigerweise ist die Eigenschaft von aus Dauerschuldverhältnissen erwachsenden Forderungen als Masseforderung nicht am Begründungsmerkmal von § 38 festzumachen, sondern anhand von § 55 bzw §§ 55, 108 ff, die als lex specialis gegenüber § 38 vorrangig sind.323

4. Erloschene Forderungen (Tilgung) 100 Da der Anspruch zu Beginn des Insolvenzverfahrens entstehen (können) muss, scheiden vorher getilgte Ansprüche aus dem Bereich der Schuldenmasse aus. War ein Betrag vor dem Insolvenzverfahren auf Grund eines auch nur vorläufig vollstreckbaren Urteils beigetrieben worden, so besteht insoweit keine Insolvenzforderung mehr, mag auch der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch anhängig und der Vollstreckungsgläubiger noch den Rückforderungsansprüchen gemäß § 717 II und III ausgesetzt sein.324 Ein in diesem Sinne schwebender, kraft vorläufigen Zwangs befriedigter Anspruch kann also im Insolvenzverfahren des Schuldners nicht angemeldet werden und er wird von den Wirkungen eines Insolvenzplans nicht betroffen (§§ 217, 254). Die vorläufige Vollstreckbarkeit soll den Gläubiger gerade vor der Gefahr später eintretender Vermögensunzulänglichkeit des Schuldners schützen. Wird die beigetriebene Forderung rechtskräftig als begründet anerkannt, so steht nun – vorbehaltlich des § 87 und einer Gläubigeranfechtung – fest, dass die Zwangsbefriedigung zu Recht erfolgt war. Hat der Gläubiger durch die Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Sicherung erlangt, ist diese mit der Eröffnung des Verfahrens „unwirksam“ geworden (§ 88). Das bedeutet nicht, dass die öffentlich-rechtliche Verstrickungswirkung automatisch entfiele und gepfändete Gegenstände vom Vollstreckungsorgan dem Insolvenzverwalter auszuhändigen wären. Vielmehr entfällt lediglich die privatrechtliche Wirkung der Vollstreckung, also das Pfändungs317 Vgl auch BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 40, der für diese Fälle folgert, dass der Gläubiger auf die Qualifizierung als Masseforderung verzichten kann; zum Verzicht s auch § 53 Rn 31. 318 ZB Prozesskosten, bei denen von Erstarkung von Insolvenz- zu Masseforderungen gesprochen werden muss, s § 55 Rn 19. 319 ZB BVwerG ZIP 2020, 1419 Rn 22 f. 320 § 55 Rn 4; BGHZ 72, 263, 266; Häsemeyer InsR4 (2007) Rn 14.04. 321 Häsemeyer InsR4 (2007) Rn 14.04. 322 Gernhuber Das Schuldverhältnis § 2 I 3. 323 Überzeugend und klar: HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 31. 324 RGZ 85, 214, 218; OLG Celle KTS 1969, 107; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 3 Rn 15; Kuhn KTS 1963, 69. Eichel

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pfandrecht und bei der Zwangsversteigerung das materielle Recht auf Befriedigung (§ 10 ZVG). Was der Gläubiger aus der Vollstreckung erhalten hat, ist deshalb ohne Rechtsgrund erlangt und an die Masse herauszugeben. Die Forderung des Gläubigers lebt wieder auf. Ist die Beitreibung anfechtbar,325 so lebt ebenfalls die Forderung des Gläubigers wieder auf, wenn der Leistungsempfänger den beigetriebenen Betrag an den Insolvenzverwalter zurückgewährt (§ 144 I), sofern nicht die Forderung selbst anfechtbar begründet ist. Die wieder aufgelebte Forderung ist Insolvenzforderung.326

V. Bei Eröffnung noch nicht entstandene Forderungen (Beispiele nach Anspruchstypen) 1. Ersatzansprüche bei Pflichtverletzungen Der Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung (§§ 280–283 BGB), die in einer vor Eröff- 101 nung des Insolvenzverfahrens begangenen Handlung oder Unterlassung liegt, ist Insolvenzforderung, selbst wenn der Schaden (und damit der Anspruch) erst später entsteht.327 Die Verletzung einer Insolvenzforderung während des Insolvenzverfahrens kann hingegen keine Schadensersatzansprüche mehr hervorbringen.328 Der Anspruch auf Erfüllung des Vertrags, die erst nach Verfahrenseröffnung durch den Verwalter nach § 103 II verweigert wird, kann nach § 103 II S 1 nur als Insolvenzforderung geltend gemacht werden.329 Da die Insolvenzforderung Geldforderung wird (§ 45), scheiden Verletzungen der ursprünglichen Naturalleistungspflicht aus. Die Verzögerung, die mit der Abwicklung des Insolvenzverfahrens verbunden ist, begründet keinen Schuldnerverzug (§ 39 Rn 27). Forderungen aus beiderseits unerfüllten gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung der Verwalter verlangt (§ 103) oder die nach §§ 108, 110, 113 für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt werden müssen, sind hingegen Masseverbindlichkeiten (§ 55 I Nr 2). Pflichtverletzungen, die dem Insolvenzverwalter zuzurechnen sind, begründen dann ebenfalls Masseverbindlichkeiten. Zum Verzug des Schuldners hinsichtlich einer Verbindlichkeit, die sich gegen ihn persönlich richtet, s Rn 81.

2. Forderungen aus unerlaubter Handlung Gemäß einer verbreiteten Auffassung sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung iSd § 38 „begrün- 102 det“, wenn sich der im bürgerlich-rechtlichen Sinne „haftungsbegründende“ Tatbestand (Verhalten des Schuldners samt dadurch verursachter Rechtsgutsverletzung) vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugetragen hat, mag auch der Schaden ganz oder teilweise erst während des Insolvenzverfahrens eingetreten sein.330 Hier wird indes der Gegenauffassung gefolgt, wonach es ausreicht, dass lediglich das Verhalten des Schuldners vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag auch die Rechtsgutsverletzung erst während des Insolvenzverfahrens eintreten.331 Das kann in Fällen einen Unterschied machen, in denen die Handlung nicht unmittelbar zur Rechtsgutsver325 S zu § 131 und Jaeger/Henckel KO9 § 30 Rn 231 ff. 326 Jaeger/Henckel KO9 § 39 Rn 9. 327 S auch Rn 102; BGH ZIP 2014, 480 Rn 12; LG Frankfurt/M ZIP 2021, 2245, 2247; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 27; vgl auch BGH NZI 2016, 893 Rn 15. 328 LG Frankfurt/M ZIP 2021, 2245, 2247. 329 Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 241 ff. 330 RGZ 87, 82, 85; Häsemeyer InsR4 Rn 16.15; Henckel Voraufl § 38 Rn 169; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 32; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 42. 331 HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 49, 51; MünchKomm/Ehricke InsO3 § 38 Rn 26 (anders inzwischen MünchKomm/ Ehricke/Behme InsO4 Rn 32). Ausdrücklich aA Häsemeyer InsR4 Rn 16.15. 189

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letzung führt. Dass sich die Rechtsgutsverletzung bereits ereignet habe, ist für § 38 nicht nötig, da es hier nur darum geht, dass der Schuldner einen Tatbestand gesetzt hat, aufgrund dessen die Forderung später entstehen kann, ohne dass sein weiterer Einfluss erforderlich ist (vgl Rn 91 ff).332 Der Schadensersatzanspruch selbst entsteht in jedem Fall erst mit dem bezifferbaren Schaden, sodass nach beiden Auffassungen der bei Eröffnung existierende Rumpf eine aufschiebend rechtsbedingte Schadensersatzforderung wäre. Wenn die schädigenden Folgen der Handlung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten oder wenn jetzt zu den ursprünglichen neue hinzutreten, ist damit für das Insolvenzverfahren eine einheitliche Behandlung geboten, soweit die Fortentwicklung des Schadens zu erwarten steht.333 Gerade mit Rücksicht auf solche Ungewissheit sieht § 45 eine Schätzung des Umfangs der Insolvenzforderung vor. Wenn sich das schadensbegründende Verhalten des Schuldners erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ereignet hat, ohne dass es vom Verwalter geduldet oder sonst veranlasst wurde, liegt keine Insolvenzforderung iSv § 38, sondern eine gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gerichtete Neuforderung vor.334 Gleiches gilt für die steuerrechtliche Haftung aus § 69 AO: Sie ist iSv § 38 begründet, wenn die für die Haftung maßgebliche Handlung bzw Unterlassung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen wurde.335 Schadensersatzansprüche sind genauso Insolvenzforderungen, wenn sie auf Rentenzahlung 103 gerichtet sind (zB nach §§ 618 III, 843–845 BGB, § 62 III HGB,336 § 13 StVG, §§ 38, 47 LuftVG, § 30 AtomG, § 14 UmweltHG, § 9 ProdHaftG). Auch in diesen Fällen handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, also nicht um fortlaufend neu entstehende Ansprüche. Die Ansprüche auf die einzelnen Leistungen sind nur Ausflüsse des vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Gesamtanspruchs. Das Insolvenzgläubigerrecht beinhaltet daher nicht bloß die während des Verfahrens fälligen Raten, sondern die nach § 46 S 1 zu kapitalisierende Gesamtheit aller künftigen Hebungen.337 Rentenansprüche auf Lebenszeit oder bis zur Wiederverheiratung sind Forderungen von unbestimmter Dauer (§ 46 S 2). Als Insolvenzforderung unterliegt der auf Unterhalt gerichtete deliktische Anspruch den Vorschriften der §§ 87, 89, 178–184, 254 InsO, § 240 ZPO. § 40 InsO ist nicht anwendbar mit Ausnahme von Ansprüchen wegen sittenwidriger Entziehung des Unterhalts; diese werden wie familienrechtliche Unterhaltsansprüche iSv § 40 behandelt (s auch Rn 129 sowie § 40 Rn 5).

3. Rückgriffsansprüche 104 a) Rückgriffsanspruch aus Gesamtschuld als Insolvenzforderung. Haften für eine Verbindlichkeit mehrere Personen als Gesamtschuldner, von denen einer insolvent geworden ist, so wird der Gläubiger sich regelmäßig an den (die) zahlungsfähigen Gesamtschuldner halten und seine Forderung nicht im Insolvenzverfahren anmelden. Leistet der zahlungsfähige Gesamtschuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, stellt sich die Frage, ob er seinen Rückgriffsanspruch im Insolvenzverfahren seines Mitschuldners als Insolvenzforderung anmelden kann (zur Lage bei Teilleistungen s Rn 111 ff). Die Ausgleichsforderung nach § 426 I BGB tritt nach allgemeiner Auffassung nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers in Existenz, sondern bereits mit der Begründung der Gesamtschuld, und zwar als einheitliche Forderung, die zunächst auf Mitwirkung an der Begleichung der Gesamtschuld oder auf Freistellung gerichtet ist und sich erst mit der Befriedigung des gemeinsamen Gläubigers in einen Zahlungsanspruch des Regressgläubi-

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Eichel Künftige Forderungen (2014) S 68. BGH NZI 2016, 893 Rn 15; ZIP 2014, 480 Rn 12. BGH ZIP 2022, 42 Rn 22. BFH ZIP 2021, 1663, 1664. RGZ 87, 82, 84. RGZ 87, 82, 84.

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gers umwandelt.338 Deshalb ist sie Insolvenzforderung, obgleich sie erst nach Verfahrenseröffnung zu einem Zahlungsanspruch erstarkt, sofern nur die Gesamtschuld und damit der Befreiungsanspruch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden. Dogmatisch ist dies – entgegen der Vorauflage339 – damit zu erklären, dass der aus § 426 I BGB erwachsene Zahlungsanspruch bei Verfahrenseröffnung bereits aufschiebend rechtsbedingt ist.340 Denn zu diesem Zeitpunkt ist für seine Entstehung nur noch die Befriedigung des Gläubigers durch den mithaftenden Gesamtschuldner erforderlich, ohne dass eine Mitwirkung des Insolvenzschuldners erforderlich wäre (s grundlegend Rn 92 f und 96).341 Dass dieser rechtsbedingte Ausgleichsanspruch des Mitschuldners wegen § 44 im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden kann, solange der Gläubiger nicht voll befriedigt ist, ändert an dieser Einordnung als Insolvenzforderung nichts.342 § 44 kann im Gegenteil entnommen werden, dass es sich bei der künftigen Regressforderung um eine Forderung handeln muss, die gemäß § 38 begründet ist.343 § 44 fügt § 38 also nichts hinzu, sondern nimmt einige Forderungen, die gemäß § 38 am Insolvenzverfahren teilhaben dürfen, aus speziellen Gründen heraus.344 Dass § 426 I BGB nicht als Masseschuld, sondern als Insolvenzforderung betrachtet werden muss, lässt sich auch mit der ratio legis der Gesamtschuld begründen, wie Henckel in der Vorauflage herausgearbeitet hat.345 Dafür spricht folgender Gesichtspunkt: Die Gesamtschuld dient dem Zweck, dem Gläubiger das Risiko der Zahlungsunfähigkeit eines seiner Schuldner abzunehmen und auf die zahlungsfähigen Gesamtschuldner zu verlagern. Der zahlende Gesamtschuldner soll also die haftungsrechtliche Stellung einnehmen, die vor seiner Zahlung der Gläubiger hatte. Seine Zahlung soll die Insolvenzmasse nicht entlasten. Deshalb besteht die Haftung der Masse fort in Höhe des Anteils der Gesamtschuld, der im Innenverhältnis auf den Insolvenzschuldner entfällt. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Vorschrift des § 426 II BGB. Der hier angeordnete gesetzliche Forderungsübergang dient dem Zweck, den zahlenden Gesamtschuldner in dieselbe haftungsrechtliche Situation zu bringen, die zuvor der Gläubiger einnahm. Wie die Sicherungsrechte auf den Zahlenden übergehen (§§ 412, 401 I BGB), so rückt der Zahlende auch in die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Gläubigers ein. Hatte dieser eine Insolvenzforderung, so ist auch der zahlende Gesamtschuldner Insolvenzgläubiger.346 Hatte er eine Masseforderung (§ 55), so ist auch der Regressberechtigte, auf den die Forderung übergegangen ist, Massegläubiger.347 § 426 II BGB ist also lediglich ein rechtstechnisches Mittel, um zu erreichen, was nach dem Zweck der Gesamtschuld geboten ist, nämlich die Haftungslage so auf den zahlenden Gesamtschuldner zu verlagern, wie sie zuvor für den Gläubiger bestand.348 Die Masse soll also durch die Zahlung des mithaftenden Gesamtschuldners haftungsrechtlich nicht begünstigt, aber auch nicht belastet werden. Der Rückgriffsberechtigte ist also Insolvenzgläubiger,

338 RGZ 79, 288, 290; 81, 414, 418; 160, 148, 151; BGHZ 11, 170, 174; 12, 213, 218; 35, 317, 325; 114, 117, 122; 181, 310 = NJW 2010, 60 Rn 12; NJW-RR 2006, 1718; NZG 2017, 753, 754 Rn 11; MünchKomm/Heinemeyer BGB8 § 426 Rn 13; Enneccerus/ Lehmann SchuldR15 § 96 III; Esser/Schmidt Schuldrecht I8 § 59 III 2; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 35. 339 Henckel Voraufl § 38 Rn 109. 340 So Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 24 unter Berufung auf Begr EKO S 282 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 39; Enneccerus/ Lehmann SchuldR15 § 96 III; Mohrbutter Handb2 § 68 I 2 c; Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz2 Rn 108 ff, 133; OLG Jena FamRZ 2012, 372; s auch OLG Hamm NJW-RR 1995, 489, zum Rückgriff des Kommanditisten. 341 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 68 f, 101 f. 342 Fuchs/Masarwah NZI 2019, 401, 403. AA Henckel Voraufl § 38 Rn 109. 343 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 35; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 38 Rn 29; Vogel ZIP 2007, 2198, 2200. 344 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 61 f. Vgl BGH NJW 1991, 1733, 1735, wonach § 33 VglO (dem § 44 InsO entspricht) „nur verfahrensrechtliche Bedeutung“ habe. 345 Henckel Voraufl § 38 Rn 109. 346 BGH ZIP 2008, 183. 347 OLG Jena ZIP 1999, 849, zum Bürgenrückgriff; Vogel ZIP 2007, 2198, 2200 f. 348 Vgl Rimmelspacher Materieller Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozess (1970) S 223 ff; Larenz/ Canaris Schuldrecht II14 § 60 IV 2; Häsemeyer KTS 1993, 151, 163 f. 191

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weil und soweit der Gläubiger Insolvenzgläubiger war, in dessen haftungsrechtliche Stellung er einrückt. Zu den Konsequenzen für den Umfang des Rückgriffs s § 44 Rn 9 f. 105 Nimmt der Gläubiger am Insolvenzverfahren nicht teil, so steht der Anmeldung schon des Befreiungsanspruchs des rückgriffsberechtigten Gesamtschuldners gegen den mithaftenden Insolvenzschuldner in dessen Insolvenzverfahren nichts entgegen. Der Mitschuldner, der bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht an den Gläubiger gezahlt hat, meldet also seinen Befreiungsanspruch nach Maßgabe des in Rn 71 f Ausgeführten an und nicht einen bedingten Zahlungsanspruch.349 Gleiches wie für den Ausgleichsanspruch aus § 426 I BGB muss gelten für Rückgriffsansprü106 che, die in sog unechten Gesamtschulden entstehen. Von einer unechten Gesamtschuld spricht man, wenn zwar mehrere Schuldner dasselbe Leistungsinteresse des Gläubigers zu befriedigen haben, die mehreren Verpflichtungen aber nicht gleichrangig oder gleichstufig sind. Die Anwendung der Gesamtschuldregeln des BGB ist hier im Einzelfall zu prüfen.350 Ein Teil der Rückgriffsfälle ist durch die Anordnung eines gesetzlichen Forderungsübergangs geklärt. So etwa, wenn der Ersatzanspruch des Geschädigten auf die leistungspflichtige (§ 116 SGB X) Sozialversicherung oder die leistende Privatversicherung (§ 86 VVG) übergeht und damit der Regress gegen den Schädiger ermöglicht wird. Diese Konstruktion stellt sicher, dass die übergegangene Forderung Insolvenzforderung ist, wenn der Geschädigte Insolvenzgläubiger des schadensstiftenden Insolvenzschuldners war oder wäre. Soweit es an einem gesetzlichen Forderungsübergang fehlt, ist die Konstruktion des Regresses streitig. Sowohl die Anwendung der Gesamtschuldregeln wird befürwortet351 als auch die der §§ 683, 670 BGB,352 § 812 BGB353 oder § 255 BGB.354 Larenz355 will einen Anspruch des Leistenden auf Abtretung der Forderung des Geschädigten geben, ohne auf § 255 BGB zurückzugreifen. Auf den Streit um die richtige Konstruktion braucht hier nicht eingegangen zu werden. Seine Bedeutung wird oft überschätzt. Bei sachgerechter Durchführung der jeweiligen Konstruktion unterscheiden sich die Problemlösungen im Ergebnis nicht. Selbst der Einwand, dass diejenigen Auffassungen, die § 255 BGB anwenden oder sonst einen Anspruch auf Abtretung der Forderung des Geschädigten geben, in dessen Insolvenzverfahren nicht bestehen könnten, ist nicht stichhaltig. Gibt man zB dem Verwahrer, der dem Hinterleger vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ersatz für die von einem Dritten vorsätzlich zerstörte verwahrte Sache geleistet hat, einen Anspruch gegen den Hinterleger auf Abtretung seines Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger, so bedeutet das nicht, dass der Verwahrer im Insolvenzverfahren des Hinterlegers Insolvenzgläubiger wird. Denn der Hinterleger soll nicht den vollen Schadensersatz vom Verwahrer bekommen und außerdem noch den Anspruch gegen den Schädiger behalten, während der Verwahrer mit der Insolvenzquote abgefunden wird. Wer also dem Rückgriffsberechtigten einen Anspruch auf Abtretung der Forderung des Geschädigten gibt, muss annehmen, dass dieser Anspruch insolvenzfest ist. Das wird nur derjenige für systemwidrig halten, der von dem unbegründeten Dogma ausgeht, dass schuldrechtliche Ansprüche stets nur Insolvenzforderungen sein könnten. Auch der Anspruch aus § 255 BGB ist insolvenzfest. Ebenso muss für die Frage, wie der Rückgriffsanspruch im Insolvenzverfahren des Rückgriffsschuldners zu behandeln ist, die Konstruktion belanglos bleiben. Der Rückgriffsberechtigte, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Gläubiger befriedigt hat, ist Insolvenzgläubiger. Zahlt er hingegen nach Verfahrenseröff-

349 Zum Rückgriffsanspruch des Gesellschafters einer OHG oder KG, der einen Gesellschaftsgläubiger befriedigt hat, s Jaeger/Weber KO9 §§ 209, 210 Rn 26, § 212 Rn 1; Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz2 Rn 363 ff; Habersack AcP 198 (1998), 152 ff. 350 MünchKomm/Heinemeyer BGB8 § 426 Rn 58 ff; vgl auch Ehmann Die Gesamtschuld S 233 ff, 302, 320 f; Rüßmann JuS 1974, 292 ff; Esser/Schmidt Schuldrecht8 § 39 I. 351 Ehmann a.a.O. (Fn 1290); Roth in FS Medicus (1999) S 495 ff. 352 ZB RGZ 82, 206 ff; BGHZ 30, 162, 167 ff. 353 Esser Schuldrecht I5 § 59 IV 4; Frotz JZ 1964, 665, 670. 354 Selb Schadensbegriff und Regressmethoden (1963); Thiele AcP 167, 225. 355 Larenz Schuldrecht I14 § 30 IIc–d, § 32 II. Eichel

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nung an den Gläubiger, wäre im Hinblick auf eine alte Entscheidung des BGH356 zu fragen, ob er in Analogie zu § 55 I Nr 1 Massegläubiger wird, wenn man § 683 BGB als Grundlage des Regresses ansieht, bzw nach § 55 I Nr 3, wenn § 812 BGB angewendet wird. Dies ist allerdings zu verneinen. Unabhängig von der Anspruchsgrundlage für den Rückgriff (§§ 683, 670 oder 812 BGB) muss stets eine Insolvenzforderung des Rückgriffsberechtigten angenommen werden, soweit im Wege des Rückgriffs das verlangt wird, was der Rückgriffsberechtigte an den Gläubiger gezahlt hat.357 Zwar macht es wertmäßig keinen Unterschied, ob man dem Rückgriffsberechtigten eine Insolvenzforderung mit dem Rang des befriedigten Gläubigers oder eine Masseforderung in der Höhe gibt, in welcher der Gläubiger im Insolvenzverfahren befriedigt worden wäre. Jedoch besteht ein erheblicher Verfahrensunterschied. Würde man demjenigen, der als Geschäftsführer ohne Auftrag eine Insolvenzforderung tilgt, eine Masseforderung zugestehen, so würde der Geschäftsführer die getilgte Forderung und seine Rückgriffsforderung dem Feststellungsverfahren (§§ 174 ff) und damit der Kontrolle der übrigen Gläubiger entziehen, er könnte den Insolvenzverwalter verklagen und eine frühere Tilgung erreichen als die Insolvenzgläubiger. Wer Insolvenzforderungen für den Insolvenzverwalter tilgt, würde damit das ganze Teilungsverfahren in Unordnung bringen. Daher muss sich in allen Rückgriffsfällen der in Rn 104 dargelegte, aus § 426 II, § 774 BGB, § 67 VVG und § 116 SGB X ableitbare Grundsatz durchsetzen, dass der Rückgriffsberechtigte in die haftungsrechtliche Position des Gläubigers einrückt, wenn er diesen befriedigt, soweit seine Aufwendungen in der Tilgung der Gläubigerforderung bestehen.358 Das hat inzwischen auch der BGH bestätigt.359 Die Anwendung der §§ 683, 684 oder 812 BGB führt also im Insolvenzverfahren des Rückgriffsschuldners zu keinem anderen Ergebnis, als wenn man den Rückgriff auf § 426 BGB stützt oder dem Rückgriffsberechtigten einen Anspruch auf Abtretung der Forderung gegen den Schädiger gibt. Angesichts der vorstehend erläuterten Teleologie des Rückgriffs erscheint es nicht gerechtfer- 107 tigt, den Rückgriffsanspruch des zahlenden Gesamtschuldners auch insoweit als Insolvenzforderung zu behandeln, als er durch den Forderungsübergang nicht mehr gedeckt ist. Das kann der Fall sein, wenn der zahlende Gesamtschuldner hat Aufwendungen machen müssen, die über den Betrag des auf den Insolvenzschuldner entfallenden Anteils der Gesamtschuld hinausgehen. Für solche Aufwendungen hat er zwar jedenfalls dann einen Ersatzanspruch, wenn der Insolvenzschuldner im Innenverhältnis verpflichtet war, die Gesamtschuld allein zu tilgen. Dann liegt im Innenverhältnis eine Geschäftsführung ohne Auftrag vor, sodass der zahlende Gesamtschuldner nach §§ 683, 670 BGB Aufwendungsersatz für Kosten der Schuldtilgung oder (ausnahmsweise) für Prozesskosten360 verlangen könnte. Fallen diese Aufwendungen in die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so kann der Ersatzanspruch keine Insolvenzforderung sein.361 Der Aufwendungsersatzanspruch begründet vielmehr eine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 1.362 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Aufwendung von Prozesskosten nur in dem Umfange dem Interesse der Masse entsprechen kann, wie diese im Feststellungsprozess des Insolvenzverwalters selbst mit Kosten belastet worden wäre. Das wäre aber nur in der Höhe geschehen, in der die Kosten auf Grund des nach § 182 ermäßigten Streitwerts berechnet worden wären. Deshalb entfällt ein Anspruch wegen der darüber hinaus von dem Rückgriffsgläubiger aufgewendeten Kosten nach §§ 683, 670 BGB; auch nach § 684 BGB ist er insoweit nicht gegeben, weil die Masse um diese Kostendifferenz nicht bereichert ist. Zwar hat der zahlende Gesamtschuldner, dem der Insolvenzschuldner im Innenverhältnis verpflichtet war, die Gesamtschuld allein zu til356 357 358 359 360

BGH KTS 1972, 44 = NJW 1971, 1564; s auch Rn 107. Zu den Mehraufwendungen s Rn 107. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 77; Habersack AcP 198 (1998), 152, insbes zum Gesellschafterrückgriff. BGH ZIP 2008, 183. Zum Prozesskostenausgleich im Einzelfall BGH VersR 56, 161; 69, 1039; BGH NJW 1971, 884; MünchKomm/Heinemeyer BGB8 § 426 Rn 25. 361 AA Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 24. 362 Vgl BGH KTS 1972, 44 = NJW 1971, 1564 = LM § 59 KO Nr 7. 193

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

gen, auch insoweit einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB. Dass insoweit auch bei Zahlung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Insolvenzforderung entsteht, beruht allerdings auf dem oben erläuterten Rechtsgedanken, dass der Rückgriffsberechtigte in die haftungsrechtliche Situation des Gläubigers eintritt, wie dies § 426 II BGB bezweckt.

108 b) Rückgriffsanspruch des Bürgen als Insolvenzforderung. Hat sich der Bürge im Auftrag des Hauptschuldners verbürgt, wie es regelmäßig der Fall ist, so steht ihm der Anspruch gegen den Hauptschuldner auf Befreiung von der Bürgenschuld nach §§ 670, 257 BGB nur unter den Voraussetzungen des § 775 BGB zu. Dasselbe gilt, wenn der Bürge sich in berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag für den Hauptschuldner verbürgt hat (§§ 683, 670, 257, 775 BGB). Regelmäßig wird der Befreiungsanspruch im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden sein, weil die Voraussetzungen des § 775 I Nr 1 BGB vorliegen. Allerdings ist wegen § 44 der Bürge nicht berechtigt, den Befreiungsanspruch im Insolvenzverfahren des Hauptschuldners als Insolvenzforderung anzumelden, wenn der Gläubiger sich selbst in diesem Insolvenzverfahren beteiligt.363 Denn damit würde die Schuld des Insolvenzschuldners verdoppelt.364 Das ändert allerdings (aus den schon genannten Gründen, Rn 104) nichts daran, den künftigen Rückgriffsanspruch des Bürgen nach §§ 670 (683), 774 BGB bereits vor der vollen Befriedigung des Gläubigers durch den Bürgen als aufschiebend bedingte Insolvenzforderung zu behandeln.365 Damit ist der Rückgriffsanspruch des Bürgen, auch wenn er erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Gläubiger voll befriedigt, Insolvenzforderung. Das ist wie schon bei § 426 I BGB auch von der ratio legis des Bürgenregresses getragen: § 774 BGB dient wie § 426 II BGB dem Zweck, denjenigen, der den Gläubiger befriedigt, in dessen haftungsrechtliche Situation einrücken zu lassen, soweit er im Innenverhältnis zum Hauptschuldner rückgriffsberechtigt ist.366 Wegen der Eigenschaft als Insolvenzforderung wird der Bürge, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners an den Gläubiger zahlt, von einem Insolvenzplan betroffen, auch wenn er wegen der Teilnahme des Gläubigers am Insolvenzverfahren des Hauptschuldners seine Forderung nicht geltend machen konnte.367 Soweit der Rückgriffsanspruch aus dem Innenverhältnis Aufwendungen erfasst, die über 109 die Befriedigung des Gläubigers hinausgehen, gelten die in Rn 107 entwickelten Grundsätze; ebenso wenn der Bürge entschuldbar auf eine nicht mehr bestehende Schuld gezahlt hat und diese Aufwendung für erforderlich halten durfte (§§ 670, 683 BGB). Der Auftrag erlischt nicht nach § 116.368 Zur Aufrechnungsbefugnis des Bürgen mit Wirkung gegen die Masse s zu §§ 94 ff; zum Rückgriff bei Teilbürgschaft s § 43 Rn 25–27. Falls der Sicherungsvertrag zwischen Bürge und Hauptschuldner unwirksam ist und falls 110 der Bürge deshalb die an den Gläubiger gezahlte Summe zurückfordern darf (§ 813 BGB369), hat der Gläubiger, der sich daraufhin beim insolventen Hauptschuldner aus § 426 BGB schadlos halten will, nur eine Insolvenzforderung, sodass sich die Unwirksamkeit des Sicherungsvertrags zu seinen Lasten auswirkt.370

363 S Rn 104 und 71. 364 BGHZ 55, 117, 120; BGH NJW 1985, 1159 = ZIP 1984, 1506; s auch § 44 Rn 6. 365 BGHZ 55, 117, 120; BGH NJW 1985, 1159 = ZIP 1984, 1506; Eichel Künftige Forderungen (2014) S 101 f; MünchKomm/ Habersack BGB8 § 774 Rn 19, 22. AA Henckel Voraufl § 38 Rn 113; LG Hagen NJW 1961, 1680. 366 Henckel Voraufl § 38 Rn 113. 367 So zum Zwangsvergleich der KO LG Hagen NJW 1961, 1680; zum konkursabwendenden Vergleich: BGHZ 55, 117 ff. 368 S zu § 116 und Jaeger/Henckel KO9 § 23 Rn 37; Jaeger/Lent KO8 § 67 Rn 5. 369 BGH ZIP 2017, 2410, 2411. 370 Thelen/Thelen ZIP 2018, 901, 905. Eichel

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c) (Teil-)Befriedigung des Hauptgläubigers vor der Verfahrenseröffnung. Eine Vollzah- 111 lung, die schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt worden war, verschafft dem Rückgriffsgläubiger von vornherein die Stellung, die der Hauptgläubiger im Insolvenzverfahren eingenommen haben würde. Eine Teilzahlung, die der Mitverpflichtete vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet hatte, mindert den Umfang der Insolvenzforderung des Hauptgläubigers. In Höhe der Teilzahlung steht das Insolvenzgläubigerrecht schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbedingt und ausschließlich dem Rückgriffsberechtigten zu. Ob die dem Hauptgläubiger gewährte Teilbefriedigung nur einen Teilbetrag dessen ausmacht, wofür ihm der Mitverpflichtete (zB als Vollbürge) des Insolvenzschuldners einzustehen hatte, oder ob sie die Mithaftung ganz erschöpft, weil zB der Mitverpflichtete nur Teilbürgschaft übernommen hatte, ist belanglos. Die Regel des bürgerlichen Rechts, dass eine Teileinlösung nicht zum Nachteil des Hauptgläubigers geltend gemacht werden dürfe (nemo subrogat contra se, §§ 426 II S 2, 774 S 2 BGB, vgl §§ 268 III S 2, 1143, 1150, 1164, 1176, 1225, 1149 BGB), bietet bei Teilbefriedigung vor dem Insolvenzverfahren dem Hauptgläubiger keinen Schutz gegen die Konkurrenz des Teileinlösers. Vor allem kann sich der Hauptgläubiger am später eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nicht noch zum vollen ursprünglichen Forderungsbetrag beteiligen. Dem steht der Grundsatz des Insolvenzrechts entgegen, dass ein Gläubiger stets nur den ihm bei Verfahrenseröffnung noch zustehenden Forderungsbetrag anmelden darf, wie es auch § 43 („zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens“) ausdrücklich formuliert. Wollte man aber dem Teileinlöser für den Teilbetrag das Insolvenzgläubigerrecht absprechen, ihm also die Teilnahme am Insolvenzverfahren verwehren, so bliebe eben dieser Teilbetrag im Insolvenzverfahren unberücksichtigt, und zwar nicht zum Vorteile des Hauptgläubigers allein, sondern, und insoweit ungerechtfertigt, auch zum Vorteil aller übrigen Insolvenzgläubiger. Der Teileinlöser darf deshalb den schon vor Verfahrenseröffnung erworbenen Forderungsbetrag als unbedingtes Insolvenzgläubigerrecht anmelden und zur Feststellung bringen; er hat dementsprechend mangels einer insolvenzrechtlichen Ausnahmevorschrift auch die Auszahlung der auf den festgestellten Forderungsbetrag entfallenden Anteile zu beanspruchen.371 Aus §§ 426 II S 2, 774 S 2 BGB kann nur abgeleitet werden, dass der Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens von dem teilzahlenden Regressberechtigten Ausgleich des Nachteils verlangen kann, den er durch dessen Teilnahme am Insolvenzverfahren mit dessen Rückgriffsanspruch erlitten hat.372 Umstritten ist, ob der Gläubiger nur den Betrag verlangen kann, um den seine Quote durch die Teilnahme des Regressberechtigten gemindert worden ist,373 oder den Betrag, den dieser als Quote erhalten hat.374 Die zweitgenannte Ansicht kann nicht richtig sein, weil der Nachteil, den der Gläubiger erleidet, nicht im Ausfall einer Quote auf den Betrag bestehen kann, den er von dem Regressberechtigten schon erhalten hat. Von großer Bedeutung ist allerdings weder der Ausgleichsanspruch des Gläubigers noch der Streit um seinen Umfang. Denn was der Gläubiger von dem Rückgriffsberechtigten erhalten könnte, kann er von ihm als Mitschuldner ohnehin verlangen. Seinen Anspruch kann er sichern durch Pfändung des Anspruchs des Regressberechtigten auf Auszahlung der Quote auf seine Regressforderung.375 Der hier vertretenen materiell-rechtlichen Lösung kann nicht entgegengehalten werden, das Verbot, den Gläubiger zu benachteiligen, bewirke schon eine Beschränkung bei der An371 RGZ 83, 401 ff; BGHZ 27, 54; 92, 374, 380; OLG Jena FamRZ 2012, 372, 373; OLG Nürnberg BB 1964, 237 (Ls); Hofmann BB 1964, 1398 f; Künne KTS 1957, 58 f; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 43 Rn 12; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 25; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 39; FK/Bornemann InsO9 § 43 Rn 17; Enneccerus/Lehmann SchuldR15 § 194 I 1 b; MünchKomm/Habersack BGB8 § 774 Rn 15; Staudinger/Looschelders (2017) § 426 Rn 200; Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz2 Rn 208. AA Häsemeyer InsR4 Rn 17.06; ders KTS 1993, 151, Rn 17 ff; v Olshausen KTS 2005, 403, 423, der rein materiell-rechtlich argumentiert und auch auf den Wortlaut von § 43 nicht eingeht. 372 RGZ 83, 401 (offen gelassen BGHZ 92, 374); MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 29; Staudinger/Looschelders (2017) § 426 Rn 200; Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz2 Rn 275 ff. AA Häsemeyer InsR4 Rn 17.06. 373 RGZ 83, 401; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 29; Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz2 Rn 291. 374 Staudinger/Looschelders (2017) § 426 Rn 200; MünchKomm/Habersack BGB8 § 774 Rn 15. 375 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 30. 195

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

spruchsdurchsetzung, sodass der Insolvenzverwalter die Quote des Rückgriffsberechtigten um den Nachteilsbetrag zu Gunsten des Gläubigers zu kürzen hätte (verfahrensrechtliche Lösung).376 Gegen eine solche Lösung spräche, dass der Betrag, der an den Rückgriffsberechtigten ausgezahlt werden darf, sich nicht aus der Tabelle ableiten lässt, weil er von der Quote abhängig ist. Die Berechnung, die der Insolvenzverwalter für die Auszahlung vorzunehmen hat, ist damit den Garantien des Forderungsfeststellungsverfahrens entzogen. 112 Der Nachteil, den der Gläubiger mit der Teilnahme des Regressberechtigten erleiden kann, lässt sich über die Vertragsgestaltung ausschließen. So kann zB durch eine Ausfallbürgschaft mit der Vereinbarung, dass der Bürge erst zahlen muss und erst zahlen darf (vgl § 271 II BGB), wenn der Ausfall des Gläubigers feststeht (s § 43 Rn 28), eine Konkurrenz des Bürgen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners ausgeschlossen werden.377 Wird bei einer derartigen Ausfallbürgschaft schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Teilleistung vom Bürgen bewirkt, aber vom Gläubiger nur unter Vorbehalt seiner Rechte, dh als Vorschuss zur Sicherung der künftigen Erfüllung angenommen, bleibt dem Gläubiger das Recht zur Vollanmeldung und zum Widerspruch gegen eine konkurrierende Beteiligung des Bürgen am Verfahren gewahrt.378 Einen entsprechenden Schutz bietet auch bei der gewöhnlichen Bürgschaft die unter den Parteien des Bürgschaftsvertrages getroffene Vereinbarung, dass der Bürge erst dann berechtigt sein soll, den Gläubiger zu befriedigen, wenn dieser die Befriedigung verlangt.379 Auch hier braucht der Gläubiger eine Vorauszahlung nur als Sicherheitsleistung anzunehmen. Dagegen gewährt die in Bürgschaftsverträgen zu Gunsten einer Bank enthaltene Abrede, dass irgendwelche Rechte der Bank erst dann auf den Bürgen übergehen, wenn die Bank für ihre Ansprüche gegen den Hauptschuldner vollständig befriedigt ist, schon deshalb nur einen unsicheren Schutz, weil diese zwischen Gläubiger und Bürgen getroffene Übereinkunft den Erstattungsanspruch nicht trifft, der dem Bürgen aus dem Innenverhältnis zwischen Schuldner und Bürgen erwächst.380 Diesen Nachteil kann die Bank vermeiden, wenn sie mit dem Bürgen vereinbart, dass dessen Zahlungen bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers nur als Sicherheitsleistung gelten.381 Denn dann kann auch die Regressforderung des Bürgen aus dem Innenverhältnis zum Hauptschuldner nicht entstehen, weil diese die Tilgung der Forderung des Gläubigers voraussetzt.

113 d) (Teil-)Befriedigung des Hauptgläubigers nach Verfahrenseröffnung. Durch Vollzahlung während des Insolvenzverfahrens löst der Rückgriffsgläubiger den Hauptgläubiger in seiner bisherigen Rechtsstellung ab. Ein mit der Hauptforderung verbundenes Absonderungsrecht kommt auch dem Rückgriffsgläubiger zustatten (§§ 412, 401 BGB). Eine erst durch die Zahlung während des Insolvenzverfahrens erworbene Aufrechnungslage berechtigt jedoch nicht zur Aufrechnung.382 Als Vollzahlung kann auch die Leistung des Mitschuldners oder Bürgen zu behandeln sein, der nur auf einen Teilbetrag der gesamten Schuld haftet und diesen nach Verfahrenseröffnung voll tilgt.383 Der Gläubiger muss dann seine Anmeldung um den 376 377 378 379 380

Nachw für diesen Ansatz bei Henckel Voraufl § 38 Rn 118. Vgl Staub/Ratz HGB3 § 349 Anm 40, 64. RG Recht 1905, 312 Nr 1445. Hopmann LZ 1912, 735. OLG Hamburg LZ 1912, 410 (Nöldeke); Hopmann LZ 1912, 731 f; Klett Der Schutz des Bürgen unter besonderer Berücksichtigung der Formularpraxis der Kreditinstitute S 168; s auch Schäfer Bankkontokorrent und Bürgschaft S 162 ff. 381 BGHZ 92, 374, 381; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 32, 41, § 44 Rn 30; Häsemeyer KTS 1993, 151, 177 f hält die Klausel vertragsrechtlich für unwirksam (§ 9 AGBG); erhebliche Bedenken gegen die Klausel auch bei Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz2 Rn 305 ff. 382 BGH KTS 1962, 166 = NJW 1962, 1201; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 13; Mohrbutter NJW 1968, 1125 f; s näher zu § 96. 383 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 37; zu den unterschiedlichen Fallgestaltungen und einem vermeintlichen Meinungsstreit s § 43 Rn 18 ff. Eichel

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empfangenen Betrag kürzen. Der Rückgriffsberechtigte kann seinen Rückgriffsanspruch geltend machen.384 Wenn der Mitverpflichtete des Insolvenzschuldners dem Hauptgläubiger erst während des Insolvenzverfahrens eine Teilbefriedigung gewährt, gestaltet sich die Lage des Hauptgläubigers wesentlich günstiger als im Vergleich zur Teilzahlung vor Verfahrenseröffnung (oben Rn 111). Nach dem Grundsatz des § 43 darf der Gläubiger, dem zwei Personen nebeneinander für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, im Insolvenzverfahren des einzelnen Mitschuldners den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch ungetilgten Forderungsbetrag bis zur Vollbefriedigung weiterhin in unverminderter Höhe geltend machen, also ungeachtet einer während des Insolvenzverfahrens erlangten Teilzahlung noch für den ganzen Betrag die Insolvenzquote beziehen.385 Das gilt zB für die Zahlung des Bürgen oder eines anderen Mitschuldners während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners (§ 43 Rn 18 ff). Die Hauptforderung wird, bis sie voll befriedigt ist, in Höhe der Anmeldung berücksichtigt. Der Mitverpflichtete, der die Teilleistung während des Insolvenzverfahrens erbringt, kann seinen Teilrückgriff nicht zum Nachteil des Hauptgläubigers geltend machen. Der Hauptgläubiger verdrängt mit seiner Forderung in der Höhe, in der sie bei Verfahrenseröffnung bestand, den Rückgriffsgläubiger, da die einmalige Haftung im Insolvenzverfahren des Schuldners nur einmal verwirklicht werden und die Teilleistung des Rückgriffsberechtigten sich nicht zum Vorteil anderer Insolvenzgläubiger auswirken darf (§ 43 Rn 5), gleichgültig, auf welcher Anspruchsgrundlage das Rückgriffsrecht beruht. Erst wenn der ganze Hauptanspruch getilgt ist, gebührt der Quotenüberschuss dem Rückgriffsgläubiger. Wenn zB der im Insolvenzverfahren des Schuldners angemeldete Hauptanspruch sich auf 1 000 A beläuft, der Bürge nach Verfahrenseröffnung 900 A zahlt, auf den Berücksichtigungsbetrag von 1 000 A dann insgesamt 200 A als Quote entfallen, erhält der Hauptgläubiger zunächst noch 100 A, der Bürge aber als Erwerber der Hauptforderung die weiteren 100 A. So wird die Hauptforderung, die zwei Personen nacheinander zusteht, nur einmal, aber eben voll berücksichtigt. Da trotz der vom Rückgriffsgläubiger während des Verfahrens geleisteten Teilzahlung die Hauptforderung in voller Höhe weiter berücksichtigt wird, kann es vorkommen, dass der Hauptgläubiger auf Kosten des Rückgriffsgläubigers zu viel bezieht. Wenn der Gläubiger sich am Insolvenzverfahren beteiligt, kann die Rückgriffsforderung mit- 114 hin nicht zur Tabelle angemeldet werden; sie ist zwar Insolvenzforderung gemäß § 38, aber § 44 steht dem entgegen.386 Es bestünde auch kein Bedürfnis, sie als möglicherweise entstehende Forderung anzumelden. Denn wenn der Gläubiger von dem Rückgriffsberechtigten allein oder von diesem und aus der Masse voll befriedigt wird, geht dessen Forderung auf den Rückgriffsberechtigten über, bzw rückt dieser in die haftungsrechtliche Rechtsstellung des Gläubigers ein, sodass es einer Neuanmeldung nicht bedarf.387 Beteiligt sich der Gläubiger hingegen nicht am Insolvenzverfahren, so besteht eine unbedingte Forderung, soweit der Rückgriffsberechtigte Teilleistungen erbracht hat, im Übrigen aber ein Befreiungsanspruch, der nach Maßgabe des in Rn 70 ff Ausgeführten zu behandeln ist.

4. Rückgewähransprüche Rückgewähransprüche, welche infolge einer Rückabwicklung eines Rechtsverhältnisses entstehen, 115 sind idR in diesem Rechtsverhältnis aufschiebend bedingt angelegt, sodass sie Insolvenzforderung 384 BGH KTS 1960, 140, 141 = NJW 1960, 1295; KTS 1969, 233, 234 f = NJW 1969, 796; Jaeger Lehrbuch8 § 11 V; Bley/ Mohrbutter VglO4 § 32 Rn 13; Mohrbutter Handb2 § 68 I 2 b, c. 385 RGZ 8, 290, 293; RGZ 52, 169, 171; RG LZ 1908, 458; BGHZ 27, 54 = NJW 1958, 787; BGH ZIP 2009, 243 Rn 14; Hofmann BB 1964, 1398 f; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 37; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 23; Staudinger/ Looschelders (2017) § 421 Rn 139. Gleiches gilt für die in Gestalt einer Wechselverpflichtung vollzogene Verbürgung (KG OLGRspr 25, 335). 386 S oben Rn 104. AA Henckel Voraufl § 38 Rn 121. 387 BFH ZIP 2014, 737 Rn 28; Jaeger/Weber KO8 § 142 Rn 4; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 9. 197

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sind, selbst wenn die Rückabwicklung des bei Verfahrenseröffnung existenten Rechtsverhältnisses erst während des Insolvenzverfahrens erfolgt. Das entspricht den oben dargelegten Grundsätzen (Rn 91 ff), wonach die Bedingungen für die Entstehung der Ansprüche bei Verfahrenseröffnung so festgelegt sein müssen, dass der Schuldner auf diese Grundlegung keinen Einfluss mehr hat. Ansprüche auf Übertragung von Grundschulden nach Rücktritt vom Übergabevertrag sind folglich zur Zeit der Verfahrenseröffnung begründet (§ 38), selbst wenn der Rücktritt erst nach Eröffnung erklärt wurde.388 Wenn die auf Grundlage eines Verwaltungsakts gewährte Leistung zurückgefordert wird, weil der VA nach Verfahrenseröffnung widerrufen wird, liegt der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des § 49a VwVfG bereits bei Verfahrenseröffnung als aufschiebend bedingter Anspruch iSv § 38 vor.389 Das gilt selbst dann, wenn der Widerrufsgrund erst nach Verfahrenseröffnung eintritt, solange nicht ausnahmsweise das persönliche Verhalten des Insolvenzschuldners den Widerrufsgrund bilden würde.390 Bereicherungsansprüche zur Rückabwicklung von Darlehensverträgen, welche gemäß einer nach Verfahrenseröffnung ergehenden Entscheidung der Kommission eine unionsrechtswidrige Beihilfe391 sind, stellen Insolvenzforderungen dar,392 und zwar selbst dann, wenn eine solche Entscheidung nur ex nunc wirken würde. Insolvenzforderungen sind ebenso die Rückforderung von vor Verfahrenseröffnung gewährten Investitionszulagen nach den Investitionszulagengesetzen 1996, 1999, 2005, 2007 oder 2010, wenn die Voraussetzungen für die Zulage (§ 2 InvZulG) erst während des Insolvenzverfahrens wegfallen.393 Deshalb ist der Rückforderungsanspruch aus § 14 InvZulG 2010 iVm § 175 AO394 haftungsrechtlich bereits von der Gewährung der Zulage an als aufschiebend rechtsbedingte Forderung begründet.395

5. Schuldanerkenntnis, Kontokorrent 116 a) Schuldanerkenntnis. Eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Forderung gegen den Schuldner verliert ihre Eigenschaft als Insolvenzforderung nicht dadurch, dass sie nach Verfahrenseröffnung vom Insolvenzverwalter bestärkt wird, etwa durch ein vertragliches Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB).396 Die abstrakte Forderung aus dem vom Insolvenzverwalter abgegebenen Schuldanerkenntnis ist keine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 I Nr 1, obwohl sie erst nach Verfahrenseröffnung entsteht. Das Schuldanerkenntnis ist darauf ausgerichtet, schuldverstärkend zu wirken, indem es Grund und Höhe der Insolvenzforderung außer Streit stellt; es soll nicht die Gleichbehandlung der Gläubiger durchbrechen. Obwohl es sich zivilrechtlich um eine selbstständige Forderung handelt, findet sie iSv § 38 ihre Grundlage in der Insolvenzforderung, mit der sie wegen § 812 II BGB auch zivilrechtlich zusammenhängt. Sie war daher schon zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung begründet.

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BGH ZIP 2016, 828 Rn 20. BVerwG ZIP 2015, 1182 Rn 15; Mielke/Hermann ZIP 2018, 1621, 1625; Bornheimer/Krumm KTS 2008, 145, 150. Birkemeyer/Meyer NJW 2015, 2300, 2301 f; RGZ 59, 53. Zur Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen in der Insolvenz Beckmann Die Rückforderung gemeinschaftsrechtswidriger staatlicher Beihilfen (1996); ders ZInsO 2002, 693 ff; Koenig BB 2000, 573; Ehricke ZIP 2000, 1656; Rapp/ Bauer KTS 2001, 1 ff; Smid in FS Uhlenbruck (2000) S 405 ff; von der Lühe/Lösler ZIP 2002, 1752; Klein DZWIR 2003, 89; Geuting/Michels ZIP 2004, 12 ff; Steindorff ZHR 152 (1988), 474 ff; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 123; s auch § 39 Rn 104. 392 BGH ZIP 2007, 1760; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 53. 393 Ausführlich Henckel Voraufl § 38 Rn 148. 394 Beispiel: FG Münster EFG 1996, 771 (Betriebsaufspaltung); zu den Voraussetzungen der Rückforderung im Einzelnen Haunhorst DB 1999, 1424 ff. 395 BFH BStBl II 1978, 204 = NJW 1978, 559; Haunhorst DB 1999, 1424, 1426; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 123; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 56; anders noch BFH BStBl II 1971, 582 Nr 299; vgl Rosenau KTS 1972, 151 f. 396 RG JW 1890, 114; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 10; K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 8. Eichel

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b) Kontokorrent. Das zum Anerkenntnis Gesagte gilt entsprechend für einen Vertrag, mit dem der 117 Insolvenzverwalter einen zugunsten des Gläubigers bestehenden Saldo aus einem Kontokorrentverhältnis feststellt (§§ 355 ff HGB). Die Rechtsprechung spricht dem Vertrag, mit dem der Saldo festgestellt wird, Novationswirkung zu.397 Danach würden die einzelnen in das Kontokorrent eingestellten Forderungen und die kausale Saldoforderung mit dem Feststellungsvertrag erlöschen und durch den neuen Anspruch aus dem Feststellungsvertrag ersetzt. Die Folgerung, dass mit dem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter abgeschlossenen Feststellungsvertrag die alten, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen erlöschen und deshalb keine Insolvenzforderung bestünde, wäre aber unhaltbar und wird auch nicht gezogen.398 Hier zeigt sich, dass die Novationstheorie gerade für das Insolvenzverfahren keine annehmbare Konstruktion bietet. Das stößt auch in der Rechtsprechung auf Verständnis, die deshalb Umwege findet, aber noch nicht von der Novationstheorie abgerückt ist.399 In der Lehre zu § 355 HGB ist inzwischen die Gegenauffassung vorherrschend, wonach der Parteiwille beim Saldofeststellungsvertrag typischerweise nicht darauf gerichtet ist, die Einzelforderungen zu ersetzen, da die Parteien im Kontokorrent häufig ein besonderes Interesse an deren Fortbestehen haben.400 Er begründe zwar eine abstrakte Forderung; die kausale Saldoforderung bestehe aber fort, allerdings einredebehaftet, sodass sie nicht mehr ohne weiteres selbstständig geltend gemacht werden kann.401 Folgt man der Gegenauffassung, so ergibt sich für das Insolvenzverfahren Folgendes: Ist bei 118 der Eröffnung des Verfahrens noch keine Saldofeststellung erfolgt, kann der Gläubiger einen Aktivsaldo zur Tabelle anmelden. Schließt der Insolvenzverwalter mit dem Gläubiger nach Verfahrenseröffnung den Feststellungsvertrag, so ist zwar die kausale Saldoforderung einredebehaftet und kann als solche im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden. Die durch den Feststellungsvertrag entstandene abstrakte Forderung sichert aber denselben Wert wie die kausale. Zur Realisierung dieses Wertes haftet die Masse schon im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Deshalb ist auch die abstrakte Forderung Insolvenzforderung. Die Geltendmachung der abstrakten Forderung anstelle der kausalen ist keine Änderung der Anmeldung, sodass es keines neuen Prüfungstermins (vgl § 177) bedarf, wenn der Wert der abstrakten Forderung den der angemeldeten kausalen nicht übersteigt. Dass schon vor der Feststellung des Saldos eine kausale Saldoforderung besteht, ist für den 119 Zeitpunkt des Schlusses der Verrechnungsperiode unstreitig.402 Ist jedoch im Geschäftsvertrag403 vereinbart, dass die Saldoforderung jeweils als erster Posten der neuen Rechnungsperiode vorgetragen werden soll, so kann die kausale Saldoforderung ebenso wie die einzelnen Kontokorrentposten an sich nicht selbstständig geltend gemacht werden.404 Jedoch gilt dies nicht im Insolvenzverfahren des Schuldners der Saldoforderung. Denn nach hM endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

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BGHZ 26, 142, 150 = NJW 1958, 217; BGHZ 141, 116, 120 = NJW 1999, 1709; RGZ 82, 400, 404; 87, 434, 437. Bork Zahlungsverkehr in der Insolvenz (2002) Rn 62; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 48. BGH ZIP 1999, 626, 628 m Anm Canaris EWiR 1999, 707. Statt vieler: Oetker/Maultzsch HGB7 § 355 Rn 71; MünchKomm/Langenbucher HGB5 § 355 Rn 93. AA Düringer/Hachenburg/Breit HGB3 § 355 Rn 42; Ritter HGB § 355 Anm 5h; Staub/von Godin HGB2 § 355 Rn 5, 27 Ziff 11; Heymann/ Kötter HGB21 § 355 Anm 5; Röhricht/v Westphalen/Wagner HGB, § 355 Rn 34–36; Claussen Bank- und Börsenrecht2 (2000) § 5 Rn 60, 61; Schimansky in Bankrechts-Handb2 § 47 Rn 51, 52; Beitzke in FS von Gierke (1950) S 14; Ulmer Kontokorrent in Rvgl Hd-Wörterbuch V S 199; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 1648; RGZ 82, 400, 404; 87, 434, 437; 132, 218, 221; BGHZ 50, 277, 279; BGHZ 58, 257 ff = KTS 1972, 250 = Bl f G 1972, 139 m Anm Kessel = JuS 1972, 729 m Anm Bähr; BGHZ 80, 172, 176; BFH GrSen BB 1990, 2080. 401 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 195 ff; Oetker/Maultzsch HGB7 § 355 Rn 72; Hopt/Leyens HGB41 § 355 Rn 7. AA Kübler Feststellung und Garantie (1967) S 157 ff, 162 f und Blaurock NJW 1971, 2208 f. 402 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 195 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 48. 403 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 7, 9. 404 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 201. 199

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das Kontokorrentverhältnis,405 sodass der Geltendmachung der Saldoforderung nichts im Wege steht.406 Zu demselben Ergebnis führt die Auffassung Beitzkes,407 nach der nur die laufende Rechnungsperiode mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens enden soll. Denn da ein Vortrag auf eine neue Rechnungsperiode zu Lasten der Insolvenzmasse nicht möglich ist, kann die Saldoforderung sofort geltend gemacht werden. Auch nach der Ansicht von Canaris408 kann der Gläubiger den bei Verfahrenseröffnung zu seinen Gunsten bestehenden Saldo geltend machen. Canaris unterscheidet hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Folgen zwischen Verfügungs- und Verpflichtungswirkungen oder, kontokorrentrechtlich gesprochen, zwischen Kontokorrentabrede und Verrechnungsvertrag einerseits und dem schuldrechtlichen Geschäftsvertrag andererseits. Die Kontokorrentabrede hat zum Inhalt, dass die Forderungen der Kontokorrentpartner nicht selbstständig geltend gemacht und getilgt werden können, sondern mitsamt den Leistungen „zur Verrechnung gestellt“ werden. Sie ist ein „antezipierter Verfügungsvertrag“.409 Nach § 91 sind der Kontokorrentabrede nur diejenigen Forderungen unterworfen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.410 Durch den Verrechnungsvertrag wird die Verrechnung vollzogen.411 Dieser Vertrag kann für die Zukunft nur vom Insolvenzverwalter wirksam geschlossen werden, auch wenn schon vor Verfahrenseröffnung zwischen dem Insolvenzschuldner und dem anderen Teil ein vorweggenommener Verrechnungsvertrag zustande gekommen ist. Denn ein solcher antezipierter Verrechnungsvertrag, der auf den Ablauf der Verrechnungsperiode, nicht auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezogen ist, verliert mit der Verfahrenseröffnung nach § 91 seine Wirkung für die Zukunft.412 Auch nach dieser Ansicht hat der Kontokorrentpartner des Insolvenzschuldners bei positivem Saldo zu seinen Gunsten eine sofort fällige Insolvenzforderung, die er beim Insolvenzverwalter anzumelden hat.413 Dass Canaris im Gegensatz zur hL bei aktivem Saldo zugunsten der Masse auf den schuldrechtlichen Geschäftsvertrag die Vorschrift des § 103 anwenden will,414 ist bei positivem Saldo für den Insolvenzgläubiger ohne Bedeutung.415 Nach der von der hL abweichenden Theorie vom Staffelkontokorrent416 vollzieht sich die 120 Verrechnung bereits in dem Zeitpunkt, in dem sich zwei Posten verrechnungsfähig gegenüber stehen. Da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Geltendmachung des Aktivsaldos als Insolvenzforderung kein aus der Kontokorrentabrede herzuleitendes Hindernis mehr entgegensteht, kann auch nach dieser Ansicht der Gläubiger seinen Aktivsaldo zur Tabelle anmelden. Von erheblicher Bedeutung für die insolvenzrechtliche Abwicklung ist die Frage nach dem Ver121 hältnis, in dem die Saldoforderung zu den einzelnen in das Kontokorrent eingestellten Forderungen steht. Die Fragen, ob ein Gläubiger wegen der Saldoforderung absonderungsberechtigt (§§ 49 ff) ist, wenn in das Kontokorrent eine durch ein Absonderungsrecht gesicherte Forderung ein405 RGZ 125, 411, 416; 149, 19, 25; 162, 244, 245; BGHZ 58, 108, 111; 70, 86, 93; jedenfalls hinsichtlich der antizipierten Verfügungs- und Verrechnungsvereinbarungen: BGHZ 74, 253 ff; Hopt/Leyens HGB41 § 355 Rn 23; Oetker/Maultzsch HGB7 § 355 Rn 85; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 48; vgl auch Bley/Mohrbutter VglO4 § 25 Rn 37 zu b. AA Herz Das Kontokorrent, Diss Tübingen (1974); Seifert Kontokorrent im Konkurs, Diss Göttingen (1965); Zwicker KTS 1978, 76 ff, die – mit unterschiedlicher Begründung – für eine nach dem jeweiligen Kontostand differenzierende Lösung plädieren. 406 Häuser in Zweiter Leipziger Insolvenzrechtstag, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis zu Problemen des Insolvenzrechts, hrsg von Ch Berger ua (2001) S 16. 407 Beitzke in FS von Gierke (1950) S 21 ff, 26. 408 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 246. 409 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 14, 243. 410 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 244. 411 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 15. 412 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 245; Oetker/Maultzsch HGB7 § 355 Rn 85. 413 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 246. 414 Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 252. 415 Näher dazu bei § 103 und Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 25. 416 OLG Celle WM 1960, 1398; Göppert ZHR 102, 161 ff und 103, 318 ff; Herz Das Kontokorrent, Diss Tübingen (1974) S 66 ff, 72 ff; Krapf Der Kontokorrentvertrag (1936) S 189 ff; Nebelung NJW 1953, 449 f; Völp NJW 1955, 819; OLG Celle WM 1960, 208; die hL verlangt für ein Staffelkontokorrent eine besondere, von der Regel abweichende Vereinbarung. Eichel

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gestellt ist, oder ob ein Gläubiger mit der Kontokorrentsaldoforderung gegen eine nicht kontokorrentfähige Forderung des Insolvenzschuldners aufrechnen kann, obwohl die Saldoforderung erst in der anfechtungsrechtlich kritischen Zeit (§§ 96 Nr 3, 129 ff) entstanden ist, während die Einzelforderungen diesem Aufrechnungsverbot nicht unterliegen, sind durch § 356 HGB nicht abschließend geklärt. Zwar besteht heute Einigkeit, dass als Sicherheit iS dieser Vorschrift auch die Aufrechnungsmöglichkeit417 anzusehen ist und § 356 HGB auch auf Absonderungsrechte, die nicht auf Pfandrechten beruhen (§ 51), anzuwenden ist.418 Das ist gerechtfertigt, weil die Aufrechnungslage und die Absonderungsrechte Haftungsvorzugsrechte sind, solche Rechte aber gerade von § 356 HGB erfasst werden sollten. Streitig ist jedoch, inwieweit die Saldoforderung durch Absonderungsrechte oder durch eine Aufrechnungsbefugnis gesichert ist, wenn nur einzelne in das Kontokorrent eingestellte Forderungen durch Absonderung oder Aufrechnungsbefugnis verstärkt sind. Die Rechtsprechung beantwortet diese Frage mit dem Grundsatz der Haftung für den niedrigsten anerkannten Saldo. Hat also der Insolvenzschuldner für eine Kaufpreisforderung des Gläubigers in Höhe von 10 000 A Kundenforderungen zur Sicherheit abgetreten, so soll der Gläubiger in vollem Umfange absonderungsberechtigt sein, wenn der anerkannte Saldo am Schluss der auf die Einstellung der Kaufpreisforderung in das Kontokorrent folgenden Rechnungsperioden niemals 10 000 A zugunsten des Insolvenzgläubigers unterschritten hat. Der Insolvenzverwalter könne demgegenüber nicht einwenden, dass die Kaufpreisforderung inzwischen längst getilgt sei.419 Hiergegen erhebt ein Großteil der Lehre im Anschluss an Canaris420 beachtenswerte Einwendungen. Nach dieser durch die Entstehungsgeschichte des § 356 HGB gedeckten Auffassung bezieht sich diese Vorschrift auf die Anerkennung des Kontokorrentabschlusses, nicht dagegen auf die Verrechnung. Sie soll also sicherstellen, dass die abstrakte Forderung aus der Anerkennung in gleicher Weise gesichert ist wie die kausale Saldoforderung, die sich aus der Verrechnung der einzelnen Posten ergibt. § 356 HGB sagt danach nichts darüber aus, ob eine in das Kontokorrent eingestellte Forderung und die für sie bestehenden Sicherungs- und Vorzugsrechte nach der Verrechnung noch bestehen, ob und in welchem Umfange also die kausale Saldoforderung gesichert ist. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie die kausale Saldoforderung sich nach der Verrechnung zusammensetzt. Auch dies ist streitig. Die Rspr folgt der Theorie der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung.421 Danach würden die Einzelforderungen und die für sie bestehenden Sicherheiten in dem Verhältnis erlöschen, in dem die Summe der einzelnen Aktivposten des Schuldners zu der der einzelnen Aktivposten des Gläubigers steht. Diese kaum interessengerechte Lösung422 sucht die Rspr eben dadurch zu vermeiden, dass sie im Rahmen des § 356 HGB die Theorie der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung überspielt und verdrängt, indem sie die Sicherheiten und Vorzugsrechte im Umfang des niedrigsten anerkannten Saldos bestehen lässt. Auch die Lehre vom Staffelkontokorrent würde – konsequent durchgeführt – zu unangemessenen Ergebnissen führen, weil nach ihr die Sicherheiten und Vorzugsrechte sogleich erlöschen würden, wenn aufgrund einer einzigen Buchung das Konto ausgeglichen ist oder für den späteren Insolvenzgläubiger ein negativer 417 BGH WM 1955, 1164 Sp 2; OLG Hamburg MDR 1954, 486; MünchKomm/Langenbucher HGB5 § 356 Rn 8; Hopt/Leyens HGB41 § 356 Rn 1; Schlegelberger/Hefermehl HGB5 § 356 Rn 8; Staub/Canaris HGB4 § 356 Rn 33. 418 OLG Stuttgart Recht 1907, 656; Staub/Canaris HGB4 § 356 Rn 32 f. 419 RGZ 76, 330, 334; 87, 434, 438; 136, 178, 181; RG SeuffArch 82 Nr 129, 220; RG HRR 1935 Nr 802; RG WarnRspr 1935 Nr 153, 318; BGHZ 26, 142, 150; 50, 277, 284; BGH WM 1961, 1046, 1047 zu I; WM 1972, 283, 284 zu II 1; BGH NJW-RR 1991, 562 = WM 1991, 495; Schlegelberger/Hefermehl HGB5 § 356 Rn 14 ff; Röhricht/v Westphalen/Haas/Steimle/ Dornieden HGB5 § 356 Rn 9 f; Schmieder in Bankrechts-Handb5 § 47 Rn 88. 420 Staub/Canaris HGB4 § 356 Rn 14 ff; MünchKomm/Langenbucher HGB5 § 356 Rn 13; Oetker/Maultzsch HGB7 § 356 Rn 16 f; K Schmidt Handelsrecht5 § 21 V 2 b; Straube/Schumacher HGB2 § 56 Rn 5; Staub/Herget HGB § 356 Rn 8; P Bydlinski Die Bürgschaft im österreichischen und deutschen Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht (1991) S 119 f; Meinhardt Beendigung der Haftung aus Bürgschaften eines Gesellschafters oder Geschäftsführers bei dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft? (1990) S 134 ff. 421 RGZ 56, 19, 24; 59, 192, 193; 132, 218, 219; 164, 212, 215; JW 1905, 186 Nr 39; Bank Arch 30, 230 und 31, 86; BGHZ 49, 24, 30; BGH ZIP 1999, 626 = NJW 1999, 1710 (Turmdrehkran) unter 2 b) bb; Koenige/Teichmann/Koehler HGB4 § 355 Rn 4; Schmieder in Bankrechts-Handb5 § 47 Rn 83. 422 Schlegelberger/Hefermehl HGB5 § 355 Rn 56. 201

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Saldo entsteht. Um dieser Folge zu entgehen, interpretieren die Vertreter dieser Lehre, soweit sie das Problem behandeln, § 356 HGB ebenso wie die hL, also nach dem Grundsatz der Haftung für den niedrigsten Saldo.423 Im Bankgiroverkehr taucht das Problem freilich nicht auf, weil nach Nr 14 II, 15 IV der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken alle Sicherheiten für alle Forderungen haften. Im Gegensatz zur hL und zur Lehre vom Staffelkontokorrent wendet Canaris424 die §§ 366, 396 BGB analog an. Danach sind zunächst bestimmte Leistungen auf bestimmte Forderungen zu verrechnen, sofern der Leistende dies festlegt. Eine konkludente Festlegung liegt insbesondere in der Zahlung von Raten oder unrunden Summen. Wird keine Bestimmung getroffen, so gelten nach § 366 II BGB die gesicherten und mit Vorzugsrechten ausgestatteten Forderungen erst nach den ungesicherten als getilgt, sodass im Zweifel vom Fortbestand der Sicherheiten auszugehen ist. Diese Auffassung wird zwar häufig zu demselben Ergebnis führen wie die Rechtsprechung. Dort aber, wo die Ergebnisse abweichen, führen sie zu interessengerechteren Lösungen als der von der Rspr angewendete Grundsatz der Haftung für den niedrigsten anerkannten Saldo.425

6. Nutzungen 122 Ob Nebenansprüche auf Nutzungen einer Insolvenzforderung, insbesondere Zinsen, schon mit dem Stammrecht entstehen oder erst mit Ablauf der jeweiligen Zinsperiode, ist angesichts der Regelung des § 39 I S 1 Nr 1 belanglos. Unabhängig davon, ob man sie schon als vor der Verfahrenseröffnung begründet ansieht oder nicht, sind die seit Eröffnung des Verfahrens laufenden Zinsen nachrangige Insolvenzforderungen. Für gegenseitige Verträge, die auf Gewinnung von Nutzungen gerichtet sind, gelten die Sondervorschriften der §§ 103 ff. Ansprüche auf Ersatz bzw Herausgabe von Nutzungen nach §§ 818 I, 987, 988, 993 BGB entstehen erst, wenn die Nutzungen gezogen werden. Zieht sie der Insolvenzverwalter für die Masse, so liegt – unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Begründung – eine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 1 oder Nr 3 vor.

7. Insolvenzforderungen kraft Rechtsscheins 123 Insolvenzforderungen können nach Verfahrenseröffnung auch kraft guten Glaubens entstehen, soweit dieser beim Erwerb von Forderungen geschützt ist. Eine zum Schein begründete Forderung (§ 117 BGB), über die der Schuldner eine Urkunde ausgestellt hat, kann vom Zessionar des Scheingläubigers als vollwirksame Forderung erworben werden, es sei denn, dass der Zessionar bei der Abtretung den Sachverhalt, der die Nichtigkeit nach § 117 BGB begründet, kannte oder kennen musste (§ 405 BGB). Hat der Insolvenzschuldner die Urkunde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgestellt und ist sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ohne seinen Willen426 an den Scheingläubiger gelangt, so erwirbt der Zessionar die Forderung von dem Scheingläubiger als Insolvenzforderung, auch wenn sie erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetreten wird, sodass erst jetzt das Forderungsrecht entsteht. § 81 greift dem Verkehrsschutz nicht vor, weil die rechtsscheinbegründende Handlung des Schuldners, dh die Besitzverschaffung an der Urkunde, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat.427 Der Verkehrsschutz 423 Krapf Der Kontokorrentvertrag (1936) S 137; Kühne Die verschiedenen Formen von Kontokorrentverhältnissen, Diss Hamburg (1958) S 113 f. Anders jedoch Herz Das Kontokorrent (1994) S 70 f, 110–114, der befürwortet, dass Sicherheiten und Vorzugsrechte durch eine einzelne ausgleichende Buchung erlöschen. 424 Staub/Canaris HGB4 § 356 Rn 27, § 355 Rn 154 ff. 425 Zur Behandlung unvollkommener (unklagbarer) Verbindlichkeiten im Kontokorrent s Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 160 ff. 426 Soergel/Schreiber BGB13 § 405 Rn 2. 427 RGZ 87, 420 ff; Jaeger JW 1916, 396 zu Nr 3; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 3 Rn 31; Bley/Mohrbutter VglO4 § 25 Rn 42; vgl auch MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 91. Eichel

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des § 405 BGB deckt aber nur den Nichtigkeitsgrund des § 117 BGB, nicht zB auch den des Wuchers (§ 138 II BGB), nicht die Nachrangigkeit der Forderung nach § 39 Nr 4 oder 5, auch nicht die Anfechtbarkeit der Zuwendung zB nach § 133 InsO.428 Ebenso wenig könnte infolge der Verkehrsschutzvorschriften der §§ 1138, 1157, 2366 f BGB eine im Insolvenzverfahren des persönlichen Schuldners verfolgbare Forderung während dieses Verfahrens neu entstehen. Eine früher vertretene Gegenauffassung429 hatte verkannt, dass § 1157 BGB sich auf den Erwerb der Hypothek bezieht, die keine Insolvenzforderung, sondern ein Absonderungsrecht begründet. Einen gutgläubigen Erwerb der hypothekarisch gesicherten Forderung sieht § 1138 BGB bekanntlich nicht vor. Inhaberschuldverschreibungen, die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzver- 124 fahrens ausgestellt, aber zu dieser Zeit noch nicht in Verkehr gelangt sind, begründen auch nach der modifizierten Kreationstheorie430 noch keine Verbindlichkeit. Erwirbt aber ein Gutgläubiger das Eigentum am Papier, das nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Willen des Ausstellers und des Insolvenzverwalters in Verkehr gelangt ist (vgl § 794 BGB), so entsteht das Gläubigerrecht und begründet eine Insolvenzforderung. Die heute herrschende, zur Rechtsscheintheorie fortentwickelte Vertragstheorie431 geht ebenfalls davon aus, dass mit der Ausstellung der Urkunde noch keine Verpflichtung begründet wird. Diese entsteht grundsätzlich erst mit dem Begebungsvertrag, jedoch auch schon dann, wenn der Aussteller in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer Verpflichtung begründet hat. Dieser Rechtsschein wirkt zugunsten des redlichen rechtsgeschäftlichen Zweiterwerbers, der das Recht in der Person seines Vormannes entstanden glaubt. Der Rechtsschein wird durch die in zurechenbarer Weise vorgenommene Ausstellung der Urkunde erzeugt und nicht etwa dadurch, dass der Aussteller – etwa durch unsorgfältige Aufbewahrung – die Möglichkeit fördert, dass die Urkunde in Verkehr gelangt. Der redliche Zweiterwerber, der das Papier nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekommen hat, erwirbt deshalb eine Insolvenzforderung, weil der für sein Gläubigerrecht maßgebende Rechtsschein vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist. Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter, der die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzschuldner ausgestellte Urkunde in Verwahrung hat, einen Diebstahl des Papiers nicht verhindert hat, bewirkt also nicht, dass der Rechtsschein ihm zugerechnet würde und damit eine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 1 entstünde. Ob eine wirksame Veräußerung der noch nicht ausgegebenen Papiere durch den Insolvenzverwalter ebenfalls nur Insolvenzforderungen begründet,432 kann wohl nur von der Kreationstheorie zwingend bejaht werden. Die Vertragstheorie müsste hier eine masseschuldbegründende (§ 55 I Nr 1) Handlung des Insolvenzverwalters annehmen. Die Frage kann dahingestellt bleiben, weil sie praktisch bedeutungslos ist. Zur Rechtsscheinthematik im Wechselrecht s Rn 190.

8. Vergütungsansprüche bei amtlicher Festsetzung oder Bewilligung Der Anspruch eines Vormunds, Pflegers oder Betreuers auf Vergütung für vor Verfahrens- 125 eröffnung erbrachte Leistungen (§ 1836 II BGB) ist entgegen der wohl noch hM Insolvenzforderung, selbst wenn die gerichtliche Bewilligung erst während des Insolvenzverfahrens erfolgt.433 Die Forderung entsteht zwar erst mit dem Gerichtsbeschluss, war aber schon vorher als rechtsbedingte Forderung begründet:434 Die Möglichkeit, dass eine solche Forderung zugunsten des 428 429 430 431 432 433

Jaeger JW 1916, 396, s aber § 145 II. Mentzel/Kuhn KO8 § 3 Rn 31; richtig Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 3 Rn 31. Ulmer Wertpapierrecht, S 388 ff; ders in FS Raiser (1974) S 225, 233 ff; Huber in FS Flume (1978) S 83, 99. MünchKomm/Habersack BGB8 Vor § 793 Rn 26, 31 mwN. So Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 21. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 31; Eichel Künftige Forderungen (2014) S 70. AA BGH Rpfleger 1954, 512; Henckel Voraufl § 38 Rn 89; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 97; Gottwald/Haas/Pechartscheck InsRHandb6 § 19 Rn 36. 434 KG KGJ 27 A, 179, 181. 203

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Vormunds entstehen konnte, ergibt sich nämlich bereits aus der vor Verfahrenseröffnung erfolgten Tätigkeit des Vormunds für den Mündel, ohne dass danach für die Forderungsentstehung ein weiterer Akt des Schuldners erforderlich ist.435 Die Ansprüche des Abwicklers einer Rechtsanwaltskanzlei iSv § 55 BRAO auf Vergütung, die durch die Rechtsanwaltskammer festgesetzt werden, stellen Insolvenzforderungen dar, selbst wenn die Festsetzung oder die entsprechenden Tätigkeiten nach Verfahrenseröffnung erfolgt sind.436 Der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters ist damit nicht vergleichbar, da dieser bereits mit der Tätigkeit, also vor Verfahrenseröffnung entstanden ist und insofern nur die Frage aufwirft, ob er nach § 54 privilegiert ist. Hierzu gilt: Der Anspruch ist kraft ausdrücklicher Anordnung des § 54 Nr 2 eine Masseforderung;437 wenn er allerdings aus einem abgeschlossenen Verfahren herrührt, so ist er in einem neuen Insolvenzverfahren gegen denselben Schuldner keine Masseschuld, da sich § 54 Nr 2 auf die im selben Verfahren entstandenen Kosten beschränkt, sodass die alte Vergütungsforderung eine gewöhnliche, bei Eröffnung entstandene Verbindlichkeit und damit eine Insolvenzforderung iSv § 38 ist.438 Für den Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger (§ 7 SchVG) oder desjenigen der Aktionäre im aktienrechtlichen Spruchverfahren s Rn 169.

VI. Bei Eröffnung noch nicht entstandene Forderungen (Beispiele nach Sachbereichen) 1. Arbeitsrecht 126 Zu den Grundlagen der Abgrenzung von § 38 und § 55 bei Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen s Rn 99. Arbeitsrechtliche Ansprüche sind häufig iSv § 38 begründet, selbst wenn sie erst nach Verfahrenseröffnung entstehen.439 Für die Abgrenzung zur Masseforderung kommt es insbesondere auf §§ 108 I S 1, III, 55 I Nr 2 Alt 2 an.440 Forderungen auf rückständiges Arbeitsentgelt für die Beschäftigung vor Verfahrenseröffnung sind Insolvenzforderungen (§ 108 III).441 Der aus einer vor Verfahrenseröffnung getroffenen Vereinbarung entspringende Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, welche nach Verfahrenseröffnung erfolgt, ist Insolvenzforderung und nicht Masseverbindlichkeit, wenn er wie idR kein Entgelt für danach noch erbrachte Arbeitsleistungen ist.442 Unschädlich ist, dass das BAG dabei offenlässt, ob lediglich die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs hinausgeschoben ist oder ob der Anspruch erst mit Beendigung des Arbeitsvertrags nach Insolvenzeröffnung entsteht,443 da es für § 108 I, III nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit bzw des Entstehens der Forderung ankommt.444 Soweit damit die Abfindungsforderung eine Insolvenzforderung iSv § 38 ist, welche nicht nach § 55 Nr 2 privilegiert ist, wird eine im Prozessvergleich durch den Verwalter zugesagte Abfindung nicht automatisch Masseforderung nach § 55 I Nr 1 Alt 1, wenn der Verwalter nur 435 436 437 438 439 440 441

Eichel Künftige Forderungen (2014) S 70. BGH ZIP 2020, 371; Kruth DStR 2020, 1340. BGH NJW 1992, 692 = ZIP 1992, 1020; Henckel Voraufl § 38 Rn 89. BGH ZIP 2008, 2371, 2372; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 31. Überblick über Arbeitnehmerforderungen bei Schelp NZA 2010, 1095. Dazu näher § 55 Rn 60 f. Braun/Bäuerle InsO9 § 38 Rn 15; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 84; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 41; Mues ArbRB 2013, 55, 56; vgl auch Mues/Müncheberg ArbRB 2019, 253. 442 BAG ZIP 2008, 374 Rn 20 f, m Anm Holzer EWiR 2008, 335; ZIP 2019, 777 Rn 22; NZI 2006, 716, 718; ZIP 2014, 37 Rn 35; ZInsO 2002, 998; ZIP 1999, 540; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 85; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 63; Braun/Bäuerle InsO9 § 38 Rn 21; Berkowsky NZI 2007, 23, 26; vgl auch oben Rn 98. AA Kania DStR 1996, 832 ff; Lohkemper KTS 1996, 1, 36; Warrikoff BB 1994, 2338, 2344. 443 BAG ZIP 1999, 540, 542. 444 § 55 Rn 60 f. Eichel

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mehr oder weniger zusagt, was sich aus den Grundlagen des Arbeitsverhältnisses ohnehin ergeben hätte; sie bleibt dann Insolvenzforderung.445 Zur Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG, nach § 113 BetrVG oder aus einem Sozialplan s § 55 Rn 73. Insolvenzforderungen sind auch die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung, soweit sie den vor Verfahrenseröffnung erdienten Anteil betreffen;446 allerdings ist hier der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung nach § 7 BetrAVG zu beachten.447 Unwiderrufliche Versorgungsanwartschaften begründen an sich bedingte Ansprüche auf Versorgung, die nur zur Sicherstellung berechtigen (§§ 191, 198), weil die Entstehung des Anspruchs von weiteren Voraussetzungen (Berufsunfähigkeit, Alter oder Tod) abhängt.448 Anderes gilt nur für die auf den Träger der Insolvenzsicherung nach § 9 II S 1 BetrAVG übergegangenen Versorgungsanwartschaften: Sie werden nach ausdrücklicher Vorschrift des § 9 II S 3 BetrAVG sogar als unbedingte Forderungen behandelt, die nach § 45 InsO geltend gemacht werden. Insolvenzforderungen sind auch die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Ansprüche auf wiederkehrende Deputate, wenn das zu Grunde liegende Arbeitsverhältnis etwa infolge Invalidisierung oder Erreichen der Altersgrenze vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet wurde und deshalb keine Gegenleistung des Arbeitnehmers mehr geschuldet ist.449 Diese Forderungen werden nach § 46 kapitalisiert. Insolvenzforderung ist gemäß § 108 III auch der Schadensersatzanspruch des § 628 II BGB, wenn das Arbeitsverhältnis vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden ist, selbst wenn das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses geführt hat, das ohne die Kündigung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestanden hätte.450 Hat hingegen der Insolvenzverwalter den wichtigen Grund für die nach Verfahrenseröffnung ausgesprochene Kündigung zu verantworten, ist der Schadensersatzanspruch aus § 628 II BGB eine Masseforderung nach § 55 I Nr 1.451 Zu weiteren arbeitsrechtlichen Fragen s § 55 Rn 58 ff.

2. Darlehensverträge Aus einem bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unerfüllten Darlehensversprechen des Insol- 127 venzschuldners erwächst dem Vertragspartner eine nachrangige Insolvenzforderung, wenn das Darlehen zinslos gewährt werden sollte. Ein zinsloses Darlehen ist Gewährung unentgeltlicher Kapitalnutzung auf Zeit.452 Wegen der zeitlichen Begrenzung ist es zwar keine Schenkung,453 jedoch beruht die Auszahlung der zinslos versprochenen Valuta auf einer Forderung aus einer Freigiebigkeit des Schuldners. Deshalb kann der Auszahlungsanspruch nach § 39 I Nr 4 nur als nachrangige Forderung im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden. Wird dagegen ein verzinsliches Darlehen versprochen, so handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, der nach §§ 103, 108 II zu behandeln ist.454

445 446 447 448

BAG NJOZ 2003, 1535, 1537; wN bei § 55 Rn 26 auch zur Gegenauffassung. BGH ZIP 2008, 279; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 66; Ganter NZI 2013, 769; s auch § 55 Rn 78. Gantenberg/Hinrichs/Janko ZInsO 2009, 1000, 1001 f. BGHZ 113, 207, 212; 136, 220 ff; F Weber AP § 61 KO Nr 9; Birkel/Obenberger BB 2011, 2051, 2056; inzwischen auch BAG ZIP 2021, 918 Rn 48 ff unter Abkehr von der früheren Rspr in BAGE 24, 204, 211; s auch § 45 Rn 12. 449 ArbG Düsseldorf KTS 1971, 121, 124. 450 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 75; BAG ZInsO 1999, 301. 451 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 195. 452 Vgl RGZ 16, 56. 453 Staudinger/Freitag BGB (2015) § 488 Rn 62; Soergel/Häuser BGB12 § 608 Rn 1 mit Ausnahmen. 454 Jaeger/Jacoby InsO2 Vor §§ 103–109 Rn 88; Staudinger/Freitag BGB (2015) § 607 Rn 47 und § 488 Rn 277. 205

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3. Erbrechtliche Forderungen 128 Zur Eigenschaft als persönlicher Anspruch s Rn 30. Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche sind Insolvenzforderung, wenn sie bei Verfahrenseröffnung begründet sind.455 Die Ansprüche aus Vermächtnissen und letztwilligen Auflagen sind nur, wenn der Erbfall zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eingetreten war, im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschwerten (§§ 2147, 2192 BGB) verfolgbar.456 In diesem Verfahren sind sie nicht Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung iSd § 39 I S 1 Nr 4,457 gehören also nicht zu den nachrangigen Forderungen. Im Nachlassinsolvenzverfahren werden Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen nach den nachrangigen Verbindlichkeiten des § 39 und nach den Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten erfüllt (§ 327 I Nr 2). Eine Anwartschaft aus bedingter Vermächtnisanordnung (§§ 2074, 2179 BGB) wird wie eine bedingte Insolvenzforderung behandelt. Für die Rechtsstellung des Anwärters sind daher, wenn der Erbfall vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, die §§ 77, 95, 191, 198 maßgebend.458

4. Familienrecht, insb Unterhaltsansprüche 129 Familienrechtliche Ansprüche können nur Insolvenzforderung sein, wenn es sich um persönliche Ansprüche iSv § 38 handelt (Rn 30). Unterhaltsansprüche sind allemal Insolvenzforderungen, wenn der rückständige Unterhalt (beachte § 1613 BGB) den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung betrifft, wenn der Unterhalt also vor Verfahrenseröffnung fällig war,459 und zwar auch dann, wenn das Unterstützungsbedürfnis vorzeitig endet (§§ 760 III, 1361 IV S 3, 1612 III, 1615a, 1585 I S 3 BGB).460 Als solche gelten auch noch die Unterhaltsansprüche für die Periode, die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig abgelaufen war, sodass bei einem monatlich bemessenen Unterhalt keine tagweise Aufteilung zu erfolgen hat.461 Wird also das Insolvenzverfahren am 10. eines Monats eröffnet, so ist der für diesen Monat am 1. fällige Unterhaltsanspruch (§ 1612 III BGB) in vollem Umfang Insolvenzforderung, der Anspruch für den folgenden Monat dagegen im Insolvenzverfahren nicht verfolgbar (§ 40) und auch von einer Restschuldbefreiung nicht betroffen (§ 301 I). Zu beachten ist allerdings, dass Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit nach materiellem Unterhaltsrecht nur unter besonderen Voraussetzungen geltend gemacht werden können (§§ 1613, 1615l III, 1360a III, 1361 IV, 1585b BGB). Diese Vorschriften sind auch anzuwenden, wenn ein Dritter anstelle des Insolvenzschuldners Unterhalt oder unterhaltsähnliche Leistungen gewährt hat und kraft Geschäftsführung oder gesetzlichen Forderungsübergangs (auch auf öffentliche Einrichtungen462) Rückgriff nimmt.463 Von einer Restschuldbefreiung werden Ansprüche auf rückständigen Unterhalt im von § 302 Nr 1 Var 2 festgelegten Umfang nicht betroffen.464 Was künftige Ansprüche auf Unterhalt für die Zeit nach Verfahrenseröffnung angeht, schließt § 40 sie 455 Vgl BGH ZIP 2006, 1258 Rn 32. 456 Jaeger/Windel InsO1 § 83 Rn 6. Zur Stellung der Nachlass- und Vermächtnisgläubiger bei Erwerb der Erbschaft nach Verfahrenseröffnung s Jaeger/Windel InsO1 § 83 Rn 7; Fischinger ZInsO 2013, 365; Marotzke in FS Otte (2005) S 223; Vallender NZI 2005, 318, 319. 457 Vgl Staudinger/Otte (2017) § 1939 Rn 4. 458 Soergel/Wolf BGB13 § 2179 Rn 3. 459 BGH FamRZ 2018, 1347 Rn 34 f; NZI 2005, 342, 344; BAG NZI 2010, 35, 36; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 29; Keller NZI 2007, 143; Janlewing FamRB 2011, 19, 23; s auch § 40 Rn 3. 460 Henckel Voraufl § 40 Rn 6. 461 BGH FamRZ 2018, 1347, 1351; Keller NZI 2007, 143. 462 § 33 I SGB II; § 94 SGB XII; § 95 SGB VIII; § 7 UVG; § 37 BaföG. 463 BGH NJW 1984, 2158 = FamRZ 1984, 775; BeckOK/Reinken BGB63 § 1613 Rn 3; Soergel/Häberle BGB12 § 1613 Rn 2, s aber auch § 1607 Rn 3. 464 K Schmidt/Henning InsO19 § 302 Rn 10 f; zu pauschal noch BGH NZI 2005, 342, 344 = NJW 2005, 1279, da zu alter Rechtslage. Eichel

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von der Teilnahme am Insolvenzverfahren aus; insoweit teilt der Unterhaltsberechtigte das Schicksal seines insolventen Schuldners (s § 40 Rn 6) mit der Folge, dass er sich wegen des künftigen Unterhalts nur an das freie Vermögen des Schuldners halten kann.465 Mangels Teilnahme am Insolvenzverfahren sind diese Forderungen auch nicht von einer allfälligen Restschuldbefreiung betroffen. Hatte der Schuldner den Unterhalt für den folgenden Monat schon vorausgezahlt, kann dieser für die Masse nur nach den Regeln über die Gläubigeranfechtung zurückgefordert werden. Soweit § 40 sachlich nicht anwendbar ist, können Unterhalts- bzw unterhaltsähnliche Forderungen, aber auch was die künftig fällig werdenden Ansprüche angeht, Insolvenzforderung sein, wenn sie die allgemeinen Anforderungen an „aufschiebend bedingte Ansprüche“ erfüllen (zu diesen allg Rn 91 ff).466 Ist anstelle einer Unterhaltsrente eine Kapitalabfindung geschuldet (§ 1585 II BGB), so ist § 40 nicht anwendbar, auch wenn der Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung fällig wird, sodass in vollem Umfang eine Insolvenzforderung vorliegt.467 Zu den Unterhaltsforderungen, auf die § 40 nicht anwendbar ist, gehören auch selbstständige Unterhaltsversprechen (näher § 40 Rn 3). Zu den Unterhaltsansprüchen aus unerlaubter Handlung s Rn 103. Der Anspruch aus einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entsteht nicht Monat für 130 Monat neu, sodass der Umstand, dass die Raten erst nach Verfahrenseröffnung fällig werden, an der Qualifizierung des Anspruchs als Insolvenzforderung nach § 38 nichts ändert (§ 41).468

5. Gesellschaftsrechtliche Ansprüche Der Anspruch aus § 303 AktG wird bereits durch den Abschluss des BGAV begründet und ist mit 131 diesem Zeitpunkt iSv § 38 begründet.469 Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer sind lediglich Insolvenzforderung, weshalb Absicherungen nötig sind.470 Kündigt der Insolvenzverwalter einer insolventen GmbH den Geschäftsführer, ist dessen Schadensersatz- eine Insolvenzforderung nach § 113 I S 3.471 Die Nachschusspflicht eines Genossen gegenüber der Genossenschaft bildet, solange die Genossenschaft selber noch nicht im Insolvenzverfahren steht, nur eine künftige, nicht eine aufschiebend bedingte Schuld des Genossen.472 Für den Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger (§ 7 SchVG) oder desjenigen der Aktionäre im aktienrechtlichen Spruchverfahren s Rn 169. Zu gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen in Abgrenzung zu mitgliedschaftlichen Rechten, welche nicht unter § 38 fallen, s ausführlich Rn 32–64. Zur Inhaberschuldverschreibung Rn 124.

6. Miete, Pacht und WEG Zu den Grundlagen der Abgrenzung von § 38 und § 55 bei Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnis- 132 sen s Rn 99. Ansprüche des Vermieters und des Verpächters auf den Miet- oder Pachtzins für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund von Verträgen, die über die Verfahrenseröffnung hinaus fortbestehen (§§ 108, 109), sind zwar iSv § 38 begründet, werden aber durch § 55 I Nr 2 zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet (dazu und zu weiteren mietrechtlichen Fragen § 55 Rn 52 ff). Die auf den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung entfallenden Ansprüche sind

465 466 467 468 469 470 471 472 207

Henckel Voraufl § 38 Rn 171; Keller NZI 2007, 143, 144; Paul DZWIR 2009, 186. BGH NZI 2012, 24. Näher und mN § 40 Rn 8. BGH FamRZ 2011, 1938, 1939 (mAnm Holzwarth). Klöckner ZIP 2011, 1454 Rn 5.1; zum Anspruch auch § 45 Rn 6 Fn 20. Trams NJW-Spezial 2017, 533. Uhlenbruck GmbHR 2005, 817, 818. BGH NJW 1964, 766, 767; RGZ 85, 212; 123, 248; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich GenG4 § 105 Rn 2. Eichel

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daher Insolvenzforderungen; die Miete, die beide Zeiträume abdeckt, ist anteilig aufzuteilen.473 Nebenkostenansprüche für die Zeit vor Verfahrenseröffnung sind als aufschiebend bedingte Ansprüche Insolvenzforderungen, auch wenn die Abrechnung erst während des Insovenzverfahrens erfolgt (§§ 41, 45 S 1 Var 2).474 133 Ist das Mietverhältnis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden, so sind der Rückgabeanspruch (§ 546 BGB) sowie alle anderen Abwicklungsansprüche bereits vor Eröffnung entstanden. Da sie nicht unter § 55 I fallen, sind sie Insolvenzforderungen; dass die Fälligkeit erst später eintritt, ist unschädlich (§ 41).475 Der Herausgabeanspruch des Vermieters begründet ein Aussonderungsrecht nur in demselben Umfang wie derjenige nach § 985 BGB. Im Übrigen bleibt der mietvertragliche Räumungsanspruch eine Insolvenzforderung (zur Aufwertung nach § 55 in Ausnahmefällen s § 55 Rn 54).476 Gleiches gilt für den Anspruch auf Rückerstattung der Kaution; ein Aussonderungsrecht entsteht allenfalls, wenn die Kaution auf einem ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmten Konto angelegt wurde.477 Der vertragliche Anspruch des Vermieters oder Verpächters auf Wiederherstellung der zum Besitz überlassenen Sache ist nur Masseforderung, wenn die nachteiligen Veränderungen an der Miet- oder Pachtsache nach Verfahrenseröffnung vorgenommen wurden, im Übrigen Insolvenzforderung, auch wenn der Insolvenzverwalter des Pächters den Vertrag fortgesetzt hat (§ 109).478 Nutzungsentschädigungsansprüche werden nur dann gem § 55 I Nr 1 zur Masseforderung aufgewertet, wenn der Insolvenzverwalter die Miet- oder Pachtsache nach Verfahrenseröffnung (weiter) nutzt und den Vermieter oder Verpächter dabei gezielt vom Besitz ausschließt (s § 55 Rn 54).479 Wenn das Mietverhältnis erst nach Verfahrenseröffnung beendet wird, bleiben Ansprü134 che, die sich auf die Zeit vor Verfahrenseröffnung beziehen, Insolvenzforderungen (§ 108 III). Was den Räumungsanspruch angeht, der hier erst nach Verfahrenseröffnung entsteht, gilt gemäss den allgemeinen Grundsätzen (Rn 99), dass er dennoch bereits im Mietvertrag als aufschiebend bedingter Anspruch angelegt war und deshalb Insolvenzforderung iSv §§ 108 III, 38 ist.480 Nur im Einzelfall kann er zur Masseforderung aufgewertet sein, etwa wenn der Insolvenzverwalter einen über die Herausgabe hinausgehenden Räumungsbedarf verursacht hat (§ 55 Rn 54).481 Die Ansprüche des Mieters gegen den insolventen Vermieter auf insolvenzfeste Anlage des Kautionsbetrags und Rückgewähr der Kaution sind gleichsam Insolvenzforderung, wenn der Vermieter seinen Pflichten schon vor Verfahrenseröffnung nicht nachgekommen war.482 135 Der Anspruch auf rückständige Vorschüsse, die ein Wohnungseigentümer entsprechend dem beschlossenen Wirtschaftsplan vor Verfahrenseröffnung zu zahlen hatte (§ 28 III WEG), sind Insolvenzforderungen, wenn der Wirtschaftsplan vor Verfahrenseröffnung beschlossen wurde;483 nachher fällige Ansprüche sind zwar ebenfalls bereits begründet, werden aber zur Masseforderung aufgewertet (§ 55 Rn 34; dort auch zur Abrechnungsspitze). Der Schuldsaldo des Jahresabschlusses begründet deshalb in dem Umfang keine Masseverbindlichkeit, sondern eine InsolvenzUhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 60; Geißler ZInsO 2012, 1206. BGH ZIP 2011, 924. BGHZ 130, 39, 41; BGH NZI 2007, 287 Rn 11; ZIP 2007, 778 Rn 21. BGH ZIP 2001, 1469; anders noch BGHZ 127, 156, 165 ff; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 38; Vuia ZInsO 2020, 1957, 1959 ff. 477 BGH ZIP 2008, 469; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 60; Drasdo NJW-Spezial 2008, 1; Mettler MietRB 2017, 21, 27; Plagemann NotBZ 2013, 2, 4. 478 BGH ZIP 2015, 589 Rn 82; ZIP 2002, 1043, 1045; BGHZ 148, 252 = NJW 2001, 2966, dazu EWiR § 43 KO 1/02, 395 (Flitsch/Herbst); zur VerglO BGHZ 125, 270 = ZIP 1994, 715, dazu EWiR § 36 VglO 1/94 (H Mohrbutter); vgl auch HambK/ Lüdtke InsO9 § 38 Rn 38; Braun NZI 2005, 255, 256. 479 BGHZ 130, 39, 44; BGH NZI 2007, 287 Rn 15; ZIP 2007, 778 Rn 21; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 60. 480 Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 108 Rn 36; vgl auch BGH ZIP 2002, 1043, 1045. 481 Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 108 Rn 36. 482 BGH ZIP 2013, 179, 180; BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 23. 483 Vgl Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 61; Lüke ZWE 2010, 62.

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forderung, als in ihm Wohngeldvorschüsse enthalten sind, die der Insolvenzschuldner vor der Verfahrenseröffnung schuldig geblieben ist.

7. Öffentlich-rechtliche Forderungen a) Grundlagen. Zunächst muss es sich bei öffentlich-rechtlichen Pflichten um einen Vermögensan- 136 spruch iSv § 38 handeln.484 Bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen auf Gebühren, Beiträge oä trifft das allemal zu. Wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens während des Veranlagungszeitraums erfolgt, für den sie festgesetzt werden, ist fraglich, ob es sich um Insolvenz- oder Masseforderungen handelt.485 Dafür ist unter Berücksichtigung ihrer öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage zu ermitteln, ob sie einheitlich kraft des Ablaufs des Veranlagungszeitraums entstehen (Variante 1) oder ob sie bereits mit der Verwirklichung des Gebührentatbestands als Anspruch entstehen, sodass die Festsetzung zum Ablauf des Veranlagungszeitraums nach Verfahrenseröffnung lediglich eine Frage der Fälligkeit des Gebührenanspruchs ist (Variante 2). In der Variante 2 generieren die vor Eröffnung verwirklichten Gebührentatbestände Insolvenzforderungen, welche bei Verfahrenseröffnung bereits entstanden sind, während danach Masseverbindlichkeiten iSv § 55 I Nr 1 entstehen. Die in einem Abgabenentscheid für den gesamten Veranlagungszeitraum festgesetzte Gebührenschuld ist folglich zeitanteilig in eine Insolvenz- und in eine Masseforderung aufzuteilen, je nachdem welcher Zeitraum betroffen ist. In der Variante 1 einer einheitlich kraft Ablaufs entstehenden Forderung kann die nach Verfahrenseröffnung entstandene Gebührenschuld bereits bei Verfahrenseröffnung als rechtsbedingte Forderung begründet gewesen sein, sodass eine Insolvenzforderung vorliegt, wenn die oben dargelegten Tatbestandsmerkmale des § 38 erfüllt sind (Rn 91 ff) und nicht im Einzelfall eine Aufwertung zur Masseforderung nach § 55 in Betracht kommt. Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Ob ein Anspruch bereits bei Verfahrenseröffnung entstanden ist, richtet sich nach dem öffentlichen Recht; ob eine danach erst später entstehende Gebührenforderung bei Verfahrenseröffnung bereits begründet war, richtet sich nach § 38; ob eine Aufwertung zur Masseforderung erfolgt, nach § 55.486

b) Einzelfälle. Für Abwasserentscheide wird in der Rechtsprechung die oben angeführte Varian- 137 te 2 angenommen, sodass die Gebührenschuld zeitanteilig aufzuteilen ist, in eine Insolvenzforderung für den Zeitraum bis zur Eröffnung und in eine Masseforderung für das danach abgeleitete Abwasser (§ 55 I Nr 1).487 Wenn die Satzung, aus der sich die Voraussetzungen einer Beitragspflicht eines Grundstückseigentümers ergeben, erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geltung erlangt, ist die Beitragsforderung nicht schon bei Verfahrenseröffnung iSv § 38 begründet, selbst wenn die Beitragspflicht an die bei Verfahrenseröffnung bereits vorhandene Grundeigentümerstellung des Schuldners anknüpft. Der Grund dafür ist, dass der grundlegende Tatbestand, aus dem sich die Forderung entwickelt, im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht angelegt war, da die Rechtsbedingungen für das Entstehen der Beitragsforderung erst nach Verfahrenseröffnung fixiert wurden.488 8. Steuerforderungen a) Grundlagen. Das Steuervorrecht des § 61 I Nr 2 KO, das schon nach dem Entwurf einer 138 deutschen Gemeinschuldordnung489 von 1873 nicht Gesetz werden sollte und während der Geltung 484 485 486 487 488 489 209

S oben Rn 67 ff und Rn 27. Schütte/Horstkotte/Hünemörder LKV 2008, 544. OVG Weimar ZIP 2007, 880, 881. VGH Mannheim ZIP 2022, 1168, 1169 f; BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 35b. IE auch OVG Weimar ZIP 2007, 880, 881; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 28. Begr E GemeinschuldO I (1873) S 325 ff. Eichel

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

der KO vielfältiger Kritik ausgesetzt war, ist durch die InsO beseitigt worden. Steuerforderungen490 können deshalb ohne weiteres einfache Insolvenzforderungen sein.491 Abgesehen von Sondervorschriften wie § 55 IV InsO hängt dies im Grundsatz davon ab, wann die Steuerforderung iSv § 38 InsO begründet wurde. Gemäß hL ist diese Frage nach insolvenzrechtlichen Kriterien zu beurteilen.492 Der steuerrechtliche Entstehungszeitpunkt, welcher in § 38 AO geregelt ist, ist nicht mit dem Merkmal der „Begründung“ aus § 38 InsO gleichzusetzen.493 § 38 AO soll § 38 InsO weder ändern noch interpretieren. Es verhält sich hier wie bei zivilrechtlichen Forderungen: Genauso wie diese begründet sind, wenn sie vor Verfahrenseröffnung materiell-rechtlich entstanden sind, sind auch steuerrechtliche Forderungen begründet, wenn sie steuerrechtlich bereits entstanden sind. Nach § 38 AO sind die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis also allemal insolvenzrechtlich „begründet“, wenn vor Verfahrenseröffnung der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Steuergesetz die Leistungspflicht knüpft,494 ohne dass es auf die Festsetzung der Steuer (§ 155 AO) oder die Fälligkeit (§ 220 AO) ankommt (vgl § 41 InsO). Wie zivilrechtliche Forderungen können steuerrechtliche Forderungen aber auch iSv § 38 InsO begründet sein, ohne bereits materiell-, dh steuerrechtlich entstanden zu sein.495 Insofern gelten die oben für künftig entstehende Forderungen dargelegten Grundsätze (Rn 91 ff): Wenn danach eine steuerrechtliche Forderung die Eigenschaften einer „bedingten Forderung“ erfüllt, ist sie begründet, selbst wenn sie nach dem Steuerrecht noch nicht entstanden ist.496 Der 10. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte zunächst die vorstehend geschilderte Auffas139 sung der hL von der eigenständigen Auslegung des § 38 InsO geteilt.497 Es reiche aus, wenn die steuerrechtliche Forderung für § 38 InsO lediglich „ihrem Kern nach“ entstanden sei bzw der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Gestalt des „Schuldrechtsorganismus“ verwirklicht sei, sodass die Forderung steuerrechtlich auch erst nach Verfahrenseröffnung zur Entstehung gelangen kann.498 Mit diesen Formulierungen hat der BFH die zu den bedingten Forderungen geltenden allgemeinen Grundsätze aufgegriffen (Rn 91 ff). Der 4. und 9. Senat sowie inzwischen mitunter auch der 10. Senat des BFH vertreten aber das Gegenteil;499 der 7. Senat hat seine Rechtsprechung explizit in diese Richtung verändert.500 Nach dieser gegenteiligen Rechtsprechung regele ausschließlich das Steuerrecht, wann die Steuer im Sinne der Insolvenzordnung begründet sei.501 Der Vorrang des Insolvenzrechts wird von dieser Rechtsprechung nur für die verfahrensmäßige

490 Zum Folgenden: Steuerschuldverhältnis im Insolvenzverfahren, BMF-Schreiben vom 17.12.1998, IV A 4-S 0550-28/ 98, BStBl I 1998, S 1500 = KTS 1999, 323 ff. 491 Zur Frage, ob und inwieweit Säumniszuschläge für Steuerforderungen nachrangige Insolvenzforderungen sein können, s § 39 Rn 26. 492 Olufs/Ziegenhagen DZWIR 1999, 146; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 45 f; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 98; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 67; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 55; Bartone AO-STB 2007, 49, 50; Kahlert FR 2014, 731, 741 f; Jaffé/Friedrich-Vache MwStR 2013, 75; Hubertus/Fürwentsches DStR 2010, 2382, 2384; Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 125 f, 132 f, 170 f; Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 160 ff; Onusseit ZInsO 2003, 677, 678; Sämisch/Adam ZInsO 2010, 934; Wäger DStR 2021, 825; s auch BMF-Schreiben vom 17.12.1998 (Fn 1430) Nr 4.2. Grundlegend Hölzle BB 2012, 1571. 493 Bodden FR 2014, 1114, 1121. 494 Vgl BGH WM IV B 1957, 1227. 495 K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 19; Häsemeyer InsR4 Rn 23.41. 496 Im Ergebnis ebenso Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 67; Waza/Uhländer/Schmittmann Insolvenzen und Steuern a.a.O. Rn 702 ff; Frotscher Besteuerung bei Insolvenz a.a.O. S 67 ff; Henckel Voraufl § 38 Rn 126. 497 BFH ZIP 2008, 1780 Rn 17; ihm folgend BGH NZI 2011, 953 Rn 3. Richtig auch wieder BFH, 10. Senat, ZIP 2020, 2465 Rn 22. 498 BFH ZIP 2008, 1780 Rn 17. 499 BFH ZIP 2020, 130 Rn 35; ZIP 2015, 389 Rn 14; ZIP 2013, 1481 Rn 19; ZIP 2007, 2081 Rn 19. 500 BFH ZIP 2012, 2217 Rn 13 ff. 501 BFH ZIP 2013, 1481 Rn 19; ZIP 2007, 2081 Rn 19; ZIP 2015, 389 Rn 14. Eichel

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Geltendmachung der Forderung anerkannt, was der BFH aus § 251 II S 1 AO folgert.502 Dabei übersieht der BFH, dass das Insolvenzrecht und insbesondere § 38 InsO keine bloße verfahrensrechtliche Regelung ist, sondern in erster Linie einen materiell-rechtlichen Gehalt hat (Rn 9), über den das Steuerrecht nicht einfach hinweggehen kann, weil es dazu keine explizite Aussage trifft. Selbst wenn man § 251 II S 1 AO als Vorbehalt zugunsten des InsO-Verfahrensrechts interpretieren würde, wäre der Rückschluss, dass das materielle Insolvenzrecht dem Steuerrecht weichen müsste, unzulässig.503 Für eine solch grundlegende Aussage gibt § 251 II S 1 AO seinem Kontext nach nichts her, zumal das die Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, welche primär der InsOGesetzgeber ausgestaltet. Schließlich unterläuft dem BFH in seinen Entscheiden der Fehler, dass er Insolvenz- von Masseforderungen grundlegend anhand des Begründungsmerkmals abgrenzen will (dagegen Rn 92), sodass er sich mit § 38 InsO häufig nicht einmal befasst.504 Schließlich trägt zur Verwirrung bei, dass der 7. und der 11. Senat des BFH entschieden haben, die Rechtsprechung zur „Begründetheit“ iSv § 38 InsO und zur „Bedingtheit“ iSv §§ 95 f InsO aus „rechtslogischer Notwendigkeit“ anzugleichen und insoweit dieselben Maßstäbe anlegen zu wollen.505 Das übersieht, dass sich bei beiden Vorschriften aufgrund der unterschiedlichen Teleologie die Anforderungen an die „bedingte Forderung“ zwar teilweise überschneiden, aber eben auch unterscheiden können, sodass eine schematische Gleichsetzung Inkonsistenzen hervorrufen kann.506 In neueren Entscheiden nimmt der 7. Senat wiederum doch auf die überzeugende, frühere Rechtsprechung des 10. Senats zum Vorrang des Insolvenzrechts Bezug.507 In seiner Rechtsprechung zur Kraftfahrzeugsteuer hebt der BFH sogar hervor, dass das Steuerrecht den Vorrang des Insolvenzrechts zu achten habe.508 Das Bundesverwaltungsgericht betont für öffentlich-rechtliche Ansprüche aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht den Primat des Insolvenzrechts.509 All das zeigt, dass die Diskussion um die Auslegung des Begründungsmerkmals, welche nur scheinbar alt ist, in Wirklichkeit aber erst mit der InsO an Bedeutung gewonnen hat (Rn 89), als solche in der Rechtsprechung angekommen ist.510 Dementsprechend hat die Rechtsprechung in der Grundfrage des Vorrangs von § 38 InsO noch keinen Boden gefunden, sodass es dringend notwendig ist, in eine Konsolidierungsphase überzugehen, welche die Grundlagen zu § 38 InsO in den Blick nimmt.511 Da sie in der zentralen Frage zur Interpretation des § 38 InsO nicht mit dem Willen des Gesetzes in Einklang steht,512 wird die eine oder andere vom BFH entschiedene Frage auf neue Füsse gestellt werden müssen. Mit der Literatur ist anzunehmen, dass auch eine Steuerforderung bei Verfahrenseröffnung 140 bereits iSv § 38 InsO begründet gewesen sein kann, selbst wenn sie gemäß dem Steuerrecht erst nach Verfahrenseröffnung entsteht. Selbstverständlich aber sind für die Beurteilung, was für eine insolvenzrechtliche Grundlegung einer steuerrechtlichen Forderung erforderlich ist, die Umstände, wie sie steuerrechtlich entsteht, von Bedeutung. Nur insoweit sind das Steuerrecht oder aber der zivilrechtliche Tatbestand, an den das Steuerrecht anknüpft, für die Anwendung von § 38 InsO von Bedeutung.513 Deshalb ist das „Begründetsein“ einer Steuerforderung iSv § 38 InsO 502 503 504 505

BFH ZIP 2007, 2081 Rn 19. Ähnlich Hölzle BB 2012, 1571, 1578; aA Kayser ZIP 2020, 97, 103 f. Kahlert DStR 2013, 1584, 1587 f. BFH ZIP 2012, 2217 Rn 16; ZIP 2013, 1680 Rn 30 = NZI 2013, 992; ebenso Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 198. 506 Unten Rn 158 und Eichel Künftige Forderungen (2014) S 99 ff, 135 ff. 507 BFH ZIP 2021, 1663 Rn 26 f; ZInsO 2018, 2827 Rn 19. 508 BFH ZIP 2005, 264, 265. 509 BVerwG ZIP 2015, 1182 Rn 14 f. 510 Für eine ausführliche Bestandsaufnahme der Rspr s auch Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 213 ff. 511 Ähnlich schon Hölzle BB 2012, 1571, 1576. 512 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 68. 513 Richtig BFH ZIP 2020, 2465 Rn 22; NZI 2017, 218 Rn 27. Vgl auch BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 29; Hubertus/ Fürwentsches DStR 2010, 2382, 2384; Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 186 ff; Schütte/Horstkotte/Hünemörder LKV 2008, 544 f. 211

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für jede einzelne Steuerart gesondert zu prüfen.514 Eine Diskussion, die um allgemeine Grundsätze für alle Steuerarten geführt wird, wäre wenig ergiebig. Die Herausforderung besteht darin, für jeden Steuertatbestand zu umschreiben, welche steuerrechtlichen Entstehungsvoraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Forderung im Sinne der Vorgaben des § 38 InsO als begründet angesehen werden darf, ohne dass bereits alle Entstehungsvoraussetzungen vorliegen. Ausgehend vom Vorrang des § 38 InsO sind dafür dessen Vorgaben für „rechtsbedingte Forderungen“ zu beachten (Rn 91 ff). Der Einfluss des Schuldners auf die Grundlegung der Forderung muss abgeschlossen sein, sodass die Masse bereits den künftigen Gläubigern zur Befriedigung zugewiesen ist, falls die Forderung später entsteht. Wie für zivilrechtliche Forderungen muss es unschädlich sein, wenn zur Entstehung der Forderung noch ein weiteres Rechtsgeschäft des Schuldners erforderlich ist, solange die dies festlegenden Bedingungen bei Verfahrenseröffnung feststehen und es dem Insolvenzverwalter obliegen würde, das Rechtsgeschäft vorzunehmen oder nicht (Rn 93). Anhand dieser Grundlagen werden im Folgenden einige Steuern exemplarisch beleuchtet; für eine erschöpfende Darstellung aller steuerrechtlichen Fragestellungen muss auf die Spezialliteratur zum Insolvenzsteuerrecht verwiesen werden, zumal wenn die dezidiert steuerrechtlich motivierte Rechtsprechung des BFH mit § 38 InsO nicht mehr erklärt werden kann.

141 b) Einkommen- und Körperschaftsteuer. Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer ist das zu versteuernde Einkommen (§ 2 V EStG 2009). Der Bemessungszeitraum für die Einkommensteuer beträgt ein Jahr; ihre Grundlagen sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 VII EStG 2009). Steuerrechtlich entsteht deshalb nach § 38 AO die Einkommensteuerpflicht jeweils mit Ablauf des Kalenderjahres.515 Entsprechendes gilt für die Körperschaftsteuer nach § 7 I–III KStG 2002. Wird eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, eine unbeschränkt steuerpflichtige Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft oder ein unbeschränkt steuerpflichtiger Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nach Auflösung abgewickelt, so ist der im Zeitraum der Abwicklung (Liquidation) erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 11 I KStG 2002). Er wird ermittelt durch Vergleich des Abwicklungs-Anfangs- und des AbwicklungsEndvermögens (§ 11 II KStG 2002). Der Besteuerungszeitraum soll drei Jahre nicht übersteigen (§ 11 I S 2 KStG 2002). Die Steuerpflicht entsteht hier mit dem Ende der Abwicklung. Unterbleibt die Abwicklung, weil ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, gelten die Bestimmungen für die Abwicklung entsprechend. Dementsprechend sind auch die Grundlagen für die Besteuerung jeweils für ein Kalenderjahr bzw den Abwicklungszeitraum zu ermitteln (Ermittlungszeitraum, § 2 VII S 2 EStG 2009, §§ 7 III S 2, 11 II KStG 2002), und die Steuer ist jeweils für ein Kalenderjahr zu veranlagen (Veranlagungszeitraum, § 25 I EStG 2002, § 31 I KStG 2002). Daran ändert sich steuerrechtlich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts. 142 Aus den vorgenannten Entstehungsumständen folgt für die insolvenzrechtliche Behandlung der Einkommen- und Körperschaftsteuer, dass diese Steuern, soweit sie auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezogen sind, grundsätzlich Insolvenzforderungen begründen. Die frühere Argumentation des Reichsfinanzhofs (RFH),516 dass mit der Eröffnung des Konkurses für den Gemeinschuldner der laufende Steuerabschnitt beendet werde, ist später vom RFH selbst aufgegeben worden.517 Mit ihr konnte er immerhin einfach begründen, dass die Einkommensteuerschuld für die Zeit vor Konkurseröffnung im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens entstanden war und deshalb eine Konkursforderung bildete. Dies führte ua zu der Konsequenz, dass der Gemeinschuldner, der mit seiner Frau zusammen veranlagt wurde, Verluste, die aus der Weiterführung seines Betriebes durch den Konkursverwalter entstanden waren, nicht mit den Einkünften seiner Frau 514 BFH KTS 1971, 111, 114 ff – Grunderwerbsteuer; Waza/Uhländer/Schmittmann Insolvenzen und Steuern a.a.O. Rn 705.

515 Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 43; Onusseit ZInsO 2003, 677, 679. 516 RFH 23, 70; 27, 335. 517 RFH 44, 162. Eichel

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verrechnen durfte.518 Allerdings hat der RFH auf der Grundlage dieser älteren Rechtsprechung nicht entschieden, ob und wie die Konkursmasse in dem mit der Konkurseröffnung beginnenden neuen Steuerabschnitt zu besteuern war. Darüber bestand Streit.519 Als der RFH die These von der steuerrechtlichen Spaltung des Einkommens des Gemeinschuldners in solches, das vor der Konkurseröffnung, und solches, das als Einkommen der Konkursmasse erzielt wurde, aufgab, führte das zunächst dazu, dass die Einkünfte, die der Gemeinschuldner nach Konkurseröffnung als Neuerwerb erzielt hatte und die Einkünfte der Masse in einem einheitlichen Steuerbescheid gegen den Gemeinschuldner und den Konkursverwalter zusammengerechnet wurden.520 Der RFH verneinte eine selbstständige Steuerpflicht der Konkursmasse und rechnete das Einkommen der Masse dem Gemeinschuldner zu,521 nahm aber eine Masseverbindlichkeit an, soweit das Einkommen durch die Konkursverwaltung erzielt war.522 Im Urteil vom 26.4.1939523 schränkte der RFH die Konsequenzen seiner neuen Rechtsprechung aber dadurch ein, dass etwaige Gewinne und Verluste, die bei der Verwaltung der Konkursmasse entstünden, bei der Einkommensermittlung des Gemeinschuldners nicht zu berücksichtigen seien, weil sie „nach Lage der Verhältnisse … im Ergebnis nur die Gläubiger, nicht aber den überschuldeten Kaufmann“ berührten, „für den die Änderung der Schuldhöhe ohne Bedeutung ist, da er seine Schulden voraussichtlich nie bezahlen kann“. Danach wurde nur das Einkommen des Gemeinschuldners bis zur Konkurseröffnung besteuert – insoweit bestand eine Konkursforderung – und der von der Entwicklung der Masse unabhängige Neuerwerb. Der Bundesfinanzhof hat die neuere Rechtsprechung des RFH insoweit aufgenommen, als 143 die Konkursmasse nicht als selbstständiges Steuersubjekt zu behandeln ist,524 und damit dem Grundsatz des Einkommensteuerrechts Rechnung getragen, dass der Bemessungszeitraum nicht mit der Konkurseröffnung beendet wird. Die Steuer wurde also für das Kalenderjahr, in dem der Konkurs eröffnet wurde, einheitlich errechnet, dann aber aufgeteilt: Soweit das Einkommen vor Konkurseröffnung erzielt wurde, war die Steuerforderung (bevorrechtigte) Konkursforderung, die durch die Verwaltung des Konkursverwalters entstandene Steuerforderung gehörte zu den Massekosten (§ 58 Nr 2 KO), die auf den Neuerwerb des Gemeinschuldners bezogene Einkommensteuer war gegen ihn persönlich geltend zu machen. Dementsprechend galt der Grundsatz, dass nach steuerrechtlichen Regeln Bemessungs-, Ermittlungs- und Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr ist, jedoch für das Konkursrecht nicht darauf abzustellen war, dass die Steuerforderung erst mit dem Ende des Kalenderjahres entsteht. Vielmehr kam es für die Anwendung des § 3 KO darauf an, ob die Einkünfte vor oder nach Konkurseröffnung bezogen wurden und ob die nach Konkurseröffnung bezogenen Einkünfte auf die Masse oder auf das konkursfreie Vermögen entfielen.525 Vom Urteil des RFH vom 26.4.1939526 wich der BFH527 insoweit ab, als er Einkünfte der Konkursmasse einschließlich der Veräußerungsgewinne als steuerpflichtig ansah und insoweit den Fiskus als Massegläubiger betrachtete.528

518 519 520 521 522 523 524 525

RFH 27, 335. MwN Flume in 50 Jahre Deutsche Finanzgerichtsbarkeit (1968) S 91. RFH 44, 162 = StuW 1938 Nr 401. RFH 44, 249; StuW 1938 Nr 695; RFH 48, 241 = RStBl 1940, 715 – alle die Körperschaftsteuer betreffend. RFH 44, 162. StuW 1939 Nr 320. BStBl 1951 III, 192 ff; BStBl 1964 III, 70 = NJW 1964, 613; BFH ZIP 1994, 1286. Hess/Boochs/Weis Steuerrecht in der Insolvenz, Rn 91; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 101; zur Zulässigkeit eines Verlustabzuges s RFH RStBl 1936, 555; BFH BStBl 1961 III, 230; BStBl 1964 III, 70; BStBl 1969 II, 726 und dazu Frotscher Steuern im Konkurs5 (2000) S 88 ff; Hess/Boochs/Weis a.a.O. Rn 1103 ff; Onusseit/Kunz a.a.O. Rn 544 ff; ferner BFH BStBl 1972 II, 946; zur Aufteilung des vorgetragenen Verlustes s Frotscher Steuern im Konkurs5 (2000) S 113 f; Fichtelmann Neues Steuerrecht von A–Z, Stichwort „Konkurs“, Darstellung 1 B I 1 c, d. 526 RFH StuW 1939 Nr 320. 527 BStBl 1964 III, 70; BFH ZIP 1984, 853; ZIP 1994, 1286. 528 Zur Entwicklung der Rechtsprechung: Flume a.a.O. (Fn 519) S 88 ff. 213

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Diese Rechtsprechung hat Kritik gefunden. Flume529 hält ihr die Gründe des Urteils des RFH vom 26.4.1939530 entgegen und meint, dass als Einkommen des Gemeinschuldners nur die Ermäßigung seines „Schulden-Pegels“ zu werten sei, dies aber nur, wenn der Gemeinschuldner von dieser Ermäßigung einen wirklichen Vorteil habe. Sei er so sehr überschuldet, dass er aller Voraussicht nach die Überschuldung niemals werde beseitigen können, so könne kein Einkommen des Gemeinschuldners angenommen werden.531 Für juristische Personen könne für die Zeit nach der Konkurseröffnung eine Körperschaftsteuerpflicht nur in Frage kommen, wenn nach Befriedigung der Gläubiger noch ein ausschüttungsfähiges Vermögen übrig bleibe.532 Im Übrigen hielt er § 58 Nr 2 KO auf Personensteuern anwendbar.533 145 Für die ältere Rechtsprechung des RFH, welche den Gemeinschuldner und die Konkursmasse als verschiedene Steuersubjekte betrachtete und für die Ansicht Flumes, dass Einkünfte der Konkursmasse nicht dem Gemeinschuldner zugerechnet werden dürften, könnte sprechen, dass mit der Konkurseröffnung die Masse einem Funktionswandel unterlag. Sie war jetzt nicht mehr werbendes, sondern nur haftendes Vermögen, das haftungsrechtlich den Gläubigern zugewiesen war. Konkursverwaltung war danach in erster Linie Haftungsrealisierung und nicht Gewinnerzielung. Dem stand jedoch schon nach Konkursrecht entgegen, dass die Konkursmasse Vermögen des Gemeinschuldners blieb und deshalb ihre haftungsrechtliche Zuweisung an die Gläubiger nicht bedeutete, dass Gewinne, die bei der Verwaltung erzielt wurden, Gewinne der Gläubiger wären und bei ihnen besteuert werden müssten.534 Das zeigt ein Vergleich mit der Zwangsversteigerung eines Grundstücks, das haftungsrechtlich durch eine Hypothek oder eine Grundschuld einem Gläubiger zugewiesen ist. Ist dieses Grundstück beim Schuldner etwa auf einen Wert von 10 000 A abgeschrieben und wird es für 25 000 A versteigert und wird nach Abzug der Kosten etc die Forderung des Hypothekars von 22 000 A voll gedeckt, so wirkt sich das bei der Einkommensteuer dahin aus, dass das Aktivvermögen des Vollstreckungsschuldners um den Buchwert des Grundstücks (10 000 A), das Passivvermögen um die 22 000 A, die der Schuldner dem betreibenden Gläubiger schuldete, gemindert ist. Daraus ergibt sich ein Gewinn von 12 000 A, der nicht deshalb steuerrechtlich irrelevant sein kann, weil das Grundstück haftungsrechtlich dem Gläubiger zugewiesen war. Als Besonderheit des Konkurses und des Insolvenzverfahrens käme dann nur in Betracht, dass die Schuldentilgung dem Schuldner nichts einbringt, weil er ohnehin hoch überschuldet bleibt. Jedoch kommt es darauf steuerrechtlich nicht an. Denn steuerrechtlich relevanter Gewinn liegt nicht nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige davon tatsächlich etwas hat, dh für sich selbst positive Vorteile aus dem Gewinn ziehen kann. Für die Einkommensteuer ist die Art der Einkommenserzielung, nicht aber die Möglichkeit der freien Einkommensverwendung, maßgebend.535 Wollte man darauf abheben, ob der Steuerpflichtige von der Tilgung seiner Schulden einen Vorteil hat, so müsste auch derjenige Unternehmer einkommensteuerfrei bleiben, der außerhalb des Insolvenzverfahrens sein Unternehmen liquidiert und damit seine Gläubiger nur teilweise befriedigen kann. Die Veräußerungsgewinne blieben auch dann unberücksichtigt. 146 Schon unter der Geltung der Konkursordnung war zu berücksichtigen, dass nicht nur bei der Liquidation Veräußerungsgewinne entstehen können, sondern auch bei der Fortführung des Unternehmens. Das gilt erst recht im neuen Insolvenzverfahren, in dem jedenfalls die vorläufige Fortführung die Regel sein soll (§§ 22 I S 2 Nr 2, 157). Erzielt der Insolvenzverwalter bei der Fortführung des Unternehmens Gewinne, so ist nicht einzusehen, warum diese nicht zu Lasten der Masse der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegen sollen. Hätte der Schuld144

529 530 531 532 533 534 535

A.a.O. (Fn 519). RFH StuW 1939 Nr 320. Flume a.a.O. (Fn 519) S 98. Flume a.a.O. (Fn 519) S 97 f. Flume a.a.O. (Fn 519) S 103. So aber Flume a.a.O. (Fn 519) S 98. Frotscher Besteuerung bei Insolvenz a.a.O. S 131 f.

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Begriff der Insolvenzgläubiger

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ner selbst den Betrieb so erfolgreich fortgeführt, hätte er die Steuer auch bezahlen müssen, selbst wenn die Aussichten, alle Gläubiger zu befriedigen, gering gewesen wären. Anders ist es bei den Veräußerungsgewinnen. Sie entstehen nur dadurch, dass der Erlös 147 höher ist als der durch Abschreibungen bedingte Buchwert. Nach dem Grundprinzip der Einkommensteuer müssten die Aktivposten eigentlich nach ihrem realen Wert besteuert werden. Weil dies zu schier unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Veranlagung führen würde, werden die Abschreibungen gemäß §§ 7 ff EStG 2009 zugelassen, die teilweise bewusst die tatsächliche Wertminderung übersteigen. Wirtschaftlich bedeutet dies, dass der Gewinn um den Betrag niedriger ermittelt wird, um den die Abschreibung den wirklichen Wertverlust übersteigt. Da sich diese Differenz erst ermitteln lässt, wenn das Abschreibungsobjekt veräußert wird, lässt sich erst in diesem Zeitpunkt der in Wahrheit schon früher vorhandene Gewinn ermitteln und versteuern. Abschreibungen, welche die wirkliche Wertminderung übersteigen, bedeuten also eine Stundung der Steuerschuld und damit eine Kreditgewährung. Dies gilt nicht nur für die Sonderabschreibungen, die aus wirtschaftspolitischen Gründen häufig ausdrücklich zu diesem Zweck gewährt werden, sondern für alle Abschreibungen, die höher sind als die Differenz zwischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Veräußerungserlös. Wird aber dem Insolvenzschuldner mit der Zulassung der Abschreibungen Kredit gewährt, so muss der Fiskus wie jeder andere Gläubiger behandelt werden, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Schuldner Kredit eingeräumt hat: Der Fiskus ist deshalb Insolvenzgläubiger, soweit die durch die Abschreibung bedingten stillen Reserven vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Dass das abgeschriebene Wirtschaftsgut erst nach der Verfahrenseröffnung vom Insolvenzverwalter veräußert worden ist, bewirkt – entgegen dem BFH – nicht, dass die durch den Veräußerungsgewinn ausgelöste Einkommensteuerschuld Masseverbindlichkeit wäre.536 In den Worten der Bedingungslehre handelt es sich bei der Steuerforderung um eine rechtsbedingte Forderung, von der vor Verfahrenseröffnung feststand, dass sie entsteht, sobald der Schuldner die dann schon vorhandenen Grundstücke verkaufen werde. Diese Bedingungen waren dem Einfluss des Schuldners entzogen. Dass die Forderung von einer Tätigkeit des Schuldners abhängt, ist deshalb nicht bedenklich (Rn 140). Die Forderung ist nicht anders zu beurteilen, als wenn der Schuldner mit einer Privatperson vereinbart hätte, dass er ihr Zahlung schuldig sei, falls er die Grundstücke verkaufe, was zweifellos als aufschiebend bedingte und iSv § 38 begründete Forderung zu qualifizieren wäre. Die Qualifizierung der hier thematisierten Forderung als Masseforderung wäre ein Privileg für den Fiskus, das nicht durch die Zwecke von § 55 gerechtfertigt ist. Sie ist auch Folge der verfehlten Rechtsprechung des BFH, für § 38 InsO allein auf den steuerrechtlichen Entstehungszeitpunkt abzustellen.537 Davon zu unterscheiden sind Fälle der Veräußerung von Gegenständen, die der Schuldner erst noch erwerben müsste, die bei Verfahrenseröffnung also noch nicht vorhanden waren. Unter Berücksichtigung dieser Korrektur ist mit dem BFH davon auszugehen, dass die einheit- 148 lich ermittelte Jahressteuerschuld aufzuteilen ist in eine Insolvenzforderung für den auf die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallenden Teil, in eine Masseforderung für die Steuer, die auf Gewinne bezogen ist, die durch die Insolvenzverwaltung und einen in die Masse fallenden Neuerwerb erzielt wurden,538 sowie eine gegen den Schuldner persönlich gerichtete

536 Frotscher Besteuerung bei Insolvenz a.a.O. S 156 ff; Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 306 ff; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.16 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 73; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 102; Onusseit ZIP 1986, 77, 81; Roth FR 2013, 441. AA BFH ZIP 2020, 2465 Rn 24 (m Anm Onusseit ZInsO 2021, 894); ZIP 2020, 130; NZI 2017, 115; ZIP 2015, 389; ZIP 2013, 1481; BStBl II 1964, 70; BStBl II 1984 S 602 = NJW 1985, 511; Vorbescheid dazu ZIP 1984, 853; BFH ZIP 1994, 1286; Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 120 Rn 40 f; KK/Hess InsO § 38 Rn 167; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Jatzke AO270 § 251 Rn 343; Geist Insolvenzen und Steuern2 (1993) Rn 108; Onusseit/Kunz a.a.O. Rn 523. Zu den Folgen vgl Wessel DZWiR 2009, 112. 537 Vgl BFH ZIP 2020, 130 Rn 35; ZIP 2013, 1481 Rn 19; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.16. 538 BFH ZIP 2019, 1333 Rn 15; ZIP 2008, 1643 Rn 16; Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 295 ff. 215

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Forderung, die sich auf den pfändungsfreien Neuerwerb bezieht.539 Letzteres ist der Fall, wenn der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit ohne Wissen und Billigung oder allenfalls mit passiver Duldung oder aufgrund einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter ausübt und die entsprechenden Erträge tatsächlich nicht zur Masse gelangen.540 In der Praxis kann die Aufteilung wegen der Progression des Einkommensteuertarifs Schwierigkeiten bereiten.541

149 c) Lohnsteuer. Der Arbeitgeber hat nach § 41a EStG 2009 spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines Lohnsteuer-Anmeldezeitraums die Lohnsteueranmeldung einzureichen und die einbehaltene Lohnsteuer an das Betriebsfinanzamt abzuführen. Nach § 42d EStG 2009 haftet er neben dem Arbeitnehmer, der nach § 38 II S 1 EStG 2009 Schuldner der Lohnsteuer ist, als Gesamtschuldner. Eine Haftung des Arbeitnehmers für die Lohnsteuer besteht nach § 42d III EStG 2009 nur, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat542 oder wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß angemeldet und der Arbeitnehmer den Sachverhalt dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen der Insolvenzschuldner als Arbeitnehmer auf 150 Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann, so ist die Steuerforderung bereits in diesem Zeitpunkt Insolvenzforderung, wenn der Insolvenzschuldner die Arbeitsleistung erbracht hat.543 Ist die Arbeitsleistung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, so entsteht eine Masseforderung, soweit der Arbeitslohn pfändbar ist und deshalb als Neuerwerb zur Masse gehört (§ 35). Soweit die Lohnforderung nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 36 I S 2), kann auch die Lohnsteuerforderung nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden. Sie richtet sich dann gegen den Insolvenzschuldner persönlich. Die Aufteilung der Steuerforderung in eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung und eine Forderung gegen den Insolvenzschuldner muss entsprechend den Anteilen des Arbeitslohnes erfolgen, die den Arbeitslohn betreffen, der einerseits vor und andererseits nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen ist, dieser wiederum aufgeteilt in den der Masse und den dem freien Vermögen zugeflossenen. Die auf die Masse und das freie Vermögen des Schuldners entfallende Steuer wird im Verhältnis des pfändungsfreien zum pfändbaren Teil des Arbeitslohns aufgeteilt. 151 Hat der Insolvenzschuldner als Arbeitgeber vor der Verfahrenseröffnung Arbeitslohn schon angemeldet und ausgezahlt, ist die dadurch entstandene Lohnsteuerforderung Insolvenzforderung. Sie ist zur Tabelle anzumelden. Der Verwalter zahlt die Insolvenzquote an das Finanzamt. Hat er das Arbeitsentgelt zwar vor Eröffnung ausgezahlt, die Lohnsteuer aber nicht einbehalten oder abgeführt, so ist der Anspruch des Steuerfiskus (§§ 41a I, 42d I EStG 2009) ebenso Insolvenzforderung, da er im Zeitpunkt der Lohnzahlung entstanden ist (§ 38 II EStG 2009) und der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten hat (§ 38 III EStG 2009).544

539 BFH ZIP 1984, 853; 1994, 1286; ZIP 2020, 130 Rn 34; ZIP 2020, 2465 Rn 22; ZIP 2021, 646 Rn 37; zustimmend BGH ZIP 2021, 255 Rn 39; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 45 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 30; BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 31; Bodden FR 2014, 1114, 1123 f; Onusseit ZInsO 2003, 677, 679. 540 BFH ZIP 2015, 1935 Rn 17–19; ZIP 2010, 2014; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 72. 541 BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 31; ausführlich und mit Rechenbeispielen Henckel Voraufl § 38 Rn 136; Bodden FR 2014, 1114, 1124 ff. 542 BFH BStBl II 1986, 186; Meyer-Scharrenberg DStR 1994, 889, 893, auch zur Kapitalertragsteuer (S 894). AA FG Niedersachsen Urteil vom 3.3.1992, VII 372/88. 543 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 121 Rn 2. AA Henckel Voraufl § 38 Rn 137, der auf den Zeitpunkt abhebt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen ist. 544 Frotscher Besteuerung bei Insolvenz a.a.O. S 193 f; Hess/Boochs/Weis a.a.O. Rn 220; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 76. Eichel

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Für den Fall dass der Insolvenzverwalter Arbeitslohn ausgezahlt hat, haben der Reichsfi- 152 nanzhof545 und der Bundesfinanzhof546 zur Konkursordnung entschieden, dass die Lohnsteuerforderung des Fiskus „mindestens die gleiche Rangstellung wie der Arbeitslohn nach § 59 Nr 2 KO hat“ und dass der Konkursverwalter einbehaltene Lohnsteuer als Treuhänder des Fiskus und des Arbeitnehmers verwahre und deshalb „die einbehaltenen Lohnbeträge nicht mit den sonstigen Massesverbindlichkeiten auf eine Stufe stellen darf, sondern sie vor allen anderen Masses Verbindlichkeiten tilgen muss“ (vgl den Vorrang in § 60 I Nr 1 KO). In der Insolvenzordnung gibt es für eine solche Auffassung ebenso wenig eine Grundlage wie zuvor in der Konkursordnung. Eine Treuhänderstellung des Insolvenzverwalters hinsichtlich einbehaltener Lohnsteuer würde wenigstens voraussetzen, dass der als Lohnsteuer abzuführende Betrag tatsächlich vorhanden, vom übrigen Vermögen erkennbar abgesondert und die treuhänderische Verwahrung mit dem Arbeitnehmer vereinbart ist.547 Mindestens eine dieser Voraussetzungen ist regelmäßig nicht erfüllt. Die Annahme, der Insolvenzverwalter sei hinsichtlich der Abführung der Lohnsteuer Treuhänder des Steuergläubigers, könnte allenfalls in dem Sinn zutreffen, dass der Verwalter dem Steuerfiskus kraft eines öffentlich-rechtlichen gesetzlichen Geschäftsbesorgungsverhältnisses verpflichtet ist. Dieses Geschäftsbesorgungsverhältnis bestünde mit ihm aber nur in seiner Eigenschaft als Verwalter mit der Folge, dass daraus abgeleitete Ansprüche nur Masseschuldansprüche nach § 55 I sein könnten. Der Anspruch des Steuerfiskus auf Abführung der Lohnsteuer für Arbeitslohn, den der Verwalter auszahlt, ist eine Masseforderung,548 der kein Vorrang vor anderen Masseforderungen zukommt. Die Pflicht des Insolvenzverwalters, die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei 153 jeder von ihm ausgeführten Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 III EStG 2009), spätestens am zehnten Tage nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldezeitraums in einer Steuererklärung die Summe der einbehaltenen Lohnsteuer anzugeben und die angemeldete Lohnsteuer an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen (§ 41a EStG 2009), ist nicht nur eine Dienstleistungspflicht, sondern auch eine Zahlungspflicht.549 Die gesamtschuldnerische Haftung des Arbeitgebers nach § 42d I, III EStG 2009 entsteht nicht erst, wenn dieser die Pflicht zur Abführung der Lohnsteuer verletzt, sondern mit der Auszahlung des Arbeitslohns; sie wird am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums fällig. Die Zahlungspflicht des Insolvenzverwalters ist Masseverbindlichkeit (§ 55 I Nr 1).550 Zahlt der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren rückständigen Arbeitslohn aus der 154 Zeit vor Verfahrenseröffnung, kann es sich nach dem Wegfall des § 59 I Nr 3 KO nur um die Auszahlung der Quote auf eine Insolvenzforderung handeln, es sei denn die Voraussetzungen des § 55 II InsO (dazu Rn 155) liegen vor.551 Solche Zahlungen auf Insolvenzforderungen von Arbeitnehmern kommen in Betracht, wenn die Rückstände nicht durch das Insolvenzgeld gedeckt sind, weil es sich um Arbeitsentgelt für eine frühere Zeit als die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses handelt (§ 165 I SGB III) oder wenn die Ausschlussfrist des § 324 III SGB III unheilbar versäumt ist. Da die Lohnforderung des Arbeitnehmers als Bruttolohnforderung zur Tabelle angemeldet wird,552 hat der Insolvenzverwalter den Lohnsteueranteil der Insolvenzquote dem Finanzamt anzugeben und an das Finanzamt zu zahlen, sobald er die Lohnquote dem Arbeitnehmer auszahlt. Denn die Lohnsteuerfor-

545 RFH StuW 1935 Nr 415. 546 BFH BStBl III 1958 S 319 = BB 1958, 657 (Hartz). 547 OLG Schleswig-Holstein ZInsO 2003, 129; 2003, 187; Fortmann ZInsO 2003, 114; vgl zu Sozialversicherungsbeiträgen BGH ZIP 2001, 2235; 2002, 1159. AA LG Flensburg ZInsO 2003, 133.

548 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 121 Rn 14. 549 AA Keuk DB 1973, 2029 ff; Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 121 Rn 9–11, 14; Kübler/Prütting/Bork/ Olbing InsO91 B. Lohnsteuer Rn 1; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 42; Maus Steuerrechtliche Probleme im Insolvenzverfahren2 (1995) S 119 ff; Onusseit/Kunz a.a.O. Rn 322. 550 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 121 Rn 14; Hess/Boochs/Weis a.a.O. Rn 221, 445. 551 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 121 Rn 12. 552 Keuk DB 1973, 2030. 217

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derung entsteht nach § 38 II EStG 2009 erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Die daraus resultierende Pflicht des Verwalters, die einbehaltene Lohnsteuer abzuführen, ist Masseverbindlichkeit iSv § 55 I Nr 1.553 Das bringt hier dem Steuerfiskus freilich keinen wertmäßigen Vorteil, da die „Masseschuld“ nur besteht, wenn und soweit eine Quote auf die Lohnsteuerforderung ausgezahlt werden muss. Eine Vorabzahlung (§ 53) kommt nicht in Betracht und ist auch gar nicht möglich. Die Bedeutung der Masseverbindlichkeit liegt nur darin, dass sie dem Finanzamt die Möglichkeit gibt, den Verwalter zur Zahlung der Quote zu zwingen. Da das Finanzamt die Lohnsteuerforderung nicht zur Tabelle anmelden kann, weil der Arbeitnehmer seine Bruttolohnforderung anmeldet und eine doppelte Anmeldung vermieden werden muss, bedarf die Finanzverwaltung der Masseforderung zur Durchsetzung der Lohnsteuerforderung. 155 Zahlt der Insolvenzverwalter Arbeitslohn für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis nach der Verfahrenseröffnung fortbesteht oder für ein von ihm erst im eröffneten Verfahren begründetes Arbeitsverhältnis, bemisst sich die Lohnsteuer nach dem als Masseverbindlichkeit (§ 55 I) ausgezahlten Lohn. Dasselbe gilt für Lohnzahlungen für die Zeit vor der Verfahrenseröffnung, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 II zu tilgen sind. Der zur Konkursordnung geführte Streit, ob die Lohnsteuer für die Lohnforderung des Arbeitnehmers, die der Verwalter im eröffneten Verfahren ganz oder anteilig erfüllt, zu den Massekosten iSv § 58 Nr 2 KO oder den Masseschulden iSv § 59 KO gezählt wird,554 ist für die InsO bedeutungslos geworden. Denn die Massekosten des § 58 Nr 2 KO sind in § 55 I Nr 1 InsO den Masseverbindlichkeiten zugeschlagen worden, zu denen außerdem alle Masseschulden des § 59 KO gehören. Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um nach Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (§ 208), bestimmt sich der Rang der Lohnsteuerforderungen nach dem Rang der Arbeitslohnforderung, für welche die Steuer anzumelden und abzuführen ist (§ 209 II Nr 2 und 3). 156 Nach § 165 SGB III hat ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die der Eröffnung des Verfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insolvenzgeld. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, nicht aber Ansprüche auf Zinsen für den Zeitraum bis zur Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld.555 Das Insolvenzgeld wird nach § 167 SGB III grundsätzlich in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das Arbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Es ist nach § 3 Nr 2 EStG 2009 – auch bei einer Vorfinanzierung – steuerfrei, unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt des § 32b I S 1 Nr 1 lit a EstG 2009.556 Dennoch erfasst der Forderungsübergang nach § 169 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit (BA) nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung den Anspruch auf den Bruttolohn.557 Die schon mit Antragstellung auf die BA übergegangenen Ansprüche kann diese nach § 55 III S 1 nur als Insolvenzgläubigerin geltend machen.

157 d) Gewerbesteuer. Nach § 4 II GewStDV 2002 wird die Gewerbesteuerpflicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers nicht berührt. Die Gewerbesteuerpflicht endet deshalb erst, wenn die werbende Tätigkeit (Produktion, Absatz) des Einzelgewerbetreibenden oder der Personengesellschaft eingestellt und nur noch Anlagevermögen

553 554 555 556

Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 121 Rn 13. Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 79 mwN. ArbG Frankfurt/O ZinsO 2002, 93; BeckOK/Plössner SozR65 SGB III § 165 Rn 49. Vgl BFH ZIP 2012, 1309; OFD Hannover Vfg v 19.6.2002 – S 2295 – 49 – StO 211 –, S 2295 – 79 – StH 215 –, KTS 2002,

669.

557 BAG ZIP 1998, 868, dazu EWiR § 141m AFG 1/98, 529 (abl Peters-Lange); BAG ZIP 2013, 86 Rn 11; ZIP 2014, 2147; BSG Urteil vom 20.6.2001 – B 11 AL 97/00 R, dazu EWiR § 187 SGB III 1/2, 455 (Peters-Lange); MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 234. AA mit ausführlicher Begründung Henckel Voraufl § 38 Rn 144 (dort auch zur Lohnsteuerpflichtigkeit von Zahlungen zur Tilgung des Rückgriffsanspruchs der BA); anders auch noch BAG AP Nr 15 zu § 611 BGB (Lohnanspruch) = ZIP 1985, 1405. Eichel

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veräußert wird.558 Die Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaften und der anderen in § 2 II S 1 GewStG 2002 genannten Unternehmen endet dagegen erst mit der Einstellung jeglicher Tätigkeit, also erst dann, wenn das gesamte Vermögen verteilt ist.559 Der Veranlagungszeitraum wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen.560 Nach § 16 II GewStDV 2002 ist der Gewerbeertrag bei allen Gewerbesteuerpflichtigen, soweit er im Zeitraum des Insolvenzverfahrens entstanden ist, auf die Jahre dieses Zeitraums zu verteilen.561 Für das Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein einheitlicher Steuermessbetrag zu ermitteln. Jedoch ist Aufteilung geboten im Verhältnis des vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Ertrages, sodass die Gewerbesteuerforderung betreffend denjenigen Teil des Gewerbeertrags, der auf die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt, iSv § 38 bereits begründet ist.562

e) Umsatzsteuer. Das Begründetsein umsatzsteuerlicher Forderungen zum Zeitpunkt der Ver- 158 fahrenseröffnung ist ein vielfältiges563 und zunehmend unübersichtliches Thema (zur Umsatzsteuer aufgrund von Tätigkeiten nach Verfahrenseröffnung s auch § 55 Rn 37). Zunächst gilt es auseinanderzuhalten, ob es um Forderungen gegen den Insolvenzschuldner geht, welche vorliegend thematisiert werden, oder um Forderungen des Insolvenzschuldners. Forderungen des Insolvenzsschuldners sind zB Vorsteuer(vergütungs)- oder Umsatzsteuerberichtigungsforderungen. Ob sie bei Verfahrenseröffnung begründet waren, ist im Kontext von §§ 95, 96 Nr 1 erheblich.564 Auch wenn es Bestrebungen gibt, die dazu ergehende Rechtsprechung mit derjenigen zur Begründung von Insolvenzforderungen zu harmonisieren (Rn 139), kann beides nicht unbesehen wechselseitig ausgelegt werden. Während es bei der Auslegung von § 38 nämlich darum geht, die eintretende Verfügungsbeschränkung des Schuldners nach § 80 zu berücksichtigen (Rn 93), ist bei der Beurteilung, ob eine Forderung des Insolvenzschuldners bei Verfahrenseröffnung iSv § 95 bedingt ist, zu berücksichtigen, dass der Gläubiger keinen Einfluss mehr auf die Grundlegung der Forderung haben darf.565 Ob die Umsatzsteuerschuld iSv § 38 begründet ist, folgt nicht dem steuerrechtlichen Entste- 159 hungszeitpunkt der Umsatzsteuerschuld.566 Steuerrechtliche Gesichtspunkte sind nur für die Frage zu berücksichtigen, welche Entstehungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Umsatzsteuerschuld iSv § 38 als „begründet“ angesehen werden kann, obgleich sie erst später vollständig entsteht (Rn 140).567 Nach § 13 I Nr 1 lit a UStG 2005 entsteht die Umsatzsteuerforderung des Fiskus für Lieferungen und sonstige Leistungen im Fall der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (sog Soll-Besteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (sog Ist-Besteuerung)

558 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 123 Rn 1 f; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 106; Nerlich/ Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 61; Hundt-Eßwein BB 1987, 1718, 1721; Berges KTS 1961, 163; RFH RStBl 1938, 910; RStBl 1941, 225. 559 BFH RStBl 1939, 1014; RStBl 1940, 476; Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 123 Rn 4; Rosenau KTS 1972, 142; K Schmidt/Schmittmann InsO19 Anh Steuerrecht Rn 318; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 62. 560 K Schmidt/Schmittmann InsO19 Anh Steuerrecht Rn 319; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 63. 561 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 123 Rn 5; Hess/Boochs/Weis a.a.O. Rn 642 ff. 562 BGH ZIP 2021, 255 Rn 39; Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 123 Rn 9; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 55 Rn 64; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 91. 563 Zu § 13c UStG: Friedrich UR 2009, 149; zu § 14c UstG: Zeuner UR 2006, 153. 564 Siehe bei §§ 95 f; Eichel Künftige Forderungen (2014) S 104 f. 565 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 99 ff, 104 f, 135 ff; richtig daher BFH ZIP 2009, 977 Rn 25. 566 BFH KTS 1956, 125 = NJW 1956, 1775 mit zust Anm Haenecke; BFH BStBl II 1979, 639 = BFHE 128, 146; ZIP 1987, 119; ZIP 1988, 44, dazu EWiR § 55 KO 1/88, 179 (Weiß); BStBl II 1994, 83 = ZIP 1993, 1892, dazu EWiR § 106 KO 8/93, 1219 (Onusseit); ZIP 1994, 50; BGHZ 19, 163, 168 f; BFH ZIP 2009, 977 Rn 14; ZIP 2011, 782 Rn 18; Kilger/K Schmidt InsG/KO17 § 3 Anm 4k; Prugger UStR 1956 10; Krollmann UStR 1957, 47. Anders noch BGH KTS 1973, 58 f = NJW 1972, 874. 567 Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 162. 219

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§ 38

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

entsteht die Umsatzsteuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 I Nr 1 lit b UStG 2005). 160 Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Einordnung von Umsatzsteuer- als Insolvenzforderungen ist besonders rege und hat – aus steuerrechtlicher Sicht – auch das Unionsrecht im Auge zu behalten.568 Sie ist insgesamt dafür zu kritisieren, dass sie auf der falschen Prämisse eines apodiktischen Vorrangs des Steuerrechts gegenüber § 38 InsO aufbaut,569 wie er hier bereits kritisiert wurde (Rn 139).570 Der BFH wollte es nicht hinnehmen, dass der Fiskus ein sehr weitgehendes Insolvenzrisiko trägt, wie es bei einer Anwendung von § 38 aber der Fall sein würde.571 Daher hat er einen steuerrechtlichen Begründungszeitpunkt entwickelt und diesem Vorrang vor § 38 zugesprochen. Die Legitimität der Erwägungen des BFH, wonach die vom Schuldner vereinnahmte Umsatzsteuer treuhandgleich für Rechnung des Staates eingenommen würde und daher öffentliches Geld sei,572 soll hier gar nicht bewertet werden. Der BFH ist allerdings dafür zu kritisieren, dass der Begründungszeitpunkt einer Forderung der falsche Hebel ist, um die Insolvenzfestigkeit solcher Gelder sicherzustellen. Bei Verfahrenseröffnung begründete Ansprüche, für welche die Gläubigergleichbehandlung nicht passt, müssten im Rahmen von § 55 durch Entscheidung des Gesetzgebers zu einer Masseforderung aufgewertet werden. Das zeigen § 55 I Nr 2, II und – für die Umsatzsteuer – § 55 IV. Absatz 4 wäre nicht nötig gewesen, wenn man das gleiche Ergebnis durch einen Vorrang des Steuerrechts vor dem Insolvenzrecht herbeiargumentieren könnte. Alles andere muss sich den Vorwurf gefallen lassen, den Geruch eines praeter legem eingeführten Vorrechts zu haben.573 Es verwundert daher nicht, dass es Stimmen in der Literatur gibt, die die Rechtsprechung des BFH in Teilen für verfassungswidrig halten.574 Der steuerrechtliche Begründungszeitpunkt, welchen der BFH entwickelt hat, stellt sich 161 wie folgt dar: Für die Ist-Besteuerung sei auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung der Entgelte abzustellen.575 Für den Fall, dass der Unternehmer die Entgelte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmt, die darin enthaltene Umsatzsteuer aber nicht an das Finanzamt abführt, liege folglich eine Insolvenzforderung des Fiskus iSv § 38 vor.576 Wenn hingegen erst der Insolvenzverwalter die ausstehenden Entgelte einzieht, liege eine Masseforderung iSv § 55 I Nr 1 vor.577 Für die Soll-Besteuerung hat der BFH genauso wie für die Ist-Besteuerung auf die Vereinnahmung des Entgelts durch den Insolvenzverwalter abgestellt, selbst wenn der Schuldner seine Leistung schon vor Verfahrenseröffnung erbracht hat.578 Der BFH wollte nicht zwischen Ist- und Soll-Besteuerung unterscheiden579 und ersann daher eine Begründung, wonach sich die Umsatzsteuerschuld mit Verfahrenseröffnung in eine nach § 17 II Nr 1 S 2 UStG 2005 wandele, weil die Entgeltforderung aufgrund der fehlenden Empfangszuständigkeit (§§ 80, 82 InsO) im Sinne jener Vorschrift uneinbringlich werde.580 Diese Entscheidung ist in der Literatur auf deutliche Kritik 568 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 120 Rn 2 ff; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.328 ff; Harder NZI 2017, 41 f; Seer DStR 2016, 1289, 1295 ff. 569 „Welche Anforderungen im Einzelnen an die somit erforderliche vollständige Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht aber nach dem Insolvenzrecht“, BFH ZIP 2009, 977 Rn 14; ZIP 2011, 782 Rn 18. 570 Ebenso Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 160 ff. 571 BFH ZIP 2009, 977, 978 ff. 572 BFH ZIP 2009, 977 Rn 17; dagegen Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 91–97. 573 Kahlert DStR 2011, 921. Für ausführliche Kritik an der Rspr und mit je eigenem Gegenmodell Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 232 ff, 245 ff sowie Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 104 ff. 574 Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.332. 575 BFH ZIP 2009, 977; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.329; Waza/Uhländer/Schmittmann Insolvenzen und Steuern a.a.O. Rn 1972 f. 576 BFH ZIP 2009, 977 Rn 21. 577 BFH ZIP 2009, 977. 578 BFH ZIP 2011, 782 Rn 22. 579 BFH ZIP 2011, 782 Rn 32; Waza/Uhländer/Schmittmann Insolvenzen und Steuern a.a.O. Rn 1977. 580 BFH ZIP 2011, 782, 783 ff. Eichel

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Begriff der Insolvenzgläubiger

§ 38

gestoßen.581 Der BFH hat dennoch an ihr festgehalten,582 und zwar auch für die Eigenverwaltung.583 Nach der Rechtsprechung des BFH begründet also im Grundsatz jede umsatzsteuerpflichtige Zahlung, die dem Insolvenzverwalter zufließt, eine Masseverbindlichkeit iSv § 55 I Nr 1, unabhängig davon, wann die zugrundeliegende Leistung erbracht wurde.584 Lediglich wenn das Entgelt vor Verfahrenseröffnung empfangen wurde, liegt eine Insolvenzforderung vor, selbst wenn die Leistung erst nach Verfahrenseröffnung erbracht worden ist.585 Soweit die Umsatzsteuerschuld in einem vorläufigen Insolvenzverfahren oder in Eigenverwaltung begründet wurde, führt § 55 IV zum gleichen Ergebnis wie die Rechtsprechung des BFH.586 Wenn man – entgegen dem BFH – § 38 InsO anwendet, würde Folgendes gelten: Da jeder 162 einzelne Umsatz Besteuerungsgrundlage ist, besteht eine Insolvenzforderung hinsichtlich aller vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführter Umsätze.587 Ausgeführt ist der Umsatz, wenn der Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens Lieferungen oder sonstige Leistungen iSd § 1 I Nr 1 UStG 2005 erbringt, bzw – bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten –, wenn der Unternehmer den Umsatz getätigt hat, nicht dagegen mit der Vereinnahmung des Entgelts.588 Hat der Schuldner den Umsatz vor Verfahrenseröffnung ausgeführt, steht nämlich bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass dem Fiskus eine Umsatzsteuerforderung erwachsen wird, wenn das Entgelt an den späteren Insolvenzschuldner gezahlt wird, ohne dass dieser an diesen Bedingungen noch etwas ändern könnte.

f) Grund- und Grunderwerbsteuer. Die Grundsteuer ist Jahressteuer (§ 27 GrStG). Sie wird zu 163 Beginn des Jahres festgesetzt (§ 9 GrStG). Wenn innerhalb dieses Zeitraums das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist – entgegen der in der Vorauflage vertretenen Ansicht – die Steuerforderung für das gesamte Jahr bereits iSv § 38 InsO begründet.589 Als Objektsteuer knüpft die Grundsteuer an das Innehaben des Steuergegenstandes nach den Verhältnissen zu Beginn des Jahres an, sodass – etwa im Gegensatz zur Gewerbesteuer – die Bedingungen für die Entstehung der Steuer dem weiteren Einfluss des Schuldners entzogen sind.590 Eine Aufteilung in eine Insolvenzforderung für die Zeit bis zur Verfahrenseröffnung und eine Masseforderung für die Zeit danach, wie sie die Gegenauffassung vertritt,591 ist daher nicht angezeigt. Die Grundsteuer für das Kalenderjahr, welches dem der Verfahrenseröffnung nachfolgt, ist Masseverbindlichkeit.592 Scheidet das Grundstück durch Freigabe aus der Masse aus, ist die Grundsteuerforderung für das auf die Freigabe folgende Kalenderjahr eine gegen den Schuldner persönlich gerichtete Neuforderung.593

581 Statt vieler: Adam UR 2020, 492; Heinze DZWIR 2013, 45; Kahlert DStR 2011, 921; Onusseit DZWIR 2011, 354; Welte/ Friedrich-Vache ZIP 2011, 1595; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.330; Schmittmann ZIP 2011, 1125; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 56. 582 BFH ZIP 2014, 1237; ZIP 2014, 2451; ZIP 2016, 1355. 583 BFH ZIP 2018, 2232. 584 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 112; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 56. 585 BFH ZIP 2009, 1677 Rn 30 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 83. 586 Schmittmann ZIP 2011, 1125, 1130. 587 HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 56; Adam UR 2020, 492 ff; Hess/Boochs/Weis a.a.O. Rn 227 ff; Olufs/Ziegenhagen DZWIR 1999, 146; IV A 4-S 0550-28/98, BStBl I 1998, S 1500 = KTS 1999, 323 ff. 588 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 79; Frotscher Besteuerung bei Insolvenz a.a.O. S 207 ff. 589 OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2009, 4794; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.642; K Schmidt/Schmittmann InsO19 Anh Steuerrecht Rn 338; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 92; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 59; BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 35. 590 K Schmidt/Schmittmann InsO19 Anh Steuerrecht Rn 338; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.642. 591 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 123 Rn 13; Häsemeyer InsR4 Rn 23.53. 592 Gottwald/Haas/Frotscher/Schulze InsRHandb6 § 123 Rn 14. 593 OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 5.11.2009 – 4 L 243/08, juris-Rn 21; K Schmidt/Schmittmann InsO19 Anh Steuerrecht Rn 339. Allgemein Maus ZIP 2004, 389, 393 f. 221

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Grunderwerbsteuer fällt an, wenn ein Erwerbsvorgang iSd § 1 GrEStG vorliegt, wofür schon das schuldrechtliche Grundgeschäft ausreichend ist (§ 1 I Nr 1 GrEStG). Wenn der Insolvenzverwalter Erfüllung eines vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung abgeschlossenen Grundstückskaufvertrages wählt (§ 103 I), so ist der dadurch entstehende Grunderwerbsteueranspruch eine Insolvenzforderung.594 Der daran anknüpfende Steueranspruch ist kein Anspruch aus dem Vertrag (§ 55 I Nr 2); der Vertrag als Erwerbsvorgang iSv § 1 GrEStG markiert vielmehr den schuldbegründenden Akt des Schuldners iSv § 38.595

165 g) Kraftfahrzeugsteuer. Für die Kraftfahrzeugsteuer gilt anderes als für die Grundsteuer. Sie soll ihrer steuerrechtlichen Zielsetzung nach an das tägliche Halten des Kraftfahrzeugs anknüpfen, was sich daran zeige, dass die Veräußerung des Steuergegenstands im Gegensatz zur Grundsteuer einen Einfluss auf die Steuer haben kann.596 Der Schuldner wäre in der Lage, ein weiteres Entstehen der Kraftfahrzeugsteuer zu verhindern, indem er das Fahrzeug veräußert oder außer Betrieb setzt, sodass die Grundlagen für die Entstehung am Tag der Verfahrenseröffnung nicht seinem Einfluss entzogen sind (zu dieser Maßgabe vgl Rn 93).597 Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Grundlagen für die Steuerschuld tageweise gelegt werden, sodass es folgerichtig ist, wenn der BFH hier eine zeitanteilige Zerlegung in eine Insolvenz- und eine Masseforderung annimmt: Steuerschulden für die Zeit vor Verfahrenseröffnung sind Insolvenz-, für die Zeit danach Masseforderungen oder, wenn es an der Massezugehörigkeit des Fahrzeugs fehlt, Neuforderungen.598 Was die Massezugehörigkeit angeht, hat der BFH noch präzisiert, dass das KFZ der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegen müsse, damit eine Masseverbindlichkeit angenommen werden kann; wurde das Fahrzeug im Wege der Zwangsverwaltung beschlagnahmt, sei nicht die Masse, sondern der Zwangsverwalter steuerpflichtig, da ihm die Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis über das Fahrzeug zukomme.599 Zu beachten ist, dass die Steuerpflichtigkeit der Masse noch andauern kann, wenn der Schuldner das Fahrzeug zwar zivilrechtlich veräußert, es jedoch versäumt hat, gem § 5 KraftStG 2002 die nötigen Maßnahmen zur Beendigung der Steuerpflichtigkeit zu veranlassen.600

166 h) Erbschaftsteuer. In einigen Fällen kann es dazu kommen, dass das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird und dennoch ein Erbschaftsteueranspruch (§§ 3 ErbStG, 1922 BGB) besteht.601 Im Nachlassinsolvenzverfahren ist die Erbschaftsteuerforderung eine Nachlassverbindlichkeit (§ 325) und kann als solche als Insolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren angemeldet werden, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach dem Erbfall erfolgt.602 Das gilt auch noch nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.603 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben ist die Erbschaftsteuerschuld des Erben Insolvenzforderung (§ 38), wenn der Erbfall vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist.604 Erbt der Insolvenzschuldner 594 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 108. 595 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 93. 596 Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.642; zu praktischen Fragen der KFZ-Steuer in der Insolvenz Busch SVR 2010, 166.

597 Vgl BFH ZIP 2011, 1728 Rn 15; Hartman NZI 2012, 168, 170. 598 BFH ZIP 2005, 264; NZI 2015, 41; ZIP 2019, 1434; Hartman NZI 2012, 168; Menn ZInsO 2009, 1189; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.569 f; K Schmidt/Schmittmann InsO19 Anh Steuerrecht Rn 351 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 94; HambK/Lüdtke InsO9 § 38 Rn 60; Sterzinger DStR 2008, 1672, 1673; Wohlers ZInsO 2002, 1074. 599 BFH ZIP 2012, 2306. Näher auch Farr NZI 2008, 78; zur Massezugehörigkeit Bruschke UVR 2011, 308, 309. 600 BFH ZIP 2007, 2081; Kögel ZInsO 2010, 1780. 601 Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.600. 602 BGH ZIP 2014, 134 Rn 21; Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.612; Roth ErbStB 2020, 263, 264. 603 BFH ZIP 2016, 880, 881 f. 604 Mit ausführlicher Begründung Roth Insolvenzsteuerrecht a.a.O. Rn 4.611. Eichel

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Begriff der Insolvenzgläubiger

§ 38

nach Insolvenzeröffnung, ist die auf den Erwerb entfallende Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen, da die Erbschaftsteuerschuld erst mit dem Erbfall begründet wird und der Nachlass in die Insolvenzmasse fällt (§ 55 I Nr 1 Var 2).605

9. Verfahrenskosten, Prozessrecht a) Gerichtskosten. Der Gerichtskostenanspruch ist Insolvenzforderung, selbst wenn das Verfah- 167 ren bei Insolvenzeröffnung noch nicht abgeschlossen ist;606 auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Gebührentatbestands kommt es nicht an.607 Für Ansprüche der Staatskasse auf die Gerichtskosten und verauslagten Rechtsanwaltsgebühren gegen den inzwischen insolventen PKH-Schuldner gilt nichts anderes.608 Wenn der Prozess hingegen nach §§ 85–87, 180 II aufgenommen wird, liegt idR eine Masseforderung vor, weil dann eine Handlung des Insolvenzverwalters iSv § 55 I Nr 1 für die Kostenschuld ursächlich ist (im Einzelnen str., näher § 55 Rn 19).

b) Kosten sonstiger Verfahren. Insolvenzforderung ist auch die Kostenforderung des Staates 168 für die Grundbucheintragung des Insolvenzschuldners als Eigentümer eines ihm vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Zwangsversteigerung zugeschlagenen Grundstücks sowie wegen der Ablehnung der vom Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragten Eintragung einer Grundschuld, auch wenn diese erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte.609 c) Kostenerstattungsansprüche. In anderem Zusammenhang ist in der Rechtsprechung seit 169 langem anerkannt, dass der Anspruch auf Kostenerstattung der einen gegen die andere Partei bereits mit Prozessbeginn als aufschiebend bedingter Anspruch entsteht, wobei die Bedingung eine mindestens vorläufig vollstreckbare Kostengrundentscheidung ist.610 Das gilt auch für § 38: Im Fall eines vor Verfahrenseröffnung rechtshängigen Rechtsstreits steht von vornherein fest, dass der Kostenerstattungsanspruch vom Ausgang des Rechtsstreits abhängt. Deshalb ist der Kostenerstattungsanspruch für solche Verfahren grundsätzlich Insolvenzforderung, auch wenn er erst nach Insolvenzeröffnung entsteht (zur Ausnahme sogleich Rn 170).611 Auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an.612 Gleiches gilt für den Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.613 Die Quote des Gläubigers wird nach § 191 I S 2 bei der Verteilung zurückbehalten, bis die Kostenentscheidung ergangen ist und die Kosten festgesetzt sind.614 Die noch anfechtbare Kostenentscheidung erkennt den Kostenanspruch noch nicht unbedingt an. Der Anspruch ist jetzt auflösend bedingt durch die Aufhebung

605 BFH ZIP 2017, 1526 Rn 16 ff. AA, aber methodisch nicht überzeugend, Billig UVR 2016, 211, 215. 606 BFH ZIP 2011, 1066 Rn 15. 607 AA Henckel Voraufl § 38 Rn 150, was aber nicht zur dort vertretenen Auffassung hinsichtlich der Kostenerstattungsforderungen der Parteien passte.

608 OLG Frankfurt MDR 2019, 445 f; Georg Rpfleger 2005, 404. AA Gäullein Rpfleger 2014, 406. 609 LG Hannover KTS 1970, 59. 610 BGH ZIP 2009, 240 Rn 17; ZIP 2005, 817, 818; NJW 1988, 3204; NJW 1992, 2575; NJW 1975, 304; Eichel Künftige Forderungen (2014) S 102.

611 BGH ZIP 2014, 480 Rn 14; ZIP 2019, 722 Rn 41; BFH ZIP 2011, 1066 Rn 15; Henckel Voraufl § 38 Rn 152; MünchKomm/ Hefermehl InsO4 § 55 Rn 43. 612 BGH ZIP 2019, 722 Rn 41. 613 BGH ZIP 2014, 480 Rn 12. 614 RG JW 1895, 504 Nr 2; RGZ 52, 332; OLG Köln Recht 5 (1901), 314 Nr 1217; Kohler Lehrbuch S 324; Hellmann S 210. 223

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§ 38

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

der Kostenentscheidung in der Rechtsmittelinstanz.615 Der Anspruch wird auch dann unbedingt, wenn er im Prüfungstermin durch Feststellung erledigt wird (§ 178 I, III). Hat die Hauptsache keinen vermögensrechtlichen Gegenstand, wie in Ehe- oder Namensprozessen, dann stellt der vor dem Insolvenzverfahren rechtskräftig zuerkannte Kostenanspruch eine selbstständige Insolvenzforderung dar. Die gleichen Grundsätze gelten für den Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger (§ 7 SchVG) oder desjenigen der Aktionäre im aktienrechtlichen Spruchverfahren (§ 6 II S 1 SpruchG): Der Anspruch auf Auslagenersatz und Vergütung ist Insolvenzforderung, wenn jeweils vor Insolvenzeröffnung der Vertreter ernannt und das (Spruch-)Verfahren begonnen wurde.616 Eine Erstarkung zur Masseforderung durch eine spätere Verfahrensbeteiligung des Insolvenzverwalters kommt hier nicht in Betracht, da es beim Spruchverfahren nicht zu einer Unterbrechung nach § 240 ZPO und demzufolge nicht zu einer Aufnahme bzw Verantwortlichkeitsübernahme617 durch den Insolvenzverwalter kommt.618 Auch für das SchVG fehlt es an einem Einfluss des Insolvenzverwalters entsprechend § 55.619 Wird der gemeinsame Vertreter erst nach Verfahrenseröffnung ernannt, handelt es sich um eine gegen den Schuldner gerichtete Neuforderung,620 was für den Vertreter freilich wenig attraktiv ist.621 Die grundsätzliche Eigenschaft des Kostenerstattungsanspruchs als Insolvenzforderung kann 170 sich ändern, wenn nach Verfahrenseröffnung entweder der Verwalter oder der Insolvenzschuldner die Kostenschuld maßgeblich mitbegründen: Wenn der Insolvenzverwalter einen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnenen Prozess fortführt und ihm die Kosten auferlegt werden, kann der Kostenerstattungsanspruch durch die Prozessführung zur Masseverbindlichkeit kraft § 55 I Nr 1 erstarken (in den Einzelheiten str., näher § 55 Rn 19). Andererseits ist der Kostenerstattungsanspruch eine unanmeldbare, also nur außerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgbare Forderung, wenn persönliche Handlungen des Insolvenzschuldners während des Insolvenzverfahrens, die sich auf die Masse nicht nachteilig auswirken können (§ 81), für die Auferlegung der Kosten den Ausschlag geben. So, wenn der Insolvenzschuldner in einem vom Insolvenzverfahren unberührt gebliebenen oder nach § 85 II vom Verwalter freigegebenen Rechtsstreit622 sich selber die Kostenlast zuzieht (zB durch Vergleich oder Anerkenntnis). Gleiches ist anzunehmen, wenn der persönlich den Rechtsstreit (zB einen vom Insolvenzverfahren unberührten Eheprozess oder einen nach § 85 II abgelehnten Teilungsmassestreit) fortführende Schuldner in die Kosten verurteilt wird. Denn auch diese Haftung trifft ihn als Folge seiner eigenen Prozessführung. Er ist in diesem Prozess Partei mit seinem eigenen Vermögen (Interessevermögen). Dieses wird durch die Kostenlast betroffen.623 Gleiches gilt für die Kosten eines gegen den Schuldner nach Verfahrenseröffnung fortgeführten und abgeschlossenen Strafverfahrens, sodass auch die vor Verfahrenseröffnung entstandenen Kosten nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht werden können.624 Wenn der Prozess erst nach Insolvenzeröffnung gegen den Schuldner persönlich angestrengt wird, ist die Kostenerstattungsforderung alle615 BGH MDR 1976, 475; ZIP 2009, 240 Rn 19; OLG Frankfurt/M MDR 1984, 148; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht18 § 84 Rn 58.

616 BGH ZIP 2019, 722 Rn 34 und 41; ZIP 2021, 1020 Rn 13 (rechtspolitische Kritik daran üben Thole EWiR 2019, 243, 244 und BGH ZIP 2022, 702 Rn 12); BGH ZIP 2017, 383 Rn 11 f (mAnm Schaumann/Zenker EWiR 2017, 181); für Anwendung von § 39 I S 1 Nr 2 Scholz DZWIR 2016, 451. 617 Dazu § 55 Rn 18. 618 BGH ZIP 2019, 722; BayObLG DZWIR 2002, 430. 619 BGH ZIP 2017, 383; BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 36; Antoniadis NZI 2014, 785, 787 ff. 620 BGH ZIP 2017, 383 Rn 26; ZIP 2021, 1020 Rn 13; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 57a. AA Thole ZIP 2014, 293, 299; Gloeckner/Bankel ZIP 2015, 2393, 2399, Hofmann FS Kübler (2015) S 265, 273 f und Horn BKR 2014, 449, 452 f, die für eine (analoge) Anwendung von § 55 I Nr 1 oder Nr 2 argumentieren. 621 BGH ZIP 2022, 702 Rn 12; ZIP 2021, 1020 Rn 13. 622 BGH ZIP 2005, 1034. 623 Henckel Parteilehre und Streitgegenstand (1961) S 137; Weber KTS 1955, 110; OLG München OLGRspr 21, 171. Abw Wolff KO2 § 3 Anm 6; Seuffert S 55. 624 OLG Celle ZIP 2020, 826; iE auch BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 3, wobei es aber nicht auf das Bedingtsein, sondern auf die Eigenschaft als einheitliche Neuforderung ankommt. Eichel

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mal nicht Insolvenz-, sondern Neuforderung, selbst wenn die streitgegenständliche Hauptforderung als Insolvenzforderung zu qualifizieren wäre.625 Ist der im Prozess verfolgte Hauptanspruch nachrangig (§§ 39, 327), so ist es auch der Kos- 171 tenerstattungsanspruch selbst dann, wenn die gegen den späteren Insolvenzschuldner ergangene Kostenentscheidung schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden war.626 Hatte zB der Gläubiger auf Grund eines Schenkungsversprechens vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die rechtskräftige Verurteilung des Schuldners zur Zahlung der Schenksumme erwirkt und waren diesem die Kosten des Verfahrens auferlegt worden, so ist der Kostenanspruch im Insolvenzverfahren ebenso nachrangig wie der Hauptanspruch (§ 39 I S 1 Nr 4). Ist der Hauptanspruch Masseforderung, weil der Insolvenzverwalter Erfüllung des Vertra- 172 ges nach § 103 verlangt hat (§ 55 I Nr 2), so sind Kostenforderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (mindestens aufschiebend bedingt) entstanden sind und mangels Fortführung des Prozesses durch den Insolvenzverwalter nicht der Masse zur Last fallen, nicht deshalb Masseforderungen, weil die Hauptforderung Masseforderung ist.627 Insolvenzforderungen sind auch die Kostenansprüche für Prozesse, die aussonderungs- oder absonderungsfähige Rechte betreffen, wenn sie vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und der Prozess nicht vom Insolvenzverwalter fortgeführt wird.

d) Strafverfahrensrecht. Dass die Kosten einer Strafverfolgung und einer Strafvollstreckung 173 als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können, kann, anders als unter der Geltung der Konkursordnung,628 nicht mehr bestritten werden, da nach § 39 I Nr 3 jetzt auch der Anspruch des Staates auf Zahlung einer Geldstrafe im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden kann.629 Gestritten werden kann nur noch um die Frage, ob die Strafverfahrenskosten ebenso als nachrangige Verbindlichkeiten einzuordnen sind wie die Geldstrafen630 gemäß § 39 I Nr 3. Wie die Rechtsprechung und die hL zur Konkursordnung die Strafverfahrenskosten nicht den nach § 63 Nr 3 KO vom Konkursverfahren ausgeschlossenen Geldstrafen gleich gestellt haben,631 sollten sie auch den Anspruch auf Zahlung von Strafverfahrenskosten nicht unter § 39 I Nr 3 subsumieren. Der Kostenanspruch ist kein Nebenanspruch neben dem Hauptanspruch auf Bestrafung und deshalb keine nachrangige Insolvenzforderung.632 Weder die Strafverfolgungs- noch die Strafvollstreckungskosten sind Nebenfolgen der Strafe. Vielmehr sind die Verfahrenskosten Gebühren und Auslagen der Staatskasse (§ 464a StPO). Sie sind nicht Sanktion für begangenes Unrecht, sondern öffentliche Abgaben, die nach dem Veranlassungsprinzip auferlegt werden. Ihre Höhe hängt weder von der Schwere des Unrechts oder der Schuld noch von der Art und Höhe der Strafe ab, sondern allein von dem Aufwand des Strafverfahrens. Aus §§ 467 II, 465 I S 2 StPO ergibt sich, dass die Kosten dem Angeklagten auch bei Freispruch auferlegt werden können; wenn das Gericht von Strafe absieht, können Kosten auch bei Verurteilung des Angeklagten der Staatskasse auferlegt werden (§ 465 II StPO).

625 626 627 628 629 630

BGH ZIP 2014, 480 Rn 14 f. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 135. LG Hamburg DNotZ 1974, 567; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 135. Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 92. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 136. Zum Begründungszeitpunkt des Geldstrafenanspruchs selbst: Klaproth wistra 2008, 174, 176; Rönnau/Tachau NZI 2007, 208, 209; Heinze ZVI 2006, 14. 631 LG Karlsruhe BadRspr 1902, 74; OLG Karlsruhe BadRspr 1906, 363; OLG Zweibrücken BayZ 1910, 122; OLG Augsburg SeuffArch 68, Nr 113; OLG Karlsruhe BadRspr 1902, 345 = OLGRspr 6, 237; OLG Stuttgart JW 1939, 765; DRpfl 1965, 67; ebenso Fichtner Konkursrecht § 63 Anm 2 c Nr 3; Bley/Mohrbutter VglO4 § 25 Anm 54; Kilger/K Schmidt InsG17 § 3 KO Anm 4i. AA Bley VglO2 § 25 Anm 54; Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 32 für die Kosten der Strafverfolgung, nicht der Strafvollstreckung; Reinisch JVBl 1965, 242 ff. 632 Heinze ZVI 2006, 14. 225

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Was die zeitliche Abgrenzung angeht, also die Frage, in welchem Stadium die Strafverfolgung sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befinden muss, damit der Kostenanspruch im Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, gilt Folgendes. Entsteht der Kostenanspruch erst mit rechtskräftigem Ausspruch während des Insolvenzverfahrens, können auch die vor Eröffnung angefallenen Kosten nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht werden, da der Kostenanspruch einheitlich ist und mangels Masserelevanz als Neuforderung gegen den Schuldner persönlich entsteht.633 Nur wenn das kostenveranlassende Strafverfahren vor Verfahrenseröffnung seinen Abschluss findet, handelt es sich um eine Insolvenzforderung.634 Die Strafvollstreckungskosten können nur für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderung geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Ersatz des Wertes von Taterträgen, der nach § 73c StGB eingezogen werden kann, ist mit der Erlangung des den Tatertrag bildenden Gegenstands iSv §§ 38, 39 I S 1 Nr 3 InsO begründet; auf die spätere Anordnung der Einziehung durch das Strafgericht kommt es nicht an.635

175 e) Ansprüche nach §§ 302 IV, 600 II, 717 II, III, 945, 958 ZPO. Schadensersatz- bzw Bereicherungsansprüche nach §§ 302 IV, 600 II, 717 II, III, 945, 958 ZPO entstehen mit der Vollstreckung des Vorbehaltsurteils bzw des vorläufig vollstreckbaren Urteils oder mit der vollstreckungsabwendenden Leistung als aufschiebend bedingte Forderung.636 Sie sind also Insolvenzforderungen, soweit Vollstreckung oder Leistung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, während sich die Aufhebung oder Änderung des Titels auch erst danach ereignen kann.637

10. Versicherungsverträge 176 Gegen den Insolvenzschuldner gerichtete Ansprüche des Versicherers auf Versicherungsprämien sind Ansprüche aus einem gegenseitigen Vertrag iSv § 103. Ist der Vertrag vom Versicherer voll erfüllt638 oder liegt er außerhalb des Insolvenzbeschlags639 so liegen die Voraussetzungen von § 103 aber nicht vor; rückständige Prämien sind dann einfache Insolvenzforderungen.640 Wenn der Vertrag noch nicht erfüllt ist, richtet sich sein Schicksal nach § 103. Bei Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters gilt: Grundsätzlich sind die Prämienforderungen bereits bei Verfahrenseröffnung begründet, auch wenn sie nachher entstehen. Jedenfalls die nach Verfahrenseröffnung entstehenden Prämienforderungen werden allerdings zu Masseforderungen aufgewertet, wenn der Insolvenzverwalter Erfüllung verlangt (§§ 103, 55 I S 1 Nr 2); aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung rückständige Prämienforderungen werden von der Erfüllungswahl nicht berührt und bleiben Insolvenzforderungen, soweit man die Anwendung von § 105 S 1 befürwortet.641 Diese Zweiteilung des Versicherungsvertrags, dessen Erfüllung der Insolvenzverwalter verlangt hat, wurde von Henckel in der Vorauflage abgelehnt.642 Er hat ua argumentiert, dass § 105 nicht anwendbar sei, da die Gefahrtragung des Versicherers allein noch keine Teilleistung wäre. In jedem Fall ist diese Streitfrage eine nach §§ 103, 105 zu entscheidende Frage und unabhängig vom Merkmal des „Begründetseins“ der Prämienforderung,

633 634 635 636 637 638 639

MN Rn 170. AA noch Henckel Voraufl § 38 Rn 156 mwN für eine frühere Gegenauffassung. So Warneyer KO § 3 Anm III. BGH ZIP 2021, 642 m Anm Wilke NJW 2021, 1469 f. Allgemein RGZ 85, 214, 219; Musielak/Voit/Lackmann ZPO19 § 717 Rn 4. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 137. Dazu, wann dies anzunehmen ist, Henckel Voraufl § 38 Rn 160. zB Krankenversicherungsverträge, BGH ZIP 2014, 688; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 10; Senger/Finke ZInsO 2012,

997.

640 Vgl auch BGH ZIP 2016, 1174 Rn 9, 11 (richtigstellend gegenüber OLG Schleswig ZIP 2015, 1040). 641 Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 103 Rn 44; OLG Düsseldorf NZI 2006, 297. 642 Ausführlich Henckel Voraufl § 38 Rn 161 mwN. Eichel

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sodass sie hier nicht mehr vertieft wird. Ohnehin kann wegen § 38 III S 3 VVG eine Zahlung in voller Höhe erforderlich werden, um den Versicherungsschutz für die Zeit nach Verfahrenseröffnung sicherzustellen.643 Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Versicherungsvertrags ab, wird die 177 Streitfrage, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Prämien Insolvenzforderungen sind,644 nur relevant, wenn überhaupt noch ein Anspruch auf diese Prämie besteht. Das OLG Koblenz645 bejahte diese Frage unter Berufung auf die Formulierung Lents,646 wonach mit der Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters nach § 17 KO (§ 103 InsO) die wechselseitigen Erfüllungsansprüche nur für die Zukunft erlöschen würden.647 Dieser Satz Lents war aber nicht auf Dauerschuldverhältnisse bezogen, sondern auf einen einmaligen Leistungsaustausch. Abgesehen davon ist die Auffassung Lents durch die neueren Interpretationen des § 17 KO und des § 103 InsO überholt. Der BGH sah bis zum Urteil vom 25.4.2002648 die beiderseitigen Erfüllungsansprüche mit der Verfahrenseröffnung als erloschen an,649 später als nicht durchsetzbar.650 In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass der Anspruch des Vertragspartners des Schuldners vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an als einseitiger auf die Differenz zwischen der von ihm geschuldeten und der ihm zu erbringenden Leistung gerichtet (§ 103 II S 1) und, sofern er nicht ohnehin ein Geldanspruch ist, in Geld zu berechnen sei (§ 45).651 Nach beiden Auffassungen kann der Versicherer nicht mehr die im Vertrag vereinbarte Prämie verlangen und er ist nicht zur Vertragsleistung verpflichtet. Der Versicherer hat lediglich einen Zahlungsanspruch (§ 103 II S 1), der Insolvenzforderung ist.652 Bei der Lebensversicherung ist indes das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach § 168 VVG zu berücksichtigen. Die vom OLG Koblenz653 befürwortete Differenzierung danach, ob ein Wiederkehrschuldverhältnis oder ein einheitliches Dauerschuldverhältnis vorliegt, ist zur Lösung des Problems ungeeignet. Der Begriff des Wiederkehrschuldverhältnisses hat eine andere Funktion. Er ist entwickelt worden, um dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu geben, in einen Energielieferungsvertrag einzutreten, ohne das bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückständige Entgelt als Masseverbindlichkeit zahlen zu müssen.654 Bei der Frage nach der Behandlung des Anspruchs auf die Versicherungsprämie bei Ablehnung der Vertragserfüllung des Insolvenzverwalters liegt eine andere Interessenlage vor. Gleichgültig, ob der Versicherungsvertrag als einheitliches Schuldverhältnis gesehen wird oder mit jeder Versicherungsperiode neu entsteht, bewirkt die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters, dass Ansprüche des Versicherers auf Prämien für die Gefahrtragung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr bestehen.655 Setzt der Insolvenzschuldner den Versicherungsvertrag persönlich fort, so ist der An- 178 spruch auf die Prämie für die mit dieser Fortsetzung beginnende Periode keine Insolvenzforderung. Sie ist gegen den Schuldner persönlich gerichtet. Für sie haftet nur dessen insolvenzfreies 643 Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 103 Rn 44. 644 Bejahend OLG Koblenz VersR 1960, 817; abl Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 18; Kilger/K Schmidt InsG17 § 3 KO Anm 4b; LG Braunschweig VersR 1960, 817. 645 OLG Koblenz VersR 1960, 817, 818. 646 Jaeger/Lent KO8 § 17 Rn 41. 647 MwN Henckel Voraufl § 38 Rn 162. 648 BGHZ 150, 353; zur aufgegebenen Erlöschenstheorie BGHZ 103, 250, 252, 254; 129, 336, 338 ff; 116, 156, 158 = JR 1992, 422 (Häsemeyer) = LM Nr 29 § 17 KO (Stürner) = JuS 1992, 613 (Schmidt) = JZ 1992, 424 (zust Uhlenbruck) = NJW 1992, 507 = EWiR § 55 KO 1/92, 71 (abl Marotzke); BGHZ 135, 25 ff; sa MünchKomm/Huber InsO4 § 103 Rn 8 ff. 649 BGHZ 103, 250, 252, 254; 129, 336, 338 ff. 650 BGHZ 150, 353, 359; Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 20 ff. 651 Näher Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 31 ff; Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 115, 149; MünchKomm/Huber InsO4 § 103 Rn 185 ff; so im Ergebnis auch der BGH. 652 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 134; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 38 Rn 35. 653 VersR 1960, 817 f. 654 Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 85 f; vgl auch BeckOK/Kirchner InsO28 § 38 Rn 22. 655 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 134. 227

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Vermögen. Der Versicherer wird sich allerdings auf eine solche Fortsetzung nicht einlassen, weil der pfändbare Neuerwerb des Schuldners zur Masse gehört (§ 35). 179 Die Berufsgenossenschaft ist Insolvenzgläubigerin mit den für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens umgelegten Beiträgen, auch wenn deren Höhe erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund der im Betriebe des Insolvenzschuldners verausgabten Arbeitsentgelte festgesetzt wird (§§ 152 ff SGB VII). Da die Festsetzung der für ein Rechnungsjahr zu leistenden Beiträge erst nach dessen Ablauf erfolgt, ist die Berufsgenossenschaft häufig außerstande, eine schon festgesetzte Beitragssumme anzumelden. Jedoch ist eine Anmeldung mit dem „im Umlageverfahren festzusetzenden Betrag“ iSd § 174 hinreichend bestimmt,656 weil die ziffernmäßige Festsetzung durch ein gesetzlich geregeltes Verfahren nachfolgt. Die insolvenzrechtliche Feststellung kann auf Grund dieser Anmeldung schon erfolgen.

11. Zahlungsverkehr 180 a) Banküberweisung. Bei der Banküberweisung im Giroverkehr wird durch den Zahlungsdienstevertrag (§ 675f I, II BGB) oder den Zahlungsauftrag (§ 675f IV S 2) noch kein Anspruch des Zahlungsempfängers gegen seine Bank begründet.657 Der Empfänger, der zur Empfängerbank in einem Zahlungsdiensteverhältnis steht, erlangt vielmehr erst gegen diese einen Anspruch auf Gutschrift, wenn der Zahlungsbetrag bei ihr eingegangen ist und sie damit Deckung erhalten hat (§ 675t BGB).658 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Empfängerbank kann der Empfänger diesen Anspruch auf die Gutschrift als unbedingte Forderung anmelden. Der Anspruch aus der Gutschrift ist ebenfalls Insolvenzforderung, wenn die Empfängerbank vor Insolvenzeröffnung Deckung erhalten hat.659

181 b) Lastschrift. Beim Lastschriftverfahren erfolgt die Gutschrift für den Empfänger meist schon vor Eingang der Lastschriftbeträge, dann jedoch ausdrücklich oder stillschweigend unter Vorbehalt des Eingangs.660 Der Anspruch aus der Gutschrift ist demzufolge bedingt durch die Einlösung der Lastschrift seitens der Bank des Zahlungspflichtigen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen über die Art der Bedingung.661 Hier wird davon ausgegangen, dass die Gutschrift als auflösend bedingt anzusehen ist.662 Auflösende Bedingungen sind die Nichteinlösung der Lastschrift und dass das Erstattungsverlangen nach § 675u bzw § 675x II, IV nicht ausgeübt wird.663 182 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Empfängerbank ist der Anspruch aus der Gutschrift vom Empfänger als bedingte Forderung iSd § 42 geltend zu machen, wenn die Gutschrift vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte, und wird bis zum Eintritt der Bedingung wie ein unbedingter behandelt. Der Anspruch des Empfängers gegen seine Bank ist im Insolvenzverfahren über deren Vermögen auch dann Insolvenzforderung, wenn diese erst nach Verfahrenseröffnung von der Schuldnerbank bzw der Zwischenbank Deckung erhält. Denn mit der Gutschrift entsteht sie bereits als bedingte Forderung. Bekommt danach der Empfänger nur 656 Jaeger/Weber KO9 § 139 Rn 3; zu den Kosten der nachträglichen Anmeldung des festgesetzten Beitrags s Jaeger/ Weber KO9 § 139 Rn 7. 657 Zur Rechtslage unter dem alten Zahlungsdiensterecht, insb dem Überweisungsvertrag nach § 676a BGB aF Henckel Voraufl § 38 Rn 93. 658 MünchKomm/Jungmann BGB8 § 675t Rn 1–3. 659 Henckel Voraufl § 38 Rn 93. 660 Art. 9 Nr 1 AGB-Banken; MünchKomm/Casper BGB8 § 675f Rn 105; ebenso und grundlegend zur Insolvenzfestigkeit verschiedener Arten von Lastschriftverfahren Jacoby ZIP 2010, 1725, 1730; Schulte-Kaubrügger ZIP 2008, 2348. 661 Henckel Voraufl § 38 Rn 96 mwN; Piekenbrock/Rodi/Aßfalg WM 2017, 2281, 2283; Piekenbrock KTS 2007, 179, 201. 662 BGHZ 74, 309, 315; BGH NJW 1987, 317, 319 = WM 1986, 1409 = ZIP 1986, 1537; Ellenberger in Bankrechts-Handb5 § 58 Rn 22. AA Piekenbrock/Rodi/Aßfalg WM 2017, 2281, 2283; KK/Hess InsO § 38 Rn 142. 663 Vgl auch MünchKomm/Casper BGB8 § 675f Rn 105. Eichel

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die Insolvenzquote, so ist dennoch sein Anspruch gegen den Lastschriftschuldner zum Nennbetrag der Lastschrift erloschen, weil beim Lastschriftverfahren der Empfänger das Risiko der Zahlungsunfähigkeit seiner Bank und der Zwischenbanken tragen muss.664 Denn er bestimmt den Zahlungsweg. Ist die Lastschrift eingelöst und hat die Empfängerbank Deckung erhalten, so wird der 183 Anspruch aus der Gutschrift unbedingt und bleibt zunächst auch dann rechtswirksam, wenn der Lastschriftschuldner nachträglich seinen Erstattungsanspruch nach § 675x II, IV gegen seinen Zahlungsdienstleister geltend macht. Soweit die Empfängerbank der vorgeschalteten Bank gegenüber verpflichtet ist, die Rückbuchung vorzunehmen, so ist der Anspruch der vorgeschalteten Bank gegen die im Insolvenzverfahren stehende Empfängerbank auf Rückbuchung eine Insolvenzforderung, wenn die Empfängerbank die Deckung vor Verfahrenseröffnung erhalten hat.665 Das Konto des Empfängers belastet die Empfängerbank aber mit dem vollen Nennbetrag der Gutschrift. Hat die Empfängerbank die Deckung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen erhalten, so ist der Rückbuchungsanspruch der vorgeschalteten Bank Masseforderung. Sie wird dann – bei zureichender Masse – voll getilgt. In der Insolvenz des Zahlers wirft die Lastschrift verschiedene Fragen auf, insbesondere 184 ihre Insolvenzfestigkeit, wenn der Zahler bzw (vorläufige) Insolvenzverwalter einer Buchung nach Verfahrenseröffnung noch widersprechen und damit die vor Verfahrenseröffnung erfüllt geglaubte Forderung wieder unerfüllt stellen kann, um die Masse zu mehren.666 Im Unterschied zur Einzugsermächtigungslastschrift ist die SEPA-Basislastschrift in diesem Sinne aber insolvenzfest.667 Was § 38 angeht, ist der Bereicherungsanspruch der Bank, die eine seitens des Zahlers schon genehmigte Lastschrift irrtümlich an diesen rückgebucht und den Lastschriftbetrag an ihn oder den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgezahlt hat, Insolvenzforderung, wenn die Auszahlung vor Verfahrenseröffnung erfolgt ist.668 Ob der Ausgleichsanspruch des nicht-insolventen Oder-Kontoinhabers gegen den insolven- 185 ten Kontoinhaber (§ 430 BGB), dessen Verwalter das Guthaben einzieht, Insolvenzforderung oder aus der Masse vorweg zu befriedigen ist, hängt von der umstrittenen Anwendbarkeit von § 84 auf das Oder-Konto ab.669

12. Sonstige Sachbereiche a) Energierecht. Energielieferungen an den Schuldner kraft Ersatzversorgung nach § 38 EnWG 186 begründen für das Entgelt für die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entnommene Energie Insolvenzforderungen (§ 38 InsO), anschließend Masseforderungen (§ 55 I Nr 1); für Energiebezug aufgrund Versorgungsvertrags kommt es auf die Vertragsfortführung gemäß §§ 103, 55 I Nr 2 an.670 b) Leibrentenrecht. Das Leibrentenrecht (§§ 759 ff, 330 BGB) stellt ein einheitliches, durch End- 187 termin begrenztes Recht, nicht eine Reihe von aufeinander folgenden selbstständigen Ansprüchen dar und gewährt somit eine Insolvenzforderung auch auf die erst nach Eröffnung des Insolvenz-

664 MünchKomm/Omlor HGB4 VI Teil 1-C Rn 75; KK/Hess InsO § 38 Rn 142; Brechtel, Die Tilgung von Geldforderungen bei Überweisung, Lastschrift- und Kreditkartenzahlung (2013) S 103 ff.

665 Zu den Rechtsgrundlagen im Interbankenverhältnis MünchKomm/Omlor HGB4 VI Teil 1-C Rn 92 f. 666 Fischer WM 2009, 629; Penzlin ZInsO 2009, 315; v Olshausen Die SEPA-Lastschrift: Erfüllung – Aufrechnung – Insolvenz (2015) S 233 ff; Piekenbrock KTS 2007, 179, 212 ff. 667 Jacoby ZIP 2010, 1725. 668 BGH ZIP 2015, 434 Rn 15 ff; näher und zu Sonderfällen Jungclaus/Keller ZIP 2011, 941; s auch § 55 Rn 89 und Rn 101. 669 Gegen Anwendung von § 84 und für § 38 Kopp ZIP 2019, 997; zur Anwendbarkeit von § 84 s dort. 670 Wehner ZIP 2018, 159, 160 ff. 229

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verfahrens fälligen Zinsen.671 Gleiches gilt vom Recht des Leibgedingnehmers (Art 96 EGBGB) auf die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdenden Einzelleistungen. Wegen der Reallasten (§ 1105 BGB), der Überbau- und Notwegrente (§§ 912 ff BGB) s auch die Erläuterungen zu § 49 Rn 10.

13. Wechselrecht 188 Hatte der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zB für eine Darlehens- oder Kaufpreisschuld ein Wechselakzept gegeben, so kann der Gläubiger nicht neben der Wechselforderung auch noch den Darlehens- oder Kaufpreisanspruch anmelden. Innerhalb wie außerhalb des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner nur einmal zu zahlen (Rn 85). Hat der Gläubiger den Wechsel weitergegeben, so hindert ihn die Teilnahme des Indossatars am Insolvenzverfahren an einer Anmeldung der Kausalforderung.672 Auch in diesem Fall ist ein die Kausalforderung sicherndes Pfandrecht aber nicht erloschen. Nur darf unter seiner Geltendmachung die Masse nicht mehr leiden, als wenn Kausalforderung und Wechselgläubigerrecht noch in einer Person vereinigt wären. Folglich unterliegt der Indossatar ebenfalls den Beschränkungen des § 52 (dazu Rn 85). Da ihm der Rückgriff gegen den Indossanten zusteht (dazu sogleich Rn 191), erwächst ihm kein Schaden. Der Indossant muss das Absonderungsrecht für Rechnung des Indossatars verfolgen.673 189 Blankowechsel. Die Forderung des Ausfüllungsberechtigten, der ein ihm vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegebenes Wechselblankett (Blankoakzept) nach der Verfahrenseröffnung ausfüllt, ist eine rechtsbedingte, also bei Verfahrenseröffnung begründete Insolvenzforderung, da sie ab diesem Zeitpunkt entstehen konnte, ohne dass ein weiterer schuldbegründender Akt des Schuldners erforderlich wäre.674 Hat der Insolvenzschuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Wechsel ausge190 stellt, mit seinem Akzept oder einem Indossament versehen, aber noch nicht begeben, so hat er einen wechselrechtlich erheblichen Rechtsschein gesetzt, der in der Hand des gutgläubigen Zweiterwerbers jedenfalls das Forderungsrecht begründet. Dieses ist Insolvenzforderung, weil der Rechtsschein vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner geschaffen wurde. Dass der gutgläubige Zweiterwerber den Wechsel erst nach Verfahrenseröffnung bekommen hat, steht nicht entgegen. Hat der Insolvenzschuldner den Wechsel vor der Eröffnung bereits begeben, stehen ihm aber Einwendungen gegen die Wechselforderung zu, die er dem Zweiterwerber nach Art 17 WG nicht entgegenhalten kann, so erlangt dieser mit dem Wechsel eine einwendungsfreie Insolvenzforderung, auch wenn er den Wechsel erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hat. Beispiel: Der Wechselzeichner hatte seine Unterschrift aus Gefälligkeit gegeben, um dem Empfänger Kredit zu verschaffen, dieser aber hatte sich verpflichtet, den Wechsel selbst einzulösen.675 Umgekehrt kann sich die Lage der Masse auch dadurch verbessern, dass ein einredebetroffener Nachmann auf den einredefreien Vormann folgt. Gibt der Insolvenzschuldner selbst den Wechsel nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter, so ist streitig, ob auch schon der Ersterwerber durch Art 16 II WG geschützt ist. Die hL verneint dies zu Recht.676 Wer als Rückgriffsschuldner aus einem Wechsel in Anspruch genommen worden ist und nun 191 seinerseits Rückgriff nehmen will gegen einen früheren Indossanten oder den Aussteller, ist dessen Insolvenzgläubiger, auch wenn er seine Wechselschuld erst nach Eröffnung des Insolvenzver-

671 672 673 674 675 676

RGZ 67, 204, 210; 68, 340, 342 f; Eccius Gruchots Beitr 45, 23; Seuffert S 48. Jaeger/Henckel KO9 § 8 Rn 17, 36. So die richtige Lösung des in RGZ 85, 53 ff behandelten Falles. Mit abweichender Begründung auf Basis der Anwartschaftslehre Henckel Voraufl § 38 Rn 90 mwN. RGZ 84, 121 ff; vgl auch RGZ 112, 202 ff. Jaeger/Henckel KO9 § 7 Rn 67.

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fahrens getilgt hat. Darüber besteht Einigkeit.677 Lediglich die Konstruktion ist streitig. Die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts678 ging von der Offertentheorie aus. Danach ist das wechselrechtliche Schuldversprechen gegenüber jedem abgegeben, der den Wechsel rechtswirksam erwerben sollte. Das Gläubigerrecht des Indossatars beruht also darauf, dass er diese Offerte annimmt und nicht auf einer Abtretung des Rechts des Indossanten. Der Indossant behält also sein Gläubigerrecht, das er lediglich solange nicht ausüben darf, wie der Indossatar oder dessen Nachmann berechtigter Wechselinhaber sind. Der Rückgriffsanspruch des Indossanten ist danach schon in dem Zeitpunkt entstanden, in dem er den Wechsel erworben hat. Er ist Insolvenzforderung, auch wenn der Indossatar oder der Indossant erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt haben, sofern nur der Schuldner den Wechsel vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begeben und der Rückgriffsberechtigte ihn der Insolvenzmasse gegenüber wirksam erworben hat, darüber hinaus, wenn ein entsprechender Rechtsscheinstatbestand vorliegt (Rn 123 f). Die Bedingungstheorie nimmt demgegenüber an, dass der Indossant das Wechselrecht auf den Indossatar übertrage, jedoch unter der auflösenden Bedingung der Einlösung des Wechsels durch den Indossanten. Der Eintritt der Bedingung soll das Gläubigerrecht des Indossanten wieder aufleben lassen, das bis zu diesem Zeitpunkt als aufschiebend bedingtes fortbesteht, sodass es als vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden anzusehen sei und deshalb als Insolvenzforderung angemeldet werden könne.679 Voraussetzung ist, dass die Wechselverpflichtung des Insolvenzschuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden oder kraft Rechtsscheins (Rn 123 f) eine Insolvenzforderung begründet hat. Eine andere Auffassung geht dahin, dass der Indossant das Wechselrecht auf den Indossatar unbedingt übertrage, aber eine Anwartschaft auf den Rückerwerb und damit auf die Rückgriffsansprüche behalte.680 Auch nach dieser Auffassung ist der Rückgriffsberechtigte, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt hat, Insolvenzgläubiger, weil für die Anwendung des § 38 der Zeitpunkt der Entstehung der Anwartschaft maßgebend sein soll. Bei Erwerb der Anwartschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber kommt es darauf an, ob die Wechselverpflichtung vom Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung begründet wurde oder kraft Rechtsscheins (Rn 123 f) eine Insolvenzforderung begründet hat. In der neueren Lehre681 hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass der Indossant den Wechsel unbedingt übertrage und mit der Einlösung das Rückgriffsrecht des Art 47 III WG gegen seine Vormänner erwerbe, bzw kraft Gesetzes das Recht des Inhabers, den er befriedigt hat. Die Einführung der Figur der cessio legis trägt dem maßgebenden Gesichtspunkt Rechnung, dass der Wechselinhaber mit dem Rückgriff das Risiko der Insolvenz auf den Rückgriffsschuldner ablädt. Dieser soll also die haftungsrechtliche Position einnehmen, die der Regressnehmer innehatte. Hat ein Regresspflichtiger gezahlt, so steht er also im Insolvenzverfahren ebenso wie derjenige, an den er gezahlt hat. War dieser Insolvenzgläubiger, so wird es auch der Indossant, der den Wechsel einlöst, auch wenn dies erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschieht. Das Einwendungsproblem löst diese Auffassung unter Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens, dass der Nichtberechtigte, der durch seine Verfügung den gutgläubigen Erwerb eines anderen ermöglicht, beim Rückerwerb von diesem nicht mehr Rechte erwerben kann, als er vor der Verfügung hatte. Auch nach dieser Ansicht kann also der Insolvenzverwalter dem rückgriffnehmenden Indossanten alle diejenigen Einwendungen entgegensetzen, die bestanden, bevor der Indossant den Wechsel weiterbegeben hat. Die Aufrechnungsbefugnis des Rückgriffsgläubigers im Insolvenzver677 Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO § 191 Rn 3; Kilger/K Schmidt InsG17 § 3 KO Anm 4 h; Bley/Mohrbutter VglO4 § 25 Rn 44; MünchKomm/Ehricke InsO3 § 38 Rn 66.

678 RGZ 77, 187; 80, 407, 413; 84, 121, 126; 94, 231; 117, 69, 75. 679 Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 27, § 67 Rn 5; Gareis/Riezler WG Art 14 Anm 3; Hueck Recht der Wertpapiere § 9 III 2; Stranz WG14 Art 14 Anm 97.

680 Ulmer Wertpapierrecht S 215. 681 Baumbach/Hefermehl WG24 Art 14 Rn 2; Hefermehl in FS Wahl (1973) S 367; Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere12 § 12 IV 3; Richardi Wertpapierrecht § 17 I 2; Pflug Der rücklaufende Wechsel (1967) S 58 ff, 107; Egert Die Rechtsbedingung (1974) S 193 f. 231

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fahren ist nicht davon abhängig, dass man das Rückgriffsrecht als bedingtes Recht versteht. Zum Rückgriff vor Verfall: Art 43 II Nr 2, 3 WG. 192 Ob der Bezogene einen Anspruch auf Deckung (Revalierung, dh auf Rückgewähr der gezahlten Wechselsumme) gegen den Aussteller hat, ist nach dem zwischen dem Bezogenen und dem Aussteller bestehenden Innenrechtsverhältnis zu beurteilen. Maßgebend sind regelmäßig die §§ 662, 670, 675 BGB.682 War die Annahme des Wechsels als Geschäftsbesorgung für den jetzigen Insolvenzschuldner, namentlich „aus Gefälligkeit“ für diesen, gegen dessen Verpflichtung, entweder bis zum Verfall Deckung zu schaffen oder bei Verfall selber einzulösen, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, so bildet der Anspruch des Geschäftsbesorgers, der den Wechsel bei Verfahrenseröffnung noch nicht eingelöst hat, als Befreiungsanspruch (Rn 70 ff) nur dann eine Insolvenzforderung, wenn der Wechselgläubiger nicht im Wege des Regresses gegen den Aussteller an dessen Insolvenzverfahren teilnimmt. Meldet dagegen der Gläubiger seinen Regressanspruch gegen den Aussteller an, so ist der Bezogene in diesem Insolvenzverfahren nicht, auch nicht als Gläubiger einer bedingten Forderung (§ 191), zu beteiligen, solange der Wechselgläubiger nicht voll befriedigt ist (s Rn 114). Zahlt der Bezogene während des Insolvenzverfahrens die Wechselsumme voll an den Gläubiger, so rückt er nach dem allgemeinen Regressprinzip (Rn 111, 113) in die haftungsrechtliche Stellung des Wechselgläubigers ein.683 Dass der Vorschussanspruch des Regressberechtigten (§§ 669, 675 BGB) eine unbedingte Insolvenzforderung darstelle,684 kann nicht angenommen werden, solange die Möglichkeit besteht, dass der Gläubiger im Wege des Regresses seine Forderung im Insolvenzverfahren des Ausstellers anmeldet. Die Gefahr der Doppelzahlung besteht nämlich auch hier. Entsprechendes gilt für die Übernahme anderer Wechselverpflichtungen „aus Gefälligkeit“. Die Gefälligkeitsverpflichtung ist eine verkleidete Verbürgung. Für den Scheckregress gegen den Aussteller, Indossanten oder Scheckbürgen (Art 12, 18, 27, 40 ScheckG) gelten die Ausführungen über den Wechselregress entsprechend.

682 RG JW 1902, 545 f; MünchKomm/Ehricke InsO3 § 38 Rn 66. 683 MünchKomm/Ehricke InsO3 § 38 Rn 66. 684 Jaeger/Lent KO8 § 3 Rn 28 aE. Eichel

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§ 39 Nachrangige Insolvenzgläubiger (1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: 1. die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger; 2. die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen; 3. Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten; 4. Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners; 5. nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Satz 1 Nummer 5 ist nicht anzuwenden, wenn eine staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen einem Unternehmen, an dem die staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen beteiligt ist, ein Darlehen gewährt oder eine andere einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorgenommen hat. (2) Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt. (3) Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger. (4) 1Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. 2Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 4 Satz 1, der mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist.

Gesetzesänderungen Abs. 1 S. 2 angefügt mWv 1.1.2021 durch Art. 5 Nr. 13 Ges v 22.12.2020 (SanInsFoG), BGBl I, 3256; Abs. 1 (S. 1) Nr. 5 geändert und Abs. 4, Abs. 5 angefügt mWv 1.11.2008 durch Art. 9 Nr. 5 a/b Ges v 23.10.2008 (MoMiG), BGBl I, 2026; Abs. 1 (S. 1) Nr. 1 geändert mWv 1.7.2007 durch Art. 1 Nr. 13 Ges v 13.4.2007, BGBl I, 509.

Materialien Zur InsO: 1. Ber InsRKomm, LS 1.1.5 III; DiskE § 44; RefE § 44, RegE § 46, BR-Drucks 1/92, BT-Drucks 12/2443, S 123; zum Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens: BR-Drucks 549/06, S 4, Begr S 32; BT-Drucks 16/3227, S 6, Begr S 17 f; zum MoMiG: RegE MoMiG S 30, Begr S 129 ff; BR-Drucks 354/07, S 30, Begr S 129 ff; BT-Drucks 16/6140, S 15, Begr S 56 f; zum SanInsFoG: BR-Drucks, S 49 f; BT-Drucks 19/25303, S 102.

Vorgängerregelungen 63 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 350 ff, Begr EKO S 270 ff, KO-Prot S 53, 153, P. VI S 765, KommBer z KO-Nov 1898 S 195 ff. 233 https://doi.org/10.1515/9783110666175-005

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Literatur Adolff Der Rangrücktritt zur Vermeidung der Insolvenz, FS Hellwig (2010), S 433; Altmeppen „Dritte“ als Adressaten der Kapitalerhaltungs- und Kapitalersatzregeln in der GmbH, FS Kropff (1997), S 641; Altmeppen Die Auswirkungen des KonTrAG auf die GmbHG, ZGR 1999, 291; Altmeppen Die zentralen Änderungen des GmbH-Rechts nach dem Referentenentwurf des MoMiG, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, VGR Bd 12 (2007), S. 93; Altmeppen Ration legis des Rechts der Gesellschafterdarlehen am Beispiel der Sicherheiten, ZIP 2019, 1985; Azara Eigenkapitalersatzrecht – Das Eigenkapitalersatzrecht der GmbH nach dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) (2010); Berger Zahlungsverbote kraft Rangrücktritts, ZIP 2016, 1; Berger Dingliche Sicherheiten für nachrangige Forderungen, KTS 2020, 1; Bitter Die Nutzungsüberlassung in der Insolvenz nach dem MoMiG, ZIP 2010, 1; Bitter Teufelskreis – Ist das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 S. 2 InsO zu sanieren?, ZIP 2013, 398; Bitter Wirksamkeit von Rangrücktritten und vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperren, ZIP 2015, 345; Bitter Insolvenzvorsorge durch Rangrücktritt und Patronatsvereinbarung, ZHR 181 (2017), 428; Bitter Besprechung des Buches von Rogler, KTS 2018, 445; Bitter Die typische und atypische stille Gesellschaft im Recht der Gesellschafterdarlehen, ZIP 2019, 146; Bitter Die Doppelsicherung durch Gesellschaft und Gesellschafter als Lackmustest für den Normzweck des Gesellschafterdarlehensrechts, FS Kayser (2019), S 41; Bitter Corona und die Folgen nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG), ZIP 2020, 685; Bitter Förderung von Neukrediten durch Gesellschafter und Dritte in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 COVInsAG – eine Zwischenbilanz, GmbHR 2020, 861; Bitter Banken als Adressaten des Gesellschafterdarlehensrechts bei einer Doppeltreuhand zur Sanierung, WM 2020, 1764; Bitter/Heim Anmerkung zu BGH ZIP 2015, 638, ZIP 2015, 644; Bitter/Laspeyres Kurzfristige Waren- und Geldkredite im Recht der Gesellschafterdarlehen, ZInsO 2013, 2289; Blaurock Die Factoring-Zession, ZHR 142 (1978), 325; Blaurock Stille Beteiligungen in der Handelsbilanz der „Kapitalgesellschaft & Still“, FS Immenga, 2004, S 497; Blöse Anwendbarkeit des Sanierungsprivilegs auf Auffanggesellschaften, ZIP 2011, 1191; Blöse Das reformierte Recht der Gesellschafterleistungen, GmbHR 2018, 1151; Bork Insolvenzanfechtung des „Stehenlassens“, FS Uhlenbruck (2000), S 279; Bork Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts zugunsten des Insolvenzrechts?, ZGR 2007, 250; Bork Anfechtung bei Rücktritt in den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 4½ InsO, ZIP 2012, 2277; Braun/Riggert Die Doppelseitige Treuhand als Sanierungsinstrument, FS Görg (2010), S 95; Braunschweig Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz in Deutschland und den USA (2012); Brinkmann Zwei Brennpunkte im Recht der Gesellschafterdarlehen, ZGR 2017, 708; Buhmann/Woldrich Einordnung von Verspätungszuschlägen nach § 152 AO als nachrangige Insolvenzforderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO, ZInsO 2004, 1238; Büscher Miete und Pacht nach MoMiG, FS Hüffer (2010), S 81; Canaris Interessenlage, Grundprinzipien und Rechtsnatur des Finanzierungsleasing, AcP 190 (1990), 410; Clemens Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG (2012); Conow Vertragsbindung als Freiheitsvoraussetzung (2015); d’Avoine/Michels Darlehen mittelbarer Gesellschafter in der Insolvenz, ZIP 2018, 60; Dittmar Der überschuldungsvermeidende Rangrücktritt (2019); Dittmer, Gesellschafter-Dienstleistungen als eigenkapitalersetzende Rechtshandlung im Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG (1997); Ehricke Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Eidenmüller Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, FS Canaris (2007), Bd II, S 49; Ekkenga Insolvenzvorbeugung durch Rangrücktritt, ZIP 2017, 1493; Ekkenga Mezzanine-Kapital im aktien- und GmbH-rechtlichen System der gläubigerschützenden Kapitalerhaltung, ZHR 185 (2021), 792; Engert Drohende Subordination als Schranke einer Unternehmenskontrolle durch Kreditgeber, ZGR 2012, 835; Felsch Stundung, Fälligkeitsvereinbarung und Stehenlassen: Nach welchem Zeitraum sind Forderungen aus Austauschgeschäften darlehensgleich nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO?, ZIP 2021, 123; Fleischer Covenants und Kapitalersatz, ZIP 1998, 313; Florstedt Das materielle Eigenkapital der verbandsverfassten GmbH & Still, ZIP 2017, 2433; Foerster Die Zuordnung der Mitgliedschaft, 2018; Ganter Erweiterungen und Einschränkungen des Anwendungsbereichs von § 39 I Nr. 5 InsO, NZI 2021, 1; Gehrlein Das Eigenkapitalersatzrecht im Wandel seiner Kodifikation, BB 2011, 3; Gehrlein Banken – vom Kreditgeber zum Gesellschafter – neue Haftungsfallen? 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Dividendenzahlungen an gutgläubige Aktionäre, ZIP 2022, 1621; Hadding Zur Gläubigerstellung in der Insolvenz des Bürgen, FS G. Fischer (2008), S 223; Halmer Gesellschafterdarlehen und Haftungsdurchgriff (2013); Häsemeyer Insolvenzrechtlicher Rückabwicklungsschutz nach unerkannter Störung des Leistungsaustauschs?, KTS 2002, 603; Häuselmann Hybride Finanzinstrumente (2019); Heckschen/Kreußlein Gesellschafterdarlehen und -sicherheiten in der Krise, RNotZ 2016, 351; Henckel Zum Begriff der Unentgeltlichkeit und zu den subjektiven Voraussetzungen bei der Schenkungsanfechtung des Konkursverwalters, ZIP 1990, 137; Henkel Das Bargeschäftsprivileg gilt nicht im Rahmen von § 135 Abs. 1 InsO, ZInsO 2009, 1577; Hennrichs Stille Einlagen – Gesellschaftsrecht und Bilanzierung, FS K Schmidt (2009), Bd I, S 435; Herwig Das Gesellschafterdarlehen im Unternehmensverbund (2015); Hirte/Knof Das „neue“ Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, WM 2009, 1961; Hölzle Gibt es noch eine Finanzierungsfolgenverantwortung im MoMiG?, ZIP 2009, 1939; Hommelhoff Für eine minimalinvasive und dennoch höchst effektive Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Die GmbH-Reform in der Diskussion, VGR Bd 11 (2006), S 115; Hoos/Köhler Überschuldungsverhindernde Rangrücktrittsvereinbarungen in der Finanzierungs- und Restrukturierungspraxis, GmbHR 2015, 729; Huber Finanzierungsfolgenverantwortung de lege lata und de lege ferenda, FS Priester (2007), S 259; Huber Gesellschafterdarlehen im GmbH- und Insolvenzrecht nach dem MoMiG, GS Winter (2011), S 261; Huber/Habersack GmbH-Reform: Zwölf Thesen zu einer möglichen Reform des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, BB 2006, 1; Jacoby Der Einwand der Anfechtbarkeit gegen den Nachrang nach § 39 Abs. Nr. 5 InsO – Ein Beitrag zur Doppelinsolvenz im Konzern, ZIP 2018, 505; Kaumanns Der Nachrang von Gesellschafterdarlehen einer EU-Auslandsgesellschaft in der Inlandsinsolvenz (2017); Kayser Gesellschafterfinanzierung in der Insolvenz, WM 2015, 1973; Kayser Zur Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gesellschafterdarlehens in der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats, FS Smid (2022), S 169; Keller/Schulz Darlehen im Konzernverbund – Zum Begriff des Gesellschafters in §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, FS Spiegelberger (2009), S 761; Kiesbye Die Hemmung der Verjährung durch Anmeldung einer Forderung im Insolvenzverfahren (2012); Kirchhof Bürgschaften und Mithaftungserklärungen des (späteren) Gemeinschuldners in seinem Konkurs, FS Fuchs (1996), S 97; Kleindiek Eigenkapitalersatz und gesetzestypische Personengesellschaften, FS Lutter (2000), S 871; Kleindiek Das reformierte Recht der Gesellschafterdarlehen – eine Zwischenbilanz, ZGR 2017, 731; Klinck Refinanziertes Mobilienleasing in der Insolvenz des Leasinggebers, KTS 2007, 37; Klinck Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen in der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter, DB 2019, 2729; Koch Die Patronatserklärung, 2005; Köth Die Verwertbarkeit von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, ZGR 2016, 541; Koutsós Die rechtliche Behandlung von (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterleistungen (2011); Kreußlein Die Ablösung von Gesellschafterdarlehen beim share deal – Teil 1, NotBZ 2020, 365; Krolop Zur Anwendung der MoMiG-Regelungen zu Gesellschafterdarlehen auf gesellschaftsfremde Dritte, GmbHR 2009, 397; Kruth Das Recht der Gesellschafterdarlehen in der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung des Jahres 2019, DStR 2020, 1133; Kübler Schuldverschreibungen in der Insolvenz – Verfahrensrechtliche Streitfragen, FS Henckel (2015), S 183; Kummer Gibt es unanfechtbare, aber gleichwohl nicht durchsetzbare Gesellschaftersicherheiten?, FS Bergmann (2019), S 435; Lang/Weidmüller (Hrsg) GenG 40. Auflage 2022; Laspeyres Hybridkapital in Insolvenz und Liquidation der Kapitalgesellschaft (2013); Lengersdorf Der Nachrang von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz bei der Konsortialfinanzierung und der Mehrheit von Gläubigern (2019); Lengersdorf/Wernert Zur Unanwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs auf die Besicherung von Gesellschafterdarlehen und den weitergehenden Anfechtungsrisiken bei Gläubigermehrheiten und Kreditkonsortien, ZIP 2020, 1286; Lüneborg Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen (2010); MaierReimer/Erzbach Die Patronatserklärung, NJW 2011, 1110; Manz/Lammel Stille Beteiligungen an Kapitalgesellschaften: Eigenkapitalcharakter und Rang in der Insolvenz nach Inkrafttreten des MoMiG, GmbHG 2009, 1121; Marotzke Grenzen typisierender Generalisierung im Recht der Gesellschafterdarlehen, KTS 2016, 19; Mock Genussrechtsinhaber in der Insolvenz des Emittenten, NZI 2014, 102; Mock Gesellschafterdarlehen in Zeiten von Corona, NZG 2020, 505; Mossler Bereicherung aus Leistung und Gegenleistung (2006); Muthorst § 348 BGB in der Insolvenz – zum Anwendungsbereich von § 103 InsO, KTS 2009, 467; Mylich Kapitalerhaltung und Eigenkapitalersatz im Konflikt mit dem europäischen Beihilfenrecht, ZEuP 2008, 633; Mylich Die Aufrechnungsbefugnis des Schuldners bei der Vorausabtretung einer künftigen Forderung (2009); Mylich Rückgewähransprüche einer AG nach Ausschüttung oder Abführung von Scheingewinnen, AG 2011, 765; Mylich Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarlehen, ZHR 176 (2012), 547; Mylich Die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters und die zur Rückzahlung bestellten Sicherheiten im Insolvenzverfahren der Handelsgesellschaft, WM 2013, 1010; Mylich Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarlehen, ZIP 2013, 2444; Mylich Die einheitliche Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Gewinnausschüttung und Darlehensrückzahlung, ZIP 2017, 1255; Mylich Die atypisch stille Beteiligung als ergänzender Geschäftsanteil, ZGR 2018, 867; Mylich Gesellschafterdarlehen und Vorbelastungshaftung, FS K Schmidt (2019), Bd II, S 67; Mylich Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarlehen – Perspektiven und offene Fragen trotz und wegen der zwingenden Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, ZIP 2019, 2233; Mylich Gläubigerbenachteiligung, Bargeschäftsprivileg und § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG bei Bestellung, Austausch und Verwertung von Kreditsicherheiten, ZIP 2020, 1097; Mylich Die Vermeidung von Bilanzpublizität, ZGR 2021, 86; Noack Neues Insolvenzrecht – neues Kapitalersatzrecht?, FS Claussen (1997), S 307; Obermüller/Kuder Gelöste und ungelöste Probleme des Kapitalersatzrechts nach dem MoMiG, FS Görg (2010), S 335; Otte/Schwarzer Die Verstümmelung des Abfindungsanspruchs ausscheidender Gesellschafter durch den BGH – und wie man darauf reagieren sollte, GmbHR 2021, 862; Pentz Die Änderungen und Ergänzungen der Kapitalersatzregeln im GmbH-Gesetz, GmbHR 1999, 437;

235

Mylich

§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Pentz Zum neuen Recht der Gesellschafterdarlehen, FS Hüffer (2011), S 747; Pölzig Nachrangdarlehen als Kapitalanlage, WM 2014, 917; Prosteder/Grotebrune Anforderungen an die Einordnung einer Bank als gesellschaftergleicher Dritter im Rahmen von § 135 InsO bei doppelseitigen Treuhandverhältnissen, DB 2020, 2562; Renner/Schmidt Kollektiver Gläubigerschutz bei Covenants, ZHR 180 (2016), 522; Quante Der Rang der Abfindungsforderung eines nach Einziehung ausgeschiedenen Gesellschafters in der Insolvenz der GmbHG, KTS 2019, 367; Quante Einziehung, Abfindung und Haftung im Rahmen von § 34 GmbHG (2020); Rickert Die Aufrechnungsmöglichkeit von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz (2014); Rogler Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite (2016); Rösch Gesellschafterfremdfinanzierung, Gläubigerschutz und Gläubigerrisikoverantwortung (2013); Rümker Formen kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen in der Bankpraxis, FS Stimpel (1985), S 673; Sandhaus Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer einer GmbH (2014); Schaub Sponsoring und andere Verträge zur Förderung überindividueller Zwecke (2008); Schilpp Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften (2017); Schlinkmann Der Begriff der Unentgeltlichkeit im Insolvenzrecht (2015); Schlößer/Klüber Auseinanderfallen von Gesellschafter- und Gläubigerstellung bei Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG, BB 2009, 1594; K Schmidt Kapitalersetzende Bankenkredite?, ZHR 147 (1983), 165; K Schmidt Zurechnungsprobleme um das Zwerganteilsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG, GmbHR 1999, 1269; K Schmidt Normzwecke und Zurechnungsfragen im Recht der Gesellschafter-Fremdfinanzierung, GmbHR 2009, 1009; K Schmidt Gesellschafterdarlehen im GmbH- und Insolvenzrecht: Was hat sich geändert?, GS Winter (2011), S 601; K Schmidt Die Innenkommanditgesellschaft – wirklicher Verband und virtueller Rechtsträger – ZHR 178 (2014), 10; K Schmidt Dogmatik und Praxis des Rangrücktritts, ZIP 2015, 901; Schmidt (Hrsg) COVInsAG SRHWInsAG, 2. Auflage (2022); Schröder Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG (2012); Schulze de la Cruz Der neue Normzweck des Rechts der Gesellschafterdarlehen und seine Auswirkungen auf den persönlichen Anwendungsbereich (2015); Serick Überschuldete Gesellschaft und konkursabwendender Rangrücktritt eines Nichtgesellschafters, ZIP 1980, 9; Servatius Gläubigereinfluss durch Covenants, 2008; Servatius Gesellschafterdarlehen in Zeiten von COVID-19, DK 2020, 281; Spliedt MoMiG in der Insolvenz – Ein Sanierungsversuch, ZIP 2009, 149; Thiessen Gesellschafterfremdfinanzierung nach dem MoMiG, ZGR 2015, 396; Thole Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht (2010); Thole Nachrang und Anfechtung bei Gesellschafterdarlehen – zwei Seiten derselben Medaille, ZHR 176 (2012), 513; Thole Die Restrukturierung von Schuldverschreibungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2014, 293; Thole Fünf aktuelle Probleme des Nachrangs (§ 39 InsO), FS B. Kübler (2015), S 681; Thole Neues zur Doppelbesicherung und § 135 Abs. 2 InsO, ZIP 2017, 1742; Thole Sind Abfindungsansprüche, Gewinnansprüche und andere mitgliedschaftliche Rechte Insolvenzforderungen?, FS Grunewald (2021), S 1121; Thole Die Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter und der Nachrang des Anfechtungsanspruchs bei anfechtbarer Darlehensauszahlung – zum Verständnis des BGH-Urteils vom 27.6.2019 (IX ZR 167/19), FS Gehrlein (2022), S 563; Ulbrich Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts der GmbH (2011); Undritz Patronatserklärung als unentgeltliche Leistung in der Insolvenz des Patrons, FS Kayser (2020), S 977; von Gerkan/Hommelhoff (Hrsg) Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Auflage (2002); Wilhelm Dritterstreckung im Gesellschaftsrecht (2017); Wilhelm Grundsätze der Haftung Dritter im Recht der Gesellschafterdarlehen, ZIP 2020, 2210; Witt Die nachrangige Behandlung von Krediten gesellschaftsfremder Dritter in der Insolvenz der GmbH (2018); Wittig Das Sanierungsprivileg für Gesellschafterdarlehen im neuen § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, FS K Schmidt (2009), S 1743.

Übersicht I. 1. 2. 3. 4. 5. II. 1.

Einleitung 1 Regelungsgegenstand 2 Normgeschichte 3 Normzweck Kritik am Verhältnis von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und 4 Nr. 5 InsO 5 Aufbau der Kommentierung Allgemeine und übergreifende Aussagen in § 39 6 InsO Das Verhältnis zu anderen und gleichrangigen 7 Forderungen a) Der grundsätzliche Vorrang von Masseansprüchen, Ansprüchen aus dem Kreditrahmen von § 264 InsO und einfachen Insol8 venzforderungen

Mylich

b)

2. 3. 4.

5.

Das Verhältnis der Ränge untereinan9 der 10 c) Das Verhältnis bei Gleichrangigkeit d) Noch stärkerer Nachrang und Schluss11 rang 12 Die Rangordnung bei Masseansprüchen Gemeinsamkeiten mit einfachen Insolvenzforde13 rungen Die praktischen Schwächen nachrangiger Forderungen gegenüber einfachen Insolvenzforderun14 gen Die Besonderheiten von nachrangigen Forderungen im Verfahren 15 a) Forderungsanmeldung aa) Verhinderung der Verjährung einer 16 nachrangigen Forderung 17 bb) Streit zum „ob“ des Nachrangs

236

Nachrangige Insolvenzgläubiger

cc)

6.

III. 1. 2.

3. 4. 5.

6. IV. 1. 2. 3. 4.

V. 1. 2. 3.

VI. 1.

237

Streit um den Rang beim Nach18 rang b) Wahrnehmung von Gläubigerrech19 ten 20 c) Abschlagsverteilungen 21 d) Insolvenzplanverfahren e) Sonstige Besonderheiten im Verfah22 ren Die Sicherheit für eine nachrangige Forde23 rung a) Die Besicherung der nachrangigen Forde24 rung durch den Schuldner b) Ein Dritter besichert die nachrangige Forde25 rung und verlangt Regress 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 InsO – Zinsen und 26 Säumniszuschläge 27 Zinsen Zinsen für Vorzugsrechte 28 a) Gesetzliche Anordnungen 29 b) Reihenfolge 30 § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 39 Abs. 3 InsO Ausstehende Zinsen für Gesellschafterdarle31 hen Besondere Konstellationen 32 a) (Ausstehende) Avalprovisionen b) Entschädigungsleistungen bei vorzeitiger 33 Kreditkündigung 34 c) Mietzinsen 35 d) Leasingraten e) Zinsen für die Nutzung von Treuhandkon36 ten 37 f) Regressansprüche 38 Säumniszuschläge § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO, § 39 Abs. 3 InsO – Ver39 fahrenskosten der Teilnehmer Vor Verfahrenseröffnung entstandene Kos40 ten Während des Verfahrens entstandene Kosten im 41 Nachrang Während des Verfahrens entstandene Kosten als 42 Masseschulden Die Verfahrenskosten nachrangiger Gläubi43 ger § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO – Geldzahlungen mit 44 Sanktionswirkung 45 Erfasste Sanktionen 46 Nicht erfasste Forderungen Das Arrestpfandrecht bei Forderungen gem. § 39 47 Abs. 1 Nr. 3 InsO § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO – Unentgeltliche Leistungen 48 Hintergrund und Vorgängervorschrift

2.

3. 4.

§ 39

Die a) b) c) d)

unentgeltliche Leistung 49 Begriff der Unentgeltlichkeit 50 Verhältnis zu § 134 InsO 51 Schenkungen Der Schenkung nachfolgende Aufwendun52 gen Sicherheiten und Vormerkung für Schenkun53 gen Einzelne Problemfragen zu unentgeltlichen Leis54 tungen 55 a) Gewinnzusagen gem. § 661a BGB b) Spenden, Stiftungsausstattung, Sponso56 ring c) Bürgschaft bzw Kreditsicherheit durch ei57 nen Dritten d) Zusagen zur unentgeltlichen Überlas58 sung e) Wiederaufgelebte Leistungen im Dreiecks59 verhältnis f) Bürgschaften und andere Kreditsicherhei60 ten unter Konzerngesellschaften 61 g) Erbrechtliche Ansprüche aa) Pflichtteil und Vermächtnis bei Nach62 lassinsolvenz bb) Schenkungen von Todes wegen/auf den Todesfall in der Nachlassinsol63 venz cc) Der Anspruch auf Pflichtteilsergän64 zung in der Nachlassinsolvenz dd) Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten (auf Pflichtteilsergänzung) und Vertragserben gegen Beschenkte in deren 65 Insolvenz ee) Pflichtteil und Vermächtnis im Insolvenzverfahren über das Vermögen des 66 Erben h) Unterhalts- und Abfindungsansprüche ge67 schiedener Ehegatten i) Familien- und erbrechtliche Ansprüche des 68 Ehegatten 69 aa) Ehebedingte Zuwendungen bb) Der konkrete Zugewinnaus70 gleich cc) Der pauschale Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 1 BGB (1) Prinzipien und Erbenstellung des 71 Ehegatten (2) Der überlebende Ehegatte erhält 72 nur ein Vermächtnis 73 (3) Beispiel zum Verständnis 74 j) Gesellschaftsrechtliche Ansprüche k) Ansprüche aus betrieblicher Altersversor75 gung l) Gesetzliche Haftungsansprüche und Haf76 tung für Steuern

Mylich

§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

VII. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO – Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen 1. Grundlagen 77 a) Die Regelungen 78 b) Historischer Hintergrund 79 aa) Die Lage bis 1980 bb) Die Rechtslage von 1980 bis 80 1998 cc) Die Rechtslage von 1999 bis zum 81 31.10.2008 dd) Die Rechtslage seit dem Mo82 MiG 83 ee) Fazit 84 c) Systematischer Zusammenhang d) Wechselseitige Bedeutung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO und § 135 85 InsO e) Einseitige Bedeutung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO gegenüber § 135 86 InsO f) Der Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 87 InsO 88 aa) Rechtsprechung 89 bb) Literatur 90 cc) Kritik 91 dd) Eigene Ansicht g) Das Verhältnis von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zur Einordnung von Eigenkapitalge92 bern h) Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarle93 hen 94 i) Aufrechnung 95 2. Erfasste Forderungen 96 a) Gesellschafterdarlehen aa) Kurzfristige Finanzierungsengage97 ments bb) Das Auseinanderfallen von Kreditgeber- und Gesellschafterposi98 tion cc) Das Darlehen nach Insolvenzanfechtung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 99 InsO dd) Das Darlehen nach Insolvenzanfechtung aufgrund anderer Tatbe100 stände ee) Das anfechtbar gewährte Darle101 hen (1) § 134 InsO als Anfechtungs102 grund (2) § 133 Abs. 1, Abs. 4 InsO als An103 fechtungsgrund ff) Das europarechtswidrig gewährte Dar104 lehen b) Grundfragen zu vergleichbare Forderun105 gen 106 c) Zinsen

Mylich

d)

e) f)

g)

h)

aa) Zinsen auf unbesicherte Gesellschafter107 darlehen bb) Zinsen für anfechtungsfest besicherte 108 Gesellschafterdarlehen cc) Atypische Zinszahlungszeit109 punkte Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter einer GmbH und GmbH & Co 110 KG 111 aa) Der Meinungsstand 112 bb) Stellungnahme cc) Abfindungsansprüche ausgeschiedener 113 Gesellschafter einer KG 114 Gewinnauszahlungsansprüche Nach Eröffnung eines Insolvenz- oder Sanierungsverfahrens gewährte Darle115 hen aa) Das Gesellschafterdarlehen im Kredit116 rahmen gem. § 264 InsO 117 bb) Das Massedarlehen cc) Besonderheit: Eigenverwal118 tung 119 dd) StaRUG Im Regressweg übergegangene Ansprüche 120 Dritter aa) Regressanspruch nach Inanspruchnahme der Gesellschaftersicher121 heit bb) Die Folgen nach der Inanspruchnahme einer von der Gesellschaft gestell122 ten Sicherheit cc) Regressanspruch bei freiwilliger Bezahlung durch den Gesellschafter nach dem Insolvenzantrag der Gesell123 schaft 124 dd) Patronatserklärung Besondere Finanzierungsformen 125 aa) Typisch stille Gesellschaft bb) Kein Fall: Die atypisch stille Beteili126 gung (1) Die Entwicklung in der Rechtspre127 chung (2) Sichtweisen in der Litera128 tur 129 (3) Stellungnahme (a) Atypisch stille Beteiligung als ergänzender Geschäfts130 anteil (b) Der Wortlaut und der Zweck von § 39 Abs. 1 S. 1 131 Nr. 5 InsO (c) Weitestgehende Finanzierungsfreiheit des stillen Ge132 sellschafters

238

Nachrangige Insolvenzgläubiger

(d)

3.

239

Die Einlage der Mitglieder eines „stillen Verban133 des“ 134 (e) Fazit und Folgen 135 cc) Genussrechte 136 dd) Schuldverschreibungen 137 ee) Factoring 138 ff) Pensionsgeschäfte gg) Zentrale Regulierung im Kon139 zern i) Ansprüche bei gestreckten Verkehrsgeschäften 140 aa) Grundsatz 141 bb) Der Rücktritt vom Vertrag cc) Kauf unter Eigentumsvorbe142 halt 143 dd) Werkvertrag 144 ee) Lizenzvertrag ff) Tätigkeitsvergütung und Altersruhe145 geld gg) Vergütung für geleistete 146 Dienste j) Miete und Leasing 147 aa) Miete 148 bb) Leasing cc) Sale-and-lease-back oder Rückvermie149 tung k) Im Prozesswege geltend gemachte Forderun150 gen 151 l) Unwirksame Verträge aa) Unwirksame Darlehensver152 träge bb) Unwirksame Austauschver153 träge m) Der das Darlehen begleitende Deliktsan154 spruch n) Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuld155 nern o) Sonderkonstellationen mit insolvenzbedingter Doppelzahlung aa) Gesellschafterdarlehen und Mantelver156 wendung bb) Doppelzahlung bei externer Patronats157 erklärung cc) Doppelzahlung im Vertragskon158 zern Erfasste Gesellschaften, § 39 Abs. 4 S. 1 159 InsO 160 a) GmbH, AG 161 b) KGaA 162 c) OHG, GbR aa) Nicht erfasst: Darlehen der Gesellschaf163 ter selbst bb) Erfasst: Darlehen der Gesellschafter ei164 nes Gesellschafters 165 cc) Beispiel zum Verständnis

§ 39

d)

4.

Kommanditgesellschaften aa) Die Erstreckung auf Gesellschafterdar166 lehen in der GmbH & Co KG bb) Gesellschafterdarlehen beim Wechsel zwischen gesetzlicher Typizität und 167 GmbH & Co KG e) Personengesellschaften mit juristischen und natürlichen Personen als persönlich unbe168 schränkt haftenden Gesellschaftern 169 f) EU-Auslandsgesellschaften 170 g) Scheinauslandsgesellschaften h) Personengesellschaften mit atypischen Kom171 plementären Erfasste und nicht erfasste Darlehensgläubi172 ger 173 a) Gesellschafter aa) Zusammengerechnete Anteile des mittel174 baren Gesellschafters bb) Der Gesellschafter in einer kapitalisti175 schen OHG und GbR cc) Der ausgeschiedene Gesellschafter bzw der Kreditgeber nach Zession vom Ge176 sellschafter 177 b) Der gesellschaftergleiche Dritte 178 aa) Atypisch stille Gesellschafter 179 bb) Kreditgeber 180 cc) Treuhandfälle (1) Wirtschaftlicher Interessengleichklang bei formaler Aufspal181 tung (2) Formaler Interessengleichklang bei wirtschaftlicher Aufspal182 tung dd) Das Fehlen einer Verfügungsbefug183 nis 184 ee) Nahestehende Personen 185 ff) Genussrechtsinhaber 186 gg) Pfandrechtsinhaber hh) Nießbraucher und Unterbeteilig187 ter ii) Der Kreditgeber des Gesellschaf188 ters c) Privilegierte und nicht privilegierte Minderheitsgesellschafter aa) Der privilegierte Minderheitsgesellschaf189 ter bb) Der nicht privilegierte Gesellschafter 190 mit mehr als 10 % Anteilen cc) Der nicht privilegierte Minderheitsgesellschafter mit einer Geschäftsführerpo191 sition (1) Geschäftsführer einer GmbH bzw 192 Vorstand einer AG (2) Faktischer Geschäftsführer einer GmbH bzw Vorstand einer 193 AG

Mylich

§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

(3)

d)

e)

f)

Geschäftsführer einer GmbH & Co 194 KG (4) Geschäftsführer einer OHG bzw 195 GbR (5) Prokuristen, Generalbevollmäch196 tigte, Aufsichsräte dd) Analogie zu Lasten eines Geschäftsführers bzw Vorstands ohne Beteili197 gung? ee) Der mittelbar beteiligte Gesellschafter mit einer Geschäftsführerposition bei 198 der Kreditnehmerin ff) Das Kleinbeteiligungsprivileg von aty199 pisch stillen Gesellschaftern gg) Das Kleinbeteiligungsprivileg bei Nießbrauch, Unterbeteiligung oder atypi200 schem Pfandrecht Darlehen über mehrere Ebenen bzw im Kon201 zern aa) Darlehen des mittelbaren Gesellschaf202 ters 203 (1) Keine Mehrheiten (2) Der mittelbare Gesellschafter beherrscht den unmittelbaren Gesell204 schafter (3) Der Minderheitsgesellschafter eines die Gesellschaft beherrschenden unmittelbaren Gesellschaf205 ters bb) Darlehen unter Schwestergesellschaf206 ten 207 cc) Darlehen im Vertragskonzern 208 Sanierungsgesellschafter aa) Voraussetzungen 209 (1) Anteilserwerb (2) Sanierungssituation, Insolvenz210 grund (3) Sanierungsfähigkeit und Sanie211 rungskonzept 212 bb) Folgen cc) Der Minderheitsgesellschafter ist Sanie213 rungsgesellschafter dd) Der Sanierungsgesellschafter als Siche214 rungsgeber Der Gesellschafter als Teil eines Kreditkonsor215 tiums

5. 6.

216 § 39 Abs. 1 S. 2 InsO 217 § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 COVInsAG a) Regelungstechnik und Grundverständnis der 218 Vorschriften b) Personeller Anwendungsbereich und Vergabezeitraum von § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVIns 219 AG aa) Darlehensvergabe zwischen dem 220 1.3.2020 und dem 30.9.2020 bb) Darlehensvergabe zwischen dem 221 1.10.2020 und dem 31.12.2020 cc) Darlehensvergabe zwischen dem 222 1.1.2020 und dem 30.4.2021 dd) Die einem Darlehen vergleichbare Leis223 tung 224 c) Die Darlehensvergabe d) Besicherung durch einen Gesellschaf225 ter 226 e) § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG

VIII. Nachrangige Verbindlichkeiten gem § 39 II 227 InsO 228 1. Systematik 229 2. Nachrangvereinbarung a) Die überschuldungsvermeidende Nachrang230 vereinbarung b) Die Vermeidung der Zahlungsunfähig231 keit c) Die Nachrangvereinbarung in der AGB-Kon232 trolle d) Die Besicherung der qualifiziert nachrangi233 gen Forderung e) Die Aufhebung der Nachrangvereinba234 rung 3. Rechtsfolgen a) Durchsetzungssperre für Rückzahlungsan235 spruch und Zinsen 236 b) Die Behandlung von Zinsen c) Keine Berücksichtigung bei der Zahlungsunfä237 higkeit d) Begleichen der Forderung trotz Insolvenz238 reife 239 e) Der parallele Deliktsanspruch 240 4. Steuerrechtliche Konsequenzen IX.

Weitere Nachrangverbindlichkeiten

241

Alphabetische Übersicht Abfindungsansprüche 110 ff, 129 f, 133 f; siehe auch Unterhalt AG 50, 74, 160, 191, 206 AGB 49, 232 Aktienregister 173 Altersruhegeld 145

Mylich

Anleihe/Anleihegläubiger/Nachranganleihe 41, 42, 228, 229, 232 Arrest/Arrestpfandrecht 47 Atypisch stille Beteiligung (siehe stille Beteiligung) Aufrechnung 85, 94, 142 Aufsichtsrat 196

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

Auslandsgesellschaft 169 f Avalprovision 32, 49 Beirat 196 Bereicherungsanspruch 152 ff Betriebliche Altersversorgung 75 Bürgschaft 32, 57, 59, 60, 139, 181 Covenants 179 Delikt 154 ff, 173, 239 Dividende 27, 50, 74, 92, 102, 114 Doppeltreuhand 177, 179 Doppelzahlung 156 ff Dreipersonenverhältnis 49 Dritte 2, 53, 69, 71, 74, 76, 79 f, 83, 85, 102, 105, 109, 111, 140, 143 f, 146, 149 f, 212, 225 – Anspruchserwerb des Gesellschafters vom Dritten 188 – als Angewiesener 59 – als Darlehensgeber der Gesellschaft 95, 172 f, 177, 179, 181, 225 – als Darlehensgeber des Gesellschafters 188 – als Erwerber des Gesellschafterdarlehens 98 – als Erwerber von Geschäftsanteilen 214 f – als Sicherungsgeber 23, 25, 57 Dritterstreckung 172, 177 Drittvergleich 90, 105, 140, 153 Drohende Zahlungsunfähigkeit 89, 210, 212 Eigeninsolvenz des Erben 11, 61, 66, 72 f Eigenkapital 4, 11, 79, 83, 90, 92, 103, 114, 124, 126 ff – Atypisches Eigenkapital 92, 190 Eigenkapitalersatz/Eigenkapitalersatzrecht 2, 78, 83, 88, 91, 102, 104, 127, 129, 169, 173, 177, 189, 208, 228 Eigentumsvorbehalt 105, 142 Ehepartner 71, 184 Ehebedingte Zuwendungen 69 Emissionskonsortium 97 Erbe 14, 61, 64, 72 f, 154, 167, 183 – siehe auch Eigeninsolvenz des Erben Factoring 105, 137 Fehlerhafter Jahresabschluss siehe Jahresabschluss Finanzierungsleasing 35, 105, 148, 149 – sale & lease back 149 Forderungsanmeldung 15 Formmangel 50 Fremdkapital 4, 79, 83, 87, 89 f, 92, 111 ff, 130 f, 240 GbR 74, 162, 170, 175, 195, 215 Generalbevollmächtigter 196 Genossenschaft 159 Genussrechte 130, 135, 154, 185 Geschäftsführer 77, 92, 145, 150, 179, 183, 191–203, 206, 209, 213 Gesamtschuldner 155 Gesellschafter – ausgeschiedener 110 ff, 176 – fehlerhafter 74, 173 – mittelbarer 174, 190, 198, 202 ff

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Gesellschafterdarlehen – Anfechtbare Gewährung 101 ff – Ausscheiden aus der Gesellschaft 85, 98, 110 ff, 176 – eigenkapitalersetzend 78 ff – bei Eigenverwaltung 118 – im Eröffnungsverfahren 96 – durch externen Kreditgeber 179, 181, 188 – als Massedarlehen 117 – durch nahestehende Person 184 – öffentliche Hand 104 – Stehenlassen 97, 102, 105, 137, 139 f, 143, 147, 150, 220 – Stundung 97, 105, 137, 140, 143, 147, 223, 226 – Übergangsrecht 82 – wirtschaftliches Entsprechen 105 ff – Verzinsung/Zinsen 31, 83, 89, 96, 106 ff, 117 Gesellschafterliste 173 Gewinnzusage 55 f Gewinnauszahlungsanspruch 114 Gläubigerbenachteiligung 14, 91, 93, 98, 100, 103, 108, 121 f, 138, 148, 163, 172, 211, 218 GmbH 74, 79, 110 f, 127 f, 154, 160, 166, 173, 191 ff, 199 – GmbH-Gesellschafter 111, 128, 199 – GmbH&Co KG siehe KG Handelsesgister 128, 173 Insolvenzplan 8, 21, 22, 104, 115 ff, 209 Insolvenzreife 100, 103, 209 f, 214, 219 ff, 227, 236, 238 Insolvenzverschleppung 91, 96, 97, 100, 124, 150, 152, 154, 216 Jahresabschluss 50 KG 74, 128, 162, 166 ff, 171, 173 – GmbH&Co KG 14, 113, 162, 166 ff, 173, 194 f KGaA 161 f Klage 41, 141, 150 Kommanditist 14, 113 f, 126, 128, 134, 162, 166 ff, 173, 194 Komplementär 162, 166 ff, 171, 173, 194, 202 Konsortialkredit 189, siehe auch Kreditkonsortium Konzern 60, 74, 93, 105, 123, 139, 158, 183, 198, 201 207 Kreditkonsortium 215 Kreditrahmen 8, 115 ff Kreditsicherheit 5, 8, 23 ff, 28, 33, 41, 49, 53, 57, 58, 60, 83 ff, 91, 93, 98, 108, 119 ff, 137, 149, 172, 216, 218, 225, 233 Krise 79 f, 82, 87 ff, 90, 96, 191, 210, 212 f, 218, 233 f, 236, 238 Leasing – siehe Finanzierungsleasing Lizenzvertrag 144 Mantelverwendung 91, 156 Masseansprüche 8, 12, 26, 42 Massedarlehen 12, 91, 96, 115, 117 f, 183 Miete/Mietzins 26, 34 f, 58, 147 ff Minderheitsgesellschafter 154, 189, 191, 196, 203, 205, 213 Nachlassinsolvenz 5, 11, 14, 50 f, 61 ff, 64, 66, 71 ff, 166, 241

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§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Nachranganleihe siehe Anleihe Nennkapital 130, 156, 173, 199 Nießbrauch 53, 187, 189, 200 Normzweck 3, 86 ff, 103, 131, 152, 156 f, 203 OHG 74, 162 ff, 170, 175, 195 Patronatserklärung 74, 124, 157 Pensionsgeschäft 138 Pfandrecht 47, 179, 186, 189, 200 – siehe auch Arrestpfandrecht Pflichtteilsanspruch 5, 11, 61, 62, 66, 72 f, 241 Pflichtteilsergänzungsanspruch 61, 64, 65, 72 f Pooling 189 Prokurist 196 Prozesskosten 9, 30, 39, 43, 150 Regressanspruch 25, 105, 120 ff, 155, 214 Risikokapital 89 f, 203 Rücktritt vom Vertrag 141 Sale and lease back 149 Sanierungsgesellschafter 25, 212 ff Sanierungsprivileg 81, 209, 213 Sanierungskonzept 211 Säumniszuschlag 26, 30, 38 Scheingesellschafter 162, 168, 173 Schenkung 4, 48 ff – auf den Todesfall 63 – Handschenkung 51 – Sicherheiten 53 – von Todes wegen 61, 63 f – Unentgeltlichkeit 57 f, 74 – Verhältnis zur Einlage 102 Schuldverschreibungen 136 Sicherheit – siehe Kreditsicherheit Spenden 56 Sponsoring 56 Stiftung 159, 171 Stiftungsausstattung 56 Stille Beteiligung 159, 191 – Atypisch still 11, 92, 126–134, 159, 172, 178, 179, 189, 191, 198 – – Kleinbeteiligungsprivileg 199 f – stiller Verband 133 – Typisch still 125 – Zusätzliches Darlehen des atypisch stillen Gesellschafters 126, 134, 178

Stimmbindungsvertrag 177 Stimmrechtsvollmacht 177 Testamentsvollstrecker 183 Treuhand 180 ff, 187 – Doppeltreuhand 177, 179 – Treugeber 181 f, 187, 195 – Treuhänder 179 ff, 193, 195 – Treuhandgesellschafter 173 Überbrückungskredit 88 Überschuldung 6, 92, 210, 212, 228 230, 235, 240 Unentgeltlichkeit 49, 50, 52, 54, 57, 60, 65, 71 f, 76, 102 Unterbeteiligung 187 Unterhaltsansprüche 67 f Verein 159 Verfahrenskosten siehe Prozesskosten Verjährung 16, 82 Vermächtnis 5, 11, 61, 63, 66, 72 f, 241 Vermieter 26, 35, 148 Versorgungsansprüche – siehe Betriebliche Altersversorgung – siehe Unterhaltsansprüche Vertragserbe 65 Vertragskonzern 74, 158, 207 Vorstand 191 ff, 197, 203 UG 160 Vor-AG 160 Vor-GmbH 160 Zahlungsunfähigkeit 89, 124, 210, 212, 226, 230, 231, 235 ff Zins 9 f, 27 ff, 236 – bei Abschlagszahlung 20 – für Gesellschafterdarlehen 31, 83, 96, 106 ff – gesetzlich 27 – für Kreditsicherheit 23 f – Leasing 35 – Mietzins siehe dort – partiarisch 27 – für qualifiziertes Nachrangdarlehen 229 f, 232, 235 f – Steuerhinterziehungszins 27, 46 – Treuhandkonto 36 – vertraglich 27 – Vorzugsrechte 28 Zugewinn 70 ff

I. Einleitung 1. Regelungsgegenstand 1 § 39 Abs. 1 InsO regelt, welche Ansprüche als nachrangig zu behandeln sind. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO regelt den Nachrang für seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufende Zinsen und Säumniszuschläge von Insolvenzgläubigern. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO regelt den Nachrang für die Kosten, die den Gläubigern durch ihre Teilnahme am Insolvenzverfahren erwachsen. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO regelt den Nachrang für Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder Mylich

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

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sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO regelt den Nachrang für Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO regelt den Nachrang für Forderungen auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem derartigen Darlehen entsprechen. Durch die Einteilung in fünf Rangstufen wird innerhalb der nachrangigen Forderungen zudem noch eine weitere Rangordnung eingeführt (ausführlich ab Rn 9). § 39 Abs. 1 S. 2 InsO schließt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und damit den Nachrang einer Darlehensforderung aus, wenn eine staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen einem Unternehmen, an dem die staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen beteiligt ist, ein Darlehen gewährt oder eine andere einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorgenommen hat. § 39 Abs. 2 InsO regelt den Nachrang kraft Vereinbarung einschließlich einer Vermutung, wie der vereinbarte Nachrang wirken soll. § 39 Abs. 3 InsO trifft eine Sonderregelung für Zinsen nachrangiger Ansprüche. § 39 Abs. 4 S. 1 InsO regelt, bei welchen Insolvenzschuldnern überhaupt ein Nachrang für Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren in Betracht kommt. § 39 Abs. 4 S. 2 InsO schränkt den Kreis der darlehensgebenden Gesellschafter als nur nachrangige Insolvenzgläubiger ein, wenn sie die Gesellschafterstellung erst im Zuge einer Sanierung erlangt haben. § 39 Abs. 5 InsO nimmt darüber hinaus Gesellschafter ohne eine Geschäftsleiterposition und einer maximalen Beteiligung von 10 % grundsätzlich von der Einordnung als Gläubiger eines nachrangigen Anspruchs im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO aus.

2. Normgeschichte Bis zur Schaffung der InsO regelten die §§ 61, 62 KO die einheitliche Rangklasse aller Konkursfor- 2 derungen. Die heutigen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–4 InsO waren gem. § 63 KO bzw § 29 VglO von der Teilnahme am Insolvenzverfahren ausgeschlossen.1 Das ließ sich rechtfertigen, weil unter Geltung der KO der Neuerwerb Teil des konkursfreien Vermögens war und daher den am Konkursverfahren ausgeschlossenen Gläubigern zugewiesen werden konnte.2 Seit Geltung der InsO gehört aber gem. § 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO auch das nach Verfahrenseröffnung erworbene Vermögen zur Insolvenzmasse. Allerdings waren die in § 63 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4 KO geregelten Forderungen (entsprechen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4 InsO) bereits unter Geltung der Konkursordnung in einem Nachlasskonkursverfahren nachrangig zu behandeln (§ 226 Abs. 1, Abs. 2 KO).3 Die Neuregelung zur Masse in § 35 Abs. 1 InsO rechtfertigt die Einbeziehung jener Gläubiger in das Insolvenzverfahren. Gesellschafterdarlehen waren zunächst in § 32a Abs. 1 S. 1 GmbHG von der Teilnahme am Konkursverfahren ausgeschlossen, wenn sie eigenkapitalersetzend waren. Als eigenkapitalersetzend wurde ein Darlehen eingestuft, wenn kein Dritter mehr willens gewesen wäre, der Gesellschaft in ihrer wirtschaftlichen Situation ein Darlehen zu gewähren. Mit Schaffung der InsO wurde der § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO geschaffen, der wie sein konkursrechtliches Pendant wegen der analogen Anwendung der §§ 31, 30 GmbHG auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen ohne praktische Bedeutung blieb.4 Seit dem Wegfall des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG hat § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO eine eigenständige praktische Bedeutung erlangt und ist (neben der Anfechtungsvorschrift des § 135 Abs. 1 InsO) die alleinige Regelung zum Umgang mit Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren (genauer Rn 82 f). § 39 Abs. 4, Abs. 5 InsO ergänzen den § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.

1 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 2; HK/Ries10 § 39 Rn 1; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 3; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 1. 2 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 6; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 1. 3 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 2; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 4; siehe auch Jaeger/Weber KO9 §§ 226/227 Rn 1 ff. 4 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 9. 243

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

3. Normzweck 3 Im Ergebnis reagiert die Vorschrift auf die Erweiterung der Masse durch die Einbeziehung von Neuerwerben (§ 35 Abs. 1 Alt. 2 InsO). Das gebietet die Teilnahme der betroffenen Gläubiger auch am Insolvenzverfahren.5 Die Einordnung der jeweiligen Ansprüche als nachrangig beruht aber auf unterschiedlichen Erwägungen.6 Bei den in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Forderungen handelt es sich um solche, die erst im Insolvenzverfahren entstehen, sodass eine Entlastung des Verfahrens angezeigt ist.7 Die Zurücksetzung der in Nr. 3 genannten Ansprüche beruht darauf, dass die anderen Gläubiger keinen Nachteil aus persönlichem Unrecht des nunmehr insolventen Schuldners haben sollen.8 Das zeigt sich eindrucksvoll, wenn zB exorbitante Geldbußen wie in einem Kartellverfahren zur Insolvenz der Schuldnerin führen. Die Zurücksetzung der in Nr. 4 genannten Ansprüche hängt mit der generellen Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs zusammen.9 Der unentgeltliche Erwerber erbringt keine Gegenleistung, sodass er seinen Anspruch erst dann durchsetzen darf, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt sind, denn diese haben eine Gegenleistung erbracht. Hingegen ist der Normzweck des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nach wie vor nicht ausdiskutiert; doch ist man sich weitestgehend einig, dass der Nachrang als solcher richtig ist (ausführlich dazu Rn 87 ff).

4. Kritik am Verhältnis von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und Nr. 5 InsO 4 Es erscheint wenig sachgerecht, den Gläubiger mit Anspruch auf eine unentgeltliche Leistung besser zu behandeln, als einen Gläubiger, der ein Darlehen gewährt hat. Diese Wertung ist unabhängig von der Legitimation des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO überhaupt (siehe Rn 3 und Rn 87 ff). Ein Nachrang der Gesellschafter als Darlehensgeber hinter den Geldbußen (d.h. Nr. 3) ist gerechtfertigt, weil die fehlende Entdeckung des unzulässigen Verhaltens zu einem höheren Profit der Gesellschaft und damit der Gesellschafter geführt hätte. Hingegen enthält die Rückstufung der Gesellschafterdarlehen hinter den unentgeltlichen Leistungen auch eine widersprüchliche Aussage des Gesetzgebers: Einerseits will er Gesellschafterdarlehen nicht mehr als eigenkapitalersetzend behandelt wissen; andererseits zeigt er mit einem Rang hinter den unentgeltlichen Leistungen, dass die Hingabe des Darlehens keine Bedeutung entfalten kann, denn der Gläubiger einer unentgeltlichen Leistung hatte gar nichts hingegeben. Und das kann dann nur so verstanden werden, dass Gesellschafterdarlehen außerhalb des Insolvenzverfahrens wie Fremdkapital, aber im Insolvenzverfahren nur wie besseres Eigenkapital (d.h. mit Vorrang vor dem im Schlussrang zu verteilenden Restvermögen) zu behandeln sind. Unabhängig von der konkreten Einordnung und Legitimierung zeigt diese Vorschrift eindeutig, dass einer Finanzierung durch den Gesellschafter mit Vorsicht zu begegnen ist.

5. Aufbau der Kommentierung 5 Zunächst sollen allgemeine, d.h. übergreifende Fragen zu nachrangigen Forderungen kommentiert werden. Im Vordergrund stehen die Schwächen nachrangiger Forderungen gegenüber den Ansprüchen einfacher Insolvenzgläubiger und die grundsätzliche Diskussion, ob der Nachrang allein verfahrensrechtliche Wirkung oder mit Blick auf Kreditsicherheiten für nachrangige Ansprüche auch materielle Wirkung hat. Auch auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist einzugehen. Anschließend werden die fünf Nummern von § 39 Abs. 1 InsO besprochen, dann der Nachrang kraft 5 6 7 8 9

MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 6; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 1. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 1. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 5; Thole ZHR 176 (2012), 513, 526. Thole ZHR 176 (2012), 513, 526. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 5.

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Vereinbarung und abschließend wird ein Hinweis auf § 327 InsO gegeben, der für Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse im Nachlassinsolvenzverfahren einen noch tieferen Nachrang anordnet. § 39 Abs. 3 InsO mit seiner Aussage zu Zinsen für nachrangige Ansprüche wird im Kontext von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO besprochen. § 39 Abs. 4, Abs. 5 InsO treffen Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen und sind im Kontext von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu besprechen. Im Kontext der Gesellschafterdarlehen werden auch § 39 Abs. 1 S. 1 InsO sowie § 2 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 COVInsAG besprochen.

II. Allgemeine und übergreifende Aussagen in § 39 InsO § 39 InsO ordnet bestimmte Ansprüche als nachrangig ein. Von dieser gesetzlichen Anordnung 6 können die Gläubiger nicht durch Vertrag zu ihren Gunsten abweichen. Jedoch können Gläubiger vertraglich einen schlechteren Rang vereinbaren, als für sie nach gesetzlicher Anordnung vorgesehen wäre.10 So ist es denkbar, dass externe Darlehensgläubiger kraft Vertrags bereit sind, ihren Anspruch in einem Insolvenzverfahren in einem bestimmten Nachrang geltend zu machen. Denkbar ist auch die vertragliche Vereinbarung eines Zwischenrangs;11 zB können sich einfache Insolvenzgläubiger kraft Vertrags verpflichten, den Anspruch in einem möglichen Insolvenzverfahren geltend zu machen erst nach jenen Gläubigern, die im vierten Nachrang Ansprüche haben, aber vor jenen Gläubigern, die im fünften Nachrang Ansprüche haben.12 Die vertragliche Rangvereinbarung ist insbesondere mit Blick auf § 39 Abs. 2 InsO von enormer Bedeutung. Ansprüche in einer der fünf in § 39 Abs. 1 InsO aufgeführten Nachrangkategorien sind im Überschuldungsstatus zu passivieren. Das ergibt sich eindeutig aus § 19 Abs. 2 S. 2 InsO, denn nach dieser Vorschrift unterbleibt eine Passivierung nur bei Gesellschafterdarlehen, die vertraglich auf den qualifizierten Nachrang im Sinn von § 39 Abs. 2 InsO gesetzt werden.13 Über den Wortlaut hinaus kann für jegliche Forderungen ein qualifizierter Nachrang vereinbart werden, der eine Passivierung im Insolvenzstatus ausschließt14 (ausführlich Rn 230).

1. Das Verhältnis zu anderen und gleichrangigen Forderungen § 39 Abs. 1 S. 1 InsO besagt, dass die in den folgenden fünf Nummern genannten Forderungen 7 im Rang nach den übrigen Ansprüchen befriedigt werden. Explizit geregelt ist die Ober- und Unterordnung der Ränge. Ebenso ist explizit geregelt, dass innerhalb eines Ranges die Forderungen gleichberechtigt sind. Geregelt ist in § 39 Abs. 2 InsO, dass qualifiziert nachrangige Forderungen erst nach jenen aus § 39 Abs. 1 S. 1 InsO geltend gemacht werden können. Außerhalb der InsO geregelt sind nachrangige Ansprüche gem. § 32 III, IV DepotG, § 30 PfandBG und Art 108 EGInsO (iVm § 18 II S 3 GesO).15

a) Der grundsätzliche Vorrang von Masseansprüchen, Ansprüchen aus dem Kreditrah- 8 men von § 264 InsO und einfachen Insolvenzforderungen. Grundsätzlich vorrangig vor nachrangigen Forderungen sind Masseansprüche (§ 53 InsO),16 Ansprüche innerhalb des Kreditrahmens gem. § 264 InsO beim Insolvenzplan mit Ausnahme von Gesellschafterdarlehen (§ 264 10 11 12 13 14 15 16

Kübler/Prütting/Bork/Koenen InsO93 § 39 Rn 26 f. Kübler/Prütting/Bork/Koenen InsO93 § 39 Rn 9, 27; Uhlenbruck/Hirte15 InsO § 39 Rn 52. Dazu Bork ZIP 2012, 2277, 2279 mit der Frage, ob § 135 I Nr 2 InsO dadurch berührt wird. K Schmidt/K Schmidt/Herchen InsO20 § 19 Rn 35. Uhlenbruck/Mock15 InsO § 19 Rn 233. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 6. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 7.

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Abs. 3 InsO) und die Forderungen einfacher Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Bei den Ansprüchen einfacher Insolvenzgläubiger ist darauf zu achten, dass insbesondere die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdenden Zinsen gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO nur nachrangig behandelt werden (siehe Rn 30 ff ). Hingegen sind besicherte Ansprüche nicht uneingeschränkt vorrangig vor den nachrangigen Ansprüchen, jedoch kann die Sicherheit vorrangig verwertet werden (siehe Rn 23 f). Genügt der Verwertungserlös nicht zur vollständigen Tilgung der Forderung, bleibt es beim Nachrang für den noch offenen Betrag.

9 b) Das Verhältnis der Ränge untereinander. Aus dem einführenden Wortlaut von § 39 Abs. 1 InsO ergibt sich eindeutig, dass ein vorangehender Rang komplett Vorrang genießt. Das bedeutet, dass zunächst alle Ansprüche aus diesem Rang befriedigt sein müssen, ehe die Gläubiger mit Ansprüchen aus dem folgenden Rang bedient werden dürfen.17 § 39 Abs. 3 InsO ordnet laufende Zinsansprüche und Verfahrenskosten dieser Teilnehmer auch diesem Rang zu. Nach Befriedigung der einfachen Insolvenzgläubiger werden die laufenden Zinsen dieser Insolvenzgläubiger aus der Restmasse befriedigt. Erst nach der vollständigen Befriedigung dieser Zinsansprüche werden die Verfahrenskosten befriedigt. Erst wenn sämtliche Verfahrenskosten (einschließlich der dafür aufgelaufenen Zinsen) befriedigt sind, werden befriedigt (samt der Zinsen dafür): Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 InsO). Erst wenn die genannten Beträge zzgl. der Zinsen vollständig befriedigt sind, werden Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners samt der laufenden Zinsen befriedigt. Erst nach Befriedigung aller unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO fallenden Ansprüche werden Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen samt der laufenden Zinsen befriedigt. Und erst nach jenen Ansprüche werden qualifiziert nachrangige Ansprüche kraft Vereinbarung gem. § 39 Abs. 2 InsO befriedigt. In noch tieferem Nachrang werden Ansprüche aus § 327 InsO befriedigt.18

10 c) Das Verhältnis bei Gleichrangigkeit. Innerhalb eines Ranges wird dem Verhältnis der Beträge nach befriedigt.19 Das gilt auch, wenn Zinsen in unterschiedlicher Höhe auflaufen. Sind zB nach Befriedigung aller vorangehenden Ansprüche Mittel zur Befriedigung von Gesellschaftern für ihre Darlehen in Höhe von 22.000 A vorhanden und hat ein Gesellschafter ein Darlehen in Höhe von 100.000 A zu 9 % Zins vergeben und ein anderer ein Darlehen in Höhe von 100.000 A zu 11 % Zins vergeben und ist mittlerweile ein Jahreszinsbetrag aufgelaufen, werden nicht 100.000 A zu 100.000 A unter (noch weiter) nachrangiger Betrachtung der Zinsen gegenübergestellt, sondern 109.000 A werden 111.000 A gegenübergestellt, sodass 10.900 A an den einen und 11.100 A an den anderen Gesellschafter zu zahlen sind.

11 d) Noch stärkerer Nachrang und Schlussrang. Nach den in § 39 InsO klassifizierten Ansprüchen finden sich noch nachrangigere Ansprüche in § 327 InsO.20 Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse gehen bei einer Nachlassinsolvenz noch stärker nach. Diese können aber sowieso nur existieren, wenn der Nachlass am Stichtag werthaltig war und anschließend wertlos wird. Hinge17 Braun/Bäuerle9 InsO § 39 Rn 3; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 9; KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 5, Rn 169; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 25; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 10; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 39 Rn 5; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 6. 18 Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 6. 19 Braun/Bäuerle9 InsO § 39 Rn 4; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 9a; Häsemeyer InsR4 Rn 17.14; KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 5, Rn 169; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 8; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 6. 20 KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 4; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 6. Mylich

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gen kommt § 327 InsO bei einer Eigeninsolvenz des Erben nicht zur Anwendung (zu dieser Konstellation unter Rn 66). Im Schlussrang gem. § 199 InsO findet sich das gesamte restliche Vermögen des Schuldners. Gerade bei der (atypischen) Finanzierung durch (atypische) Gesellschafter muss präzise zwischen einem Anspruch differenziert werden, der wie ein Gesellschafterdarlehen zu behandeln ist und einem Anspruch, der letztlich auf Rückzahlung von Eigenkapital gerichtet ist (siehe Rn 92, 126 ff, 178). Daraus mag im Einzelfall die Konsequenz resultieren, dass durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags ermittelt werden muss, ob bestimmte finanzierende Personen im Schlussrang gleichwohl bevorrechtigt gegenüber anderen finanzierenden Personen im Schlussrang befriedigt werden. Bsp.: Nach Befriedigung aller externen Gläubiger verbleiben noch 60.000 A in der Insolvenzmasse. Ein Gesellschafter hat ein offenes Gesellschafterdarlehen in Höhe von 36.000 A; ein atypisch stiller Gesellschafter will seine Einlage in Höhe von 48.000 A zurück. Am Gewinn und Vermögen ist dieser atypisch stille Gesellschafter in Höhe von 20 % beteiligt. Zunächst sind Ansprüche gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu befriedigen. Entgegen Tendenzen in der Rechtsprechung ist die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters wie Eigenkapital zu behandeln und daher in der Schlussverteilung zu berücksichtigen (ausführlich unter Rn 126 ff, 129 ff). Das Gesellschafterdarlehen wird also in Höhe von 100 % befriedigt und nicht nur zu 75 %, weil der atypisch stille Gesellschafter eben nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fällt und somit nicht auch 75 % für seine Einlage bekommt. Zur Schlussverteilung verbleiben 24.000 A. Hier ist nun der Vertrag mit dem atypisch stillen Gesellschafter auszulegen, ob dieser die 24.000 A bevorrechtigt bekommt oder eben nur 20 % davon, sodass die anderen Eigenkapitalgeber die restlichen 80 % vereinnahmen.

2. Die Rangordnung bei Masseansprüchen Innerhalb von privilegierten Masseansprüchen ist wiederum eine Rangordnung denkbar. § 209 12 InsO klassifiziert bereits zwischen Kosten des Insolvenzverfahrens, Neumasseverbindlichkeiten und Altmasseverbindlichkeiten. Aber auch innerhalb der Altmasseverbindlichkeiten ist eine Rangordnung unter Rückgriff auf § 39 InsO denkbar. Wird die Masseunzulänglichkeit angezeigt, wird das Massedarlehen selbst als Altmasseverbindlichkeit einzustufen sein, während die künftigen Zinsen unter Rückgriff auf die Wertung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO erst im Rang nach Befriedigung aller anderen Altmasseverbindlichkeiten bedient werden. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist in diesem Kontext aber nicht auf vom Gesellschafter gewährte Massedarlehen anzuwenden (siehe Rn 117).

3. Gemeinsamkeiten mit einfachen Insolvenzforderungen Nachrangige Insolvenzgläubiger sind zunächst normale Insolvenzgläubiger.21 Sie haben ein Recht, 13 unabhängig von ihrer Befriedigungsaussicht einen Insolvenzantrag zu stellen;22 andererseits kann der Insolvenzschuldner ihren Anspruch mangels Verfügungsmöglichkeit über die Masse (§ 80 InsO) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr befriedigen. Die nachrangigen Insolvenzgläubiger können auch nicht in die Masse vollstrecken; § 89 InsO.23 Eine Sicherung zur Zwangsvollstreckung, die im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag erlangt worden ist, ist gem. § 88 InsO unwirksam.24 Eine Restschuldbefreiung wirkt gem. §§ 300, 301 InsO auch gegen die Gläubiger von 21 Begr RegE InsO BT-Drucks. 12/2443, S 123; BGHZ 192, 221 Rn 15; BGH ZIP 2019, 1972 Rn 9; Häsemeyer InsR4 Rn 17.13; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 4; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 4. 22 BGH NZI 2011, 58 Rn 8 ff; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 5. 23 Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 4; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 7; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 4. 24 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 7. 247

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nachrangigen Forderungen. § 302 Abs. 1 Nr. 2 InsO bestimmt aber, dass Geldstrafen im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO durch die Restschuldbefreiung unberührt bleiben.25 Zu den einen Gesamtschaden gem § 92 InsO geltend machenden Insolvenzgläubigern zählen auch die nachrangigen Gläubiger.26 Haften Gesellschafter für die Verbindlichkeit der Gesellschaft persönlich, sind auch nachrangige Ansprüche von der Haftung erfasst.27

4. Die praktischen Schwächen nachrangiger Forderungen gegenüber einfachen Insolvenzforderungen 14 Die Einordnung einer Forderung als nachrangig führt in der Praxis zumeist dazu, dass der nachrangige Anspruch nicht befriedigt wird.28 Auch gilt eine Gläubigerbenachteiligung als ausgeschlossen, wenn alle im Rang der wiederaufgelebten Forderung existenten Ansprüche befriedigt werden und nur nachrangige Ansprüche unbefriedigt bleiben.29 Die praktische Bedeutung von § 39 InsO liegt vor allem in der Qualifikation einer Forderung als nachrangig, sodass allen einfachen Insolvenzgläubigern ein größerer Anteil an der Masse verbleibt. Hingegen kommt es zu einer Teilnahme von Gläubigern nachrangiger Forderungen am Insolvenzverfahren, wenn zB Fonds so finanziert werden, dass die Anleger (zB Kommanditisten einer GmbH & Co KG) neben den Eigenmitteln erhebliche Beträge als langfristige (partiarische) Darlehen oder in Form (typisch) stiller Beteiligungen aufzubringen haben, sodass zB nur geringfügige Forderungen externer Gläubiger bestehen. Gleichwohl lautet die Formel stets: Solange nicht alle einfachen Insolvenzgläubiger vollständig befriedigt sind, erhalten Gläubiger für ihren nachrangigen Anspruch nichts. Hingegen ist es bei vollständiger Befriedigung aller einfachen Insolvenzgläubiger sachgerecht, die restliche Masse nicht dem Insolvenzschuldner bzw seinen Gesellschaftern zukommen zu lassen, sondern zunächst nachrangige Ansprüche zu befriedigen.30 Das führt bei einer Verarmung einer natürlichen Person dazu, dass zwar bei einem Insolvenzantrag innerhalb von vier Jahren nach der Schenkung die Schenkungsanfechtung greift (§ 134 InsO), jedoch der Konflikt um eine mögliche verbleibende Masse so zu lösen ist: Der Beschenkte kann im vierten Nachrang seinen Anspruch auf Zuwendung geltend machen; das ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen für eine Rückforderung wegen Verarmung (§§ 528, 529 BGB) vorliegen. Stirbt der verarmte Schenker, setzt sich dieser Konflikt in der Nachlassinsolvenz zwischen dem Erben und dem Beschenkten fort.

5. Die Besonderheiten von nachrangigen Forderungen im Verfahren 15 a) Forderungsanmeldung. Ein Gläubiger einer nachrangigen Forderung kann am Insolvenzverfahren nur nach vorheriger Aufforderung durch das Insolvenzgericht teilnehmen (§ 174 Abs. 3 InsO).31 Dadurch wird das Verfahren vereinfacht, denn ein nachrangiger Gläubiger wird in der Praxis zumeist nicht befriedigt. Dadurch entfallen die Prüfpflichten zur Begründetheit der Forderung, solange nicht zur Anmeldung aufgefordert wurde. Das geschieht nur, wenn erkennbar ist, dass die Masse zur Befriedigung aller einfachen Insolvenzforderungen reichen wird. Aus den Prinzipien der Rangordnung unter verschiedenen Rängen (siehe Rn 9) und Gleichbehandlung innerhalb einer Rangklasse (siehe Rn 10) ergibt sich, dass Gläubiger aus einem vorangehenden Rang MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 7. BGHZ 197, 75 Rn 42. BGH ZInsO 2021, 102 Rn 30. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 4; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 6; speziell für darlehensgebende Gesellschafter Gehrlein BB 2011, 3, 5; Gegenbeispiel bei OLG Celle NZI 2022, 893. 29 BGH ZIP 2013, 637 Rn 3. 30 Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 2; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 6. 31 Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 6; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 2.

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zur Anmeldung aufgefordert werden können, während die Aufforderung nicht an Gläubiger aus einem nachgehenden Rang ergeht.32 Wird hingegen ein Gläubiger einer bestimmten Rangklasse zur Forderungsanmeldung aufgefordert, müssen alle anderen Gläubiger dieser Rangklasse ebenfalls aufgefordert werden.

aa) Verhinderung der Verjährung einer nachrangigen Forderung. Gem. § 87 InsO sperrt 16 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die weitere individuelle Verfolgung der Forderung. Nur durch die Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren wird gem. § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB die Verjährung gehemmt. Zur Anmeldung ist der Gläubiger aber gerade nicht berechtigt. Einhellig wird anerkannt, dass die fehlende Aufforderung nicht zu Lasten des Gläubigers gehen darf.33 Nach einer Auffassung soll zur Verjährungsvermeidung die Forderung auch ohne Aufforderung angemeldet werden können (insolvenzrechtliche Lösung).34 Diese Sicht ist abzulehnen, denn sie führt – nur wegen einer drohenden Verjährung – wiederum zur Verfahrensverzögerung.35 Zwar könnte man daran denken, dass die Forderung als „nachrangig, aber Verjährung drohend“ angemeldet werden kann, doch führt bereits dieser Umstand zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand, denn es müsste die drohende Verjährung geprüft werden. Zutreffend ist die Lösung, die auf das materielle Recht zurückgreift.36 Dafür bedarf es aber nunmehr nicht mehr des Rückgriffs auf § 206 BGB (höhere Gewalt),37 sondern vielmehr liegt die Analogie zu § 204 Abs. 1 Nr. 10a BGB näher.38 Dadurch kommt es zur (analogen) Anwendung von § 204 Abs. 2 BGB, sodass die Hemmung endet, wenn zur Anmeldung der Forderung aufgefordert oder das Verfahren beendet wird.39 Gem. § 209 BGB läuft nach diesen sechs Monaten die normale Verjährung weiter. Im Gegensatz zur analogen Anwendung von § 206 BGB kommt es bei einer Analogie mit der für das StaRUG relevanten Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 10a BGB bereits ab Verfahrenseröffnung zur Hemmung und nicht erst in den letzten sechs Monate der Verjährungsfrist. bb) Streit zum „ob“ des Nachrangs. Geht es um die Frage, ob der Gläubiger Insolvenzgläubi- 17 ger oder nachrangiger Gläubiger ist, meldet der Gläubiger gem. § 174 Abs. 1 InsO seine Forderung an.40 Im Anmeldeverfahren darf die Forderung nicht zurückgewiesen werden.41 Erst im Prüfungstermin kann der Einordnung als Insolvenzforderung widersprochen werden; der Gläubiger kann dann im Feststellungsverfahren seine Forderung durchsetzen.42 War die Forderung tituliert, obliegt es gem. § 179 Abs. 2 InsO dem Widersprechenden, die Forderung zu bestreiten, d.h. die Einordnung als Insolvenzforderung zu bestreiten.

32 Jaeger/Preuß InsO2 § 174 Rn 94. 33 Siehe auch OLG Celle NZI 2022, 893 Rn 39. 34 Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 4; Kiesbye Die Hemmung der Verjährung (2012), S 87–90; wohl auch Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens InsO4 § 39 Rn 8.

35 IE auch OLG Celle NZI 2022, 893 Rn 49. 36 Jaeger/Preuß InsO2 § 174 Rn 101; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 8; i.E. auch Uhlenbruck/Hirte15, § 39 Rn 2.

37 I.E. auch Wazlawik NZI 2020, 1081, 1086; offen gelassen bei OLG Celle NZI 2022, 893 Rn 62. 38 Etwas anders Wazlawik NZI 2020, 1081, 1086, der vor Inkrafttreten von § 204 Abs. 1 Nr. 10a InsO nur die Regelungslücke in § 204 Abs. 1 Nr. 10 InsO erkennt und ohne Rückgriff auf den Katalog von § 204 Abs. 1 InsO auf § 204 Abs. 2 S 1 Alt. 2 InsO verweist. 39 Zutreffend Wazlawik NZI 2020, 1081, 1086. 40 Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 5; Wazlawik NZI 2020, 1081, 1085. 41 Jaeger/Preuß InsO2 § 175 Rn 17. 42 I.E. auch Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 5; Wazlawik NZI 2020, 1081, 1085. 249

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

18 cc) Streit um den Rang beim Nachrang. Wird um den Rang im Nachrang gestritten, besteht eine gewisse Schwierigkeit, denn § 174 Abs. 3 InsO setzt voraus, dass nachrangige Insolvenzgläubiger zur Teilnahme am Insolvenzverfahren aufgefordert werden. So kann es zB sein, dass ein Gesellschafter als Darlehensgeber gegen die Teilnahme eines Gesellschafters mit einer (vermeintlich) einfachen Insolvenzgläubigers vorgehen will, weil er meint, dass diese gestundet oder stehengelassen worden sei. Denkbar ist auch der Hinweis durch den darlehensgebenden Gesellschafter, dass für diese Forderung ein qualifizierter Rangrücktritt bestehe. Nach zutreffender h.M. soll auch in diesem Fall ein Widerspruch möglich sein, der aber rückwirkend seine Wirkung einbüßt, wenn der widersprechende Gläubiger nicht zur Anmeldung der Forderung aufgefordert wird.43 Nicht vom Wortlaut des § 176 S. 2 InsO erfasst ist die Möglichkeit, auf den eigenen richtigen Nachrang zu verweisen. ZB kann der Insolvenzverwalter einige Gesellschafter als Darlehensgeber zur Anmeldung auffordern. Unterlässt er diese Aufforderung bei einem bestimmten Gesellschafter, weil er dessen Forderung für qualifiziert nachrangig erachtet, muss dieser sich wehren können. So ist daran zu denken, dass dieser Gläubiger auch ein Anmelderecht analog § 174 InsO hat, dessen Einschlägigkeit dann wiederum widersprochen werden muss.

19 b) Wahrnehmung von Gläubigerrechten. Die Rechte nachrangiger Gläubiger in der Gläubigerversammlung beschränken sich auf das Teilnahme- und das Informationsrecht.44 Hingegen können sie nicht die Einberufung der Gläubigerversammlung beantragen (§ 75 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 InsO), es sei denn, sie haben ein Absonderungsrecht. § 75 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 InsO erwähnt die absonderungsberechtigten Gläubiger neben den nicht nachrangigen Gläubigern. Zumeist ist der absonderungsberechtigte Gläubiger sowieso Insolvenzgläubiger, aber im Fall der Drittbesicherung mit Insolvenz des Sicherungsgebers ist der Sicherungsnehmer gerade nicht Insolvenzgläubiger, sondern nur Absonderungsberechtigter. Erst recht muss dann auch jener absonderungsberechtigte Gläubiger antragsbefugt sein, dem eine nachrangige Forderung zusteht. Allerdings kann die Antragsberechtigung wiederum in Frage stehen, wenn die Absonderungsberechtigung prinzipiell oder wegen (angeblich) anfechtbar erlangter Besicherung bestritten wird. Die Einberufung wird dann abgelehnt und der nachrangige Insolvenzgläubiger mit (vermeintlichem) Absonderungsrecht ist auf die sofortige Beschwerde angewiesen (§ 75 Abs. 3 InsO). Gem. § 77 Abs. 1 S. 2 InsO haben nachrangige Gläubiger kein Stimmrecht.45 Haben sie zusätzlich ein Absonderungsrecht, kann ihnen gem. § 77 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 InsO ein Stimmrecht zustehen. Diese Einordnung gilt gem. § 78 Abs. 1 InsO für den Antrag auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung; der nachrangige Gläubiger hat kein Antragsrecht,46 hingegen gibt es bei einem Absonderungsrecht diese Antragsbefugnis.

20 c) Abschlagsverteilungen. Gem. § 187 Abs. 2 S. 2 InsO sollen nachrangige Insolvenzgläubiger bei Abschlagszahlungen nicht berücksichtigt werden. In der Praxis wird es an der notwendigen Masse fehlen, denn fast immer genügt diese nicht einmal zur Befriedigung der vorrangigen Gläubiger. Denkbar ist jedoch der Fall, dass die Masse aufgrund erheblicher (nachrangiger) Gesellschafterdarlehen zur Deckung der einfachen Insolvenzforderung genügen wird, sodass zB externe Kreditgeber hinsichtlich ihrer nachrangigen Zinsen auch eine Abschlagszahlung empfangen können. § 187 Abs. 2 S. 2 InsO als Sollensvorschrift stellt eine Abschlagszahlung auch für diesen Fall in das Ermessen des Insolvenzverwalters. Wird der Abschlag gezahlt, sind die nachrangigen Gläubiger der jeweiligen Rangstufe gleichzubehandeln.

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Jaeger/Preuß InsO2 § 176 Rn 44; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO64 § 176 Rn 26, 26a. Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 5; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 8. KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 7. Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 7.

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d) Insolvenzplanverfahren. Im Insolvenzplanverfahren gelten nachrangige Forderungen 21 gem. § 225 Abs. 1 InsO als erlassen. § 237 Abs. 1 S. 1 InsO regelt nicht die Berechtigung zur Teilnahme, sondern regelt das Abstimmungsverfahren, wenn nachrangige Insolvenzgläubiger überhaupt teilnehmen dürfen.47 Das gilt gem. § 225 Abs. 3 InsO nicht für nachrangige Forderungen gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO. Dürfen die gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Nr. 5 bzw § 39 Abs. 2 InsO bzw § 327 InsO nachrangigen Forderungen gleichwohl am Verfahren teilnehmen, gilt die Zustimmung der betreffenden Gläubigergruppe als erteilt, wenn kein (einfacher) Insolvenzgläubiger besser als diese gestellt wird oder sie nicht an der Abstimmung teilnehmen (§ 246 InsO). Das kann zB darlehensgebende Gesellschafter betreffen, die dafür auf ein zur Absonderung berechtigendes Sicherungsrecht verzichten. Nehmen nachrangige Insolvenzgläubiger mit Ausnahme jener der Gruppe § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO am Verfahren teil, haben sie ein Stimmrecht, denn § 237 Abs. 1 S. 1 InsO verweist nur auf § 77 Abs. 1 S. 1 InsO und nicht auf § 77 Abs. 1 S. 2 InsO.48 Gläubiger aus der Rangklasse § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO unterfallen hingegen § 237 Abs. 2 InsO.

e) Sonstige Besonderheiten im Verfahren. Geldstrafen und vergleichbare Bußen wie in § 39 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO werden weder in den Insolvenzplan (§ 225 Abs. 3 InsO) noch in die Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 2 InsO) einbezogen. Wird der Betrieb einer insolventen Gesellschaft veräußert, ist die Zustimmung der Gläubigerversammlung gem. § 162 InsO notwendig, wenn der Erwerber oder ein mit mindestens 20 % beteiligter Gesellschafter des Erwerbers zu jenen Personen gehören, die dem Schuldner nahestehen i.S.v. § 138 InsO (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Auch erwähnt sind in § 162 Abs. 1 Nr. 2 InsO absonderungsberechtigte bzw nicht nachrangige Insolvenzgläubiger die zusammen ein Fünftel aller zusammengerechneten Werte von Absonderungsrechten zzgl. nicht nachrangigen Forderungen erreichen. Hier ist wieder zu beachten, dass die Gläubigerversammlung auch dann bei fehlender Einschlägigkeit von § 162 Abs. 1 Nr. 1 InsO zustimmen muss, wenn der Gläubiger zwar nur eine nachrangige Forderung hat, jedoch auch ein Absonderungsrecht. Das kann zB der Fall sein, wenn ein Gesellschafter mit bislang mehr als 10 % bis maximal 25 % Beteiligung (daher nicht § 162 Abs. 1 Nr. 1, § 138 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO) eine besicherte nachrangige Darlehensforderung hat, wenn der Wert des Absonderungsrechts 20 % des Gesamtwertes aller Absonderungsrechte zzgl. nichtnachrangiger Forderungen übersteigt. Erwirbt dieser Gesellschafter bzw die von ihm mitbegründete Auffanggesellschaft den Betrieb der Schuldnerin, ist § 162 InsO einschlägig. 6. Die Sicherheit für eine nachrangige Forderung Ungeklärt bzw nicht diskutiert ist als übergreifende Frage nach wie vor, ob die Wirkungen des 23 Nachrangs allein im Verfahrensrecht zu finden sind oder ob sie materielle Wirkung haben.49 Praktisch geht es um die Fragen, ob eine nachrangige Forderung vom Schuldner selbst anfechtungsfest besichert werden kann bzw ob ein Dritter als Sicherungsgeber einen nicht nachrangigen Regress- bzw Aufwendungsersatzanspruch hat. So steht infrage, ob und wie fortlaufende Zinsen, ein besichertes Schenkungsversprechen oder ein besichertes Gesellschafterdarlehen aus der gegebenen Sicherheit befriedigt werden dürfen. Ebenso steht infrage, ob ein Bürge seinen Aufwendungsersatz gegenüber dem Schuldner nach- oder gleichrangig geltend machen kann. Eine mögliche Differenzierung zwischen gesetzlichem Nachrang oder vereinbartem Nachrang ist ebenfalls im Blick zu behalten. 47 Jaeger/Kern InsO § 237 Rn 5; i.E. auch Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 6. 48 Ganz h.M. siehe Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 6; Jaeger/Kern InsO § 237 Rn 4; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 8.

49 Siehe aber Berger KTS 2020, 1 ff; Habersack FS Graf von Westphalen (2010), S 273 ff; MünchKomm/Ganter InsO4 Vorbemerkungen vor §§ 49 bis 52 Rn 59. 251

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

24 a) Die Besicherung der nachrangigen Forderung durch den Schuldner. Besichert der Schuldner die kraft Gesetzes oder Vereinbarung nachrangige Forderung, spricht schon auf den ersten Blick § 10 Nr. 4 ZVG gegen eine materielle Wirkung, denn die laufenden Zinsen werden von der Sicherungswirkung des Grundpfandrechts erfasst. Auch § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine anfechtungsfeste (bzw anfechtungsfest werdende) Sicherheit für ein Gesellschafterdarlehen als nachrangige Forderung bestellt werden kann. Zwar wird in der Literatur nach wie vor von einer Mindermeinung die Sinnlosigkeit bzw Überflüssigkeit von § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO vertreten,50 jedoch betont der Bundesgerichtshof (mit Recht), dass spätestens nach 10 Jahren die für ein Gesellschafterdarlehen bestellte Kreditsicherheit anfechtungsfest wird.51 Im Ergebnis kann die anfechtungsfeste Besicherung einer nachrangigen Forderung auch darauf gestützt werden, dass diese Forderung natürlich existiert, jedoch der Gesetzgeber ihre Durchsetzung als nicht so gewichtig gegenüber den einfachen Forderungen erachtet.52 Deren Durchsetzung erachtet der Gesetzgeber für nicht so gewichtig wie die Durchsetzung von Masseforderungen (§ 53 InsO). Würde es sich bei den Vor- und Nachrangwirkungen um materielle Wirkungen auf die Forderungen handeln, wäre der Vorrang von besicherten Gläubigern auch unter gleichrangigen Forderungsgläubigern nicht so recht verständlich. Erst recht nicht zu verstehen wäre, warum ein besicherter einfacher Insolvenzgläubiger seine Sicherheit trotzdem durchsetzen kann, auch wenn nachträglich Masseunzulänglichkeit angezeigt wird und die verbleibende Masse nach den Regeln des § 209 InsO unter den Massegläubigern verteilt wird. Im Ergebnis kommt allen Qualifikationsvorschriften zum Vor- und Nachrang nur verfahrensrechtliche Wirkung zu und lässt Sicherheiten für derartige Ansprüche unberührt.53 Vielmehr ist wiederum bei den Sicherheiten zu entscheiden, welche Wirkungen ein Nachrang im speziellen Fall hat (zu § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO unter Rn 28 f, zu § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO unter Rn 53, zu § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unter Rn 93, zu § 39 Abs. 2 InsO unter Rn 233). So muss stets bei jeder Diskussion auch entschieden werden, ob eine Besicherung ein Aliud oder nicht doch nur ein Minus zur Befriedigung ist.

25 b) Ein Dritter besichert die nachrangige Forderung und verlangt Regress. Besichert ein Dritter die nachrangige Forderung, handelt es sich bei einer Sicherheit durch den Gesellschafter nicht um einen Fall von § 44a InsO, denn dort wird von einem Gesellschafter eine Forderung eines Dritten besichert.54 In Anknüpfung an Rechtsprechung zur Besicherung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens55 soll ein Bürge dem Kreditgeber nur dann haften, wenn hinsichtlich der Nachrangigkeit der Forderung Übereinstimmung bestanden hat.56 Habersack will beim Regress so differenzieren: Der übergegangene Anspruch (zB wegen § 774 BGB) soll im Nachrang verbleiben, ebenso ein Aufwendungsersatzanspruch aus dem Auftragsverhältnis zwischen Schuldner und Sicherungsgeber, wenn es sich um einen gesetzlichen Nachrang handelt.57 Hingegen soll bei einem vertraglich vereinbarten Nachrang der Aufwendungsersatzanspruch als einfache Insolvenzforderung geltend gemacht werden können.58 ME ist anders zu differenzieren: Es ist danach zu fragen, ob der auf den Sicherungsgeber übergegangene Anspruch auch nachrangig gewesen wäre, wäre der Sicherungsgeber direkt Anspruchsgläubiger gewesen. Ist das der Fall, ist auch der Regressanspruch nachrangig; andernfalls ist der Regressanspruch nicht nachrangig. Das lässt sich am folgenden Bsp. belegen: Die T-GmbH ist an der X-GmbH zu mehr als 10 % beteiligt. Sie gewährt in der Krise der X-GmbH ein 50 51 52 53 54 55 56 57 58

Altmeppen ZIP 2019, 1985, 1991; Altmeppen/ders GmbHG10 Anh. § 30 Rn 168 ff, 174 ff. BGHZ 198, 64 Rn 14, 26; BGHZ 221, 100 Rn 55; dazu Mylich ZIP 2019, 2233, 2234. I.E. auch Kummer FS Bergmann (2019), S 434, 437 f. I.E. auch Berger KTS 2020, 1, 6 ff, 10 ff; aA Brinkmann ZGR 2017, 708, 726. Habersack FS Graf von Westphalen (2010), S 273, 276. BGHZ 143, 381, 385; BGH ZIP 1996, 538, 540; BGH ZIP 2008, 1376 Rn 21. Habersack FS Graf von Westphalen (2010), S 273, 280. Habersack FS Graf von Westphalen (2010), S 273, 283 f. Habersack FS Graf von Westphalen (2010), S 273, 285 ff.

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

§ 39

Darlehen. In der Variante 1 wird das Darlehen durch den beitretenden Sanierungsgesellschafter B besichert, in der Variante 2 wird das Darlehen durch die Gesellschafterin der T-GmbH, der M-GmbH besichert. Hätte Sanierungsgesellschafter B das Darlehen selber vergeben, wäre § 39 Abs. 4 S. 2 InsO anzuwenden. Der Regress kann daher nicht nachrangig sein. In Variante 2 ist hingegen zumeist eine Konzernkonstellation gegeben (dazu siehe Rn 201 ff), sodass eine direkte Darlehensvergabe durch die M-GmbH auch zu einem Nachrang geführt hätte, sodass ein Regressanspruch auch nachrangig zu behandeln ist.

III. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 InsO – Zinsen und Säumniszuschläge Gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO sind Zinsen und Säumniszuschläge im ersten Nachrang zu behan- 26 deln. Gemeint sind nur Zinsen, die nach der Verfahrenseröffnung entstehen.59 Es handelt sich um zuvor gem. § 63 KO von der Teilnahme am Konkurs ausgeschlossene Forderungen, die nunmehr in das Verfahren einbezogen werden sollen. Die Begründung zur Konkursordnung, dass Zinsen noch nicht begründet sein sollen, war unzutreffend. Jedoch überzeugt nach wie vor das Argument, dass es sich bei Zinsen aus der Zeit nach der Verfahrenseröffnung um variable Ansprüche handele, die eine Masseverteilung und Quotenberechnung unnötig erschweren. Zinsen nach Verfahrenseröffnung sind daher keine Masseverbindlichkeiten.60 Dieser Überlegung steht nicht entgegen, dass zB Mietzinsen nicht wie Zinsen behandelt werden, sondern sogar als Masseansprüche. Der Grund ist aber ein anderer: Der Vermieter kann sein Objekt aussondern. Führt der Insolvenzverwalter den Mietvertrag fort, muss er diesen korrekt erfüllen. Hingegen kann der Darlehensbetrag (gewöhnlich) nicht ausgesondert werden. Daraus resultiert aber auch die Konsequenz, dass aussonderungsfähige Darlehensbeträge (zB auf Treuhandkonten) hinsichtlich der Zinsen anders zu behandeln sein müssen (siehe Rn 36). Nicht alle laufenden Zinsen sind nachrangig. Bevorzugt bedient werden vertragliche Zinsen von Gläubigern mit einem Sicherungsrecht (siehe Rn 28). § 169 InsO ordnen für einen besonderen Fall den Vorzug laufender Zinsen an.61 Zinsen auf Masseschulden sind vorrangig zu bezahlende Masseschulden.62

1. Zinsen Die Vorschrift erfasst alle Zinsen ab Verfahrenseröffnung, dh vertragliche und gesetzliche.63 27 Zinsen sind lt. BGH eine nach Laufzeit bemessene, gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung für eine Kapitalüberlassung.64 Die Laufzeitbemessung soll zur Einmaligkeit einer Leistung wie bei einer Vermittlungsprovision bzw -gebühr, Abschlusskosten oder Bearbeitungsgebühr abgrenzen. Die Gewinnunabhängigkeit grenzt von Dividenden, Provisionen oder Tantiemen ab.65 Schwierigkeiten bereitet daher der Zins für ein partiarisches Darlehen, soweit der äußerst seltene Fall eintritt, dass während des Insolvenzverfahrens tatsächlich eine Ertragslage eintritt, die zu einer entsprechenden Vergütung führt. Gleichwohl steht der Zinscharakter im Vordergrund, nur enthält dieser auch variable Elemente. Daher bleibt es auch bei einem partiarischen Zins dabei, dass dieser gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO im ersten Nachrang anzusetzen ist. Ein Disagio hat keinen Zinscharakter. Praktisch ist die Frage irrelevant, denn der Betrag ist bereits nie ausgezahlt worden. Braun/Bäuerle InsO9 § 39 Rn 5. BGH ZInsO 2021, 914 Rn 17. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 18. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 10; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 18; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 8. 63 Ahrens/Gehrlein/Ringsmeier/Ahrens InsO4 § 39 Rn 13; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 12. 64 BGH NJW 1973, 540 (541 unter 3.). 65 Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens InsO4 § 39 Rn 14.

59 60 61 62

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Nur für den Fall der versehentlichen Auszahlung des Darlehensbetrags einschließlich des Disagios und der Insolvenz vor der Rückzahlung des Disagios kann diese Frage relevant sein. Hingegen ist bei Zinsen nicht danach zu differenzieren, ob es sich um vertraglich vereinbarte Zinsen für eine Kapitalüberlassung oder Verzugszinsen handelt. Für Verzugszinsen ist zu differenzieren. Grundsätzlich können sie nur anfallen, wenn der Verzug bereits vor Verfahrenseröffnung eingetreten ist;66 während des Verfahrens kann kein Verzug eintreten. Beim Verzugseintritt vor der Verfahrenseröffnung sind bis zur Verfahrenseröffnung angefallene Zinsen einfache Insolvenzforderungen, hingegen die während des Verfahrens entstehenden Zinsen solche gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO. Ebenfalls um Zinsen handelt es sich bei einem pauschalierten Schadensersatzanspruch, der nach Zinsgrundsätzen berechnet worden ist. Die Vorschriften zu den Zinsen gelten auch für Steuerhinterziehungszinsen,67 denn diese knüpfen akzessorisch an den Steueranspruch an.68

2. Zinsen für Vorzugsrechte 28 a) Gesetzliche Anordnungen. Gem. § 50 InsO sind Gläubiger, die ein Recht zur Absonderung haben, nach Maßgaben der §§ 166–173 InsO für Hauptforderung, Zinsen und Kosten aus dem zur Absonderung berechtigenden Gegenstand zu befriedigen. Sind sie zugleich Gläubiger der persönlichen Forderung, dürfen sie gem. § 52 InsO den nach Verwertung des abgesonderten Gegenstandes bzw Rechts noch offenen Betrag als Insolvenzgläubiger geltend machen. Die vertraglich vereinbarten Zinsen werden durch § 169 InsO nicht verdrängt – vielmehr tritt § 169 InsO neben die vertraglich vereinbarten Zinsen.69 Für unbewegliches Vermögen verweist § 49 InsO auf die Regeln zur Immobiliarvollstreckung der ZPO und des ZVG. Gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG kann der Grundpfandgläubiger neben der gesicherten Forderung auch die Zinsen und Kosten aus dem Meistgebot fordern. Bei Zinsen gibt es für künftige Zinsen keine Grenzen; nur für rückständige Zinsen gibt es eine Einschränkung auf die letzten zwei Jahre. § 12 ZVG gibt zudem vor, dass für den betreffenden Rang zunächst Kosten, dann Zinsen und dann der Hauptanspruch zu tilgen sind. Aus diesen Vorschriften resultiert sowohl für Forderungen und bewegliche Gegenstände, aber auch für unbewegliches Vermögen, dass bei der Verwertung dieser Sicherheit seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw Beschlagnahme des Grundstücks alle seit Verfahrenseröffnung aufgelaufenen Zinsen (und z.T. aufgelaufene Zinsen aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung) aus dem Verwertungserlös befriedigt werden.70 Der Bundesgerichthof hatte bereits zu den nicht am Verfahren teilnehmenden Ansprüchen gem. § 63 KO entschieden, dass sich das Absonderungsrecht auf diese erstrecken muss.71 Da der Gesetzgeber unter der InsO eine Besserstellung erstrebt hat, muss sich das Absonderungsrecht nunmehr erst recht auf die nachrangigen Zinsen beziehen.72 Wird der Gegenstand vom Insolvenzverwalter weiter genutzt, erhält der Sicherungsgeber gem. § 172 Abs. 1 S. 1 InsO einen Ausgleich für den Wertverlust. Dieser ist unabhängig vom Anspruch auf Zinszahlung gem. § 169 InsO.73 Auch der vorrangig aus dem Verwertungserlös zu tilgende laufende Zins bleibt von § 172 InsO unbeeinflusst.

29 b) Reihenfolge. Nach Berücksichtigung von Feststellungs- und Verwertungspauschale gem. § 170 InsO bestimmt sich die Tilgungsreihenfolge beim absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 367 66 67 68 69 70 71 72 73

Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 15; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 16. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 15. BFH BStBl. II 2012, 491 Rn 11 und Rn 14 mit dem Hinweis, dass § 39 Abs. 1 S 1 Nr. 3 InsO nicht anzuwenden sei. Berger KTS 2020, 1, 12 f; MünchKomm/Kern InsO4 § 169 Rn 20. BGH ZIP 2008, 1539 Rn 8 ff; siehe auch Berger KTS 2020, 1, 10 ff. BGHZ 134, 195, 197. BGH ZIP 2008, 1539 Rn 9. BT-Drucks. 12/7302, 178; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Lütcke InsO § 172 Rn 10; MünchKomm/Kern InsO4 § 172 Rn 53.

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

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BGB.74 Zunächst werden aus dem Verwertungserlös Kosten, dann Zinsen und zum Schluss die Hauptforderung getilgt. Das hat zur Folge, dass bei laufenden Zinsen im Insolvenzverfahren diese zunächst vorrangig getilgt werden, ehe die Hauptforderung getilgt wird. In Höhe der nicht getilgten Hauptforderung nimmt der Gläubiger (soweit er einfacher Insolvenzgläubiger ist) am weiteren Verfahren teil; § 190 InsO setzt das voraus und differenziert nur hinsichtlich der Beweislast für die Höhe des Ausfalls nach der Sicherheitenverwertung.75

3. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 39 Abs. 3 InsO Gem. § 39 Abs. 3 Alt. 1 InsO haben Zinsen den gleichen Rang wie die zugrundeliegende Forderung. 30 Daraus ergibt sich, dass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO den ersten Rang unter den nachrangigen Ansprüchen für Zinsen anordnet, die auf einer einfachen Insolvenzforderung beruhen. Zinsforderungen auf Verfahrenskosten genießen den zweiten Rang im Nachrang und werden daher erst nach den Zinsen für einfache Insolvenzforderungen und Säumniszuschläge befriedigt. Laufende Zinsen auf Geldzahlungen mit Sanktionswirkung haben somit nur den dritten Rang im Nachrang. Zinsen auf unentgeltliche Forderungen haben den vierten Rang im Nachrang. Zinsen für Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen haben den fünften Rang im Nachrang. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 3 InsO betrifft aber nur laufende Zinsen ab Verfahrenseröffnung. Nicht geltend gemachte Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung werden ggf umqualifiziert in eine darlehensgleiche Forderung und sind bereits wegen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangig (ausführlich dazu Rn 106 ff).

4. Ausstehende Zinsen für Gesellschafterdarlehen Ausstehende Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen unterfallen nicht § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO, 31 sondern § 39 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. § 39 Abs. 3 InsO kann eigentlich nur solche Zinsen meinen, die auf einen nachrangigen Anspruch entfallen. Der Darlehenszins verzinst aber nicht den Rückzahlungsanspruch, sondern stellt die im Synallagma stehende Gegenforderung für die Darlehensüberlassung dar (siehe Rn 106). Würde man deshalb ausstehende Zinsen für Gesellschafterdarlehen nicht im fünften, sondern bereits im ersten Nachrang erfassen, käme es jedoch zu einem Widerspruch: Durch die fehlende Tilgung der im fünften Nachrang einzuordnenden Darlehensverbindlichkeit entstünden weiterhin Zinsen, die dann im ersten Nachrang einzuordnen wären. Daher bleibt es bei der logisch zu erwartenden Antwort: Zinsen für Gesellschafterdarlehen aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung sind auch im fünften Nachrang zu behandeln.

5. Besondere Konstellationen a) (Ausstehende) Avalprovisionen. Mit der Avalprovision wird die Haftungsübernahme ei- 32 nes Sicherungsgebers vergütet. Für § 8 Nr. 1 GewStG hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Zinsen für die Bereitstellung der Kreditmittel geleistet werden, während die Avalprovision für Haftungsübernahme gezahlt wird und dadurch von ganz anderer Natur sein soll.76 Das hat im Steuerrecht gravierende Auswirkungen dahingehend, dass eine Avalprovision nicht zu Kapitaleinkünften gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, sondern zu sonstigen Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 2 EStG führt. Nicht weiter hilft in diesem Kontext die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass Avalkosten für eine Bürgschaft zur Einleitung einer vorläufigen Vollstreckung Kosten der Zwangsvollstre74 Zur InsO: BGH ZIP 2011, 579 Rn 10 ff; zur KO: BGHZ 134, 195, 199 f; Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 13. 75 So i.E. auch Jaeger/Meller-Hannich InsO2 § 190 Rn 1–3. 76 BFH BStBl II 2007, 655. 255

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§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

ckung (§ 788 ZPO) und nicht Kosten des Rechtsstreits (§ 103 ZPO) sind.77 Folgt man der Einordnung des Bundesfinanzhofs, kann eine ausstehende Avalprovision somit nicht einem Zins gleichgestellt werden. Das ist nicht unproblematisch, denn die Darlehenszinsen vergüten sowohl die Kapitalnutzungsmöglichkeit als auch ein Ausfallrisiko. Gleichwohl wird für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO die Vergütung insoweit nicht aufgeteilt. Daher steht bei der Darlehensverzinsung die Vergütung für die Überlassung der Darlehensmittel im Vordergrund, während bei der Avalprovision die Vergütung für eine Haftungsübernahme im Vordergrund steht.

33 b) Entschädigungsleistungen bei vorzeitiger Kreditkündigung. Entschädigungsleistungen für die vorzeitige Kreditkündigung sind nicht zinsgleich einzuordnen.78 Das Kapitalnutzungsrecht war vorzeitig beendet worden. Die Entschädigungsleistung war durch die Kündigung veranlasst und vergütet den vorzeitigen Abbruch der Kreditbeziehung. War das Darlehen zB nicht besichert, trägt der Darlehensrückzahlungsanspruch zzgl. Entschädigungsleistung wiederum Zins – und nur dieser ist unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO zu fassen. Das Ergebnis kann durch folgende Überlegung abgesichert werden: War das Darlehen besichert und kommt es zur Insolvenz des Darlehensnehmers, kommt es bei der Kündigung ebenfalls zum Entschädigungsanspruch, selbst wenn die Sicherheit umgehend verwertet und der Gläubiger damit voll befriedigt wird.

34 c) Mietzinsen. Mietverträge fallen unter die Regeln der §§ 103 ff. InsO, sodass sich der Insolvenzverwalter zur Fortsetzung oder Beendigung entscheiden muss. Ausstehende Mietzinsen sind daher nicht mit Darlehenszinsen vergleichbar. Das gilt auch für den Erbbauzins und einer Einzelleistung aus einer Reallast.79

35 d) Leasingraten. Die hM setzt das Leasingverhältnis mit dem Mietverhältnis gleich, sodass auch für das Leasingverhältnis die Regeln der §§ 103 ff. InsO gelten sollen.80 Ohne weitere Begründung beruft sich die h.M.81 auf die Meinung der Gesetzesverfasser im Gesetzgebungsprozess zur Insolvenzordnung (bei Abfassung von § 112 InsO)82 und auf § 108 Abs. 1 S. 2 InsO. Das ist fragwürdig, wenn zugleich betont wird, dass das Leasing ein Finanzierungsverhältnis sei,83 mietrechtliche Grundsätze daher nicht uneingeschränkt gelten können84 und die Leasingraten aus den Kosten für die Beschaffung des Gegenstandes, die Zinsen für die Finanzierung und die Provision des Leasinggebers bestehen.85 Auch § 108 Abs. 1 S. 2 InsO ist kein Argument, denn diese Vorschrift bezieht sich auf die Insolvenz des (sich refinanzierenden) Vermieters bzw Leasinggebers,86 während vorliegend die Insolvenz des Leasingnehmers interessiert. Auch die h.M. muss zugeben, dass für die Insolvenz des Leasingnehmers keine Regelung in der InsO existiert.87 Der grundlegende Unterschied zwischen Miete und Leasing liegt darin, dass der Leasingnehmer die Sachgefahr während der Vertragslaufzeit trägt. Daher enthalten die Leasingraten anders als bei einem Mietverhältnis keine Vergütung für 77 BGH NJW 2016, 2579 Rn 12 ff. 78 OLG Hamburg DZWiR 2003, 79; zustimmend Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 10; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 13; aA FK/Bornemann InsO9 § 39 Rn 19. 79 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 15; Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 10. 80 Beiläufig in BGHZ 151, 353, 358; Staudinger/Stoffels Leasing2018 Rn 343 m.w.N. 81 ZB Jaeger/Jacoby InsO2 § 108 Rn 50; Klinck KTS 2007, 37, 38; ders in: LeasingR-Hb2 § 49 Rn 3; Staudinger/Stoffels Leasing2018 Rn 339 ff. 82 Begr zu § 126 RegE, BT-Drucks. 12/2443, S 148. 83 BGHZ 95, 39, 53; Staudinger/Stoffels Leasing2018 Rn 93. 84 BGHZ 95, 39, 49. 85 Staudinger/Stoffels Leasing2018 Rn 89. 86 Eingehende Kritik auch an dieser Vorschrift Klinck KTS 2007, 37 ff. 87 So zB Jaeger/Jacoby InsO2 § 108 Rn 50. Mylich

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

die Überlassung des Gegenstandes, sondern dienen der Vollamortisation der Anschaffungskosten durch den Leasinggeber.88 Sie haben letztlich einen der Darlehensrückzahlung vergleichbaren Zweck. Näher liegt daher eine Behandlung wie ein besichertes Darlehen, nur dass der Leasinggeber anders als der gewöhnliche Kreditgeber das Risiko der Beschaffung einer mangelfreien Sache trägt. Würde man diese Sicht konsequent verfolgen, müssen die offenen Leasingraten in den Zins- und den Amortisierungsteil aufgeteilt werden. Der Amortisierungsanteil ist wie eine offene Darlehensforderung zu behandeln, während der künftige Zins unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO zu fassen ist. Allerdings sondert der Leasinggeber den Leasinggegenstand aus (anders als bei Sicherungseigentum wird § 47 InsO angewendet); der Deckungserlös aus einer möglichen Weiterverwertung wird zuerst auf die Zinsen angerechnet. Gravierendere Auswirkungen hat die Frage der Einordnung eines Leasingverhältnisses bei Leasingverhältnissen mit einem Gesellschafter als Leasinggeber (siehe Rn 148 f). Unabhängig von einer Leasinggeberposition des Gesellschafters zeigt die hier vertretene Ansicht praktische Auswirkungen, wenn der Leasinggegenstand zerstört, unbrauchbar oder wertlos geworden ist, dh wenn sich das Erhaltungs- und Nutzungsrisiko für den (nunmehr insolventen) Leasingnehmer realisiert hat.

e) Zinsen für die Nutzung von Treuhandkonten. Können Zahlungsansprüche ausnahms- 36 weise ausgesondert werden, sind auch die Zinsen für die entsprechende Kapitalüberlassung bis zur Rückzahlung keine nachrangigen Forderungen und daher nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO einzuordnen.

f) Regressansprüche. Befriedigt der externe Sicherungsgeber den Gläubiger, kann der Siche- 37 rungsgeber Zinsen nur so geltend machen, wie auch der Gläubiger es hätte tun können.89 Aufgelaufene Zinsen aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung kann der Bürge nur im ersten Nachrang regressieren.90 Handelt es sich um einen Gesellschafter, ist ggf. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu beachten. 6. Säumniszuschläge Die Vorschriften zu den Zinsen gelten auch für Säumniszuschläge, zB gem. §§ 152, 240 AO, § 24 38 SGB IV.91 Diese müssen sich nach einer Auffassung auf einen Zeitraum nach Verfahrenseröffnung beziehen;92 nach anderer Auffassung muss auch der Anknüpfungspunkt nach der Verfahrenseröffnung liegen.93 Säumniszuschläge auf Masseverbindlichkeiten sind Masseverbindlichkeiten.94

IV. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO, § 39 Abs. 3 InsO – Verfahrenskosten der Teilnehmer Unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO im zweiten Nachrang gefasst werden Kosten der Insolvenzgläubi- 39 ger, die ihnen durch ihre Teilnahme am Verfahren entstanden sind. Letztlich entstehen zumeist Kosten, mit deren Belastung eine Insolvenzmasse ggf überfordert wäre.95 Zu differenzieren ist zwischen jenen Kosten, die bis zur Verfahrenseröffnung entstanden sind, jenen während des 88 89 90 91 92 93 94 95 257

Canaris AcP 190 (1990), 410, 456. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 19. OLG Karlsruhe MDR 1996, 487; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 12; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 18. BSG ZIP 2003, 521, 522; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 18. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens InsO4 § 39 Rn 16. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 18; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn. 13. FG Nürnberg, EFG 2018, 1690 Rn 35; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens InsO4 § 39 Rn 16. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 InsO § 39 Rn 20. Mylich

§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Verfahrens entstehenden Kosten mit Nachrang und jenen während des Verfahrens entstehenden Kosten mit vorrangiger Begleichung als Masseforderungen.

1. Vor Verfahrenseröffnung entstandene Kosten 40 Vor Verfahrenseröffnung entstandene Kosten sind einfache Insolvenzforderungen. Sie teilen als Nebenforderung zur Hauptforderung deren Rang.96 Das ist zu kurz gegriffen; jegliche vor Verfahrenseröffnung entstandene Kosten sind als einfache Insolvenzforderung zu qualifizieren, d.h. auch Kosten aus der Verfolgung nachrangiger Ansprüche unterfallen nicht § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO. Klagt der Beschenkte auf Vollzug bzw der Gesellschafter auf Rückzahlung seines Darlehens, haben die entstandenen Kosten nichts mit dem Zweck des Nachrangs von Schenkungs- oder Gesellschafterdarlehensansprüchen zu tun.97 § 39 Abs. 3 InsO ordnet nur jene Kosten, die den Inhabern nachrangiger Forderungen im Verfahren entstehen, als dem Rang entsprechend ein; zu jenen Kosten, die vor dem Verfahren entstehen, nimmt die Vorschrift nicht Stellung. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig, denn dort heißt es „durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen“. Umstritten ist die Einordnung von Kosten für die Stellung eines Insolvenzantrags, die vor dem Insolvenzverfahren entstanden sind.98 Vor dem Verfahren entstanden sind jene Kosten, auf die ein Anspruch besteht; das kommt zB bei einem Anspruch auf Vorschuss kraft Gesetzes (§ 669 BGB) oder Vertrags zur Geltung.99 Vor dem Verfahren entstanden sind auch jene Kosten zur Durchsetzung eines gepfändeten Rechts, die beim Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung regressiert werden können. Pfändet G eine Forderung seines Schuldners S gegen den Drittschuldner D und versucht diese gegen D durchzusetzen, kann aber die Kosten nicht mehr gegen D durchsetzen, weil auch über das Vermögen von D ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, kommt es darauf an, in welchem Umfang G einen Anspruch auf Deckung der Rechtsverfolgungskosten gegen D gegenüber S bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von S hätte geltend machen können.

2. Während des Verfahrens entstandene Kosten im Nachrang 41 Aus der Rechtsverfolgung während des Verfahrens entstehende Kosten, die unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO zu fassen sind, sind alle denkbaren Kosten bei der Durchsetzung des Rechts. Gemeint sind damit v.a. die Kosten aus der persönlichen Klage. Hingegen haben die Kosten aus einer dinglichen Klage das gleiche Recht wie das Vorzugsrecht selbst. Für Immobliarsicherheiten ergibt sich das aus § 1118 BGB bzw § 12 Nr. 1, § 10 Abs. 2 ZVG. Kosten aus einer persönlichen Klage sind aber insoweit nicht erfasst100 und können in der Konsequenz nur nachrangig geltend gemacht werden. Auch die Kosten aus der Verwertung von Mobiliarsicherheiten sind aus dem Verwertungserlös (vorrangig) zu befriedigen.101 Für den im Verfahren ernannten gemeinsamen Vertreter von Anleihegläubigern war zunächst umstritten, ob dessen Kosten ggf. vorrangige Masseschulden sind. In der Literatur wurde z.T. auf § 54 Nr. 2 InsO,102 z.T. auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 96 MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 20; Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 16; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 16. 97 AA recht eindeutig Jaeger/Henckel InsOVoraufl InsO § 39 Rn 16. 98 Für § 38 InsO: Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 24; Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 16; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 20; für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO: FK/Bornemann InsO9 § 39 Rn 21; HK/Ries10 § 39 Rn 9. 99 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 25; HK/Ries InsO10 § 39 Rn 9; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 21. 100 RGZ 90, 171, 172. 101 BGHZ 134, 195, 199; BGH ZIP 2008, 1539 Rn 11; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 26; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 21. 102 ZB Kübler FS Henckel (2015), S 183, 192. Mylich

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Alt. 2 InsO abgestellt.103 Die Rechtsprechung lehnt das ab,104 sodass i.E. eine nachrangig geltend zu machende Forderung besteht.105 Es handelt sich auch nicht um Kosten des Insolvenzverfahrens.106

3. Während des Verfahrens entstandene Kosten als Masseschulden Kosten aus der Verfolgung von Masseansprüchen sind als Nebenkosten bzw Nebenforderungen 42 Masseansprüche.107 Nicht darunter fallen nach Auffassung der Rspr. die Kosten aus der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für alle Anleihegläubiger; sie sollen gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO eingeordnet werden (siehe vorige Rn).

4. Die Verfahrenskosten nachrangiger Gläubiger Aus § 39 Abs. 3 InsO ergibt sich, dass die Verfahrenskosten nachrangiger Gläubiger nur in deren 43 Rang geltend gemacht werden können. Gesellschafter mit einem Darlehen können also ihre Verfahrenskosten nur im fünften Nachrang geltend machen. Hingegen sind bis zum Verfahren angefallene Prozesskosten auch bei einem Gesellschafterdarlehen in keinem Nachrang zu behandeln, sondern stellen eine einfache Insolvenzforderung dar (siehe Rn 150).

V. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO – Geldzahlungen mit Sanktionswirkung Gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InsO fallen Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgel- 44 der sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, in den dritten Nachrang. Es handelt sich um Forderungen mit pönalem Charakter, die den Schuldner persönlich treffen sollen. So ist es einerseits legitim, diese nicht wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entfallen zu lassen, andererseits sollen sie nur den Gläubiger persönlich und nicht die anderen Insolvenzgläubiger belasten.108 War die Forderung mit pönalem Charakter in anfechtbarer Weise beglichen worden, lebt nach der Insolvenzanfechtung die entsprechende Forderung gem. § 144 Abs. 1 InsO auf, aber dann im dritten Nachrang.109

1. Erfasste Sanktionen Geldstrafen sind solche gem. §§ 40, 41 StGB.110 Dabei braucht es sich nicht um Straftaten nach 45 dem StGB, sondern es kann sich auch um Nebenstrafrecht handeln.111 Hingegen fallen Vertragsstrafen nicht unter § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO.112 Geldbußen sind Sanktionen des Ordnungswidrigkei-

103 104 105 106 107 108

ZB Thole ZIP 2014, 293, 299. BGH NZI 2017, 228 Rn 12 ff. BGH NZI 2017, 228 Rn 27. BGH NZI 2016, 968 Rn 7 ff; BGH NZI 2017, 228 Rn 6. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 21. BGH NZI 2011, 189 Rn 7; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 27; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 23. 109 BGH NZI 2011, 189 Rn 7. 110 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 28; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 24. 111 Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 23. 112 RGZ 49, 189, 192; Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 23. 259

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tenrechts, siehe § 17 OWiG, § 81 GWB, § 377 AO. Auch durch die EU-Kommission verhängte Bußgelder fallen darunter.113 Ordnungsgelder sind Sanktionen für rechtswidriges nicht strafbares Verhalten. Sie können im Rahmen von Gerichtsverfahren, aber auch außerhalb entstehen (Bsp: §§ 37, 335 HGB).114 Gem. § 14c UStG muss derjenige, der Umsatzsteuer ausweist, diese abführen, auch wenn sie nicht oder anders angefallen ist. Die Vorschrift hat keinen Sanktionscharakter, denn sie soll nur ausgleichen, dass die andere Vertragspartei auf Grund der Rechnung ggf. einen höheren Vorsteuerabzug geltend machen kann. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist daher nicht anwendbar.115 Im Gegensatz zu Ordnungsgeldern sollen Zwangsgelder ein bestimmtes Verhalten erzwingen und werden deshalb von einem Gericht oder einer Behörde verhängt (Bsp.: §§ 328 f AO, § 888 ZPO).116 Die Abgrenzung zum Ordnungsgeld ist mit Blick auf die vollständige Aufzählung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO irrelevant (zB ordnete § 335 HGB früher ein Zwangsgeld an, nunmehr ein Ordnungsgeld). Die Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, sind nicht weiter definiert. Der Bundesgerichtshof hat darauf verwiesen, dass ein Rückgriff auf die Nebenfolgen der Straftat gem. §§ 45 ff StGB sachfremd ist, denn dort fehlt es am Vermögensbezug.117 Hingegen kann man sich an den Maßstäben des § 459g StPO orientieren, sodass zB Einziehung und Verfall des Wertersatzes (§§ 73c, 74c StGB) darunter zu fassen sind.118 Zwar ist die Aufzählung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht abschließend, doch wird man allenfalls weitere Nebenfolgen mit Sanktionscharakter unter die Vorschrift fassen können (zB Bewährungsauflagen gem. § 56b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StGB).119

2. Nicht erfasste Forderungen 46 Sonstige Kosten im Zusammenhang mit in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfassten Geldsanktionen sind nicht erfasst, denn der Gesetzgeber hat diese Vorschrift insoweit abschließend normiert.120 Nicht erfasst sind Hinterziehungszinsen; insoweit handelt es sich nicht um Geldstrafen mit Sanktionswirkung.121 Wegen des abschließenden Wortlauts werden auch Säumnis- und Verspätungszuschläge nicht erfasst.122 Sie dienen nicht der Ausübung von Druck auf den Schuldner, sondern einem standartisierten Mindestschadensausgleich.123 Mangels Auszählung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO sind die ausstehenden Kosten für ein Strafverfahren ebenfalls nicht als nachrangig einzuordnen.124

3. Das Arrestpfandrecht bei Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO 47 Sind die entsprechenden Ansprüche bereits durch einen strafprozessualen Arrest gesichert worden, soll das Pfandrecht eine Insolvenzfestigkeit bewirken.125 Dem ist mit Blick auf den Zweck eines Arrestpfandrechts nicht zu folgen, wenn das Arrestpfandrecht der Durchsetzung des 113 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 28; K Schmidt/K Schmidt/Herchen20 InsO § 39 Rn 15. 114 Nicht abschließende Aufzählungen zB Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 28; Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 23. Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 23; zum früheren § 14 Abs. 3 UStG: BFH ZIP 1982, 358. Beispiele bei Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 24. BGH NZI 2010, 607 Rn 6. BGH NZI 2010, 607 Rn 7 ff. Buhmann/Woldrich ZInsO 2004, 1238, 1239; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 30. BGH NZI 2011, 64 Rn 10. BFH BStBl II 2012, 491. BFH ZIP 2005, 1035, 1036; aA Buhmann/Woldrich ZInsO 2004, 1238, 1239 f. BFHE 180, 516, 517; BFHE 184, 193, 196; BSG ZIP 1999, 887, 888. BGH NZI 2011, 64 Rn 10. OLG Köln ZIP 2004, 2013, 2015; KG Berlin NZI 2008, 691; OLG Hamm ZIP 2013, 2485, 2487 f.

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staatlichen Strafanspruchs und nicht dem Opferschutz dient.126 Die Vorläufigkeit bringt es mit sich, dass die Sicherungswirkung nicht zum Vorzug in einem folgenden Insolvenzverfahren führen kann. Das ergibt ein Vergleich zu den Wirkungen des Arrestpfandrechts aus zivilrechtlichen Streitigkeiten – entgegen der hM127 kann die Vorläufigkeit nicht dazu führen, dass dieses Pfandrecht unter § 50 InsO gefasst werden kann.

VI. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO – Unentgeltliche Leistungen 1. Hintergrund und Vorgängervorschrift Die unentgeltliche Leistung ist in der deutschen Rechtsordnung per se mit dem Makel einer 48 Schwäche behaftet. Das zeigt sich an §§ 816, 822, 988 BGB, den Besonderheiten bei der Schenkung als Kardinalfall einer unentgeltlichen Leistung (§§ 528, 530 BGB), den Verboten von unentgeltlichen Verfügungen im Familienrecht (§§ 1425 Abs. 1, 1641, 1804 BGB) bzw Erbrecht (§§ 2113 Abs. 2, 2205 S. 3 BGB) und der Restitution oder des späteren Ausgleichs von unentgeltlichen Verfügungen im Familien- und Erbrecht (§§ 1375 Abs. 2 Nr. 1, 1390 Abs. 1, 2287 f., 2325 ff. BGB). Im Insolvenzrecht ist eine unentgeltliche Verfügung gem. § 134 InsO anfechtbar, wenn innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfügt worden ist. Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung ist nicht besonders schutzwürdig.128 Das zeigt sich auch in § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO, wenn dem Berechtigten auf eine unentgeltliche Leistung zugestanden wird, den Anspruch in der Insolvenz des Schuldners zwar geltend machen zu dürfen, aber nur im vierten Nachrang. Der Begriff der unentgeltlichen Leistung ist an die Stelle des in § 63 KO genannten Begriffs „Freigiebigkeit“ getreten. Ein Bedeutungswandel geht damit nicht einher.129 Anders als unter dem Regime der KO kann aber der Anspruch auf eine unentgeltliche Leistung in der Insolvenz geltend gemacht werden, wenngleich nur als nachrangiger Anspruch (siehe oben Rn 2).

2. Die unentgeltliche Leistung a) Begriff der Unentgeltlichkeit. Bei der unentgeltlichen Leistung steht der Leistung des 49 Schuldners keine im Wert adäquate Gegenleistung gegenüber. Dabei kommt es aber nicht allein auf die objektiven Umstände an, sondern die Beteiligten müssen von einer unentgeltlichen Leistung ausgehen.130 Unproblematisch ist der Fall, wenn der Insolvenzschuldner keine Gegenleistung erhält, sondern selbst nur leisten soll. Paradigmatischer Fall dieser einseitig unentgeltlichen Leistung ist die Schenkung. Notwendig ist eine ganzheitliche Betrachtung, denn auch in der bloßen Entgegennahme der Schuldnerleistung kann eine Gegenleistung liegen. Zu denken ist an die Verpflichtung des Schuldners, Rohstoffe und gebrauchte Materialien an ein Verarbeitungsunternehmen zu liefern. Ggf. zahlt der Schuldner noch eine Zusatzvergütung, obwohl der Vertragspartner die Rohstoffe und Materialien weiterverarbeitet und weiterveräußert. Die Gegenleistung liegt darin, dass dem Schuldner weitere kostenpflichtige Aufwendungen zur Entsorgung der Rohstoffe und gebrauchten Materialien abgenommen werden. Wird eine Gegenleistung festgestellt, ist zunächst deren Adäquanz zur Schuldnerleistung nach objektiven Kriterien zu untersuchen. Daneben bedarf es für eine unentgeltliche Leistung immer auch einer subjektiven

126 Noch anders OLG Nürnberg NZI 2013, 552; ablehnend KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 51. 127 Siehe nur MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 66a; die dort zitierte Rspr belegt nicht die Insolvenzfestigkeit eines derartigen Pfandrechts.

128 Gerhardt ZIP 1991, 273, 281. 129 Jaeger/ Henckel InsOVoraufl § 39 Rn 25. 130 BGHZ 113, 98, 100. 261

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Vorstellung des Empfängers, dass die Gegenseite unentgeltlich leisten will.131 Eine Einigung über die Unentgeltlichkeit ist aber nicht erforderlich.132 Durch die subjektive Komponente auf der Empfängerseite werden Tatbestände aus der unentgeltlichen Leistung herausgenommen, in denen die Gegenseite eine objektiv zu geringe Gegenleistung erbringt, dies aber auf Verhandlungsgeschick oder fehlender Bereitschaft einer umfangreicheren Zahlung oder schlicht in der beiderseitigen Unkenntnis über den wahren Wert der Sache liegt.133 Soll hingegen der Insolvenzschuldner eine Gegenleistung erbringen, obwohl er dazu nicht verpflichtet ist, sind die beiderseitigen Erwägungen unbeachtlich und die geschuldete bzw erbrachte Leistung wird als unentgeltlich eingestuft. Derartige Konstellationen werden häufig dann auftreten, wenn der Leistungsempfänger kraft AGB eine Vergütung für eine Leistung fordert, die allein in seinem Interesse liegt („Vertragsverlängerungsgebühren“) oder die er kraft Gesetzes sowieso zu erbringen hat. Mag der Leistende ggf. gem. § 812 BGB vorgehen können, so ist zumindest in dieser Konstellation in der Insolvenz auch § 134 InsO anwendbar. In Dreipersonenkonstellationen ist ebenso die ganzheitliche Betrachtung notwendig. Stellt ein Angehöriger eine Sicherheit zugunsten des Kreditgebers, kann bei fehlender Avalprovision eine unentgeltliche Leistung vorliegen. Da für die Kreditvergabe und Zinsbemessung die Sicherheit eine Rolle spielt, wird gegenüber dem Kreditgeber keine unentgeltliche Leistung vorliegen. Evtl. ist Unentgeltlichkeit gegenüber dem Kreditnehmer gegeben (zu den Besonderheiten nachträglicher Sicherheiten siehe Rn 57).

50 b) Verhältnis zu § 134 InsO. Gem. § 134 InsO ist eine unentgeltliche Leistung aus den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar. Das bedeutet aber nicht, dass die wiederaufgelebte Forderung gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO im vierten Nachrang bei der Masseverteilung zu befriedigen ist. Vielmehr ist die Einordnung selbständig zu prüfen. Während gem. § 134 InsO jede unentgeltliche Leistung angefochten werden kann, muss auf die unentgeltliche Leistung im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO ein Anspruch bestehen. Wird an einen Aktionär aufgrund eines fehlerhaften Jahresabschlusses eine Dividende gezahlt und ergibt sich nach zutreffender Neuaufstellung keine Möglichkeit zur Dividendenzahlung, kann die Dividende zwar bei Redlichkeit des Aktionärs nicht gem. § 62 AktG zurückgefordert werden, jedoch kann in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG die Zahlung gem. § 134 InsO zurückgefordert werden.134 Nunmehr hat der Aktionär aber keine Möglichkeit mehr, dieses Anspruch erneut geltend zu machen, denn er existiert nicht. Die These der Rspr.135 und hM136 von der Einheit von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO und § 134 InsO ist daher nur begrenzt richtig. Zutreffend ist vielmehr, dass dann, wenn bei ausstehender Zahlung ein Anspruch auf eine unentgeltliche Leistung vorliegen würde, diese Leistung der Anfechtung gem. § 134 InsO unterfällt. Der Rückschluss kann aber nicht gezogen werden,137 denn der Unentgeltlichkeitsbegriff des § 134 InsO ist weiter zu fassen. Er kann auch (bewusst) (rechtsgrundlose) Leistungen erfassen, auf die kein Anspruch besteht.138 Schwierigkeiten bestehen bei jenen Leistungen, deren Formmangel durch Vollzug geheilt wird. Eine nicht existente Forderung kann nach einer Anfechtung nicht gem. § 144 InsO aufleben, während bei einer Überwindung der Formnichtigkeit durch Heilung diese Frage unklar ist (siehe nächste Rn). Zudem sind bei einer Nachlassinsolvenz auch erbrechtliche Zu-

131 132 133 134 135 136

BGHZ 71, 61, 66; BGHZ 113, 98, 100. BGHZ 71, 61, 69; BGHZ 113, 98, 101. I.E. auch Henckel ZIP 1990, 137, 139. OLG Frankfurt ZIP 2022, 1556, 1558; Habersack ZIP 2022, 1621, 1623 ff; Mylich AG 2011, 765, 768 f. BGH ZIP 2008, 975 Rn 7. Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 21; Schlinkmann Der Begriff der Unentgeltlichkeit im Insolvenzrecht (2015), S 198 f. 137 AA Schlinkmann Der Begriff der Unentgeltlichkeit im Insolvenzrecht (2015), S 197 (ohne Problembewusstsein). 138 BGHZ 214, 350 Rn 16 f; mit Recht noch großzügiger Gehrlein ZInsO 2021, 71, 78 f; anders zuvor BGHZ 113, 98, 100 f. Mylich

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wendungen unentgeltlich, jedoch kommt auch eine Einordnung in den nach § 39 Abs. 2 InsO stehenden siebten bzw achten Rang gem. § 327 InsO in Betracht.

c) Schenkungen. Typischer Fall einer unentgeltlichen Leistung ist eine Schenkung. Erfasst ist 51 eine Schenkung, wenn sie durch notariell beurkundeten Vertrag versprochen ist. Fehlt es an der notariellen Beurkundung, ist ein noch nicht vollzogenes Schenkungsversprechen unwirksam. Im Fall der Nachlassinsolvenz darf das notariell beurkundete Schenkungsversprechen nicht vom Tod des Erblassers abhängig gemacht worden sein, denn andernfalls kommt nur der siebte Nachrang gem. § 327 InsO in Betracht (siehe Rn 63). Erfasst ist auch der notariell beurkundete Schenkungsanspruch, der nach Anfechtung des Schenkungsvollzugs gem. § 134 InsO wiederaufgelebt ist.139 Die Anfechtung zerstört nicht den Schenkungsvertrag, sondern führt nur zur Rückforderung der Leistung und einer anschließenden Einordnung des Anspruchs auf Vollzug der Schenkung im vierten Nachrang. Unklar ist die Einordnung einer Handschenkung, wo sich die Wirksamkeit des Schenkungsvertrags gem. § 518 Abs. 2 BGB aus dem Vollzug ergibt. Konkret lautet die Frage, ob eine Anfechtung der Leistungsbewirkung nur auf die Rückgewähr der Leistung gerichtet ist oder auch die formheilende Wirkung des Vollzugs zu Fall bringt. Unabhängig vom Streit um die Entstehung des Anfechtungsanspruchs aufschiebend bedingt auf die Insolvenzeröffnung oder tatsächlich erst mit der Insolvenzeröffnung140 soll die Anfechtung nicht den Vertrag als solchen zerstören, sondern nur einen geleisteten Gegenstand wieder dem Insolvenzschuldner und seinen Gläubigern zuordnen. Der Insolvenzschuldner hatte durch seine Leistung gezeigt, dass er sich der kompensationslosen Weggabe bewusst ist. Die Insolvenzanfechtung zerstört daher nicht die Formheilung. Somit ist die Forderung aus einem formgeheilten Schenkungsvertrag nach der Insolvenzanfechtung eine solche, die unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO fällt.141 d) Der Schenkung nachfolgende Aufwendungen. Hat der Beschenkte nach der Schenkung 52 Aufwendungen, zu deren Übernahme sich der Schenker verpflichtet hatte bzw kraft Gesetzes verpflichtet ist (§§ 523, 524 BGB), steht deren Unentgeltlichkeit infrage. Allerdings muss hinsichtlich der Sachmängel gesehen werden, dass diese nur den Schenkungsgegenstand im Wert mindern, sodass insoweit auch nur ein Anspruch auf unentgeltliche Leistung vorliegt. Darüberhinausgehende Schäden können hingegen einfache Insolvenzforderungen sein, wenn sie eine Vermögensposition schmälern, die der Beschenkte bereits hatte. Entsteht durch die geschenkte Sache ein Schaden im Eigentum oder in der Gesundheit des Beschenkten, ist dieser Schadensersatzanspruch eine einfache Insolvenzforderung. Unklar ist das nur für reine Vermögensschäden, wenn zB der Beschenkte im Vertrauen auf die Mangelfreiheit des Schenkungsgegenstandes komplementäre Anschaffungen getätigt hat, die er nach Entdeckung des arglistig verschwiegenen Mangels nicht mehr nutzen kann. Folgekosten, zu deren Übernahme der Schenker sich verpflichtet hatte, sind dann relevant, wenn diese Kosten in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angefallen sind und bereits vom Insolvenzschuldner beglichen waren oder noch zu leisten sind. Zu denken ist an die Schenkung eines Hundes mit dem (ggf. notariell beurkundeten) Versprechen, auch die Futterkosten und Hundesteuer zu zahlen. Man wird diese Aufwendungen als unentgeltlich einordnen müssen. Stehen sie noch aus, muss der Beschenkte überlegen, ob er das Tier weiterhin halten kann oder abgeben muss. Waren sie bereits beglichen, wird der Beschenkte über § 143 Abs. 2 InsO geschützt, der auf die Bereicherung bei der unentgeltlichen Erlangung eines Vorteils abstellt.

139 OLG Celle NZI 2022, 893 Rn 33 und 36. 140 Siehe dazu MünchKomm/Kirchhof/Pieckenbrock InsO4 § 143 Rn 14. 141 Wohl auch OLG Celle NZI 2022, 893 mit etwas unklarem Sachverhalt und in Rn 19 ohne Problembewusstsein. 263

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3. Sicherheiten und Vormerkung für Schenkungen 53 Werden Schenkungen bzw unentgeltliche Leistungen nicht vollzogen, aber zunächst besichert, hat der Nachrang des Anspruchs auf die Zuwendung der Schenkungsleistung bzw unentgeltlichen Leistung nur verfahrensrechtliche Wirkung (siehe Rn 23 f). Wird der Schenkungsanspruch besichert, wird mit der Sicherheit bereits ein Minus (und kein Aliud) aus dem Schenkervermögen ausgeschieden. Allein der Sinn und Zweck einer Schenkung könnte gegen eine Anfechtungsfestigkeit der Besicherung einer Schenkung sprechen. Während beim Darlehen die Valuta der Natur nach zunächst dem Darlehensnehmer überlassen werden müssen, sodass ein in Zukunft fälliger Anspruch besichert wird, kann das Risiko auf den Beschenkten dahingehend abgewälzt werden, dass eine nicht sofortige Vollziehung auch nicht anfechtungsfest besichert werden kann. Das ist bereits praktisch nicht der Fall, wie die häufige wirtschaftliche Belassung der Schenksache im wirtschaftlichen Eigentum des Schenkers durch einen Nießbrauch belegt. Es muss nichts gegenständlich aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners ausgeschieden worden sein, sondern allein wertmäßig. In der Konsequenz kann ein Anspruch auf unentgeltliche Leistung besichert werden; diese Sicherheit kann im Insolvenzverfahren verwertet werden.142 Als Minus zur Leistungserbringung wird man die Besicherung der Anfechtung gem. § 134 InsO unterwerfen, wenn innerhalb von vier Jahren nach wirksamer Bestellung ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird. Das bedeutet aber im Gegenzug, dass nach vier Jahren die Sicherheit anfechtungsfest ist.143 Auch wenn mit dem Schenkungsvollzug noch nicht begonnen worden ist, kann zwar der Anspruch auf Vollziehung der Schenkung evtl. nur im Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO geltend gemacht werden, jedoch kann die Sicherheit verwertet werden. Anders verhält es sich, wenn ein Auflassungsanspruch des Beschenkten lediglich vorgemerkt ist. Die Vormerkung verleiht gem. § 883 Abs. 2 BGB Schutz gegenüber Dritten, die den Erwerb nicht mehr verhindern können. Aus § 106 InsO ergibt sich auch, dass die Vormerkung Schutzwirkung im Fall der Insolvenz des bisherigen Grundstückseigentümers zeigen soll. Jedoch ist der unentgeltliche Erwerb nicht so rechtsbeständig wie ein entgeltlicher. Mag die Vormerkung auch sichern, so scheidet doch noch nichts aus dem Vermögen des Schenkers aus. Im Ergebnis führt eine Vormerkung vier Jahre nach ihrer Eintragung nicht dazu, dass der Beschenkte diese anfechtungsfest erworben hat und seinen Auflassungsanspruch durchsetzen kann.144 Vielmehr entfällt die Vormerkung bei unentgeltlichem Erwerb und der Auflassungsanspruch erhält nur den Rang von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO. Das scheint der BGH nunmehr – ohne Auseinandersetzung mit vorangehender Rspr – anders zu sehen, doch belässt er es bei der Insolvenzfestigkeit der Vormerkung für einen unentgeltlichen Anspruch, ohne die Anfechtbarkeit zu diskutieren.145

4. Einzelne Problemfragen zu unentgeltlichen Leistungen 54 Bei der Diskussion zur Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO auf die vorliegenden Konstellationen ist einerseits zu untersuchen, ob die entsprechende Leistung entgeltlich oder unentgeltlich ist. Bei Unentgeltlichkeit ist außerdem zu untersuchen, ob der Anspruch zB nach einer Anfechtung gem. § 134 InsO überhaupt geltend gemacht werden kann bzw bei erbrechtlichen Ansprüchen, ob § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 oder § 327 InsO den richtigen Rang zuweisen.

142 Gerhardt ZIP 1988, 749, 752; ders ZIP 1991, 273, 275. 143 Offensichtlich aA Schlinkmann Der Begriff der Unentgeltlichkeit im Insolvenzrecht (2015), S 199 f. 144 BGH NJW-RR 1988, 841, 842; i.E. bestätigt in BGHZ 149, 1, 9; kritisch dazu Gerhardt ZIP 1988, 749, 751; aA wohl Berger KTS 2020, 1, 18 ff; unklar nunmehr BGH ZIP 2021, 967 Rn 36 ff, 40. 145 BGH ZIP 2021, 967 Rn 40. Mylich

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a) Gewinnzusagen gem. § 661a BGB. Bei der Gewinnzusage fehlt ein Anspruch auf diese 55 Zusage durch den Verbraucher.146 Daher ordnet der BGH diese als unentgeltliche Leistung ein.147 Daran ändert sich auch nichts, wenn der Gewinner im Vorfeld Waren bestellt und aufgrund dieser Bestellung an der Verlosung teilnimmt und gewinnt.148 Die selbst erbrachte Leistung steht ausschließlich mit den bestellten Waren im Zusammenhang. b) Spenden, Stiftungsausstattung, Sponsoring. Spendenzusagen (bzw wiederaufgelebte An- 56 sprüche nach Anfechtung der Spendenleistung) sind wie Gewinnzusagen unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO zu fassen.149 Spenden sind freigiebige Leistungen, für welche der Spender keine Gegenleistung erwartet.150 Unentgeltlich ist auch die Ausstattungszusage an eine Stiftung, denn nach Zuwendung des Vermögens ist es dem Stifter entzogen und dient nur noch dem Stiftungszweck.151 Mögen bei einer Familienstiftung auch jährlich Erträge an den Stifter bzw dessen Angehörige fließen, kann anders als eine Gesellschaft die Stiftung nicht liquidiert und das Vermögen ausgekehrt oder die Stiftung veräußert werden. Hingegen sind versprochene Sponsorleistungen nicht unentgeltlich. Beim Sponsoring stellt ein Sponsor der anderen Partei Geld, Sachzuwendungen oder Dienstleistungen zur Verfügung, damit der Gesponserte eine Aktivität entfaltet, die kommunikative Ziele des Sponsors fördern sollen.152 Beim Sponsoring wird eine Gegenleistung vom Gesponserten erwartet, d.h. es handelt sich um einen gegenseitigen Austauschvertrag. Weder ist eine Sponsorleistung im Nachgang gem. § 134 InsO anfechtbar, noch ist die offene Sponsorleistung unentgeltlich.

c) Bürgschaft bzw Kreditsicherheit durch einen Dritten. Wird die Bürgschaft durch einen 57 Dritten bei Eingehung des Kreditverhältnisses bestellt, ist sie gegenüber dem Gläubiger nicht unentgeltlich. Das ist allenfalls dann anders, wenn der Bürge mit der Bürgschaft oder Sicherheit ausschließlich die Gläubigerleistung honorieren will (Bsp.: M hat einen Sohn. Seine Lebensgefährtin bzw Schwester gibt dem Sohn des M ein Darlehen ohne Verlangen einer Sicherheit. M bedankt sich bei Lebensgefährtin bzw Schwester durch spontanen Schuldbeitritt, schriftliche Bürgschaftserklärung oder Hingabe eines Pfandgegenstandes). Hingegen ist es umstritten, ob die nachträgliche Bestellung einer Bürgschaft eine unentgeltliche Leistung darstellt. ZT wird das mit dem Argument angenommen, dass der Unentgeltlichkeitsbegriff weiter sei als jener der Schenkung;153 allerdings wird diese Sichtweise auf Konstellationen begrenzt, in denen die Kreditgeberin weder einen Rückforderungsanspruch habe noch aus anderen Gründen irgendetwas fordern könne.154 Die Gegenansicht verneint eine Unentgeltlichkeit wegen der zugrundeliegenden Sicherungsabrede zwischen Gläubiger und Bürge.155 Die pauschale Unentgeltlichkeit bei nachträglicher Gewährung ist abzulehnen, selbst wenn sie auf jenen Fall beschränkt bleibt, dass der Kreditgeber nichts fordern kann. Jedoch besteht ein Unterschied zur nachträglichen Sicherheitsgewährung durch den Kreditnehmer selbst: Einerseits leistet der Kreditgeber nichts mehr, sondern hat schon geleistet, aber der Bürge erhält im Gegensatz zum Kreditnehmer nichts. Letzterer kann schließlich weiterhin auf vorhandene Kreditmittel zugreifen bzw muss diese nicht zurückzahlen. Daher kann auch eine pauschale Ablehnung der Unentgeltlichkeit nicht richtig sein. Zutreffend ist daher

146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 265

BGH ZIP 2008, 975 Rn 9; bestätigt in BGH ZIP 2009, 37 Rn 3. BGH ZIP 2008, 975 Rn 10. BGH ZIP 2008, 975 Rn 8. MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 32. Schaub Sponsoring und andere Verträge zur Erfüllung überindividueller Zwecke (2008), S 116. Schaub Sponsoring und andere Verträge zur Erfüllung überindividueller Zwecke (2008), S 102. Schaub Sponsoring und andere Verträge zur Erfüllung überindividueller Zwecke (2008), S 91. Kirchhof FS Fuchs (1996), S 97, 101 ff. Kirchhof FS Fuchs (1996), S 97, 103. Hadding FS G. Fischer (2008), S 223, 235 ff. Mylich

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

die differenzierende Wertung der Rechtsprechung: War der eigentliche Anspruch wertlos bzw nicht durchsetzbar, ist die Befriedigung aus der Sicherheit bzw die Bestellung der dinglichen Sicherheit unentgeltlich.156 Der Zahlungsanspruch aus einer nachträglich bestellten Bürgschaft (bzw der wiederaufgelebte Anspruch aus der nachträglich bestellten Bürgschaft) fällt unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO.

58 d) Zusagen zur unentgeltlichen Überlassung. Zusagen, einen Gegenstand oder ein Grundstück oder einen Kapitalbetrag unentgeltlich zu überlassen, stellen ebenfalls eine unentgeltliche Zuwendung dar. Das gilt unabhängig davon, ob dieses Versprechen als Schenkung zu qualifizieren bzw gar schenkungsteuerpflichtig ist. Hat der Gläubiger zB ein Grundstück zur unentgeltlichen Nutzung für die nächsten Jahre überlassen bekommen, kann der Insolvenzverwalter den Mietvertrag nach den Regeln der §§ 103 ff., §§ 108 ff. InsO behandeln, d.h. er wird das Mietverhältnis kündigen und ggf. versuchen, die unentgeltliche Nutzung der Vergangenheit als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anzufechten.

59 e) Wiederaufgelebte Leistungen im Dreiecksverhältnis. Hatte ein Forderungsschuldner einen Dritten zur Zahlung an den Forderungsgläubiger angewiesen, soll nach h.M. bei Wertlosigkeit des Anspruchs des Forderungsgläubigers gegen den Forderungsschuldner (und damit einem wertlosen Regressanspruch des Dritten) eine unentgeltliche Leistung des Dritten vorliegen.157 Details zu dieser komplexen Frage sind bei § 134 InsO zu diskutieren. Fraglich ist jedoch, ob nach einer Anfechtung des Dritten eine Forderung des Forderungsgläubigers diesem gegenüber auflebt und ob sie unentgeltlich erlangt ist. Es ist eine Betrachtung geboten, als wäre zuvor eine nachträgliche Bürgschaftserklärung abgegeben und erfüllt worden. In Höhe der angefochtenen (und zurückgewährten) Leistung lebt ein im Rang von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO zu behandelnder Zahlungsanspruch auf.

60 f) Bürgschaften und andere Kreditsicherheiten unter Konzerngesellschaften. Die vorgestellten Prinzipien zur unentgeltlichen Besicherung sind auch in Konzernkonstellationen anzuwenden. Sie bedürfen keiner Diskussion in jenen Situationen, in denen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO bzw die Anfechtbarkeit gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO einschlägig ist, denn in diesen Situationen geht der noch tiefere Nachrang vor. Das ist der Fall, wenn die Enkelgesellschaft den Kredit der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft sichert bzw wenn die Tochtergesellschaft den Kredit der Muttergesellschaft an die Enkelgesellschaft besichert. Wird aber die sicherungsgebende Konzerngesellschaft durch Veräußerung aus dem Konzernverbund gelöst, kann die Anwendbarkeit von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO entfallen; dann hat § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO durchaus einen Anwendungsbereich. Hingegen steht bei einer Sicherheit „von oben“, d.h. der Muttergesellschaft für den Kredit Tochtergesellschaft an Enkelgesellschaft bzw Enkelgesellschaft an Tochtergesellschaft infrage, ob dieser überhaupt unentgeltlich sein kann oder immer causa societatis ist. Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Beziehung wird man die Unentgeltlichkeit ablehnen müssen (siehe auch Rn 102). Das Problem verschärft sich bei einer Bürgschaft durch eine Schwestergesellschaft auf Weisung der übergeordneten Muttergesellschaft.

61 g) Erbrechtliche Ansprüche. Als erbrechtliche Ansprüche sind denkbar: Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB), Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben (§ 2325 BGB), Pflichtteilsergän156 BGHZ 41, 298, 302; BGHZ 162, 276, 280; siehe dazu Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 134 Rn 26. 157 Ständige Rspr., BGHZ 162, 276, 279 f; BGHZ 174, 228 Rn 8; BGH ZIP 2013, 2208 Rn 6; BGH ZIP 2015, 2484 Rn 6; BGH ZIP 2022, 650 Rn 10; Überblick bei HK/Thole InsO10 § 134 Rn 9 f. Mylich

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zungsanspruch gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB), Vermächtnis kraft Testaments (2174 BGB), Vermächtnis kraft Erbvertrags (§ 2278 BGB), Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB) oder Schenkung mit Vollziehungsanordnung nach dem Todesfall (§ 331 BGB). Bei all diesen Ansprüchen muss differenziert werden, ob sie in der Nachlassinsolvenz oder in der Eigeninsolvenz des verpflichteten Erben geltend gemacht werden. In der Nachlassinsolvenz ist dann wiederum zu differenzieren, ob § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO zur Anwendung kommt oder ob nicht ein siebter Nachrang gem. § 327 InsO anzunehmen ist. Soweit in der Literatur die Schenkung unter Lebenden und von Todes wegen pauschal als unentgeltlich eingeordnet wird,158 ist das wegen der Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten nicht zielführend.

aa) Pflichtteil und Vermächtnis bei Nachlassinsolvenz. Für ausstehende Pflichtteilsan- 62 sprüche und Vermächtnisse ordnet § 327 InsO einen siebten Nachrang nach jenen Ansprüchen an, die unter § 39 Abs. 2 InsO zu fassen sind. Das wird plausibel, wenn man für den Todeszeitpunkt eine hinreichende Werthaltigkeit des Erblasservermögens zur Deckung aller Nachlassverbindlichkeiten annimmt, dieses Vermögen aber vor der Befriedigung aller Nachlassgläubiger schmilzt und nicht mehr zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger genügt. Durch das Stichtagsprinzip gem. § 2311 Abs. 1 BGB besteht aber gleichwohl ein Pflichtteils- oder (erfüllbarer) Vermächtnisanspruch. Daher sind derartige Ansprüche – auch beim Wiederaufleben, wenn eine Insolvenzanfechtung vorausgeht – nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO zu fassen, sondern unter § 327 InsO.

bb) Schenkungen von Todes wegen/auf den Todesfall in der Nachlassinsolvenz. Im 63 Gegensatz zu einem Vermächtnis bindet sich ein Erblasser bereits zu Lebzeiten, wenn er eine Schenkung unter der Überlebensbedingung des Bedachten (§ 2301 BGB) oder aufschiebend bedingt auf seinen Tod (§ 331 BGB) verspricht. § 327 InsO differenziert jedoch nicht beim Vermächtnis, sodass auch ein Vertragsvermächtnis (§ 2278 BGB) von § 327 InsO erfasst ist und nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO fällt.159 Das muss letztlich die Konsequenz haben, dass jegliche Schenkungen, die erst nach dem Tod des Schenkers erfüllt werden sollen, nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO fallen, sondern unter § 327 InsO.160 Andernfalls würde es zu nicht erklärbaren Widersprüchen gegenüber der Einordnung erbvertraglicher Vermächtnisansprüche kommen. Hingegen fallen Schenkungsansprüche nach einem Wiederaufleben gem. § 144 InsO in der Nachlassinsolvenz unter § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO.161

cc) Der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung in der Nachlassinsolvenz. Ein Anspruch auf 64 Pflichtteilsergänzung ist gem. § 2325 BGB gegen den Erben zu richten und nur dann gem. § 2329 BGB gegen den Beschenkten, wenn der Erbe den Nachlass wegen eigener Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche behalten kann.162 Ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gem. § 2325 BGB kann im Nachlassinsolvenzverfahren nur dann bestehen, wenn der Nachlass nach dem Todesfall an Wert verliert, jedoch die Schuldenhöhe bleibt. Im Erbrecht fehlt jede Diskussion zur dogmatischen Besonderheit des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegenüber dem Pflichtteilsanspruch. Während der Pflichtteilsanspruch einen gesetzlichen Anspruch auf Teilhabe am Erblasser158 So zB Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 38; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 23; etwas differenzierter Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 31. 159 Jager/Windel InsO § 327 Rn 21. 160 AA ohne Problemdiskussion Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 38; Kübler/Prütting/Bork/ Preuß InsO88 § 39 Rn 23; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 31. 161 OLG Celle NZI 2022, 893 Rn 33 und 36. 162 Röthel Erbrecht18 § 38 Rn 75. 267

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vermögen nach dessen Tod manifestiert, billigt der Pflichtteilsergänzungsanspruch dem Pflichtteilsberechtigten eine nachträgliche Teilhabe an einer Schenkung des Erblassers zu Lebzeiten zu. Wirtschaftlich handelt es sich daher beim Pflichtteilsergänzungsanspruch (trotz der Fristenregel in § 2325 Abs. 3 BGB) um so etwas wie einen lebzeitigen Schenkungsanspruch, der aber erst mit dem Tod erfüllt werden muss. In der Konsequenz zur Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO auf Schenkungsversprechen von Todes wegen bzw auf den Todesfall muss auch der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gem. § 2325 BGB in der Nachlassinsolvenz unter § 327 InsO und nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO gefasst werden.

65 dd) Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten (auf Pflichtteilsergänzung) und Vertragserben gegen Beschenkte in deren Insolvenz. Hingegen ist ein Anspruch aus § 2329 BGB bereits nicht als unentgeltlich einzustufen, sodass dass dieser bereits aus diesem Grund nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO fallen kann.163 Unentgeltlichkeit besteht gegenüber dem Erblasser (und muss aus Sicht von dessen Gläubigern relevant sein), nicht aber gegenüber den Gläubigern des vom Erblasser Beschenkten, der mangels hinreichender Erbmasse selbst dem Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgesetzt ist. Das gilt ebenso für den Anspruch gem. §§ 2287, 2288 BGB gegen den vom Vertragserblasser Beschenkten durch den Vertragserben.

66 ee) Pflichtteil und Vermächtnis im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben. Hingegen wird man § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO annehmen können, wenn in der Eigeninsolvenz des Erben der Nachlass nicht separiert wird bzw separiert werden kann. Entweder kann die Chance auf eine Nachlassinsolvenz vertan sein oder es gelingt bei (zusätzlicher) Insuffizienz des Eigenvermögens des Erben keine Nachlassseparierung mehr (§ 319 InsO, § 1981 Abs. 2 BGB). In diesem Fall reihen sich die Nachlassgläubiger neben die Eigengläubiger des Erben und nehmen an der Verteilung der Vermögensmasse des Erben teil. Jene Vermögensmasse setzt sich aus dem Altvermögen und dem ererbten Vermögen zusammen. Aus der Perspektive der Eigengläubiger des Erben sind die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmer nicht unentgeltlich, denn diese beruhen darauf, dass zum Eigenvermögen das Erblasservermögen hinzugetreten ist und davon ein Teil abzugeben ist. Aus der Perspektive der Gläubiger des Erblassers handelt es sich hingegen um eine unentgeltliche Zuwendung. Aus der Perspektive der Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmer gilt das ebenso. Wenn mangels Nachlassinsolvenz § 327 InsO nicht anwendbar ist,164 sind Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisansprüche in der Eigeninsolvenz des Erben unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO zu fassen.

67 h) Unterhalts- und Abfindungsansprüche geschiedener Ehegatten. Unterhalts- und Versorgungsansprüche von Ehegatten bzw ehemaliger Ehegatten kraft Gesetzes nehmen als einfache Insolvenzforderung am Verfahren teil.165 Das ergibt sich zudem aus § 40 InsO. Das gilt auch für durch Ehevertrag vereinbarte Unterhalts- und Abfindungsansprüche.166

68 i) Familien- und erbrechtliche Ansprüche des Ehegatten. Besteht die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten, erlöschen Unterhaltsansprüche gem. § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1615 BGB. Noch

163 Jager/Windel InsO § 327 Rn 12. 164 So auch Jager/Windel InsO § 327 Rn 17. 165 Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 39 Rn 24; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 30; K Schmidt/K Schmidt/ Herchen InsO20 § 39 Rn 17; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 31.

166 BFH DStR 2022, 148 Rn 14 ff. Mylich

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ausstehende Unterhaltsansprüche (zB bei Getrenntleben) für die Vergangenheit sind keine unentgeltlichen Leistungen, sondern einfache Insolvenzforderungen.

aa) Ehebedingte Zuwendungen. Ehebedingte Zuwendungen liegen zumindest dann vor, 69 wenn sie geleistet worden sind. Es handelt sich nicht um eine Schenkung,167 jedoch aus der Perspektive Dritter um eine unentgeltliche Zuwendung.168 Daher können sie gem. § 134 InsO angefochten werden, wenn sie innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Insolvenzantrag des leistenden Ehegatten vollzogen worden sind. Fraglich ist in diesem Fall, ob überhaupt ein Anspruch auf ehebedingte Zuwendung aufleben kann. Nimmt man das an, wäre insoweit § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO anzuwenden. Jedoch wird man bereits einen derartigen Anspruch ablehnen müssen. Bis zur ehebedingten Leistung bestand schließlich auch kein derartiger Anspruch. Das Institut der ehebedingten Zuwendung soll nur Rückabwicklungen unter den Ehegatten verhindern und quasi „ehefest“ machen. Wird über das Vermögen des leistenden Ehegatten ein Insolvenzverfahren eröffnet und die Leistung zugunsten der Gläubigergesamtheit herausgegeben, erübrigt sich auch das Institut der ehebedingten Zuwendung.

bb) Der konkrete Zugewinnausgleich. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich gilt als entgelt- 70 licher Anspruch.169 Im Steuerrecht nimmt § 5 ErbStG den Anspruch auf Zugewinnausgleich explizit von den der Erbschaftsteuer unterliegenden Schenkungstatbeständen bzw von einem Vermögensanfall von Todes wegen aus. Daher ist der Anspruch auf Zugewinnausgleich nicht als unentgeltlicher Anspruch gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO einzuordnen, sondern nimmt als einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO am Verfahren teil. § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG schließt es aber aus, dass die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB gilt, d.h. im Steuerrecht müssen Anfangs- und Endvermögen konkret nachgewiesen und der Zugewinn daraus errechnet werden. Das hat aber keine Auswirkungen auf die Situation im Insolvenzrecht. Vielmehr handelt es sich bei der Vermutung um eine Beweislastregel. Daher bleibt es dabei: Der konkrete Zugewinnausgleich ist in vollem Umfang eine einfache Insolvenzforderung.

cc) Der pauschale Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 1 BGB (1) Prinzipien und Erbenstellung des Ehegatten. Gem. § 1371 Abs. 1 BGB erhält ein überle- 71 bender Ehegatte neben seinem Viertel als Erbteil (§ 1931 BGB) noch ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinnausgleich, wenn die Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben.170 Dieses pauschale Viertel kann den tatsächlichen Zugewinn übersteigen. Für diesen Differenzbetrag steht die Unentgeltlichkeit infrage. In diesem Fall liegt eine Orientierung an § 5 Abs. 2 ErbStG nahe, sodass nur der konkrete Zugewinn als entgeltliche Forderung qualifiziert werden kann. Dieser konkrete Zugewinn kann sich durch Hinzurechnung des Wertes von unentgeltlichen Weggaben an Dritte durch den Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod gem. § 1375 Abs. 2 BGB erhöhen. Der verbleibende Teil fällt in einer Nachlassinsolvenz aber auch nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO, denn insoweit handelt es sich um einen Teil der Erbschaft.

(2) Der überlebende Ehegatte erhält nur ein Vermächtnis. Erhält der überlebende Ehegatte 72 nur ein Vermächtnis, ist mit Blick auf Nachlassinsolvenz und Eigeninsolvenz des Erben zu differen167 BGHZ 71, 61, 68; BGHZ 116, 167, 169; BGHZ 129, 259, 263; BGHZ 177, 193 Rn 15; BGHZ 184, 190 Rn 23. 168 BGHZ 71, 61, 68 f (für das Insolvenzanfechtungsrecht); BFH BStBl II 1994, 366; BFH ZEV 2014, 267 Rn 18 (für das Steuerrecht); BGHZ 116, 167, 174 (für das Erbrecht). 169 Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gottschalk ErbStG63 § 5 Rn 10 f. 170 Röthel Erbrecht18 § 9 Rn 13. 269

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zieren. Zunächst kann der Ehegatte davon ausgehen, dass er Anspruch auf den großen Pflichtteil hat, der sich (neben Abkömmlingen ersten Grades) aus dem erb- und familienrechtlichen Viertel errechnet und somit ein Viertel am Gesamtnachlass ergibt.171 Erreicht das Vermächtnis diesen Wert, bleibt es dabei; andernfalls erhält der überlebende Ehegatte einen Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2307 BGB. Nunmehr kann der Ehegatte seinen konkreten Zugewinnausgleichsanspruch errechnen. In dieser Höhe nimmt er sowohl am Nachlassinsolvenzverfahren als auch am Insolvenzverfahren über das Erbenvermögen als einfacher Insolvenzgläubiger teil. Hinsichtlich des Differenzbetrags kommt es im Nachlassinsolvenzverfahren wiederum nur zu einer Einordnung gem. § 327 InsO, während bei einem Insolvenzverfahren über das Eigenvermögen des Erben die Unentgeltlichkeit so durchschlägt, dass der Differenzbetrag unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO einzuordnen ist. Hatte der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod Vermögen weggegeben und schlägt der Ehegatte das Vermächtnis nicht aus, erhält der Ehegatte zudem einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, der ggf. nach den Abschmelzungsregeln des § 2325 Abs. 3 BGB berechnet wird. Bei der Berechnung des konkreten Zugewinns ist § 1375 Abs. 2 BGB zu beachten.

73 (3) Beispiel zum Verständnis. X hatte etwas mehr als 6 Jahre vor seinem Tod an A ein Grundstück verschenkt (Wert: 1 Mio A). X lebt im Zeitpunkt seines Todes mit Y im gesetzlichen Güterstand. Im Todeszeitpunkt beträgt sein Vermögen 1,2 Mio A, das von Y 1,9 Mio A. Das Anfangsvermögen beider soll 0 sein. Erbe wird E; Y soll lt. Testament ein Vermächtnis im Wert von 160.000 A erhalten. Vor der vollständigen Gläubigerbefriedigung wird das Nachlassvermögen wertlos und es wird ein Nachlassinsolvenzverfahren bzw ein Insolvenzverfahren über das Eigenvermögen des Erben eröffnet. Bei einem großen Pflichtteil von 25 % hätte Y einen Mindestpflichtteil von 300.000 A, sodass ein Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2307 BGB von 140.000 A neben das Vermächtnis tritt. Hinzu kommt ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 100.000 A, denn das Grundstück wird etwas mehr als 6 Jahre nach der Schenkung nur noch mit 400.000 A angesetzt (§ 2325 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 BGB). Als konkreten Zugewinn könnte Y aber die Hälfte von 2,2 Mio A abzüglich 1,9 Mio A = 150.000 A geltend machen. Das ergibt einen entgeltlichen Anspruch von 150.000 A und einen unentgeltlichen Anspruch von 250.000 A. Letzterer ist bei einer Nachlassinsolvenz über das Vermögen von X unter § 327 InsO zu fassen, während bei einer Eigeninsolvenz des Erben E § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO anzuwenden ist. Hinsichtlich des entgeltlichen Anspruchs in Höhe von 150.000 A ist Y einfacher Insolvenzgläubiger gem. § 38 InsO. 74 j) Gesellschaftsrechtliche Ansprüche. Der Anspruch des Gläubigers einer OHG, GbR oder KG gegen einen persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter ist nicht unentgeltlich.172 Das gilt selbst dann, wenn der Anspruch gegen die OHG/KG wertlos ist und ein Dritter durch Täuschung zum (fehlerhaften) Beitritt bewegt wird. Das Austrittsrecht führt zu seiner Haftung gem. § 130 HGB für alle bis zum fehlerhaften Beitritt begründeten Forderungen gegen die GbR, OHG oder KG. Wird eine Dividendenzahlung in einer AG bzw GmbH aufgrund eines nichtigen Jahresabschlusses angefochten, lebt mangels eines existenten Dividendenanspruchs auch kein Zahlungsanspruch auf, denn dieser hat gefehlt. Das gilt im Aktienrecht auch dann, wenn die Aktionäre wegen ihrer Redlichkeit nicht gem. § 62 AktG belangt werden können, jedoch § 134 InsO als überlagernde Vorschrift noch angewendet werden kann.173 § 134 InsO führt nicht nur zur Masseanreicherung zugunsten der Gläubiger, sondern nimmt auch einem Dividendenanspruch

171 Zur Funktion des „großen Pflichtteils“ des Ehegatten als Rechenfunktion für § 2307 BGB siehe MünchKomm/Lange BGB8 § 2303 Rn 39; Staudinger/Otte BGB2021 § 2303 Rn 50.

172 BGH ZIP 2015, 2484 Rn 11. 173 Dazu OLG Frankfurt ZIP 2022, 1556, 1558; Habersack ZIP 2022, 1621, 1623 ff; Mylich AG 2011, 765, 768 f. Mylich

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jede Grundlage, obwohl das aktienrechtlich nicht mehr möglich ist. Der Dividendenanspruch lebt also nicht wegen § 62 AktG und § 144 Abs. 1 InsO wieder auf und muss wegen seiner Grundlage eines nichtigen Jahresabschlusses nachrangig geltend gemacht werden, sondern er entfällt komplett. Dass auf diese Weise zB ein darlehensgebender Großaktionär profitiert, weil bei Befriedigung aller einfachen Insolvenzgläubiger ggf. auch seine im fünften Nachrang befindliche Forderung (anteilig) befriedigt werden kann, ist sachgerecht. Ansprüche der Gesellschaft gegen ihren (beherrschenden) Gesellschafter sind stets causa societatis, sodass diese nie unentgeltlich sind. Das gilt für versprochene Einlagen bei allen Gesellschaftsformen,174 aber auch für einen Anspruch auf Verlustausgleich im Vertragskonzern gem. § 302 Abs. 1 AktG oder auf die Zahlung aus einer internen Patronatserklärung (§ 264 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB) zur Vermeidung der strengeren Bilanzierungsvorschriften der §§ 264 ff. HGB. Entgegen einer z.T. vertretenen Auffassung sind Einlageund Ausstattungsansprüche gegen einen Gesellschafter nie unentgeltlich, sondern immer causa societatis – und damit nicht unentgeltlich.175 Das ergibt sich aus der Eigenart solcher Ansprüche, denn ein Versprechen auf Leistung oder Ausstattung (insbesondere in Krisenzeiten) wird von einem Dritten nicht gegeben. Es gibt einen signifikanten Unterschied gegenüber dem Fall, dass einer natürlichen Person versprochen wird, dieser in Notzeiten Mittel zu gewähren: Bei einer natürlichen Person als Leistungsempfänger kommt Altruismus zumeist in Betracht; gegenüber einer Gesellschaft ist daran nicht zu denken. Zwar sind Unentgeltlichkeits- und Schenkungsbegriff nicht deckungsleich (siehe Rn 49), doch schafft es der Gesellschafter mit seinem Ausstattungsversprechen, die Gesellschaft länger am Markt zu halten, um von ihrer Existenz als Gesellschafter länger zu profitieren. Davon hätten auch seine Gläubiger profitiert. In der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter ist das Ausstattungsversprechen daher nicht unentgeltlich. Anders verhält es sich nur, wenn zB ein Dritter (zB ein Lieferant) ein Ausstattungsversprechen abgibt. Soweit ein Rückgriff auf jene Rechtsprechung des BGH zur Anfechtbarkeit der Darlehensgewährung des Gesellschafters genommen wird, geht das bereits deshalb fehl, weil diese Rechtsprechung selbst fragwürdig ist (siehe Rn 102).

k) Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung. Ansprüche aus betrieblicher Altersver- 75 sorgung sind stets entgeltlich, denn sie vergüten im Nachgang das vorangehende Arbeitsverhältnis.176

l) Gesetzliche Haftungsansprüche und Haftung für Steuern. Haftet der Insolvenzschuld- 76 ner kraft Gesetzes für die Schuld eines Dritten, liegt keine Unentgeltlichkeit vor. Was für die gesellschaftsrechtliche Haftung gilt (siehe Rn 74), gilt zB auch für die Haftung im Steuerrecht. Somit führt die Haftung gem. §§ 69 ff. AO für Steuerschulden Dritter nicht zu einem unentgeltlichen Anspruch des Fiskus. Der Fiskus kann in der Insolvenz der Organgesellschaft als einfacher Insolvenzgläubiger die steuerliche Haftung gem. § 73 AO geltend machen.177

174 BGH NZG 2006, 543, 544; BGH NJW 2008, 1589 Rn 17. 175 So aber Gleim ZIP 2017, 1000, 1005 f; Undritz FS Kayser (2020), S 977 (996 f, 1006 f, 1014 f); Gleim will auch Ansprüche causa societatis als unentgeltlich einordnen mit der (absurden) von ihm bejahten Konsequenz, dass Leistungen in das Kapital der Gesellschaft bei einer in den nächsten vier Jahren folgenden Insolvenz der Gesellschafterin unabhängig von weiteren Voraussetzungen anfechtbar sein sollen; (ausführlich unter Rn 102). 176 BGH ZIP 2006, 1786 Rn 10; Jaeger/Henckel InsOVoraufl § 134 Rn 22 mwN; Uhlenbruck/Borries/Hirte15 InsO § 134 Rn 152 mwN. 177 BGHZ 191, 221 Rn 35 f; BGH WM 2020, 2086 Rn 3 jeweils zur Nichtanwendung von § 134 InsO mangels Unentgeltlichkeit bei umsatzsteuerlicher Organschaft. 271

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VII. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO – Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen 1. Grundlagen 77 a) Die Regelungen. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO regelt, dass der Anspruch auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens oder eine Forderung aus einer Rechtshandlung, die einem solchen Darlehen entspricht, in einem Insolvenzverfahren im fünften Nachrang eingeordnet wird. Dabei muss es sich um ein Darlehen nach den Maßstäben der § 39 Abs. 4, Abs. 5 InsO handeln. § 39 Abs. 4 S. 1 InsO definiert die empfangende Gesellschaft. § 39 Abs. 4 S. 2 InsO schließt die Nachrangregeln aus, wenn der Gesellschafter als Darlehensgeber seine Anteile zur Sanierung der Gesellschaft erwirbt (siehe Rn 208 ff). § 39 Abs. 5 InsO schließt die Nachrangregeln aus, wenn der Gesellschafter maximal 10 % der Anteile hält und nicht als Geschäftsführer tätig ist (siehe Rn 189 ff). § 39 Abs. 1 S. 2 InsO schließt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auch aus, wenn es sich um das Darlehen oder eine andere einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung einer staatlichen Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen handelt und die staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen an der (nunmehr insolventen) Kreditnehmerin beteiligt war (siehe Rn 216). § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG enthält eine Sonderregel für in der COVID-Pandemie im Jahr 2020 gewährte Gesellschafterdarlehen. In diesem Zusammenhang ist auch die Privilegierung einer gestundeten Forderung zu würdigen, deren Rückzahlung pauschal in § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG als nicht gläubigerbenachteiligend eingeordnet wird (siehe Rn 217 ff). § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist auch gem. § 24 UBGG178 und gem. § 17 Abs. 2 WStBG nicht anwendbar.

78 b) Historischer Hintergrund. Die Regelungen in § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4 Abs. 5 und § 135 InsO sind nur verständlich, wenn man die von der Rechtsprechung geschaffene Lage zum Eigenkapitalersatzrecht und die parallele Entwicklung der Gesetzgebung seit dem Jahr 1980 und ihre Negierung durch die Rechtsprechung kennt.179 Entsprechend heftig war auch die Diskussion um den Reformentwurf von Huber und Habersack180 in der Literatur.181 Nunmehr hat sich aber das „neue Recht“ etabliert, kann als praktikabel gelten,182 führt aber bereits nach 14 Jahren seiner Existenz nicht zu weniger dogmatischen und praktischen Streitfragen als das frühere Eigenkapitalersatzrecht – nur dass jetzt vornehmlich der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Senat am Bundesgerichtshof und nicht mehr der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat am Bundesgerichtshof zuständig ist. Dadurch kommt es zwar zu einigen Brüchen (zB bei der Behandlung der Einlage des atypisch stillen Gesellschafters, siehe Rn 126 ff, 129 ff), doch halten diese sich im Rahmen.

79 aa) Die Lage bis 1980. Gesellschafterdarlehen galten zunächst als einfache Konkursforderungen. Die Unterkapitalisierung einer GmbH mit einem geringfügigen Eigenkapital und hohem Fremdkapital in Form von Gesellschafterdarlehen wurde vom Reichsgericht zunächst unter § 826 BGB gewürdigt,183 ehe der Bundesgerichtshof beginnend mit der Lufttaxientscheidung184 das Institut der „kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen“ schuf. Diese sollten in Analogie zu §§ 31, 30

178 Dazu ausführlich Ganter NZI 2021, 1, 9 ff. 179 Das alte und neue Recht wird ausführlich verglichen in den grundlegenden Monographien von Azara, Koutsós, Lüneborg und Ulbrich (siehe Literaturzeichnis). 180 Huber/Habersack BB 2006, 1. 181 Altmeppen VGR 2006 Bd 12 (2007), 93, 100 ff; Hommelhoff VGR 2006 Bd 11 (2006), 114, 122 ff. 182 So auch Habersack FS Seibert (2019), S 257, 260. 183 RGZ 166, 51, 57; RG JW 1938, 862 ff; RG JW 1939, 229, 231. 184 BGHZ 31, 258. Mylich

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GmbHG behandelt werden.185 Zunächst wurde es als widersprüchlich eingestuft, der Gesellschaft Fremdkapital zu überlassen, wenn sie eigentlich Eigenkapital benötigt.186 Im Jahr 1980 schwenkte der Bundesgerichtshof auf die Formel um, dass ein Gesellschafterdarlehen dann anders (und zwar als eigenkapitalersetzend) behandelt werden müsse, wenn kein Dritter der Gesellschaft in diesem Zustand ein Darlehen gewährt oder es (bei einer Abzugsmöglichkeit) belassen hätte.187 Die Rechtsfolge lautete, dass eine Rückzahlung ein Verstoß gegen § 30 GmbHG sei, wenn (kumulativ) die Krisensituation andauere und die Unterbilanz nicht beseitigt sei.188 Im Konkurs war eine Geltendmachung durch die Gleichsetzung mit Eigenkapital denklogisch ausgeschlossen. Hingegen blieben „normale“ Gesellschafterdarlehen einfache Konkursforderungen, d.h. eigenkapitalersetzend wurden sie nur, wenn sie in der Krise gegeben wurden oder abgezogen werden konnten, aber nicht abgezogen worden sind.189

bb) Die Rechtslage von 1980 bis 1998. Die neueste Tendenz der Rechtsprechung zum Abstel- 80 len auf die Krise übernahm der Gesetzgeber in die neu geschaffenen §§ 32a/b GmbHG. Diese Regelungen sahen vor, dass ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen im Konkursfall nicht geltend gemacht werden kann (§ 32a Abs. 1 GmbHG a.F.) bzw bei der Rückzahlung im Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens angefochten werden kann (§ 32b Abs. 1 GmbHG a.F.). Die Regelung des heutigen § 44a InsO zum Krisendarlehen durch einen Dritten, das der Gesellschafter besichert, fand sich in § 32a Abs. 2 GmbHG a.F. § 32a Abs. 3 GmbHG a.F. erstreckte die Regeln zu den kapitalersetzenden Darlehen auf wirtschaftlich vergleichbare Handlungen. Unbeeindruckt von der GmbH-Novelle im Jahr 1980 hielt die Rechtsprechung an ihrem Konzept zur analogen Anwendung von §§ 31, 30 GmbHG auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen fest.190 Während nach der Fassung der §§ 32a/b GmbHG die Rückzahlung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen lediglich anfechtbar sein sollte – und das auch nur bei einem Konkursantrag innerhalb der Jahresfrist – führte das Rechtsprechungskonzept zum scharfen Erstattungsanspruch des § 31 GmbHG, der bereits an die fehlende Beseitigung der Krise oder der Unterbilanz anknüpfte. Auch nach Beseitigung der Krise konnte ein einmal als eigenkapitalersetzend qualifiziertes Darlehen nicht zurückgezahlt werden, denn die Unterbilanz musste noch beseitigt werden. Zudem verjährte der Anspruch aus § 31 Abs. 5 GmbHG damals erst fünf Jahre nach der Rechtshandlung. Damit hatten die §§ 32a/b GmbHG keinen eigenen Anwendungsbereich, sondern wurden immer durch die Rechtsprechungsregeln zur Analogie der §§ 31, 30 GmbHG überlagert.191 Auch nach der seit 1980 geltenden Rechtslage blieb es aber dabei, dass „normale“ Gesellschafterdarlehen einfache Konkursforderungen wurden, wenn sie nicht durch Stehenlassen umqualifiziert worden waren. cc) Die Rechtslage von 1999 bis zum 31.10.2008. Nur Kleinigkeiten änderten sich mit der 81 Schaffung der Insolvenzordnung zum 1.1.1999. Ansprüche aus kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen konnten nach der Neufassung von § 32a Abs. 1 GmbHG nunmehr nachrangig geltend gemacht werden.192 Zudem wurde in § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG das heute in § 39 Abs. 4 S. 2 InsO zu

185 BGHZ 31, 258, 268 ff; BGHZ 67, 171, 174 ff; BGHZ 75, 334, 336; BGHZ 76, 326, 328 ff; BGHZ 81, 252, 255 ff; BGHZ 81, 311, 314 ff; BGHZ 81, 365, 366 f; BGHZ 90, 370, 376 ff; BGHZ 95, 188, 192 f; BGHZ 106, 7, 11. BGHZ 31, 258, 273. BGHZ 76, 326, 328 f. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 93. BGHZ 75, 334, 337; BGHZ 104, 168, 185 f; BGHZ 109, 55, 60; BGHZ 121, 31, 36 f; BGHZ 127, 1, 6; 127, 336, 344 f; BGHZ 142, 116, 120; Huber GS Winter (2011), S 261, 265. 190 BGHZ 90, 370, 376; dazu Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 7. 191 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 9. 192 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 7.

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findende Sanierungsprivileg eingeführt.193 Weiterhin überlagerten jedoch die Rechtsprechungsregeln zur analogen Anwendung von §§ 30, 31 GmbHG die §§ 32a/b GmbHG a.F., § 39 Nr. 5 InsO aF. Auch unter Geltung der InsO blieb es für „normale“ Gesellschafterdarlehen dabei, dass diese als einfache Insolvenzforderungen in der Insolvenz geltend gemacht werden konnten.

82 dd) Die Rechtslage seit dem MoMiG. Einen eindeutigen – und auch von der Rechtsprechung akzeptierten – Kursschwenk vollzog das MoMiG im Jahr 2008. Zunächst wird in den § 57 Abs. 1 S. 4 AktG bzw § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG explizit klargestellt, dass Gesellschafterdarlehen nicht an den Regeln zur Kapitalerhaltung zu messen sind.194 Stattdessen wurde mit den § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5, § 44a, § 135, § 143 Abs. 2 InsO ein eigenständiges System für das Recht der Gesellschafterdarlehen geschaffen. Für Gesellschafterdarlehen (und wirtschaftlich vergleichbare Forderungen) kommt es nunmehr nicht mehr darauf an, ob sie in einer Krise gewährt oder belassen worden sind.195 Vielmehr lauten die Kernaussagen: Ein Rückzahlungsanspruch auf ein Gesellschafterdarlehen wird im Insolvenzverfahren grundsätzlich im fünften Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO geltend gemacht. War das Darlehen innerhalb des Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgezahlt worden, ist die Rechtshandlung (ohne weitere Voraussetzungen und Einschränkungen) gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Auf eine Behandlung der Übergangsvorschriften kann in diesem Kommentar verzichtet werden, denn mittlerweile haben sich diese Altverfahren erledigt.196 Auf alle ab 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren ist das reformierte Recht gem. § 103d S. 1 EGInsO anwendbar.197 Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG analog aus der Zeit vor dem MoMiG bleiben trotz Verfahrenseröffnung nach dem 1.11.2008 erhalten.198 Sie sind aber spätestens mit Ablauf des 31.10.2018 verjährt (§ 31 Abs. 6 GmbHG). Ggf tritt noch eine 6-monatige Ablaufhemmung gem. § 31 Abs. 5 S. 2 GmbHG i.V.m. § 19 Abs. 6 S. 2 GmbHG dazu,199 sodass spätestens mit Ablauf des 30.4.2019 Verjährung eingetreten sein muss.

83 ee) Fazit. Der historische Hintergrund mit Blick auf das von der Rechtsprechung geschaffene Eigenkapitalersatzrecht als auch hinsichtlich der konkurs- bzw insolvenzrechtlichen Novellenregeln ist für die Auslegung sowohl von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, aber auch für § 135 Abs. 1 InsO von erheblicher Bedeutung. Wesentlich sind folgende Erkenntnisse: Beim Gesellschafterdarlehen handelt es sich nicht um einen Eigenkapitalzuschuss. Das ist für den bilanziellen Ausweis, die Rückzahlung und die Zinszahlung wichtig. Einen wesentlichen Fingerzeig stellt aber auch die Entwicklung einer Geltendmachung in der Insolvenz dar. Während bis 1998 eine Geltendmachung nicht möglich war, kommt nunmehr eine Geltendmachung als nachrangiger Gläubiger in Betracht. Das bedeutet, dass der Gesellschafter sehr wohl eine Fremdkapitalforderung hat, die trotz ihrer Nachrangigkeit auch besichert werden kann (siehe Rn 93). Aus diesem historischen Kontext heraus wird sich im Kontext des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht die Frage der Überflüssigkeit bzw Unbeachtlichkeit mit einer automatischen Unverwertbarkeit der Sicherheit stellen. Vielmehr muss die Frage lauten, ob die Vorschrift sachlich nicht verfehlt ist, weil eine Besicherung einer Befriedigung gleichgesetzt werden muss, sodass § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO in seiner geltenden Fassung zugunsten des Gesellschafters als Darlehensgeber mit Kreditsicherheit weitestgehend teleologisch 193 Altmeppen ZGR 1999, 291, 293 ff. 194 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 10; Huber GS Winter (2011), S 259, 267; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 10. 195 BGHZ 188, 363 Rn 25; BGHZ 196, 220 Rn 10; BGH ZIP 2015, 1130 Rn. 5; Blöse GmbHR 2018, 1151, 1152; GK-GmbHG/ Habersack3 Anh § 30 Rn 10. 196 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 9. 197 BGHZ 224, 235 Rn 16. 198 BGH ZIP 2020, 280 Rn 27–32. 199 Zur Berechnung Bork/Schäfer/Thiessen GmbHG5 § 31 Rn 95. Mylich

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zu reduzieren ist (dazu ausführlich in der Kommentierung zu § 135 InsO). Trotz aller Eindeutigkeit der gesetzlichen Lage wird man gleichwohl bei einer vorübergehenden Kapitalhingabe eines Gesellschafters überlegen müssen, ob nicht doch eine Eigenkapitalgleichheit vorliegen kann. Was ist mit unbesicherten besonders langfristigen Krediten? Was ist bei Krediten in Krisenzeiten, die kein Dritter mehr gewährt hätte? Für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO dürften sich die Probleme im Rahmen halten, jedoch geht es hier darum, ob Nachrang oder Schlussrang (§ 199 InsO) anzunehmen ist. Viel deutlicher treten dann aber Fragen zutage zur Anknüpfung von Zinszahlungen an § 31 GmbHG. Wird ein vermeintliches Darlehen wegen außergewöhnlicher Umstände doch als eigenkapitalähnlich qualifiziert, sind freie Mittel für die Zinszahlung nötig. Dieses Problem der „atypischen“ Gesellschafterdarlehen ist aber seit 2008 nicht mehr aufgeworfen worden, weil die Nähe zum abgeschafften Eigenkapitalersatzrecht zu stark erscheint.

c) Systematischer Zusammenhang. Systematisch hängt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 84 InsO mit § 135 InsO zusammen. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO regelt den Nachrang noch nicht zurückgezahlter Gesellschafterdarlehen, während § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anordnet, dass die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens innerhalb des Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anfechtbar ist. Die Anfechtbarkeit beruht allein auf der zeitlichen Nähe; weiterer objektiver oder subjektiver Voraussetzungen bedarf es nicht.200 Darüber hinaus regelt § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass eine Besicherung eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar ist, wenn innerhalb von zehn Jahren nach der Besicherung ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird. § 135 Abs. 2 InsO regelt, dass ein Insolvenzverwalter eine Befriedigung eines Drittgläubigers anfechten kann, wenn der Gesellschafter eine Sicherheit gestellt hatte und innerhalb des Jahres nach der Befriedigung des Drittgläubigers ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Aus § 143 Abs. 3 S. 1 InsO ergibt sich, dass in diesem Fall der Gesellschafter Anfechtungsgegner ist.

d) Wechselseitige Bedeutung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO und § 135 85 InsO. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO hat insoweit für § 135 InsO Bedeutung, als der Anwendungsbereich festgelegt wird. Nur wenn ein Gesellschafterdarlehen vorliegt, was bei noch ausstehender Rückzahlung im Insolvenzfall nachrangig zu behandeln wäre, kommt eine Anfechtung in Betracht. Dadurch gibt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO vor, dass bei Sanierungsdarlehen oder Kleinbeteiligungsprivileg der Anwendungsbereich von § 135 InsO nie eröffnet sein kann.201 Bei § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG gibt es eine besondere Systematik, dass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO eigentlich einschlägig ist, dann aber nur einige Folgen einschlägig sind, während andere durch diese Sondergesetzgebung ausgeschlossen werden (siehe dazu Rn 218). Eine doppelte Wechselwirkung ergibt sich beim Ausscheiden eines Gesellschafters bzw bei der Abtretung des Darlehensanspruchs an einen Dritten. Diese kann aber bereits nicht mehr aus den Vorschriften unmittelbar herausgelesen werden, sondern ergibt sich nur aus der Auslegung. Die doppelte Wechselwirkung lautet wie folgt: Zunächst soll die Trennung der Gesellschafter- und Darlehensgeberposition bei einem offenen Rückzahlungsanspruch nicht zum Wegfall des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO führen.202 § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO soll die Wertung vorgeben, dass es bei einem Insolvenzantrag innerhalb des folgenden Jahres beim Nachrang des (einstigen) Gesellschafterdarlehens bleibt. Der zweite Teil der Wechselwirkung geht dann von der Nichtanwendbarkeit des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO aus: Ein Jahr nach der Trennung von Gesellschafter- und Darlehensgeberposition entfällt die Einordnung des Darlehens als Gesellschafterdarlehen.203 Wird nach Ablauf des Jahres das (einstige) Gesellschafterdarlehen zurückgezahlt, besteht kein Anwendungsbereich für § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO mehr, denn es handelt sich nicht um ein Gesell200 201 202 203 275

K Schmidt GS Winter (2011), S 601, 610. HK/Kleindiek InsO10 § 135 Rn 63. BGHZ 196, 220 Rn 24. BGHZ 196, 220 Rn 25; zuvor bereits Schlößer/Klüber BB 2009, 1594, 1597; K Schmidt GS Winter (2011), S 601, 619 f. Mylich

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schafterdarlehen. Ebenfalls kann der Darlehensgläubiger die einst bestellte Sicherheit durchsetzen, denn es liegt kein Gesellschafterdarlehen vor.204 Zwar stellt § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf die Handlung im Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung ab, setzt aber mit dem Verweis auf § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO voraus, dass auch im Zeitpunkt der Verwertung noch ein nachrangiges Gesellschafterdarlehen vorliegen muss. Die Wechselwirkung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und § 135 InsO hilft auch bei der Lösung zur Zulässigkeit der Aufrechnung des Gesellschafters im Insolvenzverfahren mit seiner im fünften Nachrang befindlichen Forderung (siehe Rn 94).

86 e) Einseitige Bedeutung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO gegenüber § 135 InsO. Die Diskussion um den Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO und § 135 InsO hat erhebliche Auswirkungen auf den Anwendungsbereich. Die sich stellende Frage lautet: Sichert § 135 InsO die Nachrangigkeit ab oder hat § 135 InsO einen eigenen Gehalt? Damit im Zusammenhang steht auch die Frage: Haben § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO einen gemeinsamen Normzweck? Gegen die einheitliche Behandlung205 spricht bereits der Gedanke, dass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO die Hingabe eines Gesellschafterdarlehens mit dem Nachrang „sanktioniert“, während § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Rückzahlung eines Darlehens an den Gesellschafter allein wegen der zeitlichen Nähe zum Insolvenzantrag mit einer im weiteren voraussetzungsfreien Anfechtungsvorschrift „sanktioniert“. Die These, dass § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO den Nachrang absichern solle,206 liegt neben der Sache. Kein Gesellschafter zieht sein Darlehen ab, um einen Nachrang im möglichen bzw drohenden Insolvenzverfahren zu vermeiden. Vielmehr zieht ein Gesellschafter sein Darlehen ab, weil er ggf. um eine drohende Insolvenz weiß und die gesamten Mittel zurückbekommen möchte. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO braucht keine ergänzende Vorschrift im Anfechtungsrecht; dem Insolvenzverwalter könnte auch auferlegt werden, die Voraussetzungen des § 133 InsO nachzuweisen, wenn der Gesellschafter in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein Darlehen zurückerhalten hat. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO hilft aber bei besonders zeitnaher Insolvenz durch das Fehlen jeglicher Voraussetzungen außer dem „Gesellschafterdarlehen“ und der „Jahresfrist“ – letztlich ist die kurze Zeit zwischen Abzug der Mittel und Zusammenbruch der Gesellschaft suspekt.207 Auch muss ein Gesellschafterdarlehen trotz eines Sondertatbestandes für die Anfechtung einer zeitnahen Rückzahlung nicht unbedingt nachrangig im Insolvenzverfahren behandelt werden.208 Das beweisen andere Rechtsordnungen, die einen Nachrang für Gesellschafterdarlehen nicht kennen.209

87 f) Der Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. Dem ursprünglichen „Eigenkapitalersatzrecht“ lag der Gedanke einer Finanzierungsfolgenverantwortung zugrunde. Der Bundesgerichtshof sah die Gesellschafter nicht in der Pflicht, ihre Krisengesellschaft zu finanzieren. Entschieden sie sich aber für eine Finanzierung in der Krise, sollten sie die Pflicht haben, nunmehr Eigen- und

204 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 102; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 85. 205 Gegen die einheitliche Behandlung zB Mylich ZHR 176 (2012), 547, 565 ff; Pentz FS Hüffer (2011), S 747, 759 ff; Rogler Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite (2016), S 72; Thole Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S 390 ff; ders ZHR 176 (2012), 513, 521 ff; ders FS Kübler (2015), S 681, 693 („sachwidriger Zusammenhang“). 206 H.M., zB BGHZ 204, 83 Rn 66; BGHZ 212, 272 Rn 21; BGHZ 222, 283 Rn 27; BGH ZIP 2019, 1675 Rn 12; GK-GmbHG/ Habersack3 Anh § 30 Anh § 30 Rn 18; Ganter NZI 2021, 1, 2; Laspeyres Hybridkapital in Insolvenz und Liquidation der Kapitalgesellschaft (2013), S 278 f; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 37 jeweils mwN. 207 Das betont auch K Schmidt GS Winter (2011), S 601, 610. 208 Rechtsvergleichend und Rechtsökonomisch dazu Eidenmüller FS Canaris (2007) Bd II S 49, 52 ff. 209 Zum englischen Recht Eidenmüller FS Canaris (2007) Bd II S 49, 52 ff; zum chinesischen Recht Yu Die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen (2017), S 178; zum US-amerikanischen Recht Braunschweig Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz in Deutschland und den USA (2012), S 149 ff; Witt Die nachrangige Behandlung von Krediten (2018), S 100 ff, 104 ff. Mylich

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kein Fremdkapital zu geben.210 Ulrich Huber und Mathias Habersack als Schöpfer der Neuregelung wollten dieses Prinzip aufgeben.211

aa) Rechtsprechung. Die Rechtsprechung hat sich zum Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 88 InsO noch nicht klar positioniert.212 Der Bundesgerichtshof selbst betont, dass die Insiderthese zumindest für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO keine Begründung liefern könne.213 Es wird an die Finanzierungsfolgenverantwortung angeknüpft und dabei betont, dass die zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelten Grundsätze auch für § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO herangezogen werden können.214 Explizit wird auch für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO betont, dass der Nachrang verhindern soll, dass der Gesellschafter jene mit einer Kreditvergabe verbundenen Risiken auf die Gesamtheit der Gläubiger abwälzt.215 In späteren Entscheidungen löst sich der IX. Senat von der Anknüpfung an das Eigenkapitalersatzrecht und betont im Hinblick auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Eigenständigkeit der neuen Regelungen. So ist § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch bei einem Insolvenzantrag im Jahreszeitraum nach der Rückzahlung eines Überbrückungskredits216 oder bei einer Rückzahlung gänzlich außerhalb der Krise anzuwenden.217 Explizit wird betont, dass der Grundgedanke des seit dem MoMiG geltenden Rechts ist, Gesellschafterdarlehen einer Sonderbehandlung zu unterwerfen und die Gewährung von Mitteln als Darlehen einer Eigenkapitalgewährung gleichzustellen.218 Daher soll es auf eine Krise nicht mehr ankommen, sondern Maßstab soll ausschließlich die Insolvenz der Gesellschaft sein.219

bb) Literatur. In der Literatur werden ganz unterschiedliche Sichtweisen zum Telos von § 39 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO vertreten, wobei vielfach auch § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und § 135 Abs. 1 InsO ein Schutzzweck unterstellt wird.220 Nach einer Auffassung soll jene Erwägung zur Finanzierungsfolgenverantwortung fortgelten, dass eine Finanzierungsentscheidung in der Krise getroffen werde.221 Dabei handele es sich um eine (unwiderlegliche) Rechtsvermutung.222 Ein nahestehender Ansatz will eine Finanzierung bei drohender Zahlungsunfähigkeit vermuten.223 Dabei bleibt unklar, ob sie sich nur auf die Rückzahlung oder auch auf eine Situation bei Hingabe des Darlehens beziehen will. Die Initiatoren der Neuregelung Ulrich Huber und Mathias Habersack sehen den Nachrang und die damit verbundene Einordnung als Risikokapital als Gegenstück zur Haftungsbe-

Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 3. Habersack ZIP 2007, 2145, 2146; Huber FS Priester (2007), S 259, 271 ff. BGHZ 188, 363 Rn 16. BGHZ 188, 363 Rn 17. BGHZ 222, 283 Rn 25; BGHZ 224, 235 Rn 50 f; OLG Düsseldorf ZIP 2019, 2491, 2492. BGHZ 221, 100 Rn 50. BGH ZIP 2013, 734 Rn 14. BGH ZIP 2015, 1130 Rn 7; wohl aA Pentz FS Hüffer (2011), S 747, 771 f. BGHZ 222, 283 Rn 24; BGHZ 226, 125 Rn 27 f. BGH ZIP 2015, 1130 Rn 7; ZIP 2020, 280 Rn 26. Monografische Aufbereitung der Normzweckdiskussion bei Clemens Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG (2012), S 115 ff; Laspeyres Hybridkapital in Insolvenz und Liquidation der Kapitalgesellschaft (2013), S 107 ff; Schulze de la Cruz Der neue Normzweck des Rechts der Gesellschafterdarlehen (2015), S 122 ff; Schilpp Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften (2017), S 20 ff; umfassend in den Kommentierungen bei GK-GmbHG/ Habersack3 Anh § 30 Rn 10 ff; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 14 ff. 221 Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 25, 28; ders ZIP 2019, 1985, 1986; Bork ZGR 2007, 250, 257; Conow Vertragsbindung als Freiheitsvoraussetzung (2015), S 61, 272 ff; Hölzle ZIP 2009, 2139, 2140 ff; Klinck DB 2019, 2729, 2730; Lüneborg Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen (2010), S 48 ff; Thiessen ZGR 2015, 396, 410 f. 222 Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 26. 223 Pentz FS Hüffer (2010) 747, 761 ff, 764 ff.

210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220

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schränkung.224 Dem nahe steht eine Sichtweise, die eine Risikoübernahme erkennt, die mit den unternehmerischen Chancen und Risiken in Verbindung mit der Einflussnahme in Verbindung steht.225 Beide Sichtweisen stellen darauf ab, dass der Gesellschafter aufgrund seiner Doppelrolle als Gesellschafter und Kreditgeber bei einem Erfolg der Unternehmung wegen des statischen Darlehenszinses eine höhere Eigenkapitalrendite erwarten kann, sodass bei einem Scheitern der Unternehmung keine Gleichbehandlung mit den Fremdkapitalgebern erlaubt sein kann, sondern nunmehr das Risiko in einen Nachrang umschlagen müsse. Diese Auffassung wird auch pointiert von Georg Bitter vertreten, der letztlich sowohl § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO als auch § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterstellt, dass sie eine nominelle Unterkapitalisierung vermuten.226 Das bedeutet: Der Gesellschafter hat nicht dem Umfang nach zu wenig Kapital gegeben (dann wäre es materielle Unterkapitalisierung), sondern statt des notwendigen Eigenkapitals hat er Fremdkapital zugeführt.

90 cc) Kritik. Der Hinweis, dass der Gesellschafter Eigenkapital hätte geben können oder müssen, verfängt nicht, weil der Gesetzgeber nur eine halbherzige Lösung angeboten hat. Vielmehr gestattet der Gesetzgeber zweierlei, nämlich die Hingabe von Eigen- und Fremdkapital. Selbst im Steuerrecht wird diese Differenzierung nachvollzogen, wenn die (ertragserhöhende) außerbilanzielle Hinzurechnung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen dann unterbleiben darf, wenn diese einem Drittvergleich standhalten (§ 8b Abs. 3 S. 7 KStG). Aus den vorangehenden Ausführungen (siehe Rn 86) hat sich auch gezeigt, dass eine einheitliche Behandlung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und der Anfechtungsvorschrift § 135 Abs. 1 InsO nicht unbedingt geboten, ja nicht einmal möglich ist. Viele Versuche, einen Normzweck zu finden, tragen auch die Belastung mit sich, dass nicht der unterschiedliche Gehalt von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ausreichend gewürdigt wird. Mag die Bezugnahme auf eine Finanzierungsfolgenverantwortung bei der Darlehensvergabe in der Krise verständlich gewesen sein, hilft diese für ein Gesellschafterdarlehen nach jetzigem Rechtszustand nicht mehr weiter. Es wird gerade nicht an eine besondere Situation wie die Krise angeknüpft. Auch die Thesen vom Gesellschafterdarlehen als Risikokapital als Gegenstück zur Haftungsbeschränkung bzw zur ausgewogenen Zuweisung von Chancen und Risiken lassen sich erschüttern. Sie haben ihre Berechtigung, wenn in der Ein-Mann-Gesellschaft der Gesellschafter neben dem Eigenkapital auch Fremdkapital gibt. Vergibt in mehrgliedrigen Gesellschaften einer von mehreren Gesellschaftern ein Darlehen, lassen sich diese Überlegungen nicht mehr unterfüttern. Beim Abstellen auf eine formelle Unterkapitalisierung könnte nur ein Normzweck für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO für den Zeitpunkt der Hingabe des Darlehens gefunden werden. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO stellt gerade nicht auf die Gewährung des Darlehens, sondern auf ein gewährtes bzw belassenes Darlehen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Darin liegt ein erheblicher Unterschied zur früheren Rechtslage, in dem es auf Gewährung oder Belassung eines Darlehens in der Krise ankam. Nach aktueller Rechtslage kommt es allein darauf an, dass das Darlehen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch valutiert.

91 dd) Eigene Ansicht. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO stellt allein darauf ab, dass das Darlehen im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch zur Verfügung steht. Anders als zum Eigenkapitalersatzrecht gibt es

224 Gehrlein BB 2011, 3, 7; Huber/Habersack BB 2006, 1; Huber FS Priester (2007), S 259, 275 ff; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 21 f; ebenso Schilpp Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften (2017), S 65 ff; iE auch Koutsós Die rechtliche Behandlung von (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterleistungen (2011), S 182 ff. 225 Krolop GmbHR 2009, 397, 399 ff; Wilhelm ZIP 2020, 2210, 2212. 226 Bitter FS Kayser (2019), S 41, 55 f; Saenger/Inhester/Kolmann GmbHG4 Anh § 30 Rn 29; i.E. auch Halmer Gesellschafterdarlehen und Haftungsdurchgriff (2013), S 68 ff; Herwig Das Gesellschafterdarlehensrecht im Unternehmensverbund (2015), S 138 ff, 141 ff (unter Kritik und Rückgriff auf Bitters Ausführungen); Schulze de la Cruz Der neue Normzweck des Rechts der Gesellschafterdarlehen (2015), S 208; Witt Die nachrangige Behandlung von Krediten (2018), S 163 ff. Mylich

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keine weiteren bzw anderen Kriterien.227 Deshalb kann der Normzweck nur im unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Gewähren bzw Belassen eines Darlehens und der Insolvenz der Gesellschaft gefunden werden. Letztlich sanktioniert § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO eine unwiderleglich vermutete Insolvenzverschleppung.228 Dem kommt die Sichtweise nahe, die eine Krisenfinanzierung unterstellt,229 nur kann diese nicht begründen, warum eine Krisenfinanzierung gerade mit einem Nachrang sanktioniert wird. Auch ist das Abstellen auf eine unwiderleglich vermutete Insolvenzverschleppung präziser als die bloße These vom missbrächlichen Charakter eines Gesellschafterdarlehens,230 denn diese begründet nicht, worin der Missbrauch liegen soll. Nach vorliegend vertretener Auffassung wird dem Gesellschafter unterstellt, mit der Hingabe oder dem Belassen seines Darlehens den Insolvenzantrag zu einem früheren Zeitpunkt vereitelt zu haben. Es wird unterstellt, dass die Darlehenshingabe bzw das Belassen den Insolvenzantrag verzögert hat, die Darlehensmittel aber ohne Kompensation verbraucht sind. Die zutreffende Reaktion auf ein derartiges Verhalten kann nur lauten, dass der Gesellschafter als Kreditgeber nicht mit anderen Gläubigern gleichrangig um die Masse konkurrieren darf. Das kann erreicht werden, wenn die Begründung eines Rückzahlungsanspruchs angefochten werden kann. Das führt aber zu unnötigen Komplikationen, sodass der Rückzahlungsanspruch im Insolvenzverfahren entweder automatisch entfällt oder – so die Lösung der aktuellen InsO – im fünften Nachrang einzuordnen ist. Man mag für diese Lösung keine Sympathie aufbringen und rechtsvergleichend Bedenken äußern,231 doch sind diese rein rechtspolitischer Natur. Die gesetzliche Anordnung ist unmissverständlich: Kein Gleichrang mit anderen Gläubigern, aber auch kein Eigenkapital. Vielmehr hat der Gesellschafter insolvenzverschleppend ein Darlehen gewährt bzw belassen. Es ist aber zu beachten, dass eine schuldhafte Insolvenzverschleppung mit ihren z.T. drakonischen Folgen von ganz anderen Voraussetzungen abhängt. Hingegen führt die unwiderlegliche Vermutung der Insolvenzverschleppung durch die Darlehensgewährung nur zum Nachrang des Darlehensanspruchs. Weitere Sanktionen gibt es nicht. Dieser Normzweck wird auch von der Rechtsprechung des BGH gestützt, wenn dieser den § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auch in Sondersituationen nicht teleologisch reduzieren will. Der hier vorgestellte Normzweck erklärt auch die Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO bei der Berechnung von Differenzbeträgen bei der Haftung für eine Mantelverwendung (siehe Rn 156). Ebenso lässt sich mit diesem Normzweck erklären, warum für Gesellschafterdarlehen eine Kreditsicherheit ohne Gläubigerbenachteiligung und damit anfechtungsfest, jedoch bei Gläubigerbenachteiligung ohne Anwendung von § 142 InsO immer gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar bestellt werden muss (siehe in der Kommentierung zu § 135 InsO). Anhand des vorgestellten Normzwecks lässt sich auch erklären, dass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht bei einer Masseinsuffizienz auf Massedarlehen angewendet werden können, obwohl der Wortlaut von § 209 InsO auf die Rangordnung Bezug nimmt (siehe Rn 156). Die vorgestellte Einordnung führt auch zu einer Abgrenzung gegenüber § 135 Abs. 1 InsO (ausführlich in der Kommentierung zu § 135 InsO). Während der Nachrang eine Konsequenz der Hingabe des Darlehens ist, ist die Anfechtung gem. § 135 Abs. 1 InsO eine Konsequenz der Rückführung des Darlehens. Der Gedanke der Insolvenzverschleppung trägt nicht mehr, denn die Gesellschaft hat die Mittel zurückgezahlt. Allerdings ist die Anfechtung ohne weitere Voraussetzungen bei einem Insolvenzantrag innerhalb des Jahres nach der Rückzahlung des Darlehens an den Gesellschafter dem Gedanken geschuldet, dass dem Gesellschafter unterstellt werden kann, einerseits seine Insiderposition ausgenutzt und andererseits durch diesen Mittelabzug den Zusammenbruch der Gesellschaft verursacht zu haben. Widersprüche aus den jeweils unterschiedlichen Normzwecken ergeben sich nicht; vielmehr knüpfen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und § 135 Abs. 1 InsO an unterschiedliche Sachverhalte an, sodass ein unterschiedlicher Zweck sachgerecht ist. Außerdem zeigt sich, dass die Zwecke miteinander harmonieren. 227 BGHZ 212, 272 Rn 26. 228 Mylich ZHR 176 (2012), 547, 559 f; (mE unbegründete) verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Typisierung bei Marotzke KTS 2016, 19, 29 ff.

229 So zB Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 28. 230 So zB Gehrlein BB 2011, 3, 5, 8. 231 Eidenmüller FS Canaris (2007) Bd II S 49, 52 ff. 279

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92 g) Das Verhältnis von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zur Einordnung von Eigenkapitalgebern. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO qualifiziert eine Fremdkapitalforderung als nachrangig. Wird die Kapitalgeberposition hingegen als jene eines Eigenkapitalgebers eingestuft, ist ein möglicher Anspruch im Insolvenzverfahren nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen, sondern findet allenfalls bei der Schlussverteilung gem. § 199 S. 2 InsO Beachtung. Das hat Konsequenzen bei atypischen Eigenkapitalgeberpositionen wie einer atypisch stillen Beteiligung. Nur eine (nachrangige) Fremdkapitalposition ist besicherbar und unabhängig vom bilanziellen Zustand verzinslich. Aus § 19 Abs. 2 InsO ergibt sich wiederum, dass ein gesetzlich angeordneter Nachrang nicht genügt, um die Forderung im Überschuldungsstatus nicht zu berücksichtigen. Soweit Rechtsprechung zur atypisch stillen Beteiligung dahin tendiert, im Insolvenzverfahren § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO anzuwenden,232 ist dem nicht zu folgen233 (ausführlich Rn 126 ff, 129 ff). Besteht ausschließlich eine (atypisch) stille Beteiligung, ist die Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO denklogisch ausgeschlossen, denn die Vorschrift setzt voraus, dass ein Gesellschafter oder ein vergleichbar Beteiligter (erste Voraussetzung) ein Darlehen oder eine entsprechende Leistung (zweite Voraussetzung) gewährt.234 Entweder ist der (atypisch) still Beteiligte Fremdkapitalgeber ohne Gesellschafterposition oder er hält eine einem Gesellschafter vergleichbare Position (erste Voraussetzung). Die zusätzliche Fremdkapitalleistung (zweite Voraussetzung) einer Person mit Gesellschafterposition oder einer vergleichbaren Stellung fehlt in jedem Fall. Die Auswirkungen zeigen sich auch bei der insolvenzrechtlichen Einordnung von gestundeten Gehaltsansprüchen eines Geschäftsführers mit zusätzlicher stiller Beteiligung. Ist die stille Beteiligung atypisch und daher einer Gesellschafterposition vergleichbar (erste Voraussetzung), kann die gestundete Vergütungsforderung evtl. als einem Darlehen vergleichbare Forderung eingeordnet werden (zweite Voraussetzung). Ist der Einfluss über die stille Beteiligung so gering, dass sie die in §§ 230 ff. HGB vorgesehenen Wirkungen nicht überschreitet, fehlt bereits die einem Gesellschafter vergleichbare Position. Ein Nachrang des gestundeten Vergütungsanspruchs ist dann nicht denkbar. Beteiligt sich hingegen ein Gesellschafter zusätzlich (atypisch) still an der Gesellschaft, kann der Konflikt zur Einordnung der (atypisch) stillen Beteiligung auftreten. Mit der Gesellschafterposition ist die erste Voraussetzung erfüllt, eine zusätzliche stille Beteiligung kann die zweite Voraussetzung erfüllen, wenn sie den in §§ 230 ff. HGB vorgegebenen Prämissen entspricht. Sie ist dann unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen. Hingegen würde eine atypisch stille Beteiligung neben der Beteiligung als Gesellschafter als zweite Eigenkapitalgeberposition einzustufen sein und ebenfalls nur im Schlussrang beachtet. Diese scharfe Differenzierung zwischen Gesellschafterdarlehen bzw vergleichbaren Kapitalüberlassungen und Eigenkapital wird auch nicht durch die zutreffende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs infrage gestellt, wonach Gewinnausschüttungen gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sind, wenn der Bilanzgewinn auf der Auflösung von Rücklagen beruht.235 In einem ersten Schritt wird hier nämlich Eigenkapital in Fremdkapital umgewandelt und anschließend stellt sich für den Dividendenanspruch als Fremdkapitalposition die Frage, ob dieser darlehensgleich einzuordnen ist. Er ist es bei Auflösung von Rücklagen, sodass auch bei unverzüglicher Auszahlung § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO greifen kann. Der dann wiederauflebende Dividendenanspruch fällt gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO in den fünften Nachrang (siehe Rn 114).

93 h) Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarlehen. Bereits bei den allgemeinen Ausführungen zu § 39 InsO (siehe Rn 24) wurde darauf hingewiesen, dass der Nachrang einer Forderung nur ihren Verfahrensrang widerspielt, jedoch keine materielle Einordnung trifft. Insbesondere für Gesellschafterdarlehen ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass sie anfechtungsfest 232 BGHZ 193, 378 Rn 10 ff; bestätigt in BGHZ 226, 125 Rn 25; zustimmend die hM in der Literatur zB Bitter ZIP 2019, 146, 151 f; Ekkenga ZHR 185 (2021), 792, 808, 810, 815, 820 f; Florstedt ZIP 2017, 2433, 2438 f; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 94. 233 Mylich WM 2013, 1010, 1012 ff. 234 Auch erkannt von Florstedt ZIP 2017, 2433, 2440; insoweit zutreffend Krolop GmbHR 2009, 397, 403. 235 BGHZ 230, 335 Rn 13 ff. Mylich

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besichert werden können.236 Die Frage lautet: Tritt die Unanfechtbarkeit der Besicherung erst nach 10 Jahren ein oder ist eine unanfechtbare Besicherung bereits bei Bestellung der Sicherheit möglich? Ist die Sicherheit von Anfang an (oder im Nachgang) unanfechtbar (geworden), ist der Rückzahlungsanspruch gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangig; jedoch kann die unanfechtbare Sicherheit verwertet werden. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO bereits nicht angewendet werden kann, wenn die Sicherheit ohne Gläubigerbenachteiligung bestellt werden kann, zB weil der Sicherungsgegenstand aus den Darlehensmitteln unverzüglich nach Überlassung der Darlehensmittel erworben und ebenso unverzüglich die Sicherheit bestellt worden ist.237 Nahe liegt es auch, in einfachen Darlehensgeber-Darlehensnehmer-Beziehungen § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht anzuwenden, sondern eine Sicherheitenbestellung nur an § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu messen, weil die Sicherheitenbestellung ein Minus (und kein Aliud) zur Rückzahlung des Darlehens ist. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO bleibt auf jene Konstellation beschränkt, in der eine Konzernobergesellschaft einer von ihr abhängigen Gesellschaft ein Darlehen gewährt und eine andere abhängige Konzerngesellschaft aus ihrem Vermögen die Sicherheit stellt. Details zu dieser vom gängigen Verständnis des § 135 I Nr 1 InsO abweichenden Ansicht werden in der Kommentierung zu § 135 InsO diskutiert.

i) Aufrechnung. Ob gegen eine gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangige Forderung aufgerech- 94 net werden kann, ist umstritten. Für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist man sich einig, dass eine Aufrechnung möglich sein muss.238 Da die Aufrechnung aber Befriedigungswirkung hat, muss es darauf ankommen, dass entweder eine Seite mehr als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgerechnet hat oder dass die Aufrechnungslage zugunsten des Gesellschafters mehr als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hergestellt worden war. Aus dieser Perspektive ergibt sich auch eine Lösung für die umstrittene Frage zur Aufrechnung mit einer gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangigen Forderung im Insolvenzverfahren. Entgegen einer z.T. verbreiteten Ansicht239 kann nicht pauschal die Aufrechnung ausgeschlossen werden.240 Eine dahingehende Wertung ist in den §§ 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, 174 Abs. 3, 187 Abs. 2 S. 2 InsO nicht zu erkennen. Vielmehr kann die „quasidingliche“ Wirkung der Aufrechnungslage herangezogen werden.241 Hatte der Gesellschafter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit zur Aufrechnung, kann er die Aufrechnung im Insolvenzverfahren erklären. Sie ist nach dem Rechtsgedanken von § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur ausgeschlossen, wenn die Aufrechnungslage anfechtbar erlangt war, d.h. wenn unter Rückgriff auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Aufrechnungsmöglichkeit noch nicht länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat. Und selbst in dieser Konstellation muss geprüft werden, ob vor Entstehung der Aufrechnungslage der Gesellschafter 236 Zutreffende Rspr des BGH siehe BGHZ 198, 64 Rn 14; BGHZ 221, 100 Rn 55; siehe auch Berger KTS 2020, 1, 26 ff; Köth ZGR 2016, 541, 559 ff; Kummer FS Bergmann (2019), S 434, 438 ff; Mylich ZIP 2019, 2233, 2234; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 169, 178 mwN; Spliedt ZIP 2009, 149, 153; Thiessen ZGR 2015, 396, 436; aA aber Altmeppen ZIP 2019, 1985, 1190 f; Azara Eigenkapitalersatzrecht (2010), S 707 ff; Brinkmann ZGR 2017, 708, 724 ff; Henkel ZInsO 2009, 1577, 1580; Lüneborg Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen (2010), S 157 ff; Ulbrich Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts der GmbH (2011), S 195 f. 237 Mylich ZIP 2019, 2233, 2236 f; ders ZIP 2020, 1097, 1099. 238 Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 90; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 111; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 195. 239 Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh. § 64 Rn 90; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 111; Jaeger/Windel InsO § 94 Rn 50 ff; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz/Görner GmbHG7 Anh § 30 Rn 130. 240 Ausführlich Rickert Die Aufrechnungsmöglichkeit von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz (2014), S 43 ff; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 195; i.E. auch HK/Schmidt InsO10 § 94 Rn 8; Kübler/Prütting/Bork/Lüke InsO61 § 94 Rn 13; Schmidt/Thole InsO20 § 94 Rn 4; Uhlenbruch/Sinz InsO15 § 94 Rn 3. 241 Mylich Die Aufrechnungsbefugnis des Schuldners bei der Vorausabtretung einer künftigen Forderung (2009), S 65 ff. 281

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Gläubiger einer Forderung aus einem Gesellschafterdarlehen war. Hatte die Gesellschaft dem Gesellschafter ein langfristiges Darlehen gewährt und erwirbt der Gesellschafter einige Zeit später in einer Krisensituation eine fällige Forderung gegen die Gesellschaft von einem ihrer Gläubiger, entsteht zu seinen Gunsten bereits mit dem Forderungserwerb eine Aufrechnungslage, wenn nicht der Darlehensvertrag die vorzeitige Tilgung durch Aufrechnung ausschließt. Kommt es nunmehr zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, kann der Gesellschafter in jedem Fall aufrechnen; selbst die Wertung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO spielt keine Rolle.

2. Erfasste Forderungen 95 § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO erfasst Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. Bei den Gesellschafterdarlehen handelt es sich um Darlehen aus der Hand eines Gesellschafters. Einem Gesellschafterdarlehen entsprechen daher auch Forderungen eines Gesellschafters, die kreditähnlich sind. Bei der Diskussion um den Gesellschafterbegriff sind hingegen wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen vergleichbare Rechtshandlungen dahingehend zu würdigen, welcher Dritte mit seinem Kreditengagement einem Gesellschafter gleichzustellen ist. Denkbar ist auch die Kombination, d.h. dass eine einem Gesellschafter gleichzustellende Person eine kreditähnliche Rechtshandlung vornimmt.

96 a) Gesellschafterdarlehen. Das Darlehen eines Gesellschafters weist vom üblichen Darlehen keine abweichenden Merkmale auf. Beweggründe für die Vergabe oder auch die Laufzeit sind irrelevant.242 Die Wahl ausländischen Rechts lässt die Anwendbarkeit von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unberührt.243 Für eine Einordnung unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist eine Verzinsung irrelevant. Ist die Verzinsung zu hoch, kommt hinsichtlich der Zinszahlung wegen der Marktunüblichkeit eine verdeckte Gewinnausschüttung in Betracht, die steuerrechtlich immer und gesellschaftsrechtlich bei einer Treuepflichtverletzung oder einem Verstoß gegen § 30 GmbHG bzw § 57 Abs. 3 AktG beachtlich ist. Auf die Qualifikation des Gesellschafterdarlehens als Gesellschafterdarlehen bleibt das ohne Einfluss. Hingegen handelt es sich bei einer zu geringen Verzinsung nicht um eine (verdeckte) Einlage, sondern es bleibt beim Gesellschafterdarlehen in der Höhe des gewährten Kapitals. Ob eine langfristige zinslose Kapitalüberlassung (ggf. in der Krise) als Einlage umqualifiziert werden kann, ist bislang nicht diskutiert. Für eine Lösung kommt es darauf an, ob es für die Qualifikation als Gesellschafterdarlehen neben dem Willen der Beteiligten auch objektive Anhaltspunkte geben muss oder ob es allein auf den Willen der Beteiligten ankommt. Für letzteren Weg sprechen Wortlaut von bzw Gesetzgeberwille zu § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG bzw § 57 Abs. 1 S. 4 AktG. Grundsätzlich sind all jene Darlehen Gesellschafterdarlehen im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch einen Gesellschafter gewährt werden. Das gilt auch für im Eröffnungsverfahren ausgegebene Darlehen,244 zumindest wenn kein vorläufiger starker Insolvenzverwalter agiert hat.245 Ein verbrieftes Gesellschafterdarlehen bleibt ein Gesellschafterdarlehen.246 Auf eine „Bemakelung“ kommt es nicht mehr an; ob das Darlehen in einer Krise gewährt oder stehengelassen wurde oder der Zusammenbruch der Gesellschaft abrupt kam, ist irrelevant.247 Nicht erfasst ist hingegen die bloße Pflicht zur Darlehensgewährung – zumindest kann weder aus § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO noch aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Pflicht hergeleitet werden, kraft Gesellschaftsvertrags versprochenes Kapital zu 242 243 244 245 246 247

GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 50; zum frühreren Recht BGHZ 133, 298, 304. Gehrlein ZInsO 2020, 2591, 2593. Pauschal aA Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 73 mwN. So wie hier Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 65. GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 47, 49. BGHZ 212, 272 Rn 22; BGHZ 222, 283 Rn 60; Habersack FS Seibert (2019) 257, 266.

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überlassen.248 Wird es gleichwohl überlassen bzw muss es aufgrund anderer Rechtsgrundlagen überlassen werden, dann soll der Rückzahlungsanspruch § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfallen. Dem ist m.E. nicht zu folgen, wenn der Insolvenzverwalter das Geld einfordert. Der Normzweck für den Nachrang passt nicht mehr: Ein Gesellschafterkredit hat gerade nicht zur Insolvenzverschleppung beigetragen. Für diese Konstellation ist daher nur zu diskutieren, ob eine einfache Insolvenzforderung oder gar ein privilegiertes Massedarlehen vorliegt (siehe Rn 117).

aa) Kurzfristige Finanzierungsengagements. Auch kurzfristige Finanzierungsengagements 97 des Gesellschafters unterfallen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.249 Praktisch wird selten das für eine extrem kurze Zeit ausgereichte Darlehen noch valutieren, doch führt der Tatbestand zunächst zur Anfechtbarkeit gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und anschließend zum fünften Nachrang der aufgelebten Forderung. Lediglich bei taggleichen Hin- und Herzahlungen soll eine Ausnahme gelten.250 Soweit gegen den BGH vorgebracht wird, dass bei kurzfristigen Finanzierungen bereits die Risikoerhöhung ausgeschlossen sei,251 mag das aus Perspektive jener Sicht stimmen, die den Normzweck in der Risikoerhöhung erblicken. Nach vorliegend vertretener Auffassung liegt der Normzweck aber in der vermuteten Insolvenzverschleppung durch Darlehensvergabe. Aus dieser Perspektive ist die BGH-Rechtsprechung nicht zu beanstanden. Auch die Ausnahme für ein taggleiches Hin- und Herzahlen kann akzeptiert werden, denn insoweit ist die Insolvenzverschleppung bzw ein durch Rückzahlung veranlasster Zusammenbruch ausgeschlossen. Als weiteres Gegenargument wird vorgebracht, dass die kurzfristige Stundung einer Gegenleistung aus einem Austauschgeschäft auch nicht einem Gesellschafterdarlehen gleichgesetzt werde.252 Das trifft zwar zu, doch ist bereits hier zu differenzieren zwischen bloßem Stehenlassen (dann zunächst keine Darlehensgleichheit) und einer bewussten Stundung (dann sofort Darlehensgleichheit) (siehe dazu Rn 105). Und der Vergleich mit einem Stehenlassen (d.h. bloßem Nichtgeltendmachen der Gegenleistung) passt eben nicht, weil es sich um ein bewusstes Kreditengagement handelt. Ggf. kann man verlangen, dass dem Mittelzufluss einiges Gewicht im Sinne einer gewissen Dauer zukommen müsse,253 doch lässt sich damit die BGH-Rspr. aufrecht erhalten. Auch sehr kurzfristige Darlehen haben entsprechende Wirkung, während ein taggleiches Hin- und Herfließen davon abgegrenzt werden kann. Hingegen kann das (kurzfristige) Engagement des Emissionskonsortiums als Gesellschafter mit Blick auf § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO als unproblematisch eingeordnet werden;254 soweit Emissionserlöse durch die Zeichner bzw Erwerber der (neuen) Anteile gezahlt werden, liegt in dieser Zahlung kein Vorgang, der gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sein könnte.

bb) Das Auseinanderfallen von Kreditgeber- und Gesellschafterposition. Fallen während 98 des Kreditengagements des Gesellschafters die Kreditgeberposition und die Gesellschafterposition auseinander, ist auf die Wertung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zurückzugreifen. Tritt der Gesellschafter seinen Darlehensrückzahlungsanspruch an einen Dritten ab, ist das Darlehen noch ein Jahr wie ein Gesellschafterdarlehen zu behandeln, d.h. der Dritte kann bei einem Insolvenzantrag innerhalb der Jahresfrist den Anspruch aus dem Darlehen nur gem. § 39 Abs. 1 S. 1 248 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 186; Scholz/Bitter GmbHG12 § 64 Rn 510 f; Bitter ZHR 181 (2017), 428, 451 f. 249 BGH ZIP 2013, 734 Rn 14; BGHZ 198, 77 Rn 29; BGH ZIP 2014, 785 Rn 1; BGHZ 222, 283 Rn 31; aus der GK-GmbHG/ Habersack3 Anh § 30 Rn 50; Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 75b; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz/ Görner GmbHG7 Anh § 30 Rn 81; Spliedt ZIP 2009, 149, 151. 250 BGHZ 222, 283 Rn 37 f. 251 Bitter/Laspeyres ZInsO 2013, 2289, 2292 ff; Laspeyres Hybridkapital in Insolvenz und Liquidation der Kapitalgesellschaft (2013), S 197 ff; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 60. 252 Bitter/Laspeyres ZInsO 2013, 2289, 2291; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 61. 253 So Ulbrich Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts der GmbH (2011), S 418. 254 Wie hier Obermüller/Kuder FS Görg (2010), S 335, 344; aA wohl Bitter/Laspeyres ZInsO 2013, 2289, 2290. 283

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Nr. 5 InsO im fünften Nachrang geltend machen.255 Letztlich soll der Nachrang wie eine bei einer Zession zu beachtende Einrede gem. § 404 BGB zu behandeln sein.256 In der Kommentierung zu § 135 InsO ist die Frage nach dem richtigen Anfechtungsgegner bei einer vorzeitigen Rückzahlung zu behandeln. Ist das Jahr nach der Zession abgelaufen, kommt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht mehr zur Anwendung, was insbesondere Auswirkungen auf die bestellte Kreditsicherheit hat, denn § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO entfällt nun als Anfechtungsgrund, auch wenn die Kreditsicherheit für das (einstige) Gesellschafterdarlehen mit Gläubigerbenachteiligung vor weniger als 10 Jahren bestellt worden ist.257 Veräußert der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung, ist das Darlehen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterworfen, wenn innerhalb eines Jahres nach der Veräußerung ein Insolvenzantrag über das Gesellschaftsvermögen gestellt wird. Bei einem Insolvenzantrag zu einem späteren Zeitpunkt kann § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht mehr angewendet werden.258

99 cc) Das Darlehen nach Insolvenzanfechtung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Wird innerhalb des Jahres nach Rückzahlung eines Darlehens an den Gesellschafter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, ist die Rückzahlung ohne weitere Voraussetzungen gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Die Darlehensforderung lebt wieder auf (§ 144 InsO), kann aber nur den Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO einnehmen. Das ergibt sich daraus, dass § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO voaussetzungslos jedes innerhalb der Jahresfrist zurückgezahlte Darlehen erfasst. Durch § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird unwiderleglich vermutet, dass der Abzug des Darlehens zum Zusammenbruch der Gesellschaft geführt hat. Der Gesellschafter hätte das Darlehen also nicht abziehen dürfen. Hätte er es belassen, wäre zu seinen Lasten unwiderleglich vermutet worden, mit der Darlehensgewährung die Insolvenz verschleppt zu haben (siehe Rn 91). Daraus legitimiert sich auch, dass die wiederaufgelebte Forderung § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfällt.

100 dd) Das Darlehen nach Insolvenzanfechtung aufgrund anderer Tatbestände. Die Einordnung der wiederaufgelebten Darlehensforderung nach Anfechtung der Rückzahlung aufgrund anderer Tatbestände ist unklar.259 Einerseits kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass eine Leistung anfechtbar an den Gesellschafter als Gläubiger erbracht worden ist und die wiederaufgelebte Forderung nur das Darlehen als solches sein könne. Außerdem könnte für eine Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auf die wiederaufgelebte Forderung aufgrund eines anderen Anfechtungstatbestandes sprechen, dass der Gesellschafter die Forderung gerade nur anfechtbar erlangt hat. Hätte er sie unter Beachtung der zur Anfechtbarkeit führenden Umstände nicht geltend gemacht, wäre sie nach wie vor als Darlehen vorhanden und daher nachrangig. Gleichwohl ist die gegenteilige Lösung richtig; d.h. ein anderer Anfechtungstatbestand als § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO führt zwar zum Wiederaufleben des Anspruchs des Gesellschafters, aber nicht im Rang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, sondern als einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO. Auch wenn die Leistung der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin anfechtbar ist, ist sie nicht rechtswidrig oder verboten. Läuft die Ausschlussfrist des Tatbestandes ab, kommt der Anfechtungsanspruch nicht mehr zur Anwendung. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Insiderdelikt führt dazu, dass der Gesellschafter einerseits vom drohenden Zusammenbruch wusste und dass der Abzug des Darlehens zum Zusammenbruch geführt hat. Nur das zweite Element – Zusammenbruch aufgrund des Darle255 BGHZ 196, 220 Rn 24 f; BGH ZIP 2012, 86 Rn 14; Ganter NZI 2021, 1, 3. 256 Skeptisch zu der Begründung Ganter NZI 2021, 1, 3; Heckschen/Kreußlein RNotZ 2016, 351, 353. 257 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Anh § 30 Rn 102; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 85; meine in ZIP 2019, 2233, 2240 geäußerte Ansicht, dass eine gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar bestellte Kreditsicherheit unter allen Umständen anfechtbar bleiben muss, trifft nicht zu. 258 Schlößer/Klüber BB 2009, 1594, 1597; K Schmidt GS Winter (2011), S 601, 619 f. 259 Dazu Mylich ZIP 2013, 2444, 2450. Mylich

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hensabzugs – lässt sich mit der Ratio von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO (vermutete Insolvenzverschleppung) verknüpfen. Mögen andere Anfechtungsvorschriften auf die Kenntnis von der Insolvenzreife oder Absicht zur Gläubigerbenachteiligung abstellen, fehlt in all diesen Tatbeständen das Merkmal, dass der Abzug zum Zusammenbruch des Schuldners geführt hat. Hingegen hat dieses Merkmal in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO essenzielle Bedeutung.

ee) Das anfechtbar gewährte Darlehen. Der Gesellschafter kann in seiner Insolvenz versu- 101 chen, die Darlehensvergabe anzufechten; das gilt auch bei einer Doppelinsolvenz. Hier müssen bereits im Ansatz zwei Fragen auseinandergehalten werden: Wird wegen des Nachrangs angefochten oder wird wegen der eingebüßten Mittel angefochten? Der Nachrang als solcher ist gesetzlich angeordnet und kann daher nie gläubigerbenachteiligend sein.260 Gläubigerbenachteiligend ist immer nur (bzw allenfalls) die Mittelüberlassung als solche. Zur seit dem MoMiG geltenden Rechtslage äußert sich der BGH nicht ganz eindeutig, bezieht sich zunächst in den relevanten Entscheidungen auf die überlassenen Mittel, eher doch noch auf die Nachrangigkeit Bezug genommen wird.261 Allerdings argumentiert der BGH auch deutlich mit der Aussonderungskraft der Anfechtung eines gewährten Darlehens bei einer Doppelinsolvenz – und die kann sich nur auf die Darlehensmittel und nie auf den Nachrang beziehen.262 Es hat also erhebliche praktische Relevanz, wenn man die relevante Rechtshandlung für die Anfechtbarkeit der Überlassung eines Gesellschafterdarlehens allein in der Mittelgewährung und nicht im Nachrang des Rückzahlungsanspruchs erkennt. Dieser dogmatische Unterschied kommt auch zum Tragen, wenn die Gesellschaft als Empfängerin die Darlehensmittel wiederum an eine andere Gesellschaft weitergeleitet hatte. Diese könnte bei einer gläubigerbenachteiligenden Mittelüberlassung als Rechtsnachfolgerin gem. §§ 143 Abs. 1, 145 Abs. 2 InsO belangt werden. Kann die Vergabe des Gesellschafterdarlehens selbst als anfechtbar eingestuft werden, wird der Nachrang beseitigt.

(1) § 134 InsO als Anfechtungsgrund. Für das frühere Eigenkapitalersatzrecht hatte der Bun- 102 desgerichtshof eine unentgeltliche Leistung angenommen, wenn das Darlehen in ein eigenkapitalersetzendes gewandelt wurde und eine Rückholungschance unrealistisch war.263 Zur neuen Rechtslage betont der Bundesgerichtshof dass keine unentgeltliche Leistung vorliege, soweit es im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch belassen war; der bloße Nachrang führt nicht zur Unentgeltlichkeit.264 Wegen des Fehlens weiterer Voraussetzungen, kommt es zu einem Widerspruch, wenn die Insolvenz des darlehensgebenden Gesellschafters plötzlich doch zu einer Anfechtung gem. § 134 InsO führen würde.265 Gleichwohl soll eine Darlehensgewährung bzw ein Zuschuss unentgeltlich sein, wenn bereits bei Gewährung klar sei, dass das Geld nicht zurückfließen werde.266 In der Literatur ist man noch etwas großzügiger und will das Stehenlassen eines bislang nicht nachrangigen Anspruchs und der damit verbundenen Nachrangigkeit mangels Gegenleistung als unentgeltlich einordnen.267 Noch weitergehend will eine Sichtweise in der Literatur sogar jede Leistung in das Kapital als unentgeltlich qualifizieren.268 Diese Sichtweisen sind

260 LG Potsdam NZI 2016, 975, 976 (ganz oben); aA Jacoby ZIP 2018, 505, 507; zum früheren Eigenkapitalersatzrecht Bork FS Uhlenbruck (2000), S 279, 283. 261 BGHZ 204, 231 Rn 48 vs 51; BGH 212, 272 Rn 18 f vs 20; BGHZ 222, 283 Rn 51, 56 vs 57. 262 BGHZ 222, 283 Rn 56. 263 BGH ZIP 2009, 1080 Rn 18 ff. 264 BGHZ 212, 272 Rn 20; teilweise aA für den Fall des Stehenlassens Jacoby ZIP 2018, 505, 508. 265 BGHZ 212, 272 Rn 20 f. 266 BGHZ 204, 231 Rn 51; BGHZ 212, 272 Rn 14; BGHZ 222, 283 Rn 64. 267 Jacoby ZIP 2018, 505, 508; Kleindiek ZGR 2017, 731, 757; Thole FS Kübler (2015), S 681, 693 f. 268 Gleim ZIP 2017, 1000, 1005 f. 285

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abzulehnen269 unabhängig von der Frage, ob man auf den eintretenden Nachrang oder auf die Gewährung der Mittel als Rechtshandlung abstellt. Eine Gesellschafterleistung kann gegenüber der Gesellschaft nie unentgeltlich sein. Entweder liegt wegen des Gesellschafterdarlehens ein entgeltlicher Vertrag vor oder aber das Darlehen ist in eine Einlage umzuqualifizieren. Eine Einlage ist immer eine Leistung causa societatis und damit nicht nur keine Schenkung,270 sondern auch nicht unentgeltlich.271 Schließlich liegt in vielen Finanzierungen ein Wagnis und zunächst ist unklar, ob das Geld (in Form einer Dividende oder Einlagenrückzahlung) je wieder zurückfließen wird. Profitieren Dritte von der aussichtslosen Darlehensgewährung (Darlehensgewährung, damit die Gesellschaft einen ausscheidenden Gesellschafter abfinden kann) oder disquotalen Einlage, dann ist gegenüber diesen Dritten eine unentgeltliche Leistung zu prüfen. Das Gesellschafterdarlehen bleibt aber nachrangig.

103 (2) § 133 Abs. 1, Abs. 4 InsO als Anfechtungsgrund. Unproblematisch ist § 133 Abs. 1 InsO anwendbar, wenn der Gesellschafter sein Vermögen in die Gesellschaft verschiebt mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen und die Gesellschaft davon weiß. Hierfür sind aber alle Voraussetzungen vom Insolvenzverwalter des Gesellschafters zu beweisen. Insbesondere bei einer Einlage oder Vergabe eines Darlehens, dessen Rückzahlung unwahrscheinlich ist, scheidet der Anfechtungsgrund aus, wenn der Gesellschafter wirtschaftlich stabil ist. Dann wird man den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht beweisen können. In Betracht kommt § 133 Abs. 4 InsO als Anfechtungsgrund sowohl bei einer Einlage als verlorener Zuschuss als auch bei einem Darlehen ohne jede Rückzahlungsmöglichkeit.272 Bereits im Nachrang als solchen eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zu erblicken,273 verträgt sich nicht mit dem Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. Dieser ist die Konsequenz, dass der Gesellschafter die Insolvenz der Gesellschaft verschleppt hat. Bei korrektem Verhalten wäre ein Insolvenzantrag gestellt worden, sodass eine vorrangige Zuordnung der Darlehensmittel zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft gegenüber den Gläubigern des (nunmehr auch insolventen) Gesellschafters zu rechtfertigen ist. Bleibt allein die Darlehenshingabe bei einem wertlosen Rückzahlungsanspruch als unmittelbare Gläubigerbenachteiligung.274 Hier kann nicht darauf verwiesen werden, dass die Hingabe als Eigenkapital auch möglich gewesen wäre. Vielmehr stellt sich die Grundsatzfrage: Ist die Hingabe von Kapital bei (derzeitigem) Wertverlust (Eigenkapital) oder wertlosem Rückzahlungsanspruch (Darlehen) anfechtbar aus der Perspektive der Gläubiger des Gesellschafters? Es ist korrekt, dass trotz der gesellschaftsrechtlichen Verbindung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter die Gläubiger des Gesellschafters nicht per se schlechter gestellt werden dürfen, indem die Berufung auf die Anfechtbarkeit von Leistungen an die Gesellschaft versagt wird. Auch der Normzweck von § 133 Abs. 4 InsO gebietet keine einschränkende Wertung, dass die Vorschrift nur auf Leistungen von der Gesellschaft an den Gesellschafter als nahestehende Person angewendet werden kann. Daher ist der Auffassung zu folgen, dass eine Gesellschafterleistung, die nicht zu einer Werterhöhung der Beteiligung bzw zu einem werthaltigen Darlehensrückzahlungsanspruch führt, als unmittelbare Gläubigerbenachteiligung einzuordnen ist. Zu bedenken ist jedoch, dass neben der Frist von zwei Jahren auch die von der Gesellschaft als Anfechtungsgegnerin zu beweisende Unkenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Gesellschafters den Tatbestand ausschließt. Daher ist der Anwendungsbereich von § 133 Abs. 4 InsO auf jene Gesellschafterdarlehen beschränkt, die an eine insolvenzreife Gesellschaft gewährt werden bei einer eigenen 269 I.E. wie vorliegend, aber mit anderem Ansatz Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 119; siehe auch Thole FS Gehrlein (2022), 563 ff. 270 Insoweit besteht Einigkeit BGH NZG 2006, 543, 544; BGH NJW 2008, 1589 Rn 17; Jacoby ZIP 2018, 505, 508. 271 So aber Gleim ZIP 2017, 1000, 1005 f; Jacoby ZIP 2018, 505, 508. 272 So auch Jacoby ZIP 2018, 505, 509 ff. 273 So aber Jacoby ZIP 2018, 505. 274 BGHZ 222, 283 Rn 80 f; Klinck DB 2019, 2729, 2733. Mylich

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Krise des Gesellschafters. Ist der Gesellschafter bei der Vergabe des Darlehens wirtschaftlich stabil, wird die Gesellschaft ihre fehlende Kenntnis einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht nachweisen können. Die Insolvenzanfechtung beseitigt in jedem Fall den Nachrang. Da es sich bei einem Darlehensrückzahlungsanspruch um einen schuldrechtlichen Anspruch handelt, kann auch die haftungsrechtliche Theorie nicht überwinden, dass der Gesellschafter einfacher Insolvenzgläubiger wird.

ff) Das europarechtswidrig gewährte Darlehen. Verstößt die Darlehensgewährung durch 104 die öffentliche Hand mit der Doppelrolle als Gesellschafter und Kreditgeber gegen die Regeln des Beihilferechts (Art. 107 AEUV), erfordert der effet utile, dass die öffentliche Hand als Darlehensgeber dieses Darlehen effektiv abzieht und die Wettbewerbsbeeinträchtigung beendet.275 Schon zum früheren Eigenkapitalersatzrecht war es – zumindest im Fall der Insolvenz – sachwidrig, die Eigenkapitalgleichheit des Darlehens per se zu verneinen.276 Durch ein Insolvenzverfahren und die entsprechende Masseverteilung wird der Wettbewerbsverstoß beendet. Es bleibt daher beim Nachrang einer Darlehensforderung im Insolvenzverfahren.277 Der Nachrang bezieht sich auf die Masseverteilung und hat mit der Beihilfe nichts zu tun. Vielmehr ist anzuknüpfen an die Frage Sanierung oder Liquidierung des insolventen Rechtsträgers. Im Fall der Sanierung kann der Wettbewerbsverstoß effektiv nur beendet werden, wenn die öffentliche Hand ihr Darlehen vollständig zurückerhält. Selbst ein Begnügen mit einer gewissen Befriedigungsquote im Insolvenzplanverfahren beendet den Wettbewerbsverstoß nicht. Hingegen führt die Liquidierung des Rechtsträgers zu einer Beendigung des Wettbewerbsverstoßes. Die öffentliche Hand als Gesellschafter macht in diesem Fall ihre Darlehensforderung nur gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO im fünften Nachrang geltend.

b) Grundfragen zu vergleichbare Forderungen. Wie auch bei § 135 Abs. 1 InsO stellt sich als 105 Grundfrage, ob nur dann eine Forderung als gleichgestellt anzusehen ist, wenn sie auf bewusster vorübergehender Kapitalüberlassung beruht. Weil der Gesetzgeber einem ersten Vorschlag von Ulrich Huber und Mathias Habersack zur Einbeziehung jeglicher Gesellschafterleistungen nicht gefolgt ist,278 kann angenommen werden, dass es zumindest einer Finanzierungsentscheidung bedarf.279 Bei einer verzögerten Leistung der Gesellschaft ist zwischen einer Stundung und einem Stehenlassen zu unterscheiden.280 Eine Stundung ist eine bewusste Kreditgewährung und führt umgehend zur Darlehensgleichheit.281 Hingegen ist das Stehenlassen eher ein Hinnehmen, dass die andere Seite noch nicht leistet. Nur beim Stehenlassen kann die (für die Länge fragwürdige282) Rechtsprechung des BGH herangezogen werden, dass bis zu einer Dauer von 90 Tagen noch keine Umwidmung in ein Darlehen stattfindet.283 Die Frist entnimmt der BGH der Wertung von § 488 Abs. 3 S. 2 BGB.284 Die vorliegende Differenzierung zwischen Stehenlassen und Stundung widerspricht auch nicht der Sichtweise des Bundesgerichtshofs, die eine rechtsgeschäftliche Stundung und ein faktisches Stehenlassen gleichstellt – aber eben nur bis zur Grenze

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Mylich ZEuP 2008, 633, 638. So aber BGHZ 173, 103 Rn 24 ff, 31 ff; BGHZ 173, 129 Rn 23; kritisch dazu Mylich ZEuP 2008, 633, 636 ff. KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 8; Mylich ZEuP 2008, 633, 640 f; aA GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 39. Huber/Habersack BB 2006, 1, 2. Krolop GmbHR 2009, 397, 398; K Schmidt GmbHR 2009, 1009, 1016 ff; ders GS Winter (2011), S 601, 615. So deutlich auch Felsch ZIP 2021, 123, 124. Felsch ZIP 2021, 123, 124. Kruth DStR 2020, 1133, 1135; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 209a. Zutreffend Felsch ZIP 2021, 123, 125 mit Bezug zu BGH ZIP 2019, 1675 Rn 16 ff. BGH ZIP 2019, 1675 Rn 18. Mylich

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von 90 Tagen.285 Das bedeutet: Wird eine Forderung aus einem Austauschvertrag mit einem Gesellschafter für maximal 90 Tage gestundet und wird innerhalb dieser Zeit ein Insolvenzantrag gestellt, ist § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht anwendbar. Das gilt auch, wenn diese Forderung faktisch gestundet, d.h. ohne rechtsgeschäftliche Abrede stehengelassen wird. Spätestens nach 90 Tagen ist die Forderung unabhängig von der Abrede in eine darlehensgleiche Forderung umqualifiziert. Wird hingegen von Anfang an die Forderung rechtsgeschäftlich für mehr als 90 Tage gestundet, ist umgehend Darlehensgleichheit anzunehmen, sodass auch bei einem Insolvenzantrag innerhalb der ersten 90 Tage § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO anzuwenden ist. Die Frage zur Darlehensgleichheit kommt bei gescheiterten Austauschverträgen zur Geltung. Letztlich steht im Raum, ob ein Rückzahlungsanspruch bei unwirksamem Vertrag bzw aufgrund eines Sachmangels oder eines über den Mangel hinausgehenden bzw durch den Mangel verursachten Schadensersatzes einzustufen ist. Kam es innerhalb des Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Rückabwicklung, stellt sich die gleiche Frage bei § 135 InsO aus der Perspektive des Insolvenzanfechtungsrechts. Entscheidendes Element ist immer die kreditähnliche Vorleistung des Gesellschafters. Diese kann sowohl vorliegen, wenn der Gesellschafter eine Leistung der Gesellschaft vergütet und insoweit mit seiner Vergütung in Vorleistung geht, als auch wenn er die Leistung erbringt und mit dieser kreditähnlich in Vorleistung geht, weil die Gesellschaft erst erhebliche Zeit später die Vergütung zahlt. Nach zwei Kriterien ist die Kreditähnlichkeit zu bestimmen.286 Zunächst ist zu fragen, ob die Vertragsstruktur auch gegenüber Dritten als kreditähnlich eingeordnet wird. Das zeigt sich zB beim Finanzierungsleasing (sehr strittig), Eigentumsvorbehalt oder unechten Factoring. Gelangt man zur Einordnung als Finanzierungs- und damit Kreditgeschäft, kann § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO angewendet werden. Ob eine Stundung vorliegt, ist in dieser Konstellation irrelevant.287 Wird die Vertragsstruktur hingegen gegenüber Dritten nicht als kreditähnlich eingeordnet, ist auf die Vertragsdurchführung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu schauen. Hält diese einem Drittvergleich stand, kommt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht zur Anwendung. Hält diese einem Drittvergleich nicht stand, kommt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zur Anwendung. Typisches Beispiel ist der Kaufvertrag, in dem ein Gesellschafter mit dem Kaufpreis in Vorleistung geht, obwohl ein Dritter das nicht machen würde. Für das Gegenbeispiel kann ein Kaufvertrag herhalten, bei dem aufgrund der Besonderheiten (zB Beschaffung besonderer Güter auf dem internationalen Markt) auch Dritte als Käufer mit einer (anteiligen) Kaufpreiszahlung in Vorleistung gehen würden. Diese Kriterien gelten auch, wenn ein Dritter die Leistung erbringt und der Gesellschafter die Ansprüche des Dritten besichert. Das ist wichtig für die Anwendung von § 44a, § 135 Abs. 2 InsO (siehe § 44a Rn 12). Bietet eine Konzernspitzengesellschaft den Kunden einer Konzerntochtergesellschaft gegen zusätzliches Entgelt eine Garantie oder Kautionsversicherung an, liegt zunächst keine Kreditähnlichkeit vor. Der Regressanspruch nach Inanspruchnahme der Garantie oder Kautionsversicherung durch den Kunden wird aber kreditänlich, wenn er gegenüber der Konzerntochtergesellschaft gestundet wird.

106 c) Zinsen. Zinsen sind eine Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung. Sie haben nichts mit dem Anspruch auf Rückgewähr eines Darlehens zu tun.288 Ausgangspunkt für die Behandlung offener Zinsansprüche sind die folgenden Wertungen: Der Bundesgerichtshof hat die Zahlung von Zinsen mit Recht nicht als einen Vorgang eingeordnet, der einer Rückzahlung eines Gesellschafter-

285 BGH ZIP 2019, 1675 Rn 18. 286 Ähnlich Huber FS Priester (2007), S 259, 279 („Ansprüche, […] [die] auf einem Tatbestand beruhen, der eine Kreditgewährung enthält […], oder weil sie durch Vereinbarung oder „faktisch“ gestundet worden sind.“). 287 Etwas anders Kreußlein NotBZ 2020, 365, 372. 288 Mylich ZGR 2009, 474, 494 ff. Mylich

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darlehens vergleichbar ist.289 In der Folge hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich ab Fälligkeit bis zu drei Monate hinziehen können, ohne dass eine Nichtauszahlung zu einer Umqualifikation in ein Darlehen führt.290

aa) Zinsen auf unbesicherte Gesellschafterdarlehen. Bei Zinsen für Gesellschafterdarlehen 107 ist zu differenzieren. Wurden die Zinsen aus vorinsolvenzlicher Zeit nicht geltend gemacht, wandeln diese sich in einen darlehensgleichen Anspruch, wenn diese nicht innerhalb von 90 Tagen gezahlt oder bereits zuvor gezielt stehengelassen werden (siehe Rn 105).291 Zinsen aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung sind mit der zugrundeliegenden Forderung gleichzustellen (§ 39 Abs. 3 Alt. 1 InsO), d.h. sie sind nachrangig im fünften Rang. § 39 Abs. 3 Alt. 1 InsO erfasst aber bereits der systematischen Stellung nach nicht per se Zinsen für eine nachrangige Forderung, sondern erstreckt sich nur auf Zinsen ab Verfahrenseröffnung.292 Daher sind alle Problemfälle für Zinsen aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Rückgriff auf § 39 Abs. 3 Alt. 1 InsO zu lösen. Wurden Zinsen regulär ausgezahlt, unterfallen sie daher nicht § 39 InsO.293 Es handelt sich um die Gegenleistung für die Darlehensüberlassung.294 Bei fristgerechter Zahlung ist der Anspruch weder darlehensgleich noch unter § 39 Abs. 3 Alt. 1 InsO zu fassen. Das führt dazu, dass der auf § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO basierende Anfechtungstatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht eingreift. Die Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 3 InsO und Einordnung der Zinsen als Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung führt auch zur Einordnung von Zinsansprüchen unter § 38 InsO, wenn sie innerhalb der letzten drei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden, aber noch nicht ausgezahlt worden sind.295 Auf die Verfahrenseröffnung und nicht auf den Insolvenzantrag ist deshalb abzustellen, weil der Insolvenzschuldner bis zu diesem Zeitpunkt noch verfügungsbefugt ist (§ 81 InsO), auch wenn ggf. gem. § 15b Abs. 1, Abs. 5 InsO bereits Zahlungsverbote existieren. Hingegen ist auf den Zeitpunkt der Ernennung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abzustellen, wenn dem Schuldner bereits im Eröffnungsverfahren gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO ein Verfügungsverbot auferlegt wurde. Wurde hingegen Zins in vorinsolvenzlicher Zeit für ein Gesellschafterdarlehen gezahlt und ist die Zahlung aus anderen Gründen aus dem des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, dann steht infrage, ob der wiederaufgelebte Zinsanspruch mit Gleichrang oder Nachrang behaftet ist. Da die anderen Insolvenzgründe nicht mit § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO verknüpft sind, wird eine derart aufgelebte Forderung unter § 38 InsO zu fassen sein (siehe Rn 100). bb) Zinsen für anfechtungsfest besicherte Gesellschafterdarlehen. Trotz des § 135 Abs. 1 108 Nr. 1 InsO und der Nichtanwendung des Bargeschäftsprivilegs können Gesellschafterdarlehen anfechtungsfest besichert werden (siehe Rn 93). Zunächst betont der Bundesgerichtshof, dass auch für die Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Gläubigerbenachteiligung Voraussetzung sei.296 Ohne Gläubigerbenachteiligung bestellte Sicherheiten sind daher anfechtungsfest.297 Eine anfechtbar be-

289 BGHZ 222, 283 Rn 43 ff; ebenso zB Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 142; aA zuvor Büscher FS Hüffer (2010), S 81, 90; im Lichte der BGH-Rspr haben zB GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 124 bzw Saenger/Inhester/ Kolmann GmbHG4 Anh § 30 Rn 153 die zuvor vertretene Ansicht aufgegeben und folgen nun dem BGH. 290 BGH ZIP 2019, 1675 Rn 16 ff. 291 Kreußlein NotBZ 2020, 365, 373. 292 Das scheint Ganter NZI 2021, 1, 4 f anders zu sehen. 293 Insoweit auch GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 124. 294 BGHZ 222, 283 Rn 44. 295 AA wohl GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 110; die sonstige Literatur geht darauf nicht ein, sondern widmet sich nur der Anfechtbarkeit. 296 BGHZ 198, 64 Rn 8; BGHZ 221, 100 Rn 39; BGHZ 192, 9 Rn 20; BGHZ 215, 262 Rn 10; BGH ZIP 2022, 229 Rn 11 ff. 297 Beispiele bei Mylich ZIP 2019, 2233, 2236; Mylich ZIP 2020, 1097, 1098. 289

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

stellte Kreditsicherheit wird nach 10 Jahren anfechtungsfest.298 Allerdings wird man aufgelaufene und ausstehende Zinsen nicht bei der bevorzugten Befriedigung als miterfasst ansehen können. Zwar steht der Sicherungsgegenstand im Eigentum des Gesellschafters als Sicherungsnehmer, aber der überschießende Verwertungserlös steht der Gesellschaft als Sicherungsgeberin zu. Eine Erstreckung auf Zinsen findet im Nachgang statt, sodass immer eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, denn der Anspruch auf den überschießenden Verwertungserlös wird geringer. Auch der Tatbestand des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist erfüllt, denn der Anspruch auf den Darlehenszins wird besichert. Das führt dazu, dass Zinsen eines besicherten Gesellschafterdarlehens zwar von der Sicherheit erfasst werden, aber nach Anfechtung gem. § 143 Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO dem ihm nach voriger Rn. erarbeiteten Rang einnehmen. Das gilt auch für alle durch § 10 Nr. 4 und Nr. 8 ZVG abgedeckten Zinsansprüche, selbst wenn sie aus dem Erlös nach Verwertung des Grundstücks befriedigt werden könnten. Der Gesellschafter hat unanfechtbar allenfalls das Grundpfandrecht bekommen. Betreibt der Gesellschafter die Verwertung des Grundpfandrechts, ist er aus dem Sicherungsvertrag verpflichtet, die offenen Zinsen anzumelden (auch wenn er sie kraft Anfechtung an den Insolvenzverwalter herausgeben muss).299 Betreibt ein nachrangiger Grundpfandgläubiger die Versteigerung des Grundstücks, ist der Gesellschafter als vorrangiger Grundpfandgläubiger nicht verpflichtet, seine dinglichen Zinsansprüche geltend zu machen.300

109 cc) Atypische Zinszahlungszeitpunkte. Bei atypischen Zinszahlungszeitpunkten ist darauf abzustellen, ob Dritte auch einen solchen Zahlungszeitpunkt festgelegt hätten. Akzeptieren wird man einen einmal jährlich zu zahlenden Zins; ist vertraglich eine quartalsweise Zinszahlung vereinbart, muss das eingehalten werden. Wird der Darlehenszins zB zum letzten Tag am Quartalsende fällig, muss bei einem Insolvenzantrag im Oktober jener Zinsbetrag, der Ende Juni fällig war, bereits als darlehensgleich eingestuft werden. Hingegen wird jener Zinsbetrag, der Ende September fällig war, noch als einfache Insolvenzforderung einzuordnen sein. Soll hingegen das Darlehen für einen längeren Zeitraum als ein Jahr gewährt und die Zinsen kumuliert mit dem Darlehensbetrag zur Rückzahlung fällig werden, sind die Zinsen unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen, weil letztlich mit der nicht zwischenzeitlichen Geltendmachung ein verkappter Kreditierungstatbestand hinsichtlich aufgelaufener Zinsen vorliegt.301 Wird bei einem allein endfälligen Zins innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit von Darlehen und Zins ein Insolvenzantrag gestellt, kann eine fiktive Jahresrate herausgerechnet werden und als einfache Insolvenzforderung geltend gemacht werden. Der Restbetrag ist nachrangig geltend zu machen. Für die fiktive Jahresrate wird ein Zinseszins nur dann eingepreist, wenn er ausdrücklich vereinbart ist. Bsp.: Vergibt ein Gesellschafter ein Darlehen in Höhe von 1.000.000 A, dass nach drei Jahren zzgl. des dann erst fälligen Gesamtzinses von 191.016 A zurückzuzahlen ist, können grundsätzlich drei Zinsraten à 63.672 A unterstellt werden, von denen nur die letzte ggf. unter § 38 InsO fällt, wenn seit Fälligkeit bis zum Insolvenzantrag nicht mehr als 3 Monate vergangen sind. Nur bei ausdrücklicher Vereinbarung eines Jahreszinses von 6 %, der gegen Verzinsung stehengelassen wird, können 60.000 A, 63.600 A und 67.416 A angenommen werden, sodass die höchste letzte Rate ggf. als einfache Insolvenzforderung angemeldet werden kann, wenn seit dem Insolvenzantrag nicht mehr als 3 Monate vergangen sind. Wird hingegen kurz nach Ende des zweiten Jahres ein Insolvenzantrag gestellt, ist die zweite (fiktive) Rate keine einfache Insolvenzforderung, denn sie war nicht fällig.

298 299 300 301

BGHZ 198, 64 Rn 14, 21; dazu Mylich ZIP 2013, 2444, 2447; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 176 mwN. BGH NJW 2012, 1142 Rn 8. BGHZ 192, 131 Rn 13 ff. Andeutungsweise auch Ganter NZI 2021, 1, 5.

Mylich

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

§ 39

d) Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter einer GmbH und GmbH & Co 110 KG. In der Praxis werden Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter aus einer GmbH ratierlich über mehrere Jahre befriedigt. Voraussetzung für die Einbuchung eines Abfindungsanspruchs (und dessen Erfüllung) ist, dass überhaupt ungebundenes Vermögen vorliegt. Verschlechtert sich die Situation der GmbH, ist die Einordnung und Behandlung umstritten. Ob ein derartiger Anspruch an § 30 GmbHG oder § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO oder § 38 InsO zu messen ist, hat eine erhebliche Bedeutung für eine Verzinsung oder die Rückzahlung beim Vorliegen einer Unterbilanz, die Anfechtbarkeit einer Rückzahlung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die Zulässigkeit einer Besicherung des Abfindungsanspruchs bzw die Anfechtbarkeit der Besicherung eines Abfindungsanspruchs gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

aa) Der Meinungsstand. Der Bundesgerichtshof differenziert zwischen Mitgliedschaftsrechten, 111 Gläubigeransprüchen und Drittgläubigeransprüchen.302 Drittgläubigeransprüche gewährt er GmbHGesellschaftern (bzw ehemaligen) nur, wenn diese von Anfang an wie Dritte gegenüber der GmbH aufgetreten waren. Hingegen will er bei Gläubigeransprüchen eines GmbH-Gesellschafters gewürdigt wissen, dass sie letztlich auf seiner besonderen Stellung als (ehemaliger) GmbH-Gesellschafter beruhen und daher auch nach wie vor dem Einfluss des GmbH-Rechts unterliegen.303 Daneben gibt es die typischen Mitgliedschaftsrechte und –pflichten. Der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen GmbH-Gesellschafters soll trotz Aufgabe der mitgliedschaftlichen Position mitgliedschaftlichen Wirkungen unterfallen, sodass die §§ 30, 31 GmbHG auf diesen anzuwenden sind. Das bedeutet, dass trotz Entstehung des Anspruchs bei freiem Vermögen eine spätere Verschlechterung der bilanziellen Situation zur Undurchsetzbarkeit des Anspruchs führt. In der Insolvenz unterfällt der Anspruch § 199 InsO. In der Literatur wird z.T. die konsequente Anwendung von § 199 InsO gefordert ohne die zusätzliche Wertung, ob eine Unterbilanz vorliegt.304 Die gegenteilige Auffassung in der Literatur will darauf abstellen, ob der Abfindungsanspruch des Gesellschafters bereits aus freien Mitteln als Fremdkapitalforderung eingebucht werden konnte. War das der Fall, soll § 38 InsO angewendet werden.305 Kann der Abfindungsanspruch nicht aus freien Mitteln beglichen werden, ist er gleichwohl einzubuchen und wird in Analogie zu § 31 Abs. 5 S. 1 GmbHG nach 10 Jahren von allen Ausschüttungssperren frei.306 bb) Stellungnahme. Alle Sichtweisen sind zu undifferenziert. Sowohl die Position des Bundesge- 112 richtshofs als auch die gegensätzliche Position in der Literatur können richtig sein. Die Position des Bundesgerichtshofs fußt auf der fehlerhaften Prämisse, dass aus Eigenkapitalpositionen keine Fremdkapitalpositionen begründet werden können. Andeutungen in der Literatur, dass es nicht sachgerecht sein kann, wenn ein vor Jahren ausgeschiedener Gesellschafter wie ein aktueller Gesellschafter das Investitionsrisiko tragen soll, geben eine zutreffende Wertung vor.307 Bereits im Ausgangspunkt ist zu differenzieren, wie dies der Bundesgerichtshof selbst in einer Nebenbemerkung andeutet308: Der Gesellschafter kann ausscheiden und sein Abfindungsanspruch entsteht sukzessiv. Für diesen Fall kann man den Wertungen des BGH folgen, d.h. der jeweils entstehende Teilbetrag der Abfindung muss aus freiem Vermögen bedient werden können. Kommt es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist auf den ausstehenden Abfindungsanspruch § 199 InsO anwendbar. Der Gesellschafter kann aber auch ausscheiden unter sofortiger vollstän302 303 304 305 306 307 308 291

BGHZ 224, 235 Rn 27. BGHZ 224, 235 insb Rn 54 ff. Thole FS Grunewald (2021), S 1121, 1124 ff. Quante KTS 2020, 367, 372 ff; dies Einziehung usw (2021), S 135 ff. Quante KTS 2020, 367, 388; dies Einziehung usw (2021), S 157 f. Otte/Schwarzer GmbHR 2021, 862, 865 Rn 20; Quante KTS 2020, 367, 375. BGHZ 224, 235 Rn 62. Mylich

§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

diger Entstehung der Abfindungsforderung bei Belassung als Darlehen. Konnte in diesem Fall freies Vermögen in einen Abfindungsanspruch umgebucht werden, liegt eine Fremdkapitalposition vor, die innerhalb des ersten Jahres nach dem Ausscheiden gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO im fünften Nachrang zu beachten ist; für die Zeit danach handelt es sich um eine einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO. Für die Umwandlung einer Eigenkapitalposition in eine Fremdkapitalposition genügt es, dass freie Mittel zur Verfügung stehen. Es verhält sich nicht anders als bei einem Anspruch auf Gewinnausschüttung mit anschließender Rückgewähr der Mittel als Darlehen. Die Beachtung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO bei einem Insolvenzantrag innerhalb des ersten Jahres nach dem Ausscheiden ergibt sich aus einer doppelten Wertung, die § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu entnehmen ist. Erstens: Beruht eine Vermögenszuwendung der Gesellschaft an den Gesellschafter auf der Auflösung von Rücklagen, ist die Vermögenszuweisung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, wenn innerhalb eines Jahres ein Insolvenzantrag gestellt wird.309 Zweitens: Ist ein Jahr seit dem Ausscheiden des Gesellschafters vergangen, sind die Sonderregeln der §§ 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 135 InsO nicht mehr auf den ausgeschiedenen Gesellschafter und sein (verbleibendes) Kreditengagement anwendbar310 (siehe Rn 98).

113 cc) Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter einer KG. Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter einer GmbH & Co KG sind auch nur dann nachrangig gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, wenn der Gesellschafter im Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgeschieden ist. Wird der Insolvenzantrag später gestellt, kommt zumindest § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht mehr zur Anwendung. Der auf einem Fremdkapitalkonto verbuchte Abfindungsanspruch ist nunmehr zu einer einfachen Insolvenzforderung gem. § 38 InsO geworden. War der Abfindungsanspruch noch nicht entstanden, teilt der ausgeschiedene Kommanditist den Schlussrang mit den aktuellen Gesellschaftern. Das gilt auch, wenn der Abfindungsanspruch entstanden war, aber zur Vermeidung des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung auf einem Sonderkonto verbucht wurde. In keinem der Fälle kann § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO angewendet werden.

114 e) Gewinnauszahlungsansprüche. Der Dividendenanspruch muss zunächst als Verbindlichkeit eingebucht werden, indem Eigenkapital in Fremdkapital umgewandelt wird. Die Verbindlichkeit ist von Anfang an darlehensgleich, wenn dafür vorhandene Kapital- und Gewinnrücklagen aufgelöst werden bzw ein Gewinnvortrag verwendet wird.311 Das hat insbesondere für die Anfechtbarkeit einer Gewinnausschüttung Bedeutung, wenn innerhalb eines Jahres nach der Ausschüttung ein Insolvenzantrag gestellt wird. Wird hingegen der Dividendenanspruch aus einem Jahresüberschuss im Sinne von § 275 Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 16, Abs. 5 Nr. 8 HGB gebildet, wird man die Dividendenverbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter nicht automatisch darlehensgleich einordnen können, sondern nur wenn sie gestundet oder stehengelassen wird.312 Kann die Dividende (zunächst) nicht ausgezahlt werden, weil aufgrund von Entwicklungen zwischen Bilanzstichtag und dem Gewinnverwendungsbeschluss eine Unterbilanz eintritt, kann allenfalls in dieser Konstellation § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht angewendet werden.313 Unproblematisch ist hingegen die Einordnung des

309 BGHZ 230, 335 Rn 13 ff. 310 BGHZ 196, 220 Rn 25. 311 BGHZ 230, 335 Rn 8, 12 ff; ausführlich zuvor Mylich ZIP 2017, 1255 (aber jeweils ohne die [präzise] dogmatische Herleitung über die Entstehung und Einbuchung der Dividendenforderung als eine solche gem. § 39 Abs. 1 S 1 Nr. 5 InsO, sondern ausschließlich unter direktem Rückgriff auf Sinn und Zweck von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO); aA Heckschen/ Kreußlein RNotZ 2016, 351, 361 ff; Thiessen ZGR 2015, 396, 421 (nur wenn Dividendenanspruch stehengelassen wurde). 312 BGHZ 230, 335 Rn 25. 313 Zu undifferenziert BGHZ 230, 335 Rn 24. Mylich

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

§ 39

Anspruchs eines Kommanditisten auf Auszahlung des auf dem Privatkonto verbuchten Betrags. Dieser ist darlehensgleich und unterfällt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.314

f) Nach Eröffnung eines Insolvenz- oder Sanierungsverfahrens gewährte Darlehen. 115 Ein nach der Eröffnung eines formellen Insolvenz- oder Sanierungsverfahrens gewährtes Darlehen ist abzugrenzen vom Sanierungsdarlehen, das in § 39 Abs. 4 S. 2 InsO erwähnt ist. Dieses kann auch außerhalb eines formellen Insolvenz- oder Sanierungsfahrens nach InsO bzw StaRUG gewährt werden, ist jedoch an die zwingende Voraussetzung des beitretenden (neuen) Gesellschafters gebunden (ausführlich siehe Rn 208 ff). Die vorliegenden Darlehen sollen jene sein, die ein Gesellschafter innerhalb des Kreditrahmens bei einem Insolvenzplan, als Massedarlehen im Insolvenzverfahren oder während eines formellen Sanierungsverfahrens nach StaRUG vergeben hat. Grundsätzlich unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fällt ein Anspruch auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens, wenn es zwar nach Eintritt einer Krise bzw dem Antrag auf ein solches Verfahren, aber vor der formellen Verfahrenseröffnung gewährt worden ist.

aa) Das Gesellschafterdarlehen im Kreditrahmen gem. § 264 InsO. Im Insolvenzplanver- 116 fahren gewinnt der Schuldner seine Handlungsfreiheit zurück und ist für seine Finanzierung selbstverantwortlich. Das beruht darauf, dass gem. § 258 Abs. 1 InsO das Insolvenzverfahren aufgehoben wird. In Gestalt eines Kreditrahmens besteht ein Sicherungsmittel, um Darlehen aufzunehmen und diesen den Vorrang vor den einfachen Insolvenzforderungen zuzuweisen. Explizit schließt § 264 Abs. 3 InsO Gesellschafterdarlehen von dieser Privilegierung aus.315

bb) Das Massedarlehen. Der Anspruch auf Rückzahlung eines Massedarlehens wird gem. § 53 117 InsO immer vorrangig bedient. Das gilt auch dann, wenn es vom Gesellschafter stammt.316 Es kommt auch nicht zu einem Widerspruch zu § 264 Abs. 3 InsO (Gesellschafterdarlehen im Kreditrahmen bleiben nachrangig), denn Masseverbindlichkeiten werden vor jenen Krediten bedient, die innerhalb des Kreditrahmens bei Eigenverwaltung aufgenommen werden.317 Bei Vergabe eines Massedarlehens mit anschließender Masseinsolvenz war das Insolvenzverfahren nie aufgehoben worden, während der Kreditrahmen ein Instrument des Insolvenzplans ist, nach dessen Bestätigung gem. § 258 Abs. 1 InsO das Insolvenzverfahren aufgehoben wird. Der Grund mag darin liegen, dass im einen Fall der Insolvenzverwalter, im anderen Fall der Schuldner selbst die Verbindlichkeit begründet. Wenn die Masse insuffizient wird, werden Altmassegläubiger i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO erst nach den Neumassegläubigern befriedigt, d.h. jenen Gläubigern, die ihre Position erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erlangt haben. Innerhalb dieser Ordnungen soll nach dem Wortlaut von § 209 Abs. 1 InsO der Rang entscheiden. Das führt zunächst zur Einteilung, ob das Massedarlehen vom Gesellschafter vor oder nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gewährt worden ist. Hierbei muss es auf die Auszahlung und nicht den Vertrag ankommen. Hinsichtlich des Ranges ist es unklar, ob § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO anzuwenden ist. Es mag logisch sein, § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO auf künftige Zinsen von (eigentlich privilegierten) Massedarlehen anzuwenden und somit einen Nachrang gegenüber anderen Neu- oder Altmassegläubigern anzunehmen.318 § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO passt aber seinem Zweck nach nicht in diesen Kontext. Durch 314 BGH ZIP 2021, 93 Rn 14, 28. 315 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 31. 316 BGHZ 204, 83 Rn 33; Bork, Insolvenzrecht, Rn 431; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 29; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 65. 317 Uhlenbruck/Lüer/Streit InsO15 § 264 Rn 25. 318 Jaeger/Windel InsO2 § 209 Rn 11, 46; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 209 Rn 35; aA wohl Uhlenbruck/Ries InsO15 § 209 Rn 10. 293

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§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

das Handeln des Insolvenzverwalters und ein bereits eröffnetes Insolvenzverfahren kommt eine weitere Verschleppung des Insolvenzverfahrens (zu diesem Zweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO siehe Rn 91) durch weitere Gewährung von Darlehen zwar in Betracht, doch ist der Insolvenzverwalter jene Instanz, die nur Darlehen entgegennimmt, die gerade nicht den Verfahrensfortlauf bzw eine sachgerechte Masseverteilung verschleppen.

118 cc) Besonderheit: Eigenverwaltung. Für Gesellschafterdarlehen, die im Zeitraum der Eigenverwaltung gewährt werden, ist auf die Wertung von § 264 Abs. 3 InsO zurückzugreifen. Sie verdienen in einem folgenden Insolvenzverfahren weder den Vorrang jener aus § 264 InsO privilegierten Forderungen noch gar jenen von Masseverbindlichkeiten. Nicht der Insolvenzverwalter ist das Kreditverhältnis eingegangen, sondern der Schuldner selbst.319 Hatte zuvor der Gesellschafter ein Massedarlehen gewährt und wurde anschließend ein Insolvenzplan bestätigt, wird das Insolvenzverfahren gem. § 258 Abs. 1 InsO aufgehoben. In der Konsequenz handelt es sich nur noch um ein stehengelassenes Massedarlehen. Derartige stehengelassene Massedarlehen verlieren das Privileg der Massedarlehen, wie sich aus § 264 Abs. 3 InsO ergibt.320

119 dd) StaRUG. Gem. § 90 StaRUG sind Maßnahmen, die in Vollzug eines Plans nach StaRUG erfolgen, nicht der Anfechtung zugänglich. Davon ausgenommen sind Forderungen im Rang von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und Sicherheitsleistungen, die gem. § 135 InsO anfechtbar sind. Geht es um die Begründung oder die Befriedigung derartiger Forderungen? Geht es um die Bestellung oder Befriedigung derartiger Sicherheitsleistungen? § 90 StaRUG steht im Kontext mit § 12 StaRUG,321 d.h. neue Finanzierungsleistungen sollen abgesichert werden, falls es später zu einem Insolvenzverfahren kommt. Es fehlt aber jede Regelung zur Rückzahlung. Wenn Gesellschafterdarlehen per se schon ausgenommen sind, dann bleibt es auch dabei, dass Gesellschafterdarlehen im Zuge eines Planes nach dem StaRUG bei einer folgenden Insolvenz auch dem Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfallen. Auch kann ein Schluss aus § 264 Abs. 3 InsO gezogen werden, wenn Gesellschafterdarlehen auch nicht im Rahmen eines Kreditrahmens privilegiert werden.

120 g) Im Regressweg übergegangene Ansprüche Dritter. Für die Besicherung eines externen Darlehens durch einen Gesellschafter gibt es zunächst in § 44a InsO die besondere Maßgabe, dass der Gläubiger im Insolvenzverfahren seine Forderung nur insoweit geltend machen kann, wenn er nicht auf die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit zugreifen kann. Im Fall der Besicherung des Darlehensanspruchs sowohl durch den Gesellschafter als auch die Gesellschaft verbleibt dem Gläubiger das Wahlrecht zum Zugriff, doch hat die Gesellschaft einen Anspruch analog §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO gegen den Gesellschafter, wenn auf die von ihr gestellte Sicherheit zugegriffen wird322 (näher dazu unter § 44a Rn 24 und in der Kommentierung zu § 135 InsO).

121 aa) Regressanspruch nach Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit. Wird der Gesellschafter als Sicherungsgeber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der von ihm gestellten Sicherheit in Anspruch genommen, kann er seinen zustehenden Regressanspruch nur nachrangig gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO geltend machen.323 Hatte er diesen Regressanspruch Rechtspolitische Kritik aber bei Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 157. GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 28; aA Noack FS Claussen (1997), S 307, 316 f. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Fridgen InsO § 12 Rn 44. BGHZ 192, 9 Rn 18 ff. BGHZ 192, 9 Rn 9; BGHZ 198, 77 Rn 21; BGHZ 215, 262 Rn 17; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 156; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 372.

319 320 321 322 323

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bereits durchgesetzt, ist aber innerhalb eines Jahres nach Durchsetzung des Regressanspruchs ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden, kann der Insolvenzverwalter gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Regressleistung anfechten.324 Der Regressanspruch des Gesellschafters lebt wieder auf, kann aber auch dann nur im Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO eingeordnet werden. Diese Ausführungen gelten für schuldrechtliche Regressansprüche, d.h. jenen aus der Absprache Gesellschaft zu Gesellschafter gem. § 670 BGB und jenen, der kraft Gesetzes (zB § 774 BGB) auf den Gesellschafter übergeht.325 Eine andere Frage ist es, ob die durch den Forderungsübergang evtl. mitgezogene Sicherheit, welche von der Gesellschaft gestellt worden war, zugunsten des Gesellschafters verwertet werden kann. Das muss möglich sein, wenn diese ohne Gläubigerbenachteiligung bestellt worden war (siehe dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO).

bb) Die Folgen nach der Inanspruchnahme einer von der Gesellschaft gestellten Si- 122 cherheit. Greift der externe Darlehensgläubiger auf die von der Gesellschaft gestellte Sicherheit zu, erhält der Insolvenzverwalter einen Anfechtungsanspruch analog §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO gegen den Gesellschafter, wenn innerhalb eines Jahres ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Konsequenz muss dann aber auch sein, dass jegliche Regressansprüche des Gesellschafters unter den Nachrang des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fallen. Diese Folgen können aber nur richtig sein, wenn die von der Gesellschaft bestellte Kreditsicherheit mit Gläubigerbenachteiligung bestellt worden war. Andernfalls kann es bereits keinen Anfechtungsanspruch analog §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO geben (siehe dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO).

cc) Regressanspruch bei freiwilliger Bezahlung durch den Gesellschafter nach dem 123 Insolvenzantrag der Gesellschaft. Zahlt ein Gesellschafter freiwillig auf eine Verbindlichkeit seiner Gesellschaft nach der Stellung des Insolvenzantrags, geht die Forderung des Gläubigers ebenfalls auf ihn über bzw wird abgetreten. Diese Situation kann eintreten, wenn die Konzernspitze entscheidet, bestimmten Vertragspartnern Stabilität zu signalisieren, damit diese andere Konzerngesellschaften weiterhin bzw zu den bisherigen Bedingungen beliefern. In dieser Konstellation wird keine Insolvenz verschleppt, wenn der Insolvenzantrag vor der freiwilligen Zahlung des Gesellschafters bereits gestellt war. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO kann auf diesen Regressanspruch also nicht angewendet werden. Wesentlich ist die freiwillige Leistung der Gesellschafterin. Zur Vermeidung von Manipulationen spricht aber der Beweis des ersten Anscheins, dass der Gesellschafter aufgrund einer bereits bestehenden Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft bezahlt hat. Diese kann erschüttert werden. Diese Auffassung steht auch nicht im Widerspruch zu jener These, dass im Eröffnungsverfahren vergebene Darlehen nachrangig zu behandeln sind, wenn kein starker vorläufiger Insolvenzverwalter agiert hat (siehe Rn 96). Bei der Bezahlung eines Gläubigers und Entstehung eines Regressanspruchs werden im Gegensatz zur Vergabe eines weiteren Kredits keine weiteren Mittel zum Verwirtschaften gewährt.

dd) Patronatserklärung. Bei der Patronatserklärung selbst handelt es sich lediglich um das Ver- 124 sprechen, dafür einzustehen, dass der Patronierte mit ausreichend Vermögen ausgestattet wird.326 Für die Frage zum Bestehen oder zur Einordnung eines Regressanspruchs ist es irrelevant, ob 324 BGHZ 192, 9 Rn 10. 325 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 156. 326 Bitter ZHR 181 (2017), 428, 440; Grimm Die Patronatserklärung (2019), S 21; Maier-Reimer/Erzbach NJW 2011, 1110, 1113. 295

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

dieser auf freiwilliger Leistung bei einer weichen oder auf vertraglich gebundener Leistung bei einer harten Patronatserklärung beruht. Ebenso ist für einen möglichen Regressanspruch irrelevant, ob die harte Patronatserklärung intern gegenüber der Gesellschaft oder extern gegenüber einem Gläubiger abgegeben worden war.327 In beiden Fällen ist die Gesellschaft auszustatten, nur wandelt sich bei der externen Patronatserklärung der Ausstattungsanspruch der Gesellschaft in einen direkten Zahlungsanspruch des Gläubigers (auf Schadensersatz).328 Wird die spätere Ausstattung nicht in das Eigenkapital geleistet, liegt eine darlehensgleiche Forderung vor. In der Insolvenz des Patronierten hat der Gesellschafter als Patron einen Regressanspruch sowohl bei interner als auch bei externer Patronatserklärung,329 der unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fällt. Maßgeblich für die Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auf den Regressanspruch des patronierenden Gesellschafters ist die Überlegung, dass der Gesellschafter bereits vor dem Insolvenzantrag verpflichtet war, die Gesellschaft mit Mitteln auszustatten.330 Dass es sich um eine bloße Verpflichtung handelte und ggf. auch nicht gegenüber Gläubigern zu erfüllen war, hindert die Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht. Im Vordergrund steht die Konsequenz, dass eine interne harte Patronatserklärung per se schon geeignet ist, den Zustand der Zahlungsunfähigkeit zu verhindern,331 sodass dem Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO (vermutete Insolvenzverschleppung) unproblematisch genügt wird. Das gilt für die externe Patronatserklärung (auch wenn sie nicht unbedingt insolvenzvermeidende Wirkung haben muss332) ebenfalls spätestens nach der Leistung des Patrons.

h) Besondere Finanzierungsformen 125 aa) Typisch stille Gesellschaft. Beteiligt sich der Gesellschafter zusätzlich still an seiner Gesellschaft, ist zu differenzieren. Erlangt er neben der Beteiligung an der Gesellschaft eine stille Beteiligung, die dem gesetzlichen Typus der §§ 230 ff. HGB entspricht, werden offene Ansprüche aus der stillen Beteiligung gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO wie Darlehensansprüche im fünften Nachrang behandelt.333

126 bb) Kein Fall: Die atypisch stille Beteiligung. Der atypisch stille Gesellschafter unterscheidet sich vom typisch stillen Gesellschafter dahingehend, dass er über die §§ 230 ff. HGB hinausreichende Rechte gewährt bekommt, insbesondere Zustimmungsvorbehalte, Zustimmungsrechte oder ein Widerspruchsrecht wie jenes des Kommanditisten.334 Zudem ist er an den vorvertraglich gelegten stillen Reserven beteiligt.335 Das bedeutet, dass er nicht wie ein gesetzestypischer stiller Gesellschafter seinen Gewinn aus jenem Gewinn der Gesellschaft errechnet, der um eine Nebenrechnung korrigiert ist. Vielmehr hat er durch seine Einlage die stillen Reserven und den Geschäfts- und Firmenwert mitvergütet, sodass im Vertrag zur stillen Gesellschaft vereinbart wird, dass er einen bestimmten Anteil vom Gewinn erhält, aber auch am Verlust beteiligt wird. Eine stille Beteiligung ist atypisch und die Einlage dann auch als Eigenkapital in der Bilanz auszuweisen, wenn eine gewisse Langfristigkeit vorliegt.336 Ob ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage

327 328 329 330 331 332 333

Zu dieser Differenzierung siehe Bitter ZHR 181 (2017), 428, 441 ff; Koch Die Patronatserklärung (2005), S 167 ff. BGHZ 117, 127, 133 f; BGH ZIP 2017, 337 Rn 6 f; Maier-Reimer/Erzbach NJW 2011, 1110, 1114. Koch Die Patronatserklärung (2005), S 313 ff, 317 ff, 323 ff. Eine Ausnahme gilt nur, soweit die interne Patronatserklärung kündbar ist, BGHZ 187, 69 Rn 27 ff. Bitter ZHR 181 (2017), 428, 446 ff; Grimm Die Patronatserklärung (2019), S 221 ff, 243 ff. Grimm Die Patronatserklärung (2019), S 270 f. Unstreitig, zB BGH ZIP 2017, 2481 Rn 7; Blaurock/Kauffeld Hdb Stille Gesellschaft9 Rn 16.23 ff; Ganter NZI 2021, 1, 3; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 57; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 230. 334 Mylich ZGR 2018, 867, 871 f. 335 Blaurock/Kauffeld Hdb Stille Gesellschaft9 Rn 8.81. 336 Blaurock/Kauffeld Hdb Stille Gesellschaft9 Rn 13.29. Mylich

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des atypisch stillen Gesellschafters gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangig oder gem. § 199 InsO gar nur im Schlussrang geltend gemacht werden kann, ist umstritten. Anders als bei sonstigen (zusätzlichen) Gesellschafterleistungen geht es nicht um die Frage „Gleichrang oder Nachrang“, sondern um die Frage „Nachrang oder Schlussrang“. Davon zu trennen ist die (nach vorliegender Auffassung unproblematisch zu bejahende) Frage, ob ein atypisch stiller Gesellschafter tauglicher Gesellschafter sein kann, um ein zusätzlich gewährtes Darlehen im Nachrang im Insolvenzverfahren einzuordnen (siehe Rn 178).

(1) Die Entwicklung in der Rechtsprechung. Vor dem MoMiG qualifizierte der BGH einen 127 stillen Gesellschafter der GmbH als Eigenkapitalgeber, wenn er derart mitgliedschaftliche Rechte erhält, dass er wie ein Gesellschafter der GmbH in den Verband einbezogen ist.337 Wichtig ist, dass der BGH die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters nicht wie Eigenkapitalersatz, sondern wie Eigenkapital behandelte;338 das betont der Bundesgerichtshof explizit.339 Für die Rechtslage nach dem MoMiG hält der Bundesgerichtshof zwar an den bisherigen Grundsätzen fest, will aber den atypisch still Beteiligten Gesellschafter (hinsichtlich der stillen Einlage!) wie einen darlehensgebenden Gesellschafter behandeln, d.h. die stille Einlage kann nur im fünften Nachrang geltend gemacht werden.340 Bemerkenswert an diesem Wechsel in der Sichtweise ist, dass die alte Rspr. vom für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Senat, hingegen die neue Sichtweise vom für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Senat stammt. (2) Sichtweisen in der Literatur. Mit ganz unterschiedlichen Begründungen ist die Literatur 128 weitestgehend auf die aktuelle Sichtweise des Bundesgerichtshofs eingeschwenkt und will den Anspruch des atypisch stillen Gesellschafters auf Einlagerückgewähr unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fassen.341 So wird konstatiert, dass der atypisch still Beteiligte mit einem GmbH-Gesellschafter oder Kommanditisten nicht gleichgestellt werden könne.342 Aus der Perspektive der Beteiligung an einer KG gebe es überhaupt keinen Kapitalschutz; das müsse auch für eine atypisch stille Beteiligung an einer GmbH gelten.343 Auch wird darauf verwiesen, wenn der II. Senat nach wie vor an der Eigenkapitalqualität einer (ausstehenden) atypisch stillen Einlage festhalte, dann beruhe das auf der vertraglichen Bindung, während die Anwendung von §§ 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 135 InsO eine gesetzliche Anordnung sei.344 Nur das im Handelsregister publizierte Eigenkapital könne den gesetzlichen Kapitalschutzregeln und damit einem Schlussrang im Insolvenzverfahren unterliegen.345 Nach einer weiteren Auffassung darf Mezzanine-Kapital grundsätzlich nicht wie Eigenkapital behandelt werden. Das führt einerseits in der Phase der Vorinsolvenz zum Wegfall von Ausschüttungssperren, im Insolvenzverfahren kann die Abgrenzung derartiger Geldgeber von den „normalen“ Insolvenzgläubigern durch Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO erreicht werden.346 Das soll auch für die atypisch stille Beteiligung gelten.347 Als weitere Sicht wird vertre337 338 339 340 341

BGHZ 106, 7, 9 ff (insb 12); BGH NZG 2006, 341 Rn 24. Blaurock FS Immenga (2004), S 497, 502 f; Habersack ZHR 161 (1997), 457, 461; Mylich WM 2013, 1010, 1012. BGH NZG 2006, 341 Rn 32. BGHZ 193, 378 Rn 10 ff; BGHZ 226, 125 Rn 25; kritisch dazu Mylich WM 2010, 1010, 1012 ff; ders ZGR 2018, 867, 883 ff. Ganter NZI 2021, 1, 6; wohl auch Manz/Lammel GmbHR 2009, 1121, 1124 f und die in den folgenden Ausführungen genannten Autoren. 342 Florstedt ZIP 2017, 2433, 2438; Hennrichs FS K Schmidt (2009), Bd I, S 435, 442. 343 Florstedt ZIP 2017, 2433, 2439. 344 Bitter ZIP 2019, 146, 151. 345 Bitter ZIP 2019, 146, 152; zustimmend Blaurock/Kauffeld Hdb Stille Gesellschaft9 Rn 16.18; iE auch Hennrichs FS K Schmidt (2009), Bd I, S 435, 442. 346 Ekkenga ZHR 185 (2021), 792 ff; Laspeyres Hybridkapital in Insolvenz und Liquidation der Kapitalgesellschaft (2013), S 191 ff. 347 Ekkenga ZHR 185 (2021), 792, 808, 810, 815, 820 f. 297

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ten, dass bei atypisch stiller Beteiligung § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf ein zusätzlich gewährtes Darlehen durch den atypisch still Beteiligten abzuwenden sei; die atypisch stille Beteiligung selbst aber § 136 InsO unterfallen soll.348

129 (3) Stellungnahme. Der atypisch stille Gesellschafter als solcher gibt Eigenkapital.349 Sein Abfindungsanspruch berührt den bilanziellen Kapitalschutz und ist in der Insolvenz im Schlussrang zu behandeln. In der Konsequenz sind nur von ihm gegebene Darlehen wie Gesellschafterdarlehen zu behandeln. Damit wird im Ergebnis einer zum früheren Eigenkapitalersatzrecht gegebenen Tendenz in der Rechtsprechung gefolgt. Entgegen der neueren Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann eine atypisch stille Beteiligung als solche nicht einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellt werden.

130 (a) Atypisch stille Beteiligung als ergänzender Geschäftsanteil. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die dogmatische Einordnung der atypisch stillen Beteiligung. Sie ist als ergänzender Geschäftsanteil zu behandeln.350 Das bedeutet, dass ein atypisch stiller Gesellschafter wie ein Quasi-Gesellschafter zu behandeln ist. Er steht einem stimmrechtslosen Gesellschafter deutlich näher als einem Genussrechtsinhaber.351 Seine Rechte sind mitgliedschaftsähnlich; sie beruhen aber nicht auf dem eigentlichen Gesellschaftsvertrag, sondern auf den Vereinbarungen im Vertrag zur stillen Gesellschaft. Aus dieser Stellung als Quasigesellschafter folgt auch, dass die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters eine solche in das Eigenkapital darstellt. Gegen diese Sichtweise spricht auch nicht, dass der stille Gesellschafter nicht zur Aufbringung des Stammkapitals beiträgt. § 30 GmbHG besagt lediglich, dass an Gesellschafter kein Vermögen ausgeschüttet werden darf, wenn die Stammkapitalziffer in der Bilanz nicht gedeckt ist. Es kommt somit darauf an, dass der atypisch stille Gesellschafter einem Gesellschafter gleichgestellt wird; dann darf er keine Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen verlangen, wenn dadurch eine Unterbilanz geschaffen oder vertieft wird.352 Die Teilnahme an der Aufbringung des Nennkapitals ist irrelevant. Konsequenz ist zugleich die Teilnahme am Insolvenzverfahren im Schlussrang. Letztlich wird von jener Ansicht, die den Abfindungsanspruch des atypisch stillen Gesellschafters unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fassen will, der Eigenkapitalbegriff verkannt. Dabei handelt es sich nicht um die Hingabe eines Vermögens, sondern um einen Passivposten in der Bilanz. So sind im Eigenkapital eben auch zusätzliche Zuschüsse der Gesellschafter bzw nicht ausgeschüttete Gewinne zu verbuchen. Und gerade im Kapitalgesellschaftsrecht sind Kapital- und Gewinnrücklagen zunächst mit aufgelaufenen Verlusten zu verrechnen, bevor sie ausgeschüttet werden können. Und genau diese Pflicht kann auch dem atypisch stillen Gesellschafter zugemutet werden: Er hat die Verbuchung seiner Einlage im Kapital aufgrund seiner gesellschaftergleichen Stellung hinzunehmen. Daher kann er Gewinn oder eine Abfindung nur dann beziehen, wenn der bilanzielle Zustand der Gesellschaft die Auflösung von Rücklagen zur Abfindung eines (Quasi-)Gesellschafters noch zulässt. Das bedeutet, es geht allein darum, ob der Finanzierungsbeitrag des atypisch still Beteiligten im Eigen- oder Fremdkapital zu verbuchen ist. Auf eine (fehlende) Pflicht zur Leistung einer Stamm- oder Hafteinlage kann es dabei nicht ankommen.

348 Krolop GmbHR 2009, 397, 403. 349 Mylich WM 2010, 1010, 1012 ff; ders ZGR 2018, 867, 883 f; K Schmidt ZHR 178 (2014), 10, 44 ff; unklar GK-GmbHG/ Habersack3 Anh § 30 Rn 94 Fn 344 wo die Eigenkapitalqualität bejaht wird mit dem Hinweis, dass § 39 Abs. 1 S 1 Nr. 5 InsO trotzdem nicht ausgeschlossen sei; widersprüchlich Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock HGB5 so wie hier in § 232 Rn 35 und v.a. § 230 Rn 147 mit Verweis auf § 199 InsO, aber dann in § 232 Rn 36 mit Verweis auf § 39 Abs. 1 S 1 Nr. 5 InsO. 350 Mylich ZGR 2018, 867, 873 ff; i.E. auch Wilhelm Dritterstreckung im Gesellschaftsrecht (2017), S 114 ff; Röhricht/ Graf von Westphalen/Haas/Mock HGB5 § 230 Rn 129. 351 Mylich ZGR 2018, 867, 876 ff. 352 Mylich ZGR 2018, 867, 883 f. Mylich

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(b) Der Wortlaut und der Zweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. Auch widerspricht es dem 131 Wortlaut von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters darunter zu fassen. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine Gesellschafterposition besteht und zusätzliche Mittel gegeben werden.353 Beteiligt sich der Geldgeber (typisch oder atypisch) still, fehlt (zunächst) die Gesellschafterposition, auf der aufgebaut werden kann. Vielmehr ist hinsichtlich der Einlage zunächst nach der Art der stillen Beteiligung zu differenzieren: Die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters ist im Schlussrang zu bedenkendes Eigenkapital, während die Einlage des typisch stillen Gesellschafters Fremdkapital darstellt. Nur letztere kann § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfallen, wenn entweder der Geldgeber zugleich Gesellschafter ist oder die Beteiligten sich auf diesen Rang geeinigt haben. Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist jener, dass ein Gesellschafter bzw eine vergleichbare Person zusätzlich Fremdkapital gibt und die unwiderlegliche Vermutung existiert, dass durch Hergabe von Kapital oder Belassen des Kapitals ein Insolvenzverfahren verschleppt worden ist. Wenn die „moderne“ Auffassung den atypisch still Beteiligten ausschließlich unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fassen will, stünde infrage, wie seine zusätzlichen Darlehen eingeordnet werden können. Hier würde es an der notwendigen Gesellschafterposition oder gesellschaftergleichen Position fehlen.

(c) Weitestgehende Finanzierungsfreiheit des stillen Gesellschafters. Der zT vertretenen 132 These, dass es den Beteiligten am Vertrag zur stillen Gesellschaft unbenommen ist, die Einordnung selbst zu regeln,354 kann für die atypisch stille Beteiligung nur begrenzt zugestimmt werden. Sie ist richtig, soweit es um die Höhe geht. Hingegen ist die Einordnung einer Einlage als solche der Disposition der Beteiligten entzogen.355 Insoweit ist auch das Bilanzrecht zwingend. Noch nicht näher ausgeleuchtet ist in dieser Hinsicht die Frage, ob Bilanzrecht nur Folgerecht zum Zivil-, insbesondere Gesellschaftsrecht sein oder auch selbständig Vorgaben machen kann. Geht man letzteren Weg, folgt die Eigenkapitalqualität bereits aus der Verbuchung im Jahresabschluss. Der neuen Tendenz ist aber insoweit stattzugeben, dass es der Bestimmung des atypisch stillen Gesellschafters obliegt, ob er ein Darlehen oder eine Einlage leistet. Das ergibt sich aber auch aus den Vertragsbedingungen, denn von der Höhe seiner Einlage hängt die Gewinnbeteiligung ab. Im Umfang der festen Verzinsung kann hingegen ein Darlehen angenommen werden. Unterstellt man den Beteiligten den Willen, Mezzanine-Kapital in einem Insolvenzverfahren vor den Einlagen der Gesellschafter zu befriedigen,356 kann innerhalb der Kapitalgeber im Schlussrang differenziert werden.

(d) Die Einlage der Mitglieder eines „stillen Verbandes“. Bei einem „stillen Verband“ stellt 133 sich ein Rechtsträger ausschließlich in den Dienst seiner stillen Gesellschafter, denen Entscheidungsgewalt und Jahresergebnis zustehen. Die stillen Gesellschafter sind untereinander wie Gesellschafter verbunden, sodass von einer „Innen-KG“ gesprochen wird.357 Auch diese still Beteiligten sind wie Eigenkapitalgeber zu behandeln, sodass ihr Abfindungsanspruch nicht gem § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangig, sondern im Schlussrang zu behandeln ist.358

353 354 355 356

Das konzediert auch Florstedt ZIP 2017, 2433, 2440; insoweit zutreffend Krolop GmbHR 2009, 397, 403. Bitter ZIP 2019, 146, 152; zustimmend Blaurock/Kauffeld Hdb Stille Gesellschaft9 Rn 16.18. AA offensichtlich auch Hennrichs FS K Schmidt (2009), Bd I, S 435, 442. Dieses Anliegen von Laspeyres Hybridkapital in Insolvenz und Liquidation der Kapitalgesellschaft (2013), S 191 ff ist bedenkenswert. 357 K Schmidt ZHR 178 (2014), 10, 17 f. 358 So explizit auch K Schmidt ZHR 178 (2014), 10, 44 ff. 299

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134 (e) Fazit und Folgen. Der Abfindungsanspruch des atypisch stillen Gesellschafters fällt nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, sondern ist im Schlussrang zu bedenken. Konsequenz ist dann, dass aufgrund seiner Einordnung als Quasigesellschafter zusätzliche Darlehen unproblematisch unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO gefasst werden können. Das ist eine Frage des geeigneten Darlehensgebers und dort zu diskutieren (siehe Rn 178). Die Folgen der vorliegend vertretenen Auffassung gegenüber der „modernen“ Auffassung sind in der Insolvenz: (1) Schlussrang statt Nachrang; (2) Keine Besicherbarkeit statt Besicherbarkeit ggf. unter Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO; (3) Keine Anwendbarkeit des Kleinbeteiligtenprivilegs statt § 39 Abs. 5 InsO. Für eine PublikumsKG betont das OLG Hamburg gerade diesen Aspekt und stuft den Anspruch auf Rückgewähr der Einlage durch einen geringfügig beteiligten Kommanditisten mit Recht als § 199 S. 2 InsO fallend ein.359 Das muss dann auch für den atypisch stillen Gesellschafter gelten. Folgen der vorliegend vertretenen Auffassung gegenüber der „modernen“ Auffassung sind außerhalb der Insolvenz: Die Zahlung von Zinsen, Gewinnen bzw die Rückerstattung der Einlage setzen freies Kapital iSv § 272 Abs. 2 HGB voraus, statt dass eine Zahlung und Rückzahlung beliebig möglich sein kann und nur bei einem Insolvenzantrag innerhalb eines Jahres erstattet werden muss.

135 cc) Genussrechte. Zusätzliche Genussrechte des Gesellschafters unterfallen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.360 Das gilt auch, wenn man die atypisch stille Beteiligung als eigenkapitalgleich einordnet. Die komplett fehlende Einflussmöglichkeit361 des Genussrechtsinhabers legt mE hier eindeutig die ausschließliche Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nahe. In der Praxis werden Genussrechte zumeist mit einem Nachrang gem § 39 II InsO versehen.362 Davon abzugrenzen ist die Frage, ob der Inhaber eines Genussrechts ohne Beteiligung als Gesellschafter einem Gesellschafter gleichgestellt werden kann (dazu siehe Rn 185).

136 dd) Schuldverschreibungen. Schuldverschreibungen verbriefen ein Recht, das wirtschaftlich der Rückforderung eines Darlehens vergleichbar ist, sodass § 39 I S 1 Nr 5 InsO auf sie anzuwenden ist, wenn der Berechtigte zugleich Gesellschafter ist.363 Das gilt auch, wenn die Schuldverschreibungen am Kapitalmarkt gehandelt werden.364

137 ee) Factoring. Beim Factoring kauft der Factor Forderungen an. Beim echten Factoring kauft der Factor die Forderungen endgültig an. Die h.M. qualifiziert wegen der Endgültigkeit des Ankaufs das Factoring als Kaufvertrag,365 sodass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO keinen Anwendungsbereich besitzt, auch wenn der Kaufvertrag zB wegen der Nichtexistenz der Forderung rückabgewickelt werden muss. Auch mit der Gegenansicht kommt man zu diesem Ergebnis. Zwar qualifiziert sie das Factoring als typengemischten Vertrag (auch mit Darlehenselementen), doch wird betont, dass die Risikostruktur der eines Kaufvertrags entspreche.366 Es kann sich allenfalls ein Nachrang ergeben, wenn der Gesellschafter als Factor von der Nichtexistenz der Forderung wusste und den Rückforderungsanspruch längere Zeit nicht geltend macht. Insoweit ist auf die Prinzipien zur Stundung bzw zum Stehenlassen zurückzugreifen (siehe Rn 105). Beim unechten Factoring kauft 359 360 361 362 363

OLG Hamburg NZG 2015, 1192 Rn 27. BGHZ 221, 100 Rn 59 f. Zu diesem Unterschied Mylich ZGR 2018, 867, 877. Mock NZG 2014, 102, 103. BGHZ 221, 100 Rn 59 f; Wilhelm ZHR 180 (2016), 776, 786 f; zur früheren Rechtslage BGH ZIP 2010, 1443 Rn 3 f; zur Einordnung von Anleihen siehe auch Habersack FS Seibert (2019), S 257, 267 ff. 364 BGHZ 221, 100 Rn 61. 365 BGHZ 69, 254, 257 f; BGHZ 76, 119, 125; BGHZ 100, 353, 358 f; BGH NJW 2018, 2254 Rn 25. 366 Larenz/Canaris SchuldR BT II/213 § 65 II 2 b), S 89; dagegen zB BankR-HB/Omlor6 Bd II § 81 Rn 35. Mylich

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der Factor die Forderungen zwar an, gibt sie dem Gläubiger aber bei Uneinbringlichkeit zurück. Das unechte Factoring wird von der h.M. und Rechtsprechung als darlehensgleich qualifiziert,367 aber mit der Besonderheit, dass die Forderung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) und nicht zur Sicherheit zediert wird.368 Von der Diskussion um die dogmatische Einordnung des unechten Factorings hängt jedoch ab, ob sofort ab Auszahlung des Betrags an die Gesellschaft oder erst nach 90 Tagen ein Darlehenscharakter angenommen werden kann. Vom Kaufvertrag unterscheidet sich das unechte Factoring insoweit, dass zwar die Forderung „angekauft“ wird, jedoch das Entgelt an den Factor bei Uneinbringlichkeit der Forderung zurückzuzahlen ist. Vom Darlehensvertrag unterscheidet sich das unechte Factoring insoweit, als der gezahlte Betrag dem Factorunternehmen gerade nicht zurückzuzahlen ist, sondern sich der Factor aus der Forderung befriedigt. Nur bei Uneinbringlichkeit der Forderung fließt der gezahlte Betrag zurück. Würde man das unechte Factoring mit einer Mindermeinung als (atypischen) Kaufvertrag qualifizieren,369 gelangt man nicht zur Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. Qualifiziert man das unechte Factoring als Darlehensvertrag, steht hingegen die Kreditfunktion der Factorzahlung im Vordergrund. Das gilt auch, wenn man anerkennt, dass der Gesellschafter als Factor vorrangig Befriedigung aus der zedierten Forderung suchen soll (§ 364 Abs. 2 BGB).370 Daher ist der Anspruch des Gesellschafters als unechter Factor an die Gesellschaft auf Rückzahlung eine darlehensgleiche Forderung und unterfällt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO371 (zur Besonderheit einer Nichtanwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf die Zession beim unechten Factoring siehe die Kommentierung zu § 135 InsO). Das gilt dann, wenn sich von Anfang an die Wertlosigkeit der zedierten Forderung herausstellt, aber auch wenn die zedierte Forderung nachträglich (zB durch eine Insolvenzanfechtung) wertlos wird.

ff) Pensionsgeschäfte. Pensionsgeschäfte sind in § 340b HGB geregelt. Sie sind in § 340b Abs. 1 138 HGB dahingehend definiert, als der Pensionsnehmer einen Gegenstand gegen Hergabe von Geld in Pension nimmt. Gem. § 340b Abs. 2 HGB liegt ein echtes Pensionsgeschäft bei der Verpflichtung des Pensionsnehmers zur Rückübertragung vor, sodass gem. § 340b Abs. 4 HGB der Pensionsgegenstand weiterhin in der Bilanz des Pensionsgebers auszuweisen ist. Gem. § 340b Abs. 3 HGB liegt ein unechtes Pensionsgeschäft bei bloßer Berechtigung des Pensionsnehmers zur Rückübertragung vor, sodass gem. § 340b Abs. 5 HGB der Pensionsgegenstand in der Bilanz des Pensionsnehmers auszuweisen ist. Dogmatisch ist umstritten, ob der Pensionsvertrag als Kauf mit Rückkaufsverpflichtung oder als Kreditgeschäft mit Sicherungsübereignung einzuordnen ist.372 Die Frage ist sowohl für die Einordnung des Rückzahlungsanspruchs eines Gesellschafters als Pensionsnehmer als auch für den Umgang mit dem Gegenstand unter anfechtungsrechtlichen Aspekten373 relevant (siehe dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO). Ob § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zur Anwendung gelangt, hängt davon ab, ob die kaufvertragliche oder die kreditvertragliche Risikostruktur überwiegt.374 Für die Frage der Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist dazu ausschließlich die Perspektive der Gesellschaft als Pensionsgeberin einzunehmen, denn § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO soll die Gläubiger ihres Vermögens in ihrer Insolvenz schützen. Es kommt somit darauf an, 367 BGHZ 58, 364, 367; BGHZ 69, 264, 267; BGHZ 71, 306, 308; BGHZ 82, 50, 61; BGHZ 100, 353, 358; BGH NJW 2018, 2254, Rn 33. 368 BGHZ 58, 364, 366 f; BGH NJW 2018, 2254, Rn 33; Larenz/Canaris SchuldR BT II/213 § 65 II 2 a), S 88. 369 Blaurock ZHR 142 (1978), 325, 340 f; dagegen zB BankR-Hb/Omlor6 Bd II § 81 Rn 45. 370 Dazu BankR-Hb/Omlor6 Bd II § 81 Rn 48. 371 Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 135; Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 84; Scholz/ Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 223. 372 Dazu BankR-Hb/Teuber6 § 85 Rn 19 f; Staudinger/Mülbert BGB2015 § 488 Rn 772 f. 373 Nur dieser wird bei Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 227 beleuchtet. 374 Pauschal für § 39 Abs. 1 S 1 Nr. 5 InsO FK/Bornemann InsO9 § 39 Rn 65; pauschal gegen die Anwendung Rösch Gesellschafterfremdfinanzierung (2013), S 335 ff; unklar Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 227. 301

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ob die Gesellschaft als Pensionsgeberin den Kreditcharakter erzwingen kann (dann § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO) oder ob der Gesellschafter als Pensionsnehmer den Kreditcharakter vereiteln kann (dann nicht § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO). Das bedeutet, dass das echte Pensionsgeschäft von Anfang an als Kreditgeschäft einzuordnen ist, wenn die Gesellschaft als Pensionsgeberin vom Recht auf Rückforderung Gebrauch macht. Der Anspruch des Gesellschafters als Pensionsnehmer auf Rückzahlung seines Geldes entspricht somit jenem eines (mit dem Pensionsgegenstand besicherten) Darlehensgebers,375 sodass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO anwendbar ist. Das hat auch die Konsequenz, dass auf die Übertragung des Pensionsgegenstandes § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anwendbar ist, wenn man dem BGH folgt und die Anwendung von § 142 InsO ablehnt.376 Hingegen steuert der Pensionsnehmer beim unechten Pensionsvertrag das strukturelle Risiko. Er kann den Kreditcharakter vermeiden. Daher liegt in diesem Fall die kaufvertragliche Risikoverteilung näher.377 Zunächst ist § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht anwendbar, sodass auch der Pensionsgegenstand nicht anfechtbar gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO in das Vermögen des Gesellschafters als Pensionsnehmer gelangt. Übt der Gesellschafter als Pensionsnehmer allerdings sein Recht dahin aus, dass er die Gesellschaft als Pensionsgeber zur Rücknahme des Gegenstandes samt Rückgabe des Geldes auffordert, entsteht im Nachgang ein kreditähnlicher Rückzahlungsanspruch. Dieser ist unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen. Das bedeutet für die Rückabwicklung, dass die Rückzahlung durch die Gesellschaft als Pensionsgeberin gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist, wenn innerhalb des Jahres nach der Rückzahlung Insolvenzantrag gestellt werden muss. Jedoch ist eine Gläubigerbenachteiligung in der Höhe zu verneinen, als die Gesellschaft den Gegenstand zurückerhält und einen Verwertungserlös bzw Nutzungsvorteil erzielen kann.

139 gg) Zentrale Regulierung im Konzern. Bei einer zentralen Regulierung im Konzern übernimmt ein zentraler Regulierer neben den Buchhaltungspflichten auch die Bezahlung gegenüber dem Lieferanten.378 Der BGH nimmt deshalb einen Geschäftsbesorgungsvertrag an,379 doch wird die Delkrederehaftung gegenüber dem Lieferanten als bürgschaftsähnlich eingeordnet.380 Es ist daher bedenklich, die Prinzipien des Stehenlassens anzuwenden381 – das kann nur richtig sein, wenn das Geschäftsbesorgungselement klar im Vordergrund steht. Bei dieser Einordnung darf erst mit Fälligkeit der Forderung des Vertragspartners ein Avalkredit angenommen werden, sodass der Aufwendungsersatz bei der belieferten Konzerngesellschaft unabhängig von seiner sofortigen Geltendmachung durch den zentralen Regulierer immer als kreditgleich einzustufen ist (und daher § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfällt).

i) Ansprüche bei gestreckten Verkehrsgeschäften 140 aa) Grundsatz. Unter gestreckten Verkehrsgeschäften versteht man solche, bei denen nicht Zugum-Zug Leistung und Gegenleistung innerhalb kurzer Zeit abgewickelt werden, sondern bei denen sich die Erbringung von Leistung oder Gegenleistung über einen längeren Zeitraum erstreckt bzw eine Partei in Vorleistung tritt. Für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO relevant sind Vorausleistungen des Gesellschafters bei Verkehrsgeschäften. In diesem Fall ist ein Drittvergleich vorzunehmen. Ist die Vorauszahlung auch unter Dritten üblich, wird man insoweit keine einem Gesellschafterdarlehen 375 BankR-Hb/Teuber6 § 85 Rn 19 f; Cahn/Ostler AG 2008, 221, 222; aA Staudinger/Mülbert BGB2015 § 488 Rn 772. 376 Siehe BGHZ 221, 100 Rn 42 ff; daher kritisch zum Ganzen auch für das Pensionsgeschäft Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 227. 377 Zumindest das Kreditgeschäft ablehnend Staudinger/Mülbert BGB2015 § 488 Rn 772. 378 Ganter NZI 2021, 1, 4. 379 BGH NJW-RR 2017, 1527 Rn 16. 380 Ganter NZI 2021, 1, 4. 381 So offensichtlich Ganter NZI 2021, 1, 4. Mylich

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vergleichbare Zahlung annehmen können. Hat der Gesellschafter als Verkäufer zunächst den Kaufgegenstand geliefert, kann der Kaufpreis unter Beachtung der Prinzipien zur Stundung bzw zum Stehenlassen (siehe Rn 105) als Insolvenzforderung gem. § 38 InsO eingeordnet werden. Hatte hingegen der Gesellschafter als Käufer den Kaufpreis im Voraus gezahlt, wird man eine Kreditierung annehmen können, wenn nicht wegen der Besonderheit des Kaufes auch ein Dritter den Kaufpreis vorgeschossen hätte. Ist die Vorauszahlung des Gesellschafters kreditgleich einzuordnen, handelt es sich bei noch offenem Anspruch auf die Gegenleistung um einen Anspruch, der unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fällt.382 Ist die Gegenleistung nach unüblich früher Vorleistung erbracht worden, muss die verspätete Gegenleistung der Gesellschaft in Analogie zu § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO behandelt werden (siehe dazu die Kommentierung zu § 135 InsO). Das führt bei einem Insolvenzantrag der Gesellschaft innerhalb des Jahres nach Erbringung der Gegenleistung zu einem Anfechtungsanspruch gegen den Gesellschafter, der sich allerdings auf den Leistungsgegenstand richtet. Der Anspruch auf den Leistungsgegenstand lebt sodann wieder auf, ist aber wegen der kreditgleichen Wirkung der Anzahlung nur gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nachrangig zu behandeln.

bb) Der Rücktritt vom Vertrag. Tritt eine Partei des Austauschvertrags zwischen Gesellschaft 141 und Gesellschafter vom Vertrag zurück, gilt für die Rückabwicklung § 348 BGB. Der Insolvenzverwalter wird sich in analoger Anwendung von § 103 InsO entscheiden müssen, ob er die Rückabwicklung vornimmt oder der Gesellschafter als Rücktrittsgläubiger seinen Anspruch analog § 103 Abs. 2 S. 1 InsO durchsetzen muss.383 Der Rückgewähranspruch des Gesellschafters ist zunächst nicht kreditgleich einzuordnen; bei rechtzeitiger Klageerhebung (dazu siehe Rn 150) ist der Gesellschafter einfacher Insolvenzgläubiger. Wartet der Gesellschafter hingegen ab, kommt dem Anspruch auf Rückgewähr des Geldes der Charakter eines Gesellschafterdarlehens zu. Das hebelt zwar nicht die Wirkung von § 348 BGB aus, jedoch ist die verspätete Rückzahlung der ursprünglichen Vertragsleistung wie die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens zu behandeln. War im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung der Vertrag noch nicht rückabgewickelt, der Anspruch auf Rückgewähr in Geld aber stehengelassen, wird sich der Insolvenzverwalter auch hier in analoger Anwendung von § 103 InsO entscheiden müssen, ob er der Rückabwicklung Folge leistet oder auf die Rücknahme des mangelhaften Vertragsgegenstandes (zunächst) verzichtet, sodass der Rückgewähranspruch des Gesellschafters nur im fünften Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu behandeln ist.

cc) Kauf unter Eigentumsvorbehalt. Der Kauf unter Eigentumsvorbehalt enthält dadurch ein 142 Kreditelement, weil der Kaufpreis gestundet wird. Auch wenn das Eigentum bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung nicht übertragen wird, steht im Vordergrund, dass der Vorbehaltskäufer den Gegenstand bereits nutzen kann. Daher spricht auch nicht gegen eine Einordnung als Kreditgeschäft, dass der Eigentumsvorbehalt ein Element von § 320 BGB ist (vollständige Eigentumsübertragung erst gegen vollständige Kaufpreiszahlung).384 Wirtschaftlich wird der Kaufpreis gestundet und damit kreditiert.385 Die Konsequenz lautet, dass offene Kaufpreisraten in der Insolvenz der Gesellschaft als Käuferin unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen sind.386 Entscheidet sich der Insolvenzverwalter der Gesellschaft als Käuferin für die Fortsetzung des Vertrags gem. § 103 382 Clemens Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG (2012), S 306; Rösch Gesellschafterfremdfinanzierung (2013), S 328 ff; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 213 ff; aA wohl Thole ZIP 2017, 1742, 1746. 383 Jaeger/Jacoby2 InsO § 103 Rn 88 ff; Häsemeyer KTS 2002, 603, 606; aA Muthorst KTS 2009, 467, 475 f. 384 So aber Altmeppen ZIP 2019, 1985, 1992; kritisch dazu Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 218. 385 Bitter ZIP 2013, 1497, 1504; Bitter ZIP 2019, 737, 741; Mylich ZHR 176 (2012), 547, 569; Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 84; Rösch Gesellschafterfremdfinanzierung, S 324 f. 386 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 218; aA Altmeppen ZIP 2019, 1985, 1992. 303

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§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Abs. 1, § 107 Abs. 2 InsO, sind allenfalls offene Raten der Vergangenheit unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen; für die nach Verfahrenseröffnung entstehenden Raten gilt § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Lehnt der Verwalter die Fortsetzung des Vertrags ab, sind offene Ansprüche der Vergangenheit und der Zukunft nachrangige Ansprüche gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.387 Allerdings kann nunmehr der Gesellschafter den Gegenstand aussondern. Im Gegenzug erstattet er die erhaltenen Zahlungen und hat einen Anspruch auf Schadensersatz. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO hindert den Gesellschafter nicht an der Aufrechnung.388 Die sich beim verlängerten Eigentumsvorbehalt stellenden Probleme zur vorauszedierten Weiterverkaufsforderung fallen unter § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO (siehe dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO).

143 dd) Werkvertrag. Bei Werkverträgen gilt das im BGB angelegte Prinzip, dass der Werkunternehmer das Werk erbringt und nach Abnahme der Besteller das Werk vergütet. Ist der Gesellschafter Werkunternehmer, wird der Werklohnanspruch erst im Fall des Stehenlassens oder der Stundung darlehensähnlich. Ist es hingegen unter Dritten üblich, eine Vorauszahlung oder Zwischenvergütung zu verlangen, tritt bei einem Verzicht auf diese letztlich eine Kreditähnlichkeit dieses Werklohnteils ein. Ist die Gesellschaft Werkunternehmerin, ist der Anspruch des Gesellschafters als Besteller nur dann kreditähnlich einzustufen, wenn er eine Vorausvergütung geleistet hat, die unter Dritten unüblich ist. Erbringt der Gesellschafter seine Werkleistung im Voraus, wie es unter Dritten üblich ist, steht infrage, wann die vom BGH gezogene Frist von 90 Tagen (siehe Rn 105) beginnt. Hier wird man nicht auf das Stellen der Rechnung, sondern auf die Abnahme des Werks durch die Gesellschaft als Auftraggeber abstellen müssen. Liegen zwischen letzter Werkleistung und Abnahme mehr als ein paar Tage, wird man auf die letzte Werkleistung abstellen müssen.

144 ee) Lizenzvertrag. Kommt zwischen der Gesellschaft als Lizenznehmerin und dem Gesellschafter als Lizenzgeber ein Vertrag zur Lizenzüberlassung zustande, ist für die Einordnung einer nachträglichen Lizenzvergütung entscheidend, ob auch bei einem Lizenzvertrag unter Dritten die Vergütung in entsprechender nachträglicher Zeit stattfinden würde.389 Der Bundesgerichtshof verweist damit auf allgemeine Kriterien zur Einordnung von Verträgen, bei denen Leistungen nicht vollständig in einem Vorgang Zug um Zug ausgetauscht werden können.

145 ff) Tätigkeitsvergütung und Altersruhegeld. Die nachträgliche Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers kann grundsätzlich Darlehenscharakter haben.390 Das ist dann der Fall, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer unüblich lange Zeit nach Erbringung seiner Leistung seine Vergütung erhält. Hingegen soll ein Altersruhegeld eine verbleibende Treue gegenüber der Gesellschaft abgelten, sodass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht anwendbar sein soll.391 Das ist zweifelhaft.392 Nicht in eine Bewertung dieses Vorgangs darf einfließen, dass der Anspruch des Gesellschafter-Geschäftsführers besichert wird. Eigentlich wird die besondere Treue durch einen stetig steigende Vergütung honoriert.

146 gg) Vergütung für geleistete Dienste. Erbringt ein Gesellschafter Dienste iSd §§ 611, 675 BGB, wird die nachträgliche Geltendmachung der Vergütung dem üblichen Ablauf entsprechen und 387 388 389 390 391 392

GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 61. AA GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 61; Saenger/Inhester/Kolmann GmbHG4 Anh § 30 Rn 124. BGH ZIP 2022, 654 Rn 49. BGHZ 180, 38 Rn 24; BGHZ 202, 59 Rn 50; BAGE 147, 373 Rn 30 ff. BGH ZIP 2020, 2409 Rn 30 f. Berechtigte Kritik bei Jacoby Beilage ZIP 22/2016, 35 ff; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 211.

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

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nicht darlehensgleich sein. Wie beim Werkvertrag (siehe Rn 143) stellt sich die Frage, ab wann die Frist von 90 Tagen für eine Umqualifikation beginnt. Man wird (mangels Abnahme) auf den letzten Dienstleistungsakt abzustellen haben, wenn nicht bereits vertraglich fixe Vergütungsfristen vereinbart worden sind. Würde ein Dritter als Dienstleister nur gegen Vorkasse die Dienstleistung erbringen, wird man den Vergütungsanspruch des Gesellschafters als Dienstleister von Anfang an als darlehensgleich einzuordnen haben, wenn die Gesellschaft nicht Vorkasse geleistet hat.393

j) Miete und Leasing aa) Miete. Mietsachverhalte wurden vor Einführung des MoMiG von der Rechtsprechung als 147 eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassung behandelt.394 Der Gesetzgeber hat mit dem MoMiG vom Gesellschafter initiierte Mietverhältnisse inhaltlich von den Gesellschafterdarlehen gelöst, auch wenn er diese formell (§ 135 Abs. 3 InsO) noch im gleichen Kontext behandelt. Es bleibt dem Gesellschafter unbenommen, seine überlassene Mietsache auszusondern. Allerdings kann der Insolvenzverwalter den Gegenstand noch maximal ein Jahr weiternutzen395 (näher dazu in der Kommentierung von § 135 InsO). Dafür muss er den bislang tatsächlich gezahlten Mietzins vergüten. Das bedeutet für aufgelaufenen Mietzins, dass dieser nur bei einer Stundung oder beim Stehenlassen darlehensgleichen Charakter erlangt und nur in diesem Fall im Nachrang von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO geltend gemacht werden kann.396 Die Gegenauffassung will ein Kreditelement annehmen;397 sie verkennt aber dabei, dass Mietzinsen (anders als die Leasingrate!) ein Entgelt für die aktuelle Überlassung sind. Künftige Mietzinsen sind allein nach § 135 Abs. 3 InsO zu beurteilen.398 Auch nach Verfahrenseröffnung entstehender Mietzins kann nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO gefasst werden.399

bb) Leasing. Während bei einer Miete die Überlassung im Vordergrund steht, steht beim Leasing 148 die Finanzierung im Vordergrund (siehe Rn 35). Anders als der Mieter trägt der Leasingnehmer das Risiko der Verschlechterung der Leasingsache nach Beginn des Vertragsverhältnisses.400 Aus dieser Finanzierungsfunktion resultiert eine andere Funktion der Leasingraten gegenüber den Mietraten. Beide sollen die Kosten des Leasinggebers bzw Vermieters amortisieren bzw refinanzieren. Bei der Miete steht aber wegen der Gefahrtragung des Vermieters die Vergütung für die Gebrauchsüberlassung im Vordergrund. Hingegen trägt beim Leasing der Leasingnehmer die Sachgefahr, sodass die Vergütung beim Leasing einer Darlehensrückzahlung nähersteht (siehe Rn 35). Konsequenz ist dann, dass noch offene Leasingraten unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fallen.401 Der Umgang mit dem Leasingobjekt regelt sich nicht nach § 135 Abs. 3 InsO, sondern nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO.402 Die Anfechtung wird aber mangels Gläubigerbenachteiligung entfallen,

393 394 395 396

So auch zum früheren Eigenkapitalersatzrecht Dittmer Gesellschafter-Dienstleistungen (1997), S 57 ff. Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 57 ff. Ausführlich dazu Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 443 ff. BGHZ 204, 83 Rn 69; Bitter ZIP 2010, 1, 10; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 59, 176; Mylich ZGR 2009, 474, 502; Saenger/Inhester/Kolmann GmbHG4 Anh § 30 Rn 223 ff; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 457. 397 Büscher FS Hüffer (2011), S 81, 89 f; Haas FS Ganter (2010), S 189, 191 ff; Henkel ZInsO 2009, 1577, 1579; Hölzle ZIP 2009, 1939, 1946 f; Rösch Gesellschafterfremdfinanzierung (2013), S 221 f. 398 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 453 ff. 399 Heckschen/Kreußlein RNotZ 2016, 351, 364; aA Hölzle ZIP 2009, 1939, 1946. 400 Dies auch für Fragen zu § 135 InsO betonend Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 429. 401 LG Berlin WM 2019, 1177, 1178; Clemens Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG (2012), S 312 ff; Schröder Reform des Eigenkapitalersatzrechts (2012) Rn 413; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 38; aA GKGmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 60. 402 AA Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 432 f. 305

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

wenn der Leasinggeber den Gegenstand zunächst angeschafft hat (näher dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO).

149 cc) Sale-and-lease-back oder Rückvermietung. Erwirbt der Gesellschafter von der Gesellschaft den Gegenstand, kommt es auf die Gefahrtragung an, wie die Miet- oder Leasingraten bei einer Rückvermietung bzw Rückleasing eingeordnet werden. Steht die Überlassung im Vordergrund und trägt der erwerbende Gesellschafter das Untergangs- und Mängelrisiko für das erworbene Objekt, liegt eine Rückvermietung vor. Der Mietvertrag unterfällt ggf § 109 InsO, zudem ist § 135 Abs. 3 InsO anzuwenden. Steht die Finanzierung im Vordergrund und trägt die Gesellschaft das Untergangs- und Mängelrisiko für das erworbene Objekt, kommen die Leasingregeln zur Anwendung. Das bedeutet dann, dass offene Leasingraten § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfallen und auf das Leasingobjekt § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO Anwendung findet (näher dazu bei § 135 InsO).403 Die h.M. mit ihrer Gleichsetzung von Leasing und Miete auch in der Insolvenz negiert den Finanzierungscharakter und kommt zu einem gegenseitigen Vertrag, auf den die §§ 103 ff. InsO anzuwenden sind. Überdenkt man das Ergebnis der h.M., lässt sich vom Ergebnis her die Unrichtigkeit nachweisen. Erwirbt der Gesellschafter von seiner Gesellschaft einen Spezialgegenstand und überlässt ihn ihr anschließend, muss zunächst geprüft werden, ob vordergründig eine Finanzierung oder ein Kaufvertrag wie unter Dritten mit einer anschließenden Vermietung gewollt ist. Liegt der erste Fall vor, erscheint es wenig sachgerecht, den Fall anders zu behandeln, als die Hingabe eines Darlehens gegen die Gewährung einer Kreditsicherheit.404

150 k) Im Prozesswege geltend gemachte Forderungen. Wird Klage gegen die Gesellschaft auf Begleichung einer Schuld aus einer nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fallenden Forderung erhoben (Bsp.: Der [Minderheits-]Gesellschafter verkauft der Gesellschaft einen Gegenstand oder erbringt ein Werk; mit Zustimmung der Gesellschaftermehrheit weist der Geschäftsführer auf Mängel hin; im unverzüglich angestrengten Prozess obsiegt der Gesellschafter mit seiner Kaufpreis- oder Werklohnforderung), wird man kein Stehenlassen annehmen können.405 Durch die Klageerhebung macht der Gesellschafter deutlich, dass er wie ein Dritter seine Forderung durchzusetzen gedenkt. Handelte es sich hingegen um eine unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fallende Forderung, ist m.E. trotz Klageerhebung eine „Entstrickung“ aus dem Recht der Gesellschafterdarlehen unter Heranziehung des Gedankens von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht sachgerecht. Zwar versetzt sich der Gesellschafter durch Klageerhebung in die Position eines Dritten; gleichwohl hat er durch die Darlehensgewährung (bzw Novation einer Forderung aus einem Austauschvertrag) zur Insolvenzverschleppung beigetragen. Der Anspruch auf Prozesskostenerstattung fällt in keinem Fall unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. Es handelt sich um eigenständige Verfahrenskosten. Diese sind vor der Insolvenz entstanden, sodass sie nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO fallen (siehe Rn 43). Sie werden aber auch nicht akzessorisch zur Hauptforderung eingeordnet.

151 l) Unwirksame Verträge. Bei unwirksamen Verträgen muss zunächst zwischen Darlehensgeschäften und vergleichbaren Geschäften, die unwirksam sind, und solchen Verträgen differenziert werden, die nicht darlehensgleich einzuordnen sind.

403 Siehe die vorigen Fn; der Meinungsstand entspricht dem zum Leasing. 404 Genau gegenteilig argumentiert Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 225 iVm 229 und Rn 430 ff. 405 Wohl auch BAG 2014, 927 Rn 31; Felsch ZIP 2021, 123, 126. Mylich

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

§ 39

aa) Unwirksame Darlehensverträge. Zu unwirksamen Darlehensverträgen wird in der Litera- 152 tur vertreten, dass diese nicht nachrangig sein könnten, weil ein Bereicherungsanspruch eine andere Natur habe als ein Darlehensrückzahlungsanspruch.406 Während ersterer umgehend fällig sei, ergebe sich die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs aus den Vertragsbedingungen. Zudem könnte ein Bereicherungsanspruch Kondiktionssperren ausgesetzt sein.407 Aus dieser Perspektive wird zutreffend betont, dass bei einem unwirksamen Kreditvertrag der Wille zur Überlassung von Mitteln mit befristeter Dauer gerade nicht relevant sein dürfe.408 Mit Recht betonen Rspr und andere Stimmen in der Literatur den kreditgleichen Charakter.409 Mit dem vorliegend vertretenen Normzweck des § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist ein Nachrang von Bereicherungsansprüchen zu vereinbaren. Es kommt nicht darauf an, dass die Gewährung eines Darlehens die Insolvenz verschleppt hat, sondern dass die Mittelhingabe bzw das Belassen der Mittel die unwiderlegliche Vermutung der Insolvenzverschleppung in sich trägt. Dass der Gesellschafter – hätte er um die Unwirksamkeit des Darlehensvertrags gewusst – das Geld umgehend zurückgefordert hätte, kann aus dieser Perspektive keine Rolle spielen. Letztlich ist zu differenzieren: Fehlt jeder Wille, kann der Anspruch aus § 812 BGB nicht nachrangig eingeordnet werden; wird der Wille nachträglich korrigiert, muss auch ein folgender Bereicherungsanspruch nachrangig ein. bb) Unwirksame Austauschverträge. Unwirksame Austauschverträge haben zunächst kei- 153 ne kreditähnliche Wirkung. Hatte der Gesellschafter bereits eine Anzahlung vorgenommen, muss die Anzahlung als solche gewürdigt werden, ob der Gesellschafter insoweit kreditgleich in Vorleistung gegangen ist. Dafür ist auf einen Drittvergleich abzustellen (siehe Rn 105). War der Austauschvertrag unwirksam und hält die Vorauszahlung einem Drittvergleich nicht stand, unterfällt der Bereicherungsanspruch dem § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. War der Austauschvertrag vollständig abgewickelt worden, ist als grundsätzliche Wertung des Bereicherungsrechts die Saldierung von Leistung und Gegenleistung zu beachten. Das führt nicht dazu, dass die Gesellschaft ihren Bereicherungsanspruch geltend machen kann, während der Gesellschafter nur nachrangiger Insolvenzgläubiger ist. Vielmehr kann das Bereicherungsverhältnis wie ein Austauschverhältnis behandelt werden, dh es ist zu saldieren;410 die Ausführungen zum Rücktrittsrecht gelten auch hier (siehe Rn 141). m) Der das Darlehen begleitende Deliktsanspruch. Hatte die Gesellschaft das Darlehen 154 mittels eines Betrugs oder Kreditbetrugs erlangt (zB gegenüber einem Minderheitsgesellschafter oder seinem erstmals an der Gesellschafterversammlung teilnehmenden Erben), kommt neben dem Anspruch auf Darlehensrückzahlung auch ein solcher aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw § 265b StGB in Betracht. Kann über § 31 BGB das deliktische Verhalten der GmbH zugerechnet werden, steht für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO grundsätzlich infrage, ob der deliktische Schadensersatzanspruch ebenfalls als vergleichbar einem Gesellschafterdarlehen einzuordnen ist. Das kann man so sehen, ohne dass die Parallelität des Vertrags- und Deliktsanspruchs gefährdet wäre. Schließlich richtet sich der Deliktsanspruch zunächst gegen die natürliche Person als Täter, nur kraft Zurechnung gegen die Gesellschaft und darüber hinaus auch gegen Gehilfen (§ 830 BGB). Vorzuziehen ist gleichwohl ein Beibehalten der Parallelwertung auch im Insolvenzverfahren, sodass ein betrogener Gesellschafter über das Deliktsrecht durchaus zum einfachen Insolvenzgläubiger werden kann. Was nach zutreffender Auffassung des BGH für den parallelen Anspruch 406 407 408 409 410

Jacoby ZIP 2018, 505, 506. Jacoby ZIP 2018, 505, 506. Jacoby ZIP 2018, 505, 506. BGHZ 222, 83 Rn 30; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 115; Gehrlein ZInsO 2020, 2591, 2596. Jaeger/Jacoby InsO § 103 Rn 102; Mossler Bereicherung (2006), S 165 ff; BGHZ 161, 241, 251: Saldierung setzt voraus, dass vor dem Insolvenzverfahren saldiert hätte werden können. 307

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§ 39

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

von deliktisch geschädigten Genussrechtsgläubigern gilt,411 muss auch für Gläubiger eines (nachrangigen) Gesellschafterdarlehens gelten. Wurde er durch betrügerisches Verhalten zur Geldhingabe veranlasst, passt die Wertung nicht mehr, dass die Insolvenzverschleppung durch die Geldhingabe unterstellt werden kann. Damit fehlt auch die Legitimation für einen Nachrang. Für den Darlehensanspruch (bzw nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. §§ 142, 123 BGB für den Bereicherungsanspruch) bleibt es beim Nachrang, weil dieser von der Perspektive der mit der Geldhingabe bzw dem Belassen verbundenen Insolvenzverschleppung ausgeht. Hingegen beruht ein paralleler deliktischer Anspruch auf einer rechtswidrigen und schuldhaften Willensbeeinflussung (Irrtum beim Betrug) und dem damit verbundenen Schaden.412 Zudem ist der deliktische Anspruch auf Schadensersatz und nicht auf Verzinsung bzw Darlehensrückzahlung gerichtet. Zögert der Gesellschafter mit der Geltendmachung seiner Deliktsforderung (bzw einem Insolvenzantrag nach Entdeckung des wahren Sachverhalts), riskiert er, dass auch der Anspruch aus Delikt darlehensgleichbehandelt wird.413 Grundsätzlich verbleibt auch bei einem begleitenden Delikt der Darlehensrückzahlungsanspruch im fünften Nachrang. War dieser besichert worden, kann es sich nur um die Besicherung des Gesellschafterdarlehens mit den gem. §§ 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 135 InsO geltenden besonderen Kautelen (zB kein Bargeschäftsprivileg) handeln.

155 n) Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern. Bei Ausgleichsansprüchen unter Gesamtschuldnern kann der Gesellschafter einen Regressanspruch gem. § 426 Abs. 1 BGB haben, wenn er vom Gläubiger in Anspruch genommen worden ist. Der Regressanspruch ist subordiniert, wenn die Gesamtschuld deshalb besteht, weil die Schuldnerpositionen nur deshalb erlangt worden ist, weil der Gesellschafter mitverpflichtet worden war. Anders sieht es mE bei aus Gläubigersicht zufälliger Gesamtschuldnerschaft aus. Gerade dann, wenn der Gesellschafter als Gehilfe oder Mittäter eines Delikts ebenfalls Gesamtschuldner geworden ist (Bsp.: Muttergesellschaft haftet für Kartelldelikt der Tochtergesellschaft, ohne daran mitgewirkt zu haben), wird der Regressanspruch des Gesellschafters nicht subordiniert, wenn er nicht selber Kreditcharakter erhalten hat. Warum die Teilnahme der Muttergesellschaft am Insolvenzverfahren der Tochtergesellschaft grob unbillig sein soll,414 lässt sich nicht erkennen. Das wäre nur der Fall, wenn es ein allgemeines Prinzip geben würde, dass Deliktsbeteiligte mit Regressansprüchen in der Insolvenz des anderen Deliktstäters nur nachrangig antreten könnten.

o) Sonderkonstellationen mit insolvenzbedingter Doppelzahlung 156 aa) Gesellschafterdarlehen und Mantelverwendung. Möglich sind auch Doppelzahlungspflichten, d.h. dass der Gesellschafter den Darlehensbetrag de facto doppelt aufbringen muss. Fraglich ist in dieser Konstellation, ob ggf. die zweite Zahlung wenigstens zur Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO führt. Nimmt eine Gesellschaft vor ihrer Eintragung die Geschäftstätigkeit auf und hat im Zeitpunkt der Eintragung ein unter der Nennkapitalziffer liegendes Vermögen, ist die Differenz im Wege der Vorbelastungshaftung zu ersetzen.415 Hatte ein Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen zugeführt, wurde anschließend der Rechtsträger stillgelegt und danach wieder fortgeführt (Mantelverwendung), ist der Vermögensstand festzustellen und die Differenz zur statua-

411 BGH ZInsO 2022, 1911 Rn 4. 412 BGH NJW 2005, 2450, 2452 (zum Vorrang des Anlegerschutzes gegenüber der Kapitalerhaltung); ausführlich dazu Koch/Koch16 AktG § 57 Rn 5 ff.

413 Das gilt unabhängig davon, ob der deliktische Anspruch neben den Darlehensanspruch tritt oder ohne Darlehensanspruch existiert; zu letzterer Konstellation Huber FS Priester (2007), S 259, 279.

414 So aber Ehricke Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz (1998), S 99. 415 BGHZ 80, 129, 140 ff. Mylich

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

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rischen Nennkapitalziffer zu leisten.416 Das Gesellschafterdarlehen ist bei der Feststellung des Vermögensstandes zu passivieren417 und erhöht auf diese Weise den Anspruch aus Mantelverwendungshaftung; d.h. führt zu einer Doppelzahlung.418 In beiden Fällen würde ein Verzicht auf die Darlehen zu einer Minderung der Vorbelastungshaftung bzw Haftung aus Mantelverwendung führen, ist aber nicht in jedem Fall aus steuerlichen oder strategischen Gründen opportun.419 In der Haftsumme ist der Darlehensbetrag (wegen der Passivierung) ein zweites Mal enthalten, kann aber die Insolvenz nicht mehr verschleppen, wenn der Anspruch aus Vorbelastungshaftung oder Mantelverwendungshaftung vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird. Neben der Unbilligkeit der Doppelzahlung kommt somit auch die fehlende Erfüllung des Normzwecks von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO hinzu, sodass es sachgerecht ist, in diesem Fall den Anspruch des Gesellschafters auf Rückzahlung seines Darlehens nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen.420

bb) Doppelzahlung bei externer Patronatserklärung. Zur Doppelzahlung kommt es auch 157 bei einer externen Patronatserklärung, wenn der Patron vor der Insolvenz den Schuldner ausstattet, der Schuldner den Gläubiger befriedigt und nach anschließender Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Leistung angefochten wird. Nunmehr ist der Patron dem Gläubiger gegenüber direkt in der Pflicht;421 der Patron erhält im Gegenzug den Anspruch des Gläubigers.422 Hat der Patron die Ausstattung nur als Kredit gewährt, unterfällt der Rückzahlungsanspruch § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. Hingegen wird der zedierte Anspruch des Gläubigers nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen sein, zumal er erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. Es handelt sich wiederum um eine Doppelzahlung und eine Tranche ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (unfreiwillig) gezahlt worden, sodass der Normzweck von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht erfüllt ist. cc) Doppelzahlung im Vertragskonzern. Wird der Unternehmensvertrag beendet, schuldet 158 das herrschende Unternehmen einen (letzten) Verlustausgleich bzw vereinnahmt einen (letzten) Überschuss der abhängigen Gesellschaft.423 Der Umstand, dass der Verlustausgleich geringer bzw der Überschuss höher bei einem Verzicht auf das Gesellschafterdarlehen ausfallen würde, muss dazu führen, eine vergleichbare Situation zur Doppelzahlung anzunehmen. Die Konsequenz lautet: Wird der letzte Verlustausgleich bzw die letzte Gewinnabführung nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft geleistet, kann der Gesellschafter seinen Darlehensanspruch in der Insolvenz der abhängigen Gesellschaft als einfacher Insolvenzgläubiger geltend machen. 3. Erfasste Gesellschaften, § 39 Abs. 4 S. 1 InsO Der Anwendungsbereich von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist in § 39 Abs. 4 S. 1 InsO dahingehend 159 festgelegt, welche Gesellschaften erfasst sein sollen. Es handelt sich um jene Gesellschaften, bei

416 Grundsätzlich zur Anwendung der Vorbelastungshaftung auf die Mantelverwendung BGHZ 192, 341 Rn 13 ff und Rn 20 ff.

417 BGHZ 124, 282, 285; ausführlich dazu Mylich FS K Schmidt (2019), S 67, 70 ff. 418 GK-GmbHG/Habersack3 § 11 Rn 111; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG21 § 11 Rn 45; aA Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 11 Rn 68. Mylich FS K Schmidt (2019), S 67, 75. Mylich FS K Schmidt (2019), S 67, 75 f; aA Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 11 Rn 68. BGH ZIP 2017, 337 Rn 7 ff, 10 ff. Ausführlich dazu Koch Die Patronatserklärung (2005), S 326 ff. Koch/Koch AktG16 § 302 Rn 11.

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denen keine natürliche Person unmittelbar oder mittelbar für die Verbindlichkeiten persönlich unbeschränkt haftet. Nicht erfasst sind Innengesellschaften, insb. stille Gesellschaften, selbst wenn sie atypisch sind.424 Die im Steuerrecht entwickelte Selbständigkeit wird im Zivilrecht nicht nachvollzogen. Allerdings kann der atypisch still Beteiligte als Gesellschafter jener Gesellschaft eingeordnet werden, mit der er die stille Gesellschaft bildet (ausführlich Rn 130). Nicht erfasst sind Vereine und Stiftungen.425 Hingegen sollen Genossenschaften nach h.M. erfasst sein,426 weil sie auch in den Gesetzesmaterialien erwähnt sind.427 Das ist aber trotz des Wortlauts von § 1 Abs. 1 GenG zweifelhaft, denn eine Genossenschaft ist nach h.M. entgegen dem Wortlaut der Vorschrift gerade keine Gesellschaft.428 Für § 39 Abs. 4 S. 1 InsO liegt ein materieller Begriff der „Gesellschaft“ nahe, sodass Konstrukte, die rein formell als Gesellschaft bezeichnet werden, nicht darunter fallen. Folgt man gleichwohl der h.M., wird § 39 Abs. 5 InsO bei einer Vielzahl von Genossenschaften eingreifen; es besteht aber auch die Möglichkeit einer Genossenschaft mit sehr wenigen Genossen, die jeder für sich mehr als 10 % der Anteile halten.

160 a) GmbH, AG. Die GmbH oder AG sind vom Anwendungsbereich erfasst; gem. § 13 Abs. 2 GmbHG bzw § 1 Abs. 1 S. 2 AktG haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. Auch die UG als Sonderform der GmbH ist taugliche Gesellschaftsform.429 Auch die Vor-GmbH bzw Vor-AG ist bei einer Innenhaftung der Gründer erfasst.430

161 b) KGaA. § 39 Abs. 4 S. 1 InsO differenziert nicht nach Kapital- oder Personengesellschaften, sondern nach der persönlich unbeschränkten Haftung einer natürlichen Person. Die KGaA ist vom Anwendungsbereich daher nur erfasst, wenn weder unmittelbar noch mittelbar eine natürliche Person persönlich unbeschränkt haftet.431

162 c) OHG, GbR. Sind die Gesellschafter einer OHG oder GbR ausschließlich solche Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person unmittelbar oder mittelbar persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter ist, unterfallen sie § 39 Abs. 4 S. 1 InsO.432 Nicht erfasst sind Darlehen von Gesellschaftern einer Personengesellschaft, für deren Verbindlichkeiten eine natürliche Person persönlich unbeschränkt haftet.433 So kann der Kommanditist in der Insolvenz der gesetzestypischen KG mit einer natürlichen Person als Komplementär und der (Nachlass-)Insolvenz des Komplementärs das Kommanditistendarlehen gem. § 38 InsO geltend machen. Nicht erfasst ist eine GbR, an der neben GmbHs oder AGs auch eine gesetzestypische KGaA beteiligt ist. Allerdings darf § 39 Abs. 4 S. 1 InsO bei Einbeziehung von OHG und GbR ohne eine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter für Gesellschafterdarlehen nicht zu sinn- und sachwidrigen Ergebnissen führen. Zu bedenken ist nämlich, dass die Gesellschafter selbst den Gläubigern über § 128 HGB direkt haften. Ebenso ist zu bedenken, dass § 39 Abs. 4 S. 1 InsO anwendbar sein kann, wenn sich (vermeintlich) eine natürliche Person an der OHG bzw GbR beteiligt, aber mangels Teilhabe am

424 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 33. 425 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 33; Habersack ZIP 2007, 2145, 2148. 426 Bork/Schäfer/Thiessen GmbHG5 Anh § 30 Rn 29; Clemens Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG (2012), S 185 ff; Habersack ZIP 2007, 2145, 2147; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 54. 427 BT-Drucks 16/6140, S 56. 428 Siehe nur Henssler/Strohn/Geibel5 GenG § 1 Rn 2; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff 40 GenG § 1 Rn 16. 429 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 54. 430 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 54. 431 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 33. 432 BGHZ 179, 278 Rn 14. 433 Zum früheren Eigenkapitalersatzrecht Kleindiek FS Lutter (2000), S 871, 878 ff. Mylich

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gemeinsamen Zweck als Scheingesellschafter zu qualifizieren ist. Das Phänomen kommt in der Praxis eher bei der GmbH & Co KG vor und wird dort besprochen (ausführlich unter Rn 168).

aa) Nicht erfasst: Darlehen der Gesellschafter selbst. Trotz des weiten Wortlauts sind entge- 163 gen der gängigen Sichtweise Darlehen nicht erfasst, die von einer der juristischen Personen stammen, die Gesellschafter sind.434 Schließlich haften den Gläubigern dieser Gesellschaften auch die Gesellschafter, auch wenn es sich dabei um juristische Personen handelt. Zur entscheidenden Frage gelangt man, wenn auch über das Vermögen aller Gesellschafter jener Personengesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Darf in diesem Fall eine Sondermasse zugunsten der GbR- oder OHG-Gläubiger gebildet werden? Das ist entgegen der h.M.435 m.E. zu verneinen, denn die OHG- und GbR-Gläubiger profitieren bereits von der persönlichen Haftung aller Gesellschafter. Diese sind zwar auch insolvent, doch reihen sich die OHG- bzw GbR-Gläubiger in eine Reihe mit allen Gläubigern der Gesellschafter ein. Auch eine die h.M. stützende Bemerkung des Gesetzgebers im Regierungsentwurf zur InsO kann die Auffassung nicht stützen und beruht auf einer Fehlvorstellung.436 Wenn die h.M. von § 124 Abs. 2 HGB auf die verbleibende Separierung des OHG- oder GbR-Vermögens bei ausschließlicher Zuweisung an die OHG- bzw GbR-Gläubiger auch im Insolvenzverfahren schließen will, lässt sich das nicht durch eine Vorschrift in der InsO belegen. Aus § 124 Abs. 2 HGB ergibt sich nur, dass Gläubiger der Gesellschaft auf das vorhandene Gesellschaftsvermögen zugreifen können, aber nichts zum Schutz dieses Gesellschaftsvermögens.437 Hat zB eine O-OHG als Gesellschafter die A-AG und die G-GmbH, können Gläubiger der A-AG mit ihren Forderungen nur am Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-AG teilnehmen. Die Gläubiger der G-GmbH können mit ihren Forderungen nur am Insolvenzverfahren über das Vermögen der G-GmbH teilnehmen. Die Gläubiger der O-OHG können hingegen in voller Höhe sowohl am Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-AG und über das Vermögen der G-GmbH teilnehmen. Eine weitere Sondermasse zu ihren Gunsten bei der O-OHG ist nicht angezeigt, denn das Recht der Personengesellschaften kennt keinen Kapitalschutz.438 § 124 HGB ist nur solange anwendbar, bis der Insolvenzverwalter das Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verteilt. Durch die persönliche unbeschränkte Haftung der Gesellschafter gibt es auch keinen Schutz des Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gesellschaftsgläubiger, sodass Gesellschaftsvermögen auch nicht mit Gläubigerbenachteiligung entzogen werden kann. Warum im Insolvenzverfahren plötzlich doch ein Kapital- und Gläubigerschutz möglich sein soll, ist nicht zu erklären. Weder § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO noch § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO sind daher anwendbar. Beim ganzen Thema handelt es sich um ein allgemeines Problem zum bilanziellen und insolvenzrechtlichen Gläubiger- und Vermögensschutz von Personengesellschaften ohne eine natürliche Person als persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter, was bei weitem noch nicht ausgelotet ist. bb) Erfasst: Darlehen der Gesellschafter eines Gesellschafters. Jedoch erfasst § 39 Abs. 4 164 S. 1 InsO jene Darlehen, die ein Gesellschafter eines persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafters einer kapitalistischen GbR oder OHG vergibt. Das gilt unabhängig von einer Beherrschung 434 AA BGHZ 179, 278 Rn 15 ff; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 34. 435 Siehe nur Jaeger/Ehricke InsO § 11 Rn 62; Kübler/Prütting/Bork/Prütting45 InsO § 11 Rn 31; MünchKomm/K Schmidt HGB5 Anh § 158 Rn 43.

436 BT-Drucks 12/2443 S 112 zu § 13 Abs. 2 Nr. 1 RegE. 437 Siehe nur MünchKomm/K. Schmidt/Drescher HGB5 § 124 Rn 29. 438 ME zeigt der Sachverhalt in BGHZ 179, 278 die absurden Folgen. Eine A-AG betrieb einen Geschäftsbereich nicht in ihrem Unternehmen, sondern gründete mit einer Geschäftspartnerin eine GbR, an der die Geschäftspartnerin 5 % der Anteile hielt. Die Gläubiger dieses Geschäftsbereichs haben nunmehr das variierende Unternehmensvermögen der GbR exklusiv für sich und können noch – konkurrierend mit den anderen Gläubigern der AG – auf deren Vermögen zugreifen. Hätte die A-AG diesen Geschäftsbereich selbst betrieben und die Geschäftspartnerin mittels stiller Einlage iHv 5 % beteiligt, müssten alle gleichberechtigt auf die A-AG zugreifen, der auch das gesamte Vermögen zugeordnet wäre. 311

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der GbR durch die Kapitalgesellschaft noch von der Beherrschung der Kapitalgesellschaft durch den darlehensgebenden Gesellschafter. Notwendig ist lediglich die Beteiligung von 10 % an der Kapitalgesellschaft.

165 cc) Beispiel zum Verständnis. Die A-AG mit 90 % und die B-GmbH mit 10 % Anteilen sind Gesellschafter der O-OHG. Die A-AG vergibt an die O-OHG ein Darlehen. Ebenso vergibt G ein Darlehen an die O-OHG; G ist zu 30 % an der B-GmbH beteiligt. Nach der Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen können weder die A-AG noch die B-GmbH die Verbindlichkeiten der O-OHG bedienen, sodass es zur Insolvenz aller drei Rechtsträger kommt. Die hM würde das Darlehen der A-AG als Gesellschafterdarlehen einordnen und zur Anfechtbarkeit zugunsten der O-OHG gelangen. Bei der Masseverteilung könnte die A-AG ihren Anspruch nur nachrangig geltend machen. Das Ergebnis ist absurd, denn es gibt in einer Personengesellschaft keinen Kapitalschutz, weil die Gesellschafter persönlich unbeschränkt haften. Es ist nicht zu erklären, warum im Insolvenzverfahren plötzlich ein (beschränkter) Kapitalschutz eintreten soll. Die Zurücksetzung der A-AG und ihrer Gläubiger ist auch deshalb unzutreffend, weil die Gläubiger der O-OHG neben dem (angeblich) ausschließlich ihnen zugewiesenem Vermögen der O-OHG als Gläubiger am Insolvenzverfahren der A-AG und der B-GmbH teilnehmen können und die Quote der Gläubiger der A-AG und der B-GmbH auf diese Weise noch einmal schmälern. Nicht zu lösen wäre beim Befolgen der h.M. auch die Frage, ob die A-AG ihren wiederaufgelebten (nach h.M. nachrangigen) Darlehensanspruch gegen die G-GmbH geltend machen kann. Soll in diesem Fall der Nachrang entfallen? Richtig ist es daher, die verbliebene Masse zu 90 % der A-AG und zu 10 % der B-GmbH zuzuweisen. Alle Gläubiger der O-OHG melden ihre Ansprüche sowohl im Insolvenzverfahren der A-AG als auch der B-GmbH an. Wäre der Darlehensrückzahlungsanspruch der A-AG noch offen, könnte sie diesen auch im Insolvenzverfahren der B-GmbH (ohne Nachrang) anmelden. § 39 Abs. 4 S. 1 InsO erfasst gleichwohl die kapitalistische OHG und GbR, bezieht sich aber auf Darlehen der Gesellschafter der persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter. In welcher Höhe die B-GmbH als persönlich unbeschränkt haftende Gesellschafterin beteiligt ist, ist irrelevant. Erfasst ist das Darlehen ihres Gesellschafters, der mit mehr als 10 % an ihr beteiligt ist (§ 39 Abs. 5 InsO). Das trifft für G zu. Nunmehr muss der Insolvenzverwalter über das Vermögen der O-OHG die Rückzahlung anfechten und den erhaltenen Betrag nach Quote jeweils der Masse der A-AG und der B-GmbH zuweisen. G ist zwar über § 128 HGB Gläubiger sowohl der A-AG als auch der B-GmbH, doch wird in beiden Verfahren sein Darlehen als nachrangig behandelt.

d) Kommanditgesellschaften 166 aa) Die Erstreckung auf Gesellschafterdarlehen in der GmbH & Co KG. Eine gesetzestypische Kommanditgesellschaft unterfällt nicht dem Anwendungsbereich von § 39 Abs. 4 S. 1 InsO. Das bedeutet, dass ein Kommanditist seinen Darlehensanspruch in der Doppelinsolvenz von KG und Komplementär (bzw Insolvenz der KG und Nachlassinsolvenz über das Vermögen des verstorbenen Komplementärs) als einfacher Insolvenzgläubiger gem. § 38 InsO geltend machen kann. Hingegen ist die Kapitalgesellschaft & Co KG erfasst. Anders als bei einer OHG oder GbR ist wegen der per se begrenzten Haftung der Kommanditisten deren Einbeziehung richtig. Mit Blick auf die Ausführungen zur sachlichen Unrichtigkeit der Einbeziehung der Gesellschafter einer GbR oder OHG ohne natürliche Personen als Gesellschafter (siehe Rn 163) ist es daher unzutreffend, Darlehen des Komplementärs einzubeziehen. Dieser haftet schließlich unbeschränkt, sodass die Gläubiger der Kommanditgesellschaft sich (auch) an ihn halten können. Hat wiederum ein Gesellschafter der Komplementär-GmbH der GmbH & Co KG ein Darlehen gewährt, ist die Anwendung von § 39 Abs. 4 S. 1 InsO richtig. Die gängige Sichtweise würde den Gesellschafter des Komplementärs mangels Gesellschaftereigenschaft nicht einbeziehen und könnte allenfalls fragen, ob

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dieser die GmbH & Co KG (!) beherrscht.439 Ist das der Fall, wäre er nachrangig einzuordnen. Nach vorliegender Ansicht kann sich der Gesellschafter des Komplementärs mit seinem Darlehensanspruch gegen die KG in der Insolvenz der GmbH & Co KG an die Komplementär-GmbH über § 128 HGB halten. Ist über das Vermögen der Komplementär-GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, haben sich alle Gläubiger an diese zu halten. In der Konsequenz macht der Gesellschafter der Komplementär-GmbH, der der GmbH & Co KG ein Darlehen gegeben hat, sein Darlehen als Gesellschafterdarlehen gegen seine eigene GmbH geltend. In der Konsequenz bedarf es zur Subordination des Darlehens keiner beherrschenden Stellung; nur muss die Beteiligung über 10 % liegen.

bb) Gesellschafterdarlehen beim Wechsel zwischen gesetzlicher Typizität und GmbH & 167 Co KG. War einer dem gesetzlichen Typus entsprechenden Personengesellschaft ein Darlehen durch einen Gesellschafter gewährt worden und entsteht nun durch Umstrukturierung oder Austritt der letzten natürlichen Person als Komplementär eine GmbH & Co KG, fällt ab diesem Ereignis das Darlehen unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. Scheidet (bei Verbleiben einer Komplementär-GmbH) die letzte natürliche Person als (weiterer) Komplementär durch den Tod aus, ist bei fehlendem Nachfolger als Komplementär der Tod, andernfalls das Ausscheiden des Erben (bzw die Zustimmung der anderen Gesellschafter zur Umwandlung der Gesellschafterposition in jene eines Kommanditisten) der entscheidende Zeitpunkt. Um Unbilligkeiten zu vermeiden, sollte auf die Umqualifikation verzichtet werden, wenn die Kommanditisten im unmittelbaren Anschluss an das Ausscheiden der letzten natürlichen Person als Komplementär aktiv geworden sind und eine Liquidation bzw ein Insolvenzverfahren der KG eingeleitet haben. Andererseits entfällt die Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auf ein Gesellschafterdarlehen, wenn aus einer kapitalistischen KG mittlerweile wieder eine gesetzestypische geworden ist.440 In Anlehnung an den Gedanken von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird man aber erst nach Ablauf einer Jahresfrist § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ausschließen können.

e) Personengesellschaften mit juristischen und natürlichen Personen als persönlich 168 unbeschränkt haftenden Gesellschaftern. Z.T. hat eine GmbH & Co KG neben der Komplementär-GmbH eine natürliche Person als Komplementär. Auf diese Weise wird zB versucht, die bilanzrechtlichen Offenlegungspflichten zu umgehen. Grundsätzlich ist auch bei Vermögenslosigkeit der natürlichen Person nichts gegen deren Komplementärstellung und die damit verbundenen Konsequenzen einzuwenden. Diese lauten: Keine Anwendung der §§ 264 ff. HGB (zB der §§ 325 ff. HGB zur Bilanzpublizität) und keine Anwendung von §§ 15a/b InsO, §§ 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 44a, 135 InsO.441 Dem steht auch eine Vermögenslosigkeit der natürlichen Person nicht entgegen. Jedoch ist zu überprüfen, ob diese natürliche Person nur als Scheingesellschafter (zB zwecks Vermeidung von Bilanzpubilizität) agiert. Das ist der Fall, wenn es am gemeinsamen Zweck fehlt. Hat die natürliche Person neben einer juristischen Person keine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis und erhält nur eine Haftungsvergütung, fehlt es am gemeinsamen Zweck.442 Das mag ggf. bei einem früher aktiven Komplementär anders sein, wenn er sich jetzt im Ruhestand befindet. Fehlt es nach Würdigung aller Umstände an einem gemeinsamen Zweck, ist der Betreffende nur Scheingesellschafter und damit kein Gesellschafter. Die vermeintlich gesetzestypische KG ist demnach eine § 39 IV InsO unterfallende kapitalistische KG.

439 Für diese Inkonsequenz steht auch OLG Düsseldorf ZIP 2022, 2236, 2238, wo auf die Beherrschung der KG durch den geschäftsführenden Gesellschafter der Komplementär-GmbH ohne Kapitalanteil an der KG abgestellt wird.

440 OLG Dresden ZIP 2009, 1382, 1383; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 55. 441 Mylich ZGR 2021, 86, 88 ff. 442 Mylich ZGR 2021, 86, 91 ff. 313

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169 f) EU-Auslandsgesellschaften. Ob die insolvenzrechtlichen Sonderregelungen zu den Gesellschafterdarlehen auf EU-Auslandsgesellschaften anwendbar sind, ist nach wie vor umstritten. Das hängt damit zusammen, dass diese Gesellschaften nach dem Recht einer anderen Jurisdiktion gegründet worden sind, aber ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben, jedoch die Niederlassungsfreiheit nach ständiger EuGH-Rechtsprechung es gebietet, diese Gesellschaften nach dem Gründungsrecht ihres Heimatlandes zu behandeln. Zum früheren Eigenkapitalersatzrecht wollte die h.M. differenzieren: Die Novellenregeln sollten dem Insolvenzstatut unterfallen, während die Rechtsprechungsregeln mit der analogen Anwendung von § 30 GmbHG unter das Gesellschaftsstatus fallen sollten – sodass die deutschen Eigenkapitalersatzregeln nicht anwendbar sein sollten.443 Trotz der Verlagerung der Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen in das Insolvenzrecht bleibt die Frage zur Erfassung von EU-Auslandsgesellschaften offen. Eine Sichtweise sieht in den Regelungen zum Insolvenzanfechtungsrecht der Gesellschafterdarlehen keine echten Anfechtungsregeln, sondern nimmt verkappte gesellschaftsrechtliche Finanzierungsvorschriften an.444 Das wird mit der Anknüpfung an die Stellung als Gesellschafter und an die Nähe zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung begründet. Diese Sichtweise kann Art. 7 Abs. 2 Buchstabe m) i.V.m. Art. 16 EuInsVO mit den Sonderregelungen zur Zuständigkeit für die Gesellschafterdarlehen nicht anwenden, sondern knüpft allein an das Gesellschaftsstatut an. Für im Inland tätige EU-Auslandsgesellschaften kann dann nur deren Gründungsrecht gelten. Die h.M. zur Rechtslage seit dem MoMiG445 qualifiziert die Regelungen allein insolvenzrechtlich mit der Konsequenz, dass diese nun ohne Verstoß gegen Art. 49 AEUV auf EU-Auslandsgesellschaften anwendbar sind. In der Konsequenz dieser Sichtweise liegt es, dass der Darlehensvertrag isoliert gewürdigt wird, welchem Recht er unterliegt. Unterliegt er der Rechtsordnung eines anderen Staates, ist zu prüfen, ob diese Rechtsordnung Gesellschafterdarlehen gesondert sanktioniert bzw eine Insolvenzanfechtung aus anderem Grund kennt. Nur wenn das nicht der Fall ist, führt Art. 16 EuInsVO zur Nichtanwendung von § 135 InsO. Problematisch dürfte regelmäßig die Bestimmung des Landes sein, dem das Darlehensrecht unterfällt. Schließlich ist die Auslandsgesellschaft gerade im Inland tätig. So ist unklar, ob allein eine zulässige Rechtswahl bereits ein anderes Insolvenzanfechtungsrecht zur Geltung bringen kann. Das ist abzulehnen, weil die Parteien nicht darüber disponieren können, welches Insolvenzanfechtungsrecht zu einem späteren Zeitpunkt einschlägig sein soll.

170 g) Scheinauslandsgesellschaften. Scheinauslandsgesellschaften sind solche, die in einem Nicht-EU-Staat bzw solchem, mit dem kein Freundschaftsabkommen existiert, gegründet worden sind, aber ihren Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Auf diese ist die Sitztheorie anzuwenden, dh sie sind Gesellschaften der Bundesrepublik Deutschland, aber sind nicht nach den Vorgaben des GmbHG oder AktG gegründet worden.446 Mithin kann es sich nur um eine OHG oder GbR handeln, auf die § 39 I S 1 Nr 5 InsO eigentlich nicht anwendbar ist. Daran ändert auch die Anwendung von § 335 InsO bzw Art 4 EuInsVO nichts.447 Gleichwohl sollte nicht nach den Gesellschaftern der Scheinauslandsgesellschaft geforscht werden müssen; vielmehr kann zu ihren Lasten im Recht der Gesellschafterdarlehen auf eine der deutschen Kapitalge-

443 BGHZ 190, 364 Rn 23 ff; Überblick zum Meinungsstand bei Schilpp Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften (2017), S 204 ff, insb S 207 ff. 444 Schilpp Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften (2017), S 221 ff; ähnlich Koutsós Die rechtliche Behandlung von (eigenkapitalersetzenden) Gesellschafterleistungen (2011), S 311 ff, aber mit Rechtfertigung der Verletzung der Niederlassungsfreiheit (S 327 ff). 445 BGHZ 190, 364 Rn 30; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 33; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 54 mwN; zuvor bereits ausführlich Azara Eigenkapitalersatzrecht (2010), S 310 ff, 320 ff, 346 ff; Clemens Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen nach dem MoMiG (2012), S 195 ff; Kaumanns Der Nachrang von Gesellschafterdarlehen (2017), S 62 ff, 84 ff, insb 111 ff. 446 BGHZ 178, 192 Rn 21 ff insb Rn 23. 447 So aber Azara Eigenkapitalersatzrecht (2010), S 374 ff. Mylich

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sellschaft vergleichbare Gesellschaft abgestellt werden, sodass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO in jedem Fall anwendbar ist.

h) Personengesellschaften mit atypischen Komplementären. Atypische Komplementäre 171 sind zB Stiftungen und ausländische Rechtssubjekte. Die Stiftung als Komplementärin führt zur Anwendbarkeit von § 39 Abs. 4 S. 1 InsO. Bei ausländischen Rechtssubjekten ist danach zu differenzieren, ob für deren Verbindlichkeiten eine natürliche Person persönlich unbeschränkt haftet oder nicht. Daher unterfällt eine KG nicht dem § 39 Abs. 4 S. 1 InsO, auch wenn die natürliche Person oder der persönlich haftende Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft unerreichbar ist. Hier kann allenfalls über einen Rechtsformmissbrauch durch die eigentlich die KG beherrschende Person nachgedacht werden. Handelt es sich bei der Komplementärin um eine Scheinauslandsgesellschaft aus einem Drittstaat, kommt es nicht darauf an, dass ihr in Deutschland die Rechtsfähigkeit abgesprochen wird mit der Konsequenz einer Einordnung als Personengesellschaft. Vielmehr müssen sich die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft daran festhalten lassen, dass sie eine Komplementärin eingesetzt haben, bei der nach ausländischem Recht keine natürliche Person persönlich unbeschränkt haftet. Andernfalls würden sie sich in Widerspruch zu ihrem Verhalten setzen. Für die Gläubiger der KG würde bei einer anderen Lösung ebenfalls eine missliche Situation eintreten. Einerseits würde ihnen das Gläubigerschutzregime genommen, das für jene Gesellschaften existiert, bei denen keine natürliche Person unmittelbar oder mittelbar persönlich unbeschränkt haftet. Andererseits könnten sie zwar vor einem deutschen Gericht einen Titel gegen den Gesellschafter einer ausländischen Komplementärgesellschaft erstreiten, doch ist dessen Durchsetzbarkeit im Ausland nicht immer unproblematisch.

4. Erfasste und nicht erfasste Darlehensgläubiger Das Recht der Gesellschafterdarlehen findet nicht ausschließlich auf unmittelbar beteiligte Gesell- 172 schafter einer Kapitalgesellschaft bzw kapitalistischen Personengesellschaft Anwendung. Wie im Recht zur Kapitalaufbringung oder Kapitalerhaltung kann es auch zu dem Phänomen der „Dritterstreckung“ kommen, auch wenn Rechtshandlungen Dritter anders als in § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG in § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5, § 135 InsO nicht mehr explizit erwähnt werden.448 Das bedeutet, dass entweder einem Dritten eine gesellschaftergleiche Rolle zugestanden wird oder einem Dritten die Rolle eines unmittelbar beteiligten Gesellschafters zugerechnet wird.449 Prominentes Beispiel für die erste Konstellation ist das zusätzlich vergebene Darlehen des atypisch stillen Gesellschafters (ausführlich unter Rn 178); prominentes Beispiel für die zweite Konstellation ist das Darlehen einer Muttergesellschaft an ihre Enkelgesellschaft, wenn sie die Rolle der unmittelbar beteiligten Tochtergesellschaft zugerechnet bekommt (ausführlich unter Rn 204). In der zweiten Konstellation ist zudem bemerkenswert, dass sowohl ein Darlehen des unmittelbaren Gesellschafters, aber eben auch ein Darlehen jener Person, der der Gesellschafter zugerechnet wird, dem Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfällt bzw unterfallen kann. Erneut zeigt sich bei der Frage zur Qualifikation des Darlehens als Gesellschafterdarlehen der vorhandene, aber doch begrenzte Zusammenhang von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 und § 135 Abs. 1 InsO. Zunächst ist das Darlehen als ein einem Gesellschafterdarlehen vergleichbares Darlehen zu qualifizieren. Gelingt die Qualifikation, ist es im Insolvenzverfahren der Gesellschaft im fünften Nachrang zu behandeln. Der Zusammenhang mit § 135 Abs. 1 InsO besteht insoweit, als nur bei einer Qualifikation als Gesellschafterdarlehen die Bestellung einer Kreditsicherheit bei einer Gläubigerbenachteiligung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO bzw die Rückzahlung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar 448 Siehe nur BGHZ 188, 363 Rn 10; BGHZ 196, 220 Rn 15; BGHZ 198, 64 Rn 23; BGHZ 204, 83 Rn 46; BGHZ 226, 125 Rn 20. 449 Bitter WM 2020, 1764, 1766. 315

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ist. War es zurückgezahlt worden im Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, steht die ausschließlich bei § 135 InsO zu behandelnde Frage im Raum, wem gegenüber anzufechten ist.

173 a) Gesellschafter. Grundsätzlich erfasst sind jene darlehensgebenden Gesellschafter, die unmittelbar an den durch § 39 Abs. 4 S. 1 InsO erfassten Rechtsträgern beteiligt sind. Dabei ist es unerheblich, ob sie ein Stimmrecht haben oder zur Geschäftsführung oder zur Vertretung befugt sind.450 Genügend ist unter Berücksichtigung von § 39 Abs. 5 InsO eine Beteiligung von mehr als 10 % am Nennkapital. Auch Motive bzw tatsächliche Einflussnahme des Gesellschafters sind unerheblich, sodass ein Kreditinstitut mit einer strategischen Beteiligung von mehr als 10 % hinsichtlich seiner Kredite nur nachrangig im Insolvenzverfahren der Kreditnehmerin beteiligt wird; die zum Eigenkapitalersatzrecht geführten Diskussionen sind irrelevant.451 Das ergibt sich auch aus einem Gegenschluss zu § 39 Abs. 1 S. 2 InsO. Auch vom Treuhandgesellschafter vergebene Kredite unterfallen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO (siehe Rn 182). Insgesamt muss der Gesellschafter zu mehr als 10 % am Nennkapital beteiligt sein. Bei einer GmbH & Co KG muss ein Kommanditist zu mehr als 10 % am Nennkapital beteiligt sein. Das ist meist unproblematisch, denn die GmbH erhält zumeist keinen Kapitalanteil. Hält sie einen Kapitalanteil, zeigt sich auch an dieser Stelle (siehe Rn 163, 166), dass für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auf die hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen abzustellen ist. Sind A-H zu je 10 % an einer KG beteiligt und zudem zu je 12,5 % an der X-GmbH, die die restlichen 20 % an der KG hält, ist die Komplementärin X-GmbH wegen ihrer persönlich unbeschränkten Haftung gedanklich zu eliminieren. Der darlehensgebende Gesellschafter A ist zu 12,5 % über die Komplementärin beteiligt (ggf. multipliziert mit ihrer 20 %Beteiligung, dann nur zu 2,5 %) und zusätzlich zu 10 %, sodass sich je nach Berechnung 22,5 % oder 12,5 % Beteiligung an der KG ergeben mit der Folge, dass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auf das zusätzlich gewährte Darlehen anzuwenden ist. Der Erwerber eines Geschäftsanteils unterfällt sowohl mit seinen zuvor als auch nach Beteiligungserwerb begründeten Darlehensforderungen dem § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, es sei denn § 39 Abs. 4 S. 2 InsO (Sanierungsprivileg) greift zu seinen Gunsten ein.452 Auf die Eintragung in der Gesellschafterliste, im Aktienregister oder im Handelsregister kommt es nicht an.453 Auch der fehlerhafte Erwerb einer Gesellschafterposition führt – unabhängig ob mit Rückwirkung anfechtbar oder nicht – zur Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.454 Beruht zumindest der Darlehenserwerb bzw die Darlehensvergabe auf einer zeitgleichen deliktischen Handlung, kommt aber § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO für das Darlehen nicht zur Anwendung (siehe Rn 154). Die Darlehensvergabe durch den bloßen Scheingesellschafter führt nur zur Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, wenn dieser als gesellschaftergleicher Dritter behandelt werden kann (zB wegen des gleichzeitigen Einflusses). Auf § 15 HGB kann mangels eines Vertrauenstatbestandes nicht zurückgegriffen werden.455

174 aa) Zusammengerechnete Anteile des mittelbaren Gesellschafters. Mehrere Geschäftsanteile oder Aktien sind zusammenzurechnen. Das gilt auch, wenn ein Darlehensgeber ein, zwei oder mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften beherrscht und selber zuzüglich der Anteile der beherrschten zwischengeschalteten Gesellschaften die Beteiligungsquote von 10 % überschreitet456 (detailliert zur mittelbaren Beteiligung siehe Rn 202 ff). 450 451 452 453 454 455 456

GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 75, 100. Siehe zur damaligen Diskussion Schmidt ZHR 147 (1983), 165, 180. GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 79. GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 75; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 68. Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 68. Zutreffend Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 104; aA d’Avoine/Michels ZIP 2018, 60, 66. iE auch (bei der Berechnung des Kleinbeteiligtenprivilegs) d’Avoine/Michels ZIP 2018, 60, 65.

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bb) Der Gesellschafter in einer kapitalistischen OHG und GbR. Die OHG bzw GbR ohne 175 eine natürliche Person als persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter sind gem. § 39 Abs. 4 S. 1 InsO auch von den Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen erfasst. Jedoch sind nicht Darlehen ihrer Gesellschafter erfasst, denn die Gesellschafter haften sowieso persönlich unbeschränkt. Vielmehr sind die Gesellschafter der persönlich haftenden Gesellschafter erfasst, soweit sie mit mehr als 10 % am persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter beteiligt sind (siehe Rn 163, 166). Sind die A-AG, B-GmbH und C-GmbH gleichberechtigt die Gesellschafter der G-GbR bzw O-OHG und gewähren X als Gesellschafter der B-GmbH mit 45 % und Y als Gesellschafter der C-GmbH mit 30 % Beteiligung ein Darlehen, dann würden beide Gesellschafter nicht haften, da sie weder ihre Gesellschaft beherrschen noch ihre Gesellschaften die G-GbR bzw O-OHG beherrschen. Denkt man die Kapitalgesellschaften weg, hat X eine Beteiligung von 45 % bzw (soweit man diese mit der Beteiligung von B-GmbH von 1/3 multipliziert) von 15 %, sodass er in jedem Fall sein Darlehen an die G-GbR bzw O-OHG nur gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO geltend machen kann. Bei Y gelangt man entweder zu 30 % oder zu 10 %, was für die Anwendung von § 39 Abs. 5 InsO entscheidend ist. ME ist allein auf die Höhe der Beteiligung des Darlehensgebers an seiner Kapitalgesellschaft abzustellen, denn diese haftet ihm über § 128 HGB für das Darlehen, sodass es sich mittelbar um einen Kredit an sie handelt. cc) Der ausgeschiedene Gesellschafter bzw der Kreditgeber nach Zession vom Gesell- 176 schafter. Wird innerhalb eines Jahres nach Ausscheiden des Gesellschafters bzw Veräußerung der Gesellschafterposition unter Beibehaltung der Kreditgeberposition ein Insolvenzantrag gestellt, ist der Gesellschafter mit seiner Forderung nach wie vor von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO erfasst.457 Hatte der (externe) Zessionar das Darlehen innerhalb des letzten Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben, ist § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO anzuwenden und der Zessionar als neuer Kreditgeber wird letztlich wie ein Gesellschafter behandelt458 (siehe Rn 98). Nicht von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist der Fall erfasst, dass erst nach Übertragung der Gesellschafterposition die Kreditvergabe folgt bzw nach Beendigung des Kreditengagements die Gesellschafterposition erworben wird.459

b) Der gesellschaftergleiche Dritte. Auch wenn § 39 Abs. 1 S. 1 InsO nur den Gesellschafter als 177 Darlehensgeber erwähnt, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für die Zeit nach Inkrafttreten des MoMiG anerkannt, dass Dritte ihre Darlehen oder darlehensgleichen Forderungen nur im fünften Nachrang geltend machen können, wenn sie einem Gesellschafter gleichstehen.460 Insofern wird die zum Eigenkapitalersatzrecht geltende Rechtslage461 fortgeführt, die das in § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG explizit manifestierte. Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers.462 Der Bundesgerichtshof verlangt, dass der Dritte unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft hat und dieser Einfluss derart ausgestaltet ist, dass der Kapitaleinsatz mit dem Kapitaleinsatz im eigenen unternehmerischen Interesse vergleichbar ist.463 Unter Rückgriff auf die Wertungen von § 39 Abs. 5 InsO bedarf es eines Einflusses und einer Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg.464 Dafür ist eine

457 BGH ZIP 2012, 86 Rn 13 ff; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 29; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 78; Kleindiek ZGR 2017, 731, 748 f. BGHZ 196, 220 Rn 31; BGHZ 221, 100 Rn 85. Ganter NZI 2021, 1, 2. BGHZ 188, 363 Rn 10; BGHZ 196, 220 Rn 14 ff; BGHZ 198, 64 Rn 23; BGHZ 204, 83 Rn 46; BGHZ 226, 125 Rn 20. Ausführlicher Überblick bei von Gerkan/Hommelhoff/Johlke/Schröder Hdb des Kapitalersatzrechts2 Rn 5.7 ff. BT-Drucks 16/6140 S 56; BGHZ 188, 363 Rn 10; BGHZ 226, 125 Rn 20. BGHZ 226, 125 Rn 26; zustimmend Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 251a; siehe auch K Schmidt GmbHR 2009, 1009, 1015 f, 1018 („Finanzierungsverantwortung“). 464 BGHZ 226, 125 Rn 29 f.

458 459 460 461 462 463

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Gesamtbetrachtung geboten.465 Die Einflussmöglichkeit muss nicht gesellschaftsrechtlich manifestiert sein; vielmehr genügt eine Einflussmöglichkeit auf den Gesellschafter selbst, zB durch Stimmrechtsvollmacht oder Stimmbindungsvereinbarung.466 Bei der Dritterstreckung kann unterschieden werden zwischen der Zurechnung einer von einer Mittelperson gehaltenen Position und der Qualifikation eines Dritten als gesellschaftergleich. Beide Phänomene können zusammenlaufen wie bei der Doppeltreuhand.467

178 aa) Atypisch stille Gesellschafter. Für den atypisch stillen Gesellschafter wurde bereits verdeutlicht, dass er einen ergänzenden Geschäftsanteil hält, daher wie ein Gesellschafter einzuordnen ist und deshalb den Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage nur im Schlussrang geltend machen kann (siehe Rn 126 ff, 129 ff). Aus dieser Perspektive ist er auch geeigneter (Quasi)-Gesellschafter, dessen zusätzliche Darlehen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfallen. Die „moderne“ h.M. kann die Frage nach der Einordnung eines zusätzlichen Darlehens nicht beantworten, wenn sie den atypisch stillen Gesellschafter unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fassen will. Konsequenz wäre dann, dass der atypisch stille Gesellschafter mit seinen zusätzlichen Darlehen einfacher Insolvenzgläubiger wäre; eine Konsequenz die die h.M. gewiss auch nicht ziehen will.468 Probleme bereitet unabhängig von der Position zur Einordnung der atypisch stillen Beteiligung die Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs (dazu siehe Rn 199).

179 bb) Kreditgeber. Die bloße Eigenschaft als Kreditgeber genügt nicht zur Einordnung als gesellschaftergleicher Dritter. Die bloße Besicherung von Kreditansprüchen genügt nicht; vielmehr muss der Dritte über die Rolle eines Kreditgebers hinausgehen.469 Der Kreditgeber muss über erheblichen Einfluss verfügen, um ihn als Quasigesellschafter und/oder faktischen Geschäftsführer einzustufen.470 Selbst in diesem Fall ist fraglich, wo die Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft wie ein Gesellschafter liegen soll. Die Sicherung von Information und ggf. Zustimmungsvorbehalten zur Geschäftspolitik durch Covenants kann nicht zur Einordnung des Kreditgebers als Gesellschafter führen.471 Es erscheint denkbar, diese wirtschaftliche Teilhabe dann zu bejahen, wenn der jährliche Umfang der Darlehenstilgung an den Gewinn der Gesellschaft geknüpft ist, aktiver Einfluss auf die Geschäftsführung genommen wird und ggf. davon die weitere Kreditgewährung abhängt.472 Fehlt es an derartiger wirtschaftlicher Teilhabe, kommt eine gesellschaftergleiche Position in Betracht, wenn dem Kreditgeber nicht nur Vorbehalts- oder Zustimmungsbefugnisse zustehen, sondern er aktiv auf die laufende Geschäftspolitik Einfluss nehmen darf.473 Es besteht auch kein Widerspruch zur Nichtanwendung von § 39 I S 1 Nr 5 InsO auf die Einlage des atypisch still Beteiligten (siehe Rn 129 ff). Sowohl der atypisch still Beteiligte und der Kreditgeber mit außergewöhnlichen Einfluss465 466 467 468 469 470

BGHZ 193, 378 Rn 24; BGHZ 226, 125 Rn 31. Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 256; siehe auch Wilhelm Dritterstreckung im Gesellschaftsrecht (2017), S 140 ff. Bitter WM 2020, 1764, 1766. Siehe dazu insbesondere Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 99, 101, 504. BGHZ 226, 125 Rn 33. Dazu ausführlich Sandhaus Der Kreditgeber als faktischer Geschäftsführer einer GmbH (2014), S 282 ff, 288 ff, 294 ff. 471 Conow Vertragsbindung als Freiheitsvoraussetzung (2015), S 275 ff; Engert ZGR 2012, 835, 865; Fleischer ZIP 1998, 313, 315 ff; Habersack ZGR 2000, 384, 393 ff; ders ZIP 2008, 2385, 2388; K Schmidt GS Winter (2011), S 601, 619; Scholz/ Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 299; Wilhelm Dritterstreckung im Gesellschaftsrecht (2015), S 117 ff; iE auch Renner/Schmidt ZHR 180 (2016), 522, 535 ff; rechtsvergleichend Witt Die nachrangige Behandlung von Krediten (2018), S 136 ff; aA aber Servatius Gläubigereinfluss durch Covenants (2008), S 524 ff, insb S 538 ff, 547 f. 472 Engert ZGR 2012, 835, 866. 473 IE auch Fleischer ZIP 1998, 313, 315 ff; Habersack ZGR 2000, 384, 395; Witt Die nachrangige Behandlung von Krediten (2018), S 195 ff mit der Forderung eines Auftretens nach außen wie ein Gesellschafter; in Würdigung von BGHZ 226, 125 auch Prosteder/Grotebrune DB 2020, 2562, 2567. Mylich

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rechten sind gesellschaftergleich zu qualifizieren. Der Anspruch auf Einlagerückgewähr ist nachrangig; der Kreditgeber mit außergewöhnlichen Einflussrechten hat (anders als der atypisch still Beteiligte) nie eine Einlage geleistet. Wegen der Gesellschaftergleichheit sind das Darlehen des Kreditgebers mit außergewöhnlichen Einflussrechten und das zusätzliche Darlehen des atypisch stillen Gesellschafters unter § 39 I S 1 Nr 5 InsO zu fassen. Auch bei einer doppelseitigen Treuhand, d.h. der Treuhänder hält die Gesellschaftsbeteiligung in Verwaltung für den Gesellschafter, aber auch zur Absicherung eines externen Kreditgebers unterscheidet sich der externe Kreditgeber vom Treuhänder selbst erheblich. Der Treuhänder hat als solcher Einfluss auf das Unternehmen, während der Kreditgeber eher die Position eines typischen Pfandgläubigers hat.474 Hingegen kommt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zur Anwendung, wenn der Kreditgeber die Anteile an der betreffenden Gesellschaft als Sicherungseigentum hat. Der formellen Gesellschafterposition kann er nicht entfliehen, sodass ein Darlehen an die Tochtergesellschaft (oder auch an die Gesellschaft selbst475) wie ein Gesellschafterdarlehen behandelt wird.476 Dem begegnet die Praxis durch die Konstruktion einer doppelseitigen Treuhand; hier kann § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht angwendet werden.477 Die Gegenauffassung verweist darauf, dass bei der Doppeltreuhand der Treuhänder gerade Treuhänder für zwei Personen ist.478 Für sie spricht, dass die Differenzierung gekünstelt wirkt, ob nun der Kreditgeber die Anteile als Sicherungsnehmer selber hält oder eben durch einen Treuhänder halten lässt. Für die Differenzierung spricht hingegen, dass im Grundsatz eine Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO richtig ist, wenn der Kreditgeber den Gesellschaftsanteil nur als Sicherheit erhält. Das wird bei einem gesetzestypischen Pfandrecht so gehandhabt (siehe Rn 186) und passt daher auch bei doppelseitigen Treuhand. Hingegen sprechen pragmatische Gründe dafür, bei der Sicherungszession (auch) den Sicherungszessionar als Gesellschafter einzuordnen. Die innere Motivationslage und die tatsächliche Ausübung der Gesellschafterrechte lässt sich nicht so gut überblicken, während bei der doppelseitigen Treuhand die Interessenausübung klar geregelt ist.

cc) Treuhandfälle. Treuhandfälle kommen in mehreren Gestaltungsvarianten in Betracht. So 180 kann statt des Gesellschafters oder des Darlehensgebers ein Treuhänder auftreten. Denkbar ist aber auch, dass der Treuhänder für den Gesellschafter selbst das Darlehen vergibt. Denkbar ist in dieser Konstellation darüberhinaus, dass der darlehensgebende Treuhandgesellschafter auch das Darlehen nur in einer Eigenschaft als Treuhänder des Darlehensgebers gewährt. Soweit diese Konstellationen unterteilt werden in formale Aufspaltung einer wirtschaftlich identischen Position bzw formale Einheit bei wirtschaftlicher Aufspaltung, darf damit kein Ergebnis vorweggenommen werden. Gerade bei formaler Einheit und wirtschaftlicher Aufspaltung von Gesellschafter und Darlehensgeber ist der Hintergrund der Treuhand zu beleuchten. In all diesen Konstellationen ist für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu beachten, dass es lediglich um die Qualifikation als Gesellschafterdarlehen mit einer Nachrangbehandlung im Insolvenzverfahren geht. Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich bei § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn es um den richtigen Anfechtungsgegner geht.

(1) Wirtschaftlicher Interessengleichklang bei formaler Aufspaltung. Unproblematisch 181 ist ein Gesellschafterdarlehen zu bejahen, wenn der Darlehensgeber zwar nicht Gesellschafter ist, jedoch als Treugeber agiert und sein Gesellschaftsanteil durch einen Treuhänder gehalten

474 BGHZ 226, 125 Rn 37 f. 475 Zu den wirtschaftlichen Hintergründen dieser Möglichkeit Rogler Die Subordinations anteilsgestützter Unternehmenskredite (2016), S 24 ff. 476 BGHZ 105, 168, 175 f. 477 BGHZ 226, 125; Würdigung der Entscheidung durch Prosteder/Grotebrune DB 2020, 2562. 478 Bitter WM 2020, 1764, 1768; siehe auch Rogler Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite (2016), S 222 ff. 319

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wird.479 Hier ist auch keine unterschiedliche Behandlung nach Art der Treuhand geboten; vielmehr genügt, dass der Darlehensgeber nur aus formalen Gründen nicht als Gesellschafter auftritt. Das gilt auch dann, wenn bei einer doppelseitigen Treuhand der Treuhänder die Gesellschaftsbeteiligung als Sicherheit zugunsten eines externen Kreditgebers hält; das Darlehen des Treugebers, nicht aber das Darlehen des externen Kreditgebers unterfällt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO.480 Ebenso ist die Konstellation zu würdigen, dass der Gesellschafter einen Dritten einschaltet, der auf Rechnung des Gesellschafters ein Darlehen vergibt.481 Diese Konstellation ist aber nicht zu verwechseln mit jener, dass der Dritte für eigene Rechnung ein Darlehen vergibt, aber vom Gesellschafter eine Sicherheit (zB Bürgschaft) gestellt bekommt. In dieser Konstellation bleibt der Gläubiger einfacher Insolvenzgläubiger, nur regelt § 44a InsO für das Verfahren, dass der Darlehensgeber sich zunächst an den Gesellschafter als Sicherungsgeber halten muss. Hingegen ist ein Darlehen auf Rechnung für den Gesellschafter per se ein Gesellschafterdarlehen482 und kann in der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter auch vom Treuhänder nur nachrangig geltend gemacht werden.

182 (2) Formaler Interessengleichklang bei wirtschaftlicher Aufspaltung. Hingegen können in der Hand des Treuhänders Gesellschafterposition und Darlehen gebündelt werden, obwohl die wirtschaftlichen Interessen von zwei unterschiedlichen Personen stammen. So kann der Treuhänder den Gesellschaftsanteil für den Treugeber halten und selber ein Darlehen vergeben; ebenso kann der Treuhänder den Gesellschaftsanteil für den Treugeber halten und zugleich für eine weitere Person das Darlehen treuhänderisch gewähren. Vergibt der Treuhänder selber ein Darlehen, handelt es sich um ein Gesellschafterdarlehen, denn auf die innere Motivationslage wird nicht abgestellt.483 Der Gegenauffassung484 ist nicht zu folgen, denn sie nimmt dem Recht der Gesellschafterdarlehen die Klarheit, wenn sie es einem Gesellschafter offenlässt, seine Position durch die Behauptung infrage zu stellen, kein eigenes Interesse an der Gesellschafterposition zu haben.

183 dd) Das Fehlen einer Verfügungsbefugnis. In besonderen Fällen kann auch die Verfügungsbefugnis über den Gesellschaftsanteil bzw über das Darlehen fehlen. Denkbar ist die Konzernsituation, dass über das Vermögen der Tochtergesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, jedoch die Enkelgesellschaft weiterhin wirtschaften kann. Die Muttergesellschaft hat ein erhebliches Interesse an einer finanziellen Ausstattung der Enkelgesellschaft, denn sie bzw andere Konzerngesellschaften beziehen von ihr Produkte bzw Produktteile. Weil der Muttergesellschaft in der Insolvenz der Tochtergesellschaft die Verfügungsbefugnis über die Enkelgesellschaft entzogen ist, stellt sich die Frage, ob ein vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Tochtergesellschaft gewährtes Darlehen an die Enkelgesellschaft unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fällt, wenn später auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Enkelgesellschaft eröffnet werden muss. In dieser Konstellation entfällt die Einordnung eines Gesellschafterdarlehens bei Vergabe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Tochtergesellschaft. Der Mutterge479 Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 655; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 93; siehe auch Foerster Die Zuordnung der Mitgliedschaft (2018), S 309 ff. BGHZ 226, 125 Rn 36. Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 656. BGHZ 188, 363 Rn 19 mwN; BGH ZIP 2009, 1273 Rn 9; Kayser FS Smid (2022), S 169, 177. BGHZ 105, 168, 175 f; Foerster Die Zuordnung der Mitgliedschaft (2018), S 221 ff, 301 ff, 373 ff mit Zusammenfassung auf S 432; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 75 f, 93. 484 Vertreten zB von Rogler Die Subordination anteilsgestützter Unternehmenskredite (2016), S 222 ff, Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 220 ff; zum früheren Eigenkapitalersatzrecht auch so Rümker FS Stimpel (1985), S 673, 685 ff insb. 688 f.

480 481 482 483

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sellschaft fehlt nun jeglicher Zugriff. Zu beachten ist auch, dass ein Massedarlehen an die Tochtergesellschaft ebenfalls nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fällt (siehe Rn 117). Somit muss auch ein Darlehen an die Enkelgesellschaft nicht unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO fallen. Das vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft an die Enkelgesellschaft gewährte Darlehen bleibt noch ein Jahr nach Verfahrenseröffnung nachrangig, wechselt aber dann mangels Zugriffsmöglichkeit der Muttergesellschaft auf die Enkelgesellschaft (diese gehört zum Vermögen der Tochtergesellschaft und darüber verfügt der Insolvenzverwalter) in den Status eines Drittdarlehens. Eine ähnliche Konsequenz wird man annehmen müssen, wenn zB ein nicht oder geringfügig beteiligter Gesellschafter (zugleich Darlehensgeber) einen (weiteren) Geschäftsanteil erbt, dadurch eigentlich die Schwelle von 10 % Beteiligung überschreitet, aber der geerbte Geschäftsanteil in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers fällt. Auch in diesem Fall kann der unter fremder Verfügungsbefugnis stehende Geschäftsanteil nicht dem Darlehensgeber zugerechnet werden. Im Beispiel bleibt der geringfügig Beteiligte ein solcher. Allerdings sind hier Ausnahmen denkbar, wenn zB der Erbe und der Testamentsvollstrecker einvernehmlich zusammenwirken. Hingegen gilt zu Lasten von Erbe oder Testamentsvollstrecker § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, wenn der Tatbestand der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens durch diese selbst verwirklicht worden ist. War zB der Testamentsvollstrecker (auch) Gesellschafter mit mehr als 10 % oder Geschäftsführerposition und entnimmt aus dem Nachlass Mittel zur Darlehensvergabe bzw vergibt der Vorerbe als Gesellschafter ein Darlehen aus Nachlassmitteln, wird man beim Übergang der Kreditgeberposition auf einen von der Testamentsvollstreckung befreiten Erben bzw einen Nacherben noch § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO anwenden müssen, wenn im Jahr nach der Trennung von Gesellschafter- und Kreditgeberposition ein Insolvenzantrag gestellt wird.

ee) Nahestehende Personen. Nahestehende Personen sind in § 138 InsO definiert. Konzernfäl- 184 le werden unter Rn 201 ff behandelt. Bei nahestehenden natürlichen Personen, d.h. vor allem Ehepartner, gibt es keine Vermutung, dass das Darlehen vom Gesellschafter finanziert sei. § 138 InsO wird in § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4, Abs. 5 InsO nicht erwähnt.485 Auch eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises wird nur bei konkreten Hinweisen akzeptiert.486 ff) Genussrechtsinhaber. Unabhängig von der Einordnung des Genussrechts als obligationsähn- 185 lich, aktienähnlich oder aktiengleich fehlt ihm das mitgliedschaftliche Element. Der Genussrechtsinhaber ohne zusätzliche Gesellschafterposition (dazu siehe Rn 135) ist ausschließlich auf Vermögensrechte beschränkt und hat keine mitgliedschaftlichen Zustimmungsbefugnisse.487 Mit Blick auf die Gewinnbeteiligung des Genussrechtsinhabers ist aber eine gesellschaftergleiche Einordnung denkbar. Allerdings wird man wegen des Fehlens jeglicher Einflussmöglichkeit keine Vergleichbarkeit mit einem Gesellschafter annehmen können.488 Andernfalls bestünde ein Widerspruch zu einem partiarischen Kreditgeber mit geringen Zustimmungsvorbehalten. Allerdings sehen die Genussrechtsbedingungen zumeist einen Nachrang im Sinne von § 39 Abs. 2 InsO vor.489 gg) Pfandrechtsinhaber. Hat der Kreditgeber der Gesellschaft zugleich ein Pfandrecht an den 186 Anteilen der Gesellschaft bzw den Anteilen einer übergeordneten Gesellschaft, ist § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nicht einschlägig, wenn es sich um ein gesetzestypisches Pfandrecht handelt.490 485 486 487 488 489 490 321

Kayser WM 2015, 1973, 1974. BGHZ 188, 363 Rn 23; siehe auch BGHZ ZIP 2009, 1273 Rn 9; BGH ZIP 2020, 337 Rn 9. Dazu Mylich ZGR 2018, 867, 877 mwN. So auch Mock NZI 2014, 102, 104. Mock NZI 2014, 102, 103 f. BGHZ 119, 191, 194. Mylich

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Wird jedoch durch das Pfandrecht verstärkt Einfluss vermittelt, der den Kreditgeber wie einen Gesellschafter dastehen lässt, soll auf diese Weise das Darlehen subordiniert sein.491 Nicht von der Hand zu weisen sind die Bedenken, dass ein Kreditgeber sich im Rahmen seines Engagements häufig verstärkt Einfluss auf den Kreditnehmer einräumen lässt.492 Folgt man der BGH-Auffassung, muss gleichwohl erkannt werden, dass die Sicherheit als solche nicht erfasst ist, denn die Gesellschaft als Kreditnehmerin besichert das Darlehen nicht – und nur dieser Fall ist von § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst.493 Nicht einmal von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO erfasst ist die Konstellation, dass die Kreditnehmerin selbst ein Pfandrecht vergibt – und zwar an den Anteilen an ihrer Tochtergesellschaft. Hingegen müsste § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zur Anwendung kommen können, wenn die Kreditnehmerin ein Pfandrecht an ihren eigenen Anteilen bestellt. Die Zulässigkeit und die Wirkung von Pfandrechten an eigenen Anteilen sind bislang nicht untersucht; sie sollten aber den Pfandrechtsinhaber einem Gesellschafter gleichstellen.

187 hh) Nießbraucher und Unterbeteiligter. Sofern die Position des Nießbrauchers bzw Unterbeteiligten derjenigen eines Gesellschafters angenähert ist, soll auf die vom Nießbraucher bzw Unterbeteiligten gewährten Darlehen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO anwendbar sein.494 Das ist ein Zirkelschluss, denn es steht gerade infrage, wann die Position derart angenähert ist. Zu Unrecht werden beim typischen Nießbrauch Bedenken wegen der fehlenden Einflussmöglichkeiten angemeldet.495 Während der typische Pfandgläubiger nur eine Sicherheit am Gesellschaftsanteil hat, teilen sich Nießbraucher bzw Unterbeteiligter und Gesellschafter ebenso wie Treuhänder und Treugeber den Gesellschaftsanteil, sodass allein aufgrund dieser formalen Position sowohl das Darlehen des Gesellschafters als auch das Darlehen des Nießbrauchers oder Unterbeteiligten als Gesellschafterdarlehen anzusehen ist.

188 ii) Der Kreditgeber des Gesellschafters. Gewährt ein externer Dritter dem Gesellschafter Kredit und nutzt der Gesellschafter den Betrag für ein Darlehen an die Gesellschaft, unterfällt die Kreditbeziehung zwischen dem Dritten und dem Gesellschafter nicht § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.496 Der Dritte behält daher seinen Anspruch gegen den Gesellschafter, doch ist bei einer Rückzahlung des Betrags und Weiterleitung an den Dritten vor der Insolvenz zu überlegen, ob § 145 Abs. 2 Nr. 1 InsO nicht zu Lasten des externen Dritten wirkt;497 das ist in der Kommentierung von § 135 InsO zu vertiefen.

c) Privilegierte und nicht privilegierte Minderheitsgesellschafter 189 aa) Der privilegierte Minderheitsgesellschafter. Gem. § 39 Abs. 5 InsO werden Darlehen jenes Gesellschafters nicht nachrangig behandelt, der mit 10 % und weniger am Haftkapital beteiligt ist. Die Vorschrift gab es seit dem 1.1.1999 auch für das Eigenkapitalersatzrecht in Form des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a.F.498 Unschädlich ist das exakte Erreichen von 10 %. Auch eine

491 492 493 494

BGHZ 119, 191, 195 ff. Mit Recht Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 657. Bitter KTS 2018, 445, 451. GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 95; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 311; Schröder Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG (2012), S 124 f; Ulbrich Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts der GmbH (2011), S 329 ff. 495 Siehe Ulbrich Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts der GmbH (2011), S 332. 496 Insoweit richtig BGH ZIP 2020, 723 Rn 7 f. 497 Das wurde nicht in der Entscheidung BGH ZIP 2020, 723 thematisiert. 498 Rechtspolitische Kritik bei Pentz GmbHR 1997, 437, 441. Mylich

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besondere Dominanz mit weniger als 10 % der Anteile wegen geringer Präsenz in der Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung führt zu keiner anderen Wertung. So ist das Halten von weniger als 10 % durch eine Kapitalgesellschaft als Gesellschafterin unabhängig vom Einfluss steuerschädlich (§ 8b Abs. 4 KStG), sodass positive Wirkungen auch nicht durch nicht kodifizierte Kriterien aufgeweicht werden dürfen. Werden aber Anteile zugerechnet (siehe Rn 174 zum mittelbaren Gesellschafter wegen Beherrschung eines zwischengeschalteten Rechtsträgers) – und sei es, dass ein 8 %-Gesellschafter ein (zusätzliches) atypisches Pfandrecht oder ein Nießbrauchsrecht an einem (weiteren) 5 %-Anteil hat – kann die 10 %-Schwelle überschritten werden.499 Schließen sich mehrere unter 10 % beteiligte Gesellschafter hinsichtlich eines Konsortialkredits zusammen, soll das Darlehen nicht privilegiert werden;500 nach anderer Auffassung ist auch das Pooling der Gesellschaftsanteile nötig, damit § 39 Abs. 5 InsO nicht eingreift.501 Hat der Minderheitsgesellschafter zusätzlich eine atypisch stille Beteiligung, scheidet die Privilegierung eines von ihm gewährten Darlehens aus. Beim atypisch still Beteiligten kommt eine Privilegierung nicht in Betracht. Vielmehr muss bei einer stillen Beteiligung geprüft werden, ob Einfluss und wirtschaftliches Risiko groß genug sind, um die Beteiligung als atypisch still einzustufen. Ist das der Fall, findet § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ohne weitere Einschränkungen auf die zusätzliche Darlehensvergabe des still Beteiligten Anwendung.

bb) Der nicht privilegierte Gesellschafter mit mehr als 10 % Anteilen. Ohne weitere 190 Voraussetzungen führt das Überschreiten der 10 %-Schwelle zur Einordnung des Darlehens als nachrangig; mittelbare Beteiligungen sind zusammenzurechnen.502 Das gilt auch, wenn mehrere Gesellschafter als Konsorten sich zusammenschließen und zusammen mehr als 10 % der Anteile erreichen (siehe vorige Rn). Ein Berufen darauf, dass trotz (geringfügiger) Überschreitung weitere atypische Eigenkapitalgeber wie stille Gesellschafter existieren, sieht das Gesetz nicht vor. Dann hätte als Kriterium der Gewinn genommen werden müssen, der an Eigenkapitalgeber verteilt wird. Dieser Konflikt mit der (Nicht-)Hinzurechnung atypischer Eigenkapitalpositionen durchzieht die gesamte Rechtsordnung, insbesondere das Gesellschafts-, Bilanz-, Kapitalmarkt- und Steuerrecht. Dem Gesetzgeberwillen ist Folge zu leisten, wenn er als Anknüpfungspunkt auf die Stimmverteilung oder (wie bei § 39 Abs. 5 InsO) auf die Kapitalanteile abstellt. Sachgerechter wäre es zwar, auf die Gewinnverteilung an alle Eigenkapitalgeber abzustellen, doch kann dies nur ein Vorschlag de lege ferenda sein. cc) Der nicht privilegierte Minderheitsgesellschafter mit einer Geschäftsführerpositi- 191 on. Aus § 39 Abs. 5 InsO ergibt sich, dass die Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO beim Minderheitsgesellschafter mit maximal 10 % nur gilt, wenn dieser nicht geschäftsführender Gesellschafter ist. Das bedeutet zunächst formal, dass ein Geschäftsführer oder Vorstand einer GmbH bzw AG immer mit ihren Darlehen nachrangig sind, wenn sie zugleich eine Gesellschafterposition oder gesellschafterähnliche Position halten. Erhält ein Geschäftsführer zB einen geringfügigen Geschäftsanteil und stundet in der Krise der GmbH Teile des Gehalts, kann er in einem Insolvenzverfahren seine Forderung ggf nur nachrangig geltend machen, weil dieser Gehaltsanspruch in einen Anspruch umqualifiziert worden ist, der einem Darlehen vergleichbar ist. Die Lösung würde anders lauten, wenn der Geschäftsführer still am Rechtsträger beteiligt worden wäre und die stille Beteiligung nicht so sehr von den §§ 230 ff. HGB abweicht, dass es bei einer typisch stillen Beteiligung bleibt.

499 500 501 502 323

Keller/Schulz FS Spiegelberger (2009), S 761, 770; K Schmidt GmbHR 1999, 1269, 1271 f. Pentz GmbHR 1997, 437, 444. Lengersdorf Der Nachrang von Gesellschafterdarlehen (2019), S 156; Obermüller/Kuder FS Görg (2010), S 335, 341. d’Avoine/Michels ZIP 2018, 60, 65. Mylich

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

192 (1) Geschäftsführer einer GmbH bzw Vorstand einer AG. Erfasst sind der Geschäftsführer einer GmbH bzw der Vorstand einer AG. Abzustellen ist allein auf den formellen Akt der Bestellung. Das bedeutet, dass der abberufene Geschäftsführer der GmbH mit einer Beteiligung von maximal 10 % trotz fortlaufenden Dienstvertrags mit seinem Darlehen nicht (mehr) dem § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfällt, sondern zu seinen Gunsten das Kleinbeteiligtenprivileg gilt. Hatte er das Darlehen noch während seiner Bestellung gewährt, kommt das Kleinbeteiligtenprivileg erst ein Jahr nach seiner Abberufung zur Anwendung.

193 (2) Faktischer Geschäftsführer einer GmbH bzw Vorstand einer AG. Es mag auch vorkommen, dass jemand faktisch die GmbH als Geschäftsführer leitet und nur eine geringfügige Beteiligung hat. Ggf kann das daran liegen, dass die Treuhändereigenschaft der Mitgesellschafter hinsichtlich weiterer Anteile nicht nachweisbar ist. Auch in dieser Konstellation soll § 39 Abs. 5 InsO unanwendbar sein.503

194 (3) Geschäftsführer einer GmbH & Co KG. Die Geschäfte der GmbH & Co KG werden vom Geschäftsführer der GmbH geführt.504 Hält dieser eine Beteiligung an der Komplementär-GmbH oder die Position eines Kommanditisten, ist ein Darlehen oder eine darlehensgleiche Leistung (zB gestundetes Geschäftsführergehalt) in der Insolvenz unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu fassen. Auch ein Kommanditist mit organschaftlicher Geschäftsführungskompetenz kraft Gesellschaftsvertrags ist ein geschäftsführender Gesellschafter, auch wenn ihm die organschaftliche Vertretungsmacht fehlt. Maßgebend sind Einfluss und Kenntnis hinsichtlich des Zustandes der Gesellschaft.505

195 (4) Geschäftsführer einer OHG bzw GbR. Auf den ersten Blick scheint § 39 Abs. 5 InsO auf die OHG oder GbR nicht anwendbar zu sein, weil aus einer Beteiligung einer natürlichen Person mit einer persönlich unbeschränkten Haftung folgt, dass § 39 Abs. 4 S. 1 InsO nicht anwendbar ist. Denkbar sind aber Treuhandkonstruktionen wie jene: Eine Vermögensverwaltungs-GbR hat ausschließlich GmbH & Co KGs oder GmbHs als Gesellschafter. Hinzu tritt eine T-GmbH, die als Treuhänderin für alle natürlichen Personen die GbR-Anteile hält. Der eingesetzte GbR-Geschäftsführer ist Treugeber von Anteilen an der GbR, die ihn in Höhe von zB 0,1 % am Gewinn beteiligen. Zugleich gewährt er der GbR ein Darlehen. Hier kommt § 39 V InsO zur Anwendung.

196 (5) Prokuristen, Generalbevollmächtigte, Aufsichsräte. Bei der Prokura handelt es sich um eine handelsrechtliche Stellvertretung. Sie besagt nichts über den internen Einfluss des Prokuristen. Daher kann allein die Prokura, auch wenn sie zB im Gesellschaftsvertrag eingeräumt wird, nicht zu einer Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auf Darlehen des Minderheitsgesellschafters führen.506 Das gilt auch bei einer Generalbevollmächtigung, soweit man sie im Handelsrecht überhaupt für möglich hält. Die pauschale Gleichsetzung mit einem Geschäftsführer würde den Charakter als Instrument der Stellvertretung verkennen, während der Geschäftsführer neben der organschaftlichen Vertretung (nach außen) auch organschaftlich im Innenverhältnis agiert. Auch die Tätigkeit im Beirat oder Aufsichtsrat ist der eines Geschäftsführers nicht

503 504 505 506

Pentz GmbHR 1999, 437, 446. MünchKomm/Grunewald HGB4 § 161 Rn 73. Das ergibt sich aus BGH ZIP 2019, 182 Rn 15. Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 104; aA Pentz GmbHR 1999, 437, 447.

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gleichzusetzen.507 Jedoch kann in all diesen Fällen geprüft werden, ob die betreffende Person mit einer Gesellschafterstellung evtl. als faktischer Geschäftsführer einzustufen ist.

dd) Analogie zu Lasten eines Geschäftsführers bzw Vorstands ohne Beteiligung? Frag- 197 lich ist, ob § 39 Abs. 5 InsO zu Lasten des Geschäftsführers angewendet werden kann, auch wenn dieser keine Beteiligung hält. Wortlaut und Systematik schließen diese Möglichkeit aus. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO ist nur anwendbar, wenn ein Gesellschafter ein Darlehen gegeben hat. § 39 Abs. 5 InsO schließt hingegen die Einordnung eines vom Gesellschafter begebenen Darlehens aus, wenn er maximal 10 % der Anteile hält und nicht Geschäftsführer ist. Ein Geschäftsführer ohne Geschäftsanteil ist bereits kein Gesellschafter, sodass sich weitere Diskussionen erübrigen. Auch für eine Analogie ist kein Raum, denn ein „Nur“-Geschäftsführer hat nicht einem Gesellschafter vergleichbare Interessen. Er zieht keinen Profit über (zusätzliche) Erträge aus der Gesellschaft; allerdings kann doch seine Vergütung als Geschäftsführer betroffen sein. Zudem wird man keine unbewusst vom Gesetzgeber gelassene Lücke erkennen können, denn die Ausnahme vom Kleingesellschafterprivileg impliziert, dass der Gesetzgeber das Problem des Geschäftsführerdarlehens wenigstens im Ansatz gesehen hat. Konsequenz ist daher, dass Kredite durch den Geschäftsführer nicht § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfallen. Auch de lege ferenda muss nicht überlegt werden, dem Geschäftsführer ohne Geschäftsanteil mit seinen Darlehen bzw darlehensgleichen Ansprüchen nur im Nachrang einzuordnen, weil das Gesellschafterdarlehen dadurch geprägt ist, dass entweder qualifizierter Minderheitseinfluss mit mehr als 10 % Beteiligung oder kraft Vereinbarung (beim atypisch still Beteiligten) auf Gesellschafterebene möglich ist oder irgendein Einfluss auf Gesellschafterebene zzgl. eines Einflusses auf Geschäftsführer- bzw Vorstandsebene besteht. ee) Der mittelbar beteiligte Gesellschafter mit einer Geschäftsführerposition bei der 198 Kreditnehmerin. Hingegen scheint es nicht ausgeschlossen, den mittelbar beteiligten Gesellschafter wie einen unmittelbar beteiligten Gesellschafter zu behandeln, wenn es auf die Beteiligungshöhe nicht ankommen soll. Ob ein Geschäftsführer unmittelbar mit 0,1 % beteiligt ist oder an einer Gesellschafterin zB mit 5 % beteiligt ist, während diese zB mit 8 % beteiligt ist (mittelbare Beteiligung von 0,4 %), bedeutet keinen Unterschied. Allerdings kann der Geschäftsführer mit bloßer mittelbarer Beteiligung nicht mehr seine Geschäftsführer- und Gesellschafterposition miteinander verknüpfen. Er tritt der Gesellschaft wie ein externer Geschäftsführer gegenüber. In der Gesellschafterversammlung kann er nicht als Gesellschafter mitwirken und aus seiner Kreditgeberposition auf diese einwirken. Unzulässig ist ein Abstellen auf die Einflussmöglichkeiten als Geschäftsführer, denn der Geschäftsführer ohne eine Beteiligung als Gesellschafter unterfällt mit seinem Darlehen nicht dem Recht der Gesellschafterdarlehen. Auch die folgende Kontrollüberlegung führt zu diesem Ergebnis: Soll der Geschäftsführer einer Konzerngesellschaft mit gestundeten Gehaltsansprüchen tatsächlich § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterfallen, nur weil er einige Aktien der (börsennotierten) Konzernspitzengesellschaft hält bzw als Vergütungselement erhalten hat? Daher fallen Darlehen (oder stehengelassene Geschäftsführergehälter, die bereits als darlehensgleich einzustufen sind), die der Geschäftsführer einer Konzern-GmbH dieser gewährt, unter § 38 InsO, auch wenn der Geschäftsführer zB einige Aktien der übergeordneten Muttergesellschaft hält. Der Bundesgerichtshof scheint das (ohne diese vertiefenden Überlegungen) anders zu sehen;508 allerdings ist unklar, ob er an dieser einmalig getätigten Aussage festhalten will (siehe Rn 202).

ff) Das Kleinbeteiligungsprivileg von atypisch stillen Gesellschaftern. Probleme bereitet 199 unabhängig von der Position zur Einordnung der atypisch stillen Beteiligung die Anwendung 507 d’Avoine/Michels ZIP 2018, 60, 62; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 104. 508 BGH ZIP 2019, 182 Rn 15. 325

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des Kleinbeteiligtenprivilegs. Der atypisch stille Gesellschafter erhält keinen Geschäftsanteil. Ein Abstellen auf das Nennkapital oder ein Verhältnis zum Nennkapital509 passt nicht, denn daran ist der atypisch stille Gesellschafter nicht beteiligt. Es sollte daher darauf abgestellt werden, welchen Umfang am Gewinn er erhält; unterschreitet dieser 10 %, dann kommt auch zu seinen Gunsten das Kleinbeteiligtenprivileg zur Anwendung.510 Das kann zwar merkwürdige Konsequenzen gegenüber jenen Gesellschaftern haben, die einen Geschäftsanteil halten, muss aber hingenommen werden. Wird der Gewinn der GmbH zB zu 60 % den Gesellschaftern und zu je 10 % den vier atypisch still Beteiligten zugewiesen, kann auf die vier atypisch still Beteiligten für deren zusätzliche Darlehen das Kleinbeteiligungsprivileg angewendet werden, während ein mit 12 % beteiligter GmbH-Gesellschafter effektiv nur 7,2 % vom Gesamtgewinn erhält (seine GmbH erhält ja nur 60 % des Gewinns), gleichwohl dessen Darlehen nicht mit dem Privileg des § 39 Abs. 5 InsO ausgestattet sind. Ob man dem atypisch still Beteiligten unabhängig von der Höhe der Gewinnbeteiligung das Kleinbeteiligungsprivileg versagen muss, wenn er das Recht zur Bestimmung des Geschäftsführers hat, ist zweifelhaft.511 Die bloße Ernennungsbefugnis und auch ein Weisungsrecht führen bei Weitem nicht zu einer derartigen Insiderstellung, wie sie ein Geschäftsführer hat, die bei der geringsten Beteiligung für seine Darlehen die Nichtgeltung des Kleinbeteiligungsprivilegs rechtfertigt.

200 gg) Das Kleinbeteiligungsprivileg bei Nießbrauch, Unterbeteiligung oder atypischem Pfandrecht. War an einer die Kleinbeteiligung überschreitenden Gesellschaftsbeteiligung in geringfügiger Weise ein Nießbrauch, eine Unterbeteiligung oder ein atypisches Pfandrecht bestellt, fallen die Darlehen aller Personen unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. War an einer Kleinbeteiligung ein Nießbrauch, eine Unterbeteiligung oder ein atypisches Pfandrecht bestellt, profitieren auch die Betreffenden Personen mit ihren zusätzlich gewährten Darlehen von der Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO. War an einer Kleinbeteiligung ein Nießbrauch, eine Unterbeteiligung oder ein atypisches Pfandrecht bestellt und sind entweder Gesellschafter oder Nießbraucher bzw Unterbeteiligter bzw atypischer Pfandgläubiger als Geschäftsführer einzuordnen, unterfällt das Darlehen in jedem Fall § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unabhängig davon, ob nun gerade der Darlehensgeber in die Geschäftsführerposition tritt.

201 d) Darlehen über mehrere Ebenen bzw im Konzern. Bei konzerninternen Darlehen ist es üblich, dass diese über mehrere Ebenen bzw im Querverbund vergeben werden. Bei § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO stellt sich stets nur die Frage, ob es sich um ein Gesellschafterdarlehen handelt. Bei Bejahung der Frage ist das Darlehen im Insolvenzverfahren nachrangig zu behandeln. Die vertiefenden Probleme stellen sich bei § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn das Darlehen bereits zurückgezahlt war, ob und vor allem wem gegenüber die Rückzahlung angefochten werden kann. Bei § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO stellt sich aber die Frage, in wessen Insolvenz ein Darlehen einer mehrstufig übergeordneten Gesellschaft nachrangig werden kann. Das gesamte Spektrum der konzerninternen Gesellschafterdarlehen einschließlich der Besicherungen ist bislang wenig ausgelotet. In dieser Kommentierung können nur grobe Leitlinien dargestellt werden.

202 aa) Darlehen des mittelbaren Gesellschafters. Unproblematisch ist das Recht der Gesellschafterdarlehen anwendbar, wenn der mittelbare Gesellschafter den unmittelbaren Gesell-

509 So aber GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 100; von Gerkan/Hommelhoff/von Gerkan Hdb des Kapitalersatzrechts2 Rn. 3.22.

510 Zu diesem Problem siehe auch Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 303 f und Bsp in Fn 1154. 511 So aber Pentz GmbHR 1999, 437, 446. Mylich

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schafter beherrscht und der unmittelbare Gesellschafter die Gesellschaft beherrscht.512 Noch keine klare Äußerung gibt es vom Bundesgerichtshof für die Konstellation, wenn in einer der beiden Beziehungen lediglich eine Minderheitsbeteiligung vorliegt. Lediglich in einer derartigen (verschachtelten) Konstellation bejaht der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, weil der mittelbare Gesellschafter zusätzlich Geschäftsführer der KomplementärGmbH gewesen ist.513 Die Andeutung, dass auch eine mittelbare Beteiligung in Höhe von mehr als 10 % ohne zwischengeschaltete Mehrheitsbeteiligungen reichen könnte,514 ist nach zwei Folgeentscheidungen wieder in Frage gestellt.515 In der Literatur finden sich Stimmen, die einen beherrschenden Einfluss auf den vermittelnden Rechtsträger verlangen,516 aber auch Stimmen, die eine mittelbare Beteiligung von mehr als 10 % per se genügen lassen wollen.517 Nicht diskutiert wird die Konstellation, dass zwar nicht auf den unmittelbaren Gesellschafter mit Mehrheit eingewirkt werden kann, aber der unmittelbare Gesellschafter selbst die Mehrheit hält.518

(1) Keine Mehrheiten. Abzulehnen ist die Ansicht, die auf eine Mehrheit auf jeglicher Ebene 203 verzichtet und allein eine durchgerechnete Mehrheit von mehr als 10 % genügen lassen will. Sie handelt aus ihrer Sicht konsequent, wenn sie darauf abstellt, dass § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO seinen Normzweck allein in der Darlehensvergabe i.V.m. der Überlassung von Risikokapital habe.519 Aus vorliegender Sicht ist das nicht der Fall, vielmehr geht es um eine durch Darlehensgewährung verschleppte Insolvenz (siehe Rn 91 ff). Das setzt Einfluss auf die Gesellschaft voraus, was zumindest dann nicht mehr vermittelt werden kann, wenn nur eine Minderheitsbeteiligung am zwischengeschalteten Rechtsträger besteht und dieser auch nur mit Minderheit beteiligt ist. Daran ändert auch nichts, wenn die Gesellschaft und ihr (einflussreicher) Minderheitsgesellschafter ein gemeinsames Auftreten gegenüber dem am Minderheitsgesellschafter beteiligten (einflussreichen) Minderheitsgesellschafter organisieren, um diesen zu einem Kredit zu bewegen. Entscheidend ist, dass der (mittelbare) Minderheitsgesellschafter der (unmittelbaren) Minderheitsgesellschafterin nicht direkt seinen Einfluss auf der Ebene der Gesellschaft, d.h. in der Gesellschafterversammlung geltend machen kann. Das mag allenfalls dann anders sein, wenn ein (mittelbarer) Minderheitsgesellschafter de facto die Mehrheit bei der unmittelbaren Gesellschafterin hat, weil die Präsenz in der Gesellschafterversammlung bzw Hauptversammlung immer dazu führt, dass er die Mehrheit erreicht. Ebenfalls eine Ausnahme vom Erfordernis einer Beteiligungsmehrheit ist zu machen, wenn ein Minderheitsgesellschaftergesellschafter der unmittelbaren Minderheitsgesellschafterin bei dieser unmittelbaren Minderheitsgesellschafterin die Geschäftsführer- oder Vorstandsstellung hat. In diesem Fall besteht die (abstrakte) Möglichkeit, dass Geschäftsführer bzw Vorstand des unmittelbaren Minderheitsgesellschafters besondere Informationen über die Gesellschaft als Kreditnehmerin erlangen, die ggf. zu einem verfehlten Kreditengagement bzw einem fragwürdigen Abzug der Darlehensmittel in der kritischen Zeit führen. Ist der Geschäftsführer der Kreditnehmerin an dieser ohne 512 BGHZ 226, 125 Rn 22; BGH ZIP 2019, 1128 Rn 10; zuvor bereits Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 661; Pentz GmbHR 1999, 437, 445. 513 BGH ZIP 2019, 182 Rn 15. 514 BGH ZIP 2019, 182 Rn 15. 515 BGHZ 226, 125 Rn 22; BGH ZIP 2019, 1128 Rn 10; kritisch zu dieser (möglichen) Kehrtwende Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 343. 516 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 88 in Fn 324; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 39 Rn 86; Ulbrich Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts der GmbH (2011), S 347 ff. 517 Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 57 ff; Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 662; Herwig Das Gesellschafterdarlehen im Unternehmensverbund (2015), S 190 ff; HK/Kleindiek InsO10 § 39 Rn 48; Keller/Schulz FS Spiegelberger (2009), S 761, 770; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG21 Anh § 64 Rn 141; Saenger/Inhester/Kolmann GmbHG4 Anh § 30 Rn 74; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 343 f mwN. 518 Angedeutet als Problem aber bei Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 344. 519 Konsequente Argumentation bei Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 58; Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 662. 327

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Beherrschung nur mittelbar beteiligt und gewährt ihr ein Darlehen,520 kommt eine Einstufung unter § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO nur begrenzt in Betracht (dazu ausführlich in Rn 198).

204 (2) Der mittelbare Gesellschafter beherrscht den unmittelbaren Gesellschafter. Ein Gesellschafterdarlehen durch den mittelbaren Gesellschafter kann angenommen werden, wenn der mittelbare Gesellschafter den unmittelbaren Gesellschafter beherrscht. In diesem Fall genügt es, dass der unmittelbare Gesellschafter die Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 5 InsO erfüllt. Der unmittelbare Gesellschafter kann auch über mehrere Ebenen beherrscht werden; letztlich muss die Kreditgeberin ihren Willen bei der unmittelbaren Gesellschafterin durchsetzen können. Wichtig ist aber, dass der unmittelbare Gesellschafter mehr als 10 % der Anteile hält; jedoch kommt es bei einer Beteiligung von mehr als 10 % nicht zu einer Errechnung der Quote einer mittelbaren Beteiligung, sondern es genügt für die Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und die Nichtanwendung von § 39 Abs. 5 InsO, dass der mittelbare Gesellschafter den unmittelbaren Gesellschafter beherrscht und letzterer mehr als 10 % der Anteile hält.521 Hält zB die M-AG 55 % der Anteile an der T-GmbH und diese 12 % an der X-GmbH, hat zwar die M-AG mittelbar nur 6,6 % der Anteile an der X-GmbH, doch kommt wegen der Beherrschung der T-GmbH § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zur Anwendung, während wegen der mehr 10 %-Beteiligung des beherrschten Rechtsträgers an der Kreditnehmerin § 39 Abs. 5 InsO nicht zur Anwendung kommt. Ebenfalls unter die vorliegende Konstellation fällt das Darlehen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft, das von dieser auf Weisung an die Enkelgesellschaft weitergeleitet wird; hier ist nach einer Rückzahlung nur fraglich, wem gegenüber anzufechten ist (siehe dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO).

205 (3) Der Minderheitsgesellschafter eines die Gesellschaft beherrschenden unmittelbaren Gesellschafters. Hält die unmittelbare Gesellschafterin die Mehrheit an der Kreditnehmerin und gewährt ein Minderheitsgesellschafter der unmittelbaren Gesellschafterin das Darlehen, fehlt es am Einfluss des Kreditgebers, denn dieser kann nicht durch Beherrschung der unmittelbaren Gesellschafterin auf Ebene der kreditnehmenden Gesellschaft mitwirken. Allerdings kann der mittelbare Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung der unmittelbaren Gesellschafterin seine Mitwirkungs- und Informationsrechte ausüben. Da diese auch Informationen über die (nachgeordnete) Gesellschaft selbst betreffen, die kraft Beherrschung unschwer zu erlangen sind, wird man in jener Konstellation das durch den mittelbaren Gesellschafter gewährte Darlehen auch § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO unterwerfen müssen.522 Es ist gleichgültig, ob der Minderheitsgesellschafter der beherrschenden unmittelbaren Gesellschafterin das Darlehen dieser selbst oder eben der von ihr beherrschten Gesellschaft gewährt hat. Eine bei § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu lösende Frage ist dann, wem gegenüber nach Rückzahlung des Darlehens die Rückzahlung angefochten werden muss – dem mittelbaren Gesellschafter als tatsächlichem Darlehensgeber gegenüber oder der unmittelbaren Gesellschafterin gegenüber, weil nur durch ihre Beherrschung der Gesellschaft das Darlehen ihres mittelbaren Minderheitsgesellschafters als Gesellschafterdarlehen qualifiziert werden konnte. Naheliegend erscheint die Anfechtung gegenüber der unmittelbaren Gesellschafterin.

206 bb) Darlehen unter Schwestergesellschaften. Bei Darlehen unter Schwestergesellschaften kommt es auf die Perspektive an, wenn der Gesellschafter beide Schwestergesellschaften beherrscht. Aus der Perspektive der darlehensgebenden Schwestergesellschaft liegt kein Gesellschaf520 So auch BGH ZIP 2019, 182 Rn 15. 521 Pentz GmbHR 1999, 437, 445. 522 Insoweit daher richtig OLG Hamm ZIP 2017, 2162, 2163. Mylich

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terdarlehen vor, denn die Darlehensgeberin hat keinen Einfluss auf ihre Schwester. Aus der Perspektive der darlehensnehmenden Schwestergesellschaft liegt ein Gesellschafterdarlehen vor, denn es ist egal, ob die übergeordnete Gesellschafterin selbst oder eine von ihr abhängige Gesellschaft das Darlehen gegeben hat. Das Recht der Gesellschafterdarlehen ist kein Schutzrecht zugunsten der Darlehensgeber, sondern zugunsten der Darlehensnehmer bzw ihrer Gläubiger, sodass ein derartiges Darlehen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO zu unterwerfen ist. Eine davon zu trennende Frage ist wiederum jene zum richtigen Anfechtungsgegner nach der Rückzahlung; (siehe dazu in der Kommentierung bei § 135 InsO). Nach Auffassung des BGH soll es genügen, dass der Gesellschafter die darlehensgebende Schwestergesellschaft beherrscht in dem Sinne, dass er auf die Darlehensvergabe Einfluss ausüben kann.523 Das trifft zu, doch kann man großzügiger verfahren, wenn man ein Stimmenübergewicht in der Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung genügen lässt. Mit der BGH-Auffassung nicht vereinbar ist eine Sicht, die auf eine Stimmenmehrheit bzw einen Einfluss über eine Geschäftsführerposition abstellt.524 Auch Sachverhalte unterfallen dem Recht der Gesellschafterdarlehen, wenn die darlehensgebende Schwestergesellschaft eine AG ist, auf deren Geschäftsleitung gerade nicht in der täglichen Arbeit Einfluss genommen wird.525 Für die Anwendung des Rechts der Gesellschafterdarlehen genügt es, wenn der gemeinsame Gesellschafter an der darlehensnehmenden Gesellschaft entweder mehr als 10 % der Anteile hält oder Anteile und eine Geschäftsführungsposition hat. Die vorliegende Sichtweise (Einfluss zur Organisation eines Darlehens bei der Darlehensgeberin, mehr als 10 % Beteiligung bei der Darlehensnehmerin) wird dadurch bestätigt, dass es sich letztlich um ein Darlehen des übergeordneten Gesellschafters handelt, das sich dieser über die darlehensgebende Schwestergesellschaft organisiert hat.

cc) Darlehen im Vertragskonzern. Grundsätzlich gilt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auch dann, 207 wenn das Darlehen vom Gesellschafter als herrschendem Unternehmen an die abhängige Gesellschaft im Vertragskonzern gewährt worden war.526

e) Sanierungsgesellschafter. Gem. § 39 Abs. 4 S. 2 InsO wird jener Gesellschafter als Darlehens- 208 gläubiger durch Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO privilegiert, wenn er zum Zwecke der Sanierung Anteile erworben hat. Die Vorschrift gab es seit dem 1.1.1999 auch für das Eigenkapitalersatzrecht in Form des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a.F.527 aa) Voraussetzungen (1) Anteilserwerb. Zunächst bedarf es eines Anteilserwerbs durch eine Person, die bislang 209 noch kein Gesellschafter war. Gemeint ist damit eine Person, die mit ihren Darlehen als einfacher Insolvenzgläubiger am Verfahren teilnehmen könnte. Im Blick hat die Vorschrift jenen Kreditgeber, der bislang noch nicht Gesellschafter war. Auf die Höhe und die Modalitäten des Erwerbs von Anteilen kommt es dabei nicht an.528 So können die Anteile mittels Kapitalerhöhung neu

523 524 525 526

BGHZ 226, 125 Rn 22; ebenso OLG Dresden NZI 2022, 980, 981. Kreußlein NotBZ 2020, 365, 377. Habersack ZIP 2008, 2385, 2389 f. GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 36; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 56; Ulbrich Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts der GmbH (2011), S 356 ff. 527 Rechtspolitische Kritik bei Pentz GmbHR 1997, 437, 441. 528 Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 119; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 66; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh. § 64 Rn 117. 329

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geschaffen,529 aber auch von einem anderen Gesellschafter erworben werden.530 Mithin wird ein vorhandener Kreditgläubiger für seine Sanierungsbeteiligung privilegiert.531 Auch erfasst sein muss jener Teilnehmer, der bislang noch nicht einmal Kreditgläubiger war.532 Es genügt, dass jene Person bei Insolvenzreife Gesellschaftsanteile erwirbt und ein Darlehen vergibt. Ein sinnvoll angewendetes Sanierungsprivileg muss all jene begünstigen, die bislang keine Gesellschafterstellung hatten und nunmehr durch Nichtabzug des gewährten Darlehens oder Gewährung eines neuen Darlehens zur Sanierung beitragen. Für die Anwendung von § 39 Abs. 4 S. 2 InsO genügt also auch, wenn ein Kreditgeber derivativ Anteile erwirbt, auch wenn kein weiterer Kredit gewährt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bislang gewährtes Darlehen nun nicht abgezogen wird, erhöht sich. Auch bisher durch § 39 Abs. 5 InsO vom Nachrang ausgenommene Gesellschafter können das Sanierungsprivileg erhalten.533 Erwirbt der bislang nicht beteiligte Geschäftsführer zum Zwecke der Sanierung Anteile, profitiert er auch von der Anwendung von § 39 Abs. 4 S. 2 InsO. Auch der Erwerb einer Gesellschafterposition durch einen debt-to-equity-swap im Insolvenzplanverfahren fällt unter § 39 Abs. 4 S. 2 InsO.534 Hingegen werden Altgesellschafter mit Neukrediten im Zustand der Insolvenzreife nicht privilegiert.535 Nach wie vor ungeklärt ist die Frage, ob der Erwerb von Anteilen an einer Auffanggesellschaft wertungsgleich ist.536

210 (2) Sanierungssituation, Insolvenzgrund. Zweite Voraussetzung ist das Vorliegen eines Insolvenzgrundes, d.h. eine bloße Krise ohne (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung genügt nicht. Jedoch soll der Unterschied zur Krise nach früherem Recht nicht allzu groß sein, wenn man bedenkt, dass Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 Abs. 2 S. 2 InsO droht, wenn innerhalb von zwei Jahren Zahlungsunfähigkeit eintreten kann. Gleichwohl ist eine saubere Dokumentation anzuraten, denn die Überschuldung lässt sich gem. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO belegen, wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Die Fähigkeit zur Fortsetzung der Geschäftstätigkeit über die Frist von einem Jahr hinaus muss der Geschäftsleiter belegen; insoweit trägt er seit jeher die Beweislast für die positive Fortbestehensprognose.537 Bei einer Sanierungsleistung im Zustand der fehlenden Vermögensdeckung genügt das Vorliegen der fehlenden Vermögensdeckung; auf die fehende Fortführungsprognose können sich die Beteiligten berufen, ohne dass der Insolvenzverwalter den Gegenbeweis antreten darf. Hingegen muss die drohende Zahlungsunfähigkeit positiv vom Gesellschafter bewiesen werden, d.h. es muss plausibel nachgewiesen werden, dass eine Zahlungsunfähigkeit in den nächsten 24 Monaten droht. In keinem Fall darf der Sanierungsbeitrag bei der Prüfung der Insolvenzreife berücksichtigt werden;538 allerdings muss mit Blick auf die Insolvenzantragspflichten geprüft werden, ob die Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung durch den Sanierungsbeitrag beseitigt worden sind.

211 (3) Sanierungsfähigkeit und Sanierungskonzept. Die hM fordert als dritte Voraussetzung zudem die Sanierungsfähigkeit bzw ein Sanierungskonzept.539 Zutreffend ist die Gegenansicht,

GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 66; Wittig FS K Schmidt (2009), S 1743, 1751. BT-Drucks. 13/10038, S 28; Wittig FS K Schmidt (2009), S 1743, 1751. Hirte/Knof WM 2009, 1961, 1963. Grunewald FS Bezzenberger (2000), S 85, 89; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 69; Wittig FS K Schmidt (2009), S 1743, 1755 f; ausführlich Hirte/Knof WM 2009, 1961, 1965 f. 533 GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 68; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh. § 64 Rn 119. 534 BT-Drucks. 17/5712 S 32, Gehrlein NZI 2012, 257, 261. 535 Kritisch dazu Wittig FS K Schmidt (2009), S 1743, 1751 f. 536 Für die Anwendung von § 39 IV S 2 InsO auch in diesem Fall Blöse ZIP 2011, 1191 ff. 537 BGH NZG 2010, 1393 Rn 11 mwN. 538 Bitter ZIP 2013, 398, 399 f. 539 BGHZ 165, 105, 112 f; Gehrlein WM 2011, 577, 584.

529 530 531 532

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die es allein dem Erwerber überlässt, über Sanierungsaussichten zu befinden.540 Die Missbrauchsgefahr ist gering zu veranschlagen, denn in den wenigsten Fällen wird ein Investor strategisch Mittel investieren, von deren Verlust er ausgeht. Auch ein Quervergleich zur Kenntnis eines Sanierungskonzepts, um die Vorsatzanfechung zu vermeiden,541 passt nicht. Dort geht es um die Frage, ob und wie die gem. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutete Kenntnis des Gläubigers vom Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung widerlegt werden kann.542 Während es bei § 133 InsO um die Anfechtbarkeit einer erhaltenen Leistung geht, geht es vorliegend um die Einordnung einer gegebenen Leistung. Wird hingegen eine Beteiligung erworben und ein Darlehen gewährt, um die (anderen) Gläubiger der Gesellschaft zu benachteiligen, kann die Begründung der Darlehensschuld gem. § 133 InsO anfechtbar sein bzw sogar gem. § 826 BGB zur Haftung des Kreditgebers führen.

bb) Folgen. Ein im Zuge des Beitritts gewährtes bzw bereits vorangehendes Darlehen543 bleibt 212 eine einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO, wenn die Sanierung nicht gelingt und ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.544 Gelingt hingegen nachhaltig die Sanierung, wird das Darlehen – so der Sanierungsgesellschafter noch Gesellschafter mit mehr als 10 % Beteiligung ist – nunmehr als Gesellschafterdarlehen eingestuft. Kommt es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Insolvenzverfahren, gilt § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.545 Nicht nur mit Blick auf die Einordnung in einem späteren Insolvenzverfahren, sondern auch mit Blick auf eine nachträgliche Besicherung (bei einer Einordnung als Gesellschafterdarlehen droht die Anfechtung der Sicherheitenbestellung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO für die nächsten 10 Jahre; bei einer Besicherung bis zum Ende der Sanierungsphase kann § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO wegen § 135 Abs. 4 InsO nicht zur Anwendung kommen546) ist es wichtig, konkrete Maßstäbe zu entwickeln, wann eine nachhaltige Sanierung gelungen ist, sodass das Darlehen nunmehr als „echtes“ Gesellschafterdarlehen eingeordnet werden kann. Die bloße Beseitigung der Insolvenzgründe kann nicht genügen, denn zumindest die Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung sollen im Zuge des Sanierungsbeitrags des Anteile übernehmenden Kreditgebers beseitigt werden.547 Auf jeden Fall muss die Gesellschaft wieder einen operativen Gewinn erzielen, wobei auf den Jahresüberschuss in der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 Abs. 2 Nr. 17, Abs. 3 Nr. 16, Abs. 5 Nr. 8 HGB) zurückgegriffen werden kann. Außerdem bedarf es einer Stabilität dahingehend, dass auch die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) beseitigt ist. Mit dem Verweis auf den operativen Gewinn kann ggf. eine sehr lange Phase der fehlenden (endgültigen) Sanierung eintreten, was hinzunehmen ist. Solange kein operativer Gewinn erwirtschaftet wird, gelten Darlehen als Sanierungsdarlehen und können zB ohne das Risiko des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO besichert werden. Nach anderer Ansicht soll auf die Kreditwürdigkeit abgestellt werden, d.h. ob eine Möglichkeit besteht, die Gesellschafterdarlehen durch einen Dritten ablösen zu lassen.548 Dieses Kriterium zieht aber nicht so recht, denn mit dem Sanierungsdarlehen hat ja letztlich auch ein externer Dritter gezeigt, dass er in einer Krisensituation bereit ist, der Gesellschaft Kredit zu geben. Das vorgeschlagene Kriterium des Jahresüberschusses verlässt den Raum für Spekulation auf mögliche stille Reserven. Allerdings werden weitere Darlehen, die in der Sanierungsphase gewährt werden, nicht mehr von § 39 Abs. 4 S. 2 InsO

540 Grunewald FS Bezzenberger (2000), S 85, 87; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 70; Wittig FS K Schmidt (2009), S 1743, 1754. 541 So aber Scholz/Bitter GmbHG12 Anh. § 64 Rn 124. 542 BGHZ 210, 249 Rn 22 f. 543 Zu beiden Darlehensformen Wittig FS K Schmidt (2009), S 1743, 1751. 544 Hirte/Knof WM 2009, 1961, 1970; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh. § 64 Rn 130. 545 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh. § 64 Rn. 129; Pentz GmbHR 1999, 437, 450. 546 AA Braun/Riggert FS Görg (2010), S 95, 101. 547 Hirte/Knof WM 2009, 1961, 1969 f. 548 Gehrlein WM 2011, 577, 584 f; Hirte/Knof WM 2009, 1961, 1969; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 128; Wittig FS K Schmidt (2000), S 1743, 1758. 331

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

erfasst, denn der Kreditgeber hatte ja die Anteile bereits erworben. Solange in der Sanierungsphase jedoch noch drohende Zahlungsunfähigkeit konstatiert werden kann, können weitere Kreditgeber bei Erwerb von Geschäftsanteilen ein privilegiertes Sanierungsdarlehen vergeben.

213 cc) Der Minderheitsgesellschafter ist Sanierungsgesellschafter. Kommen sowohl eine Einordnung als Minderheitsgesellschafter als auch Sanierungsgesellschafter in Betracht, sind beide Privilegien parallel zu prüfen und anzuwenden. Fällt eines der Privilegien weg, kommt immer noch das andere in Betracht. Erhält der beitretende Sanierungsgesellschafter zunächst eine Beteiligung von maximal 10 %, sind auf seine Darlehen sowohl § 39 Abs. 4 S. 1 InsO als auch § 39 Abs. 5 InsO anzuwenden. Entfällt zu einem späteren Zeitpunkt das Sanierungsprivileg, kann immer noch das Minderheitenprivileg verbleiben; entfällt zu einem späteren Zeitpunkt das Minderheitenprivileg, kann immer noch das Sanierungsprivileg verbleiben. Daher ist es möglich, dass sich ein Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von maximal 10 % als Sanierungsgesellschafter beteiligt. Wegen der grundsätzlichen Ausnahmeregelung in § 39 Abs. 5 InsO kann ein bereits eine privilegierte Minderheitsbeteiligung haltender Gesellschafter mit einer zusätzlichen Investition in der Krise noch als mit seinen Krediten privilegierter Sanierungsgesellschafter einsteigen. Das gilt aber nicht, wenn wegen einer Geschäftsführerfunktion die in § 39 Abs. 5 InsO vorgesehene Privilegierung nicht eingreift.

214 dd) Der Sanierungsgesellschafter als Sicherungsgeber. Über § 135 Abs. 4 InsO, § 6a S. 2 AnfG wird auch nach Rückzahlung der Darlehen § 39 Abs. 4 InsO angewendet. Das bedeutet, wenn bei Insolvenzreife ein Dritter originär oder derivativ Geschäftsanteile erwirbt und ein bestehendes oder in dieser Phase gewährtes Darlehen besichert, sind weder 44a InsO noch § 135 Abs. 2 InsO anzuwenden. Auch auf einen Regressanspruch des sichernden Gesellschafters ist § 39 Abs. 4 S. 2 InsO anzuwenden, wenn im Zeitpunkt des Insolvenzantrags die Sanierung gescheitert war. Bleibt das Darlehen nach erfolgreicher Sanierung als vom Gesellschafter besichertes Darlehen bestehen, sind nun die Regeln von § 44a InsO auf das Darlehen und §§ 135 Abs. 2, 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO auf den Gesellschafter als Sicherungsgeber hinsichtlich seines Freiwerdens bzw hinsichtlich seines Regressanspruchs anzuwenden.

215 f) Der Gesellschafter als Teil eines Kreditkonsortiums. Sowohl für den Nachrang als auch für die Besicherung ist es problematisch, wenn der Gesellschafter Teil eines Kreditkonsortiums ist. Dominiert der Gesellschafter das Kreditkonsortium, wird man unproblematisch ein Gesellschafterdarlehen annehmen können. Für eine Dominanz ist es nicht notwendig, dass der Gesellschafter im Konsortium ein Stimmenübergewicht hat. Es genügt bereits, dass der am Konsortium beteiligte Gesellschafter seine privilegierte Gesellschafterposition zugunsten des Konsortiums einsetzt. Ein Anzeichen dafür ist zB die Organisation des Kreditkonsortiums durch den Gesellschafter. Die Beweislast für eine Dominanz des Gesellschafters im Kreditkonsortium trägt der Insolvenzverwalter. Kann die Dominanz des Gesellschafters am Kreditkonsortium nicht nachgewiesen werden (zB wenn der Gesellschafter die Beteiligung erst nach der Kreditvergabe durch das Kreditkonsortium erwirbt), steht infrage, ob und wie ein Nachrang anzunehmen ist. Unabhängig von der Ausgestaltung des Konsortiums (Innen-GbR, Außen-GbR als Kapitalsammelstelle) kann es nicht richtig sein, allein wegen des Auftretens eines Kreditkonsortiums den § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO völlig außen vor zu lassen, wenn i.E. auch ein Gesellschafter Kreditgeber wird. Auch das gegenteilige Extrem – nämlich die Infektion des Kreditkonsortiums in jedem Fall – erscheint überzogen. Schließlich dominiert der Gesellschafter das Konsortium gerade nicht und das Darlehen hätte auch gestückelt durch die einzelnen Konsorten vergeben werden können. Zutreffend erscheint daher die folgende Lösung: Der Darlehensrückzahlungsanspruch des Kreditkonsortiums ist zu teilen in jenen auf Dritte entfallenden Teil und jenen auf den Gesellschafter entfallenMylich

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den Teil.549 Nur in Höhe des Anteils vom Gesellschafter besteht ein Nachrang. Das Problem stellt sich noch einmal, wenn es um die Rückforderung des als nachrangig eingestuften Teils geht, wenn das Darlehen an das Kreditkonsortium innerhalb des Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt worden ist (siehe dazu in der Kommentierung von § 135 InsO). Bei einer Teilrückzahlung wird man wiederum differenzieren müssen und kann nicht behaupten, dass zuerst auf den nachrangigen Teil oder zuerst auf den nicht nachrangigen Teil gezahlt wird. Das bedeutet für § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO, dass jener noch ausstehende Teil des Kreditbetrags in einen dem Gesellschafter zustehenden Teil und in einen den Dritten zustehenden Teil zu zerlegen ist. Hinsichtlich des ersten Teils besteht der Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO.

5. § 39 Abs. 1 S. 2 InsO § 39 Abs. 1 S. 2 InsO schließt die Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO aus, wenn eine staatli- 216 che Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen an einer Gesellschaft mit mehr als 10 % beteiligt sind (sonst gilt bereits § 39 Abs. 5 InsO) und dieser ein Darlehen gewährt hat. Die Vorschrift entspricht dem § 24 UBGG für Darlehen von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und § 17 Abs. 2 WStBG als Nachfolgevorschrift für § 18 FMStBG.550 Die Privilegierung für staatliche Förderbanken ist Teil des SanInsFoG, wodurch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie bewältigt werden sollen.551 Die Vorschrift soll staatliche Förderbanken anhalten, Darlehen risikofrei zu gewähren. Das ist rechtspolitisch zweifelhaft. Einer staatlichen Förderbank mit mehr als 10 % Beteiligung ist ebenso zu unterstellen, dass mit der Darlehensvergabe die Vermutung einer Insolvenzverschleppung einhergeht. Durch die Ausnahme von Darlehen staatlicher Förderbanken vom Nachrang gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO werden diese auch nicht risikolos vergeben. Durch § 39 Abs. 1 S. 2 InsO sind die Rechtsfolgen im Insolvenzverfahren andere: Statt des Nachrangs mit einem Totalausfall in der Praxis kommt es zum Gleichrang mit anderen Insolvenzgläubigern und einer geringen Quote. Mit Blick der Anknüpfung von § 135 Abs. 1 InsO an § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO erhält allerdings die Ausnahme erhebliches praktisches Gewicht. Die Rückführung des Darlehens ist nicht gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO pauschal anfechtbar, wenn innerhalb eines Jahres nach der Rückführung ein Insolvenzantrag gestellt wird. Auch kann die Förderbank sich unproblematisch aus vorhandenem Vermögen der Gesellschaft Sicherheiten bestellen lassen, ohne dass die Gefahr der 10 Jahre währenden Anfechtungsmöglichkeit gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht, denn § 142 InsO wird bei einer Kreditvergabe gegen Gewährung einer Sicherheit aus dem vorhandenen Vermögen prinzipiell angewendet552 und nur bei der Vergabe eines Gesellschafterdarlehens nicht angewendet.553

6. § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 COVInsAG Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG ist die Rückzahlung von im Aussetzungszeitraum gewährten Darle- 217 hen bis zum 30.9.2023 nicht gläubigerbenachteiligend. Das soll nach Halbs. 2 der Vorschrift auf für Gesellschafterdarlehen und vergleichbare wirtschaftliche Leistungen gelten, jedoch nicht für die Besicherung von Gesellschafterdarlehen. Nach Halbs. 3 sollen § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO und

549 So wohl auch BGHZ 224, 235 Rn 39; Lengersdorf Der Nachrang von Gesellschafterdarlehen (2019), S 172 ff; Lengersdorf/Wernert ZIP 2020, 1286, 1290; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 257. Kübler/Prütting/Bork/Koenen93 InsO § 39 Rn 124. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 98a. Mylich ZIP 2020, 1097, 1100 mwN (auch zur Rspr unter Geltung der KO) in Fn 37. BGHZ 221, 100 Rn 42 ff.

550 551 552 553 333

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

§ 44a InsO insoweit auch nicht gelten. Die Regelungen sind sowohl auf bestehende Gesellschaften als auch auf im entsprechenden Zeitraum gegründete neue Gesellschaften anwendbar.554

218 a) Regelungstechnik und Grundverständnis der Vorschriften. Der Aufbau von § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG zeigt, dass Gesellschafterdarlehen weiterhin als solche zu qualifizieren sind, d.h. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO bleibt als Grundtatbestand anwendbar. Damit ergibt sich auch die prinzipielle Anwendbarkeit von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, doch wird durch den Gesetzgeber fingiert, dass eine Rückzahlung bis zum 30.9.2023 nicht gläubigerbenachteiligend ist, sodass eine Anfechtung der Rückzahlung ausscheidet. Durch die Anwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO kann die Bestellung einer Kreditsicherheit für ein Gesellschafterdarlehen weiterhin unter § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO gefasst werden – der Gesetzgeber stellt klar, dass für die Bestellung der Sicherheit der Ausschluss einer Gläubigerbenachteiligung nicht fingiert wird. Allerdings ist daran zu denken, dass die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens in vielen Konstellationen ohne Gläubigerbenachteiligung möglich ist; in diesem Fall kann § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht angewendet werden, (ausführlich dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO).555 In einem bis zum 30.9.2023 beantragten Insolvenzverfahren sind Gesellschafterdarlehen nicht gem. § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO als nachrangig anzusehen; auch § 44a InsO wird nicht angewendet. Hingegen ordnet § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG pauschal ohne Differenzierung an, dass Rückzahlungen bei Insolvenzanträgen bis zum 31.3.2022 nicht gläubigerbenachteiligend sein sollen, wenn die Forderungen gestundet und bis zum 28.2.2021 zurückgezahlt war. Jede Differenzierung wie bei § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG fehlt hier. § 39 Abs. 4 S. 2 InsO ist grundsätzlich neben den Privilegierungen durch das COVInsAG anwendbar.556 Die Sonderregelung im COVInsAG privilegiert grundsätzlich auch die Altgesellschafter, die nicht in den Privilegierungsbereich von § 39 Abs. 4 S. 2 InsO fallen.557 Andererseits ist ggf. nur § 39 Abs. 4 S. 2 InsO auf sanierungswillige Kreditgeber als Neugesellschafter anwendbar, wenn bereits die Voraussetzungen nach § 1 COVInsAG für eine Privilegierung nach § 2 COVInsAG nicht vorliegen. Ebenfalls nur von § 39 Abs. 4 S. 2 InsO erfasst ist der Altkreditgeber, der keinen neuen Kredit gibt, sondern nur Geschäftsanteile erwirbt. Sind auf einen sanierungswilligen Kreditgeber und Neugesellschafter beide Regelungen anwendbar, kann dieser auch von beiden Privilegien profitieren. So kann die Gesellschaft im Herbst 2022 als saniert gelten, jedoch profitiert jener Kreditgeber und Neugesellschafter immer noch von § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG, wenn bis zum 30.9.2023 ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, weil eine neue Krise eingetreten war.

219 b) Personeller Anwendungsbereich und Vergabezeitraum von § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVIns AG. Der personelle Anwendungsbereich und der Vergabezeitraum sind bei § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG miteinander verknüpft. Zunächst wird in § 2 Abs. 1 Nr. 2 HS. 3 COVInsAG auf die Nichtanwendung von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO verwiesen, sodass alle von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO erfassten Rechtsträger in diese Privilegierung einbezogen sind. § 2 Abs. 2 COVInsAG privilegiert pauschal alle derartigen Rechtsträger ohne Rücksicht darauf, ob sie insolvenzreif waren. Pauschal verweist § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG auf den „Aussetzungszeitraum“. § 2 Abs. 1 COVInsAG setzt für alle Nr. voraus, dass die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags gem. § 1 ausgesetzt ist und erweitert in § 2 Abs. 2 COVInsAG den Anwendungsbereich auch auf „gesunde“ Gesellschaften. Daraus ist zu schließen, dass bei einer Insolvenzreife im Zeitraum der Darlehensvergabe, die nicht gem. § 1 Abs. 1 COVInsAG auf der COVID-Pandemie beruht, sondern andere Ursachen hat, die Darlehensvergabe nicht privilegiert wird. Allenfalls § 39 Abs. 4 S. 2 InsO kann in diesem Fall einschlägig sein. Das gilt auch bei einer Insolvenzreife aufgrund der COVID-Pandemie, wenn eine Darlehensvergabe ungeeig554 555 556 557

Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 553. Mylich ZIP 2020, 1097, 1098 f. Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 549; Servatius DK 2020, 281, 285. Bitter ZIP 2020, 685, 692.

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§ 39

net ist, die Insolvenzreife zu beseitigen. Wird hingegen an wegen der COVID-Pandemie insolvenzreife Gesellschaften oder sonstige Gesellschaften ein Darlehen gewährt, steht infrage, was nun der „Aussetzungszeitraum“ sein soll.

aa) Darlehensvergabe zwischen dem 1.3.2020 und dem 30.9.2020. Privilegiert sind alle 220 Darlehen, die zwischen dem 1.3.2020 und dem 30.9.2020 vergeben worden sind an wegen der COVID-Pandemie insolvenzreife Gesellschaften, bei denen Aussicht auf Sanierung besteht, und an alle nicht insolvenzreifen Gesellschaften. Auch wenn die Darlehensvereinbarung bereits vorher bestand, genügt es wegen der Wertungen in §§ 314, 490 BGB zur Anwendung der Privilegierung, dass der Gesellschafter in diesem Zeitraum das Darlehen ausgezahlt hat.558 War hingegen das Kapital bereits geflossen (zB als Anzahlung in einem Austauschvertrag), wird man eine Umwidmung durch Stehenlassen nicht annehmen können,559 denn insoweit fehlt der Privilegierungsgrund – freiwilliger Zuschuss von frischem Kapital.

bb) Darlehensvergabe zwischen dem 1.10.2020 und dem 31.12.2020. Vom 1.10.2020 bis 221 zum 31.12.2020 vergebene Gesellschafterdarlehen sind wegen der ausschließlichen Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2 InsO nur noch privilegiert, wenn sie an eine wegen der COVID-Pandemie überschuldete Gesellschaft bei ausreichender Sanierungsaussicht oder an eine nicht insolvenzreife Gesellschaft vergeben werden. Das nach dem 30.9.2020 vergebene Gesellschafterdarlehen an eine wegen der COVID-Pandemie zahlungsunfähige Gesellschaft ist nicht mehr gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG privilegiert. § 2 Abs. 4 COVInsAG stellt das klar.560

cc) Darlehensvergabe zwischen dem 1.1.2020 und dem 30.4.2021. Wird ein Gesellschaf- 222 terdarlehen zwischen dem 1.1.2021 und dem 30.4.2021 vergeben, ist § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 InsO dann bei einem bis zum 30.9.2023 gestellten Insolvenzantrag nicht anwendbar, wenn die Gesellschaft entweder nicht insolvenzreif war (§ 2 Abs. 3 COVInsAG) oder Insolvenzreife zwar vorgelegen hat, jedoch § 1 Abs. 3 COVInsAG einschlägig ist. Nach dieser Vorschrift muss zwischen dem 1. November 2020 und dem 28. Februar 2021 ein Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID19-Pandemie gestellt worden sein. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, sind Gesellschafterdarlehen dann noch privilegiert, wenn die Gesellschaft unter den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fällt. Das gilt aber nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.561

dd) Die einem Darlehen vergleichbare Leistung. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG sind auch 223 Forderungen erfasst, die aus einer einem Darlehen vergleichbaren Handlung resultieren.562 ME genügt es für die Privilegierung, dass die Vorleistung durch den Gesellschafter im jeweiligen Zeitraum vorliegt. Das bedeutet, dass die Lieferung einer Maschine durch einen Gesellschafter im August 2020 auch privilegiert wird, wenn die Entscheidung zur Kaufpreisstundung erst im Oktober 2020 fällt. Ein Widerspruch zu § 2 I Nr 5 COVInsAG besteht nicht (siehe Rn 226). 558 559 560 561 562

Servatius DK 2020, 281, 282; etwas differenzierter Mock NZG 2020, 505, 507. AA Bitter GmbHR 2020, 861, 867 Rn 21; Bormann/Backes GmbHR 2020, 513, 517 Rn 19; Servatius DK 2020, 281, 283. Schmidt/Morgen COVInsAG2 § 2 Rn 437, 439. Schmidt/Morgen COVInsAG2 § 2 Rn 447 i.V.m Schmidt/Kuleisa2 COVInsAG § 1 Rn 206. Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 557.

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

224 c) Die Darlehensvergabe. Das Darlehen muss im genannten Zeitraum vergeben worden sein. Liegen Zusage und Auszahlung im entsprechenden Zeitraum, ist der Tatbestand erfüllt. Nicht erfüllt ist der Tatbestand bei bloßer Prolongation eines vor dem 1.3.2020 gewährten Darlehens oder der Novation einer bereits bestehenden Kaufpreisforderung in eine Darlehensforderung.563 War das Darlehen zugesagt, aber noch nicht ausgezahlt, wird man auf die Auszahlung abstellen können. Diese vereinfachte Sichtweise hat zudem Vorteile, wenn Zusage und Auszahlung in unterschiedlichen Privilegierungszeiträumen liegen. Das bedeutet: Die Zusage vor dem 1.3.2020 bei Auszahlung zwischen 1.3.2020 und 30.9.2020 führt zur Privilegierung nach den für diesen Zeitraum geltenden Maßstäben. Wird hingegen ein (weiteres) Darlehen im September 2020 zugesagt und erst zwischen Oktober und Dezember 2020 ausgezahlt, müssen die Voraussetzungen einer Privilegierung für letztgenannten Zeitraum vorliegen. Hingegen sollen vor dem 1.3.2020 verbindlich zugesagte Krisendarlehen trotz Auszahlung erst nach dem 1.3.2020 nicht von der Privilegierung gedeckt sein.564

225 d) Besicherung durch einen Gesellschafter. Bei der Besicherung eines von einem Dritten gewähren Kredits durch einen Gesellschafter im relevanten Zeitraum ist unklar, auf welchen Zeitpunkt für die Sicherheitenbestellung abzustellen ist. Muss die Sicherheit in jenem Zeitraum bestellt worden sein, in dem die privilegierten Finanzmittel geflossen sind? Oder genügt eine Sicherheitenbestellung bis zum 30.9.2023, weil die Finanzmittel bereits im Privilegierungszeitraum geflossen sind? Da das COVInsAG allein den Zufluss von Finanzmitteln privilegieren will, genügt eine nachträgliche Sicherheitenbestellung nicht, es sei denn, dass die Sicherheit noch im pivilegierten Auszahlungszeitraum unwiderruflich versprochen war.565

226 e) § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG. Ergänzt werden die Regelungen durch § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG, wonach bis zum 31. März 2022 erfolgte Zahlungen auf Forderungen aufgrund von bis zum 28. Februar 2021 gewährten Stundungen als nicht gläubigerbenachteiligend gelten, sofern über das Vermögen der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren bis zum Ablauf des 18. Februar 2021 noch nicht eröffnet worden ist. Hatte also der Gesellschafter ab dem 1.10.2020 eine Leistung an seine Gesellschaft erbracht, dann ist eine Rückzahlung nicht gläubigerbenachteiligend, wenn der Gesellschafter seine Forderung bis zum 28. Februar 2021 gestundet hat. Ein Insolvenzantrag darf bis zum 18. Februar 2021 nicht gestellt worden sein. Es werden nur bis zum 31. März 2022 geleistete Zahlungen akzeptiert. Im Gegensatz zu § 2 I Nr 2 COVInsAG sind Darlehen nicht erfasst, sondern es muss ab dem 1.10.2020 ein Austauschvertrag vollzogen und der Kaufpreis gestundet worden sein. Dadurch wird auch ein Widerspruch zu § 2 IV COVInsAG vermieden, denn es wird nicht im Zustand der Zahlungsunfähigkeit geleistet, sondern durch Stundung wird der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vermieden.

VIII. Nachrangige Verbindlichkeiten gem § 39 II InsO 227 § 39 Abs. 2 InsO regelt bei einem zwischen Gläubiger und (Insolvenz-)Schuldner vereinbarten Nachrang, dass diese Forderung im Zweifel nach den nachrangig zu berücksichtigen Forderungen aus § 39 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen sind. Damit erhalten derartige Forderungen somit eine sechste Rangklasse. Die Vorschrift ist durch das MoMiG unberührt geblieben, weil in ihr bereits seit Inkrafttreten der InsO geregelt war, dass ein vereinbarter Nachrang im Zweifel zum Nachrang hinter den zuvor genannten Nachrangklassen führt. Sie betrifft alle Gläubiger und nicht nur 563 Bitter GmbHR 2020, 861, 866 Rn 17; Bormann/Backes GmbHR 2020, 513, 515 Rn 14. 564 Kreußlein NotBZ 2020, 365, 369. 565 IE auch Bormann/Backes GmbHR 2020, 513, 515 Rn 14. Mylich

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Nachrangige Insolvenzgläubiger

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Gläubiger von Gesellschafterdarlehen, die gem § 19 II 2 InsO durch einen Rangrücktritt die Insolvenzreife vermeiden (bzw nach hinten verschieben) wollen.566 § 39 II InsO spricht insoweit nicht von qualifiziert nachrangigen Verbindlichkeiten, sondern erfasst alle kraft Vereinbarung nachrangigen Verbindlichkeiten mit der Zweifelsregelung, dass diese erst nach jenen Nachrangschulden aus § 39 I S 1 InsO geltend gemacht werden.

1. Systematik § 39 Abs. 2 InsO gilt für jegliche Gläubiger, die mit dem Insolvenzschuldner zuvor einen Nach- 228 rang im Insolvenzverfahren vereinbart hatten. Die Vorschrift steht auch im Zusammenhang mit § 19 Abs. 2 S. 2 InsO.567 Dort ist klargestellt, dass ein Gesellschafterdarlehen oder eine gleichgestellte Forderung nur dann nicht in der Überschuldungsbilanz zu passivieren ist, wenn ein Nachrang hinter die Rangstufen von § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–5 InsO vereinbart worden ist. Ohne dass dies der Wortlaut hergibt, muss auch ein vereinbarter Nachrang mit einem anderen Gläubiger zur Nichtberücksichtigung im Überschuldungsstatus führen.568 Derartige Forderungen fallen in einem späteren Insolvenzverfahren unter § 39 Abs. 2 InsO. Sie sind in einem sechsten Rang einzuordnen; sie werden aber vor einer Schlussverteilung an den Insolvenzschuldner bzw dessen Eigenkapitalgeber (§ 199 S. 2 InsO) verteilt. Während Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht von Gesellschaftern gefordert hat, einen eigenkapitalgleichen Nachrang zu vereinbaren, damit die Verbindlichkeit nicht in der Überschuldungsbilanz zu passivieren war,569 lässt es § 19 II 2 InsO seit dem MoMiG genügen, dass die Vereinbarung auf einen Nachrang nach den fünf Rängen von § 39 I 1 InsO hinausläuft. Andererseits kann es Nachranganleihen geben, die zwar zu einer Verteilung im sechsten Nachrang im Insolvenzverfahren führen, die jedoch nicht die entsprechende Vereinbarung aufweisen, damit sie auch vor dem Verfahren aus der Überschuldungsbilanz eliminiert werden können.570

2. Nachrangvereinbarung Forderungsschuldner und Forderungsgläubiger müssen vereinbaren, dass die Forderung in der 229 Insolvenz erst nach den in § 39 I S 1 InsO erwähnten Ansprüchen geltend gemacht werden kann. Nicht um eine Nachrangvereinbarung handelt es sich bei einem Intercreditor-Agreement, dh bei einem relativen Rangrücktritt, bei dem der zurücktretende Gläubiger seine Insolvenzquote dem Vertragspartner überlässt.571 So ist es gerade auch bei Nachranganleihen denkbar, dass innerhalb des sechsten Nachrangs noch einmal differenziert wird – je tiefer der Nachrang, desto höher der Zins.572

a) Die überschuldungsvermeidende Nachrangvereinbarung. Die Nachrangvereinbarung 230 als solche zieht zwar im Insolvenzverfahren die in § 39 II InsO angeordneten Folgen mit sich, jedoch genügt sie nicht, um die Wirkungen des § 19 II 2 InsO auszulösen, um die Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz nicht passivieren zu müssen. Vielmehr muss zusätzlich vereinbart werden, dass die Forderung einschließlich der Zinsen nicht befriedigt werden darf, wenn als 566 567 568 569 570 571 572 337

Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 112; Pölzig WM 2014, 917, 918. K Schmidt ZIP 2015, 901, 902. BGHZ 204, 231 Rn 14. BGHZ 146, 264, 272; kritisch dazu Haarmann FS Röhricht (2005), S 137, 146 ff; K Schmidt ZIP 2015, 901, 903. Häuselmann Hybride Finanzinstrumente (2019), Kap 6 Rn 14. Haarmann FS Röhricht (2005), S 137, 139; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 486. Häuselmann Hybride Finanzinstrumente (2019), Kap 6 Rn 4. Mylich

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Folge Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens einzutreten drohen.573 In Übereinstimmung mit weiten Teilen der Literatur lehnt der Bundesgerichtshof die Einordnung einer derartigen Vereinbarung als vorübergehenden Forderungsverzicht ab,574 weil auf diese Weise akzessorische Sicherheiten untergehen, der Zinslauf gestoppt würde und unliebsame steuerliche Folgen zu verzeichnen wären.575 Auch ein pactum de non petendo passt nicht so recht, denn die Forderungsschuldnerin hätte es in der Hand, durch freiwillige Leistung zu Lasten der restlichen Gläubiger doch den Vertragspartner zu begünstigen.576 Mit Recht wird daher eine dinglich wirkende Schuldänderung angenommen (§§ 311, 328 BGB), die zur Nichtpassivierbarkeit führt, wobei eine Schuldendeckung zu unterbleiben hat, wenn nicht ausreichend Mittel vorhanden sind.577 Klarzustellen ist, dass sich die Nichtpassivierbarkeit allein auf die Überschuldungsbilanz beziehen kann; handelsrechtlich ist ein Passivposten gewünscht und zutreffend,578 weil andernfalls die Mittelzuführung zunächst zu einem (unerwünschten) Ertrag bei der Forderungsschuldnerin führen würde (zum Steuerrecht siehe Rn 240).

231 b) Die Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit. Eher eine Folge der Vereinbarung ist die gleichzeitige Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit, wenn eine Forderung nicht mehr beglichen werden darf. Allerdings ist eine Vereinbarung zur Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit auch ohne einen Nachrang in einem späteren Insolvenzverfahren möglich.

232 c) Die Nachrangvereinbarung in der AGB-Kontrolle. Nach Auffassung des BGH ist eine qualifizierte Nachrangvereinbarung in AGB nur hinreichend transparent, wenn Rangtiefe, vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf Zinsen klar und unmissverständlich hervorgehen.579 Verstößt eine Nachrangklausel zB bei standartisierten Anleihen gegen die §§ 305 ff BGB, entfällt der vereinbarte Nachrang und die Gläubiger erhalten eine einfache Insolvenzforderung.580

233 d) Die Besicherung der qualifiziert nachrangigen Forderung. Aus der Diskussion um die Qualifikation eines qualifizierten Rangrücktritts ergibt sich, dass der Bundesgerichtshof eine Besicherung einer qualifiziert nachrangigen Forderung für möglich hält.581 Allerdings wird nicht deutlich, ob diese Sicherheit von der Gesellschaft selber stammen darf. Vom Sinn und Zweck ist das abzulehnen.582 Um eine qualifiziert nachrangige Forderung mit einer Unbeachtlichkeit in der Überschuldungsbilanz zu erreichen, darf in der Krisensituation gerade kein Vermögen mehr an den Gläubiger fließen. Gemeint sein kann daher nur eine Besicherung durch einen externen

573 BGHZ 204, 231 Rn 22; zustimmend zB Bitter ZHR 181 (2017), 428, 463; K Schmidt ZIP 2015, 901, 904; zuvor bereits Habersack ZGR 2000, 384, 403; aA zuvor Adolff FS Hellwig (2010), S 433, 440 ff. 574 So aber noch KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 140; Serick ZIP 1980, 9, 14 f. 575 BGHZ 204, 231 Rn 30 f. 576 So aber K Schmidt ZIP 2015, 901, 908 mit Konsequenzen für die Spontaninsolvenz; zustimmend Ekkenga ZIP 2017, 1493, 1497 ff. 577 BGHZ 203, 231 Rn 32; BFH BStBl II 2021, 279 Rn 28. 578 Zur Passivierungspflicht in der Handelsbilanz siehe BFH BStBl II 2021, 279 Rn 21 ff; Dittmar Der überschuldungsvermeidende Rangrücktritt (2019), S 105 ff; aA evtl K Schmidt ZIP 2015, 901, 902 „bilanzielle Überschuldung vermieden“. 579 BGHZ 220, 280 Rn 36; zuvor ausführliche Würdigung unter vielen weiteren Aspekten bei Bitter ZIP 2015, 345, 348 ff; Gehrlein WM 2017, 1385; Pölzig WM 2014, 917, 920 ff. 580 IE auch OLG Brandenburg BKR 2022, 383, 385 f (Rn 36, 42). 581 BGHZ 204, 231 Rn 31. 582 Haarmann FS Röhricht (2005), S 137, 138 f. Mylich

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Sicherungsgeber, wenn z.B. ein Gläubiger der Gesellschaft einen qualifizierten Rangrücktritt erklärt, die Forderung aber von der Gesellschafterin hat besichern lassen.583

e) Die Aufhebung der Nachrangvereinbarung. Durch die dingliche Wirkung zugunsten der 234 anderen Gläubiger kann nach hM die Nachrangvereinbarung zumindest dann nicht aufgehoben werden, wenn der Krisenzustand erreicht ist.584 Ungeklärt ist, ob die Nachrangvereinbarung bedingt oder befristet erklärt werden kann, wenn die Parteien keinen Einfluss auf den Eintritt des Ereignisses haben.585 Die nur ein pactum de non petendo annehmende Sicht bejaht die Aufhebungsmöglichkeit mit der Folge einer Spontaninsolvenz; es wird darauf verwiesen, dass die Altgläubiger nicht sicher ein können, plötzlich mit neuen Gläubigern um die gleiche Masse zu konkurrieren.586 Ist der Krisenzustand beseitigt, soll nach hM eine erneute Vertragsänderung möglich sein, dh die Nachrangigkeit beseitigt werden können. Die Gegenauffassung erkennt in der Aufhebung der Nachrangvereinbarung sogar in diesem Fall eine unzulässige Drittbelastung.587 Für die hM spricht die Überlegung, dass der Betrag nunmehr auch gefahrlos zurückgezahlt werden kann. Andere Gläubiger können selbst bei Publizität des Rangrücktritts im Jahresabschluss kein Vertrauen entwickeln,588 denn ein Vertrauen, dass weitere Personen investiert haben, kann es nur geben, wenn weitere Vertrauenstatbestände geschaffen worden sind.

3. Rechtsfolgen a) Durchsetzungssperre für Rückzahlungsanspruch und Zinsen. Hat der Gläubiger eine 235 qualifizierte Rangrücktrittserklärung abgegeben, steht der Durchsetzung seiner Forderung eine Sperre entgegen, soweit bei der Schuldnerin dadurch Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit einzutreten drohen.589 Diese Regelung muss aber hinreichend deutlich machen, ab welchem Zustand keine Ansprüche mehr durchgesetzt werden können.590 Die Forderung ist dann nicht fällig.591 Nicht nur die Forderung, sondern auch Zinsen sind nicht durchsetzbar.592 Als geklärt kann daher gelten, dass die Erwähnung von „ungebundenem Vermögen“ als Auszahlungskriterium593 nicht freies bilanzielles Vermögen meint, sondern auf hinreichend Vermögen abstellt, dass trotz einer Auszahlung weder Überschuldung noch Zahlungsunfähigkeit drohen.594 Auch drohende Zahlungsunfähigkeit und drohende Überschuldung im Sinne einer negativen Fortbestehensprognose sind schädlich.595 ME ist die Rechtsprechung so zu interpretieren, dass nicht nur drohende Zahlungsunfähigkeit im Auszahlungszeitpunkt, sondern die drohende Zahlungsunfähigkeit nach Auszahlung bereits zur Unzulässigkeit der Auszahlung führt. Greift man auf den später eingeführten § 18 II InsO mit dem Prognosezeitraum von 24 Monaten zurück, ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten. Schließlich wird den Beteiligten nunmehr auferlegt, präzise zu doku583 So auch (10 Jahre vor der aktuellen Rspr des BGH) Haarmann FS Röhricht (2005), S 137, 138 f. 584 BGHZ 204, 231 Rn 38; Bitter ZHR 181 (2017), 428, 456 f; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 121; Hoos/Köhler GmbHR 2015, 729, 732; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 39 Rn 56. 585 Dafür wohl Berger ZIP 2016, 1, 4. 586 K Schmidt ZIP 2015, 901, 907 f.; wohl auch Ekkenga ZIP 2017, 1493, 1497 ff. 587 Habersack ZGR 2000, 384, 406 f. 588 Dahingehend aber Habersack ZGR 2000, 384, 407. 589 BGHZ 204, 231 Rn 26; BGH ZIP 2022, 654 Rn 31. 590 BGHZ 220, 280 Rn 36; BGH ZIP 2022, 654 Rn 31; BGH ZIP 2020, 310 Rn 25. 591 BGHZ 204, 231 Rn 26; BGH ZIP 2022, 654 Rn 32. 592 BGHZ 204, 231 Rn 17, 34. 593 BGHZ 204, 231 Rn 16. 594 BGHZ 204, 231 Rn 32 „nicht zur Schuldendeckung benötigten Vermögen“. 595 Ähnlich Dittmar Der überschuldungsvermeidende Rangrücktritt (2019), S 60 ff; K Schmidt ZIP 2015, 901, 905; aA Berger ZIP 2016, 1, 4; Hoos/Köhler GmbHR 2015, 729, 732 f. 339

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

mentieren, dass trotz einer Auszahlung eine Zahlungsunfähigkeit innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht absehbar ist. Die Beweislast tragen Gesellschaft und qualifiziert nachrangiger Gläubiger; der qualifiziert nachrangige Gläubiger ist insoweit von der Gesellschaft abhängig.

236 b) Die Behandlung von Zinsen. Durch die dogmatische Einordnung des BGH einer inhaltlichen Änderung des Schuldvertrags mit dinglicher Wirkung gegenüber den anderen Gläubigern bleibt trotz des qualifizierten Rangrücktritts sowohl außerhalb als auch innerhalb der Krise die Verzinsungspflicht erhalten.596 Führt allerdings die Krise zur drohenden Insolvenz bzw führt eine Zinszahlung zur drohenden Insolvenz, können die Zinsen nicht geltend gemacht werden.597 Gleichwohl laufen sie auf, dh nach Beseitigung des Insolvenzgrundes sind die Zinsen nachträglich zu begleichen.598 Ebenso sind sie partiell nachträglich zu begleichen, wenn eine partielle Auszahlung ohne die Schaffung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit möglich ist. Im Insolvenzverfahren selbst nehmen bislang aufgelaufene Zinsen über die direkte Anwendung von § 39 II InsO qualifiziert nachrangig am Verfahren teil. Diese Einordnung beruht auf einer Vereinbarung zwischen den Parteien, denn es kann unterstellt werden, dass die Parteien auch aufgelaufene Zinsen im Nachrang einordnen wollen. Selbstverständlich ist hinsichtlich des aufgelaufenen Zinses im Zeitpunkt des Abschlusses der Nachrangvereinbarung eine andere Vereinbarung möglich.599 Dann ist der Zins jedoch von Anfang an in der Überschuldungsbilanz zu passiveren, sodass ggf die Insolvenzreife trotz des Nichtansatzes der eigentlichen Verbindlichkeit eher erreicht wird, weil aufgelaufene Zinsen anzusetzen sind. Für diesen Fall wird man den bis zur Verfahrenseröffnung aufgelaufenen Zins unter § 38 InsO zu fassen haben. Wenn § 39 II InsO auf ein Gesellschafterdarlehen angewendet wird, ohne dass Zinsen einbezogen werden sollen, können Zinsen in der Krise gezahlt werden, doch gibt es ein Zahlungsverbot für den Darlehensbetrag. Werden die Zinsen in diesem Fall nicht ausgezahlt, gelten die Erläuterungen aus Rn 106 ff. Ab Verfahrenseröffnung entstehender Zins ist in jedem Fall gem § 39 III iVm II InsO im sechsten Nachrang zu erfassen.

237 c) Keine Berücksichtigung bei der Zahlungsunfähigkeit. In Konsequenz zum qualifizierten Nachrang und zur Durchsetzungssperre ist die Forderung auch bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen.600 Allerdings ergibt sich das nicht allein aus der Nachrangvereinbarung, sondern beruht auf dem vorinsolvenzlichen Auszahlungsverbot.601

238 d) Begleichen der Forderung trotz Insolvenzreife. Wird die Forderung trotz eines qualifizierten Rangrücktritts im Zustand der (drohenden) Insolvenzreife beglichen, hat die Insolvenzschuldnerin einen Anspruch gem. § 812 I S 1 Alt 1 BGB.602 Hatte die Insolvenzschuldnerin in Kenntnis des fehlenden Zahlungsgrundes geleistet, mag ihr wegen § 814 BGB die Kondiktion versperrt sein,603 doch kommt § 134 InsO als Anfechtungstatbestand in Betracht, wenn innerhalb von vier Jahren nach der Zahlung ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden

596 597 598 599

BGHZ 204, 231 Rn 31. BGHZ 204, 231 Rn 17, 34. Haarmann FS Röhricht (2005), S 137, 139. So auch Bitter/Heim ZIP 2015, 644, 647; unklar bzw missverständlich BGHZ 204, 231 Rn 17; offen gelassen von Hoos/Köhler GmbHR 2015, 729, 733. 600 BGH ZIP 2022, 654 Rn 32. 601 Bitter ZHR 181 (2017), 428, 464. 602 BGHZ 204, 231 Rn 33; BGH ZIP 2022, 654 Rn 16. 603 BGHZ 204, 231 Rn 43 ff. Mylich

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muss.604 Angedeutet wird auch die Möglichkeit einer Untreue, dh § 823 II BGB iVm § 266 StGB.605 Bei einem Gesellschafterdarlehen wird § 135 I Nr 2 InsO auch anwendbar sein.606 Haben Gesellschafter den qualifizierten Rangrücktritt auf ihre Darlehensforderung erklärt, droht bei einer Auszahlung trotz (drohender) Insolvenzreife auch die Anwendung von § 31 I GmbHG. Zur Lösung dieser bislang nicht ausführlich diskutierten Frage kommt es darauf an, ob man das durch Nachrang vereinbarte Auszahlungsverbot rein insolvenzrechtlich (dann keine Anwendung von § 31 GmbHG) oder auch gesellschaftsrechtlich qualifiziert. Näher liegt die erste Lösung,607 denn § 31 GmbHG orientiert sich am Zustand der Handelsbilanz und dort findet sich die Verbindlichkeit nach wie vor passiviert (siehe Rn 230). Vermögen fließt ab und ein Passivposten in (maximal) gleicher Höhe wird ausgebucht; es kommt also nicht zu einer Auszahlung im Sinne von § 30 I GmbHG. Das Konzept zu § 39 II InsO nimmt aber allein auf die Überschuldungsbilanz Bezug. Wurden die Zahlungen in kritischer Zeit geleistet, aber gesundete anschließend die Gesellschaft, sodass später kein Insolvenzgrund mehr vorlag und kommt es nach einer erneuten Krise zu einem Insolvenzverfahren, können die Restitutionsansprüche nicht geltend gemacht werden. Wären die Mittel auf ein Sonderkonto gepackt und bis zur Gesundung aufgehoben worden, wäre eine Auszahlung in diesem Zeitpunkt auch unschädlich gewesen. Bislang auch nicht diskutiert ist die Frage, ob eine Zahlung, die zur drohenden Zahlungsunfähigkeit führt, nicht mehr restituiert werden kann, wenn zwei Jahre vergangen sind. Das widerspicht zunächst den für § 812 BGB bzw § 134 InsO geltenden Fristen. Gleichwohl ist die Lösung richtig, denn mit Ablauf von zwei Jahren hat sich gezeigt, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit wohl doch noch nicht vorgelegen hat. Diese Lösung führt auch zu einer gewissen Befriedigung der Situation, weil andernfalls qualifizierte Nachranggläubiger mindestens vier Jahre nach Auszahlung der Zinsen bzw Rückzahlung der Forderung damit rechnen müssen, aus § 134 InsO belangt zu werden, nur weil die Forderungsschuldnerin nicht belegen kann, dass zum Zahlungszeitraum kein Insolvenzgrund vorgelegen hat.608

e) Der parallele Deliktsanspruch. Hat der qualifiziert nachrangige Gläubiger einen parallelen 239 Anspruch aus Delikt, ist dieser Anspruch eine einfache Insolvenzforderung iSv § 38 InsO.609 Was für die differenzierende Behandlung von Gesellschafterdarlehen und deliktischem Anspruch gilt (siehe Rn 154), muss auch bei einem Darlehen im vertraglich vereinbarten Nachrang gelten. 4. Steuerrechtliche Konsequenzen Die steuerrechtlichen Fragen und Probleme zum qualifizierten Rangrücktritt610 haben sich mE 240 mit der Entscheidung des BFH vom 19.8.2020 erledigt.611 Der BFH differenziert: Darf bei einem Verzicht oder Rangrücktritt die Forderung nur aus künftigen Gewinnen oder einem Liquidationserlös getilgt werden, soll § 5 IIa EStG zur ertragswirksamen Ausbuchung der Forderung führen.612 Hingegen bleibt es bei der Passivierung in der Steuerbilanz und der Nichtanwendung von § 5 IIa 604 605 606 607

BGHZ 204, 231 Rn 46 ff; BGHZ 214, 350 Rn 22; BGH ZIP 2022, 654 Rn 16. K Schmidt ZIP 2015, 901, 906. Bitter/Heim ZIP 2015, 644, 646; Dittmar Der überschuldungsvermeidende Rangrücktritt (2019), S 46 ff. So auch ohne nähere Begründung K Schmidt/K Schmidt/Herchen InsO20 § 39 Rn 24; aA mit einem anderen Konzept Ekkenga ZIP 2017, 1493, 1502 f. 608 Hinweis zu den langen Fristen (ohne Problemvertiefung) bei Dittmar Der überschuldungsvermeidende Rangrücktritt (2019), S 46 f. 609 BGH ZInsO 2022, 1911 Rn 4; KölnKomm/Hess InsO § 39 Rn 131. 610 Zum Steuerrecht ausführlich Brandis/Heuermann/Krumm EStG160 § 5 Rn 957a ff; siehe auch Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn 125 (ohne Eingehen auf BFH BStBl II 2021, 279). 611 BFH BStBl II 2021, 279. 612 BFH BStBl II 2021, 279 Rn 36 f. 341

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

EStG, wenn außerdem vereinbart wird, dass die Forderung auch aus sonstigem freiem Vermögen getilgt werden kann.613 Letzteres wird häufig gewünscht, denn bei der qualifiziert nachrangigen Verbindlichkeit handelt es sich um Fremdkapital, das unabhängig von der bilanziellen Situation zurückgezahlt werden kann. Hat sich durch Legung bzw Anwachsen von stillen Reserven bzw durch Generierung erheblicher Geschäftschancen die wirtschaftliche Lage beim Forderungsschuldner entspannt, kann auch unabhängig von einem Gewinn ggf Zins oder die Schuld zurückgezahlt werden, ohne das Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit droht.

IX. Weitere Nachrangverbindlichkeiten 241 In § 327 InsO werden weitere Nachrangverbindlichkeiten geregelt und zwar Pflichtteilsansprüche sowie Vermächtnisse. Diese gehen jenen Nachrangverbindlichkeiten aus § 39 InsO bei einem Nachlassinsolvenzverfahren im Rang nach (siehe Rn 61). Wird ein Insolvenzverfahren über das Eigenvermögen des Erben eröffnet, kommt § 327 InsO nicht zur Anwendung. Dann kommt allenfalls § 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 InsO in Betracht (siehe Rn 66).

613 BFH BStBl II 2021, 279 Rn 38 ff. Mylich

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§ 40 Unterhaltsansprüche 1 Familienrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner können im Insolvenzverfahren für die Zeit nach der Eröffnung nur geltend gemacht werden, soweit der Schuldner als Erbe des Verpflichteten haftet. 2§ 100 bleibt unberührt.

Materialien DiskE § 45; Begr S 38; RefE § 45, Begr S 45; RegE, BT-Drucks 12/2443, § 47, Begr S 124; Begr Zu Art 3 V des Entwurfs des Kindesunterhaltsgesetzes, BT-Drucks 13/7338.

Vorgängerregelungen § 3 II KO, dazu: Motive zum BGB Bd 1 V S 708 f mit S 676 f (E I § 1494); Prot zum BGB IV S 515, VI S 755; Begr S 25 f; KommBer z KO-Nov 1898 S 1948, 1950.

Literatur Vgl auch Literatur zu § 38; Keller Der Unterhaltsanspruch als Insolvenzforderung und die Stellung des Unterhaltsgläubigers im Insolvenzverfahren, NZI 2007, 143; Riedel Unterhalt und Insolvenz, FS Brudermüller (2014) S 559; Uhlenbruck Familienrechtliche Aspekte der Insolvenzordnung, KTS 1999, 413 ff.

Übersicht I.

Einleitung

1

II. 1.

Die Grundregel Die von § 40 erfassten Ansprüche, Zweck und 5 Kontext der Regelung

2. 3.

Kapitalabfindung 8 Unanwendbarkeit der § 240 ZPO, §§ 87, 89, 254, 286 InsO auf künftige Unterhaltsansprü9 che

III.

Die Ausnahme

11

Alphabetische Übersicht Erbe 11, 12, 13 Insolvenzplan 10 Kapitalabfindung 3, 8 Nachlassinsolvenzverfahren 12, 13 Neuerwerb 6, 9, 13

Pfändungsgrenze 13 Prozessunterbrechung 9 Restschuldbefreiung 6, 10, 13 Rückgriffsansprüche 5 Versorgungsausgleich 5, 8

I. Einleitung Satz 1 ist noch vor Inkrafttreten der InsO geändert worden durch Art 4 V des Gesetzes zur Verein- 1 heitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz – KindUG) vom 6.4.1998 (BGBl I S 666). Die in der ursprünglichen Fassung des § 40 enthaltenen Worte „und familienrechtliche Erstattungsansprüche der Mutter eines nichtehelichen Kindes“ sind gestrichen worden, weil diese Ansprüche in Unterhaltsansprüche umgestaltet worden sind. § 40 entspricht § 3 II KO, auf den § 25 II VglO verweist. Literatur und Rechtsprechung zu die- 2 sen Vorschriften sind unter Berücksichtigung der Entwicklung der übrigen Rahmenbedingungen

343 https://doi.org/10.1515/9783110666175-006

Eichel

§ 40

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

im Insolvenz- und Unterhaltsrecht anwendbar.1 Im Kontext von § 40 stehen § 100, den § 40 ausdrücklich unberührt lässt (Satz 2), sowie in der Eigenverwaltung § 278.2 3 § 40 regelt, wie gesetzliche familienrechtliche Unterhaltsansprüche, die „auf die Zukunft gerichtet“, weil sie für den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung geschuldet sind,3 ausnahmsweise im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (dazu Rn 11 ff). Die eigentliche Bedeutung von § 40 ergibt sich aber aus einem Rückschluss: Im Übrigen sind diese Ansprüche von der Teilnahme am Insolvenzverfahren ausgeschlossen und können nur als Neuforderungen gegen den Schuldner geltend gemacht werden (vgl §§ 36, 89 II S 2 InsO, § 850d ZPO).4 Von den von § 40 erfassten Ansprüchen zu unterscheiden sind zunächst Ansprüche auf rückständigen Unterhalt, der für den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung geschuldet ist.5 Zudem gilt § 40 nicht für Unterhaltsansprüche, die sich aus unerlaubten Handlungen ergeben (§ 38 Rn 103), und ebenso wenig für selbstständige Unterhaltsversprechen, die von der gesetzlichen Unterhaltspflicht unabhängig sind. Auf sie ist jeweils § 38 anzuwenden, § 40 ist unanwendbar;6 sie sind auch für den künftigen Unterhalt Insolvenzforderung (§ 38 Rn 129).7 Unter selbstständigen Unterhaltsversprechen, die nicht dem Ausschluss des § 40 unterfallen, werden hier solche verstanden, die auf Rechtsgeschäft – Vertrag oder Verfügung von Todes wegen – beruhen, von den Voraussetzungen der gesetzlichen Unterhaltspflicht unabhängig sind und mehr als nur eine gesetzliche Unterhaltspflicht bestätigen oder nach Art und Maß fixieren.8 Sie sind demgegenüber nicht selbstständig, wenn sie auf familienrechtlicher Grundlage beruhen und wenigstens dem Grunde nach auch kraft Gesetzes geschuldet wären. Zu den Unterhaltsansprüchen aufgrund selbstständiger Vereinbarung gehören insbesondere Ansprüche aus entgeltlichen Leibrentenverträgen (§ 38 Rn 187)9 oder Kaufverträgen auf Rentenbasis. Im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden kann aber auch der Anspruch auf eine künftige Kapitalabfindung, die der Insolvenzschuldner unter Verzicht auf die Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse zur Zeit der Fälligkeit (§§ 1578, 1581 BGB) versprochen hat, obwohl sie als solche nicht geschuldet war, etwa weil kein wichtiger Grund iSd § 1585 II BGB vorlag. Die Kapitalabfindung ist dann von der familienrechtlichen Grundlage gelöst und deshalb im vollen Umfang als Insolvenzforderung zu berücksichtigen.10 Wenn selbstständige Unterhaltsversprechen unentgeltlich versprochen oder zugewendet sind, stellen sie nachrangige Insolvenzforderungen dar (§ 39 I Nr 4). 4 Die Begründung der Novelle 1898 zur KO hat zur Rechtfertigung von § 40 in den Vordergrund gestellt, dass die Unterhaltsansprüche nicht einheitliche Rechtsfolgen eines bei Verfahrenseröffnung bereits endgültig abgeschlossenen Tatbestandes darstellen, sodass sie fort und fort neu „mit dem Eintreten des jeweiligen Bedürfnisses“ entstehen.11 So gesehen wäre § 40 keine Ausnahme zu § 38,12 sondern eine Klarstellung, dass es sich nicht um Insolvenzforderungen handeln kann, da die nach Verfahrenseröffnung entstehenden Ansprüche von der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Schuldners und damit von seinem persönlichen Handeln abhängig sind (zu diesem Abgrenzungsmerkmal § 38 Rn 93).13

BGH NZI 2012, 24, 25; FK/Bornemann InsO9 § 40 Rn 3. Riedel FS Brudermüller 559, 561 f. Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 40 Rn 5. BGH ZIP 2019, 1921 Rn 33; NZI 2005, 342, 344; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 40 Rn 9 f; Jaeger/Henckel InsO1 § 38 Rn 171; Keller NZI 2007, 143, 144; Paul DZWIR 2009, 186. 5 BGH FamRZ 2018, 1347 Rn 34 f; NZI 2005, 342, 344; BAG NZI 2010, 35, 36; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 40 Rn 14 f. Für Ansprüche betreffend die Periode, in die die Verfahrenseröffnung fällt, siehe § 38 Rn 129. 6 BAG NZI 2010, 35, 36; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 40 Rn 6 f; FK/Bornemann InsO9 § 40 Rn 6. 7 FK/Bornemann InsO9 § 40 Rn 6; HambK/Lüdtke InsO9 § 40 Rn 10. 8 Jaeger/Henckel InsO1 § 38 Rn 171. 9 Bergschneider/Engels FamRZ 2014, 436, 439. 10 RG DR 1944, 618; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 96; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 38 Rn 8. 11 S 25; Hahn/Mugdan S 234; BGH FamRZ 2018, 1347 Rn 35; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 40 Rn 10. 12 So aber etwa Keller NZI 2007, 143. 13 Vgl MünchKomm/Schumann InsO4 § 40 Rn 1.

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Unterhaltsansprüche

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II. Die Grundregel 1. Die von § 40 erfassten Ansprüche, Zweck und Kontext der Regelung § 40 betrifft die familienrechtlichen Unterhaltsansprüche. Das sind die Ansprüche des gegenwärti- 5 gen und des früheren Ehegatten (§§ 1360–1360b, 1361, 1318 II, 1320 II, 1569–1586b BGB) bzw Lebenspartners (§§ 11 I, 16 S 2 LPartG), der Verwandten in gerader Linie (§§ 1601–1615 BGB, s auch §§ 1754, 1770 III BGB) und des Kindes nicht miteinander verheirateter Eltern (§ 1615a BGB) sowie die Ansprüche von Mutter und Vater eines solchen Kindes aus Anlass der Geburt (§ 1615l und § 1615n BGB). Auch Rückgriffsansprüche (§ 33 I SGB II, § 94 SGB XII, § 95 SGB VIII, § 7 UnterhVG, § 37 BaföG) sind Unterhaltsansprüche im Sinne des § 40,14 soweit sich die Natur des Anspruchs, nämlich die Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit, durch den Anspruchsübergang nicht ändert. Für die Anwendung des § 40 sind Ansprüche wegen sittenwidriger Entziehung des Unterhalts15 (§ 826 BGB) ausnahmsweise den familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen gleichzustellen, obgleich sie auf Delikt beruhen und damit nicht unmittelbar im Familienrecht wurzeln (§ 38 Rn 103).16 Wie der BGH entschieden hat, ist § 40 hingegen nicht anzuwenden auf den Anspruch auf Raten aus einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§ 1587 BGB iVm § 20 VersAusglG), und zwar weder direkt noch analog, da dieser Anspruch im Grundsatz nicht von der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen abhängig ist.17 § 40 beruht auf der Überlegung, dass die hier erfassten Unterhaltsansprüche eine familienrecht- 6 liche Grundlage haben und der Unterhaltsberechtigte das Schicksal des Unterhaltspflichtigen in gewissem Umfang teilt, zumal diese Unterhaltsansprüche grundsätzlich von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen abhängen.18 Wie der Unterhalt des Schuldners für die Zukunft – abgesehen von § 100, der auch die „Familie“ des Schuldners berücksichtigt und nach § 40 S 2 „unberührt“ bleibt – nicht aus der Masse gesichert wird, sondern durch seine künftigen Einkünfte, werden auch die Unterhaltsgläubiger für ihre zukünftigen Ansprüche auf das freie Vermögen des Schuldners verwiesen.19 Gegenüber der früheren Regelung der Konkursordnung stehen die Unterhaltsgläubiger freilich wesentlich schlechter, weil nach § 35 der Neuerwerb des Schuldners zur Masse gehört.20 Den § 40 unterfallenden Unterhaltsgläubigern bleibt für die Dauer des Verfahrens – abgesehen von Unterhaltsleistungen aus der Masse nach § 100, auf deren Bewilligung kein Anspruch bestehen soll21 – nur der Zugriff nach § 850d ZPO und § 89 II S 2 InsO auf die Bezüge, die für andere Gläubiger nach § 850c ZPO unpfändbar sind.22 Wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung nicht versagt, steht der Unterhaltsberechtigte nicht besser, weil der Schuldner seine pfändbaren Forderungen an den Treuhänder abtreten muss, der sie zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu verwenden hat, zu denen die Unterhaltsgläubiger mit ihren Forderungen für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gehören. Erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung kann der Unterhaltsbe14 BGH ZIP 2019, 1921 Rn 34; HK/Riedel InsO10 § 40 Rn 3; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 40 Rn 11; Keller NZI 2007, 143; MünchKomm/Schumann InsO4 § 40 Rn 13, auch zur Anwendung des § 850d ZPO (dazu auch MünchKomm/Smid ZPO6 § 850d Rn 6 ff; Keller NZI 2007, 143, 145 ff). AA FK/Bornemann InsO9 § 40 Rn 8. 15 OLG Frankfurt/M NJW 1955, 1112. 16 Kohte in Kölner Schrift2 S 781 ff Rn 61; Braun/Bäuerle InsO9 § 40 Rn 2; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 40 Rn 4. 17 BGH NZI 2012, 24 Rn 8 ff mwN; MünchKomm/Schumann InsO4 § 40 Rn 12. AA (analoge Anwendung von § 40) Jaeger/ Henckel InsO1 § 40 Rn 4 und 5 mwN. 18 BGH FamRZ 2018, 1347 Rn 35. 19 BGH FamRZ 2018, 1347, 1351. 20 Uhlenbruck FamRZ 1993, 1026 ff; ders FamRZ 1998, 1473; Kohte in Kölner Schrift2 S 781 ff Rn 32 ff; MünchKomm/ Schumann InsO4 § 40 Rn 1. 21 S § 55 Rn 122; OLG Koblenz FamRZ 2019, 1135; Janlewing Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis (2015) Rn 254 f; Riedel FS Brudermüller (2014) S 559, 561. 22 BGH ZIP 2019, 1921 Rn 33; FamRZ 2018, 1347 Rn 37; NZI 2012, 24, 25; NZI 2008, 114, 115 f; FamRZ 2008, 684; NZI 2008, 50; BAG NZI 2010, 35, 36; Keller NZI 2007, 316; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 40 Rn 9 ff; anschaulich Wohlgemuth FF 2004, 9. 345

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rechtigte, dessen nach Verfahrenseröffnung entstandene Ansprüche mangels Insolvenzgläubigereigenschaft von der Restschuldbefreiung nicht betroffen sind (§ 301), von der womöglich gestiegenen Leistungsfähigkeit des Schuldners profitieren.23 Diese Aussicht auf eine gesteigerte Leistungsfähigkeit ist der Grund dafür, dass einen Unterhaltsschuldner aus dem materiellen Unterhaltsrecht uU eine Obliegenheit treffen kann, einen Insolvenzantrag zu stellen.24 Verpflichtungen zur Leistung des rückständigen Unterhalts aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung bleiben im Umfang von § 302 I Nr 1 Var 2 von der Restschuldbefreiung unberührt.25 § 40 liegt die Regel zu Grunde, dass die genannten Unterhaltsansprüche für die Zukunft (Rn 3) 7 nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können, auch nicht als bedingte.26 Insoweit macht auch weder eine gerichtliche Feststellung noch eine Unterhaltsvereinbarung den Anspruch zur Insolvenzforderung.27 Dagegen sind die bei Verfahrenseröffnung bereits fälligen Ansprüche Insolvenzforderungen, auch wenn die Periode, auf die sich der fällige Anspruch bezieht, noch nicht abgelaufen ist (§ 38 Rn 129).28 Der abweichende Vorschlag der Kommission 2. Lesung29 und der Reichstagsvorlage der Novelle 1900 zur KO,30 auch die bereits fälligen Ansprüche von der Konkursteilnahme auszuschließen, ist nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Hatte der Schuldner zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht andere als Geldleistungen versprochen, können diese nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als Forderungen geltend gemacht werden, die aus der Masse zu erfüllen wären. Deshalb hat die Ehefrau des Schuldners, der er die Ehewohnung in einem gemieteten Anwesen als Unterhaltsleistung vor Verfahrenseröffnung überlassen hat, kein Recht zum Besitz an der Wohnung gegenüber der Insolvenzmasse.31

2. Kapitalabfindung 8 § 40 schließt Unterhaltsansprüche nur aus, soweit sie erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen und fällig werden. Ist anstelle der Unterhaltsrente aufgrund berechtigten Verlangens des Unterhaltsgläubigers eine Kapitalabfindung geschuldet (§ 1585 II BGB), so ist der vor Verfahrenseröffnung entstandene Abfindungsanspruch in vollem Umfang Insolvenzforderung.32 Das gilt auch, wenn er (etwa aufgrund Vereinbarung) erst nach Verfahrenseröffnung fällig würde (§ 41).33 Entscheidend ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 1585 II BGB) bereits vor Verfahrenseröffnung vorlagen. Zwar hat auch dieser Anspruch eine familienrechtliche Grundlage und deckt den in der Zukunft liegenden Zeitraum ab, jedoch hat der Unterhaltsberechtigte sich mit der Kapitalabfindung von dem weiteren vermögensrechtlichen Schicksal seines Schuldners getrennt, sodass die Grundlage für § 40 nicht mehr gegeben ist (vgl Rn 4, 6). War das Abfindungskapital bereits vor dem Insolvenzverfahren an den Berechtigten ausgezahlt worden, so kann eine Rückgewähr zur Masse nur nach den Regeln der Gläubigeranfechtung beansprucht 23 FK/Bornemann InsO9 § 40 Rn 1. 24 BGH NZI 2005, 342, 343 f = NJW 2005, 1279; NJW 2008, 851, 852 f; NZI 2008, 114 Rn 23; Keller NZI 2007, 143, 147; Ahrens NZI 2008, 159; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 40 Rn 14 mwN; KK/Hess InsO § 40 Rn 11 ff; näher Hohloch FPR 2006, 77; Riedel FS Brudermüller (2014) S 559, 563 ff; Weisbrodt FamRZ 2003, 1240, 1243 f; Wohlgemuth FF 2004, 9. 25 K Schmidt/Henning InsO19 § 302 Rn 10 f. 26 OLG Dresden KuT 1940, 94. 27 Vgl BGH FamRZ 2018, 1347, 1351; RG SeuffArch 37 Nr 31; OLG Celle SeuffArch 56 Nr 42. 28 BGH FamRZ 2018, 1347 Rn 34. 29 Prot zum BGB VI S 755. 30 S 2, Begr S 25. 31 AA LG Freiburg FamRZ 1996, 1472. 32 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 38 Rn 8; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 40 Rn 8; Kohte in Kölner Schrift2 S 781 ff Rn 62; Keller NZI 2007, 143; HambK/Lüdtke InsO9 § 40 Rn 11. AA Häsemeyer InsR4 Rn 16.19; wohl auch Uhlenbruck FamRZ 1998, 1473, 1475. 33 K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 40 Rn 8; Janlewing FamRB 2011, 19, 23; Keller NZI 2007, 143. AA für den spezifischen Fall, dass zunächst noch eine laufende Unterhaltsrente vereinbart ist, Jaeger/Henckel InsO1 § 40 Rn 7. Eichel

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werden. Ist anstelle der Unterhaltsrente eine Kapitalabfindung vereinbart, ohne dass diese gesetzlich geschuldet wäre, so ist die Abfindung unbeschadet der Gläubigeranfechtung in jedem Fall Insolvenzforderung, da § 40 auf selbstständige Unterhaltsversprechen keine Anwendung findet (Rn 3). Das Gleiche gilt, wenn ein Ehegatte wegen seiner künftigen Versorgungsausgleichsansprüche eine Abfindung verlangt, da auch diese Ansprüche nicht von § 40 betroffen sind (Rn 5).

3. Unanwendbarkeit der § 240 ZPO, §§ 87, 89, 254, 286 InsO auf künftige Unterhaltsansprüche Weil der Anspruch auf künftige Unterhaltsleistung keine Insolvenzforderung ist, wird er durch 9 § 113 I FamFG iVm § 240 ZPO und die §§ 87, 89 I, 254 InsO nicht berührt.34 Ist bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Unterhaltsprozess oder ein Verfahren nach §§ 231 ff, 113 I S 2 FamFG anhängig, so findet insoweit keine Unterbrechung nach § 240 ZPO statt, als es um die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Unterhaltsleistungen geht, weil insoweit die Insolvenzmasse wegen § 40 nicht betroffen ist. Sind Unterhaltsansprüche für beide Zeiträume rechtshängig, findet nur eine teilweise Unterbrechung betreffend den rückständigen Unterhalt statt.35 In jedem Fall ist seitens jeder der Parteien eine Teilaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der massefreien Ansprüche möglich.36 Der Unterhaltsgläubiger kann wegen des künftigen, nicht am Insolvenzverfahren teilnehmenden Unterhalts ungeachtet des § 89 auf das nicht zur Insolvenzmasse des Schuldners gehörende Vermögen im Wege der Einzelvollstreckung zugreifen (§ 89 II S 2) und sich auch an die „dem Schuldner und seiner Familie“ nach § 100 aus der Masse bewilligte Unterstützung halten.37 Bei der Bemessung des Bedarfs des Trennungs- und des Kindesunterhaltsberechtigten ist die Änderung der Einkommensverhältnisse des Schuldners, die mit dem Insolvenzverfahren eingetreten ist, zu berücksichtigen.38 Wegen der Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse (§ 35) bleibt ihm nur die Vollstreckung in die nach § 850c ZPO unpfändbaren Forderungen auf Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 850d ZPO (vgl § 708 Nr 8 ZPO);39 ist der Schuldner selbstständig, gelten § 850i ZPO bzw § 35 II InsO.40 Soweit hiernach die Einzelvollstreckung in das freie Vermögen zulässig ist, muss während des Insolvenzverfahrens vor der Geburt des unterhaltsberechtigten Kindes auch eine einstweilige Verfügung nach § 247 FamFG möglich sein. Ein Insolvenzplan wirkt wegen des künftigen Unterhalts nicht für oder gegen den Gläubiger, 10 weil dieser nicht Beteiligter iSd § 254 ist. Nach § 217 I sind nur Insolvenzgläubiger und absonderungsberechtigte Gläubiger Beteiligte am Planverfahren.41 Sofern in der Praxis dennoch Regelungen zum Unterhalt in den Insolvenzplan aufgenommen werden,42 ist die Beteiligung des Unterhaltsgläubigers sicherzustellen.43 Der Unterhaltsschuldner wird von den Verpflichtungen zur

34 Braun/Bäuerle InsO9 § 40 Rn 9 ff. 35 OLG Koblenz NZI 2003, 60; OLG Karlsruhe NZI 2004, 343; OLG Naumburg FamRZ 2004, 1975; OLG Hamm FamRZ 2005, 279; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 286; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 40 Rn 14; Keller NZI 2007, 143, 148; Weisbrodt FamRZ 2003, 1240; offen gelassen durch BGH FamRZ 2018, 1347 Rn 38; FamRZ 2006, 956 Rn 3. 36 BGH FamRZ 2018, 1347, 1351; Zöller/Greger ZPO34 § 240 Rn 8. 37 Vgl BGH NZI 2008, 50; BAG NZI 2010, 35, 36; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 40 Rn 20 ff. 38 BGH NZI 2008, 114, 115; OLG Koblenz NZI 2003, 60; Braun/Bäuerle InsO9 § 40 Rn 10; Weisbrodt FamRZ 2003, 1240, 1242 f; Wohlgemuth FF 2004, 9. 39 BGH NZI 2010, 35, 36; ZIP 2019, 1921, 1925; Hauß FamRZ 2006, 1496. Zur Berücksichtigung des § 850d im Rahmen der §§ 811 Nr 8 und 850k ZPO aF: Stein/Jonas/Münzberg ZPO21 § 811 Rn 62, § 850k Rn 13; s auch Wagner ZZP 114 (2001), 500, 504. 40 Janlewing FPR 2012, 163, 165 f; dies Insolvenzrecht für die familienrechtliche Praxis (2015) Rn 189 ff. 41 AA Uhlenbruck FamRZ 1998, 1473, 1475. 42 OLG Düsseldorf NZI 2008, 689; Weisbrodt FamRZ 2003, 1240, 1242. 43 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 38 Rn 8; Paul DZWIR 2009, 186; näher bei § 254. 347

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Zahlung künftigen Unterhalts auch nicht im Rahmen der Restschuldbefreiung entlastet.44 Die Restschuldbefreiung wirkt nur gegenüber den Insolvenzgläubigern (§§ 286, 294 I, 301 I).

III. Die Ausnahme 11 Die in § 40 formulierte Ausnahme besagt, dass auch die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Unterhaltsansprüche im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben des Unterhaltspflichtigen Insolvenzforderungen sind, soweit sie nach den Bestimmungen des Unterhaltsrechts passiv vererbt werden, dh sich gegen den Erben richten. Die letztgenannte Einschränkung kommt im Gesetzeswortlaut nicht klar zum Ausdruck. Sie ergibt sich daraus, dass § 40 das materielle Unterhaltsrecht nicht ändern will, sondern dessen Regeln voraussetzt. Danach ist die gesetzliche Unterhaltspflicht regelmäßig nicht vererblich (§§ 1615 I, 1615a, 1360a III, 1361 IV S 4 BGB). Ausnahmen finden sich nur in den §§ 1318 II, 1320, 1586b, 1615l III S 4 und IV S 2, 1615n S 1, 1933 S 3 BGB, §§ 5 S 2, 12 S 2, 16 S 2 LPartG. Nur solche Verpflichtungen können also im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben geltend gemacht werden, und zwar auch für die Zukunft. Die Unterhaltsrente des geschiedenen Ehegatten wird nach § 1586b I S 3 BGB auf einen fingierten Pflichtteil beschränkt.45 12 Die passiv vererblichen Unterhaltsansprüche können nicht nur im Nachlassinsolvenzverfahren, sondern auch im Insolvenzverfahren über das gesamte Vermögen des Erben, das den Nachlass mitumfasst, und in der Insolvenz über das Eigenvermögen des unbeschränkt haftenden Erben für die Zukunft geltend gemacht werden.46 Die Ausnahme des § 40 lässt sich nur aus der Erwägung erklären, dass die Gründe, die den Aus13 schluss künftigen Unterhalts vom Insolvenzverfahren des ursprünglichen Schuldners rechtfertigen, für das Insolvenzverfahren des Erben und das Nachlassinsolvenzverfahren nicht mehr zutreffen. Denn die Haftung des Erben beruht nicht auf familienrechtlichen Beziehungen zum Gläubiger; sie ist reine Vermögenshaftung ohne Rücksicht auf familienrechtliche Bande.47 Es besteht deshalb kein Grund, sie anders zu behandeln als sonstige wiederkehrende Leistungen rein vermögensrechtlicher Art.48 Dass die in § 40 übernommene Vorschrift des § 3 II KO ursprünglich nur für den Unterhalt geschiedener Ehegatten galt,49 steht dieser Erklärung nicht entgegen.50 Der geschiedene Ehegatte sollte wie zu Lebzeiten des Unterhaltsschuldners aus den Erträgen des Schuldnervermögens befriedigt werden (§ 1582 BGB idF vom 18.8.1896, aufgehoben durch Art 84 EheG 1938), unabhängig davon, wer der Erbe war, ein Familienangehöriger des Schuldners oder ein fremder Dritter. Dass der Anspruch des geschiedenen Ehegatten (§ 1586b BGB) jetzt nicht mehr nur aus den Erträgen des Nachlasses zu befriedigen, sondern betragsmäßig begrenzt ist, ändert nichts daran, dass er nicht wie Unterhaltsansprüche auf familienrechtlichen Beziehungen beruht, sondern der Erbe einer reinen Vermögenshaftung kraft Erbfalls unterliegt, die anders behandelt werden muss als eine Unterhaltsschuld. Dass die Ausnahmevorschrift rechtspolitisch angreifbar ist, beruht nicht auf den unterhaltsrechtlichen Änderungen seit 1938, sondern auf der Einbeziehung des Neuerwerbs in die Masse (§ 35). Sie kann dazu führen, dass die Gläubiger passiv vererbbarer Unterhaltsansprüche besser stehen als andere Gläubiger, denen der Insolvenzschuldner unterhaltspflichtig ist. Erstere werden nämlich mit einer Quote aus der Masse befriedigt. Letzteren ist das hingegen verwehrt und sie können – anders als nach der Konkursordnung – nicht einmal auf den pfändungsfreien Neuerwerb zugreifen, 44 45 46 47 48

Paul DZWIR 2009, 186. Dazu MünchKomm/Maurer BGB8 § 1586b Rn 34. MünchKomm/Schumann InsO4 § 40 Rn 21. HambK/Lüdtke InsO9 § 40 Rn 3. Kohte in Kölner Schrift2 S 781 ff Rn 3 f; Uhlenbruck KTS 1999, 413, 420; Häsemeyer InsR4 Rn 16.19. AA MünchKomm/ Schumann InsO4 § 40 Rn 20 (keine Änderung der Natur des Anspruchs; Ausnahme sei „historisch zu erklären“). 49 Ausführlich noch MünchKomm/Schumann InsO3 § 40 Rn 21 in der dritten Aufl. 50 AA MünchKomm/Schumann InsO3 § 40 Rn 20 ff. Eichel

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der jetzt zur Masse gehört (§ 35 InsO), sondern müssen sich mit der Differenz zwischen der allgemeinen (§ 850c ZPO) und der zugunsten der Unterhaltsgläubiger herabgesetzten Pfändungsgrenze des § 850d ZPO abfinden. Ein Ausgleich kann nur geschaffen werden, wenn man die Gläubiger, denen der Schuldner unterhaltspflichtig ist, bei der Anwendung des § 100 stets und voll berücksichtigt. Im Restschuldbefreiungsverfahren, in dem die Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens mangels Insolvenzgläubigereigenschaft nicht befriedigt werden (vgl § 292 I S 2), ist nicht einmal dieser Ausgleich möglich, weil eine dem § 100 entsprechende Vorschrift fehlt.51

51 Uhlenbruck/Zipperer InsO15 § 100 Rn 15. 349

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§ 41 Nicht fällige Forderungen (1) Nicht fällige Forderungen gelten als fällig. (2) 1Sind sie unverzinslich, so sind sie mit dem gesetzlichen Zinssatz abzuzinsen. 2Sie vermindern sich dadurch auf den Betrag, der bei Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Fälligkeit dem vollen Betrag der Forderung entspricht.

Materialien DiskE zu § 46; RefE zu § 46; RegE BT-Drucks 12/2443 § 48, Begr S 124.

Vorgängerregelungen § 65 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 358 ff, Begr EKO S 275 ff; KO-Prot S 55, 101 ff, 153, 178 ff.

Literatur Vgl auch Literatur zu § 38; Adam Regeln für die Verwaltung unzulänglicher Massen, DZWIR 2011, 485; Birkel/Obenberger Die Sicherung von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung über ein Contractual Trust Arrangement im Insolvenzverfahren, BB 2011, 2051; Bitter Nicht fällige, bedingte und betragsmäßig unbestimmte Forderungen in der Insolvenz, NZI 2000, 399; Bitter/Wosch Abzinsung von Betriebsrentenansprüchen in der Insolvenz nach § 46 Satz 2, § 45 Satz 1 InsO, ZIP 2020, 2044; Gundlach/Frenzel/Schmidt Die Fälligkeit von Absonderungsrechten mit Insolvenzeröffnung, DZWIR 2002, 367; Huber Der gesamtschuldnerisch haftende Darlehensnehmer in Krise und Insolvenz, NZI 2019, 97; Muthorst Bedingt, befristet, betagt – Sonderfälle der Forderung im Spiegel des Insolvenzrechts, ZIP 2009, 1794; Rolfs/Schmid Sicherung von Betriebsrenten durch Contractual Trust Arrangements, ZIP 2010, 701; Thole Ansprüche des Pensions-Sicherungs-Vereins nach § 303 AktG gegen die ehemals beherrschende Gesellschaft eines Vertragskonzerns nach Insolvenzeröffnung, ZIP 2020, 389; Werner Die Verwertungsbefugnis in § 127 KO bei betagten Forderungen, KTS 1969, 215.

Übersicht I.

Einleitung

II. 1. 2.

Fälligkeit gegenüber der Insolvenzmasse (Abs 1) 2 Zweck von § 41 Abs 1 3 Noch nicht fällige Forderungen a) Nicht erfasste Forderungen (ungewisse For4 derungen) 6 b) Gewiss fällig werdende Forderungen 8 c) Einzelfälle 9 Insolvenzforderungen

3.

1

4. 5. 6. 7. 8.

11 Fälligkeitsaufschub 13 Absonderungsrechte 18 Mithaftende Dritte 20 Wechselprotest 21 Vereinbarte Fälligkeit

III. 1. 2.

Abzug des Zwischenzinses (Abs 2) 22 Anwendungsbereich 27 Berechnung

IV.

Fälligkeit nach Verfahrensbeendigung

31

Alphabetische Übersicht Absonderungsrecht 9, 13, 14, 15, 17 Anleihe 11 Aufrechnung 12 Auslosung 8, 11 Aussonderungsrecht 9 Basiszinssatz 29 bedingte Forderung 3, 5, 6, 8

Eichel https://doi.org/10.1515/9783110666175-007

befristete Forderung 3, 6, 7 betagte Forderung 3, 5, 6, 7, 8, 12 Bürge 10, 18, 19, 21 Fälligkeit 6, 8, 9, 10, 11, 14, 15, 16, 18, 19, 21, 22, 28, 29, 30, 32 – vereinbarte 14, 21 Gesamtschuldner 18, 19, 21

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Insolvenzvorrechte 9 Kontokorrent 10 Kündigung 8, 11, 21 künftige Forderung 4, 5, 27 Schuldverschreibung 8, 9, 11

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Steuerschuldverhältnis 26 Umsatzsteuerforderung 7 Wechselprotest 20 Zinsen, Begriff 25 Zwischenzins 11, 22, 24, 27, 29, 32

I. Einleitung § 41 entspricht § 65 KO und § 30 VglO und ist nur redaktionell, nicht aber der Sache nach verän- 1 dert. Rechtsprechung und Literatur zur Konkursordnung und zur Vergleichsordnung sind deshalb uneingeschränkt anwendbar.

II. Fälligkeit gegenüber der Insolvenzmasse (Abs 1) 1. Zweck von § 41 Abs 1 § 41 I bezweckt, die insolvenzrechtliche Schuldenbereinigung durch die Gleichstellung nicht fälli- 2 ger Ansprüche mit den schon fälligen zu fördern, um eine klare Grundlage für die Feststellung der Gläubigerstellung zu schaffen, insbesondere für ihr Stimmrecht in der Gläubigerversammlung (§§ 74, 77, 237), für die Berechnung einer anteiligen Kürzung ihrer Forderungen durch einen Insolvenzplan (§ 224) und für die Verteilung des Verwertungserlöses (§§ 187 ff).1 Dass eine Forderung noch nicht fällig ist, bleibt also für das Insolvenzverfahren unbeachtlich. Kraft § 41 können die Insolvenzgläubiger im Sinne der Gleichbehandlung auch in zeitlicher Hinsicht gleichmäßig befriedigt werden,2 zumal angenommen werden kann, dass ihre Vermögensansprüche ohnehin, dh mit Gewissheit einmal fällig werden (Rn 6). Damit wird das Verfahren der Verteilung erleichtert und beschleunigt.3

2. Noch nicht fällige Forderungen Entgegen der bislang herrschenden Meinung, aber in Einklang mit den Positionen der im Vordrin- 3 gen begriffenen Lehre unterscheidet § 41 nicht zwischen den herkömmlichen Kategorien künftig entstehender Ansprüche (dh aufschiebend bedingte, befristete, betagte Forderungen), sondern anhand der Gewissheit, mit der aus der Forderung ein Anspruch erwachsen wird (dazu noch Rn 6 f).4 Die folgende Darstellung übernimmt die daraus resultierende Zweiteilung und ordnet die herkömmlichen Kategorien darin ein.

a) Nicht erfasste Forderungen (ungewisse Forderungen). Keine Anwendung findet § 41 4 auf künftige Forderungen. Von künftigen Forderungen wird hier gesprochen, wenn das forderungs- und haftungsbegründende Rechtsgeschäft erst in Aussicht genommen oder versprochen, aber noch nicht wenigstens bedingt oder befristet vorgenommen worden ist oder wenn die Entstehung einer gesetzlichen Obligation erst in der Zukunft zu erwarten ist. Forderungen, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung als künftige anzusehen sind, bleiben im Verfahren unberück-

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BT-Drucks 12/2443 S 124. BAG ZIP 2021, 1670 Rn 51. Muthorst ZIP 2009, 1794, 1796. Bitter NZI 2000, 399 f.

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sichtigt. Sie sind zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht „begründet“ iSv § 38.5 Entstehen sie nach der Verfahrenseröffnung, sind ihre Gläubiger keine Insolvenzgläubiger (näher § 38 Rn 96). Auf sie findet § 41 keine Anwendung, da sie erstens keine Insolvenzforderungen sind und zweitens ihre Entstehung bei Verfahrenseröffnung noch ungewiss war. 5 Die im engeren Sinne aufschiebend bedingte Forderung unterfällt nicht § 41, sondern § 191.6 Sie unterscheidet sich von der betagten dadurch, dass sie noch nicht entstanden ist, weil dies noch vom Eintritt der Bedingung abhängig ist. Von der lediglich künftigen unterscheidet sie sich dadurch, dass ihr Entwicklungsstadium wesentlich fortgeschrittener ist: Obgleich noch nicht alle Entstehungsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage erfüllt sind, ist sie bereits so weit gediehen, dass sie iSv § 38 als begründet anzusehen ist und deshalb (eingeschränkt) am Insolvenzverfahren teilnehmen kann (näher § 38 Rn 91 ff ).7 Solange die Bedingung nicht eingetreten ist bzw der Anfangstermin noch bevorsteht, gewährt die aufschiebend bedingte Forderung bereits das Stimmrecht (§§ 77 III Nr 1, 237). Im Gegensatz zu den § 41 unterfallenden Forderungen wird bei Verteilungen aber der auf die bedingte Forderung entfallende Anteil zurückbehalten (§ 191 I); § 203 I Nr 1 ordnet die Nachtragsverteilung an, wenn der zurückbehaltene Betrag für die Verteilung frei wird, weil die Bedingung eingetreten ist.8 Die aufschiebend bedingte Forderung bleibt allerdings unberücksichtigt, wenn zur Zeit der Schlussverteilung die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung so fern liegt, dass die Forderung zur Zeit der Verteilung keinen Vermögenswert hat (§ 191 II).9 Ebenso wenig erfasst § 41 Forderungen, die zwar entstanden sind, bei denen aber ungewiss ist, ob sie fällig werden, weil dies noch von einem ungewissen Ereignis abhängt (dazu Rn 6). Beispiele: Wenn ein Darlehen beim Tode der Mutter des Schuldners zurückzuzahlen ist, gilt es mit der Verfahrenseröffnung als fällig.10 Um eine bedingte Forderung handelt es sich dagegen, wenn die Rückzahlung erfolgen soll, sobald der Schuldner Erbe der Mutter wird. Denn ob dies eintritt, ist ungewiss, zumal der Schuldner die Erbschaft nach § 83 I ausschlagen kann (dies incertus an).

6 b) Gewiss fällig werdende Forderungen. Es ist umstritten, ob § 41 aufschiebend befristete Forderungen erfasst. Die aufschiebend befristete Forderung zeichnet sich dadurch aus, dass sie in ihrer Entstehung vom Eintritt des Anfangstermins abhängig ist, während eine sog betagte Forderung schon entstanden ist, aber ihre Fälligkeit noch aussteht.11 Der BGH hält § 41 nur auf die betagten Forderungen für anwendbar; die analoge Anwendung auf aufschiebend befristete Forderungen hat er – auch im Anschluss an die in der Vorauflage von Henckel vertretene Meinung – explizit abgelehnt.12 Die Begründung des BGH dazu fiel relativ kurz aus, sodass dies noch einmal revidiert werden könnte. Der BGH hat zudem nur eine Analogie zu § 41 hinterfragt, ohne sich zu fragen, warum die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht auf aufschiebend befristete Forderungen anwendbar sein soll. Der Wortlaut von § 41 schließt diese Forderungen nämlich mitnichten ausdrücklich aus. § 41 behandelt „nicht fällige Forderungen“. Auch aufschiebend befristete Forderungen sind zweifellos „nicht fällig“. Dass § 41 nur die schon entstandenen Forderungen meine, wie es der BGH unterstellt, versteht sich nicht von selbst. § 41 schließt sich nämlich an die Definition der Insolvenzforderung in § 38 an. Eine Insolvenzforderung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie noch nicht entstanden sein muss (§ 38 Rn 91 ff). Wer § 41 im Zusammenhang mit § 38 liest, kann folglich nicht zu dem 5 HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 5. 6 Thole ZIP 2020, 389, 393. 7 OLG Stuttgart ZIP 2021, 2098, 2099; HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 6, § 42 Rn 12 f. 8 BGH ZIP 2005, 909, 910. 9 Braun/Pehl InsO9 § 191 Rn 6. 10 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 8. 11 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 4; Staudinger/Bork (2020) § 163 Rn 2; Eichel Künftige Forderungen (2014) S 47 ff; diese Unterscheidung ablehnend Enneccerus/Nipperdey AllgT15 § 199 II; Flume AllgT II, § 41.

12 BGH ZIP 2006, 1781 Rn 21; Henckel Voraufl § 41 Rn 5. Eichel

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Schluss kommen, dass aufschiebend befristete Forderungen ausgegrenzt wären, da sie fraglos bereits „begründete Vermögensansprüche“ iSv § 38 sind (§ 38 Rn 96).13 Wer dem folgt, muss § 41 im Kontext mit § 191 auslegen und erkennen, dass die Insolvenzordnung hier nicht zwischen „betagten“, „bedingten“ oder „befristeten“ Forderungen unterscheiden will, sondern zwischen solchen, die mit Gewissheit entstehen werden (und deshalb als fällig behandelt werden dürfen, um das Verfahren leichter abschließen zu können14), und solchen, deren Entstehung nicht gewiss ist, sodass eine einstweilige Hinterlegung des auf sie entfallenden Betrags (§§ 191 I, 198) oder gar ihr Ausschluss (§ 191 II) gerechtfertigt sind.15 Die Komplementarität von § 41 und § 191 ist durch den (inhaltlich bedeutungslosen16) Wegfall von § 67 KO etwas aus dem Blickfeld geraten. Eine solche Auslegung bedeutet gemäß der Gegenauffassung,17 welcher hier gefolgt wird, dass § 41 aufschiebend befristete Forderungen erfasst, soweit ihre Entstehung gewiss ist. Umgekehrt muss § 41 unanwendbar sein auf manche zwar entstandenen, aber noch nicht fälligen Forderungen, wenn nämlich die Fälligkeit von einer Bedingung, sprich einem ungewissen Ereignis abhängt.18 Eine Abgrenzung zwischen „aufschiebend befristeter“ und „betagter Forderung“ erübrigt sich. Kennzeichen der von § 41 erfassten Forderungen ist also die Gewissheit, mit der der Leistungsbefehl entsteht.19 Unbestimmtheit lediglich der Verfallzeit bei Gewissheit des Eintritts der Fälligkeit (dies certus an, incertus quando) schließt die Anwendbarkeit von § 41 I nicht aus (zur Anwendung von Abs 2 in diesen Fällen s Rn 30).20 Wenn demgegenüber der Fälligkeitseintritt als solcher ungewiss ist, unterfallen diese Forderungen nicht § 41, sondern den Regeln über aufschiebend bedingte Forderungen (Rn 5).21 Wer dem BGH folgt, muss hingegen eine Abgrenzung zwischen „aufschiebend befristeter“ 7 und „betagter Forderung“ vornehmen. Ob eine Forderung aufschiebend befristet oder betagt ist, lässt sich allerdings nicht immer leicht feststellen.22 Bei rechtsgeschäftlich begründeten Forderungen ist die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB entscheidend.23 Führt diese nicht zweifelsfrei zu einem Ergebnis, ist mit § 271 II BGB von einer bestehenden, also betagten Forderung auszugehen.24 Der für die Konkursordnung geführte Streit, ob Umsatzsteuerforderungen, die vor Konkurseröffnung begründet worden sind, aber erst mit dem nach Konkurseröffnung ablaufenden Voranmeldungszeitraum entstehen, als betagte oder befristete Forderungen anzusehen sind,25 war lediglich für die Frage relevant, ob für sie das Vorrecht des § 61 I Nr 2 KO in Anspruch genommen werden konnte. Mit der Abschaffung des Vorrechts ist der Streit für die Anwendung der InsO unerheblich geworden.

Ebenso Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 41 Rn 6a; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 41 Rn 4. Vgl Muthorst ZIP 2009, 1794, 1796. Eichel Künftige Forderungen (2014) S 62. MünchKomm/Bitter InsO4 § 42 Rn 11. HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 7; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 41 Rn 13 ff; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 8, 10 f; FK/Bornemann InsO9 § 41 Rn 9; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 5; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 41 Rn 4; weitergehend (keine Anwendung auf aufschiebend befristete Forderungen) Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 41 Rn 6a; Muthorst ZIP 2009, 1794, 1796. 18 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 8; FK/Bornemann InsO9 § 41 Rn 8; zum Phänomen der Fälligkeitsbedingung s § 111 S 2 HS 2 ZVG und Eichel Künftige Forderungen (2014) S 45 f. 19 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 8 ff; ders NZI 2000, 399 f; FK/Bornemann InsO9 § 41 Rn 8 f. 20 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 8; ders NZI 2000, 399, 401. 21 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 8. 22 Henckel Voraufl § 41 Rn 5, dort auch zur unterschiedlichen Rechtsprechung bezüglich Miet- und Leasingratenansprüche. 23 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 5. 24 Eichel Künftige Forderungen (2014) S 48. 25 Ausführliche Darstellung mwN bei Onusseit Umsatzsteuer im Konkurs (1988) S 120 ff; s auch Frotscher Steuern im Konkurs5 S 177 ff; s auch Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 85.

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8 c) Einzelfälle. Forderungen, deren Fälligkeit von einer Kündigung abhängt (§ 488 III BGB), sind von § 41 erfasst, da mit ihrer Geltendmachung sicher davon auszugehen ist, dass die Kündigung erfolgen würde; sie gelten deshalb der Insolvenzmasse gegenüber ohne Kündigung als fällig.26 Betagt im Sinne des § 41 und nicht bedingt sind ferner Schuldverschreibungen, die auf Grund von Auslosungen zurückgezahlt werden.27 Zur Abgrenzung des bedingten vom betagten Schadensersatzanspruch des Vermieters, wenn der Insolvenzverwalter des Mieters den Mietvertrag kündigt, s Erl zu § 109.28 Ansprüche auf Altersruhegeld, Berufsunfähigkeitsrente und Hinterbliebenenrente sind, wenn der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, keine betagten Ansprüche iSv § 41, sondern aufschiebend bedingte Ansprüche,29 da ihr Entstehen nicht gewiss ist.30 Demgegenüber werden die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 9 BetrAVG übergegangenen Anwartschaften (§ 9 II S 3 BetrAVG) sowie die laufenden Renten im Insolvenzverfahren als unbedingte Forderungen nach §§ 41 I, 45 geltend gemacht.31

3. Insolvenzforderungen 9 § 41 gilt nur für Insolvenzforderungen, und zwar auch für Forderungen von Gläubigern mit besonderen Insolvenzvorrechten, wie sie noch nach § 32 DepotG und kraft Landesrechts für Schuldverschreibungen (Art 109 EGInsO) bestehen, und für nachrangige Insolvenzforderungen.32 Die Pfandbriefgläubiger, die in erster Linie aus den im Deckungsregister der Pfandbriefbank eingetragenen Rechten befriedigt werden, sind im Insolvenzverfahren über deren Vermögen nach § 30 PfandBG nur Insolvenzgläubiger, soweit sie in dem gesonderten Insolvenzverfahren über die Deckungsmasse einen Ausfall erleiden. § 41 gilt nicht für Aussonderungsrechte33 und ebenso wenig für isolierte Absonderungsrechte (näher Rn 13 ff), dementsprechend auch nicht für eine Eigentumsvormerkung34 und nicht für Forderungen des Schuldners, gleichgültig, ob sie zur Masse gehören oder nach § 36 massefrei bleiben.35 Die Norm gilt im Grundsatz nicht für Masseverbindlichkeiten (§§ 53–55),36 zB aus dem Erfüllungsbegehren des nach § 103 wahlberechtigten Insolvenzverwalters. § 41 ist aber immerhin auf Ansprüche der Altmassegläubiger analog anzuwenden, wenn diese im masseunzulänglichen Verfahren quotal zu befriedigen sind (§§ 208 ff).37 10 Unabhängig von dem Streit um die Folgen der Verfahrenseröffnung für das Kontokorrentverhältnis38 besteht Einigkeit, dass eine Saldoforderung zugunsten eines Insolvenzgläubigers sofort fällig wird. Für die herrschende Meinung folgt dies daraus, dass sie das Kontokorrentverhältnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Partners als beendet ansieht,39 für Beitz26 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 41 Rn 6; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 7; HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 8; Wilmowsky WM 2008, 1189, 1192. Jaeger/Weber KO8 207, 208 Rn 44; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 41 Rn 6. S auch Jaeger/Henckel KO9 § 19 Rn 66. BGH ZIP 2005, 909, 910 f. Thole ZIP 2020, 389, 393. Rolfs/Schmid ZIP 2010, 701, 703; Thole ZIP 2020, 389, 393; Birkel/Obenberger BB 2011, 2051, 2057. Vgl MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 4; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 2. MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 12; HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 9. Jaeger/Henckel KO9 § 24 Rn 23. BGH NZI 2017, 60 Rn 11; OLG Frankfurt/M ZIP 1983, 1229, 1230; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 41 Rn 10. MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 5; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 41 Rn 10. MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 5; FK/Bornemann InsO9 § 41 Rn 4; Adam DZWIR 2011, 485, 486; Walther Das Verfahren bei Masseunzulänglichkeit nach den §§ 208 ff. InsO (2005) S 105 f. 38 S § 35 Rn 100, § 38 Rn 119 und Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 146. 39 RGZ 125, 411, 416; 149, 19, 25; 162, 244, 245; BGHZ 58, 108, 111; 70, 93; 74, 253; BGH NJW 1991, 1286; OLG Stuttgart WM 1994, 1140 = ZIP 1994, 222, dazu Kebekus EWiR § 15 KO 1/94, 167; OLG Köln WM 1995, 1203 = Benckendorff WUB VI B. § 17 KO 3.95 = ZIP 1995, 138; Schlegelberger/Hefermehl HGB5 § 355 Rn 98; Hopt/Leyens HGB41 § 355 Rn 23 f; Jaeger/ Henckel KO9 § 1 Rn 146; Nobbe in: Insolvenzrecht 1996, RWS Forum 9 S 99, 101; Dampf KTS 1998, 145, 151.

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ke40 aus der Beendigung der laufenden Rechnungsperiode mit der Verfahrenseröffnung, für Canaris aus § 65 KO,41 jetzt § 41 InsO, nach neuerer Version42 aus der mit der Verfahrenseröffnung bewirkten automatischen Entstehung des kausalen Schlusssaldos (§ 355 III HGB analog). Da die Saldoforderung nach § 355 I HGB verzinslich ist, kommt auch nach dieser Ansicht § 41 II nicht zur Anwendung. Alle Auffassungen kommen also für die Rechtsbeziehungen des Gläubigers zum Insolvenzschuldner und zur Masse zu demselben Ergebnis. Unterschiede ergeben sich aber gegenüber einem Kontokorrentbürgen, weil § 41 keine Fälligkeit zu Lasten des Bürgen bewirkt.43

4. Fälligkeitsaufschub Der Zweck des Gesetzes (Rn 2) fordert, grundsätzlich jeden Fälligkeitsaufschub unter § 41 zu 11 subsumieren, die ursprüngliche wie die nachträgliche Stundung, den rechtsgeschäftlich festgelegten wie den gesetzlichen oder amtlichen (zB für Steuerforderungen).44 Die Gleichstellung mit den fälligen Ansprüchen trifft aber nur einen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht fälligen Anspruch und sie gilt nur von dieser Zeit ab. Sie wird nicht auf den Zeitpunkt zurückbezogen, in dem der Anspruch entstanden ist.45 Der Schuldner kann also nicht etwa rückwirkend in Verzug geraten oder einer Vertragsstrafe ausgesetzt sein. Ist die Fälligkeit einer Forderung von einer Kündigung abhängig, diese aber zeitweilig ausgeschlossen, gilt die Forderung wie eine gestundete als fällig.46 Bei Anleihen, deren Rückzahlung durch Auslosung bestimmt wird, nehmen die Gläubiger, deren Schuldverschreibungen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht ausgelost waren, in Höhe des vollen Nennwerts sowie mit den bei Verfahrenseröffnung rückständigen Zinsen am Verfahren teil. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ersetzt nach § 41 I die Auslosung.47 Der von Jaeger48 erörterten Frage, ob bei Unverzinslichkeit der Anleihe ein Abzug des Zwischenzinses nach § 41 II vorzunehmen ist, kommt allenfalls praktische Bedeutung zu, wenn die Anleihe unverzinslich zu einem Preis unter pari ausgegeben wurde, der unter Berücksichtigung des üblichen Marktzinses errechnet worden ist.49 Jaeger vertrat auch für diesen Fall die Ansicht, dass die Forderungen zum vollen Nennbetrag anmeldbar seien, weil die in § 65 II KO (jetzt § 41 II InsO) vorgesehene Berechnung unausführbar sei. Das trifft jedoch nicht zu. Der für die Berechnung des Zinsabzuges maßgebende künftige Zeitpunkt der Fälligkeit der unverzinslichen Forderung ist hier zwar unbestimmt, er lässt sich aber durch vom Insolvenzverwalter veranlasste fiktive vorweggenommene Auslosungen für die einzelnen Obligationsgruppen bestimmen.50 Eine andere Lösung wäre möglich, wenn man wegen der Unbestimmtheit der Fälligkeit die Forderung selbst für unbestimmt hielte und folglich den abzuziehenden Zwischenzins nach § 45 schätzen würde. Das führte zu einer gleichmäßigen Kürzung aller bei Verfahrenseröffnung noch nicht ausgelosten Schuldverschreibungen um einen mittleren Betrag.51 Die betagten Insolvenzforderungen gelten nicht schlechthin als fällig, sondern nur für die 12 Rechtsausübung im Insolvenzverfahren, also für die Antragsbefugnis (§ 13 I S 2), für Abstimmungen (§§ 76, 77, 157, 160–163, 235 ff, 271, 272, 277, 292 II), für die Feststellung der Forderungen 40 41 42 43 44 45

Beitzke FS von Gierke (1950) S 21 ff. Staub/Canaris HGB3 § 355 Anm 113. Staub/Canaris HGB4 § 355 Rn 245. S Rn 18. Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 3; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 7. RGZ 126, 249, 252 f. Das Urteil betraf die heute nicht mehr interessierende Frage, ob die Forderung des Fiskus bevorrechtigt iSd § 61 I Nr 2 KO war. 46 Kilger/Schmidt KO17 § 65 Anm 2. 47 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 44. 48 KO6/7 §§ 207, 208, Rn 25. 49 Auch zum Folgenden Henckel Voraufl § 41 Rn 8. 50 Jaeger/Weber KO8 §§ 207, 208 Rn 44. 51 So Bett Der Konkurs der AG (1904) S 86 f. 355

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(§§ 174 ff) und ihre in den §§ 178 III, 201 II, 257, 292 I geregelten Auswirkungen,52 und grundsätzlich nur zwischen Gläubiger und Insolvenzschuldner (näher Rn 18 f).53 Für die Aufrechnung im Insolvenzverfahren gelten die Forderungen der Gläubiger dagegen nicht als fällig. Vielmehr kann die Aufrechnung mit einer nicht fälligen Forderung erst erfolgen, wenn sie fällig geworden ist (§ 95 I S 2).54

5. Absonderungsrechte 13 Auf isolierte Absonderungsrechte, also solchen, die der Schuldner an seinen Gegenständen zur Sicherung einer gegen einen Dritten gerichteten Forderung begründet hat, ist § 41 unanwendbar.55 Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter dieses Absonderungsgut zwar nach Maßgabe der §§ 165 f verwerten darf; er muss die Erlösanteile aber zurückbehalten (§ 191 I), darf also dem Absonderungsberechtigten keine sofortige Befriedigung nach § 170 I S 2 zugestehen, solange der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist.56 Auch auf eine isolierte Grundschuld, der keine Forderung zu Grunde liegt, ist § 41 nicht anzuwenden.57 Für Absonderungsrechte, für die der Schuldner auch persönlich haftet, ist die Frage, ob die 14 Fälligkeitsfiktion des § 41 auch für das Absonderungsrecht selbst gilt,58 differenzierter zu betrachten. Abweichend von der Rechtsprechung des Reichsgerichts59 hat der Bundesgerichtshof60 entschieden, dass der Konkursgläubiger, dessen Forderung dinglich gesichert ist, sein Absonderungsrecht sofort geltend machen kann und nicht an einen Aufschub der Fälligkeit gebunden bleibt. Die Frage wird für Sicherungsübertragungen eine geringe Rolle spielen, da diese regelmäßig keine langfristig gewährten Kredite sichern und in erster Linie den Zweck verfolgen, den Kreditgeber für den Fall zu sichern, dass der Sicherungsgeber die gesicherte Forderung nicht tilgen kann, also für den Fall der Insolvenz, und deshalb überwiegend kraft Vereinbarung mit der Forderung fällig werden. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, kann jedenfalls der Insolvenzverwalter, das Sicherungsgut, das er im Besitz hat, unabhängig von dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt verwerten und zur Sicherheit abgetretene Forderungen einziehen oder in anderer Weise verwerten. Sein Verwertungsrecht (§ 166) ist von der Fälligkeit unabhängig.61 § 166 soll nicht nur verhindern, dass Sicherungsnehmer ihr Sicherungsgut abziehen und damit eine Betriebsfortführung unmöglich machen, sondern er dient auch einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung, etwa durch gemeinsame Verwertung zusammengehörender Sachen. Deshalb soll der Insolvenzverwalter den Zeitpunkt der Verwertung bestimmen können, und dem Sicherungsnehmer wird die Disposition über den Verwertungszeitpunkt, die ihm außerhalb eines Insolvenzverfahrens zusteht, genommen. Auch ohne An52 Im Ergebnis genauso, aber mit unterschiedlicher Bezeichnung MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 26 ff, der wegen (aber auch beschränkt auf) §§ 178 III, 201 II iVm § 41 von einer Wirkung außerhalb des Insolvenzverfahrens spricht. 53 HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 15; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 41 Rn 21. 54 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 40; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 18; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 41 Rn 13. 55 BGH ZIP 2009, 228 Rn 20 f; HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 10 f; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 14. 56 BGH ZIP 2009, 228 Rn 20 f. 57 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 7. 58 Für die persönliche Forderung, die Insolvenzforderung ist (§ 38), gilt § 41 mit der Einschränkung des § 52, Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 7. 59 RGZ 86, 247, 248 f; 88, 373, 375; 93, 209, 212 f; ebenso: Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 65 Rn 5; Bley/Mohrbutter VglO4 § 30 Rn 5; Carstens JW 1916, 824; Werner KTS 1969, 215, 219; Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2002, 367. 60 BGHZ 31, 337, 339 ff = Rietschel LM Nr 1 § 65 KO = Kuhn MDR 1960, 301 und 1960, 490 = Pikart Spark 1960, 178; ebenso FK/Bornemann InsO9 § 41 Rn 6; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 41 Rn 8; HK/Keller InsO10 § 41 Rn 3; MünchKomm/ Bitter InsO4 § 41 Rn 16; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 8 f; Jaeger/Lent KO8 § 65 Rn 4. AA Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2002, 367. 61 So zutreffend schon für das Verwertungsrecht des Konkursverwalters nach § 127 I KO: Werner KTS 1969, 215 ff; für die InsO wohl auch MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 16. Eichel

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wendung des § 41 kann das Sicherungsgut im Verfahren verwertet werden und der Verwalter ist nach § 159, gegebenenfalls nach Maßgabe der Beschlüsse der Gläubigerversammlung, zur Verwertung verpflichtet. Die Frage der Anwendbarkeit des § 41 hat deshalb nur noch Bedeutung für bewegliches Siche- 15 rungsgut, das sich nicht im Besitz des Insolvenzverwalters befindet und das deshalb seiner Verwertungsbefugnis entzogen ist,62 und für Mobiliarpfandrechte, die der Berechtigte selbst verwerten darf. Ist in solchen Fällen ein Erlösüberschuss zu erwarten, wird der Insolvenzverwalter den Antrag stellen, dass dem Absonderungsberechtigten eine Frist zur Verwertung gesetzt wird (§ 173 II S 1), und nach Ablauf der Frist selbst verwerten (§ 173 II S 2). Fristsetzung und Verwertung durch den Verwalter sind allerdings unabhängig davon, ob man § 41 auf das Absonderungsrecht anwendet. Nur wenn der Verwalter kein Verwertungsrecht hat, kommt es deshalb auf die Anwendbarkeit des § 41 an.63 Da weder das Reichsgericht noch der Bundesgerichtshof bisher entschieden hat, ob zur Sicherheit übertragene Forderungen und Mobilien unabhängig von Fälligkeitsabreden während des laufenden Konkurs- bzw Insolvenzverfahrens verwertet werden können, empfiehlt Serick64, weil die Begründung des Bundesgerichtshofs nicht unangreifbar sei, bei der Vertragsgestaltung vorsorglich stets das Insolvenzverfahren des Darlehensnehmers als einen der Gründe zu nennen, die zu sofortiger Verwertung des Sicherungsgutes berechtigen. Man wird sogar noch einen Schritt weiter gehen und vorbehaltlich besonderer, eigenartiger Umstände einen derartigen Vertragsinhalt als konkludent vereinbart ansehen können. Eine am Zweck der Sicherung orientierte Auslegung wird dieses Ergebnis tragen. Größere Bedeutung hat die Frage der Anwendbarkeit von § 41 bei langfristigen Krediten, 16 die oft durch Grundpfandrechte gesichert sind.65 Auch die Mindermeinung, die an der Rechtsprechung des Reichsgerichts festhalten wollen, räumen ein, dass der Kreditgeber, der an sich nach §§ 38, 52 berechtigt ist, mit seiner Forderung am Insolvenzverfahren teilzunehmen, keine Quote bekommt, wenn er seine Ausfallforderung wegen des Aufschubs der Verwertung nicht beziffern kann.66 Sie nimmt dies aber in Kauf, um eine durch vorzeitige Fälligkeit mögliche Benachteiligung des Schuldners und der Insolvenzgläubiger auszuschließen. Als derartiger Nachteil wird vor allem angeführt, dass der Masse durch die vorzeitige Verwertung Wertsteigerungen des Haftungsobjekts entgehen könnten. Das kann jedoch nur der Fall sein, wenn bei der Verwertung ein Erlösüberschuss zu erwarten ist, der die Masse vermehrt. Dann aber kann der Insolvenzverwalter ohnehin nicht lange auf die Fälligkeit und eine bis dahin zu erwartende Wertsteigerung warten, wenn er das Verfahren zügig zu Ende bringen will, wozu er nach § 159 vorbehaltlich eines anderen Beschlusses der Gläubigerversammlung verpflichtet ist. Um Nachteile für die Zeit, die das Verfahren noch in Anspruch nimmt, zu verhindern, reicht der Schutz des § 30d ZVG aus, der auch die Gläubigerinteressen berücksichtigt. Die Zwangsversteigerung kann der Insolvenzverwalter nach § 172 ZVG ohne Rücksicht auf die Fälligkeit der Grundpfandrechte beantragen, um der Masse einen Erlösüberschuss zuzuführen. Aus den vorstehenden Erwägungen heraus ist dem Bundesgerichtshof darin beizupflichten, 17 dass § 41 auf akzessorische und nicht akzessorische Sicherungsrechte anzuwenden ist, die eine Insolvenzforderung sichern. Dies gilt aber nur, wenn das Absonderungsrecht an einem zur Masse, also dem Insolvenzschuldner gehörigen Gegenstand besteht, nicht aber wenn es eine Sache oder Forderung betrifft, die einem Dritten gehört oder unpfändbar ist und deshalb nicht Massebestandteil ist (§§ 35, 36).

62 So auch MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 16. 63 Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2002, 367; HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 12. 64 Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung III § 35 I 3d; kritisch dazu Tintelnot Vereinbarungen für den Konkursfall (1991) S 92 f.

65 Bsp: Ruzik ZInsO 2008, 1225, 1232. 66 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 65 Rn 5. 357

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

6. Mithaftende Dritte 18 Haftet ein Dritter als Bürge oder als Gesamtschuldner neben dem Schuldner des Insolvenzverfahrens, ist § 41 auf die Forderung des Insolvenzgläubigers gegen den Dritten grundsätzlich nicht anzuwenden.67 Das ist zunächst selbstverständlich, da es sich nicht um eine Insolvenzforderung handelt. Die Frage ist aber, ob aus der Akzessorietät zur Insolvenzforderung etwas anderes folgt. Für die Bürgenforderung ist das zu verneinen, da die nach § 41 eintretende Fälligkeit nur der einheitlichen Schuldenbereinigung des Vermögens des Insolvenzschuldners dient und wegen dieser verfahrensrechtlichen Zwecksetzung keine Folgewirkungen für das Vermögen anderer Personen angezeigt sind, die sich nicht in einem Insolvenzverfahren befinden. Die Fälligkeit der Bürgenhaftung tritt auch nicht zum Vorteil des Bürgen ein; er kann dem Insolvenzgläubiger die noch nicht fällige Bürgenleistung nicht aufdrängen.68 Gesonderte Fälligkeitsvereinbarungen für den Insolvenzfall des Hauptschuldners bleiben freilich vorbehalten (Rn 21). Für die akzessorische Haftung persönlich haftender Gesellschafter wird anderes vertreten, da mit § 129 HGB die Rahmenbedingungen für die akzessorische Haftung andere sind: § 41 InsO, der die Forderung gegen die insolvente Gesellschaft fällig stellt, soll auch für die gegen die Gesellschafter gerichteten Forderungen gelten, soweit deren Haftung wegen § 93 vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird.69 19 Für den umgekehrten Fall, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bürgen eröffnet wird, bevor die Hauptschuld fällig wird, ist zu unterscheiden: Hat der Bürge die Einrede der Vorausklage (§§ 771 ff BGB), so ist die Forderung gegen ihn aufschiebend bedingt mit der Folge der §§ 77 III Nr 1, 237, 191 InsO. Das gilt auch für die Haftung des Patrons aus einer Patronatserklärung, wenn und weil der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist.70 Handelt es sich dagegen um eine selbstschuldnerische Bürgschaft oder ist die Einrede der Vorausklage aus anderem Grund ausgeschlossen (§ 773 BGB, § 349 HGB), darf der Bürge in Anspruch genommen werden, sodass § 41 ebenso anzuwenden ist wie wenn über das Vermögen eines von zwei Gesamtschuldnern vor Fälligkeit der Schuld das Insolvenzverfahren stattfindet (§ 425 BGB; s zudem § 43 Rn 23).71

7. Wechselprotest 20 Ein Wechselprotest mangels Zahlung kann, auch wenn der Akzeptant im Insolvenzverfahren steht, nicht vor dem wechselmäßigen Zahlungstag erhoben werden. Das folgt einerseits aus der formalen Natur der wechselrechtlichen Vorschriften, andererseits aus der Maßgeblichkeit dieses Protests für die Mithaftung anderer Personen.72

8. Vereinbarte Fälligkeit 21 Von der gesetzlichen Rechtsfolge des § 41 ist die einer Vereinbarung zu unterscheiden, wonach im Fall der Zahlungseinstellung oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens persönliche und/oder dingliche Ansprüche fällig werden. Die Wirksamkeit solcher Abreden ist nicht zu bezweifeln.73

67 RGZ 3, 356 ff; SeuffArch 70 Nr 233; RGZ 86, 247, 249; 88, 373, 375; BGH NJW 2000, 1408 = NZI 2000, 213 = ZIP 2000, 585, 587; OLG Karlsruhe NJW-RR 2013, 1270, 1271; OLG Hamburg OLGRspr 6, 365; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 65 Rn 4; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 17; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 32; Huber NZI 2019, 97, 100; Wessels ZIP 2010, 1417, 1420; Wilmowsky WM 2008, 1189, 1193. 68 RG LZ 1916, 242, 244; BGH ZIP 2000, 585, 587, dazu Gerhardt EWiR § 286 BGB 1/2000, 467. 69 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 35; Runge NZI 2014, 492, 494. AA OLG Koblenz NZI 2014, 509, 512. 70 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 39; zur Patronatserklärung s auch § 35 Rn 76 und § 43 Rn 29 f. 71 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 38; Morgen/Schinkel ZVI 2016, 304, 308 f. 72 Henckel Voraufl § 41 Rn 16. 73 Jaeger LZ 1914, 61, 62. Kritisch hinsichtlich der Fälligkeit von Sicherungsrechten Tintelnot a.a.O. (Fn 64) S 92 f. Eichel

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Sie gehen über die Wirkung des § 41 hinaus, vor allem, indem die Fälligkeit auch zu Lasten und zugunsten eines Bürgen oder Gesamtschuldners eintritt.74 Ist dem Gläubiger für diesen Fall im Vertrag lediglich die Befugnis zur fristlosen Kündigung eingeräumt, tritt die Fälligkeit im Verhältnis zum Bürgen oder Gesamtschuldner erst mit der Wirksamkeit der Kündigung ein.75 Kündigt der Gläubiger nicht, bleibt es bei der Wirkung des § 41, die den Bürgen nicht berührt (Rn 18).76

III. Abzug des Zwischenzinses (Abs 2) 1. Anwendungsbereich Bezahlt der Schuldner eine unverzinsliche Schuld vor der Fälligkeit, so ist er regelmäßig zu 22 einem Abzug wegen der Zwischenzinsen nicht berechtigt (§ 272 BGB, vgl § 271 II BGB), auch nicht bei irrtümlich vorzeitiger Erfüllung (§ 813 II BGB). Von dieser Regel macht § 41 II eine – aber nur im Bereich des Abs 1 maßgebende77 – Ausnahme: Die unverzinsliche Forderung wird um den Zwischenzins, dh um den Unterschied zwischen dem gegenwärtigen Wert und dem Nennwert, gekürzt. Der Grundsatz der Abzinsung soll die Bevorzugung einzelner Gläubiger verhüten bzw eine Gleichstellung mit den Gläubigern verzinslicher Forderungen erreichen.78 Eine Bevorzugung steht deshalb im Raum, da es ein geldwerter Vorteil ist, wenn der Gläubiger seinen Betrag früher als geschuldet erhält, da sich mit sofort zur Verfügung stehendem Kapital Erträge erwirtschaften lassen.79 Entsprechende Vorschriften wie § 41 II InsO finden sich in den §§ 1133 S 3, 1217 II S 2 BGB, § 111 S 2 ZVG. Eine Abzinsung nach § 41 II erfolgt zudem in den Fällen des § 46 S 1, der auf § 41 II verweist, aber richtigerweise auch in den Fällen, in denen nach §§ 46 S 2, 45 zunächst die Dauer wiederkehrender Leistungen geschätzt wird.80 Hingegen schließt § 6 Ia S 3 des Stabilisierungsfondsgesetzes die Anwendung von § 41 II auf Rückgriffsforderungen des Stabilisierungsfonds aus.81 Wenn eine Forderung bei Verfahrenseröffnung bereits aufgrund einer Vereinbarung fällig 23 gestellt ist, scheidet – vorbehaltlich der Anfechtbarkeit der Fälligstellung – eine Abzinsung nach § 41 II aus.82 Gemäß § 41 II wird der Zwischenzins nur bei voller Unverzinslichkeit abgezogen. Eine unter 24 dem gesetzlichen Zinssatz (etwa nur mit 1 %) verzinste Forderung wird deshalb ohne Abzug berücksichtigt.83 Diese Regelung hat den Vorzug der Einfachheit.84 Andererseits wird bei völlig zinslosen Forderungen der Zwischenzins schon von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an abgezogen, obgleich der Gläubiger erst später Zahlung erhält. Das rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass nach § 39 I S 1 Nr 1 auch die verzinslichen Forderungen von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an grundsätzlich unverzinst bleiben.85 Sollte aber einmal die Masse ausreichen, um auch die nachrangigen Zinsforderungen zu befriedigen, muss um der Gleichbehandlung willen

Jaeger LZ 1914, 61, 62; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 33. Huber NZI 2019, 97, 100. RG LZ 1916, 242, 244; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 33. Jaeger LZ 1914, 61 ff. BAG ZIP 2021, 1670 Rn 54; BGH ZIP 2017, 489 Rn 6; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 17; HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 18. 79 Vgl BAGE 60, 32 = ZIP 1989, 319, 320. 80 Bitter/Wosch ZIP 2020, 2044; BAG ZIP 2021, 1670; § 46 Rn 9. 81 Amend ZIP 2009, 589; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 41 Rn 15. 82 BGH ZIP 2017, 489. 83 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 18; HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 23. 84 Vgl aber die rechtspolitische Kritik bei MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 18; FK/Bornemann InsO9 § 41 Rn 2. 85 HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 23; Jaeger/Lent KO8 § 65 Rn 5 (entspr mH auf § 63 Nr 1 KO).

74 75 76 77 78

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der Zwischenzinsabzug für die Zeit ab Verfahrenseröffnung unterbleiben.86 Die Berechnung nach § 41 II setzt eine bestimmte Verfallzeit voraus (Rn 30). 25 Unverzinsliche Forderungen sind solche, die weder kraft Vereinbarung noch kraft Gesetzes zu verzinsen sind. Ob eine Forderung kraft Vereinbarung unverzinslich ist, bestimmt sich nicht allein nach dem Wortlaut des Vertrages.87 Vielmehr muss unter Berücksichtigung des Zwecks der Vereinbarung gefragt werden, ob der in ihr verwendete Begriff mit dem des Gesetzes übereinstimmt. Zinsen sind die nach der Laufzeit des Kredits bemessene, gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals.88 Eine solche Vergütung kann auch in einem anderen wirtschaftlichen Vorteil als in der Zinszahlung bestehen, etwa in einer Berechtigung zum Preisaufschlag für Lieferungen des Kreditgebers an den Schuldner.89 26 Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis werden nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen und die entsprechenden Erstattungsansprüche werden nicht verzinst (vgl §§ 233 ff AO). Für die unverzinslichen gilt § 41 II.90

2. Berechnung 27 Für die Art der Berechnung des Zwischenzinses war unter drei Methoden zu wählen.91 Nach der Carpzowschen Methode92 werden dem Gläubiger die Zinsen seiner ganzen Forderung für den Zeitraum zwischen dem Tage der antizipierten Zahlung und dem Verfalltag abgezogen. Diese Methode ist zwar die einfachste; sie ist jedoch unrichtig, weil nach ihr der Gläubiger, dessen Kapital erst nach 20 Jahren fällig ist, bei einem Zinsfuß von 5 Prozent seine ganze Forderung verlieren würde. Um den Gläubiger nicht zu beeinträchtigen, muss vielmehr ermittelt werden, wie viel seine Forderung zur Zeit ihrer antizipierten Ausübung wert ist. Dieser Wert entspricht der Summe, die, wenn man ihr den Zinsertrag hinzurechnet, der für den Zeitraum vom Tage der früheren Ausübung bis zum späteren Verfalltage angefallen wäre, dem Nominalbetrag der Forderung entspricht. Dieses Prinzip liegt den beiden anderen Methoden, der Hoffmannschen93 und der Leibnizschen,94 zugrunde. Während aber nach der Hoffmannschen Methode der Zinsertrag nur in den einfachen Zinsen besteht, werden nach der Leibnizschen Methode auch Zinsen von Zinsen berechnet. Das mag mathematisch genauer sein, beruht aber auf der Voraussetzung, dass der Empfänger die gewonnenen Zinsen sogleich wieder als Kapital mit gleichem Zins anlegen könnte, was oft nicht möglich ist. Durch die Anwendung der Leibnizschen Methode würde deshalb in den meisten Fällen der jetzige Wert einer künftig fälligen Forderung beträchtlich höher angesetzt, als er sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ergäbe. Treffender ist deshalb die Hoffmannsche Methode.95 Nach dieser, auch in den §§ 1133 S 3, 1217 II S 2 BGB, § 111 S 2 ZVG übernommenen Methode 28 wird der Gläubiger mit dem Betrag seiner Insolvenzforderung berücksichtigt, der bei verzinslicher Anlegung samt den von der Verfahrenseröffnung bis zum Verfalltag auflaufenden gesetzlichen Zinsen (ohne Zinseszinsen) den Nennbetrag der Forderung ergeben würde. Dieser gegenwärtige Wert (x) ergibt sich, wenn „n“ der volle Nennbetrag und „t“ die Zahl der Tage von der Eröffnung

86 87 88 89 90 91 92 93 94 95

MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 19. OLG Köln ZIP 1992, 1478, 1481. Canaris NJW 1978, 1891; Henckel Voraufl § 41 Rn 19; BGH NJW 1979, 540, 541; OLG Köln ZIP 1992, 1478, 1481. OLG Köln ZIP 1992, 1478, 1481. BFH KTS 1975, 300. Begr EKO zur KO S 277. Benedikt Carpzow, 1595–1666, in seinem Opus decisionum ill. Saxon. P. III dec. 275 (1654). G A Hoffmann Klugheit Haus zu halten (1731). G W von Leibniz, 1646–1716, Meditatio iuridico-mathematica de interusurio simplice (1683). Windscheid-Kipp Pandekten9 II § 274; Staudinger/Bittner/Kolbe (2019) § 272 Rn 5.

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des Insolvenzverfahrens bis zur Fälligkeit sind, für den gesetzlichen Zinsfuß von 4 % (§ 246 BGB) aus folgender Gleichung:

Für ein 73 Tage nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälliges Kapital von 20 160 A ergäbe sich demnach ein Wert von:

Der Zwischenzins beträgt in diesem Fall 160 A. Der gesetzliche Zinssatz beträgt 4 %, bei beiderseitigen Handelsgeschäften 5 % (§ 246 BGB, 29 § 352 HGB). Wechsel- und Scheckzinsen betragen nach Art 48 I Nr 2 WG, 45 Nr 2 ScheckG 6 %, bei einem im Inland sowohl ausgestellten als auch zahlbaren Wechsel oder Scheck 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz,96 der sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres verändern kann (§ 247 I BGB),97 mindestens aber 6 %. Der Zwischenzins ist nach diesem Zinsfuß vom Tage der Verfahrenseröffnung ab (nicht seit der Anmeldung der Forderung oder Zahlung der Quote; Rn 24) tageweise zu berechnen. Der Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird in entsprechender Anwendung des § 187 I BGB nicht mitgerechnet, wohl aber der Tag der Fälligkeit (§ 188 I BGB analog98), Sonn- und Feiertage zählen mit. Ist die Fälligkeit gewiss, der Termin aber unbestimmt (dies certus an, incertus quando, 30 Rn 6), so ist – entgegen der in der Vorauflage vertretenen Auffassung – der Fälligkeitstermin nach § 45 zu schätzen und auf Basis dieses Termins die Abzinsung nach § 41 II vorzunehmen.99

IV. Fälligkeit nach Verfahrensbeendigung Eine Forderung, die im Insolvenzverfahren auch mit Wirkung gegen den Schuldner (§ 201 II) als 31 fällig festgestellt worden ist, bleibt zugunsten des Gläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens fällig, auch wenn die Fälligstellung auf § 41 I beruht.100 Ist die Forderung hingegen nur für das Insolvenzverfahren festgestellt, weil der Schuldner der im Übrigen unbestrittenen Forderung widersprochen hat, bleibt für dessen Nachhaftung § 41 unberücksichtigt, da es nicht zur Rechtskraft des Tabelleneintrags gekommen ist, auf der die Fortwirkung des § 41 beruht.101 Für eine Forderung, die nach § 41 II abgezinst festgestellt worden ist, kann der Gläubiger, 32 soweit er für seinen Hauptanspruch mit der Quote befriedigt worden ist, für diesen Betrag den Abzinsungsbetrag nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht nachfordern.102 Hinsichtlich des ungedeckten Betrages darf ihm aber der Zwischenzins nicht abgezogen werden, soweit er 96 Bis 31.12.2001, § 1 I S 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG), Art 1 des Gesetzes zur Einführung des Euro (EuroEinführungsgesetz – Euro EG) vom 9.6.1998, mit Wirkung vom 1.1.2002 durch § 247 BGB ersetzt (Art 229 § 7 EGBGB). 97 Bekanntmachung: § 247 II BGB. 98 Analoge Anwendung, da der Zeitraum des § 41 S 2 weder Frist- noch Terminbestimmung ist (§ 186 BGB); ebenso MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 23. 99 HambK/Lüdtke InsO9 § 41 Rn 22; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 25. AA FK/Bornemann InsO9 § 41 Rn 12; HK/ Keller InsO10 § 41 Rn 17; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 41 Rn 18; Henckel Voraufl § 41 Rn 23 (die dort in Bezug genommene Entscheidung BAG ZIP 1990, 400, 401 thematisiert für die hier interessierende Frage aber nur den ungewissen Endtermin, der heute von § 46 S 2 aufgegriffen wird). 100 RGZ 93, 209, 212; 112, 297, 300; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 65 Rn 2; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 41 Rn 2; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 41 Rn 9; MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 27. 101 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 31. 102 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 29. 361

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

wegen des Hauptanspruchs nicht vor der ursprünglichen Fälligkeit befriedigt worden ist.103 Das folgt aus der einfachen Überlegung, dass eine Abzinsung nicht in Frage kommt, wenn die Hauptleistung nicht vorzeitig erbracht wird. Die rechtskräftige Feststellung der Forderung zur Tabelle ändert daran nichts. Sie kürzt die Forderung nicht. § 201 II ordnet keine Rechtskraftwirkung zugunsten des Schuldners an.104

103 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 29. 104 MünchKomm/Bitter InsO4 § 41 Rn 28 ff. Eichel

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§ 42 Auflösend bedingte Forderungen Auflösend bedingte Forderungen werden, solange die Bedingung nicht eingetreten ist, im Insolvenzverfahren wie unbedingte Forderungen berücksichtigt.

Materialien DiskE § 47, Begr S, 22; RefE § 47, Begr S 46; RegE BT-Drucks 12/2443, § 49, Begr S 124.

Vorgängerregelungen § 66 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 362, Begr EKO S 279, Protokolle S 55, 153.

Literatur Vgl auch Literatur zu § 38.

I. Einleitung § 42 entspricht § 66 KO und § 31 VglO und ist nur redaktionell, nicht aber der Sache nach verän- 1 dert. Rechtsprechung und Literatur zur Konkursordnung sind deshalb uneingeschränkt verwendbar. § 42 regelt auflösend bedingte Forderungen. Anders als § 67 KO, der für die Vorschriften 2 über die „Konkursgläubiger“ (§§ 61 ff KO) auch eine Bestimmung für aufschiebend bedingte Forderungen enthielt, behandelt die Insolvenzordnung in ihrem zweiten Abschnitt des Zweiten Teils („Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger“) die aufschiebend bedingten Forderungen nicht. § 67 KO sagte aber nichts anderes, als sich aus §§ 168 Nr 3, 169 KO ergab. In der Insolvenzordnung sind die aufschiebend bedingten Forderungen in §§ 77 III Nr 1, 95 I, 191, 238 I behandelt (s auch § 41 Rn 5).

II. Auflösend bedingte Forderungen Eine auflösend bedingte Forderung ist begründet und besteht als entstandenes Recht, solange 3 die Bedingung nicht eingetreten ist. Auflösend bedingt im Sinne des § 42 sind auch Forderungen aus einem Schuldverhältnis, das im Ganzen unter einer auflösenden Bedingung begründet oder nachträglich mit ihr versehen worden ist.1 Es ist unerheblich, ob sich die Bedingtheit aus Rechtsgeschäft (§ 158 II BGB) oder Gesetz ergibt.2 Die Bedingung stellt ein künftiges ungewisses Ereignis dar, mit dessen Eintritt die Forderung nicht mehr besteht. Die Unsicherheit, dass eine Forderung womöglich aus Gründen einer anderen Rechtsauffassung nicht als bestehend erkannt wird, ist keine Bedingung, sodass § 42 insoweit unanwendbar ist.3 Auflösend befristete Forderungen, die mit Gewissheit wieder erlöschen, fallen ebenso wenig unter § 42.4 Die Bedingung stellt ab auf ein zukünftiges ungewisses Ereignis. Ist es bereits eingetreten, 4 aber noch unbekannt, ist § 42 zwar nicht unmittelbar anzuwenden, doch kann die tatsächliche Ungewissheit der Verfahrensteilnahme des Gläubigers nicht hinderlicher sein als die rechtliche.

1 2 3 4

HambK/Lüdtke InsO9 § 42 Rn 3. MünchKomm/Bitter InsO4 § 42 Rn 4. BFH ZIP 2016, 1393; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 42 Rn 2. MünchKomm/Bitter InsO4 § 42 Rn 4; HambK/Lüdtke InsO9 § 42 Rn 2. AA BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 42 Rn 8 ff.

363 https://doi.org/10.1515/9783110666175-008

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Es ist, wenn die Forderung angemeldet ist, Sache des Insolvenzverwalters, den Eintritt der auflösenden Bedingung einzuwenden und im Feststellungsstreit zu beweisen.5

III. Regelungsgehalt 5 Während der Schwebezeit kann der auflösend bedingt Berechtigte trotz der Möglichkeit des Wegfalls der Forderung die Leistung verlangen. Dementsprechend sind nach § 42 auflösend bedingte Insolvenzforderungen, soweit deren Geltendmachung im Insolvenzverfahren in Rede steht, wie unbedingte zu berücksichtigen.6 Sie werden uneingeschränkt, also nicht nur als bedingte, angemeldet,7 festgestellt, bei Abstimmungen zugelassen, beim Bezug der Insolvenzquote und bei der Aufstellung eines Insolvenzplans berücksichtigt.8 Auch hinsichtlich der Aufrechnung werden sie wie unbedingte behandelt (arg § 95).9 § 42 ist analog auf Ansprüche der Altmassegläubiger anzuwenden, wenn diese im masseunzulänglichen Verfahren quotal zu befriedigen sind (§§ 208 ff).10 Tritt die Bedingung im Laufe des Insolvenzverfahrens ein, kann der Insolvenzverwalter 6 je nach Lage des Verfahrens den Wegfall der Forderung durch Bestreiten im Prüfungstermin oder durch Vollstreckungsabwehrklage (§ 178 III InsO, § 767 ZPO) geltend machen.11 Nach Beendigung des Verfahrens kann der bisherige Insolvenzschuldner die Vollstreckung (§ 201 II InsO) nach § 767 ZPO auch dann abwehren, wenn er der Forderungsanmeldung nicht persönlich widersprochen hatte.12 Ob bereits ausgezahlte Beträge zurückgefordert werden können, richtet sich danach, ob „nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts“ die Folgen des Bedingungseintritts rückwirkend eintreten sollen (§ 159 BGB). Der Rückforderungsanspruch folgt entweder aus entsprechender Vereinbarung oder aus §§ 159, 812 BGB.13 Tritt die Bedingung erst nach der Schlussverteilung ein, so kann der zurückfließende Betrag nachträglich verteilt werden (§ 203). Ordnet das Gericht die Nachtragsverteilung an, wird sie trotz förmlicher Aufhebung des Verfahrens vom Insolvenzverwalter vollzogen (§§ 203 II, 205), der auch zur Einziehung der Forderung berechtigt und verpflichtet ist.14 Zu einer Sicherheitsleistung wegen etwaiger Rückzahlung ist der Gläubiger der auflösend 7 bedingten Forderung nur verpflichtet, wenn der Schuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens vor der Erfüllung die Sicherheit zu beanspruchen hatte. Einen allgemeinen Anspruch auf Sicherheitsleistung bei auflösend bedingten Forderungen kennt das bürgerliche Recht aber nicht. Abgesehen von der Sicherung des Schadensersatzanspruchs des § 160 II BGB durch Arrest (§ 916 II ZPO), der unter den Voraussetzungen des § 917 ZPO angeordnet werden kann, ist die Begründung eines Anspruchs auf Sicherheitsleistung durch Rechtsgeschäft möglich. In Ausnahmefällen wird eine Ableitung eines Anspruchs auf Sicherheitsleistung aus § 242 BGB für möglich gehalten.15 Wenn der Gläubiger sicherheitspflichtig ist und eine Sicherheit in Höhe der Dividende nicht leistet, darf ihm der Verwalter diese nicht auszahlen. Ihm steht die materiell-rechtliche Einrede mangelnder Sicherheitsleistung zu. Dass § 168 Nr 4 KO, der den Verwalter berechtigte und verpflichtete, die Anteile, die auf auflösend bedingte Forderungen entfielen, zurückzubehalten, wenn der Gläubiger zur Sicherheitsleistung verpflichtet war und die Sicherheit nicht leistete, nicht in die

5 Zustimmend MünchKomm/Bitter InsO4 § 42 Rn 6. 6 BGH ZIP 2012, 2409 Rn 10. 7 BFH ZIP 2016, 1393 Rn 5. 8 HambK/Lüdtke InsO9 § 42 Rn 6. 9 Häsemeyer in Kölner Schrift, S 489, 495 Rn 19; MünchKomm/Bitter InsO4 § 42 Rn 7; FK/Bornemann InsO9 § 42 Rn 4. 10 Walther Das Verfahren bei Masseunzulänglichkeit nach den §§ 208 ff. InsO (2005) S 107. 11 S Erläuterungen zu §§ 178, 179; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 42 Rn 19 ff. 12 Vgl auch HambK/Lüdtke InsO9 § 42 Rn 9. 13 MünchKomm/Bitter InsO4 § 42 Rn 9; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 42 Rn 4. 14 Jaeger/Weber KO8 § 166 Rn 12. 15 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 42 Rn 6. Eichel

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Auflösend bedingte Forderungen

§ 42

InsO übernommen worden ist,16 steht nicht entgegen.17 Streitigkeiten zwischen Insolvenzverwalter und Gläubiger über die Kautionspflicht können weder vom Insolvenzgericht entschieden noch im Forderungsfeststellungsprozess ausgetragen werden. Verlangt der Verwalter, was keineswegs notwendig ist, die Sicherheitsleistung schon im Prüfungstermin, so liegt darin allein noch kein „Widerspruch“ nach § 178 I, der die bedingte Forderung selbst im Sinne des § 179 „streitig“ machte. Die besondere Frage der Kautionspflicht kann daher nur in einem besonderen Prozess ausgetragen werden. Würde nach Leistung der Sicherheit der Eintritt der auflösenden Bedingung unmöglich, ginge damit ein nach § 233 BGB erworbenes Pfandrecht unter. Der Hinterleger könnte die Sicherheit zurückverlangen (§ 47 oder § 55 I Nr 1, 3).

16 Begr RegE zu § 49. 17 AA Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 42 Rn 5, § 188 Rn 14. 365

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§ 43 Haftung mehrerer Personen Ein Gläubiger, dem mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, kann im Insolvenzverfahren gegen jeden Schuldner bis zu seiner vollen Befriedigung den ganzen Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern hatte.

Materialien DiskE § 48; Begr S 40; RefE § 50, Begr S 47; RegE, BT-Drucks 12/2443, § 50, Begr S 124.

Vorgängerregelungen § 68 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 371 f, Begr EKO S 285 ff, KO-Prot S 55 ff, 131, 153.

Literatur Vgl auch Literatur zu § 38; Bitter Förderung von Neukrediten durch Gesellschafter und Dritte in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 COVInsAG – Eine Zwischenbilanz, GmbHR 2020, 861; Bork Der Mehrfach-Komplementär: Ein Beitrag zur Gläubigerund Schuldnermehrheit in der Insolvenz, KTS 2008, 21; Kiethe Haftungs- und Ausfallrisiken bei Patronatserklärungen, ZIP 2005, 646; Kirchhof Bürgschaften und Mithaftungserklärungen des (späteren) Gemeinschuldners in seinem Konkurs, FS Fuchs (1996); Noack/Bunke Zur Stellung gesamtschuldnerisch oder akzessorisch Mithaftender im Insolvenzverfahren, FS Uhlenbruck (2000) S 335; Obermüller Verwertung von Drittsicherheiten im Insolvenzverfahren, NZI 2000, 225; Schmidt Karsten/Bitter Doppelberücksichtigung, Ausfallprinzip und Gesellschafterhaftung in der Insolvenz, ZIP 2000, 1077; Schwarz/Doms Zur Behandlung der aus einem Kreditengagement herrührenden Ansprüche aus Darlehen, Grundschuld und abstrakten Schuldversprechen in der Insolvenz, ZInsO 2013, 1943; v Olshausen Vom Verbot, eine eigene Forderung zum Nachteil eines konkurrierenden Gläubigers geltend zu machen (§ 774 I 2 BGB), und von der Befugnis eines Gläubigers, auch eine fremde Forderung im eigenen Interesse geltend zu machen (§ 43 InsO), KTS 2005, 403; ders Doppelberücksichtigung, Ausfallprinzip und Gesellschafterhaftung in der Insolvenz, ZIP 2003, 1321; Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz. Die Stellung des Bürgen und des Personenhandelsgesellschafters2 (1998).

Übersicht c) d)

I.

Einleitung

1

II.

Zweck der Vorschrift

III.

Voraussetzungen

IV.

Rechtsfolge

V. 1. 2.

Einzelfragen 18 Gesamtschuldner Bürge a) Anwendbarkeit auf die Bürgschaft b) Insolvenz (auch) des Hauptschuld21 ners

3 7

3.

15

4. 5. 6. 7. 8. 20

Insolvenz nur des Bürgen 22 Bürgschaft für einen Teilbetrag (Teilmithaf25 tung) 28 e) Ausfallbürgschaft Patronatserklärung und Sicherheiten im Kon29 zern 31 Sachhaftung 33 Factoring 34 Gesellschafter 36 Nachlassinsolvenzverfahren, Miterben Garantie gemäß Stabilisierungsfondsge38 setz

Alphabetische Übersicht Absonderungsrecht 5, 11 Aufrechnung 14 Ausfallbürgschaft 10, 28 Bürge 5, 14, 20 ff Eichel https://doi.org/10.1515/9783110666175-009

Factoring 33 Gesamtschuld 3, 4, 10, 18 ff, 25, 31, 34, 35 – öffentlich-rechtliche 18 – unechte 19

366

Haftung mehrerer Personen

Gesellschafter 32, 34, 35 Grundpfandrecht 26, 31 Gütergemeinschaft 36 Haftungsrecht 5 Insolvenzgläubiger 2, 5, 7, 8, 13, 17, 19, 21, 26, 28, 31 – nachrangige 8 Konkurspfandrecht 5 Kundenwechsel 10 Miterben 18, 37 Nachlassinsolvenzverfahren 12, 36

§ 43

Nachlassverbindlichkeit 18, 37 Nemo subrogat 5 Patronatserklärung 29 Personengesellschaft 34 Pfandrecht 5, 26, 31 Sicherung, kapitalersetzende 32 Sicherungsübertragung 31 Teilbürgschaft 26 Teilnahmerecht 2, 5, 9, 13 Wechsel 10

I. Einleitung Die Vorschrift entspricht inhaltlich unverändert den §§ 68 KO und 32 VglO. Diese stellten im Wort- 1 laut zwar ihre Anwendbarkeit auch für den Fall klar, dass das Insolvenzverfahren nur hinsichtlich eines der Schuldner eröffnet wird. Das klarzustellen war indes historisch bedingt, sodass mit dem Wegfall dieses Zusatzes keine inhaltliche Änderung verbunden war (Rn 3).1 Rechtsprechung und Literatur zu diesen Vorschriften sind deshalb weiterhin verwendbar. § 43 verhindert, dass die Mithaftung Dritter mit dem Insolvenzschuldner dem Gläubiger der 2 Forderung zum Nachteil und den anderen Insolvenzgläubigern zum Vorteil wirkt. Der Gläubiger, der nach der Verfahrenseröffnung von einem außerhalb des Insolvenzverfahrens stehenden Mitschuldner teilweise Erfüllung seiner Forderung erhält, bleibt mit der Forderung in der Höhe, wie sie bei der Verfahrenseröffnung bestand, bis zu seiner vollen Befriedigung am Verfahren beteiligt (Grundsatz der Vollberücksichtigung).2 Das gilt sowohl für die Verteilung des Verwertungserlöses als auch für sonstige Teilnahmerechte, insbesondere sein Stimmrecht. § 43 verfolgt damit den entgegengesetzten Ansatz zur sog Ausfallhaftung, bei der der Gläubiger die Quote nur auf den Teil der Forderung erhält, mit dem er bei den anderen Mithaftenden ausgefallen ist und wie sie für Absonderungsberechtigte in § 52 angeordnet ist.3

II. Zweck der Vorschrift Die Formulierung des Gesetzes lässt an einen Gläubiger denken, der mehrere Personen als Ge- 3 samtschuldner in Anspruch nehmen kann. Das liegt schon wegen der dem § 421 BGB ähnlichen Formulierung nahe. § 43 greift jedoch weiter (Rn 10). Anhand der Gesamtschuld lässt sich der Zweck der Vorschrift am besten erkennen. Außerhalb von Insolvenzverfahren muss der Gläubiger, der von einem seiner Gesamtschuldner eine Teilleistung erhält, sich diese voll auf seine Forderung anrechnen lassen (§ 422 I BGB). Er kann von anderen Gesamtschuldnern nur den um den empfangenen Teil gekürzten Betrag seiner Forderung verlangen. Diese Regelung beruht auf der unausgesprochenen Prämisse, dass der Gläubiger von jedem Gesamtschuldner die volle Leistung bekommen könnte. Sie gibt ihm die Möglichkeit, das Risiko mangelnder Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit eines Gesamtschuldners auf den oder die anderen abzuwälzen, indem er jeden auf den vollen Betrag in Anspruch nimmt, bis dieser erreicht ist, und ihm den internen Rückgriff überlässt. So wird der Gläubiger sich regelmäßig an einen liquiden Gesamtschuldner halten, wenn über das Vermögen eines anderen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Erlangt er dort volle Befriedigung, ist er nicht auf die Teilnahme an dem Insolvenzverfahren angewiesen. Ist seine Forderung von dem anderen Gesamtschuldner voll getilgt worden, nachdem er 1 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 4. 2 BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 2; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 1. 3 v Olshausen ZIP 2003, 1321; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 7 f. 367

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§ 43

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

sie im Insolvenzverfahren schon angemeldet hatte, ist ein Widerspruch gegen die Anmeldung begründet. Obwohl also regelmäßig keine besonderen Probleme auftreten, wenn einer der Gesamtschuldner zahlungsfähig ist, wird § 43 ebenso wie sein Vorläufer (§ 68 KO) mit gutem Grund auch dann angewendet, wenn nur über das Vermögen eines Gesamtschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.4 Der gute Grund ist darin zu sehen, dass nie ausgeschlossen werden kann, dass auch ein anderer Gesamtschuldner, der dem Gläubiger einen Teil der geschuldeten Leistung erbracht hat, nachträglich insolvent wird und damit die typische Situation eintritt, auf die § 43 in erster Linie zielt. 4 Ist über das Vermögen eines oder mehrerer Gesamtschuldner das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Gläubiger – von den seltenen Fällen einer Quote von 100 % abgesehen – nicht damit rechnen, von diesem Schuldner volle Befriedigung seiner Forderung zu erhalten. Was ihm zusteht, ist die Quote auf den vollen Betrag, zu dem seine Forderung zur Zeit der Verfahrenseröffnung bestand. Nimmt man an, dass in jedem Insolvenzverfahren, das über das Vermögen von vier Gesamtschuldnern eröffnet wird, eine Quote von 25 % ausgezahlt werden kann, oder jedenfalls die Gesamtheit der Quoten 100 % erreicht, würde eine Anrechnung ausgeschütteter Quoten die Befriedigung des Gläubigers verkürzen. Müsste er nach Auszahlung der Quote von 25 % in dem einen Verfahren seine Anmeldung in den anderen auf 75 % seiner Forderung kürzen, erhielte er dort nur 25 % von 75 %, statt 25 % von 100 %. Dies auszuschließen und damit den Gläubiger zu schützen, ist der erklärte Zweck der Vorschrift, den der Gesetzgeber verfolgte.5 5 Neben diese übliche Beschreibung des Zwecks, die schon in der Begründung des Entwurfs der Gemeinschuldordnung6 enthalten ist, lässt sich aber noch eine andere setzen.7 Die mit einem bestimmten Betrag im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung wird nicht geltend gemacht als Recht, etwas fordern zu dürfen, was der Insolvenzschuldner schuldet, sondern als ein Recht, aus dem unzureichenden Vermögen des Schuldners anteilig befriedigt zu werden. Das Recht des Gläubigers im Insolvenzverfahren ist nicht sein Anspruch auf Zahlung des geschuldeten Betrages, sondern das Recht auf Teilnahme an der Realisierung der Haftung des Schuldnervermögens zur gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger aus dem Verwertungserlös. Die Haftung des Schuldnervermögens für seine Forderung macht der Gläubiger mit der Forderungsanmeldung geltend.8 Der angemeldete Forderungsbetrag ist deshalb nicht der Betrag, den der Gläubiger bekommen soll, sondern lediglich ein Rechenposten, der das Verhältnis des Teilnahme- und Haftungsrechts9 zu den entsprechenden Rechten der anderen teilnehmenden Insolvenzgläubiger gleichen Ranges ausdrückt. Dieses Verhältnis ist grundsätzlich konstant. Es verschiebt sich nur, wenn ein Gläubiger sein Teilnahme- und Haftungsrecht verliert, also von einem anderen Gesamtschuldner oder aus dem Verwertungserlös eines dinglichen Haftungsrechts (Hypothek, Pfandrecht, Sicherungseigentum) voll befriedigt wird, wenn seine Forderung während des Verfahrens erlischt oder wenn er auf seine Teilnahme am Verfahren verzichtet. Teilweise Deckung der Forderung außerhalb eines Insolvenzverfahrens oder in einem anderen Insolvenzverfahren reduziert das Haftungsrecht des Insolvenzgläubigers nicht. Hat der Gläubiger die Deckung durch Verwertung eines dinglichen Haftungsrechts an einem Gegenstand erlangt, der nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist § 52, der das Teilnahmerecht nur dann auf den Ausfall reduziert, wenn der Gläubiger ein Absonderungsrecht an einem Massegegenstand 4 Wissmann a.a.O. Rn 75; Noack/Bunke a.a.O. S 341; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 4; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 1.

5 Noack/Bunke a.a.O. S 342; Staudinger/Looschelders (2017) § 421 Rn 139. 6 Begr EGemeinschuldO S 372; s auch Jaeger/Lent KO8 § 68 Rn 1; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 1; Kübler/Prütting/ Bork/Holzer InsO91 § 43 Rn 2; FK/Bornemann InsO9 § 43 Rn 1; Wissmann a.a.O. Rn 71 ff; s auch BGHZ 39, 319, 327 = Fischer LM Nr 2/3/4 § 172 HGB = Schilling JR 64, 99 ff: Schutzvorschrift zugunsten des Gläubigers. 7 Zum Folgenden s bereits Jaeger/Henckel InsO1 § 38 Rn 5; zustimmend Küpper/Heinze ZInsO 2006, 452, 454; grundlegend aA ist v Olshausen KTS 2005, 403, 410 ff, der § 43 InsO auf den vorgenannten Zweck beschränkt. 8 Spellenberg Zum Gegenstand des Konkursfeststellungsverfahrens, Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien Band 89 (1973) S 81 ff; Henckel FS Michaelis (1972) S 151 ff; s auch Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 3, § 29 Rn 19. 9 Die Begr EGemeinschuldO S 373 spricht vom „Bezugsrecht“, das in jedem Konkurse auf die volle Forderung bewahrt bleibe. Eichel

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Haftung mehrerer Personen

§ 43

hat, nicht anwendbar. Das Haftungsrecht des Insolvenzgläubigers bleibt in voller Höhe seiner Forderung bestehen.10 Hat ein Bürge einen Teil der Forderung getilgt, geht insoweit die Forderung auf ihn über (§ 774 I S 1 BGB). Aber er darf die Forderung nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend machen (§ 774 I S 2 BGB). Hinsichtlich eines speziellen Haftungsrechts, etwa eines Pfandrechts, bedeutet dies, dass der Bürge dem Gläubiger die Verwertung des haftenden Gegenstandes allein überlassen muss, bis der Gläubiger voll befriedigt ist. Die dingliche Haftung eines verpfändeten Gegenstandes reduziert sich nicht um den Betrag, den der Gläubiger als Teilleistung vom Bürgen empfangen hat. Für den Rest seiner Forderung haftet das ganze Haftungsobjekt.11 Ist eine Sache mehreren Gläubigern verpfändet, ändert sich der Anteil eines dieser Gläubiger am Pfandobjekt nicht dadurch, dass er von einem Dritten teilweise befriedigt wird. Nicht anders ist das anteilige Haftungsrecht des Insolvenzgläubigers zu beurteilen, das, wie die an sich treffende, aber terminologisch nicht haltbare Theorie vom Konkurspfandrecht12 leicht erklären konnte, deutliche Parallelen zum Pfandrecht an speziellen Gegenständen aufweist. Die Quote des Insolvenzgläubigers wird nicht geringer, wenn er von einem anderen Schuldner eine Teilleistung erhält, solange seine Forderung nicht voll gedeckt ist. Umgekehrt darf die Quote der Insolvenzgläubiger, die ihrem anteiligen Haftungsrecht entspricht, nicht dadurch steigen, dass einer von ihnen durch Leistung eines Außenstehenden eine Teilleistung empfängt. Es gibt keinen Grund, gerade ihnen diese Teilleistung zugutekommen zu lassen. § 43 ist also keine Ausnahmevorschrift, die allein aus Gründen der Billigkeit oder „reiner Zweckmäßigkeit“13 in das Gesetz aufgenommen worden ist und deshalb eng ausgelegt werden müsste,14 sondern Ausdruck eines allgemeinen Prinzips15 des Rechts der Sach- und Vermögenshaftung, das im BGB seinen Niederschlag in den Vorschriften gefunden hat, die dem Grundsatz „nemo subrogat contra se“ (Schlechterstellungsverbot) folgen (§§ 268 III S 2, 426 II S 2, 774 I S 2, 1143 I, 1150, 1176, 1225, 1249 BGB). Entsprechend ist die Regel des § 44 InsO eigentlich überflüssig, da schon in § 43 enthalten. Für den Vorläufer, § 68 KO, war das selbstverständlich.16 Wie schon in der VglO (§§ 32, 33) handelt es sich bei der Aufsplittung in die zwei Vorschriften der §§ 43 und 44 also allenfalls um verdeutlichende Gesetzgebung. Schließlich befriedigt § 43 auch ein praktisches Bedürfnis, soweit er davon befreit, die ange- 6 meldete Forderung aufgrund zwischenzeitlicher Teilzahlungen immer wieder anpassen zu müssen.17

III. Voraussetzungen § 43 setzt voraus, dass einem Insolvenzgläubiger mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das 7 Ganze haften und eine dieser Personen der Schuldner des Insolvenzverfahrens ist, in dem die Rechtsfolge der Vorschrift eintritt. Dass gegen die anderen oder gegen jeden der anderen Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, wird nicht vorausgesetzt. Auch wenn gegen keinen von ihnen ein solches Verfahren läuft, ist die Vorschrift anwendbar (Rn 3). Die Vorschrift gilt nur für Insolvenzgläubiger (§ 38), auch nachrangige (§ 39), also für per- 8 sönliche Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermö-

Jaeger/Lent KO8 § 64 Rn 3; HK/Lohmann InsO10 § 52 Rn 3. Selb Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern, Handbuch des Schuldrechts in Einzeldarstellungen V (1984) S 116. Nachweise: § 38 Rn 5; Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 3. So Jaeger/Lent KO8 § 68 Rn 1. So aber Begr EGemeinschuldO S 373. So schon Kohler Lehrbuch des Konkursrechts (1891) S 352, der von einem „prozessualischen“ Prinzip spricht, womit er zum Ausdruck bringen will, dass es hinsichtlich der Forderungsrechte nur gelten kann, wenn die Teilbefriedigung während einer „Exekution“, dh eines Konkurs- oder Insolvenzverfahrens erfolgt; Häsemeyer KTS 1993, 151, 169 f; wohl auch Noack/Bunke a.a.O. S 358. AA v Olshausen KTS 2005, 403, 410 ff. 16 Jaeger/Lent KO8 § 64 Rn 9. 17 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 2.

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§ 43

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

gensanspruch gegen den Schuldner haben. Im Fall der Masseunzulänglichkeit gemäß §§ 208 ff gilt § 43 ausnahmsweise analog für die Ansprüche der Altmassegläubiger.18 9 § 43 gilt gemäß seinem Wortlaut nur insoweit, wie der Anspruch zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch besteht. Teilleistungen, die der Gläubiger vor der Verfahrenseröffnung von einem Mitschuldner erhalten hat, muss er sich voll anrechnen lassen (§ 422 I BGB) und bei der Anmeldung abziehen.19 Das erklärt sich daraus, dass die Realisierung der Haftung des gesamten Schuldnervermögens, die Haftungsgemeinschaft und das Recht auf Teilnahme am Verfahren und am gemeinsamen Haftungsvollzug erst mit der Verfahrenseröffnung einsetzt und erst von diesem Zeitpunkt an von einer konkreten haftungsrechtlichen Rechtsposition des Gläubigers20 gesprochen werden kann. Im Fall mehrerer Insolvenzverfahren ist die Forderung also mit einem unterschiedlichen, nämlich geringeren Betrag anzumelden, wenn die Verfahren zeitlich versetzt eröffnet wurden und die Zahlung dazwischen erfolgt ist.21 Wenn die Insolvenzverfahren über die Vermögen mehrerer Mitschuldner nicht parallel laufen, sondern jeweils erst nach Abschluss des vorherigen eröffnet werden, erlangt folglich der Gläubiger sogar dann keine Vollbefriedigung, wenn die sämtlichen Insolvenzverfahren zusammen hundert Prozent ergeben. Der Gläubiger kann allerdings durch Vereinbarung erreichen, dass der Effekt des § 43 auch für Zahlungen vor Verfahrenseröffnung eintritt, indem er sich ausbedingt, dass Teilzahlungen nur als Sicherheit gelten, also materiell-rechtlich noch keine forderungsreduzierende Erfüllungswirkung haben.22 § 43 setzt voraus, dass mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze haften. Das 10 meint keineswegs nur die Gesamtschuld iSv §§ 421 ff BGB, sondern genauso etwa die akzessorische Haftung (siehe im Einzelnen unten). Die Voraussetzung der Haftung für dieselbe Leistung auf das Ganze ist nicht erfüllt, wenn der Insolvenzschuldner nur unter der Bedingung haftet, dass der andere Schuldner ausfällt.23 In der Lehre wird hier von einer „gestuften Haftung“ gesprochen, auf die § 43 nicht anwendbar ist. Der Begriff ist prägnant, lädt aber zu Missverständnissen mit der auf §§ 421 ff BGB gemünzten Diskussion ein, wonach § 43 eine „Gleichstufigkeit“ der Haftung gerade nicht voraussetzt (Rn 19). Im Anschluss an Henckel24 wird vorliegend daher von einer „bedingten Haftung“ gesprochen. Was dahinter steckt, wird an einem alten Beispiel aus dem Wechselrecht deutlich, gilt aber genauso für die Ausfallbürgschaft ua.25 Wenn der Gläubiger für seine Kaufpreisforderung von dem Insolvenzschuldner zahlungshalber einen Kundenwechsel erhalten hat und der Kunde einen Teil der Wechselschuld nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufpreisschuldners zahlt, kann § 43 nicht anwendbar sein.26 Denn der Gläubiger kann schon aus materiell-rechtlichen Gründen die Kaufpreisforderung nicht geltend machen, solange die Wechselschuld besteht: Der Kaufpreisschuldner kann dem Gläubiger nämlich die Einrede des begebenen Wechsels entgegenhalten. Dem Gläubiger haften folglich nicht mehrere Personen für dieselbe Leistung (§ 43). Freilich kann der Gläubiger die Kaufpreisforderung im Insolvenzverfahren zur Tabelle anmelden. Jedoch ist sie durch das endgültige Ausbleiben einer Zahlung auf die Wechselschuld bedingt.27 Zahlungen des Kunden auf die Wechselschuld muss sich der Gläubiger entgegen § 43 auf seine Kaufpreisforderung anrechnen lassen.28 Abgesehen von dieser Problematik der bedingten Haftung ergeben sich noch besondere Probleme, wenn eine oder mehrere der mithaftenden Personen 18 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 5; Adam DZWiR 2011, 485, 487; Walther Das Verfahren bei Masseunzulänglichkeit nach den §§ 208 ff. InsO (2005) S 108 f. 19 BGHZ 92, 374, 380. AA Häsemeyer KTS 1993, 151, 175 f. Näher und mN s § 38 Rn 111. 20 Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 3; Henckel FS Weber (1975) S 237 ff. 21 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 39. 22 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 41. 23 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 6; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 29 ff. 24 Henckel Voraufl § 43 Rn 10. 25 Rn 28. 26 Kilger/Schmidt KO17 § 68 Anm 3; KK/Hess InsO § 43 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 43 Rn 9; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 6. 27 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 8. 28 RGZ 153, 179, 182 f; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 6. Eichel

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Haftung mehrerer Personen

§ 43

nur für einen Teilbetrag einzustehen haben (sog Teilmithaftung29), eine oder mehrere andere hingegen auf den vollen Forderungsbetrag. Da dies vorwiegend in Bürgschaftsfällen begegnet, wird sie dort (Rn 25 ff) exemplarisch behandelt. Macht der Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des einen von mehreren nebeneinander haftenden Schuldnern zugleich ein Absonderungsrecht geltend, ist § 52 nur in diesem Verfahren hinsichtlich des bei der Verwertung des Absonderungsobjekts erlittenen Ausfalls (oder des Verzichtsbetrags) anzuwenden. In das Verfahren gegen den anderen Mitschuldner greift aber § 52 nicht über.30 Hier ist § 43 auch dann anwendbar, wenn die aus dem zweiten Insolvenzverfahren erlangte Summe teilweise aus abgesonderter Befriedigung herrührt (näher Rn 31 f). § 43 betrifft die Haftung mehrerer Personen. Wenn dieselbe Person dem Gläubiger für dieselbe Leistung aus zwei verschiedenen Verpflichtungsgründen (zB Vertrag und Schuldanerkenntnis; „Parallel-Debts“31) haftet, ist § 43 selbstverständlich nicht anwendbar.32 § 43 ist allerdings entsprechend anzuwenden, wenn zwei gesonderte Vermögensmassen desselben Rechtsträgers nebeneinander auf die ganze Leistung haften,33 wie etwa im Nachlassinsolvenzverfahren, wenn der nicht im eigenen Insolvenzverfahren stehende Erbe freiwillig oder gezwungen eine Teilzahlung erbringt (und wenn § 43 nicht durch die Ausfallhaftung gemäß §§ 52, 331, 332 I verdrängt wird34). Nach dem Wortlaut des Gesetzes macht es keinen Unterschied, woher die Teilzahlung stammt. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, sie müsse auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn sie ein Dritter bewirkt.35 § 43 beschränkt sich nach seinem Zweck auf Leistungen Mithaftender (Rn 3 f). Die Vorschrift darf deshalb nicht entsprechend angewendet werden, wenn im Insolvenzverfahren über das Vermögen des einzigen Schuldners ein Insolvenzgläubiger durch freiwillige Leistung eines Dritten (vgl §§ 267, 268 BGB) teilweise befriedigt wird, weil es hier an der Haftung des Dritten fehlt.36 In einem solchen Fall mindert die Teilerfüllung des Dritten also das Teilnahmerecht und die Quote. Ob die Teilleistungen Mithaftender freiwillig bewirkt oder zwangsweise beigetrieben worden sind, ist belanglos. Der Zahlung steht Schuldtilgung durch Leistung an Erfüllungs statt oder durch Hinterlegung gleich (§§ 364, 378 BGB). Bei der Aufrechnung muss unterschieden werden, ob der Zeitpunkt, auf den sie zurückwirkt (§ 389 BGB), vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.37 Im ersten Fall mindert sie, ihre Wirksamkeit nach §§ 94 ff vorausgesetzt, den Betrag der angemeldeten Forderung, mag sie auch erst im Laufe dieses Insolvenzverfahrens erklärt werden; § 43 ist nicht anwendbar.38 Im zweiten bleibt sie, auch wenn sie nach §§ 94 ff wirksam ist, für die angemeldete Forderung nach § 43 unberücksichtigt.39 Der Mitschuldner oder Bürge, der nach §§ 387 ff BGB, §§ 94 ff InsO zur Aufrechnung berechtigt ist, wird daran durch § 43 nicht gehindert.40

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IV. Rechtsfolge In jedem Insolvenzverfahren wird die zur Zeit der Eröffnung bestehende Forderung bis zur voll- 15 ständigen Befriedigung voll berücksichtigt (Rn 2). Den „ganzen Betrag geltend machen“, wie es HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 13; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 28. RGZ 52, 169, 171 f; 74, 231, 234; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 12. Paulus ZIP 2016, Beilage zu Heft 22, 54, 56 f. Bork KTS 2008, 21, 35; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 8a; Schwarz/Doms ZInsO 2013, 1943. Henckel Voraufl § 38 Rn 26; Bork KTS 2008, 21, 35; Kilger/Schmidt KO17 § 68 Anm 5. Näher unten Rn 36. AA BayObLG Recht 9 Nr 635. Henckel Voraufl § 38 Rn 26, 29. MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 40; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 25. MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 40; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 43 Rn 13. Henckel Voraufl § 38 Rn 29; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 11. Teilw aA Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 43 Rn 10 (Anwendung von § 52). 40 BGH NJW 1960, 1295 = KTS 60, 140; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 43 Rn 13; Thelen/Thelen ZIP 2018, 901, 906.

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§ 43

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

§ 43 im Wortlaut erlaubt, bedeutet, dass die nach der Eröffnung bewirkte Teilleistung „nicht angerechnet“ wird: Wenn sie aus einer Insolvenzmasse oder von einem nicht in einem Insolvenzverfahren stehenden Schuldner geleistet wird, welcher zu den „Personen“ des § 43 gehört, bleibt sie im schwebenden Insolvenzverfahren außer Ansatz, bis die Forderung ganz getilgt ist.41 Zu Teilleistungen vor Verfahrenseröffnung s Rn 9. 16 § 43 gilt nur für das Insolvenzverfahren. Befinden sich also nicht alle Mitschuldner im Insolvenzverfahren, muss der Gläubiger die aus einer Insolvenzmasse empfangene Quote auf seinen Anspruch gegen einen nicht im Insolvenzverfahren stehenden Mitschuldner voll anrechnen, wenn das materielle Recht dies so vorsieht (zB § 422 I BGB). Wenn gegen diesen schon eine Einzelzwangsvollstreckung begonnen hatte, ehe die Insolvenzquote gezahlt wurde, kann der Mitschuldner nach § 767 ZPO der Vollstreckung wegen der ungekürzten Forderung widersprechen. 17 Die Berücksichtigung der angemeldeten Insolvenzforderung in der Höhe, in der sie zur Zeit der Verfahrenseröffnung bestand, darf nicht dazu führen, dass der Gläubiger schließlich mehr erhält, als er zu beanspruchen hat.42 Die Grenze ist nicht nur durch den Zweck der Vorschrift, sondern durch die Worte „bis zu seiner vollen Befriedigung“ – für Haupt- und Nebenansprüche – auch ausdrücklich gesetzt. § 43 greift also nicht mehr, wenn der Gläubiger von den Mithaftenden Teilleistungen erhält, soweit sie seine Forderungen übersteigen. Diese Leistungen müssen aber tatsächlich erbracht worden sein; § 43 schafft – im Gegensatz zu § 44a43 – keine Obliegenheit, zunächst die Sicherheiten in Anspruch zu nehmen.44 Es ist dabei Sache des Insolvenzverwalters, sich über Zahlungen von anderer Seite zu unterrichten und rechtzeitig die Vollbefriedigung des Gläubigers einzuwenden, wobei ihm der Gläubiger auf entsprechendes Verlangen auskunftspflichtig ist.45 Es ist ebenfalls Sache des Verwalters, die Quote sodann entsprechend zu kürzen; wegen der Rechtskraftwirkung der Feststellung der Forderung zur Tabelle (§ 178 III) setzt die Kürzung aber voraus, dass der Verwalter mit der Vollstreckungsabwehrklage erfolgreich war oder der Gläubiger einverstanden ist.46 Hat er Anteile an den Gläubiger noch nach dessen Vollbefriedigung ausbezahlt, so kann er den Überschuss als ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff BGB) zurückfordern.47 Der Bereicherungsanspruch ist Bestandteil der Insolvenzmasse; aus ihr und nicht unmittelbar aus dem Vermögen der Insolvenzgläubiger, auch nicht aus dem Vermögen des Mithaftenden, ist die Leistung erbracht worden. Der Gläubiger hat aus der Masse mehr erhalten, als ihm nach § 43 („bis zu seiner vollen Befriedigung“) zustand. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens steht die Ausübung des Bereicherungsanspruchs – abgesehen von einer Nachtragsverteilung (§§ 203 ff) – dem bisherigen Insolvenzschuldner zu.48

V. Einzelfragen 1. Gesamtschuldner 18 Die mehreren Personen, die dem Gläubiger für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, sind zunächst die Gesamtschuldner (§ 421 BGB), ohne Rücksicht auf den Schuldgrund. Ein Beispiel ist die durch Schuldbeitritt entstehende Gesamtschuld.49 Für die Qualifizierung als Gesamtschuld braucht nach BGH ZIP 2009, 243 Rn 14; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 23. BGH ZIP 2009, 243 Rn 14; BFH ZIP 2014, 737 Rn 27; Noack/Bunke a.a.O. S 344. Jaeger/Mylich § 44a Rn 18; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 22. BGH ZIP 2009, 243 Rn 14. BGH ZIP 2009, 243 Rn 12. BGH ZIP 2009, 243 Rn 12; OLG Karlsruhe ZIP 1982, 1108; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 24; Mohrbutter Der Ausgleich von Verteilungsfehlern in der Insolvenz (1998) S 103; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 24; Braun/Bäuerle InsO9 § 43 Rn 13; FK/Bornemann InsO9 § 43 Rn 20. 47 BGH ZIP 2009, 243 Rn 14; OLG Karlsruhe ZIP 1982, 1108; Mohrbutter a.a.O. (Fn 46) S 38, 56; Noack/Bunke a.a.O. S 345; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 24. AA Wissmann a.a.O. Rn 248 ff (dazu Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 24). 48 Mohrbutter a.a.O. (Fn 46) S 56. 49 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 7.

41 42 43 44 45 46

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Haftung mehrerer Personen

§ 43

heute herrschender Meinung50 der Schuldgrund kein einheitlicher zu sein: Eine Gesamtschuld, auf die § 43 anzuwenden ist, liegt beispielsweise auch vor, wenn mehrere Miterben für eine Nachlassverbindlichkeit haften und einer von ihnen daneben auch nach § 25 HGB in Anspruch genommen werden kann, weil er das zum Nachlass gehörende Handelsgeschäft übernommen hat.51 Die Gesamtschuld kann durch Vertrag begründet sein (§ 427 BGB) oder unmittelbar auf dem Gesetz beruhen.52 Anschauungsbeispiele sind: §§ 42 II, 53, 54, 431, 563b I, 613a II, 650t, 651e III, 769,53 830, 840, 1108 II, 1390 I S 4, 1437 II, 1459 II, 1480, 1664 II, 1794 I 3 iVm 1826, 2058, 2219 II BGB; §§ 93 II, 268 II AktG; §§ 43 II, 71 IV GmbHG; Art 47 WG; § 12 II S 1 SpTrUG;54 § 133 I S 1 UmwG;55 § 115 I S 4 VVG.56 Eine Gesamtschuld entsteht auch bei vertraglicher oder auf Gesetz beruhender (§ 419 BGB aF,57 § 25 I S 1 HGB) Schuldmitübernahme. Auch öffentlich-rechtliche Gesamtschulden, zB aus einem Steuerschuldverhältnis (§ 44 I AO), werden von § 43 InsO erfasst.58 Die Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) erfasst § 43 nicht.59 Unter § 43 fällt auch, was in der Lehre zu §§ 421 ff BGB unechte oder scheinbare Gesamt- 19 schuld genannt wird.60 Wie bei der echten Gesamtschuld haben mehrere Schuldner dasselbe Leistungsinteresse des Gläubigers zu befriedigen, im Unterschied zu ihr sind die mehreren Verpflichtungen aber nicht „gleichrangig“ oder „gleichstufig“.61 Der Meinungsstreit, ob die Anwendung der Gesamtschuldregeln des BGB eine solche Gleichstufigkeit der Haftung voraussetzen,62 spielt für § 43 aber keine Rolle. Für § 43 ist ausschlaggebend, dass die Leistungen der Schuldner demselben Leistungsinteresse des Gläubigers dienen, was auch bei der fehlenden Gleichstufigkeit im vorgenannten Sinne gegeben ist. Der Verwahrer, der dem Hinterleger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dritten, der die Sache während ihrer Verwahrung zerstört oder gestohlen hat, den geschuldeten Schadensersatz zahlt, ist nicht Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB mit dem Dritten. Dennoch darf seine Teilzahlung auf den Schadensersatzanspruch des Hinterlegers dessen Quote im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Dritten nicht kürzen, solange jener nicht volle Deckung für seine angemeldete Forderung erhalten hat. Die mit einer Kürzung der Quote verbundene Erhöhung der Quote der anderen Insolvenzgläubiger wäre hier genauso wenig gerechtfertigt wie bei der echten Gesamtschuld.63 Schuldet ein Gesamtschuldner oder unechter Gesamtschuldner aber nur Ersatz eines Teils des Schadens, den der Insolvenzschuldner zu ersetzen hat, und hat er diese Verpflichtung voll erfüllt, muss er nicht hinter der Forderung des Gläubigers auf den ihm gegen den Insolvenzschuldner zustehenden Teil zurückstehen. Das gilt auch dann, wenn die Verpflichtung in einem Vergleich auf den Teilbetrag begrenzt worden ist.64

Selb a.a.O. (Fn 11) § 5 II 5, S 36 f; MünchKomm/Heinemeyer BGB8 § 421 Rn 10. RGZ 74, 231 ff; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 3. RGZ 11, 18 ff; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 3. Zeising WM 2010, 2205, 2212 f. LG Dresden ZIP 1995, 491, dazu Poling EWiR Art 232 EGBGB 1/95, 251. MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 5. Mitlehner ZIP 2012, 2003 R 2.3.2 in Fn 20. Durch Art 33 Nr 16 EGInsO mit Wirkung ab 1.1.1999 aufgehoben, aber auf Vermögensübernahmen vor diesem Zeitpunkt noch anwendbar. 58 BFH ZIP 2014, 737 Rn 25; OLG Köln v 14.12.2005 – 2 U 89/05 –, juris Rn 8; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 7. 59 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 45; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 43 Rn 14. 60 Braun/Bäuerle InsO9 § 43 Rn 1; KK/Hess InsO § 43 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 43 Rn 6; MünchKomm/ Bitter InsO4 § 43 Rn 5; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 3; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 6; s auch zu § 38 Rn 106 und Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 55; Wissmann a.a.O. Rn 18. 61 Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 55. 62 Dafür MünchKomm/Heinemeyer BGB8 § 421 Rn 12 ff, dagegen Staudinger/Looschelders (2017) § 421 Rn 27 ff, jeweils mN. 63 Häsemeyer KTS 1993, 151, 170. 64 BGH ZInsO 2003, 421; kritisch Bitter ZInsO 2003, 490 ff.

50 51 52 53 54 55 56 57

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§ 43

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

2. Bürge 20 a) Anwendbarkeit auf die Bürgschaft. Der Bürge ist nicht Gesamtschuldner neben dem Hauptschuldner, auch dann nicht, wenn die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist (§ 773 BGB, § 349 HGB).65 Ist aber die Verpflichtung des Bürgen auf eine Leistung gerichtet, die der des Hauptschuldners gleichartig ist, wird die Bürgschaft in mehrerer Hinsicht der Gesamtschuld gleich gestellt (§ 356 HGB, § 254 II InsO, zuvor schon § 193 KO, § 82 VglO). Auch im Konkursrecht wurde die Bürgschaft wie eine Gesamtschuld behandelt und folglich § 68 KO angewendet.66 Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners eröffnet, ist die Leistung, die der Bürge zu erbringen hat, immer mit der des Hauptschuldners gleichartig. Denn auch wenn der Bürge sich verpflichtet hat, für eine Hauptschuld einzustehen, die nicht auf Geld gerichtet ist, ist seine Bürgenverpflichtung von vornherein auf das Interesse in Geld gerichtet,67 und die Verpflichtung des Hauptschuldners ist nach § 45 S 1 als Geldforderung geltend zu machen. § 43 ist deshalb anzuwenden.

21 b) Insolvenz (auch) des Hauptschuldners. Ist über das Vermögen des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen (§ 773 I Nr 3 BGB). Bürge und Hauptschuldner haften für dieselbe Leistung auf das Ganze, sodass die Voraussetzungen des § 43 erfüllt sind.68 Die Teilleistung des Bürgen, die er nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat, darf die Quote der übrigen Insolvenzgläubiger ebenso wenig erhöhen wie die Teilleistung eines Gesamtschuldners (Rn 3 f). Der Gläubiger kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners seine Forderung in der vollen Höhe geltend machen, die sie zur Zeit der Verfahrenseröffnung hatte, bis zur Grenze der vollen Tilgung. Ebenso wie im Verhältnis zu Gesamtschuldnern ist § 43 nicht nur anzuwenden, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners und des Bürgen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sondern auch, wenn sich nur der Hauptschuldner im Insolvenzverfahren befindet (Rn 3).

22 c) Insolvenz nur des Bürgen. Im Insolvenzverfahren allein über das Vermögen des Bürgen hat dieser im gesetzlichen Grundsatz die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB). Die Forderung des Gläubigers ist deshalb aufschiebend bedingt und berechtigt lediglich zu einer Sicherung (§§ 191 I, 198).69 Der Bürge haftet von vornherein nur, wenn der Hauptschuldner iSv § 771 BGB ausfällt. Die Forderung wird zum Zwecke der Sicherung einer allfälligen Verteilung nach Eintritt der Bedingung zwar zunächst mit ihrem vollen Betrag berücksichtigt (§ 191 I).70 Bei der Schlussverteilung müssen Teilzahlungen, die der Hauptschuldner während des Verfahrens geleistet hat, den Umfang des zu hinterlegenden Betrages aber mindern (§§ 191 II, 198).71 Hier wirkt sich aus, dass es sich um eine bedingte Haftung handelt, auf die § 43 nicht anwendbar ist (Rn 10).72 Tritt die Bedingung ein (§ 771 S 1 BGB), wird deshalb die Quote nur auf den Ausfallbetrag berechnet.73

65 RGZ 8 260, 264; 34, 153, 156; Staudinger/Stürner (2020) Vorbem zu §§ 765 ff Rn 16 mwN. 66 Jaeger/Lent KO8 § 68 Rn 3; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 4; Wissmann a.a.O. Rn 24; Kirchhof FS Fuchs (1996) S 97, 98.

67 Vgl Staudinger/Stürner (2020) Vorbem zu §§ 765 ff Rn 14. 68 Ausdrücklich: Begr RegE BT-Drucks 12/2443 S 124; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 8. 69 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 4; Obermüller NZI 2001, 225, 228; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 43 Rn 4; Staudinger/Stürner (2020) Vorbem zu §§ 765 ff Rn 193. Obermüller NZI 2001, 225, 228. AA Henckel Voraufl § 43 Rn 14. HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 9; vgl Morgen/Schinkel ZVI 2016, 304, 305. MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 11; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 4; Morgen/Schinkel ZVI 2016, 304, 305; Obermüller NZI 2001, 225, 228.

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Haftung mehrerer Personen

§ 43

Ist die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen (§ 773 BGB, § 349 HGB), liegen die Vorausset- 23 zungen für eine Anwendung von § 43 InsO vor. Die Forderung des Gläubigers gegen den Bürgen wird grundsätzlich in vollem Umfang, in dem sie bei der Verfahrenseröffnung bestand, berücksichtigt und die Quote ausgeschüttet (zu Ausnahmen Rn 25). Teilzahlungen des Hauptschuldners ändern daran nichts, solange die Forderung des Gläubigers nicht voll getilgt ist.74 Ist das Verfahren auch über das Vermögen des Hauptschuldners eröffnet, entfällt stets die sonst begründete Einrede der Vorausklage (§ 773 I Nr 3 BGB). In beiden Verfahren ist § 43 anzuwenden (Rn 21). Die Forderung des Gläubigers kann aber im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bür- 24 gen nicht in vollem Umfang geltend gemacht werden, soweit die gesicherte Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Bürgen entstanden oder erweitert worden ist. Verspricht der Gläubiger dem Hauptschuldner den Kredit erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Bürgen, kann dessen jetzt entstehende Bürgschaftsschuld nicht mehr die Insolvenzmasse belasten. Das folgt nicht, wie Kirchhof75 annimmt, aus § 6 KO (§ 80 InsO), sondern aus § 15 KO (§ 91 InsO). Denn die Belastung der Masse mit einer neuen oder erweiterten Haftung ist dem Erwerb eines Rechtes an dem haftenden Vermögen gleichzustellen. Sie ist deshalb nach § 91 InsO unwirksam, wenn sie nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet wird. Hatte der Gläubiger dem Hauptschuldner den Kredit schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Bürgen zugesagt, gilt nichts anderes, weil der Gläubiger die Gewährung des Kredits verweigern kann, weil die Sicherheit der Bürgschaft wertlos oder wenigstens wertgemindert ist.76

d) Bürgschaft für einen Teilbetrag (Teilmithaftung). Zu der Frage, wie sich die volle Erfül- 25 lung der Bürgenschuld nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners auf die dort angemeldete Forderung auswirkt, wenn die Bürgschaft nur für einen Teilbetrag der Forderung übernommen war, gibt es scheinbar widersprechende Entscheidungen. Das Reichsgericht77 hatte § 61 KO 1877 (entspricht § 68 KO 1900 und § 43 InsO) mit der Begründung angewendet, der Bürge hafte zwar nicht für die ganze Forderung, aber er hafte auf das Ganze und könne deshalb den Gläubiger nicht hindern, den vollen Betrag seiner Forderung, den er zur Zeit der Verfahrenseröffnung zu fordern hatte, gegen den Hauptschuldner geltend zu machen. Der Bundesgerichtshof78 hat demgegenüber die Anwendung des § 68 KO abgelehnt, auch wenn die Begrenzung der Mithaftung erst nach der Eröffnung des Verfahrens durch Vergleich festgelegt wird, ohne das Urteil des Reichsgerichts zu erwähnen. Der scheinbare Widerspruch79 und seine Auflösung sind auch für die Parallelfälle relevant, dass ein Schuldner, der 74 BGH ZIP 2008, 2183 Rn 16; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 4; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 11; FK/Bornemann InsO9 § 43 Rn 8. 75 Kirchhof FS Fuchs (1996) S 106 f. 76 Kirchhof FS Fuchs (1996) S 110 f. 77 RGZ 8, 290 ff; zust Blomeyer BB 1971, 937 ff; ebenso im Ergebnis OLG Karlsruhe MDR 1958, 345; Künne KTS 1957, 58 ff; Dempewolf NJW 1961, 1341; Wissmann a.a.O. Rn 27 ff, 81; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 30 f; ders ZInsO 2003, 490 ff; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 13; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 28; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 43 Rn 10; v Olshausen KTS 2005, 403, 415 ff; Küpper/Heinze ZInsO 2006, 452, 455 f. 78 BGH NJW 1960, 1295, 1296; bestätigt in BGHZ 92, 374, 379; BGH KTS 1997, 256 = ZIP 1997, 372; dazu Gerhardt EWiR § 68 KO 1/97, 269; ebenso, aber ohne die oben vorgenommene Differenzierung Bley/Mohrbutter VglO4 § 33 Rn 13; Mohrbutter Handb2 § 68 I Rn 2b; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 1a, 5 mit nicht einschlägigem Hinweis auf Jaeger/ Henckel KO9 § 3 Rn 61; Jaeger Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts S 75; Kuhn KTS 1957, 68; ders KTS 1961, 1, 5; Obermüller NZI 2001, 225, 227; Schlosser ZIP 2005, 781, 785; Noack/Bunke a.a.O. S 343; Braun/Bäuerle InsO9 § 43 Rn 6; FK/Bornemann InsO9 § 43 Rn 16; KK/Hess InsO § 43 Rn 7 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 43 Rn 4; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 43 Rn 9; MünchKomm/Ehricke/Behme InsO4 § 38 Rn 37; HK/Keller InsO10 § 43 Rn 6; Häsemeyer KTS 1993, 151, 172; wohl auch Jaeger/Lent KO8 § 68 Rn 3 aber mit Zitierung des RG (8, 290 ff); unentschieden Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 14. 79 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 31 geht von einem wirklichen Widerspruch aus. 375

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§ 43

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

neben dem Insolvenzschuldner teilweise als Gesamtschuldner haftet, seine Verpflichtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens voll erfüllt, oder ein Gesamtschuldner seine Verpflichtung, die niedriger ist als die des Insolvenzschuldners, voll erfüllt (s Rn 19 bei Fn 64). 26 Nach Ansicht des BGH beschränke sich die Anwendung des § 68 KO auf den Betrag, für den die Gesamthaftung besteht. Habe der Bürge gezahlt, was er schulde, bzw, wie im entschiedenen Fall, der Gläubiger die bestellte Sicherheit verwertet, bestehe nur noch eine ungesicherte Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner in Höhe des ursprünglichen Betrages abzüglich der Leistung des Bürgen. Der Unterschied zwischen Reichsgericht und BGH beruht auf Abweichungen im Sachverhalt oder jedenfalls einer jeweils anderen Tatsachenwürdigung. Das Reichsgericht ging davon aus, dass die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner als Ganze gesichert werden sollte durch eine summenmäßig begrenzte Bürgschaft. Die Bürgschaft war also nicht auf einen bestimmten Teil der Hauptforderung bezogen. Zahlt in einem solchen Fall außerhalb eines Insolvenzverfahrens der Hauptschuldner 20 000 A auf eine Schuld von 80 000 A, wird der Bürge, der sich auf 20 000 A begrenzt verbürgt hat, nicht etwa befreit. Die Bürgschaftsschuld mindert sich erst, wenn der Gläubiger vom Hauptschuldner weniger als 20 000 A zu fordern hat. Der Bürge, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners die von ihm geschuldeten 20 000 A zahlt, leistet als Mitschuldner, der auf das Ganze haftet. Er leistet nicht auf einen bestimmten, abgrenzbaren Teil der 80 000 A, sondern tilgt mit seiner Schuld einen Teil der gesamten Schuld, für die er summenmäßig begrenzt haftet. Dass in einem solchen Fall die volle Tilgung der Bürgenverpflichtung die angemeldete Forderung des Gläubigers unberührt lassen muss, entspricht dem Zweck des § 43 (Rn 3 f). Es besteht kein Grund, den übrigen Insolvenzgläubigern den Vorteil einer Quotenerhöhung zuzusprechen, weil der gesicherte Gläubiger von einem unbeteiligten Dritten eine ihm geschuldete Leistung erhalten hat, die seine Forderung gegen den Hauptschuldner teilweise deckt.80 Die Quotenerhöhung der anderen Gläubiger wird auch nicht dadurch verhindert, dass die Forderung des Gläubigers nach § 774 I S 1 BGB auf den Bürgen überginge. Denn der Übergang wird durch § 774 I S 2 BGB ausgeschlossen. Der Bürge hat als Bürge den Gläubiger befriedigt und darf deshalb die übergegangene Forderung nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend machen. Das aber wäre der Fall, wenn seine Zahlung bewirkte, dass die angemeldete gesicherte Forderung um die Zahlung des Bürgen gekürzt wird. Dem Bürgenfall des Reichsgerichts entspricht die Haftungslage nach dem Ausscheiden eines Kommanditisten, dem die Einlage zurückgezahlt wurde. Auch wenn die Kommanditistenhaftung voll ausgeschöpft worden ist, der Kommanditist also die gesamte Haftsumme in das Gesellschaftsvermögen gezahlt hat, kann der Altgläubiger seine Forderung in vollem Umfang im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft anmelden, bis seine Forderung gedeckt ist.81 Der Bundesgerichtshof dagegen ging davon aus, dass nicht die ganze Forderung durch das Grundpfandrecht gesichert war, sondern nur der Teil, der dem Wert des Grundpfandrechts entsprach. Der Hauptschuldner und das Grundpfandrecht hafteten also nur für diesen Teil „auf das Ganze“. Zu diesem Teil ist der Gläubiger durch die Verwertung des Grundpfandrechts und im Fall der Teilbürgschaft durch die Zahlung der vollen Schuld des Bürgen voll befriedigt, sodass für den übrigen Teil der Forderung des Gläubigers die Voraussetzungen des § 43 nicht mehr vorliegen. Folglich steht auch § 44 einer Anmeldung der Regressforderung durch den Bürgen bzw den Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht entgegen, weil der Gläubiger im Insolvenzverfahren des Hauptschuldners nicht mehr die Forderung geltend macht, für die beide auf das Ganze hafteten, sondern nur noch den Rest, für den allein der Hauptschuldner haftete. Um die Anwendung der Rechtsprechung des BGH zu vermeiden, wird eine Vereinbarung im Sicherungsvertrag empfohlen, wonach Zahlungen bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers nur als Sicherheit gelten.82

80 Blomeyer BB 1971, 937 ff. 81 Wissmann a.a.O. Rn 470 ff; s auch § 44 Rn 14 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 38 Rn 18; s auch zu § 93. 82 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 32; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 43 Rn 10, je unter Verweis auf BGH ZIP 2001, 914, 917; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 14. Eichel

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Haftung mehrerer Personen

§ 43

In einem anderen Urteil83 hatte der BGH den umgekehrten Fall zu entscheiden. Das Konkurs- 27 verfahren war über das Vermögen des Bürgen eröffnet worden. Die Bürgschaft sicherte mehrere miteinander nicht verbundene Forderungen des Gläubigers gegen mehrere Schuldner. Als einige von diesen während des Konkursverfahrens ihre jeweiligen Schulden voll tilgten, musste der Gläubiger die Kürzung seiner Forderung gegen den Bürgen hinnehmen. Denn hier stand eindeutig fest, dass der Bürge nur hinsichtlich der Verbindlichkeit eines einzelnen Schuldners mit diesem „für dieselbe Leistung auf das Ganze“ haftete. War die einzelne Verbindlichkeit getilgt, galt das auch für den Teil der Bürgschaft, die auf diese Verbindlichkeit bezogen war. Der Fall war nicht anders zu entscheiden, als wenn der Bürge jede Forderung des Gläubigers gegen die einzelnen Hauptschuldner getrennt verbürgt hätte.84

e) Ausfallbürgschaft. Hat sich der Bürge nur verpflichtet, für einen Ausfall der Forderung gegen 28 den Hauptschuldner einzustehen (Ausfallbürgschaft), ist § 43 bei Insolvenz des Bürgen im Grundsatz unanwendbar, weil die Haftung des Bürgen bedingt ist (oben Rn 10).85 Wenn das Insolvenzverfahren gegen den Hauptschuldner eröffnet ist, darf der Gläubiger den Bürgen nur auf den wirklichen, nicht auf den vermuteten Ausfall in Anspruch nehmen. Für Eintritt und Umfang des Ausfalls trägt der Gläubiger die Beweislast. Um den erforderlichen Nachweis führen zu können, wird der Gläubiger in der Regel den Ausgang des Insolvenzverfahrens abwarten müssen.86 Im Einzelfall kann er aber schon vor der förmlichen Verfahrensbeendigung mit Sicherheit nachweisen, dass die Forderung des Gläubigers ganz oder in bestimmter Mindesthöhe ausfallen werde, insbesondere wenn schon feststeht, dass keine Quote an die Insolvenzgläubiger gezahlt werden kann und nur noch Masseverbindlichkeiten zu tilgen sind.87 Dem Gläubiger auch hier zuzumuten, die Verfahrensbeendigung noch abzuwarten, wäre unangemessen.88 Selbst wenn aber der Ausfallbürge noch während des Insolvenzverfahrens zahlt, ist § 43 ohne Bedeutung, weil der Gläubiger ohnehin keine Quote bekommt. Ob und mit welchem Erfolg der Ausfallbürge vorzeitig leisten darf (vgl § 271 II BGB), hängt von der Vereinbarung der Parteien des Bürgschaftsvertrages ab.89 Wird sowohl gegen den Hauptschuldner als auch gegen den Ausfallbürgen ein Insolvenzverfahren geführt, darf der Gläubiger im Verfahren gegen den Bürgen nicht nach § 43 den vollen noch ungedeckten Schuldbetrag geltend machen.90 Jedoch ist ihm nicht jede Beteiligung versagt. Da der Bürge für die Hauptschuld nur einzustehen hat, wenn und soweit der Gläubiger bei sorgfältiger Inanspruchnahme des Schuldners einen Ausfall erleidet, ist die Forderung des Gläubigers aufschiebend bedingt91 und berechtigt nur zur Sicherung (§§ 191, 198, Stimmrecht: §§ 77 III Nr 1, 237). Die Höhe des zu hinterlegenden Betrages (§ 198) ist nach § 45 zu schätzen.

3. Patronatserklärung und Sicherheiten im Konzern Die Erklärung einer Muttergesellschaft gegenüber einem Gläubiger der Tochtergesellschaft, für 29 deren Verbindlichkeit einzustehen in Gestalt einer Erfüllungszusage oder der Zusage, die Tochter83 84 85 86 87

BGH KTS 1969, 233 = NJW 1969, 796. Blomeyer BB 1971, 937 ff. MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 11; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 43 Rn 5. Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 6; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 9. Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 6; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 9 (dort für die Anwendung von § 43 plädierend, was allerdings nur konsequent ist, wenn man annähme, dass hier der Charakter als Ausfallbürgschaft verloren ginge). 88 RGZ 75, 186 ff; RG Recht 1919, Nr 1777; RG JW 1929, 1386 = KuT 1929, 55; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 4e; Kilger/ Schmidt KO17 § 68 Anm 3. 89 Vgl Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 60. 90 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 9. 91 RG SeuffArch 51 Nr 178; RGZ 75, 186 ff; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 4e. 377

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

gesellschaft mit den notwendigen Mitteln auszustatten (harte Patronatserklärung),92 begründet nicht nur eine subsidiäre Haftung, sondern eine Haftung neben der Tochtergesellschaft.93 Der Sicherungsgeber haftet dem Gläubiger neben dem Schuldner für dieselbe Leistung auf das Ganze.94 In der Folge gilt § 43 im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Tochter.95 Üblicherweise stellt die Patronatserklärung keinen Schuldbeitritt und auch keine Bürgschaft dar, die einen unmittelbaren Zahlungsanspruch begründen würden. Je nach inhaltlicher Gestaltung der Patronatserklärung kann sich der Ausstattungsanspruch aus der Patronatserklärung bei Insolvenz des patronierten Unternehmens aber in eine Pflicht zur direkten Zahlung an den Gläubiger umwandeln;96 jedenfalls kann sich eine direkte Zahlungspflicht aus einer Schadensersatzverpflichtung wegen Verletzung der Patronatserklärung ergeben.97 Für die Anwendung des § 43 ist die Herleitung des Direktanspruchs aber ohne Belang, da auch die Schadensersatzverpflichtung des Patrons auf eine Leistung gerichtet wäre, die der von der Tochter geschuldeten entspricht, und ihre Erfüllung auch die Schuld der Tochter zum Erlöschen bringt. Ähnlich wie im Fall der harten Patronatserklärung verhält es sich für den Anspruch auf Sicherheitsleistung aus § 303 AktG, der sich bei Insolvenz der abhängigen Gesellschaft in einen Zahlungsanspruch gegen das beherrschende Unternehmen umwandelt.98 Nach hM setzt der Zahlungsanspruch keinen bezifferten Ausfall der gesicherten Forderung voraus,99 sodass es sich nicht um einen Fall bedingter Haftung handelt (dazu Rn 10). Folglich sind § 43 (und auch § 44100) anzuwenden.101 Im Insolvenzverfahren (nur) über das Vermögen des Patrons findet dagegen § 43 keine 30 Anwendung.102 Eine Teilleistung der Tochter an den Gläubiger während des Insolvenzverfahrens muss auf die Forderung des Gläubigers gegen den Patron voll angerechnet werden, wenn dieser wegen der von der Tochter nicht mehr zu erlangenden Restleistung in Anspruch genommen wird; der Gläubiger muss seine Forderung also reduzieren. Denn hinsichtlich der von der Tochter erbrachten Teilleistung lag kein Garantiefall vor, der eine Zahlungs- oder Schadensersatzpflicht des Patrons (Rn 29) begründet hätte, sodass es an einer gleichstufigen Verpflichtung fehlt. Die Forderung kann in der Insolvenz des Patrons aber als durch den Garantiefall aufschiebend bedingte Forderung angemeldet werden;103 wenn es dann zusätzlich zur Insolvenz der Tochter kommt, ist auch § 43 wieder anwendbar, was für den Gläubiger attraktiv ist.104

92 BGH ZIP 2017, 337; Staudinger/Stürner (2020) Vorbem zu 765 ff Rn 455 f; MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 438 f; Lwowski Kreditsicherung8 Rn 441; Uhlenbruck/Hirte/Praß InsO15 § 35 Rn 168 f; Obermüller ZIP 1982, 915 ff; ders ZGR 1975, 1 ff; Schäfer WM 1999, 153 ff; Rüßmann Harte Patronatserklärungen und Liquiditätszusagen (2006) S 23 f, 50; s auch § 35 Rn 76. 93 HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 10; zur Anwendung von § 43 im umgekehrten Fall einer sog Upstream-Sicherheit Pleister ZIP 2015, 1097, 1100. 94 BGH ZIP 2003, 1097, 1099; ZIP 2017, 337. 95 BGHZ 117, 127 ff = Geimer LM § 305 BGB Nr 57; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 8; KK/Hess InsO § 43 Rn 23; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 8; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 43 Rn 8. Rechtspolitische Kritik daran bei Humbeck NZI 2013, 957, 959. 96 Staudinger/Stürner (2020) Vorbem zu 765 ff Rn 463a; Schäfer WM 1999, 153, 160 ff; Larenz/Canaris Schuldrecht II/213 § 64 V 1c; MünchKomm/Habersack BGB8 vor § 765 Rn 55; Michalski WM 1994, 1235, 1240. 97 BGH ZIP 2017, 337 Rn 6 f; näher Henckel Voraufl § 43 Rn 20. 98 MünchKomm/Altmeppen AktG5 § 303 Rn 45; Thole ZIP 2020, 389, 398. 99 MünchKomm/Altmeppen AktG5 § 303 Rn 41 ff; Thole ZIP 2020, 389, 398. 100 Wenn man annimmt, dass § 93 auf den Rückgriffsanspruch nicht analog anwendbar ist, so überzeugend Thole ZIP 2020, 389, 398 f; Klöckner ZIP 2011, 1454, 1455 f. AA MünchKomm/Altmeppen AktG5 § 303 Rn 56. 101 Klöckner ZIP 2011, 1454, 1457 ff. 102 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 12; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 9. 103 HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 11; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 8, 12; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 8 f. 104 Kiethe ZIP 2005, 646, 653; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 8, 12. Eichel

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Haftung mehrerer Personen

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4. Sachhaftung Wie die persönliche Haftung eines Gesamtschuldners oder eines Bürgen, der dem Gläubiger neben 31 dem Insolvenzschuldner haftet, auf die zur Tabelle angemeldete Forderung in der Höhe, die sie bei Verfahrenseröffnung hatte, keinen Einfluss hat, so muss nach dem Zweck des § 43 (Rn 3 ff) auch die Befriedigung des Gläubigers aus einem ihm haftenden Gegenstand, der nicht zur Insolvenzmasse gehört, ohne Einfluss auf seine angemeldete Forderung bleiben, solange diese nicht voll gedeckt ist.105 Das gilt nicht nur, wenn die zugunsten des Gläubigers belastete Sache einem Mitschuldner oder Bürgen gehört, sondern in analoger Anwendung von § 43 auch, wenn sie einem Dritten gehört, der nicht persönlich schuldet.106 Der Umstand, dass dem Gläubiger ein massefremder Gegenstand kraft eines Mobiliar- oder Grundpfandrechts oder infolge einer Sicherungsübertragung haftet und der Gläubiger daraus teilweise befriedigt wird, darf nicht den übrigen Insolvenzgläubigern zugutekommen, wie es geschähe, wenn die Quote des gesicherten Gläubigers um den Verwertungserlös gekürzt würde. § 52 ist nicht anzuwenden, weil er voraussetzt, dass der haftende Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört. § 43 bleibt auch anwendbar, wenn der Insolvenzverwalter während des Verfahrens den belasteten Gegenstand für die Masse erwirbt.107 Umgekehrt bleibt es bei § 52, wenn der Insolvenzverwalter die zunächst massezugehörige Sicherheit freigibt; § 43 wird also nicht etwa nachträglich anwendbar.108 Zum Erwerb des belasteten Gegenstandes vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens s § 52 Rn 9. Die früher geführte Diskussion über die Anwendbarkeit von § 43 auf eine kapitalersetzende 32 Sicherheit eines Gesellschafters oder einer nach § 32a III GmbHG aF einem Gesellschafter gleich gestellten Person,109 stellt sich heute im Lichte von § 44a InsO (s daher bei § 44a Rn 18).110 Wer § 44a im Sinne eines § 43 verdrängenden Ausfallprinzips interpretiert,111 muss aus der Suspendierung von § 44a durch § 2 I Nr 2 COVInsAG (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz) folgern, dass sich in dessen Geltungsbereich der Darlehensgeber bei der Verfolgung seiner Kreditforderung in der Gesellschaftsinsolvenz gemäß § 43 Leistungen aus der Gesellschaftersicherheit nicht anrechnen lassen muss.112

5. Factoring Ob § 43 beim unechten Factoring anwendbar ist, hängt davon ab, ob der Factor aus- oder absonde- 33 rungsberechtigt ist. Nimmt man das erste an,113 kann der Factor sowohl die ihm vom Anschlusskunden abgetretene Forderung gegen den Schuldner als auch seinen Rückgriffsanspruch gegen den Anschlusskunden in den Insolvenzverfahren der beiden anmelden. § 43 wäre anwendbar mit der Folge, dass er sich Leistungen auf die eine Forderung auf die andere bis zu seiner vollen Befriedigung nicht 105 Jaeger LZ 1919, 1055 ff; OLG Hamm SeuffArch 73, Nr 89; RGZ 156, 271, 278; BGH NJW 1960, 1295; BGH NJW 1970, 44, 46 = WM 1969, 1346, 1347 = KTS 1970, 293, 295; Häsemeyer KTS 1993, 151, 174; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 3–3c; Kilger/Schmidt KO17 § 68 Anm 4; Braun/Bäuerle InsO9 § 43 Rn 4; MünchKomm/Lieder BGB8 § 1143 Rn 24; Kübler/Prütting/ Bork/Holzer InsO91 § 43 Rn 7; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 18 ff; Wissmann a.a.O. Rn 21. 106 BGH ZIP 2011, 180 Rn 7; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 12; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 15; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 19. 107 RGZ 59, 367, 368; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 25. 108 BGH ZIP 2009, 874 Rn 9. 109 Für Anwendung von § 43 Henckel Voraufl § 43 Rn 23 mwN zur Diskussion. 110 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 20 ff; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 22; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 15 f (auch zur Behandlung von Altfällen). 111 Braun/Bäuerle InsO9 § 44a Rn 5. AA MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 20 ff; BeckOK/Prosteder/Dachner InsR27 InsO § 44a Rn 15; Preuß ZIP 2013, 1145 Fn 9. 112 Bitter GmbHR 2020, 861, 872. 113 Insbesondere früher Uhlenbruck InsO12 § 43 Rn 1; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung V § 70 VI 6 b, S 831. 379

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anrechnen zu lassen braucht. Wie zu § 47 Rn 127 ausgeführt wird, hat der Factor beim unechten Factoring aber nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an der ihm vom Anschlusskunden abgetretenen Forderung.114 Deshalb ist nicht § 43, sondern § 52 anzuwenden. Der Factor nimmt im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Anschlusskunden mit seiner Rückgriffsforderung nur in der Höhe an der anteilsmäßigen Befriedigung teil, in der er mit seiner Forderung gegen den Schuldner ausgefallen ist.115

6. Gesellschafter 34 Da § 43 sowohl anwendbar ist, wenn mehrere Personen als Gesamtschuldner haften, als auch dann, wenn es sich um eine akzessorische Haftung handelt, wie bei der Bürgschaft, ist es für seine Anwendung belanglos, wie man das Verhältnis der Gesellschaftsschuld einer Personengesellschaft zur Gesellschafterschuld konstruiert, ob als gesamtschuldnerisches oder als akzessorisches.116 Teilleistungen der Gesellschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters werden auf die in diesem Verfahren angemeldete Forderung eines Gesellschaftsgläubigers, der den Insolvenzschuldner auf seine persönliche Haftung in Anspruch nimmt, mithin gemäß § 43 nicht angerechnet.117 Der umgekehrte Fall, dass ein Gesellschafter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft eine Teilleistung an einen Gesellschaftsgläubiger erbringt, kann hingegen grundsätzlich nicht eintreten, weil nach § 93 im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft die persönliche Haftung eines Gesellschafters für eine Gesellschaftsverbindlichkeit nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann.118 § 93 soll den Wettlauf der Gläubiger um die Abschöpfung der Haftsumme verhindern.119 Leistungen des Gesellschafters an den Gesellschaftsgläubiger haben vorbehaltlich des § 82 keine schuldbefreiende Wirkung und bleiben schon deshalb ohne Einfluss auf die Gesellschaftsschuld. Was der Gesellschafter nach § 93 an den Insolvenzverwalter in die Masse zahlt, kann die angemeldete Forderung des Gesellschaftsgläubigers nicht beeinflussen, denn die Zahlung in die Masse dient ja gerade der Tilgung der gegen die Gesellschaft erhobenen Ansprüche.120 § 43 wird also durch § 93 weitgehend verdrängt121 und kommt nur zur Anwendung, wenn ein Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 82 noch nach Verfahrenseröffnung an den Gesellschaftsgläubiger leistet. Uneingeschränkt anwendbar ist § 43 aber, wenn der Gesellschaftsgläubiger den Gesellschafter neben der Gesellschaft aus einem besonderen Verpflichtungsgrund, zB aus einer Bürgschaft für die Gesellschaftsverbindlichkeit, in Anspruch nehmen kann.122 § 93 ist in diesen Fällen nicht anwendbar.123

114 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 10. 115 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 10; Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht, 2. Bearbeitung, Rn 1677. 116 Zu den unterschiedlichen Konstruktionen s Ulmer ZIP 1999, 509 ff, 554 ff mwN; ders ZIP 2003, 1113; für akzessorische Haftung MünchKomm/K Schmidt HGB4 § 128 Rn 16 ff; Bork KTS 2008, 21, 23; BGHZ 146, 341; 148, 201; 150, 1; BGH ZIP 2003, 664; BGH NJW 2003, 1803 = ZIP 2003, 899. 117 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 15. 118 Vgl Ringstmeier FS Vallender (2015) S 525. 119 Bork KTS 2008, 21, 33. 120 Vgl BGHZ 27, 51 ff = Fischer LM Nr 1 § 172 HGB und = BGHZ 39, 319 ff = Fischer LM Nr 2/3/4 § 172 HGB = Schilling JR 64, 99 zur Stellung des ausgeschiedenen Kommanditisten, der die Haftsumme an den Konkursverwalter zahlt (§ 171 II HGB). 121 K Schmidt ZGR 1998, 633, 669 f; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 15; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 17; Noack/Bunke a.a.O. S 338; nicht berücksichtigt bei Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 43 Rn 16. 122 Dazu K Schmidt ZGR 1996, 209, 218 f; HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 18; MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 14, 16; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 18; näher zu § 93. Zu unterschiedlichen Rechenmodellen v Olshausen ZIP 2003, 1321 mwN. 123 So die hM v Olshausen ZIP 2003, 1321, 1322 mwN. Eichel

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Haftung mehrerer Personen

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Die Haftung mehrerer Gesellschafter einer Gesellschaft ist gesamtschuldnerisch, sodass § 43 35 auch im Verhältnis des Gläubigers zu den Gesellschaftern anwendbar ist.124 Nichts anderes gilt, wenn mehrere Gesellschaften gesamtschuldnerisch haften, für die Haftung der jeweiligen Komplementäre dieser Gesellschaften, und zwar selbst wenn diese personenidentisch sind.125 Hat ein Gesellschaftsgläubiger, ohne dass die Gesellschaft sich in einem Insolvenzverfahren befindet, einen ihrer Gesellschafter in Anspruch genommen und hat dieser eine Teilleistung erbracht, wird die Leistung auf die vom Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des anderen Gesellschafters angemeldete Forderung gemäß § 43 nicht angerechnet. Diese Konstellation kann insbesondere eintreten, wenn die Eröffnung des Verfahrens gegen die Gesellschaft wegen unzulänglicher Masse trotz werthaltiger Haftung der Gesellschafter abgelehnt wird,126 weil dem Insolvenzverwalter die Mittel für den Prozesskostenvorschuss fehlen, um die persönlich haftenden Gesellschafter zur Zahlung zu zwingen (§ 93), und wenn mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gerechnet werden kann, weil den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Kosten zugemutet werden kann (§ 116 S 1 Nr 1 ZPO).127 Zur Gesellschaftersicherheit s oben Rn 32 bzw § 44a Rn 18.

7. Nachlassinsolvenzverfahren, Miterben An die Stelle des Grundsatzes der Doppelberücksichtigung (§ 43) tritt bei der durch das Nachlass- 36 insolvenzverfahren bewirkten Vermögenstrennung die Ausfallhaftung.128 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des unbeschränkt haftenden Erben kann der Nachlassgläubiger lediglich den Betrag seiner Forderung anmelden, mit der er im Nachlassinsolvenzverfahren ausgefallen ist (§ 331 I mit § 52). Entsprechend haftet ein Ehegatte respektive Lebenspartner, der Erbe ist und der das Gesamtgut der Gütergemeinschaft, in das der Nachlass gefallen ist, nicht verwaltet, als Erbe nur für den Ausfall, den ein Nachlassgläubiger im Insolvenzverfahren gegen den verwaltenden Ehegatten erleidet. Verwalten Ehegatten das Gesamtgut, in das der Nachlass gefallen ist, gemeinsam, haftet der Ehegatte, der Erbe ist, ebenfalls nur subsidiär neben dem Gesamtgut, wenn über dieses das Insolvenzverfahren eröffnet ist (§ 331 II). Für das Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gilt § 331 I entsprechend (§ 332 I). Die Ausfallhaftung greift aber nicht ein, soweit ein Erbe aus besonderem Verpflichtungsgrund haftet.129 Sind aber Insolvenzverfahren über die Eigenvermögen mehrerer unbeschränkt haftender 37 Miterben eröffnet, so findet auf diese Verfahren § 43 Anwendung, sei es hinsichtlich der ganzen Nachlassverbindlichkeit,130 sei es, wenn ein Fall des § 331 vorliegt, hinsichtlich des ganzen Ausfalls oder Verzichtsbetrags.

8. Garantie gemäß Stabilisierungsfondsgesetz Gemäß § 6 Ia S 1 Nr 3 FMStFG nehmen Gläubiger, deren Forderungen nach diesem Gesetz durch 38 den Finanzmarktstabilisierungsfonds garantiert sind, von vornherein nicht am Insolvenzverfahren ihres Schuldners teil, sodass es auf § 43 InsO nicht ankommt.131 Entsprechend ist der Weg dafür frei (vgl § 44 InsO), dass der Fonds seine Rückgriffsforderungen gegen den Schuldner als Insolvenzforderung anmelden kann (§ 6 Ia S 2 FMStFG). 124 125 126 127 128 129 130 131 381

Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 19; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 21. Bork KTS 2008, 21, 23 ff. Vgl K Schmidt ZGR 1996, 209, 220 ff. BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 21. HambK/Lüdtke InsO9 § 43 Rn 19. MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 17. Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 14. Vgl BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 43 Rn 35. Eichel

§ 44 Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen Der Gesamtschuldner und der Bürge können die Forderung, die sie durch eine Befriedigung des Gläubigers künftig gegen den Schuldner erwerben könnten, im Insolvenzverfahren nur dann geltend machen, wenn der Gläubiger seine Forderung nicht geltend macht.

Materialien DiskE § 49; Begr S 40; RefE § 49; Begr S 47; RegE, BT-Drucks 12/2443; § 51, Begr S 124.

Vorgängerregelungen § 33 VglO, dazu EVglO 1933, S 48, 64.

Literatur Vgl auch Literatur zu § 38; Häsemeyer Gläubigerschutz und Gleichbehandlung bei Regressverhältnissen, KTS 1993, 151; Noack/Bunke Zur Stellung gesamtschuldnerisch oder akzessorisch Mithaftender im Insolvenzverfahren, FS Uhlenbruck (2000) S 335; Wissmann Persönliche Mithaft in der Insolvenz. Die Stellung des Bürgen und des Personenhandelsgesellschafters2 (1998); Zeising Benachteiligungsverbot und Befriedigungsvorrecht bei Legalzession im Gesamtschuldverhältnis, DZWIR 2010, 316; ders Cessio legis und Gläubigerschutz bei Regress des Bürgen, WM 2010, 2205.

Übersicht I.

Einleitung

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II. 1.

Voraussetzungen und Rechtsfolgen 3 Regressansprüche

2. 3. 4. 5.

Rückgriffsforderung als Insolvenzforderung iSv 4 §§ 38, 44 6 Einschränkung des Teilnahmerechts (§ 44) 11 Gesicherter Rückgriffsanspruch 12 Gesellschafterregress

Alphabetische Übersicht Absonderungsrecht 11 Antragsrecht 7 Befreiungsanspruch 3, 4, 5, 6 Forderungsanmeldung 2, 6, 7, 9, 12, 13 Gesamtschuldner, gleichstufige 9 Gesellschafter 12, 13, 15 Insolvenzplan 7, 9 Kapitalersatz 15 Kommanditist 13, 14

Masseverbindlichkeit 5 Regressprinzip 6 Restschuldbefreiung 7 Sicherungsgrundschuld 3 Sicherungsübereignungv3 Teilnahmerecht 2, 6, 7, 10 Teilregress 6 Widerspruchsrecht 7

I. Einleitung 1 Die Konkursordnung enthielt keine entsprechende ausdrückliche Vorschrift. Dennoch war der Inhalt des § 44 geltendes Recht. Er wurde konsequent aus § 68 KO (heute § 43 InsO) abgeleitet (§ 43 Rn 5). § 33 VglO dagegen hatte eine dem § 44 entsprechende Vorschrift. Literatur und Rechtsprechung zu §§ 68 KO und 33 VglO können zur Auslegung des § 44 herangezogen werden. § 44 will verhindern, dass die Masse beiderseits durch den Gläubiger und den (potentiell) 2 regressberechtigten Mitschuldner in Anspruch genommen wird, indem er letzteren vom InsolEichel https://doi.org/10.1515/9783110666175-010

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Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen

§ 44

venzverfahren ausschließt, wenn ersterer daran teilnimmt. Da Leistungen des Mitschuldners, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Gläubiger erbracht werden, ohne zu dessen vollständiger Befriedigung zu führen, nach § 43 auf dessen Insolvenzforderung nicht angerechnet werden, würde die Beteiligung des Mitschuldners mit seinem Rückgriffsanspruch nämlich die Masse doppelt in Anspruch nehmen und die übrigen Insolvenzgläubiger in ihrem anteiligen Haftungs- und Teilnahmerecht (§ 43 Rn 5) beeinträchtigen. Diese werden also durch das Verbot der Doppelinanspruchnahme geschützt, nicht der Schuldner. Hat der Leistende den Gläubiger hingegen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Regresspflichtigen ganz oder teilweise befriedigt, kann er seine Rückgriffsforderung in Höhe der an den Gläubiger erbrachten Leistung anmelden und Auszahlung der Quote verlangen; § 44 steht dem nicht entgegen.1 Hat der Mithaftende seine Verpflichtung zwar erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch voll erfüllt oder hat die Verwertung des für die Forderung haftenden Objekts zur vollen Befriedigung des Gläubigers geführt, rückt er, soweit er Regress nehmen kann, in die Stellung ein, die zuvor der Gläubiger hatte. Ein Nachteil für die Masse und die übrigen Insolvenzgläubiger entsteht dadurch nicht, weil das Haftungs- und Teilnahmerecht (§ 43 Rn 5) des Gläubigers in entsprechendem Umfang reduziert worden ist. Ob und wann bei einer Teilgesamtschuld oder Teilbürgschaft volle Erfüllung angenommen werden kann, wird bei § 43 erläutert (dort Rn 25 ff). Noch nicht geklärt ist, ob § 44 im Restrukturierungsverfahren gemäß StaRUG analog zur Anwendung kommt.2

II. Voraussetzungen und Rechtsfolgen 1. Regressansprüche Hat eine der „mehreren Personen“ iSd § 43 den Gläubiger befriedigt, kann er regelmäßig gegen den 3 Mitschuldner Regress nehmen.3 Ist der Leistende eine solche Person iSv § 43 (dort Rn 10 ff und Rn 18 ff), also insbesondere Gesamtschuldner, Bürge oder Inhaber eines für die Forderung des Gläubigers belasteten Rechts,4 geht zumeist die Forderung des Gläubigers ganz oder teilweise kraft Gesetzes auf ihn über (§§ 426 II, 774 I, 1143 I, 1225 BGB). Ist eine solche Legalzession nicht vorgesehen, wie zB bei der Sicherungsübereignung, der Sicherungsgrundschuld oder im Fall von § 303 AktG,5 kann ein Anspruch auf Abtretung der Forderung bestehen. Zudem kann sich aus dem Innenverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Mitschuldner eine schuldrechtliche Regressforderung gegen diesen ergeben (zB § 426 I BGB). Wenn diese zunächst auf Befreiung gerichtet ist (Rn 4), fällt sie auch in dieser Gestalt unter § 44.6 Wo § 43 nicht eingreift, aber dennoch das Verbot doppelter Inanspruchnahme (Rn 2) gelten muss, kann § 44 über den Anwendungsbereich des § 43 hinausgehen: § 44 erfasst etwa den Befreiungsanspruch eines Ausfallbürgen.7 § 6 Ia S 2 FMStFG enthält eine abweichende Sonderregel zu § 44, indem er dem Finanzmarktstabilisierungsfonds für dessen Rückgriffsforderungen die Teilnahme am Insolvenzverfahren ermöglicht (§ 43 Rn 38).

1 OLG Jena FamRZ 2012, 372, 373; näher mwN s § 38 Rn 104 ff, 111 f; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 3; MünchKomm/ Bitter InsO4 § 44 Rn 26 ff; Nerlich/Römermann/Andres InsO43 § 44 Rn 4; zu § 774 I S 2 BGB, 426 II S 2 und anderen dem Grundsatz „nemo subrogat contra se“ folgenden Vorschriften s § 38 Rn 111. 2 Dafür AG Hamburg ZIP 2022, 758, 759 f; Mock NZI 2022, 436, 437. 3 Ausführlich dazu § 38 Rn 104–114. 4 Zur Anwendung des § 43 auch auf die Sachhaftung § 43 Rn 31 f; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 5. 5 MünchKomm/Altmeppen AktG5 § 303 Rn 56; näher § 43 Rn 29. 6 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 4. 7 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 8; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 3. 383

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

2. Rückgriffsforderung als Insolvenzforderung iSv §§ 38, 44 4 Hat der regressberechtigte Mitschuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht geleistet, ist er dennoch Insolvenzgläubiger. Soweit ein Forderungsübergang stattfindet, folgt dies daraus, dass die übergegangene Forderung bei Verfahrenseröffnung schon bestand und sie kraft Gesetzes als Insolvenzforderung erworben wird. Die schuldrechtliche Rückgriffsforderung ist ebenfalls Insolvenzforderung. Sie tritt nach allgemeiner Auffassung nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers in Existenz, sondern bereits mit der Begründung der Gesamtschuld oder Bürgschaft, und zwar als einheitliche Forderung, die zunächst auf Mitwirkung an der Begleichung der Gesamtschuld oder auf Freistellung gerichtet ist und sich erst mit der Befriedigung des gemeinsamen Gläubigers in einen Zahlungsanspruch des Regressgläubigers umwandelt.8 Deshalb ist sie Insolvenzforderung, obgleich sie erst nach Verfahrenseröffnung zu einem Zahlungsanspruch erstarkt, sofern nur die Gesamtschuld und damit der Befreiungsanspruch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat.9 Dass § 44 vom künftigen Erwerb der Rückgriffsforderung spricht, steht nicht entgegen. Diese Formulierung ist, ebenso wie die des § 33 VglO, allenfalls ungenau.10 Denn die Rückgriffsforderung ist auch als Zahlungsforderung keine iwS künftige, auch keine, die erst künftig erworben wird, sondern sie besteht schon vor der Befriedigung des Gläubigers als aufschiebend rechtsbedingte. Mit einem auf Befreiung gerichteten Anspruch besteht die Rückgriffsforderung von Anfang an und unterliegt schon als solche der Sperre des § 44.11 Die Rückgriffsforderung ist als Befreiungsanspruch also schon vor der Verfahrenseröffnung be5 gründet.12 Dass sie als Rückgriffsanspruch erst geltend gemacht werden kann, wenn der Rückgriffsberechtigte dem Gläubiger geleistet hat, führt daher nicht dazu, dass sie eine Masseforderung nach § 55 I Nr 3 wäre. Der Rückgriffsberechtigte kann aber Massegläubiger nach § 55 I Nr 2 sein, wenn er als Bürge oder Gesamtschuldner eine Verbindlichkeit aus einem gegenseitigen Vertrag erfüllt, dessen Erfüllung der Insolvenzverwalter verlangt hat (§ 103), also etwa den Kaufpreis für eine vom Gläubiger in die Masse gelieferte Ware gezahlt, oder wenn er für einen nach Verfahrenseröffnung gewährten Massekredit die Mitschuld übernommen oder sich verbürgt hat. Die Kaufpreisforderung und der Anspruch auf Rückzahlung des Massekredits behalten die Qualität der Masseverbindlichkeit auch in der Hand des Regressberechtigten.13 Wenn der Rückgriffsberechtigte Massegläubiger ist, unterliegt er nicht den Beschränkungen des § 44.

3. Einschränkung des Teilnahmerechts (§ 44) 6 Als Insolvenzforderung kann der Rückgriffsberechtigte den Befreiungsanspruch bzw den aufschiebend bedingten Zahlungsanspruch grundsätzlich nicht geltend machen, weil dadurch die Masse doppelt belastet würde, wenn auch der Gläubiger seine Forderung angemeldet hat.14 Das folgt zwingend aus dem Prinzip, das § 43 zu Grunde liegt: Der Umfang des Haftungs- und Teilnahmerechts des Gläubigers ist auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung fixiert. Wie er durch Teilleistungen eines Mitschuldners nicht reduziert wird, weil dies die übrigen Gläubiger begünstigen würde, so darf durch die Beteiligung des Rückgriffsberechtigten der Haftungsumfang nicht vergrößert werden. Das entspricht dem allgemeinen Regressprinzip, dass der Rückgriffsberechtigte durch seine Leis-

8 Näher und Nachw bei § 38 Rn 104. 9 OLG Jena FamRZ 2012, 372, 373. 10 Wissmann a.a.O. Rn 203. 11 So auch Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 4; zur Behandlung von Befreiungsansprüchen im Insolvenzverfahren des Befreiungsschuldners s § 38 Rn 71 f und Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 4.

12 Noack/Bunke a.a.O. S 355; Vogel ZIP 2007, 2198, 2200 f. 13 OLG Jena ZIP 1999, 849; § 38 Rn 104 bei Fn 358; s auch Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 54; Vogel ZIP 2007, 2198, 2200 f. 14 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 7; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 44 Rn 2. Eichel

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Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen

§ 44

tung an den Gläubiger in dessen haftungsrechtliche Rechtsstellung einrückt.15 Seine haftungsrechtliche Teilnahme am Verfahren und sein Anteil an der Haftungsmasse sind also identisch mit denen des Gläubigers.16 Folglich gestattet § 44 dem Rückgriffsberechtigten die Anmeldung seines Befreiungs- bzw bedingten Rückgriffsanspruchs nur insoweit, wie der Gläubiger seine Forderung nicht geltend macht. Macht der Gläubiger nur einen Teil seines Anspruchs im Verfahren geltend, steht § 44 der Anmeldung des Befreiungs- bzw Rückgriffsanspruchs des Regressberechtigten hinsichtlich des anderen Teils nicht entgegen.17 Hat der Regressberechtigte seine Verpflichtung während des Verfahrens nur zum Teil erfüllt oder hat die Verwertung des haftenden Gegenstandes im Verfahren die Forderung des Gläubigers nur teilweise gedeckt, kann die Regressforderung nicht im Verfahren geltend gemacht werden. Da der Gläubiger wegen § 43 seine Forderung uneingeschränkt in der Höhe geltend machen kann, in der sie zur Zeit der Verfahrenseröffnung bestand und nicht um den Teilbetrag kürzen muss, den der Regressberechtigte gezahlt hat, würde der Teilregress hier zu einer Vergrößerung des Anteils an der Haftungsmasse führen, die vermieden werden muss, weil das Teilnahmerecht des Regressberechtigten mit dem des Gläubigers identisch ist. Die Einschränkung des Teilnahmerechts des Rückgriffsberechtigten nimmt ihm das Recht, 7 seine Forderung zur Tabelle anzumelden und damit auch alle weiteren Rechte, welche die Anmeldung voraussetzen, wie das Stimmrecht (§§ 77, 237),18 das Antragsrecht des § 78 oder das Widerspruchsrecht des § 251 I Nr 1. Die Einschränkung des Teilnahmerechts bedeutet aber nicht, dass der Rückgriffsberechtigte nicht als Insolvenzgläubiger einzuordnen wäre.19 Er ist lediglich in der Ausübung seines Gläubigerrechts eingeschränkt. Deshalb wird er als Insolvenzgläubiger auch von einem Insolvenzplan (§ 254 II S 2) und der Restschuldbefreiung betroffen (§§ 285, 301 I, II S 2).20 Zu den Problemen der Beteiligung des Rückgriffsberechtigten bei der Planerstellung und am Restschuldbefreiungsverfahren s zu § 254 und § 301.21 Wird der Gläubiger nach Verfahrenseröffnung vollständig befriedigt und scheidet deshalb der Hauptgläubiger aus dem Verfahren aus, ist keine Neuanmeldung der Forderung nötig, da der Regressberechtigte in die Stellung des gemeinsamen Gläubigers einrückt;22 die Rechtsnachfolge ist in der Tabelle zu vermerken.23 Der Insolvenzverwalter, aus dessen Masse die Dividende für den vollen Forderungsbetrag 8 entrichtet worden ist, kann einen Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners gegen einen Mitschuldner geltend machen, und zwar unbeschränkt gegenüber dem nicht selbst im Insolvenzverfahren stehenden erstattungspflichtigen Mitschuldner, aber im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen nur soweit, wie entweder der Hauptgläubiger seine Forderung gegen diese Masse nicht geltend macht oder wie nach Vollbefriedigung des Hauptgläubigers noch weitere Anteile auf den Forderungsbetrag entfallen.24 Dagegen kann eine Insolvenzmasse, aus der dem Gläubiger höchstens der Betrag seiner noch ausstehenden Forderung gezahlt werden kann, von dem Insolvenzverwalter des Erstattungsberechtigten nicht auf diejenigen Anteile belangt werden, die aus dessen Masse über ihre nach dem Innenverhältnis bestehende Ausgleichspflicht hinaus geleistet

§ 38 Rn 104, 108; s auch Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 54, 55. Begr zu § 51 RegE; FK/Bornemann InsO9 § 44 Rn 1; Habersack BKR 2007, 77. MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 15; Zeising DZWIR 2010, 316, 322. MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 19; BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 44 Rn 20; Braun/Bäuerle InsO9 § 44 Rn 3. AA Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 44 Rn 3. 19 BeckOK/Jungmann InsR27 InsO § 44 Rn 20 f. 20 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 18; Noack/Bunke a.a.O. S 360 ff, missverständlich aber S 356 f. AA KK/Hess InsO § 44 Rn 3. 21 Ausführlich dazu Noack/Bunke a.a.O. S 361 ff; s auch Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 14 f. 22 BFH ZIP 2014, 737 Rn 28; Henckel Voraufl § 38 Rn 122; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 9; s auch § 38 Rn 114. 23 Proske ZIP 2006, 1035, 1040; Zeising WM 2010, 2205, 2208; HambK/Lüdtke InsO9 § 44 Rn 24; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 21 mwN. 24 RGZ 14, 172; 42, 35; RG JW 1900, 184; 1903, 245; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 13.

15 16 17 18

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§ 44

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

worden sind.25 In keinem Fall kann eine Masse höhere Beträge erstattet verlangen als sie selbst entrichtet hat.26 9 Ausgleichprobleme können entstehen bei gleichstufigen Gesamtschuldnern. Wird über das Vermögen des einen von ihnen das Insolvenzverfahren eröffnet, wird sich der Gläubiger an den anderen halten und von ihm volle Tilgung der Schuld verlangen und erhalten. Die hM geht davon aus, dass der gleichstufige zahlende Gesamtschuldner nach § 426 II BGB die Forderung des Gläubigers nur zur Hälfte erwirbt, weil er nach § 426 I S 1 im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen verpflichtet ist.27 Demzufolge bekäme er nur die Quote, die auf die Hälfte des Betrages entfällt, den er an den Gläubiger geleistet hat. Betrug die Forderung des Gläubigers 50 000 A, und hat der Gesamtschuldner diesen Betrag dem Gläubiger gezahlt, bekäme er die Quote auf seine Regressforderung von 25 000 A, also 5 000 A, wenn die Quote 20 % beträgt. Er hat also 45 000 A,– aufwenden müssen. Würde dagegen der Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren voll anmelden, bekäme dieser die Quote von 20 % auf 50 000 A, also 10 000 A, und der Mitverpflichtete bräuchte ihm nur noch 40 000 A zu zahlen. Der Nachteil, der danach dem Mitschuldner entsteht, lässt sich durch eine Vereinbarung mit dem Gläubiger, dass dieser zunächst am Insolvenzverfahren teilnehmen solle, nicht generell ausschließen, auch nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen oder Individualvereinbarungen, die alle Zahlungen eines Mitverpflichteten nur als Bestellung einer Sicherheit für den Ausfall des Gläubigers deklarieren.28 Solche Vertragsgestaltungen mögen möglich sein bei Kreditgeschäften, sicher aber dann nicht, wenn mehrere Deliktschuldner gleichstufig als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Der Geschädigte hat keinen Grund, mit den Mittätern darüber zu verhandeln und auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens des einen Mittäters zu warten, bis er den anderen, zahlungsfähigen, in Anspruch nimmt. Und wenn dieser sogleich alles zahlt unter dem Vorbehalt, die Quote des Geschädigten später ausbezahlt zu bekommen, ist er nicht sicher, wie diese ausfällt, zumal er keinen Einfluss auf den Ablauf des Insolvenzverfahrens nehmen kann und zB in Kauf nehmen muss, dass in einem Insolvenzplan die Forderungen der Gläubigergruppe, welcher der Geschädigte angehört, erlassen werden. 10 Eine Lösung, die auch den Interessen des Mitschuldners genügt, der mit dem Gläubiger keine Vereinbarung herbeiführen kann, muss einen anderen Weg suchen. Auszugehen ist dabei von der Funktion der Regressregeln im Insolvenzverfahren. Der Forderungsübergang, der an die Regressberechtigung anknüpft, bringt dem Zessionar, jedenfalls zunächst, für sich allein nichts. Denn er kann weder auf Leistung klagen noch vollstrecken. Was für ihn allein Bedeutung und Gewicht hat, ist das Teilnahmerecht des Gläubigers am Insolvenzverfahren, das der voll zahlende Mitschuldner mit dem Forderungsübergang erwirbt. Nur der durch die Höhe der Forderung bestimmte Anteil an der zur Verteilung anstehenden Haftungsmasse und dessen Wert ist für ihn im Insolvenzverfahren zu realisieren. Die Auszahlung der Quote durch den Insolvenzverwalter ist nicht Erfüllung der Forderung, sondern Verwertungserlös, der die Forderung mindert wie der Erlös aus der Versteigerung einer einzelnen Sache. Diesen Wert kann der Regressberechtigte bis zur Höhe seiner Regressforderung in Anspruch nehmen. Sein Teilnahmerecht ist also zwar begrenzt durch die Höhe seiner Regressforderung. Mehr als 25 000 A darf er im Beispielsfall nicht bekommen. Das bedeutet aber nicht, dass auch das Teilnahmerecht des Gläubigers lediglich zur Hälfte auf ihn übergehen kann. Eine solche Sicht wäre nur am Forderungsrecht, wie es außerhalb eines Insolvenzverfahrens besteht, orientiert, vernachlässigt aber die haftungsrechtliche Funktion, die der Forderung im Insolvenzverfahren zukommt. Geht also die Forderung, die der Mitschuldner getilgt hat, genauer: das Teilnahmerecht, zu 100 % auf ihn über, be-

25 Kohler Lehrbuch des Konkursrechts (1891) S 368. 26 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 68 Rn 13. 27 OLG Jena FamRZ 2012, 372; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 21 f; Selb Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, Handbuch des Schuldrechts V § 7 VI 3.

28 Vorgeschlagen von MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 22. Eichel

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Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen

§ 44

kommt er die Quote von 10 000 A, hat also nur 40 000 A aufzuwenden, auch wenn der Gläubiger ihn zunächst voll in Anspruch nimmt.29

4. Gesicherter Rückgriffsanspruch Hat sich der Rückgriffsberechtigte seinen Regressanspruch sichern lassen durch ein Recht, das ihn 11 zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, oder kann er mit seinem Regressanspruch wirksam (§§ 387 ff BGB, §§ 94–96 InsO)30 gegen eine Forderung des Insolvenzschuldners aufrechnen, unterliegt er insoweit keinen Beschränkungen.31 Der Erlös aus der Verwertung des Absonderungsrechts steht ihm nach Maßgabe der §§ 170, 171 zu, und die Aufrechnung verschafft ihm Befriedigung, soweit die Gegenforderung seinen Rückgriffsanspruch deckt. § 44 ist nur insoweit anwendbar, wie der Rückgriffsberechtigte aus dem Absonderungsobjekt (§ 52 S 2) oder durch die Aufrechnung keine volle Deckung erlangt und damit Befriedigung nicht als Absonderungsberechtigter, sondern aus der persönlichen Insolvenzforderung sucht.32

5. Gesellschafterregress Für den Gesellschafter einer AG, GmbH oder einer Personengesellschaft, der eine persönliche 12 Verpflichtung gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger übernommen hat (zB Schuldbeitritt), gilt nichts anderes als oben für Mitverpflichtete ausgeführt worden ist. Er kann seinen daraus resultierenden Rückgriffsanspruch in der Gesellschaftsinsolvenz nicht neben dem Gläubiger anmelden.33 Leistet ein nach § 128 HGB persönlich haftender Gesellschafter vor der Eröffnung des Insol- 13 venzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft dem Gesellschaftsgläubiger, kann er seine Regressforderung im Umfang seiner Leistung anmelden (Rn 2). Leistungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens befreien ihn dagegen nicht von seiner persönlichen Haftung. Denn § 93 berechtigt allein den Insolvenzverwalter zu deren Geltendmachung. Mangels befreiender Wirkung hat der Gesellschafter keinen Regressanspruch gegen die Gesellschaft. Er kann nur seine Leistung von dem Gesellschaftsgläubiger zurückverlangen (§ 812 BGB).34 Das gilt wegen § 171 II HGB auch für den ausgeschiedenen Kommanditisten, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft an einen Gesellschaftsgläubiger leistet.35 Hat er vor der Eröffnung des Verfahrens geleistet, scheitert sein Regressanspruch daran, dass die Ausschüttung einer Quote die persönliche Haftung des Kommanditisten wieder aufleben lässt, sodass der Insolvenzverwalter ihn wieder nach § 93 in Anspruch nehmen könnte.36 Ist ein ausgeschiedener Kommanditist einer Gesellschaft, über deren Vermögen das Insol- 14 venzverfahren eröffnet worden ist, vom Insolvenzverwalter nach § 93 in Höhe der Rückgewähr seiner Einlage in Anspruch genommen worden, kollidiert sein Rückgriffsanspruch gegen die Gesellschaft nur mit den Forderungen der Gesellschaftsgläubiger, deren Forderungen beim Ausscheiden des Kommanditisten schon bestanden (Altgläubiger). Solange diese Gläubiger nicht voll be29 Kritisch MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 22 Fn 86. 30 Näher zu § 95; zu beachten ist die gegenüber der KO strengere Regelung der Aufrechnung, s auch MünchKomm/ Bitter InsO4 § 44 Rn 32.

31 RGZ 80, 409, 412; RG SeuffBl 72, 984, 987; RG JW 1936, 3126; BGH NJW 1960, 1295; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 31; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 44 Rn 6; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 44 Rn 12 f. Zum Zeitpunkt der Tilgungswirkung s § 43 Rn 14. 32 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 31. 33 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 34. 34 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 36. 35 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 37. 36 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44 Rn 38; K Schmidt Einlage und Haftung (1977) S 92; Wissmann a.a.O. Rn 471. Vgl BGH ZIP 2021, 255 Rn 52. 387

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§ 44

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

friedigt sind, kann der Kommanditist seinen Rückgriffsanspruch gegen die Gesellschaft nicht geltend machen.37 Haben aber diese Altgläubiger volle Deckung für ihre Forderungen erhalten, steht der Berücksichtigung der Regressforderung nicht entgegen, dass andere Gläubiger der Gesellschaft ganz oder teilweise leer ausgehen.38 Hat der Kommanditist mehr geleistet als zur Befriedung der Altgläubiger gebraucht wurde, kann er sich neben den Neugläubigern gleichberechtigt mit seinem Erstattungsanspruch am Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft beteiligen. Der Erstattungsanspruch richtet sich gegen die Insolvenzmasse, ist also vom Insolvenzverwalter zu zahlen.39 Ein Direktanspruch gegen die begünstigten Gläubiger besteht nicht.40 Hat ein Dritter einer GmbH oder einer unter Kapitalersatzgesichtspunkten gleich gestellten 15 Gesellschaft in kritischer Zeit ein Darlehen gewährt, das von einem Gesellschafter abgesichert worden ist, muss der Dritte nach § 44a InsO (früher: § 32a II GmbHG aF) sich zunächst aus der von dem Gesellschafter gestellten Sicherheit befriedigen. Für die sich dazu ergebenden Streitfragen über das Verhältnis zu §§ 43, 44 s bei § 44a.41

37 BGH ZIP 2021, 255 Rn 52; BGHZ 27, 51 ff; Wissmann a.a.O. Rn 449 ff, 472; KK/Hess InsO § 44 Rn 4; im Ergebnis zust mit anderer Begründung, die aus §§ 171, 172 IV HGB abgeleitet wird K Schmidt a.a.O. (Fn 36) S 150 ff; zust MünchKomm/ Bitter InsO4 § 44 Rn 37. 38 BGHZ 39, 319 = JR 1964, 99 (Schilling) = LM Nr 2–4 zu § 172 HGB (Fischer); Kilger/Schmidt KO17 § 68 Anm 6; Wissmann a.a.O. Rn 462, 463. 39 BGHZ 39, 319, 327; Jaeger/Weber KO8 §§ 209, 210 Rn 34; Tschierschke Das Ausscheiden des Kommanditisten und die Stellung des Ausgeschiedenen im Konkurs der Gesellschaft, Diss München (1966) S 71. 40 AA Wissmann a.a.O. Rn 482. 41 Gegen Geltung des Ausfallsprinzips unter § 32a II GmbHG aF Henckel Voraufl § 44 Rn 13. Eichel

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§ 44a Gesicherte Darlehen In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft kann ein Gläubiger nach Maßgabe des § 39 Abs. 1 Nr. 5 für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt oder für die er sich verbürgt hat, nur anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit oder des Bürgen ausgefallen ist.

Gesetzesänderungen Keine.

Materialien RegE MoMiG S 30, Begr S 131; BR-Drucks 354/07, S 30, Begr S 131; BT-Drucks 16/6140, S 16, Begr S 57.

Vorgängerregelungen § 32a II GmbHG idF bis zum MoMiG.

Literatur Altmeppen Der Verzicht des Gläubigers auf eine Gesellschaftersicherheit und der „Richtigkeitsgedanke“ im Recht der Gesellschafterdarlehen, ZIP 2016, 2089; Bitter Die Doppelsicherung durch Gesellschaft und Gesellschafter als Lackmustest für den Normzweck des Gesellschafterdarlehensrechts, FS Kayser (2019), S 41; Bitter Förderung von Neukrediten durch Gesellschafter und Dritte in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 COVInsAG – eine Zwischenbilanz, GmbHR 2020, 861; Bork Doppelbesicherung eines Gesellschafterdarlehens durch Gesellschaft und Gesellschafter, FS Ganter (2010), S 135; Dahl/ Schmitz Eigenkapitalersatz nach dem MoMiG aus insolvenzrechtlicher Sicht, NZG 2009, 325; Ede Die Doppelbesicherung einer Gesellschaftsschuld und der Verzicht auf eine Gesellschaftersicherheit ZInsO 2012, 853; Frege/Nicht/Schildt Die Anwendung von § 44a InsO bei der Doppelbesicherung in der Konzerninsolvenz, ZInsO 2012, 1961; Neuberger Gesellschafterforderung und andere nach §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a, 135 Abs. 2 und 3, 143 Abs. 3 InsO, ZInsO 2018, 1125; K Schmidt Eigenkapitalersatz, oder: Gesetzesrecht vs. Rechtsprechungsrecht?, ZIP 2006, 1925; Schmidt/Bitter Doppelberücksichtigung, Ausfallprinzip und Gesellschafterhaftung in der Insolvenz, ZIP 2000, 1077; Schröder Die Vergleichs- und Regelungsbefugnis hinsichtlich § 44a InsO und § 254 Abs. 2 InsO im Insolvenzplan, ZInsO 2015, 1040; Spliedt MoMiG in der Insolvenz – Ein Sanierungsversuch, ZIP 2009, 149; Thole Gesellschafterbesicherte Kredite und Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO, ZIP 2015, 609; Thonfeld Eigenkapitalersetzende Gesellschaftersicherheiten und der Freistellungsanspruch der Gesellschaft (2005).

Übersicht I. 1. 2. 3.

Einleitung 1 2 Regelungsgegenstand 3 Normgeschichte 4 Normzweck a) Die Nichtübertragbarkeit des Normzwecks 5 von § 32a Abs. 2 GmbHG a.F. b) § 44a InsO als Vorschrift zur Entlastung des 6 Insolvenzverwalters

5.

Besonderheiten bei Kreditvergabe und Besiche11 rung im Konzernverbund

III. 1.

II. 1. 2. 3. 4.

Anwendungsbereich 7 Insolvenzverfahren 8 Erfasste Gesellschaften Kreditgewährung durch einen Dritten Kreditsicherheit durch einen Gesellschaf10 ter

2. 3.

Sicherheiten 12 Vertragliche Sicherheiten 13 a) Verzicht auf eine Sicherheit b) Sicherheiten mit zweifelhaftem rechtlichem 14 Hintergrund 15 c) Mittelbare Sicherheiten 16 Gesetzliche Sicherheiten 17 Gesetzliche Haftung

389 https://doi.org/10.1515/9783110666175-011

9

IV. 1.

Die Durchsetzung einer Sicherheit Die Auslegung des Begriffs „anteilsmäßige Befrie18 digung“

Mylich

§ 44a

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

a) b) 2. 3. 4.

V. 1.

(Keine) Orientierung an § 52 InsO 19 Die h.M. mit der bloßen Beschränkung auf 20 die Verfahrenstechnik 21 Vergleichsbefugnis und Insolvenzplan 22 Aufrechnung Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesell23 schafter

2.

3.

VI.

Sicherheit der Gesellschaft und Sicherheit des Gesellschafters beim Kredit durch eine übergeord25 nete Konzerngesellschaft Mehrere konzerninterne Sicherheiten, die nicht 26 von der Kreditnehmerin gestellt werden Rechtsfolgen für Gesellschaft und Gesellschaf27 ter

Doppelsicherheiten Sicherheit der Gesellschaft und des Gesellschaf24 ters

Alphabetische Übersicht Aufrechnung 22 Doppelinsolvenz 23 Garantie 12 Gesetzliche Haftung 17 Insolvenzplan 21 Kautionsversicherung 12 Konzern 9, 11, 16, 25 f Patronatserklärung 12

Sicherheit – Doppelsicherheit 24 ff – Durchsetzung 18 ff – gesetzlich 16 – mittelbar 15 – Verzicht 13 – Wert 14 Vergleich 21 Verlustausgleich 12

I. Einleitung 1 § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO regelt den Nachrang von Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren. § 135 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 InsO regelt die Anfechtung der Besicherung eines Gesellschafterdarlehens. § 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 InsO regelt die Anfechtung der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens. In § 135 Abs. 2, Abs. 4 InsO i.V.m. § 143 Abs. 3 ist die Anfechtbarkeit der Rückzahlung eines Drittdarlehens gegenüber dem Gesellschafter geregelt, wenn dieser eine Sicherheit gestellt hatte. Insbesondere in Ergänzung dazu trifft § 44a InsO eine Regelung, wenn der Kredit des Dritten an die Gesellschaft durch den Gesellschafter besichert war, aber noch nicht (vollständig) zurückgezahlt worden ist.1

1. Regelungsgegenstand 2 § 44a InsO trifft eine Regelung zum Verhältnis der Anmeldung der Forderung des Gläubigers im Insolvenzverfahren der Gesellschaft und der Verwertung der durch den Gesellschafter gestellten Sicherheit.2 Zunächst verweist § 44a InsO den Gläubiger darauf, gegen den Gesellschafter mit seiner Sicherheit vorzugehen. Nur soweit er ausgefallen ist, darf er seine Forderung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft anmelden. Damit weicht die Vorschrift von § 43 InsO ab, denn dort wird eindeutig geregelt, dass ein Gläubiger seine Forderung in voller Höhe anmelden kann, auch wenn ihm eine Sicherheit haftet (zur umstrittenen Auslegung von § 44a Rn 18 ff). Mit Recht wird deshalb darauf verwiesen, dass die Vorschrift eigentlich als ergänzender Satz oder Absatz zu § 43 InsO gehört, um eine Ausnahme von dem dort statuierten Prinzip zu verdeutlichen.3 1 BGHZ 193, 378 Rn 13; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 1. 2 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 1. 3 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 1. Mylich

390

Gesicherte Darlehen

§ 44a

2. Normgeschichte Die Vorgängervorschrift von § 44a InsO ist der bis zum MoMiG geltende § 32a Abs. 2 GmbHG.4 Diese 3 Vorschrift regelte (aber beschränkt auf eigenkapitalersetzende Sicherheiten), dass der (externe) Darlehensgeber, der sein Darlehen im Zustand der Krise gewährt (d.h. wenn Dritte kein Darlehen mehr gegeben hätten) und sich durch einen Gesellschafter besichern lassen hatte, zunächst Befriedigung beim Sicherungsgeber suchen musste und nur in Höhe des ausgefallenen Betrags als Insolvenzgläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft teilnehmen durfte.5 Hatte das Insolvenzrecht im früheren Eigenkapitalersatzrecht eigentlich keine Rolle gespielt, so hatte diese Regelung gleichwohl eine Bedeutung, denn auf den Dritten als Darlehensgeber konnten die §§ 31, 30 GmbHG nicht angewendet werden, nur weil er einer Gesellschaft in deren Krise Kredit gab und sich vom Gesellschafter besichern ließ. Es wäre nicht sachgerecht gewesen, nur wegen des Zusammenwirkens von Kreditgeber und Gesellschafter den externen Kreditgeber auf seine Sicherheit gegen den Gesellschafter zu beschränken.6 Allerdings gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen § 32a Abs. 2 GmbHG und § 44a InsO. § 32a Abs. 2 GmbHG nahm auf die Gesellschaftersicherheiten für ein in der Krise gewährtes Darlehen Bezug, während § 44a InsO pauschal auf vom Gesellschafter gestellte Sicherheiten Bezug nimmt. Eigenkapitalersetzend war ein Darlehen, wenn der Gesellschafter dies in der Krise überlassen bzw. trotz Abzugsmöglichkeit belassen hat. Die Krise war jener Zustand, in der ein Dritter kein Darlehen mehr gewährt.7 Eigenkapitalersetzend war eine Sicherheit, wenn ein Dritter kein Darlehen mehr gewährt, jedoch der Dritte das Darlehen deshalb gewährte, weil er die Sicherheit vom Gesellschafter erhalten hatte.8 War die Gesellschaft bei Überlassung des Darlehens noch kreditwürdig, steht im Zweifel, ob es ein eigenkapitalersetzendes Belassen des vom Gesellschafter besicherten Kredits geben konnte. Das ist abzulehnen, denn der vom Gesellschafter besicherte Kreditgeber kündigt das Darlehen außerordentlich (§ 490 BGB), wenn er 1) die rechtliche Möglichkeit dazu hat und 2) dieses Vorgehen wirtschaftlich aus seiner Sicht sachgerecht ist. Zwar konnte das Belassen eines Darlehens vom Gesellschafter in der Krise zu einem eigenkapitalersetzenden Darlehen führen, jedoch kann bei einer Sicherheit zumindest aus Perspektive des Gläubigers keine eigenkapitalersetzende Sicherheit entstehen. Der Gläubiger hat wegen der Sicherheit keinen Anlass zur Kündigung des Darlehens; der Gesellschafter hat als Sicherungsgeber keine Möglichkeit zur Kündigung des Darlehens. Durch die Wandlung des Rechts der Gesellschafterdarlehen hin zu einem Nachrang und der uneingeschränkten Anfechtung der Rückzahlung bei einem Insolvenzantrag innerhalb der Jahresfrist, kommt es auf die Gewährung bzw. Besicherung in der Krise nicht mehr an.9 Auch außerhalb einer Krise gewährte Darlehen, die durch einen Gesellschafter besichert worden sind, unterfallen dem § 44a InsO.

3. Normzweck Für § 44a InsO wird auf den Normzweck von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO verwiesen.10 Logisch ist 4 zunächst die Idee, dass die Sonderregelung zu den Gesellschafterdarlehen auch dann greifen soll, wenn der Gesellschafter nicht Kredit, sondern für den Kredit eines Dritten eine Sicherheit gewährt hat.11 Gleichwohl bedarf es dafür keiner Regelung wie in § 44a InsO, sondern vielmehr genügt die Anfechtungsmöglichkeit gem. §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO. Es ist nicht zu erklären, warum dem 4 Bork FS Ganter (2010), S 135, 137; FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 4; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 1; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 7; bereits zuvor als Gesetzesvorschlag K Schmidt ZIP 2006, 1925, 1929.

5 Bork FS Ganter (2010), S 135, 137 f; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 85 ff. 6 Theoretische Überlegungen dazu bei Frege/Nicht/Schildt ZInsO 2012, 1961, 1964. 7 BGHZ 76, 326, 330; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 48 mwN. 8 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 83. 9 BGH ZIP 2015, 1130 Rn 5. 10 Insbesondere MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 3 ff. 11 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 3. 391

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externen Kreditgeber mit Blick auf die Beziehung von Gesellschaft und Gesellschafter besondere Pflichten auferlegt werden.

5 a) Die Nichtübertragbarkeit des Normzwecks von § 32a Abs. 2 GmbHG a.F. Der frühere § 32a Abs. 2 GmbHG ließ sich noch legitimieren, wenn man den Anwendungsbereich auf die Überlassung eines Darlehens in der Krise mit kapitalersetzender Sicherheit beschränkt. In diesem Fall wirken Gesellschafter und Kreditgeber zusammen. Nun erfasst § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO aber jedes Darlehen, denn es wird vermutet, dass der Gesellschafter durch Gewährung oder Belassen bei Insolvenzreife den Insolvenzantrag verschleppt hat (siehe dazu bei § 39 InsO Rn 87 ff insb 91 ff).). Das Belassen darf aber nicht zum Nachteil für den externen Kreditgeber, der sich bloß besichern lässt, führen. Mag der externe Kreditgeber, der sich vom Gesellschafter besichern lässt, an der Verschleppung einer Insolvenz mitwirken, wenn er das Darlehen gewährt, so kann dies für ein Belassen nicht mehr bejaht werden. Steht aber zweifelsfrei fest, dass das gewährte Darlehen im Zeitpunkt der Vergabe unter Einbeziehung der Besicherung durch den Gesellschafter jedem Drittvergleich standhält, ist der Normzweck nicht erfüllt. Selbst wenn man den anderen Auffassungen zum Normzweck des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO folgt (Überblick dazu bei § 39 Rn 88 f), kann man § 44a InsO nicht legitimieren. Der externe Kreditgeber trägt keine Finanzierungsfolgenverantwortung und auch ein Abstellen auf die formelle Unterkapitalisierung ist nicht möglich. Der externe Kreditgeber trägt zu keinem Zeitpunkt eine Verantwortung für die Art der Finanzierung – ja er kann nicht einmal Eigenkapital gewähren. Auch die Legitimation von §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit der Sichtweise, dass der Gesellschafter das Übermaß an Profiten abziehen könne, sodass bei Verlusten die externen Gläubiger vorrangig befriedigt werden müssen, verfängt bei einem Dritten als Kreditgeber nicht. Dieser profitiert gerade nicht von einem besonders hohen Gewinn aufgrund der Fremdfinanzierung.

6 b) § 44a InsO als Vorschrift zur Entlastung des Insolvenzverwalters. Letztlich will sich § 44a InsO gegen den Gesellschafter wenden, wendet sich aber verfahrensrechtlich gegen den Drittkreditgeber.12 Es ist nicht notwendig, den Drittkreditgeber zu belasten;13 vielmehr übernimmt die Vorschrift unter Verkennung der Neujustierung des Rechts der Gesellschafterdarlehen unbedacht § 32a Abs. 2 GmbHG a.F., der unter dem Eigenkapitalersatzrecht einen nachvollziehbaren Normzweck hatte. Die Anordnung, vorrangig gegen den Gesellschafter vorzugehen, war aus Sicht des Eigenkapitalersatzrechts konsequent, denn zum einen wurden nur in der Krise gegen Gesellschaftersicherheit gewährte oder gegen Gewährung einer nachträglichen Gesellschaftersicherheit belassene Darlehen erfasst. Aufgrund der Krisensituation und gleichzeitigen Besicherung durch den Gesellschafter lag eine Konstellation vor, in der auch ein Dritter als Kreditgeber für weitere Folgen verantwortlich gemacht werden konnte. Wegen der Situationsunabhängigkeit bei Darlehensgewährung und Darlehensbesicherung bleibt nur, darauf zu verweisen, dass der Normzweck des § 44a InsO eng mit § 135 Abs. 2 InsO verknüpft ist. Der Kreditgläubiger soll nicht vorrangig am Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilnehmen und diese darauf verweisen, ggf. beim Gesellschafter über §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO im Weg der Insolvenzanfechtung Regress zu nehmen, sondern sich zuerst an den Gesellschafter halten, um dann der Gesellschaft nachzuweisen, in welcher Höhe er ausgefallen ist und noch als Insolvenzgläubiger befriedigt werden muss (zum Streit um die Höhe der anzumeldenden Forderung siehe Rn 18 ff). Die Vorschrift hat daher eine reine Entlastungsfunktion für den Insolvenzverwalter der Gesellschaft. Der Gläubiger kann seine Forderung in voller Höhe zur Tabelle anmelden und alle Gläubigerrechte ausüben, denn § 44a InsO hat seinen Anwendungsbereich im Verteilungsverfahren.14 Allerdings 12 Bitter FS Kayser (2019), S 41, 45; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 5. 13 AA Bitter FS Kayser (2019), S 41, 45; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 5. 14 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 13; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 20. Mylich

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kann der Gläubiger bis zur Verwertung der Sicherheit nicht von einer Vorabverteilung gem. § 187 Abs. 2 S. 1 InsO profitieren.

II. Anwendungsbereich 1. Insolvenzverfahren § 44a InsO nimmt Bezug auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Es bedarf daher der Insolvenz einer Gesell- 7 schaft, die in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. in § 39 Abs. 4 S. 1 InsO genannt ist. Notwendig ist zunächst ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der kreditierten Gesellschaft. Außerhalb des Insolvenzverfahrens und auch bei Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse oder aus anderen Gründen kommt die Vorschrift nicht zur Anwendung.15 Im Zuge der Privilegierung von Gesellschafterdarlehen durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG kommt § 44a InsO nicht zur Anwendung, wenn es sich um ein nach dieser Vorschrift privilegiertes Gesellschafterdarlehen handeln würde, hätte der Gesellschafter nicht Sicherheit, sondern selbst Kredit gewährt16 (Details dazu bei § 39 InsO Rn 225).

2. Erfasste Gesellschaften Erfasst sind alle Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt mit dem eigenen 8 Vermögen haftet (siehe § 39 InsO Rn 159 ff).

3. Kreditgewährung durch einen Dritten Ein Dritter muss Kredit gewähren (zur Kreditgewährung und Kreditbesicherung durch Konzern- 9 gesellschaften siehe Rn 11, 25 f).17 Hierfür kann auf die Kommentierung in § 39 InsO zurückgegriffen werden. Alle Tatbestände, die dort kreditähnlich eingeordnet worden sind, kommen auch für einen Kredit im Sinne von § 44a InsO in Betracht (ausführlich bei § 39 InsO Rn 105 ff). Für die umstrittenen Tatbestände (z.B. Finanzierungsleasing), für die zusätzlich eine Sicherheit durch den Gesellschafter gewährt worden ist, kommt auch § 44a InsO zur Anwendung, wenn man den jeweiligen Tatbestand kreditähnlich einordnet.18 Der Zeitpunkt und der Umstand des Darlehens sind für § 44a InsO irrelevant. Auch erfasst sind Darlehen von Mitgesellschaftern, die gem. § 39 Abs. 4 S. 2 InsO und § 39 Abs. 5 InsO privilegiert sind.19

4. Kreditsicherheit durch einen Gesellschafter Zudem muss ein Gesellschafter oder eine einem Gesellschafter gleichzustellende Person dem Drit- 10 ten eine Sicherheit gewährt haben. Für den Begriff des Gesellschafters bzw. der gesellschaftergleichen Person kann auf die Kommentierung in § 39 InsO verwiesen werden (siehe § 39 InsO Rn 172 ff).20 Das ist insbesondere auch relevant, wenn die Sicherheit z.B. von einer Schwestergesellschaft gestellt wird. Deren Kredit muss aus pragmatischen Gründen (siehe § 39 Rn 206) auch 15 16 17 18 19 20

GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 157. Bitter GmbHR 2020, 861, 871 Rn 54. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 7, 11; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 11. MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 13. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 7; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 11. Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 8; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 18.

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wie ein Gesellschafterdarlehen behandelt werden, obwohl aus ihrer Sicht keine Über- Unterordnung zur kreditnehmenden Gesellschaft existiert. Allerdings ist der Kredit dem Gesellschafter zuzurechnen. Das gilt dann auch für eine von der Schwestergesellschaft gestellte Sicherheit. Ob diese von der Muttergesellschaft als Gesellschafterin direkt oder eben aus der Hand der Schwestergesellschaft stammt, ist aus der Perspektive des Rechts der Gesellschafterdarlehen irrelevant. Andererseits sind die Sicherheiten jener Gesellschafter irrelevant, die als Sanierungsgesellschafter (§ 39 Abs. 4 S. 1 InsO) oder Kleinbeteiligte (§ 39 Abs. 5 InsO) gelten.21 Hingegen kommt es auch bzw. bleibt es bei der Anwendung von § 44a InsO, wenn der Gesellschafter erst nachträglich besichert oder der Sicherungsgeber erst nachträglich Gesellschafter wird (Ausn.: Sanierungsgesellschafter iSv § 39 Abs. 4 S. 2 InsO) oder der Gesellschafter seine Position noch nicht vor mehr als einem Jahr aufgegeben hat.22

5. Besonderheiten bei Kreditvergabe und Besicherung im Konzernverbund 11 Handelt es sich beim Kreditgeber selbst um einen Gesellschafter bzw. eine gesellschaftergleiche Person (Muttergesellschaft als Kreditgeberin gegenüber Enkelgesellschaft; der Muttergesellschaft zuzurechnende Schwestergesellschaft als Kreditgeberin gegenüber der anderen Schwestergesellschaft) und hat eine weitere Konzerngesellschaft die Sicherheit bestellt, kommt § 44a InsO ebenfalls zur Anwendung.23 Zwar mag es in den meisten Fällen so sein, dass die kreditgebende Konzerngesellschaft wegen der Anwendung von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sowieso ausfallen würde in der Insolvenz der kreditnehmenden Konzerngesellschaft, aber in jenem Fall, dass die Masse genügt, auch Ansprüche mit fünftem Nachrang (partiell) zu befriedigen, muss § 44a InsO angewendet werden. Vergibt Tochtergesellschaft A-AG an Tochtergesellschaft B-AG ein Darlehen und wird dieses von Tochtergesellschaft C-AG besichert, führt die gemeinsame Muttergesellschaft M-AG zum Konzernverbund. Aus der Perspektive der insolventen Tochtergesellschaft B-AG stammen Darlehen und Sicherheit von der M-AG. A-AG muss also zunächst die von der C-AG gestellte Sicherheit verwerten, ehe A-AG im fünften Nachrang ihre Forderung im Insolvenzverfahren der B-AG ggf. geltend machen kann.

III. Sicherheiten 1. Vertragliche Sicherheiten 12 Grundsätzlich erfasst sind vertragliche Sicherheiten für Darlehen, die durch den Gesellschafter zugunsten des Gläubigers bestellt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Real- oder Personalsicherheiten oder um Mobiliar- oder Immobliarsicherheiten handelt.24 Selbst bei bloß subsidiärer Inanspruchnahme ist die Sicherheit aus § 44a InsO erfasst.25 Vom Wortlaut nicht gedeckt sind vertragliche Sicherheiten für andere vertragliche Ansprüche, so z.B. für einen Kaufpreis. Gleichwohl ist die Vorschrift anwendbar, wenn der Gläubiger den Kaufpreis vorläufig nicht geltend macht, d.h. kreditiert.26 Nicht erfasst sind Ausstattungs- und Liquiditätsversprechen

21 FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 21; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 44a Rn 20; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 18.

22 FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 22; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 19. 23 AA FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 9; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 11. 24 FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 22; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 9; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 16. 25 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 16a; Schröder ZInsO 2015, 1040, 1041. 26 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 359; skeptisch Thole ZIP 2015, 609, 612 f. Mylich

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des Gesellschafters.27 Das ist für einen vertraglichen oder konzernrechtlichen Verlustausgleich bzw. eine interne Patronatserklärung einleuchtend (zur Sicherheit gem. § 303 AktG siehe Rn 16). Anders ist für die externe Patronatserklärung zu entscheiden. Sie kann als vertragliche Sicherheit im Sinne von § 44a InsO eingeordnet werden.28 Zwar dient sie nur der Ausstattung des Rechtsträgers. Allerdings wandelt sie sich gerade im Insolvenzverfahren des Rechtsträgers in einen direkten Zahlungsanspruch des Gläubigers. Das ist exakt die Situation, die § 44a InsO erfassen will. Nicht erfasst ist hingegen eine vom Gesellschafter gegen zusätzliche Vergütung angebotene Zahlungsgarantie oder Kautionsversicherung (siehe § 39 Rn 105 aE).

a) Verzicht auf eine Sicherheit. Ob sich der Gläubiger der Anwendung von § 44a InsO entzie- 13 hen kann, wenn er gegenüber dem Gesellschafter auf die Sicherheit verzichtet, ist umstritten. Das wird bestritten mit dem Hinweis darauf, dass das Recht der Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren nicht disponibel sei.29 Zudem sollen sich Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten der Gesellschaft ergeben. Zutreffend ist die Gegenauffassung, die Bestellung und Verzicht einer Gesellschaftersicherheit mit Blick auf die Privatautonomie dem Belieben der Beteiligten unterwirft.30 Grundsätzlich hat der Kreditgeber die Möglichkeit, in voller Höhe auf die Gesellschaft zuzugreifen. Bei zusätzlicher Absicherung durch den Gesellschafter bestünde diese Möglichkeit auch, doch muss in diesem Fall ein Regress der Gesellschaft gegen den Gesellschafter möglich sein, wie ihn §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO vorsieht. Daher muss es dem Kreditgeber zunächst unbenommen sein, wenn er sich zusätzlich sichern konnte, auf die entsprechende Sicherung auch wieder zu verzichten, um von Anfang an in vollem Umfang am Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilzunehmen. Manipulationen sind nur schwer denkbar, denn warum sollte ein Kreditgeber auf einen werthaltigen Sicherungsanspruch verzichten? In Anknüpfung an die BGH-Rechtsprechung zur Anwendung von §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO, wenn der Anspruch des externen Kreditgebers gegen den Gesellschafter als Sicherungsgeber verjährt war,31 wird man bei einem Verzicht des Kreditgebers auf seine Sicherheit gegen den Gesellschafter der Gesellschaft ebenso einen Anfechtungsregress zubilligen müssen.32 Insoweit sind sich beide Auffassungen einig. Der Vorzug der hier vertretenen Auffassung zur Disposition über § 44a InsO durch einen Verzicht auf die Gesellschaftersicherheit hat zudem den Vorteil, dass der Kreditgeber in einem aktuellen oder drohenden Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters oder bei rechtlicher Zweifelhaftigkeit zur wirksamen Sicherungsbestellung durch den Verzicht Klarheit schaffen und sich auf seine (vollen) Rechte als Kreditgeber zurückziehen kann.

b) Sicherheiten mit zweifelhaftem rechtlichem Hintergrund. Der Sicherungsnehmer muss 14 auch den Weg des § 44a InsO befolgen, wenn er der Sicherheit nur einen zweifelhaften Wert zumisst bzw. diese bei einer möglichen Insolvenz des Gesellschafters für anfechtbar hält. Lässt sich der Kreditgeber im Nachgang seine mittlerweile uneinbringliche Forderung gegen die Gesell27 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 10; GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 144; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 15; Noack/Servatius/Haas/Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 147; Thonfeld Eigenkapitalersetzende Gesellschaftersicherheiten (2005), S 38. 28 So auch Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 10; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 15; iE auch GK-GmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rn 144; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 44a Rn 11; Noack/Servatius/Haas/ Haas GmbHG23 Anh § 64 Rn 147. 29 OLG Stuttgart ZIP 2012, 834, 837; FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 22; Frege/Schildt/Nicht ZInsO 2012, 1961, 1963; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 44a Rn 20; MünchKomm/ Bitter InsO4 § 44a Rn 34 ff; Neuberger ZInsO 2018, 1125, 1132; Schröder ZInsO 2015, 1040, 1044. 30 Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 197, 209; ders ZIP 2016, 2089, 2094; differenzierend nach Verzichtszeitpunkt Ede ZInsO 2012, 853, 857 ff. 31 BGH ZIP 2022, 229 Rn 13 ff. 32 IE auch Ede ZInsO 2012, 853, 858 ff. 395

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schaft durch den Gesellschafter besichern und droht nun nach der Insolvenz der Gesellschaft auch die Insolvenz des Gesellschafters, muss der Gläubiger gleichwohl seine Sicherheit zunächst durchsetzen; das kann für ihn von Nachteil sein, wenn er zu einem späteren Zeitpunkt vom Insolvenzverwalter des Gesellschafters in einem Anfechtungsprozess in Anspruch genommen wird und danach das Vermögen der einst kreditierten Gesellschaft vollständig verteilt ist. Den Schwierigkeiten kann der Kreditgeber entgehen, wenn er auf seine Sicherheit verzichtet (zum Verzicht siehe Rn 13).

15 c) Mittelbare Sicherheiten. Mittelbare Sicherheiten sind Sicherheiten des Gesellschafters, mit denen er einen Dritten rückbesichert, wenn dieser Dritte eine Sicherheit gestellt hatte. Zwar liegt eine mittelbare Förderung des Kreditverhältnisses vor,33 doch kann das nicht zur für den Kreditgeber nachteiligen Anwendung von § 44a InsO führen.34 Der Kreditgeber hat sich gerade einen externen Sicherungsgeber ausgesucht. Z.T. hat er keinen Einfluss auf die Rückbesicherung durch den Gesellschafter, sodass es nicht sachgerecht erscheint, den externen Kreditgläubiger mit der Anwendung von § 44a InsO zu belasten. Zu denken ist z.B. an jene Konstellation, dass ein Maschinenbauunternehmen dringend auf die Lieferung von Komponenten oder Material durch eine bestimmte Lieferantin angewiesen ist. Die Finanznot der Lieferantin kann nur durch einen Kredit beseitigt werden, für den sich das Maschinenbauunternehmen verbürgen muss. Der Kreditgeber mag seine Gründe haben, sich nicht direkt von der Gesellschafterin der Kreditnehmerin (dh der Lieferantin) besichern zu lassen. Erhält nun das bürgende Maschinenbauunternehmen von der Gesellschafterin der Lieferantin eine Rückbürgschaft, erscheint es wenig sachgerecht, den überraschten Kreditgeber nun mit den Maßgaben von § 44a InsO zu belasten. § 44a InsO kann hingegen angewendet werden auf den Regressanspruch des unmittelbaren Sicherungsgebers. Für das Beispiel bedeutet das, dass der Kreditgeber uneingeschränkt am Insolvenzverfahren gegen die Hauptschuldnerin (=Gesellschaft = Lieferantin) teilnehmen kann und zugleich die von der Vertragspartnerin gestellte Sicherheit verwerten kann. Soweit die originäre Sicherungsgeberin nun einen Regressanspruch gegen die Hauptschuldnerin hat, kann sie diesen aufgrund der Vorgaben des § 44a InsO erst geltend machen, wenn sie zuvor die Gesellschafterin aus der der Sicherheit (im Bsp.: Rückbürgschaft) in Anspruch genommen hat.

2. Gesetzliche Sicherheiten 16 § 44a InsO ist auch anwendbar, wenn der Gesellschafter kraft Gesetzes verpflichtet ist, eine Sicherheit zu stellen.35 Paradigmatisches Beispiel ist die Sicherheit gem. § 303 AktG, wenn der Unternehmensvertrag beendet worden ist. In diesem Fall muss das herrschende Unternehmen auf Verlangen der Gläubiger der abhängigen Konzerngesellschaft eine Sicherheit stellen. Das ist zwar nicht ganz unproblematisch, wenn die abhängige Konzerngesellschaft veräußert wird, doch entfällt § 44a InsO nach einem Jahr, weil dann das Sonderrecht der durch Gesellschafter gewährten Kreditsicherheiten nicht mehr anwendbar ist (zum Entfallen von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nach Veräußerung der Beteiligung siehe § 39 InsO Rn 98, 176). Auf kraft Gesetzes entstehende Sicherheiten ist § 44a InsO auch anwendbar. Die Fälle sind selten (z.B. Werkunternehmerpfandrecht bei Werkvertrag zwischen Werkunternehmer und der Gesellschaft an einem dem Gesellschafter gehörenden Gegenstand) und auch beherrschbar. Denn zumeist wird es sich nicht um kreditähnliche Verhältnisse handeln, d.h. wenn der Werkunternehmer recht bald versucht, seinen Werklohn

33 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 16b. 34 So aber FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 17; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 10; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 16b. 35 Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 359; skeptisch Thole ZIP 2015, 609, 612 f. Mylich

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durchzusetzen, kommt § 44a InsO nicht zur Anwendung (zur Kreditähnlichkeit des gestundeten Werklohns siehe § 39 InsO Rn 143).

3. Gesetzliche Haftung Nicht erfasst sind gesetzliche Haftungstatbestände, wenn man z.B. in erweiternder Auslegung 17 des § 74 AO auch einst gewährte Gesellschafterdarlehen von dieser Vorschrift erfasst ansieht. Hier handelt es sich nicht mehr um Sicherheiten, sondern um eine (Sach-)Haftung des Gesellschafters aufgrund besonderer Vorgaben. Auch nicht erfasst sind gesetzliche Haftungstatbestände nach Privatrecht. Das gilt sowohl für § 133 UmwG als auch für §§ 128 ff., 159 f. HGB, § 224 Abs. 2 UmwG. Die X-AG gliedert einen Teilbetrieb auf ihre Tochtergesellschaft T-AG aus. Die Haftung der X-AG gem. § 133 UmwG für eine von der T-AG gegenüber einer Kreditgeberin übernommenen Darlehensverbindlichkeit führt nicht zur Anwendung von § 44a InsO. Anders verhält es sich, wenn die X-AG zusätzlich eine Sicherheit stellen würde. Ebenso ist hinsichtlich der persönlich unbeschränkten Haftung z.B. der A-GmbH und B-GmbH für die Darlehensverbindlichkeit der T-OHG zu entscheiden. Auch hier greift § 44a InsO weder ein, wenn A-GmbH bzw. B-GmbH gem. § 128 HGB haften, noch wenn sich ihre Forthaftung nach einer Umwandlung der T-OHG in eine Kapitalgesellschaft aus § 224 Abs. 2 UmwG ergibt.

IV. Die Durchsetzung einer Sicherheit 1. Die Auslegung des Begriffs „anteilsmäßige Befriedigung“ Gem. § 44a InsO kann der Kreditgeber nur anteilsmäßige Befriedigung verlangen, soweit er bei 18 Inanspruchnahme der Sicherheit bzw. des Bürgen ausgefallen ist. Der Wortlaut scheint insoweit klar, als § 43 InsO gerade nicht gelten soll, d.h. dass vom Prinzip Abstand genommen wird, dass ein besicherter Gläubiger trotz seiner Sicherheit in vollem Umfang am Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilnehmen kann. Vielmehr ist nach einer Auffassung eine Orientierung an § 52 InsO geboten, d.h. nur in Höhe des ausgefallenen Betrags kann der Kreditgeber am Insolvenzverfahren teilnehmen.36 Einigkeit besteht hinsichtlich des Verfahrens, dass der Kreditgläubiger von Anfang an seine Forderung anmelden und am Verfahren teilnehmen kann.37 Der Kreditgläubiger soll aber zunächst den Gesellschafter aus der Sicherheit belangen, ehe er seine Forderung im Insolvenzverfahren durchsetzt. Das ist vom Normzweck des § 44a InsO (dazu siehe oben Rn 6) in jedem Fall gedeckt. Hingegen ist umstritten, ob der Gläubiger nur in Höhe seiner ausgefallenen Forderung oder doch nach dem Prinzip des § 43 InsO in Höhe der gesamten Forderung am Verfahren teilnehmen kann.

a) (Keine) Orientierung an § 52 InsO. Wortlaut und (zweifelhafter) Gesetzgebungszweck spre- 19 chen für eine Orientierung an § 52 InsO.38 Zum früheren Eigenkapitalersatzrecht war diese Sichtweise nicht inkonsequent, führte sie doch dazu, dass der Kreditgeber letztlich bei der Besicherung mit dem Gesellschafter gemeinsam auftreten musste, sodass ihm die eigenkapitalersetzende Leistung bewusst war.39 Gedanklich konnte man den § 32a Abs. 2 GmbHG so verstehen, dass die Vorschrift die Übertragung der Sicherheit in das Vermögen der Gesellschaft ersetzen sollte (Eigenkapi36 Beiläufig BGHZ 193, 378 Rn 13; aus der Literatur Braun/Bäuerle InsO9 § 44a Rn 5; Dahl/Schmitz NZG 2009, 325, 327; Frege/Nicht/Schildt ZInsO 2012, 1961, 1967; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 44a Rn 5. 37 Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 44a Rn 14. 38 So in Orientierung an der früheren Rechtslage Spliedt ZIP 2009, 149, 155 f. 39 IE auch Spliedt ZIP 2009, 149, 155. 397

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

talersatz), wo es die Gesellschaft als Sicherheit für einen Kredit eingesetzt hätte, sodass dass dann § 52 InsO zur Anwendung gekommen ist. Bereits zur früheren Rechtslage war diese Sichtweise nicht unumstritten.40 Will man also § 52 InsO zum Verständnis von § 44a InsO heranziehen, kann der Kreditgeber an Abschlagszahlungen oder an einer Verteilung der Insolvenzmasse nur teilnehmen, soweit er 1) überhaupt die Sicherheit durchgesetzt hat und 2) nur in Höhe des ausgefallenen Betrags.

20 b) Die h.M. mit der bloßen Beschränkung auf die Verfahrenstechnik. Dem tritt die h.M. entgegen und will nur den ersten Punkt akzeptieren, jedoch den ausgefallenen Kreditgläubiger in voller Höhe am Insolvenzverfahren teilnehmen lassen.41 Zutreffend wird darauf verwiesen, dass die Besonderheiten aus dem Recht der Gesellschafterdarlehen nicht auch auf einen externen Kreditgläubiger abgewälzt werden dürfen, nur weil dieser sich durch einen Gesellschafter hat besichern lassen. Während die Orientierung an § 52 InsO für den früheren § 32a Abs. 2 GmbHG durchaus zutreffend war (siehe Rn 19), spricht für die h.M. nunmehr der (neue) Normzweck von § 44a InsO, der lediglich den externen Kreditgläubiger in die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens bei Teilnahme des Gesellschafters einbinden, ihn damit aber nicht belasten will. Zwar bereitet der Wortlaut von § 44a InsO Schwierigkeiten „anteilsmäßige Befriedigung … soweit … ausgefallen“, der sich am identischen § 52 S. 2 InsO orientiert, doch kann eine andere Interpretation unter Bezug auf den Normzweck geboten sein. Mit „anteilsmäßige Befriedigung“ ist bei § 44a InsO in Höhe der Insolvenzquote der gesamten Forderung gemeint; „soweit … ausgefallen“ bedeutet, dass nur belegt werden muss, dass man die Durchsetzung versucht hat bzw. nach vorliegend vertretener Ansicht auf die Forderung verzichtet hat (siehe oben Rn 13).42

2. Vergleichsbefugnis und Insolvenzplan 21 Bejaht man mit der vorliegend vertretenen Auffassung die Möglichkeit zum einseitig erklärten Verzicht auf die Gesellschaftersicherheit durch den Kreditgeber, ist auch ein Vergleich mit dem Insolvenzverwalter bzw. die Gestaltbarkeit im Insolvenzplan unproblematisch zu bejahen. Die Gegenauffassung kommt der vorliegend vertretenen Sichtweise entgegen, als sie im Fall der Zweifelhaftigkeit der Durchsetzung der Sicherheit diese Möglichkeit auch bejahen will.43 Bei Befolgen der Gegenauffassung entstehen aber Schwierigkeiten, denn ggf. werden der Kreditgeber, der Insolvenzverwalter und weitere Gläubiger unterschiedliche Auffassungen vertreten, unter welchen Voraussetzungen die Durchsetzung der Sicherheit zweifelhaft ist. Gerade dem Insolvenzverwalter oder weiteren Gläubigern, die gem. § 178 Abs. 1 InsO gegen die Feststellung zur Tabelle Widerspruch einlegen können, wird regelmäßig Einblick und Verständnis fehlen für die Schwierigkeit, die Sicherheit gegen den Gesellschafter durchzusetzen. In der Konsequenz der vorliegend vertretenen Sichtweise kann der h.M. zugestimmt werden, die eine vom Gesellschafter besicherte Forderung als regelungsfähig für den Insolvenzplan ansieht.44 40 Zum Meinungsstand zur alten Rechtslage Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich GmbHG18 § 32a Rn 85; Thonfeld Eigenkapitalersetzende Gesellschaftersicherheiten (2005), S 83 f.

41 Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rn 200; FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 24; Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 14 f; GK-GmbHG/Habersack3 Anh. § 30 Rn 158; KölnKomm/Hess InsO § 44a Rn 6; Kübler/ Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 44a Rn 16; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 23; Schmidt/K Schmidt19 InsO § 44a Rn 13 f; Scholz/Bitter GmbHG12 Anh § 64 Rn 370; Schröder ZInsO 2015, 1040, 1043 f; zur früheren Rechtslage bereits grundlegend Schmidt/Bitter ZIP 2000, 1077, 1088; Thonfeld Eigenkapitalersetzende Gesellschaftersicherheiten (2005), S 85 ff; aA hingegen in einer ersten Stellungnahme nach dem MoMiG Spliedt ZIP 2009, 149, 155 f. 42 Im Ansatz ähnlich FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 24. 43 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 39. 44 Frege/Nicht/Schildt ZInsO 2012, 1961, 1969; Schröder ZInsO 2015, 1040, 1045 ff; ohne Stellungnahme MünchKomm/ Bitter InsO4 § 44a Rn 39. Mylich

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Gesicherte Darlehen

§ 44a

3. Aufrechnung Es ist möglich, mit der Kreditforderung gegen eine Schuld aufzurechnen, auch wenn die Kredit- 22 forderung besichert war.45 Schuldet z.B. eine externe Muttergesellschaft der insolventen Gesellschaft und zediert eine vom Gesellschafter der insolventen Gesellschaft besicherte Forderung von ihrer Tochtergesellschaft gegen diese insolvente Gesellschaft, kann einer Aufrechnung zwar § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegenstehen, doch kommt bei einer Zession vor Verfahrenseröffnung als Aufrechnungshindernis nicht der Anfechtungsgrund von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht. Auch § 44a InsO ist nicht einschlägig. Nach einer (wirksamen) Aufrechnung muss die Gesellschaft gem. §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO bei ihrem sichernden Gesellschafter Anfechtungsregress nehmen. Der Regress ist ausgeschlossen, wenn die Aufrechnungslage zugunsten des Kreditgebers bereits seit mehr als einem Jahr bestanden hat.

4. Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter Hatte der Gesellschafter eine Personalsicherheit (z.B. Bürgschaft) gestellt und ist auch über 23 sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, wird man dem Kreditgläubiger zwar auferlegen können, entweder auf seine Sicherheit zu verzichten oder diese im Insolvenzverfahren des Gesellschafters anzumelden, doch bedarf es keines weiteren Abwartens. Regelmäßig ist klar, dass er in so maßgeblicher Höhe ausfallen wird, dass die Quote im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nicht ausreichen wird, um die gesamte offene Schuld zu befriedigen. Bei einer Realsicherheit muss hingegen die Verwertung abgewartet werden bzw. der Gläubiger muss nach vorliegend vertretener Auffassung auf diese verzichten, sodass in Analogie zu §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO die Gesellschaft insoweit Anfechtungsregress beim Gesellschafter nehmen kann.

V. Doppelsicherheiten 1. Sicherheit der Gesellschaft und des Gesellschafters Stehen dem externen Gläubiger neben der vom Gesellschafter gestellten Sicherheit auch eine 24 von der Gesellschaft gestellte Sicherheit zur Verfügung, gewährt ihm die Rechtsprechung ein Wahlrecht, auf welche Sicherheit er im Insolvenzverfahren zugreift.46 § 44a InsO gilt insoweit nicht. Greift der Gläubiger auf die von der Gesellschaft gestellte Sicherheit zu, steht ihr ein Regressanspruch gegen den Gesellschafter in Analogie zu §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO zu47 (ausführlich dazu in der Kommentierung zu § 135 InsO). Wird der Gläubiger aus der von der Gesellschaft gestellten Sicherheit nicht in voller Höhe befriedigt, kann er gem. § 52 InsO in Höhe des ausgefallenen Forderungsbetrags am Insolvenzverfahren teilnehmen. Insoweit gilt aber § 44a InsO, d.h. der Kreditgläubiger muss versucht haben, auf die Sicherheit des Gesellschafters zuzugreifen bzw. nach vorliegend vertretener Auffassung auf die Sicherheit gegen den Gesellschafter verzichtet haben.

45 Fridgen/Geiwitz/Göpfert/Prosteder/Dachner InsO § 44a Rn 23. 46 BGHZ 192, 9 Rn 12 ff; BGHZ 215, 262 Rn 15; zuvor aA Bork FS Ganter (2010), S 135, 144 f, 150; nach wie vor skeptisch FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 27. 47 BGHZ 192, 9 Rn 18 ff. 399

Mylich

§ 44a

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

2. Sicherheit der Gesellschaft und Sicherheit des Gesellschafters beim Kredit durch eine übergeordnete Konzerngesellschaft 25 Vergibt eine Muttergesellschaft ein konzerninternes Darlehen an eine Enkelgesellschaft und lässt es sich durch Sicherheiten der Enkelgesellschaft und Tochtergesellschaft (anfechtungsfest) besichern, entstehen zusätzliche Besonderheiten. Ausgangsüberlegung ist, dass die Muttergesellschaft überhaupt nur auf die Kreditsicherheit der Enkelgesellschaft zugreifen kann, weil diese anfechtungsfest ist. Das bedeutet, dass nach einem Übergang auf die Tochtergesellschaft auch diese die einst von der Enkelgesellschaft gestellte Kreditsicherheit verwerten kann. Fraglich ist, ob die Muttergesellschaft wie ein externer Kreditgeber mit Doppelsicherheit beliebig zugreifen kann oder ob ausnahmsweise in diesem Fall § 44a InsO gilt, d.h. zunächst die Sicherheit der Tochtergesellschaft zu verwerten ist. Die materiellen Ergebnisse sind deckungsgleich, doch ist das Verfahren unterschiedlich, sodass es gerade bei einer späteren Insolvenz der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Ebenso kann das Verfahren zu praktisch unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn die Sicherheiten selbst im Wert verlieren. Würde man die Ergebnisse aus der Doppelbesicherung gegenüber einem externen Gläubiger übertragen, könnte die Muttergesellschaft zunächst auf die von der Enkelgesellschaft gestellte Sicherheit Zugriff nehmen, anschließend für den noch offenen Betrag ggf. noch auf die von der Tochtergesellschaft gestellte Sicherheit zugreifen, sodass abschließend der Insolvenzverwalter der Enkelgesellschaft gem. § 143 Abs. 3, § 135 Abs. 2 InsO gegenüber der Tochtergesellschaft anfechten kann.48 Die Enkelgesellschaft und ihre Gläubiger sind dann auf die verbliebene Werthaltigkeit der Sicherheit der Tochtergesellschaft bzw. bei einer Personalsicherheit durch die Tochtergesellschaft auf deren wirtschaftliche Kraft angewiesen. Wendet man hingegen § 44a InsO an, müsste die Konzernmuttergesellschaft zunächst die Sicherheit der Tochtergesellschaft verwerten und könnte sich abschließend nur in Höhe des ausgefallenen Betrags an die Enkelgesellschaft halten bzw. in dieser Höhe die gestellte Sicherheit verwerten. Für den zweiten Weg spricht die Besonderheit der rein konzerninternen Finanzierung und Besicherung, sodass auf die Muttergesellschaft als Kreditgeberin nicht so stark Rücksicht zu nehmen ist wie auf einen externen Kreditgeber. Gleichwohl ist der erste Weg zu bevorzugen, d.h. § 44a InsO spielt keine Rolle und die Muttergesellschaft hat die freie Wahl, auf welche Sicherheit sie zugreift. Hatte sich die Muttergesellschaft besichern lassen, darf sie die Sicherheiten so verwerten, dass ihr effektiv das geringste Anfechtungsrisiko droht. Muss sie zunächst die zwischengeschaltete Tochtergesellschaft aus einer Bürgschaft in Anspruch nehmen, droht auch noch in den nächsten Jahren im Fall der Insolvenz der Tochtergesellschaft ein Anfechtungsrisiko gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dann müsste sie sich im Nachgang an den Insolvenzverwalter der Enkelgesellschaft wenden, um doch noch befriedigt zu werden; aber ggf. ist bereits keine Masse mehr vorhanden. Dem steht auch nicht die These des BGH entgegen, dass § 135 Abs. 2 InsO nur angewendet werden könne, wenn der Kreditgeber nicht unter § 135 Abs. 1 InsO falle, denn sie steht explizit unter der Prämisse, dass eine Anfechtung der Sicherheitenbestellung gegenüber dem Kreditgeber als Sicherungsnehmer gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO möglich ist.49 Die vorliegende Diskussion bezieht sich aber auf jene Konstellation, dass die Muttergesellschaft eine anfechtungsfeste Sicherheit gegen ihre Enkelgesellschaft erlangt hatte.

3. Mehrere konzerninterne Sicherheiten, die nicht von der Kreditnehmerin gestellt werden 26 Existieren mehrere konzerninterne Sicherheiten, die allsamt nicht von der Kreditnehmerin gestellt worden sind, gilt § 44a InsO zu Lasten des Gläubigers. Er muss also die Verwertung aller 48 Die Anwendung von § 135 II InsO im Konzern ist unklar, wenn man den Aussagen in BGHZ 226, 215 Rn 14 folgt; das Problem der zusätzlichen Anwendung von § 135 II InsO im Konzern ist in der Kommentierung zu § 135 InsO zu besprechen. 49 BGHZ 226, 215 Rn 14. Mylich

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Gesicherte Darlehen

§ 44a

Sicherheiten probieren bzw. die Wertlosigkeit nachweisen bzw. auf diese verzichten, ehe er mit seiner vollen Forderung im Verfahren gegen die Schuldnerin teilnehmen kann.

VI. Rechtsfolgen für Gesellschaft und Gesellschafter Hatte der Gläubiger die Sicherheit verwertet, hat der Gesellschafter einen Regressanspruch gegen 27 die Gesellschaft. Diesen kann er nur geltend machen, wenn der Gläubiger aus der Sicherheit und der Insolvenzmasse vollständig befriedigt wird.50 Das ergibt sich aus § 44 InsO. Selbst in diesem Fall ist der Regressanspruch nur ein nachrangiger Anspruch gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (siehe bei § 39 Rn 121).51 Hatte hingegen die Gesellschaft den Anspruch des Gesellschafters befriedigt, hat sie gem. §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO einen Regressanspruch gegen den Gesellschafter, wenn das innerhalb des letzten Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschehen ist.52 Wird der Kreditgeber entgegen § 44a InsO gleichwohl als Insolvenzgläubiger mit Abschlagszahlungen bedacht bzw. befriedigt, steht dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft gem. §§ 143 Abs. 3, 135 Abs. 2 InsO die Möglichkeit offen, Regress beim Gesellschafter zu nehmen. Jedoch kann eine Zahlung an den Kreditgläubiger wegen Nichtbeachtung von § 44a InsO nicht rückgängig gemacht werden. Anders als im früheren Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gibt es keinen Anspruch der Gesellschaft auf Freistellung. Eines solchen Anspruchs bedarf es in der Insolvenz wegen des § 44a InsO nicht. Allenfalls bei Doppelsicherheiten hätte ein derartiger Anspruch praktische Relevanz, denn dort gilt § 44a InsO gerade nicht. Allerdings könnte dieser nur bejaht werden, wenn die Gesellschaft auch außerhalb des Insolvenzverfahrens einen Freistellungsanspruch hätte. Das hat der BGH für das frühere Eigenkapitalersatzrecht zutreffend bejaht, weil das Gesellschaftsvermögen nicht vorinsolvenzlich geschützt war.53 Ein solcher passt aber nicht mehr zum neuen Recht der Gesellschafterdarlehen seit dem MoMiG, denn außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehen keine Bindungen, sodass ein Freistellungsanspruch nur existiert, wenn dieser vertraglich vereinbart worden ist.54 Die Rechtsprechung dazu ist missverständlich und unklar.55 Soweit der vorinsolvenzliche Freistellungsanspruch fortexistieren soll,56 wird gerade die Änderung des Rechts seit dem MoMiG verkannt. Hingegen hat der Gesellschafter als Sicherungsgeber einen Freistellungsnaspruch (z.B. gem. § 775 BGB), solange noch kein Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen eröffnet worden ist. Ggf. kann die freistellende Leistung bei späterer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gem. § 135 Abs. 2 InsO angefochten werden.

50 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 26. 51 BGHZ 192, 9 Rn 10; BGHZ 198, 77 Rn 21; BGHZ 215, 262 Rn 17; Altmeppen/Altmeppen GmbHG10 Anh § 30 Rz 190; GKGmbHG/Habersack3 Anh § 30 Rz 156; Kübler/Prütting/Bork/Preuß InsO88 § 44a Rn 5; MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 27; FK/Bornemann InsO9 § 44a Rn 27; zur Konzerninsolvenz Frege/Nicht/Schildt ZInsO 2012, 1961, 1963. 52 BGHZ 192, 9 Rn 10. 53 BGH ZIP 2009, 1806 Rn 16. 54 MünchKomm/Bitter InsO4 § 44a Rn 28a/b. 55 BGHZ 200, 210 Rn 18; zutreffend zuvor (andeutungsweise) BGHZ 192, 9 Rn 17. 56 BGHZ 200, 210 Rn 18. 401

Mylich

§ 45 Umrechnung von Forderungen 1 Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, sind mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. 2Forderungen, die in ausländischer Währung oder in einer Rechnungseinheit ausgedrückt sind, sind nach dem Kurswert, der zur Zeit der Verfahrenseröffnung für den Zahlungsort maßgeblich ist, in inländische Währung umzurechnen.

Materialien DiskE § 50, Begr S 40; RefE § 50, Begr S 47; RegE, BT-Drucks 12/2443, § 52, Begr S 124; StellungnBRat BT-Drucks 12/2443 S 250; BT-RA BT-Drucks 12/7302, S 160.

Vorgängerregelungen § 69 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 376 f, Begr EKO S 2891, KO-Prot S 58, 153.

Literatur Vgl auch Literatur zu § 38. Arend Die insolvenzrechtliche Behandlung des Zahlungsanspruchs in fremder Währung, ZIP 1988, 69; Bitter Nicht fällige, bedingte und betragsmäßig unbestimmte Forderungen, NZI 2000, 399; Bitter/Wosch Abzinsung von Betriebsrentenansprüchen in der Insolvenz nach § 46 Satz 2, § 45 Satz 1 InsO, ZIP 2020, 2044; Eckardt Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts in: Kölner Schrift 2. Aufl (2000) S 743–780; Mitlehner Haftpflichtanspruch und Absonderungsrecht nach § 110 VVG, ZIP 2012, 2003; Schmidt Fremdwährungsforderungen im Konkurs – Bestandsaufnahmen und Thesen zu § 69 KO (§ 52 RegE InsO) in: FS Merz (1992) S 533.

Übersicht I.

Einleitung

1

II. 1. 2.

Schätzung des Geldwertes (§ 45 Satz 1) 3 Geldwert inländischer Währung 5 Erfasste Forderungen a) Nicht auf Geld gerichtete Forderun6 gen 9 b) Unbestimmte Geldforderungen

13

3.

Schätzungsverfahren

III.

Währungsumrechnung (§ 45 Satz 2)

IV. 1. 2.

Folgen der Schätzung und Umrechnung 19 Schätzung (Satz 1) 22 Umrechnung (Satz 2)

V.

Insolvenzplan

14

24

Alphabetische Übersicht Abänderungsklage 11 Altersversorgung, betriebliche 10 Altlasten 6 Anleihe 9 Aufhebung des Verfahrens 24 Auskunftsanspruch 6 Befreiungsanspruch 6 Bürge 6, 20, 22 Devisenkauf 18 ECU 15 Einstellung des Verfahrens 20 Euro 3, 14, 15, 16 Fremdwährungen 14 ff, 22 ff Eichel https://doi.org/10.1515/9783110666175-012

Gegenseitiger Vertrag 6, 21 Grundbuch 6 Handlung, vertretbare 6 Insolvenzplan 24 f Internationaler Währungsfonds 15 Kryptowährung 15, 18 Kursschwankungen 16, 22 Lebenserwartung 10 Leibrente 10 Nachforderung 22 Obligation 9 Option 6 Pfandrechte 22 402

Umrechnung von Forderungen

Rechnungseinheit 15, 16 Rechtsinstrument 15 Renten 10, 11, 12 Restschuldbefreiung 23 Schätzungsverfahren 13 Sonderziehungsrecht 15 Token 15, 18 Umrechnungsverfahren 14 ff, 22, 23 Unterhaltsrenten 10

§ 45

Unterlassungsanspruch 7 Valutakauf 18 Vermächtnis 6 Verschaffungsanspruch 6 Versorgungsanwartschaft 12 Vorvertrag 6 Wegnahmerecht 6 Zahlungsort 16 Zeitpunkt, maßgebender 16

I. Einleitung § 45 entspricht § 69 KO und § 34 VglO. Abweichungen im Text von § 45 bringen keine Änderungen 1 in der Sache, sondern dienen einer präziseren Regelung, vor allem hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunkts (Rn 13, 16) sowie für die Umrechnung ausländischer Währungen (Rn 14 ff). Mit dieser Maßgabe können Literatur und Rechtsprechung zu § 69 KO und § 34 VglO verwendet werden. Voraussetzung einer gleichberechtigten Teilnahme der Insolvenzgläubiger ist die Umrech- 2 nung ihrer Ansprüche in bestimmte, miteinander vergleichbare Geldbeträge.1 Deshalb müssen Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, in Geld umgerechnet werden, indem ihr Geldwert für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt wird, und Forderungen in ausländischer Währung in inländische Währung umgerechnet werden.

II. Schätzung des Geldwertes (§ 45 Satz 1) 1. Geldwert inländischer Währung Insolvenzforderungen (§§ 38–40) sollen nach § 1 gemeinschaftlich befriedigt werden. Die gemein- 3 schaftliche, grundsätzlich gleichmäßige Befriedigung erfolgt um der Gleichbehandlung willen (Rn 2) durch Verteilung des Verwertungserlöses, also durch anteilsmäßige Geldzahlung. Wer als Insolvenzgläubiger am Verfahren teilnehmen will, muss deshalb einen auf eine bestimmte Geldsumme lautenden Anspruch anmelden (§ 174). Forderungen, die nicht auf Geldzahlung gerichtet sind, müssen nach § 45 zum Zwecke der Teilnahme am Verfahren auf ihren Geldwert geschätzt werden. Aus Satz 2 ergibt sich, dass der Geldwert inländischer Währung gemeint ist. Seit dem 1.1.1999 ist die inländische Währung im Sinne des § 45 der Euro.2 § 45 gilt nur für Insolvenzforderungen, auch für nachrangige (§ 39)3 und Unterhaltsgläu- 4 biger (§ 40), nicht aber für Massegläubiger. Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung eines beiderseits nicht voll erfüllten Vertrages (§ 103 I), muss er die vom Schuldner versprochene Leistung unverändert erbringen, also die geschuldete Sache übereignen und übergeben, das geschuldete Geld in der nach dem Vertrag geschuldeten Währung zahlen.4 Auf Ansprüche der Altmassegläubiger ist § 45 allerdings analog anzuwenden, da diese im masseunzulänglichen Verfahren quotal zu befriedigen sind (§§ 208 ff).5 § 45 gilt ferner nicht für Ansprüche auf Aussonderung. 1 BT-Drucks 12/2443 S 124; BGH ZIP 2022, 1398 Rn 9; K Schmidt FS Merz (1992) S 533, 537. 2 Art 2 der Verordnung Nr 974/98 des Rates der Europäischen Union – EuroVO II –. Für die Übergangszeit bei der Einführung des Euro bis zum 31.12.2001 s Henckel Voraufl § 45 Rn 3 und Rn 13.

3 Bezogen auf § 39 I Nr 4 aA Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 45 Rn 2. 4 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 4. 5 BGH ZIP 2008, 279 Rn 18; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 4; Adam DZWIR 2011, 485, 487; Walther Das Verfahren bei Masseunzulänglichkeit nach den §§ 208 ff InsO (2005) S 110 ff. 403

Eichel

§ 45

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Um den Ausfall bei der Verwertung eines Absonderungsobjekts (§ 52) geltend zu machen, ist die persönliche Forderung ebenfalls nach § 45 umzurechnen bzw nach §§ 45, 46 zu kapitalisieren.6

2. Erfasste Forderungen 5 Abzuschätzen zum Geldwert in Inlandswährung sind Insolvenzforderungen, die nicht auf Geld, dh nicht auf eine Geldsumme gerichtet sind, und Insolvenzforderungen, deren Geldbetrag unbestimmt ist.

6 a) Nicht auf Geld gerichtete Forderungen. Das sind unter vielen anderen7 zB Verschaffungsansprüche auf Übertragung (Übereignung oder Abtretung) oder Belastung von bestimmten Gegenständen aller Art,8 auch auf Rückübereignung der Kaufsache nach Rücktritt,9 auf Nacherfüllung in Gestalt der Mangelbeseitigung oder Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439, § 635 BGB10). Beruht der Verschaffungsanspruch auf einem beiderseits nicht erfüllten gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter nicht wählt (§ 103), bestimmt sich der Geldwert der Insolvenzforderung aus der Differenz zwischen dem Wert der vom Insolvenzgläubiger und der vom Insolvenzschuldner zu erbringenden Leistung.11 Die Forderung des Vermächtnisnehmers auf Übertragung eines vermachten Gegenstandes (§ 2174 BGB) fällt, soweit sie nicht durch Vormerkung gesichert ist (§ 106 InsO), im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschwerten und im Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 325, 327) unter § 45, wenn man davon ausgeht, dass das (dem dt Recht unterliegende) Vermächtnis keinen Aussonderungsanspruch (Rn 4) begründet.12 Ein nur schuldrechtlicher Anspruch auf Änderung des Grundbuchs, zB auf Umwandlung einer vom späteren Insolvenzschuldner durch Teilzahlung erworbenen Eigentümergrundschuld (§§ 1163 I S 2, 1177 I BGB) in eine Hypothek für andere Forderungen des teilweise befriedigten Gläubigers, kann im Insolvenzverfahren des Schuldners bloß als Insolvenzforderung zum Schätzungswerte nach § 45 verfolgt werden, während die Eigentümergrundschuld Massebestandteil ist.13 Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Ansprüche auf vertretbare Handlungen, die in der Einzelzwangsvollstreckung durch Zugriff auf das Vermögen des Schuldners durchgesetzt werden (§ 887 ZPO), sind dementsprechend auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners als Insolvenzforderungen in Geld umzurechnen.14 Der Geldwert des Anspruchs bestimmt sich nach dem Aufwand, den die Vornahme der Handlung durch einen Dritten verursacht.15 Das gilt auch für öffentlich-rechtliche Ansprüche, die als Insolvenzforderungen einzuordnen sind. So wäre der Anspruch auf Beseitigung von Altlasten nach § 45 InsO umzurechnen, falls man der Auffassung folgt, dass die Beseitigungspflicht eine Insolvenzforderung ist, wenn die Altlast zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits bestand.16 Ein Anspruch auf Befreiung von einer Zahlungsverpflichtung ist nicht unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet, aber auch nicht, wie in 6 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 5; Krumm ZIP 2010, 1782, 1783. 7 BGH ZIP 2022, 1398 (Beförderung); Bork ZIP 2018, 1613 (Werkleistungen); Flatow NZM 2011, 607 (mietrechtl Ansprüche auf ua Räumung oder Abrechnung); Müller ZIP 2008, 1701 (Anspruch auf Barabfindung in Aktien); Möhlenkamp EWiR 2022, 120, 122 und Köhn ZIP 2006, 2015 (Abgabe von Emissionszertifikaten). 8 Zu Kryptowerten siehe unten Rn 15. 9 RGZ 65, 132 f; vgl auch RGZ 94, 61, 64 zur Wandlung nach altem Kaufrecht; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 5. 10 BGH ZIP 2003, 2379, 2381; HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 6; Rohrmüller NZBau 2007, 145, 149. 11 Näher zu § 103; s auch Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 115, 149 ff. 12 S auch Jaeger/Hoffmann InsO2 § 47 Rn 25, 125; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 4. AA MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 7a, der einen Aussonderungsanspruch aufgrund treuhänderischen Charakters annimmt. 13 RG LZ 1910, 223 ff = GruchBeitr 53, 1125; RG Recht 1912 Nr 3426; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 69 Rn 2. 14 S auch § 38 Rn 69; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 7; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 7. 15 FK/Bornemann InsO9 § 45 Rn 9. 16 WN und Stellungnahme bei § 38 Rn 27 ff. Eichel

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Umrechnung von Forderungen

§ 45

der Einzelvollstreckung, als Anspruch auf eine vertretbare Handlung zu verfolgen. Er muss aber nicht nach § 45 S 1 umgerechnet werden.17 Denn der Befreiungsgläubiger kann vom Befreiungsschuldner verlangen, dass dieser an den Dritten zahlt. Mit diesem Inhalt meldet der Befreiungsgläubiger seinen Anspruch zur Tabelle an. Die Quote ist dann an den Drittgläubiger auszuzahlen.18 Zum Befreiungsanspruch des Bürgen s § 44 Rn 4. Ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages (zB aus Option oder Vorvertrag) ist ebenfalls mit dem geschätzten Geldwert des Anspruchs nach §§ 38, 45 geltend zu machen.19 Ansprüche auf Sicherheitsleistung sind nicht auf Geld gerichtet, können sich allerdings kraft Insolvenzeröffnung in einen Zahlungsanspruch umwandeln, sodass es § 45 nicht bedarf;20 wenn diese Umwandlung voraussetzt, dass der Gläubiger beim gesicherten Anspruch einen Ausfall erleidet, sind sie als aufschiebend bedingter Zahlungsanspruch anzumelden. Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung richten sich nicht auf das Vermögen, sondern gegen die Person des Schuldners oder des Verwalters und werden deshalb nicht nach § 45 S 1 in Geld umgerechnet.21 Das Recht auf Wegnahme einer Sache, die nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist ein Aussonderungsrecht (§ 47 Rn 99), auf das deshalb § 45 nicht anzuwenden ist. Anders ist es, wenn die Sache, etwa durch Verbindung, als wesentlicher Bestandteil in das Eigentum des Insolvenzschuldners gelangt ist. Das Wegnahmerecht, zB nach § 539 II BGB oder, in Fällen des § 258 S 2 BGB, das Recht auf Duldung oder Gestattung der Abtrennung und der Aneignung, kann nur ein schuldrechtlicher Anspruch sein, der als Insolvenzforderung nach § 45 in Geld umzurechnen ist.22 Persönliche und dingliche Ansprüche auf Herausgabe eines dem Schuldner nicht gehören- 7 den Gegenstandes haben Aussonderungskraft (§ 47). Es war deshalb unrichtig, wenn das Reichsgericht23 einmal auf den Anspruch des Verleihers auf Rückgabe verliehener Wertpapiere zugleich § 69 KO angewendet hat. Die Begründung des Entwurfs zur Konkursordnung24 wollte auch die Unterlassungsansprüche nach § 69 KO umrechnen. Jedoch sind Ansprüche auf Unterlassung als solche keine Insolvenzforderungen, auch dann nicht, wenn sie ihre Grundlage in einem Schuldverhältnis haben. Wie die Unterlassung in der Einzelvollstreckung durch Zwang gegen die Person des Pflichtigen (§ 890 ZPO) und nicht im Wege des Vermögenszugriffs erzwungen wird, kann auch im Insolvenzverfahren der Unterlassungsanspruch nicht als ein Anspruch behandelt werden, für den das Vermögen des Insolvenzschuldners anteilig haftet. Der Unterlassungsanspruch darf deshalb nicht nach § 45 in Geld umgerechnet und zur Tabelle angemeldet werden.25 Der „Feststellungsanspruch“ – etwa die Klage auf Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist (§ 4 KSchG) – kann allenfalls ein prozessualer Anspruch sein. Er begründet keine Verpflichtung des Arbeitgebers und kann deshalb auch nicht in Geld umgerechnet zur Tabelle angemeldet werden.26 Insolvenzforderungen sind nur die Ansprüche, die dem Arbeitnehmer aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis zustehen. Was Zug um Zug zu erfüllende Forderungen angeht, kennt die InsO keine Vorschriften, wie 8 sie §§ 756, 765 ZPO für die Einzelvollstreckung aufstellen. Eine vom Insolvenzschuldner nur Zug 17 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 7; offen gelassen in RG JW 1936, 2139 Nr 12. AA, aber eher beiläufig BGH NZI 2016, 301 Rn 32; ZIP 2005, 1559, 1561; RG JW 1927, 699 (Lemberg). 18 Näher: § 38 Rn 72. 19 BGH ZIP 2018, 2174 Rn 11; ZIP 2002, 1043; Gehrlein WM 2020, 1, 5. 20 Für den Anspruch aus § 303 AktG vgl Thole ZIP 2020, 389, 398. AA Klöckner ZIP 2011, 1454 Rn 5.1 (Schätzung nach § 45 S 1). 21 S § 38 Rn 77. 22 RGZ 63, 307 f; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 3; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 7; vgl auch Staudinger/Emmerich (2021) BGB § 539 Rn 33. AA BGHZ 81, 146, 150 f; 101, 37, 42 f; BGH LM Nr 5 zu § 76 VVG = NJW 1991, 3031; s dazu § 47 Rn 99. 23 RG JW 1898, 160 Nr 24. 24 I S 376, II S 290. 25 MwN und Stellungnahme s § 38 Rn 82; RGZ 134, 377, 379; HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 9; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 3 Rn 20, § 69 Rn 2. Inzwischen aA MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 8b. 26 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 8c. AA BGH NJW 1995, 1750; BAG ZIP 2007, 745 Rn 29. 405

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

um Zug zu erfüllende Forderung kann nicht als solche angemeldet werden, sondern muss unter Abzug des (ggf selbst nach Satz 1 zu schätzenden) Wertes der dem Insolvenzschuldner obliegenden Leistung be- bzw umgerechnet werden.27

9 b) Unbestimmte Geldforderungen. Ob der Geldbetrag unbestimmt ist, muss bei rechtsgeschäftlich begründeten Forderungen durch Auslegung ermittelt werden. Er ist nicht deshalb unbestimmt, weil der Wert der Forderung sich verändern kann oder verändert hat. Beispielsweise wird eine Obligation, die unter oder über pari emittiert worden ist, im Insolvenzverfahren grundsätzlich mit ihrem Nennwert berücksichtigt.28 Ihr Geldbetrag ist durch den Nennwert bestimmt. Dass dadurch der Gläubiger bei Ausgabe über pari einen Verlust erleidet, bei Ausgabe unter pari einen Gewinn erzielt, ist in der besonderen Art dieser Kreditgeschäfte begründet. Unbillig erscheinende Folgen können sich allerdings ergeben, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Anleiheschuldners schon kurze Zeit nach der Emission eröffnet wird. Sie müssen jedoch in Kauf genommen werden.29 Die Anwendung des § 45 ist ausgeschlossen; denn die Forderung steht nach Grund und Betrag von vornherein fest.30 Unbestimmt oder ungewiss ist der Geldbetrag der Insolvenzforderung dagegen, wenn sie zB auf Ersatz eines zur Zeit der Verfahrenseröffnung zwar dem Grunde, nicht aber auch dem Betrage nach feststehenden Schadens gerichtet ist.31 In die nach Satz 1 vorzunehmende Schätzung sind auch die zukünftig zu erwartenden (weiteren) Schadensfolgen aufzunehmen, für die im Zivilprozess mangels Bezifferbarkeit nur ein Feststellungsurteil erfolgen würde.32 Falls es bislang nur zu einer Pflicht- bzw Rechtsgutsverletzung gekommen ist, die noch zu keinerlei Vermögensschaden geführt hat, berechtigt die solchermaßen nach § 45 geschätzte Schadensersatzforderung allerdings nur zur Sicherstellung gemäß § 191. Wenn für eine auf eine einmalige Leistung gerichtete unverzinsliche Forderung der Zeitpunkt der Fälligkeit unbestimmt ist, während gewiss ist, dass sie eintritt (zB Abhängigkeit der Fälligkeit vom Tod einer Person), so ist sie nicht aufschiebend bedingt; ihr Fälligkeitstermin ist nach Satz 1 zu schätzen und sodann ist sie nach § 41 II abzuzinsen.33 Wiederkehrende Leistungen müssen im Sinne der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung in 10 einen Gesamtbetrag umgerechnet werden, falls die wiederkehrenden Ansprüche auf die einzelnen Leistungen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens iSv § 38 begründet sind.34 Stehen die Dauer der Leistungen oder die einzelnen Beträge nicht fest, ist der Geldbetrag ebenfalls unbestimmt; hinsichtlich des ersteren Falls ergibt sich das aus § 46 S 2, der deshalb § 45 S 1 für anwendbar erklärt (§ 46 Rn 9). Als auf wiederkehrende Leistungen zielende Ansprüche mit unbestimmtem Geldbetrag sind zB diejenigen anzusehen, die auf Renten nach § 843 BGB wegen geminderter Erwerbsfähigkeit35 oder auf Leibrenten zielen,36 oder solche, die auf Unterhaltsrenten von unbestimmtem Betrag oder unbestimmter Zeitdauer, etwa auf Lebenszeit oder bis zur Wiederverheiratung gerichtet sind.37 Von § 45 S 1 zu unterscheiden ist § 46 S 1. Diese Vorschrift betrifft Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, die nach Betrag und Dauer bestimmt sind. 27 BGH ZIP 2017, 436 Rn 36; NZI 2016, 301 Rn 27; ZIP 2011, 859 Rn 23; ZIP 2003, 2379, 2381; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 7b; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 5; Rohrmüller NZBau 2007, 145. Zu den praktischen Problemen dieser Schätzung Gessner NZI 2020, 924. 28 Jaeger/Weber KO9 §§ 207, 208 Rn 44. 29 Jaeger/Weber KO9 §§ 207, 208 Rn 44; Bett Der Konkurs der AG (1904) S 83 ff mN. 30 Jaeger/Weber KO9 §§ 207, 208 Rn 44. AA Kohler Lehrbuch S 346. 31 RGZ 87, 82 (85); Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 11; s auch § 38 Rn 102. 32 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 10; Mitlehner ZIP 2012, 2003. 33 § 41 Rn 6 und 30; HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 12; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 11, 26. AA Henckel Voraufl § 45 Rn 8. 34 Vgl etwa § 38 Rn 99. 35 OLG Karlsruhe BadRspr 1909, 1; s auch Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 119. 36 RGZ 88, 342; oben § 38 Rn 187. 37 S § 38 Rn 103; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 12. Eichel

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Eine Kapitalisierung wird allerdings sowohl bei bestimmter als auch bei unbestimmter Zeitdauer der Leistungen notwendig. In beiden Fällen führt das Insolvenzverfahren zu einer Rentenablösung, sprich zu einer Kapitalabfindung; das Bedürfnis nach alsbaldiger und erschöpfender Schuldenbereinigung ist jeweils das gleiche. Nur die Art der Kapitalisierung ist bei § 45 S 1 einerseits und bei § 46 S 1 andererseits verschieden. Bei bestimmter Zeitdauer werden die einzelnen Leistungen unter Abzug des nach § 41 II maßgebenden Zwischenzinses zusammengezählt (§ 46 Rn 8). Bei unbestimmter Zeitdauer wird zunächst die zu erwartende Leistungsdauer mittels § 45 S 1 geschätzt (§ 46 S 2), dh unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des einzelnen Falles nach einer durch die Versicherungsmathematik geförderten Wahrscheinlichkeitsrechnung (zB bei Rentenansprüchen auf Lebenszeit nach der wahrscheinlichen Lebenserwartung des Rentenberechtigten zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung38). Die auf dieser Grundlage zu erwartenden zukünftigen Leistungen werden sodann nach dem in § 46 S 1 gesetzlich festgelegten Verfahren jeweils abgezinst und zur anzumeldenden Summe addiert.39 § 46 S 2 führt folglich zu einer kombinierten Anwendung von § 45 S 1 und §§ 46 S 1, 41 II (§ 46 Rn 9).40 Dies gilt insbesondere auch für die Kapitalisierung künftiger Rentenzahlungen aus der betrieblichen Altersversorgung.41 Die kombinierte Anwendung kommt schlussendlich auch für wiederkehrende Leistungen zur Anwendung, deren Dauer bestimmt ist, die aber in der Höhe unbestimmt sind (§ 46 Rn 9). Bei Rechten auf wiederkehrende Leistungen besteht also die Insolvenzforderung aus dem jetzi- 11 gen Gesamtwert aller künftigen Leistungen. Für dessen Schätzung ist wie nach § 46 die vorzeitige Tilgung durch die Auszahlung der Quote zu berücksichtigen und deshalb sind die Zwischenzinsen, wie bei unverzinslichen Forderungen üblich und geboten, abzuziehen und der Abzug ist in die Schätzung einzubeziehen. Diese durch die Schätzung ermittelte Insolvenzforderung ist ein einheitlicher, unbedingter Abfindungsanspruch und wird dementsprechend bei den Verteilungen durch Auszahlung der Dividende für den ganzen Abfindungsbetrag, nicht bloß durch sichernde Rücklagen berücksichtigt. Folglich kommt es für die Berücksichtigung eines nach der wahrscheinlichen Lebensdauer des Gläubigers kapitalisierten Rentenanspruchs im Insolvenzverfahren auf die tatsächliche Lebensdauer des Gläubigers nicht mehr an; wenn er zB während des Insolvenzverfahrens früher verstirbt als erwartet, senkt das den Betrag nicht ab. Die Schätzung lässt den normalen, erfahrungsgemäßen, nicht den wirklichen Gang der Ereignisse entscheiden. Eine Abänderung des festgestellten Schätzungswertes im Wege der Abänderungsklage ist unstatthaft,42 selbst wenn die Forderung später auf einen bestimmten Betrag fixiert oder erloschen ist. Auch vor rechtskräftiger Feststellung der Forderung ist eine Änderung des geschätzten Forderungsbetrages aufgrund von nach Verfahrenseröffnung eingetretenen Ereignissen nicht zulässig.43 Die vom BGH44 für sein abweichendes Ergebnis angeführte Entscheidung des Reichsgerichts45 sagt – zutreffend – etwas anderes: Die auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vorgenommene Schätzung dürfe aufgrund neuer für die Schätzung erheblicher Erkenntnisse geändert werden. Die Frage kann deshalb nur lauten: Wie hätte man mit den heute vorliegenden Erkenntnissen den Wert der Forderung für den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung geschätzt; nicht dagegen: Besteht die Forderung heute noch und wie hoch ist sie ggf heute zu schätzen? Unwiderrufliche Versorgungsanwartschaften begründen grundsätzlich aufschiebend be- 12 dingte Ansprüche, die mit ihrem nach § 45 ermittelten Schätzwert nur zur Sicherstellung gemäß

38 39 40 41 42 43

BAG ZIP 2021, 918, 924; ZIP 1989, 319 = KTS 1989, 423. MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 26; Bitter/Wosch ZIP 2020, 2044, 2045. MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 5. § 46 Rn 9; jeweils mwN BAG ZIP 2021, 1670; Bitter/Wosch ZIP 2020, 2044; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 26. MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 31. MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 34 f; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 19 (auch unter Verweis auf andernfalls drohende Verzögerungstaktiken). AA BGHZ 113, 207, 214 f. 44 BGHZ 113, 207, 214 f. 45 RGZ 170, 276, 281. 407

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§ 191 berechtigen.46 Die Auszahlung an den Arbeitnehmer hat folglich erst mit Eintritt des Versorgungsfalls zu erfolgen.47 Anderes gilt für die nach § 9 II S 1 BetrAVG auf den Träger der Insolvenzsicherung (PSV) übergegangenen Anwartschaften. Für sie bestimmt der am 1.1.1999 in Kraft getretene Satz 3 des § 9 II BetrAVG, dass die Versorgungsansprüche nicht als bedingte zu behandeln, sondern als unbedingte Forderungen nach § 45 InsO mit ihrem Schätzwert anzumelden und bei der Verteilung zu berücksichtigen sind.48 Die damit vorverlegte Fälligkeit muss in die Schätzung des Wertes eingehen.49 Eine Abzinsung entsprechend §§ 46 S 1, 41 II ist geboten.50 Gleiches gilt für künftige Rentenzahlungen, wenn der Versorgungsfall bereits eingetreten ist (§ 46 Rn 7).51

3. Schätzungsverfahren 13 Die Schätzung ist Sache des Gläubigers, der in seiner Anmeldung eine in Inlandswährung ausgedrückte Geldsumme bezeichnen muss (§ 174).52 Zu schätzen ist, besonders bei Sachleistungsansprüchen, der gemeine Wert (Verkehrswert)53 im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens,54 nicht ein subjektiver Liebhaberwert des Gläubigers.55 Bereits absehbare zukünftig eintretende Ereignisse (zB erwartbar steigende Inflationsrate; indexabhängige Erhöhungen dynamischer Forderungen) sind bei der Umrechnung zu berücksichtigen.56 Widersprüche gegen die Höhe der Anmeldung sind im Feststellungsstreit (§§ 176 ff) auszutragen.57 War zur Zeit der Verfahrenseröffnung ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, muss der Gläubiger die Feststellung gegen den Widersprechenden nach § 180 II durch Aufnahme betreiben.58 Lag bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel vor, liegt die Betreibungslast beim Widersprechenden (§ 179 II).

III. Währungsumrechnung (§ 45 Satz 2) 14 Nur Insolvenzforderungen, deren Geldbetrag in einer anderen Währung als der der Staaten, die an der gemeinsamen Euro-Währung teilnehmen (Rn 3), ausgedrückt ist, gelten als Forderungen in ausländischer Währung im Sinne des § 45 S 2. Anwendbar ist die Vorschrift sowohl auf effektive (echte) Fremdwährungsforderungen, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens in fremder Währung erfüllt werden müssen, als auch auf einfache Fremdwährungsforderungen, die auch in In46 BGHZ 113, 207, 212; 136, 220 ff; ZIP 2008, 279 Rn 10; ZIP 2005, 909, 911; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 15, 28; Bitter NZI 2000, 399 ff; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 15; Ganter NZI 2013, 769, 771; inzwischen auch BAG ZIP 2021, 918 Rn 48 ff unter Abkehr von der früheren Rechtsprechung in BAGE 24, 204, 211, kraft der es lediglich § 69 KO, nicht hingegen § 67 KO (heute: § 191 InsO) anwandte; weitere Nachw zur früheren Rspr des BAG bei Henckel Voraufl § 45 Rn 10 und Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 13 ff. 47 BAG ZIP 2021, 918 Rn 49. 48 BAG ZIP 2021, 918 Rn 54; ZIP 2021, 1670 Rn 21; BT-Drucks 12/3803, S 112; im Vorgriff auf diese Gesetzesänderung auch schon BGH ZIP 1997, 1596; s auch Braun/Bäuerle InsO9 § 45 Rn 10; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 14. 49 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 21. 50 BAG ZIP 2021, 1670 Rn 21; KTS 1988, 169 = ZIP 1987, 1466; KTS 1989, 423 = ZIP 1989, 319; Bitter/Wosch ZIP 2020, 2044, 2046 ff; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 45 Rn 7; zur Berechnung § 46 Rn 9. 51 HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 15; Rolfs/Schmid ZIP 2010, 701, 703 f. 52 BGH ZIP 1989, 926; HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 21 f; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 21; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 18. 53 Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 45 Rn 6; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 20. 54 Schon für die KO hM (BGH ZIP 2008, 279 Rn 18), jetzt ausdrücklich in § 45 klargestellt. 55 HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 23. 56 HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 25; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 19; LG Frankfurt/M BB 82, 1924 = DB 1982, 2185 (voraussichtliche Geldentwertung). 57 RGZ 24, 60, 62; FK/Bornemann InsO9 § 45 Rn 8; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 45 Rn 11. 58 RGZ 65, 132 ff; BGH NJW 1995, 1750 = WM 1995, 838 = ZIP 1995, 643. Eichel

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landswährung erfüllt werden können.59 Bei Geldforderungen mit alternativer Erfüllungsklausel, bei denen außerhalb eines Insolvenzverfahrens nach Wahl (regelmäßig des Gläubigers) in Eurooder Fremdwährung gezahlt werden kann, wird das Wahlrecht durch die Verfahrenseröffnung nicht tangiert. Wählt der Gläubiger Zahlung in Fremdwährung, was ihm Vorteile bringt, wenn der Kurs dieser Währung gegenüber dem Euro gestiegen ist, wird die Forderung nach § 45 S 2 nach dem Stichtagskurs (Rn 16) umgerechnet, nicht etwa der alternativ geschuldete im Vertrag festgelegte Eurobetrag angesetzt. Den Fremdwährungsforderungen gleich gestellt sind Forderungen, die in einer Rechnungsein- 15 heit ausgedrückt sind (Satz 2 Var 2). Dieser Zusatz erlangt durch die Digitalisierung eine neue und größere Bedeutung. Private Zahlungs-Token („Kryptowährungen“)60 sind im Allgemeinen (dh ohne Anerkennung durch einen Staat) keine Währung.61 Sie haben allerdings einen Kurswert, sodass sie als Rechnungseinheit iSv § 45 anzusehen sind,62 wenn sie als Zahlungsmittel dienen (zum Valutakauf Rn 18).63 Ansprüche auf Kryptowerte, welche nicht die Funktion von Geld erfüllen (zB sog Non Fungible Token, NFT), sind hingegen nach § 45 S 1 zu behandeln.64 Der in § 45 S 2 aufgenommene Zusatz der „Rechnungseinheit“ geht auf eine Stellungnahme des Bundesrates zurück, wonach sich vor allem der internationale Wirtschaftsverkehr in zunehmendem Maß bestimmter Rechnungseinheiten zur Denominierung von Geldforderungen bediene. Als „Rechnungseinheit“ in diesem Sinne kommt etwa das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds65 in Betracht. Daneben hatte man an die ECU gedacht. Vom Tage des Inkrafttretens der InsO an galt aber Art 2 I der Verordnung (EG) Nr 1103/97,66 nach dem jede Bezugnahme in einem „Rechtsinstrument“ auf die ECU durch eine Bezugnahme auf den Euro zum Kurs von 1 Euro für 1 ECU ersetzt wurde. Fremdwährungen und Rechnungseinheiten sind in Euro umzurechnen, wobei sich der Kurs- 16 wert aus dem vereinbarten Wechselkurs und, in Abwesenheit einer solchen Vereinbarung, aus dem EZB-Referenzkurs ergibt.67 In zeitlicher und örtlicher Hinsicht gilt der Kurswert, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 II Nr 3, III)68 für den Zahlungsort maßgebend ist. Die Umrechnung auf den Eröffnungstag kann sich bei Kursänderungen während des Verfahrens für die eine oder andere Seite vorteilhaft auswirken, ist aber um der Verfahrensvereinfachung willen geboten. Stimmrechte und Tabelleneinträge können nicht ständigen Schwankungen ausgesetzt sein. Die Forderungsrechte der Insolvenzgläubiger werden auch in anderer Hinsicht auf den Eröffnungszeitpunkt fixiert.69 Auf einen anderen Zeitpunkt kann und muss man nur abheben, wenn die Forderung betagt ist. Dem Vorteil, den der Gläubiger einer unverzinslichen betagten Forderung durch die sofortige Fälligkeit (§ 41 I) erlangt, hat der Gesetzgeber in § 41 II durch die Abzinsung Rechnung getragen. Entsprechend muss verhindert werden, dass ein Fremdwährungsgläubiger vor einem absehbaren Kursverlust durch die vorzeitige Fälligkeit bewahrt wird.70 Der für die Ermittlung des Kurswerts maßgebliche Zahlungsort ist der Erfüllungsort der Geldschuld iSv § 244 II BGB,71 dh derjenige Ort, an dem die Zahlung tatsächlich geleistet wer59 60 61 62 63 64 65

Staudinger/Omlor (2021) BGB § 244 Rn 141 (zum Begriff ebd. Rn 18); Schmidt FS Merz (1992) S 533, 538. Zum Begriff Staudinger/Omlor (2021) BGB Vorbem §§ 244 ff Rn A193a. Staudinger/Omlor (2021) BGB Vorbem §§ 244 ff Rn A194a; ders JZ 2017, 754, 758. Ammann CR 2018, 379 Rn 36; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 18. Allgemein zu dieser Einschränkung vgl Staudinger/Omlor (2021) BGB Vorbem §§ 244 ff Rn B19a. Skauradszun ZIP 2021, 2610, 2616. Rechtsgrundlage: Art XV ff des IWF-Abkommens. Einzelheiten bei Staudinger/Omlor (2021) BGB § 244 Rn 106 und Staudinger/Schmidt (1997) BGB Vorbem zu 244 ff Rn A37 f, F33 ff. 66 III der oa VO. 67 K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 45 Rn 14; HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 24. 68 Die Kritik von Arend an der Umrechung auf diesen Zeitpunkt (ZIP 1988, 69, 74) ist, abgesehen von ihrer Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut des § 45, von Schmidt FS Merz (1992) S 533, 540, überzeugend widerlegt worden. 69 Schmidt FS Merz (1992) S 533, 540. 70 Erwogen von Schmidt FS Merz (1992) S 533, 541, 551. 71 Rechtsausschuss des Bundestages zu § 52 des RegE; HambK/Lüdtke InsO9 § 45 Rn 27; Staudinger/Omlor (2021) BGB § 244 Rn 141. 409

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den soll.72 Im Regelfall ist das der Wohn- bzw Geschäftssitz des Gläubigers.73 Insoweit besteht ein erheblicher Unterschied zum alten § 69 KO, zu dem man auf den Ort der Konkursverwaltung abstellte.74 17 Die Forderung muss umgerechnet zur Tabelle angemeldet werden.75 Geschieht das nicht, ist die Anmeldung unwirksam. Eine solchermaßen unwirksame Anmeldung hemmt weder die Verjährung (§ 204 I Nr 10 BGB) noch tritt die Feststellungswirkung nach § 178 InsO ein.76 Der Verwalter hat in Fremdwährung angemeldete Forderungen nicht von Amts wegen umzurechnen. Vielmehr hat er ihre Eintragung in die Tabelle abzulehnen, den Gläubiger zu verständigen77 und auf Umrechnung hinzuwirken.78 Für nachträgliche Änderungen ist § 177 I maßgebend. Für einen Widerspruch gegen das Ergebnis der Umrechnung gilt das zur Schätzung Ausgeführte (Rn 13) entsprechend. Von den Fremdwährungsforderungen, die Geldforderungen sind, oder den Ansprüchen auf 18 Zahlungs-Token, die wie Geldforderungen zu behandeln sind (Rn 15), müssen Geldkaufverträge unterschieden werden.79 Ist ein Kaufvertrag über ausländische Zahlungsmittel oder Kryptowährung geschlossen worden (Valutakauf), der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beiderseits nicht voll erfüllt ist, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung wählen (§ 103 I). Dann muss er die ausländischen Zahlungsmittel oder die Token liefern. Wählt der Verwalter die Erfüllung nicht, ist der Anspruch des Käufers wegen Nichterfüllung (§ 103 II S 1) in Inlandswährung anzumelden. Hatte der Käufer zur Zeit der Verfahrenseröffnung den Vertrag bereits voll erfüllt, ist der Wert seines Anspruchs auf Lieferung der Valuta nach § 45 S 1 in Inlandswährung zu schätzen. Entsprechendes gilt beim Devisenkauf, also beim Kauf von Fremdwährungsforderungen, der als Rechtskauf einzuordnen ist.80

IV. Folgen der Schätzung und Umrechnung 1. Schätzung (Satz 1) 19 Das Gebot, den Geldwert zu schätzen (Satz 1), bedeutet allein nicht eine über die Zwecke des Insolvenzverfahrens hinausgehende Veränderung des Inhalts der Ansprüche. § 45 sagt zunächst nur, wie die Forderungen mit unbestimmtem Geldbetrag und die nicht auf Geld gerichteten Forderungen im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind. Die im Insolvenzverfahren festgestellten Forderungen (§ 178) können im Verfahren nur als Geldforderungen in Höhe des nach § 45 geschätzten Wertes berücksichtigt und festgestellt werden. Ob diese Besonderheit des Verfahrens auch nach dessen Abschluss weiterwirkt, ist umstritten. Der Streit hat vorwiegend Gewicht, wenn die Forderung ursprünglich auf einen der Gattung nach bestimmten oder noch herzustellenden Gegenstand oder eine nicht gegenständliche Leistung wie zB eine Dienstleistung gerichtet war, während er vernachlässigt werden kann, wenn eine Speziessache zu leisten war. Denn diese ist regelmäßig im Verfahren verwertet worden, sodass der Gläubiger ohnehin nur noch einen Geldanspruch haben kann. 20 Da § 45 unmittelbar nur regelt, wie die Forderung im Verfahren geltend gemacht werden muss, liegt die Frage nahe, ob der Gläubiger auf den ursprünglichen Inhalt der Forderung zurück72 73 74 75 76 77 78 79 80

Staudinger/Omlor (2021) BGB § 244 Rn 11. Staudinger/Omlor (2021) BGB § 244 Rn 11. BGHZ 108, 123, 128 f; Jaeger/Lent KO8 § 69 Rn 5; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 69 Rn 4. LG Mönchengladbach KTS 76, 67; Braun/Bäuerle InsO9 § 45 Rn 2. Eckardt in: Kölner Schrift Rn 14. Braun/Bäuerle InsO9 § 45 Rn 2; HK/Depré InsO10 § 175 Rn 4; Eckardt in: Kölner Schrift Rn 19. Braun/Bäuerle InsO9 § 45 Rn 2. Vgl Staudinger/Omlor (2021) BGB Vorbem §§ 244 ff Rn B9. Staudinger/Omlor (2021) BGB § 244 Rn 24; Schmidt FS Merz (1992) S 533, 535.

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greifen kann, wenn das Verfahren eingestellt (§§ 207 ff) worden ist. Grundsätzlich können und müssen die Ansprüche in ihrem ursprünglichen Inhalt gegen den Schuldner und mithaftende Dritte verfolgt werden, wenn die abgeschätzten oder umgewerteten Ansprüche noch nicht zur Tabelle festgestellt sind (§ 178).81 Ihre Anmeldung als Geldforderung in Inlandswährung bindet die Beteiligten nicht,82 auch wenn es vor der Einstellung noch zum Abschluss eines Feststellungsverfahrens kommen sollte. Denn diese könnte nur für das laufende und allenfalls für ein abgeschlossenes Verfahren wirken, verliert also mit dessen Einstellung seine Wirkung. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schuldner im Prüfungstermin der Forderung nicht widersprochen hat oder sie nach seinem Widerspruch rechtskräftig festgestellt worden ist. Denn dann wirkt der Tabelleneintrag auch nach der Einstellung des Verfahrens gegen den Schuldner (§ 215 II S 2 mit § 201).83 Dass der Schuldner in diesem Fall die Feststellung der Forderung in ihrem umgewandelten Inhalt hinnehmen muss, hat nichts mit der materiellen Rechtskrafttheorie zu tun.84 Diese würde bewirken, dass die Forderung durch die Rechtskraft verändert würde. Das ist aber nicht der Fall. Dadurch aber, dass nach § 215 II S 2 mit § 201 die zur Tabelle festgestellte Forderung auch gegen den Schuldner wirkt, der im Feststellungstermin der angemeldeten Forderung nicht widersprochen hat, wird § 45 auch auf die Rechtsverfolgung gegen den Schuldner nach der Einstellung des Verfahrens erstreckt. Auch jetzt kann die Forderung nur so geltend gemacht werden, wie sie angemeldet und mit Wirkung gegen den Schuldner festgestellt worden ist. Der Schuldner kann die Feststellung und die Vollstreckung nicht dadurch unterlaufen, dass er dem Gläubiger die ursprünglich geschuldete Leistung anbietet. Mithaftende Gesamtschuldner und Bürgen werden von der Wirkung des Tabelleneintrags und damit von § 45 grundsätzlich nicht betroffen;85 anderes gilt nur dann, wenn der Dritte aus materiell-rechtlichen Gründen auch für den gemäß § 45 bzw §§ 45, 46 veränderten Forderungsinhalt aufzukommen verpflichtet ist, wie das bei Versicherern der Fall sein kann (zB im Kontext von § 110 VVG).86 Wird das Verfahren aufgehoben (§ 200), gilt grundsätzlich nichts anderes. Als zusätzliche 21 Begründung für diese Annahme kann ein Vergleich mit den Fällen dienen, in denen ein dem § 103 unterfallender gegenseitiger Vertrag beiderseits noch nicht erfüllt ist und der Verwalter nicht die Erfüllung gewählt hat.87 In diesem Fall kann der Vertragspartner im Insolvenzverfahren nur seine Differenzforderung (§ 103 II S 1) geltend machen, wenn er diese im Verfahren angemeldet hat und sie bei einer Verteilung berücksichtigt werden durfte, also festgestellt worden ist. Nur wenn der Vertragspartner auf die Teilnahme am Insolvenzverfahren schlechthin verzichtet oder die Forderungsanmeldung zurückgenommen hat, bevor sie mit Rechtskraftwirkung (§ 178 III) festgestellt ist,88 kann er seinen Anspruch mit dem ursprünglichen Inhalt gegen den Schuldner verfolgen. Allerdings ist die Umwandlung des Anspruchs aus einem gegenseitigen Vertrag in den einseitigen Anspruch des § 103 II S 1, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt, anderer Art als die in § 45 gebotene Umrechnung. Der gegenseitige Vertrag wird in einseitige Ansprüche umgewandelt, während § 45 die Geltendmachung des Anspruchs mit einem anderen Inhalt fordert. Hier wie dort muss dem Gläubiger aber der Weg freigehalten werden, die Anmeldung seiner Forderung zurückzuziehen, um sie nach Beendigung des Verfahrens mit dem ursprünglichen Inhalt gegen den Schuldner geltend zu machen.89 Diese Befugnis steht ihm bis zur Feststellung der Forderung zu. Die Umwandlung des gegenseitigen Vertrages bindet den Schuldner auch über

81 BGH ZIP 2022, 1398 Rn 10. Allemal zu pauschal daher BGH ZIP 2018, 2174 Rn 11 („Die Erfüllung des Anspruchs […] kann nicht mehr verlangt werden.“). 82 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 37 f; Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 226. 83 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 26. 84 Ebenso MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 42; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 26. 85 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 27; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 50, 52 ff; Rolfs/Schmid ZIP 2010, 701, 703. 86 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 51; MünchKomm/Littbarski VVG2 § 110 Rn 32. 87 Auf diesen Zusammenhang hinweisend: Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht2 (1998) Rn 3.35 f. 88 Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 226; Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 160 ff; Marotzke a.a.O. (Fn 87) Rn 3.36, 3.40. 89 Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 160. 411

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den Abschluss des Verfahrens hinaus, weil mit Berücksichtigung des einseitigen Anspruchs des Vertragspartners die Möglichkeit einer Rückumwandlung in die ursprünglichen Leistungsansprüche ausgeschlossen ist. Demgegenüber schließt die Feststellung einer nach § 45 S 1 angemeldeten Forderung für Zwecke des Insolvenzverfahrens den Rückgriff auf den ursprünglichen Forderungsinhalt auch für die Abwicklung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht aus. Eine Bindung muss hier voraussetzen, dass die Feststellung auch dem Schuldner gegenüber bindend geworden ist. Wer seine Forderung nach § 45 S 1 angemeldet hat, kann sie also nur noch als Geldforderung geltend machen, wenn sie im Verfahren berücksichtigt werden durfte, weil sie weder vom Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger bestritten wurde noch rechtskräftig festgestellt ist.90

2. Umrechnung (Satz 2) 22 Das Gebot, Fremdwährungsforderungen umzurechnen (Satz 2), muss nicht zwangsläufig zu denselben Ergebnissen führen. Die Interessenlage ist hier eine andere. Wenn der Wechselkurs sich nicht geändert hat, kann es dem Gläubiger gleichgültig sein, ob er inländische oder die ursprünglich geschuldete ausländische Währung bekommt. Ist der Wert der ausländischen Währung gegenüber der inländischen seit der Eröffnung des Verfahrens gesunken, hat der Gläubiger kein Interesse, auf die ausländische Währung zurückzugreifen. Der Schuldner darf sie ihm auch nicht aufdrängen.91 Denn das Risiko eines Kursverlustes, der während der Dauer des Verfahrens eingetreten ist, also zu einer Zeit, als der Gläubiger seine fällige Forderung nicht durchsetzen konnte, darf ihm nicht auferlegt werden. Während insoweit jedenfalls im Ergebnis Einigkeit besteht,92 wird die Rechtslage bei Anstieg des Kurses der ausländischen Währung unterschiedlich beurteilt. Die hM behandelt die in Inlandswährung angemeldete Fremdwährungsschuld nicht anders als die Verbindlichkeiten, die nach § 45 S 1 zum Schätzwert (Rn 19–21) angemeldet worden sind. Eine während des Verfahrens dem Schuldner gegenüber bindende Feststellung der Forderung fixiere danach ihren Wert. Eine Nachforderung wegen der Kurssteigerung der fremden Währung gebe es nicht.93 Die inzwischen wohl hL stützt dieses Ergebnis auf die prozessuale Rechtskraft des Tabelleneintrags,94 von der sie die Umrechnung in die Fremdwährung genauso erfasst sieht wie den Vorgang nach § 45 S 1. In diesem Punkt unterscheidet sich die hier schon in der Vorauflage vertretene Auffassung,95 wonach die Umrechnung in Inlandswährung, anders als die Schätzung des Geldwerts einer nicht auf Geld gerichteten Forderung, nicht den Inhalt der Forderung betrifft, sondern lediglich ihren Umfang anders berechnet und daher nicht von der Rechtskraft erfasst wird. Die Umrechnung in Inlandswährung ist ausschließlich für das Insolvenzverfahren notwendig. Die Anmeldung der Forderung in Inlandswährung und ihre rechtskräftige Feststellung sind allein für das Verfahren verbindlich:96 Der Verwalter kann nichts nachfordern, wenn sich der Kurs nach der Verfahrenseröffnung zugunsten der Masse verändert hat, und der Gläubiger hat im umgekehrten Fall kein Nachforderungsrecht. Außerhalb des Verfahrens besteht aber keine Notwendigkeit, die Fremdwährungsforderung als 90 RGZ 93, 209, 213; RG JW 1936, 2139 Nr 12; Jaeger/Weber KO9 § 164 Rn 10; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 164 Rn 1a; Kübler/ Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 45 Rn 8. AA Häsemeyer InsR4 Rn 25.15 ff; Nerlich/Römermann/Westphal InsO43 §§ 201, 202 Rn 14. 91 Schmidt FS Merz (1992) S 531, 545 ff. 92 Schmidt FS Merz (1992) S 531, 545 f. 93 RGZ 93, 209, 213; 170, 276, 280; BGH KTS 1976, 297; NJW 1976, 2264; BGHZ 108, 123, 129; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 69 Rn 5c; Jaeger/Weber KO9 § 164 Rn 10; KK/Hess InsO § 45 Rn 21; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 45 Rn 8, 15; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 42–44; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 45 Rn 16; HK/Keller InsO10 § 45 Rn 14. 94 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 42–44; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 26; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 45 Rn 16. AA die Meinung, die mit der Feststellung der Forderung zur Tabelle eine endgültige Inhaltsänderung annimmt: RGZ 93, 209, 213; 112, 297, 300; 170, 276, 280; BGH KTS 1976, 297 = NJW 1976, 2264; BGHZ 108, 129; BAG KTS 1991, 323 = ZIP 1991, 235; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 45 Rn 8, 15. 95 Henckel Voraufl § 45 Rn 20. 96 Arend ZIP 1988, 69, 72; Schmidt FS Merz (1992) S 531, 543 f; Müller NJW 1968, 225. Eichel

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auf Inlandswährung gerichtet zu behandeln. Die rechtskräftige Feststellung der Forderung in inländischer Währung bindet hinsichtlich der Währung nicht.97 Der Gläubiger kann die Forderung als Fremdwährungsforderung geltend machen,98 der Schuldner muss sie in der fremden Währung erfüllen, wenn nichts anderes ausdrücklich vereinbart ist (§ 244 I BGB).99 Soweit der Gläubiger im Insolvenzverfahren keine Deckung erhalten hat, kann er den Restbetrag in der Fremdwährung geltend machen.100 Das gilt – wie es auch die hM auf Basis der streitgegenstandslimitierten prozessualen Rechtskraft annimmt101 – im Verhältnis zu Bürgen oder zu Pfandrechten.102 Für das Verhältnis zu Gesellschaftern s zu § 93.103 Die Vollstreckung aus der Eintragung in der Tabelle (§ 201 II) geschieht allerdings nach Maßgabe des Tabelleneintrags stets in Inlandswährung. Eine Vollstreckung aus einem vor der Verfahrenseröffnung ergangenen Fremdwährungstitel ist unzulässig. Dieser Titel ist durch den im Insolvenzverfahren geschaffenen Inlandswährungstitel überholt und verbraucht.104 Ist die Eingangsentscheidung zur Restschuldbefreiung nach § 287a getroffen und ein Treu- 23 händer bestellt, gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz des aufgehobenen Insolvenzverfahrens für die Dauer der Wohlverhaltenszeit fort (§ 294). Deshalb bleibt die Umwandlung von Forderungen in Geldforderungen und die Umrechnung von Fremdwährungsforderungen bestehen,105 bis die Laufzeit der Abtretungserklärung beendet (§ 299) oder verstrichen (§ 300 I) ist und die vom Treuhänder verwalteten Mittel abschließend verteilt sind.

V. Insolvenzplan Da die Forderungsfeststellung zur Tabelle nach einem Insolvenzplanverfahren den Schuldner 24 nach § 257 in gleicher Weise bindet wie nach §§ 201 und 215, gilt für die Haftung des Schuldners nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258) grundsätzlich nichts anderes als nach Verfahrensaufhebung im Anschluss an die Schlussverteilung (§ 200).106 Jedoch kann in einem Insolvenzplan die Befriedigung der Insolvenzgläubiger abweichend von den Vorschriften des Gesetzes geregelt werden (§ 217). Der Plan kann deshalb vorsehen, dass Fremdwährungsforderungen in fremder Währung beglichen werden.107 Auch kann der Plan festlegen, dass nicht auf Geld gerichtete Forderungen mit unverändertem Inhalt befriedigt werden. Ein Nachteil solcher Regelungen, der von den Abstimmenden berücksichtigt werden sollte, besteht darin, dass der Tabelleneintrag nicht mehr als Vollstreckungstitel taugt.108 Zu beachten ist aber, dass innerhalb einer Abstimmungsgruppe allen Beteiligten grundsätzlich gleiche Rechte anzubieten sind (§ 226). Eine Gruppe der Sachleistungsgläubiger dürfte sich grundsätzlich nicht sachgerecht von der anderer Insol97 Schmidt FS Merz (1992) S 531, 544, 551. AA RGZ 93, 209, 213; 112, 297, 300; BGHZ 108, 123, 129; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 69 Rn 5a; Jaeger/Lent KO8 § 69 Rn 6. 98 Fürst ZZP 56, 387 ff; Schmidt FS Merz (1992) S 531, 544. Feststellungswirkung auch gegenüber dem Insolvenzschuldner setzen voraus: Arend ZIP 1988, 69, 73 und Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 69 Rn 5b; Kalter KTS 1973, 16, 22 f, will die Inhaltsänderung schon mit der Forderungsanmeldung eintreten lassen. 99 Schmidt FS Merz (1992) S 531, 544, 551; HK/Eickmann InsO3 § 45 Rn 9. 100 AA RGZ 170, 276, 280. 101 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 27; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 45 Rn 15. 102 Arend ZIP 1988, 69, 74; Schmidt FS Merz (1992) S 531, 543 f; Müller NJW 1968, 225. AA Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 69 Rn 5c. 103 Vorerst Jaeger/Wefer KO9 § 212 Rn 1. 104 RGZ 112, 297 ff; MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 45; Schmidt FS Merz (1992) S 531, 545; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 69 Rn 5c. 105 Schmidt FS Merz (1992) S 531, 544, 548. 106 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 47 ff. 107 So schon für den Zwangsvergleich der KO: BGHZ 108, 123, 130 f mwN; Arend ZIP 1988, 69, 75 f; Schmidt FS Merz (1992) S 531, 550. 108 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 48. 413

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venzgläubiger abgrenzen lassen, wie es § 222 II S 2 fordert. Daher wird eine Befriedigung durch Sachleistung in den Plan nur aufgenommen werden können, wenn alle betroffenen Beteiligten der Gruppe der ungesicherten Insolvenzgläubiger, welcher die Sachleistungsgläubiger angehören, zustimmen (§ 226 II). Die Leistung muss entsprechend der für die Beteiligten der Abstimmungsgruppe allgemein festgesetzten Quote teilbar sein, bei Unteilbarkeit muss ein Ausgleich im Plan vorgesehen sein. Möglich ist die Befriedigung durch Sachleistung auch, wenn die Gläubiger der Gruppe ausnahmslos voll befriedigt werden sollen, etwa mit Ratenleistungen oder als Kleingläubigergruppe, deren Zustimmung zum Plan durch das Angebot sofortiger voller Befriedigung gefördert werden soll. 25 Vom Insolvenzplan werden auch die Gläubiger betroffen, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 254b).109 Ihre Forderungen sind nicht bindend festgestellt, müssten folglich nach Maßgabe des Plans eingeklagt werden, wenn der Schuldner nicht freiwillig leistet. Gleiche Betroffenheit bedeutet auch, dass die Sachleistungsgläubiger und die Fremdwährungsgläubiger, die am Verfahren nicht teilgenommen haben, nicht anders zu behandeln sind als die entsprechenden teilnehmenden Gläubiger der Gruppe, der sie zugeordnet gewesen wären, wenn sie teilgenommen hätten. Grund der für die Beteiligten bindenden Forderungsumwandlung ist hier nicht eine verbindliche Feststellung der Forderung zur Tabelle oder die rechtskräftige Bestätigung eines vom Tabelleneintrag abweichenden Insolvenzplans, sondern der Grundsatz der Gleichbehandlung, der nach § 226 für die Beteiligten einer Gruppe gilt.110

109 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 49; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 45 Rn 29. 110 MünchKomm/Bitter InsO4 § 45 Rn 49; grundlegend Fritzsche Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag (2017) S 321 f. Eichel

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§ 46 Wiederkehrende Leistungen 1 Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, deren Betrag und Dauer bestimmt sind, sind mit dem Betrag geltend zu machen, der sich ergibt, wenn die noch ausstehenden Leistungen unter Abzug des in § 41 bezeichneten Zwischenzinses zusammengerechnet werden. 2Ist die Dauer der Leistungen unbestimmt, so gilt § 45 Satz 1 entsprechend.

Materialien DiskE § 51; RefE § 51, Begr S 47; RegE, BT-Drucks 12/2443, § 53, Begr S 124; Rechtsausschuss, BT-Drucks12/7302 zu § 53 RegE.

Vorgängerregelungen § 70 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 377 ff, Begr EKO S 290 ff, KO-Prot S 58, 1532.

Literatur Vgl auch Literatur zu § 38; Bitter/Wosch Abzinsung von Betriebsrentenansprüchen in der Insolvenz nach § 46 Satz 2, § 45 Satz 1 InsO, ZIP 2020, 2044; Krumm Die Versorgungsansprüche des Gesellschafter-Geschäftsführers und ihre Besicherung im Lichte des gesetzlichen Pfändungs- und Aufrechnungsschutzes, ZIP 2010, 1782.

Übersicht I.

Einleitung

1

II.

Erfasste Forderungen

III.

Kapitalisierung

3

1. 2. 3.

Allgemeines 8 Satz 1 9 Satz 2

5

I. Einleitung § 46 entspricht inhaltlich im Wesentlichen § 70 KO und 35 VglO. Wie schon in § 35 VglO ist der 1 zweite Satz des § 70 KO nicht übernommen, der den Gesamtbetrag der zusammengezählten Leistungen auf den zum gesetzlichen Zinssatz kapitalisierten Betrag begrenzte. Abgesehen davon können Literatur und Rechtsprechung zu § 70 KO und § 35 VglO verwendet werden. Da das Insolvenzverfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden muss, können Forde- 2 rungen auf wiederkehrende Leistungen, die auch über die Verfahrensdauer hinaus zu erbringen sind, nur angemessen im Sinne der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung berücksichtigt werden, wenn sie kapitalisiert werden. Auch für die einzelnen Verfahrensschritte ist die Kapitalisierung notwendig, weil nur so das Gewicht der Stimme des Gläubigers richtig bemessen werden kann (§§ 76 f, 237, 244 I Nr 2). Der kapitalisierte Betrag ist also auch für das Stimmrecht maßgebend.1 § 46 S 1 ist als Spezialregel zu § 45 zu verstehen: Für die Kapitalisierung ist hier keine Schätzung erforderlich, da die wiederkehrenden Leistungen nach Betrag und Dauer bestimmt sind.2

1 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 11. 2 MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 1. 415 https://doi.org/10.1515/9783110666175-013

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II. Erfasste Forderungen 3 § 46 teilt den Anwendungsbereich von § 45 (dort Rn 4).3 § 46 bezieht sich folglich nur auf Insolvenzforderungen (§ 38), auch nachrangige (§ 39).4 Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen iSv § 46 zeichnet daher aus, dass sie einem Rechtsverhältnis entspringen, welches vor Verfahrenseröffnung einheitlich iSv § 38 begründet war.5 Ferner dürfen sie nicht gemäß § 55 zu Masseforderungen aufgewertet sein (vgl § 38 Rn 99), da Masseforderungen im Gegensatz zu § 46 wiederkehrend befriedigt werden.6 Gemäß § 46 kapitalisiert werden nur die Leistungen, die nach der Eröffnung des Insolvenz4 verfahrens zu erbringen wären. Vorher bereits fällige werden nicht abgezinst, sondern als selbstständige Insolvenzforderungen mit den fälligen Beträgen geltend gemacht.7 Von wiederkehrenden Leistungen sind Ansprüche auf Ratenzahlungen zu unterscheiden, mit denen Kapital abgezahlt wird. Diese werden nicht nach § 46 kapitalisiert, sondern, soweit sie bei der Verfahrenseröffnung noch nicht fällig sind, durch § 41 fällig gestellt. Sie sind folglich als fällige Forderungen und – nur wenn sie unverzinslich sind – mit Abzug des Zwischenzinses (§ 41 II) anzumelden.8

III. Kapitalisierung 1. Allgemeines 5 Die Kapitalisierung geschieht zum Zweck des Insolvenzverfahrens. Wird das Verfahren eingestellt, bevor eine Quote gezahlt werden konnte, besteht die Forderung daher in ihrer ursprünglichen Gestalt fort.9 Daran ändert sich auch nichts, wenn die Forderung schon im Feststellungsverfahren kapitalisiert angemeldet und mit Rechtskraftwirkung festgestellt war. Wird das Verfahren hingegen aufgehoben (§ 200), so ist die kapitalisierte Forderung im Verfahren bereits berücksichtigt. Ist eine Quote ausgezahlt worden, hat es damit sein Bewenden. Auch für die Nachhaftung bleibt die Forderung kapitalisiert. Ist das Verfahren abgeschlossen, ohne dass eine Quote gezahlt werden konnte, bleibt es bei der Kapitalisierung, wenn der Gläubiger die Forderung im Verfahren geltend gemacht hat und diese bei einer Verteilung berücksichtigt werden durfte. Dagegen kann der Gläubiger die Forderung in ihrer ursprünglichen Gestalt geltend machen, wenn er auf die Teilnahme am Insolvenzverfahren schlechthin verzichtet oder die Forderungsanmeldung zurücknimmt, bevor sie mit Rechtskraftwirkung (§ 178 III) festgestellt ist. Die Auffassung, die auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung der Forderung abstellt,10 führt zu keinem anderen Ergebnis, weil bei Aufhebung des Verfahrens das Feststellungsverfahren entweder abgeschlossen ist oder die Forderung nach § 189 II berücksichtigt wird oder aber unberücksichtigt bleibt (§ 189 III), womit die Anmeldung wie eine zurückgenommene ihre Wirkung verliert. Ist die Kapitalisierung endgültig, ist sie auch hinsichtlich einer für die Forderungen auf wiederkehrende Leistungen übernommenen Bürgschaft oder einer dinglichen Sicherung verbindlich.11 Die von § 46 erfassten Forderungen muss der Gläubiger als kapitalisierte geltend machen. 6 Geschieht das in der Anmeldung der Forderung nicht, muss der Verwalter sie unter Hinweis auf den Fehler zurückweisen und zur gesetzmäßigen Anmeldung anregen. Zu einer Kapitalisierung 3 MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 3. 4 Vgl RGZ 94, 209, 212; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 46 Rn 5. 5 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 2 f; HambK/Lüdtke InsO9 § 46 Rn 3. 6 Vgl BGH ZIP 2008, 279 Rn 19. 7 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 3; MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 7. 8 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 2; MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 6. 9 BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 46 Rn 13. 10 Jaeger/Weber KO9 § 164 Rn 10. 11 Vgl RGZ 94, 209, 213 f; Krumm ZIP 2010, 1782, 1783. Eichel

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von Amts wegen ist der Verwalter nicht verpflichtet. Ein Widerspruch gegen die Berechnung der Kapitalisierung wird im Feststellungsstreit (§ 179) ausgetragen.12 § 46 S 2 enthält auch die Klarstellung, dass die wiederkehrenden Ansprüche, obwohl noch 7 nicht sicher ist, ob „der eine oder andere“ von ihnen noch entstehen wird, nicht als bedingte Forderungen zu behandeln sind.13 Der nach §§ 46, 41 kapitalisierte Betrag wird also nicht nur durch Rücklage (§ 191 I S 2) gesichert; vielmehr wird die darauf entfallende Quote voll ausbezahlt. Das unterscheidet die § 46 unterfallenden, „bereits laufenden“ wiederkehrenden Ansprüche von denjenigen, die zwar ebenfalls bereits iSv § 38 begründet sind, von denen aber ungewiss ist, ob sie überhaupt zu laufen beginnen werden. Letztere (zB Ansprüche aus unverfallbaren Versorgungsanwartschaften vor Eintritt des Versorgungsfalls) berechtigen mit ihrem nach § 45 ermittelten Schätzwert lediglich zur Sicherstellung gemäß § 191 (§ 45 Rn 12).14

2. Satz 1 Die Kapitalisierung nach § 46 S 1 setzt voraus, dass Betrag und Dauer der wiederkehrenden Leis- 8 tungen bestimmt sind. Sie geschieht dann durch Addierung der künftigen Zahlungen, jeweils unter Abzug des Zwischenzinses nach der Hoffmanschen Methode.15 Die so ermittelte Summe wird insoweit vermindert, als sie den zum gesetzlichen Zinssatz kapitalisierten Betrag der einzelnen wiederkehrenden Leistungen übersteigt.16 Diese Begrenzung ist zwar in § 46 nicht ausgesprochen. Sie ist aus § 70 S 2 KO nicht übernommen worden. Der zweite Satz des § 70 KO fehlte jedoch schon in § 35 VglO, ohne dass damit eine inhaltliche Abweichung von § 70 KO beabsichtigt war. Die Begründung des Entwurfs einer Vergleichsordnung17 zu §§ 34, 35 VglO beschränkte sich auf den Satz: „§§ 34, 35 stimmen mit §§ 69, 70 der Konkursordnung überein, die nach § 2 Satz 2 der Vergleichsordnung (vom 5. Juli 1927)18 auch im Vergleichsverfahren entsprechend anzuwenden sind“. Dementsprechend wurde § 70 S 2 KO im Vergleichsverfahren entsprechend angewendet.19 Mit der Übernahme des § 35 VglO in § 46 InsO kann sich daran nichts geändert haben.20 Für eine feste Jahresrente von 5 000 A wird beim gesetzlichen Zinssatz von 4 % ein Kapital von 125 000 A benötigt, um sie daraus allein durch einen entsprechenden jährlichen Zinsertrag zu erwirtschaften. Mehr als diesen Betrag kann der Gläubiger daher nicht verlangen, gleichgültig auf welche Dauer die Rente geschuldet ist.

3. Satz 2 Ist die Dauer der Leistungen unbestimmt, ist nach Satz 2 in Verbindung mit § 45 S 1 der Wert 9 der kapitalisierten Leistungen zu schätzen. Was das bedeutet, war lange umstritten.21 Inzwischen hat das BAG geklärt, dass § 46 S 2 lediglich die Schätzung der Dauer gemäß § 45 S 1 verlangt, während aufgrund des so ermittelten Leistungsumfangs der Betrag sodann nach § 46 S 1 zu kapita-

Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 10. MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 4. Bitter NZI 2000, 399, 403 ff; Rolfs/Schmid ZIP 2010, 701, 703 f. § 41 Rn 27 ff; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 8. BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 46 Rn 15. Veröffentlicht durch das Reichsjustizministerium, 1933. Klammerzusatz vom Bearbeiter. Bley/Mohrbutter VglO4 § 35 Rn 2; Kilger/Schmidt InsG17 § 35 VglO Anm 1. MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 2, 8; HK/Keller InsO10 § 46 Rn 7. Jeweils mit Überblick über den Streitstand BAG ZIP 2021, 1670; Bitter/Wosch ZIP 2020, 2044; s auch schon § 45 Rn 10.

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lisieren ist.22 Damit gilt für die Abzinsung der gesetzliche Zinssatz kraft §§ 46 S 1, 41 II und nicht der Marktzins.23 Das unterscheidet sich von einer unter der KO etablierten Praxis, in der die Abzinsung von Betriebsrentenansprüchen nach einem aufgrund freier Schätzung ermittelten Zinssatz erfolgte, der oberhalb des gesetzlichen Zinssatzes lag.24 Die Schätzung der Dauer geschieht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des einzelnen Falles nach versicherungsrechtlicher Wahrscheinlichkeitsrechnung, bei Ansprüchen auf Lebenszeit nach der wahrscheinlichen Lebenserwartung des Berechtigten (§ 45 Rn 10). Für Ansprüche auf Leistungen von bestimmter Dauer, aber mit unbestimmtem Betrag, gilt § 45 S 1 unmittelbar, wobei nur die Beträge nach § 45 S 1 zu schätzen sind, während die Kapitalisierung sodann analog §§ 46 S 1, 41 II zu erfolgen hat (§ 45 Rn 10).25 Sind Dauer und Betrag unbestimmt, ist § 46 S 2 entsprechend anzuwenden,26 also zunächst die Dauer und sodann die Beträge zu schätzen, um den darüber ermittelbaren Gesamtbetrag nach § 46 S 1 zu kapitalisieren.27 Das galt schon für § 35 S 2 VglO, dem § 46 S 2 InsO nachgebildet ist.28

22 BAG ZIP 2021, 1670; so schon zuvor MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 5; Henckel Voraufl § 46 Rn 7; ebenso Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 5. AA LAG Stuttgart, ZIP 2020, 2034; OLGR Köln 2004, 200; K Schmidt/Thonfeld InsO19 § 45 Rn 12. 23 Ausführlich begründet bei Bitter/Wosch ZIP 2020, 2044, 2046 ff. 24 BAGE 60, 32 = ZIP 1989, 319, 320; Berenz DB 2004, 1098; weitere Nachw in der ersten Aufl von MünchKomm/ Lwowski/Bitter InsO1 § 45 Rn 26 Fn 114 und bei Bitter/Wosch ZIP 2020, 2044, 2046. 25 MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 4 f und § 45 Rn 26; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 6; HambK/Lüdtke InsO9 § 46 Rn 9; für § 45 S 1 direkt auch (aber mit Wortdreher) Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 46 Rn 10. 26 Braun/Bäuerle InsO9 § 46 Rn 5; Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 46 Rn 8 f; MünchKomm/Bitter InsO4 § 46 Rn 4 f und § 45 Rn 26. 27 Uhlenbruck/Knof InsO15 § 46 Rn 7 mit etwas Kritik. 28 Bley/Mohrbutter VglO4 § 35 Rn 1. Eichel

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§ 47 Aussonderung 1 Wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. 2Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.

Materialien 1. Ber InsRKomm, LS 3.2.1, 3.2.4, 3.3.1, 3.3.2; DiskE §§ 52 I, 55 I Nr 1, Allg Begr S 44; RefE §§ 52, 55 I Nr 1, Allg Begr S 50; RegE BR-Drucks 1/92 S 124, BT-Drucks 12/2443, § 54, Begr S 87, 124.

Vorgängerregelung § 43 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 199 ff, 202 ff; Begr EKO S 154 ff, 157 ff; KO-Prot S 28 ff, 127 ff, 149, 163 ff, 172.

Allgemeine Literatur Achsnick/Krüger Factoring in Krise und Insolvenz (2008); Barnert Insolvenzspezifische Pflichten des Insolvenzverwalters gegenüber Aussonderungsberechtigten, KTS 2005, 431; Berger C Zur Aussonderung aufgrund obligatorischer Herausgabeansprüche, FS Kreft (2004), S 191; ders Barkaution des Mieters in Zwangsverwaltung und Insolvenz, ZfIR 2010, 221; ders Immaterielle Wirtschaftsgüter in der Insolvenz, ZInsO 2013, 569; Borchers Über die Behandlung der mit der Aussonderung im Konkursverfahren verbundenen Kosten und die Verpflichtung zu deren Zahlung, KTS 1972, 237; Bultmann Aussonderung von Daten in der Insolvenz, ZInsO 2011, 992; Canaris Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, FS Flume (1978), S 371; Dahl Die Mietkaution in der Insolvenz, FS Görg (2010), S 119; Eckardt Anfechtung und Aussonderung – Zur Haftungspriorität des Insolvenzanfechtungsanspruchs im Verhältnis zu den Eigengläubigern des Anfechtungsgegners, KTS 2005, 15; Elz Verarbeitungsklauseln in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers – Aussonderung oder Absonderung?, ZInsO 2000, 478; Gehrlein Eigentumsrechte nach einer Geldvermengung, NJW 2010, 3543; Gerhardt Neue Erfahrungen mit der Aussonderung, Absonderung und Aufrechnung, in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts (2000), S 127; Gundlach Die haftungsrechtliche Bedeutung der Versicherung für fremde Rechnung in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, DZWIR 2000, 309; ders/Frenzel/Schmidt Die Anwendbarkeit des § 392 Abs. 2 HGB auf das aus dem Ausführungsgeschäft Erlangte in der Insolvenz des Kommissionärs, DZWIR 2000, 449; dies Die Vereinbarung eines Kostenbeitrags zugunsten der Masse zwischen Vorbehaltsverkäufer und Insolvenzverwalter, DZWIR 2001, 277; dies Die Zulässigkeit des Sicherheiten-Poolvertrags im Insolvenzverfahren, NZI 2003, 142; Ganter Das Sicherheitenpool-Syndrom und sein „Heilungsprozess“, ZIP 2017, 2277; Haarmeyer Die vergütungsrechtliche Berücksichtigung von Ab- und Aussonderungsrechten nach der InsVV, ZInsO 1999, 488; Haas/Müller Der Insolvenzanfechtungsanspruch in der Insolvenz des Anfechtungsgegners, ZIP 2003, 49; Häde Die Behandlung von Geldzeichen in Zwangsvollstreckung und Konkurs, KTS 1991, 365; Hage/Lind Zur Qualifizierung der von dem Aussonderungsberechtigten aufgewandten Ausbaukosten als Masseverbindlichkeit, ZInsO 2011, 2264; Hahn Die Behandlung von Aus- und Absonderungsrechten im Fall der Nichtgeltendmachung durch die begünstigten Gläubiger, ZInsO 2018, 911; Heidland Insolvenzrechtliche Probleme beim Factoring, KTS 1970, 165; Henckel Pflichten des Konkursverwalters gegenüber Aus- und Absonderungsberechtigten (1979); Hilger Miteigentum der Vorbehaltslieferanten gleichartiger Ware (1983); Hödl Der Lieferantenpool (2010); Hoffmann J F „Dateneigentum“ und Insolvenz, JZ 2019, 960; ders Ordnungsfunktion und „Gegenstand“ der Aussonderung, KTS 2022, 315; Jonek Der Lieferantenpool im Insolvenzverfahren, FS Jobst Wellensiek (2011), S 415; Jülicher Die Aussonderung von (Cloud-)Daten nach § 47 InsO, ZIP 2015, 2063; Kern Die Sicherheit gedeckter Wertpapiere, 2004; Marotzke „Dingliche“ Wirkungen der Gläubiger- und Konkursanfechtung, KTS 1987, 1; Niesert Das Recht der Ausund Absonderung nach der neuen Insolvenzordnung, InVO 1998, 141; ders Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999); ders/Kairies Aus- und Absonderung von Internet-Domains in der Insolvenz, ZInsO 2002, 510; Picker Die insolvenzrechtliche Aussonderung aufgrund obligatorischer Rechte, FS Schröder (2013), S 517; ders Die Drittwiderspruchsklage in ihrer geschichtlichen Entwicklung als Beispiel für das Zusammenwirken von materiellem Recht und Prozeßrecht (1981); Rauhut Aussonderung von Geld – Gegenständliche und wertmäßige Trennung fremden Vermögens von der Insolvenzmasse (2020); Sack/Kühn Aus- und Ersatzaussonderungsansprüche nach §§ 47, 48 InsO im Insolvenzfall HEROS, FS Görg (2010), S 413; Schmidt K Unterlassungsanspruch, Unterlassungsklage und deliktischer Ersatzanspruch im Konkurs, ZZP 90 (1977), 38; ders Unterlassungsansprüche in der Insolvenz: Debatte ohne Ende?, FS Schilken (2015), S 789; Schoan Die konkursrechtliche Stellung von Gläubigern – Aussonderung, Absonderung und Aufrechnung im Konkursverfahren, DB 1949, 93; Smid Vindikationsrechtliche Beziehungen zwischen Aussonderungsberechtigten

419 https://doi.org/10.1515/9783110666175-014

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§ 47

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

und Insolvenzmasse, NZI 2014, 633; Spitzer Das persönliche Recht auf Aussonderung (2017); Tintelnot Vereinbarungen für den Konkursfall (1991).

Zum Eigentumsvorbehalt Böhle-Stamschräder Eigentumsvorbehalt und Konkurs, DGVZ 1958, 139; Brinkmann Der einfache Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, FS Vallender (2015), 39; Bülow Der Eigentumsvorbehalt als Treuhandgeschäft, WM 2007, 429; Gottwald Der verlängerte Eigentumsvorbehalt in der Käuferinsolvenz, FS Gero Fischer (2008), S 183; Gravenhorst Eigentumsvorbehalt = Sicherungsübereignung?, JZ 1971, 494; Häsemeyer Vorbehaltskauf und Finanzierungsleasing im geltenden und künftigen Insolvenzrecht, FS Serick (1992), 153; Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten beim Kundenkonkurs2 (1984); Hoffmann J F Die Vertragswidrigkeit einfacher Eigentumsvorbehalte zwischen Schuld- und Sachenrecht, JuS 2022, 697; Huber Der Eigentumsvorbehalt im Synallagma, ZIP 1987, 750; Kepplinger Der Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, ZIK 2000, 110; Kieninger Die Sonderstellung des Eigentumsvorbehalts als Sicherungsmittel des Warenkredits: Dogmatik und ökonomische Rechtfertigung, FS Canaris II (2017), 635; Kuhn Der Eigentumsvorbehalt im Konkurs, WM 1972, 206; Marotzke Der Eigentumsvorbehalt im neuen Insolvenzrecht, JZ 1995, 803; Mohrbutter Konkurrenz Allgemeiner Geschäftsbedingungen, KTS 1975, 93; Serick Die Profilierung der Mobiliarsicherheiten von heute im Konkurs von gestern, in: 100 Jahre KO (1977), S 271; ders Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, 6 Bde (1963–1989); Stracke Das Aus- oder Absonderungsrecht des Vorbehaltseigentümers im Konkurs des Vorbehaltskäufers, KTS 1973, 102; ders Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung. Neue Rechtsentwicklungen2 (1993); Treffer Eigentumsvorbehalt von Warenlieferanten und Kostenbeitrag bei Käuferkonkurs, MDR 1998, 1394.

Zur Treuhand Achsnick/Opp Die doppelnützige Treuhand in der Sanierung³ (2021); Bitter Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung – Außenrecht der Verwaltungstreuhand (2006); ders Die Doppeltreuhand in der Insolvenz, FS Ganter (2010), S 101; ders Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters bei besitzlosen Rechten und bei einer (Doppel-)Treuhand am Sicherungsgut, ZIP 2015, 2249; Bork Die Doppeltreuhand in der Insolvenz, NZI 1999, 337; ders Zur Anwendung des § 181 BGB bei der Einrichtung eines Doppeltreuhandkontos, NZI 2005, 530; Braun/Riggert Die doppelseitige Treuhand als Sanierungsinstrument, FS Görg (2010), S 95; Budde Die doppelnützige Treuhand in der Restrukturierungspraxis, ZInsO 2011, 1369; Coing Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts (1973); Flitsch Die Vereinbarungstreuhand in der Insolvenz des Treuhänders, FS Jobst Wellensiek (2011), S 383; Fridgen Zum Aussonderungsrecht bei der fremdnützigen Verwaltungstreuhand, ZInsO 2004, 530; Ganter Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Treuhandkonten in der Insolvenz des Treuhänders, FS Gerhart Kreft (2004), S 191; Geibel Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht (2008); Gernhuber Die fiduziarische Treuhand, JuS 1988, 355; Heinsius Der Sicherheitentreuhänder im Konkurs, FS Henckel (1995), S 387; Henssler Treuhandgeschäft – Dogmatik und Wirklichkeit, AcP 196 (1996), 37; Jacoby Doppeltreuhand in der Insolvenz des Treugebers, FS Kübler (2015), S 309; Kirchhof Die mehrseitige Treuhand in der Insolvenz, FS Kreft (2004), S 359; Kreft Treuhandkonto und Geschäftsfortführung bei Insolvenz, FS Merz (1992), S 313; Lange Treuhandkonten in Zwangsvollstreckung und Insolvenz, NJW 2007, 2513; Löhnig Treuhand – Interessenwahrnehmung und Interessenkonflikte (2006); v. Rom Die Aussonderungs- und Drittwiderspruchsrechte der Treugeber bei der doppelseitigen Sicherheitentreuhand, WM 2008, 813; Schmidt D Geldforderungen als Gegenstand einer Aussonderung und Ersatzaussonderung, JZ 2022, 552; Schmidt K Das Rätsel Treuhandkonto – Gedanken über „Unmittelbarkeit“, „Mittelherkunft“ und „Offenkundigkeit“ als Kriterien der Verwaltungstreuhand, FS Wiegand (2005), S 933; Stürner Der vollstreckungs- und insolvenzrechtliche Schutz der Konsortialbank bei treuhänderisch gehaltenen Grundschulden des Konsortialführers, KTS 2004, 259; Thole Die doppelnützige Sanierungstreuhand in der Insolvenz, KTS 2014, 45; Undritz Doppeltreuhand und das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters, BB 2016, 74; Weitbrecht Die Doppeltreuhand, NZI 2017, 553.

Zur Lizenz Berger C Der Lizenzsicherungsnießbrauch – Lizenzerhaltung in der Insolvenz des Lizenzgebers, GRUR 2004, 20; ders Der BGH auf dem Wege zur Anerkennung der Insolvenzfestigkeit von Softwarelizenzen, NZI 2006, 380; ders Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzengebers, GRUR 2013, 321; Berger L Insolvenzschutz für Markenlizenzen (2006); Bortz Urheberrechtliche Lizenzen in nationaler und internationaler Insolvenz (2012); Brinkmann Schiedsverfahren über Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers – eine Gleichung mit drei Unbekannten, NZI 2012, 735; Bullinger/Hermes Insolvenzfestigkeit von Lizenzen im zweiten Anlauf einer Insolvenzrechtsreform, NZI 2012, 492; Dieselhorst Zur Dinglichkeit und Insolvenzfestigkeit einfacher Lizenzen – Kritische Betrachtungen auf der Grundlage des BGH-Urteils „Reifen Progressiv“, CR 2010, 69; Fezer Lizenzrechte in der Insolvenz des Lizenzgebers – Zur Insolvenzfestigkeit der Markenlizenz, WRP 2004, 793; Ganter Patentlizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers, NZI 2011, 833; Haedicke Dingli-

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420

§ 47

Aussonderung

che Wirkungen und Insolvenzfestigkeit von Patentlizenzen in der Lizenzkette, ZGE/IPJ 3 (2011), 377; Hauck Die Verdinglichung obligatorischer Rechte am Beispiel einfacher immaterialgüterrechtlicher Lizenzen, AcP 211 (2011), 626; Heimberg Lizenzen und Lizenzverträge in der Insolvenz (2011); Hirte Sublizenzen in der neueren Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH (M2Trade und Take Five) und ihre Auswirkungen auf die Debatte um die Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, ZInsO 2013, 1770; ders/Knof Wem „gehört“ die Lizenz? – Plädoyer für eine Dekonstruktion des Haftungsrechts in der Insolvenz, JZ 2011, 889; Hoffmann J F Der Bestandsschutz von Unterlizenzen, ZGE/IPJ 7 (2015), 245; Jelinek Lizenzen in der Insolvenz – nach deutschem und US-amerikanischen Recht (2013); Kern K Ausschließliche Patentlizenzen im Europäischen Insolvenzrecht (2015); Marotzke Das M2Trade-Urteil des BGH vom 19.7.2012: ein Stolperstein auf dem Weg zur gesetzlichen Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen? Zugleich ein Beitrag zum Umfang des immaterialgüterrechtlichen Sukzessionsschutzes bei Lizenzketten, ZInsO 2012, 1737; McGuire Lizenzen in der Insolvenz: ein neuer Anlauf zu einer überfälligen Reform, GRUR 2012, 657; Pleister/Wündisch Lizenzen in der Insolvenz – eine unendliche Geschichte?, ZIP 2012, 1792; Potthoff Patentlizenzen in der Insolvenz (2015); Scherenberg Lizenzverträge in der Insolvenz des Lizenzgebers unter besonderer Berücksichtigung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters nach § 103 Abs. 1 InsO (2005); Schmoll/Hölder Patentlizenz- und Know-how-Verträge in der Insolvenz – Teil I: Insolvenz des Lizenznehmers, GRUR 2004, 743; dies Teil II: Insolvenz des Lizenzgebers, GRUR 2004, 830; Seemann Der Lizenzvertrag in der Insolvenz (2002); Slopek Die Lizenz in der Insolvenz des Lizenzgebers, WRP 2010, 616; Tabrizi Lizenzen in der Insolvenz nach dem Scheitern des Gesetzes zur Einführung eines § 108a InsO (2011); Weber/Hölzel Das Schicksal der Softwarelizenz in der Lizenzkette bei Insolvenz des Lizenznehmers, NZI 2011, 432; Wiedmann Lizenzen und Lizenzverträge in der Insolvenz (2006); v. Wilmowsky Vermieter (Verpächter, Lizenzgeber) in Insolvenz, ZInsO 2011, 1473; Wimmer Neue Reformüberlegungen zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzverträgen, ZIP 2012, 545.

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung Verhältnis zur Konkursordnung 4 Begriffsgeschichte

II. 1. 2. 3.

Der Begriff der Aussonderung 5 Ordnungsfunktion der Aussonderung 7 Aussonderungsberechtigung Bezug der Aussonderung zur Masseverwal9 tung Aussonderung und Drittwiderspruchs10 klage

4.

III. 1. 2. 3.

7. 8. 9.

Der Aussonderungsanspruch 11 Allgemeine Voraussetzungen 12 Einwendungen und Einreden Unterlassungs- und Beseitigungsansprü14 che 15 Schuldrechtliche Ansprüche Verschaffungsansprüche, keine Aussonde16 rung Zusammentreffen dinglicher und persönlicher 18 Ansprüche 19 Verzug 20 Darlegungs- und Beweislast 21 Kosten

IV. 1. 2. 3. 4.

Objekte der Aussonderung 23 Bei Sachen 24 Bei Geld 25 Bei Forderungen Bei immateriellen Gütern

4. 5. 6.

Bei Wertpapieren

V.

Grenzen der Dispositionsbefugnis

VI.

Aussonderung und Absonderung

VII. Aussonderung und Masseforderung

22

26

28 30 32

VIII. Zeitliche Abgrenzung der Rechtszuständigkeit 1. Veränderung der Masse durch Handlungen des 33 Schuldners 2. Veränderungen der Masse ohne Handlungen des 34 Schuldners, Verwalterhandeln 3. Veränderungen hinsichtlich der Pfändbar35 keit IX. 1.

2.

421

27

5. 1

Die Aussonderungsrechte im Einzelnen Eigentum 36 a) Eigentum und Treuhandabreden b) Negatorischer Schutz des Eigentums (insbe37 sondere Beseitigungsansprüche) c) Sekundäransprüche des Eigentü39 mers d) Verlust des Aussonderungsrechts durch Eigen40 tumsverlust 41 Eigentumsvorbehalt a) Einfacher Eigentumsvorbehalt 42 aa) Aus- oder Absonderung 46 bb) Insolvenz des Käufers 48 cc) Verlust des Eigentums 49 b) Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Hoffmann

§ 47

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

c) d) e)

3. 4.

5. 6. 7. 8. 9. 10.

11.

Verarbeitungsklauseln 50 51 Erweiterter Eigentumsvorbehalt Wandel des Sicherungszwecks („abgeleiteter 53 Eigentumsvorbehalt“) 54 Anwartschaftsrechte, Vormerkung Treuhandverhältnisse a) Eigennützige Treuhand (va Sicherungstreu57 hand) b) Uneigennützige Treuhand (Verwaltungstreu61 hand) c) Allgemeine Voraussetzungen der Insolvenz70 festigkeit 75 d) Besondere Konstellationen 83 e) Insbesondere Doppeltreuhand 86 Aussonderungsrecht des Erben 87 Inhaber einer Forderung 88 Miteigentum und Mitberechtigung Ehegatten, Gütergemeinschaft und Erbengemein93 schaft 98 Aneignungs- und Wegnahmerechte Gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte a) Negatorischer Schutz des Vollrechtsinha100 bers b) Aussonderungsrecht des Lizenzneh101 mers? 101 aa) Diskussionsstand bb) Die bisherige Rechtsprechung des 102 BGH cc) Konsequenzen eines Aussonderungs103 rechts 104 Rechte an Daten, Kryptowährung a) Daten als Aussonderungsobjekt anerkannter 104 Schutzregime b) Vertragliche Zugriffsrechte auf Da107 ten

19.

110 c) Kryptowährung Beschränkte dingliche Rechte 111 a) Dienstbarkeiten, Erbbaurecht 112 b) Pfandrechte 113 c) Vorkaufsrechte 115 Gläubigeranfechtung 117 Besitz Schuldrechtliche Ansprüche 122 a) Allgemein 128 b) Verwahrung von Wertpapieren 141 c) Lagergeschäft Rückübertragung nach dem Vermögensge142 setz 144 Rückübertragung nach § 25 I DMBilG Verträge für fremde Rechnung 145 a) Kommissionsgeschäft b) Kein Aussonderungsrecht des Geschäftser154 werbers 155 c) Frachtgeschäft, Speditionsgeschäft d) Andere Geschäftsbesorgungsverhält156 nisse 158 Konditionsgeschäft

X. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

159 Das Verfahren Vorbereitung des Prozesses 161 Zuständigkeit 164 Parteistellung 165 Klageantrag Vorläufiger Rechtsschutz 168 Prozesskosten 169 Vollstreckung

XI.

Anhalterecht

12.

13. 14. 15.

16. 17. 18.

160

167

170

Alphabetische Übersicht Absonderung 2, 4, 30 f, 34, 36, 42, 45, 50, 53, 57, 77, 80, 85, 90, 112, 115, 127, 157, 170 Anderkonto 62, 72 Aneignung 98 f, 131, 134 Aneignungsrecht 98, 131 Anerkenntnis 23 Fn 55, 168 Anfechtung 28, 36, 115 f, 125 Anhalterecht 170 Anordnung, einstweilige 167 Auskunft 25, 100, 106, 160 Aussonderung durch Insolvenzschuldner 8 Bauträger 63 Begriffsgeschichte 4 Beseitigungsanspruch 14 f, 23, 37 f, 100, 106, 111, 118 Besichtigung 100, 160 Besitz 5 f, 8 f, 12, 17 f, 20, 23, 33, 37, 42 ff, 46, 51, 58 f, 68, 86, 88, 90 ff, 98 f, 111 f, 117 ff, 135, 160, 164 f, 168

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Beweislast 18, 20, 29, 35, 68, 90, 92, 93, 123 Daten 26, 104 ff Datenschutz 26, 106 Design 100 Dienstbarkeit 12, 14, 23, 111 Doppeltreuhand 83 Drittwiderspruchsklage 10, 162, 165, 167 Ehegatten 20, 89, 93 ff Eigentum 6, 8 f, 12, 15 ff, 19 f, 23 f, 28, 31, 33 f, 36 ff, 58, 67, 73, 80, 86, 88 ff, 96, 98 f, 107 f, 112, 117, 120, 122 ff, 130, 133 ff, 141, 143, 145, 147, 151 f, 157 f, 160, 163, 165 f Eigentums- und Vermögensgemeinschaft 89, 96 Eigentumsvorbehalt 19, 33, 41 ff, 90 f, 122, 160, 163 – abgeleiteter 53 – erweiterter 51 – verlängerter 49

422

Aussonderung

Einrede 12, 45, 58, 147, 153, 170 Einwendung 12, 147 Erbbaurecht 12, 111 Erbe 5, 86, 97, 99, 114, 157 Ersatzaussonderung 40, 48, 66, 71, 131, 134, 150, 158 Factoring 53, 66, 87, 127 Feststellungsklage 7 ff, 112, 165 Feststellungsinteresse 8, 18, 165 Fremde Rechnung 70, 145 ff, 150, 156 ff – Verträge für 145 ff – Versicherung für 157 Gerichtsstand 162 Gebrauchsmuster 100 Geheimnisschutz 26, 105 Gemeinfreiheit 26, 100 Geschäftsbesorgung 15, 68, 79 f, 122, 125, 156 f Gläubigeranfechtung 115 f Grundschuld 27, 58, 64, 77, 79, 83 – fiduziarische 64, 79 Güterstand 89, 93, 96 Gütergemeinschaft 93 ff Halbleiterschutz 100 Handelssache 163 Insolvenzanfechtung 115 f Kapitalanlagegesellschaft 75 Klageantrag 165 f Kommissionär 145 ff, 157 Konditionsgeschäft 158 Kryptowährung 110 Leistungsklage 165 Lagergeschäft 141 Leasing 67, 122 Lizenz 5, 100, 101 ff, 108 f Marke 22, 26, 100, 102 Miete 15, 18, 20, 23, 60 67, 72, 99, 122 ff, 162, 166 Mietkaution 60, 72 Mitbenutzungsrecht 111 Miteigentum 24, 41, 88 ff, 93, 137 ff, 141, 151 Miterben 97, 114 Nießbrauch 5, 18, 23, 25, 98 f, 111 Nutzungsüberlassung 13 Oder-Depot 92 Fn 271, Fn 278; 126

§ 47

Oder-Konto 126 Pacht 15, 122, 162, 165 Patent 5, 22, 26, 62, 100 Pfandrecht 10, 31, 58, 76, 88, 112, 115, 122, 141 Prozesskosten 168 Rechtsschutz, vorläufiger 167 Rückruf 100 Rückübertragung 58, 142 ff Sekundäransprüche 39 Sicherheitentreuhand 64, 74, 83 Sicherungsübertragung 58 Sonderkonto 63 Speditionsgeschäft 146, 155 Treuhand 6, 24, 36, 57 ff, 107, 115 f, 144, 146 – eigennützige 57 ff – uneigennützige 61 ff Und-Konto 126 Unmittelbarkeitsprinzip 66, 70 ff, 84 Unterlassungsanspruch 11, 14, 23, 25, 26, 37, 54 f, 100, 111 f, 118, 125, 165 Urheberrecht 9, 22, 26, 100, 104 Verarbeitungsklausel 45, 50, 92 Verfügung, einstweilige 167 Vermögensgesetz 142 f Vernichtung 11, 26 Fn 79; 100, 104 f Verschaffungsanspruch 15 ff, 25, 32, 58, 68 f, 114, 125, 130, 145, 147 Verwahrung 15, 20, 27, 97, 124, 128 ff, 151 Verwalter, Wohnungseigentum 63 Verzug 19, 39 Vorkaufsrecht 113 f Wegnahmerecht 98 f Wertpapierdepot 128 ff Wertpapiere 27, 80, 88, 128 ff, 145, 151, 153 Wettbewerbsrecht 26, 37 Fn 111; 100 Fn 302; 106 Zuständigkeit 123, 161 f, 167 – funktionelle 161 – örtliche 162 – sachliche 162 Zwangsvollstreckung 6, 8, 10, 35, 58, 69, 162, 165, 167, 169

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Konkursordnung Die Vorschrift enthält nur geringfügige Änderungen des § 43 KO, auf den § 26 I VglO verwiesen 1 hatte. Die Angaben zur Entstehungsgeschichte, Rechtsprechung und Literatur zu diesen Vorschriften sind deshalb mit nur wenigen Einschränkungen verwertbar. Nur der Formulierung, nicht der Sache nach neu ist der Satz, dass der Aussonderungsbe- 2 rechtigte kein Insolvenzgläubiger ist. Unter der Geltung der KO ergab sich dies schon aus § 3 I KO, weil die Konkursgläubiger nur aus der Konkursmasse befriedigt werden sollten und deshalb derjenige, der geltend machte, dass ein Gegenstand nicht zur Konkursmasse gehört, nicht Befriedi423

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

gung aus der Masse suchte. Da § 38 den § 3 I KO – abgesehen vom Begriff der Insolvenzmasse – unverändert übernommen hat, hätte nicht besonders hervorgehoben werden müssen, dass der Aussonderungsberechtigte nicht Insolvenzgläubiger ist. Allerdings ist dieser Zusatz unschädlich und vielleicht auch nützlich zur Abgrenzung von den Absonderungsberechtigten, die in § 52 S 1 als Insolvenzgläubiger bezeichnet werden. 3 Während § 43 KO von den Ansprüchen auf „Aussonderung eines dem Gemeinschuldner nicht gehörigen Gegenstandes“ sprach, soll nach § 47 S 1 die Aussonderung alle Gegenstände erfassen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören. Anders als nach § 43 KO soll auch der Streit des Schuldners mit dem Verwalter um die Massezugehörigkeit ein Aussonderungsstreit sein.1 Der Aussonderungsbegriff der Konkursordnung war geprägt durch das Recht eines Dritten, kraft dessen ein Gegenstand nicht dem Gemeinschuldner gehörte. Die Literatur zur InsO hält daran meist noch fest und leitet daraus auch ab, dass es eine Aussonderungsberechtigung des Insolvenzschuldners nicht geben könne (Rn 8). Der Begriff der Aussonderung ist jedoch in der InsO ein anderer. Da das insolvenzfreie Vermögen nur noch unpfändbare Gegenstände, nicht mehr aber den Neuerwerb umfasst, kann der Schuldner nur Gegenstände aussondern, die wegen ihrer Unpfändbarkeit nach § 36 I S 1 nicht zur Insolvenzmasse gehören.2 Ob auch Dritte einen Gegenstand aussondern können, der unpfändbar ist und deshalb nicht zur Masse gehört, wird in der Begründung nicht angesprochen (Rn 8).

2. Begriffsgeschichte 4 Den Ausdruck „Aussonderung“ hat erst die Konkursordnung in die Gesetzessprache eingeführt. Der Entwurf der Gemeinschuldordnung enthielt ihn noch nicht. Dort war von „Ansprüchen auf Herausgabe von Sachen aus der Gemeinmasse“ die Rede. Die gemeinrechtliche Lehre hatte die Aussonderungsberechtigten nach dem Hauptfall „Separatisten ex iure domini“ oder „Vindikanten“ genannt. Unter ihrem Einfluss stand auch der Sprachgebrauch der preußischen Konkursordnung von 1855, die den einschlägigen Abschnitt (§§ 22–30) „Vindikations-Ansprüche“ betitelte und in den einzelnen Vorschriften „vindizieren“ mit „zurückfordern“ verdeutschte. Vereinzelt, so in der bayerischen Prioritätsordnung von 1832, war im gleichen Sinn das Wort „Absonderung“ verwendet worden, das die Konkurs- und die Insolvenzordnung in anderem Sinn gebrauchen (§§ 47 ff KO, 49 ff). Bereits die Konkursordnung hatte sich von einer Paraphrasierung der Vindikation gelöst und dadurch die Aussonderung zum einen in der Rechtsfolge von der Herausgabe entkoppelt (Rn 5, 9, 14). Zum anderen ist die Aussonderung bereits in der Konkursordnung auch sprachlich nicht mehr auf körperliche Gegenstände als Aussonderungsobjekte beschränkt (Rn 5, 22 ff).

II. Der Begriff der Aussonderung 1. Ordnungsfunktion der Aussonderung 5 Die Aussonderung soll gewährleisten, dass der Insolvenzverwalter zugunsten der Gläubiger im Rahmen von Verwaltungs- und Verwertungsmaßnahmen nur solche rechtlichen Befugnisse in Anspruch nimmt, auf die sich das Befriedigungsrecht der Gläubiger erstreckt. Übergriffe in die Rechtssphäre Dritter können im Wege der Aussonderung unterbunden werden. Auch wenn § 47 S 1 sich im Wortlaut von der vindikationsanalogen Vorstellung der Herausgabe einer Sache gelöst hat, ist das Erbe weiterhin sichtbar, da nun davon die Rede ist, dass „Gegenstände“ der Aussonderung unterliegen, die nicht

1 BT-Drucks 12/2443, S 124. 2 Oetker ZZP 25 (1899), 1, 74, hatte dies schon für die KO vertreten, sich damit aber nicht durchsetzen können. Hoffmann

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Aussonderung

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zur Insolvenzmasse gehören.3 Der Wortlaut kann nur sinnvoll in dem Sinne verstanden werden, dass ein „Gegenstand“ nach Maßgabe von § 47 S 1 die faktische Anmaßung von rechtlichen Befugnissen ist.4 Welche rechtlichen Befugnisse vom Befriedigungsrecht der Gläubiger erfasst werden, ergibt sich insoweit aus § 35 I, wonach das gesamte Vermögen des Schuldners haftet, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens (§ 27) gehört und das er während des Verfahrens erlangt, soweit es pfändbar oder trotz Unpfändbarkeit nach § 36 II Massebestandteil ist. § 35 I hebt insoweit darauf ab, welcher „Gegenstand“ dem Schuldner „gehört“. In der Sache wird damit darauf verwiesen, welche rechtlichen Befugnisse dem Schuldnervermögen mit absoluter Wirkung zugewiesen sind. Im Ausgangspunkt orientiert sich die Aussonderung an der kategorialen Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten. Dritte können im Wege der Aussonderung vorgehen, wenn ihnen die streitgegenständlichen Befugnisse mit absoluter Wirkung zugewiesen sind, sie also nicht nur relativ ein Anrecht auf diese Befugnis haben. Das absolute Recht berechtigt zur Aussonderung, der betreffende „Gegenstand“ „gehört“ nicht zur Insolvenzmasse, relative Rechte sind dagegen quotal zu befriedigen (§ 38). Die Aussonderung verleiht dem negatorischen Rechtsschutz absoluter Rechtspositionen in der Insolvenz Ausdruck.5 Es spielt insofern auch keine Rolle, ob die faktische Usurpation mit der Behauptung einer legitimierenden rechtlichen Position zugunsten der Masse einhergeht.6 Es ist bspw also irrelevant, ob der patentverletzende Insolvenzverwalter eine Lizenz für die Masse beansprucht oder schlicht in Unkenntnis des Patents agiert. In der Sache besteht kein Bedarf für eine ungeschriebene Kategorie von insolvenzfesten Ansprüchen, die nicht von § 47 erfasst sind.7 Da die Aussonderung in der deutschen Insolvenzordnung8 nicht die Ordnungsfunktion hat, einen allgemeinen Insolvenzbeschlag hinsichtlich massefremder Gegenstände zu beseitigen oder gar über spezifische Präklusionsfristen einen solchen Insolvenzbeschlag zu begründen, kann und sollte § 47 im hier verstandenen Sinne weit gehandhabt werden. Die Insolvenzfestigkeit ist neben dem Schutz vor Rechtsverletzungen Dritter und dem Sukzessionsschutz das dritte maßgebliche Kriterium, das in systematischer Hinsicht zur Qualifikation einer Rechtsposition als vollwertiges absolutes Recht führt.9 Auch beschränkte dingliche Rechte haben insoweit Einfluss auf den Haftungsumfang (Rn 111 ff). Die Aussonderung richtet sich hier ebenfalls auf die durch das Recht zugewiesene Befugnis; „Gegenstand“ der Aussonderung ist nicht das (beschränkte dingliche) Recht selbst.10 Weder beim Eigentum an einer beweglichen Sache noch bei anderen Rechtspositionen wird das Recht selbst als „Gegenstand“ ausgesondert, sondern dessen negatorischer Schutz gegen faktische Befugnisanmaßungen durchgesetzt. Hat der Schuldner an seiner Sache einen Nießbrauch bestellt, schließt das die Massezugehörigkeit der Sache zwar nicht aus. Wohl aber steht ihm das Recht zum Besitz nicht zu und auch nicht das Nutzungsrecht. Folglich 3 Unzutreffende begriffliche Fixierung auf in der Masse befindliche körperliche Gegenstände insoweit bei BGHZ 185, 11, Rn 27 = NZI 2010, 811, Rn 27 – Modulgerüst II; tendenziell auch Jaeger/Windel InsO1 § 85 Rn 34. 4 Eingehend zur Ordnungsfunktion der Aussonderung J F Hoffmann KTS 2022, 315 ff; in der Sache zutreffend, wenngleich den Wortlaut des § 47 letztlich überwindend K Schmidt ZZP 90 (1977), 38, 51: „Aussonderung ist nicht Entfernung eines Gegenstandes aus der Masse, sondern Verteidigung eines aussonderungsfähigen Rechts gegenüber der Masse“. 5 Wie hier K Schmidt ZZP 90 (1977), 38, 49 ff. 6 Eingehend K Schmidt ZZP 90 (1977), 38, 46 ff und J F Hoffmann KTS 2022, 315 ff mwN; aA noch Jaeger/Lent KO8 § 43 Rn 23; tendenziell auch noch Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 101 und HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 19. 7 So aber etwa BGHZ 185, 11, Rn 27 = NZI 2010, 811, Rn 27 – Modulgerüst II; auch K Schmidt FS Schilken (2015), S 789, 794 ff entwickelt in der Sache die neuartige Kategorie einer Masseforderung, die auch bei Masseunzulänglichkeit nicht auf eine quotale Befriedigung verwiesen sein soll. 8 Anders etwa Art 242 SchKG und Art L624-9 code de commerce, die einerseits über Präklusionsfristen auch fremde Vermögensgegenstände in die materielle Haftungsmasse einbeziehen und andererseits den absoluten Rechtsschutz in der Insolvenz nicht abschließend regeln, sondern außerhalb ihres Anwendungsbereichs Raum lassen für den absoluten Rechtsschutz auf der Grundlage der allgemeinen zivil- und zivilverfahrensrechtlichen Vorschriften. Inhaber absoluter Rechte sind in solchen Systemen tatsächlich mit Nachteilen konfrontiert, wenn sie aussondern müssen; eingehend dazu J F Hoffmann KTS 2022, 315, 331 ff. 9 Siehe Canaris FS Flume Bd I (1978), S 371 ff. 10 So aber Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 55; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 328; Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 112; K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 47. 425

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

hat der Verwalter ebenfalls kein Recht zum Besitz. Der Nießbrauch begründet deshalb ein Aussonderungsrecht im Umfang seines Rechtsgehalts.11 Die Nutzungen haften nicht für die Masse. Getrennte Erzeugnisse gehören dem Nießbraucher und können von ihm ausgesondert werden. Das Nutzungsrecht haftet nicht für die Verbindlichkeiten des Schuldners. Hinsichtlich dieses Rechts ist der Nießbraucher aussonderungsberechtigt. 6 Die für die Aussonderung maßgebliche Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Rechten wird verbreitet in Frage gestellt. Das liegt zum einen an der insofern (nur) auf den ersten Blick schwer erfassbaren Aussonderungsberechtigung des obligatorisch Herausgabeberechtigten (Rn 15). Zum anderen aber wird die Befugnis zur Aussonderung in bestimmten Konstellationen gegenläufig zur Eigentumslage gewährt. So ist in Treuhandkonstellationen das Phänomen zu gewärtigen, dass der Treugeber aussondern darf, obwohl er „eigentlich“ nur schuldrechtlich kraft der Treuhandabrede auf den Gegenstand zugreifen darf (Rn 57 ff), während der Treunehmer in bestimmten Fällen bereits kraft Gesetzes nicht wie der vollwertige Inhaber der Rechtsposition behandelt wird (§ 51 Nr 1). Das hat in der Literatur auch in begrifflicher Hinsicht zu Absatzbewegungen geführt, die insofern von einer „haftungsrechtlichen Zuordnung“ reden wollen, die unabhängig von der absoluten Zuordnung zu beurteilen sei.12 Diese begrifflichen Emanzipationsversuche vom bürgerlichen Vermögensrecht führen in der Sache zu weit. Sie tragen bereits nicht dem Umstand Rechnung, dass man sich bei den Voraussetzungen der proklamierten „haftungsrechtlichen Zuordnung“ vor allem bei der Treuhand an den eigentumsrechtlichen Absolutheitserfordernissen orientiert (Rn 70 ff). Vor allem aber ist es der Zivilrechtsordnung nicht fremd, dass bestimmte relative Rechte, ggf im Wege der Rechtsfortbildung, teilweise verabsolutiert werden, ohne dass deshalb die Dichotomie absolute/relative Rechte für irrelevant befunden würde.13 So ist etwa mit dem berechtigten Besitz eine Figur bekannt, die nach verbreiteter Auffassung deliktisch geschützt ist,14 ggf einen Sukzessionsschutz genießt (§ 566 I BGB), aber nicht insolvenz- und zwangsvollstreckungsfest ist.15 Ebenso lässt sich die Treuhand als Figur erfassen, in der die schuldrechtliche Position des Treugebers insolvenzfest teilverabsolutiert wird, und die überschießend absolute Position des Treunehmers durch eine insolvenzfeste Teilverabsolutierung der Treuhandabrede entsprechend beschnitten wird. An der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der Unterscheidung relativer und absoluter Rechte ändert dieses Phänomen nichts. Teilverabsolutierte Positionen sind kein Spezifikum des Insolvenzrechts und sollten als rechtfertigungsbedürftige Erscheinung nicht Pate stehen für die Figur einer „haftungsrechtlichen Zuordnung“, mit der sich das Insolvenzrecht von einer zivilrechtlichen Gesamtsystematik letztlich verabschiedet.

2. Aussonderungsberechtigung 7 Zur Aussonderung berechtigt ist grundsätzlich der Inhaber der absoluten Befugnis, die rechtsverletzend usurpiert ist. Daneben erklärt § 47 S 1 auch obligatorisch Herausgabeberechtigte für aussonderungsberechtigt, obgleich sie nicht Inhaber der gestörten absoluten Rechtsposition sind (siehe Rn 15). Wie bei allen materiellen Rechtspositionen ist denkbar, dass Dritten Ausübungs- bzw Einziehungsermächtigungen erteilt werden, die im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft auch prozessual durchgesetzt werden können.16 Inwiefern in diesem Kontext das Aussonderungsrecht zum Gegenstand einer Drittfeststellungsklage gemacht werden kann, richtet sich nach dem grundsätzlichen Umgang mit diesen Fragen im Rahmen von § 256 I ZPO.17 Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO63 § 47 Rn 42. Statt vieler Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 2; Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 5. Canaris FS Flume Bd I (1978), S 371 ff. MünchKomm/Wagner BGB8 § 823 Rn 324 ff. Zur Funktion von § 108 I S 1 in diesem Kontext siehe MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 4 ff. Eingehend zu diesen Figuren J F Hoffmann ZZP 130 (2017), 403. Siehe etwa MünchKomm/Becker-Eberhard ZPO6 § 256 Rn 35 f und die eingehende Rechtsprechungsanalyse bei Michaelis FS Larenz (1983), S 443, 452 ff.

11 12 13 14 15 16 17

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Aussonderung

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Aus der gegenüber § 43 KO abweichenden Formulierung des § 47 S 1 ergibt sich, dass auch 8 der Schuldner aussondern kann.18 Der Gesetzgeber hat dies bewusst so geregelt. Ein Streit zwischen dem Schuldner und dem Verwalter um die Pfändbarkeit eines Gegenstandes kann und soll als Aussonderungsstreit geführt werden. Sein Aussonderungsrecht kann der Schuldner bei entsprechendem Feststellungsinteresse mit der Feststellungsklage geltend machen, etwa wenn der Verwalter eine unpfändbare Forderung zur Masse einziehen will oder eine beim Schuldner befindliche Sache zur Masse herausverlangt. Hat der Insolvenzverwalter unpfändbare Gegenstände in Besitz genommen, muss dem Insolvenzschuldner ein materiell-rechtlicher Herausgabeanspruch zustehen, der im Wege der Aussonderung geltend gemacht werden kann. Nicht ganz klar ist freilich, worauf ein entsprechender Herausgabeanspruch zu stützen ist. § 47 S 2 verweist grundsätzlich auf die Gesetze, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. Bei einer unpfändbaren beweglichen Sache könnte insofern an § 985 BGB gedacht werden, soweit der Schuldner Eigentümer der betreffenden Sache ist und durch den besitzenden Insolvenzverwalter in seinen Eigentümerbefugnissen gestört wird, ohne dass dies durch das Befriedigungsrecht der Gläubiger gedeckt wäre. Ein alleiniger Rückgriff auf § 985 BGB führt freilich deshalb nicht weiter, da die Pfändungsschutzvorschriften sich nicht alleine aus dem Eigentumsrecht heraus legitimieren, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Eigentumslage für den Schutz des § 811 I ZPO grundsätzlich irrelevant ist.19 Es ist davon auszugehen, dass § 36 I S 1 den Pfändungsschutzvorschriften letztlich unmittelbare zivilrechtliche Relevanz bei der Abgrenzung der Rechtssphären einräumt. Dem durch den Pfändungsschutz Begünstigten wird unmittelbar eine privatrechtliche Rechtsposition zugewiesen,20 die entsprechend negatorisch zu schützen ist. Wird durch Besitz gestört, ist herauszugeben, anderweitige Störungen sind zu unterlassen bzw zu beseitigen.21 Anspruchs- und aussonderungsberechtigt sind dementsprechend auch Dritte in dem Umfang, in dem sie vom Schutz der Pfändungsschutznormen erfasst werden. Das gilt zB22 für die in § 811 Nr 1 ZPO genannten Personen.

3. Bezug der Aussonderung zur Masseverwaltung Anders als § 43 KO spricht § 47 nicht mehr von einer Aussonderung „aus der Konkursmasse“ oder 9 entsprechend aus der Insolvenzmasse. Das ist einerseits korrekt, weil die auszusondernden Gegenstände gerade nicht zur Insolvenzmasse gehören. Die für die Auslegung der Konkursordnung notwendige Unterscheidung zwischen der Sollmasse als derjenigen, die das den Konkursgläubigern haftende Vermögen umfasst, und der Istmasse, zu der alle Gegenstände gehören sollten, die der Konkursverwalter für die Masse in Anspruch nahm, braucht deshalb für die Auslegung des § 47 der Insolvenzordnung nicht mehr aufrechterhalten zu werden.23 Dass in § 86 I Nr 1 doch noch von der Aussonderung eines Gegenstandes „aus der Insolvenzmasse“ die Rede ist, stellt einen redaktionellen Schönheitsfehler dar, der keinen hinreichenden Anlass gibt, mit einem gespaltenen Massebegriff zu arbeiten. Andererseits setzt die Aussonderung einen Störungstatbestand voraus, bei dem die Rechtssphäre des Aussonderungsberechtigten rechtswidrig überlagert wird. Es fragt sich deshalb, wie die störende Rechtssphäre zu erfassen ist. Insoweit ist ein Bezug zur Verwaltung des haftenden Schuldnervermögens herzustellen. Zweck der Aussonderung ist es, einen „Gegenstand“ vor der Verwaltung und Verwertung im Insolvenzverfahren zu bewahren oder der Verwaltung und 18 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 3; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 125 („aussonderungsgleich“); K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 12; aA Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 4; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 9; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO63 § 47 Rn 2. 19 Siehe nur MünchKomm/Gruber ZPO6 § 811 Rn 17. 20 Zum materiell-rechtlichen Gehalt von Pfändungsschutzvorschriften in der Einzelzwangsvollstreckung vgl etwa auch Scheuch ZZP 134 (2021), 169, 180 f. 21 Im Ergebnis auch schon Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 8. 22 Vgl zu weiteren Beispielen Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 766 Rn 36. 23 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 4. 427

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Verwertung zu entziehen. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen: Hat der Insolvenzverwalter eine massefremde Sache im Besitz, wird sie ausgesondert, indem der Verwalter dem Aussonderungsberechtigten die Sache herausgibt. Unerheblich für die Aussonderungsfähigkeit der Sache ist es, ob der Verwalter die Sache für die Masse in Anspruch nimmt oder auch nur ein Besitzrecht geltend macht.24 Die faktische Anmaßung von Eigentumsbefugnissen ist insofern für § 985 BGB ausreichend. Für die Aussonderungsfähigkeit der Sache im Wege der Herausgabe genügt es daher, dass der Verwalter die Sache unberechtigt besitzt. Sachbesitz des Verwalters ist aber nicht Voraussetzung der Aussonderung, weil diese in Gestalt von § 1004 I 1 BGB auch in Betracht kommt, wenn der Verwalter die Sache nur verbal in Anspruch nimmt.25 Aussonderung ist es deshalb auch, wenn der Berechtigte sich gegen ein Herausgabeverlangen des Verwalters verteidigt oder gegen den Verwalter auf Feststellung klagt, dass die Sache nicht zur Masse gehöre. Der Berechtigte, der die Sache wegen eines noch bestehenden Besitzrechts nicht herausverlangen kann, kann aussondern, indem er gegen den die Massezugehörigkeit behauptenden Verwalter auf Feststellung klagt, dass die Sache nicht zur Masse gehöre, oder auf Unterlassung der Verwertung bzw Beseitigung von Beeinträchtigungen. Die Aussonderung bei nicht körperlichen Gütern bzw Befugnissen kann nur in dieser Weise erfolgen, weil eine reale Ausscheidung aus dem tatsächlichen Wirkungsbereich der Insolvenzverwaltung nicht in Betracht kommt. Die verbreitete Begriffsbestimmung, Aussonderung sei die Ausscheidung von Gegenständen, die sich tatsächlich in der Masse befinden, aber rechtlich nicht zur Masse gehören, ist deshalb ungenau und beruht auf einer überholten vindikationsanalogen Erfassung der Aussonderung. Es genügt, dass der Insolvenzverwalter den Gegenstand für die Masse in Anspruch nimmt. Aussonderung verlangt also zB auch der Zessionar, der geltend macht, ihm stehe das Gläubigerrecht an einer ihm vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetretenen Forderung zu, während sie der Insolvenzverwalter des Zedenten – weil er die Wirksamkeit der Zession bestreitet – noch als dessen Vermögen behandelt (dazu Rn 25, 87). Auch insoweit kommt es aber nicht darauf an, ob der Verwalter sich auf ein Recht beruft, den Gegenstand für die Masse in Anspruch zu nehmen. Aussonderung ist es deshalb auch, wenn der Autor durch Unterlassungsverlangen oder Feststellungsklage sein Urheberrecht gegen dessen Inanspruchnahme durch den Verwalter verteidigt, gleichgültig ob dieser glaubt, zur Verwertung berechtigt zu sein oder (un)bewusst widerrechtlich handelt.

4. Aussonderung und Drittwiderspruchsklage 10 Die Aussonderung weist deutliche Parallelen zur Drittwiderspruchsklage des § 771 ZPO auf. Hier wie dort wird die Störung einer absoluten Rechtsposition durch Gläubigerzugriffe geltend gemacht und negatorische Störungsbeseitigung begehrt.26 Eine Sache, die dem Schuldner nicht gehört und deshalb im Insolvenzverfahren ausgesondert werden kann, schützt der Eigentümer gegen den Einzelvollstreckungszugriff eines Gläubigers des Schuldners durch die Drittwiderspruchsklage. Wie der Treugeber das Treugut im Insolvenzverfahren des Verwaltungstreuhänders aussondern kann, ist er berechtigt, der Pfändung des Treuguts durch einen Gläubiger des Treuhänders wegen einer das Treugut nicht betreffenden Forderung nach § 771 I ZPO zu widersprechen, obwohl der Treuhänder Eigentümer ist. Ein scheinbarer Unterschied zeigt sich allerdings in der Behandlung der Sicherungsübereignung und der Sicherungsabtretung. Während der Sicherungsnehmer im Insolvenzverfahren des Sicherungsgebers nur abgesonderte Befriedigung verlangen kann (§ 51 Nr 1), also dem 24 Vgl BGHZ 127, 156, 161 f = NJW 1994, 3232, 3233, dazu Eckert EWiR 1994, 1117 sowie Gerhardt ZZP 108 (1995), 390. 25 Vgl BGHZ 127, 156, 161 f = NJW 1994, 3232, 3233, dazu Eckert EWiR 1994, 1117 sowie Gerhardt ZZP 108 (1995), 390; Vorinstanz: OLG Nürnberg ZIP 1994, 144, dazu Eckert EWiR 1993, 1245; OLG Köln ZIP 2000, 1498, 1499.

26 Zum negatorischen Charakter der Drittwiderspruchsklage siehe etwa nur MünchKomm/K Schmidt/Brinkmann ZPO6 § 771 Rn 1. Der maßgebende Unterschied zur Aussonderung besteht freilich darin, dass diese nicht darauf gerichtet ist, ein formelles Beschlagsrecht, das über die materielle Haftungsmasse hinausgeht, zu beseitigen; im Insolvenzkontext decken sich formelles und materielles Beschlagsrecht; siehe J F Hoffmann KTS 2022, 315, 327 ff. Hoffmann

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Aussonderung

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Inhaber eines beschränkten dinglichen Haftungsrechts, etwa eines Pfandrechts, gleichgestellt wird, gewährt ihm die hM27 zutreffend (siehe § 51 Rn 10 ff) die Drittwiderspruchsklage. Das bedeutet jedoch nicht, wie Serick28 annimmt, dass sich das Sicherungseigentum mit der Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens in ein pfandrechtsähnliches Recht umwandelt. Vielmehr ist das Recht des Sicherungseigentümers und des Sicherungszessionars in der Einzelzwangsvollstreckung kein anderes als im Konkurs und im Insolvenzverfahren. Dass außerhalb des Konkurses und des Insolvenzverfahrens § 771 ZPO anwendbar ist, hat seinen Grund nicht darin, dass der Sicherungsnehmer wie jeder andere Vollrechtsinhaber behandelt werden soll, sondern beruht vielmehr darauf, dass das Recht des Sicherungseigentümers, allein über den Zeitpunkt der Verwertung seines Sicherungsgutes zu entscheiden, anders als mit der Drittwiderspruchsklage nicht gesichert und durchgesetzt werden kann.29

III. Der Aussonderungsanspruch 1. Allgemeine Voraussetzungen § 47 S 2 spricht vom Anspruch auf Aussonderung und verweist für diesen auf „die Gesetze, 11 die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten“, dh auf das sonstige Bundes- oder Landesrecht. Danach setzt der Aussonderungsanspruch voraus, dass ein Tun oder Unterlassen verlangt werden kann (vgl § 194 I BGB). Aussonderungsfähig ist jeder negatorische Anspruch auf Störungsbeseitigung, der einer absolut geschützten Rechtsposition entspringt. Negatorische Unterlassungsansprüche kommen sowohl bei absoluten Rechten an körperlichen Gegenständen (§ 1004 I S 1 BGB) als etwa auch bei Immaterialgüterrechten (§§ 97 I S 1 UrhG, 14 V S 1 MarkenG, 139 I S 1 PatG) oder auf der Grundlage von Spezialgesetzen in Betracht (zum GeschGehG Rn 105; zur DS-GVO Rn 106). Dem Abwehranspruch des Eigentümers entsprechend sind im Insolvenzverfahren des Anspruchsgegners auch nachgebildete negatorische Ansprüche zu behandeln (§§ 1027, 1065, 1090 II BGB). Daneben gibt es besondere Störungstatbestände, die bspw durch Herausgabe (§ 985 BGB), Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) oder etwa Vernichtung (§§ 140a I S 1 PatG, 18 I S 1 MarkenG, 98 I S 1 UrhG)30 oder Löschung (Art 17 I, II DS-GVO) zu beseitigen sind, was vom Insolvenzverwalter im Wege der Aussonderung zu bewerkstelligen ist.

2. Einwendungen und Einreden Der Aussonderungsanspruch ist allen Einwendungen und Einreden ausgesetzt, die dem Insol- 12 venzschuldner selbst gegenüber dem geltend gemachten Anspruch schon zur Zeit der Verfahrenseröffnung zustanden oder die während des Insolvenzverfahrens mit Bezug zur Insolvenzmasse entstehen. Das gilt insbesondere für Gegenansprüche des Schuldners, wie etwa gegenüber dem Eigentumsherausgabeanspruch für die Gegenrechte der §§ 994–1003 BGB oder für Rechte zum Besitz (§ 986 BGB), die über die Verfahrenseröffnung hinaus bestehen. Macht der Eigentümer von seinem Heimfallrecht Gebrauch, so erlischt das Erbbaurecht nicht. Der Eigentümer hat vielmehr nur einen Anspruch auf Übertragung des Erbbaurechts. Dieser Anspruch ist insolvenzfest mit der Folge, dass der Eigentümer im Insolvenzverfahren über das 27 BGHZ 80, 296, 299 = NJW 1981, 1835; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 10; Gaul/Schilken/Eberhard ZwVR12 § 41 VI 4b aa mN. 28 Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd II (1965), § 19 I 2 S 77. 29 Henckel FS Zeuner (1994), S 193, 210 ff. 30 Eingehend zum Vernichtungsanspruch J F Hoffmann ZGE/IPJ 6 (2014), 335 ff; zur Konkursfestigkeit bereits Kohler GrünhutZ 25 (1898), 209, 244; vgl auch RGZ 45, 170 ff; offengelassen von BGHZ 185, 11, Rn 27 = NZI 2010, 811, Rn 27 – Modulgerüst II. 429

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Vermögen des Erbbauberechtigten aussonderungsberechtigt ist.31 Das Recht zum Besitz begründet nach heute hL32 eine rechtshindernde Einwendung, die dem Eigentümer den Anspruch nimmt. Besteht ein Zurückbehaltungsrecht, kann der Aussonderungsberechtigte nur eine Verurteilung zur Erfüllung Zug um Zug erreichen (§ 274 I BGB). Neben den Einwendungen, die unabhängig von einem Insolvenzverfahren bestehen können, stehen dem Verwalter weitere zu, die durch das Insolvenzverfahren ausgelöst werden, wie die „Einrede“ der Anfechtbarkeit nach §§ 129 ff.33 Ein beschlagsfreies Gegenrecht des Insolvenzschuldners, wie zB eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, hätte dagegen der Insolvenzschuldner selbst zu verfolgen. 13 Erfolgte eine Nutzungsüberlassung durch einen Gesellschafter, so wird der Herausgabeanspruch des Gesellschafters nach § 135 III S 1 gehemmt, soweit nicht ohnehin § 108 I S 1 greift.34 Es handelt sich um eine Aussonderungssperre, für die der Gesellschafter einen Ausgleich gemäß § 135 III S 2 erhält.

3. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche 14 Aussonderungsanspruch kann auch ein anderer als ein Herausgabeanspruch sein, wenn er geeignet ist, ein Aussonderungsrecht zu schützen, etwa ein Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung einer Störung (Rn 38). Die Störung kann darin bestehen, dass der Verwalter sich anschickt, die Sache zu verwerten oder für die Masse zu benutzen. Welche Ansprüche im Einzelnen gemeint sind, wird in der InsO nicht bestimmt. Ein Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in ein aussonderungsfähiges Recht, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner selbst ausgehen oder zu befürchten sind, richtet sich gegen den Schuldner. Er kann ungeachtet des Insolvenzverfahrens verklagt werden, und § 89 hindert die Vollstreckung des Urteils (§ 890 ZPO) nicht. Verlangt dagegen der Rechtsinhaber die Unterlassung von Eingriffen, die er vom Insolvenzverwalter zu befürchten hat, sei es, dass dieser ein angeblich dem Schuldner zustehendes Eingriffsrecht, etwa eine Grunddienstbarkeit, für die Masse in Anspruch nimmt, sei es, dass er die Sache zu veräußern beabsichtigt, so handelt es sich um einen Aussonderungsanspruch.35 Dass der Insolvenzverwalter ein massezugehöriges Eingriffsrecht geltend macht, ist nicht Voraussetzung dafür, dass der Unterlassungsanspruch als Aussonderungsanspruch zu qualifizieren ist (Rn 5).

4. Schuldrechtliche Ansprüche 15 Mit der Formulierung des § 47 S 1, dass die Aussonderung aufgrund eines persönlichen Rechts verlangt werden kann, sind Aussonderungsansprüche gemeint, mit denen ein schuldrechtlich Berechtigter die auszusondernde Sache herausverlangen kann. Dazu gehören die Forderungen auf Rückgabe einer Sache nach beendeter Leihe, Verwahrung, Miete, Pacht, Geschäftsbesorgung oder Verpfändung (Einzelheiten: Rn 122 ff ). Entsprechend der Terminologie des BGB werden diese Ansprüche als Herausgabeansprüche (vgl §§ 667, 985, 931, 976 II, 983, 986, 1007 I, II, 1011, 1082, 1698 I, 1890 S 1, 2018 BGB) oder Rückgabeansprüche (§§ 546, 546a I, 584b S 1, 596 I, 604, 695 S 1 BGB) den Verschaffungsansprüchen gegenübergestellt. Aussonderungsansprüche aufgrund eines persönlichen Rechts sind auch solche, mit denen ein schuldrechtlich Berechtigter Maßnahmen zum Schutz des aussonderungsfähigen Gegenstandes beanspruchen kann, etwa Unterlassung oder Beseitigung einer Störung. Nicht dagegen ist der Fall gemeint, dass der wahre 31 32 33 34 35

BGH NJW 2007, 2325, 2326; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 22; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 331. BGHZ 82, 13, 18 = NJW 1982, 940; MünchKomm/Baldus BGB8 § 986 Rn 91 ff mN. Zum Begriff „Einrede“ siehe zu § 146 II und Jaeger/Henckel KO9 § 41 Rn 44. Eingehend zum umstrittenen Verhältnis von § 135 III und § 108 I S 1 Jaeger/Jacoby InsO2 § 108 Rn 48 f, 171 ff. Jaeger/Henckel KO9 § 10 Rn 19 ff; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 352.

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Gläubiger seine Forderung gegenüber deren Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter schützen will. Denn in einem solchen Streit geht es um die Rechtszuständigkeit, also die Zuweisung einer Forderung, die in ähnlicher Weise absolut wirkt wie die Zuweisung des Eigentums an einer Sache (Rn 25, 87). Zur Rechtfertigung des Aussonderungsrechts des obligatorisch Herausgabeberechtigten wird verbreitet ausgeführt, es reiche aus, wenn geltend gemacht werden könne, dass ein Gut nicht zur Masse gehöre; die Voraussetzungen der Aussonderung seien negativ zu fassen.36 Soweit diese Aussagen über eine Schilderung der prozessualen Darlegungs- und Beweissituation hinaus auch einen systematisierenden Gehalt haben sollen, ist ihnen die Gefolgschaft zu versagen. Mit diesem negativen Verständnis lässt sich zwar zutreffend erfassen, warum der Insolvenzverwalter das Gut nicht verwerten darf und warum es nicht dem Haftungszugriff der Gläubiger unterfällt. Die Nichtberechtigung der Masse ist freilich nur die eine Seite der Medaille. Unbeantwortet bleibt die Frage, warum der obligatorisch Herausgabeberechtigte geltend machen darf, dass das Gut nicht zur Haftungsmasse gehört. Nach Maßgabe der Unterscheidung relativer und absoluter Rechte kann das obligatorische Recht aus sich selbst heraus nicht der Masse entgegengehalten werden. Wie Picker eingehend dargelegt hat, leitet der obligatorisch Herausgabeberechtigte sein Aussonderungsrecht vom Eigentümer ab. Es besteht nur, damit der obligatorisch Herausgabeberechtigte das Interesse des Eigentümers wahrnehmen kann.37 Der Einwand, dass der absolut Berechtigte auf den Gesetzgeber nicht angewiesen sei, könne er dem (nur) obligatorisch Berechtigten doch auch eine Einziehungsermächtigung erteilen, kann gegen das hier propagierte Verständnis nicht angeführt werden:38 Das typische Interesse des absolut Berechtigten an einer solchen Ermächtigung hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, dem obligatorisch Herausgabeberechtigten ein Aussonderungsrecht zuzusprechen. Konsequenterweise muss dem (nur) obligatorisch Herausgabeberechtigten ein Aussonderungsrecht versagt werden, wenn dies offenkundig den Interessen oder dem Willen des absolut Berechtigten zuwiderläuft. Die Rückführung des Aussonderungsrechts des obligatorisch Herausgabeberechtigten auf das Eigentum erklärt auch zwanglos, warum der BGH zurecht befindet, dass das Aussonderungsrecht inhaltlich nicht weiter geht als der Vindikationsanspruch nach § 985 BGB. So kann auch auf der Grundlage von § 546 I BGB nur Herausgabe und nicht Räumung verlangt werden.39

5. Verschaffungsansprüche, keine Aussonderung Auf der Hand liegt vor diesem Hintergrund, dass und warum Verschaffungsansprüche nicht zur 16 Aussonderung berechtigen: Es handelt sich um bloß relative Zugriffsrechte auf einen Gegenstand, die grundsätzlich als Insolvenzforderung zu qualifizieren sind. Da ein Verschaffungsanspruch darauf gerichtet ist, die Stellung des absoluten Rechtsinhabers zu erlangen, geht es nicht um die Durchsetzung dieses absoluten Rechts. Deshalb können Ansprüche mit dem Inhalt, dass der Schuldner einen ihm gehörenden Gegenstand dem Gläubiger übertrage, die Aussonderung nicht begründen. Das gilt vor allem für den Anspruch des Käufers auf „Verschaffung“ des Eigentums an der gekauften Sache oder des verkauften Rechts (§§ 433 I S 1, 453 I BGB). In Anlehnung an den Wortlaut dieser Vorschriften bezeichnet man Ansprüche auf Übertragung eines Gegenstandes allgemein als Verschaffungsansprüche (vgl auch §§ 2170, 2288 II S 1 BGB). Der bloße Verschaffungsanspruch bildet, soweit nicht Besonderheiten angeordnet sind (§§ 48, 103 ff, § 392 II HGB),

36 Vgl Eckardt KTS 2005, 15, 21 f; Häsemeyer InsR4 Rn 11.14; Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 5, 15. 37 Picker Die Drittwiderspruchsklage in ihrer geschichtlichen Entwicklung als Beispiel für das Zusammenwirken von materiellem Recht und Prozeßrecht (1981), S 443 ff, 469 ff; ders FS Schröder (2013), S 517, 529 ff; dem folgend J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 244 ff; Spitzer Das persönliche Recht auf Aussonderung (2017), S 41 ff; Wilhelm SachenR7 Rn 79a; vgl auch Gursky JZ 1996, 686 li. Sp. 38 So aber C Berger FS Kreft (2004), S 191, 196. 39 BGHZ 148, 252, 256 = NJW 2001, 2966, 2967; BGH NZI 2010, 901, Rn 8 f; BGH NJW 2019, 1877, Rn 36. 431

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nur eine in Geld (§ 45) zu verfolgende Insolvenzforderung, und auch sie nur in den Grenzen der §§ 38, 39.40 17 Aber auch wenn die verkaufte Sache nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten gehört, kann der Käufer sie nicht vom Insolvenzverwalter, der sie im Besitz hat, herausverlangen. Zu denken ist vor allem an den Fall, dass eine vom Schuldner gekaufte Sache ihm vom Verkäufer bereits übergeben und vom Verwalter in Besitz genommen worden, aber noch nicht übereignet ist, und der Schuldner sie vor der Verfahrenseröffnung an einen Zweitkäufer weiterverkauft hat. Ein Aussonderungsrecht lässt sich unschwer verwerfen, wenn man erkennt, dass sich auch die Aussonderung des obligatorisch Herausgabeberechtigten nicht einzig negativ dadurch legitimiert, dass der Gegenstand nicht in die Masse fällt. Der Verschaffungsanspruch des Zweitkäufers ist kein Aussonderungsanspruch. Seinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums kann er ohnehin nicht durchsetzen, wenn der Schuldner nicht Eigentümer und zur Übertragung des Eigentums nicht von dem Verkäufer ermächtigt ist. Einen Anspruch auf Übertragung des Besitzes hat der Zweitkäufer nicht, wenn der Vertrag beiderseits noch nicht voll erfüllt ist und der Verwalter die Erfüllung des Vertrages ablehnt (§ 103 I, II S 1). Wählt der Verwalter die Erfüllung, ist der Zweitkäufer Massegläubiger (§ 55 I Nr 2), nicht aber Aussonderungsberechtigter. Hat der Zweitkäufer vorgeleistet und deshalb seinerseits schon voll erfüllt, sodass § 103 nicht zur Anwendung kommt, ist er ebenfalls nicht zur Aussonderung berechtigt. Dass die Sache (noch) nicht zur Insolvenzmasse „gehört“, dem Zeitkäufer aber „gebührt“, genügt nicht.

6. Zusammentreffen dinglicher und persönlicher Ansprüche 18 Da nicht nur dingliche, sondern auch persönliche Ansprüche im Rahmen einer Aussonderung in Betracht kommen, besteht die Möglichkeit des Zusammentreffens dinglicher und persönlicher Ansprüche auf Aussonderung ein und derselben Sache. Stehen die Ansprüche beider Art derselben Person zu, etwa wenn der Eigentümer oder Nießbraucher die Sache hinterlegt, verliehen oder vermietet hat, so kommen beide als Anspruchsgrundlage unter Berücksichtigung der möglicherweise unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen und Beweislastverteilungen in Betracht.41 Zur Verurteilung genügt, dass einer von beiden sich als begründet erweist. Ob der Kläger das Gericht auf eine von mehreren Anspruchsgrundlagen festlegen kann, ist streitig. Die hM verneint das.42 Stehen die Ansprüche verschiedenen Personen zu, ist der Widerspruch nach Maßgabe der Legitimation des Aussonderungsrechts des schuldrechtlich Herausgabeberechtigten (Rn 15) aufzulösen: Die Aussonderung rechtfertigt sich positiv durch die absolute Rechtsposition des Eigentümers. Der schuldrechtliche Herausgabeanspruch dient der Durchsetzung der Eigentümerinteressen und kann gegen diese grundsätzlich nicht in Stellung gebracht werden, sodass der Vindikation bei der Aussonderung der Vorrang einzuräumen ist. Allerdings ist im Verhältnis von Aussonderung und schuldrechtlichem Herausgabeanspruch § 986 BGB zu beachten. Hat zB der Eigentümer seine Sache vermietet und der Mieter sie verliehen, kann jedenfalls der Verleiher aussondern. Der Eigentümer dagegen kann den Aussonderungsanspruch als Anspruch auf Herausgabe an sich selbst nur durchsetzen, wenn der Verleiher ihm gegenüber nicht mehr als Mieter zum Besitz berechtigt ist. Denn solange dessen Besitzrecht besteht, ist der Insolvenzverwalter nicht zur Herausgabe an den Eigentümer verpflichtet (§ 986 I S 1 BGB). War der Mieter nicht berechtigt, die Sache zu verleihen, kann der Eigentümer nach § 986 I S 2 BGB Herausgabe an sich nur verlangen, wenn der Mieter den Besitz nicht übernehmen will, andernfalls nur Herausgabe an den Mieter. Dagegen kann bei entsprechendem Feststellungsinteresse der Eigentümer in allen diesen Fällen gegen den Verwalter auf Feststellung seines Aussonde-

40 BGH NJW-RR 1993, 301. 41 BGHZ 127, 156, 160 = NJW 1994, 3232, dazu Gerhardt ZZP 108 (1995), 390. 42 Stein/Jonas/Althammer ZPO23 § 308 Rn 10; Stein/Jonas/Kern ZPO23 vor § 128 Rn 190; MünchKomm/Musielak ZPO6 § 308 Rn 19. Hoffmann

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rungsrechtes klagen, etwa wenn dieser das Recht als dem Schuldner gehörig als Bestandteil der Masse in Anspruch nimmt.

7. Verzug Kommt der Verwalter mit der Erfüllung des Aussonderungsanspruchs in Verzug, kann der Aus- 19 sonderungsberechtigte Schadensersatz verlangen. Die Anspruchsgrundlage richtet sich nach der jeweils durch die Aussonderung geschützten Rechtsposition. Bei körperlichen Gegenständen folgt der Anspruch auf Verzugsschadensersatz aus §§ 280 II, 286, 990 II BGB. Der Anspruch ist Masseschuldanspruch (§ 55 I Nr 1). Die Anforderungen an den Entlastungsbeweis (§ 286 IV BGB) dürfen nicht überspannt werden43 und müssen berücksichtigen, dass der Verwalter, der sich in fremde Vermögensverhältnisse einarbeiten muss, Zeit braucht, um die Eigentumsverhältnisse zu klären, insbesondere zur Prüfung von Eigentumsvorbehalten.44 Zur persönlichen Haftung des Verwalters s Erl zu § 60. Sollte der Verwalter aus der angemaßten rechtlichen Befugnis zugunsten der Masse Bereicherungen generieren (§ 812 I S 1 Alt 2 BGB), handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit (§ 55 I Nr 3).45

8. Darlegungs- und Beweislast Der Eigentümer, der sein Aussonderungsrecht geltend macht, hat mit der Behauptung seines 20 Eigentums zugleich dargetan, dass die Sache nicht zur Masse gehört, weil sie nicht gleichzeitig dem Kläger und dem Schuldner gehören kann. Auch für den Aussonderungsanspruch auf Herausgabe gegen den besitzenden Verwalter braucht er nicht mehr vorzutragen und im Streitfalle zu beweisen. Denn die Voraussetzungen des § 986 BGB stehen zur Behauptungs- und Beweislast des Verwalters. Ist der Verwalter Besitzer einer beweglichen Sache, muss der Kläger die Vermutung des § 1006 I S 1 BGB widerlegen.46 Für den Kläger, der als Eigentümer aussondern will, spricht die Vermutung des § 1006 II BGB, wenn ihm die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist (§ 1006 I S 2 BGB), und die Vermutung des § 1006 III BGB, wenn sein mittelbarer Besitz feststeht.47 Bei der Aussonderung von Grundstücken und Grundstücksrechten gelten die Vermutungen des § 891 BGB. Wer im Insolvenzverfahren seines Ehegatten oder seines Lebenspartners aussondern will, ist durch die Vermutung der §§ 1362 I S 1, II BGB, 8 I LPartG benachteiligt (siehe auch Rn 93). Will ein Kläger nur aufgrund seiner schuldrechtlichen Berechtigung aussondern, muss er neben den Voraussetzungen seines schuldrechtlichen Anspruchs auch darlegen und im Streitfall beweisen, dass der Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Zwar deutet die Tatsache einer Empfangnahme zur Verwahrung, zur Miete oder als Pfand darauf hin, dass der Empfänger nicht Eigentümer der Sache ist. Diese Wahrscheinlichkeit reicht aber nicht aus, um die Voraussetzung der Aussonderung als bewiesen anzusehen. Behauptet der Verwalter, der Schuldner sei Eigentümer, und ist er im Besitz der Sache, muss der obligatorisch Berechtigte die Eigentumsvermutung des § 1006 I S 1 BGB durch Hauptbeweis, also zur vollen Überzeugung des Gerichts, widerlegen. Die Aussonderungsbefugnis des schuldrechtlich Berechtigten erspart demnach nicht die Klärung der Eigentumsfrage, wenn diese umstritten ist.

43 Vgl OLG Köln NJW 1991, 2570, 2571. 44 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 127 f; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 57; siehe auch Gundlach/ Frenzel/Schmidt NZI 2001, 350 ff. 45 Zur Frage, ob auch Ansprüche aus § 546a I BGB Masseverbindlichkeiten begründen können, siehe MünchKomm/ J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 22 f, 112 f. 46 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 43, 487. 47 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 1006 Rn 22. 433

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9. Kosten 21 Die Beseitigung einer Störung im Wege der Aussonderung verursacht Kosten. Die Herausgabe einer Sache erfordert etwa, dass diese aus der Masse herausgesucht, ggf ausgebaut und zur Abholung bereitgestellt wird. Auch eine Störungsbeseitigung nach § 1004 I S 1 BGB kann Kosten verursachen. Es ist zu erkennen, dass es keinen denklogisch richtigen Adressaten der Kostentragungspflicht bei der Störungsbeseitigung gibt.48 Der Störungstatbestand setzt kein Verschulden voraus, sodass schadensersatzrechtliche Erwägungen nicht weiterführen. Zunächst ist es eine Frage der Zweckmäßigkeit, wie die Störungsbeseitigung zu bewerkstelligen ist. Denkbar wäre etwa bei §§ 985, 1004 I S 1 BGB, dem Störer Duldungspflichten aufzuerlegen, um dem Eigentümer eine Selbsthilfe zu ermöglichen. Im Interesse des Rechtsfriedens hat sich der Gesetzgeber hiergegen entschieden und den Störer mit der Störungsbeseitigung betraut.49 Die Kostentragungspflicht präjudiziert auch das freilich nicht,50 sodass diese letztlich einer dezisionistischen Entscheidung des Gesetzgebers obliegt. Materiell-rechtlich hat sich der Gesetzgeber bei §§ 985, 1004 I S 1 BGB ausdrücklich zu einer Kostentragungspflicht des Störers bekannt.51 Anders verhält es sich bspw bei der Störungsbeseitigung nach § 894 BGB, deren Kosten gemäß § 897 BGB der Eigentümer zu tragen hat. Der entsprechenden materiell-rechtlichen Entscheidung zur Kostentragungspflicht ist auch in der Insolvenz Rechnung zu tragen.52 Der Insolvenzverwalter hat (nur) bei entsprechender materiell-rechtlicher Grundlage im Wege der Aussonderung nicht nur die Störungsbeseitigung zu bewerkstelligen, sondern die Kosten der Störungsbeseitigung mit Massemitteln zu bestreiten.53 Versuchen in der Literatur, die Masse vor den Vindikationskosten zu schützen und sie dem Eigentümer aufzuerlegen, ist entgegenzutreten. Zum Teil wird so weit gegangen, der Masse aus § 985 BGB keine Herausgabe-, sondern nur eine Duldungspflicht aufzuerlegen, damit der Eigentümer die Sache auf eigene Kosten abholen kann;54 das widerspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, in diesem Kontext nicht mit Duldungspflichten zu agieren.

IV. Objekte der Aussonderung 22 Das Objekt der Aussonderung bestimmt sich nach dem Zuordnungsobjekt der geschützten absoluten Rechtsposition („Gegenstand“). Es kann sich um körperliche Gegenstände (bewegliche, unbewegliche Sachen), aber auch um rechtliche Befugnisse bezüglich körperlicher oder unkörperlicher Rechtspositionen (Forderungen, Urheberrechte, Patente, Marken etc) handeln. Das Aussonderungsrecht darf nicht im Wege eines begrifflichen Kurzschlusses auf Herausgabeansprüche reduziert werden.

1. Bei Sachen 23 Von der Aussonderung einer Sache kann in unterschiedlichem Sinne die Rede sein. Sie kann in der Weise geschehen, dass der Verwalter von der bisherigen Inanspruchnahme des Eigentums für die Masse absieht, das Eigentumsrecht eines Dritten, dessen Recht auf den Besitz der Sache sowie 48 49 50 51 52

Siehe J F Hoffmann JZ 2019, 960, 961. Eingehend Picker FS BGH (2000), S 693, 708 ff; vgl auch Wilhelm SachenR7 Rn 1176. Insoweit entgegen Picker FS BGH (2000), S 693, 706 ff. Motive III, S 425 f = Mugdan III, S 237 f. Die Berufung auf einen „Umkehrschluss“ zu §§ 170, 171 ist insoweit nicht ausreichend; so freilich Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 160; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 30. 53 BGHZ 104, 304, 308 = NJW 1988, 3264, 3265; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 137; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 470; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 30; aA C Berger FS Kreft (2004), S 191, 201; Häsemeyer InsR4 Rn 11.27. 54 Häsemeyer InsR4 Rn 11.27. Hoffmann

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dessen Herausgabeanspruch anerkennt55 und ihm dementsprechend die Sache aushändigt. Ist der Schuldner zwar Eigentümer, die Sache aber mit einem Recht belastet, das dessen Inhaber zum Besitz berechtigt, zB mit einem Nießbrauch, hat der Verwalter den Besitz der Sache in Anerkennung der dinglichen Belastung zu übertragen. Wird die Herausgabe von einem schuldrechtlich Berechtigten verlangt, zB vom Verleiher, Hinterleger, Vermieter oder in Ausübung von Besitzansprüchen nach §§ 861 I, 1007 I, II BGB, so erkennt der Verwalter mit der Herausgabe zunächst nur diese Ansprüche an, jedoch daneben auch, dass die Sache nicht zum haftenden Vermögen des Schuldners gehört oder aber mit einem Haftungsvorzugsrecht eines Dritten belastet ist, das der Haftung der Sache zugunsten der Allgemeinheit der Insolvenzgläubiger vorgeht. Denkbar ist auch, dass der Aussondernde lediglich die Anerkennung seines belasteten oder unbelasteten Eigentums an der Sache zu beanspruchen hat, ohne die Herausgabe verlangen zu können. Das ist zB der Fall, wenn die Sache mit einem Nießbrauchsrecht des Schuldners belastet ist oder der Schuldner und damit auch der Verwalter aus anderem Grunde ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) hat (zur Aussonderung gegenüber einem mittelbaren Besitzer siehe Rn 37, 124). Aussonderungsberechtigt ist deshalb auch der Inhaber einer Grunddienstbarkeit, etwa mit dem Inhalt, Bauten auf dem belasteten, zur Masse gehörenden Grundstück zu verbieten. Bestreitet der Verwalter ein solches Recht, kann der Berechtigte auf Feststellung klagen, bei drohender oder schon begonnener Verletzung auf Unterlassung oder Beseitigung. Ist der Schuldner zu Unrecht als Berechtigter im Grundbuch eingetragen, geschieht die Aussonderung durch Grundbuchberichtigung, die der Berechtigte nach § 894 BGB verlangen kann.56 Bei Eröffnung des Verfahrens schon rechtshängige Prozesse um die Feststellung des die Aussonderung begründenden Rechts, um Herausgabe der auszusondernden Sache oder auf Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung einer aussonderungsfähigen Sache oder eines daran begründeten Rechts, die nach § 240 S 1 ZPO unterbrochen werden, betreffen von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an „die Aussonderung eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse“ und werden deshalb nach Maßgabe des § 86 I Nr 1 aufgenommen.57

2. Bei Geld Die Aussonderung von Geld (zu Kryptowährungen vgl Rn 110) erscheint nur auf den ersten Blick 24 mit der Unterscheidung zwischen eigentumsfähigem Bargeld und nichteigentumsfähigem Buchgeld unproblematisch zu sein. Denn die durch diese Unterscheidung hervorgerufenen unterschiedlichen Ergebnisse mag man für unbefriedigend halten. Entwendet ein Dieb Bargeld, so kann dieses grds58 als Eigentum in der Insolvenz ausgesondert werden. Gelingt es dagegen einem „Hacker“, auf das online-Banking eines Geschädigten zuzugreifen und sich selbst Geld zu überweisen, so besteht in der Insolvenz des „Hackers“ nur eine Insolvenzforderung (wobei der Geschädigte im Verhältnis zu seiner Bank unter Umständen freilich geschützt sein mag). Zahlt der Dieb das Bargeld auf sein Konto ein, ist allenfalls der Weg über die Ersatzaussonderung (§ 48 Rn 27, 68, 81) gangbar etc. Auch in Leistungsfällen kann es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Wird ein Leistender unter Täuschung oder Drohung zur Zahlung veranlasst, kann er im Falle einer „Fehleridentität“59 geleistetes Bargeld unter Umständen aussondern, während Buchgeld nur als Insolvenzforderung kondiziert werden kann. Ein Problem des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes ist diese Unterscheidung zwischen Bar- und Buchgeld nicht, denn Differenzierungen in der Güterzuweisung danach, ob es sich um körperliche oder unkörperliche Gegenstände handelt, sind in der Zivilrechtsordnung nicht ungewöhnlich. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob das An55 Anders als nach der KO (§ 133 Nr 2) bedarf das Anerkenntnis nicht mehr der Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 160 InsO). MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 40, 334. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 474. Zu den praktischen Schwierigkeiten Rauhut Aussonderung von Geld (2020), S 15 ff. Statt aller Grigoleit AcP 199 (1999), 379 ff.

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knüpfen an die Körperlichkeit von Bargeld und dessen Erfassung mit dem Sachenrecht ein zielführendes Regelungskonzept ist.60 Wer an der Ungleichbehandlung von Bar- und Buchgeld nicht festhalten möchte, kann eine Gleichbehandlung von Bar- und Buchgeld in zwei Richtungen erwägen: Zum einen kann man versuchen, die Versachenrechtlichung des Bargeldes auf das Buchgeld zu übertragen. Zum anderen kann man aber auch anstreben, das Bargeld dem Sachenrecht zu entziehen, um einheitliche Zuordnungskriterien für Geld als eine Art Immaterialgut zu entwickeln. Die Problematik weist insofern Parallelen zur derzeit heftig geführten Diskussion darüber auf, ob man ein absolutes Recht an Daten in Anlehnung an das sachenrechtliche Eigentum anerkennen sollte, oder ob die Problematik aus der Logik des Immaterialgüterrechts heraus zu entwickeln ist.61 Konzepte, die das Sachenrecht auch auf Buchgeld erstrecken wollen, sind landläufig bekannt als Ansätze einer Geldwertvindikation.62 Neben zahlreichen Kritikpunkten63 besteht eine ganz maßgebliche Schwäche dieser Ansätze aus der hiesigen Perspektive darin, dass sie nicht zu einer konsequenten Gleichbehandlung von Bar- und Buchgeld kommen können, da auch sie nur dann greifen, wenn es einmal körperliches Geld gegeben hat. Beim „Hacker“ könnte demnach nicht ausgesondert werden, sondern nur beim Dieb, der das Geld bei seiner Bank einzahlt; auch bei einer „Fehleridentität“ könnte kein Gleichlauf zwischen der Leistung von Bar- und Buchgeld herbeigeführt werden. Radikalere Ansätze wollen dagegen ein eigenständiges Konzept der absoluten Zuweisung von Bar- und Buchgeld entwickeln. Allerdings ist hier bisher noch kein völlig überzeugendes Zuweisungskriterium gefunden worden64 und de lege lata sind die Hürden der Rechtsfortbildung hoch,65 da der Gesetzgeber eindeutig von der Anwendung sachenrechtlicher Vorschriften auf Bargeld ausging (vgl § 935 II, 1006 I S 2, 1007 II S 2 BGB) und hierin gerade auch einen Vorzug im Falle der Insolvenz eines Bargeldbesitzers sah.66 Vor allem führt der Versuch einer eigenständigen Zuweisungsordnung von Geld zu zahlreichen Folgeproblemen. Sollte man im „Hacker“-Beispiel oder bei einer Überweisung mit „Fehleridentität“ auf der Grundlage einer absoluten Buchgeldzuweisung zu dem Ergebnis kommen, dass der Geschädigte/ Leistende insoweit aussondern dürfe, sind de lege lata die Widersprüche zur Treuhand unübersehbar. Ein Aussonderungsrecht hinsichtlich Treuhandkonten ist nämlich an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft (vgl Rn 70 ff) und eine Ungleichbehandlung des Treugebers mit dem Geschädigten/Leistenden wäre nicht mit dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, der besagt, dass sich die insolvenzfeste Zuordnung eines Vermögenswertes grundsätzlich unabhängig vom Verpflichtungsgrund nach einheitlichen Kriterien zu richten hat. Herrschend wird an der Unterscheidung zwischen Buch- und Bargeld festgehalten.67 Wenn Bargeld auf ein Konto eingezahlt wird, geht ein Aussonderungsrecht, das am körperlichen Bargeld bestanden hat, unter.68 Ein Aussonderungsrecht kommt insoweit nur bei Treuhandkonten in Betracht (Rn 61 ff). Sollte der Gläubiger an den Schuldner Geld überwiesen haben, scheidet eine Aussonderung hinsichtlich des Überweisungsbetrages mangels absoluter Berechtigung am Transaktionsgegenstand von vornherein aus,69 wenn nicht zufällig auf ein Treuhandkonto überwiesen worden sein sollte70 und damit 60 Vgl dagegen zur proprietary restitution im englischen Recht Tratt Ursachen privilegierter Rückabwicklung (2020), passim. 61 Vgl statt vieler J F Hoffmann JZ 2019, 960 ff. 62 Vgl Eichler Institutionen des Sachenrechts I S 84 f, II/1 S 216; Simitis AcP 159 (1960/61), 406, 459 ff; Westermann/Pinger SachenR6 § 30 V. 63 Siehe MünchKomm/Baldus BGB8 § 985 Rn 73; Staudinger/Gursky BGB (2013) § 985 Rn 92; Staudinger/K Schmidt BGB (1997) Vorbem zu §§ 244 ff Rn B 12; Spitzer Das persönliche Recht auf Aussonderung (2017), S 266 ff. 64 Für „weltfremd“ hält entsprechende Versuche Reinhardt FS Boehmer (1954), S 60, 82. 65 Nur de lege ferenda daher etwa Kaser AcP 143 (1937), 1 ff. 66 Motive III, S 360 = Mugdan, Band III, S 200. 67 Statt vieler und mwN Omlor Geldprivatrecht (2014), S 139 ff; zum österreichischen Recht gegen dortige Tendenzen in der Rechtsprechung auch Spitzer Das persönliche Recht auf Aussonderung (2017), S 273 ff. 68 BGH NJW 2010, 3578, Rn 14. 69 BGH NJW-RR 2015, 677, Rn 21. 70 So geschehen bei BGH NZI 2017, 712, Rn 15. Hoffmann

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die Voraussetzungen für eine Teilverabsolutierung der Rückzahlungsforderung gegeben sind. Den vom OLG Schleswig unternommenen Begründungsversuch, auch hinsichtlich Buchgeld ein Aussonderungsrecht zu begründen,71 hält der BGH für „fragwürdig“ (siehe zum Kontext Rn 116).72 Wenn Geldzeichen in einer Kasse vermischt werden, geht der BGH davon aus, dass stets §§ 948 I, 947 I BGB einschlägig seien, es also zu Miteigentum am Kassenbestand und nicht zu Alleineigentum des Kasseneigentümers nach §§ 948 I, 947 II BGB komme.73 Allerdings habe der Miteigentümer für eine Aussonderung den auf ihn entfallenden Anteil der Höhe nach zu beweisen, was regelmäßig nicht gelingen dürfte (vgl auch Rn 92).74

3. Bei Forderungen Forderungen können zur Aussonderung berechtigen, soweit sie nicht zu dem den Insolvenzgläubi- 25 gern haftenden Vermögen, der Insolvenzmasse, gehören.75 Forderungen mögen dem Gläubiger zwar im Verhältnis zum Schuldner nur eine relative Befugnis zuweisen. Die Forderung selbst ist dem Gläubiger aber mit absoluter Wirkung gegenüber jedermann zugewiesen und vor Eingriffen Dritter mit absoluter Wirkung geschützt (vgl nur § 816 II BGB).76 Eine Aussonderung kommt insofern immer in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung für die Masse in Anspruch nimmt, obgleich tatsächlich der Dritte Gläubiger (etwa im Wege der Zession geworden) ist. Auch in diesen Fällen wird mit der Aussonderung der negatorische Schutz einer absolut geschützten Rechtsposition umgesetzt. Die Forderung wird in ihrer absoluten Dimension gegen den Insolvenzverwalter in Stellung gebracht. Wie der Inhaber einer Forderung zur Aussonderung berechtigt ist, ist es auch der Forderungsnießbraucher (§§ 1074 ff BGB). Die Aussonderungsklage erstrebt die richterliche Feststellung, dass die Forderung dem klagenden Dritten, nicht dem Insolvenzschuldner, zusteht, bzw dass dem Kläger der Nießbrauch an der Forderung zusteht, erforderlichenfalls zugleich eine Verurteilung des Verwalters zur Herausgabe des über die Forderung ausgestellten Schuldscheins, der dem Gläubiger der Forderung gehört und auf den sich der Nießbrauch erstreckt (§ 952 I BGB). Im Wege der Aussonderung kann auch Unterlassung vom Insolvenzverwalter verlangt werden, er darf nicht zugunsten der Masse behaupten, dass dieser die Forderung und die entsprechende Leistung zustehe. Dagegen umfasst das Aussonderungsrecht im Falle einer Zession nicht den Anspruch des Zessionars auf Auskunft (§ 402 BGB) und Ausstellung einer Abtretungsurkunde (§ 403 BGB). Diese Ansprüche richten sich nicht gegen den Verwalter, sondern gegen den Zedenten und Insolvenzschuldner. Der Erwerber einer durch Briefhypothek gesicherten Forderung sondert mit dem Gläubigerrecht den Hypothekenbrief aus (§ 952 II BGB). Nur die Inhaberschaft oder ein beschränktes Recht an der Forderung berechtigen zur Aussonderung nach § 47. Ein bloßer Verschaffungsanspruch auf Abtretung einer Forderung, zB aus Vermächtnis gegen den Insolvenzschuldner, begründet dagegen die Aussonderung nicht (zum Sonderfall des § 392 II HGB siehe Rn 145 ff).

4. Bei immateriellen Gütern Alle absoluten Rechtspositionen, die immaterielle Güter zuordnen, berechtigen zur Aussonderung. 26 Das gilt zum einen für die klassischen Immaterialgüterrechte, wie etwa das Patent, das Urheberrecht oder die Marke. Der negatorische Schutz, dem die Aussonderung in der Insolvenz Ausdruck verleiht, ist hier spezialgesetzlich kodifiziert (§§ 97 I S 1 UrhG, 14 V S 1 MarkenG, 139 I S 1 PatG). Eben71 72 73 74 75 76 437

OLG Schleswig NZI 2017, 19; zustimmend MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 19a. BGH NZI 2017, 712, Rn 16. BGH NJW 2010, 3578, Rn 13. Diese Konstruktion führt zu weiteren Folgeproblemen; siehe BeckOGK/Schermaier BGB (Stand: 1.6.2022) § 948 Rn 12. BGH NJW-RR 1989, 252; statt vieler mwN D Schmidt JZ 2022, 552 ff. Siehe J F Hoffmann Zession und Rechtszuweisung (2012), S 89, 104 ff mwN. Hoffmann

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

so kann im Wege der Aussonderung das Gegenstück zu den Immaterialgüterrechten, die Gemeinfreiheit, im Wege der Aussonderung geltend gemacht werden. Äußern kann sich das etwa in einer Nichtigkeitsklage gegen registrierte Immaterialgüterrechte.77 Zur Aussonderung berechtigen ebenfalls wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.78 Darüber hinaus kann etwa auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Wege der Aussonderung negatorisch durchgesetzt werden, wenn der Insolvenzverwalter im Rahmen der Masseverwaltung bspw Persönlichkeitsrechte verletzt oder auch wenn sich in der Masse persönlichkeitsverletzendes Material befindet, das zu vernichten ist.79 Gleichermaßen berechtigt etwa der datenschutzrechtliche Löschungsanspruch (Art 17 I, II DSGVO) – die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters vorausgesetzt – zur Aussonderung.80 Auch der Geheimnisschutz nach Maßgabe des GeschGehG kann im Wege der Aussonderung durchgesetzt werden. Hinsichtlich des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, der Gemeinfreiheit, des Datenschutzrechts und auch des Geheimnisschutzes bedarf es für insolvenzrechtliche Zwecke keiner eingehenden Diskussion, inwieweit jeweils von vollwertigen zivilrechtlichen Rechtspositionen gesprochen werden kann.81 Denn die Insolvenzfestigkeit der jeweiligen Regelungsanordnungen wird nicht in Abrede gestellt und insoweit ist eine insolvenzfeste Position anerkannt und daher auch von einer Aussonderung zu sprechen.82 Problematisch ist, inwieweit Daten grundsätzlich der Aussonderung zugänglich sind (Rn 104 ff).

5. Bei Wertpapieren 27 Auch Wertpapiere, wie Schuldverschreibungen auf den Inhaber oder Wechsel, können aufgrund eines dinglichen oder eines persönlichen Herausgabeanspruchs ausgesondert werden, wenn sie nicht zu dem den Insolvenzgläubigern haftenden Vermögen gehören (zur Aussonderung anvertrauter Wertpapiere siehe Rn 128 ff). Wertpapiere im engeren Sinne sind die Inhaber- und die Orderpapiere. Sie verkörpern das verbriefte Recht. Das verbriefte Recht folgt dem Recht am Papier. Ist der Dritte Eigentümer des Papiers, kann dieses ausgesondert werden. Bei den Rektapapieren folgt das Recht am Papier dem im Papier verbrieften Recht. Der Inhaber einer im Rektapapier verbrieften Forderung ist Eigentümer des Papiers (§ 952 II BGB). Er kann hinsichtlich der Forderung aussondern und auch das Papier. Werden Rektapapiere oder nicht vertretbare Wertpapiere (Namenspapiere, Konnossemente, Lagerscheine, kaufmännische Anweisungen, Wechsel, Schecks, Hypotheken- und Grundschuldbriefe, Sparkassenbücher, Versicherungsscheine83) einem 77 Zur Patentnichtigkeitsklage BGHZ 197, 177, Rn 7 = NJW-RR 2013, 1267, Rn 7; entgegen den dortigen Ausführungen geht es aber nicht um eine „Aussonderung“ des Patents, das schließlich für nichtig erklärt werden soll. 78 Halbherzig, im Ergebnis aber zutreffend, insoweit BGHZ 185, 11, Rn 27 f = NZI 2010, 811, Rn 27 f – Modulgerüst II; gegen eine Aussonderung auch K Schmidt FS Schilken (2015), S 789, 794 ff, der stattdessen die Kategorie einer Masseverbindlichkeit einführt, die auch bei Masseunzulänglichkeit nicht auf eine quotale Befriedigung verwiesen sei. 79 Vgl RGZ 45, 170 ff; siehe zum persönlichkeitsrechtlichen Vernichtungsanspruch auch J F Hoffmann ZGE/IPJ 6 (2014), 335, 340 f. 80 Vgl auch MünchKomm/Ganter § 47 InsO4 Rn 31a; BeckOK/Haneke InsO27 § 47 Rn 82; Lahusen AcP 221 (2021), 1, 23; eingehend zur datenschutzrechtlichen Aussonderung Blunk Zur Verwertbarkeit von Datenbeständen in der Insolvenz (2006), S 50 ff; allenfalls Masseverbindlichkeiten und nicht auch Aussonderungsrechte meint Thole ZIP 2018, 1001, 1007 ff ausmachen zu können; ebenso Berberich/Kanschik NZI 2017, 1, 3, 5, die allerdings Aussonderung und Herausgabe unzutreffend begrifflich gleichsetzen; ähnlich C Berger/Tunze ZIP 2020, 53, 57 Fn 66. 81 Für das Wettbewerbsrecht zugunsten einer zivilrechtlichen Rechtsposition entgegen der überwiegenden Auffassung und mwN etwa Picker Privatrechtssystem und negatorischer Rechtsschutz (2019), S 82 ff. Zur Gemeinfreiheit eingehend Peukert Die Gemeinfreiheit (2012), passim. Für die Erfassung des Datenschutzes als „eigentumsähnliches“ absolutes Recht etwa Buchner ZGE/IPJ 9 (2017), 416 ff; Kilian GS Steinmüller (2014), S 195, 205 ff; dagegen etwa Dorner CR 2014, 617, 623 f. Zum Konzept der Geheimnisschutz-Richtlinie (EU) 2016/943 vgl etwa Lejeune CR 2016, 329, 341 f; McGuire GRUR 2016, 1000 ff. 82 Entgegen K Schmidt FS Schilken (2015), S 789, 794 ff. 83 BAG ZIP 1999, 1638, 1639. Hoffmann

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anderen in Verwahrung gegeben, gelten auch dann keine besonderen Bestimmungen, wenn der Verwahrer ein Kreditinstitut oder ein Kaufmann ist. Denn diese Papiere werden nicht von § 1 I DepotG erfasst.

V. Grenzen der Dispositionsbefugnis Der Rechtssatz, dass nur ein nicht zum haftenden Vermögen des Schuldners gehörender Gegen- 28 stand ausgesondert werden kann, ist zwingend, da er die Allgemeinheit der Insolvenzgläubiger schützen soll.84 Wie die Vertragspartner beim Verkauf einer Maschine durch ihre Vereinbarung den Übergang des Eigentums auf den Käufer nicht für den Fall verhindern können, dass die Maschine mit einem Gebäude des Käufers als wesentlicher Bestandteil verbunden wird (§§ 93, 94, 946 BGB; siehe auch § 51 Rn 34 f),85 so können sie auch nicht wirksam verabreden, dass der Verkäufer trotz des Eigentumsübergangs im Insolvenzverfahren des Käufers die Maschine aussondern darf.86 Eine solche Vereinbarung des Schuldners mit dem Verkäufer würde zulasten Dritter wirken, der Insolvenzgläubiger, denen haftendes Vermögen entzogen würde, und ist deshalb unwirksam.87 Die Bedeutung dieses Satzes darf allerdings nicht überschätzt werden. Denn Manipulationen zulasten der Gläubiger sind mit ihm nicht schlechthin ausgeschlossen. Durch entsprechende vertragliche Gestaltung der Eigentumslage kann ein Beteiligter auf Kosten der Insolvenzgläubiger bevorzugt werden, ohne dass § 47 abbedungen wird. Solchen Absprachen kann nur mit der Anfechtung (§§ 129 ff) oder den zivilrechtlichen Generalklauseln (§§ 138, 826, 242 BGB) die Wirksamkeit genommen werden. Von den Dispositionen des Schuldners über das Aussonderungsrecht sind Handlungen und 29 Vereinbarungen zu unterscheiden, die während des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden. Gibt der Insolvenzverwalter bei zweifelhafter oder entgegen eindeutiger Rechtslage eine zur Masse gehörende Sache heraus, kann man nicht von Unwirksamkeit sprechen. Denn die Herausgabe ist kein Rechtsgeschäft und verändert die Rechtslage nicht,88 sondern nur die Beweislast. Der Verwalter kann die Sache zur Masse zurückfordern. Andererseits verliert der Aussonderungsberechtigte seinen Anspruch nicht dadurch, dass er ihn fälschlich zur Tabelle als Insolvenzforderung anmeldet und der Verwalter nicht widerspricht, denn die Anmeldung und der unterlassene Widerspruch sind keine Dispositionen über das Aussonderungsrecht. Unwirksam sind Vereinbarungen des Verwalters, die darauf zielen, die gesetzlichen Voraussetzungen der Aussonderung zu verändern. Diese stehen nicht zur Disposition.89 Anders steht es mit Vereinbarungen, in denen anerkannt wird, dass ein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Aussonderungsrecht besteht. Ob eine Vereinbarung des Verwalters, mit der er ein nicht bestehendes Aussonderungsrecht anerkennt oder sich darüber vergleicht, unwirksam ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Der BGH90 und das OLG Düsseldorf91 haben dies beiläufig bejaht. Nach einer von Henckel vertretenen Auffassung92 kommt eine Unwirksamkeit nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 819 BGB vorliegen oder es sich um eine unentgeltliche Leistung handelt.93 Ein MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 14. Eingehend zu diesem Themenkomplex J F Hoffmann ZEuP 2022, 914. Vgl Tintelnot Vereinbarungen für den Konkursfall (1991), S 12 ff. Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 3. Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 3. RGZ 41, 1, 2; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 3. JZ 1955, 337; ebenso Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 3. ZIP 1995, 1100. Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 150–159 mit Hinweisen auf abweichende Ansichten und Begründungen; Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 29. 93 So im Ergebnis auch die Rechtsprechung, die Offenkundigkeit der Insolvenzzweckwidrigkeit fordert: BGH NJW 1983, 2018, 2019; OLG Düsseldorf WM 1995, 1247, dazu Lüke EWiR 1995, 167; LG Siegen ZIP 1993, 215, 218; Lent KTS 1957, 27 ff.

84 85 86 87 88 89 90 91 92

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Vergleich ist nicht alleine deshalb unwirksam, weil die nach § 160 II Nr 3 erforderliche Zustimmung des Gläubigerausschusses fehlt (§ 164).

VI. Aussonderung und Absonderung 30 Ebenso wie Aussonderungsrechte beruhen auch Absonderungsrechte im Grundsatz auf einer absoluten Rechtsposition. Ein Aussonderungsberechtigter tritt nicht als Gläubiger an den Schuldner heran. Er macht nicht die obligationsbedingte Vermögenshaftung des Schuldners geltend, vielmehr verlangt er, dass die Überlappung der Rechtskreise beendet wird, also dass die Störung seiner absolut geschützten Rechtsposition beseitigt wird. Der Aussonderungsberechtigte kann geltend machen, dass sein Gut nicht zur Haftungsmasse des Schuldners gehört und damit auch nicht dessen Gläubigern haftet. Mit der Anerkennung eines Aussonderungsrechts an einer absolut zugewiesenen Rechtsposition geht keine rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes einher.94 Ein Absonderungsrecht unterliegt dagegen auch als absolutes Recht einer Zweckbindung. Die absolute Rechtsposition existiert wegen ihres Sicherungszwecks in erster Linie, um die obligatorische Vermögenshaftung abzusichern; der Absonderungsberechtigte tritt auch als Gläubiger an den Schuldner heran. Das absolute Recht ist ein Vehikel zur bevorrechtigten Befriedigung einer Geldforderung. Der Aussonderungsberechtigte begehrt die Verwirklichung seiner Rechtsposition um ihrer selbst willen. Der Absonderungsberechtigte hingegen darf seine Rechtsposition nur verwirklichen, um die obligatorische Vermögenshaftung des Schuldners durchzusetzen. Aus diesem Grund steht ein Erlösüberschuss bei einem Absonderungsrecht der Masse zu, während ein Aussonderungsberechtigter – sollte er sich zu einer Verwertung des ihm zugeordneten Gutes entschließen – den vollen Erlösbetrag behalten kann. 31 Für begriffliche Verwirrung sorgt die Erkenntnis, dass der Absonderungsberechtigte natürlich die Anerkennung seines Absonderungsrechts als solches vom Insolvenzverwalter verlangen kann. Beeinträchtigt der Insolvenzverwalter die Rechtsposition, indem er etwa ihre Existenz leugnet, durch einen Eingriff in die Rechtsposition das Gut zu beschädigen droht oder gegen die Verwertungsmodalitäten der §§ 165 ff verstößt, stehen dem Rechtsinhaber die entsprechenden rechtsverwirklichenden Schutzrechte zur Verfügung, um die Störung der Rechtsposition zu beseitigen oder einem Eingriff vorzubeugen. Mit einer Aussonderung hat dieser negatorisch rechtsverwirklichende Schutz des Absonderungsrechts freilich nichts zu tun; auch hier handelt es sich in der Sache um eine Absonderung, da final die bevorrechtigte Befriedigung aus der Masse bezweckt wird.95 Anders verhält es sich nur dann, wenn die Masse die Rechtsposition für sich in Anspruch nimmt und diese nicht auf bevorrechtigte Befriedigung im konkreten Insolvenzverfahren gerichtet ist. Behauptet etwa der Insolvenzverwalter, Inhaber eines Grundpfandrechts oder eines Mobiliarpfandrechts zu sein, ohne zugleich das Eigentum für die Masse zu beanspruchen, weil ein Dritter Eigentümer ist, kann insoweit hinsichtlich des Grundpfandrechts bzw Mobiliarpfandrechts ausgesondert werden. Die Position ist dann nicht final auf eine bevorrechtigte Befriedigung im konkreten Insolvenzverfahren gerichtet, der Inhaber macht vielmehr geltend, dass die Insolvenzmasse Befugnisse beansprucht, die ihr nicht zustehen. In einem solchen Fall kommt eine Aussonderung in Betracht.

94 So auch Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 39 Rn 2; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 12; Thole Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht (2010), S 61; siehe weiter J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 233 ff. 95 Entgegen Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 55; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 13; Häsemeyer InsR4 Rn 11.12; Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 31 („Der Streit um das Bestehen des Absonderungsrechts wird als Aussonderungsstreit geführt […]“); K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 11. Hoffmann

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VII. Aussonderung und Masseforderung Auch Massegläubiger können mitunter die Leistung bestimmter Einzelgegenstände vom Ver- 32 walter verlangen. So kann der Masseschuldanspruch des § 55 I Nr 1 auf Übereignung oder Abtretung eines bestimmten Gegenstandes gerichtet sein, etwa wenn der Verwalter ihn dem Gläubiger verkauft hat. Ein solcher Anspruch ist aus der Insolvenzmasse vorweg in Natur (§ 53), nicht wie die Forderung eines Insolvenzgläubigers (§ 38) durch Zahlung einer Geldsumme (§ 45) zu befriedigen. Von den Aussonderungsansprüchen des § 47 unterscheidet er sich dadurch, dass er auf Leistung eines zur Masse gehörenden Gegenstandes gerichtet ist.96 Dass einer Masseforderung nicht der gleiche Stellenwert zukommt wie einem Aussonderungsrecht, zeigt sich bei einer Masseunzulänglichkeit. Hier sind die Masseforderungen nach Maßgabe von § 209 I anteilig zu kürzen; Verschaffungsansprüche sind entsprechend § 4597 in Geld umzurechnen.

VIII. Zeitliche Abgrenzung der Rechtszuständigkeit 1. Veränderung der Masse durch Handlungen des Schuldners Die Insolvenzmasse erfasst nach § 35 I das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der 33 Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Der Bestand der Masse kann sich aber auch während des Verfahrens noch verändern. Das hat dann auch Folgen für die Aussonderung. Durch Rechtshandlungen des Schuldners kann sich der Bestand der Masse grundsätzlich nicht verschlechtern, weil sie vom Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens an nicht mehr zulasten der Masse wirken (§§ 81, 82). Nur in den wenigen Fällen, in denen das Gesetz Vertrauensschutz gewährt (§ 81 I S 2), kann ausnahmsweise durch Rechtshandlungen des Schuldners ein Aussonderungsrecht entstehen. Weil nicht nur das zur Zeit der Eröffnung dem Schuldner gehörende Vermögen zur Masse gehört, sondern auch der Neuerwerb, kann sich die Rechtslage zugunsten der Masse aber uneingeschränkt durch Rechtshandlungen des Schuldners verbessern. Eine Sache, die der Verkäufer dem Schuldner unter Eigentumsvorbehalt übergeben, aber noch nicht übereignet hatte, und die der Verwalter in Besitz genommen hat, weil sie nach seiner Meinung pfändbar ist, kann vom Verkäufer ausgesondert werden, wenn der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrages wählt. Zahlt aber der Schuldner den Kaufpreis, erwirbt er das Eigentum an der Sache (§§ 929 S 1, 158 I BGB), und die Sache wird nach § 35 Massebestandteil. Das Aussonderungsrecht des Verkäufers erlischt.

2. Veränderungen der Masse ohne Handlungen des Schuldners, Verwalterhandeln Veränderungen des Masseumfangs, die für die Aussonderung erheblich sind, können ohne Rechts- 34 handlungen des Schuldners eintreten, soweit nicht § 91 oder § 92 entgegenstehen. So kann der Vorbehaltskäufer nach Maßgabe von § 107 I noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Eigentümer der gekauften Sache und damit aussonderungsberechtigt werden, wenn er den Restkaufpreis zahlt und damit die Bedingung für den Eigentumserwerb erfüllt (Rn 54). Eine bewegliche Sache, die dem Schuldner gehörte und deshalb nach § 35 Massebestandteil war, kann nach § 946 BGB in das Eigentum eines Grundeigentümers übergehen, wenn dieser sie mit seinem Grundstück als wesentlichen Bestandteil verbunden hat. Umgekehrt geht das Aussonderungsrecht verloren, wenn der Eigentümer seine bewegliche Sache durch Einbau zum wesentlichen Bestandteil eines Massegrundstücks macht. Kommt es zum Streit um die Frage, ob die bewegliche, der Aussonderung unterliegende Sache wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist, 96 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 8. 97 Dazu etwa Jaeger/Windel InsO2 § 209 Rn 11. 441

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so ist das ein Aussonderungsstreit. Schließlich kann sich der Bestand der Masse auch durch massebezogene Handlungen des Verwalters verändern. Ein Aussonderungsrecht kann erlöschen, wenn der Verwalter den Gegenstand für die Masse erwirbt. Es kann neu entstehen, wenn der Verwalter ein Recht der Masse rechtsgeschäftlich überträgt oder eine Handlung vornimmt, die zum gesetzlichen Eigentumserwerb eines anderen führt. Das Eigentum geht aber nicht schon dadurch auf einen anderen über, dass der Verwalter in der irrtümlichen Annahme, einen in Wahrheit nicht bestehenden dinglichen oder persönlichen Aussonderungsanspruch zu erfüllen, eine Sache aushändigt, mag diese dem Insolvenzschuldner selbst oder einem Dritten gehören. Da der Verwalter die Übergabe nicht mit dem Willen vollzieht, Eigentum an den Empfänger zu übertragen, kann dieser auch nicht nach §§ 932 ff BGB Eigentum erwerben.98 Entsprechendes gilt für die irrtümliche Leistung auf andere unbegründete Aussonderungsansprüche. Die Rechtskraft der Zuerkennung hindert allerdings den Verwalter, sich auf die Massezugehörigkeit des Gegenstandes zu berufen und diesen zur Masse zu ziehen (§§ 322, 325 ZPO). Sie steht aber einer neuen Verhandlung und Entscheidung nicht entgegen, wenn nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, in der Tatsachen hätten vorgetragen werden können, neue für die Aussonderbarkeit relevante Umstände eingetreten sind. Gibt der Verwalter einem Dritten eine Sache heraus, die dem Gemeinschuldner nicht gehörte, die dieser aber vor der Verfahrenseröffnung dem Dritten nach § 930 BGB veräußert hat, erwirbt der Dritte nach § 933 BGB Eigentum und damit noch während des Insolvenzverfahrens das Aussonderungsrecht, auch wenn der Verwalter die Sache in der Annahme übergeben hat, es bestehe bereits ein Aussonderungsrecht des Dritten.99 Während des Insolvenzverfahrens kann ein Aussonderungsrecht auch entstehen, wenn der Verwalter Gegenstände, die abgesonderter Befriedigung unterliegen, nach § 166 I verwertet. Der Erwerber ist dann, ebenso wie bei Verwertung durch den Absonderungsberechtigten selbst, aussonderungsberechtigt. Das gilt auch, wenn verbrauchssteuerpflichtige Waren, die von der Finanzbehörde nach § 215 I AO sichergestellt worden sind, durch unanfechtbaren Verwaltungsakt nach § 216 I S 1 AO in das Eigentum des Bundes überführt worden sind.100

3. Veränderungen hinsichtlich der Pfändbarkeit 35 Während § 43 KO für die Aussonderung voraussetzte, dass der Gegenstand nicht dem Gemeinschuldner gehört, hebt § 47 S 1 darauf ab, ob der Gegenstand zur Masse gehört. Deshalb können auch Gegenstände ausgesondert werden, die dem Insolvenzschuldner gehören, aber nicht in die Masse fallen. Da der Neuerwerb nicht mehr massefrei ist, kann es sich nur um unpfändbare Gegenstände handeln. Maßgebend für die Massezugehörigkeit ist zunächst die Unpfändbarkeit im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Sachen, die zu dieser Zeit pfändbar sind, gehören zur Masse, unpfändbare kann der Schuldner aussondern (Rn 8). Werden während des Verfahrens unpfändbare Sachen pfändbar, kann sie der Verwalter zur Masse ziehen. Das gilt etwa für Sachen, die der Schuldner nach der Verfahrenseröffnung für seinen Erwerb aus körperlicher oder geistiger Arbeit benötigt und verwendet hat, sobald er diese Erwerbstätigkeit aufgibt. Im umgekehrten Fall, dass eine zunächst pfändbare Sache im Laufe des Verfahrens unpfändbar wird, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sie damit aus der Masse ausscheidet. Die Lösung des vergleichbaren Falles in der Einzelzwangsvollstreckung ist umstritten.101 Die hM102 beachtet den Wegfall der Pfändbarkeit nach der Pfändung nicht. Sie begründet das damit, dass andernfalls der Schuldner die Vollstreckung vereiteln könnte, indem er andere entsprechende Sachen verkauft oder weggibt und damit die gepfändete Sache unentbehrlich macht. 98 RGZ 81, 141, 143; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 129. 99 BGH NJW 1959, 2206. 100 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 12a. 101 Nachweise in MünchKomm/Gruber ZPO6 § 811 Rn 19 und Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 811 Rn 17. 102 Baur/Stürner/Bruns ZwVR14 Rn 23.8; Thomas/Putzo/Seiler ZPO43 § 811 Rn 3a. Hoffmann

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Die Gegenansicht berücksichtigt die nachträgliche Unpfändbarkeit, wenn der Schuldner beweisen kann, dass die Unpfändbarkeit nicht missbräuchlich103 oder durch sein Verhalten herbeigeführt worden ist, das der gebotenen Einrichtung auf die Pfändung widerspricht.104 Die Missbrauchsgefahr ist auch im Insolvenzverfahren nicht zu unterschätzen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die nachträgliche Unpfändbarkeit auch durch Umstände begründet werden kann, die ohne Zutun des Schuldners eintreten. Das Risiko, dass von zwei gleichartigen Sachen eine zerstört wird und deshalb die verbleibende unentbehrlich wird, müssen die Gläubiger auch außerhalb der Vollstreckung und des Insolvenzverfahrens tragen. Dieses Risiko allein deshalb auf den Schuldner zu übertragen, weil die verbleibende Sache gepfändet oder zur Insolvenzmasse gezogen ist, lässt sich nicht rechtfertigen. Dem Missbrauch kann man hinreichend entgegentreten, wenn man dem Schuldner die Beweislast auferlegt, dass er die ihm zunächst verbliebenen Sachen nicht mutwillig weg- oder aufgegeben hat.

IX. Die Aussonderungsrechte im Einzelnen 1. Eigentum a) Eigentum und Treuhandabreden. Die Aussonderung richtet sich grundsätzlich nach der 36 Inhaberschaft des absoluten Rechts. Eigentum berechtigt zur Aussonderung. Auch beim Eigentum ist jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine Teilverabsolutierung von Treuhandabreden entwickelt worden. Treugut, das der Schuldner dem uneigennützigen Treuhänder übertragen hat, unterliegt entgegen der Eigentumslage nicht der Aussonderung (Rn 61, 69). Liegt der Eigentumsübertragung eine Sicherungsabrede zugrunde, überlagert auch diese die absolute Rechtsposition; der Sicherungsnehmer hat deshalb kein Aussonderungs-, sondern nur ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr 1). Der Sicherungsgeber wiederum kann auf der Grundlage des Sicherungsvertrages im Insolvenzverfahren des Sicherungsnehmers das Sicherungsgut aussondern, obwohl es dem Sicherungsnehmer noch gehört, wenn die gesicherte Forderung nicht besteht und der Sicherungsvertrag, falls er wirksam fortbesteht, die Rückgabe trotz fehlender Valutierung nicht ausschließt (Rn 58). Außerhalb von Treuhandkonstellationen kommt es nicht darauf an, wann und wie das Eigentum erworben worden ist. Auch während des Insolvenzverfahrens erworbenes Eigentum – sei es durch eine Rechtshandlung des Verwalters, kraft Hoheitsakts, etwa Enteignung oder Vollstreckung, oder kraft Gesetzes, zB nach §§ 946 ff BGB, sei es, dass es durch eine Verfügung erworben wurde, die der Schuldner nach § 81 I S 2 noch wirksam vornehmen konnte, sei es durch eine vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Verfügung des Schuldners, die durch Registereintragung nach der Verfahrenseröffnung gemäß § 91 II wirksam geworden ist, oder infolge einer nach der Verfahrenseröffnung erklärten rückwirkenden (§ 142 I BGB) Anfechtung des Rechtsgeschäfts, mit dem das Eigentum vor der Verfahrenseröffnung auf den Schuldner übertragen worden ist – kann ausgesondert werden.

b) Negatorischer Schutz des Eigentums (insbesondere Beseitigungsansprüche). Das 37 Aussonderungsrecht bedeutet, dass die Eigentumslage und die Rechte des Eigentümers durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht verändert werden. Dem Eigentümer stehen kraft seines Aussonderungsrechts alle negatorischen Rechtsbehelfe zu, die er außerhalb eines Insolvenzverfahrens hätte. So kann er nach § 894 BGB die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs

103 Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 811 Rn 17. 104 MünchKomm/Gruber ZPO6 § 811 Rn 19. 443

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verlangen und diese durch Eintragung eines Widerspruchs sichern (§ 899 I BGB),105 nach Maßgabe der §§ 985, 986 BGB Herausgabe seiner Sache verlangen sowie nach § 1004 I BGB Unterlassung und Beseitigung einer Beeinträchtigung. Der Eigentumsherausgabeanspruch als Aussonderungsanspruch setzt Besitz des Verwalters voraus. Gleichgültig ist, ob der Verwalter unmittelbarer oder mittelbarer, Fremdbesitzer oder Besitzmittler des Eigenbesitzers, des Schuldners, ist.106 Auch der mittelbare Besitzer kann direkt auf Herausgabe verklagt und verurteilt werden.107 Daneben besteht die Möglichkeit, von ihm die Abtretung seines Herausgabeanspruchs zu verlangen.108 Soweit dem Besitzmittler Gegenansprüche gegen die Masse zustehen, kann er diese gegen den Eigentümer auf der Grundlage von §§ 404, 273 BGB nur unter der Voraussetzung einwenden, dass ein Besitzrecht gemäß § 986 I S 1 BGB besteht. Herausgabeverlangen gegen den besitzenden Schuldner ist keine Aussonderung. Nach § 985 BGB muss der Verwalter die Sache an Ort und Stelle bereitstellen.109 Soweit beim Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I S 2 BGB die Wiederholungsgefahr im Rahmen einer Prognose zu beurteilen ist, kann von vergangenen Rechtsverletzungen110 des Schuldners nicht kurzerhand auch auf künftige Rechtsverletzungen durch den Insolvenzverwalter geschlossen werden. Vielmehr ist die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einhergehende Zäsur zu gewärtigen und zu beurteilen, inwieweit der Insolvenzverwalter entsprechende Abläufe und Gegebenheiten verändert hat.111 Soweit gemäß § 1004 I S 1 BGB die Beseitigung einer Störung verlangt wird, kommt es darauf 38 an, ob die Beeinträchtigung des Rechts schon vor der Verfahrenseröffnung bestand. Ist die Beeinträchtigung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten und steht sie im Zusammenhang mit der Insolvenzmasse und deren Verwaltung, richtet sich der Anspruch gegen den Insolvenzverwalter. Er ist Partei kraft Amtes.112 Den Beseitigungsanspruch des § 1004 I S 1 BGB daneben noch als Masseforderung iSd § 55 I Nr 1 einzuordnen, bringt nichts ein.113 Masseschulden sind aber die Schadensersatzansprüche und Bereicherungsansprüche, die zulasten der Masse aus der Beeinträchtigung eines aussonderungsfähigen Rechts durch den Verwalter entstehen. War die Beeinträchtigung schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, hängt die Aussonderungsmöglichkeit davon ab, ob die Beeinträchtigung auch nach der Verfahrenseröffnung noch fortdauert und von der Insolvenzmasse ausgeht. Definiert man die Eigentumsbeeinträchtigung mit der im Vordringen befindlichen sog „Usurpationstheorie“114 in der Weise, dass „im Jetztzeitpunkt ein faktischer Zustand existiert, der dem Inhalt des Eigentums des Anspruchstellers nicht entspricht“, dass „gegenwärtig ein Dritter durch sein Handeln oder durch die Beschaffenheit oder räumliche Lage seiner Sachen tatsächlich Befugnisse in Anspruch nimmt, die durch § 903 (BGB) dem Anspruchsteller exklusiv zugewiesen sind“,115 kann es einen Beseitigungsanspruch überhaupt nur 105 RGZ 60, 247, 251; 86, 235, 240; OLG Hamm SeuffArch 62 Nr 101; OLG Celle NJW 1985, 204, dazu K Schmidt Jus 1985, 61; ders ZZP 90 (1977), 38, 51; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 40, 334; Staudinger/Gursky BGB (2013) § 894 Rn 14, § 899 Rn 55. 106 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 985 Rn 43 mN. 107 HM BGH NJW-RR 2004, 570, 571; MünchKomm/Baldus BGB8 § 985 Rn 34; Baur/Stürner SachenR18 § 11 C I 2; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 344; Staudinger/Gursky BGB (2013) § 985 Rn 71 ff mN. 108 BGH WM 1958, 1417; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 37; KK/Hess InsO § 47 Rn 19; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 51. 109 Siehe MünchKomm/Baldus BGB8 § 985 Rn 96 ff; Picker FS BGH (2000), S 693, 726 ff. 110 Zu einer entsprechenden Vermutung siehe BGHZ 140, 1, 10 = NJW 1999, 356, 358 f; MünchKomm/Raff BGB8 § 1004 Rn 305. 111 Zu weitgehend für ein generelles Entfallen der Wiederholungsgefahr für das Wettbewerbsrecht BGHZ 185, 11, Rn 40 = NZI 2010, 811, Rn 40 – Modulgerüst II. 112 Siehe zu § 80 und Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 5 ff. 113 AA Jaeger/Lent KO8 § 43 Rn 23. 114 Vgl etwa BeckOGK/Spohnheimer BGB (Stand: 1.8.2022) § 1004 Rn 36 ff; nach MünchKomm/Raff BGB8 § 1004 BGB Rn 3 sei die „Usurpationstheorie“ mittlerweile „hL“. 115 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 1004 Rn 139 im Anschluss an Picker Der negatorische Beseitigungsanspruch (1972), S 49 ff; siehe auch Henckel AcP 174 (1974), 97 ff. Hoffmann

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geben, solange diese Beeinträchtigung besteht. Deshalb hängt die Aussonderungskraft des Beseitigungsanspruchs nur davon ab, ob die Beeinträchtigung von der Masse ausgeht. Dringt durch den Bruch eines Wasserrohrs des Schuldners Wasser auf oder in das Grundstück des Anspruchstellers, ist der Insolvenzverwalter nach § 1004 I S 1 BGB verpflichtet, das Wasser abzustellen oder anderweitig die Wasserzufuhr zu unterbinden.116 Das gilt nur dann nicht (mehr), wenn der Verwalter das Grundstück freigegeben hat. Insbesondere für die Rechtsprechung bestehen aber weitaus größere Schwierigkeiten, weil es ihr bisher nicht gelungen ist, die Grenze zwischen dem Anspruch auf Beseitigung einer Störung und dem Schadensersatzanspruch eindeutig zu ziehen.117 Die Rechtsprechung verfolgt zwar (noch) ein weiteres Haftungsverständnis des § 1004 I S 1 BGB, indem sie diesen als Kausalhaftung einem (verschuldensunabhängigen) Schadensersatzanspruch annähert und mit diesem vermengt, korrigiert das insolvenzrechtlich jedoch durch eine „Zweiteilung“ des Anspruchs,118 indem der Beseitigungsanspruch zur bloßen Insolvenzforderung herabgestuft wird, wenn die „störenden Zustände“ vor Insolvenzeröffnung begründet worden sind119 und die vermeintliche „Beseitigung“ nach Lesart der Rechtsprechung in der Sache letztlich ein Schadensersatzanspruch ist. Ansprüche auf Ersatz eines vor der Verfahrenseröffnung an der aussonderungsfähigen Sache entstandenen Schadens sind aber Insolvenzforderungen (Rn 39). Die verwaschenen Grenzen zwischen Beseitigung und Schadensersatz sind auch der Grund für die in der insolvenzrechtlichen Literatur anzutreffende Auffassung, der Anspruch des Eigentümers auf Beseitigung einer vor Verfahrenseröffnung vom späteren Gemeinschuldner bewirkten Beeinträchtigung iSd § 1004 I BGB bilde eine bloße Insolvenzforderung, obwohl der Anspruch aus dem Eigentum entspringt.120 Jedoch kann es nicht richtig sein, dass dem Eigentümer, dessen Recht durch die Aussonderung geschützt werden soll, dieser Schutz versagt würde, wenn die Beeinträchtigung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens überdauert. So muss in dem genannten Beispiel auch der Insolvenzverwalter verpflichtet sein, den fortdauernden Wasserzufluss zu verhindern, während aber andererseits die Kosten für das Abpumpen des schon vor der Verfahrenseröffnung auf das Grundstück des Nachbarn geflossenen Wassers nur als Insolvenzforderung geltend gemacht werden können.121 Um eine Unterscheidung des Anspruchs auf Beseitigung einer gegenwärtigen Störung des Eigentums und des Anspruchs auf Behebung von Schäden kommt man also spätestens in der Insolvenz nicht herum.

c) Sekundäransprüche des Eigentümers. Ansprüche auf Nutzungen und Schadensersatz, 39 die dem Eigentümer nach §§ 987–993 BGB zustehen, sind Insolvenzforderungen, wenn sie vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind (§ 38).122 Ist der Anspruch dagegen nach der Verfahrenseröffnung durch eine Handlung des Insolvenzverwalters entstanden, ist der Eigentümer Massegläubiger (§ 55 I Nr 1 bzw Nr 3).123 Das gilt auch, wenn der Verwalter mit der Herausgabe in Verzug gerät. Mit Rücksicht auf die vielseitigen Pflichten des Verwalters ist ihm zur Feststellung und Prüfung der Aussonderungsrechte ein angemessener Prüfungszeitraum einzuräumen, innerhalb dessen ihm die Verzögerung nach § 286 IV BGB nicht zugerechnet werden kann (Rn 19). Erzeugnisse einer Sache gehören auch nach der Trennung dem Eigentümer der Sache, soweit sich nicht aus den §§ 954–957 BGB etwas anderes ergibt (§ 953 BGB). Der Eigentümer der Früchte 116 Beispiel in Anlehnung an Staudinger/Gursky BGB (2013) § 1004 Rn 141. 117 MünchKomm/Raff BGB8 § 1004 Rn 229; F Baur AcP 160 (1961), 465 ff; Staudinger/Gursky BGB (2013) § 1004 Rn 137 f; Soergel/Münch BGB13 § 1004 Rn 292 ff, alle mit Beispielen aus der Rechtsprechung. 118 Eingehend Kahl FS Picker (2010), S 391, 407 ff. 119 BGHZ 150, 305, 308 f = NZI 2002, 425, 426 f; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 11; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 60; zu weitgehend C Berger FS Kreft (2004), S 191, 203. 120 Jaeger/Lent KO8 § 43 Rn 23. 121 Soergel/Münch BGB13 § 1004 Rn 484 f; aA Stürner FS Merz (1992), S 563, 571 f, der auch dem Anspruch auf den „actus contrarius“ iS F Baurs (AcP 160 (1961), 465, 487 ff) Aussonderungskraft beimessen will. 122 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 42. 123 RGZ 56, 316; RG LZ 1909 Sp 786 f. 445

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

kann sie aussondern.124 Erntet zB der Insolvenzverwalter Früchte, die bis zur Trennung wesentliche Bestandteile eines Grundstücks waren, das nicht dem Schuldner gehörte, erwirbt der Grundstückseigentümer das Eigentum, wenn der Schuldner weder zur Fruchtziehung dinglich berechtigt (§ 954 BGB) noch ihm die Fruchtziehung vom Eigentümer gestattet worden (§ 956 I BGB) und der Insolvenzverwalter nicht gutgläubig war (§§ 955 I S 2, 957 BGB). Als Eigentümer kann er die noch vorhandenen Früchte aussondern. Sind die Früchte für die Masse verbraucht worden, kommt ein Massebereicherungsanspruch (§ 55 I Nr 3) in Betracht oder ein Masseschuldanspruch nach § 55 I Nr 1, wenn der Verbrauch durch eine Handlung des Verwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung oder Verwertung der Masse geschehen ist.

40 d) Verlust des Aussonderungsrechts durch Eigentumsverlust. Soweit das Eigentum Grundlage der Aussonderung ist, gilt im Insolvenzverfahren uneingeschränkt das Sachenrecht des BGB. So schützen die Vorschriften über den redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehr (§§ 892 f, 932 ff BGB) den Erwerber auch dann, wenn der Insolvenzverwalter über die Sache verfügt hat, die dem Schuldner nicht gehörte.125 Mit dem Verlust des Eigentums verliert der bisher Berechtigte auch sein Aussonderungsrecht. Ihm bleiben nur die sog Ersatzaussonderung (§ 48) und Masseforderungen unter dem Gesichtspunkt einer Eigentumsverletzung (Schadensersatz: § 823 I bzw §§ 989, 990 BGB, § 55 I Nr 1; Bereicherungsausgleich: § 816 I S 1 BGB, § 55 I Nr 3). Hatte der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung über die Sache als Nichtberechtigter verfügt, kann der bisher Berechtigte unter den Voraussetzungen des § 48 die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung oder die in der Masse noch unterscheidbar vorhandene Gegenleistung verlangen. Ist die Gegenleistung nicht mehr unterscheidbar vorhanden, besteht nur eine Insolvenzforderung (§ 816 I S 1 BGB, § 38). Das Aussonderungsrecht kann auch durch eine Änderung der Rechtszuständigkeit verloren gehen, die kraft Gesetzes nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt. Stellt zB der Schuldner oder für ihn der Insolvenzverwalter aus fremdem Stoff eine neue Sache her, verliert der bisherige Eigentümer mit dem Eigentum sein Aussonderungsrecht, wenn das Eigentum auf den Schuldner übergeht, weil dieser als der Hersteller iSd § 950 I S 1 BGB anzusehen ist und wenn der Wert der Verarbeitung nicht wesentlich geringer ist als der Wert des Stoffes (zum Verarbeitungsvorbehalt siehe Rn 50 und Erl zu § 51 Rn 36–47). Ein Eigentumsverlust kann auch nach Maßgabe der §§ 947 f BGB eintreten, wenn Gegenstände zu einem wesentlichen Bestandteil gemäß §§ 93 f BGB verbunden werden;126 zu etwaigen Wegnahmerechten siehe Rn 99. Wird dadurch Miteigentum begründet, siehe Rn 88 ff.

2. Eigentumsvorbehalt 41 Der Aussonderung kraft eines Eigentumsvorbehalts kommt größte Bedeutung zu. Wird der Kaufpreis nicht Zug um Zug gezahlt, behält sich der Verkäufer regelmäßig das Eigentum an der verkauften Sache vor. Beim Verkauf an den Letztverbraucher hat es dabei regelmäßig sein Bewenden. Wird an Händler verkauft oder an Produzenten, welche die Ware verarbeiten, sichert sich der Verkäufer auch für den Fall der Weiterveräußerung der Ware, indem er sich die Forderungen gegen die Abnehmer des Erstkäufers im Voraus abtreten lässt (Rn 49), und gegen den Eigentumsverlust durch die Verarbeitung (§ 950 BGB) durch eine Vereinbarung, die ihm das Eigentum oder jedenfalls das Miteigentum an dem Verarbeitungsprodukt verschaffen soll (Rn 50).

124 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 42. 125 AA Saenger/Scholz NZI 2021, 561, 563; P Meier ZInsO 2016, 1393, 1399. 126 Vgl auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 21 ff. Hoffmann

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Aussonderung

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a) Einfacher Eigentumsvorbehalt aa) Aus- oder Absonderung. Entsprechend der Auslegungsregel des § 449 I BGB übereignet 42 der Verkäufer die Sache unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises. Das geschieht regelmäßig durch Übergabe der Sache und aufschiebend bedingte Einigung (§§ 929, 158 ff BGB). Der Verkäufer bleibt folglich beim einfachen Eigentumsvorbehalt bis zum Bedingungseintritt Eigentümer und ist als solcher grundsätzlich (siehe aber auch Rn 45) aussonderungsberechtigt.127 Bestrebungen, den einfachen Eigentumsvorbehalt nur noch mit einem Absonderungsrecht zu versehen, konnten sich nicht durchsetzen.128 Das vorbehaltene Eigentum unterscheidet sich als Aussonderungsrecht wesentlich vom Sicherungseigentum, das nach § 51 Nr 1 nur zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Zwar ist auch dem Vorbehaltsverkäufer daran gelegen, eine Sicherheit zu haben, wenn der Kaufpreis nicht bezahlt wird. Deshalb kann man den Zweck des einfachen Eigentumsvorbehalts im weitesten Sinne als Kreditsicherung beschreiben.129 Der Vorbehaltsverkäufer kreditiert die Ware und behält das Eigentum, um nicht die Ware zu verlieren, wenn er den Preis nicht bekommt. Der Sicherungszweck des einfachen Eigentumsvorbehalts unterscheidet sich aber von dem der Sicherungsübereignung.130 Der Vorbehaltsverkäufer leistet teilweise vor, wenn er vor vollständiger Kaufpreiszahlung den Besitz überträgt. Er sichert sich, indem er das Zurückbehaltungsrecht der §§ 320, 321 BGB auf das Eigentum beschränkt, bewirkt aber durch die aufschiebend bedingte Übereignung, dass der Käufer ohne Weiteres das Eigentum erwirbt, wenn er den Kaufpreis bezahlt. Die Sicherheit, die der Vorbehaltsverkäufer durch den einfachen Eigentumsvorbehalt hat, be- 43 steht de lege lata darin, dass er nach § 323 I BGB vom Kaufvertrag zurücktreten, die verkaufte Sache als seine eigene zurückverlangen (§ 449 II BGB) und über sein Eigentum wieder ohne die Beschränkung des § 161 I BGB verfügen kann, weil der Bedingungseintritt ausgeschlossen ist, wenn der Kaufvertrag durch den Rücktritt beseitigt ist und der Käufer mit dem Rücktritt sein Recht zum Besitz verliert. Der Vorbehaltsverkäufer sichert also in erster Linie sein Interesse an der Rückgewähr der Sache. Nur mittelbar wird damit auch sein Interesse an dem Kaufpreis gesichert, weil der Verkäufer die Sache nach dem Rücktritt auch veräußern kann (nicht muss), um sich für den Ausfall des Kaufpreises Deckung zu verschaffen.131 Er kann die Sache anderweitig veräußern, muss das aber nicht. Er kann als Eigentümer die Sache selber nutzen, kann sie vermieten, verschenken oder verleihen. Verkauft er sie, muss er nicht wie ein Sicherungseigentümer einen Erlösüberschuss an den Käufer abführen. Der Überschuss gehört ihm und verbleibt bei ihm.132 Erzielt er mehr als den aus dem Vorbehaltskauf noch ausstehenden Kaufpreis, gebührt ihm dennoch der volle Kaufpreis des zweiten Kaufvertrages, und zwar selbst dann, wenn er die Sache jetzt zu einem höheren Preis verkaufen kann, als er mit dem Vorbehaltskäufer vereinbart hatte. Die Abrechnung mit dem Vorbehaltskäufer erfolgt nicht durch Anrechnung des erzielten Erlöses auf die Kaufpreisschuld des Vorbehaltskäufers, die dadurch getilgt würde. Das ist schon deshalb ausgeschlossen, weil infolge 127 Ständige Rechtsprechung und hM zB BGHZ 100, 19, 24 = NJW 1987, 2433, 2434; BGHZ 176, 86, Rn 24 = NJW 2008, 1803, Rn 24; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 43 Rn 11; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 25; MünchKomm/ Ganter InsO4 § 47 Rn 62; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 19; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 10; K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 29; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd I (1963), § 13 II 3, S 345 ff. 128 BT-Drucks 12/2443, S 87 gegen Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Leitsatz 3.3.1 I. und entgegen § 55 DiskE sowie § 55 RefE; gegen ein Aussonderungsrecht auch Blomeyer AcP 153 (1954), 239, 248; ders AcP 162 (1963), 193, 200; ders NJW 1951, 548; Häsemeyer InsR4 Rn 11.10, 18.30, 18.34 ff, 20.30; ders FS Serick (1992), S 153, 156 ff; Raiser Dingliche Anwartschaften (1961), S 96; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 21; sympathisierend auch KK/Hess InsO § 47 Rn 45 ff. 129 Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 II 2a S 332; § 63 I 4 S 414. 130 Gaul FS Serick (1992), S 105 ff, 148; Huber ZIP 1987, 750 ff. 131 Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 57 III 2c S 74 f spricht von der doppelten Sicherungsfunktion des Eigentumsvorbehalts, präzisiert das aber dahin, dass die Sicherung der Kaufpreisforderung durch die gesicherte Rückforderung, also nur mittelbar, gewährleistet wird. 132 BGH NJW-RR 1998, 120 (Nichtannahmebeschluss). 447

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

des Rücktritts keine Kaufpreisschuld des Vorbehaltskäufers mehr besteht. Vorbehaltsverkäufer und Vorbehaltskäufer rechnen allein nach Rücktrittsregeln (§§ 346 f BGB) ab. 44 Während der Sicherungseigentümer mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verwertungsrecht verliert, wenn der Verwalter die Sache im Besitz hat (§ 166 I), und damit auch die ihm außerhalb des Insolvenzverfahrens zustehende Befugnis, nach Fälligkeit der gesicherten Forderung den Zeitpunkt der Verwertung frei zu bestimmen,133 nimmt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Vorbehaltseigentümer de lege lata weder das Recht, als Eigentümer seine Sache herauszuverlangen, sobald der Käufer bzw der Verwalter kein Recht zum Besitz mehr hat, noch das Recht zu entscheiden, wann er von seinen Eigentümerbefugnissen Gebrauch machen, insbesondere die Sache weiterveräußern will. Da das Recht des Vorbehaltsverkäufers kein Verwertungsrecht ist, vielmehr nach erklärtem Rücktritt oder Erfüllungsablehnung des Verwalters uneingeschränktes Eigentum ist, kann der Insolvenzverwalter des Käufers, der den Kaufvertrag nicht erfüllt, dem Vorbehaltsverkäufer keinen Verwertungszeitpunkt aufzwingen und die Sache nicht selbst verwerten. Will er die gekaufte Sache für die Masse erhalten, muss er die Erfüllung des Kaufvertrages wählen und den Kaufpreisrest bezahlen (§§ 103 I, 107 II, 55 I Nr 2 Alt 1). Wählt er nicht die Erfüllung, kann er einen Anspruch, welcher der Masse aus der Rückabwicklung des Kaufvertrages nach §§ 346 f BGB zusteht, ohne Weiteres geltend machen, unabhängig davon, ob und wann der Vorbehaltsverkäufer die Sache anderweitig veräußert. 45 Der Vorbehaltsverkäufer verschafft sich also keine Kreditsicherheit, sondern unterstreicht seinen rechtsgeschäftlich begrenzten Bindungswillen,134 zur Übereignung nur gegen Kaufpreiszahlung bereit zu sein.135 Der einfache Eigentumsvorbehalt ist zu verstehen als „partielle Geltendmachung der Einrede des nichterfüllten Vertrages“.136 Vor diesem Hintergrund sind rechtsvergleichend inspirierte Versuche, den Eigentumsvorbehalt auch im deutschen Recht ausschließlich funktional als Kreditsicherheit zu erfassen,137 de lege lata zurückzuweisen und de lege ferenda auch nicht als zwangsläufig begründbar. Die Übergänge zu einem Sicherungszweck nach Maßgabe eines Absonderungsrechts, mit dem eine Geldforderung abgesichert werden soll (Rn 30) und für deren Befriedigung das vorbehaltene Eigentum nur ein Vehikel ist, sind allerdings fließend. Während das beim erweiterten Eigentumsvorbehalt (Rn 51), beim verlängerten Eigentumsvorbehalt (Rn 49) und bei den Verarbeitungsklauseln (Rn 50) weitgehend anerkannt ist, sperrt man sich beim einfachen Eigentumsvorbehalt überwiegend gegen eine differenzierende Analyse des jeweiligen Sicherungszwecks. Brinkmann hat überzeugend dargelegt, dass insoweit auch innerhalb des einfachen Eigentumsvorbehalts danach differenziert werden muss, ob der Verkäufer zu einer echten Kreditierung des Kaufpreises bereit ist (dann Absonderungsrecht) oder ob es nur darum geht, den Zeitraum eines kurzfristigen Zahlungsziels zu überbrücken (dann Aussonderungsrecht).138

46 bb) Insolvenz des Käufers. Ob der Vorbehaltsverkäufer die Ware nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Käufers (zur Insolvenz des Verkäufers siehe Rn 54) sogleich herausverlangen kann, hängt davon ab, ob der Verwalter ein Recht zum Besitz hat. § 107 II S 1 gestattet es dem Verwalter, die Erklärung, ob er die Erfüllung des beiderseits nicht oder nicht voll-

133 Henckel FS Zeuner (1994), S 193, 210 f. 134 Grds dazu Soergel/Lobinger BGB13 Vor § 346 Rn 19. 135 Zur Vereinbarkeit mit dem Abstraktionsprinzip eingehend Stadler Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion (1996), S 82 ff.

136 U Huber ZIP 1987, 750, 755 re. Sp.; vgl weiter J F Hoffmann JuS 2022, 697, 698 ff. 137 Vgl C Wilhelm Die Regelung der Geld- und Warenkreditsicherheiten nach dem deutschen Recht im Vergleich zum Draft Common Frame of Reference (2013), S 283 ff; de lege ferenda auch Heese FS K Schmidt (2019), S 409, 416 ff.

138 Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011), S 181 ff, 198 f und dem folgend J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 239 f; nur „de lege ferenda“ allerdings Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 25. Hoffmann

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Aussonderung

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ständig erfüllten Vertrages wähle (§ 103 I), erst unverzüglich nach dem Berichtstermin abzugeben. Das ist der Termin, in dem die Gläubigerversammlung auf der Grundlage eines Berichts des Insolvenzverwalters über den Fortgang des Insolvenzverfahrens insbesondere darüber beschließen soll, ob das Unternehmen stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll (§ 157 S 1). Er soll nicht über sechs Wochen und darf nicht über drei Monate über den Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses hinaus angesetzt werden (§ 29 I Nr 1). Längstens drei Monate zuzüglich der Tage, die bis zur Aufforderung des Vorbehaltsverkäufers zur Erklärung verstreichen und zur Wahrung der Frist für eine unverzügliche Erklärung eingeräumt werden, hat der Verwalter Zeit zu überlegen, ob er die Erfüllung wählt und damit das Recht zum Besitz behält. Unabhängig von der Frage, wie man die Rechtsfolgen der Verfahrenseröffnung für beiderseits nicht erfüllte gegenseitige Verträge konstruiert,139 kann § 107 II S 1 nur so verstanden werden, dass der Verwalter auch in der Zwischenzeit, also von der Verfahrenseröffnung bis zu seiner Entscheidung oder bis zum ungenutzten Ablauf der vom Verkäufer nach § 103 II S 2 gesetzten Frist, zum Besitz berechtigt bleibt.140 Das gebietet der Zweck des § 107 II S 1.141 Für die Entscheidung des Verwalters, ob er einen gegenseitigen Vertrag erfüllen will, kommt es nämlich meist darauf an, welches Ziel in dem Verfahren angestrebt werden soll. Wenn das Unternehmen oder wenigstens ein Betrieb des Unternehmens in der Hand des bisherigen Rechtsträgers oder nach Veräußerung im Ganzen fortgeführt werden soll, liegt es nahe, die bisherigen Vertragsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Könnten die Vorbehaltslieferanten die verkauften Sachen schon vor der Entscheidung über das Verfahrensziel abziehen, wären eine Fortführung und damit eine Erhaltung des Unternehmens erheblich gefährdet.142 Auch wenn die Fortführung von vornherein ausgeschlossen erscheint und vielleicht sogar schon der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts (§ 22 I S 2 Nr 2) oder der Verwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 158 I) das Unternehmen stillgelegt hat, muss bis zum Berichtstermin gewartet werden. Dies erklärt sich aus der vom Gesetzgeber favorisierten Gläubigerautonomie. Letztlich sollen alle wesentlichen Entscheidungen von der Gesamtheit der Gläubiger getroffen werden. Aus dem genannten Grund ist der Vorbehaltsverkäufer auch nicht berechtigt, vor der Entscheidung des Insolvenzverwalters über die Erfüllungswahl vom Vertrag zurückzutreten.143 War der Vorbehaltsverkäufer schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Kaufvertrag zurückgetreten, hindert ihn § 107 II S 1 nicht, die Sache sogleich auszusondern. Denn nach wirksamem Rücktritt besteht der Erfüllungsanspruch des Käufers nicht mehr. Folglich hat der Verwalter auch kein Recht, die Erfüllung zu wählen.144 Wählt der Verwalter die Erfüllung des Vertrages, kann der Vorbehaltsverkäufer die Sache nur aussondern, wenn er nach § 323 I BGB zum Rücktritt berechtigt ist, weil der Verwalter die fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß leistet, und er den Rücktritt wirksam erklärt hat. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab und macht der Verkäufer sein Aussonderungsrecht geltend, hat er den bereits gezahlten Kaufpreis zurückzugewähren und kann nach der Rechtsprechung des BGH gegen diese Forderung mit seiner Forderung aus § 103 II S 1 aufrechnen.145 Während des Schwebezustandes bleibt die Vertragsbeziehung im Übrigen unangetastet und da- 47 mit auch das Recht des Verwalters, die Sache zu benutzen.146 Nur diese Lösung entspricht dem Zweck des § 107 II S 1. Dessen Ziel, dem Verwalter Vorbehaltssachen nicht zu entziehen, solange 139 Siehe zu § 103 und BGHZ 150, 353, 359; Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 149 ff; ders FS Kirchhof (2003), S 191 ff; MünchKomm/Huber InsO4 § 103 Rn 39 ff; Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 (2001) Rn 3.1 ff. 140 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 27; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 63 ff; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 25. 141 Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 (2001) Rn 7.56 ff; siehe auch J F Hoffmann KTS 2018, 343, 351. 142 Begründung zu § 121 RegE (BT-Drucks 12/2443, S 146). 143 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 66; J F Hoffmann KTS 2018, 343, 351; Marotzke KTS 2002, 1, 8 ff; HK/ders InsO10 § 107 Rn 29 ff, mit Vorschlägen zur Ergänzung des Gesetzes. 144 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 66. 145 BGHZ 196, 160, Rn 12 = NJW 2013, 1245, Rn 12 (freilich eine automatische Verrechnung postulierend); Uhlenbruck/ Brinkmann InsO15 § 47 Rn 26. 146 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 27; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 65; HK/Marotzke InsO10 § 107 Rn 33. 449

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nicht entschieden ist, ob das Unternehmen fortgeführt wird, könnte nicht erreicht werden, wenn der Verwalter bspw eine Maschine, die er zur einstweiligen Fortführung des Betriebs braucht, stilllegen müsste. Die stillgelegte Maschine bringt ihm keinen Vorteil gegenüber einer vom Vorbehaltsverkäufer schon abgeholten Maschine, eher sogar Nachteile, weil er sie verwahren und evtl sogar warten muss. Nicht dagegen ist der Insolvenzverwalter berechtigt, die Vorbehaltssache zu verarbeiten. Soweit eine Verarbeitungsermächtigung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens überhaupt überdauern kann, was nur in Betracht kommt, wenn eine Ersatzsicherheit in Gestalt des Verarbeitungsprodukts vereinbart ist (die Verarbeitungsklausel greift allerdings auch bei unberechtigter Verarbeitung; siehe § 51 Rn 43), kann die Verarbeitung lediglich unter der Voraussetzung gestattet sein, dass der Verwalter den Kaufpreis bezahlen will, also die Erfüllung wählt.147 Oft wird schon der Beginn der Verarbeitung als konkludente Erfüllungswahl gedeutet werden können. Dass der Verwalter durch § 107 II S 1 vorübergehend berechtigt bleibt, die Sache zu nutzen, besagt allerdings noch nichts darüber, ob die Nutzungen auch dann in der Masse verbleiben, wenn der Verwalter die Erfüllung nicht wählt und sich der Verkäufer mittels Rücktritts vom Vertrag lösen darf.148 Im Falle des Rücktritts sind die gezogenen Nutzungen nach § 346 I BGB auszukehren und für den Zeitraum ab Verfahrenseröffnung handelt es sich nach Maßgabe von § 55 I Nr 3 um eine Masseverbindlichkeit.149

48 cc) Verlust des Eigentums. Der Vorbehaltsverkäufer verliert sein Eigentum, wenn es kraft Gesetzes auf einen anderen übergeht, bspw durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung, und wenn der Käufer oder dessen Insolvenzverwalter wirksam über die Sache verfügt. Waren sie dazu nicht ermächtigt, ist ihre Verfügung nur wirksam, wenn der Erwerber gutgläubig war (§ 932 II BGB150). Der Vorbehaltsverkäufer kann, weil die Veräußerung unberechtigt war, im Wege der Ersatzaussonderung die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht und die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist (§ 48).

49 b) Verlängerter Eigentumsvorbehalt. Hatte der Vorbehaltsverkäufer den Schuldner ermächtigt, die Sache im ordnungsmäßigen Geschäftsgang zu veräußern, so ist eine durch die Ermächtigung (§ 185 I BGB) gedeckte Veräußerung rechtmäßig und wirksam. Das vorbehaltene Eigentum ist auf den Erwerber übergegangen und sichert den Vorbehaltsverkäufer nicht mehr. Üblicherweise wird die Veräußerungsermächtigung mit einer Ersatzsicherung verbunden. Der Verkäufer lässt sich die Kaufpreisforderungen aus der Weiterveräußerung der Ware im Voraus abtreten; sog verlängerter Eigentumsvorbehalt. Diese Bezeichnung ist nicht ganz präzise. Denn die Sicherung durch die abgetretene Forderung ist kein Eigentumsvorbehalt. Die Forderung tritt nicht etwa an die Stelle des verlorenen Eigentums.151 Der Käufer kann sie nicht aussondern. Vielmehr handelt es sich um eine vorweggenommene Sicherungsabtretung, die nach § 51 Nr 1 nur zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.152 Auf die Erl zu §§ 48, 51 Nr 1, insbesondere auch zur Frage des Fortbestandes einer Ermächtigung während der Krise und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wird verwiesen (§ 48 Rn 45 ff).

MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 65a. Entgegen MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 65. Vgl auch die Erwägungen bei Marotzke JZ 1995, 803, Fn 105; aA Jaeger/Jacoby InsO2 § 107 Rn 70 f, § 103 Rn 94 f. Gegen eine Anwendung von § 932 BGB bei Verfügungen des Verwalters freilich Saenger/Scholz NZI 2021, 561, 563; P Meier ZInsO 2016, 1393, 1399. 151 So freilich Wilhelm SachenR7 Rn 2477 ff. 152 BGH NJW 1978, 1632; BGHZ 72, 308, 312 = NJW 1979, 365, 366; BGH NJW-RR 2004, 340; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 149; K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 39.

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c) Verarbeitungsklauseln. Ähnliches gilt, wenn der Vorbehaltsverkäufer dem Schuldner die Ver- 50 arbeitung der Ware gestattet und mit ihm vereinbart hat, dass die neue Sache ihm als sein Eigentum für seine Kaufpreisforderung haften soll (Verarbeitungsklausel). Die durch die Verarbeitung entstandene neue Sache tritt nicht an die Stelle des Vorbehaltseigentums, das durch die Verarbeitung erloschen ist.153 Gleichgültig, welcher der umstrittenen Auffassungen hinsichtlich des Eigentumserwerbs des Vorbehaltsverkäufers man sich anschließt (dazu § 51 Rn 36 ff), kann der Vorbehaltsverkäufer nicht die Sache in gleicher Weise wie das gelieferte Material gegen Rückzahlung des Kaufpreises herausverlangen. Würde man ihm das gestatten, könnte er die neue Sache und damit auch die durch die Verarbeitung bewirkte Wertsteigerung endgültig seinem Vermögen einverleiben, auch wenn er die Sache zu einem weit höheren Preis veräußern könnte, als der Käufer für das verarbeitete Material zu zahlen hatte. Dem Vorbehaltskäufer bräuchte er nach § 347 II S 1 BGB nur die Verwendungen zu ersetzen, nicht aber die Produktionsleistung zu vergüten. Die Vorbehaltsklausel soll demgegenüber bewirken, dass der Verkäufer jedenfalls nicht mehr bekommt als den vollen Kaufpreis. An der Verarbeitung darf er nicht verdienen, weil er diese nicht bezahlt. Das neue Eigentum an der neuen Sache sichert nicht mehr das Interesse des Verkäufers, seine gelieferte Sache zurückzubekommen, falls der Kaufpreis nicht bezahlt wird, sondern den Kaufpreisanspruch des Vorbehaltsverkäufers. Das Eigentum an der neuen Sache ist Sicherungseigentum und gewährt im Insolvenzverfahren des Käufers ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr 1).154 Gleiches hat zu gelten, falls der Verkäufer sich für den Fall abzusichern sucht, dass das vorbehaltene Eigentum an der Ware im Wege der Verbindung oder der Vermischung untergehen sollte. Entsprechende „Verbindungs-“ bzw „Vermischungsklauseln“ (dazu § 51 Rn 34 f) vermögen nur ein Absonderungsrecht zu begründen.155

d) Erweiterter Eigentumsvorbehalt. Mit dem sog erweiterten Eigentumsvorbehalt wird ver- 51 einbart, dass der Verkäufer nicht nur bis zur Zahlung des Kaufpreises für die zu liefernde Ware Eigentümer bleibt, sondern sein Eigentum auch weitere Forderungen gegen den Käufer sichern soll. Das hat einen Sinn bei Sukzessivlieferungsverträgen, aber auch, wenn beide Teile über den einzelnen Vertrag hinaus in Geschäftsverbindung stehen, zB sich wiederholt oder ständig Waren liefern. Solange der Kaufpreis für die gelieferte Sache nicht bezahlt ist, ist die Rechtsstellung des Käufers hinsichtlich der Sache keine andere als beim einfachen Eigentumsvorbehalt.156 Der Verkäufer ist aussonderungsberechtigt. Er kann die Sache herausverlangen, wenn der Käufer bzw sein Verwalter kein Recht zum Besitz hat. Ist aber die Sache bezahlt, hat das vorbehaltene Eigentum eine andere Funktion. Es sichert jetzt die durch die Erweiterung einbezogenen anderen Forderungen. Es ist Sicherungseigentum,157 das nur zur abgesonderten Befriedigung (§ 51 Nr 1) berechtigt.158 Hat sich der Verkäufer das Eigentum vorbehalten und ist seine Kaufpreisforderung vereinba- 52 rungsgemäß in ein kaufmännisches Kontokorrent eingestellt worden, handelt es sich genau 153 Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd IV (1976), § 44 III 6a S 153. 154 Näheres § 51 Rn 36 ff; ferner: Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 43 Rn 42; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 34; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 40; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 114; Staudinger/C Heinze BGB (2020) § 950 Rn 53; Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten beim Kundenkonkurs2 (1984), S 6 f; Jaeger/ders KO9 § 29 Rn 169; KK/Hess InsO § 47 Rn 79; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 3b aa; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd IV (1976), § 43 III 4a S 100 ff; Bd V (1982) § 60 III 1 S 271 ff; § 63 I S 409 ff, II 4 S 424; ders ZIP 1982, 507; Treffer MDR 1998, 1394. 155 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 118. 156 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 92; KK/Hess InsO § 47 Rn 57; krit Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 27. 157 AA Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 68 III S 680 ff, der den Verkäufer weiterhin als Vorbehaltseigentümer ansieht, ihm aber nur abgesonderte Befriedigung gestattet; siehe auch ders BB 1978, 1477. 158 BGH NJW 1971, 799; BGH NJW 1978, 632; BGHZ 98, 160, 170 = NJW 1986, 2948, 2950; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 93; KK/Hess InsO § 47 Rn 58; grundsätzlich zum erweiterten Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 68 S 669–733. 451

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genommen nicht mehr um einen Eigentumsvorbehalt im technischen Sinn. Denn die in das Kontokorrent eingestellte Kaufpreisforderung existiert als solche nicht mehr. Der Verkäufer kann nicht nach § 323 I BGB zurücktreten, wenn der Kaufpreis nicht bezahlt wird, weil er keinen Anspruch auf die Zahlung dieses Kaufpreises hat, sondern nur eine Kontokorrentsaldoforderung. Die Kontokorrentklausel kann deshalb nur bewirken, dass von vornherein die jeweilige Saldoforderung des Verkäufers gesichert159 ist und dieser wegen der Saldoforderung nur abgesonderte Befriedigung aus der verkauften Sache verlangen kann.160

53 e) Wandel des Sicherungszwecks („abgeleiteter Eigentumsvorbehalt“). Unklar ist, inwieweit der Zweck eines einfachen Eigentumsvorbehalts einem Wandel unterworfen sein kann. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 ging der BGH davon aus, dass eine Bank, die den Kaufpreis finanziert und an die der Verkäufer die Kaufpreisforderung und das vorbehaltene Eigentum überträgt, nur ein Absonderungsrecht haben soll.161 Dagegen entschied der BGH im Jahr 2014, dass ein Zessionar, der die offene Kaufpreisforderung im Wege des echten Factorings erwirbt, und auf den der Verkäufer das vorbehaltene Eigentum überträgt, sich auf ein Aussonderungsrecht berufen können soll.162 Die Differenzierung der beiden Entscheidungen ist nicht stimmig.163 Unabhängig von der durch den BGH grundsätzlich bejahten Frage,164 inwieweit Rücktrittsrechte als Gestaltungsrechte abgetreten werden können und im jeweiligen Fall abgetreten worden sind,165 ist zu erkennen, dass sich die Sonderstellung des einfachen Eigentumsvorbehalts nur rechtfertigt, weil der Verkäufer seinen synallagmatisch begrenzten Bindungswillen absichert (Rn 45). Der Wille des Verkäufers zur Aufgabe seines Eigentums steht vertragsbedingt unter dem Vorbehalt der Zahlung des Kaufpreises. Eine kreditgewährende Bank oder ein forderungserwerbender Factor setzen dagegen eigene rechtsgeschäftliche Zwecke und verfolgen mit der Transaktion insgesamt eine andere Zielrichtung. Selbst wenn einmal eine Vertragsübernahme im Hinblick auf den Kaufvertrag erfolgt sein sollte, wäre diese wiederum eingebettet in eine übergeordnete Zweckverfolgung des kreditgewährenden Akteurs. Es ist nicht zu rechtfertigen, die Sonderstellung des einfachen Eigentumsvorbehalts als Aussonderungsrecht in diesen Fällen aufrechtzuerhalten, es ist ein Absonderungsrecht zu gewähren.166

3. Anwartschaftsrechte, Vormerkung 54 Der Vorbehaltskäufer, dem die Sache unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des (restlichen) Kaufpreises übereignet ist (§§ 449 I, 158 I BGB), hat eine Rechtsposition, die ihn vor bedingungsfeindlichen Verfügungen des Vorbehaltsverkäufers schützt (§ 161 I BGB). Diese Position wird herrschend als Anwartschaftsrecht bezeichnet.167 Dass dieses Anwartschaftsrecht auch insolvenzfest ist, ist in § 107 I S 1 ausdrücklich angeordnet. Der Vorbehaltskäufer hat in der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers ein Aussonderungsrecht.168 Er kann sich vor Beeinträchtigungen seines Anwartschaftsrechts durch den Insolvenzverwalter schützen, indem er auf Feststellung seines 159 160 161 162 163

Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 68 IV 1, S 713. Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 68 IV 1, S 714. BGHZ 176, 86 = NJW 2008, 1803. BGH NZI 2014, 696, Rn 16 ff. So auch Kieninger FS Canaris II (2017), S 635, 648 ff, die freilich einheitlich für ein Aussonderungsrecht plädiert; siehe weiter Brinkmann FS Vallender (2015), S 39, 41 ff. 164 BGH NZI, 2014, 696, Rn 18; dagegen J F Hoffmann Zession und Rechtszuweisung (2012), S 204 ff, 227. 165 Für ausschlaggebend hält das Schicksal des Rücktrittsrechts für die Abgrenzung zwischen Aus- und Absonderung etwa K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 33. 166 Siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 25. 167 Dazu etwa J F Hoffmann JuS 2016, 289 ff. 168 FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 27. Hoffmann

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Anwartschaftsrechts klagt, wenn der Verwalter es bestreitet, oder auf Unterlassung von Beeinträchtigungen (§ 1004 I S 2 BGB analog). In beiden Fällen handelt es sich um Aussonderung. Sollte der Vorbehaltskäufer sich nicht vertragstreu verhalten, bleibt dem Insolvenzverwalter ein Rücktritt (§ 323 BGB) unbenommen. Er kann die Sache dann beim Käufer vindizieren. Der Anspruch des Käufers auf Rückzahlung geleisteter Kaufpreisraten gemäß § 346 I BGB stellt auf der Grundlage von § 55 I Nr 3169 nur insoweit eine Masseverbindlichkeit dar, als die Kaufpreisraten nach Verfahrenseröffnung geleistet worden sind.170 Eine dem Inhaber eines Anwartschaftsrechts vergleichbare Stellung hat ein Gläubiger, der 55 einen durch Vormerkung gesicherten Anspruch auf Einräumung oder Übertragung eines Grundstücksrechts hat. Da der vormerkungsgesicherte Anspruch durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verpflichteten nicht beeinträchtigt wird (§ 106 I S 1), wird dem Inhaber des vorgemerkten Anspruchs Schutz vor vormerkungswidrigen Verfügungen gewährt, sei es in Gestalt der Feststellung seiner Rechtsstellung, wenn der Insolvenzverwalter die Wirksamkeit der Vormerkung bestreitet, sei es durch einen Anspruch auf Unterlassung von Handlungen, welche die Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs vereiteln. Auch hier handelt es sich um Aussonderung.171 Eine insolvenzfeste Rechtsstellung hat nach § 91 II auch der Gläubiger, dessen Anspruch auf 56 Einräumung oder Übertragung eines Grundstücksrechts schon soweit erfüllt ist, dass die Wirkung des § 878 BGB vor der Verfahrenseröffnung eintreten konnte, er also aufgrund bindender Einigung (§ 873 II BGB) bereits den Eintragungsantrag beim Grundbuchamt gestellt hatte. § 91 II schützt diesen Gläubiger vor den durch das Insolvenzverfahren bewirkten Einschränkungen der Verfügungsbefugnis des Verpflichteten. Die beantragte Eintragung der Rechtsänderung wird durch das Insolvenzverfahren nicht gehindert.172 Zwar hat dieser Gläubiger keinen dinglichen Anspruch auf Aussonderung des Grundstücks, aber sein insolvenzfester schuldrechtlicher Anspruch hat Aussonderungskraft.

4. Treuhandverhältnisse a) Eigennützige Treuhand (va Sicherungstreuhand). Von eigennütziger Treuhand oder Si- 57 cherungstreuhand spricht man, wenn ein Gegenstand zur Sicherheit für eine Forderung des Sicherungsnehmers (Treuhänders) übertragen wird (Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung). Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers (Treugebers) gehört das Sicherungsgut zur Insolvenzmasse. Der Sicherungsnehmer hat lediglich ein Absonderungsrecht. Das galt ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage nach ständiger Rechtsprechung und hL schon im Konkursverfahren, ist jetzt aber ausdrücklich im Gesetz festgelegt (§ 51 Nr 1; Einzelheiten siehe dort). Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsnehmers (Treuhänders) er- 58 öffnet, hat der Sicherungsgeber ggf ein Aussonderungsrecht.173 In der Sache wird der sicherungsvertragliche Rückübertragungsanspruch teilverabsolutiert und für insolvenzfest befunden. Das Aussonderungsrecht richtet sich nach dem Sicherungsvertrag. Der Sicherungsgeber kann die Sache

169 Zur Anwendung von § 55 I Nr 3 auf Rückabwicklungsforderungen aus Rücktritt Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 (2001) Rn 4.126, 7.97. 170 Entgegen MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 79; Rugullis KTS 2005, 459, 467 f. 171 BGHZ 149, 1, 5 = NJW 2002, 213; BGH NZI 2008, 428, Rn 11; BGHZ 216, 136, Rn 13 = NZI 2018, 22, Rn 13; BT-Drucks 12/ 2443, S 195. 172 Näher zu § 91; siehe auch Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 107 ff und § 17 Rn 64 mN; zurückhaltend (Schutz des § 878 BGB jedenfalls bei Vormerkung): OLG Köln Rpfleger 1975, 20. 173 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 375; KK/Hess InsO § 47 Rn 236; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 52; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 21; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 30, 34. 453

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demnach bspw herausverlangen, wenn er die gesicherte Forderung tilgt.174 Fehlt es an einem Recht zum Besitz des Sicherungsnehmers, etwa weil der Sicherungsgeber ihm die sicherungsübereignete Sache nur zur Reparatur gegeben hatte und die Reparatur ausgeführt ist oder wegen Erfüllungsablehnung (§ 103 II) nicht ausgeführt wird, kann der Sicherungsgeber die Sache herausverlangen, solange nicht die Verwertungsreife eingetreten ist.175 Berechtigter Besitz des Sicherungsnehmers schließt zwar aus, dass der Sicherungsgeber das Objekt im Wege der Aussonderung herausverlangen kann. Jedoch kann der Sicherungsgeber sein Aussonderungsrecht gerichtlich feststellen lassen (§ 256 I ZPO), wenn zB der Insolvenzverwalter behauptet, der Insolvenzschuldner sei nicht bloß Sicherungseigentümer, sondern ihm stehe das Eigentum ohne eine Einschränkung durch den Sicherungszweck zu. Das Aussonderungsrecht besteht also nicht nur, wenn die Sicherungsübertragung unter der auflösenden Bedingung des Erlöschens der Forderung vorgenommen worden ist, sondern auch dann, wenn, wie es regelmäßig geschieht, dem Sicherungsgeber ausdrücklich oder stillschweigend im Sicherungsvertrag für den Fall des Erlöschens der gesicherten Forderung ein Anspruch auf Rückübertragung des Sicherungsgutes eingeräumt wird. Da es sich dabei um einen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch handelt, der grundsätzlich nicht zur Aussonderung berechtigt (Rn 16 f, 125), bedarf das Aussonderungsrecht einer besonderen Begründung. Es hat seinen Grund in der Teilverabsolutierung des Treuhandverhältnisses. Eine solche wird auch in der Einzelzwangsvollstreckung befürwortet. Pfändet ein Gläubiger des Sicherungsnehmers die in dessen Gewahrsam befindliche zur Sicherheit übertragene Sache vor dem Eintritt der Verwertungsreife, kann der Sicherungsgeber nach § 771 I ZPO intervenieren.176 Dasselbe gilt, wenn der Sicherungsgeber die Forderung getilgt hat, bevor die sicherungsübereignete Sache für einen Gläubiger des Sicherungseigentümers gepfändet oder verwertet worden ist. Es tritt also nicht erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine „Umwandlung“ derart ein, dass der Sicherungsgeber, der bislang nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübereignung nach Erlöschen der Forderung gehabt hat, die Stellung des Eigentümers und der Sicherungsnehmer eine dingliche Stellung nach Art des Pfandrechts erhält.177 Der Sicherungsnehmer ist und bleibt Sicherungseigentümer, der Sicherungsgeber ist weder Eigentümer noch erhält er durch die Verfahrenseröffnung die Stellung eines solchen. Da das eigennützige Treuhandgeschäft ein nichtakzessorisches Sicherungsrecht begründet, liegt der Vergleich mit der Grundschuld nahe. Hier finden sich deutliche Parallelen. Wie der Grundstückseigentümer den Zugriff des Inhabers einer nicht valutierten Grundschuld mit einer aus der Sicherungsvereinbarung abgeleiteten Einrede abwehren kann, steht dem Sicherungsgeber gegen den Sicherungseigentümer oder Sicherungszessionar eine entsprechende Einrede zu, wenn die Forderung, die gesichert werden sollte, nicht oder nicht mehr besteht. Ist der Sicherungszweck erreicht oder endgültig verfehlt, hat der Sicherungsgeber, ebenso wie der Eigentümer eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks, der Löschung oder Abtretung des belastenden Rechtes verlangen kann,178 einen Anspruch auf Rückübertragung der zur Sicherheit gegebenen Sache oder der abgetretenen Forderung. Dieser Anspruch ist, obwohl er ein obligatorischer Verschaffungsanspruch ist, insolvenzfest.179 Der Sicherungsgeber ist aussonderungsberechtigt. Dies nicht deshalb, weil nach dem Wortlaut des § 47 S 1 auch schuldrechtliche Ansprüche zur Aussonderung berechtigen können; denn das gilt nicht für Verschaffungsansprüche. Vielmehr erklären sich die Aussonderungsbefugnis des Sicherungsgebers und die Insolvenzfestigkeit seines Anspruchs daraus, dass dem Sicherungsgeber eine dauernde Einrede zusteht, der absolute Wirkung zugemessen wird 174 RGZ 55, 301; 79, 121; 84, 217; 91, 12, 14; 94, 305, 307; 127, 8, 9; 127, 341, 344; 133, 84; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 375; Staudinger/C Heinze BGB (2020) Anh zu §§ 929–931 Rn 182; Serick KTS 1970, 89, 91 ff; ders Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd III (1970), § 35 II S 291 ff. 175 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 379. 176 Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd III (1970), § 35 I 3 S 213 ff; § 35 III 2 S 236 ff; Stein/Jonas/ Münzberg ZPO22 § 771 Rn 31. 177 So aber Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 III 3a S 358; § 62 VIII 3 S 397. 178 Wilhelm SachenR7 Rn 1423b. 179 Jaeger/Henckel KO9 § 29 Rn 115, 152; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd III (1970), § 35 II 2 S 294 ff. Hoffmann

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und die das Sicherungsgut als Massebestandteil damit wertlos macht. Die Masse und die Gläubiger verlieren also nichts, wenn das Sicherungsgut dem Sicherungsgeber zurückübereignet oder zurückzediert wird. Der Zweck des Insolvenzverfahrens fordert nicht, dass das Sicherungsgut in der Masse bleiben muss. Ist sowohl über das Vermögen des Sicherungsnehmers (Treuhänders) als auch des Sicherungs- 59 gebers (Treugebers) das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Insolvenzverwalter des letzteren das Sicherungsobjekt regelmäßig nicht herausverlangen, weil seinem Aussonderungsanspruch das Recht des Sicherungsnehmers zum Besitz entgegensteht, das er nicht beseitigen kann, wenn er die Forderung nicht tilgt. Der Insolvenzverwalter des Sicherungsnehmers kann abgesonderte Befriedigung verlangen.180 Als eigennütziger Treuhänder ist auch der Vermieter anzusehen, der die vom Mieter geleistete 60 Mietkaution den Anforderungen des § 551 III BGB entsprechend angelegt hat.181 Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in einem Rechtsentscheid vom 4.8.1988182 der Entstehungsgeschichte und dem Zweck dieser Vorschrift entnommen, dass es einer unmittelbaren Übertragung der Kaution auf das Treuhandkonto nicht bedarf, um die Treuhand zu begründen (zum Unmittelbarkeitsgrundsatz siehe Rn 70 f). Vielmehr sei die Kaution auch dann der Haftung für die Verbindlichkeiten des Vermieters entzogen und könne folglich in dessen Konkurs ausgesondert werden, wenn sie zunächst von den Eigenmitteln des Vermieters nicht getrennt war und dieser sie erst später auf das Treuhandkonto eingezahlt hat. Soweit die Mietkaution mit dem Vermietervermögen vermischt worden ist, besteht kein Aussonderungsrecht (zum Bestimmtheitsgrundsatz siehe Rn 73);183 auch aus § 108 I S 1 kann der Mieter hinsichtlich der nicht ordnungsgemäß angelegten Kaution keine Rechte herleiten.184

b) Uneigennützige Treuhand (Verwaltungstreuhand). Die echte Verwaltungstreuhand zeich- 61 net sich dadurch aus, dass der Treuhänder Inhaber der Rechte ist, die er für den Treugeber verwalten soll, also Eigentümer der Sachen und Gläubiger der Forderungen und Träger der sonstigen Rechte, die zum Treugut gehören. Im Innenverhältnis ist der Treuhänder verpflichtet, die Sachen und Rechte getrennt von seinem eigenen Vermögen und allein zum Besten des Treugebers zu verwalten. Obwohl der Treugeber nicht Eigentümer ist, haftet das Treugut für seine Verbindlichkeiten. Der Treugeber kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders das Treugut aussondern (Rn 68). Bei der unechten Treuhand dagegen verwaltet der Treuhänder Gegenstände, die dem Treugeber gehören und schon deshalb im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders ausgesondert werden können,185 während im umgekehrten Fall ein Aussonderungsrecht des Treuhänders nicht besteht. Um ein echtes Treuhandverhältnis handelt es sich, wenn die Bank für ihren Kunden ein 62 Konto führt, das „nicht eigenen Zwecken des Kontoinhabers dienen soll, bei denen er aber gleich-

180 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 382. 181 BGH ZIP 1993, 213, dazu Paulus EWiR 1993, 163; OLG Schleswig ZIP 1989, 252; OLG Hamburg ZMR 1990, 103; OLG München ZMR 1990, 413; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 75; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 97; MünchKomm/ Ganter InsO4 § 47 Rn 401; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 44. 182 NJW 1988, 1796; zust Derleder NJW 1988, 2988; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 380; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 782, dazu Eckert EWiR 1988, 385; siehe auch LG München ZIP 1989, 254, dazu Eckert EWiR 1989, 179; OLG Schleswig ZIP 1989, 252, dazu Eckert EWiR 1989, 185. 183 BGH NJW 2008, 1152, Rn 7 f. 184 BGH NJW 2013, 1243, Rn 10 ff; MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 85 ff. 185 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 359; Beispiel: BGH NJW-RR 1989, 252 soweit die Gemeinschuldnerin als Vertreterin Forderungen der Klägerin begründet hat. 455

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wohl der Bank gegenüber allein berechtigt und verpflichtet ist“.186 Ein solches Konto wird als Anderkonto bezeichnet. Es wird von den Banken nur für Rechtsanwälte, Notare, Angehörige der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (Treuhänder) und für Patentanwälte eröffnet. 63 Ein Sonderkonto, dh ein besonderen Zwecken dienendes Konto, kann ein Eigenkonto oder ein Fremdkonto sein. Ob das eine oder das andere anzunehmen ist, muss durch Auslegung ermittelt werden.187 Als Eigenkonto kann es auch ein Treuhandkonto sein. Ob das der Fall ist, bestimmt sich nach dem Inhalt des Vertrages des Kontoinhabers mit der Bank, für dessen Auslegung die beiden Teilen bekannten Umstände herangezogen werden können, etwa eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht des Kontoinhabers zu treuhänderischer Verwaltung der Kontoguthaben. Eine solche Verpflichtung besteht zB nach § 6 der Makler- und BauträgerVO.188 Ob das Guthaben für die Verbindlichkeiten des Kontoinhabers haftet, hängt aber nicht allein davon ab, ob es von der Bank als Treuhandkonto geführt wird. Auch wenn das nicht der Fall ist, unterliegt das Guthaben der Aussonderung, wenn die treuhänderische Verwaltung der über das Konto geführten Gelder für die Gläubiger des Kontoinhabers offenkundig war.189 Voraussetzung ist dann aber, dass es sich um ein Sonderkonto handelt, auf dem sich nicht auch Gelder des Kontoinhabers befinden, die er nicht treuhänderisch verwaltet.190 Als Treuhandkonten werden auch die Tankstellenkonten geführt, auf denen die Erlöse aus dem Verkauf von Treib- und Schmierstoffen verbucht werden, ferner die Agenturkonten der Reisebüros und Versicherungsagenten.191 Das Konto eines Reisebüros, auf das vom Kunden für eine gebuchte Reise geleistete Zahlungen gutgeschrieben sind, ist kein Treuhandkonto zugunsten des Kunden. Der Kunde hat, wenn die Reise nicht durchgeführt wird, kein Recht auf Aussonderung des Guthabens und der Inhaber des Reisebüros muss das vom Kunden eingezahlte Geld an den Reiseveranstalter weiterleiten, auch wenn über dessen Vermögen inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.192 Als weitere Beispiele echter Verwaltungstreuhand können die Sicherheitentreuhand (Rn 74), 64 die fiduziarische Grundschuld (Rn 79), die Inkassozession, das Inkasso- und Diskontierungsindossament (Rn 80) sowie die Sammeltreuhand (Rn 81) genannt werden. Ein Treuhandverhältnis wird nicht allein dadurch begründet, dass ein eigenes Recht einer 65 Person auch dem Interesse eines anderen dient. Der Unternehmer, der nach § 14 II UStG berechtigt ist, die Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, muss den in Rechnung gestellten Betrag nach Abzug der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) und unter Berücksichtigung etwaiger Änderungen der Bemessungsgrundlage (§ 17 UStG) an das Finanzamt abführen. Die dem Abnehmer in Rechnung gestellte und von diesem bezahlte Umsatzsteuer verwaltet der Unternehmer aber nicht treuhänderisch für den Steuerfiskus. Denn er ist selbst der Steuerschuldner (§ 13a I Nr 1 UStG) und nicht etwa nur mit der Einziehung der Steuer vom Abnehmer beauftragt. Auch entspricht der an das Finanzamt zu entrichtende Betrag wegen des Vorsteuerabzugs nicht dem in Rechnung gestellten und vom Abnehmer gezahlten Betrag. Der Steuerfiskus kann deshalb die vom Abnehmer gezahlte Umsatzsteuer nicht aussondern.193 Die Arbeitnehmeranteile der Beiträge zur Sozialversicherung, 186 Nr 1 I S 3 der Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Rechtsanwälten, Patentanwälten und Gesellschaften von Rechtsanwälten und Patentanwälten, Fassung März 2013; Nr 1 S 2 der Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Notaren, Fassung März 2013; Nr 1 S 2 der Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Angehörigen der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden Berufe, Fassung September 2011, abgedruckt bei Hopt HGB41 2. Teil, (10) AGB-Anderk; zur alten Fassung der Bedingungen siehe Staub/ Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 288 ff. 187 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 401; Auslegungskriterien bei Staub/Grundmann HGB5 Bankvertragsrecht 2. Teil Rn 204. 188 IdF vom 7.11.1990. 189 BGH NJW-RR 1993, 301. 190 BGH NJW 1971, 559, 560; BGH NJW-RR 2003, 1375, 1376. 191 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 74; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 400. 192 BGH NJW 2003, 743, 745. 193 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 12a; aA Flies DB 1970, 560. Hoffmann

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die der Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt einbehält und an den Sozialversicherungsträger abzuführen hat, und die einbehaltene Lohnsteuer hält er nicht als Treuhänder. Sie gehören zu seinem eigenen Vermögen und folglich zu seiner Insolvenzmasse. Ein Aussonderungsrecht des Sozialversicherungsträgers besteht nicht.194 Der Anschlusskunde, der trotz Abtretung einer Forderung in einem Factoringvertrag Zah- 66 lungen des Schuldners der abgetretenen Forderung entgegennimmt, ist nicht Treuhänder des Factors, auch wenn das im Factoringvertrag vereinbart sein sollte. Denn es fehlt an der Trennung des Geldes vom übrigen Vermögen und an der Offenkundigkeit für die Gläubiger des Anschlusskunden. Auf das Unmittelbarkeitsprinzip (Rn 70 ff) kommt es deshalb hier nicht an. Der Factor ist daher hinsichtlich der an den Anschlusskunden gezahlten Gelder nicht aussonderungsberechtigt.195 In Betracht kommt lediglich eine Ersatzaussonderung wegen der angemaßten Forderung unter den Voraussetzungen des § 48. Das Eigentum des Leasinggebers ist dem Leasingnehmer gegenüber beim typischen Finanzie- 67 rungsleasing nicht treuhänderisch gebunden.196 Der Gesetzgeber hat mit der Ergänzung des zweiten Satzes in § 108 I197 im Einklang mit der hM198 und der Rechtsprechung199 die Leasingverträge hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Folgen als Mietverträge eingeordnet.200 Der Leasinggeber ist deshalb als Eigentümer aussonderungsberechtigt.201 Für die Treuhandkonstruktion, die dem Leasingnehmer als Treugeber ein Aussonderungsrecht im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leasinggebers zuspricht,202 bleibt deshalb kein Raum.203 In der Insolvenz des Leasinggebers richtet sich der Schutz des Leasingnehmers nach § 108 I. Geschützt ist hier nur die Nutzungsbefugnis, Kaufoptionen werden nicht erfasst.204 Die Rechte des Treugebers erschöpfen sich nicht in den schuldrechtlichen Ansprüchen, die 68 der Treuhandvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 I BGB) gewährt. Seine Rechtsstellung ist stärker als die eines Gläubigers, der nur einen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch hat. Der Treugeber hat an den Gegenständen des Treuguts ein Aussonderungsrecht, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders eröffnet wird.205 Dies hat seinen Grund darin, dass der Treuhandvertrag teilverabsolutiert wird. Die Zuordnung des Treuguts zum haftenden Vermögen des Treugebers, die für die Aussonderung vorausgesetzt wird, hat demnach eine absolute Natur. Sie kann nicht allein durch eine schuldrechtliche Vereinbarung begründet werden, in der sich der Eigentümer verpflichtet, die ihm gehörenden Sachen nach den Weisungen eines 194 BGHZ 149, 100, 105 = NJW 2002, 512, 513; BGH ZIP 2002, 228, 229; OLG Schleswig ZIP 2003, 727, 728. 195 OLG Köln ZIP 1984, 473, 475; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 67c; aA Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 62; jedenfalls für Wechsel und Schecks, die beim Anschlusskunden verblieben sind, MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 271. 196 AA KK/Hess InsO § 47 Rn 350. 197 Gesetz vom 19.7.1996 (BGBl I S 1013). 198 Jaeger/Henckel KO9 § 19 Rn 17; Gottwald/Haas/Huber InsRHdb6 § 37 Rn 23, 41; Kilger/K Schmidt InsG17 § 19 KO Anm 2; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 19 Rn 23, § 43 Rn 67b; ähnlich MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 220. 199 BGHZ 109, 368, 370 f = NJW 1990, 1113, 1114; BGHZ 128, 255, 260 f = NJW 1995, 1019, 1020. 200 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 222; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 32; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO82 § 108 Rn 17. 201 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 58; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 223; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 33; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 17; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 16; aA für das Finanzierungsleasing Häsemeyer InsR4 Rn 11.11: Absonderungsrecht des Leasinggebers; diff Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011), S 219 ff. 202 KK/Hess InsO § 47 Rn 350. 203 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 124; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 16. 204 MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 56, 129. 205 BGH NJW 1959, 1223, 1224 f, dazu Paulus EWiR 1993, 163; BGHZ 155, 227, 233 f = NJW 2003, 3414, 3416, dazu Henssler/ Rubner LMK 2003, 237; BGHZ 188, 317, Rn 13 = NJW-RR 2011, 779, Rn 13; OLG München WM 1991, 100, 104; OLG Hamm NJW-RR 1998, 1567, 1569; OLG Köln ZIP 2002, 947, 948; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 68; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 46; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 21; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 369a; KK/Hess InsO § 47 Rn 210; Staudinger/Martinek/Omlor BGB (2017) § 675 Rn A 69; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 34; Staudinger/Wiegand BGB (2017) Anh zu §§ 929–931 Rn 330. 457

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anderen zu verwalten. Eine schuldrechtliche Treuhandabrede allein kann nicht bewirken, dass Gegenstände, die dem Schuldner gehören, als Treugut nicht mehr seinem haftenden Vermögen zugerechnet und dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen werden.206 Bestreitet der Insolvenzverwalter den treuhänderischen Charakter der Rechtsinhaberschaft des Insolvenzschuldners, trägt der Aussondernde die Beweislast. Herausgabe des Treuguts kann der Treugeber allerdings erst verlangen, wenn der Geschäftsbesorgungsvertrag beendet ist; denn dieser gibt dem Treuhänder regelmäßig ein Recht zum Besitz für die Dauer des Vertragsverhältnisses. Auf den Geschäftsbesorgungsvertrag ist § 103 anwendbar.207 Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, ist das Besitzrecht endgültig erloschen. Wählt der Verwalter die Erfüllung, kann der Treugeber den Geschäftsbesorgungsvertrag nur durch Kündigung beenden (§§ 675 I, 620 ff BGB). Die Aussonderung ist aber nur möglich, wenn ihr Objekt noch existiert. Hielt der Insolvenzschuldner treuhänderisch den Anteil des Treugebers an einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, so ist er mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus der Gesellschaft ausgeschieden (§§ 131 III Nr 2, 161 II HGB). Folglich kann nicht sein Anteil an der Gesellschaft, sondern nur sein Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben ausgesondert werden. 69 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treugebers eröffnet, steht dem Insolvenzverwalter ein Anspruch auf Rückverschaffung des Treuguts zu. Denn das schuldrechtliche Treuhandverhältnis erlischt nach §§ 116 S 1, 115 I mit der Verfahrenseröffnung.208 Dass dieser Rückverschaffungsanspruch unter Umständen die Voraussetzungen für eine treuhandrechtliche Teilverabsolutierung erfüllt, spielt nur dann eine Rolle, wenn es auf Seiten des Treunehmers zu einer Drittbeteiligung kommt. Sollte der Treunehmer seinerseits nicht insolvent sein und das Treugut auch nicht zum Gegenstand von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Gläubiger des Treunehmers gemacht worden sein, spielt die Teilverabsolutierung der Treuhandabrede grundsätzlich keine Rolle.209

70 c) Allgemeine Voraussetzungen der Insolvenzfestigkeit. Die Rechtsprechung versucht, der Teilverabsolutierung von Treuhandabreden und der damit einhergehenden Aussonderungsfähigkeit des Treuguts enge Grenzen zu setzen. Sie will verhindern, dass die Grenzen zwischen der echten Treuhand und dem Erwerb eines Gegenstandes im eigenen Namen für fremde Rechnung, also in sog indirekter Stellvertretung, verwischt werden. Im Ausgangspunkt bemüht der BGH sich beifallswürdig, der auch für das Insolvenzrecht maßgeblichen Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Rechten (Rn 6) Rechnung zu tragen.210 Einer bloßen „Vereinbarungstreuhand“ ist konsequenterweise die Insolvenzfestigkeit versagt worden.211 Versucht wird die Grenzziehung im Ausgangspunkt anhand eines Unmittelbarkeitsprinzips, wonach nur ein Gegenstand, der unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers dem Treuhänder übertragen worden ist, als Treugut ausgesondert werden können soll.212

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BGHZ 155, 227, 234 = NJW 2003, 3414, 3416, dazu Henssler/Rubner LMK 2003, 237. Siehe Erl zu § 103 und Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 15. BGHZ 193, 129, Rn 12 = NJW-RR 2012, 1129, Rn 12; BGHZ 207, 23, Rn 41 = NZI 2016, 21, Rn 41. Anders offenbar Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 69. Entgegen Bitter Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung (2006), S 189 ff, 248 ff und passim, der insoweit die vertragliche Gefahrtragung über die Insolvenzfestigkeit entscheiden lassen will; siehe dagegen weiter J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 248; D Schmidt JZ 2022, 552, 554 ff. 211 BGHZ 155, 227, 231 ff = NJW 2003, 3414, 3415 f; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 390b. 212 RGZ 84, 214, 217; 94, 305, 307; 127, 341, 344; 133, 87; 160, 52, 59; RG LZ 1915, 1022 ff; RG JW 1919, 107 mit Anm Jaeger; RG WarnRspr 1921 Nr 130 = Gruchot 66, 590; RG JW 1925, 1760; RG JW 1928, 1653; RG KuT 1928 168; RG KuT 1929, 105; BGH NJW 1959, 1223, 1224 f; BGH WM 1965, 173; BGH WM 1969, 475; BGH WM 1972, 383; BGHZ 111, 14, 17 f = DNotZ 1991, 377, 378 f; BGH ZIP 1993, 213, dazu Paulus EWiR WM 1993, 163; BGHZ 188, 317, Rn 24 = NJW-RR 2011, 779, Rn 24; OLG Köln ZIP 1984, 473, 474; BAG ZIP 1999, 1638, 1642; LAG Niedersachsen ZInsO 2003, 143; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 29 Rn 27; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd II (1965), § 19 II 2 S 81 ff. Hoffmann

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Eine Surrogation wird abgelehnt.213 Allerdings wird ein Erwerb schon als unmittelbar ange- 71 sehen, wenn der Treuhänder den Gegenstand auf Weisung des Treugebers von einem Dritten erhalten hat.214 Veräußert zum Beispiel der Treuhänder eine zum Treugut gehörende Sache, soll der Kaufpreis nicht aussonderungsfähig sein. Auch eine Ersatzaussonderung (§ 48) kommt nicht in Betracht, wenn der Treuhänder zur Veräußerung der Sache berechtigt war; freilich hat der Treugeber die Möglichkeit, sich mit entsprechenden antizipierten Zessionen zusätzlich zu schützen. Dementsprechend soll ein Grundstück, das der Treuhänder mit Treuhandmitteln erwirbt, in seine Insolvenzmasse fallen, sodass der Treugeber nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks hat, der in Geld umgerechnet als Insolvenzforderung angemeldet werden muss, nicht aber das Grundstück aussondern kann. Jedoch wird die von der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung der Unmittelbarkeit 72 verbreitet in Frage gestellt.215 Der BGH selbst hat eine Ausnahme vom Unmittelbarkeitsprinzip zugelassen, wenn von einem Dritten Geld auf ein Anderkonto eingezahlt worden ist, das erkennbar der Verwaltung von Fremdgeldern dienen sollte.216 Später hat er für die Aussonderung sogar genügen lassen, dass Geld, das ein Dritter auf ein Postscheckkonto des Treuhänders überwiesen hatte, das nicht als Anderkonto bezeichnet war, zur Tilgung einer Forderung des Treugebers geleistet worden war,217 und schließlich die Aussonderungsfähigkeit bei „offenkundigen Treuhandkonten“ anerkannt – unter grundsätzlich beibehaltenem Unmittelbarkeitsgrundsatz.218 Auch für die Mietkaution hat das Bayerische Oberste Landesgericht das Unmittelbarkeitsprinzip durchbrochen (Rn 60). Neben der Unmittelbarkeit gewinnt in der Rechtsprechung die Voraussetzung der Bestimmt- 73 heit an Bedeutung.219 Gefordert wird, dass treuhänderisch verwaltetes Geld vom eigenen Geld des Treuhänders getrennt gehalten wird.220 Verbreiteten Schlussfolgerungen in der Literatur, dass das Unmittelbarkeitsprinzip in der Rechtsprechung damit letztlich aufgegeben sei,221 ist mit Zurückhaltung zu begegnen. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz bemüht sich, die Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Rechten nicht vollständig einzuebnen. Die Modi dieser Grenzziehung sind grds von Gut zu Gut unterschiedlich ausgestaltet (Übergabe, Grundbucheintragung etc). Eine Rechtsprechung, die sich auf Buchgeld bezieht, kann vor diesem Hintergrund nicht unbesehen für allgemeingültig erklärt werden. Nur weil bei Buchgeld das Unmittelbarkeitsprinzip verworfen worden ist, heißt das nicht, dass dieses grundsätzlich untauglich sei.222 Dass die Rechtspre-

213 BGHZ 174, 228, Rn 21 = NJW 2008, 655, Rn 21. 214 BGH NJW 1959, 1223; Huber Die Sicherungsgrundschuld (1965), S 70. 215 Assfalg Die Behandlung von Treugut im Konkurse des Treuhänders (1960), S 150, 167 ff; ders NJW 1963, 1582, 1586; Beuthien AcP 175 (1975), 456, 460; Bitter Rechtsträgerschaft für fremde Rechung (2006), S 75 ff; Canaris FS Flume Bd 1 (1978), S 371, 411 ff; Coing Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts (1973), S 177 ff; Enneccerus/Nipperdey AllgT15 § 148 II S 920; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 357; Heinsius FS Henckel (1995), S 387 ff; Henssler AcP 196 (1996), 37, 54 ff; Hopt/Mülbert Kreditrecht, Vorbem zu §§ 607 ff Rn 188; Kötz Trust und Treuhand (1963), S 132; Liebs AcP 175 (1975), 1, 40; Obermüller DB 1973, 1833, 1835; Reinhardt/Erlinghausen JuS 1962, 41, 48 f; Scharrenberg Das Recht des Treuhänders in der Zwangsvollstreckung (1989), S 76 ff; D Schmidt JZ 2022, 552, 555; K Schmidt FS Wiegand (2005), S 933, 947 f; Thomas NJW 1968, 1705 ff; Walter Das Unmittelbarkeitsprinzip bei der fiduziarischen Treuhand (1974), S 10; Staudinger/ Wiegand BGB (2017) Anh zu §§ 929–931 Rn 330; ders FS Coing (1982) Bd II, S 565, 586 f; ders AcP 190 (1990), 112, 126 f; unentschieden: Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 9. 216 BGH NJW 1954, 190, 191; BGH NJW-RR 1993, 301; LAG Niedersachsen ZInsO 2003, 143; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 396. 217 BGH NJW 1959, 1223, 1224; zust Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd II (1965) § 19 II 2 S 84 Fn 56. 218 BGH NJW-RR 1993, 301; BGH NJW 2008, 1152, Rn 6; BGHZ 188, 317, Rn 13 = NJW-RR 2011, 779, Rn 13; BGH NZI 2017, 712, Rn 12; OLG Köln ZIP 2002, 948. 219 BGH NJW 2008, 1152, Rn 6; BGH NJW-RR 2003, 1375, 1376; BGHZ 188, 317, Rn 21 = NJW-RR 2011, 779, Rn 21. 220 BGH NJW 2008, 1152, Rn 6; BGH NJW-RR 2003, 1375, 1376. 221 Etwa Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 74. 222 So aber etwa MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 357. 459

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chung insoweit durchaus güterspezifisch differenziert, zeigt sich auch daran, dass beim Grundstückseigentum noch schärfere Voraussetzungen aufgestellt werden, eine Aussonderung soll hier nur auf eine Vormerkung gestützt werden können.223 74 Streitig ist, ob die Ausnahme vom Unmittelbarkeitsprinzip, die der BGH für die Anderkonten zulässt, auf andere Fälle, zB auf die sog Sicherheitentreuhand, ausgedehnt werden kann.224 Der Treuhänder hält eine vom Kreditnehmer gewährte Sicherheit nicht nur für den von ihm gewährten Kredit, sondern zugleich auch für andere Kreditgeber. Denkbar ist auch, dass der Treuhänder die Sicherheit nur für andere Kreditgeber hält, ohne selbst eine Forderung gegen den Kreditschuldner zu haben. Die anderen Kreditgeber haben aufgrund eines Vertrages mit dem Treuhänder oder eines Vertrages des Kreditnehmers mit dem Treuhänder zu ihren Gunsten (§ 328 BGB) lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Treuhänder, dass dieser die Sicherheit (auch) für sie verwertet (Rn 84).

75 d) Besondere Konstellationen. Eine spezialgesetzlich geregelte Treuhandkonstellation findet sich in § 99 III S 2 KAGB. Danach gehört das von einer Kapitalanlagegesellschaft gebildete Sondervermögen, das diese mit den Mitteln der Anleger erworben hat, nicht zur Insolvenzmasse der Gesellschaft. Das Sondervermögen ist gemäß § 92 I S 2 KAGB getrennt vom Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft zu halten und von einer Verwahrstelle iSd § 68 II KAGB zu verwalten. In einer Insolvenz der Kapitalanlagegesellschaft wird das Sondervermögen durch die Verwahrstelle gemäß §§ 99 III S 1, 100 II KAGB an die Anleger verteilt. 76 Eine besondere Treuhandkonstruktion sieht das Gesetz zur Besicherung von Pfandbriefgläubigern vor.225 Die Pfandbriefbank gibt zu Refinanzierungszwecken Pfandbriefe aus; sie besichert die Forderungen der Pfandbriefgläubiger mit einer Deckungsmasse, die etwa bei Hypothekenpfandbriefen aus grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensforderungen besteht (§§ 12 ff PfandBG). Die Deckungsmasse wird in ein Deckungsregister (§ 5 I S 1 PfandBG) eingetragen. Dieser Registereintragung misst § 30 I S 1 PfandBG in einer Insolvenz der Pfandbriefbank die Wirkung zu, dass eine Sondermasse gebildet wird, die nicht vom Insolvenzverfahren erfasst wird. Aus dieser Sondermasse sind die Pfandbriefgläubiger zu befriedigen. Eine ähnliche Regelung sieht § 16 II Landwirtschaftliches Rentenbank-Gesetz vor.226 Für die Verwaltung der Sondermasse ist gemäß § 30 II PfandBG ein eigens benannter Sachwalter zuständig. Wegen dieser vollständigen Heraustrennung der Vermögensmasse aus dem Insolvenzverfahren ähnelt die Stellung der Pfandbriefgläubiger derjenigen eines Aussonderungsberechtigten.227 77 Eine weitere gesetzlich anerkannte Treuhandkonstruktion sieht § 22j I KWG vor.228 In dieser Konstellation veräußert ein Refinanzierungsunternehmen Forderungen an eine Zweckgesellschaft (sog True-Sale-Transaktion). Die Zweckgesellschaft soll den Kaufpreis dadurch finanzieren, dass sie Schuldverschreibungen an Investoren emittiert (sog Asset-Backed Securities).229 Den Investoren stehen dann als Deckungsmasse die an die Zweckgesellschaft veräußerten Forderungen zuzüglich etwaiger Sicherheiten zur Verfügung. Die Attraktivität aus Sicht der Investoren hängt maßgeblich davon ab, dass das von dem Refinanzierungsunternehmen an die Zweckgesellschaft 223 BGHZ 155, 227, 236 f = NJW 2003, 3414, 3416 f. 224 Dafür Obermüller DB 1973, 1833 ff; Heinsius FS Henckel (1995), S 387, 395 f zur Sicherung eines Schuldscheindarlehens und S 396 f zur Sicherung eines Konsortialkredits; aA Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 99. 225 Vgl in diesem Zusammenhang außerdem auch § 1 IndKredBG. 226 Dazu Häsemeyer InsR4 Rn 30.11; siehe außerdem § 11 II DG Bank-UmwandlungsG. 227 So auch Häsemeyer InsR4 Rn 30.09; vgl weiter Piekenbrock ZZP 122 (2009), 63, 99; Weiland par condicio creditorum (2010), S 101. 228 Vgl zu dieser systematischen Einordnung etwa Bitter Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung (2006), S 43 ff; Geibel Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht (2008), S 40 ff. 229 Siehe BT-Drucks 15/5852, S 15 re. Sp.; vgl weiter Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 92; Piekenbrock ZZP 122 (2009), 63, 99 f und Weiland par condicio creditorum (2010), S 107 ff jeweils mwN; eingehend Kern Die Sicherheit gedeckter Wertpapiere (2004), S 37 ff. Hoffmann

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übertragene Vermögen bei einer Insolvenz des Refinanzierungsunternehmens nicht wieder in dessen Masse fällt. Um eine entsprechende Vermögenstrennung zu vereinfachen und vor allem den für zu aufwendig befundenen Weg einer Grundbuchänderung bei der Verbriefung durch Buchgrundschulden besicherter Forderungen (sog Mortgage-Backed Securities) zu erübrigen,230 entschied man sich wieder, die Eintragung in ein Refinanzierungsregister für insolvenzfest zu befinden und der Zweckgesellschaft unter diesen Voraussetzungen ein Aussonderungsrecht zuzugestehen. Diese Konstruktion verfolgt ausschließlich Sicherungszwecke, gleichwohl sich der Gesetzgeber entschlossen hat, die Transaktion von den Restriktionen eines Absonderungsrechts freizustellen.231 Eine weitere gesetzliche Treuhandregelung wurde zum Schutz von Versicherungsnehmern vor 78 der Insolvenz des Versicherungsunternehmens geschaffen.232 Die Versicherungsunternehmen haben zur Besicherung der Versicherungsforderungen eine Sondermasse („Sicherungsvermögen“) zu bilden. Die in dieser Masse enthaltenen Werte sind gemäß § 126 I S 1 VAG in ein entsprechendes Register („Vermögensverzeichnis“) einzutragen. In der Insolvenz des Versicherungsunternehmens werden die Versicherten aus der durch Registereintragung gebildeten Sondermasse gemäß § 315 I S 1 Nr 1 VAG vorrangig befriedigt. Mit der Bestellung einer isolierten, nicht valutierten Grundschuld für einen Treuhänder kann 79 der Rang für einen künftigen Kreditgeber gesichert werden, dem der Treuhänder die Grundschuld als Sicherheit für dessen Forderung abtritt, sobald dieser dem Grundstückseigentümer den Kredit gewährt hat. Besonders für die Sicherung eines Kredits im Rahmen einer geplanten Sanierung kann mit einer solchen fiduziarischen Grundschuld eine Rangstelle freigehalten werden.233 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Grundstückseigentümers eröffnet, erlischt der Treuhandvertrag nach §§ 116 S 1, 115 I. Die Grundschuld muss zurückübertragen werden. Nach § 1196 III BGB besteht im Interesse nachrangig Berechtigter der Löschungsanspruch des § 1179a I S 1 BGB. Dafür genügt es, dass die Grundschuld dem Treuhänder fiduziarisch zugestanden hat. Zwar soll § 1196 III BGB dem Eigentümer die einmalige Verwertung des Rechts als Kreditsicherungsmittel ermöglichen. Jedoch wird für den Löschungsanspruch nicht vorausgesetzt, dass der Eigentümer den Kredit erhalten hat, sondern nur, dass er zum Zweck der Kreditsicherung einem anderen die Grundschuld bestellt hat. Außerdem lässt sich aus der Treuhandabrede die Verpflichtung des Treuhänders ableiten, die nur zum Zweck der Sicherung eines gescheiterten Kredits bestellte Grundschuld aufzuheben mit der Folge, dass die nachrangig Berechtigten aufrücken.234 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders eröffnet, gehört die Grundschuld nicht zur Masse. Da die vom Treuhänder versprochene Leistung nicht nur von ihm persönlich erbracht werden kann, findet § 103 auf den Geschäftsbesorgungsvertrag Anwendung.235 Wählt der Verwalter die Erfüllung, bleibt die Verpflichtung des Grundeigentümers, die Grundschuld dem Treuhänder zur zweckgerechten Verwendung zu belassen, bestehen. Wählt der Verwalter die Erfüllung nicht, entfällt das Recht des Treuhänders, die Grundschuld zu halten. Die Grundschuld, die nicht zum haftenden Vermögen des Treuhänders gehört, kann vom Grundstückseigentümer nach allgemeinen Treuhandgrundsätzen (Rn 68) ausgesondert werden.236 Überträgt der Inhaber eines Wechsels oder Schecks das Papier einem anderen durch Vollin- 80 dossament lediglich zur Einziehung, ist der Indossatar uneigennütziger Treuhänder. Der Treugeber kann Wertpapier und Gläubigerrecht – nicht bereits eingezogene Summen (siehe zu § 48) – 230 BT-Drucks 15/5852, S 16 li. Sp. 231 Vgl zu diesem Problemkomplex Kern Die Sicherheit gedeckter Wertpapiere (2004), S 221 ff. 232 Vgl dazu auch Häsemeyer InsR4 Rn 30.15; Piekenbrock ZZP 122 (2009), 63, 96 f; Weiland par condicio creditorum (2010), S 105 ff. Eickmann NJW 1981, 545 ff; MünchKomm/Lieder BGB8 § 1191 Rn 7. Eickmann NJW 1981, 545, 549 f; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 10. Näher zu § 103 und Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 15. AA Eickmann NJW 1981, 545, 550, der aus der Massefreiheit der treuhänderisch gehaltenen Grundschuld ableiten will, dass auch der schuldrechtliche Treuhandvertrag massefrei sei.

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im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders aussondern. War der Wechsel voll indossiert, damit der Indossatar ihn als Geschäftsbesorger des Indossanten verkaufe (diskontiere), so unterliegt der noch nicht diskontierte Wechsel ebenfalls der Aussonderung aus der Insolvenzmasse des Indossatars. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treugebers erlischt der Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 116 S 1, 115 I). Der Indossant kann das Papier und damit das Forderungsrecht aussondern. Ist der Wechsel zur Sicherheit für eine Forderung des Indossatars durch Vollindossament übertragen worden, kann ihn der Indossant im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Indossatars aussondern, wenn der Sicherungszweck erfüllt oder entfallen ist, insbesondere die gesicherte Forderung erloschen ist. Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherheitsindossanten eröffnet, hat der Indossatar lediglich ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr 1). Das bloße Prokuraindossament überträgt das Eigentum am Wechsel und das Wechselgläubigerrecht nicht. Der Prokuraindossant kann den Wechsel im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Prokuraindossatars oder seines Nachmannes aussondern. Der Prokuraindossatar hat im Insolvenzverfahren des Prokuraindossanten keine Rechte. Der Geschäftsbesorgungsvertrag wird mit der Verfahrenseröffnung beendet (§§ 116 S 1, 115 I). 81 Ein Treuhandverhältnis, das dem aussonderungsberechtigten Treugeber im Insolvenzverfahren des Treuhänders nicht einen Anspruch auf Rückgabe des Treuguts zu eigenem Nutzen, sondern nur zur Verwendung für einen bestimmten Zweck gewährt, ist die sog Sammeltreuhand. Spenden, insbesondere für wohltätige oder gemeinnützige Zwecke, werden einem Treuhänder – dem Sammler, einer Sammlermehrheit (etwa als Verein mit oder ohne Rechtsfähigkeit oder irgendeinem Dritten, zB einer Bank) – übereignet. Die Treugeber geben die Spenden zwar mit dem Willen endgültiger Hingabe für den erstrebten Zweck. Auch sind diejenigen, für die das Spendenaufkommen letztlich verwendet werden soll, im Einzelnen oft noch unbestimmt. Daraus folgt aber gewiss nicht, dass das Sammeltreugut zur Insolvenzmasse des Treuhänders gehören müsste. Die Spender können nach wie vor die zweckgerechte Verwendung der Spenden verlangen. Deshalb kann jeder von ihnen die Bestellung einer dem § 1914 BGB entsprechenden Pflegschaft erwirken, damit der Pfleger gegenüber der Insolvenzmasse des Treuhänders Herausgabe und zweckgerechte Verwendung des Treuguts durchsetze. Darin liegt eine der Eigentümlichkeit des Falles angepasste Aussonderung. 82 Eine Treuhandstellung kraft Gesetzes begründet § 54 III S 2 AktG. Sind die vor der Anmeldung der Aktiengesellschaft von den Aktionären geleisteten Einlagen auf ein Konto des Vorstandes bei einem Kreditinstitut oder einem nach § 53 I S 1 oder 53b I KWG tätigen Unternehmen eingezahlt, so gelten die Forderungen des Vorstandes aus diesen Einzahlungen als Forderungen der Gesellschaft. Das Konto wird von dem Vorstand treuhänderisch für die Gesellschaft geführt. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Vorstandsmitglieds kann seine Forderung bzw sein Forderungsanteil ausgesondert werden.

83 e) Insbesondere Doppeltreuhand. Von einer Doppeltreuhand spricht man, wenn der Treuhänder das Treugut seinerseits (auch) für einen oder mehrere Drittbegünstigte hält. Die Doppeltreuhand zu Kreditsicherungszwecken soll hier exemplarisch beleuchtet werden; vom Modell der Doppeltreuhand wird daneben auch zu Sanierungszwecken (sog Sanierungstreuhand)237 und zur Absicherung von Arbeitszeitkonten sowie Arbeitnehmeransprüchen aus betrieblicher Altersversorgung (sog Contractual Trust Agreement)238 Gebrauch gemacht. Wird ein Konsortialkredit in der Weise gewährt, dass die Konsorten dem Kreditnehmer unmittelbar Darlehen gewähren und der Darlehensnehmer die Sicherheit, etwa eine Grundschuld, nur dem Konsortialführer bestellt, hält der Konsortialführer die Sicherheit, welche die Forderungen aller Konsortialmitglieder decken soll, nicht nur im eigenen Interesse, sondern zugleich auch als Treuhänder für die anderen Konsorten.239 In der Kreditpraxis 237 Eingehend Thole KTS 2014, 45 ff. 238 Siehe etwa Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 89 f; Diller/Tresselt ZIP 2017, 2084 ff; Rolfs/Schmid ZIP 2010, 701 ff. 239 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 389a; Huber Die Sicherungsgrundschuld (1965), S 68 ff. Hoffmann

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verbreitet ist aber auch der reine Sicherheitentreuhänder. So verwalten zB Treuhandgesellschaften auf ihren Namen eingetragene Grundschulden für mehrere Kreditgeber von Industrieunternehmen, ohne selbst Kredit zu gewähren. Sie sind Sicherheitentreuhänder der Kreditgeber und zugleich als Sicherungsnehmer Treuhänder des Kreditnehmers. Die Sicherheitentreuhand kann sich auch auf Mobiliarsicherheiten beziehen. So können Sicherungsnehmer ihre Sicherheiten, statt sie in eine Poolgesellschaft einzubringen (Rn 90), einem Treuhänder übertragen (Treuhandsicherheitenpool).240 Eine Doppeltreuhand kann durch einen Vertrag zwischen allen Beteiligten oder durch eine Vereinbarung zwischen dem Kreditnehmer und dem Treuhänder zugunsten (§ 328 BGB) der Kreditgeber zustandekommen.241 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders stellt sich zunächst die Frage, 84 ob ein echtes Treuhandverhältnis zwischen dem Konsortialführer und den anderen Konsorten bzw zwischen dem Sicherheitentreuhänder und den Kreditgebern zustande gekommen ist. Setzte man mit der Rechtsprechung dafür die Unmittelbarkeit voraus (oben Rn 70 ff), wäre diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn der Treuhänder das Treugut auf Weisung des Treugebers von einem Dritten erhalten hat.242 Fraglich ist, ob entgegen dem Unmittelbarkeitsprinzip den Kreditgebern ein Aussonderungsrecht auch dann zugestanden werden kann, wenn die Voraussetzungen der Unmittelbarkeit nicht erfüllt sind (Rn 74). Verbreitet wird jedenfalls dem Sicherungsgeber ein Aussonderungsrecht zugesprochen, das allerdings, solange der Sicherungszweck nicht entfallen ist, lediglich auf eine Auswechslung des Treuhänders gerichtet sei.243 Der Sicherungsgeber kann das Sicherungsgut eigennützig nur aussondern, wenn der Sicherungszweck erfüllt ist, der Kredit also zurückgewährt worden ist. Der Sicherungstreuhänder kann im Insolvenzverfahren des Sicherungsgebers abgesonder- 85 te Befriedigung verlangen.244 Den Kreditgebern steht dagegen kein eigenes Absonderungsrecht zu.245 Dem Konsortialführer steht dieses Recht als eigennütziges jedenfalls insoweit zu, als seine eigene Forderung gesichert ist. Wegen der Forderungen anderer Konsorten kann er abgesonderte Befriedigung nur verlangen, wenn und soweit ein Treuhandverhältnis zwischen ihm und anderen Konsorten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam begründet worden ist. Der Sicherheitentreuhänder, der die Sicherheit nur für andere hält, hat niemals ein eigennütziges Absonderungsrecht. Abgesonderte Befriedigung als Sicherungstreuhänder kann er deshalb nur im Interesse derjenigen Kreditgeber verlangen, zu denen er in einem vor Verfahrenseröffnung wirksam begründeten Verwaltungstreuhandverhältnis steht. Da der Einbeziehung neuer Kreditgeber in das Treuhandverhältnis nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens § 91 I entgegensteht, kann ein nach der Verfahrenseröffnung zwischen dem Treuhänder und den Kreditgebern geschlossener Konsortial- oder Treuhandvertrag für deren Forderungen kein Absonderungsrecht mehr begründen.246 Ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Verwaltungstreuhand des Treuhänders für die Kreditgeber nicht wirksam begründet worden, hält der Treuhänder die Sicherheit nur im Interesse des Kreditnehmers und Sicherungsgebers. Da das Treuhandverhältnis nach §§ 116 S 1, 115 I erlischt, muss der Treuhänder, der keine eigene Forderung hat, die Sicherheit in die Insolvenzmasse zurückübertragen. Der Konsortialführer kann nur für seine eigene Forderung abgesonderte Befriedigung verlangen. Sind mit dem Konsortial- oder Treuhandvertrag dem Treuhänder auch die Forderungen der Kreditgeber abgetreten worden, sind diese durch das Sicherungsgut nur insoweit gedeckt, als die Abtretung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam vollzogen worden ist. Denn die Einbeziehung neuer Forderungen in die Sicherung wäh240 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 18; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 362. 241 BGHZ 207, 23, Rn 43 = NZI 2016, 21, Rn 43; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 388e ff mwN. 242 BGH NJW 1959, 1223, 1224 f; Huber Die Sicherungsgrundschuld (1965), S 70; vgl auch Bitter FS Ganter (2010), S 101, 130 f. 243 Bitter FS Ganter (2010), S 101, 131 f; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 390; Stürner KTS 2004, 259, 265 f. 244 BAG NZI 2014, 167, Rn 42. 245 BAG NZI 2014, 167, Rn 18; Bitter FS Ganter (2010), S 101, 126 f; Thole KTS 2014, 45, 60 mwN. 246 Vgl auch BGH NJW-RR 2008, 780, Rn 22. 463

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

rend des Insolvenzverfahrens ist nach § 91 I unwirksam, vor Verfahrenseröffnung kann sie anfechtbar sein (§§ 129 ff).

5. Aussonderungsrecht des Erben 86 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Erbschaftsbesitzers steht dem Erben nach §§ 2018 ff BGB ein Anspruch auf Herausgabe des aus der Erbschaft Erlangten zu, der insoweit Aussonderungskraft hat, als er dinglicher Natur ist.247 Der Erbe sondert alles aus, was der Erbschaftsbesitzer aufgrund des ihm nicht zustehenden Erbrechts aus der Erbschaft erlangt hat, ohne dass es dem Rechte nach in sein Vermögen übergegangen ist. Der Aussonderung unterliegen deshalb auch die Gegenstände, die kraft dinglicher Surrogation (§ 2020 BGB) von vornherein als Vermögen des Erben entstanden, nicht etwa zunächst dem Erbschaftsbesitzer zugefallen sind und von diesem dem Erben zu übertragen wären. Dagegen bildet der Anspruch des Erben auf Früchte, die der Erbschaftsbesitzer nach § 955 I BGB zu Eigentum erworben hatte (§ 2020 BGB), eine bloße Insolvenzforderung;248 ebenso der Anspruch auf Wertersatz nach § 2021 BGB mit §§ 818 f BGB und die Schadensersatzansprüche aufgrund der §§ 2023 ff BGB. Befindet sich ein unrichtiger Erbschein in der Masse, so kann der wirkliche Erbe die Herausgabe an das Nachlassgericht verlangen (§ 2362 I BGB). Dieser Anspruch hat ähnlich dem des § 894 BGB (Rn 37) Aussonderungskraft. Nach Einleitung des Nachlassinsolvenzverfahrens oder der Nachlassverwaltung übt der Insolvenz- oder Nachlassverwalter das Aussonderungsrecht gegenüber dem Verwalter im Insolvenzverfahren des Erbschaftsbesitzers aus. Kein Erbschaftsbesitzer iSd § 2018 BGB ist der Erbe, der die Erbschaft ausgeschlagen hat.249 Zur Insolvenzmasse der Vorerben gehört die Erbschaft nur vorbehaltlich der Vorschrift des § 83 II und auch hinsichtlich des Ertrages nur bis zum Eintritt des Falles der Nacherbfolge (§ 2106 BGB). Von diesem Zeitpunkt an unterliegen die Erbschaftsgegenstände und deren Surrogate (§ 2111 BGB) dem Aussonderungsrecht des Nacherben (§ 2139 BGB).250 Ein solches besteht auch bei der Nacherbfolge auf den Überrest (§ 2137 BGB).

6. Inhaber einer Forderung 87 Der Inhaber einer Forderung kann aussondern, soweit die Rechtszuständigkeit betroffen ist. Mag die Forderung dem Gläubiger hinsichtlich des den Schuldner bindenden Leistungsbefehls auch nur eine relative Berechtigung einräumen, ist sie selbst dem Gläubiger als Vermögenswert absolut zugewiesen (Rn 25). Zum Factoring siehe Rn 127.

7. Miteigentum und Mitberechtigung 88 Nimmt der Verwalter eine im Miteigentum stehende Sache zur Masse, so kann der andere Miteigentümer dem im Wege der Aussonderung widersprechen und auf Feststellung des Miteigentums, Einräumung des Mitbesitzes oder auf Auseinandersetzung klagen.251 Eine Aussonderung des ideel247 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 45; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 335; KK/Hess InsO § 47 Rn 33; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 67; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 14; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 16. 248 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 46; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 58; aA MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 336; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO63 § 47 Rn 69. 249 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 337; Staudinger/Raff BGB (2020) § 2018 Rn 54. 250 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 47; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 338; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 16. 251 BGH WM 1958, 899, 900; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 13; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 45; KK/Hess InsO § 47 Rn 20; Uhlenbruck/Hirte InsO15 § 84 Rn 16. Hoffmann

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len Bruchteils des Miteigentümers ist nur möglich, wenn der Verwalter diesen Bruchteil als massezugehörig behandelt, etwa behauptet, der Schuldner sei Alleineigentümer oder habe den streitigen Anteil wirksam erworben. Die Teilung oder sonstige Auseinandersetzung des Miteigentums findet außerhalb des Insolvenzverfahrens statt (§ 84 I S 1). Werden bei der Auseinandersetzung den Miteigentümern reale Teile zugewiesen, stehen diese in deren Alleineigentum. Der Alleineigentümer kann die ihm allein gehörende Sache dann aussondern, wenn der Verwalter sie im Besitz hat oder für die Masse in Anspruch nimmt. Das gilt auch für die echten Wertpapiere, die selbständige Träger des verbrieften Rechtes sind, wie Inhaberschuldverschreibungen und Orderpapiere. Der Mitgläubiger eines verbrieften Grundpfandrechts, das nur teilweise dem Schuldner gehört, kann jedoch, obwohl er nach § 952 II BGB Miteigentümer des Briefes ist, nicht in der Weise aussondern, dass er vom Verwalter Einräumung des Mitbesitzes am Brief verlangt. Vielmehr richtet sich sein Anspruch auf Teilung des Grundpfandrechts und Vorlage des Briefes beim Grundbuchamt zum Zweck der Grundbuchberichtigung nach § 896 BGB und der Ausstellung eines Teilbriefes (§ 1196 BGB, § 61 GBO).252 War der Insolvenzschuldner Alleineigentümer einer Sache, aber schuldrechtlich zur Anteilsübereignung an einen Dritten verpflichtet, so steht diesem kein Recht auf Aussonderung zu. Miteigentümer – regelmäßig zu gleichen Bruchteilen – sind auch die Ehegatten, die am 89 3.10.1990 im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des Familiengesetzbuchs der DDR gelebt und bis zum Ablauf von zwei Jahren ab dem 3.10.1990 nicht erklärt haben, dass für die Ehe der bisherige gesetzliche Güterstand fortgelten sollte (Art 234 § 4 I und 2, § 4a I und 3 EGBGB). Befindet sich eine Sache, die mehreren Miteigentümern gehört, im (mittelbaren) Besitz des 90 nicht mitberechtigten Schuldners und im unmittelbaren Besitz des Verwalters, kann sie jeder Miteigentümer nach Maßgabe des § 1011 BGB aussondern.253 Das ist zB der Fall, wenn gleichartige Sachen, die mehrere Personen beim Schuldner eingelagert haben,254 vermischt wurden (§§ 948 I, 947 I BGB) oder wenn die von mehreren Lieferanten unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren miteinander vermischt255 worden sind (§§ 948 I, 947 I BGB) und der Kaufpreis für sämtliche Lieferungen vom Schuldner nicht bezahlt ist und die Vorbehaltslieferanten durch Rücktritt vom Kaufvertrag das Anwartschaftsrecht des Insolvenzschuldners beseitigt haben. In diesen Fällen kann die vermischte Menge, die nicht zur Masse gehört, ausgesondert werden. Ob die Anteile der Miteigentümer ihrem Umfang nach feststellbar sind, spielt keine Rolle. Denn jedenfalls können die Miteigentümer Herausgabe an alle Mitberechtigten verlangen (§§ 1011, 432 I S 1 BGB).256 Die Bestimmbarkeit des Anteils eines Miteigentümers wäre nur zu fordern, wenn er vom Verwalter Schadensersatz verlangt, weil dieser durch Veräußerung der Gesamtmenge sein Miteigentumsrecht verletzt habe.257 Der Auffassung des RG,258 die vermischte Menge gehöre dem Besitzer, wenn die Miteigentumsquoten nicht feststellbar seien, ist vom BGH259 mit Recht widersprochen worden. Die Aussonderung durch die Miteigentümer oder einen von ihnen nach Maßgabe der §§ 1011, 432 BGB kann aber scheitern, wenn nicht feststellbar ist, ob diejenigen, an welche die Herausgabe verlangt wird, die einzigen Miteigentümer sind oder ob noch andere Personen Anteile am Miteigentum haben. Denn der Herausgabeanspruch ist nur begründet, wenn auf Leistung an alle Miteigentümer geklagt wird. Dass der Verwalter die Beweislast dafür trage, dass neben den vom Kläger benannten Mitberechtigten noch andere beteiligt seien,260 lässt sich 252 253 254 255 256 257 258 259 260 465

RGZ 69, 36, 41 ff; KK/Hess InsO § 47 Rn 22. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 45. RGZ 112, 102 ff. BGH NJW 1958, 1534 mit Anm von Hoche = JZ 1959, 24 mit Anm von Leiss. Staudinger/von Proff BGB (2021) § 742 Rn 21. So im Fall BGH NJW 1958, 1534, 1535. RGZ 112, 102 ff; zust Jaeger/Lent KO8 § 43 Anm 20; auch Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 9. NJW 1958, 1534, 1535; siehe auch Reinicke/Tiedtke WM 1979, 186 ff. So Staudinger/von Proff BGB (2021) § 742 Rn 21. Hoffmann

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nicht überzeugend begründen;261 denn wenn der Verwalter sich darauf beruft, dass auch andere Personen Miteigentum hätten, bestreitet er die Aktivlegitimation des Klägers, für deren Voraussetzungen dieser die Beweislast trägt. Die Vereinbarung eines Sicherheitenpools,262 in den mehrere Sicherungsnehmer ihre Rechte einbringen, etwa mehrere Vorbehaltslieferanten ihr vorbehaltenes Eigentum an gelieferten Sachen, kann daran nichts ändern.263 Die Anteile der einzelnen Poolmitglieder brauchen ebenso wenig festgestellt zu werden wie bei der Klage eines einzelnen Miteigentümers auf Leistung an alle nach § 1011 BGB.264 Die Klage, die für den Pool erhoben wird, kann aber nur begründet sein, wenn an der vermischten Menge nicht auch andere als die Poolmitglieder Miteigentümer sind. Enthält die Poolvereinbarung nur eine nähere Ausgestaltung der Rechte in der Eigentümergemeinschaft, kann, wenn nichts anderes vereinbart ist, jedes Mitglied auf Leistung an alle klagen (§ 1011 BGB). Der Zusammenschluss zu gemeinsamer Rechtsverfolgung kann aber darüber hinausgehen und deshalb als Vereinigung zu gemeinsamem Zweck angesehen werden. Dann entsteht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und der einzelne Gesellschafter ist allein nicht befugt, die gesamthänderisch gebundenen Rechte gerichtlich geltend zu machen.265 Da sich die Poolvereinbarung auf die Masse nicht nachteilig auswirkt, bestehen gegen ihre Wirksamkeit grundsätzlich keine Bedenken.266 Neue Probleme können aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der Aus- und Absonderung durch die InsO entstehen. Wegen des Kostenbeitrags, der nur den absonderungsberechtigten Sicherungsnehmern auferlegt wird (§§ 170, 171), nicht aber den Vorbehaltseigentümern, und wegen des Rechts des Insolvenzverwalters, das der abgesonderten Befriedigung unterliegende Sicherungsgut selbst zu verwerten, wenn er es im Besitz hat (§ 166 I), müssen die Sachen, die ausgesondert werden können, von den nur absonderungsfähigen innerhalb des Pools unterscheidbar sein. 91 Hat der Schuldner selbst einen Anteil an dem Miteigentum, so haben die übrigen Miteigentümer gegen den besitzenden Verwalter keinen Anspruch auf Herausgabe, sondern nur auf Aufhebung der Gemeinschaft (§§ 749 I BGB, 84) und auf Einräumung des Mitbesitzes,267 sofern nicht der Insolvenzschuldner ein massezugehöriges, durch das Insolvenzverfahren unbeeinträchtigtes Recht zum Alleinbesitz hat. Gemeinschaftliches Eigentum mit dem Schuldner kommt etwa in Betracht, wenn die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren mit Sachen des Schuldners vermischt worden sind oder der Schuldner oder der Verwalter den Kaufpreis für die Lieferung eines der Miteigentümer voll bezahlt hat, denn damit erwirbt er dessen Miteigentumsanteil.268

261 Reineke/Tiedtke WM 1979, 186, 187. 262 Hierzu auch Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 72 ff; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 44; Beuck Poolvereinbarungen bei Unternehmensinsolvenz (1985); Bohlen Der Sicherheiten-Pool (1984); Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 18 ff; Burgermeister Der Sicherheitenpool im Insolvenzrecht (1990); Eberding BB 1974, 1004; Gundlach DZWIR 1998, 12 ff; Heckel Zivil- konkurs- und verfahrensrechtliche Probleme des Sicherheitenpoolvertrages (1983); Heß Miteigentum der Vorbehaltslieferanten und Poolbildung (1985); FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 15 ff; Jauernig ZIP 1980, 318; Kilger ZIP 1975, 142; Marx NJW 1978, 246; May Der Bankenpool (1989); Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 185 ff; Obermüller Bank-Betrieb 1970, 456; ders BuB 4/70 ff (Vertragsmuster mit Erläuterungen); Reinicke/Tiedtke WM 1979, 186; Schröter/Graf von Westphalen WM-Skript 107; Serick ZIP 1982, 507; ders KTS 1989, 743; Stürner ZZP 94 (1981), 263, 274 ff; Weitnauer FS Fritz Baur (1981), S 709; Graf von Westphalen BB 1987, 1186. 263 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 13. 264 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 44 Rn 21; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 13; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 29, § 49 Rn 21; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 16; aA Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 198. 265 LG Oldenburg, Urteil vom 8.10.1998 – 3 O 1848/98 – nicht veröffentlicht, dazu Holzer EWiR 1998, 1095. 266 BGH NJW 1989, 895, 806, dazu Tiedtke EWiR 1989, 153; BGH NJW-RR 1993, 235, 236, dazu Gerhardt EWiR 1993, 61; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 14; Gundlach/Frenzel/Schmidt NZI 2003, 142 ff; Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 72 ff; KK/Hess InsO § 47 Rn 152 ff; Niesert in: Aus-und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 195; aA Smid NZI 2000, 505 ff. 267 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 45; Staudinger/Gursky BGB (2013) § 1011 Rn 6; Soergel/Stürner BGB13 § 1011 Rn 3. 268 Reinicke/Tiedtke WM 1979, 186, 189; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd I (1963), § 15 VII 2a S 447 f. Hoffmann

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Die Auffassung, der Verwalter könne als Besitzer die Sache stets alleine behalten, auch wenn er kein massezugehöriges, durch das Insolvenzverfahren nicht beeinträchtigtes Recht zum Alleinbesitz hat,269 findet weder eine Grundlage im Gesetz noch in der Entscheidung des BGH.270 Denn diese Entscheidung betrifft nicht den Anspruch auf Herausgabe oder auf Einräumung des Mitbesitzes, sondern nur den individuellen Schadensersatzanspruch eines Miteigentümers wegen Verletzung seines Miteigentumsanteils. Der Verwalter darf den gemeinschaftlichen Gegenstand nicht ohne Zustimmung der anderen Mitberechtigten verwerten. Denn das Eigentum, das nicht nur dem Insolvenzschuldner, sondern allen Miteigentümern gehört, ist nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Die Auseinandersetzung erfolgt außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der §§ 749 ff BGB, § 84. Hierbei sind alle Miteigentümer gleichberechtigt. Die Insolvenzmasse genießt als Besitzer keinen Vorzug. Lassen sich die Miteigentumsanteile nicht feststellen, ergeben sich Schwierigkeiten bei der 92 Auseinandersetzung,271 wenn nicht, wie im Sonderfall des Art 234 § 4a III EGBGB, eine Vermutung für hälftige Anteile spricht (Rn 89). Das Reichsgericht272 hat für den Fall einer Verarbeitung vermischten Getreides durch den Konkursverwalter einen Bereicherungsanspruch eines Miteigentümers (§§ 951 I S 1 BGB, 59 I Nr 4 KO) verneint, weil dessen quotenmäßige Beteiligung nicht feststellbar war, hat also so entschieden, als hätte der Konkursverwalter, der das vermischte Getreide im Besitz hatte, dieses für den Gemeinschuldner als dessen Alleineigentum verarbeitet. Der BGH273 hat die Begründung der genannten Entscheidung des Reichsgerichts274 dahin präzisiert, dass bei unbestimmbaren Miteigentumsanteilen die allgemeinen Grundsätze der Beweislast zur Anwendung kommen sollen. Für die Auseinandersetzung des Miteigentums führt dies zu dem Ergebnis, dass jeder, der einen bestimmten Auseinandersetzungserlös beansprucht, die Beweislast für seine Mitberechtigung und deren Umfang trägt. Etwas anderes würde nach der Rechtsprechung des BGH nur gelten, wenn wegen einer Beweisvereitelung die Beweislast umgekehrt wäre.275 Ob eine Beweiserleichterung mit der entsprechenden Anwendung des § 287 I ZPO möglich ist, ist umstritten.276 In der neueren Literatur gewinnt die vom BGH277 abgelehnte Auffassung an Boden, dass bei unbestimmbaren Miteigentumsanteilen § 742 BGB entsprechend anzuwenden sei, sodass alle Miteigentümer gleiche Anteile haben sollen.278 Dass jedoch die analoge Anwendung des § 742 BGB zu angemesseneren Ergebnissen führte als eine Beweislastentscheidung, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus sind in der Literatur rechtsfortbildend Teilungsmechanismen entwickelt worden, die in der Sache auf eine dem deutschen Recht unbekannte Gattungsvindikation hinauslaufen.279 269 Reinicke/Tiedtke WM 1979, 186, 189. 270 NJW 1958, 1534. 271 Dazu ausführlich Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 13; zur Eigentumslage und zur Auseinandersetzung beim „Oder-Depot“: BGH NJW 1997, 1434.

272 RGZ 112,102 ff; vgl auch RG LZ 1918, 925 Nr 23; auch noch Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 9; siehe dazu auch Jaeger/Henckel KO9 § 29 Rn 131. 273 NJW 1958, 1534; zust Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd IV (1976), § 53 II 2c S 614. 274 RGZ 112, 102 ff. 275 Zur Anfechtung: BGH NJW 1978, 1632. 276 Dafür Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 76; aA Hilger Miteigentum der Vorbehaltslieferanten gleichartiger Ware (1983), S 16 f; Westermann/Gursky/Eickmann SachenR8 § 52 III Rn 16, auch § 287 ZPO behebe die Beweisschwierigkeiten nicht. 277 NJW 1958, 1534; ebenso Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd IV (1976), § 53 II 2c S 614; KK/ Hess InsO § 47 Rn 23. 278 Baur/Stürner SachenR18 § 53 A II 3; Flume NJW 1950, 913, 922; MünchKomm/Füller BGB8 § 948 Rn 5; Staudinger/ C Heinze BGB (2020) § 948 Rn 7; Westermann/Gursky/Eickmann SachenR8 § 52 III Rn 16; Wolff/Raiser SachenR10 § 72 II 2 Note 13. Für ein Wertpapiergemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsbefugnis der Mitberechtigten (Oder-Depot) hat der BGH (NJW 1997, 1434) zwar § 742 BGB herangezogen, dieser Auslegungsregel jedoch nur eine „schwache Ausprägung“ zugesprochen, die nicht zum Zuge komme, wenn sie der Sachlage nicht gerecht werde. 279 So insbesondere Hilger Miteigentum der Vorbehaltslieferanten gleichartiger Ware (1983), S 41 ff, 68 ff und zustimmend Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 92. 467

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§ 47

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

8. Ehegatten, Gütergemeinschaft und Erbengemeinschaft 93 Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft oder in Gütertrennung leben, sind jeweils Alleininhaber ihrer Rechte, wenn sie weder an einzelnen Gegenständen Miteigentum oder eine Mitberechtigung rechtsgeschäftlich begründet haben, noch nach Art 234 § 4a I EGBGB kraft Gesetzes Miteigentum besteht. Ein gemeinschaftliches Vermögen gibt es kraft Güterrechts nicht. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Ehegatten kann deshalb der andere die ihm allein gehörenden Gegenstände aussondern. Jedoch ist die Aussonderung durch die Vermutung des § 1362 I S 1 BGB erschwert, auf die sich auch der Insolvenzverwalter berufen kann.280 Eine bewegliche Sache, die sich im Besitz des Insolvenzschuldners befindet und pfändbar ist, kann der Verwalter zur Masse ziehen. Der andere Ehegatte, der wegen seines Eigentums die Sache aussondern will, muss die Vermutung widerlegen. Handelt es sich um eine Sache, die zum ausschließlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmt ist, trägt der Verwalter nach § 1362 II BGB die Beweislast für das Eigentum des Insolvenzschuldners, wenn er die Sache zur Masse ziehen will. Ist über das Vermögen beider Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, heben sich die widersprechenden Vermutungen gegenseitig auf. Es gilt dann § 1006 BGB.281 Lebenspartner haben vorbehaltlich einer abweichenden Vertragsregelung kein gemeinschaftliches Vermögen. § 8 I S 1 LPartG enthält eine dem § 1362 I S 1 BGB entsprechende Vermutung. § 1362 I S 2 und 3 und II gelten entsprechend (§ 8 I S 2 LPartG). 94 Leben die Eheleute in Gütergemeinschaft, kommt es darauf an, wer das Gesamtgut verwaltet. Verwalten die Ehegatten gemeinsam, ist ein selbständiges Insolvenzverfahren über das Gesamtgut möglich, in dem dieses zur Masse gehört (§§ 333 f). Die Eheleute können nur ihr Vorbehalts- und Sondergut aussondern. Verwaltet ein Ehegatte das Gesamtgut allein, gehört es zur Masse in seinem Insolvenzverfahren (§ 37 I S 1). Eine Auseinandersetzung findet nicht statt (§ 37 I S 2). Der andere Ehegatte kann seinen Anteil am Gesamtgut nicht aussondern, sondern nur sein Vorbehalts- und Sondergut. 95 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des nichtverwaltenden Ehegatten kann der verwaltende gemäß § 37 I S 3 eine zum Gesamtgut gehörende Sache aussondern. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Dritten kann der verwaltende Ehegatte allein das Aussonderungsrecht ausüben. Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinsam, können sie im Insolvenzverfahren eines Dritten Gesamtgutsgegenstände grundsätzlich nur gemeinsam aussondern (§ 1450 I S 1 BGB). Die entgegen der Zustimmungspflicht des § 1451 BGB verweigerte Zustimmung eines Ehegatten kann nach § 1452 I BGB vom Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Bei Verhinderung eines Ehegatten kann der andere unter den Voraussetzungen des § 1454 BGB und in dringenden Fällen nach Maßgabe des § 1455 Nr 10 BGB allein rechtsgeschäftlich handeln und prozessieren. Er kann ein zum Gesamtgut gehörendes Recht auch dann allein im Insolvenzverfahren eines Dritten gerichtlich geltend machen, wenn der andere Ehegatte ohne die erforderliche Zustimmung über das Recht verfügt hat (§ 1455 Nr 8 BGB). Im Insolvenzverfahren über das eigene Vermögen eines Ehegatten (Vorbehaltsgut, Sondergut) kann der andere Ehegatte Gesamtgutsgegenstände allein aussondern (§ 1455 Nr 5, 6 BGB). 96 Haben Ehegatten, die am 3.10.1990 im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft der DDR (§§ 13–16, 39–41 FGB) gelebt haben, bis zum Ablauf von zwei Jahren ab dem 3.10.1990 gemäß Art 234 § 4 II S 1 EGBGB erklärt, dass für ihre Ehe der bisherige Güterstand fortgelten solle, finden auf das bestehende und künftige gemeinschaftliche Eigentum die Vorschriften über das durch beide Ehegatten verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft entsprechende Anwendung (Art 234 § 4a II S 1 EGBGB). Diese Verweisung bezieht die für diese Art der Verwaltung geltenden insolvenzrechtlichen Regeln ein. Die Haftungsregelung für diese Ehen

280 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 440 ff. 281 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 444. Hoffmann

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Aussonderung

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weicht von der des § 16 FGB ab. Dagegen erhobene verfassungsrechtliche Bedenken282 sind unbegründet.283 Die Aussonderung aufgrund eines zu einem gemeinschaftlichen Nachlass gehörenden Rechts 97 im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Dritten kann jeder Miterbe allein geltend machen. Soll eine Sache herausverlangt werden, kann er nur Leistung an alle, Hinterlegung für alle oder Ablieferung an einen gerichtlich bestellten Verwahrer verlangen (§ 2039 BGB). Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Miterben fällt dessen Anteil in die Masse. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft findet außerhalb des Insolvenzverfahrens statt (§ 84 I S 1).

9. Aneignungs- und Wegnahmerechte Das Aneignungsrecht des § 958 I BGB ist ein Recht, Eigentum an einer herrenlosen Sache zu erwer- 98 ben. Aussonderungsfähig kann nicht dieses Recht sein, sondern nur das durch die Aneignung erlangte Eigentum. Das dem Grundstückseigentümer in § 910 I BGB gewährte Recht, Überwuchs und Überhang des Nachbargrundstücks abzuschneiden und zu behalten, ist kein Aneignungsrecht, sondern ein Abwehrrecht zum Schutz seines Grundstückseigentums. Es berechtigt deshalb wie andere dem Schutz des Eigentums dienende Abwehrrechte (Rn 37 f) zur Aussonderung. Wer Eigentümer des Abgeschnittenen wird, bestimmt sich nicht allein nach §§ 953 ff BGB. Vielmehr werden diese Vorschriften durch § 910 I BGB in der Weise abgewandelt, dass der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks bzw der daran iSd § 954 BGB dinglich Berechtigte Eigentümer des Abgeschnittenen wird. Ein Überfall iSd § 911 BGB wird vom Eigentümer, Nießbraucher (Nutznießer), gutgläubigen Besitzer oder besitzenden Pächter des Grundstücks, auf das die Früchte fallen, unmittelbar zum Eigentum erworben (§ 911 S 1 mit 953 ff BGB). § 91 I steht weder § 910 noch § 911 BGB entgegen.284 Ausschließliche Befugnisse zur Aneignung herrenloser Fahrnis, wie sie die Rechte zur Gewinnung bergrechtlicher Mineralien, die Abbau-, Jagd- und Fischereirechte enthalten, werden durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines betroffenen Grundeigentümers nicht beeinträchtigt, weil das Grundeigentum die Gegenstände solcher Aneignung (wie die bergrechtlichen Mineralien) gar nicht erfasst und sie deshalb nicht dem Schuldner gehören und folglich auch nicht Bestandteile seiner Insolvenzmasse sind. Die Inanspruchnahme eines derartigen Aneignungsrechtes gegenüber dem das Recht verneinenden Insolvenzverwalter des Grundeigentümers ist Aussonderung iSd § 47.285 Das Wegnahmerecht des Mieters (§ 539 II BGB), Pächters (§§ 581 II, 539 II BGB), Entleihers 99 (§ 601 II S 2 BGB), Besitzers (§ 997 I S 1 BGB), Nießbrauchers (§ 1049 II BGB), Pfandgläubigers (§ 1216 S 2 BGB) oder des Vorerben (§ 2125 II BGB), der mit einer zur Insolvenzmasse gehörenden Sache eine eigene Sache verbunden hat, berechtigt ihn dazu, diese auszusondern, wenn er durch die Verbindung nicht sein Eigentum verloren hat. Die Aussonderung ist möglich, wenn zB ein Mieter oder Pächter in einem jetzt zur Masse gehörenden Haus Teppichböden verlegt, Beleuchtungsanlagen oder andere Einrichtungen nur für den vorübergehenden Zweck seines zeitlich begrenzten Gebrauchs angebracht hat, die deshalb nicht zu wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks geworden sind (§§ 95 I S 1, 946 BGB).286 Ist aber der Wegnahmeberechtigte nicht Eigentümer, weil die verbundene Sache wesentlicher Bestandteil der in fremdem Eigentum stehenden Sache geworden ist, so kommt ein Aussonderungsanspruch nicht in Frage. Der bloße schuldrechtliche Anspruch auf Abtrennung und Übereignung oder (wie in Fällen des § 258 S 2 BGB) auch auf Duldung oder Gestattung der Abtrennung und der

282 283 284 285 286 469

Peters FamRZ 1994, 673, 676. Staudinger/Rauscher EGBGB (2016) Art 234 § 4a Rn 43. Siehe Erl zu § 91 und MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 323. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 324. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 325; KK/Hess InsO § 47 Rn 28. Hoffmann

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Aneignung hat keine Aussonderungskraft, sondern ist Insolvenzforderung.287 Die abweichende Rechtsprechung des BGH288 geht auf ein insolvenzrechtlich irrelevantes obiter dictum im Urteil des 8. Zivilsenates vom 8.7.1981289 zurück. Dort heißt es: „Der Anspruch auf Gestattung der Wegnahme ist dinglicher Natur. Hatte der Pächter das Eigentum an den Einrichtungen verloren (§ 94 BGB), so kommt das darin zum Ausdruck, dass sich in der Wegnahme die Wiederaneignung vollzieht.“ Das Wegnahmerecht kann jedoch nicht einen Eigentumserwerb des Mieters, Pächters etc aus der Insolvenzmasse bewirken. Anders als das schuldrechtliche Wegnahmerecht des Mieters, Pächters etc, die nicht Eigentümer der Einrichtung sind, ist die Abtrennungs- und Aneignungsbefugnis des § 997 I S 1 BGB überhaupt kein Anspruch, sondern ein „eigenartiges Mischgebilde mit gewissen Elementen der Dinglichkeit und der Gestaltungsrechte“.290 Sie besteht zwar gegenüber jedem Eigentümer (Sukzessionsschutz291), begründet aber keine Aussonderung. Die Wirksamkeit gegenüber jedem Eigentümer und gegenüber später entstehenden dinglichen Rechten, die mit einer Analogie zu § 999 II BGB begründet werden kann,292 rechtfertigt nicht einen Eigentumserwerb zulasten der Masse. Denn die Analogie zu der schuldrechtlich wirkenden Vorschrift des § 999 II BGB, die eine gesetzliche privative Schuldübernahme vorsieht,293 kann der Aneignungsbefugnis keine dingliche Wirkung zum Nachteil der Insolvenzmasse beilegen. Sie rechtfertigt keine Veränderung der Haftungslage nach dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Die Befugnis, die verbundene Sache abzutrennen und sich anzueignen (§ 997 I S 1 BGB), kann zum Nachteil der Insolvenzmasse des Eigentümers der Hauptsache nicht mehr ausgeübt werden. War also die verbundene Sache wesentlicher Bestandteil einer jetzt zur Masse gehörenden Sache geworden, so scheitert die Aussonderung am Grundsatz des § 93 BGB.294 Der Duldungsanspruch nach Besitzverlust (§ 997 I S 2 mit § 258 S 2 BGB) genießt nicht einmal Sukzessionsschutz.295 Er bildet nur eine Insolvenzforderung.

10. Gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte 100 a) Negatorischer Schutz des Vollrechtsinhabers. Auch andere absolute Rechte, wie zB Patent-, Gebrauchsmuster-, Sortenschutz-, Halbleiterschutz-, Design-, Markenschutz- und Urheberrechte können zur Aussonderung berechtigen. Nimmt der Insolvenzverwalter ein solches Recht zu Unrecht für die Masse in Anspruch, kann der Inhaber des Rechtes Unterlassung verlangen. Zur Aussonderung berechtigt auch das durch § 8 PatG geschützte Erfinderrecht.296 Das gilt auch bei Inanspruchnahme einer fremden Internet-Domain, wenn sie namens- oder markenrechtlich geschützt ist.297 Dagegen sind Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung des Rechts durch den späteren Insolvenzschuldner Insolvenzforderungen, Schadensersatzansprüche aus Handlungen des Insolvenzverwalters oder des verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalters Masseforderungen nach § 55 I Nr 1 und II.298 Der Inhaber eines ihm nur zur Sicherheit übertragenen gewerblichen Schutzrechts ist nicht zur Aussonderung, sondern nur zur abgesonderten 287 RGZ 63, 307; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 56; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 325; KK/Hess InsO § 47 Rn 28.

288 BGHZ 81, 146, 150 f = NJW 1981, 2564 f; BGHZ 101, 37, 42 = NJW 1987, 2861; BGH NJW 1991, 3031; zust Soergel/ Heintzmann BGB13 § 539 Rn 21. 289 BGHZ 81, 146, 150 f = NJW 1981, 2564, 2465. 290 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 997 Rn 13. 291 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 997 Rn 13 f. 292 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 997 Rn 14; MünchKomm/Raff BGB8 § 997 Rn 31 f. 293 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 999 Rn 14. 294 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 56; Staudinger/Gursky BGB (2013) § 997 Rn 15; RGRK/Pikart BGB12 § 997 Rn 10; Soergel/Stadler BGB13 § 997 Rn 2; aA MünchKomm/Raff BGB8 § 997 Rn 34; Westermann/Pinger SachenR6 § 33 VII 1. 295 Staudinger/Gursky BGB (2013) § 997 Rn 13. 296 BPatG ZInsO 2012, 1090, 1092; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 14. 297 Niesert/Kairies ZInsO 2002, 510 ff. 298 RG LZ 1907, 143 f; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 339 f. Hoffmann

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Aussonderung

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Befriedigung berechtigt.299 Vom Verwalter zu Unrecht geltend gemachte Rechte zum Eingriff in das absolute Recht, zB die Behauptung einer Patentlizenz300 oder eines Verlagsvertrages, können im Wege der Aussonderung abgewehrt werden. Die negatorischen Abwehransprüche sind spezialgesetzlich kodifiziert (etwa §§ 97 I S 1 UrhG, 14 V S 1 MarkenG, 139 I S 1 PatG). Sie richten sich wie auch § 1004 I BGB auf Unterlassung und Beseitigung. Im Wege der Aussonderung soll auch eine Patentnichtigkeitsklage verfolgt werden;301 geschützte Rechtsposition ist hier allerdings die Gemeinfreiheit und es wird nicht etwa das Patent ausgesondert, das schließlich für nichtig erklärt werden soll. Zur Aussonderung berechtigt insoweit jeder Angriff auf ein vermeintliches Immaterialgüterrecht der Masse. Soweit beim Unterlassungsanspruch die Wiederholungsgefahr im Rahmen einer Prognose zu beurteilen ist, kann von vergangenen Rechtsverletzungen des Schuldners nicht kurzerhand auch auf künftige Rechtsverletzungen durch den Insolvenzverwalter geschlossen werden. Vielmehr ist die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einhergehende Zäsur zu gewärtigen und zu beurteilen, inwieweit der Insolvenzverwalter entsprechende Abläufe und Gegebenheiten verändert hat.302 Weiter ist einem Urheber gemäß § 25 I UrhG ggf der Zugang zu Werkstücken zu gewähren, was man als Ausfluss des Urheberpersönlichkeitsrechts303 für insolvenzfest zu befinden und auch als aussonderungsfähig anzuerkennen haben wird. Herausgabepflichten des Insolvenzverwalters sind gemäß § 25 II UrhG aber ausdrücklich ausgeschlossen. Der Eigentümer/Insolvenzverwalter muss nur einen Zugang gewähren, damit der Urheber selbst Vervielfältigungsstücke erstellen kann. Im Einzelfall mögen besondere Mitwirkungspflichten bestehen, in jedem Fall hat aber der Urheber alle entstehenden Kosten zu tragen.304 Darüber hinaus haben sich im Immaterialgüterrecht Sonderformen negatorischer Störungsbeseitigung entwickelt, die auch zur Aussonderung berechtigen. Das gilt zunächst für den Vernichtungsanspruch (§§ 140a S I PatG, 18 I S 1 MarkenG, 98 I S 1 UrhG).305 Störungstatbestand ist hier die Gefährdung der geschützten Rechtsposition durch die Existenz von Gegenständen oder Produktionsmitteln, die für Immaterialgüterrechtsverletzungen eingesetzt werden sollen. Entscheidend ist, dass die bloße Existenz der entsprechenden Objekte nur dann einen durch Vernichtung zu beseitigenden Störungstatbestand begründet, wenn ein Verletzungswille besteht.306 Die Frage, ob ein solcher Verletzungswille besteht, ist einer Prognose zugänglich, wie sie etwa bei der Wiederholungsgefahr im Rahmen des Unterlassungsanspruchs geläufig ist. Im Insolvenzkontext ist die Zäsur zu gewärtigen, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einhergeht. Vergangene Rechtsverletzungen des Schuldners dürfen keinen Eingang in die Prognose finden, wenn der Insolvenzverwalter die entsprechenden Strukturen und Abläufe verändert hat. Der Störungstatbestand und damit der Vernichtungsanspruch können mit Verfahrenseröffnung entfallen. Auch die Rückrufansprüche (vgl §§ 140a III S 1 PatG, 18 II MarkenG, 98 II UrhG) sind als negatorisch zu qualifizieren307 und berechtigen zur Aussonderung. Störungstatbestand ist hier das Aufrechterhalten der Behauptung, immaterialgüterrechtlich zum Inverkehrbringen der Gegenstände berechtigt gewesen zu sein. Hat der Insolvenzverwalter die Gegenstände in Verkehr gebracht, berechtigt der Rückrufanspruch unproblematisch zur Aussonderung. Fraglich ist, wie es sich verhält, wenn der Schuldner vor Verfahrenseröffnung die Gegenstände in Verkehr gebracht hat. Zwar hat hier der Verwalter die Behauptung nicht zugunsten der Masse aufgestellt. Die Behauptung des Schuldners wird aber weiterhin aufrechterhalten. Maßgebend ist insofern nicht der Schuldner 299 300 301 302

BGH NJW-RR 1998, 1057, 1058. Siehe auch Jaeger/Henckel KO9 § 10 Rn 22. BGHZ 197, 177, Rn 7 = NJW-RR 2013, 1267, Rn 7. Zu weitgehend für ein generelles Entfallen der Wiederholungsgefahr für das Wettbewerbsrecht BGHZ 185, 11, Rn 40 = NZI 2010, 811, Rn 40 – Modulgerüst II. 303 Schack Urheber- und Urhebervertragsrecht10 Rn 422; Dreier/Schulze/Schulze UrhG7 § 25 Rn 1. 304 Dreier/Schulze/Schulze UrhG7 § 25 Rn 27. 305 Eingehend zur negatorischen Fundierung des Vernichtungsanspruchs J F Hoffmann ZGE/IPJ 6 (2014), 335 ff; zur Konkursfestigkeit bereits Kohler GrünhutZ 25, 209, 244; vgl auch RGZ 45, 170 ff; offengelassen von BGHZ 185, 11, Rn 27 = NZI 2010, 811, Rn 27 – Modulgerüst II. 306 J F Hoffmann ZGE/IPJ 6 (2014), 335, 363 ff. 307 J F Hoffmann ZGE/IPJ 6 (2014), 335, 359 ff. 471

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

als Person, sondern als Vertragspartner und potenziell Rückabwicklungsverpflichteter gegenüber seinen Abnehmern. In diese Funktion rückt der Insolvenzverwalter ein, sodass der Rückrufanspruch auch hinsichtlich vorinsolvenzlicher Absatzgeschäfte zur Aussonderung berechtigt. Zu erkennen ist aber, dass etwaige Rückabwicklungsansprüche der Abnehmer wegen immaterialgüterrechtsbedingter Rechtsmängel nicht vom Aussonderungsrecht erfasst sind. Die insolvenzrechtliche Qualität dieser Ansprüche richtet sich nach den allgemeinen Regeln; die Rückabwicklung einer vorinsolvenzlichen Vertragsbeziehung verschafft grundsätzlich nur die Stellung als Insolvenzgläubiger, ein aussonderungsfähiger Rückrufanspruch eines Dritten vermag daran nichts zu ändern. Die Kosten der Aussonderung, die bei Beseitigung, Vernichtung und Rückruf anfallen, hat der Störer (= die Masse) zu tragen, das gilt auch im Insolvenzverfahren (Rn 21). Zur Durchsetzung des negatorischen Rechtsschutzes (nicht von Insolvenzforderungen) kann im Wege der Aussonderung auch Vorlage, Besichtigung (§ 140c I S 1 PatG, § 19a I S 1 MarkenG, § 101a I S 1 UrhG) und Auskunft (vgl § 140b I PatG, § 101 I S 1 UrhG, § 19 I MarkenG) verlangt werden. Die bei Vorlage und Besichtigung anfallenden Kosten werden nicht dem Störer (= der Masse) auferlegt, sondern dem Rechtsinhaber, die Spezialnormen verweisen insoweit auf § 811 II S 1 BGB.

b) Aussonderungsrecht des Lizenznehmers?308 101 aa) Diskussionsstand. Unklar ist weiterhin, ob der Lizenznehmer in der Insolvenz des Lizenzgebers ein Aussonderungsrecht hat. Der Lizenzvertrag ist weder über eine direkte noch eine analoge Anwendung von § 108 I S 1 zu schützen.309 Die Rechtsnatur der Lizenz ist im Immaterialgüterrecht zwar breit diskutiert, und jedenfalls für ausschließliche Lizenzen scheint man überwiegend der Lizenz eine absolute Rechtsnatur zuzusprechen,310 während bei einfachen Lizenzen das Meinungsbild über die unterschiedlichen Immaterialgüterrechte hinweg weiterhin geteilt ist.311 Diese Diskussion ist für das Insolvenzrecht allerdings nur bedingt verwertbar.312 Da die Kategorie der Dinglichkeit bzw der Absolutheit lediglich deskriptiv Positionen systematisiert, die bestimmte Anforderungen erfüllen und da die Insolvenzfestigkeit eine solche systematische Anforderung ist, kann diese grundsätzlich nur im Einklang mit dem Insolvenzrecht bestimmt werden. Die Gefahr begrifflicher Zirkelschlüsse im Umgang mit den Kategorien der Dinglichkeit wird verbreitet nicht erkannt.313 Der häufig in diesem Kontext bemühte Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz liefert allerdings keine zwingenden Argumente. Aussonderungsrechte stellen grundsätzlich keine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme vom Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz dar, vorausgesetzt dass diese sich nach den allgemeinen vermögensrechtlichen Voraussetzungen einer Verabsolutierung richten.314 Die im nationalen Recht vorgesehenen Registrierungserfordernisse (vgl §§ 30 III S 2 PatG, 8 IV S 2 GebrMG, 27 III MarkenG) haben nach hM im nationalen Recht315 keine materiell-rechtlich konstitutive Wirkung.316 Es wäre demnach aus insolvenzrechtlicher Sicht jedenfalls nicht systemwidrig, Lizenzen insoweit mit (teil)absoluter Wirkung zu versehen und für insolvenzfest zu befinden. Ein numerus clausus, soweit man diesen im

308 Eingehend zu Lizenzverträgen in der Insolvenz auch MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 163 ff. 309 MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 163. 310 Vgl etwa Dreier/Schulze/Schulze UrhG7 § 31 Rn 56; Ingerl/Rohnke MarkenG3 § 30 Rn 13; Mes PatG5 § 15 Rn 41; aA freilich McGuire Die Lizenz (2012), passim. 311 Vgl etwa Dreier/Schulze/Schulze UrhG7 § 31 Rn 52; Ingerl/Rohnke MarkenG3 § 30 Rn 13; Mes PatG5 § 15 Rn 43. 312 Entgegen bspw K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 59. 313 Zutreffend dagegen etwa Brinkmann NZI 2012, 735, 737 f. 314 Eingehend J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 233 ff. 315 Im europäischen Immaterialgüterrecht bestehen gewisse Registrierungserfordernisse (siehe J F Hoffmann GPR 2017, 120, 122 ff mwN; vgl aber auch Art 27 IV Unionsmarkenverordnung (EU) 2017/1001), die möglicherweise auch für eine Insolvenzfestigkeit vorauszusetzen sind (anders aber offenbar BGH NZI 2016, 97, Rn 45, 58 – Ecosoil). 316 Siehe BGH GRUR 2013, 713, 716 f – Fräsverfahren; Ingerl/Rohnke MarkenG3 § 28 Rn 1; eingehend zur beweisrechtlichen Funktion der Registrierung etwa Ohly GRUR 2016, 1120 ff. Hoffmann

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Immaterialgüterrecht anerkennt,317 wäre auch keine zwingende Grenze, da ein solcher der Rechtsfortbildung nicht entgegensteht.318 Aus insolvenzrechtlicher Sicht gibt es keinen Befund, der zwingend gegen oder für eine Insolvenzfestigkeit von Lizenzen spricht. Beim derzeitigen Rechtsstand stellt sich nicht die Frage, ob Lizenzen auch insolvenzrechtlich eine absolute Natur haben, sondern ob sie eine absolute Natur haben sollten. Mit rechtssystematischen und -dogmatischen Erwägungen lässt sich diese Frage nicht beantworten.319 Auch kann hierfür der Parteiwille kaum das entscheidende Kriterium sein,320 denn diejenigen Privatrechtssubjekte, die von der Dinglichkeit betroffen wären (= die konkurrierenden Insolvenzgläubiger), sind am Lizenzvertragsschluss nicht beteiligt. Als entscheidender Gesichtspunkt für einen besonderen Schutz von Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers wird die fehlende Substituierbarkeit angeführt.321 Ein Lizenznehmer richtet unter Umständen seine gesamte Produktion auf ein lizenziertes Immaterialgüterrecht aus und alle Investitionen und Dispositionen könnten hinfällig werden, wenn die Lizenz entfällt.

bb) Die bisherige Rechtsprechung des BGH. In der Rechtsprechung des BGH ist noch keine 102 klare Linie zu erkennen. Die richterliche Rechtsfortbildung befindet sich im Fluss. Zwar spricht der BGH in der Rechtssache Vorschaubilder322 und Reifen Progressiv323 von einer „dinglichen Natur“ einfacher Lizenzen; die Entscheidungen hatten jedoch keinen insolvenzrechtlichen Kontext und gestatten keine (begrifflich zirkulären) Schlüsse auf die Insolvenzfestigkeit.324 Insbesondere verzichtete der BGH in einer späteren Entscheidung in der Rechtssache Take Five325 auf den Rekurs einer „Dinglichkeit“ von einfachen Lizenzen, obgleich diese den in Reifen Progressiv postulierten Bestandsschutz von Unterlizenzen bei Fortfall der Hauptlizenz fortentwickelte. Einen insolvenzrechtlichen Kontext hatte dagegen die Entscheidung in der Rechtssache M2Trade,326 der in insolvenzrechtlicher Hinsicht grundsätzliche Relevanz beigemessen wird.327 Zwar spricht der BGH hier obiter dictum davon, dass ein Lizenzvertrag dem Erfüllungswahlrecht gemäß § 103 I in der Insolvenz des Lizenzgebers unterliege,328 verallgemeinerungsfähig ist diese Aussage aber nicht. Auch der Umstand, dass der BGH davon ausgeht, dass eine Unterlizenz in der Insolvenz des Hauptlizenznehmers bestehen bleibt und dem Hauptlizenzgeber entgegengehalten werden kann, lässt keine Rückschlüsse auf die entscheidende Frage zu, wie es sich in der Insolvenz des Hauptlizenzgebers verhält.329 Einen klareren Befund liefert dagegen die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Ecosoil.330 Der BGH geht davon aus, dass Lizenzverträge grundsätzlich dem Verwalterwahlrecht des § 103 I unterfallen, ein Lizenzvertrag aber unter Umständen von beiden Seiten voll erfüllt sein könne. Dann finde § 103 I keine Anwendung und die Lizenz sei insolvenzfest. Der BGH nahm das obiter dictum für einen „Lizenzkauf“ an, bei dem die Lizenz eingeräumt wurde und der Lizenznehmer eine Einmalzahlung vorgenommen hat. Weiter sei eine vollständige Erfül317 Vgl etwa Ohly FS Schricker (2005), S 105 ff; Stieper Rechtfertigung, Rechtsnatur und Disponibilität der Schranken des Urheberrechts (2009), S 195 ff. Canaris FS Flume Bd I (1978), S 371, 376; Wiegand FS Kroeschell (1997), S 623, 640. So aber etwa Hirte/Knof JZ 2011, 889, 900 f. So aber BeckOK/Berberich InsO27 § 108 Rn 74, 78 f; Pahlow WM 2016, 1717, 1718. Wimmer ZIP 2012, 545, 548; eindringlich etwa auch BeckOK/Berberich InsO27 § 108 Rn 72.1; von Wilmowsky NZI 2013, 377, 383 geht hierauf nicht ein. 322 BGH GRUR 2010, 628, Rn 29 – Vorschaubilder. 323 BGHZ 180, 344, Rn 20 = GRUR 2009, 946, Rn 20 – Reifen Progressiv. 324 So allerdings BeckOK/Berberich InsO27 § 108 Rn 77; Haedicke ZGE/IPJ 3 (2011), 377, 398 ff; wie hier dagegen etwa auch C Berger GRUR 2013, 321, 328 f; Brinkmann NZI 2012, 735, 737 f. 325 BGH GRUR 2012, 914 – Take Five. 326 BGHZ 194, 136 = GRUR 2012, 916 – M2Trade. 327 Etwa C Berger GRUR 2013, 321, 329 f. 328 BGHZ 194, 136, Rn 26 = GRUR 2012, 916, Rn 26 – M2Trade. 329 Siehe J F Hoffmann ZGE/IPJ 7 (2015), 245, 288. 330 BGH NZI 2016, 97, Rn 42 ff – Ecosoil.

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lung bei Lizenzerteilungen in Konzernsachverhalten anzunehmen, in denen konzernintern unentgeltliche Lizenzen für die Dauer des Konzerns erteilt werden; die Befristung der Lizenz soll kein Hindernis sein. Auch wenn der BGH in der Entscheidung nicht ausdrücklich auf eine absolute Natur der Lizenz rekurriert, wird man sie letztlich so zu verstehen haben, dass in den geschilderten Konstellationen eines Lizenzkaufs oder einer unentgeltlichen Konzern-Markenlizenz von einer „vollständigen Erfüllung“ seitens der Masse iS der Einräumung einer absoluten (zur Aussonderung berechtigenden) Lizenz auszugehen ist.331 Denn eine bloß schuldrechtliche Lizenz könnte der Lizenznehmer selbst bei „vollständiger Erfüllung“ der Masse nicht entgegenhalten; auch könnte bei einer schuldrechtlichen Lizenz nicht von einer vollständigen Erfüllung des Lizenzgebers gesprochen werden.332

103 cc) Konsequenzen eines Aussonderungsrechts. Sollte einer eingeräumten Lizenz die Qualität einer absoluten, insolvenzfesten Rechtsposition zuzusprechen sein, könnte der Lizenznehmer in der Insolvenz des Lizenzgebers gemäß § 47 die Nutzungsposition aussondern und dürfte von seinen lizenzrechtlichen Befugnissen auch in der Insolvenz weiterhin Gebrauch machen. Allerdings wäre mittels § 47 einzig die Nutzungsbefugnis des Lizenznehmers geschützt. Weitere Leistungspflichten wären von der Verdinglichung nicht erfasst, insbesondere bestünden keine Erhaltungspflichten der Masse hinsichtlich des Immaterialgüterrechts. Der Umgang mit dem schuldrechtlichen Kausalverhältnis müsste gesondert erfasst werden.333 Auch wenn die Lizenz § 47 unterfällt, kann im Hinblick auf das Kausalverhältnis § 103 I einschlägig sein. Bei einer Erfüllungswahl wird der Lizenznehmer zum Massegläubiger. Hinsichtlich der Nutzungsbefugnisse, die bereits von § 47 geschützt sind, hat das für den Lizenznehmer keinen Mehrwert. Allerdings werden durch eine Erfüllungswahl auch anderweitige Leistungspflichten, wie insbesondere Erhaltungspflichten, zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet. Soweit der Insolvenzverwalter die Erfüllung ablehnt, hat das für den durch § 47 geschützten Bereich der Lizenz zunächst keine Konsequenzen. Der Lizenznehmer kann nicht daran gehindert werden, die immaterialgüterrechtlichen Befugnisse weiterhin auszuüben. Im Hinblick auf die von § 103 I erfassten Nebenleistungspflichten wird der Lizenznehmer zum bloßen Insolvenzgläubiger herabgestuft. Soweit die Position des Lizenznehmers gemäß § 47 geschützt ist, schuldet er der Masse eine entsprechende Teilvergütung.334 Erbringt der Lizenznehmer diese Teilvergütung nicht, kann der Insolvenzverwalter den Vertrag nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen auflösen (Kündigung oder Rücktritt) und der Lizenz die vertragliche Grundlage entziehen.

11. Rechte an Daten,335 Kryptowährung 104 a) Daten als Aussonderungsobjekt anerkannter Schutzregime. Der aussonderungsberechtigende Zugriff auf Daten kann gewährleistet sein, wenn diese in semantischer Hinsicht die Schutzanforderungen eines anerkannten Regimes erfüllen. Denkbar ist etwa, dass die Daten auf 331 So auch Berberich ZInsO 2016, 154, 155 f und die (krit) Analyse bei Tochtermann Mitt 2016, 178, 179. 332 MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 173 f. 333 Unzutreffend McGuire GRUR 2012, 657, 660, die meint, eine gleichzeitige Anwendung der §§ 47, 103 ff widerspreche „der Regelungssystematik der InsO“; auch Pahlow WM 2016, 1717, 1721 geht offenbar von einer Exklusivität zwischen § 47 und §§ 103 ff aus. 334 Die Teilvergütung wird auch bei §§ 106 I S 2, 107 I S 2 praktiziert: BGHZ 79, 103, 110 = NJW 1981, 991, 993. Materiellrechtlich ist der Teilvergütungsanspruch mittels § 320 II BGB zu fundieren; siehe J F Hoffmann KTS 2018, 343, 378 f; verkannt wird die Pflicht zur Teilvergütung von McGuire GRUR 2012, 657, 660; wie hier dagegen BeckOK/Berberich InsO27 § 108 Rn 84 und C Berger GRUR 2013, 321, 335; im Ergebnis auch Heimberg Lizenzen und Lizenzverträge in der Insolvenz (2011), S 139 ff. Abweichend verfährt das US-amerikanische Recht, das dem Lizenznehmer gemäß 11 USC § 365(n)(1)(B) grds nur die Nutzungsbefugnis erhält, aber offenbar keine Herabsetzung der Lizenzgebühren vorsieht; vgl Menell 22 Berkeley Technology Law Journal 733, 783 (2007). 335 Eingehend J F Hoffmann JZ 2019, 960 ff. Hoffmann

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inhaltlicher Ebene ein Werk iSv § 2 I Nr 1 UrhG enthalten. Das ist bspw der Fall, wenn ein Autor das Manuskript eines Buches als Textdatei in der Cloud gespeichert hat. Der Autor der Textdatei kann im Wege der Aussonderung vom Insolvenzverwalter des Cloud-Anbieters gemäß § 97 I S 1 UrhG verlangen, dass dieser sich keinen Umgang mit der Textdatei anmaßt, der dem Urheber vorbehalten ist. Weiter kommt eine Aussonderung im Hinblick auf das Zugangsrecht des Urhebers gemäß § 25 I UrhG in Betracht (Rn 100). Der Insolvenzverwalter mag erwägen, die Daten zu löschen, um etwa Hardware zu veräußern. Ob sich ein Urheber gegen eine Werkvernichtung wenden kann, ist heftig umstritten.336 Zum Teil geht die urheberrechtliche Literatur sehr weit und gesteht dem Urheber einen Anspruch auf Herausgabe und Übereignung zu,337 was im Datenkontext auf eine Übermittlung der Daten hinausliefe. Allerdings herrscht insoweit Übereinstimmung, dass das zu keinen wirtschaftlichen Einbußen des Eigentümers führen darf und ein Wertausgleich stattzufinden hat;338 der Urheber hat die Kosten zu tragen. Möglich ist auch, dass der Nutzer auf Speichermedien des Schuldners eine Datenbank anlegt, die den Investitionsschutz der §§ 87a ff UrhG genießt. Danach hat der Datenbankhersteller ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht (§ 87b I S 1 UrhG), das im Wege der Aussonderung dem Insolvenzverwalter entgegengehalten werden könnte. Ein Recht auf „Herausgabe“ der Datenbank ist in §§ 87a ff UrhG nicht vorgesehen.339 Ebenso wenig sind Zugangsrechte vorgesehen und werden mangels persönlichkeitsrechtlichen Bezugs auch nicht diskutiert. In Betracht kommt weiter, dass die Daten in semantischer Hinsicht die Anforderungen an 105 einen aussonderungsfähigen (Rn 26) Geheimnisschutz (§ 2 Nr 1 GeschGehG) erfüllen. Herausgabeansprüche auf den Geheimnisschutz zu stützen, liegt im Ausgangspunkt fern, da es in erster Linie darum geht zu verhindern, dass Dritte rechtswidrig Zugriff auf geschütztes Know-how nehmen. Das kann regelmäßig durch Unterlassung und ggf eine Vernichtung der Information gewährleistet werden. Dennoch sieht nun § 7 Nr 1 GeschGehG einen Herausgabeanspruch insbesondere auch von „elektronischen Daten“ vor.340 Dieser Herausgabeanspruch soll freilich vom allgemeinen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt erfasst werden (§ 9 GeschGehG). Zur Kostenfrage verhält sich das GeschGehG nicht. Die Daten können als personenbezogene Daten von der Datenschutz-Grundverordnung er- 106 fasst sein.341 Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters im Einzelfall vorausgesetzt, ist zunächst der aussonderungsfähige (Rn 26) Löschungsanspruch gemäß Art 17 I, II DS-GVO zu gewärtigen. Weiter besteht ein Auskunftsanspruch gemäß Art 15 I, II DS-GVO, der jedenfalls soweit zur Aussonderung berechtigt, wie Löschungsansprüche verfolgt werden. Ein Novum der Datenschutz-Grundverordnung stellt der in Art 20 I DS-GVO geregelte Anspruch auf Datenübertragbarkeit dar, der einen Anspruch auf unentgeltliche (Art 12 V S 1 DS-GVO) Herausgabe der Daten enthält. Fraglich ist, ob es sich hierbei der Sache nach um einen Anspruch auf Störungsbeseitigung handelt. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass der Anspruch nur schuldrechtliche Qualität habe.342 Das ist insofern nachvollziehbar, als der Anspruch teleologisch nicht auf die Verwirklichung der datenschutzrechtlichen, personenbezogenen Anliegen abzielt, sondern einen wettbewerbsrecht-

336 337 338 339 340

Unter dem Vorbehalt einer Interessenabwägung grds bejahend BGH GRUR 2019, 609 – HHole (for Mannheim). Schmelz GRUR 2007, 565, 571. Schack Urheber- und Urhebervertragsrecht10 Rn 413 mwN; vgl weiter Art 15 I Schweizer Urheberrechtsgesetz. So auch C Berger ZInsO 2013, 569, 571. Die Geheimnisschutz-Richtlinie (EU) 2016/943 erwähnt in Art 12 I lit. d) zwar auch eine Herausgabe, diese solle aber nur „gegebenenfalls“ statt Vernichtung geschuldet sein. 341 Freilich ist umstritten, wie die Position des Betroffenen zu qualifizieren ist; für die Erfassung als „eigentumsähnliches“ absolutes Recht etwa Buchner ZGE/IPJ 9 (2017), 416 ff; Kilian GS Steinmüller (2014), S 195, 205 ff; dagegen etwa Dorner CR 2014, 617, 623 f. 342 BeckOK/von Lewinski DS-GVO40 Art 20 Rn 8; aA wohl Jülicher/Röttgen/von Schönfeld ZD 2016, 358, 360 f. 475

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lichen Gehalt hat.343 Dem Nutzer soll ein „Anbieterwechsel“ erleichtert werden.344 Unter datenschutzrechtlichen Aspekten ist ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht aussonderungsfähig.

107 b) Vertragliche Zugriffsrechte auf Daten. Darüber hinaus ist fraglich, ob Daten unabhängig von der semantischen Ebene ein Aussonderungsobjekt sein können. Verbreitet werden Aussonderungsrechte an Daten in syntaktischer Hinsicht aus schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen hergeleitet.345 Eine Aussonderung kann auf der Grundlage schuldrechtlicher Herausgabeansprüche jedoch nur gewährt werden, wenn der Masse Befugnisse verwehrt werden, die ihr ohnehin mit absoluter Wirkung nicht zustehen (Rn 15). Im Hinblick auf Daten konnte eine solche grundsätzliche Massefremdheit, eine insolvenzfeste absolute Datenzuweisung unabhängig vom Eigentum am Datenträger und unabhängig vom Inhalt der Daten, bisher aber noch nicht ausgemacht werden.346 Auch das OLG Düsseldorf gerät auf die falsche Spur, wenn es den Fall heranzieht, in dem der Schuldner die Daten vom Vertragspartner in Papierform zur Verfügung gestellt erhalten hat,347 denn in diesen Fällen ist der Datenträger, das Papier, massefremd und kann entsprechend ausgesondert werden. Erwogen wird weiter, ein Treuhandverhältnis anzunehmen und dem Treugeber ein Aussonderungsrecht an den Daten zu gewähren.348 Auch der Treuhandgedanke kann ein Aussonderungsrecht an Daten nicht ohne Weiteres tragen. Treuhandkonstruktionen werden eingesetzt, um die absolute Zuweisung einer Rechtsposition unter bestimmten Voraussetzungen mit Hilfe der Treuhandabrede zu überlagern (Rn 57 ff). Ein Aussonderungsrecht an Daten gestützt auf den Treuhandgedanken setzt ebenso wie die Versuche, ein Aussonderungsrecht an Daten auf schuldrechtliche Herausgabeansprüche zu stützen, voraus, dass an digitalen Daten in syntaktischer Hinsicht überhaupt absolute Rechte bestehen können. 108 Tatsächlich verbleibt nur, ein Aussonderungsrecht an Daten im Wege der Rechtsfortbildung349 zu entwickeln. Verbreitet wird dafür plädiert, Daten nach dem Vorbild von § 903 BGB zu behandeln350 und insbesondere dementsprechend auch einen (aussonderungsfähigen) Herausgabeanspruch nach Maßgabe von § 985 BGB zu gewähren.351 Der Vergleich zu § 985 BGB hinkt freilich bereits auf den ersten Blick, da die „Datenherausgabe“ einen Kopier- und einen Löschvorgang (auf dem ursprünglichen Datenträger) impliziert. Noch gravierender ist der Befund, dass mit dem Rekurs auf das körperliche Eigentum die dezisionistische Entscheidung des Gesetzgebers (Rn 21) zur Kostentragungspflicht hinsichtlich der Störungsbeseitigung übernommen wird.352 Die Herausgabe von beweglichen Gegenständen ist unter Kostengesichtspunkten mit der „Herausgabe“ von Daten mitnichten vergleichbar.353 Zwar kann auch die Herausgabe von beweglichen Gegen343 Hennemann PinG 2017, 5, 6 („überschießendes Wettbewerbsrecht“); Schantz NJW 2016, 1841, 1845; Paal/Pauly/Paal DS-GVO3 Art 20 Rn 5 f.

344 BeckOK/von Lewinski DS-GVO40 Art 20 Rn 12; Paal/Pauly/Paal DS-GVO3 Art 20 Rn 4; siehe insoweit Europäisches Parlament, Entschließung vom 6.7.2011 (Aktenzeichen 2011/2025(INI)), Ziff 16 Fn 2. 345 OLG Düsseldorf NZI 2012, 887; Berberich/Kanschik NZI 2017, 1, 4; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 62a; Bultmann ZInsO 2011, 992, 994 f; Czarnetzki/Röder FS Schneider (2014), S 331, 342 f; Grützmacher ITRB 2004, 282, 284; Jülicher ZIP 2015, 2063, 2064. 346 Das gilt entgegen BeckOK/Haneke InsO27 § 47 Rn 79 unabhängig davon, auf welchem Wege die Daten zum Insolvenzschuldner gelangt sind. 347 OLG Düsseldorf NZI 2012, 887, 889. 348 Vgl Berberich/Kanschik NZI 2017, 1, 4; Bultmann ZInsO 2011, 992, 995; BeckOK/Haneke InsO27 § 47 Rn 80. 349 Vgl die einschlägigen Kodifikationen in Luxemburg in Art 567(2) Code de commerce und in der Schweiz in Art 242b SchKG und hierzu J F Hoffmann in: Legal theory and interpretation in a dynamic society (2021), 255; speziell zum schweizerischen Recht siehe J F Hoffmann KTS 2022, 315, 332 f. 350 Amstutz AcP 218 (2018), 438, 541 ff, der allerdings eine Anwendbarkeit von § 985 BGB offenlässt. 351 Jülicher ZIP 2015, 2063, 2064 f. 352 Besonders offenkundig etwa bei Bultmann ZInsO 2011, 992, 996 (der Insolvenzverwalter habe den Anspruch „wie stets in Fällen des Aussonderungsrechts […] unentgeltlich zu erfüllen“) und Jülicher ZIP 2015, 2063, 2066. 353 Durchaus erkannt von Hoeren MMR 2013, 486, 490 f. Hoffmann

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ständen unter Umständen Kosten verursachen. Da der betreffende Gegenstand aber greifbar und körperlich abgrenzbar ist, sind die Kostenrisiken354 typischerweise von einer ganz anderen Natur als diejenigen, die entstehen können, wenn Daten ggf aus einem virtuellen Cloudsystem355 herausgelöst und zur Verfügung gestellt werden sollen. Neben Strom, Immobiliennutzung und fachkundigem Personal sind hierfür häufig auch Softwarelizenzen erforderlich. Möglicherweise hat der Cloud-Betreiber seinerseits die verwendeten Server nur geleast usw. Eine Herausgabepflicht des Insolvenzverwalters würde mit umfangreichen Belastungen der Masse einhergehen. Ein Aussonderungsrecht sollte an (digitalen) Daten rechtsfortbildend nur mit Augenmaß ge- 109 währt werden. Erfasst werden sollten die Konstellationen, in denen der Nutzer eine schuldrechtliche Berechtigung in dem Sinne hat, dass er seine Daten auf den Speichermedien des Schuldners speichern durfte und anschließend weiterhin auf diese zugreifen durfte. Im Wege der Aussonderung sollte die relative Zugriffsbefugnis auf (digitale) Daten für insolvenzfest befunden werden. Das Aussonderungsrecht kann insofern von vornherein nicht weiter gehen als die vertragliche Zugriffsberechtigung auf den Datenbestand. Soweit also die beim Schuldner gespeicherten Daten von diesem verarbeitet worden sind, kann nur nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung im Wege der Aussonderung Zugriff auf die Arbeitsergebnisse genommen werden, was unter Umständen bedingen kann, dass das für den Verarbeitungsprozess gesondert geschuldete Entgelt erbracht wird.356 Anders als bei § 985 BGB hat der Berechtigte bei der Aussonderung von Daten die entsprechenden Kosten zu tragen.357 Sollte der Insolvenzverwalter eine Erfüllung der Verträge ablehnen, aber die Infrastruktur des Schuldners im Wege der Betriebsfortführung ansonsten aufrechterhalten, erschöpfen sich die Kosten in dem Aufwand, der durch das Kopieren und Bereitstellen der Daten entsteht. Sollte der Insolvenzverwalter aber den Betrieb eingestellt haben, können die Kosten ein beträchtliches Ausmaß annehmen.358 Unter Umständen müssen externe Dienstleister herangezogen werden, ggf müssen Lizenzgebühren an externe Softwareanbieter gezahlt werden, möglicherweise müssen Leasingraten bezüglich der Server aufgewendet werden. Der Insolvenzverwalter darf die Daten nicht kurzerhand löschen, da er sonst ein Aussonderungsrecht des Nutzers beeinträchtigen würde, was schadensersatzrechtliche Konsequenzen zulasten der Masse (§ 55 I Nr 1) und zulasten des Insolvenzverwalters persönlich (§ 60 I S 1) haben kann. Man wird dem Insolvenzverwalter allerdings die Möglichkeit einräumen müssen, den Nutzern angemessene Fristen zur Geltendmachung ihres Aussonderungsrechts zu setzen.359 Nach Ablauf der Frist ist dem Insolvenzverwalter eine Löschung zu gestatten. Darüber hinaus hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die Speichermedien freizugeben. Nach einer Freigabe ist die Insolvenzmasse nicht mehr Ansprechpartner für etwaige Aussonderungsrechte, sondern der Insolvenzschuldner, der die Verfügungsbefugnis über die Speichermedien zurückerlangt.

c) Kryptowährung. Mit dieser Rechtsfortbildung360 lassen sich auch Konstellationen bewältigen, 110 in denen die Herausgabe von Kryptowährung begehrt wird. Jenseits von Diskussionen, inwieweit absolute Rechte an Kryptowährung anzuerkennen sein sollen,361 wäre jedenfalls die Konstellation zu bewältigen, in der ein Treuhänder von Kryptowährung insolvent wird. Die „Herausgabe“ der

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Der Gesetzgeber hielt sie für vernachlässigbar: Motive III, S 425 f = Mugdan III, S 237 f. Anschaulich und eingehend Lehmann/Giedke CR 2013, S 608, 611 ff; vgl auch Hoppen CR 2015, 802 f. Vgl zu dieser Unterscheidung auch BGH NJW-RR 2004, 1290 und Grützmacher ITRB 2004, 260, 262. So nun auch Steinrötter/Bohlsen ZZP 133 (2020), 459, 484. Zutreffend gesehen und geregelt auch durch den schweizerischen Gesetzgeber, der erkennt, dass der Berechtigte unter Umständen „prohibitiv hohe Kosten“ tragen müsse, dass das aber auch „sachgerecht“ sei; siehe BBl 2020, S 233, 294. 359 So auch Art 242b SchKG. 360 Vgl eine entsprechende Kodifikation nun auch in der Schweiz in Art 242a SchKG; eingehend dazu etwa Zogg recht 2020, 1. 361 Statt vieler Allen EPLJ 2019, 64. 477

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betreffenden Kryptowährung läuft technisch362 auf die Übermittlung des digitalen Berechtigungsschlüssels an den Treugeber hinaus. Nach dem hier entwickelten Lösungsvorschlag wäre das Aussonderungsrecht jedenfalls hinsichtlich solcher Datenschlüssel zu gewähren, die konkreten Treugebern individuell363 zugeordnet werden können.364

12. Beschränkte dingliche Rechte 111 a) Dienstbarkeiten, Erbbaurecht. Zur Aussonderung berechtigen auch beschränkte dingliche Rechte,365 und zwar nicht nur solche, die zum Besitz einer Sache berechtigen, wie der Sachnießbrauch (§ 1036 BGB) und das Erbbaurecht (§ 11 ErbbauVO), sondern auch der Nießbrauch an Rechten (§§ 1068 ff BGB) und andere Dienstbarkeiten (§§ 1018 ff, 1090 ff BGB), ferner die Mitbenutzungsrechte des § 321 I und II und des § 322 I ZGB (DDR), die nach Art 233 § 5 EGBGB als Rechte an dem belasteten Grundstück gelten. Denn aussonderungsberechtigt ist nicht nur, wer eine Sache herausverlangen kann. Das Aussonderungsrecht ist Ausdruck des negatorischen Schutzes einer absoluten Rechtsposition. Aussondern kann man dementsprechend nicht nur, indem man eine Sache herausverlangt, sondern auch durch Klage auf Feststellung des Aussonderungsrechts oder dadurch, dass man Unterlassung oder Beseitigung einer Beeinträchtigung verlangt. Gegenstand der Aussonderung sind die dem Inhaber zugewiesenen Befugnisse, nicht etwa das beschränkte dingliche Recht selbst (Rn 5). Unerheblich für die Aussonderung auf der Grundlage eines beschränkten dinglichen Rechts ist es, ob der belastete Gegenstand dem Insolvenzschuldner, einem Dritten oder dem Aussonderungsberechtigten selbst gehört (siehe §§ 889, 1063 II BGB). Entscheidend ist allein, ob der Insolvenzverwalter das Recht zugunsten der Masse leugnet oder für die Masse in Anspruch nimmt. Sind verbrauchbare Sachen Gegenstand des Nießbrauchs, kann der Nießbraucher sie als Eigentümer aussondern (§§ 1067 I S 1 Hs 1, 1084 BGB).

112 b) Pfandrechte. Der negatorisch rechtsverwirklichende Schutz eines Pfandrechts, das auf bevorrechtigte Befriedigung im konkreten Insolvenzverfahren gerichtet ist, wird nicht im Wege der Aussonderung,366 sondern der Absonderung durchgesetzt (Rn 31). Äußern kann sich das etwa in einer Feststellungsklage, wenn der Verwalter die Existenz des Rechts bestreitet. Auch kann der Pfandgläubiger vom Verwalter Unterlassung der Verwertung verlangen, wenn dieser nach §§ 166 ff zur Verwertung nicht berechtigt ist (§§ 1227, 1004 I S 2 BGB), und die Herausgabe der Pfandsache aus der Masse fordern (§§ 1227, 985 BGB), solange das Pfandrecht noch besteht (vgl § 1253 BGB), wenn der Verwalter kein Recht zum Besitz geltend machen kann. Ob die verpfändete Sache zum Zweck der Verwertung aus der Masse herausverlangt werden kann, bestimmt sich nach den Vorschriften über die abgesonderte Befriedigung (§§ 50, 166 ff). Sollte das Pfandrecht nicht auf Befriedigung im konkreten Insolvenzverfahren gerichtet sein, weil die Masse nicht das Eigentum an der Sache, sondern das Pfandrecht an der Sache eines Dritten beansprucht, kann der tatsächliche Pfandrechtsinhaber insoweit aussondern, etwa im Wege einer Feststellungsklage, dass er Inhaber des Pfandrechts ist und dieses nicht in die Masse fällt (Rn 31).

362 Zu den technischen Hintergründen statt vieler Weiss JuS 2019, 1050 ff. 363 Noch weitergehend Art 242a SchKG, wonach ausreichend sein soll, dass kryptobasierte Vermögenswerte „einer Gemeinschaft zugeordnet sind und ersichtlich ist, welcher Anteil am Gemeinschaftsvermögen dem Dritten zusteht“. 364 Anders fiel die Entscheidung eines japanischen Instanzgerichts aus (dazu statt vieler Sarra/Gullifer IIR 2019, 233, 267 ff) unter Berufung darauf, dass die einschlägige japanische insolvenzrechtliche Norm die Aussonderung nur hinsichtlich körperlicher Gegenstände gestatte. 365 Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 16; KK/Hess InsO § 47 Rn 34 f. 366 So aber MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 328 f; Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 112; K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 48. Hoffmann

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c) Vorkaufsrechte. Das Vorkaufsrecht der §§ 1094 ff BGB hat Aussonderungskraft, soweit seine 113 Dinglichkeit reicht,367 nicht soweit es nach § 1098 I S 1 BGB nur schuldrechtlich wirkt, nämlich gegenüber dem Vorkaufsverpflichteten. Hat dieser das Grundstück verkauft, aber noch nicht dem Dritten übereignet, begründet die Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Verpflichteten (§§ 1098 I S 1, 464 II BGB), der allerdings auch während des Insolvenzverfahrens durchgesetzt werden kann, wenn der Verwalter das Grundstück freihändig verkauft (§ 1098 I S 2 BGB). Ein Aussonderungsrecht besteht aber im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Eigentümers des belasteten Grundstücks insofern, als der Vorkaufsberechtigte sein Recht gegenüber dem bestreitenden Insolvenzverwalter feststellen lassen kann. Zur Ausübung und Wirkung des Vorkaufsrechts in dem Fall, dass der Schuldner das Grundstück bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Dritten verkauft hat, wird auf die Erl zu § 106 verwiesen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Dritten, der das Grundstück erworben hat, wird durch das Insolvenzverfahren gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht beeinträchtigt. Übt der Berechtigte sein Vorkaufsrecht aus, geht sein Anspruch gegen den Dritten, wenn das Grundstück diesem bereits übereignet ist, auf Bewilligung der Umschreibung.368 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Dritten richtet sich der Anspruch auf Übereignung gegen den Vorkaufsverpflichteten. Der Dritte bzw sein Insolvenzverwalter ist wegen der Vormerkungswirkung des Vorkaufsrechts (§ 1098 II BGB) verpflichtet, der Übereignung zuzustimmen (§ 888 I BGB).369 Das gesetzliche Vorkaufsrecht der Miterben (§§ 2034 ff BGB) ist ausgeschlossen, wenn der 114 Erbteil vom Insolvenzverwalter verkauft wird (§ 471 BGB).370 Hat der Miterbe seinen Anteil verkauft, bevor das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist, entsteht mit der Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch, der Insolvenzforderung ist.371 Zur Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters s die Erl zu § 106. Auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen des ersten oder weiteren (§ 2037 BGB) Erbteilskäufers steht den Miterben nur eine Insolvenzforderung, nicht das Recht der Aussonderung des Anteils zu. Zwar besteht das Vorkaufsrecht nach Übertragung des verkauften Erbteils auf den Käufer (§ 2033 I BGB) diesem gegenüber (§ 2035 I S 1 BGB), jedoch ist das Vorkaufsrecht deshalb noch kein dingliches Recht.372 Die Ausübung des Vorkaufsrechts bewirkt keinen unmittelbaren Rechtsübergang des Anteils auf die Vorkaufsberechtigten, sondern verleiht ihnen nur einen Verschaffungsanspruch auf dessen Übertragung.373 Auch die anderweitigen gesetzlichen Vorkaufsrechte sind keine dinglichen Rechte („Entdinglichung“)374 und begründen deshalb keine Aussonderung. Soweit zu ihrer Sicherung eine Vormerkung eingetragen ist, findet § 106 Anwendung. Das Vorkaufsrecht der Gemeinden nach §§ 24 ff BauGB375 ist ausdrücklich ausgeschlossen, wenn der Verkauf des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter erfolgt (§ 28 II S 2 BauGB mit § 471 BGB).376 Für die anderen Gesetze, die nur von einem Vorkaufsrecht sprechen, ohne bestimmte Paragraphen zu nennen (§ 577 I S 1 BGB, § 9a VI FStrG, § 19 III AEG, § 15 III WaStrG), gilt dasselbe, weil sie als Verweisung auf alle Vorschrif-

367 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 330; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 16. 368 RGZ 108, 350, 356; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 18; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 55; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 54; zum Einfluss des Insolvenzverfahrens auf die schuldrechtlichen Beziehungen siehe Erl zu § 106. 369 K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 49. 370 BGH NJW 1977, 37, 38; Staudinger/Löhnig BGB (2020) § 2034 Rn 14. 371 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 332; Staudinger/Löhnig BGB (2020) § 2034 Rn 42, § 2035 Rn 2. 372 Staudinger/Löhnig BGB (2020) § 2035 Rn 1. 373 KG OLGRspr 9, 387 f. 374 Staudinger/Schermaier BGB (2017) Einl zu §§ 1094 ff Rn 23. 375 IdF der Bekanntmachung vom 27.8.1997, BGBl I S 2142. 376 Ebenso § 48 II S 3 Nds NaturschutzG; Nachweise weiterer landesgesetzlicher Vorkaufsrechte bei Soergel/Stürner BGB13 vor § 1094 Rn 26. 479

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

ten der §§ 463 ff BGB zu verstehen sind. Siehe auch §§ 4 bis 11a, 14 Reichssiedlungsgesetz vom 11.8.1919.377

13. Gläubigeranfechtung 115 Problematisch ist, ob das nach den Regeln der Insolvenzanfechtung unwirksam Erworbene vom anfechtungsberechtigten Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Anfechtungsgegners ausgesondert werden kann.378 Eine Aussonderung wird nur für § 143 I S 1 in Betracht gezogen. Sekundärrechte gemäß § 143 I S 2 werden einhellig als Insolvenzforderungen qualifiziert.379 Maßgebend sollte auch bei dieser Frage die kategoriale Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Wirkungen sein (Rn 5 f). Es sollte nicht der insolvenzrechtliche Sonderweg einer „haftungsrechtlichen“ Dogmatik beschritten werden, die freilich gerade in diesem Kontext außerordentlich weit verbreitet ist.380 Zu erkennen ist einerseits, dass mit der Insolvenzanfechtung die nur relative Obligiertheit des Schuldners im Verhältnis zu seinen Gläubigern gegenüber dem Anfechtungsgegner verabsolutiert wird, sodass die Insolvenzanfechtung als Drittwirkung, als Verabsolutierung dieser Obligiertheit zu erfassen ist.381 In der Insolvenz des Anfechtungsgegners stellt sich die Frage, ob diese Drittwirkung der Obligiertheit des Insolvenzschuldners auch auf die Insolvenzgläubiger des Anfechtungsgegners erstreckt werden kann. Im Ausgangspunkt ist kein Grund ersichtlich, warum die Gläubiger des Anfechtungsgegners besserzustellen sein sollen als dieser selbst. Auf § 145 II können sich die Insolvenzgläubiger des Anfechtungsgegners nicht berufen. Es findet kein „durch Verkehrsschutz gesicherter Rechtserwerb“ statt.382 Die Verabsolutierung der Obligiertheit gegenüber dem Anfechtungsgegner hat den Zweck, die Vermögenshaftung des Schuldners durchzusetzen. Die Insolvenzanfechtung greift nur zu Haftungszwecken, sie verfolgt mit anderen Worten gegenüber den Insolvenzgläubigern des Anfechtungsgegners von vornherein nur einen Sicherungszweck. Aus diesem Sicherungszweck folgt aber zugleich (Rn 30), dass die Insolvenzanfechtung allenfalls mit einem Absonderungsrecht versehen werden kann.383 Trotz der Sicherungsfunktion möchte Gerhardt der Insolvenzanfechtung dennoch Aussonderungskraft beimessen, da der anfechtungsberechtigte Insolvenzverwalter bei der Verwertung der Masse dann nicht auf eine Veräußerung des Gegenstandes festgelegt sei.384 Gegen die ausnahmsweise Einordnung als Aussonderungsrecht iS Gerhardts ist anzuführen, dass nicht begründet wird, warum den Verwertungskompetenzen des Insolvenzverwalters der anfechtungsberechtigten 377 RGBl S 1429, geändert durch Gesetz vom 7.6.1923 (RGBl I S 364), durch GrdstVG vom 28.7.1961 (BGBl I S 1091 ber S 1652 und 2000) und Gesetz vom 8.12.1986 (BGBl I S 2191), Überleitungsbestimmungen in §§ 27 und 35 GrdstVG.

378 Für eine Aussonderung etwa: Biehl KTS 1999, 313, 320 f; Uhlenbruck/Borries/Hirte InsO15 § 129 Rn 8 f; Bork/Brinkmann Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts (2006), Kap 17 Rn 22; Gerhardt Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung (1969), S 334 ff; Haas/H Müller ZIP 2003, 57 f; Jaeger/Henckel InsO1 § 143 Rn 86; Gottwald/Haas/ Huber InsRHdb6 § 52 Rn 3 f; Jauernig/Berger/Thole InsR24 § 8 Rn 29 (aA noch Jauernig in der 21. Auflage); MünchKomm/ Kirchhof/Freudenberg InsO4 Vor §§ 129 ff Rn 23; Marotzke KTS 1987, 1, 25; G Paulus AcP 155 (1956), 346 ff; HK/Thole InsO10 § 143 Rn 39; und nun auch die Rechtsprechung: BGHZ 156, 350, 358 ff = NJW 2004, 214, 216; BGHZ 178, 171, Rn 15 = NJW 2009, 225, Rn 15; BGH NZI 2009, 429, Rn 43; anders noch BGH NJW 1990, 990, 992; gegen eine Privilegierung Eckardt KTS 2005, 15, 41; Häsemeyer InsR4 Rn 21.16, 21.105; Koziol Grundlagen und Streitfragen der Gläubigeranfechtung (1991), S 54; Nunner-Krautgasser Schuld, Vermögenshaftung und Insolvenz (1968), S 276 Fn 195; auf der Grundlage der abzulehnenden schuldrechtlichen Theorie dagegen auch FK/Dauernheim InsO9 § 129 Rn 6, 9; Rutkowsky Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung (1969), S 155. 379 Vgl nur BGHZ 155, 199, 203 = NJW 2003, 3345, 3346; Jaeger/Henckel InsO1 § 143 Rn 77. 380 Statt vieler Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 116. 381 Eingehend J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 36 ff. 382 Jaeger/Henckel InsO1 § 143 Rn 80. 383 Zutreffend insoweit F Schulz AcP 105 (1909), 261. 384 Gerhardt Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung (1969), S 334 ff, 276 ff; der Sache nach bereits G Paulus AcP 155 (1956), S 330 ff, 346 ff. Hoffmann

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Masse Vorrang vor denjenigen des Insolvenzverwalters des Anfechtungsgegners zukommen soll.385 So wie ein Insolvenzverwalter bei der Masseverwertung nicht zwingend auf eine sofortige Veräußerung festgelegt ist, ist auch ein Insolvenzverwalter bei der Achtung der Sicherungsinteressen bestimmter Gläubiger nicht auf eine sofortige Verwertung festgelegt (§§ 166 ff). Es lässt sich nicht rechtfertigen, die Position des anfechtungsberechtigten Insolvenzverwalters schlicht dadurch aufzuwerten, dass man ihm statt eines Absonderungsrechts ein Aussonderungsrecht gewährt. Ohnehin bedarf die insolvenzfeste Umsetzung von Sicherungszwecken besonderer Rechtfertigung in Anbetracht des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes. In der Sache bedarf es einer Rechtfertigung dafür, dass die Haftungsinteressen der „anfechtungsberechtigten“ Insolvenzgläubiger gegenüber den Haftungsinteressen der Insolvenzgläubiger des Anfechtungsgegners bevorzugt werden sollen.386 Denkbar wäre, das Absonderungsrecht damit zu rechtfertigen, dass dem Anfechtungsgegner das anfechtbar erlangte Gut von vornherein nur belastet mit der Anfechtbarkeit zur Verfügung stand. Man könnte eine Parallele zur Belastung einer Sache mit einem Pfandrecht ziehen, ohne die alte Vorstellung von einem „Konkurspfandrecht“ überzustrapazieren. Funktional ist die Insolvenzanfechtung mit einer Kreditsicherheit aber nicht vergleichbar, da die „anfechtungsberechtigten“ Insolvenzgläubiger nicht im Kollektiv eine Kreditierung von einer Sicherheit abhängig gemacht haben (siehe dazu § 51 Rn 4 f). Auch der Verweis auf die Treuhandkonstellationen ist in diesem Zusammenhang nicht weiterführend,387 da die Sachlage nicht vergleichbar ist. In der Sache ist eine Privilegierung der Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Anfechtungsgegners nicht zu rechtfertigen. Die Insolvenzanfechtung führt zu einer Insolvenzforderung.388 Der BGH gewährt dagegen mittlerweile in ständiger Rechtsprechung ein Aussonderungs- 116 recht.389 Dabei wurde frühzeitig betont, dass ein „aussonderungsfähiger Gegenstand“ vorliegen müsse, der „unterscheidbar in der Masse vorhanden“ sein müsse.390 Die Sekundärhaftung nach § 143 I S 2 soll nicht zur Aussonderung berechtigen. Das wird zum einen freilich dem Sicherungszweck der Insolvenzanfechtung nicht gerecht, denn den „anfechtungsberechtigten“ Insolvenzgläubigern ist zur Verwirklichung ihrer anfechtungsrechtlich geschützten Haftungsinteressen in erster Linie am Wert des Anfechtungsgegenstandes gelegen. Vor allem aber wird die Aussonderung kraft Insolvenzanfechtung bei der Überweisung von Geld zum stumpfen Schwert, wenn die Überweisung nicht zufällig auf ein Treuhandkonto erfolgt.391 Den vom OLG Schleswig unternommenen Begründungsversuch, der Insolvenzanfechtung (§ 143 I S 2) auch hinsichtlich Buchgeld Aussonderungskraft beizumessen,392 hält der BGH völlig zurecht für „fragwürdig“.393 Denn der vom OLG Schleswig bemühte Gedanke eines „Bodensatzes“ entstammt dem Unterscheidbarkeitsbegriff des § 48 S 2, der keinesfalls auf § 47 übertragen werden sollte (§ 48 Rn 82).394 Dass die Privilegierung der „anfechtungsberechtigten“ Insolvenzgläubiger vom arbiträren Umstand der „Unterscheidbarkeit“ abhängen soll, vermag in der Sache nicht zu überzeugen, und ist ein weiterer Beleg dafür, 385 Diese Begründung liefert auch Jaeger/Henckel InsO1 § 143 Rn 79 nicht. 386 Siehe J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 241 ff, 330 f. 387 So aber BGHZ 156, 350, 358 ff = NJW 2004, 214, 216; Gerhardt Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung (1969), S 270 f; Haas/H Müller ZIP 2003, S 57 f; Koziol Grundlagen und Streitfragen der Gläubigeranfechtung (1991), S 46 f; Thole Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht (2010), S 543 f; dagegen mit Recht Eckardt KTS 2005, S 33 f; Häsemeyer InsR4 Rn 21.16 Fn 67, 69; Rutkowsky Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung (1969), S 154 f. 388 Wie hier im Ergebnis auch Eckardt KTS 2005, 15, 41; Häsemeyer InsR4 Rn 21.16, 21.105; Koziol Grundlagen und Streitfragen der Gläubigeranfechtung (1991), S 54; Nunner-Krautgasser Schuld, Vermögenshaftung und Insolvenz (1968), S 276 Fn 195. 389 BGHZ 156, 350, 358 ff = NJW 2004, 214, 216; BGHZ 178, 171, Rn 15 = NJW 2009, 225, Rn 15; BGH NZI 2009, 429, Rn 43; anders noch BGH NJW 1990, 990, 992. 390 BGH NZI 2009, 429, Rn 44. 391 So geschehen bei BGH NZI 2017, 712, Rn 15; unklar insoweit MünchKomm/Kirchhof/Piekenbrock InsO4 § 143 Rn 36. 392 OLG Schleswig NZI 2017, 19. 393 BGH NZI 2017, 712, Rn 16. 394 Für einschlägig hält § 48 in diesen Konstellationen Rauhut Aussonderung von Geld (2020), S 153 ff. 481

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dass weder Aus- noch Absonderung auf diesen Tatbestand passen. Denn auch bei einer Überweisung müsste die zentrale Wertung des BGH zugunsten der „anfechtungsberechtigten“ Insolvenzgläubiger greifen: „Es wäre nicht einzusehen, warum die Gläubiger des insolvent gewordenen Anfechtungsgegners von Rechtshandlungen sollten profitieren können, die […] als ungerechtfertigte Vermehrung der Vermögensmasse des Empfängers erscheinen.“395 Auch diese Zweifel streiten dafür, eine Privilegierung gänzlich zu unterlassen (Rn 115).

14. Besitz 117 Bei der Frage, ob der auf Herausgabe gerichtete Besitzschutzanspruch aus § 861 I BGB zur Aussonderung berechtigt, ist der Logik der possessorischen Besitzschutzansprüche entsprechend nur der Besitz und nicht auch das Eigentum oder ein Recht zum Besitz in den Blick zu nehmen. Die bloße Faktizität des Besitzes wird durch den possessorischen Besitzschutz mit einer gewissen absoluten Wirkung versehen. Im Ausgangspunkt ist eine Aussonderungskraft des possessorischen Anspruchs des § 861 I BGB schon deshalb unentbehrlich, weil ohne ihn der Verwalter massezugehörige Sachen, die sich im Besitz Dritter befinden, ohne Sanktion eigenmächtig wegnehmen könnte.396 Die Aussonderungskraft des Besitzschutzanspruchs zwingt den Verwalter in den Prozess, wenn er eine massezugehörige Sache von einem nicht herausgabebereiten Dritten bekommen will und ist die Konsequenz dessen, dass er kein Vollstreckungsorgan ist und keine Gewaltbefugnisse hat. Ist die verbotene Eigenmacht vor der Verfahrenseröffnung durch den Schuldner begangen worden, ist diese Argumentation freilich nicht ausreichend. Jedoch muss verhindert werden können, dass der in der Krise stehende Schuldner sanktionslos vor der Verfahrenseröffnung schon Massebestandteile aus fremdem Besitz eigenmächtig zusammenrafft. Deshalb kann vom Verwalter die Wiedereinräumung des Besitzes auch dann verlangt werden, wenn der Schuldner den fehlerhaften Besitz vor der Verfahrenseröffnung begründet hat.397 Für die Abwehr einer Besitzstörung (§ 862 I BGB) gilt das zu den Abwehransprüchen des 118 Eigentümers Ausgeführte (Rn 37 f) entsprechend. Ging die Störung vom Schuldner aus, kann die Beseitigung vom Insolvenzverwalter verlangt werden, wenn sie nach der Verfahrenseröffnung fortdauert und von der Masse ausgeht. Unterlassung kann vom Verwalter nur verlangt werden, wenn die Gefahr künftiger Störungen durch ihn zu befürchten ist.398 Im Rahmen der erforderlichen Prognose kann von vergangenen Rechtsverletzungen399 des Schuldners nicht kurzerhand auch auf künftige Rechtsverletzungen durch den Insolvenzverwalter geschlossen werden. Vielmehr ist die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einhergehende Zäsur zu gewärtigen und zu beurteilen, inwieweit der Insolvenzverwalter entsprechende Abläufe und Gegebenheiten verändert hat. 119 Aussonderungskraft hat auch der Herausgabeanspruch des früheren Besitzers (§ 1007 I, II S 1 BGB).400 Doch kann dieser Anspruch nach § 1007 III 2 BGB am besseren Recht des Schuldners und deshalb an der Massezugehörigkeit der Sache scheitern. Der Nachweis des besseren Rechtes ist vom Verwalter zu führen. 120 Aus der Aussonderungskraft der Besitzschutzansprüche kann nicht gefolgert werden, dass jeder Besitz, der bis zur Verfahrenseröffnung berechtigt war, auch danach noch berechtigt ist. Ob das der Fall ist, hängt davon ab, ob das Recht zum Besitz den Rechtsfolgen des Insolvenzverfahrens standhält. Das ist zB nicht der Fall, wenn der Schuldner den Besitz, noch nicht aber das 395 BGHZ 156, 350, 361 = NJW 2004, 214, 216. 396 Entgegen Sosnitza Besitz und Besitzschutz (2003), S 357, der nur Masseverbindlichkeiten gewähren möchte und den possessorischen Besitzschutz damit bei Masseunzulänglichkeit leerlaufen lässt. 397 So auch K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 46; entgegen Sosnitza Besitz und Besitzschutz (2003), S 354 ff. 398 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 326. 399 Zu einer entsprechenden Vermutung siehe BGH NJW 2012, 3781, Rn 12. 400 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 326. Hoffmann

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Eigentum zur Erfüllung eines Kaufvertrages übertragen hat, der Vertrag auch vom Käufer noch nicht voll erfüllt ist und der Verwalter die Erfüllung des Kaufvertrages ablehnt (§ 103 II). Wählt der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrages, kann der Käufer nicht Erfüllung verlangen. Das auf seinen Übereignungsanspruch gegründete Besitzrecht entfällt.401 Gleiches gilt auch im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen,402 soweit das Besitzrecht nicht nach Maßgabe von § 108 I S 1 besonderen Schutz genießt. Hat der Insolvenzschuldner den Besitz eines anderen ohne rechtlichen Grund erlangt, ist 121 ein Bereicherungsanspruch auf Besitzauskehr nur von Interesse,403 soweit der Anspruchsberechtigte nicht auf der Grundlage von § 985 BGB oder § 861 I BGB aussondern kann. Denkbar ist das etwa im Rahmen einer Leistungskondiktion, wenn ein Nichteigentümer auf der Grundlage eines Überlassungsvertrages dem Schuldner den Besitz einräumt und der Vertrag unwirksam ist.404 Als schuldrechtlich Herausgabeberechtigter kann der Bereicherungsgläubiger insofern aussondern (Rn 15, 122 ff).

15. Schuldrechtliche Ansprüche a) Allgemein. Schuldrechtliche Ansprüche begründen kein Aussonderungsrecht. Dieses be- 122 stimmt sich grundsätzlich nach der absoluten Rechtslage. Wohl aber können schuldrechtliche Ansprüche gegenüber dem Verwalter geltend gemacht werden, wenn sie sich auf einen aussonderungsfähigen Gegenstand beziehen (Rn 15). So kann zB der Vermieter, der nicht selbst Eigentümer der Sache ist, die Mietsache, die dem Schuldner nicht gehört, von dem Verwalter gemäß § 546 I BGB herausverlangen, wenn der Schuldner, und damit auch der Verwalter, nicht zum Besitz berechtigt ist. Der schuldrechtliche Aussonderungsanspruch besteht unabhängig davon, ob das Mietverhältnis vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden ist.405 Er besteht auf der Grundlage einer Leistungskondiktion auch bei Unwirksamkeit des Mietvertrages (Rn 121). Das gilt im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leasingnehmers auch für den Leasinggeber,406 der bewegliches Leasinggut unter Eigentumsvorbehalt erworben hat, sobald der Leasingvertrag beendet ist.407 Der Rückgabeanspruch des Vermieters umfasst als Aussonderungsanspruch nicht die Räumung des vermieteten Grundstücks bzw der Räume, also nicht die Entfernung von Sachen, die sich dort befinden.408 Denn die Aussonderung richtet sich im Umfang nach der Pflicht zur Störungsbeseitigung nach Maßgabe von § 985 BGB (Rn 15). Ggf kommt insoweit eine Aufwertung zur Masseverbindlichkeit nach § 108 I S 1 in Betracht, allerdings nur, soweit der Verwalter die Gegenstände auf das Grundstück verbracht hat.409 Entsprechendes gilt für den Verpächter410 und den Verleiher. Auch der Verpfänder kann aufgrund seines schuldrechtlichen Rückgabeanspruchs die Herausgabe verlangen. Die Forderungen müssen auf Rückgabe der verpachteten, verliehenen oder verpfändeten Sache nach Ablauf des Vertrags oder nach Erlöschen des Pfandrechts gerichtet sein. Einen schuldrechtlichen Aussonderungsanspruch hat auch RGZ 90, 218 ff; 116, 363, 367; KK/Hess InsO § 47 Rn 32; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 52. MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 26. Zur materiell-rechtlichen Konkurrenzfrage J F Hoffmann Zession und Rechtszuweisung (2012), S 73. Vgl auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 62. BGHZ 127, 156, 160 = NJW 1994, 3232 mN; OLG Celle ZInsO 2003, 948; Scherer DZWIR 2002, 184, 185; aA OLG Hamm ZIP 1992, 1563. 406 KK/Hess InsO § 47 Rn 348; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 33; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 17; Rattunde/Smid/Zeuner/ Smid InsO4 § 47 Rn 16; aA für das Finanzierungsleasing Häsemeyer InsR4 Rn 11.11: Absonderungsrecht des Leasinggebers. 407 Siehe Erl zu §§ 103, 108 und 109. 408 BGHZ 148, 252, 256 = NJW 2001, 2966 f; BGH NZI 2010, 901, Rn 8; BGH NJW 2019, 1877, Rn 36; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 465; Gerhardt ZZP 108 (1995), 390 ff; K Schmidt/Thole InsO19 § 47 Rn 62. 409 MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 110. 410 BGHZ 125, 270, 276 f = NJW 1994, 1858, 1859 f zur Vergleichsordnung.

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der Hinterleger gegen den Verwahrer auf Rückgabe der hinterlegten Sache oder der Geschäftsherr gegen den Geschäftsbesorger auf Herausgabe von Sachen, die er diesem zur Ausführung eines Auftrags, Dienst- oder Werkvertrags übergeben hatte (§§ 667, 675 I BGB), wie etwa Waren zum Verkauf oder zur Beförderung, Stoffe zur Bearbeitung, Werkzeuge. Nicht aber berechtigt zur Aussonderung der Anspruch aus der Geschäftsbesorgung auf Übertragung dessen, was aufgrund der Geschäftsbesorgung in das Vermögen des Geschäftsbesorgers geflossen ist (Rn 125). 123 Der schuldrechtliche Herausgabeanspruch kann auch dem Inhaber des Aussonderungsrechts zustehen, zB dem Eigentümer, der dem Schuldner die Sache vermietet hatte, wenn das Mietverhältnis beendet ist. Dingliche und schuldrechtliche Herausgabeansprüche können nebeneinander bestehen (zur Personenverschiedenheit siehe Rn 18).411 Die Klage kann sowohl mit Tatsachen begründet werden, die auf das Eigentum des Klägers schließen lassen, als auch mit solchen, die einen Rückgabeanspruch des Vermieters begründen (siehe Rn 166). Unterschiede bestehen hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast, möglicherweise auch hinsichtlich der Zuständigkeit. Der schuldrechtliche Anspruch auf eine aussonderungsfähige Sache scheitert nicht daran, 124 dass der spätere Insolvenzschuldner die ihm anvertraute Sache einem Dritten als Besitzmittler überlassen, zB vermietet, zur Verwahrung übergeben oder verpfändet hatte, also selber nur mittelbaren Besitz (§ 868 BGB) behalten hat. Der Insolvenzverwalter kann dem Aussonderungsverlangen nicht entgegenhalten, dass die Sache sich nicht in der Insolvenzmasse befinde. Auch wenn man schuldrechtliche Herausgabeansprüche als solche im Gegensatz zum Eigentumsherausgabeanspruch (Rn 37) nicht auf Abtretung des dem Insolvenzschuldner gegen seinen Besitzmittler zustehenden Herausgabeanspruchs richten wollte,412 eröffnet jedenfalls auch die kraft eines schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs erwirkte Verurteilung des Verwalters den Weg eines Zwangszugriffes auf den Herausgabeanspruch der Masse gegen den Besitzmittler (§ 886 ZPO).413 Ebenso wie ein abgetretener Anspruch kann der nach § 886 ZPO zur Einziehung überwiesene Anspruch dem Besitzmittler gegenüber nur so geltend gemacht werden, wie er dem Insolvenzschuldner zusteht, also zB nur gegen Erstattung einer dem Besitzmittler zustehenden Gegenleistung (§§ 273 I, 689 BGB). Der Aussondernde mag sich die als Insolvenzforderung, in Fällen des § 55 als Masseschuldanspruch verfolgbare Forderung des Besitzmittlers bei dessen Befriedigung abtreten lassen, soweit sie nicht schon von Rechts wegen auf ihn übergeht (§§ 268 III S 1, 1249 S 2 BGB). Darauf, dass der Verwalter die Sache einlöse, geht der Aussonderungsanspruch als solcher nicht. In wichtigen Fällen erstreckt das Gesetz durch ausdrückliche Vorschrift den schuldrechtlichen Herausgabeanspruch auch gegen den Besitzmittler des Schuldners. So kann der Vermieter oder Verleiher nach Ablauf des Hauptvertrags die Herausgabe der Sache unmittelbar auch von dem Dritten verlangen, dem der Mieter oder Entleiher sie zum Gebrauch überlassen hatte (§§ 546 II, 604 IV BGB). Der so erstreckte Herausgabeanspruch, der seine Grundlage im Hauptvertrag hat, wirkt auch im Insolvenzverfahren des Dritten als Aussonderung.414 Zur entsprechenden Anwendung auf die Verwahrung siehe Rn 135. 125 Schuldrechtliche Verschaffungsansprüche eines Gläubigers des Insolvenzschuldners an einem aussonderungsfähigen Gegenstand kann es nicht geben (Rn 16 f). Auf Verschaffung, dh auf Übertragung eines zur Zeit noch dem Schuldner gehörenden Gegenstandes an den Gläubiger gerichtet und dementsprechend nur als Insolvenzforderungen (§ 38) in Geld (§ 45) zu verfolgen sind namentlich die Ansprüche aus Kauf und Tausch (§§ 433 ff, 480 BGB), sofern nicht eine Masseschuld entsteht (§ 55 I Nr 2), weil der Verwalter den Vertrag erfüllen will (§ 103 I; zu Anwartschaftsrecht und Vormerkung siehe Rn 54 ff). Ferner berechtigt nicht zur Aussonderung der Anspruch aus der Geschäftsbesorgung auf Übertragung dessen, was aufgrund der Geschäftsbesorgung in das Vermögen des Geschäftsbesorgers geflossen ist, an den Geschäftsherrn (siehe auch Rn 156) und der Anspruch auf Rückerstattung eines Darlehens (§§ 488 I S 2, 607 I S 2 BGB). Auch die Ansprüche aus ungerecht411 412 413 414

BGHZ 127, 156, 160 = NJW 1994, 3232, dazu Eckert EWiR 1994, 1117 sowie Gerhardt ZZP 108 (1995), 390. So Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 124. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 344. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 345.

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Aussonderung

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fertigter Bereicherung (§§ 812 ff BGB) bilden, soweit nicht § 48 eine Ausnahme macht, bloße Verschaffungsansprüche. Sie werden daher, wenn über das Vermögen des Empfängers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, zu Insolvenzforderungen unabhängig davon, ob der von ihm ohne rechtlichen Grund erworbene Gegenstand noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist oder nicht. Findet aber der rechtsgrundlose Erwerb erst zugunsten der Insolvenzmasse statt, ist der Bereicherungsanspruch Masseforderung nach § 55 I Nr 3. Ist der Eigentumserwerb des Schuldners nicht nur rechtsgrundlos, sondern von vornherein nichtig gewesen oder durch Anfechtung der Übereignung rückwirkend vernichtet worden (§ 142 I BGB), so gehört der Gegenstand noch dem Veräußerer, der ihn deshalb aussondern kann. Verschaffungsanspruch ist auch der Anspruch aus unerlaubter Handlung, wenn er auf Übereignung, etwa einer betrügerisch erworbenen Sache (§§ 823 II BGB 263 I StGB), oder auf Geldersatz gerichtet ist. Das gilt grundsätzlich auch für den Anspruch auf Naturalrestitution. Ist diese aber durch Leistung einer bestimmten Sache zu bewirken, die dem Schuldner nicht gehört, kann der Deliktsgläubiger die Sache aussondern. Das ist zB der Fall, wenn die vom Insolvenzschuldner gestohlene Sache im Wege der Naturalrestitution herausverlangt wird. Das ist zwar von geringer praktischer Bedeutung, wenn der Deliktsgläubiger mit einem dinglichen Anspruch die Sache herausverlangen kann, weil er Eigentümer415 oder Inhaber eines sonstigen, durch § 823 I BGB geschützten dinglichen Rechts ist. Es kann jedoch einem kraft schuldrechtlicher Beziehung zum Eigentümer berechtigten Besitzer helfen, der durch § 823 I BGB geschützt ist,416 etwa einem Mieter, der vom Insolvenzverwalter die Wiedereinräumung des ihm rechtswidrig entzogenen Besitzes an der nicht zur Masse gehörenden Sache verlangt. Schuldrechtliche Unterlassungsansprüche, die der Schuldner begründet hat und die sich auf Gegenstände der Masse beziehen, haben keine Aussonderungskraft.417 So etwa die Verpflichtung, über bestimmte Gegenstände nicht oder in bestimmter Weise nicht zu verfügen (sog Negativerklärung).418 Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen sind „Nachlassverbindlichkeiten“ (§ 1967 II BGB), also schuldrechtliche Verpflichtungen. Sie sind auf Verschaffung gerichtet. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verpflichteten (Beschwerten) sind die Ansprüche bloße Insolvenzforderungen, im Nachlassinsolvenzverfahren nur mit Nachrang gegenüber den Insolvenzgläubigern einschließlich der in § 39 genannten „nachrangigen“ Insolvenzgläubiger (§ 327 I). Zu unterscheiden von dem schuldrechtlichen Anspruch auf Herausgabe einer dem Gläubiger 126 nicht gehörenden Sache ist der Fall, dass der Aussondernde ein Forderungsrecht ausschließlich für sich in Anspruch nimmt, das nach Behauptung des Verwalters dem Insolvenzschuldner zusteht. Der Aussondernde macht hier ein eigenes Aussonderungsrecht geltend, weil er die Forderung als eigene gegen die Anmaßung des Verwalters verteidigt und geltend macht, dass sie nicht zum Vermögen des Schuldners gehört (Rn 25, 87). Das ist auch dann der Fall, wenn die Forderung durch einen echten Vertrag zugunsten des Aussondernden begründet worden ist.419 Aussonderungsberechtigt ist auch derjenige, der mit dem Insolvenzschuldner gemeinschaftlicher Inhaber einer Forderung ist. Sein Anteil gehört nicht zur Insolvenzmasse. Das gilt auch für ein Und-Konto, über das die Kontoinhaber nur gemeinsam verfügen können, sowohl wenn es sich um eine Gesamthand handelt als auch bei einer Bruchteilsgemeinschaft.420 § 432 BGB ist nicht anwendbar. Die Auseinandersetzung findet außerhalb des Insolvenzverfahrens statt (§ 84 I S 1). Beim „Oder-Konto“ wird die Verfügungsbefugnis des nicht im Insolvenzverfahren Befindlichen durch die Verfahrenseröffnung über das Vermögen des anderen nicht berührt.421 Nach § 430 BGB, der auf „Oder-Konten“ – nicht aber auf

415 416 417 418 419 420 421 485

Zur materiell-rechtlichen Konkurrenzfrage J F Hoffmann Zession und Rechtszuweisung (2012), S 71 f. MünchKomm/Wagner BGB8 § 823 Rn 324. BGHZ 155, 371 = NJW 2003, 3060. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 353. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 216. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 117; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 407. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 117; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 406. Hoffmann

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

„Oder-Depots“ – anwendbar ist,422 sind beide zu gleichen Teilen berechtigt, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. 127 Aussonderungsberechtigt hinsichtlich der ihm abgetretenen Forderung ist auch der Factor im Insolvenzverfahren des Anschlusskunden, wenn es sich um ein echtes Factoring handelt.423 Hier hat der Kunde die Forderung aufgrund eines Kaufvertrages endgültig und nicht nur zur Sicherheit dem Factor übertragen. Dass mit dem Ankauf der Forderung eine Vorfinanzierung verbunden ist, wirtschaftlich also von einem Kreditgeschäft gesprochen werden kann, ändert daran nichts. Rechtlich handelt es sich um die Leistung einer Forderung gegen eine Gutschrift, also um ein Austauschgeschäft. Wer eine erst künftig zu realisierende Forderung kauft, wird durch die Zession unbeschränkter Inhaber, mag der Kaufpreis auch unter Berücksichtigung der Vorfinanzierung und des Bonitätsrisikos berechnet worden sein. Folglich hat die Forderungszession keine Sicherungsfunktion. Der Factor ist nicht treuhänderischer Gläubiger. Während über dieses Ergebnis weitgehend Einigkeit besteht, ist für das unechte Factoring nach wie vor umstritten, ob der Factor im Insolvenzverfahren des Anschlusskunden aussonderungs- oder absonderungsberechtigt ist. Gegenüber der Rechtslage nach der Konkursordnung hat der Streit erheblich an Bedeutung gewonnen, weil der Verwalter eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einziehen und verwerten kann (§ 166 II) und der Zessionar den Kostenabzug des § 170 I S 1 hinnehmen muss. Einigkeit dürfte nur insoweit bestehen, als dem Factor auch nicht bevorschusste Forderungen zur Sicherheit für seine Ansprüche aus dem Factoringvertrag abgetreten worden sind. Hinsichtlich dieser Forderungen ist er nur absonderungsberechtigt. Der Streit kann sich deshalb nur auf bevorschusste Forderungen beziehen. Ganz überwiegend wird das unechte Factoring als atypisches Darlehensgeschäft eingeordnet.424 Atypisch deshalb, weil der Anschlusskunde nicht primärer Schuldner einer Darlehensforderung des Factors ist, dieser sich vielmehr aus der abgetretenen Forderung Befriedigung verschafft und primär verschaffen muss und den Anschlusskunden nur rückbelasten darf, wenn er vom Schuldner der abgetretenen Forderung nichts bekommt. Deshalb bereitet die rechtliche Konstruktion einer Sicherungsabtretung Schwierigkeiten. Die abgetretene Forderung kann nicht den Anspruch des Factors gegen den Anschlusskunden sichern. Denn diese besteht nur, soweit die abgetretene Forderung wertlos ist. Darauf gründet sich die Ansicht, der Factor sei kein Sicherungszessionar, der nur abgesonderte Befriedigung verlangen könne. Er habe vielmehr ein Aussonderungsrecht.425 Begründung und Ergebnis befriedigen jedoch nicht, weil die aus der Konstruktion abgeleitete Konsequenz der wirtschaftlichen Bedeutung des unechten Factorings nicht gerecht wird. Die hM426 gibt dem Factor beim unechten Factoring nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Für sie spricht, dass die Unterschiede, die gegenüber einer Sicherungszession bestehen, nicht schon den Schluss zulassen, das unechte Factoring sei wie das echte zu behandeln. Denn es unterscheidet sich auch von diesem. Da eine gesetzliche Spezialregelung des Factorings fehlt und jedenfalls das unechte Factoring keinem gesetzlich geregelten oder durch Rechtsprechung geprägten Rechtsinstitut entspricht, liegt eine Gesetzeslücke vor, die nur durch Analogie geschlossen werden kann. Deshalb genügt die Ähnlichkeit mit einer 422 BGH NJW 1997, 1434 f; LG Hannover WM 1972, 638; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 13c. 423 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 62; Baur/Stürner ZwVR12 Bd II Rn 14.11; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 57; Brink ZIP 1987, 817, 820; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 51; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 265; Hess/ Kropshofer KO5 43 Rn 63; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 35; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 11c; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 15; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 70 VIII 2 S 847; Sinz Kölner Schrift3 Kap 14 Rn 107; aA Häsemeyer InsR4 Rn 18.50. 424 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 43 Rn 100; Staudinger/Beckmann BGB (2013) Vorbem zu §§ 433 ff Rn 259; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 259; Staub/Renner HGB5 Bankvertragsrecht 2. Teilband 4. Teil Rn 446; MünchKomm/ Kieninger BGB9 § 398 Rn 158; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 70 VIII 2 S 847. 425 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 23 Rn 20e; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 70 VIII 2 S 847; Sinz Kölner Schrift3 Kap 14 Rn 109; ders Factoring in der Insolvenz (1997), Rn 194. 426 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 65; Baur/Stürner ZwVR12 Bd II Rn 14.11; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 52; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 266; Häsemeyer InsR4 Rn 18.50; Hess/Kropshofer KOs 43 Rn 63; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 36; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 11c; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 15. Hoffmann

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Aussonderung

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Mobiliarsicherheit, um die Aussonderung auszuschließen und dem Factor nur das Recht zur abgesonderten Befriedigung zu geben, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Anschlusskunden eröffnet worden ist. Die Ähnlichkeit kann zunächst darin gesehen werden, dass der Vertragsinhalt der gesetzlichen Regelung des § 52 S 2 entspricht. Der Factor kann den Anschlusskunden nur wegen seines Ausfalls mit der abgetretenen Forderung in Anspruch nehmen.427 Die von der Gegenansicht im Fall der Insolvenz sowohl des Anschlusskunden als auch des Schuldners der abgetretenen Forderung befürwortete Anwendung des § 68 KO,428 jetzt § 43, steht im Widerspruch zum Vertragsinhalt, der den Factor verpflichtet, zunächst den Schuldner der abgetretenen Forderung in Anspruch zu nehmen. Geht man von dem auch von der Gegenansicht geteilten Verständnis des unechten Factorings als Kreditgeschäft aus, zeigt sich ein entscheidungserheblicher Unterschied zum echten Factoring. Bei diesem ist die Gutschrift, die der Factor dem Anschlusskunden erteilt, die Gegenleistung für die angekaufte Forderung. Beim unechten Factoring dagegen wird mit der Gutschrift Kredit gewährt. Da der Factor den Kredit nicht ohne Sicherheit geben würde, kann seine Sicherheit nach der Vertragsgestaltung nur in der abgetretenen Forderung bestehen. Mit ihrer Einziehung macht er sich für seine Kreditforderung bezahlt. Die Ähnlichkeit zu anderen Sicherungszessionen rechtfertigt deshalb die Anwendung der §§ 51 Nr 1, 52, 166 II, 167 II, 168, 169, 170, 171.

b) Verwahrung von Wertpapieren. Für die Verwahrung von Wertpapieren sind die besonderen Vorschriften des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (DepotG) zu beachten. Die Übergabe echter Wertpapiere an einen Kaufmann oder eine Bank zur Verwahrung bietet keine Besonderheit, wenn der Hinterleger dem Verwahrer ein verschlossenes Paket mit einem oder mehreren Papieren übergibt (verschlossenes Depot). Auf eine solche Verwahrung findet das DepotG keine Anwendung. Der Hinterleger ist aussonderungsberechtigt.429 Hat der Hinterleger mit dem Verwahrer vereinbart, dass die übergebenen Stücke sofort in das Eigentum des Verwahrers oder eines Dritten übergehen sollen und hat der Verwahrer sich nur verpflichtet, Papiere derselben Art und Menge zurückzugewähren, so kann kein Aussonderungsrecht bestehen, sondern nur eine Insolvenzforderung auf Verschaffung (unregelmäßige Verwahrung).430 Die Vorschriften des ersten Abschnitts des DepotG finden keine Anwendung (§ 15 I DepotG). Das Gleiche gilt, wenn Wertpapiere einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes als Darlehen gewährt werden (§ 15 III DepotG). Auch wenn der Hinterleger den Verwahrer ermächtigt, im Laufe der Verwahrung sich die übergebenen Wertpapiere anzueignen oder sie an einen Dritten zu übertragen, besteht, falls der Verwahrer von der Ermächtigung Gebrauch macht, kein Aussonderungsrecht des Hinterlegers im Insolvenzverfahren des Verwahrers, sondern nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung gleichartiger Wertpapiere (§ 13 I S 1 DepotG) als bloße Insolvenzforderung (§ 38), die in Geld umzurechnen ist (§ 45).431 Der erste Abschnitt des DepotG ist auch in diesem Fall nicht anwendbar (§ 13 II DepotG). Ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keine Aneignung erfolgt, so hat der Hinterleger den Aussonderungsanspruch an den hinterlegten Papieren, weil diese noch nicht zur Insolvenzmasse gehören. Der Insolvenzverwalter ist nicht berechtigt, das Aneignungsoder Veräußerungsrecht weiterhin auszuüben und damit den Aussonderungsanspruch zu vernichten.432 Verfügt er über die Papiere, hat der Hinterleger den Ersatzaussonderungsanspruch nach § 48, solange die Gegenleistung aussteht oder in der Masse noch unterscheidbar vorhanden ist. Hat 427 428 429 430 431 432 487

MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 267. Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 70 VIII 2 S 848. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 410. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 415. Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 28; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 416. Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2210; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 416. Hoffmann

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der Verwalter die Gegenleistung eingezogen und der Masse ununterscheidbar einverleibt, besteht für den Hinterleger ein Masseschuldanspruch nach § 55 I Nr 1. Entsprechendes gilt, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (§ 22 I S 1), die Papiere unbefugt veräußert hat (§ 55 II S 1). Hat der Verwahrer vor der Verfahrenseröffnung von der Verfügungsermächtigung Gebrauch gemacht, so hat er berechtigt verfügt. Deshalb hat der Hinterleger kein Ersatzaussonderungsrecht (siehe zu § 48 Rn 45 ff).433 Das DepotG ist anwendbar auf Kapitalmarktpapiere434 iSv § 1 I DepotG. Folgende Formen der Verwahrung sind zu unterscheiden: die Sonderverwahrung, die Sammelverwahrung, die Verwahrung mit Sammelurkunde, die Tauschverwahrung, die unregelmäßige Verwahrung und die Drittverwahrung, letztere als Girosammelverwahrung die häufigste und billigste Verwahrungsart. Wertpapiere, die nicht zur Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank (§ 1 III DepotG) zugelassen sind oder deren gesonderte Verwahrung vom Hinterleger verlangt wird, hat der Verwahrer getrennt von den Beständen Dritter und von seinen eigenen Papieren aufzubewahren unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers (Sonderverwahrung, § 2 DepotG). Die Eigentumslage bleibt unberührt. Die Papiere gehören nicht der verwahrenden Bank und sind deshalb aussonderungsfähig. Der Hinterleger kann im Insolvenzverfahren des Verwahrers die Papiere aufgrund seines schuldrechtlichen Anspruchs aussondern. Ein Recht zum Besitz steht der Bank nicht zu, da der Kunde nach § 695 S 1 BGB jederzeit die Rückgabe der Papiere verlangen kann. Ist dieses Recht vertraglich ausgeschlossen, gibt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bank dem Kunden regelmäßig das Recht zur fristlosen Kündigung des Verwahrungsvertrages.435 Bei der Tauschverwahrung ist der Verwahrer vom Hinterleger ermächtigt, anstelle der zur Verwahrung übergebenen Papiere andere derselben Art und Menge zurückzugewähren. Der Austausch kann, falls dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, schon vor der Rückgewähr während der Verwahrung erfolgen (§§ 10, 11 S 1 DepotG). Die Ermächtigung zum Austausch der Papiere bewirkt nicht, dass schon mit der Übergabe an den Verwahrer das Eigentum auf ihn übergeht (§ 11 S 2 DepotG). Die Ermächtigung muss ausdrücklich und schriftlich erfolgen für jedes einzelne Verwahrungsgeschäft. Der Hinterleger hat bei dieser Tauschverwahrung einen Aussonderungsanspruch entweder an den ursprünglich hinterlegten Papieren, wenn sie noch in der Verwahrung geblieben und nicht ausgetauscht sind oder an denen, die als Ersatz für die übergebenen in Verwahrung genommen sind. Die Ermächtigung zum Tausch gestattet der Bank die Aneignung der Papiere oder die Verfügung darüber nur, wenn diese zugleich das Eigentum an anderen Papieren derselben Art auf den Kunden überträgt.436 Geschieht das, kann der Kunde diese Papiere aussondern. Geschieht es nicht, bleibt der Kunde Eigentümer der zur Verwahrung gegebenen Papiere, die er aussondern kann, wenn sie sich noch bei der Bank befinden. Andernfalls kommt ein Ersatzaussonderungsrecht unter den Voraussetzungen des § 48 in Betracht. Außerdem hat der Hinterleger das Vorrecht des § 32 DepotG (Rn 139). Der Insolvenzverwalter wird dem Aussonderungsanspruch auch dadurch gerecht, dass er andere Stücke derselben Art und Menge aushändigt. Fehlt es an der Umtauschermächtigung oder an der vorgeschriebenen Form, so besteht der Aussonderungsanspruch an den Stücken gleicher Art, die der Verwahrer für den Hinterleger in Verwahrung genommen hat, denn hier hat der Verwahrer das Eigentum für den Hinterleger nach §§ 930, 181 BGB erworben. Nach § 3 I S 1 DepotG ist der Verwahrer berechtigt, die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer zur Verwahrung anzuvertrauen (Drittverwahrung). Das Eigentum an den Papieren wird durch die Weitergabe an den Drittverwahrer nicht berührt.437 Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Drittverwahrers eröffnet, kann der Hinterleger 433 434 435 436 437

MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 416. Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 1810 ff. Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2206; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 416. Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2136; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 414. Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2159; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 417 ff.

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Aussonderung

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die Papiere aussondern, wenn er Eigentümer der Papiere oder vom Eigentümer dazu ermächtigt ist. Der Drittverwahrer hat kein eigenes Recht zum Besitz, da der Zwischenverwahrer von ihm jederzeit die Papiere zurückverlangen kann. Auch der Zwischenverwahrer, der mittelbarer Besitzer ist, hat kein Besitzrecht, auf das sich der Dritterwerber nach § 986 I S 1 Alt 2 BGB berufen könnte, weil der Hinterleger von dem Zwischenerwerber jederzeit die Rückgabe der Papiere verlangen kann. Ist dieses Recht ausgeschlossen, kann der Hinterleger den Verwahrungsvertrag mit dem Zwischenverwahrer kündigen, wenn dieser die Papiere nicht von dem Insolvenzschuldner bzw dem Insolvenzverwalter zurückholt, wozu er dem Ersthinterleger gegenüber vertraglich verpflichtet und dem Insolvenzverwalter aufgrund seines Rückgabeanspruchs aus dem Verwahrungsvertrag mit diesem berechtigt ist. Der Ersthinterleger kann auch auf schuldrechtlicher Basis die Herausgabe der Papiere von dem Drittverwahrer verlangen. Obwohl der Zwischenverwahrer mit dem Drittverwahrer im eigenen Namen kontrahiert hat, kann der Ersthinterleger den Drittverwahrer unmittelbar in Anspruch nehmen. Grundlage ist die analoge Anwendung der §§ 546 II und 604 IV BGB auf den Verwahrungsvertrag.438 Die Voraussetzung der Beendigung des Erstverwahrungsvertrages ist dadurch gegeben, dass der Ersthinterleger regelmäßig jederzeit die Rückgabe der Papiere verlangen kann. Ist über das Vermögen des Zwischenverwahrers das Insolvenzverfahren eröffnet, hat der Hinterleger ebenfalls den Aussonderungsanspruch, und zwar in Form des Anspruchs auf Abtretung des Anspruchs des Zwischenverwahrers gegen den Drittverwahrer. Gesetzlicher Regelfall für die dafür zugelassenen Wertpapiere ist die Sammelverwahrung 136 (§§ 5 ff DepotG). Die Bank ist nach § 5 I S 1 DepotG berechtigt, die Papiere einer Wertpapiersammelbank anzuvertrauen, es sei denn, der Hinterleger hat die gesonderte Aufbewahrung verlangt. Anstelle der Sammelverwahrung durch die Wertpapiersammelbank darf der Verwahrer die Wertpapiere ungetrennt von seinen Beständen derselben Art oder von solchen Dritter selbst aufbewahren oder einem Dritten zur Sammelverwahrung anvertrauen, wenn der Hinterleger ihn dazu ausdrücklich und schriftlich ermächtigt hat (§ 5 I S 2 DepotG).439 Die Ermächtigung darf weder in Geschäftsbedingungen enthalten sein, noch auf andere Urkunden verweisen (§ 5 I S 3 DepotG). Diese Form ist nur unter den Voraussetzungen des § 16 DepotG entbehrlich. Durch die Sammelverwahrung entsteht mit dem Zeitpunkt des Eingangs der Papiere beim 137 Sammelverwahrer für die bisherigen Eigentümer Miteigentum nach Bruchteilen440 an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Papieren derselben Art (§ 6 I S 1 DepotG). Es handelt sich um einen Erwerbstatbestand sui generis, der nur die Tatsache des Eingangs der Papiere voraussetzt.441 Die Vorschriften des BGB über die Gemeinschaft (§§ 741–758) werden weitgehend durch die §§ 6–8 DepotG verdrängt.442 Der Sammelverwahrer ist aber auch berechtigt, statt der Aufnahme in den Sammelbestand dem Hinterleger einen dinglichen Sammelbestandanteil zu übertragen (§ 5 II DepotG). Das Eigentum am eingelieferten Stück geht dann auf die Bank über.443 Ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten (Sammelurkunde), hat der Verwahrer grundsätzlich einer Wertpapiersammelbank zu übergeben. Das gilt nicht, wenn der Hinterleger die gesonderte Aufbewahrung verlangt (§ 9a I S 1 DepotG). Kraft der Verweisung des § 9a II auf § 6 DepotG werden die bisherigen Inhaber der verbrieften Rechte Miteigentümer der Sammelurkunde. Wird über das Vermögen des Sammelverwahrers das Insolvenzverfahren eröffnet, so 138 hat der Hinterleger ein Aussonderungsrecht aufgrund seines Miteigentums nach Maßgabe des 438 Staudinger/Bieder BGB (2020) § 691 Rn 8; Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2163; MünchKomm/ Ganter InsO4 § 47 Rn 418. 439 Zur Sammelverwahrung durch ausländische Verwahrer: § 5 IV DepotG, dazu Kümpel WM 1985, 1381 ff. 440 Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2116; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 46, 420; aA SchulzeOsterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung (1972), S 147 ff, der Gesamthandseigentum annimmt. 441 Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2104. 442 Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2115 ff. 443 Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2109 f; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 420. 489

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

§ 8 DepotG sowie den persönlichen Auslieferungsanspruch aufgrund des Verwahrungsvertrags (§ 7 I DepotG). Hat der Verwahrer den Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank übertragen, sondert der Hinterleger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der erstverwahrenden Bank in der Weise aus, dass er vom Insolvenzverwalter die Abtretung des Anspruchs der Insolvenzschuldnerin gegen die Wertpapiersammelbank verlangt. 139 Der Hinterleger ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verwahrers aber auch dann geschützt, wenn sein Eigentum oder Miteigentum an Wertpapieren durch eine rechtswidrige Verfügung des Verwahrers oder seiner Leute verletzt worden ist, sofern er seinerseits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Verpflichtungen aus dem Verwahrungsgeschäft über diese Wertpapiere dem Schuldner gegenüber vollständig erfüllt hat oder die Rückstände zehn Prozent nicht überschreiten und nach Aufforderung des Insolvenzverwalters binnen einer Woche vollständig erfüllt werden (§ 32 I Nr 2 und 3 DepotG). Er hat dann ein Vorrecht, vor den Forderungen aller anderen Insolvenzgläubiger aus einer Sondermasse befriedigt zu werden. Diese besteht aus den in der Masse vorhandenen Wertpapieren derselben Art und aus den Ansprüchen auf Lieferung solcher Wertpapiere (§ 32 III S 1 DepotG). Die vorrangigen Forderungen – dazu gehören auch die der in § 32 I Nr 1 und Nr 3 DepotG genannten Einkaufskommittenten sowie der in § 32 I Nr 2 und Nr 3 DepotG genannten Verpfänder und Kommittenten444 – werden durch die Lieferung der vorhandenen Wertpapiere beglichen, soweit diese nach dem Verhältnis der Forderungsbeträge an alle vorrangigen Gläubiger verteilt werden können (§ 32 III S 2 DepotG). Soweit eine solche Verteilung nicht möglich ist, wird der volle Erlös der nichtverteilten Wertpapiere unter den vorrangigen Gläubigern im Verhältnis ihrer Forderungsbeträge verteilt (§ 32 III S 3 DepotG). Aus dem sonstigen Vermögen des Schuldners können die bevorrechtigten Gläubiger nur unter entsprechender Anwendung der §§ 52, 190 und 192 Befriedigung verlangen (§ 32 IV S 2 DepotG). 140 Ein ähnliches Vorrecht gibt § 33 I DepotG dem Hinterleger, der den Verwahrer zur regelmäßigen (§ 12 II DepotG) oder zur uneingeschränkten (§ 12 IV DepotG) Verpfändung oder zur Verfügung (§ 13 I DepotG) ermächtigt hat, wenn über das Vermögen des Verwahrers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und der Pfandgläubiger die ihm vom Verwahrer berechtigt verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile ganz oder zum Teil zu seiner Befriedigung verwertet hat. Unter den beteiligten Hinterlegern findet ein Ausgleichsverfahren statt, in dem sie aus einer Sondermasse befriedigt werden.445

141 c) Lagergeschäft. Der Lagerhalter erwirbt auch durch befugte Vermischung eingelagerter vertretbarer Sachen mit anderen Sachen gleicher Art und Güte (§ 469 I HGB) nicht das Eigentum. Vielmehr entsteht Miteigentum446 der Einlagerer am Gesamtvorrat und dementsprechend für jeden Einlagerer ein Anteilsaussonderungsrecht (§ 469 II HGB, §§ 94 ff BGB).447 Das Miteigentum der Einlagerer, die mit einer Sammellagerung einverstanden sind, entsteht schon mit der Einlagerung, nicht erst mit der Vermischung. Für die Teilung des Miteigentums gilt die Sonderregel, dass der Lagerhalter bzw sein Insolvenzverwalter jedem Einlagerer den ihm gebührenden Teil des Gesamtvorrats ohne Genehmigung der übrigen Beteiligten ausliefern darf (§ 469 III HGB). Obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich hervorgehoben, hat jeder Einlagerer auch einen Anspruch auf die Auslieferung des ihm gebührenden Teils gegen den Lagerhalter, im Insolvenzverfahren gegen den Insolvenzverwalter.448 Jedoch kann der Lagerhalter dem Anspruch sein Pfandrecht (§ 475b HGB) entgegensetzen. Bei nicht berechtigter Vermischung entsteht durch diese Miteigentum nach §§ 948 I, 947 I BGB. 444 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 90; Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2076 ff. 445 Einzelheiten bei Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2212 ff. 446 MünchKomm/Hesse HGB4 § 469 Rn 21; aA Schulze-Osterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung (1972), S 150 ff: Gesamthandseigentum. 447 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 46; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Heublein HGB4 § 469 Rn 31. 448 MünchKomm/Hesse HGB4 § 469 Rn 14. Hoffmann

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Aussonderung

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16. Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz Kein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Insolvenzschuldner ist der Anspruch auf Rückübertra- 142 gung des § 3 I S 1 VermG. Zwar spricht § 3 I S 2 VermG von einem „Anspruch auf Rückübertragung“, der abgetreten, verpfändet oder gepfändet werden kann. Dennoch besteht kein privatrechtlicher Anspruch des „Berechtigten“ (§ 2 I S 1 VermG) gegen den „Verfügungsberechtigten“ (§ 2 III S 1 VermG). Der Berechtigte ist deshalb im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verfügungsberechtigten nicht Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Rückübertragung ist ein öffentlich-rechtlicher,449 der nach § 30 I S 1 VermG mit einem Antrag bei der zuständigen Behörde geltend zu machen ist. Erst mit der Unanfechtbarkeit der stattgebenden Entscheidung der Behörde wird der Berechtigte Eigentümer der rückzuübertragenden Sachen und Inhaber der zurückzuübertragenden sonstigen Rechte (§ 34 I S 1 Nr 1 VermG). Die Vorschriften des BGB über die Übertragung von Rechten (§§ 398 ff, 873, 925, 929 ff BGB) sind nicht anwendbar. Die Rückübertragung wird nach § 3b I S 1 VermG durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verfügungsberechtigten nicht ausgeschlossen, sofern nicht ein Unternehmen Gegenstand des Rückübertragungsanspruchs ist (§ 3b I S 2 VermG).450 Mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung erwirbt der Berechtigte das Aussonderungsrecht. Der Anspruch auf Rückübertragung geht also allen Ansprüchen der Gläubiger des Verfügungsberechtigten vor. Ihnen haften die Rückgabeobjekte nicht. Die Rückgabe eines Unternehmens ist nach § 4 I S 2 VermG ausgeschlossen, wenn und so- 143 weit der Geschäftsbetrieb eingestellt worden ist und die tatsächlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung fehlen. Das trifft für alle Fälle zu, in denen das Insolvenzverfahren zur Liquidation des Unternehmens führt. Jedoch bleibt dem Berechtigten nach § 6 VIa S 1 VermG der Anspruch auf Rückgabe der einzelnen Gegenstände, die sich im Zeitpunkt der Schädigung in seinem Eigentum befanden oder an deren Stelle getreten sind. Insoweit ist er aussonderungsberechtigt.451 Er wird durch das Insolvenzverfahren nicht berührt.452 Die Forderungen der Gläubiger des Verfügungsberechtigten sind aber nach Maßgabe des § 6 VIa S 2 VermG zu berücksichtigen.453 Verwertet der Insolvenzverwalter einzelne der Rückübertragung unterliegende Gegenstände, kann der Berechtigte nach Maßgabe des § 6 VIa S 6 VermG Zahlung des Verkehrswertes unter Abzug der Schulden gemäß § 6 VIa S 2 VermG verlangen.454

17. Rückübertragung nach § 25 I DMBilG Nach § 25 V S 1 DMBilG kann die Treuhandanstalt, ab 1.1.1995 die Bundesanstalt für vereinigungs- 144 bedingte Sonderaufgaben,455 die Herausgabe von Beteiligungen oder Grund und Boden verlangen, die unentgeltlich auf ein Unternehmen übergegangen sind, wenn sich die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Unternehmens ergibt oder wenn die Auflösung des Unternehmens beschlossen wird. Der Anspruch der Bundesanstalt besteht nur, wenn das Unternehmen von Anfang an sanierungsunfähig war. Ein privatisiertes Unternehmen, das zunächst erfolgreich gewirt-

449 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 436a. 450 BVerwG VIZ 1996, 35; BVerwG VIZ 1996, 210; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 436a; krit zu § 3b VermG Marotzke ZIP 1993, 885, 895 f. BVerwG VIZ 2001, 96, dazu Nolting EWiR 2001, 399. OLG Hamburg VIZ 1994, 481, 482 f. Eckardt ZIP 1995, 1397, 1399. Wasmuth in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, B 100, § 3b VermG Rn 36. Verordnung über die Umbenennung und Anpassung von Zuständigkeiten der Treuhandanstalt vom 20.12.1994 (BGBl I S 3913, geändert durch Art 7 II GrundRÄndG vom 2.11.2000 (BGBl I S 1481) § 1.

451 452 453 454 455

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schaftet hat, ist bei späterer Insolvenz dem Anspruch nicht ausgesetzt.456 Der Herausgabeanspruch erfasst nicht die auf dem Grund und Boden stehenden Gebäude, auch wenn diese wesentliche Bestandteile des Grundstücks (§ 94 I S 1 BGB) sind.457 Der Anspruch ist als insolvenzfester dinglicher zu verstehen. Die Bundesanstalt kann deshalb die genannten Gegenstände aussondern.458 Neugläubiger, die dem Unternehmen Kredit gewährt haben, werden durch § 25 V S 2 DMBilG geschützt. Soweit sie wegen ihrer nach dem 1.7.1990 entstandenen Ansprüche durch die Aussonderung der Vermögensgegenstände benachteiligt werden, weil ihnen Vermögen entzogen wird, das ihnen haftete, haben sie einen Anspruch gegen die Treuhandanstalt bis zur Höhe des Verkehrswerts der übertragenen Vermögensgegenstände. Im Falle der Eröffnung eines Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahrens kann dieser Anspruch nur vom Verwalter geltend gemacht werden. Auf diese Weise wird die Gleichbehandlung der betroffenen Gläubiger gesichert – ähnlich wie in § 93. Mit der Anordnung des Schadensausgleichs hat der Gesetzgeber die Aussonderungskraft des § 25 I S 1 DMBilG bestätigt. Denn der Schadensausgleich setzt voraus, dass den Gläubigern Haftungsobjekte entzogen worden sind.459

18. Verträge für fremde Rechnung 145 a) Kommissionsgeschäft. Der Kommissionär kauft oder verkauft Waren oder Wertpapiere im eigenen Namen für Rechnung eines anderen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommissionärs birgt für den Kommittenten Gefahren, wenn ein Kommissionsgeschäft noch nicht voll abgewickelt ist. Hat der Kommittent dem Kommissionär für ein Einkaufsgeschäft Aufwendungsvorschuss geleistet, wozu er nach §§ 675 I, 669 BGB auf Verlangen des Kommissionärs verpflichtet ist,460 läuft er Gefahr, den Vorschuss zu verlieren. Wird das Geschäft nicht ausgeführt, weil der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung des Vertrages mit dem Kommittenten wählt (§ 103 II), ist dessen Rückforderungsanspruch (§ 667 BGB) eine Insolvenzforderung. Hat der Kommissionär den Kaufvertrag mit dem Dritten bereits abgeschlossen, steht ihm als im eigenen Namen handelndem Käufer der Anspruch auf Übereignung und Übergabe der Ware zu. Ein Anspruch des Kommittenten auf Abtretung der Ansprüche aus dem Kaufvertrag des Kommissionärs oder auf Übertragung des Eigentums und Übergabe der Ware (§ 667 BGB) ist ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch, der als solcher kein Aussonderungsrecht begründet. Dem Kommittenten dennoch durch ein Aussonderungsrecht Schutz zu gewähren, ist der Zweck des § 392 II HGB.461 Bei der Verkaufskommission läuft der Kommittent Gefahr, dass die Kaufpreisforderung, die in der Hand des Kommissionärs entsteht, in dessen Vermögen Massebestandteil wird. Auch vor dieser Gefahr soll § 392 II HGB schützen.462 In § 392 II HGB hat der Treuhandgedanke eine spezialgesetzliche Regelung erfahren.463 Ver146 gleichbare Regelungen sehen § 422 II HGB für das Frachtgeschäft zugunsten des Absenders und § 457 S 2 HGB für das Speditionsgeschäft zugunsten des Versenders vor. Die Regelungen im HGB, die der schuldrechtlichen Innenabrede insoweit absolute Wirkungen zusprechen, werden verbreitet damit gerechtfertigt, dass die Interessen des Verkehrs dadurch gewahrt seien, dass dieser typischerweise vom Vorliegen entsprechender Absprachen auszugehen habe.464 Mit dem Topos MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 432. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 434. BGHZ 155, 227, 238 = NJW 2003, 3414, 3417; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 430 mN. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 431. Staudinger/Martinek/Omlor BGB (2017) § 669 Rn 4. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 288. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 296, 299. So auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 288. Siehe Protokolle bei Mugdan II, S 950: „Bei dem gewerbsmäßigen Kommissionär wisse jeder, daß er vielfach fremdes Vermögen in Händen habe“.

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einer „Offenkundigkeit kraft Gewerbes“465 bewegt man sich jedenfalls im Ansatz argumentativ wieder innerhalb der Treuhandtopoi (Rn 70 ff). § 392 II HGB erweitert das Aussonderungsrecht zugunsten des Kommittenten. Forderungen 147 aus einem vom Kommissionär abgeschlossenen Geschäft gelten danach im Verhältnis zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern, schon bevor sie an den Kommittenten abgetreten sind, als Forderungen des Kommittenten. Bei der Einkaufskommission sind das die Ansprüche auf Übergabe der Ware und auf Eigentumsverschaffung, Ansprüche wegen eines Rechts- oder Sachmangels (§§ 433, 435, 434, 437 BGB), auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (§§ 280, 281, 286, 287 BGB), bei der Verkaufskommission der Kaufpreisanspruch sowie Ansprüche auf Zinsen und Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (§§ 280, 281, 286, 287 BGB). Weil die Forderungen im Verhältnis zu den Gläubigern des Kommissionärs als Forderungen des Kommittenten gelten, können sie nicht der Befriedigung des Insolvenzgläubigers des Kommissionärs dienen. Der Kommittent kann deshalb im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommissionärs die noch ausstehenden Forderungen aussondern. Da aber die Forderung nicht auch im Verhältnis zum Schuldner des Kommissionärs bereits als Forderung des Kommittenten gilt, kann dieser die Forderung erst nach der Abtretung geltend machen (§ 392 I HGB). Der Schuldner des Kommissionärs wird durch Zahlung an den Insolvenzverwalter befreit, solange die Forderung nicht an den Kommittenten abgetreten ist, nach der Abtretung schützt ihn § 407 I BGB, wenn er von der Abtretung nichts weiß. Nach § 384 II HGB ist der Kommissionär und damit auch dessen Insolvenzverwalter verpflichtet, die Forderung dem Kommittenten abzutreten.466 Unberührt bleibt aber das Recht des Kommissionärs, sich für seine in § 397 HGB genannten Ansprüche vor dem Kommittenten und dessen Gläubigern zu befriedigen (§ 399 HGB), und das der Sicherung seiner Befriedigung dienende Leistungsverweigerungsrecht.467 Mit der abgetretenen Forderung gehen deren Nebenrechte über (§ 401 I BGB). Die zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden hat der Verwalter dem Kommittenten auszuliefern (§§ 402, 952 BGB) und auf dessen Verlangen und Kosten eine öffentlich beglaubigte Urkunde über die Abtretung auszustellen (§ 403, vgl § 410 BGB). Dem Schuldner der abgetretenen Forderung bleiben alle Einwendungen und Einreden erhalten (§ 404 BGB). Der Insolvenzverwalter ist – vorbehaltlich des § 399 HGB468 – nicht berechtigt, die Forderung 148 einzuziehen, es sei denn, er wählt die Erfüllung des Kommissionsvertrages (§ 103 I). Zieht er die Forderung pflichtwidrig ein, kann der Kommittent den eingezogenen Betrag oder die dem Kommissionär übereignete Sache nach § 48 S 2 ersatzaussondern, soweit sie in der Masse noch unterscheidbar vorhanden sind. Außerdem entsteht ein Massebereicherungsanspruch nach §§ 816 II BGB, 55 I Nr 3. Da die Forderung aus dem Kommissionsgeschäft des Kommissionärs nach § 392 II HGB im 149 Verhältnis zum Kommissionär und dessen Gläubigern als Forderung des Kommittenten gilt, haftet sie nicht für die Forderungen der Insolvenzgläubiger des Kommissionärs. Sie gehört nicht zu dessen Insolvenzmasse. Es handelt sich um eine insolvenzfeste Teilverabsolutierung der schuldrechtlichen Absprache zwischen Kommittent und Kommissionär. Der Kommittent muss weiterhin die Abtretung der Forderung verlangen, um die Zuordnung mit vollständig absoluter Wirkung herbeizuführen. Weil die Forderung für die Verbindlichkeiten des Kommissionärs nicht haftet, darf der Insolvenzverwalter nicht zugunsten der Insolvenzmasse über die ausstehende Forderung verfügen. Verfügungen, die der Kommissionär vor der Verfahrenseröffnung vorgenommen hat, kann sein Insolvenzverwalter grds nicht nach §§ 129 ff anfechten, weil sie die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt haben.469 465 Canaris FS Flume Bd I (1978), S 407 f; ähnlich Geibel Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht (2008), S 420; dagegen etwa K Schmidt Handelsrecht6 § 31 Rn 123. 466 Staub/Koller HGB5 § 392 Rn 17. 467 Staub/Koller HGB5 § 399 Rn 8 f. 468 Staub/Koller HGB5 § 399 Rn 11. 469 Jaeger/Henckel KO9 § 30 Rn 126. 493

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

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Streitig ist, ob die auf die aussonderungsfähigen Forderungen des Kommissionärs geleisteten Gegenstände, also die dem Einkaufskommissionär übereignete Sache und der dem Verkaufskommissionär gezahlte Kaufpreis, ausgesondert werden können. Die wohl noch hM470 beschränkt die Rechtsfolge des § 392 II HGB dem Wortlaut folgend auf die Forderungen aus dem Kommissionsgeschäft. Hatte der Schuldner des Kommissionärs bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Kommissionär geleistet, ist nach dieser Ansicht der Kommittent mit seinem Anspruch auf Übereignung vorbehaltlich der Ersatzaussonderung (§ 48, siehe dort Rn 17, 36) nur Insolvenzgläubiger, auch wenn er bei der Einkaufskommission den Kaufpreis vorgeschossen hatte. Die Gegenansicht471 erstreckt den Schutz des § 392 II HGB auf die Gegenstände, die zur Erfüllung der Forderung geleistet worden sind, weil der die Vorschrift tragende Gesichtspunkt, dass der Kommissionär auf fremde Rechnung handele und dies „kraft seines Gewerbes offenkundig“ sei, die Einbeziehung der geleisteten Gegenstände fordere. Der Kommittent könne deshalb die dem Kommissionär vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleisteten und noch nicht dem Kommittenten übertragenen Gegenstände aussondern, wenn sie noch vorhanden sind. 151 Besondere Vorschriften für die Einkaufskommission von Wertpapieren enthält das DepotG. Nach dessen § 18 III geht das Eigentum an Wertpapieren iSd § 1 I DepotG mit der Absendung des Stückeverzeichnisses auf den Kommittenten über. Das Miteigentum an den zum Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank (§ 1 III DepotG) gehörenden Papieren geht nach § 24 II S 1 DepotG mit der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs auf den Kommittenten über. Der Rechtsübergang findet nach beiden Vorschriften nur insoweit statt, wie der Kommissionär verfügungsbefugt ist. Beide Vorschriften sind subsidiär, indem sie voraussetzen, dass das Recht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts nicht schon früher auf den Kommittenten übergegangen ist.472 Hat der Kommittent bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Eigentum oder Miteigentum an Wertpapieren noch nicht erlangt, steht ihm das Vorrecht des § 32 I Nr 1 DepotG zu, wenn er zu dieser Zeit seine Verpflichtungen voll erfüllt hatte.473 152 Bei der Verkaufskommission ermächtigt der Kommittent den Kommissionär, über den zu verkaufenden Gegenstand zu verfügen (§ 185 I BGB). Er bleibt deshalb Eigentümer des Kommissionsguts und zu dessen Aussonderung berechtigt, bis es der Kommissionär dem Dritten übereignet oder selbst nach § 400 I HGB übernimmt und den Kaufpreis zahlt.474 Die Ermächtigung des Kommissionärs, beim Selbsteintritt das Gut sich selbst zu übereignen, ist im Zweifel aufschiebend bedingt durch die Kaufpreiszahlung. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommissionärs vor dem Eigentumsübergang eröffnet, hat deshalb der Kommittent das Aussonderungsrecht, auch wenn der Verkauf an den Dritten schon geschehen oder der Selbsteintritt erklärt war. Auch wenn der Kommissionär verpflichtet war, nach bestimmter Frist auf Verlangen des Kommittenten die Ware als Eigentum zu übernehmen, die Übereignung aber noch nicht vollzogen ist, kann der Kommissionär noch aussondern.475

470 BGH NJW 1974, 456, 457; BGHZ 79, 89, 94 = NJW 1981, 918, 919; Brox/Henssler Handelsrecht23 Rn 446; Heymann/ Herrmann HGB2 § 392 Rn 8; Hopt/Kumpan HGB41 § 383 Rn 15; Jaeger/Lent KO8 § 43 Rn 49; Schlegelberger/Hefermehl HGB5 § 392 Rn 2 mN; siehe auch Gundlach/Frenzel/Schmidt DZWIR 2000, 449; Jaeger/Henckel KO9 § 29 Rn 141; HK/ Lohmann InsO10 § 47 Rn 17; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 47; wohl auch Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 23, 24. 471 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 87; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 102; Canaris FS Flume Bd I (1978), S 424; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 289; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 12; Staub/Koller HGB5 § 392 Rn 4; K Schmidt Handelsrecht6 § 31 Rn 140 mN; Erweiterung des § 392 II HGB schon vorgeschlagen von Strohal 22. DJT 4 S 204 f; offen gelassen von OLG Hamm ZIP 2003, 2262, dazu Gundlach/Schmidt/Frenzel EWiR 2004, 75. 472 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 303. 473 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 304. 474 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 82; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 90; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 100; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 294, 297; KK/Hess InsO § 47 Rn 304; zum Eigentumserwerb beim Selbsteintritt: Staub/Koller HGB5 § 400 Rn 58. 475 OLG Karlsruhe OLGRspr 11, 357. Hoffmann

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Besondere Schutzvorschriften für die Wertpapierverkaufskommission bestehen abgesehen 153 von dem Vorrecht des § 32 I Nr 2 und 3 DepotG nicht. Da aber die Technik der Abwicklung für die Einrede des nicht erfüllten Vertrages keinen Raum lässt, weil mit der Erteilung des Verkaufsauftrags bereits die Übereignungserklärung jedenfalls konkludent abgegeben ist,476 muss dem Kommittenten der gesetzestypische Schutz vor einer aufgezwungenen Vorleistung auf andere Weise gewährt werden. Mit Canaris477 ist deshalb die Erklärung des Kunden in ergänzender Auslegung als aufschiebend bedingte Ermächtigung oder Übereignung anzusehen. Bedingung ist die Erteilung der Gutschrift. Interessen des Erwerbers werden nicht beeinträchtigt. Er ist durch §§ 932 BGB, 366 HGB geschützt. Geschützt ist der Kunde auf diese Weise, wenn die Bank selbst die Papiere erwirbt. Beim Erwerb durch Dritte ist § 32 I Nr 2 DepotG anwendbar und bei Annahme einer bedingten Verkaufsermächtigung § 48.

b) Kein Aussonderungsrecht des Geschäftserwerbers. Trotz des dem § 392 II HGB ähnli- 154 chen Wortlauts erweitert § 25 I S 2 HGB die Aussonderungsrechte nicht. Die in dem Betrieb eines von einem Erwerber fortgeführten Handelsgeschäfts begründeten Geschäftsforderungen gelten nach dieser Vorschrift nur den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, um Zahlungen an den Erwerber schuldbefreiend wirken zu lassen. Die haftungsrechtliche Zuordnung der Forderungen wird durch diese Schuldnerschutzvorschrift nicht betroffen. Solange die Forderung nicht abgetreten ist, gehört sie zum haftenden Vermögen des Veräußerers. Wird über dieses das Insolvenzverfahren eröffnet, gehört die Forderung zur Insolvenzmasse. Der Erwerber hat kein Aussonderungsrecht. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erwerbers kann dagegen der Veräußerer die noch nicht übertragene Forderung aussondern.

c) Frachtgeschäft, Speditionsgeschäft. Vergleichbare Regelungen zu § 392 II HGB sehen 155 § 422 II HGB für das Frachtgeschäft zugunsten des Absenders und § 457 S 2 HGB für das Speditionsgeschäft zugunsten des Versenders vor. Forderungen aus einem Vertrag, den der Frachtführer/ Spediteur für Rechnung des Absenders/Versenders im eigenen Namen abgeschlossen hat, etwa mit einem Zwischenspediteur oder mit einem Frachtführer, gelten im Verhältnis zu den Gläubigern des Frachtführers/Spediteurs als auf den Absender/Versender übertragen. Dieser kann sie deshalb im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Spediteurs aussondern.478

d) Andere Geschäftsbesorgungsverhältnisse. Die besonderen Aussonderungsregeln der 156 §§ 392 II und 422 II, 457 S 2 HGB dürfen auf Auftragsbeziehungen und andere Geschäftsbesorgungen, bei denen der Beauftragte als mittelbarer Stellvertreter im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt, nicht angewendet werden.479 Der Geschäftsherr hat keinen dinglichen Anspruch auf Herausgabe des vom mittelbaren Stellvertreter erworbenen Gegenstands, sondern nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung, der nur Insolvenzforderung ist.480 Besondere Regelungen enthält das Versicherungsvertragsgesetz für Versicherungen für 157 fremde Rechnung (§ 43 I VVG). War die Versicherung von Sachen oder eine Haftpflicht- oder 476 Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2000. 477 Canaris FS 100 Jahre KO (1977), S 102 ff; Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb Rn 2000; MünchKomm/ Ganter InsO4 § 47 Rn 309; aA Heinsius/Horn/Than § 32 DepotG Anm 7. 478 RGZ 92, 8, 11; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 91. 479 RGZ 40, 86; 58, 276; 84, 214, 216; 91, 16; 127, 344; 133, 84, 87; 153, 366; RG JW 1911, 583; RG JW 1915, 327; BGHZ 11, 37, 41 = NJW 1954, 190, 192; BGH WM 1964, 179; BGH NJW 1971, 559, 560; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 101; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 286; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 12; aA Bitter Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung (2006), S 198 ff. 480 BGH NJW-RR 1989, 252, 253; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 102. 495

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§ 47

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Unfallversicherung zwar auf den Namen des Versicherungsnehmers, aber erkennbar für fremde Rechnung genommen worden, so stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag, besonders der Anspruch auf die Entschädigung, dem dritten Versicherten zu und unterliegen daher gegenüber einer Inanspruchnahme für die Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers der Aussonderung.481 Der Versicherte kann seine Rechte gemäß § 44 II VVG nur geltend machen, wenn er über den Versicherungsschein verfügt. Herausgabe des Versicherungsscheins kann nur nach Maßgabe von § 46 S 1 VVG verlangt werden. Handelt es sich um die Versicherung von Sicherungseigentum, steht dem versicherten Sicherungseigentümer auch hinsichtlich der Versicherungsforderung nur ein Absonderungsrecht zu. Für eine Versicherung des Kommissionsgutes, die der Kommissionär im eigenen Namen für Rechnung des Kommittenten abgeschlossen hatte, gelten, wenn es an der in § 43 III VVG geforderten Erkennbarkeit fehlt, nicht die §§ 44 ff VVG; wohl aber fällt der ausstehende Versicherungsanspruch unter den § 392 II HGB.482 In der Insolvenz des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer bei einer Direktversicherung, die der Arbeitgeber für ihn abgeschlossen hat, ein Aussonderungsrecht wenn der Arbeitgeber ihm, seinen Angehörigen oder Erben ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt hat (§ 159 III VVG).483 Ist die Bezugsberechtigung widerruflich, besteht ein Aussonderungsrecht nicht.484 Maßgeblich für die Unterscheidung zwischen unwiderruflichem und widerruflichem Bezugsrecht ist ausschließlich der Versicherungsvertrag, nicht die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung.485 Ein Aussonderungsrecht besteht auch dann nicht, wenn die Versorgungsanwartschaft unverfallbar geworden ist,486 oder wenn die Versicherungsprämien aus der dem widerruflich Bezugsberechtigten zustehenden Vergütung bezahlt worden sind.487 Ein Aussonderungsrecht besteht aber dann, wenn der Versicherungsfall bereits vor Insolvenzeröffnung eingetreten ist (§ 159 II VVG).488

19. Konditionsgeschäft 158 Von den Verträgen für fremde Rechnung, insbesondere von der Kommission, zu unterscheiden ist das Konditionsgeschäft,489 das im Sortimentsbuchhandel, aber auch sonst im Handelsverkehr üblich ist, etwa im Teppich- und Textilhandel.490 Es handelt sich um Kaufverträge, die unter der Bedingung geschlossen werden, dass dem Händler (Käufer) die Weiterveräußerung der Ware gelingt. Mangels abweichender Vereinbarung wird man einen aufschiebend bedingten Kaufvertrag annehmen können. Anders als bei der Kommission wird zwischen dem Verkäufer und dem 481 BGH NJW 2020, 1886, Rn 11; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 107; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 311 ff, 425; Gundlach DZWIR 2000, 309 f. 482 Staub/Koller HGB5 § 392 Rn 12; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 27. 483 BGH NJW 2015, 341, Rn 14 f; BAG NJW 1991, 717 f; BAG NZI 2011, 30, Rn 22; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 68, 93; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 113; KK/Hess InsO § 47 Rn 275, 280; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 41; vgl zum anderen Ergebnis bei widerruflichem Bezugsrecht: BAG NZA 1991, 845, dazu Blomeyer EWiR 1991, 859; BAG NZARR 1996, 343, dazu Blomeyer EWiR 1996, 627; LAG München ZIP 1988, 1070; LAG Hamm ZIP 1990, 1603; KK/Hess InsO § 47 Rn 284 f. 484 BGHZ 156, 350, 356 = NJW 2004, 214, 215; BGH NJW 2013, 232, Rn 8; zu eingeschränkt widerruflichen Bezugsberechtigungen MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 321 ff; HK/Lohmann InsO10 § 47 Rn 27. 485 BAG ZIP 2012, 2269, Rn 13. 486 BGH NJW 1984, 1611; BGH ZIP 1993, 600, 602, dazu Blomeyer EWiR 1993, 473; BGH NJW 2002, 3253; Gottwald/Haas/ Adolphsen InsRHdb6 § 40 Rn 71; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 316; Thürmann BB 1985, 1269, 1273; aA Heubeck/ Paulsdorff/Rau/Weinert BetrAVG Bd I2 § 7 Rn 37, 66; Paulsdorff KTS 1977, 212, 216; dazu Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 112. 487 BGH NJW 2002, 3253, 3254. 488 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 316. 489 Staudinger/Beckmann BGB (2013) Vorbem zu §§ 433 ff Rn 176; Soergel/Huber BGB12 vor § 433 Rn 253 ff, § 446 Rn 53 ff; Staudinger/Mader/Schermaier BGB (2013) § 454 Rn 8. 490 Vgl BGH NJW 1975, 776 ff, zur Gefahrtragung. Hoffmann

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Aussonderung

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Käufer ein fester Preis vereinbart, und dem Verkäufer fehlt jede Weisungsbefugnis gegenüber dem Konditionskäufer. Dieser ist vor allem in der Preisgestaltung frei,491 sofern er nicht, wie im Buchhandel, einer erlaubten Preisbindung unterliegt. Diese beruht jedoch nicht auf einer Weisung des Verlegers und spricht deshalb nicht für die Einordnung als Kommissionsgeschäft. Mangels abweichender Vereinbarung ist anzunehmen, dass die dem Käufer übergebene Ware jedenfalls solange nicht in dessen Eigentum übergehen soll, wie die Bedingung nicht eingetreten ist. Der Käufer ist für diese Zeit lediglich zur Weiterveräußerung im eigenen Namen ermächtigt (§ 185 I BGB). Deshalb kann der Verkäufer die Ware im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Käufers aussondern, jedenfalls solange die Bedingung nicht eingetreten ist. Hat der Käufer die Ware weiterveräußert, wird der Kaufvertrag unbedingt. Der Anspruch des Verkäufers auf den Kaufpreis ist Insolvenzforderung. Die noch ausstehende Kaufpreisforderung des Käufers gegen seinen Abnehmer kann der Erstverkäufer nicht nach § 392 II HGB aussondern. Eine Ersatzaussonderung (§ 48) scheitert daran, dass der Käufer zur Weiterveräußerung berechtigt war. Der Verkäufer kann sich deshalb nur schützen, indem er sich die Forderungen des Käufers aus der Weiterveräußerung im Voraus zur Sicherung seiner Kaufpreisforderung abtreten lässt und sich für die Zeit nach Bedingungseintritt das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vorbehält (Rn 49).

X. Das Verfahren Die Aussonderung ist unabhängig vom Insolvenzverfahren durchzuführen. § 47 S 2 verweist nicht 159 nur hinsichtlich des Grundes und des Inhalts der zur Aussonderung geeigneten Ansprüche, sondern auch hinsichtlich der Art und Weise ihrer Geltendmachung auf „die außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Gesetze“ und damit auch auf das Verfahren der Zivilprozessordnung.

1. Vorbereitung des Prozesses Für die der Vorbereitung des Aussonderungsprozesses dienenden Ansprüche auf Auskunft, Vorle- 160 gung und Besichtigung von Sachen, Vorlegung und Einsichtnahme von Urkunden (§§ 242, 809, 810 BGB) gelten die allgemeinen Grundsätze.492 Der Insolvenzverwalter ist dem Aussonderungsberechtigten gegenüber grundsätzlich auskunftspflichtig.493 Der Umfang der Auskunftspflicht bemisst sich nach der Zumutbarkeit.494 Sie kann der Auskunftspflicht vor allem dann Grenzen setzen, wenn nach umfangreichen Lieferungen mehrerer Vorbehaltsverkäufer die Waren- oder Materialbestände unübersichtlich sind und ihre jeweilige Herkunft allenfalls mit erheblichem Aufwand zu ermitteln ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit ist der Arbeits- und Zeitaufwand des Insolvenzverwalters abzuwägen gegen die schutzwürdigen Interessen des Auskunftsberechtigten und zu beachten, dass der Verwalter im Interesse aller Beteiligten auf eine zügige Verfahrensabwicklung bedacht sein muss.495 Über Tatsachen, die der Auskunft Verlangende kennt, braucht der Verwalter keine Auskunft zu ertei-

491 BGH NJW 1975, 776 ff. 492 BGH NJW-RR 1989, 252; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1986, 721, 722, dazu C Junker EWiR 1986, 281; OLG Düsseldorf NZI 2000, 82, 83; siehe auch zu §§ 38 und 86 und Jaeger/Henckel KO9 § 3 Rn 25, § 11 Rn 10. 493 BGHZ 49, 11, 19 = NJW 1968, 300, 302; BGH NJW-RR 1986, 1378, dazu Henckel EWiR 1986, 981; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1986, 721, 722, dazu C Junker EWiR 1986, 281; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 5; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 460 ff; Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten beim Kundenkonkurs2 (1984), S 14 ff; KK/Hess InsO § 47 Rn 374; ders/Kropshofer KO3 § 43 Rn 129 ff; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 79. 494 BGHZ 70, 86, 91 = NJW 1978, 538, 539; OLG Düsseldorf NZI 2000, 82, 83; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 6; KK/Hess InsO § 47 Rn 376; zur Auskunft gegenüber Absonderungsberechtigtem BGH NJW 2000, 3777, dazu Johlke/Schröder EWiR 2001, 177. 495 BGHZ 70, 86, 91 = NJW 1978, 538, 539. 497

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len. So braucht er dem Lieferanten nicht mitzuteilen, welche Waren dieser dem Schuldner unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat.496 Kann der Vorbehaltsverkäufer aus der ihm vorgelegten Inventurliste selbst den Bestand der gelieferten und der verarbeiteten Gegenstände ermitteln, braucht der Verwalter darüber keine Auskunft zu erteilen.497 Vom Insolvenzverwalter kann nicht verlangt werden, dass er zeitraubende Nachforschungen in den Büchern und im Warenlager des Schuldners vornimmt, wenn ein Vorbehaltslieferant die auszusondernden Gegenstände nicht einzeln näher bezeichnet.498 Der Verwalter ist nicht verpflichtet, dem Aussonderungsberechtigten Einsicht in seine Unterlagen, Zutritt zu den Geschäftsräumen oder Besichtigung des Aussonderungsguts zu gewähren,499 kann jedoch den Anspruch auf eine Auskunft, die mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden ist, dadurch abwehren, dass er die Einsicht gewährt.500 Der Vorbehaltsverkäufer kann keine Auskunft verlangen, solange der Verwalter nach § 107 II S 1 nicht erklären muss, ob er die Erfüllung des Vertrages verlangen will.501 Wählt der Verwalter die Erfüllung, ist er zum Besitz berechtigt. Deshalb entfällt der Aussonderungsanspruch und damit auch der Anspruch auf Auskunft.502 Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens kann vom Verwalter grundsätzlich keine Auskunft mehr verlangt werden. Ein besonderes Auskunftsinteresse kann allenfalls rechtfertigen, den Insolvenzverwalter zu verpflichten, Auskünfte zu geben, die er ohne weiteren Zeitaufwand aus der Erinnerung erteilen kann. Die Nachforschung in noch vorhandenen Unterlagen kann man von ihm nur ausnahmsweise verlangen, etwa wenn er sich während des Verfahrens grundlos geweigert hat, die Auskunft zu erteilen und der Anspruchsteller nicht in der Lage war, seinen Auskunftsanspruch während des Verfahrens durchzusetzen.503 Wer die bei der Auskunftserteilung anfallenden Kosten zu tragen hat, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des materiellen Rechts. Eine Kostentragungspflicht des Rechtsinhabers sieht etwa § 811 II S 1 BGB vor. Ansonsten wird bei Auskunftspflichten dagegen grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Auskunftspflichtige (die Masse) diese zu tragen habe.504

2. Zuständigkeit 161 Über die Aussonderung und die Aussonderungsansprüche entscheidet das jeweils zuständige Prozessgericht. Das Insolvenzgericht kann und darf über einen Aussonderungsstreit nicht entscheiden. Das schließt nicht aus, dass in Verfahren des Insolvenzgerichts die Aussonderung als Vorfrage geprüft wird. Zwar darf das Insolvenzgericht den Verwalter nicht im Wege der Aufsicht (§ 58) anhalten, einen von ihm bestrittenen Aussonderungsanspruch zu erfüllen. Jedoch darf das Insolvenzgericht Aufsichtsmaßnahmen ergreifen, wenn der Verwalter einen Aussonderungsanspruch, den er als berechtigt erkannt und anerkannt hat, schuldhaft nicht erfüllt. Will der Insolvenzverwalter die Herausgabe von Sachen, die dem Schuldner gehören, gegen diesen zwangsweise durchsetzen und beauftragt er zu diesem Zweck den Gerichtsvollzieher, kann der Insolvenzschuldner mit der Erinnerung (§ 766 I ZPO) geltend machen, dass die Sache unpfändbar sei und deshalb als nicht massezugehörig der Aussonderung unterliege (Rn 8). Über diese Erinnerung und damit auch über das Aussonderungsrecht des Schuldners entscheidet das Insolvenzgericht. Sol-

496 497 498 499 500 501 502 503 504

OLG Köln ZIP 1982, 1107. OLG Köln ZIP 1982, 1107; LG Baden-Baden ZIP 1989, 1003, dazu Hess EWiR 1990, 75. OLG Köln ZIP 1982, 1107; OLG Düsseldorf ZIP 1988, 450, 452; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 79. LG Düsseldorf KTS 1964, 246; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 130; KK/Hess InsO § 47 Rn 379. LG Baden-Baden ZIP 1989, 1003; OLG Düsseldorf NZI 2000, 82; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 131. AG Düsseldorf DZWIR 2000, 347. AG Düsseldorf DZWIR 2000, 347. OLG Köln ZIP 1982, 1107. Krit dazu BeckOGK/J F Hoffmann BGB (Stand: 1.9.2022) § 811 Rn 6; gegen eine Kostentragungspflicht der Masse bei „unzumutbarem Aufwand“ Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 131; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 469. Hoffmann

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che Vorfragenentscheidungen binden jedoch nicht das Prozessgericht, das über einen Aussonderungsstreit zu entscheiden hat. Das Aussonderungsrecht kann gerichtlich und außergerichtlich, angriffs- und verteidigungs- 162 weise geltend gemacht werden. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 1 ZPO, 23, 71 GVG, 12 ff, 19a ZPO. Einen eigenen Gerichtsstand für Aussonderungsklagen sieht das Gesetz – im Unterschied zu § 771 I ZPO – nicht vor. Der allgemeine Gerichtsstand für Aussonderungsklagen wird durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt (§ 19a ZPO).505 Dass diese Vorschrift nur Klagen nennt, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, während die Aussonderung Gegenstände betrifft, die gerade nicht zur Insolvenzmasse gehören, steht ihrer Anwendung auf Aussonderungsklagen nicht entgegen. Der Begriff „Insolvenzmasse“ ist hier iSd sog Istmasse (Rn 9) zu verstehen. Das ist gerechtfertigt, weil § 19a ZPO sich auf einen noch nicht entschiedenen Prozess bezieht. Entscheidend ist deshalb nicht die wirkliche materielle Rechtslage. Vielmehr kommt es darauf an, worum gestritten wird. Die Vorschrift erfasst deshalb auch alle Streitigkeiten um die Massezugehörigkeit eines Gegenstandes. Die Zuständigkeit des Gerichts des allgemeinen Gerichtsstandes ist keine ausschließliche.506 Von den besonderen Gerichtsständen können außer dem dinglichen (§ 24 ZPO) nach Lage des Einzelfalls bspw auch die Gerichtsstände der Erbschaft (§ 27 ZPO, Rn 86), des Erfüllungs- (§ 29 ZPO) oder des Deliktsortes begründet sein.507 Für die Rückgabe von vermieteten oder verpachteten Räumen ist der ausschließliche Gerichtsstand des § 29a ZPO zu beachten. Wird die Aussonderung im Wege der Drittwiderspruchsklage geltend gemacht, was in Betracht kommt, wenn der Verwalter den Aussonderungsgegenstand im Wege der Zwangsvollstreckung verwertet, ist nach § 771 I ZPO das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Zwangsverwertung erfolgt. Da der Anspruch als Aussonderungsanspruch sein Wesen nicht verändert, kann er auch als 163 solcher eine Handelssache sein, etwa als Herausgabeanspruch aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft, zB als schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgabe einer unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache nach Ablehnung der Vertragserfüllung durch den Insolvenzverwalter (§ 103 II), wenn es sich für beide Teile um ein Handelsgeschäft handelt (§ 95 I Nr 1 GVG).508

3. Parteistellung Die Klage des Aussonderungsberechtigten ist gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Am- 164 tes509 zu richten, wenn dieser den Gegenstand für die Masse in Anspruch nimmt. Andernfalls, wenn der Verwalter den Gegenstand als beschlagsfrei ansieht, weil er ihn für unpfändbar hält, und deshalb eine Sache beim Insolvenzschuldner belässt oder ihm zurückgibt, muss sich der Berechtigte an diesen halten. Klagt der Verwalter gegen einen Dritten auf Herausgabe einer Sache, so verteidigt sich dieser mit seinem Aussonderungsrecht, wenn er geltend macht, Eigentümer der Sache zu sein. Erhebt ein Vierter Anspruch auf die Sache, die früher im Besitz des Insolvenzschuldners war und die der Dritte in Händen hat, und verweigert dieser aufgrund eines behaupteten Rechtes die Herausgabe an den Verwalter, so kann es der Verwalter dem Vierten überlassen, sich mit dem Besitzer auseinanderzusetzen.510 War der Prozess um einen im Insolvenzverfahren der Aussonderung unterliegenden Gegenstand schon vor der Eröffnung des Verfahrens rechtshän505 MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 476; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 47 Rn 7. 506 BayObLG NZI 2003, 230. 507 RG JW 1894, 181 Nr 11 = SeuffArch 50 Nr 70; OLG Dresden OLGRspr 13, 78; Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 99; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 138; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 15; Stein/Jonas/Roth ZPO23 § 29 Rn 5; aA noch die frühere Entscheidung RGZ 31, 392. 508 LG Tübingen MDR 1954, 302; LG Köln ZIP 1980, 1071; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 138; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 15; siehe auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 477; Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 52. 509 Siehe zu § 80 und MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 478; Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 54 ff. 510 RG JW 1895, 167. 499

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gig, wird er nach § 240 S 1 ZPO unterbrochen. Er kann sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden (Parteiwechsel, § 86 I Nr 1).

4. Klageantrag 165 Der Aussonderungsberechtigte kann Kläger oder Beklagter sein. Als Beklagter kann er sich mit dem Aussonderungsrecht verteidigen, zB gegen eine Klage, mit der der Verwalter die Herausgabe einer Sache (§ 985 BGB) in die Masse verlangt, die der Beklagte als eigene in Anspruch nimmt, oder gegen eine Klage, mit der der Verwalter Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung des Insolvenzschuldners als Eigentümer des Grundstücks verlangt, das der Beklagte als sein eigenes ansieht. Klagt der Aussonderungsberechtigte, ist sein Antrag der jeweiligen Rechtslage anzupassen. Kann der Kläger Herausgabe oder Unterlassung verlangen, muss er die Leistungsklage, ggf als Klage auf künftige Leistung (§§ 257, 259 ZPO), erheben. Kann der Verwalter ein auf einen Gegenanspruch gegründetes Leistungsverweigerungsrecht geltend machen, empfiehlt sich schon aus Kostengründen der Antrag auf Leistung Zug um Zug gegen die der Masse zustehende Gegenleistung. Das in § 256 I ZPO für die Feststellungsklage geforderte Feststellungsinteresse liegt vor, wenn der Verwalter das Recht als massezugehörig behandelt oder geltend macht, ferner wenn der Kläger nicht auf Leistung klagen kann.511 Das ist etwa der Fall, wenn der Verwalter sich auf ein Besitzrecht berufen kann,512 etwa aufgrund eines fortbestehenden Miet- oder Pachtvertrages, wenn sich die Sache, die der Verwalter für die Masse in Anspruch nimmt, bei einem Dritten befindet oder wenn der Verwalter eine Forderung für die Masse in Anspruch nimmt, die der Schuldner wirksam an den Kläger abgetreten hatte. Im ersten und zweiten Fall muss der Klageantrag auf Feststellung des Aussonderungsrechts oder des Rechts, das die Aussonderung begründet, zB des Eigentumsrechts des Klägers, oder, wenn der Aussonderungsanspruch nur ein schuldrechtlicher ist, auf Feststellung dieses Anspruchs lauten. Im zweiten Fall sollte der Antrag auf die Feststellung gerichtet sein, dass die Forderung dem Kläger zustehe. Ein Feststellungsinteresse ist auch zu bejahen, wenn ein Recht unrichtigerweise zugunsten des jetzigen Schuldners im Grundbuch eingetragen ist und kraft dieser Eintragung (§ 891 I BGB) vom Verwalter als Massebestandteil in Anspruch genommen wird. Der Kläger kann dann nicht auf die – ebenfalls mögliche – Grundbuchberichtigungsklage (§ 894 BGB) verwiesen werden, weil er sein Ziel auch mit dem Feststellungsurteil erreicht, mit dem er im Berichtigungsverfahren des § 22 GBO die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachweisen kann (§ 29 I S 1 GBO).513 Das gegen den Verwalter erstrittene Urteil ermöglicht auch nach Verfahrensbeendigung die Berichtigung des Grundbuchs.514 Verwertet der Verwalter einen der Aussonderung unterliegenden Gegenstand im Wege der Zwangsvollstreckung, kann der Aussonderungsberechtigte sein Recht mit der Drittwiderspruchsklage (§§ 771 I, 775 ZPO) geltend machen.515 166 Wird gegen den Insolvenzverwalter eine Herausgabeklage gerichtet, die zunächst mit Tatsachen begründet worden ist, die das Eigentum des Klägers begründen können, trägt der Kläger dann aber vor, der Insolvenzschuldner habe die Sache gemietet und der Mietvertrag sei durch eine Kündigung des Klägers beendet, ist fraglich, ob ein Fall der nach dem BGH unzulässigen alternativen Klagehäufung516 vorliegt oder ob es sich lediglich um eine zulässige alternative Klage-

511 512 513 514 515 516

RGZ 98, 143, 145. RG JW 1906, 436. Staudinger/Gursky BGB (2013) § 894 Rn 94. Siehe zu § 80 und Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 86. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 479. BGHZ 189, 56, Rn 6 ff = GRUR 2011, 521, Rn 6 ff – TÜV; BGH NJW-RR 1990, 122.

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begründung517 handelt. In jedem Fall ist es dem Kläger aber möglich, sein Herausgabeverlangen gestuft mittels Haupt- und Hilfsantrag geltend zu machen.518 Im Zweifel hat das Gericht hierauf gemäß § 139 I S 2 ZPO hinzuwirken.519

5. Vorläufiger Rechtsschutz Ist Eile geboten, etwa weil der Verwalter sich anschickt, die nicht massezugehörige Sache zu verwer- 167 ten oder die dem Aussonderungsberechtigten zustehende Forderung einzuziehen, kann dieser eine einstweilige Verfügung beantragen (§§ 935, 936 ZPO).520 Das Gericht (Zuständigkeit: § 937 I ZPO) kann etwa ein Veräußerungs- oder Einziehungsverbot erlassen oder die Herausgabe an einen Sequester anordnen.521 Sind die Voraussetzungen einer Drittwiderspruchsklage (§ 771 I ZPO) gegeben, weil der Insolvenzverwalter den Gegenstand im Wege der Zwangsvollstreckung verwerten lässt, kann eine einstweilige Anordnung nach §§ 771 III, 769 ZPO ergehen.

6. Prozesskosten Nach § 93 ZPO fallen die Prozesskosten – abweichend vom Grundsatz des § 91 I S 1 ZPO – dem 168 Kläger zur Last, wenn der Insolvenzverwalter als Beklagter durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat und den Klageanspruch sofort anerkennt. Eine Veranlassung zur Erhebung der Klage wird man nicht schon annehmen können, wenn der Verwalter auf bloße Aufforderung des Berechtigten hin noch nicht ausgesondert hat, sondern erst, wenn der Berechtigte die Tatsachen, die sein Recht begründen, ausreichend wahrscheinlich gemacht hat und der Verwalter daraufhin nicht aussondert oder, falls er noch ein Besitzrecht geltend machen kann, das Recht des Klägers nicht verbindlich anerkennt.522 Man kann die für § 771 ZPO entwickelten Grundsätze523 hier entsprechend anwenden. Besondere Probleme stellen sich, wenn der Kläger bereits vor Verfahrenseröffnung geklagt hatte und der nach § 240 S 1 ZPO zunächst unterbrochene Prozess nach Maßgabe von § 86 I Nr 1 fortgesetzt wird. Neben die Möglichkeit, nach § 93 ZPO vorzugehen und den Kläger vollständig mit den Kosten zu belasten, tritt § 86 II, der verhindert, dass hinsichtlich der Prozesskosten Masseverbindlichkeiten entstehen. § 93 ZPO und § 86 II sind bei Aufnahme eines unterbrochenen Prozesses wie folgt abzuschichten:524 Hat erstens der Prozessgegner anlasslos geklagt und der Insolvenzschuldner die Möglichkeit des § 93 ZPO noch nicht vor der Verfahrensunterbrechung versäumt, kann der Insolvenzverwalter unter Umständen noch „sofort“ im Rahmen von § 93 ZPO anerkennen und der Prozessgegner muss die Prozesskosten tragen. Hat zweitens der Prozessgegner anlasslos geklagt und der Insolvenzschuldner die Möglichkeit des § 93 ZPO vor Verfahrensunterbrechung versäumt oder liegen von vornherein die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vor, hat der Insolvenzverwalter unter Umständen noch die Möglichkeit zu einem „sofortigen“ Anerkenntnis nach Maßgabe von § 86 II. Das kann eine Haftung der Masse für die Prozesskosten verhindern. Bei der Fortsetzung eines 517 Stein/Jonas/Roth ZPO23 § 260 Rn 11, der auch einer alternativen Klagehäufung aufgeschlossen gegenübersteht (§ 253 Rn 55); Henckel Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß (1961), S 291, der aber auch in dieser Konstellation von einer alternativen Klagehäufung spricht. 518 BGH NJW-RR 1990, 122. 519 MünchKomm/Becker-Eberhard ZPO6 § 260 Rn 22; für ein solches Vorgehen auch Henckel Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß (1961), S 291. 520 Braun/Bäuerle InsO9 § 47 Rn 98; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 491. 521 RG Gruchot 46, 677, 679; OLG München OLGRspr 27, 183 Fn 1; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 144; Kilger/K Schmidt InsG17 § 43 KO Anm 15. 522 OLG Bamberg NJW 1953, 109; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 490. 523 BGHZ 58, 207, 214 f = NJW 1972, 1048, 1049 f; Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 771 Rn 69 ff. 524 Siehe J F Hoffmann ZIP 2021, 16, 22 f. 501

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zunächst unterbrochenen Prozesses stellt sich bei Unterliegen des Insolvenzverwalters weiter das grundsätzliche Problem, inwieweit der Prozessgegner für seinen Kostenerstattungsanspruch eine Masseverbindlichkeit erhält.525 Die Rechtsprechung des BGH hat sich zwischenzeitlich ein Stück weit konsolidiert: Unterliegt der Insolvenzverwalter, begründet der Kostenerstattungsanspruch des Prozessgegners vollumfänglich eine Masseforderung für die Instanz, in der der Rechtsstreit fortgesetzt worden ist. Es kommt zu keiner differenzierenden Qualifikation der Prozesskostenerstattungsforderung innerhalb einer Instanz.526 Nicht dagegen erhält der Prozessgegner eine Masseverbindlichkeit für seinen Kostenerstattungsanspruch, soweit er sich auf Instanzen bezieht, die vor der Verfahrensunterbrechung bereits abgeschlossen waren.527

7. Vollstreckung 169 Das Urteil, das den Insolvenzverwalter zur Herausgabe oder Rückgabe der auszusondernden Sache oder zur Bewilligung der Grundbuchberichtigung verurteilt, ist ebenso vollstreckbar wie eine vor der Verfahrenseröffnung gegen den Insolvenzschuldner ergangene entsprechende Verurteilung. §§ 89 und 90 hindern die Vollstreckung nicht, weil der Inhaber des Aussonderungsanspruchs weder Insolvenzgläubiger noch Massegläubiger ist.

XI. Anhalterecht 170 Die InsO hat das Verfolgungsrecht des § 44 I KO nicht übernommen, weil es keine praktische Bedeutung habe und insofern systemwidrig sei, als es die Stellung des Verkäufers im Falle der Konkurseröffnung verstärkte.528 Jedoch gilt für Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Vertragsstaaten sind oder nach IPR das Recht eines Vertragsstaates anzuwenden ist, Art 71 II des für die Bundesrepublik am 1.1.1991 in Kraft getretenen Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG). Danach kann der Verkäufer sich der Übergabe der Ware an den Käufer widersetzen, wenn er die Ware bereits abgesandt hat, bevor sich herausgestellt hat, dass die andere Partei einen wesentlichen Teil ihrer Pflichten wegen Erfüllungsunfähigkeit oder Kreditunwürdigkeit oder wegen ihres Verhaltens bei der Vorbereitung der Erfüllung oder bei dieser selbst nicht erfüllen wird, selbst wenn der Käufer ein Dokument hat, das ihn berechtigt, die Ware zu erlangen. Das Anhalterecht (right of stoppage in transitu) besteht auch dann, wenn der Käufer bereits Eigentümer ist.529 In einem solchen Fall kann Art 71 II S 1 CISG allerdings nach nationalem Recht nicht für insolvenzfest befunden werden, da die Wirkung des Anhalterechts sich auf das Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Verkäufer beschränkt (Art 71 II S 2 CISG) und nach Art 4 S 2 lit b) CISG das Übereinkommen nicht die dingliche Rechtslage regelt.530 Die Aussonderung ist aber abhängig von der dinglichen/absoluten Zuordnung (oben Rn 5 f). Ist der Käufer bereits Eigentümer der Ware, gehört diese nach deutschem Insolvenzrecht zur Masse.531 Eine Insolvenzfestigkeit für den Fall, dass der Käufer bereits Eigentümer ist, lässt sich auch nicht damit begründen, dass Art § 71 II CISG wie Art 58 I S 2 CISG ein Zurückbehaltungsrecht

525 526 527 528 529 530 531

Eingehend J F Hoffmann ZIP 2021, 16 ff. BGH NZI 2007, 104, Rn 14; BGH NZI 2006, 295, Rn 15; BGH NZI 2008, 565, Rn 29; BGH NZI 2016, 829, Rn 10. BGH NZI 2016, 829. BT-Drucks 12/2443, S 121. Staudinger/Magnus CISG (2018) Art 71 Rn 54. Im Ergebnis auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 349. Die Bezeichnung als Sicherungsrecht (Staudinger/Magnus CISG (2018) Art 4 Rn 33) darf nicht iS eines Absonderungsrechts verstanden werden. Hoffmann

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gewährt, das seine Grundlage in dem gegenseitigen Vertrag hat.532 Zwar wird die Einrede des § 320 I BGB durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beeinträchtigt. Der rein relative vertragliche Mechanismus kann aber nicht gegen die absolute Rechtslage und die Eigentumsposition der Insolvenzmasse in Stellung gebracht werden. Der Insolvenzverwalter sieht sich nicht der Einrede aus § 320 I BGB ausgesetzt, da er keine vertraglichen Erfüllungsansprüche gegen den Verkäufer geltend machen muss, sondern § 985 BGB in Stellung bringen kann.

532 So aber offenbar Jaeger/Henckel InsO1 § 47 Rn 170. 503

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§ 48 Ersatzaussonderung 1 Ist ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden, so kann der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht. 2Er kann die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist.

Materialien DiskE § 52 II; RefE § 52 a; RegE § 55, BR-Drucks 1/92 S 125, BT-Drucks 12/2443 S 125.

Vorgängerregelung § 46 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 243 ff; Begr EKO S 185 ff; KO-Prot S 38, 149; P II S 360 ff, 721 ff.

Literatur Behr Wertverfolgung – Rechtsvergleichende Überlegungen zur Abgrenzung kollidierender Gläubigerinteressen (1986); Brehm Der Bereicherungsanspruch im Insolvenzverfahren – Gedanken zum Gleichbehandlungsgrundsatz, FS Jelinek (2002), S 15; Danker Die rechtliche Natur der Surrogatsansprüche des § 46 RKO (1921); Dieckmann Zur Reform des Ersatzaussonderungsrechts, FS Henckel (1995), S 95; Eckardt Surrogationsfragen bei der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren, FS Schilken (2015), S 645; Eismann Der Bereicherungsanspruch im Insolvenzverfahren – Zum Grundsatz gleichmäßiger Befriedigung in der Insolvenz unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Zuordnung und Haftung (2005); Franke Eigentumsvorbehalt und Ersatzaussonderung, KTS 1957, 139; Ganter Zweifelsfragen bei der Ersatzaussonderung und Ersatzabsonderung, NZI 2005, 1; ders Der Surrogationsgedanke bei der Aus- und Absonderung, NZI 2008, 583; ders Zur – ersten und zweiten – Ersatzaussonderung/Ersatzabsonderung, ZInsO 2020, 1752; ders/ Bitter Rechtsfolgen berechtigter und unberechtigter Verwertung von Gegenständen mit Absonderungsrechten durch den Insolvenzverwalter, ZIP 2005, 93; Geißler Ausgewählte Rechtsprobleme der Ersatzaussonderung in der Praxis der Insolvenzverwaltung, ZInsO 2017, 2727; Gerhardt Der Surrogationsgedanke im Konkursrecht – dargestellt an der Ersatzaussonderung, KTS 1990, 1; ders Neue Erfahrungen mit der Aussonderung, Absonderung und Aufrechnung, in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts (2000), S 127; Gottwald/Haas Insolvenzrechtshandbuch6 (2020) § 43 Ersatzaussonderung, S 420; Gundlach Der Ersatzaussonderungsberechtigte (1994); ders Zur „Gegenleistung“ im Sinne des § 46 KO, ZIP 1995, 1789; ders Die „Veräußerung“ im Sinne des § 46 KO, KTS 1996, 505; ders Der maßgebliche Zeitpunkt für die Aussonderungsfähigkeit des veräußerten Gegenstands bei der Ersatzaussonderung, KTS 1997, 55; ders Notwendigkeit einer wirksamen Veräußerung für die Ersatzaussonderung, KTS 1997, 211; ders Die sogenannte „Zweite Ersatzaussonderung“, KTS 1997, 453; ders Die Ersatzabsonderung, KTS 1997, 553; ders Die Unterscheidbarkeit im Aussonderungsrecht, DZWIR 1998, 12; ders Das Ersatzaussonderungsrecht im Bereich der Gesamtvollstreckungsordnung, KTS 1998, 175; ders Verfügungen des Schuldners über eigene und fremde Gegenstände nach der Insolvenzeröffnung – unter besonderer Berücksichtigung der Eigenverwaltung, DZWIR 1999, 363; ders Die Grenzen der Weiterveräußerungsund der Einziehungsermächtigung, KTS 2000, 307; ders/Frenzel/Schmidt Die Anwendbarkeit des § 48 InsO auf Veräußerungen durch den Insolvenzverwalter, DZWIR 2001, 441; ders/Frenzel/Schirrmeister Nochmals – die so genannte zweite Ersatzaussonderung, KTS 2003, 69; Harder Ersatzabsonderung und dingliche Surrogation, KTS 2001, 97; ders Insolvenzrechtliche Surrogation (2002); Hellwig Erweiterung des Eigentumsschutzes durch persönliche Ansprüche, mit besonderer Beziehung auf § 38 (jetzt § 46 KO), AcP 68 (1885), 217; Henckel Grenzen der Vermögenshaftung, JuS 1985, 836; Hochmuth Die Ersatzaussonderung (1931); Krull Ersatzaussonderung und Kontokorrent, ZInsO 2000, 304; Kuhn Ersatzaussonderungsrecht und Drittwiderspruchsklage (2008); Markowitz Erweiterungen und Beschränkungen des Aussonderungsrechts (1909); Meyer-Giesow Zur Frage der Unterscheidbarkeit bei der Anwendung des § 46 Abs. 2 KO, KTS 1967, 29; Moritz Die Rechte des Vorbehaltsverkäufers nach § 46 KO im Konkurs des Käufers (1970); Niesert Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999); Picker Die insolvenzrechtliche Aussonderung aufgrund obligatorischer Rechte, FS Schröder (2013), S 517; Rauhut Aussonderung von Geld – Gegenständliche und wertmäßige Trennung fremden Vermögens von der Insolvenzmasse (2020); Scherer Zulässigkeit einer „zweiten Ersatzaussonderung“?, KTS 2002, 197; Schmidt D Geldforderungen als Gegenstand einer Aussonderung und Ersatzaussonderung, JZ 2022, 552; Stamm Der Sündenfall des § 48 InsO und die verbotene Frucht der Ersatzabsonderung, KTS 2015, 461; Unger Die Ersatzaussonderung im

Hoffmann https://doi.org/10.1515/9783110666175-015

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Ersatzaussonderung

§ 48

Konkurs (1929); Weber Vermögensrechtlich und haftungsrechtlich veranlasste Surrogation im Insolvenzverfahren (2003); Wilburg Gläubigerordnung und Wertverfolgung, Juristische Blätter 1949, 29.

Übersicht I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einleitung 1 Verhältnis zur Konkursordnung 2 Zweck der Ersatzaussonderung 3 Systematische Einordnung Unstimmigkeiten im Anwendungsbereich 9 Schlussfolgerungen

II. 1. 2.

Anwendungsbereich Veräußerung und sonstige Eigentumsein10 griffe 11 „Zweite Ersatzaussonderung“

III. 1. 2. 3.

Der Ersatzaussonderungsberechtigte 12 Forderungsinhaber Obligatorisch Herausgabeberechtigter 16 Schuldner

IV. 1. 2.

Anspruchsvoraussetzungen 17 Der veräußerte Gegenstand Veräußerung 23 a) Vorläufiger Insolvenzverwalter 24 b) Begriff der Veräußerung c) Insbesondere Einziehung von Forderun32 gen d) Veräußerungen des Schuldners während 39 des Verfahrens

3. 4.

40 Wirksamkeit der Veräußerung 45 Unberechtigte Veräußerung 46 a) Einfacher Eigentumsvorbehalt 50 b) Verlängerter Eigentumsvorbehalt 57 c) Einziehung fremder Forderung d) Veräußerung durch Treuhänder und Kom58 missionär 60 e) Berechtigung kraft Gesetzes?

V. 1. 2.

Ersatzabsonderung 61 Plädoyer gegen die hM Ersatzabsonderung nach Maßgabe der 64 hM

VI. 1. 2.

Inhalt der Ersatzaussonderung 68 Die Gegenleistung Die Forderung auf die Gegenleistung besteht 69 noch Die Gegenleistung ist erbracht und in der Masse 80 unterscheidbar vorhanden

7

13

3.

VII. Rechtsdurchsetzung VIII. Andere Ansprüche

83 85

Alphabetische Übersicht Absonderungsrecht 56, 61 ff, 79 Abtretungsverbot 51 Anfechtung 51, 68, 83 Aufwendungen 75 Belastung 24, 79 Beweislast 18, 22, 40, 77 Darlegungslast 77, 81 Darlehen 27, 68 Drittschadensliquidation 31 Eigentumsvorbehalt 10, 46 ff, 50 ff, 66, 76, 77 – einfacher 45 ff – verlängerter 50 ff, 66 Einbau 10, 77 Einzahlung 27, 68, 81 Enteignung 25 Entgeltlichkeit 28 ff, 32 Entreicherung 5, 11, 41, 75, 79 Erfüllungssurrogate 71 Erfüllungswahl 48, 49, 53 ff, 76

505

Ersatzabsonderung 61 ff, 79 Forderungsanmeldung 87 Forderungseinziehung 32 ff, 43, 51, 53, 57, 59, 60, 69 Gegenleistung, Begriff 11, 68 Geld 25, 27, 34, 68, 80 ff Gerichtsstand 84 Gesamtpreis 77 Geschäftsverkehr, ordentlicher 34, 46, 51, 53 Globalzession 53 Grundschuld 24, 66 Insolvenzverwalter, – vorläufiger 23, 34, 38, 48, 50 f Kommissionär 17, 36, 58 f,70 Kontokorrentabrede 51 Kostenbeitrag 19, 53, 56 Miete 7, 14, 27, 64 Miteigentum 18 ff, 81 Nebenrechte 72 Nießbrauch 77 Pacht 27

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§ 48

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Pfändung 16, 66, 72 Pfandrecht 62 ff, 79 Prozessunterbrechung 84 Schadensersatz 2, 28, 31, 42, 70 ff, 74, 85, 86 Schenkung, gemischte 29 Sicherheitenpool 19 Sicherungszession 34, 50 f, 53, 61 Stundung 68 Surrogation 1, 3 f, 6, 9, 63, 69 Tausch 26, 68, 80 Treuhänder, uneigennütziger 17, 35, 57 Übererlös 68 Unentgeltliche Verfügung 28 Unerlaubte Handlung 85 Unterscheidbarkeit 5, 68, 75, 81 f, 86 Verarbeitung 8, 10, 31, 49

Veräußerung 1, 5, 7, 10 ff, 21 ff, 40 ff, 64 f, 68, 70, 75, 80 f, 86 Veräußerungsermächtigung 46 ff Veräußerungsgewinn 73 ff Verbindung 10, 31 Verbrauchsermächtigung 49 Vermieterpfandrecht 64, 66 Vermischung 10, 18 f, 31, 51, 81 Versicherung 35, 60 Versteigerung 25, 68 Vorausabtretung 50 ff Wechsel 30, 33, 71 Werklohnforderung 77 Zeitpunkt 21 Zwangsvollstreckung 25, 63 Zweite Ersatzaussonderung 11, 68, 71, 80

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Konkursordnung 1 Der Diskussionsentwurf übernahm § 46 S 1 KO mit nur sprachlichen Änderungen. § 46 S 2 KO, der dem Berechtigten einen Anspruch auf die Gegenleistung gab, soweit sie nach der Eröffnung des Konkursverfahrens zur Masse eingezogen worden ist, wurde im Einklang mit der allgemein anerkannten Auslegung des § 46 KO1 dahin ergänzt, dass die Gegenleistung in der Masse noch unterscheidbar vorhanden sein muss. Der Referentenentwurf und der Regierungsentwurf schränkten übereinstimmend die Ersatzaussonderung wesentlich ein. Der Fall, dass der Gegenstand, der hätte ausgesondert werden können, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner veräußert worden ist, sollte nicht mehr erfasst werden.2 Ferner verdeutlichte er entsprechend der herrschenden Auslegung des § 46 KO, dass eine Ersatzaussonderung nur bei unberechtigter Veräußerung in Betracht kommt. Der Rechtsausschuss des Bundestages dehnte die Ersatzaussonderung – entsprechend § 46 KO – wieder auf die Veräußerung des Gegenstandes durch den Schuldner vor der Verfahrenseröffnung aus. Abweichend von § 46 KO und von den Entwürfen wurde aber nicht mehr verlangt, dass die Gegenleistung, die der Schuldner für die unberechtigte Veräußerung erhalten hat, erst nach der Verfahrenseröffnung in die Masse gelangt ist. Es sollte ausreichen, dass sie in der Masse noch unterscheidbar vorhanden ist. Dies erscheine „vom Surrogationsgedanken her gerechtfertigt“.3 Die Fassung des Rechtsausschusses ist dann in das Gesetz eingegangen.

2. Zweck der Ersatzaussonderung 2 Wer durch eine Rechtsverletzung seiner absoluten Rechtsposition verlustig geht, kann in der Folge vermögensverschiebende Schutzrechte geltend machen, allen voran die bereicherungsrechtliche Eingriffskondiktion oder den deliktsrechtlichen Schadensersatz. Dem Gesetzgeber der Konkursordnung erschien der Schutz eines vormals Aussonderungsberechtigten als „unvollkommen“,

1 RGZ 94, 20, 25; 98, 143, 149; 141, 89, 94 f; BGHZ 10, 376, 384 = NJW 1953, 1825, 1826; BGHZ 30, 176, 178 ff = NJW 1959, 1681, 1682; BGHZ 139, 319 = NZI 1998, 80, 81; BGHZ 141, 116, 118 f = NJW 1999, 1709; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 17. 2 BT-Drucks 12/2443, S 125. 3 BT-Drucks 12/7302, S 160. Hoffmann

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Ersatzaussonderung

§ 48

wenn dieser nun auf die allgemeinen Privilegierungstatbestände verwiesen wäre.4 Zwar ist es denkbar, dass der vormalige Inhaber der Rechtsposition von § 55 I Nr 1 bezüglich einer Schadensersatzforderung oder von § 55 1 Nr 3 bezüglich einer Bereicherungsforderung profitiert. Ersteres setzt allerdings ein Handeln des Insolvenzverwalters voraus und letzteres, dass die Bereicherung sich erst nach Verfahrenseröffnung im Schuldnervermögen konstituiert hat. Neben diesem engen tatbestandlichen Anwendungsbereich wäre die in der Rechtsfolge gewährte Masseforderung im Falle einer Masseunzulänglichkeit gefährdet. § 48 soll den Schutz des vormaligen Inhabers einer Rechtsposition tatbestandlich erweitern und diesen in der Rechtsfolge auch vor einer Masseunzulänglichkeit schützen, da der Ersatzaussonderungsberechtigte sich nicht in die Rangordnung des § 209 I einordnen muss.

3. Systematische Einordnung Die bevorzugte Behandlung des Aussonderungsberechtigten im Rahmen der Ersatzaussonderung ge- 3 mäß § 48 stellt eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme vom Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz dar.5 Der Rechtsinhaber begehrt nicht mehr die Rechtsverwirklichung einer ihm ohne Sicherungszweck zugewiesenen Rechtsposition; es geht nicht darum, Masse auszusondern, die nicht der Vermögenshaftung des Schuldners unterliegt. Vielmehr wurde der Rechtsinhaber wegen eines Eingriffs in seine Rechtsposition und dem damit einhergehenden Verlust der Rechtsposition zum Gläubiger. Als solcher konkurriert er mit den anderen Gläubigern um die Haftungsmasse des Schuldners. Die Ersatzaussonderung harrt weiterhin einer stringenten systematischen Erfassung, was sich nicht zuletzt am Schlingerkurs6 des Gesetzgebers der Insolvenzordnung offenbart (Rn 1). Während vereinzelt auf ein nicht näher spezifiziertes und damit konturenarmes Surrogationsprinzip zurückgegriffen wird,7 hält man die Befugnis zur Ersatzaussonderung im Anschluss an die Verfasser der Konkursordnung8 verbreitet für ein Billigkeitsinstrument,9 dessen genaue Ausgestaltung dem Ermessen und damit einer dezisionistischen Entscheidung des Gesetzgebers obliege.10 Um das Institut der Ersatzaussonderung konturieren zu können, muss es systematisch einge- 4 ordnet werden. Der Ersatzaussonderungsberechtigte ist durch einen Eingriff des Schuldners oder des Insolvenzverwalters seiner Rechtsposition verlustig gegangen. An die Stelle der untergegangenen Rechtsposition treten materiell-rechtliche Forderungen, die aus dem Eingreifen rechtsfortsetzender vermögensverschiebender Schutzrechte resultieren, wie etwa dem deliktsrechtlichen oder bereicherungsrechtlichen Schutz. Der vormalige Inhaber der Rechtsposition kann diese nicht mehr im Wege der Aussonderung geltend machen und müsste sich mit seiner Forderung grundsätzlich auf den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz verweisen lassen. Die Gesetzesverfasser waren der Auffassung, dass der Schutz der Rechtsposition dann aber als „unvollkommen erscheinen“ müsse.11 Die gesetzestechnische Lösung mittels Ersatzaussonderung unterscheidet sich 4 Hahn Materialien IV, S 182. 5 Eingehend zu § 48 in dieser Hinsicht J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 273 ff.

6 Vgl dazu etwa auch Dieckmann FS Henckel (1995), S 95, 96 f, 101; Harder KTS 2001, 97, 102; Kuhn Ersatzaussonderungsrecht und Drittwiderspruchsklage (2008), S 209 ff; Stamm KTS 2015, 461, 464 f. 7 BT-Drucks 12/7302, S 160 li. Sp.; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 2; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 1; Gerhardt KTS 1990, 1 ff; Gundlach KTS 1996, 505, 513; Häsemeyer InsR4 Rn 11.19; Weber Vermögensrechtlich und haftungsrechtlich veranlasste Surrogation im Insolvenzverfahren (2003), S 72 ff; vgl auch F Schulz AcP 105 (1909), 1, 352: „Die Intensität des Anspruchs auf das durch die Veräußerung Gewonnene sollte sein, wie die des Anspruchs auf die veräußerte Sache“. 8 Hahn Materialien IV, S 183; dort ist weiter nebulös von einer „Geschäftsführung ohne Auftrag“ die Rede. 9 Dieckmann FS Henckel (1995), S 95, 112 ff; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 3 („regelwidrig aus Billigkeitsgründen“); ders NZI 2005, 1; ders/Bitter ZIP 2005, 93, 96 li. Sp; Hochmuth Die Ersatzaussonderung (1931), S 28. 10 Dieckmann FS Henckel (1995), S 95, 112 ff; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 6. 11 Hahn Materialien IV, S 182. 507

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

maßgeblich von einer echten dinglichen Surrogation. Wenn es zu einer solchen Surrogation kommt, lässt sich der Vorgang vereinfacht12 durch die Vorstellung verbildlichen, dass die Rechtsposition bestehen bleibt, aber das Gut ausgewechselt wird, auf das sich diese bezieht. Im Falle einer Surrogation bleibt der Inhaber der Rechtsposition also zur Aussonderung, jetzt freilich eines anderen Gutes, berechtigt. § 48 greift als Privileg eines obligatorischen Gläubigers dagegen nur in den Fällen, in denen es nicht zu einer dinglichen Surrogation kommt.13 Der Gesetzgeber hatte sich bewusst dagegen entschieden, die Fälle des § 48 mittels dinglicher Surrogation zu lösen.14 Verbreitet wird mit Bezug auf § 48 von einer „haftungsrechtlichen Surrogation“ gesprochen,15 ohne dass mit dieser Kategorisierung freilich ein Erkenntnisgewinn verbunden wäre.16 § 48 stellt eine Privilegierung bestimmter Gläubiger dar, deren Rechtsstellung aus der Verlet5 zung einer vormals zur Aussonderung berechtigenden Rechtsposition resultiert.17 Das Recht zur Ersatzaussonderung wird in § 48 allerdings nur bestimmten Bereicherungsgläubigern zugestanden. Geschützt werden nach dem Gesetzeswortlaut nur diejenigen ehemaligen Rechtsinhaber, deren Rechtsposition durch eine unberechtigte, aber wirksame Veräußerung beeinträchtigt wurde. § 48 privilegiert demnach nur diejenigen Gläubiger, denen materiell-rechtlich eine Forderung aus § 816 I S 1 oder II BGB zusteht. Die Ersatzaussonderung stellt eine Privilegierung der Gläubiger der speziellen Eingriffskondiktion des § 816 BGB dar.18 Es wäre ein Anachronismus, darauf zu beharren, dass § 48 keines Rückgriffs auf ein anerkanntes materiell-rechtliches Institut bedürfe, da der Gesetzgeber der KO seinerzeit mangels einheitlichen Bürgerlichen Rechts schlicht einen neuen Anspruch mitgeschaffen habe.19 Dieses bereicherungsrechtliche Substrat des § 48 wird freilich verbreitet verkannt, wenn ausgeführt wird, dass im Rahmen einer Ersatzaussonderung eine Bereicherung der Masse von vornherein nicht nachgewiesen werden müsse20 bzw dass ein Entreicherungseinwand durch die Masse nicht vorgebracht werden könne,21 womit § 48 seiner unerlässlichen materiell-rechtlichen Grundlage22 beraubt wird. § 48 setzt das verfolgte Privilegierungsanliegen auch in seinem originären Anwendungsbereich nur halbherzig um, denn der Gesetzgeber hat die Ersatzaussonderung vergleichbar einer Aussonderung ausgestalten wollen. Damit konnte einerseits das Privileg aber dem Rechtfertigungsdruck des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes nicht entzogen werden, da es

12 Vgl Strauch Mehrheitlicher Rechtsersatz (1972), S 49 f. 13 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 8; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 19; Ganter NZI 2005, 1, 2; ders/ Bitter ZIP 2005, 93, 96; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 17. 14 Siehe Hahn Materialien IV, S 183, wonach nicht „füglich von einer Vindikation des Kaufpreises oder der Forderung auf denselben gesprochen werden“ könne; hierüber setzt sich Strauch Mehrheitlicher Rechtsersatz (1972), S 114 f, 217 f, 222 hinweg, der im Falle des § 816 I BGB zu einer dinglichen Surrogation gelangen will. 15 Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011), S 261; Uhlenbruck/ders InsO15 § 48 Rn 1; Ganter/Bitter ZIP 2005, 93, 96; Gundlach KTS 1996, 505, 513; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 4; K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 1; ähnlich auch Picker FS Schröder (2013), S 517, 542 („surrogatorische[r] Notschut[z]“). 16 So auch Eckardt FS Schilken (2015), S 645, 651 f; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 4; ders NZI 2005, 1, 3; Jaeger/ Henckel InsO1 § 48 Rn 8 ff. 17 Weshalb die Vorschrift in ihren Grundlagen entgegen Picker FS Schröder (2013), S 517, 541 f nicht mit § 392 II HGB vergleichbar ist. 18 So auch C Berger FS Kreft (2004), S 191, 204 f; Brehm FS Jelinek (2002), S 15, 21 f; Harder Insolvenzrechtliche Surrogation (2002), S 79; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 3 f; D Schmidt JZ 2022, 552, 557; Weber Vermögensrechtlich und haftungsrechtlich veranlasste Surrogation im Insolvenzverfahren (2003), S 72 f; vgl weiter F Schulz AcP 105 (1909), 1, 352 ff; unzutreffend Hochmuth Ersatzaussonderung (1931), S 23 f. 19 So aber Rauhut Aussonderung von Geld (2020), S 54 ff. 20 HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 3. 21 MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 8a; ders NZI 2005, 1, 5; K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 6; zutreffend dagegen im Ergebnis BGH NZI 2008, 426, Rn 10. 22 Im Ansatz richtig Ganter NZI 2005, 1, 2 („materiell-rechtliche Ansprüche kann die InsO nicht begründen“); ders/ Bitter ZIP 2005, 93, 96; Gundlach Der Ersatzaussonderungsberechtigte (1994), S 37 ff; ders KTS 1997, 211, 216; Hochmuth Die Ersatzaussonderung (1931), S 25; Kuhn Ersatzaussonderungsrecht und Drittwiderspruchsklage (2008), S 9 ff; unzutreffend Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 48 Rn 1; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 1. Hoffmann

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nicht wie ein vollwertiges absolutes Recht vom Verteilungskonflikt unberührt bleibt.23 Andererseits bereitet die gewählte Privilegierungskonstruktion Schwierigkeiten, da sie das der echten absoluten Zuordnung entlehnte Kriterium der Unterscheidbarkeit mit sich bringt. Der Rückgriff auf die Aussonderungskonstruktion trägt also nicht, um eine Rechtfertigung für das Privileg zu liefern und schränkt dieses andererseits entgegen dem Privilegierungsanliegen ein. Es verwundert daher nicht, dass sich im Kontext von § 48 ein eigener Begriff der Unterscheidbarkeit entwickelt hat, der sich von der Aussonderungskonstruktion zunehmend emanzipiert (Rn 81 f). Wenig hilfreich ist der zur Rechtfertigung von § 48 häufig wiederholte Hinweis, es müsse 6 verhindert werden, dass die Masse sich ungerechtfertigt zulasten des Aussonderungsberechtigten bereichere.24 Verweise auf Billigkeitsgedanken und Surrogationserwägungen führen in der Sache nicht weiter. Sie suggerieren, dass der Eingriff in die Rechtsposition vermögensrechtlich perpetuiert werde. Tatsächlich wird die (bereicherte) Masse aber bei materieller Insolvenz vollumfänglich an die Gläubiger verteilt. Die eigentliche Frage ist also, ob es unbillig ist, dass andere Gläubiger an der Bereicherung in der Masse partizipieren. Auch differenziert das Privileg des § 48 in der Rangordnung der Gläubiger insgesamt nicht stimmig: Eine Vervollkommnung des Schutzes der Rechtspositionen Dritter, wie sie den Verfassern der Konkursordnung bei der Kodifikation der Ersatzaussonderung vorschwebte, würde eine Gleichstufung deliktsrechtlicher und bereicherungsrechtlicher Gläubiger erfordern, ein Privileg nur von Bereicherungsgläubigern lässt sich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes nicht rechtfertigen. Auch ist zu betonen, dass § 48 jedenfalls de lege lata eine Massebereicherung im eigentlichen Sinne nicht mehr voraussetzt, da – anders als noch unter der Geltung von § 46 KO – auch die Fälle erfasst werden, in denen die Bereicherung ins Schuldnervermögen geflossen ist, bevor sich eine Insolvenzmasse konstituiert hat. Der den § 55 I Nr 3 tragende Gedanke einer echten „Massebereicherung“ (= nach Verfahrenseröffnung) hat in § 48 keinen Eingang gefunden.

4. Unstimmigkeiten im Anwendungsbereich Betrachtet man § 48 vor dem Hintergrund, dass der bereicherungsrechtliche Schutz eines (vor- 7 mals) Aussonderungsberechtigten mittels Privilegierung abgesichert werden soll, ergeben sich Unstimmigkeiten im Anwendungsbereich. § 48 erstreckt seine Privilegierung nicht auf jede Form der Eingriffskondiktion, sondern nur auf den Sonderfall des § 816 BGB. Ausschließlich die Konstellationen einer wirksamen Veräußerung der Rechtsposition gegen eine Gegenleistung sollen erfasst werden. Wenn man die konsequente Verfolgung eines gesetzgeberischen Plans ohne Wertungswidersprüche unterstellt, ist nicht einsichtig, warum etwa de lege lata der Fall nicht erfasst wird,25 in dem eine Sache nicht unberechtigt veräußert, sondern vermietet worden ist. Wie der Veräußerer greift auch der Vermieter in die Rechtsposition eines zur Aussonderung berechtigten Eigentümers ein, wenn er unberechtigterweise die Nutzungen aus der Sache zieht. Diese in der Vergangenheit liegende Nutzungsmöglichkeit ist für den berechtigten Eigentümer auch unwiederbringlich verloren. In systematischer Hinsicht kaum zu überzeugen vermag weiter, dass eine Privilegierung nicht 8 angezeigt sein soll, wenn der Eigentümer seine Rechtsposition gemäß § 950 I S 1 BGB durch eine Verarbeitung verliert. Eine Ersatzaussonderung einer „Gegenleistung“ soll sogar ausscheiden, wenn der verarbeitete Gegenstand anschließend entgeltlich veräußert wird.26 Verbreitet versucht man 23 Zur Aussonderung aus dem Blickwinkel der Gläubigergleichbehandlung J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 232 ff. 24 Vgl etwa MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 3; dens NZI 2005, 1; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 4a. 25 Vgl BGH NZI 2006, 587, Rn 11 f; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 14; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 7; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 19; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 27; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 7. 26 BGH NJW 1989, 3213; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 9; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 8. 509

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

dies mit dem Hinweis zu rechtfertigen, es fehle an einem der (Ersatz)Aussonderung fähigen, unterscheidbaren Gegenstand in der Masse, der dieser unmittelbar durch die Rechtsverletzung zugeführt wurde.27 Dieser Einwand ist jedoch nicht schlüssig:28 Als ein der (Ersatz)Aussonderung fähiger Gegenstand verbleibt die verarbeitete Sache in der Masse. Dass der Bereicherungsgläubiger diese nicht insgesamt aussondern kann, hindert nicht die Gewährung eines (Ersatz)Aussonderungsrechts. Die Ersatzaussonderung könnte ohne Weiteres wie die Aussonderung eines Miteigentümers konstruiert werden (dazu § 47 Rn 88 ff). Gleiches gilt, wenn der Eigentümer seine Rechtsposition nach §§ 946– 948 BGB verliert. Auch in diesen Fällen scheitert eine Privilegierung des Bereicherungsgläubigers nicht an der Konstruktion mittels (Ersatz)Aussonderungsrechts.29

5. Schlussfolgerungen 9 § 48 stellt eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung einer willkürlich ausgewählten bestimmten Gläubigergruppe dar. Die Bevorzugung bestimmter Bereicherungsgläubiger etwa gegenüber Deliktsgläubigern lässt sich nicht rechtfertigen. Selbst die dezisionistische Auswahl innerhalb der Gruppe der Eingriffskondiktionsgläubiger ist anhand sachlicher Maßstäbe nicht nachzuvollziehen. § 48 sollte de lege ferenda ersatzlos gestrichen werden. De lege lata muss ein Umgang mit der Norm gefunden werden, der sie in ihrem Anwendungsbereich auf das beschränkt, was der Gesetzgeber zweifellos anordnen wollte.30 § 48 ist im Ergebnis in der Tat zu begreifen als dezisionistischer und punktueller gesetzgeberischer Eingriff in die insolvenzrechtliche Verteilungsordnung.31 Die Ersatzaussonderung ist einer systematischen Erfassung und Durchdringung im herkömmlichen Sinne nicht zugänglich. Der Normanwender hat jegliche Versuche zu unterlassen, im Wege der (teleologischen) Auslegung § 48 von Wertungswidersprüchen zu befreien. Regelmäßig geschieht das entweder unter dem Schlagwort der „Surrogation“ oder unter Rekurs auf eine „haftungsrechtliche“ Betrachtungsweise.

II. Anwendungsbereich 1. Veräußerung und sonstige Eigentumseingriffe 10 Hinsichtlich des Anwendungsbereichs ist im Ergebnis daher der hM zu folgen, die § 48 nicht auf weitere Fälle der Eingriffskondiktion erstreckt und insbesondere die Konstellationen der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung ausklammert (Rn 7 f). Überwiegend wird § 48 allerdings auf Fälle eines gesetzlichen Eigentumserwerbs angewandt, wenn dieser „auf einer Leistung beruht“.32 So hat auch der BGH dem Eigentümer von Baumaterial im Wege der Ersatzaussonderung die Gegenleistung zugesprochen, die der Schuldner, dem das Material unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden war, für den Einbau des Materials auf fremdem Grundstück erlangt hatte.33 Auch die hier propagierte Begrenzung der Normanwendung auf den engen Bereich der dezisionistischen 27 Gerhardt KTS 1990 1, 5. 28 Vgl auch Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 8. 29 Unzutreffend Weber Vermögensrechtlich und haftungsrechtlich veranlasste Surrogation im Insolvenzverfahren (2003), S 94 f. 30 De lege ferenda vorzugswürdig (Rn 9), aber de lege lata nicht zu halten, ist daher der Vorschlag von Stamm KTS 2015, 461, 480 ff, § 48 in Anwendungsbereich und Rechtsfolge auf § 55 I Nr 3 zu reduzieren. 31 So letztlich auch Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 6; nicht weiterführend dagegen Rauhut Aussonderung von Geld (2020), passim, der für eine umfassende Ausdehnung der Ersatzaussonderung plädiert. 32 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 10; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 9. 33 BGHZ 30, 176 ff = NJW 1959, 1681 f, dazu Rietschel LM Nr 5 § 46 KO; BGHZ 102, 293, 307 f = NJW 1988, 1210, 1213; LG Hamburg ZIP 1982, 87; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 10; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 24; Gundlach KTS 1996, 505 mN; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 8. Hoffmann

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Vorgaben hindert eine entsprechende Normauslegung nicht. Akzeptiert man, dass der Gesetzgeber (nur) die Fälle einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung erfassen wollte, ist es stimmig, auch die Fälle unter § 48 zu fassen, bei denen es nur vom Zufall abhängt, ob der Schuldner/Verwalter übereignet, bevor er den Tatbestand des gesetzlichen Eigentumserwerbs herbeiführt. Beschränkt man § 48 allerdings auf den Fall einer wirksamen rechtsgeschäftlichen Verfügung (Rn 40 ff), muss auch beim gesetzlichen Eigentumserwerb, der „auf einer Leistung“ beruht, gelten, dass die hypothetische rechtsgeschäftliche Veräußerung wirksam hätte sein können. Auch greift § 48 nicht, wenn der originäre Eigentumserwerbstatbestand vor und unabhängig von einer Veräußerung verwirklicht worden ist. So hat auch der BGH dem Berechtigten die Ersatzaussonderung versagt, nachdem das von ihm unter Eigentumsvorbehalt dem späteren Insolvenzschuldner gelieferte Material von diesem verarbeitet und weiterveräußert worden war.34

2. „Zweite Ersatzaussonderung“ Eine weitere herrschend befürwortete Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 48 wird man 11 mit der hier propagierten restriktiven Linie allerdings verwerfen müssen: Überwiegend wird einer sogenannten „zweiten Ersatzaussonderung“ das Wort geredet.35 Dabei geht es in der Sache um die Erstreckung des § 48 auf eine weitere Transaktion. Sollte der Tatbestand des § 48 im Hinblick auf das Aussonderungsrecht verwirklicht sein und wird anschließend der der Ersatzaussonderung unterliegende Gegenstand veräußert, soll auch das den Tatbestand des § 48 erneut aktivieren. Veräußert der Insolvenzverwalter die in die Masse gelangte Gegenleistung, müsste er demnach die dafür erhaltene Gegenleistung auf den Ersatzaussonderungsberechtigten übertragen, bzw die Forderung auf die noch ausstehende Gegenleistung abtreten. Tritt er die noch ausstehende Forderung auf die Gegenleistung entgeltlich ab, so würde sich die Ersatzaussonderung auch auf die dafür erlangte oder auf den Anspruch auf die noch ausstehende Gegenleistung richten. Voraussetzung wäre zwar auch hier, dass die Veräußerung wirksam ist. Zu erkennen ist aber, dass § 48 insoweit nur ein Insolvenzprivileg gewährt, mit einem Sukzessionsschutz ist die Position nicht zu versehen, sodass die Verfügung zugunsten des Erwerbers ohne Weiteres wirksam ist.36 Hat der Insolvenzschuldner bereits vor der Verfahrenseröffnung über die Gegenleistung verfügt, wird das Recht zur „zweiten Ersatzaussonderung“ dagegen verbreitet bestritten.37 Dem liegen primär konstruktive Erwägungen zugrunde, wonach es bei einer zweiten Transaktion vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels vorinsolvenzlicher Geltung des § 48 an einem hinreichenden Substrat für ein erneutes Eingreifen von § 48 fehle. Diese um die Vorstellung einer „haftungsrechtlichen Zuweisung“ angereicherte überschießende Vergegenständlichung von § 48 ist nicht überzeugend. Zumal die Gründe dafür, dass § 48 nicht bereits vor Insolvenzverfahrenseröffnung im Wege einer „Ersatzwiderspruchsklage“ geltend gemacht werden kann, primär darin zu sehen sind, dass es bei unterstellter materieller Solvenz grds keinen Bedarf für entsprechende Privilegien gibt.38 Zutreffend wird in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass es auch bei einer „zweiten Ersatzaussonderung“ eines materiell-rechtlichen Substrats 34 BGH NJW 1989, 3213 f, dazu Graf Lambsdorff EWiR 1989, 1017; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 9; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 112; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 8.

35 MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 74 ff; Gerhardt KTS 1990, 1, 3; Gundlach KTS 1997, 453 ff; ders/Frenzel/Schirrmeister KTS 2003, 69 ff; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 10; ders JuS 1985, 836, 841; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 4a; Kübler/Prütting/ Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 6; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 37, wenn die Gegenleistung nicht auf Geld gerichtet war. Unentschieden Dieckmann FS Henckel (1995), S 95, 105, 116 f; aA Scherer KTS 2002, 197 ff; Harder KTS 2001, 97 ff. 36 AA Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 10, der offenbar von einem Sukzessionsschutz ausgeht, da er bei einer Forderungsabtretung zusätzlich die Voraussetzungen von § 405 BGB verlangt. 37 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 39; Dieckmann FS Henckel (1995), S 95, 116 f; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 10; aA MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 77; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 37. 38 Siehe auch Kuhn Ersatzaussonderungsrecht und Drittwiderspruchsklage (2008), S 187 ff, von dem die Wortschöpfung stammt. 511

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bedarf, also einer Forderung, die insolvenzrechtlich privilegiert wird. Ein Rückgriff auf § 285 I BGB39 ist in diesem Kontext aber nicht weiterführend und auch nicht erforderlich, denn der zu privilegierende Anspruch aus § 816 I S 1 BGB geht mangels Entreicherung durch die zweite Transaktion schließlich nicht unter. Man stößt sich offenbar an dem Umstand, dass sich § 816 I S 1 BGB vom Anspruchsziel her nicht auf die „Gegenleistung für die Gegenleistung“ bezieht.40 Bereits in seinem originären Anwendungsbereich bezieht sich § 816 I S 1 BGB aber nicht auf die Gegenleistung als Gegenstand, sondern als bereicherungsrechtlich abzuschöpfender Wert, so wie auch § 816 I S 1 BGB nicht auf die Abtretung „des Rechts auf die Gegenleistung“ gerichtet ist, weshalb es durch die zweite Transaktion auch nicht zu einer den § 285 I BGB auslösenden Unmöglichkeit iSv § 275 BGB kommt. § 48 nimmt die Gegenleistung bzw das Recht auf die Gegenleistung nur als gegenständliches Privilegierungsvehikel in den Blick, nicht als spezifischen Anspruchsinhalt. Von Sinn und Zweck des § 48 ist eine „zweite Ersatzaussonderung“ sowohl bei Veräußerungen durch den Insolvenzverwalter als auch durch den Insolvenzschuldner sicher gedeckt. Allerdings kann § 48 insgesamt nicht attestiert werden, einen gesetzgeberischen Zweck stimmig umgesetzt zu haben, weshalb auf einen restriktiven Umgang mit der Norm anhand der Entstehungsgeschichte und des Wortlauts gedrängt werden muss. Den Gesetzesmaterialien lässt sich keine Aussage zur „zweiten Ersatzaussonderung“ entlocken. Der Begriff der „Gegenleistung“ kann nicht so weit gefasst werden, dass die „Gegenleistung für die Gegenleistung“ noch unmittelbar dem Aussonderungsrecht zugeordnet werden könnte.41 Von einer „unberechtigten“ Veräußerung iSd materiell-rechtlichen Substrats des § 816 I S 1 BGB kann nicht gesprochen werden, wenn der Insolvenzverwalter oder der Schuldner einen lediglich (potenziell) der Ersatzaussonderung unterliegenden Gegenstand veräußern. Hier von einer „haftungsrechtlich unberechtigten“ Veräußerung zu sprechen,42 rekurriert letztlich nur wieder darauf, dass in eine vormals insolvenzfeste Position eingegriffen worden ist, ohne dass das schon ein hinreichendes Unterscheidungskriterium für das Privileg des § 48 wäre (Rn 7 f). Ganter wiederum postuliert, § 48 S 2 sei bereits ein gesetzlich geregelter Fall einer „zweiten Ersatzaussonderung“;43 auch wenn dem so wäre, würde das freilich nicht die Frage beantworten, ob auch andere, nicht ausdrücklich erfasste Konstellationen einer „zweiten Ersatzaussonderung“ anzuerkennen sind. Eine „zweite Ersatzaussonderung“ ist abzulehnen.

III. Der Ersatzaussonderungsberechtigte 1. Forderungsinhaber 12 Ob neben dem Inhaber des absoluten Rechts auch der Inhaber eines schuldrechtlichen Anspruchs zur Ersatzaussonderung berechtigt ist, soweit sein schuldrechtlicher Anspruch ihn zur Aussonderung berechtigt hätte, war schon unter Geltung der Konkursordnung umstritten.44 Die Begründungen der hM, die das Ersatzaussonderungsrecht des Inhabers eines schuldrechtlichen Aussonderungsanspruchs bejahte, unterschied dabei nicht immer deutlich zwischen einer Verfügung des Schuldners oder Verwalters über den Gegenstand der Aussonderung und der Verletzung

So MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 75a; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister KTS 2003, 69, 73 ff. So etwa Scherer KTS 2002, 197, 201 f. In diese Richtung aber K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 24. Etwa Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 38. MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 75. Bejahend Kilger/K Schmidt InsG17 § 46 KO Anm 3; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 46 Rn 1, 3; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 7; Oetker ZZP 25 (1899), 1, 76; Petersen/Kleinfeller KO3 § 38 Anm 3; zur InsO auch C Berger FS Kreft (2004), S 191, 204 f; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 5; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 8; ders NZI 2005, 1, 3 f; Hochmuth Die Ersatzaussonderung (1931), S 52; Kuhn Ersatzaussonderungsrecht und Drittwiderspruchsklage (2008), S 84 ff; aA Gundlach Der Ersatzaussonderungsberechtigte (1994), S 50 ff; ders KTS 1997, 211, 220; Hellwig AcP 68 (1885), 217, 237 f; Jaeger/ Henckel InsO1 § 48 Rn 14.

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der absoluten Dimension (§ 47 Rn 25) des schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs selbst. Die Ersatzaussonderung setzt voraus, dass durch die unberechtigte Verfügung des Schuldners oder Verwalters das Recht, das ohne die Verfügung hätte ausgesondert werden können, unmittelbar betroffen wird. Deshalb kann der Gläubiger eines schuldrechtlichen Anspruchs, dem dieser vom Schuldner abgetreten war, vom Verwalter Ausgleich nach Maßgabe von §§ 816 II BGB, 48 verlangen, wenn der Anspruchsschuldner mit befreiender Wirkung (§ 407 BGB) in die Masse geleistet hat. Durch die wenigstens verfügungsähnliche Wirkung der zum Zweck der Erfüllung erbrachten Leistung wird die dem Zessionar zustehende Forderung unmittelbar beeinträchtigt. Die Einziehung einer fremden Forderung wird ganz einhellig als „Veräußerung“ iSv § 48 angesehen (Rn 32). Wenn ein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch vom Schuldner zediert worden ist und der Anspruchsschuldner diesen durch Herausgabe wirksam nach Maßgabe von §§ 407 I, 362 I BGB beim Schuldner/Verwalter erfüllt hat, kann der Zessionar auf der Grundlage von §§ 816 II BGB, 48 Herausgabe aus der Masse verlangen.

2. Obligatorisch Herausgabeberechtigter Von diesem Fall zu unterscheiden ist der andere, dass die obligatorisch geschuldete Herausgabe 13 infolge der Veräußerung des herauszugebenden Gegenstandes nicht mehr möglich ist. Folge der Veräußerung ist zwar auch hier, dass der Inhaber des schuldrechtlichen Aussonderungsanspruchs diesen nicht mehr geltend machen kann. Jedoch ist der Anspruch auf Herausgabe in seiner absoluten Dimension („Forderungsinhaberschaft“) nicht unmittelbar Gegenstand der Rechtsverletzung des Schuldners/Insolvenzverwalters. Bei der Veräußerung des herauszugebenden Gegenstandes maßt sich der Rechtsverletzer die Befugnisse des Eigentümers an, er geriert sich aber gerade nicht als Inhaber des schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs.45 Es wird letztlich nur der relative Leistungsbefehl verletzt. Der relative Leistungsbefehl als solcher rechtfertigt weder eine Aussonderung noch eine Er- 14 satzaussonderung. Für die hiesigen Zwecke kann daher auch die materiell-rechtliche Frage vernachlässigt werden, ob der (nur) obligatorisch Herausgabeberechtigte aus eigenem materiellen Recht über § 285 I BGB den vollen Substanzwert des Gegenstandes abschöpfen kann, obwohl ihm ebendieser Substanzwert im Verhältnis zum Eigentümer nicht zusteht.46 Denn es konnte gezeigt werden, dass sich die Aussonderungskraft schuldrechtlicher Herausgabeansprüche bezüglich des herauszugebenden Gegenstandes vom Inhaber der absoluten Rechtsposition herleitet (§ 47 Rn 15). Der obligatorisch Herausgabeberechtigte leitet sein Aussonderungsrecht vom Eigentümer ab. Es besteht nur, damit der obligatorisch Herausgabeberechtigte das Interesse des Eigentümers wahrnehmen kann. In der Konsequenz ist bei der Ersatzaussonderung zu fragen, ob die Legitimationskette hin zum Eigentümer auch in Ansehung von § 816 I S 1 BGB weiterhin trägt. Verliert etwa ein vermietender Nichteigentümer seinen Anspruch aus § 546 I BGB dadurch, dass der (später insolvente) Mieter die Sache wirksam veräußert, ist allerdings zunächst nicht ersichtlich, warum neben dem Eigentümer auch dem Vermieter eine Ersatzaussonderung zustehen sollte. Ob auch die bereicherungsrechtliche Abschöpfung von der ratio der obligatorischen Herausgabeberechtigung als (dispositive) gesetzliche Einziehungsermächtigung erfasst wird, ist in hohem Maße zweifelhaft: Anders als bei der Vindikation einer Sache (Aussonderung) ist die Einziehungsermächtigung zu einer Kondiktion durch den nur obligatorisch Herausgabeberechtigten (Ersatzaussonderung) für den Eigentümer mit erhöhten Gefahren verbunden. Der Veräußerungserlös wird zunächst dem Vermögen des nur obligatorisch Herausgabeberechtigten zugeführt, sodass es für 45 Zur Abgrenzung zwischen der Anmaßung der Befugnisse des Forderungsinhabers und der bloßen Beeinträchtigung des Leistungssubstrats siehe J F Hoffmann Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2014, S 163, 177 f. 46 Gegen eine Anwendung des § 285 BGB im Rahmen des schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs aus § 546 I BGB daher etwa Katzenstein/Hüftle NZM 2004, 601, 603 mwN und Hartmann Der Anspruch auf das stellvertretende commodum (2007), S 222 f. 513

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den Eigentümer zu einer Erhöhung von Insolvenzrisiken kommt, die allenfalls dadurch abgeschwächt werden könnten, dass dem Eigentümer seinerseits eine Ersatzaussonderung beim nur obligatorisch Herausgabeberechtigten gestattet wird.47 Auf der anderen Seite hat der Eigentümer auch bei einer Ersatzaussonderung ein Interesse daran, dass diese schnell durchgesetzt wird, da sie nach einer Einziehung des Rechts auf die Gegenleistung und einer Vermengung der Gegenleistung mit dem Schuldnervermögen unterzugehen droht. Ebendiese Vermengung droht freilich in gleichem Maß im Vermögen des obligatorisch Herausgabeberechtigten, sodass auch ein insoweit zusätzlich gewährtes Ersatzaussonderungsrecht des Eigentümers keinen umfassenden Schutz bieten könnte. 15 Letztlich ist eine Lösung des Problems der Logik der Aussonderungskraft obligatorischer Herausgabeansprüche entsprechend aus den Interessen des Eigentümers heraus zu entwickeln. Wie beim Herausgabeanspruch hat der Eigentümer grundsätzlich ein Interesse daran, dass die Kondiktion zügig durchgesetzt wird und dass dies zweckmäßigerweise durch den obligatorisch Herausgabeberechtigten bewerkstelligt wird. Anders als bei der Herausgabe ist aber nicht ersichtlich, warum der obligatorisch Herausgabeberechtigte Leistung an sich selbst verlangen können soll. Bei der Herausgabe ist zumindest denkbar, dass ein Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer besteht (§ 986 I S 2 BGB). Bei der Abschöpfung des Substanzwerts ist aber regelmäßig ausgeschlossen, dass dieser dem obligatorisch Herausgabeberechtigten gegenüber dem Eigentümer vollumfänglich oder auch nur vorübergehend zusteht. Das Ersatzaussonderungsrecht ist dem obligatorisch Herausgabeberechtigten daher mit der Maßgabe zuzuweisen, dass er nur Leistung an den Eigentümer verlangen kann.48

3. Schuldner 16 Aus der gegenüber § 43 KO abweichenden Formulierung des § 47 S 1 ergibt sich, dass auch der Schuldner aussondern kann (§ 47 Rn 8). Ob der Gesetzgeber dabei auch an die Ersatzaussonderung gedacht hat, lässt sich nicht feststellen. Deshalb muss besonders geprüft werden, ob die Anwendung des § 48 zugunsten des Schuldners zu vertretbaren und angemessenen Ergebnissen führt. In Betracht kommen nur die Fälle, in denen der Insolvenzverwalter einen unpfändbaren Gegenstand, der nicht zur Masse gehört (§ 36 I S 1), zugunsten der Masse veräußert hat. Ob und inwieweit dem Schuldner gegenüber der Masse Rechte zustehen, ist zunächst eine materiell-rechtliche Frage. Anders als bei § 47 reicht es für § 48 aber nicht aus, aus den Pfändungsschutzvorschriften ein materielles Besitzrecht zugunsten des Schuldners herzuleiten. Vielmehr muss diesem im Verhältnis zu seinen Gläubigern materiell-rechtlich auch der Substanzwert zustehen.49 Da die Pfändungsschutzvorschriften des § 811 ZPO aber nicht auf die Eigentumslage abstellen, wird man alleine ihnen eine solche materiell-rechtliche Substanzwertzuweisung nicht entnehmen können. Diese ergibt sich allerdings dann, wenn der Schuldner auch Eigentümer der unpfändbaren Gegenstände ist. Die zusätzliche Anwendung des § 48 läuft in diesen Fällen darauf hinaus, dem Schuldner den Anspruch auf den Veräußerungserlös bzw diesen selbst, soweit er in der Masse unterscheidbar vorhanden ist, zuzuweisen. Das erscheint gerechtfertigt, weil die Gläubiger kein Recht darauf haben, aus pfändungsfreiem Vermögen des Schuldners befriedigt zu werden. Dritte, die vom Schutz der Pfändungsschutznormen erfasst werden, zB die in § 811 Nr 1 ZPO genannten Personen, sind dagegen nicht zur Ersatzaussonderung berechtigt.

47 In diesem Sinne etwa Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 5; Kuhn Ersatzaussonderungsrecht und Drittwiderspruchsklage (2008), S 107 f; K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 13; dagegen Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 14. 48 Picker FS Schröder (2013), S 517, 542 postuliert, der obligatorisch Herausgabeberechtigte könne im Wege der Ersatzaussonderung nur eine Hinterlegung einfordern. 49 Vgl hierzu Scheuch ZZP 134 (2021), 169, 180 f. Hoffmann

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IV. Anspruchsvoraussetzungen 1. Der veräußerte Gegenstand § 48 gewährt dem Berechtigten einen Ersatz für den Verlust eines Gegenstandes, dessen Aussonde- 17 rung er hätte verlangen können, wenn die „Veräußerung“ des Schuldners oder des Insolvenzverwalters unterblieben wäre. So kann zB der Kontokorrentkunde einer Bank, der ihr Dividendencoupons vor der Fälligkeit „zur Gutschrift“ übergeben hatte, die vom Insolvenzverwalter der Bank später eingezogenen Beträge beanspruchen, weil er das Eigentum an den Scheinen nicht übertragen hatte, sie selbst also hätte aussondern können.50 Dagegen würde die nur schuldrechtliche Verpflichtung eines Käufers, vor Zahlung des Preises über die Ware nicht zu verfügen, den Verkäufer nicht zur Aussonderung der Ware und deshalb auch nicht zur Ersatzaussonderung des durch den Weiterverkauf erzielten Erlöses berechtigen.51 Ebenso wenig berechtigt die nur schuldrechtliche Haftung eines im Insolvenzverfahren stehenden Gesellschafters auf die Erlöshälfte zur Ersatzaussonderung, wenn ein Grundstück zur Hälfte mit Mitteln des anderen Gesellschafters, aber als Alleineigentum des jetzigen Insolvenzschuldners angeschafft worden war52 oder die schuldrechtliche Verpflichtung des Insolvenzschuldners, eingehende Zahlungen nur zur Verringerung eines verbürgten Sollsaldos zu verrechnen.53 Gegenstände, die der Schuldner als uneigennütziger Treuhänder verwaltet hatte, konnte der Treugeber aussondern (§ 47 Rn 68). Folglich kann er den Veräußerungserlös ersatzaussondern, wenn der Schuldner oder der Insolvenzverwalter rechtswidrig (Rn 57 f) Treugut veräußert hat. Der Kommittent kann nicht nur die dem Verkaufskommissionär übergebene Ware aussondern, sondern auch die Forderung, die der Kommissionär durch den Verkauf erwirbt (§ 392 II HGB). Dementsprechend kann der Kommittent den Kaufpreis ersatzaussondern, wenn der Kommissionär oder sein Insolvenzverwalter unberechtigt über die Ware verfügt, und er kann die Gegenleistung ersatzaussondern, die der Kommissionär oder sein Insolvenzverwalter für eine unberechtigte Verfügung über die Forderung erlangt. Er kann unter Umständen aber auch die Leistung, die der Käufer dem Kommissionär oder dem Verwalter als Kaufpreis gezahlt hat, ersatzaussondern (Rn 36). Wird eine Sache, die mehreren Miteigentümern gehört, vom nichtberechtigten Schuldner 18 oder Verwalter veräußert, kann jeder frühere Miteigentümer nach §§ 432 I S 1 BGB, 48 die Abtretung der Forderung auf die Gegenleistung an alle Mitberechtigten verlangen bzw die Gegenleistung selbst, wenn sie unterscheidbar in der Masse vorhanden ist.54 Das ist zB der Fall, wenn gleichartige Sachen beim Schuldner vermischt wurden (§ 948 BGB). Ob die Anteile der Miteigentümer ihrem Umfang nach feststellbar sind, spielt keine Rolle. Die Ersatzaussonderung durch die ehemaligen Miteigentümer oder einen von ihnen nach Maßgabe der §§ 432 BGB, 48 kann aber scheitern, wenn nicht feststellbar ist, ob diejenigen, an welche die Abtretung oder Zahlung verlangt wird, die einzigen Miteigentümer waren oder ob noch andere Personen Anteile am Miteigentum hatten. Denn der Anspruch ist nur begründet, wenn auf Leistung an alle früheren Miteigentümer geklagt wird. Dass der Verwalter die Beweislast dafür trage, dass neben den vom Kläger benannten Mitberechtigten noch andere beteiligt seien,55 lässt sich nicht überzeugend begründen;56 denn wenn der Verwalter sich darauf beruft, dass auch andere Personen Miteigentum hätten, bestreitet er die Aktivlegitimation des Klägers, für deren Voraussetzungen dieser die Beweislast trägt.

50 51 52 53 54 55 56 515

OLG Rostock OLGRspr 22, 43 f. RG Recht 14 Nr 4157. RG LZ 1928, 1330. BGH NZI 1999, 191, 192, dazu Bereger LM Nr 67 SteuerberatungsG. Zu § 816 BGB vgl Staudinger/Lorenz BGB (2007) § 816 Rn 14. So Staudinger/von Proff BGB (2021) § 742 Rn 21. Reineke/Tiedtke WM 1979, 186, 187. Hoffmann

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Die Vereinbarung eines Sicherheitenpools,57 in den mehrere Sicherungsnehmer ihre Rechte einbringen, etwa mehrere Vorbehaltslieferanten ihr vorbehaltenes Eigentum an gelieferten Sachen, kann daran nichts ändern.58 Die Anteile der einzelnen Poolmitglieder brauchen ebenso wenig festgestellt zu werden wie bei der Klage eines einzelnen Miteigentümers auf Leistung an alle nach § 1011 BGB.59 Die Klage, die für den Pool erhoben wird, kann aber nur begründet sein, wenn an der vermischten Menge nicht auch andere als die Poolmitglieder Miteigentümer sind.60 Enthält die Poolvereinbarung nur eine nähere Ausgestaltung der Rechte in der Eigentümergemeinschaft, kann, wenn nichts anderes vereinbart ist, jedes Mitglied auf Leistung an alle klagen (§ 432 I S 1 BGB). Der Zusammenschluss zu gemeinsamer Rechtsverfolgung kann aber darüber hinausgehen und deshalb als Vereinigung zu gemeinsamem Zweck angesehen werden. Dann entsteht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und der einzelne Gesellschafter ist allein nicht befugt, die gesamthänderisch gebundenen Rechte gerichtlich geltend zu machen.61 Da sich die Poolvereinbarung auf die Masse nicht nachteilig auswirkt, bestehen gegen ihre Wirksamkeit grundsätzlich keine Bedenken.62 Probleme können durch die unterschiedliche Behandlung der Aus- und Absonderung durch die InsO entstehen. Wegen des Kostenbeitrags, der nur den absonderungsberechtigten Sicherungsnehmern auferlegt wird (§§ 170, 171), nicht aber den Vorbehaltseigentümern, und wegen des Rechts des Insolvenzverwalters, das der abgesonderten Befriedigung unterliegende Sicherungsgut selbst zu verwerten, wenn er es in Besitz hat (§ 166 I), müssen die Sachen, die hätten ausgesondert werden können, von den nur absonderungsfähigen innerhalb des Pools unterscheidbar sein. 20 Hat der Schuldner selbst einen Anteil an dem Miteigentum und hat er oder der Insolvenzverwalter über den Gesamtbestand verfügt, so ist das die Verfügung eines Nichtberechtigten. Der Ersatzaussonderungsanspruch steht dem anderen Miteigentümer bzw den anderen Miteigentümern gemeinsam (§ 432 I S 1 BGB) zu, muss aber bestimmbar sein (dazu § 47 Rn 91 f). 21 Die vereitelte ursprüngliche Aussonderung muss im Zeitpunkt der „Veräußerung“ (Rn 23 ff) begründet gewesen sein.63 Das ergibt die Fassung des Gesetzes. Denn es setzt voraus, dass „ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können“ (nicht „verlangt werden könnte“), „vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden“ ist. Auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung kann es nicht ankommen. Die durch die Ersatzaussonderung privilegierte Forderung des Gläubigers aus § 816 BGB erlischt schließlich nicht deshalb, weil der Schuldner, etwa durch Ersitzung, Eigentum erworben hätte, falls die Veräußerung unterblieben wäre oder weil die Sache aus einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand untergegangen wäre. Es wäre häufig auch gar nicht festzustellen, ob ein durch Veräußerung vor dem Insolvenzverfahren vereiteltes Aussonderungsrecht sich bis zur Verfahrenseröffnung erhalten hätte. 19

57 Hierzu auch Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 44; Beuck Poolvereinbarungen bei Unternehmensinsolvenz (1985); Bohlen Der Sicherheiten-Pool (1984); Eberding BB 1974, 1004; Gundlach DZWIR 1998, 12 ff; Heckel Zivilkonkursund verfahrensrechtliche Probleme des Sicherheitenpoolvertrages (1983); Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 72 ff; Heß Miteigentum der Vorbehaltslieferanten und Poolbildung (1985); FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 15 ff; Jauernig ZIP 1980, 318; Kilger ZIP 1975, 142; Marx NJW 1978, 246; May Der Bankenpool (1989); Obermüller Bank-Betrieb 1970, 456; ders BuB 4/70 ff (Vertragsmuster mit Erläuterungen); Reinicke/Tiedtke WM 1979, 186; Schröter/Graf von Westphalen WM-Skript 107; Serick ZIP 1982, 507; Stürner ZZP 1994 (1981), 263, 274 ff; Weitnauer FS Fritz Baur (1981), S 709; Graf von Westphalen BB 1987, 1186. 58 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 43 Rn 44c. 59 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 44 Rn 21; FK/Imberger InsO9 § 47 Rn 15. 60 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 44 Rn 22. 61 LG Oldenburg, Urteil vom 8.10.1998 – 3 O 1848/98 – nicht veröffentlicht, dazu Holzer EWiR 1998, 1095. 62 BGH NJW 1989, 895, 896, dazu Tiedtke EWiR 1989, 153; BGH NJW-RR 1993, 235, 236, dazu Gerhardt EWiR 1993, 61; Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 72 ff; KK/Hess InsO § 47 Rn 152. 63 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 4; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 16; Gundlach KTS 1997, 55 ff; Kübler/ Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 9; aA mit unterschiedlichen Zeitpunkten: OLG Braunschweig SeuffArch Nr 226; Hellwig AcP 68 (1885), 217, 227 ff; Petersen/Kleinfeller KO4 § 46 Anm 1; Wolff KO2 § 46 Anm 6. Hoffmann

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Die Identität des veräußerten Gegenstandes mit dem der ursprünglichen Aussonderung steht 22 zur Beweislast dessen, der die Ersatzaussonderung geltend macht.64

2. Veräußerung a) Vorläufiger Insolvenzverwalter. Die Ersatzaussonderung kommt bei Veräußerungen des 23 Schuldners und des Insolvenzverwalters in Betracht. Nicht ausdrücklich genannt ist der vorläufige Insolvenzverwalter. Ist er nicht verfügungsbefugt, kommen nur Veräußerungen des Schuldners in Betracht, die eine Ersatzaussonderung zur Folge haben, auch wenn sie nur infolge einer Zustimmung des vorläufigen Verwalters (§ 21 I Nr 2) wirksam geworden sind. Veräußerungen, die der nicht verfügungsbefugte vorläufige Insolvenzverwalter über Gegenstände, die dem Schuldner nicht gehören, selbst vornimmt, können nicht wirksam werden, weil der gute Glaube an dessen Verfügungsbefugnis nicht geschützt wird. Deshalb kann § 48, der nach der hier vertretenen Ansicht eine wirksame Verfügung voraussetzt (Rn 40 ff), auf sie nicht angewendet werden.65 Veräußerungen durch einen verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalter werden dem Schuldner zugerechnet. Sie sind im Rahmen des § 48 nicht anders zu behandeln als Verfügungen des Schuldners selbst.66

b) Begriff der Veräußerung. Veräußerung iSd § 48 ist jede entgeltliche rechtsgeschäftliche 24 Verfügung über den Gegenstand, der hätte ausgesondert werden können. Entgegen dem engen Wortlaut wird nicht nur die Vollübertragung des Rechts, also die Übereignung der Sache oder die Übertragung anderer Rechte, erfasst, sondern auch die Belastung, die das aussonderungsfähige Recht beeinträchtigt.67 Hat zB der Schuldner als bloßer Bucheigentümer eine Dienstbarkeit oder eine Grundschuld entgeltlich bestellt, ist Ersatzaussonderungsobjekt iSd § 48 die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ausstehende Gegenleistung (dazu Rn 68). Veräußerung iSd § 48 ist auch ein vom Schuldner oder Verwalter bewirkter Übergang der frem- 25 den aussonderungsfähigen Sache auf einen anderen kraft Gesetzes, wenn er in Erfüllung einer Verbindlichkeit geschieht (Rn 10), ferner die öffentliche Versteigerung, die Enteignung und die Zwangsveräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung, also eine Eigentumsübertragung nach §§ 894, 897 I, 898 ZPO.68 Die Versteigerung im Rahmen der Vollstreckung wegen einer Geldforderung gegen den Insolvenzschuldner oder den Insolvenzverwalter begründet dagegen keinen Ersatzaussonderungsanspruch des Eigentümers der versteigerten Sache. Auch wenn der Ersteher wirksam Eigentum an der versteigerten Sache des bisherigen Eigentümers erwirbt, steht der Anspruch auf den Erlös und der Erlös in der Hand des Gerichtsvollziehers dem bisherigen Eigentümer zu, der ungeachtet des Insolvenzverfahrens des Vollstreckungsschuldners die Herausgabe durchsetzen kann. Ist der Erlös an den Vollstreckungsgläubiger ausgezahlt, kann der benachteiligte frühere Eigentümer von ihm den Erlös bzw dessen Wert als ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangen.69 Einen Ersatzaussonderungsanspruch gegen den Schuldner oder gegen die Masse hat er nicht. Denn

64 RG JW 1899, 96. 65 AA MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 14. 66 BGHZ 221, 10, Rn 19 = NJW 2019, 1940, Rn 19; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 14; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 14; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 28; im Ergebnis auch Gerhardt in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts (2000), S 127, 135 f; Gundlach DZWIR 1998, 134, 136; Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 392; ders InVo 1998, 141, 142. 67 MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 18. 68 RGZ 94, 20, 25; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 11; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 17, 23; Gundlach KTS 1996, 505, 510; Kilger/K Schmidt InsG17 § 46 KO Anm 4; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 8; Rattunde/ Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 48 Rn 3. 69 Henckel Prozessrecht und materielles Recht (1970), S 331 ff. 517

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hier fehlt es mangels Befreiung von der titulierten Verbindlichkeit70 schon an der materiell-rechtlichen Grundlage für einen Bereicherungsanspruch. Veräußerung ist der dingliche Rechtsübergang. Die schuldrechtliche Verpflichtung, ein Recht zu übertragen, etwa im Kauf- oder Tauschvertrag, reicht zur Anwendung des § 48 nicht aus.71 Denn die schuldrechtliche Verbindlichkeit, einen fremden Gegenstand zu übertragen, hindert, auch wenn sie eine Masseschuld nach § 55 I Nr 1 bildet, die Aussonderung des Gegenstandes durch den Drittberechtigten nicht. Überlassung aufgrund von Miete oder Pacht ist keine „Veräußerung“ (Rn 7, 10). Eine Ersatzaussonderung des Miet- oder Pachtzinsanspruches ist daher nicht möglich.72 Der Eigentümer der vom Schuldner pflichtwidrig vermieteten oder verpachteten Sache hat nur einen Ersatzanspruch als Insolvenzforderung, bei Einziehung durch den Insolvenzverwalter als Masseschuldanspruch nach § 55 I Nr 3. Veräußerung ist aber die Übertragung fremder Gegenstände als Darlehen,73 weil sie dem Darlehensnehmer zu Eigentum übertragen werden. Auch die Einzahlung fremden Bargelds auf ein schuldnerisches Konto stellt eine Veräußerung nach Maßgabe von § 48 dar (zum problematischen Inhalt der Ersatzaussonderung Rn 68, 81);74 das gilt auch dann, wenn man das Geld nicht in erster Linie als Wertträger behandelt und insoweit die Parallele zur Vermischung ziehen wollte, denn wenn eine solche „auf einer Leistung beruht“, ist § 48 einschlägig (Rn 10). Aus der Rechtsfolge des § 48 ist abzuleiten, dass nur entgeltliche Veräußerungen gemeint sein können.75 Die unentgeltliche Verfügung des Schuldners über einen Aussonderungsgegenstand vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann nur eine Schadensersatzforderung als bloße Insolvenzforderung begründen. Der Berechtigte erhält möglicherweise vollen Ersatz nach § 816 I S 2 BGB. Bei Unwirksamkeit der Verfügung kann er vom Erwerber Rückgabe verlangen. Eine unentgeltliche Verfügung des Insolvenzverwalters dürfte kaum vorkommen. Da er regelmäßig seine Amtsbefugnisse überschreitet, wenn er über Massegegenstände unentgeltlich verfügt,76 und dadurch sogar evident insolvenzzweckwidrig handelt,77 ist die Verfügung unwirksam und begründet eine persönliche Haftung des Verwalters nach § 60 I S 1. Von dem Dritten kann der Berechtigte das Verfügungsobjekt herausverlangen. In dessen Insolvenzverfahren kann er es aussondern. Nicht notwendig ist, dass die Gegenleistung dem vollen Wert des Gegenstandes entspricht. Deshalb ist auch eine gemischte Schenkung als Veräußerung anzusehen.78 Veräußerung iSd § 48 kann auch die entgeltliche Verfügung über ein fremdes Forderungsrecht sein. So berechtigt die Abtretung einer vererbten Forderung durch den Scheinerben (§§ 2366, 2370 BGB) den wirklichen Erben zur Ersatzaussonderung der Forderung auf die Gegenleistung und dieser selbst, soweit sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist. Entsprechendes gilt für die wirksame Übertragung eines Wechsels durch einen Nichtberechtigten und für die Übertragung einer zu Unrecht auf den Namen des Insolvenzschuldners verbuchten Hypothekenforderung (§§ 892, 1138, 1153 ff, 1185 BGB). Zum Begriff der Veräußerung gehört, dass der Gegenstand durch Rechtsgeschäft oder zwangsweise ersetztes Rechtsgeschäft (Rn 25) einem Dritten übertragen worden ist oder der Dritte sie als Leistung des Schuldners kraft Gesetzes erworben hat (Rn 10). Die Beschädigung oder Zerstörung MünchKomm/Gruber ZPO6 § 804 Rn 50. MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 17; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 7. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 7; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 19. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 7; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 18; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 7. 74 MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 22; Häde KTS 1991, 365, 373; vgl auch BGH NJW 2010, 3578, Rn 17. 75 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 15; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 31; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 10 f. 76 Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 150 ff mN. 77 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 27; allgemein zu insolvenzzweckwidrigen Handlungen Kübler/Prütting/Bork/ Lüke InsO83 § 80 Rn 28 ff. 78 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 11.

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fremder Sachen, mag der Schuldner, der Verwalter oder ein Dritter Täter sein, sowie Eigentumserwerb durch den Schuldner selbst oder für diesen, etwa durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung, fallen nicht unter § 48 (Rn 10).79 Nicht erfasst werden weiter die Verfügung über neue Sachen, deren Eigentum der jetzige Schuldner durch Verarbeitung fremder Stoffe erworben hatte (§ 950 I S 1 BGB) oder die Verfügung über ein Grundstück, in das die aussonderungsfähige Sache als wesentlicher Bestandteil eingefügt worden ist.80 Ausgleichungsansprüche des Verletzten können je nach Lage des Falles als Insolvenzforderungen (§ 38) oder als Massegläubigerrechte (§ 55 I Nr 1 oder 3) geltend gemacht werden. Ein Anspruch des Aussonderungsberechtigten gegen den Versicherer, der dem Insolvenzschuldner Ersatz zu leisten hat, unterliegt nicht der Ersatzaussonderung.81 Eine entsprechende Anwendung von § 48 wird in Fällen der Drittschadensliquidation bei Insolvenz des Anspruchsinhabers erwogen,82 um den Anspruch des Geschädigten auf Abtretung des Schadensersatzanspruchs (ggf aus § 285 I BGB) zu schützen. Das ist jedenfalls in den Fallkonstellationen nachvollziehbar, in denen der Geschädigte über eine absolute Rechtsposition verfügt, deren Schutz gegenüber dem Schädiger durch die Drittschadensliquidation funktional ergänzt wird, was etwa in den „Obhutsfällen“83 zu bejahen ist. Der konstruktive Umweg, den das Zivilrecht in diesen Fällen über das Vermögen des Anspruchsinhabers nimmt, ist in der Insolvenz zu neutralisieren.

c) Insbesondere Einziehung von Forderungen. Auch die Einziehung einer fremden Forde- 32 rung, die dem wirklichen Gläubiger gegenüber wirksam ist, wird als Veräußerung iSd § 48 angesehen.84 Denn durch die Entgegennahme der geschuldeten Leistung bringt der Scheingläubiger die fremde Forderung zum Erlöschen und nimmt eine Handlung vor, die das Recht des wirklichen Gläubigers, hinsichtlich der Forderung auszusondern, vereitelt. Dabei muss kein Rekurs auf vertragliche Erfüllungstheorien85 genommen werden, um zu erkennen, dass die Einziehung einer Forderung mit deren entgeltlicher Abtretung gleichzustellen ist. In dieser Konstellation nimmt das Privileg des § 48 die materiell-rechtliche Ausgleichsforderung gem § 816 II BGB in den Blick. So findet § 48 Anwendung, wenn der Schuldner einer vom Insolvenzschuldner abgetretenen Forderung an diesen bzw den Verwalter vor oder nach der Verfahrenseröffnung leistet und nach § 407 I BGB befreit wird, weil er von der Abtretung nichts weiß. Gleiches gilt, wenn der gutgläubige Schuldner einer zum Nachlass gehörenden Forderung an den Insolvenzschuldner leistet, der durch einen unrichtigen Erbschein ausgewiesen ist (§ 2367 BGB), oder wenn der Deliktsschuldner, der eine bewegliche Sache entzogen oder beschädigt hat, gutgläubig an den Insolvenzschuldner geleistet hat, der die Sache im Besitz hatte und damit gegenüber dem Eigentümer nach § 851 BGB befreit worden ist. Nicht anwendbar ist § 48 dagegen, wenn an einen Schuldner geleistet worden ist, der zur 33 Einziehung der fremden Forderung berechtigt war, weil, ebenso wie bei Veräußerungsgeschäften die Verfügung rechtswidrig sein muss, die befreiende Einziehung der Forderung das Ersatzaussonderungsrecht also nur begründet, wenn der Insolvenzschuldner zur Einziehung nicht berechtigt war. Deshalb ist § 48 nicht anwendbar, wenn eine Einziehungsermächtigung nicht aus79 BGH NJW 1989, 3213, dazu Graf Lambsdorff EWiR 1989, 1017; OLG Düsseldorf NZI 2003, 379; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 11; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 112, § 48 Rn 26; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 8. 80 BGH ZIP 1999, 75, dazu Eckardt EWiR 1999, 103; OLG Düsseldorf ZIP 1998, 701. 81 OLG Celle KTS 1975, 303, 304. 82 Brinkmann KTS 2004, 357, 364 ff; Nissen KTS 2010, 291, 296 ff. 83 Vgl statt vieler MünchKomm/Oetker BGB9 § 249 Rn 305. 84 Hahn Materialien IV, S 184; RGZ 98, 143, 146 ff; 141, 89, 92 f; BGHZ 23, 307, 317 = NJW 1957, 750, 752; BGH WM 1967, 1211, 1213; BGHZ 50, 242, 244 = NJW 1968, 2106, 2107; BGH NJW-RR 1989, 252, dazu Gerhardt EWiR 1989, 285; BGH NJW 1991, 427, 428; BGH NZI 2006, 700, Rn 24; BGHZ 184, 101, Rn 8 f = NZI 2010, 339, Rn 8 f; BGHZ 221, 10, Rn 19 = NJW 2019, 1940, Rn 19; BGH NZI 2020, 164, Rn 7; OLG Köln ZIP 1980, 855; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 7; MünchKomm/ Ganter InsO4 § 48 Rn 20; Häsemeyer InsR4 Rn 11.20; Jaeger/Lent KO8 § 47 Rn 9. 85 Vgl zu den Erfüllungstheorien statt vieler MünchKomm/Fetzer BGB9 § 362 Rn 9 f. 519

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drücklich (siehe aber auch Rn 34) an die Bedingung gekoppelt wird, dass die Beträge nur auf ein insolvenzfestes Treuhandkonto eingezogen werden dürfen.86 Auch greift § 48 nicht, wenn der Wechselschuldner die Wechselsumme dem Insolvenzschuldner gezahlt hat, dem der Wechsel zum Inkasso indossiert war. Anders ist es nur, wenn im Innenverhältnis zwischen dem Indossanten und dem Indossatar dessen Einziehungsberechtigung nicht bestand oder erloschen war. 34 Hatte der Zessionar einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung dem Zedenten die Einziehung der Forderung im Rahmen des ordentlichen Geschäftsverkehrs gestattet, so war bis zum Urteil des 9. Zivilsenats des BGH vom 6.4.200087 überwiegend anerkannt, dass die Einziehungsbefugnis des Sicherungsgebers erlischt oder jedenfalls die Einziehung der Forderung nicht mehr deckt, wenn er in eine wirtschaftliche Krise geraten ist, die den Sicherungszweck gefährdet.88 Mit der Begründung, die vom Gesetzgeber angestrebte, wenigstens einstweilige Fortführung des Unternehmens werde gefährdet, wenn der Schuldner gehindert sei, die Forderungen einzuziehen, hat der 9. Senat sich für die Fortgeltung der Ermächtigung auch nach Eintritt der Krise und während der Sequestration ausgesprochen, bis der Sicherungsnehmer sie widerrufe.89 Diese Rechtsprechung hat der BGH auch unter Geltung der Insolvenzordnung bestätigt.90 Die Einziehungsermächtigung dürfe weder mit dem Eintritt der Krise, noch durch eine Insolvenzantragstellung, noch durch vorläufige Maßnahmen des Insolvenzgerichts erlöschen. Der vorläufige Insolvenzverwalter habe aber die Sicherungsinteressen des Sicherungsnehmers zu wahren und handle daher nur dann berechtigt im Rahmen der Einziehungsermächtigung, wenn er die Gelder auf ein offenes Treuhandkonto einziehe.91 Gleiches wird man hinsichtlich des sich in der Krise befindlichen Sicherungsgebers postulieren müssen, soweit (noch) kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt sein sollte.92 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des uneigennützigen Treuhänders kann der 35 Treugeber zwar das Treugut aussondern. Solange aber das Insolvenzverfahren nicht eröffnet ist und das Treuhandverhältnis noch besteht, ist der Treuhänder zur Einziehung der zum Treugut gehörenden Forderungen berechtigt. Eine Ersatzaussonderung des eingezogenen Betrages kommt nicht in Betracht, ist aber auch gar nicht notwendig, weil der Betrag zu dem Treugut gehört, das der Treugeber aussondern kann. Ein gesetzliches Treuhandverhältnis besteht bei der Versicherung für fremde Rechnung (§ 43 I VVG). Jedoch dient dieses in erster Linie der zweckmäßigen Abwicklung, indem der Versicherer gemäß § 45 I VVG durch Leistung an den Versicherungsnehmer befreit wird. Im Innenverhältnis zum Versicherten ist der Versicherungsnehmer durch § 45 I VVG nicht zur Einziehung ermächtigt (vgl § 46 VVG). Die Forderung auf die Versicherungsleistung kann der Versicherte deshalb im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers ersatzaussondern, ebenso die eingezogene Versicherungssumme, soweit sie noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist.93 36 Der Kommissionär ist zwar berechtigt, Forderungen aus dem Kommissionsgeschäft einzuziehen, denn es sind seine eigenen Forderungen. Jedoch gelten sie im Verhältnis zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär und dessen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten (§ 392 II HGB). Deshalb kann der Kommittent im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommissionärs die Forderung aussondern. Zieht der Kommissionär oder sein Insolvenzverwalter die

86 BGH NZI 2003, 549, 551; BGHZ 184, 101, Rn 23 f = NZI 2010, 339, Rn 23 f. 87 BGHZ 144, 192 = NJW 2000, 1950, dazu Eckardt EWiR 2000, 643; MünchKomm/Kieninger BGB9 § 398 Rn 55. 88 MünchKomm/Roth BGB3 § 398 Rn 50; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 64 II 1a, 456 ff; Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten beim Kundenkonkurs2 (1984), S 102.

89 So auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 127. 90 BGHZ 221, 10, Rn 25 ff = NJW 2019, 1940, Rn 25 ff, dazu Brinkmann BB 2019, 1474 ff; H Huber NZI 2020, 89 ff; Thole ZIP 2019, 552 ff.

91 BGHZ 221, 10, Rn 39 f = NJW 2019, 1940, Rn 39 f. 92 Noch weitergehend insoweit Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 34. 93 Die scheinbar abweichende Entscheidung des OLG Celle (KTS 1975, 303, 304) beruht darauf, dass die Versicherungssumme vor Konkurseröffnung eingezogen wurde, was für § 46 KO nicht ausreichte. Hoffmann

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Forderung pflichtwidrig ein, vereitelt er damit das die Aussonderung begründende Recht des Kommittenten, sodass eine Ersatzaussonderung des eingezogenen Betrags zu erwägen ist, soweit dieser in der Masse noch unterscheidbar vorhanden ist. Die Einziehung der Forderung durch den Kommissionär verletzt die dem Kommittenten gegenüber bestehende Sorgfaltspflicht, wenn der Kommissionär nicht in der Lage ist, den eingezogenen Gegenstand dem Kommittenten zu verschaffen und ihn der Haftung für seine eigenen Verbindlichkeiten zu entziehen. Sie ist folglich rechtswidrig, wenn sie in kritischer Zeit und nicht etwa auf ein offenes Treuhandkonto erfolgt. Zu beachten ist aber, dass die Konstellation sich von einer Einziehungsermächtigung, deren Entfallen man bei interessenwidriger Einziehung postulieren kann (Rn 34), insoweit unterscheidet, als der Kommissionär Inhaber der Forderung ist. Einer Pflichtwidrigkeit inter partes gegenüber dem Kommittenten kann nicht kurzerhand Außenwirkung beigemessen werden.94 In der Logik des § 392 II HGB, der letztlich eine Treuhand kraft „Offenkundigkeit des Gewerbes“ kodifiziert (§ 47 Rn 146), wird man eine Offenkundigkeit der Pflichtwidrigkeit fordern müssen.95 Ebenso wie die Ersatzaussonderung voraussetzt, dass eine Verfügung des Schuldners dem an 37 sich Aussonderungsberechtigten gegenüber wirksam ist,96 muss auch die Leistung an den Schuldner dem aussonderungsberechtigten Gläubiger gegenüber wirksam sein. § 48 ist deshalb grds nicht anwendbar, wenn der Drittschuldner durch seine Leistung an den Insolvenzschuldner dem Gläubiger bzw dem Kommittenten gegenüber nicht befreit wird.97 Die Gegenansicht gäbe dem Gläubiger einen Anspruch, den er außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht hätte. § 48 will aber nur Ansprüchen, die auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens bestehen, eine besondere Qualität geben. Erwogen werden kann in solchen Fällen nur, dass der vormalige Forderungsinhaber die Einziehung gem §§ 362 II, 185 II BGB genehmigt, was nach überwiegender Auffassung § 816 II BGB auslösen soll,98 der dann wiederum mittels § 48 aufgewertet werden könnte. Ob die Genehmigungskonstruktion allerdings auch im Rahmen von § 48 berücksichtigt werden kann, ist fraglich (Rn 41 ff). Anders als nach § 46 KO99 kann auch die Einziehung der Forderung vor der Eröffnung 38 des Insolvenzverfahrens durch den Schuldner die Ersatzaussonderung begründen, wenn die empfangene Leistung in der Insolvenzmasse unterscheidbar vorhanden ist. Der Einziehung durch den Schuldner steht die eines vorläufigen Insolvenzverwalters gleich, der verfügungsbefugt (§ 22 I S 1) oder kraft besonderer Anordnung des Insolvenzgerichts (§§ 21 I, 22 II S 1) zur Empfangnahme von Leistungen ermächtigt ist.

d) Veräußerungen des Schuldners während des Verfahrens. Veräußerungen durch den 39 Insolvenzschuldner wurden nach § 46 KO nur erfasst, wenn sie vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind.100 Die wirksame101 Veräußerung fremder Vermögensobjekte durch den Schuldner während des Insolvenzverfahrens ist problematisch. Zwar haftet die Insolvenzmasse nicht für daraus resultierende schuldrechtliche Ersatzansprüche des Verletzten (§ 38). Andererseits fällt aber der Anspruch des Schuldners auf den Kaufpreis für den fremden Gegenstand auch als Erwerb nach Verfahrenseröffnung noch in die Masse (§ 35 I, NeuerSo aber Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 36. So auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 289. Siehe Rn 40 ff. AA RGZ 98, 143, 148 f; vgl auch RGZ 141, 89, 93 f. BGHZ 85, 267, 272 f = NJW 1983, 446, 447; BGH NJW-RR 2009, 705, Rn 14; BGH NJW-RR 2012, 1129, Rn 8; BeckOK/ Wendehorst BGB60 § 816 BGB Rn 12; aA etwa Staudinger/Lorenz BGB (2007) § 816 BGB Rn 32. 99 BGH NJW 1991, 427, 428; BGH NJW 1995, 2783, 2787 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 130, 38) = JZ 1996, 527 mit Anm Henckel; krit insoweit Gerhardt EWiR 1995, 795 und ders KTS 1990, 1, 11 ff; BGH NJW 1998, 2213, 2214, dazu Undritz EWiR 1998, 695; BGHZ 144, 192, 194 = NJW 2000, 1950, dazu Eckhardt EWiR 2000, 643. 100 Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 11. 101 Dazu, dass § 81 I S 1 den gutgläubigen Erwerb massefremder Gegenstände nicht hindert, Jaeger/Windel InsO1 § 81 Rn 78.

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werb). Die Vermögenslage der Insolvenzmasse ist folglich keine andere, als wenn der Insolvenzverwalter den fremden Gegenstand veräußert hätte. Dann aber könnte der Berechtigte nach § 48 die Abtretung der Kaufpreisforderung verlangen. Es wäre nicht zu rechtfertigen, die Veräußerung durch den Schuldner anders zu behandeln als die des Verwalters. Entscheidend kann für § 48 nicht sein, wer veräußert hat, sondern ob durch die Veräußerung der Masse eine Forderung auf die Gegenleistung zugeflossen ist.102 Hat der Schuldner die Gegenleistung vom Käufer schon erhalten, unterliegt sie der Ersatzaussonderung, weil sie als Neuerwerb zur Masse gehört, aber nur, wenn sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist, nicht also, wenn der Insolvenzschuldner sie unterschlagen hat.

3. Wirksamkeit der Veräußerung 40 Umstritten ist, ob die Wirksamkeit der Verfügung Voraussetzung für die Anwendung des § 48 ist. Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass bei unwirksamer Verfügung kein Anlass für einen Ersatzaussonderungsanspruch bestehe. Denn der Berechtigte kann die Herausgabe verlangen von dem Erwerber, der, zB wegen seines bösen Glaubens oder weil die Sache abhanden gekommen war, das Eigentum an der ihm übertragenen Sache nicht erworben hat (§ 985 BGB). Auch kann der Gläubiger, dessen Forderung durch den Schuldner oder den Insolvenzverwalter eingezogen worden ist, nochmalige Zahlung verlangen, wenn der Schuldner nicht durch § 407 BGB geschützt wurde, weil er die Abtretung kannte.103 Für die Gegenansicht104 wird geltend gemacht, dass der Berechtigte in eine schwierige Situation geraten könne. Zum einen kann bspw die Vindikation gegen den Erwerber faktisch scheitern, da dieser oder die Sache nicht auffindbar sind. Zum anderen wird zu bedenken gegeben, dass der Anspruch gegen den Erwerber von der Unwirksamkeit der Verfügung abhänge, zB von dem bösen Glauben des Erwerbers oder des Forderungsschuldners. Diesen müsse aber der Berechtigte beweisen, und ob dies gelingt, sei unsicher. Wenn der Verwalter die Verfügung getroffen habe, müsse der Berechtigte nachweisen, dass sie wirksam ist. Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass der Berechtigte, der sich zur Begründung seines Anspruchs auf die Wirksamkeit des Erwerbs des Dritten beruft, nur die Beweislast dafür trägt, dass zwischen dem Schuldner oder dem Verwalter und dem Erwerber ein Veräußerungsgeschäft nach §§ 929, 930 oder 931 BGB geschlossen worden ist und die Sache dem Dritten übergeben worden oder der Herausgabeanspruch abgetreten ist oder der Erwerber den Besitz von dem Dritten erlangt hat (§ 934 BGB), was der Verwalter normalerweise gar nicht bestreiten wird. Die Beweislast dafür, dass der Erwerb unwirksam ist, weil der Erwerber bösgläubig war oder die Sache abhanden gekommen ist, trägt nach § 932 I S 1 BGB („es sei denn“) bzw § 935 I S 1 BGB der Insolvenzverwalter, der sich darauf beruft, um den Anspruch des Berechtigten wegen Unwirksamkeit des Erwerbs abzuwehren. Dass der Berechtigte dem Erwerber gegenüber die Beweislast für die Unwirksamkeit des Erwerbs trägt, ist nichts Besonderes. Er kann sich schützen, indem er dem Insolvenzverwalter, dem die Unwirksamkeit zugute käme, den Streit verkündet. 41 Maßgeblich zu berücksichtigen ist in diesem Kontext, dass § 48 materiell-rechtliche Forderungen aus § 816 I S 1, II BGB privilegiert, sodass diese bei unwirksamer Veräußerung überhaupt einschlägig sein müssen. Das ist im Ausgangspunkt nicht der Fall, sodass § 48 bei einer unwirksa102 MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 13. 103 BGH NZI 2015, 976, Rn 9; BGH NZI 2020, 164, Rn 8; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 43a; Häsemeyer InsR4 Rn 11.22; Jaeger KO6/7 § 46 Anm 3; Kilger/K Schmidt InsG17 § 46 KO Anm 6; HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 7; Rattunde/ Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 48 Rn 7. 104 RGZ 98, 143, 148 f; 141, 89 ff; BGH NJW 1977, 901 (insoweit in BGHZ 68, 199 nicht abgedruckt); Gottwald/Haas/ Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 16 f; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 48 Rn 8; Gerhardt Gedächtnisschrift Arens (1993), S 127, 135 f; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 3, 20; Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 398; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 12; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd I (1963), § 13 II 4 S 349 f. Hoffmann

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men und nicht genehmigten, Veräußerung nicht greifen kann. Der Anspruch aus Eingriffskondiktion gemäß § 816 I S 1 BGB wird heute herrschend entgegen dem Wortlaut aber auch dann eröffnet, wenn der Verletzte die Wirksamkeit der Verfügung durch eine Genehmigung herbeiführt. Diese Lösung war lange Zeit heftig umstritten, man hat sich zu ihr letztlich jedoch durchgerungen, um dem Eigentümer einen effektiven Schutz seiner Rechtsposition zu gewähren.105 Das ist für den Eigentümer vor allem dann relevant, wenn er seine Vindikation nicht durchzusetzen vermag. In der Sache wird dem Eigentümer ein Wahlrecht eingeräumt zwischen dem negatorischen Rechtsschutz gegen den Erwerber und dem bereicherungsrechtlichen Rechtsschutz gegen den Veräußerer.106 Ebenso wird bei § 816 II BGB verfahren.107 Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes einer Rechtsposition erscheint das Wahlrecht bei § 816 II BGB freilich nicht gleichermaßen zwingend, denn der Gläubiger wird schlicht darauf verwiesen, sich mit seinem Schuldner auseinanderzusetzen; den Durchsetzungsrisiken ist er nicht ähnlich schutzbedürftig ausgesetzt, wie sich das bei einer Vindikation gegen einen beliebigen Dritten darstellt. Die entscheidende Frage im hiesigen Kontext ist, ob ein solches materiell-rechtliches Wahlrecht des Verletzten in die Privilegierung des § 48 Eingang finden sollte.108 Während außerhalb der Insolvenz die Beeinträchtigung des Bereicherungsschuldners noch mit dem Hinweis relativiert werden mag, dass dieser sich im Notfall auf Entreicherung berufen kann und seine Interessen daher nicht beeinträchtigt seien, kommen bei § 48 auch Masseinteressen ins Spiel. Mag also das in eine Genehmigungskonstruktion gekleidete Wahlrecht des Verletzten außerhalb der Insolvenz angemessen sein, stellt sich im Insolvenzkontext die Frage, ob eine Privilegierung auch des Wahlrechts noch erforderlich ist, um einen „vollkommenen“109 Eigentumsschutz zu gewährleisten. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Masseschutzes ist einer Aufnahme der Genehmigungsmöglichkeit in § 48 entgegengetreten worden.110 Henckel hat für einen differenzierenden Ansatz plädiert:111 Habe der Insolvenzverwalter 42 die Sache unwirksam veräußert, sei die Masse einem Schadensersatzanspruch des Erwerbers ausgesetzt, der Masseforderung sei, also grundsätzlich voll gedeckt werden müsse. Habe der Erwerber den Kaufpreis bereits gezahlt, könne er ihn als Massegläubiger zurückfordern. Die Genehmigung bringe laut Henckel der Masse keinen Nachteil, weil der Verwalter dann den Kaufpreis nicht zurückzahlen müsse. Was er hier erspart, entspricht dem, was er dem Berechtigten nach § 48 infolge der Genehmigung herausgeben müsse. Habe der Erwerber den Kaufpreis noch nicht gezahlt, könne der Verwalter ihn bei unwirksamer Veräußerung nicht fordern. Werde die Veräußerung durch Genehmigung wirksam, bekomme der Verwalter den Kaufpreis, den er dem Berechtigten herausgeben müsse. Die Masse stehe auch in diesem Fall durch die Veräußerung nicht schlechter, sondern allenfalls besser, wenn der durch die Genehmigung entfallene Schadensersatzanspruch wertvoller war als der Kaufpreis. Ein Nachteil für die Masse könne nur eintreten, wenn der Erwerber den Kaufpreis schon gezahlt habe und etwaige Gegenforderungen wegen Massearmut nicht voll werthaltig seien. Habe der Schuldner vor der Verfahrenseröffnung unwirksam veräußert, bestehe ein Anspruch des Berechtigten nicht, wenn man für die Ersatzaussonderung die Wirksamkeit der Verfügung voraussetzt. Die rückwirkende Genehmigung würde die Masse belasten, wenn der Verwalter jetzt die in der Masse noch vorhandene Gegenleistung herauszugeben hätte. Dass Gegenansprüche des Erwerbers entfallen, gleiche diesen Nachteil nicht aus, weil er nur mit der Quote zu befriedigen wäre. Habe der Erwerber noch nicht gezahlt, bewirke die 105 BGH NJW 1971, 1452 f; eingehend Reuter/Martinek Ungerechtfertigte Bereicherung (1983), § 8 I 2, S 299 ff; siehe auch Staudinger/Lorenz BGB (2007) § 816 Rn 9 ff; MünchKomm/Schwab BGB8 § 816 BGB Rn 34 ff. 106 Eingehend zu den Haftungskonstellationen in Verletzerketten J F Hoffmann ZGE/IPJ 9 (2017), 72 ff. 107 BGHZ 85, 267, 272 f = NJW 1983, 446, 447; BGH NJW-RR 2009, 705, Rn 14; BGH NJW-RR 2012, 1129, Rn 16; BeckOK/ Wendehorst BGB60 § 816 Rn 31; aA etwa Staudinger/Lorenz BGB (2007) § 816 BGB Rn 32. 108 Dafür etwa HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 7; K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 20. 109 Vgl Hahn Materialien IV, S 182. 110 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 18; Häsemeyer KTS 1982, 1, 18 ff auch zu § 816 BGB; ders InsR4 Rn 11.22. 111 Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 42 f; zustimmend MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 43. 523

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Genehmigung, dass er jetzt bezahlen müsse. Was er zahlt, komme aber im Wege der Ersatzaussonderung dem Veräußerer zugute. Die Masse verliere in diesem Fall nichts. Der Kaufpreis wäre ihr wegen der Unwirksamkeit der Verfügung nicht zugeflossen. Infolge der Genehmigung komme er jetzt dem Berechtigten zu. Die Masse gewinne den Betrag, den sie als Schadensersatz an den Erwerber hätte zahlen müssen, wenn die Veräußerung unwirksam geblieben wäre. Ein Nachteil entstehe durch die Genehmigung also nur, wenn der Kaufpreis sich in der Masse befinde und die Gegenforderung, die dem Erwerber bei Unwirksamkeit der Verfügung zusteht, nicht oder nicht voll werthaltig sei, sei es, dass er – bei Veräußerung des Schuldners – Insolvenzforderung sei, sei es, dass er – bei Veräußerung durch den Verwalter – wegen Masselosigkeit ganz oder teilweise ungedeckt bleibe. Vor diesem Nachteil müsse die Masse geschützt werden. In den genannten Fällen sei die Genehmigung nach § 91 I unwirksam. 43 Der BGH hat im Hinblick auf die nachträgliche Genehmigung einer unberechtigten Forderungseinziehung entschieden, dass einer Genehmigung § 91 I entgegenstehe.112 Argumentiert wurde, dass mithilfe einer Genehmigung sonst über § 48 Rechte an einem Massebestandteil begründet werden könnten. Ob der BGH iS Henckels eine Genehmigung dann nicht an § 91 I scheitern lassen würde, wenn die Masse in einer Gesamtbilanzierung durch die Genehmigung nicht schlechter stünde als ohne, ist nicht klar. Im entschiedenen Fall hätte der Drittschuldner nur eine Insolvenzforderung gehabt, der BGH geht auf diesen Gesichtspunkt aber nicht ein. In Anbetracht der Tatsache, dass § 48 ohnehin willkürlich bestimmte Schutzrechte im Falle 44 einer Rechtsverletzung nur punktuell privilegiert, ist einer restriktiven Normauslegung der Vorzug zu geben (Rn 3 ff, 9). Auch für eine differenzierende Lösung gibt es vor diesem Hintergrund keinen Anlass. Eine Genehmigung sollte im Kontext von § 48 grundsätzlich nicht tatbestandsauslösend sein. Eines Rückgriffs auf § 91 I bedarf es hierfür nicht. Davor, dass der vormals Aussonderungsberechtigte mit der Genehmigung sein weiterhin gegen den Dritten bestehendes Recht nicht ungewollt ggf gegen eine Insolvenzforderung eintauscht, kann man ihn mithilfe § 91 I ohnehin nicht schützen, sondern nur über einen sachgerechten Umgang mit dem in eine Genehmigungskonstruktion eingekleideten Wahlrecht.113 Im Kontext von § 55 I Nr 3 kann eine Genehmigung freilich relevant sein, wenn der Bereicherungstatbestand durch den Insolvenzverwalter verwirklicht wird. Eine reguläre Masseverbindlichkeit auf der Grundlage von § 816 I S 1 bzw § 816 II BGB kann insoweit auch durch eine Genehmigung ausgelöst werden.

4. Unberechtigte Veräußerung 45 Die unter der Geltung der Konkursordnung umstrittene Frage, ob die Ersatzaussonderung voraussetzt, dass die Veräußerung rechtswidrig war,114 ist durch die Formulierung des § 48 eindeutig positiv beantwortet. Die Vorschrift will einen Ersatz dafür bieten, dass Aussonderungsansprüche gegen den Willen des Aussonderungsberechtigten vereitelt werden.115 Wenn dieser dagegen die Veräußerung gestattet, die ihm das Aussonderungsrecht entzieht, ist die Ersatzaussonderung nicht gerechtfertigt. Ob eine gesetzliche Verfügungsermächtigung die Ersatzaussonderung ausschließt, wird in Rn 60 erörtert.

46 a) Einfacher Eigentumsvorbehalt. Der wichtigste Fall einer berechtigten Veräußerung ist der einer unter Eigentumsvorbehalt gekauften Sache durch den Käufer mit Einwilligung des Eigentümers und Vorbehaltsverkäufers. Hier ist der Unterschied gegenüber einer unberechtigten Veräu112 BGH NZI 2020, 164, Rn 35 ff; BGH ZInsO 2020, 296, Rn 35 ff; vgl dazu auch Kähler KTS 2020, 346 ff. 113 Zutreffend BeckOK/Wendehorst BGB60 § 816 Rn 15; siehe auch J F Hoffmann ZGE/IPJ 9 (2017), 72, 86; zu restriktiv MünchKomm/Schwab BGB8 § 816 Rn 36. 114 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 46 Rn 10; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 2, jeweils mN. 115 Gundlach/Frenzel/Schmidt KTS 2002, 459 ff. Hoffmann

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ßerung deutlich: Diese berechtigt zur Ersatzaussonderung, weil das Aussonderungsrecht ohne oder gar gegen den Willen des Berechtigten vereitelt worden ist. Willigt er aber in die Veräußerung ein, weiß er, dass er sein Eigentum und sein Aussonderungsrecht durch die Verfügung des Käufers verlieren wird. Sichert er sich dagegen nicht ab, vereinbart er also nur einen einfachen Eigentumsvorbehalt, muss er den Verlust hinnehmen. Die Ersatzaussonderung ist ausgeschlossen.116 Allerdings wird man gerade wegen dieses Nachteils nicht annehmen können, dass die vom Vorbehaltsverkäufer beim einfachen Eigentumsvorbehalt praktisch wohl ohnehin nur äußerst selten erteilte117 Veräußerungsermächtigung auch für den Fall gelten soll, dass der Käufer seine Zahlungen eingestellt hat. Veräußerungsermächtigungen sind regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nur zu Veräußerungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang118 gelten sollen. Ob ein solcher Geschäftsgang anzunehmen ist, wird allein durch das objektive Verhalten bei der Vornahme eines Verkaufsgeschäfts bestimmt.119 Veräußerungen nach Zahlungseinstellung sind regelmäßig nicht mehr durch die Einwilligung gedeckt.120 Um dieses angemessene Ergebnis zu erreichen, ist es aber nicht notwendig anzunehmen, dass die Veräußerungsermächtigung mit der Zahlungseinstellung erlösche.121 Es genügt festzustellen, dass die Veräußerung durch die Ermächtigung nicht mehr gedeckt ist, wenn sie nicht mehr im ordnungsmäßigen Geschäftsverkehr geschieht. Das ist wichtig für die Antwort auf die Frage, ob eine Veräußerung des Insolvenzverwalters 47 durch eine im Voraus dem Schuldner erteilte Ermächtigung gedeckt ist. Nimmt man an, die Ermächtigung erlösche mit der Zahlungseinstellung des Schuldners oder jedenfalls mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens,122 kann sie nicht wieder aufleben.123 Geht man dagegen davon aus, dass die Ermächtigung fortbesteht, ist zu fragen, ob die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter im ordentlichen Geschäftsgang erfolgt. Die hM hat dies für den Fall der Konkurseröffnung verneint,124 war dabei aber wohl zu sehr auf die Liquidationssituation fixiert. Eine Veräußerung im Rahmen einer endgültigen Vermögensabwicklung mag nicht mehr einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechen. Der Verwalter soll in dieser Situation die Vorbehaltsware dem Verkäufer herausgeben oder die Erfüllung wählen und den Kaufpreis bezahlen. Es besteht kein Grund, dem Verkäufer ungesichert das Risiko aufzuerlegen, dass er wegen Masseunzulänglichkeit den Kaufpreis, den der Verwalter als Masseschuld zu entrichten hat, nicht bezahlen kann. Die Insolvenzordnung geht aber davon aus, dass grundsätzlich das Schuldnerunternehmen zunächst fortgeführt werden soll (§§ 22 I S 2 Nr 2, 158 f). Eine Verwertung des Schuldnervermögens darf grundsätzlich erst nach dem Berichtstermin erfolgen und auch dann nur, wenn Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine Veräußerung des Verwalters im Rahmen einer Fortführung des Unternehmens als ordnungsgemäßer Geschäftsablauf angesehen werden kann. Das Argument, der Masseschuldanspruch des Verkäufers, der ihm zustehe, wenn der Verwalter die Erfüllung des Vertrages wähle (§§ 103 I, 55 I Nr 2 Alt 1), sei gefährdet, wenn die Masse unzulänglich sei,125 116 BGHZ 27, 306, 308 = NJW 1958, 1281 f; BGHZ 30, 176, 181 = NJW 1959, 1681; BGHZ 68, 199, 201 = NJW 1977, 901; BGH NJW 1988, 1210, 1213; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 46 Rn 10a. 117 Vgl auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 23; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 28a. 118 Zum Begriff, auch krit, Gundlach KTS 2000, 307, 309 ff. 119 BGHZ 68, 199, 202 f = NJW 1977, 901. 120 BGH NJW 1953, 217, 218 mit zust Anm von Raiser; Franke KTS 1957, 139 ff; Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten im Konkurs2 (1984), S 43 f; im Ergebnis auch Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 II 3a, b S 340 ff. 121 Zutreffend MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 126; aA Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 27; Gundlach KTS 2000, 307, 324; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 64 II 1a S 456 f. 122 So MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 145. 123 So konsequent Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 II S 328 ff, 344, und Gundlach KTS 2000, 307, 323; aA MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 145. 124 BGH NJW 1953, 217, 218 mit zust Anm von Raiser; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 46 Rn 10c; im Ergebnis auch Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd I (1963), § 8 II 5 S 163 mN in Fn 35; anders jetzt Gottwald/Haas/ Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 18; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 27. 125 BGH NJW 1953, 217, 219 mit zust Anm von Raiser. 525

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rechtfertigt es nicht, die Verfügung des Insolvenzverwalters in jedem Fall als rechtswidrig anzusehen. Solange die Masse zahlungsfähig und nicht überschuldet ist, steht der Verkäufer nicht schlechter, als wenn ein zahlungsfähiger, nicht im Insolvenzverfahren stehender Schuldner die Sache veräußert. Die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter, der die Erfüllung des Vertrages gewählt hat, ist deshalb durch die Ermächtigung gedeckt, wenn er in der Lage ist, den Kaufpreis als Masseschuld zu tilgen.126 Lehnt der Verwalter die Erfüllung des Vertrages ab, ist eine Weiterveräußerung des Vorbehaltsguts durch die dem Schuldner erteilte Ermächtigung nicht mehr gedeckt. 48 Die Veräußerung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist dagegen grundsätzlich rechtswidrig, auch wenn der Verwalter verwaltungs- und verfügungsbefugt ist (§ 22 I). Sie gefährdet den Verkäufer, weil seine Kaufpreisforderung Insolvenzforderung ist, eine Erfüllungswahl, die eine Masseschuld begründet, vor der Verfahrenseröffnung nicht möglich ist und das Eigentum verloren geht, wenn der Erwerber hinsichtlich des Eigentums (§§ 932 ff BGB) oder der Verfügungsbefugnis (§ 366 I HGB) gutgläubig ist. Das erschwert freilich die dem verfügungsbefugten vorläufigen Verwalter auferlegte Fortführung des Unternehmens (§ 22 I S 2 Nr 2) erheblich, wenn die Fortführung den laufenden Umsatz der Vorbehaltswaren fordert. Der vorläufige Verwalter, dem regelmäßig liquide Mittel fehlen, kann über die Ware nicht verfügen, ohne sie zuvor oder jedenfalls aus dem Weiterverkaufserlös zu bezahlen, den er zu diesem Zweck getrennt halten muss. Der Ausweg, mit dem Vorbehaltslieferanten eine neue Vereinbarung zu treffen, um einen Masseschuldanspruch gemäß § 55 II S 1 zu begründen, ist schwer zu realisieren, wenn die Waren von einer Vielzahl von Lieferanten stammen. Dann hilft nur die schleunige Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der in Rn 47 beschriebenen Folge. 49 Hat der Verkäufer den Schuldner zum Verbrauch oder zur Verarbeitung der gelieferten Ware ermächtigt, gilt dasselbe wie für die Veräußerungsermächtigung. Weil der Veräußerer auch hier nur auf die Zahlungsfähigkeit des Käufers vertraut, deckt die Ermächtigung den Verbrauch oder die Verarbeitung durch den Insolvenzverwalter, wenn dieser zahlungsfähig ist, die Masse also ausreicht, um den Masseschuldanspruch des Verkäufers, der infolge der Erfüllungswahl des Verkäufers entsteht, zu decken. Dagegen sind Verbrauch und Verarbeitung rechtswidrig, wenn der Verwalter nicht die Erfüllung wählt, und auch, wenn die Masse unzulänglich ist.127 Auch hier ist es – wie bei der Veräußerungsermächtigung – nicht notwendig anzunehmen, dass die Ermächtigung zu Verbrauch oder Verarbeitung mit der Verfahrenseröffnung erlösche.128 Ein Ersatzaussonderungsanspruch entsteht allerdings weder durch rechtswidrigen Verbrauch noch durch rechtswidrige Verarbeitung (Rn 10). Ersatzaussonderungsfähig ist nur ein Anspruch auf eine Gegenleistung und die Gegenleistung selbst, nicht aber andere Vorteile, die durch den Eingriff in das aussonderungsfähige Eigentum vorgenommen werden. Dem Vorbehaltsverkäufer kann infolge des Verbrauchs durch den Insolvenzverwalter nur ein Masseschuldanspruch zustehen. Sollte allerdings eine Verarbeitungsklausel vereinbart worden sein, so wird man im Wege der Auslegung annehmen können, dass diese auch im Fall einer rechtswidrigen Verarbeitung greifen soll, damit der Sicherungsnehmer nicht schutzlos steht (dazu, ob § 91 I dem entgegensteht § 51 Rn 45 f).

50 b) Verlängerter Eigentumsvorbehalt. Geht man davon aus, dass die Veräußerungsermächtigung, die der Verkäufer dem Schuldner erteilt hat, weder mit der Zahlungseinstellung des Schuldners noch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt (Rn 46), hängt die Rechtswidrigkeit einer Veräußerung des Schuldners, des vorläufigen oder des endgültigen Insolvenzverwalters davon ab, ob sie im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs vorgenommen worden ist. Durch 126 So schon zur Konkursordnung Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten im Konkurs2 (1984), S 42; für die InsO: Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 48 Rn 9; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 145; aA Kübler/Prütting/Bork/ Prütting InsO64 § 48 Rn 16. 127 Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten im Konkurs2 (1984), S 45. 128 AA MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 111. Hoffmann

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den verlängerten Eigentumsvorbehalt sichert sich der Verkäufer gegen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Käufers durch die Vorausabtretung der Forderung aus dem Weiterverkauf. Deshalb kommt es darauf an, ob diese Sicherung durch die wirtschaftliche Krise bzw durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefährdet ist. Zur Frage des Fortbestehens einer Einziehungsbefugnis des Schuldners hinsichtlich der vorauszedierten Forderung siehe Rn 34. Bei einer Veräußerung durch den Schuldner selbst ist der Vorbehaltsverkäufer grundsätzlich 51 hinreichend und entsprechend seinem im Vertrag befestigten Willen durch die vorausabgetretene Forderung geschützt, sodass es weder gerechtfertigt wäre, die Veräußerungsermächtigung als erloschen, noch die Veräußerung als dem ordentlichem Geschäftsverkehr widersprechend anzusehen.129 Die Veräußerung ist folglich rechtmäßig und eine Ersatzaussonderung ausgeschlossen. Anders ist es, wenn der Schuldner oder der vorläufige Insolvenzverwalter die Vorbehaltsware gegen Barzahlung veräußert, weil damit der Vorbehaltsverkäufer seine Sicherheit ersatzlos verlieren würde; ferner wenn der Forderungsübergang durch eine Kontokorrentabrede des Vorbehaltskäufers mit seinem Abnehmer vereitelt würde, es sei denn, sie wäre, was der Vorbehaltsverkäufer weiß, gegenüber allen Abnehmern zwingend notwendig;130 oder wenn die Abtretbarkeit der Forderung durch Vereinbarung des Schuldners mit seinem Abnehmer wirksam ausgeschlossen worden ist und dieser die Abtretung nicht genehmigt.131 In diesen Fällen ist § 48 anwendbar. Jedoch kann bei einem wirksamen vertraglichen Abtretungsverbot auch im Wege der Ersatzaussonderung nicht die Abtretung der Forderung auf die Gegenleistung verlangt werden.132 Die Ersatzaussonderung kann sich dann nur auf die zur Masse gelangte Gegenleistung richten.133 Ist das Rechtsgeschäft, mit dem diese Forderung begründet worden ist, ein beiderseitiges Handelsgeschäft oder der Schuldner eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen, ist ein Abtretungsverbot unwirksam. Die vorausabgetretene Forderung geht trotz des vereinbarten Verbots auf den Vorbehaltslieferanten über (§ 354a I S 1 HGB). Die Veräußerung der Vorbehaltsware ist deshalb rechtmäßig und die Ersatzaussonderung grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt allerdings nicht, wenn der Vorbehaltskäufer sich bereits in einer wirtschaftlichen Krise befand, denn die Wirkungen des § 354a I S 2 HGB gefährden die Sicherheit der vorauszedierten Forderung: Der Drittschuldner kann weiterhin134 mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger, dh hier an den Insolvenzschuldner, leisten und diesem gegenüber auch aufrechnen. Zu einer „doppelten“ Sicherung des Vorbehaltsverkäufers über § 48 und die Sicherungszession135 kommt es deshalb nicht: Soweit die Forderungsabtretung Bestand hat, besteht in der Masse keine nach Maßgabe von § 48 abschöpfbare Bereicherung (Rn 56). Der wirksame Übergang der Forderung aus dem Zweitverkauf ist nicht der Anfechtung ausgesetzt, wenn die Forderung nicht wertvoller ist als die Vorbehaltssache, die dem Vorbehaltsverkäufer gehörte.136 Wegen der Gefährdung seiner Interessen, etwa durch Veräußerung gegen Barzahlung oder unberechtigte Einziehung der Forderung und untrennbare Vermischung des eingezogenen Betrages vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, muss der Vorbehaltsverkäufer 129 Gundlach KTS 2000, 307, 324 f. 130 Serick FS W Lorenz (1991), S 253, 267; enger Gundlach KTS 2000, 307, 315 f; zu weitgehend BGHZ 73, 259, 264 f = NJW 1979, 1206, 1207, dazu Emmerich JuS 1979, 669 und Merz LM Nr 23 § 355 HGB; zustimmend K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 18. 131 BGHZ 27, 306, 308 f = NJW 1958, 1281, 1282; BGHZ 30, 176, 181 = NJW 1959, 1681 f; BGH WM 1970, 286; BGH WM 1971, 71; BGHZ 102, 293, 308 = NJW 1988, 1210, 1213; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 28; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 66 IV 2, 3 S 567 ff. Zum Rückwirkungsproblem siehe Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 22; Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 401; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 66 IV 4, 5 S 573 f. 132 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 22. 133 BGHZ 56, 228, 233 = NJW 1971, 1750; BGHZ 102, 293, 309 = NJW 1988, 1210, 1213; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 50 ff; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 66 IV 3b S 572. 134 Für eine teleologische Reduktion nach Offenlegung der Zession allerdings K Schmidt NJW 1999, 400, 401; aA etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/E Wagner HGB4 § 354a Rn 15. 135 Vgl K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 18. 136 Jaeger/Henckel KO9 § 29 Rn 66; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 VI 2 S 382. 527

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

seine Veräußerungsermächtigung widerrufen oder einschränken können.137 Für die Veräußerung durch den verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalter gilt nichts anderes. 52 Veräußert der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Verfahrens die Vorbehaltssache, schließt § 91 I den Übergang der Forderung auf den Verkäufer nicht aus.138 § 91 I ist aber nicht deshalb unanwendbar, weil der Insolvenzverwalter das Vorbehaltsgut veräußert.139 Verfügungen des Insolvenzverwalters werden zwar von § 91 I nicht erfasst. Jedoch geht die für den Fall der Weiterveräußerung vorausabgetretene Forderung nicht durch eine Verfügung des Insolvenzverwalters auf den Verkäufer über, sondern durch den Zessionsvertrag, den der Schuldner mit dem Verkäufer geschlossen hat. § 91 I ist allerdings einer kreditsicherungsrechtlich funktionalen Auslegung zugänglich.140 Insoweit ist es grundsätzlich als weiterführend anzusehen, einem Sicherungsnehmer zu gestatten, seine Kreditsicherheit auf künftige Transaktionserlöse zu erstrecken.141 Auch wird der abgetretenen Forderung nicht unter Rückgriff auf Massemittel zusätzliche Werthaltigkeit verliehen, was § 91 I aktivieren könnte,142 sondern unter Zugriff auf die Rechtsposition des Verkäufers. 53 Es gibt freilich keine Regel, dass Vorausabtretungen trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wirksam bleiben und Rechtshandlungen des Verwalters oder andere nach Verfahrenseröffnung eintretende Umstände den Forderungsübergang bewirken könnten. So ist allgemein anerkannt, dass eine vor der Verfahrenseröffnung vereinbarte Globalzession nach § 91 I unwirksam ist, wenn die vorausabgetretene Forderung erst nach der Verfahrenseröffnung entsteht (siehe weiter § 51 Rn 17 f). Das beruht zum einen darauf, dass eine Kreditsicherheit an künftigen Vermögenswerten grundsätzlich nur dann der Funktionalität des Kreditsicherungsrechts gerecht wird, wenn bereits vor Verfahrenseröffnung die Entstehung des künftigen Vermögenswertes als hinreichend gesichert erscheint.143 Zum anderen muss eine Kreditsicherheit bei der Konkurrenz mit den Haftungsinteressen der anderen Insolvenzgläubiger dann gemäß § 91 I insoweit zurücktreten, als der entsprechende Vermögenswert unter Rückgriff auf Massemittel generiert worden ist.144 Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt verfügt der Insolvenzverwalter aber nicht über einen Gegenstand der Masse. Die Sicherheit des Verkäufers in Gestalt der vorausabgetretenen Forderung ist also durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gefährdet. Zwar kann der Verkäufer die Forderung nicht einziehen (§ 166 II). Insofern besteht aber kein Unterschied mehr zwischen einer wirksamen Forderungsabtretung und der Ersatzaussonderung. Die zur Sicherheit abgetretene Forderung kann nach § 166 II nur der Insolvenzverwalter einziehen.145 Ist § 48 anwendbar, weil der Verwalter die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Sache rechtswidrig veräußert hat, ist der Verwalter dennoch bis zur Abtretung der Forderung einziehungsbefugt. Ein Unterschied, der nach der Konkursordnung nicht auftreten konnte, ist allerdings durch die Insolvenzordnung hinzugetreten. Wendet man § 48 an, bekommt der Vorbehaltsverkäufer den ungekürzten Kaufpreis, soweit er in der Masse vorhanden ist, und kann, wenn die Gegenleistung noch aussteht, die Abtretung der Forderung aus dem Zweitverkauf fordern und bekommt dann vom Zweitkäufer den vollen Kaufpreis. Die im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetretene Forderung unterliegt dagegen dem Kostenbeitrag gemäß §§ 170, 171. Das rechtfertigt aber nicht, die Weiterveräußerung des Verwalters als rechtswidrig anzusehen. Es gibt keine Regel, dass eine Veräußerung immer dann als rechtwidrig mit der Folge des § 48 anzuse137 Jaeger/Henckel KO9 § 29 Rn 120; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 VI 2 S 383. 138 So auch Haller Die gesicherte Rechtsposition im Rahmen des § 91 InsO (2016), S 194 f; Jaeger/Windel InsO1 § 91 Rn 65; aA Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 28. 139 Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten im Konkurs2 (1984), S 47; aA Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 VIII 2a S 394 f. 140 Eingehend J F Hoffmann KTS 2021, 327. 141 Den Sicherheitentausch wollen auch Bork/Voelker KTS 2013, 235, 247 nicht von § 91 I erfasst sehen. 142 Henckel FS Baur (1981), S 443 ff. 143 J F Hoffmann KTS 2021, 327, 343 ff. 144 J F Hoffmann KTS 2021, 327, 347. 145 Gundlach KTS 2000, 307, 329; Pape NZI 2000, 301 ff. Hoffmann

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hen sei, wenn der Aussonderungsberechtigte auf diese Weise besser steht als bei Annahme einer rechtmäßigen Veräußerung. Maßgebend ist vielmehr, was der Vorbehaltsverkäufer wollte und dementsprechend mit dem Schuldner vereinbart hat. Wollte er sich gegen das Insolvenzrisiko für den Fall der Weiterveräußerung durch Vorausabtretung der Forderung aus dem Weiterverkauf absichern, so ist es nicht gerechtfertigt, ihm mit Hilfe des § 48 eine Rechtsstellung einzuräumen, die ihn besser stellt, als das Gesetz jeden Sicherungszessionar stellen will. Da also die Weiterveräußerung dem Vorbehaltsverkäufer die Sicherheit, die er für diesen Fall wollte, nicht nimmt, besteht kein Grund, die Veräußerung der Vorbehaltsware durch den Insolvenzverwalter als rechtswidrigen Eingriff in das aussonderungsfähige Eigentum des Vorbehaltsverkäufers anzusehen.146 Die Weiterveräußerung durch den Verwalter liegt also im Rahmen des ordentlichen Geschäftsverkehrs, jedenfalls dann, wenn der Verwalter die Erfüllung des beiderseits nicht voll erfüllten Kaufvertrages wählt (§ 103 I). Ob das auch für Barverkäufe des Verwalters gilt, ist umstritten. Ausschlaggebend muss sein, 54 ob der Vorbehaltsverkäufer durch die Veräußerung Sicherheiten verliert, die er bei einem Verkauf durch den solventen Käufer im gesunden Unternehmen nicht verloren hätte. Ermächtigt der Vorbehaltsverkäufer den Käufer auch zu Bar-Zweitgeschäften, so nimmt er in Kauf, dass die Vorausabtretung leer läuft. Er vertraut nur auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Vorbehaltskäufers. Dieses Vertrauen wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beeinträchtigt, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages wählt. Denn der Vorbehaltsverkäufer erwirbt dann einen Masseschuldanspruch nach §§ 103 I, 55 I Nr 2 Alt 1. Der Vorbehaltsverkäufer steht also nicht schlechter als ohne das Insolvenzverfahren, wenn der Verwalter die Masseschuld erfüllen kann. Der Barverkauf des Verwalters ist deshalb nur dann nicht durch die Ermächtigung gedeckt, wenn er den Vertrag mit dem Vorbehaltsverkäufer nicht erfüllen kann. Wählt er in einem solchen Fall die Erfüllung, haftet er dem Verkäufer nach § 61 S 1.147 Für die Rechtmäßigkeit der Veräußerung die Erfüllungswahl zu fordern (Rn 53, 54), ist nur 55 notwendig, wenn der Insolvenzverwalter nicht schon durch die Weiterveräußerung die Erfüllung des Vertrages gewählt hat.148 Das wird man nicht verallgemeinernd annehmen können.149 Die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die bewirkt, dass die normalen insolvenzrechtlichen Folgen für den gegenseitigen Vertrag nicht eintreten. Sie bestünden darin, dass der Verkäufer nur eine Insolvenzforderung in Höhe der Differenz zwischen dem Wert der Sache und dem vereinbarten Kaufpreis hätte.150 Demgegenüber begründet die Erfüllungswahl die Pflicht des Insolvenzverwalters, die Gegenleistung in vollem Umfang aus der Masse zu erbringen (§ 55 I Nr 2 Alt 1). Rechtsgeschäftliche Erklärungen bedürfen der Auslegung, die auch die Rechtsfolgen berücksichtigen muss.151 Eine Handlung wie die Weiterveräußerung kann als Willenserklärung gedeutet werden, wenn sie als solche erkennbar wird. Wenn der Insolvenzverwalter Sachen veräußert, die er im Unternehmen des Schuldners vorfindet, muss man damit rechnen, dass er dies auch in der Annahme tut, die Sachen gehörten zur Masse. Ein objektiv urteilender Dritter kann deshalb in der Veräußerung nur dann eine Erfüllungswahl erkennen, wenn der Verwalter wusste oder jedenfalls damit rechnete, dass es sich um unbezahlte Vorbehaltsware handelt. Nur dann kann man sein Verhalten dahin deuten, dass er die Ware bezahlen wollte und deshalb die Erfüllung wählte. Andernfalls nahm er allenfalls eine Ersatzaussonderung in Kauf, falls sich herausstellen sollte, dass die Sache nicht zur Masse gehörte. Gibt es also Fälle, in denen der Verwalter veräußert, ohne damit die Erfüllung des Kaufvertrages zu wählen, so ist eine solche Veräußerung jedenfalls rechtswidrig mit der Folge des § 48. Denn wenn der 146 Gundlach KTS 2000, 307, 326 f. 147 Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten im Konkurs2 (1984), S 64 f; aA Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 VIII 2a S 396. So Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 62 VIII 2a S 396. MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 146. Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 114 f, 149 ff. Vgl OLG Dresden ZIP 2002, 815, 816 f, dazu Tintelnot EWiR 2002, 441.

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Verwalter nicht die Erfüllung wählt, ist der Sicherungsfall eingetreten. Der Verwalter muss die Sache dem Vorbehaltsverkäufer zurückgeben. Ihm steht kein Recht zu, sie für den Vorbehaltsverkäufer zu verwerten, und es gibt keinen brauchbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Vorbehaltsverkäufer den Käufer ermächtigen wollte, im Sicherungsfall die Kaufsache zu verwerten. 56 Die Rechtswidrigkeit der Veräußerung schließt den mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbarten Forderungsübergang nicht aus.152 Die Vorausabtretung ist nicht davon abhängig, dass der Vorbehaltsverkäufer im Rahmen der Ermächtigung veräußert. Der Vorbehaltsverkäufer will sich im Zweifel auch für den Fall sichern, dass der Käufer unberechtigt veräußert. Deshalb geht die Forderung auch dann auf den Verkäufer über, wenn der Insolvenzverwalter die Vorbehaltsware veräußert, ohne die Erfüllung des Kaufvertrages zu wählen oder wenn er diese sogar ausdrücklich abgelehnt hat. Der Forderungsübergang trotz rechtswidriger Veräußerung führt in der Sache dazu, dass die Masse insoweit nicht bereichert ist und daher §§ 816 I S 1 BGB, 48 dem Vorbehaltsverkäufer insofern auch keine zusätzlichen Rechte einräumen. Dass sich der Vorbehaltsverkäufer hinsichtlich seines Absonderungsrechts den Kostenbeitrag (§§ 170, 171) anrechnen lassen muss, ist Konsequenz seiner Stellung als Sicherungsnehmer, und die entsprechenden Kostenbeiträge vermögen eine Bereicherung der Masse, die dann zusätzlich über §§ 816 I S 1 BGB, 48 abgeschöpft werden könnte, nicht zu begründen.153 Hat der Verwalter die Forderung eingezogen, muss er den nach Kostenabzug verbleibenden Betrag, den er eingezogen hat (§ 166 II), dem Vorbehaltsverkäufer auszahlen.

57 c) Einziehung fremder Forderung. Eine Ersatzaussonderung ist ausgeschlossen, wenn der Schuldner oder der Insolvenzverwalter berechtigt ist, die fremde Forderung einzuziehen. Zur Frage des Fortbestehens einer Einziehungsbefugnis des Schuldners hinsichtlich der vorauszedierten Forderung siehe Rn 34. War der Insolvenzschuldner als uneigennütziger Treuhänder zur Einziehung berechtigt, ist es auch der Insolvenzverwalter, solange das Treuhandverhältnis nicht beendet ist. Jedoch ist weder der Schuldner noch der Insolvenzverwalter berechtigt, als Treuhänder Forderungen auf ein eigenes Konto oder ein Konto, das nicht als Treuhandkonto angesehen werden kann, einzuziehen.154 Mangels Berechtigung ist der Treugeber zur Ersatzaussonderung berechtigt. Die Ersatzaussonderung ist aber ausgeschlossen, wenn dem Schuldner vertraglich gestattet war, die Forderung treuhänderisch auf ein Konto einzuziehen, auf dem auch eigene Guthaben gebucht wurden.155

58 d) Veräußerung durch Treuhänder und Kommissionär. Der echte Verwaltungstreuhänder ist zwar Eigentümer des Treuguts und kann Treugut veräußern. Der Treugeber kann das Treugut im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treuhänders aber aussondern. Der Treuhänder, der das Treugut treuwidrig veräußert, greift deshalb unberechtigt in ein Aussonderungsrecht ein.156 Der Treugeber ist demnach ersatzaussonderungsberechtigt. Hat der Treuhänder vor der Verfahrenseröffnung im Rahmen seiner treuhänderischen Bindung über Treugut verfügt, handelte er als Berechtigter. Die treuhänderischen Bindungen werden vorsehen, dass im Hinblick auf die Gegenleistung die Voraussetzungen einer insolvenzfesten Treuhand gewahrt bleiben, sodass auch diesbezüglich wird ausgesondert werden können. Veräußert der Insolvenzverwalter Treugut, handelt er im Regelfall rechtswidrig, weil das Treuhandverhältnis eine solche Verfügung nor152 Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten im Konkurs2 (1984), S 53; aA Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 65 I 1c S 470.

153 Im Ergebnis abw insoweit Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 56. 154 Davon geht offenbar das OLG Köln (ZIP 2002, 947, dazu Gundlach EWiR 2002, 633) aus, ohne die Frage der Berechtigung ausdrücklich anzusprechen. 155 BGH NZI 2003, 549, 551; BGHZ 184, 101, Rn 24 = NZI 2010, 339, Rn 24. 156 Gundlach/Frenzel/Schmidt KTS 2002, 459, 464. Hoffmann

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malerweise nicht deckt und der Verwalter das Aussonderungsrecht des Treugebers verletzt.157 Anderes gilt nur, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung des nach Verfahrenseröffnung noch fortbestehenden Treuhandverhältnisses wählt. Dann handelt er rechtmäßig, wenn er nicht für die Masse, sondern für das Treuhandvermögen veräußert. Die nun die Masse treffenden treuhänderischen Bindungen werden vorsehen, dass im Hinblick auf die Gegenleistung die Voraussetzungen einer insolvenzfesten Treuhand gewahrt bleiben, sodass auch diesbezüglich wird ausgesondert werden können. Veräußert der Kommissionär Ware des Kommittenten, steht ihm zwar die Forderung auf die 59 Gegenleistung zu. Der Kommittent hat aber ein Aussonderungsrecht (§ 392 II HGB). Zur Frage der Rechtswidrigkeit der Forderungseinziehung siehe Rn 36.

e) Berechtigung kraft Gesetzes? Der Schuldner und der Verwalter handeln nicht schon des- 60 halb rechtmäßig, weil das Gesetz sie zu einer Verfügung ermächtigt. Das wird besonders deutlich, wenn die Versicherungssumme einer Versicherung für fremde Rechnung vom Versicherungsnehmer aufgrund der Ermächtigung des § 45 I VVG eingezogen wird. Der Versicherte hatte ein Aussonderungsrecht an der Forderung auf die Versicherungssumme (§ 47 Rn 157), das durch deren Einziehung erloschen ist. Die Einziehung einer fremden Forderung steht der in § 48 genannten Veräußerung gleich (Rn 32). Die Einziehungsberechtigung, die § 45 I VVG dem Versicherungsnehmer gewährt, gestattet ihm nicht, die Versicherungssumme dem eigenen Vermögen als Haftungsobjekt für eigene Schulden zuzuführen. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit. Es kommt darauf an, ob die Veräußerung eines fremden Gegenstandes oder die Einziehung einer fremden Forderung derart gestattet ist, dass sie das haftende Vermögen des Insolvenzschuldners vermehren und damit dessen Insolvenzgläubigern zugute kommen soll.158

V. Ersatzabsonderung 1. Plädoyer gegen die hM Die entsprechende Anwendung von § 48 auf Absonderungsrechte im Wege der „Ersatzabsonde- 61 rung“ war schon zu § 46 KO nahezu allgemein anerkannt159 und ist für § 48 weitgehend160 unbestritten.161 Das ist aus zwei Gründen kritisch zu sehen. Zum einen wird die derzeit fast einhellige Auffassung dem kategorialen funktionalen Unterschied zwischen Aus- und Absonderungsrechten in der Begründung kaum gerecht. Während § 48 bei Aussonderungsrechten eine Vorschrift ist, die den Rechtsschutz einer absoluten Rechtsposition adressiert (Rn 2), geht es bei § 48 im Kontext von 157 Gundlach/Frenzel/Schmidt KTS 2002, 459 ff. 158 Gundlach DZWIR 2000, 309, 313; ders/Frenzel/Schmidt KTS 2002, 459, 467 f. 159 BGH NJW 1995, 2783, 2787 (insoweit in BGHZ 130, 38 nicht abgedruckt), dazu Gerhardt EWiR 1995, 795 und Henckel JZ 1996, 527; BGH NZI 1998, 80, dazu Gundlach DZWIR 1999, 30 und Marotzke EWiR 1999, 27; Gerhardt Grundbegriffe des Vollstreckungs- und Insolvenzrechts (1985), Rn 327; Gundlach KTS 1997, 553 ff; Kilger/K Schmidt InsG17 § 46 KO Anm 9; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 5; aA Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd III (1970), § 35 I 2a S 271 f; Bd V (1982), § 62 II 4a S 347 f für Veräußerungen des Verwalters, bei denen § 127 I S 2 KO ausreichenden Schutz biete. 160 AA aber Stamm KTS 2015, 461, 484 ff; krit auch Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 48 Rn 21 ff. 161 BGH NZI 2006, 587, Rn 12; BGH NZI 2006, 700, Rn 22 f; BGHZ 184, 101, Rn 8 f = NZI 2010, 339, Rn 8 f; BGH NZI 2015, 976, Rn 8; BGHZ 221, 10, Rn 19 = NJW 2019, 1940, Rn 19; BGH NZI 2020, 164, Rn 7; OLG Stuttgart ZIP 2001, 2183, 2184; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 48 Rn 17 f; Bork Einführung in das Insolvenzrecht10, Rn 307 f; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 40; Gundlach KTS 1997, 553 ff; Häsemeyer InsR4 Rn 18.68 ff; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 61; FK/ Imberger InsO9 § 48 Rn 26 ff; HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 17 ff; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 26 f; letztlich unentschieden, aber nicht ohne Kritik am Gesetzgebungsstil Dieckmann FS Henckel (1995), S 95, 120 ff. 531

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Kreditsicherheiten um Fragen der Enthaftung, die in erster Linie auch solche kreditsicherungsrechtlicher Zweckmäßigkeit sind. Insbesondere kann auch die Behauptung, dass Absonderungsberechtigte nicht minder schutzbedürftig seien als Aussonderungsberechtigte, vor diesem Hintergrund nicht ohne Einschränkungen überzeugen. Im Rahmen einer Besicherung hat der Sicherungsnehmer allen Anlass, die Verfügung über das Sicherungsgut in seine Erwägungen einzubeziehen und sich im Wege der antizipierten Sicherungszession einen Zugriff auf entsprechende Forderungen zu sichern. § 91 I steht einer solchen Sicherungszession nicht entgegen (siehe § 51 Rn 17). Mit einer Ersatzabsonderung würde auf einem methodisch fragwürdigen Weg eingeführt, was das deutsche Kreditsicherungsrecht162 eigentlich nicht kennt: eine automatische Erstreckung der Sicherheit auf Veräußerungserlöse. Zum anderen ist § 48 als systemwidrige Durchbrechung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes auf das Maß zu beschränken, das der Gesetzgeber diesem zweifellos zugestehen wollte (Rn 9). Im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt ist zu erkennen, dass der Regierungsentwurf zur InsO in § 60 eine ausdrückliche Regelung der Ersatzabsonderung vorsah: „Ist ein Gegenstand, an dem ein Absonderungsrecht bestand, vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden, so kann der Absonderungsberechtigte abgesonderte Befriedigung aus dem Recht auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht. Er kann abgesonderte Befriedigung aus der Gegenleistung verlangen, soweit diese in der Insolvenzmasse unterscheidbar vorhanden ist.“ Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat die – ohnehin nur auf Veräußerungen des Insolvenzverwalters anwendbare (!) – Vorschrift aus Gründen der redaktionellen Straffung gestrichen. Er wollte dadurch jedoch nicht die Möglichkeit der Ersatzabsonderung ausschließen. Die analoge Anwendung der Vorschriften über die Ersatzaussonderung erschien dem Ausschuss für die Insolvenzordnung ebenso wie für die Konkursordnung ein praktikabler Lösungsweg.163 Von einer bindenden gesetzlichen Vorgabe einer analogen Anwendung des § 48 auf Absonderungsrechte wird man vor diesem Hintergrund aber nicht ausgehen können.164 Ein Recht auf Ersatzabsonderung ist entgegen der nahezu einhelligen Auffassung nicht zu gewähren. 62 Vereinzelt wurde zur Konkursordnung die Ansicht vertreten, dass § 46 KO unmittelbar auf die Vereitelung von Absonderungsrechten anwendbar sei, es also einer Analogie gar nicht bedürfe.165 Begründet wurde die unmittelbare Anwendung mit dem Hinweis, dass auch Absonderungsrechte ausgesondert werden können. Dem liegt eine begriffliche Verwirrung über den „Gegenstand“ der Aussonderung zugrunde (§ 47 Rn 5, 31).166 Beeinträchtigt der Insolvenzverwalter das Absonderungsrecht, indem er etwa dessen Existenz leugnet, durch einen Eingriff in die Rechtsposition das Gut zu beschädigen droht oder gegen die Verwertungsmodalitäten der §§ 165 ff verstößt, stehen dem Rechtsinhaber die entsprechenden rechtsverwirklichenden Schutzrechte zur Verfügung, um die Störung der Rechtsposition zu beseitigen oder einem Eingriff vorzubeugen. Mit einer Aussonderung hat dieser negatorisch rechtsverwirklichende Schutz des Absonderungsrechts freilich nichts zu tun; auch hier handelt es sich in der Sache um eine Absonderung, da final die bevorrechtigte Befriedigung aus der Masse bezweckt wird. Anders verhält es sich nur dann, wenn die Masse die Rechtsposition für sich in Anspruch nimmt und diese nicht auf bevorrechtigte Befriedigung im konkreten Insolvenzverfahren gerichtet ist. Behauptet etwa der Insolvenzverwalter, Inhaber eines Grundpfandrechts oder eines Mobiliarpfandrechts zu sein, ohne zugleich das Eigentum für die Masse zu beanspruchen, weil ein Dritter Eigentümer ist, dann kann insoweit hinsichtlich des Grundpfandrechts bzw Mobiliarpfandrechts ausgesondert werden. Die Position ist dann nicht final auf eine bevorrechtigte Befriedigung im konkreten Insolvenzverfahren gerichtet, der Inhaber macht vielmehr geltend, dass die Insolvenzmasse Befugnisse beansprucht, die ihr 162 Funktionsorientierte Regelwerke erstrecken die Sicherheit zum Teil automatisch auch auf Veräußerungserlöse (vgl etwa § 9–315 UCC), halten teilweise aber auch am Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Erstreckung auf den Veräußerungserlös fest (siehe Art IX-2:306(3) DCFR). 163 BT-Drucks 12/7302, S 160; Balz/Landfermann Die neuen Insolvenzgesetze2 (1999), S 260 Fn 3. 164 So auch Stamm KTS 2015, 461, 485 f. 165 Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 5. 166 Ähnlich Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 62. Hoffmann

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nicht zustehen. Nur in einem solchen Fall kommen eine Aussonderung und dementsprechend auch eine Ersatzaussonderung in Betracht. Bei der Verwertung von Absonderungsrechten muss unter Gesichtspunkten der Gläubiger- 63 gleichbehandlung Folgendes gelten: Verwertet der Insolvenzverwalter ein mit einem Absonderungsrecht belastetes Gut rechtmäßig gemäß seiner Verwertungsbefugnis, findet nach ganz hM im Rahmen von § 170 I S 2, wie auch bei einer rechtmäßigen Verwertung durch einen Gläubiger im Wege der Einzelzwangsvollstreckung außerhalb der Insolvenz, eine dingliche Surrogation statt;167 das Absonderungsrecht setzt sich am Erlös fort. Dieser Tatbestand einer dinglichen Surrogation ist auch sachgerecht, war das Absonderungsrecht doch als dingliches Recht von vornherein nur auf den Wert gerichtet und konnte als solches nicht gegen die Verwertung der Sache eingewandt werden.168 Eine entsprechende dingliche Surrogation muss ausscheiden, wenn der Insolvenzverwalter das Gut rechtswidrig verwertet, auch wenn in Folge der Verwertung das Absonderungsrecht untergehen sollte, da etwa ein lastenfreier Erwerb vom insoweit Nichtberechtigten erfolgt. Ein für eine Erstreckung des § 170 I S 2 auf diese Fälle vorgebrachter Erst-Recht-Schluss169 vermag mangels vergleichbarer Interessenlage nicht zu überzeugen, wenn und soweit der Absonderungsberechtigte seine Rechtsposition gegen die rechtswidrige Verwertung einwenden kann, dem Insolvenzverwalter bei der Verwertung also nicht nur ein Verfahrensfehler (etwa ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gemäß § 168 I) unterläuft,170 sondern er gar kein Verwertungsrecht hat. Eine Privilegierung analog § 48 bei entsprechend rechtswidrigen Verwertungen durch den Insolvenzverwalter lässt sich bei der Verletzung eines Absonderungsrechts nicht rechtfertigen. Es verbleibt insoweit bei den Privilegien nach Maßgabe von § 55 I Nr 1 bzw § 55 I Nr 3. Es führt nicht weiter, wenn der von anderen Stimmen für eine Erstreckung des § 170 I S 2 bemühte Erst-RechtSchluss für eine analoge Anwendung des § 48 ins Feld geführt wird.171 § 48 kann dementsprechend auch dann keine Anwendung finden, wenn der Insolvenzschuldner das Absonderungsrecht vereitelt.

2. Ersatzabsonderung nach Maßgabe der hM172 Die Ersatzabsonderung setze wie die Ersatzaussonderung eine nichtberechtigte Veräußerung 64 voraus. Sie komme deshalb nicht in Betracht, wenn der Schuldner berechtigt ist, in eine absonderungsfähige Rechtsposition des Absonderungsberechtigten einzugreifen. Ist der Schuldner berechtigt, eine Pfandhaftung zu lösen, sei die Ersatzabsonderung ausgeschlossen. Werden zB nach § 1120 BGB haftende Erzeugnisse des Grundstücks im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaft vor der Beschlagnahme vom Grundstück getrennt und entfernt, so erlösche zwar daran das Absonderungsrecht gem § 1122 I BGB, aber § 48 gebe keinen Anspruch auf die Gegenleistung, die der 167 BGH NZI 2009, 165, Rn 18; BGHZ 189, 1, Rn 15 = NJW 2011, 1506, Rn 15; C Berger KTS 2007, 433, 443 f; Uhlenbruck/ Brinkmann InsO15 § 170 Rn 10; Eckardt FS Schilken (2015), S 645, 655 f; Harder Insolvenzrechtliche Surrogation (2002), S 87 ff, 120 ff; ders KTS 2001, 97, 108 ff; Jaeger/Henckel InsO1 Vor §§ 49 ff Rn 55; MünchKomm/Kern InsO4 § 170 Rn 31; aA MünchKomm/Ganter InsO4 Vor §§ 49 ff Rn 71 und ders/Bitter ZIP 2005, 93, 98 li. Sp., wonach es sich um einen Fall der Ersatzabsonderung handle (vgl auch BGHZ 184, 101, Rn 41 = NZI 2010, 339, Rn 41); nur bereicherungsrechtlich deuten möchte § 170 I S 2 Stamm KTS 2015, 461, 488 ff. 168 Vgl auch Eckardt FS Schilken (2015), S 645, 655 f; Harder KTS 2001, 97, 113 (dingliche Surrogation als „Kehrseite“ der Verwertungsbefugnis); M Wolf JuS 1976, 32, 33 (Surrogation dann, wenn das Gesetz die Veräußerung „ohne Rücksicht auf den Willen“ des Berechtigten gestattet), der freilich unzutreffend am Beispiel von § 1244 BGB pauschal auch jede rechtswidrige Verwertung einbezieht. 169 In diesem Sinne Harder Insolvenzrechtliche Surrogation (2002), S 105 ff, 131 ff; ders KTS 2001, 97, 113 ff; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd III (1970), § 35 I 2a S 271 f. 170 Siehe auch C Berger KTS 2007, 433, 445; Eckardt FS Schilken (2015), S 645, 655. 171 So aber etwa MünchKomm/Ganter InsO4 Vor §§ 49 ff Rn 169 und Gundlach Der Ersatzaussonderungsberechtigte (1994), S 107; wie hier dagegen Eckardt FS Schilken (2015), S 645, 652 ff. 172 Siehe Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 64 ff. 533

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§ 48

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Schuldner oder der Verwalter für die Veräußerung der Erzeugnisse erhalten hat oder verlangen kann. Denn diese Veräußerung sei nicht rechtswidrig gewesen (vgl auch § 49 Rn 41 ff).173 Entfernt der Mieter Sachen, die dem Vermieterpfandrecht unterliegen und erlischt dieses Recht nach § 562a BGB durch Entfernung vom Grundstück, weil der Vermieter von der Entfernung weiß und nicht widerspricht oder weil sein Widerspruch nicht berechtigt ist, so komme die Ersatzabsonderung eines Veräußerungserlöses nicht in Betracht.174 Ist der Sicherungsgeber ermächtigt, über die sicherungsübereignete Sache zu verfügen oder die vorausabgetretene Forderung einzuziehen, handle er nicht rechtswidrig. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen solche Ermächtigungen erlöschen, siehe Rn 34, 46, 51–55. § 48 sei auch nicht anwendbar, soweit Absonderungsrechte kraft Gesetzes bei Verwertung des belasteten Gegenstandes in Rechte auf Vorzugsbefriedigung aus dem Erlös übergehen, wie nach § 165 InsO mit § 91 I ZVG oder nach §§ 166, 170 I S 2. 65 Die Ersatzabsonderung setze voraus, dass das Absonderungsrecht durch die Verfügung des Schuldners oder des Verwalters vereitelt wird. Deshalb komme eine Ersatzabsonderung nicht in Betracht, wenn der Grundpfandgläubiger sein Grundpfandrecht gegen die Zusage der Zahlung eines bestimmten Betrages des bei der Veräußerung des Grundstücks erzielten Kaufpreises aufgibt.175 Analog anwendbar sei § 48, wenn der Schuldner oder der Verwalter ein Pfändungspfandrecht 66 durch unbefugte Übereignung der Pfandsache an einen gutgläubigen Dritten vereitelt (§ 936 I, II BGB) und den Kaufpreis noch nicht eingezogen hat oder dieser in der Masse unterscheidbar vorhanden ist,176 wenn der Schuldner oder der Verwalter ein Grundstück veräußert, das zugunsten eines anderen mit einer ohne Eintragung entstandenen (§ 1287 S 2 BGB, § 848 II S 2 ZPO) oder versehentlich gelöschten Grundschuld belastet ist, von der der Erwerber nichts weiß, oder wenn der Schuldner oder der Insolvenzverwalter eine im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehalts vorausabgetretene Forderung mit Wirkung gegenüber dem Vorbehaltsverkäufer (§ 407 I BGB) einzieht177 oder eine sicherungsübereignete, in seinem Besitz gebliebene Sache wirksam an einen gutgläubigen Dritten übereignet. § 48 sei auch analog anwendbar, wenn der Insolvenzschuldner über einen Scheck, an dem seine Bank ein Absonderungsrecht hat, unberechtigt verfügt hat.178 Auch wenn eine verpfändete bewegliche Sache gegen den Willen des Pfandgläubigers in die Hand des Verpfänders zurückgelangt ist (vgl § 1253 BGB) und dieser sie an einen Gutgläubigen veräußert hat, werde das Pfandrecht vereitelt (§ 936 I, II BGB) und § 48 sei analog anwendbar. Ebenso, wenn der Schuldner eine Sache, an der ein Vermieterpfandrecht besteht, veräußert, ohne dass das Pfandrecht zuvor erloschen ist.179 Veräußert der Verwalter die dem Vermieterpfandrecht noch unterliegende Sache, die er im Besitz hat, handelt er als Verwertungsberechtigter (§ 166 I). Deshalb ist § 48 nicht anwendbar, wohl aber § 170, nach dessen I S 2 der Vermieter zu befriedigen ist.180 Umstritten ist, ob in analoger Anwendung des § 48 der Inhaber eines Grundpfandrechts den 67 Kaufpreis ersatzabsondern kann, den der Schuldner oder Verwalter erzielt, wenn er das belastete Grundstück an den Käufer oder Wiederkäufer auflässt, zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist, die dem Grundpfandrecht im Rang vorgeht. Der BGH181 und das OLG Frankfurt182 verneinen das mit der Begründung, dass die Auflassung das Grundpfandrecht nicht

173 174 175 176 177 178 179 180 181 182

Siehe näher Jaeger/Henckel KO9 § 4 Rn 8; aA Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 43. Vgl zur KO OLG Düsseldorf NZI 2000, 82. OLG Köln ZIP 1989, 523, 524. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZwVR12 § 50 III 1e cc und 2b, § 51 III 2. BGH WM 1971, 71. OLG Stuttgart ZIP 2001, 2183, 2184. OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 559, 560. Vgl zur KO OLG Düsseldorf NZI 2000, 82. BGHZ 47, 181 ff = NJW 1967, 1370 f; ebenso Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 46 Rn 4 und 4d. ZIP 1981, 639.

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zum Erlöschen bringe und der Löschungsanspruch des Vormerkungsberechtigten nach § 888 I BGB nicht auf einer rechtswidrigen Verfügung des Verwalters beruhe.183

VI. Inhalt der Ersatzaussonderung 1. Die Gegenleistung Der Berechtigte kann Abtretung der noch ausstehenden oder der erbrachten, in der Masse noch un- 68 terscheidbar vorhandenen Gegenleistung verlangen. Gegenleistung ist nicht nur das in einem gegenseitigen Vertrag vereinbarte Entgelt oder Tauschobjekt.184 Der Zweck der Ersatzaussonderung, den eingriffsbedingten Bereicherungsanspruch zu privilegieren, fordert, jede Vermehrung des Aktivvermögens des Schuldners, die auf die Veräußerung zurückzuführen ist, als Gegenleistung anzusehen.185 Dabei muss einerseits der Bereicherungsanspruch in der Rechtsfolge nicht auf die Abschöpfung der Gegenleistung selbst gerichtet sein, da § 48 die Gegenleistung bzw das Recht auf die Gegenleistung nur als gegenständliches Privilegierungsvehikel in den Blick nimmt, nicht als spezifischen Anspruchsinhalt. Andererseits darf der Begriff der „Gegenleistung“ nicht über Gebühr ausgedehnt werden, auch insoweit ist § 48 restriktiv zu handhaben (Rn 9), und eine „zweite Ersatzaussonderung“ ist abzulehnen (Rn 11). Hat der Schuldner fremdes Geld als Darlehen gegeben, ist der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens neben einem Zinsanspruch die nach § 48 abzutretende Forderung auf die Gegenleistung und das zur Tilgung des Darlehens gezahlte Geld die Gegenleistung, die ersatzausgesondert werden kann, wenn sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist.186 Ist fremdes Bargeld auf ein schuldnerisches Konto eingezahlt worden (Rn 27), ist die Forderung auf Gutschrift als „Gegenleistung“ anzusehen; soweit diese bereits erfolgt ist, setzt die Ersatzaussonderung eine Unterscheidbarkeit nach Maßgabe von § 48 S 2 voraus (dazu Rn 81).187 Ist eine fremde Forderung eingezogen worden (Rn 32 ff), ist der eingezogene Betrag die Gegenleistung.188 Zu weit geht es allerdings, auch noch ein Darlehen als „Gegenleistung“ dafür anzusehen, dass der Schuldner an einem fremden Gegenstand eine Kreditsicherheit bestellt hat.189 Zustimmungswürdig restriktiv handhabt der BGH den Begriff der Gegenleistung auch, wenn er judiziert, dass keine „Gegenleistung“ iSv § 48 vorliegt, wenn die unberechtigte Veräußerung einen Tatbestand der Insolvenzanfechtung verwirklicht hat und der Masse ein Anspruch aus § 143 I zusteht.190 Hat der Schuldner fremde Gegenstände übertragen, um eine Verbindlichkeit zu erfüllen, ist die Befreiung von der Verbindlichkeit kein taugliches gegenständliches Vehikel für eine Ersatzaussonderung.191 Auch der Anspruch auf Rückgabe einer fremden Sache, die zur Sicherung bestehender Schuld verpfändet oder sicherungsübertragen war, ist kein Anspruch auf eine Gegenleistung. Gegenleistung iSd § 48 ist auch 183 AA Häsemeyer InsR4 Rn 18.69; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 67; Keuk NJW 1968, 476 ff; Wilhelm ZfIR 2011, 353 ff. 184 Gundlach ZIP 1995, 1789. 185 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 31; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 32; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1790; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 18. 186 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 31; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 35; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1790 mwN in Fn 15; Häde KTS 1991, 365, 374; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 13. 187 MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 48. 188 RGZ 98, 143, 148; BGHZ 23, 307, 317 = NJW 1957, 750, 752; BGH NJW-RR 1989, 252, dazu Gerhardt EWiR 1989, 285; OLG Dresden SeuffArch 16 Nr 271; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 34; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1790; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 46 Rn 7; siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 31. 189 So aber Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 16; Danker Die rechtliche Natur der Surrogatsansprüche des § 46 RKO (1921), S 36; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1793; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 68; Hochmuth Die Ersatzaussonderung (1931), S 44; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 13; Unger Die Ersatzaussonderung im Konkurs (1929), S 16; nun auch MünchKomm/ Ganter InsO4 § 48 Rn 40. 190 BGH NZI 2015, 976, Rn 10; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 31; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 InsO Rn 42a. 191 BGH NZI 2015, 976, Rn 10; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 36; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1791 mwN in Fn 23; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 13. 535

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nicht eine Stundung, die der Schuldner durch Hingabe der Sicherheit erreicht hat.192 Umstritten ist, ob der Überschuss, der bei einer Versteigerung der verpfändeten Sache entsteht und vom Pfandgläubiger in die Masse gezahlt worden ist, ersatzausgesondert werden kann. Die hM193 verneint das mit Recht. Der Pfandgläubiger, der davon ausgeht, dass er das Pfandrecht vom Berechtigten erworben hat, will mit der Zahlung in die Masse nicht das Geld übereignen, sondern dem Schuldner bzw dem Verwalter den vermeintlich dem Schuldner gehörenden (§ 1247 S 2 BGB) Übererlös herausgeben. Nach § 1247 S 2 BGB gehört dieser aber dem Eigentümer der vom Schuldner als Nichtberechtigtem verpfändeten Sache. Er kann ihn aussondern.194 Soweit diese Aussonderung mangels „Unterscheidbarkeit“ des Geldes ausscheiden sollte, kann auch eine Ersatzaussonderung nicht helfen. Sollte der Pfandgläubiger vor der Auszahlung des Übererlöses erfahren haben, dass der Insolvenzschuldner Nichtberechtigter war, und dennoch den Übererlös in die Masse gezahlt haben, könnte der Schuldner Eigentum an dem Geld erlangt haben, wenn der Pfandgläubiger Eigentum am Geld übertragen wollte und der Insolvenzverwalter gutgläubig war (§§ 932, 166 I BGB).195 Dann aber hat der Pfandgläubiger als Nichtberechtigter verfügt und haftet dem früheren Eigentümer der verpfändeten Sache nach § 816 I S 1 BGB. Einen Ersatzaussonderungsanspruch braucht dieser nicht.

2. Die Forderung auf die Gegenleistung besteht noch 69 Wenn die Gegenleistung noch aussteht, kann der Berechtigte vom Verwalter die Abtretung des Anspruchs auf die Gegenleistung verlangen (S 1). Die Forderung steht also nicht kraft Gesetzes dem Ersatzaussonderungsberechtigten zu. Dieser hat vielmehr nur einen Anspruch auf deren Abtretung. Die Forderung tritt nicht infolge einer dinglichen Surrogation an die Stelle des Aussonderungsobjekts. Sie gehört zum Vermögen des Insolvenzschuldners, dem Ersatzaussonderungsberechtigten steht insoweit lediglich ein Insolvenzprivileg zu. Der Insolvenzschuldner bzw sein Insolvenzverwalter kann über die Forderung als Berechtigter verfügen, aber sie haftet nicht für die Verbindlichkeiten des Schuldners, weder den Insolvenzgläubigern noch den Massegläubigern. Der Anspruch des Ersatzaussonderungsberechtigten auf Abtretung des Anspruchs auf die Gegenleistung dient dazu, die Forderung mit allen ihren Funktionen dem Berechtigten zuzuordnen. Mit der abgetretenen Forderung gehen die Sicherungsrechte nach Maßgabe des § 401 I BGB auf den neuen Gläubiger über. Bei der Einziehung einer fremden Forderung kann ein Anspruch auf eine Gegenleistung nicht mehr bestehen, folglich auch nicht zur Sicherheit abgetreten sein.196 70 Bei der Verkaufskommission ergibt sich ein der Ersatzaussonderung entsprechendes Aussonderungsrecht197 des Kommittenten auf Abtretung der ausstehenden Kaufpreisforderung schon aus § 392 II HGB.198 Diese Vorschrift greift aber einerseits weiter als § 48. Während § 48 S 1 nur einen Anspruch auf Abtretung des Anspruchs auf die Gegenleistung für einen veräußerten und ohne die Veräußerung auszusondernden Gegenstand gibt, richtet sich der Anspruch des § 392 II HGB auf alle Forderungen des Kommissionärs, also zB auch auf Schadensersatz oder auf Liefe192 Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 13. 193 Bleyer KO3 § 46 Rn 2c; Danker Die rechtliche Natur der Surrogatsansprüche des § 46 RKO (1921), S 37; Hochmuth Die Ersatzaussonderung (1931), S 43; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 46 Rn 7; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 13; Markowitz Erweiterungen und Beschränkungen des Aussonderungsrechts (1909), S 11; Petersen/Kleinfeller KO4 § 46 Rn 4; Schneider Der sogenannte Ersatzaussonderungsanspruch im Konkurse (1910), S 18; Unger Die Ersatzaussonderung im Konkurs (1929), S 16; aA OLG Braunschweig SeuffArch 49 Nr 226; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 16; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 39; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1792 f. 194 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 16. 195 Von dieser Konstellation geht offenbar Gundlach (ZIP 1995, 1789, 1792) aus, wenn er annimmt, der Übererlös gehöre zur Masse. 196 BGHZ 150, 353, 358 = NJW 2002, 2783, 2784. 197 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 19. 198 Siehe bei § 47 Rn 146 ff. Hoffmann

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rung kommissionsweise eingekaufter Ware, und die Vereitelung einer früher möglichen Aussonderung wird nicht vorausgesetzt. Andererseits beschränkt sich § 392 II HGB auf ausstehende Forderungen, während § 48 im Satz 2 auch die eingezogene Gegenleistung erfasst. Kommissionsweise vom späteren Insolvenzschuldner eingekaufte Ware oder von seinem Insolvenzverwalter zur Masse gezogene und in ihr noch unterscheidbar vorhandene Sachen können deshalb nur ggf nach § 48 ersatzausgesondert, nicht aber nach § 392 II HGB herausverlangt werden (Rn 36). Ob die Gegenleistung noch aussteht, ist eine Frage des einzelnen Falles, die sich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen entscheidet. Das Schuldverhältnis kann auch durch Erfüllungssurrogate (§§ 378, 389, 397 BGB) oder Annahme einer anderen als der geschuldeten Leistung an Erfüllungs statt erloschen sein (§ 364 I BGB). Hat der Drittschuldner zum Zwecke der Befriedigung seines Gläubigers, des späteren Insolvenzschuldners, diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit, etwa durch Wechselakzept oder Eigenwechsel, übernommen, so geschah dies im Zweifel nicht an Erfüllungs statt (§ 364 II BGB). In diesem Fall steht also die Gegenleistung noch aus.199 Die Wechselforderung hat hier trotz ihrer Selbständigkeit nach dem Willen der Parteien die Bedeutung eines Sicherungsanspruchs, dessen Überweisung (durch Indossament „ohne Obligo“) der Aussonderungsberechtigte neben der Abtretung der noch ausstehenden Forderung verlangen kann.200 Geschah aber die Eingehung der neuen Verbindlichkeit an Erfüllungs statt, so kann eine Ersatzaussonderung der neuen selbständigen Forderung nur in Betracht kommen, wenn man wegen einer Vereitelung des Ersatzaussonderungsrechts eine zweite Ersatzaussonderung gestattet (dazu Rn 11). Ist die Forderung auf die Gegenleistung in eine Schadensersatzforderung übergegangen, etwa infolge Schuldnerverzugs oder anderer Pflichtverletzung, steht der Ersatzanspruch dem ersetzten Anspruch jedenfalls im Anwendungsbereich des § 48 gleich. Dasselbe gilt für den Anspruch auf Wertersatz nach § 818 II BGB. Der Anspruch richtet sich auf Abtretung der Forderung mit allen Nebenrechten. Gewähr für Bestand oder Beitreibbarkeit dieser Forderung ist aus der Masse mangels einer entsprechenden Vorschrift nicht zu leisten. Einwendungen des Schuldners können dem Ersatzaussonderungsberechtigen entgegengehalten werden (§ 404 BGB). Ist die ausstehende Gegenleistung niedriger als der Verkehrswert des Gegenstandes der vereitelten Aussonderung, bleibt die Ersatzaussonderung auf den Anspruch auf diese Gegenleistung beschränkt. Ein darüber hinausgehender Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruch ist Insolvenzforderung (§ 38), wenn der aussonderungsfähige Gegenstand vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner veräußert worden ist. Streitig ist, ob die Abtretung der ganzen Forderung auf die Gegenleistung auch dann verlangt werden kann, wenn der Schuldner einen Veräußerungsgewinn erzielt hat, den der Aussonderungsberechtigte nicht hätte erzielen können. Das Problem ist grundsätzlich dasselbe, wie es zu § 816 I S 1 BGB streitig erörtert wird. In diese bereicherungsrechtliche Diskussion soll hier nicht eingegriffen werden.201 Sollte materiell-rechtlich eine Gewinnhaftung nur bei vorsätzlichen Eingriffen im Rahmen von §§ 687 II 1, 681 S 2, 667 BGB legitimierbar sein, wofür Vieles spricht, steht einer Erstreckung des Privilegierungsmechanismus des § 48 auf diese materiell-rechtliche Forderung nichts entgegen.202 Das RG203 und der BGH204 sprechen dem Bereicherungsgläubiger im Rahmen von § 816 I S 1 BGB die volle Gegenleistung zu. Grobe Unbilligkeiten sollen mit § 242 BGB ausgeglichen werden. Diejenigen, die diese Auffassung im Wesentlichen teilen, befürworten aber mehr oder weniger

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MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 49. OLG Hamburg SeuffArch 50 Nr 71. Eingehend Hartmann Der Anspruch auf das stellvertretende commodum (2007), S 269 ff. Entgegen Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 73. RGZ 88, 351, 359. BGHZ 29, 157, 159 ff = WM 1959, 374; BGH WM 1975, 1179; BGH WM 1978, 755; BGH NZM 2005, 835, 837. Hoffmann

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gewichtige Einschränkungen,205 während andere dem Bereicherungsgläubiger nur den objektiven Wert der Sache zusprechen, vornehmlich mit der Begründung, dass für den schuldlosen Eingriff in fremdes Recht diese Beschränkung systemgerecht sei, während dem Berechtigten bei fahrlässigem Eingriff mit dem Schadensersatzanspruch und bei vorsätzlichem Eingriff mit dem Anspruch aus §§ 687 II, 681 S 2, 667 BGB Genüge getan werde.206 75 Zu § 46 KO und § 48 vertritt die hM den Standpunkt, den die Rechtsprechung zu § 816 I S 1 BGB eingenommen hat. Der Ersatzaussonderungsberechtigte soll die volle Gegenleistung bekommen.207 Das ist konsequent, aber hinsichtlich des Haftungsumfangs bei § 816 I S 1 BGB zweifelhaft. Jedenfalls bei vorsätzlichen Rechtsverletzungen lässt sich dieses Ergebnis auch über den Anspruch aus §§ 687 II 1, 681 S 2, 667 BGB begründen, der mittels § 48 privilegiert werden kann. In jedem Fall muss es bei einer Veräußerung der Masse gestattet sein, getätigte Aufwendungen in Abzug zu bringen, soweit sie dem Veräußerungsvorgang unmittelbar zuzurechnen sind. Soweit die Gegenleistung bereits eingezogen und Umsatzsteuer angefallen und an das Finanzamt abgeführt worden sein sollte, kann im Rahmen von § 48 S 2 nur auf den Nettokaufpreis zugegriffen werden. Das ist freilich weniger der „Unterscheidbarkeit“ geschuldet208 als vielmehr dem Umstand, dass insoweit eine Entreicherung im Hinblick auf § 816 I S 1 BGB eintritt und es daher der Ersatzaussonderung an einer materiell-rechtlichen Grundlage fehlt (Rn 5). Eine etwaige verschärfte Bereicherungshaftung ist im Kontext von § 48 nicht zu berücksichtigen, kann aber zu einer Masseverbindlichkeit führen.209 76 Eine abweichende Ansicht vertritt Serick210 für den Ersatzaussonderungsanspruch des Vorbehaltverkäufers. Weil der Eigentumsvorbehalt der Sicherung des Kaufpreisanspruchs diene, dürfe dem Verkäufer nicht mehr zukommen als der noch ausstehende Kaufpreis. Diese Begründung überzeugt nicht. Der Eigentumsvorbehalt mag zwar wirtschaftlich den Verkäufer davor schützen, dass er die Sache verliert und den Kaufpreis nicht bekommt. Die rechtliche Konstruktion ist jedoch eine andere. Der einfache Eigentumsvorbehalt sichert das Interesse des Verkäufers, die Sache zurückzubekommen, wenn der Käufer den Kaufpreis nicht zahlt (§ 47 Rn 42 ff). Nur mit diesem Verständnis des einfachen Eigentumsvorbehalts ist es vereinbar, dass der Gesetzgeber den Vorbehaltsverkäufer im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Käufers anders und besser behandelt als den Inhaber eines besitzlosen Rechts, das eine Forderung sichert, indem er den Vorbehaltsverkäufer von dem Kostenabzug der §§ 170, 171 verschont. Schützt aber der Eigentumsvorbehalt das Interesse des Verkäufers, die Sache zurückzubekommen und damit im Rahmen der allgemeinen Gesetze beliebig zu verfahren (siehe aber auch § 47 Rn 45), ist es nicht gerechtfertigt, ihn schlechter zu behandeln als jeden anderen Eigentümer, der die rechtswidrig veräußerte Sache hätte herausverlangen können. Das Problem wird übrigens dadurch entschärft, dass der Insolvenzverwalter der Masse den Veräußerungsgewinn, den der Vorbehaltskäufer durch die Veräußerung erzielt hat und der als schon empfangene Gegenleistung oder als Anspruch auf diese in der Masse enthalten ist, der Masse erhalten kann, indem er die Erfüllung des mit dem Vorbehaltsverkäufer geschlossenen Kaufvertrages wählt. Dann braucht er nur den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. 77 Wurden fremde Gegenstände mit solchen des Schuldners veräußert, so unterliegt die Forderung nur insoweit der Ersatzaussonderung, als sie unterscheidbar auf die fremden Gegenstände 205 So zB Larenz/Canaris SchuldR II/213 § 72 I 2 a-c; mN und weiteren Einzelheiten Staudinger/Lorenz BGB (2007) § 816 Rn 25.

206 So Staudinger/Lorenz BGB (2007) § 816 Rn 23 ff mN in Rn 25. 207 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 41 Rn 35; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 48 Rn 15; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 33; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1794 f; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 75; FK/Imberger InsO9 § 48 Rn 21; Jaeger/Lent KO8 § 46 Rn 16 Anm 8; Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 408; Kübler/ Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 24; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 48 Rn 19; aA OLG Stettin OLGRspr 27, 253. 208 So aber BGH NZI 2008, 426, Rn 9. 209 So auch HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 13. 210 Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V § 62 II 2 a. Hoffmann

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bezogen werden kann. Geht man mit dem BGH von einer Gewinnhaftung im Rahmen von § 816 I S 1 BGB und damit auch von § 48 aus (Rn 75), ist die Aufteilung des Gesamtpreises im Verhältnis des Werts der einzelnen verkauften Gegenstände vorzunehmen.211 Entsprechend muss, wenn die Veräußerung ein fremdes Recht, etwa einen Nießbrauch, an einem Gegenstand des Schuldners zum Erlöschen gebracht hat, die Höhe der ersatzaussonderungsfähigen Forderung nach dem Wert dieses Rechts im Verhältnis zum Wert des Rechts des Insolvenzschuldners bemessen werden. Die Beweislast dafür, dass die zur Masse gezogene Leistung des Dritten die Gegenleistung gerade für das Objekt der vereitelten Aussonderung war, trägt derjenige, der die Ersatzaussonderung geltend macht. Dies entspricht dem Zweck und der Fassung des § 48. Hat der Schuldner oder der Verwalter Baumaterial, das ihm unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden ist, unberechtigt (Rn 45 ff) auf fremdem Grundstück eingebaut, so kann die Forderung auf die Gegenleistung des Bauherrn und die Gegenleistung selbst nur anteilig ersatzausgesondert werden. Geht man mit dem BGH von einer Gewinnhaftung im Rahmen von § 816 I S 1 BGB und damit auch von § 48 aus (Rn 75), ist die Werklohnforderung im Verhältnis des Materialwerts zum Wert der Arbeitsleistung aufzuteilen.212 Der Ersatzaussonderungskläger genügt seiner Darlegungslast, wenn er vorträgt, in welchem Umfang er an den Insolvenzschuldner Baumaterial geliefert hat. Der Insolvenzverwalter kann sich, ohne dass damit die dem Kläger obliegende Beweislast umgekehrt wird, nicht damit begnügen, den vom Kläger behaupteten Anteil zu bestreiten, er muss vielmehr den Arbeitsanteil des Insolvenzschuldners und etwa von dritter Seite stammende Baumateriallieferungen im Einzelnen dartun.213 Hat der Insolvenzschuldner oder der Verwalter eine fremde Forderung wirksam eingezo- 78 gen (Rn 32), so ist der eingezogene Betrag oder Gegenstand die Gegenleistung für die Schuldbefreiung.214 Der Fall des § 48 S 1, dass die Gegenleistung noch aussteht, kann also hier nicht eintreten. Bei der Ersatzabsonderung (Rn 61 ff) soll der Anspruch auf die Gegenleistung durch den In- 79 halt des vereitelten Rechts bestimmt sein. Veräußern der Schuldner oder der Verwalter ein Grundstück des Schuldners und bringen sie dabei ein nicht im Grundbuch eingetragenes Grundpfandrecht zum Erlöschen, weil der Erwerber von diesem Recht nichts weiß (§ 892 I S 1 BGB), gebühre dem Grundpfandgläubiger nicht die ganze Gegenleistung, sondern nur der Teil, zu dem diese sich auf die Freiheit des Grundstücks von der Belastung beziehe. Zu ermitteln sei also der reale, nicht der nominelle Wert des Grundpfandrechts. Er bestimme den Teil des Kaufpreises, der dem Grundpfandgläubiger zustehe. Er könne die Abtretung der massezugehörigen Kaufpreisforderung zu diesem Teil verlangen. Bestand das Absonderungsrecht an einem beweglichen Gegenstand, zu dessen Verwertung der Insolvenzverwalter nach § 166 I berechtigt ist, sei der dem Inhaber des vereitelten Rechts zukommende Anteil des Kaufpreises um die Abzugsbeträge zu kürzen, die er bei einer rechtmäßigen Verwertung des belasteten Gegenstandes nach §§ 170, 171 hätte hinnehmen müssen. Es erscheint freilich unklar, warum, ggf über einen konkret darzulegenden Entreicherungseinwand hinaus, auch bei einer rechtswidrigen Verwertung entsprechende pauschale Kostenbeiträge durch den Sicherungsnehmer geleistet werden sollen.215

3. Die Gegenleistung ist erbracht und in der Masse unterscheidbar vorhanden Ist die Gegenleistung vor der Verfahrenseröffnung durch den Schuldner oder während des Verfah- 80 rens durch den Insolvenzverwalter oder den Schuldner (Rn 39) eingezogen worden, so geht die 211 BGHZ 141, 116, 118 = NJW 1999, 1709; OLG Köln ZIP 1998, 1544, 1545, dazu Gundlach DZWIR 1999, 85; MünchKomm/ Ganter InsO4 § 48 Rn 69.

212 BGHZ 30, 176, 184 f = NJW 1959, 1681, 1682; BGHZ 102, 293, 310 = NJW 1988, 1210, 1213; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 70. 213 BGHZ 102, 293, 310 f = NJW 1988, 1210, 1214. 214 RGZ 98, 143, 148; Gundlach ZIP 1995, 1789, 1790. 215 Zutreffend Eckardt FS Schilken (2015), S 654. 539

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§ 48

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Ersatzaussonderung auf den noch unterscheidbar in der Masse vorhandenen Leistungsgegenstand, zB auf das Tauschobjekt oder auf das gesondert verwahrte Geld (§ 48 S 2).216 Ist dieser untergegangen oder ununterscheidbar mit anderen Massegegenständen vermengt worden, kommt eine Aussonderung oder Ersatzaussonderung nicht mehr in Betracht.217 Der Berechtigte kann aber Massegläubiger geworden sein (§ 55 I Nr 1 oder 3).218 Hat der Verwalter den Gegenstand der Ersatzaussonderung weiterveräußert, so sollte § 48 nicht erneut angewendet werden („zweite Ersatzaussonderung“, Rn 11). Hat der Schuldner den Gegenstand vor oder nach der Eröffnung des Verfahrens weiterveräußert und ist die Gegenleistung nicht in die Masse gelangt, ist der Berechtigte bei Veräußerung vor der Verfahrenseröffnung Insolvenzgläubiger, bei Veräußerung nach der Verfahrenseröffnung Neugläubiger, der am Insolvenzverfahren nicht teilnimmt. Zu beachten ist aber, dass die Gegenleistung als Neuerwerb zur Masse gehört und deshalb der Verwalter vom Insolvenzschuldner deren Herausgabe verlangen kann. Gelangt sie auf diese Weise in die Masse, kann sie ersatzausgesondert werden. Deshalb wäre es nicht gerechtfertigt, dem Verwalter die Möglichkeit zu lassen, den Herausgabeanspruch gegen den Insolvenzschuldner nicht geltend zu machen oder gar darauf zu verzichten. Nach dem Zweck des § 48 muss er angesichts der Massezugehörigkeit des Neuerwerbs dahingehend ergänzend ausgelegt werden, dass der Berechtigte vom Verwalter die Abtretung des Anspruchs auf die massezugehörige beim Insolvenzschuldner noch vorhandene Gegenleistung verlangen kann (Rn 39).219 Sind Geldleistungen in die Masse gelangt, scheitert die Ersatzaussonderung bar gezahlten 81 Geldes regelmäßig daran, dass es mit anderem massezugehörigen Geld ununterscheidbar vermischt worden ist.220 Dass echtes Miteigentum am Geldbestand zugunsten des vormals Aussonderungsberechtigten entsteht, ist bei § 48 (zur Aussonderung § 47 Rn 24) regelmäßig ausgeschlossen, da bereits das Geld selbst nur der Ersatzaussonderung unterlag.221 Ist das Geld bar oder durch Scheck gezahlt oder überwiesen worden, sei es als Gegenleistung oder als Leistung auf eine dem Insolvenzschuldner nicht zustehende Forderung, und einem für die Masse bestehenden Bankkonto gutgeschrieben worden, soll es bis zur Höhe des in der Zeit danach eingetretenen niedrigsten Tagessaldos als noch unterscheidbar vorhanden anzusehen sein, auch wenn zwischenzeitlich Rechnungsabschlüsse mit Saldoanerkennung stattgefunden haben.222 Das soll auch dann gelten, wenn die Gegenleistung vor Insolvenzeröffnung auf ein Konto des späteren Schuldners gelangt ist.223 Der strikten vermögensrechtlichen Unterscheidung zwischen Bar- und Buchgeld (siehe § 47 Rn 24) folgend, wird diese Vorstellung eines „Bodensatzes“224 nur bei der Einzahlung von Bargeld auf ein Konto und nicht auch beim Einlegen des Bargeldes in eine Kasse bemüht.225 Die Darlegung und der Beweis eines fortwährenden Bestands eines „Bodensatzes“ soll dem Ersatzaussonderungs216 RGZ 141, 89, 94. 217 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 35; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 54. 218 RGZ 41, 1, 3; 94, 20, 25; 98, 143, 150; RG LZ 1908, 855; RG JW 1917, 867 f; BGH NJW-RR 1989, 252, dazu Gerhardt EWiR 1989, 285; Hellwig AcP 68 (1885), 217, 226.

219 Vgl MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 65a. 220 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 35. 221 BGHZ 221, 10, Rn 83 = NJW 2019, 1940, Rn 83; HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 12; unklar MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 57; Jaeger/Henckel InsO1 § 48 Rn 81. 222 BGHZ 141, 116, 1233 = NJW 1999, 1709, 1711, dazu Gundlach DZWIR 1999, 332 sowie krit dazu Gerhardt LM § 46 KO Nr 23; BGHZ 150, 326, 328 = NZI 2002, 485; BGH NZI 2006, 700, Rn 18; BGH NZI 2008, 426, Rn 7; BGHZ 221, 10, Rn 42 = NJW 2019, 1940, Rn 42; OLG Köln ZIP 2002, 947, 950, dazu Gundlach EWiR 2002, 633; Abweichung von BGHZ 58, 257, 259 f = NJW 1972, 872, 873; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 36; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 60 ff, 71; Jaeger/ Lent KO8 § 46 Rn 17a; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO64 § 48 Rn 21; siehe auch Raiser VersR 1954, 203; aA Gerhardt in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts (2000), S 127, 134 f; Meyer-Giesow KTS 1967, 29 ff; krit zur Begründung des BGH auch Krull ZInsO 2000, 304 ff. 223 BGH NZI 2006, 700, Rn 19; HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 11. 224 BGHZ 141, 116, 122 = NJW 1999, 1709, 1710. 225 So BGHZ 221, 10, Rn 81 ff = NJW 2019, 1940, Rn 81 ff; anders Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 35; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 57. Hoffmann

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Ersatzaussonderung

§ 48

berechtigten obliegen, wobei den Insolvenzverwalter aber sekundäre Darlegungslasten treffen sollen.226 Sind Gegenleistungen für Veräußerungen von Gegenständen mehrerer Personen auf dem Bankkonto gutgeschrieben worden und reicht der niedrigste Tagessaldo nicht zur Deckung aller Ersatzaussonderungsansprüche aus, soll anteilig gekürzt werden.227 Ist das als Gegenleistung geschuldete Geld hinterlegt worden, ist es noch unterscheidbar vorhanden.228 Ist in die Masse eine Gegenleistung gelangt für zusammen veräußerte fremde Gegenstände und solche des Schuldners, gilt das zu Rn 77 Gesagte entsprechend. Die Ersatzaussonderung des Teils des Kaufpreises, der dem anteiligen Wert der unberechtigt veräußerten Sache entspricht, steht nicht im Widerspruch zum Erfordernis der Unterscheidbarkeit der Gegenleistung.229 Am Umgang der hM mit dem Kriterium der Unterscheidbarkeit des § 48 S 2 zeigt sich deutlich, 82 wie misslungen der Privilegierungstatbestand de lege lata ist. Einerseits sollte ein Privilegierungsanliegen verfolgt werden, das sich ganz grundsätzlich von der auch für das Insolvenzrecht maßgeblichen Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten löst. Andererseits sah man sich offenkundig außerstande, das auch konstruktiv transparent über ein echtes Insolvenzprivileg zu bewerkstelligen und hat sich insoweit an die Aussonderung angelehnt, ohne dass das zur Rechtfertigung von § 48 etwas beigetragen hätte.230 Konstruktionsbedingt ist mit dem Kriterium der Unterscheidbarkeit aber eine zusätzliche Anforderung an die Ersatzaussonderung etabliert worden, die mit dem Privilegierungsanliegen in keinem Zusammenhang steht.231 Maßgeblich ist vor dem Hintergrund der erfassten Bereicherungsforderung lediglich, ob die Masse vermögensmäßig noch bereichert oder eben entreichert (§ 818 III BGB) ist. Die Anlehnung des § 48 an die Aussonderung muss als gesetzeskonstruktiver Fehlgriff bezeichnet werden und es stellt sich die Frage, wie mit diesem umzugehen ist. Der Gesetzgeber hat diesen konstruktiven Fehlgriff in den Gesetzeswortlaut des § 48 S 2 einfließen lassen, sodass eine irgendwie geartete „Unterscheidbarkeit“ de lege lata zu fordern ist.232 Bereits § 48 S 1 lässt sich das Erfordernis einer gegenständlichen Unterscheidbarkeit entnehmen, denn materiell-rechtlich ist die privilegierte Bereicherungsforderung gar nicht spezifisch auf die Forderung auf die Gegenleistung gerichtet. Vorzugswürdig wäre auch hier entgegen der derzeit hM ein Umgang mit § 48, der diesen auf das Minimum dessen reduziert, was der Gesetzgeber zweifellos anordnen wollte. Es gibt demnach keinen Anlass, die „Unterscheidbarkeit“ anders zu handhaben als das im Bereich der Aussonderung der Fall ist. Die Diskrepanz, die insoweit zwischen der Rechtsprechung zu § 48 S 2 und zu derjenigen im Umgang mit Buchgeld in Treuhandkonstellationen besteht (§ 47 Rn 62 f, 72), sticht denn auch deutlich ins Auge. Ein „Bodensatz“ vermag kein echtes Aussonderungsrecht an Buchgeld zu begründen (vgl auch § 47 Rn 24). In der Sache ist die „Bodensatztheorie“ ein Wiedergänger der Lehre von der Geldwertvindikation,233 die sich mit Recht nicht durchsetzen konnte.234 In jedem Fall ist Tendenzen entgegenzutreten, den Gedanken des „Bodensatzes“ umgekehrt nun bei § 47 einfließen zu lassen, da der herrschende Unterscheidbarkeitsbegriff des § 48 S 2 letztlich darauf beruht, dass es sich im Kern eben nicht um ein Aussonderungsrecht handelt. Zutreffend, aber

226 227 228 229

BGHZ 221, 10, Rn 45 ff = NJW 2019, 1940, Rn 45 ff. OLG Köln ZIP 2002, 947, 950, dazu Gundlach EWiR 2002, 633; K Schmidt/Thole InsO19 § 48 Rn 23. OLG Hamm ZIP 1995, 1905, 1907, dazu Neuhof EWiR 1996, 31. BGHZ 30, 176, 185 = NJW 1959, 1681, 1682; BGHZ 141, 116, 118 = NJW 1999, 1709; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 48 Rn 32; MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 56, 69. 230 Zur gesetzlichen Konstruktion von Insolvenzprivilegien allgemein J F Hoffmann KTS 2017, 17 ff. 231 Maßgeblich mit dem Schutz des vormals zur Aussonderung Berechtigten argumentiert denn auch BGHZ 141, 116 = NJW 1999, 1709, 1710. 232 Entgegen Rauhut Aussonderung von Geld (2020), passim, der in § 48 einen ausufernden Privilegierungstatbestand für Bereicherungsforderungen verankert sehen will, der de lege lata nicht haltbar ist, als Rechtsfortbildung gegen den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz verstößt und im Übrigen auch nicht mit der Treuhandlehre abgeglichen wird. 233 Zum Rückgriff auf einen „Bodensatz“ in dieser Lehre siehe etwa Simitis AcP 159 (1960), 406, 462. 234 Statt vieler gegen diese Lehre Medicus JuS 1983, 897, 900. 541

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§ 48

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

zu zurückhaltend, hat der BGH einen Export des Gedankens des „Bodensatzes“ in den Bereich des § 47 für „fragwürdig“ befunden.235

VII. Rechtsdurchsetzung 83 Hat der spätere Insolvenzschuldner die Gegenleistung, die er für eine unberechtigte Verfügung über fremdes Recht erhalten hat, vor der Verfahrenseröffnung an den Berechtigten ausgezahlt (vgl § 816 I S 1 BGB), so kann diese Zahlung (anders als nach der Konkursordnung) auch dann der Anfechtung entzogen sein, wenn sie in kritischer Zeit vor der Verfahrenseröffnung (§ 130) geschehen ist. Das ist dann der Fall, wenn sie die Gläubiger nicht benachteiligt hat, weil der Empfänger, wäre die Zahlung unterblieben, die Gegenleistung hätte ersatzaussondern können. 84 Der Gerichtsstand richtet sich nach § 19a ZPO236 sowie den allgemeinen Regeln, die für die materiell-rechtliche Forderung (§ 816 I S 1 BGB) einschlägig sind. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eine Klage auf Abtretung der von dem Insolvenzschuldner erworbenen Forderung gegen diesen erhoben, so finden § 240 S 1 ZPO und § 86 I Nr 1 Anwendung, weil der rechtshängige Anspruch nach § 48 im Insolvenzverfahren Aussonderungskraft hat. Beide Teile sind aufnahmeberechtigt.

VIII. Andere Ansprüche 85 Weitergehende Ansprüche, die dem Verletzten zustehen, berührt § 48 nicht. Das gilt zB für Schadensersatzansprüche gegen Mittäter, Anstifter oder Gehilfen des Insolvenzschuldners, wenn die wirksam gewordene Verfügung den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt (§§ 830, 840 BGB). Ein über die Rechtsfolge des § 48 hinausgehender Anspruch aus einer Handlung des Insolvenzschuldners, insbesondere aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB), kann im Insolvenzverfahren nur als Insolvenzforderung geltend gemacht werden und dies nur dann, wenn die Forderung zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits begründet war. Insbesondere wenn § 48 an der Unterscheidbarkeit scheitert, kommt eine Aufwertung der Berei86 cherungsforderung zur Masseverbindlichkeit nach Maßgabe von § 55 I Nr 3 in Betracht. Liegt in der Veräußerung durch den Verwalter eine schuldhafte Vereitelung eines Aussonderungsrechts, so kann eine über den Erlös hinausgehende Schadensersatzhaftung der Masse (§ 55 I Nr l)237 und zugleich eine persönliche Verantwortlichkeit des Verwalters (§ 60 I S 1) begründet sein.238 Der Verwalter haftet auch nach Maßgabe des § 60, wenn er ein Ersatzaussonderungsrecht schuldhaft verletzt, etwa eingegangene Gegenleistungen nicht unterscheidbar verwahrt.239 Mitwirkendes Verschulden des Dritten, der seinen Aussonderungsanspruch nicht genügend gewahrt hat, kann die Ersatzpflicht der Masse und des Verwalters nach § 254 BGB beeinflussen.240 Der Ersatzaussonderungsanspruch geht nicht deshalb verloren, weil der Berechtigte verse87 hentlich seinen Anspruch als bloße Insolvenzforderung angemeldet hat. Auch die Feststellung eines solchen Anspruchs zur Tabelle beseitigt das Ersatzaussonderungsrecht nicht.

235 BGH NZI 2017, 712, Rn 16. 236 HK/Lohmann InsO10 § 48 Rn 14. 237 RG LZ 1909, 787; OLG Düsseldorf JW 1927, 1705 ff; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 559, 560 f auch zum mitwirkenden Verschulden des Ersatzabsonderungsberechtigten.

238 OLG Köln WM 1996, 214; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 559, 560. 239 MünchKomm/Ganter InsO4 § 48 Rn 64. 240 Richter KuT 1928, 21 f zu KG JW 1928, 239; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 60 Rn 34. Hoffmann

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§ 49 Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände), sind nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.

Materialien 1. Ber InsRKomm, LS 3.5, 3.5.1; DiskE § 53; RefE § 53; RegE § 56, BR-Drucks 1/92 S 125, BT-Drucks 12/2443 S 125; BT-RA zu RegE § 56, BT-Drucks 12/7302.

Vorgängerregelung § 47 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 246 ff; Begr EKO S 187 ff; KO-Prot S 39, 149; MzEG S 112; P VI S 764; Begr z KO-Nov 1898 S 35 f.

Literatur d’Avoine Verkauf von Immobilien in der Insolvenz an einen Grundpfandrechtsgläubiger, NZI 2008, 17; Bruns Grundpfandrechte im Insolvenzplanverfahren, KTS 2004, 1; Eckardt Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren15 (2019); Eickmann Immobiliarvollstreckung und Insolvenz (1998); ders Problematische Wechselbeziehungen zwischen Immobiliarvollstreckung und Insolvenz, ZfIR 1999, 81; Hintzen Insolvenz und Immobilarvollstreckung, Rpfleger 1999, 256; Hoffmann J F Zur Konstruktion und Legitimation von Insolvenzprivilegien im nationalen und Europäischen Insolvenzrecht, KTS 2017, 17; Kalter Die Hypothekenverbandshaftung im Konkurs, KTS 1962, 142; Lorenz R Weitere Fragen zur konkursrechtlichen Problematik der Eigentümergrundschuld, KTS 1962, 28; Lwowski/Tetzlaff Verwertung unbeweglicher Gegenstände im Insolvenzverfahren, WM 1999, 2336; Marotzke Die dinglichen Sicherheiten im neuen Insolvenzrecht, ZZP 109 (1996), 429; Muth Die Zwangsversteigerung auf Antrag des Insolvenzverwalters, ZIP 1999, 945; RöderPersson Das Privileg der öffentlichen Grundstückslast im Zwangsversteigerungsgesetz im Lichte der Abschaffung des fiskalischen Konkursprivilegs (2004); Schmidt K Das (neue) Spannungsverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Grundpfandgläubiger, InVO 1999, 73; Sinz/Hiebert § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG – Absonderungsrecht der WohnungseigentümerGemeinschaft ohne Beschlagnahme?, ZInsO 2012, 205; Smid Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren, NotBZ 1998, 91; Städtler Grundpfandrechte in der Insolvenz. Eine rechtsvergleichende Untersuchung (1998); Stürner Grundpfandrechte in der Insolvenz, FS Hagen (1999), S 209; Tetzlaff Probleme bei der Verwertung von Grundpfandrechten und Grundstücken im Insolvenzverfahren, ZInsO 2004, 521; Vallender Immobiliarvollstreckung und neues Insolvenzrecht, Rpfleger 1997, 353; Wenzel Die Rechtsstellung der Grundpfandgläubiger im Insolvenzverfahren, NZI 1999, 101.

Übersicht I.

Einleitung: Verhältnis zur Konkursord1 nung

II. 1.

Absonderungsrechte An Immobilien 3 a) Verfahrenskosten b) Das Recht der Rangklassen des § 10 4 ZVG c) § 10 I Nr 1 ZVG – Zwangsverwaltungsvor5 schüsse d) § 10 I Nr 1a ZVG – Feststellungskosten im In6 solvenzverfahren e) § 10 I Nr 2 ZVG – Wohngeldforderun7 gen 9 f) § 10 I Nr 3 ZVG – Öffentliche Lasten 10 g) § 10 I Nr 4 ZVG

543 https://doi.org/10.1515/9783110666175-016

h) i) 2. 3. 4. 5.

III. 1. 2.

§ 10 I Nr 5 ZVG 11 Besonderheiten in der Zwangsverwal12 tung 13 An Schiffen und Schiffsbauwerken 23 An Luftfahrzeugen Die Eigentümergrundschuld als Recht auf Befrie24 digung aus unbeweglichem Vermögen Kein Absonderungsrecht des besitzenden Verwen33 ders

Gegenstände der Immobiliarabsonderung Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, 34 Schiffe und Luftfahrzeuge Mithaftende Gegenstände bei Grundstü38 cken

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§ 49

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

a)

3.

Enthaftung durch Handlungen des Insol41 venzverwalters b) Enthaftung durch Handlungen des Insol56 venzschuldners Mithaftende Gegenstände bei Schiffen, Schiffsbau58 werken und Luftfahrzeugen

59

IV.

Prozessuales

V.

Verwertung und Aufschub

61

Alphabetische Übersicht Anfechtung 11, 57 Arbeitnehmer 7 f, 15 Bahneinheiten 35 Bergwerkseigentum 35 Bestandteile 39, 42 ff, 56, 58 Betriebsstilllegung 47 f Enthaftung 40 ff Erbbaurecht 35 Erzeugnisse 39, 42 ff, 56 Gebäudeeigentum 35 Gebäudeversicherung 54 f Grundschuld 10, 24 ff – Eigentümergrundschuld 10, 24 ff – Sicherungsgrundschuld 10 Hypothek 10, 14, 16, 25 ff, 43 ff, 61 f Insolvenzgeld 7 Kosten 3 ff, 12 ff, 20, 27, 45, 49, 54 Lasten, öffentliche 9

Löschungsvormerkung 26 Luftfahrzeug 23 ff, 34 ff, 58 Mietforderungen 53 Rangklassen 4, 19 f Reallast 10, 34, 62 Rentenschuld 10, 62 Schadensversicherung 54 Schiff 13 ff, 34 ff, 58, 62 – Schiffsbauwerk 22, 36 f, 58 – Schiffsgläubiger 15 ff, 62 – Schiffshypothek 14, 16, 62 Teilerbbaurecht 35 Überbau- und Notwegrenten 10 Veräußerung, freihändige 8 f, 48, 50, 62 Wohnungseigentum 8, 35 Zubehör 6, 14, 20 ff, 39 ff, 58 Zwangsverwaltung 1, 5, 12, 38, 61 f, 69

I. Einleitung: Verhältnis zur Konkursordnung 1 § 49 entspricht § 47 KO, weicht aber in zwei Punkten von dieser Vorschrift ab: Die Absonderungsberechtigten werden als Gläubiger bezeichnet, unabhängig davon, ob sie eine persönliche Forderung gegen den Insolvenzschuldner haben. Das ist wichtig für die Beteiligung der Absonderungsberechtigten an der Masseverwaltung in den Verwaltungsorganen, also im Gläubigerausschuss (§§ 67 ff) und in der Gläubigerversammlung (§§ 57, 74 ff), und für ihre Mitwirkung im Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff ). Zum andern enthält § 49 den Zusatz, dass die abgesonderte Befriedigung nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung erfolgt. Daneben ist aber auch eine freihändige Verwertung durch den Insolvenzverwalter möglich (siehe die Kommentierung zu § 165). Rechtsprechung und Literatur zu § 47 KO sind weiterhin verwertbar. 2 Zur abgesonderten Befriedigung aus Gegenständen, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen, sind alle Gläubiger berechtigt, denen bei dieser Zwangsvollstreckung ein Recht auf solche Befriedigung zusteht (§ 49). Die Vorschrift enthält eine doppelte Verweisung. Einerseits besagt sie, wer absonderungsberechtigt ist und welchen Inhalt und welchen Rang sein Absonderungsrecht hat, indem sie auf § 10 ZVG (mit §§ 11–14, 155, 162, 171a ZVG) verweist (Rn 3–33). Zum andern bestimmt sie den Umfang der Immobiliarabsonderung durch Bezugnahme auf die Rechtssätze, aus denen sich ergibt, welche körperlichen und unkörperlichen Gegenstände für die Zwangsbeitreibung von Geldsummen zum unbeweglichen Vermögen gehören, also auf die §§ 864, 865 ZPO (Rn 34–58).

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Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen

§ 49

II. Absonderungsrechte 1. An Immobilien a) Verfahrenskosten. Ein Absonderungsrecht besteht gemäß §§ 109 I, 155 I ZVG vorrangig für 3 die Kosten des Vollstreckungsverfahrens. Gerechtfertigt wird dieses Privileg damit, dass die Kosten „zum gemeinsamen Nutzen“ der Gläubiger aufgewendet werden.1 Legitimierbar ist es dadurch, dass das Verfahren im Interesse aller Gläubiger durchgeführt wird, damit diese aus dem Erlös befriedigt werden können.

b) Das Recht der Rangklassen des § 10 ZVG. Nach § 49 absonderungsberechtigt sind zunächst 4 die Gläubiger der in den Rangklassen des § 10 I Nr 1–5 ZVG genannten Ansprüche. Der Rang der Rechte bestimmt sich nach der Reihenfolge der Rangklassen. Ansprüche gleichen Ranges werden grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer Beträge berücksichtigt. Das gilt auch für Ansprüche der Rangklasse des § 10 I Nr 3 ZVG, wenn Ansprüche sowohl nach Bundesrecht als auch nach Landesrecht zu berücksichtigen sind. Ansprüche aus verschiedenen Rechten nach § 10 Nr 4, 6 oder 8 ZVG, die in derselben Rangklasse zu befriedigen sind, werden nach dem Rangverhältnis berücksichtigt, welches unter den Rechten besteht (§ 11 I ZVG, §§ 879–881 BGB). Der Rang der Ansprüche mehrerer Gläubiger in der Rangklasse des § 10 I Nr 5 ZVG bestimmt sich nach dem Prioritätsprinzip. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Beschlagnahme (§ 11 II ZVG). Von den Ansprüchen aus ein und demselben Recht werden zunächst die Kostenersatzansprüche (§ 10 II ZVG), dann die Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und andere Nebenleistungen und zuletzt der Hauptanspruch berücksichtigt (§ 12 ZVG). Wird auf Absonderungsrechte des § 10 I Nr 2 oder 3 ZVG verzichtet, rücken die nachstehenden Absonderungsberechtigten auf. Die freiwerdende Rangstelle kommt also nicht der Insolvenzmasse zugute. Die Masse erwirbt auch keinen Bereicherungsanspruch gegen die nachrückenden Berechtigten. c) § 10 I Nr 1 ZVG – Zwangsverwaltungsvorschüsse. Durch § 10 I Nr 1 ZVG wird privilegiert, 5 wer als Gläubiger die Zwangsverwaltung betreibt und dabei Ausgaben zur Erhaltung oder nötigen Verbesserung des Grundstücks tätigt, wenn die Zwangsverwaltung bis zur Zwangsversteigerung (bzw einer freihändigen Verwertung durch den Insolvenzverwalter2) des Grundstücks fortgedauert hat. In die Rangklasse des § 10 I Nr 1 ZVG gehören auch die Ausgaben zur Erhaltung oder nötigen Verbesserung des Grundstücks, wenn der Insolvenzverwalter selbst nach § 165 InsO mit § 172 ZVG die Zwangsverwaltung betreibt und dabei Massemittel einsetzt. Der Ersatz gebührt dann der Masse. In der Sache ist der Geltungsgrund dieses Privilegs unklar. Auf den ersten Blick drängt sich eine Parallele zu § 51 Nr 2 auf, sodass materiell-rechtlich die Privilegierung einer Bereicherungsforderung angenommen werden könnte (siehe § 51 Rn 49). Scheinbar untermauert wird diese Annahme durch die Gesetzesmaterialien, in denen davon die Rede ist, das Privileg rechtfertige sich „aus dem Gesichtspunkte der nützlichen Verwendung“.3 Verbreitet wird deshalb angenommen, Ausgaben würden nur ersetzt, wenn sie sich tatsächlich werterhöhend ausgewirkt haben.4 Die Annahme, § 10 I Nr 1 ZVG liege materiell-rechtlich eine Bereicherungsforderung zugrunde, wird jedoch dadurch erschüttert, dass man ganz bewusst davon absah, die Privilegierung wie bei § 51 Nr 2 auf eine vorhandene Bereicherung zu beschränken. Es sollte dadurch verhindert werden, dass der Blick primär auf die Bereicherung gerichtet werde, was dazu führen MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 46. Vgl etwa MünchKomm/Kern InsO4 § 165 Rn 32. Hahn Materialien V, S 37. BGHZ 154, 387, 389 ff = NJW 2003, 2162; Böttcher/Böttcher ZVG7 § 10 Rn 8, der allerdings auch dann privilegieren möchte, wenn die Werterhöhung nachträglich entfallen ist; so auch K Schmidt/Thole InsO19 § 49 Rn 17.

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könne, dass „nicht bloß dem Gläubiger, sondern einem Jeden, der eine Verbesserung der fraglichen Art vorgenommen, ein Ersatzanspruch mit vorzugsweiser Befriedigung eingeräumt werde“.5 So wird denn auch verbreitet angenommen, dass es für das Privileg unschädlich sei, wenn die Werterhöhung nachträglich entfallen ist.6 Privilegiert wird in der Sache die Kostenerstattungsforderung des die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers. Aufschlussreich ist es, die Verweise in den Gesetzesmaterialien zum ZVG7 zu verfolgen: Man berief sich unter anderem auf § 24 des preußischen Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 13. Juli 1883. In den Motiven dieses Gesetzes wird ein Bezug zu der Aufwertung der Verfahrenskosten im Insolvenzverfahren zu Masseverbindlichkeiten (heute § 54) hergestellt. Weiter wird ausgeführt: „Vorausgesetzt wird jedoch ein solcher Zusammenhang der Zwangsverwaltung mit der Zwangsversteigerung, welcher die Annahme rechtfertigt, daß die aufgewandten Kosten das Grundstück für die Zwangsversteigerung erhalten oder wiederhergestellt haben.“8 Das Privileg aus § 10 I Nr 1 ZVG stellt also eine Art „Verlängerung“ des zwangsverwaltungsrechtlichen Verfahrenskostenprivilegs aus § 155 I ZVG in das Zwangsversteigerungsverfahren hinein dar. Diese Verlängerung setzt eine hinreichende Verknüpfung mit dem Zwangsversteigerungsverfahren voraus. Die Verknüpfung wird zum einen formal definiert, was erklärt, warum nach § 10 I Nr 1 ZVG ein Privileg nur gewährt wird, wenn das Zwangsverwaltungsverfahren bis zum Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren fortgesetzt wird. Zum anderen wird die Verknüpfung durch § 10 I Nr 1 ZVG aber auch inhaltlich definiert: Voraussetzung für das Privileg (nicht auch die materiell-rechtliche Erstattungsforderung!) ist, dass die Ausgaben nicht nur für die Zwangsverwaltung, sondern auch für das Zwangsversteigerungsverfahren ex ante als nützlich erscheinen, indem sie der „Erhaltung“ oder „nötigen Verbesserung“ des Grundstücks dienen sollen; so wird bspw die Vergütung des Zwangsverwalters von dem Privileg nur erfasst, wenn dessen Bestellung etwa erforderlich erschien, um zu verhindern, dass der Schuldner das Grundstück verwüstet.9 Auch wenn dem Zwangsverwalter dies nicht gelungen sein sollte, ist das Privileg zu gewähren.

6 d) § 10 I Nr 1a ZVG – Feststellungskosten im Insolvenzverfahren. Erfasst werden von § 10 I Nr 1a ZVG die zur Insolvenzmasse gehörenden Ansprüche auf Ersatz der Kosten der Feststellung der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt; diese Kosten sind pauschal mit vier vom Hundert des Wertes anzusetzen, der nach § 74a V S 2 ZVG festgesetzt wird (§ 10 I Nr 1a ZVG); sie sind nicht zu erheben bei Eigenverwaltung (vgl § 282 I S 2). Das Privileg verfolgt den Zweck, die Kosten der Feststellung des mithaftenden Zubehörs dem Absonderungsberechtigten anzulasten, wie dies bei der Verwertung anderer beweglicher Sachen in §§ 170, 171 vorgesehen ist. Diese Kosten werden in das geringste Gebot aufgenommen (§ 44 I ZVG), mindern also den Erlös, der zur Verteilung an die im Rang nachfolgenden Absonderungsberechtigten zur Verfügung steht. Die Nr 1a weist die Feststellungskosten einer eigenen Rangklasse zu. Es handelt sich also nicht um eine Erweiterung der Rangklasse 1. Das ergibt sich aus § 174a ZVG, der von den Rechten spricht, die den Ansprüchen des § 10 I Nr 1a ZVG vorgehen. Das sind die Ansprüche des § 10 Nr 1 ZVG. Rechtspolitisch zweifelhaft ist, dass bei einer wertausschöpfenden Belastung nur der besicherte Gläubiger mit den Feststellungskosten belastet wird, der nach seiner Rangstelle als letzter noch am Erlös beteiligt wird und es nicht zu einer gleichmäßigen Belastung aller besicherten Gläubiger kommt.10 Sollte der immobiliarabsonderungsberechtigte Gläubiger die be5 6 7 8

Jakobs/Schubert Sachenrecht IV, S 484. Böttcher/Böttcher ZVG7 § 10 Rn 8; K Schmidt/Thole InsO19 § 49 Rn 17. Hahn Materialien V, S 37. Motive zum preußischen Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 13. Juli 1883, S 22, zitiert bei Krech/Fischer Das preußische Gesetz betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, § 24 Anm 1, S 163 und bei RGZ 17, 273, 275; vgl auch RGZ 25, 227, 228. 9 So das Beispiel bei RGZ 25, 227, 230 f. 10 Siehe Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 58; Eickmann/Böttcher Zwangsversteigerungsrecht3 S 24. Hoffmann

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treffenden Gegenstände auch sicherungsübereignet erhalten haben, kann der Insolvenzverwalter insofern nach Maßgabe der §§ 166 ff verwerten und die insoweit höheren Kostenpauschalen der §§ 170, 171 auslösen.11

e) § 10 I Nr 2 ZVG – Wohngeldforderungen. § 10 I Nr 2 ZVG aF wurde 2007 abgeschafft. 7 Privilegiert wurden danach so genannte Litlohnansprüche.12 Es handelte sich um ein Spezialprivileg von Arbeitnehmern, die in der Land- und Forstwirtschaft das Grundstück bewirtschafteten. Es ist zu begrüßen, dass das nicht legitimierbare Arbeitnehmervorrecht beseitigt worden ist und insofern ausschließlich auf insolvenzexterne Sicherungsmechanismen (Insolvenzgeld) zurückgegriffen wird.13 Ersetzt wurde das Spezialprivileg von Arbeitnehmern durch eine Privilegierung von Wohn- 8 geldforderungen. § 10 I Nr 2 ZVG begründet für die Hausgeldforderungen gemäß §§ 16 II, 28 I, II WEG und die Kosten (zB Instandhaltung) und Lasten (zB Müllabfuhrgebühren) zugunsten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Vorrecht. Das Vorrecht entsteht mit Verfahrenseröffnung und setzt keine Beschlagnahme voraus.14 Es handelt sich nach Lesart des BGH15 um ein Forderungsprivileg gegen den persönlichen Schuldner und nicht um eine dingliche sukzessionsgeschützte Belastung des Grundstücks, sodass Grundstückserwerber, etwa im Rahmen einer freihändigen Veräußerung durch den Insolvenzverwalter, lastenfrei erwerben.16 Ein kodifiziertes insolvenzfestes Vorzugsrecht, das keinen Sukzessionsschutz genießt, ist in der deutschen Rechtsordnung freilich ein Exot.17 Folgende Erwägungen haben den Gesetzgeber zum Erlass dieser 2007 in Kraft getretenen Regelung veranlasst:18 Es sei zu verhindern, dass andere Wohnungseigentümer mit ihren Hausgeldforderungen in der Zwangsversteigerung ausfallen. Ansonsten würde drohen, dass diese notwendige Investitionen unterlassen und Wohnanlagen dadurch an Wert einbüßen. Es sei auch im Interesse der besicherten Kreditgeber, dies zu verhindern. Weiter würde bei einem entsprechenden Ausfall das Wohnungseigentum als Institut an Attraktivität einbüßen, habe ein Wohnungseigentümer doch regelmäßig keinen Einfluss darauf, wer noch Eigentum in der Anlage erwerbe. Die Kreditinstitute könnten sich ihre Schuldner hingegen aussuchen und hätten eine bessere Möglichkeit zur Risikostreuung. Auch würden die zurückgesetzten dinglichen Gläubiger nicht unangemessen benachteiligt, da der Vorrang zeitlich und dem Umfang nach auf fünf Prozent des nach § 74a V S 1 ZVG festgesetzten Grundstückswerts begrenzt sei. Die Erwägungen beziehen sich insgesamt nur auf das Verhältnis der anderen Wohnungseigentümer zu den dinglich besicherten Kreditgebern. Dass durch § 10 I Nr 2 ZVG Absonderungsrechte begründet werden, die sich in der Insolvenz des sich im Rückstand befindlichen Wohnungseigentümers auch gegen seine anderen Gläubiger richten, findet keine Erwähnung. Wahrscheinlich wurden die insolvenzrechtlichen Implikationen schlicht übersehen.19 Möglicherweise hat sich der Gesetzgeber aber auch deshalb nicht mit der Stellung der übrigen Gläubiger befasst, da er davon ausging, dass das betroffene Wohnungseigentum stets werterschöpfend belastet sein wird.20 Solange dies der Fall ist, stellt das Vorrecht in § 10 I Nr 2 ZVG in der Tat nur eine Beschränkung der 11 MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 49. 12 Zum Begriff Stöber/Achenbach ZVG22 § 10 Rn 45: „auch Lidlohn: von ‚Liten‘ sowie ‚Laten‘ = Halbfreie, Hörige“. 13 Auch wenn die Begründung des Gesetzgebers etwas kryptisch ist; BT-Drucks 16/887, S 44 li. Sp. („durch die zwischenzeitliche soziale und rechtliche Entwicklung überholt“). 14 BGH NZI 2011, 731, Rn 22. 15 BGHZ 198, 216 = NJW 2013, 3515. 16 In der (wohl ungewollten) Konsequenz wird es auch schwerfallen, Art 8 EuInsVO für einschlägig zu befinden; siehe J F Hoffmann KTS 2017, 17, 46. 17 Eingehend krit hiergegen etwa Schneider ZWE 2014, 61 ff; aA auch Böttcher/Böttcher ZVG7 § 10 Rn 19. 18 BT-Drucks 16/887, S 43. 19 So auch die Einschätzung bei BGH NJW 2011, 3098, Rn 16. 20 BT-Drucks 16/887, S 44 re. Sp. 547

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dinglichen Sicherheiten dar.21 Liegt jedoch keine vollumfängliche Belastung vor, geht das Privileg zulasten der Masse und kollidiert mit dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz. Als echtes Insolvenzprivileg lässt sich das Absonderungsrecht aus § 10 I Nr 2 WEG nicht rechtfertigen. Das mit diesem verfolgte Ziel der Beteiligung der dinglich gesicherten Gläubiger an den Hausgeldforderungen sollte de lege ferenda dadurch verwirklicht werden, dass ein gleichmäßiger Abschlag auf die Sicherheiten vorgenommen wird. In der Sache beschränkt der BGH das Absonderungsrecht aus § 10 I Nr 2 ZVG zum Teil dadurch, dass dieses nicht zu gewähren sein soll, wenn die Hausgeldforderungen Masseverbindlichkeiten darstellen.22 Das in diesem Kontext pauschal aufgestellte Postulat, dass Massegläubiger keine Absonderungsrechte haben können, ist allerdings nicht überzeugend (vgl. auch § 50 Rn 60, 69, 75).23

9 f) § 10 I Nr 3 ZVG – Öffentliche Lasten. Bei § 10 I Nr 3 ZVG handelt es sich um ein klassisches Fiskusvorrecht mit „Rücksichten auf das öffentliche Wohl“.24 Dieses privilegiert Forderungen auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks, wozu etwa die Grundsteuer oder auch Erschließungsbeiträge gehören.25 Das Vorrecht entsteht mit Verfahrenseröffnung und setzt keine Beschlagnahme voraus.26 Es soll sich nach Maßgabe von § 77 II S 1 AO um ein vollwertiges dingliches Recht handeln, das Sukzessionsschutz genießt und auch bei einer freihändigen Veräußerung dem Erwerber grundsätzlich entgegengehalten werden kann.27 Daraus wird auch die fragwürdige Einordnung dieses Fiskusprivilegs als „dingliches Recht“ iSv Art 8 EuInsVO hergeleitet.28 In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass die abgeschafften Generalprivilegien der Konkursordnung bei bestimmten Vermögensgegenständen als Spezialprivilegien fortbestehen, ohne dass dies auf nennenswerte rechtspolitische Widerstände stößt.29 Das ist umso erstaunlicher, als sich die Verfasser des ZVG zur Begründung des Privilegs auf das Fiskusprivileg der Konkursordnung berufen hatten,30 welches mittlerweile jedoch abgeschafft worden ist. Fiskusprivilegien lassen sich in der Sache nicht rechtfertigen,31 und auch die Bevorzugung mittels § 10 I Nr 3 ZVG sollte de lege ferenda beseitigt werden.

10 g) § 10 I Nr 4 ZVG. In die Rangklasse des § 10 I Nr 4 ZVG gehören die Rechte aus Hypotheken (§§ 1113 ff BGB), Grund- und Rentenschulden (§§ 1191 ff BGB), auch die Eigentümergrundschuld (§§ 1177 I S 1, 1196 BGB; siehe Rn 24 ff), die Reallast (§§ 1105 ff BGB) sowie Überbau- und Notwegrenten (§§ 914, 917 II BGB) und andere Belastungen, die am Grundstück durch den Zuschlag erlöschen und sich in Ansprüche auf Ersatz des Wertes aus dem Versteigerungserlös umsetzen (§ 92 I

21 Auch in dieser Hinsicht mag man freilich am Gerechtigkeitsgehalt der Regelung zweifeln: Belastet werden nicht alle dinglich gesicherten Gläubiger gleichermaßen, sondern nur der Gläubiger, der nach seiner Rangstelle als letzter noch am Erlös beteiligt wird. 22 BGH NZI 2011, 731, Rn 8. 23 Siehe Becker ZIP 2013, 1554 ff; abw auch BGHZ 217, 92, Rn 12 = NJW 2018, 1083, Rn 12. 24 Johow Vorentwurf Sachenrecht/2, S 1129. 25 Siehe den Überblick bei Stöber/Achenbach ZVG22 § 10 Rn 49 ff. 26 BGH NZI 2010, 482, Rn 6. 27 BGH NZI 2010, 482, Rn 11. 28 EuGH NZI 2016, 1011 ff – Senior Home; dagegen J F Hoffmann KTS 2017, 17, 41 ff. 29 Krit aber Eickmann/Böttcher Zwangsversteigerungsrecht3 S 33 f; im Ansatz zutreffend, aber letztlich nicht weit genug gehend auch Röder-Persson Das Privileg der öffentlichen Grundstückslast im Zwangsversteigerungsgesetz im Lichte des fiskalischen Konkursprivilegs (2004), S 192 ff. 30 Johow Vorentwurf Sachenrecht/2, S 1130 bei Fn 1; Hahn Materialien V, S 37; zutreffend Röder-Persson Das Privileg der öffentlichen Grundstückslast im Zwangsversteigerungsgesetz im Lichte des fiskalischen Konkursprivilegs (2004), S 27 ff. 31 J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 344 ff. Hoffmann

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ZVG) wie die Dienstbarkeiten (§§ 1018 ff BGB).32 Die Sicherungsgrundschuld berechtigt zur abgesonderten Befriedigung nur insoweit, wie die mit der Zweckerklärung erfasste Forderung besteht. Die Beweislast dafür, dass die Forderung nicht besteht oder die Absonderung für eine Forderung verlangt wird, die durch die Grundschuld nicht gesichert ist, trägt der Insolvenzverwalter.33 Zur Übersicherung und Freigabepflicht siehe § 51 Rn 22 ff.

h) § 10 I Nr 5 ZVG. Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück in der Rangklasse des § 10 I 11 Nr 5 ZVG hat der Gläubiger, der die Zwangsversteigerung betreibt, wenn die Beschlagnahme zu seinen Gunsten zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits wirksam war.34 Sein Zwangsversteigerungsverfahren wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen. Die Beschlagnahme des Grundstücks bleibt nach § 80 II S 2 vorbehaltlich des § 8835 und der Anfechtung (§§ 129 ff) unberührt.36 i) Besonderheiten in der Zwangsverwaltung. In der Zwangsverwaltung werden aus den 12 Nutzungen des Grundstücks nach den Ausgaben der Verwaltung37 und den Kosten des Verfahrens (§ 155 I ZVG) die Ansprüche des § 10 I Nr 1 ZVG gedeckt und sodann die Ansprüche auf laufende wiederkehrende Leistungen, einschließlich der Rentenleistungen und auf Amortisationsbeträge der zweiten, dritten und vierten Rangklasse des § 10 I ZVG. Die Ansprüche des betreibenden Gläubigers (Rangklasse 5) werden auch mit ihren Kapitalbeträgen berücksichtigt, soweit ihretwegen die Zwangsverwaltung betrieben wird. Wie bei der Zwangsversteigerung hat der betreibende Gläubiger als solcher ein Absonderungsrecht nur, wenn die Beschlagnahme vor der Verfahrenseröffnung wirksam (§ 88) und unangefochten (§§ 129 ff) erfolgt ist. 2. An Schiffen und Schiffsbauwerken Für den Rang von Rechten an eingetragenen Seeschiffen in der Zwangsversteigerung gelten 13 Besonderheiten. Nach Berichtigung der Kosten des Verfahrens (§ 109 I ZVG) sind – anstelle des § 10 I Nr 1 ZVG – die Auslagen des betreibenden Gläubigers zur Vorbereitung, Einleitung oder Aufrechterhaltung der treuhänderischen Nutzung des Schiffes (§ 165 II S 3 ZVG) zu erstatten38 (erste Rangstelle). An zweiter Rangstelle werden die Kosten der Feststellung beweglicher mithaftender Gegen- 14 stände berücksichtigt (§ 162 mit § 10 I Nr 1a ZVG), also des Zubehörs, auf das sich nach § 31 SchiffRG die Schiffshypothek erstreckt. § 10 I Nr 2 und Nr 3 ZVG sind für Seeschiffe ersetzt durch § 596 I Nr 1 und 2 HGB. Dort sind 15 an erster Stelle aufgeführt die Heuerforderungen des Kapitäns und der übrigen Personen der Schiffsbesatzung und an zweiter Stelle die Ansprüche auf öffentliche Schiffs-, Schifffahrtsund Hafenabgaben sowie Lotsengelder; diese sind Schiffsgläubigerforderungen, die durch ein gesetzliches Pfandrecht gesichert sind (§ 597 I S 1 HGB). § 596 HGB enthält aus Sicht eines modernen Insolvenzrechts einige Kuriositäten, die jüngere Reformen der insolvenzrechtlichen Privilegi-

Weitere Rechte in den neuen Bundesländern: Stöber/Achenbach ZVG22 § 10 Rn 81. BGH WM 1959, 29, 31; BGH NJW 2000, 1108, 1109, dazu Joswig EWiR 2000, 227. Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 27; MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 76. HK/Kayser InsO10 § 88 Rn 10; Stöber NZI 1998, 105, 106. Für eine Beseitigung des privilegierten Absonderungsrechts nach Maßgabe von § 10 I Nr 5 ZVG de lege ferenda J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 311 ff. 37 Dazu BGHZ 154, 387, 389 ff = NJW 2003, 2162. 38 Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer/Rellermeyer ZVG16 § 162 Rn 24.

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enordnung unbeschadet überstanden haben und de lege ferenda beseitigt werden sollten.39 § 596 I Nr 2, Nr 5 HGB stellen nicht zu rechtfertigende Fiskusprivilegien dar. In § 596 I Nr 1 HGB besteht ein Arbeitnehmerprivileg fort, das ansonsten flächendeckend aus der Verteilungsordnung zugunsten insolvenzexterner Sicherungsmechanismen entfernt worden ist (vgl auch Rn 7). Die gesetzlichen Pfandrechte der in § 596 I HGB aufgeführten Schiffsgläubiger sind Rechte am Schiff. Sie gehören deshalb in die Rangklasse des § 10 I Nr 4 ZVG und gehen dort nach § 602 S 1 HGB allen anderen Pfandrechten am Schiff, also den Schiffshypotheken vor. Der Rang der Schiffsgläubigerpfandrechte bestimmt sich nach der Reihenfolge der Nummern, unter denen die Forderungen in § 596 I HGB aufgeführt sind (§ 603 I HGB). Demgemäß folgen auf die zu Rn 15 genannten Heuerforderungen, öffentlichen Abgaben und Lotsengelder an dritter Stelle des § 596 I HGB Schadensersatzforderungen wegen der Tötung oder Verletzung von Menschen sowie wegen des Verlustes oder der Beschädigung von Sachen, sofern diese Forderungen aus der Verwendung des Schiffes entstanden sind; ausgenommen sind Vertragsansprüche. Die Daseinsberechtigung des Privilegs in § 596 I Nr 3 HGB erschließt sich – etwa im Vergleich zu einem durch ein Kfz verursachten Unfall – nicht, es sollte de lege ferenda gestrichen werden.40 § 596 I Nr 4 HGB nennt Bergungsund Hilfskosten, auch wenn die Bergung oder Hilfe zwischen mehreren Schiffen desselben Eigentümers stattgefunden hat, ferner Beiträge des Schiffes und der Fracht zur großen Haverei (§ 593 HGB) und Forderungen wegen Beseitigung des Wracks. An fünfter und letzter Rangstelle des § 596 I HGB stehen die Forderungen der Träger der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung gegen den Reeder. Abweichend von dem Grundsatz, dass die Rangfolge der gesetzlichen Pfandrechte der Schiffsgläubiger sich nach der Reihenfolge der Nummern des § 596 I HGB richtet (§ 603 I HGB), haben die Pfandrechte für die in § 596 I Nr 4 HGB aufgeführten Forderungen Vorrang vor den Pfandrechten aller anderen Schiffsgläubiger, deren Forderungen früher entstanden sind (§ 602 HGB). Das Pfandrecht für eine später entstandene Forderung des § 596 I Nr 4 geht dem für die früher entstandene Forderung derselben Nummer vor; Pfandrechte wegen gleichzeitig entstandener Forderungen haben gleichen Rang (§ 604 III HGB). Eine solche Posterioritätsregel zwischen verschiedenen gesetzlichen Pfandrechten kennt etwa auch § 442 I HGB.41 Pfandrechte für die unter derselben Nummer des § 596 I genannten Forderungen haben den gleichen Rang, wenn es sich um Forderungen handelt, die in Nr 1 bis 3 und 5 des § 596 I HGB aufgeführt sind (§ 604 I HGB). Pfandrechte für die in § 596 I Nr 3 aufgeführten Forderungen wegen Personenschäden gehen jedoch Pfandrechten für die unter derselben Nummer aufgeführten Forderungen wegen Sachschäden vor (§ 604 II HGB). Den Pfandrechten der Schiffsgläubiger folgen im Rang alle anderen dinglichen Absonderungsrechte (§ 162 mit § 10 I Nr 4 ZVG), sodann der persönliche Anspruch des betreibenden Gläubigers (§ 162 mit § 10 I Nr 5 ZVG) und schließlich die Gläubiger der Rangklassen 6 und 8 des § 10 I ZVG. Die Rangordnung bei der Zwangsversteigerung von eingetragenen Binnenschiffen richtet sich nach §§ 162, 10–13 ZVG und §§ 102 ff BinSchG. Auch hier sind aus dem Erlös zunächst die Kosten des Verfahrens zu bestreiten (§ 109 ZVG). Es folgen die Auslagen anlässlich treuhänderischer Nutzung des Schiffes (§ 165 II S 3 ZVG), die Kosten der Feststellung beweglicher mithaftender Gegenstände (§ 162 mit § 10 I Nr 1a ZVG), also des Zubehörs, öffentliche Schiffs- und Schifffahrtsabgaben (§ 102 Nr 1 BinSchG), Gehalts- und Lohnkosten der Schiffsbesatzung (§ 102 Nr 2 BinSchG), Lotsengelder, Bergungs- und Hilfskosten, Beiträge des Schiffes zur großen Haverei (§ 102 Nr 3 BinSchG), die Forderungen wegen Personen- und Sachschäden gemäß § 102 Nr 4 BinSchG, die Forderungen aus Rechtsgeschäften, die der Schiffer kraft gesetzlicher Befugnisse (§§ 15 und 16 BinSchG) geschlossen hat, (§ 102 Nr 5 BinSchG), Ansprüche der Träger der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung (§ 102 Nr 6 BinSchG) und schließlich die Ansprüche der Rangklassen 4 bis 6 und 8 des § 10 I ZVG. Die in § 102 BinSchG aufgeführten Schiffsgläubiger haben an dem Schiff und seinem 39 Siehe J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 308 f. 40 J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 308 f. 41 Zur inhaltlichen Rechtfertigung siehe J F Hoffmann AcP 220 (2020), 377, 394. Hoffmann

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Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen

Zubehör ein Pfandrecht (§ 103 I BinSchG). Die an der Privilegienordnung des § 596 HGB geäußerte rechtspolitische Kritik (Rn 15 f) gilt mutatis mutandis auch für § 102 BinSchG. Die Rangordnung der Pfandrechte der Schiffsgläubiger bestimmt sich nach der Nummern- 21 folge des § 102 BinSchG (§ 107 BinSchG). Pfandrechte für die unter derselben Nummer des § 102 BinSchG genannten Forderungen haben gleichen Rang, wenn es sich um Forderungen handelt, die in Nr 1, 2 und 5 des § 102 BinSchG aufgeführt sind (§ 108 I BinSchG). Von den Pfandrechten für die unter § 102 Nr 3 aufgeführten Forderungen geht das für die später entstandene dem für die früher entstandene Forderung vor (§ 108 II S 1 BinSchG). Pfandrechte für die in § 102 Nr 4 genannten Forderungen wegen Personenschäden gehen Pfandrechten für die unter derselben Nummer aufgeführten Sachschäden vor (§ 108 III BinSchG). Das Pfandrecht des Schiffsgläubigers hat den Vorrang vor den sonstigen Pfandrechten am Schiff, für die in § 102 unter Nr 4 und 6 aufgeführten Forderungen jedoch nur insoweit, wie jene Pfandrechte nicht früher entstanden sind (§ 109 I BinSchG). Für die Rangfolge der Rechte in der Zwangsversteigerung eines Schiffsbauwerks sind die 22 §§ 10–13 ZVG entsprechend anzuwenden (§ 162 ZVG). § 596 HGB und § 102 BinSchG gelten hier nicht.

3. An Luftfahrzeugen Der Rang der Absonderungsrechte an Luftfahrzeugen, die in der Luftfahrzeugrolle oder dem 23 Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen sind, wird durch §§ 171a S 1, 10 ZVG bestimmt mit folgenden Besonderheiten: An die Stelle der Nr 1 des § 10 I ZVG treten die Auslagen des betreibenden Gläubigers zur Vorbereitung, Einleitung oder Aufrechterhaltung der treuhänderischen Nutzung des Luftfahrzeugs (§ 171c III S 3 ZVG). § 10 I Nr 1a ist anwendbar, da das Zubehör des Luftfahrzeugs zum Haftungsverband gehört (§§ 55 I, 20 II ZVG, § 31 I S 1 LuftRG). Zu den Rechten des § 10 I Nr 4 ZVG zählen die nach ausländischen Rechten mit Vorrang ausgestatteten dinglichen Rechte wegen Bergungsentschädigung und notwendigen Erhaltungsaufwendungen (§ 75 LuftRG). Diese Rechte sind den Registerpfandrechten (§ 1 LuftRG) gleichgestellt, gehen jedoch allen anderen Rechten an dem Luftfahrzeug im Range vor. Bestehen mehrere solche Rechte, bestimmt sich ihr Rangverhältnis untereinander nach der umgekehrten Reihenfolge der Ereignisse, durch die sie entstanden sind (§ 76 S 3 LuftRG). Für den Rang der Registerpfandrechte untereinander gilt § 25 LuftRG. Für die Zwangsversteigerung ausländischer Luftfahrzeuge enthält § 171i ZVG besondere Rangfestlegungen im Rahmen der Nr 3 und 4 des § 10 I ZVG.

4. Die Eigentümergrundschuld als Recht auf Befriedigung aus unbeweglichem Vermögen Gehört zur Insolvenzmasse eine Eigentümergrundschuld des Schuldners, so gebührt der bei der 24 Zwangsversteigerung auf die Rangstelle des Eigentümerpfandrechts entfallende Teil des Erlöses der Insolvenzmasse.42 Was der Masse auf diesem Wege zufließt, ist nichts anderes als der Geldwert eines ihr bereits zustehenden Vermögensrechts, das bisher schon ein Aufrücken der Nachmänner verhindert hatte. § 1197 I BGB schließt nicht aus, dass der Insolvenzverwalter die Zwangsverwertung des 25 mit einer Eigentümergrundschuld belasteten Massegrundstücks betreibt.43 Denn dies tut er nicht zur Befriedigung des Insolvenzschuldners, sondern zum Zweck der Verwertung des Rechts 42 Eingehend Oberneck LZ 1907, 369 ff. 43 BGH NJW 2016, 3239, Rn 14 f; Soergel/Konzen BGB13 § 1197 Rn 2; MünchKomm/Lieder BGB8 § 1197 Rn 8; R Lorenz KTS 1962, 28; Staudinger/Wolfsteiner BGB (2019) § 1197 Rn 6; Worm KTS 1961, 119, 124 f; aA RGZ 60, 359, 362; 134, 257, 261. 551

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für die Insolvenzgläubiger (§§ 159, 165 InsO, 172 ff ZVG). Bildet das Eigentümerpfand die einzige oder die letztstellige Belastung der Liegenschaft, kann es der Verwalter löschen lassen (§§ 19, 27 S 1 GBO). Von einem etwa (noch) als Gläubiger eingetragenen Nichtberechtigten kann der Verwalter nach § 80 die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (§§ 894 ff BGB) verlangen, so zB in Fällen des § 1163 I BGB. Herausgabe des Hypothekenbriefs kann er nach §§ 985, 952 II BGB verlangen. Hatte der jetzige Schuldner sich als Grundeigentümer dem Inhaber eines nachrangigen, nichthypothekarischen Rechtes gegenüber verpflichtet, für den Fall des Zusammentreffens von Hypothek und Eigentum die Hypothek löschen zu lassen, diese Verpflichtung aber nicht auf dem vom Gesetz gewiesenen Weg der Löschungsvormerkung dinglich gesichert (§ 1179 BGB), hindert die Löschungsverpflichtung weder die Entstehung der Eigentümergrundschuld noch deren Ausnutzung zugunsten der Insolvenzmasse.44 Anders ist es, wenn ein gesetzlicher Löschungsanspruch zugunsten eines nachrangigen Grundpfandgläubigers besteht. Er ist nach § 1179a I S 3 BGB vormerkungsgleich gesichert und deshalb auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchsetzbar. Das soll auch dann gelten, wenn die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs erst nach Verfahrenseröffnung gegeben sind und auch dann, wenn erst nach erfolgter Versteigerung des Grundstücks im Verteilungsverfahren der vorrangige Grundpfandgläubiger auf sein Recht verzichtet.45 Eine Eigentümergrundschuld entsteht, wenn die Forderung, die gesichert werden soll, nicht begründet wird (§ 1163 I S 1 BGB). Der als Inhaber der Hypothek Eingetragene kann auch wegen eines Nebenanspruchs, der nur als solcher miteingetragen oder durch Bezugnahme iSd § 1115 II BGB bezeichnet ist, zB wegen des Anspruchs auf Ersatz der Kosten für Errichtung der Schuldurkunde, keine abgesonderte Befriedigung beanspruchen.46 Eine Eigentümergrundschuld entsteht ferner, wenn der Insolvenzverwalter den Gläubiger befriedigt, dessen Forderung gegen einen Dritten mit einer Hypothek an einem massezugehörigen Grundstück gesichert ist. Nach § 1143 I S 1 BGB geht die Forderung gegen den Dritten und damit auch die Hypothek auf den Insolvenzschuldner über und wird Bestandteil der Insolvenzmasse (§§ 401 I, 412, 889, 1153 I BGB). Die Hypothek wird forderungsbekleidete Eigentümergrundschuld (§ 1177 II BGB). Eine Eigentümergrundschuld entsteht ebenfalls, wenn der Eigentümer auch persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung ist und die Forderung erlischt (§§ 1163 I S 2, 1177 I S 1 BGB). Steht dem Eigentümer eine Einrede zu, welche die Geltendmachung des Grundpfandrechts dauernd ausschließt (peremtorische Einrede), kann er verlangen, dass der Gläubiger auf das Grundpfandrecht verzichtet (§§ 1169, 1192 I BGB). Mit dem Verzicht erwirbt der Eigentümer das Grundpfandrecht als Eigentümergrundschuld (§§ 1168 I, 1192 I BGB). Da der Anspruch auf den Verzicht dem Eigentümer zusteht, das Grundeigentum aber zur Masse gehört, kann nur der Insolvenzverwalter des Eigentümers zugunsten der Masse den Verzicht erwirken. In allen diesen Fällen gelangt die Hypothek nur soweit als Eigentümergrundschuld in die Masse, wie die Befriedigung, Ablösung oder der Verzicht reichen. Für den Restbetrag geht der Gläubiger dem Erwerber des Teilpfandrechts vor. Bei Verteilung des Versteigerungserlöses kann der Verwalter das Teilpfandrecht nicht zum Nachteil des noch nicht vollständig befriedigten Hypothekengläubigers geltend machen, da er es nur so ausüben darf, wie es dem Insolvenzschuldner zusteht (§ 1143 I S 2 mit § 774 I S 2 BGB, § 1163 mit § 1176 BGB). Wird während des Insolvenzverfahrens die bis dahin als Gläubigerhypothek bestehende Belastung eines Massegrundstücks zur Eigentümergrundschuld, gehört sie jedenfalls als Neuerwerb des Schuldners (§ 35 I) zur Masse. Wegen dessen Einbeziehung in die Masse kommt es auf die zur 44 AA RGZ 134, 257, 261. 45 BGHZ 193, 144, Rn 12 ff = NZI 2012, 756, Rn 12 ff unter Aufgabe von BGHZ 166, 319, Rn 17 f = NZI 2006, 395 und von BGHZ 160, 168, 171 = NJW-RR 2004, 1458; siehe dazu etwa Windel KTS 2012, 457 ff; aA MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 75c; eingehend ders KTS 2021, 445, 456 ff. 46 OLG Zweibrücken OLGRspr 10, 200. Hoffmann

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Konkursordnung notwendigen Differenzierungen47 nicht mehr an. Auch die zur Konkursordnung erörterte Frage, wann die Eigentümergrundschuld entsteht, wenn bei der „Feststellung der Forderung“ (§ 1190 I S 1 BGB) der im Grundbuch eingetragene Höchstbetrag nicht ausgeschöpft wird,48 hat ihre Bedeutung verloren, weil das Eigentümergrundpfandrecht jedenfalls als Neuerwerb zur Masse gehört.

5. Kein Absonderungsrecht des besitzenden Verwenders Dem Besitzer eines Grundstücks steht ein Anspruch auf Wertersatz aus dem Versteigerungserlös 33 wegen der ihm zu ersetzenden Verwendungen nicht zu, es gibt für Immobilien insofern keine Parallelvorschrift zu § 51 Nr 2. Der Verwendungsersatzanspruch gewährt, wie ein Gegenschluss aus § 10 ZVG ergibt, kein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück. Denn ein solches Recht könnte lediglich unter dem Gesichtspunkt des § 10 I Nr 4 ZVG in Frage kommen. Ein Recht „an dem Grundstück“ nach Maßgabe von Nr 4 bildet aber weder die Ersatzforderung selbst noch das Befriedigungsrecht des § 1003 I S 2 BGB. Der Besitzer betreibt die Verwertung des Grundstücks zur Deckung seines Anspruchs auf Verwendungsersatz als Gläubiger der Rangklasse 5. Der Ersteher ist nach § 93 II ZVG nicht verpflichtet, Verwendungen zu ersetzen, die vor dem Zuschlag gemacht worden sind.49

III. Gegenstände der Immobiliarabsonderung 1. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, Schiffe und Luftfahrzeuge Gegenstände der Absonderung nach § 49 sind die Gegenstände, die für das Absonderungsrecht 34 haften. Für die Grundpfandrechte und die Reallast sind die neben dem Grundstück haftenden Gegenstände in §§ 1120–1131, 1192, 1200, 1107 BGB erfasst.50 Dem persönlichen Gläubiger, der durch die Beschlagnahme des Grundstücks vor der kritischen Zeit des § 88 ein Absonderungsrecht erworben hat, haften die von der Beschlagnahme erfassten Gegenstände (§ 865 I ZPO, §§ 20 II, 21, 148 I ZVG). Dingliche Haftungsrechte können auch an Gegenständen bestehen, für welche die sich auf 35 Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten. Das sind ua das Erbbaurecht (§ 11 ErbbauVO), das Wohnungseigentum und das Teilerbbaurecht (§ 30 WEG), das Gebäudeeigentum in den neuen Bundesländern (Art 233 §§ 2b, 4, 8 EGBGB), das Bergwerkseigentum (§ 9 I S 1 BBergG) sowie landesgesetzliche Abbaurechte (Art 68 EGBGB),51 Jagd- und Fischereirechte (Art 69 EGBGB)52 und Realgemeindeanteile, soweit sie mit dem Eigentum am Grundstück des Berechtigten bzw Anteilsinhabers verbunden sind,53 während Abbau- und Fischereirechte eines Nichteigentümers den Dienstbarkeiten zuzuordnen sind, die der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegen.54 Nach landesgesetzlicher Regelung (Art 112 EGBGB, § 871 ZPO, § 2 I S 1 EGZVG)55 können dingliche Haftungsrechte auch an Bahneinheiten bestehen. Jaeger/Lent KO8 § 47 Rn 6. Jaeger/Lent KO8 § 47 Rn 7. RGZ 71, 424 ff. Für die Reallast ist die Anwendbarkeit des § 1131 BGB umstritten; dafür BeckOK/Reischl BGB62 § 1107 Rn 5; dagegen Staudinger/Reymann BGB (2017) § 1107 Rn 8 mwN. 51 MN zum Landesrecht Staudinger/J Hönle/U Hönle EGBGB (2018) Art 68 Rn 6. 52 MN zum Landesrecht Staudinger/Mittelstädt EGBGB (2018) Art 69 Rn 51 ff. 53 Braun/Bäuerle InsO9 § 49 Rn 9 bezeichnet diese Rechte fälschlich als Absonderungsrechte iSd § 49. 54 Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 857 Rn 29. 55 MwN Staudinger/J Hönle/U Hönle EGBGB (2018) Art 112 Rn 12 ff.

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Gegenstände der Immobiliarabsonderung sind auch die im Schiffsregister und Schiffbauregister eingetragenen Schiffe und Schiffsbauwerke (Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15.11.1940, §§ 162 ff ZVG) und die in der Luftfahrzeugrolle eingetragenen Luftfahrzeuge (§§ 171a ff ZVG). Nichteingetragene See- oder Binnenschiffe gehören auch hinsichtlich der Geldvollstreckung zum beweglichen Vermögen. 37 Da Miteigentumsanteile an einem Grundstück, registrierten Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug mit Grundpfandrechten gem. § 1114 BGB bzw vergleichbaren dinglichen Haftungsrechten belastet werden können, haften sie dem absonderungsberechtigten persönlichen Gläubiger infolge ihrer Beschlagnahme gem. § 864 II ZPO.

2. Mithaftende Gegenstände bei Grundstücken 38 Das Immobiliarabsonderungsrecht erstreckt sich auch auf die für die Grundpfandrechte mithaftenden bzw von der Beschlagnahme zum Zweck der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung erfassten Gegenstände (§§ 148 I S 1, 55 I, 20 II ZVG, 1120 ff BGB). Das sind nach Maßgabe der §§ 1120 ff BGB die getrennten Erzeugnisse und sonstigen Be39 standteile, das Zubehör, die Miet- und Pachtforderungen, die Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen aus einem Recht, das mit dem Grundstückseigentum verbunden ist, und die Forderungen gegen den Versicherer aus der Versicherung haftender Gegenstände. Nach Maßgabe von § 91 I sind Gegenstände dann nicht vom Haftungsverband eines vorinsolvenzlichen und nicht durch den Insolvenzverwalter legitimierten Grundpfandrechts zu erfassen, wenn sie durch den Insolvenzverwalter zum Grundstückszubehör gemacht worden sind;56 insoweit ist die Werthaltigkeit der Kreditsicherheit mit Massemitteln erhöht worden, was dem Sicherungsnehmer grundsätzlich nicht zum Vorteil gereichen darf (siehe § 51 Rn 18). Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Enthaftung möglich ist und welche Fol40 gen sich daraus im Insolvenzverfahren des Grundstückseigentümers ergeben, ist zu unterscheiden zwischen enthaftenden Handlungen des Insolvenzverwalters und des Schuldners.

41 a) Enthaftung durch Handlungen des Insolvenzverwalters. Hinsichtlich der Enthaftung durch Handlungen des Insolvenzverwalters gilt Folgendes: Erzeugnisse und sonstige Bestandteile des Grundstücks, die von diesem getrennt werden, 42 haften nach § 1120 BGB, soweit sie nicht mit der Trennung nach den §§ 954–957 BGB in das Eigentum eines anderen als des Eigentümers oder des Eigenbesitzers des Grundstücks gelangt sind. Sie werden nach § 1121 I BGB von der Haftung frei, wenn sie vom Insolvenzverwalter veräußert und vom Grundstück entfernt werden, bevor die Beschlagnahme zugunsten des Grundpfandgläubigers erfolgt. Sind die Erzeugnisse oder Bestandteile innerhalb der Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft von dem Grundstück getrennt worden, so erlischt ihre Haftung auch ohne Veräußerung, wenn sie vor der Beschlagnahme von dem Grundstück nicht nur vorübergehend entfernt werden (§ 1122 I BGB). 43 Die §§ 1121, 1122 BGB regeln nur die Frage, ob die Erzeugnisse und Bestandteile für die Hypothek haften. Sie enthalten danach folgende für das Insolvenzverfahren des Eigentümers relevante Aussagen: Außerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft getrennte Erzeugnisse und Bestandteile des Grundstücks haften für das Grundpfandrecht fort, wenn sie zwar vor der Beschlagnahme veräußert, aber erst nach der Beschlagnahme entfernt worden sind, vorbehaltlich des § 1121 II S 2 BGB. Sind sie vor der Beschlagnahme auch entfernt worden, so haften sie nicht mehr. Der Veräußerungserlös, den der Insolvenzverwalter von dem Erwerber zu fordern oder

56 Entgegen RGZ 53, 350, 353; MünchKomm/Ganter InsO4 vor §§ 49–52 Rn 42; Jaeger/Henckel InsO1 vor §§ 49–52 Rn 17; Uhlenbruck/Mock InsO15 § 91 Rn 65; Jaeger/Windel InsO1 § 91 Rn 43. Hoffmann

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erhalten hat, tritt mangels einer Surrogationsvorschrift nicht an die Stelle der zuvor haftenden Gegenstände. Fraglich kann nur sein, ob § 48 entsprechend anwendbar ist (siehe § 48 Rn 64). Erzeugnisse oder Bestandteile, die innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirt- 44 schaft von dem Grundstück getrennt und vor der Beschlagnahme vom Grundstück auf Dauer entfernt worden sind, werden von der Haftung frei. Solange sie nicht veräußert sind, gehören sie zur Insolvenzmasse des Grundstückseigentümers, ohne dass sie noch einem Absonderungsrecht des Grundpfandgläubigers unterliegen. Nicht in §§ 1121, 1122 BGB geregelt ist, ob der Eigentümer, der Bestandteile und Erzeugnisse 45 trennt und der Haftung für das Grundpfandrecht entzieht, dem Grundpfandgläubiger ersatzpflichtig ist. Hierfür gibt § 1134 BGB die notwendigen Anhaltspunkte. Lässt der Insolvenzverwalter ein auf dem Grundstück stehendes Haus abreißen oder gewinnt er Erzeugnisse des Grundstücks im Übermaß, so entsteht bei schuldhaftem Handeln ein Ersatzanspruch, soweit der Grundpfandgläubiger aus der verbleibenden Haftungsmasse keine volle Deckung erlangt und ohne die Handlungen des Insolvenzverwalters Deckung erlangt hätte.57 Ein Bereicherungsanspruch des Grundpfandgläubigers besteht aufgrund der genannten Handlungen des Verwalters nicht, weil die Masse durch den Abbruch des Hauses oder die Gewinnung der Erzeugnisse keinen Vermögenszuwachs erlangt. Dagegen stellt sich die Frage nach einem bereicherungsrechtlichen Ausgleich, wenn der Insolvenzverwalter das Abbruchmaterial oder die Erzeugnisse veräußert und wenn sie vom Grundstück entfernt und damit enthaftet werden. Aus §§ 1133 ff BGB könnte man schließen, dass die Enthaftung getrennter Bestandteile durch Veräußerung und Entfernung vom Grundstück die Rechte des Grundpfandgläubigers nicht rechtswidrig beeinträchtige, weil § 1135 BGB nur die Entfernung von Zubehör der Verschlechterung des Grundstücks gleichstellt. Dieser Schluss ist jedoch nicht gerechtfertigt. Dass die §§ 1133, 1134 BGB die Entfernung getrennter Bestandteile und Erzeugnisse nicht nennen, ist durch die Rechtsfolgen dieser Vorschriften bedingt. Das vorzeitige Befriedigungsrecht des § 1133 S 2 BGB und der Unterlassungsanspruch des § 1134 I BGB sollen dem Grundpfandgläubiger schon mit dem Abbruch des Gebäudes und der Trennung der Übermaßerzeugnisse gegeben werden. Die nachfolgende Entfernung brauchte deshalb in §§ 1133, 1134 BGB nicht mehr genannt zu werden. Beim Zubehör dagegen beginnt die Gefährdung nicht verschlechterter Stücke erst mit der drohenden Entfernung. Deshalb ist jede Enthaftung von Gegenständen entgegen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Wirtschaft als Eingriff in das Grundpfandrecht anzusehen, der ohne Rechtsgrund erfolgt. Um den Erlös, den der Insolvenzverwalter durch die Veräußerung des Abbruchmaterials oder der Erzeugnisse erzielt, ist also die Masse ungerechtfertigt bereichert (§§ 812 I, 816 I S 1 BGB, § 55 I Nr 3) auf Kosten des Hypothekars, soweit dieser bei der Verwertung des Grundstücks und der noch vorhandenen mithaftenden Gegenstände ausfällt. Entspricht dagegen der Abbruch eines Gebäudes den Grundsätzen ordnungsmäßiger Wirtschaft (§ 1122 I BGB), etwa wenn das Haus baufällig war und aus baupolizeilichen Gründen beseitigt werden musste,58 so liegt weder ein rechtswidriger noch ein rechtsgrundloser Eingriff in das Grundpfandrecht vor. Dasselbe gilt, wenn Erzeugnisse des Grundstücks im Rahmen ordnungsmäßiger Bewirtschaftung getrennt und veräußert werden. Zubehör des Grundstücks haftet nach § 1120 BGB für das Grundpfandrecht mit Ausnahme 46 derjenigen Zubehörstücke, die nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers gelangt sind. Dem Eigentum steht ein sog. Anwartschaftsrecht gleich.59 Soweit allerdings der Restkaufpreis aus Massemitteln gezahlt wird, ist insoweit das Absonderungsrecht mittels § 91 I zu begrenzen (siehe § 51 Rn 18). Die Enthaftung erfolgt nach § 1121 BGB nach denselben Regeln wie für Erzeugnisse und sonstige Bestandteile.60 Nach § 1122 II BGB werden Zubehörstücke auch ohne VeräußeMünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 19; Staudinger/Wolfsteiner BGB (2019) § 1134 Rn 31 f mN. Soergel/Konzen BGB13 § 1134 Rn 2. BGHZ 35, 85, 88 f = NJW 1961, 1349, 1350; BGH NJW 1965, 1475; Soergel/Konzen BGB13 § 1120 Rn 5. Darüber hinaus meint BGHZ 92, 280, 290 f = NJW 1985, 376, 378 f, eine Enthaftung könne auch dadurch herbeigeführt werden, dass das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben wird; eingehend hierzu Wilhelm SachenR7 1560 ff.

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rung und Entfernung von der Haftung frei, wenn die Zubehöreigenschaft innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft vor der Beschlagnahme aufgehoben wird. 47 Nach Ansicht Jaegers61 und Lents62 endet die Haftung des Zubehörs unabhängig von §§ 1121, 1122 BGB durch endgültige Betriebsstilllegung vor der Beschlagnahme, weil damit die Zubehöreigenschaft aufhöre. Der Insolvenzverwalter, der Maschinen und sonstige Betriebseinrichtung nach Betriebsstilllegung veräußere, verfüge also nicht mehr über mithaftende Mobilien. Der von ihm erzielte Erlös falle deshalb in die Masse und gebühre nicht den Grundpfandgläubigern. Diese Auffassung widerspricht dem Gesetz, das eine Enthaftung allein durch Aufhebung der Zubehöreigenschaft nicht kennt. Ohne Veräußerung und Entfernung findet eine Enthaftung nur statt, wenn die Zubehöreigenschaft innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft vor der Beschlagnahme aufgehoben wird (§ 1122 II BGB). Es ist deshalb der ständigen Rechtsprechung des RG63 und des BGH64 zuzustimmen, nach der die Betriebsstilllegung nicht zur Enthaftung des Zubehörs führt.65 Deshalb kommt es nur noch darauf an, ob der Insolvenzverwalter, der haftende Zubehörstücke zum Zwecke der Verwertung veräußert, in den Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft handelt (§ 1122 II BGB). Diese Frage ist zu verneinen.66 § 1122 BGB will sicherstellen, dass der Grundstückseigentümer in der ordnungsmäßigen Bewirtschaftung nicht durch die Hypothekenhaftung beeinträchtigt wird. Er soll veraltete Maschinen ausscheiden und gegen neue austauschen können. Maßgebend für die Abgrenzung ist das Interesse des Grundpfandgläubigers an der Werterhaltung. Dieses wird verletzt, wenn der Insolvenzverwalter das Inventar des stillgelegten Betriebs selbständig veräußert. Von ordnungsmäßiger Wirtschaft lässt sich deshalb nur sprechen, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb fortführt und etwa im Rahmen einer Produktionsumstellung Zubehör veräußert.67 Zubehör kann also nach endgültiger Betriebsstilllegung nur nach § 1121 BGB enthaftet wer48 den. Wird das Zubehör vom Insolvenzverwalter veräußert und vom Grundstück entfernt, bevor die Beschlagnahme erfolgt ist, so ist es von der Haftung für die Grundpfandrechte frei. Streitig ist, ob der vom Insolvenzverwalter erzielte Erlös dem Grundpfandrechtsgläubiger gebührt. Dies wird in nahezu ständiger Rechtsprechung bejaht.68 Das Einverständnis des Grundpfandgläubigers mit der Veräußerung des Zubehörs ändert daran nichts. Es enthält regelmäßig keinen Verzicht auf das Absonderungsrecht,69 sondern nur eine Einwilligung in die freihändige Verwertung durch den Insolvenzverwalter. In der älteren Literatur wird dagegen teilweise die Ansicht vertreten, dass der vom Verwalter erzielte Erlös der Masse gebühre, auch wenn der Grundpfandgläubiger nicht verzichtet.70 Zur Klärung des Streits ist zunächst festzustellen, dass die Rechtsprechung, soweit die Rechtsfolgen aus den veröffentlichten Teilen der Entscheidungen Jaeger KO6/7 § 4 Rn 5. Jaeger/Lent KO8 § 4 Rn 2. Leitentscheidungen: RGZ 69, 85 und RG JW 1908, 561 Nr 27. BGHZ 56, 298, 299 f = NJW 1971, 1701, 1702; BGHZ 60, 267, 269 f = NJW 1973, 997, 998 und 1611 mit abl Anm von Jo Schmidt; BGH NJW 1996, 835, 836, dazu Plander EWiR 1996, 259. 65 Braun/Bäuerle InsO9 § 49 Rn 5; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 39; MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 24; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2347; K Schmidt/Thole InsO19 § 49 Rn 15. 66 RGZ 69, 85, 88, 91; RG Recht 1915 Nr 545; RG WarnRspr 1916 Nr 282; BGHZ 56, 298, 300 = NJW 1971, 1701, 1702; BGHZ 60, 267, 270 = NJW 1973, 997, 998; LG Darmstadt KTS 1977, 125; MünchKomm/Lieder BGB8 § 1121 Rn 15. 67 BGH NJW 1996, 835, 836, dazu Plander EWiR 1996, 259; Knees ZIP 2001, 1568, 1573; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2347. 68 RGZ 69, 85, 91 f; RG JW 1908, 561 Nr 27; RG LZ 1912, 696 ff; RG LZ 1915, 707; RG HRR 1936 Nr 669; OLG München SeuffArch 63 Nr 194; OLG München SeuffArch 71 Nr 76; OLG Kiel SeuffArch 64 Nr 233; OLG Augsburg OLGRspr 37, 212; BGHZ 60, 267, 273 f = NJW 1973, 997, 999; BGHZ 92, 280, 292 = NJW 1985, 376; BGH NJW 1991, 695, 696; Soergel/Konzen BGB13 § 1121 Rn 5; Staudinger/Wolfsteiner BGB (2019) § 1121 Rn 10. 69 BGH WM 1980, 1383. 70 Jaeger KO6/7 § 4 Rn 5; Kilger/K Schmidt InsG17 § 4 KO Anm 4; Jaeger/Lent KO8 § 4 Rn 2; Kalter KTS 1962, 145 ff; Mohrbutter Handb2 § 75 II 1 c S 783; Planck/Strecker5 § 1121 Anm 2 d; Schäfer LZ 1911, 4 ff; Jo Schmidt NJW 1973, 1611; Jaeger/Weber KO8 § 82 Rn 9; auch OLG Karlsruhe KTS 1972 107, 110.

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erkennbar sind, seit der Entscheidung RGZ 69, 85 nicht mehr den Erlös als Surrogat des veräußerten Zubehörs angesehen hat. Die Entscheidung RGZ 42, 85, auf die RGZ 69, 85, 92 Bezug nimmt, und die in Anlehnung an die Einzelvollstreckung noch eine Surrogation angenommen hatte, verkannte, dass die Surrogation in der Einzelvollstreckung endet, wenn der Erlös an den Gläubiger abgeführt ist. Dementsprechend kann von einer Surrogation nicht mehr die Rede sein, wenn der Insolvenzverwalter den Veräußerungserlös vereinnahmt und damit zur Masse gebracht hat. Die Rechtsprechung ist deshalb mit Recht auf die Surrogation nicht mehr zurückgekommen.71 Vielmehr geht es seit der Entscheidung RGZ 69, 85 nur noch um die Frage, ob ein Massebereicherungsanspruch (§ 59 I Nr 4 KO, § 55 I Nr 3) oder ein Schadensersatzanspruch zulasten der Masse (§ 59 I Nr 1 KO, § 55 I Nr 1) oder gegen den Insolvenzverwalter persönlich (§ 82 KO, § 60 I S 1) besteht. Dass die Veräußerung des Zubehörs durch den Insolvenzverwalter nicht unwirksam ist, steht ebenso außer Streit wie die Enthaftung des Zubehörs unter den Voraussetzungen des § 1121 BGB. Streitig ist lediglich, ob die Enthaftung, die der Insolvenzverwalter durch die Veräußerung und Entfernung des Zubehörs bewirkt, den Grundpfandgläubigern gegenüber rechtswidrig ist, bzw einen rechtsgrundlosen Eingriff in ihr Haftungsrecht darstellt. Dabei ist zwar mit Jaeger72 davon auszugehen, dass die Rechtstellung des Insolvenzverwalters nicht ungünstiger sein kann als die des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch ist die Prämisse Jaegers anzuzweifeln, dass der Schuldner ein Recht habe, das Zubehör nach Maßgabe des § 1121 BGB zu enthaften. Denn § 1121 BGB sagt lediglich, dass Zubehör nicht mehr haftet, wenn es vor der Beschlagnahme veräußert oder entfernt ist, dass es also in der Hand des Erwerbers von der Hypothekenhaftung frei ist. Dagegen ergibt sich aus § 1121 BGB nicht, dass der Eigentümer, der das Zubehör veräußert und entfernt, dem Hypothekar gegenüber rechtmäßig handelt und mit Rechtsgrund in dessen Haftungsrecht eingreift. Hierüber gibt § 1135 BGB Aufschluss. Aus ihm ergibt sich, dass der Grundpfandgläubiger Unterlassung der Entfernung verlangen und damit die Enthaftung verhindern kann, wenn sie den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft widerspricht.73 Das bedeutet, dass der Eigentümer und demzufolge auch der Insolvenzverwalter diese Enthaftung nicht vornehmen darf, weil er mit ihr in das Haftungsrecht des Grundpfandgläubigers eingreift. Diese Bindung trifft freilich den Insolvenzverwalter nur, soweit das Zubehör noch zur Masse gehört. Hatte der Schuldner die Sache schon vor der Verfahrenseröffnung veräußert, befindet sie sich aber zur Zeit der Eröffnung noch auf dem Grundstück, so ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, sie dem Erwerber vorzuenthalten. Die schuldhafte Entfernung massezugehörigen Zubehörs unter Missachtung der Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft stellt also als Verletzung eines sonstigen Rechts iSd § 823 I BGB eine unerlaubte Handlung dar. Zum gleichen Ergebnis führt es, wenn man die §§ 1134, 1135 BGB als Schutzgesetze iSv § 823 II BGB deutet.74 Der Ersatzanspruch ist Masseforderung nach § 55 I Nr 1. Daneben haftet der Insolvenzverwalter persönlich nach § 60 I S 1.75 Abzulehnen ist deshalb die Auffassung, dass Schadensersatzansprüche nur entstehen können, wenn das Zubehör nach der Beschlagnahme entfernt wird, weil erst mit dieser die Verfügungsfreiheit des Eigentümers beschränkt werde.76 Die Beschlagnahme bewirkt, dass eine spätere Entfernung das Zubehör nicht mehr aus der Haftung löst. Sie ist aber nicht Voraussetzung dafür, dass eine wirksame Enthaftung dem Grundpfandgläubiger gegenüber rechtswidrig ist. Darf also weder der Schuldner vor noch der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Hypothekar gegenüber in dessen Haftungsrecht eingreifen, so ist der dennoch vorgenommene wirksame Eingriff rechtsgrundlos. Er löst eine Eingriffs71 72 73 74

Offen gelassen in BGHZ 60, 267, 274 = NJW 1973, 997, 999. Jaeger KO6/7 § 4 Rn 5. Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2347. So etwa BGHZ 92, 280, 292 = NJW 1985, 376, 379; BGH NJW 1991, 695, 696; OLG Dresden ZInsO 2003, 472; Soergel/ Konzen BGB13 § 1134 Rn 4; MünchKomm/Lieder BGB8 § 1133 Rn 21, § 1134 Rn 17; Staudinger/Wolfsteiner BGB (2019) § 1134 Rn 31, § 1135 Rn 9; dagegen Wilhelm SachenR7 Rn 1901. 75 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 43; Rattunde/Smid/Zeuner/Depré/Popp InsO4 § 49 Rn 37. 76 So Staudinger/Scherübl BGB11 § 1135 Rn 4; anders Staudinger/Wolfsteiner BGB (2019) § 1121 Rn 2, § 1135 Rn 10. 557

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kondiktion aus (§§ 812 I, 816 I BGB). Der Anspruch des Hypothekars ist Massebereicherungsanspruch (§ 55 I Nr 3), wenn der Insolvenzverwalter das Zubehör enthaftet hat.77 Der Schadensersatzanspruch nach §§ 823 I BGB und 60 I S 1 bemisst sich nach dem Ausfall, den der Grundpfandgläubiger infolge der Enthaftung des Zubehörs erlitten hat. Der Bereicherungsanspruch ist begrenzt durch den Erlös, den der Insolvenzverwalter erlangt hat, und durch den Ausfall des Grundpfandgläubigers, weil die Bereicherung der Masse nur insoweit auf dessen Kosten erfolgte, als er bei der Verwertung des Grundstücks keine Deckung erlangt hat. Zur Ersatzabsonderung siehe § 48. Die Gegenansicht, welche dem Grundpfandgläubiger keinen Anspruch auf den vom Insolvenzverwalter aus der Veräußerung des Zubehörs erzielten Erlös gibt, wirkt sich nur scheinbar zugunsten der Insolvenzgläubiger aus. Abgesehen davon, dass von dieser Ansicht häufig nur Sicherungseigentümer profitieren würden,78 würden die Hypothekare spätestens dann die Beschlagnahme des Grundstücks erwirken, wenn der Insolvenzverwalter sich anschickt, das Zubehör zu veräußern. Der Erlös wäre dann ebenfalls der Masse entzogen, soweit er den Grundpfandgläubigern gebührt. Im Übrigen wäre damit eine freihändige Veräußerung des Zubehörs durch den Insolvenzverwalter, die uU einen höheren Erlös bringt, ausgeschlossen. Dieser höhere Erlös aber könnte den Insolvenzgläubigern zugutekommen, weil er den Ausfall der Grundpfandgläubiger mindert und damit auch die Schuldenmasse (§ 52 S 2 Alt 2), und möglicherweise sogar einen Erlösüberschuss abwirft, welcher den Insolvenzgläubigern zugutekommt. Nach der Beschlagnahme des Grundstücks ist eine Enthaftung nur nach §§ 135 II BGB, 23 II ZVG möglich. § 23 I S 2 ZVG findet im Insolvenzverfahren keine Anwendung.79 Ist die Veräußerung des Zubehörs danach wirksam, handelt es sich dennoch um einen gegenüber dem Absonderungsberechtigten rechtswidrigen Eingriff mit den in Rn 48 f geschilderten Folgen.80 Veräußert ein Zwangsverwalter des massezugehörigen Grundstücks während des Insolvenzverfahrens im Einverständnis mit dem Vorbehaltsverkäufer Zubehör, so gehört der Erlösüberschuss, der die Kaufpreisforderung des Vorbehaltsverkäufers übersteigt, zur Zwangsversteigerungsmasse und nicht zur Insolvenzmasse, wenn ein Absonderungsberechtigter die Zwangsversteigerung betreibt.81 Der Zwangsverwalter veräußert die Sache nämlich nicht nur im Auftrag des Vorbehaltsverkäufers, sondern er verwertet zugleich das Anwartschaftsrecht des Insolvenzschuldners, das der Zubehörhaftung unterliegt. Der auf das Anwartschaftsrecht entfallende Erlös fällt in die Zwangsversteigerungsmasse. Mietforderungen werden nach § 1123 II S 1 BGB mit Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt der Fälligkeit von der Haftung frei, wenn nicht vorher die Beschlagnahme zugunsten des Grundpfandgläubigers erfolgt ist. Die Enthaftung tritt ferner ein, wenn der Insolvenzverwalter vor der Beschlagnahme die Miete einzieht oder in anderer Weise über die Forderung verfügt (§ 1124 I S 1 BGB), soweit es sich nicht um eine unwirksame Vorausverfügung iSd § 1124 II BGB handelt. Die wirksame Einziehung der Miete oder Verfügung über die Mietforderung ist, obwohl sie zur Enthaftung führt, dem Grundpfandgläubiger gegenüber weder rechtswidrig noch ein rechtsgrundloser Eingriff.82 Das ergibt sich aus §§ 1133, 1134 BGB, welche die Einwirkung auf die Mietforderung nicht einer Verschlechterung des Grundstücks gleichstellen.83 Der Insolvenzverwalter ist vielmehr berechtigt und verpflichtet, Miet- und Pachtansprüche belasteter Massegrundstücke durch Einziehung oder Abtretung für Rechnung der Masse zu verwerten, solange eine Beschlagnahme zugunsten von Realgläubigern nicht erfolgt ist.84 77 78 79 80 81 82 83 84

Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 43. So zB im Fall BGHZ 60, 267 ff = NJW 1973, 997 ff. Vgl MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 20. Knees ZIP 2001, 1568, 1574; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2348. Grunsky JZ 1964, 520 f gegen OLG Bamberg JZ 1964, 518. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 40; MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 28. MünchKomm/Lieder BGB8 § 1133 Rn 8. RGZ 23, 54, 59 f; 52, 138, 141; 64, 28, 32.

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Die Forderung auf die Entschädigungssumme aus einer selbständigen Schadensversiche- 54 rung, die sich auf mithaftendes Zubehör bezieht, wird mit dem Ablauf eines Jahres ab Fälligkeit von der Haftung frei, wenn nicht vorher die Beschlagnahme erfolgt, ferner durch Einziehung der Entschädigungssumme durch den Insolvenzverwalter bzw durch dessen anderweitige Verfügung über die Forderung (§§ 1129, 1123 II S 1, 1124 I, III BGB). Einziehung und Verfügung werden von §§ 1133 ff BGB nicht erfasst. Der Insolvenzverwalter, der die Entschädigungssumme vor der Beschlagnahme einzieht oder anderweitig darüber verfügt, handelt also weder rechtswidrig, noch erwirbt er die Versicherungssumme ohne Rechtsgrund auf Kosten der Grundpfandgläubiger. Die Abweichung gegenüber der Rechtslage bei Veräußerung des Zubehörs (Rn 48) stellt keinen Widerspruch dar.85 Das Gesetz erklärt in §§ 1134, 1135 BGB nur Verschlechterungen des Grundstücks und des Zubehörs für rechtswidrig, nicht dagegen die Einziehung der Versicherungsforderung. Der Grundpfandgläubiger kann sich hier auf andere Weise schützen. Er kann entweder verlangen, dass der Eigentümer eine Fahrnisversicherung abschließt, die eine von § 1129 BGB abweichende Regelung zugunsten des Hypothekars enthält, oder darauf bestehen, dass eine einheitliche Versicherung für Gebäude und Zubehör abgeschlossen wird, die dann insgesamt den Regeln für die Gebäudeversicherung unterliegt.86 Außerdem kann er die Versicherungsforderung pfänden, was ihm hinsichtlich des Zubehörs nicht gestattet ist (§ 865 II S 1 ZPO). Bei der Gebäudeversicherung, die regelmäßig mit Wiederaufbauklausel (§ 1130 BGB, § 93 55 VVG) abgeschlossen wird, ist der Grundpfandgläubiger vor einer Enthaftung der Versicherungssumme durch die §§ 93 ff VVG geschützt. Begibt er sich dieses Schutzes, so handelt der Insolvenzverwalter nicht rechtswidrig, wenn er die Versicherungssumme zur Masse einzieht.

b) Enthaftung durch Handlungen des Insolvenzschuldners. Eine Enthaftung kann auch 56 durch Handlungen des Schuldners bewirkt worden sein, die er vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. Hatte der Schuldner als Grundeigentümer die Lösung mithaftender Gegenstände aus der Grundstücksbelastung nach Maßgabe der §§ 1121 ff BGB durch wirksame Übereignung oder Abtretung bewirkt, fallen diese Gegenstände nicht mehr in die Insolvenzmasse. Der Erwerber kann sie aussondern (§ 47). Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche wegen rechtswidriger bzw rechtsgrundloser Enthaftung von Bestandteilen, Erzeugnissen und Zubehör (vgl Rn 45, 48) sind Insolvenzforderungen (Ersatzabsonderung siehe § 48 Rn 61 ff). Hat der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haftende bewegliche Sachen wirksam veräußert, aber noch nicht entfernt, so haften sie nach §§ 1120, 1121 BGB noch fort, obwohl sie nicht mehr dem Schuldner gehören. Eine Befugnis des Insolvenzverwalters, die wirksam veräußerten Sachen dem aussonderungsberechtigten Erwerber vorzuenthalten und auf diese Weise ihre Entfernung und Enthaftung zum Vorteil der Grundpfandgläubiger zu unterbinden, ergibt sich aus § 986 I S 1 BGB. Der Grundpfandgläubiger kann aus seinem Grundpfandrecht nach Maßgabe der §§ 1134, 1135 BGB gegenüber dem Erwerber verlangen, dass der Gegenstand auf dem Grundstück bleibt und auch der Insolvenzverwalter ist insoweit nach §§ 1134, 1135 BGB gegenüber dem Grundpfandgläubiger gebunden. Ein Besitzrecht und eine Pflicht zur Unterbindung der Enthaftung durch Entfernung folgen aus der grundpfandrechtlichen Bindung.87 Wird dennoch unter Mitwirkung des Insolvenzverwalters entfernt und enthaftet, so ist ein Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Enthaftung Masseforderung (§ 55 I Nr 1). Auch ein Bereicherungsanspruch wegen rechtsgrundloser Enthaftung ist eine Masseverbindlichkeit nach Maßgabe von § 55 I Nr 3. Rechtsgeschäftliche Verfügungen und Zwangsverfügungen, die nach Maßgabe der §§ 1121 ff 57 BGB wirksam sind, wie die Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Miet- und Pachtansprüchen in den Schranken des § 1124 BGB oder die Veräußerung oder die Entfernung von Zubehör (§ 1121 BGB), können anfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche zugunsten der Realgläubi85 Anders Kalter KTS 1962, 145, 148. 86 RGZ 157, 314 ff. 87 AA RGZ 99, 210 f; MünchKomm/Ganter InsO4 § 49 Rn 19; Jaeger/Henckel InsO1 § 49 Rn 56. 559

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ger aufgrund des § 3 I S 1 AnfG auslösen, die ihrerseits nicht deshalb untergehen, weil das Grundpfandrecht durch den Zuschlag bei der Zwangsversteigerung erlischt (§ 91 I ZVG). Solche Einzelanfechtbarkeit braucht im später eröffneten Insolvenzverfahren des Grundeigentümers der Insolvenzanfechtung nicht zu weichen,88 weil Absonderungsberechtigte von § 16 I S 1 AnfG insoweit nicht erfasst werden.89 Ein Anfechtungsprozess wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen. Eine Anfechtung durch den Insolvenzverwalter (§§ 129 ff) wird aber nicht ausgeschlossen. Sie setzt jedoch voraus, dass die Rechtshandlung des Schuldners die Masse benachteiligt hat. Das ist nur der Fall, wenn nach Befriedigung des Absonderungsberechtigten ein Überschuss für die Insolvenzmasse bleibt.90

3. Mithaftende Gegenstände bei Schiffen, Schiffsbauwerken und Luftfahrzeugen 58 Den Absonderungsberechtigten haftet neben dem Schiff und dem Luftfahrzeug grundsätzlich das Zubehör (§§ 162, 171a, 55 I, 20 II ZVG, § 31 SchiffRG, § 31 LuftRG).91 Das Registerpfandrecht an einem eingetragenen Luftfahrzeug kann auf die Ersatzteile erweitert werden, die jeweils an einer örtlich bezeichneten bestimmten Stelle im Inland oder im Ausland lagern (§ 68 I S 1 LuftRG). Außerdem haften Versicherungsforderungen (§§ 32 ff SchiffRG, §§ 32 ff LuftRG). Die Regeln über die Enthaftung von Zubehör und Bestandteilen entsprechen denen für das Grundstückszubehör (§ 31 II SchiffRG, § 31 II-IV LuftRG).

IV. Prozessuales 59 Absonderungsrechte werden gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht. Lediglich gegen ihn als Partei kraft Amtes kann bei entsprechendem Feststellungsinteresse Klage auf Feststellung des bestrittenen Absonderungsrechtes (§ 256 I ZPO) und die Pfandklage (Duldungsklage) zur Erwirkung des erforderlichen Vollstreckungstitels erhoben werden. Nur wenn der Verwalter den Pfandgegenstand wegen Überlastung aus der Masse freigegeben hat, ist eine Feststellungs- oder Leistungsklage gegen den Schuldner zulässig.92 Das Insolvenzgericht ist zur Schlichtung oder Entscheidung dieser Streitigkeiten nicht berufen. Für eine Klage oder Widerklage gegen den Verwalter wegen des Absonderungsrechts, sowie für die Klage des Verwalters auf Feststellung des Nichtbestehens der Belastung, bleibt es bei der außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehenden Zuständigkeit, ergänzt um § 19a ZPO. Für die Grundpfandgläubiger bleibt es bei der Zuständigkeit des § 24 I ZPO. Die Vorschriften über die Feststellung bestrittener Insolvenzforderungen (§ 179) sind unanwendbar. Deshalb gilt, wenn der Verwalter Insolvenzforderung und Absonderungsrecht bestritten hat, die Zuständigkeitsvorschrift des § 180 I S 2, 3 nicht auch für den Absonderungsstreit. 60 Ein durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 240 S 1 ZPO) oder die Bestellung eines verfügungs- und verwaltungsbefugten vorläufigen Verwalters (§ 240 S 2 ZPO) unterbrochener Absonderungsprozess kann nicht nur vom Verwalter oder vom vorläufigen Verwalter, sondern auch vom Gegner aufgenommen werden (§§ 24 II, 86 I Nr 2).93 Zur Klageerhebung, zur Ablehnung der Aufnahme des Prozesses, zum Vergleich oder für Schiedsverträge bedarf der Verwalter der

88 RGZ 86, 365 f; 100, 87, 89; RG LZ 1917, 860 Nr 5; BGHZ 109, 240, 249 = NJW 1990, 716, 718; krit Eckardt Grundpfandrechte im Insolvenzverfahren15 Rn 445. 89 MünchKomm/Weinland AnfG2 § 16 Rn 7. 90 Siehe Jaeger/Henckel KO9 § 36 Rn 12. 91 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 44 f. 92 OLG Hamm JMBlNW 1965, 233; zur Freigabe während des Prozesses siehe zu § 86 und Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 116–121 und § 11 Rn 17. 93 Henckel FS Schumann (2001), S 211 ff. Hoffmann

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Zustimmung des Gläubigerausschusses, mangels eines solchen der Gläubigerversammlung, falls es sich um einen Absonderungsgegenstand von erheblichem Wert handelt (§ 160 II Nr 3).

V. Verwertung und Aufschub Ist durch eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnene Vollstreckung bereits ein Absonderungsrecht in Gestalt eines Rechts auf Befriedigung (§ 49 mit § 10 I Nr 5 ZVG) wirksam (vgl § 88) und unangefochten (§§ 129 ff) entstanden, bedarf es zur Fortsetzung der Vollstreckung gegen den Verwalter der Umschreibung des Vollstreckungstitels, wenn weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn vorgenommen werden sollen.94 Zur Versteigerung eines beschlagnahmten Grundstücks bedarf es der Titelumschreibung nicht,95 auch dann nicht, wenn die Zwangsversteigerung von einem persönlichen, nach § 10 I Nr 5 ZVG berechtigten Gläubiger betrieben wird.96 Bei der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung von Grundstücken muss sich der Vollstreckungstitel aber gegen den Insolvenzverwalter richten, wenn zur Zeit der Verfahrenseröffnung das Grundstück noch nicht beschlagnahmt war.97 Ein gegen den Schuldner gerichteter Vollstreckungstitel muss dann gegen den Insolvenzverwalter umgeschrieben werden. Hat ein Gläubiger vor der Verfahrenseröffnung eine Zwangshypothek erworben, so genügt der Titel, aufgrund dessen die Zwangshypothek eingetragen worden ist, wenn darauf die Eintragung vermerkt ist (§ 867 III ZPO). Dieser Titel ist gegen den Verwalter umzuschreiben. Die Verwertung geschieht bei der Immobiliarabsonderung nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG). So bei Hypotheken, Grund- und Rentenschulden (§§ 1147, 1192, 1199 BGB), bei Reallasten (§ 1107 BGB) sowie bei Pfandrechten der Schiffsgläubiger (§ 596 HGB) und bei Schiffshypotheken (§§ 47 SchiffRG, 162 ff ZVG). Sie kann sowohl vom Absonderungsberechtigten als auch vom Insolvenzverwalter betrieben werden (§ 165). Darüber hinaus kann der Insolvenzverwalter freihändig verwerten. Einzelheiten in der Kommentierung zu § 165. Die sofortige Verwertung eines Absonderungsobjekts kann die Insolvenzabwicklung erheblich stören, insbesondere wenn das Grundstück, auf dem ein Betrieb oder das Unternehmen des Schuldners geführt wird, versteigert werden soll. Die Abwicklung laufender Produktion, die Aufarbeitung vorhandenen Materials und die Fertigstellung halbfertiger Produkte wären ausgeschlossen und damit eine werteschaffende oder werterhaltende Fortführung des Betriebs oder Unternehmens. Eine Unternehmensveräußerung im ganzen oder eine Fortführung des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzplans wären ausgeschlossen oder jedenfalls erheblich erschwert. Deshalb wird dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit eingeräumt, die Verwertung aufzuhalten.98 Nach § 30d I S 1 ZVG ist auf Antrag des Insolvenzverwalters, der bis zur Erteilung des Zuschlags gestellt werden kann,99 die Zwangsversteigerung durch das Vollstreckungsgericht einstweilen einzustellen, wenn im Insolvenzverfahren der Berichtstermin nach § 29 I Nr 1 noch bevorsteht, das Grundstück nach dem Ergebnis des Berichtstermins im Insolvenzverfahren für eine Fortführung des Unternehmens oder für die Vorbereitung der Veräußerung eines Betriebs oder einer anderen Gesamtheit von Gegenständen benötigt wird, durch die Versteigerung die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans gefährdet würde oder in sonstiger Weise durch 94 Vgl Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 96, § 10 Rn 37. 95 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 73; Stöber/Keller ZVG22 § 15 Rn 200; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2338; Stöber NZI 1998, 105, 106. 96 AG Hamburg-Wandsbek Rpfleger 1967, 15 mit zust Anm von Stöber. 97 BGH DNotZ 2005, 840, 841; OLG Hamm JMBlNW 1965, 233; Knees ZIP 2001, 1568, 1574. 98 Dazu Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 49 Rn 74 ff; Eickmann Immobiliarvollstreckung und Insolvenz (1998), Rn 49 ff; Hintzen Rpfleger 1999, 256 ff; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2341 f; Stöber NZI 1998, 105 ff; Vallender Rpfleger 1997, 353, 354 f; Wenzel NZI 1999, 101; Zimmermann NZI 1998, 57, 58. 99 Stöber NZI 1998, 105, 108. 561

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die Versteigerung die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert würde. Der Einstellungsantrag des Insolvenzverwalters ist, wenn einer dieser Gründe vorliegt, nur abzulehnen, wenn die Einstellung dem Gläubiger unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten ist (§ 30d I S 2 ZVG). Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die in § 30e I, II ZVG vorgesehenen Auflagen (Rn 67) zu berücksichtigen. Stellt der Insolvenzverwalter den Einstellungsantrag erst in letzter Minute, um so lange wie möglich die Zins- und Ausgleichsleistungen zu sparen, muss er damit rechnen, dass sein Antrag abgelehnt wird, weil ohne diese Leistungen die Einstellung dem Gläubiger nicht zugemutet werden könne.100 Meist werden die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger überwiegen.101 Allein der Umstand, dass im laufenden Versteigerungsverfahren ein dem Gläubiger günstiges Gebot abgegeben worden ist, wenn ein entsprechendes später nicht mehr erwartet werden kann, macht die einstweilige Einstellung nicht unzumutbar.102 Vielmehr ist der erwartete Nachteil abzuwägen gegen die Einbußen, die den Insolvenzgläubigern drohen, wenn die Zwangsversteigerung fortgesetzt wird, eine aussichtsreiche Unternehmensfortführung damit verhindert und der Wert der Insolvenzforderungen verkürzt wird. Den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung kann auch der Schuldner stellen, der einen Insolvenzplan vorgelegt hat, wenn dieser nicht nach § 231 zurückgewiesen worden ist und durch die Versteigerung die Durchführung des Insolvenzplans gefährdet würde (§ 30d II ZVG). Die Entscheidung über den Antrag des Verwalters oder des Schuldners ergeht nach § 30d III ZVG mit § 30b II S 1 ZVG durch Beschluss, gegen den nach § 30d III ZVG mit § 30b III ZVG die sofortige Beschwerde gegeben ist. Vor dem Beschluss sind der Insolvenzverwalter bzw beim Schuldnerantrag der Schuldner und der betreibende Gläubiger zu hören. Das Gericht kann in geeigneten Fällen mündliche Verhandlung anberaumen. Die Zwangsversteigerung ist einzustellen, wenn die Einstellungsvoraussetzungen glaubhaft gemacht sind (§ 30d III mit § 30b II ZVG). Der Versteigerungstermin soll erst nach Rechtskraft des die einstweilige Einstellung ablehnenden Beschlusses bekanntgemacht werden (§ 30d III mit § 30b IV ZVG). Die einstweilige Einstellung ist mit der Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit aus der Insolvenzmasse gezahlt werden. Ist das Versteigerungsverfahren schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 30d IV S 1 ZVG auf Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters eingestellt worden, so ist die Zahlung der Zinsen spätestens von dem Zeitpunkt anzuordnen, der drei Monate nach der ersten Einstellung liegt (§ 30e I S 2 ZVG). Wird das Grundstück für die Insolvenzmasse genutzt, ordnet das Gericht auf Antrag des betreibenden Gläubigers die Auflage an, dass der entstehende Wertverlust von der Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens an durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse auszugleichen ist (§ 30e II ZVG).103 Die Anordnung der Zins- und Ausgleichszahlungen unterbleibt, soweit nach der Höhe der Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastung des Grundstücks nicht mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Versteigerungserlös zu rechnen ist (§ 30e III ZVG). Die im eröffneten Insolvenzverfahren angeordnete Einstellung der Zwangsversteigerung ist nach § 30f I S 1 ZVG auf Antrag des Gläubigers aufzuheben, wenn alle Voraussetzungen für eine Einstellung fortgefallen sind,104 wenn die Auflagen nach § 30e ZVG nicht beachtet werden oder wenn der Insolvenzverwalter bzw beim Schuldnerantrag der Schuldner der Aufhebung zustimmt. Auf Antrag des Gläubigers ist die einstweilige Einstellung auch aufzuheben, wenn das

100 Knees ZIP 2001, 1568, 1577; Stöber NZI 1998, 105, 109. 101 OLG Braunschweig NJW 1968, 164; Stöber/Nicht ZVG22 § 30d Rn 6; Stöber NZI 1998, 105, 108. 102 AA Knees ZIP 2001, 1568, 1577; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2340; Wenzel NZI 1999, 101, 102; diff Stöber NZI 1998, 105, 109. 103 Dazu Rattunde/Smid/Zeuner/Depré/Popp InsO4 § 49 Rn 65; Knees ZIP 2001, 1568, 1577 f; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2341; Stöber NZI 1998, 105, 109; Wenzel NZI 1999, 101, 103. 104 Stöber NZI 1998, 105, 110; Wenzel NZI 1999, 101, 102. Hoffmann

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§ 49

Insolvenzverfahren beendet ist oder der Insolvenzverwalter das Grundstück freigibt.105 Vor der Entscheidung ist der Verwalter bzw der Schuldner zu hören (§ 30f III S 1 ZVG). Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt (§ 30f III S 2 mit § 30b III ZVG). Das Zwangsversteigerungsverfahren ist nach § 31 I S 2 ZVG aufzuheben, wenn der Gläubiger nicht binnen sechs Monaten nach dem Ende des Insolvenzverfahrens (§ 31 II lit c ZVG) den Antrag stellt, das Verfahren fortzusetzen. Auf Antrag des Insolvenzverwalters ist vom Vollstreckungsgericht nach § 153b I ZVG die voll- 69 ständige oder teilweise Einstellung der Zwangsverwaltung anzuordnen, wenn der Insolvenzverwalter glaubhaft macht, dass durch die Fortsetzung der Zwangsverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird.106 Die Einstellung ist mit der Auflage anzuordnen, dass die Nachteile, die dem betreibenden Gläubiger aus der Einstellung erwachsen, durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse ausgeglichen werden.107 Vor der Entscheidung des Gerichts sind der Zwangsverwalter und der betreibende Gläubiger zu hören. Auf Antrag des betreibenden Gläubigers ist die Anordnung der einstweiligen Einstellung aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Einstellung weggefallen sind, wenn die Auflagen des § 153b II ZVG nicht beachtet sind oder wenn der Insolvenzverwalter der Aufhebung zustimmt. Vor der Entscheidung ist der Insolvenzverwalter zu hören. Wird die Anordnung nicht vorher aufgehoben, enden ihre Wirkungen mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 153c II S 2 ZVG).

105 Stöber NZI 1998, 105, 110. 106 Eickmann Immobiliarvollstreckung und Insolvenz (1998), Rn 253 ff; Hintzen Rpfleger 1999, 256 ff; Knees ZIP 2001, 1568, 1576; Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2338; Wenzel NZI 1999, 101, 103; für Ausdehnung auf das Eröffnungsverfahren (Gesetzeslücke): Gerhardt in: Insolvenzrecht 1998 RWS-Forum 14, S 223 Fn 18; Klein ZInsO 2002, 1065 ff. 107 Dazu Lwowski/Tetzlaff WM 1999, 2336, 2339. 563

Hoffmann

§ 50 Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger (1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt. (2) 1Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters kann im Insolvenzverfahren wegen der Miete oder Pacht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens sowie wegen der Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, nicht geltend gemacht werden. 2Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks unterliegt wegen der Pacht nicht dieser Beschränkung.

Materialien 1. Ber InsRKomm, LS 3.4.1, 3.4.2; DiskE § 54; RefE § 54; RegE § 57, BR-Drucks 1/92 S 125, BT-Drucks 12/2443 S 125; BT-RA zum RegE § 57 BT-Drucks 12/7302.

Vorgängerregelungen § 48 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 259 ff; Begr EKO S 195 ff; KO-Prot S 39, 149; MzEG S 112; Begr z KO-Nov 1898 S 36; KommBer z KO-Nov 1898 S 1953. § 49 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 276 ff; Begr EKO S 208 ff; KO-Prot S 39 ff, 150; MzEG, S 112 ff; P II S 222, 223, 225 ff; P VI S 764; Begr z KO-Nov 1898 S 36 f, 59 f.

Literatur Adams Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte – Ein Beitrag zur Reform der Mobiliarsicherheiten (1980); Altmeppen Zur Rechtsnatur der handelsrechtlichen Pfandrechte, ZHR 157 (1993), 541; Barthen/Staab Das Pfandrecht des Vermieters und dessen Berücksichtigung in der Mieterinsolvenz, ZInsO 2018, 2225; Bechtloff Gesetzliche Verwertungsrechte (2003); C Berger Dingliche Sicherheiten für nachrangige Forderungen, KTS 2020, 1; Blaum Zurückbehaltungsrechte in der Insolvenz (2004); Bork Die Verbindung, Vermischung und Verarbeitung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter, FS Gaul (1997), S 71; Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011); Dorndorf Kreditsicherungsrecht und Wirtschaftsordnung (1986); ders/Frank Reform des Rechts der Mobiliarsicherheiten, ZIP 1985, 65; Drobnig Empfehlen sich gesetzliche Maßnahmen zur Reform der Mobiliarsicherheiten?, Gutachten F zum 51. Deutschen Juristentag (1976); Drukarczyk Mobiliargesicherte Gläubiger, Verfahrensbeitrag im Insolvenzverfahren und Kreditkonditionen, WM 1992, 1136; ders/Duttle/Rieger Mobiliarsicherheiten (1985); Duttle Ökonomische Analyse dinglicher Sicherheiten (1986); Eckert Das Vermieterpfandrecht im Konkurs des Mieters, ZIP 1984, 663; Ehricke Das Erlöschen des Vermieterpfandrechts bei Gewerberaummietverhältnissen im Eröffnungsverfahren, insbesondere durch einen Räumungsverkauf, KTS 2004, 321; ders Zum Entstehen eines Vermieterpfandrechts in der Insolvenz des Mieters, FS Gerhardt (2004), S 191; Elz Verarbeitungsklauseln in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers – Aussonderung oder Absonderung?, ZInsO 2000, 478; Funk Die Sicherungsübereignung in Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenz (1996); Ganter Das Vermieterpfandrecht an volatilen Gegenständen in der Insolvenz, FS Kayser (2019), S 231; Gaul Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters bei Mobilien trotz Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt, ZInsO 2000, 256; Gerhardt Der Raumsicherungsvertrag, FS Fischer (2008), S 149; Giesen Das Vermieterpfandrecht in der Insolvenz des Mieters, KTS 1995, 579; Görg Zur Berechnung des Ausfalls nach den §§ 50 Abs. 1 und 52 InsO, KTS 2006, 151; Grunsky Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung und Eigentumsvorbehalt in der Zwangsvollstreckung und im Konkurs des Schuldners, JuS 1984, 497; Gundlach/Frenzel/Schmidt Rechtsstellung des Absonderungsberechtigten im Fall der Verwertung eines Gegenstands nach § 166 InsO, ZInsO 2001, 537; Guski Sittenwidrigkeit und Gläubigerbenachteiligung (2007); Heese Die Dogmatik der Mobiliarsicherheiten, FS K Schmidt (2019), S 409; Henckel Wert und Unwert juristischer Konstruktion im Konkursrecht, FS Weber (1975), S 237; ders Zur Dogmatik der besitzlosen Mobiliarsicherheiten, FS Albrecht Zeuner (1994), S 193; Hoffmann J F Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016); ders Rangordnung und Rechtsfortbildung im Kreditsicherungsrecht, AcP 220 (2020), 377; ders Zur funktionalen Begrenzung künftiger Kreditsicherheiten mittels § 91 Abs. 1 InsO, KTS 2021, 327; ders Kreditsicherheiten und Sachbestandteile – Zum Verhältnis von Kreditsicherungsrecht und Sachenrecht im Europäischen Privatrecht, ZEuP 2022, 914; ders Die Vertragswidrigkeit einfacher Eigentumsvorbehalte zwischen Schuld- und Sachenrecht, JuS 2022, 697; Keller Geistiges

Hoffmann https://doi.org/10.1515/9783110666175-017

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§ 50

Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger

Eigentum als Kreditsicherheit, ZIP 2020, 1052; Klasmeyer/Elsner Zur Behandlung von Ausfallforderungen im Konkurs, FS Merz (1992), S 303; Klinck Sicherungseigentum als Mobiliarhypothek, AcP 221 (2021), 447; Mandlik Feststellungsvermerk bei Ausfallforderungen im Konkurs, Rpfleger 1980, 143; Mitlehner Haftpflichtanspruch und Absonderungsrecht nach § 110 VVG, ZIP 2012, 2003; Mösbauer Zur Sachhaftung verbrauchsteuer- und zollpflichtiger Waren (§ 76 AO), DStR 1987, 397; Niesert Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999); Oepen Das Pfandrecht des Frachtführers in der Insolvenz des Absenders, TransportR 2011, 89; Riggert Die Raumsicherungsübereignung: Bestellung und Realisierung unter den Bedingungen der Insolvenzordnung, NZI 2000, 241; Smid Zwangsvollstreckung und Passivprozess durch Sicherungsnehmer als Gläubiger und Kläger in der Insolvenz des Sicherungsnehmers, ZInsO 2001, 433; Stamm Die Insolvenzfestigkeit des einfachen Zurückbehaltungsrechts – Ein zivilrechtliches und insolvenzrechtliches Gebot, KTS 2021, 467; Thole Zivilprozessuale Probleme des Absonderungsrechts aus § 110 VVG nF in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, NZI 2011, 41; ders Das Absonderungsrecht aus § 110 VVG – sprachliche Verwirrungen und offene Fragen, NZI 2013, 665; von Wilmowsky Europäisches Kreditsicherungsrecht (1996).

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung 1 Verhältnis zur Konkursordnung Absonderungsrechte an beweglichen Gegenstän2 den

II. 1. 2.

Gegenstände des Pfandrechts 4 Vertragspfand Gesetzliche Pfandrechte und Pfändungspfand9 recht

III.

Massezugehörigkeit des Absonderungsob10 jekts

IV.

2. 3. 4.

Umfang des Rechts auf abgesonderte Befriedi11 gung Vertragspfandrecht und gesetzliche Pfand12 rechte 14 Pfändungspfandrecht 15 Verhältnis des Pfandrechts zur Forderung 16 Verrechnung des Verwertungserlöses

V. 1.

Die Bestellung des Vertragspfandrechts 17 Pfandrecht an Sachen

1.

2. 3.

23 Pfandrechte an Rechten Pfandrechtsbestellung durch Nichtberechtig29 ten

VI. 1.

30 Gesetzliche Pfandrechte BGB 31 a) Hinterlegungspfandrecht 34 b) Vermieterpfandrecht 62 c) Verpächterpfandrecht 63 d) Landverpächterpfandrecht 64 e) Pächterpfandrecht 67 f) Werkunternehmerpfandrecht 68 g) Pfandrecht des Gastwirts HGB 69 a) Kommissionär 70 b) Frachtführer 71 c) Spediteur 72 d) Lagerhalter Pfandrechte des See- und Binnenschiffhan73 dels 75 Früchtepfandrecht 76 Opferanspruchssicherungsgesetz

2.

3. 4. 5.

VII. Pfändungspfandrecht

77

Alphabetische Übersicht Akzessorietät 15 Binnenschiffe 74 Bodenerzeugnisse 4 f Briefhypothek 27 Diskontierung 28 Eigentumsvorbehalt 40, 57, 75 Einbringen 36, 39, 58 Erlöschen des Pfandrechts 27, 50, 54 f, 67, 72 Erzeugnisse 7, 9 Forderungspfandrecht 8, 25 Frachtführer 9, 29, 69, 70 ff Früchte 4, 7, 9, 40, 63, 75 565

Früchtepfandrecht 75 Gastwirt 29, 68 Gebrauchsmuster 24 Geschmacksmuster 24 Hinterlegungspfandrecht 31 ff Hypothek 6, 8, 27 f, 42, 58, 67, 79 Immaterialgüterrecht 5 Indossament 28 Inhaberpapier 4, 28 f, 42 Inventar 21, 43, 62, 64 ff, 75 Inventarpfandrecht 21, 63, 75 Kommissionär 9, 29, 69 Hoffmann

§ 50

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Kontokorrent 13 Lagerhalter 29 f, 72 Landverpächterpfandrecht 63 Marke 24 Mietansprüche 5, 34 ff Nebenleistungen 13 Nutzpfandrecht 7 Orderpapier 28 f, 42 Pächterpfandrecht 64 ff Pachtansprüche 5, 62 ff Patent 24 Pfändbarkeit 4, 25, 43 Pfandrecht, gesetzliches 7, 9, 13, 29, 30 ff, 66 f, 70, 73, 76 Pfandrechtsbestellung 12, 17 ff, 29 f Pfändungspfandrecht 1, 4, 7, 9, 14 f, 29, 63, 75, 77 ff – Verwertung 80 Rang 3, 6, 12, 22, 37, 39, 46, 55, 58, 60, 70 ff, 75, 80 Sachen 4 ff, 9, 28 f, 34, 36 ff, 63 ff, 67, 68, 73 f – bewegliche 4 f, 8, 28 f, 40, 42, 65, 67, 74 – eingebrachte 9, 34, 36 ff, 42, 45 ff, 51 ff, 63, 68 – pfändbare 34, 39 – unbewegliche 67 – unpfändbare 43, 63 Seeschiffe 73 f

Sicherungsvereinbarung 12 Spediteur 29 f, 71 Surrogate 7 Teilleistungen 2 Tilgungsreihenfolge 16 Unpfändbarkeit 25, 43 Urheberrecht 23 Vermieterpfandrecht 34 ff, 62 f, 68, 75 – Einschränkungen 60 f – Kommanditgesellschaft 59 – offene Handelsgesellschaft 59 – Pfändung 54 – Sicherheitsleistung 56 – Sicherungsübereignung 37, 43, 58 – Verfolgungsfrist 53 f – Verwertung 49 ff Verpächterpfandrecht 62 Versicherungsansprüche 7, 26 Verwendungen 2, 13 Vorpfändung 79 Vorrang 5, 8, 16, 37, 46, 63 Werkunternehmerpfandrecht 46, 67 Werkvertrag 67 Zubehör 5, 7, 47, 58, 74

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Konkursordnung 1 § 50 I entspricht zunächst dem Inhalt des § 48 KO, der lediglich das durch ein rechtsgeschäftlich bestelltes Pfandrecht begründete Absonderungsrecht zum Gegenstand hatte. Er übernimmt ferner den Inhalt der Nr 2 des § 49 I KO, in der die gesetzlichen Pfandrechte und das Pfändungspfandrecht aufgeführt waren. § 50 II entspricht dem 2. Halbsatz der Nummer 2 des § 49 I Nr 2 KO hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung des Absonderungsrechts des Vermieters oder Verpächters mit der vom Rechtsausschuss des Bundestages vorgenommenen Klarstellung, dass maßgeblicher Zeitraum nicht das letzte Kalenderjahr ist. Inhaltliche Änderungen enthält § 50 nicht. Kommentare und Rechtsprechung zu den genannten Bestimmungen der KO sind deshalb uneingeschränkt verwendbar.

2. Absonderungsrechte an beweglichen Gegenständen 2 §§ 50 und 51 beziehen sich, wie der Gegensatz zu § 49 ergibt, auf die abgesonderte Befriedigung aus Gegenständen, die iSd Geldvollstreckung zum beweglichen Vermögen gehören (vgl §§ 803– 863 ZPO). § 50 handelt vom Vertragspfandrecht, von den gesetzlichen und von den durch Pfändung erwirkten Pfandrechten, § 51 von der Sicherungsübertragung (Nr 1), den Zurückbehaltungsrechten wegen nützlicher Verwendungen (Nr 2) und den kaufmännischen Zurückbehaltungsrechten (Nr 3) sowie den Sicherheiten der öffentlichen Hand für öffentliche Abgaben (Nr 4). Für die Absonderungsrechte beider Paragraphen gilt der Grundsatz des § 367 BGB und in seinem Anwendungsbereich (§ 491 BGB) der abweichende Grundsatz des § 497 III S 1 BGB über die Anrechnung von Teilleistungen auf Kosten, Zinsen und Hauptleistung (Rn 16).

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Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger

§ 50

Den Rang mehrerer an ein und demselben Gegenstand bestehender Absonderungsrechte be- 3 stimmen die einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften und § 76 I AO, der wiederum eine Einschränkung durch § 602 S 2 HGB erfährt. Die Kollision unterschiedlicher Kreditsicherheiten wird im Ausgangspunkt durch das Prioritätsprinzip bewältigt, das freilich in der Rechtsprechung des BGH zahlreiche Modifikationen erfahren hat. Einzelheiten zu den Rangfragen bei § 51 Rn 9, 19 ff, 36 ff, 70 ff.

II. Gegenstände des Pfandrechts 1. Vertragspfand Gegenstand eines Pfandrechts nach dem Sprachgebrauch des BGB können bewegliche Sachen (§ 90 BGB) und übertragbare Rechte sein (§§ 1273, 1274 II BGB) einschließlich der Forderungen (§ 1279 BGB), auch aus Order- und Inhaberpapieren (§§ 1292, 1293 BGB). Früchte auf dem Halm oder Stamm oder in der Erde können zwar ohne die Hauptsache in gewissen Grenzen selbständig gepfändet werden (§§ 810 I, 824 ZPO, §§ 21 I, 148 I ZVG), ein entsprechendes Vertragspfandrecht kann aber an den ungetrennten Früchten nicht begründet werden. Ein Mobiliarabsonderungsrecht an ungetrennten Bodenerzeugnissen kann deshalb nur als Pfändungspfandrecht entstehen. Auch sonst decken sich Pfändbarkeit und Verpfändbarkeit nicht vollkommen. Verpfänden kann der Eigentümer auch Sachen, die nach § 811 I ZPO unpfändbar sind. Bei Rechten wird zwar für die Pfändbarkeit und die Verpfändbarkeit grundsätzlich auf die Übertragbarkeit abgestellt (§§ 400, 413, 1274 II BGB, §§ 851 I, 857 I ZPO). Wird aber trotz Unübertragbarkeit die Pfändung eines Rechtes gestattet (zB §§ 851 II, 857 III ZPO), so ist damit nicht auch seine Verpfändung zugelassen. An beweglichen Sachen und Rechten besteht kein Absonderungsrecht des § 50, soweit sie, insbesondere als getrennte oder ungetrennte Bodenerzeugnisse, als Zubehörstücke, als Ansprüche auf Miete, Pacht und Versicherungsleistungen (§§ 1120–1130 BGB) der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (§ 865 I ZPO) und von einer solchen mit Vorrang erfasst worden sind. Insoweit unterliegen sie der Absonderung nach § 49. Dasselbe gilt sowohl für Berechtigungen, auf welche die für Grundstücke geltenden Vorschriften anzuwenden sind, als auch für eingetragene Schiffe (§ 864 I ZPO). Beschlagsfähige Immaterialgüterrechte1 gehören nach § 857 I ZPO iSd Geldvollstreckung zur beweglichen Zugriffsmasse. Die durch Verpfändung oder Pfändung solcher Rechte begründete Haftung gewährt nach § 50 ein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Denn Gegenstand iSd § 50 ist auch ein beschlagsfähiges Immaterialgüterrecht. Fahrnis- und Liegenschaftsabsonderung können zusammentreffen, wenn Gegenstände, die mit dem Grundstück oder Schiff haften, im Rahmen des nach § 865 II S 2 ZPO Zulässigen gepfändet werden. Denkbar ist aber auch, dass ein Vertragspfandrecht mit einer Immobiliarhaftung zusammentrifft, so zB wenn der Schuldner sein Grundstück mit einer Hypothek belastet und danach die Pachtforderung einem Dritten verpfändet hat. Soweit die Verpfändung dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam ist, geht der Forderungspfandgläubiger dem Hypothekengläubiger im Range vor (§ 1124 I S 2 BGB). Den Kreis der Gegenstände, auf die sich die Pfandhaftung erstreckt, begrenzt das sonstige bürgerliche Recht. Es gewährt abgesonderte Befriedigung auch aus Erzeugnissen, die vom Pfand getrennt wurden (§ 1212 BGB), wie zB das Tierjunge, und zwar selbst dann, wenn die Erzeugnisse bei der Trennung nicht dem Eigentümer der Muttersache zufallen (§§ 953 ff BGB), es sei denn, das Fruchterwerbsrecht des Dritten (zB des Nießbrauchers) geht dem Pfandrecht vor. Das Fahrnispfand kann aber nicht nur Substanzverwertungsrecht, sondern zugleich Nutzungsrecht sein (§ 1213 BGB). Besteht ein solches Nutzpfandrecht, erwirbt der Pfandgläubiger als solcher an den Erzeugnissen der Pfandsache mit der Trennung das Eigentum (§ 954 BGB), also das Aussonde1 Vgl etwa MünchKomm/Peters InsO4 § 35 Rn 305 ff. 567

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§ 50

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

rungsrecht (§ 47). Regelmäßig ist aber das Fahrnispfand ein bloßes Substanzverwertungsrecht. Mittelbare Früchte und Versicherungsansprüche ergreift es nicht von selbst. Auch nicht Ersatzansprüche wegen Beschädigung oder Zerstörung der Pfandsache. Zubehör (§ 97 BGB) bedarf ebenfalls eigener Verpfändung, wenn diese auch aufgrund des Versprechens einer Verpfändung der Hauptsache im Zweifel vom Gläubiger gefordert werden kann (§ 311c BGB). An getrennten Bestandteilen, die nicht Erzeugnisse sind, setzt sich das Pfandrecht fort. Von mehreren Pfandsachen haftet jede für die ganze Pfandsumme (§ 1222 BGB). Auf Surrogate kann sich ein Sachpfandrecht beziehen, wenn ein Pfandgläubiger, der neben anderen an derselben Sache ein vertragliches oder gesetzliches Pfandrecht hat, diese verwertet. Das Pfandrecht der anderen Pfandgläubiger setzt sich dann am Erlös fort (§ 1247 S 2 BGB). Surrogation tritt ferner ein, wenn eine gepfändete Sache zwangsversteigert wird. Das Pfändungspfandrecht erfasst den noch nicht an den Gläubiger ausgezahlten Erlös.2 Entsprechendes gilt, wenn der Insolvenzverwalter eine Sache nach § 166 I verwertet: Das Pfandrecht besteht am Erlös fort, solange dieser unterscheidbar vorhanden ist (siehe § 48 Rn 63). 8 Das Pfandrecht an einer Forderung ergreift auch deren Zinsen nach Maßgabe des § 1289 BGB, doch kann diese Mithaftung durch Vertrag ausgeschlossen werden. Das Pfandrecht an einem Wertpapier erstreckt sich auf die zum Papiere gehörenden Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine nur, wenn sie dem Pfandgläubiger mit übergeben worden sind, und im Zweifel nur vorbehaltlich der Befugnis des Verpfänders oder seines Insolvenzverwalters, die vor Eintritt des Pfandverwertungsrechtes fällig gewordenen Scheine herauszuverlangen (§ 1296 S 2 BGB). Ist die Forderung auf Leistung einer beweglichen Sache gerichtet, so setzt es sich an dieser fort, wenn der Schuldner die Sache leistet. Ist die Übereignung eines Grundstücks geschuldet, so erwirbt der Pfandgläubiger mit der Leistung des Schuldners eine Sicherungshypothek (§ 1287 S 2 BGB). Ist eine Geldforderung mehrfach verpfändet, so findet bei Einziehung durch einen Pfandgläubiger (§ 1290 BGB) keine Surrogation statt. Denn der Schuldner wird nur insoweit befreit, als die Forderung dem Einziehenden gebührt (§ 1282 I BGB). Im Übrigen bleibt sie bestehen und mit ihr das Pfandrecht. Wird die Forderung von einem Pfändungsgläubiger eingezogen mit der Maßgabe, dass der Erlös zu hinterlegen ist, so setzt sich ein vorrangiges Pfandrecht an dem Erlös fort. Entsprechendes gilt, wenn der Schuldner bei mehrfacher Pfändung nach § 853 ZPO hinterlegt.

2. Gesetzliche Pfandrechte und Pfändungspfandrecht 9 Der Gegenstand eines gesetzlichen Pfandrechts wird durch die rechtsbegründende Norm festgelegt. So besteht zB das Pfandrecht des Vermieters und des Verpächters an den vom Mieter bzw Pächter eingebrachten Sachen (§§ 562, 581 II BGB), bei der Landpacht darüber hinaus an den Früchten der Pfandsache (§ 592 BGB). Haftungsobjekt sind kraft der Verweisung des § 1257 BGB auch die Erzeugnisse der eingebrachten Sache (§ 1212 BGB), also bei der Landpacht zB die Jungen der eingebrachten Tiere. Das Pfandrecht des Kommissionärs besteht an dem Kommissionsgut (§ 397 HGB), auch wenn er dessen Eigentümer ist (§ 398 HGB), das des Frachtführers an dem Frachtgut und den Begleitpapieren (§ 440 HGB). Gegenstand des Pfändungspfandrechts ist nur die gepfändete Sache bzw das gepfändete Recht.

III. Massezugehörigkeit des Absonderungsobjekts 10 Der Gegenstand, an dem das Pfandrecht besteht, muss zur Insolvenzmasse gehören. Wer für eine Insolvenzforderung durch ein Pfandrecht am Gegenstand eines Dritten gesichert ist, hat im Insolvenzverfahren des Schuldners kein Absonderungsrecht. § 52 ist nicht anwendbar, sodass der Insolvenzgläubiger seine Forderung uneingeschränkt geltend machen kann. Daneben kann er sich 2 MünchKomm/Gruber ZPO6 § 803 Rn 39, § 804 Rn 28; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 803 Rn 10, § 804 Rn 20. Hoffmann

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Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger

§ 50

aus dem Pfand befriedigen. Eine Grenze ist ihm nur durch die Höhe seiner Forderung gesetzt.3 Gleiches gilt, wenn der belastete Gegenstand zwar dem Schuldner gehört, aber als pfändungsfreier Gegenstand nicht zur Masse gehört (§ 36 I).

IV. Umfang des Rechts auf abgesonderte Befriedigung Vertragspfandgläubiger, Pfändungspfandgläubiger und Inhaber eines gesetzlichen Pfandrechts 11 haben nach § 50 abgesonderte Befriedigung zu beanspruchen nur wegen ihrer durch das Pfand gesicherten Forderung. Wegen anderer Forderungen desselben Gläubigers gegen den verpfändenden Schuldner können sie keine abgesonderte Befriedigung aus dem Pfandobjekt verlangen.

1. Vertragspfandrecht und gesetzliche Pfandrechte Welche Forderungen durch das Pfand gesichert sind, bestimmt beim Vertragspfandrecht die 12 zugrunde liegende Sicherungsvereinbarung. Pfandrechte können auch für künftige Forderungen bestellt werden (§ 1204 II mit § 1209 BGB), auch für alle irgendwann und irgendwie erwachsenden Forderungen dieses Gläubigers gegen diesen Schuldner (Beispiel: Nr 14 II AGB-Banken,4 Nr 21 III AGB-Sp5). Sie müssen aber hinreichend bestimmt sein und zwar schon zur Zeit des Pfandvertrages. Ob der Pfandgläubiger auch dann absonderungsberechtigt ist, wenn die gesicherte Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht,6 muss anhand von § 91 I nach Maßgabe der Funktionalität des Kreditsicherungsrechts entschieden werden.7 Die Frage der Besicherung künftiger Forderungen stellt sich dabei nicht nur im Rahmen akzessorischer, sondern auch bei nicht akzessorischen Kreditsicherheiten. Zu erkennen ist im Ausgangspunkt, dass § 1209 BGB keinen Zweifel daran lässt, dass das gemäß § 1204 II BGB für eine künftige Forderung eingeräumte Pfandrecht bereits vor Valutierung den Rang sichert. Es ist aber zu betonen, dass die Rangfrage die Insolvenzfestigkeit nicht zwingend präjudiziert.8 Es ist eine Sache, einem Sicherungsnehmer den Vorrang vor konkurrierenden anderen Sicherungsnehmern einzuräumen, und eine andere Sache, seine Position für insolvenzfest zu erklären. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um Konkurrenzsituationen hinsichtlich der Haftungsmasse des Schuldners. Konkurrierende Sicherungsnehmer können ihre Risikoentscheidung aber gegenüber gegebenenfalls auch rangwahrenden künftigen Kreditsicherheiten anpassen, während unbesicherte Insolvenzgläubiger regelmäßig nicht entsprechend anpassungsfähig sind. Unter funktionalen Gesichtspunkten ist bei der Handhabung von § 91 I nicht der „Entstehungszeitpunkt“ der gesicherten Forderung für maßgeblich zu erklären, sondern der Zeitpunkt, in dem der Sicherungsnehmer das zu besichernde Risiko bereits gegenwärtig übernommen hat, auch wenn die zu besichernde Forderung künftig erst noch „entsteht“. Im Rahmen von § 91 I ist kreditsicherungsrechtlich relevant, ob der Sicherungsnehmer den Eintritt des Risikos noch verhindern kann, vor dem ihn die Kreditsicherheit schützen sollte. Ausschlaggebend ist also, ob der Sicherungsnehmer das Bonitätsrisiko bereits vor Verfahrenseröffnung übernommen hat. Soweit das (Grund)Pfandrecht eine Darlehensforderung besichert, die als solche deshalb „künftig“ ist, weil das Darlehen noch nicht valutiert worden 3 4 5 6

RGZ 59, 367; 74, 234; 156, 278. In der Fassung vom 1.6.2021. In der Fassung vom 1.9.2021. Dafür BGH ZIP 2022, 491, Rn 25 ff; Jauernig/Berger ZwVInsR23 § 40 Rn 35 (aA aber jetzt Jauernig/Berger/Thole InsR24 § 18 Rn 13 f); MünchKomm/Ganter InsO4 vor §§ 49–52 Rn 35; Jaeger/Henckel InsO1 § 50 Rn 12; aA Gottwald/Haas/ Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 37; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 3; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 50 Rn 11; Jaeger/Windel InsO1 § 91 Rn 31; für § 91 letztlich offenlassend BGHZ 170, 196, Rn 11 ff = NJW 2007, 1588, Rn 11 ff. 7 Siehe J F Hoffmann KTS 2021, 327, 332 ff. 8 So aber etwa BGH ZIP 2022, 491, Rn 27 (dazu krit J F Hoffmann EWiR 2022, 221); Jaeger/Henckel InsO1 § 50 Rn 12. 569

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

ist, so kann eine eventuelle Valutierung nach Verfahrenseröffnung gemäß § 91 I die Kreditsicherheit nicht mehr vervollständigen.9 Zum Vermieterpfandrecht siehe Rn 39. 13 Der Umfang der Pfandhaftung bestimmt sich mangels abweichender Übereinkunft der Beteiligten nach dem jeweiligen Bestand der Forderung (§ 1210 I S 1 BGB). Deshalb haften das Vertragspfand und das gesetzliche Pfandrecht (§ 1257 BGB) nicht bloß für die Hauptschuld, auch in ihrer Erweiterung, insbesondere durch Verschulden und Verzug (vgl § 767 I S 2 BGB), sondern ebenso für Nebenleistungen, wie Vertragsstrafen und rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Zinsen, weiter für rückständige Zinsen, soweit sie nicht verjährt sind (§ 216 III BGB). Auch für die Ansprüche des Pfandgläubigers auf Ersatz von Verwendungen (§ 1216 BGB), für die ihm zu erstattenden Kosten der Kündigung und Rechtsverfolgung sowie für die Kosten des Pfandverkaufs haftet das Pfand (§§ 1210 II, 1273 II S 1 BGB). Wird die pfandgesicherte Forderung in ein kaufmännisches Kontokorrent eingestellt (§§ 355 ff HGB), hat der Gläubiger nach der Saldofeststellung zwar nicht mehr für die eingestellte Forderung, wohl aber bis zu ihrer Höhe für sein Kontokorrentguthaben abgesonderte Befriedigung aus dem Pfandgegenstand zu beanspruchen (§ 356 HGB).

2. Pfändungspfandrecht 14 Das Pfändungspfandrecht sichert die titulierte Forderung, wegen der die Zwangsvollstreckung betrieben wird, in dem im Titel festgelegten Umfang.

3. Verhältnis des Pfandrechts zur Forderung 15 Das Pfandrecht des BGB ist streng akzessorisch. Es geht mit der Forderung auf einen neuen Gläubiger über, kann von der Forderung nicht losgelöst werden und besteht grds10 nicht, wenn die Forderung nicht existiert und erlischt, wenn die entstandene Forderung untergeht oder unter Ausschluss des Pfandrechtsüberganges übertragen wird (§§ 1250, 1252, 1273 II S 1 BGB). Ob das Pfändungspfandrecht akzessorisch ist, ist heftig umstritten.11 Darauf braucht hier nicht im Einzelnen eingegangen zu werden. Denn auch die öffentlich-rechtliche Theorie, die eine Akzessorietät leugnet, konzediert, dass ein Absonderungsrecht des Vollstreckungsgläubigers nicht mehr besteht, wenn die Forderung, wegen der vollstreckt worden ist, erloschen ist, mag auch die öffentlichrechtliche Verstrickung noch bestehen.12 Ist die Forderung nicht entstanden, aber tituliert, kann der Gläubiger dennoch abgesonderte Befriedigung verlangen. Das folgt jedenfalls aus der Bindung des Schuldners an den Inhalt der im Titel getroffenen Feststellung der Forderung. Das Absonderungsrecht ist demnach so lange anzuerkennen, wie eine solche Bindung besteht. Der Insolvenzverwalter kann sich der abgesonderten Befriedigung aus dem gepfändeten Gegenstand deshalb nur widersetzen, wenn er die Bindung, etwa durch Rechtsmittel gegen das Urteil oder durch Wiederaufnahme, beseitigen kann.

4. Verrechnung des Verwertungserlöses 16 Reicht der Pfanderlös zur Deckung der gesicherten Forderung nicht aus, muss feststellbar sein, wie der Erlös auf die Hauptforderung, Nebenforderungen, Zinsen und Kosten zu verrechnen ist. 9 Siehe weiter J F Hoffmann KTS 2021, 327, 336 ff. 10 Eingehend hierzu J F Hoffmann ZfPW 2019, 257 ff. 11 Dagegen vor allem Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 804 Rn 8 mit umfangreichen wN und Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 804 Rn 8; grundsätzlich für Akzessorietät: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZwVR12 § 50 Rn 65 mN in Fn 99; Henckel Prozessrecht und materielles Recht (1970), S 309 ff. 12 Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 804 Rn 25. Hoffmann

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Anders als § 48 KO13 und § 57 des Regierungsentwurfs der InsO enthält § 50 dazu keine Regelung. Im Bericht des Rechtsausschusses heißt es zu § 57: „Die in § 57 I S 2 des Regierungsentwurfs vorgesehene Tilgungsreihenfolge entspricht der Regelung in § 367 I BGB und § 11 III Verbraucherkreditgesetz, jetzt § 497 III BGB. Diese Vorschriften finden Anwendung, ohne dass es einer ausdrücklichen Wiederholung der Tilgungsreihenfolge im Bereich des Insolvenzrechts bedarf.“ Damit steht fest, dass die Worte „für Hauptforderung, Zinsen und Kosten“ in § 50 I nichts über die Tilgungsreihenfolge sagen sollen, sondern nur festlegen, für welche Forderungen das Pfand haftet.14 Aus § 367 I BGB ergibt sich, dass mangels abweichender Vereinbarung eine nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und danach erst auf die Hauptleistung anzurechnen ist.15 Dementsprechend erlischt das Pfandrecht nach § 1252 BGB unter Berücksichtigung dieser Reihenfolge. Das ist wichtig für die Anwendung des § 52. Sind Zinsen und (oder) Kosten der Rechtsverfolgung nicht gedeckt, kann nach § 52 die Ausfallforderung nur als nachrangige Forderung (§ 39 I Nr 1 und 2) geltend gemacht werden. Der Vorrang von Kosten und Zinsen wirkt sich für den Pfandgläubiger also günstig aus,16 weil die Hauptforderung durch den Verwertungserlös nur erlöschen kann, wenn Kosten und Zinsen gedeckt sind. Zum Schutz des Verbrauchers (§ 13 BGB) wird nach § 497 III S 1 BGB die Hauptforderung vor den Zinsen gedeckt. Kosten sind die Kosten der Kündigung, der Rechtsverfolgung des persönlichen wie des dinglichen Anspruchs (§§ 91 ff, 788 ZPO) und des Pfandverkaufs (§§ 1219 ff, 1233 ff, 1293, 1295 BGB). Zinsen kommen als gesetzliche und als vertraglich vereinbarte in Betracht. Hauptforderung ist nicht nur die ursprüngliche, sondern auch die insbesondere durch vertragswidriges Verhalten des Schuldners bewirkte veränderte oder erweiterte Schuld (Vertragsstrafe, Schadensersatz, Verzugsschaden). Die nach § 1210 II BGB durch das Pfand gedeckten Verwendungsersatzansprüche (Ersatzpflicht des Eigentümers: §§ 994 ff, des Verpfänders: §§ 1216, 683 ff BGB) sind in den §§ 367 I und 497 III S 1 BGB nicht aufgeführt. Sie bilden selbständige Forderungen, die sich nach dem gesetzlichen Sprachgebrauch (§ 1210 II BGB) von den Kosten unterscheiden, aber auch nicht als bloße Erweiterung der Hauptschuld zu behandeln sind. Sie werden daher nach dieser zu verrechnen sein. Dass die aus demselben Recht erwachsenen Ansprüche von ein und derselben Person verfolgt werden, ist nicht erforderlich. Vielmehr kann zB die Zinsforderung oder der Anspruch auf Vertragsstrafe durch Abtretung in eine andere Hand gelangt sein.

V. Die Bestellung des Vertragspfandrechts 1. Pfandrecht an Sachen Ein Pfandgläubiger ist nur absonderungsberechtigt, wenn das Pfandrecht im Zeitpunkt der Eröff- 17 nung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden ist oder während des Verfahrens durch Rechtsgeschäfte des Insolvenzverwalters wirksam entsteht.17 Zur Bestellung des Pfandrechts bedarf es der Einigung zwischen dem Eigentümer bzw Insolvenzverwalter und dem Gläubiger und der Übergabe (§ 1205 I S 1 BGB). Die Einigung ist formlos und kann darum auch stillschweigend geschehen. Sie muss sich 18 auf einen einzelnen Gegenstand oder eine abgegrenzte Gesamtheit von Gegenständen beziehen 13 Dazu Jaeger KuT 1933, 161; RG JW 1938, 892. 14 Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 50 Rn 28; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 52, § 52 Rn 14 ff; FK/Imberger InsO9 § 50 Rn 30, § 52 Rn 13; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 50 Rn 39; aA hinsichtlich § 367 I BGB MünchKomm/ Ganter InsO4 Vor §§ 49–52 Rn 59c; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 52 Rn 5. 15 BGH NJW-RR 2011, 688, Rn 10 ff; BGH NJW 2015, 162, Rn 19. 16 Der Nachrang gem § 39 I Nr 1 und 2 steht einer Mitbesicherung durch das Absonderungsrecht nicht entgegen; siehe BGH NJW 2008, 3064; MünchKomm/Ganter InsO4 vor §§ 49–52 Rn 59; K Schmidt/Thole InsO19 § 50 InsO Rn 1 und eingehend C Berger KTS 2020, 1, 10 ff. 17 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 2. 571

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(Grundsatz der Spezialität). Letzterem Erfordernis genügt es, wenn ein gesamtes Waren- oder Materiallager in seinem wechselnden Bestand verpfändet wird, der sich in einem abgegrenzten Raum befindet.18 Reale Teile eines Warenlagers können ohne individuelle Bestimmung des Gegenstandes der Verfügung nicht verpfändet werden. Eine bloß mengenmäßige Individualisierung („25 Tonnen eines Lagerbestands“) genügt nicht.19 Bei Hingabe offener Gelder als Sicherheit wird der Wille der Beteiligten regelmäßig nicht auf eine Verpfändung gerichtet sein, sondern auf Eigentumsübertragung mit Erstattungspflicht. Auch beim echten Geldpfandrecht vollzieht sich die abgesonderte Befriedigung nicht im Wege der Verwertung, sondern durch Aneignung. 19 Die Übergabe ist notwendig, weil das Pfandrecht des BGB als Besitzpfand ausgestaltet ist, damit die Verpfändung für Dritte erkennbar ist (Grundsatz der Publizität). Über den damit angestrebten Schutz Dritter können die Vertragspartner nicht disponieren. Übergabe ist die vom Willen des Eigentümers getragene Verschaffung des Besitzes, sei es eines unabgestuften oder bei Besitzabstufung iSd § 868 BGB des unmittelbaren Besitzes. Bei der Verpfändung des Warenlagers (Rn 18) muss dem Pfandgläubiger der ausschließliche Zugang zu dem Raum verschafft werden. Es genügt aber auch hier die Einräumung des Mitbesitzes, wenn Eigentümer und Pfandgläubiger nur zusammen Zugang haben (§ 1206 BGB).20 Behält der Verpfänder einen zweiten Schlüssel zurück, fehlt es jedenfalls dann an der Übergabe, wenn dies im Einverständnis mit dem Gläubiger geschieht.21 Hat er aber den oder die einzigen Schlüssel übergeben, wird das Pfandrecht nicht dadurch unwirksam, dass er sich einen weiteren Schlüssel anfertigt oder beschafft. Eine Übergabe der Sache iSd § 1205 I S 1 BGB wird auch durch die Übergabe eines Traditionspapiers bewirkt (vgl §§ 448, 475g, 524 HGB).22 Ist der Gläubiger bereits im Besitz der Sache, bedarf es keiner Übergabe. Es genügt die Einigung (§ 1205 I S 2 BGB). Befindet sich die Sache im mittelbaren Besitz des Eigentümers, kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer den mittelbaren Besitz auf den Pfandgläubiger überträgt (§ 870 BGB) und die Verpfändung dem unmittelbaren Besitzer anzeigt (§ 1205 II BGB). Durch Besitzkonstitut (§ 930 BGB) kann ein Pfandrecht nicht bestellt werden. 20 Dem Publizitätsprinzip entspricht es, dass das Pfandrecht erlischt, wenn der Pfandgläubiger die Pfandsache dem Verpfänder oder dem Eigentümer zurückgibt (§ 1253 I S 1 BGB). Unfreiwilliger Besitzverlust hebt das Pfandrecht nicht auf.23 Der Pfandgläubiger kann vom nichtberechtigten Besitzer, auch vom Insolvenzverwalter des Verpfänders, Eigentümers oder dritten Besitzers die Herausgabe des Pfandes verlangen (§§ 1227, 985 BGB). Eine Verfolgungsfrist ist beim Vertragspfandrecht nicht gesetzt (anders §§ 562b II S 2, 704 S 2 BGB). Der Herausgabeanspruch ist nur dann Aussonderungsanspruch, wenn der Insolvenzverwalter die Inhaberschaft am Pfandrecht für die Masse in Anspruch nimmt. Soweit die Masse eine Eigentümerstellung für sich in Anspruch nimmt, ist jeder Streit zwischen einem Pfandrechtsinhaber und einem Insolvenzverwalter, auch wenn er auf Herausgabe gerichtet ist, ein Absonderungsstreit, da final die bevorrechtigte Befriedigung aus der Masse bezweckt wird (§ 47 Rn 31, 112). 21 Ohne Besitzübertragung und ohne Registrierung kann der Pächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks das ihm gehörende Inventar dem jeweiligen Bestande nach einem zugelassenen Kreditinstitut zur Sicherheit für ein von diesem gewährtes Darlehen verpfänden (§§ 1, 3 PachtkredG). Die Bestellung des Pfandrechts erfordert schriftliche Einigung und Niederlegung des Verpfändungsvertrages beim Amtsgericht des Betriebssitzes (§ 2 I PachtkredG). Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb von Inventarstücken ist ausgeschlossen (§ 5 I PachtkredG). Das Pfand-

Baur/Stürner SachenR18 § 55 Rn 5. RGZ 52, 385. RGZ 53, 218; 67, 421; 85, 438; RG SeuffArch 62 Nr 57; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 8. Vgl RGZ 103, 100; RG Recht 1928 Nr 39; RG JW 1922, 219; MünchKomm/Damrau BGB8 § 1205 Rn 10; Erman/J Schmidt BGB16 § 1206 Rn 3; aA Soergel/Habersack BGB13 § 1205 Rn 19; Staudinger/Wiegand BGB (2019) § 1206 Rn 4. 22 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 10. 23 MünchKomm/Damrau BGB8 § 1253 Rn 3; Soergel/Habersack BGB13 § 1253 Rn 4.

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recht erlischt, wenn das Inventarstück vor seiner gerichtlichen Geltendmachung im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaft veräußert und vom Grundstück entfernt wird (§ 5 II PachtkredG). Besitzlose Vertragspfandrechte des § 448 ZGB und Vertragspfandrechte an einer Forde- 22 rung (§ 449 ZGB), die vor dem Ende des Tages vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR am 3.10.1990 wirksam begründet worden sind, bleiben mit dem sich aus dem ZGB ergebenden Inhalt und Rang bestehen (Art 233 § 3 I EGBGB).24

2. Pfandrechte an Rechten Rechte werden im Allgemeinen in der Weise verpfändet, wie sie übertragen werden (§ 1274 I S 1 BGB). Rechte, die nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden können, wie zB das Urheberrecht, können deshalb grundsätzlich nicht verpfändet werden. Allein durch Vertrag werden zB verpfändet: das Recht auf das Patent, der Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent (§ 1274 I S 1 BGB, § 15 I S 2 PatG), das Recht auf das Gebrauchsmuster, der Anspruch auf seine Eintragung und das durch die Eintragung begründete Recht (§ 1274 I S 1 BGB, § 22 I S 2 GebrMG), das Recht, ein gewerbliches Muster oder Modell ganz oder teilweise nachzubilden (§ 1274 I S 1 BGB, § 30 I Nr 1 DesignG) und das durch die Eintragung, die Benutzung oder die notorische Bekanntheit einer Marke begründete Recht (§ 1274 I S 1 BGB, § 29 I Nr 1 MarkenG). Die Eintragung (§ 30 III PatG, § 8 IV GebrMG, § 30 II DesignG, § 29 II MarkenG) ist nicht konstitutiv. Forderungen können verpfändet werden, soweit sie übertragbar und pfändbar sind (§§ 1274 I S 1, 399, 400 BGB). Ausnahmsweise kann eine unpfändbare Forderung übertragen und auch verpfändet werden, wenn der Begünstigte dem Zedenten oder Verpfänder eine Leistung erbringt, die der auf die unpfändbare Forderung zu erbringenden entspricht und gerade die Bedürfnisse befriedigt, deren Sicherung die Unpfändbarkeit dient.25 Zur Verpfändung einer durch bloßen Abtretungsvertrag übertragbaren Forderung genügt die Verpfändungseinigung (§§ 1274 I S 1, 398 BGB) nicht. Vielmehr bedarf es außerdem noch einer Verpfändungsanzeige des Gläubigers an den Drittschuldner (§ 1280 BGB). Ein Absonderungsrecht nach § 50 kann daher – vorbehaltlich einer rechtsgeschäftlichen Mitwirkung des Insolvenzverwalters (vgl Rn 17) – nur geltend gemacht werden, wenn auch die Verpfändungsanzeige vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt worden ist (§ 130 ff BGB, §§ 81 I S 1, 91 I). Eine Übergabe der Schuldurkunde ist weder erforderlich (vgl aber § 952 I BGB) noch genügend.26 Darum genügt zur Begründung von Absonderungsrechten an Sparkassenguthaben27 oder Versicherungsansprüchen28 die Aushändigung des Sparkassenbuchs oder des Versicherungsscheins nicht, es bedarf ihrer auch nicht zur Verpfändung. Im einen wie im anderen Fall ist die Anzeige an den Drittschuldner (die Sparkasse, den Versicherer) unentbehrlich. Die Verpfändung einer durch Briefhypothek gesicherten Forderung, einer Briefgrundschuld oder Briefrentenschuld erfordert Einigung, Schriftlichkeit oder Verbuchung der Verpfändungserklärung, nicht notwendig auch ihrer Annahme, und Briefübergabe (§§ 1274 I S 2, 1291 BGB; vgl §§ 1154 I, II, 1192, 1199 BGB). Die Verpfändung einer durch Buchhypothek gesicherten Forderung, einer Buchgrundschuld oder Buchrentenschuld setzt Einigung und Eintragung in das Grundbuch voraus. Einer Anzeige bedarf es nicht (§ 1274 I S 1 mit §§ 1154 III, 1192, 1199 BGB; §§ 873, 878 BGB). Bedarf es zur Übertragung des Rechtes der Übergabe einer Sache, wie zB des Briefes beim Briefpfandrecht, so kann die Übergabe wie bei der Sachverpfändung nicht durch ein Besitzkonstitut 24 MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 49 f. 25 BGHZ 4, 153, 156 = NJW 1952, 337, 338; BGHZ 13, 360, 367 ff = NJW 1954, 1153, 1154 f; BGHZ 21, 112, 120 = NJW 1956, 1473, 1474; BGHZ 59, 109, 115 = NJW 1972, 1703, 1705; Staudinger/Busche BGB (2022) § 400 Rn 11 ff.

26 MünchKomm/Damrau BGB8 § 1274 Rn 8, § 1280 Rn 2; Soergel/Habersack BGB13 § 1280 Rn 4. 27 Vgl RGZ 68, 281. 28 Vgl RGZ 79, 306. 573

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ersetzt werden (§§ 1274 I S 2, 1278 BGB), und die Rückgabe der Sache bewirkt das Erlöschen des Pfandrechts (§ 1278, 1253 I S 1 BGB). 28 Als Träger der verbrieften Rechte werden Inhaberpapiere wie bewegliche Sachen (§ 1293 BGB), Orderpapiere durch Einigung und Übergabe des in blanco oder auf den Namen des Pfandgläubigers indossierten Papiers verpfändet (§ 1292 BGB). Orderpapiere können aber auch nach § 1274 BGB ohne Indossament verpfändet werden. Die hM verlangt dafür neben der Einigung die Übergabe.29 Die Gegenansicht verlangt die Verpfändungsanzeige nach § 1280 BGB.30 Geschäftsbedingungen, kraft derer eine Bank an den Wertpapieren und Sachen, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat, Pfandrechte erwerben soll (14.1 AGB Banken31), können zwar im Voraus die Verpfändungseinigung anbahnen. Erklärt aber der Kunde bei Aushändigung eines Wertes bestimmt, dass er daran kein Pfandrecht begründen, sondern zB den ausgehändigten Wechsel nur zur Diskontierung gegen Bargeld übergeben und beim Scheitern der Diskontierung zurückgeliefert haben wolle, dann kommt eine Verpfändung weder nach § 1274 BGB noch nach § 1292 BGB zustande.32 Ein Absonderungsrecht am Hypothekenbrief kann ohne Verpfändung der Hypothekenforderung nicht begründet werden (§ 952 II BGB).

3. Pfandrechtsbestellung durch Nichtberechtigten 29 Ein Pfandrecht an beweglichen Sachen und Inhaberpapieren kann auch vom Nichtberechtigten wirksam bestellt werden. Das ist einmal möglich mit Zustimmung des Berechtigten (§ 185 I BGB), zum andern, wenn dem Pfandnehmer weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache dem Verpfänder nicht gehört. Der Gläubiger kann dann das Absonderungsrecht geltend machen, wenn ein dem Insolvenzschuldner gehöriger Gegenstand von einem Dritten verpfändet ist. Das gilt unbeschränkt für Geld und Inhaberpapiere, für andere Sachen dagegen nur, wenn sie dem Eigentümer nicht „abhanden gekommen“ sind (§§ 1207, 935 I BGB). Die §§ 366, 367 HGB erstrecken den Schutz des redlichen Erwerbs auch auf die Fälle, in denen der Erwerber angenommen hat, der Veräußerer sei, wenn auch nicht selbst Eigentümer, so doch befugt, für den Eigentümer über die Ware zu verfügen. § 4 I S 1 DepotG, der den Erwerb eines Pfandrechts kraft guten Glaubens an das Eigentum des Verwahrers ausschließt, lässt § 366 HGB unberührt.33 Der gute Glaube des Dritten an die Verfügungsbefugnis des Verwahrers wird also durch § 366 I HGB geschützt. So greift dieser Schutz, wenn dem Dritten nicht nachgewiesen werden kann, dass er den Mangel der Verpfändungsbefugnis des Verwahrers, die auf §§ 12, 12a DepotG beruhen kann, gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.34 Beim gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts erlöschen die dem redlichen Pfandnehmer unbekannten begrenzten Rechte an der Sache zwar nicht, wie es beim gutgläubigen Eigentumserwerb eines Dritten der Fall wäre (vgl § 936 BGB), aber sie treten hinter sein Pfandrecht zurück (§ 1208 S 1 BGB). Auf die Verpfändung von Rechten finden diese Schutzvorschriften grundsätzlich keine Anwendung (§ 1273 II S 2 BGB) mit Ausnahme der Verpfändung von Inhaber- und Orderpapieren. Grundsätzlich greift der Gutglaubensschutz auch nur bei rechtsgeschäftlicher Bestellung des Pfandrechts. Für das Pfändungspfandrecht35 und für gesetzliche Pfandrechte, die wie das des Vermieters, Verpächters oder Gastwirts nicht durch ÜbergaMünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 39. Zum Streitstand siehe Staudinger/Wiegand BGB (2019) § 1292 Rn 17. In der Fassung vom 1.7.2018. OLG Augsburg BayZ 1931, 229; Staudinger/Wiegand BGB (2019) § 1292 Rn 19. Hopt/Kumpan HGB41 § 4 DepotG Rn 2. Staub/Canaris HGB3 Bankvertragsrecht 2. Bearb, Rn 2146, 2168, 2175 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Scherer HGB4 § 4 DepotG Rn 4; Heinsius/Horn/Than DepotG § 4 Rn 19 ff; zum alten Recht (§ 8 BankdepotG 1896): RGZ 71, 337 ff. 35 Gegen einen gutgläubigen Erwerb von Pfändungspfandrechten RGZ 104, 300, 301; BGHZ 119, 75, 87 f = NJW 1992, 2570, 2573 f; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZwVR12 § 50 Rn 70; MünchKomm/Gruber ZPO6 § 804 Rn 19; Hen-

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be zu Besitz, sondern durch bloße Einbringung in einen weiteren Herrschaftskreis entstehen, bleibt der Verkehrsschutz außer Betracht. Wohl aber deckt er den durch Besitzübergabe vermittelten Erwerb der gesetzlichen Pfandrechte des Kommissionärs, Spediteurs, Lagerhalters und Frachtführers (§§ 366 III HGB). Ob dasselbe auch für das Pfandrecht des Werkunternehmers (§ 647 BGB) gilt, ist umstritten. Der BGH hat die Anwendung des § 1207 BGB und die analoge Anwendung des § 366 III HGB abgelehnt36 und dem Bedürfnis insbesondere der Kraftfahrzeughandwerker dadurch Rechnung zu tragen gesucht, dass er die dort üblichen allgemeinen Geschäftsbedingungen anerkennt, die eine Vertragsverpfändung des Reparaturfahrzeugs enthalten.37 Damit ist dem Problem viel von seiner praktischen Bedeutung genommen. Abschließend gelöst ist es aber nicht. Auch drängt die Lösung des BGH den Werkunternehmer dazu, sich doch wieder Vertragspfandrechte zu beschaffen; ein Aufwand, von dem ihn das gesetzlich kodifizierte Pfandrecht gerade befreien sollte (Rn 30).

VI. Gesetzliche Pfandrechte Gesetzliche Kreditsicherheiten bilden das hypothetische Verhandlungsergebnis der Parteien ab 30 und kodifizieren im Idealfall das, was die Parteien ohne Regelung selbst vereinbart hätten.38 Das lässt sich auch anhand der geschichtlichen Entwicklung einiger gesetzlicher Pfandrechte verdeutlichen, die ihren Ursprung in einem vertraglichen Pfandrecht hatten.39 Weiter zeigt die Praxis der Verwendung entsprechender allgemeiner Geschäftsbedingungen durch Werkunternehmer, Transporteure, Spediteure und Lagerhalter,40 dass die Bestellung eines Pfandrechts dem Willen der Parteien entspricht. Der Gesetzgeber hatte die gesetzlichen Pfandrechte kodifiziert, damit nicht mehr auf die fiktionsbehaftete Vorstellung einer tatsächlich und nicht nur hypothetisch erfolgten stillschweigenden Pfandrechtsbestellung zurückgegriffen werden musste.41 Ungeachtet der strikten begrifflichen Trennung zwischen (stillschweigend) autonomer und gesetzlicher Regelung wurde in der Sache aber klar erkannt, dass die gesetzlichen Pfandrechte ein Sicherungsbedürfnis bedienen sollen, das sonst durch vertragliche Gestaltungen gestillt würde.42 Durch diese Rückbindung an den Parteiwillen wird deutlich, dass das Verhältnis der gesetzlichen Kreditsicherheiten zum Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz wie bei den rechtsgeschäftlich bestellten Kreditsicherheiten zu bestimmen ist (dazu § 51 Rn 3 ff). Zu beachten ist, dass auch gesetzliche Kreditsicherheiten gegebenenfalls der besonderen Insolvenzanfechtung unterliegen können (Rn 36). ckel Prozessrecht und materielles Recht (1970), S 328 f; eingehend zum Gutglaubensschutz im Zwangsvollstreckungsrecht J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 134 ff. 36 BGHZ 34, 153 ff = NJW 1961, 502 ff; BGHZ 87, 274, 280 = NJW 1983, 2140, 2141; zust MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 117; siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 44. 37 BGHZ 68, 323, 326 = NJW 1970, 1240, 1241; mit Recht krit Picker NJW 1978, 1417 ff. 38 Wie hier Canaris HandelsR24 § 27 Rn 33; Medicus/Petersen Bürgerliches Recht28 Rn 594; vgl außerdem J Hager Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb (1990), S 101 ff. 39 Zum Vermieterpfandrecht eingehend Knütel FS Gerhardt (2004), S 457 ff; vgl weiter Bechtloff Gesetzliche Verwertungsrechte (2003), S 225 ff (Vermieterpfandrecht), S 257 (Verpächterpfandrecht), S 270 f (Gastwirtpfandrecht), S 284 (Befördererpfandrecht). 40 Vgl Bechtloff Gesetzliche Verwertungsrechte (2003), S 144 f, 161, 172. 41 Vgl die Ausführungen der Gesetzesverfasser zum Vermieterpfandrecht bei Mugdan II, S 225 = Motive II, S 404; darauf wird beim Pfandrecht des Verpächters (Mugdan II, S 241 = Motive II, S 432), des Werkunternehmers (Mugdan II, S 276 = Motive II, S 494) und des Gastwirts (Mugdan II, S 330 = Motive II, S 591) Bezug genommen. 42 Protokolle bei Mugdan II, S 1280: „Nehme man dem Vermiether alle Sicherheit, so werde er dazu gedrängt, Vorausbezahlung der Miethe zu fordern“. Auch bei der Kodifikation des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts im ADHGB, das im Gesetzgebungsverfahren zunächst als gesetzliches Pfandrecht konstruiert worden war (siehe dazu Altmeppen ZHR 157 (1993), 541, 549 f), ging man davon aus, etwas zu normieren, was die Parteien vereinbaren würden, auch wenn sie es „oft für undelikat“ hielten, „Pfänder anzubieten oder zu verlangen“ (Protokolle zum ADHGB bei Lutz Protokolle, S 454). 575

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1. BGB 31 a) Hinterlegungspfandrecht. Bei der Hinterlegung zur Sicherheitsleistung (§ 232 I BGB), also nicht zur Erfüllung (§§ 372 ff BGB), erwirbt der Sicherungsberechtigte ein gesetzliches Pfandrecht an dem hinterlegten Geld oder an den hinterlegten Wertpapieren und, wenn das Geld in das Eigentum des Fiskus übergegangen ist, an der Forderung auf Rückerstattung (§ 233 BGB). Die Sicherheitshinterlegung begründet folglich ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 50, und zwar auch dann, wenn die Hinterlegung zur Abwehr einer im Insolvenzverfahren nicht durchdringenden Zurückbehaltungsbefugnis (§ 273 III S 1 BGB) erfolgt ist. 32 Obwohl § 108 ZPO nicht auf § 233 BGB verweist, erwirbt der Prozessgegner ein gesetzliches Pfandrecht am Hinterlegten oder an der Forderung auf Rückerstattung, wenn eine prozessuale Sicherheit durch Hinterlegung (§§ 707, 709, 711, 712 ZPO) geleistet worden ist.43 Auch an der nach § 923 ZPO hinterlegten Arrestabwendungssumme erwirbt der Gläubiger ein Pfandrecht iSd § 233 BGB und damit ein Absonderungsrecht. Die in den §§ 711 und 712 ZPO neben der Sicherheitsleistung vorgesehene Hinterlegung des 33 Streitgegenstandes selbst zur Abwendung der Vollstreckung dient zwar auch der Sicherung. Sie ist aber keine Sicherheitsleistung im technischen Sinne. Der geschuldete Gegenstand wird hinterlegt, damit der Gläubiger ihn bekommt, wenn die Schutzanordnungen der §§ 711, 712 aufgehoben werden oder das Urteil rechtskräftig wird. Deshalb wird die Hinterlegung verbreitet als Erfüllung unter der auflösenden Bedingung rechtskräftiger Abänderung des vorläufig vollstreckbaren Urteils verstanden.44 Entscheidend dürfte jedoch nicht vorrangig die Frage des Erfüllungseintritts sein. Vielmehr kommt es darauf an, dem berechtigten Schutzbedürfnis des Gläubigers Rechnung zu tragen. Die Sicherstellung des Gläubigers eines vorläufig vollstreckbaren Anspruchs muss gegenüber dem Insolvenzverfahren (vorbehaltlich des § 88 und der §§ 129 ff) Bestand haben, gleichgültig ob sie durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren zur Sicherung eines Geldanspruchs oder durch Hinterlegung des Streitobjekts zur Sicherung eines Anspruchs auf Rechtsübertragung erfolgt. Die Hinterlegung des Streitgegenstands ist deshalb als auflösend bedingte Übereignung anzusehen, da für ein gesetzliches Pfandrecht keine Grundlage gegeben ist. Das auflösend bedingte Eigentum berechtigt den Gläubiger zur Aussonderung im Insolvenzverfahren des Schuldners (§ 47).45

34 b) Vermieterpfandrecht. Vermieter von Wohnräumen, Grundstücken und anderen Räumen sowie von Bankschließfächern46 haben wegen ihrer Forderungen aus dem Mietverhältnis an den eingebrachten pfändbaren Sachen des Mieters ein gesetzliches Pfandrecht (§§ 562, 578 BGB). Während nach § 562 BGB das Pfandrecht die Mietforderungen für die Vergangenheit, das laufende und das folgende Mietjahr sichert und Entschädigungsforderungen nur, soweit sie zur Zeit der ersten Geltendmachung des Pfandrechts schon bestehen,47 schränkt die InsO das Absonderungsrecht des Vermieters ein: Wegen der Miete kann das Pfandrecht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens nicht geltend gemacht werden und wegen der Entschädigung, die wegen einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, überhaupt nicht (§ 50 II S 1). Auf rechtsgeschäftlich bestellte Sicherheiten, insbesondere eine Mietkaution, ist § 50 II S 1 laut BGH nicht entsprechend anzuwenden.48

43 MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 107; MünchKomm/Schulz ZPO6 § 108 Rn 43; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 804 Rn 45.

44 MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 107; Anders/Gehle/Vogt-Beheim ZPO80 § 815 Rn 13; Jaeger/Henckel InsO1 § 50 Rn 32; Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 804 Rn 47; aA Jaeger/Lent KO8 § 49 Rn 8 mN zur älteren Literatur. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 46; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 107; Jaeger/Henckel KO9 § 1 Rn 140. Staudinger/Emmerich BGB (2021) Vor § 535 Rn 81; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 85. BGH NJW 1972, 721, 722; Eckert ZIP 1984, 663, 666. BGH ZIP 2022, 491, Rn 17 ff (krit zur Pauschalität der Aussage J F Hoffmann EWiR 2022, 221).

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Der Vermieter als solcher, auch der vermietende Nichteigentümer, hat das Absonderungsrecht im Insolvenzverfahren des Mieters. Darum hat es auch der Untervermieter im Insolvenzverfahren seines Untermieters, und zwar selbst dann, wenn dem Mieter das Weitervermieten nicht gestattet war. Denn die Untermiete ist nicht ungültig, weil sie unerlaubt abgeschlossen ist. Das Vermieterpfandrecht setzt einen wirksamen Miet- oder Untermietvertrag voraus. Wird der Mietvertrag im Insolvenzverfahren des Mieters nach §§ 129 ff angefochten, kann der Insolvenzverwalter auch die Freigabe der eingebrachten Sachen des Mieters verlangen. Das gesetzliche Vermieterpfandrecht hat seine Grundlage im Mietvertrag, den sich die Masse im Falle der Anfechtbarkeit nicht entgegenhalten lassen muss. Wie der Mietvertrag im Ganzen kann die Abrede vorzeitigen Eintritts der Fälligkeit künftiger Miete anfechtbar sein mit der Folge, dass die gesetzliche Fälligkeitsregel des § 556b I BGB greift. Anfechtbar kann auch das Einbringen von Sachen sein, die dem Vermieterpfandrecht unterliegen.49 Mit der Rechtstellung des Vermieters geht dessen Absonderungsrecht auf den Erwerber der pfandgesicherten Forderung über (§ 1257 mit §§ 1250 I S 1, 401 I BGB). Veräußert der Eigentümer das Mietgrundstück an einen Dritten, behält er seine vor dem Eigentumswechsel entstandenen Ansprüche aus dem Mietverhältnis und insoweit auch sein gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Sachen. So können zwei Vermieterpfandrechte an denselben Sachen zusammentreffen. Beide sind gleich alt und deshalb gleichen Ranges, da sie beide schon mit der Einbringung für die künftigen Ansprüche entstanden sind.50 Denn als Grundlage des Pfandrechts genügt nach Maßgabe der §§ 1257, 1204 II BGB eine aufschiebend bedingte, ja sogar eine künftige Forderung. Der Rang eines solchen Pfandrechts bestimmt sich entsprechend § 1209 BGB nach dem Zeitpunkt der Einbringung, nicht erst nach dem Zustandekommen oder Inkrafttreten der Forderung. Der proklamierte Vorrang des Vermieterpfandrechts vor einer Raumsicherungsübereignung51 soll zugunsten des Erwerbers des Mietgrundstücks gewahrt bleiben,52 wenn auch wieder einmal (zu den Rangfragen allgemein § 51 Rn 19 ff) die Konstruktion des BGH Zweifel aufwirft.53 Durfte der Mieter schon vor Abschluss des Mietvertrages einziehen, sind die eingebrachten Sachen sogleich mit dem Pfandrecht belastet, auch wenn der Vertrag später zustande kommt. Nur der Vermieter eines Wohnraumes, eines Grundstücks oder eines anderen Raumes, zB eines Ladens, Magazins, Kellers, Lager- oder Trockenplatzes, einer Stallung, aber auch von Bankschließfächern (Rn 34), hat das Absonderungsrecht (§§ 562, 578 BGB). Die Vermietung eines Schiffes oder einzelner seiner Räumlichkeiten begründet kein Vermieterpfandrecht (Umkehrschluss aus § 578a I BGB). Das Absonderungsrecht besteht nur an eingebrachten, pfändbaren Sachen des Mieters (§ 562 I S 1 BGB). Den Begriff der eingebrachten Sachen hat der Gesetzgeber nicht näher bestimmt. Das Einbringen ist ein tatsächlicher Vorgang, kein Rechtsgeschäft. Seine Bedeutung liegt darin, dass es die bei Pfandrechten gebotene Erkennbarkeit wenigstens durch den Eintritt der Sachen in den weiteren Herrschaftsbereich des Pfandgläubigers herstellt und den Rang des Pfandrechts auch für später entstehende Forderungen aus dem Mietverhältnis festlegt. Wortsinn und Zweck des § 562 I S 1 BGB weisen darauf hin, dass die Einbringung aufgrund eines Mietvertrages und im Einklang mit dem Willen des Mieters, wenn auch nicht durch dessen eigenes Handeln, geschehen muss. Sein Wille braucht nicht auf den Erfolg der Pfandhaftung gerichtet zu sein.54 Nach hM 49 Zur Anfechtbarkeit des Einbringens generell MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 86; ausschließlich für eine Kongruenzanfechtung gesetzlicher Pfandrechte Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 35; K Schmidt/Ganter/Weinland InsO19 § 131 Rn 79 f; MünchKomm/Kayser/Freudenberg InsO4 § 131 Rn 24; für eine Inkongruenzanfechtung, falls der Mieter ungewöhnlich viele Sachen einbringt FK/Dauerheim InsO9 § 131 Rn 30; Nerlich/Römermann/Nerlich InsO44 § 131 Rn 36 Fn 4. 50 BGHZ 202, 354, Rn 22 ff = NJW 2014, 3775, Rn 22 ff; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 14. 51 BGHZ 117, 200, 207 f = NJW 1992, 1156, 1157. 52 BGHZ 202, 354, Rn 18 ff = NJW 2014, 3775, Rn 18 ff. 53 Siehe MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 91b. 54 RGZ 132, 116, 118; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 24; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 10. 577

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genügt der natürliche Wille, Geschäftsfähigkeit wird nicht gefordert.55 An massezugehörigen Sachen, die der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einbringt, können Vermieterpfandrechte nicht mehr entstehen (§ 91 I).56 Bringt der Insolvenzverwalter Sachen ein, kann das Vermieterpfandrecht nach § 91 I nicht der Sicherung von Insolvenzforderungen dienen. Wohl aber sichert es Masseschuldansprüche des Vermieters aus dem nach Verfahrenseröffnung fortbestehenden (§§ 108, 109) Mietverhältnis.57 Denn § 108 I S 1 bindet die Masse insoweit auch an § 562 BGB. Problematisch ist dagegen, inwieweit das Vermieterpfandrecht Forderungen sichert, die nach Verfahrenseröffnung entstehen, wenn der Gegenstand bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebracht war (allgemein siehe Rn 12). § 50 II adressiert das Problem zum Teil (Rn 60 f), indem eine ausdrückliche Begrenzung der Kreditsicherheit dahingehend vorgenommen wird, dass die Sicherheit nicht die aus einer vorzeitigen Kündigung des Insolvenzverwalters resultierende Forderung (§ 109 I S 3) erfasst. Als besicherte Forderung, die erst nach Verfahrenseröffnung entsteht, kommt weiter der Mietzinsanspruch in Betracht. Für den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung wird dieser durch § 108 I S 1 zur Masseverbindlichkeit aufgewertet, sodass auf den ersten Blick auch die Begründungslast gegenüber § 91 I abgeschwächt zu sein scheint. In der Sache ist aber zu erkennen, dass es sich um eine „oktroyierte“ Masseverbindlichkeit handelt, die sich nicht aus einer Entscheidung des Insolvenzverwalters für den Vertrag und damit einhergehend für die bereits begründete Kreditsicherheit heraus legitimiert. Der verbreitet unterstellte Automatismus, dass bei Masseverbindlichkeiten § 91 I nicht greife,58 ist kreditsicherungsrechtlich nicht anzuerkennen. Praktisch relevanter und auch deutlich sichtbarer wird das kreditsicherungsrechtliche Problem freilich für die künftigen Forderungen, die auch in Anbetracht von § 108 I 1 nur den Rang einer Insolvenzforderung haben. Denkbar sind etwa Fälle, in denen der Schuldner nach Verfahrenseröffnung noch eine Verschlechterung der Mietsache herbeiführt. Auch die nach Vertragsbeendigung aktivierte Herausgabepflicht nach § 546 I BGB ist unter Umständen59 nur als Insolvenzforderung einzuordnen, sodass das Vermieterpfandrecht auch insoweit von Interesse sein könnte. Weiter sind Fälle denkbar, in denen der Mietvertrag bereits vor Verfahrenseröffnung beendet worden ist, sodass § 108 I S 1 insoweit nicht greift, und der Vermieter als Insolvenzgläubiger Entschädigung wegen einer verzögerten Rückgabe der Mietsache begehrt und insoweit das Vermieterpfandrecht ins Feld führt. Auf der Grundlage einer funktionalen Betrachtungsweise60 ist zu fragen, inwieweit der Vermieter bereits vor Verfahrenseröffnung die entsprechenden Bonitätsrisiken des Schuldners übernommen hat, obwohl die betreffenden Forderungen erst nach Verfahrenseröffnung „entstanden“ sind. Beim Mietvertrag ist zu erkennen, dass die Bonitätsrisiken zum einen daraus resultieren, dass der Vermieter eine Bindung eingeht, die sich bereits rechtlich auch bei einem Zahlungsverzug des Mieters nur unter erhöhten Voraussetzungen auflösen lässt (§ 543 II 1 Nr 3 BGB). Vor allem aber resultieren die Bonitätsrisiken daraus, dass der Vermieter dem Mieter mit dem unmittelbaren Besitz faktische Einwirkungsmöglichkeiten auf die Mietsache einräumt, die zu Vermögenseinbußen des Vermieters führen können. Insbesondere die Gefahren einer vertragswidrig zu späten oder nicht ordnungsgemäßen Rückgabe der Mietsache sind zu nennen. Die mit der rechtlichen Bindung und den faktischen Einwirkungsmöglichkeiten einhergehenden Bonitätsrisiken hat der Vermieter bereits vor Verfahrenseröffnung übernommen, auch wenn die entsprechenden Forderungen erst nachträglich „entstehen“. Ein funktionsfähiges Kreditsiche-

55 MünchKomm/Artz BGB8 § 562 Rn 12; Soergel/Heintzmann BGB13 § 562 Rn 23; Erman/Lützenkirchen BGB16 § 562 Rn 7; aA Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 10: bei Geschäftsunfähigen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters notwendig. 56 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 25; auf § 81 stellt Jaeger/Windel InsO1 § 91 Rn 34 ab. 57 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 25; Eckert ZIP 1984, 663, 665; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 86b. 58 Jaeger/Henckel InsO1 § 50 Rn 39. 59 Eingehend MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 108 Rn 108 ff. 60 Eingehend J F Hoffmann KTS 2021, 327, 339 f. Hoffmann

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rungsrecht, das den legitimen Sicherungsinteressen der Vermieter angemessen Rechnung trägt, erfordert, dass das Vermieterpfandrecht insoweit nicht an § 91 I scheitern darf.61 Nur Sachen des Mieters unterliegen der Pfandhaftung. Voraussetzung ist also, dass der Mieter 40 Eigentümer der Sachen ist. Es genügt aber auch ein sog dingliches Anwartschaftsrecht des Mieters,62 das der Vermieter grds auch gegen den Widerspruch des Mieters (§ 267 I BGB) zum Eigentum erstarken lassen kann, indem er den Eintritt der Bedingung herbeiführt.63 Wichtigster Fall ist die Zahlung des Restkaufpreises für eine Sache, die der Mieter unter Eigentumsvorbehalt erworben hat. Soweit allerdings der Restkaufpreis aus Massemitteln gezahlt wird, ist das Vermieterpfandrecht mittels § 91 I zu begrenzen (siehe § 51 Rn 18). Hat der Mieter auflösend bedingtes Eigentum erworben, erlischt das Vermieterpfandrecht mit Eintritt der Bedingung (§ 161 II BGB analog).64 Das Vermieterpfandrecht entsteht auch dann, wenn die Sachen erst in den Mieträumen zu selbständigen beweglichen Sachen geworden sind, wie zB die Früchte eines gemieteten Grundstücks oder die Jungen eingebrachter Tiere; oder dort erst Eigentum des Mieters geworden sind, etwa durch Erbfolge oder Erwerb vom Vermieter; oder dort beim Gebrauch der Mietsache hergestellt worden sind. Sachen, die erst nach der Einbringung Eigentum des Mieters werden, können nicht schon mit der Einbringung, sondern erst mit dem Eigentumserwerb des Mieters mit dem Pfandrecht belastet sein.65 Auch Sachen, die der Mieter von seinem Vorgänger in dem Mietverhältnis übernimmt und in den Räumen belässt, sind fortdauernd belastet iSd § 562 BGB.66 Eingebracht sind in erster Linie die zur Ausstattung des Raumes sowie zur persönlichen 41 Unterkunft dienenden und deshalb mit der Absicht andauernder Belassung in den Mietraum geschafften Sachen. So der gesamte leblose und lebende Hausrat: nicht nur Möbel, sondern auch Geschirr, Wäsche, Kleider, auch Schmuckgegenstände und Uhren, Vögel, Hunde, Pferde. Ferner die „Einrichtung“ eines Ladens, eines Büros, einer Künstlerwerkstatt, einer Fabrik. Weiter aber auch solche Sachen, die zum Zweck einer durch den Beruf des Mieters veranlassten Ausnutzung des Raumes darin nur zu einem bestimmungsgemäß vorübergehenden Verbleib untergebracht sind,67 wie Warenvorräte in gemieteten Läden, Magazinen, Speichern, Kellern, eingestellte Tiere, Wagen, Räder, auch Geldstücke und Geldpapiere beim Bankier. Nicht eingebracht sind dagegen Sachen, die in der Absicht alsbaldiger Wiederentfernung und nicht zur Ausnutzung des Raumes im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis darin eingestellt sind.68 Nur Sachen, dh nur körperliche Gegenstände (§ 90 BGB), unterliegen dem Pfandrecht. Dazu 42 gehören alle echten Wertpapiere. Das ist unbedenklich für Inhaberpapiere, da sie pfandrechtlich (§ 1293 BGB, § 808 ZPO) den beweglichen Sachen gleichgestellt werden, und für blanco indossierte Orderpapiere (arg §§ 234 I S 2, 1081 I S 1, 1362 I S 3, 1646 I S 2, 1814 S 3, 2116 I S 3 BGB). Es muss aber auch für andere Orderpapiere gelten, da sie alle als selbständige Wertträger sachenrechtlich verpfändet und gepfändet werden (§ 1292 BGB, § 808 ZPO).69 Die Übergabe entspricht hier der Einbringung. Zugehörige Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine unterliegen 61 Im Ergebnis auch MünchKomm/Ganter InsO4 vor §§ 49–52 Rn 35; Jaeger/Henckel InsO1 § 50 Rn 12; aA Uhlenbruck/ Brinkmann InsO15 § 50 Rn 3; Jaeger/Windel InsO1 § 91 Rn 31. 62 BGHZ 117, 200, 205 f = NJW 1992, 1156, 1157; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 22; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 15b; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 89; Nicolai JZ 1996, 219, 220. 63 In einer den Hypothekenhaftungsverband betreffenden Entscheidung geht der BGH obiter dictum davon aus, dass der Pfandrechtsinhaber am Anwartschaftsrecht nicht durch § 1276 BGB geschützt werde, der Vorbehaltskäufer die Bedingung also nachträglich verändern oder das Anwartschaftsrecht gar vollständig aufheben könne; BGHZ 92, 280, 289 ff = NJW 1985, 376, 378 f; zustimmend MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 29a; aA MünchKomm/Damrau BGB8 § 1204 Rn 12. 64 Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 15b. 65 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 22. 66 Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 12. 67 Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 12. 68 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 24; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 13 mit Beispielen. 69 MünchKomm/Artz BGB8 § 562 Rn 11; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 21; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 8. 579

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dem Vermieterpfandrecht nur, wenn auch sie eingebracht sind (arg § 1296 S 1 BGB). Forderungsrechte und Urkunden, die wie Versicherungsscheine, Sparkassenbücher und Hypothekenbriefe nicht selbständige Träger des verbrieften Rechtes sind (vgl § 952 BGB), unterliegen dem Pfandrecht nicht.70 Ausgeschlossen von der Haftung ist deshalb auch die dem Mieter gebührende Feuerversicherungssumme sowie sein Ersatzanspruch wegen Beschädigung, Zerstörung oder Zwangsenteignung der eingebrachten Sachen. 43 Das Pfandrecht erfasst nicht unpfändbare Sachen (§ 562 I S 2 BGB). Soweit diese nach § 36 I nicht zur Masse gehören, kommt ein Absonderungsrecht ohnehin nicht in Frage, da es nach § 50 I nur an einem Gegenstand der Insolvenzmasse bestehen kann. Das gilt für die von §§ 811 I und 812 ZPO erfassten Sachen mit den in § 36 II genannten Ausnahmen. Da diese aber als unpfändbare Sachen nach § 562 I S 2 BGB nicht dem Vermieterpfandrecht unterliegen, besteht an ihnen auch kein Absonderungsrecht, obwohl sie zur Insolvenzmasse gehören.71 Werden unpfändbare Sachen während des Insolvenzverfahrens pfändbar, so werden sie als Neuerwerb Massebestandteile. Ein Vermieterpfandrecht kann an ihnen aber während des Insolvenzverfahrens nicht mehr entstehen (§ 91 I).72 Herrschend wird davon ausgegangen, der Mieter könne auf die Unpfändbarkeit nicht wirksam verzichten.73 Da unpfändbare Sachen rechtsgeschäftlich verpfändet werden können, ist aber eine spezielle Verpfändung denkbar. Jedoch ersetzt dabei eine bloße Einbringung nicht die in § 1205 I S 1 BGB geforderte Übergabe. Dass ein die Unpfändbarkeit begründender Tatbestand vorliege und deshalb die Sache von der Pfandhaftung ausgenommen sei, hat der Mieter und, wenn die Sache zB als Apothekeninventarstück trotz Unpfändbarkeit zur Masse gehört, der Insolvenzverwalter des Mieters, zu behaupten und im Streitfalle zu beweisen. Im Prozess ist die Unpfändbarkeit am Schluss der letzten Tatsachenverhandlung maßgebend. Ob der Mieter, der eine unpfändbare Sache sicherungsübereignet hat, den Schutz, den ihm § 562 I S 2 BGB gegenüber dem Vermieter gewährt, noch verdient, wenn der Sicherungseigentümer die Sache dem Mieter zum Zweck der Verwertung entzieht, ist sehr zweifelhaft.74 Wenn die Sache ohnehin dem Mieter entzogen wird, braucht der Vermieter nicht zurückzustehen. Für den Insolvenzverwalter ist die Frage von geringer Bedeutung. Er mag zunächst den Sicherungseigentümer und den Vermieter miteinander streiten lassen. Ihn kann nur ein eventueller Erlösüberschuss interessieren. 44 Das Pfandrecht und damit das Absonderungsrecht erlischt, wenn die gesicherte Forderung getilgt wird. Dazu muss feststehen, dass dem Vermieter aus dem Mietverhältnis überhaupt keine Forderungen mehr entstehen können.75 Das Vermieterpfandrecht erlischt ferner, wenn es mit dem Eigentum an der haftenden Sache zusammenfällt (§§ 1257, 1256 I S 1 BGB), durch Aufhebungsvertrag (§ 1255 BGB), durch gutgläubig lastenfreien Erwerb (§ 936 I S 1 BGB) und schließlich durch Enthaftung nach § 562a S 1 BGB. 45 Die Enthaftung (§ 562a S 1 BGB) tritt ein mit der Entfernung der eingebrachten Sache, es sei denn, die Entfernung erfolgt ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters. Entsprechend der hM zum alten, bis 31.8.2001 geltenden Mietrecht76 muss die Sache vom Grundstück entfernt sein, auch wenn nur Räume auf dem Grundstück vermietet sind (§ 562a S 1 BGB). Werden die Sachen nur aus den Mieträumen entfernt, bleiben aber auf dem Grundstück, erlischt das Pfandrecht nicht. 70 MünchKomm/Artz BGB8 § 562 Rn 11; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 21; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 8; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 87. 71 Krit dazu Eckert ZIP 1984, 663, 664 f. 72 Eckert ZIP 1984, 663, 665. 73 MünchKomm/Artz BGB8 § 562 Rn 21; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 24; MünchKomm/Gruber ZPO6 § 811 ZPO Rn 13 ff auch zum Streitstand im Rahmen von § 811 ZPO; BeckOK/Wiederhold BGB62 § 562 Rn 34. 74 Verneinend mit guten Gründen Eckert ZIP 1984, 663, 669. 75 Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562a Rn 2. 76 So im Anschluss an die Protokolle II, 207 f: RGSt 10, 321; RG SeuffArch 73 Nr 157; MünchKomm/Voelskow BGB3 § 560 Rn 3 mwN in Fn 2. Hoffmann

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Die Entfernung ist Realakt. Auf den Willen des Mieters kommt es hier nicht an. Demnach kann die Entfernung durch einen Dieb die Sache enthaften. Auch vorübergehende Entfernung soll enthaften.77 Werde die Sache zurückgebracht, entstehe das Pfandrecht neu.78 Das ist insbesondere von Bedeutung für eingebrachte Kraftfahrzeuge, die mit Wissen des Vermieters regelmäßig zu Fahrten benutzt werden. Den BGH dürfte vor allem die Erwägung geleitet haben, dass Werkunternehmerpfandrechte einen Vorrang erhalten sollen.79 Das Hantieren mit dem Enthaftungstatbestand ist allerdings bereits deshalb wenig leistungsfähig zur Bewältigung der Rangfragen,80 da es dem BGH kaum wünschenswert sein dürfte, dass auf diesem Wege die Raumsicherungsübereignung nun doch wieder81 den Vorrang vor dem Vermieterpfandrecht erhalten soll. Auch sind die insolvenzanfechtungsrechtlichen Folgen einer ständigen Neubegründung des Pfandrechts zulasten des Vermieters wohl nicht hinreichend bedacht worden.82 Die Enthaftung tritt nach § 562a S 2 BGB trotz Widerspruch des Vermieters ein, wenn eingebrachte Sachen den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entsprechend entfernt werden. Wann das der Fall ist, ist nach denselben Grundsätzen zu entscheiden, die für die Enthaftung von Grundstückszubehör gelten (siehe § 49 Rn 46 ff). Die Veräußerung von eingebrachten Waren im Rahmen der Betriebsfortführung führt deshalb regelmäßig zur Enthaftung, nicht aber die Verwertung von Sachen eines stillgelegten Betriebs oder von Sachen, die im Betrieb nicht mehr benötigt werden.83 Für die Enthaftung eingebrachter Sachen durch Verwertung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters kommt es zunächst darauf an, wem die Verwertungsbefugnis zusteht und sodann, ob eine Entfernung der Sache durch den Verwalter, insbesondere zum Zweck der Verwertung, die Enthaftung herbeiführen kann. Befindet sich die Sache im Besitz des Verwalters, ist er zur Verwertung befugt (§ 166 I).84 Hatte dagegen der Vermieter die Sache schon an sich genommen, steht ihm das Verwertungsrecht zu (§ 173 I). Auf Antrag des Verwalters kann ihm aber das Insolvenzgericht eine Frist setzen, innerhalb derer er die Sache zu verwerten hat. Nach Ablauf der Frist ist der Verwalter zur Verwertung berechtigt (§ 173 II S 2). Ist der Verwalter zur Verwertung befugt, muss sich der Vermieter eine Entfernung der Sache zum Zweck der Verwertung gefallen lassen. Das Widerspruchsrecht (§ 562a S 1 BGB) und das Verfolgungsrecht (§ 562b BGB) stehen ihm dem Verwalter gegenüber nicht zu.85 Das Verwertungsrecht des Verwalters ist aber nur ein Recht zur Pfandverwertung, die das Pfandrecht nicht zum Erlöschen bringt. Vielmehr haftet dem Vermieter der Veräußerungserlös, an dem sich das Pfandrecht fortsetzt,86 von dem der Verwalter im Fall der Verwertung nach § 166 I lediglich den Kostenbeitrag einbehalten darf (§§ 170, 171). Die Haftung des Erlöses und der Anspruch des Vermieters auf Auskehrung stehen nicht unter der Ausschlussfrist des § 562b II S 2 BGB. Sollte aber der Insolvenzverwalter vom Absonderungsrecht nicht unterrichtet sein und den Erlös zur 77 Jaeger/Henckel InsO1 § 50 Rn 46; so nun auch BGHZ 217, 92, Rn 19 ff = NJW 2018, 1083, Rn 19 ff; eingehend dagegen Ganter FS Kayser (2019), S 231 ff. 78 OLG Karlsruhe NJW 1971, 624 f; OLG Hamm MDR 1981, 407; LG Koblenz JW 1929, 959; MünchKomm/Artz BGB8 § 562a Rn 5, 7; Bronsch ZMR 1970, 1 f; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562a Rn 5; Kohl NJW 1971, 1733; SchmidtFutterer/Lammel Mietrecht15 § 562a Rn 8 f; Trenk-Hinterberger ZMR 1971, 329; krit MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 95a; aA Soergel/Heintzmann BGB13 § 562a Rn 3; Schopp NJW 1971, 1141; Weimar ZMR 1972, 295 f. 79 Siehe BGHZ 217, 92, Rn 26 = NJW 2018, 1083, Rn 26; beherzter insoweit MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 119a. 80 Siehe auch J F Hoffmann AcP 220 (2020), 377, 400 ff. 81 Siehe zuvor BGHZ 117, 200, 207 f = NJW 1992, 1156, 1157. 82 Siehe Ganter FS Kayser (2019), S 231, 247 („untragbar“). 83 Vgl OLG Düsseldorf NZI 2000, 82; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 101. 84 HK/Hölzle InsO10 § 166 Rn 14. 85 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 32. 86 Zur KO: RGZ 14, 1; 33, 116; 81, 70; RG JW 1909, 424; RG LZ 1910, 229; RG LZ 1914, 1045; BGH NZI 2001, 548, 549; OLG Hamm OLGRspr 17, 4; OLG Celle OLGRspr 19, 4; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 32; K Schmidt/Thole InsO19 § 50 Rn 14; abw MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 100; Petersen/Kleinfeller KO § 49 Anm 11. 581

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Masse ziehen, so wäre der Vermieter mit seinem Ersatzanspruch Massegläubiger (§ 55 I Nr 1 und Nr 3); in Betracht kommt weiter eine „Ersatzabsonderung“ (dazu § 48 Rn 61 ff). Werden eingebrachte Sachen vom Insolvenzverwalter veräußert, bevor sie vom Grundstück entfernt werden, wandelt sich das Vermieterpfandrecht ebenfalls mit der Veräußerung um in einen Anspruch auf Vorzugsbefriedigung aus dem Erlös.87 Soweit der Insolvenzverwalter entsprechend den gewöhnlichen Lebensverhältnissen Waren veräußert (Rn 47), fließt der vom Verwalter erzielte Veräußerungserlös unbelastet in die Masse. Waren die eingebrachten Sachen schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in enthaftender Weise, insbesondere mit Wissen und Willen des Vermieters, aus dessen Machtbereich ausgeschieden oder war schon vorher die Verfolgungsfrist des § 562b II S 2 BGB verstrichen, so ist die Pfandhaftung erloschen. Läuft die Verfolgungsfrist zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch, so besteht zunächst auch das Pfandrecht noch an den entfernten Sachen. Nur muss der Vermieter die Verfolgung, dh die durch die §§ 89 I, 91 I nicht behinderte Geltendmachung des pfandrechtlichen Anspruchs aus § 562b II S 1 BGB rechtzeitig und gerichtlich betätigen und sei es auch nur durch Antrag auf einstweilige Verfügung oder auf Hinterlegung des Erlöses (§§ 805 IV, 769 II ZPO). Andernfalls erlischt das dingliche Recht, obwohl es im Augenblick der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch bestand. Es muss also zwar vor der Verfahrenseröffnung entstanden sein, kann aber infolge einer früheren Verbringung auch nachher noch untergehen. Ist die Sache vor der Verfahrenseröffnung vom Grundstück oder vom gemieteten Raum entfernt worden, befindet sie sich aber noch im Besitz des Verwalters, kann das Verfolgungsrecht des § 562b II BGB nicht in der Weise ausgeübt werden, dass die Überlassung des Besitzes verlangt wird. Denn der Insolvenzverwalter hat mit dem Verwertungsrecht des § 166 I ein Recht zum Besitz. Da es angesichts des Verwertungsrechts des Verwalters auch wenig sinnvoll ist, die „Herausgabe zum Zweck der Zurückschaffung in das Grundstück“ zu verlangen, sollte und kann der Vermieter die Verfolgungsfrist wahren, indem er auf Feststellung seines Pfandrechts oder Auskehrung des ihm gebührenden Verwertungserlöses klagt. Sind eingebrachte, nicht im Besitz des Vermieters befindliche Sachen durch Wegnahme im Wege der Pfändung (§ 808 I ZPO) entfernt worden, versagt § 562b BGB. Die Pfändung hat das Vermieterpfandrecht noch nicht zum Erlöschen gebracht. Das zeigt sich, wenn ihre Durchführung unterbleibt. So etwa dann, wenn der Gläubiger, um einer Anfechtungsklage zu entgehen, die Sachen zurückbringen lässt. Eine erfolgreiche Anfechtung der Pfändung führt der Insolvenzmasse die eingebrachten Sachen nur unbeschadet des Vermieterpfandrechts zu.88 Werden die gepfändeten Sachen versteigert, so wandelt sich das Vermieterpfandrecht um in einen Anspruch auf Vorzugsbefriedigung aus dem Erlös. Diesen Anspruch hat der Vermieter vor der Auszahlung des Erlöses an den Pfändungspfandgläubiger, aber unabhängig von der Verfolgungsfrist des § 562b II S 2 BGB, nach § 805 ZPO geltend zu machen.89 Nach Empfangnahme des Erlöses kann der Pfändungspfandgläubiger noch nach § 812 I S 1 Alt 2 BGB, möglicherweise auch auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung (§ 823 I BGB), in Anspruch genommen werden. Wird der dem Vermieter gebührende Erlös dem Insolvenzverwalter ausgehändigt, weil dieser die Pfändung angefochten hat, steht dem Vermieter ein Masseschuldanspruch nach §§ 812 I S 1 Alt 2 BGB, 55 I Nr 3 zu. Ist die eingebrachte Sache ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters entfernt worden, kann das Pfandrecht dennoch nach § 936 I, II BGB erlöschen, wenn ein Dritter die Sache erwirbt, der hinsichtlich des Pfandrechts gutgläubig ist (§ 932 II BGB). Verpfändung an einen redlichen Dritten führt zwar nicht zum Erlöschen des Vermieterpfandrechts, wohl aber zu einem Rangverlust (§ 1208 S 1 BGB). Der Insolvenzverwalter des Mieters kann die Geltendmachung des Absonderungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden und jede einzelne der eingebrachten Sachen, also auch alle auf 87 RGZ 84, 70; RG JW 1909, 424; RG LZ 1910, 230; RG LZ 1914, 1045 f. 88 OLG Hamburg SeuffArch 39 Nr 81. 89 Jaeger PucheltsZ 26, 689 f, 708 f. Hoffmann

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einmal, von der Pfandhaftung befreien, indem er in Höhe ihres Wertes Sicherheit leistet (§ 562c BGB). Das Vermieterpfandrecht erfasst nur Sachen des Mieters, also zB nicht die Möbel, die unter 57 Eigentumsvorbehalt in die Wohnung des Mieters gebracht worden sind, wohl aber das sog Anwartschaftsrecht (Rn 40). Nicht erfasst sind bspw auch Sachen, die den Kindern des Mieters gehören. Die Vorschriften zum Schutze des guten Glaubens (§ 1207 BGB) können auf das besitzlose Vermieterpfandrecht nicht angewendet werden. An Sachen, deren Eigentum der Mieter erst nach der Einbringung erwirbt, entsteht das Vermieterpfandrecht erst beim Eigentumserwerb. Sachen des Ehegatten haften nur, wenn er den Mietvertrag als Mitmieter abgeschlossen hat.90 Sachen, die als eingebrachte des Mieters haften, bleiben mit dem Vermieterpfandrecht belas- 58 tet, wenn der Mieter sie einem Dritten sicherungsübereignet.91 Lastenfreier Erwerb nach § 936 BGB ist ausgeschlossen, wenn sich die Sache in den Mieträumen befindet. Das Absonderungsrecht des Sicherungseigentümers (§ 51 Nr 1) soll dem Vermieterpfandrecht im Range nachstehen, auch wenn die Raumsicherungsübereignung bereits vor dem Einbringen vorgenommen worden ist (näher § 51 Rn 20).92 Da das Vermieterpfandrecht auch das Anwartschaftsrecht erfasst, das der Mieter durch aufschiebend bedingte Übereignung, insbesondere als Vorbehaltskäufer, erworben hat,93 kann der Sicherungsnehmer, der gegenwärtiges und zukünftiges Eigentum des Mieters sich zur Sicherheit hat übertragen lassen, das Anwartschaftsrecht nur mit dem Vermieterpfandrecht belastet erwerben.94 Wie für die Hypothek das aufschiebend bedingt erworbene Zubehör vor und nach Bedingungseintritt trotz Veräußerung haftet, wenn es nicht nach § 1121, 1122 BGB enthaftet ist,95 haftet dem Vermieter jede eingebrachte Sache, die dem Mieter unbedingt oder aufschiebend bedingt übereignet worden ist, mag sie auch im Voraus sicherungsübereignet sein, solange, bis die Voraussetzungen einer Enthaftung erfüllt sind.96 Eine mit dem Vermieterpfandrecht belastete Sache bleibt dem Vermieter auch dann verhaftet, wenn die Sache zum Zweck des Verkaufs einem Dritten übereignet worden ist, es sei denn, dieser ist durch § 936 BGB geschützt. Das Vermieterpfandrecht geht der Aussonderung des neuen Eigentümers vor, ohne insoweit den nur für die „abgesonderte“ Befriedigung aus Massegegenständen bestehenden besonderen Schranken des § 50 zu unterliegen.97 Hat eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft Wohn-, Lager- oder 59 andere Räume gemietet, so besteht im Insolvenzverfahren der Gesellschaft ein Absonderungsrecht nur an eingebrachten Sachen der Mieterin und Insolvenzschuldnerin, also des Gesellschaftsvermögens.98 Waren, die ein Kunde, auch ein Gesellschafter als Kunde, zur Verarbeitung in die Mieträume gebracht hat, sind nicht eingebrachte Sachen „des Mieters“. Dass der Gesellschafter dem Vermieter persönlich neben der Gesellschaft haftet, ändert daran nichts. Mieterin ist die Gesellschaft, nur die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden eingebrachten Sachen unterliegen dem Vermieterpfandrecht, es sei denn, auch die Gesellschafter haben den Mietvertrag als Mitmieter abgeschlossen.

90 Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 15, 19. 91 OLG Düsseldorf NZM 1998, 237; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 16; Eckert ZIP 1984, 663, 668. 92 BGHZ 117, 200, 207 = NJW 1992, 1156, 1157; aA Fischer JuS 1993, 542; Gnamm NJW 1992, 2806; Schmidt-Lademann LM Nr 8 zu § 559 BGB; siehe zu dieser Problematik auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 33; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 17a. 93 Siehe Rn 40. 94 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 17. 95 BGHZ 35, 85, 87 ff = NJW 1961, 1349, 1350. 96 BGHZ 117, 200 ff = NJW 1992, 1156 f, dazu Schmidt-Lademann LM Nr 8 zu § 559 BGB; Soergel/Heintzmann BGB13 § 562 Rn 17; Henrichs DB 1993, 1707; Nikolai JZ 1996, 219, 220 ff mN; aA Fischer JuS 1993, 542, 544; Gnamm NJW 1992, 2806, 2807; Weber/Rauscher NJW 1988, 1571 f; Wortmann ZIP 1988, 626, 628. 97 RG LZ 1910, 229 f. 98 Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 18, der nun auch für einen entsprechenden Umgang mit der BGB-Außengesellschaft plädiert. 583

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§ 50

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

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Das Absonderungsrecht sichert die Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis nur mit erheblichen Einschränkungen. Wegen der Miete, einschließlich der zu zahlenden Nebenkosten,99 kann es nur für die Rückstände der letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden (§ 50 II S 1). Hinsichtlich der Miete für die laufende und künftige Mietzeit bleiben die Beschränkungen des § 562 II BGB unverändert. Die Beschränkung des § 50 II S 1 soll dabei nur im Verhältnis zur Insolvenzmasse, nicht aber im Verhältnis zu anderen Absonderungsberechtigten greifen, sodass sie bei wertausschöpfender Belastung der Sache nicht greifen soll.100 Die Miete für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach Maßgabe von § 108 I S 1 zugleich Masseschuld iSd § 55 I Nr 2 Alt 2. Der Masseschuldanspruch verdrängt das Absonderungsrecht nicht.101 Der Vermieter genießt hier also doppelten Schutz und profitiert weiter davon, dass der Verwertungserlös zunächst auf die Insolvenzforderungen anzurechnen ist, was der BGH aus § 366 II BGB herleitet.102 Ein Pfändungsgläubiger, dessen Pfandrecht dem Vermieterpfandrecht im Rang nachsteht, hat wegen der abgesonderten Befriedigung des Vermieters weder gegen diesen noch gegen die Masse einen Bereicherungsanspruch. Setzt der Verwalter den Mietvertrag noch länger fort, kann der Massegläubiger das Pfandrecht für die Folgezeit im vollen Umfang des § 562 BGB ausüben. 61 Die durch das Vermieterpfandrecht gesicherten Ersatzansprüche sind nur mit einer doppelten Einschränkung durch das Absonderungsrecht geschützt. Einerseits nimmt schon § 562 II BGB künftige Ersatzansprüche vom Vermieterpfandrecht aus. Danach kann abgesonderte Befriedigung wegen eines Ersatzanspruchs nur verlangt werden, wenn zur Zeit der ersten Geltendmachung des Pfandrechts die anspruchsbegründenden Tatsachen bereits sämtlich eingetreten waren und der Anspruch fällig ist, nicht aber zur Sicherstellung von Ansprüchen, die möglicherweise in Zukunft drohen. Darüber hinaus schließt § 50 II S 1 das Recht auf abgesonderte Befriedigung wegen des infolge der Kündigung des Verwalters entstehenden Entschädigungsanspruchs (§ 109 I S 3) aus. Ebenso fällt eine als Schadensersatz für den Fall vorzeitiger Vertragslösung wirksam (vgl § 555 BGB) bedungene Vertragsstrafe, die bei Unanfechtbarkeit der Abrede auch infolge vorzeitiger Kündigung durch den Insolvenzverwalter verfallen kann,103 nicht unter das Absonderungsrecht. Mit der zeitlichen Einschränkung des § 562 II BGB sind insbesondere gesichert: Ersatzansprüche wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache durch vertragswidrigen Gebrauch (§§ 538, 540 I S 1 BGB), durch Verletzung der Rückgabepflicht (§ 546 I BGB) und durch Verletzung der Anzeigepflicht (§ 536c II S 1 BGB).104 Das Absonderungsrecht zur Sicherung der Forderung auf Ersatz eines vom Mieter verursachten Schadens begründet nur einen Anspruch auf Vorzugsbefriedigung aus dem Erlös der eingebrachten Sachen, nicht etwa auch auf Schadensbeseitigung durch den Insolvenzverwalter. Nur wenn der Verwalter bei Fortsetzung des Mietverhältnisses im Insolvenzverfahren für den zu ersetzenden Schaden verantwortlich ist, kann der Vermieter als Massegläubiger (§ 55 I Nr 2) die Beseitigung des Schadens verlangen (§§ 249 ff BGB).

62 c) Verpächterpfandrecht. Für das gesetzliche Pfandrecht des Verpächters gelten nach § 581 II BGB die Vorschriften über das Vermieterpfandrecht entsprechend, wenn es sich nicht um einen Landpachtvertrag (§§ 585 ff BGB) handelt. Deshalb finden zB auf die Verpachtung eines Unternehmens, eines Gewerbebetriebs, eines Theaters, eines Lichtspielhauses, einer Apotheke die Ausführungen der Rn 34–61 sinngemäße Anwendung. Zu den gesicherten Forderungen aus dem Pachtverhältnis gehören auch Ansprüche des Verpächters wegen Verletzung der Pflicht des Pächters zur 99 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 24; Staudinger/Emmerich BGB (2021) § 562 Rn 26. 100 BGH NJW 1959, 2251 f; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 90a. 101 Vgl auch BGHZ 217, 92, Rn 12 = NJW 2018, 1083, Rn 12 entgegen der pauschalen Aussage in BGH NZI 2011, 731, Rn 8, dass Massegläubiger keine Absonderungsrechte haben können. 102 BGH NJW 2015, 162, Rn 21 f; eingehend mit abweichender Begründung Klinck ZIP 2015, 859 ff. 103 OLG Kiel OLGRspr 7, 17; aA Eckert ZIP 1984, 663, 665. 104 Weitere Beispiele in den Kommentaren zu § 559 BGB aF und § 562 nF. Hoffmann

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Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger

§ 50

Erhaltung und Rückgabe des Inventars, das er zum Schätzwert übernommen (§ 582a BGB) hat, sowie der Anspruch auf Wertausgleich nach § 582a III S 3 BGB und auch der Anspruch auf Zahlung des Preises für die Übernahme des Inventars.105

d) Landverpächterpfandrecht. Nach § 592 BGB hat der Verpächter für seine Forderungen aus 63 dem Landpachtverhältnis (§ 585 BGB) ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Pächters sowie an den Früchten der Pachtsache, und zwar sowohl an den unmittelbaren als auch an den mittelbaren Sachfrüchten (§ 99 I und III BGB). Die haftenden Sachen müssen dem Pächter gehören. Anders als das Vermieterpfandrecht und das Pfandrecht des Verpächters nicht landwirtschaftlicher Gegenstände kann das Pfandrecht nach § 592 BGB ohne zeitliche Begrenzung für die gesamte Pacht geltend gemacht werden. Auch der zeitlichen Beschränkung des § 50 II S 1 unterliegt das Pfandrecht nicht (§ 50 II S 2). Für künftige Entschädigungsforderungen kann es aber nach § 592 S 2 BGB nicht geltend gemacht werden. Insofern besteht kein Unterschied zu § 562 BGB. Das Pfandrecht besteht auch, anders als das des § 562 BGB, an den nach § 811 I Nr 1 lit b, Nr 8 lit b ZPO unpfändbaren Sachen, die nach § 36 II Nr 2 zur Masse gehören. Das Pfandrecht entsteht mit der Einbringung der Sachen, hinsichtlich der Früchte in dem Zeitpunkt, in dem im natürlichen Sinne erstmals von Früchten die Rede sein kann,106 obwohl sie bis zur Trennung dem Grundstückseigentümer gehören. Da eine Pfändung der Früchte nach § 810 I S 2 ZPO erst später erfolgen kann, geht das Verpächterpfandrecht stets einem Pfändungspfandrecht an Früchten vor.107 Vorrang vor dem Verpächterpfandrecht hat das Pfandrecht des Lieferanten von Düngemitteln und Saatgut nach § 2 IV des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung. Da dieses Pfandrecht aber die nach § 811 I Nr 1 lit b, Nr 8 lit b ZPO unpfändbaren Sachen nicht erfasst, haften diese ausschließlich dem Verpächter.108 Das besitzlose Inventarpfandrecht, das der Pächter einem Kreditinstitut nach dem Pachtkreditgesetz bestellen kann (Rn 21), hat nach § 11 dieses Gesetzes den gleichen Rang wie das Verpächterpfandrecht. Auf das Verpächterpfandrecht, das Düngemittel- und Saatgutpfandrecht (dazu Rn 75)109 und das Pfandrecht des Pachtkreditgesetzes finden die §§ 166 ff Anwendung. Hat der Insolvenzverwalter die Pfandsache im Besitz, ist er allein zur Verwertung berechtigt. Die Pfandgläubiger müssen den Kostenbeitrag (§§ 170, 171) hinnehmen. e) Pächterpfandrecht. Pächter von Grundstücken, auch der Landpächter (§ 585 II BGB), haben 64 wegen ihrer Forderungen gegen den Verpächter, die sich auf das mitgepachtete Inventar beziehen, ein gesetzliches Pfandrecht an den in ihren Besitz gelangten Inventarstücken (§ 583 I BGB). Als Besitzpfand erlischt das Sicherungsrecht des Pächters, wenn er die Pfandstücke an den Verpächter oder dessen Insolvenzverwalter zurückgibt (§§ 1253 I S 1, 1257 BGB), oder durch Verzicht,110 nicht aber schon durch unfreiwilligen Besitzverlust. Der Verpächter kann seinerseits durch Sicherheitsleistung das ganze Inventar sowie jedes einzelne Inventarstück pfandfrei machen (§ 583 II BGB). Das Pfandrecht setzt, anders als § 562 BGB, nicht voraus, dass der Verpächter Eigentümer des Grundstücks oder des Inventars oder beider ist.111 Im Insolvenzverfahren des Verpächters kann aber der Pächter nur dann ein Absonderungsrecht haben, wenn das Inventarstück dem Verpächter gehört und damit Massebestandteil ist. Denn nur an diesem gibt es Absonderungsrechte. 105 106 107 108 109 110 111 585

RGZ 38, 66. Staudinger/Bleckwenn/von Jeinsen BGB (2018) § 592 Rn 12. Staudinger/Bleckwenn/von Jeinsen BGB (2018) § 592 Rn 12, 13; MünchKomm/Harke BGB8 § 592 Rn 3. Staudinger/Bleckwenn/von Jeinsen BGB (2018) § 592 Rn 14. Zur Absonderungsberechtigung kraft dieses Pfandrechts BGH NZI 2001, 548 f. RG Warneyer 1912 Nr 261. MünchKomm/Harke BGB8 § 583 Rn 1. Hoffmann

§ 50

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

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Inventar sind die dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks gewidmeten beweglichen Sachen. Gesichert sind die auf das Pachtinventar bezüglichen Forderungen des Pächters. Dazu gehört auch der Anspruch auf Ersatz von Inventarstücken unter den Voraussetzungen des § 582 II BGB, ferner der Anspruch des § 586 I S 1 BGB auf Erhaltung des Inventars und die Überschussforderung des § 582a III S 3 BGB. Für Ausbesserungskosten besteht das Pfandrecht nur, soweit Inventarstücke ausgebessert und die Kosten nicht nach §§ 582, 586 I S 2 BGB vom Pächter selbst zu tragen sind. Auch der Anspruch auf Rückgabe einer Pachtkaution, dh einer vom Pächter für die Erfüllung seiner Verpflichtungen geleisteten Sicherheit (§§ 566a, 581 II BGB), fällt nur insoweit unter das Pfandrecht, als er sich auf das mitgepachtete Inventar bezieht. Verwendungsersatzansprüche sind zugleich durch das allgemeine Zurückbehaltungsrecht am Inventar (§ 273 II BGB) und in den Grenzen des § 51 Nr 2 durch ein Absonderungsrecht am Inventar gedeckt. Am Grundstück steht dem Pächter ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu (§§ 581 II mit 570, 578 I, 596 II BGB). 66 Seine eigenen Inventarstücke sondert der Pächter aus (§ 47). Dabei ist aber zu beachten, dass auch im Fall der Übernahme des Inventars zum Schätzungswert (§§ 582a, 585 II BGB) der Eigentümer regelmäßig der Verpächter ist und dass er Eigentümer neuangeschaffter Stücke unmittelbar mit ihrer Einverleibung in das Inventar wird (§§ 582a II S 2, 585 II BGB). Für den Nießbrauch an einem Grundstück mit Inventar besteht ein entsprechendes gesetzliches Pfandrecht nicht. Denn der Nießbraucher ist zur Instandhaltung des Inventars verpflichtet und wird daher nur selten auf das Inventar bezügliche Forderungen gegen den Eigentümer erwerben. Wegen solcher Ansprüche aber glaubte man ihn durch ein Zurückbehaltungs- und Absonderungsrecht hinreichend geschützt.112

67 f) Werkunternehmerpfandrecht. Der Werkunternehmer hat nach § 647 BGB ein gesetzliches Pfandrecht wegen aller Forderungen aus dem Werkvertrag an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten und bei der Herstellung oder zum Zweck der Ausbesserung in seinen Besitz gelangten beweglichen Sachen des Bestellers.113 Freiwillige Rückgabe oder Ablieferung an den Besteller bringt auch dieses Pfandrecht zum Erlöschen (§§ 1253 I S 1, 1257 BGB), und zwar endgültig selbst dann, wenn der Unternehmer die von ihm hergestellte oder ausgebesserte Sache unbezahlt abliefert. Als Unternehmer iSd § 647 BGB kommen auch Buchdrucker und Buchbinder in Betracht. Mangels einer Befugnis, die gedruckten oder gebundenen Bücher zu verbreiten, können sie das Verwertungsrecht (§ 173 I) im Insolvenzverfahren des Verfassers oder Verlegers nicht selbst ausüben. Sie müssen die Verwertung dem Insolvenzverwalter überlassen. Sie haben lediglich ein Recht auf Vorzugsbefriedigung aus dem vom Verwalter erzielten Erlös.114 Einen Kostenbeitrag (§§ 170, 171) brauchen sie nicht zu leisten. Durch ein in den Grenzen des § 51 Nr 2 als Absonderungsrecht wirkendes Zurückbehaltungsrecht (§§ 273 II, 1000 S 1 BGB) kann der Unternehmer auch über den Bereich des § 647 BGB hinaus geschützt sein.115 Unbewegliche Sachen unterliegen dem gesetzlichen Unternehmerpfandrecht nicht. Doch haben Bauunternehmer nach § 650e BGB einen Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers für ihre Forderungen und nach § 650f I BGB auf Leistung einer Sicherheit für die von ihnen zu erbringenden Vorleistungen.

68 g) Pfandrecht des Gastwirts. Gastwirte, die gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnehmen (§ 701 I BGB), haben nach § 704 BGB wegen ihrer Forderungen für Wohnung und andere dem Gast zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gewährte Leistungen einschließlich ihrer Auslagen 112 Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches Bd III (1899), S 406 f; siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 41. 113 Zum Konflikt mit dem Vorbehaltsverkäufer und dem Sicherungseigentümer des Materials siehe § 51 Rn 36 ff. 114 Zum alten Recht siehe OLG Dresden LZ 1913, 955 f; Allfeld LZ 1915, 476 ff mwN. 115 Staudinger/Peters BGB (2019) § 647 Rn 28 ff mN; siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 45. Hoffmann

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Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger

§ 50

ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Gastes. Ist der Beherbergungsvertrag nur mit einer Person geschlossen und hat der Gastwirt nur gegen diese Forderungen, so besteht das Pfandrecht auch nur an deren Sachen. Welche Sachen als eingebracht gelten, ergibt sich aus § 701 II BGB. Ersatzansprüche wegen „Auslagen“, dh Leistungen, die der Wirt auf Rechnung des Gastes an einen Dritten bewirkt hat, sind insoweit durch das Pfandrecht gedeckt, wie sie ein Gastwirt nach der Verkehrsanschauung „zur Befriedigung der Bedürfnisse des Gastes zu gewähren“ pflegt. Denn diese Worte des § 704 S 1 BGB beziehen sich auch auf die „Auslagen“. Ersatzansprüche wegen Beschädigung von Hotelräumen und Hotelgegenständen, die dem Gast zur Benutzung dienen, können als „Forderungen für die dem Gaste zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gewährten Leistungen“ pfandgedeckt sein. Die für das Vermieterpfandrecht geltenden §§ 562 I S 2, 562a–d BGB sind entsprechend anwendbar (§ 704 S 2 BGB). Dagegen gelten die besonderen insolvenzrechtlichen Beschränkungen des Vermieterpfandrechts (§ 50 II) für das Gastwirtspfandrecht als solches nicht. Dementsprechend genießt die Logisforderung des Gastwirts das Absonderungsrecht auch für eine frühere Zeit als das Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dass insoweit durch das Vermieterpfandrecht das Gastwirtspfandrecht nicht etwa verdrängt wird, ergibt die besondere Erwähnung der Ansprüche „für Wohnung“ im § 704 BGB. Hotelmieten, die über ein Jahr dauern, kommen immerhin vor.

2. HGB a) Kommissionär. Der Kommissionär hat nach § 397 HGB ein Pfandrecht am Kommissionsgut. 69 Das dem Kommissionär in den §§ 398, 399 HGB verliehene Recht der Befriedigung aus Gegenständen, die ihm selbst gehören, begründet ebenfalls ein Absonderungsrecht.116 Unanwendbar ist der § 399 HGB auf Schadensersatzansprüche, die dem Kommissionär gegen den Frachtführer zustehen, weil das vom Kommittenten für eigene Rechnung abgesandte Gut beschädigt ankam.117 Die pfandrechtsbegründenden Tatsachen, insbesondere der Besitzerwerb oder die Erlangung der Verfügungsmacht kraft eines Warenpapiers, müssen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kommittenten beendet nach §§ 116 S 1, 115 I einen die Masse betreffenden Kommissionsvertrag.118 Insoweit ist für eine „Fortsetzung“ der bisherigen Geschäftsverbindung durch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 103, 55 I Nr 2 Alt 1 kein Raum.119 Wohl aber kann der Verwalter eine neue Geschäftsverbindung eingehen, auch zur Abwicklung noch unerledigter Kommissionen (§ 55 I Nr 1). Dann entsteht ein Pfandrecht nach § 397 HGB an dem nach Verfahrenseröffnung in die Herrschaft des Kommissionärs gelangten Kommissionsgut wegen aller Forderungen aus dem Geschäft, das der Verwalter eingegangen ist, vorbehaltlich besonderer Übereinkunft aber nicht auch wegen Forderungen aus bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführten oder vom Verwalter abgelehnten Kommissionen. Es beginnt also „die laufende Rechnung in Kommissionsgeschäften“ iSd § 397 HGB neu mit Aufnahme der Geschäftsverbindung durch den Verwalter und nur für den Bereich dieser Aufnahme.

b) Frachtführer. Nach § 440 HGB hat der Frachtführer wegen aller durch den Frachtvertrag 70 begründeten (konnexen) Forderungen sowie wegen unbestrittener (inkonnexer) Forderungen aus anderen mit dem Absender abgeschlossenen Fracht-, Speditions- oder Lagerverträgen ein gesetzliches Pfandrecht an dem Frachtgut.120 Das Pfandrecht erstreckt sich auf die Begleitpapiere. § 440 116 117 118 119 120 587

Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 49; MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 108; Staub/Koller HGB5 § 399 Rn 11. RGZ 105, 127. MünchKomm/Ganter InsO4 § 50 Rn 109; Jaeger/Henckel KO9 § 23 Rn 38. RGZ 71, 76. BGHZ 150, 326, 331 = NZI 2002, 485, 486; Didier NZI 2003, 513 ff; Ruhwedel Gedächtnisschrift Helm (2001), S 323 ff. Hoffmann

§ 50

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

HGB gilt für die gewerbliche Beförderung von Gütern zu Land auf Straße und Schiene, auf Binnengewässern und mit Luftfahrzeugen (§ 407 III HGB). Der Absender braucht nicht Eigentümer des Frachtguts zu sein. Für konnexe Forderungen genügt gem § 440 I S 1 HGB eine Zustimmung des Eigentümers zur Beförderung. Für inkonnexe Forderungen bedarf es analog § 185 I BGB einer Zustimmung des Berechtigten zur Begründung des Pfandrechts.121 Das Pfandrecht kann nach §§ 932 ff BGB, 366 III HGB auch gutgläubig erworben werden.122 Es besteht grundsätzlich, solange der Frachtführer das Gut im Besitz hat. Mittelbarer Besitz genügt.123 Das Pfandrecht besteht auch nach der Ablieferung fort, wenn der Frachtführer es innerhalb von drei Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht und das Gut im Besitz des Empfängers ist (§ 440 III HGB). Da das Pfandrecht unter dieser Voraussetzung fortbesteht, kann der Frachtführer abgesonderte Befriedigung im Insolvenzverfahren des Empfängers verlangen, wenn das Gut in dessen Eigentum gelangt ist, im Insolvenzverfahren des Absenders, wenn das Gut noch ihm gehört. Ist das Gut abgeliefert und Eigentum des Empfängers und deshalb Massebestandteil, ist dessen Insolvenzverwalter allein verwertungsberechtigt, wenn er im Besitz des Gutes ist (§ 166 I). Wegen des ausschließlichen Verwertungsrechts des Verwalters kann der Frachtführer nicht mehr die Herausgabe des Frachtguts verlangen. Er unterliegt dem Kostenbeitrag der §§ 170, 171. Wegen der Zahlungspflicht des Empfängers gemäß § 421 II HGB (gesetzlicher Schuldbeitritt)124 ist der Frachtführer Insolvenzgläubiger hinsichtlich der noch geschuldeten Fracht. Deshalb ist § 52 anwendbar. Auch im Insolvenzverfahren des Absenders, der nach § 407 II HGB die vereinbarte Fracht zu zahlen hat, ist der Frachtführer Insolvenzgläubiger. Gehört das Gut zu seiner Insolvenzmasse, ist § 52 anwendbar. Abgesehen von § 440 III HGB erlischt das Pfandrecht bei freiwilligem Besitzverlust (§§ 1257, 1253 I S 1 BGB), nicht aber – trotz des Wortlauts des § 440 II HGB –, wenn dem Frachtführer das Gut abhanden gekommen ist.125 Zur Ausübung des Pfandrechts durch den letzten Frachtführer zugunsten vorhergehender: § 441 HGB. Zum Rang mehrerer Pfandrechte: § 442 HGB.

71 c) Spediteur. Der Spediteur (§ 453 I HGB) hat nach § 464 HGB ein Pfandrecht an dem Speditionsgut und den Begleitpapieren zur Sicherung aller seiner durch den Speditionsvertrag begründeten Forderungen sowie wegen unbestrittener Forderungen aus anderen mit dem Versender abgeschlossenen Speditions-, Fracht- und Lagerverträgen. Auch dieses Pfandrecht besteht nach der Ablieferung nach Maßgabe des § 440 III HGB fort (§ 464 S 3 HGB). Das Besitzpfandrecht des Spediteurs kann gutgläubig erworben werden (§§ 932 ff BGB, 366 III HGB). Nachfolgender Spediteur: § 465 HGB. Zum Rang mehrerer Pfandrechte: § 442 HGB. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zum Frachtführerpfandrecht verwiesen werden.

72 d) Lagerhalter. Der Lagerhalter (§ 467 I HGB) hat nach § 475b HGB ein Pfandrecht an dem Lagergut des Einlagerers, an der Forderung aus einer Versicherung und an den Begleitpapieren wegen aller durch den Lagervertrag begründeten Forderungen sowie wegen unbestrittener Forderungen aus anderen mit dem Einlagerer abgeschlossenen Lager-, Fracht- und Speditionsverträgen. Das Besitzpfandrecht des Lagerhalters kann gutgläubig erworben werden (§§ 932 ff BGB, 366 III HGB). Das Pfandrecht besteht nur, solange der Lagerhalter das Gut in seinem Besitz hat, insbesondere solange er mittels Konnossements, Ladeschein oder Lagerschein darüber verfügen kann (§ 475b III HGB). Ob unfreiwilliger Besitzverlust das Pfandrecht zum Erlöschen bringt, ist hier ebenso umOetker/Maultzsch HGB7 § 366 Rn 55. Vgl hierzu etwa K Schmidt NJW 2014, 1 ff. Hopt/Merkt HGB41 § 440 Rn 7. Hopt/Merkt HGB41 § 421 Rn 6. Hopt/Merkt HGB41 § 440 Rn 7; Staub/P Schmidt HGB5 § 440 Rn 30; Staub/Koller HGB5 § 397 Rn 26 zur entsprechenden Lage beim Kommissionärspfandrecht; aA Schlegelberger/Schröder HGB5 § 440 Rn 15, ein Erlöschen des Pfandrechts sei bei Gutgläubigkeit des Erwerbers bezüglich des Pfandrechts möglich.

121 122 123 124 125

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Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger

§ 50

stritten wie für das Pfandrecht des Frachtführers (Rn 70). Zum Rang mehrerer Pfandrechte: § 442 HGB.

3. Pfandrechte des See- und Binnenschiffhandels Zahlreiche gesetzliche Pfandrechte werden im Fünften Buch des HGB (Seehandel) gewährt. Sie 73 werden hier nur kurz aufgezählt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Spezialliteratur verwiesen. Der Verfrachter von Gütern hat gesetzliche Pfandrechte an den Frachtgütern nach § 495 HGB, ein Pfandrecht ist auch beim Reisefrachtvertrag vorgesehen (§ 527 II HGB) und zugunsten des Beförderers an den Sachen des Reisenden (§ 552 HGB bzw § 77 BinSchG). Ein weiteres gesetzliches Pfandrecht besteht zugunsten des Zeitvercharterers gemäß § 566 HGB. Der Frachtführer bei Beförderung auf Binnengewässern erlangt nach § 26 BinSchG, §§ 440 ff HGB ein gesetzliches Pfandrecht. Die Vergütungsberechtigten der Haverei haben wegen der von dem Schiff und der Fracht zu entrichtenden Beträge an dem Schiff die Rechte von Schiffsgläubigern (§ 593 HGB bzw § 78 II BinSchG) und damit ein gesetzliches Pfandrecht an dem Schiff (§ 597 HGB bzw § 103 BinSchG). Wegen Bergungslohn und Bergungskosten hat der Gläubiger an dem geborgenen Schiff die Rechte eines Schiffsgläubigers (§§ 585 I, 596 I Nr 4 HGB bzw § 93 II, § 102 Nr 3 BinSchG) und damit ein gesetzliches Pfandrecht an dem Schiff (§ 597 HGB bzw § 103 BinSchG); an den übrigen geborgenen Sachen hat er ein Pfandrecht und, wenn er Alleinbesitzer ist, ein Zurückbehaltungsrecht (§ 585 II HGB bzw § 93 I BinSchG; Rangordnung: § 586 HGB bzw § 93 I BinSchG). Auch die übrigen in § 596 HGB bzw § 102 BinSchG aufgezählten Schiffsgläubiger haben für ihre Forderungen ein gesetzliches Pfandrecht an dem Schiff (§ 597 HGB bzw § 103 BinSchG), was sich freilich nicht für alle Gläubiger unter dem Gesichtspunkt einer Kreditsicherheit (Rn 30) rechtfertigen lässt (siehe § 49 Rn 15 f). Rangordnung: §§ 602 ff HGB bzw §§ 107 ff BinSchG. Die gesetzlichen Pfandrechte an eingetragenen126 See- und Binnenschiffen sowie an eingetra- 74 genen oder eintragungsfähigen Schiffsbauwerken und deren Zubehör begründen Absonderungsrechte nach § 49, nicht nach § 50, weil eingetragene Schiffe hinsichtlich der Zwangsvollstreckung zum unbeweglichen Vermögen gehören (§§ 864 I, 865 I, 870a ZPO, §§ 162 ff ZVG; siehe § 49 Rn 36, 58). Die Pfandrechte an der Fracht (§§ 495, 527 II HGB) werden ebenso wie das Pfandrecht des Beförderers an den Sachen des Reisenden (§ 552 HGB bzw § 77 BinSchG) als Pfandrechte an beweglichen Sachen behandelt. Das gilt auch für das Pfandrecht des Frachtführers bei Beförderung auf Binnengewässern, auf das nach § 26 BinSchG §§ 440 ff HGB anzuwenden sind. Nicht eingetragene See- und Binnenschiffe sowie nicht eintragungsfähige Schiffsbauwerke werden wie bewegliche Sachen behandelt und verwertet. Die gesetzlichen Pfandrechte an diesen Schiffen sind deshalb unter § 50 zu subsumieren.

4. Früchtepfandrecht Lieferanten von Düngemitteln und anerkanntem Saatgut oder von zugelassenem Handelssaatgut – 75 mit Ausnahme von Zuckerrübensamen –, die von dem Eigentümer, Eigenbesitzer, Nutznießer oder Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke im Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft in der für derartige Geschäfte üblichen Art nach dem 31. Juli zur Steigerung des Ertrags der nächsten Ernte beschafft und verwendet worden sind, und Darlehensgebern, die zur Bezahlung solcher Lieferungen Kredit gewährt haben, gibt das Gesetz zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung vom 19.1.1949 ein Pfandrecht an den in dieser Ernte anfallenden Früchten der zum Betrieb gehörigen Grundstücke, auch wenn die Früchte noch nicht vom Grundstück getrennt worden sind. Das Gesetz will Saatgut- und Düngemittellieferanten eine Sicherheit geben, sobald das Saatgut bzw der Dünger beschafft und verwendet worden ist. Das Pfandrecht entsteht kraft 126 § 3 SchiffRG; siehe auch Stein/Jonas/Bartels ZPO23 § 870a Rn 1 ff. 589

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§ 50

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Gesetzes an den Früchten, die nach diesem Gesetz, abweichend von § 93 BGB, ohne Trennung vom Grundstück Gegenstände besonderer dinglicher Rechte sein können. Einer besonderen Kenntlichmachung bedarf es nicht. Vor Verwendung können sich die Lieferanten durch Eigentumsvorbehalt wirksam schützen. Mit der Aussaat bzw Düngung besteht diese Möglichkeit wegen der §§ 93, 94 BGB nicht mehr. Deshalb muss die vom Gesetz angestrebte Sicherung unmittelbar nach der Verwendung einsetzen. Das Früchtepfandrecht wirkt damit ähnlich wie ein verlängerter Eigentumsvorbehalt.127 Sind also Saatgut bzw Düngemittel vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwendet worden, ist der Lieferant gesichert, auch wenn die Früchte erst nach der Verfahrenseröffnung entstehen und geerntet werden. Das Pfandrecht bezieht sich auf die gesamte Ernte, es ist nicht auf die Früchte der Grundstücke beschränkt, für die der gelieferte Dünger oder das gelieferte Saatgut verwendet worden sind, sondern es umfasst auch die übrigen Früchte, zu deren Ertragssteigerung der einzelne Lieferant nicht beigetragen hat.128 Das Früchtepfandrecht geht, wie sich aus § 2 IV des Gesetzes ergibt, allen an den Früchten bestehenden dinglichen Rechten im Rang vor, auch einem Pfändungspfandrecht (vgl § 810 ZPO) und dem gesetzlichen Verpächterpfandrecht (siehe auch Rn 63). Es hält auch dem Insolvenzverfahren stand. Deshalb ist eine genaue Festlegung des Zeitpunkts, in dem das Recht als Pfandrecht entsteht, ebenso entbehrlich wie eine Stellungnahme zu der Frage, ob es bis zur Trennung der Früchte nur als Anwartschaftsrecht bezeichnet werden kann. Entscheidend ist, dass der Lieferant von der Verwendung an gesichert sein soll und dass alle Rechte, die danach entstehen, sein Haftungsvorzugsrecht nicht beeinträchtigen können. Das Pfandrecht erlischt mit der Entfernung der Früchte vom Grundstück, nicht jedoch, wenn dies gegen den Widerspruch oder ohne Wissen des Gläubigers geschieht. Ein Widerspruchsrecht des Gläubigers besteht jedoch nicht, wenn die Früchte im Rahmen ordnungsgemäßer Wirtschaft vom Grundstück entfernt werden.129 Das Recht, abgesonderte Befriedigung aus dem Pfandrecht zu erlangen, erlischt aber nicht ersatzlos, wenn der Verwalter die Früchte verwertet (zur vergleichbaren Rechtslage beim Vermieterpfandrecht siehe Rn 50). Folglich handelt der Insolvenzverwalter nicht pflichtwidrig, wenn er das Absonderungsrecht des Pfandgläubigers ablöst.130 Bewirtschaftet der Insolvenzverwalter ein unter das Gesetz fallendes Massegrundstück, sind auch die von ihm als Masseschulden begründeten Kaufpreis- und Darlehensverbindlichkeiten nach Maßgabe des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung pfandgesichert. Die Entstehung eines solchen Absonderungsrechts wird durch § 91 I nicht gehindert. Durch Vereinbarung zwischen dem Pfandgläubiger und dem Pfandschuldner, auch noch dem Insolvenzverwalter des einen oder anderen, und tatsächliche Ausscheidung kann gem § 3 SaatVersSiG nach Beginn der Ernte eine Konzentration der Pfandhaftung auf bestimmte, gesondert zu verwahrende Fruchtmengen vollzogen werden. Die Pfandverwertung geschieht durch Pfandverkauf oder im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 1257, 1228 ff, 1233 ff BGB). Unter den Pfandgläubigern des Gesetzes selbst besteht Ranggleichheit nach § 2 V SaatVersSiG ohne Rücksicht auf die Zeit der Anspruchsbegründung. Mit dem Inventarpfandrecht des Pachtkreditgesetzes (Rn 21) kann das Früchtepfandrecht nicht konkurrieren, weil jenes nur an den zum Inventar gehörenden Wirtschaftsfrüchten, dieses nur an den Verkaufsfrüchten besteht.131 Wirtschaftsfrüchte unterliegen dem Inventarpfandrecht auch, wenn der Betrieb nach deren Ernte eingestellt worden ist.132 Werden die Früchte nach der Betriebseinstellung zur Aberntung einem anderen überlassen, können sie wegen der Betriebseinstellung keine Wirtschaftsfrüchte mehr sein und gehören damit nicht zum haftenden Inventar.

127 128 129 130 131 132

OLG Düsseldorf NJW 1959, 1227 f; Staudinger/Wiegand BGB (2019) Anh zu § 1257 BGB Rn 29. Ebeling Das Früchtepfandrecht (1955), S 17; Jonas Das Pfandrecht an landwirtschaftlichen Früchten (1932), S 11. BGHZ 120, 368 ff = NJW 1993, 1791 ff. BGH NZI 2001, 548, 549. BGHZ 41, 6, 7 = NJW 1964, 495. BGHZ 41, 6, 9 = NJW 1964, 495.

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Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger

§ 50

5. Opferanspruchssicherungsgesetz Ein eigenartiges gesetzliches Pfandrecht normiert das 1998 erlassene Opferanspruchssicherungsge- 76 setz. Dem Opfer einer Straftat wird für seine Schadensersatzforderung gemäß § 1 I, III OASG ein Pfandrecht an Forderungen eingeräumt, die der Täter durch die „Vermarktung der Straftat“ erlangt. Begründet wird dieses Privileg mit dem Opferschutz.133 In der Sache handelt es sich um ein punktuelles Privileg unfreiwilliger Gläubiger, das sich als solches nicht rechtfertigen lässt und de lege ferenda abgeschafft werden sollte.134 Das Pfandrecht soll einerseits dem Persönlichkeitsschutz des Opfers dienen,135 aber kurioserweise gerade auch dann an den aus der Vermarktung stammenden Forderungen des Täters bestehen, wenn die Veröffentlichung keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Opfers darstellt.136 Der Gesetzgeber hat nicht erkannt, dass sich Insolvenzprivilegien als solche nur gegen die konkurrierenden Gläubiger richten und keine zusätzliche Vermögenseinbuße für den Täter darstellen.

VII. Pfändungspfandrecht Auch ein Pfändungspfandrecht an Mobilien gewährt gem § 50 I ein Vorrecht im Insolvenzverfah- 77 ren. Bestand kann dieses freilich nur haben, wenn es nicht während der materiellen Insolvenz erworben worden ist, da ansonsten das Instrumentarium der besonderen Insolvenzanfechtung eingreift. In ständiger Rechtsprechung des BGH werden Pfändungen im Wege der Einzelzwangsvollstreckung nunmehr unter Berufung auf den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz für inkongruent iSv § 131 I befunden.137 Grds kann eine Pfändung, die gegen insolvenzrechtliche Regeln verstößt, kein Pfändungspfandrecht begründen. So entsteht nach § 88 I keine Sicherung in Gestalt eines Pfändungspfandrechts, wenn die Pfändung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erfolgt ist, obwohl die Pfändung wirksam war und die Verstrickung des Objekts bewirkt hat, die auch der Insolvenzverwalter respektieren muss.138 Entsprechend führt die Pfändung für einen Insolvenzgläubiger nach der Verfahrenseröffnung zwar zur Verstrickung, begründet aber als nach § 89 I unzulässige Vollstreckungsmaßnahme kein Pfändungspfandrecht.139 Durch das Pfändungspfandrecht werden diejenigen Gläubiger bevorzugt, die die Durchset- 78 zung ihrer Forderung mittels staatlicher Zwangsvollstreckung bis zur Pfändung durchgeführt hatten, bevor der Schuldner materiell insolvent geworden ist und bevor das Insolvenzverfahren formell eröffnet worden ist. Das einzelzwangsvollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip findet auf diese Weise als Privileg Eingang in die insolvenzrechtliche Verteilung nach dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz.140 Eine Vorpfändung nach § 845 ZPO begründet für sich noch kein Absonderungsrecht.141 Dieses 79 wird erst durch die Hauptpfändung begründet. Wird diese erst in der Rückschlagsperrzeit des 133 BT-Drucks 13/6831, S 1, 5. 134 Siehe J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 309 ff. 135 BT-Drucks 13/6831, S 5 li. Sp.: „Gegenüber der Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts kann sich das Opfer nur in sehr eingeschränktem Umfang wehren“. 136 BT-Drucks 13/6831, S 5 re. Sp. 137 BGHZ 136, 309, 311 ff = NJW 1997, 3445, 3446; BGHZ 155, 75, 80 = NJW 2003, 3347, 3348; BGHZ 157, 242, 245 = NJW 2004, 1385; BGHZ 157, 350, 353 = NJW 2004, 1444; BGHZ 162, 143, 148 f = NJW 2005, 1121, 1122; BGHZ 167, 11, Rn 9 = NJW 2006, 1870, Rn 9; zustimmend etwa Uhlenbruck/Borries/Hirte InsO15 § 131 Rn 60; MünchKomm/Kayser/Freudenberg InsO4 § 131 Rn 26; eingehend J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 123 ff. 138 MünchKomm/Breuer/Flöther InsO4 § 88 Rn 32; HK/Kayser InsO10 § 88 Rn 34. 139 BGH NZI 2021, 489, Rn 9; Gottwald/Haas/Eckardt InsRHdb6 § 33 Rn 41; HK/Kayser InsO10 § 89 Rn 33; Uhlenbruck/ Mock InsO15 § 89 Rn 42 f; zur KO: Jaeger/Henckel KO9 § 14 Rn 41 f. 140 De lege ferenda hiergegen J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 311 ff. 141 Jaeger/Henckel KO9 § 14 Rn 25; § 30 Rn 244 ff. 591

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§ 50

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

§ 88 wirksam, ist der Gläubiger nicht absonderungsberechtigt.142 Eine sog Hilfsvollstreckung, zB Wegnahme des Hypothekenbriefs (§ 830 I S 2 ZPO), Hilfspfändung eines Sparbuchs oder anderer Legitimationspapiere,143 begründet ebenfalls noch kein Pfändungspfandrecht. 80 Hat der Insolvenzverwalter die gepfändete Sache im Besitz, ist er nach § 166 I zur Verwertung berechtigt. Der Pfändungspfandgläubiger kann von ihm nicht die Herausgabe der gepfändeten Sache,144 sondern nur rangentsprechende Auszahlung des Erlöses abzüglich des Kostenbeitrags (§§ 170, 171) verlangen. Umstritten ist, ob der Insolvenzverwalter – wie im Falle des § 88 – eine förmliche Entstrickung herbeiführen muss,145 oder ob die Verstrickung mit Verfahrenseröffnung automatisch erlischt.146 Eine Berechtigung des Insolvenzverwalters, die von einem Gläubiger gepfändete Forderung durch Einziehung zu verwerten, kennt die InsO nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 166 II auf verpfändete oder gar gepfändete Forderungen ist ausgeschlossen.147

Braun/Bäuerle InsO9 § 50 Rn 19; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 50 Rn 43. Stein/Jonas/Würdinger ZPO23 § 821 Rn 4 f. MünchKomm/Kern InsO4 § 166 Rn 35; Smid ZInsO 2001, 433, 442 ff. So etwa Jaeger/Eckardt InsO1 § 166 Rn 186. So Jaeger/Henckel InsO1 § 50 Rn 83; siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 166 Rn 22, der ein Erlöschen der Verstrickung erst durch die freihändige Veräußerung annimmt. 147 Siehe BGH ZIP 2013, 384, Rn 30; Jaeger/Eckardt InsO1 § 166 Rn 315 ff.

142 143 144 145 146

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§ 51 Sonstige Absonderungsberechtigte Den in § 50 genannten Gläubigern stehen gleich: 1. Gläubiger, denen der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache übereignet oder ein Recht übertragen hat; 2. Gläubiger, denen ein Zurückbehaltungsrecht an einer Sache zusteht, weil sie etwas zum Nutzen der Sache verwendet haben, soweit ihre Forderung aus der Verwendung den noch vorhandenen Vorteil nicht übersteigt; 3. Gläubiger, denen nach dem Handelsgesetzbuch ein Zurückbehaltungsrecht zusteht; 4. Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit ihnen zoll- und steuerpflichtige Sachen nach gesetzlichen Vorschriften als Sicherheit für öffentliche Abgaben dienen.

Materialien 1. Ber InsRKomm, LS 3.1-3.4.9; DiskE §§ 55, 56; RefE § 55, 56, 56a, Allg Begr S 48 ff; RegE §§ 58, 59, 60, BR-Drucks 1/92 S 125 f, BT-Drucks 12/2443, Begr S 125 f.

Vorgängerregelung § 49 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 276 ff; Begr EKO S 208 ff; KO-Prot S 39 ff, 150; MzEG S 112 ff; P II S 222, 223, 225 ff; P VI S 764; Begr z KO-Nov 1898 S 36 f, 59 f.

Literatur Siehe § 50 InsO.

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung 1 Verhältnis zur Konkursordnung Absonderungsrechte an beweglichen Gegenstän2 den

II. 1.

Mobiliarsicherungsgeschäfte (Nr 1) Kreditsicherheiten, Rechtspolitik und Gläubiger3 gleichbehandlung Sicherungsübertragung 6 a) Dogmatische Einordnung b) Problematik künftiger Vermögens17 werte 19 c) Rangfragen 22 d) Übersicherung 25 e) Verwertungsfragen Eigentumsvorbehalt und Ergänzungsklauseln 26 a) Einfacher Eigentumsvorbehalt 27 b) Erweiterter Eigentumsvorbehalt 30 c) Kontokorrentvorbehalt 31 d) Konzernvorbehalt 32 e) Verlängerter Eigentumsvorbehalt 34 f) Verbindung bzw Vermischung 36 g) Verarbeitungsvorbehalt

2.

3.

593 https://doi.org/10.1515/9783110666175-018

III. 1. 2. 3. 4. 5.

Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen (Nr 2) 48 Voraussetzungen 49 Rechtspolitische Kritik 50 Verwertungsproblematik 51 § 273 BGB in der Insolvenz 56 Verwendungen bei Grundstücken

IV.

Handelsgesetzliche Zurückbehaltungsrechte 57 (Nr 3)

V.

Versicherungsrechtliches Zurückbehaltungs59 recht

VI.

Die Sachhaftung (Nr 4)

60

VII. Absonderungsrecht gem § 110 VVG

65

VIII. Bereicherungsrechtliches Zurückbehaltungs69 recht – § 821 BGB IX.

Rangverhältnis

70

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§ 51

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Alphabetische Übersicht Akzessorietät 8 Deckungsgrenze 22, 24, 27 Drittwiderspruchsklage 10, 14 f, 67 Eigentumsvorbehalt 26 ff – erweiterter 27 ff, 30 – verlängerter 9, 19, 32 ff, 37, 70 Freigabegrenze 22 f Globalzession 9, 19, 37, 74 Kontokorrentvorbehalt 30 Konzernvorbehalt 31 Künftige Vermögenswerte 17 f Rang 9, 19 ff, 37 ff, 45, 49, 55, 70 ff – Rangfrage 9, 19 ff, 39 f, 42, 74 – Rangkonflikt 19, 39, 41 – Rangordnung 9, 19, 23, 42, 71 – Rangproblem 9, 42, 74 Schiffspfand 60 Sicherungsübereignung 1, 9, 19 ff, 25, 37, 42, 45, 71, 74

Sicherungszession 3, 8, 16, 18 f, 21, 32, 37, 42, 74 Übersicherung 22 ff – anfängliche 24 – nachträgliche 22 f Verarbeitungsvorbehalt 36 ff Verbindung 34 f Verbrauchssteuern 60 ff Vermieterpfandrecht 9, 20, 64, 74 Verpächterpfandrecht 20 Fn 45 Verwertungszeitpunkt 11 ff Verzichtsklausel 19, 42 Vorrang 1, 19 f, 34, 37, 39, 60 Zoll 60 ff Zurückbehaltungsrecht 48 ff – kaufmännisches 57 f – versicherungsrechtliches 59 – wegen Verwendungen 48 ff

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Konkursordnung 1 § 51 Nr 1 bestätigt ausdrücklich die zur Konkursordnung hM, dass die Sicherungsübereignung und Sicherungsübertragung pfandrechtsähnliche Absonderungsrechte begründen. Nr 2 entspricht § 49 I Nr 3 KO, Nr 3 entspricht § 49 I Nr 4 KO und Nr 4 entspricht § 49 I Nr 1 KO. Die Vorrangregelung des § 49 II KO musste nicht in die InsO übernommen werden, weil sie in § 76 I AO und § 602 HGB enthalten ist. Geringfügige Abweichungen in den Formulierungen des § 51 von § 49 KO sind im Text angeführt. Rechtsprechung und Literatur zu § 48 KO, soweit sie die Mobiliarsicherheiten betreffen, und zu § 49 KO können im Wesentlichen noch verwendet werden.

2. Absonderungsrechte an beweglichen Gegenständen 2 Die Absonderungsrechte des § 51 bestehen nur an beweglichen Gegenständen. Für § 51 Nr 1 ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Vorschrift, für § 51 I Nr 3 aus dem Wortlaut des § 369 I S 1 HGB, für Nr 4 aus dem des § 76 I AO („Waren“) und für Nr 2 aus der Systematik des Gesetzes, das für die Verwertung von zurückbehaltenen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten auf das ZVG verweist (§ 1003 BGB), sodass § 49 Anwendung findet (siehe Rn 56).

II. Mobiliarsicherungsgeschäfte (Nr 1) 1. Kreditsicherheiten, Rechtspolitik und Gläubigergleichbehandlung 3 Im Mobiliarkreditsicherungsrecht reißen die rechtspolitischen Debatten nicht ab.1 Insbesondere die de lege lata bestehende Möglichkeit, sich mittels Sicherungseigentum und Sicherungszession 1 Umfangreiche Nachweise zur Diskussion im Zuge der Insolvenzrechtsreform etwa bei Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 4. Hoffmann

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Sonstige Absonderungsberechtigte

§ 51

Kreditsicherheiten zu verschaffen, ohne dass dies mit einer verlässlichen Publizität einhergeht, ist Gegenstand eingehender Kritik. Unter Verweis auf ausländische Rechtsordnungen und die nunmehr leichtere Umsetzbarkeit (digitaler) Registrierungskonzepte werden auch für das deutsche Recht entsprechende Reformen gefordert.2 Regelmäßig untermauert wird die Kritik am geltenden Recht mit einem Verweis auf den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz.3 Auch wenn man sich bei der Rechtfertigung von Kreditsicherheiten nicht mit einem bloßen 4 Hinweis auf deren Dinglichkeit begnügen kann, da sie – anders als die Aussonderungsrechte (§ 47 Rn 30) – nur ein Vehikel zur privilegierten Durchsetzung der Vermögenshaftung sind,4 lassen sich aus dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz nur bedingt normative Leitlinien für die Ausgestaltung eines Kreditsicherungsrechts herleiten.5 Der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz fordert, dass Gläubiger in einem konkreten Verteilungskonflikt gleichmäßig zu befriedigen sind, wenn es nicht privatrechtliche Gründe für eine Privilegierung gibt.6 Hinsichtlich Kreditsicherheiten sind die Verteilungsergebnisse, die ohne das Privileg der Kreditsicherheit erzielt würden, aber normativ nicht rekonstruierbar. Würde dem kreditierenden Gläubiger kein Privileg gewährt, hätte er unter Umständen gar keinen Kredit gewährt oder dies zu anderen Konditionen getan. Die Masse wäre also auch auf ihrer Aktivseite anders zusammengesetzt. Der kreditierende Gläubiger steht potenziell stets außerhalb des Verteilungskonflikts und hat sich nur auf der Grundlage des geltenden Kreditsicherungsrechts in diesen begeben. Die (auch rechtspolitische) Frage, ob Kreditsicherheiten gewährt werden sollen und unter welchen Voraussetzungen insbesondere der Publizität dies geschehen soll, kann mit dem Gebot der Gleichbehandlung von Gläubigern in einem konkreten Verteilungskonflikt nicht beantwortet werden. Ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen insolvenzfeste Kreditsicherheiten anzuer- 5 kennen sind, ist eine Frage rechtspolitischer Zweckmäßigkeit, die nicht durch den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz determiniert wird. Im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit eines Kreditsicherungsrechts wird nahezu einhellig angenommen, dass dessen Aufgabe darin bestehe, Kredite zu vergünstigen bzw überhaupt erst verfügbar zu machen.7

2. Sicherungsübertragung a) Dogmatische Einordnung. Im Umgang mit dem Sicherungseigentum und der Sicherungszes- 6 sion hat man sich zunehmend zutreffend von der Erkenntnis leiten lassen, dass es sich um Vollrechte handelt, die durch ihre kreditsichernde Funktion bestimmt werden. Das Vollrecht ist funktional auf seinen kreditsicherungsrechtlichen Gehalt zurückzuschneiden. Dogmatisch bewerkstelligt wird das letztlich durch eine Teilverabsolutierung der schuldrechtlichen Sicherungsabrede. Was dem Sicherungsgeber durch eine Teilverabsolutierung des Sicherungsvertrages gegeben wird (§ 47 Rn 58), wird dem Sicherungsnehmer genommen. Ganz in diesem Sinne hatte die Rechtsprechung bereits unter Geltung der Konkursordnung das 7 Sicherungseigentum zugunsten des Sicherungsnehmers nur mit einem Absonderungsrecht versehen.8 Der numerus clausus der Sachenrechte stand und steht einer solchen kreditsicherungsrecht2 Dafür etwa Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011), passim; Kieninger AcP 208 (2008), 182, 210 ff; dies ZEuP 2016, 201, 211 f; zurückhaltend Stürner in: Eidenmüller/Kieninger (Hrsg), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S 166, 168; krit Heese FS K Schmidt (2019), S 409, 419 ff; Lwowski in: Eidenmüller/ Kieninger (Hrsg), The Future of Secured Credit in Europe (2008), S 174, 178 f. 3 Vgl statt vieler Häsemeyer KTS 1982, 507, 571 ff und Jaeger/Henckel InsO1 Vor §§ 49–52 Rn 3. 4 Eingehend Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011), S 254 ff. 5 Siehe J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 290 ff. 6 J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 208 ff. 7 Vgl etwa statt aller UNCITRAL Legislative Guide on Secured Transactions (2010), S 1 ff; Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011), S 4. 8 RGZ 124, 73, 75; BGHZ 72, 141, 146 = NJW 1978, 1859, 1860. 595

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lich-funktionalen Begrenzung des Vollrechts nicht entgegen. Er soll im Rechtsverkehr für Verlässlichkeit und Orientierungssicherheit sorgen, was eine schrittweise und behutsame Fortentwicklung des Rechts grundsätzlich nicht hindert.9 8 Anders als das Pfandrecht des BGB sind das Sicherungseigentum und das Sicherungsrecht des Sicherungszessionars nicht akzessorisch.10 Das Akzessorietätsprinzip, das dem Sicherungszweck einer Kreditsicherheit Rechnung trägt,11 ist bei vollrechtsbasierten Sicherheiten im Ausgangspunkt nicht in der Rechtsposition implementiert. Die Parteien können zwar insoweit die verfügungsrechtliche Einigung über eine Bedingung in einem gewissen Umfang an den Sicherungszweck koppeln, das entspricht aber typischerweise nicht den Interessen des Sicherungsnehmers.12 Das kreditsicherungsrechtliche Akzessorietätsprinzip ist bei den vollrechtsbasierten Sicherheiten weitgehend schuldrechtlich im Sicherungsvertrag umgesetzt. Diesem ist typischerweise13 zu attestieren, über schuldrechtliche Kautelen eine Akzessorietät mittelbar herbeizuführen und dementsprechend auch das Haftungsrisiko des Sicherungsgebers zu regulieren.14 Ist der Sicherungszweck erreicht oder endgültig verfehlt, hat der Sicherungsgeber demnach einen Anspruch auf Rückübertragung der zur Sicherheit gegebenen Sache oder der abgetretenen Forderung. Dieser Anspruch hält dem Insolvenzverfahren stand. Der Sicherungsgeber ist aussonderungsberechtigt (§ 47 Rn 58). Die Teilverdinglichung des Sicherungsvertrages führt auch in dieser Hinsicht zu einer funktionalen Begrenzung der vollrechtsbasierten Sicherheit und nähert sie einer akzessorischen Kreditsicherheit an. 9 Während hinsichtlich einer bloßen Absonderung des Sicherungsnehmers und einer gestatteten Aussonderung des Sicherungsgebers die funktionale Begrenzung der Sicherungsübertragung auch methodisch recht geradlinig implementiert worden ist, kann man das vom Umgang mit Rangfragen nicht behaupten. Hatte der Gesetzgeber das Rangproblem noch gar nicht vor Augen,15 übt sich die Rechtsprechung des BGH vor allem in Ausweichkonstruktionen und methodischen Notbehelfen, um die vollrechtsbasierten Kreditsicherheiten in eine Rangordnung einzufügen.16 Das gilt etwa für die Kollision von verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession (siehe Rn 19), für den Umgang mit „Verarbeitungsklauseln“ (siehe Rn 36 ff) und für die Judikatur zum Konflikt von Vermieterpfandrecht und Raumsicherungsübereignung (siehe Rn 20). Mag die Rechtsprechung bisher in Einzelfällen in der Lage gewesen sein, das gewünschte Ergebnis einigermaßen nachvollziehbar herzuleiten, erschwert das zum Teil verschleiernde Vorgehen der Judikatur den Diskurs sowie die Vorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung im Hinblick auf andere Sicherungskonflikte. 9 Statt vieler Canaris FS Flume (1978), S 371, 376. 10 BGH NJW 1984, 1184, 1185 f; BGH NJW 1991, 353, 354; zust insoweit Serick EWiR 1991, 147; BGHZ 137, 212, 218 = NJW 1998, 671, 672; die hM stimmt dem zu: Gaul FS Serick (1992), S 109 f; Gerhardt JZ 1986, 672, 677; ders JZ 1986, 736, 739; Soergel/Henssler BGB13 § 930 Anh Rn 14; Jauernig NJW 1982, 268 ff; MünchKomm/Oechsler BGB8 Anh §§ 929-936 Rn 10; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 56 I 2b S 11 f; Staudinger/Wiegand BGB (2017) Anh zu §§ 929–931 Rn 187 ff; die abw Urteile des BGH NJW 1982, 275, 276 f (zust Bähr NJW 1983, 1473 ff; Tiedtke DB 1982, 1709; Wieling/Finkenauer SachenR6 § 18 Rn 4; ähnlich schon Paulus ZZP 64 (1951), 169, 202) und BGH NJW 1986, 977 sind wohl als Ausreißer zu werten. Siehe auch Henckel FS Zeuner (1994), S 193, 199 Fn 18. Für eine (zwingende) Akzessorietät bereits nach geltendem Recht dagegen Klinck AcP 221 (2021), 447, 461 ff, 479 ff; dass bei beweglichen Sachen (und auch Forderungen?) de lege lata kein Raum für eine nicht-akzessorische Kreditsicherheit bestehen soll, erschließt sich allerdings auch bei einem Seitenblick auf die Grundpfandrechte und die Personalsicherheiten nicht zwangsläufig. 11 Eingehend mwN J F Hoffmann ZfPW 2019, 257, 260 ff. 12 BGH NJW-RR 2005, 280, 281. 13 Zum Sicherungsvertrag als Vertragstyp etwa U Huber Die Sicherungsgrundschuld (1965), S 84 ff. 14 Baur/Stürner SachenR18 § 57 Rn 15 („vertragliche Akzessorietät“); Medicus JuS 1971, 497, 503 (der verwendete Begriff des „Akzessorietätsersatzes“ ist freilich ambivalent); Roth FS Laufs (2006), S 623, 625 („Akzessorietätssurrogat“); BeckerEberhard Die Forderungsgebundenheit der Sicherungsrechte (1993), S 8, 103 und passim spricht vom „Prinzip der forderungsgebundenen Sicherung“, das „Leitbild und Regelfall der Kreditsicherung schlechthin“ sei. 15 Protokolle bei Mugdan III, S 627 gingen davon aus, dass es bei der Sicherungsübereignung keine Rangkonflikte geben könne. 16 Nur vereinzelt ist in der Rechtsprechung ausdrücklich vom Rang einer Sicherungsübertragung die Rede: BGH NJW 1974, 942, 943; BGH NJW 1982, 275, 276 f; BGH NZI 2003, 496. Hoffmann

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Auch sind die gewählten Konstruktionen nicht hinreichend leistungsfähig, um die Sicherungskonflikte flächendeckend zu lösen (siehe Rn 19 f, 39 ff). Vorzugswürdig wäre auch in dieser Hinsicht eine funktionale Begrenzung der zeitlich prioritären aber material nachrangigen vollrechtsbasierten Kreditsicherheit, indem ihr ein (schlechterer) Rang zugewiesen wird.17 Auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint es, dass die Sicherungsübertragungen ihrer Funktion entsprechend im Insolvenzverfahren als Absonderungsrechte behandelt werden, während in der Einzelzwangsvollstreckung die Rechtsprechung dem Sicherungsnehmer die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO gewährt.18 Henckel hat diese Rechtsprechung mit dem Aspekt des Verwertungszeitpunktes gestützt.19 Während es außerhalb der Insolvenz auch unter kreditsicherungsrechtlichen Gesichtspunkten sachgerecht sei, dem Sicherungsnehmer die Entscheidung über den Verwertungszeitpunkt zu belassen, was über § 771 ZPO zu implementieren sei, müsse dem Sicherungsnehmer in der Insolvenz diese Entscheidungsbefugnis auch kreditsicherungsrechtlich entzogen werden. Unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ist das im Einzelnen näher auszuführen: Im Insolvenzverfahren wird das Dispositionsrecht des Mobiliarpfandgläubigers über den Verwertungszeitpunkt eingeschränkt. Der Insolvenzverwalter kann unter den Voraussetzungen des § 166 die Sachsicherheit verwerten (§ 166 I) oder die zur Sicherheit abgetretene Forderung einziehen (§ 166 II) und damit den Zeitpunkt der Verwertung bestimmen, den der Sicherungsnehmer weder hinausschieben noch vorverlegen kann (vgl § 169). Sind die Voraussetzungen des § 166 nicht gegeben, kann der Verwalter dem Sicherungsnehmer durch das Insolvenzgericht eine Frist zur Verwertung setzen lassen, nach deren fruchtlosem Ablauf das Verwertungsrecht auf ihn übergeht (§ 173 II S 2). So oder so ist dem Sicherungsnehmer im Insolvenzverfahren das Recht genommen, über den Zeitpunkt der Verwertung des Sicherungsobjekts zu disponieren. Der Grund für diese insolvenzrechtliche Besonderheit leuchtet ohne Weiteres ein: Es darf nicht hingenommen werden, dass ein Sicherungsnehmer einen Erlösüberschuss der Insolvenzmasse dadurch vorenthält, dass er die Verwertung aufschiebt, bis das Insolvenzverfahren abgewickelt ist. Will man aber das Dispositionsrecht des Sicherungsnehmers einschränken, ist sein Recht den Absonderungsrechten zuzuordnen. Denn die Disposition über den Zeitpunkt der Durchsetzung einer Aussonderung wird durch die Insolvenzordnung im eröffneten Verfahren (vgl aber auch § 21 II S 1 Nr 5) nicht eingeschränkt; das gilt erst recht für die Disposition über den Zeitpunkt einer anschließenden Verwertung durch den Gläubiger. Außerhalb des Insolvenzverfahrens wird dem Sicherungsnehmer die Disposition über den Zeitpunkt der Verwertung seines Sicherungsrechts nur genommen, wenn er die Sache, an der er ein Pfand- oder Vorzugsrecht hat, nicht im Besitz hat (§ 805 I ZPO). Er kann die Vollstreckung eines Dritten in das Sicherungsobjekt nicht verhindern, sondern nur vorzugsweise Befriedigung verlangen. Für ihn ändert sich durch das Insolvenzverfahren nichts. Auch hier muss er die Verwertung hinnehmen und kann nur vorzugsweise den Erlös in Anspruch nehmen. Anders ist es in der Einzelvollstreckung bei den Besitzpfandrechten. Hier hindert schon der Besitz des Pfandgläu17 Eingehend J F Hoffmann AcP 220 (2020), 377 ff; ähnlich wie hier K Schmidt DB 1977, 65, 69 f; vgl auch von Duisburg Kollision von Vermieterpfandrecht mit antizipierter Raumsicherungsübereignung (2009), S 168 ff; Henckel FS Zeuner (1994), S 193, 201 ff; Jaeger/ders InsO1 § 51 Rn 9; dagegen statt vieler Bechtloff Gesetzliche Verwertungsrechte (2003), S 248 f; für die Sicherungsübereignung will Klinck AcP 221 (2021), 447, 498 ff eine Rangfähigkeit herbeiführen, indem das Sicherungseigentum als „Mobiliarhypothek“ behandelt wird, was freilich mit dem Postulat einer zwingenden Akzessorietät einhergeht (dagegen Fn 10). 18 RGZ 124, 73; BGHZ 12, 232, 234 = NJW 1954, 673, 674; BGHZ 72, 141, 146 = NJW 1978, 1859, 1860; BGHZ 80, 296, 299 = NJW 1981, 1835; BGHZ 118, 201, 207 = NJW 1992, 2014, 2015; Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 771 Rn 30; MünchKomm/ Oechsler BGB8 Anh §§ 929–936 Rn 56; Staudinger/Wiegand BGB (2017) Anh zu §§ 929–931 Rn 253; Wilhelm SachenR7 Rn 2433, 2437; unklar Anders/Gehle/Hunke ZPO80 § 771 Rn 20, 25, einerseits sei das Sicherungseigentum ein Interventionsrecht (Rn 20), andererseits sei eine Klage des Treunehmers nach § 771 I ZPO unstatthaft, wenn ein Gläubiger des Sicherungsgebers in das Sicherungsgut vollstrecke (Rn 25); für § 805 ZPO bei Sicherungseigentum an einer beweglichen Sache auch MünchKomm/K Schmidt/Brinkmann ZPO6 § 771 Rn 30; Klinck AcP 221 (2021), 447, 475 ff. 19 Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 10 ff. 597

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bigers den Zugriff anderer Gläubiger (§ 809 ZPO). Gegen seinen Willen kann die Sache nicht gepfändet und verwertet werden. 14 Für entscheidend hält Henckel überzeugender Weise demnach die Frage, ob man das Sicherungseigentum einem besitzlosen Pfandrecht oder einem Besitzpfandrecht gleichstellen will. Im ersten Fall wäre § 805 ZPO anwendbar. Im zweiten Fall müsste der Sicherungsnehmer verhindern können, dass ein anderer ihm in der Einzelzwangsvollstreckung die Disposition über den Verwertungszeitpunkt nimmt. Das lässt sich, anders als bei den Besitzpfandrechten, mit § 809 ZPO nicht erreichen. Man braucht ein anderes Instrument, das zur Unwirksamkeit der Pfändung des anderen Gläubigers führt. Die ZPO bietet kein anderes als die Drittwiderspruchsklage des § 771 ZPO. Ob man das Sicherungseigentum hinsichtlich des Verwertungszeitpunktes wie ein besitzloses Pfandrecht oder wie ein Besitzpfandrecht behandeln sollte, ist eine Frage kreditsicherungsrechtlichter Zweckmäßigkeit. Eine Behandlung nach § 771 ZPO ist jedenfalls für den Sicherungsnehmer unter verschiedenen Gesichtspunkten deutlich günstiger, ohne dass dies die konkurrierenden Gläubiger im geltenden System über Gebühr belasten würde: 15 Gegen die Anwendung des § 805 ZPO spricht, dass sie den Sicherungsnehmer zwingen würde, die Verwertung seines Sicherungsgutes zu einem Zeitpunkt hinzunehmen, zu dem seine Forderung noch nicht fällig ist. Selbst wenn aber die Forderung schon fällig wäre, würde man den Sicherungsnehmer gegenüber den Inhabern gesetzlich geregelter Besitzsicherungsrechte benachteiligen, weil er gezwungen werden könnte, eine Verwertung zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, der nach der Marktlage oder wegen des gegenwärtigen wertmindernden, aber verbesserungsfähigen Zustands der Sache ungünstig ist, statt abwarten zu können, wann ein höherer Verwertungserlös zu erzielen ist. Dass ein etwa zu erzielender Erlösüberschuss für andere Gläubiger des Sicherungsnehmers blockiert wird, solange der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut nicht verwertet, spricht nicht gegen dessen Dispositionsrecht. Denn das deutsche Einzelzwangsvollstreckungsrecht ist zugeschnitten auf einen Schuldner, dessen Vermögen einschließlich vorhandener und beschaffbarer Zahlungsmittel ausreicht, um alle seine Gläubiger zu befriedigen.20 Den anderen Gläubigern wird also nur zugemutet, sich andere Vollstreckungsobjekte zu suchen oder den Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers zu pfänden und zu warten, bis dieser realisiert werden kann. Bleiben die Bemühungen der anderen Gläubiger erfolglos, weil keine verwertbaren Objekte zu finden sind, so liegt der Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren vor. Nur dann ist es notwendig, dem Sicherungsnehmer das Dispositionsrecht über den Verwertungszeitpunkt zu nehmen. 16 Auch die Anwendung des § 771 ZPO zugunsten des Sicherungseigentümers dient demnach der funktionalen Behandlung des Sicherungseigentums als ein pfandrechtsähnliches, regelmäßig besitzloses nichtakzessorisches Sicherungsrecht. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt lediglich, dass dem Sicherungsnehmer das Recht genommen wird, über den Zeitpunkt der Verwertung des Sicherungsgutes frei zu disponieren. Das ist eine zwingende gesetzliche Folge, die sich unmittelbar aus den §§ 166, 173 II ergibt. Entsprechend gibt die Sicherungszession dem Zessionar ein pfandrechtsähnliches nichtakzessorisches Sicherungsrecht ohne Dispositionsbefugnis über den Verwertungszeitpunkt im Insolvenzverfahren.

17 b) Problematik künftiger Vermögenswerte. Insbesondere bei den Sicherungsübertragungen stellt sich die Frage, inwiefern sie auch künftige Vermögenswerte insolvenzfest einbeziehen (davon zu unterscheiden ist die Frage, inwiefern auch künftige Forderungen insolvenzfest besichert werden können, siehe dazu § 50 Rn 12). So ist klärungsbedürftig, ob sich im Rahmen der Verfügungstatbestände des geltenden Rechts eine Kreditsicherheit auch dann auf einen künftigen Vermögenswert erstrecken kann, wenn dieser erst nach Verfahrenseröffnung in die Insolvenzmasse gelangt ist. Das ist grundsätzlich im Lichte der Funktionalität des Kreditsicherungsrechts zu entscheiden (Rn 5)

20 Zum arbeitsteiligen Vollstreckungssystem de lege lata eingehend und krit J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 444 ff. Hoffmann

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und über § 91 I zu implementieren.21 Ein Sicherungsnehmer kann eine Kreditsicherheit im Rahmen der geltenden Verfügungstatbestände in Anbetracht von § 91 I dann auf einen künftigen Vermögenswert erstrecken, wenn dieser vorinsolvenzlich bereits derart verdichtet iSe gesicherten Rechtsposition war, dass er die Zwecke einer Kreditsicherheit erfüllen kann.22 So wird etwa einerseits hinsichtlich Steuererstattungsansprüchen angenommen, dass diese im Hinblick auf bereits abgelaufene Zeiträume insolvenzfest sicherungszediert werden können, auch wenn die Steuerfestsetzung noch nicht erfolgt ist.23 Andererseits ist die Abtretung eines strafprozessualen Kautionsrückzahlungsanspruchs vom BGH nicht für insolvenzfest befunden worden, wenn der die Kaution freisetzende Gerichtsbeschluss erst nach Verfahrenseröffnung erlassen worden ist.24 Praktisch relevant ist weiter die Abtretung von sicherungsvertraglichen Forderungen auf Rückgewähr einer nicht akzessorischen Kreditsicherheit. So hat der BGH hinsichtlich Sicherungsgrundschulden judiziert, dass die Abtretung der künftigen Rückgewährforderung nur dann hinsichtlich § 91 I insolvenzfest ist, wenn eine Revalutierung ohne Zustimmung des Abtretungsempfängers nicht mehr in Betracht kommt, was von der der Grundschuldbestellung zugrundeliegenden Sicherungszweckerklärung abhängt.25 Auch kann ein Sicherungsnehmer seine Kreditsicherheit im Rahmen der geltenden Verfügungstatbestände auf künftige Vermögenswerte erstrecken, die aus Transaktionen über einen Gegenstand gewonnen werden, der dem Sicherungsnehmer bereits insolvenzfest kreditsicherungsrechtlich zugewendet worden ist (siehe § 48 Rn 52 f).26 Soweit allerdings künftige Vermögenswerte erst nach Verfahrenseröffnung mit Massemitteln 18 in dem Sinne generiert werden, dass die Werthaltigkeit der Sicherheit gesteigert wird, ist mittels § 91 I eine (gegebenenfalls teilweise) Begrenzung vorzunehmen.27 Dieser Gesichtspunkt der Werthaltigkeit ist bei der sicherungsbedingten Vorauszession von Miet- und Leasingforderungen gegenüber der begrifflichen Unterscheidung des BGH zwischen „befristeten“ und „betagten“ Forderungen vorzugswürdig.28 Bei Miet- und Leasingverträgen ist insoweit zu erkennen, dass eine Anreicherung mit Massemitteln bereits dann vorliegt, wenn ein Massegegenstand zur Nutzung überlassen worden ist. Denn dann ist es gerade diese grundsätzlich der Masse zugewiesene Nutzungsmöglichkeit, mit der die Miet- bzw Leasingforderungen werthaltig gemacht werden. Das gilt auch dann, wenn der Verwalter nach Maßgabe von § 108 I S 1 zwangsläufig die Nutzung dem Vertragspartner belassen muss.29 Ganz grundsätzlich ist im Verhältnis zwischen dem Verwalterwahlrecht nach § 103 I und der Sicherungszession § 91 I zur Anwendung zu bringen, soweit die sicherungszedierte Forderung dadurch mit Massemitteln aufgewertet wird, dass die Einrede aus § 320 BGB erst mit Massemitteln beseitigt wird.30 Dementsprechend ist auch in den Verarbeitungskonstellationen die Kreditsicherheit nur insoweit auf das Verarbeitungsprodukt zu erstrecken, wie dieses nicht aus Massemitteln (Arbeitsleistung, Material) generiert worden ist (siehe Rn 43). Entsprechend ist bei der Sicherungsübertragung eines „Anwartschaftsrechts“ zu erkennen, dass der Erwerb vollwertigen Sicherungseigentums durch den Sicherungsnehmer insoweit31 an § 91 I scheitern muss, als der restliche Kaufpreis mit Massemitteln gezahlt worden ist.32 21 22 23 24 25

Eingehend J F Hoffmann KTS 2021, 327, 342 ff. Zu diesem Topos J F Hoffmann KTS 2021, 327, 344 ff. BGHZ 70, 75, 77 = NJW 1978, 642, 643. BGH NZI 2016, 794. BGHZ 191, 277 = NJW 2012, 229; siehe auch BGH NJW-RR 2013, 51, Rn 18 (zum Rückgewähranspruch im Rahmen einer Sicherungszession). 26 Zu diesem Topos J F Hoffmann KTS 2021, 327, 346. 27 Zu diesem Topos mwN J F Hoffmann KTS 2021, 327, 347. 28 BGH NJW 2013, 2429, Rn 27 mwN. 29 MünchKomm/J F Hoffmann InsO4 § 110 Rn 7. 30 So auch, nunmehr ohne expliziten Rekurs auf § 91 I, BGHZ 150, 353, 359 = NJW 2002, 2783, 2785; BGH NZI 2006, 350; BGH NZI 2008, 236, Rn 27; auch auf § 91 I rekurrierend dagegen etwa MünchKomm/Huber InsO4 § 103 Rn 41. 31 Zu weitgehend Marotzke AcP 191 (1991), 177, 198. 32 Wie hier Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 19, der noch weitergehend dafür plädiert, dem Sicherungsnehmer sogar die Befugnis zu nehmen, über § 267 BGB seine Sicherheit selbst „werthaltig“ zu machen. 599

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19 c) Rangfragen. Eine Fallkonstellation, in der die Rechtsprechung rechtsfortbildend in die kreditsicherungsrechtliche Rangordnung eingegriffen hat, betrifft die Konkurrenz des verlängerten Eigentumsvorbehalts zugunsten eines Warenkreditgebers mit der Globalzession regelmäßig zugunsten einer Bank um Forderungen des Schuldners aus Veräußerungsgeschäften. Ob sich die Konkurrenz zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession überhaupt unter Rückgriff auf das Prioritätsprinzip zugunsten eines Gläubigers auflösen ließe, ist fraglich. Das hängt maßgeblich davon ab, welchen Zeitpunkt man bei der Sicherungszession künftiger Forderungen unter dem Gesichtspunkt der Priorität für entscheidend hält. Erklärt man, wie das überwiegend angenommen wird, nicht den Entstehungszeitpunkt der Forderung,33 sondern den Abtretungsvertrag für maßgeblich,34 kann im Einzelfall der Warenkreditgeber Vorrang haben. In aller Regel wird der Geschäftskredit aber vor den einzelnen Warenkrediten besichert worden sein, sodass die Banken den ersten Zugriff hätten.35 Der BGH bemüht in diesem Kontext den Gedanken, der Globalzessionar verhalte sich gegenüber dem Schuldner sittenwidrig gem § 138 I BGB, da er ihn zu Vertragsverletzungen gegenüber dem Warenkreditgeber dränge („Vertragsbruchtheorie“).36 Dass diese Begründung in der Sache nicht zu überzeugen vermag, liegt auf der Hand. Ebenso ließe sich behaupten, der Warenkreditgeber dränge den Schuldner zum Vertragsbruch gegenüber der Bank.37 Die Rechtsprechung des BGH ist unverkennbar bestrebt, den Anschaffungsfinanzierer zu schützen und ihm gegebenenfalls auch entgegen dem Prioritätsprinzip einen Vorrang einzuräumen. Unter kreditsicherungsrechtlichen Gesichtspunkten ist zu erkennen, dass ein besonderer Schutz von Anschaffungsfinanzierern für zweckmäßig befunden werden mag und dass das Prioritätsprinzip insoweit nicht zwangsläufig umzusetzen ist.38 Es zeigen sich allerdings Unstimmigkeiten und Schwächen in der Lösung der Rangfrage über § 138 I BGB: Ein Manko der gewählten Konstruktion besteht zunächst darin, dass der BGH die Globalzession insgesamt für nichtig befindet und nicht nur insoweit, als Forderungen aus dem Weiterverkauf von Vorbehaltsware betroffen sind. Da der Rangkonflikt nicht offen als solcher adressiert, sondern in ein Sittenwidrigkeitsproblem umgedeutet wird, kommt es zu einer überschießenden Korrektur.39 Die Globalzession wird insgesamt für nichtig befunden, es sei denn, der Globalzessionar nimmt eine absolut wirkende Teilverzichtsklausel in den Sicherungsvertrag auf.40 Das Ergebnis eines Rangrücktritts wird so auf wenig praktikable Weise herbeigeführt, da der Sicherungsnehmer letztlich damit belastet wird, die objektiv für angemessen befundene Rangordnung vertraglich herbeizuführen. Weiter ist unklar, warum sich der BGH in seiner Konstruktion derart auf den Warenkreditgeber in der Konstellation des Eigentumsvorbehalts fokussiert. Denkbar wäre auch, dass eine Bank eine ganz konkrete Anschaffung finanziert, sich die finanzierten Gegenstände sicherungsübereignen lässt und im Gegenzug zur Abtretung künftiger Kaufpreisforderungen eine Veräußerungsermächtigung erteilt („verlängerte Sicherungsübereignung“). Unter dem Gesichtspunkt der Anschaffungsfinanzierung müsste der Fall eigentlich gleichbehandelt werden.41 Allenfalls mag eine Unterscheidung zwischen Warenkredit und übriger Anschaffungsfinanzierung zu rechtfertigen 33 So aber Beuthien BB 1971, 375, 378 f. 34 So etwa BGHZ 30, 149, 151 f = NJW 1959, 1533, 1535 f; BGHZ 32, 361, 363 = NJW 1960, 1716, 1717; BGH NJW 2005, 1192, 1193 und etwa MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 212; MünchKomm/Kieninger BGB9 § 398 Rn 78; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd IV (1976), § 49 I 2a S 389; Wilhelm SachenR7 Rn 2466. 35 So im Ergebnis etwa Baur/Stürner SachenR18 § 59 Rn 55. 36 Siehe etwa BGHZ 30, 149, 153 = NJW 1959, 1533, 1536; BGHZ 55, 34, 35 f = NJW 1971, 372, 373; BGHZ 72, 308, 310 = NJW 1979, 365; BGH NJW 1999, 940. 37 Siehe auch Picker JuS 1988, 375, 378 f; Wilhelm SachenR7 Rn 2472; zumal der Vertrag mit dem Warenkreditgeber häufig noch gar nicht existiert haben wird, als der Sicherungsvertrag mit der Bank abgeschlossen worden ist. 38 Eingehend J F Hoffmann AcP 220 (2020), 371, 390 ff. 39 Für eine Teilnichtigkeit etwa Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 46; Flume NJW 1950, 841, 847; MünchKomm/ Ganter InsO4 § 47 Rn 183; Picker JuS 1988, 375, 385; K Schmidt/Thole InsO19 § 51 Rn 23; siehe weiter MünchKomm/Kieninger BGB9 § 398 Rn 156. 40 BGH NJW 1991, 2144, 2147; BGH NJW 1999, 940; zur Gestaltung entsprechender „Nachrangklauseln“ siehe Ernst FS Serick (1992), S 87 ff. 41 Kieninger FS Canaris II (2017), S 635, 651; MünchKomm/dies BGB9 § 398 Rn 157. Hoffmann

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sein, wenn und soweit anschaffungsfinanzierende Banken eher als Warenkreditgeber die Möglichkeit haben sollten, sich noch anderweitige Sicherheiten zu beschaffen.42 Die grobschlächtige „Vertragsbruchtheorie“ schweigt zu alledem. Zu einer weiteren kreditsicherungsrechtlichen Kollision kann es im Umfeld von Sicherungs- 20 übertragungen kommen, wenn eine Raumsicherungsübereignung mit einem Vermieterpfandrecht konkurriert. Eine Anwendung des Prioritätsprinzips bereitet Schwierigkeiten: Stellt man auf den Zeitpunkt ab, in dem der Entstehungstatbestand der jeweiligen Kreditsicherheit vervollständigt ist, kommt es zu einem Gleichzeitigkeitsproblem.43 Das Vermieterpfandrecht entsteht erst, wenn die Sachen eingebracht worden sind. Die Raumsicherungsübereignung genügt dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nur wegen der räumlichen Begrenzung, weshalb die Verfügungsvoraussetzungen ebenso erst mit der räumlichen Konkretisierung durch das Einbringen erfüllt sind.44 Wegen dieser Gleichzeitigkeit müsste das Sicherungsgut nach Maßgabe eines Prioritätsprinzips unter den Sicherungsnehmern aufgeteilt werden.45 Stellte man für die Priorität dagegen auf den Abschluss des Verfügungsgeschäfts ab, könnte funktional (siehe § 50 Rn 30) auf Vermieterseite der Mietvertrag in den Blick genommen werden.46 Der BGH entscheidet den Konflikt zugunsten des Vermieters mit der offenkundig zirkulären Begründung, dass sonst das Vermieterpfandrecht entwertet würde.47 Der BGH geht methodisch einen sehr geraden Weg, indem dem Vermieterpfandrecht schlicht der Vorrang eingeräumt wird. Die Korrektur erfolgt dadurch nicht überschießend, da die Raumsicherungsübereignung nicht etwa für sittenwidrig und unwirksam befunden wird. Einen tragfähigen Grund für die Rangkorrektur sucht man in den Entscheidungsgründen aber vergeblich. Denkbar ist, dass der Werterhöhungsgedanke48 eine Rolle gespielt haben könnte. Da die Rangfrage erneut nicht transparent angegangen wird, bleiben Folgefragen offen: Wie verhält es sich bspw in einer ähnlich gelagerten Konstellation, in der der Haftungsverband eines Grundpfandrechts mit einer Raumsicherungsübereignung konkurriert: Soll hier aus der Gleichzeitigkeit der Bestellung49 ein Gleichrang folgen?50 Ein phänomenologischer Vergleich zwischen Vermieterpfandrecht und Haftungsverband liegt nahe. Dass in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Vermieterpfandrecht auch der bessere Rang des Haftungsverbandes gegenüber der Raumsicherungsübereignung hergeleitet wird,51 ist ein weiterer Beleg dafür, dass der BGH besser für Wertungstransparenz sorgen sollte. Darüber hinaus ist unklar, warum der Vorrang des Vermieterpfandrechts nur bei Gleichzeitigkeitsfällen gelten soll. Warum sollte einem Vermieterpfandrecht nur Vorrang vor gleichzeitig 42 Angedeutet bei BGHZ 176, 86, Rn 36 = NJW 2008, 1803, Rn 36; dagegen Brinkmann Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen (2011), S 196 f. 43 Dennoch mit der Konstruktion eines „Durchgangserwerbs“ zugunsten des Vermieterpfandrechts argumentierend etwa Staudinger/Wiegand BGB (2017) Anh zu §§ 929–931 Rn 302. 44 Siehe etwa BeckOGK/Klinck BGB (Stand: 1.9.2022) § 930 Rn 103. 45 Eingehend in diesem Sinne und mwN von Duisburg Kollision von Vermieterpfandrecht mit antizipierter Raumsicherungsübereignung (2009), S 162 ff. So wird auch der Konflikt zwischen dem rechtsgeschäftlichen Inventarpfandrecht eines Kreditinstituts und dem gesetzlichen Verpächterpfandrecht entschieden: Nach Maßgabe von § 11 I S 3 PachtkredG ist der Erlös zu teilen. 46 So etwa MünchKomm/Artz BGB8 § 562 Rn 18; BeckOGK/Klinck BGB (Stand: 1.9.2022) § 930 Rn 185; dagegen arbeitet von Duisburg Kollision von Vermieterpfandrecht mit antizipierter Raumsicherungsübereignung (2009), S 119 ff zutreffend heraus, dass bei dieser funktionalen Betrachtung das Einbringen der Gegenstände Teil des Verfügungstatbestandes ist und dass auch für das Vermieterpfandrecht der Zeitpunkt des Einbringens maßgeblich bleibt. 47 BGHZ 117, 200, 207 f = NJW 1992, 1156, 1157; BGH NJW-RR 2004, 772, 773; zusätzlich rekurriert der BGH auf Erwägungen der Bestimmtheit, siehe dazu zutreffend krit von Duisburg Kollision von Vermieterpfandrecht mit antizipierter Raumsicherungsübereignung (2009), S 38 ff und Gnamm NJW 1992, 2806, 2807 f. 48 Dazu J F Hoffmann AcP 220 (2020), 371, 394 f. 49 BeckOGK/Klinck BGB (Stand: 1.9.2022) § 930 Rn 185 möchte dagegen für das Prioritätsprinzip, wie bei der Vorauszession, alleine auf den Verfügungsakt abstellen; das erscheint problematisch, wenn man davon ausgeht, dass sich die jeweiligen Manifestationserfordernisse (die es bei einer Zession nicht gibt) auf den konkret haftenden Gegenstand beziehen müssen. 50 So MünchKomm/Ganter InsO4 Vor §§ 49–52 Rn 74; HK/Lohmann InsO10 § 51 Rn 18. 51 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 22; aA J F Hoffmann AcP 220 (2020), 377, 404. 601

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entstehendem Sicherungseigentum, nicht aber vor bereits bestehendem Sicherungseigentum zukommen?52 Es ist schließlich für den Sicherungsnehmer einer Raumsicherungsübereignung in tatsächlicher Hinsicht kein großes Problem, eine Gleichzeitigkeit zu vermeiden, sodass dann bereits bestehendes Sicherungseigentum in die gemieteten Räume eingebracht würde.53 Verschärft wird das Problem durch die jüngere großzügige Rechtsprechung zur vorübergehenden Enthaftung nach Maßgabe von § 562a BGB (siehe § 50 Rn 46). 21 Es können auch mehrere Raumsicherungsübereignungen miteinander kollidieren im Hinblick auf Waren, die erst nach dem Abschluss der zweiten Raumsicherungsübereignung in den betreffenden Raum verbracht werden. In Anlehnung an die Konkurrenz mehrerer Sicherungszessionen könnte man auf das Prioritätsprinzip abstellen und den Zeitpunkt der verfügungsrechtlichen Einigung für maßgebend erachten.54 Allerdings unterscheidet sich die Sicherungsübereignung von der Sicherungszession dadurch, dass der Verfügungstatbestand nicht nur aus der Einigung besteht. Ohne kreditsicherungsrechtlich-spezifische Modifikationen wird man den Verfügungstatbestand erst dann als komplettiert ansehen können, wenn die Gegenstände in den Raum verbracht worden sind und von einem Besitzmittlungsverhältnis erfasst werden können.55 Von einem gleichzeitigen Zugriff kann man in diesem Kontext nur ausgehen, wenn tatsächlich zugunsten beider Sicherungsnehmer die Voraussetzungen der §§ 929 S 1, 930 BGB erfüllt sind. Die hM geht aber davon aus, dass der unmittelbare Besitzer nicht mehreren Personen gleichberechtigt nebeneinander den Besitz in der Form eines sogenannten „Nebenbesitzes“ mitteln könne.56 Für die Frage, wem von mehreren Prätendenten der Besitz gemittelt wird, soll der Besitzmittlungswille des unmittelbaren Besitzers maßgebend sein. Da eine Änderung des Besitzmittlungswillens nur relevant sein soll, wenn der Besitzer das nach außen erkennbar kundgetan habe,57 käme man bei kollidierenden Sicherungsübereignungen in der Sache zu einer Art „Posterioritätsprinzip“,58 was in kreditsicherungsrechtlicher Hinsicht und bei einer funktionalen Betrachtung der Rangfrage im Ergebnis sehr zweifelhaft ist. Freilich ist zu erkennen, dass die Raumsicherungsübereignung de lege lata in ihrer Einbettung in §§ 929 S 1, 930 BGB ohnehin keinen effektiven Schutz des Sicherungsnehmers hinsichtlich künftig in den Raum zu verbringender Gegenstände bietet: Der Sicherungsgeber kann die Raumsicherungsübereignung zugunsten eines anderen Sicherungsnehmers schlicht durch (vorübergehende) Verbringung in einen anderen Raum umgehen.

22 d) Übersicherung. Bei Sicherungsübertragungen als nicht akzessorischen und vollrechtsbasierten Sicherheiten stellt sich verschärft das Problem von Übersicherungen. Der BGH hat mit Hilfe von Generalklauseln und Vertragsauslegung eine Deckungsgrenze gesetzt.59 Diese liegt bei nachträglicher Übersicherung nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom

52 So BGH NJW 2014, 3775, Rn 26. 53 Siehe zu entsprechenden praktischen Empfehlungen Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd II (1965), § 17 II 3b S 13 f. 54 In diese Richtung Giesen AcP 203 (2003), 210, 233 ff. 55 Vgl etwa MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 135a; BeckOGK/Klinck BGB (Stand: 1.9.2022) § 930 Rn 30; Wilhelm SachenR7 Rn 863. 56 MünchKomm/Schäfer BGB8 § 868 Rn 20. 57 MünchKomm/Schäfer BGB8 § 868 Rn 30. 58 Vgl etwa MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 130; BeckOGK/Klinck BGB (Stand: 1.9.2022) § 930 Rn 30; siehe auch BGH WM 1960, 1223, 1227. 59 Zum Folgenden: Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 12 f; MünchKomm/Ganter InsO4 vor §§ 49–52 Rn 82 ff; Rombach Die anfängliche und nachträgliche Übersicherung bei revolvierenden Globalsicherheiten (2001), S 50 ff mit umfangreichen wN auch zur Resonanz auf den Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen; zur Diskussion vor der Entscheidung des Großen Senats: Wolters Die Freigabeklausel im Kreditsicherungsvertrag (1995). Hoffmann

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27.11.199760 grundsätzlich bei 110 % der gesicherten Forderung. Der Aufschlag von 10 % rechtfertigt sich aus den Feststellungs- und Verwertungskosten (§ 171), die bei der Festlegung der Deckungsgrenze schon berücksichtigt sind. Um jedoch zu vermeiden, dass in jedem Streitfall der Wert des Sicherungsgutes durch Gutachten festgestellt werden muss und da bei der Verwertung im Insolvenzfall regelmäßig mit einem Wertverlust gerechnet werden muss, ist nach Ansicht des Großen Senats in Anlehnung an § 237 S 1 BGB vom Marktpreis sicherungsübereigneter Sachen und vom Nennwert sicherungsabgetretener Forderungen ein Bewertungsabschlag von einem Drittel vorzunehmen. Er wirkt sich darin aus, dass die Freigabegrenze grundsätzlich bei 150 % liegt und derjenige, der diese Grenze im konkreten Fall für unangemessen hält, dies substantiiert darzulegen und zu beweisen hat. Zu den 150 %, die der Große Senat festgelegt hat, ist unter der Geltung der InsO die Umsatzsteuer hinzuzurechnen, mit der der Sicherungsnehmer nach § 171 II S 3 belastet wird. Der Bewertungsabschlag entfällt, wenn das Sicherungsgut keinen Bewertungsschwankungen unterliegt und ein ins Gewicht fallendes Verwertungsrisiko nicht besteht. Dann liegt die Freigabegrenze bei 110 % zuzüglich der Umsatzsteuer.61 Soweit die Freigabegrenze überschritten ist, soll ein Freigabeanspruch des Sicherungsgebers 23 unabhängig davon bestehen, ob im Sicherungsvertrag eine Freigabegrenze festgelegt worden ist. Fehlt eine Vereinbarung über die Freigabegrenze, soll das Sicherungsgeschäft deshalb nicht unwirksam sein. Ist eine dem Sicherungsgeber ungünstigere Freigabegrenze vereinbart, so soll diese Vereinbarung unwirksam, der Sicherungsvertrag im Übrigen aber wirksam sein. Der Große Senat begründet dies mit § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) und großzügiger Auslegung des § 6 II AGBG (jetzt § 306 BGB). Zum Freigabeanspruch bei Individualverträgen sagt der Große Senat nichts. In der Schlussentscheidung des XI. Senats,62 die § 9 AGBG aus zeitlichen Gründen nicht anwenden konnte, wird auf § 242 BGB zurückgegriffen. Das wäre wohl auch bei Individualverträgen möglich. Der Freigabeanspruch ist ein schuldrechtlicher Anspruch des Sicherungsgebers, den im Insolvenzverfahren nur der Insolvenzverwalter geltend machen kann. Sind mehrere Sicherheiten bestellt, kann der Gläubiger in den Grenzen des § 242 BGB wählen, welche er freigibt (§ 262 BGB). Zu erwägen bleibt gegenüber dem Ergebnis und der Begründung des Großen Senats im Anschluss an Henckel63 allerdings, ob nicht auch in diesem Kontext schlicht eine Rangordnung statuiert werden sollte. Dadurch könnte dem zweiten Sicherungsnehmer das durch Befriedigung des ersten Sicherungsnehmers freiwerdende Sicherungsgut unmittelbar zugewiesen werden. Die Konstruktion des BGH über eine schuldrechtliche Freigabeklausel führt zu einer Begünstigung der Insolvenzmasse und ist unter kreditsicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zweckmäßig. Eine anfängliche Übersicherung ist nach anderen Kriterien zu beurteilen. Sie wird an § 138 24 BGB gemessen.64 Nichtig ist das Sicherungsgeschäft, wenn es zur Zeit seines Abschlusses nach Inhalt, Zweck und Beweggrund mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es muss ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Sicherheiten und der gesicherten Forderung bestehen.65 Eine feste Deckungsgrenze kann hier nicht gesetzt werden.66 Die Übersicherung muss auf einer verwerflichen Gesinnung des Sicherungsnehmers beruhen, jedenfalls aber auf Eigensucht und Rücksichtslosigkeit gegenüber berechtigten Belangen des Sicherungsgebers, die nach sittlichen Maßstäben unerträglich sind.67 60 BGHZ 137, 212 = NJW 1998, 671, dazu Medicus EWiR 1998, 155; Rattunde/Smid/Zeuner/Smid InsO4 § 51 Rn 16; krit („Rechtsfortbildungsblockade“) Serick BB 1998, 801; Schlussentscheidung des XI ZS: NJW 1998, 2206; siehe auch BGH NJW-RR 2003, 45, dazu Weber/Madaus EWiR 2002, 848; BGH NZI 2015, 765, Rn 13. 61 Zimmermann NZI 1998, 57, 63 f. 62 BGH NJW 1998, 2206. 63 Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 23. 64 BGH NJW 1998, 2047; BGH NJW-RR 1998, 1057, 1059 f; BGH NZI 2003, 496, 498, dazu krit Tetzlaff EWiR 2003, 799. 65 BGH WM 1966, 13, 15; Ganter WM 2001, 1, 3 ff; MünchKomm/ders InsO4 Vor §§ 49-52 Rn 84. 66 BGH NJW 1998, 2047; Ganter WM 2001, 1, 3 ff; aA Lwowski FS Schimansky (1999), S 389, 390 f; Nobbe FS Schimansky (1999), S 433, 451 ff; Tetzlaff ZIP 2003, 1826 ff. 67 BGH NJW 1998, 2047; Ganter WM 2001, 1, 2; Lwowski FS Schimansky (1999), S 389, 390; der Sache nach gleiche Formulierung bei Nobbe FS Schimansky (1999), S 433, 448, 450. 603

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25 e) Verwertungsfragen. Die Art der Verwertung sicherungsübereigneter Sachen wird regelmäßig im Sicherungsvertrag festgelegt. Ist nichts vereinbart, verwertet der Sicherungsnehmer durch Eigentumsübertragung. Seine Berechtigung zur Verwertung gegenüber dem Sicherungsgeber ist durch Treuepflichten begrenzt, die am Zweck der Sicherungsübereignung orientiert sind und zu deren Konkretisierung sich einschlägige Bestimmungen des Rechts der Pfandverwertung heranziehen lassen. Soweit sicherungsübereignete oder andere der abgesonderten Befriedigung unterliegende bewegliche Sachen sich im Besitz des Insolvenzverwalters befinden, werden alle genannten Verwertungsvorschriften und Verwertungsvereinbarungen durch § 166 I verdrängt, der den Verwalter zur freihändigen Veräußerung ermächtigt. Eine Klage auf Herausgabe des Sicherungsguts zum Zweck der Verwertung wäre unbegründet.68 Die Vollstreckung eines vor der Verfahrenseröffnung gegen den Schuldner ergangenen Herausgabetitels kann der Insolvenzverwalter mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) abwehren.69 Die Vorschriften und Vereinbarungen über die Verwertung sicherungsabgetretener Forderungen70 werden dahin abgeändert, dass nur der Verwalter zur Einziehung berechtigt ist, er aber die Forderungen auch in anderer Weise verwerten darf (§ 166 II). In allen Fällen, in denen der Absonderungsberechtigte selbst verwerten oder die Verwertung betreiben darf, kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters nach Anhörung des Gläubigers eine Frist bestimmen, innerhalb derer der Gläubiger den Gegenstand zu verwerten hat. Nach Ablauf der Frist ist allein der Verwalter zur Verwertung berechtigt (§ 173 II S 2). Mit dieser Einschränkung der Verwertungsbefugnis des Absonderungsberechtigten soll verhindert werden, dass ein Erlösüberschuss durch Verwertungsverzögerung der Masse vorenthalten wird.71

3. Eigentumsvorbehalt und Ergänzungsklauseln 26 a) Einfacher Eigentumsvorbehalt. Nach rechtspolitischen Kontroversen hat sich mit Erlass der Insolvenzordnung die hM durchgesetzt, wonach der Vorbehaltsverkäufer beim einfachen Eigentumsvorbehalt ein Aussonderungs- und nicht nur ein Absonderungsrecht hat (§ 47 Rn 42 ff). Grundsätzlich ist das überzeugend begründbar, da der Vorbehaltsverkäufer sich keine Kreditsicherheit verschafft, sondern seinen rechtsgeschäftlich begrenzten Bindungswillen unterstreicht, zur Übereignung nur gegen Kaufpreiszahlung bereit zu sein. Die Übergänge zu einem Sicherungszweck nach Maßgabe eines Absonderungsrechts, mit dem eine Geldforderung abgesichert werden soll, sind allerdings fließend (siehe zum „abgeleiteten Eigentumsvorbehalt“ auch § 47 Rn 53). Entgegen der hM sollte auch innerhalb des einfachen Eigentumsvorbehalts danach differenziert werden, ob der Verkäufer zu einer echten Kreditierung des Kaufpreises bereit ist (dann Absonderungsrecht) oder ob es nur darum geht, den Zeitraum eines kurzfristigen Zahlungsziels zu überbrücken (dann Aussonderungsrecht) (§ 47 Rn 45).

27 b) Erweiterter Eigentumsvorbehalt. Der Vorbehalt wird oft vertragsmäßig dahin erweitert, dass er nicht nur in Kraft bleibt, bis der Kaufpreis gerade für die einzelne Sache bezahlt ist, sondern bis auch andere Forderungen des Verkäufers gegen den Käufer voll erfüllt sind. Das hat einen Sinn zunächst bei Sukzessivlieferungsverträgen, aber auch, wenn beide Teile über den einzelnen Vertrag hinaus in Geschäftsverbindung stehen. Dann sollen mit dem Eigentumsvorbehalt nicht nur der Rückgabeanspruch des Verkäufers hinsichtlich der verkauften und bedingt übereigneten Sache gesichert werden, sondern auch alle Forderungen aus den anderen Geschäften. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt wird häufig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verein-

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Smid ZInsO 2001, 433, 440 ff. Smid ZInsO 2001, 433 ff. Dazu Mitlehner ZIP 2001, 677 ff. Henckel FS Zeuner (1994), S 193, 210 f.

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bart. Der BGH72 hält das im kaufmännischen Verkehr für zulässig. Eine vereinbarte Deckungsgrenze und Freigabeklausel, wie sie noch im Urteil vom 9.2.199473 gefordert wurde, kann nach der Entscheidung des Großen Senats in Zivilsachen74 (dazu Rn 22 f) nicht mehr Voraussetzung der Wirksamkeit sein. An jeder Sache, die unter Einbeziehung der AGB verkauft und bedingt übereignet ist, besteht dann zunächst der Eigentumsvorbehalt, der den Verkäufer zur Aussonderung berechtigt, solange der Kaufpreis für die auszusondernde Sache nicht gezahlt ist.75 Der Insolvenzverwalter kann die Aussonderung abwehren, indem er Erfüllung des Vertrages verlangt (§§ 103 I, 107 II) und den Kaufpreis als Masseschuld (§ 55 I Nr 2 Alt 1) bezahlt. Ist der Kaufpreis vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt worden und die Zahlung 28 nicht erfolgreich angefochten (§§ 129 ff), kann die Sache nicht mehr ausgesondert werden. Nach Zahlung (= Eintritt des „Erweiterungsfalls“76) hat das vorbehaltene Eigentum eine andere Funktion. Es sichert jetzt die durch die Erweiterung einbezogenen anderen Forderungen. Es ist Sicherungseigentum,77 das nur zur abgesonderten Befriedigung (§ 51 Nr 1) berechtigt.78 Hat erst der Insolvenzverwalter den Kaufpreis gezahlt, weil er für den einen Vertrag die 29 Erfüllung gewählt hat, geht Henckel davon aus, dass die bezahlte Sache zur Insolvenzmasse gehöre. Der Lieferant könne aufgrund seines erweiterten Eigentumsvorbehalts jetzt kein Absonderungsrecht mehr an dem Kaufobjekt erwerben (§ 91 I).79 Das beruht auf der Annahme, dass das Absonderungsrecht des erweiterten Eigentumsvorbehalts erst nachträglich an einem Gegenstand entstehe, der nun zur Masse gehöre. Das vermag nicht zu überzeugen, auch wenn man davon ausgeht, dass § 91 I sichern solle, dass Werte in die Insolvenzmasse fallen, die mit Massemitteln erworben wurden. Die Erfassung des einfachen Eigentumsvorbehalts als Aussonderungsrecht (Rn 26) würde hier dem Sicherungsnehmer zum Nachteil gereichen, denn hätte man ihm von vornherein nur ein Absonderungsrecht zugestanden, das sich schon vor Zahlung des konkreten Kaufpreises auf einen Massegegenstand beziehen würde, käme es nicht zu der „Verwandlung“, die Henckel zum Anlass für die Anwendung von § 91 I nehmen will.80

c) Kontokorrentvorbehalt. Ein Kontokorrentvorbehalt, der ebenso wie ein erweiterter Eigen- 30 tumsvorbehalt grundsätzlich wirksam vereinbart werden kann,81 sichert bei einer laufenden Rechnung iSd § 355 HGB die Saldoforderung des Lieferanten.82 Der Verkäufer hat an der vorbehaltenen Sache ein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Dieses kann wegen des gesamten bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugunsten des Kontokorrentpartners des Insolvenzschuldners bestehenden Saldos geltend gemacht werden, auch wenn in das Kontokorrent eine Leistung des Insolvenzschuldners eingestellt worden ist, die als Kaufpreis für die fragliche Vorbehaltsware verrechnet werden sollte. Ist in das Kontokorrent eine Leistung des Schuldners eingestellt worden, 72 BGHZ 94, 105, 111 f = NJW 1985, 1836, 1837; BGHZ 98, 303, 307 = NJW 1987, 487, 488; BGH NJW 1991, 2285, 2286; BGHZ 125, 83, 87 = NJW 1994, 1154; ebenso Staudinger/Beckmann BGB (2013) § 449 Rn 149 mwN auch zu abw Meinungen; MünchKomm/Westermann BGB8 § 449 Rn 75. 73 BGHZ 125, 83, 87 f = NJW 1994, 1154 f. 74 BGHZ 137, 212 ff = NJW 1998, 671. 75 Braun/Bäuerle InsO9 § 51 Rn 20; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 34; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 92; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 51 Rn 27. 76 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 34. 77 AA Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982) § 57 III 3, 4 S 7 ff, § 68 III S 680 ff, der den Verkäufer weiterhin als Vorbehaltseigentümer ansieht, ihm aber nur abgesonderte Befriedigung gestattet; siehe auch dens BB 1978, 1477. 78 BGH NJW 1971, 799; BGH NJW 1978, 632; BGHZ 98, 160, 170 = NJW 1986, 2948, 2950; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 93; KK/Hess InsO § 47 Rn 58; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 68 III 1a S 683 f. 79 Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 29. 80 Wie hier auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 93; HK/Lohmann InsO10 § 51 Rn 40. 81 BGH NJW 1978, 632. 82 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 35; Serick BB 1978, 1477, 1484. 605

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die auf die fragliche Vorbehaltsware bezogen ist, den dafür berechneten Kaufpreis aber nur teilweise deckt, so kann der Insolvenzverwalter das Absonderungsrecht des Vorbehaltsverkäufers nicht dadurch beseitigen, dass er nach § 103 I in den Kaufvertrag eintritt und den Restkaufpreis bezahlt.83 Ebenso wenig kann der Insolvenzverwalter eine zu günstigen Bedingungen gekaufte Ware, für die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens überhaupt noch keine Leistung des Kaufpreisschuldners in das Kontokorrent eingestellt worden ist, allein durch Zahlung des für diese Ware vereinbarten Kaufpreises von dem Absonderungsrecht befreien.84

31 d) Konzernvorbehalt. In einem Konzernvorbehalt sollen mit dem Eigentumsvorbehalt auch Forderungen Dritter, insbesondere verbundener Unternehmen gesichert werden. Solche Vereinbarungen sind nach § 449 III BGB nichtig. Eine Forderung eines Dritten iSd § 449 III BGB ist nicht die vom Verkäufer an einen Dritten abgetretene Forderung.85

32 e) Verlängerter Eigentumsvorbehalt. Der Eigentumsvorbehalt allein schützt den Verkäufer wenig, wenn die verkaufte Sache vom Käufer zwecks Weiterveräußerung – mit oder ohne vorhergehende Verarbeitung – gekauft wird. Da der Käufer den Kaufpreis nur wird bezahlen können, wenn er die Sache weiterveräußern darf, ohne sein fehlendes Eigentum dem Abkäufer zu offenbaren, liegt es auch im Interesse des Vorbehaltsverkäufers, dem Käufer die Weiterveräußerung im ordentlichen Geschäftsgang zu gestatten. Da diese dann aber nach § 185 I BGB wirksam ist, verliert der Vorbehaltsverkäufer sein Eigentum und damit seine Sicherung.86 An diesem Ergebnis ist auch durch Verkaufsbedingungen nichts zu ändern, zB nicht durch eine Vereinbarung, dass der Verkäufer im Falle der Zahlungseinstellung des Käufers die Ansprüche aus § 48 haben solle; denn diese Vorschrift kann nicht durch Vertrag auf andere Fälle ausgedehnt werden.87 Für das verlorene Eigentum braucht der Verkäufer eine Ersatzsicherheit. Sie wird üblicherweise durch die Abtretung der Forderungen aus dem Weiterverkauf begründet. Die Bezeichnung „verlängerter Eigentumsvorbehalt“ für eine solche Sicherung ist deshalb nicht ganz präzise. Es handelt sich um einen Eigentumsvorbehalt, der mit einer Forderungsvorausabtretung verbunden ist. Die Forderungsabtretung verlängert also nicht den Eigentumsvorbehalt. Sie ist vielmehr ein zusätzliches Sicherungsmittel für den Fall, dass der Verkäufer sein vorbehaltenes Eigentum durch Weiterveräußerung verliert. Die Forderungsabtretung ist deshalb eine Sicherungszession. Der Verkäufer ist nach § 51 Nr 1 absonderungsberechtigt.88 Zur Konkurrenz mit einer Globalzession Rn 19. Ob die Forderungsabtretung nur für den Fall einer berechtigten Veräußerung vereinbart 33 ist oder auch für eine unberechtigte, aber kraft guten Glaubens des Abkäufers (§ 932 II BGB) wirksame, ist eine Frage der Auslegung. Ungeachtet des Schutzmechanismus des § 48 wird man grundsätzlich davon auszugehen haben, dass der Vorbehaltsverkäufer sich so viele Sicherheiten wie möglich verschaffen möchte und sich im Falle der nichtberechtigten Weiterveräußerung die Kaufpreisforderung vorausabtreten lassen möchte. § 91 I steht dem Übergang der vorausabgetretenen Forderung aus dem Weiterverkauf, den der Insolvenzverwalter vornimmt, auf den Vorbehaltsverkäufer nicht entgegen (siehe § 48 Rn 52). Ist die Abtretung ausdrücklich nur für den Fall der berechtigten Veräußerung vereinbart, kommt es darauf an, ob eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilte Veräußerungsermächtigung fortbesteht (dazu § 48 Rn 46 ff). 83 84 85 86 87 88

Serick BB 1978, 1477, 1484. Serick BB 1978, 1477, 1484. RegE Begr zu Art 33 Nr 17 EGInsO. RGZ 115, 262; 133, 40; 138, 91. So zu § 46 KO RGZ 138, 93; Jaeger KuT 1930, 17. Braun/Bäuerle InsO9 § 51 Rn 20; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 42 ff, § 51 Rn 42; MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 149; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 51 Rn 25. Hoffmann

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f) Verbindung bzw Vermischung. Insbesondere das Vorbehaltseigentum ist als Kreditsicherheit 34 vom Verlust der Sonderrechtsfähigkeit der betreffenden Sache durch Verbindungs- oder Vermischungsvorgänge mit anderen Mobilien gem §§ 947, 948 BGB bedroht. Anders als in den Verarbeitungskonstellationen (Rn 36) haben Rechtsprechung und Literatur relativ wenig Gestaltungsfreudigkeit gezeigt, um die Position der Anschaffungsfinanzierer zu schützen. Immerhin wirkt sich die mittlerweile ständige Rechtsprechung günstig für Vorbehaltsverkäufer aus, wonach ein wesentlicher Bestandteil nach § 93 BGB insbesondere bei serienmäßig hergestellten und leicht austauschbaren Gegenständen nicht anzunehmen sei.89 Grundsätzlich (zur Beweisnot des Sicherungsnehmers siehe § 47 Rn 92) sind kreditsicherungsrechtliche Belange nicht betroffen, soweit nach §§ 947 I, 948 I BGB Miteigentum angeordnet wird, da der Vorbehaltsverkäufer seine Kreditsicherheit jedenfalls dem Wert nach nicht verliert. Problematischer ist die Konstellation, wenn der Vorbehaltsverkäufer die Sicherheit nach §§ 947 II, 948 I BGB zugunsten des Vorbehaltskäufers verliert. Hier kann im Wege einer „Verbindungs-“ bzw „Vermischungsklausel“ antizipiert eine Kreditsicherheit an der (neuen) Hauptsache verschafft werden. Dann stellt sich freilich das Problem, dass in diesem Fall nach klassischer Diktion ein „Durchgangserwerb“ stattfindet. In diesem Kontext ist die für zweckmäßig befundene kreditsicherungsrechtliche Rangordnung im Wege der Rechtsfortbildung schlicht im nationalen Recht zu implementieren.90 Der Vorbehaltsverkäufer kann sich durch eine antizipierte Sicherungsübereignung des neuen Gegenstandes absichern. Als Anschaffungsfinanzierer ist ihm der Vorrang vor konkurrierenden Kreditsicherheiten, etwa im Rahmen einer Raumsicherungsübereignung, zuzuweisen. Noch schwieriger verhält es sich aber, wenn der Vorbehaltskäufer am neuen Gegenstand keine Position erhält, weil die Verbindung bzw. Vermischung mit Drittgegenständen vorgenommen wird. Ist der Dritteigentümer regulärer, also nicht kreditsicherungsrechtlicher, Eigentümer, verliert der Vorbehaltsverkäufer seine Position. Eine antizipierte Sicherungsübereignung mit dem Vorbehaltskäufer geht hinsichtlich des neuen Gegenstandes wegen § 933 BGB ins Leere. Sollte allerdings der Dritteigentümer seinerseits Sicherungseigentümer sein, handelt es sich letztlich wieder um einen Rangkonflikt um den neuen Gegenstand, der ungeachtet § 933 BGB aufzulösen ist. Das Sicherungseigentum des Dritteigentümers ist insofern einer funktionalen Begrenzung zugänglich91 und kann gegenüber der Sicherheit eines Vorbehaltsverkäufers mit einem Nachrang versehen werden. Denkbar ist freilich auch, dass es im Hinblick auf die (neue) Hauptsache zur Konkurrenz der Sicherungsbedürfnisse mehrerer gleichrangiger Anschaffungsfinanzierer kommt, so etwa wenn der Vorbehaltskäufer mehrere Gegenstände verbindet oder vermischt, die er unter Eigentumsvorbehalt erworben hat und §§ 947 II, 948 I BGB einem der Vorbehaltseigentümer Alleineigentum zuweisen. Hat der zurückgesetzte Vorbehaltseigentümer in die Sicherungsvereinbarung entsprechende neu entstehende Gegenstände antizipierend aufgenommen, kommt es insoweit zu einer Zugriffskonkurrenz zweier gleichrangiger Sicherungsnehmer.92 Entsprechende Lösungen müssen de lege lata93 scheitern, soweit es um den Verlust der Sonder- 35 rechtsfähigkeit der beweglichen Sache zugunsten einer Immobilie gem § 946 BGB geht. Die Rechtsprechung hatte Lösungsversuchen zugunsten des Vorbehaltsverkäufers mittels § 95 BGB früh eine Absage erteilt.94 Insbesondere das RG hatte durch eine weite Auslegung der §§ 93, 94 BGB zugunsten des Immobiliareigentümers die Sicherungsinteressen vor allem von Maschinenherstellern empfindlich beeinträchtigt.95 Wie bei Mobilien hat sich in der Rechtsprechung aber eine restriktivere Hand-

89 BGHZ 18, 226, 229 ff = NJW 1955, 1793; BGHZ 20, 154, 157 f = NJW 1956, 945; BGHZ 61, 80, 82 f = NJW 1973, 1454; BGH NJW 2012, 778, Rn 18.

90 J F Hoffmann, AcP 220 (2020), 377, 402 ff; J F Hoffmann ZEuP 2022, 914, 947 f. 91 J F Hoffmann, AcP 220 (2020), 377, 405. 92 Zur parallelen Problematik der Konkurrenz mehrerer „Verarbeitungsklauseln“ auch J F Hoffmann, AcP 220 (2020), 377, 398 ff.

93 Rechtsvergleichend siehe J F Hoffmann ZEuP 2022, 914, 927 ff. 94 RGZ 62, 410, 411; 63, 416, 421 f; 150, 22, 28; BGH NJW 1970, 895, 896; BGH BB 1974, 204 f. 95 Eingehende Würdigung etwa bei Historisch-kritischer Kommentar/Rüfner BGB1 §§ 90–103 Rn 34 ff und Niedner 29. DJT, 1908, S 92 ff. 607

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habe der §§ 93, 94 BGB durchgesetzt, sodass insbesondere die Eigentumsvorbehalte von Maschinenherstellern besser geschützt werden. Eine Vereinbarung von „Verbindungsklauseln“ kann hier keinen weiteren Schutz bieten und mangels Grundbucheintragung müssen kreditsicherungsrechtliche Rechtsfortbildungen auch ausscheiden. Zwar war im Entwurf des Forderungssicherungsgesetzes (in einem § 632b BGB) vorgesehen, dass der Eigentumsvorbehalt eines Bauunternehmers bei Verbindung des Baumaterials mit einem Grundstück oder Gebäude des Bestellers bestehen bleiben sollte.96 Der Reformvorschlag ist aber nicht weiterverfolgt worden, man sah die Interessen des Realkredits als höherrangig und den Wert von Immobiliarsicherheiten als gefährdet an.97

36 g) Verarbeitungsvorbehalt. Der Verkäufer, der sich das Eigentum vorbehält und auch nach der Verarbeitung der verkauften und aufschiebend bedingt übereigneten Sache noch für seine Kaufpreisforderung gesichert sein will, vereinbart einen sogenannten Verarbeitungsvorbehalt. Die Konstruktion und die Wirkung einer solchen Verarbeitungsklausel sind heftig umstritten. Der BGH lässt das Eigentum an der neuen, durch die Verarbeitung entstandenen Sache unmittelbar beim Vorbehaltsverkäufer entstehen.98 Die Begründung, dass dieser als Hersteller iSd § 950 I S 1 BGB anzusehen sei, überzeugt allerdings wenig. Denn es ist nicht einzusehen, dass einerseits die Rechtswirkung des § 950 I S 1 BGB der Parteidisposition entzogen sein soll, andererseits aber die vereinbarte Verarbeitungsklausel dem Vorbehaltsverkäufer die Herstellereigenschaft und damit das Eigentum am Produkt verschaffen soll. Offenbar hat das angestrebte Ergebnis zu dem Widerspruch verführt, einerseits der Parteivereinbarung eine von § 950 I S 1 BGB abweichende Wirkung zu versagen, andererseits aber diese Vereinbarung als der Verkehrssitte entsprechend bei der Auslegung des Herstellerbegriffs zu berücksichtigen. Das Eigentum des Vorbehaltsverkäufers an dem Verarbeitungsprodukt soll dann aber nicht vorbehaltenes, also aufschiebend bedingt übertragenes Eigentum sein, sondern ein dem vereinbarten Sicherungseigentum ähnliches Recht.99 Der Vorbehaltsverkäufer kann folglich das Verarbeitungsprodukt nicht aussondern, vielmehr hat er nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung.100 Die Auffassung des BGH, dass der Vorbehaltsverkäufer als Hersteller anzusehen sei und des37 halb nach § 950 I S 1 BGB Eigentum erwerbe, ist auf eine bestimmte Interessenlage abgestimmt worden. Im Streit um die Wirkungen einer Verarbeitungsklausel geht es nämlich nur vordergründig um die Frage, ob der Vorbehaltseigentümer an dem Verarbeitungsprodukt unmittelbar Eigentum erwirbt oder ob das Eigentum zunächst beim Produzenten entsteht und erst von diesem auf den Vorbehaltsverkäufer übergeht.101 Der Sache nach geht es um die Lösung eines Konfliktes zwischen Sicherungsnehmern und um die Beurteilung von Interessengegensätzen unterschiedlicher Kreditgeber.102 Dem BGH ging es um den Konflikt zwischen dem Rohstofflieferanten und einem Geldkreditgeber. Hier ist das Ergebnis, dass der Rohstofflieferant einen besseren Rang erhalten sollte, unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten nachvollziehbar. Das Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung zum Konflikt zwischen dem Warenkreditgeber und dem Geldkreditgeber bei verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession (Rn 19). Hier wie dort wird der Warenkreditgeber bevorzugt. Problematisch an der Konstruktion des BGH ist, 96 BR-Drucks 141/02, S 1. 97 BR-Drucks 458/04, S 9; gegen eine solche Regelung de lege ferenda J F Hoffmann ZEuP 2022, 914, 945 ff. 98 BGH NJW 1952, 661, 662; BGHZ 14, 114, 117; BGHZ 20, 159, 163 = NJW 1956, 788, 789; BGHZ 46, 117, 118 ff = NJW 1967, 34, 35; BGHZ 79, 16, 23 f = NJW 1981, 816, 818; siehe dazu Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd IV (1976), § 44 III 3, 6; Bd V (1982), § 63 I; zustimmend statt vieler BeckOGK/Schermaier BGB (Stand: 1.6.2022) § 950 Rn 55. 99 Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd II (1965), § 19 III 1b S 90; Bd IV (1976), § 43 III 4a S 100 f. 100 Braun/Bäuerle InsO9 § 51 Rn 20; Bork FS Gaul (1997), S 71, 78; FK/Imberger InsO9 § 51 Rn 29; Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte (1999), Rn 446; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 51 Rn 26; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 63 II 4 S 424. 101 Zur ohnehin fragwürdigen Figur eines „Durchgangserwerbs“ siehe etwa Kupisch JZ 1976, 417 ff; Marotzke AcP 191 (1991), 177, 187 ff. 102 Dazu und zum Folgenden auch Henckel FS Zeuner (1994), S 193, 204 ff. Hoffmann

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dass sie bereits im Ausgangspunkt nicht Warenkreditgebern vorbehalten ist. Denkbar ist etwa, dass ein Geldkreditgeber eine Sicherungsübereignung mit einer Verarbeitungsklausel kombiniert. Nach der Konstruktion der Rechtsprechung könnten so auch Geldkreditgeber über § 950 I S 1 BGB vorrangig besichert werden. Dass der Vorbehaltsverkäufer an dem Verarbeitungsprodukt als Eigentümer kein Aussonderungsrecht hat, sondern nur abgesonderte Befriedigung verlangen kann,103 lässt sich damit begründen, dass das Eigentum nunmehr funktional nur noch der Kreditsicherung dient. Das liegt schon daran, dass der begrenzte Bindungswille des Verkäufers ihm auch im Zuge eines Rücktritts kein Recht auf das Verarbeitungsprodukt verschaffen kann, da im Produkt neben dem Materialwert der Wert der Produktion erhalten ist. Das Eigentum am Produkt sichert nur seine Kaufpreisforderung. Dass die Konstruktion des BGH (Rn 36) den Konflikt zwischen dem Materiallieferanten und dem Geldkreditgeber im Ergebnis lösen kann (Rn 37), sagt aber nichts darüber aus, ob mit ihr auch andere Konflikte eine angemessene Lösung finden können. Bereits konstruktiv keine Antwort bietet die Lösung des BGH auf die Frage, wie mit konkurrierenden Verarbeitungsklauseln umzugehen ist. So ist denkbar, dass mehrere Gegenstände, deren Anschaffung von unterschiedlichen Gläubigern finanziert worden ist, zusammen zu einem neuen Gegenstand verarbeitet werden. Die jeweiligen Klauseln, dass der Sicherungsgeber für den Sicherungsnehmer herzustellen gedenke, widersprechen sich dann. Benennt man den Rangkonflikt und die Wertungsgrundlage offen, ist klar, dass den Sicherheiten der Anschaffungsfinanzierer in Höhe des Anschaffungswertes der gleiche Rang einzuräumen ist. Dem BGH bliebe entweder, den Erwerb von Miteigentum in § 950 I S 1 BGB hineinzukonstruieren,104 was die Norm aber weder vom Wortlaut noch von ihrem Sinn und Zweck her trägt. Alternativ könnte mit der Androhung von § 138 I BGB wieder (Rn 19) ein dinglicher Teilverzicht der Sicherungsnehmer erzwungen werden.105 Natürlich ist es auf dem eingeschlagenen Weg der Rechtsprechung ein sinnvoller Vorschlag, die entsprechende Vereinbarung von auf den ursprünglichen Wert des Anschaffungsgegenstandes „limitierten Verarbeitungsklauseln“106 zu gestatten. Die objektive Bestimmbarkeit und Vorhersehbarkeit des originären Eigentumserwerbs bleibt dabei freilich auf der Strecke.107 Der Begriff des Herstellers iSv § 950 I S 1 BGB ist schlicht ein unzureichender Anknüpfungspunkt, um die kreditsicherungsrechtliche Rangfrage umfassend zu klären und den erwünschten Vorrang des Anschaffungsfinanzierers umzusetzen. Vollends versagen muss die Konstruktion über § 950 I S 1 BGB in anderen Konstellationen des originären Eigentumserwerbs. Weder der Vermischungs- (§ 948 BGB) noch der Verbindungstatbestand (§ 947 BGB) enthalten begriffliche Einfallstore für die Entscheidung von Rangfragen mit Hilfe von „Verbindungs-“ bzw „Vermischungsklauseln“.108 Soweit also die Voraussetzungen für einen alleinigen originären Eigentumserwerb gegeben sind, kann sich der zurückgesetzte Anschaffungsfinanzierer nicht gegen eine Beeinträchtigung der Kreditsicherheit unter Prioritätsgesichtspunkten schützen (Rn 34 f). Deutlich zeigt sich die Schwäche der Konstruktion des BGH auch in den Fällen, in denen die verarbeitungsbedingte Werterhöhung ihrerseits zum Gegenstand einer Kreditsicherheit gemacht wird. So ist denkbar, dass der Sicherungsgeber die werterhöhende Verarbeitung von einem Werkunternehmer vornehmen lässt. In diesen Fällen konkurrieren Verarbeitungsklausel und Werkunternehmerpfandrecht. Die konstruktive Lösung des BGH führt dazu, dass der Anschaffungsfinanzierer lastenfreies Eigentum erwirbt und der Werkunternehmer keine Sicherheit erhält. Die 103 So im Ergebnis auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 47 Rn 40 und MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 114. 104 So etwa Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd IV (1976), § 46 II 1b S 235 ff; für eine Anwendung von § 947 BGB etwa Baur/Stürner SachenR18 § 53 Rn 22. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 172. BeckOGK/Schermaier BGB (Stand: 1.6.2022) § 950 Rn 50; siehe BGHZ 46, 117 = NJW 1967, 34. Gegen die Entstehung von Miteigentum noch Mugdan III, S 200 f = Motive III, S 360 f. Siehe auch BeckOGK/Schermaier BGB (Stand: 1.6.2022) § 947 Rn 16 ff, § 948 Rn 15, wonach der rangschädliche „Durchgangserwerb“ nicht verhindert werden könne.

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Konstruktion über § 950 I S 1 BGB erlaubt keine hinreichende Reflektion des Rangkonflikts.109 In der Tat mag viel dafür sprechen, dem Werkunternehmer gegenüber den Interessen des Vorbehaltslieferanten den Vorzug zu geben.110 Dies liegt jedoch nicht daran, dass einem gesetzlichen Pfandrecht aus § 647 BGB seiner Natur nach eine höhere Wertigkeit zukäme als einer rechtsgeschäftlichen Kreditsicherheit,111 da rechtsgeschäftliche und gesetzliche Kreditsicherheiten insoweit funktionsäquivalent sind (§ 50 Rn 30). In dieser Konstellation konkurrieren die kreditsicherungsrechtlichen Rangtopoi der Anschaffungsfinanzierung und der Werterhöhung. Dass stattdessen die in der Literatur verbreitet befürwortete Konstruktion eines „Durchgangserwerbs“ beim Vorbehaltskäufer im Rahmen einer antizipierten Sicherungsübereignung des Produkts an den Vorbehaltsverkäufer gem §§ 929 S 1, 930 BGB112 leistungsfähiger wäre, um die Rangprobleme zu bewältigen, ist entgegen Henckel113 zu bestreiten. Die Rangfrage wird wieder nicht hinreichend offen angegangen, wenn erneut (Rn 19) auf § 138 I BGB ausgewichen wird, um dem Geldkreditgeber vorzuhalten, er verhalte sich sittenwidrig gegenüber dem Anschaffungsfinanzierer, und dem Anschaffungsfinanzierer vorzuwerfen, er verhalte sich wiederum sittenwidrig gegenüber dem Werkunternehmer. Um die objektiv für gerecht bzw zweckmäßig befundene Rangordnung zu statuieren, wird dann den Sicherungsnehmern auferlegt, sie mögen doch entsprechende dingliche Teilverzichtsklauseln in die Sicherungsverträge aufnehmen. Stattdessen gilt auch hier, dass die Rangordnung auf direktem Wege implementiert werden kann, indem dem Warenlieferanten schlicht in Höhe des Materialwerts der bessere Rang gegenüber dem Geldkreditgeber zugewiesen werden kann. Auch die Stellung des Werkunternehmers kann auf diese Weise bedacht werden. Das Prioritätsprinzip ist kein zwingender Grundsatz des Kreditsicherungsrechts (siehe auch Rn 19, 74). Auch der Konflikt zwischen dem Warenlieferanten und den Insolvenzgläubigern kann mit dem Ansatz des BGH nicht offen angegangen werden. Er entsteht dadurch, dass außerhalb eines Insolvenzverfahrens der Vorbehaltsverkäufer, dessen Material verarbeitet worden ist, Eigentümer des gesamten Produkts würde. Für die Verarbeitung während des Insolvenzverfahrens sind aber auch Mittel der Masse verwendet worden. Verarbeitungsklauseln greifen grundsätzlich ebenfalls bei einer ggf unberechtigten Verarbeitung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da der Sicherungszweck gerade auch diese Konstellation erfasst (vgl auch Rn 33);114 insofern ist zu unterscheiden zwischen der Berechtigung zur Verarbeitung und der gewollten Kreditsicherheit am Produkt. Arbeitskräfte, Maschinen und Geräte sind eingesetzt worden, um das Produkt herzustellen. Davon darf der Materiallieferant nicht profitieren. Eine Begrenzung des Rechts des Verkäufers liegt nahe. Von dem Erlös, der bei der Verwertung des Produkts erzielt wird, gebührt ihm nicht mehr als der objektive Wert der verkauften Sache, den diese vor der Verarbeitung gehabt hat.115 Die Konstruktion des BGH kann auch hier zu falschen Schlussfolgerungen verleiten, da nach dieser der Vorbehaltsverkäufer Eigentum erwerben soll. Um dem Vorbehaltsverkäufer nicht Werte zukommen zu lassen, die mit Mitteln der Masse geschaffen worden sind, muss man also die Konstruktion des BGH aufgeben oder jedenfalls ergänzen (Rn 46). Auch die Lösung der Literatur über eine antizipierte Sicherungsübereignung des Produkts an den Vorbehaltsverkäufer gem §§ 929 S 1, 930 BGB kann den Konflikt mit den Insolvenzgläubigern nicht ohne Weiteres bereinigen. Wegen des postulierten „Durchgangserwerbs“ müsste man § 91 I 109 Freilich würde der BGH im Ergebnis einen Vorrang des Werkunternehmers über die äußerst fragwürdige (siehe etwa MünchKomm/Raff BGB8 Vor § 987 Rn 18 ff) Anwendung von § 994 BGB auch in Fällen des späteren Wegfalls der Vindikationslage (siehe BGHZ 34, 122, 130 ff = NJW 1961, 499, 501 f) nachbilden können. 110 Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 41. 111 So aber Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 41; ders FS Zeuner (1994), S 193, 208; Emmerich Pfandrechtskonkurrenzen (1909), S 78 f meint dagegen, der Gesetzgeber habe sich bewusst dagegen entschieden, den Werkunternehmer im Rang zu bevorrechtigen. 112 Statt vieler MünchKomm/Ganter InsO4 § 47 Rn 108; Staudinger/C Heinze BGB (2020) § 950 Rn 41; BeckOK/Kindl BGB60 § 950 Rn 14; Wilhelm SachenR7 Rn 1075 f. 113 Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 41. 114 Siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 41, § 47 Rn 41; HK/Lohmann InsO10 § 51 Rn 37. 115 Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten beim Kundenkonkurs2 (1984), S 56; Jaeger/Lent KO8 § 43 Rn 37h. Hoffmann

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zur Anwendung bringen, sodass die Kreditsicherheit vollständig untergehen würde. In der Sache spricht viel für den Ansatz des BGH, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verfügungstatbestandes bereits vor der Verarbeitung als grundsätzlich erfüllt iSv § 91 I anzusehen. Methodisch ist es auch in diesem Kontext allerdings nicht glücklich, mit dem Herstellerbegriff des § 950 I S 1 BGB zu arbeiten. Vielmehr sollte offen thematisiert werden, dass die Verfügungsvoraussetzungen einer antizipierten Sicherungsübereignung nicht als erfüllt angesehen werden können, bevor der Gegenstand existiert. Zu fragen ist insoweit, ob von den Verfügungs- und Manifestationserfordernissen der §§ 929 S 1, 930 BGB insofern eine Ausnahme gemacht werden kann. Grundsätzlich ist hier mit allergrößter Zurückhaltung zu verfahren, denn die gezielte Manipulation an Verfügungserfordernissen im Insolvenzkontext ruft den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz auf den Plan. Allerdings verhält sich die Konstellation so, dass hinsichtlich des Ausgangsstoffes der Verfügungstatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung erfüllt war, der Insolvenzverwalter sich mit diesem dinglichen Recht also grundsätzlich zu befassen hatte. Kommt es dann zu einem Sicherheitentausch und waren die Verfügungserklärungen hinsichtlich des neuen Gegenstandes bereits vor Verfahrenseröffnung abgegeben worden, ist es teleologisch nicht geboten, den nachinsolvenzlichen Erwerb der Kreditsicherheit grundsätzlich an § 91 I scheitern zu lassen. Das Absonderungsrecht am Verarbeitungsprodukt sollte aber auf den objektiven Wert der 46 Vorbehaltsware beschränkt werden. Methodisch kann das durchaus durch einen Rekurs auf § 91 I bewerkstelligt werden, wie von Henckel vorgeschlagen,116 weil einem Sicherungsnehmer ein Wertzuwachs seiner Kreditsicherheit aus Massemitteln nicht zugewiesen werden sollte.117 Nur eine Behelfslösung wäre es, der Masse gegen den Vorbehaltsverkäufer einen Bereicherungsanspruch nach §§ 951 I S 1, 812 I S 1 Alt 2 BGB zuzusprechen, weil der Eigentumserwerb des „Herstellers“ – das ist nach der Konstruktion des BGH der Vorbehaltsverkäufer – an dem Produkt, soweit es auch mit Material und Arbeitskraft der Masse hergestellt worden ist, eine rechtsgrundlose Bereicherung auf Kosten der Masse darstellt. Entgegen Henckel118 lässt sich diese bereicherungsrechtliche Behelfslösung nicht ohne Weiteres implementieren, denn sie setzt voraus, was in der Sache offen zu begründen wäre, nämlich dass die Verarbeitungsklausel den Wertzuwachs dem Vorbehaltsverkäufer nicht insolvenzfest als Kreditsicherheit zuweist. Dass die nur schuldrechtliche Sicherungsvereinbarung die Insolvenzmasse nicht bindet, ist sicher richtig. Die entscheidende Frage ist aber gerade, inwieweit die mit der „Verarbeitungsklausel“ eingeräumte Kreditsicherheit auch gegenüber der Masse dinglich Bestand hat. Auch für einen Bereicherungsausgleich muss man, in der Sache zutreffend, dafür plädieren, dass die Kreditsicherheit insoweit funktional zu begrenzen ist; das kann dann aber wirkungsvoller und geradliniger auch über § 91 I bewerkstelligt werden. Entsprechendes (allerdings ggf ohne das Rangprivileg eines Anschaffungsfinanzierers) gilt, 47 wenn ein Kreditgeber sich Rohstoffe mit einer Verarbeitungsklausel hat sicherungsübereignen lassen. Der Kreditgeber erwirbt mit der Verarbeitung Sicherungseigentum an dem Produkt.119 Eine Wertsteigerung, die durch die Verarbeitung entsteht, muss aber der Masse verbleiben.

III. Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen (Nr 2) 1. Voraussetzungen § 51 Nr 2 gewährt dem Besitzer einer zur Insolvenzmasse gehörenden beweglichen Sache wegen 48 eines begründeten Anspruchs auf Ersatz von Verwendungen, die auf diese Sache gemacht worden sind, ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus ihr, aber nur in Höhe des Mehrwerts, den die Sache selbst infolge der Verwendung hat. Der Mehrwert und dessen Betrag stehen zur Behaup116 117 118 119 611

Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 44. J F Hoffmann KTS 2021, 327, 351 ff. Jaeger/Henckel InsO1 § 51 Rn 46. Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd V (1982), § 63 II 3 S 421. Hoffmann

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tungs- und Beweislast des Gläubigers. Den Besitz an der Sache muss er vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt120 und bis zur Geltendmachung des Absonderungsrechts behalten haben. Die Wertsteigerung muss nicht nur zur Zeit der Verfahrenseröffnung, sondern auch noch zur Zeit der Geltendmachung des Absonderungsrechts bestehen. Der zu dieser Zeit (im Prozess am Schluss der Tatsachenverhandlung) bereits erloschene Vorteil begründet den Anspruch nicht mehr.121 Der zu dieser Zeit erhöhte Vorteil steigert ihn. Wer zur Zeit der Erhebung des Verwendungsanspruchs die Sache, deren Wert er durch seinen Aufwand gesteigert zu haben behauptet, bereits aus der Hand gegeben hatte, kann schon deshalb das auf Zurückbehaltung gegründete Absonderungsrecht nicht mehr geltend machen.122 Aus § 50 folgt das Absonderungsrecht des Verwenders nicht, weil ihm nach dem BGB (§§ 273 II, 1000 S 1 BGB) nur eine Zurückbehaltungsbefugnis, nicht ein gesetzliches Pfandrecht zusteht. Das Zurückbehaltungsrecht setzt einen Ersatzanspruch voraus. Ausgeschlossen ist das Zurückbehaltungs- und damit das Absonderungsrecht, wenn die Sache durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt worden ist (§ 273 II, § 1000 S 2 BGB).

2. Rechtspolitische Kritik 49 Es handelt sich bei § 51 Nr 2 um eine eng begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz,123 dass Zurückbehaltungsrechte nicht insolvenzfest sind (Rn 51 ff). Zurückbehaltungsrechte entfalten in der Insolvenz keine Wirkung, weil es sich bei ihnen um Zwangsmittel zur Durchsetzung der Vermögenshaftung handelt. Die Forderungen auf Verwendungsersatz, die mittels §§ 273 II, 1000 S 1 BGB durchgesetzt und durch § 51 Nr 2 privilegiert werden, lassen sich ihrer bürgerlich-rechtlichen Ordnungsfunktion nach nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. So werden etwa mit §§ 994 ff, 347 II S 1 BGB Forderungen privilegiert, denen man eine bereicherungsrechtliche Funktion beimessen mag.124 Eine bereicherungsrechtliche Ordnungsfunktion wird man jedoch den Verwendungsersatzforderungen aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag wohl nicht mehr zuschreiben können.125 In jedem Fall werden durch § 273 II BGB im Rahmen von §§ 670, 675 I BGB auch Forderungen erfasst, die eine vertragliche und keine bereicherungsrechtliche Grundlage haben. Daher ist das Privileg aus § 51 Nr 2 nicht deckungsgleich mit der materiellrechtlichen Forderung, die zum Anlass für eine Bevorzugung genommen wird. Das Privileg löst sich insoweit von dem Umfang der materiell-rechtlichen Forderung und damit auch von dessen Ordnungsfunktion: § 51 Nr 2 erfüllt eine Abschöpfungsfunktion und ist darauf gerichtet, zu verhindern, dass sich die Masse auf Kosten des Gläubigers ungerechtfertigt bereichert. Warum bei einer Verwendung auf Sachen des Schuldners, die der Gläubiger weiterhin im Besitz hat, eine Absonderung ermöglicht werden soll, ist allerdings höchst fraglich. Zum Teil werden rein konstruktive Begründungen bemüht, wonach die Verwendung eine „quasidingliche“ Beziehung zur Sache begründe126 und der Anspruch aus einer Verwendung in rem127 wirke. Weiter wird darauf verwiesen, dass durch § 51 Nr 2 verhindert werden müsse, dass Werterhöhungen aus Mitteln des Insolvenzgläubigers der Masse zugutekommen.128 Die Inanspruchnahme der Werter120 Jaeger/Henckel KO9 § 15 Rn 23. 121 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 36; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 219; aA Wolff KO2 § 49 Anm 6: Maßgebender Zeitpunkt sei die Verfahrenseröffnung.

122 RG LZ 1924, 639. 123 Vgl Hahn Materialien IV, S 204 ff; BGHZ 150, 138, 145 = NZI 2002, 380, 381 f; BGHZ 161, 241, 252 f = NZI 2005, 157, 160; BGH NJW 2009, 1414, Rn 8; BGH NZI 2013, 158, Rn 9; Häsemeyer InsolvenzR4 Rn 18.20; Wilhelm JZ 1995, 573, 574. 124 Dafür etwa Soergel/Lobinger BGB13 § 347 Rn 30 ff mwN auch zu abw Auffassungen. 125 Siehe den Überblick über den Meinungsstand bei Staudinger/Bergmann BGB (2020) Vor §§ 677 ff Rn 9 ff; wieder zu einem kontraktlichen Verständnis tendierend etwa Loyal AcP 212 (2012), 364, 378 ff mwN. 126 MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 10. 127 Hahn Materialien IV, S 205 f. 128 MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 10. Hoffmann

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höhung für die Masse ohne Vergütung der Verwendungen sei arglistig.129 Ginge es aber darum zu verhindern, dass die Masse von den Verwendungen profitiert, so dürfte es entgegen der hM130 keine Rolle spielen, ob die Verwendungen vor oder nach Verfahrenseröffnung getätigt worden sind. So kommt es zu der merkwürdigen Konsequenz, dass Verwendungen vor Verfahrenseröffnung ein Absonderungsrecht gewähren, während Verwendungen nach Verfahrenseröffnung eine dem Rang nach schwächere Masseforderung gemäß § 55 I Nr 3 begründen. Vor allem aber stellt § 51 Nr 2 de lege lata eine ausschließliche Bevorzugung für Bereicherungsgläubiger dar, ohne dass ersichtlich wäre, warum nicht etwa auch deliktsrechtliche Gläubiger einen entsprechenden Schutz verdienen. Dieser Einwand liegt umso mehr auf der Hand, als § 273 II BGB ein Zurückbehaltungsrecht an einer Sache auch dann gewährt, wenn durch diese dem (deliktsrechtlichen) Gläubiger ein Schaden entstanden ist; dieses Zurückbehaltungsrecht gewährt gemäß § 51 Nr 2 aber kein Absonderungsrecht. § 51 Nr 2 statuiert eine punktuelle und nicht zu rechtfertigende Privilegierung von Bereicherungsgläubigern. Das Privileg sollte daher abgeschafft werden. Es besteht demnach auch kein Anlass, einem Zessionar der Verwendungsersatzforderung das Insolvenzprivileg einzuräumen,131 auch wenn er sich materiell-rechtlich als Zessionar auf § 273 BGB berufen darf, weil er sich auch im Besitz der Sache befindet.132

3. Verwertungsproblematik Die de lege lata in § 51 Nr 2 genannten Zurückbehaltungsrechte wegen Verwendungen zum Nutzen ei- 50 ner Sache sind unterschiedlicher Art. Einerseits gibt es Zurückbehaltungsrechte, die mit einem Verwertungsrecht verbunden sind, andererseits Zurückbehaltungsrechte ohne Verwertungsrecht. Zur ersten Gruppe gehört das Zurückbehaltungsrecht des Besitzers nach § 1000 S 1 BGB, das nach § 1003 I S 2 BGB mit dem Verwertungsrecht verbunden ist; ferner Zurückbehaltungsrechte, deren Regelung auf die §§ 1000, 1003 BGB verweist, wie §§ 292 II, 2022 I S 2, 2023 II BGB.133 Das Verwertungsrecht des Absonderungsberechtigten bleibt nach § 173 unberührt. Schwierigkeiten treten aber auf, wenn der Berechtigte den Verpflichteten nicht nach § 1003 I S 1 BGB zur Erklärung auffordert oder, falls der Verpflichtete den Anspruch bestreitet, nicht die Feststellung des Betrages der Verwendungen betreibt und den Verpflichteten nicht zur Erklärung auffordert (§ 1003 II BGB). Genehmigt der Verpflichtete die Verwendungen, entfällt damit zwar das Verwertungsrecht des § 1003 I S 2 BGB, nicht aber das Zurückbehaltungsrecht des § 1000 S 1 BGB, das nach § 51 Nr 2 zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.134 Das Zurückbehaltungsrecht wird also durch die Genehmigung, die im Insolvenzverfahren dem Verwalter zusteht, zu einem Absonderungsrecht ohne Verwertungsbefugnis des Besitzers. So verhält es sich grundsätzlich auch in der zweiten Gruppe, zu der das Zurückbehaltungsrecht des § 273 II BGB gehört in Verbindung mit Verwendungsersatzansprüchen wie in §§ 102, 304, 347 II S 1, 459 S 1, 539 I, 590b, 591 I, 601 II S 1, 670, 683 S 1, 693, 850, 972, 1049 I, 1216 I, 2381 BGB, § 34 I WEG. Hier besteht zwar ein Zurückbehaltungsrecht und damit ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 51 Nr 2, aber kein Verwertungsrecht des Absonderungsberechtigten. Abgesonderte Befriedigung heißt, dass dem Berechtigten der Verwertungserlös zusteht, soweit er zur Deckung seines Rechts not-

129 Hahn Materialien IV, S 205. 130 Vgl MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 218; HK/Lohmann InsO10 § 51 Rn 47. 131 Entgegen MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 219a. Grds wird sich die Frage nach einer Einzelrechtsnachfolge in Insolvenzprivilegien wohl nicht allgemein beantworten lassen; vgl etwa exemplarisch zur vor Einführung des § 55 III S 1 umstrittenen Frage, ob das Vorrecht aus § 55 II S 2 mit dem Forderungsübergang erlischt; in diesem Sinne etwa BAG ZInsO 2001, 1174; BAGE 97, 241 = NZI 2002, 118. 132 Zum Umgang mit § 273 BGB nach einer Zession statt vieler Staudinger/Busche BGB (2022) § 401 Rn 43; J F Hoffmann Zession und Rechtszuweisung (2012), S 144. 133 Für die Rücktritts- und Widerrufsrechte (§§ 346 ff, 355 ff BGB) ist mit der Verweisung auf die §§ 1000, 1003 BGB auch das Verwertungsrecht weggefallen (Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001). 134 Staudinger/Gursky BGB (2013) Vorbem zu §§ 994–1003 Rn 73. 613

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

wendig ist. Eine Verwertung scheint aber ausgeschlossen, wenn der Absonderungsberechtigte nicht verwerten darf. Denn eine Vorschrift wie die des § 127 I KO, die besagte, dass der Verwalter berechtigt ist, den Gegenstand des Absonderungsrechts zu verwerten, wenn der Absonderungsberechtigte kein Verwertungsrecht hat, fehlt in der InsO. Nach deren Text hat der Insolvenzverwalter an Absonderungsobjekten des beweglichen Vermögens ein Verwertungsrecht nur, wenn er sie im Besitz hat oder den Besitz erlangen kann, was bei rechtmäßiger Zurückhaltung ausgeschlossen ist. Die Entstehungsgeschichte lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber das Problem gesehen hätte. Deshalb besteht eine Regelungslücke für die Zurückbehaltungsrechte ohne Verwertungsrecht. Man könnte zum einen das Recht auf abgesonderte Befriedigung auf die Fälle beschränken, in denen der Zurückbehaltungsberechtigte ein Verwertungsrecht hat und es im Übrigen allein bei dem Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen belassen. Der Verwalter, der das Objekt für die Masse verwerten will, müsste dann das Zurückbehaltungsrecht ablösen, also die Verwendungen ersetzen.135 Damit stünde er aber schlechter als ein Insolvenzverwalter in gleicher Lage, der die Sache zur Verwertung herausverlangen konnte, also nicht erst zahlen musste, sondern die Verwendungen mit dem Verwertungserlös ersetzte. Eine zweite Möglichkeit wäre, dem Absonderungsberechtigten doch ein Verwertungsrecht einzuräumen, was von Marotzke befürwortet wird.136 Er will dem Absonderungsberechtigten immer dann ein Verwertungsrecht zusprechen, wenn der Insolvenzverwalter nicht zur Verwertung befugt ist. Da der Verwalter nur Sachen verwerten kann, die er im Besitz hat, müsse der besitzende Absonderungsberechtigte selbst verwerten dürfen. Allerdings begründet § 173 I kein Verwertungsrecht des Absonderungsberechtigten, sondern setzt dieses voraus. Es scheint fraglich, ob das Verwertungsrecht aus § 51 Nr 2 selbst hergleitet werden kann. Zuletzt ließe sich erwägen, dem Verwalter entsprechend § 127 I KO ein Verwertungsrecht zu geben, was von Henckel befürwortet wird,137 weil es eine abgesonderte Befriedigung ohne Verwertung nicht geben kann. In Anbetracht der grundsätzlichen Fragwürdigkeit des Privilegs (Rn 49) erscheint es in der Tat vorzugswürdig, dem Verwalter das Verwertungsrecht einzuräumen.

4. § 273 BGB in der Insolvenz 51 Ein Gegenschluss aufgrund der bestimmt begrenzten Nr 2 und 3 des § 51 ergibt, dass andere Rechte zur Zurückbehaltung kein Absonderungsrecht begründen. Ob ihnen damit jede Rechtswirkung im Insolvenzverfahren genommen ist, lässt sich dagegen aus § 51 ebenso wenig ableiten, wie zuvor aus § 49 I Nr 3 und § 4 KO,138 zumal auch die Absonderungsrechte des § 51 Nr 2 kein Recht gewähren, die Herausgabe an den Insolvenzverwalter zu verweigern, wenn sie den Gläubiger nicht zur Verwertung des Absonderungsobjekts berechtigen. Die von § 51 Nr 2 und 3 nicht erfassten Zurückbehaltungsrechte sind auch nicht deshalb im Insolvenzverfahren wirkungslos, weil sie andernfalls einem Absonderungsrecht gleichkämen. Denn sie unterscheiden sich von den Absonderungsrechten dadurch, dass sie kein Recht auf den bei der Verwertung der zurückbehaltenen Sache erzielten Erlös begründen. Allenfalls ließe sich sagen, das Zurückbehaltungsrecht könnte der Forderung einen wirtschaftlichen Wert geben, der dem einer durch ein Absonderungsrecht gesicherten Forderung entsprechen kann.139 Dass verbreitete Begründungen unrichtig sind, entscheidet aber noch nicht den Streit um die Wirkung dieser Zurückbehaltungsrechte im Insolvenzverfahren.

135 136 137 138 139

So etwa Jaeger/Eckardt InsO1 § 166 Rn 191. Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 Rn 2. 48. Jaeger/Henckel InsO1 Vorbem zu §§ 49–52 Rn 47. AA vor allem Jaeger/Lent KO8 § 49 Rn 42, auch RGZ 77, 436, 438 f und BGH NJW 1995, 1484, 1485. Vgl Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 136.

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Einigkeit besteht darüber, dass Gegenstände, die zur Insolvenzmasse gehören, wegen ei- 52 ner Insolvenzforderung nicht zurückbehalten werden können.140 § 273 I BGB wird insoweit eingeschränkt. Das Zurückbehaltungsrecht kann nicht ausgeübt werden, weil der Insolvenzverwalter den Gegenstand nicht verwerten könnte, ohne die Forderung des Insolvenzgläubigers voll zu erfüllen. Die Anerkennung des Zurückbehaltungsrechts verstieße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger. Aber auch ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Auszahlung der Quote ist ausgeschlossen. Denn der Gläubiger hat keinen fälligen Anspruch auf die Quote, solange der Insolvenzverwalter den zurückbehaltenen Gegenstand nicht verwerten kann. Bei der Berechnung der Quote muss er den Verwertungserlös einbeziehen. Der Käufer eines Grundstücks, dem dieses nicht wirksam übereignet worden ist, muss also den Besitz, den ihm der Insolvenzschuldner überlassen hatte, aufgeben und das Grundstück dem Insolvenzverwalter herausgeben, wenn er mangels eines wirksamen Kaufvertrages kein Recht zum Besitz hat, ohne wegen seines Anspruchs auf Rückzahlung des schon ganz oder teilweise beglichenen Kaufpreises das Grundstück zurückbehalten zu können. Dementsprechend kann der Käufer, für den eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden ist, dem Anspruch auf Löschung der wegen Nichtigkeit des Kaufvertrages unwirksamen Vormerkung kein Zurückbehaltungsrecht wegen seines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 812 I S 1 Alt 1 BGB) entgegenhalten.141 Weil die Vormerkung akzessorisch ist und sie deshalb bei unwirksamem Kaufvertrag nicht wirksam entstehen kann, ist der Käufer, der den Kaufpreis bezahlt, vor der Insolvenz des Verkäufers durch die Vormerkung nicht geschützt, wenn sich der Kaufvertrag als nichtig erweist. Das gilt auch, wenn ein Rücktritt vom Kaufvertrag erfolgt ist.142 Der Entleiher einer Sache, die zur Insolvenzmasse des Verleihers gehört, kann die Rückgabe der Sache nicht deshalb verweigern, weil ihm ein Ersatzanspruch zusteht wegen eines Schadens, der ihm durch die geliehene Sache vor der Verfahrenseröffnung entstanden ist (siehe auch Rn 49). Umstritten ist, ob der vom Insolvenzverwalter auf Leistung eines noch nicht zur Masse gehö- 53 renden Gegenstandes in Anspruch genommene Schuldner des Insolvenzschuldners sich wegen eines konnexen Gegenanspruchs auf § 273 I BGB berufen kann. Die hM versagt auch hier das Zurückbehaltungsrecht.143 Marotzke144 wendet ein, der Eigentümer der dem Insolvenzschuldner geschuldeten Sache dürfe nicht schlechter behandelt werden als ein Pfandgläubiger, der nach § 50 absonderungsberechtigt ist, und müsse deshalb wenigstens seine Leistung zurückbehalten dürfen. Dieses Argument kann nicht überzeugen.145 Vergleichbar mit der Frage nach dem Zurückbehaltungsrecht des Schuldners, der zur Leistung einer eigenen Sache verpflichtet ist, kann nur die sein, ob der Inhaber eines Pfandrechts an einer massezugehörigen Sache verpflichtet wäre, das Pfandrecht zu übertragen. Ob er im Insolvenzverfahren des Gläubigers des Übertragungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht hat, kann nicht damit begründet werden, dass er kraft seines Pfandrechts ein Absonderungsrecht hätte. Denn wenn er das Pfandrecht zurückübertragen muss, bedeutet das, dass er sein Absonderungsrecht aufzugeben hat. Auch der Vergleich mit dem aufrechnungsbefugten Schuldner, den Marotzke146 heranzieht, passt nicht.147 Die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (anfechtungsfrei) begründete Aufrechnungslage hat im Insolvenzverfah140 RGZ 20, 136; 29, 302; 51, 86; 68, 282; 77, 438; RG JW 1898, 684; RG LZ 1910, 217, 226; RG LZ 1924, 639; BGH WM 1965, 408, 410; BGH NJW 1995, 1484, 1485; BGHZ 150, 138, 145 f = NJW 2002, 2313, 2315; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 63; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 51; Häsemeyer InsR4 Rn 18.20; KK/Hess InsO § 51 Rn 78; Jaeger/Lent KO8 § 49 Rn 42; HK/Lohmann InsO10 § 51 Rn 46; Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 Rn 2.50, 2.70; aA Stamm KTS 2021, 467, 490 ff. 141 BGHZ 150, 138, 145 f = NJW 2002, 2313, 2315; BGH NZI 2003, 605. 142 BGH NJW 2009, 1414. 143 BGH NJW 2013, 1243, Rn 9. 144 Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 Rn 2.63. 145 Eingehend auch Mossler Bereicherung aus Leistung und Gegenleistung (2006), S 22 ff. 146 Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 Rn 2.67; so auch Stamm KTS 2021, 467, 473 ff. 147 Auch die Verfasser der Konkursordnung verwarfen eine allgemeine Konkursfestigkeit von Zurückbehaltungsrechten; siehe Hahn Materialien IV, S 204 ff. 615

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

ren Bestand und die Aufrechnungswirkung kann noch mit einer nach der Verfahrenseröffnung abgegebenen Aufrechnungserklärung herbeigeführt werden. Dies hat seinen Grund darin, dass § 388 S 1 BGB die Aufrechnungserklärung nur deshalb fordert, weil der Berechtigte autonom entscheiden können soll, ob er aufrechnen oder zahlen und fordern will, nicht aber darin, dass erst mit dem Zugang der Erklärung die Aufrechnungswirkungen eintreten sollen. Diese werden vielmehr auf den Zeitpunkt bezogen, in dem die Aufrechnungslage begründet war (§ 389 BGB), so als würden sie ipso iure eintreten, sobald die Forderungen sich aufrechenbar gegenüberstehen.148 Das Privileg der Aufrechnung leitet seine Legitimation maßgeblich aus der materiell-rechtlichen Rückwirkung her.149 Eine entsprechende umfassende zeitliche Rückbeziehung gibt es beim Zurückbehaltungsrecht nicht.150 Wie die gesetzlichen Zurückbehaltungsrechte dringen auch vertraglich vereinbarte im Insolvenzverfahren nicht durch. 54 Es besteht insoweit ein fundamentaler Unterschied zum für insolvenzfest zu befindenden § 320 BGB: Die Einrede des nichterfüllten Vertrages ist kein Durchsetzungsmechanismus der Gegenforderung, sondern Ausdruck des begrenzten Bindungswillens des zur Leistungsverweigerung Berechtigten;151 dieser war zur Hingabe der Gegenleistung nur um den (vollen) Erhalt der Leistung willen bereit.152 Dieser begrenzte Bindungswille, der seinen Ausdruck in der synallagmatischen Verknüpfung der Forderungen gefunden hat, muss als Ausfluss der Privatautonomie „selbstverständlich“153 auch in der Insolvenz respektiert werden, weshalb die Einrede insolvenzfest ist.154 Hierauf reagieren §§ 103 I, 55 I Nr 2 Alt 1, die dem Insolvenzverwalter ausdrücklich gestatten, die Einrede aus § 320 I S 1 BGB zu beseitigen, indem er die Insolvenzforderung zur Masseforderung erhebt und erfüllt, was bei für die Masse vorteilhaften Verträgen sinnvoll sein kann. Der Umstand, dass die Einreden aus § 273 I und aus § 320 I S 1 BGB in ihren Grundlagen materiell-rechtlich nicht vergleichbar sind,155 findet also eine Entsprechung in deren unterschiedlicher Behandlung in der Insolvenz. 55 Wegen Masseschuldansprüchen (§ 55 I und II) kann der Massegläubiger Zurückbehaltungsrechte jeder Art geltend machen. Soweit sie keine Absonderungsrechte nach § 51 Nr 2 und 3 begründen, muss aber berücksichtigt werden, dass sie nicht zur Ungleichbehandlung der Massegläubiger führen dürfen. Reicht die Masse zur vollen Befriedigung der Gläubiger einer Rangklasse nicht aus, dürfen die Gläubiger dieser und der folgenden Rangklassen des § 209 I Zurückbehaltungsrechte an Massegegenständen nicht geltend machen. Denn diese würden bewirken, dass der Verwalter die Forderungen voll befriedigen müsste, um den zurückbehaltenen Gegenstand zur Masse ziehen zu können, während die anderen Massegläubiger bestenfalls eine Quote bekämen. Der Insolvenzverwalter kann also ohne Rücksicht auf solche Zurückbehaltungsrechte die Herausgabe verlangen und durchsetzen. Lediglich die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320 I S 1 BGB) bleibt auch bei Masseunzulänglichkeit uneingeschränkt erhalten.

148 Henckel ZZP 74 (1961), 165 ff. 149 J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 369 ff; auch im Kontext von § 273 BGB mit einem „Vertrauensschutz“ als „übergeordnete[m] zivilrechtliche[m] Prinzip“ argumentierend, das offenbar unabhängig subjektiver Tatbestandsmerkmale greifen soll, wiederum Stamm KTS 2021, 467, 475 f. 150 Zum Verzug siehe BGH NJW 1971, 421; BGH NJW 2014, 55, Rn 46; Staudinger/Bittner/Kolbe BGB (2019) § 273 Rn 121; aA unter bloßem Hinweis auf §§ 215, 404 BGB Stamm KTS 2021, 467, 475. 151 Siehe J F Hoffmann Zession und Rechtszuweisung (2012), S 211 mwN; Soergel/Lobinger BGB13 Vor § 346 Rn 19. 152 Das von Stamm KTS 2021, 467, 469 gebildete Beispiel aus dem Auftragsrecht ist ebenfalls über eine entsprechende (insolvenzfeste) vertragliche Bindungsbegrenzung des Auftragnehmers zu lösen und streitet nicht für eine Insolvenzfestigkeit von § 273 BGB. 153 Hahn Materialien IV, S 88; siehe auch die Würdigung der Materialien bei Marotzke Gegenseitige Verträge3 Rn 2.14. 154 Im Begründungsansatz ähnlich Henckel ZZP 99 (1986), 419, 423 f; Mossler Bereicherung aus Leistung und Gegenleistung (2006), S 13 ff; Musielak AcP 179 (1979), 189, 199 f; so jetzt im Ergebnis auch der BGH: BGHZ 150, 353, 359 = NJW 2002, 2783, 2785; BGH NZI 2007, 404, Rn 15; K Schmidt/Ringstmeier InsO19 § 103 Rn 1. 155 J F Hoffmann Zession und Rechtszuweisung (2012), S 211 mwN; Larenz SchuldR I14 S 211. Hoffmann

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5. Verwendungen bei Grundstücken § 51 ist nicht anzuwenden auf Zurückbehaltungsrechte, die ein Verwertungsrecht des Berechtigten 56 an einem Grundstück einschließen (§§ 1000 S 1, 292 II, 347 II S 1, 2022 I S 2, 2023 II BGB).156 Denn nach § 1003 I S 2 BGB, auf den die anderen genannten Vorschriften verweisen, hat der Berechtigte das Grundstück nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen zu verwerten. Als persönlicher Gläubiger des Verwendungsanspruchs hat er jedoch kraft seines Zurückbehaltungsrechts kein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück iSv § 10 I Nr 1–4 ZVG, sodass § 49, der ein solches Recht voraussetzt, nur anzuwenden ist, wenn der Berechtigte vor dem nach § 88 maßgebenden Zeitpunkt die Beschlagnahme des Grundstücks unanfechtbar bewirkt hat (§ 10 I Nr 5 ZVG). Das massezugehörige Grundstück zurückzubehalten, ist ihm nicht gestattet.157 Für die Zurückbehaltungsrechte an Grundstücken, die kein Verwertungsrecht einschließen, ist die Rechtslage nicht mehr so eindeutig wie nach der Konkursordnung. § 47 KO gab ein Absonderungsrecht an Grundstücken nur denjenigen, die ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück hatten, was für diese Zurückbehaltungsrechte nicht zutraf. § 49 ist anders gefasst. Er spricht von den Gläubigern, die ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück haben und verweist sie zum Zweck der Verwertung auf das Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren. Von Gläubigern, die kein eigenes Verwertungsrecht haben, spricht er nicht, sodass man schließen könnte, sie hätten ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr 2, der dem Wortlaut nach nicht auf bewegliche Sachen beschränkt ist. Jedoch hat der Gesetzgeber mit der Fassung des § 49 keine inhaltliche Änderung hinsichtlich der Zurückbehaltungsrechte beabsichtigt. Dass die neue Formulierung hier Auslegungsprobleme schaffen könnte, hat er offensichtlich gar nicht erkannt.158

IV. Handelsgesetzliche Zurückbehaltungsrechte (Nr 3) § 51 Nr 3 gewährt das Absonderungsrecht den Gläubigern, denen nach dem HGB ein Zurückbehal- 57 tungsrecht zusteht. Hierher gehört vor allem das über eine bloße Einrede hinausgehende kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (§§ 369–372 HGB), das den Gläubiger zur Verwertung des zurückbehaltenen Objekts nach den für das Pfandrecht geltenden Vorschriften des BGB berechtigt. Das Recht steht einem Kaufmann (§§ 1 ff HGB) zu für seine fälligen Forderungen aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft. Die Fälligkeit der Forderung ist im eröffneten Insolvenzverfahren zwar schon durch § 41 gegeben. Jedoch bedeutet die durch § 41 bewirkte Fälligkeit nicht, dass auch schon die Fälligkeitsvoraussetzung des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts erfüllt wäre. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen nicht fälliger Forderungen, das § 370 HGB im Falle des Konkurses gewährte, gibt es nicht mehr. § 370 HGB ist durch Art 40 Nr 18 EGInsO aufgehoben worden. Objekte der Zurückbehaltung können nicht nur bewegliche Sachen sein, sondern auch echte Wertpapiere, also Inhaberund Orderpapiere, nicht dagegen Rektapapiere.159 Die Sachen und Wertpapiere müssen Eigentum des Schuldners sein. Einen Verkehrsschutz gibt es beim Erwerb des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts nicht. Alle Voraussetzungen für die Entstehung des Zurückbehaltungsrechts müssen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt sein, wenn es Absonderungskraft haben soll. Der Wegfall der Kaufmannseigenschaft des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens berührt das wirksam entstandene Zurückbehaltungsrecht nicht. Die zur Verwertung des Zurückbehaltungsobjekts nach § 371 III HGB erforderliche Beschaffung eines Vollstreckungstitels wird dem

156 BGH NZI 2003, 605; Braun/Bäuerle InsO9 § 51 Rn 57; Staudinger/Gursky BGB (2013) Vorbem zu §§ 994–1003 Rn 76; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 51 Rn 32.

157 BGH NZI 2003, 605; Staudinger/Gursky BGB (2013) Vorbem zu §§ 994–1003 Rn 76. 158 Siehe die Begründung zu § 56 RegE. 159 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 56; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 228; Oetker/Maultzsch HGB7 § 369 Rn 22. 617

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Gläubiger als Absonderungsberechtigtem weder durch § 89 I noch durch § 91 I verwehrt. Im Insolvenzverfahren ist der Titel aber gegen den Insolvenzverwalter zu erwirken. 58 § 51 Nr 3 ist, anders als § 51 Nr 2, nicht auf eine bereicherungsrechtliche Abschöpfung gerichtet. Vielmehr werden die rechtsgeschäftlich begründeten Forderungen des Gläubigers vollumfassend privilegiert. Zur Rechtfertigung dieses Privilegs wird wieder der Umstand bemüht, die Zurückbehaltungsrechte stünden, obgleich sie nicht dinglicher Natur sind,160 wegen der Verwertungsbefugnis gemäß § 371 I S 1 HGB den Pfandrechten nahe, weshalb sie auch wie diese zur Absonderung berechtigen müssten.161 Die den Pfandrechten ähnliche Konstruktion bietet jedoch keinen inhaltlichen Grund für eine entsprechende Bevorzugung. Bei den Beratungen zum ADHGB wurde weiterhin eine Parallele zur Aufrechnung gezogen und die Legitimität des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts damit begründet.162 Das Zurückbehaltungsrecht und die Aufrechnung sind materiell-rechtlich zwar vergleichbar, da beide Institute der Durchsetzung der Gegenforderung dienen. Jedenfalls für das Insolvenzprivileg des § 51 Nr 3 wird diese Parallele zur Aufrechnung heute aber nicht mehr gezogen und hat als solche bei der Kodifikation der Konkursordnung auch keinen Eingang gefunden; man entschied sich grundsätzlich gegen eine Insolvenzfestigkeit von Zurückbehaltungsrechten.163 Der Vergleich mit der Aufrechnung ist auch untauglich zur Unterfütterung eines Privilegs für ein Zurückbehaltungsrecht (Rn 53). Zur Fundierung von § 51 Nr 3 kann sachlich auf die Erwägungen zurückgegriffen werden, die zu den gesetzlichen Pfandrechten, welche sich im Handelsrecht historisch ihrerseits aus dem handelsrechtlichen Zurückbehaltungsrecht entwickelt hatten,164 angestellt wurden (§ 50 Rn 30): Das Zurückbehaltungsrecht des § 369 HGB nimmt Rücksicht auf ein erhöhtes Sicherungsbedürfnis des Handelsverkehrs.165 Diesem Sicherungsbedürfnis würden die Verkehrsteilnehmer durch die Vereinbarung rechtsgeschäftlicher Pfandrechte ihrerseits nachkommen. Durch den abdingbaren § 369 HGB wird den Parteien der Aufwand einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung abgenommen.166 Dieser Aufwand äußert sich nicht nur in Transaktionskosten, sondern auch darin, mögliche finanzielle Schwierigkeiten des Vertragspartners überhaupt thematisieren zu müssen.167 Damit ist das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht als Privileg funktional vergleichbar mit den Kreditsicherheiten, die sich rechtspolitisch nicht am Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz stoßen (Rn 3 ff).

V. Versicherungsrechtliches Zurückbehaltungsrecht 59 Eine selbständige Rolle unter den handelsgesetzlichen Zurückbehaltungsrechten spielt für das Insolvenzverfahren dasjenige des Versicherungsnehmers am Versicherungsschein gem § 46 S 1 VVG bei der Versicherung für fremde Rechnung. Dieses Zurückbehaltungsrecht schützt namentlich den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Erstattung der von ihm verauslagten Prämie in der Insolvenz des Versicherten (zur Insolvenz des Versicherungsnehmers siehe § 47 Rn 157). Das Zurückbehaltungsrecht geht über den Rahmen des § 273 BGB hinaus, da es Fälligkeit nicht voraussetzt, nicht auf Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis beschränkt ist und auch durch Sicherheitsleistung nicht abzuwenden ist. Seine über ein Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen

160 Canaris HandelsR24 § 28 Rn 2; Denkschrift zum HGB bei Hahn Materialien VI, S 367. 161 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S 330; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 223; Häsemeyer InsolvenzR4 Rn 18.21. 162 Siehe Protokolle zum ADHGB bei Lutz Protokolle, S 467 f. 163 Siehe Hahn Materialien IV, S 204 ff. 164 Dazu Altmeppen ZHR 157 (1993), 541, 549 ff. 165 Canaris HandelsR24 § 28 Rn 1. 166 Siehe Protokolle zum ADHGB bei Lutz Protokolle, S 454, 455, 458; vgl auch MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 11. 167 Vgl Hahn Materialien IV, S 206: „das Verlangen nach einer Pfandbestellung würde dem kaufmännischen Kredit nachtheilig und der kaufmännischen Ehre zuwider sein“; siehe weiter Protokolle zum ADHGB bei Lutz Protokolle, S 454, 458. Hoffmann

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Sonstige Absonderungsberechtigte

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(§ 51 Nr 2) hinausgehende Wirkung als Absonderungsrecht ist außer Zweifel gestellt durch die Formulierung des § 46 S 1 VVG, der die Befugnis, den Versicherungsschein zurückzubehalten, ausdrücklich gegenüber der Insolvenzmasse des Versicherten gewährt.168 Darüber hinaus verleiht § 46 S 2 VVG dem Versicherungsnehmer wegen der durch das Zurückbehaltungsrecht geschützten Ansprüche ein positives Recht auf Vorzugsbefriedigung aus der Versicherungsforderung und nach deren Einziehung aus der Entschädigungssumme. Nach dem Zusammenhang der beiden Sätze des § 46 VVG soll dieses Recht auf Vorzugsbefriedigung innerhalb wie außerhalb des Insolvenzverfahrens des Versicherten bestehen.169 Der Versicherungsschein ist kein selbständiger Wertträger. Nicht nur hinsichtlich des Scheins, sondern zugleich auch hinsichtlich der Versicherungsforderung besteht das Absonderungsrecht des Versicherungsnehmers. Das ist der Sinn des zweiten Satzes des § 46 VVG. Er ergibt ferner, dass der Versicherungsnehmer eine eigene Verwertungsbefugnis hat, nämlich das Recht, mit Hilfe des zurückbehaltenen Versicherungsscheines sich aus der Versicherungsforderung „vor dem Versicherten und dessen Gläubigern“ durch Einziehung der Versicherungsgelder zu befriedigen. Im Insolvenzverfahren ist deshalb der Versicherungsnehmer berechtigt, das Absonderungsrecht selbst zu verwirklichen (§ 173 I). Er braucht die Einziehung nicht dem Insolvenzverwalter des Versicherten zu überlassen, sondern diesem nur einen Überschuss der Versicherungsgelder auszuliefern. Unklar ist in der Formulierung des zweiten Satzes des § 46 VVG, ob als Subjekt dieser Einziehung der Versicherungsnehmer oder der Versicherte (dessen Insolvenzverwalter) oder beide zu denken sind. Da sich der Gläubiger nur aus den in seinen Händen befindlichen Geldern befriedigen kann, muss der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme einziehen und aus ihr zunächst seine Ansprüche decken können.170 War die Versicherungsforderung schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Zahlung der Versicherungssumme an den Versicherten oder durch eine andere rechtsbeständige Verfügung erloschen, fehlt es am Gegenstand eines Absonderungsrechtes. Der Versicherungsnehmer hat, insbesondere wegen der für Rechnung des Versicherten verauslagten Prämien, nur eine Insolvenzforderung. Im Falle der Erhebung durch den Insolvenzverwalter des Versicherten dagegen würde der Versicherungsnehmer nach Maßgabe des § 55 I Nr 1 oder 3 Massegläubiger sein. Wegen der Vereitelung seines Absonderungsrechts durch den Schuldner oder dessen Verwalter kommt aber auch eine Ersatzabsonderung (§ 48 Rn 61 ff) in Betracht.

VI. Die Sachhaftung (Nr 4) Die Bundesrepublik, die Bundesländer, die Gemeinden und Gemeindeverbände haben ein Abson- 60 derungsrecht an zoll- und steuerpflichtigen Sachen, soweit ihnen diese kraft Gesetzes als Sicherheit für öffentliche Abgaben dienen. Gemeint sind die verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisse und Waren sowie die zollpflichtigen Waren, die nach § 76 I AO als Sicherheit für die darauf ruhenden Steuern haften. Diese Sachhaftung geht nach § 76 I AO allen Rechten Dritter an den Waren vor, mit Ausnahme der Rechte der Schiffspfandgläubiger, die nach § 602 S 2 HGB Vorrang auch vor der Sachhaftung des § 76 I AO haben. Verbrauchsteuern sind Steuern, die an den Verbrauch von Gütern anknüpfen. Sie werden 61 regelmäßig beim Hersteller, Importeur oder Händler erhoben. Diese sind die Steuerschuldner, können aber die Steuer auf den Verbraucher abwälzen. Verbrauchsteuern kraft Bundesgesetz sind etwa die Biersteuer (BierStG), die Alkoholsteuer (AlkoholsteuerG), die Kaffeesteuer (KaffeeStG), die Tabaksteuer (TabStG) und die Stromsteuer (StromStG), während die Umsatzsteuer selbst keine Verbrauchsteuer ist. Daneben kommen Verbrauchsteuern der Bundesländer in Betracht, die nach Art 105 IIa S 1 GG die ausschließliche Befugnis zur Gesetzgebung über örtliche Verbrauchsteuern haben, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind, 168 Zur Rechtfertigung des Privilegs gegenüber dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 329. 169 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 61. 170 MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 233. 619

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und kraft konkurrierender Zuständigkeit gem Art 105 II GG, soweit der Bund von seiner Kompetenz nicht Gebrauch macht. Das bedeutet aber nicht, dass den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zuwächst, wenn der Bund eine Verbrauchsteuer, etwa aus Gründen der Steuervereinfachung, aufgibt, wie zB die Zuckersteuer oder die Salzsteuer.171 62 Voraussetzung des Absonderungsrechts ist nur die Sachhaftung nach § 76 I AO, die bei zoll- oder verbrauchsteuerpflichtigen Waren, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, mit ihrem Verbringen in den Geltungsbereich der AO, bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren auch mit dem Beginn ihrer Gewinnung oder Herstellung entsteht (§ 76 II AO). Die Beschlagnahme, die der Finanzbehörde nach § 76 III S 1 AO gestattet ist, wird für das Absonderungsrecht nicht vorausgesetzt. Nach Entstehung der Sachhaftung und des Absonderungsrechts kann deshalb auch im eröffneten Insolvenzverfahren die Ware noch beschlagnahmt werden.172 Ergeht die Beschlagnahme als Verbot an den Insolvenzverwalter, über die Sachen zu verfügen (§ 76 III S 2 AO), bedeutet das nur, dass der Verwalter nicht anders verfügen kann als zum Zweck der Verwertung, die ihm durch § 166 I gestattet und aufgetragen ist. Die Steuerbehörde darf die beschlagnahmte Sache weder wegnehmen noch durch Wegnahme beschlagnahmen, weil sie damit dem Verwalter das Verwertungsrecht nehmen würde. Die Rückschlagsperre des § 88 hindert die Entstehung der Sachhaftung auch dann nicht, wenn sie erst in der kritischen Zeit dieser Vorschrift entsteht, weil die Sachhaftung nicht durch Zwangsvollstreckung begründet wird (zur Insolvenzanfechtung Rn 64).173 Die Sachhaftung und damit auch das Absonderungsrecht erlischt mit der Steuerschuld, aber auch bei deren Fortbestehen mit der Aufhebung einer Beschlagnahme oder dadurch, dass die Waren mit Zustimmung der Finanzbehörde in einen steuerlich nicht beschränkten Verkehr übergehen (§ 76 IV AO). Die Verwertung geschieht nach § 327 AO und §§ 166 ff. Die Rechtssätze über die Ablösungsbefugnis Drittberechtigter (§§ 1257, 1249 S 1 BGB) und über den Erwerb des Sachhaftungsrechts mit der durch Abtretung oder kraft Gesetzes erworbenen Forderung, etwa durch Zoll- oder Steuerbürgen (§§ 401 I, 774 I S 1 BGB), sind anwendbar.174 In der Sache handelt es sich um ein nicht zu rechtfertigendes Fiskusprivileg, das de lege 63 ferenda beseitigt werden sollte (siehe auch § 49 Rn 9).175 Soweit man sich derzeit um eine Rechtfertigung dieses Privilegs bemüht, wird angeführt, dass eine Benachteiligung der anderen Gläubiger nicht vorliege, weil die Sachen „nur mit entsprechend vermindertem Wert in den Rechtsverkehr kommen“.176 Dem liegt der Gedanke zugrunde, die zu verteilende Masse würde es letztlich nicht mehren, versagte man ein Absonderungsrecht; da die Sachhaftung eine Veräußerung durch den Verwalter überdauerte, würde der Käufer den Kaufpreis entsprechend kürzen.177 Das stellt freilich keine sachliche Rechtfertigung der Privilegierung des Fiskus dar, sondern bemüht schlicht die Konstruktion dieses Privilegs mittels dinglicher Sicherheit, um zirkulär festzustellen, dass der Wert für die Masse unwiederbringlich verloren sei.178 64 In der Sache ist es zwar zu begrüßen, dass der BGH entsprechend der hier geäußerten Vorbehalte bestrebt ist, das Privileg aus § 51 Nr 4 zurückzuschneiden. Das gewählte Instrument der besonderen Insolvenzanfechtung ist hierfür allerdings untauglich und gegen dessen Zweckentfremdung sind Bedenken anzumelden. Der BGH meint hinsichtlich der Biersteuer, dass das Brauen

171 Dürig/Herzog/Scholz/Seiler GG97 Art 105 Rn 145. 172 Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 39; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 255; Kilger/K Schmidt InsG17 § 49 KO Anm 2; aA Bähr/Smid InVo 2000, 401, 405 f. BGH NZI 2009, 644, Rn 14; Braun/Bäuerle InsO9 § 51 Rn 67; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 251, 254. RGZ 67 220; 70, 409; 135, 25. Eingehend J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 320 ff, 344 ff. Häsemeyer InsolvenzR4 Rn 18.23. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S 329 f. Auch die Begründung der Gesetzesverfasser der Konkursordnung ist insofern defensiv; Hahn Materialien IV, S 201: „Dieses Recht hängt mit der bestehenden Zoll- und Steuergesetzgebung des Reichs […] und der einzelnen Staaten und mit den mit ausländischen Staaten geschlossenen Zoll- und Handelsverträgen so eng zusammen, daß es ohne Eingriff in diese nicht aufgehoben werden könnte“.

173 174 175 176 177 178

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von Bier eine anfechtbare Rechtshandlung sei.179 Er stellt zum Vergleich darauf ab, dass auch ein das gesetzliche Vermieterpfandrecht begründendes Einbringen eines Gegenstandes anfechtbar sei. Die Anfechtbarkeit gesetzlicher Pfandrechte beruht aber darauf, dass diese sachlich-funktional (§ 50 Rn 30) eine Verfügung des Schuldners darstellen. Die Begründung der Sachhaftung ist allenfalls äußerlich mit dem Entstehungstatbestand gesetzlicher Pfandrechte vergleichbar; sie ließe sich am ehesten noch mit einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme vergleichen, wobei es aber an einer entsprechenden Beugung des Schuldnerwillens fehlt, weshalb sich die Sachhaftung nicht von der Verfügungsbefugnis des Schuldners ableitet und eine Anfechtbarkeit nicht in Betracht kommt.

VII. Absonderungsrecht gem § 110 VVG Ein gesetzliches Absonderungsrecht außerhalb der Insolvenzordnung gewährt § 110 VVG. Es ist nicht 65 als Pfandrecht konstruiert und deshalb nicht unter § 50 zu subsumieren.180 Nach § 110 VVG kann jeder, dem der Insolvenzschuldner ersatzpflichtig ist, wegen seines Ersatzanspruchs abgesonderte Befriedigung verlangen aus der Entschädigungsforderung, die dem Insolvenzschuldner gegen den Haftpflichtversicherer zusteht. Die Vorschrift berücksichtigt, dass der Anspruch gegen den Versicherer zwar dem Versicherungsnehmer zusteht, der sich durch die Haftpflichtversicherung vor Vermögenseinbußen schützen will, die Versicherungsleistung wirtschaftlich aber für den verletzten Dritten bestimmt ist. In der Sache geht es bei § 110 VVG nicht um einen bevorrechtigten Zugriff auf das Schuldnervermögen, weshalb das Recht trotz der gesetzlichen Konstruktion als Absonderungsrecht funktional in dieser Hinsicht mit einem Aussonderungsrecht vergleichbar ist.181 Die §§ 52 und 173 sind anwendbar.182 Ein etwaiger Überschuss gebührt der Insolvenzmasse. 66 Die Annahme, dass der Versicherer nur in Höhe der Quote haftbar wäre, wird durch § 110 VVG ausgeschlossen.183 Auf die Verwertung findet § 1282 (§§ 1257, 1273 II S 1) BGB entsprechende Anwendung.184 Der 67 Haftpflichtgläubiger befriedigt sich also wegen seiner Forderung durch Einziehung. Er kann auch verlangen, dass ihm die Forderung an Zahlungs statt abgetreten wird (§ 1282 I S 3 BGB).185 Weder bedarf es einer vorgängigen Pfändung und Überweisung der Entschädigungsforderung oder stets einer Klage gegen den Insolvenzverwalter, noch ist die Einziehung dem Insolvenzverwalter vorbehalten. Allerdings ist § 106 VVG zu beachten.186 Erreicht oder übersteigt der Anspruch des Haftpflichtgläubigers den Betrag der Versicherungsforderung, so kann sie der Verwalter freigeben, ohne damit das Recht auf abgesonderte Befriedigung zu beeinträchtigen.187 Die Einziehung der Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter ist nach § 108 I S 1 VVG dem Haftpflichtgläubiger gegenüber unwirksam. Auch Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung sind dem Dritten gegenüber unwirksam (§ 108 I S 2 VVG). Der Dritte kann gegen die Vollstreckungsmaßnahme eines anderen Gläubigers des Versicherten Erinnerung (§ 766 ZPO) einlegen oder Drittwiderspruchsklage erheben (§§ 772 S 2, 771 ZPO). 179 BGH NZI 2009, 644, Rn 20; ebenso Schmittmann ZInsO 2009, 1949, 1950. 180 So freilich BGH NZI 2014, 998, Rn 7: „Materiell-rechtlich erlangt der Dritte […] ein gesetzliches Pfandrecht am Freistellungsanspruch“. 181 Siehe auch J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 254 ff. 182 BGH NZI 2009, 380, Rn 9 (zu § 52); BGH NZI 2014, 998, Rn 10 (zu § 173); Gottwald/Hass/Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 67; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 238 f. 183 MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 236. 184 RGZ 135, 295, 297; BGH KTS 1955, 139; BGH NZI 2014, 998, Rn 10; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 51 Rn 65; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 236; Prölss/Martin/Lücke VVG31 § 110 Rn 5; Thole NZI 2013, 665, 666. 185 Vgl OLG Brandenburg ZInsO 2003, 183 zur GesO; krit insoweit Stiller ZInsO 2003, 207 ff. 186 Siehe K Schmidt/Thole InsO19 § 51 Rn 36; MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 236. 187 BGH NZI 2009, 380, Rn 7; BGH NZI 2016, 603, Rn 12. 621

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Das Absonderungsrecht des Dritten besteht auch dann, wenn der Versicherungsfall erst während des Insolvenzverfahrens eintritt.188 Erwächst die Haftpflichtverbindlichkeit in einem Betrieb, der vom Verwalter für Rechnung der Masse fortgeführt wird, oder als Last eines zur Masse gehörenden Gegenstandes, so zählt sie zu den Masseschulden des § 55 I Nr 1. Auch zur Sicherung des Masseschuldanspruchs besteht das Absonderungsrecht des Dritten. § 91 I steht nicht entgegen.189 Im Falle der Rückversicherung ist § 110 VVG im Insolvenzverfahren des Erstversicherers zugunsten des Versicherten gegenüber dem Rückversicherer nicht, auch nicht entsprechend anwendbar. Denn die Rückversicherung ist keine Haftpflichtversicherung und nach § 209 VVG ist dieses Gesetz nicht anwendbar.

VIII. Bereicherungsrechtliches Zurückbehaltungsrecht – § 821 BGB 69 Der BGH hat die Bereicherungseinrede aus § 821 BGB für insolvenzfest befunden.190 Auf den ersten Blick mutet das paradox an, denn das Abstraktionsprinzip verhindert in der Insolvenz grundsätzlich das Durchschlagen schuldrechtlicher Abreden bzw Mängel auf abstrakt ausgestaltete Rechtspositionen. Allerdings ist der Grad der Abstraktion bei der Zuwendung abstrakter Forderungen der Ausgestaltung durch die Parteien frei zugänglich und deren Abstraktionswille erschöpft sich regelmäßig darin, eine Beweislastumkehr herbeizuführen.

IX. Rangverhältnis 70 Die Reihenfolge des § 51 ist keine Rangfolge. Auch die Aufteilung der Absonderungsrechte in die §§ 49–51 sagt nichts über deren Rang. Maßgebend für den Rang von Rechten sind die allgemeinen Gesetze. Grundsätzlich entscheidet unter mehreren eine Sache oder ein Recht belastenden Rechten das Alter des Rechts über den Rang (Prioritätsprinzip). Das gilt vorbehaltlich besonderer Bestimmungen auch für die Konkurrenz gesetzlicher Pfandrechte untereinander, wie zB für das Pfandrecht des Vermieters von Wohnraum, anderen Räumen oder Grundstücken an Sachen, die ohne Wissen oder unter Widerspruch des Vermieters in die vom Mieter von einem neuen Vermieter gemieteten Räume gebracht worden sind (§§ 562, 562a, 578 BGB). Das Pfandrecht des neuen Vermieters an den bei ihm eingebrachten Sachen geht dem Pfandrecht des früheren Vermieters im Rang nach. Ein solches Rangverhältnis entsteht aber nicht beim Eigentumswechsel (§ 50 Rn 37). Auch im Verhältnis gesetzlicher Pfandrechte zu Vertragspfandrechten und Pfändungspfandrechten (§ 804 I ZPO) gilt das Prioritätsprinzip, ebenso für die Konkurrenz von Pfändungspfandrechten untereinander (§ 804 III ZPO) und mit Vertragspfandrechten (§ 804 II ZPO). 71 Die Rangordnung und damit auch das grundsätzlich einschlägige Prioritätsprinzip können durch Verkehrsschutzregelungen modifiziert werden. So kann ein besserer Rang auch gutgläubig erworben werden, wenn ein Gutglaubenserwerb insoweit vorgesehen ist (§ 1208 BGB, vgl § 366 HGB, auch § 1273 II S 2 BGB). Im Rahmen einer Sicherungsübereignung wird ein Gutglaubenserwerb häufig am Übergabeerfordernis des § 933 BGB bzw des § 936 I S 3 BGB scheitern. 72 Ausdrückliche gesetzliche Ausnahmen vom Prioritätsprinzip enthalten § 442 HGB (§ 50 Rn 70 ff), §§ 602 ff HGB bzw §§ 107 ff BinnSchG (siehe § 49 Rn 17 ff), § 2 IV SaatVersSiG (siehe § 50 Rn 63, 75), § 11 PachtkredG (siehe § 50 Rn 63, 75) und § 76 I AO (siehe Rn 60). 73 Das Absonderungsrecht wegen nützlicher Verwendung (Nr 2) geht entsprechend der negativen Natur des Zurückbehaltungsrechtes (§ 273 II BGB), das gegenüber persönlichen und dingli188 MünchKomm/Ganter InsO4 § 51 Rn 237. 189 Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 68. 190 BGH NJW 1995, 1484, 1485; BGH BKR 2003, 641, 643; MünchKomm/Schwab BGB8 § 821 Rn 9; Wilhelm JZ 1995, 573, 574 f. Hoffmann

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chen Ansprüchen wirkt, etwaigen positiven Rechten an der Sache vor. Zum kaufmännischen Zurückbehaltungsrecht siehe § 369 II HGB. Die Rechtsprechung hat das Prioritätsprinzip darüber hinaus mannigfach durchbrochen, 74 auch wenn das nicht offen benannt wird. Das betrifft die Konkurrenz zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession (Rn 19), sowie die Konkurrenz von Raumsicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht (Rn 20), als auch die Konkurrenz von Warenlieferanten mit anderen Kreditgebern im Umfeld von „Verarbeitungsklauseln“ (Rn 36 ff). Zur problematischen Konkurrenz mehrerer Raumsicherungsübereignungen Rn 21. Die Durchbrechung des Prioritätsprinzips als solche ist nicht zu kritisieren, denn dieses steht im Kreditsicherungsrecht unter einem Zweckmäßigkeitsvorbehalt. In der Sache ist die Rechtsprechung bestrebt, Anschaffungsfinanzierer entgegen dem Prioritätsprinzip zu privilegieren und zum Teil kann auch die Tendenz beobachtet werden, dass eine Kreditsicherheit dann prioritär sein soll, wenn die gesicherte Forderung auf einer Werterhöhung des besicherten Gegenstandes beruht.191 Weil die Rechtsprechung ihre Wertungsgrundlagen nicht offen benennt, geschweige denn das Rangproblem als solches überhaupt transparent aufwirft, fehlt es an Vorhersehbarkeit und an Konsistenz im Umgang mit kreditsicherungsrechtlichen Rangfragen. In methodischer Hinsicht vorzugswürdig wäre es, wenn der BGH der zu privilegierenden Kreditsicherheit schlicht den besseren Rang zuweisen würde (vgl Rn 9).192

191 Eingehend J F Hoffmann AcP 220 (2020), 377, 385 ff. 192 Eingehend J F Hoffmann AcP 220 (2020), 377, 402 ff. 623

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§ 52 Ausfall der Absonderungsberechtigten 1 Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung beanspruchen können, sind Insolvenzgläubiger, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet. 2Sie sind zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse jedoch nur berechtigt, soweit sie auf eine abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausgefallen sind.

Materialien DiskE § 57; RefE § 57; RegE § 61, BR-Drucks 1/92 S 126, BT-Drucks 12/2443 S 126.

Vorgängerregelung § 64 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 353 ff; Begr EKO S 271 ff; KO-Prot S 55, 153.

Literatur Siehe zu §§ 49, 50.

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung Verhältnis zur Insolvenzordnung 3 Zweck der Vorschrift

II. 1.

Voraussetzungen des § 52 Absonderungsrecht und Insolvenzforde4 rung Absonderungsrecht an einem Objekt der Insol8 venzmasse des Schuldners § 52 nicht anwendbar bei Deckung durch Auf15 rechnungslage

2. 3.

16

4.

Verhältnis zur Aussonderung

III. 1. 2. 3.

Anmeldung der Forderung und Nachweis des Ausfalls 17 Der Ausfall 21 Die Anmeldung der Forderung 23 Nachweis des Ausfalls

IV.

Der Verzicht

1

24

Alphabetische Übersicht Aufrechnung 15 Ausfall 1 f, 4 ff, 15, 17 ff, 25 ff Ausfall, Nachweis 19, 23, 27 Aussonderung 16 Deckungsmasse 4 Forderungsanmeldung 21 ff, 28 Freigabe 9 Gläubiger, nachrangiger 5, 28 Grundschuld, isolierte 7 Gütergemeinschaft 13 Haftung 2, 11 f, 31 – persönliche 2, 4 – Sachhaftung 11 Insolvenzplan 1, 23, 25, 28 Kostenbeitrag 17 Masseforderung 7 Miteigentum 12 f

Hoffmann https://doi.org/10.1515/9783110666175-019

Mitwirkungsrechte 1 Offene Handelsgesellschaft 14 Pfandbriefgläubiger 4 Sicherungsübereignung 4 Stimmrecht 1, 23, 25 Teilverzicht 31 Treuhand 16 Verzicht 1 f, 12, 19, 21 ff, 24 ff – bedingter 31 – betagter 31 – Form 27 ff – Nachweis 27 Wechsel 6 Wegfall des Absonderungsgegenstandes 19 Zinsen 23 Zwangsversteigerung 18

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Ausfall der Absonderungsberechtigten

§ 52

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Insolvenzordnung § 52 übernimmt § 64 KO. Während letztere Vorschrift aber nur die Anmeldung der Ausfallforderung 1 des Absonderungsberechtigten regelte, greift § 52 weiter. Sein erster Satz sagt nämlich, dass der Gläubiger, der abgesonderte Befriedigung beanspruchen kann, soweit ihm der Schuldner persönlich haftet, mit seiner Forderung ohne Einschränkungen, insbesondere ohne Rücksicht auf den erwarteten Verwertungserlös, Insolvenzgläubiger ist. Das ist wichtig für seine Mitwirkungsrechte. Die Mitwirkung der Absonderungsberechtigten in den Gläubigerorganen ist an sich berechtigt, weil auch sie vom Verfahren betroffen werden können und an der Gestaltung eines Insolvenzplans beteiligt werden sollen. Problematisch ist aber, dass bei Beschlüssen der Gläubigerversammlung, für die es regelmäßig auf die Summenmehrheit ankommt (§ 76 II), die Stimme jedes absonderungsberechtigten Gläubigers das Gewicht seiner vollen angemeldeten Forderung hat, gleichgültig in welchem Umfang seine Forderung durch die Verwertung der Absonderungsobjekte gedeckt werden wird. Für die Abstimmung über die Wahl eines anderen Verwalters (§ 57) hat der Gesetzgeber die Gefahr unangemessenen Einflusses der Absonderungsberechtigten, die meist Großgläubiger sind, beseitigt, indem er neben der Summenmehrheit auch die Kopfmehrheit fordert.1 Dass für die Wahl und Abwahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 68 II) eine entsprechende Regelung nicht eingeführt worden ist, entbehrt eines vernünftigen sachlichen Grundes. Der Rechtsausschuss des Bundestages, der gegen den Entwurf der Bundesregierung die Summenmehrheit für alle Beschlüsse der Gläubigerversammlung empfohlen hatte, führte als Begründung an, die Interessen der Kleingläubiger seien durch ihre Vertretung im Gläubigerausschuss (§ 67 II S 1) und durch die Kontrolle der Beschlüsse der Gläubigerversammlung seitens des Insolvenzgerichts geschützt.2 Dabei ist nicht beachtet, dass es nicht nur darauf ankommt, ob Kleingläubiger im Gläubigerausschuss vertreten sind, sondern auch darauf, welcher Kleingläubiger gewählt oder abgewählt wird. Ein Gesetzgeber, der großen Wert auf die Gläubigerautonomie legt, sollte ein Ungleichgewicht in der Gläubigerversammlung nicht in Kauf nehmen mit der Begründung, das Gericht könne es korrigieren. Auch bei der wichtigen Entscheidung über die Stilllegung oder Fortführung des Schuldnerunternehmens (§ 157 S 1) kann die Summenmehrheit zu einer unangemessenen Majorisierung durch Großgläubiger führen. Lediglich für die Abstimmung der Insolvenzgläubiger über den Insolvenzplan hat der Gesetzgeber von vornherein das Stimmrecht des absonderungsberechtigten Gläubigers begrenzt. Es besteht uneingeschränkt nur, wenn der Gläubiger auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet oder bei dieser – mutmaßlich oder feststehend – voll ausfällt (§ 237 I S 2). Treffen Sachhaftung und persönliche Haftung zusammen, steht es dem Gläubiger außerhalb 2 des Insolvenzverfahrens frei, sich entweder an den belasteten Einzelgegenstand oder an das übrige Vermögen seines Schuldners zu halten. Jedoch wird diese Wahl schon für die Einzelzwangsvollstreckung aus Billigkeitsgründen eingeschränkt: Der Vollstreckungsschuldner darf den Gläubiger nach § 777 ZPO auf ein ihn ausreichend deckendes Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht verweisen. Im Insolvenzverfahren werden zum Schutz der ungesicherten Gläubiger dem Absonderungsberechtigten noch weitere Schranken gesetzt. Er soll sich zunächst an das Pfand halten3 und nur in Höhe des Ausfalls, den er bei der abgesonderten Befriedigung erleidet, mit den ungesicherten Insolvenzgläubigern konkurrieren.4 Der Grundsatz doppelter Berücksichtigung bei Haftung mehrerer Personen, der Teilzahlungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberücksichtigt lässt (§ 43), darf im Verhältnis von Absonderungsrecht und gesicherter Forderung nicht gelten. Weil er kraft seines Absonderungsrechts einen Gegenstand des Schuldnervermögens unter Ausschluss aller ungesicherten Gläubiger schon zur Deckung seiner Forderungen in An1 2 3 4

Änderung des § 57 durch das Gesetz zur Änderung der InsO und anderer Gesetze vom 26.10.2001. Bericht des RA zu § 87 RegE. Vgl Begr EKO S 273 und RGZ 16, 68, 70. „Das Absonderungsrecht begründet keine Korrealverhaftung“ (Begr EKO S 273).

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

spruch nehmen kann, soll er nicht noch einmal mit dem vollen Betrag seiner Forderung an der Verteilung des verbleibenden, allen Insolvenzgläubigern haftenden Vermögens beteiligt werden. § 52 trägt dem Sicherungszweck der Absonderungsrechte Rechnung und schneidet diese ein Stück weit zurück.5 Soll neben dem speziellen Haftungsobjekt, aus dem der Gläubiger abgesonderte Befriedigung verlangen kann, die Haftung des Sondervermögens Insolvenzmasse in Anspruch genommen werden dürfen und wenn ja, in welchem Umfang? Die Antwort des Gesetzes lautet: In erster Linie muss der Gläubiger Befriedigung aus dem Absonderungsobjekt suchen oder auf diese verbindlich verzichten. Die Haftung der Masse darf für die Forderung nur insoweit in Anspruch genommen werden, als ein Verzicht auf die abgesonderte Befriedigung allein ihr zugute kommen kann oder der Gläubiger bei der Verwertung ausfällt. Das Forderungsrecht des Gläubigers bleibt unberührt. Deshalb kann die Forderung trotz bestehenden Absonderungsrechts in vollem Umfang zur Tabelle angemeldet werden (siehe Rn 21).

2. Zweck der Vorschrift 3 Seinem Zweck nach gilt § 52 für alle Arten von Absonderungsrechten (§§ 49–51, siehe Rn 21). Als Schutznorm zugunsten der Masse und damit der ungesicherten Insolvenzgläubiger ist § 52 zwingendes Recht.6 Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

II. Voraussetzungen des § 52 1. Absonderungsrecht und Insolvenzforderung 4 Absonderungsrecht und Insolvenzforderung müssen zusammentreffen. Der Schranke des § 52 unterliegt, wie die Fassung des Gesetzes und die amtliche Überschrift des Paragraphen ergeben, nur ein absonderungsberechtigter Insolvenzgläubiger. Gleiches gilt für die den § 52 ergänzenden Vorschriften der §§ 77 III Nr 2, 237 I S 2, 190. Andererseits trifft der Grundsatz des § 52 mit den ihn ergänzenden Bestimmungen Absonderungsrechte aller Art mit Einschluss der Reallasten (§ 49 Rn 10, 34), der Sicherungsübereignung und Sicherungsübertragung (§ 51 Nr 1). Er gilt auch für Grund- und Rentenschulden, wenn der Insolvenzschuldner zugleich persönlich haftet (vgl § 53 II ZVG), obwohl sie ihrer Konstruktion nach eine Forderung nicht voraussetzen (§§ 1192 I, 1199 I BGB). Den schon zu § 64 KO beanstandeten Ausdruck „persönliche Haftung“7 hat der Gesetzgeber in die InsO übernommen. Gemeint ist mit dieser Formulierung, dass der Insolvenzschuldner persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung ist. Der Rechtsgrund der Belastung spielt keine Rolle. Das Absonderungsrecht kann auch durch Zwangsvollstreckung erworben oder, zB als Vermieterpfandrecht, unmittelbar im Gesetze begründet sein. Entsprechend anwendbar ist § 52 nach §§ 331 I, 332 I. Eine entsprechende Regelung enthält auch § 30 VI S 4 PfandBG für den Pfandbriefgläubiger, der seinen Ausfall, den er im Insolvenzverfahren über die Deckungsmasse erlitten hat, in dem Insolvenzverfahren über das sonstige Vermögen der Pfandbriefbank geltend machen kann. Auch § 32 IV S 2 DepotG übernimmt den Ausfallgrundsatz.8 5 Insolvenzgläubiger ist auch der nachrangige Gläubiger (§ 39). Ist ihm eine Sicherheit für seine nachrangige Forderung bestellt und ein Absonderungsrecht insoweit anzuerkennen (dazu

Vgl auch Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 52 Rn 3. Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 81; Braun/Bäuerle InsO9 § 52 Rn 4; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 3. Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 64 Rn 2; Jaeger/Lent KO8 § 64 Rn 1. Zu diesen Sonderprivilegien siehe Henckel FS Uhlenbruck (2000), S 19 ff; J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 248 ff.

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Ausfall der Absonderungsberechtigten

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§ 50 Rn 16)9 und ist er bei ihrer Verwertung ausgefallen, kann er den Ausfall als nachrangiger Gläubiger geltend machen. Ist für eine bereits dinglich gesicherte Forderung eine selbständige zusätzliche Verpflich- 6 tung übernommen worden, insbesondere ein Wechsel begeben worden, steht der Geltendmachung des Sicherungsrechts nicht die gegen die Forderung bestehende Einrede des begebenen Wechsels entgegen. Der Gläubiger kann sich aus der Sicherheit Befriedigung suchen. Er kann aber auch die Wechselforderung nur in Höhe seines Ausfalls geltend machen. Unanwendbar bleibt der § 52, wenn der Absonderungsberechtigte nicht zugleich Insol- 7 venzgläubiger ist. Das ist einmal der Fall bei der isolierten Grundschuld, zum andern bei der Sicherung einer Forderung, wenn der Insolvenzschuldner zwar Inhaber des Sicherungsobjekts, aber nicht persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung ist. Schließlich ist § 52 nicht anzuwenden, wenn die gesicherte Forderung eine Masseforderung (§§ 53 ff) ist.10 Im Falle einer Masseunzulänglichkeit ist aber eine entsprechende Anwendung angezeigt.

2. Absonderungsrecht an einem Objekt der Insolvenzmasse des Schuldners Unanwendbar bleibt § 52, wenn das Absonderungsrecht nicht an einem Gegenstand der Insol- 8 venzmasse (§§ 35 ff) besteht. Deshalb hat der Insolvenzgläubiger für den ganzen noch ungetilgten Betrag seiner Forderung anteilsmäßige Befriedigung aus der Masse zu beanspruchen, wenn ihm als Sicherheit ein massefremder Gegenstand haftet, also zB eine mit Zustimmung des Dritteigentümers belastete Sache (§ 185 BGB) oder eine Sache, die der Dritteigentümer zugunsten des Insolvenzschuldners verpfändet hat,11 oder ein Grundstück, an dem der Dritte eine Hypothek für eine Schuld des Insolvenzschuldners bestellt hat. Gleiches gilt, wenn die Belastung des massefremden Gegenstandes durch Verkehrsschutzerwägungen, besonders aufgrund der §§ 892, 1207 BGB, Wirksamkeit erlangt hatte.12 Umgekehrt greift § 52, wenn ein zur Masse gehörender Gegenstand von einem Nichtberechtigten wirksam zugunsten des redlichen Insolvenzgläubigers belastet worden war.13 § 52 ist aber anzuwenden, wenn der Insolvenzverwalter den belasteten Gegenstand freige- 9 geben hat. Falls der Gläubiger bei der Verwertung des freigegebenen Gegenstandes noch einen Erlös erzielen kann, fordert der Zweck des § 52 die Anrechnung auf seine Forderung und die Beschränkung der Befriedigung aus der Insolvenzmasse auf die Ausfallforderung.14 Dagegen bleibt § 52 unanwendbar, wenn der jetzige Schuldner schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen belasteten eigenen Gegenstand einem Dritten zugewendet hatte, der Gegenstand also zur Zeit der Verfahrenseröffnung nicht mehr zum Vermögen des Schuldners gehört und folglich auch kein Massebestandteil ist.15 Umgekehrt ist aber § 52 anwendbar, wenn der nachmalige Schuldner den Gegenstand vor der Verfahrenseröffnung bereits belastet erworben hatte, sodass er jetzt zur Masse gehört.16 Das kann zu wenig sachgerechten Ergebnissen führen.17 Der Gläubiger, dem neben dem Vermögen des persönlich haftenden Insolvenzschuldners das Grundstück eines Dritten kraft einer von diesem bestellten Hypothek oder Grundschuld haftet, verliert den Vorteil

9 Eingehend zur Besicherung nachrangiger Forderungen C Berger KTS 2020, 1 ff. 10 MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 5. 11 OLG Königsberg LZ 1914, 696. 12 RGZ 59, 367 ff. 13 RG JW 1901, 82, gegen OLG Darmstadt OLGRspr 2, 97. 14 BGH NZI 2009, 380, Rn 9; OLG Kiel JW 1935, 721; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 82; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 52 Rn 6; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 4; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 13b; HK/ Lohmann InsO10 § 52 Rn 3. 15 RG LZ 1912, 693; OLG Marienwerder SeuffArch 55 Nr 250; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 9. 16 MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 10; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 43 Rn 17. 17 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 25; unkritisch aber MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 10. 627

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der Doppelberücksichtigung (§ 43), wenn der Dritte das Grundstück vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem künftigen Insolvenzschuldner übereignet. Er erhält im Insolvenzverfahren dann nur nach § 52 die Quote auf den Betrag, mit dem er bei der Verwertung des Grundstücks ausgefallen ist, während er sie ohne die Veräußerung des Grundstücks auf den vollen Forderungsbetrag bekommen hätte. Der Gläubiger kann sich gegen diesen Nachteil nur schützen, indem er bei der Bestellung der Sicherheit den Sicherungsgeber verpflichtet, das Sicherungsobjekt nicht zu veräußern. Er hat dann gegen den Sicherungsgeber einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die Beschränkung auf die Ausfallforderung (§ 52) entsteht.18 Umgekehrt erleiden die Insolvenzgläubiger einen Nachteil, wenn der künftige Insolvenzschuldner vor der Verfahrenseröffnung sein zugunsten eines Insolvenzgläubigers belastetes Grundstück einem Dritten übereignet. Der Gläubiger kann dann bis zum Betrag seiner Forderung sowohl aus dem Grundstück Befriedigung finden als auch seine volle Forderung zur Tabelle anmelden. Die Doppelberücksichtigung (§ 43), die ihm nach § 52 versagt geblieben wäre, wenn der Insolvenzschuldner das Grundstück nicht veräußert hätte, kann die übrigen Insolvenzgläubiger benachteiligen. Abhilfe kann die Anfechtung (§§ 129 ff) bieten.19 Nicht anwendbar ist § 52, wenn der Insolvenzverwalter den belasteten Gegenstand für 10 die Masse erwirbt,20 auch nicht, wenn ihn der Schuldner während des Verfahrens erwirbt, sofern er als Neuerwerb in die Masse fällt und nicht etwa als unpfändbarer Gegenstand massefrei ist. Der Verwalter oder der Schuldner können das Recht des Gläubigers, seine Forderung in vollem Umfang geltend zu machen und den massefremden haftenden Sicherungsgegenstand zu verwerten, nicht einseitig dadurch vereiteln, dass sie den Gegenstand als Massebestandteil erwerben oder bewirken, dass dieser während des Verfahrens der Masse kraft Gesetzes zufällt.21 § 52 zielt darauf ab, Kreditsicherheiten zu begrenzen, die an der Insolvenzmasse bestehen, er ist nicht darauf gerichtet, der Masse nach Verfahrenseröffnung bezüglich Transaktionen im Hinblick auf zu erwerbende belastete Gegenstände Vorteile zu verschaffen. 11 Gehört das absonderungsfähige Haftungsobjekt nicht dem Schuldner, ist § 52 auch dann nicht anzuwenden, wenn der Eigentümer des Objekts neben dem Schuldner persönlich für die gesicherte Forderung haftet.22 Dann handelt es sich eindeutig um einen Fall des § 43, weil „mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze (persönlich) haften“. Hat zB ein Dritter seine Sache dem Insolvenzgläubiger sicherungsübereignet oder verpfändet und sich außerdem für die Forderung verbürgt oder hat ein Gesellschafter der im Insolvenzverfahren stehenden Gesellschaft für eine Gesellschaftsverbindlichkeit, für die er persönlich haftet, eine Hypothek an seinem Grundstück bestellt,23 kann der Gläubiger im Insolvenzverfahren nach § 43 den ganzen Betrag seiner Forderung bis zu seiner vollen Befriedigung geltend machen. Haftet dagegen der Dritte nur aus der Belastung eines ihm gehörenden Gegenstandes für fremde Schuld, dann trifft der Wortlaut des § 43 zwar diesen Fall nicht unmittelbar, weil er nicht nur eine „Haftung“ neben der des Insolvenzschuldners voraussetzt, sondern eine weitere persönliche Haftung. Jedoch ist bei reiner Sachhaftung des Dritten § 43 entsprechend anzuwenden,24 der die Anwendung des § 52 ausschließt. Der Gläubiger kann also neben der Verwertung des Sicherungsobjekts seine Forderung zu dem ganzen Betrag, den er zur Zeit der Verfahrenseröffnung zu fordern hatte, bis zu seiner vollen Befriedigung geltend machen. 12 Gehört der für eine Insolvenzforderung haftende Gegenstand dem Schuldner nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit einem Dritten, kann § 52 nicht uneingeschränkt angewendet werden. 18 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 25. 19 MünchKomm/Bitter InsO4 § 43 Rn 26. 20 RGZ 59, 367 ff; OLG Stuttgart DJZ 1904, 1143; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 10; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 9; aA Jaeger/Lent KO8 § 64 Rn 3. 21 Zweifelnd K Schmidt/Thole InsO19 § 52 Rn 4. 22 MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 11. 23 RGZ 91, 12 ff. 24 Jaeger/Henckel InsO1 § 43 Rn 22; K Schmidt/Thole InsO19 § 52 Rn 5. Hoffmann

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Ist der Schuldner Miteigentümer, so gehört sein Anteil an der belasteten Sache zur Masse und der Gläubiger hat daran ein Absonderungsrecht. Nach § 52 ist der Gläubiger zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur berechtigt, soweit er auf eine abgesonderte Befriedigung aus dem Anteil des Schuldners verzichtet oder bei der Verwertung dieses Anteils ausgefallen ist. Das bedeutet, wenn etwa jedem Ehegatten das Miteigentum zur Hälfte zusteht, der Gläubiger aber die grundpfandrechtliche Haftung erschöpfend verwirklicht, dass die Berücksichtigungssumme, für die ihm als Insolvenzgläubiger die Quote gebührt, nur um die Hälfte seines Pfanderlöses verkürzt wird.25 Ist der zugunsten des Insolvenzgläubigers belastete Gegenstand Bestandteil des Gesamtguts 13 einer ehelichen Gütergemeinschaft, die von einem Ehegatten allein verwaltet wird, dann gehört er nach § 37 I S 1 zu dessen Insolvenzmasse. § 52 ist deshalb uneingeschränkt zulasten des Insolvenzgläubigers anwendbar. Ebenso verhält es sich, wenn nur ein dem verwaltenden Ehegatten zustehender Miteigentumsbruchteil einer Sache zugunsten des Insolvenzgläubigers belastet ist (vgl § 1114 BGB, § 864 II ZPO). Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinsam, gehört der zum Gesamtgut gehörende belastete Gegenstand zur Insolvenzmasse des Gesamtgutsinsolvenzverfahrens (§§ 333 f). § 52 ist zulasten des Insolvenzgläubigers anwendbar. Ist bei gemeinsamer Verwaltung des Gesamtguts das Insolvenzverfahren nur über das Vermögen eines Ehegatten eröffnet, ist der belastete Gegenstand, wenn er zum Gesamtgut gehört, nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. § 52 ist nicht anwendbar. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft ist § 52 nur 14 anwendbar, wenn der Gesellschaftsgläubiger ein Absonderungsrecht an einem Gegenstand des Gesellschaftsvermögens hat.26 Im Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff) setzt § 52 voraus, dass der Gegenstand, aus dem abgesonderte Befriedigung verlangt werden kann, zum Nachlass gehört. Die Gesellschaftsverbindlichkeit, für die ein Gesellschafter Gegenstände seines Eigenvermögens, und die Nachlassverbindlichkeit, für die ein Erbe Eigenvermögen verpfändet hatte, müssen im Gesellschafts- und im Nachlassinsolvenzverfahren zum vollen Betrag berücksichtigt werden. Ebenso versagt § 52, wenn ein Pfandrecht an einem massefreien, weil unpfändbaren (§ 36 I S 1) Gegenstand des Schuldners besteht oder während des Insolvenzverfahrens bestellt wird. Zur Freigabe siehe Rn 9.

3. § 52 nicht anwendbar bei Deckung durch Aufrechnungslage Auf die Deckung, die ein Insolvenzgläubiger durch eine verfahrensfeste Aufrechnungslage erhält, 15 sind § 52 und die ihn ergänzenden Vorschriften (Rn 4) nicht anwendbar, obwohl dem so gesicherten Gläubiger verbreitet attestiert wird, eine dem Absonderungsberechtigten ähnliche Stellung einzunehmen.27 Der Unterschied ist dennoch gerechtfertigt.28 Denn soweit der Gläubiger sich durch Aufrechnung befriedigen kann, besteht für ihn nicht die Gefahr eines Ausfalls. Insofern ist seine Sicherheit stärker als die eines Absonderungsberechtigten. Da er dem Ausfallgrundsatz nicht unterliegt, hat er die Wahl, entweder sofort aufzurechnen und für den Überschuss der eigenen Forderung die Insolvenzquote zu beanspruchen oder diese zunächst für die volle Forderung zu erheben und dann mit ihrem ungetilgten Teil aufzurechnen.29 Zu erkennen ist zwar, dass sich die Insolvenzfestigkeit der Aufrechnung maßgeblich aus deren materiell-rechtlicher Rückwirkung rechtfertigt.30 Daraus kann aber nicht zwangsläufig deduziert werden, dass auch die Quote sich MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 13. RGZ 7, 88 ff; 91, 12 ff; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 6. Vgl nur Hahn Materialien IV, S 216; gegen diese Parallele etwa Jaeger/Windel InsO1 § 94 Rn 6. AA MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 4a. Herling Konkursrechtliche Schranken der Aufrechenbarkeit (1932), S 2 f; vgl RGZ 26 116; siehe auch Merekens LZ 1912, 801 ff; ders LZ 1913, 374 ff gegen Friedemann LZ 1913, 199 ff. 30 J F Hoffmann Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung (2016), S 369.

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rückwirkend reduziere und eine bereits erfolgte Verteilung demnach nach einer Aufrechnung als überquotale Befriedigung zurückgefordert werden könne.31 Die Rückwirkung einer Aufrechnung tastet etwa auch zuvor erfolgte Erfüllungen nach § 362 BGB nicht an.32 Dass dem aufrechnungsprivilegierten Insolvenzgläubiger von vornherein nur ein entsprechend reduziertes Anrecht an der Insolvenzmasse zustehen soll, lässt sich weder aus § 52 noch aus einem Vergleich zu den Kreditsicherheiten herleiten.

4. Verhältnis zur Aussonderung 16 § 52 gilt nicht für Aussonderungsberechtigte. Zu beachten ist aber, dass das Treugut bei eigennütziger echter Treuhand im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Treugebers zu dessen Masse gehört, auch wenn es vom Treuhänder noch nicht zurückübertragen worden ist und der Insolvenzverwalter es im Verfahren über das Vermögen des Treuhänders aussondern kann. § 52 ist deshalb anwendbar, wenn ein Insolvenzgläubiger des Treugebers wegen einer Hypothek abgesonderte Befriedigung aus einem auf den Namen des Treuhänders eingetragenen Grundstück in Anspruch nimmt und zugleich seine Forderung gegen den Treugeber in dessen Insolvenzverfahren geltend macht.33

III. Anmeldung der Forderung und Nachweis des Ausfalls 1. Der Ausfall 17 Ausfall im Sinne der §§ 52 S 2, 190 I S 1 ist der Forderungsrest, der nach Vollzug der abgesonderten Befriedigung ungetilgt bleibt. Soweit der Insolvenzverwalter zur Verwertung einer beweglichen Sache berechtigt ist, besteht der Ausfall in dem Betrag der Forderung, der durch den vom Verwalter erzielten Verwertungserlös nicht gedeckt ist, zuzüglich des Kostenbeitrags (§ 171).34 Auf den Ausfall wird ein Vorteil, den der Absonderungsgläubiger dadurch erzielt, dass er selbst den Absonderungsgegenstand unter dem Wert ersteht, nicht angerechnet. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz, der eine solche Vorteilsanrechnung auf den Ausfall gebietet, so unbillig der Gewinn des Gläubigers auch im Einzelfall erscheinen mag.35 Übernimmt der Absonderungsberechtigte das dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegende Sicherungsobjekt selbst (§ 168 III S 1), besteht der Ausfall in der Differenz zwischen der Höhe der Forderung und der Zahlung, die der Absonderungsberechtigte dem Verwalter geleistet hat. Erzielt der Absonderungsberechtigte bei der Eigenverwertung einen höheren Erlös, braucht er diesen nicht auf seine Forderung anzurechnen.36 18 Bei der Berechnung des Ausfalls, den der Absonderungsberechtigte erleidet, dem bei der Zwangsversteigerung das haftende Grundstück selbst zugeschlagen wird, ist § 114a ZVG zu berücksichtigen.37 Danach gilt der Berechtigte, wenn sein Gebot hinter sieben Zehnteilen des Grundstückswertes zurückbleibt, als aus dem Grundstück insoweit befriedigt, als sein Anspruch bei einem

31 So aber Jaeger/Windel InsO1 § 94 Rn 236, der für eine analoge Anwendung des § 52 plädiert. 32 Vgl MünchKomm/Schlüter BGB9 § 389 Rn 8. 33 RGZ 91, 12, 15; Gottwald/Haas/Adolphsen InsRHdb6 § 42 Rn 59; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 52 Rn 6; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 8, § 47 Rn 371. 34 MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 31; KK/Hess InsO § 52 Rn 12. 35 OLG Dresden SächsOLG 27, 295 ff; Braun/Bäuerle InsO9 § 52 Rn 9; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 34. 36 BGHZ 165, 28, 31 ff = NZI 2006, 32 f mwN; Braun/Bäuerle InsO9 § 52 Rn 9. 37 Braun/Bäuerle InsO9 § 52 Rn 10; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 13; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 34. Hoffmann

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Gebot zum Betrag von sieben Zehnteilen gedeckt sein würde.38 Diese Besonderheit kommt der Insolvenzmasse und damit den Insolvenzgläubigern zugute. Ein ersatzloser Wegfall des Absonderungsgegenstandes, etwa durch zufälligen Untergang 19 oder unaufklärbares Abhandenkommen, ist weder Ausfall noch Verzicht. Allerdings wirkt der Untergang, mag er vor oder nach Verfahrenseröffnung eintreten, insofern ganz wie Ausfall oder Verzicht im Sinne des § 52 S 2, als er zur Folge hat, dass der Gläubiger nur noch Insolvenzgläubiger und deshalb in der Befriedigung als solcher nicht weiter beschränkt ist.39 Den Nachweis des Untergangs hat der die Vollberücksichtigung seiner Forderung beanspruchende Gläubiger wie den des Ausfalls oder Verzichts zu erbringen (§ 190 I S 1). Stellt sich heraus, dass das Absonderungsrecht dem Gläubiger nicht zusteht, kann er als Insol- 20 venzgläubiger seine gesamte Forderung geltend machen, wenn sie in voller Höhe angemeldet ist. Die Anmeldung und die Feststellung als „Ausfallforderung“ haben nicht die Bedeutung einer Einschränkung auf den etwaigen Ausfall. Die Forderung ist daher nicht nochmals anzumelden. Anders nur, wenn lediglich die erwartete Ausfallforderung angemeldet und der Ausfall größer ist als erwartet. Dann muss der ungedeckte Teil der Forderung neu angemeldet werden.40

2. Die Anmeldung der Forderung Mit der Formulierung, „Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung beanspruchen können, sind Insol- 21 venzgläubiger“, soll, wie es in § 64 KO deutlicher formuliert war, zum Ausdruck kommen, dass der Gläubiger seine Forderung in vollem Umfang zur Tabelle anmelden kann und die Beschränkung auf den Ausfall erst bei der Verteilung des Erlöses aus der Verwertung der freien Masse berücksichtigt wird.41 Der Gläubiger braucht deshalb bei der Anmeldung der Forderung und auch im Forderungsfeststellungsverfahren noch nicht zu erklären, ob er auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet oder in welchem Umfang er einen Ausfall bei der Verwertung erwartet. Wird die Forderung in vollem Umfang angemeldet, wird sie auch so zur Tabelle festgestellt, wenn ihr nicht widersprochen worden ist.42 Das Absonderungsrecht ist für das Forderungsfeststellungsverfahren belanglos. Die Aufforderung, die Sicherungsrechte unverzüglich dem Verwalter mitzuteilen, die im Eröffnungsbeschluss an alle Gläubiger ergeht (§ 28 II S 1), dient der Information des Verwalters, hat aber nicht etwa zur Folge, dass im Forderungsfeststellungsverfahren die Feststellungswirkung der Absonderungsrechte einbezogen würde. Für betagte und bedingte Forderungen gilt nichts Besonderes, zumal § 41 auch auf das akzessorische Sicherungsrecht anzuwenden ist.43 Der Gläubiger kann aber seine Anmeldung auf den erwarteten Ausfall beschränken.44 Hat 22 er zB für eine Insolvenzforderung von 10.000 ein Absonderungsrecht, etwa an Wertpapieren, in sicherer Höhe von 6.000, so bedeutet eine Anmeldung von 4.000 ohne weiteren Zusatz die Anmeldung des Ausfalls. Werden diese 4.000 festgestellt, so ist für sie die Quote zu berechnen. Meist wird es allerdings vorteilhafter für den Gläubiger sein, die ganze Forderung anzumelden. Denn durch Eintragung in die Tabelle wird nach hM die Forderung zum vollen Betrag, auch der durch das Absonderungsrecht gedeckte Teil, rechtskräftig festgestellt.45 Die Feststellung bewirkt unter der Voraussetzung des § 201 II Rechtskraft und Vollstreckbarkeit auch gegenüber dem Schuldner persönlich. Selbst wenn bei Vollanmeldung, was üblich, aber irreführend ist, der TabelStöber/Nicht ZVG22 § 114a Rn 2, 5. MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 32. RGZ 139, 83, 86; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 18. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 11; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 17. MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 19. Jaeger/Henckel InsO1 § 41 Rn 10 ff; Uhlenbruck/Knof InsO15 § 41 Rn 8 f. MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 18. RGZ 22, 153 f; 139, 83, 86; BGH KTS 1955, 139; OLG Karlsruhe LZ 1907, 921; OLG Hamburg OLGRspr 15, 242 f; HK/ Lohmann InsO10 § 52 Rn 4.

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lenvermerk „festgestellt in Höhe des Ausfalls“ oder „als Ausfallforderung“ lautet, wirkt die Feststellung für die ganze Forderung.46 Wird das Insolvenzverfahren eingestellt, kann der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung für den ganzen Forderungsbetrag erwirken, ohne den „Ausfall“ nach § 726 I ZPO nachweisen zu müssen. Die festgestellte Leistungspflicht ist nicht bedingt. Dass sie durch Befriedigung aus dem Pfand oder auf andere Weise ganz oder teilweise erloschen sei, hat der Schuldner nach § 767 I ZPO geltend zu machen. Die zusätzliche Beschränkung „in Höhe des Ausfalls“ oder „als Ausfallforderung“ gilt nur für die Befriedigung des Gläubigers als Insolvenzgläubiger. Das ist der Sinn der Anmeldung der Forderung und ihrer Feststellung „als Ausfallforderung“. Der Zusatz „als Ausfallforderung“ soll nur betonen, was sich nach dem Gesetz von selbst versteht.47 Deshalb ist der Zusatz „als Ausfallforderung“ auch dann unschädlich, wenn sich später herausstellt, dass gar kein Absonderungsrecht bestand.48 Die „Feststellung“ auf den Ausfall zu beschränken, wäre schon deshalb unangemessen, weil der Gläubiger sich vorher gar nicht darüber zu erklären braucht, ob er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet oder nicht. Zweckmäßigerweise sollte der Vermerk daher lauten: „festgestellt, als Insolvenzforderung in Höhe des Ausfalls“ und, wenn der Verzicht noch offen bleibt, „festgestellt; mangels Verzichts auf abgesonderte Befriedigung als Insolvenzforderung in Höhe des Ausfalls“. Würde allerdings der Gläubiger eine pfandgesicherte Forderung von 10.000 nur in Höhe von 6.000 anmelden, da er einen Pfanderlös von mindestens 4.000 erhofft, dann würde er, wenn dieser nur 1.000 beträgt, den Ausfall von 3.000 noch zusätzlich anmelden müssen.49 Der Vermerk „festgestellt für den Ausfall“ ist aber keine Feststellung der Forderung „samt“ dem Absonderungsrecht und entzieht für sich allein dem Verwalter nicht die Möglichkeit, das Absonderungsrecht zu bestreiten. Immerhin kann es aber schon gelegentlich der Forderungsfeststellung zu einer Anerkennung des Absonderungsrechtes durch den Verwalter kommen.

3. Nachweis des Ausfalls 23 Für das Stimmrecht des Gläubigers als Insolvenzgläubiger bei der Abstimmung über den Insolvenzplan (§ 237 I) und für seine Berücksichtigung bei Abschlagsverteilungen (§ 190 II) reicht es aus, dass der Gläubiger vermutlich einen Ausfall erleiden wird. Die nach dem glaubhaft gemachten vermutlichen Ausfall berechnete Quote wird zurückbehalten (§ 190 II S 2). Ist nur der Insolvenzverwalter zur Verwertung berechtigt, hat er bei einer Abschlagsverteilung den noch nicht festgestellten Ausfall des Gläubigers zu schätzen und den so ermittelten Anteil zurückzubehalten (§ 190 III S 2).50 Ein Nachweis durch den Gläubiger ist hier nicht notwendig.51 Bei der Schlussverteilung wird der Betrag des rechtzeitig, dh vor Ablauf der Ausschlussfrist (§§ 190 I S 1, 189 I), nachgewiesenen wirklichen Ausfalls oder Verzichts berücksichtigt. Der Nachweis ist nach § 190 I S 1 dem Verwalter zu erbringen, wenn der Verwalter nicht selbst verwertet hat. Zur Berechnung des Ausfalls ist die Befriedigungsreihenfolge der §§ 367 I, 497 III S 1 BGB zu beachten (siehe § 50 Rn 16).52 Im Anwendungsbereich des § 367 BGB findet der Berechtigte, soweit überhaupt ein Erlös erzielt wird, Deckung für Kosten und auch für laufende Zinsen, wird insoweit also von § 39 I S 1 Nr 1 nicht betroffen, weil diese Vorschrift nur die Ausfallforderung betreffen kann. Anders ist es im Anwendungsbereich des § 497 III S 1 BGB, weil hier die Zinsen im letzten Rang berücksichtigt werden, der Gläubiger also oft mit den Zinsen ausfallen wird und die während des Verfahrens laufenden Zinsen nur mit dem Nachrang des § 39 I S 1 Nr 1 geltend machen 46 47 48 49 50 51 52

Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 5; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 19. RGZ 139, 83 ff; 155, 95, 101; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 5. RGZ 139, 83 ff. RGZ 139, 83 ff. Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 20. Niesert in: Aus- und Absonderungsrechte in der Insolvenz (1999), Rn 681. BGH NZI 2011, 247, Rn 7 ff; BGH NJW 2015, 162, Rn 19.

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kann. Weist der Gläubiger den Ausfall oder Verzicht nicht rechtzeitig nach, werden auch die bereits für ihn zurückbehaltenen Anteile zur Schlussverteilung frei (§ 190 II S 3). Soweit der Gläubiger selbst verwerten darf, muss er an rascher Verwertung interessiert sein. Diesem Interesse dient § 174 ZVG. Jedenfalls einen geschäftserfahrenen Gläubiger braucht der Insolvenzverwalter nicht auf die Frist der §§ 190 I S 1, 189 I und die Folgen ihrer Versäumung hinzuweisen.53

IV. Der Verzicht Zur anteilsmäßigen Befriedigung seiner Forderung ist der Gläubiger berechtigt, wenn er auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet. Der Schutzzweck des § 52 fordert, dass der Verzicht die dem Absonderungsberechtigten haftenden Massegegenstände zum Vorteil der ungesicherten persönlichen Gläubiger endgültig und bindend freimacht. Andererseits ist es aber für die Wirksamkeit oder den Bestand des Verzichts unerheblich, ob der Zweck des Gesetzes im konkreten Fall erreicht wird. Oft wird der Verzicht erklärt werden, weil der Gläubiger sein Absonderungsrecht für wertlos hält. Ist das tatsächlich der Fall, bringt der Verzicht der Masse nichts. Dennoch tritt die Wirkung ein, dass dem Gläubiger die Quote auf seine volle Forderung ausgezahlt werden muss.54 Der Absonderungsberechtigte kann auf sein Recht ganz oder auch nur teilweise verzichten. Ein Verzicht auf die abgesonderte Befriedigung im Ganzen wird selten vorteilhaft sein. Denn bei Vollverzicht wird er für den ganzen Betrag seiner Forderung auf anteilsmäßige Befriedigung verwiesen, während er nach erfolgreicher Absonderung nur für den Ausfall die Einbuße eines Insolvenzgläubigers erleidet. Da jedoch der nicht verzichtende Gläubiger bei der Schlussverteilung nur mit dem Betrag berücksichtigt wird, den er bis zum Ablauf der Ausschlussfrist als wirklichen Ausfall nachweisen kann (§ 190 I), was ihm mitunter nicht gelingen wird, mag der Vollverzicht einer Absonderung vorzuziehen sein, die sich voraussichtlich länger hinzieht und im Ganzen weniger als die im Insolvenzverfahren zu erwartende Quote verspricht. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Gläubiger durch den Verzicht sein Stimmrecht für die Abstimmung über einen Insolvenzplan als absonderungsberechtigter Gläubiger (§ 238) verliert, welches ihm auch bei geringem Wert des Absonderungsobjekts eine uneingeschränkte Kopfstimme (§ 244 I Nr 1) gewährt. Aus dem Erlös des Absonderungsgegenstandes kann der Gläubiger, der nur zu einem Teil auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet hat, nur den übrigen Teil verlangen. Wird er aus diesem Teil nicht voll gedeckt, darf er den hier erlittenen Ausfall nicht noch neben dem Verzichtsbetrag als Insolvenzgläubiger verfolgen. Er darf nur entweder für den Ausfall oder für den Verzichtsbetrag Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen. Dass er sich beim Verzicht verrechnet hat, geht zu seinen Lasten. Für den Verzicht auf abgesonderte Befriedigung verlangt die Insolvenzordnung keine besondere Form. Wohl aber fordert sie in § 190 I S 1 einen dem Insolvenzverwalter zu erbringenden Nachweis des Verzichts. Jedoch kann der Verzicht nur dann formlos und auch konkludent dem Verwalter erklärt werden, wenn das die abgesonderte Befriedigung begründende Recht durch formlose Erklärung aufgegeben werden kann. Das ist zB der Fall beim Verzicht auf ein durch Pfändung55 oder durch Rechtsgeschäft mit dem Schuldner56 erlangtes Pfandrecht. Der Zweck des Gesetzes, den Vermögenswert, auf den sich der Verzicht bezieht, den ungesicherten Insolvenzgläubigern zukommen zu lassen (Rn 24), schließt aus, dass bloßes Unterlassen der Ausübung des Absonderungsrechtes während des Insolvenzverfahrens für einen Verzicht ausreicht. Eine sofortige und uneingeschränkte Berücksichtigung seiner Insolvenzforderung kann der absonderungsbe53 54 55 56

OLG Hamm ZIP 1994, 1373, 1376; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 24. MünchKomm/Ganter InsO4 Vor §§ 49–52 Rn 121a. Vgl RGZ 37, 13 ff. Vgl RGZ 64, 425 ff.

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rechtigte Insolvenzgläubiger nur erreichen durch endgültige und vorbehaltlose Aufgabe des Rechtes, das seinen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung begründet.57 Es kann für einen Verzicht auch ausreichend sein, die Sicherungsabrede dahingehend zu ändern, dass eine Sicherheit nicht mehr für bestimmte Verbindlichkeiten haften soll.58 28 Wie die Aufgabe zu vollziehen ist und von wann ab sie bindend wird, entscheiden die für das aufzugebende Recht maßgebenden Vorschriften. So sind für Rechte an Grundstücken die §§ 875, 1168, 1175, 1178, 1183, 1192 I BGB (§§ 27, 29 f, 46 GBO) maßgebend, für das Pfandrecht an einer beweglichen Sache die §§ 1253, 1255, 1257 (vgl §§ 1278, 1293) BGB. Es genügt also zum Verzicht auf das Fahrnispfandrecht Rückgabe der Sache an den Insolvenzverwalter des Pfandeigentümers (§ 1253 I S 1 BGB), ja sogar schon eine einseitige, formlose, einer Annahme nicht bedürfende Verzichtserklärung gegenüber dem Verwalter (§ 1255 I BGB), der dann aufgrund dieses Erlöschens des Pfandrechts die Herausgabe des Pfandes verlangen kann. Eine formfreie Erklärung gegenüber dem Verwalter genügt daher auch zur Aufgabe des Absonderungsrechtes aus der Verpfändung einer Forderung (§ 1273 II S 1 mit § 1255 I BGB), auch wenn über sie eine Urkunde im Sinne des § 808 BGB ausgestellt ist, wie zB ein Versicherungsschein,59 ebenso bei der Aufgabe von Pfändungspfandrechten (§ 804 II ZPO mit 1255 I, 1273 II S 1 BGB).60 Der formfreie Verzicht kann in schlüssigem Verhalten zum Ausdruck kommen.61 Die Anmeldung der Forderung zur Tabelle allein rechtfertigt, auch wenn die Insolvenzforderung nicht nur als „Ausfallforderung“ angemeldet wird, keinen sicheren Schluss auf den Rechtsaufgabewillen, da ja der Gläubiger die Befugnis hat, zunächst seine ganze Forderung anzumelden und feststellen zu lassen (Rn 17).62 Wohl aber liegt der Schluss auf einen solchen Willen nahe, wenn der Gläubiger, sein Absonderungsrecht verschweigend, für den vollen Forderungsbetrag in der Gruppe der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger über einen Insolvenzplan abstimmt und vielleicht so die Annahme des Plans bewirkt, der bei Beachtung des § 237 I S 2 gescheitert wäre. Zwingend ist der Schluss freilich auch bei einer Vollabstimmung nicht.63 Zur Aufgabe grundbuchrechtlicher Belastungen genügt eine mündliche Erklärung gegen29 über dem Verwalter nicht.64 So bedarf es zum Verzicht auf das hypothekarische Gläubigerrecht der im § 1168 II S 1 BGB vorgeschriebenen Erklärung und Buchung, wenn auch keiner Annahme durch den Verwalter. Dieser ist außerstande, den Erfolg der Verzichtserklärung zu vereiteln, indem er deren Annahme verweigert. Die formlose Verzichtserklärung wird erst mit der Eintragung bindend (§§ 875 II, 1168 II S 2 BGB). Eine rechtsgeschäftliche „Aufhebung“ der Grundstücksbelastung mit der Folge des Aufrückens anderer Realgläubiger kann der Verwalter verhindern, weil er das Verfügungsrecht des Grundeigentümers über dessen Anwartschaft auf die Rangstelle auszuüben hat (§ 1183 S 1 BGB, § 80 I). Bildet das aufzugebende Absonderungsrecht die einzige oder die letzte Belastung, kann auch deren Aufhebung der Masse erwünscht sein. Auch zur Aufgabe einer Absonderungsanwartschaft, die durch eine Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Bestellung eines Grundpfandrechts begründet worden ist,65 bedarf es der Aufhebungserklärung und Löschung. Formlos ist dagegen die Aufgabe des Rechts auf Befriedigung aus dem Versteigerungserlös für die durch den Zuschlag erloschene Hypothek (§§ 52 I S 2, 91 I, 130 ZVG); ebenso

57 Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 52 Rn 8; Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 21; MünchKomm/Ganter InsO4 Vor §§ 49–52 Rn 121. 58 BGH NZI 2017, 345, Rn 12 f; BGH ZIP 2011, 180, Rn 9 f. 59 So im Fall RGZ 64, 425 ff. 60 So im Fall RGZ 36, 13 ff. 61 OLG Hamm ZIP 1994, 1373, 1375; Kübler/Prütting/Bork/Prütting InsO66 § 52 Rn 8. 62 BGH NZI 2017, 345, Rn 16. 63 Zu entsprechendem Verhalten beim Zwangsvergleich aus der älteren Rechtsprechung: RGZ 16, 68, 71; 37, 13, 16; 77, 403 ff; 64, 425 ff; zu den Voraussetzungen eines konkludenten Verzichts siehe auch Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 52 Rn 23; MünchKomm/Ganter InsO4 Vor §§ 49–52 Rn 123 f. 64 MünchKomm/Ganter InsO4 Vor §§ 49–52 Rn 125; aA Wolff KO2 S 314. 65 Vgl RGZ 77, 403 ff. Hoffmann

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Ausfall der Absonderungsberechtigten

§ 52

nach Veräußerung des Fahrnispfandes die Aufgabe des Rechts auf rangmäßige Befriedigung aus dem Erlös (§§ 1242 I S 1, 1247 S 1 BGB). Mitunter fehlt dem Verwalter die Macht, das mit Aufgabe des Absonderungsrechtes ver- 30 knüpfte Nachrücken zu verhindern, wie in Fällen des § 10 I Nr 2, 3 ZVG (§ 49 Rn 4). Führt die Aufgabe des Rechts auf den Versteigerungserlös nicht als solche schon zum Einrücken der Insolvenzmasse oder entstünde durch den Verzicht auf ein Grundpfandrecht ein durch Vormerkung (§ 1179 BGB) oder gesetzliche Vormerkungswirkung (§ 1179a I S 3 BGB) und durch § 106 I geschützter Anspruch auf Löschung des Eigentümergrundpfandrechts, käme der Verzicht nicht der Masse und damit den ungesicherten Insolvenzgläubigern zugute, wie es § 52 seinem Zweck nach voraussetzt, sondern etwa vorhandenen Nachmännern. Deshalb muss dann der „Verzicht“ des § 52 seinem Zweck entsprechend als Übertragung des Rechtes auf rangmäßige Befriedigung an die Insolvenzmasse (§ 413 BGB) erklärt werden. Gleichgültig, ob der Gläubiger für den Gesamtbetrag oder nur für einen von ihm bestimmten 31 Teilbetrag seiner Insolvenzforderung auf abgesonderte Befriedigung verzichtet, bleibt der Verzicht auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wirksam.66 Im Belieben des Gläubigers steht es zwar, zu bestimmen, zu welchem Teil er seine Forderung als Absonderungsberechtigter und zu welchem er sie als Insolvenzgläubiger verfolgen will. Aber die Wahl wird unwiderruflich, sobald der Teilverzicht auf das den Absonderungsanspruch begründende Recht nach den für die Aufgabe dieses Rechts maßgebenden Vorschriften bindend geworden ist.67 Der Gläubiger trägt also die Gefahr, wenn er sich bei der Teilung verrechnet, indem er den Wert des Absonderungsgegenstandes überschätzt. Eine betagte oder aufschiebend bedingte Verzichtserklärung würde dem Gläubiger die Möglichkeit uneingeschränkter Teilnahme als Insolvenzgläubiger erst nach Fristablauf oder Bedingungseintritt erschließen. Eine an das Insolvenzgericht oder vor ihm abgegebene Erklärung könnte erst mit Zugang an den Verwalter wirksam werden, wenn der Verzicht überhaupt durch Erklärung ihm gegenüber vollziehbar ist (Rn 27 f). Gibt der Gläubiger nur einzelne im Absonderungsrecht enthaltene Befugnisse auf, akzeptiert er zB Beschränkungen hinsichtlich der Pfandverwertung, oder gibt er nur einzelne Gegenstände, zB Früchte oder eine von mehreren Pfandsachen (vgl §§ 1222, 1230 BGB), aus der Haftung frei, so liegt ein Verzicht mit der Wirkung des § 52 nicht vor. Der Verzicht muss nicht erst während des Insolvenzverfahrens vollzogen werden. Er kann 32 auch vor der Verfahrenseröffnung durch formgerechte Erklärung gegenüber dem Schuldner oder einem empfangsberechtigten vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgt sein. Denkbar ist auch, dass der Absonderungsberechtigte gegenüber dem Verwalter zunächst nur die schuldrechtliche Verpflichtung übernimmt, das den Absonderungsanspruch begründende Recht aufzugeben. Verzicht iSd § 52 ist aber nicht dieses Versprechen, sondern erst seine Erfüllung.

66 Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 52 Rn 8; Braun/Bäuerle InsO9 § 52 Rn 15. 67 Vgl RGZ 64, 425, 427. 635

Hoffmann

§ 53 Massegläubiger Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen.

Materialien DiskE § 58; RefE § 58; RegE § 62, BR-Drucks 1/92 S 126, BT-Drucks 12/2443 S 126.

Vorgängerregelung § 57 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd I S 311 ff, Begr EKO S 239 ff; KO-Prot S 49.

Literatur Bley Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, ZZP 62 (1941), 111, 342; Schmidt Der Gemeinschuldner als Schuldner der Masseverbindlichkeiten, Diss Göttingen 1972.

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung Verhältnis zur Insolvenzordnung 2 Zweck der Vorschrift

II.

Die Begriffe „Massegläubiger“ und „Massever3 bindlichkeiten“

III. 1.

2.

10 Die Masseverbindlichkeit Grundsätze zur Nachhaftung für Masseverbindlichkeiten nach Aufhebung des Insolvenzverfah11 rens Einzelfälle und Ausnahmen 13 a) Gerichtskosten 14 b) Verwaltervergütung 15 c) Dauerschuldverhältnisse

16 Gegenseitige Verträge 17 Ungerechtfertigte Bereicherung Verbindlichkeiten aus starker vorläufiger 18 Verwaltung 19 g) Steuerschulden Mithaftung und Rechtsnachfolge 20 a) Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite 21 b) Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite 22 c) Mithaftung für Masseforderungen Bereicherungsanspruch des übergangenen Masse24 gläubigers d) e) f)

1

3.

4.

26

IV.

Die Verfolgung der Masseforderungen

V.

Verhältnis der Massegläubiger zu Aus- und Ab33 sonderungsberechtigten

Alphabetische Übersicht Abschlagsverteilungen 26 Absonderung 29, 34 f Aufrechnung 3, 27 Aussonderung 3, 33 Dauerschuldverhältnisse 15, 16, 27 Fremdwährung 27 Haftung des Insolvenzverwalters 23 Haftung des Schuldners 10, 11, 14, 18, 20 Insolvenzplan 27 Klage 4, 27, 31 Masseunzulänglichkeit 4, 7, 25, 28, 30 Mitschuldner 8

Eichel https://doi.org/10.1515/9783110666175-020

Nebenintervention 35 Neuerwerb 5, 10 Offene Handelsgesellschaft 9 Restschuldbefreiung 4, 15 f, 18 Schuldner als Massegläubiger 5 Schuldner der Masseverbindlichkeit 10 ff Ungerechtfertigte Bereicherung 17, 31 Vergütung des Verwalters 5, 14 Vollstreckungsverbot 4, 27, 28 Vorläufiger Verwalter 3, 6, 11, 18, 19 Zahlung, irrtümliche 31 Zwangsvollstreckung 4, 27, 29, 34

636

Massegläubiger

§ 53

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Insolvenzordnung § 53 InsO weicht nur insofern von § 57 KO ab, als der dort verwendete Begriff der Masseschulden 1 durch den der sonstigen Masseverbindlichkeiten und der der Massekosten durch den der Kosten des Insolvenzverfahrens ersetzt worden ist. „Masseverbindlichkeiten“ ist der Oberbegriff, unter dem Massekosten und sonstige Masseverbindlichkeiten zusammengefasst werden. Die Terminologie wurde um der Rangfolge des § 209 willen vorgenommen.1 Der Begriff der sonstigen Masseverbindlichkeiten mag etwas umständlich sein; aber nach wie vor kann von Masseschulden die Rede sein, wenn kein Zweifel besteht, dass damit Masseverbindlichkeiten iSd § 55 gemeint sind.2

2. Zweck der Vorschrift Für die in § 54 aufgeführten Kosten des Insolvenzverfahrens und die in § 55 aufgezählten sonsti- 2 gen Masseverbindlichkeiten enthält § 53 die gemeinsame Rechtsfolge. Deren Gläubiger werden vorweg befriedigt, dh vor den Insolvenzgläubigern iSv § 38. Das soll im Regelfall zur Folge haben, dass sie nicht anteilig, sondern voll befriedigt werden. Nur wenn die Masse zur Deckung der Masseverbindlichkeiten nicht ausreicht, ist in § 209 eine Rangordnung vorgesehen.

II. Die Begriffe „Massegläubiger“ und „Masseverbindlichkeiten“ Massegläubiger nennt das Gesetz die Gläubiger, die aus der Masse, soweit sie nicht durch Absonde- 3 rungsrechte (§§ 49–52) und Aufrechnung (§§ 94–96) gekürzt wird, vorweg, dh vor den Insolvenzgläubigern und unabhängig vom Ablauf des Verteilungsverfahrens zu befriedigen sind. Aus der Insolvenzmasse (§§ 35–37) können aber auch Ansprüche auf massefremde Gegenstände zu erfüllen sein, zB auf Rückgabe von Sachen, die der Insolvenzverwalter (§ 55 I Nr 1) oder schon vor der Eröffnung des Verfahrens der Schuldner (§ 55 I Nr 2) oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter gemietet oder als gemietete genutzt hat (§ 55 II), oder um deren Besitz die Masse ohne Rechtsgrund bereichert worden ist (§ 55 I Nr 3). Zugleich können Aussonderungsansprüche bestehen. Aber auch dann behaupten die Rechtssätze über die Behandlung der Massegläubiger (zB §§ 209, 214 III) ihren selbstständigen Wert. Die Frage, inwieweit der Schuldner den Massegläubigern auch persönlich einzustehen hat, lässt § 53 offen (Rn 10 ff). Damit, dass die Masse den Massegläubigern vorweg haften soll, ist nicht gesagt, dass nur sie ihnen haftet. Der Funktion der §§ 53 ff nach stellen nur Vermögensansprüche (§ 38 Rn 67 ff) Masseforderungen dar. Der gegen den Verwalter gerichtete Zeugnisanspruch ist als solcher keine Masseforderung, soweit er nicht aus bzw mit dem Massevermögen verwertet werden kann.3 Auf Massegläubiger findet § 45 keine Anwendung; ihre nicht auf Geld gerichteten Ansprü- 4 che werden im Insolvenzverfahren nicht in Geldforderungen umgerechnet. Sie haben vom Insolvenzverwalter die geschuldete Leistung selbst zu fordern (zB Übergabe und Übereignung gekaufter Massesachen, eine Rechnungslegung, ein Unterlassen, auch Zahlung in verabredeter Fremdoder „Kryptowährung“) und sie können ihre Ansprüche mit diesem Inhalt durch Klage und Zwangsvollstreckung gegen den Insolvenzverwalter durchsetzen, ohne an die Schranken der §§ 87, 89, 91 gebunden zu sein (Rn 27). Lediglich einen Aufschub der Zwangsvollstreckung müssen sie unter den Voraussetzungen des § 90 hinnehmen. Ein Vollstreckungsverbot schlechthin trifft sie nur als Altmassegläubiger (§ 209 I Nr 3), wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzu1 Begr zu § 62 RegE. 2 Henckel Voraufl § 53 Rn 1. 3 BGH ZIP 2004, 1974, 1976. 637

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§ 53

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

länglichkeit angezeigt (§ 208) hat (§ 210). Masseforderungen werden nach herrschender Auslegung von § 301 I S 1 von der Restschuldbefreiung nicht erfasst.4 5 Massegläubiger kann auch der Schuldner sein, obwohl es widersprüchlich erscheint, dass er gleichzeitig Gläubiger und Schuldner der Masseverbindlichkeit (Rn 10) sein soll. In Wahrheit besteht ein solcher Widerspruch nicht. Denn es ist eine notwendige Folge der Bildung von Sondervermögen, dass zwischen den Vermögen Rechtsbeziehungen bestehen können, auch wenn Vermögensträger ein und dieselbe Person ist. Ein Beispiel aus anderen Rechtsgebieten ist die Nachlassverwaltung. Der Erbe kann Ansprüche wegen Aufwendungen (§§ 1978 III, 1979 BGB) gegen den „Nachlass“ geltend machen, der sein eigenes Vermögen ist. Das kann er auch im Nachlassinsolvenzverfahren (§ 324 I Nr 1). Hier sind Rechtsbeziehungen zwischen dem Nachlass als Insolvenzmasse und dem Erben als Insolvenzschuldner ausdrücklich anerkannt. Die Bedeutung der Masseforderungen des Insolvenzschuldners ist freilich geringer als im alten Insolvenzrecht (Konkursrecht). Dort wurde als Beispiel der Fall genannt, dass der Konkursverwalter entgeltlich Dienste des Gemeinschuldners für die Masse in Anspruch nahm. Das wird nach neuem Recht nur noch selten möglich sein. Denn der Anspruch auf die Vergütung würde – im Unterschied zur Konkursordnung – als Neuerwerb wieder in die Masse fallen. Der Schuldner hätte also keinen Anspruch, der einen Wert in seinem freien Vermögen darstellte. Anders kann es nur sein, soweit sein Vergütungsanspruch unpfändbar ist. Aber wer wird schon Arbeit für die Insolvenzverwaltung leisten, wenn ihm dafür, unabhängig vom Umfang seiner Tätigkeit, nur der pfändungsfreie Betrag zufließt? Auch besteht keine Möglichkeit mehr, dass der Schuldner einen Gegenstand, an dem ihm besonders gelegen ist, etwa mit pfändungsfreien Mitteln aus der Masse freikauft. Sowohl sein Anspruch aus dem Kaufvertrag als auch die gekaufte Sache würden als Neuerwerb zur Masse gehören. So bleibt als Beispiel für Masseforderungen des Schuldners der Anspruch auf den nach § 100 bewilligten Unterhalt, der zwar in §§ 54, 55 InsO, anders als in § 58 Nr 3 KO, nicht mehr unter den Masseforderungen aufgeführt ist, wohl aber noch in § 209 I Nr 3. Eigene Masseansprüche des Schuldners erlöschen, wenn die Masse infolge Beendigung des Insolvenzverfahrens aufhört, ein Sondervermögen zu sein, durch Vereinigung von Forderung und Schuld. 6 Das Gesetz teilt in §§ 53–55 die Masseverbindlichkeiten in zwei Gruppen, in die „Kosten des Insolvenzverfahrens“ (§ 54) und die „sonstigen Masseverbindlichkeiten“ (§ 55). Daneben werden an anderer Stelle im Gesetz bestimmte Forderungen ausdrücklich als Masseforderungen bezeichnet oder eingestuft (zB § 118 S 1; § 123 II S 1). Die „sonstigen Masseverbindlichkeiten“ (§ 55) werden in der vorliegenden Kommentierung, in Anlehnung an die Terminologie des § 59 KO, auch als „Masseschulden“ bezeichnet. Was beide verbindet und von den als Insolvenzforderungen zu tilgenden Verbindlichkeiten unterscheidet, ist ihre Grundlage in Vorgängen, die sich zugunsten der Insolvenzmasse, also letztlich der Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger, auswirken oder jedenfalls auswirken sollen. Ohne die Begünstigung der Massegläubiger würde sich niemand mit einem Insolvenzverwalter oder einem verfügungsbefugten vorläufigen Verwalter (§§ 22 I, 55 II) auf Rechtsgeschäfte einlassen.5 7 Der Unterschied zwischen den Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54) und den sonstigen Masseverbindlichkeiten ist erheblich. Er wirkt sich einerseits im Eröffnungsverfahren aus, weil nach § 26 der Eröffnungsantrag abzuweisen ist, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, während eine Unterdeckung der sonstigen Masseverbindlichkeiten für die Abweisung des Eröffnungsantrags nach § 26 gemäß hM nicht ausreichen soll.6 Zum anderen hat die Unterscheidung Bedeutung bei Masseunzulänglichkeit im eröffneten Verfahren (§ 208). Hier gehen die Kosten des Insolvenzverfahrens den

4 BFH ZIP 2018, 593 Rn 13 ff; ZIP 2019, 1333 Rn 15; MünchKomm/Stephan InsO4 § 301 Rn 9; K Schmidt/Henning InsO19 § 301 Rn 5; offen gelassen durch BGH NZI 2007, 670 Rn 16. AA HambK/Jarchow InsO9 § 53 Rn 29; Windel KTS 2011, 25, 37 f. 5 BAG ZIP 2021, 139 Rn 45. 6 S näher zu § 26; Uhlenbruck/Vallender InsO15 § 26 Rn 8 ff. Kritisch Voigt ZIP 2004, 1531. Eichel

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Massegläubiger

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sonstigen Masseverbindlichkeiten im Rang vor (§ 209 I Nr 1).7 Unter dem Ausdruck „Masseansprüche“ fasst das Gesetz (§§ 214 III, 258 II) die Massegläubigerrechte beider Gruppen zusammen. Die Begriffe Masseverbindlichkeiten, Massekosten und sonstige Masseverbindlichkeiten be- 8 zeichnen nicht eine bestimmte Qualität einer Forderung, sondern sagen nur etwas über ihre insolvenzrechtliche Einordnung in einem konkreten Insolvenzverfahren, insbesondere ihre Durchsetzbarkeit.8 Diese Einordnung wird nicht dadurch verändert, dass der Gläubiger wechselt. Wer die Masseforderung durch Rechtsgeschäft oder kraft Gesetzes erwirbt, zB als Bürge nach § 774 BGB, ist ebenso Massegläubiger wie sein Rechtsvorgänger.9 Andererseits aber sind Ansprüche, die im Insolvenzverfahren eines Mitschuldners Massegläubigerrechte bilden, deshalb nicht auch solche Rechte im Verfahren des anderen. So haftet, wenn bei dem auf Rechnung einer Insolvenzmasse gehenden Betrieb eines Kraftfahrzeugs jemand geschädigt wird, die Masse des Halters nach § 55 I Nr 1. Demgegenüber kann die persönliche Mithaftung des Fahrzeugführers in seinem eigenen, kurz darauf eröffneten Insolvenzverfahren nur als Insolvenzforderung (§ 38) und in seinem schon schwebenden Insolvenzverfahren überhaupt nicht verfolgt werden, weil die Masse für Neuschulden nicht haftet, wenn es sich nicht um Masseverbindlichkeiten handelt. Handlungen des Insolvenzschuldners aber begründen keine Masseverbindlichkeiten. Auch die Insolvenzverfahren einer offenen Handelsgesellschaft und ihrer Gesellschafter 9 sind selbstständige Verfahren. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschafter haben Masseverbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsinsolvenzverfahren ggf nur die Eigenschaft einer Insolvenzforderung.10 Wenn im Gesellschaftsinsolvenzverfahren ein Mietvertrag über Geschäftsräume abgeschlossen oder fortgesetzt wird, bildet die Mietzinsverbindlichkeit zwar in diesem Verfahren eine Masseschuld (§ 55 I Nr 1, 2), nicht aber deshalb auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters, auch nicht, wenn es mit dem Gesellschaftsinsolvenzverfahren eröffnet worden ist und von demselben Insolvenzverwalter geführt wird.11 Aus § 128 HGB folgt nicht das Gegenteil. Entsprechendes gilt für die Haftung aus Dienstverträgen der Gesellschaft – die Angestellten der Gesellschaft sind als solche nicht auch Angestellte der Gesellschafter12 – und für das Verhältnis vom Nachlassinsolvenzverfahren zum Insolvenzverfahren des Erben (§ 331).

III. Die Masseverbindlichkeit Schon für das gemeine Konkursrecht, also vor Inkrafttreten der Konkursordnung, hat man darum 10 gestritten, wer Schuldner der Masseverbindlichkeit (seinerzeit: Masseschuld) ist.13 Der Streit setzte sich für die Konkursordnung fort.14 Aus heutiger Sicht ist die Frage von untergeordneter Bedeutung. Denn in erster Linie geht es um die Haftung der beteiligten Vermögensmassen. Da der Insolvenzverwalter nicht Schuldner der Masseverbindlichkeiten sein kann, auch nicht die Gläubigergemeinschaft, die kein Rechtssubjekt ist, und nach der hier mit der hM vertretenen Amtstheorie auch nicht die Masse,15 bleibt nur der Insolvenzschuldner als Schuldner der Masse7 Kritisch zu dieser Rangfolge Häsemeyer Die Regelung der Masseverbindlichkeiten, der Masseunzulänglichkeit und des Kostenvorschusses, in: Insolvenzrecht im Umbruch, hrsg von Leipold (1991) S 101, 104 f.

8 BGH ZIP 2021, 528 Rn 14; Smid ZInsO 2017, 1121. 9 OLG Jena ZIP 1999, 849, dazu Ahrendt/Koch EWiR § 13 GesO 1/99, 407. 10 Windel KTS 2011, 25, 49. 11 Braun/Bäuerle InsO9 § 53 Rn 4; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 2. AA BAG ZIP 1982, 209 ff. 12 RGZ 135, 62; dazu Jaeger JW 1932, 1017 Nr 11; RAG LZ 1932, 1310 f = KuT 1932, 138; BGHZ 34, 293, 295 = LM Nr 10 zu § 61 KO (Kreft); Kilger/Schmidt KO17 § 57 Anm 1; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 2; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 53 Rn 9. AA zu den in die InsO nicht übernommenen sog unechten Masseschulden des § 59 I Nr 3 KO: BAG ZIP 1982, 209 = AP Nr 12 zu § 59 KO (Beitzke); BAG ZIP 1993, 1558. 13 N in Begr EGemeinschuldO vor § 56 S 311 f, Begr EKO S 240. 14 N bei Jaeger KO7 § 57 Rn 2–5a; Jaeger/Lent KO8 § 57 Rn 2–5a. 15 Zum Theorienstreit Jaeger/Windel InsO1 § 80 Rn 13 ff. 639

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verbindlichkeiten.16 Die zentrale Frage ist indes, ob er nur mit der Insolvenzmasse oder auch mit seinem freien Vermögen haftet (Rn 11 ff).17 Für die Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners während der Dauer des Insolvenzverfahrens hat diese Frage zwar kaum Bedeutung, da der Zugriff auf massefreies Schuldnervermögen im Regelfall praktisch bedeutungslos ist, weil dem Schuldner nur pfändungsfreie Vermögensgegenstände bleiben und der Neuerwerb in die Masse fällt (§§ 35, 36).18 Praktisches Gewicht kann die Fragestellung allerdings insbesondere bei der Nachhaftung des Schuldners entfalten oder wenn eine Mithaftung solventer Personen im Raume steht (Rn 20 ff).19

1. Grundsätze zur Nachhaftung für Masseverbindlichkeiten nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens 11 Bei den Masseverbindlichkeiten des § 55 unterscheidet die hM danach, ob sie erst durch einen verfügungsbefugten vorläufigen Verwalter20 bzw den Insolvenzverwalter oder schon vor Verfahrenseröffnung begründet worden sind.21 Der Insolvenzverwalter und der verwaltungs- und verfügungsbefugte vorläufige Insolvenzverwalter können kraft ihrer Verwaltungsbefugnis Verbindlichkeiten begründen, die als Masseverbindlichkeiten bezeichnet werden (§ 55 I Nr 1 Alt 1, II S 1, IV). Da aber ihre Verfügungsbefugnis auf das verwaltete Vermögen beschränkt ist, können sie nur die Haftung dieses Vermögens begründen, nicht aber die des Vermögens, das der Schuldner als beschlagsfreies Vermögen hat.22 Eine persönliche Haftung des Schuldners entsteht folglich im Grundsatz nicht durch Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters oder des endgültigen Verwalters. Der Schuldner haftet insoweit nur mit Gegenständen der Masse, die nach der Beendigung des Verfahrens wieder in sein freies Vermögen gelangt sind.23 Für Verbindlichkeiten, die bereits vor Verfahrenseröffnung gegen den Schuldner begründet waren, gilt diese gegenständliche Beschränkung der Haftung des Schuldners nicht, selbst wenn sie aus Gründen wie den in § 55 genannten zu einer Masseforderung aufgewertet wurden. Das trifft auf die sog oktroyierten Masseverbindlichkeiten iSv § 90 zu, da sie vom Schuldner bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden waren, bzw auf jedwede Masseverbindlichkeiten, deren Entstehung auf eine freie Entscheidung des Schuldners zurückzuführen ist.24 Insoweit betrifft die Nachhaf-

16 BGH ZIP 2021, 528 Rn 14; ZIP 2009, 2204 Rn 12; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 30; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 10; K Schmidt/Thole InsO19 § 53 Rn 12; aus der älteren Literatur: Begr EKO S 240; Petersen-Kleinfeller Anm 2 vor § 57; von Wilmowski/Kurlbaum Anm 2 vor § 57; Fitting S 182; Wolff § 57 Anm 2; Jaeger/Lent KO8 § 57 Rn 5; RGZ 52, 332. AA Kohler Lehrbuch S 381 ff, 387; Leitfaden S 204; Seuffert S 240; Hellmann Lehrbuch S 193 ff, 639 f. 17 Windel KTS 2011, 25 ff; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 44; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 53 Rn 5. 18 § 38 Rn 89; Windel KTS 2011, 25, 37; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 31; zur Diskussion unter der KO Jaeger/ Lent KO8 § 57 Rn 5 mN. 19 Zu letzterem (§ 128 HGB) vgl BGH ZIP 2009, 2204. 20 Näher Rn 18; zur „schwachen“ vorl Verwaltung Rn 19. 21 BGH ZIP 2021, 528 Rn 18–20; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 32–34a; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 10 f; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 53 Rn 6 f; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 53 Rn 13; FK/Bornemann InsO9 § 53 Rn 19. AA Häsemeyer InsR4 Rn 25.30 f; K Schmidt/Thole InsO19 § 53 Rn 12; Windel KTS 2011, 25 ff, der stattdessen eine Restschuldbefreiung für Masseverbindlichkeiten als geboten ansieht; zweifelnd, aber offen gelassen BFH ZIP 2018, 593 Rn 27 f. 22 BGH ZIP 2021, 528 Rn 18–20; ZIP 2009, 2204 Rn 12, 14; Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 89; Kübler/Prütting/Bork/Pape/ Schaltke InsO91 § 53 Rn 45; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 53 Rn 7. 23 BGH NJW 1955, 339; BGH WM 1964, 1125; Jaeger/Lent KO8 § 57 Rn 5; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 11; Schmidt a.a.O. S 120; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 53 Rn 7; FK/ Bornemann InsO9 § 53 Rn 19. 24 BGH ZIP 2021, 528 Rn 20; NZI 2007, 670 Rn 14. Eichel

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tung des Schuldners auch sein neues Vermögen und ist nicht gegenständlich auf die ihm überlassene, nicht verwertete Masse beschränkt.25 Ansprüche, die nach Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes als Masseverbindlichkeiten be- 12 gründet werden, und weitere, die „in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden“ (§ 55 I Nr 1 Alt 2), lösen nach dem vorgenannten Grundsatz – vorbehaltlich gegenteiliger spezialgesetzlicher Anordnung – keine Haftung des Insolvenzschuldners mit dessen persönlichem Vermögen aus. Für sie haftet nur die Masse.26 Nach der Beendigung des Verfahrens kann der Gläubiger nur auf Gegenstände zugreifen, die der Schuldner aus der Masse zurückerhalten hat.

2. Einzelfälle und Ausnahmen a) Gerichtskosten. Was die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 Nr 1) angeht, sagt 13 die InsO nicht ausdrücklich, dass der Insolvenzschuldner sie zu zahlen habe. Jedoch legt das GKG den Kostenschuldner ausdrücklich fest. Nach § 23 I S 1 GKG ist der Antragsteller Schuldner der Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das kann der Schuldner oder ein Gläubiger (zum Rückgriff § 54 Rn 10) sein. Im Übrigen schuldet der Insolvenzschuldner Gebühren und Auslagen (§ 23 VII GKG). Gemäß der Auffassung des BGH sollen diese GKG-Vorschriften aber nichts darüber aussagen, ob der so bestimmte Kostenschuldner auch mit seinem persönlichen Vermögen haften solle; dies bliebe vielmehr dem Insolvenzrecht überlassen.27 Insoweit folgt der BGH dem oben dargestellten Grundsatz. Entgegen einer Auffassung in der Lehre, wie sie auch in der Vorauflage vertreten wurde,28 kommt der BGH zu dem Schluss, dass die InsO wegen §§ 26, 207 davon ausgehe, dass der Schuldner für die Kosten nur beschränkt mit dem Massevermögen und nicht mit seinem persönlichen Vermögen hafte.29 Sollte die Masse nicht ausreichen, die Gebühren und Auslagen zu decken, ist der Insolvenzschuldner folglich nicht verpflichtet, die Gerichtskosten aus seinem persönlichen Vermögen zu zahlen.30 b) Verwaltervergütung. Was die Vergütung und Auslagen des Verwalters (§ 54 Nr 2) angeht, 14 ist in §§ 53, 54 ebenfalls nur gesagt, dass sie aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind. Ob es neben der Haftung der Masse einen Schuldner gibt und wer das sein soll, sagt das Gesetz nicht. Auch §§ 63 und 64 sowie die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung sagen dazu nichts. Dass nach § 64 III der Schuldner gegen den Festsetzungsbeschluss beschwerdeberechtigt ist, sagt nichts darüber, ob er die Vergütung und die Auslagen des Verwalters schuldet. Aus dem Gesetz ergibt sich folglich keine Grundlage für einen Zahlungsanspruch des Verwalters gegen den Schuldner persönlich sowohl während als auch nach Abschluss des Verfahrens. Für die Vergütung haftet lediglich die Insolvenzmasse. Nur mit dieser haftet der Insolvenzschuldner. Das hat zur Folge, dass der Verwalter nach Beendigung des Insolvenzverfahren nur in Massegegenstände vollstrecken kann, die wieder in den Besitz des Schuldners gelangt sind.31 Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss (§ 64) ist Vollstreckungstitel zur Durchsetzung der Haftung des

25 26 27 28

BGH ZIP 2021, 528 Rn 20; NZI 2007, 670 Rn 14. Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. BGH ZIP 2009, 2204 Rn 30. Henckel Voraufl § 38 Rn 11; Häsemeyer InsR4 Rn 25.30; Windel KTS 2011, 25, 29 ff; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. 29 BGH ZIP 2009, 2204 Rn 21 ff; ebenso MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 34a. 30 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 34a. 31 LG Kiel DR 1939, 1798; KG DR 1942, 1423; OLG Hamburg OLGRspr 25, 336, 1; Jaeger/Lent KO8 § 57 Rn 5; MünchKomm/ Hefermehl InsO4 § 53 Rn 34a; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. 641

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Schuldners.32 Die Beschränkung der Haftung auf die ihm ausgekehrte Masse muss der Schuldner nach §§ 775, 767 ZPO geltend machen.33 Eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts im Beschluss bedarf es nicht.34

15 c) Dauerschuldverhältnisse. Gemäß dem oben genannten Grundsatz schuldet der Insolvenzschuldner Leistungen aus Dauerschuldverhältnissen, die er noch selbst vor dem Verfahren wirksam begründet hat,35 unabhängig vom Insolvenzverfahren. Soweit seine Verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren nicht getilgt werden, bleibt er darüber hinaus verpflichtet, mag der Gläubiger Ansprüche aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung, also Insolvenzforderungen (§ 38), oder aus der Zeit danach, also Masseforderungen (§ 55 I Nr 2, II), haben.36 Das sieht auch der BGH so.37 Mit einem Teil der Literatur ist jedoch einzuschränken, dass dies nur für diejenigen Masseforderungen gelten kann, die bis zu dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem der Insolvenzverwalter den Vertrag erstmals beenden konnte; das Verstreichenlassen der Beendigung steht nämlich in seiner Bedeutung einer Begründung der Forderungen durch den Verwalter gleich, da der Insolvenzschuldner darauf keinen Einfluss hat (Rn 11).38 Für nach diesem Zeitpunkt entstandene Masseforderungen bleibt die Nachhaftung also auf das Massevermögen beschränkt. Der BGH musste sich in der genannten Entscheidung39 nicht zu dieser Einschränkung verhalten, sodass die Frage noch nicht entschieden ist. Der mit seinem persönlichen Vermögen haftende Insolvenzschuldner wird von den Masseverbindlichkeiten auch nicht durch eine Restschuldbefreiung entbunden, weil diese nach hM nur gegenüber Insolvenzgläubigern (§ 38) wirken soll (§ 301 I).40 Das hat zur Folge, dass der Insolvenzschuldner als Mieter teilweise von den ausstehenden Mietzahlungen befreit wird (§§ 301 I, 38), teilweise aber mit seinem persönlichen Vermögen verpflichtet bleibt, soweit der Zeitraum nach Verfahrenseröffnung bis zum ersten Kündigungstermin betroffen ist.41

16 d) Gegenseitige Verträge. Forderungen aus gegenseitigen Verträgen iSd § 103 sind Insolvenzforderungen, wenn der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrages wählt. Der Insolvenzschuldner ist Schuldner dieser Verbindlichkeiten mit ihrem ursprünglichen Inhalt bis zur Restschuldbefreiung, wenn der Vertragspartner keine Nichterfüllungsforderung angemeldet hat.42 Mit der Anmeldung dieser Forderung zur Tabelle besteht dagegen nur noch der Differenzanspruch.43 Schuldner dieses Anspruchs ist der Insolvenzschuldner. Wählt der Verwalter hingegen die Erfüllung, so löst er zwar im eröffneten Verfahren die Aufwertung der Forderung zu einer Masseverbindlichkeit aus (§ 55 I Nr 2 Var 1); im Vordergrund steht aber, dass es sich hier um bei Verfahrenseröffnung bereits begründete Ansprüche handelt,44 ohne dass – wie bei den 32 33 34 35 36 37 38

BGH WM 1964, 1125. Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. Stein/Jonas/Münzberg ZPO22 § 786 Rn 11. Näher § 38 Rn 99 und 132. Henckel Voraufl § 38 Rn 15. BGH NZI 2007, 670 Rn 14. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 34; Uhlenbruck/Sinz InsO15 zu § 53 Rn 11; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 53 Rn 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. AA (für generelle Nachhaftung) K Schmidt/Thole InsO19 § 53 Rn 12; Windel KTS 2011, 25, 34. 39 BGH NZI 2007, 670 Rn 14. 40 Oben Rn 4 mN. 41 Dies kritisierend Henckel in Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts, hrsg vom Arbeitskreis für Insolvenzund Schiedsgerichtswesen eV Köln (2000) S 97, 103 f; ders Voraufl § 38 Rn 15. 42 HM Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 31, 35, 37, 222; MünchKomm/Huber InsO4 § 103 Rn 20–22. 43 Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 226, 244. 44 § 38 Rn 92. Eichel

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Dauerschuldverhältnissen – eine reguläre Beendigung vorgesehen gewesen wäre. Damit ist eine (Nach-)Haftung des Insolvenzschuldners mit seinem persönlichen Vermögen gerechtfertigt.45

e) Ungerechtfertigte Bereicherung. Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung der 17 Masse (§ 55 I Nr 3) können nur aus der Masse gedeckt werden.46 Der Bereicherungsanspruch ist hier vermögensbezogen. Ist etwas ohne rechtlichen Grund in das Sondervermögen Masse gelangt, kann es nur aus der Masse zurückgefordert werden. Was ohne Rechtsgrund in das freie Vermögen des Schuldners gelangt ist, ist aus diesem zurückzuholen.

f) Verbindlichkeiten aus starker vorläufiger Verwaltung. Ein gegenüber der Konkursord- 18 nung neues Problem ist dadurch entstanden, dass nach § 55 II S 1, IV S 1 Alt 1 Masseschulden durch Handlungen eines verwaltungs- und verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalters begründet werden können. Übertrüge man wörtlich den zur KO entwickelten Satz, dass der Schuldner für Masseverbindlichkeiten, die vor der Verfahrenseröffnung begründet worden sind, ohne Beschränkung auf die Masse persönlich haftet (Rn 11), käme man zu dem Ergebnis, dass der Schuldner schon während des Verfahrens und nach seiner Beendigung für solche Verbindlichkeiten uneingeschränkt einzustehen hätte und nicht einmal durch die Restschuldbefreiung entlastet würde, weil diese nur gegenüber den Insolvenzgläubigern wirkt (§ 301 I). Damit würde jedoch verkannt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter ebenso wie der endgültige nicht uneingeschränkt über das Vermögen des Schuldners verfügen und deshalb nicht die Haftung des Schuldnervermögens begründen kann, das nicht seiner Verwaltung unterliegt. Zwar sagt § 22, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Aus dem Zweck der Vorschrift, die der Sicherung der künftigen Masse dienen soll, muss aber abgeleitet werden, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur Gegenstände erfasst, die mit der Eröffnung des Verfahrens Massebestandteile werden können, also nicht die unpfändbaren. Folglich kann für die Haftung des Schuldners für die vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten nichts anderes gelten als für die vom endgültigen Insolvenzverwalter begründeten.47 Es haftet nur das verwaltete Vermögen und nach Beendigung des Verfahrens jeder Gegenstand, der aus dem verwalteten Vermögen wieder in das frei verfügbare Vermögen des Schuldners gelangt. Einer Restschuldbefreiung bedarf es insoweit nicht.

g) Steuerschulden. Was die Nachhaftung des Insolvenzschuldners für die Einkommensteuer 19 aus der Veräußerung von Massegegenständen angeht, geht der BFH von einer Haftung mit dem persönlichen Vermögen aus,48 sieht also keine Beschränkung auf die Masse, stützt sich dabei aber auf das Einkommensteuerrecht, stellt also die insolvenzrechtlichen Grundsätze (Rn 12) nicht in Frage.49 Für Steuerforderungen aus der Zeit einer schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung, die von § 55 IV kraft Gesetzes zu Masseverbindlichkeiten erklärt werden, trifft den Schuldner eine uneingeschränkte Nachhaftung, weil das Verwaltungs- und Verfügungsrecht für die die Steuerfor-

45 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 34; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 11; K Schmidt/Thole InsO19 § 53 Rn 12; HambK/Jarchow InsO9 § 53 Rn 27; ebenso, aber mit abw Begründung Windel KTS 2011, 25, 34. AA Henckel Voraufl § 53 Rn 17; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. 46 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. 47 Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 45. 48 Zur Qualifikation als Insolvenz- oder Masseforderung s bei § 38 Rn 141 ff. 49 BFH (7. Senat) ZIP 2018, 593; dennoch offen gelassen durch BFH (9. Senat) ZIP 2019, 1333 Rn 25. 643

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derungen begründenden Rechtshandlungen beim Schuldner liegt.50 Nichts anderes gilt, wenn ein Zustimmungsvorbehalt (§§ 22 II, 21 II S 1 Nr 2 Alt 2) angeordnet wurde.51

3. Mithaftung und Rechtsnachfolge 20 a) Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite. Ist der Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens verpflichtet, eine im Verfahren nicht gedeckte Masseforderung zu befriedigen, so besteht diese Verpflichtung auch gegenüber einem Rechtsnachfolger des Massegläubigers. Haftet der Schuldner dem Massegläubiger nur gegenständlich beschränkt, nach Beendigung des Verfahrens also nur mit den Massegegenständen, die an ihn zurückgelangt sind, wirkt diese Beschränkung auch gegenüber einem Rechtsnachfolger des Gläubigers.52 So haftet zB der Schuldner nur beschränkt auf die ihm ausgefolgten Massegegenstände einem Bürgen, der sich für einen vom Insolvenzverwalter aufgenommenen Massekredit verbürgt und seine Bürgschaftsschuld erfüllt hat. Unbeschränkt persönlich haftet er dagegen einem Bürgen, der Massegläubiger befriedigt hat, denen der Schuldner persönlich unbeschränkt haftete. Von dem nach § 776 BGB erworbenen Massegläubigerrecht ist die Ersatzforderung zu unterscheiden, die einem Dritten aus einer Geschäftsbesorgung zusteht, mag er einen Massegläubiger im Auftrag des Verwalters oder im Auftrag des Schuldners selbst befriedigt haben. Im ersten Fall bildet der Ersatzanspruch des Geschäftsbesorgers stets eine Masseneuschuld (§ 55 I Nr 1) mit beschränkt persönlicher Haftung des Schuldners. Im zweiten Fall haftet dieser für die im Insolvenzverfahren überhaupt nicht verfolgbare Neuschuld unbeschränkt persönlich.53

21 b) Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite. Bei einer Betriebsübernahme nach § 613a BGB übernimmt der Erwerber die Rechtsstellung des bisherigen Arbeitgebers und wird zum Schuldner der in der Vergangenheit entstandenen, vom Betriebsveräußerer nicht oder nicht vollständig erfüllten Ansprüche der übernommenen Arbeitnehmer.54 Im Fall einer Betriebsübernahme in der Insolvenz des Veräußerers durch einen solventen Erwerber setzen sich allerdings die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts durch. Würden nämlich die vom Betriebserwerber übernommenen Arbeitnehmer einen neuen solventen Haftungsschuldner für bereits entstandene Ansprüche erhalten, wären sie im Verhältnis zu anderen Insolvenzgläubigern unangemessen bevorzugt. Dieser Vorteil müsste von den übrigen Insolvenzgläubigern finanziert werden, weil der Betriebserwerber den an die Masse zu zahlenden Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung mindern würde.55 Daher wird § 613a I S 1 BGB teleologisch reduziert, sodass der Schuldübergang nicht die Insolvenzforderungen ergreift; für Masseforderungen haftet der Erwerber hingegen uneingeschränkt.56 Damit kommt es auch in diesem Zusammenhang auf die Unterscheidung von Insolvenz- und Masseforderungen an.

22 c) Mithaftung für Masseforderungen. Fraglich ist, wie sich die gegenständlich beschränkte (Nach-)Haftung auf die Mithaftung Dritter auswirkt. Jedenfalls ist dies im Grundsatz keine Frage, 50 51 52 53 54 55 56

BGH ZIP 2021, 528 Rn 20. BGH ZIP 2021, 528 Rn 29. Henckel Voraufl § 38 Rn 20. Henckel Voraufl § 38 Rn 20. MünchKomm/Müller-Glöge BGB8 § 613a Rn 161; BAG ZIP 2021, 918, 920. BAG ZIP 2003, 222, 226; ZIP 2021, 918, 920 f; ZIP 2010, 588 Rn 18; Schmädicke NZA 2021, 1063, 1064. BAG ZIP 2003, 222, 226; ZIP 2005, 457, 458; ZIP 2010, 588 Rn 16 f; ZIP 2021, 918 Rn 41; BeckOK/Baumgärtner BGB63 § 613a Rn 41–43; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 200; Lindemann ZInsO 2010, 792; Schmädicke NZA 2021, 1063, 1064. Eichel

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die das Insolvenzrecht zu beantworten hätte, sondern richtet sich nach dem materiell-rechtlichen Mithaftungstatbestand;57 insoweit hat sich der BGH inzwischen korrigiert.58 Auch wenn eine Personengesellschaft als Insolvenzschuldnerin für bestimmte Masseverbindlichkeiten nur gegenständlich beschränkt auf die Masse haftet, rechtfertigt dies allein nicht, dass die Haftung der Gesellschafter aus § 128 HGB für diese Verbindlichkeiten der Gesellschaft von vornherein ausscheidet.59 Es ist vielmehr eine aus § 128 HGB zu beantwortende Frage. Hier ist der BGH für das Regelinsolvenzverfahren der Auffassung, dass § 128 HGB jedenfalls dann nicht teleologisch zu reduzieren ist, wenn es sich bei den Masseverbindlichkeiten um Schulden handelt, die von der Insolvenzschuldnerin, dh der Gesellschaft, seinerzeit selbst begründet worden sind.60 Das trifft zB auf Masseverbindlichkeiten iSv § 55 I Nr 2 zu.61 Diese Einschränkung lässt dem BGH den Spielraum, seine Auffassung, dass OHG-Gesellschafter für die Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft und die in diesem Verfahren von dem Verwalter begründeten Masseverbindlichkeiten nicht persönlich haften,62 aufrechtzuerhalten,63 indem er künftig mit einer teleologischen Reduktion von § 128 HGB argumentiert.64 Eine Haftung des Insolvenzverwalters für Masseverbindlichkeiten lässt sich aus den §§ 53– 23 55 nicht ableiten. Seine Haftung ist allein in § 61 geregelt. Ein Bereicherungsanspruch gegen ihn als Verwalter kommt nicht mehr in Betracht, wenn die Verwaltung beendet ist.

4. Bereicherungsanspruch des übergangenen Massegläubigers Gegen die einzelnen Insolvenzgläubiger kann ein Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) eines 24 Massegläubigers bestehen, der vom Insolvenzverwalter übergangen worden ist.65 Die Insolvenzgläubiger haben zum Nachteil des übergangenen Massegläubigers etwas erlangt, was ihnen nicht zustand. Zwar hatten sie Forderungen, die durch die Zahlung der Quoten teilweise erfüllt worden sind. Aber Rechtsgrund für die Zahlung der ihnen bei der Verteilung errechneten Quote ist nicht die Forderung, sondern ihr Recht, an der Realisierung der Haftung der Masse für die Insolvenzgläubiger teilzunehmen. Sie haben nur das Recht, daran nach Maßgabe einer ordnungsgemäßen Verteilung der Masse teilzunehmen.66 Bekommen sie mehr, als ihnen zusteht, weil eine vorweg zu tilgende Masseforderung nicht befriedigt worden ist, sind sie insoweit ohne Rechtsgrund bereichert. Die Bedeutung dieser Frage sollte allerdings nicht überschätzt werden. Denn meist wird der Bereicherungsanspruch nach § 206 verwirkt sein. Sollte das nicht der Fall sein, wird ein übergangener Massegläubiger nur selten den Insolvenzgläubigern ihre Quoten abjagen wollen. Er wird sich an den Insolvenzverwalter halten (§ 61).

57 Windel KTS 2011, 25, 40; Madaus EWiR 2021, 177 Rn 3.1. 58 BGH ZIP 2021, 528 Rn 23–25 unter Aufgabe von BGH ZIP 2009, 2204 (dazu noch MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 40; Kesseler NZI 2008, 42). 59 BGH ZIP 2021, 528 Rn 25 und BGH NZI 2021, 737 Rn 14 (jeweils Haftung des Kommanditisten für Steuerschulden nach § 55 IV) unter Aufgabe von BGH ZIP 2009, 2204. 60 BGH ZIP 2021, 528 Rn 28; ähnlich Marotzke DB 2013, 621 und 681; Zimmer ZInsO 2011, 1081 (dort auch bzgl Verbindlichkeiten gem § 55 IV); Feuerhelm Zur Haftung der offenen Handelsgesellschaft als Verwalterin und ihrer Gesellschafter im Eigenverwaltungsverfahren (2021) S 129 ff (dort S 135–180 für eine Übertragung auf die Eigenverwaltung). 61 Ringstmeier FS Vallender (2015) S 525, 527 f (s ebd 529 auch zu Steuerverbindlichkeiten); Feuerhelm a.a.O. (Fn 60) S 123. 62 BGH ZIP 2009, 2204; zust Marotzke DB 2013, 621 und 681; Jarchow/Hölken ZInsO 2021, 1937; aA Windel KTS 2011, 25, 40 ff; Thomale ZGR 2021, 643. 63 Von der in BGH ZIP 2009, 2204 gegebenen Begründung hat sich der BGH später distanziert: BGH ZIP 2021, 528. 64 IE ebenso Madaus EWiR 2021, 177 Rn 3.2; zweifelnd, was die Mithaftung für die Kosten angeht, Schmidt/Glasmacher NZI 2021 443, 444. 65 Jaeger/Weber KO8 § 172 Rn 1; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 172 Rn 1. AA Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 206 Rn 2. 66 Henckel FS Weber (1975) S 237, 243 ff. 645

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Ein Bereicherungsanspruch des übergangenen Massegläubigers gegen einen anderen Massegläubiger besteht regelmäßig nicht.67 Denn wenn dessen Forderung getilgt worden ist, hat er bekommen, was ihm zusteht. Rechtsgrund der an ihn geleisteten Zahlung ist seine Forderung. Anders kann es nur sein, wenn die Masse nicht ausreichte, um die Masseschulden zu decken (§§ 208 f).68 Dann kann ein Bereicherungsanspruch gegen nachrangige Massegläubiger bestehen und gegen gleichrangige, weil sie, ähnlich wie Insolvenzgläubiger, in der Situation der Masseunzulänglichkeit nur ein Recht auf ordnungsgemäße Verteilung haben. Auch hier kann der Anspruch nach § 206 verwirkt sein.

IV. Die Verfolgung der Masseforderungen 26 Die Gläubiger der Masseverbindlichkeiten werden „vorweg“ befriedigt (§ 53). Das bedeutet, dass sie ohne Rücksicht auf die Insolvenzgläubiger volle Befriedigung verlangen können, soweit die Masse zur Deckung ihrer Forderungen ausreicht.69 Sie nehmen nicht am Forderungsfeststellungsverfahren (§§ 174 ff) teil, können also nicht zur Tabelle festgestellt werden,70 und werden nicht am Verteilungsverfahren (§§ 187 ff) beteiligt. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie zeitlich vor den Insolvenzgläubigern befriedigt werden müssen. Der Insolvenzverwalter kann Abschlagsverteilungen (§ 187 II) vornehmen, ohne zuvor alle bis dahin entstandenen Masseverbindlichkeiten getilgt zu haben, solange die Masse zur Befriedigung der Massegläubiger ausreicht. 27 Die Massegläubiger unterliegen nicht den Beschränkungen der Rechtsausübung, denen die Insolvenzgläubiger ausgesetzt sind.71 Masseforderungen sind weder nach §§ 174 ff anzumelden noch werden sie im gerichtlichen Prüfungsverfahren (§§ 179 ff) festgestellt.72 Sie können mit ihrer Fälligkeit in jedem Stadium des Insolvenzverfahrens formlos gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.73 Die Darlegungs- und Beweislast für ihre Qualität als Masseforderung trägt grundsätzlich der Gläubiger.74 Massegläubiger profitieren nicht von der erleichterten Verjährungshemmung nach § 204 I Nr 10 BGB, sondern haben diese wie gewöhnliche Gläubiger zu bewirken.75 Massegläubiger können den Insolvenzverwalter auf Leistung verklagen und in die Masse vollstrecken, und zwar grundsätzlich zu jeder Zeit.76 Das Vollstreckungsverbot des § 89 gilt für sie nicht. Ein Vollstreckungsverbot besteht nur für Ansprüche aus Masseverbindlichkeiten, die nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden sind, und auch nur für die Dauer von sechs Monaten seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 90). Diese Einschränkung ist notwendig, um zu verhindern, dass dem Insolvenzverwalter sogleich die meist unzureichende Liquidität von den Gläubigern der weiterhin zu erfüllenden Dauerschuldverhältnisse genommen und damit eine Betriebsfortführung, die das Gesetz als Regelfall ansieht (§§ 156–158), ausgeschlossen oder wesentlich erschwert wird. Um desselben Zieles willen kann das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, auch wenn sie zugunsten von Gläubigern getroffen werden oder getroffen werden sollen, die nach § 55 II Massegläubiger sind. Vollstreckungsmaßnahmen von Massegläubigern, die nicht von einer solchen Anordnung betroffen worden sind, sind nicht nach § 88 unwirksam. Diese Vorschrift trifft nur die Insolvenzgläubiger. Der Massegläubiger braucht seine Fremdwährungsfor-

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Jaeger/Lent KO8 § 57 Rn 8. Jaeger/Lent KO8 § 60 Rn 8. Zur Pflicht des Verwalters, dies vor jeder Auszahlung zu prüfen, BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 53 Rn 4. BGH ZIP 2008, 1441 Rn 29. BAG ZIP 2021, 918 Rn 41. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 3. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 53 Rn 46; HambK/Jarchow InsO9 § 53 Rn 16. HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 33. Wenner/Jauch ZIP 2009, 1894; Runkel FS Kübler (2015) S 595, 599 f. Runkel FS Kübler (2015) S 595, 599 ff. Zur Prozesskostenhilfe für Massegläubiger Lang NZI 2012, 746, 748.

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derung nicht nach § 45 in Euro umzurechnen. Er unterliegt – vorbehaltlich §§ 208 f – auch nicht den Aufrechnungsbeschränkungen der §§ 95, 96.77 Von einem Insolvenzplan werden die Massegläubiger nicht betroffen (§§ 217, 258 II). Sie nehmen deshalb auch nicht an den Abstimmungen teil. Einen Insolvenzantrag können Gläubiger aus schwebenden gegenseitigen Verträgen (§ 103) stellen, da sie Insolvenzgläubiger sind, solange der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrages gewählt hat. Bis zur Erfüllungswahl des Verwalters sind sie als Insolvenzgläubiger auch stimmberechtigt. Der Massegläubiger ist berechtigt, den Antrag zur Abnahme der Vermögensauskunft (§ 807 28 ZPO) bzw der eidesstattlichen Versicherung (§ 883 II ZPO) zu stellen, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften vorliegen. Dann wäre der Insolvenzverwalter zur Abgabe verpflichtet, selbstverständlich nur hinsichtlich der Insolvenzmasse.78 Zeigt der Verwalter die Masseunzulänglichkeit an, dürfte die Vermögensauskunft des § 807 ZPO wegen des Vollstreckungsverbots des § 210 InsO allerdings unzulässig sein.79 Auch aus § 260 II BGB kann sich eine Pflicht des Verwalters zur eidesstattlichen Versicherung ergeben. Eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, den Massegläubigern über den Bestand der als unzulänglich angezeigten Masse Auskunft zu erteilen, sieht die InsO allerdings nicht vor.80 Sie ist auch nicht aus § 260 BGB abzuleiten, der eine anderweitig begründete Auskunftspflicht voraussetzt. Die Auskunftspflicht, die der BGH81 gegenüber einem Massegläubiger annahm, bezog sich nicht auf den Bestand einer unzulänglichen Masse. Anders als nach § 207 II sind die Gläubiger im Verfahren der §§ 208–211 nicht einmal anzuhören.82 Sie können lediglich Aufsichtsmaßnahmen des Gerichts (§ 58) anregen. Absonderungsrechte können zum Schutze von Masseansprüchen nicht nur im Wege des 29 Arrests und der Zwangsvollstreckung, sondern auch auf Grund rechtsgeschäftlicher Bestellung durch den Insolvenzverwalter unmittelbar kraft Gesetzes an Gegenständen der Insolvenzmasse entstehen. In gewissen Konstellationen können vormals vom Schuldner bestellte Sicherheiten inzwischen Masseforderungen sichern.83 Absonderungsrechte für Massegläubiger können namentlich in Fällen des § 209 von Vorteil sein, weil dieser die Absonderungsrechte unberührt lässt. Die Beschränkung der Forderung auf den Ausfall (§ 52) trifft nur absonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger. Gegenüber absonderungsberechtigten Massegläubigern ist § 52 weder direkt noch entsprechend anwendbar.84 Unanwendbar sind auch die §§ 166–172,85 obwohl sie dem Wortlaut nach nicht nur Absonderungsrechte der Insolvenzgläubiger treffen. § 166 soll die Masse davor bewahren, dass die Fortführung oder Abwicklung des Unternehmens durch Wegnahme und Verwertung des Sicherungsguts behindert und der Kostenbeitrag gefährdet wird. Den Kostenbeitrag schuldet der Massegläubiger nicht und von einer die Verwaltung behindernden Verwertung kann nicht gesprochen werden, wenn der Verwalter selbst das Sicherungsrecht bestellt hat oder den Sicherungsfall auslöst, weil er die Masseschuld nicht tilgt. Auch § 90 findet auf Absonderungsrechte keine Anwendung. Er trifft ebenso wie §§ 88, 89 nur die Vollstreckung wegen schuldrechtlicher Ansprüche. Dagegen ist § 173 II nach seinem Zweck auch auf Absonderungsrechte der Massegläubiger anwendbar.86 Auch hier muss der Verwalter in der Lage sein, auf eine zügige Verwertung zu drängen, um einen etwa zu erzielenden Überschuss zur Masse ziehen zu können. 77 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 6. 78 MünchKomm/Forbriger ZPO6 § 802c Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 38; Jaeger LZ 1909, 718 f.

79 Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 37; Stamm LMK 2012, 336114; zur Sperrung der alten Offenbarungsversicherung durch § 89 InsO BGH ZIP 2012, 1311; zur KO LG Bremen ZIP 1984, 1259.

80 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 38; zur KO RG KuT 1932, 26; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 60 Rn 8. AA Jaeger/Lent KO8 § 57 Rn 10. BGHZ 49, 11, 13. Uhlenbruck/Ries InsO15 § 208 Rn 17. Becker ZIP 2013, 1554. Jaeger/Hoffmann InsO2 § 52 Rn 7; MünchKomm/Ganter InsO4 § 52 Rn 5; allenfalls in der Situation der Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff) wäre an eine entsprechende Anwendung zu denken. 85 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 53 Rn 26. 86 RGZ 14, 3; Wolff KO2 Anm 5; Kilger/Schmidt KO17 § 57 Rn 3; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 57 Rn 16.

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§ 53

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

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Masseansprüche muss der Insolvenzverwalter, sobald sie fällig geworden sind, vorbehaltlich des § 209 befriedigen. Jedenfalls hat er vor Beendigung des Insolvenzverfahrens für die Deckung aller ihm bekannten Masseansprüche Sorge zu tragen. Die Zahlungspflicht setzt aber nicht etwa erst bei Beendigung des Insolvenzverfahrens ein. Soweit der Verwalter Massegläubiger ist (§§ 54 Nr 2, 63 f), kann er sich selbst aus der Masse befriedigen, bei Masseunzulänglichkeit im gleichen Rang mit den Gerichtskosten vor den Gläubigern der übrigen Masseverbindlichkeiten (§ 209 I Nr 1 mit § 54). 31 Weigert sich der Verwalter, eine Masseverbindlichkeit zu erfüllen, weil die Forderung nicht bestehe oder weil sie keine Masse-, sondern eine Insolvenzforderung sei, ist der Gläubiger auf den Weg der Klage gegen den Verwalter bzw auf Fortsetzung eines vor der Verfahrenseröffnung geführten, unterbrochenen Prozesses nach dessen Aufnahme (§ 240 ZPO, § 86 I Nr 3 InsO)87 angewiesen. Weder eine Anmeldung der Forderung, sei es, dass sie für den Fall geschieht, dass der Anspruch Insolvenzforderung sei, sei es wegen eines Irrtums über die Eigenschaft als Masseforderung,88 noch die Eintragung der Forderung als festgestellt in die Tabelle (§ 178 II, III)89 entzieht ihm die Sonderrechte eines Massegläubigers.90 Das gilt auch für einen als Insolvenzforderung angemeldeten Anspruch, der nach einem Widerspruch des Insolvenzverwalters im Prozess rechtskräftig festgestellt worden ist (§§ 179, 183). Denn im Prozess wurde nur über das Bestehen der Forderung als Voraussetzung der Beteiligung des Gläubigers an der Verteilung der haftenden Masse gestritten, nicht aber um eine Qualität der Forderung als Masseforderung.91 Gleichsam ist der Insolvenzverwalter durch die rechtskräftige Feststellung nach §§ 179, 183 nicht gehindert, den inzwischen als Masseforderung geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu bestreiten.92 Obgleich ein Gläubiger auf seine Vorrechte als Massegläubiger verzichten kann,93 ist die Entgegennahme der Insolvenzquote für sich allein nicht als Verzicht auf das Massegläubigerrecht zu deuten. Der Insolvenzverwalter ist allenfalls gegenüber erkennbar geschäftsunerfahrenen Personen verpflichtet, den Gläubiger, der die Forderung zur Tabelle anmeldet, über den Masseforderungscharakter zu belehren.94 Umgekehrt hebt auch die durch einen Irrtum des Verwalters veranlasste Behandlung einer Insolvenzforderung als Masseforderung die Eigenschaft als Insolvenzforderung nicht auf.95 Der Masse steht gegen den Insolvenzgläubiger, den der Verwalter fälschlich als Massegläubiger befriedigt hat, ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu.96 Dass er nicht mehr bekommen hat als den Betrag seiner Forderung, berechtigt ihn nicht, die Zahlung zu behalten. Denn im Insolvenzverfahren hat er keinen Anspruch auf Tilgung seiner Forderung, sondern nur auf den mit der Quote errechneten Anteil an dem Erlös, der bei der Verwertung des haftenden Vermögens erzielt wird, abzüglich der Kosten und des Verwaltungsaufwandes, also der Masseverbindlichkeiten. 32 Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten über Masseansprüche können nach § 86 I Nr 3 sowohl vom Verwalter als auch vom Gläubiger aufgenommen werden (ebenso im Eröffnungsverfahren: § 24 II).97 Ansprüche aus gegenseitigen Schuldverträgen werden durch Erfüllungswahl des Verwalters nach § 55 I Nr 2 zu Masseschuldforderungen. Zur Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 7. BAG ZIP 2003, 1802; RGZ 98, 137. KG LZ 1907, 679. BGH ZIP 2006, 1410; BAG ZIP 2003, 1802; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 5; Braun/Bäuerle InsO9 § 53 Rn 11; BeckOK/ Erdmann InsR27 InsO § 53 Rn 8; zum Aspekt der Verjährungshemmung: Runkel FS Kübler (2015) S 595, 599 f. 91 BGH ZIP 2006, 1410; KG OLGRspr 19, 214; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 5. 92 BGH ZIP 2006, 1410; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 5. 93 Smid ZInsO 2017, 1121. 94 Weitergehend KK/Hess InsO § 53 Rn 40, 42; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 5. 95 RG JW 1905, 390. 96 RGZ 23, 54, 61; 60, 419; BAG DB 1979, 847; OLG Brandenburg NZI 2002, 107 = WM 2002, 974; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 5; Mohrbutter Der Ausgleich von Verteilungsfehlern in der Insolvenz (1998) S 29 ff; Braun/Bäuerle InsO9 § 53 Rn 12. AA LG Stuttgart ZIP 1985, 1518. 97 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 7.

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Massegläubiger

§ 53

Behandlung von Prozessen um Masseverbindlichkeiten, die bei Beendigung des Insolvenzverfahrens noch rechtshängig sind, s zu § 80.98

V. Verhältnis der Massegläubiger zu Aus- und Absonderungsberechtigten Die Insolvenzmasse, aus der die Massegläubiger nach § 53 vorweg, dh vor sämtlichen Insolvenz- 33 gläubigern und vor Insolvenzgläubigern mit Sondervorrechten,99 zu befriedigen sind, ist die nach Ausscheidung fremder Vermögenswerte verbleibende Masse. Die Aussonderungsrechte einschließlich der Ersatzaussonderung (§ 48) gehen also vor. Die Absonderungsberechtigten haben Vorzugsbefriedigung aus bestimmten Massegegen- 34 ständen zu beanspruchen und verdrängen insoweit auch die Massegläubiger als solche. Nur der nach Deckung der Absonderungsrechte verbleibende Erlösüberschuss gehört zu der Masse, aus der die Massegläubiger nach § 53 vor den Insolvenzgläubigern zu befriedigen sind. Deshalb können auch Masseforderungen im Wege der Zwangsvollstreckung aus belasteten Massegegenständen nur unbeschadet der Absonderungsrechte beigetrieben werden. Absonderungsrecht und Masseanspruch sind keine Gegensätze, die einander ausschließen. Absonderungsrechte können zur Sicherung von Insolvenzforderungen und auch von anderen Forderungen bestehen. Zur Sicherung von Masseforderungen können sie noch während des Insolvenzverfahrens begründet werden (Rn 29). Bestellt der Verwalter für eine von ihm zu Lasten der Masse begründete Schuld ein Sicherungsrecht an einem Massegegenstand, zB eine Grundschuld zur Sicherung eines von ihm aufgenommenen Darlehens, dann begründet die persönliche Haftung den Masseanspruch (§ 55 I Nr 1), die dingliche das Absonderungsrecht. Der Ausfallgrundsatz (§ 52) greift hier nicht ein (Rn 29). Die nach Berichtigung der Aus- und Absonderungsansprüche verbleibende Insolvenzmasse 35 haftet für alle Masseforderungen in vollem Umfang. Das Interesse des Massegläubigers, vor angemaßten ihm vorgehenden Aus- oder Absonderungsrechten bewahrt zu bleiben, kann er als Nebenintervenient in den vom Verwalter gegen die Aus- oder Absonderungsprätendenten geführten Prozesse wahren (§ 66 ZPO), aber nur als einfacher Nebenintervenient, nicht als streitgenössischer iSd § 69 ZPO, da die Rechtskraft des im Prozess des Verwalters ergangenen Urteils nicht auf den Massegläubiger erstreckt wird.

98 Jaeger/Windel InsO1 § 80 Rn 205 ff; Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 109 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 53 Rn 12. 99 Z.B. § 32 DepotG Jaeger/Henckel InsO1 Vorbem zu §§ 49–52 Rn 15. 649

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§ 54 Kosten des Insolvenzverfahrens Kosten des Insolvenzverfahrens sind: 1. die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren; 2. die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.

Materialien DiskE § 59; RefE § 59; RegE § 63, BR-Drucks 1/92 S 126, BT-Drucks 12/2443 S 126; RA BT-Drucks 12/7302.

Vorgängerregelung § 58 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 315 ff, Begr EKO S 242 ff, KO-Prot S 49, 150).

Literatur Vgl auch zu § 53; Frind Bedeutung und Stellenwert von Beraterkosten im Eigenverwaltungsverfahren, ZIP 2019, 1945; Gerke/Sietz Reichweite des Auslagenbegriffs gem. § 54 InsO und steuerrechtliche Pflichten des Verwalters in massearmen Verfahren, NZI 2005, 373; Mock Kostentragung und Finanzierung von Rechtsmitteln des Schuldners im Insolvenzverfahren, NZI 2015, 633; Schoppmeyer Gebührenstreitwert im Insolvenzverfahren, ZIP 2013, 811; Zimmer Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses, ZIP 2013, 1309.

Übersicht I. 1. 2.

Einleitung Verhältnis zur Konkursordnung 3 Zweck der Vorschrift

II. 1. 2. 3.

Gerichtskosten 4 Gebühren und Auslagen 7 Wertberechnung Gebührentatbestände und Gebührenbe8 träge Kosten des Gerichtsvollziehers und der Register9 gerichte 10 Haftung der Masse und des Schuldners

4. 5.

1

6. 7. 8.

11 Prozesse des Verwalters 13 Beschwerdeverfahren 14 Fälligkeit und Vollstreckung

III. 1. 2.

Vergütung und Auslagen der Verwalter 15 Insolvenzverwalter 21 Vorläufiger Insolvenzverwalter

IV.

Vergütung und Auslagen der Mitglieder des Gläu22 bigerausschusses

V.

Entsprechende Anwendung; Sachwalter

23

Alphabetische Übersicht Auslagen – des Verwalters 2, 15–21 – des Gerichts 4, 5, 13 – des Gerichtsvollziehers 9 f – Gläubigerausschussmitglieder 22 – des Sachwalters 23 Beschwerde 6, 8, 13 Eröffnungsverfahren 4, 7, 8, 10, 13, 19, 21 Fälligkeit 14, 22 Gerichtsgebühren 4–7, 9, 10, 13, 22

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Haftpflichtversicherung 17 Prozesskosten 11, 12 Prüfungstermin 4, 6, 8 Registergericht 9 Restschuldbefreiung 6, 8, 13 Verwaltergebühren 11, 15–20 Verwaltungsausgaben 1, 2, 15 Verwertungsausgaben 1, 15 Vollstreckung 14 Vorläufiger Verwalter 5, 21

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Kosten des Insolvenzverfahrens

§ 54

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Konkursordnung § 54 InsO zieht den Kreis der Kosten des Insolvenzverfahrens erheblich enger als die Konkursord- 1 nung mit § 58 KO. Die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse (§ 58 Nr 2 KO) und die dem Schuldner zu gewährende Unterstützung (§ 58 Nr 3 KO) gehören nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens. Sie gehören zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten (§§ 55 I Nr 1, 100, 101, 209). Die Vergütungen und Auslagen des Verwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses 2 wurden schon nach der KO als Massekosten eingeordnet,1 zählten jedoch zu den Verwaltungsausgaben (§ 58 Nr 2 KO), die jetzt zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 I Nr 1 InsO) gehören. Hätte die InsO diese Einordnung beibehalten, hätten die Vergütungen und Auslagen bei Masseunzulänglichkeit einen schlechteren Rang erhalten als ihn das Bundesverfassungsgericht2 dem Konkursverwalter zugesprochen hatte. Die Einbeziehung der Mitglieder des Gläubigerausschusses wäre schon für das Konkursrecht konsequent gewesen. Für den vorläufigen Insolvenzverwalter fehlte in der KO eine Norm über seine Vergütung und Auslagen. Die hM behandelte sie als Massekosten iSd § 58 Nr 2 KO. § 54 ordnet sie ausdrücklich den Kosten des Insolvenzverfahrens zu. Bei der Anwendung der Rechtsprechung und der Literatur zur KO sind die unterschiedlichen Zuordnungen des § 58 KO in der InsO und die Änderungen des GKG und der Vergütungsvorschriften zu berücksichtigen.

2. Zweck der Vorschrift Die Unterscheidung zwischen den Kosten des Verfahrens und den sonstigen Masseverbindlich- 3 keiten sowie die Beschränkung des § 54 InsO auf die Kosten des Verfahrens gegenüber der weiteren Fassung des § 58 KO ist erheblich.3 Eine Einstellung des Verfahrens nach § 207 ist nur möglich, wenn der enge Kreis der Kosten des Verfahrens nicht gedeckt ist. Um zu einer angemessenen Verteilung der unzureichenden Masse zu kommen, musste der Kreis der Ansprüche, die eine solche Verteilung nach § 207 ausschließen, eng gehalten werden. Wenn die eng begrenzten Kosten des Verfahrens beglichen werden, aber die Masse nicht ausreicht, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, liegt Masseunzulänglichkeit vor mit den Folgen der §§ 208–211. Die Rangfolge des § 209 gilt nur für die sonstigen Masseverbindlichkeiten. Die Kosten des Verfahrens haben folglich absoluten Vorrang.4 Ein anderes Anliegen, den Kreis der Kosten eng zu ziehen, ist es im Hinblick auf § 26 I S 1, die Zahl der Eröffnungen zu erhöhen.5 Angesichts der vorgenannten Ziele hat der Gesetzgeber in § 54 ausdrücklich und enumerativ definiert, was zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehört (zum grundsätzlich abschließenden Charakter Rn 24).6

1 RGZ 61, 261; OLGZ 25, 337; 31, 65; Jaeger/Lent KO8 § 58 Rn 5; Jaeger/Weber KO8 § 85 Rn 3; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 85 Rn 19, § 91 Rn 8. 2 BVerfG KTS 1993, 403 = ZIP 1993, 838, dazu EWiR § 60 KO 4/93, 701 (Pape); BVerfG ZIP 1993, 1246, dazu EWiR § 60 KO 5/93, 1005 (Henckel). 3 S schon § 53 Rn 7; vgl BGH ZIP 2016, 1688 Rn 22 ff. 4 BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 54 Rn 2. 5 BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 54 Rn 2; K Schmidt/Thole InsO19 § 54 Rn 1; Kaufmann ZInsO 2006, 961; die Grenzen dieses Anliegens zeigt Voigt ZIP 2004, 1531; vgl auch unten Rn 19. 6 BGH ZIP 2016, 1688 Rn 22 ff; ZIP 2010, 2252 Rn 9. 651

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§ 54

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

II. Gerichtskosten 1. Gebühren und Auslagen 4 Zu den Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren iSd § 54 gehören die Gebühren und die Auslagen des Gerichts (§ 1 I S 1 Nr 2 GKG), soweit sie der Insolvenzmasse zur Last fallen. Gebühren für das Insolvenzverfahren sind: – die Gebühren für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2310, 2311); – die Gebühren für die Durchführung des Insolvenzverfahrens (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2320, 2330), mit den Ermäßigungen bei Einstellung des Verfahrens nach §§ 207, 211, 212, 213 InsO vor dem Ende des Prüfungstermins (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2321, 2331) und nach dem Ende des Prüfungstermins (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2322, 2332). 5 Die zu den Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren zu zählenden Auslagen sind im Teil 9 des GKG-Kostenverzeichnisses (Nr 9000 ff) aufgeführt. Die Vergütung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gehört nicht zu den Auslagen des Gerichts.7 Umstritten ist dies für die Kosten eines für die Prüfung der vom Insolvenzverwalter vorgelegten Schlussrechnung gerichtlich beauftragten Sachverständigen.8 6 Nicht zu den Gerichtskosten der Nr 1 gehören die Gebühr für einen besonderen Prüfungstermin und ein schriftliches Prüfungsverfahren (§ 177 InsO, GKG-Kostenverzeichnis Nr 2340)9 und die Gebühr für die Entscheidung über den Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (§§ 296–297a, 300 und 303 InsO, GKG-Kostenverzeichnis Nr 2350).10 Sie fallen dem Säumigen (§ 177 I InsO) bzw dem Antragsteller (§ 23 II GKG) endgültig zur Last. Wird die Restschuldbefreiung auf Antrag des Treuhänders nach § 298 versagt, wird dafür keine Gebühr erhoben (arg e GKG-Kostenverzeichnis Nr 2350). Kosten, die durch eine sofortige Beschwerde oder die Rechtsbeschwerde des Schuldners oder eines Gläubigers entstehen, zählen ebenfalls nicht zu den Gerichtskosten „für das Insolvenzverfahren“ (Nr 1); im ersteren Fall wurden sie durch den Schuldner persönlich und nicht durch ihn als Träger der Insolvenzmasse veranlasst.11 Auslagen des Gerichts, die infolge ungerechtfertigter Einwendungen oder Anträge in Fällen der §§ 194, 197, 251, 214 erwachsen, sind nicht von der Masse, sondern von den unterliegenden Gläubigern persönlich zu tragen.

2. Wertberechnung 7 Die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren werden nach den im Allgemeinen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten festgesetzten Wertklassen und Gebührensätzen berechnet. Maßgebend für die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens (§ 58 I S 1 GKG).12 Der Neuerwerb wird also mit einbezogen. Das gilt auch für die laufenden Bezüge des Schuldners, deren pfändbarer Teil während der ganzen Laufzeit des Verfahrens in die Insolvenzmasse fließt (§§ 35, 36 InsO).13 Wird das Unternehmen des Schuldners oder ein Teil davon fortgeführt, so ist von den bei der Fortführung erzielten Einnahmen nur der Überschuss zu be-

7 RefE Begr zu Art 29 EGInsO Nr 8 (§ 50 GKG aF). 8 Für Auslagen iSv § 54 LG Heilbronn ZIP 2009, 1437; aA Haertlein NZI 2009, 577. 9 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 54 Rn 11. 10 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 54 Rn 13. 11 BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 54 Rn 3. 12 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 54 Rn 4. 13 RefE Begr zu Art 29 EGInsO Nr 6 (§ 37 GKG aF). Eichel

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Kosten des Insolvenzverfahrens

§ 54

rücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben ergibt (so ausdrücklich § 58 I S 3, 4 GKG14). Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, gehören zwar auch zur Insolvenzmasse (vgl § 50 InsO), werden aber nur in Höhe des für die abgesonderte Befriedigung nicht benötigten Betrags angesetzt (§ 58 I S 2 GKG).15 Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag (GKGKostenverzeichnis Nr 2311) im Grundsatz nach dem Betrag seiner Forderung erhoben, hingegen nur nach dem Wert der Insolvenzmasse, wenn dieser geringer ist als der Betrag seiner Forderung (§ 58 II GKG). Nebenforderungen, insbesondere Zinsen, werden nicht eingerechnet (§ 43 GKG). Der maßgebende Wert wird, soweit er sich nicht aus der Verwertung der Gegenstände ergibt, vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen (§ 48 I S 1 GKG, § 3 ZPO; Kosten dafür: § 64 GKG).16 Die Höchstgrenze für die Gerichtsgebühren aus § 39 II GKG gilt nach hM auch für das Insolvenzverfahren.17

3. Gebührentatbestände und Gebührenbeträge Für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird eine halbe Gebühr 8 berechnet (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2310, 2311), auch wenn das Verfahren nach § 306 bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan ruht (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2310). Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt, beträgt die Gebühr mindestens 198,00 A (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2311). Wird das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners durchgeführt, werden 2½ Gebühren berechnet, auch wenn das Verfahren gleichzeitig auf Antrag eines Gläubigers eröffnet wird (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2320). Anders als unter der Konkursordnung fällt die Gebühr für das Eröffnungsverfahren nicht weg. Als Ausgleich ist die Gebühr für die Durchführung des Verfahrens, wenn der Schuldner die Eröffnung beantragt hat, um eine halbe Gebühr niedriger als beim ausschließlichen Gläubigerantrag, bei dem eine dreifache Gebühr für die Durchführung des Verfahrens erhoben wird (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2330). Sowohl beim Schuldner- als auch beim Gläubigerantrag entfällt die Gebühr für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, wenn der Eröffnungsbeschluss auf Beschwerde hin aufgehoben wird (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2320, 2330). Die Gebühr für die Durchführung des Insolvenzverfahrens ermäßigt sich bei Einstellung vor dem Ende des Prüfungstermins beim Schuldnerantrag auf eine halbe (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2321), beim ausschließlichen Gläubigerantrag auf eine ganze Gebühr (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2331), bei Einstellung nach dem Ende des Prüfungstermins beim Schuldnerantrag auf 1½ Gebühren (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2322), beim ausschließlichen Gläubigerantrag auf 2 Gebühren (GKGKostenverzeichnis Nr 2332). Für das Insolvenzplanverfahren wird keine zusätzliche Gebühr erhoben, und auch die Restschuldbefreiung soll grundsätzlich mit den allgemeinen Gebühren abgegolten sein.18 Die Gebühren für das Eröffnungsverfahren (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2310, 2311) und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2320, 2330) decken alle im Verfahren vorgenommenen Handlungen und Maßnahmen des Insolvenzgerichts ab, so zB die Sicherungsmaßnahmen der §§ 21, 22 InsO, die Vorführung und Inhaftnahme des Schuldners (§ 98 II) oder die Abnahme einer Offenbarungsversicherung (§ 98 I).

14 In der neuen Fassung seit 1.1.2021; mwN zur früheren Diskussion, aber iE wie hier HambK/Jarchow InsO9 § 54 Rn 11. Zu Einzelheiten Schoppmeyer ZIP 2013, 811, 813 f. 15 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 54 Rn 4. 16 Vgl BeckOK/Sengl KostR38 GKG § 58 Rn 3. 17 OLG Frankfurt ZIP 2014, 1238; BeckOK/Schindler KostR38 GKG § 39 Rn 34; Schoppmeyer ZIP 2013, 811; aA Nicht/ Schildt NZI 2013, 64. 18 RegE Begr zu Art 29 EGInsO; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 54 Rn 12; Holzer/Semmelbeck NZI 2015, 354, 355. 653

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§ 54

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

4. Kosten des Gerichtsvollziehers und der Registergerichte 9 Kosten, die durch Handlungen eines Gerichtsvollziehers, zB für die Siegelung (§ 150), entstehen, sind zusammen mit den dabei anfallenden Auslagen aus der Masse nach § 54 Nr 1 zu erstatten.19 Registereintragungen und Löschungen, die auf Ersuchen oder Anordnung des Insolvenzgerichts oder nach den Vorschriften der InsO statt auf Ersuchen des Insolvenzgerichts auf Antrag des Insolvenzverwalters, oder, wenn kein Verwalter bestellt ist, auf Antrag des Schuldners vorgenommen werden (§§ 31–33 InsO), sind nach Maßgabe von § 58 I S 2 GNotKG i.V.m. Kostenverzeichnis GNotKG, Vorbem 1.3 Abs 2 Nr 1 und Vorbem 1.4 Abs 2 Nr 2, 3 gebührenfrei. Zu erstatten sind aus der Insolvenzmasse aber die Auslagen.20

5. Haftung der Masse und des Schuldners 10 Die Insolvenzmasse haftet für die von § 54 erfassten (s Rn 4 f) Gebühren und Auslagen für das Verfahren zur Durchführung des Insolvenzverfahrens und für das Verfahren über den vom Schuldner gestellten Eröffnungsantrag, wenn dieser Antrag zur Eröffnung führt, außerdem für die Auslagen des Eröffnungsverfahrens beim erfolgreichen Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Verfahrens. Die Gebühr für das Verfahren zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens trägt in letzterem Fall dagegen der antragstellende Gläubiger (§ 23 I S 1 GKG, GKG-Kostenverzeichnis Nr 2311). Der Gläubiger hat aber einen Rückgriffsanspruch, mit dem er die Erstattung der Gebühr aus der Masse nach § 54 Nr 1 verlangen kann.21 Was die Kosten des § 54 Nr 1 angeht, haftet der Schuldner nur beschränkt auf das Massevermögen und nicht mit seinem persönlichen Vermögen (§ 53 Rn 13). Wird der Eröffnungsantrag abgelehnt, schuldet der Antragsteller die Eröffnungsgebühr und die Auslagen des Gerichts (§ 23 I S 2 GKG). Die Regelung des § 4a ermöglicht eine Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens, um mittellosen Schuldnern den Zugang zum Insolvenzverfahren zu eröffnen.22

6. Prozesse des Verwalters 11 Die Kosten vom Insolvenzverwalter begonnener oder fortgeführter, aber verlorener Masseprozesse, besonders um Aus- oder Absonderungsrechte, um Insolvenz- oder Massegläubigerrechte oder auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr, fallen (vorbehaltlich des § 86 II) der Insolvenzmasse nach § 55 I Nr 1 als sonstige Masseverbindlichkeiten zur Last. § 54 Nr 1 erfasst diese Kosten nicht. 12 Ein Anspruch auf Erstattung der Gebühren eines Rechtsanwalts, der im Insolvenzverfahren für einen Insolvenzgläubiger oder für den Schuldner persönlich tätig wird (RVG-Kostenverzeichnis Nr 3313 ff) ist in der InsO nicht als Masseforderung vorgesehen. Die Anwaltsgebühren sind Rechtsverfolgungskosten, die im Fall der Mandatierung durch einen Insolvenzgläubiger nach § 39 I Nr 2 als nachrangige Insolvenzforderungen zu berichtigen sind, obwohl sie erst nach der Verfahrenseröffnung anfallen.23

19 AA (§ 55 I Nr 1) Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 150 Rn 9; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 150 Rn 7. 20 Vgl etwa Kübler/Prütting/Bork/Holzer InsO91 § 32 Rn 48. 21 Jaeger/Lent KO8 § 58 Rn 4 b; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 54 Rn 12; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 54 Rn 12. 22 Uhlenbruck/Mock InsO15 § 4a Rn 2; Huep/Webel NZI 2011, 389. 23 Jaeger/Mylich § 39 Rn 41; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 54 Rn 37; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 54 Rn 33–34. Eichel

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Kosten des Insolvenzverfahrens

§ 54

7. Beschwerdeverfahren Für insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren sind besondere Gebühren vorgesehen, die mit den 13 Gebühren für das Eröffnungsverfahren und die Durchführung des Eröffnungsverfahrens nicht abgegolten sind. Hat ein Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde oder der Rechtsbeschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 34, 6 InsO, § 574 ZPO) Erfolg, fallen die volle (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2380) bzw doppelte Gebühr (GKG-Kostenverzeichnis Nr 2383) und die Auslagen des Gerichts der Masse zur Last.24 Dasselbe gilt für eine sofortige Beschwerde und eine Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen die Abweisung seines eigenen Antrags oder gegen die Abweisung eines Gläubigerantrags mangels kostendeckender Masse (§§ 34, 26, 6 InsO, § 574 ZPO). Die Kosten erfolgloser Beschwerden eines Gläubigers oder des Schuldners fallen diesen zur Last.25 Für die Beschwerden gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und gegen die Ablehnung der Eröffnung gilt die besondere Wertberechnungsvorschrift des § 58 III GKG. In Verfahren über sonstige Beschwerden in Insolvenzsachen, die im GKG-Kostenverzeichnis nicht besonders aufgeführt sind und die nicht nach anderen Vorschriften gebührenfrei sind, entsteht eine Gerichtsgebühr nur dann, wenn die Beschwerde vom Gericht verworfen oder zurückgewiesen wird.26 Beispielsweise wird für das Verfahren über die erfolglose Beschwerde des Schuldners gegen die Versagung der Restschuldbefreiung eine Gebühr von 66,00 A erhoben (GKGKostenverzeichnis Nr 2381).27

8. Fälligkeit und Vollstreckung Nach § 6 I GKG werden die Gebühren mit der Einreichung der Antrags- oder Beschwerdeschrift oder 14 mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig. Da die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten auch gegenüber der Staatskasse besteht, können sie ohne besonderen Titel nach den Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes vollstreckt werden (§ 1 I Nr 4, 7 JBeitrG). Die Vollstreckung richtet sich im laufenden Insolvenzverfahren gegen die Insolvenzmasse, nicht gegen den Insolvenzverwalter. Dieser wird nur insoweit als Vollstreckungsschuldner (§ 4 JBeitrG) behandelt, wie zur Vollstreckung in die Masse Verwaltungshandlungen notwendig sind, die in die Kompetenz des Insolvenzverwalters fallen. Die Vollstreckungssperre des § 90 InsO gilt auch für die Beitreibung der Kosten. Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, sind nach den Vorschriften über die Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen (§ 8 I S 1 HS 1 JBeitrG). § 767 ZPO ist nicht anwendbar (§ 6 I JBeitrG).

III. Vergütung und Auslagen der Verwalter 1. Insolvenzverwalter Nach § 53 vorweg zu berichtigen sind die Vergütung, die nach § 63 und der Insolvenzrechtlichen 15 Vergütungsverordnung (InsVV)28 errechnet wird, sowie die angemessenen Auslagen (§ 63), die

24 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 54 Rn 27 f. 25 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 54 Rn 27 f. Zur daraus resultierenden Problematik für den Schuldner und Finanzierungsfragen Mock NZI 2015, 633. 26 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 54 Rn 25. 27 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 54 Rn 25. 28 Zur Rechtsgrundlage s § 65 InsO. 655

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§ 54

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

nach § 64 InsO und § 8 InsVV festgesetzt worden sind.29 Nicht zu den Auslagen gehören die Ausgaben des Verwalters für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse, die ausdrücklich den sonstigen Masseverbindlichkeiten zugeordnet sind (§ 55 I Nr 1).30 Die vom Insolvenzverwalter befriedigten Umsatzsteuerschulden, die durch die Veräußerung von Massegegenständen entstanden sind, fallen daher ebenso wenig unter § 54 Nr 2.31 Indem § 55 I Nr 1 von Verbindlichkeiten spricht, die durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründet werden, wird deutlich, dass eigene Aufwendungen des Verwalters selbst weder nach § 54 noch nach § 55 zu den zuvor zu berichtigenden Masseverbindlichkeiten gehören. Die eigenen Aufwendungen des Verwalters sind mit seiner Vergütung abgegolten. Das gilt zB für zusätzliche Ausstattung seines eigenen Büros, etwa mit Computern mit Rücksicht auf Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens oder für Personal, das er/sie zusätzlich einstellt.32 § 4 InsVV verdeutlicht das, indem er ausdrücklich festlegt, dass die allgemeinen Geschäftskosten des Verwalters mit der Vergütung abgegolten sind und zu diesen der Büroaufwand zählt einschließlich der Gehälter seiner Angestellten, auch soweit sie anlässlich des Insolvenzverfahrens eingestellt worden sind. Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, zur Erledigung besonderer Aufgaben im Rahmen der Verwaltung für die Masse Dienst- oder Werkverträge abzuschließen (§ 4 I S 3 InsVV). Mit solchen Verträgen begründet er allerdings sonstige Masseverbindlichkeiten iSd § 55 I Nr 1.33 Dennoch erkennt der BGH in Ausnahmefällen Kosten eines Steuerberaters als Auslagen an, was sich mit der Gesetzeslage kaum vereinbaren lässt (unten Rn 19). Die Kosten des Verwalters für die Installation eines digitalen Gläubigerinformationssystems hat der BGH als mit der Vergütung abgegolten gesehen.34 Führt ein als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter Prozesse für die Masse, die ein nicht 16 als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen hätte, kann er nach § 5 I InsVV nach Maßgabe des RVG Gebühren und Auslagen der Masse entnehmen (analog für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder andere Qualifikation, § 5 II InsVV).35 Zu beachten ist aber, dass es sich insoweit nicht um Kosten des Insolvenzverfahrens iSd § 54, sondern um sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55) handelt.36 Bei Masseunzulänglichkeit (§ 208) muss der Verwalter deshalb die Rangfolge des § 209 beachten. Zu den Auslagen des Insolvenzverwalters gehören zB Reisekosten, auch der Mitarbeiter, 17 für Reisen, die durch die Masseverwaltung veranlasst sind (§ 4 II InsVV), ferner Telekommunikations- und IT-Kosten sowie Fotokopier- und Portokosten.37 Zu den Auslagen zählen auch die Kosten einer angemessenen zusätzlichen Haftpflichtversicherung des Verwalters, wenn die Verwaltung mit einem besonderen Haftungsrisiko verbunden ist, das durch die regelmäßig aus der Vergütung zu bestreitende Haftpflichtversicherung nicht gedeckt ist (§ 4 III S 2 InsVV). Statt die Auslagen einzeln nachzuweisen, kann der Verwalter nach § 8 III einen Pauschalsatz fordern, der im ersten Jahr 15 %, danach 10 % der gesetzlichen Vergütung, höchstens jedoch 350,00 A je angefange29 Wegen der Vergütung und Auslagenerstattung im Einzelnen s zu §§ 63–65; nach Viertelhausen UR 2008, 873, 878 erfasst § 54 auch die für die Vergütung anfallende Umsatzsteuer. 30 Früher gehörten sie zu den Massekosten (§ 58 Nr 2 KO), s oben Rn 2; Pape/Hauser Massearme Verfahren nach der InsO (2002) Rn 72 ff; Frenzel/Schmidt InVo 2000, 149 ff; Kritik an der Regelung der InsO gegenüber der KO bei Rattunde/ Röder DZWIR 1999, 309 ff. 31 BGH ZIP 2010, 2252 Rn 8 ff; Huep/Webel NZI 2011, 389, 391 f. 32 Braun/Bäuerle InsO9 § 54 Rn 28; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 54 Rn 39; Nerlich/Römermann/Weiß InsO44 § 63 Rn 28. 33 Braun/Bäuerle InsO9 § 54 Rn 29. 34 BGH ZIP 2016, 1645; Kluth NZI 2016, 865. Gegen die Fortgeltung dieser Rspr angesichts von § 5 V nF: Kollbach ZIP 2022, 199, 206 f. 35 Sog „Selbstvertretung“, Jacoby ZIP 2005, 1060, 1061. Zur Pozesskostenhilfe für Insolvenzverwalter Steenbuck MDR 2004, 1155 und Sterzinger NZI 2008, 525. 36 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 54 Rn 60; HK/Lohmann InsO10 § 54 Rn 8; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 54 Rn 21; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 54 Rn 14. 37 Vgl LG Mönchengladbach ZIP 1986, 1588; Gottwald/Haas/Keller InsR-Handb6 § 127 Rn 31. Eichel

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Kosten des Insolvenzverfahrens

§ 54

nem Monat der Dauer der Verwaltertätigkeit beträgt; der Pauschalsatz darf 30 % der Regelvergütung nicht übersteigen. Zu den Kosten eines durch den Insolvenzverwalter beauftragten Steuerberaters Rn 19. Zu den Auslagen gehören nicht Zahlungen, die der Verwalter aus eigenen Mitteln zur 18 Tilgung von Masseverbindlichkeiten leistet. Das ist ihm zwar nach § 267 BGB nicht verwehrt. Er erwirbt aber nicht kraft Gesetzes die getilgte Masseforderung, kann diese deshalb nur geltend machen, wenn er sie sich hat abtreten lassen. Im Übrigen bestimmt sich sein Ersatzanspruch nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 684 BGB). Sein Ersatzanspruch ist Masseforderung nach § 55 I Nr 1 bzw Nr 3. Er trägt also das Risiko, bei unzulänglicher Masse als Gläubiger der Rangklasse des § 209 I Nr 3 mit seiner Forderung ganz oder teilweise auszufallen.38 Da nach § 26 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur dann mangels Masse 19 abgewiesen werden darf, wenn die Kosten des Verfahrens nicht gedeckt sind, wird vereinzelt der Versuch unternommen, durch weite Auslegung des Begriffs der Auslagen eine Abweisung nach § 26 zu erreichen oder wenigstens bestimmten Aufwendungen den ersten Rang des § 209 zu sichern, wenn mit Sicherheit die übrigen Masseverbindlichkeiten nicht gedeckt werden können oder der Verwalter genötigt wäre, für eine ordnungsgemäße Verwaltung „sonstige“ Masseverbindlichkeiten zu begründen, die zu bezahlen er nicht in der Lage sein wird.39 Ähnlich erkennt der BGH an, dass auf ein bestimmtes Verfahren bezogene Aufwendungen des Insolvenzverwalters, die dieser weder mit zumutbaren Mitteln vermeiden noch auf anderem Wege erstattet verlangen kann, als Auslagen zu qualifizieren sind, obwohl es sich eigentlich um sonstige Masseverbindlichkeiten handelt (§ 55 I Nr 1 Var 2).40 Gestützt darauf sieht der BGH in masselosen Verfahren – unter gewissen weiteren Voraussetzungen – die Kosten eines vom Verwalter mandatierten Steuerberaters als Auslagen an.41 Solche Versuche einer weiten Auslegung der Auslagen sind durch das Gesetz nicht gedeckt. Verwaltungsaufwendungen sind unter § 55 I zu subsumieren und dürfen deshalb nicht in Verwalterauslagen umdefiniert werden.42 Die Regelung des Gesetzes lässt sich auch nicht dadurch umgehen, dass der Insolvenzverwalter im eigenen Namen Dritte mit der Wahrnehmung von Verwaltungs- oder Verwertungshandlungen beauftragt und das dem Dritten zu zahlende Honorar als Auslage berechnet.43 Dass die Eröffnung massearmer Verfahren verhindert werden könnte, wenn der Verwalter damit rechnen muss,44 ohne (angemessene) Vergütung zur Abgabe der Steuererklärung herangezogen zu werden, lässt sich nicht durch eine gesetzwidrige Auslegung des § 54 erreichen. Auch eine Erweiterung der Eröffnungsvoraussetzungen (§ 26), wie sie vom Arbeitskreis Insolvenzverwalter Deutschland eV vorgeschlagen worden war,45 ist nicht zu empfehlen.46 Sie würde die Regelung des § 107 KO wiederherstellen, die der Gesetzgeber der InsO um einer erleichterten Verfahrensöffnung willen gerade beseitigen wollte. Besser wäre es, den Verwalter von der Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen zu befreien47 und die Finanzbehörden zu verpflichten, die Besteuerungsgrundlagen selbst zu ermitteln oder zu schätzen, falls die von der Bund-Länderarbeitsgruppe berichtete Schätzungspraxis in massearmen Verfahren48 sich nicht allgemein durchsetzen sollte.

Jaeger/Lent KO8 § 58 Rn 7. Wienberg/Voigt ZIP 1999, 1662; Rattunde/Röder DZWiR 1999, 309. BGH ZIP 2004, 1717, 1720; für Verallgemeinerungsfähigkeit: Gerke/Sietz NZI 2005, 373. BGH ZIP 2004, 1717, 1721; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 54 Rn 41 f; Huep/Webel NZI 2011, 389, 391. KK/Röpke InsO § 54 Rn 24 ff. So aber LG Kassel ZInsO 2002, 1040, dazu im Ergebnis zustimmend Keller EWiR § 54 InsO 1/02, 957. Zur Erklärungspflicht des Konkursverwalters: BGH ZIP 1994, 1969. Runkel NZI 2002, 2 ff. Auch zum Folgenden Henckel Voraufl § 54 Rn 17. Pape/Hauser a.a.O. (Fn 30) Rn 87; KK/Röpke InsO § 54 Rn 27 f. Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“, „Probleme der praktischen Anwendungen und Schwachstellen des Regelinsolvenzverfahrens“, auszugsweise in NZI 2002, 417 f, zu 3; s auch Ast ZVI 2002, 183 und Pape ZIP 2002, 2277, 2280 f.

38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Vergütung und Auslagen des Verwalters werden nach § 64 InsO, § 8 InsVV festgesetzt. Den festgesetzten Betrag darf der Verwalter der Masse entnehmen.

2. Vorläufiger Insolvenzverwalter 21 Den Vergütungen und Auslagenerstattungen des Insolvenzverwalters sind die des vorläufigen Insolvenzverwalters in § 54 Nr 2 gleichgestellt. Für den Vergütungsanspruch und den Anspruch auf Auslagenerstattung erklärt § 21 II Nr 1 die §§ 63–65 für anwendbar. Zudem wurde § 63 III geschaffen, der unmittelbar gilt.49 Im Zusammenspiel mit § 63 III InsO regelt die InsVV die Vergütung und die Auslagenerstattung im Zweiten Abschnitt (§§ 10, 11) in Anlehnung an die Verwaltervergütung.50 Danach wird die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters besonders vergütet (§ 63 III S 1 InsO, § 11 I S 1 InsVV). Maßgebend für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung oder der Zeitpunkt, ab dem der Gegenstand nicht mehr der vorläufigen Verwaltung unterliegt (§ 63 III S 3 InsO). Dem für die Berechnung maßgeblichen Vermögen (§ 11 I S 1 InsVV) werden unter den Voraussetzungen des § 11 I S 2 Vermögensgegenstände hinzugerechnet, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen.51 Vergütung im Sinne von § 54 Nr 2 ist auch die Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und ‑entschädigungsgesetz, die der vorläufige Verwalter nach § 11 IV InsVV erhält, wenn er vom Insolvenzgericht beauftragt worden ist, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen. Die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen sind festzusetzen, sobald die vorläufige Verwaltung beendet ist.52 Die insoweit vorbehaltslose Verweisung des § 10 InsVV auf die Vorschriften des Ersten Abschnitts kann nicht bedeuten, dass der Antrag entsprechend § 8 I S 3 InsVV erst mit der Schlussrechnung gestellt werden kann. Die festgesetzten Beträge hat der Verwalter aus der Masse zu zahlen. Der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters fällt dann nicht unter § 54 Nr 2, wenn er aus einem abgeschlossenen Verfahren herrührt und in einem neuen Insolvenzverfahren gegen denselben Schuldner geltend gemacht wird, da sich § 54 Nr 2 auf die im selben Verfahren entstandenen Kosten beschränkt. Ein solcher Vergütungsanspruch ist dann gewöhnliche Insolvenzforderung (§ 38).53 Für den Fall, dass das Insolvenzverfahren nicht eröffnet wird, setzt das Insolvenzgericht gemäß § 26a die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters fest, und zwar im Regelfall gegen den Schuldner.54

IV. Vergütung und Auslagen der Mitglieder des Gläubigerausschusses 22 Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben nach § 73 Anspruch auf Vergütung für ihre Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen.55 Danach gelten die §§ 63 II, 64, 65 sinngemäß. Die Vergütung beträgt nach § 17 InsVV regelmäßig zwischen 50,00 und 300,00 A je Stunde. Die Festsetzung erfolgt entsprechend §§ 64, 65 InsO, § 8 InsVV auf Antrag des jeweiligen Ausschussmitglieds.56 Über die Fälligkeit sowie den Zeitpunkt der Antragstellung und der Festsetzung sind

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BGBl 2013 I, 2379. Uhlenbruck/Mock InsO15 § 63 Rn 100. BeckOK/Karg InsR27 InsO § 63 Rn 12 ff. Zur Anwendbarkeit von § 1 II Nr 3 InsVV BGH ZIP 2012, 2515, 2519. BeckOK/Karg InsR27 InsO § 63 Rn 15; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 54 Rn 43; Nerlich/Römermann/ Stephan InsO44 InsVV § 11 Rn 63; LG Göttingen, mitgeteilt in EWiR § 8 InsVV 2/01, 881 (Tappmeier). 53 § 38 Rn 125 mwN; FK/Bornemann InsO9 § 54 Rn 23. 54 Näher bei § 26a; Smid ZIP 2014, 1714. 55 Gegen die Qualifizierung der Kosten eines externen Kassenprüfers als Auslage Ampferl/Kilper ZIP 2015, 553, 559 (insoweit aA Schirmer DStR 2012, 733, 735 f). 56 Zimmer ZIP 2013, 1309, 1310. Eichel

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Kosten des Insolvenzverfahrens

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weder dem Gesetz noch der Verordnung Anhaltspunkte zu entnehmen. Nach §§ 53, 54 Nr 2 sind die festgesetzten Vergütungen und Auslagenerstattungen aus der Masse vom Verwalter vorweg zu berichtigen.57 Bei Masseunzulänglichkeit stehen sie mit den Gerichtskosten, den Vergütungen und Auslagen des vorläufigen und des endgültigen Verwalters im ersten Rang (§ 209 I).

V. Entsprechende Anwendung; Sachwalter Die Vergütung und Auslagen des Sachwalters fallen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung 23 unter § 54 Nr 2 (§ 274 I).58 Im Übrigen betrachtet der BGH § 54 Nr 2 als bewusst enumerative und abschließende Norm, 24 was einer entsprechenden Anwendung entgegenstehen soll, sofern nicht ausnahmsweise eine Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit eines Insolvenzverwalters gegeben ist.59 Für einen Sonderinsolvenzverwalter ist diese Vergleichbarkeit gegeben, sodass § 54 Nr 2 entsprechend anwendbar ist.60 Fraglich ist dies für einen sog Insolvenzgeschäftsführer („Chief Insolvency Officer“) im Rahmen eines (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahrens.61 Hingegen kann § 54 Nr 2 mangels Vergleichbarkeit nicht analog angewendet werden auf die 25 Kostenerstattungsansprüche des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger (§§ 7 f SchVG) oder des Vertreters der Aktionäre im aktienrechtlichen Spruchverfahren (§ 6 II S 1 SpruchG), da diese Vertreter nicht das Interesse aller Gläubiger repräsentieren.62 Ebenso wenig liegen die Analogie-Voraussetzungen für Vergütungsansprüche von vorinsolvenzlichen Sanierungsberatern vor.63

Vgl BGH ZIP 2016, 1688 Rn 24; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 54 Rn 47. BGH ZIP 2016, 1688 Rn 23. BGH ZIP 2016, 1688 Rn 23; ZIP 2017, 383 Rn 16. AA (gegen Analogiefähigkeit von § 54) Frind ZIP 2019, 1945, 1949. BGH ZIP 2016, 1688 Rn 23; Graeber/Pape ZIP 2007, 991, 999. Für § 54 analog, wenn der Geschäftsführer „ins Organ geht“ und seine Vergütung vertraglich an die InsVV angelehnt ist, AG Hamburg ZIP 2019, 978; aA Budnik NZI 2019, 686 f; Frind ZIP 2019, 1945, 1949 ff; Harig EWiR 2019, 439. 62 BGH ZIP 2019, 722 Rn 43 ff; ZIP 2022, 702 Rn 17; ZIP 2021, 1020 Rn 13; ZIP 2021, 478 Rn 13; ZIP 2017, 383 Rn 16; ZIP 2016, 1688 Rn 13, 21 ff; Scholz DZWIR 2016, 451; Thole ZIP 2014, 293, 298. Zur Eigenschaft als Insolvenzforderung s § 38 Rn 169. AA (§ 54 analog) Brenner NZI 2014, 789, 793 f. 63 Mock ZIP 2014, 445, 447.

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§ 55 Sonstige Masseverbindlichkeiten (1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten: 1. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; 2. aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß; 3. aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse. (2) 1Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. 2Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. (3) 1Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. 2Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben. (4) 1Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. 2 Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich: 1. sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben, 2. bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern, 3. die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und 4. die Lohnsteuer.

Materialien DiskE § 60; RefE § 60; RegE § 64, BR-Drucks 1/92 S 126, BT-Drucks 12/2443 S 126; zu III: RegE Begr BT-Drucks 14/5680; BR-Drucks 689/01 S 2; zu IV: RegE Begr BR-Drucks 532/10 S 53; BT Drucks 17/3030 S 43; zur Änderung von IV: BR Drucks 619/1/20 S 23; BR-Drucks 619/20 S 22; BT Drucks 19/24903 S 14; BT-Drucks 19/25303 S 92; BT-Drucks 19/25353 S 13; vgl auch BR-Drucks 619/20; BT Drucks 19/24181.

Vorgängerregelung § 59 KO, dazu: Begr EGemeinschuldO Bd 1 S 318 ff, Begr EKO S 244 ff; KO-Prot S 49, 150.

Literatur Vgl auch zu § 53; Bayreuther Sanierungs- und Insolvenzklauseln im Arbeitsverhältnis, ZIP 2008, 573; Berger/Tunze Geistiges Eigentum im Insolvenzverfahren, ZIP 2020, 52; Düwell/Pulz Urlaubsansprüche in der Insolvenz, NZA 2008, 786; Emde/Kelm Der Handelsvertretervertrag in der Insolvenz des Unternehmers, ZIP 2005, 58; Froehner Das Altersteilzeitverhältnis in der Insolvenz des Arbeitgebers, NZA 2012, 1405; Hanau Arbeitsentgelte, Arbeitszeitkonten, Altersteilzeit und Vermögensbildung, in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts (2000) S 117; Häsemeyer Die Regelung der Masseverbindlichkeiten, der Masseunzulänglichkeit und des Kostenvorschusses, in: Insolvenzrecht im Umbruch, hrsg von Leipold (1991) S 101; Henckel Insolvenzgläubiger – Massegläubiger – Neugläubiger, in: Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts, 50 Jahre Kölner Arbeitskreis, Jubiläumskongress 1999, hrsg vom Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen eV Köln (2000) S 97; Hoffmann Grundprinzipien der Prozesskostenerstattung und Insolvenz, ZIP 2021, 16; Klopp/Kluth Die Befriedigung der Massegläubiger, in: Gottwald, InsR-Handb2 (2001) S 767; Kolbe/Bottor Vergütung von Einigungstellenmitgliedern und Insolvenz, NZI 2018, 830; Krelhaus Insolvenzfeste Geschäftsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter (2016); Markert Die Einordnung von Steuerforderungen in der Insolvenz (2020); Mocker Der Staat als Umsatzsteuergläubiger im Insolvenzver-

Eichel https://doi.org/10.1515/9783110666175-022

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Sonstige Masseverbindlichkeiten

§ 55

fahren (2021); Stamm Zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter – Ein Reformvorschlag zur prinzipiengerechten Rückführung von § 55 Abs. 2 bis Abs. 4 InsO, FS Beck (2016) S 509.

Übersicht I. 1. 2. 3. 4. II. 1. 2.

3.

III. 1. 2.

Einleitung 1 Verhältnis zur Konkursordnung 3 Entwicklung des § 55 InsO Grundlage des Vorrangs der sonstigen Massever4 bindlichkeiten 5 Überblick über den Regelungsgehalt Verbindlichkeiten aus Handlungen des Verwalters (Abs 1 Nr 1 Alt 1) 6 Grundsatz und Ausnahmen 8 Handlungen des Insolvenzverwalters 9 a) Rechtsgeschäfte 10 b) Unerlaubte Handlungen 16 c) Gefährdungshaftung d) Unterlassungen des Insolvenzverwal17 ters 18 e) Prozesshandlungen Durch den Insolvenzverwalter begründete Ver26 bindlichkeit In anderer Weise begründete Verbindlichkeiten (Abs 1 Nr 1 Alt 2) Verhältnis zu den durch Verwalterhandeln be31 gründeten Verbindlichkeiten Die in anderer Weise begründeten Verbindlich32 keiten im Einzelnen

IV.

Masseverbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträ45 gen (Erfüllungswahl, Abs 1 Nr 2 Alt 1)

V.

Masseverbindlichkeiten aus gegenseitigen, kraft Gesetzes fortbestehenden Verträgen (Abs 1 Nr 2 Alt 2) 50 Grundlagen Miet-, Pacht- und finanzierte Leasingverträge 52 (§ 108) Dienst- und Arbeitsverträge (§ 108 Abs 1 58 Satz 1) 59 a) Anwendungsbereich b) Grundlagen für die Aufwertung zur Massefor60 derung 62 c) Einzelheiten 81 Valutierte Darlehen (§ 108 Abs 2)

1. 2. 3.

4.

82

5.

Sonstige Verträge

VI.

Verbindlichkeiten aus ungerechtfertigter Bereiche85 rung der Masse (Abs 1 Nr 3)

VII. Vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten (Abs 2, 3) 91 1. Gesetzeszweck und praktische Bedeutung 2. Die Voraussetzungen im Einzelnen a) Vom vorläufigen Verwalter begründete Ver96 bindlichkeiten (Satz 1) b) Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnis102 sen (Satz 2) 3. Rückstufung für Ansprüche auf Arbeitsentgelt und 108 solche nach § 175 Abs 1 SGB III (Abs 3) VIII. 1. 2. 3.

4. IX. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

Steuerrechtliche Verbindlichkeiten (Abs 4) 109 Anwendungsbereich und Rechtsfolge 112 Zweck und Historie Anwendungsvoraussetzungen 115 a) Vorläufige Insolvenzverwaltung 116 b) Vorläufige Eigenverwaltung 117 Umsatzsteuerverbindlichkeiten Sonstige Masseverbindlichkeiten in und außerhalb 120 der InsO 121 § 81 Abs 1 Satz 3 122 §§ 100, 101 Abs 1 Satz 3 123 § 106 Abs 1 Satz 1 124 § 115 Abs 2 Satz 3 125 §§ 116, 118 126 § 123 Abs 2 Satz 1 127 § 144 II Satz 2 128 § 163 Abs 2 129 § 169 Satz 1 130 § 172 Abs 1 131 § 183 Abs 3 132 § 270c Abs 4 133 §§ 324, 329, 330, 332 134 § 16 Abs 1 Satz 2 AnfG 135 § 30e ZVG 136 Verhältnis zur Ersatzaussonderung

Alphabetische Übersicht Abfindung 26, 61, 73 Absonderungsverwertung 17, 41 Allgemeines Verfügungsverbot 93, 96, 98 661

Altersteilzeitarbeit 70–72 Altlasten 39 Anerkenntnis 22, 26 Eichel

§ 55

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Anfechtung 67, 89, 134 Anwaltsgebühren 19, 21, 27 Arbeitnehmererfindung 77 Arbeitsverhältnis 26, 38, 59 ff, 68, 71 ff, 78 f, 106 Arbeitszeitkonten 69 Auftrag 21, 82, 124 Beiträge 32, 35, 38, 39, 61, 106 Benutzungsausgleich 130 Betriebliche Altersversorgung 78 Betriebsrat 27, 36, 73, 80, 126 Betriebsverfassung 27, 36 Biersteuer 37, 114 Blockmodell 70, 72 Branntweinsteuer 37 Bundesagentur für Arbeit 63, 68, 93, 106, 108 Darlehen 9, 81, 129 Depotgesetz 44 Dienstvertrag 7, 9, 48, 58 ff, 61, 104 Einigungsstelle 27 Einkommensteuer 37 Energiesteuer 114 Energieversorgung 39 Erfüllungswahl 30, 39, 45 ff Erledigung der Hauptsache 21 f, 25 Ersatzaussonderung 136 Ersatzvornahme 31, 39 Freistellung 63, 69–72, 106 Gefährdungshaftung 10, 11, 16 Gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger oder Aktionäre 19 Geschäftsbesorgung 5, 9, 24, 27, 83, 103, 125 Geschäftsführung ohne Auftrag 28 Gewährleistung 47 Gewerbesteuer 114 Gewinnbeteiligung 66 Gratifikation 61, 64, 65, 67 Haftung des Schuldners 13, 14, 30 Haftung des Verwalters 6 Insolvenzgeld 63, 67, 71, 93, 95, 108 Insolvenzschutz 69 Kammerbeiträge 39 Karenzentschädigung 48, 75 Klagerücknahme 21 Körperschaftsteuer 39 Kosten des Insolvenzverfahrens 1, 2, 31 Kostenentscheidung, einheitliche 18 ff, 27 Kostenerstattung 19, 21 f, 28, 128, 131 Kraftfahrzeugsteuer 114

Krankheit 62, 106 Leasing 45, 57, 92 f Lebensversicherung 44 Lohnfortzahlungsumlage 93, 95 Lohnsteuer 61, 63, 114 Massebereicherung 4, 32, 85 ff Miete 45, 52 ff, 89, 103 f, 107 Mitgliedsbeitrag 35 Mutterschutz 76 Nachlassinsolvenzverfahren 133 Oktroyierte Masseverbindlichkeiten 50, 92, 104 Pacht 45, 50, 56, 104 Provisionsanspruch 30 Prozessaufnahme 19, 22 25 Prozesshandlungen 5, 8, 18 f Prozesskosten 19 ff, 41 Rechtsgeschäfte 2, 4 f, 8 f, 28, 30, 40, 87, 89, 97, 129 Rückabwicklung 29, 47 Rückstufung 5, 94, 108 Säumniszuschläge 39 Schönheitsreparaturen 55 Sozialplan 17, 73, 126 Sozialversicherung 38, 61, 106, 108 Spruchverfahren 19 Sukzessivlieferungsvertrag 103 Telekommunikation 49, 103 Überweisungsauftrag 89 Umsatzsteuer 37, 40, 100, 112, 114 f, 117–119 Unerlaubte Handlungen 6, 10–15 Ungerechtfertigte Bereicherung 32, 85–90, 101, 121, 127 Unterlassungen 5, 8, 15 f, 17, 55 f, 100 Urlaub 67 f, 106 Vergleich 25 f, 73, 126 Verteilungsverbindlichkeiten 42 Vertrag, gegenseitiger 2, 5, 19, 30 f, 35, 45 ff, 66, 75 f, 79, 81, 124 f Verwaltungsakt 5, 33, 39 Verwaltungsgebühren 39 Verwertungsverbindlichkeiten 40 Vorläufige Eigenverwaltung 96, 110 f, 113, 116, 117, 119, 132 Vorläufiger Insolvenzverwalter 2, 4, 5, 73, 86, 90, 91 ff, 96 ff, 109 ff Vorruhestand 79 Wohnungseigentum 34 Zinsen 41, 84, 129, 135 Zwangsversteigerung 40, 89, 135

I. Einleitung 1. Verhältnis zur Konkursordnung 1 § 55 InsO findet seinen Vorläufer in § 59 KO. Den Begriff „Masseschulden“ des § 59 KO ersetzt § 55 InsO durch den der „sonstigen Masseverbindlichkeiten“. Während die Konkursordnung für die Eichel

662

Sonstige Masseverbindlichkeiten

§ 55

Massekosten und Masseschulden keinen Oberbegriff kannte, fasst die InsO nämlich die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54) und die Verbindlichkeiten des § 55 unter dem Oberbegriff „Masseverbindlichkeiten“ zusammen. Da sich davon der alte Begriff „Masseschulden“ als Bezeichnung für die in § 55 genannten Verbindlichkeiten nicht deutlich abgehoben hätte, wurden diese „sonstige Masseverbindlichkeiten“ genannt (s auch § 53 Rn 1). Inhaltlich unterscheidet sich § 55 I Nr 1 InsO von § 59 KO durch die Anfügung der Verbindlich- 2 keiten, die in anderer Weise als durch Handlungen des Insolvenzverwalters durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Damit werden die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse nicht mehr wie in § 58 KO den gerichtlichen Kosten des Verfahrens gleichgestellt, sondern den übrigen Handlungen des Insolvenzverwalters.1 Dass § 55 I Nr 1 InsO, anders als § 59 I Nr 1 KO, nicht mehr die Geschäfte des Verwalters nennt, bedeutet keine Änderung des Inhalts, da Rechtsgeschäfte unter dem Begriff „Handlungen“ miterfasst werden. In § 55 I Nr 2 InsO wurde der Begriff „zweiseitige“ Verträge (§ 59 I Nr 2 KO) durch den der „gegenseitigen“ Verträge ersetzt, was schon mit der Novelle zur KO aus dem Jahr 1900 zur Anpassung an die Terminologie des BGB (§ 320 BGB) hätte geschehen sollen. Eine inhaltliche Änderung ist das nicht. „Zweiseitige“ Verträge der KO wurden schon immer als gegenseitige verstanden.2 § 55 I Nr 3 InsO übernimmt § 59 I Nr 4 KO und ersetzt lediglich den gemeinrechtlichen Begriff der „rechtlosen“ Bereicherung durch den der „ungerechtfertigten Bereicherung“ des BGB, was in der Novelle 1900 zur KO unterblieben war. Auch hier hat sich inhaltlich nichts geändert. Nicht übernommen wurde die viel kritisierte Vorschrift des § 59 I Nr 3 KO, die mit dem Gesetz über das Konkursausfallgeld (Drittes Gesetz zur Änderung des AFG) vom 17.7.1974 eingefügt worden war, um den Arbeitnehmern wegen ihres rückständigen Arbeitsentgelts einen frühen Zugriff auf die Masse möglich zu machen und sie nicht bis zu der oft späten Verteilung des Masseverwertungserlöses an die Konkursgläubiger warten zu lassen. In der InsO gibt es diese systemwidrigen „unechten“ Masseschulden nicht mehr. Damit musste auch die Vorschrift § 59 II KO wegfallen, die den Rang der unechten Masseschulden betraf. Im Vergleich zur KO neu hinzugekommen ist § 55 II, der durch den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten den sonstigen Masseverbindlichkeiten zuordnet. Unter Berücksichtigung der aufgezählten, begrifflichen und inhaltlichen Änderungen sind Rechtsprechung und Literatur zu §§ 58 Nr 2 und 59 I Nr 1, 2 und 4 KO noch anwendbar.

2. Entwicklung des § 55 InsO Absatz 3, der durch Art 1 Nr 7 des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer 3 Gesetze vom 26.10.2001 eingefügt worden ist,3 ergänzt den § 55 II. Er wurde zum 1.1.2004 lediglich sprachlich aktualisiert (Ersetzung „Bundesanstalt“ durch „Bundesagentur“)4 und zum 1.4.2012 an die veränderte Nummerierung im Sozialgesetzbuch angepasst.5 Zum 1.1.2011 wurde § 55 der Abs 4 hinzugefügt,6 welcher mit Wirkung zum 1.1.2021 nochmals neu gefasst wurde.7

1 2 3 4 5 6 7

Zum Grund und zur Bedeutung dieser Änderung s § 54 Rn 3. Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 11. BGBl 2001 I, 2710. BGBl 2003 I, 2848, 2898. BGBl 2011 I, 2854, 2922. BGBl 2010 I, 1885, 1893. BGBl 2020 I, 3256, 3283.

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Eichel

§ 55

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

3. Grundlage des Vorrangs der sonstigen Masseverbindlichkeiten 4 Indem § 53 anordnet, dass die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen sind, gewährt er den Massegläubigern den Vorrang vor allen Insolvenzgläubigern. Der Rang wird hier also nicht, wie sonst grundsätzlich, durch die (zeitliche) Priorität bestimmt. Abweichungen vom Prinzip des Vorrangs des zeitlich früher begründeten Rechts, die uns auch anderweitig begegnen,8 beruhen auf besonderen Wertungen. Ausschlaggebend für den Vorrang der Masseverbindlichkeiten der § 55 I Nr 1 und 2, II ist also nicht der Zeitpunkt der Begründung der Forderung,9 sondern dass eine Verwaltung und Verwertung des Schuldnervermögens zum Zweck der Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht möglich wäre, wenn der Insolvenzverwalter bzw der starke vorläufige Verwalter (Abs 2) nicht in der Lage wäre, Verträge zu erfüllen, die er zur Erhaltung, Vermehrung und Verwertung der Masse schließt oder fortsetzt.10 Würden die Gläubiger aus Rechtsgeschäften des Insolvenzverwalters nur zusammen mit den Insolvenzgläubigern oder gar erst nach ihnen befriedigt, würde sich niemand finden, der mit dem Verwalter Verträge einginge ohne Leistung Zug um Zug und Barzahlung. Alle anderen Geschäfte könnte der Verwalter überhaupt nicht abschließen. Derjenige, der seine vollwertige Leistung weiterhin zur Masse erbringen und sie der Masse damit zugutekommen lassen muss, soll die dafür zu entrichtende volle Gegenleistung erhalten und nicht auf eine Insolvenzforderung beschränkt sein.11 Der Vorrang der Massebereicherungsansprüche des § 55 I Nr 3 findet seinen Grund darin, dass die Insolvenzgläubiger nicht davon profitieren sollen, dass während des Verfahrens Werte in die Masse geraten, die ihr nicht zustehen. Der Rang im Verhältnis der einzelnen Masseverbindlichkeiten untereinander ergibt sich aus § 209, nicht etwa aus der Reihenfolge ihrer Regelung in § 55.12

4. Überblick über den Regelungsgehalt 5 § 55 I Nr 1 Alt 1 erklärt durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründete Verbindlichkeiten zu Masseforderungen. Solche Handlungen (Tun oder Unterlassen) können Rechtsgeschäfte, andere schuld- oder haftungsbegründende Handlungen oder Prozesshandlungen sein.13 Forderungen, die in anderer Weise als durch solche Handlungen, nämlich durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden sind, können sich etwa aus dem Beschluss eines Organs oder einer Gemeinschaft, dem Gesetz oder aus einem Verwaltungsakt ergeben. Indem § 55 I Nr 1 Alt 1 durch den Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten erfasst, grenzt er diese von Verbindlichkeiten ab, die entweder während des Insolvenzverfahrens als Neuforderungen gegen den Schuldner begründet wurden14 oder die der Schuldner schon vor Eröffnung iSv § 38 begründet hat, ohne dass eine Privilegierung nach § 55 gerechtfertigt ist.15 Zur Eigenschaft als Masseforderung iSv Nr 1 genügt also nicht allein, dass der Insolvenzverwalter die Verbindlichkeit durch seine Handlung zur Entstehung bringt, wenn sie der Schuldner bereits iSv § 38 „begründet“ hatte (Rn 26).16 Solche Forderungen können allenfalls aufgrund

8 ZB Jaeger/Hoffmann InsO2 § 51 Rn 19. 9 § 38 Rn 92. 10 BGH ZIP 2022, 1398 Rn 18; BAG ZIP 2021, 139 Rn 45. 11 BGH ZIP 2003, 854, 855; BGHZ 72, 263, 266; BAG ZIP 2013, 532 Rn 17. 12 FK/Bornemann InsO9 § 55 Rn 2. 13 Nachweise jeweils unten. 14 BGH ZIP 2017, 383, 386. 15 BAGE 118, 115 = ZIP 2006, 1962 Rn 15; BAG ZIP 2013, 2414 Rn 34; ZIP 2013, 1033 Rn 23; ZIP 2008, 374 Rn 16; vgl auch Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 8, 10; BeckOK/Erdmann InsO27 § 55 Rn 5.

16 BGH ZIP 2020, 2025, 2026; BAGE 118, 115 = ZIP 2006, 1962 Rn 15. Eichel

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Sonstige Masseverbindlichkeiten

§ 55

von § 55 I Nr 1 oder Nr 2 aus besonderen Gründen zur Masseforderung aufgewertet sein.17 Abs 1 Nr 2 betrifft die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schwebenden gegenseitigen Verträge. Eine Haftung der Masse aus einem solchen Vertrag kann zwar auch durch Tun oder Unterlassen des Insolvenzverwalters zur Entstehung gebracht werden, wie durch die Wahl der Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages nach § 103 oder durch Unterlassen einer möglichen Kündigung eines Miet-, Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrages; „begründet“ hat diese Haftung aber bereits der Schuldner. Anders als in Abs 1 Nr 1 handelt es sich in Nr 2 nicht um Insolvenzverträge, die der Verwalter nach der Verfahrenseröffnung geschlossen hat, sondern um solche aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung, mit denen der Schuldner gegenseitige Verpflichtungen übernommen hatte, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung beiderseits noch nicht voll erfüllt waren. Zwei Gruppen von gegenseitigen Verträgen sind betroffen. Einerseits die von § 103 erfassten unter der Voraussetzung, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages wählt,18 und andererseits gegenseitige Dauerschuldverhältnisse, die über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortbestehen und deshalb für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens vom Insolvenzverwalter erfüllt werden müssen. Unter den Voraussetzungen des § 55 I Nr 3 sind gegen die Masse gerichtete Bereicherungsansprüche Masseverbindlichkeiten. § 55 II erklärt Ansprüche, die im Zusammenhang mit einer vorläufigen Insolvenzverwaltung begründet wurden, zu Masseforderungen, wobei Abs 3 einen Teil dieser Forderungen wieder in den Rang einer Insolvenzforderung zurückstuft. § 55 IV wertet gewisse Steuerverbindlichkeiten aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung zu Masseforderungen auf.

II. Verbindlichkeiten aus Handlungen des Verwalters (Abs 1 Nr 1 Alt 1) 1. Grundsatz und Ausnahmen Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter (selbst oder durch ihn bevollmächtigte Personen19) 6 im Verkehr mit Dritten begründet, sind sonstige Masseverbindlichkeiten. Nicht jede Handlung des Insolvenzverwalters begründet aber eine Masseverbindlichkeit. Voraussetzung ist, dass nach anderen Rechtsnormen aus der Handlung des Insolvenzverwalters eine bis dahin nicht begründete Haftung der Masse entsteht. Diese Haftung soll Masseschuld sein. § 55 I Nr 1 ordnet also nicht selbst die Haftung an, sondern stuft Verbindlichkeiten, welche sich aus einem durch die Verwalterhandlung erfüllten Anspruchsentstehungsgrund ergeben, als Masseverbindlichkeit ein. Das materielle Recht entscheidet folglich darüber, ob und in welchem Grade der Haftungseintritt von einem Verschulden abhängt. Das Insolvenzrecht fügt dem materiellen Recht hinzu, dass die Handlung dem gesetzlichen Wirkungskreis des Verwalters zuzuordnen sein muss. Außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises kann der Verwalter nicht die Masse nach § 55 I Nr 1,20 wohl aber sich selbst (§ 60) haftbar machen. So kann ein Schenkungsversprechen des Verwalters keine Masseverbindlichkeit begründen und auch nicht eine unerlaubte Handlung, die nicht im Zusammenhang mit seinen Verwalteraufgaben begangen worden ist. In Ausnahmefällen können durch den Verwalter zulasten der Masse geschlossene Verträge nichtig sein, wenn sie offensichtlich außerhalb seines Wirkungskreises liegen, mithin insolvenzzweckwidrig sind.21 Wenn der Ver17 Dazu Rn 26 und § 38 Rn 92. AA Henckel Voraufl § 55 Rn 7, der § 55 I Nr 2 als Ausnahme zu § 55 I Nr 1 betrachtete, während nach hier vertretener Auffassung § 55 I Nr 2 keine durch den Insolvenzverwalter „begründeten“ Ansprüche betrifft und deshalb Ausnahme zu § 38 ist. 18 Hierzu ausführlich Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 298 ff, 301. 19 HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 5 f. 20 Zur Begründung mit der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht sowie anderen Ansätzen s Jaeger/Windel InsO1 § 80 Rn 252 ff. 21 BGH ZIP 2022, 1398 Rn 24; ZIP 2008, 884 Rn 6; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 55 Rn 9; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 7 f. 665

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§ 55

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

walter hingegen als Partei kraft Amtes handelt und deshalb die durch ihn begründeten Verbindlichkeiten die Masse treffen, schließt das nicht aus, dass er sich daneben auch persönlich haftbar macht, also etwa auch persönlich für die Erfüllung der Masseverbindlichkeiten einzustehen hat (§ 61).22 Die persönliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters für sein Handeln gegenüber einem Beteiligten (§§ 60, 61 InsO, §§ 823 ff BGB) steht einer Haftung der Masse nach § 31 BGB, § 55 I Nr 1 InsO also nicht entgegen, genauso wie umgekehrt die Haftung der Masse die persönliche des Verwalters nicht ausschließt.23 Die Haftung der Masse ist keineswegs primär, sondern gleichrangig mit der des Verwalters.24 Im Innenverhältnis haftet der Verwalter bei einer unerlaubten Handlung allein (§ 840 II BGB analog),25 im Übrigen gelten § 426 I und II BGB. 7 Nicht alle Handlungen des Insolvenzverwalters, die nach allgemeinem Recht eine Masseverbindlichkeit und damit die Haftung der Masse begründen, können unter § 55 I Nr 1 subsumiert werden. Es gibt Handlungen des Verwalters, die eine Verbindlichkeit begründen, die nicht Masseverbindlichkeit ist. So ist der Schadensersatzanspruch des Dienstpflichtigen, der infolge einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung des Verwalters entsteht, nach § 113 S 3 Insolvenzforderung (§ 38). Entsprechendes gilt nach § 109 I S 3 für den Schadensersatzanspruch des Vermieters.

2. Handlungen des Insolvenzverwalters 8 Unter Handlungen versteht das Gesetz ein Tun oder Unterlassen.26 Für ersteres kommen nicht nur Rechtsgeschäfte (Rn 9), sondern auch andere schuld- oder haftungsbegründende Handlungen (Rn 10 ff) einschließlich der Prozesshandlungen (Rn 18 ff) in Betracht. Das Handeln des eigenverwaltenden Schuldners fällt ebenfalls unter § 55 I Nr 1, der im Eigenverwaltungsverfahren kraft § 270 I S 2 anwendbar ist; danach sind die vom eigenverwaltenden Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Verbindlichkeiten nach Maßgabe von § 55 I Masseverbindlichkeiten.27

9 a) Rechtsgeschäfte. Als Rechtsgeschäfte kommen in Betracht: Kaufverträge, mit denen der Insolvenzverwalter Gegenstände, die er für die Verwaltung benötigt, einkauft oder mit denen er Massegegenstände verkauft. Zudem gehören hierher Ansprüche aus Dienst- und Arbeitsverträgen sowie aus Geschäftsbesorgungsverträgen, die der Verwalter neu abgeschlossen hat mit Dritten, aber auch mit dem Schuldner selbst.28 Beispiele hierfür sind die Kosten für vom Verwalter mandatierte Steuerberater, Wirtschaftsprüfer etc im Hinblick auf die kraft § 155 fortbestehenden Rechnungslegungspflichten.29 Ferner kann der Verwalter Handelsvertreterverträge, die durch das Insolvenzverfahren kraft Gesetzes beendet werden (§§ 116, 115), fortsetzen, indem er sie neu abschließt; daraus entstehende Ansprüche gegen den Schuldner sind Masseforderungen nach § 55 I Nr 1 Alt 1.30 Zudem gehören hierhin Honoraransprüche für die vom Verwalter eingeholten 22 HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 34; Laws MDR 2004, 1149. 23 BGH ZIP 2006, 194 Rn 15 ff; MünchKomm/Schoppmeyer InsO4 § 60 Rn 113; Braun/Bäuerle/Miglietti InsO9 § 55 Rn 2; MünchKomm/Leuschner BGB9 § 31 Rn 35; Soergel/Hadding BGB12 § 31 Rn 28; Thole/Brünkmans ZIP 2013, 1097, 1102. 24 BGH ZIP 2006, 194 Rn 15 ff. 25 MünchKomm/Schoppmeyer InsO4 § 60 Rn 113; MünchKomm/Leuschner BGB9 § 31 Rn 35; Soergel/Hadding BGB12 § 31 Rn 28. 26 Näher unten Rn 17; BAG AP § 113 BetrVG 1972 (Uhlenbruck) = KTS 1975, 122 = NJW 1975, 182 = WM 1975, 431; BeckOK/ Erdmann InsO27 § 55 Rn 5; Kilger/Schmidt KO17 § 59 Anm 1 c. 27 BGH ZIP 2022, 1398 Rn 16; MünchKomm/Kern InsO4 § 270 Rn 160. Zum vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren und § 270c IV s Rn 132. 28 Zu letzterem § 53 Rn 5. 29 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 36 ff; Voigt ZIP 2004, 1531, 1532 ff. 30 Emde/Kelm ZIP 2005, 58. Eichel

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Sonstige Masseverbindlichkeiten

§ 55

Gutachten oder aus den von ihm für die Masse aufgenommenen Darlehen (§§ 160 II Nr 2, 161, 164), ferner die Haftung aus einer vom Verwalter zu Lasten der Masse vollzogenen Schuldübernahme.31 Masseforderungen sind dann nicht nur die Ansprüche auf Erfüllung des Vertrages, also etwa auf Übereignung und Übergabe bzw auf Zahlung des Kaufpreises, sondern auch Schadensersatzansprüche wegen Vertragsverletzungen, wegen Verzuges oder Ansprüche wegen Sachmängeln.32 Auch durch Verzug in der Erfüllung feststehender und fälliger Aussonderungs- oder Masseansprüche kann der Verwalter eine Ersatzverpflichtung als Masseverbindlichkeit begründen. Die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkte Nichterfüllung eines Schuldverhältnisses löst allerdings nach § 103 II nur Insolvenzforderungen aus, wenn der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrages wählt;33 insoweit liegt idR kein Fall von § 55 I Nr 1 vor, da das Schuldverhältnis bereits begründet war (zur Anwendung von § 55 I Nr 2 auf Ersatzansprüche s noch Rn 47). Ficht der Insolvenzverwalter die Tilgung einer Forderung an, kann der Anspruch gegen den Schuldner auf Wiederbesicherung der aufgelebten Forderung Masseforderung nach Abs 1 Nr 1 Alt 1 sein.34

b) Unerlaubte Handlungen. Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen, die der Insol- 10 venzverwalter im Rahmen seiner Amtsführung (Rn 6) begeht, kommen ebenfalls als Masseforderung iSv § 55 I Nr 1 Alt 1 in Frage. Dies kann allerdings nicht allein aus § 55 folgen, sondern bedarf zunächst einer Grundlage im materiellen Recht, kraft der die Masse für unerlaubte Handlungen des Insolvenzverwalters haftet (Rn 6). Die Identifizierung dieser Grundlage war schon unter der Konkursordnung Gegenstand der Diskussion, die dort jedoch zu einer unübersichtlichen Rechtslage führte: Da die Masse für die Verletzung von Verträgen, die der Insolvenzverwalter in Ausübung seines Amtes abgeschlossen oder die er als Verwalter zu erfüllen hat, haftet, was meist mit der unmittelbaren oder analogen Anwendung des § 278 BGB begründet wurde,35 mitunter auch nur mit einem Hinweis auf § 59 I Nr 1 KO,36 sollte die Masse für unerlaubte Handlungen des Verwalters nur haften, wenn diese zugleich Vertragsverletzungen waren.37 Eine Haftung der Masse für Handlungen des Verwalters, die nur deliktsrechtlich zu qualifizieren waren, wurde abgelehnt.38 Eine Gefährdungshaftung sollte die Masse aber wiederum treffen39 und ebenso die Haftung nach § 717 II ZPO, wenn der Insolvenzverwalter ein Urteil vollstrecken ließ, das später im Berufungsverfahren aufgehoben wurde.40 Verletzt der Verwalter fremde Patent- und Urheberrechte, so sollte die Masse ebenfalls haften,41 ferner bei schuldhaften Rechtsverletzungen, die der Insolvenzverwalter im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis beging (§ 989 BGB).42 Schließlich hat das Reichsgericht43 inzidenter auch die Haftung der Masse in einem Fall bejaht, in dem der Insolvenzverwalter in Ausübung seines Amtes einen anderen vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hatte (§ 826 BGB).

31 32 33 34 35

RG JW 1911, 114. Braun/Bäuerle/Miglietti InsO9 § 55 Rn 1; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 9. OLG Stuttgart EWiR § 17 KO 1/03, 127 (Gundlach kritisch). Ganter WM 2011, 245, 250. Jaeger/Lent KO8 § 6 Rn 5, § 59 Rn 1; Enneccerus/Lehmann SchuldR15 § 44 II 1; RGZ 144, 399, 401, für Testamentsvollstrecker; BGH NJW 1958, 670. 36 Mentzel/Kuhn KO8 § 59 Rn 2; Schönke/Baur Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht9 § 63 III 1. 37 Jaeger/Lent KO8 § 59 Rn 1; RG JW 1936, 2406 Anm 23; 1939, 434; KG JW 1928, 239. 38 Jaeger/Lent KO8 § 59 Rn 1; Schönke/Baur Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht9 § 63 III 1; Mentzel/ Kuhn KO8 § 59 Rn 2; OLG München BayrRpflZ 1930, 213 f. 39 Jaeger/Lent KO8 § 59 Rn 3; Böhle-Stamschräder KO11 § 59 Anm, 2; Mentzel/Kuhn KO8 § 59 Rn 3. 40 Jaeger/Lent KO8 § 59 Rn 3. 41 RG JW 1907, 58 Nr 22; OLG Düsseldorf Urteil vom 16.11.1973, wiedergegeben in BGH KTS 1976, 48 = NJW 1975, 1969; Jaeger/Lent KO8 § 59 Rn 1; Mentzel/Kuhn KO8 § 59 Rn 2; Böhle-Stamschräder KO11 § 59 Anm 1 c. 42 BGH ZIP 2008, 1127 Rn 12; RG LZ 1909, 786; s auch BGH KTS 1958, 142 = WM 1958, 899. 43 RG WarnRspr 1934 Nr 149. 667

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§ 55

Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

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Diese Differenzierungen sind nicht zu rechtfertigen, zumal die Grenze zwischen § 831 und § 278 BGB seit Inkrafttreten des BGB zugunsten des § 278 BGB verschoben worden ist. Die Gründe hierfür haben nichts mit der Frage zu tun, ob die Insolvenzmasse für Pflichtverletzungen des Verwalters haften soll. Eine allenfalls bestehende Tendenz, den Anwendungsbereich des § 278 BGB auszudehnen – durch Erweiterung der Nebenpflichten, Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte etc –, zielt auf die Einschränkung der Entlastungsmöglichkeiten, die § 831 BGB bietet. Stellt man dagegen bezüglich der Haftung der Masse für Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters die Frage, ob § 278 BGB oder § 831 BGB anwendbar ist, so bedeutete die Antwort, dass lediglich ein deliktisches Verhalten des Insolvenzverwalters vorliege, dass die Masse von jeder Haftung freigestellt und nicht nur durch die Exkulpationsmöglichkeit begünstigt würde. Denn § 831 BGB kann niemals zu einer Haftung der Masse führen, weil der Insolvenzverwalter kein weisungsgebundener Verrichtungsgehilfe ist.44 Es wäre aber eine rein begriffliche, durch Wertungsgesichtspunkte nicht zu rechtfertigende Ableitung, wollte man annehmen, dass die Masse stets für Pflichtverletzungen haften sollte, wenn es gerechtfertigt erscheint, die Exkulpation nach § 831 BGB durch Annahme einer vertraglichen Nebenpflicht auszuschalten, dass die Masse dagegen von der Haftung freigestellt werden müsste, wenn es an einer derartigen Nebenpflicht oder einer vertraglichen Beziehung fehlt und deshalb § 831 BGB angewendet werden muss. Noch weniger ist es gerechtfertigt, die Gefährdungshaftung der Masse zu bejahen, die Deliktshaftung dagegen zu verneinen, soweit es sich nicht um eine Verletzung von Patent- oder Urheberrechten oder um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung handelt. 12 Zu einer überzeugenderen Lösung kommt die Organtheorie, die eine Haftung der Masse für Pflichtverletzungen des Verwalters mit § 31 BGB begründen kann, gleichgültig, ob er Vertragspflichten verletzt oder eine unerlaubte Handlung begangen hat, weil sie den Verwalter als Organ der Masse versteht.45 Jedoch ist es allein zur Begründung einer Haftung der Masse nicht notwendig, die Masse als selbstständiges Rechtssubjekt und den Verwalter als ihr Organ anzusehen. Denn § 31 BGB kann auf nichtrechtsfähige Sondervermögen jedenfalls analog angewendet werden.46 Über die Grundlagen einer solchen Analogie besteht freilich Streit. Teilweise wird auf die körperschaftliche Organisation abgehoben.47 Da sie der Insolvenzmasse fehlt, ergäbe sich aus dieser Sicht kein Ansatz für eine Analogie. Nitschke48 hebt auf die Selbstständigkeit des Verwalters eines Vermögens als Kriterium für die Haftung dieses Vermögens nach § 31 BGB ab. Diese Auffassung wäre zwar tragfähig für eine analoge Anwendung des § 31 BGB auf die Insolvenzmasse,49 greift aber zu weit, indem sie die völlige Verdrängung des § 831 BGB durch § 31 BGB im unternehmerischen Bereich anstrebt, auch wenn das Unternehmen von einer natürlichen Person geführt wird. Beuthien50 hebt auf die „organschaftliche Organisation“ ab. Die dafür aufgestellten Kriterien lassen jedoch keinen sicheren Schluss darauf zu, ob auch die Insolvenzmasse als „organschaftlich organisiert“ verstanden werden kann. Fabricius verwendet das „funktionell bestimmte Merkmal der Vermögensverselbständigung“, das durch den „Ausschluss der Individualinteressen“ der zum Vermögen beitragenden Einzelpersonen gekennzeichnet sei.51 Es kann hier dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die genannten Kriterien geeignet sind, 13 die analoge Anwendung des § 31 BGB außerhalb des Insolvenzrechts zu begründen. Denn für die Anwendung des § 31 BGB im Insolvenzverfahren kommt es – wie Henckel in der Vorauflage 44 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 38. 45 Bötticher ZZP 77, 71 ff; Hanisch Rechtszuständigkeit der Konkursmasse (1973) S 129 ff; K Schmidt KTS 1976, 191, 206; dagegen allerdings M Schmidt Der Gemeinschuldner als Schuldner der Masseverbindlichkeiten, Diss Göttingen 1972, S 80 ff. 46 BeckOK/Schöpflin BGB63 BGB § 31 Rn 3. AA MünchKomm/Leuschner BGB9 § 31 Rn 10. 47 Larenz AllgT7 § 10 VI 4; Sellert AcP 175, 77 ff, 104. 48 NJW 1969, 1737 ff. 49 Nitschke NJW 1969, 1737, 1739 Fn 24. 50 DB 1975, 725 f. 51 Fabricius Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt (1966) S 171, 187. Eichel

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Sonstige Masseverbindlichkeiten

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herausgearbeitet hat52 – in erster Linie auf Kriterien der Vermögenshaftung an; demgegenüber können andere Struktur- und Funktionsmerkmale, die im Gesellschaftsrecht für werbendes Sondervermögen relevant sein mögen,53 hier zurücktreten. Im Insolvenzverfahren geht es darum, den durch amtliches Handeln des Insolvenzverwalters Geschädigten nicht dem Risiko auszusetzen, dass das eigene Vermögen des Verwalters, mit dem er nach §§ 60, 61 haftet (dazu Rn 6), zur Deckung des Schadens nicht ausreicht. Wie bei anderen haftungsrechtlich gesonderten Vermögen muss dem Geschädigten das Vermögen haften, bei dessen Verwaltung die Pflichtwidrigkeit begangen wurde. Zum anderen muss eine persönliche Haftung des Insolvenzschuldners mit seinem freien Vermögen ausgeschlossen sein, weil er mit diesem Vermögen nicht für die Abwicklung der Masse einstehen soll. Deshalb würde die Anwendung des § 278 BGB zu einem falschen Ergebnis führen, weil sie die primäre Haftung des Insolvenzschuldners als Geschäftsherrn begründen würde, die dann wieder durch fragwürdige Konstruktionen ausgeschlossen werden müsste. Es bedarf vielmehr einer Norm, die von vornherein die Haftung der Masse begründet. Gerade das wird mit der Anwendung des § 31 BGB erreicht. Entscheidend für die Anwendung dieser Vorschrift ist also nicht die nur von der Organtheorie bejahte Frage, ob die Masse Rechtssubjekt ist. Vielmehr ergibt sich die Anwendbarkeit des § 31 BGB aus der Haftungslage im Insolvenzverfahren, also aus dem Umstand, dass die Masse haftungsrechtlich ein Sondervermögen ist und dass für Masseverbindlichkeiten nur die Masse haftet. Dass der Vermögensverwalter als Vertreter eines Rechtsträgers handelte, ist nach dem Zweck des § 31 BGB nicht Voraussetzung seiner Anwendung. Auch die Amtstheorie kann deshalb § 31 BGB analog anwenden.54 Der BGH hat sich dieser Auffassung über die analoge Anwendung von § 31 BGB angeschlos- 14 sen.55 Danach muss für eine Zurechnung über § 31 BGB zwischen den Aufgaben des Verwalters und der schädigenden Handlung ein sachlicher, nicht bloß zufälliger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang bestehen, dh der Verwalter darf sich nicht so weit von seinen Aufgaben entfernt haben, dass er für Außenstehende erkennbar außerhalb des allgemeinen Rahmens der ihm übertragenen Aufgaben gehandelt hat.56 Wenn die Haftung an eine höchstpersönliche Eigenschaft des Schuldners anknüpft, trifft sie den Schuldner und dessen persönliches Vermögen, nicht hingegen die Masse (zB Haftung für die Verordnung von Arzneimitteln, wozu nur der Insolvenzschuldner in seiner Eigenschaft als Arzt berechtigt ist; siehe auch Rn 16).57 Beispiele für analog § 31 BGB zuzurechnende unerlaubte Handlungen sind die schuldhafte 15 Vereitelung von Ab- und Aussonderungsrechten58 oder die Verletzung eines fremden Patentrechts außerhalb einer vertraglichen Bindung.59 Ob dem Insolvenzverwalter eine Pflicht zum Schutz solcher Rechte obliegt, ist unerheblich. Denn jedenfalls gehört es zu seinen Aufgaben, solche Rechtsverletzungen zu unterlassen.

c) Gefährdungshaftung. Eine nach Normen der Gefährdungshaftung begründete Schadenser- 16 satzpflicht wird der Masse ebenfalls analog § 31 BGB zugerechnet (Rn 12 ff), wenn der Tatbestand 52 Mit eingehender Begründung Henckel Voraufl § 55 Rn 16. 53 Dazu insb Fabricius a.a.O. (Fn 51); Beuthien a.a.O. (Fn 50); Sellert a.a.O. (Fn 47); BGH DZWIR 2003, 426 (Keil) = NJW 2003, 1447.

54 Jaeger/Henckel KO9 § 6 Rn 41 ff; zustimmend Kilger/Schmidt KO17 § 59 Rn 2; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 22, § 60 Rn 2; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 23; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 75; im Ergebnis auch die Vertreter der Organtheorie (Rn 12), ferner MünchKomm/Reuter BGB8 § 31 Rn 17; Palandt/Heinrichs BGB62 § 31 Rn 3, 8; Staudinger/ Schwennicke (2019) § 31 Rn 110; Nitschke NJW 1969, 1737, 1739 Fn 24; Kübler/Prütting/Bork/Pape InsO91 § 55 Rn 31 f; HK/ Eickmann InsO4 § 5 Rn 2; Hess/Weis InsO2 § 55 Rn 68. 55 NZI 2006, 592; ZIP 2018, 977 Rn 34. 56 BGH NZI 2006, 592; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 24. 57 BSG ZIP 2015, 2087 Rn 20. 58 BGH ZIP 2006, 194 Rn 7 ff; ZIP 2008, 1127 Rn 10; RG JW 1936, 2406; 1939, 434; OLG Naumburg OLGRspr 15, 239; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 23; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 85 f. 59 Vgl OLG Hamburg ZIP 1988, 925, dazu EWiR § 57 KO 1/88, 915 (Vortmann); Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 23. 669

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

durch ein Handeln, Tun oder Unterlassen des Insolvenzverwalters erfüllt worden ist.60 Ein Beispiel ist die Haftung nach § 18 StVG, wenn der Verwalter selbst oder einer seiner Mitarbeiter das Fahrzeug geführt haben, oder nach § 89 I WHG, wenn der Verwalter etwa im Rahmen einer Betriebsfortführung in das Gewässer Stoffe eingebracht oder eingeleitet hat. In vielen Fällen der Gefährdungshaftung lässt sich die Haftung der Masse aber auch ohne § 31 BGB begründen, weil sie nicht an eine Handlung, sondern an eine Eigenschaft einer Person anknüpft.61 So lässt § 7 StVG den Halter haften, § 701 BGB den Gastwirt, § 833 BGB den Tierhalter, § 1 HPflG den Betriebsunternehmer und § 89 II WHG den Betreiber der Anlage. Kommt diese Eigenschaft dem Insolvenzverwalter zu, haftet die Masse. Die eine Gefährdungshaftung begründenden Eigenschaften sind unabhängig von der rechtlichen Zuordnung. Der Insolvenzverwalter ist nicht deshalb Halter eines Kraftfahrzeugs, weil dieses zur Masse gehört. Halter iSd § 7 StVG ist, wer das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung gebraucht, nämlich die Kosten bestreitet und die Nutzungen der Verwendung zieht, wer tatsächlich, vor allem wirtschaftlich, über die Fahrzeugbenutzung verfügen kann.62 Die Masse haftet deshalb nicht nach § 7 StVG, wenn der Insolvenzschuldner mit seinem Fahrzeug, von dem der Insolvenzverwalter nichts weiß, einen Schaden verursacht.63 Die Halterhaftung der Masse setzt voraus, dass der Verwalter tatsächlich die Entscheidungsgewalt über die Verwendung des Fahrzeugs hat und dieses im Interesse der Masse nutzt.64

17 d) Unterlassungen des Insolvenzverwalters. Ansprüche auf Unterlassung eines vom Insolvenzverwalter in Ausübung behaupteter Masserechte betätigten Verhaltens (wie sie zB auf Grund der §§ 1, 3, 8 UWG bei einer Unternehmensfortführung durch den Verwalter entstehen können) sind nur insofern „aus der Insolvenzmasse“ (§ 53) erfüllbar, als die Verletzung der Unterlassungspflicht Ersatzansprüche zu Lasten der Masse begründet. Die Unterlassungspflicht selbst als Masseverbindlichkeit einzuordnen, stößt dagegen auf Bedenken, weil der Verwalter sie auch bei Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff) in vollem Umfang zu erfüllen hat (zur ebenfalls problematischen Qualifikation als Insolvenzforderung § 38 Rn 82).65 Was die Qualifizierung der an die Unterlassung anknüpfenden Ersatzpflicht als Masseverbindlichkeit angeht, liegt ein Fall des § 55 I Nr 1 vor, da auch ein Unterlassen des Insolvenzverwalters eine „Handlung“ in diesem Sinne ist, sofern er kraft seines Amtes zum Handeln verpflichtet war.66 Teilt zum Beispiel der Verwalter entgegen seiner Verpflichtung (§ 167) dem Absonderungsberechtigten nicht mit, auf welche Weise er den in seinem Besitz befindlichen Absonderungsgegenstand verwerten will, ist der Anspruch auf Ersatz des Schadens, den der Absonderungsberechtigte dadurch erleidet, dass eine andere günstigere Verwertung, auf die er hätte hinweisen können, nicht wahrgenommen wurde, Masseverbindlichkeit (§ 31 BGB), unbeschadet der Eigenverantwortlichkeit des Verwalters.67 Hat der Verwalter es unterlassen, in einem Termin zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen oder zu verhandeln, begründet die Kostenlast eines Versäumnisurteils (§ 344 ZPO) eine Masseverbindlichkeit. Auch das Unterlassen einer dem Verwalter obliegenden Erfüllungshandlung, etwa eine Sache abzuholen oder abzunehmen, gehört hierher. Handelt der Verwalter im Rahmen seiner Amtsführung dem Verbietungsrecht eines Dritten zuwider, indem er zB fremde Warenzeichen oder Patente verletzt oder Handlungen vornimmt, die er auf Grund einer Dienstbarkeit nicht vornehmen darf (§§ 1018,

MünchKomm/Leuschner BGB9 § 31 Rn 20; im Ergebnis auch Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 37. Soergel/Hadding BGB12 § 31 Rn 20. Buschbell/Höke/Kuhn Straßenverkehrsrecht5 § 23 Rn 43. HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 74. Vgl zu § 833 BGB Staudinger/Eberl-Borges (2018) § 833 Rn 93 f, 100 f. BGH ZIP 2010, 948 Rn 28. BAG ZIP 2011, 2118 Rn 11; ZIP 2002, 2051, 2053; DB 1979, 1562; LG Dortmund Rpfleger 63, 311; Nerlich/Römermann/ Andres InsO44 § 55 Rn 77; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 40; RegE BT-Drucks 12/2443 S 126. 67 Ähnlich BGH ZIP 2007, 191 Rn 20.

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1090 BGB), begründet er Masseverbindlichkeiten.68 Unterlässt der Insolvenzverwalter den Widerruf eines vor Verfahrenseröffnung aufgestellten Sozialplans (§ 124 I), so macht diese Unterlassung aus den Sozialplanansprüchen keine Masseforderungen iSv § 55 I Nr 1, da keine Rechtspflicht zum Widerruf besteht.69

e) Prozesshandlungen. Zu den Handlungen des Insolvenzverwalters iSd Abs 1 Nr 1 gehört auch 18 seine Prozessführung.70 Deshalb löst die Kostenentscheidung in einem nach Verfahrenseröffnung durch oder gegen den Insolvenzverwalter begonnenen Streit eine Masseverbindlichkeit iSv § 55 I Nr 1 aus, wenn der Insolvenzverwalter den streitbefangenen Massegegenstand nicht zugunsten des Insolvenzschuldners aus der Masse freigibt (§ 54 Rn 11).71 Was vor Insolvenzeröffnung begonnene Prozesse angeht, gelten Gerichts- und Prozesskos- 19 tenerstattungsansprüche wegen ihres von Anfang an aufschiebend bedingten Charakters grundsätzlich als Insolvenzforderungen (§ 38 Rn 167 ff). Sobald hingegen der Verwalter in den Prozess eintritt und damit den später ergehenden Kostenanspruch durch sein Handeln mitbegründet, kommt § 55 I Nr 1 ins Spiel und kann die Insolvenzforderung zu einer Masseforderung aufwerten. Insoweit gilt: Soweit dem Verwalter als Partei kraft Amtes die Kosten eines von ihm oder gegen ihn fortgesetzten (§§ 85, 86, 129, 179, 180) Prozesses auferlegt oder soweit sie von ihm übernommen werden, bildet die Kostenverbindlichkeit gegenüber der anderen Partei wie gegenüber der Staatskasse grundsätzlich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 1, gleichgütig ob die Kosten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, vor Eintritt des Verwalters in den Rechtsstreit (§§ 85, 86, § 180 II InsO, § 17 AnfG) oder erst später ausgelöst wurden.72 Gleichgültig ist auch, ob der Rechtsstreit ein Aktiv- oder ein Passivprozess, die Prozessaufnahme vom Verwalter oder gegen ihn erfolgt ist. Anderes gilt nur für die Kosten einer vor Insolvenzeröffnung bereits abgeschlossenen Instanz; der sie betreffende Erstattungsanspruch ist Insolvenzforderung.73 Eine verbreitete Gegenauffassung in der Literatur plädiert ua mit Hinweis auf § 105 für eine weitergehende Aufteilung der Kosten auch innerhalb einer Instanz, je nachdem, ob der jeweilige Gebührentatbestand vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.74 Gegen diese Auffassung spricht, dass durch die Aufnahme eines vom Schuldner geführten Prozesses die schwebende Kostenlast die Insolvenzmasse als einheitliche Verbindlichkeit trifft.75 Würde der Verwalter die Aufnahme eines Teilungsmassestreites (§ 85) auf einen ausscheidbaren Teil des streitigen Anspruchs beschränken, dann würde die Masse die Kostengefahr auch nur für diesen Teil, insoweit aber wieder als einheitliche Last, übernehmen. Wie Henckel in der Vorauflage herausgearbeitet hat, beruht die Kostenlast der Masse nicht darauf, dass der Verwalter mit der Aufnahme des Rechtsstreits die bisherige Prozessführung des Schuldners genehmigte. Entscheidend ist, dass er

RG JW 1907, 88; LZ 1907, 143; BGH ZIP 2010, 948 Rn 32; vgl auch Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 40. BAG ZIP 2002, 2051, 2053. Hoffmann ZIP 2021, 16. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 42. Zur Freigabe BGH ZIP 2005, 1034. Zur Frage, ob der Insolvenzverwalter haftet, Kallweit Die Eigenhaftung des Insolvenzverwalters für prozessuale Masseverbindlichkeiten (2004). 72 BGH ZIP 2016, 1490 Rn 10; ZIP 2019, 722 Rn 47; ZIP 2008, 1441 Rn 29; ZIP 2006, 2132 Rn 13 f; ZIP 2006, 576 Rn 15; BAG ZIP 2010, 588 Rn 23; OLG Saarbrücken NZI 2018, 287; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 99; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 42, 45; HK/Kayser InsO10 § 85 Rn 59 f; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 60; Henckel Voraufl § 55 Rn 21 (auch mwN in die frühere OLG-Rechtsprechung und zur KO); offengelassen: BFH ZIP 2002, 2225. 73 BGH ZIP 2016, 1490 Rn 10; OLG München NZI 1999, 498 = ZIP 2000, 31; HK/Kayser InsO10 § 85 Rn 60; MünchKomm/ Hefermehl InsO4 § 55 Rn 45. 74 Kübler/Prütting/Bork/Lüke InsO91 § 85 Rn 58 f; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 18 ff; ders EWiR 2016, 563, 564; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 17a; MünchKomm/Schumacher InsO4 § 85 Rn 20; Uhlenbruck ZIP 2001, 1988 f; Oetker ZZP 25, 41; Wolff KO2 § 59 Anm 1 S 285. Ausführlich Heiderhoff ZIP 2002, 1564 ff und Hoffmann ZIP 2021, 16. Offen gelassen durch BGH ZIP 2004, 2293, 2294. 75 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 45. AA Lang Das Aufrechnungsrecht (1906) S 93.

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zu Lasten der Masse in die Verantwortlichkeit für den Prozess eingetreten ist.76 Die Relevanz einzelner Prozesshandlungen für das abschließende, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergehende Urteil ist unabhängig davon, ob eine Handlung vor oder nach der Verfahrenseröffnung vorgenommen worden ist. Das Urteil beruht auf dem gesamten Prozess. Das gilt auch dann, wenn der Kläger im Laufe des Prozesses von einer Leistungs- auf eine Feststellungsklage nach § 179 I umgestellt hat.77 Wegen dieser Einheitlichkeit der Kostengrundentscheidung ist es ausgeschlossen, die Gebühren unterschiedlich zu qualifizieren, je nachdem, wann gehandelt wurde. Entscheidend ist, wann die Handlungen sich auf die Entscheidung, die den Kostenausspruch für die jeweilige Instanz enthält, ausgewirkt haben. Mit § 105 lässt sich die Einheit der Kostenverbindlichkeit nicht in Frage stellen.78 § 105 bezieht sich auf eine gegenseitige, synallagmatische Verbindung von Leistungen. Davon kann bei der Kostenlast nicht die Rede sein. Auch bringt § 105 nichts Neues, das es rechtfertigen könnte, das Problem der Kostenlast anders zu beurteilen als nach dem Konkursrecht. Der Sache nach galt der Inhalt des § 105, soweit er hier interessiert, auch schon im Konkursrecht. Lässt der Verwalter später die zunächst gebilligte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung wieder fallen, entlastet er die Masse dadurch nicht mehr. Dass die Partei, die im vollen Umfang unterliegt, die Prozesskostenlast aller Rechtszüge als Ganzes zu tragen hat, ist die Regel des § 91 ZPO, die durch bestimmte, die Kostensonderung anordnende Ausnahmevorschriften (zB §§ 94–97, 344 ZPO) bestätigt wird. Aus ihr folgt, dass hinsichtlich der dem Verwalter auferlegten Kosten zwischen der Zeit vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder vor und nach Prozessaufnahme nicht zu unterscheiden ist. Eine solche Trennung würde auch gar nicht durchführbar sein, weil Gerichts- und Anwaltsgebühren nicht als Entgelt für einzelne, sondern als Entgelt für eine Gesamtheit gleichartiger Prozesshandlungen in Ansatz kommen. Darum bilden die dem unterliegenden Verwalter zur Last fallenden Kosten eines Rechtsmittels auch dann eine einheitliche Masseverbindlichkeit, wenn das Rechtsmittel bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingelegt worden war. Voraussetzung einer Masseverbindlichkeit ist aber, dass ein Kostentitel gegen den Insolvenzverwalter selbst vorliegt. Solange das nicht der Fall ist, sind die Ansprüche auf Erstattung der Kosten, die in den Urteilen der Vorinstanzen dem Insolvenzschuldner selbst auferlegt worden sind, Insolvenzforderungen und müssen dies auch bleiben, da andernfalls der bestehende Kostenspruch in eine Masseforderung umgeschrieben werden müsste, wofür es keine Grundlage gibt.79 Ebenso ist nur die Kostenlast des Rechtsmittelverfahrens Masseverbindlichkeit, wenn der Insolvenzverwalter lediglich in die Kosten des Rechtsmittels verurteilt ist, während die Vorinstanzkosten, die seinerzeit dem jetzigen Insolvenzschuldner auferlegt worden waren, bloße Insolvenzforderungen bilden.80 Der Umstand, dass ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens schwebender Kostenanspruch als gesetzlich bedingte Insolvenzforderung angemeldet und daraufhin als solche festgestellt worden ist, steht seiner Qualifikation als Masseverbindlichkeit nicht im Wege (§ 53 Rn 31). Die Kostenlast eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1057 ZPO) trifft die Masse entsprechend den vorstehenden Erläuterungen.81 Zur Eigenschaft des Kostenerstattungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger (§ 7 SchVG) oder desjenigen der Aktionäre im aktienrechtlichen Spruchverfahren (§ 6 II S 1 SpruchG) als Insolvenzforderung s § 38 Rn 169. 20 Auch der Insolvenzgläubiger, der einen Prozess nach § 180 II aufgenommen und verloren hat, trägt eine einheitliche Kostenlast, nicht nur die Kosten seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hatte der Insolvenzverwalter den angemeldeten Hauptanspruch von vornherein anerkannt und lediglich die Prozesskostenpflicht des Schuldners bestritten, so handelt es sich in dem 76 77 78 79 80 81

Henckel Voraufl § 55 Rn 21; BGH ZIP 2005, 1034, 1035; BAG ZIP 2010, 588 Rn 23. HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 60. Hoffmann ZIP 2021, 16, 19. OLG München NZI 1999, 498 = ZIP 2000, 31. OLG München NZI 1999, 498 = ZIP 2000, 31. Für Gleichbehandlung, aber aus dem Blickwinkel der Gegenauffassung Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 18. Eichel

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nach § 180 II aufgenommenen Prozesse nur noch um die Frage, wer die Kostenlast trägt oder wie sie zu verteilen ist. Soweit das Gericht die Prozesskostenpflicht des Schuldners anerkennt, stellt es den Bestand einer Insolvenzforderung fest, deren Betrag im Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff ZPO) zu bestimmen ist. Hatte der Schuldner eine Klage schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückge- 21 nommen, bildet der Kostenerstattungsanspruch des Gegners (§ 269 III ZPO) eine unbedingte Insolvenzforderung, die als solche zur Tabelle anzumelden und im Bestreitensfall auf dem Wege des § 180 I zur Feststellung zu bringen ist.82 Nimmt erst der Verwalter die Klage zurück, haftet die Masse für die Kostenschuld nach § 55 I Nr 1.83 War ein Prozess vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Hauptsache erledigt, besteht nur eine Insolvenzforderung für den Kostenanspruch. Wird eine Insolvenzforderung im Prüfungstermin bestritten und kommt es zum Feststellungsprozess, in welchem der Verwalter unterliegt, so sind nur die Kosten dieses Prozesses Masseverbindlichkeiten.84 Werden bei Anerkennung des Hauptanspruchs außergerichtliche Kosten vom Verwalter bestritten, so bildet die Feststellung dieses Kostenanspruchs die Hauptsache des gegen den Verwalter zu führenden Prozesses; die Forderung des obsiegenden Gläubigers auf Erstattung der in diesem Verfahren entstehenden Kosten ist Masseverbindlichkeit.85 Der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schwebende Anspruch des vom Insolvenzschuldner mit der Prozessführung betrauten Anwalts auf Gebühren und Auslagen ist – wenn der Verwalter den Prozess von demselben Anwalt durchführen lässt und im Prozess unterliegt – gleichfalls eine einheitliche Masseforderung nach § 55 I Nr 1, gleichgültig, ob der Verwalter oder der Gegner den Prozess aufgenommen hatte.86 Ist der aufgenommene Prozess ein Forderungsfeststellungsstreit, ergeben sich aus dem Prinzip der Einheit der Kostenentscheidung Schwierigkeiten. Denn mit der Aufnahme des Rechtsstreits ändert sich der Streitwert nach Maßgabe des § 182. Nach hM richten sich die zu erstattenden Kosten für den ganzen Prozess nach diesem neuen Streitwert.87 Das ist misslich für den Anwalt, der den Prozess für den Schuldner vor der Verfahrenseröffnung mit hohem Streitwert geführt hat und nach Aufnahme des Rechtsstreits, vom Insolvenzverwalter erneut beauftragt, sein Honorar im Ganzen nur nach Maßgabe des ermäßigten Streitwerts aus der Masse bekommt, wenn der Insolvenzverwalter im aufgenommenen Prozess unterliegt.88 Eine Aufteilung der Gebühren einer Instanz nach dem Zeitpunkt, in dem sie verdient sind, ist nicht möglich. Wohl aber eine Aufteilung hinsichtlich des Streitwerts nach Instanzen, die von Friedrich Weber89 und vom OLG Frankfurt90 befürwortet wurde. Eine solche Aufteilung ist sicher angemessen, wenn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen ein zuvor ergangenes Urteil Berufung eingelegt wird und der Insolvenzverwalter für das Berufungsverfahren einen anderen Anwalt beauftragt. Die Honorarforderung des Anwalts der ersten Instanz, die nach dem ursprünglichen Streitwert berechnet wird, ist dann keine Masseverbindlichkeit.91 Die Ansicht Webers und des OLG Frankfurt setzt sich aber gerade deshalb dem Einwand aus, dass die Fortführung des Prozesses durch den vom Schuldner vor der Verfahrenseröffnung beauftragten Anwalt teurer werde, als wenn der Verwalter für den nach der Verfahrenseröffnung in der Berufungsinstanz aufgenomme-

82 OLG Hamburg OLGRspr 21, 177. 83 BGH ZIP 2005, 1034, 1035; OLG Hamburg OLGRspr 23, 299; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 98; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 43. 84 OLG Hamburg OLGRspr 21, 177; KG OLGRspr 23, 117. 85 OLG Karlsruhe OLGRspr 10, 201. 86 KG OLGRspr 9, 166; s auch H Schmidt NJW 1976, 98. 87 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 182 Rn 17; unter Berufung auf BGH KTS 1980, 247 = ZIP 1980, 429; BGH ZIP 1993, 50; BGH ZIP 1994, 1193; OLG Düsseldorf KTS 1963, 180; KTS 1971, 284; KTS 1972, 55; KTS 1978, 41; OLG Frankfurt NJW 1967, 210; Rpfleger 1977, 372; OLG Köln MDR 1974, 853; OLG Hamm NJW 1975, 742. 88 H Schmidt NJW 1976, 98, unterstellt der hM unrichtig, dass sie dem Anwalt die bis zur Verfahrenseröffnung schon erwachsenen Gebühren nach dem ursprünglichen Streitwert berechne. 89 Jaeger/Weber KO9 § 148 Rn 3. 90 ZIP 1981, 638; für Aufteilung sogar in einer Instanz: OLG Hamm ZIP 1994, 1547. 91 AG und LG Freiburg ZIP 1983, 481. 673

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nen Prozess einen anderen Anwalt bestellt.92 Der Verwalter, der keinen anderen Anwalt bestellt, setzte sich dem Vorwurf aus, vermeidbar hohe Masseverbindlichkeiten begründet zu haben. 22 Nimmt ein Insolvenzgläubiger einen streitig mit dem Schuldner geführten Prozess auf, nachdem der Insolvenzverwalter der angemeldeten Forderung vorläufig widersprochen hatte (§ 180 II), kann der Insolvenzverwalter der Kostenlast grundsätzlich dadurch entgehen, dass er den Klageanspruch im aufgenommenen Prozess sofort anerkennt; § 93 ZPO ist – entgegen der in der Vorauflage vertretenen Auffassung93 – anwendbar.94 Allerdings übernimmt der Verwalter den Prozess in der Lage, in der sich dieser befindet, und muss die vorherige Prozessführung des Schuldners gegen sich gelten lassen.95 Der Verwalter muss also hinnehmen, dass die Möglichkeit des sofortigen Anerkennens iSd § 93 ZPO verschlossen ist, sobald sich der Schuldner bereits in einer Weise verteidigt hatte, die das Kostenprivileg des § 93 ZPO ausschließt.96 Ein kostenrelevantes, vom vorherigen Verhalten des Schuldners unabhängiges Anerkenntnis gibt es nicht. Da § 86 II InsO (früher § 11 II KO) im aufgenommenen Forderungsfeststellungsstreit (§§ 87, 180 II InsO, früher §§ 12, 146 III KO) nicht anwendbar ist,97 ist die durch § 93 ZPO nicht mehr vermeidbare Prozesskostenerstattungsforderung nach dem oben gesagten (Rn 19) Masseforderung.98 Wie Henckel in der Vorauflage herausgearbeitet hat,99 ist es dem Verwalter allerdings möglich, dieser Kostenlast zu entgehen, wenn der Insolvenzgläubiger nach nur vorläufigem Widerspruch des Insolvenzverwalters den Prozess aufnimmt, ohne diesem durch Rückfrage100 Gelegenheit zu geben, seine Haltung abschließend zu prüfen. Nimmt der Verwalter nämlich nach der Aufnahme des Prozesses seinen Widerspruch zurück, ist die Hauptsache erledigt. Bei einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO wäre entsprechend dem Gedanken des § 93 ZPO zu berücksichtigen, dass der Verwalter mit dem vorläufigen Bestreiten noch keinen Anlass zur Aufnahme des Prozesses gegeben hatte.101 Da nur durch die voreilige Aufnahme des Prozesses durch den Insolvenzgläubiger Kosten als Masseverbindlichkeit entstehen konnten, muss die Kostenentscheidung dahin ergehen, dass die Kostenforderung des Klägers Insolvenzforderung ist und die durch die voreilige Aufnahme im fortgesetzten Verfahren auf der Seite des beklagten Verwalters entstandenen Kosten diesem vom Kläger zu erstatten sind. 23 Entsprechend der einheitlichen Kostentragung für die bei Verfahrenseröffnung noch nicht abgeschlossene Instanz hat der Schuldner für alle der Masse im Urteil auferlegten Kosten nur mit der Masse einzustehen, auch wenn der Prozess zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon anhängig war und damit teilweise von ihm geführt wurde. Entscheidend ist, dass die Kostenlast erst infolge der fehlgeschlagenen Prozessführung des Insolvenzverwalters als einheitliche zustande gekommen ist (Rn 19). Führt der Schuldner hingegen auch nach Verfahrenseröffnung eigenständig den Prozess, werden dadurch keine im Insolvenzverfahren verfolgbaren Kostenverbindlichkeiten begründet.102 Das gilt für die freigegebenen103 und für die kraft Gesetzes insolvenzfreien vermögensrechtlichen Ansprüche des Schuldners und ganz allgemein für seine Nichtvermögensstreitigkeiten.

92 H Schmidt NJW 1976, 98. 93 Henckel Voraufl § 55 Rn 24. 94 BGH ZIP 2006, 2132 Rn 6; vgl auch BGH ZIP 2006, 576 Rn 9 ff; OLG Hamm ZIP 1994, 1547, dazu EWiR § 11 KO 1/94, 1115 (Pape); Hoffmann ZIP 2021, 16, 22 („unproblematisch“).

95 So auch schon Henckel Voraufl § 55 Rn 24. 96 BGH ZIP 2006, 2132 Rn 6 ff. 97 Kübler/Prütting/Bork/Lüke InsO91 § 86 Rn 19a. AA Hoffmann ZIP 2021, 16, 17 und 22 (analoge Anwendung); offenbar auch Pape EWiR § 11 KO 1/94, 1115.

98 BGH ZIP 2006, 2132. 99 Henckel Voraufl § 55 Rn 24 mit kritischer Auseinandersetzung mit OLG Hamm ZIP 1994, 1547. 100 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 51. 101 BGH ZIP 2006, 576; LG Bonn ZIP 2000, 1310. 102 BGH ZIP 2014, 480 Rn 14 f. 103 BGH ZIP 2005, 1034; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 47, 49. Eichel

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Ihrem eigenen Anwalt haftet die Masse auf Grund der Bestellung nach § 55 I Nr 1. Auch die 24 „Beibehaltung“ des schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner mit der Prozessführung betrauten Anwalts ist als Neuabschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages durch den Verwalter iSv § 55 I Nr 1 anzusehen, und zwar im Zweifel für die gesamte Prozesstätigkeit innerhalb einer laufenden Instanz.104 Der alte Vertrag ist nach § 116 erloschen. Geschäfte iSd § 55 I Nr 1 sind auch Vergleiche, die der Insolvenzverwalter für die Masse ab- 25 schließt, sowohl gerichtliche, vor einer Gütestelle geschlossene, nach § 118 I S 3 oder § 492 III ZPO zu richterlichem Protokoll genommene (§ 794 I Nr 1 ZPO) und schiedsgerichtliche (§§ 794 I Nr 4a, 1053 ZPO) als auch außergerichtliche.105 Die Haftung der Masse wird hier durch den im Vergleich erklärten Willen des Insolvenzverwalters bestimmt, begrenzt auf Haupt- und Nebenpflichten des Schuldners. Übernimmt der Verwalter im Vergleich die Kosten eines von ihm aufgenommenen Prozesses ohne Einschränkung, so übernimmt er sie – wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist – auch insoweit, wie sie vor der Aufnahme entstanden sind.106 Aber auch wenn er im Vergleich Kosten übernimmt und der Prozess nicht von ihm aufgenommen worden war, handelt es sich um eine Masseschuld.107 Für die Kosten eines schon vor der Aufnahme der Hauptsache erledigten Arrestverfahrens freilich lässt sich im Zweifel der Masseverpflichtungswille des Verwalters nicht unterstellen, besonders dann nicht, wenn die Arrestkosten bereits bezahlt waren.108 Übernimmt der Verwalter bei Einigung über ein streitiges Insolvenzgläubigerrecht (§ 180) im Vergleich eine Kostenhaftung, dann bleibt der Hauptanspruch in den Grenzen der vergleichsmäßigen Anerkennung durch den Verwalter Insolvenzforderung, eine etwa von ihm übernommene Kostenpflicht aber in den Grenzen dieser Übernahme Masseverbindlichkeit.109 Das gilt auch beim außergerichtlichen Vergleich. Masseverbindlichkeit wird ferner eine Kostenpflicht, die der Insolvenzverwalter bei Einigung über einen Teilungsmassestreit (§ 85) in dem zur Prozessbeendigung abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich übernimmt. Im Abschluss eines solchen Prozessvergleichs bekundet der Verwalter wirksam den Willen der Prozessaufnahme. Einer förmlichen Aufnahmeerklärung iSd § 250 ZPO bedarf es nicht. Ohne Aufnahme könnte der Verwalter die Rechtshängigkeit nicht beenden. Eine Aufnahme nach § 85 I, also eine Beseitigung des Prozessstillstandes unter Eintritt des Verwalters in die Herrschaft über den Rechtsstreit, muss nicht gerade zum Zwecke der Durchführung des Prozesses erfolgen, sondern kann auch erfolgen, um ihn zu beenden. Schließen Verwalter und Gegner einen außergerichtlichen Vergleich über den Gegenstand eines zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängigen Prozesses, wird dieser nicht beendet. Außergerichtliche Vergleichsverhandlungen können nicht als Aufnahme des Prozesses gedeutet werden. Übernimmt aber der Verwalter vergleichsweise einen Teil der Gerichtskosten, dann bürdet er auch hier der Masse die Kostenverbindlichkeit im Verhältnis zur Gegenpartei als Masseverbindlichkeit auf. Der Staatskasse gegenüber wird die Masse bei außergerichtlichem Vergleich freilich nur durch eine Mitteilung iSd §§ 29 Nr 2, 33 GKG haftbar.110 Nur wenn der Verwalter im Vergleich etwas vom Anspruch des Schuldners aufopfert, ohne seinerseits Kosten zu übernehmen, bleibt § 55 I Nr 1 unanwendbar.111 Ein Antrag des Verwalters auf Streitwertherabsetzung schließt keine Aufnahme des Rechtsstreits ein. Die Herabsetzung wird nur beantragt, um die Aufnahme für die Masse erträglich zu machen.112

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BAG ZIP 2010, 588 Rn 23; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 54. BAG ZIP 2019, 777 Rn 15; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 52. OLG Köln ZIP 2004, 2247; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 52. OLG Saarbrücken NZI 2018, 287. OLG Hamburg OLGRspr 39, 39 f. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 52. Kilger/Schmidt KO17 § 59 Anm 1 b. AA OLG Celle JW 1929, 515, mit Anm Gaedeke. OLG Celle JW 1929, 515, mit Anm Gaedeke. Eichel

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3. Durch den Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeit 26 Der Gesetzgeber hat bei § 55 I Nr 1 bewusst nicht von Forderungen gesprochen, die vom Verwalter zur Entstehung gebracht wurden, sondern von solchen, die dieser (wie bei § 38) „begründet“ hat.113 Eine bislang noch nicht entstandene Forderung darf also im Grundsatz nicht schon durch den Schuldner oder sonst vor Verfahrenseröffnung iSv § 38 begründet gewesen sein (Rn 5).114 Handlungen des Insolvenzverwalters, die allein der Abwicklung von bereits bei Verfahrenseröffnung begründeten Rechtsbeziehungen dienen, fallen nicht unter § 55 I Nr 1; Insolvenzforderungen werden nicht durch eine bloße Beteiligung des Insolvenzverwalters zu Masseverbindlichkeiten.115 Die durch den Verwalter erklärte Anerkennung einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen, anfänglich bestrittenen Forderung macht eine Insolvenzforderung nicht zur Masseforderung, auch nicht ein selbstständig wirkendes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780–782 BGB), das der Verwalter, etwa auf Grund einer Abrechnung, über eine vor der Verfahrenseröffnung begründete Forderung erteilt (§ 38 Rn 116).116 Keine Masseverbindlichkeit ist auch eine Leistungsverpflichtung, die der Insolvenzverwalter in einem Vergleich übernimmt, wenn der Rechtsstreit um eine Insolvenzforderung (§ 38) geführt worden ist.117 Wenn der Insolvenzverwalter sich in einem Kündigungsschutzprozess in einem Vergleich zur Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer verpflichtet, bleibt die Abfindungsforderung Insolvenzforderung, wenn sie bereits bei Verfahrenseröffnung begründet war, also in den vor Verfahrenseröffnung für das Arbeitsverhältnis geltenden Regeln seine Grundlage hat (zur Abfindung s auch unten Rn 61, 73 und § 38 Rn 126).118 Das ist nicht der Fall, wenn sie Folge einer durch den Insolvenzverwalter ausgesprochenen, rechtswidrigen Kündigung ist.119 Wegen der abweichenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts empfiehlt es sich im Prozessvergleich klarzustellen, wenn es sich um eine schon begründete Forderung handelt, etwa: „in Höhe von 5 000 A bestreitet der Verwalter die angemeldete Forderung nicht.“ In Ausnahmefällen kann die Handlung des Verwalters aber der Mitbegründung der Verbindlichkeit gleichkommen, sich also nicht nur als Abwicklung der bereits begründeten Rechtsbeziehungen darstellen, sondern ihrem Gewicht nach wie eine Begründung der Forderung sein, sodass eine Aufwertung zur Masseforderung nach § 55 I Nr 1 gerechtfertigt ist (s etwa Rn 19). 27 Dieses Spannungsfeld zwischen Grundsatz und Ausnahme wird an der Rechtsprechung zur Qualifikation des Anspruchs aus § 40 I BetrVG deutlich. Danach gehört es zu den betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten eines Arbeitgebers, die Kosten und den Sachaufwand des Betriebsrats zu tragen.120 Zieht dieser vor der Verfahrenseröffnung externe Berater hinzu, welche ihre Tätigkeit danach fortsetzen, sind die Honoraransprüche für die bis zur Insolvenzeröffnung erbrachten Beratungsleistungen keine Masseverbindlichkeiten, weder nach § 55 I Nr 1 noch nach § 55 I Nr 2.121 Es handelt sich um schon vorher begründete Kosten. Erst für die Tätigkeiten ab der Verfahrenseröffnung entstehen Masseverbindlichkeiten nach § 55 I Nr 1 Alt 2.122 Zu den betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten, die das Gesetz dem Arbeitgeber auferlegt, gehört auch die Pflicht, die Kosten einer Einigungsstelle zu tragen und ein allenfalls geschuldetes Honorar des Vorsitzenden und der Beisit-

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RegE BT-Drucks 12/2443 S 126; BAG ZIP 2010, 588 Rn 21; ZIP 2006, 1962 Rn 15. BAG ZIP 2002, 2051, 2053. BGH ZIP 2020, 2025 Rn 17. BGH ZIP 2020, 2025 Rn 17; RG JW 1890, 114; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 10. Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 21. BAG NJOZ 2003, 1535, 1537 = KTS 2002, 750; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 112 f; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 77. AA und zu pauschal BAG DZWIR 2002, 422 (Bichlmeier) = ZIP 2002, 1495; BAG ZIP 2019, 777 Rn 15; Holzer EWiR 2008, 335, 336; Regh BB 2002, 2611; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 38. 119 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 79. 120 Vgl Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 81; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 199. 121 Ausführlich BAG ZIP 2010, 588 Rn 19 ff m Anm Tintelnot/Graj EWiR 2010, 543. 122 BAG ZIP 2010, 588 Rn 25. Eichel

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zer zu zahlen (§§ 76a I bzw III BetrVG).123 Die Tätigkeit der Mitglieder der Einigungsstelle ist keine Geschäftsbesorgung im Sinne von § 116 InsO.124 Sie endet nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wird das früher begonnene Verfahren der Einigungsstelle erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen, sollen die Kosten der Einigungsstelle und die Honorare der Mitglieder der Einigungsstelle Masseverbindlichkeiten des § 55 I Nr 1 sein.125 Das ist allenfalls begründbar, wenn man in der Mitwirkung des Insolvenzverwalters eine Handlung sehen würde, mit der er das Verfahren bewusst zur Masse zieht, sodass quasi eine Mitbegründung der Kostenschuld vorliegt, welche die ursprüngliche Begründung durch den Schuldner zurückdrängt (Rn 26).126 Ob das zutrifft, ist allerdings zweifelhaft.127 Näher liegt die Aufteilung der Kosten wie im Fall der externen Berater, nach der die vor Verfahrenseröffnung angefallenen Honorare Insolvenzforderungen sind.128 Anders liegt es mit den Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats in einem vom Arbeitgeber eingeleiteten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, welches der Insolvenzverwalter wieder aufgenommen hat; diese sind für das gesamte Verfahren Masseverbindlichkeiten, da der Insolvenzverwalter mit der Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens in der Tat in die Verantwortlichkeit für den gesamten Prozess zu Lasten der Insolvenzmasse eintritt und die Kostenentscheidung einheitlich ist;129 hier erfolgt eine Mitveranlassung der Kosten durch den Insolvenzverwalter (näher Rn 19).130 Genehmigt der Insolvenzverwalter eine Geschäftsführung ohne Auftrag, die vor der Eröff- 28 nung des Insolvenzverfahrens zugunsten des Schuldners stattgefunden hat, oder ein anderes von der Genehmigung des Insolvenzschuldners abhängiges Rechtsgeschäft, dann wird das Geschäft für die Masse nicht stärker verbindlich, als wenn der Geschäftsführer kraft eines ihm vor dem Insolvenzverfahren wirksam vom Schuldner erteilten Auftrags gehandelt hätte (§ 684 S 2 BGB). Sein Anspruch auf Erstattung der vor der Verfahrenseröffnung gemachten Aufwendungen ist daher Insolvenzforderung und keine Masseforderung.131 Dagegen findet § 55 I Nr 1 Anwendung, wenn der Insolvenzverwalter eine nach der Verfahrenseröffnung zugunsten der Masse getätigte Geschäftsführung genehmigt, aber auch, wenn die Voraussetzungen des § 683 BGB vorliegen, die Geschäftsführung also dem Interesse der Masseverwaltung und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Insolvenzverwalters entspricht. § 55 I Nr 1 ist dann zwar nicht unmittelbar, aber doch entsprechend anwendbar.132 Die bloße Duldung einer Tätigkeit des Schuldners durch den Insolvenzverwalter erfüllt § 55 I Nr 1 idR nicht.133 Setzt der Insolvenzverwalter ein vor der Verfahrenseröffnung vom Schuldner vereinbartes 29 Abrechnungsverfahren fort, indem er den Vertrag mit der Abrechnungsstelle, der nach § 116 erloschen ist, neu abschließt, damit diese den Abrechnungsverkehr mit den Kunden weiterführe, wird die Qualität der Kundenforderungen nicht verändert. Der Kunde, der als Folge der Rückabwicklung eines Geschäftes eine in das Abrechnungsverfahren einbezogene Forderung gegen den Schuldner schon zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte, bleibt Insolvenzgläubiger, auch wenn das Abrechnungsverfahren fortgeführt wird.134

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Kolbe/Bottor NZI 2018, 830. BAG ZIP 1984, 84. BAG DB 1979, 1562. In diese Richtung BAG DB 1979, 1562. Entsprechend zweifelt BAG ZIP 2010, 588 Rn 24, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist; ablehnend auch Kolbe/Bottor NZI 2018, 830 (ua mit dem treffenden Hinweis, dass keine einheitliche Kostenentscheidung erfolgt). 128 Kolbe/Bottor NZI 2018, 830. Bei Abschluss des Einigungsverfahrens schon vor der Eröffnung geht es allemal um Insolvenzforderungen, BAG ZIP 1984, 84; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 81. 129 BAG ZIP 2006, 144 Rn 13 ff m Anm Moll/Leisbrock EWiR 2006, 687; BAG ZIP 2010, 588 Rn 23. 130 BAG ZIP 2017, 383 Rn 22. 131 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 39. 132 BGH KTS 1972, 44 = NJW 1971, 1564; Kilger/Schmidt KO17 § 59 Anm 1 a; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 39. 133 BFH ZIP 2010, 2211 Rn 55; ZIP 2009, 2208 Rn 17. 134 BGH KTS 1985, 527 = ZIP 1985, 553. 677

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Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters bleibt auch dann Insolvenzforderung, wenn der Insolvenzverwalter gem § 103 die Erfüllung des vor der Verfahrenseröffnung geschlossenen Geschäfts wählt.135 Der Provisionsanspruch entsteht nach § 87 HGB aufschiebend bedingt bereits mit Abschluss des Vertrages zwischen dem Unternehmer und dem Dritten. Die Bedingung tritt ein, wenn der Unternehmer das Geschäft ausführt (§ 87a I S 1 HGB). Mit dem Abschluss des Geschäfts hat der Unternehmer und spätere Insolvenzschuldner bereits die Haftung seines Vermögens begründet unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäfts. Die Ausführung des Geschäfts ist Bedingung der Haftung (§ 87a I S 1 HGB), nicht aber rechtsgeschäftliche Haftungsbegründung iSv § 55 I Nr 1. Schwer zu vereinbaren war dieses Ergebnis mit der früheren Rechtsprechung des BGH zu § 17 KO (§ 103 InsO), die mit der Erfüllungswahl des Verwalters die Ansprüche aus dem gegenseitigen Vertrag mit dem ursprünglichen Inhalt neu entstehen ließ.136 Heute geht der BGH indes richtigerweise davon aus, dass die Erfüllungswahl bewirkt, dass die Verpflichtungen aus dem vor Verfahrenseröffnung geschlossenen gegenseitigen Vertrag nicht neu begründet werden, sondern als bestehende vom Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen sind, also von Insolvenzforderungen zu Masseforderungen erhoben werden.137 Damit hat die Einordnung des Provisionsanspruchs als Insolvenzforderung Bestand, wenn das vom Handelsvertreter angebahnte Geschäft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen worden ist.

III. In anderer Weise begründete Verbindlichkeiten (Abs 1 Nr 1 Alt 2) 1. Verhältnis zu den durch Verwalterhandeln begründeten Verbindlichkeiten 31 Abs 1 Nr 1 Alt 2 regelt die Verbindlichkeiten, die durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse und dabei anders als durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet wurden und auch nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehören. Die Zuordnung dieser Verbindlichkeiten zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten des § 55 hat Probleme entschärft, die früher bei der Auslegung der Konkursordnung entstanden waren. Dort waren die Ausgaben für Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse den Massekosten (§ 58 KO) zugeordnet. Bei unzureichender Masse (§ 60 KO) gingen sie den Masseschulden aus Geschäften und Handlungen des Verwalters (§ 59 I Nr 1 KO) und aus gegenseitigen Verträgen (§ 59 I Nr 2 KO) im Rang nach. Daher war es für die Verteilung des Verwertungserlöses bei unzulänglicher Masse von besonderer Bedeutung, ob eine Verbindlichkeit als Verwaltungs-, Verwertungs- oder Verteilungsausgabe einzuordnen war oder eben als durch Geschäft oder Handlung des Verwalters entstanden. Das betraf zB Steuern, Gebühren oder die Erstattung von Kosten einer Ersatzvornahme. Für die Anwendung der §§ 54, 55 InsO spielen diese Grenzprobleme keine Rolle mehr. Alle Masseverbindlichkeiten, die nicht Kosten iSv § 54 sind, gehören in den Anwendungsbereich des § 55, und eine strenge Unterscheidung der durch Handlungen des Verwalters von den in anderer Weise entstandenen Verbindlichkeiten des § 55 I Nr 1 ist nicht mehr wichtig.138 Unter der Insolvenzordnung ist vielmehr die Abgrenzung zu den Kosten des Insolvenzverfahrens iSv § 54 wichtig, da nur diese bei Masseunzulänglichkeit vorrangig vor den sonstigen Masseverbindlichkeiten des § 55 zu befriedigen sind (§ 209).139

135 BGH KTS 1990, 307 = NJW 1990, 1665; OLG Düsseldorf BB 1989, 515; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 55 Rn 8. 136 BGHZ 103, 250, 252, 254; 129, 336, 338 ff. 137 BGHZ 150, 353, 359 = ZIP 2002, 1093; Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 22 (ebd Rn 24 ff krit, aber ohne Auswirkung für den vorliegenden Fall).

138 HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 11. 139 BGH ZIP 2010, 2252; ZIP 2016, 1688 Rn 22. Eichel

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2. Die in anderer Weise begründeten Verbindlichkeiten im Einzelnen Die in anderer Weise begründeten sonstigen Masseverbindlichkeiten dürfen weder zu den durch 32 Handlungen des Insolvenzverwalters begründeten Masseverbindlichkeiten der Nr 1 Alt 1 noch zu den sonstigen der Nr 2 oder der Nr 3 des Abs 1 gehören. Die Ansprüche auf Arbeitsentgelt der nach der Verfahrenseröffnung weiterbeschäftigten Arbeitnehmer zB sind Verbindlichkeiten iSv Abs 1 Nr 2, nicht aber Verwaltungsausgaben der Nr 1. Gleiches gilt für Beiträge, die der Insolvenzverwalter für eine auf die Masse bezogene über die Verfahrenseröffnung hinausdauernde Versicherung zu leisten hat.140 Der Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, der durch die Verarbeitung einer nicht zur Masse gehörenden Sache durch den Verwalter entsteht (§ 951 BGB), ist unter § 55 I Nr 3 InsO zu subsumieren, nicht unter Nr 1.141 Die zu § 59 KO vertretene Auffassung, dass in solchen Fällen sowohl § 59 I KO als auch § 59 I Nr 4 KO anwendbar seien, war durch den schlechten Rang der Massebereicherungsansprüche (§ 60 I Nr 3 KO) bedingt, den es in der InsO (§ 209) nicht mehr gibt. Zu den Verbindlichkeiten, die durch die Verwaltung der Masse entstehen, zählen nur 33 solche, die durch den Beschluss eines Organs oder einer Gemeinschaft, kraft Gesetzes oder kraft Verwaltungsakts entstehen, einen Bezug zur Masse aufweisen und nicht von Abs 1 Nr 2 und 3 erfasst werden; eine Handlung des Verwalters wird nicht vorausgesetzt.142 Die bloße Duldung einer schuldbegründenden Tätigkeit des Schuldners durch den Insolvenzverwalter erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Verwaltung idR nicht.143 Zu der ersten Gruppe können Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft über Bei- 34 tragsvorschüsse gemäß § 28 WEG (auch ungenau Wohngeld genannt144) gezählt werden. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Wohnungseigentümers ist der Anspruch auf Beitragsvorschüsse, die ein Wohnungseigentümer entsprechend dem beschlossenen Wirtschaftsplan nach Abruf des Wohnungseigentumsverwalters vor Verfahrenseröffnung zu zahlen hat, Insolvenzforderung.145 Nach der Verfahrenseröffnung fällig gewordene Ansprüche sind hingegen Masseschulden.146 Zwar sind auch sie bereits bei Verfahrenseröffnung iSv § 38 begründet und ihre spätere Fälligkeit ändert nach § 41 daran nichts; allerdings werden sie durch § 55 I Nr 1 zur Masseschuld aufgewertet. Der Grund dafür ist, dass die Vorschüsse auch der Finanzierung der laufenden Unterhaltung aller Anlagen und Einrichtungen im Haus sowie der Kosten des gemeinschaftlichen Gebrauchs dienen147 und damit der Finanzierung dessen, was der Masse nach Verfahrenseröffnung zugutekommt. Falls durch die Vorschüsse auch vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Instandhaltungsarbeiten finanziert werden, steht das dieser Qualifikation nicht entgegen, da eine Zuordnung zu gewissen Ausgaben weder möglich noch praktikabel wäre. Deshalb muss auch eine nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossene Sonderumlage148 zur Deckung von Lasten und Kosten eine Masseverbindlichkeit sein, selbst wenn 140 AA Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 30 (Verwaltungsverbindlichkeiten). 141 Zu § 951 BGB bei Verarbeitung von Massegegenständen ua Schultze ZIP 2016, 1198. 142 BFH ZIP 2020, 2465 Rn 25 ff (Steuer auf Veräußerung eines Massegegenstands durch den Absonderungsberechtigten); ZIP 2017, 1526 Rn 21 (Erbschaftsteuer bei nach Eröffnung erfolgtem Erbfall); BVerwG ZIP 2010, 487 (Börsennotierungsgebühr); VGH Kassel ZIP 2010, 1507 f (Umlageverpflichtungen gegenüber der BaFin); zur umstr Frage der Kosten für eine Hauptverhandlung nach Insolvenzeröffnung Thole ZIP 2018, 1565 mwN; Uhlenbruck NZI 2007, 313, 315. 143 Oben Fn 133. 144 Richtigstellend Bärmann/Becker WEG14 § 28 Rn 9. 145 Nachw bei § 38 Rn 135. 146 BGH NJW 1994, 1866, dazu EWiR 1994, 473 (Grub); OLG Köln NZI 2008, 377; BayObLG KTS 1990, 131 = WM 1990, 89; BayObLG Beschl NZI 1999, 27 = ZIP 1998, 2099; KG ZIP 2000, 2029, dazu EWiR § 58 KO 1/01, 283 (Eckert); OLG Düsseldorf KTS 1970, 310 = NJW 1970, 1137, dazu Naumann KTS 1971, 158; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 35; Jennißen NJW 1996, 696, 700; Drasdo NZI 2005, 489; Grziwotz MietRB 2016, 22, 24; Lüke ZWE 2010, 62, 64; Suilmann ZWE 2010, 385 f. 147 Bärmann/Becker WEG14 § 28 Rn 26. 148 Zur Funktion Bärmann/Becker WEG14 § 28 Rn 41 f. 679

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sie im Einzelfall den vom Insolvenzschuldner durch Beitragsrückstand verursachten Fehlbedarf der Gemeinschaft ausgleichen soll.149 Die sog Abrechnungsspitze bildet allemal eine Masseverbindlichkeit, da es sich um eine nach Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeit handelt;150 es handelt sich um die Differenz zwischen den im Wirtschaftsplan veranschlagten Lasten und Kosten und den nach der Jahresabrechnung tatsächlich entstandenen Lasten und Kosten (§ 16 II WEG).151 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Vereins- oder Verbandsmitglieds ist die 35 durch Satzung begründete Pflicht zur Zahlung von Beiträgen keine Verpflichtung aus einem gegenseitigen Vertrag.152 Wird die Mitgliedschaft nicht durch die Verfahrenseröffnung beendet, besteht die Beitragspflicht fort, bis die Mitgliedschaft etwa durch Kündigung oder Ausschluss beendet ist. Die Beitragspflicht ist nicht schon mit der Satzung oder dem Beitritt des Mitglieds für alle Zeit begründet. Sie entsteht periodisch jeweils neu, kann deshalb Masseverbindlichkeit sein, wenn die Beitragsperiode nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt. Die Beitragspflicht ist unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter Leistungen des Vereins oder Verbandes in Anspruch nimmt.153 Masseverbindlichkeiten sind die nach Eröffnung geschuldeten Beiträge zum ärztlichen Versorgungswerk sowie die Ansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Folge von Honorarberichtigungen.154 Zu Sozialversicherungsbeiträgen s Rn 38. Die während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer eingetragenen Genossenschaft begründeten Beitragsforderungen des gesetzlichen Prüfungsverbandes, die an die Mitgliedschaft gebunden sind, die mit der Gründung der Genossenschaft beginnt, sind als Masseverbindlichkeiten zu tilgen, da die Mitgliedschaft nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet.155 Der Vergütungsanspruch des Prüfungsverbands aus § 61 GenG für eine nach Verfahrenseröffnung erfolgende Pflichtprüfung unterfällt ebenso Abs 1 Nr 1 Alt 2.156 Zu den kraft Gesetzes bestehenden Masseverbindlichkeiten gehören betriebsverfassungs36 rechtliche Pflichten, zB die Pflicht, die Kosten und den Sachaufwand des Betriebsrats zu tragen, soweit sie in der Zeit des Insolvenzverfahrens anfallen (§ 40 BetrVG).157 Zu den Kosten des § 40 BetrVG können auch die durch die Hinzuziehung eines Beraters oder eines Sachverständigen verursachten Kosten gehören (näher oben Rn 9).158 Masseverbindlichkeiten iSv § 55 I Nr 1 Alt 2 sind häufig Steuerforderungen.159 Die Einord37 nung von Steuerschulden als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderungen wird weitgehend bei § 38 Rn 138 ff erläutert, soweit es auf die Abgrenzung zur Insolvenzforderung ankommt. Steuern, die für die Herstellung oder den Vertrieb bestimmter Waren, zB Bier, Branntwein und anderer einer Verbrauchsteuer unterliegender Güter anfallen, sind in einem vom Verwalter fortgesetzten Betrieb als Masseverbindlichkeiten zu entrichten. Die Einkommensteuer auf die der Masse daraus zufließenden Gewinne ist ebenfalls eine Masseverbindlichkeit.160 Die Einkommensteuer, 149 BGH NJW 1989, 3018 = ZIP 1989, 930; OLG Köln NZI 2008, 377, 378; BayObLG KTS 1990, 131 = WM 1990, 89; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 36. Kritisch, was den Fehlbedarf angeht, HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 43.

150 OLG Köln NZI 2008, 377, 378; BayObLG NZI 1999, 27 = ZIP 1998, 2099; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 35. 151 BGH NJW 1994, 1866 = ZIP 1994, 720, dazu EWiR 1994, 473 (Grub); BayObLG KTS 1990, 131 = WM 1990, 89; BayObLG NZI 1999, 27 = ZIP 1998, 2099; KG ZIP 2000, 2029, dazu EWiR § 58 KO 1/01, 283 (Eckert); OLG Düsseldorf KTS 1970, 310 = NJW 1970, 1137, dazu Naumann KTS 1971, 158; Jennißen NJW 1996, 696, 700; OLG Stuttgart ZinsO 2002, 1089 = ZIP 2002, 1955, dazu EWiR § 55 KO 6/02, 1051 (Eckert); s auch § 55 Rn 29. 152 Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 29. 153 AA LG Münster KTS 1977, 268. 154 BSG ZIP 2015, 2087 Rn 21; VGH München NVwZ-RR 2006, 550. 155 LG Kassel DZWIR 2002, 520 mit zust Anm von Scheibner; ders DZWIR 1999, 454; Beuthien GenG16 § 101 Rn 2. 156 AA Beuthien ZIP 2011, 497, 501, der sich auf das Begründetsein der Forderung iSv § 38 beruft, was nicht überzeugt, da dieses nicht der Abgrenzung zur Masseforderung dient (dazu § 38 Rn 92). 157 BAG ZIP 2010, 588 Rn 25; LAG Hamm DB 1979, 1804. 158 BAG ZIP 2010, 588. 159 BFH ZIP 2020, 2465 Rn 25 ff; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 55 Rn 26. 160 BFH ZIP 2008, 1643 Rn 16. Eichel

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die auf das Auseinandersetzungsguthaben eines Gesellschafters anfällt, welches entsteht, weil über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und er deshalb aus der Gesellschaft ausscheidet, ist Masseforderung nach § 55 I Nr 1.161 Die Umsatzsteuerschuld (zur Abgrenzung zu § 38, s dort Rn 158 ff), die durch Handlung des Verwalters (Lieferung, sonstige Leistung oder ertragbringende Nutzung162) ausgelöst wird, gehört zur ersten Alternative des Abs 1 Nr 1,163 wobei die Verortung innerhalb von Nr 1 heute ohne praktische Relevanz ist (Rn 31). Handlungen des Insolvenzschuldners können die Umsatzsteuerschuld nicht zur Masseverbindlichkeit machen, auch wenn sie Vorteile für die Masse bringen. Veräußert der Schuldner ein vom Insolvenzverwalter freigegebenes Grundstück, haftet die Masse auch dann nicht für die Umsatzsteuerschuld, wenn durch die Deckung von Grundpfandrechten die Masse von Verbindlichkeiten entlastet wird.164 Nimmt der Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine neue Erwerbstätigkeit auf oder führt er seine selbstständige Tätigkeit auf eigene Rechnung fort (§ 35 II), indem er durch seine Arbeit und mit Hilfe von unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringt, begründet die geschuldete Umsatzsteuer keine Masseschuld,165 selbst wenn er dafür ua Massegegenstände verwendet.166 Auf die Frage, ob die Entgelte in die Masse fallen (§ 35), kommt es nicht an, da die Umsatzsteuer nicht an die Entgelte, sondern an die Lieferungen und die sonstigen Leistungen anknüpft.167 Entscheidend ist deshalb, ob die Steuerschulden aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren. Die Umsatzsteuerschuld für die Lieferung des Sicherungsgutes des Schuldners an den Sicherungsnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 1 Alt 2.168 Zu den Verbindlichkeiten, die durch die Verwaltung entstehen, gehören auch die öffentlich- 38 rechtlichen sozialen Lasten, also die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge zur sozialen Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse nach der Verfahrenseröffnung fortbestehen oder vom Insolvenzverwalter im Schuldnerunternehmen neu begründet werden, auch wenn der Schuldner selbst als Angestellter der Masse tätig wird.169 Ob man dies alternativ auf § 55 I Nr 1 Alt 1 – Arbeitsvertrag als Handlung des Insolvenzverwalters – oder bei Arbeitsverhältnissen, die über die Verfahrenseröffnung hinaus fortbestehen, auf § 55 I Nr 2 stützt, spielt keine Rolle (Rn 31). Rückständige Beiträge aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung sind Insolvenzforderungen (§ 38).170 Für Beiträge zur Berufsgenossenschaft (Unfallversicherung) s § 38 Rn 179. Masseverbindlichkeiten, die durch Verwaltungsakt begründet oder festgesetzt werden, kön- 39 nen zB die Ansprüche auf Ersatz der Kosten einer Ersatzvornahme sein (str bei der Altlastenbeseitigung, dazu § 38 Rn 27 ff). Ferner gehören hierher, ggf zeitanteilig (vgl § 38 Rn 136 f), Verwaltungs- und Benutzungsgebühren,171 Beiträge,172 die zB von der Gemeinde oder vom Landkreis zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen erhoben werden, und Beiträge, Sonderbeiträge und Gebühren, die an Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts für die Zeit nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu entrichten sind, wie etwa bei einer Unternehmensfortfüh161 162 163 164

BFH NZI 2017, 218. BFH DStRE 2005, 965. AA (Alt 2) Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 151. Büteröwe EWiR § 58 KO 1/02, 301; Onusseit ZIP 2002, 1344, aber mit Hinweis auf Haftungsrisiken für den Insolvenzverwalter. AA BFH ZIP 2002, 230 m abl Anm von Joneleit ZIP 2002, 230 = ZflR 2002, 156. 165 BFH ZIP 2005, 1376; ZIP 2010, 2211. Zur Lohnsteuer vgl BFH ZIP 2009, 2208. 166 BFH ZIP 2010, 1405 m Anm von Onusseit ZInsO 2010, 1482. 167 Auch zum Folgenden BFH ZIP 2005, 1376, 1377; ZIP 2010, 2211. 168 BFH ZIP 2007, 1126 Rn 10; näher zur Umsatzsteuer bei der Verwertung von Absonderungsobjekten s zu §§ 166 ff. 169 BGH ZIP 2016, 1295, 1297; BSG ZIP 2015, 2087 Rn 21; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 203; Bissels/Falter/Krings NZI 2015, 357, 360. 170 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 202. 171 Stoll Insolvenz und hoheitliche Aufgabenerfüllung, Diss Göttingen 1992, S 155 ff. 172 Stoll a.a.O. (Fn 171) S 221 ff. 681

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rung (zB § 3 IHKG,173 § 113 HandwO). Wenn solche Beitragsansprüche schon bei Verfahrenseröffnung begründet waren, ergibt sich ihre Aufwertung zur Masseverbindlichkeit iSv § 55 I Nr 1 daraus, dass die Kammermitgliedschaft auch in der Abwicklung befindlichen Unternehmen einen Vorteil bringt, sodass sie der Masse zugutekommen.174 Soweit öffentlich-rechtliche Dienstleistungseinrichtungen privatisiert worden sind (Energieversorgung,175 Deutsche Telekom) oder ihre Rechtsbeziehungen zu den Abnehmern oder Benutzern privatrechtlich geregelt haben, werden nicht Gebühren, sondern zivilvertragliche Leistungen geschuldet. Deshalb ist bei Vertragsschluss durch den Insolvenzverwalter § 55 I Nr 1 Alt 1 anzuwenden, bei Vertragserfüllungswahl § 55 I Nr 2 (§ 103). Ob man gegenleistungsabhängige Sonderabgaben176 unter Nr 1 oder Nr 2 einordnet, ist unerheblich.177 Säumniszuschläge sind Masseverbindlichkeiten, soweit die entsprechende Hauptforderung Masseverbindlichkeit ist.178 Das gilt auch für andere Nebenkosten, wie zB für die Kosten einer Mahnung. Zu den Verwertungsverbindlichkeiten gehören die Kosten einer Zwangsverwertung, die ohnehin schon aus dem Erlöse vorweg zu decken sind (§§ 109, 155, 162, 172 ZVG, § 788 ZPO). Demgegenüber unterfallen die Ansprüche auf das Honorar für einen privaten Versteigerer, auf das Entgelt, das einer mit der Bewachung oder Verwahrung beauftragten Person gezahlt wird, oder auf die Prämie für die Versicherung von Massegegenständen179 § 55 I Nr 1 Alt 1, da sie durch eine rechtsgeschäftliche Handlung des Insolvenzverwalters begründet wurden. Zu den Kosten der Verwertung gehört auch die bei der Verwertung anfallende Umsatzsteuer.180 Verwertung iSv § 55 I Nr 1 kann unter bestimmten Voraussetzungen auch die ertragbringende Nutzung der massezugehörigen Vermögensgegenstände sein.181 Die Kosten der Verwertung eines Absonderungsgegenstandes fallen nicht unter § 55 I Nr 1, wenn der Absonderungsberechtigte selbst die Verwertung betreibt, auch nicht, wenn er Prozesskostenhilfe in Anspruch nimmt.182 Verwertet der Insolvenzverwalter (§§ 166, 173), so bilden die durch den Kostenbeitrag (§§ 170, 171) und den Absonderungsgegenstand nicht gedeckten Verwertungsausgaben Masseverbindlichkeiten nach § 55 I Nr 1 (§§ 788, 803, 818, 873 ZPO, §§ 109, 155 ZVG). Kehrt der Verwalter den nach § 170 I S 2 geschuldeten Betrag nicht unverzüglich an den Absonderungsgläubiger aus, so ist der Anspruch auf die Verzugszinsen eine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 1.183 Verteilungsverbindlichkeiten, die nicht durch Handlungen des Insolvenzverwalters entstehen, dürfte es kaum geben. Letztlich spielt es auch hier keine Rolle, ob man etwa Portokosten und Überweisungsgebühren zur ersten oder zur zweiten Alternative des § 55 I Nr 1 zählt. Zu den Auslagen des Insolvenzverwalters und zum Ersatz eigener Aufwendungen zum Zweck der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse s § 54 Rn 15. In den Insolvenzverfahren der Lebensversicherungsanstalten bilden die Kosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Deckungsstockwerte Masseverbindlichkeiten eigener Art zu Lasten der Sondermasse.184 Entsprechendes gilt hinsichtlich der Sondermasse des § 32 III DepotG im Insolvenzverfahren eines in §§ 1, 17, 18 DepotG bezeichneten Verwahrers, Pfandgläubi173 174 175 176

BVwerG ZIP 2020, 1419, 1421 f. BVwerG ZIP 2020, 1419 Rn 22 f. Möhring/Prietze ZInsO 2016, 2140. Zum Begriff Tipke/Kruse AO § 3 Rn 23 a; Henseler Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben (1984) S 57 ff; Stoll a.a.O. (Fn 171) S 226 ff. 177 Vgl oben Rn 31; Bedeutung kann die Einordnung bei der Anfechtung gewinnen, dazu Stoll a.a.O. (Fn 171) S 227 ff. 178 BSG KTS 1984, 476 = ZIP 1984, 724; BSG ZIP 1999, 887, dazu EWiR § 24 SGB IV 1/99, 905 (Schmidt); LSG Bayern ZIP1998, 1931, dazu EWiR § 24 SGB IV 1/98, 799 (Plagemann); Braun/Bäuerle InsO9 § 39 Rn 8. 179 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 13. 180 BGH ZIP 2010, 2252 Rn 12. 181 BFH ZIP 2010, 2211 Rn 57; ZIP 2005, 1376. 182 KG DJZ 1930, 705. 183 BGH ZIP 2007, 191 Rn 20. 184 Henckel Voraufl § 55 Rn 42. Eichel

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gers oder Kommissionäres. Die allgemeinen Masseverbindlichkeiten fallen den Sondervorrechtsgläubigern nicht zur Last.

IV. Masseverbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen (Erfüllungswahl, Abs 1 Nr 2 Alt 1) Der Anwendungsbereich von § 55 I Nr 2 Alt 1 hängt von dem der §§ 103, 105 ab. Für die Einzelhei- 45 ten, insbesondere die Bestimmung, was ein gegenseitiger Vertrag ist, wird auf die Kommentierung zu § 103 verwiesen.185 Die §§ 103, 105 erfassen alle gegenseitigen Verträge, die nicht einer Sonderregelung in den §§ 104, 108–113, 116 unterliegen. Da die §§ 108–111 grundsätzlich nicht auf Miet- und Pachtverträge über bewegliche Sachen anwendbar sind (Ausnahme: Insolvenz des Gebrauchüberlassers gemäß § 108 I S 2186),187 unterfallen diese § 103;188 Ansprüche auf die Miete für die Zeit nach Eröffnung werden hier nur zu Masseforderungen, wenn der Insolvenzverwalter nach §§ 103, 105 die Erfüllung wählt.189 §§ 55 I Nr 2, 103, 105 gelten ebenfalls für Leasingverträge über bewegliche Sachen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leasingnehmers.190 Der Insolvenzverwalter des Leasingnehmers, der die Erfüllung wählt, muss die Leasingraten für die Zeit von der Verfahrenseröffnung an als Masseverbindlichkeiten bezahlen, der Leasinggeber muss dem Insolvenzverwalter das Leasinggut belassen, solange der Vertrag fortläuft. Wählt der Verwalter nicht die Erfüllung, kann der Leasinggeber seine Forderung wegen Nichterfüllung des Vertrages nur als Insolvenzforderung geltend machen.191 Die Sondervorschrift des § 112, die im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters oder Pächters eine Kündigungssperre für Miet- und Pachtverträge enthält, gilt auch für Verträge über bewegliche Sachen, also auch für Leasingverträge, deren Erfüllung der Insolvenzverwalter des Leasingnehmers wählt. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leasinggebers ist § 103 anwendbar, wenn nicht die Voraussetzungen des § 108 I S 2 vorliegen (s Rn 57).192 Anders als nach der Konkursordnung, die dem Insolvenzverwalter des Leasinggebers nicht einmal ein besonderes Kündigungsrecht einräumte (§ 21 KO), entfallen nach § 103 die Erfüllungsansprüche für die Zukunft, und der Leasingnehmer ist Insolvenzgläubiger, wenn der Insolvenzverwalter des Leasinggebers nicht die Erfüllung des Vertrages wählt. Die Sonderregel für teilbare Leistungen in § 105 wird in § 55 I Nr 2 durch das Wort „soweit“ 46 berücksichtigt. Der Vertragspartner des Schuldners, der die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens teilweise erbracht hat, ist Massegläubiger nur hinsichtlich der Gegenleistung für die noch ausstehende Leistung, deren Erfüllung der Verwalter verlangt. Sein Anspruch auf die Gegenleistung für seine vor der Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung ist dagegen auch bei Erfüllungswahl Insolvenzforderung.193 Ansprüche des Vertragspartners des Insolvenzschuldners aus einem gegenseitigen Vertrag, die 47 zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht voll erfüllt sind, werden infolge der Verfahrenseröffnung Insolvenzforderungen. § 103 II statuiert das für den durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgelösten Nichterfüllungsanspruch, falls der Verwalter nicht die Erfüllung

Zum Begriff und zum Anwendungsbereich des § 103 s Jaeger/Jacoby InsO2 Vor §§ 103–109 Rn 77 ff, § 103 Rn 62 ff. S Rn 57. BGH ZIP 2015, 589 Rn 30. Anders früher §§ 19–21 I KO, Henckel Voraufl § 55 Rn 46. Jaeger/Jacoby InsO2 Vor §§ 103–109 Rn 105. HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 17. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 139. Für Immobilienleasing gelten wiederum §§ 108 I S 1, 55 I Nr 2 Alt 2, OLG Düsseldorf ZIP 2010, 2212 (dort gegen die Aufspaltung in einen massewirksamen Gebrauchsüberlassungsanteil und einen § 38 unterliegenden Finanzierungsanteil). 191 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 139. 192 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 140. 193 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 143; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 127 ff; s aber auch Marotzke Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht3 Rn 4.158 ff; ferner Henckel FS Kirchhof (2003) S 191 ff.

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des Vertrages wählt.194 Nur und erst durch die Erfüllungswahl des Verwalters werden die Ansprüche aus dem gegenseitigen Vertrag zu Masseforderungen aufgewertet (§ 55 I Nr 2 Alt 1), vorausgesetzt, dass auch die Ansprüche des Insolvenzschuldners, die zur Masse gehören, zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch nicht voll erfüllt waren. Die Erfüllungswahl bewirkt, dass vorbehaltlich der Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff) die dem Vertragspartner geschuldete Gegenleistung so zu bewirken ist, wie sie außerhalb des Insolvenzverfahrens zu erfüllen wäre.195 Ob das auch für vor Verfahrenseröffnung begründete Ersatzansprüche gilt, ob diese also auch durch Abs 1 Nr 2 zu einer Masseforderung aufgewertet werden, ist in neuerer Zeit stark umstritten. Die herkömmliche Auffassung bejaht dies.196 Nach der im Vordringen befindlichen Gegenauffassung erfahren Ersatzansprüche hingegen keine Aufwertung nach § 55 I Nr 2, soweit sie nicht denselben teleologischen Zusammenhang mit der Erfüllungswahl aufweisen wie die Primäransprüche.197 Dieser Auffassung wird hier gefolgt, da solchen Ersatzansprüchen die Gegenseitigkeit abgeht, welche für die besondere Zwecksetzung des § 55 I Nr 2 prägend ist (s oben Rn 4; ähnlich zur zweiten Alternative von Abs 1 Nr 2 Rn 60). § 55 I Nr 2 und § 103 sind aber jedenfalls anwendbar auf den gewährleistungsrechtlichen Nacherfüllungsanspruch198 und wegen seiner dem Mietanspruch ähnlichen Natur auch auf den Entschädigungsanspruch aus § 546a I BGB;199 zudem auf Schadensersatzansprüche, die an die Stelle einer gebrochenen Vergütungsvereinbarung treten und deshalb genauso im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen wie der Vergütungsanspruch;200 zudem auf gegenseitige Ansprüche bei der Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages, da diese die Primäransprüche lediglich umkehren.201 Deshalb sind auch Ansprüche auf Gewährleistung wegen eines Mangels im Rechte wie wegen eines Mangels der Sache in vollem Umfang zu erfüllen, wenn der Verwalter die Erfüllung des Rückabwicklungsverhältnisses verlangt. Hat der Schuldner einen Anspruch gegen seinen Vertragspartner auf Aufhebung des gegenseitigen Vertrages, wählt der Insolvenzverwalter nicht schon damit die Erfüllung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses, dass er den Aufhebungsanspruch geltend macht. Erst wenn er als Folge der Vertragsaufhebung eine Leistung zurückfordert, wird der Rückforderungsanspruch des anderen Teils nach §§ 55 I Nr 2, 103 zur Masseforderung. Wenn der Verwalter die Aufhebung des Vertrages einfordert, nimmt er damit auch nicht eine Handlung vor, die den durch die Aufhebung begründeten Rückforderungsanspruch des Vertragspartners nach § 55 I Nr 1 zur Masseforderung machen würde.202 Nicht zu Masseverbindlichkeiten werden die Kosten, die durch den Abschluss des Vertrages entstanden waren, wie zB Beurkundungskosten.203 Der Anspruch auf Karenzentschädigung (zB §§ 74 ff, 90a HGB) ist ebenfalls nach § 55 I Nr 2 48 Alt 1 zu beurteilen. Denn die Wettbewerbsabrede selbst ist ein gegenseitiger Vertrag, auf den § 103 anzuwenden ist.204 Ob der Anspruch zu einer Masseverbindlichkeit führt, hängt deshalb davon ab, ob der Insolvenzverwalter die Erfüllung der Wettbewerbsabrede verlangt (§§ 55 I Nr 2 Alt 1,

194 Vgl Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 241 ff. 195 BGH ZIP 2006, 1736 Rn 12; Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 299 ff; Nerlich/Römermann/Balthasar InsO44 § 103 Rn 52. 196 Henckel Voraufl § 55 Rn 45; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 13; Marotzke ZInsO 2017, 1758. Offen gelassen in BGH ZIP 2015, 589 Rn 80. 197 Näher und mwN Jaeger/Jacoby InsO2 § 103 Rn 307 ff; Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 103 Rn 140 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 48; in diese Richtung für § 55 I Nr 2 Alt 2 BAG ZIP 2008, 374 Rn 20, 28. 198 BGH ZIP 2006, 1736 Rn 12; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 16 (der deshalb die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses anregt). 199 BGH ZIP 2015, 589 Rn 80. 200 BAG ZIP 2013, 532 Rn 22. 201 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 50; Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 103 Rn 95. Offen gelassen von BGH ZIP 2009, 428 Rn 9. 202 Von Olshausen FS Gaul (1997) S 497, 514 f. 203 LG Hamburg DNotZ 1974, 567. 204 Jaeger/Jacoby InsO2 Vor §§ 103–109 Rn 118; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 66; Brechtel/Kehrel GmbHR 2021, 240 Rn 17 ff. Eichel

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103).205 Sieht er davon ab, wurzelt der Anspruch in der vor Verfahrenseröffnung getroffenen Abrede, sodass eine Insolvenzforderung vorliegt, selbst wenn der Anspruch erst mit der Beendigung des Dienstvertrags nach Verfahrenseröffnung entsteht;206 ob diese im Ausgangspunkt geringer ist, weil sich durch die Ablehnung des Wettbewerbsverbots die Höhe der Karenzentschädigung ändert, ist eine materiell-rechtliche Frage.207 Gegenseitige Verträge sind auch die Verträge mit einem Telekommunikationsunternehmen. 49 Wie sie näher zu qualifizieren sind, ist hier von untergeordneter Bedeutung. Ob Mietvertrag oder Vertrag eigener Art mit Benutzungsrechten und Dienst- oder Werkleistungspflichten gegen Entgelt, macht für die Anwendung der §§ 103 ff keinen Unterschied, da jedenfalls § 108 nicht anwendbar ist und es sich um teilbare Leistungen iSd § 105 handelt, der hier als Sonderregel zu § 103 Anwendung findet. Für die Anwendung des § 55 folgt daraus, dass mit der Erfüllungswahl des Verwalters die Gegenleistung, die sich auf die nach der Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen des Telekommunikationsunternehmens bezieht, als Masseverbindlichkeit zu erbringen ist, und Gegenleistungen, die für Leistungen aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung zu erbringen sind, als Insolvenzforderungen anzumelden sind.

V. Masseverbindlichkeiten aus gegenseitigen, kraft Gesetzes fortbestehenden Verträgen (Abs 1 Nr 2 Alt 2) 1. Grundlagen Für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind kraft Gesetzes die in § 108 genann- 50 ten Dauerschuldverhältnisse zu erfüllen, also Miet- und Pachtverträge über unbewegliche208 Gegenstände oder Räume, Miet- und Pachtverträge, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war über sonstige Gegenstände, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden (§ 108 I Nr 2), ferner Dienst- und Arbeitsverträge nach näherer Maßgabe der §§ 108, 113. Da der Fortbestand dieser Verträge kraft Gesetzes angeordnet ist, hat sich für § 55 I Nr 2 Alt 2 der Begriff „oktroyierte Verbindlichkeiten“ etabliert.209 Die Ansprüche aus diesen Verträgen sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 I Nr 2, soweit der Gegner seinerseits während des Insolvenzverfahrens zu erfüllen hat, zB den Gebrauch der von ihm vermieteten Sache gewähren muss, also für den vollen Zeitraum von der Eröffnung bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens oder bis zur früher bewirkten Vertragsbeendigung. Die Zeit der vertragsmäßigen Fälligkeit der in § 108 behandelten Ansprüche ist für ihre Eigen- 51 schaft als Masseforderung nicht entscheidend. Sie werden nicht schon seit dem letzten Fälligkeitstermin vor der Verfahrenseröffnung und nicht erst ab dem nächsten danach zur Masseverbindlichkeit. Voraussetzung für die Einordnung als Masseverbindlichkeit ist nur, dass der Anspruch „für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ erfüllt werden muss, nicht dass er erfüllt wird (§ 55 I Nr 2).210 Deshalb ist zB der Anspruch auf Arbeitsentgelt auch dann Masseforderung, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringt, weil der Insolvenzverwalter ihn nicht beschäftigen kann und mit der Annahme der Dienste in Annahmeverzug gerat (Rn 60). Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Insolvenzforderung (§ 108 III).211 205 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 61; Brechtel/Kehrel GmbHR 2021, 240 Rn 18 (ebd Rn 20 für eine Anwendung von § 105). 206 BGH ZIP 2009, 2204; LAG Nürnberg ZIP 2015, 334; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 197. 207 Näher Brechtel/Kehrel GmbHR 2021, 240 Rn 19. 208 Es schadet mitunter nicht, dass neben der schwerpunktmässigen Vermietung unbeweglicher Sachen auch bewegliche mitvermietet werden, BGH ZIP 2015, 589 Rn 30. 209 Statt vieler: BGH ZIP 2022, 1398 Rn 19; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 117. 210 BGH ZIP 2003, 854; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 53. 211 BGH ZIP 2015, 589 Rn 33. 685

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2. Miet-, Pacht- und finanzierte Leasingverträge (§ 108) 52 Gemäß den vorstehend erläuterten Grundlagen ist der Anspruch auf das Entgelt für die Gewährung des Gebrauchs einer Mietsache während des Insolvenzverfahrens auch dann eine Masseforderung, wenn die Miete schon vor der Verfahrenseröffnung hätte vorausgezahlt werden sollen. Umgekehrt ist dieser Anspruch, soweit er für eine Gebrauchsgewährung vor dem Insolvenzverfahren besteht, auch dann bloß Insolvenzforderung, wenn die Fälligkeit auf einen erst nach der Verfahrenseröffnung liegenden Zeitpunkt vereinbart war.212 Wird das Insolvenzverfahren inmitten eines Monats eröffnet, erfolgt eine zeitanteilige Aufsplittung des Anspruchs auf diese Monatsmiete in eine Insolvenzforderung und – für den Gebrauch ab Verfahrenseröffnung – in eine Masseschuld.213 § 109 I S 1 formuliert eine Ausnahme zu § 108: Der Insolvenzverwalter kann hier trotz fortbestehenden Mietverhältnisses bewirken, dass der Vermieter mit seinen Ansprüchen nicht mehr als Massegläubiger befriedigt werden muss, wenn die Wohnung des Schuldners Gegenstand des Mietverhältnisses ist und der Insolvenzverwalter nach § 109 I S 2 erklärt, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in § 109 II S 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.214 53 Der Anspruch des Mieters auf Herstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes der Mietsache (§ 535 I S 2 BGB) stützt sich als Daueranspruch stets auch auf den gegenwärtigen Zustand, sodass er in der Insolvenz des Vermieters eine Masseverbindlichkeit iSv §§ 55 I Nr 2, 108 ist, selbst wenn der mangelhafte Zustand bereits vor Eröffnung des Verfahrens bestanden hat.215 Ist der Mietvertrag bereits vor Verfahrenseröffnung beendet worden, fehlt es an den 54 Voraussetzungen des § 108.216 Die sich daraus ergebenden Abwicklungsansprüche sind grundsätzlich Insolvenzforderungen, auch wenn sie erst nach Verfahrenseröffnung entstehen oder fällig werden.217 Das gilt grundsätzlich auch bei über die Verfahrenseröffnung hinaus verspäteter Rückgabe der Mietsache für den Anspruch auf die Miete nach § 546a BGB. Dieser wird allerdings ausnahmsweise Masseverbindlichkeit nach Abs 1 Nr 1, wenn der Verwalter die Sache für die Masse auch gerade gegenüber dem Vermieter weiter nutzt und den Vermieter oder Verpächter gezielt vom Besitz ausschließt (zB Fortsetzung von Untermietverträgen; Einlagerung von Sachen),218 oder wenn das Vertragsverhältnis doch über die Eröffnung hinaus fortdauert und eine über die Vorenthaltung durch den Schuldner hinausgehende Vorenthaltung gegeben ist (Abs 1 Nr 2).219 Der bloße Umstand, dass der Insolvenzverwalter eine Sache in Besitz nimmt, kann für sich allein noch keine Haftung der Masse begründen;220 genauso wenig kann er sich einer bestehenden Räumungshaftung dadurch entledigen, dass er das Grundstück freigibt.221 Räumungs- und Wiederherstellungspflichten des Mieters werden nur zu Masseverbindlichkeiten nach Abs 1 Nr 1 oder Nr 2, soweit es sich um nachteilige Veränderungen oder Gegenstände handelt, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten bzw auf das Grundstück gelangt sind, also nicht bereits für den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung zu erfüllen waren.222 Der Anspruch auf Ersatz weiteren Schadens (§ 546a II BGB) kann Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr 2 Alt 2 sein, wenn der Verwal212 213 214 215 216

Begr EKO S 245. BGH ZIP 2021, 863 (tageweise); ZIP 2015, 589 Rn 82; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 53. Ganter ZIP 2019, 97, 99. BGH ZIP 2003, 854 f. BGHZ 90, 145 = ZIP 1984, 612 (Eckert); BGH KTS 1994, 250 = NJW 1994, 516, dazu EWiR § 59 KO 1/94, 77 (Eckert); OLG Hamm ZIP 1992, 1563. AA LG Essen NJW-RR 1992, 205; undifferenziert: Jaeger/Henckel KO9 § 19 Rn 78; zu BGHZ 90, 145 auch Heilmann NJW 1985, 2505, 2507 f. 217 HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 36; § 38 Rn 133 mwN. 218 BGHZ 130, 39, 44; BGH ZIP 2015, 589 Rn 77; ZIP 2007, 340 Rn 15; ZIP 2007, 778 Rn 21; ZIP 2006, 583 Rn 10 (unmittelbarer Besitz durch Geschäftsfortführung); ZIP 2020, 2025 Rn 25 ff; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 54; Eckert NZM 2007, 829, 832. 219 Vgl BGH ZIP 2015, 589 Rn 80; ZIP 2020, 2025; OLG Köln EWiR § 108 InsO 1/02, 583 (Eckert). 220 BGH ZIP 2002, 1043, 1045. 221 BGH ZIP 2006, 583. 222 BGH ZIP 2020, 2025 Rn 15 f. Auch § 38 Rn 134. Eichel

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ter mit der Rückgabe in Verzug gerät oder in anderer Weise die Rückgabe schuldhaft verzögert oder behindert, nachdem der Vertrag während des Insolvenzverfahrens beendet worden ist.223 Ansprüche auf Ausführung von Schönheitsreparaturen und auf Schadensersatz wegen Unter- 55 lassung geschuldeter Schönheitsreparaturen begründen grundsätzlich auch dann keine Masseverbindlichkeiten, wenn der Mietvertrag über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortdauert. Denn diese Ansprüche sind bereits durch den Mietvertrag begründet und nur noch von der Dauer und Intensität der Nutzung abhängig. Nur wenn die Nutzung der Mietsache auch für die Insolvenzmasse einen realisierbaren Wert darstellt, ist der Anspruch anteilig in eine Insolvenz- und eine Masseforderung aufzuteilen, wobei darauf abzustellen ist, inwieweit die Notwendigkeit der Schönheitsreparaturen durch die Nutzung vor und nach der Verfahrenseröffnung bedingt ist.224 Die in der Zeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses während des Insolvenzverfah- 56 rens entstehenden Ersatzansprüche des Vertragsgegners bilden Masseverbindlichkeiten iSv § 55 I Nr 1, soweit sie durch Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters entstehen,225 wobei das im Gegensatz zu Abs 1 Nr 2 Alt 1 (Rn 47) auch auf Abs 1 Nr 2 Alt 2 gestützt werden kann, was praktisch allerdings keinen Unterschied macht. Masseverbindlichkeit ist also zB der Anspruch des Verpächters auf Ersatz der in dieser Zeit untergegangenen oder verschlechterten Inventarstücke des Verpächters, während Abgänge aus der Zeit vor dem Insolvenzverfahren nur Insolvenzforderungen begründen (§§ 582 II S 2, 585 II BGB). Beim Landpachtvertrag verstärkt sich die Rückgewährpflicht durch die Verbindlichkeit zum Ersatz des Schadens, der daraus erwächst, dass die Pflicht, das Grundstück bis zur Rückgewähr fortgesetzt ordnungsgemäß zu bewirtschaften, verletzt wird (§ 586 BGB). Diese Bewirtschaftungspflicht ist in der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Massemitteln vom Insolvenzverwalter zu erfüllen und ihre Verletzung begründet eine Masseverbindlichkeit. Insolvenzforderung ist daher der Ersatzanspruch des Verpächters wegen Unterlassens der Bestellung nur insoweit, wie der Schaden durch eine schon vor der Verfahrenseröffnung liegende Unterlassung des Pächters entstanden ist und nicht etwa durch die nach der Verfahrenseröffnung vom Verwalter „fortzusetzende“ ordnungsgemäße Bewirtschaftung wieder gutgemacht werden konnte.226 Masseverbindlichkeit ist auch die Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren, wenn die im Rahmen einer Lizenz hergestellte Sache nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter veräußert oder gebührenpflichtig weitergenutzt wurde.227 Dass der Verwalter den Lizenzvertrag vor der Veräußerung schon gekündigt hatte, steht dem Anspruch des Patentinhabers auf die Lizenzgebühr nicht entgegen.228 Leasingverträge über bewegliche Sachen wurden von der ursprünglichen Fassung des § 108 57 auch dann nicht erfasst, wenn Rechte aus dem Leasingvertrag vom Leasinggeber einem Dritten zur Sicherheit übertragen worden sind, der die Anschaffung oder Herstellung des Leasingobjekts finanziert hat. Nach der – umstrittenen – Rechtsprechung des BGH zu § 17 KO hätte dies dazu geführt, dass der Leasingvertrag mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen wäre, weil auf Mietverträge über bewegliche Sachen nicht § 108, sondern § 103 anzuwenden war (oben Rn 45). Mit dem Erlöschen des Leasingvertrages wäre auch die dem finanzierenden Kreditinstitut zur Sicherheit abgetretene Forderung erloschen. Jedenfalls aber hätte der Insolvenzverwalter, der nicht die Vertragserfüllung wählt, dem refinanzierenden Institut den abgetretenen Anspruch auf die Leasingraten genommen. Noch vor Inkrafttreten der InsO erreichten die Leasingbranche und die refinanzierenden Banken die Ergänzung des Gesetzes durch Einfügung des zweiten Satzes des § 108 I.229 Zu den 223 BGH NJW 1994, 3232 = ZIP 1995, 1204; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 156. 224 LG Göttingen ZIP 1991, 815; OLG Celle ZIP 1992, 714; OLG Celle EWiR § 59 KO 1/96, 369 (Pape); OLG Düsseldorf KTS 1989, 710; s auch KG KTS 1982, 294 = ZIP 81, 753 (Kübler); MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 157 f. 225 K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 7; Jaeger/Henckel KO9 § 19 Rn 78 aE. 226 Teilweise abw OLG Rostock SeuffArch 64 Nr 189. 227 HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 59. 228 OLG Hamburg ZIP 1988, 925, dazu EWiR § 57 1/88, 915 (Vortmann). 229 Gesetz zur Änderung des AGB-Gesetzes und der Insolvenzordnung vom 19.7.1996 (BGBl I, 1013), dazu Bericht des BT-RA BT-Drucks 13/4699 S 5 f. 687

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Einzelheiten dieser rechtspolitisch umstrittenen Vorschrift s die Erläuterungen zu § 108. Hier genügt der Hinweis, dass die derart finanzierten Leasingverträge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leasinggebers überdauern. Der Leasinggeber muss das Leasingobjekt dem Leasingnehmer belassen oder überlassen, dieser muss die Leasingraten vertragsgemäß bezahlen.230 Aus der Masse müssen also Leistungen erbracht werden, die wegen der Abtretung der Ansprüche auf die Leasingraten der refinanzierenden Bank zugutekommen. Ersatzansprüche des Leasingnehmers wegen Vertragsverletzungen des Leasinggebers sind Masseverbindlichkeiten.

3. Dienst- und Arbeitsverträge (§ 108 Abs 1 Satz 1) 58 Dienstverhältnisse des Schuldners (Arbeitsverträge nach § 611a BGB eingeschlossen) bestehen nach § 108 I S 1 mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, bis sie durch vertragsgemäße oder besondere Kündigung nach § 113 oder durch Zeitablauf beendet sind.

59 a) Anwendungsbereich. Ob der Gesetzgeber sich bewusst war, dass die Formulierung des § 108 auch Verträge erfasst, die der Insolvenzschuldner als Dienstverpflichteter oder Arbeitnehmer abgeschlossen hat, lässt sich der Entstehungsgeschichte nicht entnehmen. Auf keinen Fall passt § 108 III auf solche Verträge. Die persönlichen Verpflichtungen zu Dienst- oder Arbeitsleistungen des Insolvenzschuldners können weder Insolvenz- noch Masseforderungen sein (§ 38 Rn 73); nur Sekundäransprüche, etwa auf Schadensersatz, lassen sich in diese Kategorien einordnen. Dass solche Dienst- und Arbeitsverhältnisse „mit Wirkung für die Insolvenzmasse“ fortbestehen sollen, ist nur insofern richtig, als der Anspruch auf Vergütung bzw Arbeitsentgelt in die Masse fällt, soweit er pfändbar ist (§ 36). Im übrigen werden Arbeitsverhältnisse des Insolvenzschuldners als Arbeitnehmer durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nicht betroffen, sodass zweifelhaft ist, ob § 108 überhaupt auf die Insolvenz des Dienstverpflichteten anzuwenden ist.231 Im Wesentlichen gilt § 108 den Dienstverhältnissen, in denen der spätere Insolvenzschuldner der Dienstberechtigte bzw Arbeitgeber ist.

60 b) Grundlagen für die Aufwertung zur Masseforderung. Ist der Insolvenzschuldner Dienstberechtigter bzw Arbeitgeber, stellt § 108 III zunächst klar, dass – vorbehaltlich des § 55 II232 – auch in dem nach Abs 1 fortbestehenden Dienst- und Arbeitsverhältnis die Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Verfahrens nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Wiederum kommt es also nicht darauf an, in welchem Zeitraum der Anspruch fällig wird, sondern auf seinen Zweck, dh ob er „für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ geschuldet ist oder für die Zeit davor (s Rn 51).233 Der Anspruch auf das Arbeitsentgelt bzw auf die Vergütung der Dienstleistung wird also zeitanteilig zerlegt in eine Insolvenzforderung, soweit die Entgeltforderung aus der Beschäftigung vor Verfahrenseröffnung erwächst, und eine Masseforderung für die Zeit danach.234 Die Entgelt- als Masseforderung entsteht gemäß § 615 BGB auch dann, wenn der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann bzw ihn freistellt (zur Insolvenz während Altersteilzeit s Rn 70 ff).235 Auf die Masseforderung findet § 41 keine An230 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 168. 231 Näher bei Jaeger/Jacoby InsO2 § 108 Rn 240 ff; Jaeger/Henckel KO9 § 22 Rn 11, § 17 Rn 14; Schollmeyer Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht (1997) S 46. 232 S Rn 104 und BGH ZIP 2002, 1625, dazu Prütting/Stickelbrock ZIP 2002, 1608. 233 BAG ZIP 2008, 374 Rn 19. 234 BAG ZIP 2006, 1366 Rn 18; ZIP 2008, 374 Rn 18; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 62 f. 235 BAG ZIP 2006, 1366 Rn 18; ZIP 2008, 374 Rn 18; ZIP 2008, 279 Rn 11; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 62 f; K Schmidt/ Thole InsO19 § 55 Rn 36. Eichel

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wendung, sodass das für die Zeit nach Verfahrenseröffnung geschuldete Entgelt nach den Zeitabschnitten zu entrichten ist, für die es geschuldet ist (§ 614 S 2 BGB).236 Schadensersatzansprüche eines Arbeitnehmers, die an die Stelle von Vergütungsansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis treten, sind insolvenzrechtlich wie die ihnen zugrunde liegenden Vergütungsansprüche zu behandeln, dh demjenigen Zeitraum zuzuordnen, auf den sich der ursprüngliche Vergütungsanspruch bezog.237 Wie auch für die erste Alternative von Abs 1 Nr 2 (Rn 47) stellt sich die Frage, ob alle aus dem 61 Dienstverhältnis erwachsenden Ansprüche eine Aufwertung zur Masseforderung erfahren oder ob angesichts der Zwecksetzung von § 55 (oben Rn 4) nur solche Ansprüche gemeint sind, die in Zusammenhang mit einer Leistung stehen, welche nach Verfahrenseröffnung der Masse zugutekommt. Das BAG geht überzeugend und in Übereinstimmung mit dem Wortlaut von §§ 108, 55 I Nr 2 von dieser einschränkenden Auslegung aus.238 Nur solche Leistungsansprüche erfahren nach §§ 108, 55 I Nr 2 Alt 2 eine Aufwertung zur Masseforderung, die in weitestem Sinne eine Gegenleistung für die der Masse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugutekommende Arbeitsleistung darstellen.239 Das können gewisse Gratifikationen sein, die nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängen, wenn der Stichtag nach Verfahrenseröffnung liegt und das Arbeitsverhältnis solange fortbesteht (näher Rn 64).240 Bereits begründete Abfindungsansprüche sind hingegen in der Regel kein Entgelt für nach Insolvenzeröffnung erbrachte Arbeitsleistungen, sondern ein Ausgleich für Nachteile der Vertragsauflösung oder Mitwirkung an dieser, sodass sie Insolvenzforderung bleiben, selbst wenn sie nach Verfahrenseröffnung entstehen.241 Als Masseverbindlichkeiten sind auch die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuern zu entrichten, die sich auf die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehen.242

c) Einzelheiten. § 55 I Nr 2 setzt entgegen seinem Wortlaut nicht schlechthin voraus, dass der 62 Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbringen muss. So ist der Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, nicht zur Arbeit verpflichtet, sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz) ist dennoch Masseforderung für die in die Zeit des Insolvenzverfahrens fallenden Tage der sechs Wochen, für die das Entgelt fortzuzahlen ist.243 Der Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht gemäß Rn 60 auch dann als Masseforderung, wenn 63 der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer sogleich freistellt,244 unterliegt dann aber dem vorläufigen Vollstreckungsverbot des § 90 I (arg e § 90 II Nr 3).245 Wegen der Freistellungserklärung ist der Arbeitnehmer durch den nach § 108 fortbestehenden Arbeitsvertrag nicht länger gehindert, eine neue Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben. Der Freigestellte hat unter den Voraussetzungen der §§ 137, 138 I Nr 1 SGB III Anspruch auf Arbeitslosengeld.246 Zwar soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 157 I SGB III ruhen, wenn der Arbeitslose Arbeitsentgelt zu beanspruchen hat. Nach § 157 III SGB III wird das Arbeitslosengeld jedoch auch für die Zeit geleistet, in der der 236 237 238 239 240 241 242 243 244

BAG ZIP 2006, 1366 Rn 18. BAG ZIP 2013, 532 Rn 22. BAG ZIP 2008, 374 Rn 20, 28. BAG ZIP 2008, 374 Rn 20, 28; ZIP 2014, 37 Rn 31 f. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 182; BAG ZIP 2008, 374 Rn 20; ZIP 2014, 37 Rn 32. S mwN bei § 38 Rn 126, dort auch zum Abfindungsvergleich im Kündigungsprozess mit dem Verwalter. Henckel Voraufl § 55 Rn 56. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 62; Hanau a.a.O. S 121. BAG ZIP 2008, 374 Rn 18; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 62; HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 46. Zur Gestaltung der Freistellungserklärungen im Insolvenzfall Bayreuther ZIP 2008, 573, 581 ff. 245 Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 108 Rn 2. 246 Vgl Brand/Brand SGB III9 § 138 Rn 15; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 108 Rn 54. 689

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arbeitslos Gemeldete das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält (Gleichwohlgewährung).247 Der Anspruch des Arbeitnehmers geht auf die Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger über, soweit der Insolvenzverwalter den Anspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt und deshalb das Arbeitslosengeld gezahlt worden ist (§ 115 SGB X).248 Der Anspruch bleibt auch als übergegangener eine Masseforderung,249 da eine Rechtsnachfolge die Einordnung des Anspruchs grundsätzlich nicht ändert. Ausnahmen bedürfen ausdrücklicher gesetzlicher Regelung, wie sie in § 55 III enthalten ist. Die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und dem geschuldeten Arbeitsentgelt bleibt Masseforderung des Arbeitnehmers, die auch bei Masseunzulänglichkeit in der Rangordnung des § 209 zu berücksichtigen ist.250 Von den Beträgen, die aus der Masse auf den übergegangenen Anspruch gezahlt werden, hat der Insolvenzverwalter die Lohnsteuer einzubehalten und als Masseverbindlichkeit an das Finanzamt abzuführen (§ 38 Rn 153).251 Es handelt sich insoweit um mittelbare Leistungen auf den Arbeitslohnanspruch des Arbeitnehmers, der einen Anspruch auf den vollen Bruttolohn hat, also auch auf Abführung der Lohnsteuer.252 Der Unterschied zu der steuerlichen Behandlung des Insolvenzgeldes (§ 38 Rn 156) beruht darauf, dass der Arbeitnehmer, der für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Arbeitslosengeld bekommt, einen vollen Lohnanspruch als Massegläubiger hat und deshalb mit der vollen Lohnsteuer belastet wird, wenn er den vollen Lohn bekommt, während der Arbeitnehmer, der Insolvenzgeld bekommt, eine Versicherungsleistung erhält, die ihm den Nachteil ausgleichen soll, dass er als Insolvenzgläubiger nur Anspruch auf eine Quote hat. 64 Die zeitanteilige Zerlegung der Arbeitnehmeransprüche (Rn 60) bereitet Schwierigkeiten, wenn die Leistungen des Arbeitgebers nicht periodisch zu erbringen sind. Bei Gratifikationen ist zwischen anlassbezogenen sowie solchen zu unterscheiden, die sich auf die Arbeitsleistung beziehen:253 Werden sie aus besonderem Anlass zur Deckung besonderen Lebensbedarfs gezahlt, sind sie in vollem Umfang Masseverbindlichkeiten, wenn sie bestimmungsgemäß zu einem nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitpunkt zu zahlen sind (vgl Rn 60). Das gilt zB für Heirats-, Jubiläumsgratifikationen oder ein in geringerer Höhe zugesagtes Weihnachtsgeld.254 Gleiches gilt für eine stichtagsweise zugesagte Halteprämie, wenn der Stichtag nach Verfahrenseröffnung liegt. Sie wird nicht auf die Zeiträume vor und nach Eröffnung aufgeteilt. Vielmehr stellt sie das Äquivalent für die geleistete Betriebstreue im Rahmen des (für die Masse) fortgesetzten Arbeitsverhältnisses dar, knüpft deshalb an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Tag an und ist somit in vollem Umfang Masseverbindlichkeit, weil sie zwar iwS im Gegenzug für die Arbeitsleistung, nicht aber als Vergütung für eine bestimmte Arbeitsleistung geschuldet ist.255 65 Wenn die Zuwendung dagegen als zusätzliche Arbeitsvergütung gedacht ist (arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung), wie zB das sog 13. Monatsgehalt oder ein sog „incentive bonus“, so ist sie zeitraumbezogen und zeitanteilig in eine Insolvenz- und eine Masseforderung zu zerlegen und dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet ist.256 Ob das eine oder andere zutrifft, ist durch Auslegung des Arbeitsvertrags, des Tarifvertrags oder der bisheriGottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 108 Rn 63. Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 108 Rn 64. Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 167; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 72. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 72; Uhlenbruck/Ries InsO15 § 108 Rn 55. BAG DB 1990, 278 mit Anm Frotscher = ZIP 1990, 526, dazu EWiR § 59 KO 3/90, 801 (ders); LAG Baden-Württemberg ZIP 1986, 793, dazu EWiR § 59 KO 5/86, 605 (ders); Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 44. 252 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 55 Rn 12y. AA Gottwald/Frotscher InsR-Handb2 § 121 Rn 14 ff, Lohnsteuer nur für den dem Arbeitnehmer ausbezahlten Differenzbetrag. 253 BAG ZIP 2013, 532 Rn 18 ff; ZIP 2021, 139 Rn 59; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 180 ff. 254 BAG NZI 2013, 357 Rn 15; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 67; aus älterer Rechtsprechung BAG AP Nr 3 zu § 59 KO (F Weber) = NJW 1967, 1926; LAG Hamm BB 1967, 588. 255 BAG ZIP 2013, 532 Rn 20; ZIP 2014, 37 Rn 42; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 67. 256 BAG NZI 2013, 357 Rn 14; ZIP 2013, 532 Rn 19; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 67; vgl BAG ZIP 1989, 798, zu § 59 I Nr 3a KO. Für sog retention boni vgl Mückl ZIP 2012, 1642.

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gen Übung zu ermitteln.257 Voraussetzung ist stets, dass das Arbeitsverhältnis noch in dem Zeitpunkt besteht, zu dem bestimmungsgemäß die Gratifikation zu zahlen ist.258 Wird zB das Insolvenzverfahren am 15.4. eröffnet, so kann eine am 1.12. zu zahlende Weihnachtsgratifikation in dem noch laufenden Insolvenzverfahren nur von den Arbeitnehmern beansprucht werden, deren Arbeitsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet sind. Eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung wäre für diese Arbeitnehmer aufzuteilen im Verhältnis der Zeit vom 15.4. bis Jahresende zu der Zeit des Arbeitsverhältnisses im selben Jahr bis zum Ablauf des 14.4., bei vorheriger Beendigung des Insolvenzverfahrens oder des Arbeitsverhältnisses im Verhältnis der Zeit vom 15.4. bis zur Beendigung zu der Zeit des Arbeitsverhältnisses im selben Jahr bis zum Ablauf 14.4. Eine Kürzung der Gratifikation ist in besonderen Fällen denkbar, wenn sie nachweisbar zur Erhaltung von Arbeitsplätzen führen kann. Sie ist aber ausgeschlossen, wenn die Gratifikation auf einem Tarifvertrag beruht.259 Ist ihre Grundlage eine Betriebsvereinbarung, ist § 120 zu beachten. Ob eine vertraglich vereinbarte Gewinnbeteiligung eine Insolvenzforderung oder eine Mas- 66 seforderung begründet, hängt davon ab, welchem Zeitraum die Gewinnbeteiligung zugeordnet werden muss. Da sie als zusätzliche Vergütung für Arbeitsleistungen gewollt ist und damit an der für § 55 I Nr 2 erforderlichen Gegenseitigkeit teilhat (vgl Rn 61), kommt es darauf an, ob die Gewinnbeteiligung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erarbeitet worden ist.260 Gewinne können als Veräußerungsgewinne auch während des Insolvenzverfahrens entstehen. Ob solche Gewinne in eine Gewinnbeteiligungsvereinbarung einbezogen sein sollen, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaub wird durch das Insolvenzverfahren grundsätz- 67 lich nicht berührt.261 § 105 ist nicht anwendbar.262 Dass der Anspruch zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits bestand und der Arbeitnehmer den Urlaub vor der Eröffnung schon hätte nehmen können, schließt den Fortbestand des Urlaubsanspruchs nicht aus. Der Insolvenzverwalter muss während des Insolvenzverfahrens den Urlaub nach Maßgabe des § 7 BUrlG gewähren. Das gilt auch dann, wenn der Urlaub des Vorjahres im Rahmen des nach §§ 7 III, 13 BUrlG Erlaubten auf das Folgejahr übertragen worden ist, in dem das Insolvenzverfahren läuft. Der Insolvenzverwalter kann nicht einseitig die Zeit, in der er den Arbeitnehmer freigestellt hat, als Urlaubszeit deklarieren, ohne das Urlaubsentgelt zu bezahlen.263 Das Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG) als die während des Urlaubs zu zahlende Vergütung ist als fortgezahltes Arbeitsentgelt264 Masseverbindlichkeit, soweit der Urlaub in die Zeit des Insolvenzverfahrens fällt.265 Das Urlaubsgeld teilt insoweit das Schicksal des Urlaubsentgelts, wenn es gemäß Vereinbarung oder Tarifvertrag von der Urlaubsgewährung abhängig gemacht wird;266 ist es hingegen davon losgelöst, so ist es wie eine Gratifikation zu behandeln und zeitanteilig zu zerlegen (s Rn 64). War der Urlaub bereits vor der Verfahrenseröffnung angetreten, sind Urlaubsentgelt (und soweit abhängig auch das Urlaubsgeld) anteilig für die Zeit vor der Eröffnung Insolvenzforderung und nur für die Zeit danach Massefor-

257 BAG ZIP 2013, 532 Rn 21; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 23; Beispiele: BSG ZIP 1988, 1585; ZIP 1990, 524.

258 Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 59 Rn 12 t; Oehlerking Die Auswirkungen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf die Bezüge der Arbeitnehmer (1981) S 85. 259 Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 22. 260 BAG NJW 1981, 77; LArbG Bremen KTS 1978, 176; vgl auch BAG ZIP 2013, 532; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsRHandb6 § 105 Rn 26. 261 BAG ZIP 2003, 1802, 1805; ZIP 2007, 834 Rn 13; LAG Hamm ZinsO 2002, 341; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 68. 262 BAG ZIP 2007, 834 Rn 13. 263 LAG Düsseldorf ZIP 1984, 1257. 264 BAG ZIP 2001, 2100, dazu EWiR § 7 BUrlG 1/01, 1139 (Oetker). 265 BAG NJOZ 2006, 1683, 1685 f; ZIP 2007, 834 Rn 11; ZIP 2004, 1660, 1661; Düwell/Pulz NZA 2008, 786 f; Gottwald/Haas/ Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 28. 266 BAG ZIP 2005, 1653, 1655; Braun/Bäuerle/Miglietti InsO9 § 55 Rn 67. 691

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derung.267 Es kann nichts anderes gelten als für das Arbeitsentgelt. Als Insolvenzforderung ist es durch das Insolvenzgeld abgesichert.268 Dass das Urlaubsentgelt nach § 11 II BUrlG vor Antritt des Urlaubs fällig ist, hat für die Einordnung keine Bedeutung. Ist das Urlaubsentgelt vor der Verfahrenseröffnung bereits ausgezahlt, kann die Einordnung für die Anfechtung (§§ 129 ff InsO) Bedeutung gewinnen: Soweit der Urlaub in die Zeit des eröffneten Verfahrens fällt und deshalb Masseverbindlichkeit ist, kann eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger nicht eintreten. 68 Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 IV BUrlG (und entsprechend der Ersatzabgeltungsanspruch269) ist Masseforderung, wenn das Arbeitsverhältnis nach Verfahrenseröffnung endet.270 Der Anspruch ist einerseits Teil des arbeitsvertraglichen Synallagmas,271 sodass § 55 I Nr 2 anwendbar ist (Rn 61). Andererseits handelt es sich nicht und auch nicht anteilig um einen Anspruch „für“ die Zeit vor Insolvenzeröffnung iSv §§ 55 I Nr 2 Alt 2, 108, da er keinem bestimmten Zeitabschnitt einer Arbeitsleistung zugeordnet werden kann.272 Die Gegenauffassung in der Literatur, die mit dem Begründetsein des Urlaubsanspruchs iSv § 38 argumentiert,273 ist nicht überzeugend, da sich dieses Merkmal nicht zur Abgrenzung zur Masseforderung eignet,274 zumal nach § 108 I, III ohnehin nicht der Entstehungszeitpunkt, sondern der Zweck einer Forderung entscheidend ist (Rn 60). Die Urlaubsabgeltung bewirkt, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der abzugeltenden Urlaubsdauer ruht (§ 157 II SGB III). Soweit aber der Arbeitnehmer die Abgeltung tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für diese Zeit gezahlt (§ 157 III SGB III).275 Der Rückgriffsanspruch der Bundesagentur für Arbeit ist Masseforderung, soweit es der Abgeltungsanspruch war. 69 Werden Überstunden- oder Sondervergütungen auf Arbeitszeitkonten gutgeschrieben,276 geschieht das, um sie später durch Freistellung von der Arbeit abzugelten. Die Konten können als Geld- oder als Zeitkonten geführt werden. Für die insolvenzrechtliche Behandlung ist der Unterschied ohne Bedeutung. Entscheidend ist, ob die zu vergütende Leistung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht und die Gegenleistung vor oder nach der Eröffnung verdient war.277 Die Buchung auf dem Arbeitzeitkonto bedeutet, dass die Gegenleistung gestundet ist278 und in anderer Weise als durch Geldzahlung, nämlich regelmäßig durch Freistellung erbracht werden kann.279 Die Stundung hat für die Qualifizierung der Forderung keine Bedeutung. Liegt der maßgebende Zeitpunkt vor der Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung.280 Liegt er danach, besteht eine Masseverbindlichkeit, die dadurch abgegolten werden kann, dass der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer freistellt. Eine Zuordnung des Entgelts zu der Freistellungsphase, die Hanau281 befürwortet, lässt sich mit den §§ 7 Ia, 7e 267 Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 29; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 69. AA MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 184. Die Rechtsprechung des BAG (ZIP 2021, 139 Rn 46; 2021, 811; 2022, 334) gilt unmittelbar nur der Urlaubsabgeltung, die anderen Grundsätzen folgt. 268 BAG BB 1977, 1351 = DB 1977, 1799. 269 BAG ZIP 2007, 834 Rn 14. 270 BAG ZIP 2003, 1802, 1804 f; 2007, 834, 835; 2021, 139 Rn 46; 2021, 811; 2022, 334, 336. AA Klinck AP BUrlG § 7 Nr 116; Krings NZA 2021, 399; Werner NZI 2022, 341, 343. 271 BAG ZIP 2019, 129 Rn 21. 272 BAG ZIP 2003, 1802, 1804 f; 2021, 139 Rn 46; 2021, 811, 813 f; 2022, 334, 336. 273 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 69. 274 Grundlegend § 38 Rn 92. 275 Vgl Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 31; LAG Hamm ZInsO 2002, 341. 276 Schaub/Vogelsang Arbeitsrechts-Handbuch19 § 160 Rn 37 ff. 277 Wiezer Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten (2004) S 54 ff. 278 LAG Hannover ZIP 2003, 448. 279 Vgl Schaub/Vogelsang Arbeitsrechts-Handbuch19 § 160 Rn 68. 280 BAG ZIP 2004, 124, 126; Hanau/Arteaga BB 1998, 2054, auch zu möglichen Absicherungen (vgl § 7e SGB IV); Hanau in Aktuelle Probleme a.a.O. S 124, auch mN zu weiteren Absicherungsmethoden (S 125); ders ZIP 2002, 2028, 2031; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 187. 281 In Aktuelle Probleme a.a.O. S 123 f. Eichel

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SGB IV nicht begründen.282 § 7 Ia SGB IV legt die Zeit der Beschäftigung nach der Fälligkeit der Vergütung für die vorher oder nachher erbrachte Arbeitsleistung fest, geht also von einer Fälligkeitsvereinbarung bzw Stundung aus, die ohne Bedeutung ist für die Frage, wann eine Forderung insolvenzrechtlich begründet ist. § 7e SGB IV verpflichtet die Vertragsparteien, Regelungen für einen Insolvenzschutz zu treffen.283 Altersteilzeit kann einerseits durch kontinuierlich herabgesetzte wöchentliche oder monatli- 70 che Arbeitszeit verwirklicht werden (Grundmodell), oder andererseits im sog Blockmodell.284 Gemäß diesem kann der Arbeitnehmer in einem Zeitblock voll arbeiten und zum Ausgleich im anderen gleich langen Zeitblock von der Arbeit freigestellt werden. Der Arbeitnehmer erhält dann 50 % des Arbeitsentgelts und zusätzlich den Aufstockungsbetrag gemäß § 3 I Nr 1 lit a AltersteilzeitG. Die BfA leistet die Erstattungsbeträge des § 4 AltersteilzeitG beim Blockmodell erst in der Freistellungszeit, dann aber in doppelter Höhe.285 Im Grundmodell entstehen keine besonderen Probleme, wenn über das Vermögen des Ar- 71 beitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Arbeitnehmer kann auch nach der Eröffnung Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen oder schon begonnene Teilzeitarbeit fortsetzen, solange das Arbeitsverhältnis nicht, ggf durch Kündigung nach § 113, beendet ist. Die BfA leistet die Erstattungsbeträge des § 4 AltersteilzeitG für die Zeit ab Verfahrenseröffnung in die Insolvenzmasse. Die Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Aufstockungsbeträge aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind gemäß Rn 60 Insolvenzforderungen (§ 38). Der Arbeitnehmer hat nach Maßgabe der §§ 165 ff SGB III Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts (§ 167 SGB III), das den Aufstockungsbetrag (§ 3 I Nr 1 lit a AltersteilzeitG) einschließt, denn auch dieser Betrag ist (aufgestocktes) Arbeitsentgelt iSd § 165 II SGB III.286 Soweit die BfA für ihren Rückgriffsanspruch (§ 169 SGB III) aus der Masse Deckung erlangt, entsteht für die Masse der Erstattungsanspruch des § 4 AltersteilzeitG. Die Ansprüche für die nach Verfahrenseröffnung geschuldeten Arbeitsleistungen sind Masseforderungen (§ 55 I Nr 2).287 Schwieriger ist die Beurteilung der insolvenzrechtlichen Folgen beim Blockmodell, weil der 72 Arbeitnehmer beträchtlich vorgeleistet hat. Bei dem während der Freistellungsphase zu erbringenden Entgelt handelt es sich also um eine bis dahin gestundete Vergütung für die während der Arbeitsphase bereits vorgeleistete Arbeitszeit, welche bis dahin nur in verringertem Umfang vergütet worden ist.288 Das BAG hat inzwischen in st Rechtsprechung klargestellt, dass es bei dem durch §§ 55 I Nr 2, 108 vorgegebenen Grundsatz bleibt.289 Für eine Auseinandersetzung mit der früheren Gegenauffassung290 wird auf die Vorauflage verwiesen.291 Wird das Insolvenzverfahren in der Freistellungsphase eröffnet, wurde das gesamte Entgelt bereits vor Verfahrenseröffnung verdient, sodass die Forderungen auf die für die Freistellungsphase versprochenen Leistungen nur Insolvenzforderungen sind.292 Die Stundung des Arbeitsentgelts auf die Zeit der Freistellungsphase bleibt wegen §§ 55, 108 für die Qualifikation unberücksichtigt.293 Wird das Insolvenzverfahren während der aktiven Zeit eröffnet und das Teilzeitarbeitsverhältnis als solches fortgesetzt, kommt es darauf an, wann der Anspruch auf das Entgelt, das der Arbeitnehmer während der Freistellung erhalten soll, also auf den Teilarbeitslohn zuzüglich der Aufstockungsbeträge, 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292

Henckel Voraufl § 55 Rn 61 mwN (§ 7 e SGB IV entsprach dort § 7 d SGB IV aF). Schaub/Vogelsang Arbeitsrechts-Handbuch19 § 160 Rn 68 ff. Zu einem dritten Modell Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 101. Hanau Aktuelle Probleme a.a.O. S 120. BeckOK/Plössner SozR SGB III65 § 165 Rn 37. Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 102; Froehner NZA 2012, 1405. Froehner NZA 2012, 1405, 1406. BAG ZIP 2005, 457, 459; NZA 2005, 527; NJOZ 2005, 3568, 3570; DZWIR 2005, 428. zB Hanau in Aktuelle Probleme a.a.O. S 120 ff; LAG Düsseldorf ZIP 2003, 2039. Zur Diskussion bis dahin Henckel Voraufl § 55 Rn 65 ff. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 175; Froehner NZA 2012, 1405, 1406; Seifert DZWiR 2004, 103; Vogel/Neufeld ZIP 2004, 1938. 293 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 175. 693

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begründet ist, schon in der Phase, in welcher der Arbeitnehmer voll gearbeitet hat, um die Bezahlung für die Freistellungsphase zu verdienen, oder erst zu der Zeit, zu der die Zahlungen während der Freistellung zu leisten sind. Für die insolvenzrechtliche Einordnung der Forderungen auf Arbeitsentgelt gilt gemäß §§ 55 I Nr 2, 108, dass die Zeit maßgebend ist, in der das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist (Rn 60): Für die Arbeit, die vor der Verfahrenseröffnung geleistet worden ist, hat der Arbeitnehmer lediglich eine Insolvenzforderung, für die Arbeit danach eine Masseforderung.294 Die Masseforderung umfasst das fortzuzahlende hälftige Arbeitsentgelt einschließlich des Aufstockungsbetrags sowie den Anteil des Entgelts, welches erst in der Freistellung für die nach Verfahrenseröffnung geschuldete Arbeit entrichtet wird.295 Soweit der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch aus § 628 II BGB geltend machen kann,296 ist auch dieser grundsätzlich Insolvenzforderung (§ 38 Rn 126). Zum 1.7.2004 hat der Gesetzgeber mit § 8a AltersteilzeitG immerhin eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Insolvenzsicherung geschaffen, welche die Konsequenzen aus der für den Arbeitnehmer nachteilhaften Einordnung als Insolvenzforderung ausgleichen soll.297 Im Konkursrecht war umstritten, wie Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG einzuordnen sind, 73 die der Arbeitgeber zu zahlen hat.298 Für die Insolvenzordnung muss gelten: Der Abfindungsanspruch der §§ 9, 10 KSchG ist Insolvenzforderung (§ 38), wenn der Schuldner vor der Verfahrenseröffnung das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, selbst wenn das Auflösungsurteil (§ 9 KSchG) erst nach Insolvenzeröffnung ergeht.299 Dass der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch um die Rechtfertigung der Kündigung streitet, ändert daran nichts.300 Das gilt selbst dann, wenn erst der Insolvenzverwalter den Antrag nach § 9 KSchG gestellt hat.301 Eine Gleichstellung der Abfindungsansprüche der §§ 9, 10 KSchG mit den Sozialplanansprüchen, die nach § 123 II S 1 InsO Masseforderungen besonderer Art sind, ist nicht gerechtfertigt. Die Sozialplanansprüche knüpfen an eine rechtmäßige und sozial gerechtfertigte Betriebsstilllegung an, während die sozial ungerechtfertigte Kündigung gerade nicht durch eine Betriebsstilllegung veranlasst ist, sondern durch eine sozialwidrige Auswahl einzelner gekündigter Arbeitnehmer bei teilweiser oder vollständiger Fortführung des Betriebes. Der Ausgleichsanspruch der §§ 9, 10 KSchG ist die Folge eines sozialwidrigen und damit rechtswidrigen Verhaltens, der Sozialplanausgleich dagegen beruht auf einem rechtmäßigen Verhalten des Arbeitgebers. Nur wenn der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis, das die Verfahrenseröffnung überstanden hat, selbst gekündigt hat und seine Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist, ist der Abfindungsanspruch eine Masseforderung (§ 55 I Nr 1).302 Im Fall einer durch den starken vorläufigen oder den Insolvenzverwalter ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung mit Abfindungsoption (§ 1a KSchG) und Verstreichenlassen der Klagefrist, ist die Abfindung Masseforderung.303 Masseverbindlichkeiten sind auch die Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG, wenn der Insolvenzverwalter eine Betriebsänderung vornimmt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben.304 In diesem Fall hat erst der Verwalter den Anspruch 294 BAG ZIP 2005, 873; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 175; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 75; FK/Bornemann InsO9 § 55 Rn 43.

295 BAG ZIP 2005, 457, 460; ZIP 2008, 1133 Rn 52 (dort zur Haftung des neuen Betriebsinhabers bei Betriebsübergang aus der Insolvenz nach § 613a BGB). 296 Froehner NZA 2012, 1405, 1410. 297 Vgl BAG ZIP 2013, 900, wonach der Anspruch nur vor Insolvenzeröffnung bestehe. Näher Froehner NZA 2012, 1405, 1407 ff; Hinrichs/Tholuck ZInsO 2011, 1961, 1965. 298 Umfassende Nachw zum Meinungsstand bei Henckel Voraufl § 55 Rn 68. 299 Stiller NZI 2005, 77, 79 f; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 39; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 189. 300 BAG ZIP 2019, 777 Rn 22. 301 Vgl auch § 38 Rn 98; Sämisch/Quitzau ZInsO 2019, 2403, 2405 f; insoweit aA BAG ZIP 2019, 777 Rn 21 f. 302 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 189; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 79. 303 Stiller NZI 2005, 77, 82 ff. 304 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 80. Eichel

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begründet (§ 55 I Nr 1 Alt 1).305 Maßgeblich dafür, wann der Anspruch begründet wird, ist nicht der Zeitpunkt des Nachteils, etwa einer Entlassung, sondern der Zeitpunkt, zu dem die geplante Betriebsänderung durchgeführt und der Verhandlungsanspruch vereitelt wird.306 Liegt er vor Verfahrenseröffnung, ist lediglich eine Insolvenzforderung gegeben, sofern nicht ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter (§ 22 I) handelte und deshalb ausnahmsweise eine Masseforderung nach § 55 II S 1 vorliegt.307 Eine im Arbeitsvertrag mit dem Schuldner für den Fall der Vertragsauflösung vereinbarte Abfindung des Arbeitnehmers ist stets Insolvenzforderung (§ 38 Rn 126; zur Abfindung im Prozessvergleich s oben Rn 26). (Abfindungs-)Ansprüche aus einem Sozialplan sind Masseansprüche, wenn der Plan nach Insolvenzeröffnung (§§ 123 II S 1, 55 I Nr 1) oder durch einen starken Insolvenzverwalter (§§ 55 I S 1, 22 I) aufgestellt wurde;308 wurde der Plan früher aufgestellt, handelt es sich um Insolvenzforderungen.309 Bei § 123 II S 1 handelt es sich um eine „Aufwertung“ von im Sozialplan formulierten Ansprüchen zu Masseforderungen, wenn diese Ansprüche an sich bereits im Arbeitsvertrag ihre Grundlage haben.310 Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis steht zwar als Nicht-Vermögensanspruch außerhalb von § 55, richtet sich aber gemäß § 108 I InsO, § 630 BGB, § 109 GewO gegen den Insolvenzverwalter, wenn das Arbeitsverhältnis während des Insolvenzverfahrens fortbestanden hat.311 Hat der Insolvenzschuldner als Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot vereinbart, woraus diesem ein Anspruch auf Karenzentschädigung erwächst, so wird die Wettbewerbsabrede unabhängig vom Arbeitsvertrag als selbstständiger gegenseitiger Vertrag nach §§ 55 I Nr 2 Alt 1, 103 und nicht nach §§ 55 I Nr 2 Alt 2, 108 behandelt (s oben Rn 48).312 Frauen erhalten für die Zeit der Mutterschutzfristen des § 3 MuSchG – sechs Wochen vor der Entbindung und regelmäßig acht Wochen nach der Entbindung – vom Arbeitgeber nach § 20 I MuSchG einen Zuschuss zu dem nach § 19 MuSchG, § 24i SGB V gewährten Mutterschaftsgeld, der dieses auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt aufstockt. Auch hier handelt es sich um einen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Anspruch aus dem Arbeitsvertrag iSd § 55 I Nr 2 Alt 2 (vgl Rn 61). Für die Mutterschutzfristen, die in die Zeit des eröffneten Verfahrens fallen, ist der Zuschuss als Masseverbindlichkeit zu zahlen. § 20 III S 2 MuSchG mit § 165 SGB III enthält eine besondere Insolvenzsicherung für den Fall, dass der Zuschuss für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach rechtskräftiger Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse oder nach vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllt werden kann. Die Gläubigerinnen erhalten dann den Zuschuss von der für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes zuständigen Stelle. Nach § 18 MuSchG haben Frauen einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Weitergewährung des Durchschnittsverdienstes der letzten drei Monate vor Eintritt der Schwangerschaft, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. Der Masse steht nach § 1 II Nr 1 und Nr 2 AufwendungsausgleichsG ein Erstattungsanspruch für den gezahlten Zuschuss (§ 20 MuSchG) oder das nach § 18 MuSchG gezahlte Arbeitsentgelt zu. Der Arbeitnehmer hat für Erfindungen, die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind, oder für technische Verbesserungsvorschläge iSd §§ 2, 3 Arbeitnehmererfindungen-Gesetz (ArbNErfG) gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf angemessene Vergütung, sobald der Arbeitgeber die Erfindung in Anspruch nimmt (§§ 9, 20 ArbnErfG). Was die Erfindungen angeht, formulieren § 27 Nr 2 und Nr 4 ArbNErfG vorrangige Regeln für die Qualifikation als Insolvenz- oder MassefordeBAG ZIP 2018, 848 Rn 17; 2006, 1510 Rn 11; ZIP 2003, 2216, 2217; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 191. BAG ZIP 2003, 311, 312; 2018, 848 Rn 17; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 80. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 191. BAG ZIP 2002, 2051, 2053; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 193. BAG ZIP 2002, 2051, 2053; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 194. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 193 mit Fn 634. BAG ZIP 2004, 1974, 1976; BAG AP Nr 18 zu § 630 BGB = ZIP 1991, 744, dazu EWiR 1991, 553 (Hegmanns); LAG Köln ZInsO 2002, 293 = ZIP 2002, 181; iE auch Rieger/Philipp NZI 2004, 190. 312 Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 104 ff.

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rung.313 Findet der Verwalter in der Masse Erfindungen, welche der Schuldner bereits in Anspruch genommen hatte, und nutzt er sie im Rahmen der Unternehmensfortführung für die Masse, ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung lediglich eine Insolvenzforderung (§ 27 Nr 4 ArbNErfG).314 Nimmt der Insolvenzverwalter selbst eine Arbeitnehmererfindung in Anspruch (§ 6 ArbNErfG), ist die Vergütungspflicht Masseverbindlichkeit (§ 55 I Nr 1).315 78 Nach dem BAG handelt es sich bei der vom Arbeitgeber zu erbringenden betrieblichen Altersversorgung um eine Gegenleistung iwS für die Betriebszugehörigkeit, sodass der sich aus §§ 55 I Nr 2, 108 ergebende Aufteilungsgedanke zur Anwendung kommt (vgl Rn 60 f).316 Damit handelt es sich zwar im Grundsatz um Insolvenzforderungen (§ 38).317 Wenn allerdings das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung fortdauert, wird die während des Verfahrens zeitanteilig verdiente Rente gemäß § 55 I Nr 2 Alt 2 zur Masseforderung aufgewertet.318 Das gilt nicht nur für Forderungen gegen den Arbeitgeber aus einer Zusage betrieblicher Altersversorgung nach dem Erreichen des Ruhestandsalters, sondern auch für Forderungen aus vertraglich vereinbarten Überbrückungsgeldern für den Fall der Nichtverlängerung des Anstellungsvertrages bis zum Erreichen des Ruhestandsalters.319 Während Insolvenzforderungen nach § 46 zu kapitalisieren sind,320 sind die Masseverbindlichkeiten wiederkehrend zu leisten.321 Die Ansprüche oder Anwartschaften des Berechtigten, die einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung (PSVaG, § 14 BetrAVG) begründen (§ 7 BetrAVG), gehen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diesen über (§ 9 II BetrAVG).322 79 Ist über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, gab der alte Tarifvertrag über den Vorruhestand im Baugewerbe (VRTV) dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vorruhestandsleistungen, wie sie der Arbeitgeber zu gewähren hätte, gegen die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Die Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den insolventen Arbeitgeber gingen nach dem VRTV auf die leistende Zusatzversorgungskasse über. Von den übergegangenen Forderungen waren die gemäß § 10 I VRTV von der Zusatzversorgungskasse zu erbringenden Erstattungen in Höhe von 90 % abzuziehen. Die so reduzierte Forderung gehörte zu den Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis.323 Eine solche Forderung begründet keine Masseverbindlichkeit.324 Das Vorruhestandsverhältnis beginnt, wenn die tariflichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitnehmer die Zahlung von Vorruhestandsgeld schriftlich beim Arbeitgeber beantragt. § 55 I Nr 2 ist auch dann nicht anwendbar, wenn das Vorruhestandsverhältnis während des im Insolvenzverfahren fortdauernden Arbeitsverhältnisses beantragt wird. Denn der Arbeitsvertrag wird von dem Arbeitnehmer im Vorruhestand nicht erfüllt, sodass es an der erforderlichen Gegenseitigkeit (Rn 61) des Anspruchs fehlt.325 § 55 I Nr 1 ist nicht anwendbar, weil die Begründung des Vorruhestandsverhältnisses keine Handlung des Verwalters im Sinne dieser Vorschrift voraussetzt.326 Nur wenn der Insolvenzverwalter mit einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Verwalters beendet war, einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen hatte, bewirkte diese Handlung des Verwalters nach § 55 I 313 Grundlegend Wiedemann Die Vergütung des Arbeitnehmererfinders in der Insolvenz des Arbeitgebers (2016). 314 LG München GRUR 1994, 626. AA Berger/Tunze ZIP 2020, 52, 56 (die unter Verwertung iSv § 27 Nr 2 ArbNErfG auch die Nutzung im Rahmen der Betriebsfortführung verstehen). Gottwald/Haas/Bertram/Künzl InsR-Handb6 § 105 Rn 116, 120. BAG ZIP 2021, 918 Rn 42; 2008, 279 Rn 11. AA allerdings ohne nähere Begründung Henckel Voraufl § 55 Rn 76. BAGE 60, 32, 34 = ZIP 1989, 319; § 38 Rn 126 mwN. BAG ZIP 2008, 279 Rn 10 f; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 76. BAG ZIP 2008, 279 Rn 11. Näher und mwN § 46 Rn 9. Zu letzterem BAG ZIP 2008, 279 Rn 19. S auch § 38 Rn 126. BVerfG BB 1992, 2150 = DB 1992, 2094. BAGE 73, 246 = AP Nr 35 zu § 59 KO = KTS 1994, 123; KTS 1996, 315 = ZIP 1996, 554, dazu EWiR § 59 KO 2/96, 415 (Thein); BAG ZIP 1993, 1480; KK/Röpke InsO § 55 Rn 93 ff; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 59 Rn 14 h. 325 KK/Röpke InsO § 55 Rn 95. 326 BAG KTS 1996, 315 = ZIP 1996, 554, dazu EWiR § 59 KO 2/96, 415 (Thein).

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Nr 1, dass der Arbeitnehmer auf der Grundlage dieses Arbeitsvertrages Vorruhestand beantragen konnte und die daraus erwachsende Leistungspflicht als Masseverbindlichkeit entstand.327 Zur Qualifikation der Pflicht, die Kosten des Betriebsrats zu tragen (§ 40 BetrVG) s oben 80 Rn 27. Zur Haftung für Masseverbindlichkeiten des Erwerbers bei Betriebsübernahme in der Insolvenz (§ 613a BGB) s § 53 Rn 21.

4. Valutierte Darlehen (§ 108 Abs 2) § 108 II wurde mit Wirkung zum 1.7.2007 eingeführt.328 Ein vom späteren Insolvenzschuldner als 81 Darlehensgeber eingegangenes Darlehensverhältnis besteht gemäß § 108 II mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem Darlehensnehmer vor Verfahrenseröffnung der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde.329 Seine Einführung steht nicht in Zusammenhang mit § 55 I Nr 2 Alt 2, sondern mit einer bis dahin bestehenden Rechtsunsicherheit über den Fortbestand valutierter Darlehensverträge, wodurch erhöhte Risikoaufschläge anfielen, welche die Finanzierungskosten unnötig erhöht hatten.330 Für den vorliegenden Zusammenhang ergibt sich lediglich, dass etwaige Nebenansprüche des Darlehensnehmers, die iwS am Gegenseitigkeitsverhältnis des Darlehensvertrags teilnehmen und deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß, gemäß § 55 I Nr 2 Alt 2 Masseforderungen sind. Für die Hauptforderung stellt § 108 II („soweit“) hingegen klar, dass Ansprüche auf noch nicht valutierte Teile des Darlehens nach Wahl des Insolvenzverwalters als Masseverbindlichkeit nach §§ 103 I, 55 I Nr 2 Alt 1 zu erfüllen sind bzw dass – im Fall der Ablehnung der Erfüllung – die etwaige Nichterfüllungsforderung nach §§ 103 II S 1, 38 geltend zu machen ist.331

5. Sonstige Verträge Zahlungsaufträge, Aufträge zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen 82 sowie Aufträge zur Übertragung von Wertpapieren, welche vor Verfahrenseröffnung wirksam erteilt wurden, bestehen gemäß § 116 S 3 mit Wirkung für die Masse fort. Aus ihnen resultierende Vergütungs- oder Aufwendungsersatzansprüche sind folglich Masseverbindlichkeiten iSv § 55 I Nr 2 Alt 2.332 Vergütungsansprüche aus Geschäftsbesorgungsverträgen, die ausnahmsweise nach §§ 116 83 S 1, 115 II S 2 fortbestehen, sind nach § 55 I Nr 2 Alt 2 Masseforderung; § 115 II S 3 braucht es hierfür nicht (Rn 125). Vergütungsforderungen, die aus der Tätigkeit vor Verfahrenseröffnung stammen, bleiben allerdings Insolvenzforderungen.333 Auf Verträge, die infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen, Aufträge (§ 115), Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116) und Gesellschaftsverträge (§ 118) ist § 55 I Nr 2 nicht anwendbar. Masseverbindlichkeiten, die als Nachwirkungen solcher Verträge entstehen können, ergeben sich aus besonderen Vorschriften (s Rn 124 f). § 108 findet keine, auch keine entsprechende Anwendung auf Erbbaurechtsverträge, so- 84 dass der Anspruch auf Erbbauzinsen für die Zeit nach Insolvenzeröffnung keine Masseforderung nach § 55 I Nr 2 Alt 2 ist (mangels Anwendbarkeit von § 103 auch nicht nach der ersten Alternative).334 Der Grundstückseigentümer ist in der Insolvenz des Erbbauberechtigten ohnehin nach § 49 327 328 329 330 331 332 333 334 697

BAG KTS 1996, 315 = ZIP 1996, 554, dazu EWiR § 59 KO 2/96, 415 (Thein). BGBl 2007 I, S 509, 510. Jaeger/Jacoby InsO2 § 108 Rn 246. RegE BT-Drucks 16/3227 S 19; Jaeger/Jacoby InsO2 § 108 Rn 16. Jaeger/Jacoby InsO2 § 108 Rn 252. RegE BT-Drucks 14/1539 S 8 f; HK/Marotzke InsO10 § 116 Rn 6; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 116 Rn 26. Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 116 Rn 13. BGH ZIP 2005, 2267, 2268; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 161. Eichel

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

zur abgesonderten Befriedigung aus dem Erbbaurecht berechtigt; soweit seine Ansprüche dadurch nicht voll gedeckt werden, ist er mit seiner persönlichen Forderung aus §§ 9 I S 1 ErbbauRG, 1108 I BGB lediglich Insolvenzgläubiger (§ 52).335

VI. Verbindlichkeiten aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse (Abs 1 Nr 3) 85 § 55 I Nr 3 übernimmt den Begriff der ungerechtfertigten Bereicherung aus der Überschrift zu den Tatbeständen der §§ 812 ff BGB. Er begründet nicht selbst einen Bereicherungsanspruch, sondern knüpft an solche an, die sich aus dem materiellen Recht ergeben.336 Es muss also ohne rechtlichen Grund etwas durch Leistung oder in sonstiger Weise erlangt sein. Anders als §§ 812 ff BGB spricht § 55 I Nr 3 nicht von einer Person, die etwas erlangt hat, sondern von der Masse. Die Vermögensverschiebung als Voraussetzung und der Vermögensausgleich als Rechtsfolge werden also vermögensbezogen gedacht. Es genügt nicht, dass der Vermögensträger, der Schuldner, etwas erlangt hat. Vielmehr muss etwas in das nach §§ 35–37 den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen gelangt sein. Anders als nach der Konkursordnung ist im neuen Insolvenzrecht der Unterschied zwischen personenbezogener und vermögensbezogener Vermögensverschiebung aber von geringerer Bedeutung, weil im Grundsatz auch alles, was der Schuldner während des Verfahrens erlangt, zur Masse gehört, etwa pfändbare Forderungen gegen Kreditinstitute337 – § 35 bezieht den sog Neuerwerb mit ein (§ 35 Rn 102 ff). Nicht alles, was an den Insolvenzverwalter gezahlt wird, fällt automatisch in die Masse: rechtsgrundlose Zahlungen auf dessen Anderkonto sollen einen Bereicherungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter persönlich begründen, nicht aber einen iSv § 55 Nr 3;338 anders kann es bei der Zahlung auf ein für die Masseverwaltung eingerichtetes Sonderkonto sein.339 Die Voraussetzung, dass die Insolvenzmasse etwas erlangt haben muss, hat auch eine zeitliche 86 Komponente, die im Wortlaut von § 55 I Nr 3 nicht deutlich zum Ausdruck kommt. Es genügt nicht, dass der Schuldner irgendwann einmal etwas erlangt hat, was nach der Verfahrenseröffnung zur Masse gehört. Vielmehr muss der rechtsgrundlose Erwerb nach der Verfahrenseröffnung geschehen sein, weil zuvor noch keine Insolvenzmasse als Haftungssondervermögen bestand.340 § 55 I Nr 3 setzt voraus, dass die Bereicherung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Masse zugeflossen ist, während eine schon vor Insolvenzeröffnung eingetretene Bereicherung des Schuldners lediglich eine Insolvenzforderung erzeugt.341 Die Verpflichtung, einen rechtsgrundlosen Erwerb des Schuldners herauszugeben (§§ 812, 818 BGB), der vor der Verfahrenseröffnung in das Vermögen des Schuldners gelangt ist, ist keine Masseverbindlichkeit iSd § 55 I Nr 3, auch dann nicht, wenn der rechtliche Grund für den Erwerb erst mit oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weggefallen ist (zur Bereicherung während vorläufiger Insolvenzverwaltung s unten Rn 101).342 87 § 55 I Nr 3 verhindert unangemessene Folgen des Abstraktionsprinzips des Bürgerlichen Rechts, das dem Vertrauensschutz dienen soll. Wer etwa rechtsgeschäftlich erwirbt, soll darauf vertrauen können, dass sein Erwerb nicht dadurch gefährdet wird, dass der schuldrechtliche Vertrag, der dem Erwerb seines Vorgängers zu Grunde lag, nichtig, anfechtbar unwirksam oder einredebehaftet war. Entsprechend soll ein Gläubiger auf einen Gegenstand im Schuldnervermö-

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BGH ZIP 2005, 2267, 2268. Auch § 816 BGH ZIP 2008, 1127 Rn 11. BGH ZIP 2015, 738 Rn 8; 2010, 1552 Rn 29. BGH ZIP 2007, 2279; 2009, 531; 2010, 935 Rn 8; 2011, 1220; Stahlschmidt NZI 2011, 272, 274; Büchel/Günther ZInsO 2008, 547; krit Fuest ZInsO 2006, 464. 339 Schulte-Kaubrügger ZIP 2011, 1400, 1404 f. 340 BGH ZIP 2003, 1554, 1557; FK/Bornemann InsO9 § 55 Rn 45. 341 BGH ZIP 2007, 2279 Rn 9; Mitlehner EWiR 2008, 213; ZIP 2009, 428 Rn 20; 2009, 1477 Rn 12; 2015, 434 Rn 16 ff; 2015, 589 Rn 84; 2015, 738 Rn 11. 342 BGH ZIP 2009, 1477 Rn 12; NZI 2011, 143 Rn 10; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 85 f. Eichel

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gen zugreifen können, ohne dass ihm die Haftung dieses Objekts von einem Dritten streitig gemacht werden kann, der einen schuldrechtlichen Rückforderungsanspruch gegen den Schuldner hat. Die Insolvenzgläubiger verdienen solchen Schutz nicht. Ihnen haftet zunächst das Vermögen, das dem Schuldner im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gehört. Insoweit wäre es nicht gerechtfertigt, ihr Vertrauen darauf zu schützen, dass ein späterer Erwerb des Schuldners trotz schuldrechtlicher Mängel Bestand hat. Der rechtsgrundlose Erwerb nach Verfahrenseröffnung haftet ihnen nicht. Der Bereicherungsgläubiger darf ihn nach § 55 I Nr 3 der Masse entziehen. Dieser Gedanke, der die Vorgängerregel des § 59 I Nr 4 KO trug, scheint aber in Frage gestellt, weil nach § 35 InsO auch der Neuerwerb zur Masse gehört. Unter der Insolvenzordnung stellt § 55 I Nr 3 eine Einschränkung des § 35 dar. Erwirbt der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen der Zwangsvollstreckung unterliegenden Vermögensgegenstand ohne Mitwirkung des verwaltungs- und verfügungsbefugten Insolvenzverwalters, so gehört dieser zwar als Neuerwerb zur Masse. Er haftet aber den Insolvenzgläubigern nicht, wenn er rechtsgrundlos erworben worden ist.343 Anders gesagt: Die Insolvenzgläubiger werden nicht in ihrem Vertrauen darauf geschützt, dass ihnen dieser Gegenstand ungeachtet schuldrechtlicher Mängel des Erwerbs haftet. Anders steht es für die Massegläubiger. Ihnen haftet die Masse in ihrem jeweiligen Bestand, gleichgültig ob ein Haftungsobjekt bei der Verfahrenseröffnung schon vorhanden war, oder während des Verfahrens vom Insolvenzverwalter oder vom Schuldner als Massebestandteil erworben worden ist. Als schuldrechtliche Vorzugsgläubiger stehen die Massegläubiger des § 55 I Nr 1 und 2 in Konkurrenz mit den Bereicherungsgläubigern des § 55 I Nr 3. Der Bereicherungsgläubiger wird anderen Massegläubigern gegenüber nicht bevorzugt. Hat der Insolvenzschuldner den rechtsgrundlos neuerworbenen pfändbaren Gegenstand im 88 Besitz, kann der Bereicherungsgläubiger diesen als Massegläubiger herausverlangen und aus dem titulierten Anspruch vollstrecken. Der Insolvenzverwalter kann im Wege der Erinnerung344 aber geltend machen, dass der Gegenstand zur Masse gehöre und die Vollstreckung nach § 90 für die Dauer von sechs Monaten seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig sei. Ein anderer Massegläubiger kann den Gegenstand beim Schuldner pfänden und verwerten lassen. Dem Einwand des Schuldners, sein Vermögen hafte nicht für Masseverbindlichkeiten, kann der Gläubiger die Massezugehörigkeit des Objekts entgegenhalten. Der Insolvenzverwalter kann der Pfändung nach § 90 oder, wenn er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, nach § 210 widersprechen. Der Bereicherungsgläubiger muss die Pfändung und Verwertung durch den anderen Gläubiger hinnehmen. In der Einzelvollstreckung gilt im Verhältnis der Massegläubiger untereinander das Prioritätsprinzip. Auf §§ 90, 210 kann sich der Bereicherungsgläubiger nicht berufen. Diese Vorschriften dienen nicht dem Individualschutz eines Massegläubigers. Nicht sämtliche bereicherungsrechtlich relevanten Fallkonstellationen können hier aufge- 89 führt werden. Einige Beispiele mögen genügen: Den einfachsten Fall bildet die Leistung auf eine Nichtschuld unmittelbar zur Insolvenzmasse (§ 812 I S 1 BGB), wie zB die versehentliche Überweisung an den Schuldner nach Insolvenzeröffnung,345 oder die Zahlung auf eine Forderung, der eine dauernde Einrede entgegenstand (§ 813 I BGB), nicht aber die Zahlung in Unkenntnis einer im Insolvenzverfahren durchdringenden Aufrechnungsbefugnis (§ 94).346 Eine Masseverbindlichkeit besteht nach § 812 I S 2 BGB auch dann, wenn der rechtliche Grund für eine Leistung in die Insolvenzmasse zunächst bestand, jedoch hinterher weggefallen ist. Eine Masseverbindlichkeit wegen eines in sonstiger Weise vollzogenen Erwerbs besteht zB nach Beendigung des Hauptlizenzvertrags in Form von nunmehr unberechtigten Unterlizenzen (§ 812 I S 1 BGB)347 oder aber als Folge einer Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung, die nach der Verfahrenseröffnung MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 214. MünchKomm/Breuer/Flöther InsO4 § 90 Rn 23. BGH ZIP 2015, 738. Staudinger/Lorenz (2007) § 813 Rn 11 mN auch zur Gegenansicht. BGH ZIP 2012, 1561 Rn 26; Pleister/Wündisch ZIP 2012, 1792; Raeschke-Kessler/Christopeit ZIP 2013, 345; Seegel CR 2013, 205, 209.

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

geschieht (§ 951 BGB).348 Hat der Insolvenzverwalter die im Voraus zu zahlende Miete für ein Massegrundstück erhoben, wird dieses aber noch während des Monats, für den die Miete vorausgezahlt wurde, zum Zweck der Zwangsversteigerung beschlagnahmt, ist der Ersteher des Grundstücks Massegläubiger nach § 55 I Nr 3 hinsichtlich der Miete, die für die Zeit bis zur Kenntnis des Mieters von der Beschlagnahme an den Verwalter wirksam vorausgezahlt worden ist (§ 57b ZVG, § 566c BGB).349 Der Sicherungszessionar, dessen Forderung nach nochmaliger, an sich unwirksamer Abtretung an einen Dritten gem §§ 408, 407 BGB erloschen ist und dessen dadurch gegen den Dritten entstandener Bereicherungsanspruch aus § 816 II BGB infolge einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung wegen Wegfalls der Bereicherung des Dritten nicht mehr durchsetzbar ist, hat gegen den Verwalter Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus § 812 I S 1 Alt 2 BGB, § 55 I Nr 3 InsO.350 Hat ein Dritter nach Verfahrenseröffnung einen Insolvenzgläubiger befriedigt, ist die Masse zwar in Höhe der ersparten Quote bereichert; der Rückgriffsanspruch des Dritten bleibt aber Insolvenzforderung, da er lediglich an die Stelle einer solchen getreten ist.351 Hat der Insolvenzverwalter eine bewegliche Sache, die der Schuldner unter Eigentumsvorbehalt erworben hatte, in Unkenntnis des Eigentumsvorbehalts wirksam an einen gutgläubigen Dritten veräußert (§§ 932 ff BGB) und den Erlös ununterscheidbar mit Massegeldern vermengt, kann der Vorbehaltsverkäufer nach § 55 I Nr 3 InsO mit § 816 I BGB vom Insolvenzverwalter die Herausgabe der empfangenen Gegenleistung und die Abtretung des ggf noch bestehenden Restanspruchs darauf verlangen. Hatte dagegen der Schuldner schon vor der Verfahrenseröffnung entsprechend verfügt, ist der Anspruch des Vorbehaltsverkäufers (§ 816 I BGB) Insolvenzforderung. Hat der Insolvenzverwalter eine Forderung, die Massebestandteil war, wirksam abgetreten, der gutgläubige Drittschuldner aber trotzdem noch mit befreiender Wirkung in die Masse gezahlt (§ 407 BGB), ist der Anspruch des Zessionars (§ 816 II BGB) Masseforderung. Hat der Kunde seiner Bank einen Überweisungsauftrag erteilt und der Bank dafür die Deckung verschafft, hat er keinen Massebereicherungsanspruch, wenn vor der Ausführung des Überweisungsauftrags das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bank eröffnet wird.352 Ein Bereicherungsanspruch besteht nicht, weil die Deckung nicht ohne rechtlichen Grund angeschafft wurde und durch die Verfahrenseröffnung weder der rechtliche Grund weggefallen noch der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg verfehlt worden ist. Ein Bereicherungsanspruch wäre auch keine Masseforderung, weil die Bank die Deckung vor der Verfahrenseröffnung erlangt hat.353 Der Bereicherungsanspruch der Bank, die eine seitens des Schuldners schon genehmigte Lastschrift irrtümlich an den Schuldner rückgebucht und den Lastschriftbetrag an den Insolvenzverwalter ausgezahlt hat, ist Masseforderung, wenn die Auszahlung nach Verfahrenseröffnung erfolgt ist.354 Da es sich um Bereicherungsansprüche handelt, bestimmt sich ihr Umfang nach §§ 818–820 90 BGB. Insbesondere kann der Insolvenzverwalter einwenden, dass die Masse gemäß § 818 III BGB (teilweise) entreichert ist. Das gilt namentlich, soweit die rechtsgrundlose Leistung die Berechnungsgrundlage für die Kosten und damit die Verfahrenskosten (§ 54) erhöht hat; diese Mehrbelastung geht zulasten des Bereicherungsgläubigers.355 Als Bereicherungshaftung unterscheidet sich die Masseverbindlichkeit der Nr 3 von der Verbindlichkeit der Nr 1. Auch die Haftung der Nr 3 knüpft zwar meist an Tatbestände an, zu denen eine Rechtshandlung des Verwalters gehört, wie zB die Verfügung über fremdes Recht oder die Empfangnahme der Leistung auf eine Nichtschuld. Vor 1974 wurde zur KO meist angenommen, dass die Masseverbindlichkeit wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Masse als Sonderregel die Anwendung der Nr 1 ausschließe und 348 349 350 351 352 353 354 355

Schultze ZIP 2016, 1198, 1201. Vgl LG Breslau LZ 1908, 255. BGH ZIP 2015, 2282. BGH ZIP 2008, 183; näher § 38 Rn 106. OLG Celle ZIP 1982, 84; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 86. Vgl dazu RGZ 54, 329; OLG Kiel OLGRspr 3, 56; RG SächsA 13, 34. BGH ZIP 2015, 434 Rn 11–14. BGH ZIP 2015, 738, 739 f.

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Sonstige Masseverbindlichkeiten

die Nr 1 nur anwendbar sei, wenn die Handlung des Verwalters auch unter eine Norm subsumiert werden konnte, die ein Verschulden voraussetzte.356 Praktische Bedeutung kam dem aber nicht zu. Das änderte sich, als mit dem Gesetz vom 17.7.1974 der Massebereicherungsanspruch gegenüber den Ansprüchen des § 59 I Nr 1 und 2 KO (entspr § 55 Nr 1 und 2 InsO) bei Masseunzulänglichkeit im Rang zurückgesetzt wurde (§ 60 KO). Weil das vielfach als unbillig angesehen wurde, lag es nahe, den eine Handlung des Verwalters voraussetzenden Bereicherungsanspruch auch dann unter die Nr 1 zu subsumieren, wenn die Voraussetzungen einer anderen Haftungsnorm nicht vorlagen. Unter der Insolvenzordnung ist das Konkurrenzproblem für die Situation der Masseunzulänglichkeit wieder bedeutungslos, weil kein Rangunterschied zwischen den sonstigen Masseverbindlichkeiten mehr besteht.357 Es kann aber wieder Gewicht gewinnen, wenn man auf die Massebereicherungsansprüche, die durch einen starken vorläufigen Verwalter begründet worden sind, § 55 II InsO nicht anwenden will (dazu unten Rn 101).

VII. Vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten (Abs 2, 3) 1. Gesetzeszweck und praktische Bedeutung Während § 55 I für die Entstehung einer Masseverbindlichkeit die Eröffnung des Insolvenzverfah- 91 rens voraussetzt, lässt § 55 II für bestimmte Masseverbindlichkeiten genügen, dass im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Insolvenzverwalter ernannt ist, auf den nach § 22 I die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist. Zwar werden die in § 55 II genannten Verbindlichkeiten ebenfalls erst mit Eröffnung des Verfahrens zur eigentlichen Masseforderung; allerdings erhalten sie, wenn es nicht zur Insolvenzeröffnung kommt, bereits über § 25 II einen besonderen Schutz.358 Der Gesetzgeber wollte mit § 55 II dem vorläufigen Insolvenzverwalter das Haftungsrisiko 92 abnehmen, das unter der Geltung der Konkursordnung insbesondere bei einer Fortführung des Schuldnerunternehmens bestand.359 Verbindlichkeiten, die der vorläufige Verwalter begründet und vor der Verfahrenseröffnung nicht erfüllt hatte, waren Konkursforderungen. Die betroffenen Gläubiger verlangten Schadensersatz, weil der vorläufige Verwalter Verpflichtungen eingegangen war, die er nicht erfüllen konnte, was er bewusst in Kauf genommen habe. Versuche, dieses Risiko mit Treuhandkonstruktionen zu mindern, waren fragwürdig und sind es heute umso mehr, als § 55 II einen sicheren Weg weist, das Haftungsrisiko zu mildern.360 Die Vorschrift soll zugleich die Gläubiger schützen, die Geschäfte mit dem vorläufigen Verwalter abschließen oder während des Eröffnungsverfahrens Dauerschuldverhältnisse in Erwartung der Gegenleistung erfüllen.361 Die Aufwertung zu Masseverbindlichkeiten schützt sie in ihrem Vertrauen, auch noch nach Verfahrenseröffnung gemäß § 53 aus der Masse befriedigt zu werden, aber auch vor der Anfechtbarkeit (§§ 130, 131) der von ihnen erhaltenen Leistungen, da sie ihre Deckung nicht als „Insolvenzgläubiger“ erhalten haben.362 Dadurch ermöglicht Abs 2 dem vorläufigen Verwalter, für die Unternehmensfortführung benötigte Leistungen zu erhalten, ohne dass er deren sofortige Bezah-

356 Jaeger/Lent KO8 § 59 Rn 12. So auch noch nach 1974: Henckel Aktuelle Probleme der Warenlieferanten im Kundenkonkurs2 S 69; Kilger/Schmidt KO17 § 59 Anm 6 b; Kuhn/Uhlenbruck KO11 § 59 Rn 19. 357 Vgl HK/Lohmann InsO10 § 55 Rn 24. 358 FK/Bornemann InsO9 § 55 Rn 59. 359 Krelhaus Insolvenzfeste Geschäftsfortführung a.a.O. S 50. 360 Henckel in Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts a.a.O. S 97, 106 mit Fn 19; OLG Hamburg NZI 2003, 153; weniger Bedenken hat Bork ZIP 2003, 1421, 1423 ff; ausführlich und differenzierend Windel ZIP 2009, 101; Wiester NZI 2003, 632, 633. 361 Begr zu § 64 RegE; Marotzke ZIP 2005, 2144, 2146; Krelhaus Insolvenzfeste Geschäftsfortführung a.a.O. S 48 f. 362 Klinck ZIP 2021, 1189, 1190; Bork ZIP 2003, 1421 f; Krelhaus Insolvenzfeste Geschäftsfortführung a.a.O. S 50 f; BAG ZIP 2017, 2113 Rn 28; BGH ZIP 2016, 1295, 1298 f. 701

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lung gewährleisten müsste.363 Gerade wegen § 55 II S 2 wird die Regelung allerdings auch als überschießend kritisiert, da durch den in dieser Regelung veranlagten Automatismus unverhinderlich zahlreiche weitere Masseverbindlichkeiten begründet werden, ohne dass dafür ein konkreter Bedarf für die Unternehmensfortführung vorliegen müsste („oktroyierte Masseverbindlichkeiten“; insbesondere Miet- und Leasingraten).364 Zeigt der Insolvenzverwalter im später eröffneten Insolvenzverfahren gemäß § 208 die Masseunzulänglichkeit an, handelt es sich bei den nach § 55 II als sonstige Masseverbindlichkeiten qualifizierten Entgeltansprüchen um sog „Altmasseverbindlichkeiten“ (§ 209 I Nr 3).365 Die Gerichte machen, meist im Einverständnis mit den Verwaltern, von der Möglichkeit, ein 93 allgemeines Verfügungsverbot gegen den Schuldner zu erlassen und damit dem vorläufigen Verwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu verschaffen (§ 22 I), wenig Gebrauch.366 Das hatte historisch gesehen zunächst seinen Grund darin, dass der auf die Bundesagentur für Arbeit nach § 169 SGB III übergegangene Anspruch des Arbeitnehmers, der Insolvenzgeld beantragt hatte, nach § 55 II ursprünglicher Fassung an sich Masseforderung gewesen wäre. Um das Insolvenzgeld für die Zeit des Eröffnungsverfahrens – möglichst voll für die Dauer von drei Monaten – für die Finanzierung der Arbeitskosten in Anspruch nehmen zu können, ohne dass die Eröffnung des Verfahrens mangels kostendeckender Masse wegen der hohen Rückgriffsforderungen der BfA abgelehnt oder das Verfahren alsbald nach § 207 wieder eingestellt werden musste, wurde deshalb überwiegend ein vorläufiger Verwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bestellt, dessen Befugnisse nach § 22 II so weit festgelegt wurden, dass gerade noch nicht von einer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis iSd § 22 I gesprochen werden konnte. Versuche, mit gewagten, letztlich nicht haltbaren Konstruktionen dennoch einerseits § 55 II anwenden zu können und andererseits den Rückgriffsanspruch der BfA zur Insolvenzforderung herabzustufen, wenn der Verwalter verfügungsbefugt war, hatten beim Bundesarbeitsgericht zwar Erfolg,367 fanden aber begründeten Widerspruch.368 „Im Interesse der Sanierung erhaltenswerter Unternehmen und im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer“ hielt der Gesetzgeber hier eine Lösung für „dringend geboten“.369 Durch den daraufhin eingeführten Abs 3 des § 55 werden die auf die BfA nach § 169 SGB III übergegangenen Ansprüche zurückgestuft. Sie sind Insolvenzforderungen. Dass dies im Interesse der Sanierung erhaltenswerter Unternehmen und im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer geboten gewesen sei, stimmt allerdings nicht. Denn die bisherige Praxis hat das Insolvenzgeld in gleicher Weise für die Sanierung sowie im Interesse der Arbeitnehmer eingesetzt und der BfA nur die Stellung als Insolvenzgläubigerin belassen. Eine Verbesserung der Sanierungschancen und der Sicherung der Arbeitnehmer wäre auch ohne zusätzliche Mittel nicht zu erreichen gewesen. Aufschlussreich ist deshalb der Satz der Begründung, die umlagepflichtigen Unternehmen, die den Ausfall der BfA decken müssen, würden durch die Änderung des Gesetzes nicht belastet. Die weitere Begründung lässt auch recht deutlich erkennen, dass es nicht um bessere Sanierungschancen und um die Sicherung der Arbeitnehmer geht, sondern um die Entlastung der vorläufigen 363 364 365 366 367

BAG ZIP 2021, 139 Rn 45; Bork ZIP 2003, 1421, 1422. Bork ZIP 2003, 1421, 1422; Klinck ZIP 2021, 1189, 1190. BAG ZIP 2017, 2113 Rn 29. Klinck ZIP 2021, 1189, 1190; Stamm FS Beck 509, 511. ZB BAG BB 2001, 2530 = ZIP 2001, 1964, dazu EWiR § 55 InsO 2/01, 1063 (Bork); BAG ZInsO 2001, 1174; LAG Hamm KTS 200, 608 = ZIP 2000, 593; LAG Köln KTS 2000, 392 = ZIP 2000, 805, dazu EWiR § 55 InsO 3/2000, 735 (Jaffé); zustimmend Moll/Müller KTS 2000, 587 ff; Wellensiek FS Uhlenbruck (2000) S 199, 203 ff; s ferner AG Aachen ZIP 1999, 1982; ArbG Bielefeld ZIP 1999, 1493; LG Leipzig ZIP 2001, 1778; AG Leipzig ZIP 2001, 1780; AG Wuppertal ZIP 2001, 1335, dazu EWiR § 55 InsO 2/02, 113 (Ringstmeier); Blank ZInsO 2001, 780; Bork ZIP 1999, 781; Förster ZInsO 2001, 790; Hauser/ Hawelka ZIP 1998, 1261. 368 ZB OLG Köln DZWIR 2001, 474 = ZIP 2001, 1422, dazu EWiR § 55 InsO 1/01, 1011 (Eckert); OLG Hamm NZI 2002, 162; LG Karlsruhe DZWIR 2002, 215; gegen solche Versuche auch Henckel in Aktuelle Probleme des neuen Insolvenzrechts a.a.O. S 104 ff mN; grundsätzlich auch Kübler/Prütting/Bork/Pape InsO91 § 55 Rn 70 ff. 369 Begr des RegE zur Änderung des § 55 durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl I S 2710). Eichel

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Verwalter von Haftungsrisiken, die mit der Fortführung des Unternehmens während des Eröffnungsverfahrens verbunden sind. Dass von § 22 I nach wie vor wenig Gebrauch gemacht wird, hat auch andere Gründe: die mit der einschneidenden Maßnahme verbundenen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit samt Haftungsrisiko370 und die durch § 55 II S 2 zwangsläufig entstehenden Masseverbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen wie Leasing-, Miet- oder Arbeitsverträgen, welche die Sanierungschancen schmälern.371 Die Umqualifizierung der auf die BfA übergeleiteten Ansprüche der Arbeitnehmer nach 94 § 55 III stellt eine Verschlechterung selbst gegenüber der Konkursordnung dar. Diese nahm den übergegangenen Ansprüchen nur die Qualität einer Masseforderung, weil keine Notwendigkeit bestand, der BfA eine Erfüllung ihrer Ansprüche außerhalb des Verfahrens zur Feststellung der Konkursforderungen und zur Verteilung der Masse möglich zu machen. Die übergegangenen Ansprüche blieben aber bevorrechtigte Forderungen mit dem besten Rang des § 61 I Nr 1 KO. Die Rückstufung von einer letztrangigen (§ 60 I Nr 3 KO)372 Masseforderung zur erstrangigen Konkursforderung bedeutete keine gewichtige materielle Verschlechterung. Mit der Einstufung der übergeleiteten Ansprüche als Insolvenzforderungen sind sie erheblich abgewertet. Die Qualifizierung als Insolvenzforderung gilt freilich auch, wenn kein vorläufiger Insolvenz- 95 verwalter mit Verfügungsbefugnis bestellt wird. Das rechtspolitische Problem ist schon mit der ursprünglichen Fassung der InsO geschaffen und im Regierungsentwurf wohl weniger übersehen als verschwiegen worden. Weder in der Begründung zur Abschaffung der Vorrechte noch zu den Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes (zu Art 93 EGInsO) wird erwähnt, dass die Abschaffung der Vorrechte zu erhöhtem Ausfall der BfA führen muss und damit zu einer Steigerung der Umlage, die zur Aufbringung der Mittel von den Unfallversicherungsträgern von den Unternehmern erhoben wird (§§ 358 ff SGB III). Das Insolvenzgeld ist heute vielfach nicht mehr, wie wohl einmal vom Gesetzgeber gedacht, ein Instrument zur Sicherung des Arbeitslohns, den der Arbeitgeber nicht mehr zahlen kann, sondern ein Mittel zur Schuldenentlastung und damit zur Sicherung der Liquidität des Unternehmens in der Phase des Eröffnungsverfahrens. Obwohl das Eröffnungsverfahren durch die InsO erleichtert worden ist und deshalb verkürzt werden könnte, setzt das Insolvenzgeld den Anreiz, die volle Zeit der drei Monate, für die das Insolvenzgeld gezahlt wird, auszuschöpfen. Die umlagepflichtigen Unternehmer finanzieren also – so die rechtspolitische Kritik Henckels – das insolvente Unternehmen, das die Arbeitskosten spart und so die Preise umlagepflichtiger Konkurrenten unterbieten kann.373 Rechtspolitisch fragwürdig ist auch, dass der Arbeitnehmer die Wahl hat, ob er das Insolvenzgeld in Anspruch nimmt oder seine Entgeltforderung als Masseforderung geltend macht und dadurch der Masse Liquidität entzieht. Ein mit dem Rechtsgedanken des § 777 ZPO begründeter Einwand unzulässiger Rechtsausübung gegen die Masseforderung könnte Abhilfe schaffen.

2. Die Voraussetzungen im Einzelnen a) Vom vorläufigen Verwalter begründete Verbindlichkeiten (Satz 1). Aus Vorgängen, die 96 vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen, entstehen Masseverbindlichkeiten gemäß Abs 2 nur, wenn dem Schuldner vom Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist (§ 21 II Nr 2) und der vom Gericht bestellte vorläufige Verwalter deshalb befugt ist, das Vermögen des Schuldners zu verwalten und über die Gegenstände dieses Vermögens zu verfügen (§ 22 I, sog starker vorläufiger Verwalter) und wenn der Verwalter im Rahmen seiner Verwal-

370 BGH ZIP 2002, 1625, 1628 f; Undritz NZI 2003, 136, 137. 371 Undritz NZI 2003, 136, 139; Klinck ZIP 2021, 1189, 1190 f. 372 § 60 I Nr 4 spielte praktisch keine Rolle, da in den kritischen Fällen, in denen der Rückgriff der BfA gefährdet war, dem Gemeinschuldner kein Unterhalt aus der Masse gewährt wurde, Henckel Voraufl § 55 Rn 86.

373 Näher Henckel Voraufl § 55 Rn 87. 703

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tungsbefugnis tätig wird.374 Ein vorläufiger Verwalter, der bestellt worden ist, ohne dass dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt ist, kann keine Masseverbindlichkeiten begründen; eine analoge Anwendung von Abs 2 auf diesen sog schwachen vorläufigen Verwalter ist nicht möglich, auch wenn ein Zustimmungsvorbehalt (§ 21 II S 1 Nr 2 Alt 2) angeordnet ist.375 Die von diesem bzw dem Schuldner mit dessen Zustimmung begründeten Verbindlichkeiten sind grundsätzlich keine Masseverbindlichkeiten (Ausnahme: Abs 4). Immerhin ist aber eine analoge Anwendung376 auf den schwachen vorläufigen Verwalter in dem Rahmen möglich, in dem das Insolvenzgericht ihn ermächtigt, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen, soweit dies für eine effektive Verwaltung der Masse nötig ist.377 Die Ermächtigung darf die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht in das Ermessen des vorläufigen Verwalters stellen, sondern muss sich auf im Voraus – einzeln oder der Art nach – genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse beziehen.378 Eine gerichtliche Anordnung nach § 21 II S 1 Nr 5, die bereits ohne ein Tätigwerden des vorläufigen Verwalters eine Wertersatzpflicht begründet, entspricht einer solchen Einzelermächtigung.379 Die pauschale gerichtliche Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters, „mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln“380 oder die „Arbeitgeberbefugnisse auszuüben“,381 ist hingegen unzulässig und kann folglich nicht bewirken, dass schon im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten begründet werden, zumal es vom Insolvenzgericht nicht mehr zuverlässig kontrollierbar wäre.382 Die Sicherungslücke für Gläubiger, die § 55 II im Fall „schwacher“ Verwalter lässt, wird in der Praxis durch Zahlungszusagen oder andere Sicherheiten gefüllt.383 Die Voraussetzungen, unter denen der vorläufig eigenverwaltende Schuldner Masseverbindlichkeiten begründen kann, werden durch den seit 1.1.2021 neu ausgerichteten § 270c IV geregelt, dessen Verweis auf § 55 II im Grundsatz auch den Satz 2 einschließt.384

374 Zur Frage, ob der starke Verwalter dennoch Insolvenzforderungen begründen darf, Krelhaus Insolvenzfeste Geschäftsfortführung a.a.O. S 71 ff.

375 BGH NJW 2002, 3326 = ZIP 2002, 1625 (dazu Spliedt EWiR § 55 InsO 5/02, 919; Heidrich/Prager NZI 2002, 653; Smid DZWIR 2002, 444); BGH ZIP 2003, 810; 2009, 1477 Rn 13; 2013, 532 Rn 27; BAG DZWiR 2003, 107 (Bichlmeier) = ZIP 2002, 2051; BAG ZIP 2003, 311, dazu EWiR § 38 InsO 1/03, 283 (Moll/Langhoff); OLG Frankfurt/M ZIP 2002, 2185; FG Saarland ZInsO 2003, 333, dazu Blank ZInsO 2003, 308; K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 41; Uhlenbruck/Vallender InsO15 § 22 Rn 11; Braun/Bäuerle/Miglietti InsO9 § 55 Rn 84; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 221; Kübler/Prütting/Bork/Blankenburg InsO91 § 22 Rn 156; Prütting/Stickelbrock ZIP 2002, 1608; Pape ZIP 2002, 2277, 2284 ff; Zwanziger BB 2003, 630. AA OLG Hamm ZIP 2002, 676 (aufgegeben: ZIP 2003, 1165). Für eine Erfassung des schwachen Verwalters de lege ferenda: Stamm FS Beck 509, 513 ff. 376 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 226; BGH NZI 2011, 143 Rn 9. AA in methodischer Hinsicht: Stamm FS Beck 509, 515 ff. 377 BGH NJW 2002, 3326 = ZIP 2002, 1625, 1629, dazu EWiR § 55 InsO 5/02, 919 (Spliedt); BGH ZIP 2009, 1477 Rn 13; NZI 2011, 143 Rn 9; ZIP 2012, 779, 782; ZIP 2015, 434 Rn 18; BAG ZIP 2017, 2113 Rn 28; Bork ZIP 2003, 1421, 1423 mit Formulierungsvorschlag für eine „beschränkte Gruppenermächtigung“; Fritsche DZWIR 2005, 265; Laroche NZI 2010, 965; Wiester NZI 2003, 632; Kübler/Prütting/Bork/Blankenburg InsO91 § 22 Rn 158; vgl auch BR-Drucks 619/20, S 22; verhalten zustimmend: Prütting/Stickelbrock ZIP 2002, 1608 (1611); recht weitgehend AG Duisburg NJW-RR 2002, 1575 = ZIP 2002, 1700 („Babcock Borsig“); Kritik äußern Klinck ZIP 2021, 1189, 1191, und Krelhaus Insolvenzfeste Geschäftsfortführung a.a.O. S 91 ff. 378 BGH ZIP 2018, 2488 Rn 15; speziell für Massedarlehen: Wuschek ZInsO 2012, 1294, 1296; Schönfelder WM 2007, 1489. 379 BGH ZIP 2012, 779 Rn 27; anders noch BGH ZIP 2010, 141 Rn 46. Vgl auch Heublein ZIP 2009, 11, 12; Hölzle ZIP 2014, 1155, 1157. 380 BGH NJW 2002, 3326 = ZIP 2002, 1625, 1629. 381 OLG Saarbrücken ZIP 2014, 1791, 1793. 382 BGH NJW 2002, 3326 = ZIP 2002, 1625, 1629; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 222; K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 41. 383 Wiester NZI 2003, 632; Stamm FS Beck 509; Schönfelder WM 2007, 1489. 384 Unten Rn 132; näher bei § 270c sowie bei Klinck ZIP 2021, 1189. Etwas zu weitgehend HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 4, der fast von einer direkten Geltung von § 55 I Nr 1 ausgeht. Eichel

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Verbindlichkeiten, die der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter begründet, sind Massever- 97 bindlichkeiten. Das sind zunächst alle Verpflichtungen, die der vorläufige Verwalter durch Rechtsgeschäfte begründet, die sich auf das Vermögen des Schuldners beziehen. Insoweit gilt für § 55 II S 1 nichts anderes als für § 55 Nr 1 Alt 1, wonach die Verbindlichkeit nicht bereits früher, hier also vor Anordnung der vorläufigen Verwaltung, begründet worden sein darf (dazu Rn 26).385 § 55 II S 1 gilt auch für Dauerschuldverhältnisse, die der Verwalter begründet.386 Die Einschränkung des zweiten Satzes, dass Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis nur Masseverbindlichkeiten sind, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat, gilt für die Verbindlichkeiten des ersten Satzes nicht. Stellt der vorläufige Verwalter für die Verwaltung des Schuldnervermögens eine neue Arbeitskraft ein oder mietet er einen Büroraum, so ist der Vertragspartner Massegläubiger, auch wenn der Verwalter seine Dienste nicht in Anspruch nehmen oder den Büroraum nicht benutzen sollte. Masseverbindlichkeiten sind nicht nur die Erfüllungsansprüche aus den vom vorläufigen Verwalter abgeschlossenen Verträgen, sondern auch die Sekundäransprüche wegen Vertragsverletzungen,387 Verzug, Schlechtlieferung usw und die Nebenansprüche. Der Anspruch der Ab- und Aussonderungsberechtigten auf Zahlung von Nutzungsausfall (§ 21 II S 1 Nr 5 S 1 Teilsatz 2) sowie der Wertersatzanspruch nach § 21 II S 1 Nr 5 S 1 Teilsatz 3 bilden Masseforderungen nach § 55 II.388 Verträge, die der Schuldner vor der Bestellung des verfügungsbefugten Verwalters und vor 98 dem Erlass des allgemeinen Verfügungsverbots geschlossen hat und die nicht Dauerschuldverhältnisse iSd § 55 II S 2 betreffen, begründen auch dann keine Masseforderungen, wenn der Vertragspartner während der vorläufigen Verwaltung seine Leistung erbringt.389 Die Entgegennahme der Leistung ist keine verbindlichkeitsbegründende Handlung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Auch wenn der vorläufige Verwalter die Erfüllung solcher bereits abgeschlossenen Verträge verlangt, entsteht keine Masseverbindlichkeit. § 103 ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anwendbar.390 Forderungen, die zunächst ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter als Vertreter ohne Vertretungsmacht begründet, um sie infolge eines erst anschließend angeordneten allgemeinen Verfügungsverbots als jetzt „starker“ vorläufiger Verwalter zu genehmigen, werden ebenso wenig zu Masseforderungen, da die Genehmigung wegen § 184 I BGB für die Zeit Wirkung entfaltet, in der er noch ein „schwacher“ Verwalter war, sodass die Voraussetzungen des § 55 II nicht vorliegen.391 Geht der von § 55 II erfasste Verwalter mit dem schon bestehenden Vertragspartner eine neue 99 Rechtsbeziehung ein, in der er dessen neu vereinbarte Leistung zu bezahlen verspricht, begründet er eine Masseverbindlichkeit.392 Leistungen, die er erbracht hat, um die Gegenleistung des Vertragspartners zu bekommen, kann er später nicht anfechten, auch dann nicht, wenn er die neue Rechtsbeziehung nur begründet hat, weil er für die Verwaltung auf die Leistung des Vertragspartners dringend angewiesen war. Befand er sich in einer Zwangslage, kann allenfalls die Vereinbarung unwirksam, nie aber anfechtbar sein.393 Denn die Tilgung einer Schuld, die nach Verfahrenseröffnung Masseschuld wäre, benachteiligt die Insolvenzgläubiger nicht. Die Rechtslage ist wegen des § 55 II eine andere als nach der Konkursordnung,394 die eine Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Sequester nicht kannte. Ob der verfügungsbefugte

385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 705

BGH ZIP 2016, 1295 Rn 23. Kraft/Lambrecht NZI 2015, 639, 640. BGH ZIP 2010, 739 Rn 41; LG Lübeck DZWIR 2000, 78; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 227, 228. BGH ZIP 2012, 779, 782. Vgl BGH ZIP 2016, 1295 Rn 23; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 227, 228. BGH ZIP 2007, 2322 Rn 9 ff. Bork ZIP 2003, 1421, 1422. OLG Hamm ZIP 2002, 676. BGH ZIP 2016, 1295 Rn 41; OLG Hamm ZIP 2002, 676. Dazu Jaeger/Henckel KO9 § 29 Rn 27 ff. Eichel

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Zweiter Abschnitt. Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger

Verwalter nur Erfüllung eines bestehenden Vertrages fordert oder einen neuen Vertrag schließt, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln.395 100 Die Rechtsfolge des § 55 II S 1 ist aber nicht auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Sie tritt auch ein, wenn vom vorläufigen Verwalter eine gesetzliche Verbindlichkeit begründet wird.396 Die Begründung zu § 64 des Regierungsentwurfs397 nennt als Beispiel die Umsatzsteuer aus Geschäften, die der vorläufige Verwalter im Rahmen seiner Unternehmensfortführung tätigt.398 Sie wird schon unter den Voraussetzungen des § 55 II S 1 zu einer Masseverbindlichkeit, ohne dass es dafür auf § 55 IV ankommt. Eine Umsatzsteuerschuld als Masseverbindlichkeit entsteht auch, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter Sicherungsgut verwertet,399 wozu er indes nur ausnahmsweise berechtigt ist.400 Masseverbindlichkeiten entstehen auch durch Pflichtverletzungen des vorläufigen Verwalters im Rahmen seiner Verwaltung, soweit sie dem haftenden Vermögen zugerechnet werden können.401 Die Begründung der Zurechnung stößt hier allerdings auf Schwierigkeiten. Für die Handlungen, die der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren vornimmt, lässt sich die Zurechnung mit entsprechender Anwendung des § 31 BGB begründen.402 Sie ist gerechtfertigt, weil der Übertragung dieser für die juristische Person erlassenen Vorschrift auf nicht rechtsfähige Haftungssondervermögen nichts entgegensteht. Im Eröffnungsverfahren gibt es aber noch keine Insolvenzmasse und damit kein Sondervermögen. Erst in dem eröffneten Insolvenzverfahren entsteht die Masse als Sondervermögen (§ 35). Da aber die Rechtsfolge des § 55 II, nämlich die Behandlung der Schuld als Masseverbindlichkeit, erst im eröffneten Verfahren eintritt, ist es gerechtfertigt, die Pflichtverletzungen des vorläufigen Verwalters der künftigen Insolvenzmasse zuzurechnen. Vermögensgegenstände, die nicht zur Masse des eröffneten Verfahrens gehören, haften folglich nicht für die haftungsbegründenden Handlungen und Unterlassungen des vorläufigen Insolvenzverwalters. 101 Bereicherungsansprüche können ebenfalls von einem vorläufigen Verwalter begründet werden.403 Ein Teil der Literatur ist anderer Auffassung.404 Der BGH hat dies ausdrücklich offengelassen,405 lässt jedoch eine Tendenz für die Anwendung von § 55 II erkennen.406 Zwar heißt es in der Begründung, § 55 II diene dem Schutz der Personen, die Geschäfte mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter abschließen, aber ebenso heißt es, dass die Vorschrift auch für gesetzliche Verbindlichkeiten gelte. Wer mit dem vorläufigen Verwalter Geschäfte abschließt, sollte – wie Henckel in der Vorauflage herausgearbeitet hat407 – nicht nur geschützt sein, wenn der Vertrag vereinbarungsgemäß abgewickelt werden kann, sondern auch im Fall des Scheiterns des Geschäfts. Es ist nicht einzusehen, warum der Verkäufer den Kaufpreis für die gelieferte Sache als Masseforderung auch im eröffneten Verfahren noch einklagen und vorbehaltlich der Masseunzulänglichkeit durchsetzen kann, nicht aber den Anspruch auf Wertersatz, wenn der Vertrag sich als nichtig erweist oder wirksam angefochten ist und die Kaufsache nicht mehr zurückgegeben werden kann (§§ 812, 818 II BGB). Sollte der Anspruch nur Masseforderung sein, wenn der Verwalter bösgläubig war und die Unmöglichkeit der Herausgabe zu vertreten hat (§§ 819, 292, 989 BGB), weil der Bereicherungsanspruch dann Schadensausgleichsfunktion hat, die Masse also in analoger 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404

Vgl BGH ZIP 2012, 1566 Rn 18. HambK/Jarchow InsO9 § 55 Rn 27. Unverändert in § 55 InsO übernommen. BT-Drucks 12/2443 S 126. Vgl Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 209; Uhlenbruck in Kölner Schrift S 325 ff Rn 29. Kübler/Prütting/Bork/Blankenburg InsO91 § 22 Rn 73 ff, 92 ff; Uhlenbruck in Kölner Schrift S 325 ff Rn 29. Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 213. S Rn 12 ff. Häsemeyer InsR4 Rn 14.19; HK/Lohmann InsO10 § 55 Rn 30; KK/Röpke InsO § 55 Rn 243. MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 212; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 85; HambK/Jarchow InsO9 § 38 Rn 22; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 215 f; Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 125a. 405 BGH ZIP 2015, 434 Rn 20. Für Anwendung von § 55 II OLG Brandenburg BKR 2004, 290, 291. 406 BGH ZIP 2009, 1477 Rn 13; 2007, 2279 Rn 9; 2015, 434 Rn 17 ff. 407 Henckel Voraufl § 55 Rn 92. Eichel

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Anwendung des § 31 BGB haftet? Auch eine Haftung wegen Bereicherung in sonstiger Weise kann durch den vorläufigen Verwalter begründet werden. Lässt er Sachen verarbeiten, von denen er annimmt, sie gehörten dem Schuldner, während sie in Wahrheit unter Eigentumsvorbehalt ohne Verarbeitungsermächtigung geliefert worden sind, kann ein Bereicherungsanspruch entstehen (§§ 951, 812 ff BGB), aber auch ein Schadensersatzanspruch, wenn der Verwalter schuldhaft gehandelt hat.408 Sollte das Gericht gehindert sein, die Klage des Materiallieferanten nach § 812 BGB zu beurteilen und den Kläger auf die Forderungsanmeldung seiner „Insolvenzforderung“ verweisen dürfen? Sollte es gehindert sein, den eingeklagten Betrag als bereicherungsrechtlichen Wertersatz voll zuzusprechen, wenn noch streitig ist, ob der Verwalter schuldhaft gehandelt hat und deshalb die Klage unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes noch nicht spruchreif ist? § 55 II S 1 nimmt seinem Wortlaut nach nicht Bezug auf die einzelnen Nummern des ersten Absatzes. Dass er die ungerechtfertigte Bereicherung nicht ausdrücklich nennt, steht der Einbeziehung der Bereicherungsansprüche nicht entgegen. § 55 II S 1 ist deshalb auf alle Verbindlichkeiten anzuwenden, die der vorläufige Insolvenzverwalter im Rahmen seines Aufgabenkreises begründet, unabhängig von ihrer rechtlichen Qualifikation. Das Schutzbedürfnis des Bereicherungsgläubigers, der mit einem vorläufigen Verwalter in Kontakt geraten ist, kann nicht als geringer angesehen werden als das des Vertragspartners oder des Deliktsgläubigers.

b) Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen (Satz 2). Dauerschuldverhältnisse, 102 die zur Zeit der Eröffnung schon bestehen, sind nach § 55 II S 2 vom „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu erfüllen, soweit er die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. § 55 II S 2 teilt den persönlichen Anwendungsbereich von Satz 1 (Rn 96).409 § 108 III steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift trifft nur die Ansprüche aus der Zeit vor der Bestellung des vorläufigen Verwalters oder aber die Ansprüche, die in der Zeit der vorläufigen Verwaltung entstehen, wenn kein „starker“ vorläufiger Verwalter bestellt worden ist, keine ausreichende Ermächtigung des „schwachen“ Verwalters vorlag410 oder der an sich ausreichend befähigte vorläufige Verwalter die Gegenleistung nicht in Anspruch nimmt. § 55 II S 2 ist eine Spezialvorschrift für das Eröffnungsverfahren, die § 108 III verdrängt.411 Der Wortlaut von § 55 II S 2 bringt nicht deutlich zum Ausdruck, dass nicht etwa alle denkbaren 103 Dauerschuldverhältnisse gemeint sind, sondern nur diejenigen, die nach §§ 108 ff die Eröffnung des Insolvenzverfahrens überdauern und daher nicht unter §§ 103, 105 fallen.412 Nicht anwendbar ist die Vorschrift deshalb auf Sukzessivlieferungsverträge, auf Mietverträge über bewegliche Sachen, soweit sie nicht zu den in § 108 I S 2 genannten Verträgen gehören, sowie auf Geschäftsbesorgungsverträge, die mit Verfahrenseröffnung erlöschen (§§ 116 S 1, 115 I). Auch für Mietverträge, die der Schuldner als Vermieter eines unbeweglichen Gegenstandes abgeschlossen hat (§ 110), passt § 55 II S 2 nicht. Diese Verträge werden weder durch das Eröffnungsverfahren noch durch die Verfahrenseröffnung berührt. Die Rechte des Mieters bestehen unabhängig davon fort, ob der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch nimmt. Auch Dienst- und Arbeitsverträge, die den Insolvenzschuldner zu Diensten oder zu Arbeiten ver408 Schultze ZIP 2016, 1198, 1200. 409 BAG ZIP 2013, 2414 Rn 41 ff; ZIP 2017, 2113 Rn 28; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 229; BeckOK/Erdmann InsR27 § 55 Rn 65. 410 Wie bei Satz 1 (Rn 96) würde diese auch hier genügen, MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 229. 411 BGH NJW 2002, 3326 = ZIP 2002, 1625, 1626 mwN zur hM, dazu EWiR § 55 InsO 5/02, 919 (Spliedt); Prütting/ Stickelbrock ZIP 2002, 1608; LAG Köln ZIP 2000, 805, dazu EWiR 2000, 735 (Jaffé); MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 230; Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 108 Rn 45. AA ArbG Bielefeld ZIP 1999, 1493 f; Berscheid in Kölner Schrift S 1361, 1382 ff; Wester ZInsO 1998, 99. 412 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 218; grundsätzlich wie hier K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 42; einschränkender Henckel Voraufl § 55 Rn 93 (nur Dauerschuldverhältnisse iSv § 108 I). AA (alle Dauerschuldverhältnisse) Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 96; diesem folgend MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 229. 707

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pflichten, sind nicht gemeint. Für die Einbeziehung von Energielieferungs- und Telekommunikationsverträgen besteht nach dem Zweck der Vorschrift kein Bedürfnis.413 Kündigt das Unternehmen wegen Zahlungsverzugs, hat der vorläufige Verwalter entweder einen Anspruch auf Neuabschluss, wenn wegen einer Monopolstellung Kontrahierungszwang besteht, oder er kann auf einen anderen Anbieter ausweichen, der durch den Neuabschluss nach § 55 II S 1 Massegläubiger wird. 104 Für die in § 108 I genannten Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners als Mieter oder Pächter und die Dienstverhältnisse, in denen der Schuldner Dienstberechtigter ist, besteht das Schutzbedürfnis des Vertragspartners. Weil seine Leistung für die Masse in Anspruch genommen wird, soll er die Gegenleistung erhalten. Hier besteht auch ein Interesse der Masseverwaltung, Räume und Dienste vor allem zur Fortführung des Schuldnerunternehmens weiter in Anspruch nehmen zu können. Ein solches Interesse ist freilich keine Voraussetzung, weshalb die Aufwertung zur Masseforderung für die Unternehmensfortführung zur Last werden kann und man bei § 55 II S 2 von „oktroyierten“ Masseverbindlichkeiten spricht (Rn 92). 105 Voraussetzung für die Einordnung als Masseverbindlichkeit ist, anders als nach der Verfahrenseröffnung, dass der Verwalter die Gegenleistung für das Schuldnervermögen, dh die künftige Insolvenzmasse, in Anspruch nimmt. Dass der Verwalter das Dauerschuldverhältnis wegen laufender Kündigungsfristen lediglich noch nicht beenden kann, löst die Aufwertung zur Masseforderung noch nicht aus („striktes Äquivalenzprinzip“).414 Die Rechtsprechung hat konkretisiert, wie die in § 55 II S 2 vorausgesetzte Inanspruchnahme der Gegenleistung zu verstehen ist. Erforderlich ist ein Verhalten des starken vorläufigen Insolvenzverwalters, mit dem er die vom Vertragspartner geschuldete Gegenleistung nutzt, obwohl er dies pflichtgemäß hätte verhindern können.415 Dabei genügt ein passives Geschehenlassen der Nutzung; der Verwalter muss seinen Willen zur weiteren Nutzung also nicht nach außen hin kommunizieren.416 Um eine Inanspruchnahme auszuschließen, muss der vorläufige Verwalter also mehr tun, als auf die Nutzung bloß zu verzichten.417 Mehr als eine solche Passivität liegt vor, wenn die vertragliche Gegenleistung dem vorläufigen Insolvenzverwalter in einer Weise aufgedrängt wird, dass es ihm nicht möglich ist, deren Nutzung zu unterbinden; in diesem Fall liegt keine Inanspruchnahme vor.418 Was Inanspruchnahme bedeutet, bedarf vor allem bei Dienst- und Arbeitsverträgen näherer 106 Konkretisierung. Dem Zweck der Vorschrift würde es nicht entsprechen, wenn die Masseverbindlichkeit voraussetzte, dass der Verpflichtete die vom vorläufigen Verwalter geforderte Arbeit tatsächlich geleistet hat. Genauso wenig werden nur solche Verpflichtungen zur Masseverbindlichkeit, die unmittelbar mit der Arbeitsleistung zusammenhängen. Vielmehr soll der Arbeitnehmer so gestellt werden, wie er nach der Verfahrenseröffnung stünde; die Inanspruchnahme der Arbeitsleistung lässt grundsätzlich das „Gesamtpaket“ der durch den Arbeitsvertrag dem Schuldner auferlegten Pflichten als Masseverbindlichkeiten entstehen, seien sie vertraglicher, gesetzlicher oder tariflicher Natur.419 Lediglich wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann, greift § 55 II S 2 nicht ein; dass er ihn nicht beschäftigen will, sollte hingegen nicht ausreichen. Die Vorschrift dient nicht dazu, dem vorläufigen Verwalter freie Hand zu lassen, den Arbeitnehmer willkürlich durch einen anderen zu ersetzen. Die Arbeitsleistung von Arbeitnehmern, die der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter wirksam freistellt, nimmt er nicht in Anspruch.420 In diesem Fall bleibt der auf die Bundesagentur für Arbeit nach § 115 SGB X 413 AA KK/Röpke InsO § 55 Rn 249; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 96. 414 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 219. 415 BGH ZIP 2003, 914, 916; 2004, 326, 329; 2016, 1295 Rn 25; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 231. Krit Kübler/ Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 222, die diese Rspr wegen ihrer Ableitung aus § 209 und damit als übertrieben streng beanstanden. 416 BGH ZIP 2003, 914, 916 f; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 231. AA Spliedt ZIP 2001, 1941, 1945 f. 417 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 221. 418 MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 231; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 97. 419 BAG ZIP 2021, 139 Rn 42; 2021, 811 Rn 8. AA Klinck AP BUrlG § 7 Nr 116. 420 BGH ZIP 2016, 1295 Rn 25; ZIP 2003, 914, 916; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 233. Eichel

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übergegangene Anspruch, anders als nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Rn 63) Insolvenzforderung.421 Arbeitnehmer, die der vorläufige Insolvenzverwalter weiter beschäftigen kann und die er nicht freistellt, sind hingegen Massegläubiger, wenn sie kraft Gesetzes Anspruch auf Vergütung haben, obwohl sie nicht arbeiten und zur Arbeit nicht verpflichtet sind.422 Das gilt für die durch das MuSchG geschützten Schwangeren und Mütter, für den Arbeitnehmer im Urlaub und für den durch Krankheit Verhinderten. Ihre Ansprüche bestehen wie im eröffneten Verfahren (dazu oben zu Rn 76, 67, 62). § 55 II S 2 erfasst auch die Ansprüche auf die Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge.423 Ausgleichsansprüche wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Freistellungsphase nehmen an der Aufwertung zur Masseforderung gemäß § 55 II S 2 teil, obwohl sie erst mit Vertragsbeendigung entstehen, da es sich inhaltlich um Entgelt für die vor Insolvenzeröffnung in Anspruch genommene Arbeitsleistung handelt; Abs 3 unterfallen diese Ansprüche nicht.424 Gleiches gilt für die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsvergütung und auf Abgeltung des Urlaubs; sie sind uneingeschränkt Masseverbindlichkeiten iSv Abs 2 Satz 2, wenn der Urlaub innerhalb dieses Zeitraums gewährt wird bzw das Arbeitsverhältnis endet.425 Bei Mietverträgen ist die Gegenleistung nicht nur bei Benutzung der Sache im Rahmen der 107 Masseverwaltung in Anspruch genommen, sondern auch dann, wenn die Sache einem Untermieter überlassen ist und die Untermiete vom Verwalter eingezogen wird.426 Keine Inanspruchnahme liegt vor, wenn der vorläufige Verwalter den Vermieter aus dessen Überlassungspflicht „freistellt“, indem er ihm die Nutzung der Mietsache anbietet.427 Dies ist anzunehmen, wenn er die Rückgewähr des unmittelbaren Besitzes anbietet oder – im Fall einer bestehenden Weitervermietung – die Übergabe des mittelbaren Besitzes (samt Einräumung des Rechts auf Einziehung der Untermiete428).429

3. Rückstufung für Ansprüche auf Arbeitsentgelt und solche nach § 175 Abs 1 SGB III (Abs 3) Zur rechtspolitischen Kritik an dieser Vorschrift s Rn 93 ff; zu den redaktionellen Anpassungen 108 des Abs 3 seit 2001 s Rn 3. Die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die nach § 169 SGB III (früher: § 187 SGB III aF) mit dem Antrag auf Insolvenzgeld430 auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen, sind Insolvenzforderungen, wenn im Eröffnungsverfahren kein verfügungsbefugter vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist und soweit sie vor der Bestellung eines verfügungsbefugten vorläufigen Verwalters begründet worden sind. Das folgt schon aus § 38. Beziehen sich die Ansprüche der Arbeitnehmer aber auf die Zeit, für die ein verfügungsbefugter, vorläufiger Verwalter bestellt war, der die Gegenleistung der Arbeitnehmer in Anspruch genommen hat, wären sie nach § 55 II InsO, §§ 412, 401 II BGB an sich Masseforderungen. Abs 3, welcher nach-

421 Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 100. 422 BAG ZIP 2021, 811 (dort Rn 8 „auch entgeltfortzahlungspflichtige ‚unproduktive‘ Ausfallzeiten“); 2021, 139; Braun/ Bäuerle/Miglietti InsO9 § 55 Rn 90. 423 BGH ZIP 2016, 1295 Rn 25 ff. 424 BAG ZIP 2017, 2113, 2115 ff. 425 BAG ZIP 2021, 811; 2021, 139. 426 Gegen eine Masseverbindlichkeit in solchen Fällen bei schwachem vorläufigem Verwalter: LG Leipzig ZIP 2001, 1778; AG Leipzig ZIP 2001, 1780; AG Wuppertal ZIP 2001, 1335, dazu EWiR § 55 InsO 2/02, 113 (Ringstmeier). 427 BGH ZIP 2003, 914, 917. 428 BGH ZIP 2007, 778 Rn 24. 429 BGH ZIP 2003, 914, 917. 430 Bei Ablehnung des Antrags entfällt die Bedingung für den Forderungsübergang des § 169 SGB III, BAG ZIP 2017, 2113 Rn 22. 709

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träglich in § 55 eingefügt wurde,431 stuft diese Forderungen allerdings zurück, sodass sie von der BfA nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Vor der Einführung von Abs 3 hatte die Rechtsprechung dieses Ergebnis mit einer teleologischen Reduktion von § 55 II S 2 erreicht, basierend auf der Begründung, dass der Rang einer Masseforderung die Sanierungschancen, welche durch § 55 II erhöht werden sollen, allzu sehr geschmälert hätte.432 Die von Abs 3 erfassten Forderungen müssen also nach §§ 174 ff beim Insolvenzverwalter zur Tabelle angemeldet werden und werden mit demselben Rang wie die Forderungen aller anderen nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger anteilig befriedigt. Nach § 175 II SGB III (§ 208 II SGB III aF) bleiben die Ansprüche auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, den das Arbeitsamt der zuständigen Einzugstelle zahlt (§ 175 I SGB III), gegenüber dem Arbeitgeber bestehen. Sie gehen also nicht, wie es nach § 169 SGB III für den Nettoarbeitslohnanspruch vorgesehen ist, auf die BfA über. Deshalb bedurfte es des zweiten Satzes des § 55 III, der sicherstellen soll, dass auch die bestehen bleibenden Ansprüche auf den Gesamtversicherungsbeitrag zu einer Insolvenzforderung herabgestuft werden und nicht nach Abs 2 Masseforderungen sind, wenn der verfügungsbefugte vorläufige Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer weiterbeschäftigt.433 § 55 III Sätze 1 und 2 setzen beide voraus, dass die Masseverbindlichkeit noch nicht erfüllt ist; in dem Umfang, wie die Forderungen erfüllt wurden, findet § 55 III keine entsprechende Anwendung, was insbesondere dafür von Bedeutung ist, dass der Erfüllungsvorgang nicht anfechtbar ist.434 Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte stehen einer Ausweitung auf Entgeltansprüche, die nicht von § 169 SGB III erfasst sind, oder auf andere Ansprüche, die auf die BfA übergehen (§ 115 SGB X) oder als Ausgleich für Sozialleistungen im Insolvenzverfahren erhoben werden können, entgegen, gleichgültig ob sie sich auf die Zeit vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehen.435

VIII. Steuerrechtliche Verbindlichkeiten (Abs 4) 1. Anwendungsbereich und Rechtsfolge 109 Nach § 55 IV sind steuerrechtliche Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners gegenüber dem Fiskus eine Masseforderung, wenn sie aus einer der dort enumerativ genannten Steuer hervorgehen und wenn sie entweder von einem vorläufigen Insolvenzverwalter, vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind. Umstritten ist, ob § 55 IV auf die vorläufige Insolvenzverwaltung anzuwenden ist, wenn das Insolvenzgericht zwar keinen Zustimmungsvorbehalt, aber immerhin zahlreiche Sicherungsmaßnahmen angeordnet bzw dem vorläufigen Verwalter zahlreiche Rechte eingeräumt hat.436 Auf Verbindlichkeiten, die der Restrukturierungsbeauftragte gemäß §§ 73, 77 StaRUG begründet hat, findet § 55 IV keine Anwendung.437 § 55 IV gilt für Verbindlichkeiten des

431 BGBl 2001 I, 2710, 2711; am 1.12.2001 in Kraft getreten, in den nach dem 30.11.2001 eröffneten Verfahren anzuwenden, BAG ZIP 2017, 2113 Rn 34.

432 BAG ZIP 2001, 1964 (s schon oben Rn 93); ZIP 2017, 2113 Rn 34; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 236 mwN. BT-Drucks 14/5680 S 26; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 103; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 238. BGH ZIP 2016, 1295, 1298 f. BAG ZIP 2017, 2113 Rn 35 ff (Differenzvergütung aus Altersteilzeitvertrag). Für eine Anwendung BMF, Schr. v. 11.1.2022 zu § 55 IV in der Fassung v 1.1.2021, DStR 2022, 208 Rn 2; BeckOK/ Erdmann InsR27 InsO § 55 Rn 71; MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 244; Graf-Schlicker/Bremen InsO6 § 55 Rn 71; aA Wäger DStR 2021, 825, 828. Beachte auch AG Düsseldorf ZIP 2011, 443: Keine Anwendung von Abs 4 auf „halbschwachen“ vorl. Verwalter; dazu krit HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 92. 437 HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 96.

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Schuldners; für die Beurteilung von Ansprüchen zugunsten der Masse iSv § 37 I AO, wie Steuervergütungsansprüche des Schuldners, hat die Norm keine Bedeutung.438 Obgleich die von § 55 IV adressierten Forderungen an sich solche iSv § 38 wären, „gelten“ 110 sie nach Verfahrenseröffnung als Masseforderungen; die Eigenschaft als Masseforderung wird also wie im Fall des Abs 2 fingiert. Absatz 4 geht über Abs 2 hinaus, da er insbesondere die unter dem „schwachen“ vorläufigen Verwalter und die unter Eigenverwaltung (einschließlich Schutzschirmverfahren nach § 270d439) begründeten Verbindlichkeiten erfasst, was für Abs 2 nicht genügt.440 Was den „starken“ oder den „schwachen, aber konkret ermächtigten“ vorläufigen Verwalter angeht (Rn 96), fügt Abs 4 dem Abs 2 idR nichts hinzu, sodass Abs 2–3 vorrangig sind.441 Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ist – anders als der spätere Insolvenzverwalter – kein Vermögensverwalter iSv § 34 III AO, sodass die steuerlichen Pflichten während des Insolvenzeröffnungsverfahrens weiterhin den Schuldner treffen.442 Die Bestimmung, ob eine Steuerforderung iSv Abs 4 „begründet“ wurde oder schon „begrün- 111 det“ war (vgl auch Rn 26), folgt den von der Art der Steuer abhängigen Grundsätzen, welche durch die Rechtsprechung intensiv fortentwickelt und hier bei § 38 dargestellt werden.443 Die Vorschrift des § 55 IV ändert an diesen Grundsätzen nichts, sodass im Grundsatz der für diese Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt von der Verfahrenseröffnung auf den Zeitpunkt der Anordnung der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung bzw der vorläufigen Eigenverwaltung vorverlagert wird.444

2. Zweck und Historie Abs 4 ist ua eine Reaktion auf eine nicht erfüllte Erwartung des Gesetzgebers.445 Die Erwartung 112 war, dass Abs 2 für die Unternehmensfortführung erforderliche Veräußerungsgeschäfte ermöglichen würde, sodass die daraus resultierenden Umsatzsteueransprüche ebenfalls Masseforderungen würden.446 Dazu ist es nicht gekommen, da Gerichte mehrheitlich einen schwachen vorläufigen Verwalter bestellen (Rn 93), auf dessen Geschäfte Abs 2 nur ausnahmsweise anzuwenden ist (Rn 96). Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass es dadurch zu einer Benachteiligung des Fiskus gekommen sei, sodass Abs 4 kein Vorrecht verschaffe, sondern einen Nachteil des Fiskus ausgleiche: Während gewöhnliche Gläubiger bei ihren Geschäften mit dem vorläufigen Verwalter Vorkehrungen gegen drohende Verluste treffen könnten, sodass sie die Nachteile aus der Qualifizierung ihrer Forderung als Insolvenzforderung abfedern könnten, verhielte sich das für den Fiskus anders. Der Fiskus könne infolge der gesetzlichen Entstehung seiner Steueransprüche diese Vorsorge nicht treffen, sodass solche Geschäfte zu seinen Lasten gingen, zumal sie in dem Bewusstsein gestaltet werden können, dass nur auf die spätere Quote reduzierte Steuern anfallen.447 Die Gegenauffassung zu dieser Begründung sieht § 55 IV als Steuervorrecht des Fiskus, weil er diesem 438 BFH ZIP 2021, 2493 Rn 41; ZIP 2020, 2248 Rn 13 ff; Schmidt NZI 2017, 384, 386. Zu den Hintergründen der anfänglichen Diskussion Kahlert ZIP 2011, 401. 439 Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 129 f. 440 FK/Bornemann InsO9 § 55 Rn 63. 441 HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 92; BeckOK/Erdmann InsO27 § 55 Rn 71; Fischer DB 2012, 885, 886 f; Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 124. 442 BFH ZIP 2009, 2255; BMF, Schr. v. 11.1.2022 zu § 55 IV in der Fassung v 1.1.2021, DStR 2022, 208 Rn 5; Braun/Bäuerle/ Miglietti InsO9 § 55 Rn 103; HK/Lohmann InsO10 § 55 Rn 35. 443 § 38 Rn 138 ff. 444 Braun/Bäuerle/Miglietti InsO9 § 55 Rn 96; Fischer DB 2012, 885, 886; Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 130 f. 445 BT-Drucks 12/2443 S 126. 446 BT-Drucks 17/3030 S 43; Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 117 ff. 447 BT-Drucks 17/3030 S 43 (krit dazu Onusseit ZInsO 2011, 641, 643). Zu den beanstandeten Fehlanreizen und Steuervermeidungsmodellen auch BT-Drucks 19/24903 S 14. Allg gegen dieses Argument Hölzle BB 2012, 1571, 1577 f. 711

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in großem Umfang die Vorzugsstellung des § 53 fingiere, die allen anderen Gläubigern, die mit schwachen und nicht gezielt ermächtigten Insolvenzverwaltern kontrahieren, nicht zuteil werde.448 Diese Kritik speist sich aus den praktischen Auswirkungen des § 55 IV, da die hohe Anzahl an Steuerverbindlichkeiten und die damit verbundenen Abrechnungskosten der Masse viel Liquidität entziehen, was dem Sanierungszweck zuwiderläuft.449 Letztlich geht es bei dieser Diskussion also darum, ob dem Steuerrecht über das Insolvenzrecht ein Beitrag zur Förderung von Unternehmenssanierungen abgerungen werden darf, was der Gesetzgeber mit § 55 IV verneint. 113 Der zunächst zum 1.1.2011450 eingeführte Abs 4 hatte gewisse Anlaufschwierigkeiten, weshalb er zum 1.1.2021451 noch einmal geändert, und zwar einerseits erweitert und andererseits beschränkt wurde (Art 103m S 1 EGInsO). Einerseits wurde Abs 4 auf die in vorläufiger Eigenverwaltung begründeten Steuerverbindlichkeiten ausgedehnt und damit sein Anwendungsbereich erweitert;452 die Rechtsprechung hatte die Anwendung von § 55 IV aF auf die Eigenverwaltung mangels gesetzlicher Grundlage und Anhaltspunkten in der Gesetzeshistorie noch abgelehnt.453 Mit dieser Ausdehnung verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, Fehlanreizen bei der Wahl der Eigenverwaltung vorzubeugen und eine Gleichbehandlung der vorläufigen Eigenverwaltung mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung zu erreichen.454 Ob § 55 IV dafür der richtige Regelungsstandort ist, kann angesichts von § 270c IV bezweifelt werden. 114 Andererseits wurden die Steuern und Abgaben, auf die Abs 4 anzuwenden ist, enumerativ aufgeführt und damit die weite Fassung des früheren Abs 4 („Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis“) zurückgenommen.455 Der Gesetzgeber wollte die Steuerarten auf diejenigen begrenzen, die darauf ausgelegt sind, über den Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt zu werden, da sich vor allem hier die genannten Fehlanreize ergeben, denen Abs 4 entgegenwirken soll.456 Das sind die Umsatzsteuer einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer, die sonstigen Einund Ausfuhrabgaben, andere Abgaben der Europäischen Union, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern, einschließlich der Biersteuer, sowie die Luftverkehrsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer sowie die Lohnsteuer.457 Unter die bundesgesetzliche Verbrauchsteuer fallen zB die Strom- oder die Energiesteuer.458 In Anbetracht dieser Gesetzeshistorie kann § 55 IV auf Ertragsteuern keine Anwendung finden. Für die erste Fassung von § 55 IV, die unbeschränkt von „Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis“ sprach, wurde das noch diskutiert.459 Inzwischen ist die hM der Auffassung, dass Ertragsteuern nicht erfasst sind;460 das BMF erwähnt diese in seinem Schreiben inzwischen nicht mehr. Dennoch hat der BGH diese Frage in einer nach dem

448 K Schmidt/Thole InsO19 § 55 Rn 45; Uhlenbruck ZInsO 2005, 505, 510; ausführlich Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 264–271, 339 ff; vgl auch Kahlert ZIP 2014, 1101, 1105; Heinze ZInsO 2011, 603. Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht hat Frintrup ZIP 2019, 1101 und ders ZIP 2020, 801 für die Umsatzsteuer. AA Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 142 ff. 449 Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 55 Rn 233a f. 450 BGBl 2011 I, S 1885, 1893; anwendbar auf Insolvenzverfahren, deren Eröffnung nach dem 31.12.2010 beantragt wurde, BeckOK/Erdmann InsO27 § 55 Rn 69. 451 BGBl 2020 I, S 3256, 3283; anwendbar in allen Insolvenzverfahren, für die ein Insolvenzantrag nach dem 31.12.2020 gestellt wurde, Schmidt DStR 2021, 693, 694. 452 BT-Drucks 19/24903 S 14. 453 BGH ZIP 2018, 2488 Rn 18 ff; BFH ZIP 2020, 1624 Rn 17 ff; Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 128 f; Weber/Knaebel DStR 2020, 2229. 454 BT-Drucks 19/24903 S 14 f. Zur vormaligen Ungleichbehandlung Krumm ZIP 2018, 1049. 455 Vgl HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 89 f. 456 BT-Drucks 19/25353 S 13. 457 BT-Drucks 19/25353 S 13; BeckOK/Erdmann InsR27 InsO § 55 Rn 75. 458 Graf-Schlicker/Bremen InsO6 § 55 Rn 70; anhängig bei BFH, Az VII R 49/20 (Stand: 11.10.2022). 459 Kahlert ZIP 2011, 401, 402 mwN. Für eine Anwendung BMF, Schr. v. 17.1.2012 zu § 55 IV. 460 HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 121; Braun/Bäuerle/Miglietti InsO9 § 55 Rn 106; Graf-Schlicker/Bremen InsO6 § 55 Rn 70. Eichel

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1.1.2021 ergangenen Entscheidung für die Gewerbesteuer ausdrücklich offengelassen, ohne dass eine gegenläufige Tendenz erkennbar ist.461

3. Anwendungsvoraussetzungen a) Vorläufige Insolvenzverwaltung. Der Wortlaut von Abs 4 verlangt, dass die Verbindlich- 115 keiten durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder aber durch den Schuldner „mit Zustimmung“ des vorläufigen Insolvenzverwalters begründet werden. Das Zustimmungserfordernis ist weit und nicht im Sinne von § 21 II 1 Nr 2 auszulegen, da eine (Umsatz-)Steuerverbindlichkeit nur kraft Gesetzes entsteht.462 Für die Aufwertung zur Masseforderung kann es allerdings nicht ausreichend sein, lediglich festzustellen, dass die Verbindlichkeit im Nachgang zur Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründet wurde. Der vorläufige Verwalter bzw der Schuldner können nicht etwa nach Gutdünken Verbindlichkeiten mit der Qualität von § 53 begründen.463 Dass § 55 IV den vorläufigen Verwalter ohne Verfügungsbefugnis bzw dessen Zustimmung erwähnt, obwohl Steuerforderungen kraft Gesetzes entstehen, bedeutet vielmehr, dass Abs 4 nur eingreift, wenn der vorläufige Verwalter bzw der Schuldner bei dem die Steuerschuld auslösenden Tatbestand innerhalb seiner rechtlichen Befugnisse handelt.464 Allerdings sind weder ein eigentlicher Zustimmungsvorbehalt noch eine positive Zustimmung des Verwalters Voraussetzung;465 es genügt, dass der vorläufige Verwalter – innerhalb seiner Befugnisse466 – das die Steuerforderung begründende Handeln des Schuldners duldet, dh Kenntnis davon hat und nicht widerspricht.467

b) Vorläufige Eigenverwaltung. Im Fall der Eigenverwaltung verhält es sich im Ausgangs- 116 punkt anders, da der Schuldner in seiner Handlungsbefugnis – im Grundsatz – nicht eingeschränkt ist (§ 270 I S 1).468 Der in seinem Anwendungsbereich begrenztere § 270c IV hat für die Fälle des § 55 IV keine eigenständige Bedeutung, da § 55 IV einen breiteren Anwendungsbereich hat.469 Soweit eine Steuerschuld daran anknüpfen würde, dass der Schuldner eine Verbindlichkeit eingeht, ist nicht entscheidend, ob letztere selbst als Insolvenz- oder als Masseforderung qualifiziert, sodass auch nicht entscheidend wäre, inwieweit der Schuldner nach § 270c Masseverbindlichkeiten generieren darf oder nicht. Im Ausgangspunkt genügt daher für § 55 IV im Kontext der Eigenverwaltung, dass die Steuerverbindlichkeit im Nachgang zur Bestellung des vorläufigen Sachwalters begründet wurde und dass dieser im oben bei Rn 115 beschriebenen passiven Sinne „tatsächlich“ einverstanden ist.470 Das ändert sich für die Fälle des § 270c III; hier ist die Handlungsbefugnis des Schuldners limitiert, sodass es hier auch für § 55 IV darauf ankommen muss, dass der Schuldner bzw der vorläufige Sachwalter innerhalb dieser Befugnisse handeln.

461 462 463 464 465 466

BGH ZIP 2021, 528 Rn 14. Nerlich/Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 121d; Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 138 ff. Vgl BFH ZIP 2014, 2451, 2452. BFH ZIP 2014, 2451, 2452 f; BeckOK/Erdmann InsO27 § 55 Rn 72; Uhlenbruck/Sinz InsO15 § 55 Rn 113 ff. HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 99; HK/Lohmann InsO10 § 55 Rn 35. Ohne diesen Vorbehalt („tatsächliches Einverständnis“): MünchKomm/Hefermehl InsO4 § 55 Rn 245; HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 100. 467 Vgl BFH ZIP 2014, 2451, 2452; ähnlich Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 138 ff. Zu kurz Nerlich/ Römermann/Andres InsO44 § 55 Rn 121d (ausbleibender Widerspruch). 468 MünchKomm/Kern InsO4 § 270 Rn 149 ff. 469 Vgl Schmidt DStR 2021, 693, 696. 470 AA Kruth MwStR 2021, 449, 451 f der rein zeitlich abgrenzt. 713

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4. Umsatzsteuerverbindlichkeiten 117 Gemäß oben Rn 111 ändert § 55 IV die Grundsätze zur Abgrenzung von neu „begründeten“ zu bereits begründeten Forderungen nicht, sondern erklärt diese für den früheren Zeitpunkt der Anordnung der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung bzw der vorläufigen Eigenverwaltung für anwendbar. Überträgt man das auf Umsatzsteuerverbindlichkeiten471 wäre nach der Rechtsprechung entscheidend, ob die Engeltvereinnahmung durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bzw durch den Schuldner mit Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters vor oder nach der entsprechenden Bestellung des vorläufigen Verwalters erfolgt ist (zur Kritik am Abstellen auf die Entgeltvereinnahmung s § 38 Rn 160 f).472 Mit der Erweiterung von § 55 IV auf die Eigenverwaltung ist indes fraglich geworden, ob diese herkömmliche Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseforderung hier einfach nur unter Zugrundelegung des früheren Zeitpunkts fortgeführt werden kann.473 Das liegt daran, dass der BFH die von ihm befürwortete Gleichstellung von Soll- und Ist-Besteuerung damit rechtfertigt, dass bestehende Entgeltforderungen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der fehlenden Empfangszuständigkeit (§§ 80, 82 InsO) im Sinne von § 17 II Nr 1 S 2 UStG 2005 uneinbringlich würden.474 Bei der Eigenverwaltung ändert sich zwar die Grundlage der Verfügungsbefugnis des Schuldners, aber im gesetzlichen Regelfall büßt der Schuldner sie im Gegensatz zu § 80 bzw §§ 22 II, 23 nicht ein (§ 270 I S 1; Ausnahme § 270c III).475 In Teilen der Literatur wird im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH zur Eigenverwaltung476 vermutet, dass der BFH seine Rechtsprechung dennoch auf die vorläufige Eigenverwaltung erstrecken könnte, sodass die durch den BFH etablierte Abgrenzung anhand des Zeitpunkts der Anordnung der Eigenverwaltung fortzuführen wäre.477 So sieht es wohl auch das BMF in seinem Schreiben zur Anwendung von § 55 IV nF.478 Die Verwertung von Sicherungsgut durch den vorläufigen Insolvenzverwalter unterliegt der 118 Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b II UstG); § 55 IV ändert daran nichts.479 § 55 IV wird in seiner neuen Fassung zusammen mit dem ebenfalls neuen § 276a III ein mittel119 barer Einfluss auf die Beurteilung der Frage zugeschrieben, inwieweit die umsatzsteuerliche Organschaft während der vorläufigen Eigenverwaltung fortbesteht.480

IX. Sonstige Masseverbindlichkeiten in und außerhalb der InsO 120 § 55 ist keine abschließende Regelung. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, in anderen Vorschriften oder Gesetzen einer Forderung ausdrücklich die Eigenschaft als Masseverbindlichkeit zuzuweisen.481 471 Näher Mocker Staat als Umsatzsteuergläubiger a.a.O. S 131 ff; für Details zur Umsatzsteuer im Eröffnungsverfahren s auch HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 102 ff; Debus/Schartl ZIP 2013, 350; Kahlert DStR 2021, 1505; Keilbach NZI 2022, 256; Schulze/Vogel/Huhle UR 2021, 213; Wäger DStR 2021, 825. 472 BFH ZIP 2014, 2451; ZIP 2016, 1355; BMF, Schr. v. 11.1.2022 zu § 55 IV in der Fassung v 1.1.2021, DStR 2022, 208 Rn 9 ff; BMF, 2. Schrb. v. 20.5.2015 zu § 55 IV in der Fassung v 1.1.2011, DStR 2015, 1247 Rn 9 ff (dazu eingehend Onusseit ZIP 2016, 452); HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 102; krit Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 256 ff, 260 ff; Lenger NZI 2014, 144. 473 HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 103 ff; Kruth MwStR 2021, 449, 451 ff. 474 § 38 Rn 161 mN. 475 MünchKomm/Kern InsO4 § 270 Rn 141. 476 BGH ZIP 2018, 2232. 477 HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 104 ff; Kahlert DStR 2021, 1505, 1509; Schmidt DStR 2021, 693, 698 f; Markert Einordnung v Steuerforderungen a.a.O. S 261; zurückhaltender Keilbach NZI 2022, 256, 260 f. AA Rickert/Tielmann/Trostheide NZI 2022, 463, 466. 478 BMF, Schr. v. 11.1.2022 zu § 55 IV in der Fassung v 1.1.2021, DStR 2022, 208 Rn 17. 479 HambK/Denkhaus InsO9 § 55 Rn 114; BMF, 1. Schr. v. 11.1.2022 zu § 55 IV in der Fassung v 1.1.2011, DStR 2012, 241 Rn 20. 480 Rickert/Tielmann/Trostheide NZI 2022, 463, 466 f; Schmidt DStR 2021, 693, 699; Wäger DStR 2021, 825, 829 f. 481 Vgl BGH ZIP 2019, 722 Rn 39, 49; 2017, 383 Rn 23; FK/Bornemann InsO9 § 55 Rn 3. Eichel

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1. § 81 Abs 1 Satz 3 Nach § 81 I S 3 kann derjenige, der für einen nach § 81 I S 1 unwirksamen Erwerb vom Schuldner 121 eine Gegenleistung erbracht hat, diese aus der Insolvenzmasse zurückverlangen, „soweit die Masse durch sie bereichert ist“. Die in Anführungszeichen gesetzten, aus § 7 II KO übernommenen Worte sind überflüssig, was im Gesetzgebungsverfahren offenbar nicht gesehen wurde. Da nach § 35 der Neuerwerb des Schuldners in die Masse fällt, ist diese durch die dem Schuldner ausgehändigte oder überwiesene Gegenleistung stets in die Masse gelangt. Ein späterer Wegfall der Bereicherung schließt den Anspruch auf Rückgewähr nicht nach § 81 I S 3 aus. Wenn der Schuldner die Gegenleistung nicht an den Insolvenzverwalter abführt, geht das zu Lasten der Masse. Ob und wie der Wegfall den Rückgewähranspruch berührt, ergibt sich aus §§ 818, 819 BGB.482 Der Rückgewähranspruch des § 81 I S 3 ist ein Bereicherungsanspruch,483 weil die Masse durch die Gegenleistung etwas erhält, worauf sie keinen Anspruch hat. § 81 I S 3 stellt lediglich klar, dass es sich um eine Masseverbindlichkeit des § 55 I Nr 3 handelt.

2. §§ 100, 101 Abs 1 Satz 3 Der Schuldner, seine Familienangehörigen und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden 122 Gesellschafter haben zwar keinen Anspruch darauf, dass die Gläubigerversammlung oder der Insolvenzverwalter Unterhaltsleistungen bewilligt (§§ 100, 101 I S 3). Ist aber die Bewilligung beschlossen bzw vom Insolvenzverwalter erteilt, besteht ein Anspruch auf die entsprechenden Leistungen, der in § 209 I Nr 3 als Masseforderung eingeordnet wird.

3. § 106 Abs 1 Satz 1 Trotz der Formulierung, dass der vormerkungsgesicherte Gläubiger für seinen Anspruch Befriedi- 123 gung aus der Insolvenzmasse verlangen kann, handelt es sich bei § 106 I S 1 nicht um eine Aufwertung zu einer Masseverbindlichkeit, sondern um eine Aufwertung zu einem Aussonderungsanspruch, da der Insolvenzverwalter den vorgemerkten Anspruch auch dann erfüllen muss, wenn die Masse nicht ausreicht, um alle Masseverbindlichkeiten zu berichtigen.484

4. § 115 Abs 2 Satz 3 Hatte der Schuldner vor der Verfahrenseröffnung einen Auftrag erteilt, kann der Beauftragte 124 nach § 115 II S 1 die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortsetzen, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, bis der Insolvenzverwalter anderweitig Vorsorge treffen kann. Der nach § 115 I erloschene Auftrag gilt insoweit als fortbestehend (Satz 2). Indem § 115 II S 3 den Beauftragten wegen seiner Ersatzansprüche aus dieser Fortsetzung als Massegläubiger einordnet,485 stellt er klar, dass wegen der Fiktion, dass der Vertrag fortbestehe, der Vertrag für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfüllen ist (§ 55 I Nr 2). Dass § 55 I Nr 2 von gegenseitigen Verträgen spricht, steht nicht entgegen. Dass schon § 59 I Nr 2 KO auf die Ansprüche des Notgeschäftsführers angewendet worden ist,486 liegt jedenfalls nicht daran, dass §§ 17, 59 I Nr 2 KO nicht von „gegenseitigen“, sondern von „zweiseitigen Verträgen“ sprachen. Denn schon damals verstand 482 483 484 485 486 715

Jaeger/Windel InsO1 § 81 Rn 55. Jaeger/Windel InsO1 § 81 Rn 54. Jaeger/Jacoby InsO2 § 106 Rn 44 f; Uhlenbruck/Wegener InsO15 § 106 Rn 27. Uhlenbruck BB 2003, 1185, 1186. Jaeger/Henckel KO9 § 27 Rn 2. Eichel

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man den Begriff „zweiseitig“, der aus der gemeinrechtlichen Terminologie der KO 1877 unverändert übernommen worden war, als „gegenseitig“ iSd §§ 320 ff BGB.487

5. §§ 116, 118 125 Hat sich jemand vor der Verfahrenseröffnung durch Dienst- oder Werkvertrag mit dem Schuldner verpflichtet, ein Geschäft für diesen zu besorgen, ist infolge der Verweisung des § 116 S 1 auf § 115 der Notgeschäftsführer mit seinen Ersatzansprüchen Massegläubiger. Da der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 116 S 1 mit § 115 II S 2 als fortbestehend gilt, ist er iSd § 55 I Nr 2 nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfüllen. § 55 I Nr 2 ist also auf den fortbestehenden gegenseitigen Vertrag unmittelbar anzuwenden. Die Verweisung des § 116 S 1 auf § 115 II S 3 sagt also nichts anderes, als was sich schon aus § 116 S 1 mit § 115 II S 2 und § 55 I Nr 2 ergibt. In § 118 fehlt zwar der Satz, dass der Vertrag mit dem Geschäftsführer, der eilbedürftige Geschäfte nach der Auflösung der Gesellschaft fortführt, als fortbestehend gilt. Er gilt aber auch hier kraft der Verweisung des § 728 II S 2 BGB auf § 727 II S 3 BGB. Damit sind ebenso wie im Fall des § 116 die Voraussetzungen des § 55 I Nr 1 erfüllt.

6. § 123 Abs 2 Satz 1 126 Die Verbindlichkeiten aus einem Sozialplan, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, sind nach § 123 II S 1 Masseverbindlichkeiten.488 Für diejenigen, für die Sozialplanansprüche erst mit der Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat zustande kommen, versteht sich das von selbst. Doch war das von Anfang an umstritten. So wurde auch die Ansicht vertreten, die Sozialplanvereinbarung fixiere nur die schon vor der Verfahrenseröffnung begründeten Ansprüche.489 Im Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20.2.1985 waren die Sozialplanforderungen als bevorrechtigte Konkursforderungen eingeordnet. Durch die Qualifizierung der Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten sollte eine Schlechterstellung vermieden werden, ohne dass eine wesentliche Verbesserung angestrebt wurde. Die Sozialplanverbindlichkeiten sind Masseverbindlichkeiten besonderer Art, die keiner der Ziffern des § 55 I zugeordnet werden können. Eine Zwangsvollstreckung in die Masse ist wie bei Insolvenzforderungen (§ 89) ausgeschlossen (§ 123 III S 2). Wie bei Insolvenzforderungen (§ 187 II) sind Abschlagsverteilungen vorgesehen (§ 123 III S 1). Wegen der relativen Begrenzung des Sozialplanvolumens auf ein Drittel der Masse, die ohne Sozialplan für die Verteilung an die Sozialplangläubiger zur Verfügung stünde (§ 123 II S 2), können die Sozialplanforderungen nur befriedigt werden, wenn die übrigen Masseverbindlichkeiten voll gedeckt sind. Die Sozialplanforderungen stehen also allen anderen Masseforderungen im Rang nach.490 Bei Masseunzulänglichkeit wird keine Sozialplanforderung berichtigt.491 Ansprüche aus Sozialplänen, die innerhalb von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurden und nicht nach § 124 widerrufen worden sind, sind keine Masseverbindlichkeiten, sondern einfache Insolvenzforderungen (§ 38), wenn der Abschluss nicht durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 55 II erfolgt.492 Die Anwendung des § 55 II S 1 muss hier ergänzt werden durch die des § 123, obwohl der Wortlaut dieser Vorschrift dagegen zu sprechen scheint. Es kann aber nicht richtig sein, dass ein vor der Eröffnung des Jaeger/Henckel KO9 § 17 Rn 11; Jaeger/Lent KO8 § 59 Überschrift vor Rn 5. Krit zu dieser Bezeichnung Häsemeyer Die Regelung a.a.O. S 103; ders ZIP 2003, 229. ZB Häsemeyer Die Regelung a.a.O. S 103. Begr zu § 141 RegE. MünchKomm/Caspers InsO4 § 123 Rn 68. BAG ZIP 2002, 2051, dazu EWiR § 38 InsO 1/03, 283 (Moll/Langhoff); MünchKomm/Caspers InsO4 § 124 Rn 17; Jaeger/ Giesen InsO2 Vor § 113 Rn 66, 72, § 124 Rn 19.

487 488 489 490 491 492

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Insolvenzverfahrens aufgestellter Sozialplan bessere Rechte gewährt als ein Sozialplan, der nach der Verfahrenseröffnung aufgestellt worden ist. Die Beschränkungen des § 123 treffen deshalb auch den Sozialplan, der nach § 55 II S 1 Masseverbindlichkeiten begründet.

7. § 144 II Satz 2 Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, lebt seine Forderung 127 wieder auf. Eine Gegenleistung, die der Empfänger erbracht hat, ist ihm nach § 144 II S 1 aus der Insolvenzmasse zu erstatten, soweit sie in dieser noch unterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist. Nach hM handelt es sich um einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung,493 also um eine Masseforderung des § 55 I Nr 3.

8. § 163 Abs 2 Die Vorschrift formuliert einen Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers mit dem Rang einer 128 Masseforderung, wenn sein Antrag Erfolg hatte, wonach die geplante Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebs nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung zulässig sein soll.

9. § 169 Satz 1 Solange ein der abgesonderten Befriedigung unterliegender Gegenstand, den nach § 166 allein 129 der Insolvenzverwalter verwerten darf, nicht verwertet wird, hat der Gläubiger einen Anspruch auf die vom Berichtstermin an laufend geschuldeten Zinsen, die aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind.494 Vorausgesetzt ist ein Zinsanspruch. Nach der Begründung zu § 188 des Regierungsentwurfs (§ 30e ZVG), auf die die Begründung zu § 194 des RegE (§ 169 InsO) Bezug nimmt, sollen sowohl rechtsgeschäftlich vereinbarte als auch kraft Gesetzes geschuldete Zinsen gemeint sein. Danach wäre die Zinspflicht eines durch Sicherungsübereignung gesicherten verzinslichen Darlehens im Insolvenzverfahren vom Berichtstermin an als Masseverbindlichkeit zu behandeln, obwohl es sich um eine Insolvenzforderung handelt, die nach § 39 I Nr 1 nachrangig wäre. Das kann nicht gemeint sein. Die Zinsen sollen als Ausgleich für die Verzögerung gezahlt werden, nicht als Gegenleistung für Kreditgewährung oder als Ausgleich für Wertverlust. Der Gläubiger soll sie bekommen, auch wenn Hauptforderung und Zinsen durch den Verwertungserlös voll gedeckt sind. Deshalb können nur Verzögerungszinsen gemeint sein.495 Sie setzen eine entsprechende Vereinbarung für den Fall der Verwertungsverzögerung voraus oder den Eintritt des Verzugs nach den Regeln des BGB. Die Bedeutung der Vorschrift liegt darin, dass hier bestehende Verpflichtungen zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet werden.

10. § 172 Abs 1 Neben dem Zinsanspruch (§ 169) steht dem Sicherungsnehmer, dessen Sicherungsobjekt nach § 166 130 nur der Insolvenzverwalter verwerten darf, ein Ausgleichsanspruch nach § 172 I zu, wenn der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut für die Insolvenzmasse benutzt.496 Auszugleichen ist der durch die Benutzung entstehende Wertverlust, jedoch nur soweit er die Sicherung des Abson493 494 495 496 717

Jaeger/Henckel InsO1 § 144 Rn 24. Krit zur Zinspflicht Häsemeyer Die Regelung a.a.O. S 103. Vgl Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 169 Rn 13. Krit zur Ausgleichspflicht Häsemeyer Die Regelung a.a.O. S 103. Eichel

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derungsberechtigten beeinträchtigt, seine gesicherte Forderung durch das Absonderungsobjekt also nicht mehr gesichert ist.497 Es handelt sich hier um eine Vorschrift, die einen Anspruch des Sicherungsnehmers begründet. Masseforderung ist er nach § 55 I Nr 1, weil er durch eine – rechtmäßige – Handlung des Insolvenzverwalters entsteht.

11. § 183 Abs 3 131 Haben nur einzelne Gläubiger, nicht aber der Insolvenzverwalter, eine angemeldete Insolvenzforderung bestritten und den Feststellungsprozess gewonnen, gibt ihnen § 183 III unbeschadet ihrer Kostenerstattungsansprüche gegen den Prozessgegner einen Anspruch gegen die Masse, soweit dieser durch das Urteil ein Vorteil erwachsen ist. Es handelt sich um einen speziellen Fall der Geschäftsführung, die zugleich Eigen- und Fremdgeschäftsführung ist, aus der Masse erfüllt werden muss und deshalb als Masseforderung des § 55 I Nr 2498 einzuordnen ist. Dass der Anspruch auf den Wert des Vorteils der Masse beschränkt ist, bedeutet lediglich eine wertmäßige Begrenzung, rechtfertigt aber nicht seine Qualifizierung als Bereicherungsanspruch.499

12. § 270c Abs 4 132 § 270c IV regelt für vorläufige Eigenverwaltungsverfahren die gerichtliche Ermächtigung des Schuldners, Masseverbindlichkeiten zu begründen.500 Mit der Verschiebung der Regelung aus § 270b aF in § 270c nF ist sie nicht mehr allein auf das Schutzschirmverfahren, sondern allgemein für die vorläufige Eigenverwaltung anwendbar.501 Die Norm ist ihrer Funktion nach das Äquivalent zu § 55 II im Eröffnungsverfahren für die Eigenverwaltung und soll wie dieser ermöglichen, dass der Schuldner Neugläubiger für die Masse gewinnen kann.502 Deren Forderungen gehen dann gemäß § 53 den bisherigen Gläubigern vor,503 wenn es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt.504 Mit § 270c IV kommen im Vergleich zur alten Rechtslage sowohl im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren als auch im Schutzschirmverfahren nur noch Einzelermächtigungen in Betracht.505 Die Begründung von Masseverbindlichkeiten für Verbindlichkeiten, die nicht in dem Finanzplan aufgenommen sind, ist nicht ausgeschlossen, sondern steht im Ermessen des Gerichts und ist besonders zu begründen.506 Im Fall einer Anordnung nach § 270c IV gelten für den Schuldner dieselben Grundsätze wie für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter, der nach Maßgabe des § 55 II Masseverbindlichkeiten begründet.507 Für §§ 270c IV, 55 II Nr 1 gilt nichts anderes wie für § 55 Nr 1 Alt 1, wonach die Verbindlichkeit nicht bereits früher, hier also vor Anordnung der Eigenverwaltung, begründet sein worden darf (dazu Rn 5, 26).508 § 55 III ist analog anwendbar.509 § 270c IV S 3 verweist insbesondere auf § 55 II S 2, sodass in diesem Rahmen auch vor der Anordnung des § 270c IV S 1 begründete Verbindlichkeiten zu solchen der Masse werden können.510 Für die Fälle des § 55 IV hat 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506 507 508 509 510

Uhlenbruck/Brinkmann InsO15 § 169 Rn 13. AA Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke InsO91 § 183 Rn 19: § 55 I Nr 3. Henckel Voraufl § 55 Rn 105. Näher bei § 270c. BeckOK/Ellers InsR27 InsO § 270d Rn 56. Klinck ZIP 2013, 853. BGH ZIP 2016, 1295 Rn 18; MünchKomm/Kern InsO4 § 270b Rn 107. MünchKomm/Kern InsO4 § 270b Rn 111. BT-Drucks 19/24181 S 107. BT-Drucks 19/24181 S 107. BGH ZIP 2016, 1295 Rn 18. Näher Klinck ZIP 2021, 1189. BGH ZIP 2016, 1295 Rn 23. BGH ZIP 2016, 1295 Rn 31. MünchKomm/Kern InsO4 § 270b Rn 112.

Eichel

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Sonstige Masseverbindlichkeiten

§ 55

der in seinem Anwendungsbereich begrenztere § 270c IV keine eigenständige Bedeutung, da § 55 IV einen breiteren Anwendungsbereich hat (Rn 116).

13. §§ 324, 329, 330, 332 § 324 ergänzt den Kreis der Masseverbindlichkeiten der §§ 54, 55 für das Nachlassinsolvenzver- 133 fahren um besondere Verbindlichkeiten, die aus erbrechtlichen Gründen vorweg aus dem Nachlass zu befriedigen sind. Nach § 329 ist der in § 324 I Nr 1 genannte Aufwendungsersatzanspruch der §§ 1978, 1979 BGB für den Vorerben auch nach dem Eintritt der Nacherbfolge eine Masseforderung. § 330 sieht entsprechendes für den Erben nach Verkauf der Erbschaft vor. Für das Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft verweist § 332 I in vollem Umfang auf § 324.

14. § 16 Abs 1 Satz 2 AnfG Außerhalb der InsO wird in § 16 I S 2 AnfG eine Vorwegerstattung aus einem speziellen Wert der 134 Masse angeordnet zugunsten eines Insolvenzgläubigers, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Anfechtungsprozess begonnen hat, den der Insolvenzverwalter erfolgreich fortgeführt hat oder der zu einem Titel geführt hat, den der Insolvenzverwalter für die Masse genutzt hat.511 Es handelt sich nicht um eine Masseforderung im Sinn der §§ 54, 55, weil die Kosten des Rechtsstreits dem Gläubiger aus dem Erstrittenen zu erstatten sind. Nur daraus ist er vorweg zu befriedigen, immerhin aber vor allen anderen Gläubigern, auch vor den Massegläubigern der §§ 54, 55.512

15. § 30e ZVG Wird auf Antrag des Insolvenzverwalters nach § 30d ZVG die Zwangsversteigerung eingestellt, so 135 ist gemäß § 30e ZVG mit dem Einstellungsbeschluss anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen binnen zwei Wochen nach Fälligkeit aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind. Die Vorschrift passt die in § 169 geregelte Zinspflicht (s Rn 129) an das Zwangsversteigerungsverfahren an.

16. Verhältnis zur Ersatzaussonderung Keine Masseforderung ist der Ersatzaussonderungsanspruch auf Abtretung des Anspruchs des 136 Nichtberechtigten auf die Gegenleistung oder auf diese selbst nach § 48. Der Anspruch auf Abtretung ist zwar ein schuldrechtlicher Anspruch, der aus der Masse zu befriedigen ist, aber eben nur durch Abtretung dieses Anspruchs, nicht auf Leistung seines Wertes aus der Masse. Zudem ist der abzutretende Anspruch haftungsrechtlich nicht der Masse zugeordnet, haftet also nicht für die Masseverbindlichkeiten der §§ 54, 55. Die Gegenleistung selbst, die in der Masse noch vorhanden ist, gehört zwar zur Masse, haftet aber ebenfalls nicht für die Masseverbindlichkeiten, steht vielmehr allein dem Ersatzaussonderungsberechtigten als spezielles Haftungsobjekt zur Verfügung.513

511 MünchKomm/Weinland AnfG2 § 16 Rn 18. 512 MünchKomm/Weinland AnfG2 § 16 Rn 19. 513 Näher Jaeger/Hoffmann InsO2 § 48 Rn 80 f. 719

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Sachregister

A Abbaurechte 49 35 Abfindungen – ausgeschiedene Gesellschafter 39 110 ff. – Dienstverhältnisse 55 73 – Ehegatten 39 67 – Personengesellschaften 38 56 – Umrechnung von Forderungen 45 11 Abrechnungsspitze 55 34 Abrechnungsverfahren 55 29 Abschlagsverteilung – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 23 – nachrangige Insolvenzgläubiger 39 20 Abschlussprüfer 35 214 Abschreibungen 38 147 Absonderung – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 1 ff., s.a. dort – Aussonderung 47 30 f. – Ersatzabsonderung 48 61 ff. – Immobiliarabsonderung 49 1 ff., s.a. dort – Mobiliarabsonderung 50 1 ff., s.a. dort – persönliche Gläubiger 38 24 – Umrechnung von Forderungen 45 4 Absonderungsrechte – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 3 – Haftung mehrerer Personen 43 11 – Immobiliarabsonderung 49 3 ff. – isolierte ~ 41 13 – Massegläubiger 53 34 – nicht fällige Forderungen 41 9, 41 13 ff. – Regressansprüche 44 11 – Sicherungseigentum 47 50, 51 7 – Treuhandverhältnisse 47 57 – Verarbeitungsvorbehalt 51 46 – Verfolgung der Masseverbindlichkeiten 53 29 Abstraktionprinzip 38 21 Abtretung – Einlageforderungen 35 196 – Ersatzaussonderung 48 72 – Gesellschafterdarlehen 39 85 – Insolvenzgläubiger 38 86 ff. – Regressansprüche 44 3 Abtretungsverbot 35 96 Abzug des Zwischenzinses 41 22 ff. actio pro socio 35 243 Agenturkonto 47 63 721 https://doi.org/10.1515/9783110666175-023

Aktiengesellschaft – Bezugsrecht des Aktionärs 38 35 – Dividendenanspruch 38 38 – effektive Kapitalherabsetzung 38 41 – existenzvernichtender Eingriff 38 37 – Forderungsrechte der Gesellschafter 38 38 – Genussrechte 38 39 – Gesellschafterdarlehen 39 160 – Grundkapitalherabsetzung 38 41 – Gründungsaufwand 38 40 – interne Forderungen 38 37 – Kapitalherabsetzung durch Aktieneinziehung 38 44 – Mitgliedschaftsrechte 38 35 ff. – Schadensersatz 38 36 – Treuhandverhältnisse 47 82 – verdeckte Einlagen 38 37 – Vorstand 39 192 – Wandelschuldverschreibungen 38 45 Akzessorietät – Pfandrecht 50 15 – Pfändungspfandrecht 50 15 – Sicherungseigentum 51 8 Altenteilsrecht 36 54 Altersruhegeld – gestreckte Verkehrsgeschäfte 39 145 – nicht fällige Forderungen 41 8 Altersteilzeit 55 70 ff. Altlasten – persönliche Gläubiger 38 27 ff. – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 39 – Umrechnung von Forderungen 45 6 Amtstheorie 35 74 Anderkonto 47 62, 47 72 Aneignungsrecht 47 98 Anfechtungsregress 44a 13 Anhalterecht 47 170 Anschaffungsfinanzierer 51 19 Anwartschaftsrecht – Eigentumsvorbehalt 47 54 – Grundstücke 49 46 – Sicherungseigentum 51 18 – Vermieterpfandrecht 50 40 Anwartschaftsrechte – Insolvenzmasse 35 88 ff. – Neuerwerb 35 104, 35 111 Apotheker 36 10 Arbeitgeberverband 35 64 Klie

Sachregister

Arbeitnehmererfindungen – Patente 35 58 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 77 – Übernahmehaftung 35 36 Arbeitnehmersparzulagen 36 34 Arbeitseinkommen 36 17 ff. – Beamte 36 17 – Begriff 36 17 – Gefangene 36 17 – Gläubigeranfechtung 36 20 – Heimarbeit 36 17 – Höhe 36 18 – Lohnschiebungsverträge 36 20 – mehrere ~ 36 19 – Neuerwerb 35 122, 36 17 – Renten aus privaten Versicherungen 36 21 – Unterhalt 36 19 – Verzicht auf Pfändungsschutz 36 18 Arbeitsentgelt – Dienstverhältnisse 55 60, s.a. dort – noch nicht entstandene Forderungen 38 151 ff. – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 32, 55 51 – Übernahmehaftung 35 35 – vorläufiger Insolvenzverwalter 55 108 Arbeitskraft 35 19 arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung 55 65 Arbeitslosengeld 55 63 Arbeitsrecht 38 126 Arbeitsverträge 55 58 ff., s.a. Dienstverhältnisse Arbeitszeitkonten 55 69 Arbeitszeugnis 55 74 Arrestpfandrecht 39 47 Asset-Backed Securities 47 77 atypisch stille Beteiligung 39 126 ff. – Begriff 39 126 – Eigenkapital 39 127, 39 129 – Finanzierungsfreiheit 39 132 – gesellschaftergleiche Dritte 39 178 – Gesellschafterposition 39 131 – Minderheitsgesellschafter 39 199 – Nachrang 39 126 – Quasi-Gesellschafter 39 130 – Schlussrang 39 126 – stiller Verband 39 133 auflösend bedingte Forderungen 42 1 ff. – Aufrechnung 42 5 – Bedingung 42 4 – Begriff 42 3 – Bestreiten im Prüfungstermin 42 6 – Insolvenzplan 42 5 – Nachtragsverteilung 42 6 Klie

– Rückforderungsanspruch 42 6 – Schwebezeit 42 5 – Sicherheitsleistung 42 7 – Vollstreckungsabwehrklage 42 6 Aufrechnung – auflösend bedingte Forderungen 42 5 – Einlageforderungen 35 194 f. – Gesellschafterdarlehen 39 94 – gesicherte Darlehen 44a 22 – Haftung mehrerer Personen 43 14 – Kontokorrent 38 121 – nicht fällige Forderungen 41 11 – Regressansprüche 44 11 aufschiebend bedingte Forderungen 42 2 – nicht fällige Forderungen 41 5 – noch nicht entstandene Forderungen 38 96 Aufsichtsrat 35 214 ff. – Minderheitsgesellschafter 39 196 Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 1 ff. – Abschlagsverteilung 52 23 – Absonderungsrechte 52 3 – Anmeldung der Forderung 52 21 f. – Aufrechnungslage 52 15 – Ausfall 52 17 ff. – Aussonderung 52 16 – Doppelberücksichtigung 52 9 – Einzelzwangsvollstreckung 52 2 – Gesamtgut der Gütergemeinschaft 52 13 – Gläubigerausschuss 52 1 – Insolvenzforderung 52 4 – Insolvenzplan 52 1, 52 23 – Mitwirkungsrechte 52 1 – Nachlassinsolvenzverfahren 52 14 – nachrangige Insolvenzgläubiger 52 5 – Nachweis des Ausfalls 52 23 – Neuerwerb 52 10 – Objekt der Insolvenzmasse 52 8 ff. – OHG 52 14 – persönliche Haftung 52 4 – Pfandbriefgläubiger 52 4 – Sachhaftung des Dritten 52 11 – Verzicht des Absonderungsberechtigten 52 24 ff., s.a. dort – Wahl eines anderen Verwalters 52 1 – Wegfall des Absonderungsgegenstandes 52 19 – Zusammentreffen Absonderungsrecht-Insolvenzforderung 52 4 Ausfallbürgschaft 43 28, 44 3 Ausfallgrundsatz 38 20 Ausfallhaftung 43 2 Auskunftsanspruch 38 77 ff. – abgetretene Forderung 38 77 722

Sachregister

– Aussonderungsberechtigte 38 77 – Daten 47 106 – gesellschaftsrechtlicher ~ 38 78 – Hauptanspruch 38 79 – Mobiliarkreditgeber 38 77 – Personengesellschaften 38 78 – stille Gesellschaft 38 78 – übermäßige Auskunftsverlangen 38 80 – Umrechnung von Forderungen 45 6 Auslagen der Verwalter 54 15 ff., 55 43 Auslagen des Gerichts 54 5 Auslagen des Gläubigerausschusses 54 22 Auslosung – nicht fällige Forderungen 41 11 – Schuldverschreibungen 41 8 Aussonderung 47 1 ff. – Absonderung 47 30 f. – Anhalterecht 47 170 – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 16 – Aussonderungsanspruch 47 11 ff., s.a. dort – Aussonderungsberechtigung 47 7 f. – Aussonderungsobjekte 47 22 ff., s.a. dort – Aussonderungsrechte 47 36 ff., s.a. dort – Aussonderungsstreit 47 8 – Aussonderungsverfahren 47 159 ff. – Begriff 47 5 ff. – beschränkt dingliche Rechte 47 5, 47 111 ff. – Drittwiderspruchsklage 47 10 – Ersatzaussonderung 48 1 ff., s.a. dort – Grenzen der Dispositionsbefugnis 47 28 f. – Insolvenzmasse 35 7, 35 71 – Konkursordnung 47 4 – Masseforderung 47 32 – Massegläubiger 53 3 – Masseverwaltung 47 9 – Nießbrauch 47 5 – Ordnungsfunktion 47 5 – persönliche Gläubiger 38 24 – Umrechnung von Forderungen 45 4 – Veränderung der Masse 47 33 f. – Veränderungen der Pfändbarkeit 47 35 – zeitliche Rechtszuständigkeitsabgrenzung 47 33 ff. Aussonderungsanspruch 47 11 ff. – Aussonderungsfähigkeit 47 11 – Beseitigungsansprüche 47 14 – Besitzrecht 47 12 – Darlegungs-/Beweislast 47 20 – Einreden 47 12 – Einwendungen 47 12 – Gegenansprüche des Schuldners 47 12 – Herausgabeanspruch 47 11, 47 15 723

– Kosten 47 21 – Masseschuldanspruch 47 19 – Nutzungsüberlassung 47 13 – Schadensersatz 47 19 – schuldrechtliche Ansprüche 47 15 – Unterlassungsanspruch 47 11, 47 14 – Verschaffungsansprüche 47 15 ff. – Verzug 47 19 – Voraussetzungen 47 11 – Zurückbehaltungsrecht 47 12 – Zusammentreffen dinglicher/persönlicher Ansprüche 47 18 Aussonderungsberechtigte – Auskunftsanspruch 38 77 – Eigentumsvorbehalt 47 42 – Insolvenzgläubiger 47 2 – persönliche Gläubiger 38 31 Aussonderungsberechtigung 47 7 f. Aussonderungsfähigkeit 47 11 Aussonderungsobjekte 47 22 ff. – Bargeld 24 24 – Buchgeld 24 24 – Daten 47 26, 47 104 ff. – Forderungen 24 25 – Geld 24 24 – immaterielle Güter 24 26 – Sachen 47 23 – Wertpapiere 24 27 Aussonderungsrechte 47 36 ff. – Aneignungsrecht 47 98 – Anwartschaftsrecht 47 54 ff. – Besitzmittler 47 124 – Besitzschutzanspruch 47 117 ff. – Besitzstörung 47 118 – Daten 47 104 ff., s.a. dort – Datenbankhersteller 47 104 – Dienstbarkeiten 47 111 – Doppeltreuhand 47 84 – Ehegatten 47 89, 47 93 ff. – Eigentum 47 36 ff. – Eigentumsverlust 47 40 – Eigentumsvorbehalt 47 41 ff. – Erbbaurecht 47 111 – Erben 47 86 – Erbengemeinschaft 47 97 – Factoring 47 127 – Forderungsinhaber 47 87 – Frachtgeschäft 47 155 – Geschäftsbesorgungsverhältnisse 47 156 f. – Geschäftserwerber 47 154 – gewerbliche Schutzrechte 47 100 – Gläubigeranfechtung 47 115 f. Klie

Sachregister

– Gütergemeinschaft 47 94 – Gütertrennung 47 93 – Hinterleger 47 122 – Internet-Domain 47 100 – Kommissionsgeschäft 47 145 ff., s.a. dort – Konditionsgeschäft 47 158 – Kryptowerte 47 110 – Lagergeschäft 47 141 – Lizenznehmer 47 101 ff., s.a. dort – Massegläubiger 53 33 – Miteigentum 47 88 ff. – Miterben 47 97, 47 114 – negatorischer Eigentumsschutz 47 37 f. – nicht fällige Forderungen 41 9 – Oder-Konto 47 126 – Patentnichtigkeitsklage 47 100 – Pfandrechte 47 112 – Rückrufansprüche 47 100 – Rückübertragung nach § 25 I DMBilG 47 144 – Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz 47 142 f. – schuldrechtliche Ansprüche 47 122 ff. – Sekundaransprüche des Eigentümers 47 39 – Sicherheitenpool 47 90 – Sicherungseigentum 51 8 – Speditionsgeschäft 47 155 – Treuhandabreden 47 36 – Treuhandverhältnisse 47 57 ff., s.a. dort – unbestimmbare Miteigentumsanteile 47 92 – Und-Konto 47 126 – Urheberrechte 47 100 – Verarbeitungsvorbehalt 51 38 – Verlust des Aussonderungsrechts 47 40 – Vermieter 47 122 – Vernichtungsanspruch 47 100 – Verschaffungsansprüche 47 125 – Versicherungen 47 157 – Verträge für fremde Rechnung 47 145 ff. – Verwahrung von Wertpapieren 47 128 ff., s.a. dort – Vorkaufsrechte 47 113 f. – Vormerkung 47 55 – Wegnahmerecht 47 99 – Zugewinngemeinschaft 47 93 Aussonderungsstreit 35 167, 47 8 Aussonderungsverfahren 47 159 ff. – Drittwiderspruchsklage 47 162 – Gerichtsstand 47 162 – Klageantrag 47 165 f. – Parteistellung 47 164 – Prozesskosten 47 168 – Vollstreckung 47 169 Klie

– Vorbereitung des Prozesses 47 160 – vorläufiger Rechtsschutz 47 167 – Zuständigkeit 47 161 ff. Aussteuerrückgewähr 36 45 Auszüglerwohnung 36 54 Avalprovision 39 32 B Bahnunternehmen 36 11 Banküberweisung 38 180 Bargeld – Aussonderungsobjekte 24 24 – unpfändbare Gegenstände 36 7 Baugeldforderungen 36 32 Bausparverträge 36 33 Beamte 36 17 bedingte Forderungen 46 7 bedingte Haftung 43 10 Befreiungsanspruch 38 70 ff. – Umrechnung von Forderungen 45 6 – unpfändbare Gegenstände 36 46 Befreiungsversicherungen 36 30 Befriedigung der Gläubiger – gemeinschaftliche ~ 38 4 – gleichmäßige ~ 38 4 – Insolvenzmasse 38 4 Begründung der Forderung 38 89 ff. – bereits entstandene Forderungen 38 90 – betagte Forderungen 38 90 – noch nicht entstandene Forderungen 38 91 ff., s.a. dort – Relevanz des Begründetseins 38 89 Beirat 39 196 Bereicherungsanspruch – Haftung mehrerer Personen 43 17 – Kommissionsgeschäft 47 148 – Masseverbindlichkeiten 53 17, 53 24 f. – Verarbeitungsvorbehalt 51 46 – vorläufiger Insolvenzverwalter 55 101 Bergwerkseigentum 49 35 Berufsbetreuervergütung 35 115 Berufsgenossenschaft 38 179 Berufsunfähigkeitsrente 41 8 Beschlagnahme 51 62 beschlagsfähiges Vermögen 36 2 Beschlagsfreiheit 35 126 Beschlagsrecht – Insolvenzgläubiger 38 5 – Insolvenzmasse 35 3 f. beschränkte Haftung – persönliche Gläubiger 38 22 f. – Sonderinsolvenzverfahren 38 23 724

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Beseitigungsansprüche – Aussonderungsanspruch 47 14 – persönliche Gläubiger 38 25 Besitzschutzanspruch 47 117 ff. Besitzstörung 47 118 Besserungsabrede 38 13 Bestellung des Vertragspfandrechts 50 17 ff. – besitzlose Vertragspfandrechte 50 22 – durch Nichtberechtigte 50 29 – Einigung 50 18 – Erlöschen 50 20 – Forderungen 50 25 ff. – Gebrauchsmuster 50 24 – Geschäftsbedingungen 50 28 – Inhaberpapiere 50 28 – Landwirte 50 21 – Marken 50 24 – Orderpapiere 50 28 – Patent 50 24 – Rechte 50 23 ff. – Sachen 50 17 ff. – Übergabe 50 19 – Waren-/Materiallager 50 18 betagte Forderungen 38 90, 41 7 betriebliche Altersversorgung – Insolvenzgläubiger 38 9 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 78 – unentgeltliche Leistungen 39 75 Betriebseinheit 35 10 Betriebsveräußerungen – Übernahmehaftung 35 32 ff. – vor Insolvenzeröffnung 35 34 – Zeitpunkt der Übergangswirkung 35 34 BGB-Gesellschaft 38 61 Binnenschiffe 49 20 – Mobiliarabsonderung 50 73 f. Blankowechsel – Insolvenzmasse 35 99 – noch nicht entstandene Forderungen 38 189 Buchgeld – Aussonderungsobjekte 24 24 – Treuhandverhältnisse 47 73 Bundesligalizenzen 35 63 Bürge – Haftung mehrerer Personen 43 20 ff. – nicht fällige Forderungen 41 18 f. – noch nicht entstandene Forderungen 38 108 ff. – Regressansprüche 44 3 Bürgschaft – Ausfallbürgschaft 43 28 – Haftung mehrerer Personen 43 25 ff. 725

– Insolvenzmasse 35 76 – unentgeltliche Leistungen 39 57, 39 60 C Carpzowsche Methode 41 27 Computerprogramme – Softwaredatenträger 35 52 – Urheberrecht 35 51 f. Corona-Soforthilfen 36 5 Coronakrise – Gesellschafterdarlehen 39 216 – Insolvenzgläubiger 38 9 COVInsAG 39 85, 39 217 – Austauschvertrag 39 226 – Besicherung durch einen Gesellschafter 39 225 – Darlehensvergabe 39 224 – einem Darlehen vergleichbare Leistung 39 223 – Haftung mehrerer Personen 43 32 – Insolvenzreife 39 222 – personeller Anwendungsbereich 39 219 – Regelungstechnik 39 218 – Sanierungsaussicht 39 220 f. – Stundungen 39 226 – Vergabezeitraum 39 219 ff. D Darlehen – noch nicht entstandene Forderungen 38 127 – unpfändbare Gegenstände 36 52 Daten 47 104 ff. – Auskunftsanspruch 47 106 – Datenschutz-Grundverordnung 47 106 – Datenübertragbarkeit 47 106 – Geheimnisschutz 47 105 – Herausgabeanspruch 47 105 – Insolvenzmasse 35 68 – Löschungsanspruch 47 106 – vertragliche Zugriffsrechte 47 107 ff. Datenbankhersteller 47 104 Dauerschuldverhältnisse 38 99 – Masseverbindlichkeiten 53 15 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 50 ff. – vorläufiger Insolvenzverwalter 55 102 ff. Deckungsgrenze 51 22 Deckungsmasse 35 72 Design 35 56 Devisenkauf 45 18 Dienstbarkeiten – Aussonderungsrechte 47 111 – Immobiliarabsonderung 49 10 Klie

Sachregister

Diensterfindung eines Arbeitnehmers 35 36, s.a. Arbeitnehmererfindungen Dienstverhältnisse 55 58 ff. – Abfindungen 55 73 – Altersteilzeit 55 70 ff. – Arbeitnehmererfindungen 55 77 – Arbeitsentgelt 55 60 – arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung 55 65 – Arbeitslosengeld 55 63 – Arbeitszeitkonten 55 69 – Arbeitszeugnis 55 74 – Aufwertung zur Masseforderung 55 60 ff. – betriebliche Altersversorgung 55 78 – Entgeltfortzahlung 55 62 – Freistellungserklärung 55 63 – Gewinnbeteiligung 55 66 – Gratifikation 55 65 – Insolvenzgeld 55 63 – Mutterschutzfristen 55 76 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 58 ff. – Urlaubsabgeltungsanspruch 55 68 – Urlaubsanspruch 55 67 – vorläufiger Insolvenzverwalter 55 106 – Vorruhestand im Baugewerbe 55 79 – Wettbewerbsverbot 55 75 – zeitanteilige Zerlegung der Ansprüche 55 64 Dispositionsrecht 51 12, 51 15 f. Dividendenanspruch – Aktiengesellschaft 38 38 – Gesellschafterdarlehen 39 114 – Regressansprüche 44 8 Doppelinanspruchnahmeverbot 44 2 Doppelsicherheiten 44a 24 ff. – Konzern 44a 25 f. Doppeltreuhand 47 83 ff. – abgesonderte Befriedigung 47 85 – Aussonderungsrecht 47 84 – Insolvenz des Treuhänders 47 84 – Konsortialkredit 47 83 – Sicherheitentreuhänder 47 83 – Sicherungstreuhänder 47 85 – Treuhandsicherheitenpool 47 83 Doppelzahlungspflichten 39 156 ff. Drittgläubigerrechte 38 33 Drittverwahrung 47 135 Drittwiderspruchsklage – Aussonderung 47 10 – Aussonderungsverfahren 47 162 – Sicherungseigentum 51 10, 51 14 Klie

Durchgangserwerb 51 42, 51 45 Durchsetzungssperre 39 235 E Ecu 45 15 ehebedingte Zuwendungen 39 69 Ehegatten – Aussonderungsrechte 47 89, 47 93 ff. – Vermieterpfandrecht 50 57 Eigenkapitalersatzrecht – Gesellschafterdarlehen 39 78, 39 83 – gesicherte Darlehen 44a 3 – Sicherheiten 44a 19 Eigentum 47 36 ff. Eigentümergrundschuld 49 10, 49 24 ff. Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 37 25 Eigentumsvorbehalt 47 41 ff. – abgeleiteter ~ 47 53 – Anwartschaftsrecht 47 54 – Aussonderungsberechtigter 47 42 – einfacher ~ 47 42 ff., 48 46 ff., 51 26 – Ersatzsicherung 47 49 – erweiterter ~ 47 51 f., 51 27 ff. – gestreckte Verkehrsgeschäfte 39 142 – gezogene Nutzungen 47 47 – Insolvenz des Käufers 47 46 f. – Kontokorrent 47 52 – Sicherungseigentum 47 42, 47 44, 47 51, 51 19 – Verarbeitung 47 47 – Verarbeitungsklausel 47 50 – verlängerter ~ 47 49, 48 50 ff., 51 32 f. – Verlust des Eigentums 47 48 – Vermischungsklausel 47 50 – vorweggenommene Sicherungsabtretung 47 49 – Wandel des Sicherungszwecks 47 53 – Zurückbehaltungsrecht 47 42 – Zweck 47 42 Eigentumsvormerkung 41 9 Eigenverwaltung – Ersatzansprüche 35 224 – Fortführung der Praxis 35 16 – Gesellschafterdarlehen 39 118 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 132 – steuerrechtliche Verbindlichkeiten 55 116 – Vermögensrechte 35 5 eingebrachte Sachen 50 39 ff. Einigungsstelle 55 27 Einkommensteuer – Masseverbindlichkeiten 53 19 – noch nicht entstandene Forderungen 38 141 ff. 726

Sachregister

Einlageforderungen 35 187 ff. – Abtretung 35 196 – Aufrechnung 35 194 f. – automatische Fälligkeit 35 189 – Befreiung von den Einlageleistungen 35 193 – Einziehung 35 188 – genehmigtes Kapital 35 207 – Genossenschaft 35 230 – Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 35 240 – Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz 35 191 – Kaduzierung 35 192 – Kapitalerhöhungen nach Verfahrenseröffnung 35 198 ff. – Kapitalerhöhungen vor Verfahrenseröffnung 35 201 ff. – Notwendigkeit zur Gläubigerbefriedigung 35 190 – rückständige Einlagen 35 187 – Zahlungstermine 35 189 Einlagensicherungsgesetz 38 9 Einzelzwangsvollstreckung 35 9 elektronische Geschäftsbücher 36 12 Energierecht 38 186 Entgeltfortzahlung 55 62 Enthaftung – Grundstücke 49 40 ff., 49 51, 49 56 f. – Vermieterpfandrecht 50 45 Erbbaurecht – Aussonderungsrechte 47 111 – Immobiliarabsonderung 49 35 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 84 – unbewegliches Vermögen 36 71 Erben – Aussonderungsrechte 47 86 – Firma 35 27 – Haftung mehrerer Personen 43 18, 43 37 – Pflichtteilsansprüche 39 66 – Unterhaltsansprüche 40 11 ff. Erbengemeinschaft 47 97 erbrechtliche Forderungen – Ehegatten 39 68 – noch nicht entstandene Forderungen 38 128 – persönliche Gläubiger 38 30 – unentgeltliche Leistungen 39 61 ff. Erbschaftsteuer 38 166 Erfüllungswahl – Ersatzaussonderung 48 55 – Lizenznehmer 47 103 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 45 ff. Erinnerung 36 3 erloschene Forderungen 38 100 Eröffnungsverfahren 36 80 727

Errungenschafts-/Fahrnisgemeinschaft alten Rechts – Gütergemeinschaft 37 3 ff. – unpfändbare Gegenstände 36 62 Ersatzabsonderung 48 61 ff. – nichtberechtigte Veräußerung 48 64 ff. Ersatzansprüche 35 214 ff. – Abschlussprüfer 35 214 – Aktiengesellschaft 35 220 – Aktienrecht 35 223 – Aufsichtsrat 35 214 ff. – Eigenverwaltung 35 224 – einzelne Gesellschaftsgläubiger 35 228 – Einziehungsrecht 35 224 – Geschäftsführer 35 215 – Gläubigerausschuss 35 222 – GmbH 35 221 – Gründungsprüfer 35 214 – Kapitalerhöhungsprüfer 35 214 – Sonderprüfer 35 216 – Umwandlungsprüfer 35 214 – Vermögensvermischungshaftung 35 229 – Vorstand 35 214 – Wettbewerbsverbot 35 219 Ersatzaussonderung 48 1 ff. – Abtretung 48 72 – Anwendungsbereich 48 7 f., 48 10 f. – Barverkäufe 48 54 – Berechtigung kraft Gesetzes 48 60 – Bereicherungsforderung 48 86 – Billigkeitsinstrument 48 3 – einfacher Eigentumsvorbehalt 48 46 ff. – Einziehung fremder Forderungen 48 57 – Entreicherungseinwand 48 5 – Erfüllungswahl 48 55 – Ersatzaussonderungsberechtigte 48 12 ff., s.a. dort – Gegenleistung 48 68 – Gegenleistung, ausstehende 48 69 ff. – Gegenleistung, erbrachte 48 80 ff. – Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz 48 3 – Globalzession 48 53 – Inhalt 48 68 ff. – Privilegierung bestimmter Gläubiger 48 5 – Rechtsdurchsetzung 48 83 f. – Schadensersatzansprüche 48 85 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 136 – Surrogation 48 4, 48 69 – unberechtigte Veräußerung 48 45 ff. – Veräußerung 48 10 – Veräußerung durch Treuhänder/Kommissionär 48 58 f. Klie

Sachregister

– Veräußerungsgewinn 48 73 – Verkaufskommission 48 70 – verlängerter Eigentumsvorbehalt 48 50 ff. – Vermieterpfandrecht 48 64 – Versicherung für fremde Rechnung 48 60 – Vorbehaltverkäufer 48 76 – Wirksamkeit der Veräußerung 48 40 ff. – Zweck 48 2 – zweite ~ 48 11 Ersatzaussonderungsberechtigte 48 12 ff. – Forderungsinhaber 48 12 – Kommittent 48 17 – Miteigentümer 48 18 – obligatorisch Herausgabeberechtigte 48 13 ff. – Schuldner 48 16 – Sicherheitenpool 48 19 – Treuhänder 48 17 – veräußerter Gegenstand 48 17 ff. – Veräußerung 48 23 ff., s.a. dort – Voraussetzungen 48 17 ff. – vorläufiger Insolvenzverwalter 48 23 Ersatzfirma 35 25 Ersatzsicherung 47 49 Ersatzvornahmekosten 38 26, 38 28 f. Ersitzung 35 109 Erwerbstätigkeit 36 4, 36 7 Erzeugnisse – Grundstücke 49 42 ff. – Mobiliarabsonderung 50 7 – Neuerwerb 35 105 EU-Auslandsgesellschaften 39 169 EWIV 38 63 EZB-Referenzkurs 45 16 F Factoring – Aussonderungsrechte 47 127 – Gesellschafterdarlehen 39 137 – Haftung mehrerer Personen 43 33 – Treuhandverhältnisse 47 66 Fahrbetriebsmittel 36 11 Fahrnisabsonderung 50 6 Fahrnisgemeinschaft 37 3 ff. Fälligkeitsaufschub 41 11 f. Feststellungsanspruch 45 7 Feststellungskosten 49 6 fiduziarische Grundschuld 47 64, 47 79 Filmwerke 35 53 f. Finanzierungsfolgenverantwortung – Gesellschafterdarlehen 39 87 – gesicherte Darlehen 44a 5 Finanzkrise 38 9 Klie

Firma 35 20 ff. – abgeleitete ~ 35 24 – Abwicklung eines Unternehmens 35 20 – Benutzung durch den Insolvenzverwalter 35 20 – Erbe 35 27 – Ersatzfirma 35 25 – Fortführung der alten Firma 35 20 – Handelsregister 35 20 – Immaterialgüterrecht 35 20 – Insolvenzmasse 35 20 ff. – Kapitalgesellschaft 35 25 – Liquidation einer Gesellschaft 35 20 – Nachlassinsolvenzverfahren 35 27 – Personenhandelsgesellschaft 35 26 – Persönlichkeitsrecht 35 20 – Träger des Firmenrechts 35 20 – Übernahmehaftung 35 30 ff., s.a. dort – Unterlassungsanspruch 35 28 – Unternehmen 35 23 – Veräußerung der ~ 35 21 ff., 35 25 ff. – Vermögensrecht 35 20 – Verwertungsbefugnis des Verwalters 35 21 – Werbekraft 35 24 Fischereirechte 49 35 Forderungsfeststellungsstreit 55 21 forstwirtschaftliche Grundstücke 36 72 Fortführung der Praxis – Eigenverwaltung 35 16 – Freie Berufe 35 14 f. fortgesetzte Gütergemeinschaft 37 26 ff. – Ablehnungsfrist 37 30 – beschränkte Haftung des überlebenden Ehegatten 37 29 – Ehevertrag 37 26 – Insolvenz des überlebenden Ehegatten 37 27 – Insolvenz eines Abkömmlings 37 28 – Neuerwerb 37 27 Frachtführer 50 70 Frachtgeschäft 47 155 Freie Berufe 35 14 ff. – berufsregelnde Gesetze 35 17 – eingeschränkte Insolvenzverwalterbefugnisse 35 18 – Fortführung der Praxis 35 14 f. – Fortführung einer Anwaltspraxis 35 17 – Geheimhaltungspflicht 35 16 – Geheimnisschutz 35 14 – goodwill 35 14 – ideeller Wert der Praxis 35 14 – Insolvenzplan 35 15 – kassenärztliche Zulassung 35 14 – Krankenblätter 35 14 728

Sachregister

– Mandantenbeziehungen 35 14 – Neuerwerb 35 14 – Notar 35 14 – Patientenbeziehungen 35 14 – Patientenkarteien 35 14 – Persönlichkeitsrechte 35 14 – Pfändbarkeit/Massezugehörigkeit der Honorarforderungen 35 14 – Praxiskauf 35 14 – Steuerberater 35 14 – Übergang von Mandaten 35 16 – Unternehmensbegriff 35 15 – Veräußerung der Praxis 35 14 – Widerruf der Anwaltszulassung 35 17 – Wirtschaftsprüfer 35 14 – Zulassung zur Rechtsanwaltschaft 35 14 Freigabe selbstständiger Tätigkeiten 35 131 ff. – Abgrenzung der Vermögensmassen 35 152 – Anspruch auf ~ 35 132 – Ansprüche von Gläubigern 35 154 – Anzeigepflicht des Schuldners 35 141 – beabsichtigte selbstständige Tätigkeit 35 134 – Bereitschaft zur Fortführung 35 139 – Bestandsvermögen 35 150 – Entscheidungsbasis 35 147 – Erklärung des Verwalters 35 142 ff. – Erklärungsadressat 35 144 – Erklärungsbekanntmachung 35 145 – Erklärungsfrist 35 143 – Erklärungsinhalt 35 146 – Erlaubtheit der Tätigkeit 35 135 – Eröffnung des Insolvenzverfahrens 35 137 – Forderungen 35 151 – gerichtliche Unwirksamkeitsanordnung 35 161 ff. – Geschäftsführer einer GmbH 35 135 – Honorarforderungen 35 153 – juristische Personen 35 136 – natürliche Personen 35 136 – Negativerklärung 35 146, 35 149 – Neuerwerb 35 149 – Positiverklärung 35 146, 35 148, 35 165 – Rechtsfolgen 35 148 ff. – Revision durch Gläubigerorgane 35 161 ff. – Selbstständigkeit 35 133 – Tod des Schuldners 35 159 – Unterhaltsansprüche 35 159 – Vertragsverhältnisse, übergeleitete 35 149, 35 156 – Voraussetzungen 35 133 ff. – vorläufiger Insolvenzverwalter 35 137 – Zustimmung des Schuldners 35 140 – Zweck 35 131 Freigabeanspruch 51 23 729

Freigabegrenze 51 22 Freigiebigkeit 39 48 Freistellungserklärung 55 63 Früchtepfandrecht 50 75 G Garantie – Haftung mehrerer Personen 43 38 – Insolvenzmasse 35 76 Gaskrise 38 9 GbR-Geschäftsführer 39 195 GbR-Gesellschafterdarlehen 39 162 ff. Gebäudeversicherung 36 31 Gebrauchsmuster 35 57 Gefahrenbeseitigungsanspruch 38 25 Gefälligkeitsakzept 35 99 Gefangene 36 17 Geheimgebrauchsmuster 35 57 Geheimhaltungspflicht 35 16 Geheimnisschutz 35 14 Geldbußen 39 45 Geldkaufverträge 45 18 Geldstrafen 39 45 Geldzahlungen mit Sanktionswirkung 39 44 ff. Gemeinschaftsanteile 36 64 Generalbevollmächtigte 39 196 Genossenschaft 35 230 ff. – Einlageforderungen 35 230 – fiktive Zurechnung 35 234 – Gesellschafterdarlehen 39 159 – Nachschüsse 35 231 ff. – übernommene Anteile 35 233 – Vergleich über Nachschüsse 35 236 Genussrechte – Aktiengesellschaft 38 39 – Gesellschafterdarlehen 39 135 Genussrechtsinhaber 39 185 Gerichtskosten 53 13, 54 4 ff. – Anwaltsgebühren 54 12 – Auslagen des Gerichts 54 5 – Beschwerdeverfahren 54 13 – Fälligkeit 54 14 – Gebühren 54 4 – Gebührentatbestände 54 8 – Gerichtsvollzieherkosten 54 9 – Haftung der Masse/des Schuldners 54 10 – Insolvenzplan 54 8 – Kosten der Registergerichte 54 9 – noch nicht entstandene Forderungen 38 167 – Prozesse des Verwalters 54 11 f. – Restschuldbefreiung 54 8 – Rückgriffsanspruch 54 10 Klie

Sachregister

– Vollstreckung 54 14 – Wertberechnung 54 7 Gesamtgut der Gütergemeinschaft – Auseinandersetzung 37 32 f. – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 13 – Eigentums-/Vermögensgemeinschaft 37 25 – fortgesetzte Gütergemeinschaft 37 27 – Insolvenz bei gemeinschaftlicher Verwaltung 37 24 – Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten 37 21 ff., s.a. dort – Insolvenz des verwaltenden Ehegatten 37 14, s.a. dort – Insolvenz eines Abkömmlings 37 28 – Insolvenzmasse 35 170, 35 172 – Insolvenzverfahren nach Beendigung der Gütergemeinschaft 37 31 ff. – Liquidationsstadium 37 31, 37 34 – Sonderinsolvenzverfahren 37 35 ff. Gesamtinsolvenzverfahren 35 168 Gesamtschuld 38 104 f. – Gesamtschuldnerausgleich 39 155 – Haftung mehrerer Personen 43 3, 43 18 f. – nicht fällige Forderungen 41 18 – Regressansprüche 44 3 – unechte ~ 38 106 Geschäftsbezeichnungen 35 29 Geschäftsbücher 36 12 f. Geschäftsführung ohne Auftrag 55 28 Geschäftsgeheimnisse 35 67 Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 35 240 ff. Gesellschafter 43 34 f. Gesellschafterdarlehen 39 77 ff. – Abfindungsansprüche ausgeschiedener Gesellschafter 39 110 ff. – Abtretung 39 85 – Aktiengesellschaft 39 160 – anfechtbar gewährtes ~ 39 101 ff. – Anfechtbarkeit 39 84 – atypisch stille Beteiligung 39 126 ff., s.a. dort – atypische Zinszahlungszeitpunkte 39 109 – Aufrechnung 39 94 – Auseinanderfallen von Kreditgeber-/Gesellschafterposition 39 98 – Ausscheiden eines Gesellschafters 39 85 – Coronakrise 39 216 – COVInsAG 39 85, 39 217 ff., s.a. dort – Darlehen über mehrere Ebenen 39 201 ff. – Darlehensgläubiger 39 172 ff. – Deliktsanspruch 39 154 – Dividendenanspruch 39 114 Klie

– Doppelzahlungspflichten 39 156 ff. – Dritterstreckung 39 172 – Eigenkapitalersatzrecht 39 78, 39 83 – Eigenkapitalgewährung 39 88 – Eigenverwaltung 39 118 – erfasste Forderungen 39 95 ff. – erfasste Gesellschaften 39 159 ff. – EU-Auslandsgesellschaften 39 169 – europarechtswidrig gewährtes ~ 39 104 – Factoring 39 137 – Finanzierungsfolgenverantwortung 39 87 – Forderungen im Prozesswege 39 150 – Fremdkapitalforderung 39 83, 39 92 – GbR 39 162 ff. – Genossenschaft 39 159 – Genussrechte 39 135 – Gesamtschuldnerausgleich 39 155 – Gesellschafter 39 173 ff. – Gesellschafter einer kapitalistischen OHG/ GbR 39 175 – Gesellschafter eines Gesellschafters 39 164 – Gesellschafter, ausgeschiedene 39 176 – gesellschaftergleiche Dritte 39 177 ff. – Gesetzgebungsentwicklung 39 79 ff. – gesicherte Darlehen 44a 1 ff., s.a. dort – gestreckte Verkehrsgeschäfte 39 140 ff., s.a. dort – Gewinnauszahlungsansprüche 39 114 – GmbH 39 160 – GmbH & Co KG 39 166 f. – Insolvenzanfechtung 39 99 f. – Insolvenzverschleppung 39 91 – juristische Personen 39 163 – kapitalersetzende ~ 39 79 – KGaA 39 161 – Kleinbeteiligungsprivileg 39 85 – Konzern 39 139, 39 158, 39 201 ff. – Kreditgeber nach Zession 39 176 – Kreditkonsortium 39 215 – Kreditrahmen 39 116 – Kreditsicherheiten 39 93 – kurzfristige Finanzierungsengagements 39 97 – Leasing 39 148 – Mantelverwendung 39 156 – Massedarlehen 39 117 – Miete 39 147 – Minderheitsgesellschafter 39 189 ff., s.a. dort – mittelbare Gesellschafter 39 174, 39 202 ff. – MoMiG 39 82 – nach Insolvenz-/Sanierungsverfahrenseröffnung 39 115 ff. – OHG 39 162 ff. – Patronatserklärungen 39 124, 39 157 730

Sachregister

– Pensionsgeschäfte 39 138 – Personengesellschaften 39 168, 39 171 – Regressansprüche 39 120 ff. – Rückvermietung 39 149 – Sale-and-lease-back 39 149 – Sanierungsdarlehen 39 85 – Sanierungsgesellschafter 39 208 ff., s.a. dort – Scheinauslandsgesellschaften 39 170 – Schuldverschreibungen 39 136 – Schwestergesellschaften 39 206 – staatliche Förderbank 39 216 – StaRUG 39 119 – Stiftung 39 159 – stille Gesellschaft 39 125 – unwirksame Verträge 39 151 ff. – verbrieftes ~ 39 96 – Verein 39 159 – Verfahrenseröffnung 39 115 ff. – vergleichbare Forderungen 39 105 – Vertragskonzern 39 207 – Wechselwirkung, doppelte 39 85 – zentrale Regulierung 39 139 – Zinsen 39 31, 39 96, 39 106 ff. – zinsloses ~ 39 96 – zusammengerechnete Anteile 39 174 gesellschaftergleiche Dritte 39 177 ff. – atypisch stille Beteiligung 39 178 – Fehlen einer Verfügungsbefugnis 39 183 – Genussrechtsinhaber 39 185 – Kreditgeber 39 179 – Kreditgeber des Gesellschafters 39 188 – nahestehende Personen 39 184 – Nießbraucher 39 187 – Pfandrechtsinhaber 39 186 – Treuhänder 39 179 – Treuhandfälle 39 180 ff. – Unterbeteiligter 39 187 Gesellschaftsanteile 36 64 gesellschaftsrechtliche Ansprüche – Auskunftsanspruch 39 74 – noch nicht entstandene Forderungen 38 131 – unentgeltliche Leistungen 39 74 gesetzlicher Forderungsübergang 38 86 ff. gesetzlicher Güterstand – Ausgleichspflicht des Insolvenzschuldners 37 11 f. – Beendigung durch Tod 37 10 – Eigentumsvermutung 37 7 – Erbteilserhöhung 37 10 – gesetzlicher Erbteil 37 10 – Insolvenzmasse 37 6 ff. – kleiner Pflichtteil 37 10 731

– Verfügungsbeschränkungen 37 8 – Zugewinnausgleich 37 9 gesicherte Darlehen 44a 1 ff. – § 32a Abs. 2 GmbHG 44a 5 – Anmeldung der Forderung 44a 2 – Anwendungsbereich 44a 7 ff. – Aufrechnung 44a 22 – Doppelinsolvenz Gesellschaft/Gesellschafter 44a 23 – Doppelsicherheiten 44a 24 ff. – Eigenkapitalersatzrecht 44a 3 – eigenkapitalersetzendes ~ 44a 3 – Entlastung des Insolvenzverwalters 44a 6 – erfasste Gesellschaften 44a 8 – externe Kreditgeber 44a 5, 44a 20 – Finanzierungsfolgenverantwortung 44a 5 – Insolvenzplan 44a 21 – Insolvenzverfahren 44a 7 – Konzern 44a 11 – Kreditgewährung durch Dritte 44a 9 – Kreditsicherheit durch Gesellschafter 44a 10 – Krise 44a 3 – Rechtsfolgen 44a 27 – Sicherheit eines Gesellschafters 44a 2 – Sicherheiten 44a 12 ff., s.a. dort – Vergleichsbefugnis 44a 21 – Zweck 44a 4 ff. Gestaltungsrechte 38 84 gestreckte Verkehrsgeschäfte 39 140 ff. – Altersruhegeld 39 145 – Begriff 39 140 – Drittvergleich 39 140 – Kauf unter Eigentumsvorbehalt 39 142 – Lizenzvertrag 39 144 – Rücktritt vom Vertrag 39 141 – Tätigkeitsvergütung 39 145 – Vergütung fur geleistete Dienste 39 146 – Werkvertrag 39 143 gestufte Haftung 43 10 Gewerbegenehmigungen – Betriebsleiter 35 13 – Kreditinstitute 35 12 – Stellvertreter 35 13 – Unternehmen 35 12 f. Gewerbesteuer 38 157 gewerbliche Schutzrechte 47 100 Gewinnanteile 38 52 Gewinnauszahlungsansprüche 39 114 Gewinnbeteiligung 55 66 Gewinnzusagen 39 55 Gläubigeranfechtung 47 115 f. Gläubigerausschuss 35 222 Klie

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Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz – Einlageforderungen 35 191 – Ersatzaussonderung 48 3 – Lizenznehmer 47 101 – Mobiliarsicherungsgeschäfte 51 3 f. Globalzession – Ersatzaussonderung 48 53 – Sicherungseigentum 51 19 GmbH – Gesellschafterdarlehen 39 160 – Mitgliedschaftsrechte 38 46 f. GmbH & Co KG 39 166 f. GmbH-Anteile, vinkulierte 36 65 GmbH-Geschäftsführer 39 192 goodwill 35 14 Gratifikation 55 65 grenzüberschreitender Eisenbahnverkehr 36 11 Grundbuchänderung 45 6 Grundbucheintragung – Insolvenzmasse 35 81 – Insolvenzvermerk 35 81 Grunderwerbsteuer 38 164 Grundpfandrechte – nicht fällige Forderungen 41 16 – Sicherungseigentum 51 20 Grundschuld, isolierte 41 13 Grundsteuer 38 163 Grundstücke – Anwartschaftsrecht 49 46 – Bestandteile 49 42 ff. – Betriebsstilllegung 49 47 – Enthaftung 49 40 ff., 49 51, 49 56 f. – Erzeugnisse 49 42 ff. – Gebäudeversicherung 49 55 – Immobiliarabsonderung 49 34 f. – Mietforderungen 49 53 – mithaftende Gegenstände 49 38 ff. – Schadensversicherung 49 54 – Zubehör 49 46, 49 48, 49 52 – Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen 51 56 Gründungsaufwand 38 40 Gründungsprüfer 35 214 Gütergemeinschaft 37 2 – Aussonderungsrechte 47 94 – Errungenschafts-/Fahrnisgemeinschaft alten Rechts 37 3 ff. – fortgesetzte ~ 37 26 ff., s.a. dort – Insolvenz bei gemeinschaftlicher Verwaltung 37 24 – Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten 37 21 ff., s.a. dort Klie

– Insolvenz des verwaltenden Ehegatten 37 14 ff., s.a. dort – Insolvenzverfahren nach Beendigung der ~ 37 31 ff. – Lebenspartner 37 2 Gütertrennung – Aussonderungsrechte 47 93 – Insolvenzmasse 37 13 H Haftpflichtversicherer 51 65 ff. Haftung mehrerer Personen 43 1 ff. – Absonderungsrechte 43 11 – Anrechnung ausgeschütteter Quoten 43 4 – Aufhebung des Insolvenzverfahrens 43 17 – Aufrechnung 43 14 – Ausfallbürgschaft 43 28 – Ausfallhaftung 43 2 – Ausscheiden eines Kommanditisten 43 26 – bedingte Haftung 43 10 – Bereicherungsanspruch 43 17 – Bürge 43 20 ff. – Bürgschaft für einen Teilbetrag 43 25 ff. – COVInsAG 43 32 – dieselbe Leistung 43 10 – dingliche Haftung 43 5 – Einrede der Vorausklage 43 22 f. – Einrede des begebenen Wechsels 43 10 – Factoring 43 33 – Garantie 43 38 – Gesamtschuld 43 3, 43 18 f. – Gesellschafter 43 34 f. – gesonderte Vermögensmassen 43 12 – Insolvenz des Bürgen 43 22 – Insolvenz des Hauptschuldners 43 21 – Insolvenzgläubiger 43 8 – Konkurspfandrecht 43 5 – Konzern 43 29 f. – Kundenwechsel 43 10 – Leistungen Mithaftender 43 3 f., 43 13 – Miterben 43 18, 43 37 – Nachlassinsolvenzverfahren 43 12, 43 36 f. – nachrangige Insolvenzgläubiger 43 8 – Nachtragsverteilung 43 17 – Patronatserklärungen 43 29 f. – Rechtsfolge 43 15 ff. – Sachhaftung 43 31 f. – Schlechterstellungsverbot 43 5 – Schuldbeitritt 43 18 – Schuldner des Insolvenzverfahrens 43 7 – Stabilisierungsfondsgesetz 43 38 – Teilleistungen Mithaftender 43 14 732

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– Teilmithaftung 43 10, 43 25 ff. – Teilnahme an der Haftungsrealisierung 43 5 – Überschuss als Bereicherung 43 17 – Verfahrenseröffnung 43 2, 43 9 – Vollberücksichtigungsgrundsatz 43 2 – Vollstreckungsabwehrklage 43 17 – Voraussetzungen 43 7 ff. – Zweck 43 3 ff. haftungsrechtliche Zuweisung 35 2 ff., 35 5 f., 38 5 – Insolvenzgläubiger 38 5 Handakten 36 12 Handelsregister 35 20 Handelsvertreterprovision 35 119 Handschenkung 39 51 Handwerker-Lebensversicherung 36 30 Hausrat 36 14 Heimarbeit 36 17 Herausgabeanspruch – Aussonderungsanspruch 47 11, 47 15 – Daten 47 105 – Umrechnung von Forderungen 45 7 Hilfspfändung 35 45 Hinterbliebenenrente 41 8 Hinterlegungspfandrecht 50 31 ff. Hinterziehungszinsen 39 46 Hoffmannsche Methode 41 27 Honorarforderungen schweigepflichtiger Berufsgruppen 36 43 I Immaterialgüterrecht 35 20, 50 5 Immobiliarabsonderung 49 1 ff. – Abbaurechte 49 35 – Absonderungsrechte 49 3 ff. – Bergwerkseigentum 49 35 – besitzender Verwender 49 33 – Binnenschiffe 49 20 – Dienstbarkeiten 49 10 – Eigentümergrundschuld 49 10, 49 24 ff. – einstweilige Einstellung 49 65 ff. – Erbbaurecht 49 35 – Feststellungskosten 49 6 – Fischereirechte 49 35 – Gegenstände 49 34 ff. – Grundschulden 49 10 – Grundstücke 49 34 f. – Hypotheken 49 10 – Immobiliarabsonderungsverfahren 49 59 f. – Immobilien 49 3 ff. – Insolvenzplan 49 1 – Luftfahrzeuge 49 23, 49 36 733

– Masseverwaltung 49 1 – Notwegrenten 49 10 – öffentliche Lasten 49 9 – Rangklassen 49 4 – Realgemeindeanteile 49 35 – Reallast 49 10 – Rentenschulden 49 10 – Schiffe 49 36 – Schiffsbauwerk 49 22, 49 36 – Seeschiffe 49 13 ff., s.a. dort – Sicherungsgrundschuld 49 10 – Verfahrenskosten 49 3 – Versteigerung 49 61 – Verwertung 49 61 ff. – Wohngeldforderungen 49 7 f. – Wohnungseigentum 49 35 – Zwangsversteigerungsverfahren 49 11 – Zwangsverwaltung 49 12 – Zwangsverwaltungsvorschüsse 49 5 Indossatar 47 80 Inhaberpapiere 50 28 Inhaberschuldverschreibungen 38 124 Inkassozession 47 64 Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten 37 21 ff. – Erwerbsgeschäft 37 21 – Gläubigerzugriff auf das Gesamtgut 37 22 – Insolvenzmasse 37 23 – Massefreiheit des Gesamtguts 37 21 Insolvenz des verwaltenden Ehegatten 37 14 ff. – Auseinandersetzungsausschluss 37 16 – Fortbestand der Gütergemeinschaft 37 20 – Gesamtgut der Gütergemeinschaft 37 14 – Grundsatz 37 14 – Insolvenzgläubiger 37 19 – Insolvenzmasse 37 15 – Insolvenzschuldner 37 17 f. – Verfügungsbeschränkungen 37 15 Insolvenzanfechtung 39 99 f. Insolvenzfestigkeit – Lizenznehmer 47 101 – Mobiliarsicherungsgeschäfte 51 5 – Treuhandverhältnisse 47 70 ff. Insolvenzforderung 38 1 – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 4 – nicht fällige Forderungen 41 9 f. – noch nicht entstandene Forderungen 38 123 f. – Rechtsschein 38 123 f. – Regressansprüche 44 4 f. – Umrechnung von Forderungen 45 1 ff., 45 5 ff., s.a. dort Klie

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Insolvenzgeld 55 63 – Insolvenzgläubiger 38 9 Insolvenzgläubiger 38 1 ff. – Aberkennung einer Forderung 38 17 – Abtretung 38 86 ff. – Aktiengesellschaft 38 35 ff., s.a. dort – Aussonderung 47 1 ff., s.a. dort – Aussonderungsberechtigte 47 2 – Begriff 38 8 ff. – Begründung der Forderung 38 89 ff., s.a. dort – Beschlagsrecht 38 5 – Besserungsabrede 38 13 – betriebliche Altersversorgung 38 9 – BGB-Gesellschaft 38 61 – Coronakrise 38 9 – Einlagensicherungsgesetz 38 9 – Eröffnungsbeschluss 38 10 – EWIV 38 63 – Finanzkrise 38 9 – Funktion des Begriffes 38 9 ff. – Gaskrise 38 9 – gesetzlicher Forderungsübergang 38 86 ff. – gesicherte Darlehen 44a 1 ff., s.a. dort – GmbH 38 46 f. – Haftung mehrerer Personen 43 1 ff., 43 8, s.a. dort – haftungsrechtliche Zuweisung 38 5 – Individualinteressen 38 5 – Insolvenz des verwaltenden Ehegatten 37 19 – Insolvenzgeld 38 9 – Konkursanspruch 38 6 – Konkurspfandrecht 38 5 – materiell-rechtliche Definition 38 9 – Mitgliedschaftsrechte 38 32 ff., s.a. dort – nachrangige ~ 38 2, 39 1 ff., s.a. dort – nicht am Verfahren teilnehmende ~ 38 19 – nicht erzwingbare Verbindlichkeiten 38 11 ff. – Organe 38 5 – Partenreederei 38 62 – Partnerschaftsgesellschaft 38 60 – Personengesellschaften 38 50 ff., s.a. dort – persönliche Gläubiger 38 20 ff., s.a. dort – Prüfung für einzelne Verfahrenszwecke 38 10 – Qualifikation eines Anspruchs 38 18 – Rangordnung 38 5 – Rechtsverfolgungsverbote 38 10 – stille Gesellschaft 38 64 – Umrechnung von Forderungen 45 1 ff., s.a. dort – unvollkommene Verbindlichkeiten 38 14 – Verein 38 48 f. – verjährte Forderung 38 15 – Verlustgemeinschaft 38 5 Klie

– Vermögensansprüche 38 67 ff., s.a. dort – Vertrag zugunsten Dritter 38 65 f. – Vollstreckungsbeschränkungen 38 11 Insolvenzmasse 35 1 ff. – abgesonderte Befriedigung 35 83 – Abgrenzung der ~ 35 71 f. – Abtretungsverbot 35 96 – Amtstheorie 35 74 – Anfechtungen 35 186 – Anwartschaftsrechte 35 88 ff. – Arbeitgeberverband 35 64 – Arbeitskraft 35 19 – auflösend bedingte Forderungen 42 1 ff., s.a. dort – Aussonderung 35 7, 35 71, 47 1 ff., s.a. dort – Aussonderungsstreit 35 167 – Befriedigung der Gläubiger 38 4 – Begriff 35 1, 35 6 – Beschlagsrecht 35 3 f. – Beschränkung des Anspruchs 35 96 – Beschränkungen 35 83 – Blankowechsel 35 99 – Bundesligalizenzen 35 63 – Bürgschaft 35 76 – Daten 35 68 – Deckungsmasse 35 72 – Design 35 56 – Doppelinanspruchnahmeverbot 44 2 – Eigentümerbefugnisse 35 5 – Einschränkung 35 1 – Firma 35 20 ff., s.a. dort – formelle Legitimation 35 101 – Freie Berufe 35 14 ff., s.a. dort – Freigabe selbstständiger Tätigkeiten 35 131 ff., s.a. dort – Freigabe von Gegenständen 35 183 ff. – Funktion 35 2 – Garantie 35 76 – Gebrauchsmuster 35 57 – Gefälligkeitsakzept 35 99 – Geheimgebrauchsmuster 35 57 – geldwerte Rechte/Güter 35 8 – Genossenschaft 35 230 ff., s.a. dort – Gesamtgut der Gütergemeinschaft 35 170, 35 172 – Gesamtinsolvenzverfahren 35 168 – Geschäftsbezeichnungen 35 29 – Geschäftsgeheimnisse 35 67 – Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 35 240 ff. – gesetzlicher Güterstand 37 6 ff. – gesicherte Darlehen 44a 1 ff., s.a. dort – Gläubigerbefriedigung 35 2 – Gläubigergemeinschaft 35 3 – Grenzen der Rechtszuständigkeit 35 70 ff. 734

Sachregister

– Grenzen des Vermögens 35 8 ff. – Grundbucheintragung 35 81 – Gütertrennung 37 13 – Haftung der ~ 35 2 – Haftungsobjekt 35 70 – haftungsrechtliche Zuweisung 35 2 ff., 35 5 f., 38 5 – Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten 37 23 – Insolvenz des verwaltenden Ehegatten 37 15 – Insolvenzordnung 35 3 – Internet-Domain 35 29 – Istmasse 35 7 – Kapitalgesellschaft 35 187 ff., s.a. dort – Kapitalverwaltungsgesellschaft 35 87 – Konkurspfandrecht 35 3 f. – Kontokorrent 35 100 – Konzern 35 73 – Kreditauftrag 35 76 – Kryptowerte 35 69 – Lasten 35 83 – Leistungsfreiheit des Versicherers 35 96 – Lizenzen 35 62 – Marken 35 37 f. – Nachlassinsolvenzverfahren 35 170, 35 173 – Namensrecht 35 19 – Neuerwerb 35 102 ff., s.a. dort – nicht fällige Forderungen 41 1 ff., s.a. dort – optimale Haftungsverwirklichung 35 185 – Patente 35 58 ff., s.a. dort – patentverletzende Waren 35 98 – Patronatserklärungen 35 76 – pauschale Freigabe 35 1 – Personalsicherheiten 35 76 – persönlicher Titel 35 19 – Persönlichkeitsrechte 35 19 – pfändbares Vermögen 35 6 – Pfandbriefbank 35 170 – Pfandfbriefbank 35 72 – Pfändungsbeschränkungen 35 6 – Preisbindungsverträge 35 97 – preußische AGO 35 3 – Rechte des Insolvenzschuldners 35 6 – Rechtserwerb, bedingter/befristeter/nichtiger 35 94 – Rechtssubjekt 35 3 – Regressansprüche 44 1 ff., s.a. dort – Sachen 35 8 – Schuldbeitritt 35 76 – Schuldbrief 35 101 – Schuldner als Rechtsträger 35 70 – Schweigepflichtsentbindung 35 66 – Sicherungsübereignung 35 84 – Sollmasse 35 7 735

– Sondergutsgegenstände 37 23 – Sonderinsolvenzverfahren 35 169, 35 174 ff., s.a. dort – Sondermassen 35 178 f. – Sondervermögen 35 74 – Sozialversicherungsbeiträge 35 77 – Streitigkeiten über die Massezugehörigkeit 35 166 f. – Subjektwechsel-Theorie 35 3 – Treuhandverhältnisse 35 84 ff. – Übernahmehaftung 35 30 ff., s.a. dort – Umrechnung von Forderungen 45 1 ff., s.a. dort – unpfändbare Gegenstände 36 1 ff., s.a. dort – Unsittlichkeitsvorwurf 35 95 – Unterlassungsanspruch 35 65 – Unternehmen 35 9 ff., s.a. dort – Unterschlagung von Massebestandteilen 35 82 – Urheberrecht 35 42 ff., s.a. dort – Verbände 35 181 ff. – Verein 35 237 f. – Vermögen 35 8 – Vermögen des Gemeinschuldners 35 3 – Vermögensrechte 35 6, 35 8 – Versicherung mit Dritt-Bezugsberechtigung 35 78 ff. – Versicherungen 35 39 ff., s.a. dort – Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 35 239 – Vertrag zugunsten Dritter 35 64, 35 75 – Verwaltungstreuhand 35 86 – Vollabwicklung des Schuldnervermögens 35 183 – Vorbehaltsgut 37 15, 37 23 – Werktitel 35 29 – Widerrufsbefugnisse 35 64 – Zugewinngemeinschaft 37 6 – Zweck 38 4 – Zweitverfahren 35 180 Insolvenzpfandrecht 35 4 Insolvenzplan – auflösend bedingte Forderungen 42 5 – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 1, 52 23 – Freie Berufe 35 15 – Gerichtskosten 54 8 – gesicherte Darlehen 44a 21 – Immobiliarabsonderung 49 1 – nachrangige Insolvenzgläubiger 39 21 – Regressansprüche 44 7 – Sonderinsolvenzverfahren 35 175 – Umrechnung von Forderungen 45 24 f. – Unterhaltsansprüche 40 10 – Verfolgung der Masseverbindlichkeiten 53 27 – verjährte Forderung 38 15 Insolvenzschuldner 37 17 f. Klie

Sachregister

Insolvenzvermerk 35 81 Insolvenzverschleppung 39 91 Intercreditor-Agreement 39 229 Internet-Domain – Aussonderungsrechte 47 100 – Insolvenzmasse 35 29 Inventar 50 65 Inventarpfandrecht 36 69 Istmasse 35 7 J Jagdpachtrecht 36 51 Jahressteuerschuld 38 148 K Kaduzierung 35 192 Kapitalabfindung 40 8 Kapitalanlagegesellschaft 47 75 Kapitalerhöhungen 35 197 ff. Kapitalerhöhungsprüfer 35 214 Kapitalgesellschaft – Einlageforderungen 35 187 ff., s.a. dort – Ersatzansprüche 35 214 ff., s.a. dort – Firma 35 25 – Insolvenzmasse 35 187 ff. – Nachschüsse 35 208 – Nebenleistungspflichten 35 209 – Rückgewähransprüche 35 210 ff. Kapitalverwaltungsgesellschaft 35 87 Karenzentschädigung 55 48 Kausalforderung 38 85 Kautionsversicherung 44a 12 KG 38 50 ff. – Vermieterpfandrecht 50 59 KGaA 39 161 Kindesunterhaltsgesetz 40 1 Kleinbeteiligungsprivileg 39 85 – atypisches Pfandrecht 39 200 – Minderheitsgesellschafter 39 199 f. – Nießbrauch 39 200 – Unterbeteiligter 39 200 Kommanditisten 38 22 Kommissionsgeschäft 47 145 ff. – Einkaufsgeschäft 47 145 – Einkaufskommission von Wertpapieren 47 151 – Leistungsverweigerungsrecht 47 147 – Massebereicherungsanspruch 47 148 – Nebenrechte 47 147 – Veräußerung 48 36 – Verkaufskommission 47 145, 47 152 – Wertpapierverkaufskommission 47 153 Konditionsgeschäft 47 158 Klie

Konkursanspruch 38 6 Konkurspfandrecht – Haftung mehrerer Personen 43 5 – Insolvenzgläubiger 38 5 – Insolvenzmasse 35 3 f. Konsortialkredit 39 189 Kontokorrent – Absonderungsrechte 38 121 – Aufrechnung 38 121 – Eigentumsvorbehalt 47 52 – Insolvenzmasse 35 100 – Mobiliarabsonderung 50 13 – nicht fällige Forderungen 41 10 – noch nicht entstandene Forderungen 38 117 ff. – Novationstheorie 38 117 – Staffelkontokorrent 38 120 – verhältnismäßige Gesamtaufrechnung 38 121 Kontokorrentvorbehalt 51 30 Konzern – Doppelsicherheiten 44a 25 f. – Gesellschafterdarlehen 39 139, 39 158, 39 201 ff., 39 207 – gesicherte Darlehen 44a 11 – Haftung mehrerer Personen 43 29 f. – Insolvenzmasse 35 73 – Lizenznehmer 47 102 – unentgeltliche Leistungen 39 60 Konzernvorbehalt 51 31 Kopien 35 45 Körperschaftsteuer 38 141 ff. Kosten des Insolvenzverfahrens 53 6, 54 1 ff. – Auslagen der Verwalter 54 15 ff. – Auslagen des Gläubigerausschusses 54 22 – Gerichtskosten 54 4 ff. – Insolvenzgeschäftsführer 54 24 – Insolvenzverwalter 54 15 ff. – Masseunzulänglichkeit 54 3 – Sachwalter 54 23 – Sonderinsolvenzverwalter 54 24 – Vergütung der Verwalter 54 15 ff. – Vergütung des Gläubigerausschusses 54 22 – Vertreter der Aktionäre/Anleihegläubiger 54 25 – vorläufiger Insolvenzverwalter 54 21 – Vorrang 54 3 Kostenerstattungsansprüche 38 169 ff. Kraftfahrzeugsteuer 38 165 Krankenblätter 35 14 Kreditauftrag 35 76 Krediteröffnungsverträge 36 52 Kreditgeber – Auskunftsanspruch 38 77 – des Gesellschafters 39 188 736

Sachregister

– Gesellschafterdarlehen 39 176 – gesellschaftergleiche Dritte 39 179 Kreditinstitute 35 12 Kreditkonsortium 39 215 Kreditrahmen 39 116 Kreditsicherheit 39 57, 39 60 Kryptowerte – Aussonderungsrechte 47 110 – Insolvenzmasse 35 69 – Währungsumrechnung 45 15 Kundenwechsel 43 10 künftige Ansprüche 38 91, 38 96 – nicht fällige Forderungen 41 4 – Unterhaltsansprüche 40 6, 40 9 f. kurzfristige Finanzierungsengagements 39 97 L Lagergeschäft 47 141 Lagerhalter 50 72 Landpachtvertrag 55 56 Landverpächterpfandrecht 50 63 Landwirte – Bestellung des Vertragspfandrechts 50 21 – unpfändbare Gegenstände 36 10, 36 66 landwirtschaftliche Grundstücke 36 73 Lastschriftverfahren 38 181 ff. Leasing – Gesellschafterdarlehen 39 148 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 45, 55 57 – Treuhandverhältnisse 47 67 Leasingraten 39 35 Lebens-/Haushaltsführung 36 7 Lebenspartner 37 2 Lebensversicherungsanstalten 55 44 Leibnizsche Methode 41 27 Leibrentenrecht – noch nicht entstandene Forderungen 38 187 – unpfändbare Gegenstände 36 53 Leistungsfreiheit des Versicherers 35 96 Leistungsverweigerungsrecht 47 147 Liegenschaftsabsonderung 50 6 Lizenzen 35 62 Lizenzgebühren 55 56 Lizenznehmer – Aussonderungsrechte 47 101 ff. – Erfüllungswahl 47 103 – Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz 47 101 – Insolvenzfestigkeit 47 101 – Konzern 47 102 – Lizenzkauf 47 102 – Massegläubiger 47 103 737

Lizenzvertrag 39 144 Lohnschiebungsverträge 36 20 Lohnsteuer – Neuerwerb 35 122 – noch nicht entstandene Forderungen 38 149 ff. – Treuhandverhältnisse 47 65 Lotsengelder 49 15 Luftfahrzeuge 49 23, 49 36 – mithaftende Gegenstände 49 58 – unbewegliches Vermögen 36 75 M Maklerlohn 35 118 Mantelverwendung 39 156 Marken – Bestellung des Vertragspfandrechts 50 24 – Insolvenzmasse 35 37 f. Massedarlehen 39 117 Masseforderung 47 32 Massegläubiger 53 3 ff. – Absonderungsrechte 53 34 – Aussonderung 53 3 – Aussonderungsrechte 53 33 – Begriff 53 3 ff. – Lizenznehmer 47 103 – Nachlassinsolvenzverfahren 53 5 – Nebenintervenient 53 35 – Regressansprüche 44 5 – Umrechnung von Forderungen 45 4 – Vollstreckungsverbot 53 4 – Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen 51 55 Masseschuldanspruch 47 19 Masseschulden 35 35 Masseverbindlichkeiten 53 1 ff., 53 8 – Bereicherungsanspruch 53 17, 53 24 f. – Dauerschuldverhältnisse 53 15 – Einkommensteuer 53 19 – gegenseitige Verträge 53 16 – Gerichtskosten 53 13 – Kosten des Insolvenzverfahrens 53 6, 54 1 ff., s.a. dort – Mithaftung 53 22 f. – Nachhaftung 53 11 f. – nicht fällige Forderungen 41 9 – Rechtsnachfolge 53 20 f. – Regressansprüche 44 5 – Schuldner der ~ 53 10 – sonstige ~ 53 6, 55 1 ff., s.a. dort – Steuerschulden 53 19 – Verbindlichkeiten aus vorläufiger Verwaltung 53 18 Klie

Sachregister

– Verfolgung der ~ 53 26 ff., s.a. dort – Verwaltervergütung 53 14 Masseverwaltung – Aussonderung 47 9 – Immobiliarabsonderung 49 1 Mietforderungen – Grundstücke 49 53 – Sicherungseigentum 51 18 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 52 ff. – vorläufiger Insolvenzverwalter 55 104 Mietkaution 47 60, 47 72 Mietrecht – noch nicht entstandene Forderungen 38 132 ff. – unpfändbare Gegenstände 36 51 Mietzinsen 39 34 Minderheitsgesellschafter 39 189 ff. – AG-Vorstand 39 192 – AG-Vorstand, faktischer 39 193 – atypisch stille Beteiligung 39 199 – Aufsichtsrat 39 196 – Beirat 39 196 – GbR-Geschäftsführer 39 195 – Generalbevollmächtigte 39 196 – Geschäftsführer/Vorstand ohne Beteiligung 39 197 – GmbH & Co KG-Geschäftsführer 39 194 – GmbH-Geschäftsführer 39 192 – GmbH-Geschäftsführer, faktischer 39 193 – Kleinbeteiligungsprivileg 39 199 f. – Konsortialkredit 39 189 – mittelbar beteiligte Gesellschafter 39 198 – nicht privilegierter ~ 39 190 ff. – OHG-Geschäftsführer 39 195 – privilegierter ~ 39 189 – Prokuristen 39 196 – Sanierungsgesellschafter 39 213 Miterben – Aussonderungsrechte 47 97, 47 114 – Haftung mehrerer Personen 43 18, 43 37 Mitgliedschaftsrechte 38 32 ff. – Aktiengesellschaft 38 35 ff., s.a. dort – BGB-Gesellschaft 38 61 – Drittgläubigerrechte 38 33 – Einlagen der Gesellschafter 38 32 – EWIV 38 63 – Gläubigerrechte 38 34 – GmbH 38 46 f. – Partnerschaftsgesellschaft 38 60 – Personengesellschaften 38 50 ff., s.a. dort – stille Gesellschaft 38 64 – Vertrag zugunsten Dritter 38 65 f. Klie

Mobiliarabsonderung 50 1 ff. – bereicherungsrechtliches Zurückbehaltungsrecht 51 69 – Bestandteile 50 7 – Bestellung des Vertragspfandrechts 50 17 ff., s.a. dort – Binnenschiffe 50 73 f. – Erzeugnisse 50 7 – Fahrnisabsonderung 50 6 – Frachtführer 50 70 – Früchtepfandrecht 50 75 – Gegenstände des Pfandrechts 50 4 ff. – gesetzliche Pfandrechte 50 9, 50 30 ff. – Haftpflichtversicherer 51 65 ff. – handelsgesetzliche Zurückbehaltungsrechte 51 57 f. – Hinterlegungspfandrecht 50 31 ff. – Immaterialgüterrechte 50 5 – Inventar 50 65 – Kommissionär 50 69 – Kontokorrent 50 13 – Lagerhalter 50 72 – Landverpächterpfandrecht 50 63 – Liegenschaftsabsonderung 50 6 – Massezugehörigkeit des Absonderungsobjekts 50 10 – Mobiliarsicherungsgeschäfte 51 3 ff., s.a. dort – Nebenleistungen 50 13 – Nutzpfandrecht 50 7 – Opferanspruchssicherungsgesetz 50 76 – Pächterpfandrecht 50 64 ff. – Pfandrecht des Gastwirts 50 68 – Pfändungspfandrecht 50 9, 50 14, 50 77 ff. – Prioritätsprinzip 51 70 ff. – Rang 50 3 – Rangverhältnis 51 70 ff. – Rückversicherung 51 68 – Sachen 50 4 – Sachhaftung 51 60 ff., s.a. dort – Schiffsbauwerk 50 74 – Seeschiffe 50 73 f. – Spediteur 50 71 – Teilleistungen 50 2 – Tilgungsreihenfolge 50 16 – übertragbare Rechte 50 4 – Umfang 50 11 ff. – Vermieterpfandrecht 50 34 ff., s.a. dort – Verpächterpfandrecht 50 62 – Verrechnung des Verwertungserlöses 50 16 – versicherungsrechtliches Zurückbehaltungsrecht 51 57 f. – Vertragspfand 50 4 ff. 738

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– Vertragspfandrecht 50 12 – Verwendungen 50 13 – Werkunternehmerpfandrecht 50 67 – Zubehör 50 7 – Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen 51 48 ff., s.a. dort Mobiliarpfandrechte 41 15 Mobiliarsicherungsgeschäfte 51 3 ff. – Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz 51 3 f. – Insolvenzfestigkeit 51 5 – Kreditsicherheiten 51 3 – Publizität 51 3 – Sicherungseigentum 51 6 ff., s.a. dort Mutterschutzfristen 55 76 N Nachbestellungen 35 119 Nachhaftung – Masseverbindlichkeiten 53 11 f. – wiederkehrende Leistungen 46 5 Nachlassinsolvenzverfahren – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 14 – Firma 35 27 – Haftung mehrerer Personen 43 12, 43 36 f. – Insolvenzmasse 35 170, 35 173 – Massegläubiger 53 5 – Pflichtteilsansprüche 39 62 – Pflichtteilsergänzung 39 64 – Schenkungen von Todes wegen 39 63 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 133 – unentgeltliche Leistungen 39 50 – Vermächtnisse 39 62 nachrangige Insolvenzgläubiger 39 1 ff. – Abschlagsverteilungen 39 20 – Arrestpfandrecht 39 47 – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 5 – Besicherung der nachrangigen Forderung 39 24 f. – Besicherung/Regress durch Dritte 39 25 – Besonderheiten im Verfahren 39 22 – einfache Insolvenzforderungen 39 13 f. – Forderungsanmeldung 39 15 ff. – Geldbußen 39 45 – Geldstrafen 39 45 – Geldzahlungen mit Sanktionswirkung 39 44 ff. – Gesellschafterdarlehen 39 77 ff., s.a. dort – gesicherte Darlehen 44a 1 ff., s.a. dort – gleichrangige Forderungen 39 7, 39 10 – grundsätzlicher Vorrang 39 8 – Haftung mehrerer Personen 43 8 – Hinterziehungszinsen 39 46 – Insolvenzplanverfahren 39 21 739

– Kritik 39 4 – nachrangige Verbindlichkeiten 39 227 ff., s.a. dort – Nebenfolgen mit Sanktionscharakter 39 45 – Ordnungsgelder 39 45 – qualifizierter Nachrang 39 6 – Rangordnung 39 1 – Rangordnung bei Masseansprüchen 39 12 – Säumniszuschläge 39 38 ff., 39 46 – Schlussrang 39 11 – Schwächen nachrangiger Forderungen 39 14 – stärkerer Nachrang 39 11 – Streit um den Rang 39 18 – Umrechnung von Forderungen 45 1 ff., s.a. dort – unentgeltliche Leistungen 39 48 ff., s.a. dort – Vereinbarung eines schlechteren Rangs 39 6 – Verfahrenskosten 39 39 ff., 39 43, s.a. dort – Verhältnis der Ränge untereinander 39 9 – Verhinderung der Verjährung 39 16 – Verspätungszuschläge 39 46 – Wahrnehmung von Gläubigerrechten 39 19 – Widerspruch 39 18 – wiederkehrende Leistungen 46 3 – Zinsen 39 26 ff., s.a. dort – Zwangsgelder 39 45 – Zweck 39 3 nachrangige Verbindlichkeiten 39 227 ff. – Durchsetzungssperre 39 235 – Forderungsbegleichung trotz Insolvenzreife 39 238 – Nachrangvereinbarung 39 229 ff., s.a. dort – paralleler Deliktsanspruch 39 238 – Rechtsfolgen 39 235 ff. – Rückzahlungsanspruch 39 235 – Schlussverteilung 39 228 – steuerrechtliche Konsequenzen 39 240 – Zahlungsunfähigkeit 39 237 – Zinsen 39 235 f. Nachrangvereinbarung 39 229 ff. – AGB-Kontrolle 39 232 – Aufhebung 39 234 – Besicherung der qualifiziert nachrangigen Forderung 39 233 – Intercreditor-Agreement 39 229 – Rechtsfolgen 39 235 ff. – überschuldungsvermeidende ~ 39 230 – Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit 39 231 Nachschüsse – Genossenschaft 35 231 ff. – Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 35 241 – Kapitalgesellschaft 35 208 Klie

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Nachtragsverteilung – auflösend bedingte Forderungen 42 6 – Haftung mehrerer Personen 43 17 nahestehende Personen 39 184 Namensaktien, vinkulierte 36 65 Namensrecht 35 19 Nebenfolgen mit Sanktionscharakter 39 45 Nebenleistungen 50 13 Nebenleistungspflichten 35 209 Negativerklärung 47 125 – Freigabe selbstständiger Tätigkeiten 35 146, 35 149 Neuerwerb 35 102 ff. – Abgrenzung 35 103 ff. – Anwartschaftsrechte 35 104, 35 111 – Arbeitseinkommen 35 122, 36 17 – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 10 – Begriff 35 102 – Berufsbetreuervergütung 35 115 – Beschlagsfreiheit 35 126 – Deliktsgläubiger 35 125 – dingliche Haftungszuordnung 35 102 – eigentlicher ~ 35 121 ff. – Einkünfte 35 102 – Erbschaften 35 102 – Ersitzung 35 109 – Erzeugnisse 35 105 – fortgesetzte Gütergemeinschaft 37 27 – Freigabe selbstständiger Tätigkeiten 35 149 – Früchte 35 104 f. – Handelsvertreterprovision 35 119 – Lohnsteuer 35 122 – Maklerlohn 35 118 – mittelbare Sach-/Rechtsfrüchte 35 105 – Nachbestellungen 35 119 – Nutzungen 35 104 f. – Prozesskostenerstattung 35 114 – Raten 35 107 – Schadensersatzansprüche 35 104 – Schuldenbereinigung 35 126 – Selbständige 35 129 f. – Sozialversicherungsbeiträge 35 123 – Steuererstattung 35 112 – Steuerfestsetzungsberichtigung 35 113 – Unterhaltsansprüche 40 6, 40 13 – Unterhaltsgläubiger 35 125 – Verarbeitung 35 110 – Verbindung/Vermischung von Sachen 35 109 – Verwaltungssurrogate 35 108 – Vorbehaltsurteil 35 116 – Zinsen 35 104 f. – Zugewinnausgleich 37 9 Klie

nicht fällige Forderungen 41 1 ff. – Absonderungsrechte 41 9, 41 13 ff. – Altersruhegeld 41 8 – Aufrechnung 41 11 – aufschiebend bedingte Forderungen 41 5 – aufschiebend befristete Forderungen 41 6 – Auslosung 41 11 – Aussonderungsrechte 41 9 – Berufsunfähigkeitsrente 41 8 – betagte Forderungen 41 7 – bewegliches Sicherungsgut 41 15 – Bürge 41 18 f. – Eigentumsvormerkung 41 9 – Fälligkeit nach Verfahrensbeendigung 41 31 f. – Fälligkeitsaufschub 41 11 f. – Feststellung der Gläubigerstellung 41 1 – Gesamtschuld 41 18 – gewiss fällig werdende Forderungen 41 6 f. – Gewissheit des Anspruchs 41 2 – Gleichstellung 41 1 – Grundpfandrechte 41 16 – Grundschuld 41 13 – Hinterbliebenenrente 41 8 – Insolvenzforderungen 41 9 f. – Kontokorrent 41 10 – Kündigung 41 8 – künftige Forderungen 41 4 – Masseverbindlichkeiten 41 9 – mithaftende Dritte 41 18 f. – Mobiliarpfandrechte 41 15 – nicht erfasste Forderungen 41 4 f. – Pfandbriefgläubiger 41 9 – Schuldverschreibungen 41 8 – Sicherungsübertragungen 41 14 – ungewisse Forderungen 41 4 f. – vereinbarte Fälligkeit 41 21 – Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters 41 14 – Wechselprotest 41 20 – Zweck 41 1 – Zwischenzinsabzug 41 22 ff. – Zwischenzinsberechnung 41 27 ff. nicht vertretbare Handlungen 38 73 ff. Nießbrauch – Aussonderung 47 5 – gesellschaftergleiche Dritte 39 187 – Kleinbeteiligungsprivileg 39 200 – unpfändbare Gegenstände 36 55 ff. noch nicht entstandene Forderungen 38 91 ff. – Abgrenzung 38 91 ff. – Abschreibungen 38 147 – Arbeitslohn 38 151 ff. – Arbeitsrecht 38 126 740

Sachregister

– aufschiebend bedingte Forderungen 38 96 – Banküberweisung 38 180 – Befriedigung nach Verfahrenseröffnung 38 113 f. – Befriedigung vor Verfahrenseröffnung 38 111 f. – Beispiele nach Anspruchstypen 38 101 ff. – Beispiele nach Sachbereichen 38 126 ff. – Berufsgenossenschaft 38 179 – Blankowechsel 38 189 – Bürge 38 108 ff. – Darlehensverträge 38 127 – Dauerschuldverhältnisse 38 99 – Einkommensteuer 38 141 ff. – Energierecht 38 186 – erbrechtliche Forderungen 38 128 – Erbschaftsteuer 38 166 – Ersatzansprüche bei Pflichtverletzungen 38 101 – familienrechtliche Ansprüche 38 129 f. – Forderungen aus unerlaubter Handlung 38 102 f. – Gerichtskosten 38 167 – Gesamtschuld 38 104 f. – Gesamtschuld, unechte 38 106 – gesellschaftsrechtliche Ansprüche 38 131 – Gewerbesteuer 38 157 – Grunderwerbsteuer 38 164 – Grundsteuer 38 163 – Inhaberschuldverschreibungen 38 124 – Insolvenzforderungen kraft Rechtsscheins 38 123 f. – Jahressteuerschuld 38 148 – Kontokorrent 38 117 ff., s.a. dort – Körperschaftsteuer 38 141 ff. – Kostenerstattungsansprüche 38 169 ff. – Kraftfahrzeugsteuer 38 165 – künftige Forderungen 38 91, 38 96 – Lastschriftverfahren 38 181 ff. – Leibrentenrecht 38 187 – Lohnsteuer 38 149 ff. – Merkmal des Begründetseins 38 92 ff. – Mietrecht 38 132 ff. – Nutzungen 38 122 – öffentlich-rechtliche Forderungen 38 136 f. – Pachtrecht 38 132 ff. – Rückgewähransprüche 38 115 – Rückgriffsansprüche 38 104 ff. – Schuldanerkenntnis 38 116 – schuldbegründender Akt des Schuldners 38 93 ff. – Steuerforderungen 38 138 ff. – Strafverfahrensrecht 38 173 f. – Teilzahlung 38 111 – Umsatzsteuer 38 158 ff. – Unterhaltsansprüche 38 129 f. 741

– Veräußerungsgewinne 38 147 – Verfahrenskosten 38 167 ff. – Vergütungsansprüche bei amtlicher Festsetzung/ Bewilligung 38 125 – Versicherungsverträge 38 176 ff. – Vollstreckungskosten 38 175 – Wechselrecht 38 188 ff. – WEG 38 135 – Zahlungsverkehr 38 180 ff. – Zinsen 38 122 Notar 35 14 Notgeschäftsführer 55 125 Notwegrenten 49 10 Nutzpfandrecht 50 7 Nutzungen – Neuerwerb 35 104 f. – noch nicht entstandene Forderungen 38 122 O Oder-Konto 47 126 öffentlich-rechtliche Beseitigungsansprüche 38 27 öffentlich-rechtliche Forderungen 38 136 f. öffentliche Lasten 49 9 öffentliche Schiffsabgaben 49 15 OHG 38 50 ff. – Ausfall der Absonderungsberechtigten 52 14 – Gesellschafterdarlehen 39 162 ff. – Vermieterpfandrecht 50 59 OHG-Geschäftsführer – Minderheitsgesellschafter 39 195 oktroyierte Verbindlichkeiten 55 50 Opferanspruchssicherungsgesetz 50 76 Orderpapiere 50 28 Ordnungsgelder 39 45 Originale 35 45 P Pächterpfandrecht 50 64 ff. Pachtrecht – noch nicht entstandene Forderungen 38 132 ff. – unpfändbare Gegenstände 36 51 Partenreederei 38 62 Partnerschaftsgesellschaft 38 60 Patente 35 58 ff. – Arbeitnehmererfindungen 35 58 – Bestellung des Vertragspfandrechts 50 24 – Grenzen der Massezugehörigkeit 35 58 – Insolvenzverwalterbefugnisse 35 61 – Persönlichkeitsrecht 35 58 – Stellung des Schuldners 35 60 – Vermögensrecht 35 58 Klie

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– Vorbenutzungsrecht 35 59 – Zufallserfindungen 35 58 Patentnichtigkeitsklage 47 100 Patientenkarteien 35 14 Patronatserklärungen – Gesellschafterdarlehen 39 124, 39 157 – Haftung mehrerer Personen 43 29 f. – Insolvenzmasse 35 76 – Sicherheiten 44a 12 Pensionsgeschäfte 39 138 Personalsicherheiten 35 76 Personengesellschaften 38 50 ff. – Abfindungsguthaben 38 56 – ausgeschiedener Kommanditist 38 57 – ausgetretene/ausgeschlossene Gesellschafter 38 56 – Auskunftsanspruch 38 78 – Drittgeschäfte 38 54 – Gesellschafterdarlehen 39 168, 39 171 – Gewinnanteile 38 52 – Individualansprüche 38 54 – Kapitalanteil eines Kommanditisten 38 55 – KG 38 50 ff. – OHG 38 50 ff. – Sacheinlagen 38 51 – Sozialansprüche 38 54 – Tätigkeitsvergütung 38 53 Personenhandelsgesellschaft 35 26 Personenversicherung 36 27 persönliche Dienstbarkeit 36 60 persönliche Gläubiger 38 20 ff. – abgesonderte Befriedigung 38 20 – Abgrenzung 38 20 ff. – Absonderung 38 24 – Altlasten 38 27 ff. – Ausfallgrundsatz 38 20 – Aussonderung 38 24 – Aussonderungsberechtigte 38 31 – beschränkte Haftung 38 22 f. – Beseitigungsansprüche 38 25 – BGB-Gesellschaft 38 61 – dingliche Haftungsrechte 38 20 – erbrechtliche Verbindlichkeiten 38 30 – Ersatzabsonderungsberechtigte 38 21 – Ersatzvornahmekosten 38 26, 38 28 f. – EWIV 38 63 – familienrechtliche Ansprüche 38 30 – Gefahrenbeseitigungsanspruch 38 25 – GmbH 38 46 f. – haftungsrechtliche Privilegierung 38 21 – Insolvenzverfahren des Kommanditisten 38 22 Klie

– Kommanditisten 38 22 – Mitgliedschaftsrechte 38 32 ff., s.a. dort – öffentlich-rechtliche Beseitigungsansprüche 38 27 – Partnerschaftsgesellschaft 38 60 – Personengesellschaften 38 50 ff., s.a. dort – Pfandrecht 38 20 – sachenrechtliche Ansprüche 38 24 ff. – Schadensersatzansprüche 38 24 – Sicherungsübertragung 38 20 – stille Gesellschaft 38 64 – Verein 38 48 f. – Vermögensansprüche 38 67 ff., s.a. dort – Vertrag zugunsten Dritter 38 65 f. – Wiederherstellungsanspruch 38 25 persönlicher Titel 35 19 persönliches Recht 38 1 Persönlichkeitsrechte – Firma 35 20 – Freie Berufe 35 14 – Insolvenzmasse 35 19 – Patente 35 58 – Urheberrecht 35 42 Pfandbriefbank 35 72, 35 170 Pfandbriefgläubiger 47 76 Pfandrecht des Gastwirts 50 68 Pfandrechte 35 4, s.a. Mobiliaraussonderung – Akzessorietät 50 15 – Aussonderungsrechte 47 112 – Seeschiffe 49 16 ff. Pfandrechtsinhaber 39 186 Pfändungspfandrecht 35 4 – Akzessorietät 50 15 – Mobiliarabsonderung 50 14 Pfändungsschutzkonto 36 22 ff. Pflichtteilsansprüche – Eigeninsolvenz des Erben 39 66 – unentgeltliche Leistungen 39 62 – unpfändbare Gegenstände 36 44 Pflichtteilsergänzung 39 64 Positiverklärung 35 146, 35 148, 35 165 Posterioritätsprinzip 51 21 Prämien 35 41 Praxiskauf 35 14 Prioritätsprinzip – Mobiliarabsonderung 51 70 ff. – Sicherungseigentum 51 19 ff. Prokuristen 39 196 Prozesshandlungen 55 18 ff. – Anerkennung des Hauptanspruchs 55 21 – Anwaltsgebühren 55 21, 55 24 – Arrestverfahren 55 25 742

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– einheitliche Kostenlast 55 19 f. – Forderungsfeststellungsstreit 55 21 – Klagerücknahme 55 21 – Kosten eines Rechtsmittels 55 19 – Kostenentscheidung § 91a ZPO 55 22 – Kostentitel 55 19 – sofortiges Anerkenntnis 55 22 – Vergleiche 55 25 – vor Insolvenzeröffnung 55 19 Prozesskostenerstattung – Aussonderungsverfahren 47 168 – Neuerwerb 35 114 Publizitätsprinzip 35 4 R Raten 46 4 Raumsicherungsübereignung 51 20 Realgemeindeanteile 49 35 Reallast 49 10 Rechnungseinheit 45 15 Rechnungslegung 45 6 Rechtsmittelzug 36 79 Rechtsnachfolge 53 20 f. Rechtsverfolgungsverbote 38 10 Refinanzierungsunternehmen 47 77 Regressansprüche 44 1 ff. – Absonderungsrechte 44 11 – Abtretung 44 3 – Altgläubiger 44 14 – Aufrechnung 44 11 – Ausfallbürgschaft 44 3 – ausgeschiedener Kommanditist 44 14 – Ausgleichprobleme 44 9 – Bürge 44 3 – Dividende 44 8 – Doppelinanspruchnahmeverbot 44 2 – Einschränkung des Teilnahmerechts 44 6 ff. – Gesamtschuldner 44 3 – Gesellschafterdarlehen 39 120 ff. – Gesellschafterregress 44 12 ff. – gesicherter Rückgriffsanspruch 44 11 – gleichstufige Gesamtschuldner 44 9 – Insolvenzforderung 44 4 f. – Insolvenzplan 44 7 – Massegläubiger 44 5 – Masseverbindlichkeiten 44 5 – mehrere Deliktschuldner 44 9 – nachrangige Insolvenzgläubiger 39 25 – Restschuldbefreiung 44 7 – schuldrechtliche ~ 44 3 – Teilnahmerecht des Gläubigers 44 10 – Teilregress 44 6 743

– Verfahrenseröffnung 44 2 – Zinsen 39 37 relativ pfändbare Ansprüche 36 5 Rentenansprüche 36 25 Rentenversicherung 36 28 Restschuldbefreiung – Gerichtskosten 54 8 – Regressansprüche 44 7 – Umrechnung von Forderungen 45 23 – Unterhaltsansprüche 40 6, 40 10, 40 13 Riester-Verträge 36 29 Rückgewähransprüche – Kapitalgesellschaft 35 210 ff. – noch nicht entstandene Forderungen 38 115 Rückgriffsansprüche – Gerichtskosten 54 10 – gesicherte ~ 44 11 – noch nicht entstandene Forderungen 38 104 ff. – Unterhaltsansprüche 40 5 Rückrufansprüche 47 100 Rückschlagsperre 51 62 Rückübertragungsanspruch 51 8 Rückvermietung 39 149 Rückversicherung 36 47 Rückzahlungsanspruch 39 235 Rürup-Rente 36 29 S Sacheinlagen 38 51 Sachen – Bestellung des Vertragspfandrechts 50 17 ff. – Mobiliarabsonderung 50 4 – unpfändbare Gegenstände 36 6 ff. Sachgenehmigungen 35 12 Sachhaftung 51 60 ff. – Beschlagnahme 51 62 – Fiskusprivileg 51 63 – Haftung mehrerer Personen 43 31 f. – Insolvenzanfechtung 51 64 – Rückschlagsperre 51 62 – steuerpflichtige Sachen 51 60 – Verbrauchsteuern 51 61 – zollpflichtige Waren 51 60 Sale-and-lease-back 39 149 Sammeltreuhand 47 81 Sammelurkunde 47 137 Sammelverwahrung 47 136 ff. Sanierungsdarlehen 39 85 Sanierungsgesellschafter 39 208 ff. – Anteilserwerb 39 209 – Gelingen der Sanierung 39 212 – Insolvenzgrund 39 210 Klie

Sachregister

– Insolvenzverfahren 39 212 – Minderheitsgesellschafter 39 213 – Sanierungsfähigkeit 39 211 – Sanierungskonzept 39 211 – Sanierungssituation 39 210 – Sicherungsgeber 39 214 Säumniszuschläge – nachrangige Insolvenzgläubiger 39 38 ff., 39 46 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 39 Schadensersatzansprüche – Aktiengesellschaft 38 36 – persönliche Gläubiger 38 24 – Vermögensansprüche 38 81 Schadensversicherung 35 39 – Grundstücke 49 54 – unpfändbare Gegenstände 36 27 Scheckzinsen 41 29 Scheinauslandsgesellschaften 39 170 Schenkung 39 51 ff. – Folgekosten 39 52 – Handschenkung 39 51 – nachfolgende Aufwendungen 39 52 – Sicherheiten 39 53 – von Todes wegen 39 63 – Vormerkung 39 53 Schenkungswiderruf 36 45 Schiffe – mithaftende Gegenstände 49 58 – unbewegliches Vermögen 36 74 – Vermieterpfandrecht 50 38 Schiffsbauwerk 49 22, 49 36 – mithaftende Gegenstände 49 58 – Mobiliarabsonderung 50 74 Schlechterstellungsverbot 43 5 Schlussrang – atypisch stille Beteiligung 39 126 – nachrangige Insolvenzgläubiger 39 11 Schmerzensgeldanspruch 36 44 Schmerzensgeldrente 36 44 Schönheitsreparaturen 55 55 Schuldanerkenntnis 38 116 Schuldbeitritt – Haftung mehrerer Personen 43 18 – Insolvenzmasse 35 76 Schuldbrief 35 101 Schuldverschreibungen – Gesellschafterdarlehen 39 136 – nicht fällige Forderungen 41 8 Schweigepflichtsentbindung 35 66 Schwestergesellschaften 39 206 Seeschiffe 49 13 ff. – Bergungskosten 49 16 Klie

– Heuerforderungen 49 14 – Lotsengelder 49 15 – Mobiliarabsonderung 50 73 f. – öffentliche Schiffsabgaben 49 15 – Pfandrechte 49 16 ff. Sicherheiten – § 52 InsO 44a 19 – Anfechtungsregress 44a 13 – anteilsmäßige Befriedigung 44a 18 – auflösend bedingte Forderungen 42 7 – Ausstattungs-/Liquiditätsversprechen des Gesellschafters 44a 12 – Doppelsicherheiten 44a 24 ff. – Durchsetzung von ~ 44a 18 ff. – Eigenkapitalersatzrecht 44a 19 – Gesellschafterdarlehen 39 93 – gesetzliche ~ 44a 16 – gesetzliche Haftung 44a 17 – gesicherte Darlehen 44a 2, 44a 12 ff. – Hinterlegung 36 39 – Insolvenzmasse 35 76 – Kautionsversicherung 44a 12 – mittelbare ~ 44a 15 – Patronatserklärungen 44a 12 – Schenkung 39 53 – Umrechnung von Forderungen 45 6 – unentgeltliche Leistungen 39 57, 39 60 – Vermieterpfandrecht 50 55 – vertragliche ~ 44a 12 ff. – Verzicht 44a 13 – Zahlungsgarantie 44a 12 – zweifelhafter Wert 44a 14 Sicherheitenpool – Aussonderungsrechte 47 90 – Ersatzaussonderungsberechtigte 48 19 Sicherheitentreuhand 47 64, 47 74 Sicherungseigentum 51 6 ff. – Absonderungsrecht 51 7 – Absonderungsrechte 47 50 – Akzessorietätsprinzip 51 8 – Anschaffungsfinanzierer 51 19 – Anwartschaftsrecht 51 18 – Aussonderungsrechte 51 8 – berechtigte Veräußerung 51 33 – Deckungsgrenze 51 22 – Dispositionsrecht 51 12, 51 15 f. – Drittwiderspruchsklage 51 10, 51 14 – Eigentumsvorbehalt 47 42, 47 44, 47 51, 51 19 – Eigentumsvorbehalt, einfacher 51 26 – Eigentumsvorbehalt, erweiterter 51 27 ff. – Eigentumsvorbehalt, verlängerter 51 32 f. 744

Sachregister

– Freigabeanspruch 51 23 – Freigabegrenze 51 22 – Globalzession 51 19 – Grundpfandrecht 51 20 – Kontokorrentvorbehalt 51 30 – Konzernvorbehalt 51 31 – kreditsichernde Funktion 51 6 – künftige Vermögenswerte 51 17 f. – Leasingforderungen 51 18 – mehrere Raumsicherungsübereignungen 51 21 – Mietforderungen 51 18 – Posterioritätsprinzip 51 21 – Prioritätsprinzip 51 19 ff. – Rangfragen 51 9, 51 19 ff. – Raumsicherungsübereignung 51 20 – Rückübertragungsanspruch 51 8 – Sicherungsvertrag 51 8 – Teilverzichtsklausel 51 19 – Übersicherung 51 22 ff. – Verarbeitungsvorbehalt 51 36 ff., s.a. dort – Verbindung von Sachen 51 34 f. – verlängerte Sicherungsübereignung 51 19 – Vermieterpfandrecht 50 58, 51 20 – Vermischung von Sachen 51 34 f. – Vertragsbruchtheorie 51 19 – Verwalterwahlrecht 51 18 – Verwertung 51 25 – Verwertungszeitpunkt 51 11 ff. Sicherungsgrundschuld 49 10 Sicherungsgut 55 130 Sicherungstreuhand 47 57 Sicherungsübereignung 35 84 Sicherungsübertragungen 41 14 Sicherungsvertrag 51 8 sofortige Beschwerde 36 79 Sollmasse 35 7 Sondergutsgegenstände 37 23 Sonderinsolvenzverfahren – beschränkte Haftung 38 23 – Gesamtgut der Gütergemeinschaft 37 35 ff. – Gläubigerantrag 35 175 – Haftungslage bei Verfahrenseröffnung 35 174 – Insolvenzmasse 35 169, 35 174 ff. – Insolvenzplan 35 175 – Verfahrensvoraussetzungen 35 175 – Verfügungsmacht 35 177 – Vollstreckungsverbot 35 175, 35 177 Sonderkonto 47 63 Sondermassen 35 178 f. Sonderprüfer 35 216 745

Sondervermögen 35 74 Sonderverwahrung 47 133 Sonderziehungsrecht 45 15 sonstige Masseverbindlichkeiten 53 6, 55 1 ff. – Abrechnungsspitze 55 34 – Altlasten 55 39 – Arbeitsentgelt 55 32, 55 51 – Arbeitsverträge 55 58 ff., s.a. Dienstverhältnisse – Auslagen der Verwalter 55 43 – Begriff 55 1 f. – betriebsverfassungsrechtliche Pflichten 55 36 – Bezug zur Masse 55 33 – Dauerschuldverhältnisse 55 50 ff. – in der InsO 55 120 ff. – Dienstverhältnisse 55 58 ff., s.a. dort – Eigenverwaltung, vorläufige 55 132 – Erbbaurechtsverträge 55 84 – erbrachte Gegenleistung 55 121 – Erfüllungswahl 55 45 ff. – Ersatzansprüche 55 47 – Ersatzaussonderung 55 136 – gegenseitige Verträge 55 5, 55 45 ff. – Geschäftsbesorgungsverträge 55 83 – Karenzentschädigung 55 48 – Landpachtvertrag 55 56 – Leasing 55 45, 55 57 – Lebensversicherungsanstalten 55 44 – Lizenzgebühren 55 56 – Mietforderungen 55 52 ff. – Nachlassinsolvenzverfahren 55 133 – Notgeschäftsführer 55 125 – öffentlich-rechtliche Dienstleistungseinrichtungen 55 39 – oktroyierte Verbindlichkeiten 55 50 – Rang 55 4 – Säumniszuschläge 55 39 – Schönheitsreparaturen 55 55 – Sicherungsgut 55 130 – Sozialplan 55 126 – Sozialversicherungsbeiträge 55 38 – Steuerforderungen 55 37 – steuerrechtliche Verbindlichkeiten 55 109 ff. – teilbare Leistungen 55 46 – Telekommunikationsunternehmen 55 49 – Umsatzsteuer 55 37, 55 117 ff. – ungerechtfertigte Bereicherung der Masse 55 85 ff. – Unterhaltsleistungen 55 122 – valutierte Darlehen 55 81 – Vereins-/Verbandsbeiträge 55 35 Klie

Sachregister

– Verteilungsverbindlichkeiten 55 42 – Verwalterhandeln 55 6 ff., s.a. dort – Verwaltung der Insolvenzmasse 55 31 ff. – Verwaltungsakt 55 39 – Verwertungskosten 55 41 – vorläufiger Insolvenzverwalter 55 91 ff., s.a. dort – Vormerkung 55 123 – Vorrang 55 4 – Vorwegerstattung 55 134 – Wohngeld 55 34 – Zahlungsaufträge 55 82 – Zinsen 55 129 – Zwangsversteigerung 55 135 Sozialplan 55 126 Sozialversicherungsbeiträge – Insolvenzmasse 35 77 – Neuerwerb 35 123 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 38 – vorläufiger Insolvenzverwalter 55 108 Sparzulagen 36 34 Spediteur 50 71 Speditionsgeschäft 47 155 Spezialitätsprinzip 35 4 Sponsoring 39 56 Stabilisierungsfondsgesetz 43 38 Staffelkontokorrent 38 120 Steuerberater 35 14 Steuererstattung 35 112 Steuerfestsetzungsberichtigung 35 113 Steuerforderungen – noch nicht entstandene Forderungen 38 138 ff. – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 37 Steuerschulden 53 19 Stiftung 39 159 Stiftungsausstattung 39 56 stille Gesellschaft 38 64, s.a. atypisch stille Beteiligung – Auskunftsanspruch 38 78 – Gesellschafterdarlehen 39 125 Strafverfahrensrecht 38 173 f. Stundungen 39 226 Subjektwechsel-Theorie 35 3 Surrogation – Ersatzaussonderung 48 4, 48 69 – Treuhandverhältnisse 47 71 T Tankstellenkonto 47 63 Tätigkeitsvergütung 39 145 Tauschverwahrung 47 134 Klie

Teilmithaftung 43 10, 43 25 ff. Teilverzichtsklausel 51 19 Telekommunikationsunternehmen 55 49 Tiere 36 6 f. Tilgungsreihenfolge 50 16 Treuhandabreden 47 36 Treuhänder – gesellschaftergleiche Dritte 39 179 ff. – Interessengleichklang bei formaler Aufspaltung 39 181 – Interessengleichklang bei wirtschaftlicher Aufspaltung 39 182 Treuhandkonten 39 36 Treuhandsicherheitenpool 47 83 Treuhandverhältnisse – Absonderungsrechte 47 57 – Agenturkonto 47 63 – Aktiengesellschaft 47 82 – Anderkonto 47 62, 47 72 – Anschlusskunde 47 66 – Asset-Backed Securities 47 77 – Aussonderungsrechte 47 57 ff. – Buchgeld 47 73 – Doppeltreuhand 47 83 ff. – eigennützige ~ 47 57 ff. – Factoring 47 66 – fiduziarische Grundschuld 47 64, 47 79 – Herausgabe des Treuguts 47 68 – Indossatar 47 80 – Inkassozession 47 64 – Insolvenzfestigkeit 47 70 ff. – Insolvenzmasse 35 84 ff. – Kapitalanlagegesellschaft 47 75 – Leasing 47 67 – Lohnsteuer 47 65 – Mietkaution 47 60, 47 72 – Pfandbriefgläubiger 47 76 – Refinanzierungsunternehmen 47 77 – Sammeltreuhand 47 81 – Sicherheitentreuhand 47 64, 47 74 – Sicherungstreuhand 47 57 – Sonderkonto 47 63 – spezialgesetzliche ~ 47 75 ff. – Surrogation 47 71 – Tankstellenkonto 47 63 – Teilverabsolutierung 47 57 – Treugeberrechte 47 68 – True-Sale-Transaktion 47 77 – Umsatzsteuer 47 65 – uneigennützige ~ 47 61 ff. – Unmittelbarkeitsprinzip 47 66, 47 70 – Veräußerung 48 35 746

Sachregister

– Versicherungsunternehmen 47 78 – Verwaltungstreuhand 47 61 True-Sale-Transaktion 47 77 U Übernahmehaftung 35 30 ff. – Aktiva 35 30 – Arbeitnehmererfindungen 35 36 – Arbeitsentgelt 35 35 – Arbeitsverhältnisse 35 32 – Betriebsveräußerungen 35 32 ff. – Diensterfindung eines Arbeitnehmers 35 36 – kollektivrechtliche Weitergeltung 35 33 – künftige Insolvenzgläubiger 35 31 – Masseschulden 35 35 – Mitbestimmung 35 33 – vorläufiger Insolvenzverwalter 35 31 Übersicherung 51 22 ff. übertragbare Rechte 50 4 Umrechnung von Forderungen 45 1 ff. – Abfindungen 45 11 – Absonderung 45 4 – Altlasten 45 6 – Auskunftsanspruch 45 6 – Aussonderung 45 4 – Aussonderungskraft 45 7 – Befreiungsanspruch 45 6 – erfasste Forderungen 45 5 ff. – Feststellungsanspruch 45 7 – Geldwert inländischer Währung 45 3 f. – Grundbuchänderung 45 6 – Herausgabeanspruch 45 7 – Insolvenzforderungen 45 5 ff. – Insolvenzplan 45 24 f. – Massegläubiger 45 4 – nicht auf Geld gerichtete Forderungen 45 6 ff. – öffentlich-rechtliche Ansprüche 45 6 – Rechnungslegung 45 6 – Restschuldbefreiung 45 23 – Schätzung des Geldwertes 45 3 ff., 45 11 – Schätzungsfolgen 45 19 ff. – Schätzungsverfahren 45 13 – Sicherheitsleistung 45 6 – Umrechnungsfolgen 45 22 f. – unbestimmte Geldforderungen 45 9 ff. – Unterlassungsanspruch 45 7 – vergleichbare Geldbeträge 45 2 – Verschaffungsansprüche 45 6 – Versorgungsanwartschaften 45 12 – vertretbare Handlungen 45 6 – Währungsumrechnung 45 14 ff., s.a. dort – Wegnahmerecht 45 6 747

– wiederkehrende Leistungen 45 10 f. – Zug-um-Zug-Forderungen 45 8 – Zweck 45 2 – Zwischenzinsen 45 11 Umsatzsteuer – noch nicht entstandene Forderungen 38 158 ff. – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 37, 55 117 ff. – Treuhandverhältnisse 47 65 Umwandlungsprüfer 35 214 unbewegliches Vermögen 36 70 ff. – Begriff 36 70 – Erbbaurecht 36 71 – forstwirtschaftliche Grundstücke 36 72 – landwirtschaftliche Grundstücke 36 73 – Luftfahrzeuge 36 75 – Schiffe 36 74 – Wohnungseigentum 36 72 – Wohnungserbbaurecht 36 72 Und-Konto 47 126 unentgeltliche Leistungen 39 48 ff. – Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten 39 65 – Begriff 39 49 – betriebliche Altersversorgung 39 75 – Bürgschaft durch Dritte 39 57, 39 60 – Dreipersonenkonstellationen 39 49, 39 59 – ehebedingte Zuwendungen 39 69 – erbrechtliche Ansprüche 39 61 ff. – Gegenleistung 39 49 – gesellschaftsrechtliche Ansprüche 39 74 – gesetzliche Haftungsansprüche 39 76 – Gewinnzusagen 39 55 – Haftung für Steuern 39 76 – Konzern 39 60 – Kreditsicherheit durch Dritte 39 57, 39 60 – Nachlassinsolvenz 39 50 – Pflichtteilsansprüche 39 62 – Pflichtteilsergänzung 39 64 – Schenkung 39 51 ff., s.a. dort – Schenkungen von Todes wegen 39 63 – Spendenzusagen 39 56 – Sponsoring 39 56 – Stiftungsausstattung 39 56 – Unterhalts-/Abfindungsansprüche von Ehegatten 39 67 – Vermächtnisse 39 62 – wiederaufgelebte Forderung 39 50, 39 59 – Zugewinnausgleich 39 70 ff. – Zusagen zur unentgeltlichen Überlassung 39 58 Unmittelbarkeitsprinzip 47 66, 47 70 unpfändbare Gegenstände 36 1 ff. – Altenteilsrecht 36 54 – Altersvorsorgeversicherungen 36 29 Klie

Sachregister

– Ansprüche aus Gesellschaftsverhältnissen 36 40 – Antragsberechtigung 36 77 – Apotheker 36 10 – Arbeitnehmersparzulagen 36 34 – Arbeitseinkommen 36 17 ff., s.a. dort – Aussteuerrückgewähr 36 45 – Austauschpfändung 36 9 – Auszüglerwohnung 36 54 – Bahnunternehmen 36 11 – Bargeld 36 7 – Baugeldforderungen 36 32 – Bausparverträge 36 33 – Befreiungsanspruch 36 46 – Befreiungsversicherungen 36 30 – beschlagsfähiges Vermögen 36 2 – Beschluss 36 78 – Betriebsinventar selbstständig Tätiger 36 10 f. – Briefe berühmter Personlichkeiten 36 14 – Corona-Soforthilfen 36 5 – Darlehen 36 52 – elektronische Geschäftsbücher 36 12 – Elternrecht nach § 1649 II S 1 BGB 36 61 – Entschädigungsanprüche für Strafverfolgungsmaßnahmen 36 68 – Entscheidung 36 78 f. – Erinnerung 36 3 – Eröffnungsverfahren 36 80 – Errungenschafts-/Fahrnisgemeinschaft alten Rechts 36 62 – Erwerbstätigkeit 36 4, 36 7 – Fahrbetriebsmittel 36 11 – Fahrnisversicherung 36 16 – Forderungen 36 17 ff. – freigebige Zuwendungen 36 26 – Gebäudeversicherung 36 31 – Gemeinschaftsanteile 36 64 – Geschäftsbücher 36 12 f. – Gesellschaftsanteile 36 64 – gesundheitliche Gründe 36 7 – GmbH-Anteile, vinkulierte 36 65 – grenzüberschreitender Eisenbahnverkehr 36 11 – Handakten 36 12 – Handwerker-Lebensversicherung 36 30 – Hausrat 36 14 – Hausratsverteilung getrennt lebender Ehegatten 36 63 – Hinterlegung als Sicherheitsleistung 36 39 – Honorarforderungen schweigepflichtiger Berufsgruppen 36 43 – Insolvenzgericht 36 76 – Inventarpfandrecht 36 69 – Jagdpachtrecht 36 51 Klie

– Krediteröffnungsverträge 36 52 – Landwirte 36 10, 36 66 – Lebens-/Haushaltsführung 36 7 – Leibrentenrecht 36 53 – Mietrecht 36 51 – Namensaktien, vinkulierte 36 65 – Nießbrauch 36 55 ff. – Nutzungsrecht nach § 14 I HöfeO 36 54 – Pachtrecht 36 51 – Personenversicherung 36 27 – persönliche Dienstbarkeit 36 60 – Pfändungsschranken in Sozialgesetzen 36 67 – Pfändungsschutzkonto 36 22 ff. – Pflichtteilsansprüche 36 44 – private Versicherungen 36 27 ff. – Rechtsmittelzug 36 79 – relativ pfändbare Ansprüche 36 5 – Rentenansprüche 36 25 – Rentenversicherung 36 28 – Riester-Verträge 36 29 – Rückforderungsrecht des Schenkers 36 44 – Rücknahmerechte hinterlegter Sachen 36 35 ff. – Rückversicherung 36 47 – Rürup-Rente 36 29 – Sachen, bewegliche 36 6 ff. – Schadensversicherung 36 27 – Schenkungswiderruf 36 45 – Schmerzensgeldanspruch 36 44 – Schmerzensgeldrente 36 44 – Schuldnerschutz 36 1 – Sockelbetrag 36 24 – sofortige Beschwerde 36 79 – Sparzulagen 36 34 – Tiere 36 6 f. – unbewegliches Vermögen 36 70 ff., s.a. dort – unkörperliche ~ 36 3 – Unterhaltsansprüche 36 25 – Verfahren 36 76 ff. – Vermieterpfandrecht 50 43 – Vermögensrechte 36 17 ff. – vermögensrechtliche Ehegattenansprüche 36 41 f. – Vertragsurkunden 36 12 – Verzicht auf Pfändungsschutz 36 8 – Vorkaufsrecht des Schuldners 36 48 – Vorkaufsrecht gegenüber dem Schuldner 36 49 – Wiederaufbauklausel 36 31 – Wiederkaufsrecht 36 50 – Wohnungsbauprämien 36 33 – Zivilprozessordnung 36 3 – Zugewinnausgleich 36 44 – Zuständigkeit 36 76 748

Sachregister

– Zustimmung des Schuldners 36 4 – Zwangsvollstreckung 36 2 f. – Zweck 36 1 Unterbeteiligter – gesellschaftergleiche Dritte 39 187 – Kleinbeteiligungsprivileg 39 200 Unterhaltsansprüche 40 1 ff. – Änderung der Einkommensverhältnisse 40 9 – Ansprüche auf rückständigen Unterhalt 40 3 – einstweilige Verfügung 40 9 – Erben 40 11 ff. – familienrechtliche ~ 40 3, 40 5 – Freigabe selbstständiger Tätigkeiten 35 159 – Insolvenzplan 40 10 – Kapitalabfindung 40 8 – Kindesunterhaltsgesetz 40 1 – künftige Kapitalabfindung 40 3 – Neuerwerb 40 6, 40 13 – noch nicht entstandene Forderungen 38 129 f. – Restschuldbefreiung 40 6, 40 10, 40 13 – Rückgriffsansprüche 40 5 – selbstständige Unterhaltsversprechen 40 3 – sittenwidrige Entziehung des Unterhalts 40 5 – Umrechnung von Forderungen 45 1 ff., s.a. dort – unpfändbare Gegenstände 36 25 – Unterhaltsgeldrente 40 7 – Unterhaltsrente des geschiedenen Ehegatten 40 11 – Verfahrenseröffnung 40 8 – zukünftige Ansprüche 40 6, 40 9 f. Unterhaltsgeldrente 40 7 Unterlassungsanspruch – Aussonderungsanspruch 47 11, 47 14 – Firma 35 28 – Insolvenzmasse 35 65 – Umrechnung von Forderungen 45 7 – Urheberrecht 35 49 – Vermögensansprüche 38 82 f. Unternehmen 35 9 ff. – Anfechtung der Unternehmensveräußerung 35 10 – Begriff 35 9 – Betriebseinheit 35 10 – Einzelzwangsvollstreckung 35 9 – Firma 35 23 – Fortführung durch den Insolvenzverwalter 35 11 – Freie Berufe 35 14 ff., s.a. dort – Gewerbegenehmigungen 35 12 f. – Sachgenehmigungen 35 12 – tatsächliche Werte 35 9 – Veräußerung des ~s 35 9 – Vermögensbeschlag 35 9 – Vermögensbestandteile 35 9 749

unvollkommene Verbindlichkeiten 38 14 Urheberrecht 35 42 ff. – Aussonderungsrechte 47 100 – Ausübungsübertragung 35 43 – Begriff 35 42 – Computerprogramme 35 51 f. – einheitliches ~ 35 42 – Einwilligung zur Masseinbeziehung 35 44 – Entschädigungspflicht 35 44 – Filmwerke 35 53 f. – Geldforderungen des Urhebers 35 48 – Hilfspfändung 35 45 – insolvenzrechtliche Folgen 35 44 – Kopien 35 45 – monistische Theorie 35 42 – Nutzungsrechte 35 43 – Originale 35 45 – Persönlichkeitsrecht 35 42 – Pfändbarkeit 35 43 – Rechtsnachfolger des Urhebers 35 46 – Rückrufrechte 35 44 – Unterlassungsanspruch 35 49 – Vermögensrecht 35 42 – Vervielfältigungsstücke 35 45 – verwandte Schutzrechte 35 47 – Vorrichtungen § 119 UrhG 35 55 Urlaubsabgeltungsanspruch 55 68 Urlaubsanspruch 55 67 V Valutakauf 45 18 valutierte Darlehen 55 81 Verarbeitung – Eigentumsvorbehalt 47 47 – Neuerwerb 35 110 Verarbeitungsklausel 47 50 Verarbeitungsvorbehalt 51 36 ff. – abgesonderte Befriedigung 51 36 – Absonderungsrecht 51 46 – Aussonderungsrecht 51 38 – Bereicherungsanspruch 51 46 – Durchgangserwerb 51 42, 51 45 – Geldkreditgeber 51 37 – Interessengegensätze der Kreditgeber 51 37 – Konflikt Warenlieferant-Insolvenzgläubiger 51 43 – konkurrierende ~e 51 39 – Warenkreditgeber 51 37 – Werkunternehmerpfandrecht 51 41 Veräußerung 48 24 ff. – Belastung 48 24 – Darlehen 48 27 Klie

Sachregister

– dinglicher Rechtsübergang 48 26 – Einzahlung fremden Bargelds 48 27 – Einziehung fremder Forderungen 48 32 ff. – entgeltliche ~ 48 28 – gemischte Schenkung 48 29 – Kommissionsgeschäft 48 36 – Treuhandverhältnisse 48 35 – unberechtigte ~ 48 45 ff. – während des Verfahrens 48 39 – Wirksamkeit 48 40 ff. Veräußerungsgewinne 38 147 Verbindung von Sachen – Neuerwerb 35 109 – Sicherungseigentum 51 34 f. Verbrauchsteuern 51 61 verdeckte Einlagen 38 37 Verein – Gesellschafterdarlehen 39 159 – Insolvenzmasse 35 237 f. – persönliche Gläubiger 38 48 f. Verfahrenseröffnung – Gesellschafterdarlehen 39 115 ff. – Haftung mehrerer Personen 43 2, 43 9 – Kapitalerhöhungen 35 198 ff. – noch nicht entstandene Forderungen 38 111 f. – Regressansprüche 44 2 – Sonderinsolvenzverfahren 35 174 – Unterhaltsansprüche 40 8 – Verfahrenskosten 39 40 Verfahrenskosten – nachrangige Insolvenzgläubiger 39 39 ff., 39 43 – noch nicht entstandene Forderungen 38 167 ff. – vor Verfahrenseröffnung 39 40 – während des Verfahrens 39 41 Verfolgung der Masseverbindlichkeiten 53 26 ff. – Absonderungsrechte 53 29 – anhängige Rechtsstreitigkeiten 53 32 – Insolvenzplan 53 27 – Irrtum des Verwalters 53 31 – Vermögensauskunft 53 28 – Vollstreckungsverbot 53 27 – Vorweg-Befriedigung 53 26 verjährte Forderung – Insolvenzgläubiger 38 15 – steuerrechtliche Ansprüche 38 16 Verkaufskommission 47 145, 47 152 Vermächtnisse 39 62 Vermieterpfandrecht – Anwartschaftsrecht 50 40 – Ehegatten 50 57 – eingebrachte Sachen 50 39 ff. – Entfernung der Sachen 50 45 ff. Klie

– Enthaftung 50 45 ff. – Erlöschen 50 44 – Ersatzaussonderung 48 64 – Erwerber 50 37 – KG 50 59 – Mietvertrag 50 36 – Mobiliarabsonderung 50 34 ff. – OHG 50 59 – Sachen des Mieters 50 40 – Schiffe 50 38 – Sicherheitsleistung 50 55 – Sicherungseigentum 50 58, 51 20 – unpfändbare Gegenstände 50 43 – Vermieter 50 35 – Verwalter 50 50 ff. Vermischung von Sachen – Neuerwerb 35 109 – Sicherungseigentum 51 34 f. Vermischungsklausel 47 50 Vermögen 35 8 Vermögensanspruch 38 1 Vermögensansprüche 38 67 ff. – abstrakte Forderung 38 85 – Auskunftsanspruch 38 77 ff., s.a. dort – Befreiungsanspruch 38 70 ff. – Begriff 38 67 – Gestaltungsrechte 38 84 – Kausalforderung 38 85 – nicht vertretbare Handlungen 38 73 ff. – Schadensersatzansprüche 38 81 – Unerheblichkeit des Rechtsgrundes 38 68 – Unterlassungsanspruch 38 82 f. – vertretbare Handlungen 38 69 Vermögensauskunft 53 28 Vermögensbeschlag 35 9 Vermögensrecht 35 8 – Firma 35 20 – Patente 35 58 – unpfändbare Gegenstände 36 17 ff. – Urheberrecht 35 42 Vernichtungsanspruch 47 100 Verpächterpfandrecht 50 62 Verschaffungsansprüche – Aussonderungsanspruch 47 15 ff. – Aussonderungsrechte 47 125 – Umrechnung von Forderungen 45 6 Versicherung mit Dritt-Bezugsberechtigung 35 78 ff. Versicherungen 35 39 ff. – Anwartschaft 35 40 – noch nicht entstandene Forderungen 38 176 ff. – Prämien 35 41 750

Sachregister

– Schadensversicherung 35 39 – Wahlrecht 35 40 f. Versicherungsunternehmen – Aussonderungsrechte 47 157 – Treuhandverhältnisse 47 78 Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 35 239 Versorgungsanwartschaften 45 12 Verspätungszuschläge 39 46 Verteilungsverbindlichkeiten 55 42 Vertrag zugunsten Dritter – Insolvenzmasse 35 64, 35 75 – persönliche Gläubiger 38 65 f. Vertragsbruchtheorie 51 19 Vertragspfandrecht – Bestellung des ~s 50 17 ff., s.a. dort – Mobiliarabsonderung 50 12 Vertragsurkunden 36 12 vertretbare Handlungen 38 69 – Umrechnung von Forderungen 45 6 Vervielfältigungsstücke 35 45 Verwahrung von Wertpapieren 47 128 ff. – Drittverwahrung 47 135 – Formen 47 132 – Sammelurkunde 47 137 – Sammelverwahrung 47 136 ff. – Sonderverwahrung 47 133 – Tauschverwahrung 47 134 – unregelmäßige ~ 47 130 – verschlossenes Depot 47 129 Verwalterhandeln 55 6 ff. – Abrechnungsverfahren 55 29 – durch ~ begründete Verbindlichkeit 55 26 – Einigungsstelle 55 27 – externe Berater 55 27 – Gefährdungshaftung 55 16 – Geschäftsführung ohne Auftrag 55 28 – Handlungen 55 8 – Insolvenzzweckwidrigkeit 55 6 – Organtheorie 55 12 – persönliche Verantwortlichkeit 55 6 – Provisionsanspruch des Handelsvertreters 55 30 – Prozesshandlungen 55 18 ff., s.a. dort – Rechtsgeschäfte 55 9 – Schadensersatz des Dienstpflichtigen 55 7 – unerlaubte Handlungen 55 10 ff. – Unterlassungen 55 17 – Vermögenshaftung 55 13 Verwaltungssurrogate 35 108 Verwaltungstreuhand 47 61 – Insolvenzmasse 35 86 verwandte Schutzrechte 35 47 Verwendungen 50 13 751

Verwertungskosten 55 41 Verwertungsrecht – Firma 35 21 – Immobiliarabsonderung 49 61 ff. – nicht fällige Forderungen 41 14 – Sicherungseigentum 51 25 – Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen 51 50 Verwertungszeitpunkt 51 11 ff. Verzicht auf Pfändungsschutz – Arbeitseinkommen 36 18 – unpfändbare Gegenstände 36 8 Verzicht des Absonderungsberechtigten 52 24 ff. – Anmeldung zur Tabelle 52 28 – Aufgabe grundbuchrechtlicher Belastungen 52 29 – aufschiebend bedingter ~ 52 31 – betagter ~ 52 31 – Form 52 27 – Nachrücken 52 30 – Rechtsaufgabewillen 52 28 – Sicherungsabrede 52 27 – teilweiser ~ 52 25 – vor Verfahrenseröffnung 52 32 – Vormerkung 52 29 Verzug 47 19 Vollberücksichtigungsgrundsatz 43 2 Vollstreckungskosten 38 175 Vollstreckungsverbot – Massegläubiger 53 4 – Sonderinsolvenzverfahren 35 175, 35 177 – Verfolgung der Masseverbindlichkeiten 53 27 Vorbehaltsgut 37 15, 37 23 Vorbenutzungsrecht 35 59 Vorkaufsrecht des Schuldners 36 48 Vorkaufsrecht gegenüber dem Schuldner 36 49 Vorkaufsrechte 47 113 f. vorläufiger Insolvenzverwalter – Arbeitsentgelt 55 108 – Bereicherungsansprüche 55 101 – BfA-Ansprüche 55 93 f. – Dauerschuldverhältnisse 55 102 ff. – Dienstverhältnisse 55 106 – effektive Verwaltung 55 96 – Entgegennahme von Leistungen 55 98 – Ersatzaussonderungsberechtigte 48 23 – Freigabe selbstständiger Tätigkeiten 35 137 – gesetzliche Verbindlichkeit 55 100 – Haftungsrisiko 55 92 f. – Kosten des Insolvenzverfahrens 54 21 – Mietforderungen 55 104 – Pflichtverletzungen 55 100 Klie

Sachregister

– Rechtsgeschäfte 55 97 – schwacher ~ 55 96 – Sekundäransprüche 55 97 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 91 ff. – Sozialversicherungsbeiträge 55 108 – starker ~ 55 96 – steuerrechtliche Verbindlichkeiten 55 115 – Tilgung einer Masseschuld 55 99 – Übernahmehaftung 35 31 – Verbindlichkeiten 55 96 ff. – Verfügungsbefugnis 55 91 ff. – Zurechnungsbegründung 55 100 vorläufiger Rechtsschutz 47 167 Vormerkung – Aussonderungsrechte 47 55 – nicht fällige Forderungen 41 9 – Schenkung 39 53 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 123 – Verzicht des Absonderungsberechtigten 52 29 – Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen 51 52 Vorwegerstattung 55 134 Vorzugsrechte 39 28 W Währungsumrechnung 45 14 ff. – alternative Erfüllungsklausel 45 14 – Anmeldung zur Tabelle 45 17 – Devisenkauf 45 18 – Ecu 45 15 – EZB-Referenzkurs 45 16 – Geldkaufverträge 45 18 – Kryptowerte 45 15 – Rechnungseinheit 45 15 – Sonderziehungsrecht 45 15 – Valutakauf 45 18 – Zahlungsort 45 16 Wandelschuldverschreibungen 38 45 Wechselprotest 41 20 Wechselrecht 38 188 ff. Wechselzinsen 41 29 WEG 38 135 Wegnahmerecht – Aussonderungsrechte 47 99 – Umrechnung von Forderungen 45 6 Werktitel 35 29 Werkunternehmerpfandrecht – Mobiliarabsonderung 50 67 – Verarbeitungsvorbehalt 51 41 Werkvertrag 39 143 Wertpapierverkaufskommission 47 153 Klie

Wettbewerbsverbot – Dienstverhältnisse 55 75 – Ersatzansprüche 35 219 Wiederaufbauklausel 36 31 Wiederherstellungsanspruch 38 25 Wiederkaufsrecht 36 50 wiederkehrende Leistungen 46 1 ff. – bedingte Forderungen 46 7 – Insolvenzforderungen 46 3 – Kapitalisierung 46 5 ff. – Nachhaftung 46 5 – nachrangige Insolvenzgläubiger 46 3 – Quote 46 5 – Raten 46 4 – Stimmrecht 46 2 – Umrechnung von Forderungen 45 10 f. – unbestimmte Dauer 46 9 – versicherungsrechtliche Wahrscheinlichkeitsrechnung 46 9 Wirtschaftsprüfer 35 14 Wohngeldforderungen – Immobiliarabsonderung 49 7 f. – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 34 Wohnungsbauprämien 36 33 Wohnungseigentum – Immobiliarabsonderung 49 35 – unbewegliches Vermögen 36 72 Wohnungserbbaurecht 36 72 Z Zahlungsgarantie 44a 12 Zahlungsverkehr 38 180 ff. Zinsen – Avalprovision 39 32 – Entschädigung bei vorzeitiger Kreditkündigung 39 33 – Gesellschafterdarlehen 39 31, 39 96, 39 106 ff. – Leasingraten 39 35 – Mietzinsen 39 34 – nachrangige Insolvenzgläubiger 39 26 ff. – nachrangige Verbindlichkeiten 39 235 f. – Neuerwerb 35 104 f. – nicht fällige Forderungen 41 22 ff. – noch nicht entstandene Forderungen 38 122 – Regressansprüche 39 37 – Reihenfolge 39 29 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 129 – Treuhandkonten 39 36 – Vorzugsrechte 39 28 Zubehör 50 7 Zufallserfindungen 35 58 Zug-um-Zug-Forderungen 45 8 752

Sachregister

Zugewinnausgleich – gesetzlicher Güterstand 37 9 – Neuerwerb 37 9 – unentgeltliche Leistungen 39 70 ff. – unpfändbare Gegenstände 36 44 Zugewinngemeinschaft 37 6 – Aussonderungsrechte 47 93 – Insolvenzmasse 37 6 Zurückbehaltungsrecht – Aussonderungsanspruch 47 12 – bereicherungsrechtliches ~ 51 69 – Eigentumsvorbehalt 47 42 – handelsgesetzliches ~ 51 57 f. – versicherungsrechtliches ~ 51 59 Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen 51 48 ff. – Abschöpfungsfunktion 51 49 – andere Zurückbehaltungsrechte 51 51 ff. – Auflassungsvormerkung 51 52 – Ersatzanspruch 51 48 – Kritik 51 49 – Massegläubiger 51 55 – Mehrwert 51 48

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– Verwendungen bei Grundstücken 51 56 – Verwendungsersatz 51 49 – Verwertungsrecht 51 50 – Voraussetzungen 51 48 – Wertsteigerung 51 48 Zwangsgelder 39 45 Zwangsversteigerungsverfahren – Immobiliarabsonderung 49 11 – sonstige Masseverbindlichkeiten 55 135 Zwangsverwaltung 49 12 Zwangsverwaltungsvorschüsse 49 5 Zwischenzinsabzug 41 22 ff. Zwischenzinsberechnung – Basiszinssatz 41 29 – Carpzowsche Methode 41 27 – gesetzlicher Zinssatz 41 29 – Hoffmannsche Methode 41 27 – Leibnizsche Methode 41 27 – nicht fällige Forderungen 41 27 ff. – Scheckzinsen 41 29 – Wechselzinsen 41 29 Zwischenzinsen 45 11

Klie