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German Pages 650 [597] Year 2020
Junge . Jahn . Wernicke IHKG Kommentar
IHKG Kommentar Begründet von
Dr. Gerhard Frentzel † Dr. Ernst Jäkel † Fortgeführt von
Werner Junge † Herausgegeben von
Prof. Dr. Stephan Wernicke Chefjustitiar des DIHK
Prof. Dr. Ralf Jahn Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt Bearbeitet von
Dr. Karolin Heyne, LL.M. oec. Referentin, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages
Prof. Dr. Ralf Jahn Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
Annette Karstedt-Meierrieks Assessorin, Leiterin des Referats Wirtschaftsrecht, Öffentliches Auftragswesen, Datenschutzrecht, DIHK
Axel Rickert Rechtsanwalt, Leiter des Referats Kammerrecht und Sachverständigenwesen, DIHK
Prof. Dr. Stephan Wernicke Chefjustitiar des DIHK
8. Auflage 2020
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Junge/Jahn/Wernicke, IHKG, 8. Aufl. 2020, § … Rz. …
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-40955-5 ©2020 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Der Kommentar zum vorläufigen Gesetz über die Industrie- und Handelskammern liegt Ihnen in der 8. Auflage in einer grundlegend überarbeiteten Fassung vor. Das ist zum einen der Änderung in der Herausgeberschaft geschuldet: Über 70 Jahre nach der Begründung des Kommentars durch den damaligen Hauptgeschäftsführer des DIHK, Dr. Gerhard Frentzel und den Hauptgeschäftsführer der IHK zu Bielefeld, Dr. Ernst Jäkel, sowie seit der 3. Auflage Werner Junge als Leiter der Rechtsabteilung des DIHT, sind alle bisherigen Herausgeber verstorben. Herr Dr. Jürgen Möllering als Leiter des Bereichs Recht beim DIHK hat mit seinem langjährigen Wirken für das Kammerrecht die Auslegung des IHKG in zwei Auflagen maßgeblich beeinflusst. Es galt, die Leistung und die Personen zu ehren, die Tradition zu wahren und zugleich die Gesamtverantwortung zu verdeutlichen. Neu eingetreten sind daher in der neuen Auflage mit dem Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt, Prof. Dr. Ralf Jahn, und dem Chefjustitiar des DIHK, Prof. Dr. Stephan Wernicke, zwei Autoren, die in der Tradition ihrer Vorgänger zugleich für die akademische Perspektive, juristische Gründlichkeit und Praxisnähe des Kommentars einstehen. Der Name Werner Junge als die prägende Gestalt des Kommentars in den letzten Jahrzehnten wird als Ausdruck der Anbindung an die Historie sowie die kammerrechtlichen Traditionslinien, die den Kommentar ebenso wie das Kammerrecht selbst prägen, in Gedenken fortgeführt. Die Tradition des Kommentars gilt es insbesondere inhaltlich zu wahren in Bezug auf Würdigung und Anwendung der Gesetzesnormen gerade „auf die vielfältigen Tatbestände der Kammerpraxis“ sowie das Verständnis von „Wesen und Wirken der deutschen Kammern aus ihrer geschichtlichen Entwicklung und aus ihrer Stellung im System der Wirtschaftsverfassung“ wie es das Vorwort der ersten Auflage von 1957 ausdrückte: diesem Blick auf die rechtspolitischen Grundlagen sind wir verpflichtet. Seit der 7. Auflage (2009) hat das Recht der Industrie- und Handelskammern wesentliche Entwicklungen durchlaufen. So ist das IHKG selbst mehrfach novelliert worden, beispielsweise durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung. Besonders weitreichend waren die Anpassungserfordernisse durch die EU-Datenschutzgrundverordnung (Verordnung EU 2016/679 vom 27.4.2016, ABl. L 119 v. 4.5.2016, 1). Diese Verordnung machte eine umfangreiche Änderung der datenschutzrechtlichen Sonderregelungen in § 9 IHKG durch das Zweite Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU (vom 20.11.2019, BGBl I, 1626) erforderlich. Auch die Rechtsprechung sorgte seit 2009 mit zahlreichen Urteilen dafür, dass wesentliche Bereiche des Rechts der Industrie- und Handelskammern neu interpretiert werden müssen. In ihrer Breite haben die Entscheidungen zu einer Festigung des bisherigen Rechtszustands beigetragen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die umfassend begründete Entscheidung des BundesverfasV
Vorwort
sungsgerichts zur gesetzlichen Mitgliedschaft vom Juli 2017, mit der die Grundgedanken der wirtschaftlichen Selbstverwaltung zugleich fortgeführt, aber auch in Teilen neu austariert wurden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen an die Gesamtinteressenvertretung durch Kammern ebenso weiter präzisiert wie die Maßstäbe, die im Rahmen der Finanzhoheit der Kammern bei der Bildung von Rücklagen und anderen Vermögenspositionen zu beachten sind. Höchstinstanzliche Entscheidungen gab es zu Vollversammlungswahlen oder zu wirtschaftspolitischen Stellungnahmen von IHKs und IHKVereinigungen. Die Verfasser haben in der nunmehr vorliegenden 8. Auflage allen diesen Änderungen Rechnung getragen. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis Ende 2019 erfasst, in Einzelfällen waren noch weitere Aktualisierungen möglich. Die Nachweise wurden in einen neuen, umfangreichen Fußnotenapparat gesetzt. Völlig neu gestaltet wurden auch Layout und Zitierweise im Rahmen der Kommentierung. Eine übersichtlichere Gliederung und Fettdruck im Text schließlich sollen dem Leser eine schnelle Orientierung ermöglichen, die geänderte Zitierweise soll eine zukünftige online-Nutzung unterstützen. Die Verfasser hoffen, dass auch die Neuauflage 2020 des früheren „Frentzel/Jäkel/ Junge“ den Kammern, Gerichten und Behörden bei der Anwendung des IHKG und der Klärung von Zweifelsfragen eine nützliche Hilfe sein wird. Zu danken ist an dieser Stelle auch Frau Dr. Bettina Wurster, die an dem vorliegenden Werk nicht mehr beteiligt war. Dank schulden wir nicht zuletzt Frau Susanne Pinkwart für vielfältige redaktionelle und logistische Unterstützung. Alle Autoren geben in diesem Werk ihre persönliche wissenschaftliche Überzeugung wieder. Berlin, Würzburg, im Februar 2020 Karolin Heyne Ralf Jahn Annette Karstedt-Meierrieks Axel Rickert Stephan Wernicke
VI
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV Rz. Seite
Einführung 1 23
2 13
35 49
21 27
54 61
29 31
83
43
1 . . 17 . 141 . 171
49 56 110 121
. . 192 . . 200
130 133
. . 326 . . 337
177 182
I. Die historische Entwicklung des Kammerwesens . . . . . . . . . . II. Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens . . . . . . . . III. Legitimitätsdebatten: Gesetzliche Mitgliedschaft und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.) . V. Das Netzwerk der Auslandshandelskammern, Delegiertenbüros und Repräsentanzen der Deutschen Wirtschaft . . . . . . . . . . . VI. Kammern in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Internationale Kammerorganisation – Die Internationale Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentierung § 1 [Aufgabenbereich] I. II. III. IV. V.
Vorbemerkungen: allgemeiner Aufgabenbereich . . . . . . . . § 1 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Abs. 3a, 3b – Einheitliche Stelle/einheitlicher Ansprechpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. § 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben . . . . . . . . VII. § 1 Abs. 5 – Wahrnehmung arbeitsrechtlicher und sozialpolitischer Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsschutzaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII
Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
§ 2 [Kammerzugehörigkeit] I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1) . . . . . . . . Kreis der Kammerzugehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine gesonderte Prüfung, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt Betriebsstätte im Kammerbezirk . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen für freie Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen für Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . Ausnahmen für zulassungspflichtige, zulassungsfreie handwerkliche sowie handwerksähnliche Betriebe . . . . . . . . . X. Ausnahmen für landwirtschaftliche Genossenschaften . . . XI. Ausnahmen für gemeindliche Eigenbetriebe . . . . . . . . . . XII. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 . . 13 . 15 . 35 . 56 . 71 . 92 . 100
193 203 204 211 222 228 235 238
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114 129 138 147
243 251 254 256
§ 3 [Status, Beiträge und Gebühren] I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI.
Körperschaftsstatus (§ 3 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . Dienstherrenfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haushaltsrecht, Doppik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage . . . . . . . Beitragsordnung (§ 3 Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . Sonderbeiträge (§ 3 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebühren (§ 3 Abs. 6, Abs. 7 Satz 1) . . . . . . . . . . . . Erhebung, Einziehung und Beitreibung (§ 3 Abs. 8) . . Verjährung von Kammerbeiträgen (§ 3 Abs. 8 Satz 1) . Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 10 16 40 74 110 114 122 132 148 154
261 266 268 288 310 329 330 333 336 344 347
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1 7 17 35 37 50
351 353 357 364 365 370
§ 4 [Zuständigkeit der Vollversammlung] I. II. III. IV. V. VI. VIII
Rechtliche Bedeutung der Vollversammlung . . . Zuständigkeitsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Satzung der IHK . . . . . . . . . . . . . Sonstiges Satzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Anforderungen an das Satzungsrecht Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 [Wahl zur Vollversammlung] . . . . . .
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1 . 4 . . 29 . 93 . 100 . 104
374 375 385 416 419 421
Organe der IHK . . . . . . . . . . . . . . . . Präsident . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben von Präsident und Präsidium Verhältnis der IHK-Organe zueinander .
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1 4 14 16 22
423 425 428 429 431
....... ....... .......
1 6 12
432 434 438
.......
17
440
I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschüsse der IHK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2
441 441
1 2 3 12 17 20 22
456 456 457 460 463 464 465
I. II. III. IV. V. VI.
Bedeutung des Kammerwahlrechts . Wahlrecht und Wählbarkeit . . . . . Wahlordnung . . . . . . . . . . . . . . Wahlanfechtung . . . . . . . . . . . . . Ehrenamtliche Tätigkeit . . . . . . . Datenschutzrechtliche Regelungen .
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§ 6 [Präsident, Präsidium] I. II. III. IV. V.
§ 7 [Hauptgeschäftsführer] I. II. III. IV.
Rechtliche Stellung des Hauptgeschäftsführers . . . . Bestellung des Hauptgeschäftsführers . . . . . . . . . . Vertretung der Industrie- und Handelskammer . . . Geschäftsführer und Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 8 [Ausschüsse]
§ 9 [Datenschutz] I. II. III. IV. V. VI. VII.
Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9 im Rahmen allgemeiner Datenschutzregelungen . . . . Datenerhebung (§ 9 Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebung von Beitragsbemessungsgrundlagen (§ 9 Abs. 2) Verwendung der Daten durch die IHKs (§ 9 Abs. 3) . . . . . Übermittlung von Daten an andere IHKs (§ 9 Abs. 4) . . .
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Inhaltsverzeichnis Rz. Seite
VIII. Übermittlung von Daten an nicht-öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Wahlen (§ 9 Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Datenübermittlung an Behörden und andere öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Beschäftigtendatenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Informationsfreiheitsgesetze/Informationszugangsgesetze, Transparenzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Open Data . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 30
466 470
31 32
470 470
33 34
471 471
1 5
472 476
7
478
10
481
12 13
482 482
§ 10 [Aufgabenübertragung und öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss] I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgabenübertragung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.) . . . . . . . . . . III. Öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss (§ 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Regelungen der Zusammenarbeit (§ 10 Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die für den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss geltenden Rechtsvorschriften (§ 10 Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weitere Kooperationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 [Staatsaufsicht] I. II. III. IV. V.
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1) . . Vorbeugende Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 2, 2a, 2b) Aufsicht in Finanzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgehobene Vorschriften (§ 11 Abs. 3) . . . . . .
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1 4 26 35 42
486 490 501 505 507
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1 2 4 5
510 510 511 512
§ 12 [Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften] I. II. III. IV.
X
Vorbemerkung . . . . . . . Zuweisung von Aufgaben . Einzelvorschriften . . . . . Ergänzungsfähiger Bereich
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Inhaltsverzeichnis Seite
§ 13 [Bremen und Hamburg] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
526
§ 13a [Übergangsvorschriften] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
527
§ 14 [Übergangsvorschrift für die neuen Bundesländer] . . . . . . . . . .
528
§ 15 [Inkrafttreten] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
528
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XI
Literaturverzeichnis Die Veröffentlichungen zur Kammergeschichte (5. Aufl., S. 380–385) werden nicht mehr fortgeführt, weil dieses Gebiet durch mehrere DIHK/DIHT-Bibliografien umfassend erschlossen ist. Verweisungen auf Kommentare finden sich im Text. Die folgende Aufstellung enthält deshalb nur Monographien und Aufsätze, die für kammerrechtliche Spezialfragen von Interesse sind.
Aberle, Inkassotätigkeit von Kreishandwerkerschaften, GewArch 1970, 1 Adam, Der Einfluß der Industrie- und Handelskammern auf politische Entscheidungsprozesse, 1979 Ammermann, Kooperation der IHKn bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, WiVerw 1998, 201 Axer, Die Finanzierung der Industrie- und Handelskammern durch Abgaben, GewArch 1996, 453 Barocka, Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörde bei der Genehmigung von Gemeindesatzungen, DVBl. 1963, 758 Bauersfeld, Die Verbandslast, 2010 Baumbach, Die Umsetzung des Berufsanerkennungsgesetzes in der IHK-Organisation, WiVerw 2012, 77 Beckmann, Die Wahrnehmung von Ausgleichs- und Ergänzungsaufgaben durch die Kreise und ihre Finanzierung über die Kreisumlage, DVBl. 1990, 1193 Behmenburg, Kompetenzverteilung bei der Berufsausbildung, 2003 Bernhard, Die Zugehörigkeit nichthandwerklicher Nebenbetriebe zur Industrieund Handelskammer, GewArch 1959, 97 Bettermann, Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Grundrechtsträger, NJW 1969, 1321 Biernert, Kooperation von Industrie- und Handelskammern in Deutschland und Europa, 2006 Biernert, Kooperation von Kammern, E-Government und die EG-Dienstleistungsrichtlinie, GewArch 2008, 417 Binder, Staatsaufsicht über Wirtschaftskammern, WiVerw 1979, 175 Blanke, Zur Verbandskompetenz und Staatsaufsicht anlässlich der Verortung des „Einheitlichen Ansprechpartners“ bei den Wirtschaftskammern, WiVerw 2008, 191 Blaubacher, Selbstverwaltung und Fremdverwaltung, in: Bull (Hrsg.) „Verwaltungspolitik“, 1979
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Literaturverzeichnis
Böshagen, Gutachten der Industrie- und Handelskammern über das Bestehen von Handelsbräuchen, NJW 1956, 695 Bohne (Hrsg.), Erfahrungen mit dem Umweltauditgesetz, 1998 Breitmeier, Richtlinien des Bundesausschusses für Berufsbildung und Rechtsetzungsbefugnisse der Industrie- und Handelskammern nach § 41 BBiG, BB 1972, 275 Bremer, Kammerrecht der Wirtschaft, Berlin 1960 Bremer, Ehrengerichte im Rahmen der Industrie- und Handelskammern?, BB 1964, 828 Brohm, Selbstverwaltung in Wirtschafts- und berufsständischen Kammern, in: von Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, Festschrift von Unruh, 1983, 779 Bross, Ist das Verfahren der IHKn für die öffentliche Bestellung von Sachverständigen verfassungswidrig?, ZfWR 1992, 51 Bürkle-Storz, Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen der Satzungsautonomie berufsständischer Organisationen, 1970 Bulla, Die staatliche Finanzkontrolle über die Selbstverwaltungskörperschaften der gewerblichen Wirtschaft, GewArch 2013, 145 Bulla, Quod licet Iovi? Zum Prüfungsrecht des Kammerpräsidenten über Anträge zur Tagesordnung – Zugleich eine Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 17.12.2013 und Urteil vom 3.11.2014, AnwZ (Brfg) 68/13, GewArch 2015, 62 Callsen, Die Zugehörigkeit der Automatenaufsteller zu den Industrie- und Handelskammern, Der Münzautomat 1959, 262 Cremer, Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in Deutschland – Verfassungsrechtliche Grenzen für die Installierung der Kammern als einheitliche Ansprechpartner, EuZW 2008, 655 Crössmann, Die Deutschen Industrie- und Handelskammern; 4. Aufl. 1978 Degenhart, Strukturwandel in Handwerk, Handwerksbegriff und Kammerzugehörigkeit, DVBl. 1996, 551 Deiseroth/Eggert, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – Teil III, Kammerrecht, GewArch 2016, 449 Diefenbach, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 3.10.2000 und die „Registrierung“ von Handwerkern, GewArch 2001, 305 Diefenbach, Einwirkungen des EU-Rechts auf das deutsche Kammerrecht, GewArch 2006, 217 Dölling (Hrsg.), Handbuch der Korruptionsprävention, 2007
XIV
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XXXIV
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.F. ABl. Abs. Abschn. a.F. AG a.G. allg. a.M. amtl. Anm. AnwGH AO AöR Art. AT Aufl. Ausf. Bay. BB BBiG Bd. BDSG Bek. BewachV BFH BGBl. I BGBl. II BHO Bln. BQFG BR-Drs. bspw. BT-Drs.
anderer Ansicht am angegebenen Ort alte Fassung Amtsblatt Absatz Abschnitt alte Fassung Ausführungsgesetz auf Gegenseitigkeit allgemein, allgemeine anderer Meinung amtliche Anmerkung Anwaltsgerichtshof Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (seit 1886; bis 1910: Archiv für öffentliches Recht) Artikel Allgemeiner Teil Auflage Ausführung Bayern, bayerisch Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz Band Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz) Bekanntmachung Verordnung über das Bewachungsgewerbe Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt Teil I Bundesgesetzblatt Teil II Bundeshaushaltsordnung Berlin, Berliner Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen Bundesratsdrucksache beispielsweise Bundestags-Drucksache XXXV
Abkürzungsverzeichnis
BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BvR BW bzgl. bzw.
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde Baden-Württemberg, baden-württembergisch bezüglich beziehungsweise
ca. CCZ
circa Corporate Compliance Zeitschrift
DB ders. d.h. DHKT dies. DIHK DIHT DNotZ DÖV Drs. dt. DVBl. DVO
Der Betrieb derselbe das heißt Deutscher Handwerkskammertag dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelskammertag (seit 2001) Deutscher Industrie- und Handelstag (bis 2001) Deutsche Notar-Zeitschrift Die öffentliche Verwaltung Drucksache deutsch, deutsche Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung
E ebd. EGMR EMRK EstG EU EuGH e.V. EWIV
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des vorgenannten Gerichts Ebenda Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof eingetragener Verein Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung
f. ff. FinVermV FS FOSA
folgende(r) (Seite/Paragraph) folgende (Seiten/Paragraphen) Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung Festschrift IHK Foreign Skills Approval (IHK FOSA)
XXXVI
Abkürzungsverzeichnis
G GBl. gem. GewArch. GewO GfI GG GRUR GVBl./GV.
Gesetz Gesetzblatt gemäß Gewerbearchiv Gewerbeordnung IHK Gesellschaft für Informationsverarbeitung mbH Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz- und Verordnungsblatt
Hess. HK HKRO Hrsg. Hmb. HStR HwK HwO
Hessen, hessisch Handelskammer Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung Herausgeber Hamburg, hamburgisch Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Handwerkskammer Handwerksordnung
i.d.F. i.E. IHK IHKG ImmVermV i.R.d. i.S.d. i.S.v. i.V.m.
in der Fassung im Erscheinen Industrie- und Handelskammer Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHK-Gesetz) Verordnung über Immobiliardarlehensvermittlung im Rahmen des/der im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit
JuS JZ
Juristische Schulung (Zeitschrift seit 1961) Juristenzeitung
KFG KMU KOM KStG
Kleinunternehmerförderungsgesetz kleine und mittlere Unternehmen Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Körperschaftsteuergesetz
LHO lit. LSA LV LwKG
Landeshaushaltsordnung litera (Land) Sachsen-Anhalt Landesverfassung Landwirtschaftskammergesetz XXXVII
Abkürzungsverzeichnis
m. Anm. MDR MFS Mio. MüKoBGB MüKoStGB MüKoZPO MV mwN
mit Anmerkungen Monatsschrift für Deutsches Recht Musterfinanzstatut Million(en) Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zum StGB Münchener Kommentar zur ZPO Mecklenburg-Vorpommern, mecklenburg-vorpommerisch mit weiteren Nachweisen
Nds. n.F. NJW NordÖR Nr. NStZ-RR NRW NVwZ NVwZ-RR NW. NWVBl. NZBau
Niedersachsen, niedersächsisch neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland Nummer(n) Neue Zeitschrift für Strafrecht, Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungsreport Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht
o.g. OVG
oben genannte Oberverwaltungsgericht
p.a.
pro anno
RBeratG RdA RIW RL RGBl RGSt RPS Rz.
Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Reichsgesetzblatt Reichsgericht in Strafsachen (Entscheidungssammlung) Rechnungsprüfungsstelle Randzeichen
S. s. Sachs., sächs. SH Slg. s.o.
Seite siehe Sachsen, sächsisch Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Sammlung siehe oben
XXXVIII
Abkürzungsverzeichnis
sog. Sp. StGH StPO s.u.
sogenannte(r) Spalte Staatsgerichtshof Strafprozessordnung siehe unten
u.a. UWG
und andere, unter anderem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
V v. Verf. VerfGH VersVermV VerwArch VG VGH vgl. VO VOBl VVDStRL VwGO VwVfG
Verordnung vom, von Verfassung Verfassungsgerichtshof Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Verordnungsblatt Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz
WiPrO WissR WiVerw WRP
Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer Wissenschaftsrecht Wirtschaft und Verwaltung Wettbewerb in Recht und Praxis
z.B. ZdH ZHR ZRP z.T.
zum Beispiel Zentralverband des deutschen Handwerks Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil
XXXIX
Einf. Rz. 1 Die historische Entwicklung des Kammerwesens Handelskammern in Bayern, BayVBl. 2018, 761; Kaltenhäuser, Möglichkeiten und Perspektiven einer Reform der Organisation der Wirtschaftsverwaltung – eine rechtshistorische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Betrachtung des Industrie- und Handelskammerwesens, 1998; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997; Kluth, Entwicklungsgeschichte der deutschen Kammern, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl. 2011, § 3; Kluth, Verfassungsrechtliche und europarechtliche Grundlagen des Kammerrechts, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl. 2011, § 5; Neurath, Die Industrieund Handelskammern, DÖV 2019, 513; Ridgeway, Merchants of Peace – The History of the International Chamber of Commerce, New York 1959; Sack (Hrsg.), Wirtschaftskammern im europäischen Vergleich, 2017; Sack, Institutioneller Wandel der europäischen Industrieund Handelskammern im Vergleich, der moderne Staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, 2017, 271; Tettinger, Kammerrecht, 1997; Ullmann, Interessenverbände in Deutschland, 1988; Wansleben, Die Internationale Handelskammer, Staatslexikon Bd. 2; Wernicke, Vom „foyer de lumière“ zur demokratischen Legitimation der EU: Gedanken zur wirtschaftlichen Selbstverwaltung in Europa, WiVerw 2012, 38; Wernicke/Stöbener, Europäische Dimensionen des Kammerwesens, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, S. 49 ff.; Wiesemann, Auslandshandelskammern: 100 Jahre Dienstleister für die Wirtschaft, 2000; Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2010.
I. Die historische Entwicklung des Kammerwesens 1. Europäische Traditionslinien 1
„Kammern“1 sind Teil der europäischen Kulturgeschichte. Ihre Bedeutung ist vielschichtig verwoben sowohl mit dem Entstehen vorstaatlicher höfischer Strukturen als auch in Schutzbestrebungen gegen ebendiese feudale, monarchische oder staatliche Macht: Ihr historisches Herkommen ist der Anspruch auf handwerkliche, gewerbliche und bürgerliche Freiheit2. Damit sind bereits die zwei zentralen Entwicklungsstränge der Kammern in Europa benannt: die Abgrenzung zum öffentlichen Bereich im Aufbau freiheitssichernder Selbstverwaltung bei gleichzeitiger Integration der Wirtschaft in die Gesellschaft mittels intermediärer Organisation.
2
Der erste Entwicklungsstrang war eng mit der Entstehung von Gewerbefreiheit und Handelsfreiheit als wirtschaftlichem Phänomen verbunden: Nach vornehmlich familienorientierten Strukturen in vorindustriellen Gesellschaften3 folgte die eigenständige Ausbildung eines originär kaufmännischen, „commerciellen“ Bereichs in Europa erst in der frühen Neuzeit. Unterschiedliche Traditionen sind zu 1 Etymologisch ist der Begriff der Kammer dem lateinischen camera bzw. dem griechischen klara entlehnt und in eine Vielzahl von Sprachen eingegangen; Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 11, 1864, „Kammer“, in der Bedeutung eines „wohlverwahrten Nebengemachs“, „Schatzkammer“, „Vorratskammer“. 2 Einen exzellenten Überblick über die geschichtlichen Entwicklungen im Handwerk und im Gewerbe bietet Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft. 3 Hawk, Law and Commerce in Pre-Industrial Societies, 206 ff.
2
Wernicke
Die historische Entwicklung des Kammerwesens
Rz. 3 Einf.
nennen, darunter die der italienischen Stadtkultur, der niederländischen Kompanien oder der englischen Kaufmannschaft4, allerdings war „kaufmännische Organisationsfähigkeit kein westliches Monopol“5. Den entscheidenden Eckdaten der Geschichte des „Kaufmannsbegriffs“6, soweit sie auch für § 1 Abs. 1 IHKG mit der Aufgabe, „Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns“ zu wahren, in der Auslegung Bedeutung erlangen, ist im dortigen Kontext nachzuspüren (s. § 1 Rz. 114). Standen auf der einen Seite Kaufmannsgilden als Schutzgemeinschaften, konnte Handel auf der anderen Seite als Teil des Aufgabengebietes des Staates angesehen werden, merkantilistische Perspektiven bildeten sich heraus7, häufig bezeichnet als Kommerzkollegien. Gleichwohl konnten sich frühe Ansätze der libertas commerciorum noch vor der ersten Verrechtlichung der Gewerbefreiheit in der Folge der französischen Revolution, auf dem Reichstag 1667 durchsetzen. Die zweite Traditionslinie liegt in der gesamtgesellschaftlichen Dimension: Der 3 Kommerzbegriff entwickelte sich in der Neuzeit weit über die ständische Ordnung hinaus: „Kommerzien“ wurde zunehmend weiter und allgemein verstanden als der Handel. Handlung, Kaufmannschaft sowie die gesamte Regelung von Tausch und Gewerbe standen im Deutschen „für die gesamtgesellschaftliche Perspektive“8, lange bevor es überhaupt zu einer originär „ökonomischen“ oder „wirtschaftlichen“ Begriffsbildung im 19. Jahrhundert kam: Die Ausbildung des Begriffs „der Wirtschaft“ selbst ist daher historisch kaum von der ihn begleitenden gesellschaftlichen Ausformung der Institutionen zu denken, es ging um „gemeinnueczliche commercien“: freier Handel war in diesem umfassenden Verständnis nicht ohne zugehörige Institutionen zu denken. Noch Art. 19 der Bundesakte von 1815 betraf daher den „Handel“ schlechthin, der nicht lediglich als Wirtschaftsfrage betrachtet 4 Schmoekle, Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 23 ff., zur Entwicklung des Handels in der frühen Neuzeit Vogler, Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500–1650, 275 ff. 5 Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, 1029, 1031, Sloterdijk, Im Weltinnenraum des Kapitals; Sombart, Der Bourgois, Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen, 1923 (1987), 102 f. 6 Die gesellschaftlichen Konnotationen sind bis heute polarisierend wirkmächtig: Zwischen den idealistischen Polen Adam Smith, der auf die „undertaker“ und den „merchant adventurer“ abstellte: „Verteilung der zum Leben notwendigen Güter“ (Theorie der ethischen Gefühle, zitiert nach Eckstein [2004], S. 316; An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776, 6) und G.W.F. Hegels den Kaufleuten unterstellte „gänzliche Unbarmherzigkeit“ (Jenaer Realphilosophie 1805/06, 255, 237, mit dem Anspruch, dass die Idealität des Staates in diese Sphäre hineinscheine) wurden alle Ansichten vertreten. 7 Becher, Politischer Discours von den eigentlichen Ursachen deß Auff- und Abnehmens der Städt, Länder und Republicken, 1668 (Commercien-Tractat); dazu auch Tribe, Governing Economy – The Reformation of German Economic Discourse 1750–1840. 8 Burkhardt, Stichwort „Wirtschaft“, Geschichtliche Grundbegriffe, Brunner, Conze, Kosellek (Hrsg.), „Handel“ zielte auch auf ein „abstrakteres Kollektivum von Tausch und Gewerbe“ mit der „Tendenz der Verallgemeinerung“, 564; zu den heutigen Konsequenzen s. § 1 Rz. 17 zur Reichweite des Begriffs wirtschaftlicher Angelegenheiten.
Wernicke
3
Einf. Rz. 3 Die historische Entwicklung des Kammerwesens wurde, sondern die gesamten kommerziellen Verhältnisse als Teil der Gesellschaft betraf. „Mit dem seit 1861 einberufenen Deutschen Handelstag … ragt ein Stück dieser Terminologie bis in die Gegenwart“9. 4
Kammern als Vertreter der Handeltreibenden waren damit früh Teil der konstitutionellen, auf Satzung beruhenden Traditionslinien intermediärer Institutionen10: sie stehen als „pouvoir intermédiaire“ gegen die Gefahren eines „demokratischen Despotismus“ verfassungsrechtlich labiler Nationalstaaten, sie sind „die aus Bürgern gebildeten Körperschaften“11, die als „Zwischengewalten“ im Kern einstehen für die Sicherung bürgerlicher Freiheit12 und erste Ansätze für das schaffen, was öffentliche Autonomie13 genannt wird.
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Von ähnlichen Grundsätzen geprägt ist das Bild der Wirtschaftskammern in europäischen Staaten. Exemplarisch sei verwiesen auf die französischen Chambres de Commerce als Einrichtung der öffentlichen Verwaltung („établissement public“), deren Geschichte bis zur Gründung der Handelskammer in Marseille 1599 zurückreicht14, oder auf die Ende des 19. Jahrhunderts nach französischem und deutschen Vorbild entstandenen spanischen Handelskammern (Cámaras de Commercio, Industria y Navigación“)15 mit der Aufgabe, das generelle Interesse der „Wirtschaftsgemeinschaft“ zu repräsentieren. Die Einrichtungen des Handels
9 Ebd., 585, zugleich kritisch zur späteren Vermengung des gesamtwirtschaftlichen Verständnisses mit einem eher sektoral-professionellen Wirtschaftsverständnis, 588 unter Rückgriff auf die Rede von Gustav Stresemann vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag 1928, ebd. mwN. 10 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1921 (1972), 158, 166 zur konstitutionellen Gewaltenteilung. 11 Alle Zitate nach Tocqueville, Über Demokratie in Amerika, 1835 (ed. 1959), 1. Band, Kap. 5, 2. Band, Kap. 6, 347 sowie das Kapitel „Über den politischen Verein in Amerika“, dazu auch Scheuner, Staatliche Verbandsbildung und Verbandsaufsicht in Deutschland im 19. Jahrhundert, Gesellschaftliche Strukturen als Verfassungsproblem, Intermediäre Gewalten, Assoziationen, Öffentliche Körperschaften im 18. und 19. Jahrhundert, 97, 102. 12 Wobei kein einheitliches Bürgertum bestand, vielmehr kam es in Kammern in Deutschland wie auch in Frankreich zu harten Auseinandersetzungen zwischen einem „Handelspatriziat“ und Kleinhändlern um die Ausweitung der Mitgliedschaft, dazu Haupt, Kleine und große Bürger in Deutschland und Frankreich am Ende des 19. Jahrhunderts, in Kocka (Hrsg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert, Bd. III, 81, 101 ff. mwN. 13 Habermas, Faktizität und Geltung, 112 ff. 14 Puaux, Le Chambres de comerce et d’industrie; Lefèvre, Les chambres de commerce et d’industrie, Quitkatt/Sack, Vom lokalen Notablen zur regionalen Verwaltung? – Institutioneller Wandel der französischen Chambres de commerce et d’industrie, in Sack (Hrsg.), Wirtschaftskammern im europäischen Vergleich, 87, 89 ff. 15 Medina/Molins, Institutioneller Wandel der spanischen Industrie- und Handelskammern, in Sack (Hrsg.), Wirtschaftskammern im europäischen Vergleich, 119 ff.
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Die historische Entwicklung des Kammerwesens
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spiegeln in ihrer Entwicklung damit sowohl räumlich wie zeitlich16 die lokalen bis nationalen Wirtschaftsverständnisse, damit auch das unterschiedliche Selbstverständnis der Mitglieder sowie die einsetzende Ausdifferenzierung nach dem jeweiligen nationalen Recht. Die europäischen Traditionslinien sind jedenfalls prägend für Kammern, die als 6 Vertretung einer Vielzahl von Akteuren aus dem Bereich der „Wirtschaft“ einzuordnen sind, darunter Handwerker, Kaufleute, Unternehmen. Ob und inwieweit sie auch Anwendung für „Kammern“ außerhalb des wirtschaftlichen Bereichs determinierend sind kann hier dahinstehen und muss trotz vieler Überschneidungen17 jeweils speziell beschrieben werden. So bestehen eine Vielzahl von Kammern als Vertretung der traditionell als „freie“ Berufe bezeichneten Tätigkeiten, darunter die der Ärzte, Apotheker, Notare, Rechtsanwälte Ingenieure, Steuerberater etc., komplettiert wird das Bild u.a. durch Landwirtschaftskammern und Pflegekammern in einigen Bundesländern. Berufsständische Kammern finden sich in nahezu allen europäischen Staaten, wenngleich in national, teilweise regional unterschiedlicher Ausgestaltung. 2. Industrie- und Handelskammern in Deutschland a) Zur Historie des Kammerwesens Die deutschen Industrie- und Handelskammern haben sich historisch aus den 7 beiden oben beschriebenen europäischen Traditionslinien heraus entwickelt18 – auf beide nimmt auch die Rechtsprechung immer wieder Bezug, indem sie in Bezug auf die Verkammerung und die Vereinigungsfreiheit von einem „alten Traditionszusammenhang“ bzw. davon spricht, die funktionale Selbstverwaltung habe „in Deutschland Tradition“19. Verfassungsdogmatisch ist dies relevant, denn wenn eine Regelungsmaterie normativ-rezeptiv einen vorgefundenen Normbereich aufgegriffen hat, ist die Regelungsgeschichte unter dem Gesichtspunkt des Traditio16 Zum Zeitbegriff der Wirtschaft zuletzt Spiliotis, Die Zeit der Wirtschaft, Business Statesmanship und die Geschichte der internationalen Handelskammer, 2019. 17 Zu Geschichte und Tradition der anwaltlichen Selbstverwaltung Griga, Verfassungsrechtliche Grundlagen der selbstverwalteten Anwaltschaft, 161. 18 Umfassende Darstellungen der geschichtlichen Entwicklung u.a. bei Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 123; Tettinger, Kammerrecht, 35; Regionale Besonderheiten sind den zahlreichen, anlässlich von Kammerjubiläen erschienenen Denk- und Festschriften zu entnehmen, die meistens die Geschichte der einzelnen Kammer im Zusammenhang mit der regionalen Wirtschaftsentwicklung darstellen. Am umfassendsten weiterhin die DIHT-Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern und des DIHT von 1986. 19 Explizit BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111, sowie wiederholt in BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 2, GewArch 2017, 375: „Traditionslinie“, unter Verweis auf Hendler in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 2 Rz. 10 und Mann in HStR VI, 3. Aufl., § 146 Rz. 4 mwN.
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Einf. Rz. 7 Die historische Entwicklung des Kammerwesens nellen oder Herkömmlichen wesentlich – die einfachgesetzliche Ausformung bestimmt in diesen Situationen in der Regel auch den Zuweisungsgehalt der Kompetenznorm20. Insofern kommt der Kammergeschichte, wie sie in der normativen Ausgestaltung des IHKG Ausdruck gefunden hat, auch Bedeutung in der Auslegung zu s. § 1 Rz. 5. 8
Ergänzend zu den europäischen Traditionslinien ist für die deutsche Kammergeschichte darauf hinzuweisen, dass der Ursprung der deutschen IHKs wesentlich in dem Gedanken der Selbsthilfe durch genossenschaftlichen Zusammenschluss liegt, wie er sich in den Territorien des alten Deutschen Reiches seit dem Mittelalter in unterschiedlichen Formen (z.B. Gilden, Kommerzkollegien, preußische Korporationen) für Gewerbetreibende, besonders in den großen Handelsstädten, verwirklicht hatte21. In Nürnberg wurde z.B. 1560 die „Neue Marktordnung“ durchgesetzt, durch die die Marktordnung mit ihren festen Zeiten den Kaufleuten übertragen wurde, die sich im Folgenden zu einem Kollegium weiterentwickelte. Ein bekanntes Beispiel der Selbsthilfe war seit 1665 der Bau der sog. „Konvoischiffe“ in Hamburg, mit der die Hamburger Kaufleute, organisiert in der Commerzdeputation als unmittelbare Vorläuferin der Handelskammer, sich gegen Kaperfahrer zu wehren wussten: die Admiralität der Stadt sah sich dazu aus diplomatischen Gründen nicht im Stande22.
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Zum anderen haben die derzeitigen Kammern in ihrer Form und rechtlichen Struktur französische Vorbilder, indem die seit langem in Frankreich bestehenden Chambres de Commerce und Chambres Consultatives nach dem Frieden von Lunéville 1801 sowie dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 zunächst in den französisch gewordenen linksrheinischen Gebieten eingeführt und später unter preußischer Herrschaft nicht nur übernommen, sondern auch in rechtsrheinischen Landesteilen neu konstituiert wurden23.
20 Vgl. BVerfG v. 16.6.1954 – 1 PBvV 2/52, BVerfGE 3, 407, 414 ff.; BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, BVerfGE 33, 125, 152 – Facharzt; BVerfG v. 19.10.1982 – 2 BvF 1/81, BVerfGE 61, 149, 175 sowie zuletzt in Bezug auf das Recht der Wirtschaft BVerfG v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12, GewArch 2015, 215 Rz. 29. 21 Fischer, Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und Staat; Klein, Dokumente der Geschichte der Handelskammer Hamburg. 22 Ausführlich Handelskammer Hamburg (Hrsg.), 350 Jahre Handelskammer Hamburg, 28 ff. 23 Kaltenhäuser, Möglichkeiten und Perspektiven einer Reform der Organisation der Wirtschaftsverwaltung – eine rechtshistorische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Betrachtung des Industrie- und Handelskammerwesens; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 10 ff.
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b) Entwicklung eines allgemeinen preußischen Kammerrechts Für Aufbau und Aufgaben der preußischen Kammern ist das königliche Statut 10 vom 22.6.1830, dem die Handelskammer in Elberfeld und Barmen24 ihr Entstehen verdankt, ein wichtiges Dokument25. Schon damals wählte die Kammer ihren Vorsitzenden selbst, vor allem aber stand den Angehörigen des Kaufmannsstandes ab einer geringen Mindestgewerbesteuer ein unmittelbares Wahlrecht zur Kammer zu: damit war die unmittelbare Repräsentation und die Rückbindung an die Unternehmen im Bezirk gewährleistet. Für die naheliegende Aufgabe der Interessenrepräsentation war es noch zu früh: die Aufgaben beschränkten sich noch auf die Berichterstattung an die Staatsbehörden, auf die Aufsicht über Anstalten aus dem Bereich von Handel und Schifffahrt (kraft staatlicher Übertragung) sowie auf die Begutachtung von Personen, die z.B. als Makler oder als Verwalter von öffentlichen „Handels-, Fabrik- und Schifffahrtanstalten“ tätig werden sollten26. Diese Statuten wurden zum Vorbild für viele anschließende Gründungen von 11 Handelskammern. Die unter französischer Herrschaft gegründeten Kammern in Preußen erhielten 1831 die gleiche Struktur. Während bis dahin die Kammern ihr Recht in Einzelanordnungen des Landesherrn statuiert erhielten, so dass bis 1848 24 Handelskammern entstanden, allein in Bayern neun27, führte der nächste Schritt zu einer allgemeinen, also für das ganze Staatsgebiet geltenden „Verordnung über die Errichtung von Handelskammern“, die Preußische Handelskammerverordnung28 vom 11.2.1848. Damit ist der 11.2.1848, einer der letzten Tage des Vormärz, nicht allein der Ge- 12 burtstag eines allgemeinen preußischen Kammerrechts29 sondern der erste Schritt zum heutigen IHKG: Es sollten überall Kammern entstehen, wo ein wirtschaftliches Bedürfnis hierfür bestand, nur gewisse Grundfragen der inneren Struktur sollten staatlicher Genehmigung bedürfen30. Als Voraussetzung zukünftiger Inte24 Aus der Handelskammer von Elberfeld und Barmen ging die heutige IHK WuppertalSolingen-Remscheid hervor. 25 Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Düsseldorf, 1830, 490. 26 § 4 Satz 1 des Statuts verpflichtete dazu, „den Staatsbehörden ihre Wahrnehmungen über den Gang des Handels und Manufaktur-Gewerbes und ihre Ansichten über die Mittel zur Beförderung des Einen und des Andern darzulegen“. 27 Jahn, Freiheit durch Zwang – 175 Jahre Handelskammern in Bayern, BayVBl. 2018, 761, 762. 28 PreussGS 1848, 63. 29 Dazu ausführlich van Eyll, Berufsständische Selbstverwaltung, in Jeserich/Pohl/von Unruh, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 3, 71 f. Gleichzeitig fanden die Auseinandersetzungen für und gegen die Zünfte sowie zwischen Meistern und Gesellen im Handwerk statt: der gesamtdeutsche Handwerkerkongress im Juli 1848 wehrte sich etwa gegen die Aufnahme von Gesellen: Moore, Ungerechtigkeit – die Sozialen Ursachen von Unterordnung und Widerstand, 203. 30 Kgl. VO v. 11.2.1848 – GS 63.
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Einf. Rz. 12 Die historische Entwicklung des Kammerwesens ressenrepräsentation wurde bereits eine fortlaufende Mitteilungspflicht statuiert, so dass die Unternehmen jedenfalls informiert waren, auch erste Ansätze der Interessenrepräsentation waren erkennbar31. 13
Die rasche Weiterentwicklung von Gesetzgebung, Wirtschaft und Verkehr nach 1848 drängte bald wieder zu einer Neuregelung. Auch machte die Vergrößerung des preußischen Staatsgebietes in den 60er Jahren eine Vereinheitlichung des Kammerrechts notwendig. So brachte das Preußische Handelskammergesetz vom 24.2.187032 zahlreiche Veränderungen gegenüber den Bestimmungen von 1848. Diese Veränderungen betrafen insbesondere die Kammeraufgaben. Aus dem konsultativen Gebilde nach französischem Vorbild, das in erster Linie Hilfsstelle für die Organe des Staates sein sollte, wurde nun ein Organ, dem – neben den fortgeltenden Unterrichtungs- und Beratungspflichten33 gegenüber dem Staat – erstmals ausdrücklich in § 1 die Wahrnehmung der „Gesamtinteressen der Handel- und Gewerbetreibenden“ im Bezirk zugewiesen war34. Diese Aufgabe blieb seitdem über Kriege und Umwälzungen hinweg das Leitmotiv deutscher Kammerarbeit. Das zeigt sich gut in Bayern, wo nach der Einrichtung von Handelskammern in jedem Regierungsbezirk 1843 mit der Gewährung der Gewerbefreiheit seit 1868 auch die Handelskammern bei vollständigem Initiativrecht mit einer „ständigen Wirksamkeit“35 in Bezug auf die Interessenvertretung beauftragt wurden, sie sollten gemeinsame Positionen entwickeln und gegenüber der Verwaltung vertreten, in der sie betreffenden Gerichtsbarkeit erhielten sie sogar das Recht zur Beteiligung an der Berufung der Handelsrichter-Beisitzer. Bis 1870 entstanden auf diesen Grundlagen weitere 39 Kammern36.
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Den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen Körperschaften wurden also „nicht alte Privilegien zurückgegeben“ sondern vielmehr „Kompetenzen im Interesse des Ganzen“ verliehen37. Insgesamt ist das preußische Handels31 § 4 Abs. 1, Kgl. Verordnung, supra Fn. 28: Die Handelskammern haben die Bestimmung, „nach eigenem Ermessen ihre Wahrnehmungen über den Gang des Handels und der Gewerbe … zur Kenntnis (der) Behörden zu bringen und diesen ihre Ansichten darüber mitzutheilen, durch welche Mittel Handel und Gewerbe zu fördern sind, welche Hindernisse entgegen stehen und in welcher Weise dieselben zu beseitigen sind“. 32 Gesetz über die Handelskammern, PreussGS 1870, 134. Die Geschichte der preußischen Kammern ebenso wie die Entwicklung hin zum Handelskammergesetz von 1870 sind umfangreich dargestellt in Lusinsky (Hrsg.), Gesetz über die Handelskammern, Berlin 1897, 2. Aufl. 1909, Einleitung. An die Stelle der Bezeichnung „Handelskammer“ trat die Bezeichnung „Industrie- und Handelskammer“ durch die VO v. 1.4.1924. 33 § 1, wonach die Kammern die Aufgabe hatten „die Behörden in der Förderung des Handels durch tatsächliche Mitteilungen, Anträge und Erstattung von Gutachten zu unterstützen“. 34 Lusinsky, a.a.O., § 1, 52 ff. 35 Königliche allerhöchste Verordnung, König Ludwig II von Bayern, v. 20.12.1868. 36 Ullmann, Interessenverbände in Deutschland, 24. 37 Kirste, Theorie der Körperschaft des öffentlichen Rechts, 138.
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kammergesetz von 1870 mit relativ geringfügigen Ergänzungen und Änderungen – im Laufe der Zeit hatten sich auch die Kammern über das gesamte Staatsgebiet ausgebreitet – bis zur Gleichschaltung durch das NS-Regime für das Kammerwesen maßgeblich gewesen; es hatte zuvor in seinen Grundzügen auch die anderen landesrechtlichen Regelungen im Deutschen Reich mitbestimmt. c) Das Kammerwesen im Nationalsozialismus Die weitgehende Unabhängigkeit, die das damalige Recht den Kammern und der 15 in ihnen vertretenen kaufmännischen Selbstverwaltung eingeräumt hatte, passte nicht zum Aufbau und zu den Vorstellungen des totalitären Staates von 1933 – 1945. Trotz Versuchen der Führung des DIHT im April 1933, sich durch echte oder vorgespiegelte Nähe der Wirtschaft zum Nationalsozialismus anzupassen38, obwohl zuvor etwa in der IHK Berlin die jüdischstämmigen Vizepräsidenten und Syndici aus ihren Ämtern entfernt wurden39, wurden bereits im Mai 1933 die Geschäftsräume von der SA besetzt, vom Reichskommissar für die Wirtschaft ein neuer Präsident eingesetzt, und schon in der Vollversammlung vom Juni 1933 waren nur noch Parteigänger präsent40. Der Deutsche Industrie- und Handelstag wurde 1935 aufgelöst, nachdem bereits 1934 die IHKs unmittelbar der Aufsicht des Reichswirtschaftsministeriums unterstellt worden waren41. Von Anfang an war somit das Kammersystem unmittelbaren Eingriffen des Reichsgesetz- und Verordnungsgebers unterworfen, die sämtlich auf Unterstellung unter die Staatsgewalt und auf die Einbeziehung in deren Hoheitsbereich hinausliefen42. Die Gestaltung, die die Wirtschaftsorganisation in diesen Jahren schließlich erhielt – die Bildung von Wirtschaftskammern und Gauwirtschaftskammern unter der Dominanz des sog. Führerprinzips43, etwa durch Ernennung der Vorsitzenden durch 38 Lt. Verhandlungen des Deutschen Industrie- und Handelstages v. 3.4.1933, Heft 2, Berlin 1933, Protokoll des Hauptausschusses wurde begrüßt, „dass jetzt eine starke nationale Regierung mit einer unerhörten Fülle von Gesetzgebungsvollmacht über Staat und Wirtschaft waltet“. Vorstandsmitglieder wurden zum Rücktritt gezwungen, der Vorstand trat im April 1933 zurück, nationalsozialistische Parteigänger übernahmen die Führungspositionen. 39 Aufschlussreich, insbesondere hinsichtlich des Schicksals des ersten Syndikus der IHK Berlin, Oscar Meyer: Hertz, Die Industrie- und Handelskammer zu Berlin, 64. 40 Hardach, ebd. 87. 41 Verordnung über die Industrie- und Handelskammern v. 20.8.1934, RGBl. 1934, I, 790, § 1. 42 Bedeutsam waren insbesondere das Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft v. 27.2.1934, RGBl. I, 1934, 185 ff., und die Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft v. 27.11.1934, RGBl. I, 1934, 1194 mit der Unterstellung aller Kammern und Wirtschaftsverbände unter das Reichswirtschaftsministerium. 43 Ausdrücklich § 2 der Verordnung von 1934, supra Fn. 41, ebenso später die Gauwirtschaftskammerverordnung v. 20.4.1942, RGBl. I, 189 und die Gauwirtschaftskammer-
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Einf. Rz. 15 Die historische Entwicklung des Kammerwesens den Reichswirtschaftsminister, – hatten mit den früheren Industrie- und Handelskammern nichts mehr gemein: die Selbstverwaltung war am Ende, es war der „Abschied von den Industrie- und Handelskammern“44. Viele IHKs haben die Zeit des Nationalsozialismus in eigenen Publikationen aufgearbeitet, um in voller Transparenz ihrer Verantwortung vor der Geschichte gerecht zu werden45. Dies ist Teil wachsenden Bewusstseins der Unternehmen insgesamt für geschichtliche Verantwortung46, ausgedrückt auch in der Beteiligung der Wirtschaft in der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft EVZ als größter öffentlich-rechtlichen Stiftung der Bundesrepublik Deutschland47. d) Das Kammerwesen nach 1945 16
Für die Besatzungsmächte nach dem Kriegsende 1945 war es selbstverständlich, dass die Erscheinungsformen der nationalsozialistischen Wirtschaftsorganisation sofort zu beseitigen waren. Zugleich wurde das Vorhandensein einer organisierten Vertretung der Kaufmannschaft als wichtiges und unterstützendes Element einer demokratischen Wirtschaftsverfassung empfunden; insofern fand das Wiedererstehen der Kammern, die dem politischen Diktat weichen mussten, bei den drei westlichen Besatzungsmächten Verständnis und Zustimmung48. Doch verfolgten die Besatzungsmächte alles mit Misstrauen, was eine ihnen ungewohnte Form aufwies, oder was nach Zusammenballung wirtschaftlicher Macht und nach Zusammenfassung oder Eingliederung durch hoheitliche Handlung aussah. Das traditionell überkommene Prinzip der gesetzlich vorgeschriebenen Zugehörigkeit zu einer Industrie- und Handelskammer und der Charakter der Kammerbeiträge als
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Aufbau-VO v. 30.5.1942, RGBl. I, 371, allgemein Esenwein-Rothe, Die Wirtschaftsverbände 1933-1945. So bereits die Überschrift von Most, Abschied von den Industrie- und Handelskammern, Deutsche Wirtschaftszeitung 1943, Heft 13, 147. Einen guten Überblick leistet Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 342 ff.; Vgl. auch jeweils Hertz, Die Industrie- und Handelskammer zu Berlin, 2008, 61 ff.; zur Handelskammer Hamburg Bahnsen, Hanseaten unter dem Hakenkreuz; Bielfeldt, Vom Werden Groß-Hamburgs – Citykammer, Gauwirtschaftskammer, Handelskammer, in Staat und Wirtschaft; zur Geschichte des DIHK Hardach, Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag 1861 – 2011, 85 ff. Auch weitere geschichtliche Aufarbeitung findet in IHKs statt, etwa in der HK Hamburg durch Findbücher zur Kolonialgeschichte, www.hk24.de. Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ v. 2.8.2000, BGBl. 2000 I, 1263; dazu Spiliotis, Verantwortung und Rechtsfrieden – Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, 2003, die in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen haben die Hälfte des Stiftungsvermögens aufgebracht. Zur Reorganisation der Wirtschaftsverbände nach 1945 Bührer, Geschichte und Funktion der deutschen Wirtschaftsverbände, in Schroeder/Weßels (Hrsg.), Handbuch Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in Deutschland, 2. Aufl., 53, 65 f.
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Die historische Entwicklung des Kammerwesens
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öffentliche Abgaben, die wie Steuern beigetrieben werden konnten, wurde daher nur von der französischen Besatzungsbehörde aus ihrer Vertrautheit mit diesem System ohne weiteres anerkannt, nicht aber von den britischen und amerikanischen Stellen, deren Kammersystem auf ganz anderen, privaten Grundlagen beruhte. So suchte jede Besatzungsmacht auf eigenen Wegen nach einer Lösung und es wurden sehr unterschiedliche Provisorien getroffen, auf deren Grundlage die allenthalben wiedererrichteten Kammern während einer Epoche fast beispielloser Intensivierung des Wirtschaftslebens für mehr als ein Jahrzehnt leben und wirken mussten. So erklären sich die Merkmale des deutschen Kammerrechts nach 1945: Zersplitterung, Unklarheit und Rechtsunsicherheit. Nach der Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 spra- 17 chen gewichtige Gründe für eine bundesrechtliche Regelung: die Einheitlichkeit des deutschen Wirtschaftsgebietes, sowie die Tatsache, dass das Wirtschaftsrecht nur vom Bund geregelt werden konnte. Die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) war weitgehend dem Bund zugewiesen, das umfasste auch die berufsordnenden Gesetze und das Wirtschaftsorganisationsrecht49. Es war systematisch zwingend, dass die Kammern als Organe der Wirtschaftspflege und der Wirtschaftsbetreuung ihre rechtliche Ordnung einheitlich vom Bund erhielten. Die Konsequenz war das Bundesgesetz vom 18.12.195650, den Ländern ist darin nur die Zuständigkeit für ergänzende Regelungen vorbehalten. Die Entstehungsgeschichte des IHKG ist dabei gut dokumentiert und wird zur Auslegung der Reichweite der Normen herangezogen s. § 1 Rz. 3, 329. Das Kammerrecht selbst ist angesichts der übertragenen Aufgaben sowohl ein Teilgebiet des öffentlichen Wirtschaftsrechts als auch des Verwaltungsorganisationsrechts. Auch wenn die IHKs keine unmittelbare Erwähnung im Grundgesetz gefunden 18 haben, sondern ihre gesetzliche Grundlage im IHKG und damit im dispositiven Gesetzesrecht finden, ist hervorzuheben, dass auf landesverfassungsrechtlicher Ebene die IHKs teilweise explizite Erwähnung mit der Folge einer Selbstverwaltungsgarantie finden51.
49 Maunz in Maunz/Dürig, GG Kommentar, Stand 2018, Art. 74 Rz. 130 f. 50 BGBl. I, 920. 51 Vgl. Art. 59 der Verfassung des Saarlandes, wonach die Wirtschaft des Saarlandes „ihre öffentlich-rechtliche Vertretung“ in den Kammern findet. Art. 57 Abs. 1 der niedersächsischen Verfassung enthält eine die IHKs umfassende Selbstverwaltungsgarantie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, ähnlich Art. 71 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Verfassungsrechtlich kommen auch die Förderklauseln zugunsten genossenschaftlicher Organisation zum Tragen, die auch zu Gunsten der funktionalen Selbstverwaltung geltend gemacht werden können; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 518, zu den genossenschaftlichen Organisationsformen bei Kammern; Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 402.
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Einf. Rz. 19 Die historische Entwicklung des Kammerwesens e) Das Kammerwesen in der DDR und in den neuen Bundesländern 19
In der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone wurden die Gauwirtschaftskammern unmittelbar nach Kriegsende zunächst aufgelöst, aber bereits im Herbst 1945 von den Ländern wieder Industrie- und Handelskammern zugelassen. Im Jahre 1953 wurden sie erneut aufgelöst und in demselben Jahr als eine einheitliche IHK der DDR wiedererrichtet. Im Jahre 1958 wurden mit der Verordnung über die Industrie- und Handelskammern der Bezirke52, die Bezirksdirektionen der einheitlichen IHK selbständige juristische Personen und den Räten der Bezirke unterstellt. Aufgrund des Beschlusses des Ministerrates vom 2.2.1983 wurde die Verordnung über die Industrie- und Handelskammern der Bezirke durch das Statut der Handels- und Gewerbekammern (HGKs) der Bezirke ersetzt; seitdem bestanden bis zur Vereinigung beider deutscher Staaten in den 14 Bezirken der früheren DDR und in Ostberlin Handels- und Gewerbekammern. Pflichtmitglieder der Handels- und Gewerbekammern waren private Kleinunternehmer (Großhändler, Einzelhändler, Kommissionshändler, Gaststättenbetriebe, Drogerien, Gartenbaubetriebe sowie private Transport-, Verkehrs- und Dienstleistungsbetriebe). Außer dem Namen hatten diese Kammern mit den Industrie- und Handelskammern in freien westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen nichts gemein. Sie waren zur Teilnahme am Aufbau des Sozialismus verpflichtet und in das System der zentralen Verwaltungswirtschaft eingebunden. Sie hatten ihre Mitglieder zur Planerfüllung und zur fachlichen und politischen Qualifizierung anzuhalten; sie schlossen ferner für die Beschäftigten ihrer Mitgliedsunternehmen Tarifverträge ab. Die Leitung lag bei einem Direktor, der vom Vorsitzenden des Rates des Bezirkes berufen und abberufen wurde und der dessen Weisungen unterlag.
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Noch während des Umbruch in der früheren DDR Ende 1989 und zu Beginn des Jahres 1990 bildeten sich spontane Initiativen der privaten Unternehmer mit dem Ziel, die Handels- und Gewerbekammern in vom Staat unabhängige, demokratisch legitimierte Industrie- und Handelskammern umzuwandeln. Gründungsversammlungen wählten Präsidenten und ersetzten die bisherigen Direktoren durch Hauptgeschäftsführer. Diese Entwicklung vollzog sich zunächst im rechtlich ungeregelten Raum. Erst die Verordnung über die Industrie- und Handelskammern in der DDR vom 1.3.199053 (VO) gab nachträglich die erforderliche Rechtsgrundlage. Sie ordnete die Bildung von Industrie- und Handelskammern nach regionalwirtschaftlichen Gesichtspunkten an und qualifizierte die Industrie- und Handelskammern ausdrücklich als „Organisationen der gewerblichen Selbstverwaltung und der regionalwirtschaftlichen Interessenvertretung“. Auch sonst war die Verordnung weitgehend am IHKG orientiert und sah Pflichtmitgliedschaft für alle Gewerbetreibenden und als Aufgabenbereich die Vertretung des gesamtwirtschaftlichen Interesses der Bezirkswirtschaft vor. Eine frei ge52 GBl. 1958 I, Nr. 61. 53 BGBl. I, Nr. 15.
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Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens
Rz. 23 Einf.
wählte Vollversammlung als oberstes Organ hatte ihrerseits den Präsidenten zu wählen und den Hauptgeschäftsführer zu bestellen. Mit der Erstreckung des IHKG durch den Einigungsvertrag auf das Gebiet der 21 fünf neuen Bundesländer54 wurden die dort errichteten Industrie- und Handelskammern Kammern im Sinne des IHKG. Die Verordnung vom 1.3.1990 hatte als staatlicher Gründungsakt bereits den verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Anforderungen genügt, die für die Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erforderlich sind. Ausreichend war dabei die Festlegung, dass in der früheren DDR Industrie- und Handelskammern gebildet werden (§ 1 Abs. 1 VO), dass die bis dahin bestehenden Handels- und Gewerbekammern aufgelöst werden (§ 10 Abs. 1 VO) und das Statut der Handels- und Gewerbekammern außer Kraft tritt (§ 10 Abs. 3 VO)55. In allen neuen Bundesländern bestehen Landesausführungsgesetze zum IHKG. Ende 2019 gibt es in Deutschland 79 Industrie- und Handelskammern. Deren 22 Anzahl variiert über die Jahre wegen Zusammenschlüssen von Kammern, zuletzt 2016 etwa die Fusion der IHK Bremerhaven mit der Handelskammer Bremen.
II. Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens 1. Organisationsrecht Die Organisationsform der Kammer folgt aus ihren Aufgaben gemäß § 1 (s. § 7 23 Rz. 17 ff.): a) das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks wahrzunehmen (Vertretung und Förderung der gewerblichen Wirtschaft, s. § 1 Rz. 31 ff., 72 ff.), b) die Wahrnehmung von Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung (vgl. § 1 Rz. 208 ff.), c) sowie Gerichte und Verwaltung durch Gutachten, Berichte und Vorschläge zu unterstützen (s. § 1 Rz. 88 ff.).
54 Einigungsvertrag v. 31.8.1990 Anlage I, Kapitel V, Sachgebiet B, Abschn. III, Ziff. 4, BGBl. II, 885, 1000. 55 Daraus ergab sich der Wille des Verordnungsgebers, die Industrie- und Handelskammern räumlich an die Stelle der vormaligen HGKs treten zu lassen. Das wird bestätigt durch eine Anordnung des damaligen Ministers für Wirtschaft v. 25.9.1990, in welcher zu § 1 Abs. 1 der VO festgelegt wurde, dass die bestehenden Bezirksgrenzen der früheren DDR gleichzeitig die Grenzen für die Kammerbezirke der IHKs bilden. Errichtung, Auflösung oder Umgliederungen fallen seit der Erstreckung des IHKG auf die neuen Bundesländer in die Kompetenz der Bundesländer, die dabei von den durch die VO geschaffenen Kammerbezirken auszugehen haben.
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Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens
Rz. 23 Einf.
wählte Vollversammlung als oberstes Organ hatte ihrerseits den Präsidenten zu wählen und den Hauptgeschäftsführer zu bestellen. Mit der Erstreckung des IHKG durch den Einigungsvertrag auf das Gebiet der 21 fünf neuen Bundesländer54 wurden die dort errichteten Industrie- und Handelskammern Kammern im Sinne des IHKG. Die Verordnung vom 1.3.1990 hatte als staatlicher Gründungsakt bereits den verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Anforderungen genügt, die für die Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erforderlich sind. Ausreichend war dabei die Festlegung, dass in der früheren DDR Industrie- und Handelskammern gebildet werden (§ 1 Abs. 1 VO), dass die bis dahin bestehenden Handels- und Gewerbekammern aufgelöst werden (§ 10 Abs. 1 VO) und das Statut der Handels- und Gewerbekammern außer Kraft tritt (§ 10 Abs. 3 VO)55. In allen neuen Bundesländern bestehen Landesausführungsgesetze zum IHKG. Ende 2019 gibt es in Deutschland 79 Industrie- und Handelskammern. Deren 22 Anzahl variiert über die Jahre wegen Zusammenschlüssen von Kammern, zuletzt 2016 etwa die Fusion der IHK Bremerhaven mit der Handelskammer Bremen.
II. Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens 1. Organisationsrecht Die Organisationsform der Kammer folgt aus ihren Aufgaben gemäß § 1 (s. § 7 23 Rz. 17 ff.): a) das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks wahrzunehmen (Vertretung und Förderung der gewerblichen Wirtschaft, s. § 1 Rz. 31 ff., 72 ff.), b) die Wahrnehmung von Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung (vgl. § 1 Rz. 208 ff.), c) sowie Gerichte und Verwaltung durch Gutachten, Berichte und Vorschläge zu unterstützen (s. § 1 Rz. 88 ff.).
54 Einigungsvertrag v. 31.8.1990 Anlage I, Kapitel V, Sachgebiet B, Abschn. III, Ziff. 4, BGBl. II, 885, 1000. 55 Daraus ergab sich der Wille des Verordnungsgebers, die Industrie- und Handelskammern räumlich an die Stelle der vormaligen HGKs treten zu lassen. Das wird bestätigt durch eine Anordnung des damaligen Ministers für Wirtschaft v. 25.9.1990, in welcher zu § 1 Abs. 1 der VO festgelegt wurde, dass die bestehenden Bezirksgrenzen der früheren DDR gleichzeitig die Grenzen für die Kammerbezirke der IHKs bilden. Errichtung, Auflösung oder Umgliederungen fallen seit der Erstreckung des IHKG auf die neuen Bundesländer in die Kompetenz der Bundesländer, die dabei von den durch die VO geschaffenen Kammerbezirken auszugehen haben.
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Einf. Rz. 23 Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens Kammern sind damit sowohl autonomer Teil des wirtschaftspolitischen Willensbildungsprozesses und gleichzeitig staatsentlastend in der Wirtschaftsverwaltung tätig. Die Typik der übertragenen Aufgaben hat organisationsrechtliche Konsequenzen: Die Gesamtinteressenwahrnehmung fordert zum einen zwingend gesetzliche Mitgliedschaft (s. § 1 Rz. 38) einschließlich Beitragspflicht sowie zum anderen eine binnenplurale Ausgestaltung der IHKs in allen ihren Ausprägungen, von der Bildung des Gesamtinteresses bis zur Normierung der Wahl56. Für diese Aufgabentrias ist die Körperschaft des öffentlichen Rechts die geeignete rechtliche Form, auch wenn andere Organisationsformen nicht grundsätzlich ausgeschlossen wären. 24
Organisationsrechtlich gelten damit nachstehende Grundsätze: – Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöR), § 3 Abs. 1, s. § 3 Rz. 1 ff. – Es besteht gesetzliche Mitgliedschaft, § 2, s. § 2 Rz. 3 ff. – Die Kammerzugehörigen sind gesetzlich zur Zahlung von Kammerbeiträgen verpflichtet, § 3 Abs. 2, s. § 3 Rz. 40 ff. – Kammerbeiträge und Gebühren sind öffentliche Abgaben, s. § 3 Rz. 43 ff. – Jede IHK ist eine auf ihren Bezirk bezogene regionale Wirtschaftsorganisation, s. § 1 Rz. 39. – Jede IHK hat eine duale Organstruktur bestehend aus Ehrenamt und Hauptamt s. § 5 Rz. 92, § 7 Rz. 1, 12 ff. – Als Körperschaft öffentlichen Rechts untersteht jede IHK der Rechtsaufsicht des jeweiligen Bundeslandes, § 11; s. § 1 Rz. 4 ff. – Die IHKs sind Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft (s. Rz. 27, § 3 Rz. 1 ff.) mit Satzungsgewalt, Personal- und Bezirksgebietshoheit sowie Finanzautonomie.
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Die Aufgaben der Kammern sind regionalbezogen. Sie vertreten und betreuen die Gewerbebetriebe ihres Bezirks und sie haben die Interessen der gewerblichen Wirtschaft ihres Kammerbezirks als Wirtschaftsraum wahrzunehmen. Dabei können allerdings auch Ereignisse außerhalb des Kammerbezirks die regionale Wirtschaft betreffen und umgekehrt überregionale Auswirkungen die Abwägung und die Handlungen der IHK beeinflussen. Das gilt in unterschiedlichem Maße auf Landes, Bundes-, Europa- und Internationaler Ebene. Die Repräsentation der Kammern auf den Ebenen, die den Bezirk überschreiten, geschieht teilweise durch eigenständige Kammerverbünde, ganz überwiegend aber über Landesarbeitsgemeinschaften bzw. durch den DIHK vgl. Rz. 49 ff. Da die Wirtschaftsverbände im Allgemeinen nur auf Bundes- und Landesebene organisiert sind und die Hand56 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164, GewArch 2017, 375.
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werkskammern jeweils einen ganzen Regierungsbezirk umfassen, sind die Industrie- und Handelskammern praktisch die einzige regionale und lokale Einrichtung, welche die Interessen der gewerblichen Wirtschaft gegenüber Kommunen und Kommunalverbänden vertritt. Eine eigenständige internationale Tätigkeit außerhalb der Grenzen des Bundesgebietes ist nur eingeschränkt möglich: Soweit ein unmittelbarer Bezug zur regionalen Wirtschaft hergestellt werden kann, z.B. im Bereich der Außenwirtschaft, ist die Handlungskompetenz zu bejahen. Hoheitliche Akte hingegen sind den IHKs im Ausland verwehrt.
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2. Funktionale Grundsätze: das Prinzip der Selbstverwaltung Funktional gilt für die Kammern das Prinzip der Selbstverwaltung. Der Begriff 27 der Selbstverwaltung57 ist überaus vielfältig: zu unterscheiden sind rechtliche, administrative, politische, soziale und organisatorische Bedeutungsebenen. Er kann zurückgeführt werden auf zugrundeliegende Souveränitätsgedanken58, wie besonders in der kommunalen Selbstverwaltung deutlich wird. Er ist allerding auch vereinzelt allein aufgabenbezogen und damit getrennt von der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft interpretiert worden59. Als Ordnungsprinzip im Wirtschaftsverwaltungs- bzw. organisationsrecht kann er definiert werden als „die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch vom Staat dazu berufene öffentlich-rechtliche Körperschaften unter staatlicher Aufsicht, aber mit eigener Verantwortung und eigener Entschlussfreiheit, sowie mit eigenen Organen“60. Selbstverwaltung dient zugleich der Beschreibung einer bestimmten Tätigkeitsform der Verwaltung als auch der organisatorischen Verwirklichung derselben. Funktionale Selbstverwaltung stellt sich als die Ausübung öffentlicher Autonomie dar. Eine demokratisch strukturierte 57 Die Literatur zur Selbstverwaltung ist überaus reichhaltig: Grundlegend Kluth, Funktionale Selbstverwaltung; Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft; Huber, Selbstverwaltung der Wirtschaft; Scheuner, DÖV 1952, 611; Jäkel/Junge, Industrie- und Handelskammern, 16; Vogel in Stober (Hrsg.), Lexikon des Rechts der Wirtschaft, 303; Jahn, Wirtschaftliche und freiberufliche Selbstverwaltung durch Kammern, GewArch 2002, 353 ff. 58 Rosin, Souveränität, Staat, Gemeinde, Selbstverwaltung – Kritische Begriffsstudien, Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung 1883, 265, 305, mit Verweis auf Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs, Band I, S. 95 ff. 59 Vgl. Henke, Rechtsformen der sozialen Sicherung, VVDStRL 1970, 149, 167 ff., dagegen Will, ob cit., 25 mit dem Hinweis auf die notwendige formale Zuordnung. Entscheidend ist, ob Anknüpfungspunkt der rechtliche Verband ist, der entsprechend der Aufgaben öffentlich-rechtlicher Natur sein müsste, oder vielmehr das zur Mitwirkung berufene Mitglied ist, ob als Bürger, Versicherter, Universitätsangehöriger, Selbständiger, Unternehmen. Körperschaften sind Ausdruck der Wechselbeziehung zwischen Mitglied und staatlicher Verwaltung sowie der Integration gesellschaftlicher Interessen.; dazu Schuppert, Selbstverwaltung als Beteiligung Privater, in Festschrift von Unruh, 1983, 183 ff., 187. 60 Most, Selbstverwaltung; ebenso Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 110.
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Einf. Rz. 27 Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens Selbstverwaltung (s.§ 5 Rz. 2 f., 26 ff.) kann sogar einen Mehrwert an Demokratie61 in der Gesellschaft bieten, denn die der Rechtsnorm Unterworfenen sind dann an deren Erzeugung beteiligt, es kommt zu einer weitgehenden Kongruenz zwischen Normsetzer und Normunterworfenen62. 28
Selbstverwaltung ist – ausgehend von dem epochalen Verfassungsakt63 der SteinHardenberg-Reformen 180864, darunter die Gewerbe- und Finanzreform mit Aufhebung der Binnenzölle, der Einführung der Gewerbefreiheit und der Abschaffung des Zunftzwangs – ein zentrales Organisationsprinzip eines demokratischen Staates65 und hat in Deutschland zu einer großen Zahl von Kammern und sonstigen Nichtgebietskörperschaften geführt66. Wirtschaftliche ebenso wie berufsständische Selbstverwaltung stehen dabei neben der kommunalen, sozialen (Sozialversicherungsträger) und der kulturellen Selbstverwaltung (Kirchen und Hochschulen). Die Selbstverwaltung verkörpert in Deutschland eine freiheitliche Traditionslinie in der neuzeitlichen Entwicklung der über weite Strecken durch autoritäre Strukturen geprägten Staats- und Verwaltungsorganisation67, ihrer Idee nach ist Selbstverwaltung bei Annäherung von Staat und Gesellschaft gegen die Etatisierung gerichtet68, sie ist „tätige bürgerliche Freiheit“69 und Element gesamtgesellschaftlicher Partizipation70. Gerade letzteres ist funktional von fundamentaler Bedeutung: Auch wenn wirtschaftliche Selbstverwaltung notwendig über die ausschließliche Zugehörigkeit von Unternehmen nur einen gesellschaftlichen Teil61 Ebenso das BVerfG im Jahr 2002, Selbstverwaltung „verstärke“ das demokratische Prinzip, BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, 107, 59, 92; BVerfGE- Lippeverband, Mitwirkung habe „eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion“, BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335 (337) – IHK-Pflichtmitgliedschaft. 62 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 181. 63 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. II, 150. 64 Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 11; Schwab, Die Selbstverwaltungsidee des Freiherrn von Stein und ihre geistigen Grundlagen; Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution; Hagen Schulze, Die Stein-Hardenberg’schen Reformen und ihre Bedeutung für die deutsche Geschichte, in Schulze (Hrsg.), Preußen. Seine Wirkung auf die deutsche Geschichte, 201 ff. 65 BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, BVerfGE 33, 125; Hendler in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 9. 66 Aus dem umfangreichen Schrifttum zur Selbstverwaltung: Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip; Stober, Die Industrie- und Handelskammer als Mittler zwischen Staat und Wirtschaft; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung; Tettinger, Kammerrecht. 67 Hendler in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 9. 68 Stolleis, Die Entstehung des Interventionsstaates und das öffentliche Recht, in Stolleis (Hrsg.) Konstitution und Intervention. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts im 19. Jahrhundert, 253, 259. 69 Otto von Gierke, zitiert nach Hendler in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., 55 ff. 70 Zum Partizipationsgedanken auch später Gneist und Gierke („aktive Volksfreiheit“), so Hendler in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStrR IV, 1999, § 106.
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bereich repräsentiert, ist ihre Aufgabe und ihr Anspruch notwendig gesamtgesellschaftlich. Dies kommt insbesondere durch den Kernauftrag der IHKs, die Gesamtinteressenwahrnehmung nach § 1, zum Ausdruck, der Integrationsfunktion widerstreitender Interessen. (s. § 1 Rz. 48). Funktionale Selbstverwaltung umfasst als Begriff alle nichtkommunalen Selbstver- 29 waltungsträger. Sie „ergänzt und verstärkt das demokratische Prinzip“ – so explizit das BVerfG in der Entscheidung zu einem Wasserverband71. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist weit, für die demokratische Legitimation in der funktionalen Selbstverwaltung, die das demokratische Prinzip per se ergänzt und verstärkt, kommt es nicht auf die Form an, sondern dass die durch Gesetz geschaffenen Organisationsformen der Selbstverwaltung ein hinreichendes, effektives Legitimationsniveau aufweisen72. Die Wesensmerkmale der funktionalen Selbstverwaltung sind: die öffentlich- 30 rechtliche Organisationsform, in der Regel als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit gesetzlicher Mitgliedschaft, die Bildung eigenständiger Organe aufgrund freier Wahlen, die Satzungsgewalt, die Personal- und Ehrenamtshoheit, die Finanz-, Haushalts- und Abgabenhoheit, die Kooperationshoheit und eine gegenständlich beschränkte Rechtsaufsicht (bei Fehlen einer Fachaufsicht)73. Die Kriterien sind für die IHKs gegeben. IHKs sind als Körperschaften des öf- 31 fentlichen Rechts statuiert, sie bestimmen ihre Organe selbst. Die Kammerzugehörigen wählen die Vollversammlung; diese wählt wiederum das Präsidium und bestellt den Hauptgeschäftsführer. Damit ist nicht allein die personelle Legitimation, wie sie das Verfassungsrecht auch für Teilkörperschaften innerhalb des Staates fordert, gesichert, sondern auch die notwendige Repräsentativität gesichert74. Die Kammern regeln ihre Finanzen selbst durch die Vollversammlung, die den 32 Haushaltsplan beschließt sowie die Höhe der Beiträge und Gebühren festsetzt. Schließlich konkretisiert die Vollversammlung die Aufgaben der Kammer im Wesentlichen selbst, legt die grundlegenden Positionen fest und regelt ihre eigenen Angelegenheiten durch Satzungsrecht. Satzungsgewalt, Personalhoheit und Finanzhoheit sind als entscheidende Merkmale einer Selbstverwaltungskörperschaft gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass der Staat den Kammern noch zusätzliche Aufgaben übertragen kann; denn auch solche Aufgaben werden in Selbstverwaltung 71 BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 – Lippeverband, GewArch 2003, 290. 72 BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 – Lippeverband, GewArch 2003, 290, Leitsatz 1, 2 sowie Orientierungssatz 1a. 73 Ausführlich Jahn, GewArch 2002, 353 ff. 74 Zum Begriff der Repräsentation allgemein Hofmann, Repräsentation; Leisner, Repräsentation im Öffentlichen Recht, DÖV 2019, 359; § 5 Rz. 47, 49 f.
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Einf. Rz. 33 Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens und Selbstverantwortung wahrgenommen – die Selbstverwaltung bleibt „Verwaltung“, die aber nicht durch den Staat selbst wahrgenommen wird. Die staatliche Aufsicht ist auf die Rechtsaufsicht beschränkt § 11 Rz. 1 ff.; ein fachliches Weisungsrecht ist auch bei übertragenen Aufgaben nicht gegeben75, s. § 1 Rz. 11. Es ist zweifelhaft, ob die IHKs eine Aufgabe unter Fachaufsicht überhaupt übernehmen dürften, denn damit wäre ein Kriterium der Selbstverwaltung aufgehoben (s. § 11 Rz. 3, § 1 Rz. 206). 3. Gesetzesgeschichte 34
1. Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18.12.1956 (BGBl. I, 920) Initiativantrag (BT 1964); Bericht des Wirtschaftsausschusses (BT 2380); Bundestagsprotokolle der 167. Sitzung am 26.10.1956 und der 173. Sitzung am 16.11.1956. 2. Art. 22 des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13.7.1961 (BGBl. I, 981) § 2 Abs. 6 wird gestrichen und stattdessen § 3 Abs. 4 ergänzt. Alle Gewerbetreibenden werden kammerzugehörig, wobei die Kleingewerbetreibenden jedoch weitgehend beitragsfrei bleiben. 3. § 103 des Berufsbildungsgesetzes vom 14 8.1969 (BGBl. I, 1112) § 1 Abs. 2, § 4 und § 8 werden ergänzt. Es handelt sich um Folgeänderungen zum Berufsbildungsgesetz. 4. Art. 9 Nr. 1 des Gesetzes zur Herabsetzung des Volljährigkeitsalters vom 31.7.1974 (BGBl. I, 1713) § 5 Abs. 2 wird angepasst. Als Folgeänderung zur Herabsetzung des Volljährigkeitsalters wird die Wählbarkeit zur Vollversammlung auf das 18. Lebensjahr herabgesetzt. 5. Art. 95 Nr. 5 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14.12.1976 (BGBl. I, 3341) § 3 Abs. 8 wird als Folgeänderung zur neuen Abgabenordnung geändert. Damit ändern sich auch die Verjährungsvorschriften für die Kammerbeiträge. 6. Einigungsvertrag vom 31.8.1990 nebst Zustimmungsgesetz vom 23.9.1990 (BGBl. II, 885) Das IHKG wird auf die neuen Bundesländer ausgedehnt. Abweichend von den §§ 3 Abs. 3 und 4 gilt bis 31.12.1992 eine Sonderregelung für die Beitragserhebung.
75 Dazu Kluth, Jahrbuch des Kammerrechts 2005, 211; Möllering, WiVerw 2006, 261.
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7. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung von Gesetzen auf dem Gebiete des Rechts der Wirtschaft vom 21.12.1992 (BGBl. I, 2133)76 Die Abgrenzung zum Handwerk wird durch § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 4 Satz 1 und § 13a Abs. 1 neu geklärt. Das Beitragsrecht wird durch § 3 Abs. 3, § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 dahin novelliert, dass der Gewerbeertrag, hilfsweise auch der Gewinn aus Gewerbebetrieb Bemessungsgrundlage für die Umlage wird, dass der Unterschied zwischen Kleingewerbetreibenden und Vollkaufleuten entfällt und alle Gewerbetreibenden zum Beitrag herangezogen werden. Als spezifische Datenschutzvorschrift wird § 9 eingefügt. Schließlich wird in § 14 die Beitragsregelung für die neuen Bundesländer bis 31.12.1997 verlängert. 8. Art. 4 des Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 23.11.1994 (BGBl. I, 3475) Als Folgeänderung zu § 14 GewO wird in die bereichsspezifische Datenvorschrift des § 9 Abs. 1 das Wort „Name“ eingefügt. 9. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 23.7.1998 (BGBl. I, 1887), Berichtigung vom 1.10.1998 (BGBl. I, 3158)77 Die Beitragsregelung in § 3 Abs. 3 und 4 wird dahin geändert, dass Kleinstgewerbetreibende wieder beitragsfrei werden und die Umlagefreigrenze für natürliche Personen und Personengesellschaften auf 30.000 DM erhöht wird. Ebenso wird für die Doppelmitgliedschaft zu Kammern der freien Berufe oder der Landwirtschaft eine niedrigere Bemessungsgrundlage festgesetzt. Schließlich erlaubt eine neue Vorschrift in § 1 Abs. 4a, dass die Kammern mit staatlicher Genehmigung Zweckverbände bilden oder ihnen obliegende Aufgaben vertraglich einer anderen Kammer übertragen dürfen. Die Novelle ist – abgesehen von einer Folgeänderung zum Gewerbesteuergesetz – am 1.1.1999 in Kraft getreten. 10. Art. 118 Siebente Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 29.10.2001 (BGBl. I, 2785) Teiländerung des § 2 Abs. 4 Buchst. c. 11. Art. 6 Gesetz zur Umstellung von Gesetzen und Verordnungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Euro (EuroEG 9) vom 10.11.2001 (BGBl. I, 2992) Änderung des Betrags in § 3 Abs. 3 Satz 3 und Satz 6. 12. Art. 95 Achte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I, 2304) Teiländerung des § 2 Abs. 4 Buchst. c).
76 Siehe dazu Jahn, BB 1993, 2388. 77 Siehe dazu Jahn, GewArch 1998, 356.
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Einf. Rz. 34 Die Grundprinzipien des heutigen Kammerwesens 13. Art. 5 Drittes Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 24.12.2003 (BGBl. I, 2934)78 Der Beitragsbefreiungstatbestand für „Kleinstgewerbetreibende“ (§ 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 wird neugefasst und ein neuer Befreiungstatbestand für Existenzgründer (§ 3 Abs. 3 Satz 5) wird eingefügt. Betreffend die Beitragsermäßigung für Kammerzugehörige mit Zugehörigkeit auch zu anderen Kammerorganisationen (§ 3 Abs. 4 Satz 3) erfolgt eine Klarstellung. Außerdem enthält das Gesetz Änderungen der Handwerksordnung mit Relevanz für das IHKG, i.e. Einführung eines Schlichtungsverfahrens bei streitiger Zuordnung zum Handwerk oder sonstigen Gewerben (§ 16 HwO) und die Zugehörigkeit zur Handwerkskammer von Gesellen, die sich mit einfachen handwerksnahen Tätigkeiten selbständig gemacht haben. 14. Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes zur Reform der beruflichen Bildung (Berufsbildungsreformgesetz) vom 23.3.2005 (BGBl. I, 931) Das Gesetz passt § 4 Satz 3 und § 8 lediglich redaktionell an die Neufassung des Berufsbildungsgesetzes an. Im Berufsbildungsgesetz selbst werden auch für die Tätigkeit der IHKs relevante Vorschriften geändert. 15. Art. 130 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I, 2407) Teiländerung von § 2 Abs. 4 Buchst. c. 16. Art. 7 Zweites Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft vom 7.9.2007 (BGBl. I, 2246, 2249)79 Anpassung der Gesetzesterminologie an die Einführung der Doppik (insbesondere § 3 Abs. 2, § 4 Satz 2 Nr. 8 IHKG), Erweiterung der Möglichkeit zur Ermäßigung des Grundbeitrags bei Mehrfachmitgliedschaften (§ 3 Abs. 3 Sätze 9 und 10 IHKG) Erleichterung des Datentransfers zum Zwecke der Beitragsveranlagung und der Wirtschaftsförderung (§ 9 Abs. 2 und 3a IHKG) und diverse redaktionelle Klarstellungen. 17. Art. 7 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (4. VwVfÄndG) vom 11.12.2008 (BGBl. I, 920)80 stellt in § 1 Abs. 3a und 3b klar, dass die Länder die IHKs per Gesetz mit den Aufgaben der Einheitlichen Stelle nach der Dienstleistungsrichtlinie (dort „Einheitlicher Ansprechpartner) betrauen können. Es erweitert ferner die Kooperationsmöglichkeiten der IHKs, wobei die bis dahin einschlägige Vorschrift des § 1 Abs. 4a gestrichen und die Aufgabenübertragung sowie die Errichtung und Organisation öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse in einem neuen § 10 und die Aufsicht in diesen Fällen in § 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Abs. 2 Nrn. 4 und 5 sowie Abs. 2a und 2b geregelt wird. 78 Siehe dazu Jahn, GewArch 2004, 41. 79 Siehe dazu Jahn, GewArch 2007, 353. 80 Siehe dazu Jahn, GewArch 2009, 177.
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Legitimitätsdebatten: Gesetzl. Mitgliedschaft/Mitbestimmung
18. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung gewerberechtlicher Vorschriften vom 11.7.2011 (BGBl. I S. 1341) nimmt lediglich eine Klarstellung in den Verweisen § 9 Abs. 1 Satz 1 auf die zutreffenden Vorschriften des Gewerberechts vor. 19. Art. 2 (61) des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündungen und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044) wird in § 4 Satz 4 der Verweis auf den Bundesanzeiger angepasst. 20. Art. 17 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749) hat gleich mehrere Änderungen im IHKG bewirkt. Zunächst wurde § 3 Abs. 3 Satz 3 neu gefasst und so auch die eingetragenen Vereine, wenn nach deren Art und Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, mit in die Regelung zur Beitragsfreistellung aufgenommen. In § 10 Abs. 4 wurde der Verweis auf § 3 Abs. 1 aufgenommen, so dass klargestellt wurde, dass öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse ebenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts sein können. § 12 Abs. 1 Nr. 9 wurde zudem aufgehoben, nach dem die Zuständigkeit und das Verfahren zur Bestellung von Ausschussmitgliedern nach § 8 Abs. 2 Satz 2 durch Landesgesetz geregelt werden konnte. 21. Art. 254 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.8.2015 (BGBl. I S. 1474) hat in § 2 Abs. 4 Buchst. c lediglich die Bezeichnung der zuständigen Bundesministerien angepasst. 22. Art. 93 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes vom 29.3.2017 (BGBl. I S. 626) hat die Möglichkeit des Widerspruches zur Datenübermittlung in § 9 Abs. 4 Satz 3 auf den elektronischen Weg erweitert. 23. Art. 82 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) vom 20.11.2019 (BGBl. I. S. 1626).
III. Legitimitätsdebatten: Gesetzliche Mitgliedschaft und Mitbestimmung Die gesetzliche Mitgliedschaft in den IHKs wurde von vielen Seiten kritisiert: Sie 35 wurde rechtlich als ungerechtfertigter Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gerügt, als Verstoß gegen die (negative) Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG)81 oder die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) – bis hin 81 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rz. 1414.
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Legitimitätsdebatten: Gesetzl. Mitgliedschaft/Mitbestimmung
18. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung gewerberechtlicher Vorschriften vom 11.7.2011 (BGBl. I S. 1341) nimmt lediglich eine Klarstellung in den Verweisen § 9 Abs. 1 Satz 1 auf die zutreffenden Vorschriften des Gewerberechts vor. 19. Art. 2 (61) des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündungen und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044) wird in § 4 Satz 4 der Verweis auf den Bundesanzeiger angepasst. 20. Art. 17 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749) hat gleich mehrere Änderungen im IHKG bewirkt. Zunächst wurde § 3 Abs. 3 Satz 3 neu gefasst und so auch die eingetragenen Vereine, wenn nach deren Art und Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, mit in die Regelung zur Beitragsfreistellung aufgenommen. In § 10 Abs. 4 wurde der Verweis auf § 3 Abs. 1 aufgenommen, so dass klargestellt wurde, dass öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse ebenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts sein können. § 12 Abs. 1 Nr. 9 wurde zudem aufgehoben, nach dem die Zuständigkeit und das Verfahren zur Bestellung von Ausschussmitgliedern nach § 8 Abs. 2 Satz 2 durch Landesgesetz geregelt werden konnte. 21. Art. 254 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.8.2015 (BGBl. I S. 1474) hat in § 2 Abs. 4 Buchst. c lediglich die Bezeichnung der zuständigen Bundesministerien angepasst. 22. Art. 93 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes vom 29.3.2017 (BGBl. I S. 626) hat die Möglichkeit des Widerspruches zur Datenübermittlung in § 9 Abs. 4 Satz 3 auf den elektronischen Weg erweitert. 23. Art. 82 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) vom 20.11.2019 (BGBl. I. S. 1626).
III. Legitimitätsdebatten: Gesetzliche Mitgliedschaft und Mitbestimmung Die gesetzliche Mitgliedschaft in den IHKs wurde von vielen Seiten kritisiert: Sie 35 wurde rechtlich als ungerechtfertigter Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG gerügt, als Verstoß gegen die (negative) Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG)81 oder die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) – bis hin 81 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts Rz. 1414.
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Einf. Rz. 35 Legitimitätsdebatten: Gesetzl. Mitgliedschaft/Mitbestimmung zu einem Verstoß gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)82. Politisch stand der Konflikt im Vordergrund zwischen einem engen Liberalismusverständnis, das jede Zwangskorporation prinzipiell hinterfragt, und der Reichweite der Befugnisse des demokratischen Gesetzgebers, die Wirtschaftsorganisation in einer Form zu bestimmen, die Pflichten für den Einzelnen zu beinhalten vermag83. Soziologisch schließlich wurden wegen der Pflichtmitgliedschaft nicht bestehende „exit“-Optionen mit kammeroppositionellen Stellungnahmen korreliert84, auch der gesellschaftliche Teilsysteme ergreifende Vertrauensverlust wurde thematisiert85. 36
Schon die IHKG-Novelle 1992 hatte die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft aufgeworfen und zu einem Fraktionsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geführt, wonach die IHKs privatisiert und ihnen die bisherigen hoheitlichen Aufgaben im Wege der Beleihung belassen werden sollten86. Mit der IHKG-Novelle 1998 hat der Deutsche Bundestag in einer begleitenden Entschließung87 jedoch ausdrücklich festgestellt, dass die Pflichtmitgliedschaft notwendig und auch sachlich weiterhin gerechtfertigt ist.
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Das Bundesverfassungsgericht seinerseits hatte eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen das Urteil des BVerwG vom 21.7.1998 zur Pflichtmitgliedschaft richtete, durch einen ausführlich begründeten Kammerbeschluss vom 7.12.2001 nicht zur Entscheidung angenommen88. Die erhoffte Befriedung blieb indes aus. Regelmäßig wurden auch weiterhin die Verwaltungsgerichte mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Mitgliedschaft befasst, allerdings wurde in ständiger Rechtsprechung eine erneute Vorlage an das Bundesverfassungsgericht abgelehnt89.
82 Für einen Überblick vgl. die Darstellung der Rügen im Verfahren BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13; instruktiv Waldhoff, Der ungeliebte Zwang der Industrie- und Handelskammer, in Heimann/Kirchhof/Waldhoff (Hrsg.); VerfR u. VerfProzR, 2. Aufl., 181 ff. 83 Vgl. einerseits Höfling in Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2014, Art. 9 Rz. 24 mwN.; andererseits Neurath, Die Industrie- und Handelskammern, DÖV 2019, 513, 515 f. mwN. 84 Dazu Sack/Fuchs, Kammeropposition mit Oberwasser? Phänomene und Erklärungsfaktoren des Protestes in und gegen Wirtschaftskammern, Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2016, 93, die Analysen erschöpften sich indes ohne valide Analyse in bloßen Vermutungen parteipolitischer Einflussnahme, 111. 85 Differenziert Hommerich, Vertrauen in Kammern – eine schwindende Ressource? in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2012, 41. 86 BT-Drs. 13/6063 – dazu Kluth, Verfassungsfragen. 87 BT-Drs. 13/10297. 88 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111. 89 BVerwG v. 21.2.1998 – 1 C 32.97, GewArch 1998, 410; OVG Rheinland-Pfalz v. 22.1.1997 – 11 A 12624/06.OVG, GewArch 1997, 196; OVG Nordrhein-Westfalen v. 29.4.1998 – 4 A 2384/97, GewArch 1998, 413.
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Wernicke
Legitimitätsdebatten: Gesetzl. Mitgliedschaft/Mitbestimmung
Rz. 40 Einf.
1. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017 Im Jahr 2014 hat der erste Senat des BVerfG zwei Verfassungsbeschwerden, die sich 38 gegen die gesetzliche Mitgliedschaft und die Unvereinbarkeit des IHKG mit dem Europäischen Unionsrecht richteten, zum Anlass für ein umfangreiches Verfahren unter Einbindung einer Vielzahl von Verbänden genommen. Das Verfahren endete mit einstimmigem Senatsbeschluss vom 12.7.201790, mit dem die Beschwerden zur Gänze zurückgewiesen wurden: Die gesetzliche Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern und die daran anknüpfende Beitragspflicht sind verfassungsgemäß. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedurfte es nicht. Ein Grundrechtseingriff in Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) lag nicht vor, da 39 nicht erkennbar war, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine konkret nachteilig wirkende Ungleichbehandlung bestehen könnte. Ebenfalls wurde gegen eine beachtliche Mindermeinung in der Literatur91 ein 40 Eingriff in die negative Vereinigungsfreiheit des Art. 9 GG abgelehnt: Bereits der Schutzbereich sei nicht eröffnet, denn nach ständiger Rechtsprechung enthalte Art. 9 Abs. 1 GG insbesondere das Recht, in einer Distanz zum Staat und zu politischen Parteien eigene Vereinigungen zu gründen oder ihnen fernzubleiben, während das weitere „Recht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von ‚unnötigen‘ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden“, sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergibt92. Wenn die negative Vereinigungsfreiheit die Kehrseite der positiven ist und diese naturgemäß nur private Assoziationen umfassen kann, ist der Schluss des BVerfG zwingend93. Damit kommt es im Ergebnis, soweit nämlich die abwehrrechtliche Funktion des Art. 9 GG gegen die Inanspruchnahme eine rein öffentlich-rechtlichen Vereinigung über Art. 2 Abs. 1 GG einem ähnlich engen Kontrollmaßstab unterworfen wird, auf die Kontrolldichte in der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 2 Abs. 1 GG an.
90 BVerwG v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13. 91 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Aufl. Rz. 414; Schöbener, VerwArch 91 (2000), 374, 385 ff.; vor wie auch nach dem Urteil an der abweichenden Ansicht festhaltend Scholz in Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 9 Rz. 88 ff. (Dezember 2015) Rz. 90 (September 2017); Höfling in Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., Art. 9 Rz. 22 ff.; sowie 8. Aufl. 2018, Art. 9 Rz. 23, jeweils mwN. 92 BVerfG v. 12.7.2017, a.a.O. Rz. 78; eine Analyse findet sich bei Schöbener, Zwischen grundrechtlicher Kontinuität und Dynamik im subjektiven Rechtsschutz, in Kluth (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gesamtinteressenvertretung durch Industrie- und Handelskammern, 2018, 41, 43. 93 Merten in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts VII, 3. Aufl., § 165 Rz. 62 ff.
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Einf. Rz. 41 Legitimitätsdebatten: Gesetzl. Mitgliedschaft/Mitbestimmung 41
Auch eine Beeinträchtigung in Rechten aus Art. 1 Abs. 1 (Menschenwürde) und Art. 4 Abs. 1 GG (Gewissensfreiheit) war nicht im Ansatz erkennbar.
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Die Vereinbarkeit der gesetzlichen Mitgliedschaft mit der Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG94 beruht im Kern auf der Rechtfertigung des Eingriffs über die legitime Zwecksetzung des IHKG: die Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben. Die Regelung der gesetzlichen Mitgliedschaft, diese Ziele zu erreichen, sind geeignet, erforderlich und angemessen. Als wesentliche und verfassungsrechtlich legitime Zwecksetzung wurden95 ausnahmslos alle der in § 1 Abs. 1 IHKG genannten Aufgaben angesehen, d.h. die Vertretung des Gesamtinteresses, die Förderung der gewerblichen Wirtschaft, die Unterstützung der Behörden und die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns (zu den Zwecken ausführlich unten § 1 Rz. 6 ff., 10, die ergänzt werden durch die weiteren in § 1 genannten Aufgaben der Wirtschaftsförderung und Berufsbildung sowie der Vielzahl an Wirtschaftsverwaltungsaufgaben.
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Diese Aufgaben sind autonom in Selbstverwaltung zu erbringen, und „nur eine Pflichtmitgliedschaft sichert, dass alle regional Betroffenen ihre Interessen einbringen und fachkundig vertreten werden.“96 Es sei plausibel, dass private Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft nicht im gleichen Maße die Belange und Interessen der Gewerbetreibenden ermitteln und vertreten können: die gesetzliche Mitgliedschaft sichere die „partizipative Ermittlung des Gesamtinteresses“, die Beitragspflicht ermöglicht erst die Aufgabenerfüllung. Entwicklungen der letzten Jahrzehnte hätten an dieser Einschätzung nichts geändert, insbesondere die Europäisierung und Globalisierung mache es besonders wichtig, die bezirklichen Perspektiven zur Geltung zu bringen. Eine freiwillige Mitgliedschaft sei nicht die eindeutig weniger belastende Alternative, die Regelung mithin erforderlich, schließlich würde die Eingriffe die Betroffene nicht übermäßig belasten, die Beitragspflicht wiege nicht sehr schwer97.
94 Prüfungsmaßstab war die allgemeine Handlungsfreiheit und nicht die negative Vereinigungsfreiheit des Art. 9 GG, dazu Kirchberg, NJW 2017, 2723 (2725); Muckel, Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht in der IHK sind verfassungsgemäß, JA 2017, 878 bei Art. 2 Abs. 1 handelt es sich in Bezug auf die gesetzliche Mitgliedschaft um ein sog. Innominatsfreiheitsrecht, das gegenüber der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit bei „banalen“ Handlungen Verdichtungen aufweist, etwa eine striktere Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; ausführlich Lang in Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Stand 2018, Art. 2 GG Rz. 5. 95 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13, Rz. 90. 96 Ebd., Rz. 100. 97 Ebd., Rz. 100 ff.
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Legitimitätsdebatten: Gesetzl. Mitgliedschaft/Mitbestimmung
Rz. 46 Einf.
Von diesem Beschluss ist hinsichtlich der Diskussion um die Rechtmäßigkeit der 44 gesetzlichen Mitgliedschaft eine langfristig befriedende Wirkung zu erwarten98: für das deutsche Verfassungsrecht ist damit eine Grundsatzentscheidung gefallen. In ersten Folgeentscheidungen wurde die Argumentation auch auf andere Körperschaften mit gesetzlicher Mitgliedschaft übertragen, so etwa die Handwerkskammern99. Zugleich hat das BVerfG aber auch deutlich gemacht, dass die Verfassungsmäßig- 45 keit der gesetzlichen Mitgliedschaft an die tatsächliche Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geknüpft ist: „Eine Pflichtmitgliedschaft zur Bündelung regionaler wirtschaftlicher Interessen ist vor diesem Hintergrund nur dann nicht zumutbar, wenn die nach § 1 Abs. 1 IHKG gebotene Wahrnehmung des Gesamtinteresses diesen Interessen tatsächlich nicht Rechnung trägt“100. Diese Rückkopplung mit der praktischen Durchführung, etwa die Anforderungen an die Binnenpluralität und die mit der Gesamtinteressenwahrnehmung einhergehende Vollständigkeit der Interessensermittlung sowie der Minderheitenschutz (s. § 1 Rz. 41 ff., 48, 57 f.) ist damit beständige Aufgabe der IHK-Organisation, die rechtlich und organisatorisch abzubilden ist (s. § 1 Rz. 39): ein strukturelles oder persistierendes Abweichen würde per se die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage der handelnden Körperschaft in Frage stellen. Ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV an den Europäi- 46 schen Gerichtshof in Luxemburg sah das BVerfG nicht als erforderlich an, obwohl eine der beiden Verfassungsbeschwerden nahezu ausschließlich vermeintliche europarechtlichen Bedenken vortrug; zu einer Vorlage wäre das BVerfG allerdings verpflichtet gewesen, hätte es eigene Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit Europäischem Unionsrecht (dazu ausführlich Rz. 73 ff.) gehabt – das war offenkundig nicht der Fall. Ein Grund für die zu Recht unterlassene Vorlage an den EuGH mag auch in der expliziten Feststellung des BVerfG im Kontext der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Gesamtinteressenwahrnehmung liegen, wonach die gesetzliche Mitgliedschaft „nicht an die Staatsangehörigkeit (anknüpft), sondern an die Niederlassung; entscheidend ist die örtliche Verankerung“101. Ausländische Gewerbetreibende werden somit als in allen Rechten und Pflichten gleichgestellte Mitglieder beteiligt und gerade nicht beschränkt oder gar diskriminiert.
98 Jahn, Pflichtmitgliedschaft in Kammern ist verfassungsgemäß, NWB 2017, 3062, 3067. 99 Hamb. OVG v. 17.7.2018 – 5 Bf 146/17.Z Rz. 9 – gesetzliche Mitgliedschaft eines Photographen in der Handwerkskammer, GewArch 2018, 384. 100 BVerfG v. 12.6.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 110. 101 BVerfG v. 12.6.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 103.
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Einf. Rz. 47 Legitimitätsdebatten: Gesetzl. Mitgliedschaft/Mitbestimmung 2. Mitbestimmung 47
Am Rande nahm das BVerfG in seinem Beschluss vom 12.7.2018 auch die langjährige Diskussion um die (paritätische) Mitbestimmung auf. Vornehmlich von gewerkschaftlicher Seite wurde nach dem Ersten Weltkrieg die Forderung erhoben, die Organe der Kammern nicht nur durch die Wahl seitens der kammerzugehörigen Unternehmer bestimmen zu lassen, sondern auch Arbeitnehmervertreter zu beteiligen. Ähnliche Forderungen wurden nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wiederholt102. Die mit der Errichtung sog. paritätischer Kammern zusammenhängenden Fragen gehören zur Problematik der „überbetrieblichen Mitbestimmung“ und basieren weitgehend auf den Gedanken der „Wirtschaftsdemokratie“, die besonders von Naphtali103 1928 entwickelt worden sind104. Der Bundesgesetzgeber hatte sich bei der Verabschiedung des vorläufigen IHK-Gesetzes im Jahre 1956 primär die Verwirklichung der Rechtseinheit und der Rechtssicherheit zum Ziel gesetzt und sich darauf konzentriert, den Kammern für ihre Arbeit verlässliche Rechtsgrundlagen zu geben. Eine Beteiligung von Arbeitnehmervertretern wurde nur dort vorgesehen, wo sie in der Kammerarbeit schon seit längerem praktiziert worden war, nämlich im Bereich der Berufsausbildung und hier besonders im Zusammenhang mit dem Prüfungswesen. Der darauf abzielende § 8 IHKG ist später durch § 103 des Berufsausbildungsgesetzes vom 14.8.1969105 neu gefasst und inhaltlich wesentlich erweitert worden. Die Beteiligung von Arbeitnehmern wurde aber auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, was in der Bezeichnung des IHKG als „vorläufig“ zum Ausdruck kam. Die Diskussion über die überbetriebliche Mitbestimmung ist auch nach Inkrafttreten des IHKG weitergeführt worden. Die Forderung nach paritätischer Besetzung der IHK-Organe trat dabei in den Hintergrund, während vor allem das Problem eines Bundeswirtschafts- und Sozialrats (mit Landes- und Bezirkswirtschafts- und Sozialräten) sowie von Arbeitnehmerkammern diskutiert wurde106. Arbeitnehmerkammern bzw. Arbeitskammern bestehen in Deutschland nur in Bremen107 und im Saarland108. 102 Prowe, WSI-Mitteilungen 1981, 398. 103 Naphtali, Wirtschaftsdemokratie, 2. Aufl. 104 Ihren ersten Ausdruck fanden sie in den Änderungen der Gewerbeordnung 1891, Gesetz betreffend Abänderung der Gewerbeordnung v. 1.6.1891, RGBl. 1891, 261. 105 Berufsbildungsgesetz v. 14.8.1969, BGBl. I, 1112. 106 Enquetekommission Verfassungsreform – BT-Drs. 7/5924; siehe auch BVerfG v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65, 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 281. 107 Ursprünglich gegründet 1921, zuletzt Gesetz über die Arbeitnehmerkammer im Lande Bremen v. 4.4.2000, Brem.GBl. 2000, 83, gemäß § 2 hat die Arbeitnehmerkammer die Aufgabe der „Wahrnehmung und Förderung des Gesamtinteresses der kammerzugehörigen Arbeitnehmer (Kammerzugehörige), insbesondere ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen oder die Gleichberechtigung der Geschlechter fördernden Belange im Einklang mit dem Allgemeinwohl“, vgl. dazu auch Fonger in Kluth: (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2013, S. 131. 108 Gesetz Nr. 1290 über die Arbeitskammer des Saarlandes v. 8.4.1992.
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Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.)
Rz. 49 Einf.
Im Zuge des Verfahrens 2014 vor dem BVerfG hat der DGB das Gericht aufge- 48 fordert, die unterlassene Mitbestimmung109 als verfassungswidrig zu rügen: die fehlende Vertretung von Arbeitnehmerinteressen verletze die Anforderungen an die demokratische Legitimation, die Ungleichbehandlung mit dem Handwerk sei sachgrundlos. Das BVerfG nahm hierauf lediglich insofern Bezug, als es an die Erörterung dieser Fragen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erinnerte: eine Mehrheit der Abgeordneten entschied sich damals für das öffentlich-rechtliche Modell ohne Beteiligung der Beschäftigten110. Zudem seien die IHKs zwar eine „unternehmerische, aber keine bloß ausgewählte oder einseitige oder gar andere ausschließende Interessenvertretung“111, die alle relevanten Vorstellungen zu Gehör bringen müsse. Erneut kommt damit zum Ausdruck, dass im Zentrum der Selbstverwaltung mit gesetzlicher Mitgliedschaft die demokratische Repräsentation mit Binnenpluralität steht: diese gilt es durchgehend rechtlich wie tatsächlich zu wahren. Diese Prinzipien werden auch auf die Handwerkskammern übertragen112.
IV. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.) Der Dachverband der IHKs auf Bundesebene ist der Deutsche Industrie- und 49 Handelskammertag (DIHK e.V.). Am 13.5.1861 war er in Heidelberg als Deutscher Handelstag unter dem Motto: „Ein Recht, ein Maß, ein Gewicht!“ gegründet worden113. Die Gründung fällt damit in einer Zeit nationalen Aufbruchs, die Ende der 1850er Jahre mit dem Wechsel der Regierungsgeschäfte in Preußen begann („neue Ära“)114 und zur Gründung einiger gesamtdeutscher Parteien, Verbände und Vereine führte. Zur gleichen Zeit gründeten sich als „Erben“ der gescheiterten Revolution von 1848115 z.B. auf der Suche nach Rechtseinheit auch der „Deutsche Juristentag“ (1860)116, sowie auf politischer Ebene als erste Programmpartei
109 110 111 112 113 114 115
BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 61. Ebd., Rz. 91. Ebd., Rz. 92. Dazu Kluth, GewArch 2012, 424. Ausführlich Hardach, Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag 1861-2011. Clarke, Preußen, S. 583 ff. Der Aufruf zur Gründung eines Deutschen Handelstages stammte u.a. von Theodor Frey, ein badischer Weinhändler, der als Vorsitzender der Handelsinnung von Ebersbach auf seine Teilnahme am Hambacher Fest 1832 sowie seine Aktivität während der gescheiterten Badischen Revolution 1849 zurückblickte, beide Male gefolgt von einer Zeit im französischen Exil. Die Unternehmerschaft war in der Frankfurter Nationalversammlung 1848 mit 8 % vertreten, Staatsbeamte mit 55 %. 116 Recht mitgestalten – 150 Jahre Deutscher Juristentag.
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Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.)
Rz. 49 Einf.
Im Zuge des Verfahrens 2014 vor dem BVerfG hat der DGB das Gericht aufge- 48 fordert, die unterlassene Mitbestimmung109 als verfassungswidrig zu rügen: die fehlende Vertretung von Arbeitnehmerinteressen verletze die Anforderungen an die demokratische Legitimation, die Ungleichbehandlung mit dem Handwerk sei sachgrundlos. Das BVerfG nahm hierauf lediglich insofern Bezug, als es an die Erörterung dieser Fragen im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erinnerte: eine Mehrheit der Abgeordneten entschied sich damals für das öffentlich-rechtliche Modell ohne Beteiligung der Beschäftigten110. Zudem seien die IHKs zwar eine „unternehmerische, aber keine bloß ausgewählte oder einseitige oder gar andere ausschließende Interessenvertretung“111, die alle relevanten Vorstellungen zu Gehör bringen müsse. Erneut kommt damit zum Ausdruck, dass im Zentrum der Selbstverwaltung mit gesetzlicher Mitgliedschaft die demokratische Repräsentation mit Binnenpluralität steht: diese gilt es durchgehend rechtlich wie tatsächlich zu wahren. Diese Prinzipien werden auch auf die Handwerkskammern übertragen112.
IV. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.) Der Dachverband der IHKs auf Bundesebene ist der Deutsche Industrie- und 49 Handelskammertag (DIHK e.V.). Am 13.5.1861 war er in Heidelberg als Deutscher Handelstag unter dem Motto: „Ein Recht, ein Maß, ein Gewicht!“ gegründet worden113. Die Gründung fällt damit in einer Zeit nationalen Aufbruchs, die Ende der 1850er Jahre mit dem Wechsel der Regierungsgeschäfte in Preußen begann („neue Ära“)114 und zur Gründung einiger gesamtdeutscher Parteien, Verbände und Vereine führte. Zur gleichen Zeit gründeten sich als „Erben“ der gescheiterten Revolution von 1848115 z.B. auf der Suche nach Rechtseinheit auch der „Deutsche Juristentag“ (1860)116, sowie auf politischer Ebene als erste Programmpartei
109 110 111 112 113 114 115
BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 61. Ebd., Rz. 91. Ebd., Rz. 92. Dazu Kluth, GewArch 2012, 424. Ausführlich Hardach, Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag 1861-2011. Clarke, Preußen, S. 583 ff. Der Aufruf zur Gründung eines Deutschen Handelstages stammte u.a. von Theodor Frey, ein badischer Weinhändler, der als Vorsitzender der Handelsinnung von Ebersbach auf seine Teilnahme am Hambacher Fest 1832 sowie seine Aktivität während der gescheiterten Badischen Revolution 1849 zurückblickte, beide Male gefolgt von einer Zeit im französischen Exil. Die Unternehmerschaft war in der Frankfurter Nationalversammlung 1848 mit 8 % vertreten, Staatsbeamte mit 55 %. 116 Recht mitgestalten – 150 Jahre Deutscher Juristentag.
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Einf. Rz. 49 Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.) die „Deutsche Fortschrittspartei“ (1861) und kurz danach der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (1863)117. 50
Der Deutsche Handelstag wurde 1918 in Deutscher Industrie- und Handelstag (DIHT) umbenannt und behielt diese Bezeichnung auch nach seiner Neugründung im Jahre 1949 bis zum 13.2.2001 bei. Die Umbenennung in Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erfolgte 2001, um auch im Namen die enge Beziehung zu den Industrie- und Handelskammern deutlich werden zu lassen.
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Derzeit sind im DIHK alle 79 IHKs des Bundesgebietes in der privatrechtlichen Rechtsform eines e.V. mit dem Sitz in Berlin zusammengefasst. Der DIHK dient einer gemeinsamen Meinungsbildung der Kammern, insbesondere zu überregionalen Fragen und Problemen der deutschen Politik, durch welche gesamtwirtschaftliche Belange berührt werden118. Er vertritt ferner die Positionen der IHKOrganisation auf europäischer und internationaler Ebene. Ähnlich den Kammern hat der DIHK (aufgrund seiner Satzung) eine Vollversammlung, die aus den Vertretern der Mitgliedskammern besteht, einen von den Landesarbeitsgemeinschaften der Kammern benannten (erweiterten) Vorstand und einen von der Vollversammlung gewählten Präsidenten, der zusammen mit vier ebenfalls von der Vollversammlung gewählten Vizepräsidenten und dem Hauptgeschäftsführer den Geschäftsführenden Vorstand (Vorstand im Sinne von § 26 BGB) bildet. Auf den DIHK sind vereinzelt vom Gesetzgeber Aufgaben übertragen worden, die sich ausnahmslos aus seiner Funktion als Spitzenorganisation der IHKs ableiten119.
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Dem DIHK e.V. zugehörig, aber über ein Sonderstatut in ihrer Tätigkeit weisungsfrei, ist die in Düsseldorf domizilierende Rechnungsprüfungsstelle der IHKs (RPS), welche die Haushaltsführung nahezu aller 79 Kammern kontrolliert. Die Mehrheit der Bundesländer haben diese Rechnungsprüfungsstelle mit der wichti-
117 Zum politischen Kontext und dem Verein als organisationspolitische Innovation des Bürgertums Eisenberg, Arbeiter, Bürger und der bürgerliche Verein 1820–1870, in Kocka (Hrsg.), Bürgertum im 19 Jahrhundert, Bd. III, 48 (54). 118 § 1 der DIHK-Satzung i.d.F. v. 16.11.2016 lautet: „Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e.V. („DIHK“) hat den Zweck, die Zusammenarbeit der als Organe der Kaufmannschaft gebildeten Industrie- und Handelskammern zu sichern und zu fördern, einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch zu gewährleisten und in allen das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 1 Abs. 1 IHKG im Bereich des DIHK betreffenden Fragen einen diesem entsprechenden Standpunkt der IHKs auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gegenüber der Politik, der Verwaltung, den Gerichten und der Öffentlichkeit zu vertreten.“ 119 Vgl. § 65 WiPrO a.F., Arbeitsgemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungswesen; § 11a Abs. 1 GewO, Versicherungsvermittlerregister; § 32 Abs. 2 Umweltauditgesetz, EMAS-Register.
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AHKs, Delegiertenbüros und Repräsentanzen der Dt. Wirtschaft
Rz. 55 Einf.
gen Funktion der Haushaltsführungs- und Rechnungskontrolle betraut120, einzelne Bundesländer haben eine Öffnungsklausel in den Landesausführungsgesetzen zum IHKG. Die Landesrechnungshöfe haben in der Regel eigene Kompetenzen und Prüfprogramme, die zu den Prüfungen der RPS komplementär sind. Ob der DIHK e.V. als privater Verein, ähnlich dem Zentralverband des Deutschen 53 Handwerks e.V. (ZDH), begrifflich der Selbstverwaltung zuzurechnen ist, kann dahinstehen: Einerseits wird die organisationsrechtliche Verkörperung in einer Körperschaft als Element der Selbstverwaltung bisweilen für zwingend erachtet121, andererseits folgen aus der ausschließlichen Mitgliedschaft von Körperschaften in Selbstverwaltung rechtliche Bindungen und Aufgaben (vgl. etwa die Bindungserstreckung der die einzelnen Kammern obliegenden Pflichten durch die Rechtsprechung des BVerwG s. § 1 Rz. 345 ff., bis hin zu damit einhergehenden Rechtswegfragen), die im Ergebnis die privaten Dachverbände von Kammern nicht nur praktisch als Teil der Selbstverwaltung erscheinen lassen. Ihrer satzungsgemäßen Funktion nach sind sie es ohnehin.
V. Das Netzwerk der Auslandshandelskammern, Delegiertenbüros und Repräsentanzen der Deutschen Wirtschaft Die Auslandshandelskammern (AHKs) sind keine IHKs im Sinne des IHKG. Sie 54 sind vielmehr jeweils nach dem Recht des Gastlandes, in dem sie ihren Sitz haben, privatrechtlich organisierte Vereinigungen mit freiwilliger Mitgliedschaft. Die ersten AHKs wurden um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Selbsthilfeeinrichtungen der deutschen Kaufleute in den jeweiligen Gastländern errichtet122. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann sog. bilaterale Kammern gegründet. Mitglieder sind Kaufleute sowohl aus dem Gastland als auch aus Deutschland, die an der Entwicklung des Wirtschaftsverkehrs zwischen diesen beiden Ländern interessiert sind. Die Auslandshandelskammern (einige mit Zweigstellen, auch in Deutschland) 55 übernehmen die Aufgaben der Vertretung der Deutschen Wirtschaft. Sie sind über die Dienstleistungsmarke „DE-International“ Dienstleister für die Unter-
120 Näheres über Entstehung, Entwicklung und Aufgaben des DIHK/DIHT in der im Jahre 1961 zum 100-jährigen Bestehen des DIHT herausgegebenen Festschrift „Die Verantwortung des Unternehmers in der Selbstverwaltung“; Jäkel/Junge, Industrie- und Handelskammern, 61 sowie Möllering in Stober (Hrsg.), Lexikon, 1998, 102). 121 S.o. Rz. 30 und zugehörige Fußnoten, i.E. daher z.B. ablehnend Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, S. 26. 122 Als Beispiele seien genannt die Gründung 1894 der Deutsch-Belgischen Handelskammer, 1916 der Auslandshandelskammern in Brasilien, Uruguay, Argentinien und Chile, 1921 der Deutsch-Italienischen Handelskammer.
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AHKs, Delegiertenbüros und Repräsentanzen der Dt. Wirtschaft
Rz. 55 Einf.
gen Funktion der Haushaltsführungs- und Rechnungskontrolle betraut120, einzelne Bundesländer haben eine Öffnungsklausel in den Landesausführungsgesetzen zum IHKG. Die Landesrechnungshöfe haben in der Regel eigene Kompetenzen und Prüfprogramme, die zu den Prüfungen der RPS komplementär sind. Ob der DIHK e.V. als privater Verein, ähnlich dem Zentralverband des Deutschen 53 Handwerks e.V. (ZDH), begrifflich der Selbstverwaltung zuzurechnen ist, kann dahinstehen: Einerseits wird die organisationsrechtliche Verkörperung in einer Körperschaft als Element der Selbstverwaltung bisweilen für zwingend erachtet121, andererseits folgen aus der ausschließlichen Mitgliedschaft von Körperschaften in Selbstverwaltung rechtliche Bindungen und Aufgaben (vgl. etwa die Bindungserstreckung der die einzelnen Kammern obliegenden Pflichten durch die Rechtsprechung des BVerwG s. § 1 Rz. 345 ff., bis hin zu damit einhergehenden Rechtswegfragen), die im Ergebnis die privaten Dachverbände von Kammern nicht nur praktisch als Teil der Selbstverwaltung erscheinen lassen. Ihrer satzungsgemäßen Funktion nach sind sie es ohnehin.
V. Das Netzwerk der Auslandshandelskammern, Delegiertenbüros und Repräsentanzen der Deutschen Wirtschaft Die Auslandshandelskammern (AHKs) sind keine IHKs im Sinne des IHKG. Sie 54 sind vielmehr jeweils nach dem Recht des Gastlandes, in dem sie ihren Sitz haben, privatrechtlich organisierte Vereinigungen mit freiwilliger Mitgliedschaft. Die ersten AHKs wurden um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Selbsthilfeeinrichtungen der deutschen Kaufleute in den jeweiligen Gastländern errichtet122. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann sog. bilaterale Kammern gegründet. Mitglieder sind Kaufleute sowohl aus dem Gastland als auch aus Deutschland, die an der Entwicklung des Wirtschaftsverkehrs zwischen diesen beiden Ländern interessiert sind. Die Auslandshandelskammern (einige mit Zweigstellen, auch in Deutschland) 55 übernehmen die Aufgaben der Vertretung der Deutschen Wirtschaft. Sie sind über die Dienstleistungsmarke „DE-International“ Dienstleister für die Unter-
120 Näheres über Entstehung, Entwicklung und Aufgaben des DIHK/DIHT in der im Jahre 1961 zum 100-jährigen Bestehen des DIHT herausgegebenen Festschrift „Die Verantwortung des Unternehmers in der Selbstverwaltung“; Jäkel/Junge, Industrie- und Handelskammern, 61 sowie Möllering in Stober (Hrsg.), Lexikon, 1998, 102). 121 S.o. Rz. 30 und zugehörige Fußnoten, i.E. daher z.B. ablehnend Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, S. 26. 122 Als Beispiele seien genannt die Gründung 1894 der Deutsch-Belgischen Handelskammer, 1916 der Auslandshandelskammern in Brasilien, Uruguay, Argentinien und Chile, 1921 der Deutsch-Italienischen Handelskammer.
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Einf. Rz. 55 AHKs, Delegiertenbüros und Repräsentanzen der Dt. Wirtschaft nehmen123 und fungieren vor Ort als Mitgliederorganisation. Sie finanzieren sich aus Mitgliedsbeiträgen und Entgelten, die sie für Sonderleistungen (z.B. Auskünfte, Marktanalysen, Firmengründungen oder Geltendmachung von Forderungen) erheben. 56
Im Hinblick auf ihre Rolle als Teil der Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland124 sowie die Entlastung, welche die Arbeit der Auslandshandelskammern für die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Bundesrepublik, insbesondere für den Auskunftsdienst in den Gastländern bedeutet125, erhalten die Auslandshandelskammern in unterschiedlicher Höhe finanzielle Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt, die vom DIHK verwaltet werden. Berücksichtigt bei der Zuteilung dieser Zuwendungen wird auch die je nach der Wirtschaftskraft des Gastlandes unterschiedliche Finanzstärke der einzelnen AHK. Der Personaleinsatz für die Geschäftsführung dieser Kammern wird durch den DIHK gesteuert, der sie auch in allen fachlichen und rechtlichen Fragen unterstützt und betreut.
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Alle deutschen Auslandshandelskammern dienen der Förderung des Wirtschaftsverkehrs zwischen der Bundesrepublik und dem Gastland; sie unterstützen deutsche Kaufleute und Unternehmen vor Ort bei der Entwicklung und Abwicklung ihrer Wirtschaftsbeziehungen zum Gastland, bemühen sich aber auch um die Interessen ihrer im Gastland ansässigen Mitglieder gegenüber der Wirtschaft in der Bundesrepublik126. An einigen Standorten sind AHKs autonom oder auf der Basis zwischenstaatlicher Verträge auch in der dualen Berufsausbildung engagiert, teilweise werden auch Beratungen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen durchgeführt. Enge Kooperationen bestehen vielerorts zwischen den AHKs und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, GTAI (Germany Trade & Invest).
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Daneben hat sich die Einrichtung sog. Delegiertenbüros in Ländern entwickelt, in denen aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen die Gründung einer selbständigen bilateralen Auslandshandelskammer noch nicht möglich ist. Delegiertenbüros sind organisatorisch in den DIHK integriert. Der DIHK entsendet in diese Länder jeweils einen „Delegierten der deutschen Wirtschaft“, der in der Regel auch weitere Mitarbeiter hat und den Unternehmen die gleichen Leistungen wie eine Auslandshandelskammer anbietet. Diese Delegiertenbüros unterscheiden sich nur dadurch von den Auslandshandelskammern, dass sich die Delegierten nicht auf Mitglieder und Kammervorstände stützen können; Beiräte können je123 Der Dienstleistungsumsatz betrug 2017 weltweit ca. 129 Mio Euro. 124 Vgl. ausführlich AHK Jahresbericht 2018. 125 Im Jahr 2017 haben die AHKs weltweit ca. 115.000 unentgeltliche Erstberatungen durchgeführt. 126 Jäkel/Junge, Industrie- und Handelskammern, 87; Möllering, WiVerw 1998, 214; Wiesemann, Auslandshandelskammern: 100 Jahre Dienstleister für die Wirtschaft.
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doch die unternehmerischen Erfahrungen beider Länder auch in diesem Fall einbringen. Soweit teilweise noch gesondert von sog. Repräsentanzen gesprochen wird, die von einer Ortskraft aus dem Gastland geleitet werden, so kommt dieser Bezeichnung praktisch nur eine eingeschränkte Bedeutung zu, denn rechtlich entspricht der Status einer Repräsentanz dem eines Delegiertenbüros. Das Netzwerk der über 140 Standorte von Auslandshandelskammern und Dele- 59 giertenbüros umfasst – mit zunehmender Tendenz – derzeit insgesamt 140 Standorte in über 90 Ländern. Räumlich werden fünf Kontinente erreicht127. Weit über 50.000 Unternehmen sind Mitglied in einer AHK, über 1800 Personen engagieren sich ehrenamtlich in den Vorständen und Gremien der AHKs. Das Netzwerk erfasst einen Bereich, der ca. 80 % der deutschen Exporte aufnimmt und aus dem mehr als 75 % der deutschen Importe stammen. In diesen Ländern werden etwa 90 % der deutschen Auslandsinvestitionen getätigt. Auf diese Weise ist die wirtschaftliche Selbstverwaltung auch in allen Ländern präsent, die für die deutsche Wirtschaft von Bedeutung sind. Das AHK Netz gilt als weltweit einmalig – vergleichbare Netzwerke sind lediglich 60 noch in den USA (American Chambers of Commerce Abroad (AmCham) mit 115 Standorten in 102 Ländern), Japan (Japanese Chambers of Commerce and Industry overseas (JCCI) mit 79 Standorten), Großbritannien (63 BritChams, ein Bericht der britischen Regierung von 2012 zum Vergleich der Außenwirtschaftsförderung hat das deutsche AHK Netzwerk als vorbildlich identifiziert)128, Frankreich (UCCIFE) mit 123 Standorten in 92 Ländern) und Österreich (AußenwirtschaftCenter an 74 Standorten weltweit und Außenwirtschaftsbüros an 35 Standorten in 29 Ländern) existent.
VI. Kammern in Europa Wirtschaftspolitik und -recht werden stark durch die Europäische Union determi- 61 niert. Immer mehr Regelungen werden durch die EU und teilweise auch durch internationale Organisationen getroffen. Eine effektive Interessenvertretung für die Wirtschaft ist daher bereits sachlich auch auf europäischer Ebene geboten. Rechtlich ist für die europäischen Institutionen die Beteiligung der Wirtschaft als einer der wichtigsten Interessenträger bereits im EU-Vertrag vorgeschrieben. Nach Art. 11 Abs. 1 EU-Vertrag geben die EU-Institutionen „den repräsentativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten in allen Bereichen des 127 Für eine aktuelle Liste siehe www.ahk.de. 128 Lord Heseltine, No Stone Unturned – In pursuit of Growth, Auszug: Chamber of Commerce – International Comparisons, 2012, Department of Business, Innovation and Skills, https://www.gov.uk/government/publications/no-stone-unturned-in-pur suit-of-growth.
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doch die unternehmerischen Erfahrungen beider Länder auch in diesem Fall einbringen. Soweit teilweise noch gesondert von sog. Repräsentanzen gesprochen wird, die von einer Ortskraft aus dem Gastland geleitet werden, so kommt dieser Bezeichnung praktisch nur eine eingeschränkte Bedeutung zu, denn rechtlich entspricht der Status einer Repräsentanz dem eines Delegiertenbüros. Das Netzwerk der über 140 Standorte von Auslandshandelskammern und Dele- 59 giertenbüros umfasst – mit zunehmender Tendenz – derzeit insgesamt 140 Standorte in über 90 Ländern. Räumlich werden fünf Kontinente erreicht127. Weit über 50.000 Unternehmen sind Mitglied in einer AHK, über 1800 Personen engagieren sich ehrenamtlich in den Vorständen und Gremien der AHKs. Das Netzwerk erfasst einen Bereich, der ca. 80 % der deutschen Exporte aufnimmt und aus dem mehr als 75 % der deutschen Importe stammen. In diesen Ländern werden etwa 90 % der deutschen Auslandsinvestitionen getätigt. Auf diese Weise ist die wirtschaftliche Selbstverwaltung auch in allen Ländern präsent, die für die deutsche Wirtschaft von Bedeutung sind. Das AHK Netz gilt als weltweit einmalig – vergleichbare Netzwerke sind lediglich 60 noch in den USA (American Chambers of Commerce Abroad (AmCham) mit 115 Standorten in 102 Ländern), Japan (Japanese Chambers of Commerce and Industry overseas (JCCI) mit 79 Standorten), Großbritannien (63 BritChams, ein Bericht der britischen Regierung von 2012 zum Vergleich der Außenwirtschaftsförderung hat das deutsche AHK Netzwerk als vorbildlich identifiziert)128, Frankreich (UCCIFE) mit 123 Standorten in 92 Ländern) und Österreich (AußenwirtschaftCenter an 74 Standorten weltweit und Außenwirtschaftsbüros an 35 Standorten in 29 Ländern) existent.
VI. Kammern in Europa Wirtschaftspolitik und -recht werden stark durch die Europäische Union determi- 61 niert. Immer mehr Regelungen werden durch die EU und teilweise auch durch internationale Organisationen getroffen. Eine effektive Interessenvertretung für die Wirtschaft ist daher bereits sachlich auch auf europäischer Ebene geboten. Rechtlich ist für die europäischen Institutionen die Beteiligung der Wirtschaft als einer der wichtigsten Interessenträger bereits im EU-Vertrag vorgeschrieben. Nach Art. 11 Abs. 1 EU-Vertrag geben die EU-Institutionen „den repräsentativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten in allen Bereichen des 127 Für eine aktuelle Liste siehe www.ahk.de. 128 Lord Heseltine, No Stone Unturned – In pursuit of Growth, Auszug: Chamber of Commerce – International Comparisons, 2012, Department of Business, Innovation and Skills, https://www.gov.uk/government/publications/no-stone-unturned-in-pur suit-of-growth.
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Einf. Rz. 61 Kammern in Europa Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen“. Die Gegenüberstellung mit dem Begriff der Zivilgesellschaft in Art. 11 EUV deutet darauf hin, dass es sich bei den „Verbänden“ letztlich um öffentliche Einrichtungen handeln muss. Der Begriff der „Repräsentativität“ ist europarechtlich noch nicht abschließend definiert. Allerdings spricht vieles dafür, dass die EU nach gesetzlicher Mitgliedschaft (Gesamtinteresse), Anzahl der Mitglieder und demokratischer Struktur die Eingaben zu gewichten hat129. Hier kann Rückgriff auf die Rechtsprechung zu den Sozialpartnern genommen werden: Danach sind gem. Art. 152 AEUV der Sozialpartnerstatus nur solchen Verbänden zuzuerkennen, die „angemessen repräsentativ“ sind130. Durch die gesetzliche Mitgliedschaft geprägte und in bewährten demokratischen Strukturen die gewerbliche Wirtschaft repräsentierende europäische Verbände wie der DIHK können zudem durch die Zusammenfassung und den Ausgleich sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen zum Entstehen eines transnationalen gesellschaftlichen Raums beitragen131. 62
Die Aufgabe der IHK-Organisation ist es damit, auch die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen sowie die bezirklichen Perspektiven zur Geltung zu bringen; dies hat das Bundesverfassungsgericht 2017 explizit hervorgehoben: „Europäisierung bedeutet nicht, dass lokale, regionale oder nationale Wirtschaftspolitik ihre Bedeutung verloren hat. Es kann vielmehr gerade im Umgang mit Europäisierung und Globalisierung besonders wichtig sein, die bezirklichen Perspektiven zur Geltung zu bringen. Das zeigen auch Entscheidungen der Industrie- und Handelskammern selbst und des Gesetzgebers. So gründeten die Kammern bereits im Jahr 1958 den europäischen Zusammenschluss der Eurochambres132. Für die IHK-Organisation bedeutet dies konkret, dass auf europäischer Ebene und international die IHKs einmal unmittelbar über ihren Dachverband DIHK das Gesamtinteresse der Wirtschaft (s. § 1 Rz. 38 ff.) einbringen; ergänzend wirken IHKs und DIHK über ihre Mitgliedschaft im europäischen Zusammenschluss (Eurochambres), transnationalen und internationalen Kammerverbänden (ICC) (vgl. dazu s. Rz. 83 ff.).
129 Ausf. Wernicke/Stöbener in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, 49, 62 ff. mwN. 130 Eichenhofer in Streinz, EU/AEUV Kommentar, 2018, Art. 152 Rz. 6, mit Verweis auf EuG v. 17.6.1998, T-135/96, Slg. 1998, II-2338 – UEAPME. Es geht insoweit nur um die Kriterien der Repräsentativität, nicht die gesonderten sozialrechtlichen Bedingungen europäischer Rechtssetzung, durch die die teilweise eingeschränkte Rolle des EP kompensiert wird; ebenso Maul-Sartori in Boecken/Düwell/Diller/Hanau (Hrsg.), Gesamtes Arbeitsrecht, Art. 154 AEUV Rz. 10, „legitimatorische Repräsentativität“. 131 Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der EU, 49. EL. 2012, Art. 11 Rz. 19, 21. 132 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 103 f., 104.
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Europäische Interessenvertretung findet dabei notwendig parallel in Brüssel und 63 in den Mitgliedstaaten statt. Für den DIHK bedeutende Elemente der Beteiligung am europäischen Meinungsbildungsprozess sind u.a. die Abgabe von Stellungnahmen im Rahmen von Konsultationen der EU-Kommission sowie im Gesetzgebungsverfahren von Rat und Europäischem Parlament, die Teilnahme an beratenden Gremien und an Anhörungen von Sachverständigen, die Politikberatung auf allen politischen Ebenen in Berlin sowie die Unterstützung der Tätigkeit der IHK-Landesarbeitsgemeinschaften für Stellungnahmen des Bundesrates bzw. Landesvertretungen und der Regionen in Brüssel. Der Leiter der Vertretung des DIHK bei der EU in Brüssel ist zudem Mitglied des 64 Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA). Dieser Ausschuss aus Vertretern der Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie anderen Vertretern der Zivilgesellschaft nimmt beratende Aufgaben wahr und unterstützt das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vor allem durch Stellungnahmen bei der Gesetzgebung (vgl. Art. 300 ff. AEUV). Durch diese partizipativen Elemente wird auch die demokratische Legitimation der Entscheidungsfindung in der EU gestärkt133. 1. Eurochambres – Wirtschaftskammern in Europa Außerdem arbeitet der DIHK eng mit Kammerorganisationen anderer europäischer Staaten zusammen, darunter Eurochambres und die European Public Law Chambers.
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Der Verband Eurochambres vertritt die Interessen der europäischen Kammern, 66 auch aus nicht-EU Staaten, gegenüber den EU Institutionen und koordiniert zahlreiche Projekte, die das grenzüberschreitende Wirtschaften der Unternehmen, v.a. von kleinen und mittleren Unternehmen, und das Unternehmertum im Allgemeinen unterstützen sollen. Initiativen wie das „Europäische Parlament der Unternehmen“ stärken die Sichtbarkeit der Wirtschaft im europapolitischen Raum. Das BVerfG hat die Bedeutung der Gesamtinteressenvertretung auf europäischer Ebene ausdrücklich und unter Nennung von Eurochambres hervorgehoben134. Seinen Ursprung hatte Eurochambres in der 1958 gegründeten Ständigen Kon- 67 ferenz der Industrie- und Handelskammern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, zu der zunächst nur die Kammerorganisationen der sechs Gründerstaaten der EWG gehörten. Im Zuge der Entwicklung sind auch die Kammerorganisationen der neuen EU-Mitgliedstaaten hinzugetreten. Dazu kommen die Kammer-
133 Ruffert in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 11 Rz. 2 mwN; Ausf. Wernicke/Stöbener in Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, S. 49, 62 ff. mwN. 134 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 51, 104 ff.
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Einf. Rz. 67 Kammern in Europa organisationen derjenigen Staaten, die der Europäischen Freihandelszone (EFTA) angehören oder deren Länder einen Assoziierungsvertrag mit der EU haben. Als Beobachter fungieren die Kammern einiger Länder oder Ländergruppen, die besonders enge Beziehungen zur EU unterhalten, etwa Brasilien und Indien. Insgesamt hat Eurochambres 46 Mitgliedsorganisationen und ist ein eingetragener Verein nach belgischem Recht. 68
Die Organisation von Eurochambres spiegelt die nationalen Dachverbände. Die Vollversammlung besteht aus den Vertretern aller beteiligten Kammerorganisationen. Sie wählen Präsident und Präsidium und setzen eine Reihe von Fachausschüssen ein. Fachausschüsse und Vollversammlung befassen sich eingehend mit den Vorlagen der EU-Kommission und verfolgen eng die Entwicklung des EURechts. In Fällen gesamteuropäischer Willensbildung sind sie gemeinsame Gesprächspartner für die Organe der EU, insbesondere die Kommission und ihre Dienste und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und ihre Mitarbeiter.
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Fast alle europäischen Kammerorganisationen unterhalten inzwischen Verbindungsbüros in Brüssel, auch der DIHK, so dass aus den Sitzungen der verschiedenen Gremien von Eurochambres und den regelmäßigen Treffen der Brüsseler Verbindungsbüros inzwischen auch ein dichtes Kommunikationsnetz der europäischen Kammern entstanden ist. Die enge Zusammenarbeit fördert das Verständnis für die immer noch vorhandenen Unterschiede der Wirtschafts- und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und trägt damit auch dazu bei, gemeinsame Stellungnahmen zu europäischen Gesetzgebungsvorhaben zu erleichtern. Diese Gemeinsamkeit herzustellen ist eine beständige Herausforderung, da die beteiligten Kammerorganisationen unterschiedlich organisiert sind: Öffentlich-rechtliche Kammerorganisationen (mit Pflichtzugehörigkeit und Beitragspflicht) gibt es in sechs Mitgliedstaaten der EU (Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Luxemburg, Österreich), eine Eintragungspflicht kennen Griechenland, die Niederlande und Spanien. Alle anderen 19 Mitgliedstaaten haben privatrechtlich organisierte Kammern mit freiwilliger Mitgliedschaft, wobei einige davon eigene Rechtsgrundlagen in Form eines Kammergesetzes haben (so in Finnland, Belgien, Litauen, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn). Der Mitgliedstaat mit einer besonderen privaten Kammertradition, die über den Commonwealth auch außereuropäische Traditionen begründet, ist 2020 aus der EU ausgetreten: Großbritannien135.
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Insgesamt kam es in den letzten Jahren zu fundamentalen Wandlungen, die nur teilweise in ihren Ursachen erforscht sind136, so dass Vergleiche kaum belastbare 135 Benett, Local Business Voice, The History of Chambers of Commerce in Britain, Ireland, and Revolutionary America 1760-2011. 136 Einen Überblick bietet auch Sack in Sack (Hrsg), Institutioneller Wandel der europäischen Industrie- und Handelskammern im Vergleich, der moderne Staat- Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, 271, 273.
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Kammern in Europa
Rz. 71 Einf.
Resultate versprechen. Bei allen europäischen Kammern gibt es jedoch ein gemeinsames Selbstverständnis, welches in der „Charta of the European Chambers of Commerce and Industry“ am 15.10.1999 auf der Eurochambres-Konferenz in Nikosia formuliert wurde. Danach gehört es zu den Aufgaben der Kammern, das Gesamtinteresse der kammerzugehörigen Wirtschaft zu vertreten, die Entwicklung unternehmerischer Tätigkeit auf lokaler und regionaler Ebene zu fördern, als Berater gegenüber dem Staat und anderen Hoheitsträgern zu handeln, ihnen vom Staat oder anderen Hoheitsträgern übertragene Aufgaben im Sinne des Subsidiaritätsprinzips auszuführen und den Wirtschaftsunternehmen weitgefächerte Dienstleistungen sowie ein Forum für den Gedanken- und Erfahrungsaustausch anzubieten. In den Tätigkeitsschwerpunkten zeigen sich gleichwohl trotz dieses gemeinsamen Verständnisses deutliche Unterschiede, was nicht zuletzt mit der unterschiedlichen rechtlichen Konstruktion und Finanzierung zusammenhängt137. Die deutsche IHK-Organisation ist zudem Teil des Netzwerkes der europäischen 71 öffentlich-rechtlichen Kammern (European Public Law Chambers, EPLC). An dem Netzwerk sind auch die Kammern aus Österreich, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Luxemburg, die Niederlande und Spanien als EU-Mitgliedstaaten sowie darüber hinaus die Kammern aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und der Türkei beteiligt. Durch Gesetz begründet, mit gesetzlicher Mitgliedschaft ausgestattet und durch Kammerwahlen demokratisch legitimiert vertreten sie objektiv und neutral das Gesamtinteresse der Mitgliedsunternehmen jeder Größenordnung. Sie erfüllen öffentliche Aufgaben wie die Organisation der Berufsausbildung, die Führung von Unternehmensregistern, der Außenhandelsförderung, der Unternehmensgründung, der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen und der Organisation der Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Nach einer Zeit, in der im Zuge von Deregulierungs- und Einsparmaßnahmen auch die öffentlichrechtlichen Kammern unter Druck geraten sind und teilweise in privatrechtliche Organisationen umgewandelt wurden138, erkennen immer mehr Staaten an, dass gerade der öffentlich-rechtliche Charakter und die gesetzliche Mitgliedschaft aller
137 Ausf. zu Kammern in anderen Staaten Sack, Wirtschaftskammern im europäischen Vergleich, 2017; Heyne, Das Kammerwesen in anderen Staaten, in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 4, 92 ff. mwN.; Möllering in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 335; Corrado in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2004, 149 – Italien; Rodriguez Artacho/Barnes Vazquez in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 315 – Spanien; Rieger in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2003, 201 – Österreich; Willer in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 271 – Frankreich. 138 Ausf. Sack in Sack (Hrsg.), Wirtschaftskammern im europäischen Vergleich, 2017; Heyne, Das Kammerwesen in anderen Staaten, in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 4, 92 ff.
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Einf. Rz. 71 Kammern in Europa Unternehmen eines Kammerbezirks große Vorteile bieten und die Kammern als Mittler zwischen Staat und Markt139 unter Beteiligung der Unternehmen für die legitimierte Vertretung wirtschaftliche Interessen und wichtige Projekte wie den europaweiten Ausbau der dualen Berufsausbildung unabdingbar sind. 72
Die wesentlichen jüngeren Entwicklungen der öffentlich-rechtlichen europäischen Kammern lassen sich wie folgt darstellen: In Albanien besteht gesetzliche Mitgliedschaft seit 2016 durch das Gesetz zur Wiedereinführung der verpflichtenden Kammermitgliedschaft. Auch in Frankreich besteht eine gesetzliche Mitgliedschaft in den Chambres de Commerce et d’Industrie (CCI). In der Dachorganisation „Chambres de Commerce et d’Industrie France (CCI France)“, haben sich die ursprünglich 27 regionalen und 135 territorialen Kammern zusammengeschlossen. Die Zahl der regionalen Kammern hat sich durch territoriale Zusammenschlüsse auf insgesamt 13 reduziert. Die CCI finanzieren sich über steuerliche Abgaben der Unternehmen an den französischen Staat. In Griechenland haben die Kammern einen öffentlich-rechtlichen Status, ohne dass jedoch seit dem 1.1.2015 noch die gesetzliche Mitgliedschaft besteht; lediglich eine beitragspflichtige zwingende Registrierung in den von den Kammern geführten Handelsregister ist vorgesehen. Eine freiwillige Kammermitgliedschaft ist für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen erforderlich. Es gibt 59 Regionalkammern und eine föderale Kammer. In Italien wurden 2017 durch ein Rahmengesetz140 Kammern teilweise neu organisiert, die autonomia funzionale aber erhalten. Auch die gesetzliche Mitgliedschaft wurde aufrechterhalten. Die Anzahl der Regionalkammern sank von 105 auf 60, die Kammerbeiträge wurden reduziert. Die Kompetenzen im Bereich des Unternehmensregisters (registro delle imprese) präzisiert, die in der dualen Ausbildung wurden ausgeweitet. Die Kammern in Kroatien besitzen einen Status als öffentlich-rechtliche Institutionen mit einer gesetzlichen Mitgliedschaft. Das Netzwerk besteht aus 20 Bezirkskammern. Die Schwerpunkte der Kammerarbeit liegen in der Einführung eines dualen Ausbildungssystems. Luxemburg besitzt ein System der gesetzlichen Mitgliedschaft, die luxemburgische Handelskammer ist in der Verfassung verankert und fungiert als one-stop shop für Unternehmen und Gründer. Auch Montenegro hat die gesetzliche Mitgliedschaft eingeführt. Mit Eintragung in das von den Kammern geführte Handelsregister wird ein Unternehmen Mit-
139 Vgl. dazu Stober, Die Industrie- und Handelskammern als Mittler zwischen Staat und Wirtschaft. 140 Gazzetta Ufficiale n. 219 del 19.9.2017.
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Kammern in Europa
Rz. 72 Einf.
glied der Wirtschaftskammer Montenegro. Die Kammer engagiert sich für die Einführung eines dualen Ausbildungssystems. In den Niederlanden wurde die gesetzliche Mitgliedschaft 2014 zu Gunsten eines öffentlich-rechtlichen Status der Kammern mit Pflichtregistrierung im Handelsregister abgeschafft. Das neue Kammergesetz sah die Auflösung der selbständigen zwölf Regionalkammern vor, es gibt nur noch eine zentrale Kammer mit Hauptsitz in Utrecht. Ihre Hauptaufgaben sind die Führung der Handelsregister und Unternehmensberatung. In Österreich besteht gesetzliche Mitgliedschaft. Die österreichischen Wirtschaftskammern sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Das Kammersystem besteht aus dem Dachverband Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und den neun Landeskammern der einzelnen Bundesländer. Die Wirtschaftskammern finanzieren sich durch Mitgliedsbeiträge der Unternehmen. Die Rückkehr zu der 2013 abgeschafften gesetzlichen Mitgliedschaft in Serbien erfolgte 2017. Das Kammergesetz sieht eine nationale Kammer vor, die die Interessen der regionalen Kammern und deren Mitglieder bündeln soll. Es gibt eine klare Aufgabenteilung zwischen Bundes- und Regionalkammern wobei die drei Hauptaktivitäten der Wirtschaftskammer Serbien die duale Ausbildung, Internationalisierung und regionale Kooperationen sind. In Spanien wurde 2015 die gesetzliche Mitgliedschaft wiedereingeführt, jedoch ohne obligatorische Beitragszahlungen. Die Dachorganisation der 88 nationalen und 36 internationalen spanischen Kammern (Cámara de Comercio de España) hat öffentlichen Status und steht unter der Aufsicht des Wirtschaftsministeriums, das auch einen Teil der Finanzierung trägt. Dies spiegelt sich auch in den Entscheidungsgremien wider: Vertreter des Ministeriums sind in der Vollversammlung und im Vorstand vertreten. Mitglieder der Kammer sind alle natürlichen und rechtlichen Personen, die eine unternehmerische Tätigkeit ausüben. Zu den Aufgaben zählt die berufliche Bildung sowie Schiedsgerichtsbarkeit und Unternehmertum. Auch in der Türkei besteht gesetzliche Mitgliedschaft. Das Kammersystem TOBB finanziert sich durch die Mitgliedsbeiträge und Dienstleistungen. Die 365 lokalen Kammern repräsentieren insgesamt 1,4 Mio. türkische Unternehmen. Zentrale Aufgabe ist die Einführung eines dualen Ausbildungssystems. Zudem gibt es eine eigene Universität, die von der Kammer finanziert wird. Als Wirtschaftsvertreter kommt TOBB eine wichtige Rolle bei den Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU zu.
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Einf. Rz. 73 Kammern in Europa 2. IHKs und Europarecht a) Recht der Europäischen Union 73
Die gesetzliche Mitgliedschaft ist mit dem Unionsrecht vereinbar141, wie nach zahlreichen Verwaltungsgerichtsurteilen142 auch indirekt durch das Bundesverfassungsgericht143 bestätigt wurde. Sie verstößt nicht gegen die Grundfreiheiten, weder gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV noch gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV.
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Soweit nur vorübergehend im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Dienstleistungen erbracht werden, sind die Voraussetzungen der gesetzlichen Mitgliedschaft bereits nicht einschlägig. Soweit sich Unternehmen aus EU-Staaten in die nationale Wirtschaft integrieren und die Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmen ist die aus § 2 resultierende gesetzliche Mitgliedschaft in den IHKs schon vom Ansatz her nicht diskriminierend, da bereits ansässige „deutsche“ Unternehmen und Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in Deutschland niederlassen wollen, vollkommen gleich behandelt werden. Wegen dieser Gleichbehandlung stellt sich auch nicht die Frage der Inländerdiskriminierung.
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Auch eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die aus der Mitgliedschaft entstehende Beitragspflicht ist nicht gegeben, da insoweit das Bestimmungslandprinzip (gleiche Anwendung lokaler Regeln) gilt und gerade keine
141 EuGH v. 22.9.1983 – 271/82, Auer, Slg. 1983, 2727 Rz. 18; EuGH v. 3.10.2000 – C-58/98, Corsten, Slg. 2000, I-7919 Rz. 45; EuGH v. 11.12.2003 – C-215/01, Schnitzer, Slg. 2003, I-14847 Rz. 34 f., ganz hM, dazu Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 207 ff.; Wernicke/Stöbener in Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, S. 1172 ff.; zuletzt Neurath, Die Industrie- und Handelskammern, DÖV 2019, 513 (516 ff. – jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt); a.A. lediglich Kempen, Die Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern verstößt gegen geltendes Unionsrecht, in Sachs/Siekmann (Hrsg.), Festschrift Stern, 761 ff., der von einem bereits heute bestehenden Verbot der Inländerdiskriminierung ausgeht und sich somit vom gegenwärtigen Stand des Unionsrechts entfernt. Ausdrücklich betont demgegenüber auch der Rechtsausschuss des EP, dass die gesetzliche Mitgliedschaft sich in Deutschland gerade nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte erstrecke, vgl. Schreiben des Rechtsausschusses des EP D(2012) 52391 v. 12.10.2012 an den Petitionsausschuss des EP, zur Petition 0725/2011 „Kempen“. 142 BVerwG v. 16.6.2011 – 8 B 100.10 (Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschl. hat das BVerfG mit Beschl. v. 21.9.2011 – 2 BvR 1760/11, nicht zur Entscheidung angenommen); VGH Baden-Württemberg v. 15.5.2000 – 14 S 353/00, NVwZ 2000, 1313; OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10; Sächs. OVG v. 6.9.2011 – 4 A 668/10, DStR 2011, 2020; Bay. VGH v. 4.9.2012 – 22 ZB 11.1007, NVwZ 2013, 236; VG Gelsenkirchen v. 7.5.2013 – 19 K 4576/12; zuletzt VG Dresden v. 5.12.2018 – 4 K 3069/14. Siehe auch § 2 Rz. 7 ff. 143 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u. 1 BvR 1106/13 Rz. 103 f.
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Kammern in Europa
Rz. 77 Einf.
„spezifische Beschränkung des Marktzugangs“144 vorliegt. Eine solche Beschränkung setzt voraus, dass einem Unternehmen die Möglichkeit genommen wurde, „unter Bedingungen eines normalen und wirksamen Wettbewerbs in den Markt des Aufnahmemitgliedstaates einzutreten“145. Im Gegenteil: Eine Gesamtschau der sich aus der gesetzlichen Mitgliedschaft ergebenden Rechte und Pflichten zeigt vielmehr, dass sie die Attraktivität einer Niederlassung in Deutschland sogar erhöht146: Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten, die in Deutschland eine Niederlassung begründen, erhalten durch die Mitgliedschaft das Recht, alle Leistungen der Kammer zu nutzen und an der Willensbildung der Wirtschaft im Kammerbezirk aktiv teilzunehmen. Sie bekommen damit einen unternehmerischen Teilhabeanspruch an der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, der im Vergleich mit der politischen Teilhabe der EU-Bürger erheblich umfangreicher ist. Aus den Grundfreiheiten folgt also kein Verbot, sondern vielmehr ein Zugangsrecht zu den Kammern: EU Unternehmen mit Betriebsstätte in Deutschland dürften nicht von den Vorteilen der Mitgliedschaft ausgeschlossen werden147. Auch das EU-Beihilferecht nach Art. 107 ff. AEUV ist nicht einschlägig: Die 76 Kammerbeiträge sind keine staatlichen Mittel und damit keine verbotenen Beihilfen an die Kammern. Es entsteht weder eine Belastung der öffentlichen Haushalte noch gibt es eine staatliche Kontrolle über die Mittelverwendung148 – dem steht das Prinzip der Selbstverwaltung entgegen. Schließlich ist die funktionale Selbstverwaltung in Deutschland historisch wie sys- 77 tematisch integraler Bestandteil der mitgliedstaatlichen Staatsorganisation149. Sie ist als Ausdruck einer grundlegenden Strukturentscheidung auch Teil der Verfassungsidentität150 der Bundesrepublik und von der EU zu respektieren (Art. 4 Abs. 2 EUV). 144 Der rechtliche Rahmen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat ist integrierender Bestandteil der Standortbedingungen. Ausführlich dazu Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), (Stand 2019), Art. 49 Rz. 112 ff. 145 EuGH v. 29.3.2011 – C-565/08 – Kommission/Italien, SLg. 2011, I-2101 Rz. 51 mwN. 146 Vgl. Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 254; Wernicke, WiVerw 2012, 38; Wernicke/Stöbener in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerund Berufsrechts 2012, 49, 60 ff. 147 Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 216. 148 Jahn, Zuwendungen durch Kammern – Zulässigkeit, Grenzen und Verfahren, GewArch, 2014, 196 ff.; Kreuschitz/Wernicke in Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU Verträge, 6. Aufl., Art. 107 Rz. 15; Vgl. auch BVerwG v. 16.6.2011 – 8 B 100/10 Rz. 4 sowie zu einem vergleichbaren frz. Fall EuGH v. 30.5.2013 – C-677/11 – Doux Elevage Rz. 36–41, m. Anm. Wernicke, EuZW 2013, 582, 585. Vgl. auch die Entscheidung der Kommission von 2012, das Beihilfeverfahren gegen die WKÖ einzustellen. 149 Ebenso Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments, D (2012) 52391 v. 12.10.2012 in der Petition Nr. 0725/2011. 150 Zur Reichweite von Bogdandy/Schill, Die Achtung der nationalen Identität unter dem reformierten Unionsvertrag, ZaöRV 2010, 701.
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Das Sekundärrecht steht der gesetzlichen Mitgliedschaft in der IHK ebenfalls nicht entgegen. Art. 14 Nr. 2 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG verbietet nur das Erfordernis der Registrierung in einem Berufsverband und dies auch dann nur, wenn damit ein Genehmigungserfordernis verbunden ist151. Auch bei reglementierten Berufen sind nach der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG die Regelungen des Bestimmungslands anwendbar, wie sich aus Art. 4 Abs. 1 und im Umkehrschluss aus Art. 6 lit. a ergibt.
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Konsequent haben auch die europäischen Institutionen die Europarechtskonformität der gesetzlichen Mitgliedschaft immer wieder bestätigt, so etwa im Rahmen einer Petition an das Europäische Parlament152 und einer Beschwerde gegenüber der Europäischen Kommission153. Auch der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat ausdrücklich betont, dass die gesetzliche Mitgliedschaft nicht gegen das Unionsrecht verstößt und dass die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der wirtschaftlichen Selbstverwaltung Sache der internen Organisation des deutschen Staats sei154.
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Die öffentlich-rechtlichen Kammern und die gesetzliche Mitgliedschaft entsprechen also nicht nur dem Unionsrecht. Vielmehr sind sie Teil des Europäischen Verwaltungsverbundes155: Die Kammern setzen als Körperschaften des öffentlichen Rechts unmittelbar Unionsrecht um und haben wichtige Aufgaben bei der Verwirklichung des Binnenmarkts, z.B. bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen, Erlaubniserteilungen und Sach- und Fachkundeprüfungen, der Ausstellung von Ursprungszeugnissen nach dem EU-Zollkodex und teilweise auch als einheitlicher Ansprechpartner im Sinne der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Außerdem sind die Kammern durch die freiheitssichernde Partizipation aller europäischen Unternehmen in der wirtschaftlichen Selbstverwaltung Ausdruck der ebenfalls in den EU-Verträgen anerkannten partizipativen Demokratie156 und des
151 Dazu im Einzelnen Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 217. 152 Europäische Kommission, Beschwerde (2010) 3469, Ablehnung durch GD Markt im Juni 2011. 153 Europäisches Parlament, Petition 725/2011, geschlossen 2015. 154 Schreiben des Rechtsausschusses des EP D (2012) 52391 v. 12.10.2012 an den Petitionsausschuss des EP (Petition 725/2011 „Kempen“.). Auch die Richtlinie 2018/958/EU über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. EU L 173 v. 9.7.2018, 25 ff., bestätigt dies implizit, da die „Kammermitgliedschaft“ nicht – wie zeitweise diskutiert – als Beispiel für eine Beschränkung aufgezählt wird. 155 So auch Huber, Die Kammern im Europäischen Verwaltungsverbund, in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2007, S. 13 ff.; Vgl. auch Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 221; Ausf. Wernicke/Stöbener in Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, S. 49 (57 ff.) mwN. 156 Vgl. BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335 (337); Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 236 ff., 327 f.; Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammer-
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Kammern in Europa
Rz. 81 Einf.
Subsidiaritätsprinzips157. Sie vermindern bestehende Demokratiedefizite und tragen mit der Entscheidungsfindung durch bürger- bzw. „unternehmensnahe“, sachkundige und repräsentative Entscheidungsfindung zur „good governance“ in Europa158 und damit auch zur Verwirklichung des Rechts auf eine gute Verwaltung (vgl. Art. 41 Grundrechtecharta)159 bei. b) Europäische Menschenrechtskonvention Auch die Vereinbarkeit der gesetzlichen Mitgliedschaft mit der Europäischen 81 Menschenrechtskonvention (EMRK) ist rechtlich geklärt. Entsprechende Beschwerden wurden vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof EGMR in Straßburg 2018 zurückgewiesen160, auch die deutsche Rechtsprechung teilt diese Sicht161. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die EMRK-Normen etwa zur Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK) allein oder in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) eine grundsätzlich entgegengesetzte Beurteilung der Rechtfertigung tragen sollten als die durch das BVerfG gefundene. Die Rechtsprechung des EGMR zu gesetzlichen Mitgliedschaften, die z.B. wie in einem kommunalen Jagdverband an die Eigenschaft als Grundstückseigentümer anknüpfen, ist auf die Selbstverwaltung der Wirtschaft nur in ihrem Rechtsgedanken übertragbar: ein Verstoß liegt vor, wenn die Pflicht zur Mitgliedschaft gilt, ohne dass „die Auffassungen [der gesetzlichen Mitglieder] in irgendeiner Weise berücksichtigt werden“162. Indem gesetzliche Mitgliedschaften aus solidarischen Zwecken und mit demokratischen Vorkehrungen als konventionsgemäß angesehen werden können, ist konsequenterweise die gesetzliche Mitgliedschaft in den IHKs auch nach der EMRK nur unter den Bedingungen demokratischer Partizipation163 denkbar (s. § 1 Rz. 33, 38 ff.), worin sich die Komplementarität der Grundrechtsdogmatik des BVerfG und des EGMR erweist.
157 158 159 160 161 162 163
rechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 70 ff., 246, 254; Wernicke/Stöbener in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, 49, 52 ff., 62 ff. mwN. Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 253 f.; Wernicke/ Stöbener in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, 49, 61). Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 5 Rz. 252 f. Eisenmenger, Hoheitliche Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Handelskammern über Ländergrenzen hinweg, DVBl. 2009, 1356. EGMR v. 11.6.2018, Beschwerde no. 28451/18 Ackermann/Deutschland und EGMR v. 11.6.2018, Beschwerde no. 28433/18, Die Wilde 13/Deutschland, GewArch 2019, 67 (Ls.). VG Koblenz v. 12.10.2018 – 5 K 633/18. EGMR (Große Kammer) v. 26.6.2012 – 9300/07 – Hermann/Deutschland, NJW 2012, 3629, mit Verweis auf EGMR (Große Kammer), v. 29.4.1999 – 25088/94, 28331/95 und 28443/95 – Chassagnou u.a./Frankreich Rz. 116, NJW 1999, 3695. Dazu auch BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u. 1 BvR 1106/13 Rz. 112.
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Einf. Rz. 82 Kammern in Europa 82
Zudem wird – wie im deutschen Verfassungsrecht – auf öffentlich-rechtliche Vereinigungen die durch Art. 11 EMRK auch geschützte negative Vereinigungsfreiheit nicht angewandt164, wie der EGMR es für die österreichischen Handelskammern und Kammern der freien Berufe entschieden hat165. Die Kriterien dafür, dass eine Vereinigung nicht unter Art. 11 EMRK fällt, sind im Kern: Gründung durch Gesetz, eine Aufgabenstellung im öffentlichen Interesse sowie ggf. administrative und regulatorische Kompetenzen. Diese Anforderungen für die Kategorisierung als eine öffentlich-rechtliche Vereinigung i.S.d. EMRK sind auf die IHKs übertragbar166.
164 Vgl. EGMR v. 4.7.2002 – 43311/98 – Köll/Österreich. 165 Kommission v. 10.7.1991, 14596/89 – Weiß/Österreich; Dabei hat der EGMR klargestellt, dass die österreichischen Kammern „have not been founded as professional organisations by private individuals. They have been created by the Chamber of Commerce Act. According to that Act, they are public law institutions (Körperschaften öffentlichen Rechts). Their functions, conferred upon them by the Act, include the elimination and prevention of unfair trade practices and the furtherance of professional education and training. They thus exercise, by virtue of the relevant legislation, in areas of public interest a form of public control over the members of the trades to which the Chamber of Commerce Act applies. In these circumstances the Commission concludes that the Chambers of Trade, by virtue of their legal nature and their public functions, cannot be considered as associations within the meaning of Article 11 (Art. 11) of the Convention (cf. Eur. Court H.R., Le Compte, Van Leuven and De Meyere judgment of 23 June 1981, Series A no. 43, p. 26 et seq., paras. 63–65)“; Ebenso EGMR v. 3.4.2001 – 44319/98 – O.V.R./Russia (Notarkammer); EGMR v. 6.11.2003 – 48047/99 – Popov ua/Bulgarien (Berufsvereinigung der Ärzte und Zahnärzte); EGMR v. 6.5.2008 – 17029/05 – Nationale Notarkammer/Albanien. 166 Ausführlich Daiber in Meyer-Ladewig (Hrsg.), EMRK, Art. 11 Rz. 12. Die österreichischen Handelskammern und die Kammern der freien Berufe unterfallen nicht dem Schutzbereich des Art. 11, so Kommission 10.7.1991 – 14596/89 – Weiß/Österreich; EGMR 3.4.2001 – 44319/98 – O.V.R./Russia; EGMR 6.5.2008 – 17029/05 – Nationale Notarkammer/Albanien, jeweils mwN., ebenso wenig die österreichischen Tourismusverbände (EGMR 4.7.2002 – 43311/98 – Köll/Österreich). Die Jagdvereine in Frankreich sind demgegenüber nicht öffentlich-rechtlich geprägt (EGMR 29.4.1999 – 25088/94 u.a. – Chassagnou u.a. Rz. 97 ff.) Eine deutsche IHK ist danach ebenfalls als öffentlich-rechtlich im Sinne der EMRK einzustufen. Daher ist in der gesetzlichen Mitgliedschaft kein Eingriff zu sehen. Ein Eingriff läge jedoch vor, wenn die Betroffenen davon abgehalten werden, eine andere konventionsrechtlich geschützte Vereinigung zu gründen (EGMR 6.11.2003 – 48047/99 – Popov ua/Bulgarien), was bei der IHKMitgliedschaft aber nicht der Fall ist.
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Internationale Kammerorganisation
Rz. 84 Einf.
VII. Internationale Kammerorganisation – Die Internationale Handelskammer Die Geschichte der Internationalen Handelskammer (International Chamber of 83 Commerce, ICC)167 beginnt vor 100 Jahren im Nachkriegseuropa. Die ICC wird 1919 in Paris von Unternehmern als privatrechtlicher Verein französischen Rechts gegründet. Neben rein pragmatischen Zielen der Stärkung des Handels und der Vernetzung der Wirtschaft sollte vor allem erstmals auf internationaler Ebene die Wirtschaft als politischen Akteur verankert werden. Die Unternehmer verstanden sich als „Merchants of Peace“, sie stehen am Beginn einer eigenständigen Verantwortungskonzeption einer „Business Statesmanship“. Dies legitimierte die ICC, an internationalen Verhandlungen teilzunehmen, darunter die Reparations- und Kriegsschuldenfrage sowie währungs- und handelspolitischen Maßnahmen der Staaten. Der gesellschaftspolitische Anspruch als kollektiver Akteur ist seitdem allerdings einerseits hinter dominanten Dienstleistungsangeboten und diffus bleibenden Konzepten einer Corporate Social Responsibility andererseits verschwunden. Dies ist insoweit auch konsequent, als die ICC es versäumte, Strukturen aufzubauen, die eine repräsentative und demokratische Gesamtinteressenvertretung ermöglichen. Damit bleibt die effektive internationale repräsentative Interessenvertretung der Wirtschaft eine Leerstelle. Das ist von daher kritisch zu sehen, als Unternehmen zunehmend mit eigenen völkerrechtlichen Pflichten konfrontiert werden, wie zuletzt im Rahmen der Diskussion um Business and Human Rights168, ohne eine eigene Völkerrechtssubjektivität zu besitzen169 oder auf internationaler Ebene mit eigener Stimme vertreten zu sein. In den globalen wirtschaftspolitischen Zusammenkünften im Kontext der G7 oder G20 (vor allem den Treffen der sog. „B20“) sind es daher noch die nationalen Spitzenverbände der Wirtschaft, aus Deutschland DIHK und BDI, über die Wirtschaftsinteressen transportiert werden. Die Mitgliedschaft der ICC International setzt sich aus Industrie- und Handels- 84 kammern, Spitzen- und Branchenverbänden, Unternehmen aller Größenordnungen sowie Anwaltskanzleien aus mehr als 130 Ländern zusammen. Nationalkomitees der ICC bestehen in 93 Ländern, in der Regel angebunden an die nationalen Wirtschaftskammern. In Deutschland ist die ICC Germany rechtlich getrennt von der IHK-Organisation, einige IHKs sind allerdings Mitglied. Als Teil der ICC stellt die World Chambers Federation mit ca. 12.000 privaten und 167 www.icc-wbo.org; ein Überblick findet sich bei Wansleben, „Internationale Handelskammer“, Handbuch des Staatsrechts, Band 2, 2019; Rosengarten, Die Internationale Handelskammer, 2001; Ausführlich Spiliotis, Die Zeit der Wirtschaft, Business Statesmanship und die Geschichte der internationalen Handelskammer, 2019; Ridgeway, Merchants of Peace. The History of the International Chamber of Commerce, 1959. 168 Ausführlich Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung- Zur Entstehung einer globalen Wirtschaftsordnung, 2017. 169 Wernicke/Stöbener de Mora, Deutsches Anwaltsblatt 2016, 375, 376.
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Einf. Rz. 84 Internationale Kammerorganisation öffentlich-rechtlichen Industrie- und Handelskammern weltweit die größte wirtschaftliche Interessenvertretung dar. Diese versteht sich als Stärkung transnationaler Kammerverbände und betont regelmäßig die Vertretung von KMU-Interessen. 85
Die praktische Bedeutung der ICC liegt in der Entwicklung von Musterverträgen, Standards, Regelwerken und Richtlinien für eine effiziente Abwicklung internationaler Geschäfte. Am bedeutsamsten sind seit 1936 die Vertragsklauseln wie die Incoterms, Regeln für internationale Kauf- und Lieferverträge. Die ICC koordiniert die Ausstellung von ATA Carnets, die eine zollfreie vorübergehende Einfuhr von Gütern z.B. für Messen erlauben; in Deutschland erfolgt die Verwaltung durch IHKs und DIHK (vgl. dazu s. § 1 Rz. 188). Die wohl größte Errungenschaft der ICC ist der 1923 gegründete Internationale Schiedsgerichtshof (ICC International Court of Arbitration), der die weltweit größte und bedeutendste Einrichtung der Schiedsgerichtsbarkeit ist und deren Entwicklung stark beeinflusst hat. Die ICC besitzt konsultativen Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinen Nationen ECOSOC, seit 2016 auch bei der Generalversammlung.
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Kommentierung
§1 [Aufgabenbereich] (1) Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) vom 17. September 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 1411) gegeben ist, die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen; dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken. (2) Die Industrie- und Handelskammern können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes, treffen. (3) Den Industrie- und Handelskammern obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, soweit nicht Rechtsvorschriften diese Aufgaben anderen Stellen zuweisen. (3a) 1Die Länder können durch Gesetz den Industrie- und Handelskammern die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes übertragen. 2Das Gesetz regelt, welche Aufgabenbereiche von der Zuweisung erfasst sind. 3Dabei kann das Gesetz vorsehen, dass die Industrie- und Handelskammern auch für nicht Kammerzugehörige tätig werden. 4Das Gesetz regelt auch die Aufsicht. (3b) Die Länder können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz ermöglichen, sich an Einrichtungen zu beteiligen, die die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes erfüllen. (4) Weitere Aufgaben können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden. (4a) (aufgehoben) (5) Nicht zu den Aufgaben der Industrie- und Handelskammern gehört die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen.
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§ 1 Aufgabenbereich I. Vorbemerkungen: allgemeiner Aufgabenbereich . . . . . . . . 1. Normzweck und Auslegungsmaximen . . . . . . . . . . . . 2. Normstruktur . . . . . . . . . a) Sachliche Zuständigkeit . . b) Örtliche Zuständigkeit . . . c) Personelle Zuständigkeit . d) Form der Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . II. § 1 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . 1. Verbandskompetenz: „Wirtschaftliche Interessen“ – wirtschaftspolitische Angelegenheiten . . . . . . . . 2. Wahrnehmung des Gesamtinteresses . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung und Kritik . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Mitgliedschaft und Gesamtinteresse . . . . c) Legitimation durch Verfahren: die Meinungsbildung der IHK . . . . . . . . . . . aa) Vollständige Ermittlung und Kommunikation des Gesamtinteresses . (1) Konsultation . . . . . . (2) Legitimation . . . . . . (3) Kommunikation . . . bb) Formen der Wahrnehmung des Gesamtinteresses . . . . . . . . d) Gemeinsame Wahrnehmung: Region, Land, Bund, Europa . . . . . . . . . . . . e) Die Abgrenzung der Handwerksordnung . . . . . . . 3. Förderung der gewerblichen Wirtschaft . . . . . . . . . . . a) Information . . . . . . . . . b) Auskünfte . . . . . . . . . . c) Beratung . . . . . . . . . . . d) Empfehlungen und Warnungen . . . . . . . . . 4. Gutachtertätigkeit . . . . . . .
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1 1 9 9 13 14 16 17
17 31 32 38
41 42 43 47 56
63 67 70 72 77 81 82 85 88
a) Bedeutung der Kammergutachten in der Praxis . . b) Feststellung der Verkehrsauffassung . . . . . . . . . . c) Gesamtwirtschaftliche Beurteilung . . . . . . . . . d) Verfahren . . . . . . . . . . e) Rechtsfragen . . . . . . . . 5. Benennung von sachkundigen Ausschussmitgliedern, Laienrichtern und Experten . . . . 6. Wahrung von Anstand und Sitte – Die ehrbaren Kaufleute . . . . . . . . . . . . a) Norminhalt und Historie . b) Corporate Social Responsibility (CSR) . . . . . . . . c) Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs . . . . . . . . d) Bekämpfung der Korruption . . . . . . . . . e) Ehrengerichtsbarkeit . . . .
89 94 101 103 105
111
114 114 121 125 129 138
III. § 1 Abs. 2 . . . . . . . . . . . 1. Anlagen und Einrichtungen zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft . . . . . . a) Abgrenzung zu § 1 Abs. 1 b) Voraussetzung und Grenzen . . . . . . . . . . c) Beispiele . . . . . . . . . . d) Einrichtungen der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . 2. Berufsbildung . . . . . . . .
.
141
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141 141
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145 154
. .
156 161
IV. § 1 Abs. 3 . . . . . . . . . . . 1. Ursprungszeugnisse . . . . . 2. Andere dem Wirtschaftsverkehr dienende Bescheinigungen . . . . . . . . . . . 3. Carnet A.T.A. . . . . . . . . . 4. Beglaubigungen . . . . . . .
. .
171 171
. . .
181 188 190
V. § 1 Abs. 3a, 3b – Einheitliche Stelle/einheitlicher Ansprechpartner . . . . . . . . . . . . .
192
Aufgabenbereich VI. § 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben . . . . . . . 1. Voraussetzungen der Übertragung weiterer Aufgaben . . 2. IHK-Tätigkeit in der Wirtschaftsverwaltung: Übersicht 3. Aufgaben aus der Gewerbeordnung . . . . . . . . . . . . . a) Wirtschaftsschutz: Sachkundeprüfung und Unterrichtung im Bewachungsgewerbe, § 34a GewO . . . . . . . b) Versteigerer, § 34b GewO . c) Immobilienmakler, Darlehensvermittler, Bauträger oder Baubetreuer, Wohnimmobilienverwalter, § 34c GewO . . . . . . . . . d) Versicherungsvermittler und -berater, § 34d GewO e) Finanzanlagenvermittler, § 34f GewO . . . . . . . . . f) Honorar-Finanzanlagenberater, § 34h GewO . . . . g) Immobiliardarlehensvermittler, § 34i GewO . . . . h) Sachverständige, § 36 GewO . . . . . . . . . aa) Öffentliche Bestellung – Voraussetzungen . . bb) Öffentliche Bestellung – Rechtsfolgen . . . . . cc) Rücknahme und Widerruf der Bestellung . i) Wanderlager, § 56a GewO . 4. Aufgaben aus sonstigen Gesetzen . . . . . . . . . . . . . a) Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten, § 15 UWG . . . . . . . . . . b) Unterrichtung gemäß Gaststättengesetz, § 4 GastStG . c) Sachkundeprüfungen im Einzelhandel (freiverkäufliche Arzneimittel, § 50 AMG) . . . . . . . . .
200 200 211 216
216 225
226 230 239 243 245 249 255 261 265 267 268
268 273
274
d) Fachkundeprüfung nach dem Waffengesetz, § 22 WaffG . . . . . . . . . e) Beförderung gefährlicher Güter, § 14 Abs. 3 GGVSEB f) Zugang zum Beruf des Unternehmers im Güterkraftverkehr, § 3 GüKG . . . . . g) Führung von Unternehmen des Straßenpersonenverkehrs, § 13 PBefG . . . . . h) Berufskraftfahrerqualifikation, § 4 BKrFQG . . . . i) Amtliches Verzeichnis im Vergaberecht, § 48 VgV . . j) Öffentliche Ermächtigung von Handelsmaklern . . . . k) Registrierung geprüfter Organisationen, § 32 Umweltauditgesetz . . . . . . . . . 5. Tradierte und entfallene Aufgaben . . . . . . . . . . . . a) Verpackungsverordnung . b) Börsenaufsicht . . . . . . . c) Gewerbeanzeige, § 14 GewO . . . . . . . . . 6. Wahrnehmung der übertragenen Kammeraufgaben . . . a) Selbstverwaltung . . . . . . b) Satzungsgewalt . . . . . . . c) Verwaltungsverfahren . . . d) Schlichtverwaltende Tätigkeit . . . . . . . . . . . e) Amtshaftung und Amtshilfe f) Vertraulichkeit von Kammerunterlagen . . . . . . . aa) Grundsätze . . . . . . bb) Informationsfreiheitsgesetze . . . . . . . . . cc) Pressegesetze . . . . . . VII. § 1 Abs. 5 – Wahrnehmung arbeitsrechtlicher und sozialpolitischer Interessen . . . . .
§1
276 277
280 281 282 283 284
285 286 286 288 289 292 292 298 304 310 311 314 314 322 324
326
VIII. Rechtsschutzaspekte . . . . . 337 1. Namens- und markenrechtlicher Schutz der Bezeichnung „IHK“ . . . . . . . . . . . . . . 337
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§ 1 Aufgabenbereich 2. Binnenrechtsschutz . . . . . . a) Organstreit . . . . . . . . . b) Rechte gesetzlicher Mitglieder . . . . . . . . . .
342 342 345
aa) Austrittsanspruch gegen eine IHK . . . . bb) Voraussetzungen . . . cc) Bewertung . . . . . . .
352 354 355
Literaturauswahl: Ammermann, Kooperation der Industrie- und Handelskammern bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, WiVerw 1998, 201; Biernert, Kooperation von Kammern, E-Government und die EG-Dienstleistungsrichtlinie GewArch 2008, 417; di Fabio, Von der Gewerbeordnung zur Transformationspolitik des 21. Jahrhunderts, GewArch 2019, 257; Fleischer, Ehrbarer Kaufmann – Grundsätze der Geschäftsmoral – Reputationsmanagement: Zur „Moralisierung“ des Vorstandsrechts und ihren Grenzen, DB 2017, 2015; Groß, Interessenausgleich durch Kollegialverfahrensrecht in den Kammern, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2003, 26; Grütters, Informationsfreiheit auch gegenüber Industrie- und Handelskammern?, GewArch 2002, 270; Hahn, Verwaltungsstreitverfahren zwischen Kammern und ihren Mitgliedern, WiVerw 2004, 178; Hövelberndt, Die Kammern als Wettbewerber, 2008; Hurlebaus, Rechtsratgeber Berufsbildung, 26. Aufl. 2015; Jahn, IHKWirtschaftsförderung durch Beteiligung an Anlagen und Einrichtungen, GewArch 2001, 146; Jahn, Interne Willensbildungsprozesse in wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörperschaften am Beispiel der Industrie- und Handelskammern, WiVerw 2004, 133; Jahn, Die Kontrolle von Unternehmen und Beteiligungen der Kammern, Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2005, 51; Jahn, Die Änderungen im Recht der Industrie- und Handelskammern durch das 4. VwVfÄndG, GewArch 2009, 177; Jahn, Sicherung der Binnenpluralität wirtschaftlicher Interessen in IHKn durch Gesamtinteressenvertretung und Gremienstruktur, GewArch 2018, 410; Jahn, Austrittsanspruch von Kammerzugehörigen bei Kompetenzüberschreitungen von Kammerdachverbänden, GewArch 2019, 339; Jestaedt, Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2003, 9; Kannengießer, Zulässigkeit und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung der Industrie- und Handelskammern, WiVerw 1998; 182; Kirchberg, Zwang, Pflicht oder Chance – Mitgliedschaft in den Industrieund Handelskammern, NJW 2017, 2723; Klink, Der Ehrbare Kaufmann – Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR-Forschung, Corporate Social Responsibility. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Special Issue 3, 2008, S. 57; Klopp et al., Neue Regeln für Versicherungsvermittler, 2007; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997; Kluth/Voigt, Rechtliche Rahmenbedingungen für die Betätigung von Kammern im Bereich von Bildungsdienstleistungen, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 351; Kluth, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gesamtinteressenvertretung durch Industrie- und Handelskammer, in: Kluth (Hrsg.), Die IHK-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017, 2018, 105; Kluth, Kammerfinanzierung ohne Pflichtbeiträge? GewArch 2018, 261; Knemeyer, Wettbewerbsrelevante Dienstleistungen der Industrie- und Handelskammern, WiVerw 2001, 1; Mitsch, Zum Auswahlermessen der Industrie- und Handelskammer bei der Benennung von Unternehmensberatern, GewArch 1992, 422; Möllering, Vertretung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft durch die Industrie- und Handelskammern, WiVerw 2001, 25; Möllering, Übertragung von Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung auf die Industrie- und Handelskammern, WiVerw 2006, 261; Möllering, Zur rechtlichen Überprüfung von Stellungnahmen, in: Kluth/Müller/Peilert (Hrsg.), Festschrift für Rolf Stober, 391; Möllering, Das Bundesverwaltungsgericht zur „Limburger Erklärung“ der hessischen Industrie- und Handelskammern – ein wegweisendes Ur-
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Vorbemerkungen: allgemeiner Aufgabenbereich
Rz. 2 § 1
teil zur Wahrnehmung des Gesamtinteresses und sehr viele offene Fragen, GewArch 2011, 56; Muckel, Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht in der IHK sind verfassungsgemäß, JA 2017, 878; Natzel, DB 2005, 610; Neurath, Die Industrie- und Handelskammern, DÖV 2019, 513; Oebbecke/Burgi, Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, VVDStR 62, 405 ff., Reinhardt, Die Industrie- und Handelskammer – eine Organisation des ehrbaren Kaufmanns?, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2008, 177; Rickert, Öffentlichkeit und Informationspflichten in den Industrie- und Handelskammern, WiVerw 2004, 153; Schöbener in Kluth (Hrsg.), Die IHK-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017, S. 41, 43 ff., Schoenau, Die Zuständigkeit der Industrie- und Handelskammern für die öffentliche Bestellung von Sachverständigen, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2015, 24; Schönleiter, Das neue Recht für Versicherungsvermittler, GewArch 2007, 265; Schwalbach/Klink, Der Ehrbare Kaufmann als individuelle Verantwortungskategorie der CSR Forschung, in: Schneider/Schmidpeter (Hrsg.), Corporate Social Responsibility – Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, 2012, S. 226; Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung – Zur Entstehung einer globalen Wirtschaftsordnung, 2017; Stober, Die Industrie- und Handelskammern als Mittler zwischen Staat und Wirtschaft, 1992, Wernicke, Perspektiven des deutschen Rechts im Wettbewerb der Rechtsordnungen, NJW 2017, 3038; Wiemers/Ghaedi, Rechtsberatung durch die Wirtschaftskammern, GewArch 2016, 185; Ziekow/Windoffer (Hrsg.), Ein einheitlicher Ansprechpartner für Dienstleister, 2007.
I. Vorbemerkungen: allgemeiner Aufgabenbereich 1. Normzweck und Auslegungsmaximen Die Aufgabenvielfalt der IHKs unterteilt sich der Systematik des § 1 folgend inhaltlich in die „wesentliche Zwecksetzung“1 der Wahrnehmung des Gesamtinteresses verbunden mit der gleichgewichtigen Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Kammerbezirk, sowie in die durch Gesetz übertragenen Aufgaben.
1
Dem Gesetzgeber steht frei zu entscheiden, welche Aufgaben der Staat nicht durch seine Behörden, sondern durch eigens gegründete öffentlich-rechtliche Anstalten oder Körperschaften erfüllt2. Er hat dabei einen weiten gesetzgeberischen Spielraum3. Eine verfassungsrechtliche Pflicht, privatautonomen Lösungen den Vorzug zu geben, besteht nicht4. Eine grundlegende Grenze besteht dort, wo durch
2
1 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 90, BVerfGE 146, 164. 2 Ständige Rechtsprechung seit BVerfG v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, 102. 3 Ständige Rechtsprechung, vgl. allgemein BVerfG v. 26.10.2004 – 1 BvR 981/00 Rz. 40, BVerfGE 111, 366, 374: „Auch ist es primär Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche legitimen öffentlichen Aufgaben er auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts überträgt“; in Bezug auf die IHKs: BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, 336, sowie BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13. 4 Allerdings wäre der Gesetzgeber frei, auch eine privatrechtliche Organisationsform einzuführen, vgl. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 88, 102.
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§ 1 Rz. 2 Aufgabenbereich das GG selbst bestimmte Aufgaben zwingend der unmittelbaren Staatsverwaltung zugewiesen werden. Hinsichtlich der Aufgabenübertragung auf Selbstverwaltungskörperschaften darf die Aufgabe ferner nicht dem Prinzip der funktionalen Selbstverwaltung und der darin ausgedrückten öffentlichen Autonomie widersprechen: die Verbandsmitglieder müssen sich der Aufgabe als „eigener Angelegenheit“ widmen können. 3
Mit dem IHKG hat der Bundesgesetzgeber 1956 in Weiterführung der europäischen Traditionslinien der wirtschaftlichen Selbstverwaltung (s. Rz. 7) den IHKs eine Vielzahl von öffentlichen Aufgaben übertragen: sie haben das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Als Berater der Behörden sollen sie den Sachverstand und die Interessen der Kammermitglieder gebündelt, strukturiert und ausgewogen in Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse des Staates einbringen. Darüber hinaus entlasten sie den Staat durch eine dezentrale, partizipative Erfüllung von Aufgaben im Bereich der Wirtschaftsverwaltung. Die gesetzlichen Mitglieder werden zur Sicherung einer dem Gesamtinteresse verpflichteten und dem Gemeinwohl dienenden repräsentativen Selbstverwaltungstätigkeit in Anspruch genommen, die sich von einer reinen, privatrechtlich und auf freiwilliger Basis zu organisierenden Interessenvertretung unterscheidet5. Denn die Tätigkeit von Wirtschaftskammern ist in weiten Teilen verschieden von der Tätigkeit privater Interessenverbände: „Die Annahme des Gesetzgebers ist plausibel, dass private Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft nicht im gleichen Maße die Belange und Interessen aller in einer Region tätigen Gewerbetreibenden ermitteln und vertreten können wie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen, die vielfach gesetzlich, durch ihre innere Organisation und durch Rechtsaufsicht gebunden ist“6.
4
Da es sich bei der wirtschaftlichen Selbstverwaltung – mit Ausnahme der Beitragspflicht – idR um keine Eingriffsverwaltung handelt7, kommen die Maßgaben der Wesentlichkeitstheorie nur eingeschränkt zum Tragen. Die Generalklauseln haben so die Möglichkeit eröffnet, dass die IHKs ihre Arbeit jederzeit den wechselnden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen anpassen und neuen Aufgaben gerecht werden konnten. Die Generalklauseln sind deshalb einer kasuistischen
5 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, 336 f. 6 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 102; vgl. ferner ausführlich Kluth in Kluth (Hrsg.): Die IHK-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017. 7 § 1 Abs. 1 IHKG wäre dem BVerwG zufolge möglicherweise in weiten Teilen auch zu unbestimmt, um den Anforderungen an eine Eingriffsermächtigung zu genügen, dazu BVerwG v. 17.12.1991 – 1 C 5/88, GewArch 1992, 139 Rz. 22.
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Vorbemerkungen: allgemeiner Aufgabenbereich
Rz. 7 § 1
Aufzählung der Aufgaben und Befugnisse überlegen und spiegeln geradezu das Wesen der Selbstverwaltung wider. Die Formulierungen des § 1 Abs. 1 lehnen sich an das frühere Preußische Han- 5 delskammergesetz8 an. Damit wird die geschichtliche Kontinuität des gesetzlichen Kammerauftrags betont. Die historische Unterlegung des jeweiligen Wortlautes ist damit für die sachgerechte Auslegung von Bedeutung (s. Einführung Rz. 7 zum vom BVerfG erwähnten „Traditionszusammenhang“). Insbesondere die traditionellen Generalklauseln bezeugen den weiten Spielraum, den der Gesetzgeber den in den IHKs zusammengefassten Unternehmen bei der Wahrnehmung des Gesamtinteresses einräumen will. Die Kammergeschichte beweist, welche vielfältigen Aktivitäten die IHKs teilweise über Jahrhunderte auf dieser Grundlage erfolgreich entwickelt haben. Eine unterstützende, indikative Bedeutung kann umgekehrt auch die Staatspraxis erlangen, die bezeugt, mit welcher weiten, teilweise auch gesellschaftspolitischen Erwartungshaltung die Organe der Bundesrepublik bzw. der Länder an die IHKs herantreten (s. Rz. 333). Ferner ist für die Auslegung dieser Aufgabenzuweisung die Bewertung des BVerfG 6 in ständiger Rechtsprechung ausschlaggebend, wonach ausnahmslos alle gegenwärtigen Aufgaben des § 1 Abs. 1 „legitime öffentliche Aufgaben“ sind9: „Zu den legitimen öffentlichen Aufgaben gehören Aufgaben, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss (vgl. BVerfGE 38, 281, 299)“10. Der Aufgabenkanon der IHKs nach dem derzeit geltenden IHKG ist damit verfas- 7 sungsrechtlich bestätigt. Zwar ist er nicht verfassungsrechtlich in dem Sinne abgesichert, als dass er außerhalb der Disposition des einfachen Gesetzgebers stünde, zumal er notwendig immer unterhalb der originären staatlichen Aufgaben anzusiedeln ist. Allerdings kommt mit der gesetzlichen Aufgabenübertragung auch notwendig die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass es sich um (1) öffentliche Aufgaben handelt, bei denen (2) eine private Aufgabenerfüllung nicht in gleicher Weise wirksam wäre bzw. es von vorneherein nicht sein könnte. Das betrifft vor allem die Gesamtinteressenwahrnehmung: eine repräsentative Meinungsbildung setzt zwingend voraus, dass die Interessen aller Unternehmen berücksichtigt werden können. Die Möglichkeit der Partizipation (s. Rz. 43) und 8 Gesetz über die Handelskammern, PreussGS 1870, 134. 9 „Die Kammern erfüllen ‚legitime öffentliche Aufgaben‘ (vgl. dazu BVerfG v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, 102; BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235, 241; BVerfG v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65 und 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 281, 299; BVerfG v. 15.6.1988 – 1 BvR 1301/86, BVerfGE 78, 320, 329; stRspr)“, BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 87. 10 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 88.
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§ 1 Rz. 7 Aufgabenbereich ihre Berücksichtigung in der Aufgabenerfüllung wird durch die gesetzliche Mitgliedschaft gesichert. Das BVerfG hat ausdrücklich die Interpretation des § 1 Abs. 1 selbst konsequent unmittelbar an die gesetzliche Mitgliedschaft geknüpft: Eine Aufgabenerfüllung, die nicht „alle Belange“ der Kammermitglieder berücksichtigt, wäre unzumutbar und führte zu einem Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG11. 8
§ 1 ist gleichermaßen eine Aufgaben- und Befugnisnorm. Er ermächtigt und verpflichtet die IHK zur Erfüllung der genannten Aufgaben, er bestimmt die Grenzen dieser Befugnisse und damit den vor Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigten Handlungsraum jeder IHK und des Dachverbandes DIHK (zur Ausweitung auf den DIHK s. Rz. 352). Den IHKs steht damit – anders als in der kommunalen Selbstverwaltung – kein „Aufgabenfindungsrecht“ zu. Außerhalb des gesetzlichen Auftrags besteht keinerlei Handlungsbefugnis einer IHK – auch dann nicht, wenn die Handlung im echten oder vermeintlichen Interesse der repräsentierten Unternehmen liegen sollte. Wiederkehrenden Versuchen, aus der Traditionslinie der bürgerlichen Freiheitsperspektive (s. Einführung Rz. 1 ff.) einen eindeutig zum Ausdruck gebrachten Handlungswillen der Mitglieder als determinierend anzusehen, mag mit rechtspolitischer Sympathie de lege ferenda begegnet werden, da sie häufig aus gesellschaftspolitischer Verantwortung der Unternehmen motiviert sind, de lege lata ist ihnen jedoch eine eindeutige Absage zu erteilen: IHKs bestehen und handeln alleine aufgrund des IHKG nach Maßgabe der gesetzlich normierten Aufgaben. Eine Überschreitung des gesetzlichen Auftrags kann außergerichtlich und gerichtlich kontrolliert werden, und zwar unabhängig davon, ob durch die Kompetenzüberschreitung ein darüber hinausgehender rechtlicher oder faktischer Nachteil entstand12 (s. Rz. 352 zum Binnenrechtsschutz). 2. Normstruktur a) Sachliche Zuständigkeit
9
§ 1 umschreibt den Aufgabenkreis der IHK und bildet damit die entscheidende Grundlage für ihre Tätigkeit. Die Vorschrift führt im Einzelnen die Aufgaben und Befugnisse auf, da Nichtgebietskörperschaften – anders als Bund, Länder und Gemeinden – keine Allzuständigkeit haben und außerhalb ihres gesetzlichen Auftrags nicht tätig werden dürfen13.
11 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 110, 111. 12 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, 337; BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29.99, BVerwGE 112, 69, 72 und BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, NVwZ-RR 2010, 882 Rz. 21; BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 14. 13 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, BVerwGE 112, 69, GewArch 2001, 161.
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Vorbemerkungen: allgemeiner Aufgabenbereich
Rz. 11 § 1
§ 1 stellt sich im Überblick wie folgt dar: 10 – § 1 Abs. 1 enthält die „wesentliche Zwecksetzung“ der IHKs14. Er bestimmt in Form einer Generalklausel, welche Aufgaben eine IHK als Selbstverwaltungseinrichtung erfüllen muss. Am bedeutsamsten ist dabei die Wahrnehmung des Gesamtinteresses (s. Rz. 32 ff.) sowie die Förderung der gewerblichen Wirtschaft, ergänzt wird diese „insbesondere“ durch die Unterstützung und Beratung der Behörden sowie die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns. Die aus § 1 Abs. 1 resultierende Verbandskompetenz knüpft dabei an schwer abgrenzbare „wirtschaftliche Interessen“ an (vgl. dazu ausführlich Rz. 17 ff.). Hoheitliche Eingriffsbefugnisse ergeben sich aus der Aufgabenzuweisung nicht, die Ermächtigungsgrundlagen folgen aus den speziellen Normen, insbesondere die Beitragserhebung gemäß § 3 Abs. 2 (s. § 3 Rz. 40 ff.) sowie die Maßnahmen auf der Grundlage des BBiG. – § 1 Abs. 2 legt insbesondere die Voraussetzungen fest, unter denen die IHKs Anlagen oder Einrichtungen der Förderung der Wirtschaft begründen, unterhalten oder unterstützen dürfen. Abs. 2 ist Spezialnorm und daher in seinen (beschränkenden) Voraussetzungen von Abs. 1 abzugrenzen. – § 1 Abs. 3 ist eine spezielle Aufgaben- und Befugnisnorm im Bereich des Außenhandels. Sie ergänzt die bereits aus § 1 Abs. 1 folgenden Handlungsmöglichkeiten. – § 1 Abs. 3a und 3b sind keine Aufgabennormen für die IHKs, sondern ermächtigen den Landesgesetzgeber, den IHKs durch Gesetz neue Aufgaben zu übertragen. – § 1 Abs. 4 stellt klar, dass Aufgabenübertragungen durch Gesetz und Rechtsverordnung erfolgen können, eine vor allem für den Landesgesetzgeber wesentliche Ermächtigung: Hoheitliche Aufgaben, die durch den Bund oder die Bundesländer auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 im Bereich der Wirtschaftsverwaltung IHKs übertragen wurden, bilden einen in der Praxis überaus bedeutsamen Bereich der Tätigkeit der IHKs. – § 1 Abs. 5 ist eine tatbestandliche Restriktion der Aufgabennormen im Bereich der Interessenwahrnehmung für Angelegenheiten der Sozialpolitik und des Arbeitsrechts. Die Abs. 1 bis 3 sind dabei generalklauselartig formuliert, um im damit gegebenen 11 Rahmen der IHK als Selbstverwaltungskörperschaft den notwendigen Freiraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu geben; sie kennzeichnen organisationsrechtlich eigene Aufgaben Abs. 3a und 4 sehen die Übertragung weiterer Aufgaben vor. Kategorisierungen nach freiwilligen und pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben ebenso wie die Unterscheidung nach einem eigenen und einem dem Kommunalrecht verwandten „übertragenen Wirkungskreis“, sind heuristisch verständ14 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 90.
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§ 1 Rz. 11 Aufgabenbereich lich, aber dogmatisch schwer zu rechtfertigen15: Kammern erfüllen ausschließlich gesetzlich zugewiesene Aufgaben, zudem erledigen sie diese durchgehend unter Rechtsaufsicht und nicht wie Kommunen im übertragenen Wirkungskreis unter Fachaufsicht. 12
§ 1 enthält eine allgemeine Aufgliederung der Kammeraufgaben, welche den historischen Wurzeln des Kammerwesens entspricht. Einerseits sind die Kammeraufgaben „nach außen“ orientiert; bei der Wahrnehmung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft wenden sich die IHKs an den Staat in allen seinen Erscheinungsformen, also auch im Bereich der Kommunen und Kommunalverbände, werden als Berater und Gutachter tätig und informieren die Öffentlichkeit. Andererseits ist die Kammerarbeit „nach innen“ gerichtet, wenn die IHKs die ihnen zugehörigen Unternehmen informieren, beraten und unterstützen; darin liegt der Förderauftrag der IHKs gegenüber ihren Zugehörigen. Dazu kommen schließlich die administrativen Aufgaben, welche den IHKs gem. Abs. 3, 3a und 4 im Bereich der Wirtschaft übertragen werden; es handelt sich stets um staatliches Wirtschaftsverwaltungsrecht, dessen Durchführung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips der IHK anvertraut wird. Praktisch bedeutsame übertragene sachliche Aufgabenbereiche im Wirtschaftsverwaltungsrecht betreffen den Außenhandel, die Berufsbildung, die Finanz- und Versicherungswirtschaft, das Gewerberecht, das Umweltrecht und das Verkehrsrecht. b) Örtliche Zuständigkeit
13
Die Tätigkeit der einzelnen IHK vollzieht sich in erster Linie in ihrem Bezirk, weil die regionale Gliederung durch ihre Konzentration auf einen überschaubaren Lebenskreis die beste Grundlage für eine wirkungsvolle Selbstverwaltung ist und nur auf diese Weise die regionalen Besonderheiten und Schwerpunkte ausreichend berücksichtigt werden können. Bei den Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung, die den IHKs übertragen sind, ergibt sich das auch aus den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit. Der Förderauftrag ist grundsätzlich auf die Unternehmen des Bezirks bezogen. Die regionale Gliederung im Kammerwesen lässt sich deshalb auch insoweit mit der gemeindlichen Selbstverwaltung vergleichen. Die Kammerarbeit baut damit zwar auf den wirtschaftlichen Interessen der Bezirkswirtschaft auf, ist aber in ihrem Aktionsradius nicht auf den Kammerbezirk beschränkt. Die IHK kann vielmehr im Rahmen der Wahrnehmung des Gesamtinteresses und ihres Förderauftrags überall dort tätig werden, wo das Interesse der Unternehmen ihres Bezirks berührt wird. Wenn wirtschaftliche Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene anstehen, kann sie sich – meist zusammen mit anderen betroffenen Kammern und auf dem Wege über eine gemeinsame Vertretung, etwa dem DIHK oder den IHK-Landesarbeitsgemeinschaften, an die 15 Ebenso Knemeyer, WiVerw 2001, 1, 5, weitergehend Landmann/Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 40.
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Vorbemerkungen: allgemeiner Aufgabenbereich
Rz. 16 § 1
entsprechenden staatlichen Stellen wenden. Wenn für die Bezirkswirtschaft Maßnahmen der Europäischen Union oder internationaler Organisationen relevant sind, können die IHKs auch in dieser Richtung tätig werden; über den DIHK wirken sie in der europäischen Kammervereinigung Eurochambres mit (s. Einführung Rz. 65). Angesichts der Bedeutung der Außenwirtschaft für ihre Mitgliedsunternehmen können sie sich schließlich auch im Ausland engagieren, beispielsweise deutsche Auslandshandelskammern und Delegierte der deutschen Wirtschaft im Ausland unterstützen, Delegationen entsenden und Kontakte institutionalisieren16. Jenseits der Wahrnehmung des Gesamtinteresses sind den IHKs bislang Tätigkeiten außerhalb des Geltungsbereichs des IHKG untersagt, das gilt insbesondere für hoheitliche Tätigkeit. c) Personelle Zuständigkeit Die Tätigkeit der IHK bezieht sich grundsätzlich auf das Gesamtinteresse der ge- 14 werblichen Wirtschaft ihres Bezirks, d.h. auf die ihr zugehörigen Mitglieder im Sinne von § 2. Ausgenommen von Vertretung und Betreuung sind deshalb nach den Einleitungsworten von § 1 Abs. 1 ausdrücklich diejenigen Unternehmer, die als Handwerker oder handwerksähnliche Gewerbetreibende den Handwerkskammern angehören (s. § 2 Rz. 118 ff.). Damit verweist das IHKG dynamisch auf die personelle Reichweite der Handwerksordnung. Im Übrigen ergibt sich die genauere Abgrenzung des Kreises der Kammerzuge- 15 hörigen unmittelbar aus § 2. Danach gehören etwa auch die Landwirtschaft und die freien Berufe grundsätzlich nicht zu den IHK-Mitgliedern, es sei denn, dass die Mitgliedschaft über die objektive Gewerbesteuerpflicht bzw. als Rückausnahme durch die HR Eintragung vermittelt wird. Die Interessen dieser Wirtschaftszweige – außer in den genannten Ausnahmefällen – gehören somit nicht zu dem von der IHK vertretenen Interessenspektrum. Die Rechtsprechung hat verdeutlicht, dass jedes Gewerbe, das dem Anwendungsbereich des IHK-Gesetz oder der Handwerksordnung unterfällt, Teil einer der Kammern werden soll und die Kammern in einem einander ergänzenden Alternativ-Verhältnis stehen17. d) Form der Aufgabenerfüllung Die Art und Weise, in der die IHKs ihre Aufgaben erfüllen, ist dem Träger der 16 Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze weitestgehend freigestellt, soweit Handlungsoptionen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht verlassen werden. Ausführlich zur Form der Aufgabenwahrnehmung der übertragenen Aufgaben s. Rz. 292. Eine beachtliche und erst in jüngster Zeit durch die Gerichte rechtsfort16 Dazu Möllering, WiVerw 1998, 214. 17 Hamb. OVG v. 17.7.2018 – 5 Bf 146/17.Z, gesetzliche Mitgliedschaft in der Handwerkskammer Rz. 10, GewArch 2018, 384.
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§ 1 Rz. 16 Aufgabenbereich bildend aufgestellte Grenze zieht allerdings die Aufgabenbestimmung einer Selbstverwaltungskörperschaft mit gesetzlicher Mitgliedschaft in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG. Kammern mit gesetzlicher Mitgliedschaft dürfen sich „nicht an einer juristischen Person des Privatrechts beteiligen, die satzungsgemäß Aufgaben jenseits der Kammerkompetenzen wahrnimmt. Ebenso wenig dürfen sie einem Verband angehören, der sich trotz kompetenzkonformer satzungsrechtlicher Aufgabenzuweisung jenseits des Kompetenzrahmens der Kammern betätigt“18. Diese Grenze ist von den IHKs z.B. unmittelbar zu beachten, wenn sie gemeinsam Landesarbeitsgemeinschaften bilden, sie gilt ebenfalls für das Verhältnis zum Dachverband DIHK e.V.: deren Satzung sowie die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung (s. Rz. 356) muss sich im Rahmen des IHKG bewegen. Für sonstige Mitgliedschaften und Beteiligungen der IHK, etwa Vereinsmitgliedschaften in wirtschaftsbezogenen Vereinen, Forschungsinstituten, Stiftungen etc. sind indes auch weitere Aspekte zu berücksichtigen: hier wird primär die satzungsrechtliche19 oder gesellschaftsrechtliche Zweckbestimmung Bedeutung erlangen für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Mitgliedschaft.
II. § 1 Abs. 1 1. Verbandskompetenz: „Wirtschaftliche Interessen“ – wirtschaftspolitische Angelegenheiten 17
§ 1 Abs. 1 setzt sowohl die Wahrnehmung des Gesamtinteresses als auch die Förderung der Wirtschaft in einen direkten Bezug zu den „wirtschaftlichen“ Interessen, die berücksichtigt werden müssen. Das BVerfG hat diesbezüglich betont, dass der Gesetzgeber den IHKs „die Möglichkeit (…) der selbstverwaltenden Mitsprache in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten“ eröffnet habe20.
18
Damit ist zwar klargestellt, dass die Verbandskompetenz immer an einen nachvollziehbaren Bezug zur „gewerblichen Wirtschaft“ rückgekoppelt ist (zur Abgrenzung gegenüber den Belangen, die bei der Ermittlung des Gesamtinteresses zu berücksichtigen sind s. Rz. 51): die wirtschaftspolitischen Angelegenheiten beziehen sich damit auf den allgemeinen Rahmen zulässiger Äußerungen. Zugleich ist es unstrittig, dass es keine abschließende Definition dessen gibt, was zur Wirtschaft gehört. Dies kann immer nur im Einzelfall geklärt werden. 18 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 17, dazu Held-Daab, jurisPR-BVerwG 21/2016 Anm. 3 früher zurückhaltend, OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.12.1999 – 8 A 395/97, GewArch 2000, 378, betr. die Mitgliedschaft einer Landesärztekammer in einem Landesverband und mittelbar im Bundesverband der freien Berufe. 19 Vgl. BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29.99, GewArch 2001, 161; BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 16; Hamb. OVG v. 16.11.2016 – 5 Bf 40/16.Z zur Beteiligung an der Initiative gegen den Rückkauf von Teilen des Energienetzes. 20 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 95.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 21 § 1
a) Rechtsprechung: Zu den Äußerungsbefugnissen einer IHK nach § 1 besteht ei- 19 ne langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung. Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2001: „Die in § 1 Abs. I IHKG genannte Aufgabe lässt sich als Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn umschreiben. Da sehr viele öffentliche und staatliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren, ist diese Aufgabe kaum exakt eingrenzbar. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen“21. Im Jahr 2009 interpretierte der Hessische Verwaltungsgerichtshof22 dieses Urteil 20 demgegenüber restriktiv dahingehend, dass es den Industrie- und Handelskammern in solchen Bereichen, in denen Belange der gewerblichen Wirtschaft „nur am Rande berührt“ seien, nicht uneingeschränkt, sondern nur „grundsätzlich“ gestattet sei, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Deren Kompetenzbereich sei zwar bei einer unmittelbaren spezifischen Betroffenheit der gewerblichen Wirtschaft (im Kernbereich der Wirtschaftspolitik) uneingeschränkt eröffnet. Soweit Belange der gewerblichen Wirtschaft dagegen durch „ressortfremde“ Aufgaben oder Handlungsfelder nur am Rande berührt würden, könne das nicht das Einfallstor für eine unbeschränkte Befassungskompetenz in derartigen sachfremden Bereichen sein. Je „ressortferner“ eine öffentliche Angelegenheit sei, je geringer und je mittelbarer sie gewerbliche Belange nur am Rande berühre, je weniger es sich um sog. „harte“ und je mehr es sich um sog. „weiche“ Standortfaktoren handele, umso stärker würden der zulässige Umfang und das zulässige Gewicht der Betätigung der Industrie- und Handelskammern begrenzt. In den „fremden“ Bereichen, wie etwa Schul-, Bildungs-, Familien- oder Kulturpolitik fehle ihnen für konkrete und ins Einzelne gehende Lösungsvorschläge oder Forderungen, die in der Regel eine Abwägung auch mit anderen als mit wirtschaftlichen Belangen voraussetzten, typischerweise sowohl die Sachkompetenz als auch eine auf der Bündelung von Mitgliederinteressen beruhende Legitimation23. Diese enge, letztlich auf Sphären beruhende Interpretation des § 1 wurde vom 21 BVerwG ausdrücklich zurückgewiesen und das Urteil insoweit aufgehoben; das BVerwG stellte 2010 ausdrücklich klar, dass die Kriterien der „Ressortnähe“ oder der „Unmittelbarkeit“ ungeeignet seien zur Abgrenzung des Kompetenzbereichs24: „Vielmehr bringt diese Rechtsprechung zum Ausdruck, dass selbst in Berei21 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29.99, BVerwGE 112, 69, 71, 74; NVwZ-RR 2001, 93, Hervorhebung nur hier. 22 VGH Kassel v. 5.2.2009 – 8 A 1559/07, GewArch 2009, 158, dazu Jahn, GewArch 2009, 434. 23 Zitiert nach dem Urteil des BVerwG im Revisionsverfahren v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 12. 24 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 27, dazu Möllering, GewArch 2011, 56, sowie Siebert/Batterman, GewArch 2012, 59.
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§ 1 Rz. 21 Aufgabenbereich chen, in denen Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, den Industrie- und Handelskammern – die Zuständigkeit im Kernbereich erweiternd – gestattet ist, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Auch in diesen Randbereichen ist die Kompetenz der Industrie- und Handelskammer gegenüber dem Kernbereich nicht eingeschränkt. Abzugrenzen ist allerdings, was noch zum Randbereich einer zulässigen Betätigung der Industrie- und Handelskammern gehört und wo dieser Bereich verlassen wird, weil es sich um allgemeinpolitische Fragen handelt“25. Das BVerwG stützte sich erneut 2016 auf dieses Verständnis, als es ergänzte, dass es für die Eröffnung des Kompetenzbereichs erforderlich aber auch hinreichend sei, wenn Sachverhalte „spezifische Auswirkungen auf die Wirtschaft“ besäßen26. 22
Es gibt mithin in der Rechtsprechung keinen abschließenden Katalog von zulässigen oder unzulässigen Themenstellungen, sondern bislang nicht systematisierbare Einzelfallentscheidungen. Als „thematisch“ über die gesetzlichen Grenzen der Kompetenz zur Gesamtinteressenwahrnehmung hinausgehend wurden Äußerungen zur Hochschulfinanzierung, zur Einführung von Studiengebühren und die Kritik am föderalen Bildungssystem eingeordnet, allerdings ausdrücklich lediglich „mangels Darlegung eines Wirtschaftsbezugs“27. „Annäherung durch Handel“ stellt keinen ausreichenden Wirtschaftsbezug her, auch sofern damit auf die Frage, ob der Iran ein möglicher Partner für die Wirtschaft sei, geantwortet wird. Aussagen zu Verletzungen des Europäischen Stabilitätspaktes seien ebenso wie ein Kommentar zum Brexit rechtswidrig, soweit nicht im Detail Konsequenzen für einzelne deutsche Unternehmen dargestellt werden. Das gleiche gälte für Aussagen zum „Existenzrecht Israels“ oder die Menschenrechtslage in einem bestimmten Land. Wurde die „wirtschaftsspezifische Betroffenheit“ deutlich gemacht, so wurden umgekehrt gerade wegen der nachvollziehbaren „konkreten Auswirkungen“ der Äußerungen zu Ganztagsschulen und dualen Studiengängen diese Formulierungen von § 1 Abs. 1 gedeckt. Auch das Votum zu einem geplanten Volksentscheid kann erhebliche Konsequenzen für den wirtschaftlichen Standort haben und die IHK nicht nur zu einer Stellungnahme berechtigen sondern ggfs. verpflichten28. Eine abstrakte Grenze der Verbandskompetenz wird (neben § 1 Abs. 5, vgl. dazu Rz. 326 ff.) vom BVerwG allein bei sogenannten „allgemeinpolitischen Aussagen“29 begründet (dazu ausführlich Rz. 26 ff.).
23
b) Funktionale Grenzen: Im Ergebnis ist der Rechtsprechung des BVerwG rechtssystematisch und teleologisch zuzustimmen, wonach der Kompetenzbereich des 25 26 27 28
BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 27, 30. BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 31. BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 34. Vgl. Hamb. OVG v. 12.10.2007 – 1 Bs 236/07, ausführlich Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2013, 227. 29 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 36.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 24 § 1
§ 1 nicht allein auf den Gegenstand einer Äußerung bezogen oder auf unsichere inhaltliche Definitionen dessen gestützt werden kann, was „Wirtschaft“ genau bedeuten könnte – zumal die Verwobenheit wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aspekte kaum aufzulösen wäre30. Es gibt mithin keine inhaltlich „fremden“ Bereiche, sondern letztlich können potentiell alle Sachmaterien wirtschaftliche Angelegenheiten sein. Diese weite Auslegung führt indes nicht dazu, einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft, hier der Unternehmen, vermittelt über die funktionale Selbstverwaltung in einer IHK, eine Rechtsstellung zu verleihen, die besondere Einwirkungsmechanismen auf den politischen Prozess bereitstellt. Der Gesetzgeber drückt allerdings durch § 1 die Erwartung aus, dass die Mitglieder der IHK eine besondere Verantwortung für die Angelegenheiten der res publica wahrnehmen31 (zur Gemeinwohlorientierung s. Rz. 52), er stärkt damit die durch die Selbstverwaltung gewollte „öffentliche Autonomie“, verstanden als die mitwirkende Teilhabe an der Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten. Um dieser öffentlichen Aufgabe (Funktion) und Verantwortung adäquat nachkommen zu können bedürfen die in der IHK organisierten unternehmerischen Interessen korrespondierender Handlungs- und Ausdrucksmöglichkeiten. Die Grenzen der Verbandskompetenz werden mithin funktional dadurch gezo- 24 gen, dass die gegenständlichen Sachverhalte „nachvollziehbare Auswirkungen“ auf die Aufgaben der IHK als Vertreterin der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks haben und diese, sofern es sich um Kommunikationen nach außen handelt, auch dargestellt werden (zur Darstellung in der Kommunikation s. Rz. 56 ff.). Insoweit ist die Formulierung der Rechtsprechung, die von Auswirkungen auf die Unternehmen im Bezirk der Kammer spricht, ungenau: Der Bezug ist auf die Aufgaben der IHK zu nehmen, die notwendig immer an die Gesamtheit der Mitglieder angeknüpft sind und gemeinwohlorientiert erfüllt werden müssen. Verfehlt wäre sowohl die Annahme, der Nachweis eines oder mehrerer „betroffener“ Unternehmen indiziere für sich die Verbandskompetenz32 als auch die Umkehrung, es müssten konkrete betroffene Unternehmen im Kammerbezirk für die Begründung der Verbandskompetenz benannt werden. Die instanzgerichtliche
30 Vgl. Eisenmenger. Die Gesamtinteressenvertretung der Industrie- und Handelskammern – ein zahnloser Tiger?, in Eisenmenger/Kluth/Korte (Hrsg.), Stand und Perspektiven des Öffentlichen Wirtschaftsrechts, 2018. 31 Hierauf weisen Siebert/Batterman, GewArch 2012, 59 hin, wenn Sie davon ausgehen, dass vieles dafür spricht, auch einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaft formell wie inhaltlich einen gewissen Entscheidungsspielraum zu belassen, wolle man eine ins Detail gehende Zensur vermeiden, 61. 32 Deutlich wird dies im Urteil des BVerwG 2016 am Beispiel der Maßnahmen bei Flutkatastrophen: es geht nicht um die Betroffenheit einzelner Unternehmen in jedem Kammerbezirk und deren konkreten Nachweis, sondern die Darstellung, inwieweit Maßnahmen der Bekämpfung von Hochwasser im Aufgabenkreis der IHKs stehen, dazu BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 34.
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§ 1 Rz. 24 Aufgabenbereich Rechtsprechung (dazu Rz. 22) widerspricht damit teilweise den Maßstäben des BVerwG. 25
Dieser funktionelle Ansatz gilt sowohl für die praktisch wichtigste Kompetenzgrenze, die gesetzlich in § 1 Abs. 5 vorgesehene Negativkompetenz der arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Angelegenheiten (s. Rz. 326 ff.) als auch die durch die Rechtsprechung gezogene Kompetenzgrenze der allgemeinpolitischen Aussagen, die ergänzend neben die gesetzliche Restriktion des § 1 Abs. 5 tritt. Ein allgemeinpolitisches Mandat steht den IHKs nicht zu33.
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c) Allgemeinpolitische Aussagen: Indem das BVerwG verdeutlicht hat, dass der Bereich der zulässigen Betätigung der Industrie- und Handelskammern dort verlassen wird, wo es sich um „allgemeinpolitische Fragen“ handelt34, hat es eine dem § 1 Abs. 1 implizit unterlegte Kompetenzgrenze herausgearbeitet, die in vergleichbaren Konstellationen öffentlich-rechtlicher Selbstverwaltung identisch besteht. Eine Definition von allgemeinpolitischen Fragen existiert nicht. Hinweise können u.a. der Rechtsprechung zum „hochschulpolitischen Mandat“ von Hochschulvertretungen entnommen werden. Insoweit hat das BVerwG ausgeführt, dass erst „die nachhaltige und uneingeschränkte Kundgabe nichthochschulbezogener, allgemeinpolitischer Meinungen und Forderungen“35 als Anmaßung eines unzulässigen allgemeinpolitischen Mandats gilt. In der weiteren Rechtsprechung wurde dazu die sog. „Brückenschlagtheorie“ entwickelt, wonach der Bezug zur originäre Aufgabe nicht dadurch verloren geht, dass die handelnde Körperschaft bei der Verfolgung der ihr übertragenen Belange auch „den weiteren gesellschaftlichen Zusammenhang“ mit in den Blick nimmt36. Die mögliche Anwendung der Brückenschlagtheorie auf die IHK-Organisation ist offen. Abgelehnt wird sie vom OGV NRW mit Bezug auf eigene, das BVerwG einschränkend auslegende Urteile37. Jedenfalls solange der spezifische Zusammenhang mit eigenen Aufgaben erkennbar bleibt sind die Kriterien zur Auslegung des gesetzlich vorgegebenen „wirtschaftspolitischen Mandats“ der IHKs in Abgrenzung zum nicht vorhande33 BVerwG v. 12.5.1999 – 6 C 10/98, NVwZ 2000, 323; BVerwG v. 26.9.1969 – VII C 65.68, BVerwGE 34, 69; VG Kassel v. 30.1.2007 – 3 E 2253; VG Arnsberg v. 8.11.2000 – 1 K 2473/99, GewArch 2001, 163; dazu auch Möllering in Festschrift Stober, 391, 399; Eisenmenger, Interessenvertretung und Beratung durch Kammern in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, i.E. 2019. 34 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 30. In der Literatur wird terminologisch in Abgrenzung zum allgemeinpolitischen Mandat bisweilen auch von dem von der Verbandskompetenz umfassten „spezialpolitischen Mandat“ gesprochen, Eisenmenger, Urteilsanm., GewArch 2010, 400, 403. 35 BVerwG v. 13.12.1979 – 7 C 58.78, BVerwGE 59, 231; NJW 1980, 2592. 36 Dazu etwa BVerwG v. 12.5.1999 – 6 C 10/98; zur Brückenschlagstheorie auch Peters/ Schulte, WissR 2003, 325, 337 f. 37 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09 Rz. 129, nicht rechtskräftig, Revision anhängig – 8 C 23.19, für das OVG sind Bewertungen politischer Ereignisse per se rechtswidrig Rz. 151.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 28 § 1
nen allgemeinpolitischen Mandat übertragbar: handelt es sich um wirtschaftspolitische Angelegenheiten hindert der allgemeinpolitische Kontext nicht. Falsch wäre es demnach, allein aus der Tatsache, dass die Perspektive von „Bürgern und Unternehmen“ eingenommen wird, einen allgemeinpolitischen Bezug zu unterstellen38, denn dies würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, ein von der bürgerlichen Gesellschaft abgetrenntes gesellschaftliches Subsystem der Wirtschaft zu postulieren: eine solche Position widerspricht den Interdependenzen moderner Gesellschaftlichkeit. Im Gegenteil ist von den IHKs gerade zu verlangen, die Auswirkungen ihrer Positionen auf die Gesellschaft zu berücksichtigen, denn Wirtschaft ist zugleich Teil der bürgerlichen Gesellschaft und hat im Sinne des BVerfG „gemeinwohlorientiert“39 zu handeln (s. ausführlich Rz. 52). Ein praktisches Beispiel hierfür sind Positionierungen zur Klimapolitik. Auch die Rechtsprechung zum kommunalen Mandat ist heranzuziehen. Ein all- 27 gemeines politisches Mandat über das kommunalpolitische Mandat nach Art. 28 GG hinaus steht der Gemeinde nicht zu. Das BVerwG sieht Äußerungen einer Gemeinde als kritisch an, die schon nach ihrem Wortlaut den Charakter politischer Stellungnahmen haben oder den Anschein solcher Stellungnahmen erwecken. Für unzulässig erklärt werden können „aktiv kämpferische, plakative Stellungnahmen“ mit allgemeinpolitischem, weil z.B. unmittelbar verteidigungspolitischem Inhalt40. Schließlich hat das BVerfG ausgeführt, dass verfassungsrechtlich legitim durch eine IHK Sachverstand und Interessen gebündelt werden, anstatt „als Interessenverband oder Koalition im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG“ oder „übergreifend als politische Partei“ in den wirtschaftspolitischen Willensbildungsprozess einzugreifen41. Indizien für eine Abgrenzung zum Allgemeinpolitischen für eine IHK wären mithin, dass der Sachverhalt keinerlei spezifische wirtschaftliche Auswirkungen hat, die allgemeinpolitische Wirkung im Vordergrund steht („aktiv kämpferisch“) statt Gesamtinteressenwahrnehmung und Beratung der Regierung, unternehmerische Interessen nicht betroffen sein können (und insoweit kein besonderer Sachver38 So aber OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09 Rz. 163. 39 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, 337. 40 BVerwG v. 14.12.1990 – 7 C 40/89, NVwZ 1991, 684, sowie BVerwG v. 14.12.1990 – 7 C 37/89, BVerwGE 87, 228, 231, wobei insoweit sogar eine völkerrechtskonforme Ausgestaltung der Kriterien diskutiert wurde, Lorenzmeier, BayVBl. 2011, 485 ff. 41 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 95 unter Zitat von BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235, 240 ff.; BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 Rz. 39; Diese typisierende Abgrenzung von wirtschaftlichen Angelegenheiten zu allgemeinpolitischen Sachverhalten wird aus einem parallelen Umstand heraus bestärkt, dem Verhältnis der Formulierungen der Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG zu den „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“. Die Kompetenzgrenze der Gewerkschaften ist danach dort gezogen, wo es sich um „allgemeinpolitische Forderungen, die nicht den Wirtschaftsbedingungen gelten“ handelt, dazu zuletzt Poscher, RdA 2017, 235, 242; die in diesem Kontext entwickelten Indizien könnten übertragen werden.
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§ 1 Rz. 28 Aufgabenbereich stand generiert werden kann), oder die Aussage in ihrer Typik gar eindeutig parteipolitisch motiviert ist. 29
d) Allgemeine Grenzen: Von der spezifischen Kompetenzgrenze der allgemeinpolitischen Fragen sind allgemein geltende verfassungsrechtliche Grenzen zu unterscheiden. Relevant für die IHKs ist u.a. das allgemeine Gebot der Neutralität, das für deren gesamte Tätigkeit gilt. Die für Staatsorgane geltenden Maßgaben42 sind auf die IHKs zu übertragen, wonach die einseitige bzw. parteiergreifende Einflussnahme Tätigkeit von Staatsorganen den aus Art. 3 iVm Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Art. 38 GG folgenden Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien (§ 5 PartG) verletzt43; daher kann nach der Rechtsprechung im Einzelfall sogar die Berücksichtigung auch verfassungsfeindlicher Parteien geboten sein44. Auch soweit eine IHK von ihren Aufgaben nach § 1 Gebrauch macht, hat sie das Gebot der Neutralität staatlicher Organe zu beachten, was zwar die Zurückweisung der an ihrer Tätigkeit geübten Kritik nicht ausschließt. Die IHK ist dabei aber darauf beschränkt, in sachlicher Weise über ihre Arbeit zu informieren und sich mit erhobenen Vorwürfen auseinanderzusetzen.
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Eine weitere allgemeine Grenze ist z.B. das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse. Aus diesem folgt u.a. die Pflicht der Kommunen ebenso wie der IHKs, dass Art und Inhalt von Medienveröffentlichungen, eigenen Magazinen etc. sich am Gebot der Neutralität und an der Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich zu messen haben45. 2. Wahrnehmung des Gesamtinteresses
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Zur wesentlichen Zweckbestimmung einer IHK gehört die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden46. Es ist Hauptaufgabe und Dreh- und Angelpunkt auch vieler weiterer Aufgaben einer IHK, etwa der Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Auch die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der gesetzlichen Mitgliedschaft beruht auf der gesetzeskonformen Wahrnehmung des Gesamtinteresses (s. Rz. 38). Schließlich dürfen sich die IHKs zur 42 Zuletzt BVerfG v. 27.2.2018 – 2 BvE 1/16 Rz. 39 ff. 43 St. Rspr. seit BVerfG v. 2.3.1977 – 2 BvE 1/76, LS 3: Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken; zur Abgrenzung von der Öffentlichkeitsarbeit Rz. 67 ff.; eine weitgehende „politische Vertretung der gewerblichen Wirtschaft“ durch die IHKs akzeptierend Landmann/Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 86. 44 Es gibt kaum gerichtliche Verfahren zum Neutralitätsgebot einer Kammer, zuletzt VG des Saarlandes v. 9.4.2019 – 3 L 489/19 zur Einladung von Repräsentanten von Parteien im Vorfeld einer Kommunalwahl. 45 BGH v. 20.12.2018 – I ZR 112/17, GRUR 2019, 189. 46 Aus der Literatur allgemein: Jahn, GewArch 2018, 410 mwN.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 34 § 1
gemeinschaftlichen Wahrnehmung des Gesamtinteresses ihrer Kammerzugehörigen auf überregionaler Ebene zu einem privatrechtlich organisierten Dachverband zusammenschließen, wenngleich sie die Aufgabe der Gesamtinteressenwahrnehmung nicht vollständig an diesen delegieren dürfen47. a) Begriffsbestimmung und Kritik Das Gesamtinteresse ist nicht gesetzlich definiert. Es kennzeichnet den Aufgaben- 32 bereich einer IHK seit der ersten gesetzlichen Fassung des § 1 des Preußischen Handelskammergesetzes 1870: „Die Handelskammern haben die Bestimmung, die Gesamtinteressen der Handel- und Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen“48. Ausgangspunkt der Definition ist die Feststellung des BVerfG, wonach sich „in der 33 Organisation einer Körperschaft der funktionalen Selbstverwaltung die Binnenpluralität der Interessen niederschlagen (muss), denen diese dient“49. Die Mitgliedschaft aller Unternehmensgrößen und die Berücksichtigung aller in einem Bezirk in Unternehmen bestehenden Interessen verhindert eine „einseitige oder gar ausschließende“ Interessenvertretung50. Im Gegenteil werden alle „in einem Bezirk relevanten Vorstellungen“51 berücksichtigt, „der Gesetzgeber verlangt eine Bündelung unterschiedlicher Positionen in den Kammern, sowohl durch deren Unabhängigkeit als auch durch die Vollständigkeit der Information, da gerade mit der Pflichtmitgliedschaft die Möglichkeit besteht, auf die Auffassung aller zurückzugreifen“52. In der Zugänglichkeit und der „vollständigen Erfassung der Gewerbetreibenden und ihrer Interessen“ liegt der Wert der wirtschaftlichen Selbstverwaltung mit gesetzlicher Mitgliedschaft, die bei freiwilliger Mitgliedschaft nicht gegeben wären. Damit sind vom Gesamtinteresse wie historisch überkommen grundsätzlich alle Interessen umfasst, an denen ihre Mitglieder „mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind“53. Welche und in welcher Form Interessen zu berücksichtigen sind, folgt aus dem ge- 34 nauen Verfahren und der verfassungsrechtlichen Maßgabe der „Vollständigkeit“
47 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15. 48 PreussGS S. 134, i.d.F. des Gesetzes v. 19.8.1897, PreussGS S. 343. 49 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, Ls 2, dazu näher Jahn, GewArch 2018, 410. 50 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 92. 51 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 92. 52 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 92 sowie BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235, 242 f. 53 So Lusinsky, Kommentar zum Handelskammergesetz, 1897, § 1, Nr. 3, 55, der die Gegenüberstellung zu Einzelinteressen betont, wonach es darauf ankommt, ob „der Handelsstand als Ganzes“ bzw. die „Gesamtentwicklung von Handel und Gewerbe“ betroffen ist – dann dürften auch Anliegen einzelner Unternehmen verfolgt werden, ebd. S. 56.
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§ 1 Rz. 34 Aufgabenbereich der Interessensermittlung aus dem Gedanken der Binnenpluralität heraus – dazu ausführlich Rz. 41 ff. zur Meinungsbildung in der IHK-Organisation. 35
Die Interessen der gesetzlichen Mitglieder sind gemäß § 1 Abs. 1 „abwägend und ausgleichend“ zu berücksichtigen. Hierin liegt der Unterschied zwischen selektiver Interessenvertretung, wie sie notwendig bei privaten Verbänden der Fall sein muss, und der Wahrnehmung des Gesamtinteresses54, denn eine freiwillige Organisation oder eine Aufgabenwahrnehmung der Interessenverbände verfolgen andere Ziele55. Zudem haben diese Maßgaben unmittelbare Folgen für das Verfahren (s. Rz. 43, 56): Gesamtinteressenwahrnehmung ist wegen dieser rechtlichen Ausgestaltung trotz mancher Überschneidungen eben keine reine Interessenvertretung. So bedarf es umfangreicher verfahrensmäßiger Voraussetzungen, um der Aufgabe der Interessenwahrnehmung innerhalb der Grenzen der Objektivität gerecht zu werden. Zunächst ist vorausgesetzt, dass sich die Kammer auf die Mitarbeit aller Bezirksfirmen stützen kann. Gehörte nicht die gesamte gewerbliche Wirtschaft des Bezirks zur Kammer, so bestünde die Gefahr, dass der Mitgliederkreis zu klein wird und dass der notwendige Gesamtüberblick, der sich aus dem laufenden und unmittelbaren Kontakt mit allen Bezirksfirmen ergibt, allmählich verloren ginge.
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Die Wahrung des Gesamtinteresses setzt eine Unabhängigkeit nach allen Seiten voraus, ohne die es unmöglich wäre, die widerstreitenden „Belange“ abzuwägen und auszugleichen sowie ein objektives Urteil abzugeben. Hierin liegt das zentrale Charakteristikum der Kammerarbeit und gleichzeitig ein wesentlicher Unterschied gegenüber der Aufgabe von Wirtschafts- und Fachverbänden, für welche die Aufgabe des Interessenausgleichs wohl auch gegeben sein kann, aber nicht in der gleichen wesensbestimmenden Art wie für die Kammern. Bei diesen müssen Einzel- und Gruppeninteressen auch dann, wenn sie von starken Kräften gestützt werden, dem Gesamtinteresse untergeordnet werden können. Das aber ist nur gewährleistet, wenn dem einzelnen Gewerbetreibenden nicht der Entschluss darüber freisteht, ob er der Kammer angehören will, und wenn er damit nicht seine Mitgliedschaft und Zahlungspflicht von bestimmten Entscheidungen abhängig machen kann, die ihm gerade erwünscht erscheinen. Entsprechendes gilt für die vielen Gutachten und Stellungnahmen, die von den Kammern zu erarbeiten sind, um, ihrem gesetzlichen Auftrag gemäß, Gerichte und Verwaltungsbehörden in deren Entscheidungen und Überlegungen zu unterstützen. Derartige gutachtliche Äußerungen der Kammern müssen wirklichkeits- und wirtschaftsnah sein, alle Perspektiven berücksichtigen aber dabei eine objektive Darstellung enthalten, wenn sie für Gerichte und Behörden eine echte Entscheidungshilfe sein wollen;
54 Dazu ausführlich Kluth in Kluth (Hrsg.), Die IHK-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017. 55 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 106.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 39 § 1
auch dafür ist wiederum die Unabhängigkeit der Kammern eine wesentliche Voraussetzung56. Am Bestehen des Gesamtinteresses wurde wiederholt Zweifel geäußert, es sei 37 „nicht geeignet, ein sachlich inhaltliches Legitimationsniveau zu sichern“, die Herstellung eines bundesweiten Gesamtinteresses gehe „an der deutschen und europäischen wirtschaftspolitischen Realität“ vorbei, es bestünde „keine homogene Gruppe“, es sei „eine lebensfremde Fiktion“57. Dem hat das BVerfG 2017 deutlich widersprochen und klargestellt, dass dem ein Missverständnis zugrunde liege, denn Ziel sei nicht „die Artikulation einer einzigen Gesamtauffassung einer homogenen Gruppe“, sondern bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 1 verdeutliche, dass das Gesamtinteresse gerade durch Abwägung und Ausgleich „auch widerstreitender Interessen“ ermittelt und weitergegeben werden muss, die IHKs hätten die Aufgabe, „die Interessen aller Mitglieder im Bezirk durch eine selbstverwaltete Vertretung zusammenzuführen und dabei alle in einem Bezirk relevanten Vorstellungen zu Gehör zu bringen“58. b) Gesetzliche Mitgliedschaft und Gesamtinteresse Die gesetzliche Mitgliedschaft in IHKs ist seit dem 19. Jahrhundert mit unter- 38 schiedlichen Begründungen etabliert59. Heute ist die Aufgabe der Wahrnehmung des Gesamtinteresses das wohl bedeutendste Element der Legitimation der gesetzlichen Mitgliedschaft, denn allein die „Pflichtmitgliedschaft aller Gewerbetreibenden eines Bezirks (sichert) die Voraussetzungen für eine partizipative Ermittlung des Gesamtinteresses nach § 1 Abs. 1 IHKG“60, (vgl. zur gesetzlichen Mitgliedschaft ausführlich § 2 Rz. 3 ff.). Diesen Konnex hat das BVerfG sogar noch verstärkt, indem es schon im Rahmen 39 der Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit der gegenwärtigen Ausgestaltung der gesetzlichen Mitgliedschaft betonte, dass eine „Pflichtmitgliedschaft zur Bündelung regionaler wirtschaftlicher Interessen … vor diesem Hintergrund nur dann nicht zumutbar (ist), wenn die nach § 1 Abs. 1 IHKG gebotene Wahrnehmung des Gesamtinteresses diesen Interessen tatsächlich nicht Rechnung trägt“61. Hieraus folgt, dass Verstöße gegen die rechtliche Ausgestaltung der Binnenpluralität und der Gesamt56 Dazu insbesondere BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, GewArch 2001, 111. 57 So einzelne Stellungnahmen im Verfahren des BVerfG, BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 20, 62 und 65. 58 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 92. 59 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 1; Hendler in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 2 Rz. 10; Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 3 Rz. 65 ff. 60 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 102. 61 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 110.
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§ 1 Rz. 39 Aufgabenbereich interessenwahrnehmung nicht nur rechtswidrig wären, sondern, sofern sie nachhaltig und strukturell erfolgen, zugleich die Verhältnismäßigkeit der Rechtfertigung des in der gesetzlichen Mitgliedschaft bestehenden Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 GG entfallen lassen. Denn ohne weitere individualrechtliche Betroffenheit gilt: „überschreitet eine Kammer die ihr verfassungskonform zugewiesenen Kompetenzen, greift sie ohne gesetzliche Grundlage in die allgemeine Handlungsfreiheit ihrer Pflichtmitglieder ein“62. Dies gilt nicht nur für die einzelne IHK, sondern weitgehend auch für deren Spitzenverband, den DIHK, da die Kompetenzen von Dachverbänden in gemeinschaftlicher Aufgabenwahrnehmung mit den Mitgliedern nicht weiter reichen können als die der Mitgliedskammern gemäß § 1 Abs. 1, (vgl. dazu Rz. 351 f.)63. Umgekehrt gilt dies nicht, soweit der DIHK in seiner privatrechtlichen Handlungsfreiheit als e.V. agiert, wobei insoweit komplexe Abgrenzungsfragen bestehen. Infolgedessen ist permanente und effektive rechtliche Compliance essentiell für die rechtssichere Fortführung der wirtschaftlichen Selbstverwaltung in der gegenwärtigen Ausgestaltung durch das IHKG. Den IHKs – und soweit der Dachverband DIHK erfasst ist auch diesem – obliegt es jeweils, alle erforderlichen rechtlichen Vorkehrungen zu treffen und umzusetzen, es handelt sich dabei grundsätzlich um nicht einschränkbare, nicht delegierbare und haftungsbewehrte Organisationspflichten. 40
Nur die gesetzliche Mitgliedschaft sichert den IHKs die Unabhängigkeit, die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit auch gegenüber abweichenden Gruppen- und Einzelinteressen zu verwirklichen und damit integrierend zu wirken. Die Kammerzugehörigkeit aller Gewerbetreibenden eines Bezirks bietet der IHK die breite Erfahrungsgrundlage, um potentiell alle wirtschaftlichen Interessen zu erfassen und zu repräsentativen Ergebnissen zu kommen. Die regionale Gliederung gibt schließlich die Möglichkeit, den Unterschieden in der Wirtschaftslage und Wirtschaftsentwicklung gerecht zu werden. Gesetzliche Mitgliedschaft und regionale Gliederung sind deshalb die entscheidenden organisatorischen Voraussetzungen für die Erfüllung des gesetzlichen Kammerauftrags zur Wahrnehmung der gesamtwirtschaftlichen Interessen. Die gesetzliche Mitgliedschaft von Unternehmen aller Wirtschaftszweige und Wirtschaftsstufen, von Unternehmen aller Betriebsgrößen und Rechtsformen ist zugleich Verpflichtung: es obliegt der IHK, eine vollständige Kenntnis der Wirtschaftslage und der Unternehmen des Bezirks zu entwickeln, ihre Interessen langfristig zu sehen, allen die Möglichkeit der Mitwirkung und Beteiligung einzuräumen und für alle die gemeinsame beste Lösung zu suchen. Die Feststellung eines solchen Gesamtinteresses ist im Übrigen trotz der seit jeher bestehenden Interessenunterschiede zwischen den Unternehmen und der zwingend heterogenen Zusammensetzung der Vollversammlung auch möglich, weil die gewerbliche Wirtschaft als Ganzes auf angemessene Rahmenbedingungen angewiesen ist und einseitige Einzel- oder Gruppeninteressen 62 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 15. 63 Dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09.
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dahinter zurücktreten müssen. Es geht also darum, wirtschaftspolitische Prioritäten zu setzen und in diesem Rahmen optimale Lösungen zu finden. Diese Aufgabe kann weder von privaten Wirtschaftsverbänden noch von der staatlichen oder kommunalen Wirtschaftsförderung erfüllt werden64. c) Legitimation durch Verfahren: die Meinungsbildung der IHK Die Handlungen der IHK legitimieren sich über die Einhaltung des gesetzlich 41 vorgesehenen Verfahrens, ergänzt um inhaltlich und formell konkretisierende Maßgaben. Äußerungen der IHK im Rahmen der Wahrnehmung des wirtschaftlichen Gesamtinteresses müssen zunächst einen rechtmäßigen Inhalt haben, also sich im Aufgabengebiet der IHK bewegen (s. Rz. 17 ff.), sie müssen ferner in ihrer Form den Maßgaben insbesondere an die Kommunikation einer Körperschaft des öffentlichen Rechts genügen und sie müssen im durch Gesetz oder Satzung vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen sein, wobei z.B. Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung zu beachten sind. Die oben skizzierte jüngere verfassungsrechtliche Rechtsprechung hat insbesondere über das aus der Binnenpluralität entlehnte Kriterium der Vollständigkeit die den Zweck der IHK bestimmende Maßgabe der Kenntnis und der Kommunikation der Wirtschaftslage weiter ausdifferenziert. aa) Vollständige Ermittlung und Kommunikation des Gesamtinteresses Dem BVerfG zufolge ist die Wahrnehmung des Gesamtinteresses „notwendig mit 42 einer möglichst vollständigen Erfassung der Gewerbetreibenden und ihrer Interessen verbunden“65. Dabei ist der Begriff der Vollständigkeit in den verschiedenen Etappen der Wahrnehmung des Gesamtinteresses zu unterscheiden: Vollständigkeit in der Ermittlung (Konsultation), Vollständigkeit in der Entscheidungsphase der zuständigen Organe (Legitimation) und Vollständigkeit in der Kommunikation66. (1) Konsultation Für die Konsultation gilt, dass die gesetzliche Mitgliedschaft den Kammerzugehörigen die „Möglichkeit der Beteiligung und Mitwirkung an Entscheidungsprozes-
64 Vgl. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 106; BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, GewArch 2002, 111; aus ökonomischer Sicht auch Schmidt-Trenz, Die Logik kollektiven Handelns bei Delegation, 1996; Goltz in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 179. 65 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 106. 66 Siehe näher Jahn, GewArch 2018, 410.
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§ 1 Rz. 43 Aufgabenbereich sen“ eröffnet, „einschließlich der Möglichkeit, sich nicht aktiv zu betätigen“67. Es bedarf dabei nicht der aktiven Befragung aller Mitglieder. Allerdings muss diesen in grundlegenden Fragen die Möglichkeit der Beteiligung eingeräumt werden – diese Möglichkeit ist nicht auf die Vollversammlung beschränkt oder bereits durch den regemäßigen Wahlakt eines Mitglieds erschöpft. Die Beteiligungsmöglichkeit konkretisiert sich vielmehr immer wieder entsprechend der zu entscheidenden Fragen neu. Das wiederholte Leitbild des BVerfG lautet insoweit: „Zur Ermittlung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Gewerbetreibenden im Bezirk ist die Kammer nach dem Selbstverwaltungsgedanken nicht zuletzt durch Kommunikation und durch Diskussion der wesentlichen Entscheidungen in der Vollversammlung gehalten, alle Positionen angemessen zu berücksichtigen und erforderlichenfalls auch zu kommunizieren“68. 44
In der Praxis wird die Meinung der IHK bei der Wahrnehmung des Gesamtinteresses in der Regel durch Beratungen auf allen Ebenen gebildet, wobei der laufende und enge Kontakt der IHK mit ihren Kammerzugehörigen, der ihr einen breiten Überblick über die Bezirkswirtschaft verschafft, im Vordergrund steht. Wichtige weitere Instrumente der Meinungsbildung sind die Beratungen in Ausschüssen und Arbeitskreisen. Diese können durch die Satzung vorgesehen sein, für bestimmte Themen können sie auch ad hoc gebildet werden. Letztlich sind aber immer die Beratungsergebnisse der Vollversammlung entscheidend und sind, insbesondere bei der Ermittlung wirtschaftspolitischer Grundpositionen, unerlässlich.
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Als ein regelmäßiges benutztes Mittel kommen bei der Ermittlung der Interessen und Belange der Mitglieder Umfragen unterstützend hinzu. Bekannt sind vor allem die Konjunkturumfragen u.a. des DIHK bei den Unternehmen in Deutschland, bei denen jeweils dreimal im Jahr mehr als 20.000 Antworten zur Einschätzung der Wirtschaftslage und zu den Geschäftsplänen ausgewertet werden. Daneben wird regelmäßig eine Umfrage bei Auslandshandelskammern und Delegiertenbüros in über 90 Ländern zur aktuellen Lage der deutschen Außenwirtschaft durchgeführt. Allerdings können Statistiken oder demoskopische Umfragen die erforderlichen Abwägungen und Verfahren der Legitimation nicht ersetzen, sondern nur begleiten und notwendige Entscheidungsgrundlagen bieten.
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In Fällen der Eilbedürftigkeit kann es jedoch erforderlich sein, dass das Präsidium oder auch der Präsident bzw. Hauptgeschäftsführer eine Stellungnahme für die IHK ohne vorherigen Vollversammlungsbeschluss abgeben. Soweit sie sich dabei im Rahmen früherer Vollversammlungsbeschlüsse oder der allgemein durch die Vollversammlung vorgegebenen wirtschaftlichen Grundpositionen bewegen, ist 67 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 109, so bereits BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 Rz. 50. 68 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 117, unter Verweis auf Parallelen in Rz. 110 und 126.
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Rz. 48 § 1
das unproblematisch. Ansonsten müssen sie die von ihnen vertretene Auffassung nachträglich der Vollversammlung zur Beschlussfassung vorlegen, sofern nicht bereits eine satzungsrechtliche Delegation auf andere IHK-Organe besteht. Die Meinungsbildung der IHK bedarf also immer einer legitimierenden Fundierung, nicht notwendigerweise aber in jedem konkreten Einzelfall eines formalen Beschlusses69. (2) Legitimation § 1 Abs. 1 fordert, zur Ermittlung des Gesamtinteresses die Interessen einzelner 47 Gewerbezweige oder Betriebe „abwägend und ausgleichend“ zu berücksichtigen. Diese Begriffe sind im Detail nicht mehr rechtlich eindeutig bestimmbar, es sind Optimierungsgebote, die im Anschluss an die Konsultation und die Eröffnung der Beteiligungsmöglichkeit für alle Mitglieder „das legitimierende Verfahren zur Feststellung des Gesamtinteresses durch das zuständige Organ“70, darstellen. Die Entscheidungsfindung (Legitimationsverfahren) findet bei „grundsätzlichen“71 Fragen und Festlegungen zwingend in der IHK-Vollversammlung (vgl. dazu § 4 Rz. 2) ansonsten dem jeweils zuständigen, bzw. dem konkret satzungsmäßig dazu berufenen Organ der IHK statt. Das können auch das Präsidium, der Hauptgeschäftsführer oder andere Organe sein (s. § 7 Rz. 4)72. (i) Integrationsfunktion: Die Integrationsfunktion widerstreitender Interessen 48 gerade bei heterogener Mitgliedschaft ist Ausdruck der Gemeinwohlorientierung der IHK. Bei divergierenden Auffassungen liegt die Schwierigkeit in der Wertung der Einzel- oder Gruppeninteressen, also der Abwägung, wie sie § 1 Abs. 1 ausdrücklich vorschreibt. Diese Abwägung wird häufig zu Prioritäten führen, so dass nachrangige Interessen zurückstehen müssen. Eine Kammerstellungnahme kann durchaus im Widerspruch zu den Interessen eines bestimmten kammerzugehörigen Unternehmens stehen und wird sich auch nicht immer mit den – von Wirtschafts- und Fachverbänden vorgetragenen – Brancheninteressen decken73. Gerade darin liegt indes ihr besonderer Wert für den Empfänger, dass zwar alle Interessen ermittelt, aber auch gewichtet und erforderlichenfalls zurückgewiesen werden („institutionalisierter Kompromiss“). Das in der Legitimationsphase zu bildende Gesamtinteresse ist dabei allerdings weder eine Summe oder Potenzierung der Einzelinteressen noch der kleinste gemeinsame Nenner, sondern setzt nach der möglichst vollständigen Ermittlung dieser Einzelinteressen und Belange 69 Vgl. Jahn, WiVerw 2004, 133; Möllering, WiVerw 2001, 25, 40. 70 Jahn, GewArch 2018, 410, 414. 71 Grundsätzliche Festlegungen erfolgen auf jeden Fall durch die Vollversammlung, BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 110 und BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171, 176 f. Rz. 35. 72 Jahn, GewArch 2018, 410 ff. 73 OVG Rheinland-Pfalz v. 23.12.1992 – 11 A 10144/92, GewArch 1993, 289; VG Arnsberg v. 8.11.2000 – 1 K 2473/99, GewArch 2001, 163; Soltmann, WiVerw 1998, 224.
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§ 1 Rz. 48 Aufgabenbereich im zuständigen Gremium deren Abwägung und den Versuch des Ausgleichs74 voraus; die Kammern sollen angesichts der vielfältigen Interessen der durch sie repräsentierten Unternehmen wie ein Filter wirken, was in der Regel nur aufgrund einer ordnungspolitischen Grundlinie und einer langfristigen Betrachtung möglich sein wird. Dieser Grundkonsens der in den IHKs zusammengefassten Unternehmerschaft für eine freiheitliche, soziale und marktwirtschaftliche Ordnung auf der Basis eines funktionierenden Rechtsstaates ist dabei entscheidend und die Grundlage einer funktionierenden Selbstverwaltungskörperschaft. Folgerichtig wäre die bloße Aufnahme des „Mehrheitsinteresses“ als „Gesamtinteresse“ rechtswidrig und führte zur dauerhaften Beeinträchtigung der abweichenden Interessen; es darf nicht zu einer Majorisierung kommen. In der soziologischen Analyse wird diese Kompetenz, heterogene Interessenlagen im Ergebnis zusammenzuführen, direkt mit dem Vertrauen in Kammern und der Bereitschaft zur Mitwirkung an Gemeinwohlaufgaben korreliert: die „Moderations- und Mediationsprozesse mit abschließender Entscheidungsfindung“75 zeichnen gerade Kammern aus; werden die diesen Prozessen zugrundeliegenden Verfahren nicht rechtlich korrekt und tatsächlich erfolgreich durchgeführt, was eine ständige Anpassung und Modernisierung voraussetzt, so treten nicht allein Vertrauensverluste ein, sondern die verfassungsrechtliche Legitimation ist gefährdet. Würden auch und gerade in der Gesamtinteressenwahrnehmung kommunikativer Wirkung oder politischem impact im öffentlichen Meinungskampf gegenüber rechtskonformer Aufgabenerfüllung eine Priorität eingeräumt, wäre dies in der Tendenz delegitimierend. 49
Vollständigkeit bedeutet in den Gremien rechtlich auf der Basis der Konsultation indes nur die Berücksichtigung bekannter Positionen, es ist allein auf die Verhältnisse in den beschließenden Gremien abzustellen. Sofern abweichende Meinungen nicht kommuniziert (dazu Rz. 56 ff.) wurden sind diese auch grundsätzlich nicht in die Abwägung einzustellen76. Divergierende Positionen im Legitimationsverfahren sind nach Möglichkeit zu dokumentieren, Minderheitsvoten sind darzustellen und angemessen zu berücksichtigen, sie determinieren aber nicht die Positionierung77.
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(ii) Legitime Interessen: Welche Interessen legitimerweise in die Meinungsbildung einer IHK eingebracht und vertreten werden dürfen wird kontrovers diskutiert. Die Vorauflage vertrat mit guten Gründen die Ansicht, divergierende Interessen „außerökonomischer Natur“ dürften bereits zum Zeitpunkt der Gesamtinteressensbildung keine Berücksichtigung finden (Möllering, 7. Aufl., § 1 Rz. 7). Diese Ansicht kann sich nicht allein auf die bisherige enge Interpretation des Wortlauts stützen, sondern auch darauf, dass die negative Kompetenznorm des § 1 Abs. 5 bestimmte wirtschaftliche Interessen aus der Berücksichtigungs74 75 76 77
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Dazu Möllering, WiVerw 2001, 25. Hommerich in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2012, 41, 47. VG Minden v. 24.10.2014, 2 K 3003/13, juris, 14. Jahn, GewArch 2018, 410, 415.
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möglichkeit ausnimmt, was als Hinweis darauf verstanden werden kann, auch klar nicht-wirtschaftliche Interessen bei der Ermittlung des Gesamtinteresses auszuschließen und a limine nicht in die Abwägung einzustellen. Zudem beziehen sich die Interessen auf die vom Gesetzgeber gewollte und bei Unternehmen vorausgesetzte Sachkompetenz. Denkbar ist auch, wirtschaftliche Tätigkeit als abgrenzbare Rolle zu definieren mit der Folge, die IHK müsse bestimmte Positionen hinterfragen und aus ihrer Sicht nicht-wirtschaftliche Motivation als „zufällig“ verwerfen. Schließlich wird geltend gemacht, dass die Vollversammlung nur den auf die gewerbliche Wirtschaft beschränkten Teil des Gemeinwohls zu ermitteln hat. Aus der Rechtsprechung lassen sich in Bezug auf die Gesamtinteressenbildung, anders als in der anschließenden, nach außen gerichteten Gesamtinteressenwahrnehmung, keine Vorgaben entnehmen. Der Beschränkung auf wirtschaftliche Interessen in einer engen Auslegung ist 51 nicht zu folgen. Denn diese Ansicht hätte zur Folge, dass von Seiten der IHK im Meinungsbildungsprozess – d.h. ausschließlich bei der Diskussion darüber, wie z.B. die Vollversammlung zu bestimmten die Wirtschaft betreffenden Themen steht – bereits Meinungen oder Positionierungen geprüft und als „illegitim“ zurückgewiesen werden müssten, bei denen der Wirtschaftsbezug nicht „eindeutig“ oder „offenkundig“ erscheint. Wird auf „irgendeinen“ noch so mittelbaren wirtschaftlichen Bezug abgehoben, wäre das Kriterium entbehrlich und verwässert. Angesichts der kaum leistbaren Abgrenzung dessen, was „Wirtschaft“ alles umfasst, wären hier Konflikte nicht zu vermeiden. Diese müssen indes auf der frühen Stufe der Meinungsbildung auch nicht zwingend entschieden werden. Erneut ist eine funktionale, an den Aufgaben orientierte Interpretation heranzuziehen. Denn die in § 1 Abs. 1 genannte Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen bei Abwägung und Ausgleich betrifft im Kern die Verbandskompetenz: eine IHK ist in ihrem gesamten Tätigkeitsbereich nach § 1 Abs. 1, d.h. sowohl bei der Wahrnehmung des Gesamtinteresses als auch bei der Förderung der gewerblichen Wirtschaft, auf wirtschaftspolitische Angelegenheiten beschränkt (s. Rz. 17 f.). Diese verbandskompetenzielle Zuständigkeitsgrenze ist aber nicht zu verwechseln mit den variierenden Motivationen für die Einzelunternehmen, ein bestmöglich Vollständigkeit abbildender Meinungsbildungsprozess kann mithin disparat sein (Binnenpluralität). Damit sind inhaltlich alle kommunizierten Einzelinteressen der Mitglieder in den Abwägungsprozess einzustellen, die aus Sicht der Unternehmen für sie relevant sind. So wird sichergestellt, dass der interne Meinungsbildungsprozess frei und unbeschränkt verläuft. Die IHK ist im Prozess der Meinungsbildung nicht Richterin über die Berechtigung, Sinnhaftigkeit oder Zweckmäßigkeit der Mitgliederinteressen. Das BVerfG hat daher richtigerweise das in § 1 Abs. 1 vorgegebene Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft im Bezirk als „das unternehmerische Interesse“78 gekennzeichnet, und damit gerade „keine bloß ausgewählte oder einseitige oder gar andere ausschließende“ Vertre78 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 91.
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§ 1 Rz. 51 Aufgabenbereich tung79. Damit nimmt es Rekurs auf die verkammerten Mitglieder als gesellschaftliches Teilsystem: die gewerbliche Wirtschaft (s. Rz. 55). Es qualifiziert aber nicht die Interessen selbst, denn unternehmerische Interessen können vielfältig sein, und es sollen in den Worten des BVerfG ohne Einschränkung „alle Positionen“80 angemessen berücksichtigt werden. Unternehmen sind frei, ihre jeweiligen Interessen zu bestimmen: Interessen und Motivationen auch von Unternehmen können im Einzelfall durchaus auch außerökonomischer Natur sein und die Rahmenbedingungen der Wirtschaft als Ganzes umfassen. Die Unterstellung, dass Unternehmen nur bestimmte, staatlicherseits definierbare Interessen haben dürfen, wäre eine unzulässige petitio principii. Vor allem würde sie dem Bild einer freiheitlichen Gesellschaft und der intermediären Funktion der IHK in der vollständigen Vorbereitung der Vermittlung des Gesamtinteresses widersprechen. Ebenso wie es keine abschließende Definition „wirtschaftspolitischer Angelegenheiten“ als Kompetenzgrenze geben kann, sondern nur die funktionale Optimierung (dazu ausführlich Rz. 17 ff.) sowie die Vermittlungsaufgabe der IHK in der Gesamtinteressenwahrnehmung, dürfen Positionen von Unternehmen, die beispielsweise sozial motiviert sind (§ 1 Abs. 5 schließt nur die „Wahrnehmung“ von sozialpolitischen Interessen nach außen aus, s. Rz. 328, verbietet aber nicht sozialpolitische Motive) oder aus umwelt-, klimaschutz- oder verbraucherpolitischen Gründen getroffen werden, nicht von vorneherein als „nicht-wirtschaftlich“ ausgeschlossen werden. Selbst aus religiösen Gründen können für einzelne Mitglieder grundlegende Interessenkonflikte entstehen (ein prominentes Beispiel ist die Zulässigkeit von Sonntagsöffnungen der Geschäfte), allgemein auch für Unternehmen mit ethischen oder religiösen Zielsetzungen, wie sie das BVerfG erwähnt hat81: Die Vielfalt der Interessen ist damit gerade gewünschter Ausdruck der verfassungsrechtlich geforderten Binnenpluralität. Es kann also durchaus sein, dass es im Sinne des vom BVerwG geforderten „besonderen Interesse“ der gewerblichen Wirtschaft in Abgrenzung zum „(allgemeinen) öffentliche Interesse“82 liegen kann, z.B. kulturelle oder politische Situationen als Standortfrage zu berücksichtigen. Entsprechenden Einzelinteressen wird im Abwägungsprozess aufgrund der Integrationsfunktion (s. Rz. 48) mehr oder weniger Gewicht zukommen, da ihre Relevanz immer in Bezug auf die gesamte unternehmerische Wirklichkeit im Bezirk gewichtet werden muss, aber Kriterien des Ausschlusses als von vorneherein „nicht legitim“ im Meinungsbildungsprozess bestehen nicht; 79 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 91, kritisch lediglich Sachs, Urteilsbesprechung, JuS 2017, 1135, 1136: „nicht nachvollziehbar“ wegen der fehlenden Repräsentation der Beschäftigten. Sachs vermischt hier indes die Frage der Mitgliedschaft und resultierenden Organisationsstruktur mit der nach den zulässigen Interessen. 80 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 117. 81 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 109 mit Verweis auf Unternehmen der Alternativwirtschaft, der christlichen oder „Eine-Welt“-Wirtschaft. 82 Dazu BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, BVerwGE 112, 69 Rz. 17.
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sie sind ausnahmslos angemessen zu berücksichtigen, bevor sie funktional im Rahmen der Gesamtinteressenvertretung nach außen auf die Wirtschaft bezogen werden müssen (spezifische „Auswirkungen“ auf die Wirtschaft, s. Rz. 21). (iii) Gemeinwohlorientierung: Diese Ausweitung der zu berücksichtigenden In- 52 teressen wird bestätigt im wiederholten Rekurs des BVerfG auf die Gemeinwohlbindung bzw. Gemeinwohlorientierung der Kammern. Denn dem BVerfG zufolge werden die gesetzlichen Mitglieder zur Sicherung einer „dem Gesamtinteresse und dem Gemeinwohl verpflichteten, repräsentativen Selbstverwaltungstätigkeit in Anspruch genommen, die sich von einer reinen, auch privatrechtlich und auf freiwilliger Basis zu organisierenden Interessenvertretung unterscheidet“83. Diese frühe Ergänzung der Wahrnehmung des Gesamtinteresses im Aufgabenkanon um die Gemeinwohlbindung wurde durch das BVerfG mehrfach wiederholt, indem auch darauf abgehoben wurde, dass die „Interessenvertretung durch private Verbände … in dieser Sicht nicht im gleichen Maße am Gesamtinteresse und am Gemeinwohl orientiert“ sei84, rein private Verbände „mangels Gemeinwohlbindung“ nicht in der Lage seien, die Aufgaben wahrzunehmen, die die IHKs mit Hilfe der gesetzlichen Mitgliedschaft zu erfüllen befähigt sind und „wegen des Gemeinwohlauftrags“ der IHKs und ihrer vielfältigen Wirtschaftsverwaltungsaufgaben ein alle Branchen und Betriebsgrößen umfassender Mitgliederbestand vonnöten sei. Diese ausdrücklich „gemeinwohlorientierte Aufgabenwahrnehmung“ wurde durch das BVerfG 2017 erneut bestätigt85. Schließlich wird auch in neueren Landeskammergesetzen, etwa zur Errichtung von Pflegekammern, explizit verankert, dass die Interessenwahrnehmung „im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit“ zu geschehen hat86. Rechtsdogmatisch folgt die Gemeinwohlbindung aus der organisationsrechtlichen Differenz zu privater Selbstorganisation: letztere ist Ausdruck grundrechtlich geschützter Interessenvertretung, erstere erfolgt im öffentlichen Interesse87. Eine Orientierung am Gemeinwohl gelingt indes nur, wenn die Möglichkeit besteht, wirtschaftliche Interessen in den gesellschaftlichen Gesamtkontext einzu-
83 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, 336 f. 84 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, 337. 85 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 114, grundsätzlich aufgenommen durch Kirchhof, vgl. Jesse/Decher, Funktionale Selbstverwaltung im 21. Jahrhundert, GewArch 2017, 188. 86 Dazu Scholz, Gesundheit und Pflege, 2017, 41, 42. 87 Ausführlich Kluth, Interessenvertretung durch Industrie- und Handelskammern in Fällen der Volksgesetzgebung, in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts, 2013, 227, 241 ff., „genuiner Gemeinwohlbezug“, vgl. Möllering, Interessenvertretung durch Kammern – sachliche Reichweite und verfahrensrechtliche Anforderungen in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 209, 21, 29 f. zur notwendigen Abgrenzung von Drittinteressen.
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§ 1 Rz. 53 Aufgabenbereich stellen. Gemeinwohlorientierung88 bedeutet dabei keine Bindung an ein präexistent vorgestelltes Gemeinwohl, sie führt auch nicht zu sich verdichtenden konkreten Pflichtenstellungen, sondern kennzeichnet die Korrelation von öffentlicher Macht und öffentlicher Verantwortung, auch in der organisierten Demokratie89. Der Begriff des Gemeinwohls ist zwingend „offen“90, er kann allerdings an wirtschaftliche Argumentationen91 und auch gesellschaftliche Interessen rückgebunden werden92. Einen auf die gewerbliche Wirtschaft, die in vielfältige Kontexte verwoben ist, abgrenzbaren Teil des Gemeinwohls gibt es nicht. Die Eingliederung der öffentlich-rechtlich verfassten Selbstverwaltung in die gemeinwohldienliche Aufgabenbewältigung ist damit Teil eines gesamtgesellschaftlichen Willensbildungsprozesses, der rechtskulturell tief verankert ist. Indem die parlamentarische, gesetzliche Steuerung der gesellschaftlichen Verhältnisse ergänzt wird durch die Aufgaben der funktionalen Selbstverwaltung (in Bezug auf Interessenwahrnehmung und Beratung im Prozess der Formulierung gemeinwohldienlicher Ziele) wird gesellschaftliche Partikularität des Systembereichs Wirtschaft/Unternehmen direkt in die Ausübung öffentlicher Verantwortung eingebracht93. Selbstverwaltung mit gesetzlicher Mitgliedschaft, in der Interessenvertretung wie in der Förderung der gewerblichen Wirtschaft, erfolgt für das Gemeinwohl. 54
Eine weitere Bestätigung für diese weite Sicht der Belange findet sich in der Tatsache, dass unternehmerische Tätigkeit an sich in einem sozialen Bezug stattfindet. Dem Betrieb eines Unternehmens als „sozialer Veranstaltung“ ist die Wahrung der allgemeinen Interessen immanent, wie nicht zuletzt aus der in Art. 14 Abs. 2 GG 88 Die Trennung von Gemeinwohlbindung und Gemeinwohlorientierung ist weitestgehend artifiziell, i.E., ebenso Stober/Eisenmenger in Kluth (Hrsg), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., 232; Landmann/Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 57, 60 („allumfassender Gemeinwohlauftrag“); a.A. Möllering, WiVerw 2001, 25, 33; Möllering in Festschrift Stober, 391, 403. 89 Vgl. dazu Scholz in Maunz/Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Stand 2019, Art. 9 Abs. 3 Rz. 274. mit Verweis auf Badura, Das Recht der Koalitionen, in Müller (Hrsg.), Arbeitsrecht der Gegenwart, 1978, Bd. 15, S. 17, 23. 90 Ausführlich zur Inhaltsoffenheit des Gemeinwohlbegriffs als zentraler Funktionsbedingung des freiheitlichen Verfassungsstaats, Schuppert, Staatswissenschaft, 2003, 215 ff. mwN, insbesondere zeigt Schuppert auf, wie Gemeinwohl als Legitimationsgrund der Staatlichkeit einerseits allen öffentlichen Aufgaben übergeordnet ist, zugleich seine Konturierung eine Institutionalisierung, Prozeduralisierung und Kompetenzialisierung erfordert, 217. 91 Tirole, Economics for the Common Good, 2017. 92 Schuppert, Staatswissenschaft, 2003, 229, mit einer die Gesamtinteressenwahrnehmung bereichernden Typologie von Interessen; vgl. dazu von Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, 1967. 93 Die Gemeinwohlbindung unterscheidet Kluth zufolge auch die Interessenswahrnehmung der Kammern von der der privaten Verbände, in: rechtliche und funktionelle Unterschiede des Kammerrechts zum Vereinsrecht, S. 10, www.kammerrecht.de/me dia/aktuelles/Kluth-Chinavortrag_de.pdf (zuletzt aufgerufen am 5.8.2019).
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festgelegten Sozialgebundenheit (des z.B. in Anteilsrechten verkörperten) gesellschaftsrechtlichen Eigentums folgt: „Das Unternehmen ist Teil einer gesamtwirtschaftlichen Ordnung und den durch diese Ordnung gebotenen sozialen Pflichten unterworfen“94. In diesem Kontext hat sich schließlich auch die gesellschaftliche Erwartungshaltung an die Unternehmen gewandelt. So hat das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) Eingang in das Europäische Unionsrecht gefunden95. Mit der Berichtspflicht sollen die betroffenen Unternehmen für grundlegende Aspekte der Nachhaltigkeit sensibilisiert und eine gewisse Erwartungshaltung des Gesetzgebers hin zu einer an den Aspekten der Nachhaltigkeit orientierten Unternehmensführung signalisiert werden96, woran IHKs notwendig Anteil haben. Zu den nichtfinanziellen Berichtspflichten bestimmter Unternehmen gehören gemäß § 289c Abs. 2 HGB auch Tätigkeiten in den Bereichen der Umweltbelange97, der Arbeitnehmerbelange, der Sozialbelange, der Achtung der Menschenrechte sowie der Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Folgerichtig gehört es auch zum Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft, diese Sachthemen zu reflektieren, in diesen Bereichen tätig zu werden und sich hinsichtlich des mit den jeweiligen Themenstellungen verbundenen Wirtschaftsbezuges zu äußern. Letztlich ist auch aus soziologischer wie rechtswissenschaftlicher Sicht der Bedarf 55 für eine moderne Konzeption dessen offenkundig, was „Wirtschaft“ und damit ihr Referenzsystem kennzeichnet: Selbst systemtheoretische Positionierungen, aus deren Sicht die Wirtschaft ein autopoetisches, selbstreferentielles System darstellt, sehen die Funktion der Wirtschaft eingebettet in ihrer Funktion für die Gesellschaft98. Denn ihre Autonomie endet dort, wo kommunikative Rückbindungen erfolgen müssen, sei es an das Recht, die Wissenschaft, die Politik, die Kultur etc. Anders formuliert: Funktionale Differenzierung sollte sich die Gesellschaft nur in dem Maße leisten, als Teilsysteme Einrichtungen zur Verfügung stehen, die deren offene Kommunikation zur „Umwelt“ leisten. Für das System Wirtschaft erfüllen diese Aufgabe insbesondere die Wirtschaftskammern als Intermediäre (s. Einführung Rz. 4). Es ist mithin Teil der Aufgabenstellung der IHKs, die Integration des Subsystems „gewerbliche Wirtschaft“ als Teil der Gesellschaft sachlich und 94 MüKoAktG, Spindler, § 76, Stand 2019 Rz. 66. 95 Richtlinie 2014/95/EU v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. EU L 330/1 v. 15.11.2014, Diese Richtlinie ist in Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten, CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 11.4.2017, BGBl. I S. 802. 96 BT-Drs. 18/9982, S. 31. 97 Dazu auch Heyne, Kammern und Umweltschutz., S. 281 ff. 98 Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1994, 35 f., 43 ff., zum sich wandelnden Selbstbild und zur Identifikation „der Wirtschaft“ in der Zeit, auch ausführlich Spiliotis, Die Zeit der Wirtschaft, 2019.
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§ 1 Rz. 55 Aufgabenbereich kommunikativ zu gewährleisten: Selbstverwaltung ist insoweit „organisatorisch verfasste Form der Kooperation von Staat und Gesellschaft“99. Eine Beschränkung auf ausnahmslos als „wirtschaftlich“ zu definierende Interessen wäre geradezu kontraproduktiv für diese gesetzliche Aufgabenstellung, die lediglich allgemeinpolitische Positionierungen ausschließt, da Meinungsbildung dort unter verfassungsrechtlich besonders geprägten, pluralen und vornehmlich partei- oder medienpolitischen Bedingungen erfolgt. Aus dieser Sicht folgerichtig ist den IHKs auch eine moderne Interpretation und die Pflege der Institution des ehrbaren Kaufmanns aufgegeben (s. Rz. 114 ff.), um sowohl zu vermeiden, dass trivialmoralische Appelle „von außen“ an „die Wirtschaft“ erhoben100 werden oder eine in sich geschlossene „Wirtschaftsethik“ verbindungs- und wirkungslos bleibt: beides ist in den Diskursen zum Komplex „Wirtschaft und Menschenrechte“ gut zu beobachten (s. Rz. 124). (3) Kommunikation 56
Das in den zuständigen Gremien gebildete Gesamtinteresse ist schließlich auch vollständig zu kommunizieren. Für die Rechtmäßigkeit streitet im Kern immer die „Nachvollziehbarkeit“ des wirtschaftlichen Bezugs. Dabei ist von einer Adressatenorientierung auszugehen, der spezifische Wirtschaftsbezug muss für einen durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Adressaten gegeben sein, wobei immer der Gesamtkontext der Aussage in Betracht gezogen werden muss. Es kann daher zu unterscheiden sein zwischen an Fachministerien gerichteten Stellungnahmen und öffentlichen Aussagen. Kammerstellungnahmen können zudem die ihnen zugemessene gesellschaftlich integrierende Funktion nur haben, wenn sich aus ihnen auch die Kriterien ergeben, nach denen die Wertung von Einzel- und Gruppeninteressen erfolgte101. Auch hier hat das BVerfG explizite Vorgaben gemacht: Aus dem Abwägungsgebot im Rahmen der Gesamtinteressenwahrnehmung ergeben sich „Anforderungen an die Argumentation und die Darstellung des Gesamtinteresses, die eine Pflichtmitgliedschaft zumutbar machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt die notwendige Objektivität eine Argumentation mit sachbezogenen Kriterien. Das zwingt dazu, bei der Wahrnehmung des Gesamtinteresses gegebenenfalls auch eine Minderheitenposition darzustellen“102. Insbesondere muss eine Äußerung der Kammer zu „besonders umstrittenen Themen“ die geforderte Abwägung auch „erkennen lassen“103. Die 99 Oebbecke/Burgi, Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, VVDStR 62, 405, 425. 100 Vgl. Luhmann, ebd. 89. 101 Zum Ganzen Möllering, WiVerw 2001, 25, 48; Möllering in Festschrift Stober, 391, 402; Groß in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2003, 27. 102 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 110. 103 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 110, mit Verweis auf BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171, 176 Rz. 33.
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„Artikulation der Belange“104 der Unternehmen kann dabei unterschiedliche Formen annehmen. Zugleich muss sie dem Auftrag entsprechend effektiv sein: soweit klassische Stellungnahme nicht mehr ausreichen ist es erlaubt, diejenigen Medien einzusetzen, die den Adressatenkreis wirksam erreichen, bei Volksabstimmungen z.B. auch breitenwirksame soziale Medien, solange die gesetzlichen Maßgaben beachtet werden105. (a) „Minderheitenpositionen“ sind ein möglicher Ausdruck der Vollständigkeit 57 der Kommunikation; sie können bei klaren Sachfragen unmittelbar aus arithmetischen Abstimmungsergebnissen der Vollversammlung resultieren, in der Regel werden sie aber eher gradueller Natur und stark vom genauen Kontext abhängig sein; sie können auch partikuläre Branchen betreffen106. Hierfür gibt es bislang keine Maßgaben, es wird vom Einzelfall abhängen, ab wann eine abweichende Meinung Niederschlag im Meinungsbild finden muss. Wesentlich zu berücksichtigen sein wird, dass das BVerwG differenziert von „relevanten“ bzw. „beachtlichen“ Minderheitspositionen gesprochen hat107 um zu verdeutlichen, dass es um das Meinungsbild selbst geht, das bei wesentlichen Fragen abgebildet werden muss. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist insoweit bislang tendenziell restriktiv. 58 In Bezug auf eine umweltpolitische Stellungnahme des DIHK wurde gerügt, diese habe nicht erkennen lassen, „ob die Position von sämtlichen Mitgliedskammern und den in ihnen verfassten Gewerbetreibenden geteilt wird“108, bereits hieraus folge die Einseitigkeit. Damit wird der Begriff der Minderheitenposition allerdings inhaltlich entleert: wenn wie in dem streitgegenständlichen Fall keinerlei abweichende Position bei der Entscheidungsfindung vorlag wäre gerichtlich immer der Nachweis der Nichtexistenz zu erbringen. Es geht demgegenüber in der Rspr. von BVerwG und BVerfG aber gerade um die Kenntlichmachung von relevanten und in den Abwägungsprozess eingebrachten Positionen, nicht um deren Unterstellung. Die Rechtsprechung ist für Plakate als Kommunikationsmedium uneinheit-
104 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 100. 105 Vertiefend Jesse, Rechtliche Anforderungen an die Interessenvertretung durch Industrie- und Handelskammern in Fällen von Volksgesetzgebung und Bürgerentscheiden, 2015. 106 Vgl. Schöbener, Zwischen grundrechtlicher Kontinuität und Dynamik im subjektiven Rechtsschutz in Kluth (Hrsg.), Die IHK-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017, 2018, 41, 59 zur Darstellung von Minderheitenpositionen. 107 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 32. 108 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09 Rz. 165; nicht rechtskräftig, Revision anhängig – 8 C 23.19; da der Senatkeinerlei Kenntnis vomZustandekommen der Stellungnahme hatte, ist das Urteil nur nachvollziehbar, wenn das Thema von Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge per se als gesellschaftspolitisch derartig umstritten angesehen wird, dass relevante Minderheitspositionen von Unternehmen sogar unterstellt werden können.
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§ 1 Rz. 58 Aufgabenbereich lich109. Richtig ist, dass die Ziele der Öffentlichkeitsarbeit nicht Maßstab der Rechtmäßigkeit sein können. Vielmehr kann es nur darauf ankommen, ob eine Differenziertheit in der Kommunikation im gewählten Medium überhaupt möglich oder angemessen ist; die Unmöglichkeit einer differenzierten Darstellung führt aber nicht zur Unzulässigkeit des Mediums. In der Konsequenz ist daher zu unterscheiden: für nur wenige Sekunden lange Aussagen in Interviews in Fernsehen oder im Rundfunk ist eine Erwähnung abweichender Meinungen überwiegend nicht möglich110. Bei schriftlichen Kurzstellungnahmen auf journalistische Anfragen sollte nach Möglichkeit bereits differenziert geantwortet werden, und für ausführliche Stellungnahmen und Positionspapiere ist die Aufnahme relevanter Minderheitspositionen zwingend. Nach dieser Maßgabe können beispielsweise für Medien wie Plakate im Regelfall keine zusätzlichen Anforderungen erhoben werden, denn diese kämen im Ergebnis einem Verbot dieses Kommunikationsmittelsgleich, jedenfalls aber reicht der Hinweis auf eine Homepage mit differenzierter Argumentation oder der Internetlink zu einer differenzierten Stellungnahme aus111. Leitkriterium wird sein, ob die Medienarbeit dem Sachlichkeitsgebot entspricht und insgesamt ein getreues Abbild des Gesamtinteresses ist: Hierauf bezieht sich die Rechtsprechung des BVerwG in ihren Hinweisen auf den „Kontext“ der Äußerung. Es muss für den aufmerksamen Rezipienten aus dem Gesamtkontext ersichtlich sein, welches Meinungsbild sich in der IHK ergeben hat. In seltenen Fällen wird bei grundlegenden Entscheidungen sogar die Veröffentlichung eines Minderheitenvotums notwendig sein, im Regelfall werden sich aber eventuell relevante abweichende Meinungen aus den Positionspapieren selbst und/oder den dokumentierten Verfahren ergeben112. 109 VG Stuttgart v. 7.4.2011 – 4 K 5039/10, NVwZ 2011, 895 – Stuttgart 21: unzulässiges Kommunikationsmittel; anders jedoch VG Köln v. 3.5.2012 – 1 K 2836/11 – Godorfer Hafen. 110 A.A. bislang alleine das OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09, nicht rechtskräftig, Revision anhängig – 8 C 23.19, demzufolge „auch in solchen Situationen – durch entsprechende Vorbereitung oder ggfs. Absprachen mit dem Gesprächspartner – sicherzustellen (sei), dass sämtliche Äußerungen den Kompetenzrahmen wahren“, Rz. 142. Faktisch wären damit live-Interviews den zur Wahrnehmung des Gesamtinteresses beauftragten Vertretern einer IHK nicht mehr möglich, da entweder die journalistische Freiheit eingeschränkt würde oder das rechtliche Risiko für die IHK kaum mehr tragbar wäre, von der negativen öffentlichen Wirkung ganz abgesehen. 111 Ebenso Kluth, Interessenvertretung durch Industrie- und Handelskammern in Fällen der Volksgesetzgebung in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2013, 227, 280; sowie Landmann/Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 89; Undifferenziert VG Stuttgart, VG Stuttgart v. 7.4.2011 – 4 K 5039/10, GewArch 2011, 244 ff., mit der grundsätzlichen Aussage, Plakate seien eine der IHK verwehrte Form der Interessenwahrnehmung, da ein Plakat „gleichsam wesensimmanent quasi nur schlagwortartig Positionen darzustellen vermag“, Rz. 19. 112 Eine Kaskade von Möglichkeiten hat hier das BVerfG in seiner Entscheidung aufgezeigt, BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 111.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 60 § 1
(b) Sachlichkeit: Vorgaben gibt es ferner für die Darstellung selbst. So ist bei- 59 spielsweise die vom BVerfG angemahnte Sachlichkeit bereits vorangehend durch das BVerwG eingefordert worden: Kammern hätten bei „allen Äußerungen Objektivität und die notwendige Sachlichkeit und Zurückhaltung zu wahren. Polemisch überspitzte Äußerungen oder Stellungnahmen, die auf eine emotionalisierte Konfliktaustragung zielen, sind unzulässig“113. Gefordert ist das „höchstmögliche Maß an Objektivität“114. Während die Maßstäbe des BVerwG sowohl systematisch als auch teleologisch konsistent sind, lassen sich den bislang entschiedenen Einzelfällen keine klaren oder konsistenten Vorgaben entnehmen, die Bewertungen erscheinen teilweise nachvollziehbar, teilweise aber auch zufällig oder sogar widersprüchlich115. Als rechtswidrig wurden beispielsweise angesehen der Beitritt zu einer Initiative 60 zum Rückkauf eines Stromnetzes, wenn diese „ihrem Wesen nach ein wirtschaftsund gesellschaftspolitischer Kampfverband“116 ist, wobei das kämpferische Element nur in der Abweichung von der Position des Hamburger Senats gelegen haben kann. Auch die von dieser Initiative ausgehende Plakatkampagne mit den Sätzen „Nicht mit meinem Geld“ und „Nicht mit meiner Zukunft“ wurden als Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit und Mäßigung gewertet117. Als einzelne Begrifflichkeiten wurden das „verplempern“ von Geld im Sinne plan- und sinnlosen Vergeudens sowie „Schildbürgerstreich“ im Sinne zutiefst törichten Verhaltens versagt118. Die Formulierung ein „Vorhaben … müsse … verhindert werden“ und dass „dieser Wahnsinn noch gestoppt wird“ wurden als apodiktisch und unsachlich ge-
113 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 32. 114 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 33, 44, anknüpfend an BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235, 241: wegen des erheblichen öffentlichen Interesses wird die höchstmögliche Objektivität bei der Förderung der Wirtschaft gefordert. 115 Die Bewertungen des BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 entstammen dabei einem „obiter dictum“, so Waldhoff, JuS 2011, 670, 672; die Rügen im Urteil BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 wurden ohne Beiladung des DIHK und damit ohne rechtliches Gehör des notwendig materiell Betroffenen ausgesprochen, so dass Kontexte keinen Eingang in das Verfahren finden konnten; Revision anhängig – 8 C 23.19. 116 VG Hamburg v. 25.11.2015 – 17 K 4043/14. 117 VG Hamburg v. 25.11.2015 – 17 K 4043/14, die Darstellung auf den Plakaten (Industriearbeiter bzw. Frau in weißem Kleid) sah das Gericht nicht nachvollziehbar als „auf peinliche Weise unzeitgemäß“ an, bestätigt vom Hamb. OVG v. 16.11.2016 – 5 BF 40. 118 VG Hamburg v. 25.11.2015 – 17 K 4043/14; bestätigt durch Hamb. OVG v. 16.11.2016 – 5 BF 40. Allerdings erscheint das Urteil der VG Hamburg – indem es sich klassischen juristischen Argumentationstopoi verweigert – seinerseits als teilweise interessegeleitet, etwa wenn Begriffe wie „Belastung“ als nicht objektivierbar schlicht für rechtswidrig erklärt werden.
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§ 1 Rz. 60 Aufgabenbereich wertet119. Unsachlich und nicht objektiv waren zudem Äußerungen die der Republik Südafrika eine „Bildungsmisere“ attestierten und deren Verwaltung als „Investitionshemmnis“ bezeichneten“120. Auch die Kommentierung einer Forderung als „der reine Wahnsinn“ sowie „die Gleichsetzung des Klimaschutzes mit einer Minderung der Lebensqualität, illustriert durch die polemische Frage, ob wir wieder mit 34 PS über die Alpen nach Italien fahren sollten“ wurde für rechtswidrig erkannt121. Ebenfalls als rechtswidrig beurteilt wurde die Bezeichnung der nach einem Volksreferendum gescheiterten Olympia-Bewerbung Hamburgs als „Hamburg-Syndrom“, u.a. weil es sich um einen medizinischen Begriff für ein komplexes Krankheitsbild mit charakteristischen Symptomen handele, was zur Beschreibung eines politischen Vorgangs nicht angemessen sei122. Die plebiszitären Elemente in Hamburg als „schwerwiegenden Irrweg“ und Ursache für „Unregierbarkeit“ darzustellen, sei ebenfalls keine sachbezogene Argumentation123. Die Warnung, „keine Neidsteuer“ aus der Erbschaftssteuer zu machen, wurde wegen der mit dem Begriff verknüpften „negativen Emotion“ als unsachlich angesehen124, während ein anderes Verwaltungsgericht keine Bedenken gegenüber dem Begriff „Neiddebatte“ hatte125. 61
Rechtmäßig hingegen war zum Beispiel der Verweis auf die Realisierung eines Infrastrukturprojekts entsprechend eines Mediationsergebnisses126. Auch die Aussage „Die Gewerbefreiheit ist ständig bedroht“ wurde für rechtmäßig erkannt127, weil durch den Kontext verdeutlicht wurde, in welchen Bereichen und in welcher Form, etwa durch bestimmte Berufszugangs- und Berufsausübungsregeln, diese gefährdet war. Die Bezeichnung des erwähnten abgelehnten Olympiareferendums als „Ein schwerer Schlag ins Kontor“ und die in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung eines „Debakels“ wurde entsprechend gewertet128.
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Vollständigkeit und Sachlichkeit sind auch durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht relativierbar, etwa weil die Kammer ansonsten im politischen Meinungskampf nicht Gehör fände, so ausdrücklich in der Auseinandersetzung
119 120 121 122 123
128
BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 40. BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 37. BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 38. VG Hamburg v. 20.9.2016 – 17 K 718/16. VG Hamburg v. 20.9.2016 – 17 K 718/16, vgl. dazu aber VerfG Hamburg v. 13.10.2016 – HVerfG 2/16, das von der Kammer kritisierte Elemente für verfassungswidrig erklärt hat. OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09 Rz. 152. VG Kassel v. 4.12.2018 – 3L 2552/18.KS. BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, BVerwGE 137, 171 Rz. 44. VG Köln v. 3.5.2012 – 1 K 2091/11 Rz. 39, dazu auch, Jahn, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2015, 92, 122. VG Hamburg v. 20.9.2016 – 17 K 718/16.
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um einen Volksentscheid das Hamb. OVG, das Gebot der Sachlichkeit gilt „stets und unabdingbar“129. bb) Formen der Wahrnehmung des Gesamtinteresses Im Einzelnen kann sich die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der gewerblichen 63 Wirtschaft im Bezirk nach dieser internen Meinungsbildung in allen denkbaren Formen vollziehen130. Bereits gesetzlich ist es nach § 1 Abs. 1 die Aufgabe der Kammern, insbesondere „durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten“. Wenden sich daher die IHKs an die entscheidenden staatlichen Instanzen mit Berichten, Vorschlägen, Gutachten und Memoranden, „so schließt diese Aufgabe an die Ermittlung des Gesamtinteresses der Mitglieder an, baut also auf deren Wissen auf und übersetzt dies in die für die Mitglieder relevanten Bereiche“131, so das BVerfG. Dabei sind sie nicht darauf beschränkt, nur gegenüber Behörden, Ministerien und 64 Regierungen in den Ländern und Regionen Stellung zu nehmen; sie werden über den DIHK regelmäßig schon bei der Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen des Bundes gehört132. Sie können sich genauso an die gesetzgebenden Körperschaften wenden und werden dort regelmäßig auch in den Parlamentsausschüssen an den Anhörungen zu wirtschaftlich relevanten Fragen beteiligt133. Für eine sachkundige Beratung des Staates in allen wirtschaftlichen Fragen ist die Organisationsform der IHKs als Selbstverwaltungskörperschaften am besten geeignet134. Denn der öffentlich-rechtliche Status gibt die Möglichkeit, die IHKs zur Wahrung des Gesamtinteresses aller Gewerbetreibenden und damit zu einer gemeinwohlorientierten gesamtwirtschaftlichen Sicht gesetzlich zu verpflichten. Soweit Organe des Bundes oder der Länder den IHKs kraft deren repräsentativer 65 Stellung besondere Wege der Beteiligung eröffnen, etwa durch förmliche Anhörungen, sind diese prioritär, denn IHK sollen Behörden nach § 1 „insbesondere“ durch Vorschläge und Berichte beraten. Allerdings gehört es heute zu einer Mitwirkung an der wirtschaftspolitischen Meinungsbildung ergänzend dazu, dass die IHKs die Öffentlichkeit über ihre Auffassung zu wirtschaftlichen Fragen in dem breiten, oben aufgezeigten Sinne informieren und sich gegebenenfalls auch publizistisch mit anderen wirtschaftspolitischen Auffassungen auseinandersetzen. Öffentliche Veranstaltungen, Präsidentenreden, Pressekonferenzen, Interviews von 129 130 131 132
Hamb. OVG v. 16.11.2016 – 5 Bf 40/16 Z, NordÖR 2017, 14, 148., Rz. 34, 35. Allgemein vgl. Jahn, GewArch 2009, 434, 436, die IHKs genießen „Formfreiheit“. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 95. § 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien GGO, Stand 1.9.2011. 133 § 70 GO BT i.d.F. v. 2.7.1980, BGBl. I, 1237. 134 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, GewArch 2002, 111.
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§ 1 Rz. 65 Aufgabenbereich IHK-Repräsentanten und Pressemeldungen sind daher ebenso Teil der Handlungsoptionen einer IHK in Erfüllung ihres Auftrags wie die Herausgabe einer Kammerzeitschrift, der Internetauftritt135 oder eine Äußerung in sozialen Medien. Dabei müssen sich die Kammern im Rahmen ihres Aufgabenbereichs halten, die Maßgaben der Kommunikation (s. Rz. 56 ff.) des Gesamtinteresses sind zu berücksichtigen. 66
Keine zulässige Form der Wahrnehmung des Gesamtinteresses ist die „NichtWahrnehmung“. Zwar kommen Situationen vor, in denen im Legitimationsverfahren trotz aller Anstrengungen der Ausgleich divergierender Positionen nicht gelingt und die Kammer schweigt oder den Dissens differenziert offenlegt, dies ist aber der Ausnahmefall136. Eine Kammer darf sich nicht ohne weiteres aus der Wahrnehmungspflicht, etwa aufgrund interner Streitigkeiten zurückziehen, ist aber nicht unter allen Umständen zur Äußerung gezwungen. Bei staatlichen Anfragen gilt dies ohnehin. Insoweit ist eine nicht nur im Einzelfall bestimmbare Untergrenze zu beachten. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass bei einer fehlenden Spiegelbildlichkeit der Vollversammlung eine regelkonforme Bildung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses ausgeschlossen ist – insoweit zeigt sich die Wechselseitigkeit der Binnenpluralität zwischen Gremienbesetzung und Handlungsoptionen (vgl. dazu § 5 Rz. 44 ff.). d) Gemeinsame Wahrnehmung: Region, Land, Bund, Europa
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Die Wahrnehmung des wirtschaftlichen Gesamtinteresses ist eine gesetzliche Aufgabe der IHK. Die Maßgaben für die Wahrnehmung gelten auch für die Zusammenarbeit der IHKs in regionalen Kooperationen, in den Landesarbeitsgemeinschaften, im DIHK sowie im europäischen Rahmen. Hier müssen vor allem die unterschiedlichen regionalen Wirtschaftsinteressen gewichtet und nach Möglichkeit ausgeglichen werden, im europäischen Rahmen sogar nationale Wirtschaftsinteressen. Die einzelnen Kammern oder ihre Zusammenschlüsse bringen dann ihre jeweiligen regionalen Interessen mit entsprechendem Nachdruck ein, sollten sich aber auch für eine gemeinsame Lösung zu Kompromissen bereitfinden; auch dies liegt im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Auftrags.
135 VG Gießen v. 29.6.2005 – 8 E 3197/03, GewArch 2006, 30 „Sommerempfang“; Anwaltsgerichtshof Bremen BRAK-Mitt. 1996, 86; AnwGH Niedersachsen v. 24.11.1995 – 1 EGH 2/95, BRAK-Mitt. 1996, 207; Tettinger, Kammerrecht, 1997, 159; Zu den inhaltlichen Grenzen der Publikationstätigkeit der IHKs aus dem Gebot der Staatsferne der Presse vgl. BGH v. 20.12.2018 – I ZR 112/17. 136 Entsprechende Zurückhaltung wurde etwa in einzelnen IHKs bei der Frage der Zulässigkeit von Sonntagsöffnungen geübt.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 71 § 1
Die Bildung von Spitzenorganisationen – auch in der privatrechtlichen Form ei- 68 nes Vereins – ist von der Rechtsprechung seit langem anerkannt137. Die Kammern können sich dabei allerdings ihrer grundrechtlichen Bindung an Art. 2 Abs. 1 GG und ihrer gesetzlichen Bindung an die Kompetenzregelung, hier des § 1 Abs. 1, nicht durch einen Zusammenschluss entledigen, wenn dieser rechtlich verselbständigt ist – damit gelten z.B. die rechtlichen Rahmenbedingungen der Tätigkeit der IHKs immer entsprechend für den Dachverband. Der Deutsche Industrieund Handelskammertag (DIHK) ist durch die Rechtsprechung explizit als legitimer Zusammenschluss der IHKs angesehen worden: weder fand eine unzulässige Aufgabendelegation statt noch hat der DIHK seiner Satzung zufolge Aufgaben wahrzunehmen, die den Rahmen der Kompetenzen seiner Mitgliedskammern überschreiten138. Ebenso ist den IHKs der Beitritt zu Vereinen erlaubt, wenn sie nach Satzung und 69 tatsächlicher Aktivität die gleichen Ziele verfolgen139 – dabei darf es zu keiner die Kammerkompetenzen übersteigenden satzungsrechtlichen Aufgabenzuweisung kommen. Zur Vertretung auf europäischer und internationaler Ebene ausführlich Einführung Rz. 62, 65 ff. e) Die Abgrenzung der Handwerksordnung Eine negative Abgrenzung der Kompetenz zur Wahrnehmung des Gesamtinteres- 70 ses resultiert aus der allgemeinen Beschränkung der Tätigkeit der IHKs: Soweit Zuständigkeiten der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe der HwO gegeben ist besteht keine Verbandskompetenz der IHKs, § 1 Abs. 1 Satz 1. Insoweit ist auf die Kommentierungen der HwO zu verweisen140, zur mitgliedschaftlichen und beitragsrechtlichen Problematik vgl. § 2 Rz. 114 f. und § 3 Rz. 85 ff. Eine besondere Form der Vertretung des Gesamtinteresses sieht § 12 HwO vor: 71 Gegen die Entscheidung der Handwerkskammer über die Eintragung eines der IHK angehörigen Gewerbetreibenden in die Handwerksrolle steht neben dem Gewerbetreibenden selbst auch der IHK der Verwaltungsrechtsweg offen. Außerdem
137 Seit BVerwG v. 10.6.1986 – 1 C 4/86, BVerwGE 74, 254 – Zentralverband des Deutschen Handwerks; OVG Rheinland-Pfalz v. 23.12.1992 – 11 A 10144/92, GewArch 1993, 289 – DIHT. 138 Ausdrücklich BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 25 ff. 139 Tettinger, Kammerrecht, 1997, 152; zu den Grenzen OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.12.1999 – 8 A 395/97, GewArch 2000, 378; Möllering, WiVerw 2001, 25, 54; Möllering, FS Stober, 391, 395. 140 Schwannecke, Die Deutsche Handwerksordnung, 2018; Honig/Knörr/Thiel, HwOKommentar, 5. Aufl.; Leisner, Beck’scher Online Kommentar HwO, 9. Edition, sowie Landmann/Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 16 ff.
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§ 1 Rz. 71 Aufgabenbereich ist die IHK nach § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO neben der Handwerkskammer anzuhören, bevor die Gewerbebehörde einem Gewerbetreibenden den Betrieb eines nach ihrer Auffassung zulassungspflichtigen Handwerks untersagt. Die Untersagung darf nur nach Abgabe einer gemeinsamen Erklärung der Handwerkskammer und IHK, wonach diese die Voraussetzungen für die Untersagung als gegeben ansehen, erfolgen. Können sich Handwerkskammer und IHK nicht über eine gemeinsame Erklärung verständigen, so entscheidet eine vom DIHK und Deutschen Handwerkskammertag (DHKT) gemeinsam für die Dauer von vier Jahren zu bildende Schlichtungskommission, die sich aus je einem Vertreter von DIHK und DHKT sowie einem gemeinsam benannten Mitglied, welches den Vorsitz führt, zusammensetzt141. Das Verfahren, das praktisch kaum Relevanz hat, wird durch die Verordnung über das Schlichtungsverfahren nach § 16 HwO v. 22.6.2004142 geregelt143. 3. Förderung der gewerblichen Wirtschaft 72
Die zweite wesentliche Aufgabe einer IHK liegt in der Förderung der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks. Diese Förderung kann teilweise auch in der Wahrnehmung des Gesamtinteresses liegen, wenn die Kammer sich mit Stellungnahmen an staatliche Instanzen wendet. Bei dem Förderauftrag des § 1 Abs. 1 ist aber in erster Linie an die Maßnahmen zu denken, welche die IHKs zur Betreuung der Kammerzugehörigen treffen. Da beide Aufgabengebiete – Wahrnehmung des Gesamtinteresses und Förderung der Bezirkswirtschaft – gleichwertig sind, können und müssen die IHKs über die Schwerpunkte ihrer Arbeit entsprechend der Umstände des jeweiligen Kammerbezirks frei entscheiden. Eine (Unter)Grenze liegt darin, dass die öffentlich-rechtlichen (Pflicht)aufgaben nicht vernachlässigt werden dürfen; sie stehen nicht zur Disposition (vgl. Rz. 66 zur Untergrenze in der Gesamtinteressenwahrnehmung).
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Die Fördertätigkeit der IHKs wird oft auch als „Service“ benannt: die Tätigkeit erscheint wie eine Dienstleistung gegenüber den Mitgliedern. Das ist insofern missverständlich als die Tätigkeit der IHK durchgehend ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechen muss. Dem steht nicht entgegen, dass auf diese Weise ergänzend Aspekte der Bindung der Unternehmen an die Kammern, der Sichtbarkeit der vielen Leistungen einer IHK etc. abgedeckt werden sollen.
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In der Rechtswirklichkeit ist das das Bild so vielfältig wie die wirtschaftlichen Bedürfnisse in den Kammerbezirken. Die Kammer und ihre Organe entscheiden in eigener Verantwortung über die Maßnahmen, die sie dafür notwendig halten,
141 § 16 Abs. 4 und 5 HwO. 142 BGBl. I, 1314, geändert durch Art. 28 Abs. 8 des Gesetzes v. 7.9.2007, BGBl. I, 2246. 143 Vgl. Jahn, DB 2004, 802; Schwannecke/Heck, GewArch 2004, 129.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 77 § 1
und die Mittel, die sie dafür einsetzen wollen. Damit legen sie fest, welche wirtschaftlichen Bedürfnisse im Kammerbezirk sie für vorrangig halten. Im Kern handelt es sich um „Selbsthilfe“, welche die Unternehmerschaft in ihrer eigenen Organisation entwickelt und die eine der historischen Wurzeln der wirtschaftlichen Selbstverwaltung ist (s. Einführung Rz. 1 ff. zur Bedeutung von Traditionslinien). Strukturell handelt es sich bei diesen Dienstleistungen um die Förderung der Un- 75 ternehmen über deren gesamten Lebenszyklus: von der Gründung bis zur Unternehmensnachfolge. IHKs setzen sich dabei im Rahmen der Gründerberatung (mit bis zu 200.000 Einstiegsgesprächen, Gründerseminare für 25.000 Teilnehmer und 40.000 individuelle Gründerberatungen jährlich) auch für Personen ein, die erst künftig Unternehmer und damit Mitglieder werden können. Dienstleistungen werden zu vielfältigen wirtschaftsrelevanten Themen angeboten. Ein Wettbewerbsverbot mit privaten Anbietern existiert rechtlich nur im auch 76 sonst gegebenen Rahmen öffentlichen wirtschaftlichen Handelns bzw. des UWG144, insoweit sind auch unterschiedliche landesrechtliche und kommunalwirtschaftliche Regelungen zu beachten. Zwingend ist, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Aufgabenerfüllung der IHK dient. Die Besonderheit der Wirtschaftskammern liegt in der Praxis darin begründet, dass immer dann, wenn die fragliche Dienstleistung auch tatsächlich ausreichend – d.h. in der konkreten Situation der regionalen Wirtschaft nachfragegerecht, kompetent und flächendeckend145 – durch private Dritte angeboten wird, in aller Regel der Grund für die Fördermaßnahme entfällt und die IHK zurücktritt. Hierin kommt der Subsidiaritätsgedanke zum Ausdruck, ohne dass dieser in Ermangelung einer entsprechenden rechtlichen Maßgabe unmittelbar auf die IHK Anwendung fände. a) Information Die praktisch bedeutendste Förderaufgabe ist die Information der kammerzuge- 77 hörigen Unternehme über alle wirtschaftlich relevanten Fragen. Dazu gehören beispielsweise Berichte über die Wirtschaftslage, über Gesetzgebung und Rechtsprechung, über regionale, nationale und internationale Entwicklungen. Aus
144 Dazu Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 273 ff.; Kannengießer, WiVerw 1998, 182; Allgemein Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 17 Rz. 40; zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen Brüning, NVwZ 2015, 689; Lange, NVwZ 2014, 616; Zu den europarechtlichen Implikationen der Daseinsvorsorge Wernicke in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), AEUV Kommentar, Art. 106. 145 Vgl. dazu auch OLG Karlsruhe v. 14.8.1987 – 6 W 49/87 und 6 W 50/87, GewArch 1989, 208; zur Interessenabwägung in Konkurrenzsituationen allgemein Landmann/ Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 172 ff. unter Betonung des Gemeinwohlbezugs der Kammeraktivitäten; sowie Hövelberndt, Die Kammern als Wettbewerber, 2008.
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§ 1 Rz. 77 Aufgabenbereich den früheren Mitteilungsblättern sind in Erfüllung dieses Informationsauftrags Kammerzeitschriften geworden, die zunehmend durch eine Vielfalt von Webpublikationen und neue Medien ersetzt oder ergänzt werden (www.ihk.de). 78
Die Rechtsprechung hat eine solche Informationspflicht stets anerkannt und auch die Aufnahme von Anzeigen sowie neutraler, sogar unterhaltender Beiträge in Kammerzeitschriften für zulässig erklärt146. Dabei sind einerseits die sich aus dem Gebot der Staatsferne der Presse (Art. 5 GG) ergebenden Grenzen zu beachten, wie sie durch die Rechtsprechung verdeutlicht wurden147 (s. Rz. 30). Andererseits sind durchgehend die allgemeinen Verbandskompetenzen einzuhalten. Die Grenzen des Kammerauftrags werden dagegen bei allgemeinpolitischen Artikeln überschritten, auch wenn es sich um Namensartikel handelt, denn Organträger einer IHK werden in der Regel in ihrer Funktion gehört und befragt148. Kammerzeitschriften können durch allgemeine Haushaltsmittel, Abonnements und Anzeigen finanziert werden, nicht aber durch Sonderbeiträge oder einen Pflichtbezug149. Die allgemeine Informationstätigkeit der Kammer wird ergänzt durch die Veröffentlichung der IHKs über ihre eigene Tätigkeit.
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Neben Webauftritten und Kammerzeitschriften treten als Informationsmittel auch zahlreiche spezielle Broschüren, welche die Kammerzugehörigen über neue wirtschaftsrechtliche oder wirtschaftspolitische Maßnahmen und Spezialfragen wirtschaftlicher Art unterrichten und oft zu eigenständigen Schriftenreihen der Kammern oder des DIHK für die Unternehmen führen. Kennzeichnend ist in allen Fällen, dass ein breites Bedürfnis der Kaufmannschaft nach schneller, praxisnaher und sachkundiger Information besteht. Auch damit erfüllt die IHK ihren Informationsauftrag, selbst wenn sich gelegentlich Überschneidungen mit Fachzeitschriften und den Arbeitsbereichen kammerzugehöriger Fachverlage ergeben; entscheidend ist, dass es sich um ein geeignetes Mittel zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kammerauftrags handelt.
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Eine frühere Sonderaufgabe im Rahmen der Informationstätigkeit war die Herausgabe des Schuldnerverzeichnisses, solange dieses lokal bei Amtsgerichten geführt wurde. Mittlerweile wird es für jedes Bundesland von einem zentralen Vollstreckungsgericht geführt und kann über eine zentrale und länderübergreifende Abfrage im Internet eingesehen werden. Seine zentrale Aufgabe ist der Gläubigerschutz. IHKs können privilegiert Einsicht nehmen und bieten zusammengefasste Schuldnerlisten Mitgliedsunternehmen an. Die Einzelheiten des Verfahrens, insbesondere die Vorkehrungen zur Wahrung der Vertraulichkeit und des Daten-
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BVerwG v. 1.3.1977 – I C 42.74, GewArch 1977, 232; Tettinger, GewArch 1986, 50. BGH v. 20.12.2018 – I ZR 112/17. BVerwG v. 17.12.1981 – 5 C 56/79, BVerwGE 64, 298. BVerwG v. 1.3.1977 – I C 42.74, GewArch 1977, 232.
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§ 1 Abs. 1
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schutzes regeln die §§ 882b ff. ZPO iVm der Schuldnerverzeichnisführungsverordnung (SchuFZ v. 26.7.2012)150. b) Auskünfte An die allgemeine Information durch digitale und Printmedien, Rundschreiben- 81 dienste, Broschüren, Merkblätter und Internetdienste knüpft sich als zweites Element der Beratungsaufgabe das Auskunftswesen, auf das insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in komplizierter werdenden wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnissen angewiesen sind. Verrechtlichung und ungebremste Bürokratisierung haben den Informationsbedarf der Unternehmen weiter erhöht. Die IHKs sind zu Auskünften jeder Art berechtigt, die von den Unternehmen für ihre Tätigkeit gebraucht werden. Ihnen steht dafür – neben amtlichen Veröffentlichungen, Nachschlagewerken, Kommentaren und den jedermann zugänglichen Datenbanken – vor allem auch umfangreiches Auskunftsmaterial zur Verfügung, das bei ihrer eigenen Tätigkeit anfällt und oft bundesweit systematisch aufbereitet und ausgewertet wird. Ein Beispiel dafür sind Merkblätter, Standortinformationssysteme, die Auskünfte über Export- und Importfirmen, aber auch über die Produktpalette im produzierenden Gewerbe. Teilweise gibt es auch eine Kooperation mit der EU, um über die zahlreichen EU-Förderprogramme und europaweiten Ausschreibungen zu informieren oder Einzelfragen (Solvit) zu lösen. c) Beratung Zum Förderungsauftrag der IHKs gehören nicht nur allgemeine Informationen, 82 sondern auch die Beratung im Einzelfall; in der Praxis gehen ohnehin Auskunft und Beratung ineinander über. Deswegen ist den IHKs wie auch anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts über § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG die Rechtsberatung der Kammerzugehörigen erlaubt, soweit diese sich auf den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der IHK beschränkt und sie sich auf die unternehmerische Tätigkeit bezieht151. Ebenso dürfen die Kammern die ihnen zugehörigen Unternehmen in steuerlichen Fragen beraten152. In der Regel beschränken sich die IHKs allerdings auf Auskünfte und verweisen für eine vertiefte Beratung auf die dafür spezialisierten Anbieter, v.a. der freien Berufe. Sie sind jedoch rechtlich nicht daran gehindert, auch selbst in eine solche vertiefte Einzelberatung eines kammerzugehörigen Unternehmens einzutreten. Die Beratungsaufgabe endet jedoch, wenn es in einem Streitfall um die Vertretung eines Einzelinteresses gegenüber ei150 Schuldnerverzeichnisführungsverordnung v. 26.7.2012, BGBl. I, 1654, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 21.11.2016, BGBl. I 2591. 151 Ausf. Schöbener, GewArch 2011, 49; Schmidt in Krenzler (Hrsg.), RDG-Kommentar, 2017, § 8 Rz. 33, vor 2008 § 3 Nr. 1 RBeratG; BGH v. 12.7.1990 – I ZR 278/88, GewArch 1991, 233; Heck, GewArch 1982, 48. 152 § 4 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes; Kormann, GewArch 1988, 249.
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§ 1 Rz. 82 Aufgabenbereich nem anderen, vor einer Behörde oder vor den Gerichten geht; die Rechtsvertretung ist den IHKs außerhalb gesonderter gesetzlicher Ermächtigungsnormen, etwa im kollektiven Rechtsschutz, verschlossen153. 83
Schließlich haben sich in Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Ministerien auf Bundes- und Landesebene viele Projekte entwickelt, mit denen spezifische Beratungsbedürfnisse abgedeckt werden (z.B. Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge, Mittelstandsinitiative Energie und Klimaschutz, Unternehmen Biologische Vielfalt 2020, Unternehmen Berufsanerkennung, Leitstelle für Gewerbefördermittel des Bundes).
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Die Rechtsprechung hat diese Reichweite des Kammerauftrags durchweg anerkannt, auch wenn vergleichbare Leistungen von Gewerbebetrieben oder freien Berufen angeboten werden. Die Zulässigkeit der betrieblichen Beratung ist vom Nds. OVG154 bestätigt worden, die Zulässigkeit der Technologieberatung vom OLG Karlsruhe155. Die Steuerberatung durch Kreishandwerkerschaften hat der BGH gebilligt156. Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht157 auf der Grundlage des Rechtsberatungsgesetzes die Einrichtung einer Inkassostelle für zulässig erklärt; der BGH ist ihm gefolgt158. Ebenso haben die Aufsichtsbehörden seit jeher den Förderauftrag der Kammern weit gezogen und oft sogar zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen angeregt, wie die Mittelstandsberichte der Bundesregierung zeigen. Viele Ministerien auf Landes- und Bundesebene sind dem durch unterschiedliche Projektkooperationen mit IHKs und dem DIHK gefolgt. d) Empfehlungen und Warnungen
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Im Zuge von Information, Auskunft und Beratung kommt es zwangsläufig auch zu Empfehlungen und Warnungen. Die Befugnis dazu wird – soweit nicht eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung vorliegt – aus der jeweiligen Behördenaufgabe und der allgemeinen Staatspflicht zur Gefahrenabwehr hergeleitet159. Al-
153 So Lenssen, GewArch 1973, 201; weitergehend BVerwG v. 16.5.1957 – I C 174.54, BVerwGE 5, 74; BGH v. 12.7.1990 – I ZR 62/89, GewArch 1991, 36; Heck, GewArch 1982, 48. 154 Nds. OVG v. 16.12.1985 – 8 A 96/83, GewArch 1986, 201; Vorinstanz VG Schleswig v. 6.10.1981 – 12 A 201/81, GewArch 1982, 30. 155 OLG Karlsruhe v. 14.8.1987 – 6 W 49/87 und 6 W 50/87, GewArch 1989, 208. 156 BGH v. 12.7.1990 – I ZR 278/88, GewArch 1991, 233; Scholtissek, GewArch 1991, 210. 157 BVerwG v. 16.5.1957 – I C 174.54, GewArch 1957, 130. 158 BGH v. 12.7.1990 – I ZR 62/89, GewArch 1991, 36 – an dieser Beurteilung hat das Rechtsdienstleistungsgesetz nichts geändert. 159 Kritisch dazu Lege, DVBl. 1999, 569.
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lerdings sind die gerechtfertigten wettbewerblichen Interessen der Beteiligten zu wahren (Gebot der Wettbewerbsneutralität). Nur in seltenen Ausnahmefällen wird eine IHK namentliche Empfehlungen aus- 86 sprechen160. Denn zu einem Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, dem die Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten zugeordnet wird, ist die IHK nicht befugt161. Insbesondere wenn die Kammer eigene Einrichtungen etwa der Weiterbildung empfiehlt muss sie auf alle Mitbewerber hinweisen162. So werden im Weiterbildungs-Informations-Systems (WIS) der IHK-Organisation konsequent auch alle Wettbewerber aufgenommen. Der Förderungsauftrag der IHK schließt auch Warnungen ein, um die kammer- 87 zugehörigen Unternehmen auf rechtliche oder wirtschaftliche Gefahren aufmerksam zu machen. Solange dies in allgemeiner Form geschieht, bestehen keine rechtlichen Probleme. Die Kammern können beispielsweise vor unseriösen Beratern warnen163. Selbst eine unzutreffende, aber vertretbare Rechtsansicht kann einer solchen Warnung zugrunde gelegt werden164. Auch namentliche Erwähnungen sind zulässig, wenn es um den innerdienstlichen Verkehr zwischen den Kammern und ihren Zusammenschlüssen zur Erfüllung ihrer Aufgabe geht oder wenn diese mit gutachtlichen Stellungnahmen oder im Wege des Amtshilfeverkehrs mit Behörden in Verbindung stehen. Dagegen erfordern namentliche Warnungen, mögen sie im Einzelfall ausgesprochen werden, durch Rundschreibendienste oder gar Veröffentlichungen, dass wegen der Folgen für den Betroffenen vorher die Verhältnismäßigkeit sorgfältig geprüft wird. Die Tatsachen, welche die Warnungen begründen, müssen nicht nur sachlich dargestellt und nachweisbar sein, sondern die Warnung muss unter Abwägung der Interessen auch zum Schutz erforderlich sein; je höher der mögliche Schaden für den Betroffenen und je größer die Verbreitung der Warnungen, desto größere Sorgfalt ist angebracht165. 160 Vgl. BGH v. 20.12.1955 – I ZR 24/54, BGHZ 19, 299 – Kurverwaltung Bad Ems. 161 Dazu Nds. OVG v. 28.9.1987 – 8 A 60/86, welches der IHK die Herausgabe einer vollständigen Adressenliste ohne jede Wertung zumutet und eine Auswahl für unzulässig hält, bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht, das in der Auswahl durch die IHK einen wirtschaftsregelnden Eingriff der öffentlichen Hand in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG sieht; BVerwG v. 17.12.1991 – 1 C 5/88, GewArch 1992, 139; ablehnend Mitsch, GewArch 1992, 422. 162 BGH v. 22.4.2009 – I ZR 176/06; OLG Karlsruhe v. 14.8.1987 – 6 W 49/87 und 6 W 50/87, GewArch 1989, 208; Dazu auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ausführlich Heyne in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 145 ff. 163 VGH Mannheim v. 2.7.1985 – 14 S 942/85, GewArch 1985, 328. 164 OVG Rheinland-Pfalz v. 10.11.1982 – 2 A 92/81, GewArch 1983, 69. 165 Vgl. zu Warnungen im Lebensmittelbereich Bay. VGH v. 31.8.2007 – 25 CE 07.2215; OLG Stuttgart v. 21.3.1990 – 1 U 132/89, ZIP 1990, 1209; LG Göttingen v. 29.11.1990 – 2 O 320/90, NVwZ 1992, 98; OVG Nordrhein-Westfalen v. 5.6.1987 – 13 A 1273/86, GewArch 1988, 11; Dolde, Behördliche Warnung vor nichtverkehrsfähigen Lebensmitteln, 1987; Leidinger, DÖV 1993, 925.
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§ 1 Rz. 87 Aufgabenbereich Soweit im Rahmen dieses Förderauftrags besondere Anlagen und Einrichtungen gegründet werden, findet sich noch eine zusätzliche Ermächtigung für die Kammern in § 1 Abs. 2166. 4. Gutachtertätigkeit 88
Eine praktisch besonders wichtige Aufgabe der IHKs ist die Erstellung von Gutachten, die in § 1 Abs. 1 ausdrücklich erwähnt werden. Der besondere Wert der durch die Kammern erarbeiteten Gutachten und Vorschläge beruht auf ihrer Unabhängigkeit vom Staat und von Einzelinteressen, sowie auf ihrer Spezialkenntnis und dem besonderen Überblick über die Wirtschaft aufgrund ihrer über die gesetzliche Mitgliedschaft garantierten vollständigen Mitgliederstruktur. Die Bedeutung der Gutachten im Gesamtgefüge der IHK-Aufgaben hat das BVerfG in allen Entscheidungen zum IHKG herausgehoben167. a) Bedeutung der Kammergutachten in der Praxis
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Das Kammergutachten ist die Stellungnahme zu einem Einzelfall, über den ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zu befinden hat. Es wird erstattet, wenn diese Stellen zur Vorbereitung ihrer Entscheidung die IHK um sachverständige Beurteilung der mit dem Fall zusammenhängenden wirtschaftlichen Fragen ersuchen. Die Kammergutachten sind damit klar von den wirtschaftspolitischen Vorstellungen und Eingaben der Kammern zu unterscheiden.
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Die Gerichte ersuchen die IHK regelmäßig um solche Gutachten, da die Rechtsprechung in ständig steigendem Umfang mit wirtschaftlichen Tatbeständen befasst ist und insbesondere Verkehrsauffassungen zu berücksichtigen hat. Das Gleiche gilt für den wachsenden Bereich der Wirtschaftsverwaltung, die zur Entscheidung eines Einzelfalles oft auf umfangreiche Ermittlungen angewiesen ist. In zahlreichen Vorschriften des Bundes- und Landesrechts ist ausdrücklich eine gutachtliche Mitwirkung der IHK vorgesehen. Gerichte und Behörden ersuchen die Kammern aber auch weit darüber hinaus um Ermittlungen und zusammenfassende Stellungnahmen168.
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Bei allen diesen Kammergutachten geht es im Grunde nur um zwei Fragen: entweder um die gesamtwirtschaftliche Beurteilung eines Einzelfalles oder um die Verkehrsauffassung in der Kaufmannschaft. Es handelt sich in beiden Fällen um die Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen oder Generalklauseln, für die eine Kenntnis des Wirtschaftslebens, der Wirtschaftsregion und der Unternehmen erforderlich ist. Die Voraussetzung dafür bietet die Kammer bei der Ausarbeitung 166 Siehe Rz. 141 ff. 167 BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57 Rz. 26; BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 Rz. 47; BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 92, 106. 168 Vgl. Junge, WiVerw 1987, 195.
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ihrer Gutachten. Der Wert der Kammergutachten für Justiz und Verwaltung liegt darin, dass in ihnen nicht nur bestimmte Spezialkenntnisse auf wirtschaftlichem Gebiet vermittelt werden, wie dies bei den Gutachten eines einzelnen Sachverständigen der Fall ist. Vielmehr werden hier die Spezialkenntnisse vieler sachkundiger Kaufleute zu einer allgemeinen kaufmännischen Auffassung zusammengefasst und von der IHK durch eine gesamtwirtschaftliche Beurteilung ergänzt. Insofern erfüllen die Kammergutachten meist eine Doppelfunktion, nämlich die Ermittlung wirtschaftlicher Tatsachen und deren unternehmerische Wertung. Ein Beispiel sind die von der IHK als Trägerin öffentlicher Belange erstatteten Gutachten zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten und deren absatzwirtschaftlichen Auswirkungen. Vor allem aber erfüllt die IHK nach Struktur und Aufgabe alle Voraussetzungen, 92 die Gerichte und Behörden an einen ebenso sachkundigen wie objektiven Gutachter stellen müssen. Als Körperschaften, denen alle Gewerbetreibenden (mit Ausnahme des Handwerks) kraft Gesetzes angehören und die regional gegliedert sind, haben sie den ständigen orts- und firmennahen Kontakt mit der gesamten Kaufmannschaft und sind gleichzeitig zu einer abwägenden und ausgleichenden gesamtwirtschaftlichen Beurteilung verpflichtet. Der öffentlich-rechtliche Status mit Pflichtzugehörigkeit gibt ihnen nicht nur die Unabhängigkeit von Einzel- und Gruppeninteressen169, sondern sichert den Zugang zu Unternehmen aller Branchen, jeder Größenordnung und Rechtsform. Die regionale Gliederung bringt nicht nur den direkten Kontakt zu den Unternehmen, sondern führt auch – insbesondere bei Gutachten des DIHK – zur Berücksichtigung regionaler Unterschiede im Bundesgebiet. Gerichte und Behörden können also sicher sein, dass die Auffassung aller beteiligten und betroffenen Verkehrskreise jeweils in ihrer ganzen Breite in die Ermittlungen und die gesamtwirtschaftliche Wertung einbezogen worden ist. Die IHKs erstatten Gutachten nur für Gerichte und Behörden, nicht aber für Pri- 93 vatpersonen und auch nicht für kammerzugehörige Unternehmen. Die gesetzliche Pflicht als gerichtlicher und behördlicher Gutachter führt dazu, dass sie sich nicht durch Privatgutachten präjudizieren dürfen. Sie müssen deshalb solche Bitten ablehnen und auf die Möglichkeit verweisen, im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bei der entscheidenden Stelle die Einholung eines Kammergutachtens anzuregen; erst auf einen solchen staatlichen Auftrag hin wird die IHK als Gutachter tätig. b) Feststellung der Verkehrsauffassung Einen Schwerpunkt für Kammergutachten bildet die Feststellung der Verkehrs- 94 auffassung, mag es sich um einen Handelsbrauch nach § 346 HGB, eine Verkehrs169 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, NVwZ 2002, 335, GewArch 2002, 111.
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§ 1 Rz. 94 Aufgabenbereich sitte nach § 157 BGB handeln oder um die Durchsetzung oder Verwechslungsfähigkeit von Firmen, Geschäftsbezeichnungen oder Marken170. Ebenso erstatten die IHKs Gutachten über die Verkehrsauffassung im Bereich des UWG. 95
Bei der Feststellung von Handelsbräuchen gem. § 346 HGB, d.h. den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche171, oder einer Verkehrssitte (§ 157 BGB), d.h. der den Verkehr tatsächlich beherrschenden Übung172, geht es nicht allein um das tatsächliche Verhalten der beteiligten Wirtschaftskreise, sondern es muss vor allem ermittelt werden, ob die Gewohnheit in den beteiligten Wirtschaftskreisen mangels abweichender Vereinbarung für das betreffende Rechtsgeschäft gelten soll173. Die IHKs müssen beide Fragen nach Verhalten und Auffassung beantworten und in ihrem Gutachten ihre Feststellungen anhand der Ermittlungsergebnisse näher begründen174. Dagegen ist es nicht ihre Aufgabe und darf auch nicht einer Umfrage zugrunde gelegt werden, wie die Rechtsfrage selbst beurteilt wird; darüber haben allein die Gerichte zu entscheiden175. Allerdings wirken die IHKs auch im gerichtlichen Verfahren durch die Benennung ehrenamtlicher Handelsrichter mit (s. Rz. 103).
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Die Kammergutachten vermitteln damit Erkenntnisse, die einzelne Äußerungen der unmittelbar interessierten Fachkreise (etwa der Lieferanten und Abnehmer einer Ware) in der Regel nicht bieten können. Sie werten vielmehr die Antworten aller beteiligten Wirtschaftskreise aus176. Aus diesem Grunde muss sich die Befragung an einen ausreichenden Querschnitt der beteiligten Verkehrskreise richten, ohne dass dabei demoskopische Methoden und große Zahlen notwendig sind. Die IHK wird vielmehr Ermittlungen auf breiter Basis anlegen, bei der es vor allem auf 170 § 18 Abs. 2 HGB, § 8 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Markengesetz. 171 Notwendig ist Hopt in Baumbach/Hopt (Hrsg.), HGB § 346 Rz. 1 ff. mwN. zufolge eine verpflichtende Regel, die auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen Übung der beteiligten Kreise für vergleichbare Geschäftsvorfälle über einen angemessenen Zeitraum hinweg beruht und der eine einheitliche Auffassung der Beteiligten zugrunde liegt. Nicht ausreichend sind bloße Handelsübungen. 172 Busche in MüKoBGB, 8. Aufl. 2018, § 157 Rz. 16. 173 Beispiele aus der Rechtsprechung: BGH v. 1.12.1965 – VIII ZR 271/63, NJW 1966, 502; BGH v. 12.1.1976 – VIII ZR 273/74, BB 1976, 480; BGH v. 16.1.1997 – I ZR 225/94, NJW 1997, 2817, 2818; Hans. OLG Hamburg v. 3.7.1963 – 5 U 81/62, MDR 1963, 849; BayOLG v. 23.11.1971 – BReg. 2 Z 35/71, NJW 1972, 165; LG Würzburg v. 6.7.1960 – 2 O 193/59, NJW 1960, 2291. 174 Zur Durchführung von Handelsbrauchumfragen und Feststellung von Handelsbräuchen durch die IHKs vgl. „Merkblatt für die Feststellung von Handelsbräuchen“ des DIHK, abgedruckt in MüKoHGB, 4. Aufl. 2018, § 346 Rz. 171 ff. Die Praxis zur Durchführung der Handelsbrauch-Umfragen der IHKs wurde auch vom BGH gebilligt, BGH v. 1.12.1965, VIII ZR 271/63, NJW 1966, 502. 175 BGH v. 1.12.1965 – VIII ZR 271/63, NJW 1966, 502. 176 Gallois, NJW 1954, 1312; Böshagen, NJW 1956, 695; BGH v. 25.2.1955 – I ZR 124/53, WRP 1955, 102.
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die richtige Auswahl der zu befragenden Kaufleute ankommt. Sie befragt deshalb erfahrene Unternehmer, von denen sie eine Marktübersicht erwarten kann (Fachleuteumfrage); die Zahl der befragten Unternehmen und die Streuung auf Unternehmen verschiedener Größe und Rechtsform geben dann ein zutreffendes Bild der Wirtschaftspraxis. Es handelt sich also, der allgemeinen Zielsetzung der Kammerarbeit entsprechend, um die Ermittlung und Auswertung der kaufmännischen Sachkunde. Aus diesem Grunde lehnen die IHKs auch die Erstattung von Gutachten ab und verweisen auf Meinungsforschungsinstitute, wenn es um eine Befragung von Letztverbrauchern geht. Den Kammern für Handelssachen ist gem. § 114 GVG die Feststellung von 97 Handelsbräuchen auf Grund eigener Sachkunde und Wissenschaft ausdrücklich zugestanden. Diese ersetzt das Gutachten177, sie ist aber nicht zu unterstellen sondern im Urteil darzulegen178. Für das OLG und die Zivilkammern des LG unterfällt die Feststellung von Handelsbräuchen der Feststellung gerichtsbekannter Tatsachen (§ 291 ZPO). Ein weiteres Beispiel für Kammergutachten sind die Feststellungen im Marken- 98 recht, ob sich eine Marke im Verkehr durchgesetzt hat (§ 8 Abs. 3 Markengesetz). Diese finden, soweit die Verkehrskreise Gewerbetreibende sind, meist auf Bitten des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) in einem mit dem DPMA abgestimmten und vom DIHK bundesweit eingeleiteten formalisierten Verfahren statt. Auch Fragen von Ähnlichkeiten mit einer anderen Marke (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Markengesetz) kann sich ein Kammergutachten erstrecken. Auch hier bedarf es eingehender Ermittlungen in den beteiligten Verkehrskreisen179; dabei zählen auch die Endabnehmer, ob gewerbliche Kunden oder private Verbraucher180. Dem EuGH zufolge kommt es auf eine Gesamtschau an (Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung, etc.) bei der ausdrücklich auch auf „Erklärungen von Industrie- und Handelskammern“ abgestellt werden kann181. Schließlich sind auch noch die firmenrechtlichen Gutachten der IHKs an die Re- 99 gistergerichte zu erwähnen, die auf der Grundlage des § 126 FGG für Firmenklarheit und Firmenwahrheit sorgen sollen, wobei mittlerweile starke unionsrechtliche Einflüsse zu berücksichtigen sind. Hierzu haben die Kammern gemeinsam firmenrechtliche Leitsätze entwickelt, die weithin von der Rechtsprechung bestätigt worden sind. Auch diese Leitsätze gehen auf umfangreiche Befragungen und 177 RG v. 10.1.1925 – I 106/24, RGZ 110, 47, 49. 178 Zimmermann in MüKoZPO GVG § 114 Rz. 2. 179 BGH v. 27.10.1959 – I ZR 55/58, GRUR 1960, 232; Bundespatentgericht v. 4.6.1986 – 29 W 9/84; Ströbele und Swoboda, Markenartikel 1984, 127 und 139. 180 EuGH v. 9.3.2006 – C-421/04, Matratzen Concord Rz. 12. 181 EuGH v. 4.5.1999 – C-108 und 109/97, Chiemsee Rz. 51; bestätigt in EuGH v. 7.7.2005 – C-353/03 Société des produits Nestlé SA/Mars UK Ltd Rz. 31.
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§ 1 Rz. 99 Aufgabenbereich Beratungen zurück und werden je nach Bedarf ergänzt182. Die Neuordnung des Firmenrechts durch das Handelsrechtsreformgesetz v. 22.6.1998183 hat diese Aufgabe wesentlich erleichtert, weil die Firmenbildung weitgehend freigegeben worden ist. 100
Die Gutachtertätigkeit der IHKs ist jedoch nicht auf Zivilgerichte beschränkt, sondern erfolgt genauso für Staatsanwaltschaften (insbesondere in Fällen der Wirtschaftskriminalität und des UWG); hier ist etwa auf den Gutachterausschuss für Wettbewerbsfragen hinzuweisen, dessen Gutachten laufend in der Fachzeitschrift WRP veröffentlicht werden. Auch Finanz- und Verwaltungsgerichte nehmen die Kammern häufiger in Anspruch. Dagegen hat der Aufgabenbereich der Kammern wegen § 1 Abs. 5, sofern keine wirtschaftspolitischen Tatbestände damit verbunden sind, keine Berührung zum Arbeits- und Sozialrecht, so dass auf diesem Gebiet nur ausnahmsweise gutachtliche Feststellungen für die Gerichte möglich sind; in der Regel handelt es sich hier auch gar nicht um wirtschaftliche Fragen im Sinne des Kammerauftrags. c) Gesamtwirtschaftliche Beurteilung
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Soweit es um eine gesamtwirtschaftliche Beurteilung eines Einzelfalles geht, handelt es sich in der Regel um Gutachtenersuche der Verwaltungsbehörden. Der Schwerpunkt liegt hier im Gewerbe- und Verkehrsrecht. Soweit nämlich noch gewerberechtliche Zulassungen notwendig sind oder eine Bedürfnisprüfung erfolgt, wird stets ein Kammergutachten eingeholt. Auch bei Gewerbeuntersagungen nach § 35 GewO wird die zuständige IHK gehört, was in den Verwaltungsvorschriften eingehend geregelt ist. Für das Geschäftsleben wichtiger als solche Einzelfälle sind aber die Kammergutachten, wenn es um regionale Ausnahmen usw. geht; hier bedarf es stets einer gesamtwirtschaftlichen Abwägung.
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Neben diesen gewerberechtlichen Gutachten sind vor allem die Kreditgutachten zu erwähnen, welche die IHKs bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln im gewerblichen Bereich erstatten. Genauso gehören hierher die praktisch bedeutsamen Kammergutachten bei der Erlaubnis an Ausländer für selbständige Tätigkeiten gem. § 21 AufenthaltsG184. Nur noch theoretische Bedeutung haben Kammergutachten bei Unabkömmlich-Stellungen im Fall der Wehrpflicht185. 182 Vgl. ausführlich Kiesel/Neises/Plewa/Poneleit/Rolfes/Wurster, DNotZ 2015, 740; sowie vorangehend Clausnitzer, DNotZ 2010, 345; Clausnitzer, Der Einfluss der Europäischen Normen auf das Deutsche Firmenrecht, Anwalts Zertifikat online Handelsund Gesellschaftsrecht Nr. 13 (Teil 1) und Nr. 14/2010 (Teil 2); Clausnitzer, DNotZ 2008, 484. 183 BGBl. I, 1471. 184 Die Vorrangprüfung könnte allerdings weitestgehend entfallen, s. dazu Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes v. 13.3.2019, Drs. B 19/8285. 185 § 12 WPflG, § 16 ZDG.
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§ 1 Abs. 1
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In allen diesen Fällen muss die IHK die gesamtwirtschaftliche Lage in der Region wie in den betroffenen Branchen genau kennen, notfalls durch Umfragen im Einzelnen ermitteln und der Behörde in einer nachvollziehbaren Form mit einem Votum unterbreiten. d) Verfahren Bei Eingang des gerichtlichen oder behördlichen Ersuchens um ein Gutachten 103 wird sich die IHK zunächst einmal eine genaue Kenntnis des Sachverhalts in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht verschaffen. Denn es kommt darauf an, die Fragen an die sachverständigen Kaufleute so zu stellen, dass die wesentlichen Gesichtspunkte zu erkennen sind, bei der Auswertung berücksichtigt werden können und die abschließende Zusammenfassung der IHK wirklich zur Förderung des Prozesses beiträgt. Deshalb bedürfen gerichtliche Beweisbeschlüsse und behördliche Gutachtenersuchen häufig einer Konkretisierung, um den wirtschaftlichen Kern der Streitfrage in einer umfragegerechten Form herauszuarbeiten. Die Fragestellung und die Abgrenzung der beteiligten Verkehrskreise werden dazu mit der ersuchenden Stelle abgestimmt. Die IHK wendet sich dann mit ihrer Umfrage an die sachkundigen Kaufleute ihres 104 Bezirks, was eine genaue Kenntnis der gesamten gewerblichen Wirtschaft des Bezirks, selbst bei Spezialfertigungen und besonderen Absatzformen, voraussetzt. Vorsorglich wird dabei stets auch noch festgestellt, ob ein antwortendes Unternehmen überhaupt in dem streitigen Bereich tätig ist und Erfahrungen hat; negative Antworten darauf scheiden aus der weiteren Auswertung aus. Es ist selbstverständlich, dass bei der Ermittlung von Verkehrsauffassungen ebenso wie bei der gesamtwirtschaftlichen Beurteilung von Sachverhalten alle betroffenen Seiten gehört werden, bei Handelsbräuchen also Lieferanten wie Abnehmer und bei der gesamtwirtschaftlichen Beurteilung nicht nur die unmittelbar betroffenen Verkehrskreise, sondern auch die mittelbar Betroffenen. Im Übrigen werden die verwertbaren Antworten dann von der Kammer – oder bei bundesweiten Ermittlungen vom DIHK – zusammengefasst und ausgewertet. Das Gutachten muss die Ermittlungsgrundlagen, die Ermittlungsergebnisse und die daraus von der Kammer gezogenen Schlussfolgerungen in einer nachvollziehbaren Form darstellen. e) Rechtsfragen Die Gutachten der IHKs in Prozesssachen werden in der Regel aufgrund eines Be- 105 weisbeschlusses vom Gericht angefordert. Verfahrensrechtlich sind dies amtliche Auskünfte, also ein eigenständiges Beweismittel im Sinne der §§ 273 Abs. 2 Nr. 3, 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO sowie § 26 Abs. 1 Nr. 1 der Verwaltungsverfahrensgesetze.
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§ 1 Rz. 105 Aufgabenbereich Ihrem Inhalt nach stellen sie Sachverständigengutachten der Kammern als Verwaltungsbehörde dar186. 106
In verwaltungsrechtlicher Sicht handelt es sich bei der Gutachtertätigkeit der IHKs um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe, jedoch schlichtverwaltender Art. Sie erfordert keine hoheitlichen Befugnisse und ändert die Rechtslage der Beteiligten nicht. Die Kammergutachten sind mithin keine Verwaltungsakte und können auch nicht im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden. Die Gutachtertätigkeit der IHK beruht auf ihrer Verpflichtung gegenüber der anfragenden staatlichen Stelle, ohne dass ein Rechtsverhältnis zu den Beteiligten eines Rechtsstreits oder Verwaltungsverfahrens entsteht. Deshalb hat der VGH Kassel einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung187 zurückgewiesen, mit dem versucht wurde, ein Kammergutachten zu verhindern188. Auch unter dem Gesichtspunkt der Reflexwirkung kann ein Kammergutachten nicht als Verwaltungsakt angefochten werden189.
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Das Kammergutachten ist in erster Linie für die ersuchende Stelle bestimmt. Sie ist leitet dasVerfahren und entscheidet nach den für sie maßgebenden Vorschriften, inwieweit das Gutachten den Beteiligten bekanntzugeben ist. Im Prozess ist dies selbstverständlich, im Verwaltungsverfahren vom pflichtgemäßen Ermessen abhängig190.
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Ein Kammergutachten kann jedoch für die Fachkreise von allgemeinem Interesse sein. Der IHK obliegt es dann, nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen die Entscheidung, in welcher anonymisierten Form sie ihr Gutachten veröffentlicht oder einem beschränkten Kreis zugänglich macht. Dabei sind grundsätzlich Betriebsund Geschäftsgeheimnisse, aber auch die Namen der beteiligten Parteien geheim zu halten, so dass etwa Gutachten in Vergleichssachen oder Kreditangelegenheiten nicht veröffentlicht werden können.
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Umgekehrt wird vielfach auch versucht, Einzelheiten über die Hintergründe eines Kammergutachtens zu erfahren, insbesondere Aktenunterlagen einzusehen und die Namen von Gewährsleuten der Kammer festzustellen. Darauf brauchen die IHKs selbst in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder bei Prozessen nicht einzugehen. Sie können in verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 99 186 BGH v. 23.1.1974 – IV ZR 92/72, BGHZ 62, 95; BGH v. 12.1.1976 – VIII ZR 273/74, BB 1976, 480; BGH v. 16.1.1997 – I ZR 225/94, NJW 1997, 2817, 2818; BVerwG v. 10.4.1980 – 1 WB 118/79, BVerwGE 73, 1; BVerwG v. 22.1.1969 – VI C 52/65, BVerwGE 31, 212. 187 § 123 Abs. 1 VwGO. 188 VGH Kassel v. 20.7.1979 – IV I G 26/79. 189 Vgl. zu den Gutachten der Rechtsanwaltskammern an den Oberlandesgerichtspräsidenten bei der Anwaltszulassung BVerwG v. 29.6.1954 – I C 169/53, DVBl. 1954, 646. 190 Vgl. § 29 VwVfG und die entsprechenden Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder.
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VwGO) wie im Strafverfahren (§ 96 StPO) eine Erklärung des Landeswirtschaftsministeriums als zuständiger Staatsaufsichtsbehörde einholen, wonach eine Verweigerung der Akteneinsicht und der Aktenvorlage im Interesse ihrer weiteren Aufgabenerfüllung notwendig ist. Die IHK ist für ihre Gutachtertätigkeit oft darauf angewiesen, vertrauliche Auskünfte zu erhalten. Sie muss dann auch die Vertraulichkeit im weiteren Verfahren einhalten können, um weiterhin mit einer solchen freiwilligen Unterstützung durch die Kaufmannschaft rechnen zu können. Es ist selbstverständlich, dass die Frage, ob Vertraulichkeit notwendig ist, in jedem Einzelfall gesondert und sorgfältig geprüft werden muss. Eine Einsicht in Kreditgutachten der Kammern ist nicht nur Dritten, sondern sogar den Betroffenen selbst verwehrt191. Bei der Beurteilung von Einsichtsverlangen sind in den Bundesländern, in denen es Informationsfreiheitsgesetze gibt, welche auch für die IHKs gelten, deren Regelungen zu beachten192. Aus dem gleichen Grund bedürfen Kammermitarbeiter einer Aussagegenehmi- 110 gung, wenn sie als Zeugen über Tatsachen aussagen sollen, die ihnen im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit zur Kenntnis gelangt sind. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Es ist also dieselbe Prüfung anzustellen, wie sie bei der Entscheidung über Akteneinsicht oder Aktenvorlage hinsichtlich der notwendigen Vertraulichkeit vorzunehmen ist. Über die Aussagegenehmigung entscheidet die IHK als Dienstherr, wobei die Verweigerung ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist193. 5. Benennung von sachkundigen Ausschussmitgliedern, Laienrichtern und Experten Die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft und die Be- 111 ratung staatlicher Instanzen in wirtschaftlichen Fragen vollziehen sich nicht nur in Stellungsnahmen und Gutachten, sondern oft durch die Benennung sachkundiger Kaufleute oder Kammergeschäftsführer für entsprechende staatliche oder kommunale Gremien. In zahlreichen Fällen sind die Kammern verpflichtet, sachkundige Vertreter zu entsenden. Eine erste Übersicht gibt dazu die 2. Auflage dieses Kommentars (S. 329/30); weitere Fälle von Entsendungsrechten sind inzwischen dazugekommen (Rundfunkräte; Bezirksplanungsräte; Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung). Aber auch bei der Bildung von Sachverstän191 OVG Nordrhein-Westfalen v. 15.12.1989 – 4 A 1501/87. 192 Dazu BVerwG v. 15.10.2007 – 7 B 9.07; OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.11.2006 – 8 A 1679/04. 193 VG Freiburg v. 27.6.1956 – I VS 142/56, NJW 1956, 1941; OVG Berlin v. 30.3.1955 – I B 102/54, ZBR 1955, 247; OVG Nordrhein-Westfalen v. 26.1.1960 – VII A 458/59, NJW 1960, 2116.
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§ 1 Rz. 111 Aufgabenbereich digenkommissionen in Bund und Ländern für größere Reformvorhaben werden oft Kammervertreter berufen, so etwa 2018/2019 bei der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (sog. „Kohlekommission“) der Präsident des DIHK. 112
Die eigene Tätigkeit der IHK beschränkt sich hier zunächst einmal auf die Beurteilung der Eignung und Sachkunde des zu benennenden Vertreters. Darüber hinaus wird sie ihn im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei seiner Aufgabe unterstützen, indem sie ihm Beratungsergebnisse und Erkenntnisse der Kammer für die Mitarbeit zugänglich macht. Insofern kann diese Mitwirkung der Kaufmannschaft durch sachkundige Mitglieder in kommunalen und staatlichen Ausschüssen auch als mittelbare Gutachter- und Sachverständigentätigkeit gewertet werden.
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Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Aufgabe der IHKs, für die Mitwirkung in den Kammern für Handelssachen der Landgerichte die ehrenamtlichen Handelsrichter zu benennen (§§ 108–110 GVG). Nach § 114 GVG können die Kammern für Handelssachen über Gegenstände, zu deren Beurteilung eine kaufmännische Begutachtung genügt, sowie über das Bestehen von Handelsgebräuchen aufgrund eigener Sachkunde und Wissenschaft entscheiden. In Betracht kommen vor allem selbständige Unternehmer, die im Handelsregister eingetragen worden sind, aber auch die Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Sparkassen sowie die Geschäftsführer einer GmbH, aber auch Prokuristen. Sie alle müssen aus langjähriger unternehmerischer Tätigkeit Sachkunde und Erfahrung im Geschäftsleben aufweisen. Insgesamt haben die Kammern mehr als 2500 Handelsrichter benannt. Im Vergaberecht schließlich schlägt der DIHK gem. § 158 Abs. 1 GWB einen Beisitzer in der Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt vor. 6. Wahrung von Anstand und Sitte – Die ehrbaren Kaufleute a) Norminhalt und Historie
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§ 1 Abs. 1 überträgt der IHK die Aufgabe, „für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken“194. Damit nutzt das IHKG eine Terminologie, die wie mehrere Gesetze über Generalklauseln oder offene Begrifflichkeiten195 eine Öffnung für ethisch-moralische Maßstäbe beinhaltet.
194 Allgemein Reinhardt, Die Industrie- und Handelskammer – eine Organisation des ehrbaren Kaufmanns? in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2008, 177; Pyrcek/Uebachs-Lohn, Die Moralisierung des Rechts – von Regulierungen, Pflichten und Vorgaben zur gelebten Realität, Complianceberater 2019, 291 ff. 195 Verwiesen sei auf die „guten Sitten“ in § 138 Abs. 1 BGB, „Treu und Glauben“ in § 242 BGB, auf § 826 BGB, auf die polizeilichen Generalklauseln der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung im Handels-
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Weder Wortlaut noch Systematik geben eindeutige inhaltliche oder formale 115 Maßgaben vor, daher ist erneut auf historische Traditionslinien abzustellen (s. Einführung Rz. 3, 7, § 1 Rz. 5). Das Ideal des ehrbaren Kaufmanns, heute der ehrbaren Kaufleute als Gesamtheit der Kauffrauen und Kaufmänner, hat eine lange und ausgeprägte Tradition und kann vor diesem Hintergrund auch inhaltlich gut konturiert werden. Eher umgekehrt wäre zu fragen, ob die Unbestimmtheit des Begriffs es erlauben sollte, u.a. Gemeinwohlorientierung, nachhaltige Geschäftstätigkeit und die Rückbesinnung auf Treu und Glauben in der Wirtschaft für entbehrlich zu erachten und allein organisationsorientierte und variierende Compliancekonzepte für zielführend zu erachten196. Die Aussage des BVerfG, wonach sich dieser Auftrag „heute im Wesentlichen auf die Bekämpfung von unlauterem Wettbewerb und Korruption“197 beschränke, stimmt nur insoweit, als beide Bereiche große Bedeutung besitzen (s. Rz. 125 ff. und Rz. 129 ff.), er verkürzt die tatsächliche Bedeutung dieses Kammerauftrags, schließt aber die gebotene Neustrukturierung und Aktualisierung auch nicht aus. Die historischen Entstehungsbedingungen des Begriffs des „Kaufmanns“198 und 116 seiner Zusammenschlüsse in Gilden199 („nationes“ in Flandern und Brabant, „consulado“ in Aragon, „Hanse“200 in Nordeuropa etc.) wurden häufig beschrieben201. Regelmäßig wird der Bedeutungswandel betont, den diese Zusammen-
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recht und Steuerrecht, auf die „guten Sitten“ in § 33a Abs. 2 Nr. 2 GewO, nicht zuletzt auch auf das Verbot „unlauterer“ geschäftlicher Handlungen in § 3 UWG. Ohne Argumentation und den appellativen Charakter gänzlich ignorierend etwa Hauschka, CCZ 2017, 97. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 96. Etymologisch lässt sich der Kaufmannsbegriff als jemand, der beruflich Kauf und Verkauf betreibt, vom lateinischen caupo (Schankwirt, Herbergsvater, Kleinhändler) über eine mittelhochdeutsche synonyme Verwendung als „burgære“ (Bürger, Stadtbewohner) „da die Kaufleute den herausragenden Stand innerhalb des städtischen Bürgertums bilden“ (vgl. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/ wb/Kaufmann, zuletzt aufgerufen am 10.4.2019) bis zum heutigen Begriff aus der Berufsbildung verfolgen. Sprandel, Handel und Gewerbe vom 6.–11. Jahrhundert in Schwineköper (Hrsg.), Gilden und Zünfte: Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter, 9. Bracker, Die Hanse: Lebenswirklichkeit und Mythos; Ewert, Verhandeln und Verkaufen, Vernetzen und Vertrauen: Über die Netzwerkstruktur des hansischen Handels, Hansische Geschichtsblätter, CXIX, 135. Für die Zeit vor der Jahrtausendwende McCormick, Origins of the European Economy: Communications and Commerce, AD 300–900; Mauro, Merchant Communities, 1350–1750 in Tracy (Hrsg.), The Rise of Merchant Empires: Long-Distance Trade in the Early Modern World, 1350–1750; Le Goff, Kaufleute und Bankiers im Mittelalter; Braudel, Civilisation Matérielle, économie et capitalisme, XVe–XVIIIe siècles; Spufford, Power and Profit: The Merchant in Medieval Europe, zur Bedeutung der Gilden; Grafe/Gelderblom, The Rise and Fall of the Merchant Guilds: Re-thinking the Com-
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§ 1 Rz. 116 Aufgabenbereich schlüsse im Zuge von Staatsbildung und Verrechtlichung unterliefen. Neuere Forschungen fokussieren die Bedeutung, die Kaufleute für die Entwicklungen der Globalisierung hatten, Kaufleute werden beschrieben als Teil einer Kulturgeschichte der Globalisierung, teilweise als Teil transnationaler Gesellschaftsgeschichte202. 117
Historisch wurden in Europa die Tugenden Ehrlichkeit und Verlässlichkeit nachweislich seit dem Mittelalter in Handbüchern für Kaufleute gelehrt203, sie füllen die Begrifflichkeit des Gesetzes von „Anstand und Sitte“ als allgemeine Tugendappelle der Redlichkeit aus. Dabei wurden ethisches Verhalten und der gute Name des Kaufmanns als eigenständige Gut betrachtet, das Wort des Kaufmanns konnte einen Eid bekräftigen204.
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Das Bild des Kaufmanns oszillierte dabei zwischen dem „Profit“ (mit allen positiven wie negativen Konnotationen in der Geschichte zwischen Ökonomie und Chrematistik)205 und dem persönlichen Risiko206. Kennzeichnend war mithin, dass Risiko und Profit nicht auseinanderfielen. Das Handeln ehrbare Kaufleute
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parative Study of Commercial Institutions in Premodern Europe, Journal of Interdisciplinary History 2010, 477. Dejung, Die Fäden des globalen Marktes. Eine Sozial- und Kulturgeschichte des Welthandels am Beispiel der Handelsfirma Gebrüder Volkart 1851–1999; Beckert, King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus, 199 ff.; Wierling, German History as Global History: The Case of Coffee, in Lederer (Hrsg.), German History in Global and Transnational Perspective, 69; Sloterdijk, Vom Weltinnenraum des Kapitals, 84 ff. zum kaufmännischen Risikodenken als einer treibenden Kraft der Globalisierung; Sombart, Der Bourgois – Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen; Sombart, Kaufmanns Wirken und Wissen – Einst und Jetzt, in Rohwaldt (Hrsg.), Handbuch der Kaufmannspraxis. Klink, Der Ehrbare Kaufmann – Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR-Forschung in Schwalbach (Hrsg.); Corporate Social Responsibility, Zeitschrift für Betriebswirtschaft – Journal of Business Economics, Special Issue 3, 2008, 57 ff., zur Geschichte vom Mittelalter bis zum Ende der Frühen Neuzeit. Klink, ebd., 57, 65 mit Hinweis auf Pacioli, summa de arithmetica, geometrica, proportioni et proportionalità, 1494: „per fidem bonae et fidelis mercatoris“; ebenso Pegolotti, Practica della Mercatura 1340, „What every true and honest merchant must have within himself: integrity always suits him“ (Orig: „Quello que dee avere in fe in vero e diritto mercatante drittura siempre usare lui conviene“); ebenso Maschke, Das Berufsbewußtsein des mittelalterlichen Fernkaufmannes, in Wilpert (Hrsg.), Beiträge zum Berufsbewußtsein des mittelalterlichen Menschen, 306, 330 mwN. Die Umkehrung gilt natürlich auch: der Appell an die Ehrbarkeit war eine Reaktion auf das „Kardinalübel der Kaufleute, des Schwörens und Lügens beim Ein- und Verkauf“, von Regensburg, Predigten X, 1272, zitiert nach Klink, ebd., 57, 65. Lütge, Wirtschaftsethik, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Sp. 853. Schon 1618 Weigel, Gnothi seauton. Nosce te ipsum. Erkenne dich selber O Mensch: „Denn … Kauffleute haben sich offte zu Betlern Laboriret“, zitiert nach Korpusbelege:
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kann konkret inhaltlich traditionell an Tugenden wie Ehrlichkeit und Verlässlichkeit angeknüpft werden: ehrbare Kaufleute sind glaubwürdig und verhalten sich ihren Geschäftspartnern und Mitbürgern gegenüber respektvoll und loyal. Lange Zeit bezog sich der Begriff des Ehrbaren Kaufmanns in erster Linie auf die persönliche Haltung eines Unternehmers. Dieser Ansatz, das Leitbild über den Begriff der „Ehre“ semantisch aufzuladen, wurde teilweise sehr kritisch angesehen207. Mit Blick auf moderne Unternehmen ist einerseits eine Tendenz zu sehen, dass sich eine ethische Grundhaltung in konkreten Maßnahmen und tragfähigen Strukturen wiederfindet, andererseits werde regelbezogene Ansätzen wieder stärker relativiert und gefordert, man müsse „zurückkehren zum ehrbaren Kaufmann“ und damit den menschlichen Faktor in den Vordergrund stellen208. Die über 500jährige Geschichte der 1517 gegründeten Versammlung Eines Ehr- 119 baren Kaufmanns zu Hamburg (VEEK)209, kann prototypisch stehen für die vorgenannten Entwicklungslinien der deutschen Kaufmannschaft zwischen Selbstorganisation (z.B. Börsen) und Integration in staatliche Strukturen, zwischen lokaler Verantwortung210 und internationalem Handel. Das von der VEEK entwickelte Leitbild ist noch heute prägend für die Diskussion211 auch die Kommen-
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Deutsches Textarchiv zu „Kaufmann“, http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/ weigel_gnothi02_1618/?hl=zu&p=98. V. Werder in Kremer/Bachmann (Hrsg.), Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 113; Lilja, Das Verhalten als Ehrbarer Kaufmann im Spannungsverhältnis zwischen Wertorientierung und Gewinnstreben auf der obersten Führungsebene der Wirtschaft; Gerbaulet, Zeitschrift für KMU und Entrepreneurship, 2018, 289 ff. Pyrcek/Uebachs-Lohn, Die Moralisierung des Rechts – von Regulierungen, Pflichten und Vorgaben zur gelebten Realität, Complianceberater 2019, 291, 293. https://veek-hamburg.de (zuletzt aufgerufen am 30.12.2019), ausführlich Postel, Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns – 1517–1992, Kaufmännische Selbstverwaltung in Geschichte und Gegenwart. Vgl. Schwalbach/Klink in Schneider/Schmidpeter (Hrsg.), Corporate Social Responsibility – Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, 2012, 226. Das Leitbild des VEEK lautet in Auszügen: Der Ehrbare Kaufmann als Person: verpflichtet sich zur Einhaltung von Werten; ist weltoffen und freiheitlich orientiert; steht zu seinem Wort, sein Handschlag gilt; entwickelt kaufmännisches Urteilsvermögen. Der Ehrbare Kaufmann in seinem Unternehmen: schafft Bedingungen für ehrbares Handeln; ist Vorbild in seinem Handel; legt sein unternehmerisches Wirken langfristig und nachhaltig an. Der Ehrbare Kaufmann in Wirtschaft und Gesellschaft: begreift und gestaltet den Rahmen für Ehrbares Handeln; hält sich an das Prinzip von Treu und Glauben; erkennt und übernimmt Verantwortung für die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung; tritt auch im internationalen Geschäft für seine Werte ein, http:// www.veek-hamburg.de (zuletzt aufgerufen am 30.12.2019); vgl. auch die Leitsätze ehrbarer Kaufleute des 1879 gegründeten Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), http://www.vbki.de/leitsaetze (zuletzt aufgerufen am 30.12.2019).
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§ 1 Rz. 119 Aufgabenbereich tierungen zur Erwähnung des ehrbaren Kaufmann im Regierungskodex (Corporate Governance Kodex) (s. Rz. 122) nehmen auf das Leitbild des VEEK Bezug212. 120
Das Gesetz lässt auch hier der IHK einen breiten Spielraum, in welcher Weise die IHKs für die Umsetzung der Aufgabe, für Wahrung von Sitte und Anstand des ehrbaren Kaufmanns zu wirken, nachkommen will. Sie kann sich z.B. aufklärend und mit Stellungnahmen zu Einzelfällen an die Kaufmannschaft und an die Öffentlichkeit wenden. Sie kann sich auch in Umsetzung ihre Gemeinwohlorientierung gesellschaftlich umstrittener Themen annehmen. Unabhängig von der politischen Würdigung der Thematik können beispielsweise die tatsächlichen Herausforderungen von Menschen in Not angegangen werden und im Handlungsrahmen der Wirtschaft Hilfestellung geleistet werden. Dies geschah z.B. 2016 mit dem IHK-Aktionsprogramm „Ankommen in Deutschland – Gemeinsam unterstützen wir Integration“, bei dem die IHKs ein bundesweites Beratungs- und Unterstützungsangebot sowohl für Unternehmen als auch für Flüchtlinge geschaffen haben. Innerhalb eines Jahres hat die IHK-Organisation dabei systematisch Strukturen zur Umsetzung aufgebaut und 160 Stellen wurden in den IHKs bereitgestellt, um die Integrationsprojekte durchzuführen und zu koordinieren. Aus der Vielzahl von Aktivitäten der IHK-Organisation zur Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns sollten nachfolgende Gebiete herausgehoben werden. b) Corporate Social Responsibility (CSR)
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Im Laufe der Zeit mussten sich Kaufleute immer mit wandelnden ökonomischen Rahmenbedingungen auseinandersetzen, während umgekehrt sich auch die gesellschaftliche Erwartungshaltung an die Unternehmen gewandelt hat. In globalisierten Märkten ist der Leitgedanke des Ehrbaren Kaufmanns mit der Übernahme von Verantwortung für die Auswirkungen der Geschäftsaktivitäten auf die Gesellschaft gleichzeitig aktueller und gefragter denn je. An dieser Stelle treffen sich die Konzepte des Ehrbaren Kaufmanns und der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (CSR bzw. Corporate Citizenship)213. CSR zielt auf die Verantwortung eines Unternehmens für die positiven und negativen Auswirkungen seines Kerngeschäfts, auf die Art und Weise der Gewinnerzielung und das Anstoßen von zukunftsfähigen Veränderungsprozessen214 und ist insofern die kon212 Vgl. allein von Werder in Kremer/Bachmann (Hrsg.), Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 113. 213 Fleischer, DB 2017, 2015; Lütge in Den Ehrbaren Kaufmann leben – Mit Tradition zur Innovation, IHK für München und Oberbayern, November 2012, 28; Wieland in Heidbrink/Hirsch (Hrsg.), Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip, 97. 214 Vgl. BMAS, Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR) Aktionsplan CSR der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 2, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975274/318158/c52111
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sequente Ergänzung des Ehrbaren Kaufmanns. Die IHKs stärken und beraten Unternehmen bei der zeitgemäßen Förderung des Ehrbaren Kaufmanns im Rahmen moderner Unternehmensstrukturen. Das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) hat darüber hinaus un- 122 mittelbar Eingang in das Europäische Unionsrecht und das nationale Recht gefunden215. Appellativ fand der ehrbare Kaufmann auch 2017 in die Präambel des Kodex für gute Unternehmensführung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Eingang216: „Der Kodex verdeutlicht die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse). Diese Prinzipien verlangen nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten (Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns)“. Allein die nichtfinanziellen Berichtspflichten bestimmter Unternehmen (§ 289c 123 Abs. 2 HGB) umfassen Tätigkeiten in den Bereichen der Umweltbelange, der Arbeitnehmerbelange, der Sozialbelange, der Achtung der Menschenrechte sowie der Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Diese „Revolution übers Bilanzrecht“217 führt zur Frage, in welcher Intensität und Kontrolldichte in einer Marktwirtschaft eine Verhaltenssteuerung der Unternehmen zulässig sein soll. 6c6e6659b26d5ff286ff67408c/2010-12-07-aktionsplan-csr-data.pdf?download=1 (zuletzt aufgerufen am 30.12.2019); dieses Grundverständnis ist trotz jüngerer, eher pflichtenbetonter internationaler Entwicklungen nicht überholt, s. § 1 Rz. 124. 215 Richtlinie 2014/95/EU v. 22.10.2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl. Eu L 330/1 v. 15.11.2014. Diese Richtlinie ist in Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten, CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 11.4.2017, BGBl. I, 802; ausführlich zur Umsetzung Spindler, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 2, 5. Aufl., § 76 Rz. 87. 216 http://www.dcgk.de/files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/170424_Kodex_Mark_ up.pdf (zuletzt aufgerufen am 10.4.2019); Die Einführung des Leitbildes des ehrbaren Kaufmanns in den Kodex war wegen des nicht einheitlichen Verständnisses des Begriffs des ehrbaren Kaufmannes sehr strittig; erklärend Gentz, Selbstregulierung mit dem Ehrbaren Kaufmann als Leitfigur?, Rede auf der 14. DCGK-Konferenz, https://www. dcgk.de/de/kommission/die-kommission-im-dialog/deteilansicht/selbstregulierungoder-staatliche-vorgaben-chancen-fuer-mehr-freiheit.html (zuletzt aufgerufen am 10.4.2019); kritisch Fleischer, AG 2017, 509, 515; ablehnend zuletzt auch Deutscher Anwaltsverein, Stellungnahme zum Entwurf eines geänderten Corporate Governance Kodex der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex v. 25.10.2018, NZG 2019, 252 Rz. 19. 217 Hommelhoff, Nichtfinanzielle Ziele in Unternehmen von öffentlichem Interesse – die Revolution übers Bilanzrecht in Bork/Kayser/Kebekus (Hrsg.), Festschrift Kübler, 291, 296.
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§ 1 Rz. 123 Aufgabenbereich Es ist jedenfalls Teil des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft, diese Sachthemen zu reflektieren, in den vorgenannten Bereichen tätig zu werden und sich dazu zu äußern (vgl. dazu Rz. 52). Dabei sind immer auch die Grenzen in den Blick zu nehmen: eine „Indienstnahme“ von Unternehmen für gesellschaftspolitische Aufgaben rührt auch bei breit konsentierten Zielen unmittelbar an die unternehmerische Freiheit und ist nur in engen Grenzen verfassungsrechtlich zulässig218. 124
Lange Zeit war CSR dem Grundsatz der Freiwilligkeit verpflichtet219, seit der EU Strategie 2011 spricht die Kommission indes nur noch von „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“220, was an die zunehmende politisch-soziologische Verantwortungsrhetorik in der UN anknüpfte, zum Beispiel prominent durch die UN Guiding Principles on Business and Human Rights221. Stehen auf der einen Seite die von keiner Seite bestrittenen Defizite im Menschenrechtsschutz weltweit, so ist auf der anderen Seite im Bereich CSR eine schleichende Regulierung („creeping law“)222 zu konstatieren, welche die Grenzen unternehmerischen Wirtschaftens von der Legalität zur Legitimität verschiebt223: der Begriff der rechtlichen Verpflichtung soll durch Konzeptionen unspezifischer Verantwortlichkeit überformt werden, um politische oder mediale Steuerung zu ermöglichen. Diese Entwicklung begründet insofern eine gewisse Erosionsgefahr für den Rechtsstaat224 als die rechtlichen Pflichtenstellungen Privater diffus bleiben und ihre Inhalte in nicht oder wenig demokratischen Verfahren supra- oder international geschaffen werden. Unternehmenkönnen staatliches Versagen – z.B. im Menschenrechtsschutz – auf internationaler Ebene nicht kompensieren. Grund- und Menschenrechtsschutz ist Aufgabe der Staaten, sie sind
218 Vgl. Habersack, Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung, 69. Deutscher Juristentag 2012, Bd. I, 1, 36. 219 Ausdrücklich die erste Definition der Europäischen Kommission, wonach Unternehmen „auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern integrieren“, KOM (2001) 366, 8. 220 Mitteilung der Kommission, Eine neue Strategie für die soziale Verantwortung der Unternehmen, KOM (2011) 681, 7 ff. 221 UN Guiding Principles on Business and Human Rights, UN doc A/HRC/17/3, https://www.ohchr.org/documents/publications/GuidingprinciplesBusinesshr_eN.pdf (zuletzt aufgerufen am 5.8.2019); zum Entstehungsprozess Ruggie, Just Business. 222 Hierzu ausführlich Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung – Zur Entstehung einer globalen Wirtschaftsordnung. 223 Der richtige Gedanke der „Coregulierung“ im Sinne eines „selbstverwaltenden Wertekanons von Wirtschaftssektoren“ darf aber nicht mit Verantwortung verwechselt und an Haftung geknüpft werden, insoweit fehlgehend Grassmann in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2011, 23, 30. 224 So Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 2012, 294 ff.
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auch der UN zufolge alleinige Normadressaten225. Unternehmen werden und müssen weiterhin vielfältig und gemeinwohlorientiert im Menschenrechtsschutz aktiv sein, ihnen gegenüber bestehen auch Ansprüche auf Transparenz in den vorgenannten Bereichen, die über Berichtspflichten hinausgehen. Für eine Auflösung von eindeutigen Haftungsstrukturen (etwa in der Lieferkette) oder des wettbewerblichen level-playing-fields fehlt es aber an tragfähigen Begründungen. Aus Sicht der Selbstverwaltung der Wirtschaft ist überdies zu bemängeln, dass Unternehmen, die (noch) keine Völkerrechtssubjekte sind, völkerrechtliche Bindungen auferlegt werden sollen, ohne dass diese gehört oder in den normativen Prozess eingebunden sind. Unternehmen und die für sie handelnden Menschen werden so objektiviert: Eine derart mit signifikanten, häufig auch persönlichen Risiken ohne vorangehende Repräsentation ausgestaltete Haftung bedarf völkerrechtlicher Legitimation226. Folgerichtig gehen die entstehenden Forderungen einer modernen CSR und damit die Handlungsmöglichkeiten der ehrbaren Kaufleute daher mit einer zukünftigen Anerkennung und Ausgestaltung einer Völkerrechtssubjektivität von Unternehmen einher227. c) Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Auch das Lauterkeitsrecht und die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ist eng 125 mit der Aufgabe von Wahrung von Anstand und Sitte ehrbarer Kaufleute verbunden228. Eine spezielle Form der Umsetzung dieser Aufgabe liegt darin, dass IHKs ihre Positionen zum unlauteren Wettbewerb gutachtlich in konkreten Verfahren gegenüber den Gerichten zum Ausdruck bringen und allgemein gesetzgeberische Vorschläge machen. Die Kammern handeln dabei nicht nur durch Information und Aufklärung im Einzelfall, sondern auch durch formelle Abmahnungen und Klagen. Ihre Klagebefugnis ist ausdrücklich durch § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG normiert229. Sie arbeiten darüber hinaus eng mit der von ihnen unterstützten Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) und regio225 UN Guiding Principles on Business and Human Rights, s. § 1 Rz. 224 mwN; offen demgegenüber Krajewski, Einleitung in Krajewski/Oehm/Saage-Maß (Hrsg.), Zivilund strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen; ablehnend die hM, dazu Wagner, Haftung für Menschenrechtsverletzungen, RabelsZ 2016, 717. 226 Auf globaler Ebene gibt es nur sehr eingeschränkte unternehmerische Repräsentation, etwa durch die Internationale Handelskammer ICC mit konsultativem Status bei den UN, dazu s. Einführung Rz. 85 mwN. 227 Wernicke, Deutsches Anwaltsblatt 2017, 719, 722. 228 Henning-Bodewig, Der „ehrbare Kaufmann“, Corporate Social Responsibility und das Lauterkeitsrecht, WRP 2011, 1014. 229 Vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen (Hrsg.), UWG, 37. Aufl., § 8 Rz. 3.64; dazu näher: Heyne/Jesse in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2013, S. 181, 182 f.
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§ 1 Rz. 125 Aufgabenbereich nalen Wettbewerbsverbänden zusammen, an denen auch Handwerkskammern und Einzelhandelsverbände beteiligt sind. Durch einen Prozesskostenfonds und sonstige Leistungen unterstützen sie diese gemeinsamen Bemühungen. Ergänzend ist hier der Gutachter-Ausschuss für Wettbewerbsfragen zu nennen, der von den Spitzenorganisationen der Wirtschaft gebildet wird und dessen Geschäftsführung gemeinsam beim DIHK und dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) liegt. Er erstattet Gutachten in Grundsatzfragen230. Ferner sind die bei den IHKs errichteten Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten nach § 15 UWG zu erwähnen231 (s. Rz. 268 ff.). 126
IHKs sind zudem nach dem Unterlassungsklagengesetz (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 UKlaG) klagebefugt gegen unzulässige allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie können Unterlassungs- und Widerrufsansprüche geltend machen.
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Inhaltlich dem Lauterkeitsrecht zuzuordnen ist schließlich die aus § 126 FGG folgende Aufgabe der Mitwirkung der IHKs bei der Führung des Handelsregisters, denn hier geht es um die Grundsätze der Firmenklarheit (§ 18 Abs. 2 HGB).
128
Entfallen ist demgegenüber im Zuge der Liberalisierung des deutschen Wettbewerbsrechts 2004 die in dem früheren § 8 Abs. 3 UWG den Kammern übertragene Aufgabe der Entgegennahme von Räumungsverkaufsanzeigen und Nachprüfung der Angaben. d) Bekämpfung der Korruption
129
Die Bekämpfung der Korruption ist zuletzt immer stärker in das Bewusstsein der Wirtschaft und der Öffentlichkeit gerückt. Es handelt sich um eine zentrale gesellschaftspolitische und juristische Aufgabe der Gegenwart232. International haben neue Kodifikationen, darunter der UK Bribery Act 2010233, sowie die weit über die Grenzen der USA hinausgehende Aktivierung des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) der USA von 1977 besondere Aufmerksamkeit und Kritik auf sich gezogen234.
130
Für die deutsche Rechtsentwicklung war insbesondere das OECD-Übereinkommen über die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäfts-
230 Die Gutachten werden jeweils in der Fachzeitschrift WRP veröffentlicht, siehe WRP 2018, 291; WRP 2017, 1449. 231 Heyne/Jesse in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2013, S. 181, 184 ff. 232 Krick in MüKoStGB, Bd. 5, 3. Aufl., § 299 StGB Rz. 221. 233 Daniel/Rubner, UK Bribery Act und amtliche Auslegungshilfe, NJW-Spezial 2011, 335. 234 Hugger/Pasewaldt, RIW 2018, 115; Rübenstahl, ZWH 2012, 179; Vgl. zur Auflösung territorialer Grenzen in der Antikorruptionsbekämpfung Wernicke, NJW 2017, 3038.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 132 § 1
verkehr v. 21.11.1997 maßgeblich. Es wurde durch das InBestG235 1998 in deutsches Recht umgesetzt. Das UN-Übereinkommen gegen Korruption236 von 2003237, das 2003 unterzeichnete Zusatzprotokoll zum Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption, sowie mehrere Akte der Europäischen Union238 machten weitere Anpassungen des deutschen Rechts erforderlich. In der Folge wurde der Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im ge- 131 schäftlichen Verkehr des § 299 StGB durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption 2015239 erweitert um die Möglichkeit der Tatbegehung unter Verletzung der Pflichten gegenüber dem Unternehmen240. Dies führte zu Konflikten um die Frage, ob Schutzgegenstand nicht mehr allein der Wettbewerb sei, sondern es durch die strafrechtliche Erfassung von arbeitsrechtlichen Pflichten zu einem Systembruch gekommen sei241. Ausgenommen von der Strafbarkeit ist bislang die Vorteilsnahme eines Unternehmensinhabers bezüglich seines eigenen Unternehmens – auch wenn diese Privilegierung des Geschäftsherrn angesichts des angestrebten Schutzes des Wettbewerbs vor unlauterer Beeinflussung rechtspolitisch kritisiert wird242. Auch auf der Ebene der Bundesländer wurden Vorschriften zum Zwecke der Korruptionsbekämpfung erlassen, die ggf. für die IHKs unmittelbar Pflichten begründen können243. Aufgrund der genannten Rechtsentwicklungen ist heute nicht nur eine sehr weit 132 reichende Strafbarkeit der Gewährung und Annahme von Vergünstigungen in Bezug auf deutsche Amtsträger gegeben. Auch die Bestechung von ausländischen Amtsträgern und von Mitarbeitern in- und ausländischer Geschäftspartner ist unter Strafe gestellt. Schmiergeldzahlungen – auch im Ausland – sind bei der steuerlichen Gewinnermittlung nicht mehr absetzbar.
235 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, BGBl II 1998, 2327. 236 BGBl. 2014 II, 762. 237 Das bereits 2003 von Deutschland unterzeichnete Übereinkommen trat nach langen politischen Auseinandersetzungen erst am 12.12.2014 in Kraft, BGBl. 2015 II, 140. 238 Vgl. allein Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates der EU v. 22.7.2003, Abl. EU Nr. L 192, 54 sowie Richtlinie (EU) 2017/1371 v. 5.7.2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug, ABl. L 198 v. 28.7.2017. 239 Gesetz zur Bekämpfung der Korruption v. 20.11.2015, BGBl. I, 2025. 240 Zur Gesamtproblematik Dannecker/Schröder, ZRP 2015, 48. 241 So Krick in MüKoStGB, Bd. 5, 3. Aufl., § 299 StGB Rz. 239. 242 LG Frankfurt a. M. v. 22.4.2015 – 5/12 Qs 1/15, NStZ-RR 2015, 215. 243 Beispielsweise das Korruptionsbekämpfungsgesetz NRW v. 16.12.2004 – GV.NRW. 2005, 8.
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§ 1 Rz. 133 Aufgabenbereich 133
2017 wurde das Wettbewerbsregister eingeführt244. Zur Eintragung führen nicht allein Korruptionsstraftaten und Steuerdelikte sondern auch Bußgeldentscheidungen gegen ein Unternehmen nach § 30 OWiG wegen einer der im Wettbewerbsregister genannten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, d.h. auch Kartellbußgelder245. Die Folge der Eintragung ist der mögliche Ausschluss von Vergabeverfahren.
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Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, die Strafverfolgungsbehörde bejahen ein besonderes öffentliches Interesse. Die IHKs sind gemäß § 301 Abs. 2 StGB iVm § 8 Abs. 3 UWG strafantragsbefugt und damit in den Allgemeinrechtsgutschutz eingebunden246.
135
Die gewachsene Bedeutung der Korruptionsbekämpfung hat auch der Verpflichtung der IHKs nach § 1 Abs. 1, für Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken, einen neuen Impuls gegeben. So ist zwangsläufig der Informationsbedarf der IHK-zugehörigen Unternehmen deutlich gewachsen. Dem wird durch Informationsveranstaltungen vor allem im Bereich Außenwirtschaft Rechnung getragen. Außerdem wird die IHK-Organisation beim Monitoring-Verfahren im Rahmen des OECD-Übereinkommens konsultiert.
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Einzelne IHKs engagieren sich zusammen mit anderen Organisationen der Wirtschaft auch institutionell bei der Bekämpfung der Korruption. So wurde etwa mit Unterstützung der Handelskammer Hamburg bei PRO HONORE e.V. Hamburg eine Vertrauensstelle zu Bekämpfung der Korruption eingerichtet.
137
Dass die Möglichkeiten der deutschen IHKs auf diesem Gebiet noch nicht ausgeschöpft sind, zeigt indes das Schwedische Institut zur Bekämpfung der Korruption, das bei der Handelskammer Stockholm bereits seit 1923 besteht. Zweck des Instituts ist es, die Öffentlichkeit über Rechtsgrundlagen und Korruptionsfälle zu informieren. Es werden jedoch auch konkrete Einzelfragen beantwortet und im Auftrag von Behörden und Gerichten Gutachten erstellt247. e) Ehrengerichtsbarkeit
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Die Bestrebungen der IHKs, eine kaufmännische Ehrengerichtsbarkeit im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs zu errichten, reichen lange zurück248. Das IHKG lässt eine solche Ehrengerichtsbarkeit jedoch nicht (mehr) zu, weil es nicht 244 Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters (WRegG) v. 1.6.2017, BGBl. I 2017, 2739; dazu Diederichs, VergabeR 2018, 623. 245 Fülling/Freiberg, NZBau 2018, 259. 246 Zur asymmetrischen Ausgestaltung des Strafantragsrechts in § 301 StGB v. HeintschelHeinegg, BeckOK StGB, 41. Edition, § 299 Rz. 6. 247 Möllering in Dölling (Hrsg.), Handbuch der Korruptionsprävention, 82. 248 Vgl. IHKG-Kommentar, 3. Aufl., 61.
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§ 1 Abs. 1
Rz. 140 § 1
die dafür notwendigen ausdrücklichen Ermächtigungen enthält. Insbesondere ist es nicht zulässig, im Rahmen der Ehrengerichtsbarkeit einem Kammerzugehörigen Wahlrecht oder Wählbarkeit abzusprechen; die zulässigen Einschränkungen des Wahlrechts finden sich allein in den Wahlordnungen und müssen sich im Rahmen von § 5 halten (s. § 5 Rz. 26 ff.). Ebenso kann die IHK kein kaufmännisches Ehrengericht bilden, das einen Einlas- 139 sungszwang vorschreibt und Sanktionen (z.B. Rüge oder Verweis) verhängt249. Eine Berufsaufsicht wie bei den freien Berufen (mit Berufsaufsichtsverfahren und Sanktionen bis hin zum Ausschluss) findet nicht statt250. Ungeachtet dieser Einschränkungen kann die IHK allerdings einen Ehrenaus- 140 schuss oder eine Spruchstelle für Ehrenangelegenheiten errichten, die lediglich gutachtlich tätig werden. Niemand kann dabei zur Unterwerfung gezwungen werden. Bei Zustimmung zum Verfahren hat die Spruchstelle jedoch die Möglichkeit zur Feststellung, dass ein bestimmtes Verhalten Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns verletzt oder dass dieser Vorwurf unbegründet ist. Selbst wenn eine Zustimmung zum Verfahren nicht vorliegt, muss man die IHK für befugt halten, ihr eingereichte schlüssige Unterlagen, aus denen sich Anhaltspunkte für ein unehrenhaftes Verhalten eines Kammerzugehörigen ergeben, in einem förmlichen Verfahren zu behandeln. Dabei sind alle in Betracht kommenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen, und es ist dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Das Ergebnis eines solchen Verfahrens kann allerdings nur eine abstrakte Feststellung sein, ob ein bestimmtes Verhalten Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns verletzt oder nicht; der Betroffene kann dabei nicht genannt werden. Im Übrigen bleibt es dann der IHK überlassen, in welcher Form sie eine solche abstrakte Feststellung verwertet, ohne dass Rückschlüsse auf die Beteiligten möglich sind251. In diesem Zusammenhang kann die „Versammlung Eines Ehrbahren Kaufmanns e.V.“, Erwähnung finden, deren Satzung ein Ausschlussverfahren vorsieht, wenn das Mitglied nicht mehr die Gewähr für einwandfreies Verhalten im Geschäftsverkehr bietet252.
249 Vgl. Bremer, BB 1964, 828; Mohr/Faber, GewArch 1989, 157. 250 BVerwG v. 5.7.1994 – 1 C 13/91, BVerwGE 96, 189, DVBl. 1995, 43 – Lotsenbrüderschaft; mit Hinweis auf BVerfG v. 8.11.1978 – 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16, 17 und BVerwG v. 7.9.1992 – 7 NB 2/92, BVerwGE 90, 359, 363. 251 Ablehnend dazu Bremer, Kammerrecht der Wirtschaft, 53. 252 Vgl. Vorauflage § 1 Rz. 59.
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§ 1 Rz. 141 Aufgabenbereich III. § 1 Abs. 2 1. Anlagen und Einrichtungen zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft a) Abgrenzung zu § 1 Abs. 1 141
Während § 1 Abs. 1 sich darauf beschränkt, die Wahrung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft und den Förderungsauftrag zu umreißen, enthält § 1 Abs. 2 die „Instrumentalisierung“ und damit eine ergänzende sachgerechte Ausfüllung des durch Abs. 1 gezogenen Rahmens. Die IHKs können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen.
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Der Gesetzgeber beschränkt sich damit auf eine Art von „gesetzlicher Ermächtigung“, die das weite Gebiet der Selbstverwaltung der Wirtschaft umfasst. Es bleibt der Entscheidung der Kammer überlassen, ob, inwieweit und in welcher Form sie im Rahmen des Abs. 2 tätig wird. Sie kann die Initiative selbst ergreifen oder sich an anderweitigen Initiativen oder schon vorhandenen Anlagen oder Einrichtungen beteiligen. Insbesondere kann sie allein, zusammen mit anderen Kammern oder mit gewissen Einschränkungen auch mit Verbänden (s. Rz. 144) Träger solcher Einrichtungen werden und sich dabei auch privatrechtlicher Formen bedienen, etwa eines Vereins oder auch einer GmbH; sie kann aber auch als Stifter in einer privatrechtlichen Stiftung auftreten. Diese Form der Ausgliederung in einen selbständigen Rechtsträger hat sich insbesondere bei der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen bewährt. Entscheidend ist, dass der satzungsmäßige Zweck dieser Anlage oder Einrichtung im Interesse der gewerblichen Wirtschaft oder eines Teils von ihr liegt, die Förderung also zum gesetzlichen Kammerauftrag gehört253. Auf keinen Fall kann die IHK ihren Aufgabenkreis durch eine solche Ausgliederung erweitern254. Es ist auch selbstverständlich, dass kein Nutzungszwang vorgeschrieben werden kann255.
143
§ 1 Abs. 2 hat zudem durch die Rechtsprechung in Bezug auf die Zweckbezogenheit eine einschränkende Interpretation erfahren: Die Wendung „der Förderung … dienen“ steht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts der erkennbar weiteren in § 1 Abs. 1 gegenüber („für die Förderung … zu wirken“)256. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 nehme auch nicht lediglich auf § 1 Abs. 1 Bezug, was für die Absicht des Gesetzgebers spräche, klarzustellen, dass die Kammeraufgaben die Begründung, Unterhaltung und Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen im Rahmen des § 1 Abs. 1 umfassten. Da Anlagen und Einrichtungen – im 253 BVerwG v. 10.6.1986 – 1 C 4/86, NJW 1987, 338; anscheinend etwas enger BVerwG v. 10.6.1986 – 1 C 9/85, NJW 1987, 337. 254 Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798. 255 Thür. OVG v. 6.8.1997 – 2 N 67/96, GewArch 1998, 26. 256 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, GewArch 2001, 161 Rz. 17; vgl. auch: VG Arnsberg v. 3.5.2018 – 7 K 664/16; VG Düsseldorf v. 11.5.2016 – 20 K 3417/15.
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§ 1 Abs. 2
Rz. 145 § 1
Gegensatz zu den Interessen wahrenden Tätigkeiten nach § 1 Abs. 1 – typischerweise verfestigt und auf Dauer angelegt seien, verbinde sich mit dem Begriff des „Dienens“ vielmehr die Vorstellung einer gewissen Nachhaltigkeit, die nur dann erzielt werde, wenn die jeweilige Anlage oder Einrichtung „auf ein spezifisches Interesse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet und von diesem gefordert ist“257. Daraus wiederum leitet das Gericht ab, dass die IHKs nicht legitimiert sind, Anlagen und Einrichtungen zu begründen, zu unterhalten und zu unterstützen, die dem (allgemeinen) öffentlichen Interesse („dem allgemeinen Wohl“) dienen. Der Nutzen einer solchen Anlage oder Einrichtung für das Gemeinwohl ergebe lediglich als Reflex der Förderung der Wirtschaft. Der Förderung steht allerdings nicht entgegen, wenn die Anlagen und Einrichtungen zugleich auch anderen Zwecken dienen. Schließlich kann eine nach § 1 Abs. 2 nicht erlaubte Anlagen und Einrichtungen unter die Gesamtinteressenwahrnehmung des § 1 Abs. 1 fallen258. Begründet oder unterhält die IHK gemeinsam mit anderen Personen oder Verbän- 144 den eine Anlage oder Einrichtung, wird zwar nicht verlangt, dass die Interessen der anderen Beteiligten mit dem Förderungsauftrag der IHK identisch sind. Es genügt vielmehr, dass diese in Bezug auf das Vorhaben gleichgerichtet sind. Unzulässig ist hingegen die Beteiligung der IHK gemeinsam mit anderen Personen oder Verbänden, wenn letztere mit der gemeinsamen Einrichtung andere Zwecke verfolgen. Im entschiedenen Fall ging es um die Beteiligung der IHK an einem Flugplatz, der auch von Sportfliegern genutzt wurde259. b) Voraussetzung und Grenzen Für die Frage der Zulässigkeit ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Beteiligung 145 der IHK einen hohen oder niedrigen finanziellen Einsatz verlangt. Selbst Minderheitsbeteiligungen von wenigen Tausend Euro können unzulässig sein, wenn die Zwecke, denen die Einrichtung dient, nicht ausschließlich dem Förderungsauftrag entsprechen. Das BVerwG hält jedoch ausnahmsweise eine Beteiligung an einer Einrichtung, die auch Zwecken jenseits der Förderung der gewerblichen Wirtschaft des IHK-Bezirks dient, für zulässig, wenn die IHK auf diese Weise das ihr obliegende Interesse wirksam zur Geltung bringen kann und feststeht, dass sich die Beteiligung in der Interessenwahrnehmung erschöpft. Das wurde etwa im Falle einer bloßen Anschubbeteiligung angenommen, wenn dieser Zweck bereits in
257 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, GewArch 2001, 161 Rz. 17; kritisch zum Urteil des BVerwG aus heutiger Sicht VG Düsseldorf v. 11.5.2016 – 20 K 3417/15. 258 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, GewArch 2001, 161. 259 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, GewArch 2001, 161; Bay. VGH v. 17.11.1999 – 22 B 99.1063, GewArch 2000, 60; dazu Jahn, GewArch 2001, 146; Kormann, GewArch 2003, 89; Selmer, JuS 2001, 823.
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§ 1 Rz. 145 Aufgabenbereich dem zugrundeliegenden Beschluss der Vollversammlung deutlich geworden war260. 146
Ebenso kann die IHK aber im Rahmen ihrer eigenen Organisation rechtlich unselbständige Anlagen oder Einrichtungen schaffen, beispielsweise für Dienstleistungen, welche die kammerzugehörigen Unternehmen benötigen und die im allgemeinen Interesse der Bezirkswirtschaft liegen. Im Schwerpunkt handelt es sich dabei um Informations-, Beratung-, Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote, die insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen sonst nicht zur Verfügung stehen oder von ihnen bisher nicht ausreichend genutzt wurden. Auch eine unselbständige Stiftung ist hier einzuordnen261.
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Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Fällen die Zulässigkeit solcher Anlagen und Einrichtungen in privater Rechtsform anerkannt. Das BVerwG hat bereits sehr frühzeitig entschieden, dass die Inkassotätigkeit von Kreishandwerkerschaften zulässig ist262. Ebenso wurde anerkannt, dass eine Handwerkskammer im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die Kammerzugehörigen beraten und eine betriebswirtschaftliche Beratungsstelle unterhalten darf, auch wenn dadurch eine Konkurrenz für freiberufliche Berater entsteht263. Schließlich ist die Technologieberatung der IHKs zu erwähnen, welche das OLG Karlsruhe264 als zulässig anerkannt hat; die Kammer muss allerdings bei der Werbung für diese Technologieberatung gleichzeitig auch auf vergleichbare private Anbieter hinweisen. Ebenso hat der BGH und das OLG Celle entschieden, wenn eine Kammer für ihre Fortbildungslehrgänge wirbt265. Der gesetzliche Förderungsauftrag der Kammern umfasst also auch solche Einzelberatungen von Kammerzugehörigen, welche die Steigerung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Gesamtinteresse sichern sollen.
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Im Rahmen des gesetzlichen Förderungsauftrags der IHK liegen aber auch Beteiligungen an Unternehmen, die insgesamt für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region von Bedeutung sind. Kammern dürfen sich deshalb an Messe- und
260 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, GewArch 2001, 161; Bay. VGH v. 17.11.1999 – 22 B 99.1063, GewArch 2001, 235. 261 VG Düsseldorf v. 11.5.2016 – 20 K 3417/15. 262 BVerwG v. 16.5.1957 – I C 174.54, GewArch 1957, 130; OLG Hamm v. 12.1.1982 – 4 U 283/81, WRP 1982, 536; OLG Köln v. 23.7.1986 – 6 U 106/86, GRUR 1987, 377; Aberle, GewArch 1970, 1. 263 Nds. OVG v. 16.12.1985 – 8 A 96/83, GewArch 1986, 201; Vorinstanz VG Schleswig v. 6.10.1981 – 12 A 201/81, GewArch 1982, 30. 264 OLG Karlsruhe v. 14.8.1987 – 6 W 49/87, GewArch 1989, 208. 265 BGH v. 22.4.2009 – I ZR 176/06; vgl. auch ausführlich Heyne in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 145 ff.; OLG Celle v. 14.8.1996 – 13 U 3/96, GewArch 1997, 347.
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§ 1 Abs. 2
Rz. 150 § 1
Ausstellungsgesellschaften beteiligen, weil damit eine gesamtwirtschaftliche Förderung verbunden ist266. Bei allen diesen Informations-, Beratungs- und Weiterbildungsangeboten der 149 IHKs lässt sich nicht ausschließen, dass zumindest am Rande oder mit der Zeit wirtschaftlich eine Wettbewerbssituation zu vergleichbaren gewerblichen und freiberuflichen Anbietern der gleichen Leistungen entsteht267 (vgl. dazu Rz. 153). Eine solche Wettbewerbssituation entsteht besonders häufig, wenn Kammern mit ihren Dienstleistungsangeboten zunächst eine Marktlücke, insbesondere bei Fortbildung und Beratung oder bei nicht flächendeckenden Angeboten, füllen und erst später gewerbliche und freiberufliche Anbieter in diesem von der Kammer erschlossenen Gebiet als Wettbewerber auftreten, wenn sich diese neue Tätigkeit auch privatwirtschaftlich lohnt. Erst die „Pionierarbeit“ der IHK führt so zum Wettbewerb. Die oben zitierte Rechtsprechung zeigt jedoch, dass eine solche Wettbewerbssituation die Kammerbetätigung nicht unzulässig macht, solange kammerzugehörige Unternehmen nicht ernsthaft dadurch beeinträchtigt werden268. Ebenso unterstützt die Bundesregierung den Beratungsservice der Kammern bei 150 der Technologie- und Innovationsberatung269. Die Innovations- und Technologieberatung der IHKs unterstütz in allen Fragen in den Bereichen Forschung und Innovation (Technologien, Produkte und Verfahren, Patente und Lizenzen, CEKennzeichnung und Normung, Förderung und Finanzierung technologieorientierter Existenzgründung). Die Entscheidung darüber, ob eine im Rahmen des 266 BGH v. 30.10.1963 – Ib ZR 72/62, DVBl. 1964, 475 für die Beteiligung einer Landwirtschaftskammer an einer Landwirtschaftsausstellung; dazu Püttner, GRUR 1964, 359, 362; Bay. VGH v. 4.2.1987 – 22 B 84 A. 2181, GewArch 1987, 202 für die Beteiligung einer Handwerkskammer an einer Messegesellschaft; VG Schleswig v. 23.1.1997 – 12 A 356/94, GewArch 1997, 144 – Beteiligung der IHKs an einer GmbH, die Gemeinschaftsstände auf Auslandsmessen organisiert. 267 Dazu umfassend Hövelberndt, Kammern als Wettbewerber, 135 ff., vgl. auch Landmann/Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 172 ff. mit Hinweis auf die Gemeinwohlorientierung der IHKs. Nicht zulässig ist ein Verdrängungswettbewerb oder gewerbliche Tätigkeit ausschließlich zu Erwerbszwecken, ebd. Rz. 174 f. mwN, § 1 Rz. 153. 268 Nds. OVG v. 16.12.1985 – 8 A 96/83, GewArch 1986, 201; OLG Karlsruhe v. 14.8.1987 – 6 W 49/87, GewArch 1989, 208; OLG Celle v. 14.8.1996 – 13 U 3/96, GewArch 1997, 347; Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr v. 20.8.1981, welcher die Technologieberatung der Industrie- und Handelskammern auch bei Konkurrenz zu privaten Anbietern bestätigt; vgl. auch BGH v. 12.7.1990 – I ZR 62/89, GewArch 1991, 36. 269 Seit BT-Drs. 9/1902 v. 6.8.1982; vgl. Lohmann/Osterloh, Innovationsmanagement im Mittelstand – Ein Leitfaden für die Praxis, 2013; zur Effizienz der Innovationsberatung durch IHKs Maennig, Öhlschläger, Schmidt-Trenz, Organisations and regional capability: the case of the chambers of commerce and industry in Germany in Environment and Planning 2015, 811 f.
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§ 1 Rz. 150 Aufgabenbereich Förderungsauftrags erbrachte Dienstleistung der IHK in Konkurrenz zu einzelnen Mitgliedern zulässig ist, muss anhand der in § 1 Abs. 1 vorgeschriebenen Interessenabwägung getroffen werden. Abzuwägen ist das Interesse der Mitgliedschaft der IHK an der betreffenden Dienstleistung gegenüber dem Interesse der kammerzugehörigen Konkurrenzanbieter, dass diese Dienstleistung unterbleibt. Das Vorhandensein eines umfassenden und qualitativ ausreichenden Angebots am Markt spricht für ein Überwiegen des Interesses der privaten Anbieter, ein nicht ausreichendes Angebot am Markt eher für das zuerst genannte Interesse. Für die Aktivität der IHK sprechen ferner ein enger Bezug zu deren klassischen Aufgaben und das Vorhandensein einer besonderen Kompetenz. Neue Konkurrenten von etablierten IHK-Dienstleistungen sind weniger schutzwürdig als Anbieter, die schon vor der IHK am Markt waren270. Auch geographische Besonderheiten des Kammerbezirkes sind zu berücksichtigen. 151
Dieses Abwägungsgebot bedeutet weiterhin, dass grundsätzlich die Vollversammlung der IHK die Entscheidung über das Dienstleistungsangebot der IHK zu treffen hat – nicht über jede einzelne Tätigkeit und jeden einzelnen Kurs, aber doch über die Grundzüge des Angebots. Sie hat diese Entscheidung auch von Zeit zu Zeit zu überprüfen, so dass sie regelmäßig über die Entwicklungen des Dienstleistungsangebots der IHK und die Situation auf dem Markt zu informieren ist. Diese Verpflichtungen bestehen auch, wenn die Dienstleistung nicht von der IHK selbst erbracht wird, sondern in eine Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgelagert ist271.
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Wenn die IHK Dienstleistungen anbietet, die auch von einzelnen Mitgliedern angeboten werden, so muss sie über diese Dienstleistungen der Mitglieder grundsätzlich in gleicher Weise wie über ihre eigenen Dienstleistungen informieren272. Umgekehrt kann die IHK gegenüber den gleiche Leistungen anbietenden Mitgliedern wettbewerbsrechtlichen Schutz nicht – oder zumindest nur eingeschränkt – in Anspruch nehmen273.
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Die Grenze für die Serviceangebote der IHK liegt weniger in einer entstehenden Konkurrenzsituation, sondern darin, dass den Kammern eine rein gewerbliche Betätigung versagt ist, die nicht mehr vom Förderungsauftrag des § 1 Abs. 1 ge-
270 VG Freiburg v. 2.2.2005 – 7 K 1684/02, GewArch 2005, 478. 271 Kluth/Voigt in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 351. 272 BGH v. 22.4.2009 – I ZR 176/06; OLG Celle v. 14.8.1996 – 13 U 3/96, GewArch 1997, 347; enger bei auswärtigen Anbietern und vor dem Hintergrund der fortschreitenden technischen Entwicklung der Informationsmedien LG Münster v. 12.2.2006 – 24 O 165/05; siehe auch Heyne in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 145 ff. 273 OLG Koblenz v. 11.1.2001 – 6 U 1414/98, MDR 2001, 643.
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Wernicke
§ 1 Abs. 2
Rz. 154 § 1
deckt wird274. Öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist eine rein gewerbliche Betätigung zum Zwecke der Etatfinanzierung oder Betriebsauslastung untersagt275 – insoweit könnte eine IHK auch nicht die Gesamtinteressenwahrnehmung durch Dienstleistungen finanzieren und auf Beiträge verzichten276. Die Grenze ist jedoch noch nicht dadurch überschritten, dass eine handelsrechtliche Form für die Durchführung des Förderauftrags gewählt wird und Gewinnerzielung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird277. Unter dem Gesichtspunkt des fairen und unverfälschten Wettbewerbs ist sogar zu befürworten, dass die IHK bei individualnützlichen Dienstleistungen marktübliche Entgelte nimmt, statt diese aus Mitgliedsbeiträgen zu subventionieren. Die kritische Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn die IHK Dienstleistungen so billig anbietet, dass die Gefahr besteht, dass die Marktdynamik grundlegend verzerrt und Konkurrenten vom Markt verdrängt werden278. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass eine Verquickung hoheitlicher und erwerbswirtschaftlicher Tätigkeiten für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts als unlauter gilt279. c) Beispiele Als Einrichtungen und Anlagen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft 154 dienen, sind vor allem kaufmännische und gewerbliche Bildungszentren, Fortbildungsschulen, Lehrwerkstätten und die Veranstaltung von Lehrgängen sowie die Unterhaltung oder Beteiligung an Gründerzentren anzusehen. Ebenso gehören hierher Beratungsstellen und Beratungsdienste, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, für Innovation und Technologietransfer, für Exportfra274 Wegen der insoweit fehlenden Differenzierung geht das nicht rechtskräftig gewordene Urteil des OVG Rheinland-Pfalz in der Begründung zu weit, OVG Rheinland-Pfalz v. 4.6.1980 – 2 A 151/79, GewArch 1980, 339. 275 Speziell zur GO NW OLG Hamm v. 23.9.1998 – 74 U 99/97, NJW 1998, 3504. 276 Allgemein Kluth, GewArch 2018, 261 mit dem Hinweis darauf, dass bei Aufgaben, die einem Gruppeninteresse dienen, der „Beitrag die abgabenstrukturell angemessene Abgabenform“ sei, denn bei ihm komme es weniger auf den individuell zurechenbaren Vorteil, sondern auf die gruppenbezogene Zurechnung an262. 277 Vgl. die differenzierten Ausführungen von Stober, ZHR 1981, 565; Bay. VGH v. 4.2.1987 – 22 B 84 A. 2181, GewArch 1987, 202; sehr eng noch Fröhler/Kormann, GewArch 1984, 177; wie hier Kormann, GewArch 1987, 249, 257; zusammenfassend Erdmann, Wirtschaftliche Betätigung von Wirtschaftskammern, DVBl. 1998, 13, der zwischen dem Kernbereich der Kammeraufgaben und einer Grundversorgung im Übrigen unterscheidet; ähnlich Kannengießer, WiVerw 1998, 182. 278 Kluth/Voigt in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 351, 411; Heyne in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 145, 151 f.; Zur Möglichkeit der Gewinnerwirtschaftung durch Gebühren und Entgelte vgl. auch Kluth, GewArch 2018, 261, 263. 279 Vgl. Heyne in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 145, 154 mwN.
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§ 1 Rz. 154 Aufgabenbereich gen oder betriebswirtschaftliche Organisation eingerichtet werden. Auch Informationsdienste, sei es in gedruckter oder in elektronischer Form, gehören dazu. Die Gewährung eines verlorenen Zuschusses an einen Flugplatzbetreiber ist zulässig, wenn die Ausbaumaßnahmen dafür notwendig sind, die (bisher schon praktizierte) Nutzung des Flugplatzes für Geschäftsflieger auch in der Zukunft zu ermöglichen280, das galt auch bei einer Betriebsgesellschaft zur zivilen Mitbenutzung eines Militärflugplatzes281. Auch die Anschubfinanzierung für die Elektrifizierung einer Bahnstrecke wurde von Gerichten – allerding unter dem Maßstab von § 1 Abs. 1 – gebilligt282. Schließlich ist die Beteiligung der IHK an Messegesellschaften, an Stiftungen283, an Gesellschaften zur Beseitigung von Sondermüll oder an Kreditgarantiegemeinschaften zu erwähnen, welche für die gewerbliche Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind. Früher widmeten sich die Kammern auch dem Betrieb von Hafen- und Speicheranlagen, der Bereitstellung von technischen Hilfsdiensten wie der Unterhaltung von Berufs- und Fachschulen; solche Kammeraktivitäten sind heute noch gesetzlich zulässig, werden aber nur noch relativ selten ausgeübt. Streng zu trennen von dieser Aufgabenerfüllung in privatrechtlicher Form ist die fiskalische Nutzung des Kammervermögens durch Vermietung oder Verpachtung; sie regelt sich allein nach Haushaltsrecht. 155
Nicht mehr der Förderung der gewerblichen Wirtschaft dienen Einrichtungen wie ein Museum oder ein Künstlerfonds, soweit die Förderung künstlerischer Zwecke allein im allgemeinen öffentlichen Interesse steht284. Dagegen wurde ein Fonds zur Förderung des wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses gerichtlich bestätigt285. d) Einrichtungen der außergerichtlichen Streitbeilegung
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Eine besondere Kategorie der Einrichtungen zur Förderungen der gewerblichen Wirtschaft bilden die Einrichtungen der außergerichtlichen Streitbeilegung. Sie stellen zunächst eine weitere, über 500 Jahre zurückreichende traditionelle Kammeraufgabe dar. Die erste einem Schiedsgericht bereits sehr nahekommende Einrichtung einer deutschen Kammer etwa entstand bereits Mitte des 15 Jh. in der Handelskammer Bremen, deren „Satzung“ zufolge galt: „Haben zwei in der Kaufmannschaft Streit miteinander, da soll der eine den anderen nicht vor Rat oder Gericht verklagen, sondern er soll ihn zuvor vor unseren Älterleuten verklagen. Können diese möglicherweise zu einem Vergleich verhelfen, so soll er dies annehmen.“286 280 281 282 283 284 285 286
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VG Stuttgart v. 3.5.2010 – 4 K 2367/09. BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, NVwZ 2001, 434. VG Sigmaringen v. 21.3.2018 – 1 K 480/17 und 1 K 545/17. VG Düsseldorf v. 11.5.2016 – 20 K 3417/15. VG Schleswig v. 15.2.2018 – 12 A 173/16. VG Arnsberg v. 3.5.2018 – 7 K 664/16. Ordinantie von 1451, Satzung der „Älterleute“, den Vorsteher bzw. Sprechern der bremischen Kaufmannschaft.
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§ 1 Abs. 2
Rz. 160 § 1
Kaufmännische Schiedsgerichte – im Unterschied zu Investitionsschiedsgerichten dienen in der Regel der Erledigung sachlicher Streitfragen aus dem Bereich des Waren- oder Dienstleistungsverkehrs. Zu den von vielen IHKs und AHKs gegründeten und den Beteiligten zur Ver- 157 fügung gestellten Einrichtungen gehören Mediationsstellen und Schlichtungsstellen, die bei zahlreichen IHKs etwa für kaufmännische Streitigkeiten oder Verbraucherbeschwerden – mehr oder weniger institutionalisiert – errichtet sind. Sie sollen im Interesse der Bezirkswirtschaft durch eine sachkundige Schlichtung versuchen, Streitigkeiten zwischen Kaufleuten bzw. mit Letztverbrauchern gütlich beizulegen. In der Praxis haben sich diese Schlichtungsstellen bewährt und oft schon im Vorfeld Streitigkeiten erledigen können. In einem Teil der Fälle kommt es jedoch auch zu formellen Schlichtungsverhandlungen mit einem abschließenden Schlichtungsvorschlag oder Mediationsergebnis. Der Rechtsweg wird dadurch für die Beteiligten nicht ausgeschlossen. In einigen Ländern sind bei den IHKs auch Schlichtungsstellen nach § 15a EGZPO eingerichtet. Zahlreiche IHKs betreiben auch Schiedsgerichte und haben deshalb jeweils eine 158 eigene Schiedsgerichtsordnung, die von Unternehmen in Verträgen oder ad hoc im Bedarfsfall vereinbart werden kann; wenn sich die Parteien nicht auf einen Schiedsrichter oder einen Obmann des Schiedsgerichts einigen oder mit einer Schiedsrichterbenennung in Verzug geraten, ist es dann Aufgabe der Kammer, eine Ersatzberufung vorzunehmen287. Diese Aufgabe trifft teilweise auch den DIHK Der DIHT hatte sich bereits 1948 der Koordination und dem Wiederaufbau der 159 Schiedsgerichtsbarkeit angenommen. Unter Federführung des DIHT wurde der Deutsche Ausschuss für Schiedsgerichtswesen (DAS) gegründet. 1992 wurde der DAS dann in die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), einem eigenständigen Verein, überführt, in dem viele IHKs und der DIHK Mitglied sind288. Die IHK-Organisation hat 2018 angesichts der wachsenden Nachfrage und Bedeutung außergerichtlicher Streitbeilegung sowie der Notwendigkeit, das öffentliche Vertrauen in außergerichtliche Streitbeilegung zu stärken beschlossen, die Sichtbarkeit der bestehenden vielfältigen Einrichtungen der außergerichtlichen Streitbeilegung auf allen Ebenen und unter Einbindung der AHKs zu erhöhen, zu integrieren und ggfs. mit einem selbständigen IHK-Schiedsgerichtshof weitere Einrichtungen zu gründen. Ein virtuelles Konfliktmanagement für Unternehmen befindet sich im Aufbau, auch LegalTech Verfahren halten Einzug. Im Zusammenhang mit den Einrichtungen der außergerichtlichen Streitbeile- 160 gung ist ergänzend die Funktion der Rechtsberatung289 durch die IHKs zu nen287 HK Hamburg, Rechtsprechung kaufmännischer Schiedsgerichte 1988 – 1994, Hamburg/Baden-Baden 1994. 288 Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) stellt eine eigene, 2018 überarbeitete Schiedsordnung zur Verfügung. 289 Ausführlich Wiemers/Ghaedi, GewArch 2016, 185.
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§ 1 Rz. 160 Aufgabenbereich nen. Dabei handelt es sich um eine Rechtsdienstleistung, die sowohl der Interessenswahrnehmung als auch der Förderung der gewerblichen Wirtschaft zuzuordnen ist. § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG erlaubt Rechtsdienstleistungen, die „juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Unternehmen und Zusammenschlüsse … im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs erbringen“. Diese Privilegierung beruht im Kern darauf, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts der staatlichen Aufsicht unterliegen mit der Folge, dass Rechtssuchende hinreichend vor den Gefahren unzureichender und nicht sachgemäßer Betreuung geschützt sind. 2. Berufsbildung 161
Eine zentrale hoheitliche Aufgabe der Industrie- und Handelskammern ist die Organisation und Betreuung der Ausbildung in den Betrieben, sowie die Abnahme der Prüfungen in der Ausbildung und der darauf aufbauenden Beruflichen Fortbildung. Sie beruht sowohl auf der Aufgabenzuweisung des § 1 Abs. 2, wonach die IHKs Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften290, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), zu treffen haben, als auch auf der unmittelbaren Übertragung von Aufgaben auf der Basis des § 1 Abs. 4 IHKG iVm dem BBiG.
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Bei der Berufsbildung handelt es sich um eine weitere traditionelle Aufgabe der IHKs. Die IHKs haben sich seit vielen Jahrzehnten, besonders intensiv aber seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, einer Ordnung und Systematisierung der Berufsausbildung gewidmet. Sie haben dabei ein umfassendes System von anerkannten Lehrberufen, Ordnungsmitteln, Ausbildungsrichtlinien und Prüfungsordnungen entwickelt sowie zur Erfassung der Auszubildenden und Ausbildungsbetriebe die Lehrlingsrolle eingerichtet. In zunehmendem Umfang sind Lehrabschlussprüfungen abgenommen worden, so dass schließlich in fast allen Fällen der Erfolg bzw. Misserfolg einer Ausbildung durch eine Prüfung festgestellt wurde. Zentralstelle für die Erarbeitung der Ordnungsmittel war nach dem Zweiten Weltkrieg die „Arbeitsstelle für betriebliche Berufsbildung“ (ABB) in Bonn, die von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, dem Bundesverband der Deutschen Industrie und dem DIHT gemeinsam getragen wurde. Die von der ABB unter Mitwirkung der Gewerkschaften erarbeiteten Berufsbilder 290 Wenn das IHKG die IHKs ermächtigt hatte, Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsausbildung zu treffen, so umfasste diese Aufgabe auch die Befugnis, in diesem Bereich Rechtsvorschriften zu erlassen. Diese Satzungsgewalt erstreckte sich insoweit auch auf Nicht-Kammerzugehörige, seien es Lehrlinge, Bewerber für Weiterbildungsprüfungen oder Ausbildungsbetriebe, die als Nicht-Kammerzugehörige in anerkannten gewerblichen oder kaufmännischen Ausbildungsberufen ausbildeten, vgl. BVerfG v 2.5.1961 – 1 BvR 203/53, BVerfGE 12, 319; heute ist Maßstab das BBiG, s. § 8 Rz. 13.
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§ 1 Abs. 2
Rz. 165 § 1
dienten dem Bundesministerium für Wirtschaft als Grundlage bei der Anerkennung eines Lehrberufs291. Rechtsgrundlagen waren Regelungen292 in Landes-IHKG sowie speziellen Landes- 163 gesetzen293, die mit Inkrafttreten des IHKG aufgehoben wurden. Dass die IHKs dabei nur unter „Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften“ tätig sein konnten, war selbstverständlich und bedurfte an sich keines einschränkenden Hinweises im Gesetzestext. Dass auch für den Bereich der Berufsausbildung das Organisationsrecht der IHKs im IHKG abschließend geregelt war und dass auch hier nur die allgemeine Rechtsaufsicht durch die Aufsichtsbehörde gem. § 11 Abs. 1 ausgeübt werden konnte, ist durch das Bundesverwaltungsgericht294 bestätigt worden. Das Berufsbildungsgesetz vom 14.8.1969295 schuf für diese traditionelle Kam- 164 meraufgabe neue Rechtsgrundlagen. Es kodifizierte die vorangehende Entwicklung der Berufsbildung durch die Kammern. Der Gesetzgeber legt darin die Rahmenbedingungen für die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung fest (vgl. die Definitionen in § 1 BBiG). Die einzelnen Ausbildungsordnungen werden im Rahmen von Verordnungen (§§ 4, 5 BBiG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erlassen, wobei die Vorarbeiten dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) übertragen werden können296. Hinzu kommen zahlreiche weitere Ausführungsverordnungen. In der beruflichen Fortbildung werden die Fortbildungsordnungen hingegen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erlassen. Auch hier kann das BiBB mit Vorarbeiten beauftragt werden. Zusammen mit den parallelen Bestimmungen der Handwerksordnung und dem Jugendarbeitsschutzgesetz297 bildet das Berufsbildungsrecht inzwischen eine ei-
291 Behmenburg, Kompetenzverteilung bei der Berufsbildung, 26 ff.; Ipsen, Berufsausbildungsrecht für Handel, Gewerbe und Industrie; Hoffmann, Zur Geschichte der Berufsausbildung in Deutschland; Junge, BB 1961, 534; Krause, Neustrukturierung der beruflichen Bildung – Wege in die Zukunft. 292 Vgl. dazu Vorauflage Rz. 70. 293 Etwa § 40 Abs. 3 des Berliner Gesetzes zur Regelung der Berufsausbildung sowie der Arbeitsverhältnisse Jugendlicher vom 4.1.1951, VOBl. I, 40. 294 BVerwG v. 17.1.1961 – I B 135.60, GewArch 1961, 42. 295 BGBl. I, 1112, durch das Berufsbildungsreformgesetz vom 23.3.2005, BGBl. I, 931, wesentlich modernisiert durch Art. 14 Pflegeberufereformgesetz vom 17.7.2017, BGBl. I, 2581, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 12.12.2019, BGBl. I, 2522. 296 §§ 89 ff. BBiG; bis zur BBiG-Novellierung im Jahr 2005 geregelt im Berufsausbildungsförderungsgesetz vom 12.1.1994, BGBl. I, 78. 297 Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend v. 12.4.1976, BGBl. I, 965, zuletzt geändert durch Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas vom 3.3.2016, BGBl. I, 369.
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§ 1 Rz. 165 Aufgabenbereich gene überaus komplexe Rechtsmaterie, so dass insoweit auf die umfangreiche Spezialliteratur zum BBiG verwiesen werden muss298. 166
Die praktische Bedeutung der Durchführung der beruflichen Ausbildung durch die IHKs ist überaus hoch. 2018 betreuten die IHKs 780.000 Auszubildende; in den rund 27.000 Prüfungsausschüssen waren 170.000 ehrenamtliche Prüfer und Prüferinnen tätig. Von ihnen werden pro Jahr ca. 250.000 Zwischen- und über 300.000 Abschlussprüfungen abgenommen299.
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Über die gemeinsame bundesweite IHK-Lehrstellenbörse werden bundesweit IHK-Lehrstellenangebote von Unternehmen und Gesuche von Jugendlichen bereitgestellt. Die IHKs ermöglichen bundesweite Mobilität durch einheitliche Prüfungen. Die IHKs waren Partner des Ausbildungspaktes300, sind nunmehr Partner der Allianz für Aus- und Weiterbildung und helfen bei der Entwicklung und Modernisierung von Berufen. Derzeit gibt es rund 320 anerkannte Ausbildungsberufe nach BBiG und HwO, von denen etwa 250 von den IHKs betreut werden.
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In allen wichtigen Angelegenheiten der beruflichen Bildung wird der Berufsbildungsausschuss301 einbezogen (ausführlich s. § 8 Rz. 1, 13 ff.).
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Damit leisten die IHKs den wesentlichen Beitrag für die Fachkräftesicherung der Unternehmen, unterstützt durch den Berufsbildungsexport in die Europäische Union und weltweit sowie die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Seit April 2012 übernimmt die gemeinsame Stelle der IHKs (IHK-FOSA)302 298 Wohlgemuth, Berufsbildungsgesetz, 2011; Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, 2019; Kiel/Lunk/Oetker, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2, Individualarbeitsrecht II, 2018; Braun/Mühlhausen/Munk/Stück, BBiG; Hurlebaus/Baumstümmler/Schulien, Berufsbildungsrecht, 2018, Hurlebaus/Baumstümmler/ Schulien, Entscheidungssammlung zum Berufsbildungsrecht (EzB), 2018; Herkert/ Töltl, BBiG, 2019; Leinemann/Taubert, BBiG, 2008; Hurlebaus, Rechtsratgeber Berufsbildung. 299 Zahlen und Informationen bei IHK-Transparent unter: https://www.ihk.de/servicesfuer-unternehmen (zuletzt aufgerufen am 30.12.2019). 300 Bereits 1996 haben IHKs, HWKs, freie Berufe, Unternehmer in NRW, DGB, kommunale Spitzenverbände sowie verschiedene Ministerien den „Ausbildungskonsens NRW“ auf Landesebene abgeschlossen. Ziel war und ist es, jedem ausbildungsfähigen und -willigen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot (Ausbildung oder Einstiegsqualifizierung) zu machen. 301 Dem Berufsbildungsausschuss gehören nach § 77 Abs. 1 BBiG sechs Beauftragte der Arbeitgeber, sechs Beauftragte der Arbeitnehmer und sechs Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen an, die Lehrkräfte mit beratender Stimme. 302 FOSA steht für Foreign Skills Approval. Siehe http://www.ihk-fosa.de (zuletzt aufgerufen am 30.4.2019). Sie ist gemeinsame Stelle nach § 10 IHKG, § 8 Abs. 5 BQFG. Das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen, BGBl. I, 2515, zuletzt geändert durch Art. 114 des Gesetzes vom 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626), eröffnet seit dem 1.4.2012 einen Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqua-
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§ 1 Abs. 3
Rz. 171 § 1
als öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss (ÖRZ) (vgl. dazu § 10 Rz. 9a) zudem die Prüfung und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse für die IHK-Ausbildungs- und Fortbildungsberufe auf Grundlage des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes (BQFG)303. Damit schaffen die IHKs, die bspw. Unternehmen und an Anerkennung interessierte Fachkräfte zum Verfahren beraten, zugleich eine der Voraussetzungen, um die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Selbständigen innerhalb der Europäischen Union zu verwirklichen – ein zentraler Pfeiler des EU-Binnenmarkts und eines der Grundrechte der Europäischen Union. Bereits vor Inkrafttreten des BQFG bestand mit der Richtlinie 2005/36/EG304, die sich im Wesentlichen auf den reglementierten Bereich bezieht, die Möglichkeit der Anerkennung von Berufsqualifikationen. Das BQFG geht aber darüber hinaus und ermöglicht eine Gleichwertigkeitsfeststellung auch im nicht reglementierten Bereich und auch für Abschlüsse aus Drittstaaten. Aufbauend auf die berufliche Ausbildung gehört auch die berufliche Fortbil- 170 dung zum Aufgabenspektrum der IHKs. Der Unterschied zur Ausbildung besteht vorrangig darin, dass es hier keine verpflichtende öffentlich-rechtlich organisierte Vorbereitung auf die Prüfung gibt. Vielmehr entscheiden diejenigen, die sich einer Prüfung stellen wollen, selbst über die Art der Vorbereitung, womit auch eine Überwachung der Vorbereitung durch die IHKs entfällt. Die IHKs prüfen lediglich das Vorliegen der Prüfungszulassungsvoraussetzungen, koordinieren die Arbeit der Prüfungsausschüsse und stellen die Abschlusszeugnisse aus. Im Jahr 2018 haben die IHKs rund 60.000 Prüfungen in der beruflichen Fortbildung zum Industriemeister, Fachmeister, Fachwirt oder Betriebswirt durchgeführt. In den fast 5.000 Prüfungsausschüssen waren rund 35.000 ehrenamtliche Prüfer aktiv. Zusätzlich zu den gesetzlichen Aufgaben der Prüfung bieten viele IHKs in Ergänzung regionaler privater Angebote berufliche Weiterbildungen an. Schwerpunkte sind berufsbegleitende Seminare mit Zertifikat sowie Lehrgänge zur Vorbereitung auf IHK-Prüfungen. Die betriebliche Praxis steht dabei im Mittelpunkt.
IV. § 1 Abs. 3 1. Ursprungszeugnisse Die Europäische Union besitzt die ausschließliche Zuständigkeit305 im Bereich 171 der Gemeinsamen Handelspolitik und der Zollunion (Art. 3 Abs. 1 lit. a, e und lifikationen; § 8 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (BQFG); vgl. BT-Drs. 17/6260, 1. 303 Baumbach, WiVerw 2012, 77; allgemein Jahn, WiVerw 2012, 88. 304 EU-Anerkennungsrichtlinie v. 7.9.2005, ABl. EG Nr. L 255 v. 30.9.2005, 22. 305 Nicht erfasst von der ausschließlichen Zuständigkeit werden etwa die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe, vgl. allgemein Weiß in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), AEUV Kommentar, 65. EL, AEUV Art. 207 Rz. 23 ff., 55; Herrmann/
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§ 1 Rz. 171 Aufgabenbereich 207 AEUV). Erfasst werden der gesamte Handel mit Waren und mit Dienstleistungen, Handelsaspekte des Geistigen Eigentums und ausländische Direktinvestitionen306. Die Normen des Außenhandelsrechts stellen die in den Handelsbeziehungen nach außen erforderlichen Ergänzungen des Binnenmarktes dar307: sie sind Konsequenz der Zollunion und des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs innerhalb der EU. Dabei haben die EU-Organe gem. Art. 21 Abs. 3 EUV für die Widerspruchsfreiheit der außenpolitischen Aktivität der Union Sorge zu tragen; die in Art. 3 Abs. 5 EUV u.a. genannten Ziele des Friedens, der Sicherheit, der Solidarität, des Menschenrechtsschutzes stehen damit (als Optimierungsgebote der internationalen EU-Politik, nicht als zwingende Handelskonditionalität) neben den unmittelbar wirtschaftlich relevanten Zielen des freien und gerechten Handels oder der Erleichterung von Direktinvestitionen. 172
Um zu entscheiden, ob bzw. in welcher Höhe bei Einfuhr einer Ware in den Binnenmarkt ein Zollsatz anzuwenden ist, bedarf es Regeln zur Herkunft der Waren. Diese Normierungen finden sich seit 2016 im Wesentlichen im Zollkodex der EU (UZK) mit den dazugehörenden Durchführungsvorschriften308, ergänzend in einseitigen Rechtsakten gegenüber bestimmten Ländern, Ländergruppen oder Gebieten sowie in völkerrechtlichen Verträgen, soweit der Zollkodex auf diese verweist.
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Um Waren in einem Drittland nach den dort geltenden Vorschriften einzuführen kann bei der Ausfuhr aus der EU ein förmlicher Ursprungsnachweis ausgestellt werden. Derartige Ursprungszeugnisse sind auf der Basis internationaler Handelsabmachungen im Warenverkehr zur Feststellung des Herkunftslandes vielfach vorgeschrieben. Sie stellen einen nichtpräferenziellen Ursprungsnachweis309 dar und bilden im handelspolitischen Kontext einen Anknüpfungspunkt für Maßnahmen wie z.B. Antidumpingverfahren, Ausgleichszölle, Handelsembargos, mengenmäßige Beschränkungen oder Zollkontingente. Dagegen wird für die Anwendung von einseitig festgesetzten oder auf Basis bi- oder multilateraler Verträge
306 307 308 309
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Niestedt in Krenzler/Herrmann/Niestedt (Hrsg.) EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, Einleitung Rz. 3 ff.; Boysen in von Arnauld (Hrsg.), Europäische Außenbeziehungen, § 9. Zur Rolle von Direktinvestitionen und Freihandelsabkommen im Kompetenzgefüge der Handelspolitik der EU Wernicke, EuZW 2017, 121. Weiß in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Art. 207 AEUV Rz. 28; vgl. Wernicke, EuZW 2019, 841. Art. 290, 291 AEUV, Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Neufassung), ABl. L 269 v. 10.10.2013, 1. Nicht-präferenzielle Ursprungsregelungen betreffen allgemein geltende Regeln, wonach eine Ware idR ihren Ursprung in dem Land hat, in dem die letzte wesentlichen Be- oder Verarbeitung erfolgte, anders als z.B. bei Assoziierung bestimmter Länder aus Gründen der Entwicklungszusammenarbeit (präferenzielle Ursprungsregelung), bei denen strengere Regeln angewandt werden dürfen, EuGH v. 8.10.1986 – 385/85, Slg. 1986, 2929 – S. R. Industries.
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§ 1 Abs. 3
Rz. 176 § 1
ausgehandelter Zollpräferenzen auf den präferenziellen Ursprung abgestellt, für den eigene Präferenznachweise benötigt werden310. Dem Grundsatz des mitgliedstaatlichen Vollzugs des Unionsrechts folgend liegen 174 die Vollzugsaufgaben des Zollrechts bei den nationalen Zollbehörden. In Deutschland ist die Ausstellung von nichtpräferenziellen Ursprungszeugnissen aufgrund § 1 Abs. 3 eine weitere traditionelle Aufgabe der Industrie- und Handelskammern311, die insbesondere bei Kammern mit Exportorientierung von Industrie und Handel große Bedeutung hat. Die IHKs stellen ca. 1,3 Millionen Ursprungszeugnisse im Jahr aus. Diese Aufgabe verdeutlicht besonders klar die Einbindung der IHK-Organisation in den Europäischen Verwaltungsverbund (s. Einführung Rz. 80). Neben der IHK mit ihrer generellen Zuständigkeit sind jeweils für ihren Bereich 175 zuständig die Handwerkskammern312, die Landwirtschaftskammern nach näherer Bestimmung des einschlägigen Landesgesetzes, Zollstellen gemäß Dienstanweisung des Bundesfinanzministeriums313, sowie für Filme das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft314. Rechtsgrundlage für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen durch die IHKs 176 bildet neben § 1 Abs. 3 der Unionszollkodex UZK315, einschließlich der dazugehörigen Durchführungsvorschriften. Der UZK, verabschiedet 2013, ersetzte zum 1.5.2016 den bis dahin gültigen Zollkodex. Das Durchführungsrecht zum UZK ist in zwei Rechtsakte aufgeteilt. Die Delegierte Verordnung316 (UZK-DA, „delegated act“) ändert oder ergänzt nichtwesentliche Bestandteile des Gesetzgebungsaktes. Die Durchführungsverordnung317 (UZK-IA, „implementing act“) enthält Einzelheiten zur Umsetzung der Bestimmungen des UZK. DA und UZK-IA ersetzen die Zollkodex-Durchführungsverordnung. Anders als in den Artikeln 22-26 310 Zur Kritik an diesem komplexen System Geraets, Accommodating Global Value Chains in the Union Customs Code: Towards Rules of Origin That Better Reflect Business Realities?, Global Trade and Customs Journal 2017, 64. 311 Vgl. § 42 Abs. 2 des Preußischen IHKG; § 2 Nr. 7 der Bayerischen IHK-Verordnung; Pelz, Der nichtpräferenzielle Ursprung. 312 § 91 Abs. 1 Nr. 11 HwO. 313 VSF Z 40 60 Nr. 1. 314 Runderlass Außenwirtschaft Nr. 3/2017 v. 19.1.2017, BAnz. AT 30.1.2017, B3. 315 Verordnung (EU) Nr. 952/2013 v. 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. EU L 269 v. 10.10.2013, 1. 316 Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission v. 28.7.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union, ABl. EU L 343 v. 29.12.2015, 1. 317 Verordnung (EU) 2015/2447 der Kommission v. 24.11.2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. EU L 343 v. 29.12.2015, 558.
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§ 1 Rz. 176 Aufgabenbereich des alten Zollkodex und den Artikeln 34-54 der Zollkodex-Durchführungsverordnung regelt der UZK nicht mehr alle Einzelheiten zu den Ursprungszeugnissen. In der Praxis bedarf es daher bisweilen des Rückgriffs auf weitere Rechtsquellen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Anlagen des internationalen Übereinkommens über die Vereinfachung und Harmonisierung des Zollverfahrens (KyotoKonvention318 der World Customs Organisation WCO) zu, die durch Beschluss des Rates in das Unionsrecht überführt wurden319. Die Anlage D.2 (= Annex K, Chapter 2 E.1 der revidierten Fassung) enthält Anforderungen an das nichtpräferenzielle Ursprungszeugnis. Buchst. b der dortigen Begriffsbestimmungen definiert das Ursprungszeugnis („certificate of origin“) als „einen bestimmten Vordruck, der es ermöglicht, die Nämlichkeit der Waren festzustellen, und auf dem die zu seiner Ausstellung befugte Behörde oder Stelle ausdrücklich bescheinigt, dass die in diesem Zeugnis aufgeführten Waren ihren Ursprung in einem bestimmten Land haben. Dieses Zeugnis kann auch eine Erklärung des Herstellers, Erzeugers, Lieferanten, Ausführers oder einer anderen zuständigen Person enthalten“320. 177
Ein vom DIHK erarbeitetes Musterstatut321 (Stand 2019) fasst dazu die allgemein anerkannte Praxis der IHKs zusammen. Es bildet, nachdem es jeweils von der Vollversammlung der einzelnen Kammern als statutarisches Recht beschlossen und verkündet ist, eine einheitliche Rechtsgrundlage für das Verwaltungsverfahren. Dazu kommen durch IHKs und DIHK gemeinsam erarbeitete Musterrichtlinien322, welche regelmäßig der Entwicklung auf diesem Sachgebiet angepasst werden. Das Statut stellt die Rechte der Kammern für die Nachprüfung der Angaben der Antragsteller sowie notfalls für die Rücknahme von Ursprungszeugnissen klar. Für das Verfahren gilt im Übrigen das Verwaltungsverfahrensgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Ursprungszeugnisse können mittlerweile digital beantragt und ausgestellt werden (https://euz.ihk.de/).
318 ABl. L 100 v. 21.4.1975, 2, BGBl. 2003 II, 2093; revidierte Fassung (ohne Anhänge) in ABl. 2003 L 86, 23, sowie unter http://www.wcoomd.org/en/Topics/Facilitation/In strument%20and%20Tools/Conventions/pf_revised_kyoto_conv/Kyoto_New (zuletzt aufgerufen am 30.4.2019). 319 Beschluss des Rates 77/415/EWG v. 3.6.1977 über die Annahme von mehreren Anlagen zum Internationalen Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren, ABl. L 166 v. 4.7.1977, 1. 320 ABl. v. 4.7.1977 Nr. L 166, Fn. 10, 1, 7, im englischen Original: „certificate of origin“ means a specific form identifying the goods, in which the authority or body empowered to issue it certifies expressly that the goods to which the certificate relates originate in a specific country. This certificate may also include a declaration by the manufacturer, producer, supplier, exporter or other competent person. 321 Veröffentlicht in der Elektronischen Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung – Z 40 60-2-2. 322 Veröffentlicht in der Elektronischen Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung – Z 40 60-3-2.
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§ 1 Abs. 3
Rz. 180 § 1
Unter den von den Antragstellern geforderten Angaben ist die Bezeichnung des 178 Ursprungslandes der auszuführenden Waren besonders wichtig. Haben diese Waren ihren Ursprung in einem Land der EU, so ist als Ursprungsbezeichnung die „Europäische Union“ anzugeben. Besonderer Beachtung bedürfen Anträge, die Waren betreffen, die nicht im inländischen Betrieb des Antragstellers, sondern in einem fremden Betrieb oder im eigenen Betrieb des Antragstellers im Ausland hergestellt sind. Die Kammern müssen in diesen Fällen Unterlagen über den Ursprung der Waren verlangen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Ursprungszeugnisse anderer zur Ausstellung berechtigter Stellen oder Rechnungen, Lieferscheine und dgl. inländischer Hersteller, sofern sie erkennen lassen, dass die Waren in deren eigenen Betrieben im Inland hergestellt wurden. Belege von nichteuropäischen Händlern oder Herstellern müssen von einer zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen berechtigten Stelle bescheinigt bzw. beglaubigt sein. Ursprungszeugnisse sind öffentliche Urkunden im Sinne von § 271 StGB und 179 § 415 ZPO, denn sie entfalten Beweiskraft für und gegen jedermann und genießen damit öffentlichen Glauben. Ursprungszeugnisse sind auf ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage von den IHKs (die strafrechtlich insoweit Behörden sind)323 ausgestellt worden, ihre Rechtswirkung wird in den oben genannten Gesetzen und Verordnungen festgestellt. Handelsverträge pflegen überdies ausdrücklich die Verwendung von Ursprungszeugnissen zu Beweiszwecken vorzusehen; sie sind daraufhin für den gesamten internationalen Handel als Beweis des Ursprungs anerkannt324. Zur Glaubhaftmachung der für die Ausstellung eines Ursprungszeugnisses erheb- 180 lichen Tatsachen werden der IHK vielfach eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Die Kammern sind jedoch zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen grundsätzlich nicht berechtigt. Diese Frage war früher streitig325, ist nunmehr jedoch durch § 27 der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder geklärt. Danach darf eine Behörde Versicherungen an Eides statt nur verlangen und abnehmen, wenn dies für das Verfahren durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgesehen und die Behörde durch Rechtsvorschrift ausdrücklich dafür zuständig erklärt worden ist. Frühere diesbezügliche Rechtsvorschriften sind mittlerweile mit wenigen Ausnahmen aufgehoben. Der ausreichende Strafschutz entsteht dadurch, dass die Abgabe falscher Erklärungen zur Erlangung eines Ursprungszeugnisses in der Regel als Betrug (§ 263 StGB) gegenüber dem Vertragspartner oder als mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) geahndet werden kann, gegebenenfalls auch als Zollstraftat nach § 370 AO.
323 Ausdrücklich Reichsgericht v. 29.6.1918 – V 359/18, RGSt. 52, 198; Ganter in BeckOK StPO, 2019, StPO § 256 Rz. 8–13. 324 Vgl. hierzu Reichsgericht v. 5.12.1927 – III 658/27, RGSt. 61, 410, 412/413 und Reichsgericht v. 2.1.1934 – 1 D 950/39, RGSt. 74, 26, 32. 325 Vgl. 3. Auflage 97, 98.
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§ 1 Rz. 181 Aufgabenbereich 2. Andere dem Wirtschaftsverkehr dienende Bescheinigungen 181
Im internationalen Handelsverkehr kommen relativ häufig neben den Ursprungszeugnissen auch andere dem Wirtschaftsverkehr dienende Bescheinigungen vor. Eine Bescheinigung „dient“ dem Wirtschaftsverkehr, wenn sie etwa von ausländischen Behörden, z.B. in Akkreditivbedingungen oder für Zwecke der Legalisierung durch ausländische Konsulate „gefordert“ wird. „Dienen“ heißt nicht unbedingt, dass solche Bescheinigungen dem Wirtschaftsverkehr auch tatsächlich „förderlich“ sein müssen. Sie dienen der Beweissicherung und sind wegen der Besonderheiten des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs auf diesem Gebiet praktisch unentbehrlich, während für den innerstaatlichen Waren- oder Dienstleistungsverkehr in der Regel anderweitige Rechts- oder Beweismöglichkeiten bestehen. Dazu ist nicht erforderlich, dass der Vertragspartner des deutschen Unternehmens ein Kaufmann ist; es kann sich auch um einen ausländischen Staat, eine karitative Organisation oder eine Privatperson als Teilnehmer am grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr handeln.
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Besonders häufig sind die Bescheinigungen, die auf Handelsrechnungen und vergleichbaren Handelspapieren von ausländischen Behörden zusätzlich zum Ursprungszeugnis gefordert werden. Eine Übersicht über diese von zahlreichen ausländischen Behörden verlangten Bescheinigungen gibt das von der Handelskammer Hamburg herausgegebene Handbuch „Konsulats- und Mustervorschriften“ in seiner jeweiligen Fassung326. Hier handelt es sich in der Regel um Bescheinigungen, weil die IHKs die Richtigkeit der in der Handelsrechnung aufgeführten Tatsachen bestätigen. Auch für diese Bescheinigungen gibt es einheitliche Texte, die in den Musterrichtlinien des DIHK (s. Rz. 177) festgehalten sind.
183
Das erwähnte Musterstatut erklärt die Bestimmungen über das Verfahren bei Ursprungszeugnissen sinngemäß auch in Bezug auf diese Bescheinigungen für anwendbar. Deshalb wird sich die jeweilige IHK über die von ihr zu bescheinigenden Tatsachen Gewissheit verschaffen müssen, beispielsweise durch Einsicht in die Bücher, durch Augenschein oder durch Vorlage von Korrespondenz. Zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen ist eine IHK auch hier nicht befugt. Die Kammern prüfen aber auch, ob die Notwendigkeit für eine solche Bescheinigung besteht, ob also ausländische Behörden oder vertragliche Vereinbarungen dies vorsehen. Auch wenn die Bescheinigung dem Wirtschaftsverkehr dient, dürfen die IHKs eine Bescheinigung nicht ausstellen, wenn der mit ihr verfolgte Zweck oder der beantragte Inhalt gegen Grundsätze der öffentlichen Ordnung verstößt. Im Hinblick auf Bescheinigungen im Zusammenhang mit einem ausländischen Boykott gelten deshalb die Grenzen des Verbots von Boykotterklärungen nach § 7 Außenwirtschaftsverordnung AWV. Dieser Paragraph wurde im Dezember 2018 mit der 12.
326 K und M – Konsulats- und Mustervorschriften, Handelskammer Hamburg (Hrsg.), 43. Auflage 2019 i.E.
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§ 1 Abs. 3
Rz. 186 § 1
Änderung zur Außenwirtschaftsverordnung327 eingeschränkt. Künftig ist die Anwendbarkeit des Boykottverbotes in Bezug auf diejenigen Staaten ausgeschlossen, gegen die auch die Vereinten Nationen, die Europäische Union oder die Bundesrepublik Deutschland Sanktionen verhängt haben. Die genauen Auswirkungen auf die Bescheinigungspraxis der IHKs sind noch offen. Soweit Bescheinigungen aufgrund besonderer staatlicher Vorschriften auszustel- 184 len sind, bedarf es ebenfalls keines Rückgriffs auf § 1 Abs. 3. Ein Beispiel für Bescheinigungen, deren Ausstellung den Kammern durch Sondervorschrift übertragen worden ist, bietet die Anerkennung ausländischer Abschlüsse nach Art. 16 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 2005/36/EG, umgesetzt in nationales Recht mit dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG)328. Die Zuständigkeit der IHKs für die Ausstellung der EU-Bescheinigungen ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 oder, in Verbindung mit einer entsprechenden Vereinbarung, aus § 8 Abs. 5 BQFG. Damit liegt eine gesetzlich begründete Zuständigkeit der IHKs vor und die IHKs werden insoweit hoheitlich tätig. Das Gebührenerhebungsrecht ergibt sich aus § 3 Abs. 6. Zur Erhebung von Gebühren muss es eine entsprechende Bestimmung in der Gebührenordnung der Kammer geben. Soweit die Ausstellung von dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen 185 durch Rechtsvorschrift anderen Stellen zugewiesen ist, besteht keine Zuständigkeit der IHK. Die Kammern haben also auch keine Ersatzzuständigkeit, wenn staatliche Fachbehörden ausschließlich für zuständig erklärt worden sind. Nicht zuständig sind die IHKs für die Ausstellung von förmlichen Präferenznachweisen – Warenverkehrsbescheinigung EUR.1, Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED, Warenverkehrsbescheinigung A.TR. (auch im vereinfachten Verfahren durch einen ermächtigten Ausführer), Ursprungszeugnis Form A – aufgrund von Assoziierungs- oder Präferenzabkommen, die ausschließlich den Zolldienststellen zugewiesen worden ist; die Grundlage dafür findet sich in den Protokollen, Anlagen und Beschlüssen zu den verschiedenen Assoziierungs- oder Präferenzabkommen. Gelegentlich ist in internationalen Handelsabkommen die Vorlage von Analysen- 186 zertifikaten, sog. Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen, für Wein und Weinbrand, Lebensmittel, Kosmetika und Bedarfsgegenstände, vorgeschrieben, womit in der Regel die staatlichen Lebensmitteluntersuchungsämter beauftragt worden sind329. Soweit also nach Landesrecht in diesem Bereich für eine Bescheinigungstätigkeit 327 BAnz AT 28.12.2018 V1; Geltung ab 29.12.2018. 328 Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen, 6.12.2011, BGBl. I, 2515, zuletzt geändert durch Art. 114 des Gesetzes vom 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626). 329 In Nordrhein-Westfalen sind beispielsweise die Kreisordnungsbehörden zuständig § 8 des Landesgesetzes über den Vollzug des Lebensmittel-, Futtermittel- und Bedarfsgegenständerechts (LFBRVG-NRW) v. 19.3.1985.
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§ 1 Rz. 186 Aufgabenbereich der Kammern überhaupt Raum bleibt, bedienen sich diese für die notwendigen Untersuchungen ebenfalls der staatlichen Lebensmitteluntersuchungsämter oder geeigneter Sachverständigenlabors. 187
Die Ausstellung der dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen nach § 1 Abs. 3 oder den oben erwähnten Sondervorschriften ist ein Verwaltungsakt und erfolgt in einem Verwaltungsverfahren. Die Bescheinigung kann also eingeklagt werden, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind und nachgewiesen werden. Die Ablehnungsgründe der Kammer können dann gerichtlich überprüft werden. Zuständig ist grundsätzlich diejenige Kammer, in deren Bezirk der Hauptsitz des Unternehmens oder die Betriebsstätte liegt. 3. Carnet A.T.A.
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Keine dem Wirtschaftsverkehr i.S.d. § 1 Abs. 3 dienende Bescheinigung im engeren Sinne, allerdings vom Sachgebiet eng verwandt mit den vorgenannten Dokumenten, ist das Carnet A.T.A. (Admission Temporaire), das bei vorübergehender Ausfuhr von Waren in das Ausland für die Präsentation auf Messen oder als Warenmuster oder Berufsausrüstung die Hinterlegung oder Kaution für Zollabgaben ersetzt. Grundsätzlich ist die Abfertigung der Waren zur vorübergehenden einfuhrabgabenfreien Einfuhr in das Ausstellungsland nur mit Hinterlegung der Einfuhrabgaben (in voller Höhe) in bar möglich und kann nicht formlos geschehen. Dabei sind die jeweils geltenden einzelstaatlichen Rechtsbestimmungen einzuhalten. Mit einem Carnet A.T.A. wird dieses Verfahren wesentlich erleichtert, vereinheitlicht und aufwändige Abfertigungsschritte – wie die Ermittlung der Höhe der eventuellen Einfuhrabgaben oder die Hinterlegung der Sicherheit in der Landeswährung – werden vermieden. Anstelle einzelner innerstaatlicher Papiere kann es sowohl für die Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr als auch für die Wiederausfuhr oder Wiedereinfuhr verwendet werden.
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Das Carnet A.T.A. wird von den IHKs als „ausgebender Verband“ i.S.d. Art. 1 A.T.A.-Übereinkommen330, d.h. als von den Zollbehörden einer Vertragspartei zur Ausstellung von Carnets A.T.A. im Gebiet dieser Vertragspartei zugelassen, ausgestellt. Die IHK-Organisation bürgt über den DIHK, der wiederum über die Euler Hermes Deutschland – Niederlassung der Euler Hermes SA versichert ist, für die Abgaben bis zur Wiederausfuhr. Durch die internationale Bürgenkette gilt die Sicherheit (Voraussetzung für das Verfahren) mit einem einmalig geleisteten Entgelt als in jedem Verwendungsland hinterlegt. Das Carnet A.T.A. findet für die Gültigkeitsdauer von bis zu einem Jahr bei allen Vertragsparteien des ATA-Übereinkommens Anerkennung. Zurzeit ist die Verwendung in 78 Ländern331 möglich. Unionsrechtlich gilt ein Carnet A.T.A. (Art. 1 Nr. 3 UZK-DA) gemäß Art. 339 330 A.T.A. Übereinkommen, BGBl. II, 1965, 948; Istanbuler Konvention, ABl. EG Nr. L 130 v. 27.5.1993. 331 Zuletzt wurde zum 1.8.2018 Katar neues Carnet-ATA-Partnerland.
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§ 1 Abs. 3
Rz. 191 § 1
UZK-IA für bestimmte Waren als Ausfuhranmeldung, wenn das Carnet in einem Mitgliedstaat, der eine Vertragspartei des ATA-Übereinkommens oder des Übereinkommens von Istanbul ist, ausgestellt wurde und den Sichtvermerk eines in der Union ansässigen Verbandes trägt, der zu der Bürgschaftskette gemäß der Begriffsbestimmung in Anlage A Art. 1 Buchstabe d des Übereinkommens von Istanbul gehört332. 4. Beglaubigungen In der Praxis werden die Industrie- und Handelskammern seit jeher auch für die 190 Beglaubigung von Unterschriften oder Abschriften in Anspruch genommen, fast ausschließlich für den Außenwirtschaftsverkehr333. Eine solche Beglaubigung reicht jedoch nicht aus, wenn ausdrücklich eine öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB) vorgeschrieben ist oder verlangt wird; hierfür sind ausschließlich die Notare zuständig. Davon zu unterscheiden ist die amtliche Beglaubigung, wenn das unterzeichnete Schriftstück zur Vorlage bei einer Behörde oder sonstigen Stelle benötigt wird334. Die amtliche Beglaubigung ist in den §§ 33, 34 des VwVfG des Bundes und der gleich lautenden Vorschriften der Länder näher geregelt. Danach wird die Zuständigkeit durch Rechtsverordnung festgelegt. Diese Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze über die amtliche Beglaubigung gelten nur für den innerdeutschen Rechtsverkehr, nämlich zur Vorlage bei einer deutschen Behörde oder sonstigen durch Rechtsvorschrift bezeichneten Stellen, nicht jedoch für die Kammerbeglaubigungen im Außenwirtschaftsverkehr für ausländische Stellen und Geschäftspartner. Insoweit ergibt sich die Kammerzuständigkeit unmittelbar aus § 1 Abs. 3, dessen Wortlaut – aus dem früheren Kammerrecht übernommen und entsprechend zu verstehen – auch einfache Beglaubigungsvermerke umfasst. Die IHKs können deshalb im Rahmen der internationalen Beglaubigungspraxis im Außenwirtschaftsverkehr auch weiterhin solche Beglaubigungen von Unterschriften und Abschriften vornehmen. Es handelt sich dabei ebenfalls um amtliche Beglaubigungen, die zugleich öffentliche Urkunden gemäß § 415 ZPO darstellen und nach den Konsulargesetzen des Auslandes einer Legalisierung bedürfen. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass oft kurze Bescheini- 191 gungen fälschlich als „Beglaubigungen“ bezeichnet werden. Bescheinigungen enthalten Erklärungen der bescheinigenden Stelle über die von ihr festgestellten Tatsachen, während die Beglaubigung lediglich die Echtheit einer Unterschrift oder die Richtigkeit einer Abschrift betrifft. Insbesondere bei den Kammervermerken auf Handelsrechnungen und anderen Handelspapieren handelt es sich in der Regel um Bescheinigungen im Sinne von § 1 Abs. 3, nicht um Beglaubigungen. 332 Bark in Krenzler/Herrmann/Niestedt (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, UZK Art. 269 Rz. 53. 333 Vgl. Konsulats- und Mustervorschriften der Handelskammer Hamburg. 334 Vgl. § 65 des Beurkundungsgesetzes.
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§ 1 Rz. 192 Aufgabenbereich V. § 1 Abs. 3a, 3b – Einheitliche Stelle/einheitlicher Ansprechpartner 192
Durch Art. 7 des Vierten Gesetzes Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (4. VwVfÄndG) vom 11.12.2008335 sind die Abs. 3a und 3b in § 1 eingefügt worden. In Abs. 3a werden die Länder ermächtigt, den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes – gegebenenfalls auch im Verhältnis zu nicht Kammerzugehörigen – zu übertragen. Das Gesetz hat die Aufgabenbereiche, auf die sich diese Übertragung bezieht, und die Aufsicht zu regeln. Nach Abs. 3b können die Länder den IHKs dabei ebenfalls durch Gesetz ermöglichen, sich an Einrichtungen zu beteiligen, welche die Aufgaben einer „einheitlichen Stelle“ erfüllen.
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Die Regelung erfolgte im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt336 (Dienstleistungsrichtlinie). Ziel der Richtlinie war die Förderung des Binnenmarktes durch eine Verbesserung des Rechtsrahmens für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Nach Art. 6 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass EU-ausländische Dienstleistungserbringer alle Verfahren und Formalitäten, die für die Aufnahme ihrer Dienstleistungstätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich sind, sowie die Beantragung der für die Ausübung der Dienstleistungstätigkeit erforderlichen Genehmigungen über „einheitliche Ansprechpartner“ (im Umsetzungsgesetz „einheitliche Stelle“) abwickeln können, wobei durch das EU Recht nicht auf die Organisationsgewalt in den Mitgliedstaaten eingewirkt werden durfte. Die einheitlichen Stellen sollen umgekehrt nach Art. 7 der Richtlinie den Dienstleistungserbringern und Dienstleistungsempfängern in einfacher und verständlicher Sprache – und möglichst auch in anderen Unionssprachen – Informationen über Verfahren und Formalitäten, Behörden, Zugang zu Datenbanken, Rechtsbehelfe und einschlägige Verbände und Organisationen leicht zugänglich und schnell zur Verfügung stellen. Diese Informationen sollen die gewöhnliche Auslegung der maßgeblichen Anforderungen umfassen; eine Rechtsberatung im Einzelfall wird indes nicht verlangt. Die Verfahren und Formalitäten müssen nach Art. 8 der Richtlinie zudem sowohl über die einheitliche Stelle als auch bei den zuständigen Behörden auf Wunsch des Dienstleistungserbringers digital abzuwickeln sein. Von besonderer Bedeutung ist die nach Überschreitung festgelegter Bearbeitungsfristen in Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie vorgesehene Genehmigungsfiktion337. 335 BGBl. I, 2418; ausführlich dazu Jahn, GewArch 2009, 177. 336 ABl. EG Nr. L 376, 36. 337 Vgl. zum Ganzen auch die Einführung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BRDrs. 580/08 sowie aus der Literatur Ziekow/Windoffer (Hrsg.), Ein Einheitlicher Ansprechpartner für Dienstleister; Schliesky (Hrsg.), Die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie in der deutschen Verwaltung, 2007; Ziekow, GewArch, 179; Palige,
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§ 1 Abs. 3a, 3b – Einheitliche Stelle/einheitlicher Ansprechpartner
Rz. 196 § 1
Detailregelungen zur einheitlichen Stelle finden sich in den §§ 71 a–e VwVfG 194 (Verfahren über eine einheitliche Stelle), um eine bundeseinheitliche Umsetzung sicherzustellen; weitere bundeseinheitliche Normierungen erfolgten im Gewerberecht, der Handwerksordnung und der Wirtschaftsprüferordnung338. In der Praxis nutzen die zuständigen Behörden das Binnenmarkt-Informationssystem IMI als mehrsprachiges online-tool. Die Bedeutung des § 1 Abs. 3a ist begrenzt. Die Ermächtigung der Länder, die 195 Aufgabe der einheitlichen Stelle auf die IHKs zu übertragen, hätte sich auch bereits aus dem geltenden § 1 Abs. 4 ergeben. Die Begründung zu dem Gesetzentwurf spricht denn auch von einer „deklaratorischen Klarstellung“339. Genau genommen enthält Abs. 3a Satz 1 sogar eine Einschränkung gegenüber der bisherigen Rechtslage, indem er für die Aufgabenübertragung ein formelles Gesetz vorschreibt, was als Schutz der IHKs vor unsachgemäßen Aufgabenübertragungen aber durchaus sinnvoll erscheint. Auch Satz. 2 hat keinen eigenen Regelungsgehalt. Wenn der Bund nicht regelt, für welche Aufgabenbereiche die einheitlichen Stellen zuständig sein sollen, dann müssen dies die Länder machen, wenn sie ihren IHKs die Aufgabe der einheitlichen Stelle zuweisen. Indem der Bund seine Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. Art. 84 Abs. 1 196 Satz 2 GG nicht vollständig ausgeschöpft hat wurde so nicht nur die Frage, ob die IHKs als einheitliche Stellen tätig werden sollen, der Landesgesetzgebung überantwortet, sondern die Länder entschieden auch, in welcher Form die IHKs als einheitliche Stelle tätig werden340 und welche Aufgabenbereiche sie dabei abdecken. In der Folge wurden teilweise die IHKs allein mit der Aufgabe „einheitliche Stelle“ für ein sehr breites Spektrum von Unternehmern und Tätigkeiten betraut341 während sie in anderen Bundesländern nur in Kooperation mit anderen Kammern oder staatlichen Stellen und nur gegenüber Unternehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten tätig werden342 und in einem dritten Bundesland schließlich über-
338 339 340 341
342
GewArch 2007, 273; Dürr, GewArch 2008, 25; Cremer, EuZW 2008, 655; Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2007, 122; Ernst, DVBl. 2009, 953; Eisenmenger, NVwZ 2010, 337. Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht und anderen Rechtsvorschriften, BGBl. I v. 24.7.2009, 2091. BR-Drs. 580/08, 38. Dazu Abs. 3b. Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Thüringen; Kritisch dazu unter verfassungsrechtlichen Aspekten Cremer, EuZW 2008, 655. Ein praktisches Beispiel ist die IHK Saarland mit über 400 Kontakten als einheitlicher Ansprechpartner p.a., vgl. https://www.saarland.ihk.de/p/Einheitlicher_Ansprechpartner_f%C3%BCr_ das_Saarland-9-6425.html (zuletzt aufgerufen am 30.4.2019). Wenige Beispiele bezeugen die unterschiedlichen Perspektiven: In Schleswig-Holstein wurde eine Anstalt öffentlichen Rechts „Einheitlicher Ansprechpartner“ gegründet, in Bayern bei den Landkreisen und kreisfreien Gemeinden, in Brandenburg liegt die Zuständigkeit im Landesministerium für Wirtschaft, in Berlin bei der Senatsverwal-
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§ 1 Rz. 196 Aufgabenbereich haupt nicht zuständig sind. Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie führte so beim Thema „einheitliche Stelle“ zu dem absehbaren bunten Flickenteppich (vgl. ausführlich Vorauflage Rz. 164d), die angestrebte Einheit des Verwaltungsverfahrensrechts343 wurde nicht eingelöst. Für Unternehmen aus dem EU- Ausland ebenso wie für heimische Unternehmen bedeutet dies von vorneherein erheblichen Aufwand, überhaupt die zuständigen Stellen herauszufinden. 197
Mehr als eine Klarstellung enthält indes Abs. 3a Satz 3. Denn grundsätzlich ist die Verbandskompetenz der IHKs auf den Kreis der IHK-Zugehörigen begrenzt. Dabei wird allerdings diese Grenze nicht sehr scharf gezogen. Ein gewisses „spillover“ auf Personen, die nicht der IHK angehören, ist zu Recht stets als unschädlich angesehen worden. Beispielsweise handelt es sich bei den Kandidaten der IHK-Sachkundeprüfungen in aller Regel um Personen, für die die Prüfung erst den Weg zu einer die IHK-Zugehörigkeit begründenden Tätigkeit eröffnet. Oder als Sachverständige werden von den IHKs teilweise nicht IHK-zugehörige Personen bestellt und vereidigt, weil dies auch im Interesse der IHK-zugehörigen gewerblich tätigen Unternehmen auf der Nachfrageseite geschieht. Wenn jedoch die IHKs generell zur einheitlichen Stelle auch für Handwerker und Freiberufler bestimmt werden, dürfte die Grenze des „spillover“ überschritten sein344. Es bedarf daher einer besonderen Ermächtigungsnorm für die Länder.
198
Umstritten ist Abs. 3a Satz 4, wonach das Landes-Gesetz auch die Aufsicht regelt. Unklar ist zunächst, ob die Vorschrift an sich bereits eine Ausnahme von § 11 Abs. 1 Satz 1, wonach die IHKs der Rechtsaufsicht der Länder unterliegen, darstellt. Aus dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nur schließen, dass die Länder ermächtigt und verpflichtet sind, bei Übertragung der Aufgabe der einheitlichen Stelle auf die IHKs auch die Aufsicht zu regeln. Offen bleibt danach, ob eine solche Regelung abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 auch Fachaufsicht vorsehen kann. Auch der ebenfalls durch das 4. VwVfÄndG eingeführte § 11 Abs. 1 Satz 3 bringt keine Klarheit. Denn er besagt nur, dass die bundesrechtlichen Aufsichtsregelungen für öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse nicht denen des Landes-Gesetzes, in dem die Übertragung der Aufgabe der einheitlichen Stelle erfolgt und in dem auch die Aufsicht zu regeln ist, vorgehen – was normalerweise nach dem Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ der Fall wäre. Aus dem Wortlaut der Begründung zu Abs. 3a Satz 4 könnte gefolgert werden, dass aus Sicht der Bundesregierung die Tätigkeit der Kammern als einheitliche Stelle Fachaufsicht erfordert. Diese Auffassung und insbesondere deren Ableitung aus der Feststellung, dass regelmäßig Fachaufsicht vorgesehen sei, wenn die Kammern staatliche Aufgaben wahrnähmen, wäre jedoch unzutreffend. Bislang wurde noch nie be einer Übertragung staatlicher Aufgaben auf die IHKs eine Fachaufsicht normiert. Das wäre tung für Wirtschaft in Kooperation mit der IHK, in Hessen bei den Regierungspräsidien, in Hamburg bei den Kammern, in NRW bei der Bezirksregierung Detmold. 343 Schmitz/Prell, NVwZ 2009, 1. 344 Möllering, GewArch 2006, 261, 269.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 200 § 1
nicht nur nach geltendem Recht unzulässig. Es widerspräche auch dem Wesen der funktionalen Selbstverwaltung345 (s. § 11 Rz. 3). Ein Abweichen von dieser Regelungspraxis wäre bei der einheitlichen Stelle zudem sachlich nicht geboten, denn die Aufgaben, die einer solchen einheitlichen Stelle zukämen, hätten nur sehr begrenzt Eingriffscharakter. Auch das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass außerhalb von Beitragspflicht und Mitgliedschaft im Grunde keine Eingriffsbefugnisse der Kammern bestehen: Die den Kammern zugewiesene Wirtschaftsverwaltungsaufgaben des § 1 Abs. 3 und 4 „entstammen zwar der ordnungsrechtlichen Funktion des Wirtschaftsverwaltungsrechts, sind aber nicht mit gewerbeaufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnissen verbunden“346. In Ermangelung einer Eingriffsbefugnis wäre in diesen Fällen Fachaufsicht nicht verhältnismäßig. Eine genaue gesetzliche Steuerung des Handelns der einheitlichen Stelle verbunden mit Rechtsaufsicht ist ausreichend, um die Dienstleistungsrichtlinie wirksam und einheitlich umzusetzen347. § 1 Abs. 3b ist eine Klarstellung zu § 1 Abs. 2, die auf Grund des Urteils des 199 BVerwG vom 19.9.2000 zur Beteiligung einer IHK an einer Flughafenbetriebsgesellschaft348 und dessen vergleichsweiser enger Auslegung zur Gründung, Unterhaltung und Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft wohl sinnvoll ist. Es handelt sich außerdem um eine Erweiterung des ebenfalls durch Art. 8 des 4. VwVfÄndG eingeführten § 10 Abs. 1, der eine Übertragung von Aufgaben im hoheitlichen Bereich nur innerhalb der IHK-Organisation ermöglicht.
VI. § 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben 1. Voraussetzungen der Übertragung weiterer Aufgaben IHKs sind ein aus dem allgemeinen Staatsverband ausgeklammerter Teil der Wirt- 200 schaftsverwaltung. Die Aufgaben nach § 1 Abs. 4 werden durch die IHK unter Einbeziehung der Sachkenntnis der Wirtschaft ausgeführt. Der Staat in all seinen Untergliederungen bis zur kommunalen bzw. bezirklichen Ebene entlastet sich durch die Übertragung auf die IHKs von diesen Aufgaben in sachlicher, personeller wie finanzieller Hinsicht.
345 So schon BVerwG v. 17.1.1961 – I B 135.60, GewArch 1961, 42, 43; ebenso Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2007, 122; Möllering, WiVerw 2006, 261, 282. 346 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 96 ff., 98. 347 Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2007, 122, 145; vgl. zum Ganzen auch BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98 und 2 BvL 6/98, GewArch 2003, 290, 291 – „Wasserverband“. 348 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29.99, GewArch 2001, 161.
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§ 1 Rz. 201 Aufgabenbereich 201
Rechtsdogmatisch stellt § 1 Abs. 4 die Fortgeltung aller bisherigen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften sicher, in denen besondere Aufgaben auf die IHKs übertragen worden sind und bildet zugleich die Grundlage für die Übertragung weiterer Aufgaben. Die Bestimmung ist insoweit entbehrlich, als der Bundesgesetzgeber mit späteren Gesetzen ohnehin den Aufgabenkreis der Kammern erweitern oder auch einschränken kann. Allerdings ist die Norm für den Bund als Verordnungsgeber sowie für die Länder als Ermächtigungsgrundlage erforderlich, sofern sie Landesgesetze oder Landesverordnungen erlassen. § 1 Abs. 4 beseitigt die Sperre, die sonst das IHKG bei Aufgabenübertragung durch Landesgesetze und durch Rechtsverordnungen des Bundes oder der Länder darstellen würde349.
202
Für die Übertragung weiterer Aufgaben schreibt die Bestimmung ausdrücklich vor, dass dies durch Gesetz oder Rechtsverordnung erfolgen muss. Das ist bei hoheitlichen Aufgaben eine Selbstverständlichkeit, weil es dafür einer durch Rechtsnorm begründeten Zuständigkeit bedarf. Bund und Länder können zwar für ihren unmittelbaren Verwaltungsbereich die Zuständigkeit auch durch Organisationserlass im Rahmen ihrer Organisationsgewalt bestimmen. Bei der Übertragung auf selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaften ist dagegen eine Rechtsnorm notwendig, um Verwaltungsverfahren durchführen und Verwaltungsakte erlassen zu können350. Insoweit ist die Bestimmung also nur deklaratorisch und wiederholt allgemeine rechtsstaatliche Anforderungen für die Übertragung hoheitlicher Befugnisse und Zuständigkeiten. Der Bund und die Länder brauchen deshalb in jedem Fall auch noch eine Norm, die sie zu dieser Übertragung auf die Industrieund Handelskammern ermächtigt; meist erfolgt dies zusammen mit der Verordnungsermächtigung im jeweiligen Fachgesetz.
203
Neben der Aufhebung der Sperrwirkung liegt deshalb die praktische Bedeutung der Bestimmung darin, dass öffentlich-rechtliche Aufgaben schlichtverwaltender Art den IHKs nicht durch bloßen Verwaltungsakt übertragen werden können. Damit wird eine Belastung durch kammerfremde Aufgaben ausgeschlossen. Dagegen bleibt es zulässig, dass die Kammern auf Anregung von Bund oder Ländern im Rahmen ihrer freiwilligen Selbstverwaltung Aufgaben übernehmen, die in ihren allgemeinen Aufgabenkreis fallen und ihre Kammerzugehörigen betreffen. Hoheitliche Aufgaben können auf diese Weise aber nicht übernommen werden.
204
Selbst durch Gesetze und Verordnungen können den IHKs nicht beliebige Wirtschaftsverwaltungsaufgaben hoheitlicher Art übertragen werden. Nur solche Aufgaben können übertragen werden, die (1) einen wesentlichen Bezug zu den kammerzugehörigen Unternehmen aufweisen. Darüber hinaus müssen sich die Aufgaben (2) für die Selbstverwaltung eignen.
349 Vgl. Art. 31 GG. 350 Vgl. Rasch, DVBl. 1983, 617.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 208 § 1
Für die Selbstverwaltung geeignete Aufgaben sind die legitimen öffentlichen Auf- 205 gaben im Sinne des BVerfG (s. Rz. 6), an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinne staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss (s. Einführung Rz. 27 ff.). Ein wesentliches Element sind dabei Vorteile, die sich aus der Beteiligung der Betroffenen durch selbst gewählte Organe ergeben, einmal im Sinne einer größeren Sachnähe der Entscheidungen und zum Zweiten durch die gegenüber unmittelbarem staatlichen Zwang freiheitlichere Verwaltungsform351. Allgemeine Grenzen der Aufgabenübertragung sind dort zu finden, wo Eingriffe 206 von hoher Intensität in Grundrechte zu besorgen sind. Unzulässig ist eine Aufgabenübertragung ferner, soweit von dem Verwaltungshandeln auch Nichtmitglieder der IHKs nicht nur am Rande betroffen sind. Auch dürfen gesetzlich oder durch Verordnung übertragene hoheitlichen Aufgaben nicht zu einem Widerspruch zu den Grundsätzen des IHKG, etwa dem Auftrag zur Förderung der IHKzugehörigen Unternehmen, führen. Es wäre beispielsweise nicht zulässig, nach dieser Vorschrift den IHKs die Eintreibung von staatlichen Sonderabgaben für bestimmte gewerbliche Bereiche zu übertragen oder sie für rein administrative Zwecke – insbesondere mit repressivem Charakter – in Anspruch zu nehmen. (vgl. Rz. 4). Bei der Übertragung weiterer Aufgaben ist grundsätzlich davon auszugehen, dass 207 sie den IHKs zur Selbstverwaltung anvertraut werden und deshalb weder Fachaufsicht noch Weisungsrechte staatlicher Behörden begründen352. Lediglich die Rechtsaufsicht wacht über die ordnungsmäßige Erfüllung der übertragenen Aufgaben, der aus dem Kommunalrecht geläufige Begriff des „übertragenen Wirkungskreises“ ist für IHKs insofern irreführend, als dieser mit Fachaufsicht einhergeht, während für die IHKs alleine die Rechtsaufsicht gilt. Die von der Bundesregierung in der Begründung zu Art. 7 Nr. 1 des Entwurfs eines 4. VwVfÄndG353 vertretene Auffassung, wonach regelmäßig eine Fachaufsicht vorgesehen ist, wenn Selbstverwaltungskörperschaften staatliche Aufgaben wahrnehmen, ist bezogen auf die IHKs unzutreffend. Gegenwärtig gibt es in der Praxis keine nach § 1 Abs. 4 übertragenen Aufgaben, 208 die von den IHKs unter Fachaufsicht durchgeführt werden. Das widerspräche der bereits erwähnten Vorschrift des § 11 Abs. 1, die abschließend und für die Länder verbindlich die Aufsicht über die IHKs im Sinne einer Rechtsaufsicht regelt354. 351 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111; Möllering, WiVerw 2006, 261. 352 So ausdrücklich § 11 Abs. 1. 353 BT-Drs. 16/10493, 22. 354 Vgl. Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2007, 122.
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§ 1 Rz. 208 Aufgabenbereich Auch muss den Kammern Raum für eine satzungsrechtliche Regelung der Aufgabe bleiben. Hier liegt nicht selten der Schwerpunkt der Mitwirkung der Betroffenen. Die notwendige demokratische Legitimation kann zwar dazu führen, dass etwa bei Entscheidungen über die Berufszulassung die „statusbildenden Normen“ vom Gesetzgeber selbst festgelegt werden. Auch können sich aus dem europäischen Wettbewerbsrecht staatliche Regelungsvorbehalte ergeben355. Andererseits würden die „Prinzipien der Selbstverwaltung und der Autonomie, die ebenfalls im demokratischen Prinzip wurzeln und die dem freiheitlichen Charakter unserer Sozialordnung entsprechen, nicht ernst genug genommen, wenn der Selbstgesetzgebung autonomer Körperschaften so starke Fesseln angelegt würden, dass ihr Grundgedanke, die in den gesellschaftlichen Gruppen lebendigen Kräfte in eigener Verantwortung zu Ordnung der sie besonders berührenden Angelegenheiten heranzuziehen und ihren Sachverstand für die Findung ‚richtigen‘ Rechts zu nutzen, nicht genügend Spielraum fände“356. 209
Die IHKs werden also durch ihnen übertragene hoheitliche Aufgaben nicht förmlich in die mittelbare Staatsverwaltung eingegliedert, sondern als wirtschaftliche Selbstverwaltungskörperschaften mit Aufgaben betraut, die nach dem Subsidiaritätsprinzip besser von ihnen erledigt werden können. Der Begriff der mittelbaren Selbstverwaltung ist daher immer mit Blick auf die Besonderheiten der Selbstverwaltung zu gebrauchen.
210
Letztlich ist es die Neutralität und Unabhängigkeit bei der Beurteilung insbesondere von Berufsausübungs- oder Berufszulassungsschranken vor allem aus der Gewerbeordnung, die neben Behörden wie Gewerbeämtern einzig die IHKs sicherstellen können. Als regional organisierte Körperschaften des öffentlichen Rechts mit gesetzlicher Mitgliedschaft aller Gewerbetreibenden sind sie in gleicher Weise sowohl gesetzes- und grundrechtsgebunden als auch in der Lage, frei von Branchen- und Partikularinteressen diese Aufgabe in der Fläche leistungsfähig wahrzunehmen. 2. IHK-Tätigkeit in der Wirtschaftsverwaltung: Übersicht
211
Neben den aus § 1 Abs. 2 folgenden Aufgaben der Berufsbildung, der in § 1 Abs. 3 erwähnten Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen sowie dem einheitlichen Ansprechpartner nach § 1 Abs. 3a/Abs. 3b hatte § 1 Abs. 4 in Verbindung mit materiellen Bundesund Landesgesetzen ein überaus weitreichendes Feld von Übertragungen zur Folge. Sie lassen sich in gewerberechtliche (GewO) bzw. gewerberechtsnahe und sonstige Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung strukturieren.
355 EuGH v. 19.2.2002 – C-309/99 – Wouters. 356 BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62 und 308/64, NJW 1972, 1504 (1506).
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 215 § 1
Zudem muss streng unterschieden werden nach den einzelnen Bundesländern, 212 so dass man nicht mehr von einem einheitlichen Korpus der den IHKs übertragenen Aufgaben in Deutschland sprechen kann. Zum wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Aufgabenkanon gehören u.a. finanz- und 213 versicherungsrechtliche Verfahren (Sachkundeprüfung, Erlaubnisverfahren und Registrierung für Versicherungsvermittler, Finanzanlagenvermittler, Honorar-Finanzanlageberater, Immobiliardarlehensvermittler, Immobilienmakler und WEGVerwalter). Hinzu treten Sachkundeprüfungen im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln, die Entgegennahme von Gewerbeanzeigen, Unterrichtung und Sachkundeprüfung im Bewachungsgewerbe, Unterrichtung gemäß Gaststättengesetz, Unterrichtung für Spielgeräteaufsteller sowie Fachkundeprüfungen nach dem Waffengesetz. Eine besonders hervorgehobene Rolle spielt die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen. Zudem schlagen die IHKs Handelsrichter für die Kammern für Handelssachen an den Landgerichten vor. Im Umweltrecht ist den IHKs u.a. die Ausstellung von Prüfbescheinigungen im Rahmen der Chemikalien-Klimaschutz-VO übertragen, hinzu kommt die Registrierung geprüfter Betriebsstandorte. Im Verkehrsrecht gehören zur Verbandskompetenz der IHK: die Prüfung zum Berufskraftfahrer, die Überwachung und Anerkennung der Schulung und die Prüfung von Gefahrgutfahrzeugführern, Lehrgangsanerkennung zur Schulung von Gefahrgutbeauftragten, Sachkundeprüfungen im Güterkraft- und Straßenpersonenverkehr. Die wirtschaftspraktische Bedeutung dieser Aufgabenerfüllung vor Ort ist 214 schwerlich zu überschätzen: Die IHKs nehmen im Jahr (alle Zahlen für 2018) ca. zwischen und 130.000 und 150.000 Sach- und Fachkundeprüfungen ab, wählen aus und betreuen über 8.000 Sachverständige in über 240 Sachgebieten. In den von der IHK-Organisation geführten Registern sind über 230.000 Versicherungsvermittler und 38.000 Finanzanlagenvermittler registriert. Die IHKs haben 15.500 Erlaubnisverfahren für Immobiliardarlehensvermittler abgeschlossen. Die folgenden Einzeldarstellungen zeigen auf, wie sich die übertragenen Aufgaben 215 der IHKs im Laufe der Zeiten geändert haben. Mit der Deregulierung entfielen einzelne Kammeraufgaben, andere kamen z.B. aus europarechtlichen oder verbraucherpolitischen Gründen hinzu. Rechtsgebiete, für die früher nur Kammersatzungen galten, werden durch Gesetze und Verordnungen im Einzelnen geregelt, andere Rechtgebiete wurden gänzlich aus dem Gewerberecht ausgekoppelt. Auch soweit die hoheitlichen Zuständigkeiten bei den IHKs als „zuständiger Stelle“ verbleiben, wirkt sich jede Gesetzesänderung auch auf die Kammerarbeit aus. Insgesamt hat dieser administrative Teil der Kammeraufgaben seine zentrale Bedeutung behalten und sich in den letzten Jahren sogar noch erweitert. Die IHKs treten grundsätzlich für die Wahrung der Gewerbefreiheit als grundlegendem Freiheitsrecht der Wirtschaft ein, Zulassungs- und Ausübungsschranken müssen verhältnismäßig sein. Sie wahren so die Tradition der Gewerbefreiheit, deren deutsche Geschichte mit der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21.6.1869 Wernicke
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§ 1 Rz. 215 Aufgabenbereich vor über 150 Jahren begann und nun vor großen Transformationsherausforderungen steht357. 3. Aufgaben aus der Gewerbeordnung a) Wirtschaftsschutz: Sachkundeprüfung und Unterrichtung im Bewachungsgewerbe, § 34a GewO 216
Das Bewachungsgewerbe, geprägt u.a. durch Veranstaltungsschutz, Begleitung des ÖPNV, Fluggastkontrollen und Objektschutz jeglicher Art ist in Deutschland noch gewerberechtlich und nicht primär sicherheitsrechtlich geregelt: Versuche, aufgrund der zunehmenden Schnittstellen zu den hoheitlichen Einrichtungen wie der Polizei ein allgemeines Sicherheitsdienstleistungsgesetz zu schaffen, hatten bislang keinen Erfolg.
217
Bewachungsgewerbetreibende müssen gem. § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 1a Satz 2 GewO358 bei der Beantragung der Bewachungserlaubnis nachweisen, dass sie eine IHK-Sachkundeprüfung absolviert haben, soweit sie nicht über einen der Sachkundeprüfung gleichgestellten Berufsabschluss verfügen. Näheres zu den Inhalten und zum Verfahren regelt die BewachV359.
218
Seit 2003 ist die Sachkundeprüfung nachzuweisen für eine Vielzahl an Bewachungstätigkeiten, darunter Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr (Citystreife, Bestreifung öffentlicher Parks, Einkaufszentren oder im S-/U-Bahn-Bereich), beim Schutz vor Ladendieben (Kaufhausdetektiv) und der Bewachung im Einlassbereich von gastgewerblichen Diskotheken (Türsteher). Seit Dezember 2016 sind darüber hinaus sachkundepflichtig die leitende Funktion bei der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften (Aufnahmeeinrichtungen bzw. Gemeinschaftsunterkünfte nach Asylgesetz oder andere amtliche Unterbringung von Asylsuchenden oder Flüchtlingen), die leitende Funktion bei der Bewachung von zugangsgeschützten Großveranstaltungen sowie für Gewerbetreibende (Bewachungsunternehmer, GmbH-Geschäftsführer, Betriebsleiter).
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Die Sachkundeprüfung kann nach § 10 BewachV bei jeder Industrie- und Handelskammer abgelegt werden, die diese anbietet. Für die Abnahme der Prüfung errichtet die Industrie- und Handelskammer mindestens einen Prüfungsausschuss. Sie beruft die Mitglieder des Ausschusses sowie den Vorsitzenden und seinen Stell-
357 Dazu di Fabio, GewArch 2019, 257; Stober GewArch 2020, 1. 358 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 22.2.1999, BGBl. I, 202, die zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes v. 17.10.2017, BGBl. I, 3562, geändert worden ist. 359 Bewachungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 10.7.2003, BGBl. I, 1378, die zuletzt durch Art. 1 der Verordnung v. 1.12.2016, BGBl. I, 2692, geändert worden ist.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 223 § 1
vertreter. Die Mitglieder müssen für die Prüfungsgebiete sachkundig und für die Mitwirkung im Prüfungswesen geeignet sein. Um die maßgeblichen Lerninhalte und Lernziele für die Prüfungsteilnehmer 220 transparenter und verbindlicher zu machen, hat die IHK-Organisation einen Rahmenplan erarbeitet. Er zeigt den inhaltlichen Rahmen auf, der durch die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Bewachungsaufgaben in den sachkundepflichtigen Bereichen vorgegeben wird. Der Rahmenplan bezieht sich auf den schriftlichen und mündlichen Prüfungsteil und ist Richtschnur für die Entwicklung der bundeseinheitlichen Aufgabensätze für den schriftlichen Prüfungsteil. Die konkreten Prüfungsfragen orientieren sich am aktuellen Stand der jeweiligen 221 Sachgebiete; dies ist schon in der aktuellen Fortentwicklung beispielsweise der rechtlichen Inhalte oder der Sicherheitstechnik begründet. Neben der Sachkundeprüfung gibt es die Unterrichtung für das Bewachungsper- 222 sonal, § 34a Abs. 1a Satz 1 GewO. Die Unterrichtung ermöglicht eine Beschäftigung als Arbeitnehmer bei einem Sicherheitsunternehmen z.B. in den Tätigkeitsfeldern Objekt-, Werkschutz, Revier-, Streifenwachdienst, Geld-, Werttransport, Empfangsdienst im Objektschutz, Veranstaltungs-Security und Personenschutz. Wie die Sachkundeprüfung erfolgt auch die Unterrichtung durch die IHKs. Die Unterrichtung kann bei jeder IHK erfolgen, die diese Unterrichtung anbietet. Näheres zur Unterrichtung ergibt sich aus §§ 4 ff. BewachV. Bis zum 1.6.2019 war ein Bewacherregister zu errichten, in dem bundesweit Da- 223 ten zu Bewachungsgewerbetreibenden und Bewachungspersonal elektronisch auswertbar zu erfassen und auf dem aktuellen Stand zu halten sind. Näheres ergibt sich aus § 11b GewO i.V.m. Bewacherregisterverordnung (BewachRV)360. Das Bewacherregister wird beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geführt. Die IHK-Qualifikation (Unterrichtung oder Sachkunde) von Gewerbetreibenden und Personal wird ab dem 1.6.2019 ebenfalls über das Register überprüft. Gem. § 11b Abs. 4 GewO stellen die IHKs die Daten in Bezug auf die Qualifikationsnachweise über die in § 32 Abs. 2 S. 1 des Umweltauditgesetzes361 bezeichnete gemeinsame Stelle362 elektronisch zum Abruf für die Registerbehörde bereit. Dabei unterliegen sie der Aufsicht der obersten Landesbehörde. Die Schnittstelle zum DIHK e.V. erfolgt über einen Datenaustausch des Bewacherregisters mit der Datenbank für Unterrichtungen und Sachkundeprüfungen im Bewachungsgewerbe, welche durch den DIHK e.V. betrieben wird; vgl. § 7 Abs. 3 BewachRV. 360 Bewacherregisterverordnung vom 24.6.2019, BGBl. I, 882. 361 Umweltauditgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 4.9.2002, BGBl. I, 3490, das zuletzt durch Art. 13 des Gesetzes v. 27.6.2017, BGBl. I, 1966, geändert worden ist. 362 Gemeinsame Stelle nach § 32 Abs. 2 UAG ist der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK.
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§ 1 Rz. 224 Aufgabenbereich 224
Für die Anerkennung von (EU/EWR-) ausländischen Befähigungsnachweisen ist § 13c GewO zu beachten363. Ggf. ist eine spezifische Sachkundeprüfung bzw. ergänzende Unterrichtung notwendig. Zur Anzeigepflicht der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen vgl. § 13a GewO. b) Versteigerer, § 34b GewO
225
Nach § 34b Abs. 5 GewO364 können besonders sachkundige Versteigerer nach dem Ermessen der zuständigen Stellen allgemein oder für bestimmte Arten von Versteigerungen öffentlich bestellt werden. Sie sind darauf zu vereidigen, dass sie ihre Aufgaben gewissenhaft und unparteilich erfüllen. § 34b Abs. 5 GewO ist keine Zulassungsregelung, weil auch ohne eine solche öffentliche Bestellung das Versteigerergewerbe aufgrund einer Erlaubnis ausgeübt werden kann365. Die Bestellung ist vielmehr mit der öffentlichen Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zu vergleichen, so dass es möglich ist, die öffentliche Bestellung und Vereidigung eines Versteigerers von der Erfüllung bestimmter sachlicher und persönlicher Voraussetzungen und von dem Vorhandensein eines abstrakten Bedürfnisses abhängig zu machen. Gegenwärtig sind die IHKs nur in einigen Bundesländern als zuständige Stelle i.S.v. § 34b Abs. 5 GewO bestimmt366. In den anderen Ländern werden die IHKs gutachtlich vor der öffentlichen Bestellung durch staatliche Behörden gehört367. c) Immobilienmakler, Darlehensvermittler, Bauträger oder Baubetreuer, Wohnimmobilienverwalter, § 34c GewO
226
Gewerbetreibende, die sich als Immobilienmakler, Darlehensvermittler, Bauträger oder Baubetreuer selbstständig machen möchten, benötigen neben der Gewerbeanmeldung nach § 14 GewO eine gewerberechtliche Erlaubnis nach § 34c GewO. Die Voraussetzungen sind derzeit für alle Tätigkeiten gleich. Neben dem Nachweis der Zuverlässigkeit anhand eines Führungszeugnisses und einer Auskunft aus dem 363 Siehe dazu im Einzelnen auch die Ausführungen in Nr. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des § 34 a der Gewerbeordnung und zur Bewachungsverordnung (BewachVwV), abgedruckt in Landmann/Rohmer (Hrsg.), GewO, Band II Nr. 241. 364 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 22.2.1999, BGBl. I, 202, die zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes v. 17.10.2017, BGBl. I, 3562, geändert worden ist. 365 Vgl. BVerwG v. 30.12.1965 – I B 37/65, GewArch 1966, 94; LG Mannheim v. 26.4.1993 – 24-0-204/92, GewArch 1993, 476; allgemein dazu Bleutge, WiVerw 1987, 218; Ernst, GewArch 1991, 51; Brocki, GewArch 1961, 27; Jahn, GewArch 1993, 457; Schönleiter, GewArch 2000, 49. 366 So in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. 367 Zum Nachweis besonderer Sachkunde VGH Mannheim v. 14.2.1989 – 14 S 89/87, GewArch 1989, 163; VG Karlsruhe v. 14.2.1990 – 7 K 302/89, GewArch 1990, 171.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 230 § 1
Gewerbezentralregister (beides zur Vorlage bei einer Behörde zu beantragen) ist das Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse weitere Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis. Die Tätigkeit als gewerblicher Wohnimmobilienverwalter ist seit dem 1.8.2018 227 ebenfalls erlaubnispflichtig nach § 34c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GewO. Neben den bereits genannten Erlaubnisvoraussetzungen muss der Wohnimmobilienverwalter zudem den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung erbringen. Immobilienmakler und Wohnungseigentumsverwalter sind seit dem 1.8.2018 zu- 228 dem verpflichtet, sich in einem Umfang von 20 Stunden innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren weiterzubilden. Das Gleiche gilt entsprechend für unmittelbar bei der erlaubnispflichtigen Tätigkeit mitwirkende beschäftigte Personen. Näheres dazu ergibt sich aus der Makler- und Bauträgerverordnung368. Die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung und die Überprüfung des Vorliegens der Erlaubnisvoraussetzungen sowie der Einhaltung der Weiterbildungsverpflichtung ergibt sich aus Landesrecht. In einigen Bundesländern sind die IHKs zuständig für die Erlaubniserteilung und damit auch für die Überprüfung der Weiterbildungsverpflichtung369.
229
d) Versicherungsvermittler und -berater, § 34d GewO Wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den 230 Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will (Versicherungsvermittler), bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer, § 34d Abs. 1 GewO. Die Erlaubnis kann inhaltlich beschränkt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der Versicherungsnehmer erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen sind auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. § 34d GewO wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts mit Wirkung vom 22.5.2007 eingefügt370. Mit ihm wurde der bislang frei zugängliche Beruf des Versicherungsvermittlers unter Erlaubnisvorbehalt gestellt. Die inhaltlichen Vorgaben des § 34d GewO entsprechen den Vorgaben der EU-Richtlinie 2002/92/EG über Versicherungsvermittlung371. Die neuen Regelungen führten zu 368 Makler- und Bauträgerverordnung in der Fassung der Bekanntmachung v. 7.11.1990, BGBl. I, 2479, die zuletzt durch Art. 1 der Verordnung v. 9.5.2018, BGBl. I, 550, geändert worden ist. 369 Voraussichtlich ab 2019/2020 die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. 370 Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts v. 19.12.2006, BGBl. I, 3232. 371 EU-Richtlinie 2002/92/EG über Versicherungsvermittlung v. 9.12.2002, ABl. EG 2003 Nr. L 9, 3. Die Begründung zum Gesetzentwurf, die Gegenäußerung des Bundesrates und die Stellungnahme der Bundesregierung hierzu finden sich in BT-Drs. 16/1935 =
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§ 1 Rz. 230 Aufgabenbereich einer umfassenden Reform des Berufs des Versicherungsvermittlers in Deutschland. Für die Vermittlung von Versicherungen gab es bis dahin keinerlei Zulassungs- und Berufsausübungsbeschränkungen, vielmehr galt die uneingeschränkte Gewerbefreiheit. Unter die Vorschriften fallen nicht nur Versicherungsvermittler sondern auch Versicherungsberater, § 34d Abs. 2 GewO. 231
Die Erlaubniserteilung wird von persönlichen Anforderungen abhängig gemacht. Für die Erlaubniserteilung müssen gem. § 34d Abs. 5 GewO folgende vier Voraussetzungen des Antragstellers erfüllt sein: Persönliche Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung, Nachweis der Sachkunde. Dafür ist das Ablegen einer IHK-Sachkundeprüfung erforderlich, sofern der Gewerbetreibende nicht über einen der Sachkundeprüfung gleichgestellten Berufsabschluss verfügt372.
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Auf Antrag können sich solche Gewerbetreibende von der Erlaubnispflicht befreien lassen, die Versicherungen als Ergänzung zu im Rahmen einer Haupttätigkeit gelieferten Waren oder Dienstleistungen („produktakzessorisch“) vermitteln373. Produktakzessorische Vermittler müssen sich allerdings trotz Erlaubnisbefreiung registrieren lassen. Keiner Erlaubnis bedürfen die sog. „gebundenen Versicherungsvertreter“. Diese arbeiten nur für ein Versicherungsunternehmen bzw. für mehrere, wobei die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz stehen. Die Erlaubnispflicht entfällt allerdings nur, wenn durch das oder die Versicherungsunternehmen die uneingeschränkte Haftung für die Vermittlertätigkeit übernommen wird (vgl. § 34d Abs. 7 GewO). Die Registerpflicht besteht indes auch für solche gebundenen Vermittler.
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Ausgenommen von der Erlaubnis- und Registrierungspflicht sind Gewerbetreibende, die nicht hauptberuflich Versicherungen vermitteln, die Prämie bei zeitanteiliger Berechnung auf Jahresbasis einen Betrag von 600 Euro nicht übersteigt und die übrigen Voraussetzungen des § 34d Abs. 8 Nr. 1 GewO erfüllt sind. Weitere Ausnahmen ergeben sich für Bausparkassen und Vermittler von Restschuldversicherungen374.
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Nach Aufnahme ihrer Tätigkeit müssen sich Versicherungsvermittler und -vertreter in ein Online-Register eintragen lassen (www.vermittlerregister.info)375. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob der Vermittler einer Erlaubnis bedarf, auf Antrag befreit wird oder keine Erlaubnis benötigt. Für die Registerführung sind die Industrie- und Handelskammern zuständig, § 11a GewO. Gemäß
372 373 374 375
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BR-Drs. 303/06, 16/1935 und 2475; der Bundestag nahm am Entwurf noch einige Änderungen vor, die mit jeweiliger Begründung im Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 16/3162, zu finden sind. Vgl. im Einzelnen § 34d Abs. 6 GewO. Vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen § 34d Abs. 6 GewO. Vgl. § 34d Abs. 8 Nr. 2 und 3 GewO. § 11a iVm § 34d Abs. 10 GewO.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 238 § 1
§ 11a Abs. 1 GewO bedienen sie sich dazu der in § 32 Abs. 2 Umweltauditgesetz bezeichneten „gemeinsamen Stelle“. Das ist nach den zwischen den IHKs unter Beteiligung der Handwerkskammern getroffenen Vereinbarungen zum Umweltauditgesetz der DIHK e.V. Die IHKs sind nicht nur für die Erteilung der Erlaubnis nach § 34d GewO, son- 235 dern auch für deren Rücknahme und Widerruf zuständig. Unterschiedlich wird bewertet, inwieweit sie auch für die Überwachung der Versicherungsvermittler und -berater, zur Untersagung der Versicherungsvermittlung nach § 156 Abs. 2 Satz 2 GewO und zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 144 bis § 146 GewO zuständig sein sollen. Bei der Übertragung der Aufgaben nach § 11a, § 34d GewO auf die IHKs bestand rechtspolitische Einigkeit, dass diese Aufgaben nicht auf die Kammern übertragen werden sollten, denn die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch die IHKs entspricht nicht dem Selbstverständnis wirtschaftlicher Selbstverwaltung. Gleichwohl sind in einigen Bundesländern die IHKs aufgrund von landesrechtlichen Vorschriften für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten zuständig376. Die Abnahme der Sachkundeprüfung liegt ebenfalls in der Zuständigkeit der 236 IHKs (§ 34d Abs. 5 Nr. 4 GewO). Die Einzelheiten sind in Abschnitt 1 der Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV)377 geregelt. Die IHKs errichten zu diesem Zweck Prüfungsausschüsse. Zu beachten ist die Regelung über die Auswahl der schriftlichen Prüfungsaufgaben, die in § 3 Abs. 3 VersVermV einen bundesweit einheitlich tätigen Aufgabenauswahlausschuss vorschreibt. Der Aufgabenauswahlausschuss ist ein weiteres Beispiel der spezialgesetzlich geregelten bundesweiten IHK-Kooperation378. Weitere Einzelheiten zur Sachkundeprüfung, zum Vermittlerregister, zu den An- 237 forderungen an die Haftpflichtversicherung, zu Informationspflichten und zur Zahlungssicherung des Gewerbetreibenden zugunsten des Versicherungsnehmers sowie zur Überwachung des Provisionsannahmeverbots für Versicherungsberater finden sich in der VersVermV und der zugehörigen Kommentarliteratur379. Für die Anerkennung von (EU/EWR-) ausländischen Befähigungsnachweisen ist § 13c GewO zu beachten. Ggf. ist eine spezifische Sachkundeprüfung notwendig. Zum 23.2.2018 musste die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.1.2016 zum Versicherungsvertrieb in deutsches Recht um376 So in Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. 377 Versicherungsvermittlungsverordnung v. 15.5.2007, BGBl. I, 733, 1967, die zuletzt durch Art. 98 des Gesetzes v. 29.3.2017, BGBl. I, 626, geändert worden ist. 378 Vgl. zum Ganzen Jahn/Klein, DB 2007, 957; Schönleiter, GewArch 2007, 265; Klopp et al., Neue Regeln für Versicherungsvermittler, DIHK 2007. 379 Landmann/Rohmer/Schönleiter zu § 34d; Schönleiter, GewArch 2007, 265; vgl. auch Adjemian/Dening/Klopp/Kürn/Moraht/Neuhäuser, GewArch 2009, 137 und 186; Moraht, GewArch 2010, 186 ff.; vgl. auch MAH/VerwR/Moraht, 4. Auflage, § 14 Rz. 50 ff.
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§ 1 Rz. 238 Aufgabenbereich gesetzt werden. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie vom 20.7.2017380 wurden die notwendigen gesetzlichen Änderungen in der Gewerbeordnung sowie im Versicherungsvertrags- und im Versicherungsaufsichtsgesetz vorgenommen. Das Gesetz ist am 23.2.2018 in Kraft getreten381. Die IHKs sind danach als Erlaubnisbehörden auch für die Überprüfung der Einhaltung der Weiterbildungspflicht der Gewerbetreibenden zuständig. e) Finanzanlagenvermittler, § 34f GewO 239
Durch das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts v. 12.12.2011382 sollte im Bereich der gewerblichen Finanzanlagenvermittlung der Anlegerschutz gestärkt werden. Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für den gewerblichen Vertrieb von Finanzanlagen sind seit dem 1.1.2013 gem. § 34f Abs. 2 Nr. 1-4 GewO Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, eine IHK Sachkundeprüfung383 sowie eine Berufshaftpflichtversicherung. Darüber hinaus sind die Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten des Sechsten Abschnitts des Wertpapierhandelsgesetzes auf gewerbliche Finanzanlagenvermittler übertragen worden. Näheres dazu ergibt sich aus der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV)384.
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Finanzanlagenvermittler müssen sich in dem von den IHKs geführten Vermittlerregister (www.vermittlerregister.info) registrieren lassen (§ 11a GewO). Wie bei den Versicherungsvermittlern fungiert auch hier der DIHK als gemeinsame Stelle. Ein Notifikationsverfahren für grenzüberschreitende Tätigkeiten gibt es hier – anders als für Versicherungsvermittler – nicht, da die Regelungen für Finanzanlagenvermittler allein auf Vorgaben des nationalen Gesetzgebers basieren und nicht auf einer EU-Richtlinie.
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Die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten richtet sich nach Landesrecht. In Betracht kommen hier staatliche Stellen oder die Industrie- und Handelskammern. Die IHKs sind für die Erlaubniserteilung in mehreren Bundesländern zuständig385. Für die Registrierung sind bundes380 BGBl. I, 2017 v. 28.7.2017, 2789 ff. 381 Zahlreiche Details müssen noch durch Rechtsverordnung auf Grundlage des § 34e GewO geregelt werden. Sie sind Gegenstand des Verordnungsentwurfs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie. 382 BGBl. I, 2481. 383 Soweit der Gewerbetreibende nicht über einen der IHK-Sachkundeprüfung gleichgestellten Berufsabschluss verfügt oder unter die sog. „Alte-Hasen-Regelung“ für bereits praktizierende Vermittler fällt. 384 Finanzanlagenvermittlungsverordnung v. 2.5.2012, BGBl. I, 1006, die zuletzt durch Art. 3 der Verordnung v. 28.4.2016, BGBl. I, 1046, geändert worden ist. 385 Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
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weit die IHKs zuständig. Soweit sie allein für die Registrierung, nicht aber für die Erlaubniserteilung zuständig sind, erhalten sie die in das Vermittlerregister einzutragenden Daten von der zuständigen Erlaubnisbehörde. Die Erlaubnisbehörde, in einigen Bundesländern also die IHK, ist auch zuständig für die Überprüfung der Prüfberichte, die der Gewerbetreibende der Erlaubnisbehörde gem. § 24 FinVermV jährlich einzureichen hat. Diskutiert wird die Übertragung der Aufsicht der Finanzanlagenvermittler auf die 242 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wobei ein neuer Erlaubnistatbestand im WpHG geschaffen, die §§ 34f bis 34h außer Kraft treten sowie die materiellen Vorgaben ohne Rückgriff auf Wirtschaftsprüfer überprüft würden. f) Honorar-Finanzanlagenberater, § 34h GewO Mit dem Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Fi- 243 nanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz)386 wurde zusätzlich zur bisherigen Anlageberatung unter dem Begriff der Honorar-Anlageberatung eine neue gesetzlich definierte Form der Anlageberatung geschaffen. An diese Dienstleistung werden Anforderungen gestellt, die über die Anforderungen an die herkömmliche Anlageberatung hinausgehen: So wird das Zuwendungsverbot nach § 31 d Wertpapierhandelsgesetz ausgeweitet, indem die Honorar-Anlageberatung nur gegen Honorar des Kunden erbracht werden darf. In Fällen, in denen bestimmte Finanzinstrumente nicht provisionsfrei am Markt erhältlich sind, ist es dem Anlageberater im Zusammenhang mit der Honorar-Anlageberatung erlaubt, Zuwendungen von Dritten anzunehmen, wenn diese unverzüglich und grundsätzlich ungemindert an den Kunden weitergeleitet werden. Der Honorar-Anlageberater muss sich einen hinreichenden Marktüberblick verschaffen, den er seiner Empfehlung zugrunde legt. Ferner darf er sich nicht auf eigene oder auf solche Finanzinstrumente beschränken, die von ihm nahestehenden Anbietern oder Emittenten angeboten werden. Das Gesetz orientiert sich insoweit am Vorschlag der Europäischen Kommission zur Neufassung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)387 die unter dem Begriff „unabhängige Beratung“ ein vergleichbares Konzept für die honorargestützte Anlageberatung verfolgt. Die Regelungen für die Anlageberatung über Finanzinstrumente nach dem Wertpapierhandelsgesetz wurden ergänzt durch Regelungen für gewerbliche Finanzanlagenberater, die über Finanzinstrumente beraten, die in die Bereichsausnahme nach dem Kreditwesengesetz fallen.
386 Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz) v. 15.7.2013, BGBl. I, 2390. 387 Markets in Financial Instruments Directive, MiFID II v. 15.5.2014; ABl. EU L 173 v. 12.6.2014, S. 349.
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§ 1 Rz. 244 Aufgabenbereich 244
Honorar-Finanzanlagenberater benötigen eine eigenständige gewerberechtliche Erlaubnis gem. § 34h GewO. Die Voraussetzungen für deren Erteilung sind wie beim gewerblichen Finanzanlagenvermittler Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, eine IHK Sachkundeprüfung388 sowie eine Berufshaftpflichtversicherung. Der Berater darf keine Zuwendungen Dritter entgegennehmen bzw. hat diese an seinen Kunden ungemindert auszukehren. Vorschriften über die Entrichtung von Steuern und Abgaben bleiben hiervon unberührt. Die für gewerbliche Finanzanlagenvermittler bestehenden Pflichten gelten auch für den Honorar-Finanzanlagenberater; auch er wird in das von den IHKs geführte zentrale Register eingetragen (§ 11a GewO). Gemeinsame Registerstelle ist auch hier der DIHK. Neun Bundesländer haben derzeit den regionalen IHKs die Aufgabe übertragen die gewerberechtlichen Erlaubnisvoraussetzungen als zuständige Behörde zu prüfen und bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erlaubnis zu erteilen. g) Immobiliardarlehensvermittler, § 34i GewO
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Durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie389 wurden der Gewerbeordnung nach den Vorgaben der Richtlinie die Voraussetzungen für die Erteilung einer gewerberechtlichen Erlaubnis für die Vermittlung von Immobilienkrediten verschärft. Dazu wurde mit dem neuen § 34i GewO ein eigenständiger Erlaubnistatbestand in der Gewerbeordnung geschaffen. Ebenso wie für Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler gehören zu den Erlaubnisvoraussetzungen das Erfordernis der Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, eine IHK Sachkundeprüfung390 sowie eine Berufshaftpflichtversicherung. Des Weiteren wurde eine Registrierungspflicht für Immobilienkreditvermittler eingeführt. Wie bei den Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlern fungiert auch hier der DIHK als gemeinsame Stelle für das Register. Zwar ist bei den Immobiliardarlehensvermittlern das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die zuständige Stelle für das sog. Notifikationsverfahren (siehe dazu unter „Versicherungsvermittler“), dem DIHK kommt hier gleichwohl eine eigenständige Rolle zu, indem die Daten in einem „Register für grenzüberschreitende Tätigkeiten“ zu veröffentlichen sind. Dieses Register ist „angedockt“ an das Vermittlerregister. Insofern ist der DIHK für die Veröffentlichung der ihm vom BAFA zugespielten Daten der Gewerbetreibenden, die in diesem Bereich grenzüber388 Soweit der Gewerbetreibende nicht über einen der IHK-Sachkundeprüfung gleichgestellten Berufsabschluss verfügt oder wegen vorangehender mehrjähriger Tätigkeit als Finanzberater freigestellt wird. 389 Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie v. 11.3.2016, BGBl. I, 396. 390 Soweit der Gewerbetreibende nicht über einen der IHK-Sachkundeprüfung gleichgestellten Berufsabschluss verfügt oder unter die sog. „Alte-Hasen-Regelung“ für bereits praktizierende Vermittler fällt.
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schreitende Tätigkeiten – im Wege der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit – ausüben, verantwortlich. Der Honorar-Immobiliardarlehensberater muss zusätzlich bei der Beratung einen 246 ausreichenden Marktüberblick zugrunde legen und darf sich die Erbringung der Beratungsleistung allein durch Zuwendungen des Kunden (Honorar) entgelten lassen. Die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung und Verfolgung von Ordnungswid- 247 rigkeiten richtet sich nach Landesrecht. In Betracht kommen hier staatliche Stellen oder die Industrie- und Handelskammern391. Für die Registrierung sind bundesweit die IHKs zuständig. Soweit sie allein für die Registrierung, nicht aber für die Erlaubniserteilung zuständig sind, erhalten sie die in das Vermittlerregister einzutragenden Daten von der zuständigen Erlaubnisbehörde. Näheres zu den Berufsausübungsvorschriften ergibt sich aus der Immobiliardar- 248 lehensvermittlungsverordnung (ImmVermV)392, die mit Detailregelungen insbesondere zu Informations- und Dokumentationspflichten des Vermittlers, zur Sachkunde, zur Berufshaftpflichtversicherung, zur Vergütungsstruktur der beim Vermittler beschäftigten Personen und zur grenzüberschreitenden Verwaltungszusammenarbeit die Vorschriften der Gewerbeordnung ergänzen soll. h) Sachverständige, § 36 GewO Besondere Bedeutung im Aufgabenkanon der IHKs hat die öffentliche Bestellung 249 und Vereidigung von Sachverständigen, welche den Kammern im Rahmen von § 36 GewO i.V.m. § 1 Abs. 4 durch Landesrecht übertragen worden ist393. Für diesen Aufgabenbereich erübrigt sich deshalb eine besondere Vorschrift im IHKG, wie sie früher im Preußischen IHKG (§ 42 Abs. 1) und in anderen Landesgesetzen üblich war. § 36 GewO ist der wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklung mehrfach angepasst worden394. Hervorzuheben sind das Gesetz vom 24.4.1986395, das eine subsidiäre Ermächtigung für die Sachverständigenordnungen der Kammern brach-
391 Die IHKs sind für die Erlaubniserteilung derzeit in acht Bundesländern zuständig: Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. 392 Immobiliardarlehensvermittlungsverordnung v. 28.4.2016, BGBl. I, 1046. 393 Allgemein Schoenau in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2015, 24. 394 Zur Gesetzesgeschichte vgl. Bleutge in Landmann/Rohmer (Hrsg.), Gewerbeordnung GewO, § 36 Anm. 1–9. 395 BGBl. I, 560.
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§ 1 Rz. 250 Aufgabenbereich te396, und das Gesetz vom 23.11.1994397, das die bis dahin übliche konkrete Bedürfnisprüfung abschaffte398. Seitdem besteht ein Rechtsanspruch auf Bestellung zum Sachverständigen, sofern abstrakt überhaupt ein Bedürfnis für eine solche Sachverständigentätigkeit festgestellt werden kann und sich die fachlichen Voraussetzungen auf dem betreffenden Sachgebiet so konsolidiert haben, dass man von allgemein anerkannten Regeln ausgehen kann. Außerdem ist der Kreis der Personen, die zu Sachverständigen bestellt werden können, auf Freiberufler, Beamte und Angestellte erweitert worden399. 251
Gemäß § 36 Abs. 1 GewO können Personen, die als Sachverständige tätig sind oder tätig werden wollen, durch die von den Landesregierungen bestimmten Stellen nach deren Ermessen für bestimmte Sachgebiete öffentlich bestellt werden, wenn sie besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen. Gemäß § 36 Abs. 2 GewO gilt dies auch für Probenehmer, Zähler, Wäger und Personen, die ähnliche Aufgaben erfüllen. Wegen der Einzelheiten zum Sachverständigenwesen kann auf die umfangreiche Spezialliteratur verwiesen werden400. Im Nachfolgenden werden nur die für das Handeln der IHKs wesentlichen Strukturen benannt.
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Die von den Landesregierungen bestimmten Stellen sind grundsätzlich die IHKs. Für handwerkliche Erzeugnisse und Leistungen obliegt die Sachverständigenbestellung den Handwerkskammern401. Für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaus sind die Landwirtschaftskammern oder staatliche Landwirtschaftsbehörden zuständig, was auf Art. XI
396 Wegen VerfGH München v. 28.7.1983 – Vf. 20-VII-81, GewArch 1984, 55; OVG Nordrhein-Westfalen v. 21.4.1983 – 4 A 928/82, GewArch 1983, 334. 397 BGBl. I, 3475. 398 Wegen BVerfG v. 25.3.1992 – 1 BvR 298/86, BVerfGE 86, 28. 399 Marks, GewArch 1994, 444; Bleutge, GewArch 1994, 447; Frotscher, NVwZ 1996, 33, 36. 400 Insbesondere zu nennen ist der Kommentar Landmann/Rohmer (Hrsg.), GewO (Loseblatt, Stand 2018), der auch die gesamte Rechtsprechung sowie weiterführende Literatur umfasst, ergänzend: Bayerlein (Hrsg.), Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 5. Auflage 2015; Bleutge, GewArch 2007, 184; Jessnitzer/Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007; Stober, Der öffentlich bestellte Sachverständige zwischen beruflicher Bindung und Deregulierung, 1991; Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, 2005; Ein aktueller Überblick zur Rechtsprechung findet sich jeweils in den Aufsätzen von Bleutge, GewArch 1976, 363; 1980, 313; 1986, 145; 1990, 113; 2008, 9; 2011, 287; 2014, 49 und 2017, 266. 401 § 91 Abs. 1 Nr. 8 HwO; zur Tragweite vgl. BGH v. 28.6.1984 – I ZR 93/82, GewArch 1984, 386; dazu Heck, GewArch 1985, 71; auch die Neufassung dieser Bestimmung durch Gesetz v. 28.6.1990, BGBl. I, 1221, 1245, beschränkt den handwerklichen Sachverständigen auf die Beurteilung handwerklicher Leistungen.
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Abs. 3 der 4. Novelle zur Gewerbeordnung vom 5.2.1960402 zurückgeht403. In bestimmten Bereichen des Hochbaus haben in einzelnen Bundesländern noch Architektenkammern sowie Ingenieurkammern für Ingenieurtätigkeiten die konkurrierende Zuständigkeit zur Sachverständigenbestellung404; in den anderen Ländern sehen die Landesgesetze über Architekten- oder Ingenieurkammern lediglich deren Mitwirkung bei der Sachverständigenbestellung oder auch nur die Benennung von Sachverständigen vor405. Von dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nach § 36 253 GewO sind die amtlichen oder amtlich anerkannten Sachverständigen zu unterscheiden, die aufgrund von Bundes- oder Landesgesetzen für bestimmte Prüfungsaufgaben zugelassen („zertifiziert“) werden und meist in speziellen Überwachungsorganisationen zusammengefasst sind406. Als Beispiele sind das Kraftfahrzeugsachverständigengesetz, das Eichgesetz und die Landesgesetze über die Landvermessung zu nennen; als Überwachungsorganisationen sind die Technischen Überwachungsvereine und die DEKRA am bekanntesten407. Dazu sind mit dem Umweltauditgesetz noch die Umweltgutachter gekommen. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber in die amtlichen Überprüfungen durch Prüfungsorganisationen teilweise auch öffentlich bestellte Sachverständige einbezieht408. Die IHKs sind durch entsprechende Landesgesetze oder Landesverordnungen da- 254 zu ermächtigt worden, Sachverständige im Rahmen des § 36 GewO zu bestellen und zu vereidigen. Auch durch die mehrfache Neufassung des § 36 GewO hat sich an der gesetzlichen Zuständigkeit der IHKs nichts geändert. Art. XI Abs. 2 Nr. 1 der 4. Novelle zur Gewerbeordnung vom 5.2.1960409 bestimmte, dass die Vorschriften der Länder über die Zuständigkeit, d.h. die entsprechenden Bestimmungen der Landeskammergesetze, in Kraft bleiben, solange von der Ermächtigung nicht anderweitig Gebrauch gemacht wird. Soweit einzelne Bundesländer inzwi402 BGBl. I, 61. 403 Vgl. im Übrigen Landmann/Rohmer (Hrsg.), GewO, § 36 Anm. 51/53 und II Nrn. 272/273. 404 Allgemein Ennuschat, Die Zuständigkeit der Industrie- und Handelskammern für die Bestellung von Sachverständigen in Kluth (Hrsg.), Hb des Kammerrechts 2015, 13, auch zur Bestellungsbefugnis der Sächsischen Architekten- und Ingenieurkammer, sowie Schoenau, Die Zuständigkeit der Industrie- und Handelskammern für die Bestellung von Sachverständigen, ebd. 25. 405 Zum Überblick über die Zuständigkeiten nach § 36 GewO siehe Rickert in Pielow (Hrsg.), BeckOK GewO § 36 Rz. 13–16.1.; vgl. auch Ennuschat, WiVerw 2015, 61. 406 Vgl. § 36 Abs. 5 GewO; hoheitliche Tätigkeit BGH v. 30.11.1967 – VII ZR 34/65, BGHZ 49, 108. 407 Beliehene Verbände – BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 10.88, GewArch 1990, 355. 408 § 5 Altfahrzeug-Verordnung; Anhang I Verpackungsverordnung; §§ 6, 10 TEHG; § 11 ElektroG; § 558a BGB; § 641a BGB; § 7 SpielV; § 21 EnEV. 409 BGBl. I, 61.
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§ 1 Rz. 254 Aufgabenbereich schen Rechtsverordnungen erlassen haben, bestätigen sie die Kammern in ihrem bisherigen Aufgabenbereich, der die Masse der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen umfasst. aa) Öffentliche Bestellung – Voraussetzungen 255
Aus § 36 Abs. 1 GewO ergibt sich lediglich, dass die öffentliche Bestellung und Vereidigung für ein bestimmtes Sachgebiet erfolgt, dass sie den Nachweis einer besonderen Sachkunde des Sachverständigen voraussetzt und dass keine Bedenken gegen dessen Eignung bestehen dürfen; außerdem wird die Eidesformel festgelegt. Die näheren Einzelheiten über die Voraussetzungen, die Bestellung, die Pflichten des Sachverständigen und das Erlöschen der Bestellung ergeben sich nicht aus dem Gesetz, sondern können von den Landesregierungen aufgrund der Ermächtigung in § 36 Abs. 3 GewO durch Rechtsverordnung geregelt werden. Von dieser Verordnungsermächtigung ist jedoch kein Gebrauch gemacht worden, weil die Kammern in Form von Satzungsrecht alle einschlägigen Fragen geregelt haben.
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Die Satzungsgewalt der Kammern in diesem Bereich war ursprünglich umstritten410. Nunmehr ist die Satzungsgewalt der Kammern in diesem Bereich ausdrücklich durch § 36 Abs. 4 GewO anerkannt411. Der Umfang der Satzungsgewalt ergibt sich aus § 36 Abs. 3 GewO; diese detaillierte Aufzählung der Regelungsmaterien erlaubt es, auch Nicht-Kammerzugehörige (Freiberufler, Beamte, Angestellte) dem Satzungsrecht der Kammer zu unterwerfen (s. Rz. 201 ff., 205). Als Rechtsvorschriften sind die Sachverständigenordnungen der Kammern von den jeweiligen Vollversammlungen zu beschließen und auch im Bekanntmachungsorgan der Kammer zu verkünden; einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf es nicht.
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Die Sachverständigenordnungen der Kammern stimmen weitgehend und wörtlich mit der Mustersachverständigenordnung des DIHK überein, die regelmäßig der Praxis und vor allem der Rechtsprechung angepasst und weiterentwickelt wird412. Im Einzelnen sind die Pflichten des Sachverständigen auch noch durch Muster-Richtlinien des DIHK konkretisiert. Ergänzend hat der DIHK mit Hilfe des Instituts für Sachverständigenwesen (IfS) für die wichtigsten Sachverständigenzweige noch besondere fachliche Bestellungsvoraussetzungen entwickelt, welche Vorbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten des Sachverständigen als Voraussetzung für seine Bestellung im Einzelnen aufführen und eine gleichmäßige Be-
410 Bay. VerfGH v. 28.7.1983 – Vf. 20-VII-81, GewArch 1984, 55; BVerwG v. 27.6.1974 – I C 10/73, BVerwGE 45, 235. 411 Diese Bestimmung wurde durch Art. 3 des Ersten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 24.4.1986, BGBl. I, 560 eingefügt. 412 Vgl. Bleutge, Sachverständige, 45; Rickert, BeckOK GewO, § 36.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 258 § 1
urteilung der Anträge wie ein hohes Niveau der Sachkunde sichern413. Für viele Sachbereiche sind darüber hinaus bei den Kammern überregionale Fachgremien errichtet worden, welche sich aufgrund bisheriger Gutachten, schriftlicher Aufgaben, praktischer Übungen und eines Fachgesprächs über die besondere Sachkunde eines Antragstellers vergewissern und gegenüber der bestellenden Kammer dazu gutachtlich Stellung nehmen414. Die Rechtsprechung hat diese von den Kammern entwickelten Voraussetzungen 258 für die öffentliche Bestellung und Vereidigung, die in besonderem Maße dem gesamtwirtschaftlichen Interesse an zuverlässigen und qualifizierten Sachverständigen Rechnung tragen, weitestgehend bestätigt. Eine Ausnahme sind die Altersgrenzen, die in der früheren Rechtsprechung zwar wiederholt akzeptiert wurden415, aber 2012 vom BVerwG – nachdem dieses zunächst vom BVerfG aufgehoben wurde – auf der Basis des neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) als rechtswidrig angesehen wurden416. Die Rechtsprechung hat insbesondere den strengen Maßstab der Kammern an den Nachweis der besonderen Sachkunde und das Erfordernis überdurchschnittlichen Fachwissen bestätigt; die normalerweise für die Ausübung einer Tätigkeit notwendigen Kenntnisse reichen nicht aus417. Auch an die persönliche Eignung werden hohe Anforderungen gestellt; dazu gehören Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und geordnete Ver413 BVerwG v. 24.6.1975 – I C 23.73, GewArch 1975, 333; OVG Schleswig-Holstein v. 20.2.1992 – 3 L 20/91, GewArch 1992, 234. 414 Bay. VGH v. 14.12.1972 – 168 VI 71, GewArch 1974, 21; VG Regensburg v. 25.3.1996 – RN 5 K 94.327, GewArch 1996, 280 – Prüfung nur, wenn schriftliche Unterlagen nicht ausreichen. 415 Mindestens 30 Jahre, höchstens 68 Jahre – BVerfG v. 4.5.1983 – 1 BvL 46/80, 47/80, GewArch 1983, 258 und BVerfG v. 16.12.1990 – 1 BvR 1280/90, GewArch 1991, 103; Bay. VerfGH v. 28.7.1983 – Vf. 20-VII-81, GewArch 1984, 55 und BayVerfGH v. 12.5.1989 – Vf 6 -VII-87, GewArch 1989, 236; BVerwG v. 6.6.1963 – I B 11/63, GewArch 1963, 224; Nds. OVG v. 26.11.1975 – VII OVG A 71/75, GewArch 1976, 126; OVG Berlin v. 17.2.1977 – OVG I S 1.77 und OVG Berlin v. 4.1.1978 – OVG I S 163.77, GewArch 1978, 293; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.12.1980 – 13 A 1161/80, GewArch 1981, 221; VGH Mannheim v. 11.2.1993 – 14 S 922/92, GewArch 1993, 199, aber auch die Befristung von Sachverständigenbestellungen OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.1.1966 – IV A 565/65, GewArch 1966, 251 und OVG Nordrhein-Westfalen v. 21.1.1969 – IV A 1274/67, GewArch 1969, 155. 416 BVerwG v. 1.2.2012 – 8 C 24/11, GewArch 2012, 203, Altersgrenze für Sachverständige, der geordnete Rechtsverkehr ist kein nach § 10 AGG erlaubtes sozialpolitisches Ziel. 417 BVerwG v. 11.12.1972 – I C 5/71, GewArch 1973, 263; BVerwG v. 27.6.1974 – I C 10/73, BVerwGE 45, 235; Nds. OVG v. 15.6.1977 – VII OVG A 151/75, GewArch 1977, 377; OVG Rheinland-Pfalz v. 27.6.1979 – 2 A 83/77, GewArch 1979, 331; OVG Nordrhein-Westfalen v. 21.4.1983 – 4 A 928/82, GewArch 1983, 334; VGH Mannheim v. 6.6.1984 – 6 S 719/84, GewArch 1984, 380; weitere Rechtsprechung bei Bleutge, GewArch 2008, 9, 10.
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§ 1 Rz. 258 Aufgabenbereich mögensverhältnisse418. Diese Vereinheitlichung der Rechtsgrundlagen im Bereich der IHKs hat dazu geführt, dass sich häufig auch die Sachverständigenordnungen der Handwerkskammern, der Architektenkammern, der Ingenieurkammern und der Landwirtschaftskammern an die Muster-Sachverständigenordnung des DIHK anlehnen. Damit ist für fast alle Bestellungsbehörden eine einheitliche Rechtspraxis gesichert und ein für die Gesamtwirtschaft wichtiges Sachgebiet übereinstimmend geordnet. 259
Wenn der Antragsteller die geforderten fachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt, hat er einen Rechtsanspruch auf Bestellung. Die konkrete Bedürfnisprüfung, ob die örtlichen Verhältnisse die Bestellung eines weiteren Sachverständigen zweckmäßig erscheinen lassen, ist nicht mehr zulässig419. Dagegen behält die Kammer das Ermessen darüber, auf welchen Sachgebieten sie Sachverständige öffentlich bestellen und vereidigen will (abstrakte Bedürfnisprüfung, ob auf einem bestimmten Sachgebiet überhaupt Sachverständigenleistungen nachgefragt werden). Dieses Ermessen ist auch deshalb notwendig, damit nicht zu kleine und überspezialisierte Sachgebiete entstehen. Vor allem aber muss eine Sachverständigenbestellung auf Sachgebieten verhindert werden, die noch umstritten sind und bei denen es deshalb prüffähige, allgemein anerkannte Regeln noch nicht gibt.
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Zur Feststellung, ob der Bewerber die erforderliche besondere Sachkunde besitzt und persönlich geeignet ist, kann die IHK alle geeigneten Ermittlungen anstellen. Sie wird sich in erster Linie frühere Gutachten vorlegen lassen, sowie – falls es erforderlich erscheint – eine Überprüfung des Bewerbers durch ein Fachgremium veranlassen, aber auch beispielsweise ihren Ausschuss für Sachverständigenfragen anhören420. Darüber hinaus wird sie insbesondere zur persönlichen Eignung Referenzen einholen. Diese vertraulichen Auskünfte braucht die IHK weder in einem Ablehnungsbescheid noch in einem Verwaltungsstreitverfahren preiszugeben421. Bei der Beurteilung der persönlichen Eignung hat die IHK einen weiten Ermes418 BVerwG v. 27.6.1974 – I C 10.73, GewArch 1974, 333; BVerwG v. 24.6.1975 – I C 23.73, GewArch 1975, 333; BVerwG v. 24.4.1979 – 1 C 51.75, GewArch 1979, 304; VG Mannheim v. 22.9.1976 – VI 608/76, GewArch 1977, 19; OVG Rheinland-Pfalz v. 27.6.1979 – 2 A 83/77, GewArch 1979, 331; OVG Rheinland-Pfalz v. 11.9.1980 – 11 A 12/80, GewArch 1980, 375; OVG Nordrhein-Westfalen v. 14.10.1985 – 4 A 1794/84, GewArch 1986, 164; weitere Rechtsprechung bei Bleutge, GewArch 2008, 9, 12. 419 BVerfG v. 25.3.1992 – 1 BvR 298/86, BVerfGE 86, 28. 420 So Bay. VGH v. 14.12.1972 – 168 VI 71, GewArch 1974, 21; VG Augsburg v. 13.6.1977 – Au 221 III 75, GewArch 1979, 194; VG Saarlouis v. 13.10.1980 – 5 K 606/79, GewArch 1981, 10; VG Karlsruhe v. 5.12.1980 – 3 K 217/80, GewArch 1981, 333; VG Minden v. 24.6.1982 – 2 K 125/81, GewArch 1982, 375. 421 BVerwG v. 29.5.1957 – I C 212/54, BVerwGE 5, 95; OVG Berlin v. 3.3.1971 – I L 14/70, GewArch 1971, 155; OVG Rheinland-Pfalz v. 6.5.1976 – 2 B 7/76, GewArch 1976, 329; VG Berlin v. 19.10.1979 – VG 4 A 209.79, GewArch 1980, 193; VG Schleswig-Holstein v. 4.8.1981 – 12 A 216/81, GewArch 1982, 25.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 263 § 1
sensspielraum. Es genügt, dass sich Zweifel an der Eignung oder besonderen Sachkunde des Antragstellers nicht haben ausräumen lassen. Die Nachprüfung einer Ablehnung im Verwaltungsstreitverfahren läuft auf eine Gesamtprüfung der Persönlichkeit des abgelehnten Bewerbers hinaus. Deshalb brauchen Kammern wie Verwaltungsgerichte in den einzureichenden Unterlagen auch einen Lebenslauf, aus dem sich Vorbildung, Ausbildung sowie berufliche Stationen und Erfahrungen ergeben. Die Verwaltungsgerichte beschränken sich daher darauf zu ermitteln, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Kammer von der richtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist und ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat. bb) Öffentliche Bestellung – Rechtsfolgen Die „öffentliche“ Bestellung von Sachverständigen wirkt sich rechtlich darin aus, 261 dass ihren Handlungen und Gutachten eigenständige Rechtsfolgen zukommen422 und dass sie im Zivil- oder Strafprozess vorzugsweise als Sachverständige heranzuziehen sind (§§ 404 Abs. 2 ZPO; 73 Abs. 2 StPO); durch Verweisung auf die ZPO gelten diese Vorschriften auch in den anderen Gerichtsbarkeiten. Durch § 132a Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 StGB ist die Bezeichnung „öffentlich be- 262 stellter Sachverständiger“ strafrechtlich geschützt, auch gegen verwechslungsfähige Bezeichnungen. Strafbar macht sich derjenige, der ohne generell als Sachverständiger öffentlich bestellt und vereidigt zu sein, sich als solcher bezeichnet423; verboten ist damit auch die Bezeichnung als „Vereidigter Sachverständiger“, selbst wenn der Sachverständige im Einzelfall von Gerichten herangezogen und dann auch jeweils auf seine Aussage vereidigt wurde. Darüber hinaus schützt § 5 UWG vor sonstigen irreführenden Maßnahmen424. 263 Der Hinweis auf die „Anerkennung“ durch einen privatrechtlichen Verband ist nur dann nicht irreführend, wenn der Verband dabei namentlich angegeben wird und wenn vor allem die Anerkennungsvoraussetzungen des Verbandes den Bestellungsvoraussetzungen der Kammern gleichwertig sind, also das Publikum nicht über die Qualifikation des Sachverständigen getäuscht wird425. Selbst die bloße 422 Z.B. §§ 438, 608, 609 HGB; § 61 Binnenschifffahrtsgesetz; vgl. zu vereidigten selbständigen Landvermessern Reichsgericht in Zivilsachen v. 10.5.1929 – II 459/28, RGZ 124, 245. 423 AG Krefeld v. 16.9.1960, BB 1961, 197; LG Bonn WRP 1978, 922; VG Oldenburg v. 26.4.1978 – II A 26/77, GewArch 1979, 92. 424 OLG München v. 26.3.1981 – 6 U 4325/80, WRP 1981, 483; OLG Bamberg v. 9.12.1981 – 3 U 134/81, WRP 1982, 158 und 179; OLG Frankfurt a. M. v. 16.8.1982 WRP 1983, 123; ferner die umfangreiche Übersicht bei Bleutge, GewArch 2008, 9, 15. 425 BGH v. 23.5.1984 – I ZR 140/82, GewArch 1984, 397; OLG Hamm v. 17.7.1986 – 4 U 231/84, GewArch 1987, 246.
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§ 1 Rz. 263 Aufgabenbereich Bezeichnung als „Sachverständiger“ kann irreführend sein, wenn es sich um einen Angestellten eines am Gutachten interessierten Unternehmens handelt und damit Unparteilichkeit und Unabhängigkeit nicht gesichert sind426 oder wenn sich jemand ohne ausreichende Vorbildung als „Sachverständiger“ bezeichnet427. 264
Durch diese Rechtsprechung zu § 132a StGB und § 5 UWG ist die Sonderstellung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen rechtlich weitgehend abgesichert. Entscheidend bleibt jedoch, dass die von der IHK öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen aufgrund des sorgfältigen Bestellungsverfahrens und der Überwachung durch die IHK besonderes Vertrauen genießen und auch in der Öffentlichkeit als besonders qualifiziert und zuverlässig angesehen werden. cc) Rücknahme und Widerruf der Bestellung
265
Die öffentliche Bestellung zum Sachverständigen ist ein Verwaltungsakt, der nach Maßgabe der den §§ 48 und 49 VwVfG entsprechenden Regelungen der Länder widerrufen oder zurückgenommen werden kann. Zuständig für Rücknahme und Widerruf ist diejenige Stelle, welche die öffentliche Bestellung ausgesprochen hat. Die Rücknahme betrifft einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, der Widerruf die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Rücknahme wie Widerruf sind Ermessensentscheidungen der Kammern, die eingehend zu begründen sind. Insbesondere ist beim Widerruf auch zu prüfen, ob die Maßnahme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Eine Rücknahme kommt deshalb im Wesentlichen nur in Betracht, wenn unrichtige oder unvollständige Unterlagen vorgelegt worden sind und die Kammer als Bestellungsbehörde getäuscht wurde. Ein Widerruf ist möglich, wenn die Voraussetzungen der besonderen Sachkunde und persönlichen Eignung nachgewiesenermaßen nicht mehr vorliegen sollten; in der Regel geht es dabei um Verstöße gegen die Pflichten als Sachverständiger, wie sie in der Sachverständigenordnung und den Richtlinien dazu einschließlich einer umfangreichen Rechtsprechung festgelegt worden sind. Für einen Widerruf reichen insbesondere wiederholte Verstöße gegen die Sachverständigenpflichten aus, wie sie in der Sachverständigenordnung und den Richtlinien dazu festgelegt sind428. Ebenso genügt es, wenn der Sachverständige sich nicht mehr in geord-
426 OLG Frankfurt a. M. v. 11.11.1988 – 24 U 218/88, WRP 1990, 340. 427 BGH v. 6.2.1997 – I ZR 234/94, BB 1997, 1760; OLG München v. 20.10.1994 – 29 U 6380/93, GewArch 1995, 297. 428 BVerwG v. 6.11.1959 – I C 204.58, GewArch 1960, 183; BVerwG v. 8.3.1972 – I B 11.72, GewArch 1974, 103; BVerwG v. 24.4.1979 – 1 C 51.75, GewArch 1979, 304; OVG Nordrhein-Westfalen v. 19.6.1963 – IV A 346/62, GewArch 1964, 31; OVG Nordrhein-Westfalen v. 18.5.1982 – 3 A 2384/81, DÖV 1983, 44; OVG NordrheinWestfalen v. 21.1.1969 – IV A 1274/67, GewArch 1969, 155; VGH Mannheim v. 22.9.1976 – VI 608/76, GewArch 1977, 19; VGH Mannheim v. 11.8.1986 – 6 S 958/86, GewArch 1986, 329.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 267 § 1
neten wirtschaftlichen Verhältnissen befindet429 oder wenn seine Eignung und Zuverlässigkeit durch sein Verhalten zweifelhaft geworden sind430. Aus dieser Rechtsprechung über den Widerruf einer Sachverständigenbestellung 266 ergeben sich Pflichtenstellungen der Kammern während der Bestellungsdauer eines Sachverständigen. In erster Linie kümmern sie sich über das von ihnen geschaffene Institut für Sachverständigenwesen (IfS) um die Information und Fortbildung der Sachverständigen, die mehrfach jährlich über alle sie betreffenden Probleme, insbesondere auch über Gesetzgebung und Rechtsprechung, unterrichtet und denen rechtliche und fachliche Fortbildungslehrgänge laufend angeboten werden. Genauso überwachen die Kammern aber auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten die von ihnen bestellten Sachverständigen, gehen Beschwerden von Gerichten und Auftraggebern nach und vergewissern sich durch Umfragen über Auslastung und Tätigkeitsbereiche der bestellten Sachverständigen. Der Sachverständige ist verpflichtet, der Kammer die zur Überwachung und zur Klärung von Streitfragen notwendigen Auskünfte zu geben, insbesondere beanstandete Gutachten vorzulegen und Einsicht in seine Unterlagen zu gestatten. Auf diese Weise lässt sich auch nach der Bestellung sichern, dass die hohe Qualifikation und die Zuverlässigkeit gewährleistet bleiben. i) Wanderlager, § 56a GewO Die Pflicht zur Anzeige für Wanderlager nach § 56a Abs. 2 GewO ist ein spezieller 267 Fall des Reisegewerbes, die bei der unteren Verwaltungsbehörde zu erfolgen hat. Die IHKs werden dazu grundsätzlich gehört, weil es um die Ordnungsmäßigkeit der Ankündigung von Wanderlagern geht431. Ein Wanderlager liegt vor, wenn der Gewerbetreibende außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung und außerhalb einer Messe, Ausstellung oder eines Marktes von einer festen Verkaufsstätte vorübergehend Waren oder Dienstleistungen vertreibt432. In der Praxis spielen Wanderlager in Form der sog. „Kaffeefahrten“ noch eine Rolle. Diese werden mittlerweile auch durch § 312 Abs. 1 Nr. 4 BGB erfasst, wonach Kunden ein besonderes Widerrufsrecht eingeräumt wird, das den präventiven Schutz des § 56a Abs. 2 GewO ergänzt433. 429 BVerwG v. 27.6.1974 – I C 10.73, GewArch 1974, 333; VG Münster v. 9.11.1993 – 4 K 2470/92, GewArch 1996, 380. 430 VG Stuttgart v. 4.5.1979 – VRS III 142/78, GewArch 1979, 375; OVG Rheinland-Pfalz v. 27.6.1979 – 2 A 83/77, GewArch 1979, 331; weitere Rechtsprechung bei Bleutge, GewArch 2008, 9, 12. 431 Bay. VGH v. 7.2.1975 – 149 VI 74, GewArch 1975, 121; VG Koblenz v. 20.4.1982 – 1 K 193/81. 432 Schönleiter in Landmann/Rohmer (Hrsg.), GewO, § 56a Rz. 13; OVG Rheinland-Pfalz v. 30.4.1997 – 11 A 12655/96; VG Neustadt a.d.W. v. 16.12.2010 – 4 K 912/10.NW, juris mwN. 433 Schönleiter in Landmann/Rohmer (Hrsg.), GewO § 56a Rz. 10.
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§ 1 Rz. 268 Aufgabenbereich 4. Aufgaben aus sonstigen Gesetzen a) Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten, § 15 UWG 268
Die nach § 15 UWG errichteten Einigungsstellen zur Beilegung von Wettbewerbsstreitigkeiten sind aus ihrer Entwicklung heraus als Selbsthilfeeinrichtungen der gewerblichen Wirtschaft zu werten434. Ihre Errichtung ist jedoch Aufgabe der Landesregierungen. Die Führung der Geschäfte der Einigungsstellen ist durch Rechtsverordnungen der Länder der jeweiligen IHK übertragen worden435. Einigungsstellen sind damit Einrichtungen der Länder bei den jeweiligen IHKs. Sie sind rechtlich nicht Teil der IHK, diese führen lediglich die Geschäfte der Einigungsstellen.
269
Die Übertragung ist insofern außergewöhnlich, als die Einigungsstellen auch für nicht den IHKs angehörende Gewerbetreibende (Handwerk) zuständig sind. Die geschäftsführenden IHKs haben deshalb unter Mitwirkung der beteiligten Kammern, zu denen auch die örtlich zuständigen Handwerkskammern gehören, den Vorsitzenden und die Mitglieder der Einigungsstelle zu benennen, die Vergütungen für Zeugen und Sachverständige zu verauslagen und die Auslagen einzuziehen. Das Verfahren vor den Einigungsstellen ist in allen Bundesländern gebührenfrei. Die durch Auslagenersatz und Entschädigung anfallenden Einigungsstellenkosten sind hingegen unterschiedlich hoch. Ebenso ist unterschiedlich geregelt, inwieweit die Parteien der IHK diese Kosten zu erstatten haben.
270
Die Einigungsstellen sind zuständig für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten, in denen ein Anspruch auf Grund des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb UWG geltend gemacht wird. Sie kann vom Abmahner angerufen werden, aber auch vom Abgemahnten. Ziel ist eine außergerichtliche Streitklärung, an deren Ende entweder eine Einigung in Form eines Vergleichs steht oder das Scheitern des Einigungsversuchs festgestellt wird. Die Einigungsstelle ist dabei kein Schiedsgericht i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO.
271
Die Zuständigkeit der Einigungsstellen ist auch bei Wettbewerbsstreitigkeiten mit Verbraucherbezug gegeben, also wenn die streitige Wettbewerbshandlung Verbraucher betrifft. Dann ist keine Zustimmung des Verfahrensgegners zur Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens erforderlich. Für diese Fälle sollen auch Verbraucherorganisationen bei der Zusammensetzung der Einigungsstelle berücksichtigt werden, insbesondere die Verbraucherzentralen436.
272
Die weiteren Einzelheiten über Errichtung, Zusammensetzung und Verfahren der Einigungsstellen finden sich in weitgehend übereinstimmenden Landesver434 Rickertsen, GewArch 1957, 73. 435 Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 15 Rz. 4 ff.; umfassend zu Organisation und Verfahren Ottofülling, WRP 2006, 410; ferner Krieger, GRUR 1957, 197; Köhler, WRP 1991, 617. 436 § 15 Abs. 11 S. 2 UWG; vgl. auch BT-Drs. 9/1707.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 273 § 1
ordnungen437, zu denen § 15 Abs. 11 Satz 1 UWG die Landesregierungen ermächtigt. b) Unterrichtung gemäß Gaststättengesetz, § 4 GastStG Die Entwicklung im Gaststättengewerbe, das Schankwirtschaften und Speisewirt- 273 schaften umfasst, verlief von der Erlaubnispflicht mit Bedürfnisnachweis zum Anzeigeverfahren, teilweise mit Unterrichtungspflicht. Der Forderung des Hotel- und Gaststättengewerbes nach einer Einführung des Sach- und Fachkundenachweises438 konnte der Gesetzgeber u.a. nach dem Urteil des BVerfG zum Sachkundenachweis im Einzelhandel439 nicht nachkommen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Gaststättengesetzes vom 20.11.1998440 hängt die Erlaubnis zum Gaststättenbetrieb von dem Nachweis einer Unterrichtung ab, welche die Grundzüge der notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse vermitteln soll. Diese Unterrichtung obliegt den IHKs, die darüber eine Bescheinigung für die Zulassungsbehörde auszustellen haben. Die Einzelheiten der Unterrichtung sind zwischen den staatlichen Behörden und den Kammern abgestimmt und in Verwaltungsvorschriften zusammengefasst. Da es sich bei der Unterrichtung um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handelt, haben die Verwaltungsvorschriften lediglich empfehlenden Charakter zwecks bundeseinheitlicher Handhabung. Mit der Föderalismusreform aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006441 ist die Gesetzgebungskompetenz im Gaststättenrecht auf die Länder übergegangen442. Im Zuge dessen kam es zu unterschiedlichen Regelungen im Hinblick auf die Unterrichtung. In einigen Bundesländern wurde die Unterrichtungsverpflichtung gestrichen443. Für reisegewerbliche Gaststättenbetriebe gilt seit dem Mittelstandsentlastungsgesetz von 2007444 wieder die GewO, so dass die Länder auf die übliche Gestattungspflicht für Reisegewerbe verzichten können. Die allgemeinen Schutzaspekte verlagern sich im Gaststättengewerbe zusehends aus europarechtlichen Gründen auf die strittige Reichweite von Verbraucherinformationen445.
437 Aufzählung aller Einigungsstellenverordnungen bei Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, Anhang zu § 15. 438 Vgl. Schönleiter in Landmann/Rohmer (Hrsg.), GewO, Nr. 520 – Gaststättengesetz. 439 BVerfG v. 14.12.1965 – 1 BvL 14/60, BVerfGE 19, 330 – Sachkundenachweis im Einzelhandel, s. § 1 Rz. 274. 440 Gaststättengesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 20.11.1998, BGBl. I, 3418, das zuletzt durch Art. 14 des Gesetzes v. 10.3.2017, BGBl. I, 420, geändert worden ist. 441 BGBl. I, 2034. 442 Zum Umfang der Kompetenzverlagerung vgl. Höfling/Rixen, GewArch 2008, 1, 6. 443 Einen Überblick bietet Stober/Eisenmenger, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 16. Auflage 2016, § 47 Gaststättenrecht. 444 Mittelstandsentlastungsgesetz v. 13.9.2007, BGBl. I, 2246. 445 So haben sich in Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 VO 852/2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. EU v. 30.4.2004, L 139/1) Gaststättenbetriebe als Lebensmittelunternehmen an-
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§ 1 Rz. 274 Aufgabenbereich c) Sachkundeprüfungen im Einzelhandel (freiverkäufliche Arzneimittel, § 50 AMG) 274
Auch im Einzelhandel kam es in Folge der breiten Durchsetzung der Gewerbefreiheit zu Veränderungen. Galt noch 1950 die Position der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, wonach der Einzelhandel nicht „praktisch zum Ausweichplatz und Versuchsfeld aller möglichen Elemente degradiert“446 werden dürfe, so wandelte sich die Perspektive von der allgemeinen Zulassung hin zum individuellen Gewerbeverbot. Entscheidend hierfür war die Rechtsprechung des BVerfG zu den subjektiven Zulassungsvoraussetzungen innerhalb der Berufsausübungsregeln des Art. 12 GG. Für den Bereich des Handwerks sicherte der Befähigungsnachweis Erhalt und Pflege eines hohen Leistungsstandards im Handwerk und stellte damit ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut dar447, mit der Folge der Bewertung als verhältnismäßige Beschränkung. Demgegenüber wurde das Gesetz über die Berufsausübung im Einzelhandel vom 5.8.1957448 für die meisten Zweige des Einzelhandels vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt449. Sie wurden durch das Gesetz zur Änderung des Titels III der Gewerbeordnung und anderer gewerberechtlicher Vorschriften vom 25.7.1984450 endgültig aufgehoben. Damit ist nicht nur die Sachkundeprüfung für den Einzelhandel generell entfallen, sondern auch für den Einzelhandel mit ärztlichen Hilfsmitteln, bei dem früher die IHKs die Prüfungen abnahmen451.
275
Geblieben ist alleine die Sachkundeprüfung für den Einzelhandel mit frei verkäuflichen Arzneimitteln. Die Rechtsgrundlage dafür findet sich im Arzneimittelrecht: § 50 des Arzneimittelgesetzes vom 12.12.2005452 enthält die notwendige Ermächtigung, die durch die AMSachKV vom 20.6.1978453 ausgefüllt worden ist. Nach § 9 dieser Verordnung haben die zuständigen Landesbehörden die IHKs als
446 447 448 449 450 451 452 453
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zumelden; in diesem Kontext wird auch über die Publikation von Kontrollergebnissen diskutiert. Informationsdienst der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, Nr. 9 v. 20.8.1950, Stellungnahme zu den Grundsätzen der Alliierten Hohen Kommission, zitiert nach Seyffert, Wirtschaftslehre des Handels, 1972, 709. BVerfG v. 17.7.1961 – 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97 – Befähigungsnachweis für das Handwerk. BGBl. I, 1121. BVerfG v. 14.12.1965 – 1 BvL 14/60, BVerfGE 19, 330 – Sachkundenachweis im Einzelhandel, der Nachweis beträchtlicher Kenntnisse durch eine schematisch gleiche Ausbildung und Prüfung der Einzelhändler war nicht verhältnismäßig, ebd. 359. BGBl. I, 1008. Vgl. IHKG-Kommentar, 4. Aufl., 67. Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 12.12.2005 (BGBl. I, 3394), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 18.7.2017 (BGBl. I, 2757). Verordnung über den Nachweis der Sachkenntnis im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln v. 20.6.1978 (BGBl. I, 753), die zuletzt durch Art. 1 der Verordnung v. 6.8.1998 (BGBl. I, 2044) geändert worden ist.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 277 § 1
Stellen bezeichnet, vor denen die Prüfung im Einzelhandel für frei verkäufliche Arzneimittel abzulegen sind. In den Ländern sind dafür zum Teil eigene Rechtsverordnungen verabschiedet, in Berlin und Hamburg die Übertragung durch Ergänzung der Landeskammergesetze vollzogen worden454. Im Jahr 2018 wurden bundesweit über 11.000 Prüfungen durchgeführt. d) Fachkundeprüfung nach dem Waffengesetz, § 22 WaffG In ähnlicher Form wie früher beim Einzelhandelsgesetz führt auch das Waffen- 276 gesetz vom 11.10.2002455 zu einer Verwaltungsaufgabe der IHKs456. Denn § 22 WaffG sieht für den Einzelhandel mit Waffen eine Fachkundeprüfung vor, die in den §§ 15 und 16 AWaffV vom 27.10.2003457 geregelt ist. Die Fachkundeprüfung wird von staatlichen Prüfungsausschüssen abgenommen, deren Geschäftsführung auf die örtlichen IHKs übertragen werden kann458. Die Fachkunde besitzt zudem, wer die Voraussetzungen für die Eintragung eines Büchsenmacherbetriebs in die Handwerksrolle erfüllt. Die im WaffG gewählte Konstruktion, wonach in Einzelbereichen des Gewerberechts staatliche Prüfungsausschüsse errichtet werden und die IHKs lediglich mit der Geschäftsführung beauftragt sind, stellt mittlerweile eine seltene Ausnahme dar. In der Regel werden gewerberechtliche Prüfungsausschüsse von den IHKs errichtet. Die gesamte Aufgabe wird den Kammern übertragen, so dass sie dann bei Klagen gegen Prüfungsentscheidungen passivlegitimiert sind. Bei Fachkundeprüfungen nach dem Waffengesetz ist dagegen die Klage gegen die staatliche Behörde zu richten, welche den Prüfungsausschuss errichtet hat und der er damit zugeordnet ist. e) Beförderung gefährlicher Güter, § 14 Abs. 3 GGVSEB Im Kontext der Beförderung gefährlicher Güter haben die IHKs umfangreiche 277 Aufgaben übertragen bekommen. Rechtsgrundlage ist die Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB)459 in Verbindung mit dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße von 1957 (ADR, Accord Européen relatif au transport inter454 Vgl. § 4 IHKG für Berlin und § 3 Nr. 7 IHKG für Hamburg; Die Landeskammergesetze sind zu finden unter folgendem Link: http://www.kammerrecht.de/kammergeset ze/wirtschaftskammern.html#Industrie-und-Handelskammern. 455 Waffengesetz v. 11.10.2002 (BGBl. I, 3970, 4592; 2003 I, 1957), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes v. 30.6.2017 (BGBl. I, 2133) geändert worden ist. 456 Dazu Stiefel, Leitfaden Waffenhandel, DIHK 2013. 457 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung v. 27.10.2003 (BGBl. I, 2123), die zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes v. 30.6.2017 (BGBl. I, 2133) geändert worden ist. 458 Vgl. Stiefel, Leitfaden Waffenhandel, DIHK 2013. 459 I.d.F. der Bekanntmachung vom 30.3.2017, BGBl. I, 711, 993, zuletzt geändert durch Art. 2a der Verordnung vom 7.12.2017, BGBl. I, 3895.
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§ 1 Rz. 277 Aufgabenbereich national des marchandises Dangereuses par Route), ratifiziert in Deutschland durch Gesetz vom 18.8.1969460. 278
Nach § 14 Abs. 3 GGVSEB sind die IHKs für die Anerkennung und Überwachung der Schulung, die Durchführung der Prüfung und die Erteilung der Bescheinigung über die Fahrzeugführerschulung sowie für das Führen eines Verzeichnisses über alle von den IHKs erteilten gültigen Schulungsbescheinigungen für Fahrzeugführer zuständig. Einzelheiten regeln sie durch Satzung.
279
Hinzu kommt die Gefahrgutbeauftragten-Verordnung (GbV) in der Fassung vom 25.2.2011461 zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 17.3.2017462, welche in fast allen einschlägigen Unternehmen die Bestellung eines Gefahrgutbeauftragten vorschreibt und für diesen wiederum eine Schulung mit Prüfung vorsieht. Diese Prüfung muss regelmäßig wiederholt werden. Nach § 7 Abs. 1 GbV sind die IHKs u.a. für die Erteilung der Schulungsnachweise, die Anerkennung und Überwachung der Lehrgänge sowie die Durchführung der Prüfungen zuständig. Einzelheiten sind ebenfalls in einer Satzung geregelt. f) Zugang zum Beruf des Unternehmers im Güterkraftverkehr, § 3 GüKG
280
Im Güterkraftverkehr ist aufgrund von § 3 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG)463 und der §§ 5, 6 der Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr (GBZugV)464 den Industrie- und Handelskammern die Prüfung der fachlichen Eignung übertragen worden. Die Prüfung wird vor einem Prüfungsausschuss der IHK abgelegt, für den die Kammer die Ausschussmitglieder bestellt. Der Vorsitzende und sein Vertreter sollen zur Vollversammlung der Kammer wählbar oder bei einer IHK beschäftigt sein. g) Führung von Unternehmen des Straßenpersonenverkehrs, § 13 PBefG
281
Eine weitere Fachkundeprüfung im Verkehrsbereich ist die in § 13 Abs. 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)465 geregelte Prüfung der fachlichen Eignung zur Führung von Unternehmen des Straßenpersonenverkehrs. Aufgrund der Ermächtigung in § 57 Abs. 1 Nr. 4 des Personenbeförderungsgesetzes ist dazu die
460 461 462 463
BGBl. II, 1489. BGBl. I, 341. BGBl. I, 568. Vom 22.6.1998, BGBl. I, 1485, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16.5.2017, BGBl. I, 1214. 464 Vom 21.11.2011, BGBl. I, 3120, zuletzt geändert durch Art. 7 der Verordnung vom 5.11.2013, BGBl. I, 3920. 465 I.d.F. vom 8.8.1990, BGBl. I, 1690, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 14 des Gesetzes vom 20.7.2017, BGBl. I, 2808.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 283 § 1
Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV)466 erlassen worden. Diese schreibt in § 4 Abs. 7 und § 5 die Prüfung vor einem Prüfungsausschuss der IHK vor. Die Fachkundeprüfungen finden getrennt für Unternehmen des Taxen- und Mietwagenverkehrs und für sonstige Unternehmen des Straßenpersonenverkehrs statt. Die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses und das Verfahren sind in der Verordnung wie beim Güterkraftverkehr (s.o.) geregelt. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 Personenbeförderungsgesetz sind die IHKs außerdem von der zuständigen Behörde vor der Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung gutachtlich zu hören. h) Berufskraftfahrerqualifikation, § 4 BKrFQG Das aufgrund der Richtlinie 2003/59/EG vom 15.6.2003 erlassene Berufskraftfah- 282 rerqualifikations-Gesetz (BKrFQG)467 vom 14.8.2006, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 30.6.2017 verlangt von selbständigen und angestellten Kraftfahrern im Güterkraftverkehr (über 3,5 t) und Personenverkehr (mehr als 8 Fahrgastplätze) einen Qualifikationsnachweis in verschiedenen Stufen, der durch eine Prüfung bei der IHK auf der Rechtsgrundlage der Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung (BKrFQV). i) Amtliches Verzeichnis im Vergaberecht, § 48 VgV Mit dem 2016 eingeführten § 48 Abs. 8 Satz 2 Vergabeverordnung468 wurde den 283 IHKs ermöglicht, ein den Anforderungen des Art. 64 der RL 2014/24/EU469 entsprechendes amtliches Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen für den Liefer- und Dienstleistungsbereich einzurichten. Dabei bedienen sich die IHKs einer gemeinsamen verzeichnisführenden Stelle (https://amtliches-verzeichnis.ihk.de) Sofern der Bewerber oder Bieter in einem amtlichen Verzeichnis eingetragen ist, werden die im amtlichen Verzeichnis niedergelegten Unterlagen und Angaben vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen, sog. Eignungsvermutung. Die Unternehmen ersparen sich so die stetige Einholung der Einzelnachweise bei den zuständigen Stellen, der Kosten- und Zeitaufwand reduziert sich erheblich.
466 Vom 15.6.2000, BGBl. I, 851, zuletzt geändert durch Art. 484 der Verordnung vom 31.8.2015, BGBl. I, 1474. 467 Vom 14.8.2006, BGBl. I 1958, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 30.6.2017, BGBl. I 2162. 468 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge v. 12.4.2016, BGBl. I, 624. 469 RL 2014/24/EU v. 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. L 94/65.
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§ 1 Rz. 284 Aufgabenbereich j) Öffentliche Ermächtigung von Handelsmaklern 284
Für die öffentliche Ermächtigung, die Handelsmakler nach §§ 385, 1221, § 1235 Abs. 2 und § 1295 BGB sowie nach § 373 Abs. 2, § 376 Abs. 3, § 388 Abs. 2 und § 389 HGB zu Verkäufen oder Käufen benötigen, und deren Widerruf sind in der Regel die Industrie- und Handelskammern zuständig. Näheres ist in den Landesausführungsgesetzen zum BGB oder in den Landes-IHKGs geregelt470. k) Registrierung geprüfter Organisationen, § 32 Umweltauditgesetz
285
Das Umweltauditgesetz (UAG)471, ist die Umsetzung der VO (EG) Nr. 1221/ 2009472 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung. Das Gesetz regelt nicht nur den Inhalt von Umweltgutachten und die Zulassung von Umweltgutachtern, sondern in den §§ 32–36 UAG auch die Registrierung geprüfter Organisationen und die Veröffentlichung in einem einheitlichen bundesweiten Register. Diese Aufgabe wird in § 32 Abs. 1 UAG den IHKs und den Handwerkskammern, jeweils für ihren Bereich, übertragen. Gemeinsame Stelle für die Veröffentlichung des bundesweiten Registers ist der DIHK. § 32 Abs. 3 UAG sieht vor, dass die IHKs ihre Aufgaben ganz oder teilweise auf eine andere IHK übertragen können. Diese Norm ist als lex specialis gegenüber § 10 zu sehen. Die IHKs können für die Verfahren der Registrierung nach § 35 UAG Satzungen erlassen, welche der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (im Einvernehmen mit der obersten Umweltschutzbehörde des Landes) bedürfen, und nach § 36 Abs. 3 UAG Gebühren für die Registrierung erheben. 5. Tradierte und entfallene Aufgaben a) Verpackungsverordnung
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Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen, die typischerweise bei privaten Haushalten anfallen, haben sich an einem oder mehreren Systemen zu beteiligen, welche die flächendeckende Rücknahme dieser Verkaufsverpackungen gewährleisten. Größere Hersteller und Vertreiber müssen eine Vollständigkeits470 Vgl. z.B. für Bayern Art. 7 BayIHKG, Brandenburg § 16 BbgAGBGB, Hessen § 27a Hess.AGBGB, Saarland § 5 AGJusG, Sachsen § 7 Abs. 2 SächsIHKG, Schleswig-Holstein § 40 IHKG SH; siehe im Übrigen auch Art. 13 Preuß. Ausführungsgesetz zum BGB v. 20.9.1889, GS 184. 471 Vom 7.12.1995, BGBl. I, 1591, neugefasst durch Gesetz vom 4.9.2002, BGBl. I, 3490, zuletzt geändert am 27.6.2017, BGBl. I, 1966. 472 Verordnung (EG) 1221/2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung vom 25.11.2009, ABl. L 342, S. 1, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2018/2026 vom 19.12.2018, ABl. EU L 325/18.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 288 § 1
erklärung erstellen, in der sie für ein Kalenderjahr auflisten, wie viele Verpackungen sie in Verkehr gebracht haben. Bis 2018 mussten die Vollständigkeitserklärungen bei IHKs hinterlegt werden (§ 10 VerpackV). Die IHKs informierten die Öffentlichkeit darüber, wer eine Vollständigkeitserklärung abgegeben hat und gewährten den Behörden, die für die Überwachung der abfallwirtschaftlichen Vorschriften zuständig sind, Einsicht in die hinterlegten Vollständigkeitserklärungen. Zur Erfüllung ihrer Pflichten bedienten sie sich der gemeinsamen Stelle nach § 32 Abs. 2 Umweltauditgesetz, des DIHK (s. Rz. 285)473. Mit Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes474 am 1.1.2019 müssen Vollständigkeitserklärungen nicht mehr bei den IHKs, sondern bei der neu geschaffenen „Zentralen Stelle Verpackungsregister“ (www.verpackungsregister.org) hinterlegt werden475, die Aufgaben der IHKs nach der Verpackungsverordnung entfielen.
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b) Börsenaufsicht Die Börsenaufsicht war lange eine traditionelle, nach dem Börsenrecht den In- 288 dustrie- und Handelskammern als Träger von Wertpapier- wie von Warenbörsen übertragene Aufgabe476, beispielsweise handelte seit ihrer Gründung 1808 die Handelskammer Frankfurt als Trägerin der Börse477. Nach 1945 sind in den Ländern anderweitige Regelungen getroffen worden, so dass lediglich noch in Berlin und Hamburg die Börsenaufsicht bei der Kammer lag478. Heute wird die Börsenaufsicht in Deutschland von den Wirtschafts- oder Finanzministerien bzw. -senatsverwaltungen der Länder ausgeführt. Die jeweilige Börsenaufsichtsbehörde überwacht den Wertpapierhandel und alle damit verbundenen steuerrechtlichen 473 Das Umweltauditgesetz UAG, BGBl. 2002, I-3490 dient der Ausführung der Verordnung (EG) 1221/2009. In das durch das UAG errichtete EMAS-Register wird eingetragen, an welchen Standorten die Organisation ein Umweltmanagementsystem betreibt, das die Anforderungen der VO erfüllt. Die Führung des Registers und die übrigen Aufgaben gemäß den Art. 11 bis 17 und Art. 32 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 wurden den IHKs und den HwKs übertragen. 474 Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme, die hochwertige Verwertung von Verpackungen (VerpackG) BGBl. 2017 I 2234. 475 Dazu Kardetzky/Müller, BB 2019, 771. 476 Vgl. ursprünglich § 34, später § 41 des preußischen IHKG: „Börsen und andere für den Handelsverkehr bestehende öffentliche Anstalten können unter die Aufsicht der Handelskammer gestellt werden“, wovon in Preußen in allen Landesteilen Gebrauch gemacht wurde. 477 Vorläufer waren im 18. Jahrhundert die sog. Börsenvorsteher, zu deren Aufgaben die Erstattung von Gutachten über Handelsbräuche gehörte; die Gründung der Handelskammer erfolgte durch die Börsenvorsteher. 478 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 IHKG HH: „Der Handelskammer obliegt es insbesondere: (…) die unmittelbare Aufsicht über die Börse nach Maßgabe der Hamburgischen Börsenordnung zu führen“, vgl. Bremer, Kammerrecht, 182/184; Bremer, Grundzüge des deutschen und ausländischen Börsenrechts, 56.
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§ 1 Rz. 288 Aufgabenbereich Belange. Die Errichtung einer Börse bedarf der Genehmigung, sie untersteht der Aufsicht der Börsenaufsichtsbehörde, die regelmäßig eine oberste Landesbehörde (meist das Wirtschaftsministerium) ist. Der Wertpapierhandel wird auf Bundesebene von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geregelt und kontrolliert. Rechtsgrundlage für die Börsenaufsicht in Deutschland ist das Börsengesetz und das Wertpapierhandelsgesetz. Für die Kammern als ursprüngliche Gründer und Träger der Börsen bleibt damit praktisch kein Spielraum mehr. c) Gewerbeanzeige, § 14 GewO 289
Gemäß § 14 GewO ist jede Aufnahme einer selbständigen Gewerbetätigkeit anzeigepflichtig, wobei die Rechtsform festgelegt werden muss. Die Anzeigepflicht besteht unabhängig davon, ob diese Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird. Auch die Übernahme eines bereits bestehenden Gewerbebetriebes oder die Eröffnung einer weiteren Filiale muss angemeldet werden. Für einige Gewerbe wie das Reisegewerbe ist eine Erlaubnis erforderlich.
290
Nicht als Gewerbe zählen die Tätigkeiten als Freiberufler, die Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau) sowie die Verwaltung des eigenen Vermögens (z.B. Vermietung, Verpachtung eigener Gebäude oder Grundstücke). Andere Tätigkeiten wie Fischerei und Bergwesen sind von den Regelungen der Gewerbeordnung ausgenommen. Da ohne Gewerbeanmeldung das Finanzamt nicht vom Gewerbeamt informiert wird, müssen die Tätigkeiten beim Finanzamt angemeldet werden. Je nach Art der nichtgewerblichen Tätigkeit ist auch eine Erlaubnis oder Zulassung erforderlich. Die zuständige Behörde für die Ausführung der Gewerbeordnung richtet sich nach Landesrecht und ist deshalb von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
291
Der Gewerbetreibende teilt der Kommune durch die Anmeldung mit, dass er eine konkret zu bezeichnende gewerbliche Tätigkeit beginnt. Es handelt sich nicht um die Beantragung einer Genehmigung, da wegen der grundsätzlichen Gewerbefreiheit nur für bestimmte Branchen gesonderte Erlaubnisse nötig sind. In Bayern, Hamburg und in Rheinland-Pfalz ist es möglich, das Gewerbe bei der Handelskammer (HK) bzw. IHK anzumelden479. Näheres ergibt sich durch die landesrechtlichen Zuständigkeitsverordnungen. Die Aufgabe ist der HK bzw. den IHKs regelmäßig als Auftragsangelegenheit unter Aufsicht der obersten Landesbehörde übertragen.
479 Jahn, GewArch 2009, 177.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 294 § 1
6. Wahrnehmung der übertragenen Kammeraufgaben a) Selbstverwaltung Die Industrie- und Handelskammern sind Selbstverwaltungskörperschaften (s. 292 Einführung Rz. 27 ff., 30), deren Aufgabenkreis durch staatliche Zuweisung bestimmt und begrenzt wird und deren Aufgaben deshalb stets öffentlich-rechtlicher Art sind (öffentliche Aufgaben)480. Die ihnen durch das Gesetz selbst zugewiesenen Aufgaben sind Selbstverwaltungsangelegenheiten, mag es sich um den Erlass von Satzungsrecht, um Verwaltungsverfahren und Verwaltungsakte oder um eine schlichtverwaltende Tätigkeit handeln. Die anderweitig durch Bundes- oder Landesrecht zugewiesenen Aufgaben (§ 1 293 Abs. 4) sind grundsätzlich ebenfalls Selbstverwaltungsaufgaben, können aber ausnahmsweise auch Auftragsangelegenheiten sein. Bei Selbstverwaltungskörperschaften ist davon auszugehen, dass ihnen auch neue Aufgaben zur Selbstverwaltung überlassen werden481; heute wird dies meist ausdrücklich durch den Wortlaut der Übertragungsbestimmung oder in der amtlichen Begründung klargestellt. Die Kammern werden nicht nur wegen ihrer Orts- und Firmennähe sowie ihrer Sachkenntnis damit betraut, sondern weil die Erfüllung dieser Aufgaben auch kaufmännischen Sachverstand, d.h. also die Mitwirkung der kammerzugehörigen Unternehmer und des Ehrenamts erfordert – wenn z.B. fachkundige Prüfungsausschüsse zu bilden sind – und sich die Selbstverwaltung dafür am besten eignet482. Alle bislang übertragenen Kammeraufgaben sind durchweg Selbstverwaltungsangelegenheiten. Gelegentlich wird auch zwischen freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben und 294 Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung unterschieden. Diese Terminologie ist nicht unproblematisch, denn sie suggeriert, dass die IHK eine Kompetenz-Kompetenz haben könnten. Das aber ist nicht der Fall483. Die Unterscheidung kann daher nur so verstanden werden, dass bei einigen Aufgaben die IHK selbst ihre Tätigkeitsschwerpunkte wählen kann, während sie bei anderen zu einer bestimmten Tätigkeit verpflichtet ist. Auch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben sind öffentliche Aufgaben. Die freiwillige Selbstverwaltung findet ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 1 und 2; Pflichtaufgaben sind die Gutachtenerstattung für Gerichte und Behörden, die Berufsausbildung (nicht dagegen Berufsfortbildung und Umschulung) sowie alle Aufgaben nach § 1 Abs. 3 und 4.
480 Vgl. Legaldefinition der öffentlich-rechtlichen Körperschaft in § 37 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein. 481 Vgl. Most, Selbstverwaltung, 9 und 26. 482 Dazu auch BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111; Stober, IHK als Mittler, 87; Kluth, DÖV 2005, 368. 483 BVerwG v. 19.9.2000 – 1C 29.99, GewArch 2001, 161.
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§ 1 Rz. 295 Aufgabenbereich 295
Selbstverwaltungsangelegenheiten werden heute auch unter dem Begriff der „Verbandskompetenz“ zusammengefasst484. Entscheidend für die Einordnung als Auftragsangelegenheit ist es, ob bei der staatlichen Zuweisung die Fachaufsicht und damit ein Weisungsrecht im Einzelfall vorbehalten worden sind485. Im Kommunalrecht gibt es daneben den weiterhin strittigen Begriff der „Pflichtaufgaben nach Weisung“486 die ihrer Rechtsnatur nach überwiegender Meinung Selbstverwaltungsaufgaben oder abgeschwächte Selbstverwaltungsangelegenheiten bleiben487.
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Die Übertragung einer Auftragsangelegenheit auf die IHKs ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wie dies etwa in Kriegs- und Krisenzeiten schon vorgekommen und heute in den Notstandsgesetzen und -verordnungen vorgesehen ist. Der Charakter einer Selbstverwaltungskörperschaft setzt jedoch enge Grenzen für die Übertragung solcher Auftragsangelegenheiten, weil sich die Kammern mit ihrem kleinen hauptamtlichen Stab nicht als nachgeordnete Wirtschaftsverwaltungsbehörden eignen und deshalb durch Auftragsangelegenheiten rein administrativer Art in ihrem Wesen denaturiert werden könnten. Zumindest für den Landesgesetzgeber liegt hier eine deutliche rechtliche Sperre. Beispielsweise kann er den Kammern nicht den Einzug staatlicher Abgaben übertragen, selbst wenn sie von kammerzugehörigen Unternehmen aufzubringen sind. Ebenso wenig kann er den Kammern Aufsichts- oder Kontrollrechte übertragen, weil die damit verbundenen Weisungsrechte staatlicher Behörden dem Selbstverwaltungscharakter der Kammern widersprechen würden. Eine verfassungsrechtliche Garantie der KammerSelbstverwaltung gibt es allerdings nur in Baden-Württemberg (Art. 71 Abs. 1 Verf. BW) und Niedersachsen (Art. 57 Abs. 1 Nds. Verf.) Als einzige Landesverfassung erstreckt die niedersächsische Verfassung in ihrem Art. 57 Abs. 4 sogar das bei der Übertragung staatlicher Aufgaben auf die Gemeinden allgemein geltende Konnexitätsprinzip auch auf die funktionalen Selbstverwaltungskörperschaften und damit auf die IHKs. Allerdings besteht auch in Niedersachsen insoweit ein Defizit gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung, als Art. 57 Abs. 4 Nds. Verf. keine Vollkostendeckung garantiert. Außerdem gibt es keinen gerichtlichen Rechtsschutz für die Kammern488.
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Hoheitlicher Art ist derjenige Teil der Kammeraufgaben, bei dem die Kammer Rechte oder Pflichten für Kammerzugehörige oder Dritte begründet. Dabei ist 484 Vgl. Knemeyer, WiVerw 2001, 1; OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1979, 1057; Oldiges, DÖV 1989, 873. 485 Vgl. §§ 19, 20 LVG SchlH; Foerster, LVG SchlH, Stand 1990, § 19 Anm. 2, § 20 Anm. 2 und § 50 Anm. 3. 486 Vgl. § 3 Abs. 2 GO NW. 487 Vgl. allg. Gern/Brüning; Deutsches Kommunalrecht, 2019 Rz. 280 ff. mwN zum Streitstand; VerfGH NW v. 15.2.1985 – 17/83, DÖV 1985, 620. 488 Zum Ganzen Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2004, 13; Möllering, WiVerw 2006, 261, 273.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 300 § 1
zwischen dem Erlass von Satzungsrecht (Satzungsgewalt) und Verwaltungsverfahren mit abschließenden Verwaltungsakten (hoheitliche Verwaltung) zu unterscheiden. Nach ihrem Schwerpunkt sind die Kammeraufgaben jedoch schlichtverwaltender Art, nämlich die Tätigkeit als Gutachter und Berater für Gerichte, Behörden, Ministerien und Parlamente, ebenso bei der Betreuung der Kammerzugehörigen. b) Satzungsgewalt Autonomie bedeutet allgemein die Befugnis, sich selbst Recht zu setzten. Sat- 298 zungsgewalt ist das Kennzeichen dieser Autonomie. Hinsichtlich der den Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung zugewiesenen autonomen Rechtsetzungsbefugnis muss der Gesetzgeber seine Verantwortung in dem Umfang wahrnehmen, wie es ihm das Demokratiegebot und das Rechtsstaatsprinzip wegen der grundrechtserheblichen Wirkungen abverlangen489, es bedarf mithin einer gesetzlichen Regelung über Organe, ihre Aufgaben und Handlungsbefugnisse und Vorkehrungen zur angemessenen Beteiligung der Rechtsunterworfenen490. Es handelt sich bei Satzungsgewalt um eine „gesetzlich verliehene Autonomie“491 299 im Sinne einer staatlich abgeleiteten Normsetzung. Von einer uneingeschränkten Grundrechtsbindung der Selbstverwaltungsträger ist unabhängig davon auszugehen, ob man die Satzungsgebung durch autonome Körperschaften dem Begriff der „Gesetzgebung“ i.S. des Art. 1 Abs. 3 GG oder aber der „vollziehenden Gewalt“ zuordnet. Die Satzungsgewalt der IHK ergibt sich für das interne Organisationsrecht aus 300 § 4 Satz 2 (s. § 4 Rz. 7 ff.) hinsichtlich der einzelnen Sachaufgaben aus der jeweiligen gesetzlichen Zuweisung. Die Satzungsgewalt ist dabei nicht an die Ermächtigungsvoraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gebunden, sondern ergibt sich aus dem Selbstverwaltungscharakter der Körperschaft unter Zuweisung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe492. Die IHKs können also auf den ihnen zugewiesenen Aufgabengebieten ihre Tätigkeit durch eigene Statuten rechtsförmlich regeln; auch für die Satzungsgewalt bei übertragenen Aufgaben kommt Art. 80 Abs. 1 GG nicht zur Anwendung493. Dieser verfassungsrechtlichen Streitfrage kommt jedoch kaum noch Bedeutung zu, weil der Gesetzgeber – wegen des We-
489 BVerfG v. 13.7.2004 – 1 BvR 1298, 1299/94, 1332/95, 613/97, BVerfGE 111, 191 – bayerische Notarkassen. 490 Schnapp/Kaltenborn, JuS 2000, 937. 491 BVerfG v. 14.7.1959 – 2 BvF 1/58, BVerfGE 10, 20, 50; BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125, 156. 492 BVerfG v. 2.5.1961 – 1 BvR 203/53, BVerfGE 12, 319, 325 – Ärztliche Pflichtaltersversorgung. 493 So Maurer, DÖV 1993, 184; a.A. Stern im Bonner Kommentar Art. 28 Nr. 106.
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§ 1 Rz. 300 Aufgabenbereich sentlichkeitsprinzips – die wichtigsten Fragen selbst im Gesetz regelt oder Vorgaben für den Satzungsgeber macht494. 301
Soweit es sich aus der gesetzlich zugewiesenen Aufgabe ergibt, können außer den Kammerzugehörigen auch Dritte dem Satzungsrecht unterliegen495. Beispielsweise sieht das Berufsbildungsgesetz in § 54 den Erlass von Rechtsvorschriften vor, welche sowohl die ausbildenden Kammerzugehörigen wie nichtkammerzugehörige Ausbilder und Auszubildende betreffen; auch hier ist der Begriff „Rechtsvorschriften“ in dem allgemein üblichen Sinne der Rechtsnorm gebraucht496. Ebenso ermächtigt § 36 Abs. 4 GewO die Kammern subsidiär zum Erlass von Satzungen im Sachverständigenwesen, um die Pflichten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen festzulegen; auch wenn er als Freiberufler, Beamter oder Angestellter nicht kammerzugehörig ist. Schließlich werden von den Statuten zur Durchführung von § 12 GGVS nichtkammerzugehörige Lehrgangsveranstalter und Lehrgangsteilnehmer betroffen, von den Statuten nach § 2 Abs. 2 der Gefahrgutbeauftragten-Verordnung auch nicht-kammerzugehörige Lehrgangsveranstalter. Die sachliche Legitimation der Satzungsgewalt ergibt sich in diesen erwähnten Fällen aus der Aufgabenzuweisung. Die persönliche Legitimation folgt daraus, dass die eigentlichen Adressaten der Regelung die kammerzugehörigen Unternehmen sind; sie müssen ihre Mitarbeiter im Umgang mit Gefahrgütern eingehend ausbilden lassen.
302
Die Gültigkeit des Satzungsrechts der IHK wird in der Regel nur als Vorfrage in einem Verwaltungsstreitverfahren geprüft, wenn es um das Wahlrecht oder eine Beitragsveranlagung, um eine Sachverständigenbestellung oder um eine Einzelentscheidung im Bereich der Berufsbildung geht. Die Verwaltungsgerichte können dabei zwar eine Rechtsvorschrift als unwirksam behandeln, wenn sie gegen übergeordnetes Recht (Verfassungsrecht, Gesetze oder Verordnungen) verstößt, sie aber nicht für nichtig erklären. Die Konsequenz einer entsprechenden Anpassung ihres Satzungsrechts muss die IHK selbst ziehen; notfalls müsste sie dazu von der Staatsaufsichtsbehörde angehalten werden.
303
Die meisten Länder haben jedoch in Ausführung von § 47 VwGO eine Normenkontrollklage zugelassen, mit der Rechtsvorschriften unterhalb des Landesgesetzes und damit beispielsweise auch Satzungsrecht der Kammern abstrakt nachgeprüft werden können. Auch eine einstweilige Anordnung ist in solchen Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO möglich497. Der VGH Mannheim hat deshalb eine einstweilige 494 BVerfG v. 13.7.2004 – 1 BvR 1298/94, GewArch 2005, 72 – Notarkasse; BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, NJW 1972, 1504, 1507 – Fachärzte; § 36 Abs. 3 und 4 GewO. 495 BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, GewArch 2003, 290. 496 Vgl. Art. 129 GG, die Landesverfassungen sowie die Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Ländern. 497 Vgl. dazu Erichsen/Scherzberg, DVBl. 1987, 168.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 307 § 1
Anordnung erlassen, weil er eine Einzelbestimmung der Prüfungsordnung einer IHK rechtlich für bedenklich hielt498. Das Nds. OVG hat sich ebenfalls mit einem Normenkontrollantrag gegen eine Prüfungsordnung befasst, den Rechtssatzcharakter bestätigt, den Antrag aber aus anderen Gründen zurückgewiesen499. In einem solchen Fall kann eine Satzungsvorschrift für nichtig erklärt werden, was wegen der rechtsetzenden Wirkung ebenfalls der Verkündung bedarf (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). c) Verwaltungsverfahren Die Zuweisung hoheitsrechtlicher Verwaltungsaufgaben führt dazu, dass die IHKs 304 Verwaltungsverfahren durchführen und Verwaltungsakte erlassen. Sie sind dabei an die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts gebunden, die hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens und einiger damit zusammenhängender materiellrechtlicher Fragen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder kodifiziert worden sind. Die befürchtete Zweigleisigkeit im Verwaltungsverfahrensrecht hat sich dabei 305 nicht ergeben, weil gemäß § 1 Abs. 3 VwVfG für die IHKs als öffentlich-rechtliche Körperschaften unter der Rechtsaufsicht des Landes in allen Fällen allein das jeweilige Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes gilt. Die Landesgesetze stimmen im Übrigen mit dem Bundesgesetz und untereinander so weitgehend und in der Regel wortgleich überein, dass im Folgenden zur Vereinfachung nur nach den Paragraphen des Bundesgesetzes zitiert wird. Verwaltungsakt ist jede Entscheidung, die eine Behörde zur Regelung eines Ein- 306 zelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 VwVfG). Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit einer Behörde, die auf Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist (§ 9 VwVfG). Behörde ist dabei jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 VwVfG), also auch die Kammer. Dieser Behördenbegriff gilt im Übrigen auch für die schlichtverwaltende Tätigkeit der Kammer selbst, obwohl das Verwaltungsverfahrensgesetz diesen Bereich nicht weiter behandelt. Bei den IHKs finden sich Verwaltungsakte und Verwaltungsverfahren sowohl im 307 Organisationsrecht als auch bei den einzelnen Sachaufgaben. Insbesondere geht es hier um Beitrags- und Gebührenbescheide, aber auch um die Stundung, den Erlass und die Niederschlagung von Beiträgen und Gebühren. Dagegen ist inzwischen geklärt, dass die einzelnen Entscheidungen im Wahlverfahren keine Verwal-
498 VGH Mannheim v. 18.4.1966 – I 224/66. 499 Nds. OVG v. 15.5.1974 – VII C 1/73.
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§ 1 Rz. 307 Aufgabenbereich tungsakte sind und allein das Wahlergebnis angefochten werden kann500. Im Bereich der hoheitlichen Sachaufgaben werden etwa Verwaltungsverfahren durchgeführt und Verwaltungsakte erlassen, wenn es sich um die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen, die Erlaubniserteilung für Versicherungsvermittler, Rücknahme oder Widerruf der Bestellung oder Erlaubniserteilung handelt bzw. wenn es um die Ausstellung von Ursprungszeugnissen oder Bescheinigungen oder um Einzelentscheidungen im Bereich der Berufsbildung oder der gewerberechtlichen Sachkundeprüfungen geht; angefochten werden kann nicht das Ergebnis der Sachkundeprüfung sondern nur die Versagung der Erlaubniserteilung. 308
Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte der IHK richtet sich nach der VwGO, die in einigen Bundesländern zunächst ein Widerspruchsverfahren vorsieht (§§ 68 ff. VwGO) und anschließend den Klageweg eröffnet (§ 42 VwGO mit Anfechtungs- und Verpflichtungsklage). Auch die Widerspruchsentscheidung wird von der IHK selbst erlassen, weil sie als Selbstverwaltungskörperschaft gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO entscheidet501. Bei Prüfungsentscheidungen hat sich dabei die Widerspruchsentscheidung der Kammer in den gleichen Grenzen zu halten, wie sie den Verwaltungsgerichten gesetzt sind. Intern richtet sich die Zuständigkeit nach der Organisationsverteilung, so dass beispielsweise von der Kammer auch ein Ausschuss oder das Präsidium für die Entscheidung von Widersprüchen bestimmt werden kann. Die Kostenerstattung bei erfolgreichem Widerspruch regelt sich nach § 80 VwVfG wobei die IHKs aufgrund von Satzungsrecht eine Widerspruchsbescheidsgebühr bei erfolglosem Widerspruch festsetzen können.
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Zum Verwaltungsstreitverfahren ist darauf hinzuweisen, dass hier die Vertretung der IHK gemäß § 7 Abs. 2 gemeinsam durch den Präsidenten und den Hauptgeschäftsführer erfolgt. Mit der Prozessvertretung – auch in der Berufungs- und Revisionsinstanz – kann ein Kammermitarbeiter, der die Befähigung zum Richteramt hat, beauftragt werden (§ 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO). d) Schlichtverwaltende Tätigkeit
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Im Übrigen sind die Kammeraufgaben in ihrem Schwergewicht schlichtverwaltender Art, insbesondere soweit die IHK als Gutachter und Berater, aber auch bei der Betreuung der kammerzugehörigen Unternehmen und der Wahrnehmung sonstiger Selbstverwaltungsaufgaben tätig wird502. Der BGH hat deshalb entschieden, dass die öffentliche Warnung einer IHK vor einem namentlich genannten Missbrauch von dem Betroffenen wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters dieser Maßnahme nicht vor den Zivilgerichten angefochten werden kann503. 500 501 502 503
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Vgl. § 5 Rz. 79 und 86. BVerwG v. 27.10.1978 – VII B 198/78; BVerwG v. 20.7.1984 – VII Z 31/83. Vgl. Robbers, DÖV 1987, 272. BGH v. 30.11.1955 – VI ZR 100/54, NJW 1956, 711.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 312 § 1
Ebenso hat der BGH geklärt, dass auch die Vermittlung einer Handelsvertretung durch eine IHK als öffentlich-rechtliche Tätigkeit zu qualifizieren ist504. e) Amtshaftung und Amtshilfe Aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Kammertätigkeit ergibt sich als 311 Konsequenz auch die Amtshaftung, wie sie durch Art. 34 GG i.V. mit § 839 BGB vorgesehen ist. Eine Bundeskompetenz besteht zwar in Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG, doch haben sich Bund und Länder nicht auf eine Neufassung des Staatshaftungsgesetzes einigen können. Im Sinne von § 839 BGB üben die IHKs öffentliche Gewalt aus und haften für rechtswidriges Verhalten. Dabei kommt es allerdings darauf an, ob eine Pflicht des öffentlichen Rechts verletzt wurde, die der IHK gegenüber einem Dritten oblag. Eine solche Amtspflicht gegenüber Dritten ist bei fehlerhaften Verwaltungsakten vorhanden, kann aber auch bei Auskünften – je nach Charakter von Anfrage und Antwort – gegeben sein505. In erster Linie kommt eine Folgenbeseitigung, aber bei Verschulden auch Schadensausgleich in Geld in Betracht. Der Geldersatz entfällt jedoch, wenn eine ausreichende Folgenbeseitigung vorgenommen worden ist506. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft ist die IHK zur Amtshilfe verpflichtet und 312 kann sie auch selbst in Anspruch nehmen507. Dabei hat die Kammer insbesondere zu prüfen, ob sie zur Vertraulichkeit der ihr bekannten Tatsachen verpflichtet ist oder diese Vertraulichkeit selbst zugesagt hat, so dass sie ein Amtshilfeersuchen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwVfG ablehnen muss. Insbesondere die Datenschutzvorschriften der Länder sowie die DSGVO der EU sind hier von den Kammern unmittelbar zu beachten508. Über die Zweckmäßigkeit entscheidet die ersuchende Behörde. Ebenso muss die IHK berücksichtigen, dass die Beantwortung ihrer Umfragen freiwillig ist und sie eine Antwort nicht erzwingen kann, so dass sie Auskunftsersuchen, die erfahrungsgemäß keinen Erfolg haben können, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ablehnen darf. Im Streitfall entscheidet nach § 5 Abs. 5 VwVfG die Staatsaufsichtsbehörde509. Aber auch eine Klage der anfragenden Behörde, deren Beantwortung abgelehnt worden ist, ist zulässig510.
504 BGH v. 22.5.1958 – 1 StR 551/57, NJW 1958, 1101. 505 Vgl. BGH v. 27.4.1970 – III ZR 114/68, DVBl. 1970, 861; BGH v. 23.2.1978 – III ZR 97/76, DVBl. 1978, 704. 506 Vgl. zu irrtümlichen Eintragungen und entsprechenden Auskünften aus dem Schuldnerverzeichnis OLG Karlsruhe v. 11.7.1985 – 12 U 47/85; zur Beratung im Rahmen der Berufsausbildung LG Frankenthal (Pfalz) v. 6.12.2007 – 3 O 377/07. 507 Vgl. Art. 35 Abs. 1 GG und die §§ 4–8 VwVfG. 508 Vgl. allgemein dazu Simitis, NJW 1986, 2795. 509 Vgl. Schnapp/Friehe, NJW 1982, 1422. 510 BVerwG v. 6.2.1986 – 3 C 74/84, DVBl. 1986, 1199 im Falle einer Anfrage aus der Sozialversicherung; dazu Stüer, DÖV 1985, 720; Schnapp, DVBl. 1987, 561.
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§ 1 Rz. 313 Aufgabenbereich 313
Grundsätzlich haftet die IHK als Anstellungs-Körperschaft für rechtswidriges Handeln des IHK-Haupt- und Ehrenamtes, mag es sich um eigene oder übertragene Aufgaben oder um eine Amtshilfe handeln. Wenn nach § 10 hoheitliche Aufgaben auf eine andere Kammer übertragen worden sind, haftet bei Amtspflichtsverletzungen die übernehmende IHK. Ist dagegen für die gemeinsame Wahrnehmung solcher Aufgaben ein juristisch selbständiger öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss gebildet worden, so haftet dieser für seine Mitarbeiter. f) Vertraulichkeit von Kammerunterlagen aa) Grundsätze
314
In der Praxis spielt die Vertraulichkeit von Kammerunterlagen eine große Rolle, weil die IHK bei ihren Ermittlungen, Umfragen und aus der Zusammenarbeit mit den Kammerzugehörigen eine Fülle von Informationen vertraulicher Art erhält und in ihren Gutachten oder Entscheidungen lediglich das zusammengefasste Ergebnis auswertet. Deshalb gibt es immer wieder bei Sachverständigenbestellungen, bei Kammergutachten über die Kreditwürdigkeit oder bei der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Auskunftswünsche über die zugrunde liegenden Aktenvorgänge und insbesondere die Namen von Informanten der IHK511 (s. Rz. 322).
315
Die Vertraulichkeit von Kammerunterlagen ist durch Gesetz und Rechtsprechung inzwischen weitgehend geklärt512. Soweit die Kammern nach § 31 Abs. 1 AO für ihr Beitragswesen die Gewerbeerträge, Gewinne und Zerlegungsanteile erhalten, gilt das Steuergeheimnis nach § 30 AO; die Mitarbeiter sind darauf, soweit sie nicht ohnehin Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB sind, nach dem Verpflichtungsgesetz vom 2.3.1974513 zu verpflichten. Darüber hinaus sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch § 203 Abs. 2 Satz 1 StGB umfassend geschützt. Dies gilt nach § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB auch für persönliche und sachliche Verhältnisse, die speziell für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst worden sind und nicht unbefugt offenbart werden dürfen; lediglich an andere Behörden und sonstige Stellen der öffentlichen Verwaltung dürfen sie im Rahmen der Datenschutzgesetze weitergegeben werden. Schließlich bringt § 30 VwVfG für alle Verwaltungsverfahren einen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen514. Selbst in Verwaltungsverfahren kann die IHK nach § 29 Abs. 2 VwVfG den Beteiligten die Akteneinsicht verweigern, soweit die Vorgänge ihrem Wesen nach zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben geheim gehalten werden müssen; ein ausreichender Grund ist die vorher zugesagte Vertraulichkeit. In diesem Sinne hat das OVG Nordrhein-Westfalen515 verneint, dass der Kläger in einem Bürgschafts511 512 513 514 515
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Vgl. dazu auch § 1 Rz. 46 und 215. Kritisch dazu Kroitzsch, BB 1984, 309. BGBl. I, 547. Vgl. dazu Knemeyer, NJW 1984, 2241. OVG Nordrhein-Westfalen v. 15.12.1989 – 4 A 1501/87.
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 317 § 1
verfahren ein allgemeines Akteneinsichtsrecht oder auch nur einen Anspruch auf Einsicht in die gutachtliche Äußerung der IHK zu seinem Bürgschaftsantrag hat516. Die Rechtsprechung hat auch ein Auskunftsrecht über die interne Meinungs- 316 und Willensbildung abgelehnt517. Vor allem gilt dies für die Bekanntgabe von Informanten, weil die IHK zur Erfüllung ihrer Aufgabe auf vertrauliche Informationen angewiesen ist und diese Erkenntnisquellen gefährden würde, wenn Informanten – beispielsweise über die Unzuverlässigkeit eines Sachverständigen oder über Wettbewerbsverstöße eines Wettbewerbers – mit zivilrechtlichen Verfahren rechnen müssten. Die Vertraulichkeit von Informationen an die IHK ist deshalb ausdrücklich vom Bundesverwaltungsgericht518, vom OVG Rheinland-Pfalz519, vom VG Berlin520 und vom VG Schleswig521 bestätigt worden. Ebenso brauchen die Informanten nicht benannt zu werden, wie das Bundesverwaltungsgericht522, der Bay. VGH523 und das VG Ansbach524 anerkannt haben. In allen Fällen bedarf es selbstverständlich einer sorgfältigen Abwägung, ob im Einzelfall die individuellen Rechte des Auskunft begehrenden Vorrang haben oder ob die Erfüllung der Kammeraufgaben durch eine Auskunft gefährdet würde; eine ablehnende Entscheidung kann im Verwaltungsrechtsweg überprüft werden und muss sich an den Grundgedanken der §§ 99 VwGO, 29 und 30 VwVfG messen lassen. Auch die Vorlage der Unterlagen an das Gericht kann entfallen, wenn die Aufsichtsbehörde die Sperrerklärung nach § 99 VwGO, § 96 StPO abgibt525; auch diese Sperrerklärung kann durch Beschwerde (§ 99 Abs. 2 VwGO) oder Klage (bei § 96 StPO) vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden526. Diese Wahrung der Vertraulichkeit findet gewisse Einschränkungen gegenüber 317 der Finanzverwaltung und gegenüber den Staatsanwaltschaften. Nach den §§ 93 Abs. 1 und 97 Abs. 1 i.V. mit § 105 Abs. 1 AO sind die IHKs gegenüber den Finanzbehörden zur Auskunft und zur Vorlage von Urkunden verpflichtet, soweit 516 Ähnlich VG Ansbach v. 16.2.1995 – AN 4 K 94.01275, GewArch 1995, 202. 517 BVerwG v. 30.6.1961 – II C 177.58, BVerwGE 12, 296; BVerwG v. 14.2.1964 – VII C 93.61, BVerwGE 18, 58; BVerwG v. 9.11.1967 – II C 107.64, BVerwGE 28, 191; BVerwG v. 25.2.1969 – I C 65.67, NJW 1969, 1131; Nds. OVG v. 20.4.1967 – VI A 145/66, DVBl. 1967, 859; OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.3.1972 – XIII A 1066/69, GewArch 1973, 73. 518 BVerwG v. 30.4.1965 – VII C 83.63, DVBl. 1965, 647. 519 OVG Rheinland-Pfalz v. 6.5.1976 – 2 B 7/76, DVBl. 1977, 425. 520 VG Berlin v. 19.10.1979 – VG 4 A 209.79, GewArch 1980, 193. 521 VG Schleswig-Holstein v. 4.8.1981 – 12 A 216/81, GewArch 1982, 25. 522 BVerwG v. 30.4.1965 – VII C 83.63, DVBl. 1965, 647. 523 Bay. VGH v. 30.7.1979 – 3712 VII 78, NJW 1980, 198. 524 VG Ansbach v. 26.10.1978 – AN 8782 – IV/77, GewArch 1979, 20. 525 BVerwG v. 27.4.1984 – 1 C 43/83, DVBl. 1984, 836. 526 BVerwG v. 29.10.1982 – 4 B 172/82, BVerwGE 66, 233, 236; BVerwG v. 21.6.1993 – 1 B 62/92, NVwZ 1994, 72.
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§ 1 Rz. 317 Aufgabenbereich ein formelles Auskunftsersuchen erfolgt und die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht; die Verpflichtung der Kammer ist also nur subsidiär. Die IHK kann sich aber auch auf § 106 AO berufen, dass die Auskunft oder Vorlage dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereiten würde; sie muss dazu eine entsprechende Erklärung der Staatsaufsichtsbehörde beibringen. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Aufgabenerfüllung der Kammer durch Auskunft oder Vorlage gefährdet würde, insbesondere wenn die Kammer die zugesagte Vertraulichkeit von Informationen brechen müsste. Erst wenn die Aufsichtsbehörde eine solche Erklärung nach § 106 AO ablehnt, ist die IHK zur Auskunft oder Vorlage an die Finanzbehörden verpflichtet. Das Gleiche gilt, wenn sich die Finanzverwaltung auf die Amtshilfevorschriften der §§ 111 und 112 AO bezieht. Bei Steuer- und Zollfahndungen gilt § 208 Abs. 1 AO. 318
Die gleiche Problematik ergibt sich bei Anfragen der Staatsanwaltschaften. Nach § 161 StPO kann die Staatsanwaltschaft von allen öffentlichen Behörden und somit auch von den IHKs Auskünfte verlangen. Falls die IHK wegen der notwendigen Vertraulichkeit in einem solchen Fall Bedenken hat, kann sie gemäß § 96 StPO eine entsprechende Erklärung der Aufsichtsbehörde einholen. Die Rechtsprechung hat schon häufiger anerkannt, dass Verwaltungsbehörden die Namen von Gewährsleuten geheim halten und zu diesem Zweck auch Aussagegenehmigungen ablehnen oder beschränken dürfen527. Für die IHKs ist dies ausdrücklich vom AG Weiden528 anerkannt worden, weil sie ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung nur bei Wahrung der Vertraulichkeit nachkommen können, ebenso vom VG Oldenburg529.
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Im Verhältnis zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren tritt das Problem der Beschlagnahme hinzu. Hier ist § 96 StPO analog anzuwenden, weil eine zulässige Auskunftsverweigerung oder Ablehnung der Aussagegenehmigung entsprechende Verwertungsverbote auch für beschlagnahmte Unterlagen zur Folge hat530. Soweit eine solche Erklärung der Aufsichtsbehörde nach § 96 StPO nicht vorliegt, ist auch eine Beschlagnahme von Kammerunterlagen zulässig531.
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Ein staatsanwaltschaftlicher Zwang zur Auskunft gegenüber der IHK ist nicht möglich532.
527 Vgl. BVerwG v. 19.8.1986 – 1 C 7/85, DÖV 1987, 249. 528 AG Weiden v. 1.12.1958 – Bs 45/58. 529 VG Oldenburg v. 7.1.1985 – IV Os 2/85; zum Rechtsweg vgl. OLG Celle v. 8.10.1990 – 1 VAs 9/90, NJW 1991, 856. 530 Vgl. Erdsiek, NJW 1960, 616. 531 BGH v. 18.3.1992 – 1 BGs 90/92, NJW 1992, 1973; LG Wuppertal v. 12.4.1991 – 26 Qs 3/91, NJW 1992, 770. 532 Vgl. BVerwG v. 29.5.1959 – VII C 12.58, NJW 1959, 1456 m. Anm. Vogel, NJW 1959, 1938; außerdem OVG Nordrhein-Westfalen v. 18.12.1957 – III A 793/57, JZ 1958,
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§ 1 Abs. 4 – Die Übertragung weiterer Aufgaben
Rz. 322 § 1
Die Vertraulichkeit gilt grundsätzlich auch gegenüber dem Präsidenten und den 321 Mitgliedern der IHK-Gremien. Die einzelnen Mitglieder einer IHK-Vollversammlung haben einen organschaftlichen Anspruch auf Auskunft und Akteneinsicht in Bezug auf alle Gegenstände, die in die Kompetenz der Vollversammlung fallen533. Dieser Anspruch schließt allerdings nicht Gegenstände ein, die aus den in den vorstehenden Absätzen genannten Gründen vertraulich zu behandeln sind, wobei die Abwägung zwischen dem weitreichenden aufgabenorientierten Transparenzgebot und der Vertraulichkeit nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden kann. Ferner kann der Informationsanspruch der einzelnen Vollversammlungsmitglieder auch durch Satzungsrecht der IHK eingeschränkt sein534. bb) Informationsfreiheitsgesetze Informationsfreiheitsgesetze (IfG) haben die Diskussion um die Vertraulichkeit 322 von Kammerunterlagen ebenfalls erweitert. Grundsätzlich schließt das IHKG die Befugnis der Länder nicht aus, durch ein allgemeines IfG Ansprüche auf Zugang zu amtlichen Informationen außerhalb konkreter Verwaltungsverfahren auch gegenüber Industrie- und Handelskammern einzuräumen535. Die Länder können den Zugang zu amtlichen Informationen der IHKs im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz eigenständig regeln, daher ist alleine Landesrecht einschlägig, das unterschiedlich ausgestaltet ist und die IHKs teilweise umfasst, teilweise implizit oder explizit ausschließt. Auch soweit bestimmt ist, dass, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, über die Auskunftserteilung oder zur Gewährung von Akteneinsicht bestehen, diese den Vorschriften des IfG vorgehen, zählen Vorschriften des Satzungsrechts der IHKs nicht dazu: Die Satzungsautonomie der IHKs schließt eine landesgesetzliche Regelung über einen Informationszugangsanspruch nicht aus, denn die mit der Satzungsautonomie verbundene Befugnis zur selbständigen Rechtssetzung bezieht sich allein auf Regelungen der inneren Ordnung. Nicht davon erfasst werden hingegen Regelungen der Außenrechtsbeziehungen wie Informationszugangsansprüche536. Das IfG und die Landesregelungen enthalten den Grundsatz, dass Gebühren und
533 534 535 536
754 m. Anm. Rupp; BVerwG v. 29.5.1959 – VII C 12.58, JZ 1960, 65; LG Oldenburg v. 7.1.1985 – IV Os 2/85. OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.6.2003 – 8 A 4282/02, GewArch 2004, 255. BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331; dazu Rickert, GewArch 2004, 369. BVerwG v. 15.10.2007 – 7 B 9.07, GewArch 2007, 478; vgl. auch Röger in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 65, 105; dagegen Grütters, GewArch 2002, 270 und GewArch 2003, 271; Rickert, WiVerw 2004, 153, 167. Ausdrücklich OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.11.2006 – 8 A 1679/04, NWVBl. 2007, 187 mwN zur gegenteiligen Sicht der Literatur.
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§ 1 Rz. 322 Aufgabenbereich Auslagen nach Verwaltungsaufwand, jedoch nicht notwendig kostendeckend erhoben werden können537. 323
Die Informationsfreiheitsgesetze geben jedem Bürger ohne Nachweis eines besonderen Interesses einen Anspruch auf Akteneinsicht. Wenn dieser durch Satzungsrecht nicht beschränkt werden kann, dann begründet er für jedermann ein weiter gehendes Informationsrecht als für die IHK-Mitglieder und sogar die Mitglieder der IHK-Vollversammlungen. Allerdings gibt es auch für den Anspruch nach dem IfG Grenzen, die sich aus dem Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung, dem Schutz der behördlichen Entscheidungsbildungsprozesse, dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und von personenbezogenen Daten ergeben538. Angesichts des Transparenzzieles interpretiert die Rechtsprechung den Informationsanspruch in der Regel weit: So musste der Vermerk eines Mitarbeiters einer IHK zu möglichen Kriterien für die Einteilung der Wahlgruppen zur Wahl der Vollversammlung der IHK zugänglich gemacht werden539; auch die Namen der gewählten Mitglieder und Nachrücker in einer Wahlgruppe zur Vollversammlung waren offenzulegen540 (s. aber auch § 5 Rz. 96 ff.); schließlich können auch Protokolle des Vorstands einer Kammer betroffen sein, soweit diese nicht rein intern sind oder bloße Meinungskundgaben betreffen, wie der BGH für eine Rechtsanwaltskammer judizierte541. Das VG Köln stellte ebenfalls in Bezug auf eine Rechtsanwaltskammer fest, dass bei Äußerungen in einer Vorstandssitzung, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, jedenfalls keine öffentlichen Äußerungen vorliegen würden und daher auch kein Anspruch auf Bekanntgabe des entsprechenden Vorstandsprotokolls bestünde542. cc) Pressegesetze
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Inwieweit die IHKs zudem nach den – weitgehend gleichlautenden – Pressegesetzen der Länder verpflichtet sind, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen, ist nicht allgemein zu beantworten. Es gilt der Grundsatz, wonach das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG staatsgerichtet ist und sich hieraus Auskunftspflichten von grundrechtsverpflichteten Körperschaften wie den IHKs ergeben kön-
537 Dazu Polenz in Brink/Polenz/Blatt (Hrsg.), Informationsfreiheitsgesetz, 2017, § 10 Rz. 1 ff. 538 Vgl. allgemein Brink in Brink/Polenz/Blatt (Hrsg.), Informationsfreiheitsgesetz, 2017, § 1 Rz. 82 ff. 539 OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.11.2006 – 8 A 1679/04, NWVBl. 2007, 187, 190. 540 VG Berlin v. 15.5.2013 – VG 2 K 8.13. 541 BGH v. 20.3.2017 – AnwZ (Brfg) 46/15, NJW 2017. 542 VG Köln v. 27.6.2018 – 1 L 641/18, vgl. dazu auch Huff, NJW-Spezial 2018, 510, 511.
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§ 1 Abs. 5 – Arbeitsrechtliche und sozialpolitische Interessen
Rz. 327 § 1
nen543. Materiell handelt es sich beim presserechtlichen Auskunftsanspruch allerdings nicht um einen Informationsbeschaffungsanspruch: die Information muss bereits vorhanden sein und nicht erst erarbeitet werden544. Auskünfte dürfen in der Regel nach den Pressegesetzen verweigert werden, wenn 325 und soweit Vorschriften über die Geheimhaltung oder über den Persönlichkeitsschutz des GG entgegenstehen, durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte, ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse (darunter Geheimhaltungsvorschriften wie beispielsweise § 30 AO) verletzt würden oder ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet. Auch missbräuchliche Auskunftsansprüche dürfen nicht gestellt werden, etwa wenn Anträge nicht zum Zweck der Informationserlangung gestellt werden, sondern sonstigen Zwecken dienen. Das Verhältnis von Landespresse- und Informationsfreiheitsgesetzen ist im Detail umstritten545, hier ist im Einzelfall zu entscheiden.
VII. § 1 Abs. 5 – Wahrnehmung arbeitsrechtlicher und sozialpolitischer Interessen § 1 Abs. 5 ist eine negative Kompetenzschranke: die „Wahrnehmung sozialpoli- 326 tischer und arbeitsrechtlicher Interessen“ gehört nicht zu den Aufgaben einer IHK. § 1 Abs. 5 ist während der Ausschussberatungen im Bundestag546 in das Gesetz eingefügt worden. Damit sollte ausgedrückt werden, dass die den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen im Rahmen des Tarifvertragsrechts und der sozialpolitischen Selbstverwaltung zustehenden Aufgaben – entsprechend der früheren Rechtslage – auch künftig von den IHKs nicht wahrgenommen werden können. An sich geht das schon aus der Fassung von § 1 Abs. 1 hervor, so dass Abs. 5 materiellrechtlich keine Änderung gegenüber dem Initiativentwurf bedeutete. Interpretation und Reichweite des § 1 Abs. 5 sind derzeit als offen anzusehen. Das 327 BVerwG hat 2016 unter Bezug auf den Wortlaut ausgeführt, die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen sei schlechthin allein „Gegenstand der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger sowie der grundrechtlich geschützten Tätigkeit freiwilliger Vereinigungen wie etwa der freien Wohl-
543 Ausführlich zum presserechtlichen Auskunftsanspruch BVerwG v. 20.2.2013 – 6 A 2.12, NVwZ 2013, 1006 mit dem Argument eines verfassungsunmittelbaren Anspruchs. 544 BVerfG v. 27.7.2015 – 1 BvR 1452/13, NVwZ 2016, 50 Rz. 15; s. auch EGMR v. 14.4.2009 – EGMR 37374/05 – Társaság a Szabadságjogokért c. Hongrie, § 36. 545 Brink in Brink/Polenz/Blatt (Hrsg.), Informationsfreiheitsgesetz, 2017 Rz. 133 mwN. 546 Vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik v. 19.5.1956 – zu Drucksache II/2380.
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§ 1 Rz. 327 Aufgabenbereich fahrtsverbände und der Tarifpartner“547. Auf dieser Basis hat es Stellungnahmen gegen die Einführung des Mindestlohns, gegen die sogenannte Mütterrente, die Sozialagenda und die Herabsetzung des regulären Renteneintrittsalters „ungeachtet ihres Bezugs zur Wirtschaft in den Kammerbezirken“ wegen Verstoß gegen § 1 Abs. 5 nicht mehr von der Kammerkompetenz gedeckt angesehen und ergänzt, dass auch eine „mittelbare Vertretung dieser Interessen durch die Kammern gesetzlich ausgeschlossen“ sei548. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat sich dem angeschlossen und ausnahmslos jede Einschätzung „zur sozialen Gerechtigkeit in Deutschland“, zu den „Arbeitsbedingungen von Frauen“ sowie zum „Equal Pay Day“ für rechtswidrig erachtet549. 328
Klare wirtschaftspolitische Abgrenzungen der Begriffe „Arbeitsrecht“ und insbesondere „Sozialpolitik“ existieren nicht. Einen ersten Anhaltspunkt der Reichweite des § 1 Abs. 5 bietet indes der weitere Wortlaut. Denn ausdrücklich umfasst Abs. 5 nur die „Wahrnehmung“ der arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen „Interessen“. Bereits vom Wortlaut nicht erfasst werden somit alle Handlungen oder Tätigkeiten außerhalb der (Gesamt)Interessenwahrnehmung, etwa die in § 1 Abs. 1 genannte Unterstützung der Behörden oder die Förderung der gewerblichen Wirtschaft durch Information der Unternehmen. Der komplette Ausschluss der Sozialpolitik aus der Verbandskompetenz würde sonst auch systematisch zu einer kaum auflösbaren Widersprüchlichkeit in § 1 selbst führen: Der explizite gesetzliche Auftrag der beruflichen Bildung aus § 1 Abs. 2 stünde nämlich im Widerspruch zu § 1 Abs. 5, denn berufliche Bildung ist per definitionem ein sozialpolitisches Ziel550. Zudem ist die Zuständigkeit der IHKs zur Errichtung einer Schlichtungsstelle zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden in § 111 Abs. 2 ArbGG gesetzlich festgeschrieben. In diesem Bereich können die Kammern ausdrücklich auch Schlichtungsfunktionen wahrnehmen. Das wäre unmöglich, interpretierte man nicht § 1 Abs. 5 als das speziellere Gesetz insoweit restriktiv, als eben nicht jede arbeitsrechtliche Aktivität oder Tätigkeit ausgeschlossen ist. Auch teleologisch geht es in der Norm nicht primär um eine maximale Beschränkung der Verbandskompetenz, sondern um die Sicherstellung der Aufgabenerfüllung der IHKs gem. § 1 Abs. 1 unter Aufrechterhaltung des proprium der Tarifpartner. Eine negative Kompetenznorm als grundsätzlich eng zu verstehende Ausnahme zur weiten Aufgabennorm des § 1 Abs. 1 kaum abgrenzbar weit zu interpretieren hätte jedenfalls einer eingehenden Begründung bedurft. Eine solche weite Interpretation widerspräche zudem der aus § 1 Abs. 1 folgenden, durch 547 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 29, kritisch Jahn, GewArch 2017, 381 und Landmann/Rohmer/Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 316 ff. 548 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 36. 549 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09 Rz. 159, nicht rechtskräftig, Revision anhängig – 8 C 23.19. 550 BVerwG v. 1.2.2012 – 8 C 24.11 – Sachverständige.
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§ 1 Abs. 5 – Arbeitsrechtliche und sozialpolitische Interessen
Rz. 330 § 1
das BVerfG etablierten Gemeinwohlorientierung (vgl. dazu Rz. 52). Es wäre nicht mehr aufgabenkonform und jede Stellungnahme implizit unvollständig, dürfte eine wirtschaftspolitische Positionierung nicht auch sozialpolitische Auswirkungen auf die Wirtschaft zumindest nennen und in der Abwägung berücksichtigen, z.B. die Folgen staatlicher Sozialpolitik auf Konjunkturaussichten, ihre Auswirkungen auf die Verbraucherkaufkraft, oder die Finanzierung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen durch Eingriffe in Sozialkassen. Erst der von der Rechtsprechung (scheinbar) geforderte Verzicht auf die Berücksichtigung gesellschaftlicher Konsequenzen wirtschaftlichen Handelns und unternehmerischer Forderungen würde Vorwürfen wirtschaftlichen Egoismus und gesellschaftspolitischer Rücksichtlosigkeit erst Raum oder gar Berechtigung geben. Dem BVerwG kann allerdings nicht die Intention unterstellt werden, eine gemeinwohlorientierte Gesamtinteressenwahrnehmung zu unterbinden. Gefordert ist daher eine behutsame Weiterentwicklung und Klarstellung dieser Rechtsprechung im Licht des Urteils des BVerfG vom Juli 2017551. Die vorgeschlagene funktionale, strikt aufgabenorientierte Interpretation ent- 329 spricht der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG. Denn das BVerfG hat – zeitlich nach dem Urteil des BVerwG – ein offenes Verständnis des § 1 Abs. 5 in dem Sinne zugrunde gelegt, wonach die ratio des § 1 Abs. 5 darin liege, dass keine sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Interessen wahrgenommen werden sollen, „um einen Konflikt mit den Koalitionen von vornherein zu vermeiden“552. Das BVerfG hat dabei ausdrücklich Bezug genommen auf die Gesetzesmaterialien, vor allem den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik in der Diskussion zum IHKG, der die Einführung des § 1 Abs. 5 (damals § 1 Abs. 6) wie folgt begründete: „Durch Einfügung des Abs. 6 soll klargestellt werden, daß die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen, welche Sache der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen ist, den Industrie- und Handelskammern nicht zusteht. Hierdurch wird aber den Industrie- und Handelskammern nicht verwehrt, allgemeine sozialpolitische und arbeitsrechtliche Fragen, welche die gewerbliche Wirtschaft berühren, zu behandeln“553. Dieser Wegweisung des BVerfG ist zu folgen. Nicht allein wird sie dem Willen des 330 historischen Gesetzgebers gerecht, sondern sie orientiert sich eng an der Zwecksetzung der negativen Kompetenznorm: Entscheidend ist, ob aus einer sozialpolitischen oder arbeitsrechtlichen Interessenwahrnehmung heraus potentiell Konflikte mit den Sozialpartnern entstehen könnten. Derartige Konflikte sind lediglich in deren originären Kompetenzbereichen wahrscheinlich, namentlich der Tarif551 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13. 552 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 90. 553 BT-Drs. II/2380, 2, in der Datenbank des Deutschen Bundestags aufzufinden unter dem Suchbegriff „02/2380zu“; vgl. auch BT-Drs. V/2218, 2, ausdrücklich bestätigt in der Antwort der Bundesregierung v. 25.10.1967 auf die kleine Anfrage V/2167, BTDrS. V/2218.
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§ 1 Rz. 330 Aufgabenbereich politik. Damit wären zu Recht den IHKs jegliche Aussagen zu Tarifforderungen, Streikaufrufen etc. unmittelbar untersagt. Gleichermaßen unzulässig wären ohne Weiteres Stellungnahmen zu Handlungen der Träger der Sozialversicherung gem. § 29 ff. SGB IV, d.h. der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften. Das ist auch konsequent, handelt es sich doch durchweg um Körperschaften des öffentlichen Rechts in funktionaler Selbstverwaltung. 331
Sobald hingegen der Gegenstand der wirtschaftlichen Gesamtinteressenwahrnehmung außerhalb des gesetzlichen proprium der Sozialpartner oder der Sozialversicherungsträger liegt und zusätzlich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Bezug auf die unternehmerische Wirklichkeit besteht, etwa durch messbare bürokratische Belastungen, so kann in teleologischer Reduktion der Norm eine Kompetenz nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Vielmehr ist ähnlich wie bei den Organisationen des Handwerks als Kompetenzschranke (vgl. dazu Rz. 70) im Einzelfall auf die Reichweite der Kompetenzen der Sozialpartner abzustellen. Die Sozialpartnereigenschaft ergibt sich aus der Vertretung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen auf dem Arbeitsmarkt554, das auch grundrechtlich geschützte Sozialpartnerprivileg bezieht sich abschließend auf die Beschäftigungsund Arbeitsbedingungen.
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So verstanden ist die Kompetenzgrenze auch zwingend: die Entscheidung des Gesetzgebers, bei den IHKs anders als den HwKs keine Arbeitnehmervertretung vorzusehen und die Mitbestimmungsfrage einschließlich der Gründung von Arbeitnehmerkammern555 durch die Wahl des Gesetzestitels des „vorläufigen Gesetzes“ über die IHKs offen zu lassen, wird kompensiert durch das Ausscheiden der IHKs aus dem wirtschaftspolitischen Bereich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen und den Fragen der Sozialversicherung, zumal anderenfalls kaum überwindbare binnenplurale Konflikte in der Gesamtinteressenermittlung drohten. Soweit die Interessenwahrnehmung aber nicht Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen betrifft ist die Verbandskompetenz der IHKs indes nicht per se eingeschränkt.
333
Diese Interpretation wird letztlich auch gestützt durch das in der verfestigten, historisch gewachsenen Staatspraxis der Verfassungsorgane Bundestag, Bundesregierung und Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck kommende Verständnis der Gesamtinteressen der Wirtschaft auch in ihre Beziehung zur Sozialpolitik. Zwar sind die Staatsorgane nicht gehalten, bei jeder Anfrage nach Stellungnahme, Mitwirkung oder Beratung durch IHKs deren gesetzliche Kompetenzen aus § 1 Abs. 1 zuvor selbst abschließend zu prüfen. Gleichwohl haben Entstehungsgeschichte und eine verfestigte Staatspraxis in ständiger Rechtsprechung für die Aus-
554 Vgl. dazu Loewisch/Rieble in ders. (Hrsg.), TVG-Kommentar 2017, § 1 Rz. 1094. 555 Zu Arbeitnehmerkammern Kluth, Öffentliches Wirtschaftsrecht 2019, 167 f.
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§ 1 Abs. 5 – Arbeitsrechtliche und sozialpolitische Interessen
Rz. 336 § 1
legung von Zuständigkeitsvorschriften besonderes Gewicht556. Über die letzten Jahrzehnte sind die IHKs auf Landes- und der DIHK auf Bundesebene von Staatsorganen regelmäßig mit Aufforderungen zu Stellungnahmen und Beteiligungen im Bereich der Sozialpolitik und des Arbeitsrechts befasst worden, von der Mütterrente über Geschlechtergleichstellungsfragen bis hin zu Mehrgenerationenhäusern etc. Auch das BVerfG selbst hat vielfache Äußerungsaufforderungen zu steuerrechtlichen, religionsverfassungsrechtlichen und sozialpolitisch motivierten Fragestellung (zB zu Ladenschlusszeiten) an den DIHK gerichtet und damit zu verstehen gegeben, dass es (auch) im Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft liegen kann, hierzu vor dem BVerfG Stellung zu beziehen. Entsprechende Stellungnahmen sind im Übrigen nicht nur unter dem Aspekt der vorstehenden teleologischen Reduktion des § 1 Abs. 5 rechtmäßig, sondern bereits aus der Beratungsfunktion der Behörden und staatlichen Organe, die (s. Rz. 72) eigenständige Aufgabe des § 1 Abs. 1 neben der Gesamtinteressenwahrnehmung ist. Im Ergebnis ist entscheidend, ob die handelnde IHK nachvollziehbar darlegen 334 kann, dass sich die Tätigkeit oder Äußerung auf die gewerbliche Wirtschaft des Bezirks bezieht und gleichzeitig kein Konflikt mit den vorgenannten Zuständigkeiten der Sozialpartner und Träger der Sozialversicherung droht. Das betrifft vor allem sozialpolitische oder arbeitsrechtliche Fragen von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung557 etwa die Bedeutung sozialpolitischer Maßnahmen für Währung, Außenhandel oder öffentliche Haushalte oder auch die wirtschaftlichen Folgen eines sozial- oder arbeitsgerichtlichen Urteils von grundsätzlicher Bedeutung. Auch wenn es auf den Einzelfall ankommt, kann typisierend gesagt werden, dass 335 im Arbeitsrecht Interessenvertretung im kollektiven Arbeitsrecht aus dem Kompetenzbereich der IHKs ausgeschlossen ist. Den IHKs ist die Ausübung von Funktionen versagt, die aus der tarifrechtlichen Stellung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände herrühren. Die IHK müsste daher bei Gutachten- und Auskunftsersuchen von Sozialbehörden und Arbeits- oder Sozialgerichten prüfen, inwieweit es sich um von ihr ermittelbare wirtschaftliche Tatsachen oder arbeitsoder sozialpolitische Fragen handelt (z.B. früher § 128 Abs. 4 AFG). Gleiches gilt für die Verbandskompetenz der Sozialversicherungsträger. Von vorneherein nicht erfasst werden von § 1 Abs. 5 Informationsangebote, die 336 unter die Aufgaben der Beratung bzw. Förderung der Wirtschaft nach § 1 Abs. 1 fallen. Eine IHK darf mithin über individual- und kollektivarbeitsrechtliche Fra556 BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125, 152 – Facharzt mwN; BVerfG v. 14.1.1976 – 1 BvL 4/72, BVerfGE 41, 205, 220 Rz. 40; vgl. auch BVerfG v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12, BVerfGE 145, 20 Rz. 99; VG Düsseldorf v. 29.1.2015 – 6 K 7040/12 Rz. 7, zur weitergehenden Kompetenzabgrenzung nach ständiger Staatspraxis. 557 So im Ergebnis auch Bremer, Kammerrecht der Wirtschaft, 69; Landmann/Rohmer/ Günther, Stand Oktober 2019, § 1 IHKG Rz. 317.
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§ 1 Rz. 336 Aufgabenbereich gestellungen die Mitglieder informieren, sie können über Fragen des Sozialrechts oder des Arbeitsrechts anfragenden Unternehmen Auskunft erteilen, z.B. über den Inhalt und die Anwendbarkeit gesetzlicher Vorschriften, das Vorhandensein und den Inhalt von Tarifverträgen, die vorhandene Rechtsprechung und Literatur. Ebenso können sie Hinweise auf diesen Gebieten und aufklärende Aufsätze veröffentlichen. Die Grenze zwischen dieser Auskunfts- und Informationstätigkeit und der Wahrnehmung von Interessen ist dort zu ziehen, wo bereits im Einzelfall eine gegensätzliche Interessenlage vor allem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer deutlich geworden ist und die Auskunft in eine arbeitsrechtliche oder sozialrechtliche Beratung überzugehen beginnt.
VIII. Rechtsschutzaspekte 1. Namens- und markenrechtlicher Schutz der Bezeichnung „IHK“ 337
Die Bezeichnung „IHK“ oder „HK“ für Handelskammer ist in der Bundesrepublik nicht gesetzlich geschützt. Der Begriff „Kammer“ wird jedoch seit jeher als Organisationsbezeichnung ausschließlich für öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaften gebraucht. Privatrechtliche Organisationen dürfen sich deshalb nicht als „Kammer“ bezeichnen. Diese Auffassung ist von den Gerichten bereits mehrfach bestätigt worden558. Alle diese Entscheidungen beziehen sich darauf, dass die Bezeichnung eines Vereins der Wahrheit entsprechen muss (analoge Anwendung von § 18 Abs. 2 HGB) und dass deshalb für privatrechtliche Organisationen die Bezeichnung „Kammer“ irreführend ist
338
Diese Grundsätze gelten auch für zwischenstaatliche oder ausländische Einrichtungen in der Bundesrepublik, soweit sie nach geltendem Vereinsrecht gegründet und eingetragen werden. Die Registergerichte lehnen hier bei der Neugründung privatrechtlicher Organisationen die Bezeichnung „Kammer“ ab. Ausnahmen sind nur noch aufgrund des Vertrauensschutzes zulässig, soweit zwischenstaatliche oder ausländische Handelskammern in der Bundesrepublik bereits vor dieser inzwischen gefestigten Rechtsprechung gegründet wurden und tatsächlich auch repräsentativ die Funktionen einer zwischenstaatlichen Handelskammer wahrnehmen.
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Des Weiteren kommt eine Klage nach § 5 UWG wegen Irreführung in Betracht, wenn in Wirklichkeit mit der Bezeichnung „Kammer“ die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit getarnt werden soll559.
558 OLG Frankfurt v. 25.3.1974 – 20 W 194/74, BB 1974, 577; BayObLG 16.7.1974 – BReg 2 Z 26/74, NJW 1972, 957. 559 OLG Hamm v. 5.2.1991 – 4 U 217/90, WRP 1991, 497; OLG Stuttgart v. 19.4.1996 – 2 U 105/95, WRP 1996, 945.
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Rechtsschutzaspekte
Rz. 343 § 1
Im Übrigen ist das Namensrecht einer bestehenden IHK gemäß § 12 BGB ge- 340 schützt, wenn eine andere Organisation eine verwechslungsfähige Bezeichnung wählt. Dazu kommt der Schutz, den die eingetragene Dienstleistungsmarke „IHK“ 341 nach dem Markengesetz bietet. Hier können sich die Kammern unmittelbar durch Privatklagen gegen verwechslungsfähige Bezeichnungen wehren560. 2. Binnenrechtsschutz a) Organstreit Bei Streitigkeiten über Kompetenzgrenzen zwischen Organen einer Kammer ist 342 ein verwaltungsgerichtlicher Organstreit möglich, da die verselbständigten Organe durch das IHKG eigenständige gesetzliche Kompetenzzuweisungen besitzen, insbesondere die Vollversammlung (vgl. dazu § 5 Rz. 1)561. Der Organstreit hat sich in der Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungs- 343 recht entwickelt, in dem es um die Abgrenzung von Organzuständigkeiten geht. In jedem Fall bedarf es einer Prüfung, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Organstreit vorliegen; die bloße Behauptung, Organ zu sein oder einen Organstreit führen zu wollen, reicht dafür nicht aus. Voraussetzung für ein Organ ist, dass es eigene satzungsrechtliche oder gesetzliche Zuständigkeiten hat, im Rahmen deren es für die Kammer entscheidet. Darüber hinaus muss ein Organ in seinen eigenen rechtlich geschützten Interessen und insbesondere in seiner gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Zuständigkeit betroffen sein562. Deshalb ist die Klage einer Bezirkskammer gegen einen satzungsändernden Beschluss der Vollversammlung von vornherein als unzulässig verworfen worden563. Hingegen wurde die Klage eines Vollversammlungsmitglieds gegen den Präsidenten der IHK auf Einsichtnahme in den Prüfungsbericht der Rechnungsprüfungsstelle als zulässig angesehen564. Schließlich ist stets das Rechtsschutzbedürfnis zu prüfen565.
560 Vgl. Thieme, Zum Namensschutz von Hochschulen und Universitäten, DÖV 1977, 484; Pappermann, Das Namensrecht der kommunalen Gebietskörperschaften, DÖV 1980, 353. 561 Ausf. Schöbener, Innenrechtsstreitigkeiten in Kammern in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2007, 63. 562 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz v. 24.9.1975 – 2 A 109/75, NJW 1976, 1163, 1165; BVerwG v. 9.10.1984 – 7 B 187/84, NVwZ 1985, 112, 113. 563 VG Stuttgart v. 19.1.1990 – 4 K 2070/89. 564 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.6.2003 – 8 A 4282/02, GewArch 2004, 255; die Aufhebung des Urteils durch BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331 erfolgte aus anderen Gründen. 565 BVerfG v. 14.10.1992 – 2 BvE 14/90, NVwZ 1993, 357.
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§ 1 Rz. 344 Aufgabenbereich 344
Organe der IHK sind auch die Prüfungsausschüsse nach dem Berufsbildungsgesetz. Ihr Anspruch, überregional erstellte Aufgaben vor der Lehrabschlussprüfung zur Einsicht zu bekommen oder sie gar abzulehnen, ist vom OVG NordrheinWestfalen zurückgewiesen worden566. Aus Anlass dieser Auseinandersetzungen ist im Übrigen auch geklärt worden, dass weder der Ausschussvorsitzende noch ein einzelnes Mitglied des Ausschusses diese Rechte in Anspruch nehmen können, sondern allenfalls der gesamte Ausschuss mit Mehrheit eine Organklage beschließen kann; sie war in diesen Fällen jedoch stets unbegründet567. b) Rechte gesetzlicher Mitglieder
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Eine allgemeine Kontrolle der Mitglieder in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Handelns ihrer IHK besteht nicht. Insbesondere ist keine einer Popularklage ähnelnde Mitgliederklage bei Rechtsanwendungsfehlern zulässig568. Die Rechtsprechung hat auch klargestellt, dass der Vorwurf eines gesetzwidrigen Handelns durch Überschreitung der gesetzlichen Aufgaben keine Beitragsverweigerung rechtfertigt569. Erst recht gibt es keine verwaltungsrechtliche Unterlassungsklage für Kammerzugehörige, die sich gegen eine privatrechtliche Maßnahme der IHK als Fiskus wenden. Das Haushaltsrecht hat demgegenüber in bestimmten Konstellationen eine (indirekte) Außenwirkung, wie die umfangreiche Thematik des Beitragsrechts und der Rücklagenbildung zeigt570, dazu ausführlich s. § 3 Rz. 46 ff.
346
Demgegenüber besteht eine ausgeprägte individuelle Rechtskontrolle, die aus Art. 2 Abs. 1 GG folgt. Denn die gesetzlichen Aufgaben beschränken abschließend die Kammeraktivitäten, weil öffentlich-rechtliche Körperschaften nur im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags tätig sein dürfen und die IHKs – anders als die Gebietskörperschaften – keine Allzuständigkeit haben (s. Rz. 8). Damit stellt sich für eine IHK jede Überschreitung des Aufgabengebietes zugleich als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 GG mit der Folge des gebotenen Grundrechtsschutzes des einzelnen gesetzlichen Mitglieds dar. Das Fehlen eines eigenständigen „Austrittsanspruchs“ wird somit kompensiert durch die „herausragende Bedeutung des Verfahrens“571 und dem Anspruch auf Überprüfung des Kammerhandelns. 566 OVG Nordrhein-Westfalen v. 1.9.1989 – 15 A 2584/86, GewArch 1990, 136. 567 VG Frankfurt a. M., EzB BBiG § 37 Nr. 11. 568 Vgl. VGH Mannheim v. 7.10.1985 – 14 S 1446/84; VG Kassel v. 30.1.2007 – 3 E 2253/04 n.rkr. 569 BVerwG v. 13.12.1979 – 7 C 65/78, BVerwGE 59, 242; BVerwG v. 24.9.1981 – 5 C 53/79, BVerwGE 64, 115; dazu Tettinger, Kammerrecht, 1997, 223/4. 570 Kuhla/Munding, WiVerw 2017, 81. 571 Möllering, GewArch 2011, 56, 59 f. Teilweise werden in der Weite der Klagerechte der gesetzlichen Mitglieder „quasi-aufsichtsrechtliche“ Befugnisse gesehen; Kluth, NVwZ 2002, 298, 300; Schöbener in Kluth (Hrsg.), Die IHK Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017, 41, 60.
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Rechtsschutzaspekte
Rz. 350 § 1
Gegen die Durchführung schlichtverwaltender Tätigkeiten steht den Betroffe- 347 nen ebenfalls kein Rechtsschutz zu, weil keinerlei Rechte oder Pflichten dadurch begründet werden und auch sonst nicht in ihre Rechtsstellung eingegriffen wird. Ein Unternehmen kann deshalb die IHK nicht darauf verklagen, ein bestimmtes Gutachten zu unterlassen oder zu ändern572. Es gibt auch keinen Widerrufsanspruch bei amtlichen Auskünften573. Kammerzugehörige könnten lediglich im Klagewege beanstanden, dass sich die Kammer nicht im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags hält574. Im Übrigen ist die Grenzlinie für eine etwaige Klageberechtigung sehr fließend, 348 weil unter Umständen auch Empfehlungen und Auskünfte zu den verwaltungsgerichtlich überprüfbaren Tätigkeiten gehören, wenn unmittelbar in die Rechte eines kammerzugehörigen Unternehmens oder Dritten eingegriffen wird575; zuständig für solche Klagen sind die Verwaltungsgerichte576. Im Kontext der eigenen sowie der gemeinsamen Aufgabenerfüllung, etwa über 349 Landesarbeitsgemeinschaften der IHKs oder den DIHK, stellt sich die Frage nach den Rechten der Mitglieder des Verbandes bei Verstößen gegen § 1 (ultra vires-Akte). Zwar wird in der Literatur geltend gemacht, dass eine „allgemeine ultra-vires Leh- 350 re … im deutschen Recht nicht anerkannt“ sei577. Gleichwohl wurde z.B. der Grundsatz, wonach öffentlich-rechtliche Körperschaften kein „allgemeinpolitisches Mandat“ haben – ausgehend von der Tätigkeit der Allgemeinen Studenten-
572 VG Wiesbaden v. 26.2.1979 – D III G 25/79; VGH Kassel v. 20.7.1979 – IV TG 26/79. 573 BGH v. 13.7.1971 – VI ZR 275/69, NJW 1971, 1749. 574 BVerwG v. 26.9.1969 – VII C 65/68, BVerwGE 34, 69; BVerwG v. 13.12.1979 – 7 C 58/78, BVerwGE 59, 231, 238; BVerwG v. 13.12.1979 – 7 C 65/78, BVerwGE 59, 242, 245. 575 OVG Rheinland-Pfalz v. 10.11.1982 – 2 A 92/81, GewArch 1983, 69; VGH Mannheim v. 2.7.1985 – 14 S 942/85, GewArch 1985, 328; BVerwG v. 17.12.1991 – 1 C 5.88, GewArch 1992, 138, 139 und BVerwG v. 17.12.1991 – 1 C 5.88, GewArch 1992, 422. 576 BGH v. 30.11.1955 – VI ZR 100/54, NJW 1956, 711; LG Konstanz v. 9.4.1987 – 3 HO 168/86, GewArch 1987, 268. 577 Gärditz, Die Organisation der Wirtschaftsverwaltung in Schmidt/Wollenschläger (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2016 Rz. 57 mit dem Hinweis darauf, dass anderenfalls ein sektorales Recht auf rechtmäßige Verwaltung geschaffen würde, die dem individuellen Verletztenrechtsschutz zuwiderliefe. Dem könnte in Bezug auf eine Aufgabenüberschreitung in Verbänden mit gesetzlicher Mitgliedschaft die notwendige Betroffenheit aus Art. 2 GG entgegengehalten werden, wonach nur eine aufgabengetreue Tätigkeit eine Grundrechtsverletzung ausschließt, vgl. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 110.
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§ 1 Rz. 350 Aufgabenbereich ausschüsse578 auf alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften ausgedehnt579 (s. Rz. 26 ff.). Deshalb können Mitglieder von öffentlich-rechtlichen Körperschaften gegen diese z.B. im Wege der allgemeinen Leistungsklage auf Unterlassung klagen, wenn die Körperschaft selbst ihren gesetzlichen Aufgabenkreis überschreitet, z.B., wenn sie Haushaltsmittel für körperschaftsfremde Zwecke ausgibt580 oder -teilweise in Form der Feststellungsklage auf Feststellung des Überschreitens der Verbandskompetenz – wenn sie eine ihr zuzurechnende Äußerung außerhalb des Aufgabenkreises tätigt581. 351
Zur Frage, nach welchen Maßstäben der Beitritt öffentlich-rechtlicher Körperschaften zu privatrechtlich konstituierten Spitzenorganisationen zu beurteilen ist, hat sich in den vergangenen Jahren eine spezielle Judikatur entwickelt. Lange Zeit wurde in der Rechtsprechung durchweg die Auffassung vertreten, dass eine konkrete Aufgabenüberschreitung des Dachverbandes ein Austrittsverlangen des Mitglieds einer dem Dachverband angehörenden Kammer nicht rechtfertigen kann. Jedenfalls sollte das gelten, solange die Kammer im Bereich der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nicht an Beschlüsse des Dachverbandes gebunden ist582 bzw. nicht zunächst vereinsinterne Abhilfe versucht wurde583. aa) Austrittsanspruch gegen eine IHK
352
Im Jahr 2016 hat das BVerwG rechtsfortbildend für das Mitglied einer IHK einen derartigen Austrittsanspruch im Fall gemeinschaftlicher Aufgabenwahrnehmung
578 BVerwG v. 26.9.1969 – VII C 65/68, BVerwGE 34, 69; BVerwG v. 13.12.1979 – 7 C 58/78, BVerwGE 59, 231, 238; BVerwG v. 13.12.1979 – 7 C 65/78, BVerwGE 59, 242, 245; BGH v. 23.10.1981 – 2 StR 477/80, NJW 1982, 346. 579 BVerwG v. 24.9.1981 – 5 C 53/79, BVerwGE 64, 115 und BVerwG v. 17.12.1981 – 5 C 56/79, BVerwGE 64, 298, 301. 580 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99, BVerwGE 112, 69, GewArch 2001, 161, 163; BVerwG v. 21.7.1998 – 1 C 32.97, GewArch 1999, 21, 22; BVerwG v. 24.9.1981 – 5 C 53/79, BVerwGE 64, 115; vgl. auch Schmidt, NVwZ 1992, 40 und Tettinger, Kammerrecht, 159-167. 581 Hamb. OVG, NordÖR 2017, 145, NVwZ 2017, 576 Ls. („Hamburger Erklärung“ der IHK im Rahmen der Volksgesetzgebung); VG Düsseldorf, npoR 2016, 219 (IHK als Trägerin einer Stiftung zur Förderung rein humanitärer Zwecke); VG Sigmaringen v. 12.10.2011 – 1 K 3870/10 – Äußerungen oder Kundgaben der IHK betreffend das Bahnprojekt „Stuttgart 21“. 582 BVerwG v. 10.6.1986 – 1 C 4.86, GewArch 1986, 298 – Zentralverband des Deutschen Handwerks; OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1975, 1475 – Bundesärztekammer; OVG Rheinland-Pfalz v. 23.12.1992 – 11 A 10144/92, GewArch 1993, 289 – DIHT; BGH, BRAK-Mitt. 1996, 126 – Patentanwaltskammer im internationalen Dachverband; BVerfG, DNotZ 1983, 502 – Notarkammer; zuletzt OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.5.2014 – 16 A 1499/09. 583 OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.5.2014 – 16 A 1499/09.
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Rechtsschutzaspekte
Rz. 354 § 1
erstmals allgemein für möglich erachtet584. Der Austrittsanspruch gegen die öffentlich-rechtliche Körperschaft auf Austritt aus dem Dachverband könne darauf gestützt sein, dass eine Kammer sich an einer juristischen Person des Privatrechts beteiligt, die satzungsgemäß Aufgaben jenseits der Kammerkompetenzen wahrnimmt (Satzungsinkongruenz)585. Die Fallgruppe der Satzungsinkongruenz wurde in Bezug auf Äußerungen auf 353 das faktische Handeln des Dachverbands erweitert: „Betätigt sich der Dachverband in einer Weise, die faktisch seine Aufgaben und zugleich den Kompetenzrahmen seiner Mitgliedskammern überschreitet, ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Anspruch jedes Kammermitglieds auf Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband, wenn die kompetenzwidrige Tätigkeit sich nicht als atypischer ‚Ausreißer‘ darstellt, sondern die konkrete Gefahr erneuten kompetenzüberschreitenden Handelns besteht“586. Im Ergebnis kann es mithin zu einer indirekten Zurechnung des Verhaltens des Dachverbands, dessen sich die Kammer zur eigenen Aufgabenerfüllung bedient, im Verhältnis zu ihrem Mitglied kommen587. bb) Voraussetzungen Ausreichend für den Austrittsanspruch sei wie bei jedem grundrechtlichen Un- 354 terlassungsanspruch die „konkrete Wahrscheinlichkeit“588 einer künftigen, den Rahmen der Kammerkompetenz überschreitenden Tätigkeit des Dachverbandes. Eine solche „Wiederholungsgefahr“ drohe nicht erst, wenn künftig eine völlig gleichartige Aufgabenüberschreitung zu erwarten steht, da sonst der effektive Grundrechtsschutz durch Anpassungen zu vereiteln wäre. Maßgeblich ist allein, ob mit einer erneuten Missachtung der Kompetenzgrenzen zu rechnen ist oder ob davon ausgegangen werden kann, dass weitere Verstöße unterbleiben, etwa „weil sie verbandsintern zuverlässig verhindert“ werden. Zur Feststellung einer solchen Wiederholungsgefahr hat das BVerwG eigeneMaßgaben gesetzt: „Gegen eine Wiederholungsgefahr spricht hingegen, wenn der Dachverband die Kritik an einer Auf584 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15, dazu Munding in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2016, 43 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.5.2014 – 16 A 1499/09. 585 Bereits BVerwG v. 17.12.1981 – 5 C 56/91, BVerwGE 64, 298, 307. 586 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 17, 18 unter Hinweis auf vgl. BVerwG v. 17.12.1981 – 5 C 56.79, BVerwGE 64, 298, 307 und BVerwG v. 10.6.1986 – 1 C 9.86, NJW 1987, 337; Hamb. OVG v. 5.3.1974 – OVG Bf. III 9/72, Hamb. JVBl 1974, 181, 183 f.; Nds. OVG v. 13.12.1978 – X OVG A 97/77, SchlHA 1979, 113, 114; OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.12.1999 – 8 A 395/97, NWVBl. 2000, 425, 428 f.; OVG Berlin v. 15.1.2004 – 8 S 133/03, NVwZ-RR 2004, 348, 351; VGH Kassel v. 29.7.2004 – 11 UE 4505/98 Rz. 25; OVG Berlin-Brandenburg v. 14.12.2006 – 7 B 4.05, OVGE Bln. 27, 372, 381 f. 587 Häußler in Kluth, (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2016, 115, 125. 588 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 18.
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§ 1 Rz. 354 Aufgabenbereich gabenüberschreitung konstruktiv aufgenommen, sich davon distanziert und geeignete Vorkehrungen gegen einen erneuten Kompetenzverstoß getroffen hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Verband den Mitgliedskammern und deren Pflichtmitgliedern die Möglichkeit eröffnet, künftige Überschreitungen der Kammerkompetenzen wirksam zu unterbinden. Davon kann beispielsweise ausgegangen werden, wenn die Verbandssatzung den einzelnen Pflichtmitgliedern der Mitgliedskammern ein Recht zur Klage gegen den Verband auf Unterlassen von (weiteren) Überschreitungen der Kammerkompetenz einräumt. Gegen eine Wiederholungsgefahr kann auch die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle im Verband sprechen, wenn diese einen wirksamen, effektiven Schutz vor einer Verbandstätigkeit jenseits der Kammerkompetenzen gewährleistet, der von jedem Pflichtmitglied einer Mitgliedskammer verbandsintern sowie notfalls gerichtlich durchsetzbar ist“589. cc) Bewertung 355
Das BVerwG hat, früheren Andeutungen der Rechtsprechung folgend, rechtsfortbildend einen Austrittsanspruch für alle Konstellationen gesetzlicher Mitgliedschaften in Körperschaften des öffentlichen Rechts geschaffen. Der Anspruch geht über die satzungsmäßige Kongruenz hinaus und bezieht auch tatsächliche Handlungen in die Bewertung mit ein. Aus dem Blickwinkel eines effektiven Grundrechtsschutzes ist das nachvollziehbar und konsequent: eine Rechtsschutzlücke wurde geschlossen. Allerdings hat das BVerwG bislang weder die Voraussetzungen der gemeinschaftlichen Tätigkeit des privaten Dachverbandes für seine öffentlichrechtlichen Mitglieder definiert noch die rechtlichen Bedingungen möglicher Abhilfe eindeutig konkretisiert. Für diese Aspekte sind angesichts der impliziten existentiellen Bedrohung für jeden Dachverband von Körperschaften des öffentlichen Rechts frühzeitige höchstrichterliche Maßgabe angezeigt.
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Fraglich ist zunächst, ob jegliche oder nur bestimmte Tätigkeiten des Dachverbandes erfasst sind. Das BVerwG hat die Bindung der IHKs an die gesetzlichen Kompetenzzuweisungen daran geknüpft, dass diese sich „für die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung eines privatrechtlich organisierten Dachverbandes bedienen“590. Das ist jedenfalls der Fall bei Äußerungen des Dachverbandes im Namen der Gesamtorganisation: hier liegt die klassische Form der Gesamtinteressenwahrnehmung auf Landes-, Bundes- oder Europaebene vor, bei der sich die IHKs eines gemeinsamen Trägers quasi als Erfüllungsgehilfen eigener Aufgaben bedienen (s. Rz. 67). Anderes mag indes gelten für Äußerungen im Kontext von übertragenen Aufgaben, die anderen rechtlichen Rahmenbedingungen folgen (z.B. im Bildungsbereich), für die interne Organisation des e.V., für dessen Mitgliedschaften, Beteiligungen oder Fördermaßnahmen, bis hin zu gemeinsamen Projekten mit Dritten. 589 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 24. 590 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15 Rz. 15 (Hervorhebung nur hier). Nur in diesem Fall kann es zu einem Eingriff in Art. 2 I GG kommen.
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Rechtsschutzaspekte
Rz. 358 § 1
Denn es gibt keinen zwingenden Anlass, jegliche Tätigkeit eines eingetragenen Vereins an den öffentlichen-rechtlichen Maßstäben eines Spezialgesetzes zu messen, das am öffentlich-rechtlichen Status orientiert ist; dessen Handlungen müssen immer den Mitgliedern unmittelbar zurechenbar sein. Es muss sich mithin tatsächlich um „gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung“ handeln, die dann nicht mehr vorliegt, wenn der eV eigene legitime Satzungszwecke erfüllt, die für sich genommen nicht im Widerspruch zu den Kompetenzen der IHKs stehen. Der Einsatz der jeweiligen Handlungsinstrumente ist erneut funktionsorientiert zu beurteilen. Außerhalb gemeinschaftlicher Aufgabenwahrnehmung kommen somit (lediglich) die allgemeinen Maßgaben der Rechtsprechung zum faktischen, mittelbaren Grundrechtseingriffe (und damit auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip) zum Tragen, es liegen keine Fälle von Kompetenzerweiterung vor. Zu diesen Fragen existiert allerdings noch keine Rechtsprechung. Hinsichtlich möglicher Abhilfemaßnahmen ist der Hinweis in Rz. 24 des Urteils 357 des BVerwG 2016 rechtsdogmatisch komplex und mag Anlass zu Missverständnissen geben. Das BVerwG erachtet eine Wiederholungsgefahr von Kompetenzüberschreitungen wirksam dann als unterbunden an, wenn ein „Recht zur Klage“ gegen den Verband auf Unterlassen von (weiteren) Überschreitungen eingeräumt wird. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass zwischen dem gesetzlichen Mitglied der öffentlich-rechtlichen Körperschaft und deren Dachverband keinerlei Rechtsverhältnis besteht. Ein solches zu schaffen ist zwar privatrechtlich durch Satzungsgestaltung möglich. Aber auch dann kann man kein „Recht zur Klage“ einräumen, sondern nur einen privatrechtlichen Anspruch, der gegebenenfalls gerichtlich durchsetzbar ist. Dessen zwingend privatrechtlicher Inhalt ist aber notwendig materiell auf die öffentlich-rechtlich determinierte Kompetenz des Mitglieds des Dachverbandes gerichtet, so dass sich schon wegen der dann streitentscheidenden Norm eine schwierige Rechtswegfrage stellt. Auch der alternativ formulierte Verweis auf eine „unabhängige Ombudsstelle“ mit eigenem Klagerecht ist nicht eindeutig: Möglicherweise wäre diese nur dann effektiv im Sinne des BVerwG, wenn Sie verbandsintern der Vollversammlung übergeordnet würde: das widerspräche aber nicht allein dem Recht der Selbstverwaltung sondern auch organisationsoder vereinsrechtlichen Maßgaben. Der DIHK hat in Umsetzung der Maßgaben des BVerwG seine Satzung 2016 geän- 358 dert und einen privatrechtlichen, materiellen Anspruch auf Unterlassung in die Satzung aufgenommen591. Der zivilrechtliche satzungsrechtliche Unterlassungsanspruch, bezogen auf eine Kompetenzüberschreitung, ist trotz der privatrechtlichen Rechtsform des DIHK über die durch die Mitglieder vermittelten öffentlich-rechtlichen Bindungen, der streitentscheidenden Normen des IHKG sowie insbesondere der ebenfalls auf diese Weise vermittelten Grundrechtsbindung des 591 Jesse in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2016, 57; Rickert/Eickelbaum in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2017, 61.
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§ 1 Rz. 358 Aufgabenbereich Dachverbands öffentlich-rechtlich geprägt. Danach müsste aufgrund der Rechtsprechung des VG Berlin und des OVG Berlin-Brandenburg592 die Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig sein. Hierauf kommt es aber wegen der Effektivität beider Rechtswege nicht entscheidend an. Der durch den Dachverband satzungsrechtlich unbedingt geschaffene Anspruch wird ergänzend durch eine eigenständige Beschwerdeordnung unterlegt, die wiederum in Form einer unabhängigen Beschwerdestelle (nicht: Ombudsstelle) personell umgesetzt wird, um bei kompetenzrechtlichen Streitfällen den Mitgliedern der IHKs kostengünstig und effektiv schnelle Abhilfe zu gewährleisten. Hinzu kommen weitere Maßnahmen der Prävention und der Qualitätssicherung. 359
Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom April 2019 diese Umsetzung des Urteils des BVerwG durch den DIHK i.E. bestätigt593. Es sah in dem Hinweis auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine unschädliche aufdrängende Zuweisung, nach Ansicht des OVG wären die Zivilgerichte zuständig594. Das OVG berücksichtigte in der Abwägung entscheidend nicht nur „eine denkbare abschreckende Wirkung von drohenden Klagen“, sondern vor allem die zu „prognostizierende Wirkung von hypothetisch erhobenen Klagen“595.
360
Da der Anspruch unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird, betreffen die Feststellungen des BVerwG zu den Voraussetzungen eines Austrittsanspruchs aus einem Dachverband „alle Kammern, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften gesetzliche Pflichtmitglieder haben und die zu ihrer Aufgabenwahrnehmung freiwilliges Mitglied in einem privatrechtlich verfassten Dachverband sind“596, dazu gehören Ärztekammern (Bundesärztekammer als nicht eingetragener Verein), Apothekerkammern (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V.), Architektenkammern (Bundesarchitektenkammer e.V.), Handwerkskammern (Deutscher Handwerkskammertag e.V. sowie erweiternd der Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V.), Ingenieurkammern (Bundesingenieurkammer e.V.), Landwirtschaftskammern (Verband der Landwirtschaftskammern e.V.); Psychotherapeutenkammern (Bundespsychotherapeutenkammer e.V.) und Zahnärztekammern (Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Zahnärztekammern e.V, „Bundeszahnärztekammer“).
592 OVG Berlin-Brandenburg v. 31.10.2014 – OVG 1 L 72/13. 593 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09 nicht rechtskräftig, Revision zum BVerwG 8 C 23.19. 594 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09 Rz. 193; seit 2016 kam es zu keiner Klage. 595 Ebd. Rz. 200. 596 Munding in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2016, 43, 51.
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Kammerzugehörigkeit
§2
§2 [Kammerzugehörigkeit] (1) Zur Industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten (Kammerzugehörige). (2) Absatz 1 gilt für natürliche Personen und Gesellschaften, welche ausschließlich einen freien Beruf ausüben oder welche Land- oder Forstwirtschaft oder ein damit verbundenes Nebengewerbe betreiben, nur, soweit sie in das Handelsregister eingetragen sind. (3) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sind oder die nach § 90 Abs. 3 der Handwerksordnung zur Handwerkskammer gehören, gehören mit ihrem nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil der Industrie- und Handelskammer an. (4) Absatz 1 gilt nicht für landwirtschaftliche Genossenschaften; als solche gelten im Sinne dieser Bestimmung a) ländliche Kreditgenossenschaften, deren Mitglieder überwiegend aus Landwirten bestehen; b) Genossenschaften, die ganz oder überwiegend der Nutzung landwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen oder der Versorgung der Landwirtschaft mit Betriebsmitteln oder dem Absatz oder der Lagerung oder der Bearbeitung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen, sofern sich die Be- oder Verarbeitung nach der Verkehrsauffassung im Bereich der Landwirtschaft hält; c) Zusammenschlüsse der unter Buchstabe b genannten Genossenschaften bis zu einer nach der Höhe des Eigenkapitals zu bestimmenden Grenze, die von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch Rechtsverordnung festgelegt wird. (5) 1Absatz 1 gilt nicht für Gemeinden und Gemeindeverbände, die Eigenbetriebe unterhalten. 2Sie können aber insoweit der Industrie- und Handelskammer beitreten. (6) (weggefallen)
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§ 2 Kammerzugehörigkeit I. Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1) . . . 1. Organisationsrechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . 2. Pflichtmitgliedschaft und Grundgesetz . . . . . . . . . 3. Pflichtzugehörigkeit und Landesverfassung . . . . . . 4. Pflichtzugehörigkeit und Recht der EU . . . . . . . . 5. Mehrfach- oder Doppelzugehörigkeit . . . . . . . .
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1
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1
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3
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7
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II. Kreis der Kammerzugehörigen . . . . . . . . . .
13
III. Rechtsform . . . . . . . . . . . 1. Wechsel der Rechtsform . . . . 2. Die einzelnen Rechtsformen .
15 16 20
IV. Gewerbesteuerpflicht . . . . . 1. Objektive Gewerbesteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Organgesellschaften . . . . . . 3. Tatbestandswirkung . . . . . . 4. Maßgebender Zeitpunkt . . . . 5. Beispiele zur Gewerbesteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . 6. Abgrenzung gewerblicher von sonstiger (nicht gewerblicher) Tätigkeit . . . . . . . . . . . . .
35
V. Keine gesonderte Prüfung, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt . . . . . . . . . . . . . VI. Betriebsstätte im Kammerbezirk . . . . . . . . . . . . . 1. Gewerbliche Niederlassung . 2. Verkaufsstelle . . . . . . . . . 3. Betriebsstätte . . . . . . . . .
36 40 41 44 46a
55a
56
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71 76 79 80
VII. Ausnahmen für freie Berufe . 1. Natürliche Personen . . . . . .
92 94
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2. Sozietäten, Partnerschaften, EWIV . . . . . . . . . . . . . . 3. Handelsgesellschaften . . . . . VIII. Ausnahmen für Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . 1. Steuerschädlicher Zukauf . . . 2. Land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe . . . . . . . . . 3. Handelsregistereintragung von Landwirten . . . . . . . . . 4. Selbständige Gewerbebetriebe IX. Ausnahmen für zulassungspflichtige, zulassungsfreie handwerkliche sowie handwerksähnliche Betriebe . . . . 1. Handwerkliche, zulassungsfreie handwerkliche und handwerksähnliche Betriebe . 2. Mischbetriebe . . . . . . . . . . 3. Handwerkliche Nebenbetriebe und Hilfsbetriebe . . . . . . . . 4. Auswärtige Betriebsstätten . . X. Ausnahmen für landwirtschaftliche Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . 1. Ländliche Kreditgenossenschaften . . . . . . . . . . . . . 2. Landwirtschaftliche Nutzungsund Verwertungsgenossenschaften . . . . . . . . . . . . . 3. Zentralgenossenschaften . . .
96 98 100 101 105 108 110
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118 122 123 128
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XI. Ausnahmen für gemeindliche Eigenbetriebe . . . . . . . . . 1. Eigenbetrieb . . . . . . . . . . . 2. „Gemeindlich“ . . . . . . . . . 3. Freiwilliger Beitritt . . . . . . .
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XII. Rechtsschutz . . . . . . . . . .
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Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1)
Rz. 3 § 2
Literaturauswahl: S. Vorauflage; Günther, in Landmann/Rohmer, GewO, § 2 IHKG, Stand Oktober 2019; Häußler, DVBl. 2017, 157; Jahn, GewArch 2011, 464; Jahn, NWB 2011, 3544; Jahn, GewArch 2012, 6; Jahn, DB 2012, 1947; Jahn, DB 2015, 641; Jahn, WiVerw 2015, 92; Jahn, GewArch 2017, 15; Jahn, BayVBl. 2018, 761; Kirchberg, NJW 2017, 2723; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung 1997; Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl. 2011, 106; Kluth, Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 281; Kluth et al., Die IHK-Entscheidung des BVerfG vom 12.7.2017, 11; Loewer, GewArch 2000, 89; Möllering, WiVerw 2012, 45; Neurath, DÖV 2019, 513; Scheidtmann, Wirtschafts- und berufsständische Kammern im europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007; Schoebener, VerwArch 2000, 374; Tettinger, Kammerrecht 1997.
I. Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1) 1. Organisationsrechtliche Bedeutung Das Gesetz hat den Begriff der Kammerzugehörigkeit neu eingeführt und damit 1 zu einer organisationsrechtlichen Klärung beigetragen. Es versteht unter „IHK“ nur noch die öffentlich-rechtliche Körperschaft als juristische Person, die aus den „Kammerzugehörigen“ gebildet wird; das Beschlussorgan der IHK führt die Bezeichnung „Vollversammlung“. Die Kammerzugehörigkeit und die Mitgliedschaft in der Vollversammlung werden damit terminologisch getrennt1. Inzwischen hat sich diese terminologische Trennung im gesamten Körperschaftsrecht durchgesetzt. Der neue Begriff macht zugleich deutlich, dass die Kammerzugehörigkeit kraft 2 Gesetzes eintritt und es sich dabei um ein öffentlich-rechtliches Verhältnis, also nicht um eine privatrechtliche Mitgliedschaft handelt. Rechte und Pflichten der Kammerzugehörigen bestimmen sich allein nach Gesetz und Satzungsrecht. Insbesondere ergeben sich aus der Kammerzugehörigkeit Wahlrecht und Beitragspflicht, darüber hinaus die Möglichkeit zur Mitwirkung in der Kammerarbeit und der Anspruch auf Beratung und Betreuung. 2. Pflichtmitgliedschaft und Grundgesetz Der neue Begriff kennzeichnet schließlich die sog. Pflichtmitgliedschaft (gesetz- 3 liche Mitgliedschaft), die seit jeher ein wesentliches Merkmal des Kammerwesens ist und beispielsweise genauso für die Handwerkskammern oder die Kammern der freien Berufe gilt. Diese Pflichtmitgliedschaft ist verfassungskonform, also mit dem Grundgesetz und insbesondere mit den Grundrechten vereinbar, wie
1 Vgl. zum früheren Sprachgebrauch 2. Aufl. Rz. 107, 108.
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§ 2 Rz. 3 Kammerzugehörigkeit Rechtsprechung2 und Schrifttum inzwischen einhellig festgestellt haben. Von entscheidender Bedeutung ist die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Pflichtzugehörigkeit – oft auch Pflichtzugehörigkeit oder „Zwangsmitgliedschaft“ genannt – und den Aufgaben öffentlich-rechtlicher Körperschaften befasst3. Die Pflichtmitgliedschaft zur IHK wurde im Jahre 1962 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt4. Das Bundesverfassungsgericht beurteilt dabei die Pflichtmitgliedschaft nicht nach Art. 9 Abs. 1 GG, der die (positive und negative) Vereinigungsfreiheit nur für privatrechtliche Zusammenschlüsse sichert, sondern allein nach Art. 2 Abs. 1 GG, weil sie die allgemeine Handlungsfreiheit einschränkt. Es kommt darauf an, ob sich diese Beschränkung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung hält. Konkret stellt das Bundesverfassungsgericht darauf ab, ob der öffentlich-rechtlichen Körperschaft „legitime öffentliche Aufgaben“ übertragen worden sind. Dies können auch bloße „schlichtverwaltende Tätigkeiten“ sein. Es bleibt damit im Wesentlichen eine Sache des gesetzgeberischen Ermessens, welche Aufgaben als im öffentlichen Interesse liegend anerkannt und öffentlich-rechtlichen Körperschaften anvertraut werden. Eine verfassungsgerichtliche Nachprüfung ist nur noch insoweit zulässig, als sie der Feststellung dient, ob der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum überschritten hat. Eine solche Überschreitung liegt jedoch nicht vor, wenn die Übertragung von Aufgaben an eine Körperschaft öffentlichen Rechts „herkömmlich und bewährt“ und für die Zugehörigen und Beitragspflichtigen „nicht übermäßig belastend und zumutbar“, also „verhältnismäßig“ ist5. 3a
Neuere Entwicklung der (verfassungsgerichtlichen) Rechtsprechung: Das Bundesverfassungsgericht hat in neueren Entscheidungen6 und vor allem in seinem richtungsweisenden Beschluss vom 7.12.20017 die Voraussetzungen einer beitragsfinanzierten Pflichtzugehörigkeit in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nochmals herausgearbeitet und hierbei auf die Grundsätze der Entscheidung zur IHK-Pflichtmitgliedschaft aus dem Jahr 1962 zurückgegriffen. Hierbei
2 Siehe die Nachweise zur Rechtsprechung der Instanzgerichte bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 94 Fn. 17, 18. 3 BVerfG v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89, 102; BVerfG v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354; BVerfG v. 2.5.1961 – 1 BvR 203/53, BVerfGE 12, 319, 321; BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235, 240; BVerfG v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54; BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62, BVerfGE 33, 125, 156; BVerfG v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65, BVerfGE 38, 281; BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, BVerfGE 76, 171, 196. 4 BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235. 5 BVerfG v. 29.7.1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 104, 114. 6 BVerfG v. 27.9.2000 – 1 BvR 2176/98, NVwZ 2001, 190 (Zwangsbezug eines Semestertickets); BVerfG v. 19.1.2001 – 1 BvR 1759/91, GewArch 2001, 332 (Pflichtmitgliedschaft in genossenschaftlichem Prüfungsverband). 7 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111.
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Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1)
Rz. 3b § 2
hat das Gericht die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft unter Hinweis auf die „Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben“ und die „freiheitssichernde und legitimatorische Funktion der Pflichtmitgliedschaft“ durch die „Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen“ ausdrücklich bekräftigt. Das gilt insbesondere für einen Staat, der den Gedanken der Selbstverwaltung bejaht und in seiner Gesetzgebung weitgehend verwirklicht hat. Die Bedeutung der Selbstverwaltung hat das Bundesverfassungsgericht später nochmals im Fachärzteurteil8 (und mehreren jüngeren Entscheidungen9 betont und festgestellt, dass die funktionale Selbstverwaltung das demokratische Prinzip10 ergänzt und verstärkt: Der Gesetzgeber schafft ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen, aktiviert verwaltungsexternen Sachverstand, erleichtert einen sachgerechten Interessenausgleich und trägt so dazu bei, dass die von ihm beschlossenen Zwecke und Ziele effektiver erreicht werden. Zuletzt hat sich das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017 in den Verfahren 3b 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/1311 mit der Frage befasst, ob die IHK-Pflichtmitgliedschaft mit den Grundrechten vereinbar ist und festgestellt, dass das Recht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von „unnötigen“ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden, sich aus Art. 2 Abs. 1 GG, und nicht aus Art. 9 Abs. 1 GG ergibt12, ferner der mit der Pflichtmitgliedschaft verbundene Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt ist. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts obliegt den Kammern nach wie vor die Wahrnehmung legitimer öffentlicher Aufgaben als Gemeinwohlziel, für deren Erfüllung die Pflichtmitgliedschaft geeignet, erforderlich und zumutbar ist13. Das BVerfG14 hat hierbei betont, dass es gerade im Umgang mit Europäisierung und Globali-
8 BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62, BVerfGE 33, 125, 156, 160. 9 BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98 u. 6/98, BVerfGE 107, 59 = GewArch 2003, 290; BVerfG v. 13.7.2004 – 1 BvR 1298/94, GewArch 2005, 72. 10 Zur Beachtung des Demokratiegebots bei der Gremienbesetzung bei Wirtschaftsprüferkammern siehe BVerwG v. 28.3.2018 – 10 C 2.17, GewArch 2019, 74. Kammerinterne Demokratiedefizite bei den (Steuerberater-)Kammern beklagt – jedoch ohne substantiierte Begründung – demgegenüber Kleine-Cosack, NWB 2019, 588. 11 Siehe zu den Verfahren schon Kluth, Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 281. 12 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164, GewArch 2017, 375 m. Anm. Jahn, GewArch 2017, 381; NJW 2017, 2744; NVwZ 2017, 1282; Zur Analyse, Kritik und Einordnung der Entscheidung siehe Kluth (Hrsg.) et al, Die IHK-Entscheidung des BVerfG v. 12.7.2017, 11; Kirchberg, NJW 2017, 2723; Jahn, BayVBl. 2018, 761 mit Blick auf die historische Entwicklung der IHKs in Bayern. 13 Siehe näher Jahn, GewArch 2017, 381. 14 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 104.
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§ 2 Rz. 3b Kammerzugehörigkeit sierung besonders wichtig sei, die bezirklichen Perspektiven einer Kammer zur Geltung zu bringen. 3c
Allerdings hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom Juli 2017 auch wichtige Hinweise zum Interessenausgleich in den Kammern gegeben. In der Organisation einer Körperschaft der funktionalen Selbstverwaltung muss sich danach die Binnenpluralität der Interessen niederschlagen, denen diese dient15; trägt die Gesamtinteressenvertretung diesen pluralen Interessen nicht Rechnung, ist die Pflichtmitgliedschaft verfassungsrechtlich nicht mehr zumutbar. Das erfordert im Rahmen der Gesamtinteressenvertretung (§ 1 Abs. 1) die Option für alle Kammerzugehörigen, sich in grundlegenden Fragen am Willensbildungsprozess beteiligen zu können (Konsultationsverfahren), eine sorgsame Abwägung der unterschiedlichen Interessen durch die demokratisch legitimierten Kammerorgane, insbesondere die Vollversammlung (Legitimationsverfahren) und einen sorgsamen Umgang mit Minderheiteninteressen. Gewichtige Minderheitenpositionen in grundlegenden Fragen der Interessenvertretung sind deshalb ausreichend kenntlich zu machen (Kommunikationsverfahren); dies kann je nach Einzelfall von der stichwortartigen Benennung einer Position in der Darstellung des Abwägungsmaterials über eine ausführliche Darstellung der Minderheitenposition bis hin zu einem echten Minderheitenvotum reichen (s. § 1 Rz. 56)16. Diese Grundsätze für die Rechtfertigung der Pflichtmitgliedschaft gelten sinngemäß, wenn die Kammer die Gesamtinteressenvertretung nicht selbst, sondern über einen Dachverband wahrnimmt (s. § 1 Rz. 39). Auch bei gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung durch einen Dachverband bleibt jede Kammer für die Wahrung der Kompetenzgrenzen aus § 1 Abs. 1 verantwortlich; deshalb steht dem Kammerzugehörigen aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Austritt aus dem Dachverband zu, wenn dieser wiederholt Aufgaben wahrnimmt, die außerhalb der gesetzlichen Kompetenzen der Kammer liegen (s. näher § 1 Rz. 60 ff.)17. Mit der Beachtung der Binnenpluralität der Interessen verbunden ist die Pflicht der Kammer, auch bei der Ausgestaltung der Wahlgruppen für die Kammerwahlen (§ 5) und den Beratungsabläufen in den Vollversammlungen der Pluralität der wirtschaftlichen Interessen im Kammerbezirk Rechnung zu tragen. Das IHKWahlrecht muss deshalb ausreichende institutionelle Vorkehrungen dafür treffen, dass die betroffenen Interessen unterschiedlicher Wirtschaftszweige und unter-
15 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, amtl. Leitsatz 2 Rz. 110. 16 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 111; Jahn, GewArch 2018, 410. 17 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15, BVerwGE 154, 296; GewArch 2016, 289 m. Anm. Jesse, GewArch 2016, 293; Häußler, DVBl. 2017, 157; Jahn, GewArch 2019, 339; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09, Revision unter BVerwG 8 C 23.19.
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Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1)
Rz. 4 § 2
schiedlich großer Unternehmen angemessen berücksichtigt und nicht einzelne Interessen bevorzugt werden (s. § 5 Rz. 49)18. Die Verwaltungsgerichte haben immer wieder die verfassungsrechtliche Zulässig- 4 keit der Pflichtmitgliedschaft bestätigt, insbesondere das Bundesverwaltungsgericht für die IHKs19, die Handwerkskammern20, die Pflegekammern21 und die Jagdgenossenschaft22. Daneben sind die ausführlich begründeten Urteile des OVG Rheinland-Pfalz23 und des OVG Nordrhein-Westfalen24 zu erwähnen. Einen Überblick über die umfangreiche Rechtsprechung der Instanzgerichte geben Jahn25 und Häußler26; s. ferner die Nachweise 6. Aufl., § 2 Rz. 4. Die Verwaltungsgerichte haben es abgelehnt, die Frage dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erneut vorzulegen, weil sich durch den Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft seit 1962 an den verfassungsgerichtlichen Voraussetzungen der Pflichtmitgliedschaft zur IHK nichts geändert hat27. Auch das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 12.7.201728 einen Wandel der tatsächlichen Umstände, der wegen Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten zur Verfassungswidrigkeit der Norm (§ 2 Abs. 1) geführt hätte, ausdrücklich verneint. Die Wahrnehmung des Gesamtinteresses wie die Übertragung hoheitlicher Auf18 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 121; Zum Erfordernis der „Spiegelbildlichkeit“ bei der Gremienbesetzung von Wirtschaftsprüferkammern siehe BVerwG v. 28.3.2018 – 10 C 2.17, GewArch 2019, 74. 19 BVerwG v. 14.11.2001 – 6 B 60/01, GewArch 2002, 69; BVerwG v. 21.10.2004 – 6 B 60/04, GewArch 2005, 24; BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20/09, GewArch 2010, 400 m. Anm. Möllering, GewArch 2011, 56; BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15, GewArch 2016, 289 m. Anm. Jesse, GewArch 2016, 293. 20 BVerwG v. 17.12.1998 – 1 C 7/98, GewArch 1999, 193; BVerwG v. 9.4.2014 – 8 C 50/12, GewArch 2014, 317; OVG Nordrhein-Westfalen v. 20.11.2017 – 4 A 1113/13, GewArch 2018, 72 (Zahntechnikerhandwerk); Hamb. OVG v. 17.7.2018 – 5 Bf 146/17.Z (Fotografenhandwerk). 21 Zur Vereinbarkeit der gesetzlichen Mitgliedschaft in der Nds. Pflegekammer siehe VG Hannover v. 7.11.2018 – 7 A 5658/17, GewArchO 2019, 65, GewArch 2019, 113 (Ls.), bestätigt durch Nds. OVG v. 22.8.2019 – 8 LC 116/18, GewArch 2019, 477 (Ls.). 22 BVerwG v. 14.5.2005 – 3 C 31/04, NVwZ 2006, 92. 23 OVG Rheinland-Pfalz v. 23.9.2014 – 6 A 11345/13, GewArch 2014, 482. 24 OVG Nordrhein-Westfalen v. 29.4.1998 – 4 A 2384/97, GewArch 1998, 413, zuletzt unter Verweis auf das BVerfG OVG Nordrhein-Westfalen v. 26.3.2018 – 4 A 934/14 und 4 A 935/14; Siehe auch OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.3.2017 – 17 A 108/17, GewArch 2017, 235 zum nicht ausreichenden pauschalen Verweis auf anhängige Verfassungsbeschwerden. 25 Jahn, WiVerw 2015, 92; Jahn, GewArch 2012, 6; Jahn, GewArch 2011, 464; Jahn, GewArch 2008, 137, 138; Jahn, GewArch 2005, 169. 26 Häußler, DVBl. 2017, 157. 27 Zu den Darlegungserfordernissen im gerichtlichen Verfahren bei einem behaupteten Verfassungswandel siehe OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.3.2017 – 17 A 108/17. 28 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 85.
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§ 2 Rz. 4 Kammerzugehörigkeit gaben rechtfertigen daher auch weiterhin die Pflichtmitgliedschaft. Von einem Verfassungswandel, also einem Wandel der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, der eine abermalige Überprüfung der früheren verfassungsgerichtlichen Entscheidungen rechtfertigen würde, kann nicht ausgegangen werden. Denn im Rahmen der Interessenvertretung nehmen die IHKs nach wie vor legitime öffentliche Aufgaben wahr, die in ihrer Fülle in den letzten Jahren sogar deutlich zugenommen haben29. Deshalb hat es das Bundesverfassungsgericht auch zuvor viele Jahre abgelehnt, sich abermals in der Sache mit der IHK-Pflichtmitgliedschaft zu befassen und stattdessen auf seinen Beschluss vom 7.12.2001 verwiesen. Ein politisches Bekenntnis zur Pflichtmitgliedschaft hat auch der Deutsche Bundestag aus Anlass der Verabschiedung des IHKG-Änderungsgesetzes 1998 ausdrücklich in einer Entschließung abgelegt30. Auch die Bundesregierung hat nachfolgend bekräftigt, dass sie Industrie- und Handelskammern in der Form öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft als Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft nach wie vor für sachgerecht und erforderlich hält31. Dementsprechend haben sich die deutschen Wirtschafts- und Berufskammern bereits im Jahr 2007 in einer „Charta der funktionalen Selbstverwaltung durch Wirtschafts- und Berufskammern“ zu den Prinzipien der funktionalen Selbstverwaltung als Gewähr für einen leistungsfähigen und bürgernahen Verfassungsstaat bekannt32. Eine bereits 2012 im Bundestag eingereichte Petition zur Frage der Pflichtmitgliedschaft, Transparenz und demokratischen Beteiligungen bei den IHKs wurde vom Petitionsausschuss im Juli 2014 mehrheitlich zurückgewiesen33. Der Petitionsausschuss war allerdings vor dem Hintergrund zahlreicher Beitragssenkungen, Änderungen des Finanzstatuts (Zuwendungen, Beschaffung, Beteiligungen) und Schaffung von Transparenz beim Finanzgebaren der Ansicht, „dass vor dem Hintergrund der dargestellten Maßnahmen kein grundlegender Bedarf für die geforderte Reform des IHK-Gesetzes besteht“. Auch wenn dem Gesetzgeber eine Pflicht zur „ständigen Prüfung“ obliegt, ob die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Zwangskorporation noch bestehen34; eine Beobachtungspflicht des Gesetzgebers, die selbständig gerügt werden könnte, ergibt sich daraus aber nicht35. Es existiert also kein klagbarer Anspruch auf erneute gesetzgeberische Prüfung der Pflichtmitgliedschaft. Allerdings könnte der
29 Etwa bei der Umsetzung des Versicherungsvermittlerrechts, siehe dazu Jahn/Klein, DB 2007, 957. 30 BT-Drs. 13/10297. 31 BT-Drs. 14/9175 und 15/3265. 32 Text der Charta unter www.kammerrecht.de. 33 Vgl. Pet 1-17-09-7001-037837. http://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_05/ _22/Petition_24793.abschlussbegruendungpdf.pdf. 34 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 Rz. 38. 35 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 84.
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Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1)
Rz. 6 § 2
Gesetzgeber die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer durch ein Konzept freiwilliger Mitgliedschaft bei Erhalt der Kammern im Übrigen ersetzen36. Das rechtswissenschaftliche Schrifttum hat – bis auf wenige kritische Stimmen – 5 diese herrschende Auffassung noch vertieft37. Dass die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für das IHKG vorliegen, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19.12.1962 bestätigt38. Es unterscheidet darin zwischen den beiden Aufgaben der „Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat“ und der „Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet“, die es beide als unzweifelhaft „legitime öffentliche Aufgaben“ bezeichnet. Insbesondere betont es die den IHKs übertragene Pflicht zur Ermittlung und Vertretung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft, zur abwägenden und ausgleichenden Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige und -betriebe und damit zu einem höchstmöglichen Maß an Objektivität, die im öffentlichen Interesse liegt. Aus diesen Überlegungen folgert das Bundesverfassungsgericht, „dass es zur sachgemäßen Erfüllung der den IHKs übertragenen Aufgaben sinnvoll, ja notwendig war, ihre Organisation auf dem Prinzip der Pflichtzugehörigkeit aufzubauen“. Diese Ansicht hat das Gericht später bekräftigt39. 3. Pflichtzugehörigkeit und Landesverfassung Mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist gleichzeitig geklärt, 6 dass die Pflichtzugehörigkeit zu den IHKs nicht gegen gleich lautende oder weiter gehende Grundrechte der Landesverfassung verstößt, welche durch Art. 142 GG aufrechterhalten werden40. Da das IHKG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, geht es als Bundesrecht nach Art. 31 GG auch den Landesverfassungen vor. Abweichende Bestimmungen der Landesverfassungen sind auf die IHKs nicht anwendbar, beispielsweise der in seiner Auslegung umstrittene Art. 179 der Bayer. Verfassung oder auch der frühere Art. 69 Abs. 3 der Verfassung von Rheinland-Pfalz41.
36 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BVR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 102. 37 S. die Nachweise 6. Aufl., § 2 Rz. 5, ferner Kluth, DÖV 2005, 368; Kluth, NVwZ 2002, 298; Jahn, GewArch 2002, 353; Löwer, GewArch 2000, 89; Schöbener, VerwArch 2000, 374; Schöbener, GewArch 2010, 177, 179. 38 BVerfG v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57, BVerfG 15, 235, 239. 39 Zuletzt BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 106. 40 BVerfG v. 15.10.1997 – 2 BvN 1/95, BVerfGE 36, 342, 363; StGH Hessen v. 10.5.2017 – P.St. 2545. 41 Sacksofsky, NVwZ 1993, 235. Zum verfassungsrechtlichen Schutz der Kammern auf Länderebene siehe Kluth, DÖV 2005, 368; Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 109, 114; Jahn in Gornig (Hrsg.), Justitia et Pax, 947; Zur (eingeschränkten) Grundrechtsfähigkeit von öffentlich-rechtlichen Körperschaften siehe BVerfG v. 11.12.2008 – 1 BvR 1665/08, GewArch 2009, 310.
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§ 2 Rz. 7 Kammerzugehörigkeit 4. Pflichtzugehörigkeit und Recht der EU 7
Im Zuge der jüngeren Auseinandersetzungen ist mehrfach auch die Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft mit dem EU-Recht angeschnitten worden (s. Einführung Rz. 73 ff.), weil es nicht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union öffentlich-rechtliche IHKs gibt (s. Einführung Rz. 65, 72). Der Vorwurf, die Pflichtmitgliedschaft sei ein Verstoß gegen das EU-Recht, insbesondere das Wettbewerbs- und Kartellrecht, hat sich sehr schnell als nicht berechtigt herausgestellt42. Aber auch ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt nicht vor, weil das IHKG nicht die Niederlassung ausländischer Unternehmen beschränkt oder erschwert, sondern nur an eine erfolgte Niederlassung organisationsrechtliche Konsequenzen knüpft43. Da das IHKG inländische und ausländische Gewerbetreibende gleich behandelt, spielt auch Art. 3 Abs. 1 GG keine Rolle; es kommt auch zu keiner Diskriminierung i.S.v. Art. 6 EGV/Maastricht (= Art. 12 EGV/Amsterdam). Daher ist auch die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft der im Inland tätigen englischen Limited nicht zu beanstanden44. Erst recht berührt das IHKG nicht die Freiheiten des Warenverkehrs und der Dienstleistungen45. Die 42 BVerwG v. 9.4.2014 – 8 C 50.12, NVwZ 2014, 1241; EuGH v. 5.3.2009 – C-350/07 (Pflichtmitgliedschaft in Berufsgenossenschaften); OVG Nordrhein-Westfalen v. 26.3.2018 – 4 A 934/14 und 4 A 935/14; OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10.OVG; Sächs. OVG v. 8.10.2012 – 4 A 411/12 und v. 16.4.2008 – 5 B 49/07; Nds. OVG v. 16.1.2009 – 8 ME 123/08; VG Ansbach v. 4.2.2010 – AN 4 K 09.00157; Bay. VGH v. 4.9.2012 – 22 ZB 11.1007 sowie v. 30.7.2012 – 22 ZB 11.1462; VG Dresden v. 8.5.2019 – 4 K 2905/14; VG Düsseldorf v. 13.6.2013 – 20 K 2070/12; VG Frankfurt a. M. v. 7.7.2010 – 5 K 479/10.F; VG Gelsenkirchen v. 7.5.2013 – 19 K 4576/12; VG Hannover v. 8.10.2008 – 11 A 3467/07 und v. 8.10.2008 – 11 A 2467/07; VG Meiningen v. 1.7.2009 – 2 K 650/06 Me; VG Minden v. 2.6.2010 – 7 K 2650/09; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09 TR. Siehe auch Martens, GewArch 2011, 15; Jahn, WiVerw 2015, 92, 94, Fn. 38, 39. 43 Vgl. VG Sigmaringen v. 28.11.2013 – 3 K 3415/11; Sächs. OVG v. 16.4.2008 – 5 B 49/07; OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10.OVG, Nds. OVG v. 16.1.2009 – 8 ME 123/08, GewArch 2009, 370 (zur deutschen Niederlassung einer britischen Limited); VG Ansbach v. 4.2.2010 – AN 4 K 09.00157; VG Hannover v. 8.10.2008 – 11 A 3467/07 und – 11 A 2467/07; VG Frankfurt a. M. v. 7.7.2010 – 5 K 479/10.F; VG Meiningen v. 1.7.2009 – 2 K 650/06 Me; VG Minden v. 23.6.2010 – 7 K 2650/09; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09 TR; VG Greifswald v. 5.12.2006 – 4 A 535/04, GewArch 2007, 287; VG Gießen v. 26.10.2005 – 8 E 1697/05, GewArch 2006, 213; Jahn, GewArch 2005, 169, 172, Fn. 43. 44 Nds. OVG v. 16.1.2009 – 8 ME 123/08, GewArch 2009, 370. 45 Vgl. VG Sigmaringen v. 28.11.2013 – 3 K 3415/11; BayVGH v. 22.7.2010 – 22 ZB 10.1518; Sächs. OVG v. 16.4.2008 – 5 B 49/07; OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10.OVG und 6 A 10282/10; Nds. OVG v. 16.1.2009 – 8 ME 123/08; Hess. VGH v. 28.8.2009 – 8 A 282/07; VG Ansbach v. 4.2.2010 – AN 4 K 09.00157; VG Hannover v. 8.10.2008 – 11 A 3467/07 und – 11 A 2467/07 und v. 26.11.2008 – 11 B 5430/08; VG Frankfurt a. M. v. 7.7.2010 – 5 K 479/10.F; VG Meiningen v. 1.7.2009 –
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Begriff der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1)
Rz. 9 § 2
Verwaltungsgerichte haben deshalb stets eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 177 EGV Maastricht (= Art. Art. 267 AEUV/Lissabon) abgelehnt, zumal es sich stets um rein nationale Fälle handelte46. Aus der EuGH-Rechtsprechung zur Handwerkskammerzugehörigkeit47 folgt nichts anderes. Dort hat der EuGH entschieden, dass die deutsche Handwerksrollenpflicht eines ausländischen Anbieters von Estrich-Arbeiten gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt. Die Entscheidung kann jedoch nicht auf die IHKPflichtmitgliedschaft übertragen werden, weil diese nicht schon bei Erbringung einer Dienstleistung eines ausländischen Anbieters in Deutschland eintritt, sondern an das Vorhandensein einer gewerblichen Niederlassung oder Betriebsstätte im Kammerbezirk anknüpft. Gerade das Fehlen dieser Differenzierung hatte der EuGH in seiner Entscheidung als maßgeblich für den Verstoß der Handwerksrollenpflicht gegen EU-Recht bezeichnet48. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch, dass der EuGH die Beitragsrege- 8 lung für die niederländischen Industrie- und Handelskammern gebilligt und nicht unter die Gesellschaftssteuer-Richtlinie subsumiert hat49, ferner hat er einen Verstoß des italienischen Kammerbeitrag gegen das EU-rechtliche Verbot indirekter Steuern auf Kapitalgesellschaften verneint50. Ebenso hat der EuGH die Pflichtmitgliedschaft zu einer Tierärztekammer51 und in einer Berufsgenossenschaft bestätigt52. Die Europäische Menschenrechtskommission hatte bereits 1998 entschieden, 9 dass Art. 11 Abs. 1 der Konvention die Vereinigungsfreiheit nur im privatrechtlichen Bereich schützt und auf die öffentlich-rechtlichen spanischen IHKs nicht anzuwenden ist53. In diesem Sinne hat für das IHKG später die Verwaltungsrechtsprechung entschieden54. Die IHK-Pflichtmitgliedschaft verstößt schließlich hiernach weder gegen Art. 11 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch gegen Art. 20 Abs. 2 der Allgemeinen Erklä-
46 47 48 49 50 51 52 53 54
2K 650/06 Me; VG Minden v. 23.6.2010 – 7 K 2650/09; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K371/09 TR. Vgl. dazu EuGH v. 16.1.1997 – C-134/95, EuZW 1997, 403. BVerwG v. 9.4.2014 – 8 C 50.12, NVwZ 2014, 1241. Siehe auch Diefenbach, GewArch 2006, 217; Möllering, WiVerw 2001, 25. EuGH v. 11.6.1996 – C-2/94, GewArch 1996, 472. EuGH v. 19.4.2012 – C-443/09, GewArch 2012, 248. EuGH v. 22.9.1983 – C 271/82 – Slg. 1983, 2727. EuGH v. 5.3.2009 – C 350/07. Requête Nr. 36087/97. VG Gießen v. 26.10.2005 – 8 E 1697/95, GewArch 2006, 214; VG Greifswald v. 5.11.2006 – 4 A 535/04, GewArch 2007, 287, ferner die Nachweise bei Jahn, GewArch 2008, 137.
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§ 2 Rz. 9 Kammerzugehörigkeit rung der Menschenrechte der Vereinten Nationen55. Der EGMR56 die Beschwerden gegen die Entscheidung des BVerfG57 und dessen Bestätigung der Verfassungskonformität der gesetzlichen Mitgliedschaft (§ 2 Abs. 1) als unzulässig verworfen. 5. Mehrfach- oder Doppelzugehörigkeit 10
In der Praxis gibt es häufig den Fall, dass Unternehmen oder auch freie Berufe mehreren öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit Pflichtzugehörigkeit angehören (Mehrfachmitgliedschaft). Als Beispiel ist die Kombination der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu erwähnen, aber auch die der Architekten, Ingenieure, Apothekern oder Angehörigen der Heilberufe. Ebenso kann es aber auch vorkommen, dass ein Unternehmen der Landwirtschaftskammer und der IHK angehört. Besonders häufig ist der Fall, dass ein Unternehmen sowohl zur IHK als auch zur Handwerkskammer gehört; dies ist aber genau genommen kein Fall der „Doppelzugehörigkeit“, wie sich aus § 2 Abs. 3 ergibt58.
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Die Doppelzugehörigkeiten ergeben sich stets aus der Kombination mehrerer Tätigkeiten und sind rechtlich anerkannt, oft sogar ausdrücklich in den betreffenden Kammergesetzen. Insbesondere § 43 Abs. 4 WPO und § 57 Abs. 3 StBerG zählen detailliert die Tätigkeiten auf, die mit dem Beruf eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters vereinbar sind. Für die Rechtsanwälte ergibt sich dies aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 7 Nr. 8 BRAO und indirekt aus den §§ 45–47 BRAO. Dazu kommt verstärkt die Zusammenarbeit verschiedener freier Berufe in der Rechtsform einer Gesellschaft, sei es einer bloßen Sozietät (BGBGesellschaft), einer Partnerschaft oder EWIV oder auch einer Kapitalgesellschaft, die stets gewerbesteuerpflichtig59 und damit IHK-zugehörig ist.
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Das IHKG erwähnt die Doppelmitgliedschaft mehrfach, bei der Kammerzugehörigkeit in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 und vor allem bei der Beitragsregelung in § 3 Abs. 4. Der Gesetzgeber hat dort für die wichtigsten Fälle eine pauschale Lösung gewählt, welche auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abstellt und den Beitrag zur IHK entsprechend reduziert. Dies entspricht dem Grundsatz, den die Rechtsprechung seit langem dafür entwickelt hat, dass verschiedene nebeneinander ausgeübte freiberufliche und gewerbliche Tätigkeiten jeweils auch die Zugehörigkeit zu den entsprechenden Kammern begründen und sich die Beitragsbemessung 55 EGMR v. 13.9.2018 – 28451/18 und 28433/18, GewArch 2019, 67. Ebenso zur Vereinbarkeit der gesetzlichen Mitgliedschaft mit der EMRK VG Koblenz v. 12.10.2018 – 5 K 633/18.KO; Bay. VGH v. 22.7.2010; Jahn, WiVerw 2015, 92, 96, Fn. 38. 56 EGMR v. 13.9.2018 – 28433/18, 28451/18, GewArch 2019, 67. 57 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164; GewArch 2017, 375 m. Anm. Jahn, GewArch 2017, 381; NJW 2017, 2744; NVwZ 2017, 1282. 58 S.u. Rz. 114. 59 § 2 Abs. 2 GewStG.
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Kreis der Kammerzugehörigen
Rz. 14 § 2
nach dem Anteil richten muss, den die spezifische Tätigkeit ausmacht. Im Grunde ist dies nur ein Unterfall der Beitragsäquivalenz, dass sich die Beiträge nach den generellen und nicht quantifizierbaren Vorteilen aus der Pflichtmitgliedschaft richten müssen60. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat solche Doppel- und MehrfachZugehörigkeiten mit daraus resultierender mehrfacher Beitragspflicht stets anerkannt61. Das IHKG-Änderungsgesetz 1998 hat dies lediglich kodifiziert. Die gleichzeitige Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer einerseits und einer Wirtschaftskammer andererseits ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn während berufsständische Kammern ausschließlich die Interessen ihrer Mitglieder vertreten und daher reine Berufsorganisationen darstellen, vertreten die IHKs die Wahrnehmung des Gesamtinteresses aller nichthandwerklichen Gewerbetreibenden in ihrem Zuständigkeitsbereich62.
II. Kreis der Kammerzugehörigen § 2 regelt abschließend die Voraussetzungen der Kammerzugehörigkeit. Ab- 13 satz 1 ist die Grundnorm, deren Tatbestandsmerkmale stets erfüllt sein müssen. Bei der Auslegung ist naturgemäß der Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu beachten. Die Ausnahmen ergeben sich für Handwerksbetriebe, zulassungsfreie Handwerke und für handwerksähnliche Gewerbe aus § 2 Abs. 3, für einige andere Bereiche aus § 2 Abs. 2 und 4. § 2 Abs. 1 bindet die Kammerzugehörigkeit an drei Kriterien nämlich eine im Gesetz aufgeführte Rechtsform (Rechtsträger), die objektive Gewerbesteuerpflicht und das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Kammerbezirk. Alle drei Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein, wobei es allein auf das objektive Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ankommt, nicht hingegen auf die subjektive Kenntnis des Unternehmens oder der IHK63. Auf die Legalität der gewerblichen Tätigkeit kommt es für die Mitgliedschaft nicht an64. Im konkreten Fall sind deshalb – da die Rechtsform keine Rolle spielt, sondern 14 umfassend definiert ist – vor allem als allgemeine Voraussetzung der Kammer60 BVerwG v. 21.10.2004 – 6 B 60/04, GewArch 2005, 24 und 5. Aufl. § 2 Rz. 12. 61 Vgl. Vorauflage Rz. 12; OVG Berlin-Brandenburg v. 27.6.2016 – OVG 12 N 76.15; VG Berlin v. 30.3.2012 – 9 K 63.09, MedR 2013, 58. Ferner die Nachweise bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 95, Fn. 34; Jahn, GewArch 2008, 137; Drexler/König, GewArch 2004, 461 und GewArch 2005, 320. 62 Zur gleichzeitigen Mitgliedschaft in der IHK und der Steuerberaterkammer siehe Sächs. OVG v. 6.9.2011 – 4 A 668/10; VG Frankfurt a. M. v. 8.12.2014 – 10 K 3005/13.F. 63 VG Lüneburg v. 13.4.2005 – 5 A 13/04. 64 OVG Berlin-Brandenburg v. 8.2.2017 – OVG 1 N 4.15.
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§ 2 Rz. 14 Kammerzugehörigkeit zugehörigkeit die Gewerbesteuerpflicht sowie als räumliche Voraussetzung die Existenz einer Betriebsstätte im Kammerbezirk zu prüfen. Erst anschließend kann es darauf ankommen, ob eine Ausnahme nach § 2 Abs. 2–4 vorliegt.
III. Rechtsform 15
§ 2 Abs. 1 zählt zur Umschreibung des Kreises der Kammerzugehörigen die Rechtsformen auf, welche die Kammerzugehörigkeit begründen. Diese Aufzählung ist so umfassend, dass die Rechtsform eigentlich kein Abgrenzungsmerkmal mehr ist. Entscheidender für die Abgrenzung sind deshalb die anderen Tatbestandsmerkmale des Abs. 1. Rechtsträger sind alle natürlichen und juristischen Personen, können aber auch Personenmehrheiten unabhängig von ihrer Rechtsform sein, s.u. Rz. 21 f. Eine Mehrfachmitgliedschaft eines Rechtsträgers in einer IHK ist nicht möglich. Daher kann ein Rechtsträger in einer IHK auch nur einmal wahlberechtigt (§ 5) und nur einmal beitragspflichtig (§ 3) sein. 1. Wechsel der Rechtsform
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Die Aufzählung der Rechtsformen in § 2 Abs. 1 hat jedoch eine andere rechtliche Konsequenz. Die Kammerzugehörigkeit wird damit eindeutig als öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen der IHK und dem Gewerbetreibenden fixiert, in welcher Rechtsform er sein Unternehmen auch betreiben mag. Kammerzugehörig ist – nach einem neueren Sprachgebrauch – der Unternehmensträger. Das bedeutet, dass eine natürliche oder juristische Person oder auch eine Personenvereinigung nur einmal kammerzugehörig sein kann, auch wenn sie neben der Hauptniederlassung in demselben Kammerbezirk noch Zweigniederlassungen oder weitere Betriebsstätten unterhält. Daraus folgt weiter, dass auch derjenige Gewerbetreibende kammerzugehörig ist, der seinen Sitz oder seine Hauptniederlassung in einem anderen Kammerbezirk oder im Ausland hat und in dem betreffenden Kammerbezirk selbst lediglich Zweigniederlassungen oder Betriebsstätten unterhält. Bei Betriebsstätten ausländischer Unternehmen kommt es allerdings entscheidend auf die Gewerbesteuerpflicht an, die sich nach dem jeweiligen und gegenüber § 12 AO modifizierten Betriebsstättenbegriff der Doppelbesteuerungsabkommen oder nach § 2 Abs. 6 GewStG; § 12 AO richtet.
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Die Anknüpfung an den Gewerbetreibenden ergibt schließlich, inwieweit der Wechsel der Rechtsform die Kammerzugehörigkeit berührt. Es kommt darauf an, ob bei einem Wechsel der Rechtsform die rechtliche Identität des Unternehmensträgers gewahrt bleibt, er also weiterbesteht, oder ob eine andere Rechtsperson das Unternehmen fortführt und lediglich sein Vermögen und seine Schulden übernimmt. Kennzeichnend dafür, dass eine neue Rechtsperson auftritt, ist eine Rechtsnachfolge, insbesondere auch die gesetzliche Anordnung der Gesamtrechtsnachfolge und des Vermögensübergangs. Dazu gehört auch der Unterneh204
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Rechtsform
Rz. 21 § 2
menskauf, der durch Einzelübertragung erfolgt; hier entsteht eine neue Kammerzugehörigkeit, sofern der Käufer nicht schon kammerzugehörig ist. Die Betriebsübernahme nach § 613a BGB ist dagegen nur ein Indiz, weil darunter auch die Übernahme von Teilbetrieben fällt, die steuerlich keinen Unternehmerwechsel darstellt; bei der Veräußerung von Teilbetrieben bleibt der Verkäufer kammerzugehörig, der Käufer wird kammerzugehörig, falls er es noch nicht ist. Auch die Firmenfortführung besagt nichts über Identität oder Rechtsnachfolge, wie die verschiedenen Fälle der §§ 21, 22 und 24 HGB zeigen. Entscheidend ist in all diesen Fällen, ob ein Unternehmerwechsel stattgefunden hat65. Die Identität und damit die Kammerzugehörigkeit bleiben bei allen formwech- 18 selnden Umwandlungen erhalten. Das Umwandlungsgesetz vom 28.10.199466 erfasst ziemlich lückenlos alle Fälle und unterscheidet zwischen bloßem Rechtsformwechsel67 einerseits und Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung (§§ 2–189) andererseits. Nur beim Rechtsformwechsel bleibt die Kammerzugehörigkeit des Unternehmens erhalten. In allen anderen Fällen führt der Unternehmerwechsel zur Kammerzugehörigkeit des neuen Rechtsträgers, falls er nicht schon kammerzugehörig ist. Die Kammerzugehörigkeit des bisherigen Rechtsträgers endet, ausgenommen allerdings die Fälle von Teilübertragungen, von Abspaltungen und Ausgliederungen68. OHG, KG und bürgerlich-rechtliche Gesellschaft bleiben unverändert kammer- 19 zugehörig, mögen diese Rechtsformen untereinander wechseln, oder Gesellschafter eintreten oder ausscheiden69. Selbst wenn aus einer OHG, KG oder bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft alle anderen Gesellschafter ausscheiden und ein Einzelunternehmen entsteht, bleibt die Identität gewahrt; die Anteile der ausscheidenden Gesellschafter wachsen nach herrschender Meinung dem verbleibenden Gesellschafter an70. 2. Die einzelnen Rechtsformen Im Übrigen handelt es sich um folgende Rechtsformen, die von Abs. 1 erfasst werden:
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– Natürliche Personen als Einzelkaufleute und sonstige Einzelgewerbetreibende; 21 auf die Eintragung im Handelsregister kommt es nicht an. Da die Kammerzugehörigkeit auf den Gewerbetreibenden abstellt, ist auch ein Einzelkaufmann mit mehreren Betrieben nur einmal kammerzugehörig, selbst wenn er für jeden 65 66 67 68 69 70
Vgl. § 2 Abs. 5 und § 5 Abs. 2 GewStG. BGBl. I, 3210. §§ 190–304. § 174 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UmwG. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB. § 738 BGB, Abschn. 20 Abs. 2 GewStR 2009.
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§ 2 Rz. 21 Kammerzugehörigkeit dieser Betriebe gesondert zur Gewerbesteuer veranlagt wird71. Er wird daher nur einmal zum Grundbeitrag und ggf. zu einer einheitlichen Umlage herangezogen72. Von mehreren Betrieben ist auszugehen, wenn ein Unternehmer unterschiedliche Tätigkeiten ausübt73. So ist bei ungleichartigen bzw. sich nicht ergänzenden gewerblichen Tätigkeiten ein und desselben Unternehmers in der Regel auch dann von der Selbständigkeit der einzelnen Aktivitäten auszugehen, wenn eine gemeinsame Buchführung vorhanden und das Betriebsergebnis in der Bilanz zusammengefasst worden ist74. Sofern Betriebe jedoch finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich zusammenhängen, können sie nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden75. 22
– Personenhandelsgesellschaften, also OHG und KG, aber auch GmbH & Co. KG. Da Personenhandelsgesellschaften in ihrer Rechtsstellung weitgehend den juristischen Personen angenähert sind76 und auch einheitlich zur Gewerbesteuer veranlagt werden, ist die Gesellschaft kammerzugehörig, nicht aber ihre Gesellschafter. Wenn also dieselben Personen mehrere Personenhandelsgesellschaften gemeinsam betreiben, sind die verschiedenen Gesellschaften jeweils für sich kammerzugehörig77. Dies gilt auch für freiwillige Handelsregistereintragungen nach § 105 Abs. 2 HGB.
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– Partnerschaftsgesellschaften78 fallen dagegen nicht darunter, sind also nicht kammerzugehörig, weil sie auf die Ausübung eines freien Berufes beschränkt und deshalb nicht gewerbesteuerpflichtig sind. Sie sind keine Personenhandelsgesellschaften, sondern werden in ein gesondertes Register eingetragen.
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– Juristische Personen des privaten Rechts. Hierunter fallen Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, einschließlich der durch das „Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“79 eingeführten „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“, Genossenschaften80, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit81 (soweit sie nicht nach § 3 Abs. 9 GewStG und § 12a GewStDV von der Gewerbesteuer befreit sind), Vereine (insbesondere wirt71 72 73 74 75 76 77 78 79 80
Abschn. 16 GewStR 2009; vgl. BFH v. 9.8.1989 – X R 130/87, DB 1989, 2311. Siehe § 3 Rz. 66. Vgl. FG Münster v. 16.2.2012 – 3 K 2194/09 G, F. BFH v. 24.10.2012 – X R 36/10. Vgl. FG Münster v. 16.2.2012 – 3 K 2194/09 G, F. §§ 124, 161 Abs. 2 HGB. Abschn. 16 Abs. 3 GewStR. Gesetz vom 25.7.1994, BGBl. I, 1744. MoMiG vom 23.10.2008, BGBl. I, 2026. Soweit nicht als landwirtschaftliche Genossenschaften nach § 3 Nr. 8 GewStG nicht gewerbesteuerpflichtig oder nach § 2 Abs. 4 IHKG nicht kammerzugehörig sind. 81 Soweit sie nicht nach § 3 Abs. 9 GewStG und § 12a GewStDV von der Gewerbesteuer befreit sind.
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Rechtsform
Rz. 28 § 2
schaftliche Vereine nach § 22 BGB82 oder Idealvereine mit wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach § 2 Abs. 3 GewStG), bürgerlich-rechtliche Stiftungen (soweit sie gewerbesteuerpflichtig sind). Die in Klammern gesetzten Einschränkungen zeigen deutlich, dass sich die entscheidende Abgrenzung der Kammerzugehörigkeit nicht aus der Rechtsform, sondern aus den anderen Tatbestandsmerkmalen des Abs. 1 ergibt. – Juristische Personen des öffentlichen Rechts. Hier mag es sich um Kör- 25 perschaften (Gebietskörperschaften wie Nichtgebietskörperschaften), öffentlich-rechtliche Anstalten oder Stiftungen handeln. Dies gilt beispielsweise für alle Rundfunkanstalten, wenn sie wegen der Werbesendungen – gegebenenfalls auch unter Einschaltung einer organschaftlich verbundenen Tochtergesellschaft – gewerbesteuerpflichtig sind83. Zu den kammerzugehörigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ge- 26 hören öffentlich-rechtliche Kreditinstitute (soweit sie nicht von der Gewerbesteuerpflicht nach § 3 Nr. 2 GewStG befreit sind), insbesondere Staatsbanken, die am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen. Vor allem aber fallen hierunter die Sparkassen, die heute überwiegend öffentlich-rechtliche Anstalten kraft Landesrechts sind, in einigen Ausnahmefällen auch juristische Personen des privaten Rechts. Sie sind in beiden Fällen kammerzugehörig, weil sie zur Gewerbesteuer herangezogen werden und Wettbewerbsunternehmen im Kreditgewerbe sind. Die frühere Ermäßigung bei der Gewerbesteuer ist inzwischen entfallen. Mit der Gewerbesteuerveranlagung ist zugleich entschieden, dass es sich nicht um hoheitliche Tätigkeiten handelt, sondern um einen Gewerbebetrieb84. Im Bereich der Versicherungswirtschaft gibt es ebenfalls eine Reihe von öffent- 27 lich-rechtlichen Versicherungsanstalten, die Wettbewerbsunternehmen sind und zur Gewerbesteuer herangezogen werden. Die Voraussetzung der Gewerbesteuerpflicht fehlt jedoch in den Sonderfällen des § 3 Nr. 11 GewStG (öffentlich-rechtliches Versorgungswerk). Ebenso gehören schließlich hierher Bund und Länder, soweit sie Eigenbetriebe 28 unterhalten; für Eigenbetriebe der Gemeinden und Gemeindeverbände gilt § 2 Abs. 5, nicht dagegen für kommunale Zweckverbände. Von der Gewerbesteuer sind jedoch die Monopolverwaltungen des Bundes, die staatlichen Lotterieunternehmen und der Erdölbevorratungsverband befreit85. Kammerzugehörig sind dagegen beispielsweise staatliche Verlagsunternehmen, Schifffahrtsunter-
82 VG Würzburg v. 18.1.2006 – W 6 K 05.1148. 83 Vgl. VG Köln v. 5.11.1990 – 1 K 1369/89; VG Berlin v. 5.10.1994 – 4 A 340.90, GewArch 1995, 479. 84 § 2 GewStDV. 85 § 3 Nr. 1 GewStG.
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§ 2 Rz. 28 Kammerzugehörigkeit nehmen, Brauereien, Sägewerke und nicht gemeinnützige Staatsbäder86. Auch Zweckverbände sind gewerbesteuerpflichtig87 und sind deshalb bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen kammerzugehörig gem. § 2 Abs. 1. 29
– Personenmehrheiten. Dazu zählen vor allem die Gesellschaften bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB), die ein kleingewerbliches Unternehmen betreiben88. Mit der Streichung der Wörter „nicht rechtsfähige“ durch das Zweite MittelstandsEntlastungsgesetz vom 7.9.200789 wurde § 2 Abs. 1 klargestellt. Die im Gesetz erfolgte Streichung entspricht der systematischen Einordnung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die neuere Rechtsprechung des BGH. Dieser hatte bereits 2001 entschieden, dass die GbR rechtsfähig und parteifähig ist, soweit sie als Teilnehmer am Rechtsverkehr eigene (vertragliche) Rechte und Pflichten begründet90. Ferner zählen dazu Unternehmen, die als vorübergehende Arbeitsgemeinschaften anderer Unternehmen (insbesondere in der Bauwirtschaft) üblich sind91. Solche Arbeitsgemeinschaften können aber auch handelsregisterpflichtig sein92. Ebenso gehören hierher Reedereien (§ 489 HGB), Erbengemeinschaften oder Ehegatten, zu deren Nachlass oder deren Gesamtgut (bei ehelicher Gütergemeinschaft) ein Unternehmen gehört. Schließlich sind hier die nichtrechtsfähigen Vereine (§ 54 BGB) zu erwähnen, wenn sie wegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gewerbesteuerpflichtig sind93.
30
– Ausländische Unternehmensformen, wenn sie rechtlich unselbständige Zweigniederlassungen oder Betriebsstätten im Kammerbezirk unterhalten. Dabei bedarf es infolge der umfassenden Aufzählung keiner oft schwierigen international-privatrechtlichen Qualifikation, mit welcher deutschen Unternehmensform sie vergleichbar sind und ob es sich etwa um juristische Personen handelt. Voraussetzung ist lediglich, dass sie in Deutschland rechtlich anerkannt sind, was sich nach den Grundsätzen des deutschen internationalen
86 VG Wiesbaden v. 16.8.1960 – III/2 655/59; OVG Rheinland-Pfalz v. 11.12.1985 – 6 A 102/84 und v. 28.7.1987 – 6 A 18/86; VG Freiburg v. 6.7.1983 – 1 K 141/82; VG Neustadt v. 18.10.1986 – 7 K 67/84. 87 Vgl. Bode in Blümich (Hrsg.), EStG, 139. Aufl. 2018, § 15 Rz. 36; a.A. für einen kommunalen Wasserversorgungsverband Sächs. FG v. 24.9.2013 – 3 K 605/12; allgemein gegen Kammerzugehörigkeit von kommunalen Zweckverbänden Dossmann, Sächs.VBl. 2018, 105. 88 VG Karlsruhe v. 21.6.1994 – 3 K 2858/93. 89 BGBl. I, 2246. 90 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 91 Vgl. aber die gewerbesteuerlichen Sondervorschriften für Arbeitsgemeinschaften in § 2a GewStG und Abschn. 23 GewStR. 92 OVG Nordrhein-Westfalen v. 26.5.1992 – 5 A 403/91. 93 § 2 Abs. 3 GewStG.
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Rechtsform
Rz. 30 § 2
Privatrechts richtet94. Weiterhin ist Voraussetzung, dass der Gewerbebetrieb erlaubt ist und dass sie zur Gewerbesteuer herangezogen werden95. Die Gewerbesteuerpflicht ausländischer Betriebsstätten entscheidet sich dabei vorrangig nach den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und dem dort vielfach modifizierten Betriebsstättenbegriff. Alle diese Vorfragen für die Kammerzugehörigkeit ausländischer Unternehmen wegen ihrer Zweigniederlassungen oder Betriebsstätten im Kammerbezirk sind für die Kammerpraxis mit der Veranlagung zur Gewerbesteuer entschieden. Eine nach dem Recht eines anderen EU-Staates gegründete Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland (doppelt ansässige Gesellschaft) erlangte nach früherer gewerbesteuerlicher Verwaltungsansicht erst mit der Eintragung ins deutsche Handelsregister ihre Rechtsfähigkeit im Inland96. Diese Ansicht ist inzwischen obsolet, nachdem doppelt ansässige Gesellschaften nach der Rechtsprechung des EuGH97 im Inland vollrechtsfähig sind, es also auf die Handelsregistereintragung nicht ankommt98. Die in Deutschland inzwischen verbreitete Rechtsform der englischen Limited (Private Limited Company) begründet bei einer Tätigkeit im Inland die IHKZugehörigkeit und Beitragspflicht99. Eine nach englischem Recht gegründete Limited erlangt mit der Eintragung in das registrar of companies beim Companies House und der Ausstellung der Gründungsbescheinigung Rechtspersönlichkeit und kann als juristische Person am Rechtsverkehr teilnehmen100. Dieser Status kommt ihr als in einem europäischen Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft auch in Deutschland zu101. Allerdings muss eine englische Limited ihre in Deutschland eröffnete Hauptniederlassung auch in das deutsche Handelsregister eintragen lassen, auch wenn bereits die Eintragung in das registrar of companies eine „Eintragung ins Handelsregister“ im Sinne des IHKG ist102. Beantragt eine englische Limited in Deutschland die Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister, kann das Registergericht diese Eintragung bei einem bestehenden Gewerbeverbot (§ 35 GewO) gegen den – dem
94 Sitztheorie: BayObLG v. 7.5.1992 – 3 ZBR 14/92, EuZW 1992, 548; VG Aachen v. 8.7.1994 – 7 K 548/93; vgl. aber auch für den EG-Raum EuGH v. 9.3.1999 – C 212/97, EuZW 1999, 216 – Centros Ltd.; K. Schmidt, ZGR 1999, 22. 95 Vgl. § 2 Abs. 6 und 7 GewStG. 96 Abschn. 13 Abs. 2 S. 4 GewStR 2009. 97 EuGH v. 9.3.1999 – C 212/97, NJW 1999, 2027; EuGH v. 5.11.2002 – C 208/00, NJW 2002, 3614. 98 Siehe gleichlautenden Erlass der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.5.2005, BStBl. I, 727. 99 OVG Nordrhein-Westfalen v. 7.9.2006 – 4 A 3169/04, GewArch 2006, 471; VG Darmstadt v. 7.11.2006 – 9 E 793/05, GewArch 2007, 85. 100 Müller, DB 2006, 824. 101 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, NJW 2003, 1461. 102 VG Darmstadt v. 7.11.2006 – 9 E 793/05, GewArch 2007, 85.
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§ 2 Rz. 30 Kammerzugehörigkeit Geschäftsführer einer GmbH gleichstehenden – Director der Limited verweigern, ohne dass ein Verstoß gegen die EU-Niederlassungsfreiheit vorliegt103. 31
Das Gleiche gilt für europäische Rechtsformen, wie die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85104. Ihre gewerbesteuerliche Behandlung ist in § 5 Abs. 1 Satz 4 GewStG und R 5.2 GewStR 2009105 geregelt.
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Im Gegensatz zu früheren landesrechtlichen Vorschriften (vgl. 2. Aufl., 125) macht das Gesetz die Kammerzugehörigkeit nicht mehr von der Eintragung im Handelsregister oder Genossenschaftsregister abhängig, sondern bezieht auch die Kleingewerbetreibenden ein. Ursprünglich machte das Gesetz in § 2 Abs. 6 noch eine Ausnahme für diejenigen natürlichen Personen, die nach ihrer Gewerbesteuerveranlagung zur Zahlung von Gewerbesteuer nicht verpflichtet waren oder lediglich zur gemeindlichen Mindestgewerbesteuer herangezogen wurden. Diese Vorschrift des IHKG ist jedoch durch Art. 22 des Steueränderungsgesetzes 1961106 aufgehoben worden. Seitdem ist gewährleistet, dass die Kammer gemäß ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 1 Abs. 1 auch sachlich die Gesamtrepräsentanz aller Gewerbetreibenden (außerhalb der Organisation des Handwerks) ist. Das Kleingewerbe stellt, wie die Statistiken zeigen, einen erheblichen Teil aller kammerzugehörigen Gewerbetreibenden dar und ist in der gesamtwirtschaftlichen Meinungsbildung entsprechend seinem jeweiligen Gewicht und Interesse zu berücksichtigen. Die freiwillige Handelsregistereintragung von Kleingewerbetreibenden nach § 2 HGB (Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998 – BGBl. I, 1474) hat allerdings eine gewisse Verschiebung zwischen Kaufleuten und sonstigen Gewerbetreibenden gebracht. Insbesondere bei BGB-Gesellschaften kleingewerblicher Art ist damit zu rechnen, dass sie sich nach § 105 Abs. 2 HGB als OHG oder KG ins Handelsregister eintragen lassen.
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Da § 36 HGB mit dem Handelsrechtsreformgesetz gestrichen worden ist, sind Eigenbetriebe der öffentlichen Hand bei Vorliegen der Voraussetzungen ins Handelsregister einzutragen; sie sind handelsregisterpflichtig geworden.
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Die Handelsregistereintragung bildet bei der Feststellung der Kammerzugehörigkeit lediglich noch ein zusätzliches Merkmal, wenn es um die Abgrenzung von Ausnahmen oder um Beitragsbefreiungen geht. Bei freien Berufen und Landwirtschaft stellt § 2 Abs. 2 auf die Handelsregistereintragung ab, weil sie ein besonders deutliches Indiz für den kaufmännischen Charakter des Unternehmens ist. § 3 Abs. 3 Satz 3 befreit natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, von der Beitragspflicht, wenn ihr Gewerbeertrag bzw. ihr Gewinn aus Gewerbebetrieb 5200 Euro nicht übersteigt. 103 104 105 106
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BGH v. 7.5.2007 – II ZB 7/06, DB 2007, 1518. Vom 25.7.1985, ABl. EG Nr. L 199, 1. GewStR 2009 v. 28.4.2010, BStBl. I, Sonderheft 1/2010. Vom 13.7.1961, BGBl. I, 981.
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Gewerbesteuerpflicht
Rz. 35a § 2
Schließlich knüpft § 3 Abs. 4 Satz 1 mit dem Erfordernis eines vollkaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebs an die Handelsregisterfähigkeit (nicht an die tatsächliche Handelsregistereintragung) an, wenn es um die Beitragsveranlagung von Mischbetrieben im Handwerk geht107; zur Eintragungspflicht im Handelsregister kann auf die Kommentierungen zu § 1 Abs. 2 HGB zurückgegriffen werden.
IV. Gewerbesteuerpflicht Das Gesetz folgt dem Vorbild der früheren landesrechtlichen Kammergesetze und 35 macht die Kammerzugehörigkeit von der „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ abhängig. Durch diese Verweisung soll der Kreis der kammerzugehörigen Gewerbetreibenden anhand eines staatlich festgestellten und verwaltungsmäßig einfach zu handhabenden Merkmals abgegrenzt werden. Zum Verständnis dieser Einzelheiten bedarf es daher eines Rückgriffs auf das gesamte Gewerbesteuerrecht, das im Gewerbesteuergesetz108, der GewStDVO und den GewStR 2009 niedergelegt ist, das seinerseits oft wieder auf das Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht verweist. Dabei sind, soweit die Kammerbeiträge nach einem zurückliegenden Bemessungsjahr erhoben werden, ggf. auch die früheren Fassungen des Gewerbesteuergesetzes anzuwenden. Es können hier nur die unmittelbar für das Kammerrecht bedeutsamen Bestimmungen erwähnt werden; im Übrigen muss wegen der Einzelheiten auf die einschlägigen Kommentare verwiesen werden. Die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer war nach mehreren Vorlagebe- 35a schlüssen des FG Niedersachsen109 ungeklärt. Der BFH hält jedenfalls daran fest, dass die Gewerbeertragsteuer verfassungsgemäß ist110. Auch das Bundesverfassungsgericht geht bislang davon aus, dass eine Gemeinde zur Erhebung der Gewerbesteuer gesetzlich verpflichtet ist und hierauf nicht zur Ansiedlung von Gewerbebetrieben verzichten darf, setzt also die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer voraus. Diese Sichtweise hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen bestätigt und auf die Vorlage des FG Niedersachsen111 festgestellt, dass die
107 108 109 110
Vgl. § 2 Abs. 3. In der Fassung der Bekanntmachung vom 15.10.2002, BGBl. I, 4167. Nds. FG v. 14.4.2005 – 4 K 317/91, EFG 2005, 1417. BFH v. 15.3.2005 – IV B 91/04, DB 2005, 1364; BFH v. 22.7.2010 – IV R 29/07; BFH v. 22.8.2012 – I R 9/11; Zur Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungsvorschriften (§ 8 Nr. 1 lit. a, d, e, f GewStG) siehe BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, DB 2018, 2024; Verfassungsbeschwerde unter BVerfG 1 BvR 2150/18. 111 Nds. FG v. 1.4.2005 – 4 K 317/91, EFG 2005, 1417.
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§ 2 Rz. 35a Kammerzugehörigkeit Erhebung der Gewerbesteuer nur von Gewerbetreibenden nicht verfassungswidrig ist112. 1. Objektive Gewerbesteuerpflicht 36
Das Gesetz knüpft mit den Worten „zur Gewerbesteuer veranlagt“ nicht an die gemeindliche Gewerbesteuerveranlagung an, sondern an die objektive Gewerbesteuerpflicht für stehende Gewerbebetriebe113 und für das Reisegewerbe114. Die Entscheidung erfolgt durch die Finanzverwaltung. Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus dem traditionellen Verständnis, sondern besonders deutlich aus dem Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 Satz 3 und 6 und Abs. 4 Satz 2. Dort wird jeweils die Bemessungsgrundlage daran angeknüpft, ob ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt worden ist. Fehlt es an der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, ist als Bemessungsgrundlage der Gewinn aus Gewerbebetrieb nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Körperschaftsteuergesetz zu verwenden. Es kommt also nicht darauf an, ob ein objektiv nach § 2 GewStG gewerbesteuerpflichtiger Unternehmer auch tatsächlich Gewerbesteuer zahlen muss115 oder im IHK-Bezirk nur einen geringen Gewinn oder gar Verlust erwirtschaftet116. Die „Gewerbesteuerveranlagung“ in § 2 Abs. 1 bezeichnet somit nicht eine entsprechende Zahlungspflicht, sondern die objektive Veranlagung zur Gewerbesteuer dem Grunde nach, die sich aus §§ 2, 3 GewStG ergibt117.
36a
Wer demgegenüber gemäß § 3 GewStG von der Gewerbesteuer befreit ist, unterliegt nicht der Steuerpflicht und ist deshalb auch nicht kammerzugehörig. Nicht der Gewerbesteuer unterliegen Unternehmen, die kraft Gesetzes von der Gewerbesteuer befreit sind; sie sind dann auch nicht kammerzugehörig nach § 2 Abs. 1. Eine gemeinnützige GmbH, der rückwirkend die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, wird damit auch rückwirkend gewerbesteuerpflichtig und somit IHK-zugehörig und beitragspflichtig118. Die Befreiung einer Betriebskapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 20c GewStG erstreckt sich bei der Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- bzw. Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens119; 112 BVerfG v. 14.1.2008 – 1 BvL 2/04; DB 2008, 1243; BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12; Zur Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften siehe BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15; DB 2018, 2024. 113 § 2 GewStG. 114 § 35a GewStG. 115 VG Ansbach v. 5.8.2008 – AN 4 K 08.00841. 116 VG Ansbach v. 5.8.2008 – AN 4 K 08.00841; Zum Problem siehe auch Jahn, DB 1997, 2456. 117 BVerwG v. 19.1.2005 – 6 C 10.04, GewArch 2005, 211; OVG Rheinland-Pfalz v. 7.7.2010 – 6 A 10884/10.OVG, GewArch 2011, 95 (Ls.); Zu Einzelheiten siehe GewStR 2009, BStBl. I 2010, 2 ff. 118 OVG Berlin-Brandenburg v. 28.2.2010 – 1 N 84.10. 119 BFH v. 29.3.2006 – X R 59/00.
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Gewerbesteuerpflicht
Rz. 37 § 2
beide Unternehmen unterliegen in diesem Fall nicht der Gewerbesteuer und sind deshalb nicht beitragspflichtige IHK-Mitglieder. Auch bei einem ambulanten Pflegedienst, der nach § 3 Nr. 20d GewStG von der Gewerbesteuer befreit ist, besteht keine „Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach“ und damit keine Kammerzugehörigkeit nach § 2 Abs. 1120. Betreiber von (Kleinst-)Solaranlagen im Sinne der §§ 3 Nr. 2, 8 Abs. 2 Nr Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) unterliegen objektiv der Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 GewStG, auch wenn sie unterhalb des Freibetrages für natürliche Personen und Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 GewStG bleiben. Sie damit auch kammerzugehörig nach § 2 Abs. 1. Betreiber von PV-Anlagen auf, an oder in Gebäuden mit einer installierten Leistung von bis zu 10 Kw sind allerdings inzwischen gem. § 3 Nr. 32 GewStG von der Gewerbesteuerpflicht befreit und damit auch nicht gesetzliches Mitglied der IHK nach § 2 Abs. 1. Diese Befreiung wurde durch Art. 5 des sog. JStG 2019121 eingeführt und wirkt gem. § 36 Abs. 2 Satz 4 GewStG erstmalig für den Erhebungszeitraum 2019.122 Die Übergangsfrist zur Registrierung im Marktstammdatenregister läuft für Altanlagen erst am 31.1.2021 ab. Da auch bezüglich der Gewerbesteuerpflicht von PV-Kleinstanlagenbetreibern die Feststellung der Finanzbehörden Bindungswirkung hat, die Feststellung sich aber verzögern kann, kommt zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit entweder eine Abfrage im Marktstammdatenregister in Betracht oder aber eine Abfrage beim Anlagenbetreiber selbst. Soweit durch Gewerbesteuermessbescheid nach § 14 GewStG i.V.m. § 184 Abs. 1 37 Satz 2 AO über die persönliche und sachliche Gewerbesteuerpflicht entschieden wird, hat dies nach § 2 Abs. 1Tatbestandswirkung für die Festsetzung von Kammerbeiträgen123. Liegt keine solche Entscheidung vor, hat die Kammer die Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach selbst zu prüfen. Eine bindende Entscheidung der Finanzverwaltung über die objektive Gewerbesteuerpflicht erfolgt immer nur dann, wenn ein positiver Gewerbeertrag festgesetzt wird. Auch wenn der Gewerbeertrag eines Gewerbetreibenden die jeweilige Freigrenze nicht übersteigt, kann ein Gewerbesteuermessbetrag über null Euro festgesetzt werden (Freistellungsbescheid). Dies war früher die Regel, weil die Gemeinden in diesem Fall eine Mindestgewerbesteuer erheben konnten124; diese Mindest-
120 VG Neustadt/Weinstr. v. 16.8.2006 – 4 K 338/06.NW, GewArch 2006, 471; BVerwG v. 7.12.2016 – 10 C 11.15, NJW 2017, 10; BFH v. 9.9.2015 – X R 2/13. 121 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl. I S. 2451; siehe dazu auch Bay. LT-Drs.18/3275. 122 Jahn, GewArch 2020, 60. 123 BVerwG v. 27.10.1998 – 1 C 19.97, GewArch1999, 73; BVerwG v. 11.7.2011 – 8 C 23.10, GewArch 2011, 403 m. Anm. Gäbler. 124 Vgl. § 17a GewStG a.F.
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§ 2 Rz. 37 Kammerzugehörigkeit gewerbesteuer ist jedoch durch das Steueränderungsgesetz 1979125 aufgehoben worden. Durch das BVerwG ist geklärt, dass in der Festsetzung eines Null-Betrages keine positive Feststellung einer Gewerbesteuerpflicht liegt, die zur Vermeidung einer Bindungswirkung angefochten werden müsste. Dazu wäre vielmehr die Festsetzung eines positiven Messbetrages erforderlich126. Lautet ein Messbetragsbescheid dagegen auf null, regelt er nur, dass ein Steuermessbetrag nicht festzusetzen ist127. Die Nullfestsetzung kann sich daraus ergeben, dass eine Steuerpflicht dem Grunde nach bejaht und der Messbetrag nur in – zutreffender oder fehlerhafter – Anwendung der Freibetragsregelung des § 11 GewStG mit Null beziffert wurde. Sie kann aber ebenso darauf beruhen, dass die Finanzbehörde annahm, schon die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Steuerpflicht lägen dem Grunde nach nicht vor128. Daher enthält die Nullfestsetzung auch keine konkludente Feststellung einer Steuerpflicht, der Bindungswirkung zukommen könnte. Da natürliche Personen und Personengesellschaften kraft Rechtsform nicht gewerbesteuerpflichtig sind, muss im Fall eines „Gewerbesteuermessbetrages null“ die Kammer selbst dem Grunde nach die Gewerbesteuerpflicht prüfen129. 38
In zahlreichen Fällen, in denen von vornherein abzusehen ist, dass die gewerbesteuerliche Freigrenze in den nächsten Jahren nicht überschritten wird, wird deshalb heute von einer formellen Feststellung des Gewerbesteuermessbetrags auf null Euro abgesehen; diese Unternehmen werden von den Finanzämtern nur noch in Überwachungslisten geführt und in regelmäßigen Abständen überprüft; in den Listen oder Datenträgern, mit denen die Finanzverwaltung den Kammern die gewerbesteuerpflichtigen und kammerzugehörigen Gewerbetreibenden übermitteln, werden sie mit einem sog. „R-Merker“ gekennzeichnet; sie sind dann von der Gewerbesteuererklärung freigestellt130.
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Die Auslegung von § 2 Abs. 1 des Gesetzes ändert sich durch diese Verwaltungsvereinfachung nicht, weil auch diese Gewerbetreibenden der Gewerbesteuerpflicht objektiv unterliegen und lediglich subjektiv von der Gewerbesteuerzahlungspflicht befreit sind. Das Merkmal „zur Gewerbesteuer veranlagt“ hängt nicht davon ab, ob der betroffene Gewerbetreibende auch tatsächlich Gewerbesteuer
125 Vom 30.11.1978, BGBl. I, 1849. 126 BVerwG v. 8.10.1976 – BVerwG 7 C 46.74, BVerwGE 51, 169, 172. 127 BVerwG v. 8.10.1976 – BVerwG 7 C 46.74, BVerwGE 51, 169, 172; de Hesselle in Lenski/Steinberg (Hrsg), Gewerbesteuergesetz, Stand: Febr. 2011, § 14 Rz. 37. 128 Vgl. zur Mehrdeutigkeit von Nullfeststellungen Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler (Hrsg), AO, § 179, Stand: Nov. 2010 Rz. 116, 118; zur Bindungswirkung positiver Feststellungen ebd., Stand: Nov. 2004, § 182 Rz. 43. 129 BVerwG v. 11.7.2011 – 8 C 23.10, GewArch 2011, 403; VG Kassel v. 9.4.2019 – 3 K 854/15.KS. 130 § 25 Abs. 1 Satz 1 GewStDV 1991.
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Gewerbesteuerpflicht
Rz. 41 § 2
zahlen muss131 oder im IHK-Bezirk nur einen geringen Gewinn oder gar Verlust erwirtschaftet132. Die „Gewerbesteuerveranlagung“ bezeichnet somit nicht eine entsprechende Zahlungspflicht, sondern die objektive Veranlagung zur Gewerbesteuer dem Grunde nach, die sich aus §§ 2, 3 GewStG ergibt133. Auch zeigt § 3 Abs. 3 Satz 6, dass nur die objektive Gewerbesteuerpflicht gemeint ist. Wenn nämlich kein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wird, richtet sich die Umlageerhebung stattdessen nach dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, wie er nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Körperschaftssteuergesetz festgesetzt wird134. 2. Organgesellschaften Eine Veranlagung zur Gewerbesteuer erfolgt deshalb auch bei Organgesellschaf- 40 ten, die der Gewerbesteuer unterliegen und lediglich gemäß § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GewStG wie Betriebsstätten des Organträgers behandelt werden. Auch hier wird zunächst der Gewerbeertrag gesondert für jede Organgesellschaft festgestellt, ehe daraus im Wege der Konsolidierung für den gesamten gewerbesteuerlichen Organkreis der Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wird135. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich bestätigt, dass dieses besondere Festsetzungsverfahren für den Gewerbesteuermessbetrag die selbständige Kammerzugehörigkeit der Organgesellschaften nicht berührt; die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Zielsetzungen des IHKG erfordern im Interesse der bezirklichen Vertretung vielmehr die Wählbarkeit von Vorständen, Geschäftsführern und Prokuristen von Organgesellschaften in ihren Kammerbezirken und begründen damit die selbständige Kammerzugehörigkeit der Organgesellschaften136. 3. Tatbestandswirkung Die Anknüpfung der Kammerzugehörigkeit an die Gewerbesteuerpflicht bedeutet 41 für die Praxis, dass die IHKs für dieses Tatbestandsmerkmal auf die Mitteilung der Finanzverwaltung über die Gewerbesteuerpflichtigen und ihre Gewerbeerträge oder Gewinne angewiesen sind137. Rechtlich ist die IHK an die Festsetzung der Finanzverwaltung gebunden und kann nicht in eine eigene materielle Prüfung
131 BVerwG v. 11.7.2011 – 8 C 23.10, GewArch 2011, 403 m. Anm. Gäbler; siehe die Nachweise bei Jahn, GewArch 2008, 137, 142, Fn. 74; Jahn, GewArch 2005, 169, 176 mit Fn. 97. 132 VG Darmstadt v. 21.6.2005 – 3 E 2239/04(4), GewArch 2005, 429. 133 BVerwG v. 21.10.2004 – 6 B 60/04, GewArch 2005, 24. 134 Jahn, GewArch 1997, 179. 135 Abschn. 14 und 41 GewStR. 136 BVerwG v. 24.9.1965 – VII C 52.62, BVerwGE 22, 58; VGH Baden-Württemberg v. 25.7.1985 – 14 S 2419/83, GewArch 1985, 368. 137 Vgl. § 9 Abs. 2, § 12 Abs. 1 Nr. 5 IHKG; § 31 AO.
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§ 2 Rz. 41 Kammerzugehörigkeit der Gewerbesteuerpflicht eintreten138. Ebenso wenig hat die IHK das Recht, die Entscheidung des Finanzamts anzufechten. Die – allerdings umstrittene – Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs versagt auch den Gemeinden eine solche Anfechtung der Messbetragsbescheide139. Die Feststellung der Gewerbesteuerpflicht hat für die IHK damit kraft gesetzlicher Anordnung Tatbestandswirkung. Diese Tatbestandswirkung hat das Bundesverwaltungsgericht140 ausdrücklich bestätigt. 42
Die Tatbestandswirkung erstreckt sich jedoch nicht auf die Vorfrage, ob auch eine Betriebsstätte besteht, obwohl dies Voraussetzung für einen Zerlegungsbescheid ist. Im Streitfall müssen deshalb IHKs und Verwaltungsgerichte die Existenz einer Betriebsstätte selbst feststellen141. Wird der IHK bei natürlichen Personen oder Personengesellschaften ein Gewerbesteuer-Messbetrag142 „null“ (Freistellungsbescheid) übermittelt, hat dieser Bescheid keine Tatbestandswirkung für die Frage der „Gewerbesteuerpflicht“, da ein Null-Bescheid entweder bedeuten kann, dass die maßgeblichen Freibeträge nicht überschritten sind (§ 11 GewStG) oder dass schon die Gewerbesteuerpflicht nicht besteht; in einem solchen Fall muss die IHK also die Gewerbesteuerpflicht als Voraussetzung der Kammerzugehörigkeit selbständig prüfen, s. Rz. 37143. Wer – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewerbesteuerpflichtig ist, kann auch nicht kammerzugehörig sein. Deshalb wirkt sich eine Verneinung der Gewerbesteuerpflicht durch die Finanzgerichte automatisch auf die Kammerzugehörigkeit aus, die dann rückwirkend entfällt; zu Unrecht gezahlte Beiträge werden dann erstattet. Umgekehrt begründet auch eine rückwirkende Feststellung der Gewerbesteuerpflicht, wie sie bei Änderungen der Gewerbesteuer gelegentlich vorkommt, auch eine rückwirkende Kammerzugehörigkeit144.
138 BVerwG v. 27.10.1998 – 1 C 19/97, GewArch 1999, 73; VGH Baden-Württemberg v. 27.2.2007 – 6 S 2003/06; Jahn, GewArch 2005, 169, 176, Fn. 100. 139 BFH, BStBl. III 1956, 44 und 1962, 145 und 497. 140 BVerwG v. 27.10.1998 – 1 C 19/97, GewArch 1999, 73. 141 VG Berlin v. 13.4.2006 – 11 A 793.05. 142 Zur Frage der Zuständigkeit für die abweichende Festsetzung des GewerbesteuerMessbetrags im Hinblick auf den sog. Sanierungserlass (BMF-Schreiben v. 27.3.2003, BStBl. 2003 I, 240) siehe NWB 2012, 2604 sowie BFH v. 25.4.2012 – I R 24/11. Nach der Entscheidung des BFH handelt es sich beim sog. Sanierungserlass weder um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch um eine solche einer obersten Landesfinanzbehörde i.S.d. § 184 Abs. 2 AO. Inzwischen sind Sanierungsgewinne durch das (ursprüngliche) JStG 2018 (v. 14.12.2018, BGBl. I, 2338) auch rückwirkend von der Gewerbesteuerpflicht befreit und unterliegen deshalb nicht mehr der IHK-Beitragspflicht. 143 BVerwG v. 11.7.2011 – 8 C 23.10, GewArch 2011, 403 m. Anm. Gäbler; Jahn, NWB 2011, 3544; VG Kassel v. 9.4.2019 – 3 K 854/15.KS. 144 Nds. OVG v. 27.1.1984 – 8 A 4/83; OVG Rheinland-Pfalz v. 12.1.1994 – 11 A 11508/93, GewArch 1994, 415.
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Gewerbesteuerpflicht
Rz. 45 § 2
Damit werden zahlreiche Streitfragen, die sonst über die Kammerzugehörigkeit 43 entstehen könnten, in das Gewerbesteuerrecht und das dafür vorgesehene steuerrechtliche Verfahren verwiesen. Insbesondere vereinfacht sich damit die Abgrenzung der kammerzugehörigen Gewerbetreibenden gegenüber gewerbesteuerfreien oder gemeinnützigen Einrichtungen, gegenüber freien Berufen und gegenüber der Landwirtschaft145. Nur in Einzelfällen bedarf es noch der Prüfung, ob die Ausnahmen des § 2 Abs. 2–5 eingreifen. 4. Maßgebender Zeitpunkt In zeitlicher Hinsicht ist für die Kammerzugehörigkeit die Gewerbesteuerpflicht 44 im jeweiligen Kalenderjahr maßgebend, wobei sich der Veranlagungszeitraum für die Gewerbesteuer und das Geschäftsjahr der Kammer decken. Die Kammerzugehörigkeit zum Beispiel für 2019 ergibt sich also aus der Gewerbesteuerpflicht für 2019, sie kann damit allerdings auch erst nachträglich festgestellt werden. In der Praxis führt das zu keinen Schwierigkeiten, weil durch die vorläufige Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags und die laufenden Vorauszahlungen bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Gewerbesteuerpflicht bereits einstweilige Maßnahmen vorliegen, die auch für die IHK – vorbehaltlich der endgültigen finanzamtlichen oder finanzgerichtlichen Entscheidung – gelten. Es ist nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden, wenn sich die IHK bei der Beitragsveranlagung zu Beginn des Geschäftsjahres auf die letzte ihr bekannte Gewerbesteuerveranlagung bezieht, gleichgültig aus welchem Jahr diese stammt146. Die Beitragsveranlagung durch Vorauszahlungsbescheid ist nicht zu beanstanden, weil sie hergebrachten Grundsätzen des Beitragsrechtes entspricht und deshalb keiner ausdrücklichen Rechtsgrundlage im IHKG bedarf147. Aber auch dann, wenn die IHK, insbesondere bei auswärtigen Betriebsstätten, aus Versehen nichts von der Gewerbesteuerpflicht des Unternehmens erfahren sollte, entsteht die Kammerzugehörigkeit gleichzeitig mit der Gewerbesteuerpflicht, so dass auch eine rückwirkende Veranlagung zulässig ist148. – Beginn der Kammerzugehörigkeit 45 Die Gewerbesteuerpflicht und damit auch die Kammerzugehörigkeit beginnen für Einzelgewerbetreibende und Personengesellschaften, also auch für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, mit der Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit, d.h. mit der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (§ 2 145 S.u. Rz. 92, 100. 146 Vgl. VG Trier v. 20.10.2010 – 5 K 371/09; VG Ansbach v. 4.2.2010 – AN 4 K 009; VG Berlin v. 17.2.2008 – VG 22 A 6.7; VG Minden v. 23.6.2010 – 7 K 2650/09; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09 TR; Jahn, WiVerw 2015, 92, 126; Jahn, GewArch 2005, 221, 226 mit Fn. 238. 147 VG Augsburg v. 2.8.2004 – 4 K 2.180. 148 OVG Rheinland-Pfalz v. 12.1.1994 – 11 A 11508/93, GewArch 1994, 415.
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§ 2 Rz. 45 Kammerzugehörigkeit Abs. 1 Satz 2 GewStG; § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG); Vorbereitungshandlungen ohne konkrete Gewinnerzielungsabsicht wie die Anmietung eines Geschäftslokals oder der Bau von Produktionsstätten reichen nicht aus149. Bei Kapitalgesellschaften150, Genossenschaften und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit beginnt die Gewerbesteuerpflicht und Kammerzugehörigkeit mit der Eintragung in das Handels- oder Genossenschaftsregister; von diesem Zeitpunkt an gilt jede Tätigkeit als gewerblich. Auch bei einer Vorratsgesellschaft begründet die Handelsregistereintragung bereits die beitragspflichtige Kammerzugehörigkeit; ob die nach dem Unternehmensgegenstand zulässige Tätigkeit „noch nicht ausgeübt“ wird, ist unerheblich151. – Ende der Kammerzugehörigkeit Die objektive Gewerbesteuerpflicht und damit die Kammermitgliedschaft endet nicht bereits mit der tatsächlichen Beendigung der gewerblichen Betätigung, sondern erst mit der Löschung einer kammerzugehörigen Gesellschaft im Handelsregister152; ein Auflösungsbeschluss der Gesellschafter reicht hierfür nicht, es kommt vielmehr auf die vollständige Einstellung werbender Tätigkeit an153. Bei einer GmbH sind deshalb IHK-Zugehörigkeit und Beitragspflicht so lange gegeben, wie die GmbH objektiv der Gewerbesteuer unterliegt. Beim gewerblich tätigen Einzelunternehmer entfällt demgegenüber die Kammerzugehörigkeit mit der faktischen Einstellung der gewerblichen Tätigkeit, wofür die Gewerbeabmeldung ein starkes Indiz ist, also kraft Gesetzes durch Wegfall der objektiven Gewerbesteuerpflicht. Auf die Gewerbeabmeldung kommt es insoweit nicht an. Denn auch im umgekehrten Fall einer unterbliebenen Gewerbeanmeldung, aber tatsächlich gewerblichen Tätigkeit besteht Gewerbesteuerpflicht und damit Kammerzugehörigkeit. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) lässt für sich betrachtet die Mitgliedschaft in der IHK unberührt154. 46
Die Bindung der Kammerzugehörigkeit an die objektive Gewerbesteuerpflicht ist insbesondere bei der Fluktuation im Bereich der Kleingewerbetreibenden zu beachten, aber auch bei der Schließung auswärtiger Betriebsstätten. Wenn der Gewerbebetrieb endgültig eingestellt ist, endet die Kammerzugehörigkeit, auch wenn vom Finanzamt ein Gewerbesteuermessbetrag oder Gewinne aus Gewerbebetrieb noch für frühere Jahre festzustellen sind. Wenn eine auswärtige Betriebsstätte endgültig geschlossen wird, endet die zusätzliche Kammerzugehörigkeit in 149 R 2.1 GewStR 2009; BFH v. 16.3.2012 – IV B 155/11. 150 Einschließlich der gewerblich geprägten Personengesellschaft – § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. 151 VG Magdeburg v. 25.1.2005 – 5 B 163/03, GewArch 2005, 154. 152 Jahn, GewArch 2005, 169, 177 mit Fn. 114. 153 BFH v. 25.9.2012 – 1 B 29/12; Jahn, WiVerw 2015, 92, 100. 154 OVG Nordrhein-Westfalen v. 18.6.2018 – 17 A 1258/15, GewArch 2018, 469, Revision zugelassen durch BVerwG v. 6.6.2019 – 10 B 14.18.
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Gewerbesteuerpflicht
Rz. 49 § 2
diesem Kammerbezirk, auch wenn noch Zerlegungsanteile des Unternehmens für frühere Jahre ausgewiesen werden. Wenn allerdings der Gewerbesteuermessbetrag, Zerlegungsanteil oder Gewinn aus Gewerbebetrieb noch die Zeiten der Kammerzugehörigkeit betrifft, führt dies auch nach Beendigung der Kammerzugehörigkeit zu einer Korrektur des ursprünglichen Beitragsbescheides. 5. Beispiele zur Gewerbesteuerpflicht Hinsichtlich der Gewerbesteuerpflicht hat sich in den letzten Jahren eine umfangreiche Einzelfallrechtsprechung entwickelt, auf die verwiesen wird155. Auf Einzelfälle der (fehlenden) Gewerbesteuerpflicht kann deshalb nur beispielhaft eingegangen werden.
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– Gemeinnützige Unternehmen Von der Gewerbesteuer befreit sind Unternehmen, die ausschließlich und un- 47 mittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen156. Die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit sind in den §§ 51–68 AO geregelt. Für das Kammerrecht von Interesse waren dabei früher die gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen, die aus diesem Grunde weder gewerbesteuerpflichtig noch kammerzugehörig waren und auch nicht freiwillig der IHK beitreten konnten; diese Befreiungen sind durch das Steuerreformgesetz 1990157 und die entsprechende Neufassung von § 3 Ziff. 15 bis 18 GewStG weggefallen. Die meisten Wohnungsbauunternehmen sind seitdem gewerbesteuerpflichtig und kammerzugehörig. – Verpachtete Unternehmen Wenn ein Gewerbebetrieb verpachtet wird, so ist der Pächter als Gewerbetrei- 48 bender gewerbesteuerpflichtig und kammerzugehörig. Der Verpächter ist dagegen nicht mehr gewerbesteuerpflichtig, da es sich bei ihm in der Regel nur noch um eine bloße Vermögensverwaltung handelt158; seine Kammerzugehörigkeit endet mit dem Beginn der Verpachtung. Nur ausnahmsweise bleibt auch der Verpächter gewerbesteuerpflichtig, wenn die Verpachtung im Rahmen seines fortbestehenden Gewerbebetriebs erfolgt oder wenn sich seine Verpächtertätigkeit nach Art und Umfang der damit verbundenen Pflichten als gewerbliche Tätigkeit herausstellt. – Betriebsaufspaltung Einen Sonderfall bildet die Betriebsaufspaltung, wenn ein Unternehmen (Be- 49 sitzunternehmen) seine wesentlichen Wirtschaftsgüter einer von ihm gegründe155 156 157 158
Jahn, WiVerw 2015, 92, 101 f. § 3 Nr. 6 GewStG. BGBl. 1988 I, 1093. R 2.2 GewStR 1999.
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§ 2 Rz. 49 Kammerzugehörigkeit ten und beherrschten Kapitalgesellschaft (Betriebsunternehmen) zum Zwecke der Weiterführung des Gewerbebetriebs vermietet oder verpachtet. Das Besitzunternehmen bleibt in diesem Fall gewerbesteuerpflichtig, weil es sich über das Betriebsunternehmen weiterhin am allgemeinen Wirtschaftsverkehr beteiligt; das entspricht einer ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs159 und ist auch vom Bundesverfassungsgericht160 gebilligt worden161. Bei der Betriebsaufspaltung ist infolgedessen auch die Kammerzugehörigkeit beider Unternehmen, des Besitzunternehmens wie des Betriebsunternehmens, gegeben162. Ist allerdings eine Betriebskapitalgesellschaft nach § 3 Nr. 20c GewStG von der Gewerbesteuer befreit, so erstreckt sich die Befreiung bei der Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- bzw. Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens; beide Unternehmen unterliegen in diesem Fall nicht der Gewerbesteuer und sind deshalb auch nicht kammerzugehörig163. 50
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Für die Kammerzugehörigkeit (wie für das Gewerbesteuerrecht) spielte es schon früher keine Rolle, dass das Besitzunternehmen keine OHG mehr sein konnte, sondern sich in eine BGB-Gesellschaft umwandelte164. Das Handelsrechtsreformgesetz hat ausdrücklich auch den Vermögensverwaltungsgesellschaften die Möglichkeit gegeben, sich als OHG oder KG im Handelsregister eintragen zu lassen. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob ihr Geschäftsbetrieb nach Art des Umfangs eine kaufmännische Einrichtung erfordert; die Eintragung ist dann freiwillig165. Das Besitzunternehmen ist, wenn es zur Gewerbesteuer veranlagt wird, in jedem Fall kammerzugehörig. – Stille Gesellschaft Eine ähnliche Konstellation bildet auch die stille Gesellschaft, die nach § 335 HGB im Allgemeinen nur als Innengesellschaft besteht und über kein eigenes Vermögen verfügt; Gewerbetreibender ist der Unternehmer, mit dem die stille Gesellschaft die Kooperation eingegangen ist. Er ist allein gewerbesteuerpflichtig und damit auch kammerzugehörig; die Ergebnisse der stillen Gesellschaft werden ihm zugerechnet166.
159 BFH v. 2.11.1971 – VIII R 1/71, BFHE 104, 321; BFH, BStBl. 1998 II, 478. 160 BVerfG v. 14.1.1969 – 1 BvL 24/68, BVerfGE 25, 28. 161 R 2.3 GewStR 2009; BFH v. 16.6.1982 – I R 118/80, DB 1982, 2331. Selbst bei der Zwischenschaltung einer rechtsfähigen Stiftung; u.U. kann sogar ein Organverhältnis vorliegen, siehe zur Organschaft R 2.3 GewStR 2009. 162 BVerwG v. 6.5.1983 – 5 B 51/81, GewArch 1984, 350; Jahn, GewArch 2005, 169, 176; VG Düsseldorf v. 27.9.2006 – 20 K 4907/05. 163 Schiller, DB 2006, 1127, 1129 unter Hinweis auf BFH v. 29.3.2006 – XR 59/00, BFHE 213, 50 = DB 2006, 1129. 164 BGH v. 19.5.1960 – II ZR 72/59, BGHZ 32, 307. 165 § 105 Abs. 2 HGB. 166 Vgl. A 138 EStR.
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Gewerbesteuerpflicht
Rz. 55 § 2
In Ausnahmefällen gibt es jedoch auch atypisch stille Gesellschaften, die ein eige- 52 nes gesondertes Gesamthandvermögen und damit auch eine eigene Betriebsstätte haben, auch wenn dies der Betrieb des Unternehmers mit der stillen Beteiligung ist. In diesem Fall wird die stille Gesellschaft als Mitunternehmergemeinschaft nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG und § 2 Abs. 1 GewStG zur Gewerbesteuer veranlagt und ist also als Gewerbetreibender – neben dem gesondert veranlagten Unternehmen, das die stille Gesellschaft gebildet hat – kammerzugehörig167. Die Kammerzugehörigkeit ist von der Rechtsprechung168 bestätigt worden. – Kapitalgesellschaften Während es bei Einzelunternehmen und Personengesellschaft auf die Aufnahme 53 der gewerblichen Tätigkeit ankommt, setzt bei Kapitalgesellschaften die Gewerbesteuerpflicht und die Kammerzugehörigkeit bereits mit der Eintragung in das Handelsregister ein, selbst bei Vorbereitungsmaßnahmen und Übernahmen, s. oben Rz. 44169. – Einstellung des Unternehmens Schwierig ist gewerbesteuerlich auch die Unterscheidung, ob ein Gewerbebetrieb 54 lediglich vorübergehend ruht (z.B. Saisonbetriebe) oder ob er tatsächlich eingestellt worden ist170. Bei Einzelgewerbetreibenden und Personenhandelsgesellschaften kommt es darauf an, dass nach dem Gesamtbild der äußeren Merkmale und inneren Vorgänge die gewerbliche Tätigkeit nicht nur vorübergehend eingestellt worden ist; auf die bloße Gewerbeabmeldung kommt es also nicht an. Bei einem Handelsbetrieb ist dies nicht der Fall, solange das Warenlager noch „im Ladengeschäft“ veräußert wird. Sobald die vorhandenen Betriebsgegenstände aber nur noch „versilbert“ und die rückständigen Forderungen eingezogen werden, liegt keine gewerbliche Tätigkeit mehr vor. Die Entscheidung des Finanzamts über die Gewerbesteuerpflicht ist auch hier für die Kammerzugehörigkeit maßgebend. Bei Kapitalgesellschaften, die kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind, muss 55 jegliche Tätigkeit eingestellt werden171. In diesen Fällen bleibt also auch die Kammerzugehörigkeit bis zu diesem Zeitpunkt des Wegfalls der Gewerbesteuerpflicht und seiner Feststellung durch das Finanzamt aufrechterhalten. Praktisch bleibt es deshalb auch während der gesamten Liquidationsphase bei der Kammerzugehörigkeit, bis die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht wird172. 167 Vgl. Schulze zur Wiesche, GmbHR 1982, 114 und BB 1982, 1974; BFH v. 23.4.1996 – VIII R 13/95, NJW 1997, 344. 168 OVG Berlin-Brandenburg v. 17.3.2011 – 1 B 7.10; VG Gelsenkirchen v. 26.9.1990 – 7 K 2154/89. 169 Einzelheiten in R 2.2 GewStR 2009; VG Magdeburg v. 25.1.2005 – 5 B 163/03, GewArch 2005, 154. 170 R 2.6 GewStR 2009. 171 R 2.6 GewStR 2009. 172 Jahn, WiVerw 2015, 92, 104; Jahn, GewArch 2005, 169, 177 m.w.N.
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§ 2 Rz. 55a Kammerzugehörigkeit 6. Abgrenzung gewerblicher von sonstiger (nicht gewerblicher) Tätigkeit 55a
Da gewerbliche und nicht gewerbliche Tätigkeit häufig nebeneinander ausgeübt werden, erweist sich in der Praxis für die Feststellung der Kammerzugehörigkeit (§ 2 Abs. 1) immer wieder die Abgrenzung gewerblicher Tätigkeit von nicht gewerblicher Tätigkeit als Problem. Das gilt für die Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung173, zur Land- und Forstwirtschaft174 (siehe dazu unten Rz. 100 ff.), vor allem aber für die Abgrenzung zu freien Berufen175 (siehe dazu unten Rz. 92 f.). § 2 Abs. 2 Alt. 1 stellt klar, dass die gesetzliche Mitgliedschaft für natürliche Personen und Gesellschaften, die ausschließlich einen freien Beruf ausüben, nur dann gilt, wenn sie einen freien Beruf ausüben. Deshalb ist gerade in diesem Bereich eine Abgrenzung für das Erfordernis der Kammerzugehörigkeit unentbehrlich. Für die Abgrenzung von gewerblicher von nicht gewerblicher Tätigkeit kann hier auf die umfangreiche Einzelfallrechtsprechung verwiesen werden176.
V. Keine gesonderte Prüfung, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt 56
Mit der Gewerbesteuerpflicht ist in der Regel auch ein Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 GewStG; § 15 Abs. 2 EStG) gegeben, so dass es auf eine zusätzliche Prüfung in dieser Richtung nicht mehr ankommt. Insbesondere gilt dies für alle Gewerbesteuerpflichtigen nach § 2 Abs. 1 GewStG; darunter fallen die Einzelgewerbetreibenden und die bürgerlich-rechtlichen Gesellschaften, Einzelkaufmann, OHG und KG sowie vergleichbare Mitunternehmergemeinschaften. Die Frage hat in den Fällen Praxisrelevanz, in denen trotz entsprechender Veranlagung zur Gewerbesteuer der Einwand erhoben wird, dass noch keine Kammerzugehörigkeit gegeben sei, weil tatsächlich (noch) kein Gewerbe ausgeübt werde oder (noch) keine Gewerbeanmeldung177 vorliege, siehe oben Rz. 45. Bei objekti-
173 Zum gewerblichen Charakter in Vermietungsfällen siehe etwa BFH v. 28.9.2010 – X B 42/10; BFH v. 19.2.2013 – IX R 7/10. Die Beteiligung einer Stadt an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist kein „Betrieb gewerblicher Art“, vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 83/15; BMF-Schreiben v. 6.6.2017, BStBl. I, 880 Rz. 7. 174 Siehe dazu und zu den Abgrenzungskriterien BFH v. 25.3.2009 – IV R 21/06; Wiegand, NWB 2012, 460; Jahn, WiVerw 2015, 92, 115. 175 Zur steuerlichen Abgrenzung gewerblicher von sonstiger Tätigkeit siehe die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise bei Jahn, DB 2015, 641; Jahn, DB 2012, 1947; Hamminger, NWB 2019, 3704. 176 Jahn, DB 2015, 641; Jahn, WiVerw 2015, 92, 106; Gragert, NWB 2011, 2534. 177 § 14 GewO.
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Keine gesonderte Prüfung, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt
Rz. 58 § 2
ver Gewerbesteuerpflicht kann allerdings ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Betreffende auch ein „Gewerbe“ betreibt178. Daneben gibt es allerdings auch eine Gewerbesteuerpflicht allein kraft Rechts- 57 form179 und wegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs180; darin liegt eine steuerliche Erweiterung des allgemeinen Gewerbebegriffs181. In diesen Fällen stelle sich deshalb die Frage, ob neben der Gewerbesteuerpflicht auch noch das Vorhandensein eines gewerblichen Unternehmens Voraussetzung für die Kammerzugehörigkeit ist. Für eine solche Auslegung könnte die Kammeraufgabe sprechen, das Gesamtinteresse der Gewerbetreibenden wahrzunehmen182, aber auch der Gesamtzusammenhang mit den verwandten Begriffen wie gewerbliche Niederlassung, Verkaufsstelle und Betriebsstätte183, nicht zuletzt aber der Sinn und Zweck der Kammerzugehörigkeit. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht in einer älteren Entscheidung die GEMA trotz ihrer Gewerbesteuerpflicht als Hilfsorganisation freier Berufe angesehen, ihr die Gewerbeeigenschaft abgesprochen und damit auch die Kammerzugehörigkeit verneint184. Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch später ausdrücklich wieder aufgegeben und in dem Fall einer Steuerberatungsgesellschaft die Kammerzugehörigkeit allein mit der Handelsregistereintragung und dem satzungsmäßigen Gegenstand des Unternehmens begründet185. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht186 fortgeführt. Auch in 58 den Fällen, in denen sich die gesetzliche Gewerbesteuerpflicht „nur“ aus § 2 Abs. 2 GewStG ergibt, muss nicht zusätzlich geprüft werden, ob eine „gewerbliche Tätigkeit“ vorliegt. Zwar hatte noch das Nds. OVG187 die Ansicht vertreten, dass bei gänzlichem rechtlichen Ausschluss gewerblicher Tätigkeit in einer GmbH-Satzung die Kammerzugehörigkeit entfällt. Diese Ansicht kann allerdings spätestens nach dem Urteil des BVerwG vom 19.1.2005188 nicht mehr aufrecht erhalten werden, nachdem das BVerwG die Kammerzugehörigkeit und Beitragspflicht einer (freiberuflichen) GmbH auch dann bejaht hat, wenn ihr Unternehmensgegenstand ausschließlich in der Verwaltung eigenen Vermögens besteht. Diese Recht-
178 OVG Berlin-Brandenburg v. 28.2.2011 – 1 N 84.10; VG Freiburg v. 10.8.2005 – 7 K 760/05; Jahn, WiVerw 2015, 92, 104. 179 § 2 Abs. 2 GewStG. 180 § 2 Abs. 3 GewStG. 181 R, 2.1 GewStR 2009. 182 § 1 Abs. 1. 183 § 2 Abs. 1. 184 BVerwG v. 2.9.1963 – I C 20.63, BVerwGE 16, 295. 185 BVerwG v. 25.10.1977 – I C 35.73, BVerwGE 55, 1. 186 BVerwG v. 6.5.1983 – 5 B 51/81, GewArch 1984, 350; BVerwG v. 21.10.2004 – 6 B 60.04, GewArch 2005, 24. 187 Nds. OVG v. 26.3.1999 – 8 L 2600/98 und v. 28.5.1999 – 8 L 4677/98. 188 BVerwG v. 19.1.2005 – 6 C 10/04, GewArch 2005, 211.
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§ 2 Rz. 58 Kammerzugehörigkeit sprechung ist ausdrücklich zu begrüßen189. Denn § 2 Abs. 1 kann eine zusätzlich Beschränkung der Kammerzugehörigkeit darauf, dass „gewerbliche Tätigkeiten“ ausgeführt werden müssen, nicht entnommen werden, da § 2 Abs. 1 – neben den räumlichen Voraussetzungen – allein an den formalen Umstand der Gewerbesteuerveranlagung anknüpft. Genauso haben die Oberverwaltungsgerichte die Kammerzugehörigkeit von Kapitalgesellschaften freier Berufe bejaht, auch wenn keine berufsrechtlich zulässige gewerbliche Tätigkeit vorgesehen war oder ausgeübt wurde190. 59
Auch die Vorschriften der IHKG-Novelle 1998 gingen offensichtlich davon aus, dass es keiner gesonderten Prüfung bedarf, ob neben der Gewerbesteuerpflicht auch ein Gewerbe im handels- und gewerberechtlichen Sinne besteht. Schon der Wortlaut von § 2 Abs. 2 zeigte, dass bei Gewerbesteuerpflicht und Handelsregistereintragung auch eine ausschließlich freiberufliche oder landwirtschaftliche Tätigkeit die Kammerzugehörigkeit begründet; auf den Betrieb eines Gewerbes kommt es danach nicht an. Die IHKG-Novelle 1998 zog dann die Konsequenz daraus in § 3 Abs. 4 Sätze 3 und 5, wonach die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags nur Bedeutung hat für die Höhe des Beitrags, nicht jedoch für die Frage der Kammerzugehörigkeit, für die es allein auf die Gewerbesteuerpflicht ankommt191.
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Diese Lösung entspricht der wachsenden Tendenz in den freien Berufen, sich zur gemeinsamen Berufsausübung zu Kapitalgesellschaften zusammenzuschließen (siehe auch Rz. 55a). Ursprünglich waren es nur die Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Buchprüfungsgesellschaften; jetzt kommt die Anwalts-GmbH hinzu, bei der der Bundestag ausdrücklich in seinen Beratungen eine Befreiung von der IHK-Zugehörigkeit abgelehnt hat. Selbst Ärzte lagern ihre nicht-medizinischen Nebenaufgaben oft in eine gemeinsame GmbH aus. Schließlich nutzen Ingenieure und Sachverständige zunehmend die Möglichkeit der Zusammenarbeit in einer Kapitalgesellschaft, weil sie die Spezialisierung der Gesellschafter fördert und ihnen ein komplexes Leistungsangebot ermöglicht. Künftig ist auch bei Landwirten, insbesondere Gärtnereien und Baumschulen, selbst wenn sie nicht schon durch steuerschädlichen Zukauf gewerbesteuerpflichtig und kammerzugehörig werden, zu erwarten, dass sie aufgrund von § 3 Abs. 2 HGB mit der Handelsregistereintragung auch zur Gewerbesteuerpflicht herangezogen werden und damit kammerzugehörig werden. Sie erfüllen dann die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 3.
189 Jahn, GewArch 2004, 410; Drexler/König, GewArch 2004, 461. 190 Bay. VGH v. 20.10.1980 – 22 B 80 A.1150, GewArch 1981, 162; Nds. OVG v. 27.11.1996 – 8 L 2549/95, GewArch 1997, 153; OVG Rheinland-Pfalz v. 22.1.1997 – 25 A 2531/94, GewArch 1997, 200. 191 BVerwG v. 21.10.2004 – 6 B 60.04, GewArch 2005, 24.
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Jahn
Keine gesonderte Prüfung, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt
Rz. 64 § 2
In der Beitragspraxis ändert sich für Freiberufler und Landwirte trotzdem nur we- 61 nig. Während früher der volle Grundbeitrag erhoben wurde, werden seit 1.1.1999 der Grundbeitrag und auch die Umlage auf der Basis einer anteiligen Bemessungsgrundlage erhoben (§ 3 Abs. 4 Satz 2). Die allgemeine Maßgeblichkeit der Gewerbesteuerpflicht bedeutet allerdings, dass 62 von der Kammerzugehörigkeit auch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe192 erfasst werden, wie sie insbesondere gemeinnützige Einrichtungen, Idealvereine, Berufsverbände, Parteien und Gewerkschaften sowie Unternehmen der öffentlichen Hand193 unterhalten. In der Praxis wird sich dabei jedoch der Kreis der Kammerzugehörigen kaum ausweiten, weil heute größere gewerbliche Aktivitäten in selbständige Kapitalgesellschaften ausgegliedert zu werden pflegen, Zweckbetriebe gewerbesteuerfrei sind194 und weil für geringfügige Aktivitäten eine Gewerbesteuerfreigrenze von 35.000 Euro Jahresumsatz gilt195. Die öffentliche Hand wird ohnehin nur gewerbesteuerpflichtig und damit kammerzugehörig, wenn sie ein Gewerbe nach § 2 Abs. 1 GewStG betreibt196. Diese Lösung des Gesetzgebers ist konsequent, weil die Gewerbesteuer alle wirt- 63 schaftlichen Betriebe erfasst, die selbständig am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnehmen und nachhaltig auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Damit ist der steuerliche Gewerbebegriff197 voll in das Kammerrecht übernommen worden, zumal hilfsweise auch der Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Einkommens- oder Körperschaftssteuerrecht Beitragsbemessungsgrundlage ist (§ 3 Abs. 3 Satz 3) die Verknüpfung der Kammerzugehörigkeit mit dem Gewerbesteuerrecht ist noch enger geworden. Es bedarf also weder eines Vergleichs mit dem handelsrechtlichen oder dem gewerberechtlichen Gewerbebegriff, noch einer Prüfung des Unternehmensgegenstandes, ob etwa gewerbliche Tätigkeiten generell ausgeschlossen sind oder nicht ausgeübt werden. Mit der objektiven Gewerbesteuerpflicht und insbesondere der Entscheidung der Finanzverwaltung darüber sind alle diese Vorfragen für die Kammer entschieden. Beispiele für Gewerbesteuerpflicht: – GmbH Eine GmbH ist kraft Rechtsform nach § 2 Abs. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig. 64 Sie ist gemäß § 13 Abs. 3 GmbHG eine Handelsgesellschaft und gilt nach § 6 HGB als Kaufmann. Als besonders elastische Rechtsform wird sie allerdings auch zu zahlreichen nichtgewerblichen Zwecken angewandt, insbesondere mildtätiger, kirchlicher, wissenschaftlicher, sportlicher oder geselliger Art. In der Regel wird in 192 193 194 195 196 197
§ 2 Abs. 3 GewStG; § 8 GewStDV; § 14 AO. Siehe BFH v. 29.10.2008 – I R 51/07; Jahn, WiVerw 2015, 92, 105. §§ 65–68 AO, § 3 GewStG. § 64 Abs. 3 AO. Vgl. § 2 GewStDV, s.a. Rz. 138. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG.
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§ 2 Rz. 64 Kammerzugehörigkeit diesen Fällen die Gemeinnützigkeit anerkannt, womit Gewerbesteuerpflicht und Kammerzugehörigkeit entfallen. Wenn die Gemeinnützigkeit dagegen nicht anerkannt wird, bleibt es bei der Kammerzugehörigkeit. 65
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– GmbH & Co. KG Unter diesen Gesichtspunkten ist auch die Kammerzugehörigkeit bei der GmbH & Co. KG zu beurteilen, die ein weit verbreiteter Unternehmenstyp im gewerblichen Mittelstand ist. Die KG ist als Betriebsunternehmen gewerbesteuerpflichtig und kammerzugehörig. Die Komplementär-GmbH ist schon kraft Rechtsform nach § 2 Abs. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig. Deshalb spielt es auch keine Rolle, welchen Umfang die Tätigkeit der Komplementär-GmbH hat und ob sie – außer den Gewinnanteilen als Gesellschafter der KG – überhaupt Einnahmen ausweisen kann198. Bei der GmbH & Co. KG ist darüber hinausgehend aber auch davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Komplementär-GmbH eine Gewerbeausübung i.S.v. § 2 Abs. 1 GewStG ist. Deshalb kommt es hier nicht einmal auf den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand an, weil bereits in der satzungsmäßigen Aufgabe als Komplementär – auch wenn dies die einzige Gesellschaftsaufgabe ist – sich die Gewerbeabsicht ausdrückt. Denn es wäre widersprüchlich, wenn sich eine GmbH & Co. KG zu ihrem Vorteil auf die juristische Betrachtungsweise (Trennung) berufen könnte, wenn es ihr zum Nachteil gereicht hingegen auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise, also die Unternehmenseinheit199. Auch die KomplementärGmbH eines in der Rechtsform der KG geführten Handwerksbetriebes ist selbständig IHK-zugehörig, da sie kein „Betriebsteil“ der KG im Sinne des § 2 Abs. 3 ist200. – Genossenschaften und Versicherungsvereine Genossenschaften und Versicherungsvereine a.G. sind nach § 2 Abs. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig, ausgenommen sind lediglich kleinere Versicherungsvereine a.G. nach § 12a GewStDV. Sie sind sämtlich Gewerbetreibende, denn die Absicht der Gewinnerzielung ist auch dort gegeben, wo die wirtschaftliche Betätigung nicht dazu dient, der juristischen Person selbst Gewinn zuzuführen, sondern die Wirtschaft der Mitglieder zu fördern. Erst recht gilt dies bei jedem Nichtmitgliedergeschäft von Genossenschaften und Versicherungsvereinen, selbst wenn die Gewinnerzielung dabei nur Nebenzweck ist. Die Genossenschaften und Versicherungsvereine a.G. sind deshalb, soweit sie gewerbesteuerpflichtig sind und nicht die Ausnahme für landwirtschaftliche Genossenschaften in § 2 Abs. 2 und 4 eingreift, stets kammerzugehörig. 198 Hamb. OVG v. 5.2.2004 – 1 Bf 66/01, GewArch 2004, 258; VG Saarland v. 12.3.2001 – 1 K 153/98, GewArch 2001, 296; Jahn, GewArch 2005, 169, 178. 199 VG Freiburg v. 28.9.2001 – 7 K 1503/00. 200 VG Saarland v. 12.3.2001 – 1 K 153/98, GewArch 2001, 296; VG Chemnitz v. 17.2.2004 – 8 K 251/04.
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Jahn
Keine gesonderte Prüfung, ob ein Gewerbebetrieb vorliegt
Rz. 70 § 2
– Vereine Wirtschaftliche Vereine, die ihre Rechtsfähigkeit durch Verleihung gemäß § 22 68 BGB erhalten, sind gewerbesteuerpflichtig. In der Regel unterhalten sie aufgrund des Vereinsziels einen Gewerbebetrieb i.S.v. § 2 Abs. 1 GewStG, sind deshalb gewerbesteuerpflichtig und auch kammerzugehörig. Das Gleiche gilt für eine rechtsfähige Stiftung, die einen Gewerbebetrieb unterhält201. Dabei genügt es für die Gewinnabsicht, dass lediglich ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben oder eine Vermögensmehrung angestrebt wird; die Gewinnerzielung kann durchaus ein Nebenzweck bleiben202. Für die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist es erforderlich, dass die Leistungen der Allgemeinheit angeboten werden. Idealvereine203 und nichtrechtsfähige Vereine204 dagegen sind nur gewerbesteu- 69 erpflichtig, soweit sie einen Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 GewStG unterhalten oder soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.v. § 2 Abs. 3 GewStG betreiben. Für diesen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist weder die Gewinnerzielungsabsicht, noch eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr begriffsnotwendig205. Trotzdem ist er gewerbesteuerpflichtig und damit auch kammerzugehörig. In der Regel wird allerdings diese partielle Gewerbesteuerpflicht – etwa bei Fachverbänden, Parteien, Gewerkschaften oder Einrichtungen gemeinnütziger Unternehmen – deshalb entfallen, weil es sich um Zweckbetriebe handelt206 oder die Freigrenze von 35.000 Euro Jahresumsatz207 nicht überschritten wird. Bei einem größeren Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt ohnehin meistens die Ausgliederung in eine selbständige Kapitalgesellschaft, insbesondere eine GmbH. Als Einzelbeispiel ist die GEMA zu erwähnen, für die das Bundesverwaltungs- 70 gericht seine Auslegung über die Kammerzugehörigkeit geändert hat208. Dies gilt auch für sonstige Urheberrechtsgesellschaften nach dem Gesetz über die Wahrung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vom 9.9.1965209. Ebenso werden die Technischen Überwachungsvereine (TÜV) als Gewerbebetriebe zur Gewerbesteuer veranlagt. Ihre Tätigkeit ist gewerblich, nicht hoheitlich210; sie sind deshalb kammerzugehörig. 201 202 203 204 205 206 207 208
Vgl. R 2.1 GewStR 2009. Vgl. § 15 Abs. 2 Satz 3 EStG. § 21 BGB. § 54 BGB. R 2.1 GewStR 2009. §§ 65–68 AO. § 64 Abs. 3 AO. BVerwG v. 2.9.1963 – I C 20.63, BVerwGE 16, 295; BVerwG v. 25.10.1977 – I C 35.73, BVerwGE 55, 1. Vgl. Rz. 7. 209 BGBl. I, 1294. 210 Siebert, 44, 45.
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§ 2 Rz. 71 Kammerzugehörigkeit VI. Betriebsstätte im Kammerbezirk 71
Die Kammerzugehörigkeit setzt schließlich voraus, dass der gewerbesteuerpflichtige Gewerbetreibende im Bezirk der IHK211 eine Betriebsstätte unterhält. Diese räumliche Voraussetzung entspricht dem regionalen Charakter der IHK und trägt der Tatsache Rechnung, dass die Kammerarbeit nicht nur den im Bezirk liegenden Hauptniederlassungen dient, sondern auch den dort unterhaltenen Betriebsstätten auswärtiger Unternehmen. Das Gesetz schließt sich bei der räumlichen Anknüpfung konsequent dem gewerbesteuerlichen System an, das von einer Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags auf die beteiligten Gemeinden ausgeht. Damit ist ein verwaltungsmäßig einfach zu handhabender Maßstab auch für die Beitragsveranlagung unter den beteiligten IHKs gewonnen. Unterhält ein Unternehmer in mehreren IHK-Bezirken mehrere Betriebsstätten, die zu einer mehrfachen Beitragspflicht bei unterschiedlichen IHKs führen, ist dies weder verfassungsrechtlich noch gemeinschaftsrechtlich zu beanstanden.
72
Aus diesen Gründen ist für die räumliche Anknüpfung der Betriebsstättenbegriff entscheidend, der dem Steuerrecht entnommen ist212 und vom einkommensteuerlichen Betriebsstättenbegriff213 zu unterscheiden ist, der bis 31.12.2006 galt. Die bislang in § 2 Abs. 1 enthaltene „entweder-oder“-Konstruktion (entweder gewerbliche Niederlassung oder Verkaufsstelle) ist im Jahr 2007 durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz214 gestrichen worden, weil der Begriff „Betriebsstätte“ als Oberbegriff auch die „gewerbliche Niederlassung“ und „Verkaufsstelle“ umfasst. Damit reduziert das Gesetz den Anknüpfungspunkt auf die „Betriebsstätte“ im Sinne des § 12 AO, einen Begriff, an den auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung anknüpft215.
73
– Begriff der Betriebsstätte Nach § 12 Satz 1 AO ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Diese Fassung von § 12 AO erweitert die ursprüngliche Betriebsstättendefinition in § 16 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes, weil es nicht mehr auf eine „feste örtliche Anlage“ ankommt216. Eine Betriebsstätte kann jeder körperliche Gegenstand sein, welcher der Tätigkeit eines Unternehmers dient und einen räumlichen Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche hat, beispielsweise auch Marktstände oder Taxistände. Die Verfügungsmacht des Unternehmers muss nur noch ausreichend sein, um
211 212 213 214 215 216
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Siehe zum Kammerbezirksbegriff näher Meyer, GewArch 2006, 305. § 12 AO. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG. Vom 7.9.2007, BGBl. I, 2246. BT-Drs. 16/4391, 64; Jahn, GewArch 2007, 353, 354. Tipke/Kruse, AO, Stand: April 2018 § 12 Tz. 2, 4 f.
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Betriebsstätte im Kammerbezirk
Rz. 76 § 2
sein Gewerbe auszuüben217. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht218 Automaten als Betriebsstätten beurteilt und dabei ausdrücklich an § 12 AO angeknüpft, der auch für § 2 Abs. 1 gilt. Deshalb reicht die (vertraglich vereinbarte) Mitbenutzung fremder Büros oder Gewerberäume219 ebenso aus wie die Ausübung eines Gewerbes innerhalb eines anderen Gewerbebetriebes220. Selbst bei Betriebsführungsverträgen, bei denen das Personal bei der Muttergesellschaft angestellt ist und ihr auch Räume und Vorräte gehören, sind die Betriebsstätten der juristisch selbständigen Betriebsführungsgesellschaft zuzuordnen und diese deswegen auch kammerzugehörig221. Wegen der älteren Rechtsprechung wird auf die Vorauflagen verwiesen. Nur ausnahmsweise wird sich eine Betriebsstätte aus § 13 AO ergeben, der den 74 ständigen Vertreter definiert und auch das vertretene Unternehmen steuerpflichtig macht. Praktische Bedeutung hat der Begriff im Wesentlichen nur für das Außensteuerrecht, wobei allerdings die Doppelbesteuerungsabkommen Vorrang haben und in vielfach modifizierter Form den Betriebsstättenbegriff definieren; § 5 des OECD-Musterabkommens lehnt sich beispielsweise noch stark an § 16 Abs. 1 des früheren Steueranpassungsgesetzes an. Auseinandersetzungen gibt es in der Praxis eigentlich nur, wenn es um Betriebs- 75 stätten in einem anderen Unternehmen oder ohne eigenes Personal geht oder wenn im Rahmen des § 13 AO die Voraussetzungen als ständiger Vertreter bestritten werden. Alle diese Fragen werden zwar bei der Gewerbesteuerveranlagung entschieden. Die finanzamtliche Feststellung, dass im Kammerbezirk eine Betriebsstätte besteht, ist jedoch eine Vorfrage und nimmt nicht an der Tatbestandswirkung des Gewerbesteuermessbetrages oder Zerlegungsanteils teil, sondern muss im Streitfall von der Kammer und gegebenenfalls den Verwaltungsgerichten selbständig geprüft werden222. In der Kammerpraxis können sich daraus kaum Divergenzen ergeben, weil auch die Kammern § 12 AO und die einschlägige Rechtsprechung der Finanzgerichte zum Betriebsstättenbegriff anwenden und zum gleichen Ergebnis kommen werden. 1. Gewerbliche Niederlassung Der Begriff der gewerblichen Niederlassung ist dem Gewerberecht entnommen, 76 wird in den §§ 42 und 55 GewO verwandt und in § 42 Abs. 2 GewO definiert. Eine gewerbliche Niederlassung ist danach nur vorhanden, wenn der Gewerbetreiben217 Siehe die Nachweise bei Jahn, GewArch 2005, 169, 180. 218 BVerwG v. 27.10.1998 – 1 C 19/97, GewArch 1999, 73. 219 Hamb. OVG v. 4.3.2005 – 1 Bf 481/03; VG Saarland v. 22.12.1995 – 6 K 398/14, GewArch 1996, 334 – Versicherungsvertreter mit Arbeitsraum bei seiner Versicherung. 220 VG Gießen v. 24.9.2003 – 8 E 2022/1. 221 BVerwG v. 26.9.1996 – 1 B 116/96. 222 BVerwG v. 27.10.1998 – 1 C 19/97, GewArch 1999, 73.
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§ 2 Rz. 76 Kammerzugehörigkeit de einen zum dauernden Gebrauch eingerichteten ständigen oder in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benutzten Raum für den Betrieb eines Gewerbes besitzt. Bei der gewerberechtlichen Anzeigepflicht spricht § 14 GewO von Zweigniederlassungen und unselbständigen Zweigstellen. Auch sie sind gewerbliche Niederlassungen im Sinne des Gewerbe- wie des Kammerrechts und Betriebsstätten im Sinne des Steuerrechts. 77
Nicht zu verwechseln ist damit der Begriff der Zweigniederlassung, der im Handels- und Gesellschaftsrecht gebraucht und in § 13 HGB näher erläutert wird. Die Zweigniederlassung steht im Gegensatz zur Hauptniederlassung und muss so organisiert sein, dass sie im Falle der Veräußerung als selbständiges Gewerbe weitergeführt werden könnte. Haupt- und Zweigniederlassungen sind deshalb stets gewerbliche Niederlassungen im Sinne des Gewerberechts und unterliegen der Anzeigepflicht nach § 14 GewO.
78
Auch beim Reisegewerbe bedarf es für die Kammerzugehörigkeit der räumlichen Anknüpfung an einen bestimmten Kammerbezirk. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Reisegewerbe nach § 55 GewO auch von einer gewerblichen Niederlassung aus betrieben werden kann. Einer besonderen Prüfung bedürfen deshalb nur die relativ wenigen Fälle, in denen das Reisegewerbe ohne jede gewerbliche Niederlassung ausgeübt wird. Soweit nämlich Reisegewerbetreibende im Handelsregister eingetragen sind, ist damit das Vorhandensein einer gewerblichen Niederlassung gemäß § 29 HGB bereits beim Registergericht festgestellt und auch für die Kammerzugehörigkeit maßgebend. Werden sowohl Reisegewerbe als auch stehendes Gewerbe nebeneinander betrieben, so wird das Gesamtunternehmen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 GewStG als stehendes Gewerbe zur Gewerbesteuer veranlagt und ist entsprechend kammerzugehörig. Nur wenn dies alles nicht der Fall ist, bleibt festzustellen, ob der für die Gewerbesteuer maßgebende „Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit“223 auch alle Voraussetzungen einer gewerblichen Niederlassung erfüllt. Dies kann auch die Wohnung eines Handels- oder Versicherungsvertreters sein, wenn dort tatsächlich ein Teil der Geschäftstätigkeit abgewickelt wird, beispielsweise die Führung von Büchern oder Aufzeichnungen, die schriftliche Korrespondenz, die telefonischen Vereinbarungen über Besuchstermine224. Bei Schaustellern kann die gewerbliche Niederlassung das Standquartier sein, von wo aus die Reisen vorbereitet werden, wo Reparaturen erfolgen und außerhalb der Saison die Betriebseinrichtungen gelagert werden. Es bleiben deshalb in der Praxis nur wenige Fälle übrig, in denen ein kleingewerblicher Reisegewerbetreibender tatsächlich keine gewerbliche Niederlassung hat und deshalb auch nicht kammerzugehörig ist225. Konsequenter ist es, auch in diesen Fällen das Gewerbesteuerrecht zu übernehmen und für das Reisegewerbe anstelle des Betriebsstät223 § 35a Abs. 3 GewStG und R 2.9 GewStR 2009. 224 VG Leipzig v. 15.11.1999 – 6 K 812/98; wegen der älteren Rechtsprechung siehe Vorauflage § 2 Rz. 78. 225 Hess. VGH v. 21.10.1964 – OS V 91/63.
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Betriebsstätte im Kammerbezirk
Rz. 81 § 2
tenbegriffs den Mittelpunkt der gewerblichen Tätigkeit als Anknüpfungspunkt für die Kammerzugehörigkeit zu nehmen. 2. Verkaufsstelle Der Begriff der Verkaufsstelle ist auf Handelsbetriebe zugeschnitten und erfasst 79 insbesondere die Ladengeschäfte der Filialunternehmen. Sie haben nicht die Selbständigkeit von Zweigniederlassungen, sind aber als unselbständige Zweigstellen nach § 14 GewO anzeigepflichtig; § 15a GewO spricht wiederum von offenen Verkaufsstellen. Sie sind Betriebsstätten nach § 12 Satz 2 Nr. 6 AO und begründen die Kammerzugehörigkeit, auch wenn die Hauptniederlassung in einem anderen Kammerbezirk liegt. Im Fall eines handwerklichen Mischbetriebes226 ist für die Feststellung der „Betriebsstätte“ auf das gesamte Unternehmen abzustellen; deshalb begründet auch eine auswärtige (nichthandwerkliche) Verkaufsstelle, für die keine Handwerksrolleneintragung besteht, die Kammerzugehörigkeit227. 3. Betriebsstätte Der steuerliche Betriebsstättenbegriff umfasst nicht nur gewerbliche Niederlas- 80 sungen und Verkaufsstellen, sondern nach § 12 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder auch nur Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 1 AO erfordert hierbei, dass der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage hat228. Wichtige Beispiele werden in § 12 Satz 2 AO im Einzelnen aufgeführt und in Rechtsprechung und Schrifttum näher erläutert. Danach bedarf es für die Betriebsstätte keines besonderen Raumes und gewerblicher Vorrichtungen. Es genügt, dass der Unternehmer über einen bestimmten Raum oder über eine bestimmte Fläche die Verfügungsgewalt hat, die für die Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit ausreicht. Als Betriebsstätte eines Unternehmens gilt darüber hinaus der Ort, an dem ein ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Liegt lediglich der formelle Satzungssitz des Unternehmens im Bezirk der Kammer, ohne dass dort eine geschäftliche Aktivität entfaltet wird, ist mit dem Satzungssitz die Betriebsstätteneigenschaft gegeben, auch wenn an anderen Orten außerhalb des Satzungssitzes keine Geschäftstätigkeit stattfindet229. Für die Kammerzugehörigkeit kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob bei 81 mehreren Betriebsstätten eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags erfolgt und auf die betreffende Betriebsstätte ein Zerlegungsanteil entfällt oder ob ge226 227 228 229
§ 3 Abs. 4 S. 1. Jahn, GewArch 1995, 457, 463; VG Bremen v. 8.6.2006 – 2 K 1429/05. BFH, DStR 2008, 1828. VG Ansbach v. 30.11.2017 – AN 4 K 17.00537.
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§ 2 Rz. 81 Kammerzugehörigkeit mäß § 34 GewStG bei Kleinbeträgen von der Zerlegung abgesehen wird230. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob wegen § 25 GewStDV überhaupt kein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wird, sondern nur im Einkommen- oder Körperschaftssteuerbescheid ein Gewinn aus Gewerbebetrieb ausgewiesen wird. 82
In allen diesen Fällen müssen die Kammern selbständig prüfen, ob eine Betriebsstätte besteht231. Die Verwaltungsgerichte prüfen dies im Streitfall ebenfalls nach, ohne an etwaige steuerliche Feststellungen gebunden zu sein. Wenn allerdings das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbetrag oder einen Zerlegungsanteil festsetzt und damit die Vorfrage einer Betriebsstätte bejaht hat, kann sich die Kammer im Regelfall daran orientieren. Bei einer Zurückverlegung des Bemessungszeitraumes kann es allerdings vorkommen, dass zwischenzeitlich die auswärtige Betriebsstätte eines Unternehmens aufgegeben worden ist und deshalb keine Kammerzugehörigkeit mehr besteht232. Gleiches gilt, wenn eine ursprünglich im IHKBezirk ansässige KG faktisch ihren Sitz verlegt, ohne die Sitzverlegung dem Handelsregistergericht anzuzeigen oder den Gesellschaftsvertrag entsprechend zu ändern233.
82a
Mit Rücksicht auf das für den räumlichen Anwendungsbereich von Gesetzen geltende Territorialitätsprinzip gilt auch das IHKG hinsichtlich seines räumlichen Anwendungsbereichs nur für die Betriebsstätten, die innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland unterhalten werden; für ausländische Betriebsstätten gilt das IHKG folglich nicht. Eine Besonderheit stellen in diesem Zusammenhang sog. Offshore-Windparks (in der Nordsee bzw. Ostsee) dar234. Zum „Inland“ gehört völkerrechtlich das sog. Küstenmeer, ein sich an das Landesgebiet angrenzender Küstenstreifen mit einer Ausdehnung von bis zu zwölf Meilen (Zwölfmeilenzone). Jenseits dieser Zone befindet sich bis max. 200 Seemeilen Entfernung zur Küste die sog. ausschließliche Wirtschaftszone bzw. der deutsche Anteil am Festlandsockel, in der nur eingeschränkt Hoheitsrechte des Küstenstaats bestehen. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 GewStG gehört der deutsche Anteil am Festlandsockel funktionell zum Inland, soweit dort Naturschätze des Meeresuntergrunds erforscht oder ausgebeutet oder dieser der Energieerzeugung dient. In der ausschließlichen Wirtschaftszone gelten die nationalen Regelungen (des IHKG) aber nur, wenn diese ausdrücklich auf diese erstreckt worden sind235. Eine solche Erstreckungsklausel gibt es für das IHKG – anders als in § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1b GewStG – bislang nicht; die gewerbesteuerliche Regelung ist auch nicht 230 Siehe die älteren Rechtsprechungsnachweise in der Vorauflage § 2 Rz. 81. 231 BVerwG v. 27.10.1998 – 1 C 19/97, GewArch 1999, 73; VG Aachen v. 19.3.2004 – 7 K 480/04, GewArch 2004, 305. 232 So VGH Baden-Württemberg v. 20.4.1990 – 14 S 586/89. 233 VG Aachen v. 19.3.2004 – 7 K 480/04, GewArch 2004, 305. 234 Vgl. dazu im Einzelnen Urbahns, NWB 2011, 427. 235 Schl.-Holst. OVG v. 2.11.2017 – 3 LA 33/16; VG Schleswig v. 19.5.2016 – 12 A 5/16; Hamb. OVG v. 15.9.2004 – 1 Bf 128/04; VG Hamburg v. 1.12.2003 – 19 K 3585/03.
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Betriebsstätte im Kammerbezirk
Rz. 87 § 2
analogiefähig236. Folglich unterhalten in der ausschließlichen Wirtschaftszone betriebene Offshore-Windparks im Inland keine Betriebsstätte. Offshore-Windparks sind deshalb nicht kammerzugehörig und unterliegen deshalb insoweit auch nicht der Beitragspflicht, solange keine entsprechende Erstreckungsklausel existiert237. Die Konsequenz dieser gesetzlichen Regelungslücke238 ist, dass mit gewerblich betriebenen Offshore-Windparks wesentliche Wirtschaftsteilnehmer aus dem Bereich der erneuerbaren Energien bislang keine Kammerzugehörigen sind und deshalb – jenseits der Beitragsverpflichtung – auch nicht von der Interessenwahrnehmung durch Kammern nach § 1 Abs. 1 profitieren können. Auch hier sollen die Konsequenzen des steuerlichen Betriebsstättenbegriffs an- 83 hand einiger Beispiele verdeutlicht werden: – Betriebsstätten sind nach § 12 Satz 2 AO die Stätte der Geschäftsleitung, 84 Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabrikations- oder Werkstätten, Warenlager, Einkaufs- oder Verkaufsstellen, welche dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Gewerbes dienen239. – Genauso sind Bergwerke, Steinbrüche oder andere örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen Betriebsstätten240.
85
– Schließlich sind auch Bau- und Montagestellen Betriebsstätten nach § 12 86 Nr. 8 AO, wenn die Dauer der einzelnen Bauausführung oder Montage oder der ohne Unterbrechung aufeinander folgenden Arbeiten die Dauer von 6 Monaten übersteigt. Infolgedessen begründen auch länger dauernde Bauarbeiten und Montagen die Betriebsstätteneigenschaft und die Kammerzugehörigkeit241. – Betriebsstätte für Binnen- und Küstenschiffer ist nach § 6 GewStDV der Ort, 87 der als Heimathafen im Schiffsregister eingetragen ist242. Die Zugehörigkeit der Binnenschiffer zu Schifferbetriebsverbänden ändert an der Kammerzugehörigkeit nichts. Die Schifferbetriebsverbände sind lediglich öffentlich-recht236 VG Schleswig v. 19.5.2016 – 12 A 5/16. 237 In diesen Fällen besteht also lediglich eine Kammerzugehörigkeit und Beitragspflicht der am Festland befindlichen Betriebsstätte mit den dort anfallenden Gewerbeerträgen bzw. Gewinnen aus Gewerbebetrieb. Siehe auch § 2 Rz. 67. Zur Kammerzugehörigkeit und Beitragspflicht von Betreibern sog. On shore-Windkraftanlagen siehe demgegenüber VG Münster v. 10.8.2017 – 3 K 2195/15 und 3 K 2093/15. 238 Da der Bundesgesetzgeber in diesem Bereich konkurrierender Gesetzgebung von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat, könnte diese Lücke durch den Landesgesetzgeber geschlossen werden. 239 § 12 Nr. 1 – 6 AO. 240 § 12 Nr. 7 AO. 241 VG Potsdam v. 30.3.2017 – VG 6 K 1773/15; Jahn, GewArch 2017, 15; a.A. wohl Forkel, GewArch 2017, 11. 242 Vgl. auch R 3.7 GewStR 2009.
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§ 2 Rz. 87 Kammerzugehörigkeit liche Marktverbände243; die zusätzlich von ihnen übernommenen berufsständischen Aufgaben überschneiden sich nicht mit den Kammeraufgaben. Eine echte Doppelzugehörigkeit zu zwei öffentlich-rechtlichen Körperschaften liegt also nicht vor. 88
– Die Aufstellung von Automaten begründet ebenfalls eine Betriebsstätte, mag es sich um Verkaufsautomaten, Photoautomaten oder auch Spiel-, Musik- oder Unterhaltungsautomaten handeln244.
89
– Auslieferungslager sind ebenfalls Betriebsstätten, wenn das ausliefernde Unternehmen darüber eine nicht nur vorübergehende und zur Ausübung seines Gewerbes ausreichende Verfügungsgewalt hat und dort eine gewerbliche Tätigkeit des Unternehmens selbst stattfindet. Gleichzeitig kann in diesen Betriebsstätten aber auch ein Handelsvertreter ein selbständiges eigenes Gewerbe betreiben, wenn ihm die Räume vom ausliefernden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden und er dort auch eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet. Der Tankstellenpächter ist deshalb als Gewerbetreibender, und zwar als Handelsvertreter, anzusehen. Er ist kammerzugehörig, unabhängig davon, ob die gepachtete Tankstelle gleichzeitig auch eine Betriebsstätte der Mineralölgesellschaft ist245.
90
– Die gleichen Grundsätze gelten für Versicherungsgesellschaften, deren Agenturen und Versicherungsvertreter. Es kommt im Einzelfall darauf an, ob die Agentur wegen ihrer weitgehenden Weisungsbindung eine Betriebsstätte der Versicherungsgesellschaft ist oder ob der Versicherungsvertreter ein eigenes Gewerbe betreibt. Beide Voraussetzungen können aber auch gleichzeitig vorliegen, wenn beispielsweise eine Versicherungsgesellschaft in den Räumen einer anderen Versicherungsgesellschaft und ohne eigenes Personal im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft ihre Geschäfte abwickelt246. Das Schadensbüro einer Versicherungsgesellschaft ist ebenfalls eine Betriebsstätte, welche die Kammerzugehörigkeit begründet247.
91
– Mehrgemeindliche Betriebsstätten248 begründen die Zugehörigkeit zu zwei oder mehreren IHKs, wenn die beteiligten Gemeinden in verschiedenen Kammerbezirken liegen. Für die Beitragsveranlagung der IHKs gilt dann ebenfalls die gewerbesteuerliche Zerlegung. Dies kommt insbesondere bei großen, die Gemeindegrenzen übergreifenden Industriekomplexen vor.
243 244 245 246 247 248
234
Vgl. Huber, 275, siehe Voraufl. BVerwG v. 27.10.1998 – 1 C 19/97, GewArch 1999, 73. Zur früheren Rechtsprechung s. Vorauflagen. Vgl. § 13 AO; R 2.9 GewStR 2009. VG Saarland v. 22.12.1995 – 6 K 398/14, GewArch 1996, 337. § 30 GewStG.
Jahn
Ausnahmen für freie Berufe
Rz. 93 § 2
VII. Ausnahmen für freie Berufe § 2 Abs. 2 nimmt von der Kammerzugehörigkeit natürliche Personen und Gesell- 92 schaften aus, die ausschließlich einen freien Beruf ausüben und nicht in das Handelsregister eingetragen sind (s.o. Rz. 55a). Diese Bestimmung erklärt sich aus der früher im Einkommensteuerrecht und damit auch im Gewerbesteuerrecht geltenden Auffassung des freien Berufs, die mit der Neufassung von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1960 vom 30.7.1960249 erweitert worden ist. Heute entfällt die Gewerbesteuerpflicht bereits, soweit eine freiberufliche Tätigkeit aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich ausgeübt wird. Solange die persönliche Leitung noch möglich ist, schadet auch die Beschäftigung fachlich vorgebildeter Mitarbeiter nicht mehr250. Freie Berufe sind damit grundsätzlich nicht kammerzugehörig, schon weil bei ihnen die Gewerbesteuerpflicht als erste Voraussetzung der Kammerzugehörigkeit fehlt251. „Freie Berufe“ sind im Gegensatz zum Gewerbe dadurch gekennzeichnet, dass 92a es sich um persönliche Dienste höherer Art handelt, deren Ausübung von der allgemeinen höheren Bildung des Tätigen und einer gewissen ideellen Motivation gekennzeichnet ist, die das bloße Gewinnstreben überlagert252. Der EuGH253 definiert freie Berufe als „Tätigkeiten, die ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit hat das persönliche Element besondere Bedeutung und diese Ausübung setzt auf jeden Fall eine große Selbständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraus.“ Da die Feststellung des Finanzamtes zur objektiven Gewerbesteuerpflicht für die IHK bindend ist, hat sich in den letzten Jahren eine umfassende Einzelfallrechtsprechung zur steuerlichen Abgrenzung freier Berufe von gewerblichen Tätigkeiten herausgebildet254. Die Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 2 kann deshalb nur noch eingreifen, wenn 93 trotz der Ausübung eines freien Berufs insgesamt doch eine Gewerbesteuerpflicht entsteht und gleichzeitig die Eintragung im Handelsregister erfolgt ist. Dabei wird es sich in der Regel um Personenhandelsgesellschaften oder Kapitalgesellschaften freier Berufe handeln, denen die handelsrechtlichen Rechtsformen kraft Berufsrecht offen stehen. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:
249 250 251 252 253 254
BGBl. I, 616. A 136 EStR. Zur Abgrenzung siehe Jahn, DB 2015, 641; Jahn, DB 2012, 1947. S. auch Hahn, GewArch 2006, 129. EuGH v. 11.10.2001 – C-267/99, DB 2001, 2280. Siehe dazu im Einzelnen Jahn, GewArch 2005, 169, 178; Jahn, DB 2015, 641; Jahn, DB 2012, 1947, ferner Vorauflage.
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§ 2 Rz. 94 Kammerzugehörigkeit 1. Natürliche Personen 94
Bei natürlichen Personen kommt es darauf an, ob das Steuerrecht ihre Berufsart als freiberuflich anerkennt und auch die persönliche Leitung und Eigenverantwortung noch gewahrt sind; die steuerliche Entscheidung gilt auch für die IHK. Wird eine freiberufliche Tätigkeit anerkannt, entfällt die Gewerbesteuerpflicht. Eine Kammerzugehörigkeit kommt schon nach Absatz 1 nicht in Betracht, ohne dass es der Ausnahme in Absatz 2 bedürfte. Wird dagegen bei einer natürlichen Person eine selbständige Tätigkeit steuerlich als Gewerbe behandelt und sie zur Gewerbesteuer herangezogen, liegt schon die Voraussetzung eines freien Berufs nach Absatz 2 nicht mehr vor; auf die Handelsregistereintragung kommt es gar nicht mehr an255. Für natürliche Personen ist deshalb die Ausnahmebestimmung in Absatz 2 gegenstandslos geworden256.
95
Nach diesen Grundsätzen regelt sich beispielsweise auch die Frage, ob Krankenanstalten und Sanatorien, Unterrichtsanstalten, Architekten- und Ingenieurbüros etc. als freiberuflich oder gewerblich zu bezeichnen sind257. Für Berufsbetreuer geht der BFH258 inzwischen davon aus, dass dieser freiberufliche Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt. Von der jeweiligen steuerlichen Entscheidung hängt auch die Kammerzugehörigkeit ab; in vielen dieser Fälle ist ohnehin eine Befreiung von der Gewerbesteuer vorgesehen259. Auf die finanzamtliche Feststellung kommt es auch an, ob bei einer gemischten freiberuflich-gewerblichen Tätigkeit auch ein einheitlicher Gewerbebetrieb angenommen wird260 oder ob es sich um eine davon getrennte Gewerbeausübung handelt261. 255 VG Arnsberg v. 29.3.1996 – 13 K 1161/95, GewArch 1996, 415. 256 Siehe die Nachweise in der 6. Auflage § 2 Rz. 94. 257 Dazu Jahn, DB 2015, 641; Jahn, DB 2012, 1947. S. auch BFH v. 4.11.2004 – IV R 26/03, NJW 2005, 1006; OVG Rheinland-Pfalz v. 17.7.2007 – 6 A 11414/06; Nds. OVG v. 29.8.2007 – 7 LC 229/06, GewArch 2008, 34: Ein Berufsbetreuer i.S.d. § 1897 BGB ist nicht freiberuflich tätig, sondern übt ein Gewerbe aus. Siehe aber die nachfolgende BFH-Rechtsprechung, die von freiberuflicher Tätigkeit ausgeht. Prüfingenieure, die Haupt- und Sicherheitsprüfungen durchführen, üben eine freiberufliche Tätigekit aus, BFH v. 14.5.2019 – VIII R 35/16. Zur steuerlichen Abgrenzung der Einkünfte (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder § 15 EStG) von Heil- und Heilhilfsberufen siehe BMF v. 20.1.2029 – IV C 6 – S 2246/19/10001. Ein Rentenberater erzielt gewerbliche, keine freiberuflichen Einkünfte, BFH v. 7.5.2019 – VIII R 2/16 und VIII R 26/16. 258 BFH v. 15.6.2010 – VIII R 10/09, NJW 2011, 108 unter Aufgabe der eigenen früheren Rechtsprechung. 259 Vgl. § 3 Nr. 13, 20 GewStG. 260 Vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG und dazu Söffing, NJW 1998, 511; BFH v. 27.11.1984 – VIII R 294/81, BFHE 128, 67 – Tierarzt und Arzneiverkauf, aber auch BFH v. 19.2.1998 – IV R 11/97, NJW 1998, 3447 – Ärzte als Gewerbetreibende. 261 BFH v. 26.5.1977 – V R 95/76, BFHE 123, 199 – Arzt und Arzneimittelverkauf getrennt.
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Ausnahmen für freie Berufe
Rz. 98 § 2
2. Sozietäten, Partnerschaften, EWIV Die Ausübung eines freien Berufs in einer nichthandelsrechtlichen Gesellschafts- 96 form (z.B. Sozietäten als bürgerlich-rechtliche Gesellschaften) begründet ebenfalls nicht die Gewerbesteuerpflicht, so dass es für die Kammerzugehörigkeit bereits an der Voraussetzung des § 2 Abs. 1 fehlt. Beteiligt sich aber eine sog. Freiberufler-Kapitalgesellschaft mitunternehmerisch an einer Freiberufler-Personengesellschaft, so erzielt die Personengesellschaft insgesamt gewerbliche Einkünfte262; Folge ist dann auch die Kammerzugehörigkeit bei der IHK. Ebenso wenig sind Partnerschaften263 gewerbesteuerpflichtig, da sie kraft gesetzlicher Definition nur der gemeinsamen Berufsausübung von Freiberuflern dienen; sie sind keine Handelsgesellschaften und nicht im Handelsregister eingetragen. Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) ist nicht selbst 97 gewerbesteuerpflichtig, sondern ihre Mitglieder werden wegen ihres anteiligen Gewerbeertrages zur Gewerbesteuer veranlagt264; damit entfällt auch eine Kammerzugehörigkeit. Die Gesellschafter der EWIV wiederum sind nur kammerzugehörig, wenn sie gewerbesteuerpflichtig sind. 3. Handelsgesellschaften Wenn dagegen ein freier Beruf in Form einer Handelsgesellschaft (Personenhan- 98 delsgesellschaft oder Kapitalgesellschaft) ausgeübt wird, ist er kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig im Handelsregister eingetragen und damit kammerzugehörig265. Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und vereidigten Buchprüfern steht für eine gemeinsame Berufsausübung – neben Sozietät und Partnerschaft – auch die Rechtsform der OHG und KG offen266. Vor allem aber können Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und GmbHs als Berufsgesellschaften gründen. Für Rechtsanwälte lässt die BRAO die Rechtsanwalts-GmbH zu267. Auch bei den sonstigen freien Berufen entscheidet das jeweilige Berufsrecht, ob und unter welchen Voraussetzungen die gemeinsame Berufsausübung auch in der Rechtsform einer Handelsgesellschaft zulässig ist268.
262 263 264 265
BFH v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, DB 2008, 1468. Gesetz v. 25.7.1994 – BGBl. I, 1744. § 5 Abs. 1 Satz 4 GewStG; R 5.2 GewStR 2009. Siehe die Rechtsprechungsnachweise bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 101, 106; Jahn, GewArch 2004, 410; Jahn, GewArch 2005, 169, 178. 266 § 27 Abs. 2 WPO; § 49 Abs. 2 StBerG. 267 §§ 59c–59m BRAO. 268 Z.B. für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige nach § 36 GewO die Sachverständigenordnungen der Kammern; zur Architekten-GmbH VGH Baden-Württemberg v. 6.10.1998 – 9 S 2652/96, DVBl. 1999, 50.
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§ 2 Rz. 99 Kammerzugehörigkeit 99
Mit der Gewerbesteuerpflicht und Handelsregistereintragung solcher Berufsgesellschaften ist die Kammerzugehörigkeit nach § 2 Abs. 2 gegeben. Es kommt nicht mehr darauf an, ob sie nach dem im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand die berufsrechtlich zulässigen gewerblichen Tätigkeiten ausüben können269. Auch eine rein freiberufliche Tätigkeit solcher Berufsgesellschaften führt zur IHK-Zugehörigkeit270. Daraus folgt: Wer die Rechtsform frei wählen kann, muss auch den damit verbundenen Nachteil der beitragspflichtigen Kammerzugehörigkeit hinnehmen271. Die beitragsrechtlichen Konsequenzen aus einer solchen Doppelmitgliedschaft zieht § 3 Abs. 4 Satz 3, wonach Grundbeitrag und Umlage nur von 1/10 der Bemessungsgrundlage erhoben werden. Mit dieser Pauschalierung erübrigt sich die Prüfung, ob und zu welchen Umsatzanteilen auch berufsrechtlich zulässige Gewerbetätigkeiten ausgeübt werden. Aber auch der Nachweis einer Anwalts-GmbH, kraft Gesetzes nur freiberuflich tätig sein zu können, befreit nicht von der Kammerzugehörigkeit.
VIII. Ausnahmen für Land- und Forstwirtschaft 100
§ 2 Abs. 2 nimmt von der Kammerzugehörigkeit weiterhin natürliche Personen und Gesellschaften aus, welche Land- oder Forstwirtschaft oder ein damit verbundenes Nebengewerbe betreiben und nicht im Handelsregister eingetragen sind (zur Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft von gewerblicher Tätigkeit siehe oben Rz. 55a, zu den landwirtschaftlichen Genossenschaften siehe unten Rz. 129). Diese Ausnahme erfasst die landwirtschaftlich tätigen Genossenschaften, die Kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig272, aber nicht in das Handelsregister eingetragen sind. Praktische Bedeutung hat die Ausnahme weiterhin für die Grenzfälle des steuerschädlichen Zukaufs, der landwirtschaftlichen Nebengewerbe und der Handelsregistereintragung von Land- und Forstwirten; die Entwicklung der Landwirtschaft hat allerdings diese Grenzfälle zunehmend vermehrt273. 1. Steuerschädlicher Zukauf
101
Für Betriebe der Land- oder Forstwirtschaft kann eine Gewerbesteuerpflicht nur durch steuerschädlichen Zukauf entstehen, wenn dauernd und nachhaltig fremde Erzeugnisse über den betriebsnotwendigen Umfang hinaus hinzugekauft und
269 BVerwG v. 21.10.2004 – 6 B 60.04, GewArch 2005, 24; anders aber noch BVerwG v. 25.10.1977 – I C 35.73, BVerwGE 55, 1. 270 VG Leipzig v. 8.11.2006 – 5 K 1328/06, GewArch 2007, 163; ferner die Nachweise in den Vorauflagen. 271 BVerwG v. 19.1.2005 – 6 C 10/04, GewArch 2005, 211. 272 § 2 Abs. 2 GewStG. 273 Vgl. von Ebner, GewArch 1983, 1.
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Ausnahmen für Land- und Forstwirtschaft
Rz. 103 § 2
ohne Bearbeitung weiterveräußert werden. Das VG Dessau274 hat die Frage nach der Höhe des gewerblichen Anteils dahin beantwortet, dass der steuerschädliche Zukauf 50 % des Gesamtumsatzes des Betriebes nicht übersteigen darf, da das Gesetz in § 2 Abs. 2 nicht ausschließliche, sondern „überwiegende“ landwirtschaftliche Betätigung fordert. Nach R 15.5 Abs. 11 EStR 2012 sind gewerbliche Tätigkeiten, die nach R 15.5 Abs. 3 bis 8 EStR 2012 (Absatz von Erzeugnissen) dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Zurechnung zur Land- und Forstwirtschaft erfüllen, nur dann typisierend der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen, wenn die Umsätze aus diesen Tätigkeiten dauerhaft insgesamt nicht mehr als 1/3 des Gesamtumsatzes und nicht mehr als 51.500 Euro im Wirtschaftsjahr betragen. Diese Grenzen gelten für die Tätigkeiten nach R 15.5 Abs. 9 und 10 EStR 2012 (Dienstleistungen) entsprechend. Weitere Voraussetzung ist, dass die Umsätze aus den Tätigkeiten i.S.v. R 15.5 Abs. 3 bis 8 EStR 2012 (Absatz von Erzeugnissen) und R 15.5 Abs. 9 und 10 EStR 2012 (Dienstleistungen) dauerhaft insgesamt nicht mehr als 50 % des Gesamtumsatzes betragen. Anderenfalls liegen hinsichtlich dieser Tätigkeiten unter den Voraussetzungen des Strukturwandels Einkünfte aus Gewerbebetrieb und damit Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach vor. Diese Regelungen gelten für Wirtschaftsjahre, die nach 2011 begonnen haben275. Nach Ansicht des BFH276 wird ein Hofladen dann zum Gewerbebetrieb, wenn der darin getätigte Nettoumsatz mit Fremdprodukten aller Art nachhaltig ein Drittel des Nettoumsatzes oder den Höchstbetrag von 51.500,– Euro übersteigt. Weiterhin wurde vom BFH auch eine zeitliche Regelung festgelegt. Werden in drei aufeinander folgenden Jahren die Werte überschritten, so führt im vierten Jahr die gesamte Verkaufstätigkeit im Hofladen einschließlich des Verkaufs von Eigenprodukten zu gewerblichen Einkünften. Mit dieser Gewerbesteuerpflicht entsteht auch die Kammerzugehörigkeit nach § 2 102 Abs. 1. § 2 Abs. 2 greift nicht mehr ein, weil nicht mehr ausschließlich Land- oder Forstwirtschaft betrieben werden. Es kommt nicht darauf an, ob solche Unternehmen ein Gewerbebetrieb im handels- oder gewerberechtlichen Sinne sind. Ebenso wenig bedarf es einer Handelsregistereintragung. Ein niedrigerer Zukauf mit Unterschreitung der o.g. Grenzen ist dagegen nicht 103 steuerschädlich und löst auch keine Gewerbesteuerpflicht aus. Eine Kammerzugehörigkeit kommt deshalb nur in Frage, wenn das ausschließlich landwirtschaftlich tätige Unternehmen sich freiwillig nach § 105 HGB als OHG oder KG in das Handelsregister eintragen lässt und damit auch kraft Gesetzes – § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG – gewerbesteuerpflichtig wird. Wenn sich ein ausschließlich land- oder forstwirtschaftlicher Einzelunternehmer dagegen 274 VG Dessau v. 12.10.2005 – 1 A 6/05, GewArch 2006, 215. 275 Siehe auch BMF v. 15.12.2011, BStBl. I, 1213. 276 BFH v. 25.3.2009 – IV R 21/06.
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§ 2 Rz. 103 Kammerzugehörigkeit freiwillig nach § 3 Abs. 2 HGB in das Handelsregister eintragen lässt, gilt er zwar als Kaufmann, wird dadurch aber nicht gewerbesteuerpflichtig; damit ist er auch nicht kammerzugehörig. 104
Praktische Beispiele für diese Grenzfälle sind insbesondere Gärtnereien, Baumschulen und Winzer. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf R 15.5 EStR 2012 verwiesen. Beim Verkauf von Produkten des Erzeugers ist eine landwirtschaftliche Tätigkeit (Urproduktion) gegeben. Sofern jedoch der landwirtschaftliche Betrieb Waren zukauft, um sie weiter zu veräußern, entsteht im Falle der Vergleichbarkeit dieses Betriebes mit anderen Gewerbetreibenden (z.B. gewerbliche Gemüsehändler), ein gewerblicher Betrieb, der neben dem landwirtschaftlichem Betrieb parallel existiert277. Gibt ein Land- oder Forstwirt seine gesamte Ernte zur Energieerzeugung in einer Biogasanlage entgeltlich an einen Dritten ab, liegt kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vor, sondern eine gewerbliche Betätigung, die zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt278. 2. Land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe
105
Land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe279 werden zur Gewerbesteuer veranlagt, wenn Substanzbetriebe (z.B. Sand- und Kiesgruben, Tongruben, Steinbrüche, Torfstiche) überwiegend ihre Erzeugung an Dritte verkaufen oder wenn Verarbeitungsbetriebe (z.B. Brennereien, Sägewerke, Molkereien, Ziegeleien) mehr als 30 % ihres Umsatzes steuerschädlich zukaufen280. Sie begründen trotzdem nur die Kammerzugehörigkeit, wenn der Betrieb als Einzelfirma oder Personenhandelsgesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, weil der Landund Forstwirt durch die freiwillige Eintragung eines Nebengewerbes im Handelsregister281 seine Absicht einer Gewerbeausübung manifestiert hat. Hier behält die Eintragung im Handelsregister die Bedeutung eines zusätzlichen Abgrenzungsmerkmals; es gilt § 2 Abs. 2. Wenn solche Betriebe dagegen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt werden, handelt es sich nicht mehr um landwirtschaftliche Nebenbetriebe, sondern um selbständige gewerbliche Unternehmen; ihre Kammerzugehörigkeit ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 1.
277 BFH v. 25.3.2009 – IV R 21/06; zur Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbe in Zukaufsfällen siehe BMF v. 18.1.2010, BStBl. 2010 I, 46; BMF v. 24.6.2010 – IV D 4 - S 2230/09/10001 2010/0482246; BMF v. 27.5.2011 – IV D 4 - S 2230/11/10001; zur Abgrenzung im Bereich des Weinbaus, BMF v. 19.10.2017 – IV C 7 - S 2233/17/ 10002. 278 BFH v. 27.9.2012 – III R 19/11, BStBl 2013 II, 433; VG Münster v. 10.8.2017 – 2 K 2195/15 und 3 K 2093/15. Zur IHK-Zugehörigkeit eines Försters, der auch einen Holzhandel betreibt, siehe VG Dresden v. 5.12.2018 – 4 K 3069/14. 279 Zum Begriff s. R 15.5 Abs. 3 EStR 2012. 280 R 15.5 Abs. 3, 5 EStR 2012. 281 § 3 Abs. 3 HGB.
240
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Ausnahmen für Land- und Forstwirtschaft
Rz. 107 § 2
Der Begriff des landwirtschaftlichen Nebengewerbes ist § 3 Abs. 3 HGB ent- 106 nommen. Der Begriff des landwirtschaftlichen Nebengewerbes liegt vor, wenn es sich um ein besonderes Unternehmen neben dem land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmen handelt und eine Personenidentität der Inhaber sowie eine innere Verbundenheit zwischen beiden Unternehmen und eine Abhängigkeit des nebengewerblichen Unternehmens von dem land- oder forstwirtschaftlichen Hauptunternehmen besteht. Dabei ist die Verkehrsanschauung maßgeblich. Die sogenannte Zehntelregelung des § 3 Abs. 4 Satz 3 findet von vornherein keine Anwendung, wenn neben einem landwirtschaftlichen Betrieb selbstständig ein die IHK-Mitgliedschaft begründender gewerblicher Betrieb besteht282. Die Verbindung zwischen dem Hauptbetrieb und dem Nebenbetrieb muss landwirtschaftlicher Art sein, bezieht sich also in erster Linie auf die Verarbeitung oder Verwertung der Erzeugnisse des Hauptbetriebs durch den Nebenbetrieb. Es genügt also nicht, dass sich Landwirtschaft und ein daneben betriebenes Gewerbe (z.B. Tongrube, Ziegelei) gegenseitig wirtschaftlich zweckmäßig ergänzen. Für die Annahme eines landwirtschaftlichen Nebengewerbes ist vielmehr die wirtschaftliche Abhängigkeit von dem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb Voraussetzung. Der Nebenbetrieb muss dem Hauptbetrieb dienen und ihm untergeordnet sein. Dies ist wiederum nur der Fall, solange im Nebenbetrieb weit überwiegend eigene landwirtschaftliche Erzeugnisse des Hauptbetriebs verwertet und bearbeitet werden. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von dem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb liegt nur vor, solange im Nebenbetrieb weit überwiegend eigene landwirtschaftliche Erzeugnisse des Hauptbetriebes verwertet und bearbeitet werden. Anderenfalls ist dieser Rahmen überschritten und ein selbstständiges Gewerbe begründet. Es genügt nicht, dass sich Landwirtschaft und ein daneben betriebenes Gewerbe gegenseitig wirtschaftlich zweckmäßig ergänzen. Eine Abhängigkeit vom landwirtschaftlichen Betrieb ergibt sich auch nicht aus der Genehmigung der Anlagen als privilegierte Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BauGB283. Diese Grundsätze gelten auch für forstwirtschaftliche Nebengewerbe (z.B. Sägewerke). Bei der Erzeugung von Energie, z.B. durch Wind-, Solar- oder Wasserkraft, oder beim Betrieb einer Biogasanlage liegt kein Nebenbetrieb der Landund Forstwirtschaft vor, sondern ein Gewerbebetrieb, weil keine Be- und Verarbeitung von Rohstoffen und damit auch keine Verwendung der hierbei gewonnenen Erzeugnisse im eigenen Betrieb erfolgt, s. auch oben Rz. 104284. Die Kammerzugehörigkeit richtet sich deshalb entweder nach der Eintragung im 107 Handelsregister oder ergibt sich aufgrund einer Prüfung, ob der Rahmen eines 282 Nds. OVG v. 14.9.2016 – 8 LB 107/15. Zur Kammerzugehörigkeit auslösendem Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Landwirtschaftsbetriebs siehe VG Karlsruhe v. 2.3.2017 – 10 K 4888/16 (kein landwirtschaftliches Nebengewerbe), ferner VG Regensburg v. 2.11.2017 – RO 5 K 16.1990. 283 VG Münster v. 11.8.2017 – 3 K 2093/15. 284 R 15.5 Abs. 11 EStR 2005.
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§ 2 Rz. 107 Kammerzugehörigkeit landwirtschaftlichen Nebengewerbes überschritten wird. Ist das landwirtschaftliche Nebengewerbe im Handelsregister eingetragen, regelt sich die Beitragspflicht nach § 3 Abs. 4 Satz 3. 3. Handelsregistereintragung von Landwirten 108
§ 3 Abs. 2 HGB285 hat für land- und forstwirtschaftliche Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, sich freiwillig in das Handelsregister eintragen zu lassen. In diesen Fällen ist auch weiterhin eine Kammerzugehörigkeit ausgeschlossen, soweit keine Gewerbesteuerveranlagung erfolgt. Wenn dies jedoch der Fall ist, ist auch die Kammerzugehörigkeit gegeben. Dies gilt für Land- und Forstwirte, die als Einzelkaufleute oder Personenhandelsgesellschaften eingetragen werden, vor allem aber für Kapitalgesellschaften mit landwirtschaftlicher Betätigung. Als Beispiel sind hier die Saatzuchtbetriebe zu nennen, die wegen ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig, und im Handelsregister eingetragen sind; daneben sind sie oft auch Pflichtmitglied bei der Landwirtschaftskammer. Für die Beitragsbemessung gilt dann § 3 Abs. 4 Satz 3.
109
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften sind häufig nach § 3 Nr. 14 GewStG von der Gewerbesteuerpflicht befreit und schon deshalb nicht kammerzugehörig. Werden sie dagegen gewerbesteuerveranlagt – z.B. wegen steuerschädlichen Zukaufs oder weil nicht alle Voraussetzungen der Freistellung erfüllt sind – entfällt ihre Kammerzugehörigkeit nach § 2 Abs. 2, weil Genossenschaften nicht im Handelsregister, sondern im Genossenschaftsregister eingetragen sind. Die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 treffen also zu. 4. Selbständige Gewerbebetriebe
110
Von den bisher erörterten Fällen des steuerschädlichen Zukaufs, der landwirtschaftlichen Nebengewerbe und der Handelsregistereintragung von land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmen sind die Fälle zu unterscheiden, in denen neben der Land- oder Forstwirtschaft ein selbständiges gewerbliches Unternehmen betrieben wird. Beispielsweise kann die von einem Land- oder Forstwirt betriebene Gastwirtschaft niemals ein Nebenbetrieb sein. Ebenso sind Fuhrleistungen eines Landwirts für Dritte gewerblicher Art und begründen ohne Rückgriff auf Abs. 2 die Kammerzugehörigkeit286. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass eine Gewerbesteuerpflicht besteht, die einsetzt, wenn mehr als 1/3 des Gesamtumsatzes aus dieser Tätigkeit kommt287. Schließlich gehören die Fälle dazu, in denen selbstgewonnene land- oder forstwirtschaftliche Erzeugnisse ohne Be- oder
285 I.d.F. des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998, BGBl. I, 1474. 286 Zur älteren Rechtsprechung siehe die Nachweise in den Vorauflagen. 287 R 15.5 Abs. 6 Sätze 2 und 3 EStR 2012.
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Ausnahmen für handwerkliche sowie handwerksähnliche Betriebe
Rz. 115 § 2
Verarbeitung über ein eigenes Handelsgeschäft abgesetzt werden und bei Überschreitung gewisser Grenzen ein selbständiges Gewerbe vorliegt288. Nach den gleichen Grundsätzen ist die Kammerzugehörigkeit von Landwirten zu 111 behandeln, die ihre Erntemaschinen anderen Landwirten zum Lohndrusch zur Verfügung stellen und, wenn sie mehr als 1/3 ihres Gesamtumsatzes daraus erlösen, ein gewerbesteuerpflichtiges Gewerbe ausüben. Erst recht ist natürlich der selbständige Lohndrescher als Gewerbetreibender kammerzugehörig289. Auch ein Viehkaufmann ist Gewerbetreibender und bereits nach § 2 Abs. 1 kam- 112 merzugehörig. Die abweichende Behandlung der Viehverwertungsgenossenschaften in § 2 Abs. 4b verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz290. Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch die gewerbliche Tierzucht und 113 Tierhaltung zu erwähnen, die ohne eigene Futtergrundlage und in gewerblicher Art betrieben werden; diese Betriebe sind kammerzugehörig nach § 2 Abs. 1.
IX. Ausnahmen für zulassungspflichtige, zulassungsfreie handwerkliche sowie handwerksähnliche Betriebe Seit der IHKG-Novelle 1992 ist die Abgrenzung der Zugehörigkeit zur Industrie- 114 und Handelskammer und Handwerkskammer ausdrücklich in § 2 Abs. 3 geregelt, die Beitragspflicht gemischter Betriebe, die neben einem handwerklichen oder handwerksähnlichen Betrieb auch sonstige gewerbliche Tätigkeiten ausüben, in § 3 Abs. 4 Satz 1. Beide Bestimmungen lehnten sich an die frühere Praxis der Kammern und eine ständige Rechtsprechung an, wonach gemischte Betriebe wegen ihrer nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsweise auch der IHK angehören, aber erst bei Überschreiten einer Unerheblichkeitsgrenze zum IHK-Beitrag herangezogen werden291. Ersatzlos weggefallen ist dagegen die frühere Sonderregelung für so genannte 115 Handwerkerkaufleute292, weil eine Beitragsabführung der Handwerkskammern an die Industrie- und Handelskammern nicht in das System des Körperschaftsrechts passte und auch reine Handwerksbetriebe umfasste; die bloße Mitwirkung der IHK bei der Handelsregistereintragung von Handwerksbetrieben nach § 126 FGG rechtfertigte diese Abführung nicht mehr. Durch das Handelsrechtsreformgesetz 1998 ist selbst der Begriff des Handwerkerkaufmanns weggefallen, weil die abschließende Aufzählung der Handelsgewerbe in § 1 Abs. 2 HGB ersatzlos gestrichen wurde und künftig auch jeder Dienstleistungshandwerker ebenso wie jeder 288 289 290 291 292
R 15.5 Abs. 6 EStR 2012. VG Schleswig v. 16.10.1958 – 2 K 49/58. VG Darmstadt v. 22.4.1960 – III 605/58. Vgl. näher 5. Aufl. § 2 Rz. 152, 153 und 158; 6. Aufl., § 2 Rz. 114. § 2 Abs. 3 und § 3 Abs. 3 Satz 2 a.F.
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§ 2 Rz. 115 Kammerzugehörigkeit andere Gewerbetreibende ins Handelsregister einzutragen ist, wenn sein Unternehmen nach Art und Umfang einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Auch kleingewerbliche Handwerker oder handwerksähnliche Betriebe können sich nach § 2 HGB inzwischen im Handelsregister eintragen lassen und sind dann Kaufleute (früher „Vollkaufleute“ genannt). 116
§ 2 Abs. 3 wurde mit weitreichenden Konsequenzen für die Kammerzugehörigkeit mittelbar einerseits durch die Einführung zulassungsfreier Handwerke durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften293, andererseits durch das Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und Förderung von Kleinunternehmen294 angepasst295. Durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz296 wurde § 2 Abs. 3 unter Berücksichtigung der seit 2004 geltenden neuen Rechtslage nochmals präziser gefasst297. In seiner aktuellen Version regelt § 2 Abs. 3, dass natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in die Handwerksrolle oder im Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sind oder die nach § 90 Abs. 3 HwO zur Handwerkskammer gehören, mit ihrem nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil der IHK angehören. Es liegt insofern kein Fall einer Doppelmitgliedschaft vor. Unternehmen, die hiernach der IHK angehören, bleiben wie bisher nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 Satz 1 beitragspflichtig.
117
Bei der Anwendung der neuen Bestimmungen ist auf die Handwerksordnung in der jeweiligen Fassung abzustellen298. Die Handwerksordnung regelt, wer in die Handwerksrolle oder das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder in das Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe einzutragen ist. Diese dynamische Verweisung kann bei Änderungen der Anlage A und B zur Handwerksordnung auch zu einem Wechsel der Kammerzugehörigkeit und bei gemischten Betrieben der Beitragspflicht führen, wie die letzte Handwerksnovelle gezeigt hat. Insgesamt ist damit jedoch eine klare Abgrenzung von IHKs und Handwerkskammern gelungen, so dass sich der Verwaltungsaufwand und auch die Möglichkeit zu Streitigkeiten entscheidend reduziert haben. Im Einzelnen sind folgende Fälle zu unterscheiden:
293 Sog. „Große Handwerksnovelle“ vom 24.12.2003, BGBl. I, 2934. 294 Sog. „Kleine Handwerksnovelle“ vom 24.12.2003, BGBl. I, 2933. 295 Siehe zu den damit verbundenen Kammerrechtsänderungen Jahn, GewArch 2004, 41; Schwannecke/Heck, GewArch 2004, 129; Kormann/Hüpers, GewArch 2004, 353. 296 Vom 7.9.2007, BGBl. I, 2246. 297 Siehe Jahn, GewArch 2007, 353, 354. 298 Handwerksordnung in der Fassung vom 24.12.2003, BGBl. I, 2934 und vom 24.12.2003, BGBl. I, 2933; zuletzt geändert durch Gesetz v. 12.12.2019, BGBl. I, 2522.
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Ausnahmen für handwerkliche sowie handwerksähnliche Betriebe
Rz. 118 § 2
1. Handwerkliche, zulassungsfreie handwerkliche und handwerksähnliche Betriebe § 1 Abs. 1 des Gesetzes nimmt mit einem generellen Vorbehalt von den Kammer- 118 aufgaben und damit auch von der Kammerzugehörigkeit Gewerbetreibende aus, soweit für sie eine Zuständigkeit der Organisation des Handwerks begründet ist. § 2 Abs. 3 bestätigt diese traditionelle Auslegung, wonach gewerbliche Tätigkeiten, die organisationsrechtlich keine Zugehörigkeit zur Handwerkskammer begründen, auch zur IHK-Zugehörigkeit führen. Damit entfällt die Zugehörigkeit zur IHK, soweit und solange jemand wegen eines Handwerksbetriebs als selbständiger Handwerker in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke299 oder wegen eines handwerksähnlichen Betriebs in das Verzeichnis der handwerksähnlichen Betriebe300 eingetragen ist und ausschließlich entsprechende Tätigkeiten ausübt; er ist dann allein Pflichtmitglied der Handwerkskammer301. Mit der Eintragung wird entschieden, ob ein Gewerbe der in den Anlagen A und B der HwO bezeichneten Art handwerksmäßig302, zulassungsfrei als Handwerk oder in handwerksähnlicher Betriebsform303 betrieben wird. Außerdem begründen „einfache handwerkliche Tätigkeiten“ i.S.d. § 90 Abs. 3 HwO die ausschließliche Mitgliedschaft bei der Handwerkskammer. Die IHK ist im Verfahren beizuladen, wenn über den handwerklichen Charakter des Betriebs Streit besteht304 und kann gegen die Entscheidung der Handwerkskammer das Verwaltungsgericht selbständig – d.h. unabhängig von dem betroffenen Gewerbetreibenden – anrufen und Rechtsmittel einlegen305. Sie kann auch selbständig die Löschung in der Handwerksrolle oder im Verzeichnis der handwerksähnlichen Betriebe betreiben, wenn die Voraussetzungen für eine Eintragung nicht mehr vorliegen306. Können sich IHK und Handwerkskammer über die organisationsrechtliche Zuordnung eines Unternehmens nicht verständigen, entscheidet eine von DIHK und DHKT eingerichtete Schlichtungskommission, die von den Trägerorganisationen gemeinsam für die Dauer von jeweils vier Jahren, erstmals ab 1.7.2004 gebildet wird307. Diese gilt sinnentsprechend für die organisationsrechtliche Zuordnung sog. einfacher Tätigkeiten i.S.v. § 90 Abs. 3 HwO. Hält der betroffene Gewerbetreibende die Entscheidung der Schlichtungskommission für
299 300 301 302 303 304
§§ 18 Abs. 2 Satz 1, 19 HwO. § 19 HwO. § 90 Abs. 2 HwO. § 1 Abs. 2 HwO. § 18 Abs. 2 HwO. § 16 Abs. 3 S. 2 HwO; dazu BVerwG v. 25.3.1993 – 1 B 143/92, GewArch 1993, 334; OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 1988, 199. 305 §§ 11, 12 und 20 HwO. 306 §§ 13 Abs. 2, 14 S. 2, 20 HwO. 307 § 16 Abs. 4 HwO.
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§ 2 Rz. 118 Kammerzugehörigkeit rechtswidrig, entscheidet die Oberste Landesbehörde. Die Rechtswegregelung des § 12 HwO gilt in diesem Fall entsprechend308. 119
Im Einzelnen ist bei der Abgrenzung wie folgt zu differenzieren: – Minderhandwerk Schon nach der bis Ende 2003 geltenden Rechtslage galt, dass eine gewerbliche Tätigkeit ein Handwerk nur dann war, wenn die jeweils ausgeübte Tätigkeit handwerksfähig war309 und handwerksmäßig betrieben wurde. Fallen also in einem Betrieb lediglich Tätigkeiten an, die ohne Beherrschung in handwerklicher Schulung erworbener besonderer Fähigkeiten und Kenntnisse unproblematisch ausgeführt werden können, dann liegt ein sog. „Minderhandwerk“ vor, das nicht unter die Vorschriften der Handwerksordnung fällt, sondern sich lediglich nach den Vorschriften über die Gewerbeordnung beurteilt310. Unternehmer, die lediglich selbständig „einfache Tätigkeiten“ erbringen, waren deshalb schon bislang Mitglied der IHK, es sei denn, sie übten diese Tätigkeiten im Rahmen ihres vollhandwerklichen Meisterbetriebs aus. Mit der sog. „Kleinen Handwerksnovelle“311 ist gesetzlich klargestellt worden, welche Tätigkeiten nicht zum Kernbereich eines Handwerks gehören, also keine „wesentlichen Tätigkeiten“ im Sinne des § 1 Abs. 2 HwO sind. Hierzu zählen solche Tätigkeiten312, – die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können, – die zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden Gewerbes der Anlage A nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Gewerbe hauptsächlich ausgerichtet ist, oder – die sich nicht aus einem Gewerbe der Anlage A entwickelt haben. Die Ausübung mehrerer solcher Tätigkeiten ist zulässig, jedoch dürfen die einfachen Tätigkeiten nicht in einer Weise kumuliert werden, dass sie einen wesentlichen Teil eines Handwerks ausmachen313. Wer die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, ist infolgedessen ausschließlich IHK-Mitglied314. – Einfache handwerkliche Tätigkeiten Einfache handwerkliche Tätigkeiten begründen aber nach § 90 Abs. 3 und 4 HwO seit 2004 die ausschließliche Mitgliedschaft bei der Handwerkskammer. Ei308 Siehe Jahn, GewArch 2004, 41. 309 § 1 Abs. 2 HwO. 310 BVerwG v. 12.7.1979 – 5 C 10/79, BVerwGE 58, 217, 222; BVerfG v. 31.3.2000 – 1 BvR 608/99, GewArch 2000, 240. 311 BGBl. I 2003, 2933. 312 § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 HwO. 313 § 1 Abs. 2 Satz 3 HwO. 314 Jahn, GewArch 2004, 41.
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Ausnahmen für handwerkliche sowie handwerksähnliche Betriebe
Rz. 119 § 2
ne „einfache“ handwerkliche Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO, also eine innerhalb von zwei bis drei Monaten erlernbare Tätigkeit liegt hiernach vor, wenn – der Gewerbetreibende die Gesellenprüfung in einem zulassungspflichtigen Handwerk erfolgreich abgelegt hat, – die betriebliche Tätigkeit Bestandteil der Erstausbildung in diesem zulassungspflichtigen Handwerk war und – die Tätigkeit den überwiegenden Teil der gewerblichen Tätigkeit ausmacht. Dies gilt entsprechend, wenn ausbildungsvorbereitende Maßnahmen im Sinne des § 25 HwO erfolgreich absolviert worden sind und einer abgeschlossenen Gesellenausbildung im Wesentlichen entsprechen. Voraussetzung ist aber nach § 90 Abs. 4 HwO in allen Fällen, dass die Tätigkeit in handwerksmäßiger Betriebsform erbracht wird. Erfasst werden nur Gewerbetreibende, die ihre „einfache“ handwerkliche Tätigkeit erstmals nach dem 30.12.2003 bei der Gewerbebehörde angezeigt haben. In diesem Fall sind sie bis zu einem Gewerbeertrag/Gewinn aus Gewerbebetrieb von 5200 Euro/Jahr bei der Handwerkskammer beitragsbefreit315. Diese (seit 1.1.2004) neue organisationsrechtliche Zuordnungsregelung entspricht einem gemeinsamen Vorschlag von DIHK und ZDH im Gesetzgebungsverfahren. Für die organisationsrechtliche Zuordnung von Kleinunternehmern zur Handwerkskammer ist zu berücksichtigen, ob ein aus der Ausbildung des Unternehmers abzuleitender fachlicher und persönlicher Bezug zu einem Vollhandwerk besteht, aufgrund dessen eine besondere Verbundenheit zum Handwerk angenommen werden kann. Eine solche „Verbundenheit“ soll etwa dann angenommen werden können, wenn ein in einem Vollhandwerk ausgebildeter Geselle als selbständiger Gewerbetreibender Leistungen anbietet, die Teiltätigkeiten seines Ausbildungshandwerks sind, die jedoch nicht dem Erfordernis eines Meisterbriefs unterfallen. Beispiel: Der Bäckergeselle, der in seinem eigenen Backshop vorgefertigte Teigrohlinge zu Brötchen aufbackt und dies dort verkauft. In diesem Fall besteht Handwerkskammerzugehörigkeit.
Demgegenüber soll die Verbundenheit bei Unternehmern fehlen, die sich außerhalb der handwerklichen Ausbildung die Fähigkeit zur Erbringung solcher „einfachen Tätigkeiten“ angeeignet haben. Entsprechendes soll gelten, wenn zwar eine Ausbildung im Handwerk erfolgt ist und auch Tätigkeiten des erlernten Fachs ausgeübt werden, der Schwerpunkt des Unternehmens jedoch außerhalb des fachlichen Bezugs liegt. Beispiel: Der Bäckergeselle, der selbständig eine Tankstelle führt und dort auch selbst aus vorgefertigten Teigrohlingen aufgebackene Brötchen verkauft. In diesem Fall bleibt der Unternehmer allein Kammermitglied der IHK. 315 § 113 Abs. 2 Satz 4 HwO.
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§ 2 Rz. 120 Kammerzugehörigkeit 120
Die automatische Gleichsetzung von Handwerksbegriff und Berufsbild, welche die Verwaltungspraxis beherrschte, ist damit aufgelöst, was sich bereits zuvor in Gerichtsentscheidungen zeigte316. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Gewerbefreiheit317 werden nicht für ein Handwerk typische Tätigkeiten ausgenommen.
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In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass handwerkliche, zulassungsfreie handwerkliche und handwerksähnliche Gewerbe auch in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG, GmbH & Co.) oder einer Kapitalgesellschaft (insbes. GmbH) betrieben318 und in die Handwerksrolle bzw. das Verzeichnis der handwerksähnlichen Betriebe eingetragen werden. Trotz der Eintragung im Handelsregister gehören die entsprechenden Betriebsgesellschaften allein der HWK an, solange sie ausschließlich ein Handwerk oder handwerksähnliches Gewerbe betreiben und nicht der IHK freiwillig beigetreten waren319. Die Komplementär-GmbH eines in der Rechtsform der KG geführten Handwerksbetriebes bleibt allerdings selbständig IHK-zugehörig; sie gehört weder zu den durch § 2 Abs. 3 erfassten, in die Handwerksrolle oder das Verzeichnis der zulassungsfreien handwerklichen bzw. handwerksähnlichen Gewerbe aufzunehmenden Betrieben, noch ist sie ein „Betriebsteil“ der KG im Sinne des § 2 Abs. 3320. Das Gleiche gilt für den Sonderfall, dass die öffentliche Hand als Eigenbetrieb einen Handwerksbetrieb unterhält321; auch hier besteht nur die Zugehörigkeit zur Handwerkskammer. Soweit die Pflichtzugehörigkeit zur Handwerkskammer reicht, scheidet eine Pflichtzugehörigkeit zur IHK aus. 2. Mischbetriebe
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§ 2 Abs. 3 erfasst nach seinem Wortlaut in erster Linie die „gemischten“ Betriebe, wenn ein handwerklicher, zulassungsfreier handwerklicher oder handwerksähnlicher Betrieb auch sonstige gewerbliche Tätigkeiten ausübt. Dies führt – bezogen auf das Gesamtunternehmen – zur Doppelmitgliedschaft bei Handwerkskammer 316 Kein Handwerk: Bewehrung mit Baustahl – OVG Nordrhein-Westfalen v. 25.10.1991 – 23 A 2809/88, GewArch 1992, 185; Offsetdruck – BVerwG v. 21.12.1993 – 1 C 1/92, GewArch 1994, 199; Verputzarbeiten – VG Arnsberg v. 1.8.2007 – 1 L 568/07, GewArch 2007, 426; a.A. aber Bay. VGH v. 10.4.2006 – 22 ZB 05.2622, GewArch 2007, 125; Beschriftung und Aufstellung industriell gefertigter Grabmale – LG Mainz v. 31.1.2006 – 10 HK.O 54/05, GewArch 2007, 123; VG Lüneburg v. 17.10.2007 – 5 A 247/06, GewArch 2008, 42; Reifenmontage – LG Itzehoe v. 25.9.2007 – 5 O 56/07, GewArch 2008, 40. 317 Art. 12 Abs. 1 GG. 318 §§ 1 Abs. 1, 18 Abs. 1 HwO. 319 Vgl. § 13a Abs. 1. 320 VG Saarland v. 12.3.2001 – 1 K 153/98, GewArch 2001, 296; VG Chemnitz v. 17.2.2004 – 8 K 251/04. 321 § 2 Nr. 1 HwO.
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Ausnahmen für handwerkliche sowie handwerksähnliche Betriebe
Rz. 125 § 2
wie Industrie- und Handelskammer, mag der Betrieb im Handelsregister einzutragen sein oder nicht. Das Gesetz verwirklicht damit konsequent den Grundsatz, dass alle Gewerbetreibenden, soweit es sich nicht um die Zuständigkeit der Handwerkskammern handelt, der IHK angehören. Lediglich die Beitragspflicht ist wegen der Doppelmitgliedschaft in § 3 Abs. 4 Satz 1 modifiziert worden. 3. Handwerkliche Nebenbetriebe und Hilfsbetriebe Einen Sonderfall bilden die handwerklichen Nebenbetriebe, die nach § 2 Nr. 3 123 i.V.m. § 3 HwO in die Handwerksrolle eingetragen werden und insoweit die Pflichtzugehörigkeit zur HWK begründen322. In diesem Eintragungsverfahren wird auch entschieden, ob überhaupt ein handwerklicher Nebenbetrieb323 vorliegt, ob es sich um einen unerheblichen Nebenbetrieb324 oder um einen handwerklichen Hilfsbetrieb325 handelt. Diese Entscheidung ist für die IHK verbindlich und kann von ihr nur in dem spezifisch handwerksrechtlichen Verfahren angefochten werden. Für die einzelnen Handwerke existiert hier eine umfangreiche Rechtsprechung, inwieweit wesentliche handwerkliche Teiltätigkeiten in einem Nebenbetrieb durchgeführt werden; im Einzelnen ist vieles umstritten, ohne dass dies hier dargestellt werden kann. Im Kern handelt es sich stets um die Frage, inwieweit Kundendienst, Montage und Servicefunktionen wegen der Eigenart ihrer Tätigkeit einen handwerklichen Nebenbetrieb oder gar Hilfsbetrieb darstellen326 oder ob es sich nur um unwesentliche Teiltätigkeiten eines Handwerks handelt327. Die Einordnung als handwerklicher Hilfsbetrieb328 liegt zwar in vielen Fällen na- 124 he329, scheitert aber oft an der sehr engen Definition des Hilfsbetriebes. Leistungen an Dritte sind bei einem Hilfsbetrieb seit der HwO-Novelle ab 2004 in einem Umfang freigestellt, wie er den heutigen Vertriebspraktiken entspricht. Kundendienst, Montage und Service fallen in der Regel unter diesen Begriff des Hilfsbetriebes. Daneben geht es darum, ob der Schwerpunkt beim Handwerksbetrieb liegt oder 125 ob bei einer hauptsächlich nichthandwerklichen Tätigkeit nur ein handwerklicher
322 323 324 325 326 327
S. zur älteren Rechtsprechung die Nachweise 6. Aufl., § 2 Rz. 123. § 3 Abs. 1 HwO. § 3 Abs. 2 HwO. § 3 Abs. 3 HwO. Siehe seit 2004 § 3 Abs. 3 HwO. Siehe zu den unwesentlichen Teiltätigkeiten eines Handwerks VG Arnsberg v. 1.8.2007 – 1L 568/07, GewArch 2007, 426; LG Mainz v. 31.1.2006 – 10 HK.O 54/05, GewArch 2007, 123; ferner die älteren Rechtsprechungsnachweise s. 6. Aufl., § 2 Rz. 123. 328 § 3 Abs. 3 HwO. 329 VG Augsburg v. 24.7.1991 – 4 K 89 A 1548 – Hilfsbetrieb im Konzern.
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§ 2 Rz. 125 Kammerzugehörigkeit Nebenbetrieb vorliegt; entscheidend war früher das Umsatzverhältnis330. Seit der HwO-Novelle ist ab 2004 für die Unerheblichkeitsgrenze beim Nebenbetrieb nur noch die Zeitkomponente331 maßgeblich, die Umsatzkomponente ist entfallen332. Schließlich gibt es auch eine Überschneidung von handwerklichen und gewerblichen Berufsbildern, die nach § 1 Abs. 2 HwO dazu führt, dass die gemeinsamen Tätigkeiten nicht mehr zum Kern- und Vorbehaltsbereich eines Handwerks gehören. 126
In allen Fällen eines handwerklichen Nebenbetriebs ist schon begrifflich stets ein Hauptbetrieb vorausgesetzt, dessen Pflichtzugehörigkeit zur IHK sich nach § 2 Abs. 1 richtet. Der Wortlaut von § 2 Abs. 3 ist so weit gefasst, dass darunter auch IHK-zugehörige Unternehmen fallen, die einen handwerklichen Nebenbetrieb unterhalten und deswegen in die Handwerksrolle eingetragen sind; sie gehören insoweit auch der Handwerkskammer an.
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Den Begriff des handwerksähnlichen Nebenbetriebs gibt es nicht, da § 20 HwO bewusst von einer Verweisung auf die §§ 2, 3 HwO absieht333. Soweit ein kammerzugehöriges Unternehmen auch handwerksähnliche Nebentätigkeiten oder ein zulassungsfreies Handwerk ausübt, bleibt es für den Gesamtbetrieb bei der alleinigen Pflichtzugehörigkeit zur IHK, soweit nicht § 90 Abs. 3 HwO eingreift. 4. Auswärtige Betriebsstätten
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Diese Grundsätze gelten auch, wenn handwerkliche Betriebe, zulassungsfreie handwerkliche, handwerksähnliche Betriebe und Mischbetriebe Betriebsstätten in einem anderen Kammerbezirk unterhalten334. Handwerkliche Zweigbetriebe in einem anderen Handwerkskammerbezirk werden dort in die Handwerksrolle eingetragen335. Filialen in demselben Handwerkskammerbezirk werden dagegen nicht erneut eingetragen, da die Handwerksrolleneintragung personenbezogen ist336. Damit scheiden bei Handwerksrolleneintragung auch bloße Verkaufsstellen sowie Geräte- und Vorratslager für die Pflichtzugehörigkeit zur IHK aus, mögen sie im gleichen Handwerkskammerbezirk oder in einem anderen liegen; sie gehören zur Handwerkskammer337. Wenn ein Mischbetrieb eine Betriebsstätte in ei330 331 332 333 334
BVerwG v. 26.11.1982 – 5 B 9/81, DÖV 1983, 598. Arbeitszeit eines in Vollzeit arbeitenden Einmannbetriebes. § 3 Abs. 2 HwO. OVG Rheinland-Pfalz v. 13.11.1991 – 11 A 10845/91, GewArch 1992, 146. Vgl. zur Handwerksrolleneintragung von Zweigniederlassungen Schlarmann, DVBl. 1999, 375. 335 VG Ansbach v. 15.10.1989 – AN K 88.00388, GewArch 1990, 99; Honig, GewArch 1988, 49; ferner die älteren Nachweise 6. Aufl., § 2 Rz. 128. 336 OVG Rheinland-Pfalz v. 21.5.1987 – 12 A 23/87, GewArch 1987, 306. 337 OVG Rheinland-Pfalz v. 8.4.1983 – 2 B 24/83, GewArch 1983, 194; Dorn, GewArch 1972, 205; Honig, GewArch 1988, 49.
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Ausnahmen für landwirtschaftliche Genossenschaften
Rz. 131 § 2
nem anderen Kammerbezirk unterhält, kommt es für die dortige Kammerzugehörigkeit darauf an, ob in dieser Betriebsstätte auch nichthandwerkliche Tätigkeiten entfaltet werden; nur dann besteht die Pflichtzugehörigkeit zur IHK. Im Fall eines handwerklichen Mischbetriebes begründet deshalb auch eine auswärtige (nichthandwerkliche) Verkaufsstelle, für die keine Handwerksrolleneintragung besteht, die IHK-Zugehörigkeit gemäß § 2 Abs. 3338. Auf diesen Grundsätzen baut auch die Beitragsveranlagung auf.
X. Ausnahmen für landwirtschaftliche Genossenschaften § 2 Abs. 4 nimmt bestimmte landwirtschaftliche Genossenschaften von der 129 Kammerzugehörigkeit aus. In der Regel sind solche Genossenschaften allerdings schon wegen Abs. 1 nicht kammerzugehörig, weil sie nach § 3 Nr. 8 GewStG nicht der Gewerbesteuer unterliegen; diese Vorschrift stimmt wörtlich mit § 5 Abs. 1 Nr. 14 KStG überein, so dass auch die Körperschaftsteuerrichtlinien anzuwenden sind339. Daneben gibt es eine eng definierte Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Genossenschaften nach § 3 Nr. 14 GewStG. Das Gesetz fasst im Hinblick auf die Entwicklung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens diese Ausnahme jedoch weiter und nimmt wegen der Nichtmitgliedergeschäfte auch gewerbesteuerpflichtige Genossenschaften aus, solange sie insgesamt der Landwirtschaft näher stehen als der gewerblichen Wirtschaft340. Deshalb war das Gesetz gezwungen, den Oberbegriff der landwirtschaftlichen Genossenschaften selbst zu definieren und abzugrenzen; Voraussetzung bleibt in jedem Fall die Rechtsform der Genossenschaft341. 1. Ländliche Kreditgenossenschaften In Abs. 4a werden zunächst die ländlichen Kreditgenossenschaften erwähnt, 130 praktisch die Raiffeisenkassen. Diese Ausnahme hat auch rechtliche Bedeutung, weil Kreditgenossenschaften stets gewerbesteuerpflichtig sind und nach Wegfall früherer Steuervergünstigungen auch in vollem Umfange zur Gewerbesteuer herangezogen werden. Der Begriff der Kreditgenossenschaften setzt zunächst voraus, dass Bankgeschäf- 131 te im Sinne des Kreditwesensgesetzes betrieben werden und bankfremde Geschäfte – z.B. als Warengeschäft – von untergeordneter Bedeutung bleiben. Das Nichtmit338 VG Bremen v. 8.6.2006 – 2 K 1429/05; VG Würzburg v. 8.3.1995 – W 10 K 94.1597, GewArch 1995, 296 (dort Kammerzugehörigkeit nach § 2 Abs. 3 bejaht, jedoch Beitragspflicht nach § 3 Abs. 4 verneint); Jahn, GewArch 1995, 457, 463. 339 R 20 – 24 KStR 2004. 340 Vgl. zur Entstehungsgeschichte 2. Aufl. Rz. 137, 138. 341 Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in der Fassung vom 19.8.1994 – BGBl. I, 2202 mit Folgeänderungen.
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§ 2 Rz. 131 Kammerzugehörigkeit gliedergeschäft – nach Streichung von § 8 Abs. 2 GenG zulässig – ist kammerrechtlich unerheblich. Die Beschränkung auf den landwirtschaftlichen Charakter liegt vielmehr darin, dass die Mitglieder der Genossenschaft „überwiegend“ Landwirte sein müssen; die Landwirte müssen also mehr als 50 % der Mitglieder stellen, ungeachtet der Zahl der Geschäftsanteile und der Höhe ihrer Geschäftsguthaben. Als Landwirt sind dabei nicht nur die Inhaber landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetriebe anzusehen, sondern auch Landwirte im Nebenerwerb342. In der Praxis wird dieser Prozentsatz durch Auskunft der Genossenschaften und Einsicht in das Genossenschaftsregister geklärt und bedarf einer Überprüfung in regelmäßigen Abständen, insbesondere wenn sich durch den Zusammenschluss von Volks- und Raiffeisenbanken die Zusammensetzung der Genossenschaft ändert. 132
Der Zusatz „ländlich“ ist als Pleonasmus anzusehen und wurde wohl deshalb gebraucht, um nicht mehrfach das Wort „landwirtschaftlich“ zu benutzen. Für die Auslegung hat dieser Zusatz keine Bedeutung, sondern weist allenfalls darauf hin, dass landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften fast ausschließlich ihren Sitz in Landgemeinden und Kleinstädten haben.
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Der Wortlaut von Abs. 4a ergibt im Übrigen eindeutig, dass Zentralkassen343 von der Kammerzugehörigkeit nicht ausgenommen sind. Ihre Mitglieder sind nicht Landwirte, sondern andere Genossenschaften. Zentralkassen fallen auch nicht unter die Ausnahme in Abs. 4c. 2. Landwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften
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Die Ausnahme in Abs. 4b geht bei den landwirtschaftlichen Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften über die steuerlichen Abgrenzungen in § 3 Abs. 8 GewStG und § 5 Abs. 1 Nr. 14 KStG insofern hinaus, als ihre Tätigkeit nur „überwiegend“ der gemeinsamen Nutzung landwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen, der Versorgung der Landwirtschaft ihrer Mitglieder mit Betriebsmitteln oder dem Absatz oder der Lagerung wirtschaftlicher Erzeugnisse ihrer Mitglieder zu dienen braucht. Es schadet also kammerrechtlich nicht, wenn das Nichtmitgliedergeschäft oder ein sonstiger Zweck344 verfolgt wird, solange die Umsätze aus diesen Betätigungen nicht den überwiegenden Anteil ausmachen. Die entscheidende kammerrechtliche Abgrenzung liegt vielmehr darin, ob sich bei Verwertungsgenossenschaften die überwiegende Be- oder Verarbeitung nach der Verkehrsauffassung noch im Bereich der Landwirtschaft hält. Diese Einschränkung ist wiederum dem Steuerrecht entnommen345. Im Großen und Ganzen gilt der Grundsatz, dass eine Be- oder Verarbeitung sich noch im Bereich der Landwirtschaft hält, wenn sie
342 343 344 345
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VGH Baden-Württemberg v. 29.7.1993 – 2 S 2548/92, GewArch 1993, 494. Vgl. zum Begriff den früheren A 73 KStR 1977. Hilfs- und Nebengeschäfte im steuerlichen Sinne. Einzelheiten in den Abschnitten R 20 Abs. 6, H 20 KStR 2004.
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Ausnahmen für landwirtschaftliche Genossenschaften
Rz. 137 § 2
nach der Art der hergestellten Erzeugnisse in etwa auch in einem landwirtschaftlichen Betrieb selbst erfolgen könnte. Kammerrechtlich ist hier also eine „Korrektur“ des Gewerbesteuerrechts für land- 135 wirtschaftliche Genossenschaften erfolgt. Auch wenn sie infolge des Nichtmitgliedergeschäfts oder wegen Nebengeschäften gewerbesteuerpflichtig werden346, bleiben sie bei einem überwiegend landwirtschaftlichen Genossenschaftszweck von der Kammerzugehörigkeit ausgenommen. Diese Ausnahme verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz347, weil die mit ihnen konkurrierenden Gewerbetreibenden kammerzugehörig sind. In der Praxis werden diese Voraussetzungen durch Auskunft der Genossenschaft über die Verteilung ihrer Umsätze geklärt, wozu § 3 Abs. 3 Satz 8 eine Auskunftspflicht vorsieht. 3. Zentralgenossenschaften Für Zusammenschlüsse von Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften 136 bringt Abs. 4c348 schließlich eine Sonderregelung. Der Gesetzgeber hat damit der Tatsache Rechnung getragen, dass Zentralgenossenschaften mit den landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr unmittelbar verbunden sind und dass bei ihnen – zumindest von einer gewissen Größe ab – das Schwergewicht auf der gewerblichen Betätigung liegt, sie dann aber auch als Handelsunternehmen kammerzugehörig sein sollen. Die vorgesehene Abgrenzung nach der Größe ist durch die Verordnung vom 6.1.1958349 erfolgt und nimmt landwirtschaftliche Zentralgenossenschaften von der Kammerzugehörigkeit aus, solange ihr Eigenkapital den Betrag von 3,5 Mio. DM (rd. 1,84 Mio. Euro) nicht erreicht350. Im Einzelnen müssen folgende Voraussetzungen für die Ausnahme erfüllt sein: Der Zusammenschluss muss ebenfalls die Rechtsform einer Genossenschaft ha- 137 ben. Wenn sich Genossenschaften in der Rechtsform einer AG oder GmbH zusammenschließen, was im Zuge von Umwandlungen und der zunehmenden Konzentration im gesamten Genossenschaftswesen immer häufiger vorkommt, ist der in Abs. 4 verwandte Oberbegriff „Genossenschaft“ nicht mehr erfüllt, und es tritt die Kammerzugehörigkeit wie bei anderen Kapitalgesellschaften gemäß Abs. 1 ein. Der Zentralgenossenschaft dürfen weiterhin nur landwirtschaftliche Genossenschaften angehören, die nach Abs. 4b nicht kammerzugehörig sind. Die Zentralgenossenschaft wird deshalb unabhängig von ihrer Größe kammerzugehörig, sobald auch nur eine der Mitgliedsgenossenschaften kammerzugehörig ist. Schließlich muss das Eigenkapital unter 3,5 Mio. DM (rd. 1,84 Mio. Euro) bleiben, wobei an 346 R 20 Abs. 6 KStR 2004. 347 Art. 3 GG. 348 Zuletzt redaktionell geändert durch die Neunte ZuständigkeitsanpassungsV vom 31.10.2006, BGBl. I, 2406. 349 BGBl. I, 48. 350 Vgl. Wortlaut der VO vom 6.1.1958, BGBl. I, 48.
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§ 2 Rz. 137 Kammerzugehörigkeit § 337 HGB, und zwar an die Passivposten (Geschäftsguthaben und Ergebnisrücklagen) anzuknüpfen ist; der Eigenkapitalbegriff des Kreditwesengesetzes ist auf Kreditgenossenschaften abgestellt und kann bei Zentralgenossenschaften landwirtschaftlicher Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften nicht herangezogen werden.
XI. Ausnahmen für gemeindliche Eigenbetriebe 138
§ 2 Abs. 5 nimmt die Eigenbetriebe von Gemeinden und Gemeindeverbänden von der Kammerzugehörigkeit aus, eröffnet ihnen jedoch die Möglichkeit des freiwilligen Kammerbeitritts. 1. Eigenbetrieb
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Der Begriff des Eigenbetriebs ist dem Gemeinderecht entnommen und bezeichnet gewerbliche Unternehmen, die von Gemeinden und Gemeindeverbänden in rechtlich unselbständiger Form als Teil ihrer Verwaltung betrieben werden351. Meist handelt es sich um Versorgungsbetriebe für Energie, Gas, Wasser oder Wärme („Stadtwerke“), um Verkehrsunternehmen oder Hafenbetriebe, die der Gewerbesteuerpflicht unterliegen, selbst wenn sie mit Zwangs- oder Monopolrechten ausgestattet sind352; sie erfüllen alle Voraussetzungen des Abs. 1 und werden nur durch Abs. 5 ausgenommen. Wenn Gemeinden dagegen diese Unternehmen in der selbständigen Rechtsform einer AG oder GmbH führen, greift Abs. 5 nicht ein; sie sind stets nach Abs. 1 kammerzugehörig. Ebenso kammerzugehörig sind „Kommunalunternehmen“ nach dem bayerischen Gesetz vom 26.7.1995353.
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Zu unterscheiden sind dabei noch die so genannten Hoheitsbetriebe (z.B. Schlachthöfe, Friedhöfe, Müllabfuhr), die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen, deshalb nicht als Gewerbe anzusehen sind und infolgedessen nach § 2 Abs. 2 GewStG auch nicht der Gewerbesteuerpflicht unterliegen; hier kommt eine Kammerzugehörigkeit schon nach Abs. 1 nicht in Betracht. Hoheitsbetriebe i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStDV sind Betriebe, die Leistungen in Sachbereichen erbringen, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind und der juristischen Person als Träger öffentlicher Gewalt vorbehalten und eigentümlich sind354. Ein Hoheitsbetreib liegt deshalb nicht vor bei einem Betrieb gewerblicher Art, der mit den angebotenen Leistungen im Wettbewerb zu privatrechtlichen Anbietern steht355. Da die IHK-Mitgliedschaft nicht teilbar ist, reicht es für die Kammerzugehörigkeit und 351 352 353 354 355
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Vgl. § 114 GO NW; VG Stuttgart v. 14.3.2019 – 4 K 9692/18, GewArch 2019, 193. § 2 Abs. 1 GewStDV; R 2.1 GewStR 2009. BayGVBl. 376; dazu Baum, NVwZ 1996, 557. BFH v. 12.7.2012 – I R 106/10, DStR 2012, 1912. VG Kassel v. 9.4.2019 – 3 K 854/15.KS Rz. 41.
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Ausnahmen für gemeindliche Eigenbetriebe
Rz. 143 § 2
Beitragspflicht aus, wenn der überwiegende Teil der Tätigkeit von Gewerbesteuerpflicht befreit ist (z.B nach § 3 Nr. 20 GewStG), ein anderer Teil aber der objektiven Gewerbesteuerpflicht unterliegt356. Ebenso scheiden bloße Regiebetriebe für die Kammerzugehörigkeit aus, weil sie 141 lediglich der Deckung des eigenen Behördenbedarfs dienen und nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen357. Auch Gemeinden, die wegen eines (rechtlich unselbständigen) Regiebetriebs zur Gewerbesteuer veranlagt sind, gehören nicht zu den kraft Gesetzes Zugehörigen zur IHK358. 2. „Gemeindlich“ Die Begriffe „Gemeinde“ und „Gemeindeverbände“ sind ebenfalls dem Gemein- 142 derecht zu entnehmen und umfassen auch Landkreise und Landschaftsverbände359; Landschaftsverbandsordnung i.d.F. vom 14.7.1994360 und Kommunalverband Ruhrgebiet vom 14.7.1994361. Dagegen gehören nicht mehr dazu die Zweckverbände, die von Gemeinden oder Gemeindeverbänden nur für einzelne Aufgaben gegründet werden und oft auch Eigenbetriebe unterhalten; Zweckverbände sind nach der Terminologie des Gemeinderechts keine Gemeindeverbände und deshalb kammerzugehörig362, s.o. Rz. 28. Die Ausnahmevorschrift gilt auch nicht für Eigenbetriebe des Bundes und der 143 Länder. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut und der Notwendigkeit, Ausnahmebestimmungen eng auszulegen. Dafür spricht vor allem auch, dass nur die Gemeindeordnungen eine Beschränkung der Eigenbetriebe auf Zwecke der Daseinsvorsorge sichern. Darin wird nämlich vorgeschrieben, dass ein dringender öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert und dass dieser Zweck durch andere Unternehmen nicht besser oder wirtschaftlicher erfüllt werden kann. Für Bund und Länder fehlt diese Beschränkung ihrer gewerblichen Tätigkeit, so dass für deren Eigenbetriebe auch keine Ausnahme berechtigt ist. Sie sind stets kammerzugehörig363.
356 BVerwG v. 7.12.2016 – 10 C 11/15, GewArch 2017, 193; VG Kassel v. 9.4.2019 – 3 K 854/15.KS. 357 Zum Begriff Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungsrechts, 853; § 107 Abs. 2 Nr. 4 GO NW. 358 VG Stuttgart v. 14.3.2019 – 4 K 9692/18, GewArch 2019, 193. 359 Vgl. für das Land Nordrhein-Westfalen: Kreisordnung vom 14.7.1994, GVBl. 646. 360 GVBl. 657. 361 GVBl. 640. 362 VG Regensburg v. 8.12.1997 – RO 5 K 97.01262; anderer Ansicht Dossmann, Sächs.VBl. 2018, 105. 363 VG Wiesbaden v. 16.8.1960 – 111/2–655/69 – für ein staatliches Kurhotel; VG Freiburg v. 6.7.1983 – 1 K 141/82 – für staatliche Bäderverwaltung; OVG Rheinland-Pfalz v. 11.12.1985 – 6 A 102/84.
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§ 2 Rz. 144 Kammerzugehörigkeit 144
Schließlich gilt die Ausnahme für kommunale Eigenbetriebe nach ihrem Wortlaut auch nicht für Eigenbetriebe von Nichtgebietskörperschaften oder Anstalten, beispielsweise gewerbesteuerpflichtige Unternehmen von Wasserverbänden oder Rundfunk- und Fernsehanstalten. In diesen Fällen wird allerdings meist auch von vornherein die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gewählt. 3. Freiwilliger Beitritt
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Das Gesetz eröffnet jedoch den Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen ihrer Eigenbetriebe den freiwilligen Beitritt zur IHK. Die Kammerzugehörigkeit tritt damit ein, wenn eine entsprechende Beitrittserklärung abgegeben wird. Kammerzugehörig ist dann die Gemeinde oder der Gemeindeverband als juristische Person des öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaft), nicht aber der Eigenbetrieb. Deshalb ist es auch nicht möglich, dass eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband nur mit einzelnen Eigenbetrieben der IHK beitritt; der Beitritt einer Gemeinde oder eines Gemeindemitgliedes gilt deshalb immer für alle ihre Eigenbetriebe. Mit dem Beitritt erwerben die Gemeinden oder der Gemeindeverband die gleichen Rechte wie alle anderen Kammerzugehörigen und übernehmen die gleichen Pflichten; Wahlrecht, Wählbarkeit und Beitragspflicht richten sich nach den Statuten der Kammer, ohne dass Sondervereinbarungen möglich wären.
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Aus der Möglichkeit eines freiwilligen Kammerbeitritts ergibt sich konsequent auch die Austrittsmöglichkeit. Die Mehrzahl der Kammersatzungen regelt dies in einer besonderen Bestimmung, wonach zum Schluss eines Haushaltsjahres mit sechsmonatiger Frist der Austritt erklärt werden kann. Für den freiwilligen Kammerbeitritt kommt es nicht darauf an, ob der Eigenbetrieb im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Nachdem § 36 HGB ersatzlos gestrichen worden ist, besteht eine Eintragungspflicht. Wie sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt, ist die freiwillige Beitrittsmöglichkeit – abgesehen von den Fällen des § 13a – auf Gemeinden und Gemeindeverbände beschränkt. Wer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 bis 4 für den gesetzlichen Erwerb der Kammerzugehörigkeit nicht erfüllt, kann der IHK also nicht freiwillig beitreten.
XII. Rechtsschutz 147
Die Kammerzugehörigkeit als öffentlich-rechtliches Verhältnis wird in der Regel nur als Vorfrage streitig sein, wenn es um Wahlrecht oder Wählbarkeit, vor allem aber um die Beitragsveranlagung geht. Im Wahlrecht sind dabei erst die kammerinternen Rechtsbehelfe der Wahlordnung auszuschöpfen, ehe Widerspruch und Klage zulässig sind.
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Status, Beiträge und Gebühren
§3
Bei der Beitragsveranlagung sind Widerspruch (§ 68 VwGO) – soweit nach Landesrecht noch vorgesehen – und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) gegen den Beitragsbescheid gegeben. Wenn die Kammerzugehörigkeit verneint wird, sind etwaige Beiträge zurückzuerstatten. Statt einer Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid ist zur verwaltungsgerichtlichen Klärung der Kammerzugehörigkeit auch eine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) statthaft. Denn die Frage, ob eine Person „kammerzugehörig“ nach § 2 Abs. 1 ist, betrifft ein im Vorfeld des IHK-Beitragsbescheides feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gemäß § 43 Abs. 1 VwGO364.
§3 [Status, Beiträge und Gebühren] (1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. (2) 1Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. 2Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. (3) 1Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. 2Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. 3Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5.200 Euro nicht übersteigt. 4Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, 364 Hamb. OVG v. 4.3.2005 – 1 Bf 481/03; VGH Baden-Württemberg v. 23.9.1997 – 9 S 1744/96; VG München v. 24.3.1998 – M 16 K 97.1064; VG Koblenz v. 12.1.1998 – 3 K 1706/97.KO; VG Gießen v. 22.4.1997 – 8 E 23/95 (2).
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Status, Beiträge und Gebühren
§3
Bei der Beitragsveranlagung sind Widerspruch (§ 68 VwGO) – soweit nach Landesrecht noch vorgesehen – und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) gegen den Beitragsbescheid gegeben. Wenn die Kammerzugehörigkeit verneint wird, sind etwaige Beiträge zurückzuerstatten. Statt einer Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid ist zur verwaltungsgerichtlichen Klärung der Kammerzugehörigkeit auch eine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) statthaft. Denn die Frage, ob eine Person „kammerzugehörig“ nach § 2 Abs. 1 ist, betrifft ein im Vorfeld des IHK-Beitragsbescheides feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gemäß § 43 Abs. 1 VwGO364.
§3 [Status, Beiträge und Gebühren] (1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. (2) 1Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. 2Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. (3) 1Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. 2Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. 3Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5.200 Euro nicht übersteigt. 4Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, 364 Hamb. OVG v. 4.3.2005 – 1 Bf 481/03; VGH Baden-Württemberg v. 23.9.1997 – 9 S 1744/96; VG München v. 24.3.1998 – M 16 K 97.1064; VG Koblenz v. 12.1.1998 – 3 K 1706/97.KO; VG Gießen v. 22.4.1997 – 8 E 23/95 (2).
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§ 3 Status, Beiträge und Gebühren noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. 5Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. 6Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. 7Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. 8Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. 9Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. 10Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden. (4) 1Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. 2Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. 3Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Han258
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Status, Beiträge und Gebühren
§3
delskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird. (5) 1Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. 2Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen. (7) 1Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. 2In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln. (7a) 1Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrieund Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. 2Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt. (8) 1Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind – für die Verjährung die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen, – für die Einziehung und Beitreibung die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. 2Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden. I. Körperschaftsstatus (§ 3 Abs. 1) . . . . . . . . . . . 1. Körperschaftsrecht . . . . . . . 2. Behördenbegriff . . . . . . . .
1 3 7
3. Insolvenzverfahren . . . . . . .
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II. Dienstherrenfähigkeit . . . . 1. Kammerbeamte . . . . . . . . 2. Kammerangestellte . . . . . . .
10 10 14
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§ 3 Status, Beiträge und Gebühren III. Haushaltsrecht, Doppik . . . 1. Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzstatut (§ 3 Abs. 7a) . . . a) Muster-Finanzstatut . . . . b) Muster-Finanzstatut 2014/2015 . . . . . . . . . . c) Muster-Finanzstatut 2020/2021 . . . . . . . . . . 3. Wirtschaftsplan (§ 3 Abs. 2) . a) Inhalt des Wirtschaftsplans b) Normatives Gestaltungsermessen . . . . . . . . . . . c) Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts . . . . . . . d) Veröffentlichung des Wirtschaftsplanes . . . . . . e) Gerichtliche Kontrolle . . . 4. Wirtschaftssatzung . . . . . . . 5. Rechnungsprüfung . . . . . . . IV. Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3) . . . . 1. Gesetzliche Änderungen des Beitragsrechts . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur des IHK-Beitrags a) Öffentliche Abgaben . . . . b) Zweistufiges Verfahren der Beitragserhebung . . . . . . c) Nachrang der Beitragsfinanzierung . . . . . . . . . 3. Grundbeitrag (§ 3 Abs. 3 Sätze 1, 2) . . . . . . . . . . . . 4. Umlage (§ 3 Abs. 3 Satz 1, Satz 6 und Satz 7) . . . . . . . a) Grundlagenbescheid der Finanzverwaltung . . . . . b) Tatbestandswirkung der finanzamtlichen Bemessungsgrundlage . . . . . . . c) Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage . . . . . . . d) Gewinn aus Gewerbebetrieb als Bemessungsgrundlage . 5. Zerlegungsanteil . . . . . . . . a) Auswärtige Betriebsstätten b) Organgesellschaften . . . .
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16
17 21a 21a 21e 21f 22 22 27 29 31 33 34 39 40 40 43 43 46 46a 48 58 58 60 61 66 67 67 68
6. Feststellung der Gewerbesteuerpflicht und Ermittlung der Gewerbeerträge (§ 3 Abs. 3 Satz 8) . . . . . . . . . . . . . .
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V. Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage . . . . . . . . . . 74 1. Beitragsbefreiung für Kleinunternehmen . . . . . . . . . . 74 2. Beitragsbefreiung von Existenzgründern (§ 3 Abs. 3 Satz 4) . 75a 3. Reduzierung der Befreiungsgrenzen durch Vollversammlungsbeschluss (§ 3 Abs. 3 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Grundbeitragsermäßigung für Komplementär- und Tochtergesellschaften (§ 3 Abs. 3 Sätze 9 und 10) . . . . . . . . . 80 5. Umlagefreibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften (§ 3 Abs. 3 Satz 6) . . 82 6. Handwerkliche Mischbetriebe (§ 3 Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . 85 a) Handwerklicher oder handwerksähnlicher Betriebsteil 85 b) Handwerkliche Hilfsbetriebe, Nebenbetriebe . . . . . 87 7. Apotheker (§ 3 Abs. 4 Satz 2) . 97 8. Angehörige freier Berufe (§ 3 Abs. 4 Satz 3) . . . . . . . 100 9. Landwirtschaft (§ 3 Abs. 4 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . 106 VI. Beitragsordnung (§ 3 Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . VII. 1. 2. 3.
Sonderbeiträge (§ 3 Abs. 5) Voraussetzungen . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . Sonderbeitragsordnung (§ 3 Abs. 7 Satz 1) . . . . . .
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. . .
114 116 118
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VIII. Gebühren (§ 3 Abs. 6, Abs. 7 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebührentatbestände . . . . . 2. Gebührenordnung (§ 3 Abs. 7 Satz 1) . . . . . . .
122 123 125
Körperschaftsstatus (§ 3 Abs. 1) 3. Staatliche Gebührenregelung .
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IX. Erhebung, Einziehung und Beitreibung (§ 3 Abs. 8) . . . 1. Erhebung . . . . . . . . . . . . 2. Einziehung und Beitreibung .
132 133 136
Rz. 1 § 3
3. Erlass, Niederschlagung, Stundung (§ 3 Abs. 7 Satz 2) . . . . 4. Verweisungen . . . . . . . . . .
142 146
X. Verjährung von Kammerbeiträgen (§ 3 Abs. 8 Satz 1) . . .
148
XI. Rechtsschutz . . . . . . . . . .
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Literaturauswahl: Franz, Handbuch des Kammerrechts, 2005, 323; Günther, in Landmann/ Rohmer, GewO, § 3 IHKG, Stand Oktober 2019, Jahn, GewArch 2004, 41; Jahn, GewArch 2005, 169, 221; Jahn, GewArch 2007, 353; Jahn, GewArch 2008, 137; Jahn, GewArch 2011, 464; 2012, 6; Jahn, WiVerw 2015, 92; Jahn, BayVBl. 2018, 258; Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2005, 109; Kluth et al., Die IHK-Entscheidung des BVerfG v. 12.7.2017, 11; Rieger in Kluth, Jahrbuch des Kammerrechts 2016; 2017; 2018; Stober, Industrie- und Handelskammern, 100; Tettinger, Kammerrecht, 104.
I. Körperschaftsstatus (§ 3 Abs. 1) Das Gesetz erklärt in § 3 Abs. 1 die Industrie- und Handelskammer ausdrücklich 1 zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts und folgt damit der traditionellen Auffassung1. Diese wurde vom Deutschen Bundestag am 2.4.1998 durch die Annahme eines Entschließungsantrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und F.D.P.2 noch einmal bekräftigt: „Der Deutsche Bundestag hält Kammern in der Form öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft als Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft für weiterhin erforderlich und sachgerecht. Sowohl die Rechtsform als auch die daraus folgende gesetzliche Mitgliedschaft aller Kammerzugehörigen sind Konsequenz der den Kammern übertragenen hoheitlichen Tätigkeiten sowie der Aufgabe, das Gesamtinteresse der Wirtschaft im Kammerbezirk wahrzunehmen“. Die Bundesregierung hat nachfolgend in Anknüpfung an einen früheren Bericht3 auch im Jahr 2004 nochmals bekräftigt, dass sie die IHKs in der Form öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft als Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft nach wie vor für sachgerecht und erforderlich hält4. Auch die deutschen Wirtschafts- und Berufskammern haben sich nachfolgend in einer „Charta der funktionalen Selbstverwaltung durch Wirtschafts- und Berufskammern“ zu den Prinzipien der funktionalen Selbstverwaltung – und damit auch zum Status der Körperschaft öffentlichen Rechts – als Gewähr für einen leistungsfähigen und bürgernahen
1 Vgl. 2. Aufl., 148. 2 BT-Drs. 13/10297; Protokoll der 227. Sitzung, 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 20901. 3 BT-Drs. 14/9175. 4 BT-Drs. 15/3265.
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§ 3 Rz. 1 Status, Beiträge und Gebühren Verfassungsstaat bekannt5. Eine bereits 2012 im Bundestag eingereichte Petition zur Frage der Pflichtmitgliedschaft, Transparenz und demokratischen Beteiligungen bei den IHKs wurde vom Petitionsausschuss im Juli 2014 mehrheitlich zurückgewiesen, s. oben § 2 Rz. 46. Der Petitionsausschuss ist vor dem Hintergrund zahlreicher Beitragssenkungen, Änderungen des Finanzstatuts (Zuwendungen, Beschaffung, Beteiligungen) und Schaffung von Transparenz beim Finanzgebaren der Ansicht, „dass vor dem Hintergrund der dargestellten Maßnahmen kein grundlegender Bedarf für die geforderte Reform des IHK-Gesetzes besteht“. 2
Die einzelne IHK erwirbt den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts mit ihrer Gründung, sei es durch Verwaltungsakt aufgrund eines Gesetzes oder unmittelbar kraft Gesetzes. Bei der Umbildung früherer privatrechtlicher Kammern wurde der Körperschaftsstatus durch Verleihung erworben7. 1. Körperschaftsrecht
3
Damit ist der IHK im staatlichen Organisationsgefüge ein klar umrissener Platz zugewiesen, aus dem sich zahlreiche rechtliche Konsequenzen ergeben. Im Rahmen des Gesetzes finden die allgemeinen Grundsätze des Körperschaftsrechts Anwendung, wie sie in der Verwaltungslehre zum Organisationsrecht entwickelt8 und teilweise im Landesverwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein in der Fassung vom 3.10.19869 kodifiziert worden sind; dort werden generell für alle Nichtgebietskörperschaften die Errichtung und Aufhebung, das Satzungsrecht und die Staatsaufsicht behandelt10. Ebenso gelten damit für die IHKs alle bundesund landesrechtlichen Vorschriften, die generell die Körperschaften öffentlichen Rechts einbeziehen. In der Regel wird dann von den „sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts“ gesprochen11; verkürzt werden die IHKs oft auch als „landesunmittelbare Körperschaften“ bezeichnet, was jedoch den irrigen Eindruck einer Einordnung in die unmittelbare Staatsverwaltung und eines staatlichen Weisungsrechts erweckt. Bei landesrechtlichen Vorschriften bleibt jedoch stets der Vorrang des IHKG als Bundesrecht zu prüfen, was beispielsweise seinerzeit zum Wegfall der Fachaufsicht nach dem früheren Berliner Berufsbildungsgesetz12 oder auch zur Nichtanwen-
5 Text der Charta unter www.kammerrecht.de. 6 Vgl. Pet 1-17-09-7001-037837. http://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2012/_05/ _22/Petition_24793.abschlussbegruendungpdf.pdf. 7 Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1; Tettinger, Kammerrecht, 104; ferner die Nachweise aus der älteren Literatur in den Vorauflagen. 8 Vgl. Huber, 182. 9 SchHGVBl., 209. 10 §§ 37 bis 40, 50 bis 52, 65 bis 70. 11 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG des Bundes. 12 BVerwG v. 17.6.1961 – I B 135.60, DVBl. 1961, 449.
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Körperschaftsstatus (§ 3 Abs. 1)
Rz. 5 § 3
dung eines Landesverkündungsgesetzes13 oder zur Frage der Anwendbarkeit des staatlichen Haushaltsrechts auf die Rechnungsprüfung der IHKs in Bayern14 geführt hat. Auch andere landesrechtliche Eingriffe in Autonomie, Organisation oder Aufgabenkreis der Kammern werden dadurch ausgeschlossen, da Bundesrecht nach Art. 31 GG den Vorrang hat. Auch wenn die Kammern in diesem Zusammenhang oft zur „mittelbaren Staats- 4 verwaltung“ gerechnet werden, so wird dieser staatsrechtliche Begriff ihrem Charakter als funktionale Selbstverwaltungskörperschaften doch wenig gerecht. Er beruht auf dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Einheit der Staatsgewalt, wonach Körperschaftsstatus und hoheitliche Befugnisse nur vom Staat übertragen werden können, verkennt aber, dass bei Selbstverwaltungskörperschaften – abgesehen von § 1 Abs. 4 – im Schwerpunkt keine Übertragung originär staatlicher Aufgaben stattfindet, sondern eine öffentlich-rechtliche Anerkennung eigener Aufgaben; beispielsweise kann die Beratung gegenüber staatlichen Instanzen keine ursprüngliche und übertragungsfähige Staatsaufgabe sein. Darüber hinaus suggeriert der Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung eine Einordnung in einen staatlichen Verwaltungsaufbau, der gerade bei Selbstverwaltungskörperschaften nicht gegeben ist; insbesondere gibt es bei ihnen keine Fachaufsicht mit Weisungsrechten, sondern nur eine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1)15. In neuerer Zeit gab es vereinzelte Vorschläge, die IHKs statt in der Rechtsform 5 öffentlich-rechtlicher Körperschaften auf privatrechtlicher Basis zu organisieren und sie mit hoheitlichen Aufgaben zu beleihen16. Dem kann zwar nicht – wie bei den Gemeinden – eine verfassungsrechtliche Absicherung des Selbstverwaltungsrechts17 entgegengehalten werden. Eine derartige Änderung der Rechtsform der IHKs würde jedoch eine Schmälerung der den Mitgliedern der gegenwärtigen Industrie- und Handelskammern zugewiesenen demokratischen Partizipationsrechte bedeuten, was wiederum nur bei Beachtung des Willkürverbots und damit bei Vorliegen einer die Statusänderung tragenden Begründung zulässig wäre. Insoweit genießen die Kammern einen aus dem Demokratieprinzip in Verbindung mit dem Willkürverbot abgeleiteten relativen verfassungsrechtlichen Bestands-
13 OVG Rheinland-Pfalz v. 11.10.1988 – 6 A 9/88, GewArch 1989, 20. 14 Für ein Prüfungsrecht des Rechnungshofs bei IHKs in Bayern BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5.09, GewArch 2010, 69 m. Anm. Volino. 15 Stober, Industrie- und Handelskammern, 101; Tettinger, Kammerrecht, 129; Kluth, DÖV 2005, 368; Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 109. 16 So der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen v. 8.11.1996 – BT-Drs. 13/6063. Eine solche privatrechtliche Organisationsform der Kammern wäre verfassungsrechtlich zulässig, vgl. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 102, BVerfGE 146, 164; GewArch 2017, 375 m. Anm. Jahn. 17 Art. 28 Abs. 2 GG.
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§ 3 Rz. 5 Status, Beiträge und Gebühren schutz18, der bereits heute im Landesrecht19 seinen Niederschlag gefunden hat20. Abgesehen davon würde die Übertragung der von den IHKs derzeit in Selbstverwaltung wahrgenommenen Aufgaben auf Institutionen mit privatrechtlicher Organisationsform im Wege der Beleihung einen Übergang von der bloßen Rechtsaufsicht auf die Fachaufsicht und dementsprechend detailliertere Vorgaben des Gesetzgebers erfordern. Eine derartige Entwicklung stände im Gegensatz zur weithin verlangten Deregulierung des Wirtschaftsverwaltungsrechts. 6
Gornig weist zutreffend darauf hin, dass es den wirtschaftlichen Freiheitsrechten dient, wenn die Gewerbetreibenden eines Bezirks die Schwerpunkte der Kammerarbeit selbst bestimmen. Die Pflichtmitgliedschaft liege damit im Interesse einer Wirtschaftsform, die darauf abziele, den Unternehmen größtmögliche wirtschaftliche Freiheit zu garantieren, aber auch die soziale Komponente angemessen zu berücksichtigen21. 2. Behördenbegriff
7
Die IHK als öffentlich-rechtliche Körperschaft ist Träger öffentlicher Verwaltung und damit auch Behörde im Sinne des Verwaltungsrechts. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 4 der Verwaltungsverfahrensgesetze in Bund und Ländern und umfasst auch das schlichte Verwaltungshandeln22. Dabei kommt bei einer Nichtgebietskörperschaft – anders als in der kommunalen und staatlichen Verwaltung – der Körperschaft selbst die Behördeneigenschaft zu, nicht ihren jeweiligen Organen. Diese Organe sind keine organisatorisch selbständigen Stellen, welche ihre Beschlüsse selbst ausführen, sondern dienen lediglich der Willensbildung der IHK als Behörde23.
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Für Zusammenschlüsse von IHKs war bis zum Inkrafttreten des IHKGÄndG am 1.1.199924 weder im IHKG noch in den Ausführungsgesetzen der Länder eine öffentlich-rechtliche Rechtsform vorgesehen, so dass sie nur als privatrechtliche Vereinigung gebildet werden konnten. Von den Kammervereinigungen in den Bundesländern sind einige eingetragene, die meisten jedoch nicht rechtsfähige Vereine. Der DIHK ist ein eingetragener Verein. Die Mitgliedschaft der IHKs in 18 19 20 21
Kluth, Verfassungsfragen, 51. Art. 57 Abs. 1 Nds. Verf.; Art. 71 Abs. 1 BW Verf. Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 109, 114. Gornig, WiVerw 1998, 157, 174; Dem hat sich auch das BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111 angeschlossen, indem es auf „Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben“ und die „freiheitssichernde und legitimatorische Funktion der Pflichtmitgliedschaft“ durch die „Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen“ hinweist. 22 Vgl. Tettinger, Kammerrecht, 209. 23 Vgl. §§ 3 und 12 LVG Schleswig-Holstein. 24 BGBl. 1998 I, 1887.
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Körperschaftsstatus (§ 3 Abs. 1)
Rz. 9 § 3
den Landesvereinigungen und im DIHK ist von kammerzugehörigen Unternehmen verschiedentlich angegriffen, aber von den Gerichten stets als rechtmäßig angesehen worden25. Gesetzliche Mitglieder einer IHK, die Mitglied im DIHK e.V. ist, haben aber einen aus Art. 2 Abs. 1 GG (ggf. i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) ableitbaren Anspruch auf Beendigung der Mitgliedschaft der IHK in einem privatrechtlich organisierten Dachverband, wenn dieser sich außerhalb des Rahmens der Kammerkompetenzen betätigt und die konkrete Gefahr erneuten kompetenzüberschreitenden Handelns besteht.26 Kammervereinigungen und DIHK nehmen im Rahmen ihrer Satzung für die Mitgliedskammern gemeinsame Aufgaben wahr, insbesondere den Erfahrungsaustausch, die Koordinierung und die Zusammenfassung der Meinungen in überregionalen Fragen, vor allem aber auch die zentrale Information und Beratung der angeschlossenen Mitgliedskammern27. Soweit diese privatrechtlichen Zusammenschlüsse den gleichen Aufgabenkreis wie die IHKs haben, sind auch an den Kompetenzrahmen des § 1 Abs. 1 gebunden. Hoheitliche Aufgaben können von den IHKs nicht auf sie übertragen werden; dies kann nur durch Gesetz oder Verordnung des Staates geschehen28. Kammern dürfen dem Dachverband nur im Rahmen gesetzlicher Ermächtigung eigene Aufgaben übertragen. Sie bleiben also für die Aufgabenerledigung selbst zuständig und dafür verantwortlich, dass die Verbandstätigkeit die Grenzen der Kammerkompetenzen nach § 1 Abs. 1 wahrt29, siehe § 1 Rz. 39 Seit Inkrafttreten der IHKG-Änderung durch das 4. VwVfÄndG30 am 18.12.2008 haben die IHKs jedoch auf der Basis des neuen § 10 die Möglichkeit, zur Erfüllung einzelner Aufgaben diese auf andere IHKs oder öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse zu übertragen31. 3. Insolvenzverfahren Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht ei-
25 Siehe die Nachweise Vorauflage; ferner BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15, BVerwGE 154, 296, GewArch 2016, 289 m. Anm. Jesse; DVBl. 2016, 1067 m. Anm. Wiemers; nachfolgend OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09, GewArch 2019, 296 mit Anmerkung Jahn, GewArch 2019, 339; ebenso Tettinger, Kammerrecht, 229 unter Berufung auf § 65 WPO, wo der DIHK auch vom Gesetzgeber ausdrücklich genannt wird. 26 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15, BVerwGE 154, 296, GewArch 2016, 289; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019, 16 A 1499/09, GewArch 2019, 296; Revision unter BVerwG 8 C 23.19; Jahn, GewArch 2019, 339. 27 Vgl. Möllering, Lexikon des Rechts der Wirtschaft, D 100, 1. 28 Vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 der 27. DVO zum G 131 v. 10.6.1960, BGBl. I, 133. 29 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15, GewArch 2016, 289; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.4.2019 – 16 A 1499/09, GewArch 2019, 296. 30 V. 11.12.2008, BGBl. I, 2418. 31 Vgl. dazu näher die Kommentierung bei § 10.
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§ 3 Rz. 9 Status, Beiträge und Gebühren nes Landes untersteht, unzulässig, wenn das Landesrecht dies bestimmt32. Für die IHKs ist dies in allen Ländern geschehen33. Dies ist auch verfassungsrechtlich zulässig34.
II. Dienstherrenfähigkeit 1. Kammerbeamte 10
Die IHK hat das Recht, Beamte zu ernennen35. Dieses Recht ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus dem Körperschaftsstatus, sondern bedarf einer besonderen Verleihung. Rechtsgrundlage ist § 121 Nr. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes i.d.F. vom 27.2.198536, der einheitlich und unmittelbar auch in den Ländern gilt. Danach steht die Dienstherrenfähigkeit denjenigen Körperschaften zu, die sie bei Inkrafttreten des Beamtenrechtsrahmengesetzes am 1.9.1957 bereits hatten oder die sie später durch Gesetz, Rechtsverordnung oder genehmigte Satzung erhalten. Soweit also IHKs in diesem Zeitpunkt bereits öffentlich-rechtliche Körperschaften waren und die Dienstherrenfähigkeit hatten, verbleibt es dabei. Den IHKs, die nach 1945 privatrechtliche Vereinigungen waren und später gemäß § 9 des Gesetzes umgebildet worden sind, haben die Ausführungsgesetze der Länder die Dienstherrenfähigkeit verliehen37. Zusätzlich ist in den aufsichtsbehördlich genehmigten Kammersatzungen überall die Dienstherrenfähigkeit verankert.
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Die Dienstherrenfähigkeit verpflichtet die IHKs jedoch nicht dazu, Beamte zu ernennen; dies ist heute auch nicht mehr üblich. Art. 33 Abs. 4 GG sieht zwar vor, 32 Siehe zur Insolvenzfähigkeit von Kammern allgemein Rieger, passim; Rieger, GewArch 2011, 279; Zur Insolvenzfähigkeit von Handwerksinnungen siehe Klojer, GewArch 2019, 96. 33 Baden-Württemberg: Art. 1 § 45 des Gesetzes v. 28.2.1987 – GBl. 43; Bayern: Art. 25 AGGVG v. 23.6.1981 – GVBl. 188; Berlin: Gesetz v. 27.3.1990 – GVBl. 682; Brandenburg: § 6 des Gesetzes v. 13.9.1991 – GVBl. 28 v. 30.9.1991; Bremen: Art. 1 des Gesetzes v. 15.12.1987 – GBl. 293; Hamburg: Gesetz v. 25.4.1988 – GVBl. 49; Hessen: § 26 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes v. 7.3.1984 – Sammelblatt 578; Mecklenburg-Vorpommern: § 5 des Gesetzes v. 18.2.1992 – GVBl. MV, 98; Niedersachsen: § 1 des Gesetzes v. 27.3.1987 – GVBl. 67; Nordrhein-Westfalen: § 78 Abs. 3 VwVG NW v. 19.2.2003; Rheinland-Pfalz: § 8a des Gesetzes v. 1.7.1987 – Sammelblatt Nr. 25/95 v. 19.6.1987; Saarland: § 37 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes v. 27.3.1974 – ABl. 430; Sachsen: § 19 Abs. 1 SächsJG v. 24.11.2000 – SächsGVBl. 482; Sachsen-Anhalt: Gesetz v. 18.12.1992 – GVBl. LSA 869; Schleswig-Holstein: § 52 LVwG SH v. 2.6.1992 i.V.m. § 131 Abs. 2 GO SH v. 28.2.2003; Thüringen: § 7 des Gesetzes v. 7.12.1993 – GVBl. 757. 34 BVerfG v 23.3.1983 – 2 BvL 13/79, BVerfGE 60, 135; BVerfG v. 5.10.1993 – 1 BvL 34/81, NJW 1994, 1465. 35 Dienstherrenfähigkeit – vgl. Tettinger, Kammerrecht, 122. 36 BGBl. I, 463 mit Folgeänderungen. 37 § 5 Baden-Württemberg, Art. 4 Bayern, § 6 Berlin, § 11 Hamburg, § 7 Hessen.
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Dienstherrenfähigkeit
Rz. 14 § 3
dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe „in der Regel“ Beamten zu übertragen ist. Das Übergewicht der schlichtverwaltenden Tätigkeit bei den Kammern rechtfertigt jedoch die vorgesehene Ausnahme, wie übrigens auch ein Vergleich mit der Praxis anderer Nichtgebietskörperschaften zeigt38. Wenn eine IHK Beamte ernennt, gilt dafür das Beamtenrecht des Landes, wobei 12 die Sondervorschriften für Körperschaftsbeamte (früher auch mittelbare Staatsbeamte genannt) zu beachten sind. Die Besoldungsgrundlagen finden sich im Bundesbesoldungsgesetz, ergänzt im jeweiligen Landesbesoldungsgesetz; die Versorgung regelt sich nach dem Beamtenversorgungsgesetz. Die Versorgung der ehemaligen Kammermitarbeiter aus der Zeit vor 1945 richtete 13 sich nach dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen39 i.d.F. vom 13.10.196540. Für vertriebene Kammerbeamte und ihnen gleichgestellte Angestellte gilt die 27. DVO zum G 131 vom 10.6.196041. Die Treuhänderaufgabe nimmt der DIHK wahr42. 2. Kammerangestellte Auch die Tätigkeit als Angestellter einer IHK ist öffentlicher Dienst, was für die 14 verschiedenen Rechtsgebiete von Bedeutung ist, auch wenn für die Vergütung von Kammermitarbeitern meist andere Grundsätze als die des „öffentlichen Dienstes“ gelten. Für die IHKs gelten meist andere (nicht tarifgebundene) Beschäftigungsund Vertragsgrundsätze, im Übrigen ist die Befugnis für eigene Beschäftigungsund Vertragsbedingungen Ausfluss der Finanzautonomie der IHKs. Hauptgeschäftsführer sind Amtsträger i.S. von § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB, weil sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen43. Juristische Mitarbeiter können grundsätzlich nach § 7 Nr. 8 BRAO nicht bei der Rechtsanwaltschaft als niedergelassener Anwalt zugelassen werden, weil eine Kollision zwischen ihren Dienstpflichten und der Anwaltsaufgabe befürchtet wird44; unter den gesetzlichen Voraussetzungen 38 Vgl. BVerfG v. 27.4.1959 – BvF 2/58, BVerfGE 9, 284; OVG Nordrhein-Westfalen v. 4.11.1970 – III A 434/68, ZBR 1971, 207; Maunz/Dürig, GG, Art. 33 Anm. 33, 42. 39 G 131 v. 11.5.1951, BGBl I, 307, gültig bis 30.9.1994. 40 BGBl. I, 1685. 41 BGBl. I, 333. 42 Vgl. im Übrigen 3. Aufl., 190–192. 43 Vgl. zum Ermessensbeamten BGH v. 27.10.1959 – 5 StR 411/59, NJW 1960, 831; OLG Karlsruhe v. 11.7.1985 – 12 U 47/85 – für eine Sachbearbeiterin für Schuldnerverzeichnisse. 44 Siehe die Nachweise Vorauflage § 3 Rz. 14; ferner für den IHK-Hauptgeschäftsführer BGH v. 22.9.2017 – AnwZ (Brfg) 51/16, AnwBl 2017, 1229, BRAK-Mitt 2018, 41: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts kann auch ohne konkreten Interessenkonflikt allein schon wegen der Art der neben dem Anwaltsberuf gleichzeitig ausgeübten öffentlichen Aufgaben erschüttert werden. Dies gilt gerade für
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§ 3 Rz. 14 Status, Beiträge und Gebühren kommt allerdings eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt in Betracht. Kammermitarbeiter können keine ehrenamtlichen Beisitzer bei Verwaltungsgerichten sein, weil auch hier eine Kollisionsgefahr besteht45. Für frühere Beamte, die in den Kammerdienst getreten sind, finden auf ihre beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge die Ruhensvorschriften der §§ 53 und 55 des Beamtenversorgungsgesetzes Anwendung. Für Versorgungszusagen an Kammerangestellte gilt das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.197446, soweit nicht im Einzelfall das IHK-Versorgungswerk, das Gegenstand der Versorgungszusage ist, günstiger ist. Soweit die IHK dabei auf beamtenrechtliche Grundsätze abstellt oder ihre Zusatzversorgung am öffentlichen Dienst orientiert, findet auf unverfallbare Versorgungsanwartschaften § 18 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 Anwendung (ZusatzNachversicherung). Die Befreiung von der gesetzlichen Angestelltenversicherung und die Nachversicherungspflicht finden sich in den jeweiligen Vorschriften des SGB, insbesondere § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Wegen weiterer Einzelheiten s. 6. Aufl., § 3 Rz. 14. 15
In diesem Zusammenhang ist schließlich daran zu erinnern, dass für die IHKs das jeweilige Personalvertretungsgesetz des Landes gilt. Dienststellenleiter im Sinne der Personalvertretungsgesetze ist der Hauptgeschäftsführer; er ist Dienstvorgesetzter aller Kammermitarbeiter.
III. Haushaltsrecht, Doppik 16
§ 3 Abs. 2 des Gesetzes sah bis 31.12.2007 vor, dass die IHK einen „Haushaltsplan“ nach kameralistischen Grundsätzen aufzustellen hat und dass die Mittel – soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind – durch Beiträge der Kammerzugehörigen aufzubringen sind. Diese Vorschrift bildete die Grundlage für das Haushaltsrecht und die Finanzwirtschaft der Kammer, ergänzt durch § 4 Nr. 3–5, § 11 Abs. 2 und 3 und § 12 Abs. 1 Nr. 7. Zu weiteren Einzelheiten und Konsequenzen der Kameralistik s. 6. Aufl., Rz. 16.
16a
Die Rechnungslegung der IHKs erfolgte früher nach der allgemein für öffentlichrechtliche Körperschaften üblichen Kameralistik. Allerdings haben sich unter Federführung und Koordination des DIHK die IHKs bundesweit entschlossen, auf die kaufmännische Buchführung umzustellen, da diese für öffentlich-rechtliche Körperschaften, deren Mitglieder ausschließlich gewerbliche Unternehmen sind, zweckmäßiger und transparenter ist. Durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsden Hauptgeschäftsführer einer IHK, der in der Öffentlichkeit als Repräsentant und Entscheidungsträger wahrgenommen wird; Anders zur Vereinbarkeit einer Tätigkeit als IHK-Geschäftsführer mit dem Anwaltsberuf BGH v. 10.10.2011 – AnwZ (B) 49/10, NJW 2012, 534. 45 OVG Nordrhein-Westfalen v. 27.4.1961 – VIII E 16/61, DÖV 1961, 910. 46 BGBl. I, 3610.
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Haushaltsrecht, Doppik
Rz. 16a § 3
gesetz47 wurde das Rechnungswesen der IHKs von der bisherigen Kameralistik mit Wirkung vom 1.1.2008 auf die Doppik umgestellt48. Seit dem 1.1.2008 erfolgt demgemäß die Rechnungslegung der IHKs verbindlich nach den Grundsätzen der kaufmännischen Buchführung (Doppik), eine alternative Rechnungslegung nach den bisher üblichen kameralistischen Grundsätzen ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut also ab 2008 unzulässig. Im Zuge von Pilotprojekten hatten die IHKs schon im Vorfeld der gesetzlichen Änderung verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Rechnungslegung nach den Grundsätzen kaufmännischer Buchführung vorzunehmen. Zielsetzung der Umstellung der IHKs auf die Doppik ist vor allem eine Erhöhung der Transparenz für ihre Mitglieder und eine Stärkung des Etatrechts der IHK-Vollversammlungen49. Die IHK-zugehörigen Unternehmen wenden selbst kaufmännische Rechnungslegungsgrundsätze an, weshalb Unternehmern und Unternehmensvertretern das neue System besser vertraut ist. Mit der Umstellung auf die Doppik wird es dem für die Entscheidung über den Haushalt zuständigen Ehrenamt der IHK (Vollversammlung)erleichtert, die Wirtschafts- und Finanzplanung der IHK nachzuvollziehen und zu verabschieden. Die Unterschiede zwischen dem eigenen Unternehmen und der eigenen IHK werden in der Abbildung der finanziellen Abläufe geringer. Die damit erwartete steigende Zahlentransparenz soll schließlich auch die Akzeptanz der IHKs bei ihren Mitgliedsunternehmen steigern50. Die Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik hat eine redaktionelle Anpassung des IHKG an die Begrifflichkeit der kaufmännischen Buchführung erforderlich gemacht. Da die im HGB geregelten Grundsätze der Doppik nicht deckungsgleich auf alle Geschäftsvorgänge einer IHK übertragen werden können, wird durch den im MEG II neu eingefügten § 3 Abs. 7a nur eine „sinngemäße“ Anwendung der Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung vorgeschrieben, die durch das Satzungsrecht der Kammer unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts zu konkretisieren ist. Hiermit wird das sog. Finanzstatut51 eingeführt, das die bisherige Haushalts-, Kassenund Rechnungslegungsordnung (HKRO) ablöst. Das Finanzstatut ist durch die jeweilige IHK-Vollversammlung zu beschließen52, von der nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörde rechtsaufsichtlich zu genehmigen53 und öffentlich bekannt zu machen54. Soweit hiernach (auch) die elektronische Verkündung von
47 MEG II v. 7.9.2007, BGBl. I, 2246. 48 Art. 30 Abs. 1 Satz 3 MEG II; Zu den Änderungen durch Einführung der Doppik bei den IHKs siehe Jahn, GewArch 2007, 353; Jahn, GewArch 2008, 340. 49 Vgl. BT-Drs. 16/4391, 64. 50 BT-Drs. 16/4391, 65; Jahn, GewArch 2007, 353, 354. 51 § 3 Abs. 7a Satz 2. 52 § 4 Satz 2 Nr. 8. 53 § 11 Abs. 2. 54 § 4 Satz 2 Nr. 7 i.V.m. dem jeweiligen Satzungsrecht der Kammer.
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§ 3 Rz. 16a Status, Beiträge und Gebühren Satzungsrecht vorgesehen ist, hat diese nach dem durch das MEG II neu eingefügten § 4 Satz 4 ausschließlich im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen. 16b
Ausgangspunkt der doppischen Buchführung ist bzw. war die Eröffnungsbilanz, die von der Vollversammlung zu beschließen und anschließend öffentlich bekannt zu machen ist. Der Eröffnungsbilanz liegt eine Bestandsaufnahme (Inventur) und Bewertung des Kammervermögens und der Schulden zu Grunde. Die rechtlichen Grundlagen für die Erstellung der Eröffnungsbilanz nach kaufmännischen Grundsätzen55 bilden das von der IHK-Vollversammlung verabschiedete56 und von der Aufsichtsbehörde genehmigte57 Finanzstatut58. Die Aufstellung der Eröffnungsbilanz erfolgt nach den einschlägigen Vorschriften der §§ 238 ff. HGB, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, den Regeln des Finanzstatuts i.V.m. den Richtlinien zur Ausführung des Finanzstatuts sowie den Sondervorschriften zur Erstellung der Eröffnungsbilanz. Die Gliederung der Eröffnungsbilanz erfolgt nach einem in einer Anlage zum Finanzstatut vorgeschriebenen Gliederungsschema. Die Prüfung der Eröffnungsbilanz ist durch die zuständige Stelle59 auf der Grundlage der landesrechtlichen Richtlinien für die Prüfung der Jahresrechnung der IHKs vorzunehmen. Die Aufstellung der Eröffnungsbilanz liegt in der Verantwortung des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers der IHK, der zugleich Beauftragter für die Wirtschaftsführung der IHK ist. Die prüfende Stelle erteilt bei beanstandungsfreier Prüfung der Eröffnungsbilanz einen entsprechenden Bestätigungsvermerk, der der nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörde zur Kenntnis gegeben wird. Die Aufsichtsbehörde hat lediglich bei Rechtsverstößen ein Beanstandungsrecht60, jedoch keine fachaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse. Mit Rücksicht auf die Finanzautonomie der IHK bedarf die Eröffnungsbilanz auch keiner Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
16c
Mit der Umstellung der Rechnungslegung der IHKs nach den Grundsätzen kaufmännischer Buchführung (Doppik) sind auch redaktionelle Änderungen im IHKG erforderlich geworden. So ist das Wort „Haushaltsplan“ durch den Begriff „Wirtschaftsplan“ ersetzt worden61. Folgeänderungen betreffen die das Haushaltsrecht der IHKs betreffenden Vorschriften, in denen der Begriff „Haushaltssatzung“ durch „Wirtschaftssatzung“ bzw. das „Haushaltsjahr“ durch „Geschäftsjahr“ ersetzt worden ist62. Durch Neufassung des § 12 Abs. 1 Nr. 7 sind die Landesgesetzgeber ermächtigt worden, ergänzende Vorschriften für die Prüfung
55 56 57 58 59 60 61 62
§§ 238 bis 256 HGB. § 4 Satz 2 Nr. 8. § 11 Abs. 2. § 3 Abs. 7a. Rechnungsprüfungsstelle der IHKs oder Wirtschaftsprüfer. § 11 Abs. 1. § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2. § 3 Abs. 3 Satz 5; § 4 Satz 2 Nr. 3 und 8.
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Haushaltsrecht, Doppik
Rz. 17 § 3
der Jahresrechnung der IHKs zu erlassen. Von dieser Ermächtigung haben die Länder Gebrauch gemacht63. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 7 i.d.F. bis 31.12.2007 waren die Grundsätze über die Rech- 16d nungslegung und die Prüfung der Jahresrechnung der Regelung durch den Landesgesetzgeber überlassen. Das Landesrecht sah vor, dass die Rechnungslegung der IHKs den Grundsätzen entsprechen muss, die für das staatliche Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen gelten. Dazu hatte sich die IHK mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde eine Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) zu geben. Dieses autonome Haushaltssatzungsrecht ist durch die Einführung der Doppik per 1.1.2008 nicht gänzlich obsolet geworden, sondern hat für Haushaltsjahre bis einschließlich 2007, auch wenn die Prüfung der jeweiligen Jahresrechnung erst nach dem 31.12.2007 erfolgt, noch Geltung. Etwas anderes gilt nur, wenn eine IHK bereits vor Einführung des neuen doppischen Rechnungswesens durch das MEG II mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde einen Vollversammlungsbeschluss zur Einführung einer Rechnungslegung nach kaufmännischen Grundsätzen gefasst hatte. Damit ist wie folgt zu differenzieren: 1. Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) Ausgangspunkt ist § 11 Abs. 3, der das Beiträgegesetz vom 24.3.193464 für den Be- 17 reich der Kammern außer Kraft setzt; dort war seinerzeit in § 6 die sinngemäße Anwendung der Reichshaushaltsordnung vorgeschrieben worden. Stattdessen beschränkte § 12 Abs. 1 Nr. 765 die Bundesländer darauf, Grundsätze für die Rechnungslegung und die Prüfung der Jahresrechnung der Kammern zu erlassen. In den Ausführungsgesetzen der Bundesländer wurde deshalb nur noch für diesen Teilbereich von den Grundsätzen des staatlichen Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens66, den Grundsätzen der Reichshaushaltsordnung67 oder einer sinngemäßen Anwendung der Reichshaushaltsordnung gesprochen. Im Übrigen wurde mehrfach auf die HKRO verwiesen, welche sich die IHKs selbst gaben und die teilweise der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurfte68. Im Ergebnis zeigten alle diese Vorschriften, dass damit nur ein Rahmen für das Haushaltsrecht der IHKs gesetzt, ihnen also die sachgerechte und zweckmäßige Durchführung im Einzelnen überlassen bleibt. Als Selbstverwaltungskörperschaften behalten sie den notwendigen Spielraum für eine ihren Verhältnissen entsprechende Anpassung des öffentlichen Haushaltsrechts. An die Stelle einer unmittelbaren oder sinn63 Z.B. in Bayern durch Änderung von Art. 3 AGIHKG durch Gesetz v. 27.11.2007, BayGVBl., 785. 64 RGBl. I, 235. 65 I.d.F. bis 31.12.2007. 66 Art. 3 Bayern. 67 § 2 Hessen. 68 Art. 3 Bayern; § 2 Rheinland-Pfalz; § 4 Saarland; § 2 Abs. 1 Berlin i.d.F. des Änderungsgesetzes v. 21.3.1967 – GVBl. 512 sowie in den neuen Bundesländern.
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§ 3 Rz. 17 Status, Beiträge und Gebühren gemäßen Anwendung der Haushaltsordnungen im Einzelfall trat also die von den IHKs erlassene HKRO. 18
§ 48 Abs. 1 HGrG normiert i.V.m. § 42 Abs. 1 HGrG den Grundsatz möglichst lückenloser Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung der landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch die Rechnungshöfe. § 42 Abs. 1 HGrG sieht eine Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und der Länder durch die Rechnungshöfe vor. Nach § 48 Abs. 1 HGrG ist er auf die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts entsprechend anzuwenden, soweit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes nichts anderes bestimmt ist. §§ 11 Abs. 3 Halbs. 2, 12 Abs. 1 Nr. 7 erfüllen nach Ansicht des BVerwG69 nicht den Ausnahmevorbehalt des Landeshaushaltsrechts (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BayLHO); die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Industrie- und Handelskammern in Bayern unterliegt folglich der Prüfung durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof, und zwar auch unter Geltung der Doppik.
19
Der DIHK hatte ein Muster für eine Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) erarbeitet, das von den IHKs mit geringfügigen Abweichungen übernommen und aufgrund ihrer Satzungsgewalt erlassen worden ist; es trat an die Stelle der §§ 1–87 der Landeshaushaltsordnung. Es gab dazu einen MusterHaushaltsplan, Muster-Verwaltungsvorschriften und Erläuterungen70.
20
Die HKRO ist ihrer Rechtsnatur nach Satzungsrecht, wenn sie von der Vollversammlung verabschiedet und verkündet wurde. Sie ist dann für die IHK als statutarisches Recht für Haushaltsjahre bis einschließlich 2007 sowie für die hierauf bezogene Prüfung der Jahresrechnung verbindlich. Verstöße gegen die HKRO rechtfertigen deshalb bei Rechtsverletzungen eine Beanstandung durch die Staatsaufsichtsbehörde nach § 11 Abs. 1. Aber auch, wenn die HKRO nur als Verwaltungsvorschrift vom Präsidium erlassen wurde, ist sie kammerintern verbindlich. Verstöße sind dann insoweit Rechtsverletzungen, als darin gleichzeitig die auch für die IHKs verbindlichen Grundsätze des öffentlichen Haushaltsrechts konkretisiert worden sind; bloße Zweckmäßigkeits- und Ordnungsvorschriften der HKRO haben diese Folgen nicht.
21
Die HKRO lehnt sich in Terminologie und Grundsätzen weitgehend an das öffentliche Haushaltsrecht in Bund und Ländern an, ist jedoch auf die spezifischen Bedürfnisse der IHKs zugeschnitten und mit den Staatsaufsichtsbehörden abgestimmt oder, soweit das Landesrecht es vorsieht, von ihnen auch genehmigt und gilt für Haushaltsjahre bis einschließlich 2007 grundsätzlich fort. Zu den wichti69 BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5/09, BVerwGE 135, 100, GewArch 2010, 69; a.A. noch die Vorinstanz Bay VGH v. 5.11.2007 – 22 BV 06.1281, GewArch 2008, 72; Siehe auch Vorauflage Rz. 18. 70 Kauczor, Haushaltsrecht der Industrie- und Handelskammern, erläutert anhand der Muster-HKRO sowie der vorläufigen Muster-Verwaltungsvorschriften, 1985.
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Haushaltsrecht, Doppik
Rz. 21b § 3
gen Grundsätzen gehört es, dass der Entwurf für Haushaltsplan und Haushaltssatzung vor Beginn des Haushaltsjahres vorgelegt wird (Grundsatz der Vorherigkeit) und dass bis zu einer Verabschiedung nur Haushaltsmittel im Rahmen der Ausgabenansätze des abgelaufenen Haushaltsjahres geleistet werden dürfen. Einnahmen und Ausgaben sind in voller Höhe und getrennt voneinander zu veranschlagen, so dass Saldierungen unzulässig sind71. Der Haushalt war in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen (Grundsatz des Haushaltsausgleichs). Im Übrigen muss hier auf die HKRO, die Vorläufigen Verwaltungsvorschriften und die Erläuterungen dazu sowie auf die Kommentare zum Haushaltsrecht verwiesen werden. 2. Finanzstatut (§ 3 Abs. 7a) a) Muster-Finanzstatut Mit Einführung der Rechnungslegung nach den Grundsätzen kaufmännischer Buchführung (Doppik) gilt für die IHKs verbindlich ab dem Wirtschaftsjahr 2008 das durch § 3 Abs. 7a neu eingeführte Finanzstatut, das ab diesem Zeitpunkt die bisherige HKRO ablöst. Den Rechtsrahmen hierfür schafft der neu eingefügte § 3 Abs. 7a; § 12 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. den entsprechenden Ländervorschriften. Die Länderregelungen in den Ausführungsgesetzen zum IHKG sehen zwar eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechtes vor, haben in ihren Ausführungsbestimmungen aber klar gestellt, dass den IHKs keine bestimmte Art von Buchführungssystem (insbesondere Kameralistik oder kaufmännische Buchführung) vorgeschrieben werden soll72.
21a
Der DIHK hat ein Muster-Finanzstatut erarbeitet, das von den IHKs mit gering- 21b fügigen Abweichungen übernommen und aufgrund ihrer Satzungsgewalt73 erlassen worden ist. Das Finanzstatut tritt damit ab dem Wirtschaftsjahr 2008 an die Stelle der bisherigen HKRO, die ihrerseits die §§ 1, 87 der Landeshaushaltsordnung ersetzte. Ergänzend dazu gibt es einen Muster-Wirtschaftsplan sowie Muster-Richtlinien bzw. Erläuterungen zum Finanzstatut. Für die Anlage des Kapitalvermögens der Kammer sieht § 23 MFS den Erlass von Anlagerichtlinien vor, die von der Vollversammlung zu beschließen sind. Diese können (müssen aber nicht) die Zuständigkeit eines gesondert zu bildenden Anlageausschusses vorsehen (§ 8 Rz. 12); soweit dies nicht der Fall, trifft Anlageentscheidungen der Beauftragte für die Wirtschaftsführung im Rahmen des jeweiligen Wirtschaftsplanes.
71 Bruttoprinzip und Grundsatz der Vollständigkeit. 72 Siehe z.B. in Bayern Art. 3 AGIHKG i.d.F. des Gesetzes v. 27.11.2007, BayGVBl. 785 und dazu BayLT-Drs. 15/8211. 73 § 4 Satz 2 Nr. 8.
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§ 3 Rz. 21c Status, Beiträge und Gebühren 21c
Das Finanzstatut ist seiner Rechtsnatur nach Satzungsrecht, es muss von der Vollversammlung verabschiedet74 und im Veröffentlichungsorgan der IHK verkündet werden. Das Finanzstatut ist dann für die IHK als statutarisches Recht verbindlich und erfüllt die Voraussetzungen, die § 48 HGrG und § 105 Abs. 1 LHO an eine abweichende Regelung stellen. Vor der öffentlichen Bekanntmachung bedarf das von der Vollversammlung beschlossene Finanzstatut der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörde75. Verstöße der Kammer gegen das Finanzstatut rechtfertigen als Rechtsverletzungen eine Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde nach § 11 Abs. 1.
21d
Das Finanzstatut lehnt sich in Terminologie und Grundsätzen an die kaufmännische Buchführung nach dem HGB an, berücksichtigt allerdings hierbei die spezifischen Geschäftsvorgänge einer IHK. In der Terminologie löst der „Wirtschaftsplan“ den bisherigen „Haushaltsplan“ ab, die „Wirtschaftssatzung“ die bisherige „Haushaltssatzung“ und das „Geschäftsjahr“ das bisherige „Haushaltsjahr“. Zu den wichtigsten Grundsätzen zählt, dass der Entwurf des Wirtschaftsplanes einschließlich Wirtschaftssatzung vor Beginn des Geschäftsjahres vorgelegt wird (Grundsatz der Vorherigkeit). Die Rechnungslegung erfolgt im Rahmen eines von der Vollversammlung zu beschließenden Nachtrags-Wirtschaftsplanes sowie einer Bilanz nach kaufmännischen Grundsätzen76. b) Muster-Finanzstatut 2014/2015
21e
Auf Anregung der Rechtsaufsichtsbehörden der Länder hat sich der DIHK Ende November 2012 mit dem bislang geltenden Finanzstatut und den dazu erlassenen Richtlinien befasst und den IHKs Änderungen empfohlen. Das Muster-Finanzstatut und die dazu ergangenen Richtlinien (RFS) wurden am 10.4.2013 abermals geändert. Mit diesen Maßgaben steht den IHKs in Deutschland seit 2014 ein neues Regelungswerk zur Verfügung, das allerdings zunächst von der jeweiligen Vollversammlung zu beschließen (§§ 3 Abs. 7a; 4 Satz 2 Nr. 8) und nachfolgend vor Veröffentlichung rechtsaufsichtlich zu genehmigen ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 1). Das neue Finanzstatut (MFS 2015) wurde in aller Regel spätestens ab Wirtschaftsjahr 2015 angewendet77. Die Änderungen in der doppischen Haushaltsführung der IHKs betreffen Änderungen im – von den Kammern nachfolgend durch Vollversammlung umzusetzenden- Muster-Finanzstatut (MFS) und Änderungen in den dazu als Ausführungsbestimmungen unterhalb des Satzungsrechts erlassenen Richtlinien zum Finanzstatut (RFS). Die Neuerungen betreffen die Personalübersicht, den Investitionsplan und die Übersicht über die Finanzanlagen als Bestandteil des Wirt74 75 76 77
§ 4 Satz 2 Nr. 8. § 11 Abs. 2. §§ 238 bis 256 HGB. Vgl. zum neuen Finanzstatut näher Jahn, GewArch 2014, 64.
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Haushaltsrecht, Doppik
Rz. 21e § 3
schaftsplanes, die Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit insbesondere im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe sowie die Ermächtigung zur Planung eines Gewinnvortrags im Nachtrags-Wirtschaftsplan. Den Kern der Änderungen im neuen Muster-Finanzstatut stellen aber die Neuregelungen zur Nettoposition, zur Abschaffung der Liquiditätsrücklage und zu den Änderungen bei der Ausgleichsrücklage dar. Die Nettoposition kann bei erheblicher Änderung der aktuellen Verhältnisse beim unbeweglichen Sachanlagevermögen im Vergleich zum Eröffnungsbilanzstichtag angepasst werden. Sie darf im Regelfall nicht größer sein als das zur Erfüllung der Aufgaben der IHK notwendige um Sonderposten verminderte unbewegliche Sachanlagevermögen (§ 15a Abs. 1 MFS 2015). Mit der Streichung der bisherigen Liquiditätsrücklage ergibt sich unter Geltung des neuen Muster-FS für die IHK-Vollversammlungen die Verpflichtung, die Liquiditätsrücklage (ergebniswirksam) vollständig aufzulösen. Die Vollversammlung ist hierbei berechtigt eine neue „andere“ Rücklage zu bilden, unterliegt hierbei allerdings einer strikten Zweckbindung und muss auch den Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme dieser Rücklage definieren. Für die Abschmelzung der bisherigen Liquiditätsrücklage sieht das neue Finanzstatut eine Übergangsfrist vor. Hiernach war die Liquiditätsrücklage grundsätzlich bis spätestens 31.12.2018 zu verwenden oder aufzulösen (§ 24 Satz 2 MFS 2015). § 15a Abs. 2 MFS 2018 verpflichtet (wie bisher) die IHK auch künftig eine Ausgleichsrücklage zu bilden. Anders als bisher dient diese allerdings dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen, ist also nicht auf Veränderungen im Beitragsaufkommen beschränkt. Die Ausgleichsrücklage dient als neue Pflichtrücklage demnach der umfassenden Absicherung aller ergebniswirksamen Ertrags- und Aufwandsrisiken einer IHK78. Die Grundsätze einer Rücklagenbildung sind nicht nur für die Haushaltsplanung unter der (früheren) Kameralistik verbindlich, sondern gelten auch für die Wirtschaftsplanung nach Einführung der Doppik nach § 3 Abs. 7a mit Gewinnund Verlustrechnung und Bilanzierung79. Anders als in der Kameralistik handelt es sich zwar bei den Passivposten einer doppischen Vermögensrechnung nicht um bei Bedarf verwendbare liquide Mittel, weil diese Funktion in der Doppik das Umlaufvermögen auf der Aktivseite der Bilanz übernimmt. Doppische Rücklagen dienen jedoch als Passivposten der Deckung der Aktivseite der Vermögensrechnung und werden als Teil des Eigenkapitals – anders als allgemein üblich – gesondert ausgewiesen. Damit die Rücklagen ihren Zweck im Bedarfsfall erfüllen können, sind sie deshalb mit entsprechenden Aktiva zu unterlegen, die die im Bedarfsfall kurzfristig aufgelöst werden können80. 78 Näher Jahn, GewArch 2014, 64, 67. 79 VG Magdeburg v. 27.6.2018 – 3 A 74/16 MD und 3 A 75/16 MD; VG Trier v. 22.2.2018 – 2 K 5521/17.TR; VG Köln v. 15.2.2017 – 1 K 1473/16; VG Mainz v. 10.11.2017 – 4 K 1310/16.MZ. 80 VGH Baden-Württemberg v. 2.11.2016 – 6 S 1261/14, DÖV 2017, 258; VG Magdeburg v. 27.6.2018 – 3 A 74/16 MD und 3 A 75/16 MD.
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§ 3 Rz. 21e Status, Beiträge und Gebühren Zur Bildung und Höhe der Rücklagen (Ausgleichs- und Liquiditätsrücklage) gibt es eine umfangreiche Einzelfallrechtsprechung (s.u. bei Rz. 46a), die sich mit der Bildung unzulässigen Kammervermögens durch Überdotierung der Ausgleichsrücklage befasst. Nach der Rechtsprechung überschreiten die Kammern ihren Gestaltungsspielraum, wenn die Höhe ihrer Rücklagenbildung gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Schätzgenauigkeit verstößt, s.u. Rz. 29, 46a81. Zur Beachtung dieses Grundsatzes hat die Kammerorganisation ein digitales Risiko-Tool entwickelt, das in der Rechtsprechung positiv bewertet wird82. Zur Einhaltung des Grundsatzes der Schätzgenauigkeit bedarf es nicht einer konkreten Bezifferung einzelner Risiken. Der Vollversammlung muss aber bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan bewusst sein, welche finanzielle Risiken (z.B. sinkende Beitragseinnahmen; rückläufige Gebühren oder Entgelteinnahmen; hohe, konkret benannte Finanzierungsverpflichtungen) sie im kommenden Wirtschaftsjahr sieht; ohne diese Kenntnis kann die Vollversammlung nicht schätzgenau beurteilen, welche Beitragsmittel sie noch für erforderlich hält, um die Aufgabenerledigung zu finanzieren83. In der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt ist, ob eine (Ausgleichs-) rücklage bereits ab dem „ersten Euro“ mit einer hinreichenden Risikoprognose unterlegt sein muss oder ob eine pauschalierte Rücklagenbildung unter Beachtung der Dotierungsgrenzen im jeweiligen Finanzstatut zulässig ist. Ein Teil der Rechtsprechung steht einer Pauschalierung restriktiv ablehnend gegenüber und hält eine Risikoprognose für die gesamte gebildete Rücklage für erforderlich84. Nach anderer Ansicht ist Pauschalierung jedenfalls dann zulässig, wenn sich die Ausgleichsrücklage im unteren Bereich des durch das Finanzstatut gezogenen Rahmens bewegt85. Nach weiterer Ansicht dient die Vorhaltung einer pauschalierten Mittelreserve innerhalb eines durch das Finanzstatuts definierten Korridors stets dem Grunde nach einem sachlichen Zweck und stellt schon deshalb keine un81 BVerwG, v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, NVwZ 2016, 613; Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17 und 8 LB 129/17; VGH Baden-Württemberg v. 2.11.2016 – 6 S 1261/14, DÖV 2017, 258; Jahn, BayVBl. 2018, 258. 82 Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17 und 8 LB 129/17; VG Magdeburg v. 27.6.2018 – 3 A 74/16 MD und 3 A 75/16 MD; VG Düsseldorf v. 19.6.2018 – 20 K 6513/16; VG Sigmaringen v. 20.5.2019 – 1 K 1145/18; VG Gelsenkirchen v. 21.5.2019 – 19 K 2505/17. 83 Jahn, GewArch 2016, 263, 268; VG Düsseldorf v. 19.6.2018 – 20 K 6513/16; VG Düsseldorf v. 30.3.2017 – 20 K 3225/15. 84 VG Düsseldorf v. 30.3.2017 – 20 K 3225/15; VG Gelsenkirchen v. 21.11.2017 – 19 K 903/16 Rz. 42; offengelassen von VG Magdeburg v. 27.6.2018 – 3 A 74/16 MD und 3 A 75/16 MD. 85 VG Köln v. 15.2.2017 – 1 K 1473/16 Rz. 81; Schl.-Holst. VG v. 15.2.2018 – 12 A 173/16 Rz. 33; VG Mainz v. 10.11.2017 – 4 K 1310/16.MZ Rz. 28; ähnlich VG Würzburg v. 25.4.2018 – 6 K 17.376; VG Ansbach v. 8.11.2017 – 4 K 15.01648 – Ausgleichsrücklage in Höhe eines Betrages etwa in der Mitte des durch das Finanzstatut vorgegebenen Rahmens ohne weitere Darlegungen notwendig und angemessen.
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zulässige Vermögensbildung dar86. Noch weitergehend ist schließlich die Ansicht, dass eine pauschalierte Rücklagenbildung (ohne „eurogenaue“ Risikoprognose) jedenfalls solange nicht zu beanstanden ist, wie sie sich innerhalb des Musterfinanzstatuts (MFS 2015) vorgesehenen Rahmens von 30 – 50 % der betrieblichen Aufwendungen bewegt und die Kammer in ihrem Finanzstatut (§ 3 Abs. 7a) eine entsprechende Grenze als selbstbindendes Satzungsrecht beschlossen hat87. Dass es sich stets um Einzelfallentscheidungen handelt, hat das BVerwG88 klargestellt; vor diesem Hintergrund kann von einer bindenden und gefestigten Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Risikoprognose nicht ausgegangen werden. Jedenfalls ist bei der Risikoprognose und den dieser zugrundeliegenden Risiken von einem weiten Gestaltungsspielraum der IHK auszugehen89. c) Muster-Finanzstatut 2020/2021 Das Muster-Finanzstatut und die dazu ergangenen Richtlinien (RFS) wurden 21f durch Empfehlung der DIHK- Kommission für Kammerrechtspolitik vom 14.1.2020 abermals geändert. Mit diesen Maßgaben steht den IHKs in Deutschland ab 2020 (bzw. 2021) ein neues Regelungswerk zur Verfügung, das allerdings zunächst von der jeweiligen Vollversammlung zu beschließen (§§ 3 Abs. 7a; 4 S. 2 Nr. 8 IHKG) und nachfolgend vor Veröffentlichung rechtsaufsichtlich zu genehmigen ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 IHKG). Das neue Finanzstatut (MFS 2020/2021) wird in aller Regel spätestens ab Wirtschaftsjahr 2021 angewendet. Vor dem Hintergrund des Urteils des BVerwG aus dem Jahr 201590 und der divergierenden Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Beachtung des Grundsatzes der Schätzgenauigkeit und Vermeidung unzulässiger Vermögensbildung wurde seit 2018 über eine Weiterentwicklung des Muster-Finanzstatuts diskutiert, um 86 In diesem Sinne Jahn, GewArch 2016, 263, 268; Jahn, BayVBl.2018, 258, 263; VGH Baden-Württemberg v. 20.7.2016 – 6 S 1261/14 Rz. 36; VG Darmstadt v. 8.7.2019 – 7 K 1397/14.DA; VG Dresden v. 8.5.2019 – 4 K 2905/14; VG Trier v. 22.2.2018 – 2 K 5521/17.TR Rz. 48; VG Frankfurt a. M. v. 9.8.2018 – 12 K 229/17.F und 12 K 9695/17.F – Hält sich die Ausgleichsrücklage im Rahmen von 30 – 50 Prozent der geplanten Aufwendungen (§ 15 Abs. 3 FS), spielt das Gebot der Schätzgenauigkeit keine Rolle, weil es sich insoweit um eine Rechtsvorschrift handelt und nicht um eine Schätzung im Sinne einer Prognose. 87 Heusch, GewArch 2019, 53, 56 nimmt sogar an, dass wegen der Selbstbindung beschlossenen Satzungsrechts auch eine Unterschreitung der Untergrenze bei der Rücklagenbildung rechtswidrig ist. 88 BVerwG v. 22.6.2018 – 10 B 6.17, „Die von der Beklagten in Bezug genommene (divergierende) Rechtsprechung mehrerer Verwaltungsgerichte betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall. Dass die rechtliche Bewertung unterschiedlicher Sachverhalte zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt hat, liegt in der Natur der Sache und begründet keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf.“ 89 Nds. OVG v. 28.3.2019 – 8 LA 51/18. 90 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, NVwZ 2016, 613.
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§ 3 Rz. 21f Status, Beiträge und Gebühren neben einer verbesserten Transparenz für Dritte auch eine schlüssige und angemessene Vermögensstruktur und – ausstattung zu gewährleisten. Über eine Änderung des Muster-Finanzstatutes sollen die Voraussetzungen für eine angemessene und schlüssige Vermögensstruktur und -ausstattung der IHKs sichergestellt und die Nachvollziehbarkeit für Dritte verbessert werden. Dafür erscheinen immer weitergehende Untergliederungen und Festlegungen zum Eigenkapital (Passivseite) nicht zielführend. Vielmehr sollen Ziele und Zwecke einer Vermögensbildung dort erläutert werden, wo Vermögen in der Bilanz ausgewiesen wird, nämlich auf der Aktivseite der Bilanz. So kann dem Vorwurf der „unerlaubten Vermögensbildung“ besser begegnet werden. Die Untergliederung des Eigenkapitals nach Zwecken würde dann künftig entfallen. Um die Nachvollziehbarkeit und Transparenz zu erhöhen wird in dem Konzept für ein neues Finanzstatut vorgeschlagen, dass die IHKs ihre finanzwirtschaftlichen Ziele und Grundsätze jeweils in Vollversammlungsbeschlüssen festlegen. Das neue Muster-Finanzstatut 2020/2021 umfasst drei Kernelemente: – Finanzwirtschaftliche Grundsätze: Entscheidungen über Finanzierungsgrundsätze (insbesondere zum Verhältnis Eigenkapital – Fremdkapital, Innenfinanzierung, Vorsorge) obliegen den einzelnen Vollversammlungen im Rahmen ihres Gestaltungsspielraumes. – Vermögenszweckbindung: Vermögenswerte, deren Zweck nicht selbst erklärend sind (Finanz- und Geldvermögen), werden künftig im Anhang dargestellt. Dabei wird erläutert, für welche Zwecke (Pensionsrückstellungen, Risikovorsorge etc.) Finanz- und Geldvermögen vorgehalten wird. – Struktur und Höhe des Eigenkapitals: Mit der Entscheidung über die konkreten Finanzierungsgrundsätze und des erforderlichen Vermögens werden Kapiatalstruktur und Eigenkapitalhöhe bestimmt. Durch die Darstellung der Vermögenszwecke wird ein gesonderter Ausweis von Rücklagen entbehrlich. An die Stelle der Nettoposition und der Rücklagen treten die Positionen „Basiskapital“ und „Sonstiges Eigenkapital“. 3. Wirtschaftsplan (§ 3 Abs. 2) a) Inhalt des Wirtschaftsplans 22
Der in § 3 Abs. 2 Satz 1 vorgeschriebene Wirtschaftsplan verpflichtet die IHK, alljährlich Erträge und Aufwendungen zu veranschlagen. Das Geschäftsjahr der IHKs ist nach dem Vorbild von Bund, Ländern und Gemeinden überall auf das Kalenderjahr umgestellt worden.
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Für die formelle Gestaltung des Wirtschaftsplans enthält das Gesetz keine Vorschriften. Sie ergibt sich vielmehr aus dem Finanzstatut (jetzt MFS, früher HKRO), zu dem auch ein Muster-Wirtschaftsplan nebst Anlagen gehört. Der Wirtschaftsplan beinhaltet die Plan-, Gewinn- und Verlustrechnung mit der vo278
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Haushaltsrecht, Doppik
Rz. 25 § 3
raussichtlichen Summe der Erträge, der Aufwendungen und den Saldo der Rücklagenveränderung. Ferner beinhaltet der Wirtschaftsplan den Finanzplan mit der voraussichtlichen Summe der Investitionsein- und -auszahlungen, der Summe der Ein- und Auszahlungen aus Finanzierungstätigkeit sowie der Summe sämtlicher Ein- und Auszahlungen. Die Planung der Gewinn- und Verlustrechnung beschreibt die Summe der Betriebserträge, den Betriebsaufwand, das Betriebsergebnis, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, die Rücklagenveränderungen, den Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag sowie schließlich hieraus resultierend den Bilanzgewinn bzw. Bilanzverlust. Ein positives Ergebnis darf nur im Nachtrag ausgewiesen werden. Bei den Betriebserträgen im Wirtschaftsplan liegt das Schwergewicht bei den 24 Kammerbeiträgen, deren Höhe alljährlich durch die Wirtschaftssatzung festgesetzt und deren Erhebung verfahrensrechtlich in der Beitragsordnung geregelt wird. Dazu kommen die Erträge aus Gebühren nach der Gebührenordnung91, ggf. auch aus Sonderbeiträgen aufgrund einer Sonderbeitragsordnung. Schließlich sind neben den Erträgen aus Entgelten alle sonstigen betrieblichen Erträge aus der Nutzung des Kammervermögens anzusetzen. Dazu zählen insbesondere Mietund Pachteinnahmen, aber auch alle sonstigen privatrechtlichen Einnahmen, z.B. aus dem Verkauf von Vordrucken, der Herausgabe der Kammerzeitschrift und sonstigen Veröffentlichungen. Auf diese fiskalischen Erträge sowie die Gebührenerträge bezieht sich der Halbsatz: „soweit sie (sc. die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der IHK) nicht anderweitig gedeckt sind“. Die IHK muss also zunächst diese Erträge sowie solche aus Auflösung nicht (mehr) benötigter Rücklagen berücksichtigen, ehe sie den verbleibenden Bedarf in Form von Beiträgen deckt, s.u. Rz. 46a. Gleichzeitig wird die IHK dadurch angehalten, diesen Rahmen zunächst einmal auszuschöpfen. Beiträge der Kammerzugehörigen bilden also nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine nachrangige Finanzierungsquelle. Eine rechtliche Verpflichtung der IHK, selbsterwirtschaftete Erträge aus Gebühren oder Entgelten zu erzielen, kann hieraus allerdings nicht abgeleitet werden. Auf der Aufwandsseite des Wirtschaftsplans geht es im Wesentlichen um Sach- 25 und Personalkosten, die gemäß dem Muster-Wirtschaftsplan aufzugliedern sind, um den Materialaufwand sowie die Abschreibungen. Teil der Gewinnverwendung sind die Zuweisungen an die Liquiditätsrücklage und die Ausgleichsrücklage, die einen bestimmten Prozentsatz der fortdauernden Einnahmen (Erträge) nicht überschreiten sollen. Die – bisherige, grundsätzlich ab spätestens Wirtschaftsjahr 2019 nach Satzungsrecht unzulässige – (fakultative) Liquiditätsrücklage dient als Liquiditätsreserve, die der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dient. Die (zwingende) Ausgleichsrücklage soll insbesondere konjunkturbedingte Schwankungen im Beitragsaufkommen (unter der Geltung des neuen Musterfinanzstatuts – MFS – jedwede Ertrags91 I.V.m. dem Gebührentarif.
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§ 3 Rz. 25 Status, Beiträge und Gebühren schwankung) auffangen und ist für eine kontinuierliche Finanzwirtschaft von besonderer Bedeutung. Daneben gibt es meist noch weitere zweckgebundene Rücklagen. Zur Rücklagenbildung ist die IHK nicht nur berechtigt, sondern im Interesse einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung sogar verpflichtet, s.u. Rz. 46a92. 26
Als Anlage gehören zum Wirtschaftsplan eine gesonderte Zusammenstellung der übernommenen Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Aufwendungen in künftigen Geschäftsjahren führen können. Größere Baumaßnahmen, die 5 % des Betriebsaufwandes überschreiten, sind von der Vollversammlung gesondert zu beschließen; Grundlage hierfür ist eine gesonderte Investitions- und Finanzierungsübersicht. Für unselbständige Einrichtungen der IHK, die sich zu einem erheblichen Teil aus eigenen Erträgen oder zweckgebundenen Leistungen Dritter finanzieren, sind gesonderte Wirtschaftspläne zulässig. Die gesonderten Wirtschaftspläne sind dem Wirtschaftsplan der IHK beizufügen. b) Normatives Gestaltungsermessen
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Der Wirtschaftsplan ist nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen93. Diese Grundsätze des öffentlichen Haushaltsrechts sind so selbstverständlich, dass es ihrer ausdrücklichen Erwähnung im Gesetz eigentlich nicht bedurft hätte. Der Wirtschaftsausschuss des Bundestages hat seinerzeit diesen Satz nur deshalb aufgenommen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, dass die Aufhebung des Beiträgegesetzes und der Kriegskontroll-Verordnung durch § 11 Abs. 3 auch eine Freistellung von diesen Grundsätzen bedeuten könnte.
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Die frühere Streitfrage, inwieweit die Staatsaufsichtsbehörde die Einhaltung dieser Grundsätze nachprüfen und die Rechtsaufsicht auf das gesamte Haushaltswesen erstrecken kann94, kann heute als geklärt betrachtet werden. Es stünde in Widerspruch zum Grundgedanken der Rechtsaufsicht, welche gerade die Selbstverwaltung und Selbstverantwortlichkeit der IHKs garantieren soll, wollte man die Staatsaufsicht über eine reine Rechtskontrolle ausdehnen, s. § 11 Rz. 4. Dem Selbstverwaltungsprinzip entspricht vielmehr ein vom Gesetzgeber übertragener weiter Gestaltungsspielraum, in den die Rechtskontrolle nur bei Überschreitung der rechtlichen Grenzen oder Willkürentscheidungen eingreifen kann95. Gerade wenn man davon ausgeht, dass die IHK im Rahmen ihres weitgespannten Auf92 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, NVwZ 2016, 613; VGH Baden-Württemberg v. 2.11.2016 – 6 S 1261/14, DÖV 2017, 258; VG Augsburg v. 2.8.2004 – 4 K 02.180. 93 § 3 Abs. 2 Satz 2. 94 So über die Rechtsfigur des unbestimmten Rechtsbegriffs Bremer, Kammerrecht, 93, 94. 95 Sehr deutlich das BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, NVwZ 2016, 613; VG Ansbach v. 8.11.2017 – AN 4 K 15.01648; VG Mainz v. 10.11.2017 – 4 K 1310/16.MZ; VG Ansbach
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Rz. 28 § 3
gabenkreises selbst Schwerpunkt und Umfang der einzelnen Aktivitäten bestimmen kann, muss eine Rechtskontrolle über die damit verbundenen Aufwendungen und die dafür notwendigen Erträge sich auf die Prüfung beschränken, ob die zu finanzierenden Aufgaben zum gesetzlichen Wirkungskreis der IHKs gehören und ob bei der Finanzierung die allgemeinen Grundsätze einer wirtschaftlichen Haushaltsführung eingehalten sind. Die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit der IHK bei der Aufstellung ihres Haushalts verbietet es, aus Anlass eines Beitragsbescheides die gesamte Wirtschaftsführung der Kammer im Detail zu durchleuchten96. Deshalb ist auch abzulehnen, den Kammern bestimmte Handlungspflichten aufzuerlegen, sodass auch zukünftige Mitglieder an Kosten (bspw. bei Langzeitprojekten) beteiligt werden97. Es ist nicht möglich, auf dem Umweg über die Beanstandung von Beitragssätzen oder Aufwandsposten der IHK auch die Art ihrer Aufgabenerfüllung vorzuschreiben oder sie in Einzelfällen daran zu hindern. Im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides ist deshalb auch keine umfassende Haushaltsüberprüfung vorzunehmen, weil das Beitragsaufkommen verwendungsneutral ist, der Beitrag sich also nicht in bestimmte Anteile aufteilen lässt, die einzelnen IHK-Tätigkeiten zugeordnet werden könnten98. Auch wenn man § 3 Abs. 2 Satz 2 als einen Ansatzpunkt für die Rechtsaufsicht auffasst, muss stets das Selbstverwaltungsprinzip beachtet werden; die Staatsaufsichtsbehörde kann nur bei Überschreitung dieses Rahmens eingreifen99. Im Gemeinderecht finden sich vergleichbare Formeln, welche auch nicht als unbestimmte Rechtsbegriffe, sondern als Gestaltungsspielraum für die Selbstverwaltung verstanden werden100. Die Beschränkung der Rechtskontrolle im Haushaltswesen lässt sich auch aus § 11 Abs. 2 ableiten. Dort wird eine Genehmigungspflicht nur für Umlagesätze vorgeschrieben, die 0,8 % des Gewerbeertrags übersteigen. Auch hier kann die Rechtsaufsichtsbehörde nicht Einzelheiten des Wirtschaftsplans (früher Haushaltsplan) kritisieren, sondern allenfalls nach Erörterung aller Gesichtspunkte die Genehmigung des vorgesehenen Umlagesatzes ablehnen. Es bleibt dann Sache der IHK, welche Änderungen des Wirtschaftsplans oder auch der Wirtschaftssatzung sie aufgrund eines zu reduzierenden Umlagesatzes vornimmt. Diese Bestimmung beweist, dass es sich bei der Rechtsaufsicht im Haushaltswesen nur um ein Teilgebiet der allgemeinen Rechtsaufsicht handelt und daraus nicht etwa wegen der in § 3 Abs. 2 Satz 2 erwähnten Grundsätze eine vorbeugende Finanzaufsicht entwickelt werden kann.
96 97 98 99 100
v. 10.11.2015 – An 4 K 15.01109; Schl.-Holst. VG v. 26.2.2018 – 12 A 173/16; Kuhla/ Munding, WiVerw 2017, 81; siehe auch § 11 Rz. 5. VG Düsseldorf v. 15.11.2017 – 20 K 5579/17. VGH Baden-Württemberg v. 20.7.2017 – 6 S 860/17. VG Stuttgart v. 15.4.2011 – 4 K 2355/10; VG Düsseldorf v. 15.11.2017 – 20 K 5579/17. Vgl. insbes. Fröhler, Staatsaufsicht, 43, 45 und 87, 88. OVG Nordrhein-Westfalen v. 26.10.1990 – 15 A 1099/87, DÖV 1991, 611.
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§ 3 Rz. 29 Status, Beiträge und Gebühren c) Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts 29
Bei der Wirtschaftsplanung sind allerdings die Regeln kaufmännischer Rechnungslegung und die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts (§ 3 Abs. 7a IHKG) zu beachten. „Haushaltsgrundsätze“ sind die bei der Haushaltswirtschaft öffentlicher Haushalte in Deutschland zu beachtenden Prinzipien der Haushaltsaufstellung und Haushaltsausführung bei Bund, Bundesländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen haushaltsführenden Stellen (Anstalten des öffentlichen Rechts, Körperschaften des öffentlichen Rechts)101. Ihr Ziel ist es, die öffentliche Verwaltung und Öffentlichkeit vor möglichen Verlusten, unkorrekten Daten und fehlerhaften Informationen weitestgehend zu schützen und bundesweit für eine einheitliche Haushaltsführung und ordnungsgemäße Finanzwirtschaft zu sorgen. Sie sind gesetzlich verankert insbesondere im Grundgesetz (GG), im Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz, HGrG), der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und entsprechend in den einzelnen Landeshaushaltsordnungen (LHO). Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt unter anderem das Gebot der Haushaltswahrheit, das hinsichtlich von Haushalts- oder Wirtschaftsplanansätzen, die auf Prognosen beruhen, in ein Gebot der Schätzgenauigkeit münden102. Dieser Grundsatz des staatlichen Haushaltsrechts gilt nicht nur bei der Kameralistik, sondern auch unter Geltung der Doppik103. Die IHKs überschreiten ihren Gestaltungsspielraum, wenn die Höhe einer Rücklagenbildung gegen den Grundsatz der Schätzgenauigkeit verstößt, siehe oben Rz. 21e104. Dieses Gebot ist nach Ansicht des BVerwG nicht bereits verletzt, wenn sich eine Prognose nachträglich als falsch erweist, allerdings müssen aus ex ante-Sicht Risikoprognosen sachgerecht und vertretbar ausfallen. Damit trägt das BVerwG dem Prognosecharakter von Haushaltsplänen (Wirtschaftsplänen) Rechnung: Es handelt sich um ein in die Zukunft gerichtetes Rechen- und Regelwerk sowohl auf der Ausgaben- wie auf der Einnahmenseite; deshalb sind im Haushaltsvoranschlag voraussichtliche Einnahmen und Ausgaben möglichst genau zu schätzen105. Die Ansätze müssen aus ex ante-Sicht sachgerecht und vertretbar sein106. Verletzt ist der Grundsatz der Haushaltswahrheit durch Missachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit, wenn „bewusst falsche oder gegriffene Ansätze veranschlagt werden, die trotz naheliegender Möglichkeiten besserer Informationsgewinnung ein an101 Vgl. Heyne in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 3. Aufl. § 12 Rz. 3 ff. 102 VG Dresden v. 24.2.2016 – 4 K 9/14; Schl.-Holst. VG v. 26.2.2018 – 12 A 173/16; VG Sigmaringen v. 20.5.2019 – 1 K 1145/18. 103 VG Frankfurt a. M. v. 9.8.2018 – 12 K 1978/16.F; 12 K 2612/16.F; 12 K 229/17.F. 104 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, NVwZ 2016, 613; VGH Baden-Württemberg v. 2.11.2016 – 6 S 1261/14, DÖV 2017, 258, VG Würzburg v. 25.4.2018 – W 6 K 17.376. 105 Gröpl, BHO/LHO, § 2 Rz. 13. 106 Gröpl, BHO/LHO, § 11 Rz. 26 f. unter Hinweis auf BVerfG v. 9.3.1971 – 2 BvR 326/69, BVerfGE 30, 250, 263; BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04, BVerfGE 119, 96, 130.
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Haushaltsrecht, Doppik
Rz. 31 § 3
gemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen“107. Eine „angemessenes Bemühen um eine realitätsnahe Prognose“ kann beispielsweise auch bei Heranziehung langjähriger Erfahrungswerte aus vorausgegangenen Wirtschaftsjahren gegeben sein108. Ob eine Prognoseentscheidung noch als „vertretbar“ gilt, „kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose bestimmt werden“109. Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Prognoseentscheidung kommt es nicht allein auf die Begründung im Rahmen der Entscheidung der zuständigen IHK-Gremien an, sondern auf die Tatsachen im ergänzenden Vortrag der IHK im Gerichtsprozess110. Ob die Mitglieder der Vollversammlung von der Möglichkeit für Nachfragen, Diskussion oder gar Änderungsanträgen zur Wirtschaftsplanung Gebrauch machen, ist für die Rechtmäßigkeit der Prognose im Rahmen der Wirtschaftsplanung irrelevant111. Erweist sich die der Wirtschaftsplanung für die Rücklagenbildung zugrunde liegende Risikoprognose als fehlerhaft oder ist sie gar völlig unterblieben, kommt durch nochmalige Beschlussfassung der Vollversammlung112 über die Wirtschaftsplansatzung eine Heilung von Prognosefehlern – auch mit Wirkung für die Vergangenheit – in Betracht, s.u. Rz. 38113. Der Wirtschaftsplan ist von der Vollversammlung festzustellen114. Aus der Kam- 30 mersatzung ergibt sich, dass der Wirtschaftsplan vom Hauptgeschäftsführer115 im Einvernehmen mit dem Präsidenten und nach Abstimmung mit dem Präsidium vorbereitet wird116. Präsident und Hauptgeschäftsführer haben für jedes Geschäftsjahr der Vollversammlung Rechnung zu legen und um Entlastung nachzusuchen117. d) Veröffentlichung des Wirtschaftsplanes Unterschiedliche Auffassungen bestehen zur Frage der Öffentlichkeit des Wirt- 31 schaftsplanes. Eine Pflicht zur Veröffentlichung bestand unter der Geltung der 107 Gröpl, BHO/LHO, § 11 Rz. 27 unter Hinweis auf BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04, BVerfGE 119, 96, 130. 108 Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17 und 8 LB 129/17. 109 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04, BVerfGE 119, 96, 130 Rz. 104. 110 Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17 und 8 LB 129/17. 111 VG Frankfurt a. M. v. 9.8.2018 – 12 K 1978/16.F; 12 K 2612/16.F; 12 K 229/17.F. 112 VG Düsseldorf v. 18.9.2018 – 20 K 2228/18; 20 K 4078/17; 20 K 4079/17. 113 Ausführlich Kuhla/Munding, WiVerw 2017, 81. 114 § 4 Nr. 3. 115 Ggf. i.V.m. einer Etatkommission des Präsidiums. 116 § 5 Abs. 2 Muster-Satzung. 117 § 5 Abs. 4 Muster-Satzung.
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§ 3 Rz. 31 Status, Beiträge und Gebühren Kameralistik – wie auch bei staatlichen oder kommunalen Haushalten – nicht118. Anders als etwa im Kommunalrecht119 ergibt sich unmittelbar aus dem IHKG auch keine ausdrückliche Verpflichtung, den Wirtschaftsplan der Öffentlichkeit oder auch nur den Kammerzugehörigen zugänglich zu machen. Das IHKG schließt allerdings die Befugnis der Länder nicht aus, durch ein allgemeines Informationsfreiheitsgesetz120 Ansprüche auf Zugang zu amtlichen Informationen außerhalb konkreter Verwaltungsverfahren auch gegenüber IHKs einzuräumen121. Die in § 12 Abs. 1 Nr. 7 eröffnete Regelungszuständigkeit der Bundesländer betrifft nur die Grundsätze der Rechnungslegung und die Prüfung der Jahresrechnung. Dementsprechend umfasst der in den Landesausführungsgesetzen enthaltene Verweis auf das staatliche Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen122 nicht die Aufstellung und Ausführung des Wirtschaftsplans und damit auch nicht die Frage, ob dieser öffentlich zu machen ist. Teilweise wird eine dahin gehende Pflicht aber aus einem allgemeinen Haushaltsgrundsatz der Öffentlichkeit hergeleitet, der auch die Öffentlichkeit des Haushaltsplans umfasst123. Selbstverständlich und notwendig sei zudem die Verabschiedung des Haushalts in öffentlicher Sitzung der Vollversammlung. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit könne nur hinsichtlich von Teilgebieten, etwa aus Gründen der Wahrung des Steuergeheimnisses, der Gefahr einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten bzw. des Datenschutzes in Frage kommen124. 32
Der DIHK hat bereits per Vollversammlungsbeschluss vom 22.10.1998 den IHKs empfohlen, den Haushaltsplan (jetzt: Wirtschaftsplan) unter Beachtung der o.g. Einschränkungen während des gesamten Haushaltsjahres zur Einsicht auszulegen und in zusammengefasster Form in der Kammerzeitschrift zu veröffentlichen. Dabei soll auf die Möglichkeit der Einsichtnahme hingewiesen werden. Eine Verpflichtung der IHKs, den Kammerzugehörigen den Haushaltsplan auf Anforderung zu übersenden, besteht nicht. An dieser DIHK-Beschlusslage hat sich auch nach Einführung der Doppik bei den IHKs und Änderung des IHKG per 1.1.2008 nichts geändert. Das Muster-Finanzstatut (MFS) sieht in § 2 Abs. 1 Satz 3 die Veröffentlichung der Wirtschaftssatzung (unten Rz. 34) vor, nicht hingegen die Veröffentlichung des (gesamten) Wirtschaftsplanes.
118 Kauczor, Haushaltsrecht, § 1 HKRO Anm. 6; vgl. auch BVerfGE 20, 53, 92. 119 Vgl. etwa § 79 Abs. 6 GO NW. 120 Wie in NRW, s. IFG NRW v. 27.11.2001 – GVBl. 806 und dazu Grütters, GewArch 2003, 271. 121 BVerwG v. 15.10.2007 – 7 B 9/07, GewArch 2007, 478; dazu ferner Rickert, WiVerw 2004, 153. 122 Vgl. etwa § 4 IHKG NW. 123 Wiesner, Finanzwirtschaft, 67. 124 Kauczor, § 1 HKRO Anm. 6.3.
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Haushaltsrecht, Doppik
Rz. 33 § 3
e) Gerichtliche Kontrolle Der Wirtschaftsplan unterliegt unmittelbar keiner gerichtlichen Überprüfung, 33 kann von den Kammerzugehörigen also nicht angefochten werden. Er ist eine innerorganisatorische Norm, die weder Rechte noch Verbindlichkeiten Dritter begründet125. Nach Ansicht des BVerwG126 ist über eine Anfechtung des Beitragsbescheides eine mittelbare gerichtliche Kontrolle des Wirtschaftsplanes zu erreichen. Ob allerdings die Begründung des BVerwG trägt, die Überprüfung des Wirtschaftsplans im Beitragsprozess sei geboten, weil andernfalls ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen die Beitragserhebung nicht gegeben wäre, erscheint zweifelhaft. Das OVG Rheinland-Pfalz127 hatte in der Vorinstanz noch die Ansicht vertreten, Einwendungen gegen den Wirtschaftsplan seien nicht im Beitragsprozess, sondern „nur“ im Wege der Feststellungsklage oder Unterlassungsklage geltend zu machen. Beide Gerichte verfolgen richtige Ansätze: Eine Inzidentprüfung der Wirtschaftsplanung im Anfechtungsprozess gegen den Beitragsbescheid ist ebenso statthaft wie eine (abstrakte) Feststellungs- oder Unterlassungsklage statthaft erscheint mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Rücklagenbildung und Wirtschaftsplanung festzustellen. An Subsidiaritätsgesichtspunkten (§ 43 Abs. 2 VwGO) dürfte diese Klageart nicht scheitern, weil sie effektiven Rechtsschutz verspricht und davon auszugehen ist, dass sich eine IHK als öffentlich-rechtliche Körperschaft an ein entsprechendes gerichtliches Erkenntnis auch hält. Der prozessuale Unterschied zwischen beiden alternativen Klageformen ist aber durchaus beachtlich: Während das Anfechtungsurteil in die Vergangenheit wirkt, ist ein Feststellungs- bzw. Unterlassungsurteil nur für die Zukunft beachtlich. Wird im Beitragsprozess der Vorwurf unzulässiger Vermögensbildung durch Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit bei der Rücklagenbildung im Wirtschaftsplan erhoben, ist hierfür ein hinreichend konkreter und substantiierter klägerischer Sachvortrag erforderlich. Bloße Vermutungen oder bloße Hinweise auf einzelne Buchungswerte reichen hierfür ebenso wenig wie die pauschale Behauptung einer fehlerhaften Risikoprognose128. Die verwaltungsgerichtliche Amtsermittlungspflicht geht nicht soweit, dass pauschalen Verdachtsäußerungen nachgegangen werden muss, die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1
125 Vgl. § 3 Abs. 2 BHO und gleich lautend § 3 Abs. 2 Satz 2 Muster-Finanzstatut. 126 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, GewArch 2016, 148 m. Anm. Jahn, GewArch 2016, 263; Jahn, BayVBl. 2018, 258; VG Würzburg v. 25.4.2018 – W 6 K 17.376; VG Frankfurt a. M. v. 9.8.2018 – 12 K 1978/.F; 12 K 2612/.F; 12 K 229/17.F. 127 OVG Rheinland-Pfalz v. 23.9.2014 – 6 A 11345/13, GewArch 2014, 482 = DVBl. 2015, 55. 128 VG Würzburg v. 25.4.2018 – W 6 K 17.376; VG München v. 19.5.2015 – M 16 K 14.477.
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§ 3 Rz. 33 Status, Beiträge und Gebühren VwGO) bestimmt sich auch nach der Substanz des klägerischen Vorbringens, s. auch unten Rz. 154129. 4. Wirtschaftssatzung 34
Zum Wirtschaftsplan gehört alljährlich auch die Wirtschaftssatzung, deren wichtigster Teil die Festsetzung des Maßstabes für Beiträge und Sonderbeiträge ist130 und deren Inhalt sich im Übrigen aus dem Musterfinanzstatut ergibt. Die Wirtschaftssatzung ist von der Vollversammlung zu verabschieden, stellt den Wirtschaftsplan fest und ist und zu veröffentlichen, weil sie die Beitragspflichten der Kammerzugehörigen konkretisiert; insoweit handelt es sich um Rechtsnormen131. Eine fehlerhafte Wirtschaftssatzung kann auch im gerichtlichen Verfahren bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung durch nachträglichen Beschluss der Vollversammlung geheilt werden, s.o. Rz. 29132. Die Wirtschaftssatzung mit der Festsetzung der Beiträge ist in dem von der Kammersatzung vorgesehenen Organ zu publizieren. Diesbezüglich kann gegen die Rechtmäßigkeit eines späteren Beitragsbescheides nicht eingewandt werden, die erforderliche Veröffentlichung des Satzungsrechts sei unwirksam gewesen, weil der Kammerzugehörige das amtliche Mitteilungsblatt der IHK nicht erhalten habe; insoweit zählt es zu den eigenen Obliegenheiten des Kammerzugehörigen, sich das entsprechende Publikationsorgan bei der IHK zu beschaffen oder es anzufordern133. Die Veröffentlichung der Wirtschaftssatzung (§ 2 Abs. 1 Satz 3 MFS 2015) beinhaltet die Staffelungskriterien und die Höhe der Grundbeiträge, den Umlagesatz und den für die Umlage maßgebenden Bemessungszeitraum sowie um die Erhebung von Vorauszahlungen; falls der Umlagesatz 0,8 % des Gewerbeertrags übersteigt, ist auch die aufsichtsbehördliche Genehmigung in der Veröffentlichung zu vermerken. Seit Inkrafttreten der Beitragsfreistellung für „Kleinstgewerbetreibende“ am 1.1.1999 kann die Wirtschaftssatzung auch Festlegungen über die Freistellungsgrenze enthalten. Soll – was möglich ist – von der Regelgrenze des § 3 Abs. 3 Satz 5 abgewichen werden, sind solche Festlegungen erforderlich. Sollen trotz Überschreiten des gesetzlichen Schwellenwerts beitragsbefreiter Kammerzugehöriger die Freistellungsgrenzen nicht abgesenkt werden, empfiehlt sich, die entsprechende Ermessensausübung der IHK-Vollversammlung in der Sitzungsniederschrift zu protokollieren. Eine Veröffentlichungspflicht besteht nur bei einer Absenkung der Ertragsgrenzen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 5, weil sich in die129 BVerwG v. 24.9.2012 – 5 B 30/12; BVerwG v. 2.8.2001 – 7 C 2/01; VG Würzburg v. 25.4.2018 – 6 K 17.376. 130 § 4 Nr. 4. 131 Hess. VGH v. 29.5.1969 – V OE 34/68; Nds. OVG v. 25.9.1998 – 8 L 922/97, GewArch 1999, 122 zur Zulässigkeit der Rückwirkung. 132 VG Münster v. 28.6.1999 – 3 K 1271/95. 133 VG Magdeburg v. 17.3.2004 – 3 A 477/03.
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Rz. 38 § 3
sem Fall der Kreis der Beitragspflichtigen ändert. Schließlich sind in der Wirtschaftssatzung die Endsummen des Wirtschaftsplans für Erträge und Aufwendungen anzugeben. Die IHK ist bei der Ausführung von Wirtschaftsplan und Wirtschaftssatzung an 35 deren Ansätze gebunden. Sie muss ggf. einen Nachtragswirtschaftsplan vorlegen, wenn sich im Laufe des Geschäftsjahres – auch ohne Überschreitung des Gesamtansatzes – wesentliche Veränderungen in den Aufwandstiteln ergeben und für einen Ausgleich die gegenseitige Deckungsfähigkeit nicht mehr ausreicht. Bei geringfügigen Titelüberschreitungen und abweichender Verteilung genügt dagegen eine nachträgliche Genehmigung; sie wird in der Regel bei der Entgegennahme des Jahresabschlusses und der Entlastung erteilt. Wenn im Rahmen eines Nachtragswirtschaftsplans auch Beiträge erhöht (oder 36 gesenkt) werden müssen, bedarf es zusätzlich einer Änderung der Wirtschaftssatzung durch die Vollversammlung; die geänderte Wirtschaftssatzung ist erneut zu verkünden. Wenn dagegen lediglich Beiträge oder sonstige Erträge höher als veranschlagt eingehen, braucht der Überschuss des Jahresabschlusses im Rahmen der Ergebnisverwendung nur in den Wirtschaftsplan des nächsten Jahres übertragen zu werden, soweit das Finanzstatut das zulässt. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang noch, dass das doppische System im Grundsatz vom Gesamtdeckungsprinzip ausgeht134. Schließlich bestimmt die Wirtschaftssatzung darüber, bis zu welcher Höhe Kredite aufgenommen und Verpflichtungen für künftige Investitionsausgaben eingegangen werden dürfen.
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In einem Beitragsprozess kann in begrenztem Umfang auch die Wirtschaftssat- 38 zung mit der Festsetzung der Beiträge verwaltungsgerichtlich nachgeprüft werden. Da es sich bei der Festsetzung der Beiträge um eine Selbstverwaltungsentscheidung der Vollversammlung handelt, genügt eine nachvollziehbare Abwägung der verschiedenen für die Kammerfinanzierung wichtigen Gesichtspunkte135. Soweit die jeweilige Wirtschaftssatzung wegen fehlender oder ungenügender Riskoprognose in Bezug auf die Rücklagenbildung fehlerhaft sein sollte, ist es rechtlich möglich, entsprechende Prognose- und Zuordnungsfehler nachträglich durch Beschluss der Vollversammlung zu heilen, s.o. Rz. 29. Eine in die Zukunft gerichtete Prognose kann zwar nicht rückwirkend vorgenommen werden. Möglich ist m.E. aber die „heilende“ Nachholung der Risikoidentifizierung und -bewertung, deren etwaiger Deckung die Rücklage dienen soll136. Ist nach dieser Risikobewertung 134 Jahn, BayVBl. 2018, 258. 135 VG Arnsberg v. 23.3.1996 – 13 K 1161/95, GewArch 1996, 415; vgl. auch die Nachweise Vorauflage § 3 Rz. 38. 136 VG Magdeburg v. 27.6.2018 – 3 A 74/16 MD und 3 A 75/16 MD; VG Mainz v. 10.11.2017 – 4K 1310/16.MZ; i.E. auch VG Düsseldorf v. 30.3.2017 – 20 K 32257/15; VG München v. 6.10.2015 – M 16 K 15.2443; VGH Baden-Württemberg v. 20.7.2017
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§ 3 Rz. 38 Status, Beiträge und Gebühren die Höhe der Rücklagen plausibel und nachvollziehbar, besteht kein weiterer Handlungsbedarf. Die „rückwirkende Risikobewertung“ darf nicht willkürlich sein, sondern muss sich nachvollziehbar an Tatsachen und wirtschaftsplanrelevanten Entwicklungen der IHK orientieren, damit sie auch aus ex post-Sicht plausibel und vertretbar erscheint. Sollte nach der Überprüfung die Höhe der Rücklagen in vergangenen Beitragsjahren nicht plausibel sein, empfiehlt sich, dass die Vollversammlung nachvollziehbar die Vermögensstruktur und das daraus abgeleitete Beitragsaufkommen prüft, ggf. auch eine Neustrukturierung der Bilanz erwägt. 5. Rechnungsprüfung 39
Wegen der Kontrolle des Haushaltswesens der IHKs wird auf die Ausführungen zur Rechnungsprüfung137 sowie zur Entlastung138 verwiesen. Die IHKs unterliegen der staatlichen Rechnungsprüfung nach der jeweiligen Landeshaushaltsordnung139.
IV. Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3) 1. Gesetzliche Änderungen des Beitragsrechts 40
Die gesetzlichen Grundlagen des IHK-Beitrags haben seit Erscheinen der 7. Auflage erhebliche Veränderungen erfahren140. Hinsichtlich der gesetzlichen Änderungen im Zeitraum von 1999 bis 2008 und die Entstehungsgeschichte kann auf die umfangreiche Darstellung in der Vorauflage verwiesen werden141.
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Die allgemeine Beitragsbefreiungsgrenze für Kleinunternehmen (ohne Rücksicht auf deren Gründungszeitpunkt) wurde durch die Neufassung des § 3 Abs. 3 Satz 3 unmittelbar im IHKG geregelt. Seit 1.1.2004 sind Kammerzugehörige beitragsbefreit, die weder im Handels-, noch im Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb im jeweiligen Haushaltsjahr 5200 Euro nicht übersteigt. Neu in das Gesetz eingefügt wurde zum gleichen Zeitpunkt eine Beitragsbefreiungsregelung für Existenzgründer. Natürliche Personen, die als Kammerzuge-
137 138 139 140 141
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– 6 S 860/17; VG München v. 6.10.2015 – M 16 K 15.2433; zur generellen Frage der Zulässigkeit eines rückwirkenden Beitragsbescheides VG München v. 6.10.2015 – M 16 K 15.2443; VG München v. 6.10.2015 – M 16 K 15.2443; Zur Heilung beitragsrelevanter Fehler in Wirtschaftsplänen ausführlich Kuhla/Munding, WiVerw 2017, 81. § 12 Abs. 1 Nr. 7. § 4 Nr. 5. BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5/09, BVerwGE 135, 100 = GewArch 2010, 69; Anderer Ansicht noch Bay VGH v. 5.11.2007 – 22 BV 06.1281, GewArch 2008, 72. Zur Entwicklung des Beitragsrechts von 1990 bis 1999 s. 6. Aufl., § 3 Rz. 40–42. Siehe Vorauflage § 3 Rz. 40, 41.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 41 § 3
hörige weder im Handelsregister noch im Genossenschaftsregister eingetragen sind, sind seit 1.1.2004 nach § 3 Abs. 3 Satz 4 bei der IHK zwei Jahre lang komplett vom Beitrag (also sowohl vom Grundbeitrag als auch von der Umlage) und zwei weitere Jahre nur von der Umlage befreit, soweit ihr Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb, 25.000 Euro im Jahr nicht übersteigt. Da der schon bislang für kammerzugehörige natürliche Personen und Personengesellschaften geltende Umlagefreibetrag auch nach der IHKG-Novelle 2004 erhalten blieb, sind seit 1.1.2004 Existenzgründer von der Umlage befreit, die zwischen 15.340 Euro und 25.000 Euro Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb erhoben wird. Die neu eingeführte Befreiungsregelung gilt aber nur für natürliche Personen und auch bei diesen nur dann, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren. Mit dieser Einschränkung wollte der Gesetzgeber das Beitragsprivileg auf „echte“ Existenzgründer beschränken142. Außerdem hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass die Beitragsbefreiung nur für Existenzgründungen nach dem 31.12.2003 zum Zuge kommt143. Schon nach dem früheren Recht konnte durch Vollversammlungsbeschluss144 die Beitragsbefreiung zusätzlich von einer Umsatzobergrenze oder gar von einer niedrigeren Gewerbeertrags-/Gewinngrenze abhängig gemacht werden, wenn zu befürchten war, dass der Kreis der beitragsfreien IHK-Mitglieder (bezogen auf alle Kammerzugehörigen) mehr als ein Drittel beträgt. Dieses Korrektiv war schon früher in das Gesetz eingefügt worden, um eine Verletzung des Äquivalenzprinzips auszuschließen, also zu verhindern, dass zu viele Kammerzugehörige vom Beitrag freigestellt werden145. Die Grenze der beitragsfreien Kammerzugehörigen wurde per 1.1.2004 durch den neu gefassten § 3 Abs. 3 Satz 5 ausgeweitet. Soweit durch die Beitragsbefreiung nach § 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 die Zahl der Beitragspflichtigen voraussichtlich geringer als 55 % sein wird, also die Zahl der beitragsbefreiten Kammerzugehörigen über 45 % steigt, kann die Vollversammlung im Rahmen auszuübenden Ermessens eine oder beide Befreiungsgrenzen entsprechend absenken. Die Einbeziehung der früher üblichen zusätzlichen Umsatzgrenze als Korrektiv zur Begrenzung der beitragsbefreiten Kammerzugehörigen sieht das ab dem 1.1.2004 geltende Recht nicht mehr vor. Ob die Vollversammlung von der Absenkungsbefugnis Gebrauch macht, obliegt im Rahmen der anzustellenden Prognose ihrem Ermessen, das Teil ihres Budgetrechts ist146. Mit der IHKG-Novelle 2004 hat der Gesetzgeber auch in § 3 Abs. 4 Satz 1 die maßgebliche Umsatzgrenze von der AO abgekoppelt und eine Regelung un142 143 144 145 146
Näher Jahn, GewArch 2004, 41, 44. § 13a Abs. 3. § 3 Abs. 3 Satz 5. Siehe BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45.87, GewArch 1990, 398. BT-Drs. 15/2083, 50.
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§ 3 Rz. 41 Status, Beiträge und Gebühren mittelbar im IHKG getroffen. Im Handelsregister eingetragene Betriebe, die ein Handwerk oder handwerksähnliches Gewerbe ausüben, sind seit 1.1.2004 bei der IHK als Mischbetriebe nur noch beitragspflichtig, wenn der Umsatz im nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil mehr als 130.000 Euro/Jahr beträgt. Schon unter dem früher geltenden Beitragsrecht waren Apothekeninhaber, Freiberufler und Angehörige der Land- und Forstwirtschaft beitragsrechtlich privilegiert. Hiermit wurde berücksichtigt, dass die genannten Personenkreise doppelt kammerzugehörig sind und in der Regel auch bei einer berufsständischen Kammer Beiträge entrichten müssen. Durch Neufassung des § 3 Abs. 4 Satz 3 wurde klargestellt, dass die entsprechende Beitragsprivilegierung in Einzelfällen, für die die gesetzliche Regelung von vornherein nicht gedacht war, nicht mehr greift. 42
Durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz147 wurde das IHK-Beitragsrecht abermals geändert. Im Wesentlichen sind die Änderungen zum 1.1.2008 in Kraft getreten148. Die Änderungen des IHKG betrafen neben dem IHK-Beitragsrecht vor allem die redaktionell erforderliche Anpassung des Gesetzes an die Einführung einer neuen Rechnungslegung nach den Grundsätzen kaufmännischer Buchführung149, Klarstellungen in Bezug auf die Kammerzugehörigkeit nach § 2 Abs. 1 u. 3, die Einfügung einer Rechtsgrundlage für Auslagenersatz150, die Einfügung einer Satzungskompetenz für IHK-Veröffentlichungen151, Konkretisierungen im IHK-Wahlrecht152 sowie umfangreiche Neuregelungen für den Bereich der Datenerhebung und Datenverarbeitung der IHKs153. Im IHK-Beitragsrecht wurde die bisherige Beitragsbefreiungsregelung für Nichtkaufleute mit geringem Gewinn konkretisiert. Mit der redaktionellen Klarstellung soll eine Gleichstellung inländischer und ausländischer Kapitalgesellschaften erreicht, insbesondere klargestellt werden, dass die Beitragsbefreiungsregelung auf (ausländische) Limiteds keine Anwendung findet154. Durch Art. 17 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften155 ist 2013 im IHKG das Beitragsrecht für Vereine inhaltlich klargestellt worden. In § 3 Abs. 3 Satz 3 wird die Beitragsbefreiung nun ausdrücklich auch auf eingetragene Vereine ohne Kaufmannseigenschaft erstreckt. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Zielrichtung, durch das Gesetz vom 7.9.2007156, lediglich aus147 148 149 150 151 152 153 154 155 156
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MEG II v. 7.9.2007, BGBl. I, 2246. Siehe Jahn, GewArch 2007, 353. Doppik, siehe dazu oben Rz. 16 ff. § 3 Abs. 6 und 7. § 4 Satz 2 Nr. 7; § 4 Satz 4. § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1. § 9. So schon VG Darmstadt v. 7.11.2006 – 9 E 793/05, GewArch 2007, 85. V. 25.7.2013 BGBl. I, 2749. BGBl. I, 2246.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 44 § 3
ländische Kapitalgesellschaften aus der Privilegierung herauszunehmen157, die bisherige Privilegierung von Vereinen mit geringer wirtschaftlicher Betätigung aber nicht beenden158. Damit bedarf es künftig auch keiner analogen Anwendung der Beitragsbefreiungsregelung mehr159. Eine entsprechende Folgeänderung betrifft die erfolgten Klarstellungen in § 3 Abs. 3 Satz 4. § 3 Abs. 3 Satz 4 berücksichtigt mit seinen redaktionellen Änderungen die Umstellung des Rechnungswesens der IHKs auf die Doppik und stellt klar, dass von dem Beitragsprivileg nur solche kammerzugehörigen Existenzgründer profitieren, die „natürliche Personen“ sind. Schon nach der bisher geltenden Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 9 konnte Gewerbetreibenden, die einer IHK „mehrfach“ angehören, ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden. Diese Regelung ist – wörtlich genommen – ohne Sinn, da es den Fall einer echten Mehrfachmitgliedschaft desselben Kammerzugehörigen rechtlich nicht geben kann160. Die ab 1.1.2008 geltende Neuregelung des § 3 Abs. 3 Sätze 9 und 10 ist nunmehr unter Verzicht auf den Antrag als Ermessenstatbestand ausgestaltet. Es wird klargestellt, dass es den IHKs möglich sein soll, einen ermäßigten Grundbeitrag einzuräumen, wenn eine Muttergesellschaft und eine hundertprozentige Tochtergesellschaft jeweils mit ihrem Hauptsitz derselben IHK angehören. Ob die IHK hiervon Gebrauch macht, steht unter Satzungsvorbehalt, erfordert also einen Beschluss der jeweiligen IHK-Vollversammlung. Im Bereich des IHK-Satzungsrechts fand bei den meisten Kammern bereits ab dem Wirtschaftsjahr 2014 das neue Finanzstatut (MFS) der IHKs (§ 3 Abs. 7a IHKG) als Grundlage des Beitragsrechts Anwendung161, die anderen IHKs haben es überwiegend zum 1.1.2015 in Kraft gesetzt. Das Finanzstatut 2020/2021 (s.o. Rz. 21f) wenden die IHKs überwiegend ab Wirtschaftsjahr 2021 an. 2. Rechtsnatur des IHK-Beitrags a) Öffentliche Abgaben Die Beiträge zu den Industrie- und Handelskammern sind öffentliche Abgaben; 43 sie gehören jedoch nicht zu den Steuern, sondern sind Beiträge im abgabenrechtlichen Sinne und müssen alle Voraussetzungen für Beiträge erfüllen162. Der Oberbegriff der öffentlichen Abgabe kennzeichnet alle öffentlich-rechtlichen Geldleistungen, welche durch Gesetz auferlegt werden und die bei Verwirk157 BT-Drs. 16/4391, 31. 158 BR-Drs. 557/12, 88. 159 Dazu, dass die Regelung auch nicht analog auf die eingetragene Unternehmergesellschaft anwendbar ist, siehe Nds. OVG v. 24.7.2013 – 8 LA 16/13; GewArch 2014, 175. 160 Jahn, GewArch 1998, 356. 161 Zum neuen IHK-Finanzstatut siehe Jahn, GewArch 2014, 64 ff. 162 Zur Rechtsnatur siehe Schöbener, Handbuch des Kammerrechts Rz. 5; Bauersfeld, passim.
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§ 3 Rz. 44 Status, Beiträge und Gebühren lichung des gesetzlichen Tatbestandes an ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zu entrichten sind. In diesem Rahmen unterscheidet man in herkömmlicher Weise zwischen Steuern, Beiträgen und Gebühren, welche der Deckung des notwendigen Haushaltsbedarfs dienen. Neuerdings kommen dazu als 4. Gruppe die Sonderabgaben, bei denen statt des finanzwirtschaftlichen Zwecks (Erzielung von Einnahmen) die wirtschaftspolitische Zielsetzung maßgebend ist163. Die Beiträge stehen dabei zwischen den Steuern, die keinerlei Entgeltcharakter haben, und den Gebühren, die Gegenleistung für eine besondere Verwaltungsleistung sind. Beiträge stellen nämlich begrifflich keine Gegenleistung für besondere Leistungen dar, sondern dienen der allgemeinen Finanzierung der Tätigkeit einer öffentlichrechtlichen Körperschaft durch ihre Zugehörigen. Sie gelten die im Gesamtinteresse der Zugehörigen erbrachten Leistungen ab und werden wegen dieses generellen und abstrakten Entgeltcharakters auch als Vorzugslasten bezeichnet; der Vorteil für die Zahlungspflichtigen braucht also nur generell und sehr mittelbar zu sein164; im Übrigen korreliert mit der Beitragspflicht auch die Möglichkeit der Mitwirkung der Betroffenen an der Willensbildung insbesondere im Rahmen der Gesamtinteressenvertretung165. 45
Dass die Kammerbeiträge diese Voraussetzungen einer Vorzugslast erfüllen, hat insbesondere Klein166 gegen Vogel167 nachgewiesen168. Wenn man innerhalb der Vorzugslasten noch differenzieren will, so gehören die Kammerbeiträge zu den Verbandslasten, die nach der Leistungsfähigkeit der Zugehörigen erhoben und nicht einmal abstrakt nach dem individuellen Vorteil berechnet werden169. Deshalb kommt es bei der Verbandslast auch nicht darauf an, ob der Kammerzugehörige die generellen Vorteile seiner Zugehörigkeit tatsächlich in Anspruch nimmt170 oder – wegen nachträglicher Feststellung seiner Gewerbesteuerpflicht und Kammerzugehörigkeit – überhaupt nicht in Anspruch nehmen konnte171. Für die Wahrung des Äquivalenzprinzips genügt der allgemeine Nutzen, der sich für die Kammermitglieder aus der Wahrnehmung der Kammeraufgaben durch die IHK 163 Vgl. BVerfG v. 10.12.1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274; Axer, GewArch 1996, 453; ferner die Nachweise Vorauflage Rz. 44. 164 Vgl. BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45.87, GewArch 1990, 398; siehe auch die Nachweise bei Jahn, GewArch 2005, 169, 221, 222. 165 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164, GewArch 2017, 375 m. Anm. Jahn, GewArch 2017, 381. 166 DVBl. 1959, 315 mit ausführlichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum. 167 DVBl. 1958, 491, der irrigerweise die Kammerbeiträge als Steuern qualifiziert. 168 Vgl. auch die Rechtsprechungsnachweise Vorauflage; Axer, GewArch 1996, 453. 169 Zur Verwendung der Begriffe Vorzugslast, Verbandslast, Mitgliedsabgabe vgl. Axer, GewArch 1996, 453; Bauersfeld, passim. 170 Siehe die Rechtsprechungsnachweise Vorauflage Rz. 46; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, 549. 171 Nds. OVG v. 27.1.1984 – 8 OVG A 4/83; Jahn, WiVerw 2015, 92, 124; Jahn, GewArch 2005, 221, 222.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 46 § 3
ergibt172. In diesem Sinne haben die Verwaltungsgerichte inzwischen auch durchweg derartige Einwendungen gegen Kammerbeiträge abgewiesen173. b) Zweistufiges Verfahren der Beitragserhebung § 3 Abs. 2 liegt eine zweistufige Willensbildung zugrunde174: Auf der ersten Stu- 46 fe stellt die Kammer den Wirtschaftsplan für ein Wirtschaftsjahr im Voraus auf. Vor dem Hintergrund der geplanten Aufgabenerledigung und Projekte prognostiziert der Plan unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf dann auf Basis der rechtsaufsichtlich genehmigten Beitragsordnung (§ 11 Abs. 2 Nr. 3) in der jährlichen Wirtschaftssatzung im Wege der Beitragserhebung auf die beitragspflichtigen Kammerzugehörigen (§ 2) umgelegt. Diese Festsetzung des Mittelbedarfs im Wirtschaftsplan ist zwar nicht unmittelbar, jedoch im Beitragsrechtstreit inzident verwaltungsgerichtlich dahingehend überprüfbar, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist dabei darauf beschränkt, ob die Kammer bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes den ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraum überschritten hat175; das legislative Gestaltungsermessen der Vollversammlung kann also nur in rechtlicher Hinsicht überprüft werden, jedoch nicht „fachaufsichtlich“. Die Kammer bestimmt – unter Wahrung der rechtlichen Grenzen – durch das zuständige Organ (die Vollversammlung, § 4 Satz 2 Nr. 3, 4) als Selbstverwaltungskörperschaft autonom, was ihr die Aufgabenerledigung mit welchen personellen und sächlichen Mitteln „wert“ ist. § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes beinhaltet hierbei die Grundvorschrift, wonach die notwendigen Haushaltsmittel, „soweit sie nicht durch anderweitige Einnahmen gedeckt sind“, durch Beiträge der Kammerzugehörigen aufzubringen sind; der Pflichtzugehörigkeit entspricht der Pflichtbeitrag. Die Höhe des Pflichtbeitrags hat sich hierbei daran zu orientieren, dass der Wirtschaftsplan nach § 3 Abs. 2 Satz 2 nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanz172 OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10.OVG; OVG Nordrhein-Westfalen v. 17.5.2010 – 17 A 266/08; VG Berlin v. 17.12.2008 – VG 22 A 6.07; VG Berlin v. 17.2.2008 – VG 22 A 6.7; VG Minden v. 23.6.2010 – 7 K 2650/09; VG Frankfurt a. M. v. 7.7.2010 – 5 K 479/10.F; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09 TR; VG München v. 14.7.2015 – M 16 K 14.3767. 173 Vgl. die umfangreichen Rechtsprechungszitate bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 124; Jahn, GewArch 2005, 211, 212; BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164, GewArch 2017, 375. 174 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, GewArch 2016, 148; VG Düsseldorf v. 19.6.2018 – 20 K 6513/16. 175 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, GewArch 2016, 148; VG Düsseldorf v. 19.6.2018 – 20 K 6513/16.
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§ 3 Rz. 46 Status, Beiträge und Gebühren gebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen ist. Abs. 3 und 4 regeln anschließend diesen Pflichtbeitrag näher und unterscheiden zwischen Grundbeiträgen und Umlage. Das Gesetz sieht dabei Abstufungen und Ausnahmen vor, um der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen Rechnung zu tragen. Die auf der Pflichtmitgliedschaft (§ 2 Abs. 1) basierende gesetzliche Beitragspflicht nach § 3 ist verfassungsgemäß, verstößt insbesondere nicht gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit176. c) Nachrang der Beitragsfinanzierung 46a
Aus der gesetzlichen Formulierung in § 3 Abs. 2 Satz 1 („… soweit …“) ergibt sich ein Nachrang der Beitragsfinanzierung. Das bedeutet, dass die Kammer unter Berücksichtigung des Kostendeckungsprinzips zur Aufgabenfinanzierung vorrangig andere Finanzmittel einzusetzen hat, d.h. zunächst eigenerwirtschafte Betriebserträge wie Entgelte, Gebühren und Zinsen als Finanzierungsmittel einzusetzen hat. Dazu zählen aber auch Gewinnvorträge aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren oder über mehrere Jahre gebildete Rücklagen, die zu hoch gebildet waren oder (in dieser Höhe) nicht mehr benötigt werden. Eine Kammer unterliegt dem Verbot unzulässiger Vermögensbildung, also der Bildung eines Vermögens, das sie in personeller und sachlicher Hinsicht für die Aufgabenerledigung nicht benötigt. Eine Kammer verstößt bei der Beitragskalkulation und -erhebung gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit und das hieraus resultierende Gebot der Schätzgenauigkeit in Bezug auf die Erforderlichkeit ihrer Rücklagen nach Grund und Höhe, wenn sie Rücklagen (Liquidiätsrücklage bis längstens Ende Wirtschaftsjahr 2018, Ausgleichsrücklage, zweckgebundene Rücklage) bildet, die sie in dieser Höhe nicht benötigt und zur Aufgabenfinanzierung nicht einsetzt. Ein Wirtschaftsplan kann hierbei nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung aufweist, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält177. Auch wenn eine Kammer über mehrere Jahre Gewinnvorträge in erheblicher Höhe bildet, ohne diese zeitnah zu verwenden, kann dies wirtschaftlich einer unzulässigen Vermögensbildung gleichstehen178. Hierbei kann aber nicht eine unzulässiges Vermögensbildung aus der bloßen Saldierung der für das kommende Wirtschaftsjahr ex ante prognostizierten Planergebnisses mit
176 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 Rz. 102, BVerfGE 146, 164; GewArch 2017, 375 m. Anm. Jahn. 177 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, GewArch 2016, 148; Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17, 8 LB 129/17, 8 LB 130/17; Hamb. OVG v. 20.2.2018 – 5 Bf 213/12, GewArch 2018, 340; VG Düsseldorf v. 19.6.2018 – 20 K 6513/16; VG Magdeburg v. 27.6.2018 – 3 A 75/16 MD und 3 A 74/16 MD; VG Frankfurt a. M. v. 17.1.2019 – 12 K 1511/16. 178 VG Hamburg v. 2.3.2016 – 17 K 2912/14, insofern bestätigt durch Hamb. OVG v. 20.2.2018 – 5 Bf 213/12, GewArch 2018, 340 m. Anm. Heyne.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 46a § 3
dem tatsächlich ex post erzielten Ist-Ergebnis saldiert werden179. Hinsichtlich der Ergebnisverwendung (Gewinnvortrag) beinhaltet § 15a Abs. 3 MFS eine Regelung, nach der die Verwendung des Gewinns spätestens im zweiten der Entstehung folgenden Geschäftsjahr zu verwenden ist. Eine „zeitnahe Ergebnisverwendung“ zwingt deshalb die Kammer nicht zu einer Verwendung in der nächsterreichbaren Nachtragswirtschaftsplanung180. Auch ist die Planung eines Jahresüberschusses nicht zu beanstanden, wenn dieser – zum Beispiel durch Einstellung in Rücklagen – nicht zu einem Bilanzgewinn führt181. Schließlich kann auch die Beibehaltung einer (rechtswidrig) gebildeten Nettoposition eine unzulässige Vermögensbildung darstellen; eine Erhöhung der Nettoposition ist nur zulässig, wenn dafür ein hinreichender sachlicher Grund vorliegt182. Allerdings ist die IHK andererseits zur Bildung von Rücklagen nicht nur berechtigt, sondern im Interesse einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung sogar verpflichtet183. Die Vorsorge durch Versicherung etwaiger Risiken ist keine Alternative, die sich die Kammer bei der Rücklagenbildung entgegenhalten lassen müsste, auch wenn ihr dieser Weg freistünde184. Die Rücklagenbildung ist Teil einer geordneten Haushalts- und Wirtschaftsführung, bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich um „Kosten der IHK“ i.S.d. Beitragsrechts (§ 3 Abs. 2 Satz 1)185. Hält sich die Kammer (durch Beschluss der Vollversammlung) bei der Rücklagenbildung nicht an das Gebot der Schätzgenauigkeit oder hält sie eine Rücklage ohne hinreichende Risikoprognose (s.o. Rz. 21e) aufrecht, kann eine unzulässige Ver-
179 VG Würzburg v. 25.4.2018 – W 6 K 17.376. 180 VG Köln v. 16.6.2016 – 1 K 1838/15; VG Köln v. 15.2.2017 – 1 K 1473/16; VG München v. 20.1.2015 – M 6 K 13.2277; anderer Ansicht aber Hamb. OVG v. 20.2.2018 – 5 Bf 213/12, GewArch 2018, 340 m. Anm. Heyne. 181 Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17; 8 LB 129/17. 182 Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 128/17; 8 LB 129/17: Eine Abweichung („Unterdotierung“) der in der Eröffnungsbilanz gebildeten Nettorücklage vom Wert des unbeweglichen Sachanlagevermögens oder betriebswirtschaftliche Überlegungen der „goldenen Bilanzregel“ soll hierfür nicht genügen. 183 Vgl. BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6/15, GewArch 2016, 148; VGH Baden-Württemberg v. 2.11.2016 – 6 S 1261/14; Zulassung der Revision abgelehnt durch BVerwG v. 22.6.2018 – 10 B 6.17; VG Koblenz v. 25.11.2013 – 3 K 121/12, GewArch 2014, 116, nachfolgend OVG Rheinland-Pfalz v. 23.9.2014 – 6 A 11345/13.OVG, GewArch 2014, 482 ff.; OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6A 10282/10.OVG; OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10.OVG; VG Würzburg v. 25.4.2018 – W 6 K 17.376; Siehe zur Rücklagenbildung auch Spengler, 65; Jahn, BayVBl. 2013, 741; Jahn, GewArch 2014, 116; Jahn, BayVBl. 2018, 258. 184 VG Ansbach v. 30.11.2017 – 4 K 17.00537, GewArch 2018, 70. 185 BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45.87, GewArch 1990, 482 = OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10284/10.OVG; Bay VGH v. 30.7.2012 – 22 ZB 11.1462; VG Stuttgart v. 21.11.2013 – 4 K 1546/13; VG Sigmaringen v. 28.11.2013 – 3 K 3415/11.
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§ 3 Rz. 46a Status, Beiträge und Gebühren mögensbildung vorliegen, die im Beitragsrechtsstreit zur Aufhebung des angefochtenen Beitragsbescheides führt186. 47
Kammerbeiträge sind als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG steuerlich abzugsfähig. Die Bemessung der Beiträge (Grundbeitrag und Umlage) nach Gewerbeertrag und Gewinn aus Gewerbebetrieb gem. § 3 Abs. 3 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden187. 3. Grundbeitrag (§ 3 Abs. 3 Sätze 1, 2)
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Sinn des Grundbeitrags war es ursprünglich, neben der von der steuerlichen Leistungsfähigkeit abhängigen Umlage eine Finanzierungskomponente zu haben, die alle Kammerzugehörigen – oder zumindest die Vollkaufleute unter ihnen – im Sinne einer allgemeinen „Grundlast“ gleichmäßig traf188. Ganz wurde dieses Prinzip jedoch auch früher nicht durchgehalten, was sich etwa darin äußerte, dass mehr als die Hälfte aller kammerzugehörigen Gewerbetreibenden keinen und etwa 20 % nur einen ermäßigten Grundbeitrag zahlten. Mit der Einbeziehung aller Kammerzugehörigen in die Beitragspflicht und der Ausklammerung des Gewerbekapitals aus der Bemessungsgrundlage für die Umlage durch die Beitragsnovelle vom 21.12.1992 ergab sich die Notwendigkeit einer stärkeren Differenzierung des Grundbeitrags189. § 3 Abs. 3 Satz 2 in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.1992 ließ daher eine Staffelung nach der Leistungskraft zu190. Die Staffelungsbefugnis bezieht sich aber nur auf den Grundbeitrag, denn für eine Staffelung der Umlage fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage191. An der Verfassungsmäßigkeit der Regelung über die Grundbeitragsstaffelung bestehen keine Bedenken192.
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Über die Auslegung des Begriffes „Leistungskraft“ gab es in der Folgezeit allerdings in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen. Während in den meisten Entscheidungen die Wahl der Staffelungskriterien weitgehend in das Ermessen der jeweiligen IHK gestellt und dabei sowohl ein einheitlicher Grundbeitrag als auch ein nach den Kriterien „Handelsregistereintragung“ oder „Vollkauf186 BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6.15, GewArch 2016, 148; s.o. die Nachweise bei Rz. 21e. 187 Hess. VGH v. 25.8.2009 – 8 A 282/07; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09 TR; ferner die Nachweise bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 98. 188 Vgl. die 5. Aufl., S. 181. 189 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 12/3320, 8. 190 Siehe Jahn, GewArch 1993, 129. 191 OVG Rheinland-Pfalz v. 24.4.2001 – 11 A 11224/00, GewArch 2001, 344. 192 BVerwG v. 7.12.2016 – 10 C 11.15, GewArch 2017, 193; BVerwG v. 17.12.1998 – 1 C 7/98, BVerwGE 108, 169 = GewArch 1999, 193; OVG Sachsen-Anhalt v. 19.1.2017 – 1 L 189/15; OVG Berlin-Brandenburg v. 25.10.2012 – 1 B 98.10, GewArch 2013, 299; VG Magdeburg v. 27.7.2016 – 3 A 138/14; VG Hamburg v. 14.5.2019 – 17 K 4458/18.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 50 § 3
mannseigenschaft“ gestaffelter Grundbeitrag als rechtmäßig akzeptiert wurde, legten einige Gerichte den Begriff „Leistungskraft“ im Wesentlichen als gleichbedeutend mit steuerlicher Leistungsfähigkeit aus und lehnten damit eine Staffelung nach der „Handelsregistereintragung“ oder „Vollkaufmannseigenschaft“ ab bzw. ließen die Staffelung nach der „Vollkaufmannseigenschaft“ nur in Verbindung mit Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb zu193. Dem hat der Gesetzgeber durch das IHKGÄndG vom 23.7.1998194 abgeholfen, indem er in dem neugefassten § 3 Abs. 3 Satz 2 die „Leistungskraft“ nur als ein Staffelungskriterium nennt und daneben ausdrücklich Art und Umfang des Gewerbebetriebs erwähnt. Da es sich außerdem um eine bloß beispielhafte Aufzählung handelt („insbesondere“), ist auch die Heranziehung weiterer Kriterien (etwa Handelsregistereintrag, Beschäftigtenzahl, Umsatz) für die Beitragsstaffelung zulässig195. Damit haben auch die so genannten „Großbetriebsstaffeln“, die sich in der Regel an Umsatz, Bilanzsumme oder Beschäftigtenzahl orientieren, eine sichere gesetzliche Grundlage erhalten196. Auch der Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb bleibt weiterhin mögliches Staffelungskriterium. Im Normalfall ist dabei auf den ungekürzten Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb abzustellen, denn der Freibetrag des § 3 Abs. 3 Satz 7 gilt nur für die Umlage197. Da ein Unternehmen aufgrund einer gewerbesteuerpflichtigen Tätigkeit insgesamt gesetzliches Mitglied der IHK ist, ist es auch als solches beitragspflichtig. Eine Aufteilung zwischen den verschiedenen Tätigkeiten des Unternehmensträgers findet außerhalb von § 3 Abs. 4 Satz 1 nicht statt. Deshalb ist eine Veranlagung eines privaten Krankenhausträgers zur Großbetriebsstaffel mit dem Gesamtumsatz des Unternehmens nicht zu beanstanden, auch wenn die überwiegende Tätigkeit des Krankenhausbetriebs von der Gewerbesteuer befreit ist198. Kammerzugehörige, für die § 3 Abs. 4 Sätze 2 und 3 Anwendung finden (Apotheker, sonstige Freiberufler und Landwirte), werden nur mit den dort genannten Anteilen zum Grundbeitrag veranlagt. Der recht breite Gestaltungsspielraum der IHKs bei der Staffelung der Grund- 50 beiträge ist ein typisches Kennzeichen einer Selbstverwaltungskörperschaft. Er entzieht sich daher weitgehend der gerichtlichen Überprüfung. Bei der Ausübung des Gestaltungsspielraums ist die Kammer allerdings an das Äquivalenzprinzip 193 Siehe die Rechtsprechungsnachweise 6. Aufl. Rz. 49, ferner Jahn, GewArch 1997, 177, 183; Jahn, GewArch 2005, 169, 223; Jahn, GewArch 2008, 137, 139; Jahn, WiVerw 2015, 92, 98. 194 BGBl. I, 1887. 195 Vgl. die Begründung des Änderungsantrags von CDU/CSU, FDP und SPD v. 10.2.1998, BT-Drs. 13/9975. Zur Zulässigkeit des Staffelkriteriums „Umsatz“ siehe OVG Sachsen-Anhalt v. 19.1.2017 – 1 L 189/15; OVG Berlin-Brandenburg v. 25.10.2012 – 1 B 98.10, GewArch 2013, 299; VG Magdeburg v. 27.7.2016 – 3 A 138/14; VG Hamburg v. 14.5.2019 – 17 K 4458/18. 196 BVerwG v. 7.12.2016 – 10 C 11.15, GewArch 2017, 193. 197 Jahn, GewArch 1998, 356, 359. 198 BVerwG v. 7.12.2016 – 10 C 11.15, GewArch 2017, 193.
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§ 3 Rz. 50 Status, Beiträge und Gebühren und den Gleichheitsgrundsatz gebunden199.Am eingehendsten sind diese Fragen bisher bei den Gemeinden untersucht worden, wenn die Festsetzung der gemeindlichen Hebesätze angefochten wurde200. In allen diesen Fällen wurden Normenkontrollklagen oder auch inzidente Überprüfungen der gemeindlichen Hebesätze wegen der gemeindlichen Finanzautonomie abgewiesen. Aber auch in Bezug auf die IHK-Beiträge haben die Gerichte dies wiederholt bestätigt. So ist etwa die Wirtschaftssatzung nicht deshalb rechtswidrig, weil sie keinen speziellen Grundbeitrag für Mitglieder enthält, die keinen Gewinn erzielen201. Gegen die Erhebung eines Grundbeitrags auch bei Verlust bestehen keine Bedenken202. Die Kammern sind ferner rechtlich nicht gehalten, ihr Beitragssystem dem Steuersystem entsprechend progressiv, wenigstens aber linear auszugestalten203 oder beim Grundbeitrag überhaupt die individuelle Ertragssituation zu berücksichtigen204. 51
Auch verlangt das Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht, dass jeder Besonderheit Rechnung getragen werden muss, sondern es lässt aus Gründen der Praktikabilität dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entsprechende Pauschalierungen zu205. Deshalb besteht für die durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen206 ab 1.11.2008 eingeführten „kleinen“ GmbH, der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ kein Anspruch auf eine gesonderte (geringere) Grundbeitragsstaffel. Eine solche beitragsrechtliche Besserstellung einer im Handelsregister eingetragenen juristischen Person mit Haftungsbeschränkung der Gesellschafter wäre systemfremd und kammerrechtlich schwer begründbar. Auch eine Beitragsbefreiung kommt deshalb nicht in Betracht207. Und schließlich ist ein Vergleich der Beiträge in verschiedenen IHK-Bezirken für die Frage einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG irrelevant. Die Festsetzung der Beiträge ist von der Mitgliederstruktur des Kammerbezirks abhängig und daher einer allgemeinen Regelung auf Gesetzesebene nicht zugänglich208. 199 VG Trier v. 20.10.2010 – 5 K 371/09 TR; VG Ansbach v. 4.2.2010 – AN 4 K 009.00157. 200 Müller, NVwZ 1990, 640; Beckmann, DVBl. 1990, 1193, 1198; ferner die Nachweise Voraufl. Rz. 50. 201 VG Regensburg v. 23.5.1995 – RN 5 K 95.0321, GewArch 1995, 479. 202 Siehe die Nachweise bei Jahn, GewArch 2005, 169, 224, Fn. 214. 203 OVG Rheinland-Pfalz v. 22.1.1997 – 11 A 12624/96, GewArch 1997, 196, 198. 204 VG Leipzig v. 25.10.1996 – 4 K 747/94, GewArch 1997, 210. 205 OVG Berlin-Brandenburg v. 25.10.2012 – 1 B 98.10, GewArch 2013, 299; VG Gelsenkirchen v. 7.5.2013 – 19 K 4576/12; OVG Sachsen-Anhalt v. 18.12.1996 – B 1 S 88/96, GewArch 1997, 154; OVG Nordrhein-Westfalen v. 29.4.1998 – 4 A 2384/97; Jahn, WiVerw 2015, 92, 97; Jahn, GewArch 2005, 169, 223, Fn. 205. 206 MoMiG v. 28.10.2008, BGBl. I, 2026. 207 Siehe unten Rz. 74. 208 VG Trier v. 20.10.2010 – 5 K 371/09.TR; VG Ansbach v. 4.4.2010 – AN 4 K 009.00157; VG Berlin v. 17.2.2008 – 22 A 6.7; VG Minden v. 23.6.2010 – 7 K 2650/09; vgl. Jahn,
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 54 § 3
Für das richtige Verhältnis von Grundbeiträgen und Umlage gibt es ebenfalls 52 keine festen Richtgrößen – weder für ihren Anteil am Haushaltsvolumen noch für ihre absolute Höhe. Dazu ist die Struktur der Kammerbezirke zu unterschiedlich – von den gewerbesteuerlichen Änderungen und ihren beitragsrechtlichen Konsequenzen ganz abgesehen. Es ist vielmehr Aufgabe der Vollversammlung, bei der Festlegung von Grundbeitrag und Umlage entsprechend den bezirklichen Verhältnissen und Haushaltsnotwendigkeiten die verschiedenen Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen und einen Ausgleich zwischen der allgemeinen „Grundlast“ und der von der Leistungsfähigkeit abhängigen Umlage zu finden. Bei einer Erhöhung von Beiträgen kann es beispielsweise darauf ankommen, alle Gruppen von Beitragszahlern möglichst gleichmäßig mehr zu belasten. Eine größere Korrektur und damit eine Umschichtung im Aufkommen kann aber auch notwendig sein, wenn die Belastungen bisher zu einseitig verteilt waren. Es verstößt also nicht gegen § 3 Abs. 3 Satz 1, wenn der Grundbeitrag im Falle seiner Staffelung nicht niedriger, sondern gegebenenfalls sogar deutlich höher als die Umlage ausfällt209. Wirtschaftssatzung oder die Beitragsordnung müssen klar festlegen, nach welchen 53 Kriterien die Grundbeitragsstaffelung erfolgt. Da für den Grundbeitrag eine gesetzliche Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage fehlt, empfiehlt es sich für IHKs, die nach dem Gewerbeertrag/Gewinn aus Gewerbebetrieb (zu diesen Bemessungsgrundgrundlagen s.u. Rz. 59, 61, 66) staffeln, eine ausdrückliche Bestimmung, wie sie in § 3 Abs. 3 Satz 6 für die Umlage existiert, in die Wirtschaftssatzung oder Beitragsordnung aufzunehmen. Geschieht dies nicht, berührt dies allerdings die Wirksamkeit der Wirtschaftssatzung nicht210. Nach anderer Auffassung des Nds. OVG211 soll aber die Haushaltssatzung (Wirtschaftssatzung) mangels Bestimmtheit nichtig sein. Diese Konsequenz wird indes sowohl von anderen Gerichten als auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur212 zu Recht als zu harsch empfunden. Eine Beitragsstaffel „Gewerbeertrag/Gewinn aus Gewerbebetrieb bis … Euro“ 54 schließt nach herrschender Meinung auch den Verlustfall mit ein213. Dennoch kann es sich empfehlen, in der Wirtschaftssatzung eine Formulierung zu verwenden, die den Verlust ausdrücklich aufführt und damit den Meinungsstreit gar nicht entstehen lässt.
209 210 211 212 213
WiVerw 2015, 92, 97, 125; Jahn, GewArch 1997, 177, 183; Jahn, GewArch 2005, 169, 223. OVG Sachsen-Anhalt v. 19.1.2017 – 1L 189/15. so auch Nds. OVG v. 12.11.1998 – 8 L 4277/98. Nds. OVG v. 23.6.1997 – 8 L 310/97, GewArch 1998, 160. VGH Baden-Württemberg v. 17.6.1998 – 14 S 38/98; VG Karlsruhe v. 21.4.1998 – 1 K 2075/96; Jahn, GewArch 1998, 146. VG Karlsruhe v. 21.4.1998 – 1 K 2075/96; VG Düsseldorf v. 10.11.1998 – 3 K 6147/98; Jahn, DB 1997, 2456; a.A. Paul, DB 1997, 1436.
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§ 3 Rz. 55 Status, Beiträge und Gebühren 55
Der Grundbeitrag ist – ausgenommen in den Fällen der Beitragsbefreiung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 und ggf. von Mischbetrieben – von allen Kammerzugehörigen zu zahlen, selbst wenn der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 Euro lautet oder für die Betriebsstätten im Kammerbezirk gemäß § 34 GewStG kein Zerlegungsanteil festgesetzt wird214. Es kann sich dabei ergeben, dass der Grundbeitrag höher als die Umlage ist. Darin liegt kein Widerspruch, wenn man den Grundbeitrag entsprechend dem gesetzgeberischen Willen als eigenständiges Finanzierungsinstrument ansieht und seine Bedeutung für eine gerechte Beitragsverteilung betont. Dies gilt genauso, wenn ein Unternehmen in zahlreichen anderen Kammerbezirken auswärtige Betriebsstätten – wenn auch kleinster Art – unterhält und deshalb die Summe der von ihm gezahlten Grundbeiträge sogar wesentlich höher als die für das gesamte Unternehmen zu zahlende Umlage ist; der Hinweis auf zahlreiche auswärtige Betriebsstätten ist auch kein Erlassgrund215. Zu begründen ist dies damit, dass die auswärtigen Betriebsstätten jeweils auch die Vorteile aus der Arbeit der dortigen IHK ziehen.
56
Jeweils separat kammerzugehörig und beitragspflichtig sind auch die Mitglieder einer Organschaft wie Organträgerin (Muttergesellschaft) und Organgesellschaften (Tochtergesellschaften). Wenn beispielsweise eine auswärtige Muttergesellschaft im Kammerbezirk Betriebsstätten sowie eine Organgesellschaft unterhält, sind beide selbständig kammerzugehörig und müssen jeweils den vollen Grundbeitrag zahlen216. Auf der Grundlage des § 3 Abs. 3 Satz 9, der durch das IHKGÄndG vom 7.9.2007217 eingefügt wurde, ist allerdings den IHKs die Möglichkeit gegeben, in diesen Fällen im Rahmen ihres Ermessens auf Antrag einen ermäßigten Grundbeitrag einzuräumen218. Der Grundbeitrag ist andererseits von jedem Kammerzugehörigen nur einmal zu zahlen, selbst wenn er im Kammerbezirk mehrere Betriebsstätten unterhält.
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Der Grundbeitrag ist unteilbar, selbst wenn die Kammerzugehörigkeit nicht während des gesamten Haushaltsjahres bestanden hat219. Die genehmigten Beitragsordnungen legen fest, dass er stets ungekürzt zu zahlen ist, und mit Beginn des Wirtschaftsjahres entsteht. Bei einer gewerblichen Tätigkeit von unter drei Mo-
214 VG Saarland v. 30.5.1989 – 5 K 138/89. 215 OVG Nordrhein-Westfalen v. 24.2.1997 – 25 A 4720/94, GewArch 1997, 296, 298; VG Gelsenkirchen v. 8.6.1983 – 3 K 1741/82, GewArch 1984, 37; Zur Betriebsstätteneigenschaft und Beitragspflicht auswärtiger Baustellen siehe Jahn, GewArch 2017, 15. 216 VG München v. 31.5.1983 – M 4016 XVI 82; Zur Umlageberechnung und Zerlegung bei Organschaft s.u. Rz. 68. 217 BGBl. I, 2245. 218 Siehe dazu unten Rz. 80. 219 Nds. OVG v. 20.5.1996 – 8 L 647/95, GewArch 1996, 413, 414; Jahn, GewArch 2005, 169, 223.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 60 § 3
naten im Jahr sehen die IHKs in ihren Beitragsordnungen allerdings die Möglichkeit vor, von einer Grundbeitragserhebung abzusehen. 4. Umlage (§ 3 Abs. 3 Satz 1, Satz 6 und Satz 7) a) Grundlagenbescheid der Finanzverwaltung Kernstück des Beitragswesens und der Kammerfinanzen ist die Umlage, die, falls 58 für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt ist, auf der Basis des Gewerbeertrags nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls auf der Basis des nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb bemessen wird. Diese Bemessungsgrundlagen werden den Kammern auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung von der Finanzverwaltung – in verfassungsrechtlich zulässiger Durchbrechung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) – im automatisierten Verfahren zur Verfügung gestellt. Damit wird primär auf ein Gesamtsystem abgestellt, dessen Angelpunkt der Gewerbesteuermessbescheid als Grundlagenbescheid ist; daraus folgt wiederum, dass bei Änderungen dieses Grundlagenbescheids die IHKs in analoger Anwendung von § 175 Nr. 1 AO einen neuen Beitragsbescheid erlassen und es zu Nachveranlagungen oder auch Erstattungen kommen kann. Diese Anknüpfung der Umlage an den Gewerbeertrag des Kammerzugehörigen 59 nach dem Gewerbesteuergesetz, hilfsweise nach dem Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuergesetz festgesetzten Gewinn ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden220. Sie dient vielmehr einer größeren Beitragsgerechtigkeit. Dies hatte das Bundesverwaltungsgericht bezogen auf den Gewerbesteuermessbetrag bereits in seinem Urteil vom 26.6.1990221 festgestellt. Im gleichen Sinne hatten sich auch schon vorher andere Gerichte geäußert222. b) Tatbestandswirkung der finanzamtlichen Bemessungsgrundlage Der vom Finanzamt festgestellte Gewerbeertrag (oder Gewinn) ist für die Kammer 60 verbindlich und hat für sie kraft Gesetzes Tatbestandswirkung, s.u. Rz. 70223. Die IHK kann nicht etwa stattdessen Umsatz, Beschäftigtenzahl oder andere Merkma220 Hess. VGH v. 25.8.2009 – 8 A 282/07; VG München v. 14.7.2015 – M16 K 14.3767; VG Ansbach v. 17.5.2010 – AN 4 K 09.00091; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09; VG Arnsberg v. 27.11.1996 – 13 K 33461/95; Ferner die Nachweise bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 98. 221 BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45.87, GewArch 1990, 398. 222 Hess. VGH v. 15.10.1986 – 5 UE 236/84, GewArch 1987, 395; vgl. dazu auch Jahn, WiVerw 2015, 92, 98; Mache, GewArch 1986, 122; Junge, GewArch 1986, 153; Junge, WUR 1991, 38. 223 BVerwG v. 6.5.1983 – 5 B 51/81, NVwZ 1983, 546; OVG Berlin-Brandenburg v. 28.2.2010 – 1 N 84.10; OVG Rheinland-Pfalz v. 7.7.2010 – 6 A 10884/10.OVG, Gew-
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§ 3 Rz. 60 Status, Beiträge und Gebühren le zur Bemessungsgrundlage für die Umlage machen. Die nur für die neuen Bundesländer geltende Sonderregelung des § 14 war auf den 31.12.1997 befristet und ist damit ausgelaufen224. Aus der Tatbestandswirkung der übermittelten finanzamtlichen Bemessungsgrundlage folgt für den beitragspflichtigen Kammerzugehörigen zugleich, dass er Einwendungen nach Grund und Höhe gegen die finanzamtliche Feststellung ggf. im finanzgerichtlichen Verfahren geltend machen muss; im Beitragsveranlagungsverfahren ist er mit diesen Einwendungen präkludiert. Aus der Verbindlichkeit des Gewerbeertrags ergibt sich darüber hinaus, dass die Vollversammlung für alle umlagepflichtigen Unternehmen nur einen einheitlichen Hebesatz (Umlagesatz) festlegen darf. Sie darf weder eine Höchstgrenze für die Umlage bestimmen, noch den Umlagesatz nach Branchen, Betriebsgrößen oder anderen Merkmalen staffeln. Das Gewerbesteuergesetz berücksichtigt bereits die unterschiedlichen Ertragsverhältnisse, die sich damit entsprechend auf die Kammerumlage auswirken. Die IHK hat infolgedessen keine Möglichkeit einer individuellen Beitragsgestaltung. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem schon erwähnten Urteil vom 26.6.1990225 jedoch eine Staffelung im Umlagesatz oder die Festlegung einer Höchstgrenze für möglich gehalten, wenn der Vorteil aus der Kammerzugehörigkeit nicht mehr entsprechend mit der Bemessungsgrundlage gewachsen sein sollte. Dies ist jedoch keine operationable Formel, so dass weder die IHK noch ein Verwaltungsgericht wissen können, wann diese Grenze überschritten wird. Grundsätzlich steigt auch mit der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens der Vorteil, den es aus der Kammerzugehörigkeit zieht. c) Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage 61
Der Gewerbeertrag ist Bemessungsgrundlage etwa im Bereich der beruflichen Bildung, wenn das Unternehmen ausbildet, oder in der Außenwirtschaftsberatung, wenn das Unternehmen grenzüberschreitend tätig ist. Der Gewerbeertrag226 ist nach § 7 GewStG unter Berücksichtigung von § 10a GewStG zu ermitteln. Ausgangspunkt ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Dazu werden die in § 8 GewStG genannten Beträge hinzugerechnet227. Es handelt sich im Ein-
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Arch 2011, 95; Jahn, WiVerw 2015, 92, 101; Jahn, GewArch 2005, 169, 176; Jahn, GewArch 2008, 137, 142. Vgl. dazu noch VG Potsdam v. 3.12.1999 – 7 L 1308/98; VG Halle v. 11.9.2002 – 5 A 172/02 HAL. BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45.87, GewArch 1990, 398. § 11 GewStG. Zur Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 GewStG siehe BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, DB 2018, 2024; BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557 = DStR 2016, 862; Zur Vereinbarkeit mit EU-Recht EuGH v. 21.7.2011 – C 397/09, BStBl II 2012, 528.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 63 § 3
zelnen um Dauerschuldentgelte228, Renten und dauernde Lasten229, stille Gewinnanteile230, KGaA-Gewinnanteile231, Miet- und Pachtzinsen für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens232, mitunternehmerische Verlustanteile233, Spenden234, ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen235. Anschließend werden die in § 9 GewStG vorgesehenen Kürzungen bei betrieblichem Grundbesitz236, bei mitunternehmerischen Gewinnanteilen237, bei Schachtelbeteiligungen238, bei KGaA-Gewinnanteilen239, bei ausländischen Betriebsstätten240, bei Miet- und Pachtzinsen241, bei Spenden242, bei ausländischen Schachtelbeteiligungen243 und bei befreiten Gewinnen aus Auslandsbeteiligungen244 vorgenommen. Und schließlich wird noch ein eventueller Verlustausgleich nach § 10a GewStG vorgenommen. Auch außerordentliche Gewerbeerträge, etwa Veräußerungsgewinne bei Unternehmensverkäufen gehören zur Bemessungsgrundlage und werden folglich auch bei der IHK-Umlage berücksichtigt245. Sämtliche vorgenannten Berechnungen erfolgen durch die Finanzbehörden. Die IHK ist also auch insoweit an deren Mitteilung, die Tatbestandswirkung hat, gebunden, siehe Rz. 134. Nicht berücksichtigt werden bei der Veranlagung zum IHK-Beitrag die in § 11 62 Abs. 1 GewStG genannten gewerbesteuerlichen Freibeträge. Diese sind ausdrücklich nur für die Berechnung der Gewerbesteuer von Bedeutung, mindern jedoch nicht den Gewerbeertrag. Das Gesetz bestimmt nicht das Jahr, dessen Gewerbeertrag der Kammerumlage 63 zugrunde zu legen ist. Eine zwingende Akzessorietät der Kammerumlage zur Gewerbesteuer, wie sie früher bestand, gibt es im IHKG nicht mehr. Es bleibt den IHKs vielmehr überlassen, in ihrer Wirtschaftssatzung das Bemessungsjahr fest228 § 8 Nr. 1 GewStG. 229 § 8 Nr. 2 GewStG, aufgehoben mit Wirkung ab 2008 durch Gesetz v. 14.8.2007, BGBl. I, 1912. 230 § 8 Nr. 3 GewStG. 231 § 8 Nr. 4 GewStG. 232 § 8 Nr. 7 GewStG. 233 § 8 Nr. 8 GewStG. 234 § 8 Nr. 9 GewStG. 235 § 8 Nr. 10 GewStG. 236 § 9 Nr. 1 GewStG. 237 § 9 Nr. 2 GewStG. 238 § 9 Nr. 2a GewStG. 239 § 9 Nr. 2b GewStG. 240 § 9 Nr. 3 GewStG. 241 § 9 Nr. 4 GewStG, letztmals anzuwenden für EZ 2007, vgl. Gesetz v. 14.8.2007, BGBl. I, 1912. 242 § 9 Nr. 5 GewStG. 243 § 9 Nr. 7 GewStG. 244 § 9 Nr. 8 GewStG. 245 VG Arnsberg v. 18.2.2005 – 13 K 1540/04.
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§ 3 Rz. 63 Status, Beiträge und Gebühren zulegen, nach dessen Gewerbeertrag die Umlage erhoben wird. Die Mehrzahl der IHKs ist deshalb zur „Gegenwartsveranlagung“ übergegangen, nachdem die Datenverarbeitung im Beitragswesen dieses Verfahren mit seinen Vorauszahlungen und Abrechnungen erleichtert. Eine vorläufige Veranlagung auf der Basis des letzten der IHK bekannten Gewerbeertrags ist – auch ohne ausdrückliche Regelung im Gesetz zulässig und entspricht hergebrachten Grundsätzen des Beitragsrechts246. Sie erfolgt durch Vorauszahlungsbescheid, wie er in Beitragsordnung und Wirtschaftssatzung vorgesehen ist. Der finanzamtliche Grundlagenbescheid bindet hierbei die IHK beim Vorauszahlungsbescheid. Der Kammerzugehörige kann deshalb nicht geltend machen, der Grundlagenbescheid des Finanzamts sei rechtswidrig; dieser Grundlagenbescheid ist vielmehr vor den Finanzbehörden bzw. -gerichten anzufechten, s.o. Rz. 60247. Ändert sich nach Erteilung des Vorauszahlungsbescheides die Bemessungsgrundlage für das festgesetzte Bemessungsjahr, so hat die IHK einen berichtigten Beitragsbescheid zu erlassen; zu viel gezahlte Beiträge werden dann erstattet oder auf künftige Beiträge verrechnet, zu wenig erhobene Beiträge werden nachgefordert248. Eine endgültige Abrechnung des Kammerbeitrag, die mit 0 Euro festgesetzt wird, stellt mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) dar und unterliegt indessen auch nicht der Anfechtbarkeit249. Genauso verhält es sich mit informatorischen Zusätzen des Beitragsbescheides („… mit früheren Bescheiden festgesetzt …“) über offene oder beglichene Forderungen aus Vorjahren250. Weist ein Abrechnungsbescheid ein Guthaben aus, ist der Bescheid lediglich rechtlich vorteilhaft und kann deshalb mangels Beschwer (§ 42 Abs. 2 VwGO) nicht angefochten werden251. Ein im Wege der vorläufigen Veranlagung ergangener (erster) Vorauszahlungsbescheid wird durch einen (zweiten) Abrechnungsbescheid, der lediglich einen Mehrbetrag für das gleiche Geschäftsjahr festsetzt, weder aufgehoben noch erledigt er sich. Da sich die Regelungswirkung auf die Festsetzung des Mehrbetrages beschränkt, handelt es sich hinsichtlich des bereits früher festgesetzten Betrag lediglich um eine wiederholende Verfügung und nicht um einen Zweitbescheid252. Grundsätzlich gilt, dass ein abschließender Bescheid den vorläufigen Verwaltungsakt ersetzt253. Ersetzt also der endgülti246 VG Ansbach v. 4.2.2010 – AN 4 K 009.00157; VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09 TR; VG Würzburg v. 8.3.1995 – W 10 K 94.1068, GewArch 1995, 293; VG Arnsberg v. 12.1.1996 – 13 K 6540/94, GewArch 1996, 336; Jahn, WiVerw 2015, 92, 126. 247 OVG Nordrhein-Westfalen v. 8.8.2001 – 4 A 4074/00, GewArch 2002, 33. 248 VG Trier v. 20.1.2010 – 5 K 371/09.TR. 249 Schl.-Holst. VG v. 15.2.2018 – 12 A 173/16. 250 VG Ansbach v. 8.11.2017 – AN 4 K 15.01648. 251 VG Arnsberg v. 3.5.2018 – 7 K 2808/16. 252 Hamb. OVG v. 20.2.2018 – 5 Bf. 213/12, GewArch 2018, 340, 341; Jahn, GewArch 2016, 263, 270. 253 BVerwG v. 19.11.2009 – 3 C 7/09, BVerwGE 135, 238; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl., § 43 Rz. 50, 213.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 65 § 3
ge den vorläufigen Beitragsbescheid, ist die Festsetzung des Beitrags in vollem Umfang anfechtbar, d.h. auch die Rechtsbehelfsfrist wird neu eröffnet. Ob im Einzelfall auch im Vorauszahlungsbescheid schon eine endgültige Festsetzung des Teilbetrages erfolgen soll mit der Folge, dass im Falle des Abrechnungsbescheides nur noch der Differenzbetrag zur bisherigen Festsetzung anfechtbar ist254, ist Auslegungsfrage255. Die IHK kann dies durch eindeutige Formulierungen in Beitragsordnung und Beitragsbescheid entsprechend gestalten. Die Frist für die Festsetzung eines IHK-Beitrages endet nicht, solang ein Grundlagenbescheid noch geändert werden kann256. Der Kammerbeitrag kann auch nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 AO) – s.u. Rz. 132 – innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Gewerbesteuerbescheides noch in vollem Umfang geändert werden; die Kammer ist also nicht verpflichtet, die Festsetzung auf die Differenz zu einem früheren Gewerbesteuermessbescheid zu beschränken257. Ein anderer Teil der IHKs verlegt jedoch das Bemessungsjahr zurück (sog. Vergangenheitsveranlagung), in der Regel um drei Jahre; die Kammerumlage für 2018 wird dann beispielsweise nach dem Gewerbeertrag des Jahres 2015 erhoben. Diese Zurückverlegung hat den Vorteil, dass nach drei Jahren die Masse der Gewerbesteuerveranlagungen durchgeführt ist und für fast alle Kammerzugehörigen der Gewerbeertrag vorliegt, so dass die Beitragsveranlagung sogleich endgültig erfolgen kann und es keiner Vorauszahlungen bedarf. Die Rechtsprechung hat in einer ganzen Reihe von Verfahren diese Zurückverlegung des Bemessungszeitraums anerkannt258. Die IHK kann andererseits ihre Umlage nicht endgültig nach den letzten vorlie- 64 genden Gewerbeerträgen berechnen, da es sich dann – je nach der Dauer des Veranlagungsverfahrens – um Erträge verschiedener Jahre handeln würde und der Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung verletzt würde. Sie kann nur ein bestimmtes Kalenderjahr für alle Kammerzugehörigen als Bemessungsgrundlage für die Umlage wählen. Wenn die Wirtschaftssatzung die Gewerbeerträge eines zurückliegenden Kalen- 65 derjahres zur Grundlage der Umlage bestimmt, muss in der Wirtschaftssatzung selbst auch noch Vorsorge für die Umlageberechnung bei zwischenzeitlich errichteten Gewerbebetrieben und Betriebsstätten getroffen werden. In diesen Fällen 254 So VG Arnsberg v. 3.5.2018 – 7 K 2808/16; Schl.-Holst. VG v. 15.2.2018 – 12 A 173/16; VG München v. 6.10.2015 – M16 K 15.2443. 255 Nds. OVG v. 17.9.2018 – 8 LB 129/17; weitergehend demgegenüber – ohne tragfähige Begründung – VG Frankfurt a. M. v. 9.8.2018 – 12 K 229/17; VG Trier v. 22.2.2018 – 2 K 5521/17 TR; VG Braunschweig v. 20.4.2017 – 17 K 2912/14, wonach eine endgültige Beitragsfestsetzung stets uneingeschränkt in vollem Umfang anfechtbar sein soll. 256 Bay VGH v. 12.3.2019 – 22 B 16.2014, GewArch 2019, 240; VG Gießen v. 7.5.2014 – 8 K 473/13.GI, GewArch 2014, 360. 257 VG Berlin v. 17.4.2014 – 4 K 505.13. 258 Siehe die älteren Rechtsprechungsnachweise 6. Aufl. Rz. 63.
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§ 3 Rz. 65 Status, Beiträge und Gebühren erhebt die IHK ihre Umlage so lange nach dem ersten vorliegenden Gewerbeertrag, bis der Anschluss an das zurückliegende Bemessungsjahr erreicht ist. Die mehrfache Nutzung desselben Gewerbeertrags führt dabei zu keiner Mehrbelastung, weil umgekehrt bei Beendigung der Kammerzugehörigkeit eines umlagepflichtigen Unternehmens seine letzten Gewerbeerträge ungenutzt bleiben. Wenn z.B. ein Unternehmen mit dem 31.12.2018 seine Tätigkeit eingestellt hat und seine Kammerzugehörigkeit damit beendet ist, kann die IHK keinen Beitrag mehr für 2019 erheben und bei einer Zurückverlegung des Bemessungszeitraums um zwei Jahre die noch anfallenden Gewerbeerträge 2016, 2017 und 2018 nicht mehr nutzen. Praktische Bedeutung hat diese Frage insbesondere für auswärtige Bau- und Montagestellen, soweit sie als Betriebsstätten gelten und die Kammerzugehörigkeit begründen259. Sie werden bei Zurückverlegung des Bemessungszeitraums mehrfach mit dem ersten Zerlegungsanteil zur Umlage herangezogen, während die letzten Zerlegungsanteile regelmäßig wegen Beendigung der Kammerzugehörigkeit entfallen. Gerade an diesem Beispiel erweist sich auch, dass die in der Haushaltssatzung (Wirtschaftssatzung) getroffene „Übergangsregelung“ für neuerrichtete oder vorübergehende Betriebsstätten der gleichmäßigen Beitragsbelastung aller Kammerzugehörigen dient; andernfalls wären nämlich Bau- und Montageunternehmen mit ihren auf die auswärtigen Betriebsstätten entfallenden Zerlegungsanteilen umlagefrei und brauchten nur den Grundbeitrag zu zahlen. d) Gewinn aus Gewerbebetrieb als Bemessungsgrundlage 66
Die Hilfsbemessungsgrundlage Gewinn aus Gewerbebetrieb findet dann Anwendung, wenn vom Finanzamt ein Gewerbesteuermessbetrag – in der Regel bei geringen Erträgen – nicht festgesetzt wird. Der aus dem EStG oder dem KStG abgeleitete Gewinn aus Gewerbebetrieb wird um Gewinne aus ausländischen Betriebsstätten, um Beteiligungserträge von anderen Unternehmen und um den nicht ausgeglichenen Gewerbeverlust aus Vorjahren260 gekürzt, um eine dem Gewerbeertrag vergleichbare Bemessungsgrundlage zu erhalten. Regelungen dazu enthalten die Beitragsordnungen der IHKs. Da den IHKs die betreffenden Kürzungsbeträge in der Regel nicht bekannt sind, wird deren Nachweis durch den Beitragspflichtigen verlangt261. Hat ein Einzelunternehmer mehrere Betriebe, die jeweils unter einer eigenen Steuernummer zur Gewerbesteuer veranlagt werden, wird für diesen Kammerzugehörigen kein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt. Daher ist auch in diesen Fällen auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb nach dem Einkommensteuergesetz als Bemessungsgrundlage für die Beitragserhebung abzustellen.
259 Zur Kammerzugehörigkeit und Beitragspflicht in diesen Fällen Jahn, GewArch 2017, 15; anderer Ansicht Forkel, GewArch 2017, 11. 260 § 10a GewStG. 261 § 3 Abs. 3 Satz 8.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 67 § 3
Mit der in § 3 Abs. 3 Satz 6 geregelten (hilfsweisen) Anknüpfung an den „nach Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb ist einkommensteuerlich an Einkünfte gem. § 2 Nr. 1 EStG angeknüpft, also an Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Auch wenn „Gewinne“ im Rahmen der gewerbesteuerlichen Festsetzung von der Finanzverwaltung nicht (mehr) mitgeteilt werden können, ist eine entsprechende Gewinnmitteilung problemlos über die jeweilige Einkommensteuernummer möglich; sie bildet dann mit Tatbestandswirkung für die Kammer eine ausreichende Grundlage zur Beitragsberechnung. Voraussetzung ist lediglich, dass der Rechtsträger der objektiven Gewerbesteuerpflicht unterliegt (§ 2 GewStG). Auf eine Zuordnung einzelner Teile des (gewerblichen) Gewinns auf einzelne Betriebe ist nicht erforderlich und auch nicht gesetzlich vorgesehen. Für die Feststellung der Bemessungsgrundlage zur Festsetzung des Kammerbeitrags kommt es nicht darauf an, ob die gesamte Bemessungsgrundlage einer gewerbesteuerpflichtigen Tätigkeit zuzurechnen ist; es ist vielmehr die Bemessungsgrundlage des gesamten Unternehmens zu berücksichtigen, und nicht nur der gewerbesteuerpflichtige Teil262. Für die Bemessungsgrundlage kommt es also bei dem nach dem EStG ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht darauf an, dass dieser Gewinn vollständig der Gewerbesteuer unterliegt. 5. Zerlegungsanteil a) Auswärtige Betriebsstätten Die Verweisung auf den Gewerbeertrag in § 3 Abs. 3 Satz 6 schließt die Zerlegung 67 ein, wenn ein Unternehmer (Rechtsträger) Betriebsstätten in verschiedenen Gemeinden unterhält und deshalb jeder beteiligten Gemeinde vom Finanzamt gemäß den §§ 28–34 GewStG ein Zerlegungsanteil am Gewerbesteuermessbetrag des Unternehmens zugewiesen wird. Da nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes auch auswärtige Betriebsstätten die Kammerzugehörigkeit eines Unternehmens begründen, kann die IHK in solchen Fällen neben dem Grundbeitrag ihre Umlage nur auf der Grundlage der Zerlegungsanteile erheben, die auf die Gemeinden im Kammerbezirk entfallen. Ebenso wie die Gemeinden nur Gewerbesteuer für die in ihrem Gebiet befindlichen Betriebsstätten erhalten, berechnet sich die Kammerumlage nur nach den Zerlegungsanteilen für die Betriebsstätten im Kammerbezirk. In den Beitragsordnungen der IHKs wird für die Fälle, in denen eine Veranlagung nach dem Gewerbeertrag erfolgt, auf die gewerbesteuerliche Zerlegung verwiesen. Lediglich bei Veranlagung auf der Basis der Hilfsbemessungsgrundlage Gewinn aus Gewerbebetrieb wird ausdrücklich festgelegt, dass die Zerlegung nach dem Verhältnis der Lohnsummen vorgenommen werden muss.
262 So für die Anwendung der Staffelungsvorschriften auf kammerzugehörige Krankenhäuser BVerwG v. 7.12.2016 – 10 C 11/15, GewArch 2017, 193.
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§ 3 Rz. 67 Status, Beiträge und Gebühren Da nur im Inland betriebene Betriebsstätten die Kammerzugehörigkeit begründen, sind ohne entsprechende Erstreckungsklausel im IHKG oder im Landesrecht sog. Offshore-Windparks in der sog. ausschließlichen Wirtschaftszone nicht kammerzugehörig (§ 2 Abs. 1) und folglich auch insoweit nicht beitragspflichtig263. b) Organgesellschaften 68
In diesem Zusammenhang bedarf die Umlageberechnung bei Organgesellschaften besonderer Erwähnung. Sie bleiben selbständige Kammerzugehörige, werden aber gewerbesteuerlich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG wie Betriebsstätten behandelt. Sie können von der Kammer nicht nur zum Grundbeitrag, sondern auch zur Umlage herangezogen werden. Für den gesamten gewerbesteuerlichen Organkreis wird deshalb nur ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt und dann auf die Betriebsstättengemeinden zerlegt. Soweit die Betriebsstätten in verschiedenen Gemeinden liegen, kann die Umlage an Hand des jeweiligen Zerlegungsanteils berechnet werden264. Es kommt aber auch vor, dass in einer einzigen Gemeinde sowohl Betriebsstätten des Organträgers als auch seiner Organgesellschaften vorhanden sind; für sie wird dann nur ein einheitlicher Zerlegungsanteil ausgewiesen. In solchen Fällen wird nur der Organträger zur Umlage herangezogen, die Organgesellschaften zum Grundbeitrag. Unterhält der Organträger in einer Gemeinde mehrere Betriebsstätten, erfolgt keine Zerlegung, weil eine Zerlegung von Betriebsstätten an einem Standort nicht stattfindet. Werden jedoch von mehr als einer Organgesellschaft Betriebsstätten in einer einzigen Gemeinde unterhalten, muss die Kammer im Benehmen mit dem Organträger den Zerlegungsanteil aufteilen.
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Wenn eine bisher selbständige Gesellschaft zur Organgesellschaft wird, ändert sich an der Kammerzugehörigkeit nichts. Der Grundbeitrag wird, wie bisher, weiter von ihr erhoben. Ebenso wird die Umlage weiter von der Organgesellschaft eingezogen, wobei bei einer Zurückverlegung des Bemessungsjahres auch noch von den Gewerbeerträgen oder Zerlegungsanteilen aus der vor-organschaftlichen Zeit auszugehen ist. Sobald der Anschluss an das zurückliegende Bemessungsjahr erreicht ist, wird der Zerlegungsanteil aufgrund des Organschaftsverhältnisses zugrunde gelegt. Wegen der Saldierung von Gewinnen und Verlusten im Organkreis ist der organschaftliche Zerlegungsanteil meist niedriger als der frühere Gewerbeertrag, so dass solche Unternehmensverbindungen in der Regel erhebliche Einnahmeausfälle für Gemeinden wie IHKs zur Folge haben. Die gleichen Konsequenzen ergeben sich im Übrigen auch bei der Beendigung eines Organ-
263 Siehe § 2 Rz. 82a. 264 VGH Baden-Württemberg v. 25.7.1985 – 14 S 2419/83, GewArch 1985, 368.
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Beiträge (§ 3 Abs. 2, 3)
Rz. 71 § 3
schaftsverhältnisses, weil auch hier die selbständige Kammerzugehörigkeit unverändert bleibt265. 6. Feststellung der Gewerbesteuerpflicht und Ermittlung der Gewerbeerträge (§ 3 Abs. 3 Satz 8) Die IHK ist für die Feststellung der Kammerzugehörigkeit und vor allem für die 70 Erhebung der Umlage auf die Mitteilung der vom Finanzamt festgestellten Gewerbeerträge und Zerlegungsanteile angewiesen. Die Finanzämter sind dazu berechtigt und verpflichtet, deren Mitteilung an die Kammer hat Tatbestandswirkung, s.o. Rz. 60. Dies ergibt sich aus § 31 Abs. 1 AO, wonach die Finanzämter – unter Wahrung des Steuergeheimnisses im Übrigen – die für deren Arbeit notwendigen Besteuerungsunterlagen an Körperschaften öffentlichen Rechts weitergeben dürfen266 und nun vor allem auch weiterzugeben haben. Die Heranziehung der gewerbesteuerlichen Grundlagen dient der Vereinfachung und Entlastung des IHK-Beitragsverfahrens und entspricht damit dem Anliegen, die finanzielle Inanspruchnahme der Mitglieder gering zu halten267; durch diese Datenweitergabe wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der IHK-Mitglieder nicht verletzt. In § 9 Abs. 2 ist ferner bestimmt, dass die Industrie- und Handelskammern und deren Gemeinschaftseinrichtungen zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit und zur Festsetzung der Beiträge der Kammerzugehörigen Angaben zur Gewerbesteuerveranlagung im Sinne von § 2 Abs. 1 sowie die nach § 3 Abs. 3 erforderlichen Bemessungsgrundlagen bei den Finanzbehörden erheben, siehe näher unten zu § 9 (dort vor allem zu den Anpassungen durch die EU-DSGVO, s.u. § 3 Rz. 19). Eine Pflicht der Finanzämter zur Mitteilung der Gewerbeerträge und Zerle- 71 gungsanteile kann ferner von den Bundesländern gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 in ihren Ausführungsgesetzen vorgeschrieben werden. Davon ist bislang abgesehen worden, weil bereits überall entsprechende Erlasse der Landesfinanzminister diese Frage regelten. Inzwischen ist das Verfahren durch die Einführung der automatischen Datenverarbeitung bei der Finanzverwaltung und den IHKs weiterentwickelt worden, wofür auch ein gemeinsamer Ausschuss zwischen der Finanzverwaltung und den Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern gebildet und eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen wurde, die laufend nach Maßgabe der weiteren Entwicklung im Steuerrecht, im Kammerrecht und in der Datenverarbeitung angepasst wird. Hilfsweise besteht für die Kammern die Möglichkeit, die für die Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen unmittel265 VGH Baden-Württemberg v. 25.7.1985 – 14 S 2419/83, GewArch 1985, 368; Zu weiteren Einzelheiten siehe Vorauflage Rz. 69. 266 OVG Rheinland-Pfalz v. 22.1.1997 – 11 A 12624/96; VG Neustadt/W. v. 25.5.1996 – 7 K 3257.95.NW, GewArch 1997, 23. 267 VG Saarland v. 22.12.1995 – 6 K 398/94, GewArch 1996, 334.
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§ 3 Rz. 71 Status, Beiträge und Gebühren bar bei den Kammerzugehörigen zu erheben. Diese sind gem. § 3 Abs. 3 Satz 8 der IHK gegenüber zur Auskunft und Gewährung von Einsicht in die relevanten Geschäftsunterlagen verpflichtet. Die Einschränkung auf Fälle, in denen die Bemessungsgrundlagen nicht bereits nach § 9 erhoben sind, bedeutet nicht, dass die IHK vor Äußerung des Auskunftsverlangens zunächst versuchen muss, die notwendigen Daten über das Finanzamt zu bekommen. Sind ihr indessen vom Finanzamt bereits die entsprechenden Daten mitgeteilt worden, ist ein Auskunftsverlangen bzw. eine Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen ausgeschlossen. Es bestände dafür auch kein Bedarf, denn die vom Finanzamt mitgeteilten Bemessungsgrundlagen sind für die IHKs verbindlich. 72
Liegen Mitteilungen des Finanzamtes vor, die jedoch eine eindeutige Beitragsveranlagung nicht zulassen, bleiben die Befugnisse der IHK nach § 3 Abs. 3 Satz 8 bestehen. Sie muss das sogar tun, wenn sie den betreffenden Kammerzugehörigen zum Beitrag veranlagen will. Dies folgt aus dem sowohl im Steuerrecht268 als auch im Beitragsrecht269 geltenden Grundsatz der Ermittlung von Amts wegen.
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Das Steuergeheimnis270 ist auch von den IHKs zu wahren. Sie dürfen die mitgeteilten Besteuerungsunterlagen nur für Beitragszwecke verwenden und nicht Dritten offenbaren. Soweit die mit den Gewerbeerträgen oder Gewinnen aus Gewerbebetrieb sowie mit den Zerlegungsanteilen befassten Kammermitarbeiter ausnahmsweise nicht Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 2 Nr. 2c StGB sind, werden sie auf die Geheimhaltung aufgrund des Verpflichtungsgesetzes vom 2.3.1974271 besonders verpflichtet und stehen dann den Amtsträgern gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB gleich. Auch bei der Datenverarbeitung selbst sind entsprechende Sicherungen vorgesehen, um eine unbefugte Offenbarung oder auch nur Verwendung der mitgeteilten Besteuerungsunterlagen zu verhindern.
V. Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage 1. Beitragsbefreiung für Kleinunternehmen 74
Nicht im Handelsregister eingetragene natürliche Personen und Personengesellschaften mit einem Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb, von nicht mehr als 5.200 Euro p.a. sind vom IHK-Beitrag freigestellt272. Nicht freigestellt – ohne Rücksicht auf den Ertrag – werden daher Kapitalgesellschaften, da für diese die Handelsregistereintragung Entstehensvoraussetzung ist. Gewerbetreibende, deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer 268 269 270 271 272
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§ 88 AO. § 24 VwVfG. § 30 AO. BGBl. I, 547. Zur früheren Regelung ab 1.1.1999 s. 6. Aufl. Rz. 74, 75.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 75 § 3
Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind zwar zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet, profitieren aber bis zur Eintragung ebenfalls von der Beitragsbefreiung273. Gleiches gilt für Gewerbetreibende ohne vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb, wenn sie von der Eintragungsoption des § 2 HGB274 Gebrauch gemacht haben. Denn die Beitragsbefreiung stellt auf das formale Element der Eintragung im Handelsregister ab. Wer für die Eintragung optiert, kann nicht nur selektiv die Vorteile des Kaufmannsstandes genießen, sondern muss auch die Nachteile in Kauf nehmen275. Eine beitragsrechtliche Privilegierung scheidet auch für die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ aus, die durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen276 mit Wirkung vom 1.11.2008 eingeführt worden ist. Denn die UG ist eine im Handelsregister eingetragene juristische Person mit einer Haftungsbeschränkung für die Gesellschafter; eine beitragsrechtliche Besserstellung bedürfte jedoch einer Gesetzesänderung im IHKG. Aus dem gleichen Grund kommt auch eine spezielle Grundbeitragsstaffel für die UG nicht in Betracht277. Beitragsbefreit werden können trotz fehlender Handelsregistereintragung weder weiterhin Genossenschaften noch im Vereinsregister eingetragene Vereine, soweit sie überhaupt zur Gewerbesteuer veranlagt werden, da es sich um juristische Personen und nicht um Personengesellschaften handelt. Die seit 1.1.1999 in § 3 Abs. 3 Satz 2 getroffene Freistellungsregelung sollte bereits 75 durch das Kleinunternehmerförderungsgesetz (KFG)278 mit Wirkung vom 1.1.2003 mittelbar geändert werden. Denn das KFG sah Änderungen der steuerrechtlich relevanten Umsatzgrenzen in der AO vor, auf die § 3 Abs. 3 bislang dynamisch verwies. Geplant war eine Erhöhung der in § 3 Abs. 3 Satz 3 maßgeblichen Ertragsobergrenze von 5200 Euro auf 7000 Euro, ferner eine Anhebung der maßgeblichen Umsatzobergrenzen in § 3 Abs. 3 Satz 4. Da allerdings die Änderungen des KFG erst für Veranlagungszeiträume ab 1.1.2004 zu beachten gewesen wären279, sind die Änderungen des KFG für Zwecke des IHK-Beitragsrechtes obsolet geworden. Denn mit dem Dritten Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften280 hat der Gesetzgeber die maßgeblichen Beitragsbefreiungsgrenzen unmittelbar im IHKG selbst geregelt und auf eine Verweisung auf die AO verzichtet281.
273 A.A. VG Stade v. 19.9.2005 – 5 A 18/04, das bei objektiver Eintragungspflicht bereits vor formaler Eintragung eine Beitragsbefreiung ausschließt. 274 Handelsrechtsreformgesetz v. 22.6.1998, BGBl. I, 1474. 275 BVerwG v. 19.1.2005 – 6 C 10/04, NVwZ 2005, 700. 276 MoMiG v. 28.10.2008, BGBl. I, 2026. 277 Nds. OVG v. 24.7.2013 – 8 LA 16/13, GewArch 2014, 175; siehe auch oben Rz. 51. 278 KFG v. 31.7.2003, BGBl. I, 1550. 279 Art. 7 KFG, § 19 EGAO. 280 V. 24.12.2003, BGBl. I, 2934. 281 Vgl. Jahn, GewArch 2004, 41, 44.
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§ 3 Rz. 75 Status, Beiträge und Gebühren Die Beitragsbefreiungsregelung in § 3 Abs. 3 Satz 3 ist durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz282 abermals geändert worden283. Die bisherige Regelung, die an den „Kammerzugehörigen“ anknüpfte, war aus Sicht des Gesetzgebers hinsichtlich ausländischer Kapitalgesellschaften unklar gefasst, so dass eine gesetzliche Klarstellung erforderlich war. Die Beitragsbefreiungsregelung bezieht sich nunmehr auf nicht in das Handelsregister eingetragene „natürliche Personen und Personengesellschaften“, um eine Gleichstellung inländischer und ausländischer Kapitalgesellschaften sicherzustellen284. Die Rechtsprechung hatte zwar bereits entschieden, dass die Beitragsbefreiungsregelung insbesondere auf ausländische Limiteds keine Anwendung findet285; dennoch ist die jetzt erfolgte gesetzliche Klarstellung im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüßen. 2. Beitragsbefreiung von Existenzgründern (§ 3 Abs. 3 Satz 4) 75a
Seit 1.1.2004286 sind Existenzgründer, die als natürliche Personen weder im Handelsregister noch im Genossenschaftsregister eingetragen sind, nach § 3 Abs. 3 Satz 4 bei der IHK zwei Jahre lang komplett vom Beitrag, also sowohl vom Grundbeitrag als auch von der Umlage und zwei weitere Jahre nur von der Umlage befreit, soweit ihr Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro/Jahr nicht übersteigt. Diese Regelung ist durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz287 mit Wirkung vom 1.1.2008 redaktionell nochmals geändert worden, um klar zu stellen, dass von dem Beitragsprivileg nur solche kammerzugehörigen Existenzgründer profitieren, die natürliche Personen sind; außerdem berücksichtigt § 3 Abs. 3 Satz 4 in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung die Umstellung der IHKs auf die Doppik („Geschäftsjahr“ statt „Haushaltsjahr“). Da der schon bislang für natürliche Personen und Personengesellschaften geltende Umlagefreibetrag erhalten geblieben ist288, sind Existenzgründer von der Umlage beitragsbefreit, die zwischen 15.340 Euro und 25.000 Euro erhoben wird. Anders als beim Existenzgründer, der als Mitglied der Handwerkskammer bei dieser nur im Jahr der Gründung vollständig von Grund- und Zusatzbeitrag, danach zwei Jahre zur Hälfte von Grund- und Zusatzbeitrag und für das vierte Jahr nur vom Zusatzbeitrag befreit ist289, kommt der IHK-zugehörige Existenzgründer in den Genuss vollständiger Grundbeitragsfreiheit für die ersten beiden Jahre. Mit dieser Differenzierung trägt der Gesetzgeber der unterschiedlichen Eingangshöhe der Grundbeiträge bei IHK und HWK Rechnung, berücksichtigt also, dass 282 283 284 285 286 287 288 289
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V. 7.9.2007, BGBl. I, 2246. Vgl. Jahn, GewArch 2007, 353, 355. BT-Drs. 16/4391, 65. VG Darmstadt v. 7.11.2006 – 9 E 793/05, GewArch 2007, 85. Gesetz v. 24.12.2003, BGBl. I, 2934. V. 7.9.2007, BGBl. I, 2246. § 3 Abs. 3 Satz 7. § 113 Abs. 3 Satz 5 HwO.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 76 § 3
wegen der niedrigeren Grundbeitragssätze der IHKs eine Halbierung des Grundbeitrags nicht effizient gewesen wäre290. Die Befreiungsregelung des § 3 Abs. 3 Satz 4 gilt für den betroffenen Personenkreis nur dann, wenn die betroffenen Personen in den letzten fünf Jahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren. Mit dieser Einschränkung will der Gesetzgeber das Beitragsprivileg auf „echte“ Existenzgründer beschränken291. Nicht begünstigt ist also zum Beispiel der langjährig tätige Ingenieur, der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt hat und nunmehr eine gewerbliche Selbständigkeit als Gastwirt anstrebt. Außerdem ist durch die Übergangsvorschrift des § 13a Abs. 3 sichergestellt, dass die Beitragsbefreiung nur für Existenzgründungen nach dem 31.12.2003 gilt. Denn nur in diesem Fall ist überhaupt denkbar, das gesetzgeberische Ziel einer Stimulierung von Existenzgründungen zu erreichen. Nachdem schon nach den bisherigen Regelungen Kleinunternehmen unterhalb gewisser Ertrags-/Gewinngrenzen beitragsbefreit waren, ist zweifelhaft, ob die explizit auf Existenzgründer bezogene zusätzliche Befreiungsregelung tatsächlich einen zusätzlich spürbaren Gründungsanreiz schafft. 3. Reduzierung der Befreiungsgrenzen durch Vollversammlungsbeschluss (§ 3 Abs. 3 Satz 5) Die Freistellungsgrenze kann von der IHK selbst gem. § 3 Abs. 3 Satz 5 herab- 76 gesetzt werden, wenn zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Haushaltssatzung aufgrund der dann vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass der Anteil der Beitragszahler auf weniger als 55 % aller Kammerzugehörigen schmilzt. Diese Regelung ist mit Rücksicht auf das bereits zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.6.1990292 erfolgt. Sie soll verhindern, dass die Beitragslast der IHK auf zu wenigen Schultern ruht. Bis zum 31.12.2003 konnte die Beitragsbefreiung durch Vollversammlungsbeschluss nach § 3 Abs. 3 Satz 5 zusätzlich von einer Umsatzobergrenze oder von einer niedrigeren Gewerbeertrags-/Gewinngrenze abhängig gemacht werden, wenn zu besorgen war, dass der Kreis der beitragsfreien IHK-Mitglieder bezogen auf alle Mitglieder mehr als ein Drittel beträgt; dieses Korrektiv war in das Gesetz eingefügt worden, um eine Verletzung des Äquivalenzprinzips auszuschließen293. Durch die Änderungen des IHKG per 1.1.2004294 wurde die Grenze der beitragsfreien Mitglieder in § 3 Abs. 3 Satz 5 angehoben. Soweit die Anzahl der beitrags290 291 292 293 294
Vgl. BT-Drs. 15/2083, 50. Vgl. BT-Drs. 15/2083, 35. BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45.87, GewArch 1990, 398. Siehe zur früheren Rechtslage 6. Aufl. Rz. 76. Gesetz v. 24.12.2003, BGBl. I, 2934.
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§ 3 Rz. 76 Status, Beiträge und Gebühren pflichtigen voraussichtlich geringer als 55 % sein wird, also die Zahl der beitragsbefreiten Unternehmen über 45 % steigt, kann die Vollversammlung der IHK die Beitragsbefreiungsgrenzen nach § 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 entsprechend absenken. Anders als die frühere Regelung knüpft § 3 Abs. 3 Satz 5 seit 1.1.2004 nicht mehr an die zusätzliche Einführung einer Umsatzgrenze an, sondern nur noch einheitlich an Ertragsgrenzen. Dies bewirkt im Veranlagungsverfahren der IHKs eine erhebliche Vereinfachung, weil in der Vergangenheit die Beachtung etwaiger Umsatzgrenzen als Regulativ nur nach einer sehr verwaltungsaufwendigen Mitgliederbefragung möglich war. 77
Das auslösende Kriterium für die Absenkung der Gewerbeertrags-/Gewinngrenze stellt die Vollversammlung im Rahmen ihres Ermessens aufgrund eigener Einschätzung anhand der ihr zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Bemessungsgrundlagen fest. In der Begründung zu der Vorschrift295 heißt es, dass die Herabsetzung nicht zu einem punktgenauen Ergebnis führen muss. Vielmehr komme es ausschließlich darauf an, welche Ausfälle aufgrund der zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushaltes der Vollversammlung vorliegenden Bemessungsgrundlagen vernünftigerweise „ex ante“ auf Basis einer Prognose erwartet werden können. Sei später aufgrund der endgültigen Veranlagung für das Haushaltsjahr tatsächlich ein geringerer oder höherer Anteil als 45 % der Kammerzugehörigen beitragsbefreit, so habe dies auf den Bestand und die Rechtmäßigkeit der Freistellungsgrenze keinen Einfluss296.
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Die Vollversammlung hat daher zunächst vor Verabschiedung des Haushaltes eine Prognose auf der Basis des dann vorhandenen Zahlenmaterials anzustellen. In der Praxis ist ein Quotient zu bilden, in dessen Nenner alle bei der IHK erfassten Kammerzugehörigen einschließlich der Mischbetriebe zu einem bestimmten Stichtag vor der Haushaltsvollversammlung aufzunehmen sind. Im Zähler sind die Kammerzugehörigen aufzuführen, die voraussichtlich vom Kammerbeitrag befreit sein werden. Dies sind zunächst einmal alle Mischbetriebe, die bisher schon zwar IHKzugehörig, aber nicht beitragspflichtig sind. Ferner erscheinen im Zähler Gewerbetreibende, die nicht im Handelsregister eingetragen sind und deren Gewerbeertrag/Gewinn aus Gewerbebetrieb bekanntermaßen die jeweils gesetzte Grenze (Normalfall: 5.200 Euro) nicht überschreitet. Nicht im Handelsregister eingetragene Gewerbetreibende, deren Ertrag/Gewinn unbekannt ist, sind grundsätzlich im gleichen Verhältnis wie diejenigen, deren Ertrag/Gewinn bekannt ist, in solche mit fiktivem Ertrag/Gewinn unter 5.200 Euro und solche mit fiktivem Ertrag/Gewinn über 5.200 Euro aufzuteilen. Nur die ersteren sind in den Zähler des Prognosequotienten aufzunehmen. Schließlich sind im Zähler die nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 Satz 4 beitragsbefreiten Existenzgründer zu berücksichtigen. Das vorstehend dargestellte Schema zur Ermittlung des Prognosequotienten ist nicht 295 In der bis 31.12.2003 geltenden Fassung. 296 BT-Drs. 13/9975, 4.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 80 § 3
starr anzuwenden. Gibt es etwa Gründe für die Annahme, dass bei den Kleingewerbetreibenden ohne bekannten Ertrag/Gewinn der Anteil der nach § 3 Abs. 3 Satz 3 freizustellenden höher oder niedriger ist als bei denjenigen, deren Ertrag/ Gewinn bekannt ist, so ist dies im Rahmen des Prognosequotienten zu berücksichtigen. Ist der so ermittelte Quotient höher als 45 %, stellt sich für die Vollversammlung 79 die Frage einer Absenkung der Grenze für den Gewerbeertrag/Gewinn aus Gewerbebetrieb. Es besteht grundsätzlich keine Pflicht, von den eingeräumten Möglichkeiten der Herabsetzung Gebrauch zu machen – etwa wenn das genannte beitragsfreie Drittel nur geringfügig überschritten würde. Die in das Ermessen der Vollversammlung gestellte Herabsetzungsmöglichkeit würde sich lediglich dann zu einer Verpflichtung verdichten, wenn der Anteil der aus der Beitragspflicht herausfallenden Kammerzugehörigen so hoch würde, dass eine Kollision mit den vom Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung297 aufgestellten Grundsätzen zu befürchten wäre298. In der Praxis empfiehlt sich, die Ermessensausübung im Rahmen der Prognoseentscheidung der Vollversammlung bei der Beschlussfassung über die Wirtschaftssatzung entsprechend in der Sitzungsniederschrift zu dokumentieren. Ist später aufgrund der endgültigen Veranlagung für das Haushaltsjahr tatsächlich ein geringerer oder höherer Anteil als ein Drittel der Kammerzugehörigen beitragsbefreit, so hat dies auf den Bestand und die Rechtmäßigkeit der Freistellungsgrenze keinen Einfluss. Allerdings wird die Vollversammlung ein zu starkes Abweichen des Ist-Wertes vom Prognose-Soll bei der Prognose für die Folgejahre berücksichtigen müssen. 4. Grundbeitragsermäßigung für Komplementär- und Tochtergesellschaften (§ 3 Abs. 3 Sätze 9 und 10) Seit 1999 konnte Gewerbetreibenden, die einer IHK „mehrfach angehören (zum 80 Beispiel mit Tochtergesellschaften)“ ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden299. Diese sowohl vom Inhalt wie auch von der Formulierung her verunglückte so genannte „Mehrfachmitgliedschaftsregelung“ wurde sozusagen „in letzter Minute“ in das IHKGÄndG 1998 aufgenommen300. Die Bestimmung ist bei wörtlicher Auslegung unanwendbar, denn den Fall einer echten Mehrfachmitgliedschaft ein und desselben Gewerbetreibenden in ein und derselben IHK gibt es rechtlich nicht301. Tochtergesellschaften sind selbständige Gewerbetreibende302; Niederlassungen, Betriebsstätten und Verkaufsstellen werden hingegen als Teil des 297 298 299 300 301 302
BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45/87, GewArch 1990, 398. BT-Drs. 13/9975, 3. § 3 Abs. 3 Satz 8 in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung. BT-Drs. 13/10296. VG Darmstadt v. 7.11.2006 – 9 E 793/05, GewArch 2007, 85. Vgl. auch VG München v. 13.11.1996 – M 16 S 96.5104, GewArch 1997, 195.
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§ 3 Rz. 80 Status, Beiträge und Gebühren Unternehmens im Rahmen einer einzigen Kammerzugehörigkeit angesehen und innerhalb eines Kammerbezirks auch beitragsmäßig nur einmal belastet. Nach der Begründung des Änderungsantrags sollen vor allem mittelständische Unternehmen, die aus betrieblichen Gründen einzelne Unternehmensbereiche, die früher als Hauptabteilung geführt wurden, rechtlich ausgegliedert haben, begünstigt sein. De facto sind derartige Ausgliederungsstrukturen jedoch eher bei Großunternehmen anzutreffen, so dass es sehr schwer ist, die Fälle unter dem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit richtig einzuordnen. Zudem hätte es der Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 8 a.F. gar nicht bedurft, um die in der „Mehrfachmitgliedschaft“ liegenden Härten zu vermeiden. Durch die erweiterten Staffelungskriterien des § 3 Abs. 3 Satz 2 hätte die Grundbeitragsstaffelung auch die oben genannten besonderen Konstellationen berücksichtigen können. Und schließlich ist der Standort der den Grundbeitrag betreffenden Regelung am Ende von § 3 Abs. 3 unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessystematik ausgesprochen ungewöhnlich303. In Konsequenz dieser Ausgangslage ist durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz304 § 3 Abs. 3 Sätze 9 und 10 mit Wirkung vom 1.1.2008 abermals geändert worden. Die optionale Beitragsbefreiungsregelung bezieht sich neben Komplementärgesellschaften nunmehr auch auf Tochtergesellschaften, deren sämtliche Anteile von einer Muttergesellschaft mit Sitz im selben IHK-Bezirk gehalten werden. Nach der bis Ende 2007 geltenden Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 8305 waren die IHKs zur Grundbeitragsermäßigung nicht verpflichtet und hatten deshalb auch nur teilweise in ihren Beitragsordnungen bzw. Haushaltssatzungen davon Gebrauch gemacht, den Grundbeitrag auf Antrag zu reduzieren. Konsequenz war in der Kammerpraxis eine höchst unterschiedliche beitragsrechtliche Regelung der betroffenen Gewerbetreibenden. Deshalb hatte die nachfolgende Änderung die im ursprünglichen Gesetzentwurf306 vorgesehene Klarstellung vor allem den Fall der GmbH & Co. KG und ähnlichen KG-Konstruktionen mit einer Kapitalgesellschaft als Komplementärin vor Augen. In jenen Fällen sollte die Kapitalgesellschaft „auf Antrag“ nur mit dem halben Grundbeitrag veranlagt werden. Diese Regelung ist aber im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch die Beschlüsse des Neunten Ausschusses307 nochmals modifiziert und unter Verzicht auf den Antrag als Ermessenstatbestand ausgestaltet worden. Die im Gesetzgebungsverfahren erfolgte Ergänzung soll klarstellen, dass es IHKs auch weiterhin möglich sein soll, einen ermäßigten Grundbeitrag einzuräumen, wenn eine Muttergesellschaft und eine hundertprozentige Tochtergesellschaft jeweils mit ihrem Hauptsitz derselben IHK angehören. Damit die IHKs die Gegebenheiten in ihrem Bezirk berücksichtigen können, werden sowohl die Regelung zu den Kapitalgesellschaften wie auch die zu den hundertprozentigen Tochtergesellschaften als Ermessensregelungen 303 304 305 306 307
316
Siehe auch Jahn, GewArch 1998, 356. V. 7.9.2007, BGBl. I, 2245. Jetzt Sätze 9, 10. BT-Drs. 16/4391, 65. BT-Drs. 16/5522, 13.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 82 § 3
ausgestaltet, ein gesetzliches Antragserfordernis besteht also nicht mehr. Sowohl die Einführung einer Grundbeitragsermäßigung als auch ein Antragserfordernis stehen somit unter Satzungsvorbehalt, erfordern also einen Beschluss der jeweiligen IHK-Vollversammlung. Nach der Gesetzesbegründung308 sollen die Regelungen auch keinen abschließenden Charakter haben. Regelungen im IHK-Satzungsrecht, die Reduzierungen des Grundbeitrags aufgrund anderer Kriterien vornehmen, bleiben also zulässig. Nach Ansicht des Gesetzgebers soll dies von praktischer Relevanz vor allem für gemischt-gewerbliche Unternehmen sein, die einer IHK und einer Handwerkskammer angehören und denen in einigen IHKs bereits gegenwärtig ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt wird. Ob diese Zielsetzung des Gesetzgebers allerdings vom Wortlaut der neuen Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 9 getragen wird, erscheint zweifelhaft. Außerdem dürfte das vom Gesetzgeber selbst definierte Ziel einer bundesweit möglichst einheitlichen Handhabung der Beitragsregelung auf diesem Wege kaum erreicht werden309. Es bleibt abzuwarten, wie die Vollversammlungen der IHKs das ihnen eingeräum- 81 te Ermessen gebrauchen werden. Eine Fallgruppe, die für die Anwendung eines ermäßigten Grundbeitrags in Betracht käme, bilden nach wie vor die GmbH & Co. KG und ähnliche KG-Konstruktionen mit einer juristischen Person als Komplementärin. Hier ist in der Vergangenheit die volle Grundbeitragsveranlagung der Komplementär-GmbH310 und der KG kritisiert worden. Die KomplementärGmbH und die KG sind zwar rechtlich zwei verschiedene Personen, bilden aber jedenfalls dann, wenn die GmbH ausschließlich die Komplementär-Funktion ausübt, wirtschaftlich eine Einheit311. Die GmbH & Co. KG wird im Wirtschaftsleben durchweg als eine Gesellschaftsform betrachtet, die selbständig neben der einfachen KG oder der GmbH steht. Die organisatorische Unterteilung ist lediglich auf der juristischen Ebene, nicht aber auf der Ebene der wirtschaftlichen Aktivität erkennbar. Die GmbH kann auch rechtlich nicht aus der KG herausgetrennt werden, ohne dass die Existenz der letzteren enden würde. Die Rechtsform der GmbH & Co. KG wird besonders von mittelständischen Gewerbetreibenden benutzt. 5. Umlagefreibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften (§ 3 Abs. 3 Satz 6) Der Umlagefreibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften312 82 wurde zunächst in Höhe von 15.000 DM im Rahmen der Beitragsreform vom
308 309 310 311 312
BT-Drs. 16/5522, 41. Jahn, GewArch 2007, 353, 355. VG Düsseldorf v. 20.6.1995 – 3 K 11818/94, GewArch 1995, 482. Vgl. auch VG Leipzig v. 22.3.2007 – 5 K 687/04. § 3 Abs. 3 Satz 6.
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§ 3 Rz. 82 Status, Beiträge und Gebühren 21.12.1992313 eingeführt. Damit sollten „die Nachteile gemildert werden, die diese Unternehmen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb gegenüber juristischen Personen haben“314. Ein wesentlicher Nachteil besteht etwa darin, dass natürliche Personen und Personengesellschaften, anders als juristische Personen, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb kein Geschäftsführergehalt zum Abzug bringen können. Unter Hinweis auf diesen Umstand ist der ursprünglich eingeräumte Freibetrag mit Wirkung zum 1.1.1999 auf 30.000 DM315 erhöht worden316. Diese Freibetragsregelung ist von der Rechtsprechung für verfassungsgemäß gehalten worden317. 83
Es wäre jedoch eine verkürzte Sichtweise, den Freibetrag lediglich unter dem Aspekt eines Ausgleichs für die fehlende Abzugsmöglichkeit des Geschäftsführergehaltes zu betrachten318. Er stellt vielmehr den „Versuch einer annähernd gleichen Behandlung von Körperschaften und Personengesellschaften bzw. natürlichen Personen“319 – d.h. unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile der genannten Rechtsformen – dar. Verfehlt wäre es insbesondere, in der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 6 einen exakt rechnerischen Ausgleich zu vermuten.
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Der Freibetrag wird nur für die Umlage gewährt, gilt also nicht für den Grundbeitrag, so dass bei der Beitragsberechnung von zwei unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen auszugehen ist320. Da der Freibetrag für die natürliche Person bzw. für die Personengesellschaft insgesamt gewährt wird, ist er im Falle der Zugehörigkeit zu mehreren IHKs, z.B. über Betriebsstätten in verschiedenen Kammerbezirken, nur einmal vor der Zerlegung des Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb abzuziehen. In den Fällen des § 3 Abs. 4321 ist beim Freibetragsabzug wie folgt zu differenzieren: Bei gemischt-gewerblichen Unternehmen, die sowohl Mitglied der IHK als auch Mitglied der Handwerkskammer sind (§ 2 Abs. 3, § 3 Abs. 4 Satz 1) wird nur der auf die IHK entfallende Anteil des Gewerbeertrags der Umlagebemessung zugrunde gelegt. Hierfür spricht, dass § 2 Abs. 3 nur für den nicht-handwerklichen Betriebsteil die IHK-Mitgliedschaft begründet. Deshalb kann der auf den handwerklichen (handwerksähnlichen) Betriebsteil entfallende Gewerbeertrag auch bei der 313 BGBl. I, 2133. 314 Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 12/3320, 8. 315 Seit der Euro-Umstellung ab 2002: 15.340 Euro, vgl. Gesetz v. 10.11.2001, BGBl. I, 2992. 316 Vgl. Begründung des Entwurfs zum IHKGÄndG BT-Drs. 13/9378. 317 VG Ansbach v. 4.3.2004 – 4 K 03.01483. 318 OVG Nordrhein-Westfalen v. 22.3.1999 – 4 A 2669/96; VGH Baden-Württemberg v. 29.4.1999 – 14 S 190/99. 319 Vgl. Begründung zum IHKGÄndG, BT-Drs. 13/9378. 320 Siehe Jahn, DB 1999, 253, 255. 321 Sonderregelungen für handwerkliche Mischbetriebe, Apotheken, Freiberufler und Landwirte, s.u. Rz. 85 ff.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 85 § 3
Beitragsberechnung der IHK keine Berücksichtigung finden. Deswegen ist für die Umlage wie folgt zu rechnen (Beispiel): Beispiel: Gemischt-gewerbliche GmbH & Co. KG mit einem Aufteilungsverhältnis von 50 % IHK, 50 % Gewerbeertrag insgesamt Davon 50 % IHK-Anteil ./. Freibetrag (§ 3 Abs. 3 S. 7) Bemessungsgrundlage IHK-Umlage
30.000 t. 30.000 t 15.000 t 15.340 t 0t
In den Fällen des § 3 Abs. 4 Satz 2 („Viertelung“ des Gewerbeertrages) und Satz 3 („Zehntelung“ des Gewerbeertrages) ist hingegen der Umlagefreibetrag zunächst vom Gewerbeertrag abzuziehen und anschließend zu teilen. Dies folgt aus der Regelungssystematik: Die Definition der Bemessungsgrundlage erfolgt zunächst in § 3 Abs. 3. Hierbei wird in Satz 6 die Art der Bemessungsgrundlage geregelt, sodann in Satz 7 die Kürzung um den Freibetrag für alle gesetzlichen Mitglieder einheitlich. Die in Satz 2 und 3 angesprochenen Mitglieder gehören in vollem Umfang – anders als in den Fällen des § 2 Abs. 3 – der IHK an. Daher unterliegen sie auch mit der kompletten Bemessungsgrundlage der Beitragsveranlagung. Die anschließende Teilung (Viertelung oder Zehntelung) soll dann einer besonderen Konstellation der Mehrfachmitgliedschaft zur IHK einerseits und zur Berufskammer andererseits Rechnung tragen. Deshalb ist in diesen Fällen für Umlageberechnung wie folgt zu rechnen (Beispiel): Beispiel: Apothekeninhaber mit einem Gewerbeertrag von Gewerbeertrag ./. Freibetrag Bemessungsgrundlage Davon 10 % (§ 3 Abs. 4 Satz 2)
200.000 t 200.000 t 15.340 t 184.660 t 18.466 t
6. Handwerkliche Mischbetriebe (§ 3 Abs. 4 Satz 1) a) Handwerklicher oder handwerksähnlicher Betriebsteil Die Beitragsregelung für handwerkliche Mischbetriebe322 ist im Zusammenhang 85 mit der Neuordnung der Zugehörigkeit gewerblicher Unternehmen zu den Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern durch das Gesetz zur Änderung von Gesetzen auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft vom 21.12.1992323 zu sehen. Mit der Abschaffung der auf Artikel 3 des Gesetzes über die Kaufmannseigenschaft von Handwerkern324 beruhenden Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft auf freiwilliger Basis und des entsprechenden Beitragstransfers HWK/ 322 § 3 Abs. 4 Satz 1. 323 BGBl. I, 2133. 324 BGBl. 1953 I, 106.
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§ 3 Rz. 85 Status, Beiträge und Gebühren IHK325 ergab sich die Notwendigkeit veränderter Bestimmungen über den Beitragsfluss. 86
Sowohl in Bezug auf die Kammerzugehörigkeit wie auch in Bezug auf die Beitragspflicht wird nunmehr an das Vorliegen eines Mischbetriebs im Sinne des Vorhandenseins handwerklicher bzw. handwerksähnlicher sowie nichthandwerklicher und nichthandwerksähnlicher Betriebsteile angeknüpft. Ein handwerklicher oder handwerksähnlicher Betriebsteil kann nur vorliegen, wenn die betreffende natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft in der Handwerksrolle oder im Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen ist. Ist das nicht der Fall, besteht uneingeschränkt IHK-Beitragspflicht. Daraus folgt etwa, dass eine nicht in der Handwerksrolle eingetragene Komplementär-GmbH einer ausschließlich handwerklich tätigen und dementsprechend in der Handwerksrolle eingetragenen Kommanditgesellschaft der IHK zugehörig ist und auch nur an diese Beiträge entrichten muss. Die Komplementär-GmbH gehört weder zu den von § 2 Abs. 3 erfassten, in die Handwerksnovelle oder das Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe aufzunehmenden Betriebe, noch ist sie ein „Betriebsteil“ der KG i.S.d. § 2 Abs. 3326. b) Handwerkliche Hilfsbetriebe, Nebenbetriebe
87
Für Kleinunternehmer, die „einfache“ handwerkliche Tätigkeiten ausführen327, für handwerkliche Hilfsbetriebe328 oder Nebenbetriebe unterhalb der Unerheblichkeitsgrenze (§ 3 Abs. 2 HwO) besteht keine Pflicht zur Eintragung in die Handwerksrolle. In diesen Fällen kann also grundsätzlich von einer uneingeschränkten IHK-Zugehörigkeit329 und Beitragspflicht ausgegangen werden. Falls jedoch trotz aus diesen Gründen nicht bestehender Handwerksrollenpflichtigkeit eine Eintragung in die Handwerksrolle erfolgt ist, bleibt es bis zum Zeitpunkt der Löschung bei der Mischbetriebsregelung, denn sowohl § 2 Abs. 3 als auch § 3 Abs. 4 Satz 1 knüpfen nicht an die Handwerksrollenpflichtigkeit, sondern an die Tatsache der Eintragung an. Problematisch ist die Beurteilung eines handwerklichen Unternehmens mit Betriebsstätten in mehreren IHK-Bezirken, wenn die Betriebsstätten in einem dieser Bezirke nicht in der Handwerksrolle eingetragen sind. In diesem Fall soll dennoch auch für den betreffenden IHK-Bezirk die Mischbetriebsregelung gelten. Das Unternehmen ist mit den dort belegenen Betriebsstätten zwar der IHK zu-
325 326 327 328 329
320
Vgl. dazu die 6. Aufl. Rz. 152 und 192. VG Saarland v. 12.3.2001 – 1 K 153/98, GewArch 2001, 296. §§ 1 Abs. 2 Satz 2; 90 Abs. 3 HwO. § 3 Abs. 3 HwO. Vgl. dazu § 2 Rz. 122 und 124.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 90 § 3
gehörig (§ 2 Abs. 3), aber nur beitragspflichtig, wenn ansonsten die Kriterien des § 3 Abs. 4 Satz 1 erfüllt sind330. Bei Personen und Personengesellschaften, die ein handwerksähnliches Gewerbe 88 betreiben, kommt es zunächst darauf an, ob sie in dem Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe – gemeint ist das Verzeichnis der Inhaber handwerksähnlicher Betriebe nach § 19 HwO – eingetragen sind. Ist dies nicht der Fall, sind sie uneingeschränkt IHK-zugehörig und beitragspflichtig. Liegt hingegen die Eintragung in dem Verzeichnis vor, richtet sich die IHK-Zugehörigkeit und die Beitragspflicht nach den Mischbetriebsregelungen der §§ 2 Abs. 3 und 3 Abs. 4 Satz 1. Das gilt selbst dann, wenn ein handwerksähnliches Gewerbe in Wirklichkeit nicht ausgeübt wird oder den Charakter eines Nebenbetriebes oder Hilfsbetriebes trägt. In jedem dieser Fälle hätte zwar eine Eintragung in das Verzeichnis der Inhaber handwerksähnlicher Betriebe zu unterbleiben331. § 2 Abs. 3 und § 3 Abs. 4 Satz 1 stellen jedoch wie beim Vollhandwerk auf die bloße Tatsache der Eintragung und nicht auf die Eintragungsfähigkeit ab. Liegt eine Eintragung in der Handwerksrolle oder im Verzeichnis der Inhaber 89 handwerksähnlicher Betriebe vor, so gehört der Gewerbetreibende nur bei Vorhandensein eines nichthandwerklichen und nichthandwerksähnlichen Betriebsteils und nur mit diesem der IHK an, § 2 Abs. 3. Nur die Gewerbeerträge bzw. Gewinne dieses Betriebsteils können als Bemessungsgrundlage für den IHK-Beitrag herangezogen werden, s.o. Rz. 84. Der diesem Betriebsteil zuzurechnende, für die Beitragsveranlagung maßgebende Anteil an der Bemessungsgrundlage kann auf Basis einer Aufteilungsvereinbarung zwischen IHK und HWK aufgeteilt werden; rechtlich zu beanstanden ist dies nicht332. § 3 Abs. 4 Satz 1 schränkt die IHK-Beitragspflicht solcher Mischbetriebe jedoch weiter ein: Als zusätzliche Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein IHK-Beitrag entrichtet werden muss, wird verlangt, dass der Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und dass der maßgebliche Umsatz des nichthandwerklichen bzw. nichthandwerksähnlichen Betriebsteils den gesetzlichen Schwellenwert (130.000 Euro/Jahr) übersteigt. Das zuerst genannte Kriterium entspricht – positiv formuliert – der Definition des 90 vollkaufmännischen Handelsgewerbes in § 1 Abs. 2 HGB in der Fassung des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998333. Die Feststellung der Erfüllung dieses Kriteriums kann mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein334. Hinsicht330 VG Würzburg v. 8.3.1995 – 1 K 153/98, GewArch 1995, 296; kritisch dazu Jahn, GewArch 1995, 457, 464. 331 Musielak/Detterbeck, § 19 HwO Rz. 4. 332 VGH Baden-Württemberg v. 2.12.1997 – 9 S 2122/95, GewArch 1999, 80. 333 BGBl. I, 1474. 334 Vgl. Kögel, DB 1998, 1802.
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321
§ 3 Rz. 90 Status, Beiträge und Gebühren lich der Art des Gewerbebetriebes wird etwa auf die Notwendigkeit der Kreditaufnahme und Kreditgewährung oder einer doppelten Buchführung sowie auf die Beschäftigung von kaufmännisch vorgebildetem Personal abgestellt. Zur Bestimmung des Umfangs werden Umsatz, Beschäftigtenzahl, Betriebsvermögen, Kredithöhe, Zahl der Standorte und Unternehmensgegenstand herangezogen. In der Praxis wird durchweg an die Handelsregistereintragung angeknüpft. Dies ist auch nach Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes am 1.7.1998 weiterhin möglich. Zwar können sich seitdem auch Personen und Personengesellschaften, deren Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, in das Handelsregister eintragen lassen335. Sie können dann jedoch nicht mehr geltend machen, dass das unter der eingetragenen Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei336. Damit werden sie in jeder Hinsicht als Kaufleute (früher Vollkaufleute) behandelt. 91
Bei der Beurteilung der Kaufmannseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 HGB ist auf das gesamte Unternehmen – und nicht nur auf den nichthandwerklichen bzw. nichthandwerksähnlichen Betriebsteil – abzustellen. Einzubeziehen sind sämtliche Betriebsstätten, auch wenn sie in einem anderen Kammerbezirk liegen.
92
Das zweitgenannte Kriterium, der Umsatz des nichthandwerklichen oder nicht handwerksähnlichen Betriebsteils, ist mit Wirkung vom 1.1.2004337 präziser gefasst worden. Der Gesetzgeber hat nunmehr die maßgebliche Umsatzgrenze von der Abgabenordnung abgekoppelt und eine Regelung unmittelbar im IHKG getroffen. Eine Beitragspflicht zur IHK besteht für die betroffenen Mischbetriebe nur, wenn der Umsatz im nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil mehr als 130.000 Euro im Jahr beträgt. Hierbei sind alle relevanten Umsätze aller Betriebsstätten zu berücksichtigen. Auch nach der Neufassung des § 3 Abs. 4 Satz 1 ist die Regelung missverständlich formuliert. Das gilt einmal für die Verknüpfung von nichthandwerklich und nichthandwerksähnlich durch das Wort „oder“. Der relevante Umsatz ist vom Gesetz selbst nicht definiert. Für die IHK-Beitragspflicht zählen nur solche Umsätze, die weder einem handwerklichen noch einem handwerksähnlichen Betriebsteil zuzurechnen sind – vorausgesetzt, dass insoweit eine entsprechende Eintragung in der Handwerksrolle oder im Verzeichnis der Inhaber handwerksähnlicher Betriebe vorliegt (s.o.). Der Wert der verarbeiteten oder bearbeiteten Materialien ist dem handwerklichen bzw. handwerksähnlichen Betriebsteil zuzurechnen.
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Für die Frage, ob die maßgebliche Umsatzgrenze des nichthandwerklichen bzw. nichthandwerksähnlichen Betriebsteils überschritten ist, muss wiederum auf das gesamte Unternehmen also alle relevanten Umsätze aller Betriebsstätten abge335 § 2 Satz 1 HGB. 336 § 5 HGB. 337 Gesetz v. 24.12.2003, BGBl. I, 2934.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 95 § 3
stellt werden338. Die relevanten Umsätze sämtlicher Betriebsstätten – auch derjenigen außerhalb des IHK-Bezirks – sind in die Berechnung einzubeziehen. Der in der Handwerksrolle oder im Verzeichnis der Inhaber handwerksähnlicher Betriebe eingetragene Gewerbebetrieb, dessen nichthandwerklicher bzw. nichthandwerksähnlicher Umsatz die 130.000 Euro-Grenze nicht überschreitet, ist vom IHK-Beitrag befreit. Gleiches gilt – ohne Rücksicht auf die Umsatzgrenze – von dem kleingewerblich handwerklichen bzw. handwerksähnlichen Betrieb – selbst dann, wenn er von der am 1.7.1998 eingeführten Option der Eintragung im Handelsregister Gebrauch gemacht haben sollte. Die Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 1, die in erster Linie unter dem Gesichtspunkt 94 der Vereinfachung erfolgte, entspricht nicht dem Gedanken der Beitragsgerechtigkeit. Die genannten Unternehmen erwerben, sofern sie nur über einen nichthandwerklichen bzw. nichthandwerksähnlichen Betriebsteil verfügen, alle Rechte eines IHK-Zugehörigen, müssen aber keinerlei IHK-Beiträge zahlen, auch wenn ihr aus nichthandwerklicher bzw. nichthandwerksähnlicher Tätigkeit resultierender Gewerbeertrag weit über dem liegt, bei dem ein nichthandwerklicher bzw. nichthandwerksähnlicher Gewerbetreibender bereits beitragspflichtig ist. Auch ist die vom Gesetzgeber gebrauchte Begründung, wonach die Mischbetriebe zumeist ausschließlich die Dienste der Handwerkskammer in Anspruch nehmen, eine Unterstellung, die nicht der Wirklichkeit entspricht339. Für die Beitragsveranlagung ist der auf den nichthandwerklichen bzw. nichthand- 95 werksähnlichen Betriebsteil entfallende Gewerbeertrag zu ermitteln. Bei Betriebsstätten in mehreren IHK-Bezirken sind die Verhältnisse in dem einzelnen Bezirk maßgebend. Zu diesem Zweck kann der vom Finanzamt mitgeteilte Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb – bei Betriebsstätten in verschiedenen IHK-Bezirken der zerlegte Gewerbeertrag/Gewinn – entsprechend den auf die Betriebsteile entfallenden Umsätzen aufgeteilt werden. Dabei darf die IHK die Umsatzangaben des Unternehmens gegenüber der Handwerkskammer zugrunde legen340. Bei Mischbetrieben, in denen beim nichthandwerklichen bzw. nichthandwerksähnlichen Betriebsteil typischerweise geringere Umsatzrenditen anfallen als beim handwerklichen/handwerksähnlichen, sind ggf. Korrekturen erforderlich. In der Praxis findet eine Abstimmung zwischen den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern statt. Die danach auf den nichthandwerklichen bzw. nichthandwerksähnlichen Betriebsteil entfallenden Gewerbeerträge/Gewinne aus Gewerbebetrieb werden für die Veranlagung zur Umlage und – soweit bei der Grundbeitragsstaffelung auf Gewerbeertrag oder Gewinn abgestellt wird – auch für die Veranlagung zum Grundbeitrag herangezogen.
338 VG Bremen v. 6.8.2006 – 2 K 1429/05. 339 Vgl. Jahn, GewArch 1993, 129, 133. 340 VG Arnsberg v. 20.9.1996 – 13 K 1514/95, GewArch 1997, 152.
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323
§ 3 Rz. 96 Status, Beiträge und Gebühren 96
Auch für Handwerkerkaufleute, die neben ihrem Handwerk eine nichthandwerkliche Tätigkeit ausüben, gilt § 2 Abs. 3. Die Übergangsvorschrift in § 13a Abs. 1 erfasst deshalb nur Handwerkerkaufleute, die ausschließlich ein Handwerk betreiben und vor dem 31.12.1993 der IHK freiwillig beigetreten sind. Sie bleiben kammerzugehörig, sind aber beitragsfrei. 7. Apotheker (§ 3 Abs. 4 Satz 2)
97
Apotheken sind Gewerbetriebe341 und damit kammerzugehörig (§ 2 Abs. 1)342. Da selbständige wie unselbständige Apotheker in den meisten Bundesländern aufgrund landesrechtlicher Vorschriften auch noch einer besonderen Berufsorganisation, den Apothekerkammern, angehören, hat der Bundestag in der 2. Lesung des Gesetzentwurfs zum IHKGÄndG 1998343 es für zweckmäßig gehalten, die Auswirkungen einer doppelten Beitragspflicht bei den kammerzugehörigen Apotheken einzuschränken. Er folgte dabei dem § 59 des in Baden-Württemberg geltenden Gesetzes über die öffentliche Berufsvertretung der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Dentisten vom 7.3.1959344.
98
Der Inhalt der zunächst in § 3 Abs. 3 enthaltenen Regelung wurde mehrfach geändert, zuletzt durch Artikel 1 Nr. 7 des IHKGÄndG vom 23.7.1998345, per 1.1.2004 durch Gesetz vom 24.12.2003346 präzisiert, um klarzustellen, dass die Beitragsprivilegierung in Fällen nicht greift, für die die gesetzliche Regelung von vornherein nicht gedacht war347. Nach der nunmehr in § 3 Abs. 4 Satz 2 niedergelegten Fassung werden Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages bzw. ihres Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Bei der Veranlagung zum Grundbeitrag kann die Regelung relevant werden, wenn die IHK ihre Grundbeiträge nach dem Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb staffelt. Durch § 3 Abs. 4 Satz 2 ist sie jedoch nicht verpflichtet, dies zu tun. Werden jedoch andere quantitative Kriterien – z.B. Umsatz, Beschäftigtenzahl – zur Grundbeitragsstaffelung verwendet, kommt ggf. eine analoge Anwendung der „Viertelung“ in Betracht. Für die Beitragsbefreiung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 ist ebenfalls der geviertelte Gewerbeertrag maßgebend. Zum Abzug des Freibetrages in Höhe von 15.340,– Euro bei der Umlageberechnung s.o. Rz. 84.
341 Wegen der älteren Rechtsprechung siehe Vorauflage Rz. 96. 342 VG Koblenz v. 16.12.1991 – 3 K 1594/91KO, GewArch 1992, 418; VG Würzburg v. 8.3.1995 – W 10 K 94.1597, GewArch 1995, 293; wegen der älteren Rechtsprechung s. 6. Aufl. Rz. 97. 343 Protokoll der 167. Sitzung des Bundestags. 344 GBl. Ba-Wü 163. 345 BGBl. I, 1887. 346 BGBl. I, 2934. 347 Jahn, GewArch 2004, 41, 45.
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Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 101 § 3
Sinn der Apothekenregelung ist es, wegen der Mehrfachbelastung mit Beiträgen 99 zu verschiedenen Kammern nur einen Teil des Ertrags in die Veranlagung des IHK-Beitrags einfließen zu lassen. Der Apothekeninhaber wird für Zwecke der Veranlagung so gestellt, als hätte er nur ein Viertel des tatsächlichen Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erwirtschaftet. Wegen der Berücksichtigung des Umlagefreibetrags sei auf Rz. 84 verwiesen. 8. Angehörige freier Berufe (§ 3 Abs. 4 Satz 3) Das IHKÄndG348 hat durch den neuen § 3 Abs. 4 Satz 3 die „Apothekerregelung“ 100 in modifizierter Form auch auf andere freie Berufe erweitert; per 1.1.2004 wurde diese Regelung durch den Gesetzgeber nochmals präzisiert349. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in jüngerer Zeit freiberufliche Tätigkeiten zunehmend in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft – insbesondere der GmbH – ausgeübt werden und damit über § 2 Abs. 1 IHKG i.V.m. § 2 Abs. 2 GewStG die IHK-Zugehörigkeit begründet wird. Da die Rechtsprechung die IHK-Zugehörigkeit inzwischen selbst dann bejaht, wenn die betreffende Kapitalgesellschaft in ihrer Satzung jegliche gewerbliche Tätigkeit ausdrücklich ausschließt350, erschien es dem Gesetzgeber geboten, die durch die Doppelzugehörigkeit gegebene Belastung durch Beiträge an mehrere Kammerorganisationen zu mildern351. Dies ist einseitig zu Lasten der Industrie- und Handelskammern geschehen, deren für die Beitragserhebung zur Verfügung stehende Bemessungsgrundlage deutlich herabgesetzt wurde. Indem die Regelung an die doppelte oder mehrfache Kammerzugehörigkeit an- 101 knüpft, scheidet sie Fälle aus, in denen eine Person freiberuflich tätig ist und getrennt davon selbst ein Gewerbe ausübt oder an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist, bei der sich die Gewerbesteuerpflicht in vollem Umfang bereits aus § 2 Abs. 1 GewStG – und nicht erst aus § 2 Abs. 2 GewStG – ergibt. Die zuerst genannte Konstellation dürfte angesichts der berufsrechtlichen Beschränkungen, denen Freiberufler in der Regel unterliegen, eher selten vorkommen. Die zweite ist hingegen problemlos denkbar (Beispiel: Zwei Steuerberater sind als alleinige Gesellschafter an einer Südfrüchte Import-GmbH beteiligt. Die Geschäftsführung haben sie einer Person übertragen, die nicht dem Berufsstand angehört). Hier besteht die Zugehörigkeit zur Berufskammer nur bezüglich der freiberuflichen Tätigkeit, während die IHK-Zugehörigkeit auf den Gewerbebetrieb beschränkt ist352. 348 BGBl. I, 1998, 1898. 349 Gesetz v. 24.12.2003, BGBl. I, 2934. 350 Vgl. VG Leipzig v. 8.11.2006 – 5 K 1328/06, GewArch 2007, 163; Jahn, GewArch 2004, 410; Drexler/König, GewArch 2004, 461. 351 Vgl. BT-Drs. 13/9975, 6. 352 Vgl. oben § 2 Rz. 103; Speziell zur Beitragspflicht bei der Steuerberaterkammer siehe Günther, NWB 2019, 581.
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§ 3 Rz. 102 Status, Beiträge und Gebühren 102
§ 3 Abs. 4 Satz 3 findet Anwendung einmal auf die Fälle, in denen ein Angehöriger eines freien Berufs neben seiner freiberuflichen Tätigkeit durch Berufsrecht zugelassene gewerbliche Leistungen erbringt und aus diesem Grunde gewerbesteuerpflichtig wird353. Der in der Praxis wichtigste Anwendungsfall ist die Kapitalgesellschaft354, die ausschließlich oder jedenfalls vorwiegend freiberuflich tätig ist – etwa die Wirtschaftsprüfungs AG, die Steuerberatungs GmbH, neuerdings auch die Rechtsanwalts GmbH sowie die Architekten GmbH oder die Ingenieur GmbH. Da bei der Architekten- bzw. Ingenieur GmbH – anders als etwa bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern – nicht die Kapitalgesellschaft, sondern nur die an ihr beteiligten Architekten bzw. Ingenieure als natürliche Personen der Berufskammer angehören, de facto aber eine der Doppel-Zugehörigkeit entsprechende finanzielle Belastung auftritt, hat der Gesetzgeber die „Freiberufler-Regelung“ auch für diesen Fall für anwendbar erklärt. Nach Ansicht des VG Stuttgart355 soll das Freiberufler-Privileg auch für eine GmbH&Co.KG entsprechend gelten, wenn sowohl die Kommanditisten der KG als auch die Gesellschafter der persönlich haftenden GmbH durchgängig „vorwiegend freiberuflich tätig“ sind und durchgängig Berufskammerbeiträge entrichten.
103
Freiberufler, die keiner Berufskammer angehören (z.B. Journalisten, Bildberichterstatter) und deshalb dort auch keine Beiträge entrichten, kommen – wenn die Voraussetzungen für die IHK-Zugehörigkeit vorliegen – nicht in den Genuss der herabgesetzten Bemessungsgrundlage. Anders als die „Apotheker-Regelung“356 verlangt § 3 Abs. 4 Satz 3 ausdrücklich eine Berufskammerzugehörigkeit. Gibt es für den betreffenden freien Beruf eine Berufskammer nur in einigen Bundesländern (z.B. für Ingenieure), so ist die Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 3 auch nur auf Industrie- und Handelskammern in diesen Bundesländern beschränkt357.
104
Die Bemessungsgrundlage von nur einem Zehntel des Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb begründet der Gesetzgeber damit, dass in den Fällen des § 3 Abs. 4 Satz 3 die freiberufliche Tätigkeit in der Regel deutlich überwiegt358. Er stellt dies ausdrücklich der Tätigkeit der Apotheker gegenüber, die durch den Verkauf fertiger Produkte einen erheblich höheren Anteil von Einkünften gewerb-
353 Beispiele: Ein Steuerberater ist als Treuhänder tätig, ein Tierarzt verkauft ambulant Tierarzneien oder ein Architekt übernimmt die Bauleitung und Bauüberwachung. Siehe im Einzelnen zur Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit Jahn, WiVerw 2015, 92, 101, 106. 354 GmbH, AG, KGaA. 355 VG Stuttgart v. 9.5.2019 – 4 K 13164/17. 356 Vgl. oben Rz. 97. 357 Vgl. die Übersicht über die Berufskammern und deren Rechtsgrundlagen bei Tettinger, Kammerrecht, 259; ferner im Internet-Auftritt des Instituts für Kammerrecht, www.kammerrecht.de. 358 Vgl. den Gesetzeswortlaut „vorwiegend“ in § 3 Abs. 4 Satz 3.
326
Jahn
Ausnahmen bei Grundbeitrag und Umlage
Rz. 106 § 3
licher Art erwirtschaften359. Diese Differenzierung ist nicht willkürlich und damit auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebots nach Art. 3 Abs. 1 GG360 gerechtfertigt – jedenfalls, solange sichergestellt ist, dass die in § 3 Abs. 4 Satz 3 enthaltene Vergünstigung nicht auch in den Fällen gewährt wird, in denen die freiberufliche Tätigkeit hinter die Gewerbeausübung zurücktritt. Hierzu ist eine Regelung in den Beitragsordnungen bzw. Wirtschaftssatzungen der Industrieund Handelskammern erforderlich. Wegen der Berücksichtigung des Umlagefreibetrags361 sei auf Rz. 84 verwiesen. 105 Für die Freistellungsregelung nach § 3 Abs. 3 Sätze 3 und 4 ist die ermäßigte Bemessungsgrundlage von einem Zehntel des Gewerbeertrags/Gewinns aus Gewerbebetrieb maßgebend. Allerdings dürfte dies wegen der regelmäßig vorliegenden Handelsregistereintragung kaum relevant werden. 9. Landwirtschaft (§ 3 Abs. 4 Satz 3) Die Vergünstigung für Kammerzugehörige, die auch einer Landwirtschafts- 106 kammer angehören, entspricht derjenigen, die Freiberuflern gewährt wird362. Ein besonderes Problem stellt sich hier allerdings bei der Frage, wann ein IHK-zugehöriger Unternehmer auch einer Landwirtschaftskammer angehört. Landwirtschaftskammern gibt es nur in den Bundesländern Bremen363; Hamburg364; Niedersachsen365; Nordrhein-Westfalen366; Rheinland-Pfalz367; Saarland368 und Schleswig-Holstein369. In den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ist zwar von „Mitgliedern“ der Landwirtschaftskammer die Rede. Als solche werden jedoch diejenigen Personen bezeichnet, die dem gewählten parlamentarischen Gremium der Landwirtschaftskammer – entsprechend der IHK-Vollversammlung – angehören370. Die Belastung, um deren Ausgleich es bei § 3 Abs. 4 Satz 3 geht, entsteht durch die Umlagepflicht, die wiederum an die Grundsteuerpflicht eines land- und
359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370
BT-Drs. 13/9975, 6. Vgl. dazu BVerwG v. 26.6.1990 – 1 C 45/87, GewArch 1990, 398. § 3 Abs. 3 Satz 6. Siehe oben Rz. 100. Gesetz v. 20.3.1956 – GBl., 13. Gesetz v. 4.12.1990 – GVBl., 240. Gesetz v. 10.10.1986 – GVBl., 325. Gesetz über die Errichtung von Landwirtschaftskammern im Lande Nordrhein-Westfalen v. 11.2.1949 – GSNW, 706. Gesetz v. 28.7.1970 – GVBl., 309. Gesetz v. 9.7.1956 – ABl., 1042 i.d.F. d. Bek. v. 22.10.1975 – ABl., 1150. Gesetz v. 30.3.1992 – GVOBl., 211. Vgl. § 4 LwKG NW.
Jahn
327
§ 3 Rz. 106 Status, Beiträge und Gebühren forstwirtschaftlichen Betriebes371 bzw. die Beschäftigtenzahl eines Binnenfischereibetriebes (§ 10 Umlagegesetz) anknüpft. 107
Für die Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 3 kann es somit nicht darauf ankommen, ob ein der IHK zugehöriger Gewerbetreibender gleichzeitig auch (gewähltes) „Mitglied“ der Landwirtschaftskammer ist. Entscheidend ist vielmehr die Belastungsüberschneidung, die dadurch entsteht, dass ein Betrieb, welcher der IHK zugehörig ist, gleichzeitig als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft372 zur Landwirtschaftskammerumlage verpflichtet ist. Das ist dann der Fall, wenn er über ein oder mehrere im IHK-Bezirk belegene Betriebsgrundstücke verfügt, die, losgelöst von ihrer Zugehörigkeit zu dem Gewerbebetrieb, einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden würden373. Gleiches muss gelten, wenn der Gewerbebetrieb einen zur Landwirtschaftskammerumlage verpflichteten, im IHK-Bezirk belegenen Fischereibetrieb umfasst374. Die Festsetzung der Landwirtschaftskammerumlage der zuständigen Finanzbehörde375 ist insoweit für die Veranlagung zum IHK-Beitrag bindend. Damit scheidet etwa die Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 3 auch von vornherein bei allen Industrie- und Handelskammern in denjenigen Bundesländern aus, in denen es keine Landwirtschaftskammern gibt.
108
Auch für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bzw. den Fischereibetrieb gilt, dass § 3 Abs. 4 Satz 3 nur dann Anwendung findet, wenn es sich um einen integrierten Bestandteil des der IHK zugehörigen Gewerbebetriebs handelt. Dieser Fall ist typischerweise gegeben, wenn ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft durch Zukauf die Grenze überschreitet, die zur Gewerbesteuerpflicht führt376 oder als land- und forstwirtschaftlicher Nebenbetrieb im Handelsregister eingetragen ist377. Nicht erfasst sind hingegen die Fälle, in denen neben der Landund Forstwirtschaft ein selbständiges gewerbliches Unternehmen, Land- und Forstwirtschaft also nicht „vorwiegend“ i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 3 betrieben wird378. Hier wird – soweit die Voraussetzungen für die IHK-Zugehörigkeit vorliegen – der betreffende gewerbliche Betrieb auf der Basis seines gesamten Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb zum IHK-Beitrag veranlagt.
371 Vgl. § 3 des Gesetzes über eine Umlage der Landwirtschaftskammern im Lande Nordrhein-Westfalen – Umlagegesetz – v. 17.7.1951 – GSNW, 715/SGVNW, 780. 372 Vgl. § 3 Umlagegesetz NW. 373 Vgl. § 3 Umlagegesetz NW i.V.m. § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Reform des Grundsteuerrechts v. 7.8.1973, BGBl. I, 965 und § 99 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes. 374 Vgl. § 9 und 10 Umlagegesetz NW. 375 Vgl. § 13 Umlagegesetz NW. 376 Vgl. dazu oben § 2 Rz. 101. 377 Vgl. oben § 2 Rz. 105. 378 Vgl. die Beispiele bei § 2 Rz. 110; Zur Abgrenzung zwischen Land- und Forstwirtschaft und gewerblicher Tätigkeit siehe die Nachweise bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 115; Zur IHK-Zugehörigkeit und Beitragspflicht eines Försters, der auch einen Holzhandel betreibt, siehe VG Dresden v. 5.12.2018 – 4 K 3069/14.
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Beitragsordnung (§ 3 Abs. 2 Satz 1)
Rz. 112 § 3
§ 3 Abs. 4 Satz 3 findet keine Anwendung bei Betrieben mit überwiegend ge- 109 werblicher Tätigkeit379. Diese Einschränkung muss aus den gleichen Erwägungen wie bei der „Freiberufler-Regelung“380 gemacht werden.
VI. Beitragsordnung (§ 3 Abs. 2 Satz 1) Das Gesetz regelt die Beitragspflicht der Kammerzugehörigen abschließend, über- 110 lässt das Verfahren der Beitragserhebung dagegen der von der IHK zu erlassenden Beitragsordnung. Diese Beitragsordnung ist von der Vollversammlung zu beschließen381, von der Staatsaufsichtsbehörde zu genehmigen382 und ebenso wie andere Rechtsvorschriften der IHK ordnungsmäßig zu verkünden383. Der Gestaltungsspielraum für die Beitragsordnung ist dabei gering, da sie im Wesentlichen nur allgemein anerkannte Grundsätze des Verwaltungsrechts und des Abgabenrechts für den Bereich der IHK kodifizieren kann. Insbesondere gilt für die Beitragserhebung der IHKs das Verwaltungsverfahrensgesetz des jeweiligen Landes, auch wenn es dafür kaum zugeschnitten ist. Im Wesentlichen enthält die Beitragsordnung deshalb nur eine deklaratorische 111 Zusammenfassung dessen, was sich ohnehin aus dem Gesetz und seiner Auslegung ergibt. Soweit den IHKs zusätzliche, konstitutive Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben – z.B. bei der Grundbeitragsstaffelung384 und der Regelung für Tochter- und Komplementärgesellschaften385, sind diese in der Beitragsordnung zu regeln. Zwingend vorgeschrieben ist eine Regelung von Erlass und Niederschlagung386. Die Beitragsordnungen lehnen sich dabei durchweg an die entsprechenden Vorschriften § 227 und § 222 der Abgabenordnung an. Die Beitragsordnung verweist ihrerseits wieder auf die alljährliche Wirtschafts- 112 satzung387, welche die Höhe der Beiträge festsetzt. In den Beitragsbescheiden sind deshalb als Rechtsgrundlage jeweils das IHKG, die Beitragsordnung sowie die maßgebende Wirtschaftssatzung zu erwähnen. Erwähnt werden müssen ferner der zugrunde gelegte Gewerbeertrag oder Zerlegungsanteil und das von der Vollversammlung festgesetzte Bemessungsjahr.
379 Z.B. bei Industrieunternehmen, die über Ausgleichsland verfügen, welches für die Landwirtschaftskammerumlage herangezogen wird. 380 Vgl. § 3 Rz. 104. 381 § 4 Satz 2 Nr. 2. 382 § 11 Abs. 2. 383 Siehe die Nachweise bei Jahn, GewArch 2008, 137. 384 § 3 Abs. 3 Satz 2. 385 § 3 Abs. 3 Sätze 9 und 10. 386 § 3 Abs. 7 Satz 2. 387 § 4 Satz 2 Nr. 3.
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§ 3 Rz. 113 Status, Beiträge und Gebühren 113
Sollte die Beitragsordnung aus formalen Gründen als Ganzes nichtig sein, etwa weil der Vollversammlungsbeschluss an Mängeln leidet, die Genehmigung der Staatsaufsichtsbehörde fehlt oder die Verkündung nicht erfolgt ist, so sind auch die darauf beruhenden Beitragsbescheide rechtswidrig388. Beitragsbescheide bleiben jedoch bestehen, wenn sie bestandskräftig sind. Im Übrigen kann die IHK anstelle der nichtigen Beitragsordnung rückwirkend eine ordnungsmäßige Beitragsordnung verabschieden und auf dieser Grundlage die aufzuhebenden Beitragsbescheide durch neue ersetzen, soweit nicht die Verjährung eingetreten ist389. Im Übrigen kann fehlerhaftes Satzungsrecht, das der Beitragserhebung zugrunde liegt, im gerichtlichen Verfahren bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung durch nachträglichen Beschluss der Vollversammlung geheilt werden390.
VII. Sonderbeiträge (§ 3 Abs. 5) 114
§ 3 Abs. 5 sieht die Erhebung von Sonderbeiträgen vor, wenn Anlagen oder Einrichtungen der IHK einem bestimmten Kreis von Kammerzugehörigen ausschließlich oder in besonderem Maße zugutekommen. Vorbild ist das Rechtsinstitut der Vorausbelastung, das es bereits früher im Kammerrecht gab391 und das auch im Kommunalrecht bekannt ist392. Die Vorausbelastung soll sicherstellen, dass Sondermaßnahmen für einen Teil der Beitragspflichtigen nicht die Allgemeinheit belasten.
115
Insbesondere im Handwerksbereich wird von dem Rechtsinstitut der Sonderbeiträge relativ häufig Gebrauch gemacht, wenn es sich um die Finanzierung überbetrieblicher Lehrwerkstätten und vergleichbarer Lehrgänge handelt393. Die in dieser Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über Sonderbeiträge lassen sich z.T. auch auf den Bereich der IHK übertragen; dabei ist jedoch zu beachten, dass die Handwerkskammern in solchen Fällen die Sonderumlage von allen Zugehörigen erheben und sich nicht – wie die IHKs – auf einzelne Gewerbezweige beschränken können. Auch für die Notarkammern ist die Zulässigkeit einer Sonderumlage bestätigt worden394.
388 OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.1.1986 – 3 A 618/84, DÖV 1986, 887. 389 Weitergehend für rückwirkende Heilung BVerwG v. 26.7.1970 – IV C 134.68, DVBl. 1970, 835 und BVerwG v. 28.11.1975 – IV C 45.74, DVBl. 1976, 942. 390 VG Münster v. 28.6.1999 – 3 K 1271/95. 391 Z.B. § 30 des Preuß. IHKG; Art. 37 des Hess. IHKG. 392 § 53 Abs. 3 der Hess. Kreisordnung v. 25.2.1952 – GVBl. 37. 393 Vgl. BVerwG v. 17.12.1998 – 1 C 7/98, GewArch 1998, 36; zur älteren Rechtsprechung siehe 6. Aufl. Rz. 115. 394 BGH v. 25.11.1996 – NotZ 8/96, NJW 1997, 1239.
330
Jahn
Sonderbeiträge (§ 3 Abs. 5)
Rz. 118 § 3
1. Voraussetzungen Voraussetzung für Sonderbeiträge ist nach der ausdrücklichen Verweisung des 116 Gesetzes, dass die IHK eine Anlage oder Einrichtung im Sinne von § 1 Abs. 2 begründet, unterhält oder unterstützt. Damit ist von vornherein ausgeschlossen, dass allgemeine Kammeraufgaben gemäß § 1 Abs. 1 auf diese Weise gesondert finanziert werden. Aber auch wenn Anlagen und Einrichtungen der IHK gemäß § 1 Abs. 2 der Förderung der gesamten Bezirkswirtschaft dienen, sind die Mittel dafür durch die allgemeinen Beiträge aufzubringen. Sonderbeiträge kommen nur in Betracht, wenn die Anlage oder Einrichtung für einen bestimmten Gewerbezweig oder einen sonst genau abgrenzbaren Kreis von Kammerzugehörigen besondere Vorteile bringt. Das ist hauptsächlich der Fall, wenn ein Gewerbezweig, der für einen Kammerbezirk besondere Bedeutung hat, eine spezialisierte Technik aufweist und daher für ihn Fachschulen, Institute oder sonstige Fördereinrichtungen wünschenswert sind395. Aber auch Gemeinschaftslehrwerkstätten können durch Sonderbeiträge finanziert werden, wenn sie auf bestimmte Ausbildungsberufe zugeschnitten sind und der Kreis der an dieser Ausbildung interessierten Unternehmen sich abstrakt und gleichzeitig zuverlässig gegenüber der Allgemeinheit der Kammerzugehörigen abgrenzen lässt. Es kommt dabei nicht auf eine Abgrenzung nach Gewerbezweigen an; jedes objektive und sachgerechte Abgrenzungsmerkmal reicht aus. Die IHK entscheidet im Rahmen ihrer Selbstverwaltung darüber, ob sie eine sol- 117 che Anlage oder Einrichtung begründen, unterhalten oder unterstützen will. Es genügt, dass die Maßnahmen objektiv geeignet sind, einem Teil der Kammerzugehörigen zu nutzen; auch ein mittelbarer Nutzen reicht aus. In diesem Sinne hat das VG Karlsruhe396 auch die Zulässigkeit von Sonderbeiträgen für die Unterhaltung eines Freizeitheimes für ausländische Arbeitnehmer bestätigt. Es kommt nicht darauf an, ob und inwieweit die Kammerzugehörigen später tatsächlich von den ihnen angebotenen und von ihnen auch finanzierten Möglichkeiten Gebrauch machen. Die Anlage oder Einrichtung braucht im Übrigen kein unselbständiger Teil der IHK zu sein, sondern kann auch mit anderen Trägern, beispielsweise in Form einer GmbH oder eines eingetragenen Vereins, geführt werden. Das Gesetz stellt in § 1 Abs. 2 wie in § 3 Abs. 5 dem Begründen und Unterhalten das Unterstützen gleich. 2. Verfahren Wenn die IHK eine solche Anlage oder Einrichtung durch Sonderbeiträge finanzieren will, hat sie den Beteiligten gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 vorher Gelegenheit 395 Z.B. Edelsteinschleiferei, Glasbläserei, Uhrenherstellung, Keramik, Webtechnik. 396 VG Karlsruhe v. 10.10.1967 – II 223/66.
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331
118
§ 3 Rz. 118 Status, Beiträge und Gebühren zur Äußerung zu geben. „Beteiligte“ sind die Kammermitglieder, die von der zu finanzierenden Anlage oder Einrichtung besonders profitieren und deshalb zum Sonderbeitrag herangezogen werden sollen. Die Vollversammlung ist an die Stellungnahme der Beteiligten zwar nicht gebunden und beschließt über die Begründung, Unterhaltung und Unterstützung ebenso wie über die Erhebung von Sonderbeiträgen in eigener Verantwortung, wird sich aber in der Praxis kaum in Widerspruch zu dem Votum der in der Hauptsache Beteiligten setzen; rechtlich ist ihr Beschluss aber, sofern die Beteiligten gehört worden sind, nicht angreifbar. Ist die Anhörung nach § 3 Abs. 5 Satz 2 aber unterblieben, liegt ein Verfahrensfehler vor, der die Beschlussfassung über die Sonderbeitragssatzung rechtswidrig macht. Nachfolgend erlassene Sonderbeitragsbescheide bleiben jedoch wirksam und sind bei Unanfechtbarkeit vollstreckbar. Dieser Charakter der Anhörung ist vor allem dann wichtig, wenn einzelne Beteiligte oder Gruppen unter ihnen später ihre Auffassung ändern und beispielsweise wegen zu geringer Benutzung der Anlage oder Einrichtung oder wegen der finanziellen Lasten gern wieder darauf verzichten würden; auch hier entscheidet die Vollversammlung in eigener Verantwortung. 119
Der Aufsichtsbehörde steht die Genehmigung der Sonderbeitragsordnung nach § 11 Abs. 2 zu. Sie kann aber nur die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften prüfen und ihre Genehmigung nicht etwa deswegen versagen, weil sie die in Frage kommende Einrichtung nicht für notwendig oder zweckmäßig hält oder weil die Vollversammlung von der Stellungnahme der Beteiligten abgewichen ist. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Zwecke der Einrichtung mit den Kammeraufgaben nach § 1 nicht zu vereinbaren oder wenn die Einrichtung zur Wirtschaftsförderung absolut ungeeignet wäre; in diesem Fall liegt aber keine Fachaufsicht, sondern zulässige Rechtsaufsicht vor. 3. Sonderbeitragsordnung (§ 3 Abs. 7 Satz 1)
120
Grundlage für die Erhebung von Sonderbeiträgen ist eine Sonderbeitragsordnung, die von der Vollversammlung zu beschließen, von der Staatsaufsichtsbehörde zu genehmigen und ordnungsgemäß zu verkünden ist. Sie muss die Anlagen oder Einrichtungen, für die Sonderbeiträge erhoben werden, genau bezeichnen und den Kreis der sonderbeitragspflichtigen Unternehmen klar abgrenzen. Die Bemessungsgrundlage für die Sonderbeiträge brauchen nicht die Gewerbeerträge zu sein. Da es sich um eine Vorzugslast handelt, kann beispielsweise die Lohnsumme, die Zahl der Arbeitnehmer oder auch der Umsatz ein zweckmäßiger Verteilungsmaßstab sein, um den Nutzen, den die einzelnen Unternehmen aus der Einrichtung ziehen können, richtig zu erfassen.
121
Die Sonderbeitragsordnung kann mit Rücksicht auf das Regelungsermessen der Vollversammlung darüber hinaus Vorschriften über die Führung und Verwaltung der Anlagen und Einrichtungen enthalten, auch wenn das Gesetz darüber 332
Jahn
Gebühren (§ 3 Abs. 6, Abs. 7 Satz 1)
Rz. 123 § 3
nichts sagt. § 30 Abs. 2 des früheren Preuß. IHKG sah beispielsweise die Bildung von Ausschüssen vor, die aus Mitgliedern der Vollversammlung und Vertretern der sonderbeitragspflichtigen Unternehmen zusammenzusetzen waren. Auch wenn heute die Verwaltung Angelegenheit der IHK ist, kann die Bildung derartiger Ausschüsse zweckmäßig sein; ihre Aufgabe kann aber stets nur in der Beratung von Vollversammlung und Präsidium bestehen.
VIII. Gebühren (§ 3 Abs. 6, Abs. 7 Satz 1) § 3 Abs. 6 ermächtigt die IHKs, für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen 122 oder Einrichtungen oder Verwaltungsleistungen Gebühren zu erheben. Damit ist eine klare Rechtsgrundlage geschaffen, die sich an das Vorbild von § 30a des Preuß. IHKG i.d.F. vom 29.12.1933397 hält und deren Konkretisierung durch die Gebührenordnung erfolgt. Gebühren sind nach einer allgemein anerkannten Begriffsbestimmung öffentliche Abgaben, die kraft Rechtsvorschrift als Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme oder Leistung der Verwaltung zu erbringen sind; deshalb ist zwischen Benutzungsgebühren und Verwaltungsgebühren zu unterscheiden398. Für die Gebührenerhebung gilt das Kostendeckungsprinzip. 1. Gebührentatbestände Das Gesetz verweist zunächst auf § 1 Abs. 2, welcher besondere Anlagen und Ein- 123 richtungen zur Förderung der Bezirkswirtschaft oder einzelner Gewerbegruppen vorsieht. Insbesondere wenn die Anlage oder Einrichtung der gesamten Bezirkswirtschaft zur Verfügung steht, können von den Benutzern Gebühren erhoben werden. Ebenso ist es aber auch zulässig, bei Anlagen oder Einrichtungen der Kammer für besondere Gewerbezweige in erster Linie Benutzungsgebühren vorzusehen und nur für die Grundfinanzierung Sonderbeiträge399 zu erheben. Die Benutzungsgebühren spielen in der Praxis keine besondere Rolle mehr, weil sie ein öffentlich-rechtlich geregeltes Benutzungsverhältnis – wie etwa im Anstaltsrecht – voraussetzen und streng von einem privatrechtlichen Entgelt für sonstige Leistungen der Kammer zu unterscheiden sind. In diesen Fällen hat die IHK die Wahl, ob sie das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich gestalten will, z.B. bei der Teilnahme an Lehrgängen, der Benutzung von Ausbildungs- und Lehrwerkstätten. In der Regel bevorzugen die Kammern die privatrechtliche Ge-
397 GS 1934, 6. 398 BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 und 2 BvR 1300/99, BVerfGE 93, 319, 345 = DVBl. 1996, 357; BVerwG v. 3.3.1994 – 4 C 1/93, BVerwGE 95, 188 = NVwZ 1994, 1102; OVG Nordrhein-Westfalen v. 6.5.1997 – 25 A 4926/94, GewArch 1997, 374. 399 § 3 Abs. 5.
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333
§ 3 Rz. 123 Status, Beiträge und Gebühren staltung und erheben für ihre Leistungen Entgelte, auch wenn manchmal noch irrigerweise von einer „Gebühr“ gesprochen wird. 124
Praktische Bedeutung haben dagegen die Verwaltungsgebühren, die für „besondere Tätigkeiten“ erhoben werden. Damit sind Amtshandlungen und insbesondere Verwaltungsakte gemeint, die auf Antrag vorgenommen werden, im Interesse des Antragstellers liegen oder ihn begünstigen. Es kann sich dabei um Kammeraufgaben im eigenen wie im übertragenen Wirkungskreis handeln. Die Einordnung als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe, als Pflichtaufgabe oder auch als Auftragsangelegenheit ist gebührenrechtlich ohne Belang. Beispiele für die Erhebung von Verwaltungsgebühren sind die Ausstellung von Ursprungszeugnissen, Bescheinigungen, die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen, Handelsmaklern und Versteigerern, Sach- und Fachkundeprüfungen (Einzelhandel, Güterkraftverkehr, Personenstraßenverkehr, Waffengesetz), die Unterrichtung und der Nachweis gemäß § 4 Gaststättengesetz, die Eintragung, Betreuung und Überwachung von Ausbildungsverhältnissen und die Abnahme von Prüfungen aller Art (soweit nicht das BBiG für den Auszubildenden Gebührenfreiheit vorsieht). 2. Gebührenordnung (§ 3 Abs. 7 Satz 1)
125
Die Erhebung von Gebühren ist in der Gebührenordnung zu regeln, die von der Vollversammlung zu beschließen ist400, der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedarf401 und ordnungsgemäß verkündet werden muss.
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Die Gebührenordnungen der IHKs übernehmen in der Regel die Terminologie der Kostengesetze des Bundes und der Länder. In einem allgemeinen Teil werden die verfahrensrechtlichen Vorschriften (einschließlich Auslagenersatz, Herabsetzung, Erlass und Niederschlagung) geregelt. Für die Forderung von Auslagenersatz fehlte bislang in § 3 Abs. 6 und 7 eine eindeutige Rechtsgrundlage. Dies hat der Gesetzgeber nunmehr durch das Zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz402 nachgeholt. Obwohl die Frage bislang verwaltungsgerichtlich noch nicht entschieden werden musste, stellt der Gesetzgeber nunmehr in § 3 Abs. 6 und 7 klar, dass auch der „Ersatz von Auslagen“ von einer IHK gefordert werden kann. Dies ist im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüßen. Auslagen werden insbesondere erhoben, wenn durch die Einschaltung Dritter Zusatzkosten entstehen; dies kann beispielsweise bei der Überprüfung von Sachverständigen durch ein fachkundiges Gremium oder bei der Einholung von Laboranalysen für eine Bescheinigung der Fall sein, aber auch bei einer Datenbankrecherche zur Beantwortung einer Anfrage. Auch die alleinige Erhebung von Auslagen ist zulässig, wenn die übrige Tätigkeit der Kammer gebührenfrei (aber gebührenfähig) ist. Ebenso werden Entstehung 400 § 4 Satz 2 Nr. 2. 401 § 11 Abs. 2. 402 V. 7.9.2007, BGBl. I, 2246.
334
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Gebühren (§ 3 Abs. 6, Abs. 7 Satz 1)
Rz. 129 § 3
des Gebührenanspruchs, seine Fälligkeit, Mahnung und Beitreibung behandelt. Für die Gebühren werden feste Sätze oder auch Rahmensätze vorgesehen, wobei innerhalb des Rahmens der Verwaltungsaufwand und der wirtschaftliche Wert für den Gebührenschuldner den Ausschlag geben. Der entscheidende Teil der Gebührenordnung ist der beigefügte Gebührentarif, 127 welcher die Gebührenhöhe oder den Gebührenrahmen für die im Einzelnen genau bestimmten Verwaltungsleistungen festsetzt, ebenfalls von der Vollversammlung zu beschließen403, rechtsaufsichtlich zu genehmigen404 und zu verkünden ist. Insbesondere sind bei der Aufstellung des Gebührentarifs das Kostendeckungsprinzip und das Äquivalenzprinzip zu beachten, die aus rechtsstaatlichen Grundsätzen hergeleitet werden und nach überwiegender Meinung zum Wesen der Gebühr gehören405. Die Obergrenze für die Höhe jeder Gebühr bilden die Verwaltungskosten, wobei 128 es allerdings nur einer Durchschnittsrechnung anhand der bisherigen Erfahrungen bedarf. Es kommt nicht darauf an, ob im Einzelfall der Verwaltungsaufwand geringer als die festgesetzte Gebühr ist, oder ob die Gebühreneinnahmen gelegentlich die Verwaltungskosten übersteigen406. In diesem Rahmen gilt dann noch das Äquivalenzprinzip, wonach die Gebühr in einem angemessenen Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Verwaltungsleistung stehen muss407. Deshalb haben sich auch Rahmengebühren eingebürgert, innerhalb deren die Gebühr nach Verwaltungsaufwand und Bedeutung der Angelegenheit bemessen wird. Eine unbestimmte Gebühr, die erst im Einzelfall festgesetzt wird, ist unzulässig. Die IHK ist zur Erhebung von Gebühren verpflichtet, da § 3 Abs. 2 Satz 1 eine Fi- 129 nanzierung durch allgemeine Beiträge der Kammerzugehörigen nur vorsieht, „soweit die Kosten nicht anderweitig gedeckt sind“. Insbesondere bei Leistungen, die in erster Linie individuellen Belangen dienen, wird sie der Gebühr – bzw. dem privatrechtlichen Entgelt – den Vorzug vor einer Solidarfinanzierung über den Beitrag einräumen408. Es liegt jedoch im Ermessen der IHK, inwieweit sie bei der Gebührenerhebung die aufgezeigten Höchstgrenzen ausschöpfen will, was beispielsweise bei den Berufsbildungsgebühren regelmäßig nicht der Fall ist, oder ob sie aus verwaltungstechnischen Gründen auf einzelne Gebühren verzichtet, wenn die Gebührenhöhe zu gering ist und den mit einer Erhebung verbundenen Verwaltungsaufwand nicht lohnt. Insoweit hat die IHK als Selbstverwaltungskörper403 § 4 Satz 2 Nr. 2. 404 § 11 Abs. 2. 405 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 541 mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum. 406 BVerwG v. 8.12.1961 – VII C 2.61, NJW 1962, 1583. 407 VG München v. 16.10.1984 – N 909 XVI/84 – betrifft Bescheinigung nach § 6 Abs. 3 AEVO; zur Beachtung des Äquivalenzprinzips im IHK-Abgabenrecht siehe noch Jahn, GewArch 1997, 177, 182. 408 Kannengießer, WiVerw 1998, 182, 199.
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§ 3 Rz. 129 Status, Beiträge und Gebühren schaft Gestaltungsmöglichkeiten und kann die verschiedenen Gesichtspunkte gegeneinander abwägen, insbesondere, in welchem Umfang allgemeine Haushaltsmittel aus den Kammerbeiträgen für eine Aufgabe mit nicht ausreichendem Gebührenaufkommen eingesetzt werden sollen. 129a
Die IHK ist auch berechtigt, im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für den Erlass eines Widerspruchsbescheides bei erfolglosem Widerspruch eine Widerspruchsbescheidsgebühr nach Maßgabe ihres Gebührentarifs zu erheben. Denn mit dem Widerspruch nimmt der Rechtsbehelfsführer eine besondere hoheitliche Tätigkeit der IHK in Anspruch409. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, wenn eine IHK nach Maßgabe ihres Gebührentarifs bei Beitragsverzug des Beitragsschuldners eine oder mehrere Mahngebühren in unterschiedlicher Höhe erhebt. Dies ist im Hinblick auf den besonderen Verwaltungsaufwand der IHK gerechtfertigt, der durch Kontrolle unerledigter Beitragssachen entsteht410. 3. Staatliche Gebührenregelung
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Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Gebühren liegt nach § 3 Abs. 6 grundsätzlich bei der IHK, wobei die Vollversammlung zu beschließen hat411. Diese Vorschrift unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Kammeraufgaben. Deshalb ist die IHK nicht nur im Selbstverwaltungsbereich und bei den zur Selbstverwaltung übertragenen Aufgaben für die Festlegung der Gebühren in ihrem Gebührentarif zuständig, sondern grundsätzlich auch bei der Übertragung von Auftragsangelegenheiten. Lediglich in diesen Fällen übertragener Aufgaben könnten durch Bundes- oder Landesrecht Gebühren zugunsten der IHK festgelegt werden. Wenn keine solche staatliche Gebührenregelung existiert, kann dies die IHK in ihrem Gebührentarif tun.
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Das Verwaltungskostengesetz des Bundes vom 23.6.1970412 gilt nicht für die IHKs; sie sind durch § 1 Abs. 3 Nr. 7 VwKG ausdrücklich ausgenommen. Ebenso haben die Landeskostengesetze, früher oft Gebührengesetz genannt, fast durchweg darauf verzichtet, für die den IHKs übertragenen Aufgaben Gebühren festzulegen.
IX. Erhebung, Einziehung und Beitreibung (§ 3 Abs. 8) 132
§ 3 unterscheidet bei Beiträgen, Sonderbeiträgen und Gebühren mehrfach413 zwischen Erhebung, Einziehung und Beitreibung und kennzeichnet damit verschie-
409 410 411 412 413
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VG Sigmaringen v. 23.7.2003 – 4 K 270/02. VG Freiburg v. 25.9.2002 – 5 K 1529/01. § 4 Satz 2 Nr. 2. BGBl. I, 821. Vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6, Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8.
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Erhebung, Einziehung und Beitreibung (§ 3 Abs. 8)
Rz. 134 § 3
dene Verfahrensabschnitte. Die Terminologie ist dabei allerdings nicht der neueren Entwicklung angepasst, wie sie insbesondere in der AO 1977 kodifiziert ist. 1. Erhebung Unter „Erhebung“ ist der verwaltungsinterne Vorgang zu verstehen, in dem die 133 IHK Beiträge, Sonderbeiträge oder Gebühren festsetzt, und der im Steuerrecht als Steuerfestsetzung bezeichnet wird414; er endet mit dem Beitrags- bzw. Gebührenbescheid, einschließlich späterer Änderungsbescheide. Die Erhebung der Beiträge setzt voraus, dass die IHK den abgabepflichtigen Tatbestand ermittelt, insbesondere von den Finanzämtern die Gewerbeerträge und Zerlegungsanteile bzw. von den Gewerbeämtern die gewerbepolizeilichen An- und Abmeldungen nach § 14 GewO erhält. Ggf. sind auch zusätzliche Rückfragen bei den betreffenden Unternehmen notwendig, um Kammerzugehörigkeit und Beitragspflicht zu klären, etwa bei Organgesellschaften oder bei Mischbetrieben. Insoweit ist die IHK auskunftsberechtigt415. Bei der Erhebung der Beiträge ist die IHK an die Feststellungen des Finanzamts 134 gebunden, soweit es sich um die Gewerbesteuerpflicht und den festgestellten Gewerbeertrag oder Zerlegungsanteil handelt416. Die IHK darf deshalb nicht für ihre Umlagezwecke den Gewerbeertrag bzw. den Zerlegungsanteil korrigieren und etwa rechtliche Einwände oder wirtschaftliche Bedenken gegen die zugrundeliegenden Vorschriften des Gewerbesteuerrechts berücksichtigen. Diese Fragen sind von den gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen im finanzgerichtlichen Verfahren zu klären, notfalls auch durch eine Verfassungsbeschwerde417. Die IHK kann lediglich die Entscheidung über den Widerspruch – soweit nach Landesrecht nicht als Rechtsbehelf ausgeschlossen – gegen ihren Beitragsbescheid aussetzen, wenn parallel der Gewerbesteuermessbetrag oder seine Rechtsgrundlagen angefochten werden. Allenfalls ist ein Erlass oder auch Teilerlass möglich, wenn – unabhängig von der gewerbesteuerlichen Streitfrage – auch die Voraussetzungen für einen Erlass im Sinne von § 227 AO vorliegen. Ebenso wenig ist gegen einen Prozessvergleich oder auch einen Vergleichsvertrag im Sinne von § 55 VwVfG etwas einzuwenden, wenn dessen Voraussetzungen – eine hinsichtlich des Sachverhaltes oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit – vorliegen.
414 Vgl. §§ 155 ff. AO. 415 Vgl. oben Rz. 3, 71. 416 Jahn, ThVBl. 2012, 49; Sächs. OVG v. 28.3.2017 – 4 D 32/16; VG Dresden v. 18.4.2018 – 4 K 1062/16; OVG Nordrhein-Westfalen v. 8.8.2001 – 4 A 4074/00, GewArch 2002, 33; zur älteren Rechtsprechung siehe 6. Aufl. Rz. 134. 417 Siehe zuletzt zur Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen nach § 8 GewStG BFH v. 14.6.2018 – III R 35/15, DB 2018, 2024, Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2150/18. Zur Tatbestandswirkung der finanzamtlichen Mitteilung siehe oben Rz. 60, 63, 70.
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§ 3 Rz. 135 Status, Beiträge und Gebühren 135
Jede nachträgliche Verneinung der Gewerbesteuerpflicht, jede Änderung des Gewerbeertrags oder des Zerlegungsanteils wirken sich wegen der Akzessorietät rückwirkend und ohne Rücksicht auf die Unanfechtbarkeit eines Beitragsbescheides auch auf die Kammerbeiträge aus. Der Gewerbesteuermessbescheid ist ein Grundlagenbescheid, dessen Änderungen sich schon begrifflich in den Folgebescheiden (z.B. auch in dem Umlagebescheid der IHK) fortsetzen müssen und dort erst praktisch Bedeutung gewinnen. Dies entspricht dem Grundgedanken aus den §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 182 Abs. 1 und 184 AO sowie § 35b GewStG, die wegen der Bindung des Kammerbeitragsrechts an das Gewerbesteuer- und Abgabenrecht hier analog angewandt werden müssen418. Zu viel erhobene Kammerbeiträge werden infolgedessen erstattet, zu wenig erhobene Kammerbeiträge werden nachgefordert. Eine zeitliche Grenze für die Nachforderung von Kammerbeiträgen bildet lediglich die Verjährung419. 2. Einziehung und Beitreibung
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An die Erhebung schließen sich die „Einziehung“ und die „Beitreibung“ an, welche den Anspruch der IHKs realisieren sollen; im Steuerrecht wird hier vom Erhebungsverfahren420 und von der Vollstreckung421 gesprochen. Insbesondere bei den Beitragsbescheiden sind die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu berücksichtigen, weil der Beitragsbescheid ein Verwaltungsakt ist und in einem Verwaltungsverfahren ergeht. Es bedarf jedoch keiner individuellen Unterzeichnung, insbesondere nicht im automatisierten Verfahren. Der Beitragsbescheid ist verschlossen zu versenden, wobei die Aufgabe zur Post genügt; im Zweifel hat die IHK allerdings den Zugang des Bescheides samt Zeitpunkt nachzuweisen422.
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Gehen Beiträge und Gebühren nicht zum festgesetzten Zahlungstermin ein, und bleibt auch eine – in der Beitragsordnung zwingend vorgeschriebene – Mahnung ohne Erfolg, kann die IHK die rückständigen Beiträge oder Gebühren zwangsweise beitreiben. Für die Einziehung und Beitreibung verweist § 3 Abs. 5 Satz 1 auf die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften, also auf die Verfahrensvorschriften der Kommunalabgabengesetze; diese verweisen wiederum weitgehend auf die Abgabenordnung zurück423. Damit ist trotz aller landesrechtlichen Unterschiede im Einzelnen sichergestellt, dass die Kammerabgaben überall öffentliche Abgaben sind und wie Gemeindeabgaben eingezogen und beigetrie418 Hamb. OVG v. 24.4.1984 – Bf. VI 21/83, GewArch 1984, 351; BFH v. 5.7.2011 – X B 222/10, BFH/NV 2011, 1843; BFH v. 23.6.2004 – X 59/VI, DB 2004, 2351; Offengelassen von Bay VGH v. 12.3.2019 – 22 B 16.2014 GewArch 2019, 240, Rz. 57. 419 Zur Verjährung von IHK-Beiträgen ausführlich Möllering/Schwenker, GewArch 2003, 98; Bay VGH v. 12.3.2019 – 22 B 16.2014, juris, GewArch 2019, 240. 420 §§ 218 ff. AO. 421 §§ 249 ff. AO. 422 § 41 Abs. 2 VwVfG. 423 Vgl. Gern, NVwZ 1995, 1145.
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Erhebung, Einziehung und Beitreibung (§ 3 Abs. 8)
Rz. 138a § 3
ben werden können, ohne dass dazu ein vollstreckbarer Titel eines Gerichts erwirkt werden müsste. Im Übrigen sind die Vorschriften der Kommunalabgabengesetze nur „entsprechend“ anwendbar, so dass die IHK für die Einziehung und Beitreibung zuständig bleibt und sich nicht in jedem Fall der Amtshilfe der Gemeinden bedienen muss. Sie kann vielmehr selbst die Beitrags- und Gebührenbescheide versenden, bei Verspätung die Mahnschreiben herausgeben und die notwendigen Entscheidungen treffen. Vollstreckungsbehörden sind regelmäßig die Gemeinden, gelegentlich auch die 138 Bezirksämter oder Kreisbehörden; dies wird ausdrücklich in den Landeskammergesetzen von Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und im Saarland vorgeschrieben. Im Übrigen ergibt sich aus den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder, ob die Kammern auch selbst Vollstreckungsbehörden einrichten dürfen. In der Praxis werden aber auch in diesen Fällen die Gemeinden im Wege der Amtshilfe um Beitreibung gebeten. Besonderen Bedingungen unterliegt die Vollstreckung von öffentlich-rechtlichen 138a Beitragsforderungen im Ausland. Nach dem völkerrechtlichen Territorialitätsgrundsatz endet der behördliche Vollstreckungsradius im Grundsatz an der eigenen Staatsgrenze424. Da es für die eigene Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde im Ausland an einer Rechtsgrundlage fehlt, kommt regelmäßig gegen Beitragsschuldner mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland nur auf Basis der Vollstreckungshilfe ausländischer Behörden in Betracht. Auch hierfür bedarf es allerdings einer Rechtsgrundlage, wobei die Anwendung der Amtshilfevorschrift des Art. 35 Abs. 1 GG für die Staatsgrenzen überschreitende Vollstreckungshilfe fraglich ist. Bei der Vollstreckung von Steueransprüchen ausländischer Gläubiger gewährt beispielsweise Deutschland Amtshilfe nach § 117 Abs. 3 Nr. 1 AO nur, wenn Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die EuGVVO425 findet schon nach ihrem sachlichen Anwendungsbereich auf die Auslandsvollstreckung von öffentlich-rechtlichen IHK-Beitragsforderungen keine Anwendung. Das EUBeitrG426 sieht zwar die Amtshilfe zur Geltendmachung von in den EU-Mitgliedstaaten entstandenen Forderungen, insbesondere Steuern und „Abgaben aller Art“ vor (§ 1 Abs. 1 Nr. 1a EU-BeitrG), beschränkt sich aber auf solche des Staates oder „dessen Gebiets- und Verwaltungseinheiten“; zu letzteren dürften die IHKs als Selbstverwaltungskörperschaften (§ 3 Abs. 1) nicht zählen. Die Vollstreckung von öffentlich-rechtlichen Forderungen 424 Siehe dazu Hendricks, IStR 2009, 846. 425 VO über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 12.12.2012 Nr. 1215/2012, ABl. Nr. L 351, 1. 426 Gesetz über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union v. 7.12.2011, BGBl. I, 2592, geändert durch Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I, 1809.
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§ 3 Rz. 138a Status, Beiträge und Gebühren (Beitrag; Gebühr) einer IHK „über die Grenze“ kommt deshalb nur auf Basis eines gesonderten bilateralen Abkommens in Betracht. 139
Den Ländern wird in § 3 Abs. 8 Satz 2 vorbehalten, Verfahren und Zuständigkeit für die Einziehung und Beitreibung der Kammerabgaben abweichend zu regeln. Davon haben lediglich Baden-Württemberg und Sachsen Gebrauch gemacht. In Bayern bestimm Art. 26 BayVwZVG427, dass die von der IHK über rückständige Abgaben aufgestellten Rückstandsverzeichnisse Vollstreckungstitel im Sinne von §§ 794, 808 ff. ZPO sind; die Beitreibung erfolgt dann durch den Gerichtsvollzieher. Daneben können aber auch die Gemeinden mit der Verwaltungsvollstreckung beauftragt werden, da den bayerischen Gemeinden dabei nach Art. 26 und 27 BayVwZVG ebenfalls die Vollstreckung über den Gerichtsvollzieher offensteht. Ebenso können die IHKs in Baden-Württemberg zwischen dem zivilrechtlichen und dem öffentlichen Vollstreckungsweg wählen, seitdem das badenwürttembergische Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom 12.3.1974428 beide Möglichkeiten zur Verfügung stellt429. Im Übrigen haben die meisten Länder in ihren Ausführungsgesetzen aufgrund der Ermächtigung in § 12 Abs. 1 Nr. 6 die Gemeinden zur Amtshilfe bei der Einziehung und Beitreibung verpflichtet und die Vergütung dafür geregelt. Die IHKs nehmen diese Amtshilfe bei der Einziehung allenfalls noch für die Kleingewerbetreibenden in Anspruch; nach Einführung der Datenverarbeitung veranlagen die meisten IHKs auch die Kleingewerbetreibenden selbst. Die Beitreibung erfolgt dagegen regelmäßig über die Gemeinden. Die IHK trägt die Beitreibungskosten, sofern sie nicht beim Vollstreckungsschuldner ebenfalls beigetrieben werden können. Da diese Beitreibungsgebühren, die vom Vollstreckungsschuldner ebenfalls zu entrichten sind, oft nicht die tatsächlichen Kosten decken, verlangen die Gemeinden gelegentlich von den Kammern eine zusätzliche Beitreibungsgebühr. Die Zulässigkeit einer solchen Beitreibungsgebühr ist umstritten.
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Für eine Zustellung der Beitrags- und Gebührenbescheide gelten die Verwaltungszustellungsgesetze der Länder, die ihrerseits wieder auf das Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes vom 3.7.1952430 verweisen. Eine formelle Zustellung ist jedoch nur ausnahmsweise notwendig, etwa bei Widerspruchsbescheiden431; sonst genügt die Aufgabe zur Post. Der Zugang von Beitragsbescheiden mittels einfachem Brief wird am dritten Tag nach Aufgabe zur Post vermutet, es sei denn, der Bescheid ist überhaupt nicht oder später zugegangen432. Zu den Bestimmtheitserfordernissen433 des Beitragsbescheides zählt auch, dass zweifelsfrei er427 428 429 430 431 432 433
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BayRS 2010-2-I, zuletzt geändert durch Gesetz v. 15.5.2018, GVBl. 260. GVBl. 93. § 15 Abs. 1 und 2. BGBl. I, 739 in der jeweiligen Fassung. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO. § 41 Abs. 2 VwVfG. § 37 Abs. 1 VwVfG.
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Erhebung, Einziehung und Beitreibung (§ 3 Abs. 8)
Rz. 141 § 3
kennbar sein muss, an wen sich der Beitragsbescheid richten soll. Der Adressat ergibt sich grundsätzlich aus dem Anschriftenfeld des Beitragsbescheides in Verbindung mit seinem Inhalt. Danach ist die Adressierung eines IHK-Beitragsbescheides an die Konzernmutter einer kammerzugehörigen Organgesellschaft unwirksam, wenn die Konzernmutter selbst ihren Sitz nicht im Bezirk der IHK hat, also selbst nicht kammerzugehörig ist434. Einer wirksamen Bekanntgabe steht aber nicht entgegen, wenn der Kammerzugehörige sich zwischenzeitlich umbenannt hat, die IHK bei der Adressierung des Bescheids aber noch den alten Namen verwendet hat435. Ist Beitragsschuldnerin eine GmbH, kann der Bescheid ohne Weiteres an die Privatadresse des Geschäftsführers zugestellt werden, da dieser die GmbH vertritt436 und die Zustellung an jedem Ort möglich ist, an dem der Geschäftsführer angetroffen wird437. Ein Einzelunternehmer hat keinen Anspruch, dass der Beitragsbescheid unter Nennung des vollständigen Namens des Gewerbebetriebs bekannt gegeben wird; ausreichend ist, dass der Bescheid unter Angabe der Geschäftsadresse an den Inhaber des Gewerbebetriebes gesandt wird438. Der Heranziehung zum IHK-Beitrag steht nicht entgegen, dass das kammerzugehörige Unternehmen bei Zustellung des Beitragsbescheides nicht mehr existierte. Ebenso wie gegen eine aufgelöste GbR noch Steuerbescheide ergehen können439, kann auch noch ein IHK-Beitragsbescheid erlassen werden. Entscheidend ist, dass der Kammerzugehörige in dem Veranlagungsjahr, das Gegenstand des Beitragsbescheides ist, rechtlich existierte und zur Gewerbesteuer veranlagt war440. Im Insolvenzverfahren ist für die Beitragserhebung der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung entscheidend. Vor der Insolvenzeröffnung entstandene Beitragsforderungen sind als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden, nach Eröffnung der des Insolvenzverfahrens entstandene Mitgliedsbeiträge sind Masseverbindlichkeiten441. Bei privatrechtlichen Entgelten ist die IHK dagegen auf die zivilprozessualen 141 Möglichkeiten angewiesen, um ihre Ansprüche zu verwirklichen. Sie muss notfalls mit Mahnbescheid und Zivilklage sowie mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach der ZPO vorgehen.
434 435 436 437 438 439 440 441
VG Lüneburg v. 13.1.1999 – 5 A 18/98. VG Würzburg v. 18.1.2006 – W 6 K 05.1148. § 35 Abs. 1 GmbHG. § 73 Abs. 3 VwGO; §§ 170 Abs. 2, 177 ZPO; §§ 7 Abs. 2, 3 Abs. 3 VwZG; vgl. VG Magdeburg v. 17.3.2004 – 3 A 477/03. VG Leipzig v. 29.11.1999 – 6 K 1910/99. BFH BStBl. II, 1997, 745. Schl.-Holst. OVG v. 17.7.2006 – 3 LA 62/06. OVG Nordrhein-Westfalen v. 18.6.2018 – 17 A 1258/15, GewArch 2018, 469 = ZIP 2018, 1703, Revision unter BVerwG 10 B 14.18; VG Düsseldorf v. 13.5.2015 – 20 K 4304/14, ZinsO 2015, 1405; Rieger, GewArch 2015, 361.
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§ 3 Rz. 142 Status, Beiträge und Gebühren 3. Erlass, Niederschlagung, Stundung (§ 3 Abs. 7 Satz 2) 142
Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 sind in der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung und der Gebührenordnung auch Erlass und Niederschlagung zu regeln.
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Erlass ist der ganze oder teilweise Verzicht auf einen Beitrags- oder Gebührenanspruch, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre442. Es handelt sich also um eine Billigkeitsmaßnahme, über die nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist und bei der nicht zuletzt der Grundsatz einer gleichmäßigen Behandlung aller Kammerzugehörigen beachtet werden muss, so dass ein strenger Maßstab anzulegen ist443. Der Erlass setzt grundsätzlich einen Antrag bei der IHK voraus444. Infolgedessen kommt auch ein auf Beitragserlass gerichteter Antrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erst dann in Betracht, wenn ein entsprechender Erlassantrag von der jeweiligen IHK rechtsmittelfähig abgelehnt worden ist. Er kann immer nur mit den Umständen des Einzelfalles begründet werden und ist nicht dazu geeignet, Einwände gegen das Gewerbesteuerrecht zu berücksichtigen und indirekt den Gewerbeertrag oder Zerlegungsanteil zu korrigieren445. Als Tatbestandsvoraussetzung des Beitragserlasses knüpfen die IHK-Beitragsordnungen einheitlich an den unbestimmten Rechtsbegriff der „unbilligen Härte“ an, die eine „sachliche Härte“ oder eine „persönliche Härte“ sein kann446. Nach der Rechtsprechung darf ein Erlass hierbei nur gewährt werden, wenn und soweit dies dazu dient, einem atypischen Sachverhalt Rechnung zu tragen, der aufgrund bestimmter tatsächlicher Umstände vom Regelbild deutlich abweicht, wobei der Kammerzugehörige die Erlassvoraussetzungen substantiiert vorzutragen und in geeigneter Weise (z.B. durch Vorlage von Steuerbescheiden) glaubhaft zu machen hat447. Beispielsweise ist das Vorhandensein vieler Betriebsstätten in zahlreichen Kammerbezirken allein noch kein Anlass für einen Erlass des Grundbeitrags für auswärtige Betriebsstätten448. Ein Erlass wäre hingegen etwa dann geboten, wenn der Beitrag für den Kammerzugehörigen erdrosselnde Wirkung hätte, also die Beitragserhebung den Fortbestand des Betriebes konkret gefährden würde. Das ist aber in der Rechtsprechung bislang stets verneint worden449. Konsequenterweise kann deshalb allein aus dem Fehlen eines Ertrags 442 Vgl. § 227 Abs. 1 AO; zum früheren, vergleichbaren § 131 AO BFH v. 15.2.1973 – V R 152/69, NJW 1973, 1824; BVerwG v. 13.2.1976 – VII C 7.74, BB 1976, 456. 443 Sächs. OVG v. 28.3.2017 – 4 D 32/16; VG Köln v. 18.1.2007 – 1 K 3332/06; VG Freiburg v. 7.11.2003 – 7 K 152/01. 444 VG Darmstadt v. 10.3.1995 – 3 E 1191/94 (1), GewArch 1995, 483. 445 VG Kassel v. 17.9.1998 – 4 E 1180/96 (2). 446 § 227 AO. 447 OVG Rheinland-Pfalz v. 24.4.2001 – 11 A 11224/00, GewArch 2001, 344; ferner die Rechtsprechungsnachweise bei Jahn, GewArch 2008, 137, 192. 448 OVG Nordrhein-Westfalen v. 24.2.1997 – 25 A 4720/94, GewArch 1997, 296, 298, bestätigt durch BVerwG v. 27.10.1998 – I C 19/97, GewArch 1999, 73. 449 Vgl. Sächs. OVG v. 28.3.2017 – 4 D 32/16; Jahn, GewArch 1997, 177, 184; Jahn, GewArch 2008, 137, 192 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen.
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Erhebung, Einziehung und Beitreibung (§ 3 Abs. 8)
Rz. 147 § 3
oder Gewinns, von Umsätzen oder der Umstand bloßer Untätigkeit bzw. Ruhen der Geschäftstätigkeit oder der Verlusterzielung noch kein Anspruch auf Beitragserlass abgeleitet werden450. Eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung kann sich nur darauf erstrecken, ob die IHK bei ihrer Billigkeitsentscheidung ihr Ermessen überschritten oder missbraucht hat, oder ob die vorgetragenen Billigkeitsgründe nicht geprüft worden sind451. Die Rechtsfrage, ob ein Erlass zulässig oder geboten ist, ist nicht revisibel452. Die Niederschlagung ist im Gegensatz zum Erlass lediglich der (ganze oder teil- 144 weise) endgültige Verzicht auf die Beitreibung eines Beitrags- und Gebührenanspruchs453. Die Niederschlagung kann nur erfolgen, wenn feststeht, dass die Beitreibung keinen Erfolg haben wird oder wenn die Kosten der Einziehung und Beitreibung in einem Missverhältnis zur Beitrags- oder Gebührenschuld stehen. Insoweit können sich die Kammern an die Kleinbetragsregelung halten, wie sie auch im Gewerbesteuerrecht gilt454. Die Beitragsordnung regelt schließlich die Stundung455. Stundung kommt in Be- 145 tracht, wenn die sofortige Zahlung mit erheblichen Härten für den Beitragspflichtigen verbunden ist und der Beitragsanspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung unterbricht die Verjährung. 4. Verweisungen Die verschiedenartigen Verweisungen im Beitrags- und Gebührenrecht mit 146 ihren Weiterverweisungen sind wenig übersichtlich. Auslegungsschwierigkeiten kann im Einzelfall insbesondere die Abgrenzung bereiten, inwieweit das IHKG, die Beitragsordnung und die Wirtschaftssatzung der IHK entweder durch das Verwaltungsverfahrensgesetz und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes oder durch die Kommunalabgabengesetze mit ihren Weiterverweisungen auf die Abgabenordnung zu ergänzen sind. Dabei ist davon auszugehen, dass Erhebung, Einziehung und Beitreibung von Kammerbeiträgen und Gebühren zum Verwaltungsrecht gehören und deshalb in erster Linie das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes ergänzend anzuwenden ist. Die Anfechtung richtet sich auf jeden Fall nach der Verwaltungsgerichtsordnung. Nur soweit das IHKG für Einziehung, Beitreibung und Verjährung ausdrücklich auf die Kommunalabgabengesetze oder unmittelbar auf die Abgabenordnung 450 VG Leipzig v. 28.3.2005 – 5 K 1717/01, VG Neustadt/Weinstraße v. 9.2.2006 – 4 K 1637/05 NW. 451 VG Darmstadt v. 23.10.1970 – III E 110/70. 452 BVerwG v. 27.10.1998 – I C 19/97, GewArch 1999, 73. 453 Vgl. auch § 261 AO. 454 Vgl. § 34 GewStG. 455 Vgl. § 222 AO.
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§ 3 Rz. 147 Status, Beiträge und Gebühren verweist, können diese für das Beitragsverfahren zweckmäßigeren Vorschriften des Steuerrechts herangezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass die Verweisungen des IHKG heute im Kommunalabgabenrecht wie in der Abgabenordnung auf moderne Bezeichnungen treffen. Deshalb wäre es vorzuziehen, wenn im IHKG nur noch einheitlich eine entsprechende Anwendung der Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung vorgesehen würde. Die früheren Schwierigkeiten sind jedoch dadurch weitgehend abgeschwächt worden, dass inzwischen die Abgabenordnung 1977 sich in Terminologie und auch Einzelheiten an die Verwaltungsverfahrensgesetze anlehnt und sie teilweise sogar wörtlich übernimmt. In den meisten Fällen ergibt sich deshalb praktisch kein Unterschied mehr.
X. Verjährung von Kammerbeiträgen (§ 3 Abs. 8 Satz 1) 148
§ 3 Abs. 8 Satz 1 verweist – in Anlehnung an das frühere Kammerrecht456 – für die Verjährung von Beiträgen, Sonderbeiträgen und Gebühren auf die Vorschriften der Abgabenordnung (AO) über die Verjährung der Steuern von Einkommen und Vermögen457. Diese Verweisung ist durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995458 zur teilweisen Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer nicht berührt.
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Die Abgabenordnung459 vom 16.3.1976460 gilt für die Verjährung aller Beitragsund Gebührenansprüche, die ab 1.1.1977 entstanden sind461. Danach ist zwischen der Festsetzungsverjährung462 und der Zahlungsverjährung463 zu trennen. Durch die strikte Gesetzesverweisung kann die IHK in der IHK-Beitragsordnung keine abweichende Verjährungsregelung treffen464.
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Von praktischer Bedeutung für die IHKs ist lediglich die Festsetzungsverjährung für Beiträge. Die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitragsanspruch entstanden ist465 und beträgt grundsätzlich 4 Jahre (§ 3 Abs. 8; § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, bisweilen aber auch zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO)466. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist ist eine Aufhebung oder Änderung des Beitragsbescheids nicht mehr zulässig, nicht einmal eine Berichtigung 456 457 458 459 460 461 462 463 464 465 466
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Vgl. 2. Aufl., 171. Dazu ausführlich Möllering/Schwenker, GewArch 2003, 98. BVerfG v. 22.9.1995 – 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615. AO 1977. BGBl. I, 613. Art. 97 § 10 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 und 2 EGAO 1977 v. 14.12.1976 – BGBl. I, 3341. §§ 169–171 AO. §§ 228–232 AO. VG Würzburg v. 11.10.2000 – W 6 K 99.1498. § 170 Abs. 1 AO. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO.
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Verjährung von Kammerbeiträgen (§ 3 Abs. 8 Satz 1)
Rz. 151 § 3
wegen offenbarer Unrichtigkeit analog § 129 Satz 1 AO467. Lediglich eine Änderung des Gewerbesteuermessbetrags oder des Zerlegungsanteils kann noch nach Ablauf dieser Frist zu einer Änderung von Beitragsbescheiden führen468. Eine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist analog § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO erfor- 151 dert eine durch Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung begründete Meldepflicht, die sich auf einen konkreten Abgabetatbestand und einen bestimmten Zeitraum bezieht. Nur eine allgemeine Pflicht des Kammerzugehörigen, Auskunft über die Grundlage der Beitragsfestsetzung zu geben469, reicht deshalb für den Eintritt der Anlaufhemmung nicht470. Allerdings besteht regelmäßig eine Pflicht des Gewerbetreibenden, sein Gewerbe anzumelden. Über diese Gewerbeanmeldung gibt er der IHK zumindest auch Auskunft über seine Grundbeitragspflicht. Daher wirkt die Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist analog § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO in den Fällen, in denen der Kammerzugehörige zur Gewerbeanmeldung verpflichtet, dieser Pflicht aber nicht nachgekommen ist. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist gehemmt, soweit der Gewerbesteuermessbetrag oder Zerlegungsanteil noch nicht vorliegt. Für das Ende der Festsetzungsfrist beim IHK-Beitrag findet § 171 Abs. 10 AO entsprechend Anwendung471. Somit endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung ein Feststellungsbescheid oder Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides. Da für die IHK nach § 3 Abs. 3 der vom Finanzamt festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag bindend ist, läuft deshalb analog § 171 Abs. 10 AO die Frist für die Festsetzung des IHK-Beitrags so lange, wie der Gewerbesteuermessbescheid noch verändert oder erlassen werden kann472. Ein wiederholender Grundlagenbescheid wirkt sich allerdings nicht gem. § 171 Abs. 10 AO auf den Lauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid aus473; wird also ein Gewerbesteuermessbescheid durch eine IHK nicht innerhalb der zweijährigen Frist des § 171 Abs. 10 AO ausgewertet, wird eine erneute Auswertungsmöglichkeit auch nicht dadurch geschaffen, dass der genannte Gewerbesteuermessbescheid nach Überprüfung unverändert wiederholt wird. Die Festsetzungsfrist für den Kammerbeitrag endet erst mit Ablauf von 2 Jahren nach Bekanntgabe des Gewerbesteuermessbetrags oder Zerlegungsanteils an den Kammerzugehöri-
467 468 469 470 471
Siehe dazu Bay VGH v. 12.3.2019 – 22 B 16.2014, GewArch 2019, 240. § 184 AO. § 3 Abs. 3 Satz 8. VG Halle v. 11.9.2002 – 5 A 172/02 HAL. VGH Baden-Württemberg v. 21.3.2002 – 14 S 2450/01, GewArch 2002, 480; Hess. VGH v. 21.7.2000 – 8 ZU 1099/00; ferner die Rechtsprechungsnachweise bei Jahn, GewArch 2008, 137, 191; Fehlt es allerdings an einer erstmaligen Veranlagung, findet § 171 Abs. 10 AO keine Anwendung, vgl. Bay VGH v. 12.3.2019 – 22 B 16.2014 Rz. 50, GewArch 2019, 240. 472 VGH Baden-Württemberg v. 21.3.2002 – 14 S 2450/01, GewArch 2002, 480. 473 BFH v. 13.12.2000 – X R 42/96.
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§ 3 Rz. 151 Status, Beiträge und Gebühren gen474. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in dem dem Steuerpflichtigen – nicht der IHK – der Gewerbesteuermessbetrag oder Zerlegungsanteil oder deren Änderungen zugehen. Ebenso ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt, wenn die IHK selbst die Beitragsveranlagung wegen noch zu treffender Ermittlungen ausgesetzt oder nur einen vorläufigen Beitragsbescheid erlassen hat475. Die Festsetzungsfrist endet dann wiederum mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheiten beseitigt sind und die IHK davon Kenntnis erhalten hat476. In schwierigen Fällen können die IHKs also durch eine ausdrückliche Aussetzung der Beitragsveranlagung unter Hinweis auf die Gründe oder durch eine vorläufige Beitragsfestsetzung die Festsetzungsfristen verlängern, müssen jedoch um eine möglichst baldige Klärung und die endgültige Festsetzung innerhalb eines Jahres bemüht sein. Bei einer vorläufigen Beitragsfestsetzung (z.B. zum Grundbeitrag wegen fehlender Bemessungsgrundlage) endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres seit Kenntnis der IHK von der festgesetzten Bemessungsgrundlage. Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass die Festsetzungsfrist nicht abläuft, bevor über Widersprüche und Klagen gegen den Beitragsbescheid entschieden ist477. 152
Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts478 zu dieser Thematik ist durch den neuen § 171 Abs. 10 AO praktisch überholt. Das Gericht hatte darin entschieden, dass eine steuerliche Betriebsprüfung nach § 146 Abs. 3 AO a.F.479 nur bei Steuerschulden zu einer Ablaufhemmung führt, nicht dagegen bei Kammerbeiträgen; eine entsprechende Anwendung für Kammerbeiträge sei ausgeschlossen, weil diese steuerlichen Maßnahmen480 nicht das Verhältnis zwischen IHK und Kammerzugehörigen berührten. In fast allen diesen Fällen einer steuerlichen Betriebsprüfung ergeht jedoch in der Regel ein Änderungsbescheid zum Gewerbesteuermessbescheid oder zum Zerlegungsanteil, worauf dann auch für die IHK § 171 Abs. 10 AO anzuwenden ist. Dieser Fall der Ablaufhemmung bei Grundlagenbescheiden führt deshalb auch bei den IHKs in Fällen einer steuerlichen Betriebsprüfung mittelbar zu einer Ablaufhemmung.
153
Die Zahlungsverjährung knüpft an den Beitrags- und Gebührenbescheid an und beträgt 5 Jahre481. Die Verjährungsfrist beginnt hier mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist482. Unterbrochen wird die Zahlungsverjährung nur noch durch Zahlungsaufschub, Stundung oder Vollstreckungsauf474 475 476 477 478 479 480 481 482
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§ 171 Abs. 10 AO. § 171 Abs. 8 AO. § 171 Abs. 8 AO. § 171 Abs. 3 AO. BVerwG v. 10.6.1986 – 1 C 8/86, GewArch 1986, 310. Heute § 171 Abs. 4 AO. Vgl. heute § 171 Abs. 4 bis 6 AO. § 228 AO. § 229 AO.
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Rechtsschutz
Rz. 154 § 3
schub sowie durch alle Vollstreckungsmaßnahmen jeweils bis zum Ablauf dieser Maßnahmen oder Entscheidungen483. Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung bewirkt jedoch, dass mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat, eine neue Verjährungsfrist dafür zu laufen beginnt484. Da auch die Mahnung die Zahlungsverjährung unterbricht, dürfte diese in der Praxis eigentlich nicht relevant sein.
XI. Rechtsschutz Gegen die Verwaltungsakte485 der IHK im Beitrags- und Gebührenrecht sind der 154 Widerspruch nach den §§ 68 VwGO486 und anschließend die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO gegeben. Verwaltungsakte (§ 35 Satz 1 VwVfG) sind dabei nicht nur Beitrags- und Gebührenbescheide, sondern auch Vorauszahlungsbescheide sowie Entscheidungen über Stundungs- und Erlassanträge. Die Entscheidung trifft auch im Widerspruchsverfahren – sofern eines nach Landesrecht vorgesehen ist – die IHK selbst487. Die Widerspruchsentscheidung ist zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen sowie förmlich zuzustellen. Wird die Widerspruchsfrist nicht eingehalten und entscheidet die IHK nicht erneut sachlich, ist eine Anfechtungsklage unzulässig. Etwas anderes gilt, wenn die beklagte IHK sich auf die Klage sachlich eingelassen und Abweisung beantragt hat, da in diesem Fall nicht erkennbar ist, was mit einem Vorverfahren noch hätte erreicht werden können488. Statt einer Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1.Tb. VwGO) gegen den Beitragsbescheid ist zur Klärung der Kammerzugehörigkeit auch eine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO)489 statthaft490. Im Beitragsprozess ist es Angelegenheit des Klägers, behauptete Rechtsverstöße substantiiert vorzutragen. Allein die bloße Behauptung, eine Beitragsordnung oder Wirtschaftssatzung sei als IHK-Satzungsrecht nicht wirksam zustande gekommen und scheidet deshalb als Grundlage der Beitragserhebung aus, löst noch keine Amtsermittlungspflicht des Gerichts aus, weil dem Kläger zugemutet werden kann, sich durch Einsicht-
483 484 485 486 487 488 489 490
§ 231 Abs. 2 AO. § 231 Abs. 3 AO. § 35 Satz 1 VwVfG. Teilweise durch Landesrecht jedoch ausgeschlossen, z.B. seit 1.7.2007 in Bayern, BayGVBl. 2007, 390; zuvor bereits Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, seit 2007 ebenfalls Nordrhein-Westfalen. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO. BVerwG v. 21.3.1979 – 6 C 10/78; VG Dresden v. 18.4.2018 – 4 K 1062/16; VG Berlin v. 12.10.1998 – VG A 486.98; Jahn, GewArch 2008, 137, 194. § 43 Abs. 1 VwGO. Bay VGH v. 23.9.1997 – 9 S 1744/96; VG Gießen v. 22.4.1997 – 8 E 23/95 (2); VG München v. 24.3.1998 – M 16 K 97.1064; Hamb. OVG v. 4.3.2005 – 1 Bf 481/03.
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§ 3 Rz. 154 Status, Beiträge und Gebühren nahme in die entsprechenden Unterlagen selbst die erforderliche Kenntnis zu verschaffen491. 155
Die Anfechtung des Beitragsbescheides hat keine aufschiebende Wirkung492. Jedoch kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise auf Antrag wiederherstellen; der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig493. Voraussetzung ist allerdings nach § 80 Abs. 4 VwGO, dass vorab ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der IHK gestellt und von dieser abgelehnt worden ist. In der Erhebung des Widerspruchs ist ein solcher Antrag ebenso wenig zu sehen wie in einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Verwaltungsgericht494. Da § 80 Abs. 6 VwGO eine nicht nachholbare Voraussetzung beinhaltet, kommt weder eine Heilung des Mangels durch sachliche Einlassung des Antragsgegners (IHK) im Eilverfahren noch eine Aussetzung zur Nachholung des Verfahrens nach § 80 Abs. 6 VwGO in Betracht. Einer vorherigen Ablehnungsentscheidung durch die IHK im Vorfeld eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Verwaltungsgericht bedarf es nur dann nicht, wenn dem Kammerzugehörigen bereits die Vollstreckung konkret droht495. Im Aussetzungsverfahren bei der IHK muss der Antragsteller ein „unbillige Härte“ i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO darlegen. Eine „unbillige Härte“ i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist nicht anzunehmen, wenn durch den Sofortvollzug nicht Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinaus gehen und die nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind; hierbei ist auch im IHK-Beitragsrecht ein strenger Maßstab anzulegen, weil der Gesetzgeber grundsätzlich entschieden hat, Abgaben- und Kostenbescheide zu Gunsten der öffentlichen Haushalte von Gesetzes wegen für sofort vollziehbar zu erklären496. Eine „unbillige Härte“ i.S.d. Gesetzes liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn die Höhe des erhobenen IHKGrundbeitrages fast so groß ist wie der verbleibende Jahresüberschuss des Gewerbetreibenden497. Auch die Anhängigkeit eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen die Pflichtmitgliedschaft498 begründet im Sofortvollzugsverfahren noch keine „ernstlichen Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides, die die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes rechtfertigen499.
491 VG Würzburg v. 25.4.2018 – W 6 K 17.376; VG Augsburg v. 2.8.2004 – 4 K 02.180; Zur Unzulässigkeit einer Anhörungsrüge nach § 152a VwGO in diesem Kontext siehe VG Leipzig v. 29.4.2014 – 5 K 617/13. 492 § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; Siehe auch die Nachweise bei Jahn, WiVerw 2015, 92, 130. 493 Vgl. § 80 Abs. 5 und 6 VwGO; Nds. OVG v. 16.1.2009 – 8 ME 123/08; Nds. OVG v. 15.11.1990 – 8 M 12/90. 494 VG Berlin v. 13.6.1997 – VG 4 A 351.97. 495 § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 VwGO; vgl. VG Lüneburg v. 24.10.1996 – 5 B 44/96. 496 VG Stuttgart v. 1.7.2010 – 4 K 4137/09; VG Meiningen v. 1.6.2006 – 2 E 134/06. 497 VG Gießen v. 5.8.1999 – 8 G 956/99. 498 § 2 Abs. 1. 499 VG Augsburg v. 23.3.2000 – Au 4 S 00.97.
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Rechtsschutz
Rz. 157 § 3
Eine Aussetzung der Beitreibung richtet sich nach § 80 Abs. 4 VwGO. Die ver- 156 waltungsgerichtliche Nachprüfung erstreckt sich darauf, dass die IHK die geltenden Rechtsvorschriften (einschließlich ihres eigenen Satzungsrechts) eingehalten und, soweit es um Ermessensentscheidungen bei Stundung und Erlass geht, ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat500. Da die IHK kraft Gesetzes an die Entscheidung des Finanzamts über die Gewerbesteuerpflicht und an den festgesetzten Gewerbesteuermessbetrag oder Zerlegungsanteil gebunden ist, können darüber auch die Verwaltungsgerichte in einem Verwaltungsstreitverfahren wegen der Kammerbeiträge nicht mehr neu entscheiden. Deshalb geht es in der Praxis bei solchen Verwaltungsstreitverfahren meist darum, ob die Kammerzugehörigkeit gegeben ist, ob der Beitragsbescheid von zutreffenden Tatsachen ausgeht und ob das Verfahren ordnungsgemäß war. Eine solche Anfechtung des Beitragsbescheides kann nicht durch eine Feststellungsklage gegen die Beitragsordnung umgangen werden501. Ebenso wenig berechtigt der Vorwurf gegenüber der IHK, dass sie etwa kammerfremde Zwecke verfolgt und dafür Kammermittel einsetzt, eine Beitragsverweigerung502; ein solcher Vorwurf kann nur durch eine Unterlassungsklage geklärt werden503. Im Berufungszulassungsverfahren sind „ernstliche Zweifel“ (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 157 VwGO) nicht schon bei bloßen Bedenken gegen die Entscheidungsbegründung dargetan; vielmehr müssen sich die darzulegenden Bedenken auf die Richtigkeit des Ergebnisses beziehen504. Dazu muss der Kläger mit schlüssigen Argumenten die Richtigkeit einer entscheidungserheblichen rechtlichen Begründung des Ausgangsgerichts in Frage stellen505. In Beitragssachen stellt die Rechtsprechung an den Berufungszulassungsantrag wegen „grundsätzlicher Bedeutung“ (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) strenge Anforderungen; allein die Anhängigkeit mehrerer Verfassungsbeschwerdeverfahren rechtfertigt noch keine Zulassung der Berufung wegen „grundsätzlicher Bedeutung“506. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert also, dass in dem Zulassungsantrag einen konkrete Frage formuliert und ein Hinweis auf den Grund enthalten sein muss, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam erkennen lässt507. 500 Vgl. zum Begriff der Rechtsverletzung Eyermann, VwGO, § 80 Anm. 66. 501 VG Arnsberg v. 19.4.1985 – 5 K 268/84. 502 OVG Rheinland-Pfalz v. 22.1.1997 – 11 A 12624/96, GewArch 1997, 196, 199; VG Hamburg v. 9.10.2007 – 2 E 3338/07; VG Freiburg v. 2.2.2005 – 7 K 1684/02, GewArch 2005, 478; ferner die Nachweise bei Jahn, GewArch 2008, 137, 187. 503 Siehe dazu Ennuschat/Tille, GewArch 2007, 24; Jahn, GewArch 2008, 137, 187. 504 VG Minden v. 23.6.2010 – 7 K 2650/09. 505 BVerfG v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02, GewArch 2007, 242; Hess. VGH v. 26.7.2007 – 8 UZ 900/07. 506 OVG Nordrhein-Westfalen v. 18.8.2000 – 4 B 1184/00; Zur „grundsätzlichen Bedeutung“ einer Sache im Revisionsverfahren (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) siehe BVerwG v. 22.6.2018 – 10 B 6.17. 507 Jahn, WiVerw 2015, 92, 131.
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§ 4 Zuständigkeit der Vollversammlung
§4 [Zuständigkeit der Vollversammlung] 1Über
die Angelegenheiten der Industrie- und Handelskammer beschließt, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt, die Vollversammlung. 2Der ausschließlichen Beschlußfassung durch die Vollversammlung unterliegen 1. die Satzung, 2. die Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebührenordnung, 3. die Feststellung des Wirtschaftsplans, 4. die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge und Sonderbeiträge, 5. die Erteilung der Entlastung, 6. die Übertragung von Aufgaben auf andere Industrie- und Handelskammern, die Übernahme dieser Aufgaben, die Bildung von öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen und die Beteiligung hieran (§ 10) sowie die Beteiligung an Einrichtungen nach § 1 Abs. 3b, 7. die Art und Weise der öffentlichen Bekanntmachung und 8. die Satzung gemäß § 3 Abs. 7a (Finanzstatut). 3§ 79 des Berufsbildungsgesetzes bleibt unberührt. 4Soweit nach Satz 2 Nr. 7 die elektronische Verkündung von Satzungsrecht vorgesehen ist, hat diese im Bundesanzeiger zu erfolgen. I. Rechtliche Bedeutung der Vollversammlung . . . . . . . . . II. Zuständigkeitsabgrenzung . 1. Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung . . . . . . . 2. Gesetzliche Ausnahme . . . . 3. Zuständigkeitsbeschränkung durch Satzung . . . . . . . . III. Inhalt der Satzung der IHK 1. Name und Sitz der IHK . . . 2. Zahl der Vollversammlungsmitglieder . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeitsregeln . . . . . 4. Ausschüsse und Zweigstellen 5. Verfahrensfragen . . . . . . . a) Beschlussfähigkeit . . . .
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1
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7
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7 11
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17 18
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. . . . .
b) Beschlussfassung der Vollversammlung . . . . . . . . c) Öffentlichkeit der Sitzungen . 6. Wirtschaftsführung . . . . . . . .
30 33 34
IV. Sonstiges Satzungsrecht . . . . .
35
V. Rechtliche Anforderungen an das Satzungsrecht . . . . . . . . 1. Erlass von Satzungsrecht . . . . 2. Verkündung von Satzungsrecht a) Verkündungsorgan . . . . . . b) Anforderungen an die IHKZeitschrift . . . . . . . . . . . c) Elektronische Bekanntmachung . . . . . . . . . . . d) Inhalt der Bekanntmachung
. . . .
37 38 42 43
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45
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47 48
VI. Entlastung . . . . . . . . . . . . .
50
Rechtliche Bedeutung der Vollversammlung
Rz. 3 § 4
Literaturauswahl: Th. Groß, Jahrbuch des Kammerrechts 2003, 26; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung; Möllering, WiVerw 2001, 25; Rickert, WiVerw 2004, 153; Tettinger, Kammerrecht.
I. Rechtliche Bedeutung der Vollversammlung Nach § 4 ist die Vollversammlung das demokratisch legitimierte höchste Ent- 1 scheidungsgremium der IHK, deren Mindestaufgaben und -befugnisse sich aus dem Gesetz ergeben1. Sie ist aufgrund der Wahl durch die Mitglieder legitimiert, als Vertreterin aller Mitgliedsunternehmen für die IHK zu entscheiden. Die Vollversammlung ist dabei in ihrer Zuständigkeit nicht auf Rechtsetzung und Organbestellung beschränkt, sondern kann auch Verwaltungsrichtlinien erlassen und Einzelentscheidungen treffen. Sie hat damit die Kompetenz, alle Vorgänge an sich zu ziehen, soweit nicht nach Gesetz oder Satzung andere Organe der IHK zuständig sind. Sie muss sich mit ihren Entscheidungen jedoch innerhalb des von § 1 vorgegebenen Rahmens halten; eine Aufgabendefinitionskompetenz hat sie nicht2. Die wesentlichen Entscheidungen für die Arbeit der IHK müssen ihr auf jeden Fall vorbehalten bleiben3. Neben dem Satzungsrecht ist die Feststellung des Gesamtinteresses der gewerb- 2 lichen Wirtschaft Kernaufgabe der Vollversammlung, die primär ihr obliegt4. Aufgrund der regionalspezifischen Zusammensetzung der Vollversammlung5 und der Wahl ihrer Mitglieder durch alle Kammerzugehörigen ist sie das am besten legitimierte Gremium, die dazu erforderliche Interessenabwägung in einem verfassten Verfahren vorzunehmen6. Die erforderliche, zur regionalen Wirtschaftsstruktur spiegelbildliche Zusammensetzung der Vollversammlung (siehe dazu § 5 Rz. 44 ff.) ist die Voraussetzung für eine regelkonforme Bildung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses (zum Gesamtinteresse siehe § 1 Rz. 31 ff., zum Verfahren siehe § 1 Rz. 41 ff.). Die innerhalb der gesetzlichen Mitglieder der IHK bestehende Binnenpluralität der Interessen muss sich daher bereits in der Zusammensetzung der Vollversammlung niederschlagen7, um die Vollständigkeit des Gesamtinteresses bei der Bildung und Wahrnehmung sicherzustellen. Die spiegelbildliche Zusammensetzung der Vollversammlung soll eine abge- 3 wogene und ausgleichende Berücksichtigung aller wirtschaftlichen Interessen 1 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 2 BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29.99, GewArch 2001, 161. 3 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331; BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400. 4 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400. 5 BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14, GewArch 2015, 452. 6 Möllering, WiVerw 2001, 25, 40. 7 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 (bereits 2. Leitsatz).
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§ 4 Rz. 3 Zuständigkeit der Vollversammlung innerhalb der gewerblichen Wirtschaft des Kammerbezirks sicherstellen. Daher müssen sich Stellungnahmen und Aussagen der IHK letztlich immer auf von der Vollversammlung beschlossene allgemeine Leitlinien – wie die Wahrung der Gewerbefreiheit – oder von der Vollversammlung bzw. dem dafür von der Satzung berufenen Organ der IHK beschlossene konkrete Positionen – beispielsweise zu lokalen Projekten oder aktuellen Gesetzesvorhaben – zurückführen lassen8 (siehe auch § 1 Rz. 47). Dabei könnte dem Gesetz eine satzungsrechtliche Regelungskompetenz zur umfassenden Delegation der Ermittlung des Gesamtinteresses auf andere Organe der IHK entnommen werden. Auch wenn „Fragen von grundsätzlicher Bedeutung“ nach dem Wortlaut nicht im gesetzlichen Vorbehaltsbereich von Satz 2 aufgeführt sind, in den Satzungen der IHKs aber als satzungsrechtliche Vorbehaltsaufgabe der Vollversammlung ausgestaltet wurde, sieht die Rechtsprechung hier keinen Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers. Vielmehr stellt sie auch unabhängig von einer gegebenen Satzungsregelung fest, dass Fragen von grundsätzlicher Bedeutung immer durch die Vollversammlung zu behandeln und durch sie zu entscheiden sind9. Teilweise wird hinsichtlich der Vollständigkeit vertreten, dass diese bei der Ermittlung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses bereits dann gegeben ist, wenn innerhalb der Vollversammlung vertretene Auffassungen berücksichtigt werden10. Die neuere Rechtsprechung geht aber eher davon aus, dass die Vollversammlung auch alle aus den Reihen der gesetzlichen Mitglieder, insbesondere im Rahmen eines „Konsultationsverfahrens“ (siehe dazu auch § 1 Rz. 42 ff.) geäußerten wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen muss11. Inwieweit sie sich dabei auf die wirtschaftlichen Interessen der gesetzlichen Mitglieder beschränken darf und muss, wird unterschiedlich bewertet (siehe dazu ausführlich § 1 Rz. 50 ff.). Nach diesseitiger Auffassung kann u.a. aus den in § 1 Rz. 50 angesprochenen Gründen der einschränkenden, am Wortlaut und der Rechtsprechung12 orientierten Sicht gefolgt werden. In der Konsequenz dürften immer dann, wenn Interessen offensichtlich „nicht-wirtschaftlicher Art“ sind, die konkrete Betroffenheit folglich die gesetzliche Mitgliedschaft nicht berührt, diese keine Berücksichtigung finden. Jenseits der gesetzgeberischen Ausnahme in § 1 Abs. 5 kann jedes Thema Gegenstand wirtschaftlicher und damit unternehmerischer Interessen sein (siehe § 1 Rz. 22 ff.), auch wenn es die wirtschaft-
8 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400. 9 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400; bestätigend BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 110. 10 VG Minden v. 24.10.2014 – 2 K 3003/13, VG Köln v. 3.5.2012 – 1 K 2091/11. 11 „Ihre Aufgabe ist es, die Interessen aller Mitglieder im Bezirk durch eine selbstverwaltete Vertretung zusammenzuführen und dabei alle in einem Bezirk relevanten Vorstellungen zu Gehör zu bringen.“ BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 92. 12 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 92; BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400.
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Zuständigkeitsabgrenzung
Rz. 7 § 4
lichen Interessen nur am Rande berührt13. Offensichtlich „nicht-wirtschaftliche Interessen“ wie z.B. rein soziale oder religiöse wären damit auf der Ebene der Gesamtinteressensbildung nicht zu berücksichtigen. In gleicher Weise ist dann – wie in § 1 Rz. 17 ff. ausgeführt – auf Ebene der nach außen gerichteten Gesamtinteressensvertretung als gesetzlicher Aufgabe und damit der Verbandskompetenz immer der spezifische Wirtschaftsbezug herzustellen und das Verbot allgemeinpolitischer Stellungnahmen einzuhalten (§ 1 Rz. 26). § 4 legt darüber hinaus fest, dass das Satzungsrecht nur von der Vollversammlung 4 als Satzungsgeber und damit Gesetzgeber im materiellen Sinn beschlossen werden kann. Das Satzungsrecht, nicht nur die in § 4 Satz 2 sowie § 11 Abs. 2 aufgeführten Statuten, sondern auch das sonstige Satzungsrecht der IHK, ist Gesetz im materiellen Sinn. Daher bezieht sich die Rechtsaufsicht nach § 11 Abs. 1 auch auf die Einhaltung des Satzungsrechts der IHK, was für Richtlinien und andere interne Verwaltungsanweisungen nicht gilt. Die Zugehörigkeit des Satzungsrechts der IHK zum materiellen Recht zeigt sich auch in § 4 Satz 4, wonach eine elektronische Verkündung nur im Bundesanzeiger zulässig ist. Das Präsidium kann also das sonstige Satzungsrecht der IHK nur erlassen, wenn es durch die Satzung der IHK dazu ausdrücklich ermächtigt worden ist. Insgesamt stellt die Bestimmung damit den Selbstverwaltungscharakter der IHK und die autonome Satzungsgewalt klar (vgl. § 1 Rz. 226 und 236). Im Übrigen kennt das Gesetz jedoch keine strenge Trennung in Legislative und 5 Exekutive, auch wenn sich in der Praxis eine gewisse Gewaltenteilung zwischen den verschiedenen Organen der IHK herausgebildet hat und oft auch in der Satzung verankert ist. Bestimmte Zuständigkeiten sind der Vollversammlung sogar durch Gesetz vorbehalten, andererseits ist diese teilweise durch das Gesetz in ihrer Allgemeinzuständigkeit eingeschränkt oder kann sich in der Satzung selbst auf die wesentlichen Entscheidungen beschränken. In der Praxis der Vollversammlung nehmen deshalb die Regularien nur wenig Zeit 6 in Anspruch und werden teilweise auf eine Sitzung im Jahr konzentriert. Kernpunkte der Sitzungen sind vielmehr wirtschaftspolitische Fragen, welche den IHK-Bezirk besonders berühren (Rz. 2).
II. Zuständigkeitsabgrenzung 1. Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung Zu den wichtigsten Aufgaben der Vollversammlung gehört die Verabschiedung 7 des Satzungsrechts, welches die innere Ordnung der IHK regelt. Dies sind die Satzung (§ 4 Satz 2 Nr. 1), die Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebühren13 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400.
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§ 4 Rz. 7 Zuständigkeit der Vollversammlung ordnung (§ 4 Satz 2 Nr. 2) sowie das Finanzstatut (§ 4 Satz 2 Nr. 8). Diese Statuten bedürfen der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde nach § 11 Abs. 2. Weiterhin ist der Vollversammlung die jährliche Feststellung des Wirtschaftsplans sowie die Festsetzung der Beiträge und Sonderbeiträge vorbehalten (§ 4 Satz 2 Nr. 3 und 4). Nach der Regelung der inneren Verfassung der IHK kommt diesen Finanzbeschlüssen die größte Bedeutung zu, weil die Erfüllung der Kammeraufgaben einerseits von den Finanzmöglichkeiten abhängt und andererseits die Kammerzugehörigen durch ihre gewählten Vertreter selbst über die zu tragenden Lasten entscheiden müssen. In dieser Finanzhoheit zeigt sich wiederum deutlich der Selbstverwaltungscharakter der IHK, zumal auch die Entlastung, insbesondere für das Haushaltsgebaren, der Vollversammlung vorbehalten bleibt (§ 4 Satz 2 Nr. 5). Ebenfalls der Vollversammlung behält § 4 Nr. 6 die Entscheidung vor, wenn es um die Bildung von öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen zwischen IHKs oder um die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf andere IHKs geht (§ 10). Die Zuständigkeit der Vollversammlung wird hier zu Recht festgelegt, weil es sich um wesentliche Entscheidungen für den Zuständigkeitsbereich der IHK handelt und eine Übertragung von Aufgaben an andere IHKs oder an gemeinsame öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse oft auch weitreichende finanzielle Konsequenzen für den IHK-Haushalt hat. Aus diesem Grunde ist auch in § 11 Abs. 2 eine Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde vorgesehen. Schließlich entscheidet die Vollversammlung über die Art und Weise der öffentlichen Bekanntmachung (§ 4 Satz 2 Nr. 7). Damit kann die Vollversammlung beschließen, ob und in welchem Printmedium die IHK veröffentlicht oder ob die IHK im Internet veröffentlicht. Für das Satzungsrecht beschränkt § 4 Satz 4 allerdings eine elektronische Veröffentlichung auf den Bundesanzeiger. 8
Zu den Vorbehaltsaufgaben tritt schließlich die Organbestellung hinzu (Personalhoheit). Die Vollversammlung allein ist nach § 6 Abs. 1 für die Wahl des Präsidenten und des Präsidiums zuständig. Sie bestellt nach § 7 Abs. 1 den Hauptgeschäftsführer. Damit sind auch die entscheidenden Organbestellungen unmittelbar von der Vollversammlung demokratisch legitimiert, wie es dem Gedanken der Selbstverwaltung entspricht.
9
Diese Übersicht der Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung fasst drei wesentliche Elemente der Selbstverwaltung zusammen, nämlich die Satzungsautonomie, die Finanzhoheit und die Personalhoheit. Die Rechtsaufsicht nach § 11 Abs. 1 und 2 bildet dazu das notwendige Korrektiv.
10
Die Entscheidung über Fragen von grundsätzlicher Bedeutung ist in den Satzungen der IHKs ebenfalls der Vollversammlung vorbehalten. Im Gesetz ist dies nicht ausdrücklich geregelt. Daher könnte insoweit lediglich ein satzungsrechtlicher Vorbehalt bestehen, der durch eine entgegenstehende Regelung in der Satzung für einzelne Bereiche wieder ausgeschlossen werden könnte. So gibt es für die Ermittlung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses noch einmal gesonderte Regelungen in den Satzungen der IHKs, die auch konditionierte Delegatio354
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Zuständigkeitsabgrenzung
Rz. 13 § 4
nen auf andere Organe der IHK enthalten. Während grundsätzlich die satzungsrechtliche Delegation auch der Ermittlung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses durch die Rechtsprechung anerkannt wird14, gilt dies nicht für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, also für die Legitimation von Grundsatzpositionen15. Insofern ist mit der Rechtsprechung über den Katalog von § 4 Satz 2 hinaus auch eine grundsätzliche Festlegung als satzungsrechtlich nicht disponible Vorbehaltsaufgabe der Vollversammlung anzusehen16. 2. Gesetzliche Ausnahme Durch § 4 Satz 3 wird klargestellt, dass die im Bereich der Berufsausbildung zu 11 erlassenden Rechtsvorschriften der IHK gemäß § 79 BBiG vom Berufsbildungsausschuss als besonderem Organ der IHK und nicht von der Vollversammlung zu beschließen sind. Bei finanzwirksamen Beschlüssen ist jedoch gemäß § 79 Abs. 5 BBiG wiederum die Zustimmung der Vollversammlung erforderlich. Die Ausnahme in § 79 BBiG ergibt aber auch, dass die vom Berufsbildungsaus- 12 schuss beschlossenen Rechtsvorschriften von der IHK erlassen und verkündet werden, dass es sich also beim Berufsbildungsausschuss um ein Organ der IHK handelt und er organisationsrechtlich voll eingebunden ist. Der Verweis in § 4 Satz 3 auf den § 79 BBiG schränkt im Übrigen jedoch nicht die 13 Zuständigkeit der Vollversammlung nach § 1 Abs. 1 ein, das Gesamtinteresse der Bezirkswirtschaft auch im Bereich der Berufsbildungspolitik wahrzunehmen. Die Berufsbildungsausschüsse nach dem BBiG dienen der Durchführung des Berufsbildungsgesetzes, sind aber nicht für bildungspolitische Fragen zuständig; insoweit bedürfen bildungspolitische Äußerungen der IHK nicht der vorherigen Unterrichtung und Anhörung nach § 79 Abs. 2 und 3 BBiG (vgl. § 8 Rz. 18). Umgekehrt ist der Berufsbildungsausschuss auch nicht berechtigt, das Gesamtinteresse im Bereich der Bildungspolitik festzustellen. Insoweit ist er ein Ausschuss mit beratender Funktion, wie alle anderen Ausschüsse, entsprechende Beschlüsse haben keine bindende oder legitimierende Wirkung (vgl. § 8 Rz. 4).
14 „Dabei kann, wie in § 2 Abs. 2 der Satzung der Beklagten geschehen, der Vollversammlung die Bestimmung der Richtlinien der Kammerarbeit und die Beschlussfassung über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten bleiben und darauf basierend die Entscheidung über Einzelfragen delegiert werden.“ BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400 Rz. 35. 15 „Eine grundsätzliche Festlegung muss aber auf jeden Fall durch die Vollversammlung erfolgen.“ BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400 Rz. 35. 16 So auch BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 110.
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§ 4 Rz. 14 Zuständigkeit der Vollversammlung 3. Zuständigkeitsbeschränkung durch Satzung 14
Abgesehen von dieser gesetzlich geregelten Zuständigkeitsverteilung kann die Vollversammlung sich in der Satzung selbst beschränken17. Voraussetzung bleibt dabei, dass sie weiterhin die Richtlinien der Kammerarbeit und die grundsätzlichen Positionen bestimmt. Einzelne Aufgaben kann sie jedoch an Präsident, Präsidium oder Geschäftsführung übertragen, beispielsweise die Wahrnehmung der laufenden Geschäfte der IHK oder die Entscheidung in Eilfällen18. In Ermangelung einer näheren gesetzlichen Ausgestaltung überantwortet das IHKG die innere Ordnung der IHK und damit auch die Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Organen der näheren Ausgestaltung durch die von der Vollversammlung beschlossene Satzung19. Mit einer satzungsrechtlich übertragenen Aufgabe geht dann auch das damit korrespondierende Informationsrecht des Mitglieds der Vollversammlung auf das Mitglied des delegierten Organs bzw. Gremiums über20. Die Vollversammlung bleibt jedoch als Organ jederzeit in der Lage, delegierte Aufgaben wieder zurückzuholen oder auch sich dazu berichten und informieren zu lassen21.
15
Bei den oben erwähnten Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung ist es auch nicht möglich, sie durch Satzungsbestimmung an die Genehmigung eines anderen Organs der IHK zu binden. Dagegen kann die Satzung vorsehen, dass vor der Beschlussfassung der Vollversammlung andere Organe vorbereitend tätig werden und Vorschläge machen. Dies ist für die Vorbereitung des Wirtschaftsplans durch Geschäftsführung und Präsidium üblich; teilweise gibt es auch besondere Haushaltsausschüsse für diesen Zweck. Die Entscheidung trifft jedoch die Vollversammlung, ohne an solche Vorarbeiten und Vorschläge gebunden zu sein. Allerdings kann der Grad der Befassung mit Einzelaspekten innerhalb des Wirtschaftsplans durch die Befassung und Vorbereitung in den anderen Gremien geringer sein. Es bleibt aber das uneingeschränkte Informationsrecht des einzelnen Vollversammlungsmitglieds, soweit die Information zur Vorbereitung der Entscheidung des einzelnen Mitglieds dient22. Das Informationsrecht ist vergleichbar einer 17 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, BVerwGE 120, 255, GewArch 2004, 331. 18 BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400; Nds. OVG v. 24.9.1980 – 8 OVG A 65/79, Dt.HwBl. 1981, 234. 19 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 20 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. Im konkreten Fall ging es um das Recht, in den Bericht der Rechnungsprüfungsstelle Einsicht zu nehmen. Aufgrund der satzungsrechtlichen Delegation auf die aus der Mitte der Vollversammlung gewählten ehrenamtlichen Rechnungsprüfer stand den übrigen Mitgliedern der Vollversammlung das Einsichtsrecht nicht zu. 21 Ein Informationsrecht der Vollversammlung als Organ ist auch mit einer Übertragung nicht ausgeschlossen, lediglich das einzelne Mitglied kann eine solche nicht selbst geltend machen, sondern muss sich um eine entsprechende Mehrheit im Gremium bemühen, so auch BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 22 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331.
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Inhalt der Satzung der IHK
Rz. 19 § 4
Holschuld auf Anforderung des Mitglieds der Vollversammlung durch die übrigen Organe der IHK zu erfüllen. Mangels zulässiger Delegation kann auch das Informationsrecht insoweit nicht ausgeschlossen werden. § 77 Abs. 2 BBiG überträgt der IHK die Aufgabe, der zuständigen Landesbehörde 16 die „Beauftragten der Arbeitgeber“ für den Berufsbildungsausschuss vorzuschlagen. Weder § 4 IHKG noch das BBiG hindern die Vollversammlung daran, diese Funktion dem Präsidium anzuvertrauen.
III. Inhalt der Satzung der IHK Die Satzung bildet nach § 4 Satz 2 Nr. 1 die Grundlage für die innere Organisation der IHK23 und ist mit der kommunalen Hauptsatzung im Gemeinderecht zu vergleichen. Sie muss sich im Rahmen des Gesetzes halten, hat jedoch im Übrigen einen weiten Spielraum. Folgende Einzelfragen sind dabei wichtig:
17
1. Name und Sitz der IHK In der Satzung der IHK wird der IHK-Name festgelegt, soweit dies nicht bereits 18 durch Landesgesetz oder Landesverordnung erfolgt ist. Bei den Gemeinden ist die Namensgebung ein staatlicher Organisationsakt24. Seit einiger Zeit zeigt sich aber auch im Gemeinderecht, dass den Gemeinden ein Antragsrecht auf Namensänderung zugestanden wird oder dass sie sogar in ihrer Hauptsatzung (mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde) den Namen ändern dürfen. Soweit bei den IHKs Landesgesetze oder Landesverordnungen einen Namen der IHK festgelegt haben, ist dies oft nur deklaratorisch erfolgt und bedeutet nicht die Inanspruchnahme einer ausschließlichen Zuständigkeit; deshalb werden Namensänderungen in Form einer Satzungsänderung genehmigt. Die Landeskammergesetze in den neuen Bundesländern sehen sogar ausdrücklich vor, dass die IHKs mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in ihrer Satzung den Namen und sogar den Sitz der IHK ändern können. Damit ist klargestellt, dass diese staatlichen Festlegungen nur deklaratorischen Charakter haben. Gleichzeitig erfolgt nach Änderung des Namens durch die IHK-Satzung auch, soweit erforderlich, die Anpassung der staatlichen Verordnungen, in denen der Name der IHK aufgeführt ist. In den meisten Fällen haben die Länder diese Frage von vornherein den Satzungen der IHKs überlassen. Der Sitz der IHK ist regelmäßig bereits durch Gesetz oder Rechtsverordnung fest- 19 gelegt und kann von der IHK nur geändert werden, wenn das Landeskammergesetz dies ausdrücklich zulässt. Anderenfalls bedarf eine Sitzverlegung der IHK in eine andere Gemeinde des IHK-Bezirks einer vorherigen Änderung des Gesetzes
23 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 24 Vgl. Bay. VGH v. 26.11.1980 – 234 IV 78, DVBl. 1981, 223.
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§ 4 Rz. 19 Zuständigkeit der Vollversammlung oder der Rechtsverordnung. Ebenso ist die Umschreibung des IHK-Bezirks in der Satzung nur deklaratorisch (vgl. § 12 Rz. 8). 2. Zahl der Vollversammlungsmitglieder 20
Des Weiteren regelt die Satzung die Zahl der Vollversammlungsmitglieder, während sich die Einzelheiten des Wahlverfahrens aus der Wahlordnung ergeben. Ebenso muss die Satzung die Anzahl der Mitglieder des Präsidiums festsetzen (§ 6 Abs. 1) sowie ausdrücklich klären, dass und unter welchen Voraussetzungen auch nichtwählbare Personen in Ausschüsse berufen werden können (siehe dazu § 8; für den Berufsbildungsausschuss gelten die Sondervorschriften der §§ 77 bis 80 BBiG). 3. Zuständigkeitsregeln
21
Im Zusammenhang mit den Organen ist in der Satzung auch jede Ausnahme von der Zuständigkeit der Vollversammlung zu regeln (§ 4 Satz 1), insbesondere die Befugnisse von Präsident (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 2), Präsidium und Geschäftsführung. Es muss ausdrücklich geklärt werden, welche Beschluss- und Mitwirkungskompetenzen beispielsweise dem Präsidium zukommen, etwa bei der Ernennung von Beamten oder der Zusage von Altersversorgung. Die Geschäftsführung unter der Leitung des Hauptgeschäftsführers (§ 7 Abs. 2) wird grundsätzlich mit der Wahrnehmung der laufenden Geschäfte beauftragt25.
22
In diesem Zusammenhang gehören dann in die Satzung auch Einzelheiten über die rechtsgeschäftliche Vertretung der IHK, die zwar grundsätzlich gemäß § 7 Abs. 2 durch Präsident und Hauptgeschäftsführer gemeinsam erfolgt, aber durch die Satzung abweichend geregelt werden kann. Neben der Vertretung im Verhinderungsfall, die sich nach den Satzungsvorschriften oder einer Geschäftsordnung richtet, finden sich regelmäßig Sonderregelungen für die Rechtsgeschäfte der laufenden Verwaltung, für den Abschluss von Anstellungsverträgen, für Verträge mit dem Hauptgeschäftsführer und für die Anstellungsverträge mit weiteren Geschäftsführern in den Satzungen der IHKs. Regelmäßig vertritt der Hauptgeschäftsführer im Rahmen der laufenden Verwaltung die IHK allein (siehe dazu auch § 7 Rz. 11 ff.). Verträge mit dem Hauptgeschäftsführer unterzeichnen nach der jeweiligen Satzung regelmäßig der Präsident und ein Vizepräsident, Verträge mit den Geschäftsführern der Präsident und der Hauptgeschäftsführer gemeinsam. Für Anstellungsverträge mit allen weiteren Mitarbeitern der IHK ist der Hauptgeschäftsführer in der Regel alleinvertretungsberechtigt, da er auch die Arbeitgeberfunktion innehat. Diese Regelung bedeutet zugleich eine klare Abstufung in der Mitwirkung des Ehrenamts in Personalangelegenheiten und sichert gleichzeitig, dass der Hauptgeschäftsführer seiner Verantwortung für die ordnungsge25 Vgl. auch Nds. OVG v. 24.9.1980 – 8 OVG A 65/79, Dt. HwBl. 1981, 234.
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Inhalt der Satzung der IHK
Rz. 24 § 4
mäße Erfüllung der Kammeraufgaben auch in Personalfragen als Dienststellenleiter im Sinne des Personalvertretungsrechts26 voll nachkommen kann. 4. Ausschüsse und Zweigstellen In der Satzung der IHK werden meist auch die Bildung von fachlichen oder be- 23 zirklichen Ausschüssen (siehe dazu auch § 8 Rz. 2 f.) sowie die Einrichtung von Außen- und Zweigstellen behandelt. Beispielsweise kann sich die Vollversammlung bei den Fachausschüssen nur die Errichtung der Ausschüsse vorbehalten. Mit dem Namen legt sie auch den Aufgabenkreis fest. Das Präsidium kann dann die Ausschussmitglieder berufen, soweit es jenseits der Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung durch die Satzung zur Entscheidung berufen ist27, bei einer entsprechenden Satzungsermächtigung gemäß § 8 auch nicht wählbare Personen. Die Ausschussmitglieder wiederum können dann den Ausschussvorsitzenden wählen. Ebenso ist durch die Satzung regelbar, dass die Vollversammlung den Ausschussvorsitzenden wählt und auch alle weiteren Ausschussmitglieder beruft. Regelmäßig gibt es für die konkrete Ausgestaltung längere Traditionen, die die regionalen Besonderheiten berücksichtigen. Daneben gibt es viele Flächenkammern, die neben den Fachausschüssen auch be- 24 zirkliche Ausschüsse auf Stadt- oder Kreisebene einrichten, um lokale Fragen noch ortsnäher durch die unmittelbar Betroffenen behandeln zu können (siehe dazu auch § 8 Rz. 7 ff.). Die Aufgaben reichen von der Stadtentwicklung und Bauleitplänen, Gewerbeflächen und Verkehrsanbindungen bis hin zu den gemeindlichen Gewerbesteuerhebesätzen und zum Gemeindehaushalt. In lokalen Fragen haben diese bezirklichen Ausschüsse die größere Sachnähe und Ortskenntnis für sich, auch wenn sie stets – wie alle Ausschüsse der IHK, mit Ausnahme des Berufsbildungsausschusses – nur eine beratende Funktion haben (zu Ausnahmen siehe § 8 Rz. 8 f.). In Bayern gibt es aus der Tradition des früheren bayerischen Kammerrechts die Einrichtung der örtlichen Industrie- und Handelsgremien, die in jedem Stadt- und Landkreis des IHK-Bezirks eingerichtet werden und neben der Behandlung der lokalen Fragen weitere wichtige Funktionen im Aufbau der IHK haben. Die Mitglieder der Industrie- und Handelsgremien werden nämlich unmittelbar gewählt und entsenden teilweise wiederum aus ihrer Mitte im Wege der mittelbaren Wahl Mitglieder in die Vollversammlung, um dort das lokale Element
26 IHKs sind als der Rechtsaufsicht des Landes unterliegende Körperschaften des öffentlichen Rechts landesunmittelbare Behörden und unterliegen daher dem jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetz. Danach handelt für die Dienstelle ihr Leiter (§ 7 BPersVG, § 8 Abs. 1 LPVG NRW). 27 Regelmäßig enthält die Satzung der IHK eine entsprechende Regelung, wonach das Präsidium über die Angelegenheiten der IHK beschließen kann, soweit Gesetz oder Satzung diese Aufgaben nicht der Vollversammlung oder dem Berufsbildungsausschuss vorbehalten.
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§ 4 Rz. 24 Zuständigkeit der Vollversammlung und die wirtschaftlichen Schwerpunkte des IHK-Bezirks zu repräsentieren. Die Einzelheiten finden sich in den jeweiligen Wahlordnungen. 25
Unabhängig von solchen bezirklichen Ausschüssen haben Flächenkammern vielfach auch Zweigstellen und Außenstellen, die teilweise sogar in der Satzung verankert sind; ihre Aufhebung ist dann nur im Wege einer Satzungsänderung möglich und bedarf einer qualifizierten Mehrheit. In Baden-Württemberg hat die Neugliederungsverordnung bei der Zusammenlegung von IHK-Bezirken sogar oft mehrere Hauptgeschäftsstellen beibehalten, um die Verbindung mit dem kammerzugehörigen Unternehmen unverändert zu lassen und traditionellen persönlichen Bindungen Rechnung zu tragen. Genauso ist es aber auch ohne Satzungsermächtigung zulässig, Zweigstellen und Außenstellen der IHK zu bilden, sofern der Wirtschaftsplan der IHK die erforderlichen Mittel dafür vorsieht. In allen Fällen handelt es sich lediglich um verwaltungsmäßige Untergliederungen der IHK, um die verschiedenen wirtschaftlichen Schwerpunkte eines IHK-Bezirks noch ortsnäher zu betreuen. Die Zweigstellen und Außenstellen unterliegen naturgemäß der Weisung des Hauptgeschäftsführers und geben ihre Äußerungen im Namen der IHK ab. Daher ist auch hierbei immer die Rückbindung an die Legitimationsgrundlagen der IHK notwendig (siehe Rz. 2). 5. Verfahrensfragen
26
Schließlich regelt die Satzung meist noch die Grundzüge des Verfahrens in der Vollversammlung, beschränkt sich aber auf die wichtigsten Probleme bei Beschlüssen und Wahlen. Teilweise wird auch auf eine Geschäftsordnung verwiesen, die von der Vollversammlung für ihr eigenes Verfahren sowie für Präsidium und Ausschüsse erlassen wird und eine autonome Regelung wie bei parlamentarischen Körperschaften ist. In der Regel kommen die Kammersatzungen aber mit relativ wenigen Verfahrensvorschriften aus, weil sich die IHKs nach dem inzwischen weitgehend gefestigten parlamentarischen Brauch richten. Besonders ausführlich ist die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, soweit sie sich in den §§ 19–53 mit den Plenarsitzungen befasst28. Gleichwohl kann die Vollversammlung einzelne Punkte ausdrücklich regeln und damit der gerichtlichen Überprüfung weitgehend entzogene Verfahrensregeln selbständig aufstellen29. Dies bietet sich vor allem bei fehlender Vergleichbarkeit des parlamentarischen Verfahrens oder abweichenden Zuständigkeiten innerhalb der Organe an.
28 Vgl. auch Schmitz, NVwZ 1992, 547; VG Würzburg v. 24.11.1992 – W 8 E 92.1276, GewArch 1993, 246 – Tagesordnungsantrag nur von Vollversammlungsmitgliedern. 29 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331.
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Inhalt der Satzung der IHK
Rz. 29 § 4
a) Beschlussfähigkeit Zu den üblichen Verfahrensvorschriften gehört eine Regelung der Beschluss- 27 fähigkeit, selbst wenn dies nicht unbedingt notwendig ist. Der parlamentarischen Regel entspricht es dabei, dass die Beschlussfähigkeit die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl, bei der IHK also die Hälfte der satzungsmäßigen Zahl der Vollversammlungsmitglieder, voraussetzt. Die Satzung kann die Beschlussfähigkeit auch auf die Hälfte der aktuellen Zahl der Vollversammlungsmitglieder beschränken30. Die Beschlussfähigkeit wird üblicherweise zu Beginn einer Sitzung festgestellt und bleibt erhalten, solange die Beschlussunfähigkeit nicht festgestellt wird. Offen ist dabei jedoch, ab wann diese Beschlussunfähigkeit vom Versammlungsleiter von Amts wegen und bis wann sie nur auf Antrag eines Teilnehmers oder einer bestimmten Zahl von Mitgliedern festgestellt werden muss. Ein Antrag ist in der Regel vorgeschrieben, um Beweisschwierigkeiten für die Gül- 28 tigkeit von Beschlüssen und Wahlen zu vermeiden. Aber auch ohne einen solchen Antrag ist der Versammlungsleiter bei offensichtlicher Unterschreitung der notwendigen Mitgliederzahl von sich aus zur Feststellung der Beschlussunfähigkeit verpflichtet31. Beschlüsse und Wahlen, die vor der Feststellung der Beschlussunfähigkeit erfolgt sind, bleiben gültig. Das Verfahren zur Feststellung der Beschlussunfähigkeit und die entsprechende Verpflichtung des Versammlungsleiters sind eine ausreichende Sicherung gegen eine fingierte Beschlussfähigkeit. Für Fälle der Beschlussunfähigkeit kann die Satzung auch – entsprechend der Ent- 29 wicklung im Vereinsrecht32 – vorsehen, dass mit der Einladung zu einer Vollversammlung auch eine Eventualeinladung zu einer weiteren Vollversammlung eine halbe oder eine Stunde später verbunden wird, wenn die zuerst einberufene Vollversammlung beschlussunfähig sein sollte. Gleichzeitig kann die Satzung für diese zweite, vorsorglich eingeladene Vollversammlung die Beschlussfähigkeit unabhängig von der Anzahl der anwesenden Vollversammlungsmitglieder anordnen. Entscheidend ist, dass dies ausdrücklich in der Satzung vorgesehen ist und dass in der doppelten Einladung auf die Folgen für die Beschlussfähigkeit der eventuell eingeladenen Vollversammlung hingewiesen wird33. Falls die Satzung solche Vorschriften nicht enthält, bleibt bei Feststellung der Beschlussunfähigkeit nur übrig, eine neue Vollversammlung einzuladen und dabei alle Vorschriften der Satzung für eine ordentliche Vollversammlung einzuhalten.
30 Die Anzahl kann durch (temporär) unbesetzte Sitze in der Vollversammlung nach unten abweichen. 31 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen v. 4.4.1962 – III A 1122/61, DÖV 1962, 710. 32 BGH v. 10.10.1988 – II ZR 51/88, NJW-RR 1989, 376, 377; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 20. Aufl., 205; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 33 Vgl. BGH v. 14.12.1962 – II ZR 195/60, NJW 1962, 394; BGH v. 10.10.1988 – II ZR 51/88, NJW-RR 1989, 376, 377.
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§ 4 Rz. 30 Zuständigkeit der Vollversammlung b) Beschlussfassung der Vollversammlung 30
Eine schriftliche Abstimmung der Vollversammlung kann die Satzung nicht vorsehen, soweit es sich um die gesetzlichen Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung in den §§ 4, 6 Abs. 1 und 7 Abs. 1 handelt. Diese Beschlüsse und Wahlen sind so wichtig, dass auf eine Aussprache in der Vollversammlung mit Rede und Gegenrede nicht verzichtet werden kann. Wenn das Gesetz diese genannten Aufgaben der Vollversammlung zwingend vorbehält, geht es auch von dem Leitbild einer beratenden Vollversammlung aus. Lediglich für einfachere Beschlüsse könnte eine schriftliche Abstimmung in der Vollversammlung in der Satzung vorgesehen werden, soweit alle Vollversammlungsmitglieder schriftlich zustimmen; deswegen ist eine solche, ohnehin eingeschränkte Satzungsbestimmung wenig praktisch. Mit der regelmäßig in der Satzung vorgesehenen Eilkompetenz des Präsidiums wird es in der Praxis auch an einem Bedarf für eine solche Regelung fehlen. Jenseits der Eilkompetenz, also bei den gesetzlichen Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung, wäre ein schriftliches Verfahren, wie dargestellt, ebenfalls nicht zulässig. Das Umlaufverfahren, bei dem ein Vorgang von einem zum anderen Mitglied zur Unterschrift weitergegeben wird, kommt für die Vollversammlung überhaupt nicht in Betracht, sondern nur für das Präsidium.
31
Das Defizit von schriftlichen Abstimmungen, die fehlende Debatte mit der Möglichkeit, Mehrheiten zu schaffen oder zu ändern, kann jedoch bei Nutzung elektronischer Verfahren vermieden werden. Besteht für die Vollversammlung ein virtueller Arbeitsraum, in dem sich die Mitglieder geschützt und offen zu einzelnen Themen oder Fragestellungen austauschen können, kann die Vollversammlung beschließen, auch ein solches Verfahren für Beschlussfassungen zu nutzen. Dafür müssen jedoch die notwendige Verfügbarkeit des virtuellen Arbeitsraums für alle Vollversammlungsmitglieder sichergestellt und die Verfahrensgrundsätze für eine solche Abstimmung ausreichend geregelt sein. Gegebenenfalls kann eine Beschränkung auf bestimmte Beschlussgegenstände zumindest bis zum Herausbilden einer gefestigten Praxis sinnvoll sein.
32
Für Beschlüsse und Wahlen wird meist auch geregelt, welche Mehrheit erforderlich ist. Die Satzungen der IHKs gehen hier ebenso wie Parlamente von der einfachen Mehrheit (der abgegebenen Stimmen) aus, so dass Stimmenthaltungen nicht mitzählen. Die einfache Mehrheit ist erreicht, wenn mehr Stimmen dafür als dagegen abgegeben werden34. Zumindest für Änderungen der Satzung wird eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen, für die ebenfalls die Relation der Ja- zu NeinStimmen zählt. Sollen Stimmenthaltungen faktisch als Gegenstimmen gezählt werden, müsste sich dies ausdrücklich aus der Satzung ergeben, da dies einen Ausschluss der Stimmenthaltung bedeuten würde35.
34 BGH v. 25.1.1982 – II ZR 164/81, BGHZ 83, 35. 35 BGH v. 25.1.1982 – II ZR 164/81, BGHZ 83, 35.
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Inhalt der Satzung der IHK
Rz. 33 § 4
Auch die Voraussetzungen für die offene und die geheime Abstimmung sowie die Voraussetzungen für einen entsprechenden Antrag auf eine bestimmte Art der Abstimmung aus der Vollversammlung heraus sind in der Satzung zu regeln. Bei Wahlen gilt bei mehreren Bewerbern in der Regel das Prinzip der relativen Mehrheit, bei dem nur ein einziger Wahlgang stattfindet und der Bewerber mit der höchsten Stimmzahl gewählt ist. Für die Wahl des Präsidenten und des Präsidiums kann eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen werden. Häufig wird auch eine geheime Wahl von Präsident und Präsidium zwingend vorgeschrieben, während bei den übrigen Personenwahlen auf Antrag auch offen gewählt werden kann. Diese Stufung ist sinnvoll, da es teilweise zu unstreitigen Wahlen, beispielsweise bei der Benennung von Ausschussmitgliedern oder auch der Wahl von ehrenamtlichen Rechnungsprüfern, kommt, für die eine geheime Wahl zu unangemessenem Aufwand führt. Die Wahl des Präsidenten und der übrigen Präsidiumsmitglieder rechtfertigen aufgrund ihrer Bedeutung und Organstellung dagegen stets die Durchführung einer geheimen Wahl. Soll auch über die Bestellung des Hauptgeschäftsführers abweichend von den übrigen Beschlüssen der Vollversammlung grundsätzlich oder zwingend geheim abgestimmt werden, muss dies ebenfalls in der Satzung geregelt sein36. c) Öffentlichkeit der Sitzungen Die Satzung kann auch vorschreiben, dass die Vollversammlung über die Öffent- 33 lichkeit ihrer Sitzung entscheidet. Sie kann dann an Hand der konkreten Tagesordnung beurteilen, welche Punkte wegen der notwendigen Rücksicht auf Dritte vertraulich behandelt werden müssen. Überwiegend sehen die Satzungen der IHKs zumindest eine Mitgliederöffentlichkeit der Vollversammlung vor, die auf Antrag oder für bestimmte Fragen ausgeschlossen werden kann. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit ohne die Möglichkeit der Vollversammlung, einen davon abweichenden Beschluss zu fassen, ist dagegen nicht zulässig. Ohne eine Regelung zur Öffentlichkeit ist von der Mitgliederöffentlichkeit der Sitzungen auszugehen, die für bestimmte Tagesordnungspunkte (z.B. Personalangelegenheiten, Datenschutz) von der Vollversammlung aufgehoben werden kann oder sogar muss37. Soll die Sitzung der Vollversammlung übertragen werden, darf dies nicht durch die Satzung ausgeschlossen sein und bedarf zumindest eines entsprechenden Beschlusses der Vollversammlung. Für die Beratung über einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ist die Öffentlichkeit wie auch die Übertragung ausgeschlossen.
36 VGH Hessen v. 1.12.2015 – 8 B 1783/15; ausführlicher in der Vorinstanz VG Kassel v. 1.9.2015 – 3 L 1307/15. 37 Rickert, WiVerw 2004, 153, 157.
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§ 4 Rz. 34 Zuständigkeit der Vollversammlung 6. Wirtschaftsführung 34
Im Bereich der Wirtschaftsführung regelt die Satzung der IHK im Allgemeinen die Vorbereitung des Wirtschaftsplans durch Hauptgeschäftsführung und Präsidium, die ehrenamtliche Rechnungsprüfung durch von der Vollversammlung gewählte Rechnungsprüfer sowie die Vorlage des Jahresabschlusses samt Entlastung. Zur Unterstützung des Präsidiums in allen wirtschaftlichen Fragen gibt es teilweise auch einen besonderen Haushaltsausschuss, der zusammen mit der Geschäftsführung den Wirtschaftsplan vorbereitet und auch zum Jahresabschluss und zum Vorschlag der Entlastung von Präsidium und Hauptgeschäftsführer Stellung nimmt; ein Vizepräsident übernimmt dann meist den Vorsitz sowie die Funktion des Schatzmeisters. Für die Durchführung des Wirtschaftsplans als Teil der laufenden Geschäfte ist grundsätzlich der Hauptgeschäftsführer verantwortlich und bedarf deshalb auch einer eigenen Entlastung. Die Entlastung erfolgt durch die Vollversammlung, weshalb diese auch das Recht hat, alle dazu erforderlichen Unterlagen und Vorgänge einzusehen bzw. einsehen zu lassen. Dieses Recht steht jedoch der Vollversammlung als Organ zu, nicht dagegen dem einzelnen Organmitglied38. Die Vollversammlung kann ihre Entscheidung über die Entlastung vorbereiten lassen, z.B. von den ehrenamtlichen Rechnungsprüfern und/oder dem Haushaltsausschuss.
IV. Sonstiges Satzungsrecht 35
Neben der Satzung der IHK als Hauptsatzung sieht § 4 Satz 2 Nr. 2 noch die wichtigsten weiteren Ordnungen vor, die jeweils im Zusammenhang mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einzelnen behandelt werden: – Wahlordnung § 5 Rz. 26 – Beitragsordnung § 3 Rz. 110 – Sonderbeitragsordnung § 3 Rz. 120 – Gebührenordnung § 3 Rz. 125 – Wirtschaftssatzung § 3 Rz. 34 – Finanzstatut § 3 Rz. 21a Mit der Umstellung von der Kameralistik auf die kaufmännische Buchführung gehört gemäß § 4 Satz 2 Nr. 8 auch das Finanzstatut nach § 3 Abs. 7a zu den Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung. Während der Erlass der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung im Rahmen der Kameralistik auch einem anderen Organ übertragen werden konnte, soweit Landesrecht nicht etwas anderes vorsah, hat der Gesetzgeber für das Finanzstatut eine zwingende Regelung zu38 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331, 332; Rickert, GewArch 2004, 369.
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Rechtliche Anforderungen an das Satzungsrecht
Rz. 38 § 4
gunsten der Vollversammlung getroffen. Das Finanzstatut ist auch – wie bereits jeweils die Satzung, die Wahl-, die Beitrags- sowie die Gebührenordnung – dem Genehmigungsvorbehalt durch die Rechtsaufsicht unterstellt (siehe dazu auch § 11 Rz. 27). Zu diesem im Gesetz bereits aufgezählten Satzungsrecht der IHKs können auch 36 noch weitere Statuten gehören, welche die IHKs im Rahmen ihrer in Selbstverwaltung übertragenen gesetzlichen Aufgaben erlassen. Zu § 1 sind bereits zahlreiche Beispiele genannt, etwa die Sachverständigenordnung (siehe § 1 Rz. 256), das Statut für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und Bescheinigungen (siehe § 1 Rz. 177) sowie die Prüfungsordnungen in der beruflichen Aus- und Fortbildung (siehe § 1 Rz. 161 ff.), aber auch Schlichtungsordnungen jeweils für Streitigkeiten bei Ausbildungsverhältnissen und für kaufmännische Streitigkeiten sowie eine Schiedsgerichtsordnung und eine Mediationsordnung (siehe § 1 Rz. 156 ff.). Soweit nichtkammerzugehörige Dritte von solchen Satzungen erfasst werden sollen, muss sich die Zuständigkeit der IHK zur Regelung aus der Zuweisung dieser Aufgabe ergeben.
V. Rechtliche Anforderungen an das Satzungsrecht Das gesamte Satzungsrecht der IHKs steht nicht nur unter dem Vorbehalt, dass 37 ihm Verfassung, Gesetze und Verordnungen als übergeordnete Rechtsquellen vorgehen und allenfalls deklaratorisch wiederholt werden können. Vielmehr muss das Satzungsrecht der IHK auch im Übrigen den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen, da es sich um materielles Recht handelt (vgl. Rz. 2). Bei Überschreitung des gesetzlichen Rahmens ist die betreffende Satzungsbestimmung nichtig39. 1. Erlass von Satzungsrecht Beim Erlass von Satzungsrecht sind die für jeden Rechtsetzungsakt geltenden allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätze zu beachten, aber auch manche gesetzestechnischen Zweckmäßigkeitsfragen zu berücksichtigen40.
39 BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14, GewArch 2015, 452; VerfG Potsdam v. 15.6.2000 – 32/99, DVBl. 2000, 1440; OVG Nordrhein-Westfalen v. 26.5.1992 – 5 A 403/91, GewArch 1992, 416; VGH Baden-Württemberg v. 2.3.2004 – 10 S 15/03, ZUR 2004, 358; Zum „Nichtigkeitsdogma“ im Falle der unzulässigen Vermögensbildung in Bezug auf die Wirtschaftssatzung vgl. Kuhla/Munding, WiVerw 2017, 81, 83. 40 Vgl. Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik, 2. Aufl.; Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl.; Ossenbühl, NJW 1986, 2805; Maurer, DÖV 1993, 184.
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§ 4 Rz. 39 Zuständigkeit der Vollversammlung 39
Zu den rechtstaatlichen Voraussetzungen gehört zunächst die rechtsatzmäßige Formulierung, wobei nach der Überschrift vor allem auch die Vollversammlung als das verabschiedende Organ angegeben sowie Tag und Ort der Verabschiedung aufgeführt sein müssen. Eine Angabe der Ermächtigungsgrundlage ist erforderlich41. Die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses und die eindeutige Feststellung des beschlossenen Wortlauts müssen sich aus der Ergebnisniederschrift der Vollversammlung ergeben, die wiederum von Präsident und Hauptgeschäftsführer mit Ort und Datum unterzeichnet wird42. Der Wortlaut der schriftlichen Vorlage muss also der Ergebnisniederschrift als Anlage beigefügt werden. Die Änderungsanträge werden im Protokoll aufgeführt ebenso wie das Abstimmungsergebnis43.
40
Daneben bedarf es einer gesonderten Ausfertigung der beschlossenen Satzung, mit Ort und Datum von Präsident und Hauptgeschäftsführer unterzeichnet44. Dies gilt auch für die vom Berufsbildungsausschuss nach § 58 Abs. 2 BBiG beschlossenen Prüfungsordnungen, die Satzungsrecht der IHK sind45. Die gesonderte Ausfertigung ist insbesondere notwendig, weil in Genehmigungsfällen erst mit der späteren rechtsaufsichtlichen Genehmigung (siehe § 11 Rz. 30) der endgültige Wortlaut der zu verkündenden Satzung feststeht und auch bei der Verkündung die Genehmigung mitzuteilen ist46. Die Ausfertigung kann also nur bei nichtgenehmigungspflichtigen Satzungen sofort mit der Ergebnisniederschrift über die Vollversammlung, welche die Satzung beschlossen hat, verbunden werden. In Genehmigungsfällen liegt der Zeitpunkt der Ausfertigung auf jeden Fall nach der rechtsaufsichtlichen Genehmigung.
41
Ausfertigung und erneute Verkündung können im Übrigen nachgeholt werden, wenn sich Mängel ergeben haben47. Verwaltungsakte, die auf die mangels Ausfertigung und/oder Verkündung nichtige Satzung gestützt worden sind, bleiben wirksam, wenn der Mangel bis zur letzten mündlichen Verhandlung geheilt worden ist48.
41 Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl., § 14 Rz. 478. 42 Nds. OVG, DÖV 1962, 95. 43 Hess. VGH v. 29.6.1996 – 11 N 2442/90, NJW 1994, 812; OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.10.1996 – 12 E 993/95, GewArch 1997, 239. 44 BVerfG v. 22.11.1983 – 2 BvL 25/81, BVerfGE 65, 283; BVerwG v. 16.5.1991 – 4 NB 26/90, BVerwGE 88, 204; Ziegler, Die Ausfertigung von Rechtsvorschriften, DVBl. 1997, 280; Starke, NVwZ 1995, 1186. 45 VGH Baden-Württemberg v. 10.8.1984 – 5 S 3119/83, NVwZ 1985, 206. 46 Bay. VGH v. 16.3.1990 – 23 B 88.00567, BayVBl. 1991, 23; Bay. VGH, v. 18.4.1991 – 23 B 89.773; Bay. VGH v. 25.2.1993 – 23 B 90.931, NVwZ 1994, 88. 47 Bay. VGH v. 28.10.1994 – 9 N 87.03911, BayVBl. 1995, 242. 48 BVerwG v. 25.11.1981 – 8 C 14/81, BVerwGE 64, 218.
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Rechtliche Anforderungen an das Satzungsrecht
Rz. 44 § 4
2. Verkündung von Satzungsrecht Daran schließt sich die Verkündung der beschlossenen Satzung der IHK an. Ohne ordnungsmäßige Verkündung wird ein Rechtssatz nicht wirksam49.
42
a) Verkündungsorgan Aus diesem Grunde gehört auch in jede Satzung der IHK eine Bestimmung, wel- 43 che das Verkündungsorgan (§ 4 Satz 2 Nr. 7) und darüber hinaus – soweit die beschlossene Satzung den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens nicht selbst bestimmt – einen bestimmten Zeitpunkt nach der Verkündung für das Inkrafttreten festlegt. Dieser Zwang zur satzungsrechtlichen Festlegung der Verkündungsform gilt für das Gemeinderecht wie das Kammerrecht. Das Bundesverwaltungsgericht50 hat entschieden, dass es nach einer Übergangszeit Satzungen aufgrund einer nicht satzungsrechtlich festgelegten Verkündungsform nicht mehr toleriert. Der hessische Staatsgerichtshof51 hat darüber hinaus verfügt, dass im Interesse der Rechtssicherheit die Verkündung von Rechtsnormen in der Regel (Ausnahme: Karten; Bebauungspläne) in einem jedermann zugänglichen Druckwerk erfolgt. Auslage und Aushang in der Geschäftsstelle, verbunden mit einer Hinweisbekanntmachung, haben damit auch für das Satzungsrecht der IHKs ihre frühere Bedeutung verloren. Aus diesem Grunde sehen fast alle IHK-Satzungen vor, dass die Verkündung von 44 Satzungsrecht im Mitteilungsblatt der IHK zu erfolgen hat, soweit die Satzung nicht eine elektronische Bekanntmachung im Bundesanzeiger regelt (siehe dazu auch Rz. 50); sonst wird die verabschiedete Rechtsnorm nicht wirksam52. Eine solche Verkündung von statutarischem Recht im Mitteilungsblatt der IHK genügt aber auch, wie die Gerichte in zahlreichen vergleichbaren Fällen festgestellt haben53. Eine Verkündungsvorschrift für das Satzungsrecht im Mitteilungsblatt der IHK geht auch einem Landesverkündungsgesetz vor, wie es das OVG RheinlandPfalz in seinem Urteil v. 11.10.198854 im Verhältnis zum Landesverkündungsgesetz von Rheinland-Pfalz v. 3.12.197355 entschieden hat. Im Rahmen der vom
49 Dohrn, Die Verkündung als Rechtswirksamkeitsvoraussetzung des Satzungsrechts am Beispiel der Handwerksinnung, GewArch 1972, 285. 50 BVerwG v. 3.3.1987 – 1 C 6.86, GewArch 1987, 375. 51 Hessischer Staatsgerichtshof v. 10.5.1989 – P.St. 1073, NVwZ 1989, 1153. 52 Hess. VGH v. 19.5.1969 – V OE 34/68, DB 1969, 2176; OVG Nordrhein-Westfalen v. 4.9.1961 – III B 65/61, NJW 1962, 694. 53 OVG Hamburg v. 23.11.1988 – OVG Bf VI 65/86, GewArch 1989, 381; Bay. VGH v. 29.4.1960 – 25 V 58, DVBl. 1960, 438. 54 OVG Rheinland-Pfalz v. 11.10.1988 – 6 A 9/88, GewArch 1989, 20. 55 GVBl. 375.
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§ 4 Rz. 44 Zuständigkeit der Vollversammlung IHKG verliehenen Satzungsgewalt bestimmt die IHK auch selbst gem. § 4 Satz 2 Nr. 7 satzungsrechtlich über die Verkündung ihrer Rechtsvorschriften56. b) Anforderungen an die IHK-Zeitschrift 45
Die satzungsrechtliche Bestimmung des Mitteilungsblatts zum Verkündungsorgan hindert die IHK nicht daran, das Mitteilungsblatt zu einer IHK-Zeitschrift auszugestalten und darin für die Kammerzugehörigen wirtschaftliche Hinweise in Form von Aufsätzen und Kommentaren zu veröffentlichen (siehe dazu auch § 1 Rz. 68 ff.). Eine solche Doppelfunktion des Verkündungsorgans ist beispielsweise vom Bundesverfassungsgericht sogar für die Wahlbekanntmachungen einer Gemeinde in einem Amtsblatt anerkannt worden57, vom OVG Nordrhein-Westfalen für ein privates Anzeigenblatt mit einem gesonderten amtlichen Verkündungsteil58. Bei einer solchen Ausgestaltung des früheren Mitteilungsblattes zu einer modernen IHK-Zeitschrift ist es jedoch wichtig, zwischen einem amtlichen und einem nichtamtlichen Teil zu unterscheiden. Die Verkündungen müssen jedenfalls im amtlichen Teil des Blattes erfolgen, so dass selbst eine wörtliche Wiedergabe im redaktionellen Teil nicht genügt59. Das Mitteilungsblatt muss schließlich ein Ausgabedatum tragen, weil dies z.B. für die Fristenberechnung im IHK-Vollversammlungswahlrecht oder das Inkrafttreten von Satzungsrecht notwendig ist.
46
Die Tatsache, dass das Mitteilungsblatt oder die IHK-Zeitschrift in der Satzung der IHK zum Verkündungsorgan bestimmt worden ist, hat nicht zur Folge, dass die IHK es allen Mitgliedern unentgeltlich zustellen müsste. Sie muss das Blatt allerdings allen Kammerzugehörigen zugänglich machen, darf also niemanden von der Bezugsmöglichkeit ausschließen. Wie sie den Preis des Blattes berechnet, ist in ihr pflichtgemäßes Ermessen gestellt. c) Elektronische Bekanntmachung
47
Die Vollversammlung kann auch eine Bekanntmachung in einem anderen Medium als einem Printmedium beschließen. Mit der Einfügung von § 4 Satz 2 Nr. 7 und Satz 4 ist die Möglichkeit einer elektronischen Bekanntmachung klargestellt. Für die Bekanntmachung von Satzungsrecht schränkt § 4 Satz 4 allerdings die Möglichkeit der elektronischen Verkündung ein, insoweit ist ausschließlich der Bundesanzeiger zulässig. Für andere Bekanntmachungen, wie z.B. Bekannt56 OVG Rheinland-Pfalz v. 11.10.1988 – 6 A 9/88, GewArch 1989, 20. 57 BVerfG v. 23.11.1988 – 2 BvC 3/88, BVerfGE 79, 161, 166; Zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit bzw. den weiteren Voraussetzungen für eine IHK-Zeitschrift siehe § 1 Rz. 68 ff. jeweils mit Hinweis auf BGH v. 20.12.2018 – I ZR 112/17 zu kommunalen Amtsblättern. 58 OVG Nordrhein-Westfalen v. 4.12.1987 – 10a NE 48/84, DÖV 1988, 647. 59 Bay. VGH v. 29.4.1960 – 25 V 58, DVBl. 1960, 438.
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Rechtliche Anforderungen an das Satzungsrecht
Rz. 49 § 4
machungen im Rahmen der Wahlen zur Vollversammlung oder die Bekanntmachung der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, gibt es diese Einschränkung nicht. Daher kann im Satzungsrecht der IHK insoweit eine Bekanntmachung im Internet, z.B. auf der Homepage der IHK oder im bundesweiten IHK-Sachverständigenverzeichnis (www.svv.ihk.de), vorgesehen werden. Sieht die Satzung ausschließlich eine elektronische Bekanntmachung vor, kann zusätzlich auch in der IHK-Zeitschrift veröffentlicht werden (wie es umgekehrt ebenfalls möglich ist, dann auch für Satzungsrecht selbst auf der Homepage der IHK), rechtlich erheblich ist jedoch nur die elektronische Bekanntmachung (umgekehrt dann die Printbekanntmachung). Eine Regelung in der Satzung, die eine parallele Bekanntmachung in Printform und in elektronischer Form vorsieht, ist dagegen nicht sinnvoll. d) Inhalt der Bekanntmachung Soweit für Satzungsrecht die aufsichtsbehördliche Genehmigung vorgeschrieben 48 ist60, muss bei der Verkündung auch diese Genehmigung erkennbar sein61. Ein vollständiger Abdruck des Genehmigungsvermerks ist also bei der Verkündung nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn bei der Verkündung des Satzungsrechts anschließend an Wortlaut und Unterschriften auf die Genehmigung verwiesen wird, weil sie notwendige Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit ist. Das OVG Nordrhein-Westfalen hält es deshalb nicht für notwendig, dass das Aktenzeichen und die Unterschriften der Genehmigungsverfügung mitverkündet werden62. Der Bay. VGH63 und das Nds. OVG64 halten sogar die Mitverkündung oder einen Hinweis auf die Genehmigungsverfügung für ganz entbehrlich, weil es sich dabei um keinen Rechtsetzungsakt und deshalb auch um keinen notwendigen Bestandteil des Rechtsetzungsverfahrens handelt. Formfehler bei der Verkündung können durch eine neue Bekanntmachung ge- 49 heilt werden65. Wenn die verkündete Satzung aus rechtlichen Gründen – z.B. Überschreitung des Aufgabenkreises oder unklare Formulierung – nichtig sein sollte, bleibt der rückwirkende Erlass einer neuen fehlerfreien Satzung zulässig66. Verwaltungsakte, die sich zwischenzeitlich auf die rechtlich fehlerhafte oder nicht
60 61 62 63 64 65
§ 11 Abs. 2 des Gesetzes, aber auch § 47 Abs. 1 BBiG. Vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 des Landesverwaltungsgesetzes für Schleswig-Holstein. OVG Nordrhein-Westfalen v. 25.8.1967 – III B 439/67, DVBl. 1968, 394. Bay. VGH, BayVBl. 1969, 289. Nds. OVG v. 13.12.1968 – III C 1/67, DVBl. 1969, 849. OVG Nordrhein-Westfalen v. 8.10.1969 – II A 217/67, DVBl. 1970, 430; Hess. VGH v. 29.5.1969 – V OE 34/68, DB 1969, 2176. 66 Bay. VGH v. 30.3.1984 – 23 B 81 A.1967, BayVBl. 1985, 656; Bay. VGH v. 2.2.1994 – 23 B 92.1803, NVwZ 1995, 1242; zum Beitragsrecht siehe auch Kuhla/Munding, WiVerw 2017, 81, 85 ff. mwN.
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§ 4 Rz. 49 Zuständigkeit der Vollversammlung wirksam verkündete Satzung gestützt hatten, bleiben bestandskräftig67. Soweit solche Verwaltungsakte noch nicht bestandskräftig sind, kann der Mangel bis zur letzten mündlichen Verhandlung rückwirkend durch Erlass und Verkündung einer neuen Satzung geheilt werden68; anderenfalls bedarf es einer Berichtigung des Verwaltungsakts69.
VI. Entlastung 50
§ 4 Satz 2 Nr. 5 erwähnt unter den Vorbehaltsaufgaben der Vollversammlung ausdrücklich noch die Entlastung. Dabei geht es um die Entlastung von Präsidium und Hauptgeschäftsführer, da diese nach dem Finanzstatut der IHK regelmäßig eigene Aufgaben haben. Mit der Entlastung wird festgestellt, ob die Vollziehung des Wirtschaftsplans den zugrundeliegenden Beschlüssen der Vollversammlung und ob die Wirtschaftsführung insgesamt den Regelungen des Finanzstatuts, den Grundsätzen des öffentlichen Haushaltsrechts und den übrigen für die IHK geltenden Rechtsvorschriften entsprochen haben. Die Entlastung erfasst die gesamte Rechnungslegung und Wirtschaftsführung der IHK, wozu der gesamte finanzielle Bereich einschließlich des Beitragswesens gehört. Die Entlastung eignet sich deshalb jedoch nicht dazu, die sonstige Amtsführung von Organen der IHK zu behandeln70.
51
Der Entlastung geht eine doppelte Prüfung des Jahresabschlusses voraus. Zunächst erfolgt die Prüfung des Jahresabschlusses durch die dazu gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 7 von den Ländern bestimmten Prüfer, deren Prüfungsbericht der IHK wie der Rechtsaufsichtsbehörde zugeht (vgl. § 12 Rz. 26). Regelmäßig haben die IHKs in ihren Satzungen die hauptamtliche Prüfung durch die Rechnungsprüfungsstelle der Industrie- und Handelskammern in Düsseldorf vorgeschrieben. Soweit das Landesrecht dies ermöglicht, kann das Finanzstatut der IHK auch die Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer vorsehen, wie dies die niedersächsischen IHKs in ihren Satzungen geregelt haben. Dazu kommt überall nach den Satzungen der IHK eine ehrenamtliche Rechnungsprüfung, wofür die Vollversammlung mehrere Rechnungsprüfer aus ihrer Mitte zu wählen pflegt. Ihnen liegt auch der Prüfungsbericht der Rechnungsprüfungsstelle bzw. des Wirtschaftsprüfers vor, so dass sie das Schwergewicht ihrer Prüfung mehr auf Zweckmäßigkeitsfragen richten können. Diese ehrenamtliche Prüfung lässt sich am besten mit der Eigenprüfung nach § 109 Abs. 2 LHO vergleichen, ohne dass diese Vorschrift unmittelbar Anwendung finden kann. Eine (zusätzliche) externe Rechnungsprüfung der 67 OVG Nordrhein-Westfalen v. 20.5.1965 – III A 604/64, DVBl. 1965, 950. 68 BVerwG v. 25.11.1981 – 8 C 14/81, BVerwGE 64, 218; Kuhla/Munding, WiVerw 2017, 81, 85 ff. 69 OVG Nordrhein-Westfalen v. 16.1.1986 – 3 A 618/84, DÖV 1986, 887. 70 Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., 228, 229.
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Entlastung
Rz. 53 § 4
Haushalts- und Wirtschaftsprüfung der IHK durch die Landesrechnungshöfe ist nur dann ausgeschlossen, wenn dies landesgesetzlich geregelt ist71. Anderenfalls besteht auch ein Prüfungsrecht durch die Landesrechnungshöfe72, dass durch diese auch zunehmend, jedoch sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Dabei reicht das Spektrum von systemischen Prüfungen mit der Frage, wie wird der Vollzug von Beschlüssen der Organe nachgehalten und sichergestellt, bis hin zu detaillierten Einzelbelegprüfungen z.B. in Reisekostenabrechnungen. Die Entlastung durch die Vollversammlung wird nach dem Bericht der ehren- 52 amtlichen Rechnungsprüfer beantragt73 und hat bei ihrer Erteilung die rechtliche Bedeutung einer Quittung. Sie ist in der Regel nur ein Beweismittel für ordnungsgemäße Wirtschaftsführung, schließt aber den nachträglichen Nachweis von Unregelmäßigkeiten und entsprechende Rückgriffe nicht aus74. Abschließend wirkt die Entlastung nur für Maßnahmen, die bei ihrer Erteilung bekannt sind. Insbesondere kann die Entlastung bei außer- und überplanmäßigen Ausgaben, die ordnungsgemäß und ersichtlich in der Rechnungslegung ausgewiesen sind, wie eine Nachbewilligung wirken. Über die Entlastung von Präsidium und Hauptgeschäftsführer wird in der Regel 53 gemeinsam abgestimmt, kann jedoch auf entsprechendes Verlangen aus der Vollversammlung auch getrennt abgestimmt werden. Wird die Entlastung verweigert, können damit Regressansprüche wegen unrichtiger Wirtschaftsführung verbunden sein, bedürfen dann aber auch einer eigenen rechtlichen Begründung75. Umgekehrt besteht ein Anspruch auf Entlastung, soweit keine Verweigerungsgründe vorliegen, und die zu entlastenden Personen können auch auf die Erteilung der Entlastung klagen. Außerdem können sich aus der Verweigerung der Entlastung
71 BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5.09, GewArch 2010, 69. Dies ist aktuell noch in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt landesrechtlich geregelt. Teilweise wird auch vertreten, dass sich ein Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs direkt aus dem Bundesrecht ergibt, obwohl das BVerwG in seiner Entscheidung auf das Landesrecht verwiesen hat. 72 In der Vorauflage ist noch ein bundesgesetzlicher Ausschluss des Prüfungsrechts der Landesrechnungshöfe durch § 11 Abs. 3 IHKG vertreten worden (so auch Bay. VGH v. 5.11.2007 – 22 BV 06.1281). Mit der Entscheidung des BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5.09, GewArch 2010, 69 ist diese Rechtsfrage jedoch letztinstanzlich zugunsten des Prüfungsrechts entschieden. 73 Der Antrag kann am Ende des Berichts von den ehrenamtlichen Rechnungsprüfern gestellt werden. Grundsätzlich sind alle Vollversammlungsmitglieder wie auch der betroffene Hauptgeschäftsführer und die betroffenen Präsidiumsmitglieder, auch soweit sie zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr Mitglied der Vollversammlung sein sollten, selbst antragsberechtigt. 74 BGH v. 12.12.1988 – AnwZ 29/88, NJW 1989, 1151. 75 Zur Haftung von IHK-Organen und Möglichkeiten der Absicherung siehe Grütters, GewArch 2006, 141.
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§ 4 Rz. 53 Zuständigkeit der Vollversammlung gegenüber Angestellten der IHK Rechte zur Kündigung aus wichtigem Grund ergeben, gegenüber Beamten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens76. 54
§ 109 Abs. 3 LHO findet auf die IHKs keine Anwendung, da das IHKG in § 4 Satz 2 Nr. 5 und in § 11 Abs. 2 und 3 abweichende Regelungen i.S.v. § 105 Abs. 1 LHO trifft.
§5 [Wahl zur Vollversammlung] (1) Die Mitglieder der Vollversammlung werden von den Kammerzugehörigen gewählt. (2) 1Wählbar sind natürliche Personen, die das Kammerwahlrecht auszuüben berechtigt sind, am Wahltag volljährig sind und entweder selbst Kammerzugehörige sind oder allein oder zusammen mit anderen zur gesetzlichen Vertretung einer kammerzugehörigen juristischen Person, Handelsgesellschaft oder Personenmehrheit befugt sind. 2Wählbar sind auch besonders bestellte Bevollmächtigte und in das Handelsregister eingetragene Prokuristen von Kammerzugehörigen. (3) 1Soweit personenbezogene Daten in den Wählerlisten für die Wahl zur Vollversammlung verarbeitet werden, bestehen das Recht auf Auskunft der betroffenen Person nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung und die Mitteilungspflicht der verantwortlichen Stelle nach Artikel 19 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung nicht. 2Das Recht auf Erhalt einer Kopie nach Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung wird dadurch erfüllt, dass die betroffene Person Einsicht in die Wählerlisten nehmen kann. (4) 1Das Nähere über die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts, über die Durchführung der Wahl sowie über Dauer und vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft zur Vollversammlung regelt die Wahlordnung. 2Sie muß Bestimmungen über die Aufteilung der Kammerzugehörigen in besondere Wahlgruppen sowie die Zahl der diesen zugeordneten Sitze in der Vollversammlung enthalten und dabei die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks 76 Wallerath, DVBl. 1971, 197; Hüttenbrink, DVBl. 1981, 989.
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§ 4 Rz. 53 Zuständigkeit der Vollversammlung gegenüber Angestellten der IHK Rechte zur Kündigung aus wichtigem Grund ergeben, gegenüber Beamten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens76. 54
§ 109 Abs. 3 LHO findet auf die IHKs keine Anwendung, da das IHKG in § 4 Satz 2 Nr. 5 und in § 11 Abs. 2 und 3 abweichende Regelungen i.S.v. § 105 Abs. 1 LHO trifft.
§5 [Wahl zur Vollversammlung] (1) Die Mitglieder der Vollversammlung werden von den Kammerzugehörigen gewählt. (2) 1Wählbar sind natürliche Personen, die das Kammerwahlrecht auszuüben berechtigt sind, am Wahltag volljährig sind und entweder selbst Kammerzugehörige sind oder allein oder zusammen mit anderen zur gesetzlichen Vertretung einer kammerzugehörigen juristischen Person, Handelsgesellschaft oder Personenmehrheit befugt sind. 2Wählbar sind auch besonders bestellte Bevollmächtigte und in das Handelsregister eingetragene Prokuristen von Kammerzugehörigen. (3) 1Soweit personenbezogene Daten in den Wählerlisten für die Wahl zur Vollversammlung verarbeitet werden, bestehen das Recht auf Auskunft der betroffenen Person nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung und die Mitteilungspflicht der verantwortlichen Stelle nach Artikel 19 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung nicht. 2Das Recht auf Erhalt einer Kopie nach Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 in der jeweils geltenden Fassung wird dadurch erfüllt, dass die betroffene Person Einsicht in die Wählerlisten nehmen kann. (4) 1Das Nähere über die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts, über die Durchführung der Wahl sowie über Dauer und vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft zur Vollversammlung regelt die Wahlordnung. 2Sie muß Bestimmungen über die Aufteilung der Kammerzugehörigen in besondere Wahlgruppen sowie die Zahl der diesen zugeordneten Sitze in der Vollversammlung enthalten und dabei die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks 76 Wallerath, DVBl. 1971, 197; Hüttenbrink, DVBl. 1981, 989.
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Wahl zur Vollversammlung
§5
sowie die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen berücksichtigen. I. Bedeutung des Kammerwahlrechts . . . . . . . . . . . . II. Wahlrecht und Wählbarkeit . . 1. Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . a) Ausübung des Wahlrechts durch gesetzliche Vertreter . b) Ausübung des Wahlrechts durch Prokuristen . . . . . . c) Ausübung des Wahlrechts durch einen Wahlbevollmächtigten . . . . . . . . . . d) Vorübergehendes Ruhen des Wahlrechts . . . . . . . . 2. Wählbarkeit . . . . . . . . . . . . a) Altersvoraussetzungen . . . . b) Wählbarkeit von Prokuristen und besonders bestellten Bevollmächtigten . . . . . . . c) Verbot der Doppelvertretung 3. Beendigung der Mitgliedschaft in der Vollversammlung . . . . . III. Wahlordnung . . . . . . . . . . . 1. Gesetzlicher Rahmen für die Wahlordnung . . . . . . . . . . . 2. Wahlsystem . . . . . . . . . . . . a) Größe der Vollversammlung b) Amtszeit der Vollversammlung . . . . . . . . . . . c) Persönlichkeitswahl . . . . . d) Mittelbare Wahl . . . . . . . 3. Wahlgruppen . . . . . . . . . . .
1 4 4 6
4.
7 8 11 14 18
5. 6.
7. 19 21 24 29 29 32 33 34 38 40 47
a) Grundsätze für die Bildung von Wahlgruppen . . . . . . b) Einräumung von Mindestsitzen in den Wahlgruppen . c) Gestaltungsspielraum bei der Sitzverteilung . . . . . . . Durchführung der Wahl . . . . . a) Vorbereitung der Wahl . . . b) Wahlvorschläge . . . . . . . . c) Durchführung der Wahl . . . d) Friedenswahl . . . . . . . . . Wahlergebnis . . . . . . . . . . . Wahlprüfung . . . . . . . . . . . a) Entscheidungen im Laufe des Wahlverfahrens . . . . . b) Wahlprüfungsverfahren . . . Aufsichtsbehördliche Genehmigung der Wahlordnung . . . . .
IV. Wahlanfechtung . . . . . . . . . 1. Anfechtung des Wahlergebnisses 2. Folgen der Ungültigerklärung einer Wahl . . . . . . . . . . . . . V. Ehrenamtliche Tätigkeit 1. Mitgliedschaft in der Vollversammlung . . . . . 2. Schweigepflicht . . . . . . 3. Interessenkollision . . . .
47 55 58 61 62 68 76 79 81 84 85 86 91 93 93 96
. . . .
100
. . . . . . . . . . . .
100 102 103
VI. Datenschutzrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . .
104
Literaturauswahl: Chr. Groß, Wahl zur Vollversammlung der IHK; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung; Kluth in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2006, 139; Röger in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammerrechts 2004, 179, Th. Groß in Kluth (Hrsg.) Handbuch des Kammerrechts, 2. Auflage, Kammerverfassungsrecht – Organisation und Aufgaben, 233; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, Kommentar zur DSGVO und zum BDSG, 1. Auflage 2018.
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§ 5 Rz. 1 Wahl zur Vollversammlung I. Bedeutung des Kammerwahlrechts 1
§ 5 regelt die Wahl der Vollversammlung. Abs. 1 betrifft das aktive Wahlrecht, Abs. 2 das passive Wahlrecht (Wählbarkeit). Abs. 31 enthält datenschutzrechtliche Klarstellungen im Rahmen der Durchführung der Wahl der Vollversammlung. Abs. 4 verweist im Übrigen auf die von der Vollversammlung zu erlassende Wahlordnung und gibt dafür Rahmenvorschriften.
2
Die Wahl der Vollversammlung durch die Kammerzugehörigen ist das entscheidende Kriterium für eine Selbstverwaltungskörperschaft, weil sie damit der IHK und ihren Organen die Legitimation gibt, als Vertreter aller Mitgliedsunternehmen für die IHK zu entscheiden (siehe § 4 Rz. 1). Die Vollversammlung als oberstes Organ der IHK bestimmt nicht nur durch das Satzungsrecht und die Wahl von Präsident und Präsidium sowie die Bestellung des Hauptgeschäftsführers die konkrete organisatorische Struktur der IHK, sondern gibt mit ihren Beratungen und Beschlüssen auch die Richtlinien für die Kammerarbeit vor und trifft die grundsätzlichen Festlegungen2. Sie realisiert die Autonomie der IHK, wie sie sich in Personalhoheit, Finanzhoheit und Satzungsgewalt zeigt.
3
Das Kammerwahlrecht unterscheidet sich dabei von den politischen Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden, wie sie Art. 38 Abs. 1 GG umreißt3. Die Einzelheiten des Wahlverfahrens werden vielmehr der Wahlordnung überlassen, damit die IHK die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Bezirks ebenso wie unterschiedliche regionale Traditionen berücksichtigen kann; die Vollversammlung soll ein Spiegelbild der Bezirkswirtschaft sein4. Deshalb findet eine gebündelte Gruppenwahl in den einzelnen Wirtschaftszweigen statt. Dabei hat jedes gesetzliche Mitglied genau eine Stimme, der Zählwert ist also über alle Wahlgruppen gleich. Das Stimmgewicht jedoch, d.h. der Erfolgswert der einzelnen Wahlstimme, ist infolgedessen in den verschiedenen Wahlgruppen auch unterschiedlich und nur innerhalb der eigenen Wahlgruppe gleich. Diese Abweichung von der Wahlrechtsgleichheit bei Wahlen politisch-parlamentarischer Art ist durch die besondere
1 Durch Artikel 82 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) wurde auch ein neuer Absatz 3 in § 5 IHKG eingefügt. Der bisherige Absatz 3 wurde zu Absatz 4. 2 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 111, BVerfGE 146, 164; BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20/09, BVerwGE 137, 171 Rz. 35. 3 „Außerhalb demokratischer Wahlen politisch-parlamentarischer Art kann der Grundsatz, dass aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausgeübt werden können soll, Einschränkungen erfahren (vgl. BVerfGE 39, 247, 254 für Selbstverwaltungsorgane der Hochschulen). Das Grundgesetz erzwingt keine formal gleiche Art der Wahlen aller Art (vgl. BVerfGE 41, 1,11 f.), BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 121. 4 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 123, BVerfGE 146, 164.
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Wahlrecht und Wählbarkeit
Rz. 6 § 5
Aufgabenstruktur gerechtfertigt5. Auch eine mittelbare Wahl der Vollversammlung durch Wahlpersonen ist zulässig, weil eine unmittelbare Wahl nicht vorgeschrieben ist6. Wie bei anderen Selbstverwaltungskörperschaften ist das Wahlrecht der IHK der Kammeraufgabe angepasst7.
II. Wahlrecht und Wählbarkeit 1. Wahlrecht Nur die Kammerzugehörigen sind berechtigt, die Mitglieder der VV zu wählen. 4 Wenn auch das Gesetz das Wahlrecht der freiwilligen Kammerzugehörigen (§ 2 Abs. 5) nicht ausdrücklich erwähnt, so ergibt sich dies doch aus dem Begriff der Kammerzugehörigkeit; nach dem freiwilligen Beitritt stehen sie in jeder Hinsicht den gesetzlichen Mitgliedern gleich. Andererseits ergibt sich aus § 5 Abs. 1, dass alle Kammerzugehörigen wahlberech- 5 tigt sind. Das Kammerwahlrecht geht deshalb nicht von der einzelnen natürlichen Person aus, sondern von dem kammerzugehörigen Unternehmen nach § 2 Abs. 1. Es gilt das Prinzip der allgemeinen Wahl. Eine Wahlordnung, die einen Teil der Wähler vom Wahlrecht ausschließt, wäre also insoweit unwirksam. Die Wahlordnung kann allerdings die Ausübung des Wahlrechts im Einzelnen regeln8. Hierzu gehören z.B. Bestimmungen über das Ruhen des Wahlrechts, nicht aber über die dauernde Entziehung desselben. a) Ausübung des Wahlrechts durch gesetzliche Vertreter Bei Einzelunternehmen ist der Inhaber selbst wahlberechtigt und wählbar, bei 6 Personenmehrheiten (vgl. OHG, KG, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, atypisch stille Gesellschaft, Erbengemeinschaft) und bei juristischen Personen ist jeder wahlberechtigt, der für sich allein oder gemeinschaftlich mit anderen zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugt ist. Das Wahlrecht kann naturgemäß für jedes Unternehmen nur einheitlich und auch nur einmal ausgeübt werden (gleicher Zählwert). Es ist Sache der Wahlordnung, dies sicherzustellen. Der Wahlvorstand (auch als Wahlausschuss oder Wahlkommission bezeichnet) 5 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 123, BVerfGE 146, 164. 6 BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14, BVerwGE 152, 204, LS 1 Rz. 22–24; BVerwG v. 3.9.1963 – 1 C 113.61, BVerwGE 16, 312, 316. 7 Tettinger, Kammerrecht, 1997, 96 f.; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 459; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991; Oebbecke, Demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltungen, VerwArch 1990, 349 f.; Rickert in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 85, 88 f. 8 BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14, BVerwGE 152, 204 Rz. 23; Groß, Wahl zur Vollversammlung, 77.
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§ 5 Rz. 6 Wahl zur Vollversammlung kann, insbesondere bei einem mehrköpfigen Vertretungsgremium, eine Vollmacht des Unternehmens für die Ausübung der Wahl verlangen. b) Ausübung des Wahlrechts durch Prokuristen 7
Die Wahlordnungen der IHKs sehen darüber hinaus vor, dass das Wahlrecht eines Unternehmens auch durch einen im Handelsregister eingetragenen Prokuristen ausgeübt werden kann. Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass Prokuristen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 auch wählbar sind. Es wäre deshalb inkonsequent, den Prokuristen die Ausübung des aktiven Wahlrechts nicht zu geben, wenn sie gleichzeitig wählbar sind. Zwingend ist die Verknüpfung von passivem und aktivem Wahlrecht jedoch nicht9. c) Ausübung des Wahlrechts durch einen Wahlbevollmächtigten
8
Schließlich kann die Wahlordnung auch noch Vorsorge treffen, dass Unternehmen an der IHK-Wahl auch durch Wahlbevollmächtigte teilnehmen können. Dies kann insbesondere für Unternehmen relevant sein, die im Kammerbezirk nur Zweigniederlassungen und Betriebsstätten haben. Selbstverständlich können diese auswärtigen Unternehmen an der IHK-Wahl durch ihre gesetzlichen Vertreter oder im Handelsregister eingetragene Prokuristen das Wahlrecht ausüben; sowohl bei der Briefwahl als auch bei der sich an dieser orientierenden Onlinewahl10 macht es keine Schwierigkeiten, das Wahlrecht auch vom auswärtigen Hauptsitz des Unternehmens aus wahrzunehmen. Da der Wirkungskreis der IHK zunächst ein regionaler ist, sich also auf die zugehörigen Unternehmen des Kammerbezirks bezieht, kann es aus Sicht sowohl des einzelnen Unternehmens als auch der Bezirkswirtschaft insgesamt sinnvoll sein, die Wahlausübung einem mit den Besonderheiten des Kammerbezirks und seiner Wirtschaftsstruktur vertrauten Vertreters aus dem Unternehmen zu ermöglichen. Daher sehen die Wahlordnungen der IHKs darüber hinaus vor, dass in bestimmten Fällen das Wahlrecht auch durch einen Wahlbevollmächtigten ausgeübt werden kann. Der Wahlvorstand kann sich diese Berechtigung durch eine zu diesem Zweck ausgestellte Vollmacht des Unternehmens nachweisen lassen.
9
Die Möglichkeit der Wahlbevollmächtigung ist von der Regelungskompetenz der Vollversammlung gedeckt, da nach § 5 Abs. 3 Satz 1 die Ausübung des aktiven Wahlrechts durch die Wahlordnung geregelt wird. Durch die Struktur der gesetzlichen Mitgliedschaft nach § 2 Abs. 1, die neben natürlichen Personen auch Per9 VG Berlin v. 14.2.2014 – 4 K 182.13, GewArch 2014, 204. 10 Zur Zulässigkeit der Onlinewahl Thür. OVG v. 30.5.2013 – 1 N 240/12 und v. 23.5.2017 – 4 N 124/15 – (Revisionsnichtzulassungsbeschwerde abgelehnt durch BVerwG v. 14.3.2018 – 6 BN 3.17); Rickert in Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 85, 91 f.
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Wahlrecht und Wählbarkeit
Rz. 12 § 5
sonenmehrheiten und juristische Personen erfasst, ist die Höchstpersönlichkeit bei der Ausübung des aktiven Wahlrechts bereits strukturell ausgeschlossen. Die Ermöglichung einer Bevollmächtigung für die Ausübung des aktiven Wahlrechts über die gesetzliche Vertretung hinaus entspricht auch dem Gedanken aus Abs. 2, wonach selbst das passive Wahlrecht über die gesetzlichen Vertreter hinaus auch auf die im Handelsregister eingetragenen Prokuristen und auf besonders bestellte Bevollmächtigte erstreckt wird. Die Regelung einer Wahlbevollmächtigung in der Wahlordnung der IHK kann und muss dann jedoch sicherstellen, dass der Wahlberechtigte, das gesetzliche Mitglied, bei der Ausübung des Wahlrechts wirksam und willentlich vertreten wird. Die Wahlbevollmächtigung kann daher nur in der zur gesetzlichen Vertretung des Kammerzugehörigen vorgeschriebenen Art und konkret auf die jeweilige Wahl bezogen erfolgen. Um die Möglichkeit des Unternehmens sicherzustellen, an der Wahl durch den 10 Unternehmer bzw. den gesetzlichen Vertreter oder durch einen von diesen dazu bestimmten Bevollmächtigten aus dem Unternehmen teilzunehmen, sind die Wahlunterlagen an die Anschrift der Geschäftsleitung zu versenden oder auf dem durch das Unternehmen für die Wahlunterlagen eröffneten Weg bzw. über die dafür benannte Anschrift zur Verfügung zu stellen11. Zumindest bei auswärtigen Unternehmen ist es deshalb zweckmäßig, auch auf die Möglichkeit einer Wahlausübung durch einen örtlichen Wahlbevollmächtigten im Kammerbezirk hinzuweisen. Hat das Unternehmen bereits für die Wahl eine eigene Anschrift oder einen eigenen Kommunikationsweg benannt, kann dies genutzt werden. Die konkreten Informationswege innerhalb des Unternehmens liegen dann in dessen Organisationsverantwortung. d) Vorübergehendes Ruhen des Wahlrechts Die Wahlordnung kann aber auch regeln, unter welchen Voraussetzungen das 11 Wahlrecht ruht und vorübergehend nicht ausgeübt werden kann. Die Wahlordnungen der IHKs sehen dabei vor, dass das Wahlrecht ruht, solange einem wahlberechtigten Kammerzugehörigen die Amtsfähigkeit, die Wählbarkeit, das Stimmrecht oder Grundrechte rechtskräftig aberkannt worden sind. Teilweise wurden in der Vergangenheit auch noch zwei Gruppen von Ruhensgründen, nämlich Insolvenzgründe und gewichtige Strafverfahren, aufgeführt, die jedoch nicht mehr unumstritten sind12 und in der Praxis kaum noch eine Bedeutung haben. Das Wahlrecht ist in der funktionalen Selbstverwaltung eines der wichtigsten Par- 12 tizipationsrechte der Mitglieder und gehört daher zum Kernbestand der Mit-
11 Insoweit wohl durchaus vergleichbar mit der das Steuergeheimnis wahrenden Zusendung des Beitragsbescheids. 12 Groß, Wahl zur Vollversammlung, 137.
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§ 5 Rz. 12 Wahl zur Vollversammlung gliedsrechte. Weder die Kammerzugehörigkeit noch die Beitragspflicht des Mitglieds werden durch Insolvenz des Unternehmens oder Strafbarkeit bzw. Haft des Unternehmers berührt13. Daher ist im Gegenzug eine Aussetzung des Wahlrechts nur im Fall des Verlustes des Rechts, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, angemessen. Dabei ist auch der zwischenzeitlich eingetretene Rechts- und Wertewandel zu berücksichtigen. Entgegen früherer Auffassung widerspricht die Teilnahme von aktiven wahlberechtigten Kammerzugehörigen auch bei Insolvenz oder Strafbarkeit bzw. Haft nicht dem Auftrag der IHK nach § 1 Abs. 1, für Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken. War nach der Konkursordnung die geordnete Abwicklung des insolventen Unternehmens zur Befriedigung der Gläubiger einziges gesetzliches Ziel, steht nach § 1 der Insolvenzordnung neben der Verwertung der Erhalt des Unternehmens als gleichberechtigtes Ziel des Verfahrens im Gesetz. Gleichzeitig spricht der Gesetzgeber nach der Befriedigung der Gläubiger auch die Entschuldung des redlichen Schuldners als Verfahrensziel an14. Die gesetzliche Neuregelung zeigt also, dass die Insolvenz nicht das Ende der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners darstellen muss und eine Stigmatisierung nicht gewollt ist. Konsequenterweise ist durch Art. 76 Nr. 3 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5.10.199415 deshalb auch § 96 Abs. 2 Nr. 2 HwO, wonach solche Personen nicht wahlberechtigt waren, „die infolge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind“, nicht etwa an die neue Insolvenzordnung angepasst16, sondern mit folgender amtlicher Begründung ersatzlos gestrichen worden: „Allgemein verfolgt das neue Insolvenzrecht rein vermögensrechtliche Ziele; eine Beeinträchtigung der Ehre des Schuldners soll mit dem Verfahren nicht verbunden sein (…). Insgesamt erscheint es daher nicht angebracht, einem Mitglied der Handwerkskammer die Berechtigung zur Wahl mit der Begründung abzusprechen, dass er in der Verfügung über sein Vermögen beschränkt ist (§ 96 Abs. 2 Nr. 2 HwO). Solange er Mitglied der Kammer ist, kann ihm sein aktives Wahlrecht nur aus besonders schwerwiegenden Gründen genommen werden.“17 In den oben genannten Fällen des Ruhens des Wahlrechts sollte das Ruhen so kurz wie nur irgend möglich gehalten werden, nämlich nur für die Zeit der wirklichen Verhinderung. Die Wahlordnung könnte beispielsweise bei Verlust von Amtsfähigkeit, Wählbarkeit, Stimmrecht oder gar Grundrechten die Tilgung im Strafregister als den maßgeblichen Zeitpunkt für das Wiederaufleben der Wahlberechtigung festlegen, jedoch erscheint eine Beschränkung auf den Zeitraum des Verlusts sachgerechter. In allen Fällen handelt es sich jedoch nur um ein vorübergehendes Ruhen des Wahl-
13 14 15 16 17
Groß, Wahl zur Vollversammlung, 137. § 1 S. 2 InsO. BGBl. I, 2911. Groß, Wahl zur Vollversammlung, 138. BT-Drs. 12/3803, 104.
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Wahlrecht und Wählbarkeit
Rz. 16 § 5
rechts, nicht aber seine Entziehung auf Dauer; eine solche Entziehung wäre unzulässig. Das Wahlrecht verbleibt immer beim Kammerzugehörigen (§ 2 Abs. 1). Zu un- 13 terscheiden ist jedoch zwischen dem Wahlrecht und seiner Ausübung. Liegt der Hinderungsgrund nur bei einem zur Ausübung des Wahlrechts Berechtigten vor, bleibt das Wahlrecht bestehen und ein anderer Berechtigter kann es ausüben. Ist der Kammerzugehörige selbst von einem Ruhensgrund betroffen, kann das Wahlrecht nicht ausgeübt werden. Auch im eröffneten Insolvenzverfahren verbleibt nicht nur das Wahlrecht, sondern auch die Ausübung beim Unternehmer bzw. dem gesetzlichen Vertreter und geht nicht auf den Insolvenzverwalter über, da weiterhin kammerzugehörig und beitragspflichtig das gesetzliche Mitglied bleibt. Der Insolvenzverwalter wird auch nicht zum gesetzlichen Vertreter des Unternehmens. 2. Wählbarkeit In die Vollversammlung ist zunächst nur wählbar, wer das Wahlrecht auszuüben 14 berechtigt ist. Der Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 1 zeigt damit den engen Zusammenhang zwischen Wahlrecht und Wählbarkeit, der für die Wahlordnung insoweit enge Grenzen setzt. Sie kann lediglich die Ausübung des Wahlrechts regeln und in schwerwiegenden Fällen das vorübergehende Ruhen vorsehen, es aber nicht auf Dauer entziehen. Nur in diesem begrenzten Umfang, in dem die Ausübung des Wahlrechts nach der Wahlordnung ruht, ist auch die Wählbarkeit vorübergehend eingeschränkt. Dem entspricht es, dass das Gesetz auch – anders als frühere Landeskammergesetze – keinen Ausschluss aus der Vollversammlung kennt. Daraus ergibt sich, dass Mitglied der Vollversammlung nur sein kann, wer für 15 ein kammerzugehöriges Unternehmen vertretungsberechtigt ist. Aus dem Geschäftsleben ausgeschiedene frühere Kaufleute können nicht mehr in die Vollversammlung gewählt werden, selbst wenn sie noch in Aufsichtsräten oder Beiräten kammerzugehöriger Unternehmen tätig sind und weiterhin einen wesentlichen Einfluss auf das Unternehmen ausüben (siehe auch Rz. 20). Das IHKG beschränkt die Wählbarkeit auch nicht auf Inländer, so dass bei Erfül- 16 lung aller sonstigen Voraussetzungen auch ausländische Staatsangehörige in die Vollversammlung gewählt werden können. Unternehmer, die sich aus anderen EU-Mitgliedstaaten in Deutschland niederlassen, werden also gleichbehandelt18 (siehe zum Unionsrecht allgemein Einführung Rz. 73 ff.). Das Gesetz verwirklicht damit die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) und gewährt einen Teilhabeanspruch an der wirtschaftlichen Selbstver-
18 Zur Vereinbarkeit der Regelungen im IHKG mit Unionsrecht siehe auch OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10, GewArch 2011, 326.
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§ 5 Rz. 16 Wahl zur Vollversammlung waltung19. Es wird auch dem Diskriminierungsverbot von Art. 18 AEUV20 gerecht. 17
Schließlich macht das Gesetz die Wählbarkeit auch nicht davon abhängig, dass der Bewerber eine Betriebsstätte des kammerzugehörigen Unternehmens im Kammerbezirk leitet. Die Betriebsstätte eines auswärtigen Unternehmens begründet zwar die Kammerzugehörigkeit; kammerzugehörig ist jedoch das Unternehmen selbst, so dass seine gesetzlichen Vertreter in allen Kammerbezirken wahlberechtigt und wählbar sind, in denen das Unternehmen Betriebsstätten unterhält. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob ein Bewerber seinen Wohnsitz im Kammerbezirk hat. Eine enge unternehmerische wie auch persönliche Bindung an den Kammerbezirk ist zwar erwünscht und auch die Regel, weil die Kandidatur eines Bewerbers eines auswärtigen kammerzugehörigen Unternehmens in die Vollversammlung erfahrungsgemäß eher Erfolg hat, wenn der Bewerber eine ausreichende Bekanntheit in seiner Wahlgruppe und seinem Kammerbezirk vorweisen kann. Rechtlich bestehen jedoch keine Hindernisse dafür, dass sich auch das Vorstandsmitglied eines auswärtigen Unternehmens zur Wahl in die Vollversammlung stellt. a) Altersvoraussetzungen
18
Das passive Wahlrecht war in § 5 Abs. 2 zunächst an die Vollendung des 25. Lebensjahres gebunden und damit dem preußischen Kammerrecht gefolgt. Nach Art. 9 des Gesetzes zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31.7.197421, ist jedoch die Wählbarkeit nur noch von der Volljährigkeit, also von der Vollendung des 18. Lebensjahres abhängig. Damit ist zugleich geklärt, dass eine Rechtsgrundlage für die Einführung eines Höchstalters für die Wählbarkeit nicht gegeben ist. b) Wählbarkeit von Prokuristen und besonders bestellten Bevollmächtigten
19
Prokuristen kammerzugehöriger Unternehmen waren bereits nach früherem Landesrecht wahlberechtigt und wählbar; Wahlrecht und Wählbarkeit waren gesetzlich für Zweigniederlassungen und Betriebsstätten vorgesehen, konnten aber nach Kammerbeschluss oder Satzung auch ganz allgemein zugelassen werden22. Das Bundesgesetz hat diesen Grundsatz übernommen, aber nicht die sich aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Preußisches IHK-Gesetz ergebende Beschränkung auf 1/4 der Mitglie-
19 Kluth, in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 165 f. 20 Zur Vereinbarkeit der Regelungen im IHKG mit Unionsrecht siehe auch OVG Rheinland-Pfalz v. 20.9.2010 – 6 A 10282/10, GewArch 2011, 326. 21 BGBl. I, 1713. 22 § 5 Abs. 3 Pr. IHK-Ges.
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Wahlrecht und Wählbarkeit
Rz. 20 § 5
der der Vollversammlung; eine solche Beschränkung könnte jedoch nach § 5 Abs. 3 Satz 2 in der Wahlordnung vorgesehen werden. Die Wählbarkeit besonders bestellter Bevollmächtigter ist erst in die Ausschuss- 20 vorlage23 eingefügt worden; diese Vorschrift sollte der Tatsache Rechnung tragen, dass es im Wirtschaftsleben maßgebende Persönlichkeiten gibt, die weder Vorstandsmitglieder einer juristischen Person noch Prokuristen sind; sie soll also die Wählbarkeit von Personen ermöglichen, die in leitender Stellung, etwa aufgrund einer Generalvollmacht tätig sind. Zwar sind solche Fälle nicht sehr zahlreich, jedoch handelt es sich meist um führende Persönlichkeiten, deren Mitarbeit für die IHK von besonderem Wert sein kann. Wenn auch das Gesetz nähere Voraussetzungen für einen „besonders bestellten Bevollmächtigten“ nicht definiert, so ist doch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes deutlich, dass es sich nicht um die früher im Preußischen IHK-Gesetz24 zur Abgabe der Wahlstimme zugelassenen Wahlbevollmächtigten, sondern um Bevollmächtigte besonderer Art handelt25; entscheidend ist, dass sie unternehmerisch tätig sind und dass ihnen kraft ihrer Vollmacht die Ausübung von Unternehmerfunktionen für den vollmachtgebenden Betrieb übertragen ist. Dabei kann aufgrund der vergleichbaren Zielsetzung der gesetzliche Maßstab aus § 109 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GVG für ehrenamtliche Handelsrichter herangezogen werden, wonach eine der eigenverantwortlichen Tätigkeit des Unternehmers vergleichbare selbständige Stellung im Unternehmen bestehen muss. In der Praxis sind dies die Leiter der Filialen von Banken, Versicherungen, Kaufhäusern, beispielsweise aber auch der Chefredakteur einer Zeitung oder Zeitschrift ohne kaufmännische Befugnisse. Es kommt nicht darauf an, ob der Bevollmächtigte im Vergleich zu einem Prokuristen gleiche oder größere Befugnisse hat. Dagegen sind ehemalige Unternehmer, auch wenn sie noch im Aufsichtsrat, im Beirat oder in der Gesellschafterversammlung den Vorsitz führen, nicht mehr wählbar, selbst wenn diese gesellschaftsrechtlichen Organe erheblichen unternehmerischen Einfluss haben; entscheidend ist die Vertretungsmacht für das kammerzugehörige Unternehmen. Die Vertretungsmacht ist für den Aufsichtsrat nach § 105 Abs. 1 AktG bereits gesetzlich ausgeschlossen, weshalb ein Aufsichtsrat nicht wählbar ist26. Soweit für den Beirat oder ein anderes Gremium die Regelungen über den Aufsichtsrat der AG anwendbar sind, ist die Wählbarkeit der Mitglieder ebenfalls gesetzlich ausgeschlossen. In allen anderen Fällen ist die Wählbarkeit nur dann gegeben, wenn über die Gremiumszugehörigkeit hinaus
23 BT-Drs. 2/2380, 5. 24 § 5 Abs. 2 Nr. 2 Pr. IHK-Ges. 25 Vgl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik v. 9.5.1956 zu Drucksache 2380, Ausführungen zu § 5 Abs. 2. 26 Beschränkend auch Kluth, Aktuelle Stellungnahme 3/18, Institut für Kammerrecht e.V., ohne jedoch § 105 AktG zu benennen; zu weit insoweit Groß, Wahl zur Vollversammlung, 74.
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§ 5 Rz. 20 Wahl zur Vollversammlung die Voraussetzungen eines besonders bestellten Bevollmächtigten, also eine gesonderte Vertretungsmacht mit Unternehmerfunktion, für die Gesellschaft vorliegen. c) Verbot der Doppelvertretung 21
Unabhängig davon, wer für das kammerzugehörige Unternehmen das aktive Wahlrecht satzungsmäßig auszuüben ermächtigt wird, bleibt grundsätzlich jeder vertretungsberechtigte Gesellschafter und jedes Vorstandsmitglied wählbar. Deshalb hatte § 7 Abs. 2 des preußischen IHK-Gesetzes vom 24.2.1870 ausdrücklich vorgeschrieben, dass für jedes Unternehmen nicht mehr als ein Vertreter in die Vollversammlung gewählt werden kann. Da das IHKG die Einzelheiten des Wahlrechts nicht mehr selbst regelt, sondern ausdrücklich der ergänzenden Bestimmung durch die Wahlordnung der IHK zuweist, hielten es zahlreiche IHKs in Übereinstimmung mit ihren Aufsichtsbehörden für zulässig, die frühere preußische Regelung sinngemäß in ihrer Wahlordnung zu übernehmen, die beispielsweise bei mittelbaren Wahlen rechtzeitig Klarheit schafft. Dieser Auffassung hat das Nds. OVG27 für den Fall widersprochen, dass wählbare Angehörige eines Unternehmens noch einem anderen Unternehmen einer anderen Wahlgruppe angehören und einer von ihnen als Angehöriger der einen, ein anderer für das andere Unternehmen in einer anderen Wahlgruppe in die Vollversammlung gewählt wird. Nach Ansicht des Gerichts dürfe die Wahlordnung eine solche Einschränkung der Wählbarkeit nicht vorsehen, weil § 5 Abs. 3 nur zu einer Regelung der Ausübung des Wahlrechts ermächtige, nicht aber das Wahlrecht selbst und sein Korrelat die Wählbarkeit, umfasse. Soweit diese Begründung sich – über den richtig entschiedenen Einzelfall hinaus – generell gegen Einschränkungen der Wählbarkeit richtet, ist sie zumindest durch die klarstellende Gesetzesänderung mit dem Zweiten Mittelstandsentlastungsgesetz vom 7.9.200728 nicht mehr haltbar. Die in § 5 Abs. 3 enthaltene Ermächtigung der IHK zur Gestaltung der Wahlordnung umfasst nun ausdrücklich das aktive und das passive Wahlrecht und lässt daher auch wirksame Regelungen zum Verbot der Doppelvertretung zu. Vielmehr lässt sich im Kontext sogar ein Auftrag des Gesetzes für eine entsprechende Beschränkung der Wählbarkeit bei der Gestaltung der Wahlordnung herleiten, zumindest, wenn es sich um eine „echte“ Doppelvertretung handelt. Wenn die Einteilung in Wahlgruppen die Spiegelbildlichkeit der Vollversammlung sichern soll, dann müssen die zur Verfügung stehenden Vollversammlungssitze auch möglichst breit verteilt werden, auch in den einzelnen Wahlgruppen; eine Doppelvertretung würde diese Möglichkeiten jedenfalls einschränken. Insofern handelt es sich bei dem Verbot der Doppelvertretung in der Vollversammlung auch um eine kammerpolitisch bedeutsame Frage.
27 Nds. OVG v. 6.8.1969 – IV A 37/69, BB 1971, 412. 28 BGBl. I, 2246.
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Wahlrecht und Wählbarkeit
Rz. 23 § 5
Das Verbot der Doppelvertretung erstreckt sich dabei bereits auf die Kandidatur. 22 So ist die Kandidatur von zwei Vertretern desselben Kammerzugehörigen unzulässig, da im Erfolgsfall nicht beide Kandidaten die Wahl annehmen könnten. Auch muss der Wahlvorstand bereits zum Zeitpunkt der Kandidatur die Voraussetzungen der Wählbarkeit prüfen. Daher muss schon für die Kandidatur im Unternehmen die Entscheidung getroffen werden, welche Person kandidieren darf29. Umgekehrt kann dieselbe Person nicht gleichzeitig für verschiedene Unternehmen, eventuell in verschiedenen Wahlgruppen, kandidieren. Auch hier muss bereits für die Kandidatur die Entscheidung getroffen werden, für welches Unternehmen kandidiert wird. Dies gilt erst recht für den Fall, dass ein Unternehmen Betriebsstätten in verschiedenen Wahlbezirken unterhält. In allen genannten Fällen ist regelmäßig eine Erhöhung der Wahlchancen beabsichtigt, jedoch nicht zulässig, da zu den unverzichtbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Wahlrechts auch ein chancengleicher Wettbewerb gehört30, der hinsichtlich der wählbaren Personen dann insoweit nicht gegeben wäre. Kein Fall des Doppelvertretungsverbots ist das Mandat in mehreren Regionalgremien (siehe auch § 8 Rz. 5 ff.), auch parallel zum Mandat in der Vollversammlung, da es nur um das Verbot der Mehrfachvertretung in einem Gremium geht. In Konzernen spielt das Problem der Doppelvertretung keine Rolle. Da Organge- 23 sellschaften (Organtöchter) kammerrechtlich nicht als Betriebsstätten gelten, sondern selbständig kammerzugehörig sind, steht den Vorstandsmitgliedern und Prokuristen solcher Gesellschaften das aktive und passive Wahlrecht zu, unabhängig davon, ob die Organträgerin (Organmutter) im gleichen oder in einem anderen Kammerbezirk ansässig ist. In einem Kammerbezirk, in dem neben einer Niederlassung einer Organgesellschaft auch Betriebsstätten der Organträgerin bestehen, ist es also möglich, dass beide Unternehmen ein Vollversammlungsmitglied stellen31. Eine echte Ausnahme vom Doppelvertretungsverbot sehen die Wahlordnungen regelmäßig dann vor, wenn erst nach Beginn des Mandats, insbesondere durch Unternehmensfusion, zwei Vollversammlungsmitglieder ihre Wählbarkeit vom selben Kammerzugehörigen ableiten. In diesem Fall soll der Bestand des Mandats trotz Doppelvertretungsverbot geschützt werden. Vor der konstituierenden Sitzung der Vollversammlung bzw. vor dem Nachrücken oder der mittelbaren Wahl eines Kandidaten in die Vollversammlung bleibt es beim Verbot und dem Ausschluss der Wählbarkeit des zweiten Vertreters.
29 In diesem Sinn wohl auch Kluth, Aktuelle Stellungnahme 3/18, Institut für Kammerrecht e.V., der für den Zeitpunkt des Vorliegens der Wählbarkeitsvoraussetzungen auf die Wahlbewerbung abstellt und dies auch mit der Möglichkeit der Prüfung begründet. 30 So auch Kluth, Aktuelle Stellungnahme 3/18, Institut für Kammerrecht e.V. 31 Zur Zulässigkeit siehe auch BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 122, BVerfGE 146, 164, GewArch 2017, 375.
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§ 5 Rz. 24 Wahl zur Vollversammlung 3. Beendigung der Mitgliedschaft in der Vollversammlung 24
Die Wahlordnung enthält aus Gründen der Vollständigkeit auch eine Vorschrift darüber, dass die Mitgliedschaft mit dem Ablauf der Amtszeit, mit der Amtsniederlegung oder vorher mit dem Tode des Vollversammlungsmitgliedes endet. Wichtig sind deshalb Bestimmungen darüber, wie zu verfahren ist, wenn die Voraussetzungen der Wählbarkeit eines Mitgliedes nachträglich entfallen sind. Da § 5 keine ausdrückliche Bestimmung über ein zwangsläufiges Ausscheiden aus der Vollversammlung bei nachträglichem Verlust der Wählbarkeit enthält, ist davon auszugehen, dass diese Frage in der Wahlordnung geregelt werden kann. Im Interesse der Rechtssicherheit liegt es, dass die Wahlordnung einen konstitutiven Beschluss der Vollversammlung verlangt, der formell die vorzeitige Beendigung des Mandats feststellt und damit das Verfahren des Nachrückens oder einer Ersatzwahl einleitet. Dieser Beschluss liegt dann jedoch nicht im Ermessen der Vollversammlung, sondern dient lediglich der Feststellung des genauen Zeitpunktes. Daher muss die Vollversammlung diesen Beschluss auf einen entsprechenden Antrag hin fassen. Bei Kenntnis vom anfänglichen Fehlen oder nachträglichen Wegfall der Wählbarkeit ist der Präsident verpflichtet, einen entsprechenden Beschluss in der Vollversammlung herbeizuführen. Der Betroffene kann gegen einen solchen Beschluss Widerspruch, sofern durch Landesrecht nicht ausgeschlossen32, und Anfechtungsklage erheben.
25
Genauso aber ist es möglich, dass die Wahlordnung auf einen solchen Beschluss der Vollversammlung verzichtet. Die Wählbarkeit und damit auch das Mandat in der Vollversammlung enden dann, wenn die Wählbarkeit entfällt. Wenn dann im Streitfall ein Beschluss der Vollversammlung darüber notwendig ist, hat er nur noch deklaratorische Bedeutung. Der Betroffene kann dann durch eine Feststellungsklage klären, ob er noch Mitglied der Vollversammlung ist.
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Entscheidend ist in beiden Fällen eine Bestimmung der Wahlordnung, nach der die Gültigkeit von Beschlüssen und Wahlen nicht berührt wird, wenn Mitglieder der Vollversammlung daran mitgewirkt haben, die nicht mehr wählbar waren (zur Ungültigkeit der Wahl insgesamt siehe § 5 Rz. 96 ff.).
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Ist die Zugehörigkeit der Bewerber zu einer bestimmten Wahlgruppe oder einem bestimmten Wahlbezirk weitere Voraussetzung der Wählbarkeit, so folgt daraus nicht, dass ein nachträglicher Wechsel des Vollversammlungsmitgliedes in ein Unternehmen einer anderen Wahlgruppe oder einem anderen Wahlbezirk die Wählbarkeit berührt. Für den Rest der Amtsperiode wäre dann zwar die Wahlgruppeneinteilung nur noch formal eingehalten. Durch die Erhaltung des Mandats wird aber klargestellt, dass jedes Vollversammlungsmitglied nach seiner Wahl Vertreter aller Gewerbezweige, nicht aber nur eines Unternehmens, einer Wahl32 Derzeit ist in diesen Fällen das Widerspruchsverfahren in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen, weshalb dann gleich die Anfechtungsklage der richtige Rechtsbehelf ist.
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Wahlordnung
Rz. 29 § 5
gruppe oder eines Wahlbezirks ist. Deshalb berühren der Wechsel in der unternehmerischen Position des Mitglieds sowie ein Wohnortwechsel seine Wählbarkeit nicht, sofern er überhaupt nur noch eine leitende Tätigkeit in einem kammerzugehörigen Unternehmen ausübt (Kontinuität der Organzusammensetzung). Dies ist in den Wahlordnungen der IHKs regelmäßig auch so geregelt33. Hiervon zu unterscheiden ist Wechsel vor Beginn des Mandats, dann entsteht das Mandat auch nicht mehr. Der Wechsel in der unternehmerischen Position braucht nicht nahtlos zu erfolgen, wenn die Wahlordnung einen konstitutiven Beschluss über den Verlust der Wählbarkeit vorsieht und dieser an das Fehlen der Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Beschlusses geknüpft ist. Sieht die Wahlordnung bereits mit Wegfall der Wählbarkeit die Beendigung des Mandats vor, kann das Mandat durch den späteren Eintritt als Geschäftsführer in ein anderes kammerzugehöriges Unternehmen nicht rückwirkend wiederhergestellt werden. Ist der Beschluss zur Feststellung der Beendigung ausschließlich an den (nachträglichen) Wegfall der Wählbarkeit geknüpft, muss die Vollversammlung diesen Beschluss auch dann fassen, wenn zwischenzeitlich wieder eine Wählbarkeit besteht. Erfolgt der Wechsel der Wahlgruppe oder der (auch nur kurzfristige) Wegfall der Wählbarkeit bei einem Nachfolgemitglied vor dem Nachrückfall (vgl. Rz. 36), d.h. vor dem Beginn des Mandats, entfällt die Stellung als Nachfolgemitglied und lebt auch nicht wieder auf. Etwas anderes gilt dann, wenn es bereits anfänglich an der Wahlgruppenzuge- 28 hörigkeit fehlt, weil der persönlich wählbare Vertreter in der falschen Wahlgruppe kandidiert hat, entfällt dadurch die Wählbarkeit weder anfänglich noch nachträglich. Dies stellt einen Wahlfehler dar, der ausschließlich innerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht werden kann. Ebenso wenig führt der Verlust der „Ehrbarkeit“ zu einem vorzeitigen Ende der Mitgliedschaft in der Vollversammlung (vgl. § 1 Rz. 55).
III. Wahlordnung 1. Gesetzlicher Rahmen für die Wahlordnung Während das frühere Landesrecht die Ausübung des Wahlrechts und die Durch- 29 führung der Wahl in Einzelvorschriften regelte, hat das IHKG hierfür nur einige Grundsätze aufgestellt, die Regelung im Übrigen aber der Wahlordnung überlassen34. Die Wahlordnung ist damit neben der Satzung das wichtigste Statut der IHK. 33 Rechtlich zwingend ist eine solche Regelung nicht. Die Regelung in der Wahlordnung der IHK Berlin, nach der auch bei einem nachträglichen Wechsel der Wahlgruppe das Mandat endet, ist ebenfalls zulässig. 34 BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14, BVerwGE 152, 204 – zum Wahlsystem und der Wahlordnung selbst; Aber auch grundsätzlich ist das IHKG satzungsoffen: „Einzelhei-
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§ 5 Rz. 30 Wahl zur Vollversammlung 30
Für den sachlichen Inhalt der Wahlordnung gilt, wie für jedes statutarische Recht, die durch das Gesetz in § 5 gezogene Grenze. Die IHK darf also nicht mit den in der Wahlordnung getroffenen Regelungen den Ermächtigungsrahmen des Gesetzes überschreiten, aber auch nicht unterschreiten. So geht das BVerfG davon aus, dass „sich aus dem aufgrund der Pflichtmitgliedschaft alle Branchen und Betriebsgrößen umfassenden Mitgliederbestand das legitime gesetzgeberische Ziel erkennen (lässt), in den Kammern die Teilhabe aller großen, mittleren und kleinen Unternehmen und Betriebe zu sichern“35. Daher ist die Aufteilung der Kammerzugehörigen in Wahlgruppen nach Branchen und Betriebsgrößen zwingend, die Einteilung in Wahlbezirke nach Regionen steht dagegen im Regelungsermessen der Vollversammlung36. Eine Wahlordnung ohne Wahlgruppeneinteilung wäre unzulässig, dagegen kann auf die Einteilung in Wahlbezirke verzichtet werden. Die Definition der Wahlgruppen, wie sie also konkret zusammengesetzt werden, unterliegt dem Gestaltungspielraum der Vollversammlung. Sie muss jedoch dabei die Branchen- und Betriebsgrößenstruktur des Kammerbezirks berücksichtigen. Mit der gesetzlichen Klarstellung (siehe Rz. 20) umfasst der Ermächtigungsrahmen unzweifelhaft sowohl die Regelung des aktiven als auch des passiven Wahlrechts. Der Gesetzgeber wollte mit § 5 Abs. 3 der IHK eine Regelungsbefugnis zuweisen, die sich am weiten Ermächtigungsrahmen des preußischen Kammerrechts orientierte. Eine solche Flexibilität ist auch notwendig, wenn die Wahlordnung die Besonderheiten in Tradition und Struktur jedes Kammerbezirks widerspiegeln soll. Das zeigt sich nicht nur in der Bildung der Wahlgruppen und Wahlbezirke, sondern auch in Unterschieden beim Wahlverfahren. In der Folge können deshalb auch nur die gebräuchlichen Varianten behandelt werden, nicht aber alle theoretisch möglichen und auch rechtlich zulässigen Gestaltungsformen.
31
Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass die Wahlordnung auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen entsprechen muss. Bei Vergleichen mit anderen Wahlordnungen ist jedoch der unpolitische Charakter der IHK-Wahl als gebündelte Gruppenwahl zu beachten, die sich nur in der funktionalen Selbstverwaltung findet.
ten der inneren Struktur der Organe sowie der Willensbildung innerhalb der Organe sind nicht gesetzlich geregelt. Das institutionelle Regelwerk des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern bestimmt danach die Organe der Kammern, überantwortet deren innere Ordnung aber näherer Normierung durch die Träger der funktionalen Selbstverwaltung.“; BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 35 Das BVerfG stellt in seinem Beschluss v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 auf das gesetzgeberische Ziel ab, über alle Branchen und Betriebsgrößen die Beteiligung aller großen, mittleren und kleinen Unternehmen und Betriebe zu sichern (Rz. 106). 36 BVerwG v. 26.6.2002 – 6 C 21/01 zur HwO; OVG Nordrhein-Westfalen v. 27.6.2013 – 16 A 813/11; Rieger in Kluth (Hrsg.), Die IHK-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017, 96.
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Wahlordnung
Rz. 35 § 5
2. Wahlsystem In der Wahlordnung ist eine Reihe von Grundsatzentscheidungen zum Wahlsys- 32 tem zu treffen, die anschließend auch das Wahlverfahren in seiner konkreten Ausgestaltung beeinflussen. a) Größe der Vollversammlung Die IHK legt in ihrer Wahlordnung zunächst einmal die Zahl der Vollversamm- 33 lungsmitglieder fest37. Die Mitgliederzahl richtet sich erfahrungsgemäß nach der Größe des Kammerbezirks und soll einerseits die regionale Wirtschaftsstruktur abbilden, andererseits aber auch ein überschaubares, arbeitsfähiges Gremium sichern. Deshalb gibt es praktisch, wenn auch nicht rechtlich, eine Obergrenze sowie eine Untergrenze für die Mitgliederzahl der Vollversammlung, was auf die Einteilung in Wahlgruppen und deren Zahl und Größe wiederum zurückwirkt. b) Amtszeit der Vollversammlung Die nächste Entscheidung betrifft die Dauer der Amtszeit der Vollversammlung. 34 Die Wahlordnung muss bestimmen, ob die Wahlen einheitlich für die gesamte Wahlperiode erfolgen oder ob ein Teil der Mitglieder turnusgemäß ausscheidet, so dass jeweils Ergänzungswahlen notwendig sind. Die Wahlordnungen der meisten IHKs sehen eine Amtsperiode von 4 oder 5 Jahren vor, zu der auch einheitlich gewählt wird. Zulässig ist aber auch nach preußischem Vorbild das System der Ergänzungswahlen mit gestaffelten Amtsperioden. So kann die Wahlordnung z.B. bestimmen, dass die Amtsperiode zwar 6 Jahre beträgt, dass aber jeweils die Hälfte der Mitglieder nach 3 Jahren38 oder ein Drittel der Mitglieder nach 2 Jahren ausscheidet und durch Ergänzungswahlen ersetzt wird. Dieses ehemals preußische System hat zwar den Vorteil, die Kontinuität in der Arbeit der Vollversammlung wirksam zu sichern. Wegen der häufigen Ergänzungswahlen ist es heute kaum noch gebräuchlich. Bei einer einheitlichen IHK-Wahl für eine einheitliche Amtsperiode von 4 oder 35 5 Jahren hat es sich bei einigen IHKs auch bewährt, in der Wahlordnung einen kalendermäßig festen Termin für den Beginn der Amtszeit vorzusehen und diese Amtszeit damit vom Zeitpunkt der IHK-Wahl und der Feststellung des Wahlergebnisses unabhängig zu machen. Zweckmäßig kann es sein, die Amtszeit der neuen Vollversammlung am 1. Januar beginnen zu lassen. Die IHK-Wahl kann 37 Teilweise wird die Anzahl der Mitglieder bereits in der Satzung der IHK festgelegt, dann ist die Wiederholung in der Wahlordnung deklaratorischer Natur. Gleiches gilt für die Festlegung der Anzahl von unmittelbar gewählten und mittelbar hinzugewählten Mitgliedern der Vollversammlung. 38 Dieses System findet derzeit in der HK Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven Anwendung.
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§ 5 Rz. 35 Wahl zur Vollversammlung dann im zweiten Halbjahr des Vorjahres stattfinden. Die neugewählte Vollversammlung konstituiert sich dann nach dem 1. Januar. Bei dieser Regelung können die gewählten Mitglieder der neuen Vollversammlung ab 1. Januar ihre Rechte wahrnehmen, jedoch nicht vorher; auch mittelbare Wahlen zur Vollversammlung können nicht vorgezogen werden, da sie eine konstituierende Sitzung der Vollversammlung voraussetzen und diese erst nach Beginn der Wahlperiode zulässig ist. Gleichermaßen zweckmäßig ist auch eine Regelung in der Wahlordnung, nach der das Mandat mit der konstituierenden Sitzung beginnt und mit der konstituierenden Sitzung der nächsten Vollversammlung endet. 36
Die Amtszeit der Vollversammlung kann durch eine Änderung der Wahlordnung für die Zukunft verlängert oder auch verkürzt werden. Ebenso kann die IHK zu einem anderen Wahlsystem übergehen, beispielsweise von der früheren preußischen Turnuswahl mit Ergänzungswahlen (alle zwei oder drei Jahre) zu einer durchgehenden einheitlichen Wahlperiode von vier oder fünf Jahren. Bei einer solchen Änderung der Wahlordnung ist jedoch zu beachten, dass die Mandate der gewählten Vollversammlungsmitglieder jenseits einer entsprechenden gesetzlichen Regelung satzungsrechtlich nicht verkürzt werden dürfen und dass auch nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verlängerung der laufenden Wahlperiode der amtierenden Vollversammlung zulässig ist. Hier handelt es sich um eine verfassungsrechtlich bedeutsame Frage39. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach entschieden, dass dem Wahlberechtigten das Wahlrecht nicht auf einem in der Verfassung nicht vorgesehenem Wege entzogen oder verkürzt werden darf und dass die Hinausschiebung fälliger Wahlen eine solche Beeinträchtigung des Wahlrechts ist40. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat eine Verlängerung der laufenden Amtszeit der Kommunalvertretungen aus den gleichen Gründen wie das Bundesverfassungsgericht beanstandet, jedoch die Möglichkeit von Ausnahmen zugelassen41. Derartige Ausnahmen kommen dort in Frage, wo Zwangslagen und Übergangssituationen eine befristete Verlängerung von Amtszeiten erforderlich machen, so vor allem, wenn in absehbarer Zeit Reformen der Staats- und Verwaltungsorganisation anstehen, die kurzfristig zur Neuwahl von Vertretungskörperschaften und Organen führen würden. Deshalb sind bei der Kreisreform in Baden-Württemberg die Amtszeiten der Kreistage durch Gesetz kurzfristig verlängert worden42, in Nordrhein-Westfalen aus Anlass der kommunalen Neugliederung die Wahlzeiten von Gemeinde- und Kreisvertretungen durch ein sog. Vor-
39 Vgl. hierzu Krüger, Verfassungsrechtliche Einschränkung von Wahlrechtsänderungen, NJW 1956, 246. 40 BVerfG v. 16.2.1983 – 2 BvE 1/83, 2 BvE 2/83, 2 BvE 3/83, 2 BvE 4/83, BVerfGE 62, 1; BVerfG v. 25.8.2005 – 2 BvE 4/05, 2 BvE 7/05, BVerfGE 114, 121. 41 BayVerfGH v. 28.2.1978 – Vf. 6-VII-78, VerfGH 11, 1, BayVBl 1978, 269, 276. 42 Gesetz zur Vorbereitung der Kreisreform v. 8.12.1970, GBl. Ba.-Wü. 497; dazu StGH BW v. 25.4.1975 – GR 6/74, DÖV 1975, 85.
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Wahlordnung
Rz. 36 § 5
schaltgesetz43. Im Bereich der Kammerorganisationen war die Verlängerung von Amtszeiten bei der Umbildung der Kammern aus Anlass des Inkrafttretens der Handwerksordnung und des IHKG zugelassen44. Schließlich wurde von dieser Ausnahmemöglichkeit auch bei der Neuordnung der Kammerbezirke Gebrauch gemacht. So wurde bei der Kammerbezirksreform in Baden-Württemberg gem. § 5 der Verordnung vom 14.12.197145 eine Übergangsvollversammlung gebildet, deren Mandat erst mit der Wahl der ersten „neuen“ Vollversammlung endete. Eine ähnliche Lösung hat Nordrhein-Westfalen bei der Neugliederung der Kammerbezirke in § 3 Abs. 4 der Verordnung vom 1.3.197746 getroffen. Zuletzt wurde bei der Fusion der IHKs in Bremen zur Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven ebenfalls durch Gesetz eine Übergangsvollversammlung vorgesehen47. Schließlich ist hier der Zusammenschluss zur IHK Hannover-Hildesheim zu erwähnen, wo durch Beschlüsse der beiden dabei noch selbständigen Vollversammlungen eine ähnliche Verlängerung der Amtszeiten mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde herbeigeführt wurde. Bei der Fusion der IHKs Dillenburg und Wetzlar zur IHK Lahn-Dill wurden durch Rechtsverordnung mit der Auflösung der fusionierten IHKs auch eine Auflösung der jeweiligen Vollversammlungen und damit eine Verkürzung der Amtszeit aus Anlass der Fusion angeordnet. Auf dieser Grundlage wurden direkt vor dem Inkrafttreten der Fusion in beiden IHKs die Mitglieder der neuen Vollversammlung gewählt, die sich unmittelbar nach der Fusion zur Vollversammlung der neuentstandenen IHK konstituiert haben. Eine Übergangsvollversammlung war dadurch nicht notwendig. Alle dargestellten Einzelmaßnahmen, insbesondere die Amtszeitverlängerungen, haben also die Erleichterung von Neuordnungen zum Ziel und widersprechen nicht dem Rechtsstaatsprinzip, wenn nachgewiesenermaßen eine besondere Zwangslage oder Übergangssituation vorliegt. Um welche Zeitdauer ggf. Amtszeiten von Organen der IHK zu verlängern sind, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen. Je mehr eine Reform auf lange Geltungsdauer und weitgreifende Wirkungen abgestellt ist, desto länger wird auch eine Übergangslösung im Bereich der Kammern auszudehnen sein. Die Verlängerung der Wahlzeit und damit der Amtsperiode der amtierenden Vollversammlung kann, wenn sie nicht durch staatliche Rechtssetzung erfolgt wie bei den Neugliederungs-Verordnungen, durch die IHK selbst durch statutarischen Beschluss der Vollversammlung, am besten durch eine entsprechende Änderung der Wahlordnung geschehen, wofür die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist. 43 Gesetz zur vorübergehenden Neuregelung von Einzelfragen aus Anlass der kommunalen Neugliederung v. 16.7.1969, GVBl. NW 530; dazu VerfGH NW v. 4.7.1970 – 2/70, DVBl. 1971, 502. 44 § 121 Abs. 1 Satz 3 HwO; § 10 Satz 2 IHKG. 45 GVBl. 513. 46 GVBl. NW 95. 47 § 7 Gesetz über die Industrie- und Handelskammer im Lande Bremen v. 6.5.1958, Brem.GBl. S. 47, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG v. 24.6.2014, Brem.GBl. S. 316.
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§ 5 Rz. 37 Wahl zur Vollversammlung 37
Während eine Verlängerung der Amtszeit also ausnahmsweise zulässig ist, ist eine Verkürzung der Wahlzeit amtierender Vollversammlungen – abgesehen von Ausnahmesituationen, in denen der Gesetz- oder Verordnungsgeber dies bestimmt48, nur mit Zustimmung aller Vollversammlungsmitglieder möglich. Sie müssen alle zum gleichen Zeitpunkt ihr Mandat niederlegen, damit eine Neuwahl zwingend erforderlich wird49. Diese Notwendigkeit ergibt sich beispielsweise, wenn der Übergang von turnusmäßigen Ergänzungswahlen zu einer einheitlichen Wahlperiode beschlossen wird, weil sonst die Umstellung in den Mandaten zu schwierig und kompliziert wird und sich auch zu lange hinzieht. c) Persönlichkeitswahl
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Schließlich ist für die unmittelbare Wahl der Vollversammlungsmitglieder vorzusehen, ob eine Persönlichkeitswahl oder ob Listenwahlen stattfinden. Beides ist zulässig, beeinflusst aber die Folgevorschriften und insbesondere das Wahlverfahren. In der Praxis haben sich alle IHKs für die Persönlichkeitswahl nach dem Prinzip der relativen Mehrheitswahl entschieden; die Bewerber mit den meisten Stimmen sind gewählt. Das entspricht am besten dem Charakter einer Selbstverwaltungskörperschaft und gibt den wahlberechtigten Kammerzugehörigen auch größeren Einfluss auf die Zusammensetzung der Vollversammlung; jedes Mitglied kann die von ihm bevorzugten Bewerber aus einer Bewerberliste auswählen, in der sämtliche Wahlvorschläge alphabetisch zusammengefasst worden sind. Im Hochschulrecht ist diese Form der Persönlichkeitswahl sogar bindend50.
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Diese Entscheidung der Wahlordnungen für die Persönlichkeitswahl beeinflusst wiederum die Form, in welcher Vollversammlungsmitglieder, die vorzeitig aus ihrem Amt ausscheiden, ersetzt werden. Bei der Persönlichkeitswahl tritt als Nachfolgemitglied in die Vollversammlung derjenige Bewerber ein, der bei seiner Wahl in der gleichen Wahlgruppe (und – soweit vorhanden – auch im gleichen Wahlbezirk) nach dem ausscheidenden Mitglied die höchste Stimmenzahl erhalten hat. Bei gleich hohen Stimmzahlen entscheidet das Los, wie es die Wahlordnung vorsieht. Eine Ersatzwahl kommt bei der Persönlichkeitswahl nur in Frage, falls kein Nachfolgemitglied mehr vorhanden ist oder die Wahlordnung ein Nachrücken nicht vorsieht. Für diese Ersatzwahl sehen die Wahlordnungen in der Regel eine mittelbare Wahl vor, wonach für die restliche Dauer der Wahlperiode die Vollversammlung im Wege der mittelbaren Wahl ein Nachfolgemitglied nachwählt. Dieses Nachfolgemitglied muss der Wahlgruppe und dem Wahlbezirk des ausge48 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 1952, 18; so auch bei der Fusion zur IHK LahnDill 2007/2008 Rz. 33. 49 Soweit die Wahlordnung das Nachrücken von Kandidaten für den Fall des Ausscheidens von unmittelbar gewählten Mitgliedern der Vollversammlung vorsieht, ist auch insoweit ein Verzicht erforderlich. 50 BVerwG v. 23.10.1996 – 6 C 14/94, BVerwGE 102, 151.
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Wahlordnung
Rz. 41 § 5
schiedenen Vollversammlungsmitglieds angehören. Die Wahlordnung bestimmt auch, welche Zahl von Vollversammlungsmitgliedern den Vorschlag für eine solche Ersatzwahl einzubringen hat, wobei ein ausschließliches Vorschlagsrecht des Präsidiums dabei zu restriktiv wäre. Es handelt sich bei der Ersatzwahl um einen besonderen Fall der mittelbaren Wahl, bei der die verbleibenden unmittelbar gewählten Vollversammlungsmitglieder als Wahlpersonen für das Nachfolgemitglied fungieren. Genauso kann die Wahlordnung aber auch eine unmittelbare Wahl als Ersatzwahl vorsehen, die dann zeitnah zu erfolgen hat und nach den allgemeinen Vorschriften für die unmittelbare Wahl durchgeführt wird. Auf beiden Wegen wird sichergestellt, dass die Wahlgruppeneinteilung der Vollversammlung und damit die Spiegelbildlichkeit der Vollversammlung zur Wirtschaft des Kammerbezirks erhalten bleiben. Ein Entscheidungsrecht, ob überhaupt eine Ersatzwahl durchgeführt wird, soweit kein Nachfolgemitglied zur Verfügung steht, hat die Vollversammlung dagegen nicht, da erst mit der Ersatzwahl die Vollständigkeit und Spiegelbildlichkeit der Vollversammlung wiederhergestellt wird. d) Mittelbare Wahl Schließlich muss die Wahlordnung eine Entscheidung darüber treffen, ob die Wahl zur Vollversammlung ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar durchgeführt wird.
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Das IHKG sieht in dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 eine unmittelbare Wahl nicht 41 zwingend vor51. Zunächst war die Zulässigkeit einer Zuwahl oder einer mittelbaren Wahl umstritten, da das frühere Kammerrecht die Zuwahl ausdrücklich zuließ52, § 5 IHKG dazu aber keine Regelung enthält. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 3.9.196353 ein gemischtes System von unmittelbarer und mittelbarer Wahl in der Weise zugelassen, dass für eine in der Wahlordnung festgelegte Anzahl weiterer Vollversammlungsmitglieder die unmittelbar gewählten Mitglieder der Vollversammlung als Wahlpersonen fungieren können. Eine solche Regelung könne durchaus sachgerecht sein, „um so die Ergänzung dieses Organs durch Vertreter solcher für das Bild des Kammerbezirks bedeutsamen Wirtschaftszweige zu ermöglichen, die über das Wahlgruppenverfahren keinen Sitz in der Vollversammlung erreichen können“54. Andererseits darf aber diese mittelbare Wahl nicht so ausgeweitet werden, dass die in § 5 Abs. 3 Satz 2 zum Ausdruck gekommene Verpflichtung, die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen zu berücksichtigen, in Frage gestellt wird. Als Obergrenze werden allge-
51 52 53 54
BVerwG v. 3.9.1963 – 1 C 113.61 Rz. 15, BVerwGE 16, 312, GewArch 1964, 70. Vgl. 4. Aufl., 188. BVerwG v. 3.9.1963 – 1 C 113.61, BVerwGE 16, 312. BVerwG v. 3.9.1963 – 1 C 113.61, BVerwGE 16, 312.
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§ 5 Rz. 41 Wahl zur Vollversammlung mein 20 % der Gesamtzahl der Mitglieder der Vollversammlung angesehen55, ohne dass es dafür eine feste Grenze gibt, soweit die Wahlordnung selbst nicht eine solche festlegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der mittelbaren Wahlen Ersatzwahlen betrifft, bei denen kein Nachrücker mehr vorhanden ist und die eine andere Funktion als die Zuwahlen (Kooptationen) haben56. 42
Regelmäßig haben die IHKs daher in ihren Wahlordnungen vorgesehen, dass eine bestimmte Anzahl von Vollversammlungssitzen durch eine solche mittelbare Zuwahl (Kooptation) besetzt werden kann. Diese durch Zuwahl (Kooptation) zu besetzenden Sitze müssen jedoch in der Wahlordnung bereits in gleicher Weise wie die in unmittelbarer Wahl zu besetzenden Sitze den Wahlgruppen zugeordnet werden57. Diese am Wortlaut bleibende restriktive Auslegung von Abs. 3 Satz 2 nimmt einen Teil der Vorteile der Zuwahl58. Da die Anzahl der durch Zuwahl zu besetzenden Sitze in der Vollversammlung limitiert ist (siehe Rz. 38), muss bereits bei der Wahlgruppeneinteilung in der Wahlordnung antizipiert werden, in welcher Wahlgruppe ein Kooptationsbedarf entstehen kann. Bei der Präzisierung von Satz 2 war lediglich an die unmittelbare Wahl gedacht worden. Insoweit ist sowohl vom Zweck als auch vom Wortlaut der Norm die Zuordnung auch nur auf die Wahlgruppe zu beschränken. Weitere Unterteilungen innerhalb der Wahlgruppe, die die Wahlordnung vorsehen kann, wie Wahlbezirke oder Betriebsgrößen, müssen nicht berücksichtigt werden. Da der konkrete Bedarf für eine Ergänzung der Vollversammlung durch die Zuwahl vorab nicht feststeht, wird in den Wahlordnungen nur eine Höchstzahl für die mittelbar zuzuwählenden Vollversammlungsmitglieder in der jeweiligen Wahlgruppe angegeben, um der Vollversammlung (als Wahlpersonengremium) die Möglichkeit zu geben, nach Bedarf davon Gebrauch zu machen und nicht alle Sitze dieser Art sofort zu besetzen. Daraus ergibt sich dann aber auch, dass die mittelbare Zuwahl nicht in der konstituierenden Sitzung einer neugewählten Vollversammlung erfolgen muss, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt im Laufe der Amtsperiode der Vollversammlung je nach Bedarf durchgeführt werden kann.
55 Für die Gesamtzahl der mittelbar gewählten Mitglieder orientiert sich die Praxis am Rechtsgedanken der Regelung in § 93 Abs. 4 HwO, wonach satzungsrechtlich vorgesehen werden kann, dass sich die Vollversammlung der Handwerkskammer bis zu einem Fünftel der Mitgliederzahl durch Zuwahl um sachverständige Personen ergänzen kann. 56 Siehe dazu auch Rieger, Die mittelbare Zuwahl (Kooptation) und ihre Bedeutung im Wahlrecht der Industrie- und Handelskammern, GewArch 2016, 406, 407 f. 57 BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14 Rz. 27, BVerwGE 152, 204, GewArch 2015, 1610. 58 Kritisch Rieger, Die mittelbare Zuwahl (Kooptation) und ihre Bedeutung im Wahlrecht der Industrie- und Handelskammern, GewArch 2016, 406, 410.
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Wahlordnung
Rz. 45 § 5
Damit ist eine Rechtsgrundlage für die Fälle geschaffen, in denen die in Form der 43 mittelbaren Wahl durchgeführte „Zuwahl“ sachliche Vorteile bietet59. Es kann sich darum handeln, für den Kammerbezirk im besonderen Maße repräsentative Unternehmer60 für die Mitarbeit in der Vollversammlung zu gewinnen, aber auch darum, in der Vollversammlung die Vertretung kleiner, aber wichtiger Branchen zu sichern, die bei der Wahlgruppeneinteilung keine eigene Wahlgruppe erhalten haben und in ihrer größeren Wahlgruppe nicht zum Zuge kommen. Ebenso können auf diese Weise Gewichtsverschiebungen zwischen den Wahlgruppen ausgeglichen werden, die noch keine Änderung der Sitzverteilung in der Vollversammlung und damit eine Änderung der Wahlordnung rechtfertigen. Insgesamt kann also diese Form der mittelbaren Wahl dazu beitragen, die Spiegelbildlichkeit der Vollversammlung, wie sie § 5 Abs. 3 Satz 2 vorschreibt, weiter zu verfeinern und zu verbessern. Eine andere Form der mittelbaren Wahl findet sich bei einigen bayerischen In- 44 dustrie- und Handelskammern. Die Vollversammlungen dieser bayerischen Industrie- und Handelskammern werden über die Industrie- und Handelsgremien, also mittelbar gewählt. Die bayerischen IHKs haben in ihren Statuten weitgehend die traditionelle Regionalinstanz der Industrie- und Handelsgremien beibehalten. Teilweise gehören deren Vorsitzende (und ggf. weitere Mitglieder) der Vollversammlung kraft Amtes an, in einigen IHKs wählen diese Gremien dann die Mitglieder der Vollversammlung61. Da jedes Mitglied der Gremialversammlung von den Kammerzugehörigen im Gremialbezirk unmittelbar gewählt wird und außerdem die Gremialmitglieder für die aus ihrer Mitte in die Vollversammlung zu entsendenden Vorsitzenden bzw. zu wählenden Mitglieder als Wahlpersonen anzusehen sind, entspricht diese mittelbare Wahl ebenfalls den Voraussetzungen des § 5 IHKG. Wesentlich ist in allen Fällen der mittelbaren Wahl, dass die Mitglieder der Voll- 45 versammlung (in Bayern teilweise die Mitglieder der Industrie- und Handelsgremien), die als Wahlpersonen die mittelbare Wahl ausüben, ein Mandat hierfür von ihren Wählern erhalten haben. Es steht also die „echte“ Zuwahl, d.h. eine Zuwahl, die die unmittelbar gewählten Vollversammlungsmitglieder vornehmen, ohne ein ausdrückliches Mandat als Wahlpersonen von den Kammerzugehörigen er59 Siehe auch Rieger in Kluth (Hrsg.), Die IHK-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.7.2017, 95 f. 60 Hierbei geht es nicht um eine besondere Persönlichkeit, die um ihrer Person selbst gewählt werden soll. Dies wäre unzulässig, siehe BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14 Rz. 30, BVerwGE 152, 204, GewArch 2015, 452. Vielmehr geht es um einen Aspekt der regionalen Wirtschaft, der in der Vollversammlung noch nicht abgebildet ist, durch das von der zur Wahl stehenden Person vertretene Unternehmen jedoch ergänzt werden kann. 61 Aktuell wird noch in der IHK Schwaben in Augsburg und in der IHK für Oberfranken in Bayreuth die Vollversammlung ausschließlich in diesem zweistufigen Verfahren gewählt.
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§ 5 Rz. 45 Wahl zur Vollversammlung halten zu haben, in Widerspruch zu § 5 Abs. 1. Eine Wahlordnung, die eine solche „echte“ Zuwahl ermöglicht, würde nicht die nach § 11 Abs. 2 erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung erhalten. Es ist deshalb nicht möglich, im Laufe einer Amtsperiode die mittelbare Wahl einzuführen und auch sofort durchzuführen; zunächst muss – aufgrund der geänderten Wahlordnung – eine Neuwahl zur Vollversammlung erfolgen, weil erst die auf dieser neuen Grundlage gewählten Vollversammlungsmitglieder auch den Wählerauftrag als Wahlpersonen für die mittelbare Wahl bekommen. Darin liegt der entscheidende rechtliche Unterschied zur „echten“ Zuwahl, wie sie früher Landeskammergesetze kannten. Gleichzeitig dürfen nur die unmittelbar gewählten Vollversammlungsmitglieder als Wahlpersonen tätig werden62. Die bis zu diesem Zeitpunkt bereits mittelbar gewählten Vollversammlungsmitglieder dürfen sich an der Zuwahl nicht beteiligen63. Das fehlende Mandat als Wahlperson für die mittelbare Wahl ist der einzige Unterschied der mittelbar gewählten zu den unmittelbar gewählten Vollversammlungsmitgliedern. 46
Die Gültigkeit einer solchen mittelbaren Wahl, sei es durch die unmittelbar gewählten Vollversammlungsmitglieder oder in Bayern die Gremialmitglieder als Wahlpersonen, darf von keinen weiteren Bedingungen abhängig gemacht werden. Beispielsweise ist es nicht zulässig, die mittelbare Wahl an die Zustimmung eines anderen Organs, etwa des Präsidiums, zu binden oder allein dem Präsidium ein Vorschlagsrecht zu geben. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die gewählten Mitglieder der Vollversammlung in ihrer Eigenschaft als Wahlpersonen eine Persönlichkeit zuwählen, die bei einer vorher durchgeführten unmittelbaren Wahl kein Mandat erhalten hat64. In einer solchen Zuwahl läge, wenn nur die in § 5 Abs. 3 Satz 2 geforderte „Spiegelbildlichkeit“ für die Zusammensetzung der Vollversammlung gewahrt bleibt, keine Verfälschung des Wählerwillens; jedenfalls ebenso wenig, wie wenn eine Persönlichkeit zugewählt wird, die von den Vorschlagsberechtigten für die unmittelbare Wahl überhaupt nicht vorgeschlagen worden war65. Es wäre auch rechtlich bedenklich und im Ergebnis unerwünscht, wenn eine wählbare Person sich der unmittelbaren Wahl nicht stellen dürfte, um die Möglichkeit aufrecht zu erhalten, anschließend mittelbar hinzugewählt werden zu können.
62 BVerwG v. 3.9.1963 – 1 C 113.61, BVerwGE 16, 312, GewArch 1964, 70. 63 Groß, Wahl zur Vollversammlung, 87. 64 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378 unveröffentlichter Teil der Gründe S. 21; s. auch dazu Groß/Rickert, GewArch 2003, 359. 65 Groß, Wahl zur Vollversammlung, 89; Groß/Rickert, GewArch 2003, 359.
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Wahlordnung
Rz. 48 § 5
3. Wahlgruppen a) Grundsätze für die Bildung von Wahlgruppen § 5 Abs. 3 Satz 2 schreibt zwingend vor, dass die Wahlordnung die Kammerzuge- 47 hörigen in Wahlgruppen aufzuteilen hat, welche die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks sowie die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen berücksichtigen. Daraus ergibt sich wiederum, dass die in unmittelbarer und in mittelbarer Wahl zu besetzenden Vollversammlungssitze auf die gebildeten Wahlgruppen zu verteilen sind66. Bei der Bildung der Wahlgruppen besitzt die IHK-Vollversammlung als Satzungsgeber einen weitreichenden Gestaltungsspielraum (siehe auch Rz. 54). Dieser Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers, der teilweise auch als normatives Gestaltungsermessen bezeichnet wird, ist Ausdruck des Selbstverwaltungsrechtes und kann nur auf Willkürfreiheit geprüft werden. Darüber hinaus ist auch eine Einteilung des Kammerbezirks in Wahlkreise und die Verteilung der Sitze auf diese zulässig. Diese Einteilung ist jedoch nur bei entsprechend großen Wahlgruppen möglich, da die regionale Komponente nicht als eigenständiges Verteilungskriterium, sondern nur als verfeinerndes Kriterium zur Umsetzung der gesetzlich angeordneten Berücksichtigung der wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks verwendet werden darf67. Die gesetzliche Vorgabe der Zuordnung der Sitze bezieht sich jedoch nur auf die Wahlgruppen, weshalb auch bei einer Zuordnung der in unmittelbarer Wahl zu besetzenden Sitze auf Wahlbezirke oder andere Untergliederungen innerhalb einer Wahlgruppe die in mittelbarer Wahl zu besetzenden Sitze lediglich den Wahlgruppen ohne weitere Untergliederung zugeordnet werden können. Es findet also eine Gruppenwahl statt, bei der jede Wahlgruppe und gegebenenfalls jeder Wahlbezirk seine Bewerber für die vorgesehenen Vollversammlungssitze wählt. Der Sinn dieser Gruppenwahl liegt darin, die Vollversammlung zu einem Spiegelbild der tatsächlichen Wirtschaftsstruktur des Kammerbezirks zu machen. Die bindende Anordnung des Gesetzes über die Aufteilung der Kammerzugehörigen in Wahlgruppen beschränkt daher auch das Wahlrecht auf die eigene Wahlgruppe. Eine Wahl der Kandidaten durch alle Kammerzugehörigen über die eigene Wahlgruppe hinaus ist somit unzulässig. Zulässig wäre aber eine Kandidatur in einer anderen Wahlgruppe, soweit die Wählbarkeit überhaupt vorliegt und die Wahlordnung dies zulässt68. Wenn auch bei den Wahlen zur Vollversammlung jeder Kammerzugehörige wahl- 48 berechtigt ist, so sind damit die Stimmen nicht ohne weiteres gleichwertig. Die Vollversammlung soll nicht das rechnerische Ergebnis aus der Anzahl der abgegebenen Stimmen, sondern ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Komponenten 66 BVerwG v. 16.6.2015 – 10 C 14.14 Rz. 27, BVerwGE 152, 204, GewArch 2015, 452. 67 BVerwG v. 26.6.2002 – 6 C 21.01, GewArch 2002, 432. 68 Bei der mittelbaren Wahl sind immer alle unmittelbar gewählten Mitglieder der Vollversammlung Wahlpersonen, unabhängig von ihrer Wahlgruppenzugehörigkeit.
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§ 5 Rz. 48 Wahl zur Vollversammlung des Kammerbezirks darstellen und diesen Bezirk sowohl in seinen räumlichen Besonderheiten als auch in seinen spezifischen Wirtschaftskräften zum Ausdruck bringen69. Würde die Stimme jedes Kammerzugehörigen in gleicher Weise gewertet, so könnte der Fall eintreten, dass Wirtschaftszweige, die zwar das Schwergewicht der Wirtschaft im Bezirk darstellen, aber zahlenmäßig nur schwach vertreten sind, in der IHK gar nicht zu Wort kommen. Das Gleiche könnte innerhalb einer Branche hinsichtlich der Betriebsgröße geschehen, wodurch eine Betriebsgröße fehlen oder die Vollversammlung fast ausschließlich nur aus Vertretern einer Betriebsgröße bestehen könnte. Beide Fälle wären nicht spiegelbildlich. Vielmehr bedarf es auch institutioneller Vorkehrungen dafür, dass die betroffenen Interessen über alle Branchen und Betriebsgrößen angemessen berücksichtigt und nicht die gewerbliche Tätigkeit völlig unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung berücksichtigt wird70. Deshalb hat sich auf der Grundlage der alten Landesvorschriften71 die Praxis der IHKs dahin gebildet, die Wahl getrennt nach Wirtschaftsgruppen, ggf. noch unter bezirklicher Aufgliederung, durchzuführen. Die Angehörigen jeder Gruppe wählen also gemeinsam innerhalb der Gruppe die auf sie entfallenden Mitglieder. Es ist klar, dass bei einer solchen Gruppenwahl die Stimmen der wahlberechtigten Kammerzugehörigen nicht in allen Wahlgruppen das gleiche Gewicht haben72, sondern nur innerhalb ihrer eigenen Wahlgruppe auch der Erfolgswert der Stimme gleich ist. In kleinen Wahlgruppen genügen wenige Stimmen, in großen Wahlgruppen bedarf es einer hohen Stimmenzahl, um gewählt zu werden. 49
Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu politischen Wahlen bei den Gebietskörperschaften, dagegen eine deutliche Parallele zu den Gruppenwahlen in zahlreichen anderen Bereichen. Während bei politischen Wahlen nach dem Prinzip der Verhältniswahl jede Wählerstimme den gleichen Zähl- und auch Erfolgswert haben muss, genügt beim Mehrheitswahlrecht der gleiche Zählwert73. Erst recht führt die Gruppenwahl in unterschiedlich gewichteten Wahlgruppen zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der Stimmen74. Solche Gruppenwahlen mit unterschiedlichem Erfolgswert der Stimmen sind aus dem Personalvertretungsgesetz75 und aus der Wirtschaftsprüferordnung für die Wahl zum Beirat der Wirtschafts-
69 70 71 72 73
So auch OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 106, 114, 121, 123. § 10 Pr. IHK-Ges.; § 20 Bayer. IHK-VO. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 123. BVerfG v. 5.4.1952 – 2 BvH 1/52, BVerfGE 1, 208, 244; BVerfG v. 22.5.1963 – 2 BvC 3/62, BVerfGE 16, 130, 139; BVerfG v. 11.10.1972 – 2 BvR 912/71, BVerfGE 34, 81, 98; BVerfG v. 15.2.1978 – 2 BvR 134/76, 2 BvR 268/76, BVerfGE 47, 253, 277; st. Rspr. 74 BVerfG v. 29.5.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72, BVerfGE 35, 79, 134 und BVerfG v. 9.4.1975 – 1 BvL 6/74, BVerfGE 39, 247, 254 zum Hochschulrecht. 75 §§ 5 und 17 Abs. 3 BPersVG.
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prüferkammer76 sowie aus Landwirtschaftskammergesetzen77 bekannt. Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht haben sich mehrfach damit befasst78. Auch speziell für die Wahl zur Vollversammlung der IHK hat das Bundesverfassungsgericht die Gruppenwahl mit dem unterschiedlichen Erfolgswert der Stimmen als sachgerecht und zulässig angesehen79. Dass nach dem Gesetz die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks 50 und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Gewerbegruppen zu berücksichtigen sind, verpflichtet die Vollversammlung, sich in der Wahlordnung nicht schematisch an bestimmte Gesichtspunkte – wie etwa an die Anzahl der jeweiligen Betriebe oder auch die Summe ihrer IHK-Beiträge oder Gewerbeerträge – zu binden, sondern sie nach ihrer Bedeutung für die Wirtschaft des Kammerbezirks zu wägen. Auch Umsätze und Arbeitnehmerzahl können berücksichtigt werden, soweit darüber statistische Daten bis auf die Ebene des Kammerbezirks vorliegen. Am besten hat sich eine Kombination mehrerer Maßstäbe bewährt, um das gesamtwirtschaftliche Gewicht der Gewerbegruppen zu ermitteln. Diese Maßstäbe und ihre Gewichtung müssen jedoch nicht in der Wahlordnung festgeschrieben werden, soweit die Wahlordnung selbst die Aufteilung der Sitze auf die Wahlgruppen und Wahlbezirke enthält80. Die „wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks“ erwarten Berücksich- 51 tigung insbesondere, wenn in Teilen des Kammerbezirks bestimmte Gewerbegruppen dominieren. Die „gesamtwirtschaftliche Bedeutung einzelner Gewerbegruppen“ kann es rechtfertigen, ihnen trotz geringer Anzahl eine relativ starke Vertretung in IHKs zu geben, in deren Bezirk ein Wirtschaftszweig ansässig ist, der für das ganze Bundesgebiet – etwa beim In- oder Export – eine führende Stellung hat. Es wird also die Vollversammlung einer IHK, die stark am Überseehandel beteiligt ist, ganz anders zusammengesetzt sein, als die Vollversammlung einer binnendeutschen IHK, die einen räumlich großen Bezirk mit schwach entwickelter Industrie, dafür aber einen relativ starken Einzelhandelsanteil umfasst. Die Dienstleistungsunternehmen haben überall an Zahl und wirtschaftlicher Bedeutung zugenommen, so dass sie oft nicht nur in einer Wahlgruppe zusammengefasst, sondern teilweise sehr spezialisierte Wahlgruppen geschaffen wurden. Bei der Wahlgruppenbildung sind neben den Branchen auch die Betriebsgrö- 52 ßen zu berücksichtigen, wobei das „Wie“ im Gestaltungsspielraum der Vollversammlung liegt. Das Bundesverfassungsgericht stellt für die Spiegelbildlichkeit 76 § 59 Abs. 3 WPO. 77 § 6 LwKG HA; §§ 4, 5 LwKG NW. 78 BVerfG v. 19.12.1994 – 2 BvL 8/88, BVerfGE 91, 367; BVerfG v. 30.4.1996 – 2 BvL 20/94, NVwZ 1997, 261; BVerwG v. 13.6.1957 – II CO 3.56, BVerwGE 5, 118, 120; BVerwG v. 10.10.1957 – II CO 1.57, BVerwGE 5, 263; BVerwG v. 23.10.1970 – VII P 5.70, BVerwGE 36, 174; BVerwG v. 26.10.1977 – VII P 19.76, BVerwGE 55, 17. 79 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 123. 80 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378.
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§ 5 Rz. 52 Wahl zur Vollversammlung auf Branchen und Betriebsgrößen gleichermaßen ab81 und betont wiederholt, dass es institutioneller Vorkehrungen für eine angemessene Berücksichtigung der betroffenen Interessen bedarf82, die verhindern, dass die gewerbliche Tätigkeit völlig unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung im Kammerbezirk berücksichtigt wird83, und vermeiden, dass die Vollversammlung von zahlreichen Einzelinteressen ohne Berücksichtigung wirtschaftlich bedeutender Unternehmen geprägt wird84. Die Betriebsgrößen können bereits durch die konkrete Wahlgruppeneinteilung berücksichtigt sein85. Möglich ist aber auch eine Unterteilung einer Wahlgruppe für eine Branche nach Betriebsgrößen86. 53
Eine eigene Wahlgruppe für die nicht im Handelsregister eingetragenen Unternehmen wird verschiedentlich jedoch kritisch gesehen. Während teilweise eine eigene Wahlgruppe für die nicht im Handelsregister eingetragenen Unternehmen rechtlich für unzulässig gehalten wird87, wurde allerdings auch eine entsprechende Regelung von der Rechtsaufsicht genehmigt88. Für die rechtliche Bewertung ist die konkrete Begründung und Ausgestaltung von Bedeutung. Ist das entsprechend der Begründung angestrebte Ziel im Rahmen von § 5 Abs. 3 rechtlich zulässig und ist die satzungsrechtliche Ausgestaltung auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen, ist eine solche Regelung zulässig. Mit der rechtlichen Zulässigkeit verknüpft und daher in Bezug auf das angestrebte Ziel mitzubetrachten ist die Frage der praktischen Eignung der Eintragung in das Handelsregister als Kriterium für die Betriebsgröße. Mit dem Handelsrechtsreformgesetz, das am 1.7.1998 in Kraft getreten ist89, besteht zwar weiterhin die Eintragungspflicht für Unternehmen einer bestimmten Größe, allerdings gibt es umgekehrt nach § 2 HGB auch für kleine Unternehmen ein Eintragungsrecht. Mit dem Gesetz zur Modernisie81 82 83 84 85
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BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 106. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 114, 121. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 123. BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 123. So kann z.B. eine Unterteilung in eine Wahlgruppe für Kreditinstitute und eine für Finanzdienstleister oder eine Wahlgruppe für Versicherungsunternehmen sowie eine für Versicherungsmakler und -vertreter bereits die Unterteilung nach Betriebsgrößen enthalten. Denkbar wäre z.B. die Unterteilung einer Wahlgruppe Industrie oder einer Wahlgruppe Dienstleistungen nach kleinen sowie nach mittleren und großen Unternehmen oder auch nach kleinen und mittleren sowie nach großen Unternehmen. Eine solche Unterteilung kann bereits auf der Ebene des aktiven Wahlrechts erfolgen, wodurch getrennte Wahlgruppen entstehen. Diese Unterteilung kann aber auch auf das passive Wahlrecht beschränkt werden, wodurch es bei einer Wahlgruppe bleibt, in der alle Wahlberechtigten auch alle Kandidaten wählen können, jedoch die Kandidaten selbst nur für Sitze ihrer Betriebsgröße kandidieren und gewählt werden können. Groß, Wahl zur Vollversammlung, 73. In Hessen wurde die Wahlordnung einer IHK mit einer entsprechenden Regelung von der Rechtsaufsicht genehmigt. BGBl. I 1998, 1474.
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rung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen90 ist darüber hinaus auch mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) eine Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung speziell für kleine Unternehmen bzw. Existenzgründer geschaffen worden, die mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht. Das spricht dafür, dass aus dem bloßen Umstand der HR-Eintragung für das Kriterium der Betriebsgröße wenig herzuleiten ist91. Anders könnte diese Frage dann bewertet werden, wenn in der Vollversammlung eine ausreichende Vertretung der kleinen Unternehmen im Ergebnis nicht gewährleistet war. Um den Anteil an kleinen Unternehmen in der Vollversammlung zu erhöhen, kann eine solche Einteilung nach der Eintragung im Handelsregister geeignet und damit zulässig sein. Umgekehrt erscheint die Einteilung nach der Eintragung in das Handelsregister für eine ausreichende Berücksichtigung von mittleren und großen Unternehmen – wie dargestellt – kein hinreichendes Kriterium. Daher würde allein eine solche Wahlgruppe für nicht in das Handelsregister eingetragene Unternehmen die Berücksichtigung der Betriebsgröße hinsichtlich der mittleren und großen Unternehmen bei der Wahlgruppeneinteilung noch nicht ausreichend sicherstellen. Die Abgrenzung der Wahlgruppen in der Wahlordnung bedient sich überall der 54 Begriffe, die das Statistische Bundesamt für die Klassifikation der Wirtschaftszweige92 benutzt. Diese Klassifikation berücksichtigt die Vorgaben der Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft93, die mit der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.200694 veröffentlicht wurde. Die Zustimmung der Europäischen Kommission gemäß Art. 4 Abs. 3 der o.g. Verordnung liegt vor. Die Kurzbezeichnungen der Wahlordnung für die einzelnen Wirtschaftsgruppen sind deshalb eindeutig und führen zu einer genauen Zuordnung der kammerzugehörigen Unternehmen nach dem Schwerpunkt ihres Unternehmensgegenstandes. b) Einräumung von Mindestsitzen in den Wahlgruppen In der Praxis der IHKs hat sich aber auch gezeigt, dass die Bildung eigener Wahl- 55 gruppen nicht zu detailliert werden darf. Die Wahlgruppen werden sonst zu klein, die Abgrenzung zwischen ihnen immer schwieriger und das Wahlverfahren insgesamt weniger übersichtlich. Auch birgt eine zu geringe Anzahl an zu besetzenden Sitzen in einer Wahlgruppe einige praktische und auch rechtliche Nachtei-
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BGBl. I 2008, 2026. Groß, Wahl zur Vollversammlung, 73. Ausgabe 2008. NACE Rev. 2. ABl. EG Nr. L 393 S. 1.
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§ 5 Rz. 55 Wahl zur Vollversammlung le95. Hinzu kommt, das bei heterogenen Wahlgruppen hinsichtlich der Betriebsgröße eine weitere Unterteilung ebenso schwierig wird wie bei Flächenkammern die zusätzliche Unterteilung in Wahlbezirke. Nicht nur für jede Wahlgruppe, auch für jede Untergliederung innerhalb einer Wahlgruppe sind getrennte Wahlvorschläge einzureichen und jeweils eigene Bewerber zu wählen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Untergliederung nach Betriebsgröße oder um einen Wahlbezirk handelt. 56
Um auch bei größeren Wahlgruppen ein Höchstmaß an Spiegelbildlichkeit der Vollversammlung zu erreichen, hat sich die Einräumung von Mindestsitzen innerhalb einer Wahlgruppe ebenso eingebürgert wie die weitere Unterteilung der Wahlgruppen nach zusätzlichen Kriterien, insbesondere der Betriebsgröße, wenn diese nicht bereits auf anderem Weg ausreichend berücksichtigt worden ist. Dies dient dem Schutz von zahlenmäßig kleinen Minderheiten, die ihrem wirtschaftlichen Gewicht nach aber für den Kammerbezirk wesentlich sind und deshalb wenigstens mit einem Sitz in der Vollversammlung vertreten sein sollen. Eine solche Bestimmung bei der Verteilung der Vollversammlungssitze hat für die Wahlvorschläge wie für die Feststellung des Wahlergebnisses Konsequenzen. Die Kandidatenliste als Summe aller Wahlvorschläge ist erst dann vollständig, wenn auch eine ausreichende Anzahl an Kandidaten der Minderheit bzw. der entsprechenden Betriebsgröße enthalten ist. Anderenfalls muss der Wahlausschuss mittels Nachfrist zu weiteren Wahlvorschlägen auffordern. Bei der Feststellung des Wahlergebnisses ist auf jeden Fall aus den Kandidaten der Minderheit bzw. der jeweiligen Betriebsgröße derjenige gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat, mögen auch andere Kandidaten dieser Wahlgruppe oder des Wahlbezirks höhere Stimmenzahlen erhalten haben. Sind in der Kandidatenliste trotz Nachfrist nicht ausreichend Kandidaten der Minderheit enthalten, bleiben die vorgesehenen Mindestsitze insoweit frei und können nur durch eine mittelbare oder unmittelbare Nachwahl besetzt werden.
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Die Einräumung von Mindestsitzen ebenso wie die weitere Unterteilung der Wahlgruppen nach Betriebsgröße oder besonderer Branchenzugehörigkeit lediglich für die Sitzverteilung wirkt auf der Ebene des passiven Wahlrechts wie die Bildung einer eigenen Wahlgruppe, die aber nicht auf die Ebene des aktiven Wahlrechts durchschlägt, da die Wahl weiterhin von der gesamten Wahlgruppe durchgeführt wird. Vergleichbar ist etwa eine Personalratswahl, bei der eine gemeinsame Wahl stattfindet96. Wird dagegen die Wahlgruppe auch hinsichtlich der Wahlbe95 Ist in einer Wahlgruppe nur ein Sitz zu besetzen, zeigt sich in der Praxis, dass dann vor allem die Kandidatengewinnung schwer werden kann. Nach den Regelungen der Wahlordnungen müssen regelmäßig für jede Wahlgruppe mehr Kandidaten als zu besetzende Sitze in der Vollversammlung in der Kandidatenliste enthalten sein. Die Erfahrung zeigt, dass in Wahlgruppen mit nur einem Sitz dieses Kriterium teilweise nicht eingehalten werden kann. 96 § 19 Abs. 2 und 5 BPersVG.
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rechtigten weiter aufgeteilt, entweder nach Betriebsgröße oder regional in Wahlbezirke, wird dadurch auch das aktive Wahlrecht auf diese Unterteilung beschränkt. c) Gestaltungsspielraum bei der Sitzverteilung Der Gesetzgeber hat in der Überzeugung, dass für jede IHK die bezirklichen Ge- 58 gebenheiten anders liegen, die Aufteilung der Vollversammlungssitze auf die Gewerbegruppen und die Teile des Kammerbezirks in das gesetzgeberische Ermessen der Vollversammlung bei der Beschlussfassung über die Wahlordnung gestellt. Es folgt damit der Tradition des preußischen IHK-Gesetzes (§ 10) genauso wie auch heute noch § 93 Abs. 2 der HwO, wobei bei der Wahlgruppenzuordnung die Einteilung nach Wirtschaftsbereichen und Betriebsgrößen97 zwingend, das regionale Kriterium nur zwecks Verfeinerung zusätzlich eingeführt werden darf98 (siehe auch Rz. 44 und 49). Die IHKs haben damit ein entscheidendes Instrument erhalten, um ihrer Grundaufgabe, die Ermittlung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks, sachgerecht Rechnung zu tragen. Es würde dem Sinn dieser Rahmenvorschrift widersprechen, wenn versucht wür- 59 de, etwa für die Sitzverteilung in der Vollversammlung einheitliche Richtlinien oder Leitzahlen aufzustellen, etwa die Kriterien absolut festzulegen, nach denen Wahlgruppen und Wahlbezirke zu bilden sind, oder auch die Gewichtung dieser Kriterien zu bestimmen. Die endgültige Sitzverteilung ist trotz der zur Vorbereitung herangezogenen statistischen Daten keine Rechenaufgabe, sondern eine Gesamtwertung der Struktur des Kammerbezirks99. Schon der preußische Handelsminister hatte deshalb im Zusammenhang mit der Neufassung des § 10 des preußischen IHK-Gesetzes durch die Novelle von 1897, die wahlweise eine ähnliche Delegation enthielt, ausdrücklich abgelehnt, die den IHKs wegen der bezirklichen Besonderheiten zugewiesene Entscheidung über die Wahlordnung durch Erlass zu reglementieren100. Die Vollversammlung hat also bei der Verteilung der Sitze in der Wahlordnung und damit der Aufteilung in Wahlgruppen und Wahlbezirke einen Gestaltungs-
97 Siehe zur Gleichstellung von Branchen und Betriebsgrößen BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 106. 98 BVerwG v. 26.6.2002 – 6C 21.01, GewArch 2002, 432. 99 BVerwG v. 10.11.1988 – 3C 19.87, BVerwGE 81, 12, 17 – „Einschätzungsprärogative“. 100 Vgl. Lusensky, Handelskammergesetz, 118 und 222.
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§ 5 Rz. 60 Wahl zur Vollversammlung spielraum, der nach pflichtgemäßem Ermessen auszufüllen ist101. Die Vollversammlung wird sich – in der Regel durch Vorschaltung eines besonderen Ausschusses zur Prüfung der Wahlordnung – geeignete Unterlagen aus den zugänglichen wirtschaftlichen Daten beschaffen, deren Wertung sie dann im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe frei vornimmt. Natürlich darf sie sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen und hat die Sitzverteilung zu überprüfen, wenn sich die Struktur des Kammerbezirks nachhaltig ändert und eine Korrektur über die mittelbare Wahl nicht mehr möglich ist. Die Abstände, in denen die Sitzverteilung der Wahlordnung überprüft wird, hängen also von der Schnelligkeit des wirtschaftlichen Strukturwandels im einzelnen Kammerbezirk ab. Einen angemessenen Rhythmus in der Wahlordnung zu definieren, ist rechtlich nicht erforderlich, aber zulässig. Regelmäßig wird in der Praxis die Wahlgruppeneinteilung rechtzeitig vor jeder Wahl überprüft. Bei allen IHKs ist deshalb die Sitzverteilung in den vergangenen Jahrzehnten – oft mehrfach – geändert worden, ohne dass es dafür einer ausdrücklichen Bestimmung der Wahlordnung bedurfte. Aber auch die mehrfachen Änderungen im Gewerbesteuerrecht wie im Beitragsrecht der IHKs haben zu Verschiebungen in der Beitragslast geführt, die sich in der geänderten Sitzverteilung in der Vollversammlung widerspiegeln. Der Anteil der Industrie in den Vollversammlungen ist meist zurückgegangen; dafür sind neue Wahlgruppen für die Dienstleistungen eingerichtet worden. 4. Durchführung der Wahl 61
Neben diesen spezifischen Entscheidungen über Wahlsystem, Wahlgruppen und Wahlbezirke regelt die Wahlordnung auch die technische Durchführung der Wahl. Dies betrifft auch die Art der Wahl, ob eine reine Briefwahl oder eine kombinierte Brief- und Onlinewahl durchgeführt wird102. Eine reine Onlinewahl wäre in gleicher Weise rechtlich zulässig, mit Blick auf die Wahlbeteiligung wird davon bisher jedoch regelmäßig abgesehen. Vorbild für die Wahlordnung der IHK sind weniger die Wahlordnungen für die politischen Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden, für die andere Anforderungen gelten103, sondern eher die vergleichbaren Wahlen zu anderen Selbstverwaltungskörperschaften. Allgemeine Wahlrechtsgrundsätze sind zu beachten, soweit sie auch für Gruppenwahlen gelten.
101 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2005 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378; Nds. OVG v. 15.6.1992 – 8 L 43/90, GewArch 1992, 420; ausführlich VG München v. 15.12.1998 – M 16 K 97, 282; VG Braunschweig v. 23.7.1990 – 1 A 1008/90. 102 Zur Zulässigkeit der Onlinewahl Thür. OVG v. 30.5.2013 – 1 N 240/12 und v. 23.5.2017 – 4 N 124/15 (Revisionsnichtzulassungsbeschwerde abgelehnt durch BVerwG v. 14.3.2018 – 6 BN 3.17); Rickert in Kluth, (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2010, 85, 91 f. 103 Th. Groß in Kluth, (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, § 7 Rz. 51.
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a) Vorbereitung der Wahl Die Wahlordnung legt die Vorbereitung und Durchführung der Wahl in die 62 Hand eines Wahlausschusses (oder auch eines Wahlbeauftragten)104, der von der Vollversammlung zu wählen ist. Es entspricht dem Charakter einer Selbstverwaltungskörperschaft, dass die Vollversammlung als oberstes Organ dabei in den Wahlausschuss ganz oder zumindest überwiegend auch aus ihrer Mitte Mitglieder wählt und damit durch ihre eigenen Vertrauensleute in dem für die Wahl verantwortlichen Gremium mehrheitlich vertreten ist. Rechtlich zwingend ist dies jedoch genauso wenig wie die teilweise geübte Praxis, dass im Wahlausschuss keine Kandidaten mitwirken sollen. Regelmäßig bestimmen die Wahlordnungen der IHKs die Briefwahl als Art der 63 Stimmabgabe, weil diese erfahrungsgemäß zu einer wesentlich höheren Wahlbeteiligung führt und damit die demokratische Legitimation der Vollversammlung als oberstem Organ der IHK stärkt. Soweit eine solche Regelung nicht bereits durch die Wahlordnung getroffen wird, entscheidet der Wahlausschuss zunächst, ob schriftlich oder durch persönliche Stimmabgabe gewählt werden soll. Bei der Briefwahl legt der Wahlausschuss die Fristen für die Abgabe der Stimmzettel fest, bei der persönlichen Stimmabgabe bestimmt er den Wahltag, die Stimmbezirke, die Wahllokale und Wahlzeiten; ebenso beruft er dann für jeden Stimmbezirk einen Wahlvorstand. Zunehmend wird parallel zur Briefwahl auch die elektronische Wahl (als On- 64 linewahl) in den IHKs eingeführt. Zulässig wäre auch eine ausschließlich elektronische Wahl, wenn gleichzeitig sichergestellt ist, dass alle kammerzugehörigen Unternehmen die Möglichkeit der Teilnahme an der elektronischen Wahl haben. Für die elektronische Wahl muss die Wahlordnung selbst bereits hinreichend bestimmte Regelungen zu den Anforderungen an das einzusetzende elektronische Wahlsystem enthalten105. Grundsätzlich sind im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung die Wahlrechtsanforderungen gegenüber Parlamentswahlen eingeschränkt und können auch durch die Wahlordnung stärker eingeschränkt werden. Die Regelungen der Wahlordnung müssen aber auch sicherstellen, „dass sich die Einschränkungen auf ein Mindestmaß reduzieren und zugleich einen maximalen Schutz des Wesensgehalts der Wahlrechte sicherstellen“106. Bei der elektronischen Wahl ist auf die Sicherheitsanforderungen sowie die Wahrung des Wahlgeheimnisses besonderen Wert zu legen. Insoweit muss die elektronische Wahl an den Standards der Briefwahl gemessen werden, allerdings über diese auch nicht deut104 Ganz überwiegend wird ein Gremium von der Vollversammlung eingesetzt, das je nach regionaler Tradition als Wahlausschuss oder Wahlkommission benannt wird und auch die Aufgaben eines Wahlvorstands erfüllt. Teilweise wird auch statt des Gremiums oder ergänzend zu diesem ein Wahlbeauftragter von der Vollversammlung eingesetzt. 105 Thür. OVG v. 30.5.2013 – 1 N 240/12. 106 Thür. OVG v. 30.5.2013 – 1 N 240/12, Rz. 57.
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§ 5 Rz. 64 Wahl zur Vollversammlung lich hinausgehen. Während noch vor wenigen Jahren der technische Aufwand für die Realisierung einer elektronischen Vollversammlungswahl unverhältnismäßig hoch war, sind derzeit bereits die wesentlichen Anforderungen mit verhältnismäßigem Aufwand realisierbar. Kernanforderungen sind dabei zum Schutz des Wahlgeheimnisses die Sicherheit des elektronischen Zugangs, die Trennung der Wählerdaten (wer gewählt hat) von den Stimmdaten (wie gewählt wurde) sowie für die Chancengleichheit der Ausschluss einer doppelten Stimmabgabe (sowohl elektronisch als auch per Brief). Die Erfahrungen aus den bisherigen elektronischen Wahlen zeigen, dass diese vergleichbare Sicherheitsanforderungen wie die Briefwahl gewährleistet. 65
Weiterhin bestimmt der Wahlausschuss die Aufstellung und Auslegung der Wählerlisten, die aufgrund der der IHK vorliegenden Unterlagen die wahlberechtigten Kammerzugehörigen auf die verschiedenen Wahlgruppen und Wahlbezirke verteilen. Der Wahlausschuss entscheidet über Anträge auf Aufnahme in die Wählerliste ebenso wie über Einsprüche gegen Eintragungen in die Wählerliste, wobei es meist um die Zuordnung zu der richtigen Wahlgruppe geht. Wahlberechtigt ist grundsätzlich nur ein Unternehmen, das in die Wählerlisten eingetragen ist. Die Wahlordnung kann jedoch auch vorsehen, dass Unternehmen, die erst nach Feststellung der Wählerliste wahlberechtigt geworden sind, auf Antrag und unter Nachweis der späteren Wahlberechtigung ebenfalls an der Wahl teilnehmen können. Dann ist der Wahlausschuss für die Prüfung und Entscheidung dieser Anträge zuständig.
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Schließlich veranlasst der Wahlausschuss die notwendigen Wahlbekanntmachungen, damit alle kammerzugehörigen Unternehmen über die IHK-Wahl und ihre Einzelheiten unterrichtet sind. Er macht nicht nur die Frist für die Abgabe der Stimmzettel bzw. Teilnahme an der elektronischen Wahl oder – bei der persönlichen Stimmabgabe – den Wahltag bekannt, sondern auch die Auslegung der Wählerlisten und die Frist für Anträge und Einsprüche, die Frist und die Voraussetzungen für die Einreichung von Wahlvorschlägen und schließlich die Kandidatenlisten für die Wahl in den einzelnen Wahlgruppen und Wahlbezirken. Das Veröffentlichungsorgan für alle Wahlbekanntmachungen ist in der Wahlordnung zu bestimmen. Mit der Ergänzung von § 4 Satz 2 Nr. 7 ist klargestellt, dass in der Wahlordnung auch eine andere Art und Weise der Bekanntmachung als im Mitteilungsblatt der IHK, das alle Voraussetzungen eines Verkündungsorgans erfüllt, geregelt werden kann. Dabei ist insbesondere an die Bekanntmachungen im Rahmen der IHK-Wahl gedacht worden, die nun auch im Internet unter der Adresse der IHK erfolgen können, soweit die Wahlordnung dies vorsieht (siehe auch § 4 Rz. 47). Denkbar sind auch andere Bekanntmachungen, regelmäßig wird jedoch entweder das Mitteilungsblatt der IHK oder eine Bekanntmachung auf der Internetseite der IHK bestimmt.
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Diese Übersicht der Aufgaben des Wahlausschusses zeigt bereits, dass die Vorbereitung und Durchführung einer Wahl eines klaren Terminplanes bedarf, der 404
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die verschiedenen Fristen in der Wahlordnung und die danach vorgesehenen Wahlbekanntmachungen aufeinander abstimmt und gegebenenfalls mit den Erscheinungsdaten des Mitteilungsblattes der IHK für die Wahlbekanntmachungen in Einklang bringt. Soweit die Bekanntmachungen weiterhin in Printform erfolgen, ist bei der Planung der Rhythmus des Erscheinens zu beachten, insbesondere bei der Berücksichtigung eventueller Nachfristen. Bei einer elektronischen Bekanntmachung besteht insoweit eine größere Flexibilität. b) Wahlvorschläge Die Wahlen erfolgen aufgrund von Wahlvorschlägen, welche die Wahlberechtig- 68 ten jeweils getrennt für die Wahlgruppen und Wahlbezirke einreichen und die dann innerhalb einer Wahlgruppe und eines Wahlbezirks zu Kandidatenlisten zusammengefasst werden. Dabei ist in der Regel vorgesehen, dass nur Bewerber vorgeschlagen werden dürfen, welche der Wahlgruppe und dem Wahlbezirk angehören. Es ist aber auch zulässig, gruppenfremde Bewerber in den Wahlgruppen zuzulassen; das findet sich beispielsweise in § 18 Abs. 2 BPersVG. Außerdem regelt die Wahlordnung, wie viele Mitglieder der Wahlgruppe und des Wahlbezirks einen Wahlvorschlag zu unterzeichnen haben. Dieses Quorum kann sinnvoll sein, um die Ernsthaftigkeit von Wahlvorschlägen sicher zu stellen, insbesondere bei Einzelvorschlägen. Andererseits darf es jedoch nicht prohibitiv wirken, so dass es einer Obergrenze bedarf. Während das Quorum früher in einem Prozentsatz der Wahlberechtigten dieser Wahlgruppe und dieses Wahlbezirks mit einer festen Obergrenze wegen sehr großer Wahlgruppen und -bezirke festgelegt wurde, ist in jüngerer Zeit überwiegend eine feste Zahl mit einer prozentualen Obergrenze für sehr kleine Wahlgruppen und -bezirke vorgesehen. Teilweise wird auch auf das Quorum ganz verzichtet, um die formalen Hürden für Einzelbewerber noch weiter abzubauen. Die rechtliche Zulässigkeit von Quoren ist in der Rechtsprechung unbestritten, soweit die Obergrenze noch angemessen ist107. Dabei bedeutet es allerdings keine Erschwerung, dass das Quorum höher liegt als die Zahl der vorzuschlagenden Bewerber; Vergleichsmaßstab ist vielmehr die Gesamtzahl der Wahlberechtigten einer Wahlgruppe108. Bei den in den Wahlordnungen der IHKs üblichen Einzelvorschläge übersteigt jedes Quorum die Mindestanzahl an Wahlvorschlägen. Außerdem ist es zulässig, dass auch ein Bewerber seinen Wahlvorschlag unterzeichnen und damit das Quorum erfüllen kann.
107 Vgl. etwa BVerfG v. 15.11.1960 – 2 BvR 536/60, BVerfGE 12, 10, 27; BVerfG v. 25.1.1961 – 2 BvR 582/60, BVerfGE 12, 132, 134; BVerfG v. 7.2.1961 – 2 BvR 45/61, 2 BvQ 1/61, BVerfGE 12, 135, 137; BVerfG v. 16.10.1984 – 2 BvL 20/82, 2 BvL 21/82, BVerfGE 67, 369; BVerfG v. 22.10.1985 – 1 BvL 44/83, BVerfGE 71, 81, 98; VGH Baden-Württemberg v. 2.12.1997 – 9 S 785/95, GewArch 1998, 65. 108 OVG Greifswald v. 5.5.1994 – 4 K 6/94, DVBl. 1995, 303 zu § 22 Abs. 3 KWG MV.
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§ 5 Rz. 69 Wahl zur Vollversammlung 69
Der Wahlausschuss prüft nach Ablauf der Einreichungsfrist die vorliegenden Wahlvorschläge auf ihre Ordnungsmäßigkeit. Die Bewerber müssen in dieser Wahlgruppe und diesem Wahlbezirk wählbar sein und sich mit der Annahme des Mandats einverstanden erklärt haben. Ebenso müssen die notwendigen Unterschriften von wahlberechtigten Unternehmen der Wahlgruppe oder des Wahlbezirks vorhanden sein. Die Wahlordnung entscheidet auch darüber, ob ein Wahlberechtigter mehrere Wahlvorschläge unterzeichnen darf. Soweit die Wahlordnung dies nicht ausdrücklich regelt, ist davon auszugehen, dass eine mehrfache Unterstützung zugelassen ist. Bei einem Einzelvorschlag ist dies schon erforderlich, um dem Unterzeichner eines Wahlvorschlags die Möglichkeit zu geben, durch weitere Unterstützungen auch die in der Wahlordnung geregelte Mindestanzahl von Wahlbewerbern in seiner Wahlgruppe und seinem Wahlbezirk sicherzustellen. Eine Beschränkung auf die Mindestanzahl ergibt sich daraus nicht. Im Falle einer Listenwahl wird ebenfalls das Element der Auswahl gestärkt, wenn der Wahlberechtigte weitere als den von ihm zunächst unterzeichneten Wahlvorschlag unterstützen kann.
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Schließlich bestimmt die Wahlordnung auch, wie viel Bewerber auf einem Wahlvorschlag vorzuschlagen sind, wobei die Tendenz eindeutig zur Möglichkeit der Einzelvorschläge zeigt. Dies erleichtert die Kandidatur erheblich, da die Vorschlagslisten Einzelbewerbern kaum eine Chance auf eine zulässige Wahlbewerbung geben. Der Aufwand bei der Zusammenstellung von Wahlvorschlagslisten ist häufig nur von Unternehmergruppen oder Verbänden leistbar. Hinsichtlich der Anzahl der Bewerber auf einer Kandidatenliste als Summe aller Wahlvorschläge einer Wahlgruppe und eines Wahlbezirks ist jedoch die Festlegung einer Mindestzahl sinnvoll, um eine streitige Wahl sicherzustellen. Hier finden sich bei den IHKs zahlreiche Varianten. Teilweise muss mindestens ein Bewerber mehr vorgeschlagen werden, als in der Wahlgruppe und im Wahlbezirk zu wählen sind, teilweise ist die Zahl der übersteigenden Bewerber höher; in jedem Fall sichert diese Regelung eine streitige Wahl. Wird innerhalb der Wahlgruppe eine weitere Unterteilung vorgenommen, z.B. nach Betriebsgröße, oder sind Mindestsitze vorgesehen, müssen auch innerhalb der Unterteilung und für die einzelnen Mindestsitze jeweils die erforderliche zusätzliche Anzahl an Bewerbern vorgeschlagen werden. Dies gilt auch dann, wenn die weitere Unterteilung sich nur auf das passive und nicht auch das aktive Wahlrecht beschränkt. Gehen nicht mehr Wahlvorschläge als zur Verfügung stehende Sitze in der Vollversammlung ein, findet sich regelmäßig die Regelung in der Wahlordnung, dass der Wahlausschuss eine Nachfrist zur Einreichung weiterer Wahlvorschläge zu setzen hat. Nur wenn auch in dieser Nachfrist die erforderliche Anzahl an Wahlbewerbern nicht erreicht wird, findet eine Wahl begrenzt auf die eingegangenen Wahlvorschläge statt. Dabei kann es theoretisch vorkommen, dass weniger Kandidaten als Sitze in der Vollversammlung zur Wahl stehen oder ein Kandidat überhaupt nicht gewählt wird und dadurch ein Vollversammlungssitz unbesetzt bleibt. Möglich ist auch eine Regelung in der Wahlordnung, die bei Nichterreichen der Mindestan406
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zahl von Bewerbern in einer Kandidatenliste die in dieser Wahl zu vergebenden Sitze soweit reduziert, dass eine streitige Wahl zwingend sichergestellt ist. In diesem Fall können die freibleibenden Vollversammlungssitze nur in einer Nachwahl besetzt werden. Zu den Aufgaben des Wahlausschusses gehört es auch, rechtzeitig für die Beseiti- 71 gung von Mängeln in den eingereichten Wahlvorschlägen zu sorgen. Er kann den Unterzeichnern dafür auch eine Nachfrist geben, soweit die Wahlordnung dies vorsieht. Nach Ablauf der Vorschlagsfrist oder ihrer Verlängerung, weil nicht genügend Bewerber vorgeschlagen worden sind, sind jedoch materielle Mängel eines Wahlvorschlages nicht mehr heilbar, auch nicht in Form der Gewährung einer Nachfrist. Ist beispielsweise das notwendige Quorum an Unterzeichnern bei Ablauf der Vorschlagsfrist nicht erfüllt, so können keine weiteren Unterzeichner nachgeschoben werden. Der Wahlvorschlag ist in solchen Fällen vielmehr zurückzuweisen und nimmt an der Wahl nicht teil. Aus diesen Gründen ist es riskant, wenn Unterzeichner ihren Wahlvorschlag erst direkt vor Ablauf der Frist einreichen. Für materielle Berichtigungen des Wahlvorschlags bleibt dann kein Raum mehr. Nach Prüfung all dieser Voraussetzungen entscheidet der Wahlausschuss über die 72 Gültigkeit der eingereichten Wahlvorschläge und fasst die Bewerber aus den gültigen Wahlvorschlägen zu einer einzigen Kandidatenliste zusammen. Die Bewerber werden dabei in der Regel alphabetisch aufgeführt, so dass der Wahlvorschlag, auf dem sie vorgeschlagen worden sind, nicht mehr erkenntlich ist. Das entspricht dem Charakter einer Persönlichkeitswahl, bei dem alle gültig vorgeschlagenen Bewerber gleichwertig zur Wahl stehen. Sind weitere Unterteilungen der Wahlgruppe oder Mindestsitze vorgesehen, ist die Zuordnung der Kandidaten zu der jeweiligen Unterteilung bzw. dem jeweiligen Mindestsitz kenntlich zu machen. Unterschiedlich ist der Fall zu behandeln, wenn ein vorgeschlagener Bewerber 73 später seine Wählbarkeit verliert (z. B. durch Ausscheiden aus dem Unternehmen) oder stirbt. Tritt der Wegfall der Wählbarkeit oder der Todesfall vor Ablauf der Einreichungsfrist für die Wahlvorschläge ein, so kann ein bereits eingereichter Wahlvorschlag bis zu diesem Termin auch noch ergänzt werden. Tritt der Wegfall der Wählbarkeit oder der Todesfall dagegen nach Ablauf der Einreichungsfrist für die Wahlvorschläge ein und wird dadurch die Mindestanzahl an Bewerbern auf der Kandidatenliste unterschritten, so muss der Wahlausschuss über die Festsetzung einer Nachfrist entscheiden. Fällt die Wählbarkeit eines Bewerbers später weg oder stirbt ein Bewerber nach Feststellung oder sogar nach Bekanntmachung der Kandidatenliste, so bleibt die Kandidatenliste ohne Nachfrist gültig, der nicht mehr wählbare oder verstorbene Bewerber wird aber auf den Stimmzetteln nicht mehr aufgeführt. Auf diese Weise kann es dazu kommen, dass ein Vollversammlungssitz trotz zunächst ausreichender Wahlvorschläge nicht besetzt wird. Steht der nicht mehr wählbare oder gestorbene Kandidat auf dem Stimmzettel, werden die auf ihn entfallenden Stimmen nicht mitgezählt. Tritt das Ereignis erst nach der Rickert
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§ 5 Rz. 73 Wahl zur Vollversammlung Wahl, auch nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses, aber vor der konstituierenden Sitzung der Vollversammlung ein, gilt gegebenenfalls statt seiner der vom Stimmergebnis her erste zunächst nicht gewählte Kandidat als gewählt. 74
Wenn in einer Wahlgruppe kein gültiger Wahlvorschlag eingegangen ist oder wenn die Zahl der gültig vorgeschlagenen Bewerber nicht die Zahl der Sitze erreicht, gibt der Wahlausschuss eine Nachfrist. Es können dann weitere Wahlvorschläge eingereicht werden. Andernfalls bleiben diese Sitze in der Vollversammlung unbesetzt109.
75
Die Kandidatenlisten für die Wahlgruppen und Wahlbezirke werden im Übrigen vom Wahlausschuss in der dafür von der Wahlordnung bestimmten Art und Weise (siehe § 4 Rz. 47), regelmäßig im Mitteilungsblatt oder auf der Internetseite der IHK, bekannt gegeben. Dabei ist es zulässig, mit Einvernehmen der Bewerber ein Foto beizufügen und die derzeitigen Aufgaben des Bewerbers in seinem Unternehmen genauer darzulegen, um ihn den Wählern vorzustellen; auf dem Stimmzettel erscheint später nur noch der Name, wobei auch hier ein Foto möglich ist, wenn dies einheitlich vorgesehen wird. Wenn alle Bewerber in gleicher Weise vorgestellt werden, liegt darin auch keine Wahlwerbung, die das Wahlergebnis beeinflussen könnte. Eine unterschiedliche Darstellung stellt eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar und kann zur Anfechtbarkeit führen. Daher ist eine standardisierte Darstellung den Bewerbern anzubieten. Soweit sie dann selbst hinter diesem Angebot zurückbleiben (weniger Angaben, geringere Bildqualität), ist eine solche Abweichung unbeachtlich, solange der Standard nicht unangemessen hoch war. Ebenso ist es unbedenklich, wenn Repräsentanten der IHK zur Teilnahme an der IHK-Wahl aufrufen und dabei nicht als Bewerber in Erscheinung treten. Dagegen ist es der IHK untersagt, Werbung für einzelne Bewerber oder eine Gruppe von ihnen zu betreiben. Besondere Zurückhaltung ist deshalb nach Veröffentlichung der Wahlvorschläge geboten. Daher bieten sich spätestens dann für Aufrufe zur Wahlbeteiligung insbesondere Ehrenpräsidenten oder Ehrenmitglieder der Vollversammlung sowie aktive, aber nicht mehr kandidierende Vollversammlungsmitglieder an. c) Durchführung der Wahl
76
Die Wahl selbst erfolgt durch Stimmzettel, welche für jede Wahlgruppe und jeden Wahlbezirk die Kandidatenliste sowie einen Hinweis auf die Anzahl der zu wählenden Bewerber enthalten. Der Wähler kennzeichnet die von ihm gewählten Kandidaten dadurch, dass er deren Namen auf dem Stimmzettel ankreuzt. Er darf höchstens so viele Kandidaten ankreuzen, wie in der Wahlgruppe und im Wahlbezirk zu wählen sind.
109 Vgl. BVerwG v. 20.6.1990 – 6 P 2/90, PersV 1990, 536.
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Wahlordnung
Rz. 78 § 5
Zusätzlicher Vorkehrungen bedarf es bei der Briefwahl. Der Wähler erhält ne- 77 ben dem Stimmzettel und dem Stimmzettelumschlag auch noch einen „Wahlschein“, der seine Wahlberechtigung ausweist und von einem Wahlberechtigten des Unternehmens ordnungsgemäß unterzeichnet werden muss, sowie einen Rücksendeumschlag; der Wahlschein ist dann zusammen mit dem verschlossenen Stimmzettelumschlag innerhalb der gesetzten Frist an die IHK im Rücksendeumschlag zu übersenden. Während die Nutzung des Stimmzettelumschlags zwingend ist, kann der Rücksendeumschlag auch ersetzt werden. Erst nachdem die IHK die Wahlberechtigung geprüft hat, wird der verschlossene Stimmzettelumschlag in die Urne für den betreffenden Wahlbezirk und die betreffende Wahlgruppe eingeworfen. Bei einer Briefwahl gibt es deshalb zwei Formen ungültiger Stimmabgaben: Stimmabgaben, die wegen mangelhafter Wahlscheine als unwirksam nicht berücksichtigt werden können, sowie Stimmzettel, die ungültig sind. Bei der elektronischen Wahl (als Onlinewahl) muss sichergestellt werden, dass 78 der Wahlberechtigte – analog zum Wahlschein bei der Briefwahl – seine Wahlberechtigung nachweist. Hier gelten keine geringeren Anforderungen als bei der Briefwahl, wobei die Zusendung einer Kennung für das kammerzugehörige Unternehmen ausreichend ist. Weiterhin muss die mehrfache Stimmabgabe für ein Mitgliedsunternehmen ausgeschlossen sein. Wird bei einer parallelen Briefwahl und elektronischen Wahl für ein wahlberechtigtes Unternehmen sowohl ein Stimmzettelumschlag abgeschickt als auch die elektronische Stimmabgabe vorgenommen, ist eine Berücksichtigung beider Stimmabgaben auszuschließen. Welche der abgegebenen Stimmen dann berücksichtigt wird – und damit alle weiteren als unwirksam unberücksichtigt bleiben –, muss die Wahlordnung eineindeutig regeln. Dabei ist denkbar, dass die zuerst bei der IHK eingegangene Stimme als wirksam abgegeben gilt, alle weiteren dann als unwirksam nicht berücksichtigt werden. Ebenso kann immer die erste elektronisch abgegebene Stimme gezählt werden. Ein eventuell ebenfalls eingegangener Stimmzettelumschlag mit Wahlschein müsste dann unabhängig vom Zeitpunkt des Eingangs nach Ablauf der Wahlfrist ausgesondert werden. Soweit das elektronische Wahlsystem dies auf zulässige Weise ermöglicht, kann auch umgekehrt – wie bei politischen Wahlen in anderen Ländern – immer die Stimmabgabe per Briefwahl gezählt werden, wenn die elektronischen Stimmabgaben nach Ende des Wahlfrist und vor der Berücksichtigung ausgesondert werden können. Zur Kontrolle der Stimmabgabe muss auch bei der elektronischen Wahl nachgehalten werden, welche Unternehmen bereits gewählt haben. Um das Wahlgeheimnis jedoch zu wahren, müssen diese Informationen entweder getrennt von den Stimmenergebnissen gespeichert werden oder durch kryptografische Verfahren eine vergleichbare Sicherung wie beim verschlossenen Stimmzettelumschlag gewährleistet sein.
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§ 5 Rz. 79 Wahl zur Vollversammlung d) Friedenswahl 79
Zu einem Wahlgang kommt es immer dann, wenn mehr Bewerber vorgeschlagen sind, als zu wählen sind. Ein Wahlgang findet aber in der Regel nach den Wahlordnungen auch dann statt, wenn nur so viel Bewerber vorgeschlagen sind, wie gewählt werden müssen. Die Wahlpraxis der IHKs hat gezeigt, dass auch in diesem Falle die Bewerber, die von vornherein mit ihrer Wahl rechnen können, jeweils mit einer erheblichen Stimmzahl ihrer Wahlgruppe oder ihres Wahlbezirks gewählt werden. Dafür sorgt bereits das Quorum bei der Unterzeichnung der Wahlvorschläge, weil die Unterzeichner erfahrungsgemäß die von ihnen vorgeschlagenen Bewerber zu wählen pflegen. Darüber hinaus hat die Briefwahl insgesamt bei allen IHKs, die sie praktizieren, zu einer erheblichen Erhöhung der Wahlbeteiligung geführt. Bedenken, dass ein Bewerber allein mit seiner eigenen Stimme gewählt werden könnte, haben sich als theoretisch erwiesen.
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Dagegen ist die bloße „Friedenswahl“ für die Wahl der IHK-Vollversammlung unzulässig110. Damit wird ein Verfahren bezeichnet, bei dem, sind nur so viele Bewerber vorgeschlagen, wie Sitze zu vergeben sind, die Bewerber ohne Wahlakt als gewählt gelten111. Dieses Verfahren verzichtet auf die eigentliche Wahlhandlung und ist mangels der Möglichkeit für die Wahlberechtigten, ihre Stimme bei der Wahl abgeben zu können, für politische Wahlen bereits verfassungswidrig112. Auch in der funktionalen Selbstverwaltung entspricht dieses Verfahren ohne entsprechende gesetzliche Regelung nicht dem Wahlbegriff113. Eine intransparente Absprache bei der Wahlvorbereitung kann die Wahlhandlung zur Legitimation von staatliche Befugnisse ausübenden Funktionsträgern nicht ersetzen114 und ist daher verfassungswidrig115. 5. Wahlergebnis
81
Nach Abschluss der Wahl stellt der Wahlausschuss das Wahlergebnis fest; eine öffentliche Stimmenauszählung ist – anders als im Kommunalwahlrecht116 – im Gesetz nicht vorgesehen, gilt jedoch für die kammerzugehörigen Unternehmer gleichwohl. Die Wahlberechtigten haben einen Anspruch auf Anwesenheit bei
110 BVerwG v. 27.3.1980 – 5 C 2.79, GewArch 1980, 296; Groß, Wahl zur Vollversammlung, 66. 111 So in § 20 Anlage C HwO geregelt. 112 Zur Kommunalwahl BVerfG v. 30.5.1961 – 2 BvR 366/60, BVerfGE 13, 1/17. 113 Zu § 5 Abs. 1 BVerwG v. 27.3.1980 – 5 C 2.79, GewArch 1980, 296; Groß, Wahl zur Vollversammlung, 66. 114 Th. Groß in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 7 Rz. 65 f. 115 Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 460; Th. Groß, Kollegialprinzip, 263. 116 Dazu OVG Rheinland-Pfalz v. 4.12.1990 – 7 A 11827/90, NVwZ 1991, 598, DÖV 1991, 613.
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Wahlordnung
Rz. 83 § 5
der Stimmauszählung117. Der Wahlausschuss entscheidet bei der Briefwahl über die Ordnungsmäßigkeit der Wahlscheine und die Gültigkeit der Stimmzettel. Bei der elektronischen Wahl muss auch der Wahlausschuss die Auszählung auslösen. Bei persönlicher Stimmabgabe sind die Wahlvorstände für die einzelnen Stimmbezirke für die Entscheidung über die Gültigkeit der Stimmzettel zuständig. Gewählt sind in den einzelnen Wahlgruppen und Wahlbezirken diejenigen Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, welches ein Mitglied des Wahlausschusses zieht. Wenn die Wahlordnung bei einem vorzeitigen Ausscheiden eines Vollversammlungsmitgliedes das Nachrücken eines Ersatzmitglieds vorsieht, fungieren die nicht gewählten Kandidaten in der Reihenfolge ihrer Stimmzahlen als Ersatzmitglieder. Zu den Konstellationen des Wegfalls der Wahlberechtigung oder dem Tod des Kandidaten siehe Rz. 68. Über den Wahlablauf und das Wahlergebnis fertigt bei der Briefwahl und der elek- 82 tronischen Wahl der Wahlausschuss eine Niederschrift an, bei der persönlichen Abgabe der Wahlvorstand für jeden Stimmbezirk. Diese Niederschrift enthält alle Einzelheiten, welche für eine Überprüfung der Wahl notwendig sind. Sie wird zusammen mit den Stimmzetteln von der IHK aufbewahrt. Der Wahlausschuss gibt schließlich das Ergebnis der Wahl in der in der Wahlord- 83 nung festgelegten Art und Weise bekannt, was derzeit nach den aktuellen Wahlordnungen die Namen der gewählten Kandidaten umfasst und entweder im Mitteilungsblatt oder auf der Internetseite der IHK als Verkündungsorgan für alle Wahlbekanntmachungen erfolgt (s. § 4 Rz. 47). Es genügt dabei, wenn die gewählten Bewerber bekannt gemacht werden118. Eine Bekanntmachung der Einzelheiten für jede Wahlgruppe und jeden Wahlbezirk ist dagegen nicht mehr erforderlich, auch nicht über die jeweilige Zahl der Stimmberechtigten, der abgegebenen und gültigen Stimmen und die Ergebnisse der einzelnen Bewerber119. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf Bekanntmachungsvorschriften von Wahlordnungen zu Kommunalwahlen oder zur Bundestagswahl, da diese nicht anwendbar sind120. Die in der Niederschrift des Wahlausschusses festgehaltenen Einzelheiten sind zwar nicht Gegenstand der Bekanntmachung, müssen jedoch auf Nachfrage den kammerzugehörigen Unternehmen mitgeteilt werden121. Zu diesem aus der Kammerzugehörigkeit abgeleiteten Auskunftsanspruch der Wahlberechtigten kann bei Bestehen eines Landesinformationsfreiheitsgesetzes (IFG) noch ein Jedermannsrecht auf Auskunft über die Wahlergebnisse hin117 118 119 120
Groß, Wahl zur Vollversammlung, 179; Rickert, WiVerw 2004, 153, 164. Vgl. auch § 100 Abs. 2 der HwO. VG Frankfurt a. M. v. 23.8.2005 – 5 E 2812/04. VG Frankfurt a. M. a.a.O.; allgemein zur Anwendbarkeit von Kommunalrecht auf die IHK BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 121 Rickert, WiVerw 2004, 153, 172; so wohl auch OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378 in der nichtveröffentlichten Kostenentscheidung.
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§ 5 Rz. 83 Wahl zur Vollversammlung zutreten122. Überwiegend veröffentlichen daher die IHKs zusätzlich auch diese Informationen, ohne dass diese weiteren Informationen dadurch Teil der förmlichen Bekanntmachung werden. 6. Wahlprüfung 84
Die Wahlordnung sieht darüber hinaus die Prüfung von Anträgen und die Entscheidung über diese während des Wahlverfahrens sowie ein anschließendes Wahlprüfungsverfahren vor. a) Entscheidungen im Laufe des Wahlverfahrens
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Die Wahlordnung sieht eine Reihe von Entscheidungen des Wahlausschusses vor, die im Laufe eines Wahlverfahrens erfolgen. Der Wahlausschuss entscheidet über Anträge und Einsprüche zur Wählerliste sowie über die Zulassung oder Ablehnung eines Wahlvorschlags. Nach überwiegend vertretener Ansicht stellen diese Einzelentscheidungen im Laufe des Wahlverfahrens nicht selbständige Verwaltungsakte dar, sondern sind unselbständige Teile des Wahlverfahrens123. Sie können dann nicht selbständig vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden, sondern nur im Rahmen des Einspruchs gegen das Wahlergebnis oder einer späteren Klage vor den Verwaltungsgerichten zur Überprüfung gestellt werden. Dies entspricht der Handhabung bei den politischen Wahlen, insbesondere bei den Gemeindewahlen124. Vor allem aber wird diese Auslegung dem Charakter des Wahlverfahrens gerecht, weil sonst durch die Dauer von Widerspruchsverfahren und Verwaltungsstreitverfahren die weitere Durchführung der Wahl oder eines Teils von ihr gefährdet und jedenfalls wesentlich verzögert würde. Die Unanfechtbarkeit der hier behandelten Einzelentscheidungen des Wahlausschusses im Laufe des Wahlverfahrens nimmt den Antragstellern auch nicht den Rechtsschutz, weil sie diese Gründe nochmals bei ihrem Einspruch gegen das Wahlergebnis und später bei einer Klage vor den Verwaltungsgerichten anführen können und die ursprünglich beanstandeten Wahlmängel dann im Rahmen eines umfassenden Rechtsschutzes nochmals gerichtlich geprüft werden. Rechtsdogmatisch lässt sich diese Auffassung schließlich damit begründen, dass das Kammerwahlrecht zum Organisationsrecht gehört und nicht das Verwaltungshandeln – genauso wenig wie die Ausübung der Satzungsgewalt durch die IHK – betrifft.
122 BVerwG v. 15.10.2007 – 7 B 9.07; OVG Nordrhein-Westfalen v. 9.11.2006 – 8 A 1679/04, GewArch 2007, 113. 123 VG Frankfurt a. M. v. 23.8.2005 – 5 E 2812/04. 124 Hess. VGH v. 3.11.1965 – OS II 45/65, DVBl. 1967, 629.
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Wahlordnung
Rz. 87 § 5
b) Wahlprüfungsverfahren Schließlich sehen die Wahlordnungen ein Wahlprüfungsverfahren vor, das mit 86 einem Einspruch beginnt, über den entweder der Wahlausschuss oder aber auch sofort die Vollversammlung entscheidet. Die Entscheidung über den Einspruch ist der Ausgangsbescheid im Wahlprüfungsverfahren125, gegen den der Widerspruch zulässig ist, soweit nicht durch Landesrecht ein Widerspruchsverfahren ausgeschlossen ist126. Ist das Widerspruchsverfahren durchzuführen, regeln die Wahlordnungen der IHKs ganz überwiegend, dass zunächst der Wahlausschuss über den Wahleinspruch entscheidet und die Vollversammlung über den Widerspruch gegen die Entscheidung des Wahlausschusses. Das verhindert eine zweimalige Befassung der Vollversammlung und sichert eine nochmalige Überprüfung des Einspruchs durch ein anderes Gremium der IHK. Soweit das Widerspruchsverfahren durch Landesrecht ausgeschlossen ist, kann eine Zweistufigkeit zumindest der Entscheidungsfindung dadurch erreicht werden, dass der Wahlausschuss den Einspruch zunächst selbständig prüft und dann der Vollversammlung einen Entscheidungsvorschlag vorlegt. Aber auch im zweistufigen Verfahren regelt teilweise die Wahlordnung, dass der Wahlausschuss nur über die Ablehnung des Einspruchs entscheidet, eine Stattgabe des Einspruchs jedoch der Vollversammlung zur Entscheidung vorlegt. Diese im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen umgedrehte Regelung hat den Hintergrund, dass durch die Stattgabe des Einspruchs die Wahl für ungültig erklärt wird und die so gewählte Vollversammlung sich nicht konstituieren kann oder wieder aufgelöst wird. Eine so weitreichende Entscheidung ohne Beteiligung der Vollversammlung ist zwar rechtlich zulässig, kammerpolitisch ist aber die damit verbundene Verantwortung allein bei einem kleinen Gremium nicht in jedem Fall gewollt. Einspruchsberechtigt ist jeder wahlberechtigte Kammerzugehörige, der von ei- 87 nem fehlerhaften Wahlvorgang in seinem Recht, zu wählen oder gewählt zu werden, beeinträchtigt worden ist. Das gilt z.B. für einen Kammerzugehörigen, wenn er zu Unrecht nicht in die Wählerliste aufgenommen worden ist oder wenn ein von ihm unterzeichneter Wahlvorschlag zu Unrecht zurückgewiesen worden ist. Das gilt aber nur dann für einen Bewerber, dessen Bewerbung abgelehnt worden ist, wenn er selbst auch Kammerzugehöriger ist oder als gesetzlicher Vertreter für den Kammerzugehörigen handelt127. Der Einspruch wird darüber hinaus jedem Wahlberechtigten zuzubilligen sein, der als Kammerzugehöriger ein rechtliches Interesse daran hat, dass die Wahl in allen ihren Phasen ordnungsgemäß unter Berücksichtigung aller bestehenden Vorschriften durchgeführt und nicht durch 125 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378. 126 Ausgeschlossen ist das Widerspruchsverfahren derzeit in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. 127 VG Berlin v. 14.2.2014 – 4 K 182.13, GewArch 2014, 204, zur unbegründeten Klage eines vom Wahlausschuss nicht als besonders bestellten Bevollmächtigten zugelassenen Bewerbers.
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§ 5 Rz. 87 Wahl zur Vollversammlung Wahlmängel beeinflusst worden ist. Durch die Wahlordnung kann jedoch das Einspruchsrecht und die Klagebefugnis auf die eigene Wahlgruppe und den eigenen Wahlbezirk, also die Reichweite des aktiven Wahlrechts, beschränkt werden128. Darüber hinaus hängt es auch von den geltend gemachten Wahlmängeln ab, ob die gesamte IHK-Wahl überprüft werden muss oder nur die Wahl in der Wahlgruppe oder dem Wahlbezirk der Einspruch erhebenden Person129. Auf jeden Fall muss der Einspruch fristgerecht erfolgen und konkrete Wahlmängel substantiiert rügen130; eine generelle Nachprüfung der Wahl ist nicht erforderlich131. 88
Ein nichtgewählter Kandidat hat den Anspruch, dass ihm auf seine Anfrage die von ihm erreichte Stimmzahl mitgeteilt wird. Ebenso hat ein Einspruchsführer, mag es sich um einen nicht gewählten Kandidaten oder um einen Wähler handeln, einen Anspruch auf Einsicht in die Protokolle des Wahlausschusses, soweit er dies zur Begründung seines Einspruchs braucht. Darüber hinaus bestehen aber auch sowohl aus der Kammerzugehörigkeit als auch gegebenenfalls aus Landesinformationsfreiheitsgesetzen Ansprüche auf Information über die genauen Wahlergebnisse (s. Rz. 77).
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Das zuständige Organ der IHK (Vollversammlung oder Wahlausschuss) prüft aufgrund des Einspruchs, ob tatsächlich ein Rechtsverstoß bei der Wahl vorgekommen ist und ob dieser Rechtsverstoß das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen geeignet war. Ergibt sich, dass dies nicht der Fall ist oder dass auch ohne die beanstandeten Fehler ein anderes Wahlergebnis nicht hätte erzielt werden können, so ist der Rechtsbehelf des Einspruchs zurückzuweisen. Sofern dem Einspruch stattgegeben wird, ist eine – gegebenenfalls auf Wahlgruppe und Wahlbezirk beschränkte – Neuwahl anzuordnen. Da nach inzwischen überwiegender Ansicht erstmals die Einspruchsentscheidung einen Verwaltungsakt darstellt, ist dagegen der Widerspruch gegeben132, soweit das Widerspruchsverfahren nicht durch Landesgesetz ausgeschlossen ist (siehe Rz. 80). Deshalb empfiehlt es sich bei bestehendem Widerspruchsverfahren, in der Wahlordnung die Entscheidung über den Einspruch dem Wahlausschuss, die Widerspruchsentscheidung der Vollversammlung zuzuweisen (siehe Rz. 80).
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Eine spezielle Streitfrage ergibt sich, wenn mit dem Einspruch die Ungültigkeit bestimmter Wahlvorschriften, deren Anwendung im vorliegenden Fall das Wahlergebnis hätte beeinflussen können, geltend gemacht wird. Wenn der Wahlaus128 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378, unveröffentlichter Teil der Urteilsgründe 13. 129 Vgl. § 100 Abs. 1 und § 101 der HwO. 130 BVerfG v. 24.8.1993 – 2 BvR 1858/92, DVBl. 1994, 41. 131 BVerfG v. 12.12.1991 – 2 BvR 562/91, BVerfGE 85, 148; BVerfG v. 24.8.1993 – 2 BvR 1858/92, DVBl. 1994, 41, 42. 132 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378.
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Wahlordnung
Rz. 92 § 5
schuss für die Entscheidung über den Einspruch zuständig ist, wird man ihm nicht das Recht geben können, die Gültigkeit der von der Vollversammlung beschlossenen und von der Aufsichtsbehörde genehmigten Wahlordnung zu überprüfen. Ist dagegen die Vollversammlung selbst für die Entscheidung über den Wahleinspruch oder den Widerspruch zuständig, kann sie auch selbst die Konsequenzen aus ihren Beratungen ziehen, dem Einspruch stattgeben und gleichzeitig die Wahlordnung entsprechend ändern133. Auch aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, bei stattgebenden Entscheidungen diese immer der Vollversammlung zuzuweisen (siehe Rz. 80). 7. Aufsichtsbehördliche Genehmigung der Wahlordnung Die Wahlordnung bedarf nach § 11 Abs. 2 der aufsichtsbehördlichen Genehmi- 91 gung, um wirksam zu werden. Auch diese Genehmigung steht unter dem Grundsatz der Rechtsaufsicht. Sie kann also nur verweigert werden, wenn die Wahlordnung gegen das IHKG oder andere höherrangige gesetzliche Normen verstößt, anderenfalls hat sie die Wahlordnung zu genehmigen134. Die Aufsichtsbehörde kann also nicht im Wege der Beanstandung eine andere Sitzverteilung fordern, weil sie etwa die wirtschaftlichen Besonderheiten oder die gesamtwirtschaftliche Bedeutung einzelner Wahlgruppen anders beurteilt als die Vollversammlung; die Aufsichtsbehörde würde sonst ihr Ermessen an die Stelle des Gestaltungsspielraums der hierzu berufenen Vollversammlung setzen. Dies wäre eine rechtlich unzulässige Ausdehnung auf eine Fachaufsicht. Die Aufsichtsbehörde kann von der IHK jedoch verlangen, dass sie ihr die Vor- 92 stellungen, aus denen die Sitzverteilung in der Wahlordnung hergeleitet ist, im Einzelnen darlegt. Dazu gehören dann auch etwaige statistische Unterlagen, von denen die Vollversammlung bei der Sitzverteilung ausgegangen ist. Ergibt sich daraus, dass keine sachfremden Erwägungen die Entschließung der Vollversammlung beeinflusst haben, muss die Aufsichtsbehörde die Wahlordnung genehmigen und kann nicht eine andere Sitzverteilung erzwingen. Die Auswahl der Kriterien (z. B. Anzahl der Mitgliedsunternehmen, der Beschäftigten oder das Gewerbeertragsaufkommen in einer Wahlgruppe) und deren Gewichtung für die Sitzverteilung sind Teil des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers. Die Rahmenvorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 2 vertraut gerade der Vollversammlung die Entscheidung an, wie bei der Sitzverteilung zahlreiche widerstrebende, objektiv aber nicht messbare und von Fall zu Fall unterschiedlich zu bewertende Interessen auszugleichen sind. Es genügt also, dass die Vollversammlung eine vertretbare Lösung gefunden hat, auch wenn andere gleichwertige Sitzverteilungen möglich wären. 133 Diese Änderung würde wie jede Änderung der Wahlordnung vor Inkrafttreten von der Rechtsaufsicht genehmigt und anschließend von der IHK bekanntgemacht werden müssen. 134 BVerwG v. 3.9.1963 – 1 C 113.61, BVerwGE 16, 312.
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§ 5 Rz. 93 Wahl zur Vollversammlung IV. Wahlanfechtung 1. Anfechtung des Wahlergebnisses 93
Da die Einzelentscheidungen des Wahlausschusses im Laufe des Wahlverfahrens nicht anfechtbar sind und die Wahlprüfung aufgrund eines Einspruchs nur eine interne Selbstkontrolle der IHK darstellt, steht den wahlberechtigten Kammerzugehörigen nach Entscheidung über Einspruch und Widerspruch135 die Klage vor den Verwaltungsgerichten zu. Der Charakter der Klage war lange Zeit in der Rechtsprechung umstritten136. Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass Einspruchs- und Widerspruchsentscheidungen Verwaltungsakte sind und es sich um eine Verpflichtungsklage handelt137. Der Klageantrag geht deshalb nicht dahin, die Ungültigkeit der Wahl festzustellen (Feststellungsklage) oder die Wahl sogar für ungültig zu erklären (Gestaltungsklage), sondern dahin, die Vollversammlung als Wahlprüfungsorgan zur Ungültigkeitserklärung der Wahl zu verpflichten138, weil das erkennende Gericht selbst kein Wahlprüfungsorgan ist139. Mit dieser Auffassung bleibt die IHK und ihre Vollversammlung auch dann handlungsfähig, wenn das Gericht der Klage stattgibt. Anderenfalls könnte die Vollversammlung weder die Wahlordnung ändern noch eine neue Wahl einleiten. Beruht die Ungültigkeit der Wahl auf einer rechtswidrigen Regelung in der Wahlordnung, wäre auch eine erneute Wahl auf dieser Grundlage anfechtbar140. Gibt das Gericht der Klage statt, muss die Vollversammlung der IHK zusammentreten, um die Wahl für ungültig zu erklären. Dabei kann sie vor diesem Beschluss alle notwendigen Beschlüsse für eine wirksame Wiederholungswahl und die Zeit bis zur Neukonstituierung fassen141. Auch wenn es sich um ein Wahlprüfungsverfahren und eine Verpflichtungsklage handelt, hat sich in der Praxis dafür allerdings die Bezeichnung Wahlanfechtung erhalten, weil sie durchaus sprachlich treffend ist.
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Eine solche Wahlanfechtung setzt voraus, dass bei der Wahl ein Rechtsverstoß erfolgt ist und dass dieser Rechtsverstoß geeignet war, das Wahlergebnis zu beein135 Soweit das Landesrecht einen solchen nicht ausschließt, wie derzeit in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. 136 Vgl. 5. Aufl. 1991, 252. 137 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378; VGH Baden-Württemberg v. 2.12.1997 – 9S 785/95, GewArch 1998, 65; OVG NordrheinWestfalen v. 28.11.1980 – 15A 1660/80, DVBl. 1981, 874. 138 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378. 139 VG Karlsruhe v. 18.12.1974 – VI 165/73. 140 So auch die Konstellation in dem vom OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378, entschiedenen Fall. 141 Konkret ist die Wahlordnung in den vom OVG Nordrhein-Westfalen beanstandeten Regelungen geändert, der neue Wahlausschuss gewählt sowie der Haushalt für das unmittelbar bevorstehende neue Haushaltsjahr verabschiedet worden, um als letzten Beschluss die Ungültigkeit der Wahl festzustellen und damit die Vollversammlung aufzulösen.
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Rickert
Wahlanfechtung
Rz. 97 § 5
flussen142. Ein Rechtsverstoß kann selbstverständlich auch darin liegen, dass Bestimmungen der Wahlordnung höherrangiges Recht verletzen und deshalb nichtig sind143. Aber auch in einem solchen Fall ist es für eine Wahlanfechtung notwendig, dass diese nichtigen Bestimmungen angewendet worden sind und das Wahlergebnis beeinflusst haben konnten. Eine Wahlbeeinträchtigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederum nur gegeben, wenn der Rechtsverstoß die Sitzverteilung berühren konnte144. Ausreichend ist die Möglichkeit einer Beeinflussung des Ergebnisses, die bei einem wesentlichen Wahlfehler anzunehmen ist145. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich allerdings auf die im Wahleinspruch fristgerecht und substantiiert vorgetragenen Wahlmängel, soweit eine solche Präklusionswirkung in der Wahlordnung geregelt ist146. Ein Nachschieben von Einspruchsgründen ist bei Vorliegen einer wirksamen Präklusionsregelung nicht zulässig147.
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2. Folgen der Ungültigerklärung einer Wahl Wenn eine IHK-Wahl für ungültig erklärt wird, hat – ggf. beschränkt auf eine 96 Wahlgruppe oder einen Wahlbezirk – eine Neuwahl stattzufinden. Haben die Verwaltungsgerichte die Vollversammlung verpflichtet, eine IHK-Wahl für ungültig zu erklären, weil eine Bestimmung der Wahlordnung ungültig ist, hat die Vollversammlung zunächst die Wahlordnung entsprechend der gerichtlichen Entscheidung zu ändern, bevor sie die Ungültigkeit der Wahl feststellt (siehe Rz. 93). Trotz der Ungültigkeit einer IHK-Wahl bleiben alle zwischenzeitlich gefassten 97 Beschlüsse und sonstigen Maßnahmen der Vollversammlung wirksam148. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen klargestellt, dass auch bei Ungültigerklärung einer Wahl im Interesse der Rechtssicherheit und wegen des notwendigen Vertrauensschutzes Dritter zwischenzeitliche Beschlüsse, Wahlen und sonstige Handlungen des ungültig gewählten Gremiums in ihrer
142 Vgl. dazu die ausdrückliche Regelung in § 103 Abs. 3 der HwO. 143 Vgl. VGH Baden-Württemberg v. 13.1.1987 – 1 S 1246/86, NVwZ RR 1989, 36; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378. 144 BVerfG v. 17.1.1973 – 2 BvC 5/70, BVerfGE 34, 201, 203; BVerfG v. 20.6.1973 – 2 BvC 1/73, BVerfGE 35, 300, 302. 145 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378. 146 OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378. 147 BVerfG v. 12.12.1991 – 2 BvR 562/91, BVerfGE 85, 148, 158; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378; OVG Rheinland-Pfalz v. 15.1.1991 – 7 A 12059/90, DÖV 1992, 228, 229; VGH Baden-Württemberg v. 2.12.1997 – 9 S 785/95, GewArch 1998, 65. 148 BVerwG v. 17.12.1998 – 1 C 7.98, GewArch 1999, 193; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378.
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§ 5 Rz. 97 Wahl zur Vollversammlung rechtlichen Wirksamkeit unberührt bleiben149. Dies gilt auch bei einer Wahl, die wegen verfassungswidriger Wahlvorschriften für ungültig erklärt wird150; das ungültig gewählte Gremium ist sogar zur Änderung der Wahlordnung im Sinne der Entscheidung befugt. Praktisch wirkt damit die Ungültigkeitserklärung einer Wahl nur ex nunc151. 98
Selbst wenn also eine Wahlanfechtung am Ende erfolgreich sein sollte, konnte die Vollversammlung zuvor rechtswirksam den Präsidenten, die Vizepräsidenten sowie den Hauptgeschäftsführer wählen, aber auch Wirtschaftssatzung und Wirtschaftsplan beschließen und sonstige Maßnahmen vornehmen. Die IHK bleibt damit auch während eines solchen Rechtsstreits voll handlungsfähig152.
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Mit der Ungültigkeitserklärung der Wahl durch die Vollversammlung tritt der Verlust des Mandats kraft Gesetzes ein, eine weitergehende Feststellung ist nicht erforderlich153. Soweit die Ungültigkeit nur eine Wahlgruppe oder sogar nur einen Wahlbezirk betrifft, scheiden die betroffenen Mitglieder mit dieser Entscheidung aus der Vollversammlung aus. Wird dagegen die gesamte Wahl für ungültig erklärt, werden unterschiedliche Folgen vertreten. Teilweise wird von einer Korrektur- und Notkompetenz der alten Vollversammlung ausgegangen, die zur Vorbereitung und Durchführung der Neuwahl und zum Erlass unverzichtbarer und unverschiebbarer Beschlüsse berechtigt154. Eine andere Auffassung geht vom Ende der Existenz des gewählten Gremiums aus155, wodurch in der Zeit zwischen der Ungültigerklärung der Wahl und der konstituierenden Sitzung der neuen Vollversammlung das Präsidium bei satzungsrechtlich geregelter Eilkompetenz die erforderlichen Entscheidungen treffen müsste, anderenfalls eine Handlungsunfähigkeit der IHK gegeben wäre. Schon aus diesem Grund ist der Korrektur- und Notkompetenz der ungültig gewählten Vollversammlung bis zum eigenen Beschluss der Vorrang zu geben (siehe Rz. 93). Das bedeutet konkret, ab der verpflichtenden Entscheidung des Gerichts besteht eine Korrektur- und Notkompetenz der Vollversammlung. Ab dem Beschluss der Vollversammlung über die Ungültigkeit der
149 BVerfG v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 38; BVerfG v. 11.11.1953 – 2 BvR 444/53, BVerfGE 3, 41, 44. 150 BVerfG v. 11.10.1972 – 2 BvR 912/71, BVerfGE 34, 81, 103. 151 Heinrichs, Über die Rechtsfolgen fehlerhafter Wahlgesetze, NJW 1960, 1746; OVG Nordrhein-Westfalen, DÖV 1990, 1029. 152 BVerwG v. 17.12.1998 – 1 C 7.98, GewArch 1999, 193; Staatsgerichtshof Bremen v. 28.2.1994 – SE 2/93, DVBl. 1994, 633; OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.3.2003 – 8 A 2398/02, GewArch 2003, 378; VG Freiburg v. 24.2.1996 – 10 K 1064/95, GewArch 1997, 423; VGH Baden-Württemberg v. 2.12.1997 – 9 S 2506/97, GewArch 1998, 164. 153 OVG Nordrhein-Westfalen v. 22.2.1991 – 15 A 1518/90, OVGE MüLü 42, 162. 154 Röger in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2004, 179, 197; in dieser Richtung wohl auch VG Düsseldorf v. 10.2.2004 – 3 K 9275/02 und 3 K 5238/03. 155 Frowein, AöR 99, 72, 108.
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Ehrenamtliche Tätigkeit
Rz. 101 § 5
Wahl, der zur Beendigung der Mandate und damit zur Auflösung der Vollversammlung führt, ist nur noch das Präsidiums handlungsfähig, da es bis zur Wahl eines neuen Präsidiums durch die neugewählte Vollversammlung im Amt bleibt. In dem Zeitraum zwischen Beschluss der ungültig gewählten Vollversammlung und konstituierender Sitzung der neugewählten Vollversammlung kann daher nur das Präsidium die im Rahmen der Eilkompetenz zulässigen Beschlüsse fassen.
V. Ehrenamtliche Tätigkeit 1. Mitgliedschaft in der Vollversammlung Die Mitgliedschaft in der Vollversammlung ist eine ehrenamtliche Aufgabe. Die 100 Mitglieder der Vollversammlung sind nicht Ehrenbeamte und stehen auch nicht im öffentlichen Dienst, aber in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Verhältnis zur IHK, wofür sich die Bezeichnung „Organwalter“ eingebürgert hat. Damit ist auch eine begriffliche Trennung von dem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis des Beamten und von dem Amtsträger im strafrechtlichen Sinne gesichert. Es handelt sich aber auch nicht lediglich um zivilgesellschaftliches Engagement, sondern um Ehrenamt im eigentlichen Sinn156. Da das IHKG – anders als die HwO in § 94 – keine gesetzlichen Bestimmungen kennt, welche zur Übernahme eines solchen Ehrenamtes verpflichten, ist davon auszugehen, dass das Ehrenamt freiwillig übernommen wird und auch jederzeit niedergelegt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht verweist darauf, dass die gesetzliche Mitgliedschaft „den Kammerzugehörigen auch die Möglichkeit der Beteiligung und Mitwirkung an Entscheidungsprozessen (eröffnet), einschließlich der Möglichkeit, sich nicht aktiv zu betätigen“157. Für eine ehrenamtliche Tätigkeit wird – wie schon der Begriff und seine Geschich- 101 te besagen – keine Vergütung geleistet158. Die Satzungen der IHKs regeln, ob und in welchem Umfang die Mitglieder der Vollversammlung und der Ausschüsse Anspruch auf Erstattung barer Auslagen haben, die ihnen bei der Erledigung einzelner Aufträge entstehen. Für die Mitwirkung in der Vollversammlung und in den Ausschüssen wird regelmäßig keine Entschädigung gezahlt, keine Aufwandsent-
156 Zur Abgrenzung zwischen Ehrenamt und zivilgesellschaftlichem Engagement siehe Kluth, Vortragsthesen auf dem Kammerrechtstag 2018 im Bundessozialgericht in Kassel (http://www.kammerrecht.de/media/veranstaltungen/kammerrechtstag/2018/Kluth/ Kluth_Ehrenamt-Handout.pdf). 157 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13 Rz. 109, BVerfGE 146, 164. 158 Einer ehrenamtlichen Tätigkeit steht aber eine Entschädigungspflicht für Aufwendungen und Verdienstausfall als Nachteilsausgleich nicht entgegen (siehe § 85 VwVfG).
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§ 5 Rz. 101 Wahl zur Vollversammlung schädigung und auch kein Verdienstausfall159. Einen gesetzlichen Ausschluss dafür gibt es jedoch nicht, so dass eine entsprechende Satzungsregelung, die eine Aufwandsentschädigung regeln würde, nicht gegen höherrangiges Recht verstieße160. 2. Schweigepflicht 102
In der Satzung der IHK wird den Mitgliedern der Vollversammlung und der Ausschüsse eine Schweigepflicht auferlegt für Vorgänge, die ausdrücklich als vertraulich bezeichnet werden oder die ihrer Natur nach vertraulich sind. Eine Sanktion bei einer Verletzung der Schweigepflicht fehlt jedoch. Die Vollversammlungsmitglieder sind nicht „Amtsträger“ im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, weil sie eine körperschaftsinterne Aufgabe als Beschlussorgan erfüllen und Dritten gegenüber nicht als Träger öffentlicher Verwaltung in Erscheinung treten161. Ihre Stellung ist eher der eines Parlamentariers vergleichbar, da sie nicht in interne Behördenstrukturen mit Weisungsrecht eingebunden sind, sondern in freier Ausübung ihres Mandats selbstbestimmt tätig werden162. Ebenso wenig fallen die Vollversammlungsmitglieder unter § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB, weil sie nicht „für den öffentlichen Dienst verpflichtet“ werden163. Damit entfallen die Voraussetzungen für alle einschlägigen Straftatbestände (§§ 133 Abs. 3, 201 Abs. 3, 203 Abs. 2, 4 und 5, 204, 331 Abs. 1, 332 Abs. 1 und 353b StGB). Schließlich hat auch die Vollversammlung keine Möglichkeit, durch Beschluss eine Entfernung eines Vollversammlungsmitgliedes, das gegen die Schweigepflicht verstoßen hat, zu beschließen. Insofern
159 Eine Ausnahme stellt insoweit regelmäßig der Berufsbildungsausschuss dar, für dessen Mitglieder der Anspruch auf Entschädigung für bare Auslagen und auch für Zeitversäumnis bereits gesetzlich in § 77 Abs. 3 Satz 2 BBiG geregelt ist. 160 Dem entspricht der Anspruch des ehrenamtlich Tätigen auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalls in § 85 VwVfG. Die sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer solchen Aufwandsentschädigung sind dann jedoch zu prüfen, siehe insoweit BSG v. 16.8.2017 – B 12 KR 14/16 R, GewArch 2018, 26; Dazu auch Kluth, NZS 2018, 553, mit dem Hinweis, dass ein chancengleicher Zugang auch einen angemessenen Nachteilsausgleich in Gestalt eines Ersatzes von Verdienstausfall voraussetzen kann. 161 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, NJW 2006, 2050 zum kommunalen Mandatsträger; BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, NJW 1983, 2509; Schröder, Zum Begriff des Amtsträgers, NJW 1984, 2510. 162 BGH v. 9.5.2006 – 5StR 453/05, NJW 2006, 2050, 2053; Trüg, BeckOK StGB § 11 Rz. 29. 163 Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen i.d.F. von Art. 42 EG StGB; vgl. dazu Zechlin, BB 1982, 439.
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Datenschutzrechtliche Regelungen
Rz. 104 § 5
bleibt die Schweigepflicht eine lex imperfecta. Dagegen ist eine Schadensersatzpflicht nicht ausgeschlossen164. 3. Interessenkollision Auch wenn das IHKG eine ausdrückliche Vorschrift nicht enthält und die Satzung 103 keine Regelung dafür vorsehen sollte, gilt für die Vollversammlungsmitglieder der allgemein aus § 181 BGB übernommene, auch im öffentlichen Recht wirksame Grundsatz, dass bei Interessenkollisionen die Ausübung der mit einem Amt verbundenen Befugnisse nicht statthaft ist. Eingehend regelt diesen Ausschluss für das Verwaltungsverfahren § 20 der Verwaltungsverfahrensgesetze, insbesondere den Grad der Zusammengehörigkeit und Verwandtschaft. Diese Bestimmung kann analog auf die Vollversammlung und das Präsidium als Beschlussorgane angewandt werden. Das Kommunalrecht kann zwar nicht analog angewandt oder zur Auslegung des IHKG herangezogen165, ihm können jedoch allgemein geltende Rechtsgedanken entnommen werden. Insoweit kann auf ähnliche Vorschriften verwiesen werden, die sich auch in den Gemeindeordnungen finden (vgl. Art. 49 GO Bayern). Ein Mitglied der Vollversammlung oder des Präsidiums kann deshalb bei einem Beschluss, der beispielsweise ihn selbst, sein Unternehmen oder seine eigenen Angehörigen unmittelbar betrifft, nicht mitwirken. Er ist also verhindert, an der Beschlussfassung teilzunehmen, wenn etwa ein Bau- oder Druckauftrag an seine Firma oder an ein von einem seiner Kinder betriebenes Unternehmen erteilt werden soll. Das gilt jedoch nicht für Wahlen und solche Beschlüsse, die mit jedem Kammerzugehörigen auch die Mitglieder der Vollversammlung treffen (z.B. Beschlussfassung über Grundbeiträge und Umlage).
VI. Datenschutzrechtliche Regelungen Mit der EU-Datenschutzgrundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679)166 be- 104 steht grundsätzlich ein Recht der betroffenen Person auf Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c sowie eine Pflicht der datenverarbeitenden Stelle zur Mitteilung nach Art. 19 Satz 2. Dies betrifft auch die personenbezogenen Daten in der Wäh164 BVerwG v. 3.4.1996 – 6 C 5/94, NVwZ 1996, 1103 bei Aufgabenüberschreitung eines ASTA; zum Rechtsgedanken der Schadensersatzpflicht von Mandatsträgern vgl. auch § 43 Abs. 4 GO NW. 165 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 166 Die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 v. 4.5.2016, S. 1; L 314 v. 22.11.2016, S. 72; L 127 v. 23.5.2018, S. 2) ist seit dem 25.5.2018 in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar geltendes Recht.
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§ 5 Rz. 104 Wahl zur Vollversammlung lerliste zur Vollversammlungswahl der IHK. Unter den Voraussetzungen von Art. 23 Abs. 1 Verordnung (EU) 2016/679 besteht jedoch die Möglichkeit der Einschränkung. Dazu ist ein Gesetz im materiellen Sinn167, also eine öffentlichrechtliche Satzung wie die Wahlordnung der IHK, ausreichend. Da jedoch vereinzelt Zweifel geäußert wurden, ob nicht doch ein formelles Gesetz nötig wäre, hat der Gesetzgeber in dem Zweiten Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUGEU)168 neben der Anpassung von § 9 IHKG zur Klarstellung auch die Ergänzung des Wahlrechts in § 5 durch den neu eingefügten Abs. 3 vorgenommen. 105
Um die Funktionsfähigkeit der IHKs und deren Aufgabenerledigung zu gewährleisten, macht nun Abs. 3 Satz 1 von der Möglichkeit des Art. 23 Abs. 1 Verordnung (EU) 2016/679 Gebrauch und schränkt in Bezug auf die Wählerlisten das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c sowie die Mitteilungspflicht nach Art. 19 Satz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 ein. Weiterhin schränkt Abs. 3 Satz 2 das Recht auf Erhalt einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 dahingehend ein, dass die Zurverfügungstellung einer Kopie durch das Recht auf Einsicht in die Wählerliste ersetzt wird.
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Die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen zur Vollversammlung nach Absatz 1 sicherzustellen, ist eine zentrale Aufgabe der IHK. Dazu erstellen die IHKs Wählerlisten, in denen alle Kammerzugehörigen aufgelistet sind. Die Wählerlisten enthalten regelmäßig Angaben zu Name, Firma, Anschrift, Wahlgruppe und Wirtschaftszweig des Wahlberechtigten. Zudem sind die Wählerlisten nach Wahlgruppen getrennt. Sofern es weitere Untergliederungen der Wahlgruppen (z.B. Regionalgruppen) gibt, wird regelmäßig auch eine weitere Unterteilung der Wählerlisten vorgenommen. Die Angaben in den Wählerlisten beruhen auf den der IHK zum Zeitpunkt der Wahl vorliegenden Daten. Die Wählerlisten werden dann für einen befristeten Zeitraum zur Einsichtnahme ausgelegt. Zur Einsichtnahme berechtigt sind nur wahlberechtigte Kammermitglieder. In die jeweilige Wählerliste können die Kammerzugehörigen und ihre Vertreter Einsicht nehmen, d.h. z.B. Kammermitglieder einer Wahlgruppe. Ziel der Einsichtnahme eines Mitglieds ist die Überprüfung der eigenen Daten.
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Die Beschränkung der Rechte der betroffenen Person nach Art. 15 und 19 der Verordnung (EU) 2016/679 beruhen auf der Besonderheit, dass die betroffene Person durch Einsichtnahme in die Wählerliste alle Daten erkennen kann, die über sie im Zusammenhang mit der Wahl verarbeitet werden. Durch die Offenlegung der Wählerlisten können die wahlberechtigten Kammermitglieder ihre Rechte bei nicht korrekten Eintragungen gegenüber der IHK geltend machen. Die Empfän167 Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Pabst, Art. 23 DSGVO Rz. 18 ff. 168 Gesetzentwurf BT-Drs. 19/4674 v. 1.10.2018.
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Organe der IHK
Rz. 1 § 6
ger der in den Wählerlisten enthaltenen Daten sind daher begrenzt auf die wahlberechtigten Kammermitglieder der jeweiligen Wählerliste. Eine weitere Konkretisierung, welches Kammermitglied tatsächlich Einsicht genommen hat, erfolgt nicht. Dies wäre aufgrund der großen Anzahl an wahlberechtigten Mitgliedern einer IHK nicht praktikabel. Gleiches gilt für eine Einsichtnahme nur jeweils der eigenen Daten durch ein Kammermitglied, da diese Daten zur Durchführung der Wahlen einer Wählerliste zugeordnet werden müssen. Ohne die Erstellung und zeitlich befristete Offenlegung der Wählerlisten wäre eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen zur Vollversammlung nicht zu gewährleisten. Die Beschränkung des Auskunfts- und Mitteilungsrechts der betroffenen Personen sind vor diesem Hintergrund eine verhältnismäßige Maßnahme nach Art 23 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679. Mit der Einführung des neuen Abs. 3 mit Regelungen zum Datenschutz im Zu- 108 sammenhang mit der Wahl wurde der bisherige Abs. 3 zu Abs. 4.
§6 [Präsident, Präsidium] (1) Die Vollversammlung wählt aus ihrer Mitte den Präsidenten (Präses) und die von der Satzung zu bestimmende Zahl von weiteren Mitgliedern des Präsidiums. (2) 1Der Präsident (Präses) ist der Vorsitzende des Präsidiums. 2Er beruft die Vollversammlung ein und führt in ihr den Vorsitz. I. Organe der IHK . . . . . . . . . .
1
II. Präsident . . . . . . . . . . . . . .
4
III. Präsidium . . . . . . . . . . . . . .
14
IV. Aufgaben von Präsident und Präsidium . . . . . . . . . . . . . .
1. Aufgaben des Präsidenten . . . . . 2. Aufgaben des Präsidiums . . . . .
16 19
V. Verhältnis der IHK-Organe zueinander . . . . . . . . . . . . .
22
16
I. Organe der IHK Die Aufgaben der Industrie- und Handelskammern werden ebenso wie bei anderen öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften – z.B. den Gemeinden – von den gesetzlich festgelegten Organen wahrgenommen1. Jedes Organ han1 Kluth/Goltz, GewArch 2003, 265.
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Organe der IHK
Rz. 1 § 6
ger der in den Wählerlisten enthaltenen Daten sind daher begrenzt auf die wahlberechtigten Kammermitglieder der jeweiligen Wählerliste. Eine weitere Konkretisierung, welches Kammermitglied tatsächlich Einsicht genommen hat, erfolgt nicht. Dies wäre aufgrund der großen Anzahl an wahlberechtigten Mitgliedern einer IHK nicht praktikabel. Gleiches gilt für eine Einsichtnahme nur jeweils der eigenen Daten durch ein Kammermitglied, da diese Daten zur Durchführung der Wahlen einer Wählerliste zugeordnet werden müssen. Ohne die Erstellung und zeitlich befristete Offenlegung der Wählerlisten wäre eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen zur Vollversammlung nicht zu gewährleisten. Die Beschränkung des Auskunfts- und Mitteilungsrechts der betroffenen Personen sind vor diesem Hintergrund eine verhältnismäßige Maßnahme nach Art 23 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679. Mit der Einführung des neuen Abs. 3 mit Regelungen zum Datenschutz im Zu- 108 sammenhang mit der Wahl wurde der bisherige Abs. 3 zu Abs. 4.
§6 [Präsident, Präsidium] (1) Die Vollversammlung wählt aus ihrer Mitte den Präsidenten (Präses) und die von der Satzung zu bestimmende Zahl von weiteren Mitgliedern des Präsidiums. (2) 1Der Präsident (Präses) ist der Vorsitzende des Präsidiums. 2Er beruft die Vollversammlung ein und führt in ihr den Vorsitz. I. Organe der IHK . . . . . . . . . .
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II. Präsident . . . . . . . . . . . . . .
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III. Präsidium . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Aufgaben von Präsident und Präsidium . . . . . . . . . . . . . .
1. Aufgaben des Präsidenten . . . . . 2. Aufgaben des Präsidiums . . . . .
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V. Verhältnis der IHK-Organe zueinander . . . . . . . . . . . . .
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I. Organe der IHK Die Aufgaben der Industrie- und Handelskammern werden ebenso wie bei anderen öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften – z.B. den Gemeinden – von den gesetzlich festgelegten Organen wahrgenommen1. Jedes Organ han1 Kluth/Goltz, GewArch 2003, 265.
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§ 6 Rz. 1 Präsident, Präsidium delt im Rahmen seiner im Gesetz oder in der Satzung festgelegten Zuständigkeit; es hat die Zuständigkeiten anderer Organe der IHK zu respektieren, um damit den organisationsrechtlichen Entscheidungen des Gesetz- bzw. Satzungsgebers Rechnung zu tragen und die übertragenen Verantwortlichkeiten nicht zu verwischen. 2
Das Gesetz zählt die Organe der IHK nicht ausdrücklich auf, was aber auch nicht notwendig ist; die Organqualität ergibt sich aus den durch das Gesetz oder die Satzung zugewiesenen Wahrnehmungszuständigkeiten für die IHK2. In diesem Sinne ist die Vollversammlung gem. § 4 das oberste Beschlussorgan der IHK; sie wählt außerdem den Präsidenten und die Mitglieder des Präsidiums (§ 6) und bestellt den Hauptgeschäftsführer (§ 7). Die Organstellung von Präsident und Hauptgeschäftsführer ergibt sich aus § 7 Abs. 2, der ihre rechtsgeschäftliche und gerichtliche Vertretungsmacht regelt (für den Hauptgeschäftsführer siehe auch § 7 Rz. 2). Sie verschaffen der IHK Handlungsfähigkeit nach außen und sind damit für den Organbegriff typische, sich aus dem Organisationsrecht ergebende Handlungssubjekte der IHK3. Die Organeigenschaft des Präsidiums ergibt sich aus den Satzungen, die den Präsidien in der Regel die Zuständigkeit für alle Entscheidungen und Beschlüsse zuweisen, welche das Gesetz und die Satzungen nicht ausdrücklich den Vollversammlungen vorbehalten. Ebenso ist der Berufsbildungsausschuss nach §§ 77 ff. BBiG ein Organ der IHK, weil er gem. § 79 BBiG bestimmte Rechte erhalten hat, insbesondere die Zuständigkeit für den Erlass von statutarischem Recht auf dem Gebiet der Berufsbildung gem. § 79 Abs. 4 BBiG (siehe dazu auch § 8 Rz. 20). Schließlich sind auch die Prüfungsausschüsse, insbesondere nach dem Berufsbildungsgesetz4, IHK-Organe, weil sie im Namen der IHK Entscheidungen treffen5 (siehe dazu auch § 8 Rz. 21). Durch das Satzungsrecht der IHK könnten auch weitere Organe geschaffen werden, wobei nicht die Bezeichnung, sondern die übertragenen Aufgaben dafür maßgebend sind6; das ist nur ausnahmsweise der Fall.
3
Das Vorhandensein mehrerer IHK-Organe mit unterschiedlichen Kompetenzen führt dazu, dass – ebenso wie im Kommunalverfassungsrecht – auch zwischen den Organen einer IHK ein körperschaftsinterner Organstreit möglich ist7; beispiels2 3 4 5
Zum Organbegriff vgl. Erichsen, § 7 A 4. Erichsen, § 7 A 4. §§ 39 ff., 56 und 62 BBiG. So wohl auch OVG Nordrhein-Westfalen v. 1.9.1989 – 15 A 2584/86, GewArch 1990, 136. 6 Kluth/Goltz, GewArch 2003, 265, 266. 7 Zum Organstreitverfahren in der IHK OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.6.2003 – 8 A 4282/02, GewArch 2004, 255; OVG Nordrhein-Westfalen v. 1.9.1989 – 15 A 2584/86, GewArch 1990, 136; ausführlich Schöbener in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, § 14 Rz. 113 f.; allgemein BVerwG v. 28.3.2018 – 10 C 2.17, GewArch 2019, 74, zum Organstreitverfahren in der WPK; Th. Groß in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kam-
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Präsident
Rz. 5 § 6
weise könnte die Vollversammlung festgestellt wissen wollen, dass der Präsident oder Hauptgeschäftsführer seine Befugnisse überschritten habe oder der von der Vollversammlung bestellte Hauptgeschäftsführer könnte sich gegen seine Abberufung zur Wehr setzen wollen. Gleichfalls kann ein Organmitglied im Wege des Organstreitverfahrens eigene Rechte gegenüber einem Organ der IHK geltend machen; beispielsweise das Vollversammlungsmitglied gegen den Präsidenten auf Auskunft8 oder das Präsidiumsmitglied gegen die Vollversammlung zur Feststellung der Unwirksamkeit der eigenen Abwahl9. Dabei muss es sich aber um das eigene Recht des Organmitglieds handeln, nicht dagegen kann das Organmitglied das Recht des Kollegialorgans selbständig geltend machen10. Keines der Organe der IHK ist Behörde im Sinne des Verwaltungsrechts, sondern die IHK selbst (vgl. § 3 Rz. 7).
II. Präsident Der Präsident wird aus der Mitte der Vollversammlung gewählt. Er muss also 4 Vollversammlungsmitglied sein und damit die Voraussetzungen erfüllen, die in Gesetz und Wahlordnung für die Wahl zur Vollversammlung enthalten sind (siehe dazu auch § 5 Rz. 13 ff.). Er muss gemäß § 5 Abs. 2 wenigstens 18 Jahre alt (vgl. § 5 Rz. 17) sowie kammerzugehöriger Unternehmer oder gesetzlich für ein kammerzugehöriges Unternehmen vertretungsberechtigt sein. Ebenso kann ein Prokurist oder ein besonders bestellter Bevollmächtigter (vgl. § 5 Rz. 18 f.) Präsident einer IHK werden. Schließlich sind auch die mittelbar gewählten Vollversammlungsmitglieder (vgl. § 5 Rz. 40) zu erwähnen, die mit demselben Recht wie die unmittelbar gewählten zum Präsidenten oder in das Präsidium gewählt werden können (vgl. § 5 Rz. 42). Durch die Satzung könnte allerdings vorgeschrieben werden, dass zum Präsiden- 5 ten (oder auch zum Mitglied des Präsidiums) nur gewählt werden kann, wer ein höheres Lebensalter als 18 Jahre hat, das nach § 5 Abs. 2 für das aktive und passive Wahlrecht vorgesehen ist11. Die Satzung könnte auch die Wahl zum Präsidenten auf deutsche Staatsangehörige beschränken, ohne gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) zu verstoßen;
8 9 10 11
merrechts, § 7 Rz. 48 f.; Schöbener in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, § 14 Rz. 87 f.; Kintz, BeckOK VwGO, 49. Ed., VwGO § 61 Rz. 10–12. OVG Nordrhein-Westfalen v. 12.6.2003 – 8 A 4282/02, GewArch 2004, 255 – im konkreten Fall jedoch mangels Anspruchs im Ergebnis erfolglos; s. BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331 m. Anm. Rickert, GewArch 2004, 369. VG Frankfurt a. M. v. 15.11.2007 – 5 E 777/07. BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331 m. Anm. Rickert, GewArch 2004, 369; VG Aachen v. 28.4.2004 – 3 K 1392/01, EzB-VjA BBiG § 58 Nr. 14. Nach § 2 AGG ist ein öffentliches Amt in einer Selbstverwaltungskörperschaft wohl nicht vom Anwendungsbereich des AGG erfasst.
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§ 6 Rz. 5 Präsident, Präsidium in allen diesen Vorschriften werden nämlich Vorbehalte für die Wählbarkeit von Angehörigen anderer Europäischer Mitgliedstaaten gemacht, soweit das Amt – wie auch beim Präsidenten einer IHK – zur Ausübung öffentlicher Gewalt ermächtigt. In der Praxis kommen solche Einschränkungen der Wählbarkeit zum Präsidenten jedoch nicht vor, sondern werden umgekehrt auch Unternehmer ohne deutsche Staatsangehörigkeit zum Präsidenten gewählt. 6
Die Satzung kann auch vorsehen, dass ein Präsident nur einmal wiedergewählt werden kann, also insgesamt nur zwei Amtszeiten als Präsident amtieren darf. Ebenso könnte die Satzung ein Höchstalter für die Wahl zum Präsidenten vorschreiben, auch wenn der Präsident weiterhin der Vollversammlung angehört. Steht die Satzung einer Wiederwahl entgegen, so sind die Betreffenden nicht zum Präsidenten wählbar. Ihre Mitgliedschaft in der Vollversammlung bleibt unberührt.
7
Die Bestimmung, dass der Präsident aus der Mitte der Vollversammlung gewählt wird, hat auch rechtliche Konsequenzen für die Beendigung seines Amtes. Fallen die Voraussetzungen seiner Wählbarkeit zur Vollversammlung weg, so endet mit der Mitgliedschaft in der Vollversammlung auch sein Amt als Präsident vorzeitig. Ist der Eintritt dieser Folge für die Mitgliedschaft zur Vollversammlung durch eine entsprechende Regelung in der Satzung der IHK an einen Beschluss der Vollversammlung gebunden, der diese Voraussetzungen feststellen muss, so gilt die Beendigung des Amtes wie des Mandats erst für den Zeitpunkt dieses Beschlusses.
8
Die Satzung sieht in der Regel vor, dass Präsident und Präsidium bis zur Wahl ihrer Nachfolger im Amt bleiben; die IHK ist berechtigt, die Kontinuität ihrer Organe auf diese Weise zu sichern. Diese Regelung betrifft jedoch vor allem den Fall des Endes der Wahlperiode12. Nicht erfasst von der Fortführungsklausel werden dagegen der Wegfall der Wählbarkeit und die Amtsniederlegung. Für diese Fälle gibt es die Vertretungsregelungen in der Satzung. Falls die IHK eine notwendige Neuwahl über Gebühr hinauszögern sollte, könnte die Rechtsaufsichtsbehörde eingreifen.
9
Die im Gesetz gewählten Bezeichnungen „Präsident“ und „Präsidium“ dienen nur der Funktionsbestimmung. Sie bieten keine Vorschrift für die ausschließliche Anwendbarkeit dieser Bezeichnung. Durch die Satzung einer IHK könnten also Organe, welche die Funktionen von Präsident und Präsidium ausüben, anders bezeichnet werden (z.B. als Vorstand und Vorsitzender des Vorstandes). Durch den in der Ausschussvorlage eingefügten Klammerzusatz „Präses“13 hat das Gesetz diese Möglichkeit angedeutet, ohne damit aber die rechtlich zulässigen Bezeichnungen auf Präsident und Präses zu beschränken.
12 Ebenfalls erfasst ist z.B. der Fall einer ungültigen Wahl der Vollversammlung. 13 Der Klammerzusatz „Präses“ ist erst durch Beschluss des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuss) in den Gesetzentwurf eingefügt worden, BT-Drs. 2/2380.
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Präsident
Rz. 13 § 6
Der Präsident ist nicht nur Organ der IHK, sondern auch Amtsträger i.S.v. § 11 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b StGB, weil er – sowohl bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung der IHK als auch auch bei hoheitlichen Aufgaben – Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt14. Die in der Vollversammlung vorgenommenen Wahlen des Präsidenten und des 11 Präsidiums sind als Maßnahme zwischen zwei Organen und Organteilen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts keine Verwaltungsakte i.S.v. § 35 VwVfG, da sie nicht auf Außenwirkung gerichtet sind15. Daher können Wahl und Abwahl auch nicht mit der Anfechtungsklage angefochten werden, sondern nur im Wege des Organstreitverfahrens als Leistungsklage oder auch als Feststellungsklage16 zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden. Hinsichtlich der Abwahl gelten zunächst die Regelungen in der Satzung, da § 6 12 selbst dazu keine Regelung enthält17. Ist die Abwahl nicht in der Satzung geregelt, gibt es unterschiedliche Auffassungen, unter welchen Voraussetzungen sie vor Ablauf der Wahlperiode zulässig ist. Teilweise wird vertreten, dass es allgemeinen demokratischen Grundsätzen entspreche, gewählte Amtsinhaber grundsätzlich abberufen zu können, wenn sie die Unterstützung der Mehrheit des Gremiums verlieren, das ihre Amtsführung legitimiert18. Von der Rechtsprechung wird die vorzeitige Abwahl ohne Satzungsregelung mit Hinweis auf die befristete Wahl für die Wahlperiode grundsätzlich ausgeschlossen19 und nur aus wichtigem Grund eventuell zugelassen. In jedem Fall würde dies hohe Anforderungen voraussetzen. Differenzen zwischen Präsident und Präsidium oder zwischen Präsident und Vollversammlung allein sind ebenso wenig ausreichend wie fehlendes Vertrauen. Erst wenn die Arbeits- und Handlungsfähigkeit der IHK nicht mehr gegeben oder aus vergleichbarem Grund ein Verbleiben im Amt bis zum Ende der Wahlperiode nicht mehr zumutbar ist, geht die Rechtsprechung offensichtlich von der Zulässigkeit einer vorzeitigen Abwahl ohne entsprechende Satzungsregelung aus20. Im Ergebnis überzeugt diese Rechtsprechung mit den besseren Argumenten. Die 13 befristete Entscheidung ist regelmäßig auf diese Zeitdauer ausgelegt und nicht vorzeitig abänderbar. Soll eine solche Abänderung auch vor Fristablauf möglich 14 Heintschel-Heinegg in BeckOK StGB, StGB § 11 Rz. 15, bezieht auch Parlamentspräsidenten ein. 15 Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar VwVfG, 9. Aufl., § 35 Rz. 119; Kopp/Schenke, Kommentar VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh. § 42 Anm. 86. 16 VG Frankfurt a. M. v. 15.11.2007 – 5 E 777/07. 17 Siehe dazu auch Siekmann in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), Jahrbuch Recht und Ökonomie des Dritten Sektors 2009/2010 (RÖDS), 99. 18 Vgl. hierzu Th. Groß in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 7 Rz. 36. 19 VG Frankfurt a. M. v. 15.11.2007 – 5 E 777/07. 20 VG Frankfurt a. M. v. 15.11.2007 – 5 E 777/07.
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§ 6 Rz. 13 Präsident, Präsidium sein, muss dies ausdrücklich zugelassen werden. Soweit die Vollversammlung eine vorzeitige Abwahl von Präsident oder Präsidiumsmitglied ermöglichen möchte, ist eine entsprechende Satzungsregelung zulässig, aber auch notwendig. Anderenfalls bindet sich die Vollversammlung mit der Wahl für die Dauer der Wahlperiode. Dies gibt den Gewählten auch eine gewisse Unabhängigkeit, die für die Amtsausübung hilfreich sein kann. In einigen Satzungen beträgt die Wahlperiode für Präsident und Präsidium die Hälfte der Wahlperiode der Vollversammlung, wodurch Präsident und Präsidium bereits nach der halben Wahlperiode der Vollversammlung neu gewählt werden müssen. Die Möglichkeit einer Satzungsregelung zur Abwahl ist auch ergänzend zu einer verkürzten Wahlperiode zulässig.
III. Präsidium 14
Für die Wählbarkeit in das Präsidium enthält das Gesetz keine besonderen Vorschriften. Auch Präsidiumsmitglieder müssen aus der Mitte der Vollversammlung gewählt werden, also Vollversammlungsmitglieder und damit nach § 5 Abs. 2 wählbar sein. Die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen, die für die Wahl zum Präsidenten (siehe Rz. 4–6) und für die vorzeitige Beendigung dieses Amtes (siehe Rz. 7 f., 13) gelten, sind auch für die übrigen Mitglieder des Präsidiums maßgeblich. Die Satzung kann für die Verteilung der Präsidialsitze auf Wahlgruppen und Wahlbezirke Vorschriften enthalten. In der Satzung kann auch die Möglichkeit einer Wiederwahl in das Präsidium (siehe Rz. 6) – analog wie zum Präsidenten – beschränkt werden. Auch hierin liegt eine mögliche Wahrnehmung von autonomen Gestaltungsrechten, wie sie dem Wesen der Selbstverwaltung entsprechen. Für die Abwahl von Präsidiumsmitgliedern gelten dieselben Voraussetzungen wie für den Präsidenten (s. Rz. 13).
15
Die Mitgliedschaft im Präsidium ist ebenso wie die Mitgliedschaft in der Vollversammlung ein Ehrenamt im eigentlichen Sinn21; die Inhaber dieses Ehrenamtes sind nicht Beamte. Hierzu sowie über die Verschwiegenheitspflicht, den Anspruch auf Ersatz von Auslagen sowie die Bewilligung einer Aufwandsentschädigung22 s. § 5 Rz. 93. Die Mitglieder des Präsidiums sind – ebenso wie die Mitglieder der Vollversammlung – Organwalter23, jedoch keine Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b)
21 Kluth unterscheidet in seinem Vortrag auf dem Kammerrechtstag 2018 in Kassel (www.kammerrecht.de) zwischen dem Ehrenamt als Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung, die nicht hauptamtlich ausgeübt wird, und dem zivilgesellschaftlichen Engagement (insbesondere in Vereinen etc.). 22 Zur Sozialversicherungspflicht von Aufwandsentschädigungen für das Ehrenamt Kluth, NZS 2018, 553. 23 Zum Begriff Erichsen, § 7 A 5 Fn. 271.
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Aufgaben von Präsident und Präsidium
Rz. 17 § 6
StGB24, weil sie nur körperschaftsinterne Aufgaben als Beschlussorgan wahrnehmen und nicht nach außen in Erscheinung treten (siehe § 5 Rz. 94).
IV. Aufgaben von Präsident und Präsidium 1. Aufgaben des Präsidenten Der Präsident ist der ehrenamtliche Repräsentant der IHK. Das Gesetz führt als 16 Aufgabe des Präsidenten nur den Vorsitz jeweils im Präsidium und in der Vollversammlung an, deren Mitglied er auch jeweils ist, sowie die Einberufung der Vollversammlung. Soweit nicht Satzung oder Geschäftsordnung dem Präsidenten in der Einberufung der Vollversammlung und deren Leitung Bindungen auferlegen (z.B. Antrag auf Einberufung seitens einer Minderheit, Einberufungsfristen, Erteilung oder Entziehung des Wortes etc.), übt der Präsident seine Funktion nach pflichtgemäßem Ermessen aus. Er hat die Arbeit der Vollversammlung (siehe dazu auch § 4) sicherzustellen und übt in den Sitzungen das Hausrecht aus. Er hat die nach geltendem Recht erforderlichen Beschlüsse der Vollversammlung sowie eine demokratische Beratung dieser Materien zu gewährleisten. Handelt er seinen Verpflichtungen zuwider, so kann die Vollversammlung das durch entsprechende Beschlüsse rügen und – wenn der Präsident nicht entsprechend den Vorgaben der Vollversammlung handelt – ihn aus seinem Amt abwählen (siehe dazu auch Rz. 13). Daneben kann auch die Aufsichtsbehörde ggf. für ein ordnungsgemäßes Funktionieren der IHK-Organe Sorge tragen25. Als weitere Aufgabe des Präsidenten ergibt sich aus § 7 Abs. 2, dass er – gemein- 17 sam mit dem Hauptgeschäftsführer – die rechtsgeschäftliche und gerichtliche Vertretung der IHK wahrnimmt (siehe dazu § 7 Rz. 12 ff.). Damit ist der Präsident auch an allen wesentlichen Einzelvorgängen beteiligt, soweit sie nicht durch die Satzung dem alleinigen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich des Hauptgeschäftsführers zugewiesen sind. Insbesondere kann die Satzung vorsehen, dass der Präsident Dienstverträge bei der Einstellung von Geschäftsführern mitunterzeichnet, also auch an diesen wichtigen personalpolitischen Entscheidungen einer IHK mitwirkt. Die Arbeitgeberfunktion gegenüber den Mitarbeitern der IHK nimmt aber auch in diesem Fall allein der Hauptgeschäftsführer wahr (siehe dazu auch § 7 Rz. 2, 17). Der Präsident ist auch nicht Vorgesetzter des Hauptgeschäftsführers. 24 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, NJW 2006, 2050, die Entscheidung zum kommunalen Mandatsträger ist wohl nicht nur auf das Vollversammlungsmitglied, sondern auch auf das Präsidiumsmitglied – nicht dagegen auf den Präsidenten – übertragbar (siehe Rz. 30 ff. der Entscheidungsgründe). 25 Dazu steht der Aufsichtsbehörde das rechtsaufsichtliche Instrumentarium zur Verfügung, siehe insoweit Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, § 15 Rz. 67 ff.
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§ 6 Rz. 17 Präsident, Präsidium Im Übrigen wird die Satzung zu regeln haben, ob und welche anderen Aufgaben vom Präsidenten wahrzunehmen sind (z.B. Vorsitz in bestimmten Ausschüssen). 18
Bei der Aufgabenerfüllung ist der Präsident an den gesetzlichen Kompetenzrahmen der IHK (siehe § 1 Rz. 17) ebenso wie an die satzungsrechtliche Ausgestaltung seiner Vertretungsmacht gebunden. Dies gilt sowohl bei der öffentlich-rechtlichen Tätigkeit als auch bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung der IHK. Für die öffentlich-rechtliche Tätigkeit kann grundsätzlich das Amtshaftungsprivileg nach Art. 34 GG iVm § 839 BGB greifen. Handelt der Präsident rechtsgeschäftlich für die IHK außerhalb des gesetzlichen Kompetenzbereiches (§ 1), so ist das Rechtsgeschäft unwirksam26. Wird der Kompetenzbereich der IHK eingehalten, ist aber die satzungsrechtliche Vertretungsmacht überschritten, wird die IHK rechtsgeschäftlich nicht verpflichtet27. 2. Aufgaben des Präsidiums
19
Das Präsidium ist ein Beschlussorgan, dessen Kompetenzen sich im Einzelnen aus der Satzung ergeben müssen. Die Kompetenzen kommen dabei dem Gesamtgremium unter der Leitung des Präsidenten zu, nicht jedoch seinen Einzelmitgliedern. Hauptaufgabe des Präsidiums ist die Unterstützung des Präsidenten, vor allem bei der Vorbereitung der Vollversammlungen und den dort zu beschließenden Statuten sowie den Richtlinien für die Kammerarbeit. Im Präsidium wird also die wichtigste sachliche Vorarbeit in allen Grundsatzfragen der IHK geleistet. Regelmäßig sehen die Satzungen vor, dass das Präsidium insbesondere bei der Vorbereitung des alljährlichen Wirtschaftsplanes mitwirkt, aber auch über die Möglichkeit und das System von Zusagen von Altersversorgungen an Mitarbeiter der IHK entscheidet. In der Regel führt es auch das Auswahlverfahren durch und bereitet den Vorschlag für die Bestellung eines neuen Hauptgeschäftsführers vor.
20
Dem Präsidium kann in der Satzung der IHK auch – mit Ausnahme der in § 4 aufgeführten Fälle – der Erlass von Rechtsvorschriften übertragen werden, z.B. im Bereich des Sachverständigenwesens. Auch kann die Satzung eine Eilkompetenz des Präsidiums vorsehen, unter den bereits genannten Voraussetzungen Entscheidungen anstelle der Vollversammlung zu treffen, die dann jedoch dieser mitgeteilt oder von dieser bestätigt werden müssen. Die Satzung hat hier einen relativ weiten Gestaltungsspielraum, inwieweit sie das Präsidium in die Arbeit der IHK mit Mitwirkungs- und Entscheidungsrechten einbinden will. Die im Gesetz festgelegten Befugnisse anderer Organe dürfen jedoch nicht eingeschränkt werden. Die 26 BGH v. 28.2.1956 – I ZR 84/54, NJW 56, 746; Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB § 89 Rz. 21. Eine Zurechnung des Handelns des Präsidenten ist nach § 89 BGB ausgeschlossen. Die Anwendung von §§ 177, 178 BGB ist mangels Genehmigungsfähigkeit ausgeschlossen. 27 Der Präsident haftet in diesem Fall nach § 179 BGB persönlich. Zur Haftung von IHKOrganen und Möglichkeiten der Absicherung siehe Grütters, GewArch 2006, 141.
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Verhältnis der IHK-Organe zueinander
Rz. 22 § 6
Übertragung von Entscheidungsrechten für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wird daher nicht zulässig sein28 (vgl. § 7 Rz. 12). Die Satzung kann auch die Möglichkeit vorsehen, Ausschüsse aus dem Kreis des 21 Präsidiums mit beratender oder beschließender Funktion zu bilden (zu Ausschüssen allgemein siehe § 8 Rz. 2 ff.). Ausschüsse mit beratender Funktion können Entscheidungen des Präsidiums zu bestimmten Themen vorbereiten oder Empfehlungen dazu an das Präsidium geben (z. B. Bauausschuss). Ausschüssen mit beschließender Funktion können dagegen bestimmte Themen zur eigenständigen Entscheidung übertragen werden (z.B. Personalausschuss). In diesem Fall delegiert das Präsidium als Gesamtorgan die Entscheidungsbefugnis insoweit an das Organteil Ausschuss.
V. Verhältnis der IHK-Organe zueinander Präsident und Präsidium der IHK nehmen jeweils die ihnen durch Gesetz oder 22 Satzung zugewiesenen Aufgaben wahr, ohne dass zwischen ihnen ein Über- oder Unterordnungsverhältnis besteht oder dass es etwa ein Weisungsrecht gibt. Schon der Organbegriff schließt ein Weisungsrecht gegenüber anderen Organen mit eigenem Wirkungskreis aus. Wohl können Vollversammlung und Präsidium im Rahmen ihrer Zuständigkeit Beschlüsse fassen, welche die Geschäftsführung zur Durchführung verpflichten. Aufgabe des Präsidenten (oder nach der Satzung auch des Präsidiums) ist es dann, die ordnungsmäßige Durchführung dieser Beschlüsse durch die Geschäftsführung zu überwachen. Zu diesem Zweck können Präsident (oder Präsidium mit entsprechender Aufgabenzuweisung in der Satzung) von der Geschäftsführung Auskunft über alle für ihre Beschlüsse notwendigen Vorgänge verlangen, soweit nicht spezielle Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitsvorschriften bestehen (z.B. das Steuergeheimnis in § 30 AO oder der Datenschutz bei Personalakten). Auf der anderen Seite hat der Hauptgeschäftsführer – ähnlich wie der Bürgermeister im Kommunalrecht29 – die Pflicht, auf die Rechtmäßigkeit des Handelns der IHK zu achten; Beschlüsse der Vollversammlung oder des Präsidiums, die mit der Rechtsordnung oder dem Satzungsrecht, insbesondere mit dem Wirtschaftsplan und dem Finanzstatut, nicht vereinbar sind, hat er zu beanstanden (vgl. § 7 Rz. 3 f.). Das gilt auch für die Einhaltung des gesetzlichen Kompetenzrahmens (siehe dazu auch § 1 Rz. 17, § 4 Rz. 2 ff.). Das Verhältnis von Vollversammlung, Präsidium, Präsident und Hauptgeschäftsführer
28 Die Rechtsprechung geht wohl davon aus, dass Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht delegiert werden können, zumindest im Bereich der Wahrnehmung des Gesamtinteresses, BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09, GewArch 2010, 400 Rz. 35; ebenfalls BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 110. 29 Zum Rechtsgedanken dieser Pflicht vgl. § 54 Abs. 2 GO NW.
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§ 6 Rz. 22 Präsident, Präsidium ist also auch durch eine Aufgaben- und Funktionsteilung und eine gegenseitige Kontrolle gekennzeichnet30 (siehe dazu auch § 7 Rz. 17 ff.). 23
Aus diesen Ausführungen ergibt sich auch, dass das Präsidium nicht etwa mit der Stellung eines Aufsichtsrats in einer Kapitalgesellschaft zu vergleichen ist; insbesondere hat das Präsidium keine allgemeine Überwachungsaufgabe. Entscheidend bleibt vielmehr die vertrauensvolle Zusammenarbeit der IHK-Organe als Voraussetzung für ein erfolgreiches Wirken der IHK.
24
Dem Grundsatz eines allgemeinen Verwaltungsprinzips entspricht es, dass Präsident und Präsidium nach Ablauf ihrer Amtszeit die Geschäfte bis zur Neuwahl weiter ausüben; das würde auch dann gelten, wenn eine entsprechende Regelung nicht ausdrücklich in Satzung oder Geschäftsordnung getroffen worden ist (zu den Einschränkungen dieses Fortführungsgrundsatzes siehe Rz. 8).
§7 [Hauptgeschäftsführer] (1) Die Vollversammlung bestellt den Hauptgeschäftsführer. (2) Präsident (Präses) und Hauptgeschäftsführer vertreten nach näherer Bestimmung der Satzung die Industrie- und Handelskammer rechtsgeschäftlich und gerichtlich. I. Rechtliche Stellung des Hauptgeschäftsführers . . . . . . . . . . . II. Bestellung des Hauptgeschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . .
1 6
III. Vertretung der Industrie- und Handelskammer . . . . . . . . . .
12
IV. Geschäftsführer und Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . .
17
I. Rechtliche Stellung des Hauptgeschäftsführers 1
Der Hauptgeschäftsführer (HGF) wird vom IHKG nicht ausdrücklich als Organ der IHK bezeichnet. Für ihn ergibt sich die Organstellung aber aus seinen gesetzlichen Aufgaben, insbesondere aus § 7 Abs. 2 und seiner Bestellung durch die Vollversammlung. § 7 Abs. 2 weist dem Hauptgeschäftsführer die Aufgabe zu, die Geschäfte der IHK zu führen und die IHK zusammen mit dem Präsidenten
30 Vgl. dazu Erichsen, § 7 A 3.
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§ 6 Rz. 22 Präsident, Präsidium ist also auch durch eine Aufgaben- und Funktionsteilung und eine gegenseitige Kontrolle gekennzeichnet30 (siehe dazu auch § 7 Rz. 17 ff.). 23
Aus diesen Ausführungen ergibt sich auch, dass das Präsidium nicht etwa mit der Stellung eines Aufsichtsrats in einer Kapitalgesellschaft zu vergleichen ist; insbesondere hat das Präsidium keine allgemeine Überwachungsaufgabe. Entscheidend bleibt vielmehr die vertrauensvolle Zusammenarbeit der IHK-Organe als Voraussetzung für ein erfolgreiches Wirken der IHK.
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Dem Grundsatz eines allgemeinen Verwaltungsprinzips entspricht es, dass Präsident und Präsidium nach Ablauf ihrer Amtszeit die Geschäfte bis zur Neuwahl weiter ausüben; das würde auch dann gelten, wenn eine entsprechende Regelung nicht ausdrücklich in Satzung oder Geschäftsordnung getroffen worden ist (zu den Einschränkungen dieses Fortführungsgrundsatzes siehe Rz. 8).
§7 [Hauptgeschäftsführer] (1) Die Vollversammlung bestellt den Hauptgeschäftsführer. (2) Präsident (Präses) und Hauptgeschäftsführer vertreten nach näherer Bestimmung der Satzung die Industrie- und Handelskammer rechtsgeschäftlich und gerichtlich. I. Rechtliche Stellung des Hauptgeschäftsführers . . . . . . . . . . . II. Bestellung des Hauptgeschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Vertretung der Industrie- und Handelskammer . . . . . . . . . .
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IV. Geschäftsführer und Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Rechtliche Stellung des Hauptgeschäftsführers 1
Der Hauptgeschäftsführer (HGF) wird vom IHKG nicht ausdrücklich als Organ der IHK bezeichnet. Für ihn ergibt sich die Organstellung aber aus seinen gesetzlichen Aufgaben, insbesondere aus § 7 Abs. 2 und seiner Bestellung durch die Vollversammlung. § 7 Abs. 2 weist dem Hauptgeschäftsführer die Aufgabe zu, die Geschäfte der IHK zu führen und die IHK zusammen mit dem Präsidenten
30 Vgl. dazu Erichsen, § 7 A 3.
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Rechtliche Stellung des Hauptgeschäftsführers
Rz. 3 § 7
rechtsgeschäftlich und gerichtlich zu vertreten. Das Gesetz überträgt ihm damit bestimmte Wahrnehmungsfunktionen, was für die Organqualität typisch ist1. Der Hauptgeschäftsführer ist ein Organ der IHK mit eigenen Rechten und Pflich- 2 ten2, also mit einem eigenen gesetzlichen Wirkungskreis, und einer – wie Präsident und Präsidium – direkt von der Vollversammlung abgeleiteten Legitimation. Aus dem Hauptamt ist er der Einzige mit Organfunktion, unabhängig davon, ob die Satzung für seinen Stellvertreter oder weitere Geschäftsführer die Bestätigung durch die Vollversammlung vorsieht3, da diesen die herausgehobene gesetzliche Stellung mit Außenwirkung fehlt4. Er führt – wie schon der Begriff sagt – die Geschäfte der IHK und ist für die ordnungsgemäße Erfüllung der Kammeraufgaben verantwortlich. Als Leiter der Geschäftsstelle der IHK ist er der Vorgesetzte der übrigen Mitarbeiter der IHK und Dienststellenleiter im Sinne des Personalvertretungsrechts, er nimmt damit die Arbeitgeberfunktion für die IHK wahr (siehe dazu auch § 4 Rz. 25). Ebenso ist er der Beauftragte für die Wirtschaftsführung, soweit er nicht einen solchen ausdrücklich bestellt5. Er bedarf einer eigenen Entlastung, insbesondere hinsichtlich seiner Wirtschaftsführung6 (siehe dazu auch § 4 Rz. 37, 53 ff.). Die Geschäftsführungsfunktion verpflichtet den Hauptgeschäftsführer, die Mei- 3 nungsbildung und Entscheidung der anderen Organe der IHK vorzubereiten und dabei auf die Einhaltung der verfassten Verfahren (siehe § 1 Rz. 41) und des gesetzlichen Kompetenzrahmens (siehe § 1 Rz. 17) hinzuwirken7. Dabei ist er zur Darlegung wirtschaftlicher wie auch insbesondere rechtlicher Bedenken berechtigt und verpflichtet. Deshalb hat er auch kraft Amtes ein Teilnahmerecht an allen Sitzungen von Vollversammlung, Präsidium und Ausschüssen. Bei rechtlichen 1 Kluth/Goltz, GewArch 2003, 265, 266; vgl. § 6 Rz. 2. 2 Nds. OVG v. 12.11.2009 – 8 LC 58/08, GewArch 2010, 74; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 131; krit. zur Organstellung des Hauptamtes in Kammern Th. Groß in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 231 f., wohl nur als Besonderheit des IHKRechts zulassend. 3 VG München v. 19.7.2016 – M 16 SE 16.2966, GewArch 2016, 475, zur fehlenden Organeigenschaft des (durch die Vollversammlung berufenen und abberufenen) stellvertretenden Hauptgeschäftsführers einer Handwerkskammer, mit krit. Anm. Schöbener/Krüger, GewArch 2016, 477. 4 Auf diese stellen Kluth/Goltz, GewArch 2003, 265, 267, maßgeblich ab; Gegen eine Ausweitung siehe auch Th. Groß in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 231 f. 5 So ist es regelmäßig auch in den Finanzstatuten gem. § 4 Satz 2 Nr. 8 IHKG geregelt. Aber auch bei Bestellung eines gesonderten Beauftragten für die Wirtschaftsführung bleibt die Letztverantwortung beim Hauptgeschäftsführer. 6 Zur Haftung von IHK-Organen und Möglichkeiten der Absicherung siehe Grütters, GewArch 2006, 141. 7 Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben durch die Mitarbeiter der IHK verantwortet der Hauptgeschäftsführer bereits als Vorgesetzter der übrigen Mitarbeiter der IHK und Dienststellenleiter im Sinne des Personalvertretungsrechts (siehe Rz. 2).
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§ 7 Rz. 3 Hauptgeschäftsführer Bedenken kann er seine Mitwirkung verweigern, auch wenn – etwa im Falle der rechtsgeschäftlichen Vertretung – damit eine verbindliche Willenserklärung oder Äußerung der IHK unmöglich würde. 4
Im Übrigen ist der Hauptgeschäftsführer als Organ der IHK an die Beschlüsse der Vollversammlung und – soweit es Beschlussfunktionen hat – des Präsidiums gebunden. Er hat die Beschlüsse ordnungsgemäß durchzuführen. Dies gilt insbesondere für alle Grundsatzbeschlüsse der Vollversammlung über die Richtlinien zur Kammerarbeit, vor allem auch für die Durchführung des Wirtschaftsplanes. Der Hauptgeschäftsführer unterliegt der Kontrolle durch die Vollversammlung und – soweit satzungsrechtlich vorgesehen – des Präsidiums. Durch Satzung können ihm weitere Aufgaben zugewiesen werden, z.B. unter Beachtung der Grundsatzbeschlüsse der Vollversammlung im Bereich der Ermittlung und Wahrnehmung des Gesamtinteresses nach § 1 (siehe dazu auch § 1 Rz. 47).
5
Der Hauptgeschäftsführer ist nicht nur Organ der IHK, sondern auch Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) StGB. Die Bezeichnung „Hauptgeschäftsführer“ ist eine Funktionsangabe und schließt – ebenso wie bei den Bezeichnungen „Präsident“ oder „Präses“ – die Wahl anderer Bezeichnungen nicht aus, etwa Erster Syndikus.
II. Bestellung des Hauptgeschäftsführers 6
Die Stellung des Hauptgeschäftsführers in der Industrie- und Handelskammer ist dadurch hervorgehoben, dass er sich auf ein Mandat der demokratisch gewählten Vollversammlung berufen kann. Gegenüber Präsident und Präsidium soll ihm Unabhängigkeit dadurch gegeben werden, dass er – genau wie diese selbst – die Grundlage seines Wirkens im Vertrauen der Vollversammlung findet. Präsident, Präsidium oder Vollversammlung sind weder Dienstvorgesetzte (ein beamtenrechtlicher Begriff) noch Vorgesetzte des Hauptgeschäftsführers, sondern jeweils andere Organe der IHK mit eigenen Kompetenzen. Der Hauptgeschäftsführer ist ihnen für die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der IHK und für die Durchführung ihrer Beschlüsse quasi-parlamentarisch verantwortlich, aber nicht weisungsgebunden.
7
Die Bestellung des Hauptgeschäftsführers durch die Vollversammlung ist ein Verwaltungsakt8. Teilweise wurde die Rechtsnatur der Bestellung und Abberufung des Hauptgeschäftsführers als Verwaltungsakt in Zweifel gezogen, da die Entscheidung nicht auf Außenwirkung gerichtet sei9. Mit der Bestellung zum hauptamtlichen Hauptgeschäftsführer wird er als Organwalter eingesetzt und er8 Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08; VG Arnsberg v. 5.1.1978 – 1 K 744/77. 9 VG Lüneburg v. 23.7.2008 – 5 A 64/08, allerdings durch Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08 in derselben Rechtssache anders entschieden.
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Bestellung des Hauptgeschäftsführers
Rz. 7 § 7
hält somit das Recht an seinem Amt. Mit der Abberufung endet die Organwaltertätigkeit, und damit auch das Recht am Amt. Es handelt sich somit nicht um eine interne Organisationsentscheidung im Innenrecht der IHK, sondern um die Übertragung oder den Entzug des Rechts am Amt und damit um die Einwirkung auf die Rechtsposition des Betroffenen. Insoweit ist sowohl die Bestellung als auch die Abberufung des Hauptgeschäftsführers auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen im Sinne von § 35 VwVfG gerichtet und damit ein Verwaltungsakt10. Die Bestellung kann – im Gegensatz zur Wahl von Präsident und Präsidium für eine durch die Satzung bestimmte Wahlperiode -unbefristet, einmalig befristet oder regelmäßig befristet erfolgen. Auch eine befristete Bestellung mit Kopplung der Bestellung an die Wahlperiode der Vollversammlung, um einen Gleichlauf von Ehrenamt und Hauptamt zu gewähren, wäre zulässig. In der Praxis erfolgt die Bestellung des Hauptgeschäftsführers regelmäßig unbefristet. Dafür sprechen auch einige Argumente. Praktisch kann die Kontinuität des Hauptamtes gesichert und auch die wahlperiodenbedingte Diskontinuität des ehrenamtlichen Organs ausgeglichen werden. Gleichzeitig kann die unbefristete Bestellung auch jederzeit durch Abberufung beendet werden. Rechtlich kann sich eine unbefristete Bestellung als Regelfall auch aus den unterschiedlichen Formulierungen im Gesetz11, Wahl des ehrenamtlichen und Bestellung des hauptamtlichen Organs, und den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Organe ableiten lassen. Während die ehrenamtlichen Organe Präsident und Präsidium aus den Reihen der für eine bestimmte Wahlperiode gewählten Vollversammlung gewählt werden (siehe § 6 Rz. 4, 14), unterliegen die Voraussetzungen für die Bestellung des Hauptgeschäftsführers keiner zwingenden Befristung. Auf dem Verwaltungsakt der Bestellung beruht das Organverhältnis des Hauptgeschäftsführers, gleichzeitig aber auch sein privat- oder dienstrechtliches Anstellungsverhältnis12. Der Dienstvertrag kann unbefristet geschlossen werden, eine regelmäßige Befristung ist ebenfalls zulässig, auch wenn die Bestellung unbefristet erfolgt13. Wird der Dienstvertrag unbefris-
10 Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08; VG München v. 19.7.2016 – M 16 SE 16.2966, GewArch 2016, 475; Schöbener, GewArch 2008, 329; Schöbener in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2007. 11 Das BVerwG leitet den Unterschied zwischen § 1 Abs. 1 und § 1 Abs. 2 aus der Verwendung unterschiedlicher Begriffe ab, „für die Förderung zu wirken“ ist weiter als „die der Förderung dienen“, BVerwG v. 19.9.2000 – 1 C 29/99. Übertragen auf die „Wahl“ des Ehrenamts und die „Bestellung“ des Hauptamts kann in der Verwendung unterschiedlicher Begriffe auch auf die unterschiedliche Bedeutung der Regelungsinhalte geschlossen werden. 12 In der Praxis wird der Dienstvertrag eher vor der Bestellung ausgehandelt, jedoch entweder danach oder unter der Bedingung der anschließenden Bestellung durch die Vollversammlung abgeschlossen. 13 Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) ist auf das Anstellungsverhältnis des Hauptgeschäftsführers nicht anwendbar, da er kein Arbeitnehmer ist und es sich nicht um einen Arbeitsvertrag handelt, vgl. Rz. 8.
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§ 7 Rz. 7 Hauptgeschäftsführer tet abgeschlossen, empfiehlt es sich, im Dienstvertrag ein Lösungsrecht für den Fall vorzusehen, dass das Organverhältnis des Hauptgeschäftsführers endet. 8
Als Konsequenz aus dem Bestellungserfordernis in § 7 Abs. 1 ergibt sich, dass auch nur die Vollversammlung den Hauptgeschäftsführer als Organ abberufen kann, regelmäßig jederzeit. Erfolgt die Bestellung unbefristet, ist die Abberufung nicht auf einen wichtigen Grund beschränkt14. Eine Abberufung kann allerdings nicht willkürlich erfolgen, sondern muss hinreichend, z.B. mit einer grundlegenden Erschütterung des Vertrauensverhältnisses, begründet werden15. Hinsichtlich des Maßstabs für Gründe einer Abberufung ist der Rückgriff auf das Kommunalrecht nicht zulässig16, möglich ist jedoch die Anwendung des Rechtsgedankens aus vergleichbarem Bundesrecht, wie z.B. der Abberufung des Vorstandes einer Krankenkasse in § 35a Abs. 7 SGB IV oder einer Bank in § 6 des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau bzw. der Entlassung eines Mitglieds des Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeit in § 382 Abs. 3 SGB III17. Soweit die Bestellung des Hauptgeschäftsführers satzungsgemäß befristet erfolgt, ist bei fehlender Abberufungsregelung die Bestellung vorzeitig grundsätzlich nur aus wichtigem Grund beendbar. Dies kann sich bereits aus dem allgemeinen Rechtsgedanken ergeben, dass zeitlich befristete Vereinbarungen für diese Frist auch Bestand haben, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich vereinbart oder ein Abwarten der Frist unzumutbar (wichtiger Grund) ist. Vor allem werden bei einer befristeten Bestellung des Hauptgeschäftsführers für die Abberufung vergleichbare Voraussetzungen wie für die Abberufung des Präsidenten (siehe § 6 Rz. 12 f.) oder Vizepräsidenten18 gelten. Entweder ist sie geregelt oder nur aus wichtigem Grund zulässig19. Die Abberufung beendet die Organstellung des Hauptgeschäftsführers und unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung; für diesen Prozess ist das abberufene Organ klagebefugt20 und die Anfechtungsklage die richtige Klageart21. Inwieweit die Abberufung sich auf die Rechte des Hauptgeschäftsführers aus seinem Dienst- und Versorgungsvertrag auswirkt, ist unter dienstvertragsrechtlichen Aspekten zu prüfen. Eine Kopplung des Dienstvertrags an die Organstellung ist möglich und hat dann zur Folge, dass je nach konkreter Ausgestaltung die Abberufung einen wichtigen Grund zur Beendigung des Dienstver14 15 16 17 18
Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08; VG Lüneburg v. 23.7.2008 – 5 A 64/08. Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08; VG Lüneburg v. 23.7.2008 – 5 A 64/08. BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, BVerwGE 120, 255, GewArch 2004, 331. Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08. Zu den Voraussetzungen für eine Abwahl des Vizepräsidenten siehe VG Frankfurt a. M. v. 15.11.2007 – 5 E 777/07; dazu auch Siekmann in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), Jahrbuch Recht und Ökonomie des Dritten Sektors 2009/2010 (RÖDS), 99. 19 So wohl auch Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08; VG Lüneburg v. 23.7.2008 – 5 A 64/08. 20 Hess. VGH v. 4.1.1989 – 6 UE 469/87, DVBl. 1989, 934; VG Lüneburg v. 23.7.2008 – 5 A 64/08. 21 Nds. OVG v. 20.11.2008 – 8 ME 51/08; VG Arnsberg v. 5.1.1978 – 1 K 744/77.
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Bestellung des Hauptgeschäftsführers
Rz. 10 § 7
trags darstellt oder bereits selbst zur automatischen Beendigung des Dienstvertrags führt. Zuständig für Auseinandersetzungen bezüglich des Dienstvertrags sind die Zivilgerichte22, da der Hauptgeschäftsführer als Organ der IHK gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kein Arbeitnehmer ist und eine Vereinbarung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nach § 2 Abs. 4 ArbGG nur mit juristischen Personen des Privatrechts, nicht mit Körperschaften des öffentlichen Rechts wie der IHK möglich ist. Allerdings kann für die Kündigung des Dienstvertrags der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eröffnet sein, da für den Hauptgeschäftsführer der Vorrang der allgemeinen Bestimmungen zum Kündigungsschutz gem. § 2 Abs. 4 AGG nicht gilt, der Arbeitnehmerbegriff in § 6 Abs. 1 AGG jedoch unionsrechtlich auszulegen ist23. Jedenfalls ist die Abberufung durch die Vollversammlung Voraussetzung für eine Kündigung des privatrechtlichen Dienstvertrages. Vorher kann das Präsidium den Hauptgeschäftsführer nur suspendieren. Ohne die Bestellung durch die Vollversammlung können einem Mitarbeiter der 9 IHK die gesetzlichen Funktionen und die Stellung eines Hauptgeschäftsführers nicht eingeräumt werden. Ein Vertrag, durch den etwa Präsident und seitheriger Hauptgeschäftsführer einen neuen Hauptgeschäftsführer berufen, könnte zwar zivilrechtlich für die IHK verbindlich sein, da die Begründung von Anstellungsverhältnissen zum Aufgabenbereich von Präsident und Hauptgeschäftsführer gehört; er könnte auch Zahlungs- und Beschäftigungsverpflichtungen auslösen. Ein solcher Vertrag würde jedoch in funktioneller Hinsicht die Bestellung durch die Vollversammlung nicht ersetzen. Im Allgemeinen wird eine Vereinbarung dieser Art zumindest stillschweigend als „vorbehaltlich der Bestellung durch die Vollversammlung“ abgeschlossen zu gelten haben und hinfällig sein, wenn die Bestellung nicht ausgesprochen wird. Ohne einen solchen Vorbehalt, der weder im Vertrag enthalten noch mit dem Vertrag vereinbart wird, bleibt es bei der Verpflichtung der IHK und kann einen Schadenersatzanspruch begründen. Die weiteren Mitglieder der Geschäftsführung, einschließlich des Vertreters des 10 Hauptgeschäftsführers, benötigen eine Bestellung durch die Vollversammlung nicht, auch wenn eine solche Voraussetzung satzungsrechtlich zulässig ist. Auch bei einer satzungsrechtlich geregelten Bestellung weiterer Mitglieder der Geschäftsführung durch die Vollversammlung sind weder Bestellung noch Abberufung als Verwaltungsakt zu qualifizieren, sondern bleiben verwaltungsinterne Organisationsentscheidungen24. Soweit nicht die Satzung den Abschluss der Anstellungsverträge dieser Mitarbeiter der IHK dem Präsidium oder dem Präsidenten zuweist, würde die Beschlussfassung hierüber von der allgemeinen Zuständigkeit der Vollversammlung gemäß § 4 gedeckt sein. In der Praxis dürfte eine solche Beschlussfassung durch die Vollversammlung unüblich sein, es sei denn, die Sat22 BAG v. 22.7.1998 – 5 AS 30/98; LAG Nürnberg v. 27.11.1974 – 3 Sa 313/74. 23 BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17; Kunkel/Kunkel, jurisPR-HaGesR 7/2019 Anm. 1. 24 VG München v. 19.7.2016 – M 16 SE 16.2966, GewArch 2016, 475.
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§ 7 Rz. 10 Hauptgeschäftsführer zung sieht dies explizit vor25. Die Vollversammlung ist nicht verpflichtet, diese Aufgaben selbst wahrzunehmen oder satzungsrechtlich zu delegieren. Ohne eine entsprechende Satzungsregelung entscheidet über die Geschäftsverteilung innerhalb der IHK der Hauptgeschäftsführer im Rahmen seiner Organisationsverantwortung und Arbeitgeberfunktion. 11
Die Bestellung mehrerer Hauptgeschäftsführer, die neben- und miteinander tätig sind, sieht das Gesetz nicht vor. Es geht davon aus, dass – ähnlich einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband – die IHK eine monokratisch verfasste Geschäftsführung mit nur einem leitenden Organwalter hat26. Andernfalls wäre eine eindeutige rechtsgeschäftliche Vertretung der IHK, wie sie in § 7 Abs. 2 geregelt ist, nicht gegeben. Dies steht einer binnenrechtlichen Regelung, die Entscheidungen einem Vier-Augen-Prinzip unterstellt, wie insbesondere in den Finanzstatuten üblich, nicht entgegen. Zu unterscheiden ist dann zwischen der Wirksamkeit der Vertretung im Außenverhältnis und der Rechtmäßigkeit der Entscheidung im Innenverhältnis (siehe dazu auch § 4 Rz. 25).
III. Vertretung der Industrie- und Handelskammer 12
Die IHK wird gerichtlich und rechtsgeschäftlich durch Präsident und Hauptgeschäftsführer gemeinschaftlich vertreten, sodass grundsätzlich keiner von diesen allein tätig werden kann. Die Satzung kann aber „Näheres“ zur Vertretung bestimmen und damit anordnen, dass bestimmte Arten von Geschäften vom Präsidenten oder vom Hauptgeschäftsführer allein vorgenommen werden. Solche Erleichterungen sind für die Geschäfte der laufenden Verwaltung und für Geschäfte von finanziell geringfügiger Bedeutung, für die eine betragsmäßige Begrenzung festgesetzt werden kann, im Interesse einer reibungslosen Verwaltung üblich und auch notwendig27.
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Die Satzung kann auch besondere Bestimmungen für die Vertretung der IHK beim Abschluss von Anstellungs- und Versorgungsverträgen oder bei der Berufung ins Beamtenverhältnis treffen. Bei der Erteilung von Versorgungszusagen und bei der Berufung ins Beamtenverhältnis ist in den Satzungen oft auch eine Mitwirkung des Präsidiums vorgesehen, weil solche Maßnahmen die IHK besonders langfristig binden. Umgekehrt ist der Hauptgeschäftsführer nach den Satzungen der IHKs in der Regel alleinvertretungsberechtigt, wenn es um die Anstel-
25 Eine solche Beschlussfassung der Vollversammlung auch für Geschäftsführer der IHK sieht z.B. die Satzung der IHK Region Stuttgart in § 4 Abs. 2 Buchst. i (Stand 24.3.2015) vor. 26 Kluth/Goltz, GewArch 2003, 265, 270. 27 So ist regelmäßig auch in den Satzungen der IHKs geregelt, dass der Hauptgeschäftsführer die IHK in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung allein vertritt.
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Vertretung der Industrie- und Handelskammer
Rz. 16 § 7
lung oder Entlassung von Mitarbeitern – zumindest unterhalb der Geschäftsführerebene – geht. Bei Vorliegen einer Interessenkollision sind (entsprechend dem allgemeinen 14 Grundsatz des § 181 BGB) die Mitglieder des Präsidiums und der Geschäftsführung verhindert, für die IHK rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen; die Satzung regelt die Vertretung im Falle solcher tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung, oft unter Verweis auf eine Geschäftsordnung (siehe dazu auch § 4 Rz. 25). Wird die rechtsgeschäftliche Vertretung der IHK gegenüber ihrem Präsidenten 15 oder gegenüber dem Hauptgeschäftsführer erforderlich (z.B. Abschluss eines Mietvertrages mit diesem), so handelt für den Präsidenten das zur Vertretung des Präsidenten berufene Mitglied des Präsidiums bzw. für den Hauptgeschäftsführer dessen allgemeiner Stellvertreter, da die rechtsgeschäftliche und gerichtliche Vertretung in § 7 Abs. 2 nicht an die Person, sondern an die Funktion gebunden ist und demgemäß bei Verhinderung des Amtsträgers durch den dann zur Wahrnehmung der Funktion Berechtigten wahrgenommen wird. Das gilt beispielsweise auch dann, wenn ein Anstellungsvertrag mit einem neuen Hauptgeschäftsführer abzuschließen ist und der bisherige Hauptgeschäftsführer dafür nicht zur Verfügung steht, soweit die Satzung für diesen Vertrag nicht bereits eine andere Vertretung regelt, beispielsweise durch den Präsidenten und ein weiteres Mitglied des Präsidiums28 (siehe dazu auch § 4 Rz. 25). § 7 Abs. 2 regelt nur die Vertretung im gerichtlichen und rechtsgeschäftlichen Be- 16 reich. Das Gesetz enthält keine Vorschriften über die Vertretung der IHK bei der Erfüllung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben29. Bei der Abgabe von Erklärungen im öffentlich-rechtlichen Bereich (z.B. Gutachten gegenüber Gerichten oder Behörden, Stellungnahmen gegenüber gesetzgebenden Körperschaften oder Regierungsstellen) ebenso wie beim Erlass von Verwaltungsakten (z.B. Prüfungsentscheidungen, Bestellung von Sachverständigen) richtet sich die Vertretungsbefugnis für die IHK nach der Verwaltungsorganisation, die in der Satzung, Geschäftsordnung oder im Geschäftsverteilungsplan festgelegt ist oder auch auf einer Anordnung des Hauptgeschäftsführers beruhen kann. Die Zuständigkeiten im Finanzbereich sind im Finanzstatut (vgl. dazu § 3 Rz. 21a) und in der Kassendienstanweisung festgelegt.
28 Regelmäßig regeln die Satzungen der IHKs, dass die IHK gegenüber dem Hauptgeschäftsführer durch den Präsidenten und einen Vizepräsidenten vertreten wird. Dann sind diese auch zur Unterzeichnung des Dienstvertrages des Hauptgeschäftsführers zuständig und berechtigt. 29 VG Wiesbaden v. 28.4.1959 – III 2 195/58.
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§ 7 Rz. 17 Hauptgeschäftsführer IV. Geschäftsführer und Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer 17
Die Satzung oder die Geschäftsordnung regelt, wer für die Begründung (und Beendigung) der Anstellungsverträge der Mitarbeiter der IHK zuständig ist, denen keine Organstellung zukommt. Ohne eine solche Regelung ist dafür der Hauptgeschäftsführer zuständig30, da er die Arbeitgeberfunktion für die IHK wahrnimmt (siehe dazu auch Rz. 2). Häufiger als für Mitglieder der Vollversammlung wird für Mitarbeiter der IHK, je nach der Art ihrer Tätigkeit, die Geheimhaltungspflicht in Betracht kommen. Das kann besonders dann relevant werden, wenn der IHK Funktionen im Rahmen der Notstandsgesetzgebung übertragen werden, aber auch für die Wahrung des Steuergeheimnisses im Bereich des Beitrags bei der Verarbeitung der durch die Finanzverwaltung übermittelten Bemessungsgrundlagen. Insofern kann die förmliche Verpflichtung von Mitarbeitern der IHK im Rahmen des Verpflichtungsgesetzes als Voraussetzung für ihre Strafbarkeit, z.B. wegen Geheimnisverrats nach § 203 Abs. 2 Nr. 2 StGB i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB Bedeutung erlangen. Nach dem Verpflichtungsgesetz soll eine Verpflichtung erfolgen, soweit nicht bereits die Eigenschaft als Amtsträger iSv. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gegeben ist31.
§8 [Ausschüsse] Werden bei den Industrie- und Handelskammern zur Durchführung anderer als der in § 79 des Berufsbildungsgesetzes genannten Aufgaben Ausschüsse gebildet, so kann die Satzung bestimmen, daß in diese Ausschüsse auch Personen berufen werden, die nach § 5 Abs. 2 nicht wählbar sind. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . .
1
II. Ausschüsse der IHK . . . . . . . . 1. Branchen- und Fachausschüsse . .
2 5
2. Regionalausschüsse . . . . . . . . 3. Ausschüsse aus der Mitte der Vollversammlung . . . . . . . . . .
8 11
30 In den Satzungen der IHKs ist der Hauptgeschäftsführer dafür auch ausdrücklich benannt. Für die Ebene der Geschäftsführung und der Stellvertretung des Hauptgeschäftsführers ist allerdings regelmäßig die zusätzliche Mitwirkung des Präsidenten, des Präsidiums oder der Vollversammlung vorgesehen. Solche Regelungen sind rechtlich zulässig, ohne zwingend erforderlich zu sein. 31 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Verpflichtungsgesetz.
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§ 7 Rz. 17 Hauptgeschäftsführer IV. Geschäftsführer und Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer 17
Die Satzung oder die Geschäftsordnung regelt, wer für die Begründung (und Beendigung) der Anstellungsverträge der Mitarbeiter der IHK zuständig ist, denen keine Organstellung zukommt. Ohne eine solche Regelung ist dafür der Hauptgeschäftsführer zuständig30, da er die Arbeitgeberfunktion für die IHK wahrnimmt (siehe dazu auch Rz. 2). Häufiger als für Mitglieder der Vollversammlung wird für Mitarbeiter der IHK, je nach der Art ihrer Tätigkeit, die Geheimhaltungspflicht in Betracht kommen. Das kann besonders dann relevant werden, wenn der IHK Funktionen im Rahmen der Notstandsgesetzgebung übertragen werden, aber auch für die Wahrung des Steuergeheimnisses im Bereich des Beitrags bei der Verarbeitung der durch die Finanzverwaltung übermittelten Bemessungsgrundlagen. Insofern kann die förmliche Verpflichtung von Mitarbeitern der IHK im Rahmen des Verpflichtungsgesetzes als Voraussetzung für ihre Strafbarkeit, z.B. wegen Geheimnisverrats nach § 203 Abs. 2 Nr. 2 StGB i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB Bedeutung erlangen. Nach dem Verpflichtungsgesetz soll eine Verpflichtung erfolgen, soweit nicht bereits die Eigenschaft als Amtsträger iSv. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gegeben ist31.
§8 [Ausschüsse] Werden bei den Industrie- und Handelskammern zur Durchführung anderer als der in § 79 des Berufsbildungsgesetzes genannten Aufgaben Ausschüsse gebildet, so kann die Satzung bestimmen, daß in diese Ausschüsse auch Personen berufen werden, die nach § 5 Abs. 2 nicht wählbar sind. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . .
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II. Ausschüsse der IHK . . . . . . . . 1. Branchen- und Fachausschüsse . .
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2. Regionalausschüsse . . . . . . . . 3. Ausschüsse aus der Mitte der Vollversammlung . . . . . . . . . .
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30 In den Satzungen der IHKs ist der Hauptgeschäftsführer dafür auch ausdrücklich benannt. Für die Ebene der Geschäftsführung und der Stellvertretung des Hauptgeschäftsführers ist allerdings regelmäßig die zusätzliche Mitwirkung des Präsidenten, des Präsidiums oder der Vollversammlung vorgesehen. Solche Regelungen sind rechtlich zulässig, ohne zwingend erforderlich zu sein. 31 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Verpflichtungsgesetz.
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Ausschüsse der IHK 4. Weitere Ausschüsse . . . . . . . . . 5. Berufsbildungsausschuss . . . . .
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Rz. 2 § 8
6. Prüfungsausschüsse . . . . . . . . 7. Fachgremien oder Fachausschüsse
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Literaturauswahl: Düring/Wohlgemuth, Berufsbildungs- und Prüfungsausschüsse, DB Beilage 28/86; Herkert/Tölzl, Das neue Berufsbildungsgesetz, Kommentar mit Nebenbestimmungen, Loseblatt; Hurlebaus, Kommentar zum Berufsbildungsrecht, Loseblatt; Hurlebaus, Rechtsratgeber Berufsbildung, Handbuch für die Praxis; Meyer, Regionale Kammergliederungen, GewArch 2006, 227; Wölker, Berufsbildungsgesetz; Wurster, Berufsbildungsgesetz von A bis Z, 2005.
I. Vorbemerkung Die Vorschrift stellt klar, dass die IHK hinsichtlich der Bildung und der Beset- 1 zung von Ausschüssen weitgehenden Gestaltungsspielraum besitzt und auch insoweit das Gesetz ausdrücklich satzungsoffen ist1. Als Ausnahme wird nur der durch das Berufsbildungsgesetz, konkret § 79 BBiG, geregelte Bereich benannt. Bis 1969 war in § 8 Abs. 1 bis 3 der Berufsbildungsausschuss der IHK geregelt und in Abs. 4 die heutige Regelung bezüglich aller anderen Ausschüsse. Mit der Einführung des Berufsbildungsgesetzes im Jahre 19692 wurde durch § 103 Nr. 3 BBiG § 8 auf seinen damaligen Abs. 4 beschränkt und in seine heutige Fassung gebracht. Mit der Aufhebung der Abs. 1 bis 3 des alten § 8 ist der als besonderer Ausschuss der IHK zu bildende Berufsbildungsausschuss fortgefallen und durch den Berufsbildungsausschuss des Berufsbildungsgesetzes ersetzt worden. Der Berufsbildungsausschuss ist nun in den §§ 77 bis 80 BBiG geregelt. Zu den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes wird auf Vorauflagen3 und die Fachliteratur4 verwiesen. Eine erneute Novellierung des BBiG wurde Ende 2019 verabschiedet5. § 8 behält seine Bedeutung für die übrigen bei der IHK bestehenden Ausschüsse.
II. Ausschüsse der IHK Zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nutzen die IHKs die verschiedensten Arten von Ausschüssen, die auf unterschiedliche Art und Weise eingerichtet werden können. Sowohl die Art des Ausschusses als auch seine konkrete Aufgabenstellung und seine Besetzung können durch die Satzung geregelt werden. Teil1 Zur Satzungsoffenheit des Gesetzes insgesamt siehe auch BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) v. 14.8.1969, BGBl. I, 1112. 3 Zuletzt Wurster in Frentzel/Jäkel/Junge (Hrsg.), Kommentar zum IHKG, 7. Aufl., § 8. 4 Herkert/Töltl, BBiG; Hurlebaus, Rechtsratgeber Berufsbildung; Baumstümmler/Schulien, Entscheidungssammlung zum Berufsbildungsrecht (EzB); Lakies/Malottke, BBiG. 5 Änderung des Berufsbildungsgesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung v. 12.12.2019, BGBl I 2522.
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§ 8 Rz. 2 Ausschüsse weise kann auch die Vollversammlung unterhalb des Satzungsrechts Regelungen treffen, soweit dies von der Satzung eröffnet wird. Es gehören dazu vor allem die Branchen- und Fachausschüsse zur Erhöhung der Sachnähe und fachlichen Kompetenz der IHK, deren Aufgabe in der internen Beratung der IHK besteht. Weiterhin gibt es Regionalausschüsse zur besseren regionalen Abbildung der Wirtschaft im Kammerbezirk, die teilweise auch – wie die Vollversammlung – in unmittelbarer Wahl durch die Wahlberechtigten der Region gewählt werden und dadurch dann in der Satzung auch Aufgaben mit Außenwirkung übertragen bekommen können. Darüber hinaus werden auch Ausschüsse aus der Mitte der Vollversammlung gebildet, um spezielle Aufgaben innerhalb der Vollversammlung zu übernehmen, sowie weitere Ausschüsse mit einer klar definierten Aufgabenübertragung, wie z.B. der Wahlausschuss, der sowohl ausschließlich aus Mitgliedern der Vollversammlung bestehen als auch frei zusammengesetzt werden kann. Letztlich sind ein Berufsbildungsausschuss nach BBiG sowie die verschiedenen Prüfungsausschüsse für die der IHK übertragenen Aufgaben zu bilden. Dazu gehören neben den Prüfungsausschüssen für die Abschlüsse der beruflichen Aus- und Fortbildung nach BBiG6 auch die für die diversen Sach- und Fachkundeprüfungen, für die die IHK gesetzlich zuständig ist7. Nicht zu den Prüfungsausschüssen gehören trotz der inhaltlich vergleichbaren Tätigkeit die Fachgremien bzw. Fachausschüsse, die im Rahmen der öffentlichen Bestellung und Vereidigung genutzt werden, da sie formal nicht selbst entscheiden, sondern ihrerseits – dem Gerichtsgutachter vergleichbar – für die IHK als Sachverständiger gutachterlich tätig sind8. 3
Die Aufgabe der Ausschüsse ist regelmäßig, die spezifische Sachkompetenz der IHK in dem entsprechenden Bereich noch einmal zu erhöhen. Teilweise wird durch die Einrichtung von Ausschüssen gleichzeitig auch die die gesetzliche Mitgliedschaft verfassungsrechtlich tragende Möglichkeit der Beteiligung und Mitwirkung an Entscheidungsprozessen innerhalb der Kammer9 für die gesetzlichen Mitglieder vergrößert.
6 §§ 39, 56, 62 BBiG. 7 So z.B. der Prüfungsausschuss für die Sachkundeprüfungen im Güterkraftverkehr (§ 6 Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr) und im Straßenpersonenverkehr (§ 5 Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr) sowie für die Prüfungen der Sachkunde im Bewachungsgewerbe (§ 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GewO), für Versicherungsvermittler/-berater (§ 34d Abs. 5 Nr. 4 GewO), für Finanzanlagenvermittler (§ 34f Abs. 2 Nr. 4 GewO), für Honorar-Finanzanlagenberater (§ 34h Abs. 1 Satz 4 GewO iVm § 34f Abs. 2 Nr. 4 GewO) und für Immobiliendarlehensvermittler (§ 34i Abs. 2 Nr. 4 GewO). Eine genauere Darstellung der unterschiedlichen Aufgaben der IHK in diesem Bereich findet sich in § 1 Rz. 216 ff., § 1 Rz. 274 ff. 8 Siehe dazu auch Rickert in Pielow (Hrsg.), BeckOK GewR, § 36 Rz. 30 f. 9 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 109.
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Ausschüsse der IHK
Rz. 6 § 8
Ausschüsse sind Teil der IHK und an die gesetzlichen und satzungsrechtlichen 4 Grundlagen der IHK gebunden. Sie haben regelmäßig keine Entscheidungskompetenz, vor allem vertreten sie die IHK nicht nach außen oder gegenüber Dritten. Ausnahmen davon müssen ausdrücklich geregelt sein und bedürfen weiterer Voraussetzungen. So ist der Berufsbildungsausschuss Organ der IHK, soweit er nach § 79 Abs. 4 BBiG für Prüfungsordnungen zuständig ist, also Satzungsrecht der IHK beschließen kann. Ein Vertretungsrecht gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit ist damit jedoch nicht verbunden. Ein solches Vertretungsrecht gegenüber Dritten kann allerdings unter engen Voraussetzungen einem Regionalausschuss für regionale Fragen satzungsrechtlich eingeräumt werden (siehe Rz. 8), dem Regionalausschuss kann aber in keinem Fall eine Satzungskompetenz eingeräumt werden. Die Vollversammlung kann für die Ausschüsse eine Geschäftsordnung beschließen oder Vorgaben für eine solche machen. Die Organe der IHK, insbesondere der Hauptgeschäftsführer (siehe § 7 Rz. 3), sind berechtigt, an den Sitzungen der Ausschüsse teilzunehmen und sich über den Inhalt der Beratungen informieren zu lassen sowie die Protokolle und Unterlagen einzusehen. 1. Branchen- und Fachausschüsse Bei der IHK werden in der Regel zahlreiche Branchen- und Fachausschüsse ge- 5 bildet, die entweder bereits in der Satzung vorgesehen sind oder lediglich durch Beschluss der Vollversammlung eingerichtet werden. Dazu können z.B. ein Handelsausschuss, ein Verkehrsausschuss und ein Industrieausschuss, aber auch ein Mittelstandsausschuss, ein Außenwirtschaftsausschuss, ein Rechts- und Steuerausschuss, ein Sachverständigenausschuss und ein Infrastrukturausschuss gehören. Aufgabe dieser Ausschüsse ist es, die Gremien und die Geschäftsführung der IHK intern zu beraten, um den spezifischen Sachverstand der IHK in diesen Bereichen noch stärker zur Geltung kommen zu lassen und zu nutzen. Zur Stärkung der fachkundigen Ausrichtung ist es daher seit jeher üblich, dass in solche Ausschüsse auch Mitglieder berufen werden, die der Vollversammlung nicht angehören und ihr rechtlich auch nicht angehören können; meist handelt es sich um leitende Angestellte kammerzugehöriger Unternehmen mit besonderen Kenntnissen auf einzelnen Fachgebieten, um Angehörige der freien Berufe, um Vertreter der Kommunalverwaltungen (z.B. für das Gebiet des Verkehrs, der Außenwirtschaft oder der Stadtplanung) oder um Richter der örtlichen Gerichte (z.B. im Sachverständigenausschuss). Das Gesetz stellt die Möglichkeit klar, durch Satzung zu bestimmen, dass solche Personen auch in die Kammerausschüsse berufen werden können. Branchen- und Fachausschüsse sind keine Organe der IHK, sondern werden nur 6 beratend für Vollversammlung, Präsidium und Geschäftsführung tätig. Die Funktionen dieser Organe bleiben also unberührt; sie werden unterstützt, aber in ihrer selbständigen Entscheidung nicht beschnitten. Deshalb können diese Ausschüsse auch keine Maßnahmen nach außen treffen; die empfohlene Maßnahme Rickert
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§ 8 Rz. 6 Ausschüsse trifft die IHK durch ihre Organe und gemäß ihrer gesetzlichen Vertretung. Auch Pressemeldungen und andere Formen der Publizität hängen von der Zustimmung der zuständigen Organe der IHK, in der Regel Präsident oder Hauptgeschäftsführer, ab. 7
Aufgrund dieser Funktion der Branchen- und Fachausschüsse ist eine stärkere Regelung der Einrichtung, Zusammensetzung und Kompetenzen nicht erforderlich. Im Vordergrund steht die fachliche Expertise, um die Sachkompetenz der IHK in diesem Bereich noch einmal zu erhöhen. Diese wird intern den Gremien und der Geschäftsführung der IHK beratend zur Verfügung gestellt. Auf das Legitimationsniveau und die Wählbarkeit der Mitglieder nach § 5 Abs. 2 kommt es daher nicht an. Diese Ausschüsse können auf unterschiedliche Art und Weise eingerichtet und besetzt werden. Neben der Entscheidung der Vollversammlung über die Einrichtung, die Besetzung und den Vorsitz eines solchen Ausschusses sind auch andere Konstellationen rechtlich zulässig und werden in der Praxis auch genutzt. So kann die Benennung der Ausschussmitglieder dem Präsidium übertragen werden, bei Einrichtung der Ausschüsse durch die Vollversammlung. Auch die vollständige Übertragung sowohl der Einrichtung als auch der Besetzung der Ausschüsse auf das Präsidium ist zulässig. Ebenso zulässig ist die Wahl des Vorsitzes durch den Ausschuss selbst wie auch die Benennung des Vorsitzes durch ein Organ der IHK. Es kommt lediglich darauf an, dass die Satzung eine solche Delegation ermöglicht oder selbst regelt. 2. Regionalausschüsse
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Neben diesen Fachausschüssen gibt es in den IHKs teilweise auch Regionalausschüsse (siehe auch § 4 Rz. 21). Die bayerischen IHKs kennen seit jeher die auf Kreisebene gewählten Industrie- und Handelsgremien, andere Kammern nach ihrer Satzung oder Beschlüssen der Vollversammlung Kreisausschüsse und Stadtausschüsse. Auch in solche Regionalausschüsse der IHK können, sofern die Satzung es vorsieht, Personen berufen werden, die nicht nach § 5 Abs. 2 wählbar sind. Eine solche Satzungsregelung ist jedoch nur zulässig, soweit diese Gremien nicht für die mittelbare Wahl von Vollversammlungsmitgliedern zuständig sind (s. § 5 Rz. 41). Aufgabe dieser Regionalausschüsse ist es, in örtlichen Angelegenheiten unmittelbar den Sachverstand der betroffenen kammerzugehörigen Unternehmen nutzbar zu machen und die Meinungsbildung der IHK auch in diesen lokalen Fragen auf eine breitere Grundlage zu stellen. Gleichzeitig dienen solche Regionalausschüsse – genauso wie Außenstellen oder Zweigstellen der IHK – der Verstärkung des Kontaktes mit den kammerzugehörigen Unternehmen in den verschiedenen Regionen des Kammerbezirks und erleichtern umgekehrt den Mitgliedern die Beteiligung und Mitwirkung an Entscheidungsprozessen (siehe auch Rz. 3).
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Ausschüsse der IHK
Rz. 11 § 8
Sieht die Satzung auch für die Regionalausschüsse vor, dass nicht nach § 5 Abs. 2 9 wählbare Personen Mitglied sein können, gelten die Ausführungen zu den Branchen- und Fachausschüssen weitgehend auch für die Regionalausschüsse. Werden die Regionalausschüsse dagegen aus dem Kreis der nach § 5 Abs. 2 wählbaren Personen durch die Wahlberechtigten der Region in unmittelbarer Wahl gewählt, kann die Satzung Aufgaben der Vollversammlung, die lediglich die jeweilige Region betreffen, auch den Regionalausschüssen zuweisen. Der Regionalausschuss ist in diesem Fall als „kleine“, regionale Vollversammlung ausgestaltet und kann daher auf regionaler Ebene auch deren Aufgaben wahrnehmen, soweit die Satzung dies vorsieht. Die Vollversammlung der IHK bleibt dann weiterhin berechtigt, diese Aufgaben an sich zu ziehen. Soweit sie davon jedoch keinen Gebrauch macht, ist die Zuständigkeit des Regionalausschusses gegeben. Die Aufgabe des Ausschusses, die Vollversammlung aus der regionalen Sicht zu beraten, bleibt daneben in jedem Fall bestehen. Durch Satzung übertragbare Aufgaben auf einen von den Wahlberechtigten der 10 Region aus den Reihen der wählbaren Personen gewählten Regionalausschuss können Stellungnahmen zu regionalen Fragen, die Vertretung der IHK in der Region bis hin zur Organisation der regionalen Geschäftsstelle sein. Nicht zu den übertragbaren Aufgaben gehört das Satzungsrecht, da dies immer die IHK insgesamt betrifft, sowie Fragen von überregionaler Bedeutung. Auch sind die Regionalausschüsse an alle Beschlüsse der Vollversammlung gebunden. Mit ihren Positionen und Beschlüssen dürfen sie sich nicht in Widerspruch zu den Positionen und Beschlüssen der Vollversammlung oder auch des Präsidiums setzen oder von diesen abweichen. Die Vollversammlung kann auch jederzeit durch einen eigenen Beschluss die Position des Regionalausschusses überschreiben. Zulässig ist auch eine Übertragung der mittelbaren Wahl von Vollversammlungsmitgliedern aus der Region. Soweit das Satzungsrecht der IHK eine solche mittelbare Wahl von Vollversammlungsmitgliedern durch den Regionalausschuss vorsieht, werden die Mitglieder des Regionalausschusses mit der Wahl durch die Wahlberechtigten aus der Region zu Wahlpersonen für die Vollversammlungswahl10 (siehe dazu auch § 5 Rz. 41 ff.). 3. Ausschüsse aus der Mitte der Vollversammlung Die Vollversammlung kann auch aus ihrer Mitte heraus Ausschüsse bilden, die 11 aus Mitgliedern der Vollversammlung bestehen und spezielle Aufgaben aus dem Zuständigkeitsbereich der Vollversammlung übernehmen. So ist es z.B. nicht unüblich, einen Haushaltsausschuss zu bilden oder einem Ausschuss die Aufgaben eines solchen zuzuweisen. Es sind aber auch weitere bzw. andere Ausschüsse 10 Aktuell wird noch in der IHK Schwaben in Augsburg und in der IHK für Oberfranken in Bayreuth die Vollversammlung ausschließlich in diesem zweistufigen Verfahren gewählt.
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§ 8 Rz. 11 Ausschüsse denkbar. Für einen Ausschuss, dem ausschließlich Mitglieder der Vollversammlung angehören, ist auch eine Delegation von Aufgaben der Vollversammlung auf diesen Ausschuss unter Verlagerung der Zuständigkeit unproblematisch. Eine solche Delegation kann auch dazu führen, dass damit verbundene Rechte, insbesondere die zur Aufgabenwahrnehmung notwendigen Informations- und Auskunftsrechte, nicht mehr allen Vollversammlungsmitgliedern, sondern nur noch den Ausschussmitgliedern zustehen11. Sinnvoll kann dies immer dann sein, wenn die Befassung mit sensiblen Daten notwendig ist12. Notwendig ist eine solche übertragende Delegation nicht, sondern auch hier kann es bei einer Beratungsund Vorbereitungsfunktion bleiben, wie dies regelmäßig beim Haushaltsausschuss der Fall ist, wodurch dann auch die Informationsrechte in normalem Umfang bei dem einzelnen Mitglied der Vollversammlung verbleiben. 4. Weitere Ausschüsse 12
Für einzelne Aufgaben kann die Vollversammlung durch Satzungsrecht darüber hinaus spezielle Ausschüsse bilden, die zwar Aufgaben mit Entscheidungskompetenz für die IHK übertragen bekommen, aber nicht zwingend ausschließlich aus Mitgliedern der Vollversammlung zusammengesetzt sind. Dazu gehört insbesondere der Wahlausschuss (siehe auch § 5 Rz. 58), der sowohl ausschließlich aus Mitgliedern der Vollversammlung als auch ausschließlich aus Externen, die nicht einmal kammerzugehörig sind (wie z.B. Richter, Rechtsanwälte oder Notare), oder aus beiden Gruppen gemischt zusammengesetzt sein kann. Gerade der Wahlausschuss soll verschiedene Funktionen erfüllen, die teilweise widersprüchlich sind. So soll der Wahlausschuss verbindlich Fragen des Wahlverfahrens entscheiden, was eine Legitimation nahe der Vollversammlung erfordert. Umgekehrt wird teilweise angestrebt, dass die Wahlausschussmitglieder nicht über die eigenen Angelegenheiten entscheiden sollen, was Kandidaten, auch potenzielle, für die Vollversammlung ausschließen würde. Rechtlich ist ein solcher Ausschluss nicht notwendig. Soweit er aber von der den Wahlausschuss einsetzenden und besetzenden Vollversammlung gewünscht ist, kann er angestrebt werden13. Ebenso kann ein 11 In diesem Sinn wohl BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331, mit Anm. dazu Rickert, GewArch 2004, 369; so auch Rickert, WiVerw 2004, 153, 173; ebenfalls wohl Röger in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2003, 38, 53 f. 12 In einer IHK gab es lange Jahre einen Beitragsausschuss, der auch über konkrete Erlassund Stundungsanträge entschieden hat und daher die steuerlichen Bemessungsgrundlagen der Antragsteller herangezogen hat. Die Behandlung solcher Informationen in der gesamten Vollversammlung wäre ohne vorherige ausdrückliche Freigabe durch das betroffene Unternehmen unzulässig. Ebenso können Personalangelegenheiten, insbesondere der Dienstvertrag der Hauptgeschäftsführung, anstelle im Präsidium in einem dazu berufenen Ausschuss behandelt und entschieden werden. 13 Zwingend umgesetzt werden kann er nur dadurch, dass nicht (mehr) wählbare Personen, also nicht mehr aktive Unternehmer oder Externe (wie Richter, Rechtsanwälte
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Ausschüsse der IHK
Rz. 15 § 8
spezieller Anlageausschuss gebildet werden, der die Anlageentscheidungen für die IHK auf der Grundlage einer von der Vollversammlung verabschiedeten Anlagerichtlinie trifft. (siehe dazu auch § 3 Rz. 21b) 5. Berufsbildungsausschuss Der Berufsbildungsausschuss ist von der Satzungskompetenz der IHK weitge- 13 hend ausgenommen. Für diesen Ausschuss gelten in erster Linie die §§ 77 bis 80 BBiG und nur subsidiär das Satzungsrecht der IHK14. Die IHK als zuständige Stelle nach § 71 Abs. 2 BBiG muss gemäß § 77 Abs. 1 BBiG einen Berufsbildungsausschuss errichten. Zusammensetzung, Aufgaben und Arbeitsweise werden durch das Berufsbildungsgesetz geregelt. Dem Berufsbildungsausschuss gehören je sechs „Beauftragte der Arbeitgeber“, 14 „Beauftragte der Arbeitnehmer“ und „Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen“ an, die Lehrkräfte grundsätzlich mit beratender Stimme15. Die Mitglieder haben „Stellvertreter“, die bei Verhinderung der Mitglieder an deren Stelle treten16. Sowohl die Mitglieder als auch die Stellvertreter werden durch die nach Landesrecht zuständige Behörde berufen17. Hinsichtlich der „Beauftragten der Arbeitgeber“ hat die IHK das Vorschlagsrecht. Welches Organ innerhalb der IHK das Vorschlagsrecht hinsichtlich der Arbeitgebervertreter ausübt, ist nicht Regelungsmaterie des BBiG, sondern Binnenrecht der IHK. In der Regel enthalten die IHK-Satzungen eine Vorschrift, wonach das Präsidium für alle Beschlüsse zuständig ist, welche das Gesetz und die Satzung nicht ausdrücklich der Vollversammlung vorbehalten. Die Beauftragten der Arbeitgeber werden deshalb meist vom Präsidium vorgeschlagen. Die zuständige Landesbehörde ist gehalten, entsprechend den ihr vorgelegten Vor- 15 schlägen die Mitglieder und deren Stellvertreter zu berufen; die IHK muss aus den so berufenen Mitgliedern den Ausschuss konstituieren. Die Berufung durch die zuständige Landesbehörde erfolgt auf vier Jahre18, was in der Regel mit der Amtszeit der Vollversammlung übereinstimmt und sich damit in das Gefüge einer Selbstverwaltungskörperschaft richtig einordnet. Auch die Abberufung kann nur
14 15 16 17 18
oder Notare) berufen werden. Soweit wählbare Personen in den Wahlausschuss berufen werden, kann für diese das passive Wahlrecht nicht ausgeschlossen werden. Vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 77 Rz. 6 f.; Düring/Wohlgemuth, Berufsbildungs- und Prüfungsausschüsse, DB Beilage 28/86. § 77 Abs. 1 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 77 Rz. 10; Wurster, Berufsbildungsgesetz von A bis Z, 23. § 77 Abs. 5 BBiG. Der DIHK und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) haben gemeinsam eine Muster-Geschäftsordnung zur Umsetzung in den Berufsbildungsausschüssen empfohlen. § 77 Abs. 2, 5 BBiG. § 77 Abs. 2 BBiG.
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§ 8 Rz. 15 Ausschüsse durch die zuständige Landesbehörde erfolgen19, die in diesem Fall eine Ersatzberufung für die restliche Amtszeit vorzunehmen hat. 16
Vorsitz und stellvertretenden Vorsitz wählt der Berufsbildungsausschuss aus den Beauftragten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst, wobei Vorsitz und Stellvertretung nicht aus derselben Gruppe kommen sollen20. Die Beschlussfähigkeit des Ausschusses ist gesetzlich geregelt21. Die Mitglieder des Berufsbildungsausschusses und ihre Stellvertreter sind ehrenamtlich tätig22 (zum Ehrenamt siehe auch § 5 Rz. 92, § 5 Rz. 93). Für bare Auslagen und Zeitversäumnis hat die IHK eine angemessene Entschädigung zu gewähren23, deren Höhe von der IHK durch genehmigungspflichtige Entschädigungsregeln festzusetzen ist24. Zuständig für die Festsetzung ist grundsätzlich die Vollversammlung der IHK, da es sich um eine rein organisationsrechtliche Angelegenheit handelt. Sie kann entsprechend der Satzung die Festlegung auch dem Präsidium oder dem Hauptgeschäftsführer überlassen. Dabei darf die im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz geregelte Höhe der Entschädigung für ehrenamtliche Richter nicht unterschritten werden25.
17
Der Berufsbildungsausschuss ist in allen wichtigen Angelegenheiten der beruflichen Bildung zu unterrichten und zu hören26. Die IHK und ihre Organe sind verpflichtet, den Berufsbildungsausschuss insbesondere in den gesetzlich aufgeführten Angelegenheiten zu unterrichten27 oder anzuhören28. Jenseits der wichtigen Angelegenheiten der beruflichen Bildung kann die IHK den Berufsbildungsausschuss wie einen Fachausschuss in die IHK-Arbeit einbeziehen, ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht. Eine Besonderheit gilt für die von der IHK zu erlassenden Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der beruflichen Bildung. Über diese hat 19 20 21 22 23 24 25
26 27 28
§ 77 Abs. 4, 5 BBiG. § 77 Abs. 6 BBiG. § 78 Abs. 1 BBiG. § 77 Abs. 3, 5 BBiG. Herkert/Töltl, BBiG, § 77 Rz. 30; für die Rechtsanwaltskammer BVerwG NJW 1978, 233 = EzB-VjA BBiG § 56 Nr. 1. § 77 Abs. 3 Satz 2 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 77 Rz. 30, § 40 Rz. 85–92. Das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG) v. 5.5.2004 (BGBl. I S. 718, 776) enthält in Abschn. 4 (§§ 15 bis 18) Regelungen für die Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern. Nach § 40 Abs. 6 Satz 3 BBiG darf der in § 16 JVEG geregelte Umfang nicht unterschritten werden. Soweit auf diese Regelung in der Praxis nicht dynamisch verwiesen, sondern sie nur inhaltlich statisch übernommen wird, muss jede gesetzliche Änderung dann durch die IHK in den eigenen Regelungen nachvollzogen werden. § 79 Abs. 1 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 79 Rz. 1, 9 ff. § 79 Abs. 3 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 79 Rz. 10 ff. § 79 Abs. 2 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 79 Rz. 13 ff.
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Ausschüsse der IHK
Rz. 19 § 8
der Ausschuss in eigener Zuständigkeit zu beschließen29; insoweit tritt er an Stelle der Vollversammlung als Beschlussorgan der IHK30. Diese Zuständigkeit ist jedoch ausdrücklich auf Rechtsvorschriften beschränkt. Hierzu gehören insbesondere die Prüfungsordnungen31 wie auch die Fortbildungs- und Umschulungsprüfungsregelungen32, soweit nicht bei Fortbildung und Umschulung der Verordnungsgeber von seinen Verordnungsbefugnissen33 Gebrauch gemacht hat. Nicht der formellen Beschlussfassung durch den Berufsbildungsausschuss unter- 18 liegen auch Einzelentscheidungen der IHK, z.B. im Zulassungs- oder Prüfungsbereich. Hier bleibt die Zuständigkeit der IHK bzw. ihrer Prüfungsausschüsse unberührt. Soweit der Ausschuss seine Zuständigkeit überschreitet oder anderweitig gegen Gesetz oder Satzung verstößt, kann die IHK Bedenken anmelden und die Ausführung des (nach Ansicht der IHK) unrechtmäßigen Beschlusses verweigern. Macht der Ausschuss oder eine im Ausschuss vertretene Gruppe bei der Aufsichtsbehörde geltend, dass die IHK unrechtmäßig eine Ausführung verweigere, müsste die Aufsicht entscheiden. Gegen eine mögliche aufsichtsrechtliche Verfügung wäre der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, sodass das Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit von Beschluss oder Ausführungsverweigerung entscheiden würde. Umgekehrt wäre eine Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde nicht gegeben. Die Auseinandersetzung könnte aber auch in Form eines Organstreits ausgetragen werden (vgl. § 6 Rz. 3). Soweit Beschlüsse des Ausschusses finanzielle Auswirkungen haben, bedürfen sie 19 für ihre Wirksamkeit der Zustimmung der Vollversammlung als des für den Wirtschaftsplan (siehe zum Wirtschaftsplan § 3 Rz. 22 ff.) zuständigen Organs der IHK34. Von der Beschlusszuständigkeit des Ausschusses bleibt die Finanzhoheit der IHK und die Zuständigkeit der Vollversammlung für den Wirtschaftsplan unberührt. Jede Mehrausgabe im laufenden Geschäftsjahr bedeutet eine Änderung des Wirtschaftsplanes und bedarf deshalb der Zustimmung der Vollversammlung. Aber auch Beschlüsse, die erst in der Folge zu nicht unwesentlichen Mehrausgaben führen, bedürfen von vornherein der Zustimmung der Vollversammlung, damit deren künftige Entscheidungsfreiheit nicht eingeengt wird35. Der Vergleich findet dabei zwischen den bisherigen Wirtschaftsplanansätzen für den Bereich der Berufsbildung und den durch die Beschlüsse entstehenden Mehrausgaben statt.
29 30 31 32 33 34 35
§ 79 Abs. 4 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 79 Rz. 20. Herkert/Töltl, BBiG, § 79 Rz. 20; Wurster, Berufsbildungsgesetz von A bis Z, 23. §§ 47, 56 Abs. 1 und 62 Abs. 3 BBiG. §§ 54, 59 BBiG. §§ 53, 58 BBiG. § 79 Abs. 5 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 79 Rz. 35. § 79 Abs. 5 Satz 2 BBiG; vgl. Herkert/Töltl, BBiG, § 79 Rz. 36.
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§ 8 Rz. 20 Ausschüsse 20
Der Berufsbildungsausschuss ist Teil der IHK36 (siehe Rz. 3) und nicht neben der IHK verselbständigt37. Soweit er nach § 79 Abs. 4 BBiG statutarisches Recht (Satzungsrecht der IHK) beschließt, ist er auch ein Organ der IHK (vgl. § 6 Rz. 2)38. Im Übrigen gelten für ihn die normalen Regelungen wie für Fachausschüsse (siehe Rz. 4). 6. Prüfungsausschüsse
21
Die IHK hat für die Abnahme der unterschiedlichen Prüfungen, für die ihr gesetzlich die Zuständigkeiten übertragen sind, Prüfungsausschüsse eingerichtet. Diese Prüfungsausschüsse sind selbst keine Behörden, sondern unselbständige Einrichtungen der IHKs39, Behörde ist allein die IHK. Der Prüfungsausschuss hat die Aufgabe, die Prüfung durchzuführen und eine Entscheidung über das Ergebnis zu treffen. Wie beim Berufsbildungsausschuss, bei dem sich aus der Satzungskompetenz insoweit auch die Eigenschaft als Organ der IHK ergibt, kann aus der Entscheidungskompetenz der Prüfungsausschüsse insoweit auch die Organeigenschaft dieser abgeleitet werden40. Über den Widerspruch, soweit landesrechtlich nicht das Widerspruchsverfahren ausgeschlossen ist41, entscheidet jedoch die IHK, die auch Beklagte in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist.
22
Im Bereich der beruflichen Aus- und Fortbildung ist die Einrichtung von Prüfungsausschüssen einschließlich deren Tätigkeit und Handlungsgrundlage im Berufsbildungsgesetz geregelt42. Für den zur Prüfung der fachlichen Eignung von „Ausbildern“43 einzurichtenden Prüfungsausschuss gelten die Vorschriften des BBiG entsprechend44. Die Errichtung des Prüfungsausschusses45 ist ebenso geregelt wie die Zusammensetzung und Berufung46, Vorsitz, Beschlussfähigkeit und 36 BVerwG v. 13.9.1977 – I C 41.74, juris. 37 BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 19/84, BVerfGE 72, 278; EzB BBiG § 56 Nr. 4, zu der Nichtgeltung von § 77 Abs. 1 und 2 BBiG für die Kirchen; Herkert/Töltl, BBiG, § 77 Rz. 5. 38 Herkert/Töltl, BBiG, § 77 Rz. 5. 39 BVerwG v. 20.7.1984 – 7 C 28/83, BVerwGE 70, 4, EzB VwGO § 68, Nr. 7. 40 So wohl zumindest für die Prüfungsausschüsse nach BBiG auch OVG Nordrhein-Westfalen v. 1.9.1989 – 15 A 2584/86, GewArch 1990, 136. 41 Derzeit ist in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen das Widerspruchsverfahren für Entscheidungen auch der IHK ausgeschlossen. 42 §§ 39 ff., 56 Abs. 1 und 62 Abs. 3 BBiG; ausführlicher dazu Herkert/Töltl, BBiG, § 39 ff. sowie zuletzt Wurster in Frentzel/Jäkel/Junge (Hrsg.), Kommentar zum IHKG, 7. Aufl., § 1 Rz. 100–129. 43 § 4 Abs. 1 AEVO. 44 § 4 Abs. 5 AEVO; vgl Herkert/Töltl, BBiG, § 4 AEVO Rz. 5. 45 § 39 BBiG. 46 § 40 BBiG.
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Ausschüsse der IHK
Rz. 25 § 8
Abstimmung47. Beschlussfassung und Bewertung48 sowie die Zulassungsentscheidung49 und auch der Erlass der Prüfungsordnung50 sind ebenfalls gesetzlich geregelt. Ein eigener satzungsrechtlicher Gestaltungsspielraum der IHK besteht insoweit nicht. Die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse über die Zulassung zur Prüfung und über das Prüfungsergebnis selbst stellen Verwaltungsakte der IHK gem. § 35 VwVfG dar. Errichten mehrere Kammern bei einer von ihnen einen gemeinsamen Prüfungs- 23 ausschuss für berufliche Aus- und Fortbildungsprüfungen51, führt dieser die jeweilige Prüfung als Prüfung der jeweils zuständigen Kammer nach deren Prüfungsordnung durch. Die Entscheidungen des gemeinsamen Prüfungsausschusses sind dann immer eine Entscheidung der jeweils zuständigen IHK, die auch für das weitere Verfahren, soweit landesrechtlich nicht ausgeschlossen das Widerspruchsverfahren und im Fall einer Klage auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren, zuständig ist. Der gemeinsame Prüfungsausschuss handelt, unabhängig davon, bei welcher Kammer er errichtet wird, jeweils als Organ der zuständigen Kammer. Für Sachkundeprüfungen im Verkehrsbereich gibt es teilweise ähnlich detail- 24 lierte gesetzliche Vorgaben für die Errichtung bzw. Besetzung der entsprechenden Prüfungsausschüsse wie im Bereich der beruflichen Aus- und Fortbildung, teilweise wird jedoch auch nur die Abnahme der Prüfung durch die IHK geregelt, wodurch hinsichtlich der Einrichtung eines Prüfungsausschusses sowie der Inhalte und Durchführung der Prüfung ein satzungsrechtlicher Gestaltungsspielraum der IHK besteht. So wird in den Berufszugangsverordnungen für den Güterkraftverkehr (GBZugV) und Straßenpersonenverkehr (PBZugV) sowohl die Prüfung selbst (§ 5 GBZugV, § 4 PBZugV) als auch die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses (§ 6 GBZugV, § 5 PBZugV) geregelt. Dagegen wird in der Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung lediglich geregelt, dass eine Prüfung bei der zuständigen IHK abzulegen ist (§§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 5 BKrFQV). Während in § 1 Abs. 4 BKrFQV noch die Hinzuziehung eines Sachverständigen oder Prüfers geregelt ist, soweit die IHK nicht über gleich qualifiziertes eigenes Personal verfügt, lässt § 2 Abs. 5 BKrFQV die Besetzung vollständig offen. In diesen Fällen liegt es in der Entscheidung der IHK, ob sie förmlich einen Prüfungsausschuss einrichtet und wie sie diesen besetzt. Im Gewerberecht werden regelmäßig das Verfahren und die Anforderungen an die Sachkundeprüfung ebenfalls durch eine entsprechende Verordnung fest-
47 48 49 50 51
§ 41 BBiG. § 42 BBiG. § 46 BBiG. § 47 BBiG. § 39 Abs. 1 Satz 2 BBiG, der insoweit als Spezialregelung § 10 IHKG vorgeht.
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§ 8 Rz. 25 Ausschüsse gelegt52. Die Grenzen der Selbstverwaltung werden jedoch erreicht, wenn durch Verordnung neben dem Inhalt und Verfahren der Sachkundeprüfung auch noch die bundeseinheitliche Aufgabenverwendung durch einen vorgeschalteten Aufgabenauswahlausschuss und dessen Besetzung geregelt wird53. Im Bereich der hoheitlichen Aufgaben, insbesondere bei Berufszugangsregelungen, müssen zwar die wesentlichen Regelungen durch den Gesetzgeber erfolgen. Gleichwohl ist bei einer Übertragung auf die Selbstverwaltung dieser auch ein ausreichender Spielraum zu lassen, um den Vorteil der Übertragung auf die sachnahen Betroffenen und damit die Nutzung des Sachverstands der Betroffenen für eine effektive Aufgabenerfüllung nutzen zu können54. 7. Fachgremien oder Fachausschüsse 26
In der Aufgabenstellung mit den Prüfungsausschüssen materiell durchaus vergleichbar, aber in der rechtlichen Einordnung davon zu unterscheiden sind Gremien mit beratender Funktion wie Fachgremien oder Fachausschüsse zur Begutachtung der besonderen Sachkunde von Antragstellern im Rahmen der öffentlichen Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen nach § 36 GewO und von Versteigerern nach § 34b Abs. 5 GewO. Diese Fachgremien sollen – vergleichbar mit dem Gerichtsgutachter in Bezug auf das Gericht – der IHK ihre fachliche Expertise zur Verfügung stellen und mit ihrem gutachterlichen Votum die IHK in die Lage versetzen, eine in der Sache richtige, aber eigene Entscheidung zu treffen55. Insoweit unterscheiden sie sich klar von den Prüfungsausschüssen, die zunächst selbst eine für den Prüfling verbindliche Entscheidung treffen. Aufgrund der geringen Auslastung durch die geringe Anzahl an Antragstellern in vielen Sachgebieten56 besteht in den meisten Sachgebieten bundesweit nur ein Fachgremium, das dann von einer IHK geschäftsführend auch den anderen IHKs zur Verfügung gestellt wird57. Die gutachterliche Inanspruchnahme und Fokussie-
52 Für die Sachkundeprüfung im Bewachungsgewerbe regelt dies die auf § 34a Abs. 2 Nr. 3 GewO beruhende Verordnung über das Bewachungsgewerbe. 53 So sowohl in § 34e Abs. 1 Nr. 5 GewO für die Versicherungsvermittler als auch in § 34g Abs. 2 Nr. 3 GewO für die Finanzanlagenvermittler als Ermächtigungsgrundlage für eine entsprechende Verordnung geregelt. 54 Zur verfassungsrechtlichen Einbettung der funktionalen Selbstverwaltung BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, BVerfGE 107, 59 Rz. 144. 55 Dazu Rickert in Pielow (Hrsg.), BeckOK GewR, § 36 Rz. 30 f. 56 Die aktuell ca. 250 Sachgebiete sind vollständig im IHK-Sachverständigenverzeichnis (www.svv.ihk.de) aufgelistet. 57 Für die Überprüfung der besonderen Sachkunde von Antragstellern für die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Versteigerer nach § 34b Abs. 5 GewO unterhält die IHK Bonn/Rhein-Sieg ein Fachgremium, das bundesweit einheitlich sowohl von den nach Landesrecht dafür zuständigen IHKs als auch den dafür zuständigen Landesbehörden in Bundesländern ohne IHK-Zuständigkeit genutzt wird.
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Datenschutz
§9
rung auf die fachliche Kompetenz des Antragstellers58 führt dazu, dass auch die Nutzung eines von einer anderen IHK eingerichteten und betreuten Fachgremiums durch die bestellende IHK rechtlich unproblematisch ist.
§9 [Datenschutz] (1) 1Die Industrie- und Handelskammern erheben die Daten nach § 14 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 2 der Gewerbeordnung sowie der Rechtsverordnung nach § 14 Absatz 14 der Gewerbeordnung bei den Kammerzugehörigen oder öffentlichen Stellen, soweit diese Daten ihnen nicht von der zuständigen Behörde übermittelt worden sind. 2Bei nichtöffentlichen Stellen und aus allgemein zugänglichen Quellen dürfen Industrie- und Handelskammern die Daten nach § 14 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 2 der Gewerbeordnung sowie der Rechtsverordnung nach § 14 Absatz 14 der Gewerbeordnung erheben, wenn 1. die zu erfüllende Verwaltungsaufgabe ihrer Art nach oder im Einzelfall eine solche Erhebung erforderlich macht, 2. die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde oder keinen Erfolg verspricht oder 3. es sich um Daten aus allgemein zugänglichen Quellen handelt. 3Die Sätze 1 und 2 gelten für Daten über angebotene Waren und Dienstleistungen sowie über die Betriebsgrößen entsprechend. 4Werden die Daten bei den Kammerzugehörigen erhoben, sind auskunftspflichtig die Inhaber oder diejenigen, die allein oder zusammen mit anderen zur gesetzlichen Vertretung einer kammerzugehörigen juristischen Person, Handelsgesellschaft oder Personenmehrheit befugt sind. 5Auskunftspflichtig sind auch besonders bestellte Bevollmächtigte und in das Handelsregister eingetragene Prokuristen von Kammerzugehörigen. (2) Die Industrie- und Handelskammern und ihre Gemeinschaftseinrichtungen, die öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes sind, erheben zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit und zur Festsetzung der Beiträge der Kammerzugehörigen Angaben zur Gewerbesteuerveranlagung, wie sie auch zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit im Sinne des § 2 Absatz 1 erforderlich sind, sowie die nach § 3 Absatz 3 erforderlichen Bemessungsgrundlagen bei den Finanzbehörden. 58 Zur Prüfung der besonderen Sachkunde mit Rechtsprechungsnachweis siehe Rickert in Pielow (Hrsg.), BeckOK GewR, § 36 Rz. 27 ff.
Rickert/Karstedt-Meierrieks
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Datenschutz
§9
rung auf die fachliche Kompetenz des Antragstellers58 führt dazu, dass auch die Nutzung eines von einer anderen IHK eingerichteten und betreuten Fachgremiums durch die bestellende IHK rechtlich unproblematisch ist.
§9 [Datenschutz] (1) 1Die Industrie- und Handelskammern erheben die Daten nach § 14 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 2 der Gewerbeordnung sowie der Rechtsverordnung nach § 14 Absatz 14 der Gewerbeordnung bei den Kammerzugehörigen oder öffentlichen Stellen, soweit diese Daten ihnen nicht von der zuständigen Behörde übermittelt worden sind. 2Bei nichtöffentlichen Stellen und aus allgemein zugänglichen Quellen dürfen Industrie- und Handelskammern die Daten nach § 14 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 2 der Gewerbeordnung sowie der Rechtsverordnung nach § 14 Absatz 14 der Gewerbeordnung erheben, wenn 1. die zu erfüllende Verwaltungsaufgabe ihrer Art nach oder im Einzelfall eine solche Erhebung erforderlich macht, 2. die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde oder keinen Erfolg verspricht oder 3. es sich um Daten aus allgemein zugänglichen Quellen handelt. 3Die Sätze 1 und 2 gelten für Daten über angebotene Waren und Dienstleistungen sowie über die Betriebsgrößen entsprechend. 4Werden die Daten bei den Kammerzugehörigen erhoben, sind auskunftspflichtig die Inhaber oder diejenigen, die allein oder zusammen mit anderen zur gesetzlichen Vertretung einer kammerzugehörigen juristischen Person, Handelsgesellschaft oder Personenmehrheit befugt sind. 5Auskunftspflichtig sind auch besonders bestellte Bevollmächtigte und in das Handelsregister eingetragene Prokuristen von Kammerzugehörigen. (2) Die Industrie- und Handelskammern und ihre Gemeinschaftseinrichtungen, die öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes sind, erheben zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit und zur Festsetzung der Beiträge der Kammerzugehörigen Angaben zur Gewerbesteuerveranlagung, wie sie auch zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit im Sinne des § 2 Absatz 1 erforderlich sind, sowie die nach § 3 Absatz 3 erforderlichen Bemessungsgrundlagen bei den Finanzbehörden. 58 Zur Prüfung der besonderen Sachkunde mit Rechtsprechungsnachweis siehe Rickert in Pielow (Hrsg.), BeckOK GewR, § 36 Rz. 27 ff.
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§ 9 Datenschutz (3) 1Die Industrie- und Handelskammern und ihre Gemeinschaftseinrichtungen, die öffentliche Stellen im Sinne des § 2 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes sind, verarbeiten die in den Absätzen 1 und 2 genannten Daten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben erforderlich ist. 2Andere als die in Satz 1 genannten Daten verarbeiten sie nur, soweit eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet. (4) 1Die Industrie- und Handelskammern übermitteln die in Absatz 1 genannten Daten an andere Industrie- und Handelskammern auf Ersuchen oder durch automatisiertes Abrufverfahren, soweit dies für die Erfüllung der ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben erforderlich ist. 2Die beteiligten Industrie- und Handelskammern haben zu gewährleisten, dass die Zulässigkeit des Abrufverfahrens kontrolliert werden kann. 3Hierzu haben sie schriftlich festzulegen: 1. Anlass und Zweck des Abrufverfahrens, 2. die Stelle, an die übermittelt wird, 3. die Art der zu übermittelnden Daten, 4. die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen nach Maßgabe der datenschutzrechtlichen Vorschriften. 4Die Verantwortung für die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs trägt die Stelle, an die übermittelt wird. 5Die speichernde Stelle prüft die Zulässigkeit der Abrufe nur, wenn dazu Anlass besteht. 6Sie hat zu gewährleisten, dass die Übermittlung personenbezogener und sonstiger Daten zumindest durch geeignete Stichprobenverfahren festgestellt und überprüft werden kann. 7Wird ein Gesamtbestand dieser Daten abgerufen oder übermittelt (Stapelverarbeitung), so bezieht sich die Gewährleistung der Feststellung und Überprüfung nur auf die Zulässigkeit des Abrufes oder der Übermittlung des Gesamtbestandes. (5) 1Die Industrie- und Handelskammern dürfen zur Förderung von Geschäftsabschlüssen und zu anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecken die in Absatz 1 genannten Daten an nicht-öffentliche Stellen übermitteln, sofern der betroffene Kammerzugehörige nicht widersprochen hat und der Empfänger der Daten sich gegenüber der übermittelnden öffentlichen Stelle verpflichtet hat, die Daten nur für den Zweck zu verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden. 2Auf die Möglichkeit, der Übermittlung der Daten an nicht-öffentliche Stellen zu widersprechen, sind die Kammerzugehörigen unbeschadet der weiteren Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzGrundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in ihrer jeweils geltenden Fassung vor der ersten Übermittlung schriftlich oder elektronisch hinzuweisen. 3Daten über Zugehörige anderer Kammern hat die Industrie- und Handelskammer nach Übermitt454
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Datenschutz
§9
lung an die nicht-öffentliche Stelle unverzüglich zu löschen, soweit sie nicht zur Erfüllung der ihr nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben erforderlich sind. (6) 1An Bewerber und Kandidaten für die Wahl zur Vollversammlung nach § 5 dürfen zum Zweck der Wahlbewerbung durch die Bewerber und der Wahlwerbung durch die Kandidaten Name, Firma, Anschrift, E-Mail-Adresse und Wirtschaftszweig über Wahlberechtigte aus ihrer jeweiligen Wahlgruppe übermittelt werden, sofern der Empfänger der Daten sich gegenüber der übermittelnden öffentlichen Stelle verpflichtet hat, die Daten nur für den Zweck zu verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden. 2Bewerber und Kandidaten haben die übermittelten Daten nach der Durchführung der Wahl unverzüglich zu löschen. (7) Für das Verändern, Einschränken der Verarbeitung oder Löschen der nach den Absätzen 1 und 2 erhobenen Daten sowie die Übermittlung der Daten nach Absatz 1 an öffentliche Stellen gelten unbeschadet der Verordnung (EU) 2016/679 die Datenschutzgesetze der Länder. I. Entstehungsgeschichte . . . .
1
7. Auskunftspflicht . . . . . . . .
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II. Vorbemerkung . . . . . . . . .
2
V. Erhebung von Beitragsbemessungsgrundlagen (§ 9 Abs. 2) 1. Beitragsbemessungsdaten . . . 2. Gemeinschaftseinrichtungen . 3. Übermittlung und Erhebung .
17 17 18 19
III. § 9 im Rahmen allgemeiner Datenschutzregelungen . . 1. Allgemeiner Datenschutz . . a) Grundlage des Datenschutzes . . . . . . . . . . b) Personenbezogene Daten c) Rechtsgrundlagen . . . . d) Zweckbindung . . . . . . e) IHKs als Verantwortliche, Art. 4 Ziff. 7 DSGVO . . f) Betroffenenrechte . . . . g) Informationspflichten . . 2. § 9 als bereichsspezifische Sonderregelung für die IHKs
. .
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.
10
IV. Datenerhebung (§ 9 Abs. 1) . 1. Daten aus den Gewerbeanzeigen . . . . . . . . . . . . . 2. Datenerhebung bei Dritten . . 3. Allgemein zugängliche Quellen 4. Voraussetzungen der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . 5. Aufgaben der IHKs . . . . . . . 6. Daten über Waren und Dienstleistungen . . . . . . . . . . . .
12 12 13 14 14a 15 16
VI. Verwendung der Daten durch die IHKs (§ 9 Abs. 3) . . . . . 1. Rechtsgrundlage für Datenverarbeitung . . . . . . . . . . 2. „nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben“ . . . . . . VII. Übermittlung von Daten an andere IHKs (§ 9 Abs. 4) . . . 1. Datenübermittlung der IHKs untereinander . . . . . . . . . . 2. Automatisierter Abruf . . . . . VIII. Übermittlung von Daten an nicht-öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 5) . . . . . . . . . . 1. Übermittlung . . . . . . . . . 2. Ermessen . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Daten . . . . . . 4. Widerspruch des IHKMitglieds . . . . . . . . . . .
20 20 21 22 22 22a
. . . .
23 23 23a 24
.
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§ 9 Rz. 1 Datenschutz
5. 6. 7. 8.
a) Verhältnis zu Art. 21 DSGVO . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt und Form des Widerspruchs . . . . . . . . Nicht-öffentliche Stellen . . . . Verpflichtung des Empfängers Zweckbindung der Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . .
IX. Wahlen (§ 9 Abs. 6) . . . . . . 25a 25b 26 27 28 29
X. Datenübermittlung an Behörden und andere öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 7) . . . . . . XI. Beschäftigtendatenschutz . .
30
31 32
XII. Informationsfreiheitsgesetze/ Informationszugangsgesetze, Transparenzgesetze . . . . . .
33
XIII. Open Data . . . . . . . . . . .
34
Literaturauswahl: Kluth, Vom freien Informationszugang zur freien Informationsverwendung: die Open Government Data Politik der Europäischen Union und ihre Bedeutung für das deutsche Kammerwesen, in: Kluth (Hrsg.) Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 119; Plath, Kommentar zum BDSG und zur DSGVO sowie den Datenschutzbestimmungen von TMG und TKG, 2. Auflage 2016; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, Kommentar zur DSGVO und zum BDSG, 1. Auflage 2018.
I. Entstehungsgeschichte 1
Durch das Gesetz zur Änderung von Gesetzen auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft vom 21.12.1992 (BGBl. I, 2133) wurde der § 9 als bereichsspezifische Datenschutzregelung eingeführt. Die ursprünglich im Regierungsentwurf (BTDrs. 605/92) auf die Erhebung der zur Beitragsfestsetzung erforderlichen Bemessungsgrundlagen beschränkte Vorschrift wurde im Gesetzgebungsverfahren auf andere Bereiche der Datenerhebung und -verarbeitung erweitert. Ihre jetzige Fassung erhielt die Vorschrift durch das Zweite Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU (2. DSAnpUG-EU).
II. Vorbemerkung 2
§ 9 stellt eine datenschutzrechtliche Sonderregelung für die IHKs dar, durch die die Anwendung der für sie geltenden allgemeinen Datenschutzvorschriften, insbesondere der zulässige Rahmen der Datenverarbeitung, bereichsspezifisch geregelt wird. Eine Kommentierung dieser Sonderregelung muss unter Beachtung der EU-Datenschutz-Grundverordnung1 erfolgen.
1 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2.
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§ 9 im Rahmen allgemeiner Datenschutzregelungen
Rz. 5 § 9
III. § 9 im Rahmen allgemeiner Datenschutzregelungen 1. Allgemeiner Datenschutz a) Grundlage des Datenschutzes Datenschutz, also der Schutz personenbezogener Daten, ist ein Grundrecht nach 3 Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 16 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union2. Die DSGVO folgt dem Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Jede Verarbeitung personenbezogener Daten benötigt eine Rechtsgrundlage und eine Zweckbindung, unabhängig vom Medium der Verarbeitung, Art. 4 Ziff. 2 DSGVO. Weitere Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten ergeben sich aus Art. 5 DSGVO. Dieser formuliert die Rechenschaftspflicht des Verantwortlichen für die Einhaltung des Datenschutzes. Hieraus ergeben sich nicht nur allgemeine Compliance-Anforderungen, sondern die Pflicht zu einem Datenschutzund Informationssicherheitsmanagement zur Planung, Durchführung, Kontrolle und Verbesserung der zur Einhaltung des Datenschutzes notwendigen Prozesse sowie ihrer umfangreichen Dokumentation. b) Personenbezogene Daten Die Definition in Art. 4 Ziff. 1 DSGVO ist weit gefasst. Danach sind auch alle per- 4 sonenbeziehbaren Daten – auch pseudonymisierte – erfasst (so auch dynamische IP-Adressen3). Juristische Personen (z.B. Kapitalgesellschaften, eingetragene Vereine) und Personengesellschaften (z.B. OHG, KG, BGB-Gesellschaft) genießen grundsätzlich nicht den Schutz der Datenschutzgesetze4, wohl aber deren Mitglieder, soweit Angaben über die Gesellschaft auf sie „durchschlagen“, d.h., ein Bezug der Angaben zu einer bestimmten hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen Person hergestellt werden kann5. So z.B. bei Ein-Personen-GmbHs, wenn der Name des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers die Firma bildet. c) Rechtsgrundlagen Eine Verarbeitung personenbezogener Daten muss rechtmäßig sein (Art. 6 5 DSGVO). Hierfür stehen verschiedene Grundlagen zur Verfügung. Die IHKs stützen die Verarbeitung personenbezogener Daten auf das IHKG und auf diejenigen Gesetze, die ihnen weitere Aufgaben nach § 1 Abs. 4 übertragen. 2 3 4 5
Erwägungsgrund 1 der DSGVO. EuGH v. 19.10.2016 – C 582/14 – Breyer; BGH v. 16.5.2017 – VI ZR 135/13. OLG Karlsruhe v. 12.1.1983 – 6 U 153/81, DuD 1983, 229. Plath/Schreiber in Plath (Hrsg.), a.a.O., § 3 Rz. 11.
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§ 9 Rz. 5 Datenschutz Darüber hinausgehende Leistungsangebote für die Mitglieder können auf der Grundlage einer Einwilligung unterbreitet werden. Hier ist in bestimmten Fällen auch eine Einwilligung nach UWG zu beachten (z.B. Aussendung von Newslettern, Angebote zu Seminaren und Lehrgängen). Die Einwilligung muss den Anforderungen der Art. 7 und 8 DSGVO entsprechen. d) Zweckbindung 6
Nach Art. 5 Abs. 1 DSGVO gehört die Zweckbindung zu den Grundsätzen der Verarbeitung personenbezogener Daten. Es dürfen also nur die für die Erfüllung der Aufgabe notwendigen Daten verarbeitet werden. Die Erforderlichkeit des Datenumfangs ergibt sich bei Aufgaben, die den IHKs durch Gesetz übertragen sind, grundsätzlich aus dem Gesetz selbst. Die Zweckbindung i.V.m. der Datenminimierung – einem weiteren Grundsatz in Art. 5 Abs. 1 DSGVO – verlangt zudem die Klärung der Frage, wie lange personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen. Notwendig ist daher ein Löschkonzept. Es muss die Pflicht der IHKs zu einer ordnungsgemäßen Aktenführung – also der Nachvollziehbarkeit und Dokumentation des Verwaltungshandelns – zumindest im hoheitlichen Bereich berücksichtigen. Zudem muss die Archivpflicht nach entsprechenden Landesgesetzen beachtet werden. In welchem Umfang die IHKs sich bei der Verarbeitung personenbezogener Daten auf eine zulässige Zweckbindung berufen können, ergibt sich aus dem IHKG, den spezialgesetzlichen Regelungen und, soweit keine vorhanden sind, aus den Landesdatenschutzgesetzen. e) IHKs als Verantwortliche, Art. 4 Ziff. 7 DSGVO
7
Die IHKs unterliegen als juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes unterstehen, den Datenschutzgesetzen dieses Landes (§ 2 Abs. 2 BDSG). Da das BDSG für öffentliche Stellen der Länder nur subsidiär gilt, nämlich nur insoweit, als der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BDSG), findet das BDSG auf die IHKs grundsätzlich keine Anwendung, weil in allen Bundesländern Datenschutzgesetze bestehen. f) Betroffenenrechte
8
Die Datenschutzgesetze sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB6 und können bei Verstößen Schadenersatzansprüche begründen; außerdem gewährt Art. 82 DSGVO selbst der betroffenen Person Schadenersatzansprüche, wenn öffentliche oder nichtöffentliche Stellen in unzulässiger Weise ihre personenbezogenen Daten verarbeiten. Die Rechte der betroffenen Personen ergeben sich aus 6 Plath in Plath (Hrsg.), a.a.O., § 1 Rz. 13.
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§ 9 im Rahmen allgemeiner Datenschutzregelungen
Rz. 10 § 9
Art. 12 ff. DSGVO (Recht auf Information, Auskunft, Berichtigung, Löschung, auf Vergessenwerden, Einschränkung der Verarbeitung und Datenportabilität). Sie haben zudem das Recht, sich an die Datenschutzbeauftragten zu wenden, die die Einhaltung der Vorschriften durch die öffentlichen Stellen überwachen und dabei weitgehende Untersuchungs- und Anordnungsrechte haben (Art. 57 DSGVO i.V.m LDSG). Richtet sich eine Beanstandung der Datenschutzaufsichtsbehörde an eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt, so unterrichtet die Aufsichtsbehörde auch die für die Institution zuständige Aufsichtsbehörde (Art. 57 Abs. 1 lit. g DSGVO). Neben dem spezifischen Recht auf Widerspruch nach § 9 Abs. 5 haben die IHKs sämtliche Betroffenenrechte nach Art. 12 ff. DSGVO zu beachten. Die Landesdatenschutzgesetze können hier Einschränkungen vorgenommen haben, die auch die IHKs anwenden können. Inwieweit die IHKs selbst Betroffenenrechte beschränken können s. § 9 Rz. 11. g) Informationspflichten Die IHKs unterliegen den Art. 13 und 14 DSGVO. Sie müssen bei allen Tätigkei- 9 ten, für die personenbezogene Daten verarbeitet werden, die betroffene Person über die Verarbeitung informieren. Das betrifft die hoheitlichen wie die anderen öffentlichen Aufgaben. Zu prüfen ist, inwieweit Art. 13 Abs. 4 DSGVO bzw. die LDSG erlauben, von der Information abzusehen, weil die betroffene Person bereits über die Informationen verfügt. Eine weitere Ausnahme ergibt sich aus Art. 14 Abs. 5 lit. c DSGVO, wenn schon aus der gesetzlichen Regelung hervorgeht, wie der Verantwortliche die Daten erhalten hat. Die Information muss der betroffenen Person zugänglich sein. Hierzu können die Hinweise auf der Internetseite der IHK zur Verfügung gestellt werden. Bei den Datenschutzaufsichtsbehörden besteht keine Einigkeit darüber, ob damit auch ein „Medienbruch“ zulässig ist, d.h., dass die Erhebung der Daten papiergestützt, der Hinweis auf die Informationspflicht jedoch per Link auf die Internetseite erfolgt. 2. § 9 als bereichsspezifische Sonderregelung für die IHKs Die IHKs benötigen für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine Vielzahl von Daten, die 10 ihnen zum Teil von anderen öffentlichen Stellen zugeleitet werden (z.B. von den Gewerbe-/Ordnungsämtern, den Handelsregistergerichten und den Finanzbehörden), zum Teil auch von den IHKs selbst erhoben werden. § 9 regelt die Zulässigkeit der Datenverarbeitung speziell für die IHKs. Soweit weder in § 9 noch in anderen speziellen Vorschriften eine Regelung enthalten ist, gelten subsidiär die jeweiligen Landesdatenschutzgesetze und die DSGVO. Enthalten gesetzliche Regelungen, die den IHKs Aufgaben zuweisen, eigene datenschutzrechtliche Vorschriften (z.B. § 11a GewO i.V.m. der Verordnung), so gehen diese § 9 vor. Karstedt-Meierrieks
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§ 9 Rz. 11 Datenschutz 11
Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist danach nur rechtmäßig, wenn § 9 den Anforderungen des Art. 6 DSGVO entspricht. Für die Klärung, ob die Aufgabenerfüllung der IHK unter Art. 6 Abs. 1 lit. c oder e fällt, verlangt lit. c eine Verpflichtung zur Datenverarbeitung für öffentliche Aufgaben und eine klar erkennbare Zweckbindung. Es bedarf einer Verpflichtung kraft objektiven Rechts7. Diese kann nach Art. 6 Abs. 3 durch nationales Recht festgelegt werden. Insofern kann der nationale Gesetzgeber datenschutzspezifische Regelungen wie § 9 IHKG schaffen. Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO gilt auch für bereits bestehende Vorschriften8. Handelt es sich um Ermessensregelungen, die der IHK die Entscheidung eröffnen, ob sie überhaupt handeln will, unterliegen sie Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO. Eine rechtliche Verpflichtung kann sich im Übrigen auch aus Satzungsrecht ergeben9. Daraus folgt, dass auch im Satzungsrecht Betroffenenrechte nach Art. 23 Abs. 1 DSGVO eingeschränkt werden können10. § 36 BDSG verdeutlicht die Rechtslage noch einmal hinsichtlich des Verhältnisses einer Verpflichtung zur Datenverarbeitung für die Erfüllung von Aufgaben durch öffentliche Stellen (Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO) und einer vorzunehmenden Abwägung der Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO). Insofern kann § 36 BDSG als Auslegungshilfe für Art. 6 DSGVO herangezogen werden.
IV. Datenerhebung (§ 9 Abs. 1) 1. Daten aus den Gewerbeanzeigen 12
§ 9 Abs. 1 Satz 1 gestattet den IHKs, Daten nach § 14 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der Gewerbeordnung sowie der Rechtsverordnung nach § 14 Abs. 14 der Gewerbeordnung bei den Kammerzugehörigen zu erheben, soweit ihnen diese Daten nicht von der zuständigen Stelle, in diesem Fall also den Gewerbe-/Ordnungsämtern, übermittelt worden sind. Der Gesetzgeber will mit dieser Vorschrift zum Ausdruck bringen, dass die IHKs die Daten erheben können, die die Gewerbe-/Ordnungsämter auch von sich aus nach § 14 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 iVm der nach § 14 Abs. 14 GewO erlassenen Rechtsverordnung den IHKs regelmäßig übermitteln dürfen. Bezüglich dieser Daten haben die IHKs ein eigenes Datenerhebungsrecht, von dem sie allerdings nur insoweit Gebrauch machen dürfen, als die Daten ihnen nicht bereits durch die Gewerbebehörden übermittelt worden sind.
7 8 9 10
Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Pabst, Art. 6 DSGVO Rz. 59. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Pabst, Art. 6 DSGVO Rz. 64. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Pabst, Art. 6 DSGVO Rz. 60. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Pabst, Art. 23 DSGVO Rz. 18 ff.
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Datenerhebung (§ 9 Abs. 1)
Rz. 13 § 9
Die in Betracht kommenden Daten ergeben sich aus § 14 Abs. 8 GewO. Alle Feldnummern der Formularmuster (mit Ausnahme der Beteiligung der öffentlichen Hand, des bisherigen gesetzlichen Unfallträgers sowie der Angaben zu reinen Handwerksbetrieben und zum Aufenthaltstitel von Ausländern und des Unterschriftsfeldes) dürfen den IHKs übermittelt und von ihnen selbst erhoben werden. Es handelt sich im Einzelnen um Angaben über Name, Ort und Nummer der Handelsregistereintragung; Vor- und Zuname des Gewerbetreibenden (Gesellschafters einer Personengesellschaft/Geschäftsführers einer juristischen Person); Geburtsname, -datum und -ort, Geschlecht sowie Staatsangehörigkeit; Anschrift der Wohnung; Telefon- und Faxnummer sowie E-Mail-Adresse und Internet-Adresse des Gewerbetreibenden (Gesellschafters einer Personengesellschaft/Geschäftsführers einer juristischen Person); Vor- und Zunamen der vertretungsberechtigten Person(en); Anschrift der jetzigen und früheren Betriebsstätte; Anschrift der Hauptniederlassung; Art der angemeldeten gewerblichen Tätigkeit und ihr Beginn; Art des angemeldeten Betriebes (Industrie, Handwerk, Handel, Sonstiges); nebenbetriebliche Tätigkeit; voraussichtliche Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer; Gegenstand der Anmeldung (Hauptniederlassung, Zweigniederlassung, unselbständige Zweigstelle, Reisegewerbe); Neuerrichtung oder Übernahme; ggf. Name des früheren Betriebsinhabers; Vorliegen einer Erlaubnis; Datum der Anmeldung11. 2. Datenerhebung bei Dritten Die IHKs sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben darauf angewiesen, über möglichst 13 aktuelle Daten zu verfügen. Das gilt insbesondere für die Vollversammlungswahlen, aber auch für die Wahrnehmung des Gesamtinteresses und die Beitragserhebung. Zudem sind die IHKs nach Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO verpflichtet, für die Richtigkeit ihrer Daten zu sorgen. In der Praxis zeigt sich, dass die alleinige Datenerhebung durch die Übermittlung der Gewerbe-/Ordnungsämter diesen Anspruch nicht erfüllt: Ein hoher Prozentsatz der Gewerbetreibenden nimmt keine Um- oder Abmeldungen ihres Gewerbes vor. Eine Datenerhebung bei den Kammerzugehörigen selbst führt wegen der sehr geringen Rücklaufquote oder auch wegen unbekannter Adressänderungen ebenfalls nicht zu einer Aktualisierung der Daten. Satz 2 schafft eine Rechtsgrundlage, nach der die IHKs bei nichtöffentlichen Stellen („Dritten“) Daten erheben können. Hierfür bieten sich z.B. Postdienstleister an, die über aktuelle Adressen verfügen12.
11 Vgl. Anlagen 1–3 zur Gewerbeanzeigenverordnung. 12 Vgl. ausführliche Begründung BT-Drs. 19/5414.
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§ 9 Rz. 14 Datenschutz 3. Allgemein zugängliche Quellen 14
Unter diesem Begriff sind alle für die Allgemeinheit zugänglichen Informationsquellen zu verstehen, wie Internet, Telefonbücher/-verzeichnisse oder Informationsmedien wie die Presse. 4. Voraussetzungen der Datenerhebung
14a
Satz 2 enthält Einschränkungen der Datenerhebung bei Dritten oder aus allgemein zugänglichen Quellen. Ziff. 1 formuliert die Erforderlichkeit der Datenerhebung. Somit muss geprüft werden, ob die Daten für die Aufgabenerfüllung nicht ohne die Einschaltung nichtöffentlicher Stellen erhoben werden können. Dieser Entscheidungsprozess muss dokumentiert werden. Ziff. 2 verlangt die Prüfung des Aufwands, den eine Datenerhebung bei der betroffenen Person verursachen würde. Die Unverhältnismäßigkeit muss unter Heranziehung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen dargelegt und ebenfalls dokumentiert werden. Letzteres gilt auch für die Alternative der Erfolglosigkeit. Ziff. 3 verweist erneut auf allgemein zugängliche Quellen. Praktische Relevanz hat diese nochmalige Erwähnung nicht. 5. Aufgaben der IHKs
15
Die Daten dürfen nur zur Erfüllung der den IHKs nach dem IHKG übertragenen Aufgaben erhoben werden; die IHK-Aufgaben umfassen sowohl die originären Aufgaben nach § 1 Abs. 1 bis 3 (Vertretung des Gesamtinteresses der Wirtschaft, Förderung der gewerblichen Wirtschaft einschließlich der Unterhaltung entsprechender Einrichtungen; Unterstützung von Behörden und Gerichten; Wahrung von Anstand und Sitte; Förderung und Durchführung der Berufsbildung; Ausstellung von Wirtschaftsbescheinigungen) als auch weitere übertragene Aufgaben nach § 1 Abs. 4 (vgl. dazu die Ausführungen in § 1 Rz. 200 ff.). 6. Daten über Waren und Dienstleistungen
16
Über die sich aus § 14 Abs. 8 GewO ergebenden Daten hinaus können die IHKs nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Daten über die von ihren Kammerzugehörigen angebotenen Waren und Dienstleistungen sowie über die Betriebsgrößenklassen bei ihren Kammerzugehörigen erheben. Auch für diese Daten gilt die Einschränkung des Satzes 1, dass sie nur zur Erfüllung der den IHKs übertragenen Aufgaben erhoben werden dürfen. Diese Voraussetzung ist regelmäßig gegeben, weil die IHKs diese Daten zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere zur Förderung von Geschäftsabschlüssen, und die Daten über die Betriebsgrößenklassen zusätzlich auch zur Einteilung der Wahlgruppen benötigen. 462
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Erhebung von Beitragsbemessungsgrundlagen (§ 9 Abs. 2)
Rz. 18 § 9
7. Auskunftspflicht Soweit die IHKs die Daten nach Satz 1 oder 3 selbst erheben, sind nach Satz 4 16a und 5 der Inhaber und die aufgeführten Personen auskunftspflichtig. Inhaber sind die natürlichen Personen, die das Gewerbe betreiben, sei es als Einzelunternehmer/Nichtkaufleute („Kleingewerbetreibende“), als Einzelkaufleute oder als Gesellschafter einer Personengesellschaft. Auskunftspflichtig sind nunmehr neben den gesetzlichen Vertretern juristischer Personen auch besonders Bevollmächtigte oder im Handelsregister eingetragene Prokuristen. Wenn die Bitte nach Erteilung einer Auskunft nicht erfüllt wird, kann das Auskunftsverlangen als Verwaltungsakt ausgestaltet werden, der notfalls nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen durchgesetzt werden kann.
V. Erhebung von Beitragsbemessungsgrundlagen (§ 9 Abs. 2) 1. Beitragsbemessungsdaten Die IHKs sind sowohl für die Feststellung der Kammerzugehörigkeit, die von der 17 objektiven Gewerbesteuerpflicht abhängt, als auch für die Erhebung der Beiträge auf die Mitteilung der Finanzverwaltung angewiesen. Diese Mitteilung umfasst das Vorliegen der objektiven Gewerbesteuerpflicht einschließlich der zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit erforderlichen weiteren Daten sowie die Gewerbeerträge bzw. Zerlegungsanteile, soweit ein Gewerbesteuermessbetrag für das Mitgliedsunternehmen festgesetzt worden ist, anderenfalls die Gewinne aus Gewerbebetrieb nach dem Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz. Die Finanzbehörden sind dazu nach § 31 AO verpflichtet und die Landesgesetzgeber können sie dazu nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 auch verpflichten. Der genaue Umfang richtet sich nach der Auslegung von § 2 Abs. 1 bzw. § 3 Abs. 3 Satz 6 sowie der satzungsrechtlichen Ausgestaltung. In der Praxis werden die Beitragsbemessungsdaten aufgrund entsprechender Rahmenvereinbarungen zwischen IHKs und Finanzverwaltungen der Länder überall über erweiterte Leitstellen, die rechtlich im Bereich der Finanzverwaltung tätig werden, an die einzelnen IHKs übermittelt (vgl. § 3 Rz. 71). 2. Gemeinschaftseinrichtungen Von Gemeinschaftseinrichtungen kann dann gesprochen werden, wenn diesen 18 Einrichtungen bestimmte Aufgaben übertragen wurden, die einen Bezug zu hoheitlichen Aufgaben haben müssen. Gemeinschaftseinrichtungen sind öffentliche Stellen kraft gesetzlicher Definition. So sind die Leitstellen Gemeinschaftseinrichtungen als gemeinsame Verwaltungseinrichtungen der IHKs mit der Aufgabe, Gewerbesteuermessbeträge, Zerlegungsanteile und Gewinne sowie die zur Fest-
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§ 9 Rz. 18 Datenschutz stellung der Kammerzugehörigkeit erforderlichen Daten an die Kammern weiterzuleiten13. Die IHK Gesellschaft für Informationsverarbeitung mbH (GfI) als Auftragnehmer der IHKs im Rahmen der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ist ebenfalls eine Gemeinschaftseinrichtung. Auch der DIHK ist teilweise als Gemeinschaftseinrichtung anzusehen, wenn er als „gemeinsame Stelle“ i.S.d. § 32 UAG mit der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben betraut ist. Gleiches kann für Landesarbeitsgemeinschaften der IHKs gelten. 3. Übermittlung und Erhebung 19
§ 9 Abs. 2 regelt spiegelbildlich zur Verpflichtung der Finanzbehörden, die Daten an die IHKs zu übermitteln, das Recht der IHKs, die Beitragsbemessungsdaten bei den Finanzbehörden zu erheben. Daneben gibt § 3 Abs. 3 Satz 8 den IHKs bezüglich der Beitragsbemessungsgrundlagen subsidiär zu § 9 Abs. 2 ein eigenes Erhebungsrecht bei den ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden; dies ist vor allem für die Fälle erforderlich, in denen die Finanzbehörden Angaben über die Gewinne aus Gewerbebetrieb nach dem EStG für Firmeninhaber oder Gesellschafter nicht machen können (vgl. § 3 Rz. 71, 72). Die Klarstellung in § 9 Abs. 2, dass auch die Feststellung der Kammerzugehörigkeit eine Rechtfertigung für die Erhebung der Daten bei den Finanzbehörden ist, führt dazu, dass Daten der Finanzbehörden über gewerbesteuerliche Veranlagungen, denen keine Gewerbeanmeldung bei den IHKs entspricht, dennoch von den IHKs erhoben werden dürfen. Sie dürfen insofern zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit verwendet werden, als eine entsprechende Anfrage beim Betroffenen zulässig ist, um zu klären, ob und welche gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird und ob sich daraus eine IHK-Zugehörigkeit mit einer eventuellen Beitragspflicht ergibt.
VI. Verwendung der Daten durch die IHKs (§ 9 Abs. 3) 1. Rechtsgrundlage für Datenverarbeitung 20
Die Regelung bildet die Rechtsgrundlage, die in Abs. 1 genannten Daten der Gewerbeanmeldungen nach § 14 Abs. 8 GewO und die in Abs. 2 geregelten Beitragsbemessungsgrundlagen für die Erfüllung sämtlicher, gesetzlich übertragener Aufgaben der IHKs zu verarbeiten. Damit dürfen z.B. die Daten der Finanzbehörden auch für die Festlegung der Wahlgruppen verwendet werden.
13 Vgl. BR-Drs. 605/92.
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Übermittlung von Daten an andere IHKs (§ 9 Abs. 4)
Rz. 22 § 9
2. „nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben“ Die Gesetzesformulierung schränkt die Verarbeitung der Daten nicht auf die ge- 21 setzlichen Aufgaben ein, die im IHKG explizit geregelt sind, sondern umfasst auch die Aufgaben, die nach § 1 Abs. 4 übertragen werden. Diese Übertragung weiterer Aufgaben erfolgt durch besondere Gesetze oder Rechtsverordnungen, § 1 Abs. 4, so dass es sich auch bei diesen Aufgaben um „nach diesem Gesetz übertragene Aufgaben“ handelt. Das ergibt sich im Übrigen auch aus § 14 Abs. 8 GewO, der ausdrücklich die Übermittlung der Daten auch zur Wahrnehmung der nach § 1 Abs. 4 übertragenen Aufgaben zulässt. Soweit die Daten aus § 14 Abs. 8 GewO zur Erfüllung dieser übertragenen Aufgaben nicht ausreichen, muss die Berechtigung zur Erhebung weiterer Daten in dem übertragenden Gesetz oder der übertragenden Rechtsverordnung geregelt werden. Damit ist die Verarbeitung der Daten der IHK-Mitglieder zur Erfüllung der umfangreichen Aufgaben nach § 1 Abs. 1 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, die den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO entspricht. Die Verarbeitung weiterer, nicht in dieser Vorschrift genannter Daten, bleibt – wie sich aus Satz 2 ergibt – zulässig, soweit andere Rechtsvorschriften das zulassen. So folgt z.B. aus § 71 BBiG i.V.m. den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten der Auszubildenden und der kammerzugehörigen Ausbildungsbetriebe durch die IHKs. Nach Abs. 3 können die IHKs beispielsweise die gespeicherten Anschriften ihrer kammerzugehörigen Unternehmen einer bestimmten Branche verwenden, um ihre Auffassung zu bestimmten sie betreffenden Gesetzesvorhaben zu erfragen oder sie auf rechtliche oder tatsächliche Entwicklungen hinzuweisen, die für diesen Wirtschaftsbereich bedeutsam sind, sowie Umfragen zur wirtschaftlichen Entwicklung allgemein oder in der Branche durchzuführen.
VII. Übermittlung von Daten an andere IHKs (§ 9 Abs. 4) 1. Datenübermittlung der IHKs untereinander Die Vorschrift erweitert nicht die Zulässigkeit der Datenverarbeitung. Sie ermög- 22 licht lediglich den automatisierten Abruf als technischen Vorgang der Datenübermittlung unter den IHKs neben der Einzelabfrage. Hierbei ist jedoch die Zweckbindung – Erfüllung der nach dem IHKG übertragenen Aufgaben – zu beachten. Hierunter fällt nicht nur die Übermittlung zur Klärung von Beitragsfragen, sondern auch, wie sich aus Abs. 5 ergibt, die Weiterleitung der Daten zur Förderung von Geschäftsabschlüssen bzw. zu anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecken.
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§ 9 Rz. 22a Datenschutz 2. Automatisierter Abruf 22a
Mit der gesetzlichen Grundlage für eine automatisierte Datenübermittlung der IHKs untereinander ist gewährleistet, dass bei einem entsprechenden Anlass die eine IHK auf die für ihre Aufgabenerfüllung notwendigen Daten einer anderen IHK elektronisch zugreifen darf. Damit werden Fälle der Amtshilfe14 datenschutzspezifisch geregelt (vgl. § 1 Abs. 3 BDSG). Die gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen und Prüfungsverfahren („Stichproben“) sollten einheitlich in Kooperation mit den IT-Dienstleistern festgelegt werden.
VIII. Übermittlung von Daten an nicht-öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 5) 1. Übermittlung 23
Abs. 5 regelt die Zulässigkeit und Voraussetzungen der Übermittlung von Daten durch die IHKs an nicht-öffentliche Stellen. Übermittlung ist die Offenlegung gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Daten, Art. 4 Ziff. 2 DSGVO. Bei der Behandlung der Frage, welche Daten unter welchen Voraussetzungen übermittelt werden dürfen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nur personenbezogene Daten dem Datenschutz unterliegen. Die Weitergabe von Daten juristischer Personen und von Personengesellschaften unterliegt in der Regel keinen Beschränkungen (vgl. § 9 Rz. 4). Dasselbe gilt für die Übermittlung von Daten, in die die betroffene Person in der vorgeschriebenen Form eingewilligt hat. Schließlich darf die IHK Daten übermitteln, wenn eine bereichsspezifische Vorschrift (in diesem Falle Abs. 5) das erlaubt oder die Vorschriften des LDSG das zulassen. 2. Ermessen
23a
Die IHKs „dürfen“ Daten übermitteln. Daraus ergibt sich keine Rechtspflicht für die IHKs. Allerdings müssen gleiche Maßstäbe an potenzielle Empfangsberechtigte angelegt werden. 3. Umfang der Daten
24
Nach Absatz 5 sind von einer möglichen Datenübermittlung alle Daten aus der Gewerbemeldung umfasst. Weitere Daten können nur aufgrund einer Rechtsgrundlage im jeweiligen LDSG oder mit einer Einwilligung des Kammerzugehörigen übermittelt werden. Das gilt auch für Daten aus allgemein zugänglichen Quel-
14 Vgl. allgemein zur Amtshilfe § 10 Rz. 13.
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Übermittlung von Daten an nicht-öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 5)
Rz. 26 § 9
len, da die DSGVO hierfür keine Privilegierung vorsieht (aber einige LDSG). Zu beachten ist dabei jedoch die Zweckbindung der veröffentlichten Daten. 4. Widerspruch des IHK-Mitglieds Satz 1 sieht vor, dass der Kammerzugehörige (KGT, HR-Unternehmen) ein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung seiner Daten an nicht-öffentliche Stellen hat. Davon sind alle Daten nach Abs. 1 umfasst.
25
a) Verhältnis zu Art. 21 DSGVO Nach Art. 21 DSGVO kann die betroffene Person bei Vorliegen bestimmter Grün- 25a de ein Widerspruchsrecht ausüben, wenn die Verarbeitung ihrer Daten auf Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO basiert. Dann muss die betroffene Person „spätestens zum Zeitpunkt der ersten Kommunikation“ (Art. 21 Abs. 4 DSGVO) auf ihr Widerspruchsrecht hingewiesen werden. Hier hat sich die Praxis des Begrüßungsschreibens mit Hinweis auf ein Widerspruchsrecht des neuen IHK-Mitglieds bewährt. § 9 Abs. 5 Sätze 1 und 2 sind spezifische Regelungen des Widerspruchsrechts nach Art. 21 DSGVO, der für andere Fälle unberührt bleibt. b) Zeitpunkt und Form des Widerspruchs Die Kammerzugehörigen sind vor der erstmaligen Übermittlung der Daten 25b schriftlich oder elektronisch auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen. Dies erfolgt in der Praxis über das Begrüßungsschreiben an die neuen Mitglieder. Vorstellbar wäre auch ein Hinweis auf der Internetseite der IHK, der dem neuen Mitglied die Erhebung seines Widerspruchs elektronisch ermöglicht. Für den Widerspruch selbst ist keine Form vorgeschrieben. Es genügt deshalb auch ein mündlicher/telefonischer Widerspruch, der von der Kammer zu vermerken und zu beachten ist. Dem Kammerzugehörigen sollte eine Frist von ca. drei Monaten für die Geltendmachung seines Widerspruchs nach Aussendung des Begrüßungsschreibens eingeräumt werden, bevor seine Daten zum ersten Mal an Dritte übermittelt werden. Diese Frist ist angemessen, um dem neuen Mitglied ausreichend Zeit für seinen Widerspruch zu geben und das Risiko einer vorherigen – unzulässigen – Aussendung von Adressen zu reduzieren. Daraus folgt, dass bei der Aufnahme des neuen Mitglieds zunächst eine Sperrung seiner Daten vorgenommen werden muss, solange die Frist für den Widerspruch läuft. 5. Nicht-öffentliche Stellen Nicht-öffentliche Stellen sind alle Empfänger, die nicht gem. § 2 Abs. 1 bis 3 26 BDSG dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnen sind. Es sind dies natürliche und juristische Personen und Personenvereinigungen des privaten Rechts, Karstedt-Meierrieks
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§ 9 Rz. 26 Datenschutz die keine hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 2 Abs. 4 BDSG). Dagegen sind von IHKs getragene Vereinigungen auf Landesebene ungeachtet ihrer Rechtsform nach § 2 Abs. 2 BDSG öffentliche Stellen, soweit diese an der Erledigung einer öffentlichen Aufgabe teilnehmen. 6. Verpflichtung des Empfängers 27
Die IHK hat auf die Zulässigkeit der Übermittlung zu achten. Daher hat sie die Plausibilität des Zwecks der Übermittlung zu prüfen. Das gilt auch bei einer Datenübermittlung in Form einer Veröffentlichung im Rahmen einer sog. offenen Datenbank, die einem unbeschränkten Empfängerkreis zu den gesetzlich zugelassenen Zwecken zugänglich ist. Die IHK muss die Verpflichtung des Empfängers zu einer zweckentsprechenden Verarbeitung der ihm übermittelten Daten dokumentieren. Das muss bei elektronischer, schriftlicher oder in Textform erfolgender Bestellung eingehalten werden. Der Empfänger ist verpflichtet, den Zweck der Datenübermittlung einzuhalten. Die Regelung enthält keine Sanktionsmöglichkeiten für einen Missbrauch. Die IHK ist aber wohl verpflichtet, bei Feststellung eines Missbrauchs diesen zu beanstanden und eine erneute Datenanfrage entsprechend kritisch zu prüfen. 7. Zweckbindung der Übermittlung
28
Die IHKs dürfen personenbezogene Daten nur übermitteln, wenn der Zweck die Weitergabe legitimiert. Die betroffene Person soll sich darauf verlassen können, dass ihre personenbezogenen Daten nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie erhoben worden sind. Abs. 5 konkretisiert diese allgemeine Datenschutzregelung für den Bereich der IHKs, indem die IHKs bei der Übermittlung von Daten ihrer kammerzugehörigen Unternehmen in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags handeln, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken (§ 1 Abs. 1), der durch § 9 Abs. 5 für die Datenübermittlung in der Weise konkretisiert wird, dass die Datenübermittlung der Förderung von Geschäftsabschlüssen oder dem Wirtschaftsverkehr dienen muss. Dies gilt auch dann, wenn sich die Kammer für die Übermittlung einer privatrechtlichen Einrichtung oder Vereinigung bedient. Die IHKs können ihre Aufgaben im Rahmen ihrer Organisationsgewalt auch durch privatrechtliche Einrichtungen erfüllen lassen, die sich allerdings in den Grenzen des gesetzlichen Kammerauftrags halten müssen und denselben Beschränkungen und Verpflichtungen unterliegen, wie die IHKs selbst (vgl. dazu § 1 Rz. 16). Abs. 5 gestattet die Übermittlung bestimmter Daten der kammerzugehörigen Unternehmen zur Förderung von Geschäftsabschlüssen und zu anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecken. Diese Zweckbestimmung ist sehr weit gefasst. Bereits der Wortlaut („… zu anderen …“) macht deutlich, dass das Kriterium der „dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecke“ der übergeordnete und weiter ge468
Karstedt-Meierrieks
Übermittlung von Daten an nicht-öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 5)
Rz. 29 § 9
hende Begriff ist, zu dem die „Förderung von Geschäftsabschlüssen“ ein Unterund Sonderfall ist. Dennoch steht in der Praxis die Übermittlung von Daten zur Förderung von Geschäftsabschlüssen eindeutig im Vordergrund. Sie liegt insbesondere vor, wenn IHKs auf Anfrage Daten an Unternehmen übermitteln, die Bezugsquellen oder Abnehmer für ihre Produkte oder Dienstleistungen suchen. In diesen Bereich fallen aber auch von den IHKs herausgegebene Veröffentlichungen der in ihrem Bezirk ansässigen Unternehmen, aus denen sich die von diesen hergestellten Waren oder angebotenen Dienstleistungen ergeben. Die „Empfänger“ greifen auf diese veröffentlichten Daten zurück, um als Anbieter oder Nachfrager mit den für sie interessanten Unternehmen Kontakt aufzunehmen und Geschäftsverbindungen anzuknüpfen. Denselben Zweck erfüllen von den IHKs eingerichtete Branchendatenbanken. Unter die dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecke fällt auch die Übermittlung von Daten an Auskunfteien, Detekteien usw. zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche oder zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen. Demgegenüber kommt die Übermittlung von Daten an private Stellen zu anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecken eher selten vor. Ein Beispiel ist die Veröffentlichung von Daten kooperationswilliger Unternehmen, die auf diese Weise geeignete Kooperationspartner suchen. Die Förderung der Kooperation (soweit sie nicht bereits unter das Merkmal der Förderung von Geschäftsabschlüssen fällt) dient der Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen und damit der Wirtschaftsförderung. In diesen Zusammenhang gehören auch Datenweitergaben zum Zwecke der Warnung vor unseriösen Unternehmen; der Förderauftrag der IHKs beinhaltet auch das Recht, kammerzugehörige Unternehmen vor Risiken und Schäden zu bewahren (vgl. § 1 Rz. 87). Gedeckt durch Abs. 5 ist auch die Weitergabe von Daten im Rahmen der Zuständigkeit zur Ausstellung von dem Wirtschaftsverkehr dienenden Urkunden und Bescheinigungen (vgl. § 1 Rz. 181). 8. Umfang der Datenübermittlung Neben den Daten der eigenen IHK-Mitglieder ist es jeder IHK gestattet, auch Da- 29 ten der Mitglieder anderer IHKs an nicht-öffentliche Empfänger zu übermitteln. Hiermit soll anfragenden Unternehmen ermöglicht werden, über eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Unternehmensgegenstand eine bundesweit umfassende Datenselektion zu erhalten. Dies dient z.B. einer schnellen Wirtschaftsförderung für Existenzgründer. Andererseits wird hierdurch auch den Unternehmen, deren Adressdaten angefragt werden, eine stärkere Verbreitung ihrer Angebote bei möglichst vielen potenziellen Kunden und Geschäftspartnern ermöglicht. Jedoch ist die weitergebende IHK verpflichtet, diese Daten nach der Übermittlung in ihrem Bereich unverzüglich zu löschen, wenn sie sie gespeichert hatte, es sei denn, die Daten werden noch zur Aufgabenerfüllung benötigt. Die Daten an-
Karstedt-Meierrieks
469
§ 9 Rz. 29 Datenschutz derer IHK-Mitglieder darf die übermittelnde IHK im Rahmen des automatisierten Abrufs nach Absatz 4 von den anderen IHKs erheben.
IX. Wahlen (§ 9 Abs. 6) 30
Nach § 9 Abs. 6 ist die IHK berechtigt, auf Anfrage eines Bewerbers oder Kandidaten ihm für die Wahl zur Vollversammlung die Grunddaten (Name, Firma, Anschrift, Emailadresse und Wirtschaftszweig) der IHK-Mitglieder aus seiner Wahlgruppe zu übermitteln. Dem Bewerber/Kandidaten soll die Möglichkeit gegeben werden, vor Ausübung des passiven Wahlrechts für sich zu werben. Das Übermittlungsmedium sollte daher geeignet sein, den Zweck zu erfüllen. Der Empfänger muss sich gegenüber der IHK verpflichten, die Daten nur für den konkreten Zweck (Möglichkeit für Unterstützungsunterschriften, Wahlwerbung) zu verarbeiten und sie nach Durchführung der Wahl unverzüglich zu löschen. Dies ist zu dokumentieren.
X. Datenübermittlung an Behörden und andere öffentliche Stellen (§ 9 Abs. 7) 31
§ 9 enthält für die Übermittlung von Daten innerhalb des öffentlichen Bereichs keine bereichsspezifischen Vorschriften, sondern verweist in Abs. 7 insoweit auf die Datenschutzgesetze der Länder. Nach den meisten LDSG dürfen personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen nur weitergegeben werden, wenn der Empfänger nachweist, dass er die Daten zu seiner rechtmäßigen Aufgabenerfüllung benötigt und die Daten in zumutbarer Weise nicht beim Betroffenen selbst erheben kann. Dieses wird regelmäßig dadurch geschehen, dass der um Übermittlung nachsuchende Empfänger die Rechtsgrundlage angibt. Die Kammer hat im Rahmen ihrer Verantwortung die Schlüssigkeit des Ersuchens zu prüfen. Dieses gilt auch für Amtshilfeersuchen gem. VwVfG, soweit diese Vorschrift nicht durch Regelungen im LDSG ohnehin subsidiär ist. Obwohl danach der Empfänger selbst zu prüfen hat, welche Daten er benötigt, entbindet das die übermittelnde Kammer nicht von der Plausibilitätsprüfung. IHKs können gemäß § 10 IHKG die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben auf andere IHKs übertragen. Diese Vorschrift ist aber keine Rechtsgrundlage für eine Datenübermittlung. Dies ergibt sich dann aus § 9 Abs. 7 i.V.m. dem LDSG.
XI. Beschäftigtendatenschutz 32
Art. 88 DSGVO ist die Grundlage für nationale Regelungen. Einige LDSG enthalten Vorschriften zum Beschäftigtendatenschutz. Diese wiederum verweisen weit470
Karstedt-Meierrieks
Aufgabenübertragung und Zusammenschluss
§ 10
gehend auf die eigenen Landesbeamtengesetze (in Niedersachsen z.B. durch § 12 NDSG auf § 50 Beamtenstatusgesetz und auf die §§ 88–95 des Niedersächsischen Beamtengesetzes).
XII. Informationsfreiheitsgesetze/Informationszugangsgesetze, Transparenzgesetze Neben der datenschutzrechtlichen Auskunftspflicht gegenüber dem Betroffenen 33 über die gesamten Daten, die die IHK über ihn gespeichert hat, treten in einigen Bundesländern Ansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen (IFG)15. Sie können von jedermann ohne Pflicht zum Nachweis eines berechtigten Interesses geltend gemacht werden. Allerdings findet dieser allgemeine Auskunftsanspruch seine Grenzen dort, wo entweder Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse durch Offenlegung berührt sind oder wo durch die Information Datenschutzrechte Dritter beeinträchtigt werden können.
XIII. Open Data Im Rahmen von Open Data soll die Verwaltung transparenter werden und ihre Da- 34 ten, soweit möglich, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen (z.B. im Bereich Bauplanung, soweit nicht ohnehin gesetzlich geregelt, Statistiken oder Auswertungen von Statistiken). Damit sollen die Daten auch für gewerbliche Nutzer zur Verfügung stehen, damit sie sie z.B. für Geschäftsmodelle verwenden können. Hierbei handelt es sich ausschließlich um nicht-personenbezogene Daten. Das Portal „IHK transparent“ enthält solche Angaben für die IHK-Organisation bereits16.
§ 10 [Aufgabenübertragung und öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss] (1) 1Industrie- und Handelskammern können Aufgaben, die ihnen auf Grund von Gesetz oder Rechtsverordnung obliegen, einvernehmlich einer anderen Industrie- und Handelskammer übertragen oder zur Erfüllung dieser Aufgaben
15 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, BVerwG v. 15.10.2007 – 7 B 9.07. 16 Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 119. S. www.ihk.de/ihktransparent (zuletzt aufgerufen am 4.2.2020).
Karstedt-Meierrieks/Heyne
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Aufgabenübertragung und Zusammenschluss
§ 10
gehend auf die eigenen Landesbeamtengesetze (in Niedersachsen z.B. durch § 12 NDSG auf § 50 Beamtenstatusgesetz und auf die §§ 88–95 des Niedersächsischen Beamtengesetzes).
XII. Informationsfreiheitsgesetze/Informationszugangsgesetze, Transparenzgesetze Neben der datenschutzrechtlichen Auskunftspflicht gegenüber dem Betroffenen 33 über die gesamten Daten, die die IHK über ihn gespeichert hat, treten in einigen Bundesländern Ansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen (IFG)15. Sie können von jedermann ohne Pflicht zum Nachweis eines berechtigten Interesses geltend gemacht werden. Allerdings findet dieser allgemeine Auskunftsanspruch seine Grenzen dort, wo entweder Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse durch Offenlegung berührt sind oder wo durch die Information Datenschutzrechte Dritter beeinträchtigt werden können.
XIII. Open Data Im Rahmen von Open Data soll die Verwaltung transparenter werden und ihre Da- 34 ten, soweit möglich, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen (z.B. im Bereich Bauplanung, soweit nicht ohnehin gesetzlich geregelt, Statistiken oder Auswertungen von Statistiken). Damit sollen die Daten auch für gewerbliche Nutzer zur Verfügung stehen, damit sie sie z.B. für Geschäftsmodelle verwenden können. Hierbei handelt es sich ausschließlich um nicht-personenbezogene Daten. Das Portal „IHK transparent“ enthält solche Angaben für die IHK-Organisation bereits16.
§ 10 [Aufgabenübertragung und öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss] (1) 1Industrie- und Handelskammern können Aufgaben, die ihnen auf Grund von Gesetz oder Rechtsverordnung obliegen, einvernehmlich einer anderen Industrie- und Handelskammer übertragen oder zur Erfüllung dieser Aufgaben
15 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, BVerwG v. 15.10.2007 – 7 B 9.07. 16 Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 119. S. www.ihk.de/ihktransparent (zuletzt aufgerufen am 4.2.2020).
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§ 10 Rz. 1 Aufgabenübertragung und Zusammenschluss untereinander öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse bilden oder sich daran beteiligen. 2§ 1 Abs. 3b bleibt unberührt. (2) 1Die Rechtsverhältnisse des öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses werden durch Satzung geregelt. 2Diese muss bestimmen, welche Aufgaben durch den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss wahrgenommen werden. 3Die Erstsatzung bedarf der Zustimmung der Vollversammlungen der beteiligten Industrie- und Handelskammern. 4Diese haben die Erstsatzung in der für ihre Bekanntmachungen vorgeschriebenen Form zu veröffentlichen. (3) Die Aufgabenübertragung auf Industrie- und Handelskammern oder auf öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse mit Sitz in einem anderen Bundesland sowie die Beteiligung an solchen Zusammenschlüssen ist zulässig, soweit nicht die für die beteiligten Kammern oder Zusammenschlüsse geltenden besonderen Rechtsvorschriften dies ausschließen oder beschränken. (4) Die Regelungen dieses Gesetzes in § 1 Abs. 3a, § 3 Absatz 1, 2, 6, 7a und 8, § 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 5, 7 und 8 sowie in den §§ 6 und 7 sind auf öffentlichrechtliche Zusammenschlüsse entsprechend anzuwenden. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . .
1
II. Aufgabenübertragung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.) . . . . . . . . . . . .
5
IV. Verhältnis zu anderen Regelungen der Zusammenarbeit (§ 10 Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . .
7
V. Die für den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss geltenden Rechtsvorschriften (§ 10 Abs. 4) .
12
VI. Weitere Kooperationsformen . . .
13
III. Öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss (§ 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.) . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Literaturauswahl: Ammermann, Kooperation der Industrie- und Handelskammern bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben – ein Beitrag zum Verständnis des neuen § 1 Abs. 4a IHKGesetz, WiVerw 1998, 201; Biernert, Kooperation von Industrie- und Handelskammern in Deutschland und Europa, 2006; Biernert, Kooperationen von Kammern, E-Government und die EG-Dienstleistungsrichtlinie, GewArch 2008, 417; Eisenmenger, Hoheitliche Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Handelskammern über Ländergrenzen hinweg, DVBl. 2009, 1356; Ernst, Rechtsrahmen der grenzüberschreitenden Kooperation von Kammern, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2008, 119; Jahn, Die Änderungen im Recht der IHKs durch das 4. VwVfÄndG, GewArch 2009, 177; Jahn, Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch Kooperationen von IHKs nach § 10 IHKG, WiVerw 2012, 88; Möllering, Aktuelle Entwicklungen des IHK-Kooperationsrechts, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2011, 133.
I. Vorbemerkung 1
Im früheren preußischen Kammerrecht war für die Kammern die Möglichkeit gegeben, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur gemeinsamen und aus472
Heyne
Vorbemerkung
Rz. 1a § 10
schließlichen Erfüllung bestimmter Aufgaben einen Zweckverband zu bilden1. Das IHKG 1956 hat eine solche Regelung jedoch nicht umfasst. Die durch das 4. VwVfÄndG vom 11.12.20082 eingefügte Vorschrift des § 10 ersetzt den gleichzeitig aufgehobenen § 1 Abs. 4a3, der erst durch das IHKG-Änderungsgesetz im Jahre 1998 neu in das IHKG aufgenommen worden war4 und der den IHKs die Bildung öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse oder die vertragliche Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf andere IHKs erlauben sollte. Eine solche Ermächtigung ist bei hoheitlichen Aufgaben dringend notwendig. Es erweist sich als zweckmäßig und kostensparend, die Kammerarbeit auf eine Stelle zu konzentrieren, die sich auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisieren oder bei Massenvorgängen sinnvoll moderne Datentechnik anwenden kann. In einigen Spezialvorschriften im Gewerberecht und im Berufsbildungsgesetz wurde daher schon seit jeher die Möglichkeit geschaffen, gemeinsame Prüfungsausschüsse zu bilden oder Aufgaben ganz auf andere IHKs zu übertragen5. Unverzichtbar sind solche Kooperationsmöglichkeiten insbesondere dann, wenn – wie es heute zunehmend geschieht – die IHKs Aufgaben übertragen bekommen, die EU-Richtlinien entspringen, in denen die Einrichtung von zentralen Ansprechstellen oder Registern verlangt wird, die für den gesamten Mitgliedstaat zuständig sind, oder wenn die Aufgabe aus der Natur der Sache nur bundeseinheitlich erledigt werden kann6. Auf diese zentrale Motivation verweist nicht zuletzt das BVerfG in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 zur Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Mitgliedschaft7. Kooperationen können auch zur Umsetzung des „Rechts auf eine gute Verwaltung“ nach Art. 41 EU-Grundrechtecharta beitragen8, da sie u.a. ggf. zügigere Entscheidungen ermöglichen9. Eine europäisch initiierte Kooperation der IHKs, die jedoch außerhalb der Re- 1a gelungen des § 10 liegt, ist die „gemeinsame Stelle“ nach § 32 Abs. 2 Umweltauditgesetz. Die Handwerkskammern und IHKs benennen für die ihnen übertragene 1 § 2 Abs. 4 der VO vom 1.4.1924 – GS 194; vgl. dazu 4. Aufl., 248. 2 BGBl. I, 2418. 3 § 1 Abs. 4a lautete: „Industrie- und Handelskammern können einzelne, ihnen nach diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes obliegende Aufgaben einvernehmlich einer anderen Industrie- und Handelskammer übertragen oder zu ihrer Erfüllung öffentlichrechtliche Zusammenschlüsse bilden.“ 4 BGBl. I, 1887. 5 Exemplarisch § 2 BewachV; § 71 Abs. 9 BBiG sowie § 2 Abs. 3 VersVermV. 6 Vgl. auch BT-Drs. 16/10493, 22; Ernst in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2008, 119. 7 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 1106/13 und 2222/12, BVerfGE 146, 164 Rz. 104. 8 Eisenmenger, DVBl. 2009, 1356. Dieses Recht gilt als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts auch für Verfahren vor nationalen Behörden, soweit Unionsrecht ausgeführt wird; Dazu Jarass, EU-Grundrechte-Charta, 3. Aufl., Art. 41 Rz. 9. 9 Zum Recht auf ein zügiges Verfahren i.R.d. Art. 41 EU-Grundrechtecharta Jarass, EUGrundrechte-Charta, 3. Aufl., Art. 41 Rz. 29.
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§ 10 Rz. 1a Aufgabenübertragung und Zusammenschluss Registrierung geprüfter Betriebsstandorte und die daraus fließenden Informations- und Veröffentlichungspflichten eine „gemeinsame Stelle“, die diese Aufgaben bundesweit zentral wahrnimmt. Diese aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Kammern geschaffene „gemeinsame Stelle“ für das EMASRegister – im konkreten Fall der DIHK – wurde Anknüpfungspunkt für weitere Konstruktionen gleicher Art beim Vermittlerregister (§ 11a Abs. 1 GewO)10. 2
Das alles war aber nicht ausreichend. Als defizitär erwies sich auch schon kurz nach ihrem Inkrafttreten die generelle Kooperationsklausel des § 1 Abs. 4a. Das galt beispielsweise für den Rechtsstatus des öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses. Zwar war der öffentlich-rechtliche Zusammenschluss nicht ganz neu. Schon das frühere preußische Kammerrecht kannte etwa den „Zweckverband“ mehrerer IHKs11. Zweckverbände im kommunalen Bereich sind in den Landesgesetzen über die kommunale Zusammenarbeit geregelt; sie sind in der Rechtsform öffentlich-rechtlicher Körperschaften organisiert. Da allerdings § 1 Abs. 4a selbst nichts über die Rechtsform des „öffentlichen-rechtlichen Zusammenschlusses“ aussagte, in der Terminologie auf den Begriff „Zweckverband“ verzichtete und auch nicht die typischen Gründungsformalitäten eines Zweckverbandes sowie dementsprechende Regeln für die interne Verfassung vorschrieb12, wurde er teilweise als für die Gründung eines Zweckverbandes nicht ausreichend angesehen13. Statt des „Zweckverbandes“, bei dem es sich um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt, käme dann nur eine nicht rechtsfähige Arbeitsgemeinschaft nach öffentlichem Recht in Betracht.
3
§ 1 Abs. 4a erwies sich auch insofern als defizitär, als er keine Kooperationsmöglichkeiten bei hoheitlichen Aufgaben mit anderen Kammern vorsah. Das war aber gerade in Bezug auf die Handwerkskammern wegen der vielfach gleichgelagerten Aufgaben sinnvoll. Unklar war auch, ob und inwieweit ganze Aufgabenblöcke oder Aufgaben interner Verwaltung übertragen werden konnten. Und schließlich wurde teilweise in Abrede gestellt, dass § 1 Abs. 4a eine Kooperation, welche die Grenzen der Bundesländer überschreitet, zuließ14. Dem stand zwar entgegen, dass durch die auch schon bei Vereinbarungen nach § 1 Abs. 4a erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörden (§ 11 Abs. 2 bisheriger Fassung) die Interessen der beteiligten Länder vollständig gewahrt waren. Aber in der Praxis sind aus diesem Grunde verschiedene Kooperationsversuche von IHKs im Bereich hoheitlicher Aufgaben gescheitert. 10 Vgl. auch Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl., § 11 Rz. 9. 11 § 2 Abs. 4 der Verordnung vom 1.4.1924 – GS 194; vgl. auch 4. Aufl. dieses Kommentars, 248. 12 Vgl. §§ 9 ff. Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit NRW. 13 Vgl. Biernert, Kooperation von Industrie- und Handelskammern in Deutschland und Europa, 51. 14 Vgl. auch die Begründung zu Art. 7 Nr. 4 des Regierungsentwurfs eines 4. VwVfÄndG, BT-Drs. 16/10493, 22.
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Vorbemerkung
Rz. 4 § 10
Der Gesetzgeber musste also dringend nachbessern15. Bei einem einwandfreien 4 „Zweckverband“ würden Konstruktionen, wie sie der Gesetzgeber in § 32 Abs. 2 Umweltauditgesetz und § 11a Abs. 1 GewO gebraucht hat, überflüssig. Das Aufsichtsproblem ließe sich durch eine klare Kompetenzzuweisung bei Landesgrenzen überschreitenden Kooperationen entschärfen. § 10 schafft nun die Voraussetzungen für eine Kooperation auf einer sicheren rechtlichen Grundlage. Zwar enthielt auch der neue Gesetzestext zunächst keine ausdrückliche Regelung zur Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses. In der Begründung zu Art. 7 Nr. 4 des Regierungsentwurfs eines 4. VwVfÄndG heißt es jedoch: „soweit die Satzung dies zulässt, ist der öffentlich-rechtliche Zusammenschluss rechtsfähig und kann Dienstherrenfähigkeit besitzen“. Diese Problematik wurde schließlich durch eine Gesetzesänderung im Jahre 201316 geklärt, indem in Abs. 4 ein Verweis auf die entsprechende Geltung des § 3 Abs. 1 aufgenommen wurde, der für die IHKs den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts normiert. In der Begründung wurde dazu ausdrücklich ausgeführt: „Durch die entsprechende Anwendung von § 3 Abs. 1 wird bestimmt, dass der öffentlich-rechtliche Zusammenschluss in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu errichten ist. Diese Rechtsform ist erforderlich, damit die Industrie- und Handelskammern ihnen obliegende hoheitliche Aufgaben auf den Zusammenschluss übertragen können“17. Durch Streichung des Wortes „einzelne“ – welches noch in § 1 Abs. 4a enthalten war – ist klargestellt, dass auch Aufgabenblöcke übertragen werden können. Die einzelnen übertragenen Aufgaben müssen aber auch dort hinreichend konkretisiert werden18. Keine ausdrückliche Regelung wird bezüglich der Qualität der übertragbaren Aufgaben (nur Aufgaben mit Außenwirkung oder auch Aufgaben interner Verwaltung) getroffen. Aus dem Umstand aber, dass die Bundesregierung in der Entwurfsbegründung die Anwendbarkeit der Kooperationsklausel auf Aufgaben interner Verwaltung als „teilweise in Zweifel gezogen“ bezeichnet, ihrerseits aber keinen Vorschlag zur Klarstellung unterbreitet, ist zu schließen, dass der Gesetzgeber selbst offenbar hinsichtlich der Qualität der übertragbaren Aufgaben keine grundsätzlichen Einschränkungen sieht. Der Gesetzgeber betonte vielmehr die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und für Synergien19. 15 Zu den Unzulänglichkeiten der früheren Regelung auch Jahn, WiVerw 2012, 88, 89. 16 Art. 17 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.7.2013, BGBl. I, 2757. 17 Begründung zu Art. 17 Nr. 2 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, BT-Drs. 17/11473, 57. Nach Jahn entspricht dies auch schon der Auslegung der ursprünglichen Regelung, WiVerw 2012, 88, 92 f. 18 Vgl. Möllering in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2011, 133, 135. 19 BT-Drs. 16/10493, 22; Ernst in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2008, 119.
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§ 10 Rz. 4 Aufgabenübertragung und Zusammenschluss Die Zulässigkeit ländergrenzenüberschreitender Kooperation einschließlich der Bildung öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse ergibt sich jetzt im Grundsatz eindeutig aus § 10 Abs. 4. Die Aufsicht ist in diesen Fällen in den ebenfalls neuen Abs. 2a und 2b von § 11 geregelt. Nicht allgemein geregelt hat der Gesetzgeber die Kooperation mit anderen Kammerorganisationen oder Institutionen. Lediglich für den Bereich der einheitlichen Stelle nach der Dienstleistungsrichtlinie wurde hierzu in § 1 Abs. 3b eine Ermächtigungsgrundlage für die Länder geschaffen. Eine Aufgabenübertragung etc. auf andere Kammerarten oder andere Körperschaften des öffentlichen Rechts ist aber nach wie vor nicht möglich. Aus diesem Grund bleibt nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich die Regelung des § 1 Abs. 3b für den Einheitlichen Ansprechpartner unberührt, für den solche übergreifenden Kooperationen möglich sind20 (siehe auch § 1 Rz. 192 ff.). Außerhalb des Bereichs der hoheitlichen Aufgaben ist jedoch ein weiteres Spektrum an Kooperationen möglich21.
II. Aufgabenübertragung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.) 5
§ 10 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. bildet die Rechtsgrundlage für die Übertragung von Aufgaben von einer IHK auf eine andere. Der Gesetzgeber hat damit die Möglichkeit geschaffen, dass eine IHK auch gegenüber Nichtmitgliedern, solange diese einer anderen IHK zugehörig sind, hoheitlich tätig werden kann. Zweck des § 10 ist die organisationsrechtliche Flexibilisierung22. Grenzen können sich jedoch aus der Natur der Sache, insbesondere aus dem Prinzip der Selbstverwaltung, ergeben. So müssen Kernfunktionen der IHK und ihrer Organe erhalten bleiben23. Es wäre zum Beispiel nicht zulässig, die Entscheidung über den Wirtschaftsplan der Vollversammlung einer anderen IHK zu überlassen. Überhaupt ist zu bezweifeln, ob § 10 erlaubt, Organfunktionen auf eine andere IHK zu übertragen. Nicht ausgeschlossen ist hingegen die Wahrnehmung der Funktion des Hauptgeschäftsführers von mehreren IHKs durch ein und dieselbe Person24. Dies ist kein Anwendungsfall des § 10 Abs. 1, da es sich um eine Person handelt, die jeweils von der einzelnen Vollversammlung bestellt ist und in dem Sinne ihre Tätigkeit aufteilt. Eine weitere Grenze muss insoweit angenommen werden, als die überörtliche Tätigkeit für Nichtmitglieder in einem ausgewogenen Verhältnis zum Tätigwerden
20 21 22 23
Jahn, GewArch 2009, 177, 179; Jahn, WiVerw 2012, 88, 94. Jahn, WiVerw 2012, 88, 94 und unten § 10 Rz. 13 ff. Jahn, WiVerw 2012, 88, 90. Ammermann, WiVerw 1998, 201; Eisenmenger, DVBl. 2009, 1356, 1357; Jahn, WiVerw 2012, 88, 95. 24 Vgl. auch Biernert, GewArch 2008, 417, 424.
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Heyne
Aufgabenübertragung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.)
Rz. 6 § 10
für Kammermitglieder stehen muss, da andernfalls der durch das IHKG vorausgesetzte Regionalbezug der Kammer bedroht wäre25. Für die Art und Weise der Aufgabenübertragung stehen den Kammern unter- 5a schiedliche, aus dem Verwaltungsrecht bekannte Möglichkeiten zur Verfügung, da § 10 keine abschließende Regelung trifft. Allen gemein ist, dass es sich um eine dauerhafte Aufgabenübertragung handelt. Unter anderem kommt die Delegation in Betracht, nach der die übernehmende IHK alle Rechte und Pflichten der übertragenden IHK im Rahmen des speziellen Bereichs übernimmt und nach außen sodann unter eigenem Namen tätig wird. Durch eine echte Mandatierung (Stellvertretung) wird eine IHK von der anderen beauftragt, letztere muss das auch in ihrem Handeln nach außen so benennen. Bei einer unechten Mandatierung (Erfüllungsgehilfe), wird die übernehmende IHK als verlängerter Arm der übertragenden IHK tätig, führt mithin die Aufgabe für diese nur aus, hat aber kein Vertretungsrecht. Die unechte Mandatierung ist gekennzeichnet durch fehlende Entscheidungskompetenz der übernehmenden IHK, der nur der verwaltungstechnische Vollzug obliegt26. Die demokratische Legitimation27 der IHK für ein Tätigwerden gegenüber 5b Nichtmitgliedern steht nicht in Frage. Sie wird abgeleitet aus der Legitimation der übertragenden Kammer, welche für eine bestimmte Sachaufgabe zuständig ist. Durch Kooperationsvereinbarungen wird eine zuvor eingegrenzte Aufgabe an die übernehmende IHK übergeben und mit ihr auch die Legitimation und Autorisierung zum Tätigwerden gegenüber den Mitgliedern der abgebenden IHK. Diese Übertragungsmöglichkeit wurde mittels § 10 gerade durch den Gesetzgeber und somit durch das selbst legitimierte, aber auch demokratische Legitimation verleihende, Organ geschaffen. Daneben tritt zudem das Legitimationselement der staatlichen Kontrolle durch die erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörden nach § 11 Abs. 2 Nr. 4, 5 und Abs. 2b ebenso wie die fortlaufende Rechtsaufsicht. Auch mitgliedschaftlich-partizipatorische Legitimationskomponenten sind durch die obligatorische Beteiligung der Vollversammlungen mittels notwendigem Beschluss nach § 4 Satz 2 Nr. 6 gegeben28. Die Aufgabenübertragung erfolgt durch öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. § 54 6 VwVfG. Das ergibt sich aus dem Wort „einvernehmlich“. Eine Beschlussfassung der Vollversammlung nach § 4 Satz 2 Nr. 6 und die Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach § 11 Abs. 2b ist nicht nur auf der Seite der übertragenden, sondern auch auf der Seite der übernehmenden IHK erforderlich. Dies war nach der alten „Kooperationsklausel“ teilweise bezweifelt worden, ist aber durch die Neufassung 25 So auch BT-Drs. 16/10493, 22, die betont, dass der Erhalt des örtlichen und regionalen Bezugs der Kammer wichtig ist. Vgl. dazu auch Eisenmenger, DVBl. 2009, 1356, 1357. 26 Zu alledem ausführlich Eisenmenger, DVBl. 2009, 1356, 1358 ff. 27 Vgl. auch Eisenmenger, DVBl. 2009, 1356, 1357. 28 Möllering, WiVerw 2012, 45, 49.
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§ 10 Rz. 6 Aufgabenübertragung und Zusammenschluss der vorstehend genannten Vorschriften eindeutig geklärt. Nicht geregelt ist die Frage der Veröffentlichung der Vereinbarungen zwischen den IHKs. Hier wird zu unterscheiden sein: Soweit in den Vereinbarungen Regelungen mit Außenwirkung getroffen werden – bspw. hinsichtlich der Zuständigkeit für bestimmte hoheitliche Aufgaben –, sind diese als Satzungsrecht zu erlassen und nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde29 sowie Ausfertigung in der für Satzungsrecht vorgeschriebenen Form zu veröffentlichen (§ 10 Abs. 2 Satz 4). Die Form der Veröffentlichung wird nach § 4 Satz 2 Nr. 7 durch die Vollversammlung der IHK bestimmt. Keiner Veröffentlichung bedürfen hingegen diejenigen Teile der Vereinbarungen, die sich ausschließlich auf die Abwicklung der Aufgabenübertragung zwischen den beteiligten IHKs – beispielsweise auf den Kostenausgleich – beziehen. Die Beendigung der Aufgabenübertragung erfolgt nach den Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Vertrag durch Kündigung, § 60 VwVfG.
III. Öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss (§ 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.) 7
§ 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ermöglicht auch die Bildung öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse und die Beteiligung daran. Nähere Ausgestaltung erfährt diese Option in Abs. 2. Die Rechtsverhältnisse des öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses werden durch Satzung geregelt (Satz 1). Diese muss den Kreis der Aufgaben festlegen, die von dem öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss wahrgenommen werden sollen (Satz 2). Der öffentlich-rechtliche Zusammenschluss kann die Aufgaben nicht selbst definieren oder diese ausweiten, hat also keine Kompetenz-Kompetenz30. Die Satzung kann insbesondere die Rechtsfähigkeit und Dienstherrenfähigkeit desselben vorsehen31. Ein öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss kann auch als nicht rechtsfähige Arbeitsgemeinschaft gegründet werden, da das Gesetz die Rechtsfähigkeit des Zusammenschlusses nicht zwingend vorsieht. In jedem Falle bedarf die Erstsatzung der Zustimmung der Vollversammlungen aller IHKs, die den Zusammenschluss bilden (Satz 3)32. Für die Erstsatzung ist außerdem – nach Genehmigung und Ausfertigung – ausdrücklich die Veröffentlichung durch alle beteiligten IHKs vorgeschrieben (Satz 4).
8
Für die Beteiligung an einem bereits bestehenden öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss sowie für die Aufgabenübertragung auf einen solchen ist ein Beschluss der Vollversammlung der sich beteiligenden bzw. die Aufgaben übertragenden IHK erforderlich. Dieser Beschluss ist in den Teilen, die Außenwirkung 29 30 31 32
Dazu § 11 Abs. 2b; Jahn, WiVerw 2012, 88, 96. Baumbach, WiVerw 2012, 77, 80. Vgl. die Begründung zu Art. 7 Nr. 4 des 4. VwVfÄndG, BT-Drs. 16/10493, 22. Jahn, WiVerw 2012, 88, 96 zur Frage der vorherigen oder nachträglichen Zustimmung durch die einzelnen Vollversammlungen.
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Öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss (§ 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.)
Rz. 9a § 10
haben, nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde und Ausfertigung als Satzungsrecht zu veröffentlichen. Das Gesetz schweigt darüber, ob es seitens des öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses eines Aktes der Zustimmung bedarf. Davon ist aber auszugehen33. Zwar bezieht sich das Wort „einvernehmlich“ in § 10 Abs. 1 nur auf die Übertragung von Aufgaben zwischen IHKs. Es wäre jedoch widersinnig, wenn eine einzelne IHK ihre Aufgaben auf einen von anderen IHKs gebildeten öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss „abladen“ könnte, ohne sich mit diesem über die Konditionen der Aufgabenübertragung einigen zu müssen. Ein Argument für diese Auffassung ergibt sich auch aus § 11 Abs. 2b, wonach bei Aufgabenübertragung auf einen öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss mit Sitz in einem anderen Bundesland auch die für diesen Sitz zuständige Aufsichtsbehörde genehmigen muss. Der Übertragungsbeschluss der IHK könnte aber gar nicht der Genehmigung dieser Behörde unterliegen, da sie keine Aufsicht über landesfremde IHKs führen kann. Insofern ist eine Art der Zustimmung in dieser Regelung vorausgesetzt. Die Übertragung von Aufgaben auf IHKs oder öffentlich-rechtliche Zusammen- 9 schlüsse in anderen Bundesländern und die Ländergrenzen überschreitende Beteiligung an solchen Zusammenschlüssen hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 3 ausdrücklich für zulässig erklärt, allerdings mit der Einschränkung, soweit nicht die für die beteiligten IHKs oder Zusammenschlüsse geltenden besonderen Rechtsvorschriften dies ausschließen oder beschränken. Unter Rechtsvorschriften sind Bundes- und Landesgesetze und Verordnungen sowie das Satzungsrecht der IHKs und der Zusammenschlüsse selbst zu verstehen. Auch europäische Vorschriften kommen in Betracht, die allerdings in aller Regel an die Bundesrepublik als Mitgliedstaat adressiert sind und keine regionalen Differenzierungen kennen. Von praktischer Bedeutung ist hingegen die Beschränkung, die sich aus der Beteiligung der Aufsichtsbehörden ergibt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 ist die Landesaufsichtsbehörde für die Rechtsaufsicht über den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss zuständig, in deren Land dieser seinen Sitz hat. Dies gilt mithin für den „laufenden Betrieb“ und ist aufgrund der geografischen Nähe gut begründet34. Auch die Aufsichtsbehörden der übertragenden Kammern müssen nach § 11 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 2a und 2b bei der Bildung oder Beteiligung an einem öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss, Änderungen der Satzung und der eigentlichen Aufgabenübertragung tätig werden. (Vgl. § 11 Rz. 34a ff.) Diese Anforderungen, sowie die in § 10 Abs. 4 geregelten formalen Obliegenhei- 9a ten an die Bildung eines öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses, bedeuten einen erheblichen Aufwand, weshalb sich eher komplexere Aufgabenübertragungen dafür anbieten35. Bisher gibt es daher nur einen derartigen öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss, die IHK Foreign Skills Approval (IHK FOSA). Diese hat bun33 Jahn, WiVerw 2012, 88, 97. 34 Jahn, GewArch 2009, 177, 180. 35 Eisenmenger, DVBl. 2009, 1356, 1358.
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§ 10 Rz. 9a Aufgabenübertragung und Zusammenschluss desweit durch die IHKs die Aufgabe der Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse mit entsprechenden deutschen Berufsabschlüssen übertragen bekommen36. Basis für die Tätigkeit bildet das Anerkennungsgesetz und die Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG37 und stellt damit die Umsetzung der in der Gesetzesbegründung zu § 10 aufgeführten Motivation des Gesetzgebers dar, gerade die sich aus europäischem Recht ergebenden Aufgaben so einheitlich zu bewältigen38. Im Gegensatz dazu hat sich die Handwerksorganisation dazu entschieden, dass jede der 53 deutschen Handwerkskammern für das vollständige Anerkennungsverfahren verantwortlich ist39. Die demokratische Legitimation des Tätigwerdens des öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses wird von der übertragenden IHK abgeleitet40. Zudem gelten sinngemäß die Ausführungen zur Aufgabenübertragung (siehe oben § 10 Rz. 5b). Beachtlich ist jedoch, dass insbesondere durch die Legitimation der IHKs als Betroffenenverwaltung auch ein öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss diesem Gedanken Rechnung tragen muss, also auch ehrenamtliche Vertreter aus der Unternehmerschaft in der Vollversammlung repräsentiert sein müssen41. Besonderheiten bestehen auch für die Beendigung der Aufgabenübertragung auf einen öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss. Diese ist gesetzlich nicht näher geregelt, ist also einer satzungsrechtlichen Regelung vorbehalten. Eine einseitige Kündigung scheint in der Regel jedoch nicht möglich zu sein, insbesondere, da durch die Mitwirkung des Staates bei Gründung bzw. Aufgabenübertragung die staatliche Mitwirkung auch bei dem Austritt erforderlich sein müsste. Eine Kündigung aus wichtigem Grund muss aber bereits aufgrund des Selbstverwaltungscharakters der IHKs möglich sein, wobei auch ein Ausgleich der Nachteile für den fortbestehenden Zusammenschluss zu erwägen ist42. Dies betrifft auch mögliche finanzielle Verpflichtungen, etwa weil der Zusammenschluss personelle Kapazitäten vorhält. Es empfiehlt sich daher eine satzungsrechtliche Regelung diesbezüglich43. Ein einvernehmliches Ausscheiden eines Mitglieds ist ebenso möglich. Der 36 Nur die IHKs Braunschweig, Hannover und Wuppertal-Solingen-Remscheid beteiligen sich nicht an der IHK FOSA. Zur IHK FOSA ausführlich Baumbach, WiVerw 2012, 77. 37 Vom 30.9.2005, ABl. EG Nr. L 255, 22. 38 BT-Drs. 16/10493, 22; BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 1106/13 und 2222/12, BVerfGE 146, 164 Rz. 104. 39 Wobei dort durch bestimmte „Leitkammern“ Expertise zu bestimmten Berufsbildungsabschlüssen und Herkunftsländern aufgebaut wird und den anderen Handwerkskammern zur Verfügung gestellt wird. Vgl. dazu ausführlich Witt, WiVerw 2012, 101. 40 Vgl. auch Eisenmenger, DVBl. 2009, 1356, 1357; Jahn, WiVerw 2012, 88, 93. 41 Jahn, WiVerw 2012, 88, 94, 97. 42 Restriktiver Jahn, WiVerw 2012, 88, 98. 43 Baumbach, WiVerw 2012, 77, 84 f.; Möllering in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerund Berufsrechts 2011, 133, 140. Vgl. zu alle dem auch Luppert, Der kommunale Zweckverband, 2000, 146 ff.
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Verhältnis zu anderen Regelungen der Zusammenarbeit
Rz. 11 § 10
Ausschluss eines Mitglieds aus gravierenden Gründen durch Mehrheitsbeschluss setzt eine satzungsrechtliche Regelung voraus44. Der Bestand des öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses kann so gestaltet werden, dass er von Austritten der Mitglieder unabhängig ist45, solange er seine Anknüpfung an die IHK-Organisation nicht vollständig verliert.
IV. Verhältnis zu anderen Regelungen der Zusammenarbeit (§ 10 Abs. 1 Satz 2) Ein Rückgriff auf § 10 ist ausgeschlossen, wenn es eine spezialgesetzliche Regelung 10 für die Übertragung von Aufgaben oder die Beteiligung an Zusammenschlüssen gibt. Eine solche Regelung ist die in § 1 Abs. 3b enthaltene Ermächtigung der Länder, den IHKs die Beteiligung an Einrichtungen zu ermöglichen, die die Aufgaben einer einheitlichen Stelle i.S.d. §§ 71a ff. VwVfG wahrnehmen (vgl. § 1 Rz. 192 ff.). § 10 Abs. 1 Satz 2 bestimmt ausdrücklich, dass diese Regelung durch die allgemeinen Vorschriften über die Aufgabenübertragung und den öffentlichrechtlichen Zusammenschluss unberührt bleibt. Auch in § 4 Satz 2 Nr. 6 ist die Beteiligung an Einrichtungen nach § 1 Abs. 3b zusätzlich zu der allgemeinen Aufgabenübertragung und Bildung von öffentlichen-rechtlichen Zusammenschlüssen als Vorbehaltsaufgabe der Vollversammlung erwähnt. Es ist daher davon auszugehen, dass eine solche Beteiligung zum Zwecke der einheitlichen Stelle ausschließlich durch Landesgesetz nach § 1 Abs. 3b geregelt werden kann. Das gilt selbstverständlich für die Beteiligung an nicht nur von IHKs gebildeten einheitlichen Stellen. Es gilt aber auch auf Grund der Spezialität dann, wenn IHKs unter sich eine einheitliche Stelle bilden wollen. Das Landesgesetz hat dann auch die Modalitäten der Beteiligung zu regeln. Nicht jede Regelung der Zusammenarbeit zwischen IHKs kann als Spezialgesetz, 11 welches die Anwendung von § 10 ausschließt, angesehen werden. So lässt etwa die Regelung des § 2 Abs. 3 ImmVermV und des § 2 Abs. 3 FinVermV, wonach IHKs Vereinbarungen zur gemeinsamen Durchführung von Sachkundeprüfungen für entsprechende Vermittler schließen oder gemeinsame Prüfungsausschüsse errichten können, § 10 ausdrücklich unberührt. In diesem Sinne benennt auch § 3 Abs. 3 VersVermV ausdrücklich, dass die IHKs im Rahmen von § 10 gemeinsam handeln46. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch in Fällen, in denen das Verfahren der Übertragung nicht in speziellen Vorschriften geregelt ist, sich dieses nach § 10, § 4 Satz 2 Nr. 6 und § 11 IHKG richtet. Das gilt auch für die entsprechenden Vorschriften der BewachV und des BBiG. 44 Vgl. Luppert, Der kommunale Zweckverband, 2000, 147 ff. 45 Baumbach, WiVerw 2012, 77, 79. 46 Auf die frühere Regelung des § 18a VersVermV wurde nach Einführung des § 10 ausdrücklich wieder verzichtet, vgl. BR-Drs. 844/08.
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§ 10 Rz. 12 Aufgabenübertragung und Zusammenschluss V. Die für den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss geltenden Rechtsvorschriften (§ 10 Abs. 4) 12
§ 10 Abs. 4 bewirkt, dass für den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss kein eigenes gesetzliches Regelungsinstrumentarium geschaffen werden muss. Es gelten vielmehr die grundlegenden Organisationsvorschriften des IHKG, auf die einzeln verwiesen wird, entsprechend. So kann einem öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss die Aufgabe einer einheitlichen Stelle übertragen werden (§ 1 Abs. 3a). Zudem wird seit der Gesetzesänderung im Jahr 2013 (vgl. oben § 10 Rz. 4) durch den Verweis auf § 3 Abs. 1 klargestellt, dass öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, was zuvor offen war. Die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit des Zusammenschlusses werden durch die Beiträge der Mitgliedskammern (§ 3 Abs. 2) oder Gebühren für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen oder Tätigkeiten (§ 3 Abs. 6) aufgebracht. Das Rechnungswesen entspricht dem der IHKs (§ 3 Abs. 7a). Auch die Vorschriften für die Verjährung von (Sonder-)Beiträgen, Gebühren und Auslagen sowie die Einziehung und Beitreibung gelten entsprechend (§ 3 Abs. 8). Der öffentlichrechtliche Zusammenschluss hat eine Vollversammlung, welche über alle Angelegenheiten, die nicht durch Satzung anderen Organen zugewiesen sind, entscheidet (§ 4 Satz 1). Im Rahmen der Satzung ist insoweit auch die Beteiligung der Unternehmer sicherzustellen47. Sie bestimmt die Satzung und hat die Budgethoheit (§ 4 Satz 2 Nr. 1–5, 7 und 8), wählt den Präsidenten und gegebenenfalls ein Präsidium (§ 6). Sie bestellt den Hauptgeschäftsführer (§ 7 Abs. 1). Präsident und Hauptgeschäftsführer vertreten nach näherer Bestimmung der Satzung den Zusammenschluss gemeinsam rechtsgeschäftlich und gerichtlich (§ 7 Abs. 2)48. Die Satzungen müssen zudem von allen beteiligten IHKs entsprechend verkündet werden49. Für die Errichtung und die Auflösung eines öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses können die Länder nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt ergänzende Vorschriften erlassen. Trotz dieser Vielzahl an Regelungen sind nicht alle Details für einen öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss im IHKG geregelt. Auftretende Fragen können jedoch durch Auslegung unter Beachtung des Grundsatzes der Selbstverwaltung gelöst werden50.
VI. Weitere Kooperationsformen 13
Neben den hier geregelten Möglichkeiten der Aufgabenübertragung bestehen noch weitere Kooperationsmöglichkeiten im Bereich der Aufgabenerfüllung. Zu 47 Möllering, WiVerw 2012, 45, 49. 48 Vgl. auch Begründung zum Entwurf eines 4. VwVfÄndG, BT-Drs. 16/10493. 49 Vgl. Möllering in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2011, 133, 138. 50 Vgl. auch Baumbach, WiVerw 2012, 77, 86.
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Weitere Kooperationsformen
Rz. 15 § 10
nennen ist zunächst die Amtshilfe nach §§ 4 bis 8 der Landesverwaltungsverfahrensgesetze. Amtshilfe kann insbesondere aus tatsächlichen Gründen ersucht werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder bei wesentlich größerem Aufwand der ersuchenden Behörde (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG). Amtshilfeersuchen können insoweit formlos gestellt werden. Zu beachten ist aber, dass die ersuchende IHK begründet, warum sie die hoheitliche Handlung nicht selbst erbringen kann und der Umfang des Ersuchens eindeutig ist. Nach § 7 Abs. 1 VwVfG ist für die Ausführung der ersuchten Handlung dann das Recht der ersuchten Kammer maßgeblich, welche dafür dann auch allein verantwortlich ist51. Amtshilfe kann jedoch regelmäßig nur bei nicht planbaren Situationen in Anspruch genommen werden52. Darüber hinaus besteht die spezielle Kooperationsmöglichkeit der Bildung eines 14 gemeinsamen Prüfungsausschusses nach § 39 Abs. 1 Satz 2 BBiG. Dieser ermöglicht mehreren zuständigen Stellen, also IHKs und HwKs, zusammenzuwirken, wenn sie den gleichen Ausbildungsberuf prüfen müssen. Der gemeinsame Prüfungsausschuss wird dann zum Organ aller beteiligten Stellen53. Basis dafür bietet aus Gründen der Rechtssicherheit ein öffentlich-rechtlicher Vertrag54, der auch den Sitz des Ausschusses bestimmt. Da der Ausschuss bei einer bestimmten zuständigen Stelle errichtet wird, findet auch nur die Prüfungsordnung dieser Stelle Anwendung. Außerhalb des Bereichs der Übertragung hoheitlicher Aufgaben stehen den IHKs 15 vielfältige (privatrechtliche) Kooperationsmöglichkeiten zur Verfügung, insbesondere zur gemeinsamen Erbringung von Dienstleistungen55. Auch die gemeinsame Erfüllung gesetzlicher Aufgaben, wie die Wahrnehmung des Gesamtinteresses, ist Gegenstand von Kooperationsvereinbarungen, nicht zuletzt von den Regelungen, die der Bildung des DIHK e.V. (vgl. Einführung Rz. 49 ff., § 1 Rz. 13) bzw. von Landesarbeitsgemeinschaften zugrunde liegen56. Der DIHK e.V. oder die Landesarbeitsgemeinschaften sind keine Zusammenschlüsse nach § 1057. Solche Kooperationen sollen durch den § 10 und die darin verfassten spezielleren Regelungen auch nicht gehindert werden58. Auf der anderen Seite können durch 51 52 53 54 55
Ramsauer in Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 20. Aufl., § 7 Rz. 5. Ramsauer in Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 20. Aufl., § 4 Rz. 11. Wohlgemuth, BBiG, § 39 Rz. 25. Wohlgemuth, BBiG, § 39 Rz. 25. Möllering, WiVerw 2012, 45, 46. Zu weiteren Beispielen wie der Bildung von Schwerpunktkammern oder Konföderationen vgl. Biernert, GewArch 2008, 417, 424. Zur Bandbreite der Kooperationsmöglichkeiten vgl. auch Biernert, Kooperation von Industrie- und Handelskammern in Deutschland und Europa; Karpen/Biernert in FS für Stober, 371; Jahn, WiVerw 2012, 88, 91. 56 So auch BayVGH v. 28.11.2008 – 22 ZB 06.3417 noch zu § 1 Abs. 4a; Möllering, WiVerw 2012, 45. 57 Vgl. BayVGH v. 28.11.2008 – 22 ZB 06.3417; klarstellend auch VG Berlin v. 19.12.2014 – 4 K 17.11 Rz. 19. 58 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4/15, BVerwGE 154, 296 Rz. 16.
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§ 11 Staatsaufsicht eine derartige Kooperation die Kompetenzen der Mitgliedskammer auch nicht erweitert werden, dem Zusammenschluss werden also bei gemeinschaftlicher Aufgabenerledigung die Aufgaben seitens der einzelnen IHK nicht delegiert: die Aufgabe verbleibt bei der IHK. Der Zusammenschluss darf, soweit Aufgaben gemeinschaftlich erfüllt werden, auch nicht mehr Aufgaben wahrnehmen, als es für die einzelne Kammer zulässig wäre59. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass die Wahrnehmung des Gesamtinteresses als gesetzliche Aufgabe der IHKs in allen Themen, welche die Kammergrenzen überschreiten, nur im Rahmen einer anderweitigen Kooperation gemeinsam erledigt werden kann, beispielsweise durch den DIHK oder eine Landesarbeitsgemeinschaft. Die Wahrnehmung des Gesamtinteresses kann nicht nach § 10 übertragen werden, da andernfalls die einzelne IHK sich dieser – für die Kammern elementaren – Aufgabe entziehen würde und so ihrem gesetzlichen Auftrag nicht mehr entsprechend gerecht werden würde60.
§ 11 [Staatsaufsicht] (1) 1Die Industrie- und Handelskammern unterliegen der Aufsicht des Landes darüber, daß sie sich bei Ausübung ihrer Tätigkeit im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften (einschließlich der Satzung, der Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebührenordnung) halten. 2Die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss wird durch die Aufsichtsbehörde des Landes ausgeübt, in dem der Zusammenschluss seinen Sitz hat. 3§ 1 Abs. 3a Satz 4 bleibt unberührt. (2) Die Beschlüsse der Vollversammlung über 1. die Satzung nach § 3 Abs. 7a Satz 2, 2. die Satzung nach § 4 Satz 2 Nr. 1, 3. die Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebührenordnung, 4. die Übertragung von Aufgaben an eine andere Industrie- und Handelskammer und die Übernahme dieser Aufgaben, 5. die Bildung öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse oder die Beteiligung an solchen (§ 10) sowie
59 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4/15, BVerwGE 154, 296 Rz. 16. 60 Jahn, GewArch 2009, 434, 438; Biernert, GewArch 2008, 417, 424.
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§ 11 Staatsaufsicht eine derartige Kooperation die Kompetenzen der Mitgliedskammer auch nicht erweitert werden, dem Zusammenschluss werden also bei gemeinschaftlicher Aufgabenerledigung die Aufgaben seitens der einzelnen IHK nicht delegiert: die Aufgabe verbleibt bei der IHK. Der Zusammenschluss darf, soweit Aufgaben gemeinschaftlich erfüllt werden, auch nicht mehr Aufgaben wahrnehmen, als es für die einzelne Kammer zulässig wäre59. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass die Wahrnehmung des Gesamtinteresses als gesetzliche Aufgabe der IHKs in allen Themen, welche die Kammergrenzen überschreiten, nur im Rahmen einer anderweitigen Kooperation gemeinsam erledigt werden kann, beispielsweise durch den DIHK oder eine Landesarbeitsgemeinschaft. Die Wahrnehmung des Gesamtinteresses kann nicht nach § 10 übertragen werden, da andernfalls die einzelne IHK sich dieser – für die Kammern elementaren – Aufgabe entziehen würde und so ihrem gesetzlichen Auftrag nicht mehr entsprechend gerecht werden würde60.
§ 11 [Staatsaufsicht] (1) 1Die Industrie- und Handelskammern unterliegen der Aufsicht des Landes darüber, daß sie sich bei Ausübung ihrer Tätigkeit im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften (einschließlich der Satzung, der Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebührenordnung) halten. 2Die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss wird durch die Aufsichtsbehörde des Landes ausgeübt, in dem der Zusammenschluss seinen Sitz hat. 3§ 1 Abs. 3a Satz 4 bleibt unberührt. (2) Die Beschlüsse der Vollversammlung über 1. die Satzung nach § 3 Abs. 7a Satz 2, 2. die Satzung nach § 4 Satz 2 Nr. 1, 3. die Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebührenordnung, 4. die Übertragung von Aufgaben an eine andere Industrie- und Handelskammer und die Übernahme dieser Aufgaben, 5. die Bildung öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse oder die Beteiligung an solchen (§ 10) sowie
59 BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4/15, BVerwGE 154, 296 Rz. 16. 60 Jahn, GewArch 2009, 434, 438; Biernert, GewArch 2008, 417, 424.
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Staatsaufsicht
§ 11
6. einen 0,8 vom Hundert der Bemessungsgrundlagen nach § 3 Abs. 3 Satz 6 übersteigenden Umlagesatz bedürfen der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde des Landes. (2a) Die Satzung nach § 10 Abs. 2 sowie Änderungen der Satzung bedürfen der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde des Landes, in dem der Zusammenschluss seinen Sitz hat, sowie durch die Aufsichtsbehörden der beteiligten Kammern. (2b) Die Aufgabenübertragung durch eine Industrie- und Handelskammer auf andere Industrie- und Handelskammern oder auf öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse mit Sitz in einem anderen Bundesland sowie die Beteiligung an solchen Zusammenschlüssen bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörden der übertragenden und der übernehmenden Kammer; im Falle der Übertragung auf einen öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss ist zusätzlich die Genehmigung der für diesen zuständigen Aufsichtsbehörde erforderlich. (3) Rechtsvorschriften, die diesem Gesetz widersprechen, werden aufgehoben; Abschnitt I des Gesetzes zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft vom 24. März 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 235) und die Verordnung über die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung während des Krieges vom 5. Juli 1940 (Reichsgesetzbl. II S. 139) finden auf die Industrie- und Handelskammern keine Anwendung. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . .
1
II. Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . 1. Sachlicher Umfang . . . . . . . . 2. Aufsichtsmittel . . . . . . . . . . 3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zum Individualrechtsschutz . . . . . . . . . . . . 5. Keine Staatsaufsicht in zivilrechtlichen Angelegenheiten . . 6. Kooperation zwischen Kammer und Aufsichtsbehörde . . . . . . 7. Anfechtung von Aufsichtsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . 8. Aufsicht über öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse (§ 11 Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . .
25a
III. Vorbeugende Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 2, 2a, 2b) . . . . . . .
26
4 5 12 17 21 23 24a 25
1. Genehmigungstatbestände (§ 11 Abs. 2) . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung der Ablehnung . . . 3. Vorbeugende Rechtsaufsicht bei Ländergrenzen überschreitenden Aufgabenübertragungen oder öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen (§ 11 Abs. 2a, 2b) . . . . . . . . . IV. Aufsicht in Finanzfragen . . . . 1. Grenzen der Finanzaufsicht . . . 2. Anwendungsfälle der Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzaufsicht und Wirtschaftsplan . . . . . . . . . . . . . . . .
27 32
34a 35 35 37 40
V. Aufgehobene Vorschriften (§ 11 Abs. 3) . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Beiträgegesetz . . . . . . . . . . .
42 42 46
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§ 11 Rz. 1 Staatsaufsicht Literaturauswahl: Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung – Eine verfassungsrechtliche Studie anhand der Kammern, der Sozialversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit, 1991; Heusch, Staatliche Aufsicht, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15; Heusch, Zu aktuellen Fragen der kammerinternen Organisation und der Staatsaufsicht, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73; Heyne, Beratung als Handlungsmöglichkeit der Kammeraufsicht – Rechtliche Grundlagen, Ausgestaltung und Adressaten, GewArch 2016, 279; Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000; Kluth, Verfassungs- und kammerrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung der staatlichen Aufsicht bei der Übertragung der Aufgaben der Berufszulassung und der Berufsaufsicht auf Industrie- und Handelskammern, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2005, 181; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 270; Kluth, Verfassungs- und europarechtliche Anforderungen bei der Übertragung der Aufgabe einer Einheitlichen Stelle auf die Industrie- und Handelskammern, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2007, 122; Kluth, Die aufgabenspezifische Eigenrationalität von Selbstverwaltung als Maßstab für die funktionsgerechte Ausgestaltung der Staatsaufsicht über Kammern, in: Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), Jahrbuch Recht und Ökonomie des Dritten Sektors 2009/2010 (RÖDS), 103; Mann, Kommunale und funktionale Selbstverwaltung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 13; Möllering, Übertragung von Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung auf die Industrie- und Handelskammern, WiVerw 2006, 261; Möstl, Grundsätze und aktuelle Rechtsfragen der Staatsaufsicht über Kammern, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerund Berufsrechts 2006, 33; Pautsch, Das Kooperationsprinzip im Bereich der Kammeraufsicht, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2017, 173; Ruttloff, Die bayerischen Industrie- und Handelskammern und die staatliche Aufsicht nach der Gründung der BIHK Service GmbH, GewArch 2009, 234; Siekmann, Welche Aufsicht braucht das Kammerwesen? – Anforderungen an staatliche Aufsicht und interne Kontrolle von Kammern, in: Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), Jahrbuch Recht und Ökonomie des Dritten Sektors 2009/2010 (RÖDS), 85; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 2013.
I. Vorbemerkung 1
Die Staatsaufsicht ist einerseits das notwendige und selbstverständliche Korrelat der Körperschaftsrechte, der Pflichtzugehörigkeit und der Beitragshoheit1. Aus dem Prinzip der Selbstverwaltung ergibt sich andererseits, dass die Staatsaufsicht die Selbständigkeit der Körperschaft und die selbstverantwortliche Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht in Frage stellen darf (vgl. Einführung Rz. 27 ff., 30).
2
Kennzeichnend für Selbstverwaltungskörperschaften jeder Art (Gemeinden wie Kammern und sonstige Nichtgebietskörperschaften) ist deshalb, dass die Staatsaufsicht auf eine Rechtsaufsicht beschränkt ist; dieses Rechtsinstitut verwirklicht gleichermaßen Freiheit und Bindung. Die Rechtsaufsicht soll die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gesetzesbindung der IHKs als Körperschaft des öffentlichen
1 Vgl. u.a. Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 512; Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 87.
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Vorbemerkung
Rz. 2a § 11
Rechts sichern2. Darüber hinaus stellt die Rechtsaufsicht ein wichtiges Element der grundlegenden demokratischen Legitimation dar3, welche insbesondere für die Übertragung hoheitlicher Aufgaben notwendig ist4. Die Rechtsaufsicht kann in besonders wichtigen Fällen vorbeugend ausgestaltet werden, damit die Staatsaufsichtsbehörden in einem Genehmigungsverfahren bereits vorher die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen und Maßnahmen prüfen können; die Genehmigungstatbestände sind dann im Gesetz einzeln aufgeführt. Im Übrigen greift die allgemeine Rechtsaufsicht nachträglich ein, wenn Rechtsverletzungen vorkommen. Auch das IHKG kennt in § 11 nur eine solche Rechtsaufsicht. Die Verknüpfung der Rechtsaufsicht mit dem Status der Kammern als Selbstver- 2a waltungskörperschaft, den auch die Kommunen inne haben, führt dazu, dass die wesentlich detaillierteren Regelungen zur Kommunalaufsicht für die IHKs als Orientierung dienen können5. Dies gilt jedoch nur, solange keine abweichenden spezialgesetzlichen/kammerrechtlichen Vorschriften bestehen. Ausdrücklich ist eine solche Regelung auch in einigen Landesverwaltungs- bzw. -organisationsgesetzen enthalten6. Die Entscheidung des BVerwG, in welcher die Parallele zu kommunalrechtlichen Regelungen für die Rechtsstellung der Mitglieder der Vollversammlung abgelehnt wurde7, ist insoweit nicht übertragbar8. Diese bezieht sich zum einen auf den speziellen Fall, ob eine Analogie zu Stellung und Rechten der Mitglieder eines Gemeinderats gezogen werden kann und nicht auf die allgemeine Frage der Analogiemöglichkeit zum Kommunalrecht. Diese verneinte das BVerwG, weil die Rechte der Gemeinderatsmitglieder aus einem Landesgesetz folgen würden und die der Vollversammlungsmitglieder aus einem Bundesgesetz. Ein Landesgesetz könne nicht zur Auslegung einer Bundesnorm herangezogen werden. Die Aufsicht ist jedoch in beiden Fällen auf Landesebene geregelt. Die als 2 Mann in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 13, 31; Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 88; Ruttloff, GewArch 2009, 234, 235. 3 Art. 20 Abs. 2 GG; BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 113; BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59, 94; Hessischer VGH v. 10.6.2013 – 7 A 418/12.Z Rz. 24; Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 87 ff.; Blanke, WiVerw 2008, 191, 204; Ruttloff, GewArch 2009, 234, 235. 4 Siekmann in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 85, 93. 5 Kluth in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 1 Rz. 35; Mann in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 13, 31; a.A. ohne die notwendige Differenzierung wohl Rickert, GewArch 2004, 369, 370 mit Verweis auf BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331, 332. 6 Vgl. § 14 Abs. 1 Brandenburgisches LOG, § 20 Abs. 1 LOG NRW, § 52 LVwG SH und jüngst hinzugekommen § 19 Abs. 1 OrgG LSA. 7 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331, 332; vgl. auch Rickert, GewArch 2004, 369, 370. 8 Hierzu ausführlich Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 89 ff.
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§ 11 Rz. 2a Staatsaufsicht weiteres Argument durch das BVerwG angeführte fehlende verfassungsrechtliche Verankerung der IHKs im Vergleich zu den Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) erweist sich in Hinblick auf die analoge Anwendung im Aufsichtsrecht nicht als hinderlich, da die Staatsaufsicht ihrerseits an die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebunden ist und dieser auch gegenüber dem nur einfachgesetzlich eingeräumten Recht auf Selbstverwaltung der IHKs einzuhalten ist. Da eine analoge Anwendung zur Füllung von Regelungslücken insbesondere im Rahmen zulässiger Aufsichtsmittel (vgl. unten § 11 Rz. 12 ff.) in Betracht kommt, ist hier ein Rückgriff auf mildere Mittel, die im Kommunalaufsichtsrecht – anders als regelmäßig im IHK-Aufsichtsrecht – aufgegliedert sind, im Sinne einer verfassungskonformen Anwendung geboten9. 3
Von der Rechtsaufsicht ist die Fachaufsicht zu unterscheiden (im Kommunalrecht Sonderaufsicht genannt). Sie findet bei Auftragsangelegenheiten10 Anwendung, die es allerdings bislang im Bereich der IHKs nicht gibt11. Bei dieser kann auch die Zweckmäßigkeit einer Handlung überprüft werden. Typisches Aufsichtsmittel der Fachaufsicht ist die Weisung. Eine Fachaufsicht bedarf zudem stets einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung12. Widersprüchlich ist insoweit § 1 Abs. 2 GewRZustV RP vom 30.1.200113 i.d.F. der Ersten Landesverordnung zur Änderung der GewRZustVO vom 19.12.200614, wonach die Zuständigkeit der IHKs zur Entgegennahme der Gewerbeanmeldungen ausdrücklich als „Auftragsangelegenheit“ bezeichnet, die Aufsicht aber nur in Bezug auf die zuständige Aufsichtsbehörde geregelt wird. Mehr wäre auch wegen § 11 Abs. 1 Satz 1 nicht möglich. Für den Bund und die Länder hat auch bei der Übertragung von Aufgaben nach § 1 Abs. 4 stets das Prinzip der Selbstverwaltung im Vordergrund gestanden, vgl. auch Einführung Rz. 27 ff. Eine Fachaufsicht würde dem mit einer solchen Übertragung verfolgten Zweck eindeutig zuwiderlaufen. Wie das Bundesverfassungsgericht betont hat, besteht der grundlegende Vorteil der Übertragung von Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung auf die IHKs in der Nutzung des Sachverstands der Unternehmer15. Dieses Vorteils würde sich der übertragende Staat be9 Vgl. auch Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 90 f. 10 A.A. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 85, der darauf verweist, dass die Selbstverwaltung der gesetzgeberischen Ausformung bedürftig ist und somit auch für eine punktuelle Ausgestaltung mit Weisungsrechten in eigenen Angelegenheiten zugänglich wäre. 11 Blanke, WiVerw 2008, 191, 209 weist auf potenzielle Möglichkeiten in Kriegs- und Krisenzeiten hin. 12 Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 85. 13 GVBl. 2001, 43. 14 GVBl. 2006, 450. 15 BVerfG v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111; Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2005, 181, 188; vgl. auch Blanke, WiVerw 2008, 191, 206.
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Vorbemerkung
Rz. 3 § 11
geben, wenn er den Sachverstand seiner eigenen Amtswalter über den der IHK setzte – was bei einer Fachaufsicht der Fall wäre16. Außerdem gleicht die partizipatorisch-personelle Legitimation – die Rückführung der persönlichen Legitimation der für die IHK Handelnden unmittelbar oder mittelbar auf die Wahl durch die Mitglieder der IHK – das Defizit hinsichtlich der personellen Legitimation im engeren Sinne – nämlich der Rückführung der Legitimation des Amtswalters auf das Staatsvolk – aus17. Das gilt jedenfalls solange, wie die nach § 1 Abs. 4 übertragenen Aufgaben IHK-Mitglieder als Adressaten haben oder jedenfalls andere Personen nur am Rande betroffen sind. Ist das nicht der Fall, wird es sich in aller Regel nicht um eine Aufgabe handeln, die zur Übertragung in die Selbstverwaltung der Wirtschaft geeignet ist. Es entspricht ganz hM, dass die Qualifikation einer Aufgabe als vom Staat übertragen keineswegs automatisch Fachaufsicht bedeutet. Auch das in bestimmten Fällen bestehende Bedürfnis nach Rechtseinheit könnte mittels Rechtsetzung (z.B. mittels Rechtsverordnungen) und die Überwachung von deren Einhaltung mittels Rechtsaufsicht sichergestellt werden18. Selbst wenn in diesen Fällen Fachaufsicht nicht generell abgelehnt wird, so wird sie doch überwiegend von einer ausdrücklichen Ermächtigung abhängig gemacht19. Im Bereich der IHKs gibt es dafür kein Beispiel, wohl hingegen in anderen Kammerorganisationen20. Durch § 11 Abs. 1 und 2 iVm § 12 Abs. 1 Nr. 4 ist zudem sichergestellt, dass auch die Länder nicht von sich aus Fachaufsicht – etwa im Rahmen von Landesgesetzen, die Aufgaben nach § 1 Abs. 4 übertragen – einführen können. Denn § 12 Abs. 1 Nr. 4 gestattet den Ländern nur, Vorschriften zu erlassen „über die Aufsichtsmittel, welche erforderlich sind, um die Ausübung der Befugnisse nach § 11 Abs. 1 und 2 zu ermöglichen“.
16 Möllering, WiVerw 2006, 261, 283; Möstl in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, 33, 35; Kluth in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 103, 113-116. 17 Stober, GewArch 2001, 393, 397; Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2005, 181, 199; vgl. auch BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, BVerfGE 107, 59 zum Wasserverband. 18 Kluth in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 103, 116. 19 Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 28 mwN; Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 88; Mann in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 13, 31; Kluth in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 103, 104; zweifelnd Möstl in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, 33, 40; ablehnend Siekmann in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 85, 100, der meint, dass bei Vorliegen verfassungsrechtlicher Gründe, Fachaufsicht auch ohne ausdrückliche Anordnung möglich sei. 20 Vgl. § 124b HwO früher auch die Regelungen über die Abschlussprüferaufsichtskommission APAK in § 66a WPO; siehe auch Kluth in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 103, 109 f.
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§ 11 Rz. 4 Staatsaufsicht II. Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1) 4
Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 ergibt sich unmittelbar, dass die Staatsaufsicht über die IHKs Rechtsaufsicht und nicht Fachaufsicht ist. Die Aufsichtsbehörde kann also nicht in den Gestaltungsspielraum und das Ermessen der Kammerorgane eingreifen, weder durch vorherige Anweisungen, noch durch nachträgliche Beanstandungen. Die Staatsaufsicht hat vielmehr darüber zu wachen, dass sich die IHKs bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften halten21. Die Staatsaufsicht hat dabei stets kammereigene – also durch die Selbstverwaltung der IHKs gesetzte – Grenzen zu respektieren22. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 bestimmt das jeweilige Landesausführungsgesetz die für die Aufsicht zuständige Behörde. In der Regel ist dies das jeweilige Wirtschaftsministerium bzw. -senatsverwaltung23. 1. Sachlicher Umfang
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Die allgemeine Rechtsaufsicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 ist als „repressive Aufsicht“ ausgestaltet. Sie bezieht sich auf die Einhaltung aller Rechtsvorschriften, welche für die Tätigkeit der Kammern gelten. Das sind nicht nur das IHKG und die Landesausführungsgesetze dazu, sondern auch alle sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder, die für die IHKs als öffentlich-rechtliche Körperschaften gelten. Genauso gehören dazu aber die Rechtsvorschriften, welche sich die IHK selbst gibt (autonomes Recht). Dabei handelt es sich zum einen um die organisationsrechtlichen Grundlagen wie etwa die Satzung, Wahlordnung, Beitragsordnung und Wirtschaftssatzung (siehe auch Einführung Rz. 30 ff.) etwaige Sonderbeitragsordnungen und die Gebührenordnung und zum anderen um sonstiges Satzungsrecht wie z.B. die Sachverständigenordnung (siehe auch § 1 Rz. 249 ff.), das Statut für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und Bescheinigungen (§ 1 Rz. 171 ff.) sowie die Prüfungsordnungen für Sachkundeprüfungen und für Prüfungen im Berufsbildungsbereich24. Die IHK ist als Selbstverwaltungskörperschaft in der Gestaltung dieser Rechtsvorschriften weitgehend frei, muss aber selbstverständlich höherrangiges Recht (Verfassung, Gesetze und Verordnungen) beachten; hier könnte die Aufsichtsbehörde bei unzulässigen Kammervor-
21 Köster, Die Staatsaufsicht über die preußischen Industrie- und Handelskammern, 1933, 81; Bremer, Kammerrecht der Wirtschaft, 144, geht zwar auch von diesem Grundsatz aus, rechnet zum Begriff der Rechtsvorschriften aber auch „verwaltungsrechtliche Prinzipien“ und verwischt damit den grundlegenden Unterschied zwischen Rechts- und Ermessenskontrolle. 22 Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 82. 23 Vgl. dazu die ausführliche Aufstellung bei Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 513. 24 Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 512.
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Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1)
Rz. 9 § 11
schriften eingreifen. Ebenso muss sich die IHK an die von ihr selbst gesetzten Rechtsvorschriften halten. Trotzdem hat sich die Rechtsaufsicht in ihrem sachlichen Umfang erweitert, weil 6 immer mehr Rechtsvorschriften im Bereich der Berufsbildung und der übertragenen Aufgaben nach § 1 Abs. 4 ergehen. Ein Grund dafür mag nicht nur der Trend zu einer perfektionistischen und möglichst umfassenden Regelung sein, sondern auch die Tatsache, dass es sich immer häufiger um wesentliche, vom Gesetzgeber selbst zu treffende Entscheidungen zur Regelung der Berufsausübung handelt. Das Fachärzte-Urteil des Bundesverfassungsgerichts25 und die hierauf aufbauende Rechtsprechung entfalten Wirkung. Das Ergebnis ist eine allmähliche Einengung des Selbstverwaltungsspielraums, insbesondere der eigenen Satzungsgewalt. Bei Selbstverwaltungspflichtaufgaben, die so detailliert durch Gesetze oder Verordnungen bereits vorgeregelt sind, bleibt den IHKs oft nur noch die eigenständige Durchführung. Sie sind dabei zwar nicht an Verwaltungsvorschriften gebunden und können keine Weisungen im Einzelfall erhalten. Teilweise werden jedoch auch in diesem Bereich von den Behörden und den IHKs gemeinsam Verwaltungsgrundsätze ausgearbeitet, die beide Seiten einheitlich anwenden (z.B. bei Unterrichtungs- oder Anerkennungsverfahren). Der Rechtsaufsicht unterliegen nicht nur Beschlüsse der Vollversammlung, son- 7 dern auch sonstige Maßnahmen der IHK und ihrer Organe (z.B. Präsidium oder Hauptgeschäftsführer). Die Rechtsaufsicht kann also nicht nur bei Satzungen eingreifen, wenn diese mit übergeordnetem Recht nicht in Einklang stehen. Sie kann auch einzelne Durchführungsmaßnahmen und Einzelvorgänge aufgreifen, wobei allerdings das Verhältnis zum individuellen Rechtsschutz zu beachten ist, vgl. unten § 11 Rz. 21 f. Die Rechtsaufsicht erstreckt sich auch auf ein Unterlassen, wenn Kammerorgane 8 zu handeln verpflichtet sind26. Wird z.B. in der Wahlordnung die Beendigung der Mitgliedschaft in der Vollversammlung wegen Wegfalls der Wählbarkeit an einen konstitutiven Beschluss der Vollversammlung gebunden, so kann die Aufsichtsbehörde ein zu langes Hinausschieben dieser Entscheidung beanstanden. Besondere Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Rechtsaufsicht und Ermessens- 9 kontrolle bestehen in den Fällen, in denen das IHKG der Kammer und ihren Organen nur einen allgemeinen Rahmen setzt. Auch hier ist jedoch daran festzuhalten, dass beim Erlass von autonomem Recht nur eine Überschreitung des der IHK eingeräumten Gestaltungsspielraums einen Rechtsverstoß darstellen kann und dass bei Einzelentscheidungen und sonstigen Maßnahmen der IHK eine sachgerechte Ausübung ihres Ermessens nicht beanstandet werden darf, aufgrund des sog. nor-
25 BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, BVerfGE 33, 125. 26 Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 512.
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§ 11 Rz. 9 Staatsaufsicht mativen Ermessens der IHK. Im Wesentlichen deckt sich die Rechtsaufsicht also mit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (§ 114 VwGO)27. 10
Als Beispiel für Fälle, in denen die IHK mit Ermessen entscheidet und die Rechtsaufsicht sich auf Ermessensmissbräuche beschränkt, ist auf § 3 Abs. 2 Satz 2 zu verweisen, der von den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung spricht und damit den IHKs einen finanziellen Gestaltungsspielraum eröffnet. Hier kann die Rechtsaufsicht also nur tätig werden, wenn der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von der IHK grob verkannt wurde, sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen Verfahrensvorschriften verstoßen wurde oder Verfahrensvorschriften missachtet wurden28. Entsprechendes gilt für die Einteilung in Wahlgruppen und Wahlbezirke, welche die Wahlordnung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 zu treffen hat. In den Landesausführungsgesetzen geht es um die Formel, wie die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts für den Bereich der Rechnungslegung und Rechnungsprüfung sinngemäß anzuwenden sind, soweit dies nicht dem Satzungsrecht überlassen werden kann, vgl. § 3 Rz. 17 und § 12 Rz. 25 ff. Rechtsprechung liegt im Kammerbereich im Wesentlichen für die Rechtsaufsicht der Handwerkskammern über die Handwerksinnungen vor29.
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Für den Bereich der Wahrnehmung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft kommt eine Rechtsaufsicht praktisch kaum in Betracht, weil sie sich im Wesentlichen auf den sachlichen Inhalt eines Kammervotums erstrecken würde; es ist ja gerade Aufgabe der IHK, zu amtlichen Auffassungen kritisch Stellung zu nehmen und auch neue Vorschläge zu unterbreiten. Hier kann nur geprüft werden, ob das Verfahren bei der Meinungsbildung korrekt war30 oder das Votum den Aufgabenkreis der IHK überschreitet31, vgl. § 1 Rz. 31 ff. Ein Aufruf zu gesetzeswidrigem Verhalten ist selbstverständlich unzulässig und kann von der Aufsichtsbehörde untersagt werden.
27 Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 20. 28 Vgl. BVerwG v. 13.9.2005 – 2 WD 31/04 Rz. 100, NVwZ 2007, 475, 476; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 360. 29 BVerwG v. 25.4.1972 – I C 3.70, GewArch 1972, 333; OVG Rheinland-Pfalz v. 28.6.1967 – 2 A 59/66, GewArch 1967, 209; OVG NRW v. 28.8.1963 – III A 1164/61, OVGE 19, 67; VG Hannover v. 14.10.1969 – I A 278/69, GewArch 1970, 36; daneben für einige Berufskammern BVerwG v. 17.12.1981 – 5 C 56/79; LSG Essen v. 12.12.1978 – L 1 Ha 27/28; OVG NRW v. 6.6.1980 – 15 A 1810/78. 30 Eyermann, GewArch 1992, 209; Möstl in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, 37; eingängig: Mann in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2014, 13, 32. 31 Möllering in Festschrift für Stober, 391, 397; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 356. Vgl. zum Kompetenzrahmen der Kammern/des DIHK: BVerwG v. 23.6.2010 – 8 C 20.09; BVerwG v. 23.3.2016 – 10 C 4.15.
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Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1)
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Diese Beispiele zeigen auf, dass es zahlreiche Tätigkeiten der IHKs gibt, die keine 11a Aufsicht verlangen und autonomen Gestaltungsspielräumen unterfallen. Dazu gehören zudem auch die Beratungstätigkeit oder die Informationssammlung32, soweit diese nicht anderen Vorschriften unterfallen, wie etwa dem Datenschutzrecht. 2. Aufsichtsmittel Die Aufsichtsmittel sind im Gesetz nicht im Einzelnen aufgeführt, sondern landes- 12 rechtlicher Regelung überlassen (§ 12 Abs. 1 Nr. 4). Auch die Landesausführungsgesetze beschränken sich dabei fast alle auf eine Zuweisung der Zuständigkeit an den Landeswirtschaftsminister (Wirtschaftssenator) und erwähnen lediglich die Auflösung der Vollversammlung als äußerstes Aufsichtsmittel. Zumeist ist dessen Anwendung noch an die zuvor wiederholte fruchtlose Aufforderung geknüpft, sich an den Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften zu halten, „falls andere Aufsichtsmittel nicht ausreichen“33. Detaillierter ist das ThürAG IHKG, das in § 2 Abs. 2 und 3 die Aufsichtsmittel aufzählt und damit ein abgestuftes System der Eingriffsmittel normiert34. Eine solche Aufzählung ist letztlich illustrativ, weil sich aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht eine Skala der Aufsichtsmittel entwickelt hat, die allgemein anerkannt ist35. Darüber hinaus sind in einigen Landesverwaltungs- bzw. -organisationsgesetzen Regelungen enthalten, die die entsprechende Anwendbarkeit des kommunalen Aufsichtsrechts regeln, welches auch die Aufsichtsmittel umfasst36. Dies gilt nur, solange keine spezialgesetzlichen Regelungen für die IHKs bestehen und soweit die kommunalen Regelungen nicht über die Grenzen der Kammeraufsicht und das geregelte weitreichendste Aufsichtsmittel hinausgehen (vgl. oben § 11 Rz. 2a). Die Aufsichtsbehörde hat zunächst ein Unterrichtungsrecht. Dieses Recht ist auf 13 die Ermittlung einer Tatsachengrundlage gerichtet37. Sie kann also Berichte anfordern und Aufklärung (ggf. durch Aktenvorlage, Anhörung von Kammerorganen und Einsicht in Unterlagen) sowie Gehör vor den Organen der IHK verlangen. Dieses Unterrichtungsrecht der Aufsichtsbehörde ist auf den Zweck der Rechtsaufsicht beschränkt, kann also nur in Anspruch genommen werden, wenn hinrei32 Siekmann in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 85, 93. 33 Zur ausführlichen Auswertung der jeweiligen landesrechtlichen Regelungen Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 513 f. 34 Kluth in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 103, 108. 35 Vgl. zum Ganzen Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 67 ff.; Möstl in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, 33, 42. 36 Vgl. § 19 Abs. 1 Brandenburgisches LOG, § 20 Abs. 1 LOG NRW, § 52 LVwG SH und jüngst hinzugekommen § 19 Abs. 1 OrgG LSA. 37 Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 514; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 70.
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§ 11 Rz. 13 Staatsaufsicht chend Anlass zu der Vermutung besteht, dass ein Rechtsverstoß vorgekommen ist38. Es muss sich also auf einen konkreten Vorgang beziehen. Dieses Recht korrespondiert mit einer gewissen Informationspflicht der IHK, die jedoch nur soweit reichen kann, wie die IHK zur Information aufgefordert wurde, nicht jedoch vorauseilend alle Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung umfasst39. Eine generelle Anzeigepflicht von bestimmten Handlungen besteht nicht40. Allein in § 15 Abs. 4 Hmb. HKG ist die Handelskammer Hamburg durch singuläres Landesrecht dazu aufgefordert, „die zuständigen Behörden über Angelegenheiten von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung“ zu unterrichten. Informiert werden die Rechtsaufsichten darüber hinaus auch durch die Landesdatenschutzbeauftragten über Verstöße gegen das Datenschutzrecht, soweit entsprechende landesrechtliche Vorschriften bestehen41. 14
Als nächstes Aufsichtsmittel ist die Beanstandung zu erwähnen, die, soweit sie sich gegen ein beabsichtigtes Verhalten richtet, grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat. Die IHK kann sich mit Rechtsmitteln gegen eine solche Beanstandung wehren und darf erst nach rechtskräftiger Klärung die beabsichtigte Maßnahme durchführen. Oft wird der Begriff der Beanstandung aber auch im weiteren Sinne gebraucht, wenn es sich um bereits durchgeführte Maßnahmen handelt und der IHK zunächst Gelegenheit gegeben werden soll, von sich aus die Rechtswidrigkeit zu beseitigen42.
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Die nächste Stufe sind die aufsichtsbehördliche Anordnung und das Recht zur Aufhebung von Beschlüssen. Letzteres ist nur zulässig, wenn die IHK rechtlich und tatsächlich zur Aufhebung in der Lage ist43. Ihr ist dafür eine angemessene Frist einzuräumen44. Mit der aufsichtsbehördlichen Anordnung und der Aufhebung von Beschlüssen greift die Aufsichtsbehörde bereits unmittelbar in die Entscheidungen der IHK ein. Wenn die Aufsichtsbehörde zuvor eine Beanstandung ausgesprochen hat, kann sie erst nach deren Erfolglosigkeit weitere Aufsichtsmaßnahmen ergreifen45. Da es sich bei den genannten Aufsichtsmaßnahmen um 38 Reuß, DVBl. 1957, 474; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 70. 39 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 336; vgl. auch Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 70. 40 Für eine Erweiterung der Aufsichtsinstrumente im Hinblick auf die Anzeige von eigener wirtschaftlicher Betätigung der IHKs: Volino in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2013, 37, 49; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 365. 41 Vgl. z.B. § 25 Abs. 4 LDSG BaWü, § 20 Abs. 2 Nds. DSG, § 23 Abs. 3 DSAG LSA; § 17 Abs. 2 LDSG SH. 42 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 336 f. mwN. 43 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 337; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 72. 44 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 337. 45 OVG NRW v. 28.1.1992 – 15 A 2219/89, DVBl. 1992, 986.
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Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1)
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Verwaltungsakte handelt (vgl. auch unten § 11 Rz. 25)46, kommt der IHK im Rahmen des Verwaltungsverfahrens auch vor Erlass ein Anhörungsrecht zu (entsprechend § 28 Abs. 1 VwVfG). Schließlich sind als äußerste Mittel die Ersatzvornahme – die Aufsichtsbehörde 16 hebt die rechtswidrige Maßnahme selbst auf oder führt die erforderliche Maßnahme durch47 – und die Bestellung eines Beauftragten48 sowie die Auflösung von Kammerorganen zu erwähnen. Diese stehen jedoch in besonderem Maße in Hinblick auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und des Prinzips der Selbstverwaltung unter entsprechend strengen Voraussetzungen49. Die Landeskammergesetze erwähnen stets nur die Auflösung der Vollversammlung als ultima ratio bei wiederholten Verstößen. Dagegen sind die Androhung und Verhängung eines Zwangsgeldes weder gegen die IHK, noch gegen ihre Organe oder Mitarbeiter zulässig50. Für die Anwendbarkeit des Verwaltungsvollstreckungsrechts ggü. den IHKs gibt es keine allgemeine Regelung. Hinzuweisen ist auf die Sonderbefugnisse der Aufsichtsbehörden in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, nach denen für einen Gläubiger die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung an eine vorherige Zulassungsverfügung gebunden ist51. 3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Aus den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts ergibt sich, dass die 17 Mittel der Staatsaufsicht in einem angemessenen Verhältnis zum jeweiligen Aufsichtszweck stehen müssen. Ihre Auswahl und ihre Anwendung dürfen nicht weitergehen, als zur Erreichung des Aufsichtszwecks erforderlich ist. Es ist also „so viel Staat wie nötig“, aber auch „so wenig Staat wie möglich“ einzusetzen. Auch verlangt das Grundgesetz zwar grundsätzlich, nicht jedoch ausnahms- und lückenlos, die Einrichtung einer Staatsaufsicht gegenüber den Trägern funktionaler Selbstverwaltung52. Entscheidend ist, dass insgesamt ein ausreichendes Legitimationsniveau erreicht wird. Das kann bei Kammeraufgaben mit starkem Eingriffs46 Windoffer in Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2. Aufl., § 35 Rz. 122. 47 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 338. Darunter fällt auch die Zwangsetatisierung, vgl. Junge, GewArch 1958, 221, 222, die eingreift, wenn die VV nicht die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit vornimmt. 48 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 342. 49 BVerwG v. 25.4.1972 – I C 3.70, GewArch 1972, 333; OVG NRW v. 28.8.1963 – III A 1164/61, GewArch 1964, 63; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 338 f. 50 Vgl. Fröhler, Die Staatsaufsicht über die Handwerkskammern, 58. 51 § 52 Satz 2 LVwG SH, § 131 Abs. 1 GO SH; § 19 Abs. 1 Satz 2 OrgG LSA, § 152 Satz 2 KVG LSA. 52 Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 274; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 348.
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§ 11 Rz. 17 Staatsaufsicht potenzial und Auswirkungen auf Nichtmitglieder anders zu beurteilen sein als bei schlichtem Verwaltungshandeln im Mitgliederbereich53. Aufsichtsmaßnahmen sollen zudem stets daran orientiert sein, möglichst selbstverwaltungsfreundlich zu sein54. 18
Da die allgemeine Staatsaufsicht nach § 11 Abs. 1 Rechtskontrolle ist, entspricht es dem Sinn des Gesetzes, wenn sie sich darauf beschränkt, einzelnen bekannt gewordenen Fällen nachzugehen, diese aufzuklären und erforderlichenfalls für Abhilfe zu sorgen. Sie darf dagegen nicht als prophylaktische Aufgabe aufgefasst werden – etwa durch Teilnahme an den Sitzungen der Vollversammlung. Es würde dem Wesen der Selbstverwaltung widersprechen, wenn die Staatsaufsicht sich berufen fühlte, ohne konkreten Anlass allgemein und vorbeugend die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane zu überwachen. Ebenso wenig hat die Aufsichtsbehörde das Recht, Kassenrevisionen vorzunehmen55. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Selbstverwaltung anerkannt hat, ergibt sich auch, dass er grundsätzlich das Zutrauen zu einem selbstverantwortlichen, gesetzmäßigen und korrekten Verhalten der Selbstverwaltungsorgane hat.
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Das Gesetz räumt dadurch, dass es die Aufsichtsmittel nicht einzeln aufzählt und gegeneinander abgrenzt, der Aufsichtsbehörde eine weite Skala möglicher Interventionen ein. Umso wichtiger ist es, dass sie in ihrer Anwendung jeweils dem konkret in Frage stehenden Zweck entsprechen. Eine Maßnahme, die in dem einen Fall angemessen und zulässig ist, kann bei anderer Sachlage eine Überschreitung des Ermessens darstellen und würde damit unzulässig sein56. Dieser Grundsatz der Adäquanz ist besonders bei generellen, vorbeugend gedachten Anordnungen zu beachten. So kann z.B. im Zusammenhang mit einer Beschwerde über einen Verstoß gegen rechtliche Bestimmungen im Einzelfall ohne Weiteres eine ausführliche Stellungnahme der IHK und, falls diese nicht ausreicht, die Vorlage der Akten gefordert werden. Es könnte in einem solchen Fall sogar zulässig sein, dass die Aufsichtsbehörde die Vorgänge der IHK durch einen Beauftragten überprüft und innerhalb der Kammer Feststellungen trifft. Dagegen wäre es als unzulässig anzusehen, wenn die Aufsichtsbehörde diesen Anlass ausnutzen würde, sich in allen gleich gelagerten Fällen Bericht erstatten zu lassen oder sogar ohne konkreten Anlass die künftige Vorlage von Kopien des Schriftwechsels oder von Protokollen zu verlangen. Hier würde sie gegenüber dem Aufsichtszweck den Rahmen der Aufsicht überspannen und damit ihr Ermessen bei der verhältnismäßigen Anwendung der ihr zustehenden Aufsichtsmittel missbrauchen.
53 54 55 56
Vgl. Möstl in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, 33, 39. Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 348. Vgl. Reuß, Die Organisation der Wirtschaft, 126. Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 350.
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Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1)
Rz. 21 § 11
Wegen dieses Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beim Einsatz der Aufsichts- 20 mittel ist die Frage, ob die Staatsaufsicht an das Opportunitäts-57 oder das Legalitätsprinzip gebunden ist, ein eher theoretisches Problem. Bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass sie die Aufsichtsmittel je nach Bedeutung des Falles und Verhalten der Kammer in der aufgezählten Reihenfolge einsetzen kann, um einen Rechtsverstoß aufzuklären und der Beschwerde abzuhelfen. Wenn die Aufsichtsbehörde bzgl. bestimmter Vorgänge bereits eine gewisse Verwaltungspraxis etabliert hat, so darf sie von dieser nicht willkürlich abweichen, da deren Handeln für die IHK voraussehbar und berechenbar sein muss58. 4. Verhältnis zum Individualrechtsschutz Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass der Individual- 21 rechtsschutz Vorrang hat und die Anrufung der Staatsaufsichtsbehörde kein Ersatz für mögliche oder gar versäumte Rechtsmittel ist. Die Rechtsaufsicht ist deshalb angehalten nicht einzugreifen, wenn bei einer angeblichen Rechtsverletzung Rechtsmittel wie Widerspruch und Anfechtungsklage mit gleicher Effektivität nach der VwGO zur Verfügung stehen. Dies gilt auch, wenn im Wahlrecht beispielsweise die Wahlordnung ein Einspruchsrecht einräumt. In solchen Fällen kann die Staatsaufsichtsbehörde nicht in schwebende Verfahren eingreifen, da letztlich die Entscheidung den Verwaltungsgerichten obliegt. Sie kann aber auch nicht die endgültige Entscheidung in diesen Verfahren überflüssig machen, indem sie in der zugrundeliegenden Sachfrage im Aufsichtswege schon vorher eine Entscheidung trifft. Erst recht kann sie auf diese Weise nicht versäumte Rechtsmittel eines Betroffenen ersetzen, was gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstieße, aus dem sich Rechtsmittelfristen und Unanfechtbarkeit herleiten59. Aus diesem Grunde ist auch im Körperschaftsrecht anerkannt, dass es keinen Rechtsanspruch Dritter auf ein Einschreiten der Staatsaufsichtsbehörde gibt und ein solches Einschreiten insbesondere nicht durch Klage erzwungen werden kann. Da die Staatsaufsicht allein im öffentlichen Interesse tätig wird, können Dritte entsprechende Handlungen daher auch nur unverbindlich anregen60. Es
57 Die Aufsichtsbehörde kann danach einschreiten, muss es aber nicht, sondern muss diesbezüglich nur ihr pflichtgemäßes Ermessen ausüben, vgl. Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 348. 58 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 351; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 53. 59 Vgl. auch Schnapp, DVBl. 1971, 480; kritisch dazu Ress, WiVerw 1981, 151. 60 Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 88 f.; vgl. auch Heyne, GewArch 2016, 279, 282; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 349; Kahl, Die Staatsaufsicht, 531, sieht hier hingegen eine gewisse Mediatorfunktion.
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§ 11 Rz. 21 Staatsaufsicht gibt keinen einklagbaren Anspruch, kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einschreiten der Rechtsaufsicht61. 22
Die Rechtsaufsicht wird sich deshalb auf diejenigen Rechtsfälle konzentrieren, in denen kein individueller Rechtsschutz zur Verfügung steht und die allgemeiner Art sind. Dabei handelt es sich insbesondere um die Rechtmäßigkeit von Satzungen, soweit sie nicht ohnehin der Genehmigungspflicht nach § 11 Abs. 2 unterliegen. Selbstverständlich kann sich die Aufsichtsbehörde auch einschalten, wenn die IHK im Anschluss an eine rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht für gleich gelagerte Fälle die entsprechenden Konsequenzen zieht. Als Beispiel wäre daran zu denken, dass ein Verwaltungsgericht eine bestimmte Vorschrift eines Statuts für rechtswidrig hält und die Aufsichtsbehörde diese Auffassung teilt. Nicht jedes rechtskräftige Urteil eignet sich allerdings zu einer Verallgemeinerung. Solange die Auffassung der IHK in streitigen Rechtsfragen vertretbar ist, besteht für die Aufsichtsbehörde kein Anlass zum Einschreiten im Rahmen der Rechtsaufsicht. 5. Keine Staatsaufsicht in zivilrechtlichen Angelegenheiten
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Eine weitere Schlussfolgerung aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem dargestellten Verhältnis zum Individualschutz liegt darin, dass sich die Staatsaufsicht nicht auf zivilrechtliche Fragen der Kammer erstreckt. Diese Begrenzung der Staatsaufsicht auf Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften ist im Gemeinderecht für die Kommunalaufsicht teilweise sogar ausdrücklich kodifiziert.
24
Für zivilrechtliche Auseinandersetzungen der IHK ist der Individualrechtsschutz in vollem Umfang gesichert, mag es sich um Zivilrecht oder Arbeitsrecht handeln. Die Aufsichtsbehörde kann also beispielsweise nicht eingreifen, wenn es zu arbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit Kammermitarbeitern kommt oder wenn Fragen des UWG entschieden werden müssen. Es kann allerdings sein, dass im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Streitfragen auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen der IHK, insbesondere aus ihrem Organisationsrecht oder dem Haushaltsrecht, berührt werden und insoweit eine mögliche öffentlich-rechtliche Rechtsverletzung aufzuklären ist. In diesem beschränkten Rahmen, bei dem es in erster Linie um die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der IHK geht, kann die Aufsichtsbehörde auch bei zivilrechtlichen Fragen einschreiten. 6. Kooperation zwischen Kammer und Aufsichtsbehörde
24a
Die Rechtsaufsicht soll die IHKs nicht nur einschränken oder kontrollieren, sondern dient zugleich dem Schutz und der Unterstützung der IHKs, um eine effek61 Vgl. Heyne, GewArch 2016, 279, 282.
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Allgemeine Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1)
Rz. 24a § 11
tive Selbstverwaltung zu ermöglichen62. Begründet liegen diese kooperativen Elemente einerseits in der aufsichtsbehördlichen Pflicht zu kammerfreundlichem Verhalten63, andererseits in der Achtung vor dem Institut der Selbstverwaltung. Dies beinhaltet in der Praxis u.a. Gespräche im Vorfeld von möglichen Aufsichtsmaßnahmen aber auch die unterstützende Beratung der IHKs durch die Aufsichtsbehörden64. Die Grenze liegt hier jedoch in einer Verschiebung der Verantwortlichkeit65. Die Kooperation kann zudem auch keine Maßnahmen mit Eingriffscharakter gegenüber der IHK bewirken66. Sie kann auch nicht als vorbeugende Rechtsaufsicht verstanden werden67. Insofern ist ein kooperatives Verhältnis zwischen IHK und Rechtsaufsicht auch rein freiwillig und ohne zwingende Elemente. Soweit dieses eingegangen wird, ist damit auch ein Informationsaustausch verbunden68. Aus dem Kooperationsverhältnis kann nicht abgeleitet werden, dass dem Vertreter der Rechtsaufsicht ein Anwesenheits- oder Äußerungsrecht in Gremiensitzungen eingeräumt werden muss, da dies einen Eingriff in die internen Abläufe der IHK darstellen würde und einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfte. Aus dem Informationsrecht der Aufsichtsbehörde als Teil der repressiven Aufsichtsmittel folgt insofern ebenfalls nur ein Fragerecht69. Gleichwohl laden IHKs regelmäßig Vertreter der Rechtsaufsicht zu Gremiensitzungen ein. Auf der anderen Seite ist der DIHK auch regelmäßiger Gast bei Teilen der Sitzungen des Bund-Länder-Ausschusses „Industrie- und Handelskammern“ bei dem sich Vertreter der Landesaufsichten und das Bundeswirtschaftsministerium beraten.
62 Kahl, Die Staatsaufsicht, 524; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 11; Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 88. 63 Heyne, GewArch 2016, 279, 280; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 16, 33. 64 Zur Beratung ausführlich Heyne, GewArch 2016, 279 ff. 65 Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 90; vgl. auch für die Kommunen Leisner-Egensperger, DÖV 2006, 761 ff.; Heyne, GewArch 2016, 279, 280. 66 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 328; Heyne, GewArch 2016, 279, 280; Fabri, WiVerw 2017, 205, 210. 67 Heyne, GewArch 2016, 279, 281; Fabri, WiVerw 2017, 205, 210. Insofern viel zu weitgehend Buchholz, WiVerw 2016, 130, 145 ff. 68 Vgl. auch Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 328; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 70. 69 Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 70; Möstl in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, 33, 46.
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§ 11 Rz. 25 Staatsaufsicht 7. Anfechtung von Aufsichtsmaßnahmen 25
Aufsichtsmaßnahmen sind grundsätzlich Verwaltungsakte70 (§ 35 VwVfG) und können von der betroffenen Kammer mit Widerspruch und Klage nach der VwGO angefochten werden; der Rechtsnatur nach handelt es sich hier um Anfechtungsklagen (§ 42 Abs. 1 VwGO). Der Begriff des anfechtbaren Verwaltungsaktes ist dabei sehr weit zu ziehen71, auch wenn nicht jedes Schreiben und jeder Hinweis der Aufsichtsbehörde darunter fällt. Ein formelles Auskunftsverlangen ist aber bereits als Aufsichtsmaßnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 anzusehen und als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Das Rechtsmittel muss jedoch von den vertretungsberechtigten Personen für die IHK eingelegt werden. Ein Organmitglied allein hat keine Klagebefugnis gegen eine Maßnahme der Aufsichtsbehörde, da diese ihrerseits auch die IHK als Ganzes adressiert hat72. Die Mitglieder der Vollversammlung haben jedoch die Möglichkeit, die IHK durch Beschluss damit zu beauftragen, Rechtsmittel gegen die Aufsichtsmaßnahme zu ergreifen73. 8. Aufsicht über öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse (§ 11 Abs. 1 Satz 2)
25a
§ 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3 wurden durch das 4. VwVfÄndG eingeführt. Zur Zeit der Geltung des § 1 Abs. 4a wurden öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse von IHKs aus mehreren Bundesländern teilweise als nicht zulässig angesehen, weil es keine Regelung der Aufsichtszuständigkeit für solche Zusammenschlüsse gab. § 11 Abs. 1 Satz 2 regelt nunmehr, dass die Zuständigkeit immer bei der Aufsichtsbehörde des Landes liegt, in dem der Zusammenschluss seinen Sitz hat. Eine Ausnahme davon bestimmt allerdings § 11 Abs. 2a, nach dem die Erstsatzung des Zusammenschlusses und alle späteren Satzungsänderungen auch von den Aufsichtsbehörden der beteiligten IHKs genehmigt werden müssen. § 11 Abs. 1 Satz 3 stellt klar, dass die Länder in Bezug auf die Einheitlichen Stellen die Aufsicht anders als in § 11 Abs. 1 Satz 2 regeln können. § 1 Abs. 3a Satz 4 normiert dafür gar eine Regelungspflicht74. Siehe auch § 1 Rz. 198. Besonders zu betrachten sind nicht öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse oder Ausgliederungen der IHKs, z.B. Service GmbHs. Mitunter sind hier auch durch andere staatliche Akte, etwa der Beleihung durch das Land, weitere Aufsichts70 Windoffer in Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2. Aufl., § 35 Rz. 122. 71 OVG NRW v. 21.5.1981 – 15 A 2890/79, GewArch 1981, 375; VG Minden v. 19.5.1970 – 2 K 913/68, DVBl. 1972, 801. 72 VG Hannover v. 21.5.2008 – 5 A 3386/07; Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 89. 73 Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 89. 74 Vgl. dazu Jahn, GewArch 2009, 177, 178; Heusch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2009, 73, 85; Kluth in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerund Berufsrechts 2007, 122, 135 ff.; Blanke, WiVerw 2008, 191, 204 ff.
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Vorbeugende Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 2, 2a, 2b)
Rz. 27 § 11
befugnisse direkt gegenüber der Ausgliederung geschaffen75. Darüber hinaus unterliegen sie der Kontrolle der ausgründenden oder beteiligten IHK, die ihrerseits auch bezogen auf diese Aktivitäten der Rechtsaufsicht untersteht. Die IHK wäre somit Adressat für Rechtsaufsichtsmaßnahmen, falls die privatrechtliche Ausgründung die rechtlichen Grenzen überschreitet76.
III. Vorbeugende Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 2, 2a, 2b) Bei Beschlüssen der Vollversammlung, die für die Existenz und Arbeit der Kammer 26 von besonderer Bedeutung sind, ist mit der Genehmigungspflicht eine gesteigerte Mitwirkung des Staates vorgesehen. Das gilt nicht in dem Sinn, dass die Aufsichtsbehörde sachlich über die in § 11 Abs. 1 gezogenen Grenzen der Rechtskontrolle hinaus eingreifen dürfte, sondern dahin, dass die Beschlüsse der Kammer bis zur Erteilung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung schwebend unwirksam sind und bei einer endgültigen Versagung der Genehmigung nicht wirksam werden. Zutreffend wird deshalb von einer vorbeugenden (präventiven) Rechtsaufsicht gesprochen. Auch diese vorbeugende Rechtsaufsicht trägt dazu bei, dass der durch das Satzungsrecht ermöglichte Grundrechtseingriff hinreichend legitimiert ist77. Siehe auch § 1 Rz. 298 ff. 1. Genehmigungstatbestände (§ 11 Abs. 2) Die Genehmigungstatbestände werden in § 11 Abs. 2 im Einzelnen kammerrecht- 27 lich abschließend78 aufgeführt. Sie werden nur durch spezialgesetzliche Regelungen ergänzt, vgl. unten § 11 Rz. 29. Es handelt sich vor allem um die grundlegenden organisationsrechtlichen Statuten, nämlich Satzung, Wahlordnung, Finanzstatut79, Beitrags- und Sonderbeitragsordnung sowie Gebührenordnung. Dazu kommt eine Genehmigungspflicht für Umlagesätze, sofern diese 0,8 % der Bemessungsgrundlagen übersteigen, sowie für Beschlüsse nach § 10, die hoheitliche Aufgaben auf andere Kammern übertragen oder die Bildung von öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen der Kammern betreffen. 75 Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 324; Ruttloff, GewArch 2009, 234, 235 f. zur BIHK Service GmbH. 76 Dazu auch Ruttloff, GewArch 2009, 234, 236; Fabri, WiVerw 2017, 205, 213 f.; Buchholz, WiVerw 2016, 130, 147. 77 BVerfG v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13, BVerfGE 146, 164 Rz. 119, 124. Siehe zudem Kluth in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 103, 104. 78 VG Bremen v. 8.6.2017 – 5 V 368/17 Rz. 24; Fabri, WiVerw 2017, 205, 212; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 65; a.A. Buchholz, WiVerw 2016, 130, 136. 79 „Satzung nach § 3 Abs. 7a S. 2“ seit dem 1.1.2008; die frühere HKRO war nur in einigen Ländern genehmigungspflichtig.
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§ 11 Rz. 27 Staatsaufsicht § 11 Abs. 2 Nr. 4 stellt jetzt auch klar, dass nicht nur der Vollversammlungsbeschluss über die Übertragung, sondern auch über die Übernahme von Aufgaben der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Das ist schon deswegen geboten, weil sich durch die Übernahme von Aufgaben in aller Regel weitergehende Verpflichtungen der IHK ergeben als durch die Übertragung. Bei Ländergrenzen überschreitenden Aufgabenübertragungen ist zudem fortan die Aufsichtsbehörde der übernehmenden IHK nach der Übernahme auch für die Rechtsaufsicht in Bezug auf die übernommenen Aufgaben zuständig. 28
Bereits aus dieser Aufzählung ergibt sich, dass weder die Wirtschaftssatzung, der Wirtschaftsplan noch die Grundbeiträge und ihre Staffelung einer Genehmigung bedürfen. Dies hat bereits das Bundesverwaltungsgericht80 klargestellt. Diese Regelungen fallen insbesondere auch nicht unter § 11 Abs. 2 Nr. 3. Umlagesätze sind erst genehmigungspflichtig, wenn sie 0,8 % der Bemessungsgrundlagen übersteigen; unterhalb dieses Wertes sind sie genehmigungsfrei. Die eindeutige Regelung des IHKG lässt insoweit keine Parallelen zur Handwerkskammer81 oder zu den Kammern der freien Berufe zu82.
29
Schließlich finden sich noch Genehmigungspflichten im Berufsbildungsgesetz. Nach § 47 Abs. 1 BBiG bedürfen die Prüfungsordnungen, welche die IHK im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Berufsausbildung erlässt, der Genehmigung der zuständigen obersten Landesbehörde. Zu dieser Genehmigungspflicht für Prüfungsordnungen kommt die Genehmigungspflicht für die Entschädigungsregelung hinzu, welche die IHK für die Mitglieder der Prüfungsausschüsse und die Mitglieder des Berufsbildungsausschusses festzusetzen hat (§§ 40 Abs. 6 Satz 2 und 77 Abs. 3 Satz 2 BBiG). Auch sämtliche Genehmigungspflichten nach dem Berufsbildungsgesetz sind ein Teil der vorbeugenden Rechtsaufsicht und können nur bei Rechtsverstößen zu einer Ablehnung der Genehmigung führen.
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Die Genehmigung erfolgt in all diesen Fällen durch einen Bescheid der Aufsichtsbehörde, auf den die IHK einen Rechtsanspruch hat83. Dabei ist es möglich, von der Genehmigung eine einzelne rechtswidrige Vorschrift auszunehmen. Sie wird dann nicht wirksam und kann auch nicht verkündet werden. Diese Möglichkeit einer Einschränkung der Genehmigung besteht allerdings nur, wenn der im Übrigen genehmigte Wortlaut noch eine schlüssige und in sich verständliche Regelung bringt. Betrifft die Beanstandung dagegen den Kern des vorgelegten Beschlusses oder eine zur Durchführung und zum Verständnis notwendige Einzel80 BVerwG v. 25.10.1977 – I C 35.73, BVerwGE 55, 1, GewArch 1978, 128. Darüber hinaus jüngst VG Bremen v. 8.6.2017 – 5 V 368/17 Rz. 24 ff. 81 OVG NRW v. 24.8.1972 – XIII A 744/70, GewArch 1973, 15. 82 BVerwG v. 18.9.1973 – I C 73/67; Vgl. z.B. für die Kreishandwerkerschaften Kormann, GewArch 2008, 148. 83 Vgl. zum Handwerksrecht Kormann, GewArch 1996, 41 und 393; Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 515.
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Vorbeugende Rechtsaufsicht (§ 11 Abs. 2, 2a, 2b)
Rz. 33 § 11
vorschrift, so ist eine Ablehnung des gesamten Beschlusses durch Versagung der Genehmigung möglich. Die IHK ist dann frei, in welcher Form sie mit erneuten Beschlüssen die Angelegenheit weiterverfolgen will. Genehmigungen können nicht mit Auflagen oder Bedingungen verbunden 31 werden. Solche Auflagen und Bedingungen ständen im Widerspruch zum Wesen einer Rechtsnorm, wie insbesondere in der Rechtsprechung zur Genehmigung kommunaler Satzungen mehrfach festgestellt worden ist84. Ebenso wenig sind eine auflösende Bedingung für die Genehmigung85 oder der Widerruf einer erteilten Genehmigung86 zulässig. Bei einer Änderung der Rechtslage muss die Aufsichtsbehörde die IHK zu einer Anpassung ihres Satzungsrechts anhalten. 2. Anfechtung der Ablehnung Wenn die Aufsichtsbehörde die Genehmigung ganz oder teilweise ablehnt, steht 32 der IHK dagegen der verwaltungsrechtliche Rechtsschutz zu. Sie kann ggf. Widerspruch einlegen und anschließend eine Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) vor den Verwaltungsgerichten erheben87. Die Rechtsnatur der aufsichtsbehördlichen Genehmigung war durch eine Ent- 33 scheidung des Bayerischen VGH88 streitig geworden, wobei es um einen Vergleichsfall aus dem Handwerksrecht ging. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch in zwei Entscheidungen89 klargestellt, dass die aufsichtsbehördliche Genehmigung rechtlich nicht als Mitwirkung am Zustandekommen eines Rechtsetzungsaktes zu werten ist, sondern dass die Genehmigung wie deren Ablehnung gegenüber der Kammer ein Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) ist; die Ablehnung stellt ein der Aufsichtsbehörde in den Grenzen der Rechtsaufsicht zustehendes Veto dar. Nur diese Auffassung sichert die Satzungsgewalt der Kammer und ihre eigenständige Rechtsetzung und entspricht den Vorschriften des IHKG. Rechtsetzungsakte kommen durch Beschluss der IHK zustande; das Rechtsetzungsverfahren ist damit abgeschlossen. Zur Wirksamkeit bedarf es nur noch der Genehmigung, deren Ablehnung nur mit Rechtsverstößen begründet werden kann90.
84 85 86 87
Vgl. Barocka, DVBl. 1963, 765; Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 515. OVG Rheinland-Pfalz v. 15.6.1994 – 6 C 10841/94, NVwZ 1995, 1227. BVerwG v. 17.3.1992 – 1 C 31.89, GewArch 1992, 302. Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 83 ff.; Masson/Menger, VerwArch 1964, 76. 88 BayVGH v. 19.7.1960 – 223 VI 56, BB 1960, 1181. 89 BVerwG v. 14.5.1963 – VII C 158.60, BVerwGE 16, 83 und BVerwG v. 3.9.1963 – I C 113.61, BVerwGE 16, 312. 90 Vgl. auch Menger, VerwArch 1961, 410; Küchenhoff, JuS 1965, 52.
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§ 11 Rz. 34 Staatsaufsicht 34
Damit entspricht die Rechtslage im Kammerrecht derjenigen des kommunalen Bereichs, wo die Rechtsprechung seit jeher eine Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung von Genehmigungen zulässt91. 3. Vorbeugende Rechtsaufsicht bei Ländergrenzen überschreitenden Aufgabenübertragungen oder öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen (§ 11 Abs. 2a, 2b)
34a
Die durch das 4. VwVfÄndG vom 11.12.200892 neu in § 11 eingefügten Abs. 2a und 2b regeln die Rechtsaufsicht bei Ländergrenzen überschreitenden Aufgabenübertragungen sowie bei öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen, an denen IHKs aus mehreren Bundesländern beteiligt sind.
34b
§ 11 Abs. 2 Nr. 5 regelt zunächst, dass die Bestimmung der Vollversammlung über die Bildung von öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen oder die Beteiligung an solchen nach § 10 dem Genehmigungsvorbehalt unterliegen. In § 11 Abs. 2a ist darüber hinaus reguliert, dass der Erstsatzung eines öffentlich-rechtlichen Zusammenschlusses sowohl die Aufsichtsbehörde am Sitz des Zusammenschlusses als auch die Aufsichtsbehörden der beteiligten IHKs zustimmen müssen. Das ist nachvollziehbar, denn sowohl die beteiligten IHKs als auch der Zusammenschluss selbst gehen möglicherweise weitreichende Verpflichtungen ein. Aus Praxissicht bedenklich ist hingegen die Regelung, wonach auch bei Satzungsänderungen des Zusammenschlusses wieder die Aufsichtsbehörden aller beteiligten IHKs genehmigen müssen. Es ist zwar richtig, dass auch eine Satzungsänderung des Zusammenschlusses gegebenenfalls in Bezug auf die beteiligten IHKs aufsichtsrelevant sein kann. Die Aufsicht am Ort des Zusammenschlusses wäre hier ausreichend gewesen. Jedenfalls kann sich die nach dem 4. VwVfÄndG vorgesehene Zustimmung aller Aufsichtsbehörden als bürokratische Herausforderung erweisen93.
34c
Demgegenüber ist ohne Weiteres richtig, dass nach § 11 Abs. 2b bei Ländergrenzen überschreitenden Aufgabenübertragungen sowohl die Aufsichtsbehörde der übertragenden IHK den Übertragungsbeschluss von deren Vollversammlung als auch diejenige der übernehmenden IHK den Übernahmebeschluss von deren Vollversammlung genehmigen muss. Denn die Aufsichtsbehörde der übertragenden Kammer begibt sich praktisch der Aufsicht in puncto der übertragenen Aufgabe und die Aufsichtsbehörde der übernehmenden IHK bekommt zusätzliche Aufsichtsverpflichtungen. Das Gleiche gilt natürlich, wenn die Aufgabe Ländergrenzen überschreitend auf einen öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss über91 Vgl. BVerwG v. 3.9.1963 – I C 113.61, BVerwGE 16, 312 zur Genehmigung der Wahlordnung einer IHK; Heusch in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 15 Rz. 63; Masson, BayVBl. 1960, 369 und die dort angegebenen Entscheidungen; Kormann, GewArch 1996, 41. 92 BGBl. I, 2418; ausführlich dazu Jahn, GewArch 2009, 177. 93 Zu Möglichkeiten der Vereinfachung auch Baumbach, WiVerw 2012, 77, 84.
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Aufsicht in Finanzfragen
Rz. 37 § 11
tragen wird. Denn auch hier bekommt die Aufsichtsbehörde des Zusammenschlusses zusätzliche Aufsichtsverpflichtungen.
IV. Aufsicht in Finanzfragen 1. Grenzen der Finanzaufsicht Von besonderer Bedeutung sind die staatlichen Aufsichtsrechte in Finanzfragen. 35 Sie begründen nach dem IHKG keine eigenständige Finanzaufsicht, sondern sind nur ein Sonderfall der allgemeinen Rechtskontrolle. Die IHK hat im Zusammenhang mit der Pflichtzugehörigkeit die Beitragshoheit 36 erhalten. Gleichwohl hat das Gesetz von einer Einschränkung der selbstverantwortlichen Finanzhoheit abgesehen, insbesondere keine Genehmigung des Wirtschaftsplans oder der Beiträge vorgeschrieben. Vielmehr erklärt § 11 Abs. 3 die Vorschriften des Beiträgegesetzes und der Kriegskontrollverordnung ausdrücklich für die IHKs für nicht anwendbar. Dabei ist mit Recht davon ausgegangen worden, dass sich die IHK grundsätzlich ohne Inanspruchnahme staatlicher Zuschüsse94, und zwar im Wesentlichen aus den Beiträgen der Kammerzugehörigen, finanziert und dass die demokratisch gewählten Vertreter der Beitragspflichtigen, mittelbar also diese selbst, durch die Beschlussfassung über Wirtschaftsplan und Wirtschaftssatzung die Entscheidung über ihre Beitragsbelastung selbst in der Hand haben. 2. Anwendungsfälle der Finanzaufsicht Deshalb beschränkt sich § 11 Abs. 2 darauf, die Genehmigungspflicht für eine 37 Umlage vorzuschreiben, die 0,8 % der Bemessungsgrundlagen (Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb) übersteigt. Damit ist ausreichend sichergestellt, dass die bei einer Überschreitung dieser Grenze eintretende Belastung der Gewerbetreibenden nicht ohne staatliche Kontrolle möglich ist. Auch diese Entscheidung muss sich im Rahmen einer Rechtsaufsicht halten. Die Aufsichtsbehörde kann infolgedessen nur prüfen, ob die Aufgaben, deren Finanzierung im Wirtschaftsplan vorgesehen ist, im Rahmen der Kammeraufgaben nach § 1 liegen; sie kann deshalb nicht die Aufnahme freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben oder die Höhe der dafür eingesetzten Finanzmittel beanstanden95. Es ist gerade der Sinn der Selbstverwaltung, dass die Vollversammlung die Entscheidungen über die konkrete Kammerarbeit trifft und dabei auch Prioritäten setzen kann. Darüber hinaus hat die Aufsichtsbehörde zu prüfen, ob bei der Finanzierung dieser gesetzli94 Bei investiven Maßnahmen und Durchführung von Projekten ist die Inanspruchnahme staatlicher Fördermittel allerdings rechtlich zulässig und allgemein üblich. 95 Vgl. dazu auch BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315 Rz. 15 zum vergleichbaren gerichtlichen Maßstab.
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§ 11 Rz. 37 Staatsaufsicht chen Aufgaben die Grenzen der wirtschaftlichen und sparsamen Finanzgebarung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 nicht offensichtlich überschritten sind. Auch insoweit handelt es sich um die Prüfung der Rechtsfrage, ob ein Ermessensmissbrauch oder eine Ermessensüberschreitung vorliegt. Die Versagung der Genehmigung kann infolgedessen nur mit Rechtsgründen begründet werden und darf keinen neuen Umlagesatz festsetzen, sondern muss es der IHK überlassen, im Rahmen einer erneuten Beratung des Wirtschaftsplans und der Wirtschaftssatzung aus den Versagungsgründen der Aufsichtsbehörden die Konsequenzen zu ziehen. 38
§ 11 Abs. 2 unterwirft auch Sonderbeitragsordnungen der Genehmigungspflicht, enthält aber keine zusätzliche Genehmigungspflicht für Sonderbeiträge. Das ist schon deshalb entbehrlich, weil die Sonderbeitragsordnung in der Regel bereits Maßstäbe für eine eigenständige Beitragsregelung bringt, die sich an dem Vorteil für die jeweils begünstigten Unternehmen orientiert und den allgemeinen Grundsätzen des Beitragsrechts (insbesondere dem Äquivalenzprinzip) entspricht. Die meist alljährlich festzusetzende Höhe des Sonderbeitrags bleibt dann genehmigungsfrei.
39
Auch die Herabsetzung der Beitragsfreistellungsgrenze nach § 3 Abs. 3 Satz 5 ist nicht genehmigungspflichtig. Hier kann die Aufsichtsbehörde aber nach § 11 Abs. 1 die IHK um Auskunft ersuchen, aufgrund welcher Zahlen und Annahmen sie zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Zahl der Beitragspflichtigen auf weniger als 55 % der Kammerzugehörigen sinkt und wie sich die niedrigeren Freistellungsgrenzen voraussichtlich finanziell auswirken werden. Eingreifen kann die Aufsichtsbehörde nach den allgemeinen Grundsätzen aber nur dann, wenn diese Berechnungen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Da es sich um eine Prognoseentscheidung über die künftige Beitragsentwicklung handelt, darf die Aufsichtsbehörde – ebenso wenig wie später Verwaltungsgerichte96 – eine vertretbare Prognose der IHK nicht beanstanden. Die Prognosen müssen aus der ex ante Sicht sachgerecht und vertretbar ausfallen97. Vgl. § 3 Rz. 76 f. 3. Finanzaufsicht und Wirtschaftsplan
40
Das Gesetz enthält keine Vorschrift über eine generelle Verpflichtung zur Vorlage der Wirtschaftspläne. Eine Vorlage kann deshalb von der Aufsichtsbehörde nur verlangt werden, wenn sie im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht einen konkreten Anlass dazu hat. Hierfür kommen insbesondere § 3 Abs. 2 und § 11 Abs. 2 in Be96 Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke (Hrsg.), VwGO, 24. Aufl., § 114 Rz. 23; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Stand 35. EL (2018), § 114 Rz. 42. 97 Vgl. die Rechtsprechung zur Risikoprognose der IHKs, für die diese Aussagen zur st. Rspr. geworden sind BVerwG v. 9.12.2015 – 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315 Rz. 16; BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04, BVerfGE 119, 96 Rz. 104; VG Mainz v. 10.11.2017 – 4 K 1310/16 Rz. 19.
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Aufgehobene Vorschriften (§ 11 Abs. 3)
Rz. 43 § 11
tracht. Da in § 3 Abs. 2 eine sparsame und wirtschaftliche Finanzgebarung und die pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen vorgeschrieben sind, könnte eine Verletzung dieser Gesichtspunkte ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde nach § 11 Abs. 1 rechtfertigen; Voraussetzung wäre allerdings, dass die IHK bei der Wirtschaftsplanung ihren Ermessensrahmen offensichtlich missbraucht, vgl. oben § 11 Rz. 10. Ebenso rechtfertigt die Genehmigung eines höheren Umlagesatzes nach § 11 Abs. 2 die Vorlage des Wirtschaftsplans, damit sich die Aufsichtsbehörde einen Überblick über Einnahmen und Ausgaben und deren Schwerpunkte verschaffen kann. Abgesehen von diesen beiden – bisher theoretisch gebliebenen – Ausnahmefällen, 41 erhält die Aufsichtsbehörde aus Sicht des IHKG den Wirtschaftsplan erst zusammen mit dem Jahresabschluss und dem Bericht der Rechnungsprüfungsstelle98. Insofern ist die gesamte Rechtsaufsicht in Finanzfragen im Kern eine nachträgliche Rechtskontrolle, wie dies auch § 11 Abs. 1 entspricht. Die Rechnungsprüfungsstelle sowie ihre Arbeit kann nicht als direkter Teil der Staatsaufsicht verstanden werden. Zur Rechnungsprüfung und zu einer möglichen Prüfung durch die Landesrechnungshöfe vgl. ausführlich § 12 Rz. 26 ff.
V. Aufgehobene Vorschriften (§ 11 Abs. 3) 1. Allgemeines Mit dem IHKG wurden alle widersprechenden Vorschriften des Kammerrechts 42 aufgehoben. Deshalb muss für die nach 1945, aber vor dem IHKG erlassenen Landeskammergesetze jeweils im Einzelnen geprüft werden, inwieweit die Bestimmungen noch gültig sind. Das badische IHKG vom 17.10.195199 ist beispielsweise ausdrücklich bei Erlass des baden-württembergischen IHKG aufgehoben worden100. Da die praktische Anwendung eines Gesetzes erleichtert wird, wenn die aufgeho- 43 benen oder nicht mehr anzuwendenden Vorschriften einzeln aufgeführt sind, ist eine solche Aufzählung vielfach in Gesetzen enthalten. Das IHKG ist gleichwohl dieser Gesetzestechnik nicht gefolgt, weil die bis zu seinem Inkrafttreten geltenden Vorschriften überwiegend landesrechtlicher Art waren und zu einem Großteil erst nach Ergänzung des Bundesgesetzes durch neue Landesvorschriften unanwendbar wurden; die bis dahin weiter geltenden Vorschriften konnten also nicht generell mit Inkrafttreten aufgehoben werden. Jedoch zählen die Ausführungsgesetze der 98 Aufgrund eines kooperativen Miteinanders erhält die Aufsichtsbehörde diesen jedoch regelmäßig auch früher, zumal zahlreiche IHKs ihre Wirtschaftspläne auch freiwillig veröffentlichen. 99 GVBl. 184. 100 Vgl. Anhang Nr. 2, § 10 Abs. 2 Nr. 3 in der Version von 17.10.1951.
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§ 11 Rz. 43 Staatsaufsicht Länder vielfach die außer Kraft tretenden Vorschriften ausdrücklich auf und haben damit diese Lücke des Bundesgesetzes zum richtigen Zeitpunkt ausgefüllt. 44
Zur Frage, ob die reichsrechtlichen Vorschriften, welche die IHKs betreffen – z.B. VO vom 20.8.1934101 und das IHK-Beiträgegesetz vom 25.3.1939102 – bereits durch die Gauwirtschaftskammergesetzgebung aufgehoben worden sind, bestand ebenso, wie zur hiermit untrennbar verknüpften Frage der Weitergeltung des früheren Landeskammerrechts, Unsicherheit103. Auf jeden Fall sind diese Vorschriften spätestens mit Erlass des IHKG außer Kraft getreten.
45
Die besatzungsrechtlichen Anordnungen, die für das Kammerwesen von Bedeutung waren, sind, da sie sämtlich nicht in den amtlichen Verkündungsblättern veröffentlicht wurden, mit § 3 des Ersten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 30.5.1956104 aufgehoben worden. 2. Beiträgegesetz
46
Ausdrücklich genannt als nicht mehr anwendbar (§ 11 Abs. 3) sind Abschnitt 1 des Beiträgegesetzes vom 24.3.1934105 und die Kriegskontrollverordnung vom 5.7.1940106. Beide Vorschriften konnten nicht formell aufgehoben werden, weil sie damals in anderen Bereichen noch galten. Es diente der Klarstellung, dass sie für den Bereich der IHKs keine Anwendung mehr finden können, nachdem die Rechts- und Finanzaufsicht durch das Bundesgesetz einen neuen Inhalt erhalten hat.
47
Der in Abschnitt 1 des Beiträgegesetzes 1934 enthaltene Grundsatz sparsamer Wirtschafts- und Haushaltsführung ist in § 3 Abs. 2 Satz 2 aufgenommen worden. Die Grundsätze der Rechnungslegung und die Prüfung des Jahresabschlusses bleiben nach § 12 Abs. 1 Nr. 7 landesrechtlicher Regelung vorbehalten.
48
Aus der ausdrücklichen Nichtanwendbarkeit des Beiträgegesetzes und der Kriegskontrollverordnung sowie der eigenständigen Regelung im IHKG und in den Landesausführungsgesetzen (§ 105 Abs. 1 2. Halbs. LHO) folgt auch, dass die nunmehr aufgrund des Haushaltsgrundsätzegesetzes in den Landeshaushaltsordnungen vorgesehenen Bestimmungen nicht unmittelbar auf die IHKs anwendbar sind und auch nicht entsprechend angewandt werden können. Insbesondere gilt 101 RGBl. I, 790. 102 RGBl. I, 649. 103 Vgl. BVerwG v. 2.12.1960 – VII C 48.60, DVBl. 1961, 593, DÖV 1961, 703, jeweils m. Anm.; Droste, BB 1961, 1013. 104 BGBl. I, 437. 105 Abschnitt I des Gesetzes zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft v. 24.3.1934, RGBl. I, 235. 106 Verordnung über die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung während des Krieges v. 5.7.1940, RGBl. II, 139.
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§ 12
Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften
dies für die §§ 1–87 LHO, welche durch das Finanzstatut ersetzt werden, aber auch für die §§ 106–110 LHO, denen das IHKG als Bundesrecht und die auf dieser Grundlage erlassenen Kammersatzungen vorgehen, vgl. § 3 Rz. 19. Zur Bedeutung der Regelung für die Prüfung durch die Landesrechnungshöfe vgl. § 12 Rz. 32 ff.
§ 12 [Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften] (1) Durch Landesrecht können ergänzende Vorschriften erlassen werden über 1. die Errichtung und Auflösung von Industrie- und Handelskammern sowie von öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen, 2. die Änderung der Bezirke bestehender Industrie- und Handelskammern, 3. die für die Ausübung der Befugnisse des § 11 Abs. 1 und 2 zuständigen Behörden, 4. die Aufsichtsmittel, welche erforderlich sind, um die Ausübung der Befugnisse gemäß § 11 Abs. 1 und 2 zu ermöglichen, 5. die Verpflichtung der Steuerveranlagungsbehörden zur Mitteilung der für die Festsetzung der Beiträge erforderlichen Unterlagen an die Industrieund Handelskammern, 6. die Verpflichtung der Behörden zur Amtshilfe bei Einziehung und Beitreibung von Abgaben (§ 3 Abs. 8), 7. die Prüfung des Jahresabschlusses der Industrie- und Handelskammern, 8. die Befugnis der Industrie- und Handelskammern zur Führung eines Dienstsiegels. (2) Vor der Entscheidung über Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 sind die Kammerzugehörigen gemäß § 2 Abs. 1 zu hören. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . .
1
II. Zuweisung von Aufgaben . . . .
2
III. Einzelvorschriften . . . . . . . . .
4
IV. Ergänzungsfähiger Bereich . . . 1. Zu § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 . . . a) Gegenstand der Ergänzungsnormen . . . . . . . . . . . . . b) Anhörung nach § 12 Abs. 2 . . c) Erweiterung der Ergänzungsnormen . . . . . . . . . . . . .
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2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
d) Besondere landesrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 4 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 5 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 6 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 7 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 8 . . . . . . Zur früheren Nr. 9 . . . . . . .
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§ 12
Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften
dies für die §§ 1–87 LHO, welche durch das Finanzstatut ersetzt werden, aber auch für die §§ 106–110 LHO, denen das IHKG als Bundesrecht und die auf dieser Grundlage erlassenen Kammersatzungen vorgehen, vgl. § 3 Rz. 19. Zur Bedeutung der Regelung für die Prüfung durch die Landesrechnungshöfe vgl. § 12 Rz. 32 ff.
§ 12 [Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften] (1) Durch Landesrecht können ergänzende Vorschriften erlassen werden über 1. die Errichtung und Auflösung von Industrie- und Handelskammern sowie von öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen, 2. die Änderung der Bezirke bestehender Industrie- und Handelskammern, 3. die für die Ausübung der Befugnisse des § 11 Abs. 1 und 2 zuständigen Behörden, 4. die Aufsichtsmittel, welche erforderlich sind, um die Ausübung der Befugnisse gemäß § 11 Abs. 1 und 2 zu ermöglichen, 5. die Verpflichtung der Steuerveranlagungsbehörden zur Mitteilung der für die Festsetzung der Beiträge erforderlichen Unterlagen an die Industrieund Handelskammern, 6. die Verpflichtung der Behörden zur Amtshilfe bei Einziehung und Beitreibung von Abgaben (§ 3 Abs. 8), 7. die Prüfung des Jahresabschlusses der Industrie- und Handelskammern, 8. die Befugnis der Industrie- und Handelskammern zur Führung eines Dienstsiegels. (2) Vor der Entscheidung über Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 sind die Kammerzugehörigen gemäß § 2 Abs. 1 zu hören. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . .
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II. Zuweisung von Aufgaben . . . .
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III. Einzelvorschriften . . . . . . . . .
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IV. Ergänzungsfähiger Bereich . . . 1. Zu § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 . . . a) Gegenstand der Ergänzungsnormen . . . . . . . . . . . . . b) Anhörung nach § 12 Abs. 2 . . c) Erweiterung der Ergänzungsnormen . . . . . . . . . . . . .
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2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
d) Besondere landesrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 4 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 5 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 6 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 7 . . . . . . Zu § 12 Abs. 1 Nr. 8 . . . . . . Zur früheren Nr. 9 . . . . . . .
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§ 12 Rz. 1 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften Literaturauswahl: Bulla, Die staatliche Finanzkontrolle über die Selbstverwaltungskörperschaften der gewerblichen Wirtschaft, GewArch 2013, 145; Kluth, Die Pflicht der Kammern zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und ihre Kontrolle durch Rechnungshöfe und Staatsaufsicht, WiVerw 2014, 279; Kuhla/Munding, Heilung beitragsrelevanter Fehler in IHK-Wirtschaftsplänen – Zu den Konsequenzen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.12.2015, WiVerw 2017, 81; Meyer, Der Kammerbezirk, GewArch 2006, 305; Pautsch, Die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und -kontrolle bei Kammern – zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Rechnungshofkontrolle und staatlicher Aufsicht über die Wirtschaftskammern, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerund Berufsrechts 2015, 31; Rieger, Die Besonderheiten des Haushaltsrechts der Industrieund Handelskammern und deren Bedeutung für die Rechnungslegung und die Rechnungshofkontrolle, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2005, 112; Schöbener, Industrie- und Handelskammern im Visier der Landesrechnungshöfe: Grund, Grenzen und Gestaltungsoptionen der Finanzkontrolle, GewArch 2010, 177; Stober/Kluth, Zur Rechnungsprüfung von Kammern, 1989; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 2012; Wendt, (…) Begrenzung der Finanzkontrolle seitens des Landesrechnungshofs durch die Selbstverwaltungsbefugnis und Haushaltsautonomie der Kammern, WiVerw 2013, 5, 34.
I. Vorbemerkung 1
Das Bundesgesetz hat sich auf die Festlegung der Vorschriften beschränkt, die für eine einheitliche Rechts- und Aufgabenstellung der IHKs wesentlich sind. Die Ausführung dieser Vorschriften ist weitgehend dem Satzungsrecht zugewiesen worden, um der im Bereich der IHKs zu beobachtenden Vielgestaltigkeit und dem Grundsatz der Selbstverwaltung (vgl. Einführung Rz. 27 ff.) Rechnung zu tragen. Daher bedarf das Gesetz nur verhältnismäßig geringfügiger landesrechtlicher Ergänzung, die in erster Linie dort notwendig bleibt, wo der Staat als Aufsichtsbehörde angesprochen ist. Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften zum Bundesgesetz können wegen der präklusiven Wirkung des § 12 nur ergehen, soweit das Gesetz ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen enthält.
II. Zuweisung von Aufgaben 2
Den Ländern ist durch § 1 Abs. 4 die Möglichkeit gegeben, den Aufgabenbereich der IHKs zu erweitern. Die Vorschrift wendet sich insoweit besonders an den Landesgesetzgeber, obwohl § 1 Abs. 4 die Übertragungsmöglichkeit durch Gesetz oder Rechtsverordnung schlechthin normiert (vgl. § 1 Rz. 202). Hätte das Gesetz lediglich die Übertragung weiterer Aufgaben durch den Bund – und auch nur in Gesetzesform – im Auge gehabt, hätte es des § 1 Abs. 4 nicht bedurft, da der Bundesgesetzgeber jederzeit eine entsprechende Regelung treffen könnte. Auch soweit die Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung von Aufgaben bereits in anderen rechtlichen Vorschriften enthalten ist (z.B. § 36 GewO), kann die Konkretisie510
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Einzelvorschriften
Rz. 4 § 12
rung der Ermächtigung im Rahmen der landesrechtlichen Ergänzungsvorschriften zum IHKG erfolgen. Das ist allenthalben geschehen1. § 39 Abs. 3 IHKG SchleswigHolstein regelt zudem solitär, dass die IHKs alljährlich über die Lage und den Gang des Handels während des vorhergegangenen Jahres an das Wirtschaftsministerium berichten und den Bericht im Druck vervielfältigen müssen. Im Übrigen haben das IHKG und die Enumeration in § 12 eine Sperrwirkung 3 (Art. 31 GG) für den Landesgesetzgeber zur Folge. Diese Sperrwirkung reicht so weit, wie das IHKG das Organisationsrecht der Kammern regelt. Insbesondere können die Länder in den durch § 12 Abs. 1 genannten Fällen diesen Rahmen nicht überschreiten. Ebenso wenig kann der Landesgesetzgeber aus sonstigen Gründen in die bundesrechtlich geregelte Organisation, Struktur und den Aufgabenkreis der Kammern eingreifen. Das ist gelegentlich streitig, wenn der Landesgesetzgeber Vorschriften für die allgemeine staatliche oder kommunale Verwaltung generell auch auf Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ausdehnt und damit die IHKs einzubeziehen scheint, etwa bei Landesverkündungsgesetzen2, den Personalvertretungsgesetzen und den Informationsfreiheitsgesetzen3 (siehe dazu § 1 Rz. 322 f.) der Länder. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts kommt es darauf an, ob es sich um Regelungen des Verwaltungsverfahrens i.S.v. Art. 84 Abs. 1 GG – dann greift die Sperrwirkung des § 12 IHKG – oder um materiellrechtliche Regelungen handelt. Im letztgenannten Fall ist Art. 72 Abs. 1 GG einschlägig, der für die Länder insoweit Spielraum für eigene Vorschriften lässt, als das einschlägige Gebiet noch nicht abschließend durch den Bund geregelt ist4. Für das Datenschutzrecht ist in § 9 eine bereichsspezifische Regelung ergangen, welche der DSGVO sowie den Datenschutzgesetzen von Bund und Ländern vorgeht (vgl. § 9 Rz. 10).
III. Einzelvorschriften Für den Organisationsbereich der IHKs enthält das Gesetz nur in § 3 Abs. 8 eine 4 ausdrückliche Verweisung auf das Landesrecht. Indirekte Verweisungen auf das 1 Z.B. § 5 IHKG NRW, § 7 IHKG Baden-Württemberg, Art. 7 AGIHKG Bayern. Die aktuellen Landeskammergesetze sind zu finden unter folgendem Link: http://www.kam merrecht.de/kammergesetze/wirtschaftskammern.html#Industrie-und-Handelskammern (zuletzt aufgerufen am 6.8.2019). 2 Ablehnend OVG Rheinland-Pfalz v. 11.10.1988 – 6 A 9/88, GewArch 1989, 20. 3 Zustimmend BVerwG v. 15.10.2007 – 7 B 9.07, GewArch 2007, 478; Röger in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammerrechts 2002, 65, 110; a.A. Grütters, GewArch 2002, 270, 272; Rickert, WiVerw 2004, 153. Vgl. auch Hamb. OVG zum Hamburger Transparenzgesetz v. 17.4.2018 – 3 Bf 271/17.Z; OVG NRW v. 9.11.2006 – 8 A 1679/04 Rz. 65 ff.; VG Berlin zum IFG Bln. v. 15.5.2013 – VG 2 K 9.13; VG Weimar zum ThürIFG v. 23.10.2008 – 1 K 583/08 We. 4 Meyer, GewArch 2006, 305, 311, Fn. 66. Vgl. auch BT-Drs. 2/2380, 3.
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§ 12 Rz. 4 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften Landesrecht finden sich noch in § 3 Abs. 4 Sätze 3 und 4, weil für die Apothekergesetze, die Landwirtschaftskammergesetze und für die Kammern einiger freier Berufe die Länder zuständig sind. Daneben ist eine Ergänzung des Bundesgesetzes durch Landesrecht auf die in § 12 Abs. 1 angeführten Gebiete beschränkt. Jedoch enthält § 12 keine i.S.v. Art. 80 GG hinreichende Ermächtigungsgrundlage für Rechtsverordnungen der Länder. Die landesrechtliche Regelung ist in allen Ländern vielmehr durch Gesetz erfolgt, das dann wiederum die notwendigen Verordnungsermächtigungen bringen kann. 4a
Jenseits der im Folgenden erläuterten und in § 12 angelegten Regelungen durch die Länder enthalten einige Ausführungsgesetze weitergehende Normierungen. Insbesondere das Hamburgische HKG beinhaltet mehrere Doppelungen der Vorgaben des Bundesgesetzes. § 6 AG IHKG Brandenburg, § 5 IHKG Mecklenburg-Vorpommern und § 7 AGIHKG Thüringen regeln zudem ausdrücklich, dass kein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Industrie- und Handelskammer stattfindet5. Bemerkenswert ist darüber hinaus auch die einmalige Regelung in § 29 Abs. 3 IHKG Schleswig-Holstein zum ebenso kammerrechtlich selbstverständlichen Grundsatz6 „Einsprüche, welche sich gegen den dem Industrie- und Handelskammerbeitrag zugrundeliegenden Satz der staatlich veranlagten Gewerbesteuer richten, sind unzulässig.“ Zur Regelung von Sitz und Namen der Kammer vgl. § 4 Rz. 21.
IV. Ergänzungsfähiger Bereich 5
§ 12 Abs. 1 führt unter den Nrn. 1–8 die einzelnen der Ergänzung des Bundesgesetzes zugänglichen oder bedürftigen Gebiete auf. Es handelt sich vorwiegend um Normen über Organisations- und Zuständigkeitsfragen. 1. Zu § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 a) Gegenstand der Ergänzungsnormen
6
Da die IHKs Körperschaften des Landesrechts sind, gehören die mit der Errichtung und bezirklichen Abgrenzung der einzelnen IHKs zusammenhängenden Fragen in den Bereich der Organisationsgewalt der Länder. Die Ermächtigung zur Errichtung neuer IHKs ist angesichts des Umstandes, dass die Bezirke der existierenden IHKs das gesamte Bundesgebiet abdecken, ohne große praktische Relevanz. Allerdings wäre es auch als Errichtung anzusehen, wenn aus dem Bezirk einer bestehenden IHK ein Teil herausgelöst und für diesen eine selbständige, neue IHK gebildet würde. Hier läge gleichzeitig eine Änderung der bezirklichen Grenzen einer bestehenden IHK (§ 12 Abs. 1 Nr. 2) vor. Eine größere praktische Rele5 Vgl. dazu auch Rieger, Kammern in der Insolvenz. 6 Siehe näher Jahn, § 3 Rz. 60 mwN und Rz. 70.
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Ergänzungsfähiger Bereich
Rz. 8 § 12
vanz hat der Fall, dass zwei bestehende IHKs zu einer neuen IHK zusammengelegt werden. Hier fällt die Auflösung dieser Kammern mit der Errichtung einer neuen IHK (entsprechend den Vorschriften zu Nr. 1) zusammen; insofern bedurfte die Zusammenlegung keiner gesonderten Erwähnung im Gesetz. Bei der Errichtung der Kammern im vorigen Jahrhundert wurde jeweils im staat- 7 lichen Errichtungsakt oder auch in einem Landesgesetz der Bezirk jeder einzelnen Kammer festgelegt. Bei der Wiedererrichtung oder Neukonstituierung der IHKs nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Kammerbezirk dagegen regelmäßig in der Satzung der Kammer aufgeführt und erhielt mit deren Genehmigung auch eine legitimierte Grundlage. Die durch das 4. VwVfÄndG eingeführte Erweiterung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 stellt 7a klar, dass der Landesgesetzgeber auch in Bezug auf die öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüsse (vgl. § 10) ergänzende Vorschriften zum IHKG erlassen kann. Aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 geht hervor, dass der Erlass von Vorschriften über die 8 Änderung der Kammerbezirke Sache der Länder ist. Die hierzu ergangenen Landesvorschriften7 gehen übereinstimmend dahin, dass die Änderung von Kammerbezirken durch staatliche Rechtsetzung (durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Organisationsakt mit rechtsetzender Wirkung) zu erfolgen hat; sie ist in keinem Falle (mehr) der Regelung der IHK durch Satzung überlassen8. Auch die Genehmigung einer solchen Satzung würde die notwendige staatliche Rechtsetzung nicht erübrigen. Soweit eine Kammersatzung in ihrer Beschreibung des Kammerbezirks auf staatliche oder kommunale Verwaltungsbezirke abstellt (z.B. „der Kammerbezirk umfasst die Kreise X, Y und Z“) hat eine Änderung dieser Verwaltungsbezirke nicht auch die gleichzeitige Änderung des Kammerbezirks automatisch zur Folge9. Wenn also dem Kreis X Teile eines anderen Kreises Y zugewiesen werden, die zu einer anderen IHK gehören, so bedürfte eine entsprechende Änderung der Kammerbezirke eines besonderen kammerrelevanten Aktes staatlicher Rechtsetzung in der hierfür vorgesehenen Form. Daher kann auch eine übereinstimmende Auffassung zweier IHKs über die An- bzw. Ausgliederung von Gebietsteilen nicht über Satzungsbeschluss oder über die Interpretation von Gebietsbeschreibungen in der Satzung realisiert werden; es ist vielmehr stets eine staatliche Rechtsetzung erforderlich. Demgemäß wäre auch die Zusammenführung zweier IHKs zwar durch (genehmigte) Satzungsbeschlüsse vorbereitet, würde aber erst durch den nachfolgenden staatlichen Errichtungsbeschluss und des7 Z.B. § 1 IHKG NRW, Art. 8 AGIHKG Bayern. 8 Vgl. dazu auch Meyer, GewArch 2006, 305, 307. 9 Dies ist mitunter auch direkt in den landesrechtlichen Normen geregelt, die einen gesonderten Akt zur Anpassung der Kammerbezirke verlangen auch wenn sie zuvor das Gebot der Deckungsgleichheit von kommunalen und Kammerbezirken ausgegeben haben. Vgl. § 1 Abs. 2 AGIHKG LSA. Dazu auch OVG Sachsen-Anhalt v. 12.12.1995 – 3 M 24/95, GewArch 1996, 70 und OVG Sachsen-Anhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342.
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§ 12 Rz. 8 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften sen Verkündung verwirklicht. Ohne staatliche Rechtsetzung wäre es nicht möglich, dass die Kammerzugehörigkeit für die Kaufleute bestimmter Gebietsteile mit ihren Folgen hinsichtlich der Beitragspflicht und des Wahlrechts Änderungen erfährt. So wie die öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten für die Kammerzugehörigen des Kammerbezirks Y bei Errichtung dieser Kammer nur durch den Gesetz- oder VO-Geber hatten begründet werden können, kann eine Änderung dieses „besonderen Gewaltverhältnisses“ durch Zuordnung zur IHK X nur durch den Gesetz- oder VO-Geber erfolgen. Diesem ist in den Landesgesetzen demgemäß auch die Auflösung und Neubildung von IHKs und die Änderung von Kammerbezirken zugewiesen. Dabei ist festzuhalten, dass der Begriff der Auflösung einer IHK in § 12 Abs. 1 Nr. 1 nichts mit der Auflösung der Vollversammlung als einer Maßnahme der Staatsaufsicht zu tun hat, sondern dass es sich hierbei um eine den Bezirk der Kammer betreffende Organisationsmaßnahme handelt. 9
Seit Erlass des IHKG und der Landesausführungsgesetze dazu hat es inzwischen umfangreiche Änderungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 und 2 IHKG gegeben. In BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen ist es zu einer grundlegenden Neugliederung der Kammerbezirke gekommen, bei der auch IHK-Bezirke aufgelöst wurden. In Niedersachsen sind die IHKs Hannover und Hildesheim, in Hessen die IHKs Gießen und Friedberg sowie Dillenburg und Wetzlar aufgrund eigener Initiative zusammengeschlossen worden. Zum Beginn des Jahres 2016 ist zudem die Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven durch Fusion der beiden vorherigen IHKs entstanden. Aber auch sonst sind in vielen Fällen Kammerbezirke kommunalen Gebietsreformen oder neuen Regierungsbezirken angeglichen worden, um Überschneidungen zu verhindern. Für diese „Deckungsgleichheit“ spricht, dass die IHKs aufgrund ihrer regionalen Aufgaben mit den Städten und Landkreisen ihres Kammerbezirks und dem zuständigen Regierungspräsidium/-bezirk zusammenarbeiten müssen10. Es dient deshalb der Verwaltungsvereinfachung, wenn diese Zusammenarbeit konzentriert wird, man spricht insoweit auch von der Einräumigkeit der Verwaltung11. Außerdem hat sich in der Praxis gezeigt, dass die neuen Verwaltungsgrenzen weitgehend auf regionale Wirtschaftsräume Rücksicht genommen haben. Das Prinzip der „Deckungsgleichheit“ ist deshalb heute nicht mehr umstritten; es findet sich beispielsweise in § 90 Abs. 5 HwO und in den Landesausführungsgesetzen zum IHKG in den neuen Bundesländern.
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Bei der Neugliederung von Kammerbezirken ist es auch zu verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen. Klagen einzelner Kammerzugehöriger sind allerdings nur bzgl. einer unterlassenen Anhörung nach § 12 Abs. 2 (siehe 10 Zu den Regierungsbezirken auch OVG Sachsen-Anhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342, 343. 11 Meyer, GewArch 2006, 305, 310; vgl. dazu näher für die Handwerksinnungen Zimmermann, GewArch 2006, 274, 277; BVerwG v. 10.8.2000 – 1 B 35/00 Rz. 5, GewArch 2000, 493.
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Ergänzungsfähiger Bereich
Rz. 13 § 12
unten § 12 Rz. 12 ff.) zulässig12. Klagt dagegen die betroffene IHK selbst, ist eingehend geprüft worden, ob die Neugliederungsverordnung des Landes sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung gehalten hat und überzeugend begründet war13. Zwei aufgelöste IHKs in NRW haben das Land wegen ihrer Auflösung verklagt, 11 weil diese nicht einer besseren Durchführung der Kammeraufgaben diene, sondern eher das Gegenteil bewirke. Beide Klagen sind – nach Abweisung in erster Instanz – vom OVG NRW als unzulässig zurückgewiesen worden, weil das Klagebegehren sachlich ein Normenkontrollverfahren zum Inhalt habe, das – damals mangels Ausfüllung des § 47 VwGO – in NRW nicht zugelassen war14. Kammerbezirksänderungen in Sachsen-Anhalt zur Angleichung an die damaligen Regierungsbezirke wurden durch das zuständige OVG bestätigt15. b) Anhörung nach § 12 Abs. 2 Die Länder – außer Hamburg, Berlin und jüngst Bremen – haben durch ihre Ausführungsgesetze geregelt, auf welchem Wege die in § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen zu erfolgen haben, welche Stelle für die Änderungsmaßnahmen zuständig ist und was gegebenenfalls für die Abwicklung und für die Übergangszeit zu gelten hat16. Eine Anhörung der Kammerzugehörigen hätte gem. Abs. 1 Nrn. 1 und 2 landesrechtlich eingeführt werden können, wenn sie nicht bereits durch den in der 2. Lesung des Entwurfs vom Bundestag neu eingestellten § 12 Abs. 2 bundesrechtlich vorgeschrieben worden wäre. Nachdem das Bundesgesetz diese Ergänzung erfahren hat, kann das Landesrecht – durch die Ermächtigung gem. § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 gedeckt – nur noch die nähere Ausgestaltung der Anhörung regeln.
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Es genügt dabei nicht, die Organe der beteiligten IHKs zu hören; denn Abs. 2 ord- 13 net ausdrücklich an, dass die Kammerzugehörigen selbst – das sind die in § 2 Abs. 1 angeführten Gewerbetreibenden unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 2 bis 5 enthaltenen Ausnahmen – zu hören sind. Anhörungsberechtigt sind sämtliche Kammerzugehörigen in dem von einer Änderung betroffenen Kammerbe12 Vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 20. Aufl., § 28 Rz. 78. 13 OVG NRW v. 21.5.1981 – 15 A 2890/79, GewArch 1981, 375; Nds. OVG v. 13.6.1988 – 8 A 40/86; OVG Sachsen-Anhalt v. 12.12.1995 – 3 M 24/95, GewArch 1996, 70 und OVG Sachsen-Anhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342; zum Handwerksbereich: BVerwG v. 17.3.1992 – 1 C 31/89, GewArch 1992, 302; OVG NRW v. 17.10.1974 – XIII A 1346/73, GewArch 1975, 194; VG Halle v. 27.9.1995 – 1 A 63/95, GewArch 1996, 75. 14 OVG NRW v. 21.5.1981 – 15 A 1846/79, 15 A 2030/79. 15 OVG Sachsen-Anhalt v. 12.12.1995 – 3 M 24/95, GewArch 1996, 70 und OVG SachsenAnhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342. 16 Z.B. § 1 IHKG NRW, § 1 IHKG Baden-Württemberg, § 1 IHKGAG Hessen.
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§ 12 Rz. 13 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften zirk17. Eine Einschränkung des Kreises der Anhörungsberechtigten ist weder dem Wortlaut, der Regelungshistorie18 noch dem Sinn und Zweck der Anhörung zu entnehmen. Betroffen sind auch die Kammermitglieder aus dem Teil des Kammerbezirks, der fortbestehen bleibt, während der Gesamtbezirk verkleinert oder vergrößert wird, da auch für diese zum Beispiel aufgrund der Veränderung der Mitgliederstruktur Änderungen in der Beitragshöhe oder auch in der Entfernung zu IHK-Standorten eintreten können. Der Sinn von § 12 Abs. 2 geht dahin, dass durch das Anhörungsverfahren die unmittelbar Betroffenen über das Vorhaben unterrichtet werden und sich dazu äußern können. Auch bei einer Auflösung des Kammerbezirks bedarf es einer Anhörung der Kammerzugehörigen. Zwar werden die Gewerbetreibenden des Kammerbezirks in ihrer Gesamtheit durch die Vollversammlung repräsentiert; deren Votum könnte aber die in § 12 Abs. 2 vorgeschriebene Anhörung nicht ersetzen, auch wenn es der Vollversammlung unbenommen bleibt, sich mit einem eigenen Votum zu Wort zu melden. Einer Anhörung der betroffenen Kammer bedarf es rein formal nicht19. 14
Im Sinne von § 12 Abs. 2 bedeutet „hören“, dass dem in Frage kommenden Personenkreis Gelegenheit zu geben ist, zur Errichtung, Auflösung oder Neuabgrenzung Stellung zu nehmen und dabei zustimmende oder kritische Ansichten zu begründen20. Die inhaltliche Ausgestaltung der Anhörung orientiert sich also an der unter anderem in § 28 VwVfG geregelten Anhörung Beteiligter im Verwaltungsverfahren. Nicht erforderlich ist eine Einzelanhörung oder eine besondere Abstimmung unter den Kammerzugehörigen; das würde über den Begriff des „Hörens“ hinausgehen. Es muss aber wenigstens gefordert werden, dass das konkrete Vorhaben in hinreichender Form (etwa durch Veröffentlichung in staatlichen oder geeigneten bezirklichen, bzw., wenn es sich um die Umgliederung kleinerer Gebietsteile handelt, sogar örtlichen Verkündungsblättern) öffentlich bekannt gemacht wird. Dabei muss eine ausreichende Frist gesetzt werden, die jedem der betroffenen Kammerzugehörigen die Möglichkeit bietet, sich gegenüber der zuständigen Stelle zu äußern. Insoweit wurde eine Frist von einem Monat als ausreichend erkannt, um eine Information über die geplante Maßnahme, die Abwägung der damit verbundenen Vor- und Nachteile sowie eine Äußerung zu ermöglichen21. Die zuständige Stelle ist allerdings nicht verpflichtet, den bei ihr eingehenden Äußerungen zu folgen22. 17 Die gegenteilige Auffassung von Möllering in der 7. Auflage dieses Werkes wird nicht aufrechterhalten. 18 Siehe Änderungsantrag im Gesetzgebungsprozess zum IHKG zur Einfügung des Abs. 2 Protokoll der 167. Bundestagssitzung der 2. Legislaturperiode vom 26.10.1956, 9227 und Umdruck 788. 19 OVG Sachsen-Anhalt v. 12.12.1995 – 3 M 24/95, GewArch 1996, 70, 72. 20 OVG Sachsen-Anhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342, 343. 21 OVG Sachsen-Anhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342, 343. 22 Vgl. zu den Kriterien der Anhörung insgesamt Ramsauer in Kopp/Ramsauer (Hrsg.), VwVfG, 20. Aufl., § 28 Rz. 15 ff.; Engel/Pfau in Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.),
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Rz. 16 § 12
c) Erweiterung der Ergänzungsnormen § 12 Abs. 2 ist eine Mindestverpflichtung; landesrechtlich könnten darüber hinaus 15 in Ergänzung zu Abs. 1 Nrn. 1 und 2 noch weitere Verfahrensvorschriften ergehen; so könnte zusätzlich die Anhörung der Vollversammlung der beteiligten Kammern vorgeschrieben oder in bestimmten Fällen für deren Votum eine bestimmte Mehrheit vorgesehen und weiterhin angeordnet werden, dass Änderungen nur auf Antrag und nur erfolgen dürfen, wenn die beteiligten Kammern mit bestimmter Mehrheit zugestimmt haben. Von dieser Möglichkeit haben die Länder nicht Gebrauch gemacht. In Nordrhein-Westfalen ist vor der Änderung von Kammerbezirken die Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Landtages vorgesehen23. In den meisten Ländern genügt für die Änderung von Kammerbezirken eine Rechtsverordnung24; in Bremen war bis zur Fusion der beiden Kammern 2016 ein Landesgesetz notwendig. Nachdem die Fusion auch durch Änderung des Landesausführungsgesetzes geregelt wurde, sind darin nunmehr keine Vorschriften für Gebietsänderungen enthalten. In Rheinland-Pfalz sind ohne Änderung des Landesgesetzes die Kammerbezirke durch eine Bekanntmachung der Landesregierung geändert worden. Die Landesregierung hat diese Befugnis im Rahmen ihrer Organisationsgewalt in Anspruch genommen. In Niedersachsen übt die Landesregierung die Befugnisse nach § 1 Abs. 1 IHKG NS durch einen formellen „Beschluss“ aus, der im NdsMBl. veröffentlicht werden muss. Das IHKG-Änderungsgesetz 1998 hatte mit § 1 Abs. 4a, nunmehr § 10, den Kam- 16 mern den Weg geöffnet, öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse zu bilden oder hoheitliche Aufgaben auf andere Kammern zu übertragen. Die Effizienz der Kammerarbeit kann durch eine solche Konzentration bei bestimmten hoheitlichen Aufgaben gesteigert werden. Ebenso kann die unterschiedliche Leistungskraft der Kammerbezirke auf diese Weise ausgeglichen werden. Insofern handelt es sich um eine Alternative zu einer Neugliederung der Kammerbezirke. Aus ähnlichem Grund finden sich bereits im Gewerberecht und im Berufsbildungsgesetz Sondervorschriften, welche den IHKs durch öffentlich-rechtlichen Vertrag die Möglichkeit gemeinsamer Prüfungsausschüsse erlauben. Diese gesetzlichen Vorschriften sind bei hoheitlichen Aufgaben notwendig, während im schlicht verwaltenden Bereich eine privatrechtliche Form der Kammerzusammenarbeit seit langem üblich und auch zulässig ist (meist in der Rechtsform eines Vereins oder einer GmbH).
Verwaltungsverfahrensgesetz, § 28 Rz. 41 ff.; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 4. Aufl. Rz. 20. 23 Siehe § 1 IHKG NRW. 24 Z.B. § 1 IHKG NRW, § 1 IHKG Baden-Württemberg, § 1 IHKGAG Hessen; Art. 8 Satz 1 AGIHKG Bayern.
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§ 12 Rz. 17 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften d) Besondere landesrechtliche Vorschriften 17
Außer dem in § 12 Abs. 2 vorgesehenen Anhörungsrecht gibt es keine bundesrechtliche Vorschrift für Veränderungen des den derzeitigen Besitzstand der IHKs betreffenden Verfahrens. Es ist den Ländern überlassen, darüber zu befinden, ob und inwieweit sie eine Veränderung der Bezirkseinteilung für erforderlich und zweckmäßig halten, um finanziell leistungsfähigere und damit unabhängigere oder in der Bezirksabgrenzung funktionsfähigere IHKs zu schaffen. Zumeist ist die Neuabgrenzung davon abhängig gemacht, dass sie zur besseren Durchführung der Kammeraufgaben „geboten“ sei oder erscheint (so § 1 IHKG NRW, Art. 8 AGIHKG Bayern, § 1 IHKGAG Hessen) oder „zweckmäßig“ (§ 1 IHKG Baden-Württemberg) sei25. In Rheinland-Pfalz sind in § 1 des AG IHKG die Bezirke der Kammern ausdrücklich aufgeführt; Änderungen sind fortgeschrieben worden. Das Bundesgesetz hat auf weitere Vorschriften verzichtet, um die Organisationsgewalt der Länder in einem Bereich, in dem die Interessen von Land zu Land und von Bezirk zu Bezirk verschieden liegen, nicht einzuengen.
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Die Frage, ob eine Änderung „geboten“ oder „zweckmäßig“ sei, kann kontrovers beurteilt werden. Die so formulierten Voraussetzungen betonen allerdings, dass für die Festlegung des Kammerbezirks die bestmögliche und kostengünstige Aufgabenerledigung relevant ist26. Dies macht insbesondere die niedersächsische Regelung aus § 1 Abs. 1 Satz 3 Nds. AG IHKG deutlich, die besagt: „Bei der Abgrenzung der Bezirke sollen deren Eigenart, die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit und die steuerliche Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen sowie die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit maßgebend sein.“ Die Anforderung des „geboten seins“ zur Durchsetzung kammerbezogener Belange geht über die bloße Zweckmäßigkeit hinaus27. Sie verlangt, dass die neue Regelung für den angestrebten Zweck geeignet und erforderlich ist, dieser also nicht auf andere, weniger belastende Weise erreichbar ist und zudem die Belastungen mit dem angestrebten Erfolg im vernünftigen Verhältnis stehen28. Die Rechtsprechung hat schon für die in den Bundesländern durchgeführte Gemeinde- und Kreisgebietsreform bestätigt, dass dem Staat bei der Neuabgrenzung ein weiter Ermessensrahmen zusteht29. Dabei bietet Art. 28 GG (ähnlich entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen) für die Gebietskörperschaften nur eine institutionelle Garantie, nicht aber einen Bestandsschutz im Einzelnen. Nur in relativ wenigen Fällen, bei denen die Neuordnung sinnwidrig und damit ermessensmissbräuch25 Vgl. auch Meyer, GewArch 2006, 305, 312. 26 OVG NRW v. 21.5.1981 – 15 A 2890/79, GewArch 1981, 375, 377; Meyer, GewArch 2006, 305, 312. 27 OVG Sachsen-Anhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342, 343. 28 OVG Sachsen-Anhalt v. 12.12.1995 – 3 M 24/95, GewArch 1996, 70, 72; OVG NRW v. 21.5.1981 – 15 A 2890/79, GewArch 1981, 375, 376. 29 Zur Parallele mit kommunalen Gebietsänderungen und dem Ermessensspielraum vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt v. 12.12.1995 – 3 M 24/95, GewArch 1996, 70, 72.
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Rz. 20 § 12
lich war, sind Änderungen im Gemeindebereich als rechtswidrig aufgehoben worden. Auch für den Kammerbereich können diese Grundsätze gelten, wobei zu bemerken ist, dass hier keine institutionelle verfassungsrechtliche Garantie besteht30. Die Rechtsprechung ist daher im Wesentlichen den für den kommunalen Bereich herausgestellten Prinzipien gefolgt. Bezüglich der Änderung von Kammergrenzen besteht demnach eine gerichtlich nur auf Unvertretbarkeit überprüfbare Einschätzungsprärogative31. 2. Zu § 12 Abs. 1 Nr. 3 Nach Art. 83 GG führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten 19 aus. Nach Art. 84 Abs. 1 GG regeln sie in diesem Rahmen grundsätzlich auch die Einrichtung der Behörden und Verwaltungsverfahren. Auch die Bestimmung der für die Genehmigungen nach dem Berufsbildungsgesetz zuständigen „obersten Landesbehörden“ ist Sache der Länder. Diese sind darin frei, ob sie für solche Genehmigungen die nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 bestimmte Aufsichtsbehörde oder ein anderes Ressort als zuständig bestimmen. Entsprechendes gilt für die Behörden, die durch andere Gesetze zur Aufsicht über die IHKs bezüglich spezieller Aufgaben beauftragt werden, so zum Beispiel nach § 11a Abs. 1 Satz 5 GewO mit der Aufsicht über die IHKs betreffend die Führung des Versicherungsvermittlerregisters. 3. Zu § 12 Abs. 1 Nr. 4 Während Nr. 3 lediglich die Festlegung der zuständigen Behörden betrifft, bietet 20 Nr. 4 die Möglichkeit, die Aufsichtsmittel, die zur Durchführung der Staatsaufsicht gem. § 11 Abs. 1 und 2 erforderlich sind, landesrechtlich zu regeln. Danach könnten alle im Bereich der Verwaltung bekannten Aufsichtsmittel (Aufklärung, Berichtspflicht, Beanstandung, Entsendung eines Beauftragten, Zwangsetatisierung und Auflösung der Organe) einzeln eingeführt werden. Das ist (mit Ausnahme von Thüringen in § 2 AGIHKG-Thür.) nicht erfolgt. Soweit sich die Kammergesetzte der Länder in ihren AG IHKGs darauf beschränken, die Auflösung der Vollversammlung anzuführen32, wird durch die Anführung des stärksten Aufsichtsmittels die Skala der verwaltungsmäßig schwächeren Mittel mitumfasst33. In anderen Landesgesetzen ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Auflösung der Vollversammlung als äußerstes Aufsichtsmittel nur dann anzuwenden ist,
30 Vgl. OVG Sachsen-Anhalt v. 12.12.1995 – 3 M 24/95, GewArch 1996, 70, 74. 31 OVG Sachsen-Anhalt v. 12.2.1997 – C 1 S 83/96, GewArch 1997, 342, 343; OVG NRW v. 21.5.1981 – 15 A 2890/79, GewArch 1981, 375, 378; Meyer, GewArch 2006, 305, 312 f. 32 § 2 Abs. 2 IHKG NRW, § 6 Abs. 2 AG IHKG Nds., § 1 Abs. 2 AGIHKG Rheinland-Pfalz, § 2 Abs. 2 IHKG Saarland. 33 So schon die Begründung des sog. Berlepsch’schen Entwurfs zum IHK-Gesetz vom 19.8.1897, vgl. Lusensky, Gesetz über die Handelskammer, 1897, 208.
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§ 12 Rz. 20 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften wenn andere Mittel nicht ausreichen34. § 12 Abs. 1 Nr. 4 ermächtigt die Länder nicht dazu, die Fachaufsicht einzuführen. Zu den Aufsichtsmitteln vgl. § 11 Rz. 12 ff. 4. Zu § 12 Abs. 1 Nr. 5 21
Da die IHKs nach § 3 Abs. 3 ihre Umlage auf der Grundlage der Gewerbeerträge bzw. der Gewinne aus einem Gewerbebetrieb erheben, ergibt sich zwingend, dass sie diese Bemessungsgrundlagen und Zerlegungsanteile von den Finanzämtern erhalten müssen. § 31 AO ermächtigt die Finanzbehörden, diese Daten an Körperschaften des öffentlichen Rechts, damit also auch an die IHKs, zum Zwecke der Festsetzung der Kammerbeiträge mitzuteilen, siehe § 3 Rz. 60, 70 f. In den Ländern bestanden darüber Erlasse, die inzwischen durch eine umfangreiche und regelmäßig überarbeitete Rahmenvereinbarung der Finanzverwaltung mit Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern ersetzt worden sind. Rechtsverordnungen waren dazu nicht erforderlich. Auch die Landeskammergesetze sehen von einer ausdrücklichen Regelung ab, weil als Rechtsgrundlage § 31 AO ausreicht.
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§ 9 Abs. 2 hat jedoch im Rahmen des Datenschutzes ausdrücklich auch das korrespondierende Recht der IHKs und ihrer Rechenzentren festgelegt, bei den Finanzbehörden die für die Beitragsveranlagung notwendigen Daten zu erheben. Die Vorschrift wurde durch Art. 7 Nr. 5 des Gesetzes vom 7.9.200735 dahingehend konkretisiert, dass auch die zur Feststellung der Kammerzugehörigkeit erforderlichen Angaben über die Gewerbesteuerveranlagung bei den Finanzbehörden abgerufen werden können, vgl. § 9 Rz. 17 ff. 5. Zu § 12 Abs. 1 Nr. 6
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§ 3 Abs. 8 Satz 1 enthält nur eine Verweisung auf die materiellen und verfahrensrechtlichen Normen des Gemeindeabgaberechts, belässt den IHKs aber ihre Zuständigkeit bei der Erhebung, Einziehung und Beitreibung der Kammerbeiträge. Deshalb bedarf es einer landesrechtlichen Vorschrift, um die Gemeinden zu verpflichten, die Einziehung und Beitreibung von Kammerbeiträgen zu übernehmen. Die Landesausführungsgesetze haben in Umsetzung dieses Landesvorbehalts davon teilweise Gebrauch gemacht und jeweils auch die Kostenfrage mitgeregelt. Dabei zeigen sich erhebliche Unterschiede. In Nordrhein-Westfalen sind die Gemeinden und Gemeindeverbände verpflichtet, die Beiträge gegen eine Pauschalvergütung von 5 % der zu erhebenden Beiträge einzuziehen und beizutreiben (§ 3 Abs. 1 IHKG NRW). In Hessen liegt der Kostenbeitrag bei 10 % der einzuziehen34 § 2 Abs. 2 IHKG Baden-Württemberg, Art. 1 Abs. 2 AGIHKG Bayern, § 1 Abs. 2 IHKG Berlin, § 2 Abs. 2 IHKGAG Hessen. 35 BGBl. I, 2246.
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Rz. 27 § 12
den oder beizutreibenden Beträge, mindestens jedoch zehn Euro (§ 3 Abs. 1 Satz 2 IHKGAG Hessen). Nach § 4 Abs. 2 AG IHKG Brandenburg und § 4 Abs. 2 Satz 2 ThürAGIHKG sind uneinbringliche Beitreibungskosten von der auftraggebenden IHK zu zahlen. Niedersachsen verweist direkt auf die Anwendung seines eigenen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (§ 5 Nds. AG IHKG). Auch ohne eine gesetzliche Regelung im Landeskammergesetz ergibt sich jedoch für die meisten Kammern die Möglichkeit, die Vollstreckung von Beitrags- und Gebührenbescheiden über die Gemeinden im Wege der Amtshilfe zu bewirken. Sofern die Gemeinden zur Einziehung und Beitreibung verpflichtet sind, steht es 24 der IHK frei, sich zu entscheiden, in welchen Fällen sie Einziehungs- oder Beitreibungsaufträge erteilen will. Sie ist nicht verpflichtet, die gesamte Einziehung oder auch nur die gesamte Beitreibung durch die Gemeinden vornehmen zu lassen. 6. Zu § 12 Abs. 1 Nr. 7 Den Ländern ist vorbehalten, Grundsätze zur Prüfung der Jahresabschlüsse der 25 IHKs aufzustellen. Mit Wirkung zum 1.1.2008 finden auf die Rechnungslegung der IHKs die Grundsätze der doppelten Buchführung Anwendung, die im Handelsgesetzbuch geregelt sind (§ 3 Abs. 7a)36. Ein früherer Hinweis auf die Regelungsbefugnis der Länder in Bezug auf die Rechnungslegung wurde daher gestrichen. Die Regelungsbefugnis in Bezug auf die Prüfung der Jahresabschlüsse bleibt erhalten. Für die Prüfung der Jahresabschlüsse der IHKs ist in der überwiegenden Zahl der 26 Länder die Rechnungsprüfungsstelle für die IHKs (RPS) zuständig37. Die meisten Landesausführungsgesetze (mit Ausnahme von Bremen, Hamburg, 27 Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein) legen fest, dass die Aufsichtsbehörde die für die „Rechnungsprüfung“ der IHKs zuständige Stelle bestimmt. In Mecklenburg-Vorpommern findet sich die Bestimmung der RPS sogar in einem Landesausführungsgesetz38, in anderen neuen Bundesländern in einer Durchführungsverordnung. Die meisten Länder haben die vom DIHK errichtete RPS in Düsseldorf mit dieser Aufgabe betraut. In Nordrhein-Westfalen und den neuen Bundesländern ist dies durch Gesetz oder Rechtsverordnung erfolgt, in den anderen Ländern durch Erlasse. In den übrigen Bundesländern wird die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer vorgenommen, die einer gewissen Rotationsverpflichtung unterliegen, so dass in einem definierten zeitlichen Abstand ein Wechsel der Prüfer 36 Zur Rechtslage davor in den einzelnen Bundesländern vgl. Rieger in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2005, 112, 124 f. 37 Vgl. zur Entwicklung der Rechnungsprüfung im Kammerwesen Frentzel/Jäkel, 2. Aufl., 247; Bremer, Kammerrecht der Wirtschaft, 239; Dascher/Kauczor, Das Prüfungswesen der Industrie- und Handelskammern, 1986. 38 Vgl. § 4 Abs. 2 AGIHKG-MV.
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§ 12 Rz. 27 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften vorzunehmen ist. Die RPS kann sich insoweit an solchen Ausschreibungen um die Prüfung beteiligen. Bei der Auswahl sollte auch die Erfahrung der Prüfer mit Kammern oder vergleichbaren Institutionen einbezogen werden39. Die Wahl eines Wirtschaftsprüfers kann dann auch Auswirkungen auf die in § 1 Abs. 3 des Sonderstatuts geregelten Gemeinschaftsleistungen der RPS haben. 28
Damit ist die Rechnungsprüfung bei den IHKs überwiegend einer kammernahen Einrichtung anvertraut, deren Rechtsstellung weitestgehend der eines Rechnungshofs angeglichen ist. Die RPS ist juristisch ein unselbständiger Teil des DIHK, wobei ihr jedoch durch ein Sonderstatut die rechtlich mögliche Unabhängigkeit garantiert ist. Diese Unabhängigkeit besteht zunächst einmal darin, dass die RPS keinerlei Weisungen des DIHK, der Kammervereinigungen und der Kammern unterworfen und lediglich an das Sonderstatut und die Prüfungsrichtlinien gebunden ist. Neben diese sachliche Unabhängigkeit tritt die persönliche Unabhängigkeit des Prüfungspersonals, dessen Einstellung und Kündigung dem durch das Sonderstatut eingesetzten Aufsichtsrat für die RPS obliegt und an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist. Schließlich hat die RPS einen eigenen Sonderhaushalt, der unmittelbar von ihren Organen der Vollversammlung des DIHK zur Beschlussfassung vorgelegt wird. Damit ist für die RPS sachlich, personell und finanziell ein Status gesichert, der im Ergebnis der Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern nicht nachsteht40.
29
Die RPS ist gegenüber den Aufsichtsbehörden unabhängig und kann nicht als weisungsgebundenes Hilfsorgan bei der Wahrnehmung der Staatsaufsicht verstanden werden41. Der Einfluss der Aufsichtsbehörden beschränkt sich vielmehr auf den Erlass von Prüfungsrichtlinien, die gemäß § 6 Abs. 3 des Sonderstatuts an die Stelle der von der Vollversammlung des DIHK zunächst erlassenen Prüfungsrichtlinien getreten sind oder sie modifizieren. Zahlreiche Bundesländer haben keine eigenen Prüfungsrichtlinien verabschiedet sondern wenden die Prüfungsrichtlinien das Landes Baden-Württemberg analog an42 (Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein). Durch die Prüfungsrichtlinien dürfen weder das Selbstverwaltungsrecht der IHKs indirekt eingeschränkt noch systemwidrige Prüfungen verlangt werden.
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Die RPS ist seit Februar 2008 freiwilliges Mitglied der Wirtschaftsprüferkammer. Die Rechtsgrundlage dafür ist § 58 Abs. 2 Satz 1 WPO, der die Möglichkeit einer 39 Weitere Punkte bei Siekmann in Schmidt-Trenz/Stober (Hrsg.), RÖDS 2009/2010, 85, 100. 40 Vgl. dazu auch Schöbener, GewArch 2010, 177, 179, der den Status als dem der Rechnungshöfe ähnlich ansieht. 41 Heyne in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 3. Aufl., § 12 Rz. 22 ff., zu der Abgrenzung der Rechtsaufsicht und der Kontrolle durch die Rechnungshöfe. 42 Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums für die Prüfung der Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg (IHK-Prüfungsrichtlinie) vom 30.11.2018 (Az.: 42-4221.3/3).
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Rz. 32 § 12
solchen freiwilligen Mitgliedschaft für überörtliche Prüfungseinrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften ermöglicht. Dementsprechend dürfen bei ihr auch Wirtschaftsprüfer tätig sein (§ 43a Abs. 1 Nr. 3 WPO). Die RPS wurde im Sonderstatut zur Beachtung der berufsrechtlichen Vorschriften und zur Teilnahme an der Qualitätskontrolle verpflichtet. Die Prüfungsberichte der RPS sind die Grundlage für die ehrenamtlichen Rech- 31 nungsprüfer der Vollversammlung (soweit solche satzungsrechtlich geregelt und gewählt wurden) wie für die Aufsichtsbehörden. Sie sind deshalb gemäß § 7 Sonderstatut der RPS zeitgleich in je einer Ausfertigung an den Präsidenten und den Hauptgeschäftsführer und in einer weiteren Ausfertigung an die Aufsichtsbehörde zu senden. Die Aufsichtsbehörde kann jedoch nur eingreifen, soweit sie aufgrund der ermittelten Tatsachen einen Rechtsverstoß oder einen Ermessensmissbrauch der IHK bei der Wirtschaftsführung feststellt. Der Gestaltungsspielraum der Vollversammlung bleibt deshalb von der Prüfung unberührt; in diesem Bereich kann es weder von der RPS noch der Aufsichtsbehörde Beanstandungen geben43. Im Übrigen ist es Aufgabe der ehrenamtlichen Rechnungsprüfer, Zweckmäßigkeitsfragen in ihrem Prüfungsbericht an die Vollversammlung aufzugreifen und damit zur Entscheidung zu bringen; diese ehrenamtliche Rechnungsprüfung ist die Grundlage der Entlastung durch die Vollversammlung. Ähnlich wie im Gemeinderecht könnte man deshalb bei den IHKs zwischen der Aufsichtsprüfung und der Eigenprüfung44 unterscheiden, die verschiedene Zwecke verfolgen und beide den Prüfungsbericht der RPS als Ausgangspunkt haben. Wenn die IHK in ihrer Satzung regelt, dass der Bericht der RPS nur den ehrenamtlichen Rechnungsprüfern zugänglich zu machen ist, dann haben die anderen Vollversammlungsmitglieder kein Einsichtsrecht45. Ob über die Rechnungsprüfung hinaus noch eine Kontrolle durch die Landes- 32 rechnungshöfe stattfinden darf, ist mittlerweile überwiegend geklärt. Die Zulässigkeit der Kontrolle durch die Rechnungshöfe richtet sich grundsätzlich nach § 111 LHO46. Dass die Rechnungsprüfung bei den IHKs bereits durch eine externe
43 So selbst für die Prüfung der Handwerkskammern durch die Rechnungshöfe Knöpfle, Zuständigkeit der Rechnungshöfe, 1988, Thesen E 4 und F 2; Stober/Kluth, Rechnungsprüfung in Kammern. 44 Vgl. auch § 109 Nr. 2 LHO. 45 BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 25.03, GewArch 2004, 331; dagegen OVG NRW v. 12.6.2003 – 8 A 4282/02. 46 Zu beachten ist hier die explizite Ausnahmeregelung in § 111 Abs. 2 S. 1 LHO Berlin: „Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Kammern der Selbstverwaltung der Wirtschaft unterliegt nicht der Prüfung durch den Rechnungshof, wenn durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung eine den Grundsätzen dieses Gesetzes entsprechende Prüfung gewährleistet ist“.
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§ 12 Rz. 32 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften Stelle vorgenommen wird, schließt eine weitere externe Kontrolle durch den jeweiligen Rechnungshof nicht aus47. 33
Die Zulässigkeit der Prüfung durch die Landesrechnungshöfe wurde für die Handwerkskammern bereits mit einer Entscheidung des BVerwG 1995 geklärt48. Die noch in der Vorauflage bestrittene49 Prüfungskompetenz der Landesrechnungshöfe für die IHKs hat das BVerwG sodann 2009 dem Grunde nach für gegeben erklärt. § 11 Abs. 3 enthält schon mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Ausnahme von der Regel der Rechnungshofkontrolle. Eine solche Regelung könne auch nicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 7 von den Landesgesetzgebern geschaffen werden50. § 12 Abs. 1 Nr. 7 regele allein die rechnungsabhängige Prüfung, was auch aus dem Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Aufstellung und Ausführung eines Wirtschaftsplans nach § 3 Abs. 2 Satz 2 folge51. Eine allgemein ermöglichte Kontrolle durch den Rechnungshof entspricht auch dem Grundsatz der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle52. Nichtsdestotrotz können im Landesrecht Ausnahmen von der Rechnungshofprüfung geregelt sein, so derzeit in Brandenburg (§ 5 Abs. 3 AG IHKG), Mecklenburg-Vorpommern (§ 4 Abs. 3 AG IHKG) und Sachsen-Anhalt (§ 4 Abs. 3 AG IHKG). Eine weitere Regelung in Sachsen wurde durch das Sächs. OVG für mit der Landesverfassung unvereinbar erklärt53. Ob ein bundesrechtliches Prüfungsrecht bei den IHKs, für die landesrechtliche Ausnahmen existieren, besteht, ist strittig54. § 55 Abs. 1 HGrG sieht ein Prüfungsrecht vor, wenn gesetzlich begründete Garantieverpflichtungen des Landes bestehen. Eine Garantieverpflichtung könnte eventuell aus dem Anspruch der Arbeitnehmer einer IHK gegenüber dem Land auf insolvenzgeldähnliche Leistungen (§ 12 Abs. 2
47 Vgl. Kluth, WiVerw 2014, 279, 282; Schöbener, GewArch 2010, 177, 178. 48 Vgl. BVerwG v. 11.4.1995 – 1 C 34.92, BVerwGE 99, 185, GewArch 1995, 377; dazu auch BayVGH v. 23.7.1992 – 22 B 91.1708, GewArch 1992, 388; Eyermann, GewArch 1992, 209, 216; Eyermann, GewArch 1994, 441; Kopp, WiVerw 1994, 20; Knöpfle, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die Prüfung der Körperschaften öffentlichen Rechts, 1988; Rieger in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts, 2005, 112; Stober, Zur Rechnungsprüfung von Kammern, 1989; Tettinger, Kammerrecht, 206 f.; vgl. auch Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 370 f. 49 Vgl. nur die Positionen von Möllering, 7. Aufl., § 12 Rz. 27, § 11 Rz. 48; Reus/Mühlhausen, GewArch 2009, 93; Rieger in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2005, 112, 134 ff., jeweils mwN. 50 BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5/09, GewArch 2010, 69 ff., mit Anm. von Volino, ebd., 72 ff.; Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 376 f.; Wendt, WiVerw 2013, 5, 35; Schöbener, GewArch 2010, 177 ff.; Bulla, GewArch 2013, 145 ff.; Ziekow, WiVerw 2013, 58 ff. 51 BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5/09, GewArch 2010, 69 ff.; Wendt, WiVerw 2013, 5, 35. 52 Vgl. Schöbener, GewArch 2010, 177. 53 Sächs. OVG v. 25.8.2015 – 4 A 46/14, GewArch 2016, 111; bestätigt durch BVerwG v. 15.1.2016 – 10 B 35/15. 54 Vgl. Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 375 ff. mwN.
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Heyne
Ergänzungsfähiger Bereich
Rz. 35 § 12
InsO) abgeleitet werden55. Eine abschließende gerichtliche Klärung zu dieser Frage besteht nicht56. Soweit es zu Prüfungen durch die Rechnungshöfe kam und hieraus Empfehlun- 34 gen folgten, wurden diese von den IHKs ernst genommen und führten in der Regel zu allgemeinen Änderungen der Satzungen einschließlich Regelungen zur Auftragsvergabe, Zuwendungen, personalwirtschaftlichen Grundsätzen57 sowie zu mehr Transparenz58. Die Rechnungshöfe müssen bei ihrer Prüfung jedoch stets den Gestaltungsspiel- 35 raum der Kammern als Selbstverwaltungskörperschaften beachten. Sie können auch die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kontrollieren59. Die Rechnungshöfe müssen sich in ihrer Überprüfung an das kammerrechtlich modifizierte Haushaltsrecht halten und können nicht bei bestehenden speziellen Regelungen (z.B. in § 3 Abs. 2 IHKG oder in dem jeweiligen Finanzstatut) auf alle Regelungen des staatlichen Haushaltsrechts zurückgreifen. Insofern ist auch das spezifische Selbstverwaltungsrecht gesondert zu beachten60. In die Selbstverwaltungskompetenzen der Kammern wird durch die Rechnungshöfe nicht eingegriffen, da die Kontrolle zum einen nachgelagert ist und zum anderen mit ihr keine verbindlichen Anordnungen getroffen werden können61. Prüfungsberichte der Rechnungshöfe haben keine Bindungswirkung und können auch nicht mittels Eingriffsbefugnissen der Rechnungshöfe durchgesetzt werden62. Die 55 Zur Möglichkeit der Annahme einer Garantieverpflichtung ablehnend für einen bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger OVG NRW v. 6.6.2019 – 16 A 3122/18. 56 Sächs. OVG v. 25.8.2015 – 4 A 46/14, GewArch 2016, 111 f. In dem Verfahren vor dem BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5/09, GewArch 2010, 69 ff. wurde die Argumentation zwar vorgetragen (vgl. Rz. 5 und 8), jedoch in der Urteilsbegründung nicht aufgegriffen. 57 Zur Bedeutung des Rechnungshofberichts für die Personalwirtschaft der IHK: Ziekow, WiVerw 2013, 58 ff. Strittig blieb jedoch, inwieweit tarifvertragliche Regelungen für den öffentlichen Dienst ohne Anpassungen auf die IHKs übertragbar sind. 58 Vgl. Wendt, WiVerw 2013, 5. 59 Vgl. hierzu Tettinger, Kammerrecht, 207; Bulla, GewArch 2013, 145, 147; Pautsch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2015, 31, 44. 60 Heyne in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 3. Aufl., § 12 Rz. 28; Bulla, GewArch 2013, 145, 146 f.; Ziekow, WiVerw 2013, 58, 68 f. 61 BVerwG v. 30.9.2009 – 8 C 5/09, GewArch 2010, 69, 71; vgl. auch Wendt, WiVerw 2013, 5, 36 und 38 der dies aber auch entsprechend in Frage stellt (S. 43 ff.). Zu möglichen Grenzen aus dem Selbstverwaltungsprinzip auch Kluth, WiVerw 2014, 279, 284 f.; Schöbener, GewArch 2010, 177, 180; Bulla, GewArch 2013, 145, 146 f. Selbstredend gilt dies nur, solange sich die Rechnungshöfe an den genannten Prüfungsmaßstab halten, dazu auch Pautsch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2015, 31, 43 ff. 62 Vgl. Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 367; Wendt, WiVerw 2013, 5, 42 und 53; Bulla, GewArch 2013, 145, 148; Pautsch in Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2015, 31, 40 f.
Heyne
525
§ 12 Rz. 35 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften Berichte sollen die Aufsichtsbehörden bei ihrer Kontrolltätigkeit unterstützen63, haben diese in den letzten Jahren aber auch in Einzelfällen kritisiert. 7. Zu § 12 Abs. 1 Nr. 8 36
Vielfach bestehen in den Ländern Vorschriften über die Führung des großen, kleinen oder abgewandelten Dienstsiegels durch öffentlich-rechtliche Körperschaften. In diesen Fällen bedarf es keiner speziellen landesrechtlichen Normen für die IHKs. Soweit eine Regelung noch notwendig ist oder abweichend erfolgen soll, bietet § 12 Abs. 1 Nr. 8 hierfür die Möglichkeit64. 8. Zur früheren Nr. 9
37
§ 12 Abs. 1 Nr. 9 beinhaltete früher eine Regelungskompetenz der Landesgesetzgeber für „Zuständigkeit und Verfahren für die Bestellung von Ausschussmitgliedern gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2“, also für den Berufsbildungsausschuss. Die Regelung in § 12 Abs. 1 Nr. 9 wurde mit Art. 17 Nr. 3 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.7.2013 aufgehoben. Der in Bezug genommene Berufsbildungsausschuss ist nicht mehr im IHKG, sondern in den §§ 77 bis 80 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) geregelt, ebenso wie das Verfahren und die Zuständigkeit für die Bestellung von Ausschussmitgliedern. Die Regelung war bereits zuvor obsolet65. Mithin bedurfte es keiner Regelungskompetenz für die Landesgesetzgeber mehr66. Hinfällig geworden sind insofern auch die sich auf § 12 Abs. 1 Nr. 9 beziehenden Normen der Landesausführungsgesetze, die mitunter aber noch bestehen.
§ 13 [Bremen und Hamburg] Die Handelskammern Bremen und Hamburg sind berechtigt, ihre bisherige Bezeichnung weiterzuführen. 1
Die Kammern in Bremen und Hamburg führen nach alter Tradition die Bezeichnung „Handelskammer“. Sie sollen diese besondere Überlieferung in ihrer Bezeichnung beibehalten können, wenn sie es wünschen. Sie haben diesen Wunsch 63 64 65 66
Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 367. Vgl. z.B. Art. 5 AGIHKG Bayern, § 6 Abs. 2 IHKG Berlin, § 5 Abs. 1 IHKG Bremen. Vgl. Möllering in der Vorauflage, § 12 Rz. 33. Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BR-Drs. 557/12, Art. 17, Nr. 3.
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Heyne/Wernicke
§ 12 Rz. 35 Landesrechtliche Ergänzungsvorschriften Berichte sollen die Aufsichtsbehörden bei ihrer Kontrolltätigkeit unterstützen63, haben diese in den letzten Jahren aber auch in Einzelfällen kritisiert. 7. Zu § 12 Abs. 1 Nr. 8 36
Vielfach bestehen in den Ländern Vorschriften über die Führung des großen, kleinen oder abgewandelten Dienstsiegels durch öffentlich-rechtliche Körperschaften. In diesen Fällen bedarf es keiner speziellen landesrechtlichen Normen für die IHKs. Soweit eine Regelung noch notwendig ist oder abweichend erfolgen soll, bietet § 12 Abs. 1 Nr. 8 hierfür die Möglichkeit64. 8. Zur früheren Nr. 9
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§ 12 Abs. 1 Nr. 9 beinhaltete früher eine Regelungskompetenz der Landesgesetzgeber für „Zuständigkeit und Verfahren für die Bestellung von Ausschussmitgliedern gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2“, also für den Berufsbildungsausschuss. Die Regelung in § 12 Abs. 1 Nr. 9 wurde mit Art. 17 Nr. 3 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.7.2013 aufgehoben. Der in Bezug genommene Berufsbildungsausschuss ist nicht mehr im IHKG, sondern in den §§ 77 bis 80 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) geregelt, ebenso wie das Verfahren und die Zuständigkeit für die Bestellung von Ausschussmitgliedern. Die Regelung war bereits zuvor obsolet65. Mithin bedurfte es keiner Regelungskompetenz für die Landesgesetzgeber mehr66. Hinfällig geworden sind insofern auch die sich auf § 12 Abs. 1 Nr. 9 beziehenden Normen der Landesausführungsgesetze, die mitunter aber noch bestehen.
§ 13 [Bremen und Hamburg] Die Handelskammern Bremen und Hamburg sind berechtigt, ihre bisherige Bezeichnung weiterzuführen. 1
Die Kammern in Bremen und Hamburg führen nach alter Tradition die Bezeichnung „Handelskammer“. Sie sollen diese besondere Überlieferung in ihrer Bezeichnung beibehalten können, wenn sie es wünschen. Sie haben diesen Wunsch 63 64 65 66
Volino, Steuerung und Kontrolle der Kammerwirtschaft, 367. Vgl. z.B. Art. 5 AGIHKG Bayern, § 6 Abs. 2 IHKG Berlin, § 5 Abs. 1 IHKG Bremen. Vgl. Möllering in der Vorauflage, § 12 Rz. 33. Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BR-Drs. 557/12, Art. 17, Nr. 3.
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Heyne/Wernicke
Übergangsvorschriften
Rz. 2 § 13a
durch Festlegung ihrer Bezeichnung in der Satzung zum Ausdruck gebracht. Auch nach der Fusion der HK Bremen mit der IHK Bremerhaven im Januar 2016 führt die gemeinsame Kammer den Namen „Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven“1.
§ 13a [Übergangsvorschriften] (1) Kammerzugehörige, die am 31. Dezember 1993 nach § 2 Abs. 3 und § 3 Abs. 3 Satz 2 in der am 31. Dezember 1993 geltenden Fassung einer Industrieund Handelskammer angehörten, können nach Maßgabe dieser Vorschriften weiterhin der Industrie- und Handelskammer angehören. (2) Wenn das der Beitragserhebung zugrundeliegende Bemessungsjahr vor dem 1. Januar 1994 liegt, werden die Beiträge auf der Grundlage der am 31. Dezember 1993 geltenden Fassung dieses Gesetzes erhoben. (3) Die Beitragsbefreiung in § 3 Abs. 3 Satz 4 ist nur auf Kammerzugehörige anzuwenden, deren Gewerbeanzeige nach dem 31. Dezember 2003 erfolgt. Abs. 1 bezieht sich auf die frühere Sonderstellung der Handwerkerkaufleute, für 1 welche die Handwerkskammer früher einen Beitrag an die Industrie- und Handelskammer zahlte und die der Industrie- und Handelskammer freiwillig beitreten konnten. Sie bleiben beitragsfreie IHK-Mitglieder, obwohl sie ausschließlich ein Handwerk betreiben. Für alle Handwerkerkaufleute, die Mischbetriebe mit einem nichthandwerklichen Betriebsteil sind, gilt dagegen § 2 Abs. 3 n.F., wonach allein ein nichthandwerklicher Betriebsteil die IHK-Zugehörigkeit begründet. Da die meisten Handwerkerkaufleute Mischbetriebe sind, ist die Vorschrift heute praktisch bedeutungslos. Es gibt kaum Handwerkerkaufleute, die ausschließlich ein Handwerk betreiben und seinerzeit freiwillig der IHK beigetreten sind. Abs. 2 regelt die Einführung des neuen Beitragsrechts ab 1.1.1994 für den Fall, 2 dass die Kammer in ihrer Haushaltssatzung für die Umlage einen zurückliegenden Bemessungszeitraum festgesetzt hatte. Dann galt auch das bisherige Recht für die Beitragserhebung, wonach es bei der Umlage allein auf den Gewerbesteuermessbetrag ankam. Eine rückwirkende Ermittlung von Gewerbeerträgen oder Gewinnen aus Gewerbebetrieb sollte vermieden werden. Genauso wenig sollte ein Zwang ausgeübt werden, dass die Kammern am 1.1.1994 überall zur „Gegenwartsver1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über die Industrie- und Handelskammer im Lande Bremen vom 6.5.1958 (Brem.GBl. S. 47), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG vom 24.6.2014 (Brem.GBl. S. 316).
Wernicke
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Übergangsvorschriften
Rz. 2 § 13a
durch Festlegung ihrer Bezeichnung in der Satzung zum Ausdruck gebracht. Auch nach der Fusion der HK Bremen mit der IHK Bremerhaven im Januar 2016 führt die gemeinsame Kammer den Namen „Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven“1.
§ 13a [Übergangsvorschriften] (1) Kammerzugehörige, die am 31. Dezember 1993 nach § 2 Abs. 3 und § 3 Abs. 3 Satz 2 in der am 31. Dezember 1993 geltenden Fassung einer Industrieund Handelskammer angehörten, können nach Maßgabe dieser Vorschriften weiterhin der Industrie- und Handelskammer angehören. (2) Wenn das der Beitragserhebung zugrundeliegende Bemessungsjahr vor dem 1. Januar 1994 liegt, werden die Beiträge auf der Grundlage der am 31. Dezember 1993 geltenden Fassung dieses Gesetzes erhoben. (3) Die Beitragsbefreiung in § 3 Abs. 3 Satz 4 ist nur auf Kammerzugehörige anzuwenden, deren Gewerbeanzeige nach dem 31. Dezember 2003 erfolgt. Abs. 1 bezieht sich auf die frühere Sonderstellung der Handwerkerkaufleute, für 1 welche die Handwerkskammer früher einen Beitrag an die Industrie- und Handelskammer zahlte und die der Industrie- und Handelskammer freiwillig beitreten konnten. Sie bleiben beitragsfreie IHK-Mitglieder, obwohl sie ausschließlich ein Handwerk betreiben. Für alle Handwerkerkaufleute, die Mischbetriebe mit einem nichthandwerklichen Betriebsteil sind, gilt dagegen § 2 Abs. 3 n.F., wonach allein ein nichthandwerklicher Betriebsteil die IHK-Zugehörigkeit begründet. Da die meisten Handwerkerkaufleute Mischbetriebe sind, ist die Vorschrift heute praktisch bedeutungslos. Es gibt kaum Handwerkerkaufleute, die ausschließlich ein Handwerk betreiben und seinerzeit freiwillig der IHK beigetreten sind. Abs. 2 regelt die Einführung des neuen Beitragsrechts ab 1.1.1994 für den Fall, 2 dass die Kammer in ihrer Haushaltssatzung für die Umlage einen zurückliegenden Bemessungszeitraum festgesetzt hatte. Dann galt auch das bisherige Recht für die Beitragserhebung, wonach es bei der Umlage allein auf den Gewerbesteuermessbetrag ankam. Eine rückwirkende Ermittlung von Gewerbeerträgen oder Gewinnen aus Gewerbebetrieb sollte vermieden werden. Genauso wenig sollte ein Zwang ausgeübt werden, dass die Kammern am 1.1.1994 überall zur „Gegenwartsver1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über die Industrie- und Handelskammer im Lande Bremen vom 6.5.1958 (Brem.GBl. S. 47), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG vom 24.6.2014 (Brem.GBl. S. 316).
Wernicke
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§ 13a Rz. 2 Übergangsvorschriften anlagung“ übergehen. Durch Zeitablauf ist diese Übergangsvorschrift inzwischen obsolet geworden. 3
Von Interesse bleibt Abs. 2 allein dadurch, dass darin die früher umstrittene, von den Verwaltungsgerichten jedoch anerkannte Zurückverlegung des Bemessungszeitraumes für die Umlage gesetzlich anerkannt wird.
§ 14 [Übergangsvorschrift für die neuen Bundesländer] 1Bis
zum 31. Dezember 1997 können die Beiträge der Kammerzugehörigen von den Industrie- und Handelskammern in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet im Anschluß an die in Anlage I Kapitel V Sachgebiet B Abschnitt III Nr. 4 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 in Verbindung mit Artikel 1 des Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. 1990 II 885, 1000) angegebene Frist abweichend von § 3 Abs. 3 und 4 festgesetzt werden. 2Die Beitragsordnung und der Beitragsmaßstab bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
1
Auch diese Übergangsvorschrift für die IHKs in den neuen Bundesländern ist inzwischen durch Zeitablauf obsolet geworden. Sie hatten die Möglichkeit, in einer Übergangszeit bis zum 31.12.1997 ihre Beiträge nach anderen Maßstäben als nach § 3 Abs. 3 und 4 a.F. festzusetzen, da Gewerbesteuermessbeträge noch nicht zur Verfügung standen. In der Regel haben sie den Umsatz als Kriterium für die Umlage gewählt, gelegentlich aber auch die Arbeitnehmerzahlen1. Ab 1.1.1998 erheben sie ihre Beiträge nach dem gleichen Recht wie die IHKs in den alten Bundesländern.
§ 15 [Inkrafttreten] Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. 1
Das Bundesgesetz ist mit Datum vom 18.12.1956 im Bundesgesetzblatt Nr. 52 vom 21.12.1956 verkündet worden, also am 22.12.1956 in Kraft getreten. 1 Vgl. im Übrigen 5. Aufl. § 3 Rz. 7–33.
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Wernicke
§ 13a Rz. 2 Übergangsvorschriften anlagung“ übergehen. Durch Zeitablauf ist diese Übergangsvorschrift inzwischen obsolet geworden. 3
Von Interesse bleibt Abs. 2 allein dadurch, dass darin die früher umstrittene, von den Verwaltungsgerichten jedoch anerkannte Zurückverlegung des Bemessungszeitraumes für die Umlage gesetzlich anerkannt wird.
§ 14 [Übergangsvorschrift für die neuen Bundesländer] 1Bis
zum 31. Dezember 1997 können die Beiträge der Kammerzugehörigen von den Industrie- und Handelskammern in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet im Anschluß an die in Anlage I Kapitel V Sachgebiet B Abschnitt III Nr. 4 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 in Verbindung mit Artikel 1 des Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. 1990 II 885, 1000) angegebene Frist abweichend von § 3 Abs. 3 und 4 festgesetzt werden. 2Die Beitragsordnung und der Beitragsmaßstab bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
1
Auch diese Übergangsvorschrift für die IHKs in den neuen Bundesländern ist inzwischen durch Zeitablauf obsolet geworden. Sie hatten die Möglichkeit, in einer Übergangszeit bis zum 31.12.1997 ihre Beiträge nach anderen Maßstäben als nach § 3 Abs. 3 und 4 a.F. festzusetzen, da Gewerbesteuermessbeträge noch nicht zur Verfügung standen. In der Regel haben sie den Umsatz als Kriterium für die Umlage gewählt, gelegentlich aber auch die Arbeitnehmerzahlen1. Ab 1.1.1998 erheben sie ihre Beiträge nach dem gleichen Recht wie die IHKs in den alten Bundesländern.
§ 15 [Inkrafttreten] Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. 1
Das Bundesgesetz ist mit Datum vom 18.12.1956 im Bundesgesetzblatt Nr. 52 vom 21.12.1956 verkündet worden, also am 22.12.1956 in Kraft getreten. 1 Vgl. im Übrigen 5. Aufl. § 3 Rz. 7–33.
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§ 13a Rz. 2 Übergangsvorschriften anlagung“ übergehen. Durch Zeitablauf ist diese Übergangsvorschrift inzwischen obsolet geworden. 3
Von Interesse bleibt Abs. 2 allein dadurch, dass darin die früher umstrittene, von den Verwaltungsgerichten jedoch anerkannte Zurückverlegung des Bemessungszeitraumes für die Umlage gesetzlich anerkannt wird.
§ 14 [Übergangsvorschrift für die neuen Bundesländer] 1Bis
zum 31. Dezember 1997 können die Beiträge der Kammerzugehörigen von den Industrie- und Handelskammern in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet im Anschluß an die in Anlage I Kapitel V Sachgebiet B Abschnitt III Nr. 4 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 in Verbindung mit Artikel 1 des Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl. 1990 II 885, 1000) angegebene Frist abweichend von § 3 Abs. 3 und 4 festgesetzt werden. 2Die Beitragsordnung und der Beitragsmaßstab bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
1
Auch diese Übergangsvorschrift für die IHKs in den neuen Bundesländern ist inzwischen durch Zeitablauf obsolet geworden. Sie hatten die Möglichkeit, in einer Übergangszeit bis zum 31.12.1997 ihre Beiträge nach anderen Maßstäben als nach § 3 Abs. 3 und 4 a.F. festzusetzen, da Gewerbesteuermessbeträge noch nicht zur Verfügung standen. In der Regel haben sie den Umsatz als Kriterium für die Umlage gewählt, gelegentlich aber auch die Arbeitnehmerzahlen1. Ab 1.1.1998 erheben sie ihre Beiträge nach dem gleichen Recht wie die IHKs in den alten Bundesländern.
§ 15 [Inkrafttreten] Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. 1
Das Bundesgesetz ist mit Datum vom 18.12.1956 im Bundesgesetzblatt Nr. 52 vom 21.12.1956 verkündet worden, also am 22.12.1956 in Kraft getreten. 1 Vgl. im Übrigen 5. Aufl. § 3 Rz. 7–33.
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Wernicke
Inkrafttreten
Rz. 5 § 15
Auch in Berlin ist das Gesetz mit dem 22.12.1956 in Kraft getreten, wie sich aus 2 der Berlin-Klausel in § 14 a.F. ergab. Die Umbildung der Berliner IHK ist mit dem 1.1.1958 erfolgt. Im Saarland ist das Bundesgesetz zum 1.1.1960 in Kraft getreten, wie sich aus § 3 3 Ziff. III, 12 des Gesetzes zur Einführung von Bundesrecht im Saarland vom 30.6.1959 (BGBl. I, 313) ergibt. Das bis zu diesem Zeitpunkt für die dortige IHK geltende saarländische Gesetz Nr. 531 vom 9.7.1956 (ABl. 1040) nebst Wahlordnung vom 31.7.1956 (ABl. 1071) stimmte mit dem Bundesgesetz sachlich nicht völlig überein, so dass es mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes auf dieses abgestellt werden musste. Das ist durch das Gesetz Nr. 707 über die Industrie- und Handelskammern des Saarlandes vom 29.3.1960 (ABl. 261) geschehen. Das alte saarländische Kammergesetz trat mit Wirkung vom 1.5.1960 außer Kraft. In den neuen Bundesländern ist das Bundesgesetz aufgrund des Einigungsvertra- 4 ges zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 31.8.1990 und der Vereinbarungen vom 18.9.1990 und vom 23.9.1990 (BGBl. II, 885/1000) am 3.10.1990 in Kraft getreten (vgl. dazu 5. Aufl. S. 3–5, S. 19/20, S. 195–199). Die IHK-Novelle vom 23.7.1998 (BGBl. I, 1887) ist nach ihrem Art. 2 am 1.1.1999 5 in Kraft getreten. Eine Berichtigung vom 1.10.1998 (BGBl. I, 3158) hat geklärt, dass die Beitragsregelung von diesem Zeitpunkt an gilt. Lediglich die Streichung des Wortes „einheitlicher“ (Gewerbesteuermessbetrag) in § 3 Abs. 3 Satz 3 a.F. (jetzt § 3 Abs. 3 Satz 5 n.F.) ist rückwirkend zum 1.1.1998 angeordnet worden, weil seitdem keine Gewerbekapitalsteuer mehr erhoben wird und sich der Gewerbesteuermessbetrag nur noch aus dem Gewerbeertrag errechnet.
Wernicke
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Stichwortverzeichnis Die fetten Zahlen verweisen auf die Paragraphen; die mageren Zahlen auf die Randziffern.
Abstimmung – geheime 4 32 – offene 4 32 Abwahl 6 11, 12, 13; 6 14 ADR, Accord Européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route 1 277 Agenturen 2 90 Akteneinsicht 1 323 Allgemeine Wahl 5 5 Allgemeinpolitische Aussage 1 26 Amtliche Auskunft 1 105 Amtliches Verzeichnis 1 283 Amtshaftung 1 311 Amtshilfe 1 311, 312; 10 13 Amtsniederlegung 6 8 Amtsperiode 5 34; 5 35 Amtspflicht 1 311 Amtsträger 5 102; 6 10; 6 15 Amtszeit der Vollversammlung 5 34 – Verkürzung 5 36 – Verkürzung der Wahlzeit 5 37 – Verlängerung 5 36 Anerkennung ausländischer Befähigungsnachweise 1 224 Anfechtungsklage 3 154 Anhörung 12 10; 12 12 Anlaufhemmung 3 151; 3 152 Anordnung 11 15 Apotheker 3 97 Äquivalenzprinzip 3 127 Arbeitgeberfunktion 4 22; 6 17; 7 2, 10; 7 17 Arbeitsgemeinschaft 10 2 – DIHK e.V. 10 15 – Landesarbeitsgemeinschaften 10 15 Arbeitsrechtliche und sozialpolitische Interessen 1 326 Architektenkammer 1 252 Art der Abstimmung 4 32 Arzneimittel 1 274 A.T.A.-Übereinkommen 1 189
Atypisch stille Gesellschaft 2 52 Aufgaben- und Funktionsteilung 6 22 Aufgabendefinitionskompetenz 4 1 Aufgabenübertragung 1 200; 4 7; 9 15; 10 5; 11 27, 34a; 12 2 Aufgabenverteilung 4 14 Aufhebung von Beschlüssen 11 15 Auflösung – Kammer 12 6 – Kammerorgane 11 16 – Vollversammlung 11 12 Aufsicht (fi Rechtsaufsicht, Fachaufsicht) Aufsichtsbehörde, Genehmigung 5 3, 91; 12 19 Aufsichtsmittel 11 2, 3, 12; 12 20 – Anfechtung von Aufsichtsmaßnahmen 11 25 Aufteilung der Kammerzugehörigen 5 30 Auftragsvergabe 12 34 Ausbildung (fi Berufsbildung) Ausfertigung 4 40; 4 41 Ausführungsgesetze der Länder 11 43 Ausfuhranmeldung 1 189 Ausgleichsrücklage 3 21e Aushang in der Geschäftsstelle 4 43 Auskunft 1 81 Auskunftspflicht 9 16a Auslagenersatz 3 126 Auslandshandelskammern (AHKs) Einf. 54 Ausländische Betriebsstätte 2 82a Ausländischer Berufsabschluss 1 184; 10 9a Auslieferungslager 2 89 Aussagegenehmigung 1 110 Ausschluss der Öffentlichkeit 4 33 Ausschüsse 4 23, 24; 6 21 – Arten 8 2 – Aufgaben 8 3 – Entscheidungskompetenz 8 4 – Teilnahmerecht 7 3; 8 4 Außenstellen 4 25
531
Stichwortverzeichnis Außenwirtschaftsförderung Einf. 56 Außenwirtschaftsverordnung 1 183 Außergerichtliche Streitbeilegung 1 156 Aussetzung – der Beitreibung 3 156 – der Vollziehung 3 155 Austritt – Austrittsanspruch 1 352 – Austrittsmöglichkeit 2 146 Automaten 2 88 Automatisierter Abruf 9 22a
Baubetreuer
1 226 Bauträger 1 226 Bau- und Montagestellen 2 86 Beanstandung 11 14 Beglaubigung 1 190 Behörde 1 306; 3 7 Beitrag 3 44; 11 36; 12 23 – Beitragsbefreiung 3 41; 3 74 – Beitragsbefreiungsgrenze 3 76 – Beitragsbemessungsdaten 9 17 – Beitragsfreistellungsgrenze 11 39 – Beitragsordnung 3 110 – Beitrags- und Sonderbeitragsordnung 11 27 Beitreibung 3 132, 136; 12 23 Bemessungsgrundlagen 12 21 Bemessungsjahr 3 63 Benennung sachkundiger Kaufleute 1 111 Beratung der IHKs 11 24a Berufliche Fortbildung 1 170 Berufsanerkennungsrichtlinie Einf. 78; 10 9a Berufsausübungsregeln 1 274 Berufsbildung 1 161; 1 166 – Berufsbildungsausschuss 1 168; 12 37 – Berufsbildungsgesetz 1 161, 164; 8 1, 13; 10 1; 11 29; 12 16; 12 37 Berufskraftfahrerqualifikations-Gesetz (BKrFQG) 1 282 Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) 1 169; 1 184 Beschäftigtendatenschutz 9 32 Bescheinigung 1 191 Beschlagnahme 1 319 Beschlüsse 4 32 – Beschlussfähigkeit 4 27, 28; 4 29
532
Bestandsschutz 3 5 Bestellung des Hauptgeschäftsführers 4 32; 77 Bestellung eines Beauftragten 11 16 Beteiligung an Entscheidungsprozessen 83 Betriebsaufspaltung 2 49 Betriebsertrag 3 24 Betriebsstätte 2 13, 71, 73; 2 80 Betroffenenrechte 9 8 Bewacherregister 1 223 Bewachungsgewerbe 1 216 Bildungszentren 1 154 Binnenmarkt-Informationssystem 1 194 Binnenpluralität Einf. 45; 1 33, 51; 2 3c; 42 Binnenrechtsschutz 1 342 Börsenaufsicht 1 288 Briefwahl 5 8, 61, 63; 5 77 Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) 1 164 Bundesverfassungsgericht (Beschluss „gesetzl. Mitgliedschaft“) Einf. 38
Carnet A.T.A. Einf. 85; 1 188 Compliance 1 39, 115; 9 3 Corporate Governance Kodex 1 122 Corporate Social Responsibility 1 54; 1 121 Darlehensvermittler 1 226 Datenerhebung 9 12 Datenschutzrecht 11 13 Datenübermittlung 9 19, 22, 22a, 23, 28; 9 31 Datenverarbeitung (Rechtsgrundlagen) 9 5; 9 20 DE-International Einf. 55 Delegation 4 10; 10 5a Delegierte der deutschen Wirtschaft Einf. 58 Delegiertenbüro Einf. 58 Demokratische Legitimation 10 5b Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) 1 159 Deutscher Handelstag Einf. 49 Deutscher Industrie- und Handelstag (DIHT) Einf. 15; Einf. 50
Stichwortverzeichnis Dienstherrenfähigkeit 3 10 Dienstleistungsmarke 1 341 Dienstleistungsrichtlinie Einf. 78; 1 193; 10 4 Dienstsiegel 12 36 Dienststellenleiter im Sinne des Personalvertretungsrechts 4 22; 7 2 DIHK 3 8 – Geschichte und Funktion Einf. 49 Doppelmitgliedschaft 2 12 Doppelvertretung 5 23 Doppik 3 16a
Ehrbarer Kaufmann 1 114 – Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns (VEEK) 1 119 Ehrenamt 5 100 – Entschädigung 5 101 – Erstattung barer Auslagen 5 101 Ehrengerichtsbarkeit 1 138 Eidesstattliche Versicherungen 1 180 Eigenbetrieb 2 28; 2 138 Eigenkapital 3 21e Eilbedürftigkeit 1 46 Eilfälle 4 14 Eilkompetenz 4 30 Einberufung der Vollversammlung 6 16 Eingriffsverwaltung 1 4 Einheitliche Stelle/Einheitlicher Ansprechpartner 1 192; 10 4, 10, 12; 11 25a Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten 1 268 Einspruchsentscheidung 5 89 Einzelkaufleute 2 21 Einziehung 3 132, 136; 12 23 Elektronische Bekanntmachung 4 44; 4 47 Elektronisches Verfahren 4 31 Empfehlungen 1 85; 1 86 Entgelte 3 123 Entlastung 4 7, 34, 50, 51, 52; 4 53; 12 31 Entsendungsrechte 1 111 Erfolgswert 5 3 Ergänzungswahl 5 34 Erhebung 3 132, 133; 12 23 Erlass 3 134; 3 142 Erlaubniserteilung 1 231; 1 247 Ermessensfehler 11 10; 11 37 Eröffnungsbilanz 3 16b
Errichtung neuer IHKs 12 6; 12 7 Ersatzvornahme 11 16 Ersatzwahl 5 24, 39; 5 41 EU-Beihilferecht Einf. 76 European Public Law Chambers, EPLC Einf. 71 Eurochambres Einf. 65 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) Einf. 81; 2 9 Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) 2 97 Europäischer Gerichtshof (EuGH) Einf. 46 Europäischer Verwaltungsverbund Einf. 80 Existenzgründer 3 75a
Fachaufsicht
Einf. 33; 1 198, 207; 11 3, 35; 11 40 Fachkundeprüfung 1 276 Festsetzungsvergütung 3 150 Feststellungsklage 3 154 Finanzanlagenvermittler 1 239 Finanzhoheit Einf. 32; 4 7 Finanzkontrolle 12 33 Finanzstatut 3 16a, 21a; 11 27 Finanzverwaltung 1 317 Fischereibetrieb 3 107 Förderung der gewerblichen Wirtschaft 1 72; 1 141 Fragen von grundsätzlicher Bedeutung 4 3; 4 10 Freie Berufe 2 92; 3 100 Freistellungsbescheid 2 3 Freistellungsgrenze 3 76; 11 39 Friedenswahl 5 80 Funktionale Selbstverwaltung Einf. 7, 27 ff.; 2 3c Funktionale Selbstverwaltungskörperschaft 34 Funktionsteilung 6 22
Gaststättengesetz
1 273 Gebühren 3 122 Gebührenordnung 3 125; 11 27 Gefahrgutbeauftragten-Verordnung (GbV) 1 279
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Stichwortverzeichnis Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) 1 277 Gegenwartsveranlagung 3 63 Gemeinsame Stelle 10 1a Gemeinsame Wahrnehmung 1 67 Gemeinsamer Prüfungsausschuss 8 23; 10 14 Gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung 1 39 1 356 Gemeinschaftseinrichtungen 9 18 Gemeinwohl; Gemeinwohlorientierung 1 52; 1 328 Genehmigung 4 15; 11 26 Genehmigung des Wirtschaftsplans 11 36 Genehmigungstatbestand 11 27 Genossenschaften 2 67 Gesamtinteresse Einf. 13, 23, 70, 71; 1 31; 4 13; 11 11 – Bildung 1 41; 4 3 – Ermittlung (Konsultation) 1 42 – Feststellung (Legitimation) 1 47; 4 2 – Formen der Wahrnehmung 1 63 – im Bereich der Berufsbildungspolitik 4 13 – Kommunikation 1 56 ff. – Vertretung 4 3 – Vollständigkeit 1 42 ff.; 4 2 – Wahrnehmung Einf. 45; 4 2, 3; 4 10 Geschäfte der laufenden Verwaltung 7 12 Geschäftsführung 4 21 Geschäftsjahr 3 16c Geschäftsverteilung innerhalb der IHK 7 10 Gesetzliche Mitglieder 5 4 Gesetzliche Mitgliedschaft Einf. 23; Einf. 3 – in Europa Einf. 69 – Legitimation 1 38 Gestaltungsermessen 3 27; 3 46 Gestaltungsspielraum 3 27 – des Satzungsgebers 5 92 Gewerbeanzeige 1 28 Gewerbebetrieb 2 56 Gewerbeertrag 3 61 Gewerbefreiheit Einf. 2; 1 215, 216 ff. Gewerberecht 10 1; 12 16 – Sachkundeprüfung 1 218, 224, 231, 238, 244, 275, 307; 10 11
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Gewerbesteuerpflicht 2 13 Gewerbesteuerveranlagung 2 36; 2 39 Gewerbeuntersagung 1 101 Gewerbliche Niederlassung 2 76 Gewinn aus Gewerbebetrieb 3 66 Gewinnverwendung 3 25 Gewinnvortrag 3 46a GmbH 2 64 GmbH & Co. KG 2 65 Großbetriebsstaffeln 3 49 Grundbeitrag 3 48; 11 28 Grundfreiheit Einf. 73 Grundlagenbescheid 3 58 Grundsatzpositionen 1 47; 4 10 Gruppenwahl 5 3, 31, 48; 5 49 – Erfolgswert der Stimme 5 48; 5 49 – Zählwert der Stimme 5 48; 5 49 GTAI (Germany Trade & Invest) Einf. 57 Gutachten 1 88 – Firmenrechtliche Gutachten 1 99 – Kreditgutachten 1 102 Gutachterausschuss für Wettbewerbsfragen 1 100; 1 125 Güterkraftverkehr 1 280 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) 1 280
Handelsbrauch
1 95 Handelskammer 13 1 Handelsmakler 1 284 Handelsregister 1 12; 2 32 Handelsrichter Einf. 13; 1 113 Handwerkerkaufleute 2 115; 3 96 Handwerklicher Hilfsbetrieb 2 123; 3 87 Handwerklicher Mischbetrieb 3 85 Handwerklicher Nebenbetrieb 2 123, 127; 3 87 Handwerklicher Zweigbetrieb 2 128 Handwerksbetrieb 2 118 Handwerkskammer 10 3 Handwerksordnung 1 70 Hauptgeschäftsführer 10 5 – Abberufung 7 7 – Organstellung 7 1 Haushaltsgrundsätze 3 29 Heilung von Prognosefehlern 3 29 HKRO 3 17 Hoheitsbetrieb 2 140 Honorar-Finanzanlagenberater 1 243
Stichwortverzeichnis
Idealverein
2 69 IHK Foreign Skills Approval (IHK FOSA) 1 169; 10 9a IHK-Lehrstellenbörse 1 167 IHK-Schiedsgerichtshof 1 159 IHK-Wahl 5 35 (fi Wahl) IHKG – Gesetzesgeschichte Einf. 34 – Vorläufigkeit Einf. 47 IHKs als Verantwortliche 9 7 Immobiliardarlehensvermittler 1 245 Immobilienmakler 1 226 Incoterms Einf. 85 Individualrechtsschutz 11 21 Industrie- und Handelsgremien 4 24; 5 44; 88 Information (kammerzugehöriger Unternehmen) 1 77 Informationsfreiheitsgesetze/Informationszugangsgesetze, Transparenzgesetze 1 322; 9 33 Informationspflicht 9 9; 11 13 Informationsrecht 4 14, 15; 11 24a Ingenieurkammer 1 252 Inkrafttreten IHKG 15 Insolvenzverfahren 12 4a Institut für Sachverständigenwesen (IfS) 1 257 Integrationsfunktion 1 48 Interessenkollision 7 14 Intermediäre Institutionen Einf. 4; 1 55 Internationale Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC) Einf. 83 Internationaler Schiedsgerichtshof Einf. 85
Jahresabschluss
11 41; 12 25 Juristische Personen 2 24
Kameralistik
3 16 Kammerbezirk (Struktur) 5 3; 12 6; 12 18 – Fusion 12 9 – Neugliederung 12 9 Kammergutachten 1 89 Kammern Einf. 1 – berufsständische Einf. 6 – Europa Einf. 61
– Geschichte Einf. 1; Einf. 7 – DDR Einf. 19 – Nationalsozialismus Einf. 15 – für Handelssachen 1 97; 1 113 Kammerrecht – Europarecht Einf. 73 – Geschichte des Kammerrechts Einf. 10 – Organisationsrecht Einf. 23 Kammervereinigungen 3 8 Kammerwahlrecht 5 3; 5 5 Kammerzugehörigkeit 2 1 – Beginn 2 45 – Ende 2 45 Kandidatenliste 5 56, 68, 70, 72; 5 75 – Mindestzahl von Wahlbewerbern 5 69 Kandidatur 5 22 Kaufmann – Begriff/Geschichte Einf. 2; 1 116 – Ehrbarer Kaufmann 1 114 ff. – Gilden Einf. 2; 1 116 – Risiko 1 118 Körperschaft des öffentlichen Rechts 3 1 Kollektives Arbeitsrecht 1 335 Kommunalrecht 11 2; 12 18 Kommunikation 1 42; 1 56 Kompetenzschranke 1 326 Komplementärgesellschaft 3 80 Konjunkturumfrage 1 45 Konsultation 1 42 Kontinuität der Organzusammensetzung 5 27 Kooperation 10 1a Kooperationsformen 10 13 Kooperationsklausel 10 4 Kooperationsmöglichkeiten 10 1 Kooptation 5 41, 42 (fi Zuwahl) Kooptationsbedarf 5 42 Kostendeckungsprinzip 3 122; 3 127 Korruption 1 123; 1 129 Kriegskontrollverordnung 11 46 Kündigung 10 9a
Landesrechnungshof
12 32 Landesrecht 12 1 Ländliche Kreditgenossenschaft 2 130 Landwirtschaft 3 106 Landwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaft 2 134
535
Stichwortverzeichnis Land- und Forstwirtschaft 2 100 Land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe 2 105 Laufende Geschäfte 4 14 Laufende Verwaltung 4 22 Legitimation 1 42; 11 3 Legitime Interessen 1 50 Liquiditätsrücklage 3 21e Listenwahl 5 38 Löschkonzept 9 6
Mandat
5 102 – Beendigung 5 24 – Erhaltung 5 27 Mandatierung 10 5a – echte Mandatierung 10 5a – unechte Mandatierung 10 5a Markenrecht 1 98; 1 337 Mediationsstelle 1 157 Mehrfachmitgliedschaft 2 10; 3 80 Mehrfachvertretung in einem Gremium 5 22 Mehrheit – einfache 4 32 – qualifizierte 4 32 Menschenrechte 1 123 Messe- und Ausstellungsgesellschaften 1 148 Minderhandwerk 2 119 Minderheitenposition 1 56, 57; 2 3c Minderheitenschutz Einf. 45 Minderheitenvotum 2 3c Minderheitsbeteiligung 1 145 Mindestsitze 5 56; 5 57 Mischbetrieb 2 122 Mitbestimmung Einf. 47 Mitgliederöffentlichkeit 4 33 Mitgliedschaft – freiwillige Mitgliedschaft Einf. 43 – gesetzliche Mitgliedschaft Einf. 43 – Pflichtmitgliedschaft Einf. 43; 1 39; 2 3; 27 Mitwirkung an Entscheidungsprozessen 83
Nachfolgemitglied Nachhaltigkeit 1 54
536
5 27; 5 39
Nachholung der Risikoidentifizierung 3 38 Nachrang der Beitragsfinanzierung 3 46a Nachrücken 5 24; 5 39 Nachtragswirtschaftsplan 3 36 Nachwahl 5 56; 5 70 Name der IHK 4 18 Namensrecht 1 340 Nebenbetrieb 2 123 Nettoposition 3 21e; 3 46a Neutralitätsgebot 1 29 Nichtmitglieder 10 5b Nicht-öffentliche Stellen 9 13, 26 Nichtrechtsfähige Vereine 2 69 Nicht-wirtschaftliche Interessen 4 3 Niederschlagung 3 142; 3 144 Normenkontrollverfahren 12 11
Objektivität
1 56 OECD-Übereinkommen (Bestechung ausländischer Amtsträger) 1 130; 1 135 Öffentlich-rechtlicher Vertrag 10 6; 12 16 Öffentlich-rechtliche europäische Kammern Einf. 72 Öffentlich-rechtlicher Zusammenschluss 1 169; 4 7; 10 1, 4, 7; 11 25a, 27, 34a; 12 7a; 12 6 Öffentliche Abgaben 3 43 Öffentliche Aufgaben 1 3 – legitime öffentliche Aufgaben Einf. 42; 1 6; 2 3; 2 5 Öffentliche Bekanntmachung 4 7 Öffentliche Bestellung 1 255 Öffentlichkeit der Sitzung 4 33 Onlinewahl 5 8, 61, 64; 5 78 Open Data 9 34 Organbestellung 4 8 Organe der IHK 4 1, 4, 10, 11, 15, 50; 5 2; 6 2, 23; 7 2 Organeigenschaft 6 2 Organfunktion 7 2 Organgesellschaft 2 40; 3 68 Organisations- und Zuständigkeitsfragen 12 5 Organisationsrecht 1 300 Organisationsverantwortung 7 10 Organmitglied 6 3
Stichwortverzeichnis Organstellung 4 32 Organstreit 1 342; 6 3 Organstreitverfahren 6 3; 6 11 Organwalter 5 100; 6 15; 7 7; 7 11
Partnerschaften 2 96 Partnerschaftsgesellschaften 2 23 Personalhoheit Einf. 32 Personalwirtschaftliche Grundsätze 12 34 Personenbezogene Daten 9 4 Personenhandelsgesellschaften 2 22 Personenmehrheiten 2 29 Persönlichkeitswahl 5 38; 5 39 Pflichtmitgliedschaft Einf. 43; 1 39; 2 3; 27 Präqualifizierung/Präqualifizierte Unternehmen 1 283 Präsident 4 21; 6 11 Präsidium 4 21 – Teilnahmerecht 7 3 – Wahl 6 11 Pressegesetze 1 324 Preußen Einf. 10; Einf. 49 – Handelskammergesetz, preußisches Einf. 13; 1 5; 1 32 – Handelskammerverordnung, preußische Einf. 11 – Königliches Statut Einf. 10 – Stein-Hardenberg-Reformen Einf. 28 Private Rechtsform 1 147 Prognose 3 78 Prüfungsausschuss 1 344 Prüfungsrichtlinien 12 29 Photovoltaik-Anlagen 2 36a Rahmenvereinbarung
12 21 Räumungsverkaufsanzeige 1 128 Rechnungshof 12 32 Rechnungsprüfung 3 39; 12 27 – Ehrenamtliche Rechnungsprüfer 12 31 Rechnungsprüfungsstelle der IHKs (RPS) Einf. 52; 11 41; 12 26 – Sonderstatut 12 28 Rechnungswesen der IHKs 3 16a Recht auf Einsicht 5 105 Rechtsaufsicht Einf. 30; 1 207; 4 4; 11 2, 4; 5 91 – Genehmigung 4 40
– Präventive/vorbeugende Rechtsaufsicht 11 26 Rechtsberatung 1 82; 1 160 Rechtsformen 2 20 Rechtsgeschäfte der laufenden Verwaltung 4 22 Rechtsgeschäftliche Vertretung 4 22 Rechtsschutz 11 21 Regiebetrieb 2 141 Regionalität Einf. 25 Registerpflicht 1 232 Registerstelle 1 244 Reisegewerbe 1 267; 2 78 Repräsentative Verbände Einf. 61 Repräsentativität Einf. 31; Einf. 61 Richtlinien 4 14 Risikoprognose 3 21e Rücklagen 3 46a – Rücklagenbildung 3 21e Rückstandsverzeichnis 3 139
Sachkundeprüfung
1 216, 218, 231, 236, 244, 245; 1 275 Sachlichkeit 1 59 Sachverständige 1 249 Satzung 4 17, 18; 11 27 Satzungsgeber 4 4 Satzungsgewalt Einf. 32; 1 298; 11 33 Satzungsrecht 4 1, 4, 7, 36, 37, 38, 40, 47; 4 48 Schätzgenauigkeit 3 21e; 3 29 Schiedsgericht 1 156 Schlichtungsstelle 1 15 Schriftliche Abstimmung 4 30 Schuldnerverzeichnis 1 80 Selbstverwaltung 1 292 – Grundsatz/Prinzip Einf. 27; 1 27; 10 12; 11 1 – Wesensmerkmale Einf. 30 Service GmbH 11 25a Sitz der IHK 4 18; 4 19 Sonderbeitrag 3 114; 11 38 Sonderbeitragsordnung 3 119; 11 38 Sonderstatut RPS 12 28 Sozialpartner 1 33 Sozialpolitische Interessen 1 326 Sozialversicherung 1 330 Sozietäten 2 96
537
Stichwortverzeichnis Spiegelbildliche Zusammensetzung der Vollversammlung 4 3; 5 21, 30, 39 ff. – Betriebsgröße 5 48, 52, 56; 5 57 – Bezirkswirtschaft 5 3 – Branchen 5 48, 52, 56; 5 57 Staatsanwaltschaft 1 318 Staatsaufsicht 11 1; 12 20 Staatsferne der Presse, Gebot der ~ 1 30 Staatspraxis 1 333 Staffelung 3 48 Steuergeheimnis 1 315 Stiftung 1 142 Stille Gesellschaft 2 51 Stimmenauszählung 5 81 Stimmzettel 5 76; 5 77 Straßenpersonenverkehr 1 281 Stundung 3 142; 3 145
Tatbestandswirkung
2 41; 3 60 Technologie- und Innovationsberatung 1 147; 1 150 Tochtergesellschaft 3 80 Traditionszusammenhang/Traditionslinie Einf. 7; Einf. 28; 1 5 Transparenz 12 34 Typengerechtigkeit 3 51
Übergangsvorschrift 13a Umlage 3 58; 11 37 Umlagefreibetrag 3 82 Umlagesatz 3 60; 11 27; 11 28 Umlaufverfahren 4 30 Umweltauditgesetz (UAG) 1 285; 10 1a UN-Übereinkommen gegen Korruption 1 130 Unbillige Härte 3 155 Unlauterer Wettbewerb 1 125 Unterlassungsklagengesetz 1 126 Unternehmensnachfolge 1 75 Unterrichtung 1 216; 1 22 Unterrichtungsrecht 11 13 Urkunden 1 179 Urproduktion 2 104 Ursprungszeugnisse 1 171 ff. Veranlagung zur Gewerbesteuer
2 35 Verbandskompetenz 1 18; 1 295 – Einheitlicher Ansprechpartner 1 197
538
– Grenzen der Verbandskompetenz 1 24 Vereinigungsfreiheit Einf. 35, 40, 81; Einf. 82 Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer 2 35 Verfassungswandel 2 4 Vergangenheitsveranlagung 3 63 Verhältnismäßigkeit 11 17 Verjährung 3 148 Verkaufsstelle 2 79 Verkehrsauffassung in der Kaufmannschaft 1 91 Verkehrssitte 1 95 Verkündung von Satzungsrecht 4 42 ff. Vermögensbildung, Verbot unzulässiger ~ 3 46a Veröffentlichungsorgan 5 66 (fi Verkündung von Satzungsrecht) Verpackungsgesetz 1 287 Verpflichtungsklage 5 93 Versicherungsvermittler und -berater 1 230 Versteigerer 1 225 Vertraulichkeit 1 314 Vertretung der IHK 6 17, 18; 7 15; 7 16 Verwaltungsakt 1 306; 3 154 Verwaltungsgebühren 3 124 Verwaltungskosten 3 128 Verwaltungsverfahren 1 304 Vollständigkeit 1 42, 49; 4 3; 5 39 – Betriebsgröße 5 48 – Branchen 5 48 – Interessensermittlung 1 34; 1 42 Vollstreckungsbehörden 3 138 Vollversammlung 5 14, 24; 5 25 – Ausscheiden 5 24 – Ausschluss 5 14 – Beendigung des Mandats 5 24; 5 25 – Gültigkeit von Beschlüssen 5 26 – Konstituierende Sitzung 5 35 – Mitgliederzahl 5 33 – Sitzverteilung 5 56; 5 60 – Teilnahmerecht 7 3 – Übergangsvollversammlung 5 36 – Verkürzung der Wahlzeit 5 37 – Wegfall des Mandats 5 28 – Zuordnung der Sitze 5 47; 5 50 – Zusammensetzung 4 2; 5 38
Stichwortverzeichnis Vorauszahlungsbescheid 3 63 Vorbehaltsaufgaben 4 7 ff.; 4 15; 4 50 Vorläufige Veranlagung 3 63 Vorzugslasten 3 44
Waffengesetz
1 276 Wahl der Vollversammlung 5 2; 5 35 – Bekanntmachung 5 66; 5 83 – Briefwahl 5 8, 61, 63; 5 77 – Durchführung 5 61; 5 62 – elektronische 5 64; 5 78 – Ersatzwahl 5 24, 39; 5 41 – Fehler 5 28; 5 94 – Frist 5 66 – geheime 4 32 – mittelbare 5 3, 39, 40, 41, 43, 44, 45, 46; 5 47 – streitige 5 70 – Ungültigkeit 5 26 – unmittelbare 5 3, 39, 40, 41, 46; 5 47 – Vorbereitung 5 62 – Zeitpunkt 5 35 Wahlanfechtung 5 94 – Neuwahl 5 96 – Präklusionswirkung 5 95 – Ungültigkeitserklärung der Wahl 5 99 – Wahlbeeinträchtigung 5 94 Wahlausschuss 5 6, 62, 65; 5 66 Wahlausübung 5 8 Wählbarkeit 5 6, 7, 14 ff.; 6 5 – Aufsichtsrat 5 15; 5 20 – Ausländische Staatsangehörige 5 16 – Ausschluss 5 23 – Beirat 5 15; 5 20 – besonders bestellter Bevollmächtigter 5 20 – ehemalige Unternehmer 5 20 – Einschränkung 5 21 – Inländer 5 16 – Kammerzugehörigkeit 5 17 – Lebensalter 5 18 – nachträglich entfallen 5 24 – Prokurist 5 19 – Verbot der Doppelvertretung 5 21; 5 22 – Wegfall der Wählbarkeit 5 27, 73; 6 8; 11 8 Wahlbekanntmachung 5 66
Wahlberechtigung 5 6, 9, 17, 19, 65, 77; 5 78 – besonders bestellte Bevollmächtigte 5 9 – Kammerzugehörigkeit 5 17 – Prokurist 5 9 Wahlbevollmächtigung 5 8, 9; 5 20 Wahlbezirk 5 27, 30; 5 39 – nachträglicher Wechsel 5 27 – Wechsel vor Beginn des Mandats 5 27 – Zuordnung der Sitze 5 47 Wahlen/Beschlüsse 4 32 Wahlergebnis 5 85 – Einspruch 5 86; 5 87 – Feststellung 5 35 Wählerliste 5 65; 5 104 Wahlgeheimnis 5 78 Wahlgruppe 5 3, 21, 27, 30, 39, 42; 5 47 – Bildung der Wahlgruppen 5 47; 5 52 – Definition 5 30 – nach Branchen 5 30; 5 48 – nach Betriebsgröße 5 30; 5 48 – nachträglicher Wechsel 5 27 – Wahlgruppenverfahren 5 41 – Wechsel vor Beginn des Mandats 5 27 – Zuordnung der Sitze 5 47 Wahlgruppeneinteilung 5 27, 39, 42, 43, 50 – Betriebsgrößen 5 52, 56; 5 57 – Branchen 5 52; 5 57 – Gestaltungsspielraum 5 60 Wahlkreise 5 47 Wahlmängel 5 85 Wahlordnung 5 3, 24 ff.; 5 91; 11 27 – Inhalt 5 30 – Regelungen 5 64 – Zuordnung der Sitze 5 47 Wahlperiode 5 34 Wahlpersonen 5 3, 39, 41, 42, 45; 5 46 Wahlprüfungsverfahren 5 84; 5 86 Wahlrecht 5 3, 4 ff.; 5 29 – aktives Wahlrecht 5 7, 9, 21, 23, 30; 5 57 – Aussetzung des Wahlrechts 5 12 – Ausübung des Wahlrechts 5 13, 14; 5 21 – Entziehung 5 12 – Erfolgswert der Stimme 5 48; 5 49 – passives Wahlrecht 5 7, 18, 21, 23, 30, 57 (fi Wählbarkeit)
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Stichwortverzeichnis – Regelung 5 30 – Ruhen des Wahlrechts 5 5, 11, 12, 13; 5 14 – Zählwert der Stimme 5 48; 5 49 Wahlrechtsgrundsätze 5 31 Wahlunterlagen 5 10 Wahlverfahren 5 3 Wahlvorschlag 5 68 – Einzelvorschlag 5 70 – Gültigkeit 5 72 – Mängel 5 71 – Mindestzahl von Wahlbewerbern 5 69 – Wahlvorschlagslisten 5 70 Wanderlager 1 267 Warnungen 1 85, 86; 1 87 Wegfall der Wählbarkeit 11 8 Weisung 11 3; 11 6 Wettbewerbsregister 1 133 Wettbewerbsverbot 1 76 Wettbewerbszentrale 1 125 Widerspruch 9 25 Widerspruchsverfahren 1 308 Wiederholende Verfügung 3 63 Wiederwahl 6 6; 6 14 Willensbildungsprozess 2 3c Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe 2 62 Wirtschaftliche Interessen 4 3 Wirtschaftliche Vereine 2 68 Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit 12 35 Wirtschaftskammer Österreich Einf. 72 Wirtschaftsministerium 11 4 Wirtschaftsplan 3 16c, 31; 11 28, 37, 40; 12 33
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Wirtschaftspolitische Angelegenheiten 1 17 Wirtschaftsprüfer 12 27; 12 28 Wirtschaftssatzung 3 16c, 34; 11 28; 11 37 Wirtschaftsschutz 1 216 Wirtschaftsverwaltung 1 211 Wirtschaftsverwaltungsaufgaben – Übersicht 1 211 – Voraussetzung der Übertragung 1 204 Wohnimmobilienverwalter 1 226 World Chambers Federation Einf. 84
Zahl der Vollversammlungsmitglieder 5 33 Zahlungsverjährung 3 153 Zählwert 5 3; 5 6 Zeitpunkt der IHK-Wahl 5 35 Zerlegungsanteil 3 67 ff.; 3 71 Zollrecht – Unionszollkodex (UZK) 1 172; 1 176 – Zollunion 1 171 Zukauf 2 101; 3 108 Zusammenarbeit 10 10 Zusammenschlüsse von IHKs 3 8; 12 6 Zuwahl 5 41, 42, 43, 45; 5 46 Zuwendung 12 34 Zwangsvollstreckung 11 16 Zweckbindung 9 6 Zweckverband 2 142; 10 1, 2; 10 4 Zweigniederlassung 2 77 Zweigstellen 4 25 Zweitbescheid 3 63