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German Pages [764] Year 2005
Historische Schlesienforschung
NEUE FORSCHUNGEN ZUR SCHLESISCHEN GESCHICHTE Eine Schriftenreihe des Historischen Instituts der Universität Stuttgart herausgegeben von JOACHIM BAHLCKE und NORBERT CONRADS Band 11
HISTORISCHE SCHLESIENFORSCHUNG Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft HERAUSGEGEBEN VON JOACHIM BAHLCKE
2005 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Treppenhaus im ehemaligen Stadtbad in Breslau (Wroclaw), ulica Marii Curie-Sklodowkiej 1, erbaut 1912-1914 von Max Berg, Unteransicht. Aufnahme: Tobias Weger, Oldenburg
© 2005 by Böhlau Verlag G m b H & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 91390-0, Fax (0221) 91390-11 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Satz:Peter Kniesche medienDesign, Tönisvorst Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 3-412-20105-7
Inhaltsverzeichnis Joachim Β ah Icke Historische Schlesienforschung zwischen nationaler Verengung und disziplinärer Weitung. Zur Einführung
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Sebastian Brather Siedlungsarchäologie
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Wojciech Mrozowicz Handschriftenkunde
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Winfried Irgang Urkundenforschung
53
Detlef Haberland Druck- und Buchgeschichte
69
Norbert Kersken Historiographiegeschichte
93
Matthias Weber Rechts- und Verfassungsgeschichte
125
Arno Herzig Wirtschafts- und Sozialgeschichte
159
Thomas Wünsch Religionsgeschichte
185
Joachim Bahlcke Ständeforschung
207
Roland Gehrke Parlamentarismusforschung
235
VI
Inhaltsverzeichnis
Helmut Neubach Parteiengeschichte
267
Kai Struve Nationalismus- und Minderheitenforschung
293
Daniel Höhrath Militärgeschichte
323
Norbert Conrads Adelsgeschichte
347
Ulrich Schmilewski Stadtgeschichte
383
Andreas Rüther Höfe- und Residenzenforschung
407
Wolfgang Kessler O r t s - u n d Heimatgeschichte
431
Walter Schmitz Neue Kulturgeschichte
449
Maximilian Eiden Gedächtnisgeschichte
477
Karen Lambrecht Mentalitäts- und Alltagsgeschichte
511
Miroslawa Czarnecka Frauen- und Geschlechterforschung
527
Christine Absmeier Schul- und Bildungsgeschichte
543
Alexander Schunka Migrationsgeschichte
565
Christian Lötz Vertreibungsforschung
593
Inhaltsverzeichnis
VII
Tobias Weger Volkskunde
619
Jan Harasimowicz Kunstgeschichte
649
Beate Störtkuhl Architekturgeschichte Mitarbeiterverzeichnis
681 ;
719
Personenregister
721
Ortsregister
734
Joachim Bahlcke Historische Schlesienforschung zwischen nationaler Verengung und disziplinärer Weitung. Zur Einführung „Alle Cultur ist Nachahmung. Einer baut immer auf den Grund des anderen fort." Christian Garve, 1773
I.
Das Bemühen, den zeitlichen Ablauf der Ereignisse als sinnvollen Zusammenhang zu begreifen, steht am Anfang eines jeden Nachdenkens über den Geschichtsverlauf. In der Frühen Neuzeit waren es vor allem zwei Theorien vom Verlauf der Geschichte, mit deren Hilfe Philosophen, Poeten und Historiographen den eigenen Standort zwischen Vergangenheit und Zukunft qualitativ zu bestimmen suchten. Der historischen Zyklentheorie nach, die sich seit der Renaissance aus antiken Vorbildern gegen das aus dem Spätmittelalter überlieferte Verfallsdenken durchsetzte, gelangten Staatlichkeit und Kultur nach primitiven Anfängen mit der Zeit zu einem Höhepunkt, seien dann jedoch gesetzmäßig zu Dekadenz und Untergang verdammt. Eine andere, ungleich optimistischere Geschichtsdeutung stellte die Fortschrittstheorie dar, deren Vertreter von einer Zunahme menschlicher Erkenntnis und damit von einer allgemeinen, wenn auch nicht immer kontinuierlichen Fortentwicklung überzeugt waren. Die Vorstellung einer ständigen Vermehrbarkeit des Wissens durch Arbeit und produktive Tätigkeit wurde für das historische Selbstverständnis der Aufklärung prägend. 1 Das Geschichtsbild des Schlobach, Jochen: Zyklentheorie und Epochenmetaphorik. Studien zur bildlichen Sprache der Geschichtsreflexion in Frankreich von der Renaissance bis zur Frühaufklärung, München 1980 (Humanistische Bibliothek 1/7); ders.: Die klassisch-humanistische Zyklentheorie und ihre Anfechtung durch das Fortschrittsbewußtsein der französischen Frühaufklärung. In: Faber, Karl-Georg / Meier, Christian (Hg.): Historische Prozesse, München 1978 (Theorie der Geschichte. Beiträge zur Historik 2), 127-142; Rohbeck, Johannes: Die Fortschrittstheorie
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Fortschritts suchte sich in der Folge nicht nur eine neue Begrifflichkeit, es suchte sich auch neue Bilder, um die verschiedenen Stadien des Geschichtsverlaufs zu kennzeichnen - oder deutete zumindest ursprünglich zyklische Konzepte für die eigenen Bedürfnisse um. Vor allem die Metaphorik des Weges diente den Fortschrittstheoretikern des 18. Jahrhunderts dazu, das zielgerichtete Fortschreiten des Menschen und dessen ununterbrochenen Erkenntnisgewinn bildhaft auszudrücken. Der Breslauer Gelehrte Christian Garve (1742-1798), der sich in Preußen und besonders in Schlesien an den Diskussionen um Anliegen, Wege und Ziele der Aufklärung lebhaft beteiligte, faßte seine eigene fortschrittsorientierte Geschichts- und Kulturphilosophie in dem Satz zusammen: „Der Gang aller Dinge und besonders der Meinungen der Menschen, geht, wenn man die Geschichte aller Zeiten zu Rathe zieht, immer ununterbrochen vorwärts." 2
II. Die historische Schlesienforschung, deren Anfänge in die Zeit Christian Garves fallen, hat bis zur Gegenwart zahlreiche Wandlungen und Brüche erlebt, und mitunter scheint es, daß die einzelnen Phasen eher einem zyklischen Verlaufsmodell zuzuordnen sind als einer linearen, auf älteren Einsichten aufbauenden Fortentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Fortschrittsgläubigkeit des Breslauer Moralphilosophen jedenfalls wird man mit Blick auf die engere Fachgeschichte kaum teilen können. 3 Unterschiedliche Geschichtsbilder und Geschichtsdeutungen
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der Aufklärung. Französische und englische Geschichtsphilosophie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Frankfurt am Main/New York 1987. Zur Diskussion um die zyklische und fortschrittstheoretische Geschichtsauffassung in Preußen grundlegend Schröder, Claudia: „Siecle de Frederic II" und „Zeitalter der Aufklärung". Epochenbegriffe im geschichtlichen Selbstverständnis der A u f klärung, Berlin 2002 (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 21). Zit. nach Koch-Schwarzer, Leonie: Populäre Moralphilosophie und Volkskunde. Christian Garve ( 1 7 4 2 - 1 7 9 8 ) - Reflexionen zur Fachgeschichte, Marburg 1998 (Schriftenreihe der Kommission für deutsche und osteuropäische Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde 77), 4 1 1 (dort auch der Nachweis des obenstehenden Zitats, 401); zu Garves Kulturbegriff und Geschichtsphilosophie ausführlich ebd., 397-420. Eine die einzelnen Nationalhistoriographien gleichermaßen berücksichtigende, kritische Gesamtdarstellung der schlesischen Forschungsgeschichte gibt es bis heute nicht. Einzelne Ausschnitte behandeln Bobowski, Kazimierz / Gtadkiewicz, Ryszard / Wrzesmski, Wojciech (Hg.): Stan i potrzeby sl^skoznawczych badari humanistycznych, Wroclaw/Warszawa 1990; Matwijowski, Krystyn:
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der schlesischen Vergangenheit, die häufig vereinfachend als Folge der jüngeren deutsch-polnischen Beziehungs- und Konfliktgeschichte dargestellt werden, lassen sich fachgeschichtlich und fachorganisatorisch allerdings bis weit in das 18. Jahrhundert, in das in Schlesien .lange' konfessionelle Zeitalter also, zurückverfolgen. Der Blick auf die Vielfalt historischer Traditionsstränge und Identitäten, Wissensbestände und Erinnerungen, die Johann Jacob Füldener 1731 in seiner mehr als 700 Seiten umfassenden ,,Schlesische[n] Bibliothec Und Bücher-Historie" noch einmal eindrucksvoll dokumentierte, 4 wurde nur wenige Jahre später einem scharf gezogenen Gegensatz von .preußisch-protestantisch' und .österreichisch-katholisch' in der Geschichtsschreibung geopfert. Man lese exemplarisch die 1888 in der Schriftenreihe des Vereins für Reformationsgeschichte publizierte Abhandlung Heinrich Zieglers über die Gegenreformation in Schlesien, derzufolge 1740 „das schwer geprüfte, tief gesunkene, leiblich und geistig verarmte Schlesiervolk dem protestantischen Helden aus dem Hohenzollernhause" 5 jubelnd in die Arme gesunken sei, oder, unter umgekehrtem konfessionellen Vorzeichen, die 1908 in Breslau veröffentlichte „Kirchengeschichte Schlesiens" des Peiskretschamer Pfarrers Johannes Chrzaszcz (Chrzaszcz). 6 Der katholischprotestantische Gegensatz drohte sogar den renommierten „Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens" zu spalten und trug dazu bei, daß dessen Zeitschrift bis 1928 ohne Besprechungsteil erschien.7 Die gesell-
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Powojenne badania polskie nad nowozytnymi dziejami Sl^ska (wiek X V I X V I I I ) . In: Sl;*ski Kwartalnik Historyczny Sobotka 41 (1986) 3 6 7 - 3 8 3 ; Slezsko ν dejinäch ceskeho statu. Stav a ukoly vyzkumu, Opava 1991 (Präce Slezskeho ustavu C S A V ν Opave A 40); Bahlcke, Joachim: Die tschechische Geschichtsschreibung über Schlesien. V o n Palacky bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems. In: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 3 (1995) 189-213. Die älteren deutschen Beiträge von Markgraf, H[ermann]: Die Entwickelung der schlesischen G e schichtschreibung. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 23 (1888) 1 - 2 4 , überarbeitet in ders.: Kleine Schriften zur Geschichte Schlesiens und Breslaus, Breslau 1915 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau 12), 1 - 2 9 , und Dersch, Wilhelm: Vierzig Jahre schlesische Geschichtsforschung. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 65 (1931) 1 - 5 3 , sind bis heute nicht überholt. Füldener, Johann Jacob: Bio- & Bibliographia Silesiaca, Das ist: Schlesische Bibliothec Und Bücher-Historie [...], Breßlau 1731. Ziegler, Heinrich: Die Gegenreformation in Schlesien, Halle/Saale 1888 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 24), 142. Chrzaszcz, Johannes: Kirchengeschichte Schlesiens, Breslau 1908. Kessler, Wolfgang: Der Verein für Geschichte (und Altertum) Schlesiens und seine Veröffentlichungen 1846-1943. In: ders.: Zeitschrift für Geschichte (und Altertum) Schlesiens 1855-1943. Schlesische Geschichtsblätter 1908-1943. G e -
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schaftlichen, kulturellen und mentalitätsgeschichtlichen Auswirkungen des politisch-konfessionellen Antagonismus zwischen Preußen und Osterreich im Alten Reich und im östlichen Mitteleuropa, die Bildungsund Ausbildungswege beeinflußten und Themenschwerpunkte begünstigten oder ausblendeten, spiegeln sich zwangsläufig auch in der gesamten Historiographie in und über Schlesien seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wider. Vom borussisch-protestantischen Superioritätsanspruch gegenüber den Katholiken, nach dem der Sieg von Königgrätz als Triumph des Protestantismus über katholische Rückständigkeit und römischen Universalismus gefeiert wurde, war der Weg nicht weit zu einem Uberlegenheitsgefühl gegenüber den Slawen. 8 Nachweisen läßt sich dieser allmähliche Übergang, der sich auf Polen ebenso bezog wie auf Tschechen, an zahlreichen Einzelbeispielen. Aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist eine Kontroverse zwischen dem preußisch-kleindeutsch und protestantisch geprägten Historiker und Archivar Colmar Grünhagen, der wie die meisten Kollegen an der 1811 als Simultanuniversität erneuerten Breslauer Leopoldina eine deutsch-nationale Geschichtsauffassung vertrat, und Frantisek Palacky, dem bedeutenden Historiker und Politiker der tschechischen Nationalbewegung. Grünhagen veröffentlichte 1872, aufbauend auf eine im Jahr zuvor publizierte einschlägige Quellensammlung, ein umfassendes Werk über die Auseinandersetzungen der Schlesier mit den Hussiten im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts. 9 Die einem der wichtigsten Abschnitte der böhmischen Geschichte gewidmete Darstellung konnte Palacky nicht unbeachtet lassen, der überdies in seiner eigenen, ein beständiges Ringen zwischen slawischem und deutschem Element betonenden Geschichtskonzeption gerade die hussitische Bewegung als revolutionäre Wiedergeburt des Tschechentums interpretiert hatte.10 Die „prinzipiellen Gegensätze" zwischen den beiden Histori-
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samtinhaltsverzeichnis, Hannover 1984 (Schlesische Geschichtspflege 1), V XXII, hier X. Hardtwig, Wolfgang: Von Preußens Aufgabe in Deutschland zu Deutschlands Aufgabe in der Welt. Liberalismus und borussianisches Geschichtsbild zwischen Revolution und Imperialismus. In: ders.: Geschichtskultur und Wissenschaft, München 1990, 1 0 3 - 1 6 0 , hier 1 2 6 - 1 3 3 ; ders.: Staatsbewußtsein und Staatssymbolik im deutschen Kaiserreich. In: Rumpier, Helmut (Hg.): Innere Staatsbildung und gesellschaftliche Modernisierung in Osterreich und Deutschland 1867/71 bis 1914, München 1991, 4 1 - 5 2 . Grünhagen, Colmar (Hg.): Geschichtsquellen der Hussitenkriege, Breslau 1871 (Scriptores Rerum Silesiacarum 6); ders.: Die Hussitenkämpfe der Schlesier 1 4 2 0 1435, Breslau 1872. Staif, Jiri: Konceptualizace ceskych dejin Frantiska Palackeho. In: Cesky casopis historicky 89 (1991) 1 6 1 - 1 8 4 ; zur historiographiegeschichtlichen Einordnung
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kern, schrieb er Grünhagen am 18. Juni 1872, seien viel stärker, als er erwartet habe. „Es war betrübend für mich, wahrzunehmen, wie es einem auch noch so human und rechtlich denkenden Deutschen, wie Sie, unmöglich wird, die Genesis und das Streben des Hussitismus objectiv aufzufassen und zu würdigen." Grünhagen sehe in der ganzen Bewegung „a priori nur eine nationale Reaction gegen die Deutschen", er marginalisiere deren reformatorisches Anliegen, spreche verzerrend von „hussitischen Raubzügen" und - ähnlich wie Constantin Höfler, mit dem sich Palacky kurz zuvor einen heftigen Schlagabtausch geliefert hatte - von einer „Austreibung" der Deutschen aus der Prager Universität. Palackys Bewertung gipfelte gleichsam in der Frage: „Die wirkliche Gerechtigkeit - zumal den Slawen gegenüber - wann wird sie in der deutschen Geschichtschreibung die Oberhand gewinnen?" 11 Die Episode zeigt recht anschaulich das Aufeinanderprallen entgegengesetzter und doch zugleich einander entsprechender romantischnationaler Geschichtsentwürfe, die uns zwischen Ostsee und Adria, in einer strukturgeschichtlich und kultursoziologisch zusammengehörenden Geschichtsregion, seit dem Vormärz in vielfältiger Form begegnen. Daß sich in diesem multiethnisch geprägten Osten der kontinentalen Mitte mit seinen vielfältigen, einander überlagernden Identitätsbezügen konkurrierende Nationalbewegungen entwickelten, die in der Regel auf nicht miteinander zu vereinbarenden Konzeptionen der Geschichte der gemeinsam bewohnten Länder und Gebiete fußten, daß also die nationalpolitischen Abgrenzungen vom frühen 19. Jahrhundert bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert von nationalhistorischen Segmentierungen der Vergangenheit begleitet wurden, ist bis heute nicht in befriedigender Weise - und das kann nur heißen: konsequent vergleichend - aufgearbeitet worden.12 vgl. ders.: Historici, dejiny a spolecnost. Historiografie ν ceskych zeitlich od Palackeho a jeho predchüdcü po Gollovu skolu 1790-1900, Bd. 1 - 2 , Praha 1997. Palacky an Grünhagen, Malec 18. Juni 1872. Zit. nach Meinardus, [Otto]: Zu Colmar Grünhagens Gedächtnis. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 46 (1912) 1 - 6 5 (Zitate 49-51). Zum Hintergrund vgl. Koralka, Jiri: Frantisek Palacky (1798-1876). 2ivotopis, Praha 1998, 503-505, 613. Wichtige Anregungen hierzu bei Tägil, Sven (Hg.): Regions in Central Europe. The Legacy of History, London 1999; Deletant, Dennis / Hanak, Harry (Hg.): Historians as Nation-Builders. Central and South-East Europe, Basingstoke u. a. 1988; Hadler, Frank: Meistererzählungen über die erste Jahrtausendwende in Ostmitteleuropa. Deutungen des Jahres 1000 in Gesamtdarstellungen zur polnischen, ungarischen und tschechischen Nationalgeschichte. In: Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 10/2 (2000) 8 1 - 9 2 . Für die Frühe Neuzeit vgl. Bahlcke, Joachim / Strohmeyer, A r n o (Hg.): Die Konstruktion der Vergangenheit. Geschichtsdenken, Traditi-
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Der Blick der deutschen Historiographie auf das östliche Europa, der schon durch das Erbe des nationalstaatlichen Denkens im 19. Jahrhundert mit seiner engen Verbindung von Politik und Historie belastet war, wurde dann im Zeitalter der ideologischen Konfrontationen in hohem Maße politischer Instrumentalisierung ausgesetzt." In Schlesien, das nach dem Ersten Weltkrieg gleichsam über Nacht von zwei neuentstandenen slawischen Staaten umgeben war, lassen sich diese Veränderungen exemplarisch nachweisen: Aus der zwischen dem europäischen Westen und Osten vermittelnden „Brückenlandschaft" wurde nun - so der Titel einer Veröffentlichung Hermann Aubins, eines führenden Vertreters des neuen deutschtumszentrierten, nationalpolitisch und völkisch motivierten Paradigmas in der Geschichtswissenschaft - das „Ausfallstor deutscher Kultur nach dem Osten", das „Grenzland", das „ganz besondere Funktionen im deutschen und mitteleuropäischen Leben"14 habe wahrnehmen müssen. Die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau avancierte in den zwanziger Jahren neben der Königsberger Alma mater zu einem Zentrum der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem mitteleuropäischen Osten.15 Die von Aubin geformte „Schlesische Schule der Ostforschung" mit ihrer Präferenz für Volksgeschichte, Nationalpädagogik und Politikberatung kann unterdessen als ebenso gut erforscht gelten wie die deutsche historiographische Produktion zwischen den Weltkriegen. 16 Die wechselseitige Wahrnehmung der deutschen, polnischen sowie tschech(oslowak)ischen Schlesienforschung ist dagegen bis-
onsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa, Berlin 2002 (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 29). Zum Forschungsstand vgl. Mühle, Eduard: ,Ostforschung'. Beobachtungen zu Aufstieg und Niedergang eines geschichtswissenschaftlichen Paradigmas. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 46 (1997) 3 1 7 - 3 5 0 . Aubin, Hermann: Schlesien als Ausfallstor deutscher Kultur nach dem Osten im Mittelalter, Breslau 2 1942 [*1937], 5. Kulak, Teresa: Nauka i polityka. Uwagi nad udzialem srodowiska naukowego Uniwersytetu Wroclawskiego w ksztaltowaniu polityki i propagandy niemieckiej w latach 1 9 1 8 - 1 9 3 9 . In: dies. / Wrzesinski, Wojciech (Hg.): Studia i materialy ζ dziejow Uniwersytetu Wroclawskiego, Bd. 1: Studia nad przeszlosci^ i dniem dzisiejszym Uniwersytetu Wroclawskiego, Warszawa/Wroclaw 1989, 5 3 - 8 1 . Mühle, Eduard: Die „schlesische Schule der Ostforschung". Hermann Aubin und sein Breslauer Arbeitskreis in den Jahren des Nationalsozialismus. In: Halub, Marek /Manko-Matysiak, Anna (Hg.): Sl^ska Republika Uczonych - Schlesische Gelehrtenrepublik - Slezskä vedeckä obec, Wroclaw 2004, 568-607; in breiterem Zugriff ders.: Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung, Düsseldorf 2005 (Schriften des Bundesarchivs 65).
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her nicht überzeugend rekonstruiert worden. 1 7 So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, aus den im Breslauer Universitätsarchiv verwahrten Akten der Historischen Kommission f ü r Schlesien zu entnehmen, daß der 1938 von der Kommission publizierte erste Band der „Geschichte Schlesiens" als „unerläßliches Gegenwerk" gegen den fünf Jahre zuvor von der Krakauer Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Pilotband der „Historja Sl^ska" konzipiert wurde. 18 Geschichte wurde nicht nur in einer Historiographie zum Argument - mit den „Waffen der Wissenschaft" wurde an vielen Fronten Mitteleuropas gekämpft. 19 A u c h in den ersten beiden Jahrzehnten nach 1945 blieb die historische Schlesienforschung - im Zeichen von Antikommunismus, Vertriebenenschicksal, Kaltem Krieg und marxistisch-leninistischer Geschichtsdeutung - in Polen und der Tschechoslowakei ebenso wie im geteilten Deutschland von politischen Tagesinteressen, ideologischen Vorgaben und akademischen Tabuisierungen nicht unbeeinflußt. 20 Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Schlesien wurde jedoch nicht nur aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnissen untergeordnet, sie wurde auch politisch korrekt in die Zuständigkeit einzelner Staaten überwiesen. So vereinbarten nach Vorüberlegungen seitens des Historischen Instituts der Polnischen Akademie der Wissenschaften Mitte der fünfziger Jahre
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Nahezu unbeachtet blieb bisher beispielsweise die Studie von Lutman, Roman (Hg.): Stan i potrzeby nauki polskiej ο Sl^sku, Katowice 1936 (Pami^tnik Instytutu Sl^skiego 1). Die Erkenntnismöglichkeiten eines entsprechenden Vergleichs verdeutlichen die Beiträge in Piskorski, Jan M. / Hackmann, Jörg / Jaworski, Rudolf (Hg.): Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Disziplinen im Vergleich, Osnabrück/Poznan 2002 (Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung 1), sowie Hettling, Manfred (Hg.): Volksgeschichten im Europa der Zwischenkriegszeit, Göttingen 2003. Weber, Matthias: Uber die Notwendigkeit einer Standortbestimmung der historischen Schlesienforschung in Deutschland. In: ders. / Rabe, Carsten (Hg.): Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift für Norbert Conrads zum 60. Geburtstag, Würzburg 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens 4), 13-25, hier 19f. Vgl. exemplarisch Bahlcke, Joachim: „Mit den Waffen der Wissenschaft". Der sudetendeutsche Jurist und Rechtshistoriker Wilhelm Weizsäcker (1886-1961). Biographisch-bibliographische Anmerkungen. In: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 6 (1998) 175-210. Ktoczowski, Jerzy / Matwiejczyk, Witold / Mühle, Eduard (Hg.): Doswiadczenia przesztosci. Niemcy w Europie Srodkowo-Wschodniej w historiografii po 1945 / Erfahrungen der Vergangenheit. Deutsche und Ostmitteleuropa in der Historiographie nach 1945. Lublin/Marburg 2000 (Tagungen zur OstmitteleuropaForschung 9); Mühle: .Ostforschung', 336-349.
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tschechische und polnische Historiker in Troppau eine Arbeitsteilung für die künftige Schlesienforschung. Es sei überdies notwendig, „daß die Geschichte Schlesiens gleichzeitig zur Abwehr der Angriffe westdeutscher Revisionisten und zur Festigung der brüderlichen Bande des polnischen, tschechischen und deutschen Volkes [hier der Einwohner der Deutschen Demokratischen Republik, J. B.] beitrage".21 Von seiten Prags wurde die Ausarbeitung einer Geschichte Schlesiens in Polen gutgeheißen, die ein wissenschaftliches Bild der schlesischen Landeshistorie ausschließlich in enger Verbundenheit mit dem polnischen Gesamtterritorium anstrebe; eine Betrachtung des Oderlandes in den Grenzen der „Feudalzeit" und ein damit zwangsläufig verknüpftes Uberschreiten der gegenwärtigen Grenzen zwischen beiden Volksrepubliken schloß man konsequent aus. Bezeichnenderweise erschienen die Bände 11 und 12 der Publikationen des Schlesischen Studieninstituts in Troppau im Jahr 1955 ohne jeden Verweis auf die schlesischen Inhalte jeweils unter dem nüchternen Titel „Tschechisch-polnischer Sammelband wissenschaftlicher Arbeiten". 22 Als Forschungsobjekt ist die Geschichte Schlesiens nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Domäne der polnischen Geschichtswissenschaft geworden.23 Auch wenn, wie der Berliner Osteuropahistoriker Klaus Zernack 1992 schrieb, die historischen ostdeutschen Länder, die nach 1945 zum größten Teil in andere „nationale Lebenszusammenhänge" geraten seien, weiterhin in einem „historischen Lebenszusammenhang der
Grobelny, Andelin (Hg.): Κ otäzkäm dejin Slezska. Diskuse a materiäly ζ konference, Ostrava 1956 (Publikace Slezskeho studijniho ustavu 14), 1 5 1 - 1 5 3 (Zäverecnä usneseni), hier 151. Kudelka, Milan (Hg.): Cesko-polsky sbornik vedeckych praci, Bd. 1 - 2 , Praha 1955 (Publikace Slezskeho studijniho ustavu ν Opave 11-12). Zu dem nach dem Februarumsturz am 1. Mai 1948 gegründeten „Schlesischen Studieninstitut" vgl. Ficek, Viktor: Slezsky ustav od vzniku k soucasnosti. Κ dvacatemu vyroci osvobozeni. In: Slezsky sbornik 63 (1965) 2 2 1 - 2 3 2 . Weber, Matthias: Glowne koncepcje i skale wartosci badari historycznych nad Sl^skiem w Niemczech i w Polsce. In: Studia Shjskie 62 (2003) 141-157; ders.: Zur deutschen Historiographie über Schlesien seit 1945. In: Kloczowski / Matwiejczyk / Mühle (Hg.): Doswiadczenia przesztosci, 133-146; Kessler, Wolfgang: Zwischen Deutschland und Polen. Zu Geschichte und Geschichtsschreibung des preußischen Ostens und polnischen Westens. In: Weber, Matthias (Hg.): Deutschlands Osten - Polens Westen. Vergleichende Studien zur geschichtlichen Landeskunde, Frankfurt am Main u. a. 2001 (Mitteleuropa - Osteuropa. Oldenburger Beiträge zur Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas 2), 3 1 - 8 1 ; ders.: Neue Gesamtdarstellungen der Geschichte Schlesiens. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 52 (2003) 2 3 0 - 2 5 0 .
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deutschen Geschichte" 2 4 stünden - in der deutschen Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung wird man dies kaum als Selbstverständlichkeit verstehen dürfen. Es ist bezeichnend, daß die erste und bis 1989/90 einzige deutschsprachige Gesamtdarstellung der schlesischen Geschichte, die in den dreißiger Jahren in Breslau von dem bereits erwähnten Hermann Aubin initiiert worden war, erst Ende des 20. Jahrhunderts mit einem dritten Band bis zum Jahr 1945 abgeschlossen wurde. Eine halbe Generation nach der politischen Wende läßt sich eines gleichwohl klar erkennen: Die mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Mittel- und Osteuropa eingeleitete Epochenwende trug ganz entscheidend dazu bei, daß über Schlesien wieder gesprochen, debattiert und gestritten wird - und zwar offen, unverkrampft und ohne das für lange Jahrzehnte vorherrschende Mißtrauen auf der einen und den ständigen Legitimierungsdruck auf der anderen Seite. Kontroversen entwickeln sich in Sachfragen, nicht mehr aus nationalen Positionen. Die von Polen, Tschechen und Deutschen gemeinsam gestaltete Sektion auf dem Breslauer Historikertag 1999 über „Przelomy w historii", Umbrüche in der Geschichte, zeigte auch einer breiteren Öffentlichkeit, daß Historiker heute diesseits wie jenseits von Oder und Neiße neue, gemeinsame Fragen an die schlesische Geschichte stellen, die nicht das Trennende betonen, sondern das Verbindende suchen. 25 Das jüngste Beispiel der mittlerweile fast zur Selbstverständlichkeit gewordenen polnisch-deutsch-tschechischen Kooperation in der Schlesienforschung ist das von Breslauer Germanisten im Zusammenhang mit der 300-JahrFeier der Universität Breslau im Jahr 2002 initiierte, auf Fortsetzung hin angelegte Projekt der „Schlesischen Gelehrtenrepublik". 26
III. Nach der Lektüre dieses Buches wird man vielleicht nur noch unter Vorbehalt von der Schlesienforschung - im Singular - in Deutschland, Polen und Tschechien sprechen wollen. Denn zu unterschiedlich wirkten sich die seit dem 18. Jahrhundert variierenden Geschichtsbilder und Geschichtsdeutungen in den einzelnen historisch arbeitenden Teilberei-
Zernack, Klaus: Der historische Begriff „Ostdeutschland" und die deutsche Landesgeschichte. In: Nordost-Archiv N . F. 1 (1992) 157-173, hier 162. Kawalec, Krzysztof u. a. (Hg.): Przelomy w historii. X V I Powszechny Zjazd Historykow Polskich we Wroclawiu 1 5 - 1 8 wrzesnia 1999, Wroclaw 1999, 6 8 - 7 0 . Hatub, Marek / Manko-Matysiak, Anna: Silesiae Proprium - Res Publica Doctorum Silesiaca. In: dies. (Hg.): Sl^ska Republika Uczonych, 13-32.
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chen und Subdisziplinen aus, zu verschieden war der Grad der Indienstnahme einzelner Forschungsbereiche für außerwissenschaftliche Zwekke. Im Gegensatz zu früheren wissenschaftsgeschichtlichen Unternehmungen, bei denen die Ergebnisse der historischen Schlesienforschung nach nationalen Wissenschaftskulturen und Traditionen getrennt dargestellt und bewertet wurden, sollen hier in einem anderen Zugriff Genese und Entwicklung einzelner Forschungsfelder, methodischer Zugänge und historischer Teildisziplinen jenseits der sprachlich-nationalen Brechungen im Vordergrund stehen. Kontroversen um den vermeintlich nichtigen' Zugang zur Vergangenheit, innerfachliche Debatten um Tragweite und Aussagekraft einzelner methodischer Ansätze und Konkurrenzkämpfe zwischen Schulen wie Einzelpersonen hat es in der historischen Forschung in und über Schlesien wie andernorts auch gegeben; sie sind nur allzuoft marginalisiert worden, weil man sich letztlich einem konfessionellen oder ethnisch-nationalen Großlager zuordnete und damit andere Gegensätze zumindest in der Fremdwahrnehmung vorrangiger wurden. In einem weiteren Sinn wird dabei, ähnlich wie bei Brigitte BönischBrednichs wegweisender Studie über die Wissenschaftsgeschichte der Volkskunde in Schlesien,27 nach dem Zusammenhang von historischem Raum und wissenschaftlichem Ertrag gefragt. In Landschaften mit schwacher Urbanisierung etwa wird man kaum eine ausgeprägte Stadtgeschichtsforschung erwarten, und der Befund wird nicht überraschen, daß diese tatsächlich im Westen und im Osten Europas eine völlig andere Tradition und Intensität besitzt; umgekehrt ist es nicht verwunderlich, daß sich die Höfe- und Residenzenforschung und die Ständeforschung gerade des über lange Jahrhunderte territorial zerklüfteten und kleinräumig organisierten Oderlandes mit besonderem Nachdruck angenommen haben. Auch die Frage, wer in Schlesien geforscht habe, wer also beispielsweise einen Ruf an die Breslauer Universität annahm oder einen solchen Schritt für karrierehemmend hielt, ist nur mit Blick auf den Raum und dessen Wahrnehmung in konkreten Zeitabschnitten zu bewerten. Deutlich wird das Denken in Zentren und Peripherien etwa, wenn der eingangs zitierte Christian Garve aus Breslau am 27. März 1773 dem Berliner Verleger Friedrich Nicolai mitteilt, dieser sitze „wie die Spinne mitten im Gewebe, dessen äußersten Rand" 28 er, Garve, be-
Bönisch-Brednich, Brigitte: Volkskundliche Forschung in Schlesien. Eine Wissenschaftsgeschichte, Marburg 1994 (Schriftenreihe der Kommission für deutsche und osteuropäische Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde 68). Zit. nach Koch-Schwarzer: Populäre Moralphilosophie und Volkskunde, 150.
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rühre. Daß man sich in Schlesien als akademische Provinz empfand, klang in ähnlicher Form auch 1862 im Vorwort zur damals wichtigsten Kulturzeitschrift des Landes an, wenn es hieß, die Neue Folge der „Schlesischen Provinzialblätter" sei „ein Produkt des Deutschthums und deutschen Wesens in dieser Grenzmark deutschen Landes, ein Bindeglied, welches das nur zu oft vergessene, zu wenig beachtete und gekannte Schlesien näher an die Mitte deutschen Lebens"29 heranführe. Für die einzelnen Beiträge des vorliegenden Sammelbandes konnten namhafte Historiker, Literaturwissenschaftler, Kunst- und Architekturhistoriker sowie Ethnologen gewonnen werden. Sie alle haben sich bemüht, traditionsreiche ebenso wie jüngere Forschungsgebiete, Forschungsmethoden und kulturwissenschaftliche Zugangsweisen zur historischen Region Schlesien in knappen, allgemeinverständlichen Uberblicksbeiträgen darzustellen. Dabei ging es nicht primär um den historischen Gang der Ereignisse oder den strukturellen Verlauf der Geschichte Schlesiens. Aufgabe war vielmehr, die Genese und Entwicklung, die Errungenschaften und Leistungen, aber auch die Defizite und Desiderate einzelner Forschungsgebiete und Disziplinen darzustellen, wie sie im Bereich einer interdisziplinär arbeitenden, modernen und internationalen Geschichtswissenschaft diskutiert werden. Einige Arbeitsfelder können für die Region Schlesien teilweise auf eine lange Eigengeschichte und historische Tradition etwa im Bereich der Landesgeschichtsschreibung zurückblikken, andere sind bisher in weniger hohem Maße rezipiert worden oder erst jüngst im Rahmen einer disziplinaren Erweiterung von Geschichte als historischer Kulturwissenschaft zur Anwendung gekommen. Alle Autoren haben sich um eine gleichsam grenzüberschreitende Integration unterschiedlicher, bislang oft nur national wahrgenommener Forschungstraditionen bemüht. Trotz durchaus unterschiedlicher Voraussetzungen und Vorarbeiten in den einzelnen angesprochenen Disziplinen besitzen die Artikel jeweils eine einheitliche Binnengliederung, die den Zugriff erleichtern soll und den Leser zum diachronen Vergleich einlädt. Die Beiträge folgen einem viergliedrigen Schema. Der erste Teil dient einem einführenden historiographischen und/oder institutionengeschichtlichen Überblick über die bisherige Forschung. Der zweite Abschnitt vertieft die gewonnenen Erkenntnisse an einem konkreten Fallbeispiel, während der dritte offene Forschungsfragen und Desiderate anspricht sowie Forschungsperspektiven aufwirft. Jeder Beitrag enthält zudem viertens eine nach Quellen und Darstellungen getrennte Auswahlbibliographie mit grundlegender und
Zit. nach Bönisch-Brednich: Volkskundliche Forschung in Schlesien, 21.
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weiterführender Literatur, die dem Leser als Handreichung zur Vertiefung der Thematik dienen soll. Damit stellt der vorliegende Band nicht nur eine kritische Zusammenschau und Bilanz der bisherigen historischen Schlesienforschung dar. Er eröffnet zugleich auf methodisch innovative Weise Perspektiven weiterer Forschung. Die Idee zu diesem Sammelband entstand in Diskussionen am Projektbereich Schlesische Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart, der in diesem Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen feiert. Die Realisierung des Werkes innerhalb einer recht kurzen Zeit wäre nicht möglich gewesen ohne die Bereitschaft aller Autorinnen und Autoren, sich auf dieses Konzept einzulassen. Ihnen allen sei herzlich gedankt, ebenso wie den Stuttgarter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die redaktionelle Betreuung: Dr. Roland Gehrke, Dr. Alexander Schunka, Marie Müller, Kirsten Peters und Thomas Madeja. Es ist die Hoffnung des Herausgebers, daß das Werk zu einem modernen, interdisziplinären und grenzüberschreitenden Dialog einladen und dazu beitragen möge, ältere disziplinäre, vor allem aber nationale Verengungen der historischen Schlesienforschung zu benennen und zu hinterfragen, damit sie schließlich überwunden werden können. Stuttgart, im September 2005
Joachim Bahlcke
Sebastian Brather
Siedlungsarchäologie I. Ahnlich dem Begriff der Sozialgeschichte in der Geschichtswissenschaft besitzt die Bezeichnung Siedlungsarchäologie eine doppelte Bedeutung. Sie kann einerseits einen speziellen Zweig innerhalb der archäologischen Forschung bezeichnen, der sich hauptsächlich mit den Siedlungen selbst und Besiedlungsprozessen beschäftigt, und sie kann andererseits für eine breitangelegte, alle Befundgattungen einbeziehende Archäologie insgesamt benutzt werden. Beide Perspektiven nähern sich zunehmend einander an, denn eine Beschränkung auf Siedlungen läßt ζ. B. deren Abhängigkeit von naturräumlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen außer acht. Deshalb versucht man, unter einem erweiterten Blickwinkel „Landschafts-" oder „Umweltarchäologie" zu betreiben. Letztere bemüht sich vor allem um Zusammenhänge zwischen Besiedlung und Umwelt, wobei besonderes Augenmerk auf die wechselseitige Beeinflussung gelegt wird. Landschaftsarchäologische Ansätze streben die umfassende Rekonstruktion ganzer Regionen an und beziehen daher - zumindest konzeptionell - die Wahrnehmungen der Zeitgenossen ein.1 Die sehr schüttere schriftliche Uberlieferung für das frühe Mittelalter verlieh der archäologischen Forschung in Schlesien eine besondere Bedeutung, sobald deren siedlungsgeschichtliche Kompetenz anerkannt war. Doch auch für das hohe und noch das späte Mittelalter sind wesentliche Aussagen nur mit Hilfe der Archäologie möglich. Vor allem strukturelle Erkenntnisse zur Siedlungs- und Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte beruhen gänzlich oder überwiegend auf archäologischen Quellen. Uberall wurden Siedlungen erst recht spät zum Gegenstand der prähistorischen Archäologie. Im 19. Jahrhundert grub man Gräber aus, die leicht zu identifizieren waren und aus denen man mitunter „reiche" und
Steuer, Heiko: Art. Landschaftsarchäologie. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 17 (2001) 630-634.
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Sebastian Brather
wertvolle Objekte bergen konnte. Auf Grabfunden und ihren „Inventaren", d. h. den in ihnen enthaltenen Objekten und deren Kombinationen, beruhen die Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten und seitdem zunehmend verfeinerten Chronologien. Siedlungen vermochte man erst dann auszugraben, als deren archäologische Überreste ausgemacht werden konnten. Ließen sich steinerne Gebäude, wie sie der klassischen Archäologie als Quelle dienten, noch recht einfach an Hand der verbliebenen Mauern oder Fundamente rekonstruieren, so bedurften hölzerne Bauten eines anderen Zugangs. Dieser wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts mit der „Entdeckung des Pfostenlochs"2 gefunden, die bei Ausgrabungen am provinzialrömischen limes gelang. Programmatisch verwendete zuerst Gustaf Kossinna den Begriff „Siedlungsarchäologie" (1911), jedoch in einem völlig anderen Sinn. Ihm ging es um die kontinuierliche Geschichte von (germanischen) Bevölkerungen, die er aufgrund der Gräberfelder bzw. Fundtypenverbreitungen seit der Bronzezeit rekonstruierte; nach dem Ersten Weltkrieg war Kossinnas Konzept, das die Besiedlung anhand von Gräbern rekonstruieren wollte, bereits obsolet.3 Seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann man in Westeuropa mit großflächigen Siedlungsgrabungen, und zur gleichen Zeit wurden auch naturwissenschaftliche Analyseverfahren in breiterem Umfang erstmals eingesetzt. Für die Archäologie des frühen Mittelalters hatte das polnische „Milleniumsprojekt" der Nachkriegszeit besondere Bedeutung. Zur wissenschaftlichen Vorbereitung der Tausendjahrfeier des Piastenreichs wurden dem Kierownictwo badan nad poczqtkami paüstwa Polskiego seit 1946 erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt.4 Größere Ausgrabungen, die bleibenden Wert beanspruchen können, wurden an wichtigen Plätzen Großpolens (Posen, Gnesen, Oströw Lednicki) und Kleinpolens (Krakau), an der Ostseeküste (Stettin, Wollin, Danzig) und auch im schlesischen Oppeln unternommen. In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erreichte die Siedlungsarchäologie europaweit einen massiven Ausbau. Ihre Kon-
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Schuchhardt, Carl: Die Römerschanze bei Potsdam nach den Ausgrabungen 1908 und 1909. In: Prähistorische Zeitschrift 1 (1909) 2 0 9 - 2 3 8 , hier 215f. Kiekebusch, Albert: Art. Siedlungsarchäologie. In: Ebert, Max (Hg.): Reallexikon der Vorgeschichte 12 (1928) 102-117, sah zwar noch ebenso wie Kossinna die Beantwortung „ethnologischer Fragen" als zentrale (!) Aufgabe an, beklagte aber zugleich eindringlich, „daß wir bezüglich unserer Kenntnis der vorgeschichtlichen] Wohnstätten am meisten im Rückstände sind" (106). Für Schlesien ließ sich der früh- und hochmittelalterliche Hausbau seinerzeit noch auf einer Seite abhandeln; vgl. Kurtz, Heinrich: Slawische Bodenfunde in Schlesien, phil. Diss. Breslau 1936, 52f. Hensel, Witold: Potrzeba przygotowania wielkiej roznicy, Poznan 1946.
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zepte waren von funktionalistischen Grundannahmen geprägt. Im Mittelpunkt standen die Abhängigkeiten der Gesellschaften von den Umwelt· und Landschaftsbedingungen. Diese Sicht lag auch dem umfassenden Ansatz Herbert Jankuhns zugrunde, der seit seinen Ausgrabungen in Haithabu in den dreißiger Jahren die siedlungsarchäologische Forschung mitbestimmte. Jankuhns etwas unscharfer Formulierung zufolge ist es das Ziel der Siedlungsarchäologie, „auf der Grundlage archäologisch faßbaren und deutbaren Quellenmaterials Siedlungsprobleme und diese zunächst ohne Berücksichtigung stammeskundlicher oder ethnischer Aspekte zu studieren".5 Damit sind bereits alle archäologischen Quellengattungen - Siedlungen und Grabfunde, sakrale Bereiche und Depots, Rohstoffvorkommen und Produktionsanlagen, Wege und Transportmittel - einbezogen und zugleich Rückschlüsse auf Wirtschaft und Gesellschaft angestrebt.6 Jankuhns Ansatz befruchtete die polnische Frühmittelalterarchäologie, wurde seine „Einführung" doch auch ins Polnische übersetzt. Ungeachtet eines programmatisch umfassenden Ansatzes standen (und stehen oft bis heute) allein die Siedlungen selbst im Mittelpunkt einschlägiger Studien. Dies hat meist forschungspraktische Gründe. Bereits die großflächige Ausgrabung von Siedlungen erfordert beträchtliche finanzielle und personelle Mittel, die nur im Rahmen größerer Forschungsvorhaben bereitgestellt werden können. Die Berücksichtigung aller archäologisch relevanten Funde und Befunde - eine eingehende „archäologische Landesaufnahme" und umfassende Ausgrabungen - übersteigt nicht selten die Grenzen des Möglichen. Städte können beispielsweise, weil sie bis heute bestehen und ausgebaut wurden, auch gar nicht vollständig ausgegraben werden. Es ist aber - gezielte Stichproben an den entscheidenden Stellen vorausgesetzt - auch ohne „totalen" Ansatz sehr gut möglich, die wesentlichen Verhältnisse und Entwicklungen zu rekonstruieren. Es kommt daher auf quellenadäquate Forschungsstrategien und Interpretationen an, um die archäologischen Funde und Befunde angemessen auswerten und in umfassende historische Darstellungen einbeziehen zu können. Institution der (siedlungs-)archäologischen Forschung in Schlesien waren zunächst Museum und Denkmalpflege in Breslau. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam dazu vor allem der Zaklad, Archeologii Slqska des Instytut Historii Kultury Materialnej (später umbenannt in Instytut
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Jankuhn: Einführung in die Siedlungsarchäologie (1977), 6. Brather, Sebastian: Ethnische Interpretationen in der frühgeschichtlichen Archäologie. Geschichte, Grundlagen und Alternativen, Berlin/New York 2004 (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Ergänzungsbd. 42), 3 5 4 - 5 1 3 .
Sebastian Brather
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Archeologii i Etnologii) der Polnischen Akademie der Wissenschaften.7 Außerdem engagiert sich die jetzige Abteilung für Mittelalterarchäologie des Instituts für Archäologie der Breslauer Universität8 in einer Reihe entsprechender Untersuchungen, wozu nun vor allem Stadtkerngrabungen gehören.
II. Die siedlungsarchäologische Forschung besitzt - ebenso wie im übrigen Polen - in Schlesien drei zeitliche und historische Schwerpunkte im Mittelalter: erstens das frühe Mittelalter, in dem sich die „Slawisierung" und die Herausbildung neuer Siedlungsstrukturen vollzogen, zweitens die Entwicklung „vom Stamm zum Staat", d. h. die großräumige Herrschaftsbildung unter den frühen Piasten, und drittens die hoch- und spätmittelalterliche deutsche Ostsiedlung, die für Schlesien - im Vergleich etwa zu Groß- und Kleinpolen - von besonderer Bedeutung war. Auf diese drei Forschungsfelder sei unter siedlungsgeschichtlichem Blickwinkel im folgenden näher eingegangen.9 Zum besseren Verständnis einiger oft verwendeter chronologischer Begriffe werden diese hier tabellarisch zusammengestellt: , .. . . , „ . Hauptformen archäologische „ , ,. . polnische reriodisierung Zeitspanne . Λ .. der Keramik Stuieneliederune r
sierung
13. bis 15. Jh.
graue/rote Irdenware, Steinzeug
11. und 12. Jh.
Gurtfurchen- spätslawisch; Phase III ware
9. und 10. Jh.
Kammstrichware
mittelslawisch; Phase II
7. und 8. Jh.
unverzierte Ware
frühslawisch; Phase I
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deutsche τ» • j · Periodi-
spätes Γ165, , MittelMittelalter , alter hohes Staatsperiode Mittelalter "frühes Mittelalter frühes - Stammesperiode Mittelalter
http://www.arch.pan.wroc.pl [Zugriff am: 31.3.2005]. http://www.archeo.uni.wroc.pl [Zugriff am: 31.3.2005], Zur großräumigen Einordnung vgl. Brather: Archäologie der westlichen Slawen
(2001).
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Α. Neue Siedlungsstrukturen in der „Stammesperiode" Der Beginn slawischer Besiedlung ist bislang auch in Schlesien nicht genau zu datieren. Dafür sind drei Gründe zu nennen: die relative Schlichtheit der Sachkultur des frühesten Mittelalters, das weitgehende Fehlen von Grabfunden und der noch immer große Mangel an geeignetem Probenmaterial für naturwissenschaftliche Datierungen. Fast alle Datierungen beruhen deshalb auf Keramik, d. h. deren technischer und stilistischer Variation. Aus methodischen Gründen sind der chronologischen Genauigkeit damit enge Grenzen gesetzt, und dennoch wird die Relevanz der möglichen Aussagen häufig überschätzt.10 Archäologische Funde lassen sich seit dem 7. Jahrhundert sicher nachweisen, und erst aus dem 8. Jahrhundert liegen sie in großer Zahl vor." Das 6. Jahrhundert ist bislang nicht zu belegen. Dabei kann es sich durchaus um ein methodisches Problem der Archäologie handeln, denn daß in der Völkerwanderungszeit weite Landstriche Mitteleuropas über einhundert Jahre unbesiedelt waren, ist wenig wahrscheinlich. Die am besten und einzige großflächig untersuchte frühmittelalterliche Siedlung12 liegt nahe Herrndorf bei Glogau, die 1967 bis 1972 zu großen Teilen ausgegraben wurde. Auf etwa 2 ha Fläche ließen sich für Fundplatz 9 insgesamt 14 leicht eingetiefte, meist mit einer Feuerstelle versehene Grubenhäuser und 89 unregelmäßige flache Gruben, die als Reste direkt auf der Erdoberfläche errichteter Häuser zu interpretieren sind, erfassen.13 Dabei handelte es sich um Blockbauten, die mangels Holzerhaltung nicht häufig nachzuweisen, aber indirekt zu erschließen sind, während Pfostenhäuser bzw. die auf diese Bauweise hinweisenden Pfostenlöcher nur sehr selten vorkommen.14 Das Fundmaterial besteht weit überwiegend aus Keramikscherben, die kaum eine genaue zeitliche Einordnung erlauben; vorsichtig wird man das 7. und 8. Jahrhundert vermuten dürfen. Insgesamt kann der Befund von Herrndorf als repräsentativ für frühmittelalterliche ländliche Siedlungen in Schlesien gelten; ebenso lassen sich an ihm die zentralen methodischen Probleme beschreiben. 10
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Präzisere Datierungen, wie sie Wachowski: Proba periodyzacji (1996), 5 3 - 5 9 , für die Zeit zwischen 500 und 990 in einem 10-Phasen-Schema (!) vorschlägt, sind deshalb unpraktikabel. Ders.: Sl^sk w dobie przedpiastowskiej (1997), 12 Abb. 1. Alterer Stand bei Podwmska, Zofia: Zmiany form osadnictwa wiejskiego na ziemiach polskich we wczesnejszym sredniowieczu. 2reb, wies, opole, Wroclaw u. a. 1971. Parczewski: Zukowice (1989), 79 Tab. 11. Mozdzioch: Das mittelalterliche Dorf (1996), 284.
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Daß alle Häuser gleichzeitig bestanden, wird man nicht ohne weiteres annehmen können. Jede Phasengliederung kann sich - mangels stratigraphischer Überschneidungen - lediglich auf Unterschiede in den Keramikspektren stützen. Da aber Differenzen in Form und Herstellung nicht allein chronologisch bedingt sind, bleiben Spielräume. Zur inneren Struktur der Siedlung lassen sich angesichts des lockeren und gleichmäßigen Vorkommens der Hausreste'5 keine Aussagen machen; daß mehr als nur ein einzelnes Haus einer Familie zuzurechnen ist, wird man aufgrund der geringen Größe der Häuser voraussetzen dürfen. Höfe oder Betriebe können nicht abgegrenzt werden, weil Zäune bzw. deren Pfosten unbekannt geblieben sind. Die Diskussion darüber, ob es Gehöfte im Sinne bäuerlicher Betriebseinheiten bereits im frühen Mittelalter gab, ist deshalb recht theoretisch - klare Anhaltspunkte sind aus den archäologischen Befunden jedenfalls nicht herauszulesen.16 Soziale Unterschiede, d. h. Differenzierungen nach Besitz und Reichtum, lassen sich nicht ausmachen. Ebenso bleiben Vermutungen über „reihenförmige" Anordnungen von Häusern und die Anordnung um einen zentralen Platz mangels eindeutiger Belege noch immer hypothetisch. Hochrechnungen auf den Umfang von Lokalbevölkerungen scheitern bereits an der unscharfen Chronologie. Vor einigen Jahrzehnten wurden Grubenhäuser und ebenerdige (Block-)Bauten auf zwei unterschiedliche archäologische „Kulturen" und schließlich auf zwei Einwanderergruppen zurückgeführt,17 wobei Herrndorf gewissermaßen im Ubergangsbereich zwischen einem nördlichen Bereich ohne quadratische Grubenhäuser („Sukow-DziedziceGruppe") und einer südlichen Zone mit solchen Häusern („Prager Gruppe") liegt. Wahrscheinlicher als ein Zusammentreffen zweier Bevölkerungsgruppen ist heute eine naturräumliche und kulturlandschaftliche, möglicherweise auch zeitliche Differenzierung. Für Herrndorf ist das zeitliche Verhältnis beider Hausformen nicht klar, doch dürften
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Parczewski: Zukowice, 22 Abb. 12. Mozdzioch: Das mittelalterliche Dorf, 2 8 5 - 2 8 7 ; Donat, Peter: Aktuelle Fragen der Erforschung westslawischer Dorfsiedlungen. In: Kocka-Krenz, Hanna / t o smski, Wladyslaw (Hg.): Kraje slowiahskie w wiekach srednich. Profanum i sacrum. Collection of papers dedicated to Professor Zofia Hilczer-Kurnatowska on 45th anniversary of her scientific work, Poznan 1 9 9 8 , 1 8 7 - 1 9 9 . Herrmann, Joachim: Wanderungen und Landnahme im westslawischen Gebiet. In: Gli Slavi occidentali e meridionali nell'alto medioevo, Bd. 1, Spoleto 1983 (Settimane di studio del centro italiano di studi sull'alto medioevo 30/1), 7 5 - 1 0 1 ; Brather, Sebastian: The beginnings of Slavic settlement east of the river Elbe. In: Antiquity 78 (2004) 3 1 4 - 3 2 9 .
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Grubenhäuser angesichts der überregionalen Entwicklungstendenzen' 8 eher früh anzusetzen sein, wenngleich Micha! Parczewski anhand der Keramikfunde der gegenteiligen Ansicht zuneigt19 und in Beuthen an der Oder noch im hohen Mittelalter Grubenhäuser nachgewiesen sind.20 Dessen ungeachtet muß kein großer zeitlicher Abstand angenommen werden; vielmehr könnte die Siedlung von Herrndorf das verbreitete, aber trügerische Bild „reiner" Grubenhaussiedlungen korrigieren. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß beide Hausformen nebeneinander existierten und dabei vielleicht unterschiedlichen Zwecken dienten. Das Fehlen genauerer Datierungsanhaltspunkte macht es unmöglich, die Dauer des Bestehens der Siedlung von Herrndorf einzugrenzen. Für Regionalanalysen zur Siedlungsgeschichte und -struktur liegt darin ein erhebliches Unsicherheitspotential, denn sie setzen die Gleichzeitigkeit der archäologisch ermittelten Siedlungen voraus. Diese läßt sich aber weder belegen noch kann sie als wahrscheinlich gelten. Bis zur Anlage der spätmittelalterlichen Dörfer gab es keine Platzkonstanz der Siedlungen; diese wurden jeweils nach einigen Jahrzehnten verlegt. Die Ursachen für diese „Wandersiedlungen" sind bislang nicht deutlich; da es sich um Verlegungen über sehr kurze Distanzen handelte, können wirtschaftliche Hintergründe wie ζ. B. ausgelaugte Ackerböden weitgehend ausgeschlossen werden.21 Die Unscharfe archäologischer Datierungen bringt es mit sich, daß nicht nur Phasen innerhalb einer Siedlung kaum zu unterscheiden sind, sondern auch tatsächlich gleichzeitige, d. h. während einer Generation nebeneinander bestehende Siedlungen nicht identifiziert werden können. Sämtliche Karten täuschen daher eine dichtere Besiedlung vor, als sie wirklich existierte, werden doch Phasen ein und der-
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Salkovsky, Peter: Häuser in der frühmittelalterlichen slawischen Welt, Nitra 2001; Brather, Sebastian: Grubenhäuser in Ostmitteleuropa. Frühmittelalterliche „Hauslandschaften" oder slawische Einwanderung? In: Wilgocki, Eugeniusz u. a. (Hg.): Instantia est mater doctrinae. Ksi^ga jubileuszowa Prof. dr hab. Wladystaw Filipowiak, Szczecin 2001, 7 7 - 9 1 . Parczewski: Zukowice, 58. Mozdzioch, Stawomir: Die frühmittelalterliche Burg in „Bitom". In: GringmuthDallmer, Eike / Leciejewicz, Lech (Hg.): Forschungen zu Mensch und Umwelt im Odergebiet in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, Mainz 2002 (RömischGermanische Forschungen 60), 2 2 7 - 2 4 1 , hier 230. Allgemein Steuer, Heiko: Standortverschiebungen früher Siedlungen. Von der vorrömischen Eisenzeit bis zum frühen Mittelalter. In: Althoff, Gerd u. a. (Hg.): Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Karl Schmid zum fünfundsechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1988, 2 5 - 5 8 .
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selben Siedlung als verschiedene Siedlungen interpretiert. 22 Statistiken über die Zahl der Siedlungen, Burgwälle und Gräberfelder sowie deren zeitlicher Entwicklung müssen deshalb mit Vorsicht betrachtet werden; sie erlauben kaum mehr als eine ungefähre Vorstellung von Größenordnungen und Verhältnissen. Von diesen Interpretationsproblemen nicht betroffen ist allerdings die Rekonstruktion der Siedlungsgebiete insgesamt und ihrer Erstrekkung, wie sie für das frühe Mittelalter von Jerzy Lodowski für Niederschlesien und von Michal Parczewski für die Hochebene um Leobschütz vorliegen.23 Aus den Fundverbreitungen lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, was wirtschaftlich, d. h. hauptsächlich agrarisch, notwendig war. Die Existenz verschiedener regionaler „Siedlungsgefilde", getrennt durch dünn oder gar nicht besiedelte Areale (sofern sie nicht dem aktuellen Forschungsstand geschuldet sind), dürfte zunächst darin ihre Ursachen haben. Ob sie darüber hinaus mit „Stammesgebieten",24 d. h. politisch unterschiedlich organisierten Regionen, zu verbinden sind, bleibt unsicher. Die Nennungen von „Stammesnamen" stammen aus der Außensicht, erscheinen recht schematisch und können angesichts erheblicher sozialer Mobilität nicht als Beleg statischer Verhältnisse über Jahrhunderte angesehen werden.25 Bis in das 10. Jahrhundert ist nur eine sehr kleine Zahl von Bestattungen bekannt.26 Für Niederschlesien gibt Lodowski für die Zeit bis zum 10. Jahrhundert lediglich vier Gräberfelder gegenüber 251 Siedlungen und 89 Burgwällen an;27 für das hochmittelalterliche Schlesien insgesamt sieht das Verhältnis Stawomir Mozdzioch zufolge bereits deutlich anders aus: 67 Gräberfelder kommen auf 308 Siedlungen und 93 Burgwälle. 28 Frühmittelalterliche Bestattungen besaßen wie in Stubendorf oft einen 22
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Vgl. etwa die Zusammenstellungen von Fundplätzen bei Lodowski, Jerzy: Stan i potrzeby badan nad wczesnym sredniowieczem Sl^ska (VI-X w.). In: Kurnatowska (Hg.): Stan i potrzeby badari (1990), 173-185; Mozdzioch, Slawomir: Stan badad archeologicznych nad mlodszym podokresem wczesnego sredniowiecza na Sl^sku. Ebd., 187-199; Szydlowski, Jerzy / Ablamowicz, Dominik: Stan i potrzeby badari nad plemiennym osadnictwem grodowym gornego Sl^ska (VI-X w.). Ebd., 201-207. Lodowski: Dolny Shjsk (1980), Karte 3; Parczewski: Piaskowyz Glubczycki (1982), 96f. Abb. 24, lOOf. Abb. 26. Lodowski: Dolny Sl^sk, 121 Abb. 32. Mozdzioch: Archäologische Forschungen (1998), 282-284; Brather: Ethnische Interpretationen. Wachowski: Sl^sk w dobie przedpiastowskiej, 75-85. Lodowski: Dolny Sl^sk, 20. Mozdzioch: Organizacja gospodarcza (1990), 221 Tab. 1. Alle Zahlen stellen aufgrund der vagen Chronologie lediglich Näherungswerte dar.
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Grabhügel. 29 Da es sich aber um Leichenbrandschüttungen und -Streuungen handelte,30 sind diese Gräber - besonders in Regionen intensiver moderner Bewirtschaftung - nur selten (und dann in peripheren Arealen) erhalten. Massive Steinsetzungen und Holzkonstruktionen wie in Bankwitz und Lichtenberg II erleichtern mitunter die archäologische Entdeckung. Sowohl zur Rekonstruktion von Siedlungsgebieten als auch für präzise Datierungen können die seltenen Grabfunde leider kaum dienen. Erst die im 10. Jahrhundert, wohl in mittelbarem Zusammenhang mit der Christianisierung einsetzenden Körperbestattungen sind in recht großer Zahl erfaßt worden, 31 wofür die Befunde von Nimptsch II genannt seien.32 B. „Vom Stamm zum Staat". Entstehung und Frühzeit des Piastenreichs 33 Mit Blick auf die Entstehung des Piastenreichs, aber auch grundsätzlich schienen der Forschung früh- und hochmittelalterliche Burgwälle von Beginn an besonders interessant zu sein, galten sie doch als Orte der Herrschaft und als „Fluchtburgen". Bereits im späten 19. Jahrhundert waren mit der ungefähren Datierung in das frühe und hohe Mittelalter und der Interpretation als Befestigungen (und nicht mehr als „Heiligtümer") die methodischen Voraussetzungen geschaffen.34 Allerdings hat die Fixierung auf Burgenuntersuchungen zu einem etwas einseitigen Bild geführt, das die Archäologie erst im Laufe der Zeit und noch immer nicht ganz korrigieren konnte. Größere Ausgrabungen an Burgwällen setzten im frühen 20. Jahrhundert ein, wofür Gerhard Bersus Untersuchungen in Striegau 1911 bis 1913 als Beispiel stehen mögen. Mehrere Wallschnitte erbrachten damals entscheidenden Aufschluß über die SteinHolz-Erde-Konstruktion der Befestigungen. Die Innenfläche wurde nicht untersucht, und die Rekonstruktion von Kasematten sowie die Vermutung einer „in der Grundrißanordnung starke[n] Beziehung zur byzan-
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Pazda: Wczesnosredniowieczne cmentarzysko kurhanowe (1983). Kurtz: Bodenfunde, 60, meinte noch, „daß die Slawen Schlesiens nur die Körperbestattung gekannt haben". Wachowski: Cmentarzyska (1975). Kazmierczyk / Wachowski: Cmentarzysko szkieletowe (1976); Jaworski, Krzysztof: Uwagi ο grzebiennictwie dolnosl^skim na przelomie X i XI wieku. Na marginesie zorwazan nad dwoma zabytkami ζ Niemczy i Wroclawia. In: KockaKrenz / t o s m s k i (Hg.): Kraje slowianskie w wiekach srednich, 4 1 9 ^ 2 8 . Leciejewicz (Hg.): O d plemienia do paristwa (1991). Soehnel, Hermann: Die Burgwälle Schlesiens nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 6 (1896) 89-106.
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tinischen Befestigungstechnik" 35 bleiben hypothetisch. Die Anlage gehört den jungslawischen Keramikfunden zufolge in das 11. bis D . J a h r hundert. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden kleinere Schnitte auf verschiedenen schlesischen Burgwällen angelegt, so in Gustau, Kleinitz und Poppschütz. 36 Diese kleinen Rundwälle datierte man anhand der Funde, d. h. typologisch, schon in das 6.17. Jahrhundert. Hintergrund dieser Interpretation war die Vorstellung, ältere germanische Vorbilder für den slawischen Burgenbau in Anspruch nehmen zu können und damit indirekt eine eigenständige historische Entwicklung im frühmittelalterlichen Schlesien wenn nicht zu bestreiten, so doch zu minimieren. 37 Nach 1945 knüpfte die polnische Forschung zunächst an diese Frühdatierungen an,38 da sie sich nun in ein Konzept langfristiger autochthoner Entwicklung einordnen ließen, das Jozef Kostrzewski für andere Regionen Polens bereits zwischen den Weltkriegen vehement vertreten hatte. 39 Nüchterne Durchsicht des Fundmaterials und naturwissenschaftliche Daten aus der benachbarten Niederlausitz 40 zeigen inzwischen, daß diese Rundwälle eindeutig in das 9. und 10. Jahrhundert gehören. 41 Daraus ergibt sich für die Siedlungslandschaften eine wichtige Folgerung: Burgwälle bildeten nicht von Beginn an ein zentrales Element der Siedlungsstrukturen, sondern wurden „sekundär" hinzugebaut. 42 Sie repräsentieren eine entscheidende Entwicklung, doch bedeutet ihr wahrscheinliches Fehlen vor dem 9. Jahrhundert nicht, daß kleinregionale Herrschaften sich noch nicht entwickelt hatten - sie bedurften jedenfalls noch keiner Befestigungen. 35 36
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Bersu: Der Breite Berg (1930), 41. Langenheim, Kurt: Ein wichtiger frühslawischer Siedlungsfund vom „Schmiedeberg" bei Gustau, Kr. Glogau. In: Altschlesien 8 (1939) 104-127; Petersen, Ernst: Der Burgwall von Kleinitz, Kr. Grünberg. Ebd., 7 (1937) 5 9 - 9 3 ; Jahn, Martin: Der Burgwall von Poppschütz, Kr. Freystadt. Ebd., 7 (1937) 9 3 - 1 1 2 . Petersen, Ernst: Der ostelbische Raum als germanisches Kraftfeld im Lichte der Bodenfunde des 6 . - 8 . Jahrhunderts, Leipzig 1939. Lodowski: Dolny ijl^sk, 97. Kostrzewski, Jozef: Zur Frage der Siedlungsstetigkeit in der Urgeschichte Polens. Von der Mitte des II. Jahrtausends v. u. Z. bis zum frühen Mittelalter, Wroclaw/ Warszawa/Krakow 1965. Henning, Joachim: Archäologische Forschungen an Ringwällen in Niederungslage. Die Niederlausitz als Burgenlandschaft des östlichen Mitteleuropas im frühen Mittelalter. In: ders. / Ruttkay (Hg.): Frühmittelalterlicher Burgenbau (1998), 9 29. Rzeznik: Wznowienie badan wykopaliskowych (1997). Mozdzioch: Archäologische Forschungen; ders.: Wczesosredniowieczne grody sl^skie a owczesne podzialy plemienne. In: Kocka-Krenz / Losmski (Hg.): Kraje slowianskie w wiekach srednich, 9 9 - 1 1 4 .
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Die Bezeichnung hochmittelalterlicher Burgen als „frühstädtische" Zentren bedeutet, sie als „Vorreiter" innerhalb einer agrarischen Welt zu betrachten und in eine evolutionäre Perspektive „auf dem Weg" zur mittelalterlichen Stadt einzureihen. Lange Zeit, bis hinein in die achtziger Jahre, verwendete man den Begriff extensiv: Im Ergebnis galt nahezu jeder Burgwall als frühstädtisches Zentrum, darunter auch manche frühmittelalterliche Anlage; gelegentlich sprach man auch einfach von „Städten".43 Damit schienen eigenständige und kontinuierliche Entwicklungen bereits seit der späten „Stammeszeit" stattgefunden zu haben, angesichts derer die Veränderungen des hohen und späten Mittelalters als lediglich gradueller Fortschritt galten. Es ist vor allem das Verdienst Siawomir Mozdziochs, durch einen breiten Ansatz und eine nüchterne Quellenanalyse zu einer fundierten Neubewertung beigetragen zu haben, auch wenn bereits zuvor der Begriff „Frühstadt" allmählich auf hochmittelalterliche Anlagen eingeengt worden war. Aufgrund der Analyse der hochmittelalterlichen Siedlungsstrukturen Schlesiens suchte Mozdzioch die „zentralen Orte" zu ermitteln und zu differenzieren. 44 Dabei zeigte sich, daß der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entscheidende Bedeutung zukommt. Seit dieser Zeit lassen sich zentralörtliche Funktionen im näheren Umfeld wichtiger Burgen feststellen. Archäologisch können insbesondere Produktion (Halbfabrikate und Abfall) und Austausch („Fremdgüter" und Silberschatzfunde 45 ) nachgewiesen werden.46 Klare Hinweise gibt es darüber hinaus für fortifikatorische und militärische Funktionen. Kultische, aber vor allem politische und administrative Funktionen hinterlassen kaum auswertbare Spuren im Boden, doch waren sie offenbar der maßgebliche Antrieb. Die politische Herrschaft der Piasten bedeutete einen entscheidenden Schritt, denn erst im Gefolge der politischen Konsolidierung und der „Burgenorganisation" - entwickelten sich frühstädtische Zentren, d. h. Siedlungsagglomerationen oder Burg-Siedlungs-Komplexe mit vielfältigen zentralen Funktionen für das weitere Umland (Abb. 1). Doch nicht jede „Kastellaneiburg" kann als „frühstädtisch" charakterisiert werden.47 Die aufgrund spezifischer Ortsnamen erschlossenen „Dienstsied43
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Exemplarisch Hensel, Witold: Anfänge der Städte bei den Ost- und Westslawen, Bautzen 1967. Mozdzioch: Organizacja gospodarcza; ders.: Miejsca centralne Polski wczesnopiastowskiej (1999), 2 1 - 5 1 . Ders.: Konsekwencje gospodarcze (1991). Ders.: Organizacja gospodarcza, 2 3 2 - 2 4 0 Tab. 9. Ders.: Zur Genese der Lokationsstädte (1995), 1 5 1 - 1 5 6 ; ders.: Problemy badan nad pocz^tkami miast i wsi% wczesnosredniowiecznq w Polsce. In: Slavia Antiqua 37 (1997) 39-63; ders.: W czesnomiejskie zespoly osadnicze (1991), 85-102.
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keine Ballung zentralörtlicher Funktionen im frühen Mittelalter
früh städtisch er Siedlungskomplex im hohen Mittelalter
spätmittelalterliche Stadt Abb. 1. Räumliche Verteilung zentralörtlicher Funktionen während des Mittelalters. Schematische Darstellung der Entwicklung von der Burg mit Umland über die „Burgstadt" mit Vorburgsiedlung(en) bis zur Stadt. Verändert nach Mozdzioch: Zur Genese der Lokationsstädte in Polen in stadtgeschichtlicher Sicht. In: Brachmann (Hg.): Burg - Burgstadt - Stadt (1995), 149-160, hier 158 Abb. 7.
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lungen"48 des hohen Mittelalters sind archäologisch bislang nicht eindeutig zu fassen. Für keine Siedlung ließ sich eine Spezialisierung auf einen einzigen Handwerkszweig nachweisen. Vermutlich suggerieren die Siedlungsnamen eine solch einseitige Ausrichtung nur, während tatsächlich von verschiedenen abhängigen Handwerkern auszugehen ist. Zu den ersten Ausgrabungen in wichtigen hochmittelalterlichen Zentralorten gehören die Untersuchungen in Oppeln in den frühen dreißiger Jahren49 und hauptsächlich zwischen 1948 und 1978.50 Auf einer Oderinsel gegenüber der mittelalterlichen Stadt legte man im Bereich der Burg ausgedehnte Flächen frei, wobei etwa 60 Prozent der Innenfläche untersucht werden konnten. Die Ausgrabungen deckten eine Wallanlage von etwa 70 m Innendurchmesser auf, in deren Innerem entlang hölzerner Wege recht dicht gedrängt Blockbauten standen. Die Häuser wurden fast immer unmittelbar an derselben Stelle wiedererrichtet. Neue Analysen zeigen, daß gleichzeitig nur etwa 30 bis 50 Häuser standen und damit ältere Schätzungen über den Bevölkerungsumfang deutlich zu hoch ausgefallen sind. Uberhaupt bot das Feuchtbodenmilieu gute Erhaltungsbedingungen für organisches Material. Die ältesten Befunde sind - noch ohne Jahrringdaten - in das späte 10. Jahrhundert datiert worden; die jüngeren reichen bis in das mittlere 13. Jahrhundert. In Breslau lag das politische und religiöse Zentrum auf der Dominsel.51 Hier befand sich nordwestlich des späteren Doms wohl seit der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts 52 eine große, aus Burg (im Westen) und Vorburg bestehende Befestigung mit einer dichten hölzernen Innenbebauung aus Block- und Flechtwandhäusern; die Häuser scheinen dabei zunehmend in gleicher Ausrichtung, regelmäßig „angeordnet" errichtet worden zu sein. Uber die Abfolge verschiedener Wall- und Grabenphasen besteht angesichts begrenzter Grabungsschnitte keine endgültige Klarheit. Unter dem bestehenden Dom konnten bei langjährigen Ausgrabungen Reste mehrerer Vorgängerbauten entdeckt werden, deren
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Lübke, Christian: Wirtschaft und Arbeit im östlichen Mitteleuropa. Die Spezialisierung menschlicher Tätigkeit im Spiegel der hochmittelalterlichen Toponymie in den Herrschaftsgebieten von Piasten, Premysliden und Arpaden, Stuttgart 1991 (Glossar zur frühmittelalterlichen Geschichte im östlichen Europa, Beiheft 7). Raschke, Georg: Die Entdeckung des frühgeschichtlichen Oppeln. In: Altschlesien 3 (1931) 2 6 1 - 2 6 6 . Bukowska-Gedigowa / Gediga: Wczesnosredniowieczny grod (1986). Kazmierczyk: Ku poczjjtkom Wroctawia, Bd. 1 - 3 (1991-1995). Mozdzioch: Archäologische Forschungen, 279, gibt 945 als ältestes Jahrringdatum an.
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ältester noch in das 10. Jahrhundert datiert wird." Am linken Oderufer, südwestlich der Dominsel und im östlichen Bereich der späteren Stadt, existierte im 11./12. Jahrhundert eine weitere Siedlung mit handwerklicher Produktion (Grubenhäuser) und Markt.54 Durch sie verlief die Verbindung über die Oder hinweg, die hier durch die Sandinsel leicht zu überqueren war und an der unmittelbar der Burgwall am rechten Ufer gelegen war. Nördlich der Dominsel befand sich auf dem Elbing (Olbin) eine weitere Siedlung (suburbium) des 11./12. Jahrhunderts; ihr ging ohne Kontinuität - eine Siedlung mit Grubenhäusern des 8. Jahrhunderts voraus. Im 12. Jahrhundert entstand dort das Kloster St. Vincent mit umfänglichem Bauhandwerk, in dessen Nähe sich der archäologisch noch nicht identifizierte Hof Peter Wlasts befand.55 Insgesamt bildete das hochmittelalterliche Breslau eine komplexe Agglomeration funktional differenzierter Siedlungsbereiche. Ebenso wie in Breslau und Oppeln sowie andernorts ist historisch interessant, ob die frühesten Burgen noch unter der Herrschaft der böhmischen Premysliden oder erst in der Zeit der frühen Piasten errichtet wurden. Neuere und präzise Datierungen, vor allem Jahrringdaten, zeigen zunächst, daß diese im 11. und 12. Jahrhundert bedeutenden Anlagen plastischer Herrschaft nicht vor dem 10. Jahrhundert entstanden und also keine weit in die „Stammeszeit" zurückreichende Geschichte besitzen. Noch in die Zeit böhmischer Herrschaft gehen nach gegenwärtiger Kenntnis die Anfänge von Breslau (erste Hälfte des 10. Jahrhunderts), Nimptsch und Oppeln (sechziger Jahre des 10. Jahrhunderts) zurück.56 Zunächst scheinen diese Anlagen politischen und administrativen Zwecken gedient zu haben; Hinweise auf hervorgehobene wirtschaftliche Funktionen (Handwerk und Handel) verdichten sich erst seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Kleinere Burgen wie in Glogau57 und Ritschen58 entstanden wohl erst seit dem späten 10. Jahrhundert, und viele reichen nicht vor das 11. Jahrhundert zurück, wie in Sandewalde und Ratibor. Verläßliche Datierungen setzen jedoch Reihen von Jahr-
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Malachowicz, Edmund: Die Domkirche von Breslau (Wroclaw). In: Wieczorek, Alfried / Hinz, Hans-Martin (Hg.): Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie, Stuttgart 2000, 5 0 7 - 5 1 0 , hier 5 0 8 - 5 1 0 Abb. 344-346. Kazmierczyk: Wroclaw lewobrzezny, Bd. 1 - 2 (1966-1970). Piekalski: Wroclaw sredniowieczny (1991). Leciejewicz: Die Frühstadt in Schlesien (1991), 167. Hendel, Zenon: Glogow wczesnosredniowieczny w swietle badari archeologicznych. In: Studia i materialy ζ dziejow Gtogowa 3 (1993) 25-43; Mozdzioch: A r chäologische Forschungen, 279, gibt als Jahrringdatum 983 an. Kramarek: Wczesnosredniowieczne grodziska Ryczynskie (1969).
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ringdaten voraus, die allein Schichten und Baubefunde zeitlich präzise einzuordnen erlauben. Da sie bislang nur unzureichend vorliegen, lassen sich Verhältnisse und Entwicklungen erst in Grundzügen beschreiben. Neue Grabungen in Beuthen setzen auch die dortige Wallanlage in das mittlere 11. bis mittlere 13. Jahrhundert. Die bislang untersuchten Bereiche der Innenbebauung mit wenigen Gruben- und zahlreichen ebenerdigen Häusern gleichen denen offener Siedlungen. 59 Offene Siedlungen des hohen Mittelalters unterscheiden sich nicht prinzipiell von ihren Vorläufern der Zeit vor 1000. Ein Beispiel bietet Hartlieb, Fundplatz 6, etwa 8 km südlich Breslaus gelegen. Der Plan der Siedlung des 11. bis 13. Jahrhunderts zeigt auf etwa 5000 m 2 ein dichtes Nebeneinander von rund einem Dutzend Grubenhäusern und vielen Resten wohl ebenerdiger Bauten, die als Nebengebäude angesehen werden.60 Man wird - angesichts der großen Anzahl und einiger scheinbar „separat" gelegener Feuerstellen - aber ebenso mit ebenerdigen Wohnbauten rechnen müssen, die wahrscheinlich sogar dominierten. Kultplätze und heilige Orte sind archäologisch nur schwer auszumachen, weil die Befunde meist recht unspezifisch ausfallen. 6 ' Dennoch dürfen diese Plätze bei der Rekonstruktion von Siedlungsstrukturen nicht vernachlässigt werden, stellten sie doch wichtige Zeichen in der Landschaft dar. Für Schlesien ist der Zobten besonders interessant. Auf dem Gipfel des mehr als 700 m hohen und weithin sichtbaren Berges sowie auf dessen nordöstlicher Flanke sind eine Reihe früh- und hochmittelalterlicher Funde gemacht worden. 62 Genauere Datierungen verbieten sich jedoch, weil die Keramikscherben keinerlei Befunden zugeordnet werden können. So ist auch nicht (mehr) zu entscheiden, ob sich auf dem Plateau eine Siedlung und/oder ein Heiligtum befanden. 63 Der Berg war jedenfalls in die umgebende Siedlungslandschaft unmittelbar einbezogen. Zur Ermittlung regionaler Siedlungsstrukturen müssen - neben der Berücksichtigung der Siedlungen und der nahegelegenen Gräberfelder, von Burgen und religiösen Orten - auch wirtschaftlich wichtige Plätze einbezogen werden. Dazu gehören u. a. die Mahlsteinbrüche am Zob"
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Mozdzioch, Slawomir: Kasztelania bytomska - losy wczesnosredniowiecznego srodka wladzy. In: ders. (Hg.): Lokalne osrodki wladzy panstwowej (1993), 261— 292; ders.: Die frühmittelalterliche Burg. Kolenda: Osada wczesnosredniowieczna (2001), 178 Abb. 24. Für den Burgwall von Gustau und die Breslauer Dominsel vgl. Mozdzioch, Slawomir: Archeologiczne slady kultu poganskiego na Sl^sku wczesnosredniowiecznym. In: ders. (Hg.): Czlowiek, sacrum, srodowisko. Miejsca kultu we wczesnym sredniowieczu, Wroclaw 2000 (Spotkania Bytomskie 4), 1 5 5 - 1 9 3 . Domanski: Sl?za (2002), 100 Karte 4 , 1 0 5 Karte 5, Taf. 2 1 - 2 8 . Die Befestigungen stammen wohl erst aus dem späten Mittelalter.
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ten,64 die allerdings nicht besonders präzise datiert sind. Überhaupt sind Rohstofflagerstätten archäologisch nicht leicht aufzufinden oder gar zeitlich einzuordnen. Siedlungsstrukturen werden in der Archäologie gern mit einem funktionalistischen Konzept von „Zentrum und Peripherie" erfaßt.65 Das Augenmerk lag dabei lange Zeit auf den Zentren wie Breslau oder Oppeln. Diese lassen sich in ihrer Bedeutung jedoch erst dann genauer beurteilen, wenn das nähere Umland in die Betrachtung einbezogen wird. 66 Deshalb brauchen die Peripherien künftig mehr Aufmerksamkeit, um die Wechselbeziehungen zu den Zentren angemessen erklären zu können. C. Deutsche Ostsiedlung und spätmittelalterlicher Landesausbau Archäologische Stadtkernforschungen setzten - wesentlich durch die großen Kriegszerstörungen bedingt - erst nach 1945 ein.67 Die am besten archäologisch untersuchte Stadt ist Breslau, in deren mittelalterlichem Zentrum zahlreiche Ausgrabungen stattfanden.68 Sie betreffen dennoch nur einen sehr kleinen Teil der bebauten Fläche und werden zudem fast allein durch moderne Bautätigkeiten bestimmt. Die wichtigsten und ergiebigsten Stadtkern-Untersuchungen fanden in Breslau, Glogau69 und Oppeln statt, doch konzentrierten sie sich in den beiden zuletzt genannten Städten auf Befunde des hohen Mittelalters; weitere Ausgrabungen betrafen u. a. Ratibor, Neisse, Liegnitz und Schweidnitz. 70 Von den älteren frühstädtischen Zentren lassen sich eindeutige Kontinuitäten zu den neugegründeten Städten feststellen, auch wenn diese rechtlich, wirtschaftlich und politisch etwas völlig Neues waren.71 Den Zusammenhang zeigt bereits die unmittelbare Nachbarschaft alter und neuer Zentren wie in Breslau, Glogau, Oppeln und Liegnitz. Dennoch lagen die Städte, wie die Ausgrabungen eindeutig zeigen, eben nicht am selben Platz, sondern 64
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Jahn, Martin: Eine frühgeschichtliche Mahlsteinindustrie am Siling (Zobten). In: Altschlesien 2 (1929) 282-289. Mozdzioch (Hg.): Centrum (1999). Mtynarska-Kaletynowa: Wroclaw (1986), 18 Karte 1, 32 Karte 3, 81 Karte 4, 178 Karte 7. Gediga: Überblick (1990), 167. Busko / Piekalski: Die Altstadt (1995/96), 157 Abb. 2. Mozdzioch: D w a wielkie plany (1996). Chorowska, Malgorzata / Lasota, Czeslaw: Zabudowa rynku swidnickiego do p o l o w y X V I wieku. In: Piekalski, Jerzy / Wachowski, Krzysztof (Hg.): £redniowieczny Slqsk i Czechy. Centrum redniowiecznego miasta. Wroclaw a Europa srodkowa, Wroclaw 2000 (Wratislavia antiqua 2), 349-367. Mozdzioch: Dwa wielkie plany (1996); Hendel / Mozdzioch: Die frühstädtischen Siedlungskomplexe (1996).
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unmittelbar benachbart. Nimptsch scheint diesbezüglich eine Ausnahme gewesen zu sein, denn hier befand sich die Stadt im Bereich des älteren Walls. Herrschaftssitze hatten dagegen häufig Bestand. Der zentrale Breslauer Markt („Großer Ring") war Gegenstand eines umfassend abgestimmten Forschungsprojekts der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts. 72 Die koordinierte Auswertung der im Vorfeld umfangreicher Baumaßnahmen ausgegrabenen Befunde erlaubt grundsätzliche Aussagen zur Siedlungsentwicklung und Bebauung in diesem zentralen Bereich der spätmittelalterlichen Stadt. Eine vorangehende Besiedlung kann ausgeschlossen werden, wenngleich östlich des Rings eine ältere hochmittelalterliche Siedlung bestand. Die bislang zur Verfügung stehenden Jahrringdaten sind noch gering an Zahl, doch scheint demnach die Bebauung unmittelbar am Ring wohl in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts oder etwas später eingesetzt zu haben. 73 Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert lassen sich verschiedene Bauweisen giebelständiger Backsteinbauten unterscheiden, die grosso modo zu hohen und komplexen Häusern führten. 74 Die ältesten steinernen Bürgerhäuser Breslaus standen um den Ring, wie zahlreiche Keller des 13. Jahrhunderts belegen; die hofseitige Bebauung stammt dort meist aus dem 14./15. Jahrhundert. Einen Häuserblock weiter westlich - zwischen Herrenstraße (ul. Kielbasnicza) und Büttnerstraße (ul. Rzeznicza) - zeigt sich eine Verzögerung: Dort lösten die ältesten straßenseitigen Steinbauten im 14. und 15. Jahrhundert ältere Fachwerkhäuser ab, und die Häuser im Hofbereich wurden erst im 15./16. Jahrhundert in Stein errichtet. 75 Auf dem Ring selbst gehören Planierungen und Verfüllungen in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts; im 14. Jahrhundert wurden bis zu 1,5 m mächtige Dung- und Abfallschichten abgelagert. Schichten des 15. Jahrhunderts fehlen, weil sie entweder später beseitigt wurden oder weil man seit dieser Zeit verstärkt auf die Reinhaltung des Platzes achtete. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts können Krämerbuden auf dem Ring belegt werden. 76
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Busko (Hg.): Rynek wroclawski, Bd. 1 (2001); Piekalski (Hg.): Rynek wroctawski, Bd. 2 (2002). Mlynarska-Kaletynowa (Hg.): Atlas historyczny (2001), Taf. 2c. Piekalski: Wczesne domy mieszczan (2004), 198f. Abb. 8 3 - 8 4 ; Chorowska: Sredniowieczna kamienica mieszczariska (1994). Mlynarska-Kaletynowa: Atlas historyczny, Taf. 5. Zur Bebauung auf dem Ring (Rathaus, Tuchhallen, Stapel- und Verkaufseinrichtungen) vgl. Czerner, Rafat / Lasota, Czeslaw: Sredniowieczne murowane obiekty handlowe na rynku wroctawskim. In: Piekalski / Wachowski (Hg.): Sredniowieczny Slqsk i Czechy, 3 3 1 - 3 4 7 .
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Die Rekonstruktion von Alltags- und Sachkultur des späten Mittelalters ist zu großen Teilen das Arbeitsgebiet der Archäologie/ 7 Als Beispiel mag die Untersuchung zweier benachbarter Grundstücke in der Breslauer Stockgasse (ul. Wi^zienna) 10-11 stehen, die von 1989 bis 1991 seitens der Universität unternommen wurde.78 Zunächst läßt sich die Bebauung seit dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts rekonstruieren; sie bestand aus in Teilbereichen unterkellerten Fachwerk- 79 und seit dem 15. Jahrhundert aus Backsteinbauten im vorderen Grundstückbereich, während auf dem Hof Blockbauten und Flechtwandhäuser (und möglicherweise auch Palisaden80) nachzuweisen sind, die wirtschaftlichen Zwecken dienten (Kammproduktion 81 im späten 13., Gerberei im 15. Jahrhundert). Die beste Kenntnis besitzt man über die „romanischen" Keller, da diese - im Unterschied zu häufig neu- oder umgebauten Häusern - selbst oft unverändert erhalten blieben.82 Im 15. Jahrhundert wurde die - im innerstädtischen Vergleich - mittelgroße Parzelle geteilt. Haushaltsausstattungen wurden zu erheblichen Teilen in den rückwärtigen Kloaken und Latrinen entsorgt, so daß sie nur teilweise rekonstruiert werden können, doch erhellen sie ζ. B. Lebensbedingungen und „Lebensstile" (Geschirr, Geräte und Werkzeuge, Schmuck und Kleidung, Spielzeuge und Musikinstrumente, Beleuchtung83). Auch ein Kachelofen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gehört hierher; die christlichen Bildmotive auf den Kacheln scheinen auf wechselnde Bewohner hinzuweisen, denn zuvor werden das weitgehende Fehlen von Schweineknochen unter dem Abfall und schriftliche Quellen als Indiz für die Anwesenheit jüdischer Familien gewertet. Ausgrabungen wie diese müssen Grundstücke vollständig erfassen, um relevante Aussagen zur Bebauung, Nutzung und Veränderung von Parzellen ergeben zu können. Da Grabungsflächen, verursacht durch 77
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Piekalski, Jerzy (Hg.): Wroclaw na przelomie sredniowiecza i czasow n o w o z y t nych. Materialne przejawy zycia codziennego, Wroclaw 2004 (Wratislavia antiqua 6). Busko / Piekalski (Hg.): Ze studiow (1999). Auch andernorts in Breslau archäologisch nachgewiesen. Vgl. Piekalski: Wczesne do my mieszczan, 177 Abb. 75, 179 Abb. 76, 180 Abb. 77. Die Gefache konnten dabei unterschiedlich ausgefüllt sein. Darüber hinaus Pfostenbauten. Vgl. ebd., 175 Abb. 74. Zur Knochen- und Geweihverarbeitung Jaworski, Krzysztof: Wytworczosc rogownicza we Wroclawiu przed i po X-wiecznym przelomie. In: Wachowski (Hg.): Kultura (1998), 73-86. V o m Breslauer Ring sind daher zahlreiche Keller des 13. Jahrhunderts erhalten: Piekalski: Wczesne domy mieszczan, 195 Abb. 82. Firszt, Stanislaw: Oswietlenie w sredniowiecznym miescie sl^skim. In: Silesia Antiqua 41 (2000) 83-93.
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moderne Baumaßnahmen, meist über das jeweilige Stadtareal verstreut liegen, dürfen daraus keine isolierten Siedlungsbereiche rekonstruiert werden. In der abwägenden Kombination ermöglichen sie auch bei begrenzten Flächen außerdem viele Rückschlüsse auf Straßenverläufe und Marktsituationen, Befestigungen und die städtische Topographie insgesamt.84 Kultur, Alltag und Wirtschaft wurden bereits genannt und gehen über die unmittelbaren Interessen der Siedlungsarchäologie hinaus. Daß Ostsiedlung und Städtegründungen im 13. Jahrhundert grundlegende kulturelle Veränderungen bedeuteten, steht heute außer Frage. ss Dies betrifft die Siedlungsformen - Städte, Dörfer, Burgen - ebenso wie Haustypen und die archäologisch auffällige Keramik. An die Stelle der auf Töpfe beschränkten, uniformen Gurtfurchenware traten binnen kurzem neue Irdenwaren sowie Steinzeuge, die eine erstaunliche Formenvielfalt und Qualitätsdifferenzierung kannten. 86 Während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde in Breslau die hochmittelalterliche, „spätslawische" Gurtfurchenware vollständig durch die graue Irdenware abgelöst. 87 Außerhalb der Städte ist die Siedlungsarchäologie des späten Mittelalters in Schlesien bislang unterentwickelt. Ausgrabungen von Wüstungen fehlen noch immer, 88 obwohl sie besonders detaillierte Aufschlüsse zu Haus und Hof, Wirtschaft und Alltag ländlicher Siedlungen versprechen, wurden die aufgegebenen Dörfer doch nicht durch neuzeitliche Uberbauung gestört. Das Interesse für die Wüstungsforschung ist in Polen noch zu wecken, während manche Ausgrabung in Klöstern unternommen wurde. In spätmittelalterlichen Burgen fanden hauptsächlich baugeschichtliche Untersuchungen statt.89 Ausgrabungen betrafen lediglich Burgen in Städten wie ζ. B. in Ratibor, wo ein Holz-Erde-Wall nicht nur für das 13. Jahrhundert, sondern auch bis zum Ende des Mittelalters nachgewiesen werden konnte, innerhalb dessen jedoch steinerne Burggebäude standen. Ein weiteres Beispiel ist Liegnitz mit aufschlußreichen Ergebnissen zu einer romanischen Burganlage. 90 Zielgerichtete Ausgrabungen
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Piekalski: Von Köln nach Krakau (2001). Busko, Cezary: Sl^sk w X I I i XIII wieku. Zderzenie Kultur. In: Wachowski (Hg.): Kultura, 155-159. Rzeznik: Przemiany wytwörczosci garncarskiej (1998). Mozdzioch: Dwa wielkie plany, 33 Abb. 1. Ders.: Das mittelalterliche Dorf, 292. Boguszewicz: Przemiany (1998). Rozp?dowski: Zamek romanski (1971), 5 - 4 5 .
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in der Burg Lehnhaus bei Lähn 91 führten zu dem überraschenden Ergebnis, daß umfangreiche Siedlungsabfälle des 12. Jahrhunderts eine ältere Anlage mit Holz-Erde-Wall voraussetzen. Diese Befunde lassen burgenarchäologische Forschungen für viele weitere Orte besonders interessant und wichtig erscheinen. Auch die Montanarchäologie steckt noch in den Anfängen. Am Beispiel des Goldbergbaus seit dem 12./13. Jahrhundert, vor allem um Hirschberg, Goldberg und Löwenberg, weist Stanislaw Firszt zu recht sowohl auf die wirtschaftliche Bedeutung des Bergbaus als auch auf direkte Zusammenhänge mit den seinerzeitigen Städtegründungen hin. 92 Im Gelände konnten bei unternommenen Surveys neben Bergbauspuren - Schächten, Halden, Schlämmfeldern - auch zahlreiche Grenzsteine entdeckt werden. 93 Für das oberschlesische Beuthen spielte der Blei- und Silberbergbau im 13. und 14. Jahrhundert eine entscheidende Rolle; auf dem Areal der Altstadt selbst sind mehrere Bergbauschächte entdeckt und ausgegraben worden. 94 Außerdem fanden sich Hinweise auf die Erzverarbeitung an O r t und Stelle.
III. Siedlungsarchäologische Untersuchungen gehören längst zum Alltag der Forschung. Ungeachtet aller Konzepte beschränken sie sich - bei weitem nicht nur in Schlesien - oft noch immer auf die Siedlungen selbst. Doch auch diese sind, da sie nur sehr selten großflächig ausgegraben wurden, in ihrer inneren Struktur noch kaum zu beurteilen. Es kommt deshalb zunächst auf moderne, großflächige Ausgrabungen an. Große Bauvorhaben wie der Wohnungs- und Industrie-, Straßen-, Eisenbahn- und Pipelinebau führen zwar zu erheblichen Zerstörungen archäologischer Quellen - sie bieten aber auch einmalige Chancen für Forschungsprojekte, indem sie zur Finanzierung wissenschaftlich interessanter Vorhaben wesentlich beitragen. Darüber hinaus gilt es, die zahlreichen bereits ausgegrabenen, oft nur aus kurzen Vorberichten bekannten Befunde detailliert zu publizieren, um sie der Forschung zugänglich zu machen. Auch zahlreiche kleine Schnitte in den Innenstädten sind von Bedeutung, " 92 93
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Busko, Cezary / Niegoda, Jerzy / Piekalski, Jerzy: Badania na zamku Wienskim w latach 1993-1994. In: Shjskie Sprawozdania Archeologiczne 27 (1996) 2 7 7 - 2 8 7 . Firszt: Gornictwo ziota (1999). Ders.: Wyniki badan archeologicznych nad gornictwem zlota przeprowadzonych w okolicach Jeleniej Gory w latach 1992-1997. In: Silesia Antiqua 40 (1999) 115-132. Szydlowski, Jerzy: Mittelalterlicher Erzbergbau (1993), 364 Abb. 2.
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wenn sie in einen umfassenden archäologischen Zusammenhang eingeordnet werden (können). Ein weiteres Problem stellen die bislang unzureichenden Datierungen dar. Keramikchronologien können nur ungefähre Anhaltspunkte bieten und sind deshalb als Grundlage für historische Schlüsse ungeeignet. Sofern sich Holz erhalten hat und in größerer Zahl geborgen werden kann, um große Datenserien zusammenzustellen, wird die Dendrochronologie in den nächsten Jahren neue Perspektiven eröffnen. Für das frühe und hohe Mittelalter wird der Burgenbau (Wall und Graben) gut datiert werden können, und auch ländliche Siedlungen lassen sich dann anhand der Brunnen recht präzise zeitlich einordnen - und als „Wandersiedlungen" zugleich in ihrer zeitlichen Abfolge bestimmen. 95 Hinsichtlich der spätmittelalterlichen Städte werden sie es künftig erlauben, die tatsächliche Siedlungsentwicklung einerseits und die schriftlich überlieferten rechtlichen Verhältnisse andererseits einander gegenüberzustellen. 96 Es gilt zu klären, ob Stadtrechtsverleihungen lediglich die bestehende Situation bestätigten oder neue Verhältnisse schufen, des weiteren, wie die Entwicklung der städtischen Bebauung im einzelnen aussah. Unter diesen beiden Voraussetzungen - großflächige Ausgrabungen und präzise Datierung - muß die Siedlungslandschaft untersucht werden. Am besten eignen sich dazu Kleinregionen, in denen neben verschiedenen Siedlungstypen auch Gräberfelder, Ackerfluren und Weideflächen, Rohstofflagerstätten, Wege und Kultplätze zu berücksichtigen sind. Deren detaillierte Erfassung gelingt eher in einem eng begrenzten Raum als in großen, weder topographisch noch archäologisch zu überschauenden Gebieten. Seit langem wird dabei die Beziehung der Besiedlung zu Wasserhaushalt, Relief und Böden thematisiert. Die funktionalistische Sicht einer einseitigen Abhängigkeit hat allmählich einer differenzierten Perspektive Platz gemacht, die umgekehrt auch den Einfluß der Gesellschaften auf ihre - längst nicht mehr natürlich geprägte - Umwelt analysiert. Solche „umweltarchäologischen" Ansätze bildeten die Grundlage eines Schlesien zumindest tangierenden „Oder-Projekts". 9 7 Obwohl nicht wenige archäo-zoologische und archäo-botanische Analysen vorliegen, bedarf die mittelalterliche Landwirtschaft noch detaillierter und verglei95 96
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Henning / Ruttkay (Hg.): Frühmittelalterlicher Burgenbau. Westphal, Thorsten: Frühe Stadtentwicklung zwischen mittlerer Elbe und unterer Oder zwischen ca. 1 1 5 0 - 1 3 0 0 aufgrund der dendrochronologischen Daten, Bonn 2002 (Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 86), 2 8 155. Gringmuth-Dallmer, Eike / Leciejewicz, Lech (Hg.): Forschungen zu Mensch und Umwelt im Odergebiet in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, Mainz 2002 (Römisch-Germanische Forschungen 60).
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chender Untersuchungen, um sowohl allgemeine Tendenzen als auch regionale und lokale Besonderheiten zu erkennen. 98 Dann wird sich auch kulturell und nicht wirtschaftlich bzw. ökologisch bestimmtes Verhalten gegenüber der Umwelt deutlicher erkennen lassen. Unter dem Begriff „Landschaftsarchäologie" firmieren Ansätze, die zusätzlich die Wahrnehmungen und Konzeptualisierungen der Zeitgenossen einzubeziehen versuchen. Dies mag im Detail schwierig sein, doch daß die Schutzlage und Repräsentativität von Burgwällen, die vielerorts sichtbaren Grabhügel und heilige Orte wie der über der Ebene „thronende" Zobten das Bild der Landschaft prägten, ist kaum zu bezweifeln. Angesichts dessen ist auch zu fragen, inwieweit der Verlauf von Kommunikationsrouten darauf Rücksicht nahm bzw. umgekehrt. Für das späte Mittelalter sind außerdem Richtstätten als Landmarken zu berücksichtigen." Wieder stärker an den Siedlungen müssen sich Untersuchungen zur Organisation der Kulturlandschaft orientieren; dabei kommen Verhältnis und Funktionsdifferenzierungen zwischen offenen und befestigten Siedlungen des frühen Mittelalters ins Spiel, und auch die politische Strukturierung - die man nicht unbedingt als ethnisch geprägte „Stammesgebiete" verstehen muß - gewinnt an Aufmerksamkeit. Die Siedlungsarchäologie des Mittelalters kommt nicht ohne Berücksichtigung der Schriftquellen aus. In der Gegenüberstellung beider Quellengattungen liegt eine große methodische Chance, sofern nicht zwanghaft nach direkter Übereinstimmung gesucht wird. Beider spezifische Aussagekraft gilt es auszuschöpfen und in der Kombination ein umfassendes und detailliertes Bild zu gewinnen. 100 Die beiderseitige Kooperation mit der historischen Stadt- und Dorfforschung, der Burgengeschichte und Wüstungsforschung, der Siedlungsgeographie sowie der Bau- und Kunstgeschichte ermöglicht erst eine fundierte Siedlungsforschung, von den zahlreichen naturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen einmal ganz abgesehen. Letztlich muß ein vergleichender siedlungsarchäologischer Ansatz auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen im Detail einbeziehen, um zu einer ausgewogenen Rekonstruktion zu gelangen, denn alle diese Aspekte lassen sich inhaltlich nicht voneinander trennen. Dabei geht es schließlich nicht um die Suche nach etwaigen Ursprüngen, sondern um die möglichst genaue Erfassung der zeitgenössischen Verhältnisse und ihrer Veränderungen.
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Zahlreiche Angaben zur Viehhaltung anhand der Tierknochen bei Lodowski: D o l n y Sl^sk, 137-149; Mozdzioch: Organizacja gospodarzca, 228f. Tab. 5. Zu Prangern vgl. Milka, J o z e f / Milka, Witold: Pr^gierze. Kamienne pomniki dawnego prawa na D o l n y m Sl^sku, Bd. 1 - 2 , Swidnica 1991-1992. Steuer: Entstehung und Entwicklung der Archäologie (1997/98).
Siedlungsarchäologie
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Siedlungsarchäologie
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Wojciech Mrozowicz
Handschriftenkunde Im Andenken an Staszek K^dzielski (f 6. März 2005)
I.
U m die Frage nach dem Stellenwert der Handschriftenkunde im Rahmen der historischen Schlesienforschung zu beantworten, müssen zuerst zwei generelle Probleme angesprochen werden:' Es geht um eine Definition der Kodikologie - diese Bezeichnung wird hier synonym zum Terminus Handschriftenkunde benutzt - und um das Verständnis des Terminus schlesische Handschriften. Gemäß heutiger Auffassung beschäftigt sich die Kodikologie mit dem Studium des handgeschriebenen, allgemein als literarisch verstandenen, nichtamtlichen Buches aus der Zeit vor Erfindung der Druckkunst. Sie betrachtet das Buch als ein einmaliges Denkmal der materiellen Kultur und untersucht seine gesellschaftliche Funktion und Bedeutung als eine kulturelle Erscheinung und ein Medium der gesellschaftlichen Kommunikation. 2 Unter der Bezeichnung ,schlesische Handschriften' wären sinnvoll all jene Handschriften zu fassen, die in Schlesien niedergeschrieben und dort aufbewahrt wurden bzw. werden. Auf diese Weise würde sich der Begriff jedoch nicht nur auf die Handschriften schlesischen Inhalts erstrecken, sondern auf alle Manuskripte, die sich in schlesischen Bibliotheken befinden. Die inhaltliche Gliederung des vorhandenen Materials in ,schlesisch' und ,nichtschlesisch' wäre unter
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Herrn Dr. Leslaw Spychala, der mir seinen noch nicht veröffentlichten Wegweiser durch die Handschriftenbestände der Universitätsbibliothek Wroclaw/ Breslau zur Verfügung gestellt hat, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Derolez, Albert: La codicologie et les etudes medievales. In: Hamesse, Jacqueline (Hg.): Bilan et perspectives des etudes medievales en Europe, Louvain-La-Neuve 1995 (Textes et Etudes du Moyen Äge 3), 371-386; Hlaväcek, Ivan: Kodikologie. In: ders. / Kaspar, Jaroslav / N o v y , Rostislav: Vademecum pomocnych ved historickych, Praha 21994 ['1993], 237-265; Potkowski, Edward: Problemy kodykologii. In: Rokosz, Mieczyslaw (Hg.): Tradycje i perspektywy nauk pomocniczych historii w Polsce, Krakow 1995, 195-207.
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Wojciech Mrozowicz
dem Gesichtspunkt der Thematik des vorliegenden Bandes wohl begründet, könnte aber das Bild der in Schlesien durchgeführten handschriftenkundlichen Forschungen wesentlich verzerren. Die größten Sammlungen mittelalterlicher Handschriften in Schlesien befanden sich vor dem Zweiten Weltkrieg in der Breslauer Staats- und Universitätsbibliothek sowie in der dortigen Stadtbibliothek. 3 Diese beiden Bibliotheken entstanden als Folge der Zusammenlegung kleinerer schlesischer Sammlungen. Im ersten Fall wurden die Bestände der um 1810/11 säkularisierten neunzig schlesischen Klöster, des ehemaligen Breslauer Jesuiten-Kollegs (Leopoldina) und der vormaligen Viadrina in Frankfurt an der Oder zu einer Kollektion zusammengefügt." In der Stadtbibliothek wurden ferner in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Sammlungen der Breslauer Bibliotheken aus der Elisabeth-, der Maria-Magdalena- sowie der Bernhardin-Kirche vereinigt. 5 Die wissenschaftliche Auswertung schlesischer mittelalterlicher Handschriften wurde vor dem Zweiten Weltkrieg vor allem in den beiden genannten Bibliotheken vorgenommen. Dabei wurden wertvolle Ergebnisse erzielt, 6 die in veröffentlichte ebenso wie in unpublizierte Arbeiten einflossen. 7 An erster Stelle sind hier Handschriftenkataloge zu nennen. Die Mehrheit der Sammlungen, die in den Bestand der heutigen Uni-
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Allgemein zur Geschichte der Handschriftensammlungen der Universitätsbibliothek Breslau vgl. Spychala, Leslaw: Wroclaw - Biblioteka Uniwersytecka. O d dzial R^kopisow. In: Kamolowa / Sieniatycka (Hg.): Zbiory r^kopisow (2003), 514-538, hier 516f.; Walter, Mieczyslaw: Zbiory r^kopismienne Biblioteki Uniwersyteckiej we Wrodawiu. In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 14 (1959) 592-595; Kape: Die Geschichte der wissenschaftlichen Bibliotheken (1993); Ozog: Zarys historii Biblioteki (1995); Anders / Beckmann / Klöker (Hg.): Breslau - Wroclaw (2001). Zu den Beständen der ehemaligen Universitätsbibliothek Breslau vgl. Milkau, Fritz: Die Königliche und Universitäts-Bibliothek zu Breslau. Eine Skizze, Breslau 1911, 5, 23-41; Ständer: Die Handschriften (1899); Spychala: Wroclaw - Biblioteka Uniwersytecka, 517-522. Zur Säkularisation der Klöster vgl. Halub: Johann Gustav Büsching (1997); Walter, Mieczyslaw: Pruska sekularyzacja klasztoröw w dziejach Biblioteki Uniwersyteckiej we Wroclawiu, Wroclaw 1957. Zu den Beständen der ehemaligen Stadtbibliothek Breslau vgl. Hippe, Max: Zur Vorgeschichte der Breslauer Stadtbibliothek. In: Leyh, Georg (Hg.): Aufsätze Fritz Milkau gewidmet, Leipzig 1921, 162-176; Skura, Adam: Biblioteki wrociawskie w czasie wojny 1939-1945, Opole 1955, 8-10; Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau (1997), 1 5 ^ 9 ; Spychala: Wroclaw - Biblioteka Uniwersytecka, 522524. Swierk, Alfred: Slqskie ksi^gozbiory historyczne w swietle historiografii niemieckiej. In: Gladkiewicz (Hg.): Historyczne ksi^gozbiory (1977), 27—46, hier 27. Mrozowicz: Stan opracowania (1988).
Handschriftenkunde
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versitätsbibliothek eingegliedert wurden, besaß eigene, zumeist handgeschriebene Kataloge. Verschiedentlich regte ihre Bearbeitung zu einer Neuordnung des schlesischen Bibliothekssystems an. Kurz nach der Einrichtung der Universitätsbibliothek hatte der erste Kustos, Johann Christoph Friedrich, den Catalogus codicum scriptorum qui in Bibliotheca Regia ac Academica Wratislaviensi servantur geschaffen,8 der bis zum Zweiten Weltkrieg regelmäßig ergänzt und als Inventar der gesamten Handschriftensammlung genutzt wurde. Um das Jahr 1908 begannen die Arbeiten an einem neuen, modernen Katalog. Das Werk umfaßte 2.945 Beschreibungen von Handschriften in 26 Bänden, die von ranghohen Spezialisten wie Otto Günther, Joseph Klapper und Karl Rother bearbeitet und von Willi Göber redigiert wurden. 9 Die Beschreibungen der ersten Gruppe mittelalterlicher Handschriften (Signaturen I F 1 bis I F 155) wurden kurz vor dem Krieg in den ersten beiden Heften des „Verzeichnisses der Handschriften im Deutschen Reich" gedruckt.10 Erwähnenswert ist, daß die Kopien der Handschriftenbeschreibungen aus dem „Göber-Katalog" auch von der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin gesammelt wurden und heute als „ein besonderer Schatz des Archivs"" betrachtet werden. Die in der Stadtbibliothek Breslau zusammengelegten Untersammlungen besaßen eigene Kataloge bzw. Verzeichnisse.'2 Am neuen Aufbewahrungsort wurde seit 1890 unter der Leitung von Hermann Markgraf nur der Katalog der Rehdigerana fortgesetzt.' 3 Parallel wurden einige Sonderkataloge bearbeitet, darunter die detaillierten Beschreibungen der klassischen (griechischen und lateinischen) Handschriften.' 4 Auch in der Stadtbibliothek versuchte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts, einen
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Catalogus codicum scriptorum, Bd. 1-2. Katalog der Handschriften, Bd. 1-26 („Göber-Katalog"). Eine nähere Charakterisierung des Katalogs bei Mrozowicz: Stan opracowania, 95f. Verzeichnis der Handschriften, Bd. 1-26; Göber, Willi: Das Verzeichnis der Handschriften im Deutschen Reich. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 55 (1938) 505-510. Riecke, Anne-Beate: Das Handschriftenarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften - Erschließung eines historischen Bestandes mit modernen Mitteln. In: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 2 (1997) 125-131, hier 127. Bibliothek bei der Elisabeth-Kirche: Katalog der Handschriften der Rehdigerana; Bibliothek der Maria-Magdalena-Kirche: Catalog der Handschriften der Magdalenen-Kirchen-Bibliothek (1847); Bibliothek der Bernhardin-Kirche: Verzeichnis (1847). Katalog der Handschriften der Rehdigerana. Catalogus codicum Graecorum (1889); Ziegler: Catalogus codicum Latinorum (1915).
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Wojciech Mrozowicz
modernen Katalog zu erstellen; er wurde zum größten Teil vom dortigen Bibliothekar U d o Lincke verfaßt. Das Ergebnis - insgesamt rund 1.500 Handschriftenbeschreibungen, die heute in 13 Bänden vorliegen - wird nicht so hoch eingeschätzt wie der „Göber-Katalog", da Lincke seine Aufmerksamkeit stärker auf Äußerlichkeiten als auf die Inhaltsanalyse gerichtet hatte. 15 K u r z v o r Kriegsausbruch versuchte sich auch noch der Göttinger Romanist A l f o n s Hilka an der Erstellung eines neuen Handschriftenkatalogs, wurde daran aber durch seinen frühzeitigen Tod im Jahr 1939 gehindert.' 6 V o n weiteren Bearbeitungen mittelalterlicher Handschriften, die sich heute in der Universitätsbibliothek Breslau befinden, sind ältere Kataloge der Sammlungen aus Liegnitz 17 und Görlitz 1 8 erwähnenswert. Neben den Katalogisierungsarbeiten wurden in Schlesien bis zum Zweiten Weltkrieg zahlreiche Studien im Bereich der Kodikologie verfaßt. Basierend auf der Auswertung der genannten Manuskripte entstanden in erster Linie Abhandlungen zur Geschichte der mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen schlesischen Bibliotheken, 19 insbesondere Arbei15
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Handschriften der Universitätsbibliothek Wroclaw/Breslau, Sign. Akc. 1967/7, Bd. 1-13 (ursprünglich handelte es sich um lose Blätter). Vgl. Mrozowicz: Stan opracowania, 98f. Auch die Kopien dieser Beschreibungen befanden sich in der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, vgl. Riecke: Das Handschriftenarchiv, 127. Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau, 62. Gemoll: Die Handschriften der Petro-Paulinischen Kirchenbibliothek (1900). Neumann: Verzeichnis der Handschriften (1868-1869); Struve, Ernst E.: Die italienischen und lateinischen Handschriften der Bibliothek des Gymnasium zu Görlitz. Verzeichniß. Beschreibung. Lesarten. Auszüge. In: Programm. Gymnasium zu Görlitz [1836]; ders.: Verzeichnis und Beschreibung einiger Handschriften aus der Bibliothek des Gymnasiums zu Görlitz (Fortsetzungen). In: Programm. Gymnasium zu Görlitz [1837, 1839, 1841]. Günther, Otto: Spuren verschollener Bibliotheken unter den Handschriften der Breslauer Staats- und Universitätsbibliothek (Umschau aus Bibliotheken). In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 40 (1923) 485-494; Rother, Karl Heinrich: Die ältesten Urkunden über Bücher in Schlesien. In: Schlesische Geschichtsblätter (1926) 6-11; Stara, Albert: Prämonstratenserhandschriften in der Universitätsbücherei Breslau. In: Analecta Praemonstratensia 18 (1942) 143f. Im folgenden seien die wichtigsten Titel zu einzelnen Bibliotheken genannt. Zu Czarnowanz vgl. Wahner, Ernst: Ueber die Bibliothek des Prämonstratenser-Nonnenkloster zu Czarnowanz. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 34 (1900) 414— 416; zu Glatz vgl. Rother, Karl Heinrich: Über die Bibliotheken des ehemaligen Minoriten- und Franziskanerklosters zu Glatz. In: Glatzer Heimatblätter Nr. 9 v. 9. Dezember 1923, 65-89; zu Grünberg vgl. ders.: Das Handschriftenverzeichnis der Augustiner-Propstei Grünberg (i. Schles.) vom Jahre 1423. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 59 (1925) 102-124; zu Grüssau vgl. ders.: Die Säkularisation der Bibliothek des Zisterzienserklosters Grüssau. In: Der
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ten ü b e r die Buchkunst, 2 0 K a t a l o g e a u s g e w ä h l t e r H a n d s c h r i f t e n g r u p p e n 2 1 s o w i e M o n o g r a p h i e n einzelner Handschriften. 2 2 W e n i g e r A u f m e r k s a m keit f a n d e n die S a m m l u n g e n d e r ältesten B i b l i o t h e k Schlesiens, der B r e s lauer D o m b i b l i o t h e k : A u ß e r d e m allgemeinen K a t a l o g d e r theologischen Bücher 2 3 sind hier n u r die D a r s t e l l u n g e n der G e s c h i c h t e z u nennen, die auch d e n mittelalterlichen Teil der S a m m l u n g berücksichtigten. 2 4 D a s Interesse der polnischen Geschichtswissenschaft an den Breslauer H a n d s c h r i f t e n w a r , gemessen an der Zahl e n t s p r e c h e n d e r V e r ö f f e n t l i chungen, in der V o r k r i e g s z e i t eher gering, w a s nicht z u l e t z t ihrer m a n -
Wanderer im Riesengebirge 45/5 (1925) 88-92; zu Heinrichau vgl. ders.: Aus Schreibstube und Bücherei (1927); zu Liegnitz vgl. Bahlow, Ferdinand: Die Kirchenbibliothek von St. Peter und Paul in Liegnitz. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins für die Stadt und das Fürstentum Liegnitz 2 (1906-1908) 140-175; ders: Aus der Peter-Paul-Kirchenbibliothek. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins zu Liegnitz 3 (1909-1910) 301-304; Gemoll, Wilhelm: Mittheilungen aus Liegnitzer Handschriften. Petro-Paulinische Kirchenbibliothek. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 34 (1900) 388-394; zu Räuden vgl. Klapper, Joseph: Geistiges Leben bei den Zisterziensermönchen im Kloster Räuden. In: Aus Oberschlesiens Vergangenheit. Beiträge zur schlesischen Geschichte, Gleiwitz 1921, 40-44; zu Sagan vgl. Rother, Karl Heinrich: Ein Ausleihregister der Augustiner Chorherren zu Sagan. Ein Beitrag zur Geschichte der Bibliothek. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 43 (1926) 1-22; zu Groß-Strenz und Wohlau vgl. Mager, Rfichard]: Zwei Klosterbibliotheken aus dem Wohlauer Kreise. In: Heimatblätter des Kreises Wohlau 3/1 (1924) 5-6. 20 21
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Kloss: Die schlesische Buchmalerei (1942); Adam: Alte Einbandkunst (1927). Zu den Katalogen der klassischen Handschriften vgl. Anm. 14; außerdem Henschel: Catalogus codicum medii aevi (1847); Bobertag, Georg: Die Rechtshandschriften der Stadt Breslau. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 14 (1878) 156-207. Günther, Otto: Zwei Breslauer Handschriften und ihre Schreiber. In: Schlesische Jahrbücher für Geistes- und Naturwissenschaft 3 (1924) 10-20; Prausnitz, Gotthold: Eine Bilderhandschrift des XIII. Jahrhunderts in der Breslauer Universitätsbibliothek. In: Schlesische Monatshefte 2 (1925) 221-225; Klapper, Joseph: Die soziale Stellung des Spielmanns im 13. und 14. Jahrhundert [Sign. I F 380], In: Zeitschrift für Volkskunde N. F. 2 (1931) 111-119; ders.: Ein schlesisches Formelbuch des 14. Jahrhunderts [Sign. I Q 156], In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 60 (1926) 157-177. Catalogus bibliothecae rev. capituli ad ecclesiam s. Johannis Bapt. Vratislav. 1: Libri theologici, Vratislaviae 1840. Jungnitz: Geschichte der Dombibliothek (1898); ders.: Die Breslauer Dombibliothek, Breslau 1908; Fliegel, Maria: Die Dombibliothek zu Breslau im ausgehenden Mittelalter. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 53 (1919) 84-133.
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gelnden Zugänglichkeit für polnische Forscher geschuldet war. 25 Zu den wichtigeren Arbeiten gehört der Wegweiser von Edward Chwalewik, 26 die Abhandlung der schlesischen Buchmalerei von Wladyslaw Podlacha 27 sowie eine von Kazimierz Stronczynski bearbeitete Faksimileausgabe der Bilder aus der Legende der heiligen Hedwig. 28 Die bis 1945 durchgeführten kodikologischen Forschungen, deren Gegenstand und Hauptquelle die schlesischen Handschriften waren, bieten ein breites Instrumentarium zur Geschichte mittelalterlicher handgeschriebener Bücher und der Buchkultur in Schlesien. Gleichwohl fehlte es noch an einer synthetisierenden Darstellung dieser Problematik. 29 Die damals katalogisierten bzw. zumindest einmal verzeichneten Handschriften verdeutlichen jedoch, wie umfangreich und verwickelt eine solche Aufgabe sein würde. Darüber hinaus beobachtet man eine gewisse Zufälligkeit der behandelten Themen und eine mangelnde Einheitlichkeit der angewandten Forschungsmethoden. Die Änderung des Bibliothekssystems nach 1945 setzte den kodikologischen Forschungen in Schlesien zwar kein Ende, von einer ungebrochenen Kontinuität kann allerdings nur mit Vorbehalt gesprochen werden. Angesichts der für Bücher nach wie vor bedrohlichen Nachkriegszustände mußten die an O r t und Stelle verbliebenen ebenso wie die vorsichtshalber versteckten Handschriften zunächst einmal sichergestellt werden.30 Aus diesem und anderen politischen Gründen entstand die neue Sammlung der Universitätsbibliothek, in der die Bestände der ehemaligen Breslauer Universitäts- sowie der Stadtbibliothek zusammengefaßt wurden. Es fehlen Berechnungen, wie viele mittelalterliche Handschrif-
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Maleczynska, Kazimiera / Migon, Krzysztof / Tokarska, Anna: Stan polskich badan nad sl^skimi ksi^gozbiorami historycznymi. In: Gladkiewicz (Hg.): Historyczne ksi^gozbiory, 1 1 - 2 6 , hier 13. Chwalewik, Edward: Zbiory polskie. Archiwa, bibljoteki, gabinety, galerje, muzea i inne zbiory pami^tek przeszlosci w ojczyznie i na obczyznie w p o rz^dku alfabetycznym wedtug miejscowosci ulozone, Bd. 1 - 2 , Warszawa/ Krakow 1 9 2 6 - 1 9 2 7 [ N D Krakow 1991], Podlacha, Wladyslaw: Miniatury sl^skie do konca X I V wieku. In: Historja Sl^ska od najdawniejszych czasow do roku 1400, Bd. 3, Krakow 1 9 3 6 , 1 8 6 - 2 4 6 . Stronczynski: Legenda obrazowa (1880). Swierk: Sl^skie ksi^gozbiory, 27f., 33. Zum Schicksal der Breslauer Bibliothekssammlungen vgl. Skura: Biblioteki wrociawskie, 12-16; Kape: Die Geschichte der wissenschaftlichen Bibliotheken, 9 - 1 4 , 1 6 - 2 5 , 2 9 - 3 1 . Zu ihrer Rückführung vgl. Mrozowicz, Wojciech: Die polnische Biblioteka Uniwersytecka Breslau. Eine Ubersicht. In: Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau (1997), 174-184, hier 174f.; ders.: Rewindykacja zbiorow bibliotek wroclawskich po II wojnie swiatowej. Streszczenie. In: Sprawozdania W r o ctawskiego Towarzystwa Naukowego A 42 (1987) 2 1 - 2 3 .
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ten aus der Vorkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten geblieben sind. Die bekannten Zahlen, die für die ehemalige Universitätsbibliothek eine Rettungsquote von 70, für die vormalige Stadtbibliothek eine von 40 bis 50 Prozent ausweisen, beziehen sich auf komplette Sammlungen, nicht auf einzelne Handschriften. 31 Nach 1945 kamen zu den fusionierten Beständen die Handschriften der Milichschen Stadtund Gymnasialbibliothek zu Görlitz, der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften sowie kleinerer schlesischer Provinzialbibliotheken hinzu. 32 Unter kirchlicher Verwaltung verblieb die Kapitelbibliothek (ehemals Dombibliothek). Für ihre Sammlungen bedeutete das Jahr 1945 also keine so radikale Zäsur wie im Fall der zuvor genannten Breslauer Bibliotheken. Die Kriegshandlungen führten nur zum Verlust von rund dreißig Handschriften, 33 wohingegen das Gebäude der Kapitelbibliothek in den Bombenangriffen während der Belagerung der Festung Breslau erheblichen Schaden nahm. 34 Erweitert wurde die Breslauer Bibliothekslandschaft der Nachkriegszeit durch die Bibliothek des ursprünglich in Lemberg ansässigen Ossolinski-Instituts. Da das vormals polnische Lemberg 1945 der Sowjetunion zugeschlagen worden war, wurde in den Jahren 1946 bis 1948 ein Teil der Vorkriegssammlung (ca. 70 Prozent) nach Breslau verlegt, darunter auch die mittelalterlichen Handschriften. 35 Einen guten Überblick über die schlesischen Handschriftensammlungen gibt ein von der Warschauer Nationalbibliothek herausgegebener Wegweiser. 36 In der aktuellen Ausgabe sind rund 40 schlesische Bibliotheken verzeichnet, in denen handschriftliche Materialien aufbewahrt werden. Darüber hinaus wurden in der ersten Ausgabe des Wegweisers fünf Bibliotheken kirchlicher Institutionen mit alten Handschriften regi31 32
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Spychata: Wroclaw - Biblioteka Uniwersytecka, 517, 522. Mrozowicz: Die polnische Biblioteka Uniwersytecka Breslau, 175f., 179f.; ders.: Rewindykacja zbiorow; Spychata: Wroclaw - Biblioteka uniwersytecka, 525-530. Urban: Zarys dziejow Biblioteki Kapitulnej (1974); Wroclaw - Biblioteka Kapitulna. In: Kamolowa / Sieniatycka (Hg.): Zbiory r^kopisow, 344-346. Urban, Wincenty: Archiwum, Muzeum Archidiecezjalne i Biblioteka Kapitulna we Wroclawiu 1 9 4 5 - 1 9 4 7 . In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 2 (1947) 465-468. Matwijow, Maciej: Zbiory njkopismienne Zakladu Narodowego im. Ossolinskich we Lwowie w latach 1 9 3 9 - 1 9 4 6 . In: Czasopismo Zakladu Narodowego im. Ossolinskich 10 (1999) 2 1 1 - 2 4 1 ; ders.: Wroclaw - Biblioteka Zakladu Narodowego im. Ossolinskich. Dziai R^kopisow. In: Kamolowa / Sieniatycka (Hg.): Zbiory r^kopisow, 4 8 5 - 5 1 3 ; ders.: Zaklad N a r o d o w y imienia Ossolinskich w latach 1 9 3 9 - 1 9 4 6 , Wroclaw 2003, 285-288, 301, 304-306; Kape: Die Geschichte der wissenschaftlichen Bibliotheken, 1 3 8 - 1 4 1 . Kamolowa / Sieniatycka (Hg.): Zbiory r^kopisow.
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Wojciech Mrozowicz
striert.37 Zwölf dieser insgesamt 45 Bibliotheken besitzen zusammen 3.434 Handschriften mittelalterlichen Ursprungs, die als Gegenstand kodikologischer Untersuchungen dienen können. Die größten Sammlungen befinden sich in Breslau, wobei die Universitätsbibliothek über rund 3.000, die Bibliothek des Ossolmski-Instituts über etwa 200 sowie die Dombibliothek über gleichfalls etwa 200 Handschriften verfügen. Es ist bemerkenswert, daß sich die Breslauer Universitätsbibliothek der größten Sammlung mittelalterlicher Kodizes in Polen rühmen kann. Andere schlesische Bibliotheken bewahren nur einzelne mittelalterliche Handschriften auf: das Museum der schlesischen Piasten in Brieg eine Handschrift, das Museum des Glatzer Landes eine, das Neisser Museum neun sowie das dortige Priesterseminar sechs, das Museum der alten Kaufmannschaft in Schweidnitz drei, das Nationalmuseum in Breslau zwei, die Teschener Bibliothek neun, die Schlesische Bibliothek in Kattowitz zwei und die dortige Universitätsbibliothek eine. Obwohl literarische Handschriften ab und zu in Archivbeständen zu finden sind, werden diese hier mit wenigen Ausnahmen außer acht gelassen. Es ist noch zu ergänzen, daß sich ein Teil der Handschriften schlesischer Herkunft außerhalb des Oderlandes befindet, zum Beispiel ausgewählte Zimelien der ehemaligen Stadtbibliothek, die als Depot in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin aufbewahrt werden. 38 Einer Charakterisierung der kodikologischen Forschungen in Schlesien in der Nachkriegszeit 39 seien an dieser Stelle einige allgemeine Bemerkungen vorausgeschickt. Infolge des politischen Umbruchs nach 1945, als die polnischen Historiker unmittelbaren Zugang zu den während der Kriegs- und Nachkriegswirren geretteten Quellen erlangten, vermehrte sich die Zahl polnischer Studien zur schlesischen Geschichte schlagartig. Dabei ist festzuhalten, daß schon in den ersten Nachkriegsjahren Forschungsprogramme aufgelegt wurden mit dem Ziel, die sogenannten „wiedergewonnenen Gebiete" mit besonderem Nachdruck zu untersuchen. Man bemühte sich, „die Vernachlässigungen der polnischen Historiographie im Bereich der Geschichte Schlesiens nachzuholen und die wesentlich größeren Errungenschaften der deutschen Historiogra-
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Kamolowa / Muszynska (Hg.): Zbiory r^kopisow (1988). Gebhardt, Walter: Die Neuerwerbungen des Tübinger Depots der Staatsbibliothek 1959-1963. In: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 2 (1963) 149-156. Mrozowicz, Wojciech: Wspolczesne badania kodykologiczne na £l^sku (ich stan i perspektywy). In: Pomocne vedy historicke a jejich misto mezi historickymi obory, Praha 1997 (Acta Universitatis Carolinae 1. Ζ pomocnych ved historickych 13), 101-109.
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phie, die leider manchmal tendenziös ist, zu revidieren". 40 Ein zusätzliches - und damals eminent gewichtiges - Argument bildete die historische Begründung der polnischen Rechte auf Schlesien und die Popularisierung des Wissens über die Vergangenheit dieses Landes unter der in Schlesien neu angesiedelten polnischen Bevölkerung. Solche Untersuchungsaufgaben bargen notgedrungen die Gefahr einer einseitigen Beurteilung der Geschichte Schlesiens, was in der Formulierung einzelner Arbeitsthemen und in deren Ausführung ebenfalls zum Ausdruck kam. Auch im Bereich der Kodikologie wurde Spuren der polnischen Sprache und Kultur besonders häufig nachgegangen. 41 Die Ausblendung der breiteren historischen Zusammenhänge führte so zu einer Verzerrung der schlesischen Vergangenheit zugunsten politischer Auftragswerke. Erst im Lauf der Zeit wurde den fachspezifischen kodikologischen Methoden mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Im Vergleich mit den entsprechenden Forschungen im Westen Europas, besonders in Deutschland und Frankreich, fallen kodikologische Untersuchungen in Schlesien eher bescheiden aus. Zwar wurden diverse Kataloge mittelalterlicher Handschriften veröffentlicht, doch blieb die Zahl monographischer und synthetisierender Arbeiten aus dem Bereich der Handschriftenkunde gering. Bis heute fehlt eine zusammenfassende kodikologische Darstellung über Schlesien, die mit der bahnbrechenden Studie von Edward Potkowski über das spätmittelalterliche Polen vergleichbar wäre.42 Im folgenden sollen die Arbeiten über die Handschriftensammlung der Breslauer Universitätsbibliothek genauer betrachtet werden. 43 Daß deren Katalogisierung lange nicht voranschritt, lag vor allem am Mangel geeigneten Personals. Bedauerlicherweise arbeiteten jahrelang nur zwei bis drei Personen an diesem Projekt, so daß die entsprechende Abteilung 40
Czaplmski, Wtadyslaw: Wydziat Filozoficzno-Historyczny. In: Floryan, Wladystaw (Hg.): Uniwersytet Wroclawski w latach 1945-1970. Ksi^ga jubileuszowa, Wroclaw 1970, 87; Pater, Mieczyslaw: Perspektywy badan sl^skoznawczych. In: Bobowski, Kazimierz / Gladkiewicz, Ryszard / Wrzesinski, Wojciech (Hg.): Stan i potrzeby sl^skoznawczych badan humanistycznych, Wroctaw/Warszawa 1 9 9 0 , 1 8 7 - 1 9 5 , hier 187f.
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Rospond, Stanislaw: Zabytki j^zyka polskiego na Sl^sku, Wroclaw 1948; Walter: Sl^skie polonica r^kopismienne, Bd. 1 - 2 (1949-1977). Potkowski, Edward: Ksi^zka r^kopismienna w kulturze Polski sredniowiecznej, Warszawa 1984, franz. u. d. T.: Le livre manuscrit - la societe - la culture dans la Pologne du Bas Moyen Äge ( X I V ' - X V s.), Warszawa 1987. Mrozowicz: Stan opracowania; Spychala: Wroclaw - Biblioteka Uniwersytecka; Snela, Bozena: Uber die Kataloge der Handschriftensammlung in der Bibliothek der Universität Wroclaw. In: Germanica Wratislaviensia 9 3 / 9 (1992) 4 3 8 - 4 5 6 ; Kristeller: Latin Manuscript Books (1965).
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Wojciech Mrozowicz
wenig effektiv war. Die Lage änderte sich erst in den achtziger Jahren, als die Zahl der Mitarbeiter auf fünf bis sechs Personen anwuchs. Große Verdienste bei der Erschließung der Handschriftensammlungen erwarb sich der 1988 verstorbene Handschriftenkenner und Paläograph Konstanty Klemens Jazdzewski, 44 dem es gelang, einen Band des Katalogs der mediaevalia zu veröffentlichen. Das Team, das sich in jenen Jahren herausgebildet hatte, zeigte allerdings nach einiger Zeit Auflösungserscheinungen. Den größten Verlust stellte der vorzeitige Tod Stanislaw K^dzielskis im März 2005 dar. Die Erschließung der mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek verläuft nach einem festen Programm. 45 Zuerst werden diejenigen Kodizes bearbeitet, die vormals nicht bzw. nur flüchtig beschrieben worden sind. In Jazdzewskis Katalog wurden jene Handschriften beschrieben, die sich in der Lücke zwischen den gedruckten Heften des „Verzeichnisses der Handschriften im Deutschen Reich" und dem erhaltenen Teil des „Göber-Katalogs" befanden (Signaturen I F 155 bis I F 225). 46 Die nächsten Bände des Katalogs werden die mittelalterlichen Handschriften aus der ehemaligen Sammlung Johann Gottlieb Milichs aus Görlitz umfassen. 47 Parallel entsteht eine Datenbank, die vorläufige Beschreibungen aller Manuskripte der Universitätsbibliothek enthält. 48 Darüber hinaus wurden die Handschriften der Breslauer Universitätsbibliothek in verschiedenen Ausstellungen präsentiert, was jeweils Gelegenheit zu ihrer kompetenten Erschließung bot. 49 Komplette kodikologische Beschreibungen einzelner Handschriften aus schlesischen Sammlun-
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Mrozowicz, Wojciech: Konstanty Klemens Jazdzewski (1913-1988). In: Roczniki Biblioteczne 33 (1989) 3 3 3 - 3 3 8 . Ders.: Stan opracowania, 105. Jazdzewski: Catalogue manu scriptorum codicum (1982). Bis jetzt wurden zwei Bände des Katalogs veröffentlicht. Vgl. K^dzielski / Mrozowicz (Hg.): Catalogue codicum [ . . . ] signa 6 0 5 5 - 6 1 2 4 comprehendens (1998); K^dzielski / Przytulski (Hg.): Catalogue codicum [...] signa 6125-6181 comprehendens (2004). Die Materialien des dritten Bandes sind bereits redigiert. Zur Zeit ist die Datenbank nur für dienstliche Zwecke bestimmt. Walter, Mieczyslaw / Cienski, Tadeusz: Wystawa sredniowiecznych r§kopisow iluminowanych od X I I - X V wieku. Grudzien-styczed 1952-1953. Informator, Wroclaw 1952 (masch.); Karlowska-Kamzowa, Alicja / Wetesko, Leszek / Wiesiolowski, Jacek: Sredniowieczna ksi^zka r^kopismienna jako dzielo sztuki. Katalog wystawy, Gniezno 1993, 29, 9 8 - 1 0 1 , 104f., 116-129, 136-139; Kolbuszewska, Aniela / Wojtasik, Lucja: Bibliotheca Rudolphina. Druki i r^kopisy muzyczne ζ legnickiej biblioteki ksi^cia Jerzego Rudolfa. Katalog wystawy, Legnica 1983; Kirmeier / Brockhoff (Hg.): Herzöge und Heilige (1993), 245f.
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g e n e n t s t a n d e n z u d e m g l e i c h s a m als N e b e n p r o d u k t v e r s c h i e d e n e r
Edi-
t i o n e n , d e n e n sie als Q u e l l e n m a t e r i a l d i e n t e n . 5 0 Angesichts der immer noch bescheidenen Zahl neuerer
Handschrif-
t e n k a t a l o g e w e r d e n n a c h w i e v o r die a l t e n V o r a r b e i t e n b e n u t z t .
Trotz
i h r e r U n v o l l k o m m e n h e i t u n d V e r s c h i e d e n h e i t b l e i b e n sie u n v e r z i c h t b a r e Hilfsmittel,
die w e i t e r h i n in d e n H a n d s c h r i f t e n l e s e s ä l e n
Verwendung
finden. D i e gelegentlich veröffentlichten N a c h d r u c k e alter K a t a l o g e sollt e n a l l e r d i n g s e h e r als Q u e l l e n z u r s c h l e s i s c h e n B u c h - u n d B i b l i o t h e k s g e s c h i c h t e d e n n als d a u e r h a f t e r E r s a t z f ü r n o c h f e h l e n d e m o d e r n e K a t a l o g e b e t r a c h t e t w e r d e n . D a s B e i s p i e l des z u l e t z t p u b l i z i e r t e n der Teschener
Handschriftensammlung
Leopold Johann
Katalogs
Scherschniks
v o n A l b i n H e i n r i c h bestätigt diese F e s t s t e l l u n g . " F a s t gleichzeitig s c h i e n ein m o d e r n e r , v o n M a r i a n Z w i e r c a n , e i n e m d e r b e s t e n s c h r i f t e n k e n n e r in P o l e n , b e a r b e i t e t e r K a t a l o g d e r mediaevalia
er-
Hand-
aus d i e s e r
Sammlung.52 A b g e s e h e n v o m p o l i t i s c h m o t i v i e r t e n I n t e r e s s e f ü r Polonica nach d e m Zweiten Weltkrieg nicht nur v o n Bibliothekaren, auch von polnischen Wissenschaftlern
dieselben T h e m e n
wie schon vor 1945. E s entstanden weiterhin Arbeiten zur
wurden sondern
aufgegriffen Geschichte
k i r c h l i c h e r 5 3 u n d p r i v a t e r B i b l i o t h e k e n in Schlesien 5 4 s o w i e z u r
Buch-
Kürbis, Brygida (Hg.): Annales Poloniae maioris, Warszawa 1962 (Monumenta Poloniae historica II/6), X X f . (Beschreibung der Handschrift R 290); M r o z o wicz, Wojciech: R f k o p i s zaganski. In: Rutkowska-Plachcinska, Anna (Hg.): Annales S. Crucis, Krakow 1996 (Monumenta Poloniae historica 11/12), 8 9 - 9 7 , hier 8 9 - 9 2 (Beschreibung der Handschrift I Q 411); ders.: Kronika klasztoru kanonikow regularnych w Klodzku. Ze studiow nad sredniowiecznym dziejopisarstwem klasztornym, Wroclaw 2001 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2234. Historia 143), 1 9 2 - 2 0 0 (Beschreibung der Handschrift Akc. 1948 K N 1048); ders.: Annotatio rerum notabilium. Sredniowieczny rocznik swidnicki. In: Roczniki Historyczne 65 (1999) 9 1 - 1 0 4 , hier 9 2 - 9 4 (Beschreibung der Handschrift II F 116). Heinrich, Albin: Repertorium codicum manuscriptorum in caesareo-regia Bibliotheca Scherschnickiana Teschinii. Hg. v. Urszula Wieczorek, Wroclaw 2004. Zwiercan: Katalog sredniowiecznych r^kopisöw (2003). Swierk, Alfred: Sl^skie biblioteki do pocz^tku X V I wieku. In: Studia ζ dziejöw kultury i ideologii ofiarowane Ewie Maleczynskiej w 50 rocznic? pracy dydaktycznej i naukowej, Wroclaw 1968, 79-89; Solicki, Stanislaw: Ζ problematyki sredniowiecznych bibliotek sl^skich. In: H e c k (Hg.): Sredniowieczna kultura (1977), 21—43; Zawadzka: Problem bibliotek franciszkariskich (1989); dies: Biblioteki klasztorne (1999); Czacharowska: Sredniowieczne biblioteki (1995). Aus der Fachliteratur zu einzelnen Bibliotheken ist vor allem zu nennen: zu Breslau Zawadzka: Biblioteka klasztoru dominikanow (1975); zu Glogau Walkowiak, Aleksander: Biblioteka kolegiaty glogowskiej w sredniowieczu, Glogow 1994; zu Görlitz Kaczmarek: Sredniowieczna biblioteka (2000); Mrozowicz: Ο katalogach biblioteki (2001); zu Leubus Jazdzewski: Lubiqz (1992); zu Neisse Pawlik: Bi-
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kunst, 55 ferner Sonderkataloge und andere Bearbeitungen v o n Handschriftengruppen 56 sowie Monographien zu einzelnen Kodizes. 57 Besondere Bedeutung besitzen jene Handschriftenforschungen, die die Entwicklung des Kultes der heiligen Hedwig belegen. 58 Zu den wenigen Faksimile-Drucken schlesischer Handschriften gehört die Jubiläumsaus-
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blioteka otmuchowsko-nyskiej kapituly (1973); zu Räuden Rybandt, Stanislaw: Sredniowieczne opactwo cystersow w Rudach, Wroclaw 1977; zu Trebnitz Szwejkowska: Biblioteka klasztoru (1955); zu Sagan Swierk: Sredniowieczna biblioteka (1965). Swierk, Alfred: Piftnastowieczny ksi^gozbior Jana Rodzyny, polskiego kaznodziei we Wrociawiu. In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 20 (1965) 171178; Mandziuk, Jozef: Prälaten als Büchernarren. Ein Beitrag zur Bildung des höheren schlesischen Klerus im 17. Jahrhundert. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 45 (1987) 105-115. Heck: Miniatury wroclawskiego r^kopisu (1974); Karlowska-Kamzowa: Malarstwo sl^skie (1979); dies.: Gotyckie r^kopisy iluminowane na Slqsku (do 1450 r.). In: Heck (Hg.): Sredniowieczna kultura, 101-121.; dies.: Miniatury legnickich kodeksow prawniczych ζ konca XIV w. In: Roczniki Biblioteczne 32 (1988) 107-126; Jasiriski: Ilustracje kalendarzowe (1959); Jazdzewski, Konstanty Klemens: Niezwykla miniatura w inicjale gradualu cystersow kamienieckich I F 412 ze zbiorow Biblioteki Uniwersyteckiej we Wrociawiu. In: Studia zrodloznawcze 32-33 (1990) 167-170; Mroczko, Teresa: Geneza ikonografii Apokalipsy wroclawskiej. In: Rocznik Historii Sztuki 7 (1969) 47-106; dies.: Ilustracje Apoka,lipsy we wroclawskim komentarzu Aleksandra O.F.M. In: Rocznik Historii Sztuki 6 (1966) 7-45; Gromadzki: Przemiany stylowe (1996); Tabor: Iluminacje cysterskich kodeksow (2004). Rybandt: Katalog ksi^g zachowanych (1979); Mrozowicz: Mittelalterliche Handschriften (2000); Jazdzewski: R^kopisy autorow klasycznych (1957); Barg, Leszek: R^kopismienna ksi^zka medyczna w sredniowiecznej Polsce. In: Archiwum Historii i Filozofii Medycyny 54 (1991) 189-206, 55 (1992) 1-54; Soszynski, Jacek: Kronika Marcina Polaka i jej sredniowieczna tradycja r^kopismienna w Polsce, Warszawa 1995 (Studia Copernicana 34), 89-100; Kqdzielski / Mrozowicz: R§kopisy (1998), 149-166; Solicki, Stanislaw: Problematyka husycka w sredniowiecznych ksi^gozbiorach sl^skich. In: Bylina, Stanislaw / Gladkiewicz, Ryszard (Hg.): Polskie echa husytyzmu, Wroclaw 1999, 116-141. Falenciak: Hebrew Bible (1986); ders.: Prototyp encyklopedii prawnej Hermana ζ Schildesche. R?kopis Biblioteki Uniwersyteckiej we Wrociawiu. In: Sprawozdania Wroclawskiego Towarzystwa Naukowego A 31 (1976) 67-71; ders.: Opus eximii doctoris Hermanni Stilden. In: Acta Universitatis Wratislaviensis 186. Przegl^d Prawa i Administracji 3 (1973) 167-177; Arnaud-Lindet: LOrose de Wroclaw (1997). W^sowicz, Teresa: Legenda sl^ska, Wroclaw 1967; Mrozowicz: Materialy r§kopismienne (1995); ders.: Eine unbekannte „Vita beate Hedewigis" aus den Sammlungen der Universitätsbibliothek Breslau/Wroclaw. In: Grunewald / Gussone (Hg.): Das Bild, 55-78; Gromadzki, Jan: Die Miniaturen des HedwigBilderzyklus im sog. Hornig-Kodex der Breslauer Universitätsbibliothek. Ebd., 183-193; ders.: Sredniowieczne cykle (1994).
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gäbe der L e g e n d e dieser Heiligen. 5 9 D a r ü b e r hinaus ist - neben zahlreichen R e p r o d u k t i o n e n einzelner Miniaturen, auch in F o r m v o n Postkarten u n d Kalenderillustrationen - die O r i g i n a l h a n d s c h r i f t des H e i n r i c h a u e r G r ü n d u n g s b u c h e s , das sich in der Breslauer K a p i t e l b i b l i o t h e k b e f i n d e t , als Faksimileausgabe zugänglich. 6 0 Eine neue Q u a l i t ä t h a n d s c h r i f t e n k u n d l i c h e r F o r s c h u n g e n bilden paläographische Studien, die sich nicht n u r analytischen, s o n d e r n auch w i c h t i g e n m e t h o d i s c h e n P r o b l e m e n z u wenden. 6 ' D i e H a n d s c h r i f t e n d e r Breslauer K a p i t e l b i b l i o t h e k w u r d e n im R a h m e n der k o d i k o l o g i s c h e n N a c h k r i e g s f o r s c h u n g ebenfalls b e n u t z t . G r o ß e V e r d i e n s t e bei ihrer Erschließung e r w a r b sich Bischof W i n c e n t y U r ban, 62 d e m die Erstellung eines v o r l ä u f i g e n K a t a l o g s der H a n d s c h r i f t e n s a m m l u n g zu v e r d a n k e n ist." D a r ü b e r hinaus charakterisierte er in z a h l reichen V e r ö f f e n t l i c h u n g e n einzelne G r u p p e n der H a n d s c h r i f t e n , e t w a liturgische o d e r historische. 6 4 N a c h d e m T o d U r b a n s 1 9 8 3 w u r d e die In-
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Ehlert / Mrozowicz (Hg.): Legenda ο sw. Jadwidze (2000). Erwähnenswert ist auch die Reproduktion der Bilder aus der Kattowitzer Hedwigslegende bei Pater, Jozef (Hg.): Legenda swi^tej Jadwigi, Wroclaw 1993, Abb. 1-60. Grodecki, Roman (Hg.): Liber fundationis claustri sancte Marie Virginis in Heinrichow czyli Ksi^ga henrykowska, Wroclaw 1991. Jazdzewski: Dziela kaligraficzne (1976); ders.: Biblia henrykowska (1980); ders.: Jeszcze ο lubi^skiej tradycji a rozwidlonego. Drugie uzupelnienie do artykulow ο dwoch kopisatch cystersow w Lubi^zu. In: Studia Zrodloznawcze 28 (1983) 203-205; ders.: Identifizierungsprobleme bei Schreiberhänden. In: Härtel, Hermann u. a. (Hg.): Probleme der Bearbeitung mittelalterlicher Handschriften, Wiesbaden 1986 (Wolfenbütteler Forschungen 30), 325-327; Walkowski, Andrzej: Skryptoria cystersow filiacji portyjskiej na Sl^sku do konca XIII w., Zielona Gora/Wroclaw 1996. Zu seiner Tätigkeit als Bibliothekar vgl. Wojcik, Stefan: Biskup Wincenty Urban. Zycie i dzialalnosc 1911-1983, Lublin 2001, 93-115; Pater, Jozef: Zycie i dzialalnosc ks. biskupa prof. Wincentego Urbana (1911-1983). In: Mandziuk, Jozef / Pater, Jozef (Hg.): Misericordia et Veritas. Ksi^ga pami^tkowa ku czci ksi^dza biskupa Wincentego Urbana, Wroclaw 1986, 7-38, hier 18-22; Mandziuk, Jozef: Bibliografia prac ks. biskupa prof, dra hab. Wincentego Urbana. Ebd., 45-78. Urban, Wincenty: R^kopisy Biblioteki Kapitulnej we Wroclawiu, Wroclaw 1956 (masch.); ders.: R^kopisy Biblioteki Kapitulnej we Wroclawiu. In: Sprawozdania Wroclawskiego Towarzystwa Naukowego 11 (1956) 54-55; ders.: Sredniowieczne r^kopisy Biblioteki Kapitulnej we Wroclawiu. In: Ateneum Kaplanskie 41 (1949) 279-281. Ders.: R f k o p i s y liturgiczne (1963); ders.: R^kopisy kaznodziejskie Biblioteki Kapitulnej we Wroclawiu. In: Studia Teologiczno-Historyczne Sl^ska Opolskiego 3 (1973) 251-272; ders.: R^kopisy prawnicze Biblioteki Kapitulnej we Wroclawiu. In: Prawo Kanoniczne 8 (1965) 108-132; ders.: R^kopisy historyczne (1977); ders.: Rfkopisy skrypturystyczne i egzegetyczne Biblioteki Kapitulnej we Wroclawiu. In: Archiwa Biblioteki i Muzea Koscielne 9 (1964) 21-36; ders.:
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tensität der kodikologischen Arbeiten deutlich geringer. Auch die Handschriften der Ossolmski-Bibliothek wurden nach dem Krieg intensiv bearbeitet. Bereits 1948 erschien der erste Band des Inventars, bis heute folgten weitere 17 Bände dieses Verzeichnisses.65 In der Sammlung befinden sich vor allem neuzeitliche Nachlässe, literarische und Familienarchive, weshalb Forschungen auf dieser Grundlage aus kodikologischer Sicht wenig interessant sind. Die mittelalterlichen Handschriften sind bisher lediglich in einem in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts von Wojciech K^trzynski zusammengestellten Katalog beschrieben worden66 und verdienen eine Neubearbeitung. Bei der Einschätzung der polnischen Arbeiten im Bereich der handschriftenkundlichen Studien in Schlesien ist die Auffassung der anerkannten Breslauer Buchhistorikerin Kazimiera Maleczynska zu berücksichtigen, die vor kurzem mit Recht feststellte, daß erst aufgrund von Forschungen der Nachkriegszeit bislang unbekannte Sammlungen zum Vorschein kamen und sich damit die Verbreitung der Buchkultur in Schlesien als größer herausstellte als zuvor angenommen. 67 Andererseits aber sollte betont werden, daß der heutige Forschungsstand noch kaum als zufriedenstellend bezeichnet werden kann. Es geht dabei nicht so sehr um die Entdeckung und Bearbeitung neuer Handschriften, sondern vor allem um innovative Fragestellungen im Zusammenhang mit der Benutzung des seit langem bekannten Quellenmaterials, die angesichts der methodischen Fortentwicklung der Geschichtswissenschaften und auch der veränderten politischen Lage in Ostmitteleuropa unerläßlich sind. Aus deutscher Sicht befanden sich die schlesischen Sammlungen mittelalterlicher Handschriften nach dem Zweiten Weltkrieg beinahe außer Reichweite. 68 Trotzdem erschienen neue Überblicksarbeiten über das in Schlesien vorhandene Material, 69 ferner zusammenfassende Studien70 und
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Dziela Mateusza ζ Krakowa w zbiorach Biblioteki Kapitulnej we Wroclawiu. In: Colloquium Salutis 5 (1973) 2 4 3 - 2 5 1 . Turska, Jadwiga u. a. (Hg.): Inwentarz r§kopisow Biblioteki Zakladu Narodowego im. Ossolinskich we Wroclawiu, Bd. 1 - 1 8 , Wroclaw 1948-2003. K?trzyriski: Katalog r?kopisow, Bd. 1 - 3 ( 1 8 8 1 - 1 8 9 8 ) . Maleczyriska / Μ ^ ο ή / Tokarska: Stan badan, 15. £wierk: Slqskie ksi^gozbiory, 27. Aland, Kurt: Die Handschriftenbestände der polnischen Bibliotheken insbesondere an griechischen und lateinischen Handschriften. Ein vorläufiger Bericht, Berlin 1 9 5 6 , 3 6 - 4 6 . Swierk, Alfred: Schreibstube und Schreiber des Augustiner-Chorherren-Stiftes zu Sagan im Mittelalter. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 26 (1968) 1 2 4 - 1 4 0 ; ders.: Beiträge zur Geschichte (1969).
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Monographien von Handschriften, 7 1 die - ähnlich wie in Polen - besonders häufig mit der Figur der heiligen Hedwig verbunden waren. 72 Die Handschriftensammlungen der Universitätsbibliothek wurden überdies zum Gegenstand internationaler Forschungsprojekte. 7 3 Eine Neuerung stellen die gemeinsamen polnisch-deutschen Forschungsvorhaben dar, die nach der Wende von 1 9 8 9 / 9 0 angestoßen wurden. Zu nennen sind hier etwa die gemeinsame Bearbeitung der Faksimileausgabe der H e d wigslegende 74 oder die Zusammenstellung der Handschriften oberschlesischer Autoren aus den Beständen der Universitätsbibliothek Breslau, die im Auftrag der Stiftung Haus Oberschlesien vorbereitet wurde. 7 5
II. Aus kodikologischer Sicht sind die in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Breslau vorgenommenen Katalogisierungsarbeiten von besonderem Interesse. Einige Voraussetzungen dafür wurden bereits genannt. A n dieser Stelle soll auf die spezifischen methodischen Probleme der Katalogisierung mittelalterlicher Handschriften näher eingegangen werden. 7 6 Ein erster Schritt entsprechender Arbeiten ist die Ausarbeitung von verbindlichen Richtlinien. Eine erste, 1988 entstandene Fassung wurde in den folgenden Jahren mehrfach modifiziert. Das mit der Bearbeitung betraute Team beabsichtigte, einen Kompromiß
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Koschmieder, Erwin: Die Handschrift [M] 1318 der ehemaligen Stadtbibliothek zu Breslau. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 2 (1957) 7 3 - 9 2 ; Elze, Günter: D e r „Breslauer Froissart". Ein großes Werk mittelalterlicher Buchkultur. In: Schlesien. Kunst, Wissenschaft, Volkskunde 35/3 (1990) 159-165; Leuchte: Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1990); Metzger: Die Bibel von Meschullam (1994).
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Gottschalk: D i e älteste Bilderhandschrift (1967); Braunfels (Hg.): Der HedwigCodex (1972); Grunewald: Die Hedwig-Bilderzyklen (1995); ders.: Der verlorene Hedwigskodex Herzog Ruprechts von Brieg aus dem Jahre 1380. Überlegungen zum Versuch einer Rekonstruktion. In: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 5 (1997) 4 7 - 5 4 .
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Kristeller: Iter Italicum, Bd. 3 - 4 (1983-1989); Spunar, Pavel: Repertorium auctorum Bohemorum provectum idearum post Universitatem Pragensem conditam illustrans, Bd. 1 - 2 , Wratislaviae u. a. 1 9 8 5 - 1 9 9 5 (Studia Copernicana 25, 35), hier Bd. 1, 4 5 9 - 4 6 2 , Bd. 2, 283f.; Polak, Emil L.: Latin Epistolography of the Middle Ages and Renaissance. Manuscript Evidence in Poland. In: Eos. Commentarii Societatis Philologae 73/2 (1985) 3 5 6 - 3 6 0 .
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Ehlert / Mrozowicz (Hg.): Legenda ο sw. Jadwidze. Mrozowicz: Mittelalterliche Handschriften; dazu Gussone: Bedingungen (2000). Mrozowicz, Wojciech / K^dzielski, Stanislaw: Koncepcja i harmonogram prac nad katalogowaniem r^kopisow slqskich [im Druck],
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zwischen den bis dahin auf polnischer Seite gemachten Erfahrungen und den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegebenen „Richtlinien zur Handschriftenkatalogisierung" zu finden. 77 Die etwas veralteten polnischen Vorschriften 78 und Regeln, die in anderen polnischen Bibliotheken, vor allem in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau verwendet werden, wurden dabei gleichfalls berücksichtigt. 79 Als Grundlage diente das von Jazdzewski ausgearbeitete Muster, 80 das von verschiedenen Rezensenten als „bahnbrechend" und „in Übereinstimmung mit den besten Regeln und Erfahrungen der Herausgabe von Katalogs- und Quelleneditionen" bewertet worden war81 und mit dessen Hilfe die Einheitlichkeit der Katalogisierungsarbeiten gewährleistet werden sollte. Dieses detaillierte Muster wurde jedoch im Sinn der deutschen Richtlinien vereinfacht, besonders bezüglich der paläographischen Charakteristik der Handschriften. Nur ausnahmsweise wurden dabei andere polnische Regeln benutzt. Zum ersten Mal wurden die neuen Richtlinien bei der Bearbeitung des ersten Bandes des Katalogs der Handschriften aus der Sammlung Milich verifiziert, 82 dessen Bewertung gleichfalls positiv ausfiel.83 Eines der Grundprinzipien der Richtlinien ist es, mit jeder Katalogbeschreibung die Einzigartigkeit des jeweils bearbeiteten Kodex - bei strenger Beachtung der Richtlinien - möglichst genau wiederzugeben. Die Beschreibungen werden auf Latein verfaßt, was ausländischen Lesern die Nutzung des Katalogs erleichtern soll. Das Schema der Breslauer Richtlinien ist zweigeteilt. Der erste Hauptteil enthält die Beschreibung der Texte des jeweiligen Kodex, der 77
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Richtlinien - Handschriftenkatalogisierung, Bonn/Bad Godesberg 5 1992 ['1973]; Köttelwesch, Clemens (Hg.): Zur Katalogisierung mittelalterlicher und neuerer Handschriften, Frankfurt am Main 1963 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderheft 1). Horodyski, Bohdan / Wi^ckowska, Helena: Wytyczne opracowania r?kopisow w bibliotekach polskich, Wroclaw 1955; Wskazowki do katalogowania r?kopisow w zbiorach bibljotecznych. In: Archiwum Komisji Historycznej 2 / 3 (1939)233-264. Catalogus codicum manuscriptorum medii aevi Latinorum qui in Bibliotheca Jagellonica Cracoviae asservantur, Bd. 1, Wratislaviae 1980, X V - X V I I I ( X X V I I I XXX). Jazdzewski: Catalogus manu scriptorum, 9 - 1 2 , 16-19. Solicki, Stanislaw: Rezension von Jazdzewski: Catalogus manu scriptorum. In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 38 (1983) 280; vgl. auch Potkowski, Problemy kodykologii, 206. K^dzielski / Mrozowicz (Hg.): Catalogus codicum, X - X I I (XVIIf.). Vgl. die Besprechungen in Cesky casopis historicky 97 (1999) 392 (Ivan Hlavacek), Kwartalnik Historyczny 106/3 (1999) 89-91 (Jacek Soszynski), Revue des sciences philosophiques et theologiques 84 (2000) 689f. (Zenon Kaluza), Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 49 (2000) 149 (Winfried Irgang).
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zweite die Beschreibung der äußeren Form. Der erste Teil ist für die Mehrheit der Handschriftenbenutzer am wichtigsten. Die Texte werden, wie allgemein üblich, durch Anführung von Incipit und von Explicit charakterisiert. Bei unbekannten bzw. unidentifizierten Werken fallen die Zitate länger aus. Kennzeichnend ist die Teilung in Haupttexte (textus principales) und Zusatztexte (textus additicii). Zu jenen werden - mit Ausnahme der Glossen - alle Texte gezählt, die sich im Buchblock befinden, einschließlich aller zusätzlichen Eintragungen auf dem Einband und den Schutzblättern. Alle Quellenzitate werden nach den Regeln der Edition der mittelalterlichen Werke gestaltet.84 Die Fragmente in den verschiedenen Nationalsprachen werden diplomatisch getreu wiedergegeben. Jedem Text ist ein bibliographischer Nachweis beigefügt, in dem die zur eindeutigen Identifizierung des Werks notwendigen Informationen - Ausgaben, Repertorien, parallele handschriftliche Uberlieferung etc. - genannt werden. Im zweiten Hauptteil werden die Informationen über den Beschreibstoff, die Lagenaufteilung, die Art und Weise der Textredaktion sowie Charakteristika der Schrift (allgemein, aber mit Rubrizierung), des Zierwerks und des Einbands zusammengestellt. Weiterhin werden alle Besitzvermerke angeführt und auf ihrer Grundlage sowie mit Hilfe weiterer aus den Katalogen und Urkunden gewonnener Informationen eine kurze historische Einordnung des jeweiligen Kodex präsentiert.
III. Die vorstehend charakterisierten Ergebnisse der kodikologischen Untersuchungen, für welche die schlesischen Handschriften als Grundlage gedient haben, können nicht die volle Bandbreite dieses Forschungsfeldes ausschöpfen. Es ist jedoch möglich, dessen Hauptrichtungen und charakteristische Merkmale zu erkennen. Trotz der Krise der ersten Nachkriegsjahrzehnte sollte vor allem die Kontinuität der Forschung hervorgehoben werden, die sich nicht so sehr auf Personen und Institutionen erstreckt, sondern vielmehr auf die Forschungsvorhaben als solche. Die Nachkriegszeit brachte neue Fragestellungen und Methoden mit sich, die - obwohl häufig politisch motiviert - die Forschung bereichert haben. Der bis jetzt erzielte wissenschaftliche Ertrag der kodikologischen Forschungen bildet einen guten Ausgangspunkt für künftige Untersuchungen - sowohl was die Fortsetzung schon begonnener Projekte beWolff, Adam: Projekt instrukcji wydawniczej dla pisanych zrodel historycznych do potowy X V I wieku. In: Studia Zrödloznawcze 1 (1957) 155-181, hier 162.
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trifft als auch im Hinblick auf neue Vorhaben. Kazimiera Maleczydska hat als eine wesentliche Herausforderung die weitere Analyse der schlesischen historischen Klosterbestände und der frühneuzeitlichen Breslauer Bibliotheken benannt,85 in denen die mittelalterlichen Materialien aufbewahrt wurden. Priorität sollte jedoch die systematische Katalogisierung der mediaevalia haben. Hier kommen namentlich die Kodizes der Breslauer Universitätsbibliothek in Frage und davon in erster Linie die bislang nur flüchtig bearbeiteten Handschriften aus der Sammlung der Neuerwerbungen (u. a. die Handschriften der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und der Peter-Paul-Kirche in Liegnitz); anschließend sollten die Handschriften der ehemaligen Stadtbibliothek bearbeitet werden.86 Auf eine ausführliche Erschließung warten zudem die mittelalterlichen Kodizes der Breslauer Kapitelbibliothek und des Ossolmski-Instituts. Parallel könnten andere Bearbeitungs- und Forschungsprojekte realisiert werden. Es wäre wünschenswert, einen Katalog der datierten Handschriften aus den schlesischen Sammlungen vorzubereiten, der vor allem wertvolles Material für vergleichende Untersuchungen im Bereich der Paläographie verspricht. Die vor der polnischen Kodikologie stehenden Herausforderungen hat Edward Potkowski bereits vor zehn Jahren dargelegt.87 Der Großteil seiner Beobachtungen gilt auch für die entsprechende Forschung in Schlesien und ist unverändert aktuell. Beispielsweise sind hier Arbeiten über Beschreibstoffe und Einbände, Veröffentlichungen der historischen Bibliothekskataloge und Verzeichnisse der Kopisten erwähnenswert. Ausgewählte Projekte könnten im Rahmen größerer gesamtpolnischer Initiativen durchgeführt werden. Bereits vor einigen Jahren wurden Arbeiten am Verzeichnis der Kolophone und Kopisten von Handschriften aus polnischen Bibliotheken ausgeführt. In den diesbezüglichen Karteien sind schlesische Materialien aus der Sammlung des Ossolinski-Instituts und der Breslauer Universitätsbibliothek gleichfalls berücksichtigt.88 Zudem eröffnen sich heutzutage neue Möglichkeiten, kodikologische Forschungen im Rahmen internationaler Initiativen zu realisieren. Zu nennen sind hier etwa das Vorhaben, unter Mitwirkung von Wissenschaftlern aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Polen, Rußland, Osterreich, der Schweiz und Deutschland eine *5 " 87 ,s
Maleczyriska / Migon / Tokarska: Stan badan, 16f. Mrozowicz: Stan opracowania, 105. Potkowski: Problemy kodykologii, 203-206. Bis jetzt ist nur ein Band erschienen. Vgl. ders. (Hg.): Polska pisz^ca w sredniowieczu. Kopisci i kolofony r^kopisow sredniowiecznych ze zbioröw polskich, Bd. 1: Biblioteki Warszawy, Warszawa 1993. Die schlesischen Materialien wurden von Stanislaw K^dzielski und Wojciech Mrozowicz zusammengetragen.
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Geschichte der Schriftkultur in Mittel- und Ostmitteleuropa zu verfassen,89 oder die ostmitteleuropäische Datenbank M A S T E R (Manuscript Access through Standardization of Electronic Records), in welche alle Angaben über die Handschriften der Universitätsbibliothek Breslau eingearbeitet werden. 90 Diese Vorhaben berechtigen ebenso wie die zuvor bereits erwähnten Projekte 91 zu der Hoffnung auf eine vielversprechende Zukunft der handschriftenkundlichen Forschungen in Schlesien.
UNGEDRUCKTE HANDSCHRIFTENKATALOGE 92 Catalog der Handschriften der Magdalenen-Kirchen-Bibliothek mit zu Grunde Legung der früheren im Jahre 1729 angefertigten, gemacht und dictirt von dem zeitigen Bibliothecar Dr. Carl Schoenbern, Breslau 1847 (Sign. Akc. 1967/4 und Akc. 1967/5). Catalogus codicum scriptorum qui in Bibliotheca Regia ac Academica Wratislaviensi servantur, Bd. 1-2 (Sign. Akc. 1967/1). Katalog der Handschriften der Stadtbibliothek Breslau, Bd. 1-13 (Sign. Akc. 1967/7). Katalog der Handschriften der Rehdigerana. Erste Abteilung bis Nr. 502 [„Guttmann-Katalog"]; Zweite Abteilung von N o . 503 [„MarkgrafKatalog"]; Dritte Abteilung von Nr. 3101 an, Bd. 1-3 (Sign. Akc. 1967/3). Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Wrociaw/Breslau [„Göber-Katalog"], Bd. 1-26 (Sign. Akc. 1967/2). Verzeichnis der in der Kirchen-Bibliothek zu St. Bernhardin in Breslau aufbewahrten Handschriften, 1847 (Sign. Akc. 1967/6).
DARSTELLUNGEN Adam, Paul: Alte Einbandkunst in der Breslauer Stadtbibliothek. In: Festbuch zum 46. Bundestage des Bundes Deutscher BuchbinderInnungen, Breslau 1927, 27-58.
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Zu den Voraussetzungen und ersten Ergebnissen des Projektes vgl. Pätkovä / Spunar / Sedivy (Hg.): The history of written culture (2003). www.manuscriptorium.com [Zugriff v. 6.7.2005]. Vgl. Anm. 74f. Die folgenden Signaturen beziehen sich auf die Handschriften der Universitätsbibliothek Wrociaw/Breslau.
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Winfried Irgang
Urkundenforschung I. Urkunden als formgebundene Schriftstücke über Vorgänge rechtserheblicher Natur stellen für Mediävisten und Landeshistoriker eine der wichtigsten Quellengattungen dar - diese sicherlich allgemein anerkannte Aussage gilt für Schlesien in besonderem Maße, sind hier doch zum einen solche Dokumente glücklicherweise in vergleichsweise hoher Zahl bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben und zum anderen schriftliche Quellen anderer Art bis in das 14. Jahrhundert hinein eher rar gesät. In landesgeschichtlichen Werken zu Schlesien haben Urkunden daher schon recht früh Verwendung gefunden.' Urkundenforschung (griech. Diplomatik), also die quellenkritische Untersuchung von Urkunden auf der Basis eines umfassenden Vergleichs nach äußeren und inneren Kriterien, ist dagegen ein verhältnismäßig junger Ast am Baum der historischen Schlesienforschung. Im Grunde genommen hat sie erst vor rund sieben Jahrzehnten richtig eingesetzt, als die Historische Kommission für Schlesien die Herausgabe eines Schlesischen Urkundenbuchs zu einer ihrer Hauptaufgaben machte und Anfang 1934 den aus Südtirol stammenden Leo Santifaller (1890-1974), seit 1929 Ordinarius an der Breslauer Universität und als Absolvent des für die Entwicklung der Diplomatik so außerordentlich wichtigen Instituts für österreichische Geschichtsforschung in Wien mit den Methoden kritischer Urkundenforschung bestens vertraut, mit dessen Leitung beauftragte. 2 Natürlich hatte man sich auch zuvor schon mit Fragen nach der Echtheit einzelner Urkunden be-
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Menzel, Josef Joachim: Die Anfänge der kritischen Geschichtsforschung in Schlesien zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Festschrift Ludwig Petry, Bd. 1 - 2 , Wiesbaden 1 9 6 8 - 1 9 6 9 (Geschichtliche Landeskunde 5), hier Bd. 2, 2 4 5 - 2 6 7 . Hierzu und zum folgenden ders.: Urkundenpublikation und Urkundenforschung (1971); Appelt (Hg.): Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1 (1963-1971), X V I - X X I I ; knapp zusammenfassend zur schlesischen Diplomatik Stelmach: D y plomatyka sl^ska (1995); Zerelik: Stan i perspektywy badan (1994); ders.: Kondycja sl^skiej dyplomatyki (1996).
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schäftigt, gab es Urkundenpublikationen3 diverser Art doch schon viel länger, in deren Zusammenhang Probleme des discrimen veri ac falsi in vetustis membranis nahezu zwangsläufig auftreten mußten. Vor allem Gustav Adolf Harald Stenzel (1792-1854), der Begründer der modernen schlesischen Historiographie, legte bei seinen zahlreichen Urkundeneditionen eine erstaunliche Sicherheit in der Beurteilung an den Tag. Sein Interesse war freilich in erster Linie auf den Rechtsinhalt der Urkunden gerichtet, nicht auf deren Form oder andere Bestandteile. Zu einer systematischen Beschäftigung mit den Urkunden als Ganzes ist es weder bei ihm noch bei den Herausgebern der Schlesischen Regesten4 oder anderen Editoren gekommen. Erste Versuche über die Kanzleien einzelner Fürsten blieben tastend und unausgereift.5 Das Fehlen methodisch gesicherter Erkenntnisse über die anzulegenden urkundenkritischen Kriterien hatte sogar zur Folge, daß der durchaus verdienstvolle Landeshistoriker Wilhelm (P. Lambert) Schulte (1843-1919) die verfehlte hyperkritische These aufstellen konnte, nahezu alle schlesischen Urkunden vor dem Mongoleneinfall 1241 seien verdächtig oder gefälscht.6 Diese allgemeine Unsicherheit kann freilich nicht allzu sehr verwundern, da die Standardwerke von Otto Posse und vor allem Oswald Redlich zur Lehre
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Dieser Bereich und ebenso Arbeiten zur Sphragistik werden in diesem Zusammenhang nur berührt, wenn sie in direkter Verbindung zur Urkundenforschung im oben genannten Sinn stehen. Vgl. zu den Schlesien betreffenden Urkundeneditionen neben den in Anm. 2 genannten Arbeiten von Menzel und Zerelik vor allem Irgang, Winfried: Stand und Perspektiven der Editionen auf dem Gebiet der Diplomatik zur mittelalterlichen Geschichte Schlesiens. In: Derwich, Marek (Hg.): Memoriae amici et magistri. Studia historyczne poswifcone pami^ci prof. Waclawa Korty, Wroclaw 2001, 111-123; Zerelik, Roscislaw: Schlesisches Urkundenbuch oder Schlesische Regesten? Überlegungen zur Kontinuität der Editionstätigkeit. In: Irgang, Winfried / Kersken, Norbert (Hg.): Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, Marburg 1998 (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 6), 163-170; zur schlesischen Sphragistik vgl. zusammenfassend Piech, Zenon: Ο sredniowiecznej sfragistyce i heraldyce ksi^z?cej na Sl^sku. In: Kwartalnik Historyczny 99 (1992) 3-25; ders.: Ikonografia piecz^ci Piastow, Krakow 1993, bes. 220-251. Regesten zur Schlesischen Geschichte, Bd. 1-6 [teilweise in mehreren Teilbänden], Breslau 1865-1930. Jäkel, Hugo: Die Kanzlei Herzog Heinrichs IV. von Breslau. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 14 (1878) 124-155; Bauch, Alfred: Die Kanzlei Herzog Heinrichs V. zu Breslau. Ebd., 16 (1882) 253-265. Eine Zusammenfassung und Widerlegung der Hypothesen Schuhes bietet vor allem Appelt, Heinrich: Die Echtheit der Trebnitzer Gründungsurkunden (1203/ 1218). In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 71 (1937) 1-56, hier 53-56.
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von den Privaturkunden, dem vielfältigsten und kompliziertesten Teilgebiet der Diplomatik, erst 1887 bzw. 1911 erschienen/ Mit großer Tatkraft ging Santifaller an die ihm übertragene Aufgabe und scharte schon bald einen Kreis von Schülern um sich, die er mit Forschungen zum schlesischen Urkundenwesen beauftragte. Innerhalb kurzer Zeit konnten erstaunlich viele Arbeiten abgeschlossen und publiziert werden. Das Spektrum der behandelten Themen reichte dabei von der Untersuchung besonders interessanter Dokumente über die Analyse der Urkunden einzelner Aussteller(gruppen) oder Empfänger sowie spezieller Typen von Urkunden bis zu mit der Urkundenforschung aufs engste zusammenhängenden sphragistischen Arbeiten. 8 Auch Grundfragen der Diplomatik überhaupt wurden in dieser Zeit mit über Schlesien hinausweisender Gültigkeit angesprochen. 9 Zwar standen bei alldem prinzipiell Vorarbeiten zum Schlesischen Urkundenbuch im Vordergrund, manches wies aber auch schon deutlich darüber hinaus; zudem ist in erkennbarer Nähe zu diesen diplomatischen Forschungen eine Reihe von Arbeiten zur mittelalterlichen Siedlungs-, Kirchen- und Rechtsgeschichte Schlesiens entstanden. 10 Die Urkundenforschung war so auf dem besten Weg, zu einem Antrieb für die gesamte landesgeschichtliche Forschung zum schlesischen Mittelalter zu werden. Der Zweite Weltkrieg hat diese positive Entwicklung unterbrochen, ihr aber kein definitives Ende gesetzt. Parallel zur Entfaltung der Wissenschaftsdiziplin der Diplomatik in Deutschland und Osterreich und teilweise zu dieser in direktem Kontakt stehend, erreichte auch die Urkundenforschung in Polen hohes wissenschaftliches Niveau. Da für einige Zeit vor allem Fragen der Anfänge des Urkundenwesens in Polen insgesamt im Mittelpunkt des Interesses standen, schenkten polnische Mediävisten auch den entsprechenden schlesi7
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Posse, O t t o : Die Lehre von den Privaturkunden, Leipzig 1887; Redlich, Oswald: Die Privaturkunden des Mittelalters, München/Berlin 1911 ( H a n d b u c h der mittelalterlichen und neueren Geschichte: U r k u n d e n l e h r e 3). Einzelnachweise bei Santifaller: U r k u n d e n f o r s c h u n g (1937), 68f.; Menzel: U r kundenpublikation und U r k u n d e n f o r s c h u n g , 168f. Wohlgemuth-Krupicka, H a n n s : Die Schriftkritik - eine G r u n d f r a g e der schlesischen U r k u n d e n f o r s c h u n g . In: Zeitschrift des Vereins f ü r Geschichte Schlesiens 73 (1939) 11-41; Santifaller: U r k u n d e n f o r s c h u n g . Dieses Werk, das inzwischen mehrere Auflagen erlebt hat, zählt bis heute zu den grundlegenden Einführungen in diesen Wissenschaftszweig. Santifaller: U r k u n d e n f o r s c h u n g , 69-71. Weitgehend isoliert von den Breslauer Forschungen entstand das voluminöse Werk von Schilling, Friedrich: U r s p r u n g und Frühzeit des Deutschtums in Schlesien und im Land Lebus. Forschungen zu den U r k u n d e n der Landnahmezeit, Leipzig 1938, in dem auch zu einer Reihe urkundenkritischer und kanzleigeschichtlicher Fragen Stellung bezogen wird, die Wertungen aber nicht selten fehlerhaft sind.
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sehen Urkunden bis in die ersten Dezennien des 13. Jahrhunderts hinein Aufmerksamkeit." Innerhalb der Schule des Krakauer Historikers Wladyslaw Semkowicz (1878-1949), die Kontakte zum Lehrstuhl Santifallers in Breslau pflegte, entstanden sogar Arbeiten zu einigen spezifischen Fragen des schlesischen Urkundenwesens. 12 Naturgemäß war die Beschäftigung mit Fragen des schlesischen Urkundenwesens bis 1945 bei den Wissenschaftlern in Breslau, wo die Originalquellen in den Archiven zur Verfügung standen, jedoch weitaus intensiver als bei ihren polnischen Fachkollegen. Hier wurde überdies ein umfassender wissenschaftlicher Apparat für die Herausgabe des Schlesischen Urkundenbuchs zusammengetragen und geordnet. Bis Kriegsende konnte allerdings kein einziger Band des Urkundenbuchs fertiggestellt werden. Nach 1945 war die Situation eine gänzlich andere. Die deutschen und österreichischen Wissenschaftler, die in Breslau zusammengearbeitet hatten, waren - soweit sie den Krieg überlebt hatten - weit verstreut, hatten ihre Arbeitsergebnisse zum Großteil verloren und suchten sich nun im allgemeinen neue Betätigungsfelder. Etwas anders war die Situation bei Leo Santifaller selbst. Er war bereits 1943 nach Wien berufen worden, hatte eigene Arbeitsmaterialien mitnehmen können und vor allem dafür gesorgt, daß die Filme der annähernd 14.000 Leica-Aufnahmen, die für das Urkundenbuch gemacht worden waren, dorthin gebracht wurden. So konnte er schon bald weitere Arbeiten zu Fragen des schlesischen Urkundenwesens publizieren; sein wichtigster Mitarbeiter aus der Breslauer Zeit, der aus Wien gebürtige Heinrich Appelt (1910-1998), wandte sich ebenfalls dem Thema wieder zu.13 Namentlich Appelt, seit 1956 zunächst in Graz, dann in Wien tätig, ließ auf der Basis der geretteten Filmaufnahmen den wissenschaftlichen Apparat des Urkundenbuchs rekonstruieren und machte sich erneut an die Bearbeitung dieses Editionsprojektes. Auf anderem Weg wäre das Projekt damals ohnehin nicht zu realisieren gewesen, da der Großteil der einschlägigen Originalquellen nach der kriegsbedingten Verlagerung aus dem Staatsarchiv Breslau jahrzehntelang verschollen blieb. Die von Appelt geleistete umfangreiche urkundenkritische Forschung ist unmittelbar in die Vorbemerkungen zu "
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Zu nennen sind hier besonders die von Stanislaw Krzyzanowski edierten wertvollen Tafelwerke: Krzyzanowski, Stanislaw (Hg.): Monumenta Poloniae Palaeographica, Bd. 1 - 2 , K r a k o w 1 9 0 7 - 1 9 1 0 ; ders. (Hg.): Album Palaeographicum, Krakow '1936 ['1907]; ferner Kozlowska-Budkowa, Zofja: Repertorjum polskich dokumentow doby piastowskiej, Bd. 1: D o konca wieku XII [mehr nicht erschienen], K r a k o w 1937. Nachweise bei Appelt (Hg.): Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1, X X , und MaleczyAski: Zarys dyplomatyki polskiej (1951), 52f. Nachweise bei Menzel: Urkundenpublikation und Urkundenforschung, 170.
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den einzelnen Urkunden und in die Einleitung des von ihm erarbeiteten ersten Bandes des Schlesischen Urkundenbuchs eingeflossen, hat jedoch - sieht man von einem wesentlich später publizierten Uberblick über die Urkundenfälschungen schlesischer Klöster ab14 - nicht zu gesonderten Abhandlungen geführt. Wohl aber hat Appelt eine Schülerarbeit zu Echtheitsfragen der Urkunden des Zisterzienserklosters Leubus veranlaßt15 und die Habilitationsschrift von Josef Joachim Menzel über die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts 16 angeregt. In dieser Arbeit wurde ein Sonderweg beschritten, da - anders als in der U r kundenforschung sonst üblich - nicht von einem Urkundentypus oder von bestimmten Aussteller- bzw. Empfängergruppen ausgegangen wurde, sondern ausschließlich vom Rechtsinhalt, dem Bezug auf den Akt der Lokation, d. h. der Ansiedlung zu deutschem Recht. Im Jahr 1970 übernahm Winfried Irgang die Arbeit am Schlesischen Urkundenbuch und konnte bis 1998 fünf weitere Bände (bis zum Jahr 1300) edieren. Auch hier schlugen sich die Forschungsergebnisse in erster Linie in den Vorbemerkungen zu den Einzelstücken und den Einleitungen der Bände nieder; darüber hinaus entstanden mehrere zusammenfassende Uberblicke über das Urkunden- und Kanzleiwesen einzelner Aussteller oder Ausstellergruppen sowie Arbeiten zur Echtheit umstrittener Dokumente und zu spezifischen Urkundeninhalten und -elementen.' 7 Ungeachtet der kleinen Zahl deutscher und österreichischer Mediävisten, die sich somit nach 1945 der schlesischen Urkundenforschung widmeten, ist ein zentrales Ziel des mit dem Aufschwung dieser Disziplin in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts unauflöslich verbundenen wissenschaftlichen Projekts weitestgehend erreicht worden: die Edition aller Schlesien betreffenden Urkunden bis zum Jahr 1300 „in erschöpfender kritischdiplomatischer Durcharbeitung". 1 8 Urkundenforschung war dabei in aller Regel ,nur' ein - freilich unerläßliches - Mittel zum Zweck, eben eine "
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Appelt, Heinrich: Urkundenfälschungen in Schlesien. In: Fälschungen im Mittelalter, Teil IV/II, Hannover 1988 (Monumenta Germaniae Historica: Schriften 33, IV), 5 3 1 - 5 7 3 . Dirnberger, Franz: Die Urkundenfälschungen des Klosters Leubus in Schlesien, phil. Diss, (masch.) Wien 1966. Menzel, Josef Joachim: Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts. Studien zum Urkundenwesen, zur Siedlungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte einer ostdeutschen Landschaft im Mittelalter, Würzburg 1977 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 19). Einzelnachweise bei Irgang: Die Bedeutung (1998), 7 9 - 8 1 Anm. 16, 18, 26f.; ders.: Vom sorgsamen Umgang mit den Quellen. Zur Frage der Echtheit einiger schlesischer Urkunden des 13. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Ostforschung 37 (1988) 3 5 9 - 3 7 5 ; ders.: Zum fürstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen (2004). Santifaller: Urkundenforschung, 67; Irgang: Das Schlesische Urkundenbuch (1998).
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Hilfswissenschaft', eine ancilla historiae. Sicherlich wäre ein erheblicher Teil der neueren deutschen landesgeschichtlichen Forschung zum schlesischen Mittelalter, vor allem zur Siedlungs-, Rechts-, Wirtschafts-, Sozial- und Kirchengeschichte, sowie der prosopographisch angelegten Studien ohne die Ergebnisse der Diplomatik kaum denkbar gewesen, wobei man vornehmlich an den Urkundeninhalten interessiert war und nur in deutlich geringerem Maß an anderen Aspekten. 19 Etwas anders sah - und sieht immer noch - die Situation für die polnischen Forscher in Breslau aus. Zwar hatte sich Karol Maleczynski (1897-1968), der 1945 aus Lemberg gekommen und bereits zuvor mit einer Reihe von Arbeiten zur älteren polnischen Diplomatik (kaum jedoch zu schlesischen Urkunden) hervorgetreten war, schon bald die Herausgabe eines Codex diplomaticus Silesiae zum Ziel gesetzt. Die Voraussetzungen hierfür waren jedoch keineswegs günstig. Nur ein kleiner Teil der Quellen war noch zugänglich und von den Arbeitsmaterialien für das .deutsche' Editionsprojekt lediglich ein geringer Rest am Ort verblieben. So konnten nur drei Bände - mit urkundenkritischen Bemerkungen in den Einleitungen und den Vorbemerkungen zu den Einzelstücken - bis zum Jahr 1227 erscheinen, danach wurde das Projekt abgebrochen und trotz grundlegend veränderter Rahmenbedingungen bis heute nicht wieder aufgenommen. Die polnische Urkundenforschung zu Schlesien verlor damit den für ihr deutsches Pendant so typischen Konnex zur Urkundenedition. Μ3ΐεΰζγή5ΐά selbst ließ seine Forschungsergebnisse zum schlesischen Urkunden- und Kanzleiwesen in seine Arbeiten zur allgemeinen polnischen Diplomatik einfließen.20 Da er dabei aber in einem ganz erheblichen Maß auf die nicht immer zuverlässigen Schlesischen Regesten zurückgreifen mußte, sind seine Angaben teilweise fehler- und lückenhaft. Vergleichbares läßt sich für nahezu alle von ihm und später von seinem Schüler und Nachfolger Waclaw Korta (1919-1999) angeregten diplomatischen Studien bis zum Beginn der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts sagen.21 Deren Zahl war noch vergleichsweise klein, und 19 20
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Irgang: Die Bedeutung, 7 2 - 8 1 . Maleczynski: Zarys dyplomatyki polskiej, 52f., 190-240; ders.: Ο formularzach w Polsce w X I I I wieku. In: ders.: Studia nad dokumentem Polskim, Wroclaw u. a. 1971, 189-221; Maleczynski, Karol / Bielinska, Maria / G^siorowski, Antoni: Dyplomatyka wiekow srednich, Warszawa 1971, bes. 176-182; ähnlich auch Korta, Waclaw: Studien über die Ritterurkunden in Polen bis zum Ende des X I I I . Jhdts. In: Folia diplomatica II, B r n o 1976 (Opera Universitatis Purkynianae Brunensis, Facultas Philosophica 201), 3 9 - 4 9 . Nachweise bei Korta: Medieval Silesia (1991), 215f.; weitere bibliographische Angaben hierzu und zum folgenden bei Stelmach: Dyplomatyka sl^ska, 157-161; Irgang: Das Schlesische Urkundenbuch, 158f.; Adamska, Anna: Bibliographie de la diplomatique polonaise, 1956-1996. In: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte,
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nicht wenige dieser Arbeiten blieben unpubliziert. Im wesentlichen handelte es sich um Untersuchungen zu einzelnen Ausstellern oder Ausstellergruppen - eine gewisse Ausnahme bildet eine Doktorarbeit über die Auswahl und Rolle der Zeugen in den schlesischen Urkunden 22 auch war in den Jahren nach 1945 selbst die Urkundenforschung nicht gänzlich frei von ideologischen Tendenzen.23 Forschungsfortschritte lassen sich bei den meisten kaum erkennen, der Einfluß auf die allgemeine landesgeschichtliche Forschung blieb minimal.24 Die Rückgabe erheblicher Mengen von Archivdokumenten des ehemaligen preußischen Staatsarchivs Breslau - darunter fast 15.000 Originalurkunden und zahlreiche wichtige mittelalterliche und frühneuzeitliche Kopialbücher - an die Generaldirektion der polnischen Staatsarchive durch die Staatliche Archiwerwaltung der D D R im Mai 1980 und deren Übergabe an das Staatsarchiv in Breslau/Wroclaw (die natürlich auch der Arbeit am Schlesischen Urkundenbuch zugute gekommen ist), versetzte polnische Mediävisten und Hilfswissenschaftler in die Lage, eingehendere Forschungen zur schlesischen Diplomatik und Paläographie durchzuführen. In den letzten zwei Jahrzehnten ist eine stattliche Zahl von Einzelstudien, Magister- und Doktorarbeiten 25 und sogar HaSiegel- und Wappenkunde 44 (1998) 2 7 5 - 3 3 6 , hier 286f., 293f., 318f.; W o j c i k , Marek L.: D o k u m e n t y i kancelarie ksi^z^t opolsko-raciborskich do pocz^tkow X I V wieku, Wroclaw 1999 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2170. Historia 139), 7 - 9 ; allgemein Kiersnowski, Ryszard: Hilfswissenschaften der Geschichte in Polen in der Nachkriegszeit. In: Leczyk, Marian (Hg.): La science historique polonaise dans l'historiographie mondiale, Wroclaw u. a. 1990, 25—43 (zur Diplomatik 31f.). Mularczyk, Jerzy: D o b o r i rola swiadkow w dokumentach sl^skich do konca X I I I wieku, Wroclaw 1977 (Prace Wroclawskiego Towarzystwa Naukowego, Ser. A 189). Cetwinski, Marek: Ideologia i poznanie: spoleczne funkcje mediewistyki sl^skiej po 1945 roku, Cz^stochowa 1993, 106-109; ders. / Tyszkiewicz, Lech Α.: Prawda historii i racja stanu (Mediewisci wroclawscy ο sredniowiecznym Sl^sku. Pol wieku badan). In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 54 (1999) 147-164. Eine Sonderstellung hat die in Lublin angefertigte Arbeit von Trelinska, Barbara: Kancelaria i dokumenty ksiqzqt cieszynskich 1290-1573, Warszawa/Lodz 1983, in der die Frage nach der Rolle und Funktion der Kanzlei und der Urkunden bei den Teschener Herzögen im Mittelpunkt steht und urkundenkritische Probleme im eigentlichen Sinn stark in den Hintergrund treten. Bednarek, Dariusz: C e c h y zewn^trzne dokumentow Boleslawa III ksi^cia legnicko-brzeskiego, ze szczegolnym uwzglfdnieniem pisma, Wroclaw 1994 (masch.); Stelmach, Roman: D o k u m e n t y i kancelaria Henryka I V Prawego ksi?cia wroclawskiego (1270-1290), T o n m 1986 (masch.); Walkowski, Andrzej: Dokumenty i kancelaria ksi^cia Boleslawa II Rogatki, Zielona Gora 1991; ders.: Dokumenty i kancelaria ksi^cia legnickiego Henryka V Grubego, Wroclaw 1991 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1315. Historia 94); W o j c i k : Dokumenty;
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bilitationsschriften26 vornehmlich zum Urkunden- und Kanzleiwesen des 13. Jahrhunderts verfaßt worden.27 Dabei ist nicht nur ein beachtlicher quantitativer Anstieg zu beobachten, sondern in aller Regel auch eine Steigerung der Qualität. Das hängt zum einen damit zusammen, daß inzwischen wieder an einem erheblichen Teil des Originalmaterials - in einigen Bereichen bestehen allerdings weiterhin große Lücken - weit effizientere und umfassendere Untersuchungen angestellt werden können als in den Jahrzehnten zuvor, zum anderen ist es eine Folge der Tendenz, die spezifischen Fragestellungen der Urkundenforschung in stärkerem Maße als zuvor in den jeweiligen allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Kontext einzuordnen, wie dies nicht zuletzt schon Jahrzehnte zuvor für die Weiterentwicklung der Diplomatik so wichtige Gelehrte wie Jindrich Sebänek und Heinrich Fichtenau gefordert hatten.28 Mindestens die Hälfte dieser Arbeiten zur schlesischen Diplomatik ist im klassischen Sinn dem Urkunden- und Kanzleiwesen einzelner Aussteller oder Empfänger bzw. kohärenter Aussteller- oder Empfängergruppen gewidmet. Etwa ein Viertel der Studien beschäftigt sich mit der (Echtheits-)Untersuchung einzelner Dokumente. Es folgen einige wenige Arbeiten zu Spezialfragen (etwa Notariatszeichen in den Urkunden, Zeugenlisten, zeitgenössischen Echtheitsuntersuchungen) und knappe Uberblicke über die Gesamtthematik.
II. Die Erweiterung des Blickfelds in der modernen Diplomatik kann keineswegs so gedeutet werden, daß das ursprüngliche Ziel dieser Wissenschaft, das discrimen veri ac falsi, nebensächlich geworden wäre. Selbstverständlich ist es für die Landesgeschichtsschreibung zu Schlesien, die - wie eingangs angedeutet - für den Zeitraum bis zum 14. Jahr hundert nur über eine schmale Basis an schriftlichen Quellen außerhalb der urkundlichen Dokumente verfügt, von zentraler Bedeutung, ob eine Urkunde als echt oder gefälscht zu gelten hat. Neben der nunmehr er-
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Zerelik, Roscislaw: Dokumenty i kancelarie ksi^z^t glogowskich w latach 1 2 5 0 1331, Wroclaw 1988 (Acta Universitatis Wratislaviensis 902. Historia 59). Walkowski, Andrzej: Skryptoria cystersow filiacji portyjskiej na Sl^sku do korica XIII w., Zielona Gora, Wroclaw 1996; Zerelik, Roscislaw: Kancelaria biskupöw wroclawskich do 1301 roku, Wroclaw 1991 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1258. Historia 92). Einzelnachweise in der in Anm. 21 genannten Literatur. Sebänek: Über die Methode (1958), 1116; Fichtenau: La situation actuelle (1962), 17-20.
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folgten Edition umfassender und zuverlässiger, auf urkundenkritischer Basis erstellter Dokumententexte bis zum Ausstellungsjahr 1300 im U r kundenbuch dürfte für den Landeshistoriker in erster Linie die durchgeführte Echtheitsbestimmung von zentraler Bedeutung sein, sind ihm doch dadurch sichere Beurteilungskriterien an die Hand gegeben worden. Dies war um so wichtiger, als gerade in den ersten Bänden der Schlesischen Regesten das urkundenkritische Urteil des Bearbeiters und Herausgebers Colmar Grünhagen (1828-1911) teilweise unsicher und unklar war. In der Tat konnten mehrere negative Einschätzungen Grünhagens - und anderer Gelehrter - als unbegründet zurückgewiesen werden. Andererseits mußte aber auch eine beträchtliche Zahl von zuvor niemals beanstandeten und bedenkenlos als echt verwendeten Stücken als Fälschung eingestuft werden: Insgesamt machen die Falsifikate über 6 Prozent aller im Schlesischen Urkundenbuch abgedruckten Dokumente aus. In einigen Fällen hat dies dazu geführt, daß an der bisherigen Chronologie gewisser Ereignisse oder Entwicklungen Korrekturen vorgenommen werden mußten. So konnte beispielsweise gezeigt werden, daß der Beginn der deutschrechtlichen ländlichen Siedlung zwischen dem Fluß Queis und dem Löwenberger Hag im westlichen Schlesien ebenso wie die Lokation der Stadt Trachenberg an der Bartsch im nördlichen Mittelschlesien, also jeweils in den Grenzzonen, später als zuvor angenommen angesetzt werden muß, während sich auf der anderen Seite für den Siedlungsbeginn in der Landeshuter Paßlandschaft und dem Hirschberger Becken - beides Talkessel im unmittelbaren Sudetengebirgsvorland - deutlich frühere Datierungen ergeben haben. 29 Damit ist aber nicht nur die lokale oder mikroregionale Geschichte angesprochen, auch das Gesamtbild der Siedlungsentwicklung in dem für Schlesien so entscheidenden, »revolutionären' 13. Jahrhundert hat in Teilen neue Konturen erhalten. Die Echtheitsbestimmung gehört häufig zu den schwierigsten Aufgaben des Diplomatikers, die in der Regel nur durch die „auf Grund möglichst vollständiger Materialsammlung durchgeführte Methode des Vergleichs" 30 zu einigermaßen sicheren Ergebnissen führt. Genaue Schriftund Diktatanalyse sind dafür unentbehrlich, reichen allein aber mitunter nicht aus. Inhaltlichen Kriterien, etwa der Erst- oder Frühnennung bestimmter Sachverhalte oder Rechtsformen, Zeugenlisten und ähnlichem, muß ebenfalls Beachtung geschenkt werden. Dabei kann es durchaus
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Irgang, Winfried: Neuere Urkundenforschungen zur Siedlungsgeschichte Schlesiens und Kleinpolens. In: Zeitschrift für Ostforschung 31 (1982) 3 6 1 - 3 8 4 , hier 371-382. Santifaller: Urkundenforschung, 11.
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nützlich und sogar notwendig sein, über den Bereich der Urkunden des jeweils zu untersuchenden Ausstellers oder Empfängers hinauszugehen, da eine allzu schematische Vorgehensweise und Blickverengung zu Fehlern und Mißdeutungen führen kann. Derartige Mängel begegnen zum Teil bei den Arbeiten der von Maleczynski und Korta gegründeten neuen Breslauer Schule. Die scharfe Kritik des Posener Mediävisten Tomasz Jurek an der polnischen Diplomatik, es herrsche in ihr eine Tendenz vor, „sich auf die formale, kleinliche Auswertung des Diktates und der Schrift zu beschränken", 31 wird man nicht zuletzt auch auf sie zu beziehen haben. Dieser allzu formalistische Ansatz hat nicht nur dazu geführt, daß einige Fälschungen nicht als solche erkannt worden sind, sondern auch dazu, daß - bei in der Summe zumeist akzeptablen Ergebnissen - im Detail, etwa bei den Zuweisungen an bestimmte Kanzleien oder Skriptorien, mitunter Fehleinschätzungen oder fragwürdige Schlußfolgerungen begegnen. So sind beispielsweise Urkunden außer acht gelassen worden, die im Interesse dritter ausgefertigt worden sind, ohne daß der Ausfertiger als solcher in dem Dokument direkt genannt wird. 32 Es wird freilich auch bei sorgfältigem Abwägen vereinzelt immer wieder Zweifelsfälle geben wie etwa bei der Beurteilung des vieldiskutierten Testaments Herzog Heinrichs IV. von Schlesien vom 23. Juni 1290.33 Die Zweckgerichtetheit der deutschsprachigen Urkundenforschung zu Schlesien als notwendige Voraussetzung für eine kritische Edition des Urkundencorpus und die, trotz des Fehlens eines derartigen Ziels, prinzipiell gleiche Methodik und Zugangsweise der polnischen Forschung haben dazu geführt, daß heute das schlesische Urkunden- und Kanzlei31
Jurek: Die Rechtskraft (2004), 59. Man wird diesem Urteil im Kern zustimmen können; es darf dabei aber nicht außer acht gelassen werden, daß der Schrift- und Diktatvergleich auch weiterhin die unverzichtbare Basis für eine weitergehende Urkundenforschung bilden muß. Jurek selbst legte mehrere wichtige Beiträge zu den Urkunden der Glogauer Herzöge vor, in denen er stark von inhaltlichen Kriterien ausgeht: Vgl. ders.: Kancelarie i dokumenty Piastow gtogowskich w X I I I i X I V wieku. In: Roczniki Historyczne 55/56 (1989/90) 199-212; ders.: Studia nad dokumentami ksi^cia glogowskiego Henryka I (III). In: Studia Zrodloznawcze 32/33 (1991) 47-56; ders.: Dziedzic krolestwa polskiego ksi^z^ glogowski Henryk (1274-1309), Poznad 1993 (Prace Komisji Historycznej 45), 137-159.
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Vgl. die Rezensionen von Winfried Irgang zu einigen Arbeiten von Roscislaw Zerelik und Andrzej Walköwski. In: Zeitschrift für Ost(mitteleuropa-)forschung 41 (1992) 285f., 48 (1999) 428-430, sowie ders.: Urkunden- und Kanzleiwesen Herzog Heinrichs III. (I.) von Glogau (f 1309) bis 1300. Zu einer Untersuchung von Roscislaw Zerelik. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-WilhelmsUniversität zu Breslau 28 (1987) 51-67; ders.: V o m sorgsamen Umgang, 359-375. Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 5, N r . 451; Jurek, Tomasz: Testament Henryka Probusa. Autentyk czy falsyfikat? In: Studia Zrodtoznawcze 35 (1994) 79-99.
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Urkundenforschung
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w e s e n bis z u m A u s g a n g des 13. J a h r h u n d e r t s im w e s e n t l i c h e n recht gut e r f o r s c h t ist. D i e E n t w i c k l u n g in den v e r s c h i e d e n e n Gesellschaftsschichten u n d d e r e n A n t e i l am allgemeinen V e r s c h r i f t l i c h u n g s p r o z e ß sind klar herausgearbeitet w o r d e n . A u f der Ebene der politischen, der G e s e l l schafts- u n d der Rechtsgeschichte Schlesiens im 13. J a h r h u n d e r t sind die K e n n t n i s s e deutlich e r w e i t e r t w o r d e n - w a s nicht w e i t e r v e r w u n d e r t , sind die U r k u n d e n d o c h in erster Linie Rechtstexte. D a g e g e n ist die in der m o d e r n e n U r k u n d e n f o r s c h u n g stark in d e n V o r d e r g r u n d getretene U n t e r s u c h u n g der k u l t u r h i s t o r i s c h e n K o m p o n e n t e n , die d u r c h a u s z u m U r k u n d e n w e s e n gehören, erst in A n s ä t z e n in d e n Blick g e n o m m e n w o r den, sieht man v o n U n t e r s u c h u n g e n zu Wechselbeziehungen z w i s c h e n den einzelnen Schreibwerkstätten der K l ö s t e r des Zisterzienserordens z u m s o g e n a n n t e n Z i s t e r z i e n s e r d u k t u s u n d -diktat 3 4 einmal ab. S o ist e t w a die U n t e r s u c h u n g u n d A u s w e r t u n g der U r k u n d e n als T e x t z e u g nisse, beispielsweise im R a h m e n sprachwissenschaftlicher Forschungen 3 5 o d e r f ü r mentalitätsgeschichtliche Studien, 3 6 bis heute n o c h v e r h ä l t n i s mäßig gering ausgeprägt. F ü r die I n t e r p r e t a t i o n der B e d e u t u n g s e n t w i c k lung b e s o n d e r e r U r k u n d e n t e i l e , w i e v o r allem der A r e n g e n 3 7 o d e r der
Walkowski: Skryptoria; ders.: Zarys rozwoju pisma dokumentow lubi^skich do potowy XIII wieku. In: Bobowski, Kazimierz (Hg.): Kultura sredniowieczna Sl^ska. Pierwiastki rodzime i obce, Wroclaw 1993 (Acta universitatis Wratislaviensis 1362. Historia 98), 15-31; ders.: Wptyw skryptorium klasztoru cystersow w Pforcie na dokument lubi^ski do konca XIII wieku. In: Nasza Przeszlosc 83 (1994) 203-247; ders.: W p l y w y lubi^skie na skryptorium dokumentowe klasztoru cysterek w Trzebnicy. In: Kaczmarek, Michal / Wojcik, Marek L. (Hg.): Ksi?ga Jadwizanska, Wroclaw 1995, 189-221. Einzige Ausnahme Irgang, Winfried: Elemente der deutschen Sprache im Schlesischen Urkundenbuch. In: Keil, Gundolf / Menzel, Josef Joachim (Hg.): Anfänge und Entwicklung der deutschen Sprache im mittelalterlichen Schlesien, Sigmaringen 1995 (Schlesische Forschungen 6), 13-27. Ders.: Ritterurkunden in Schlesien bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts Zeugnisse eines ritterlichen Ethos? In: Peltz, Wojciech / Dudek, Jaroslaw (Hg.): Etos rycerski w Europie srodkowej i wschodniej od X do XV wieku, Zielona Gora 1997, 121-125. Die solide Arbeit von Nowakowski, Tadeusz: Idee areng dokumentow ksi^z^t polskich do potowy XIII wieku, Bydgoszcz 1999 (zu den Arengen der schlesischen Fürsten 87-132), reicht nur bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts und ist auf die Fürstenurkunden beschränkt. Grundlegend zu dieser Frage immer noch Fichtenau, Heinrich: Arenga. Spätantike und Mittelalter im Spiegel von Urkundenformeln, Graz/Köln 1957 (Mitteilungen des Instituts für Osterreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsbd. 18); ders.: Forschungen über Urkundenformeln - ein Bericht. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 94 (1986) 285-339.
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Ausfertigungsformeln vom Typ datum per manus,38 gibt es bislang ebenfalls nur Teilergebnisse bzw. Vorstudien. Daß sich .internationale' kulturelle Verbindungen und Beziehungen ebenso wie Rechtstransfers im Bereich des Urkundenwesens, beispielsweise in der direkten Übernahme von Vorurkunden, widerspiegeln können, zeigt eine Studie über die Judenschutzprivilegien der schlesischen Fürsten aus dem letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts, in der nachgewiesen wird, daß diese unmittelbar aus böhmischen und großpolnischen Vorlagen geschöpft haben.39
III. Die zuletzt angeführten Beispiele zeigen, daß es auch für das inzwischen gut erforschte schlesische Urkundenwesen des 13. Jahrhunderts durchaus noch weitere und bisher weniger beachtete Fragestellungen gibt, denen man sich mit Gewinn zu widmen vermag. Über die dort genannten Untersuchungsfelder hinaus könnte man etwa an die Frage nach der Benutzung von überregional verbreiteten Formelbüchern oder von gewissen Schreib- oder Sprachgewohnheiten, die unter Umständen auf Universitätsstudien schließen lassen, und ähnliches denken. Ebenfalls noch nicht untersucht wurde das Problem, ob vielleicht die Urkunden der schlesischen Fürsten durch ihr .Layout' - wie diverse Kaiser- und Königsdiplome - auch Herrschaftsansprüche verbildlichen, ob also schlesische Urkunden nicht nur Rechtstexte transportieren, sondern gleichzeitig auch als .Schauobjekte' konzipiert wurden. 40 Bei diesen Fragestel38
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In den Untersuchungen von Turon, Bronislaw: Formula „datum per manus" w dokumentach Henrykow wroclawskich. In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 36 (1981) 77-86; ders.: Formuly „datum per manus" i „habuit in commisso" w dokumentacjach Henryka VI wroclawskiego. Ebd., 37 (1982) 85-92; ders.: Formula datum per manus w dokumentach ksi^z^t swidnickich. In: Acta universitatis Wratislaviensis 800. Historia 50, Wroclaw 1985, 275-292, ist nur ein Teil des gesamten Urkundenmaterials ausgewertet worden, so daß die Ergebnisse fragwürdig bleiben. Kowalska, Zofia: Die großpolnischen und schlesischen Judenschutzbriefe des 13. Jahrhunderts im Verhältnis zu den Privilegien Kaiser Friedrichs II. (1238) und Herzog Friedrichs II. von Osterreich (1244). Filiation der Dokumente und inhaltliche Analyse. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 47 (1998) 1-20. Paradigmatisch dazu Rück, Peter: Die Urkunde als Kunstwerk. In: Eisenlohr, Erika / Worm, Peter (Hg.): Ausgewählte Aufsätze zum 65. Geburtstag von Peter Rück, Marburg 2000 (Elementa diplomatica 9), 117-139; ders. (Hg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. Beiträge zur diplomatischen Semiotik, Sigmaringen 1996 (Historische Hilfswissenschaften 3). Einer histoire totale von Urkunden wird jüngst auch das Wort geredet in dem Sammelband: Hruza, Karel / Herold, Paul (Hg.): Wege zur Urkunde - Wege der Urkunde - Wege der For-
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hingen wären breit angelegte Vergleiche von größtem Nutzen, so daß sich eine internationale Kooperation von deutschen, polnischen und auch tschechischen Forschern geradezu anbietet. Die Forschung zur Entwicklung des schlesischen Urkunden- und Kanzleiwesens im 14. Jahrhundert steckt noch in ihren Anfängen, gibt es hierzu doch erst wenige Ansätze von Seiten der polnischen Forschung. 41 Angesichts der eher noch zunehmenden Funktion der Urkunden als Beweismittel 42 besteht hier ein dringender Forschungsbedarf in der ganzen möglichen Breite des Ansatzes, wie er für das 13. Jahrhundert bereits verwirklicht und hier skizziert wurde. Höchst wünschenswert wäre es, wenn solche Vorhaben auch in Urkundeneditionen mündeten, zeigen doch die „Schlesischen Regesten" und nicht weniger in ihrer Nachfolge die „Regesty sl^skie" 43 - ungeachtet ihres unbestreitbaren Nutzens für die landesgeschichtliche Forschung - durch den Verzicht auf den .Unterbau' der Diplomatik mitunter Schwächen bei der Echtheitsbestimmung. Hinzu kommt, daß derartige Unternehmungen durch ihre Reduktion auf die Wiedergabe des Urkundeninhalts - in deutscher oder polnischer Sprache, und somit schon interpretierend - für weitergehende Analysen, etwa auf kulturhistorischem Gebiet, keine Möglichkeit bieten. 44 Auf der anderen Seite ist stets das gesamte Urkundenspektrum im Auge zu behalten, um die durch die Engführung auf eine bestimmte Urkundengruppe drohenden Risiken, wie sie hier dargelegt wurden, zu vermeiden.
QUELLEN Kodeks dyplomatyczny Sl^ska. Codex diplomaticus nec non epistolaris Silesiae. Hg. v. Carolus Maleczynski und Anna Skowrohska, Bd. 1-3, Wrociaw 1951-1964.
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schung. Beiträge zur europäischen Diplomatik des Mittelalters, Wien/Köln/ Weimar 2005 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 24). Vgl. aber jüngst Jurek, Tomasz: J?zyk sredniowiecznych dokumentow sl^skich. In: Kwartalnik Historiczny 111/4 (2004) 2 9 - 4 5 . Jurek: Die Rechtskraft. Allgemein für diese Frage von Bedeutung Heidecker, Karl (Hg.): Charters and the Use of the Written W o r d in Medieval Society, Turnhout 2000 (Utrecht Studies in Medieval Literacy 5); Gasse-Grandjean, Marie-Jose / Tock, Benoit-Michel (Hg.): Les actes comme expression du pouvoir au Haut Moyen Age, Turnhout 2003 (Artem 5). Regesty sl^skie, Bd. 1-5, Wroclaw u. a. 1975-1992. Vgl. die in Anm. 3 genannten Arbeiten von Winfried Irgang und Roscislaw Zerelik.
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Winfried Irgang
Regesten zur Schlesischen Geschichte. Codex diplomaticus Silesiae, Bd. 7/1-3: 971-1300. Hg. v. C[olmar] Grünhagen, Breslau 1865 ( 2 1875)1886; Bd. 16: 1301-1315. Hg. v. C[olmar] Grünhagen und C[onrad] Wutke, Breslau 1892; Bd. 18: 1316-1326. Hg. v. C[olmar] Grünhagen und K[onrad] Wutke, Breslau 1898; Bd. 22: 1327-1333. Hg. v. C[olmar] Grünhagen und K[onrad] Wutke, Breslau 1903; Bd. 29: 1334-1337. Hg. v. Konrad Wutke u. a., Breslau 1923; Bd. 30: 13381342. Hg. v. Konrad Wutke und Erich Randt, Breslau 1925-1930. Regesty sl^skie, Bd. 1: 1343-1348. Bearb. v. Kazimierz Bobowski u. a., Wroclaw u. a. 1975; Bd. 2: 1349-1354. Bearb. v. Kazimierz Bobowski u.a., Wroclaw u.a. 1983; Bd. 3: 1355-1357. Bearb. v. Janina Gilewska-Dubis, Wroclaw u. a. 1990; Bd. 4: 1358-1359. Bearb. v. Janina Gilewska-Dubis und Kazimierz Bobowski, Wroclaw/Warszawa 1992; Bd. 5: 1360. Bearb. v. Janina Gilewska-Dubis, Wroclaw/ Warszawa 1992. Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1: 971-1230. Bearb. v. Heinrich Appelt, Wien/Köln/Graz 1963-1971; Bd. 2: 1231-1250. Bearb. v. Winfried Irgang, Wien/Köln/Graz 1977; Bd. 3: 1251-1266. Bearb. v. Winfried Irgang, Köln/Wien 1984; Bd. 4: 1267-1281. Bearb. v. Winfried Irgang, Köln/Wien 1988; Bd. 5: 1282-1290. Bearb. v. Winfried Irgang, Köln/Weimar/Wien 1993; Bd. 6: 1291-1300. Bearb. v. Winfried Irgang unter Mitarbeit v. Daphne Schadewaldt, Köln/Weimar/Wien 1998.
DARSTELLUNGEN Fichtenau, Heinrich: La situation actuelle des etudes de diplomatique en Autriche. In: Bibliotheque de l'ficole des chartes 119 (1961) 5-20. Irgang, Winfried: Die Bedeutung des Schlesischen Urkundenbuchs für die Erforschung der mittelalterlichen Geschichte Schlesiens. In: Boräk, Mecislav (Hg.): Slezsko ν dejinäch ceskeho statu, Opava 1998, 72-81. Irgang, Winfried: Das Schlesische Urkundenbuch - ein Resümee. In: ders. / Kersken, Norbert (Hg.): Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, Marburg 1998 (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 6), 153-162. Irgang, Winfried: Zum fürstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen im ducatus Slesie bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. In: Bartoszewicz, Iwona u. a. (Hg.): Werte und Wertungen. Sprach-, literatur- und kulturwissenschaftliche Skizzen und Stellungnahmen. Festschrift für Eugeniusz Tomiczek zum 60. Geburtstag, Wroclaw 2004, 525-534.
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Jurek, Tomasz: Die Rechtskraft von Urkunden im mittelalterlichen Polen. In: Adamska, Anna / Mostert, Marco (Hg.): The Development of Literate Mentalities in East Central Europe, Turnhout 2004 (Utrecht Studies in Medieval Literacy 9), 59-91. Korta, Waclaw: Medieval Silesia in Polish Historiography 1945-1980. In: Acta Poloniae Historica 63/64 (1991) 195-217. Maleczynski, Karol: Zarys dyplomatyki polskiej wiekow srednich, Wroclaw 1951. Menzel, Josef Joachim: Urkundenpublikation und Urkundenforschung in Schlesien. In: Mitteilungen des Instituts für Osterreichische Geschichtsforschung 79 (1971) 156-171. Santifaller, Leo: Urkundenforschung. Methoden, Ziele, Ergebnisse, Weimar 1937. Sebanek, J[ind?ich]: Über die Methode und die Ziele der diplomatischen Arbeit auf Grund der Vorarbeiten zum böhmischen Diplomatar. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 6 (1958) 1107-1116. Stelmach, Roman: Dyplomatyka sl^ska - stan badad nad dziejami kancelarii i potrzeby badawcze. In: Rokosz, Mieczyslaw (Hg.): Tradycje i perspektywy nauk pomocniczych historii w Polsce, Krakow 1995, 155-162. Zerelik, Roscislaw: Kondycja sl^skiej dyplomatyki. Stan i perspektywy badari. In: Hlavacek, Ivan (Hg.): Pomocne vedy historicke a jejich misto mezi historickymi obory, Praha 1996 (Acta Universitatis Carolinae: Philosophica et Historica 1), 69-80. Zerelik, Roscislaw: Stan i perspektywy badan nad kancelariami gornosl^skimi w sredniowieczu i czasach nowozytnych. In: Panic, Idzi (Hg.): Stan i potrzeby badan nad historic Gornego Sl^ska w czasach sredniowiecznych i nowozytnych, Cieszyn 1994, 16-27.
Detlef Haberland
Druck- und Buchgeschichte I. Die Erforschung der Geschichte des Buchdrucks erscheint als ein riesiges Puzzle. 1 An einigen Stellen ist das zu legende Bild bereits sehr gut zu sehen, an anderen Stellen klaffen unverändert große Lücken. Man kennt natürlich die Vorlage, und doch ist es immer wieder spannend, Teile, die für sich betrachtet nichts oder nur wenig bedeuten, im Kontext als sinnvoll und passend zu erleben. Ahnlich ist es in engerem Sinn um die Druckgeschichte Ostmitteleuropas und, im besonderen, um diejenige Schlesiens bestellt. Gewiß ist durch die seit rund zwei Jahrhunderten andauernde Forschung über die Geschichte des Buchdrucks der Region Schlesien eine Menge an Daten und Zusammenhängen ans Licht gebracht worden. Es sind Biographien erhellt, wichtige Werke als Reprints gesichert und einige Offizinen genauer erforscht worden. Von einer umfassenden und systematischen Darstellung der Druck- und Buchgeschichte Schlesiens mit ihren vielfältigen Implikationen sowie Rezeptions- und Ausstrahlungsvorgängen auf modernem Stand kann dennoch nicht gesprochen werden: Die Aufarbeitung dieses Teils der Kulturgeschichte ist in den letzten Jahren zwar sowohl von polnischer als auch von deutscher Seite mit fundierten Beiträgen geleistet worden. Der Umstand jedoch, daß dieses Fachgebiet von der Wissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg lange vernachlässigt worden ist, läßt sich nicht rasch und mühelos wettmachen. In den nachstehenden Ausführungen wird dieses Forschungsgebiet anhand von Darstellungen einiger wichtiger Abschnitte der Geschichte des Buch- und Druckwesens in Schlesien umrissen. Am prominenten Beispiel der Druckerei in Neisse kann konkretisiert werden, was eine Der Verfasser dankt vor allem dem wissenschaftlichen Bibliothekar der MartinOpitz-Bibliothek (Herne), Herrn Bernhard Kwoka, sowie Frau Alicja Konik und Frau Jadwiga Tyl von der Abteilung für Alte Drucke der Universitätsbibliothek Breslau/Wrocfaw für das Entgegenkommen bei der Ausleihe und Bereitstellung von Büchern.
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Detlef Haberland
derart ausgerichtete historische Kulturgeschichtsforschung prinzipiell zu leisten imstande ist. Daraus ergeben sich Perspektiven für die künftige Forschung, die in einem letzten Abschnitt zusammenfassend formuliert sind. Man mag nach dem Sinn eines derartigen Uberblicks fragen, wurde doch vor nicht allzu langer Zeit eine umfangreiche und verdienstvolle Standortbestimmung der historischen Schlesienforschung vorgelegt. 2 Dort gibt es allerdings nur einen einzigen Beitrag, der die Uberlieferungsgeschichte von Texten thematisiert. 3 Daraus auf eine bewußte Nichtachtung der Druckgeschichte schließen zu wollen, wäre freilich falsch. Vielmehr offenbart sich hier die große Zahl der Desiderate zur Kulturgeschichte Schlesiens insgesamt, derer die Herausgeber auch bei doppeltem Umfang ihres Bandes nicht Herr geworden wären. An einem solchen Phänomen wird deutlich, daß es sich bei der Region Schlesien nicht nur um ein „zehnfach interessantes Land" (Goethe) handelt, sondern auch - und dies gilt gleichfalls für eine Reihe anderer Gebiete Ostmitteleuropas - um ein von den verschiedenen Forschungszweigen zehnfach vernachlässigtes Gebiet. Denkt man etwa an literatur-, sozial- und kulturhistorische Forschungen zum Süden oder zum Südwesten Deutschlands, so wird der Unterschied zur wissenschaftlichen Erschließung der Kulturgeschichte Schlesiens unmittelbar ersichtlich. Dabei hat die Druckgeschichte Schlesiens durchaus ihren Platz in der Historiographie der Region. D o c h noch 1999 begann einer der Altmeister der deutschen Buchgeschichtsforschung, Hans-Joachim Koppitz, einen Aufsatz mit der Klage: „Dem schlesischen Buchwesen - Buchdruck, Buch- und Verlagshandel und damit zusammenhängenden Gewerben wird im allgemeinen in Darstellungen zur schlesischen Geschichte, selbst zur Kulturgeschichte, wenig oder keine Aufmerksamkeit gewidmet." 4 Das ist insofern einleuchtend, gehört doch Schlesien nicht zu denjenigen Regionen, in denen sich schon zur Inkunabelzeit eine stabile und wirkungsvolle Druckereilandschaft entwickelt hatte, wie etwa im Westen und Südwesten des römsch-deutschen Reiches. Die Orte Mainz (1445), Köln (1465), Speyer (1471), Metz (1482), Zweibrücken (1487), Straßburg (1458), Basel (1464), Zürich (1479), Hagenau (1489), Kirchheim/Elsaß
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Weber, Matthias / Rabe, Carsten (Hg.): Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift für Norbert Conrads zum 60. G e burtstag, Würzburg 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens 4). Bobowski, Kazimierz: Zum Bearbeitungsstand von mittelalterlichen Handschriften- und Bibliotheksbeständen schlesischer Zisterzienserklöster. Ebd., 199-209. Koppitz, Hans-Joachim: Das Buch- und Bibliothekswesen. In: Menzel, Josef Joachim (Hg.): Geschichte Schlesiens, Bd. 3, Stuttgart 1999, 4 7 7 - 4 8 9 , 6 9 9 - 7 0 2 , hier 477.
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(1489), Bamberg (1460), Augsburg (1468), Würzburg (1479), München (1482), Regensburg (1485) und Eichstätt (1488) verweisen jeweils auf konfessionelle und politische, aber durchaus auch auf literarisch-kulturelle Zusammenhänge, die die Einrichtung von Offizinen notwendig machten oder als wünschenswert erscheinen ließen. Geographisch betrachtet, fällt nicht nur eine Häufung von frühen Inkunabel- und Druckorten im Süden und Südwesten des Reiches sowie eine starke Massierung im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts und Sachsens auf, es wird auch deutlich, daß die Gebiete östlich der Elbe und vor allem östlich und nordöstlich der Oder in der Drucklandschaft des 15. und 16. Jahrhunderts gleichsam Wüsten mit nur wenigen Oasen darstellen. 5 Immerhin gehörten Krakau und Ofen (1473), Breslau (1475), Marienburg (1492) und Danzig (1498) als ostmitteleuropäische Zentralorte zu den Inkunabeldruckorten, womit sich schemenhaft die Bedeutung dieses Kulturraums andeutet, der sich zwar erst zögernd, aber qualitativ aber gleichwertig an dem neuen Medium beteiligte. Anstatt die Entwicklung in Schlesien im einzelnen zu untersuchen, soll im folgenden ausschnitthaft ein Uberblick über die verschiedenen Bereiche des Buchwesens im Schlesien der Frühen Neuzeit in Thematik und Problemlage einführen. Dies kann umso leichter geschehen, da seit kurzem ein zusammenfassender Beitrag Detlef Haberlands vorliegt, in den die neuere Forschung weitgehend eingeflossen ist.6 Nach Breslau - hier druckte Konrad Baumgarten 1475 das erste Buch sind Liegnitz und Oels zu nennen, wo 1528 bzw. 1530 mit dem Druck begonnen wurde. Der Buchdruck in Dyhernfurth begann schon im 16. Jahrhundert, war aber nicht von Erfolg gekrönt; durch ein großes Unwetter 1535 wurde die Druckerei zerstört, die dann ein nicht näher bekannter Rabbi Sabbathäus übernahm, aber wenig später ohne greifbares Ergebnis wieder aufgab. Nachweislich wurde seit 1541 auch in Neisse gedruckt; erst 1555 begann jedoch eine reguläre Produktion mit wichtigen Erzeugnissen wie Martin Helwigs Schlesienkarte und gegenreformatorischen Werken, u. a. von Johannes Scheffler (Angelus Silesius). In
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Benzing, Josef: Die Druckorte des 15. und 16. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet - eine deutsche Leistungsschau der Vergangenheit. In: Korrespondent. Fachliches Schulungsblatt der D A F für Drucktechnik und Druckmaschinenkunde C 11 (1937) 149.
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Haberland, Detlef: Art. Schlesien. In: Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 1 7, Stuttgart 2 1 9 8 7 - 2 0 0 4 [Bd. 1-3, Leipzig '1935-1937], hier Bd. 6, 5 4 9 - 5 5 5 . Auf Handschriften, Handschriftenbesitz, mittelalterliche Buchmalerei und andere Bereiche vor dem ersten Druck in Schlesien wird im folgenden nicht eingegangen. Die im folgenden gemachten Datenangaben folgen dem genannten Lexikonartikel und werden nicht mehr einzeln nachgewiesen.
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Detlef Haberland
Hundsfeld begann der Druck 1543, in Görlitz etwa 1545. Neben kleineren Druckorten wie Steinau und Glogau (Anfang des 17. Jahrhunderts) eröffnete 1610 eine Offizin in Brieg, wo in der Folgezeit bedeutende Werke der Barockdichtung erschienen. Von 1616 bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein existierte in Zusammenhang mit dem akademischen Gymnasium des Freiherrn Georg von Schönaich eine Druckerei in Beuthen. In Glatz und Schweidnitz wurde wohl ab 1619 gedruckt; hier erschienen sowohl Werke von Martin Opitz und Scheffler als auch von Johann Christian Günther. Die herzogliche Druckerei in Sagan, gegründet 1629, druckte wahrscheinlich nur die Schriften von Johannes Kepler. Von 1631 bis 1655 arbeitete eine Presse unter Georg III. von Oppersdorff im oberschlesischen Oberglogau. Nur kurz - möglicherweise von 1683 bis 1685 - war ein Drucker in Jauer tätig, in Lauban erst ab dem Ende des 17. Jahrhunderts. Die städtische Buchdruckerei in Hirschberg wurde 1709 gegründet. U m 1720 ist die Entstehung der Druckerei in Landeshut anzusetzen, Bunzlau erhielt erst 1774 eine Offizin. Ratibor und Oppeln folgten 1801 bzw. 1802. Osterreichisch-Schlesien hatte in Troppau seit 1719 und in Teschen seit 1806 entsprechende Werkstätten. Auffallend ist die Dichte der Offizinen, die auf rege Gelehrtenaktivität und Geschäftstätigkeit schließen läßt. Was hier weder dargestellt noch diskutiert werden kann, ist die personelle Verbindung zwischen einzelnen Druckern und Druckerdynastien, die sich zum Teil in andere Betriebe nach dem Tod von deren Inhabern einkauften oder von einer Stadt in die andere wechselten. Die Drucker selbst kamen aus unterschiedlichen Regionen: zum Teil aus Nord- oder Süddeutschland, zum Teil aus Sachsen, später auch aus Schlesien selbst. War der Vertrieb zu Beginn des Druckwesens eng oder sogar ausschließlich an die Offizin, den Autor und gegebenenfalls an eine Buchhandlung gebunden, so entwickelte sich im 18. Jahrhundert das Verlagswesen als ein vom technischen Druckbetrieb unabhängiges Gewerbe. In Breslau entwickelte sich aus der seit 1538 bestehenden städtischen Buchdruckerei Graß und Barth im Lauf der Zeit ein Verlag - die schlesische Metropole ist somit der älteste deutsche Verlagsstandort. Hier entstanden ebenfalls Bücher in polnischer Sprache, wenn auch in zahlenmäßig geringem Umfang im Verhältnis zur Gesamtproduktion. Im 18., vor allem aber im 19. Jahrhundert wurden auch in anderen schlesischen Städten weitere Verlage gegründet, die teilweise schon nach kurzer Blütezeit wieder schließen mußten, teilweise aber bis zum Jahr 1945 bestehen blieben. Angedeutet werden durch diese Fakten wirtschaftshistorische Zusammenhänge wie Art und Umfang von Vertriebswegen, die Qualität der Nachfrage, die eng mit dem sozialen Status der Kunden verbunden
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war, und nicht zuletzt die überregionalen Verflechtungen der Region auch und gerade im Hinblick auf den Handel mit Polen, Böhmen und Mähren, der Slowakei und Ungarn. Ebenfalls erhellt werden die ökonomischen Probleme einer Grenzregion, vor allem wenn man Oberschlesien in den Vordergrund der Betrachtungen stellt. Mit dem Periodikum „Wöchentliche Zeitungen auß unterschiedlichen Orthen" ist ab 1629 die erste Zeitung im modernen Sinn in Schlesien nachweisbar. In der Folge entstand dort eine Zeitungs- und Zeitschriftenlandschaft von großer Vielfalt. 7 Hervorzuheben sind - neben zahlreichen, meist kurzlebigen Produkten - die „Miscellanea Curiosa Medico-Physica oder Ephemerides Academiae Curiosorum" ( 1 6 7 0 1713). Die „Schlesischen Provinzialblätter" (1785-1849) stehen stellvertretend für die Aufarbeitung der Landeskunde. 8 Sie gehören mit den „Verhandlungen der Philomatischen Gesellschaft zu Neisse" ( 1 8 4 9 1938) und der „Zeitschrift des Vereins für Geschichte (und Alterthum) Schlesiens" (1855-1943) zu den bedeutendsten Zeugnissen der Erforschung der schlesischen Geschichte. 9 Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die „Bunzlauische Monathschrift", die, mit Unterbrechungen, von 1774 bis 1818 existierte, teilweise eine Auflage von bis zu 5.000 Exemplaren erreichte und damit auch im überregionalen Maßstab enorm erfolgreich war. Polnische Zeitungen und Zeitschriften entstanden schon im 19. Jahrhundert, erlangten aber erst in der Zeit des Ersten Weltkriegs und der darauffolgenden Auseinandersetzungen um die Volksabstimmung in Oberschlesien eine größere Bedeutung. Nicht nur die Druck-, auch die Bibliothekslandschaft Schlesien ist von hohem Interesse. Aus den mittelalterlichen Sammlungen einiger Gelehrter und Domherren entstand im Lauf der Jahrhunderte eine dichtbestückte Bibliotheksregion. So besaßen die Breslauer Dominikaner, Prämonstratenser und die verschiedenen Kirchen - nicht zuletzt die Dombibliothek - überlieferte Sammlungen, die sich aus vielen Schenkungen speisten. Die Breslauer Kreuzkirche, die Hedwigskirche zu Brieg und geistliche Institutionen in anderen Städten Schlesiens - wie die Saganer Augustiner - besaßen ebenfalls Handschriften und Bücher, die aus Schenkungen und Erbschaften stammten. Auch Büchersammlungen 7
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Rister: Schlesische Periodica und Serien, Bd. 1 - 2 (1975). Gerber, Michael Rüdiger: Die Schlesischen Provinzialblätter. 1785-1849. Entstehung und Entwicklung der Zeitschrift und ihre Bedeutung als Quelle für die schlesische landesgeschichtliche Forschung, Sigmaringen 1995 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 27). Kessler, Wolfgang (Hg.): Zeitschrift des Vereins für Geschichte (und Altertum) Schlesiens 1855-1943. Schlesische Geschichtsblätter 1908-1943. Gesamtverzeichnis. Hannover 1984 (Schlesische Kulturpflege 1).
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profanen Inhalts waren von Bedeutung: Die Bibliothek der Herzöge des Hauses Münsterberg in Oels, die Schloßbibliothek der Grafen von O p p e r s d o r f , die Bibliothek der Grafen von Schaffgotsch in Hermsdorf oder die Majoratsbibliothek der Grafen von Hochberg in Fürstenstein sind hier exemplarisch zu nennen. Wenn außerdem noch ein einzelner N a m e eines herausragenden Sammlers und Gelehrten genannt werden muß, so ist es der des Breslauer Patriziers Thomas Rehdiger, der auf seinen Reisen durch Europa eine Bibliothek ersten Ranges zusammenstellte. Mit den Kirchenbüchereien von St. Maria Magdalena, St. Elisabeth und St. Bernhardin bildete diese den Grundstock der späteren Stadtbibliothek Breslaus. Weitere städtische Bibliotheken befanden sich in Lauban (1569), in Görlitz und Liegnitz (16. Jahrhundert) sowie in Teschen. Die genannte, im Lauf von Jahrhunderten entstandene Vielfalt sollte 1811 im Rahmen der Säkularisierung wie auch in der Vereinigung der katholischen Universität Breslaus, der Leopoldina, mit der Viadrina in Frankfurt an der Oder durch Johann Gustav Büsching zu einer „Schlesischen Zentral-Bibliothek" vereinigt werden. Büsching konnte seinen engagierten Plan jedoch trotz ministerieller Rückendeckung nicht vollständig in die Tat umsetzen. Das Jahr 1945 bedeutete für die Bibliotheken Schlesiens eine tiefe Zäsur: Im Rahmen der Neugliederung des neuen polnischen Staates wurden auch die Bibliotheksbestände neu geordnet. Es mutet geradezu als Ironie der Geschichte an, daß aufgrund des Zweiten Weltkriegs der Gedanke Büschings wenigstens teilweise, nämlich durch die Reorganisation der Bibliotheken in Polen, realisiert wurde. Bereits diese wenigen Namen und Daten vermitteln in Umrissen das Bild einer Region, in der das Buch in seinen zahlreichen technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bezügen eine wichtige Rolle spielte. Auch wenn die Arbeiten zur Erforschung der schlesischen Buchgeschichte nicht gerade Bibliotheken umfassen, so sind ihr doch nicht wenige Untersuchungen in monographischer Form oder in Form unselbständiger Beiträge gewidmet worden. In diesem Beitrag lassen sich nur einige wenige Titel nennen, die als bedeutende Wegmarken gelten können; auch muß hier auf die Darstellung aller für die Buchgeschichte wichtigen Disziplinen verzichtet werden. Bereiche wie Papierherstellung, Wasserzeichen, Papier- und Buchhandel, Bibliotheken und Sammlungsschwerpunkte, Buchillustration und Ubersetzung sind für den schlesischen Raum entweder noch nicht erforscht oder nur in wenigen Forschungsbeiträgen erfaßt. Im folgenden beschränkt sich dieser Beitrag daher auf eine Skizzierung der Forschung zum Buchdruck. Dabei ist jedoch zu betonen, daß auch in den hier nicht angesprochenen Bereichen das Verhältnis von deutschen und polnischen Autoren nahezu gleich ist.
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Noch in einem frühen Stadium der ausdifferenzierten historischen Wissenschaften war es der vielseitige Gelehrte und Rektor des Breslauer Elisabethgymnasiums Johann Ephraim Scheibel, der sich mit seiner Monographie „Geschichte der seit dreihundert Jahren in Breslau befindlichen Stadtbuchdruckerey als ein Beitrag zur allgemeinen Geschichte der Buchdruckerkunst" 1 0 mit dem Thema auseinandersetzte. Er widmete sich vor allem der Druckerei Konrad Baumgartens sowie dessen Biographie und Genealogie." Seine maßgebliche Quelle war ein Aufsatz Christian Runges im vierten Teil des „Breßlauischen Jubel-Gedächtnüß der Buchdruckerkunst" von 1740.12 Auch wenn Scheibel das Verdienst zugeschrieben werden muß, wahre Pionierarbeit geleistet zu haben, so blieb seine Arbeit doch etwas lückenhaft und wies methodische Probleme auf: Verschiedene, zum Teil gravierende Fehler haben sich in das Werk eingeschlichen. Dennoch ist die Monographie als wissenschaftshistorisches Dokument bedeutsam. Exakter als Scheibel ging ein knappes Jahrhundert später der Historiker Gustav Bauch vor, als er eine „Bibliographie der schlesischen Renaissance (1475 bis 1521)"' 3 vorlegte. Dabei inkorporierte er nur „ganz sicher beglaubigte Werke" 14 und ließ handschriftlich überlieferte oder später entstandene Bücher außer acht. Auch wenn die Anzahl der Bücher, die er auflistete, beachtlich ist, so ist doch die Art seiner Titelaufnahme längst überholt und gerade bei Inkunabeln nicht immer zweifelsfrei. Manche Besonderheit - darunter die Aufnahme von Titeln aus der Feder von Breslauern, die jedoch in anderen Städten gedruckt wurden - hätte viel ausführlicher begründet werden müssen. Die Zeit des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts stellt ohnehin - auch in anderer disziplingeschichtlicher Hinsicht - eine Phase des Sammeins, Ordnens und Katalogisierens dar. In dieser Zeit entstanden Abrisse von Buchgeschichten einzelner schlesischer Städte wie Lieg-
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Scheibel, Johann Ephraim: Geschichte der seit dreihundert Jahren in Breslau befindlichen Stadtbuchdruckerey als ein Beitrag zur allgemeinen Geschichte der Buchdruckerkunst, Breslau 1804. Ebd., Th. 2, 1-6. Ebd., IVf.; das Jahr 1740 war auch über Schlesien hinaus ein Anlaß, der Erfindung des Buchdrucks zu gedenken. Vgl. dazu die umfangreichen Bände von Wolf, Johann Christian (Hg.): Monumenta typographica, quae artis hujus originem laudem et abusum posteris produnt, instaurata studio et labore Jo. Christiani Wolfii, gedruckt von Christian Herold, Bd. 1 - 2 , Hamburg 1740. Bauch, Gustav: Bibliographie der schlesischen Renaissance (1475 bis 1521). In: Silesiaca. Festschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens zum siebzigsten Geburtstage seines Präses Colmar Grünhagen, Breslau 1898, 1 4 5 - 1 8 6 . Ebd., 147.
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nitz, 15 Dyhernfurth, 1 6 Brieg, 17 Oels 18 und Görlitz. 1 9 Dem jüdischen Buchdruck wurde stets eigene Aufmerksamkeit zuteil. 20 Technische und sozialhistorische Fragen wurden von zwei Verfassern behandelt, deren Monographien noch immer als Nachschlagewerke in diesem Bereich gelten können: Friedrich Kaminsky äußerte sich zu den Verhältnissen im oberschlesischen Buchgewerbe, 2 W i l l y Klawitter zur Zensur in Schlesien. 22 Nach 1945 teilte sich die Erforschung des Buches und seiner Geschichte hinsichtlich Schlesiens: Auf der einen Seite, der Bundesrepublik Deutschland, 23 saßen verdiente Wissenschaftler, denen jedoch die Grundlage: die Bibliotheken mit ihren Schätzen in Schlesien, fehlte. Eine Reihe von Arbeiten ist daher eher retrospektiv. In mancher Schrift wurde versucht, an das „Erbe" anzuknüpfen, was jedoch nicht immer gelang.24 15 16
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Bahlow, Hans: Die Anfänge des Buchdrucks zu Liegnitz. Ein Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des deutschen Ostens, Liegnitz 1928. Brann, M[arkus]: Geschichte und Annalen der Dyhernfurther Druckerei. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 40 (1896) 474480, 515-526, 560-574. Kersten, Günther: Die Brieger Buchdrucker. In: Briegische Heimatblätter zur Pflege von Heimatkunde, Heimatgeschichte, Heimatliebe und Heimatstolz. Beilage der Brieger Zeitung, Nr. 29 (1928) 113-122. Münch, Gotthard: Die jüdische Druckerei in Oels. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte N. F. 53 (1974) 52-56. Sieg, Gustav: Zur Geschichte der Buchdruckerei in Görlitz vor 1565. In: Neues Lausitzisches Magazin. Zeitschrift der oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften 111 (1935) 173-180. Brann, M[arkus]: Der hebräische Buchdruck in Breslau. In: Jüdischer Volks- und Hauskalender für das Jahr 1892. Mit einem Jahrbuch zur Belehrung und Unterhaltung 39 (1891) 75-81; Landsberger, J[ulian]: Zur Geschichte der jüdischen Buchdruckerei in Dyhernfurth und des jüdischen Buchhandels. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums 39 (1894/95) 120-133, 187-192, 230-238; Meyer, Hfermann]: Index Topo-Bibliographicus. Ein Beitrag zur Geschichte des hebräischen Buchdrucks. In: Soncino-Blätter. Beiträge zur Kunde des jüdischen Buches 3 (1929/30) 243-258 (mit einer Bibliographie der jüdischen Druckereien in Breslau, Dyhernfurth, Hundsfeld und Oels); Migon, Krzysztof: Ksi^zka zydowska na Sl^sku. Rekonensans badawczy. In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 44 (1989) 89-99. Kaminsky, Friedrich: Beiträge zur Geschichte des oberschlesischen Buchbinderei-, Buchdruck-, Buchhandels-, Zeitungs- u. Bibliothekswesens bis 1815, Breslau/Oppeln 1927. Klawitter, Willy: Geschichte der Zensur in Schlesien, Breslau 1934 (Deutschkundliche Arbeiten, B: Schlesische Reihe 2). In der DDR war die Erforschung der Buchgeschichte Schlesiens praktisch zum Erliegen gekommen. Es entstanden interessante Überblicke, die ein aufschlußreiches Bild vermitteln, auch wenn von ihnen keinerlei Forschungsanstöße ausgehen konnten. Vgl. etwa Jessen, Hans: Von Buchdruckern und Verlegern im deutschen Osten, Kitzingen 1954 (Der Göttinger Arbeitskreis 41).
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Andererseits waren nun polnische Wissenschaftler die „ E r b e n " einer problematischen Uberlieferung: vielfach auseinandergerissene, teilweise zerstörte, ausgelagerte und auf andere Art unbenutzbare Buchbestände, die erst wieder katalogisiert und geordnet werden mußten. E s verdient hervorgehoben zu werden, daß trotz schwieriger politischer Rahmenbedingungen in der polnischen Forschung nach neuen Perspektiven gesucht wurde. Zu den ersten Forschern gehörten Marta Burbianka und Bronistaw Kocowski, die eine Bestandsaufnahme erarbeiteten. 25 Der bis heute unverzichtbare Inkunabelkatalog der Universitätsbibliothek Breslau gehört zu den frühen wissenschaftlichen polnischen Projekten zum Buchwesen in Schlesien nach 1945. 26 Aber auch Buchhistoriker wie Krzysztof Migon traten schon früh mit regionenübergreifenden Arbeiten in Erscheinung 2 7 und blieben diesem Thema auch später treu. 28 D a es an einer methodologischen Neuorientierung mangelte, meldeten sich nach und nach Forscher, die diesseits des damaligen Eisernen Vorhangs lebten, mit neuen Materialien zu Wort. 29 Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts freilich gab es kaum noch Beschränkungen hinsichtlich Themenwahl und Methode. Zunehmend drang überdies die Tatsache ins Bewußtsein, daß Schlesien in der Buchgeschichtsforschung wenn auch keine tabula rasa, so doch einen lange mißachteten Gegenstand darstellte. Bezeichnenderweise kamen Forschungsanstöße in F o r m von Hinweisen auf unbeachtete Unika oder Zusammenhänge sowohl von polnischer 30 als auch von westeuropäischer Seite.31 Als unverzichtbare
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Burbianka, Marta: Zarys dziejow handlu ksifgarskiego we Wroclawiu do polowy X V I I wieku. In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobotka 4 (1949) 14-88; dies.: Inwentarz wrociawskiej biblioteki przy kosciele sw. Bernhardyna ζ 1657 roku, Wroclaw 1953; Kocowski, Bronislaw: Slqskie studia inkunabulistyczne, Wroclaw 1953. Kocowski: Katalog inkunabulow biblioteki uniwersyteckiej we Wroctawiu, Bd. 1-3 (1959-1977). Migofi, Krzysztof: Recepcja ksi^zki orientalistycznej na Sl^sku do konca X V I I I wieku, Wroclaw/Warszawa/Krakow 1969 (Zaklad historii naukii techniki polskiej akademii nauk: Monografie ζ dziejow nauki i techniki 62). Ders.: Bibliografia publikacji bibliologicznych 1960-1999, Kalisz 2000. Etwa Volz, Hans: Die Breslauer Luther- und Reformationsdrucker Adam D y o n und Kaspar Libisch. In: Gutenberg-Jahrbuch 42 (1967) 104-117; Swierk, Alfred G.: Ein frühes, wenig bekanntes Zeugnis über die Erfindung des Buchdrucks. Ebd. 46 (1971) 36-42. Maleczynska, Kazimiera / Migon, Krzysztof / Tokarska, Anna: Stan polskich badan nad Sl^skimi ksi?gozbiorami historycznymi. In: Gladkiewicz, Ryszard (Hg.): Historyczne Ksifgozbiory cieszyna na tie Sl^skim. Rola kulturowa i przedmiot badaii, Cieszyn 1997, 11-26.
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Grundlagenwerke sind dabei die Monographien des Buchhistorikers Josef Benzing anzusehen, die zu einem frühen Zeitpunkt - auch auf V o r kriegsarbeiten basierend - durch ihren repertorischen Ansatz eine der vielen Wissenslücken der Buchgeschichte füllten. 32 A u c h David L. Paisey leistete mit seiner bibliographischen Aufarbeitung der Buchhandels- und Verlagsgeschichte (als Fortsetzung Benzings) einen weiterführenden Forschungsbeitrag. 33 Ein wichtiger Forschungsaspekt war f ü r polnische Philologen und Buchhistoriker lange Zeit ,das Polnische' in der Entwicklung der verschiedenen Genres des gedruckten Mediums. Mit der Erforschung dieser geistes- und druckgeschichtlichen Besonderheit wurde sicherlich ein kultureller Binnenraum vermessen, der f ü r Gebiete, in denen sich Sprachen und Kulturen mischen - ähnlich wie im Elsaß oder am Niederrhein von Bedeutung ist.34 Gleichwohl dürfte diese Tranche der Forschung, die neben der berechtigten Bearbeitung eines Desiderats auch den politischen Rahmenbedingungen des Kalten Krieges geschuldet war, im Lauf der Zeit an Umfang und Bedeutung abnehmen. Zusammenfassende Uberblickswerke stellen zwar große Mengen an Material zur Verfügung, das in den meisten Fällen jedoch anderen Quellen entnommen oder so allgemein ist, daß f ü r eine vertiefte Suche doch wieder auf andere Datenbanken zurückgegriffen werden muß. Gleich-
Swierk, Alfred G.: Sl^skie ksi^gozbiory historyczne w swietle historiografii niemieckiej. Ebd., 28-46; ders.: Die Anfänge des Buchdrucks in Breslau. In: Jahrbuch der schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 23 (1982) 171— 177; Claus, Helmut: New Light on the Presses of Adam Dyon and Kaspar Libisch in Breslau (1518-1540). In: Flood, John Lewis / Kelly, William Ashford (Hg.): The German Book 1450-1750. Studies represeneted to David L. Paisey in his retirement, London 1995, 61-80; Haberland, Detlef: Der pietistische Buchdruck in Schlesien [im Druck]. Benzing, Josef: Der Buchdruck des 16. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Eine Literaturübersicht, Leipzig 1936 (Zentralblatt für Bibliothekswesen 68); ders.: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 21982 ['1963] (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 12), 55, 6468, 96, 146, 157, 294f., 341f., 369, 371f., 385, 400f„ 415f. (Einträge zu folgenden schlesischen Orten: Beuthen, Breslau, Brieg, Dyhernfurth, Glatz, Görlitz, Liegnitz, Neisse, Oberglogau, Oels, Räuden, Sagan, Schweidnitz). Paisey: Deutsche Buchdrucker, Buchhändler und Verleger (1988). Einträge zu folgenden schlesischen Orten: Beuthen, Breslau, Brieg, Dyhernfurth, Görlitz, Großglogau, Hirschberg, Jauer, Lauban, Liegnitz, Neisse, Oels, Schweidnitz, Troppau. Sadowska, Haiina: Nieznane Estreicherom polonica w zasobie starych drukow biblioteki uniwersyteckiej we Wroclawiu, Wroclaw 1958; Mendykowa, Aleksandra: Ksi^zka polska we Wroclawiu w XVIII wieku, Wroclaw 1975; Pilch, Jozef: Polskie pierwodruki Cieszynskie, Cieszyn 1990.
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wohl ermöglichen solche Sammlungen wenigstens einen historiographisch und methodisch einfachen Zugriff. 35 Obwohl hier nur einige punktuelle Hinweise gegeben werden konnten, läßt sich insgesamt sagen, daß Schlesien auch in diesem, die verschiedensten Facetten religions-, sozial-, biographie-, technik- und geistesgeschichtlicher Forschung und Darstellung berührenden Bereich so reichhaltiges Material bereithält, daß von einem Ende der Forschung bei weitem nicht gesprochen werden kann. Allerdings muß, nachdem - und dies kann gar nicht genug herausgehoben werden - der Zugang zu den Archiven und Bibliotheken im östlichen Europa so einfach ist wie in Westeuropa, nach neuen Wegen gesucht werden, um diesen Zweig der Kultur-, Medien- und Literaturgeschichte angemessen zu erforschen. Durch die Zugehörigkeit zu drei Kulturen: der deutschen, der polnischen und der tschechischen, verliert die schlesische Landes- und damit auch Kulturgeschichte „das Provinzielle, heimatkundliche, das sich sonst überall in unversehrten Landschaften antreffen läßt. Sie kann vor allem dann weiterleben, wenn sie jene Internationalität erlangt, die ihr von der Geschichte auferlegt wurde." 36
II. Aus der geschilderten unbefriedigenden Situation heraus entspringt die Forderung nach einem Neuansatz. Einen solchen unternahm Detlef Haberland vor einigen Jahren in einem institutionellen Rahmen, der allerdings für die Realisierung von größeren Projekten - und als solches stellte sich bereits die Erforschung der Druckgeschichte selbst eines kleineren Auf den Artikel „Schlesien" in Bd. 6 des Lexikons des gesamten Buchwesens wurde bereits verwiesen (vgl. Anm. 6). In diesem noch nicht abgeschlossenen Werk sind bis jetzt folgende Einträge zu Schlesien zu verzeichnen: Konrad Baumgarten, Breslau, Dyon, Kaspar Elyan, Görlitz, Gnissau, Hedwig-Codex und -Druck, Heinrichau, Kamenz, Kirstenius, Leubus, Liegnitz, Lybisch, Milich, Räuden, Rehdiger. Hinzuweisen ist auch auf Weyrauch, Erdmann: Wolfenbütteler Bibliographie zur Geschichte des Buchwesens im deutschen Sprachgebiet (1840-1980), Bd. 1-12, München 1990-1999, mit folgenden Einträgen zu Schlesien: Breslau, Brieg, Cosel, Klosterbrück, Dyhernfurth, Glatz, Gleiwitz, Glogau, Görlitz, Gnissau, Heinrichau, Hirschberg, Jägerndorf, Jauer, Kamenz, Kattowitz, Neustadt O.S., Nieder-Petersdorf, Nikolai O.S., Oberglogau, Oberlausitz, Oberschlesien, Oels, Oppeln, Ottmachau-Neisse, Patschkau, Pleß, Ratibor, Raudnitz, Sagan, Schlesien, Schweidnitz, Tarnowitz, Troppau, Waldenburg, Warmbrunn. Conrads, Norbert: Silesiographia oder Landesbeschreibung. In: ders. (Hg.): Schlesien, Deutsche Geschichte im Osten Europas, Berlin 1994,13-36, hier 36.
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Ortes wie Neisses heraus - nicht eben günstig war. Es fiel auf, daß in den Publikationen zu Neisse stets nur wenige Buchtitel genannt werden. Dazu gehören etwa die Schlesien-Karte von Martin Helwig (1561) und die musiktheoretischen „Poeticae sive Compositione Cantus Praeceptiones absolutissima" 37 (1631) des Johannes Nucius neben einigen theologischen Werken und den Predigten Schefflers. Dies ist für die fachwissenschaftliche und intellektuelle Standortbestimmung eines Ortes, der nicht zu Unrecht den schmückenden Beinamen „das schlesische R o m " führte, keineswegs ausreichend. Grundlage für die weitergehende Erhellung der Druckgeschichte Neisses war die handschriftliche Kartei des oberschlesischen Dichters und Bibliothekars Gerhart Baron. 38 Dieser hatte vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine unveröffentlichte Bibliographie Neisser Drucke von den Anfängen bis zum Jahr 1800 zusammengestellt, die eigenen Angaben zufolge 675 Titel enthielt. Diese Sammlung ging bei der Flucht verloren. Nach dem Krieg begann Baron erneut, Titel zu sammeln, brachte es aber, nunmehr im österreichischen Linz wohnend und ohne Möglichkeit zu größeren Bibliotheksreisen, auf „nur noch" 523 Titel, von denen 148 auf das 16., 253 auf das 17. und 122 auf das 18. Jahrhundert entfielen. Dies war die Ausgangslage. Mit Hilfe des „Verzeichnisses der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts" (VD 16),39 der Abteilung für Alte Drucke der Universitätsbibliothek Breslau, der British Library London, der Bibliographie Karol Estreichers 40 und einiger spezieller Arbeiten 41 konnte die Zahl der Drucke für das 16. Jahrhundert 37
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Nucius, Johannes: Musices poeticae sive de compositione cantus / praeceptiones absolutißime nunc primum a F. Ioanne Nucio, Nissa 1613. Haberland, Detlef: „Gedruckt zur Neyß... auff dem Kaldenstein" - Aspekte der Druckgeschichte Neisses im 16. und 17. Jahrhundert. In: Kosellek, Gerhard (Hg.): Oberschlesische Dichter und Gelehrte vom Humanismus bis zum Barock, Bielefeld 2000 (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien 8), 423-447, hier 426f. Hier sei besonders Frau Dr. Irmgard Bezzel t (München) gedankt, die dem Verfasser jene Titel aus den noch nicht veröffentlichten Bänden des V D 16 übermittelte. Klaus-Peter Möller (Potsdam) übermittelte dem Verfasser Titelblattkopien aus der Sächsischen Landesbibliothek Dresden. Estreicher, Karol Jözef Teofil: Bibliografia polska, Bd. 1-39, Krakow 1870-1939 [ N D Krakow 1964-1965], Bd. Suppl. 1-2, Krakow 1873-1875, hier Bd. Suppl. 2 (1875), Bd. 8 (1882), Bd. 9 (1888), Bd. 12 (1891) bis Bd. 33 (1939). Glombiowski, Karol: Biblioteka franciszkanow w Nysie w swietle inwentarza ζ roku 1678. In: Kocowski - Burbianka - Glombiowski (Hg.): Ζ dziejow ksi^zki na Sl^sku (1953), 77-146, hier 123-125; Pawlik, Krzysztof: Duchowani bibliofile na Sl^sku w X V I I wieku. In: Sl^ski kwartalnik historyczny Sobötka 42 (1987) 199-221; Zaj^kowska, Barbara: Druki Nyskie w Zbiorach Specjalnych Biblioteki Sl^skiej. In: Ksi^znica Sl^ska 24 (1988-1993) 26-58.
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auf 259 vermehrt werden, wobei die von Baron überlieferten Angaben durch Titelblatt- und Kolophonkopien ergänzt und korrigiert wurden. Bedenkt man, daß der Buchdruck in Neisse regulär erst 1555 begann, die Drucke von 1541 und 1543 also gleichsam einen Vorlauf darstellten und ein Druckbeginn im Jahr 1521 nicht belegt ist, so bewegt sich die jetzt für ein halbes Jahrhundert nachgewiesene Zahl durchaus im Rahmen dessen, was man von einem frühneuzeitlichen Druckort, der nicht in einer Metropole angesiedelt war, erwarten kann. Im Fall von Neisse ist durch die Residenz des Breslauer Bischofs allerdings ein Bedeutungszuwachs der an sich kleinen Stadt zu verzeichnen. Einzelne weitere Funde sind nicht auszuschließen, dürften aber das bis jetzt erreichte Gesamtbild kaum grundlegend verändern. Aufgrund der gewonnenen Titel ließen sich folgende Sachgruppen bilden: Theologie (98 Titel = 38,0 Prozent), Gelegenheitsdichtung (61 = 23,6 Prozent), medizinische Traktate und religiöse Dichtung (je 21 = je 8,1 Prozent), administrative Schriften (19 = 7,0 Prozent) sowie Schulbücher und Grammatiken (7 = 2,7 Prozent); andere Gruppen wie geographische und kartographische Drucke, politische Schriften oder historische Berichte etc. machen nur jeweils unter 2 Prozent aus. Mit anderen Worten: Das (kirchen-)politische und kulturelle Leben der Stadt Neisse hatte eine Identität bekommen, die der anderer Städte hinsichtlich ihrer Quantität und ihres Niveaus durchaus entsprach. 42 Mittels spezieller Analysen konnte der Charakter kirchlicher Schriften, die sich auf die Verwaltung des Bistums Breslau bezogen, sowie die relativ hohe Anzahl der medizinischen Schriften, die sich durch die Pesttraktate erklären lassen, bestimmt werden. Es fehlt allerdings noch ein weiterer Bestandteil zur Komplettierung des kulturhistorischen Bildes: die Autoren. Eine Aufzählung der Drucke reicht nicht aus, um den Charakter eines frühneuzeitlichen Druckortes näher zu bestimmen. Es ist gewiß richtig, ihn in einen wirtschafts- und geistesgeschichtlichen Kontext zu stellen, wie dies etwa für den Druckort Lemgo geschehen ist.43 Hierin unterscheidet sich jeder frühneuzeitliche Ort vom anderen, und die Auswirkungen können letztlich ganz grundsätzlicher Art sein. Es lassen sich jedoch noch genauere Erkenntnisse über die politischen und/oder kulturellen Implikationen des Druckens gewinnen, die über den plakativen Titel „Druckort der Gegenreformation" hinausgehen. Dafür soll im
In Zwickau zum Beispiel wurden zwischen 1531 und 1550 rund 150 Drucke veröffentlicht, in Tübingen zwischen 1498 bis 1534 mindestens 161, in Marburg an der Lahn in der Zeit von 1527 bis 1566 wohl 332. Trüber, Heinrich: Lemgo als Druckerstadt. In: Ravensberger Blätter für Geschichts-, Volks- und Heimatkunde 26 (1926) 28f., 38f., 45.
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folgenden ein Beispiel gegeben werden. 1571 erschien bei Johann Cruciger die „Biblia. Testamentum Novum. Deutsch. Das Neuw Testament. / Hieronymus Emser [Übers.]. Neyß: Creutziger 1571, 881 S., Bog. A-X[vj]; 8°".44 Diese Bibel ist zwar keine Prachtausgabe, aber dennoch ein Werk, dem Beachtung geschenkt wurde. Der Ubersetzer und Herausgeber Hieronymus Emser war eine der prominentesten Persönlichkeiten in dem anhängigen Konfessionsstreit. 1477 oder 1478 in Weidenstetten bei Ulm geboren,45 empfing er nach dem Studium in Tübingen und Basel 1502 die Priesterweihe. Er studierte weiterhin Theologie und Jurisprudenz in Leipzig. 1505 folgte er dem Ruf Herzog Georgs von Sachsen und wurde dessen Sekretär. Sechs Jahre später zog sich Emser allerdings zurück und widmete sich fortan humanistischen Studien. Gleichwohl blieb er in engem Kontakt zum Herzog, mit dem zusammen er die Leipziger Disputation zwischen Luther und Eck erlebte. „Von da an war Emsers Leben bestimmt vom Abwehrkampf gegen Luther und die von ihm ausgelöste reformatorische Bewegung. Diesen Kampf führte er vor allem mit literarischen Mitteln." 46 Der Streit, der teilweise groteske Züge annahm, soll hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden. Ein Teil dieser Auseinandersetzung - und hierin besteht der Zusammenhang mit Neisse - war jedoch Emsers Ubersetzung der Heiligen Schrift. Damit fügte er sich in die Reihe der mit Luther konkurrierenden Bibelübersetzer des 16. Jahrhunderts ein.47 So scheint ein logischer Zusammenhang hergestellt: Eine der Hauptschriften des erbitterten Luther-Gegners wurde am Sitz der Breslauer Bischöfe verlegt, die im Lauf des 16. Jahrhunderts immer stärker die Haltung Roms einnahmen. Doch so einfach stellt sich der Sachverhalt bei näherem Hinsehen nicht dar. Der Neisser Druck der außerordentlich erfolgreichen Emser-Bibel war erst der vierzehnte von insgesamt 32 zwischen 1527 (Dresden) und 1723 (Nürnberg) herausgebrachten Ausgaben, die hauptsächlich im Süden und Westen des Alten Reiches verlegt wurden.48 44
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Emser, Hieronymus: Biblia. Testamentum Novum. Deutsch. Das Neuw Testament, Neyß 1571 (Herzog August Biblbiothek Wolfenbüttel, Sign.: Bibl.Sammlung S 800). Die biographischen Daten zit. nach: Steinruck, Josef: Art. Emser, Hieronymus. In: Theologische Realenzyklopädie 9 (1982) 576-580; Bautz, Friedrich Wilhelm: Art. Emser, Hieronymus. In: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 1 (1990) 1508f. Steinruck: Emser, 577. Walther, Wilhelm: Die ersten Konkurrenten des Bibelübersetzers Luther, Leipzig 1917. Die Daten nach Kawerau, Gustav: Hieronymus Emser. Ein Lebensbild aus der Reformationsgeschichte, Halle a. d. Saale 1898 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 15/4), 124 Anm. 134, 125 Anm. 140. Die Angaben zu den ein-
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Allerdings blieb diese Ausgabe auf lange Zeit die einzige in Schlesien mit Ausnahme einer weiteren des Jahres 1713, die gleichfalls in Neisse gedruckt wurde. Daher darf Emser aus regionalhistorischen Gründen unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Nimmt man sich jedoch den Text von Emsers Ubersetzung vor, so stellt man fest, daß seine Kritik an Luther - er wollte ihm „1400 ketzerische Irrtümer und Lügen" 4 9 nachweisen - praktisch durchweg aus der Luft gegriffen ist.50 Zwar orientierte sich Emser bei der Erstellung seines Textes auch an der Vulgata und an mittelalterlichen deutschen Ubersetzungen; tatsächlich ist seine Version jedoch im wesentlichen lediglich eine Überarbeitung der Lutherschen Fassung und keine neue, eigenständige Übersetzung. So ist es geradezu ein Treppenwitz, daß im gegenreformatorischen Neisse eine Bibel gedruckt wurde, die „indirekt zur Verbreitung der Übersetzung Luthers auch im katholischen Volksteil" 5 1 beitrug. U m diesen Umstand, der dem unzweifelhaft gebildeten Emser nicht entgangen sein dürfte, abzuhelfen, hatte er zwischen die einzelnen Bücher der Schrift erklärende Vorreden eingefügt. In diesen konnte er seiner Polemik freien Lauf lassen. Die beiden folgenden Texte verdeutlichen dies: „Das Argument vber die Epistel Pauli zu den Römern. In diser Epistel lobet Paulus erstlich den glauben der Römer an Christum / wie der dann durch die gantze weit verkündigt / vnnd dermassen auch an vns Deutschen kommen ist. Derbalben so sollen wir den
Römischen glauben nit verachten / vmb der Römer bößheit willen,"52 „Das Argument auff die ersten Epistel zu den Corinthern. Corinthus war ein grosse Stadt in Achalia der gegend des Griechenlandes. In welcher Paulus zuvor gepredigt / vnd sie zu Christen gemacht het. Aber nach seinem abscheid stunden auff etzliche falsche lehrer / die sie auß der rechten ban fuerten / wol auff zehenerlei jrthumb. Erstlich richten sie an Spaltung vnnd zwytracht im volck / das einer wolt sein
zelnen Druckausgaben der Emser-Bibel ebd.: 1527 (Dresden), 1528 (Leipzig, Köln), 1529 (Freiburg im Breisgau, Leipzig, Köln), 1530 (Rostock), 1532 (Tübingen), 1534, 1535, 1539, 1551 (Freiburg im Breisgau), 1571 (Neisse), 1583, 1603, 1605, 1612, 1623, 1626, 1640, 1654, 1656, 1657 (Köln), 1671 (Würzburg), 1713 (Neisse), 1714 (Sulzbach), 1720, 1723 (Nürnberg), 1726, 1734 (Köln). Hierbei sind die Bearbeitungen Dietenbergers und Ecks nicht mitgerechnet. Zit. nach Bautz: Emser, 1509. Kawerau weist minutiös nach, daß Emser weder die theologischen Gedanken Luthers zu fassen imstande war noch Druckfehler als solche zu erkennen vermochte. Letztere betrachtete er als gewollte Verdrehungen des Textes. Steinruck: Emser, 579. Emser: Biblia, 487. Hervorhebung durch den Verf.
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Paulisch / der ander Appolisch / etc. Zum andern / machten sie jrthumb bey den Heiligen Sacramenten /als nemblich der Tauff / des Fronleychnams vnd zarten bluts Chri- / sti vnd sonderlich bey dem Sacrament der heiligen Ehe. Zum dritten / fleysseten sich die obgemelten falschen Lehrer auff die Heydnischen künste der Philosophey / vnd der gespiegelten Rhetorick / vnd hochlautender wort / damit sie das einfeltig volck blendeten. Zum vierden / gieng all jhre lehre auff vnkeuscheit vnd fleischliche wollust der leiblichen speise / alle ding ohn allen vnderscheydt zu es-
sen vnd zutrincken / sampt andern jrthumben / darein vns Deutschen die newen Euangelischen vnnd ketzerischen Prediger jetzo auch gefürt / vnd jemmerlich verfürt haben."" Die Brisanz des Textes, den der Leser zunächst nur als eine historische Schilderung der Vorgänge in Korinth auffassen könnte, wird erst sehr spät und sozusagen verborgen sichtbar: als Angriff auf die Reformation und ihre Protagonisten, was die in Kursive hervorgehobenen Textpassagen verdeutlichen. Emsers Bibel spiegelte auf diese Weise - und ohne seine Absicht - die Verhältnisse in Schlesien getreu wider: Während die Reformation zunächst breite Zustimmung erfahren hatte, wurde sie jedoch durch die Kirchenpolitik unterdrückt. Der politische Wille und die Tendenz an der Basis waren keineswegs deckungsgleich. Dieser Kampf sollte noch bis zum Religionsfrieden von Altranstädt (1707) andauern. Darüber hinaus ließ Emser einen weiteren Traktat erscheinen, der in Zusammenhang mit seiner Bibel stand und geradezu zu einem Erfolgsbuch wurde. Der Titel der Neisser Ausgabe lautete wie folgt: „Annotationes Hieronymi Emsers/ vber Lutthers Newe Testament/ jetzt zum vierden mal vbersehen/ welche auch mit dem Newen Testament/ so Emser seliger verdeutschet/ vnd an Jüngsten gedruckt/ außgangen sind/ Im 1529. Jahr. Gedruckt zur Neyß/ durch Johann: Creutzigern/ wohnhafftig auff dem Kaldensteyn. Anno M. D . L X X I . " Dieses Buch, in dem er die Erläuterung „falscher" Bibelstellen noch umfangreicher umsetzte, war bereits 1524 in Dresden, 1528 in Leipzig sowie 1529 und 1535 an dem fingierten Druckort Freiburg im Breisgau erschienen. 54 Es ist erstaunlich, daß ein Werk, das sich aufgrund seiner philologischen Anforderungen nur an Gelehrte wandte, derart häufig aufgelegt wurde. Das Neisser Erscheinungsjahr 1571 weist auf die offenkundige Notwendigkeit zur verstärkten Bekämpfung des lutherischen Bibeltextes hin. Nur vier Jahre später wurde Christoph Kirmeser in der Hoffnung, die dortige
Ebd., 536f. Hervorhebung durch den Verf. Daten nach dem Online-Katalog der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel.
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Position des Katholizismus wieder zu konsolidieren, nach Neisse berufen. An diesen Beispielen wird die Notwendigkeit ersichtlich, die Druckgeschichte über eine möglichst vollzählige Sammlung von Titeln (deren Bedeutung keineswegs geleugnet werden soll) hinaus durch Analysen von Prä- und Haupttexten in ihren jeweiligen theologie- und sozialhistorischen Kontext zu stellen.55 Es ist dabei unausweichlich, sich mit den Autoren auseinanderzusetzen, deren Werke jeweils gedruckt wurden. Auch hierzu mag eine personengeschichtliche Anmerkung erhellend sein: Der Schweizer Nikolaus Wynmann war bis 1538 Professor der Rhetorik in Ingolstadt und wurde anschließend zum Rektor des Gymnasiums in Neisse berufen, ein Posten, den er wohl zumindest von 1540 bis 1543 innehatte. 56 Ein noch in Ingolstadt gedrucktes Werk zur Schwimmkunst, in dem Wynmann sich in bester humanistischer Absicht allgemein kritisch zu Leben und Textüberlieferung äußerte, verursachte jedoch einen nicht unbeträchtlichen Aufruhr, zumal er seinen Traktat in Breslau wohl erneut drucken ließ. Daher mußte er seine Tätigkeit in Neisse schließlich aufgeben; seinen Lebensabend verbrachte er als Abt eines Klosters in der Steiermark. An diesem Beispiel wird greifbar, welch individuelle Agilität und Mobilität sich hinter einzelnen Titeln verbergen können, die in bedeutendem Maß das Leben und die Entwicklung jener Orte illustrieren, in denen sich das kulturelle Leben zwischen Kirche, Schule (oder Universität) und Druckoffizin bewegte.
III. Das oben skizzierte Problemfeld stellt unter historischen - disziplinären wie methodischen - Aspekten einen Forschungsbereich dar, der noch der Aufbereitung in einer grundsätzlich anzulegenden Weise bedarf. De-
Die folgenden Ausführungen nach Haberland, Detlef: Neisser Buchdruck zwischen Breslau, Rom und Wittenberg. In: Kunicki, Wojciech / Witt, Monika (Hg.): Neisse. Kulturalität und Regionalität, Nysa 2004, 165-175, hier 172-174. Zu dieser F o r m der Auseinandersetzung mit Drucken vgl. Grunewald, Eckhard / Jürgens, Henning P. / Luth, Jan R. (Hg.): Der Genfer Psalter und seine Rezeption in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden: 16.-18. Jahrhundert, Tübingen 2004 (Frühe Neuzeit 97). Hier werden in einer Reihe von Beiträgen druck-, text- und liturgiegeschichtliche Probleme kombiniert untersucht. Kastner, August: Geschichte der Stadt Neisse mit besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Lebens in der Stadt und dem Fürstenthum Neisse, Bd. 1/3, Neisse 1866 (Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau 4), 34.
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tailforschungen, so wünschenswert sie auch immer sein mögen, schaffen keinen Uberblick und vermögen nicht, dem aktuellen theoretischen Stand historischer Medien als Träger von kulturellem Sinn gerecht zu werden. So bedeutsam die ins Einzelne gehende Bearbeitung von Druckersignets, von Auflagen, Kosten und Vertriebsnetzen ist - der technologische Aspekt ist doch nur einer von vielen, die das Medium Buch konstituieren. Schließlich ist das Buch keine beliebige Handelsware, die ihren Sinn in der jeweiligen unmittelbaren Verwendung erfüllt, sondern zuerst ein Träger von bestimmten theologischen, philosophischen, literarischen und politischen Ideen und Konzepten und muß vor allem in diesen Zusammenhängen gesehen werden. Diese keineswegs neuen Fakten sind jedoch gerade für eine Region, deren facettenreiche kulturelle und politische Struktur im Spannungsfeld zwischen West und Ost eine weite Ausstrahlung hatte und eine gleichermaßen breite Rezeptionsspanne aufwies, von Bedeutung. 57 An diesem Punkt hat die Buch- und Kulturforschung zu Schlesien anzusetzen. Mit den folgenden Überlegungen soll versucht werden, einen Bereich zu strukturieren, der den einzelnen Forscher sowohl aufgrund seiner historischen Tiefe als auch seiner materiellen Breite überfordert. Wünschenswert und notwendig sind folgende Arbeitseinheiten, die zu einem grundlegend besseren Verständnis dieses kulturhistorischen Segments führen können. In einem ersten Schritt wären Repertorien der Druckproduktion schlesischer Städte zu erstellen, die sich jeweils in der Zeitspanne von Druckbeginn an bis ca. zum Jahr 1800 bewegen sollten. Hierdurch würden mehrere Ziele erreicht: Die wirtschaftliche Potenz einer Kommune würde sichtbar, die Anzahl der Publikationen überhaupt gäbe dem Druckort seine Bedeutung, aber auch die meist wachsende Zahl der Offizinen und ihre Produktion böten Aussagemöglichkeiten auf einer quantitativ-soziologischen Ebene, die nicht unterschätzt werden darf. Genauere Angaben ließen sich auch zu interkulturellen Aspekten machen: Zu fragen wäre etwa, wie zahlreich polnische Drucke tatsächlich Zu den Möglichkeiten der Kulturtopographie vgl. Böhler, Michael / Horch, Hans Otto (Hg.): Kulturtopographie deutschsprachiger Literaturen. Perspektivierungen im Spannungsfeld von Integration und Differenz, Tübingen 2002. Ausgehend vom langen Einfluß der Literaturgeschichte Josef Nadlers arbeiten die Autoren die Problematik eines topographischen Ansatzes heraus. Auf die methodischen Probleme (Stichworte „Disembedding" und „Rembedding") von Böhlers einführendem Aufsatz kann hier nur verwiesen, aber nicht eingegangen werden. Hingewiesen werden soll an dieser Stelle auch auf den Sammelband von Borsö, Vittoria / Görling, Reinhold (Hg.): Kulturelle Topographien, Stuttgart/ Weimar 2004.
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waren, welche Autoren vertreten waren (und welche nicht!) und wer ihre Schriften druckte. Die Frage nach den konfessionellen Positionen und ihren Veränderungen ließe sich auf einer gesicherten Ebene beantworten. Die von Klaus Garber erarbeiteten Parameter des Gelehrtentums 58 als ein Bestandteil des Marktes und seines intellektuellen Hintergrundes müßten in dieses Repertorium einfließen, um im Kontext vieler anderer Drucke eine wesentlich genauere Aussage über Zuwachs und Schwund von gelehrtem Schrifttum jeglicher Art in einer ständischen Gesellschaft zu erlauben. Anhand eines solchen Repertoriums ließen sich darüber hinaus die in Schlesien publizierenden Gelehrten, die nicht mit den aus dem Oderland stammenden bzw. dort lebenden gleichzusetzen sind, genau erfassen. Es würden sich anhand dieses personengeschichtlichen Materials Einsichten in aufschlußreiche überregionale Vernetzungen ergeben, wie sie oben nur ansatzweise skizziert werden konnten. Gerade die Repräsentation des Materials für einen Zeitraum von rund 300 Jahren jeweils nach Druckbeginn würde einen weiteren Erkenntnisrahmen eröffnen, der die aus einzelnen, wenn auch prominenten Druckerzeugnissen zu gewinnenden Informationen an Wert um ein Vielfaches überstiege. Die Medienwissenschaft hat sich wiederholt dem Problem des Umbruchs, des Medienwechsels und der damit verbundenen kulturellen Implikationen gewidmet.59 Betrachtet man jedoch nicht den Rand oder die Ränder eines Mediums, sondern vielmehr seinen Binnenraum die longue duree der gelehrten und technischen Produktion - , so sieht man sich mit zahlreichen geradlinigen Tendenzen, aber auch Brüchen, Sprüngen, Doppelungen etc. in der untersuchten Zeitspanne konfrontiert, von denen die Person des Autors nur ein einzelner Aspekt ist, wenn auch der wichtigste. Die untrennbare Allianz von Tradition Autor - Text - Markt ist verwobener, als es den Anschein hat - gerade in 58
M
Garber, Klaus (Hg.): Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven, Bd. 1-15, Hildesheim/Zürich/New Y o r k 1997-2004. Vgl. dazu zusammenfassend Wenzel, Horst / Seipel, Wilfried / Wunberg, Gotthart (Hg.): Audiovisualität vor und nach Gutenberg. Zur Kulturgeschichte der medialen Umbrüche, Wien 2001 (Schriften des Kunsthistorischen Museums 6); Wenzel, Horst: Vom Anfang und vom Ende der Gutenberg-Galaxis. Historische Medienumbrüche im Für und Wider der Diskussion. In: Musner, Lutz / Wunberg, Gotthart (Hg.): Kulturwissenschaften. Forschung - Praxis - Positionen, Wien 2002, 3 3 9 - 3 5 5 , der sich mit den wichtigeren Arbeiten zu diesem Thema auseinandersetzt, so daß diese Problematik hier nicht erörtert werden muß. Vgl. auch Giesecke, Michael: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt am Main 1991.
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einer Epoche, die einerseits von der stationären Lebensweise der Mehrzahl der Bevölkerung geprägt war und in der andererseits die intellektuelle Mobilität vor der Erfindung der Eisenbahn einen neuen Höchststand erreicht hatte. So wichtig also Medienumbrüche sind: Die auf eine sichere materielle Grundlage gestellte Analyse des „Medienbinnenraums" erst erlaubt eine Aussage über die Entwicklung einer Region in vielfacher Hinsicht. Die „Techniken der Wissensspeicherung und ihre Konsequenzen für Sinnkonstitution und Kommunikation" 60 sind es, die über lange Zeiträume auch Auswirkungen auf die Produzenten von Texten und deren Inhalte haben. In einem weiteren, noch feineren Schritt sind die Texte selbst als Repräsentanten verschiedenster Positionen heranzuziehen. Aufgrund der vorhandenen Datenmenge, deren leitendes Kriterium nicht der gegenwärtige Standortnachweis ist, sondern die Einordnung in eine genuin mit der jeweiligen Biographie verbundene Produktionslandschaft als produktiver Ausdruck eines Kulturtransfers, lassen sich Aussagen über den geistigen Hintergrund personaler Standorte machen.61 Die Texte selbst, aber auch Prä- und Subtexte sind Indizien für individuelle Entwicklungen, die sich gleichwohl in einem intellektuell und konfessionell bestimmten Gesamtrahmen vollziehen. Zwar sind besondere Repräsentanten - man denke etwa an Andreas Gryphius oder Daniel Casper von Lohenstein - erforscht und in ihren lokalen wie internationalen Bezügen recht gut dokumentiert, doch lassen sich Aussagen für nicht ganz so berühmte Zeitgenossen, die die Kultur und Literatur ihrer Region und eventuell des deutschen Sprach- und Kulturraums allgemein gleichwohl beinflußten, eben nicht so präzise machen. Hier gilt wie im Fall der Gelegenheitsdichtung oder der Leichenpredigt, daß nicht nur das einzelne Produkt, sondern die gesamte Produktpalette zu betrachten ist. Schließlich sind die schlesischen Städte in den kulturgeographischen Rahmen einzubetten, in dem sie zunächst, wenn auch nicht ausschließlich, ihre Wirkung entfalten: es ist der Raum Ostmitteleuropa, an dessen Peripherie das Russische und für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum das Osmanische Reich angrenzten, und der im Süden und Südwesten durch die Mittelmeerkulturen und das österreichische Kernland begrenzt
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Wenzel, Horst: Luthers Briefe im Medienwechsel von der Manuskriptkultur zum Buchdruck. In: Wenzel / Seipel / Wunberg (Hg.): Audiovisualität, 185-201, hier 185. Wichtige Vorarbeit hierzu von Prietzel, Kerstin: Pamphilus Gengenbach, Drucker zu Basel (um 1480-1525). In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 52 (1999) 229—461.
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wurde. Wann immer auch von der „Brückenfunktion" 62 Schlesiens gesprochen wird - in dem disziplin- und raumüberschreitenden Medium des Buches wird sie über lange Zeit als Ausdruck selbstbewußter Eigenständigkeit, aber auch als Verbundenheit mit dem europäischen Kulturganzen sichtbar, dessen Koordinaten sich zwischen Krakau und Paris, zwischen Leiden und Budapest erstreckten." Ein derartiges Projekt kann, das läßt sich mit Bestimmtheit sagen, nicht durch einen einzelnen Wissenschaftler realisiert werden. Entsprechende grenzüberschreitende Kooperationen mit polnischen und tschechischen Wissenschaftlern sind zur Auswertung der alten Buchbestände einzugehen. Inwieweit sich Vollständigkeit tatsächlich wird erreichen lassen, muß dahingestellt bleiben, wenn man die zahlreichen Klosterbibliotheken, die nur über einen papiernen Standkatalog verfügen, in Betracht zieht. Doch allein schon die Auswertung der für Schlesien wichtigsten Bibliotheken ergäbe bereits ein repräsentatives Bild von einem Kulturbereich, der bislang bestenfalls in Ausschnitten bekannt ist.
REPERTORIEN, NACHSCHLAGEWERKE, LEXIKA Benzing, Josef: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 2 1982 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 12). Garber, Klaus (Hg.): Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven, Bd. 1/1-2/1, Hildesheim/Zürich/New York 2001-2003. Kocowski, Bronislaw: Katalog inkunabulow biblioteki uniwersyteckiej we Wrociawiu, Bd. 1-3, Wroclaw 1959-1977 (Wroclawskie Towarzystwo Naukowe: ^ s k i e prace bibliograficzne i bibliotekoznawcze 16). Paisey, David L.: Deutsche Buchdrucker, Buchhändler und Verleger 1701-1750, Wiesbaden 1988 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 26). Unter dem Begriff „Brückenlandschaft Schlesien" sind einige von Ludwig Petrys Aufsätzen zusammengefaßt. Vgl. Petry, Ludwig: Dem Osten zugewandt. Gesammelte Aufsätze zur schlesischen und ostdeutschen Geschichte. Festgabe zum fünfundsiebzigsten Geburtstag. Hg. v. Nobert Conrads und Josef Joachim Menzel, Sigmaringen 1983 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 22). Vgl. Hecker, Hans: Schlesien als Region in Europa. In: Engel, Walter / Honsza, Norbert (Hg.): Kulturraum Schlesien. Ein europäisches Phänomen, Wroclaw 2001,19-26.
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Rister, Herbert: Schlesische Periodica und Serien. Ein Beitrag zu einem Verzeichnis deutscher, polnischer, tschechischer und wendischer (sorbischer) Adressbücher, Almanache, Berichte, Jahrbücher, Kalender, Schriftenreihen, Schulschriften, Zeitschriften und Zeitungen über Schlesien und seine Grenzgebiete, Bd. 1-2, Wiesbaden 1975. Zacharska, Marzena (Bearb.): Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa. Polen, Hildesheim/Zürich/New York 1999 (Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa. Eine Ubersicht über Sammlungen in ausgewählten europäischen Bibliotheken 6).
DARSTELLUNGEN 64 Andrejew, Adolf: Kaspar Schwenckfeldt i jego ksi^gozbior. In: Rozniki Biblioteczne 36 (1992) 115-138. Burbianka, Marta: Inwentarz wroclawskiej biblioteki przy kosciele sw. Bernhardyna ζ 1657 roku, Wroclaw 1953. Dettmann, Karl: Ein Jahrhundert Jauerschen Zeitungslebens sowie Geschichte der Buchdruckerkunst in der ehemaligen Fürstentumshauptstadt Jauer während der Jahre 1683 bis 1918, Jauer 1909. Gondek, Elzbieta: Polska ksi^zka literacka na Slqsku pod panowaniem pruskim 1795-1863, Katowice 1995. Jessen, Hans: Die Anfänge der polnischen Presse in Oberschlesien. In: Der Oberschlesier. Monatsschrift für das heimatliche Kulturleben 10 (1928) 544-546. Jungnitz, Joseph: Geschichte der Dombibliothek in Breslau. In: Silesiaca. Festschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens zum siebzigsten Geburtstage seines Präses Colmar Grünhagen, Breslau 1898, 187-206. Kloss, Ernst: Die schlesische Buchmalerei des Mittelalters, Berlin 1942. Kocowski, Bronistaw / Burbianka, Marta / Giombiowski, Karol (Hg.): Ζ dziejow ksi^zki na Sl^sku, Wroclaw 1953 (Prace Wroclawskiego Towarzystwa Naukowego. A 52). Kozielek, Gerard: Verlag W. G. Korn - Mittler zwischen Ost und West. In: Göpfert, Herbert G. / Kozietek, Gerhard / Wittman, Reinhard 64
Die nachfolgenden Titel verstehen sich als Ergänzung, keinesfalls aber als bibliographische Einführung in das vielschichtige und weitverzweigte Forschungsfeld der Druck-, Buch-, Bibliotheks- und Zeitungsgeschichte Schlesiens. Hingewiesen wurde bereits auf den Artikel des Verfassers im „Lexikon für das gesamte Buchwesen" (vgl. Anm. 6), in dessen einzelnen Kapiteln wesentliche Arbeiten bis etwa 1998 genannt werden; die dort sowie in diesem Beitrag aufgeführten Titel werden nachstehend nicht noch einmal genannt.
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(Hg.): Buch- und Verlagswesen im 18. und 19. Jahrhundert. Beiträge zur Geschichte der Kommunikation in Mittel- und Osteuropa, Berlin 1977 (Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa 4), 174-200. Kreuzinger, Erasmus: Uber die Entstehung der Buchdruckerei in Troppau und deren Verbreitung in Schlesien. In: ders.: Chronik der alten und neuern Zeit Troppau's oder Troppau und seine Merkwürdigkeiten [...], Troppau 1862, 249-252. Milkau, Fritz: Die Königliche und Universitäts-Bibliothek. In: Kaufmann, Georg (Hg.): Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Universität Breslau, Breslau 1911, 523-632. Münch, Gotthard: Die jüdische Druckerei in Oels. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte N . F. 53 (1974) 52-56. Oelsner, Johann Wilhelm: Ueber die ersten in Schlesien gedruckten Bücher. In: Schlesische Provinzialblätter 99 (1834) 527-534. Pawlowiczowa, Maria (Hg.): Ksi^zka na Sl^sku w latach 1956-1989. Zarys problematyki, Katowice 1999. Swierk, Alfred: Inkunabelnforschung in Polen. In: Gutenberg-Jahrbuch 47(1972) 117-127.
Norbert Kersken
Historiographiegeschichte I.
Historiographische Darstellungen sind intentionale Texte, die Deutungen der Gegenwart über gewählte Abschnitte der Vergangenheit bieten und dabei dem Wahrheitsanspruch verpflichtet sind. Die historiographiegeschichtliche Forschung beschäftigt sich mit diesen Werken und ihren Autoren, mit Forschungs- und Darstellungsmethoden sowie gesellschaftlichen und ideologischen Bezügen. 1 Die systematische Beschäftigung mit derartigen Uberlieferungen in selbstreflexiver Weise setzte zu einem Zeitpunkt ein, als die Geschichte sich aus dem mittelalterlichen Zusammenhang von Rhetorik und Theologie emanzipierte und sich als wissenschaftlicher Erkenntnis- und Handlungsbereich verselbständigte. 2 Entsprechende geschichtstheoretische Reflexionen und historiographiegeschichtliche Zusammenstellungen nicht nur in darstellungsbegleitenden Exkursen, sondern auch in systematischen Abhandlungen finden sich erstmals bei Vertretern der Renaissancehistoriographie. 3 Nach den frühen Schriften von Francesco Robortello und Lancelot Voisin de la Popeliniere aus dem 16. Jahrhundert und einem antiquarischen Interesse an
1
Blanke, H o r s t Walter: Historiographiegeschichte als H i s t o r i k , Stuttgart-Bad Canstatt 1991; ders.: Träger u n d F u n k t i o n e n der Historiographiegeschichtsschreibung. Eine Bilanz und ein F o r s c h u n g s p r o g r a m m . In: Küttler, W o l f g a n g u. a. (Hg.): Geschichtsdiskurs, Bd. 1 - 5 F r a n k f u r t / M . 1993-1999, hier Bd. 1, 1 9 1 211.
2
G o e t z , H a n s - W e r n e r : D i e „ G e s c h i c h t e " im W i s s e n s c h a f t s s y s t e m des Mittelalters. In: Schmale, F r a n z - J o s e f : F u n k t i o n u n d F o r m e n mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine E i n f ü h r u n g , D a r m s t a d t 1985, 165-213. Kessler, Eckhard: Theoretiker humanistischer Geschichtsschreibung. N a c h d r u k ke exemplarischer T e x t e aus d e m 16. Jahrhundert, M ü n c h e n 1971; eine c h r o n o l o gische Z u s a m m e n s t e l l u n g aller einschlägigen A b h a n d l u n g e n im europäischen Maßstab bei D u f a y s , Jean-Michel: Theories et pratiques de l'historiographie ä l ' e p o q u e moderne. Etat de la question. In: Grell, Chantal / D u f a y s , Jean-Michel ( H g . ) : Pratiques et concepts de l'histoire en E u r o p e . X V I ' - X V I I T siecles, Paris 1990, 9—41.
3
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Norbert Kersken
der Sammlung und Sichtung der schriftlichen Überlieferung in der Aufklärungshistorie des späten 18. Jahrhunderts kann freilich von einer methodisch reflektierten historiographiegeschichtlichen Arbeit erst unter den Bedingungen der Verwissenschaftlichung und Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert gesprochen werden. Als Begriff, methodischer Ansatz und forschungsleitende Fragestellung ist eine eigentliche Historiographiegeschichte allerdings kaum vor den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts faßbar. Am Beginn dieser methodischen und perspektivischen Erweiterung standen drei Ansätze, die sich in den vergangenen Jahrzehnten wechselseitig beeinflußten. Die Grundlagen der modernen historiographiegeschichtlichen Forschung sind in der Mediävistik entwickelt worden. Für die mittelalterliche Geschichtsforschung sind, anders als für die Erforschung der Neuzeit, die erzählenden Geschichtsquellen neben den Urkunden die wichtigste Quellengruppe. Dies führte dazu, daß hier schon früh methodische Standards formuliert wurden, um Möglichkeiten, Probleme und Grenzen der Verwendung historiographischer Texte (Annalen, Chroniken, Viten usw.) als historischer Quellen methodisch abzusichern. 4 Zugleich zeigten Gelehrte wie Ernst Bernheim und Siegmund Hellmann neue Erkenntnismöglichkeiten auf, die aus der literatur- und geistesgeschichtlichen Analyse folgten. 5 Diese Vorarbeiten führten Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem durch Studien und programmatische Überlegungen von Helmut Beumann zu einer grundsätzlichen Wende im Verständnis mittelalterlicher historiographischer Texte;6 danach waren diese nicht nur Traditi-
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Bernheim, Ernst: Lehrbuch der historischen Methode und der Geschichtsphilosophie, Leipzig " 1 9 0 8 ['1889], 255-259, 4 7 9 ^ 9 4 . Ders.: Mittelalterliche Zeitanschauungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung, Teil I, Tübingen 1916; Hellmann, Siegmund: Studien zur mittelalterlichen Geschichtsschreibung. I. Gregor von Tours. In: Historische Zeitschrift 107 (1911) 1-43; ders.: Einhards literarische Stellung. In: Historische Vierteljahrschrift 27 (1932) 4 0 - 1 1 0 ; ders.: Die Vita Heinrici IV. und die Kaiserliche Kanzlei [1934], Jetzt in: ders.: Ausgewählte Abhandlungen zur Historiographie und Geistesgeschichte des Mittelalters. Hg. v. Helmut Beumann, Weimar 1961,231-292. Beumann, Helmut: Widukind von Korvei. Untersuchungen zur Geschichtsschreibung und Ideengeschichte des 10. Jahrhunderts, Weimar 1950; ders.: Methodenfragen der mittelalterlichen Geschichtsschreibung [I960], Jetzt in: ders.: Wissenschaft vom Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, K ö l n - W i e n 1972, 1-8; dazu Petersohn, Jürgen: Helmut Beumann (1912-1995), Sigmaringen 1997, 1 2 - 1 9 ; Spörl, Johannes: Das mittelalterliche Geschichtsdenken als Forschungsaufgabe [1933]. Jetzt in: Lammers, Walther (Hg.): Geschichtsdenken und Geschichtsbild im Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze und Arbeiten aus den Jahren 1933 bis 1959, Darmstadt 1961, 1-29.
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onsquellen im Sinn Johann Gustav Droysens und Bernheims, sondern gewissermaßen auch als „Uberreste", als Zeugnisse der Geistes- und Kulturgeschichte ihrer Entstehungszeit, zu deuten. Die seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts empfundene Krise der Geschichtswissenschaft rief verstärkte theoretische und methodologische Anstrengungen hervor. Die Theoriediskussion der siebziger Jahre führte auch zu einer breiten Reflexion des narrativen Aspekts der Geschichtsschreibung und zu einer ausführlichen Hinwendung zu den Traditionen und Formen der Geschichtsschreibung; 7 so entwarf Jörn Rüsen in seinen „Grundzügen einer Historik" eine Typologie der Geschichtsschreibung mit „anthropologisch-universalistischem" Geltungsanspruch. 8 Dieses theoretische Interesse schlug sich auf dem Internationalen Historikerkongreß 1980 in Bukarest in der Einrichtung einer Sektion „Geschichte der Geschichtsschreibung" nieder, führte zur Gründung der Zeitschrift „Storia della storiographia" und äußerte sich in neuen Synthesen und Referenzwerken. 9 Unabhängig von dieser Hinwendung zur Geschichtsschreibung in der jüngeren geschichtstheoretischen Diskussion kam es infolge der Rezeption der Arbeiten von Hayden White' 0 ( l i n g u i s t i c turn) zur Wahrnehmung und Interpretation historiographischer als fiktionaler Texte und zugleich zu einer Relativierung des Rationalitätsanspruchs der Geschichtswissenschaft." 7
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"
Jaeger, Friedrich: Geschichtstheorie. In: Goertz, Hans-Jürgen (Hg.): Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek bei Hamburg 1998, 724-756. Aus der Fülle der hier zu nennenden Veröffentlichungen seien hervorgehoben die Bände: Theorie der Geschichte. Beiträge zur Historik, Bd. 1-6, München 1977-1990, und Küttler, Wolfgang / Rüsen, Jörn / Schulin, Ernst (Hg.): Geschichtsdiskurs, Bd. 1-5, Frankfurt/M. 1993-1999. Rüsen, Jörn: Die vier Typen des historischen Erzählens. In: Koselleck, Reinhart / Lutz, Heinrich / Rüsen, Jörn (Hg.): Formen der Geschichtsschreibung, München 1982, 514-605, hier 562; ders.: Lebendige Geschichte. Grundzüge einer Historik III: Formen und Funktionen des historischen Wissens, Göttingen 1989, 15-75. Breisach, Ernst: Historiography. Ancient, Medieval, and Modern, Chicago 1983; Cannon, John u. a. (Hg.): The Blackwell Dictionary of Historians, Oxford-New York 1988; Boia, Lucian (Hg.): Great Historians from Antiquity to 1800. An International Dictionary, N e w York u. a. 1989; Gross, Mirjana: Von der Antike bis zur Postmoderne. Die zeitgenössische Geschichtsschreibung und ihre Wurzeln, Köln u. a. 1998; Bruch, Rüdiger vom / Müller, Rainer A. (Hg.): Historikerlexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 220 02 ['1991], White, Hayden: Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses, Stuttgart 1986; ders.: Die Bedeutung der Form. Erzählstrukturen in der Geschichtsschreibung, Frankfurt/M. 1990. Burschel, Peter: Darstellung. Das Schreiben der Geschichte. In: Völker-Rasor, Anette (Hg.): Frühe Neuzeit, München 2000, 315-330; Noiriel, Gerard: Die
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In der methodischen Entwicklung der Beschäftigung mit historiographischen Texten lassen sich also drei Stufen unterscheiden: der quellenkundliche, der wissenschaftsgeschichtliche und der kulturgeschichtliche Ansatz, wobei die Eigenarten und Leistungen dieser Ansätze heute gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Diese mehrfache Herleitung der historiographiegeschichtlichen Fragestellung regte neue theoretische und methodische Reflexionen an,12 die allmählich Eingang in die geschichtswissenschaftliche Einführungs- und Handbuchliteratur gefunden haben.' 3 Die historiographiegeschichtliche Forschung insgesamt hat Horst Walter Blanke in der Weise systematisiert, daß er zehn verschiedene Typen entsprechender Arbeiten unterscheidet. A l s wichtigsten Typ versteht er die „personenbezogenen" Porträts, Publikationen, die sich einem Historiker und seinem W e r k widmen; dies gilt gerade mit Blick auf Arbeiten, die sich auf die vormoderne und regionale Historiographiegeschichte beziehen. Forschungsgeschichtlich lassen sich die Schlesien betreffenden Arbeiten vier zeitlichen Abschnitten zuordnen; dabei äußerten sich historiographiegeschichtliche Interessen nicht kontinuierlich, sondern konzentrierten sich in bestimmten Zeitabschnitten. Die erste Phase ist die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, deren leitender Ansatz der durch ein inten-
Wiederkehr der Narrativität. In: Eibach, Joachim / Lottes, Günther (Hg.): Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein Handbuch, Göttingen 2002, 355-370. Schulin, Ernst: Bemerkungen zu einer Geschichte der Historie, vornehmlich im 20. Jahrhundert. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig. Gesellschaftswissenschaftliche Reihe 37 (1988) 414-420; ders.: Synthesen der Historiographiegeschichte. In: Jarausch, Konrad H. / Rüsen, Jörn / Schleier, Hans (Hg.): Geschichtswissenschaft vor 2000. Perspektiven der Historiographiegeschichte, Geschichtstheorie, Sozial- und Kulturgeschichte. Festschrift für Georg G. Iggers zum 65. Geburtstag, Hagen 1991, 151-163; Harth, Dieter: Geschichtsschreibung. In: Ueding, Gert (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 3, Tübingen 1996, 832-870; Simon, Christian: Historiographie. Eine Einführung, Stuttgart 1996; Iggers, Georg G.: Reflections on Writing a History of Historioggraphy Today. In: Blanke, Horst Walter u. a. (Hg.): Dimensionen der Historik. Geschichtstheorie, Wissenschaftsgeschichte und Geschichtskultur heute. Jörn Rüsen zum 60. Geburtstag, Köln u. a. 1998, 197-208; Völkel, Markus: Geschichtsschreibung. Eine Einführung in globaler Perspektive, Köln u. a. 2005. Asendorf, Manfred u. a.: Geschichte. Lexikon der wissenschaftlichen Grundbegriffe, Reinbek bei Hamburg 1994, 219-246; Heimann, Heinz-Dieter: Einführung in die Geschichte des Mittelalters, Stuttgart 1997, 70-78; Goetz, Hans-Werner: Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, 166-173; 265-269; ders.: Proseminar Geschichte. Mittelalter, Stuttgart 22000 ['1993], 403—405; Jordan, Stefan (Hg.): Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2002; Maurer, Michael (Hg.): Aufriß der Historischen Wissenschaften, Bd. 5, Stuttgart 2003.
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sives Interesse am Sichten, Sammeln und Edieren geprägte sogenannte Antiquarianismus in der Geschichtsschreibung war. 14 In diesem Zusammenhang besorgte der Breslauer Ratsherr Friedrich Wilhelm Sommersberg, der schon zu Themen der älteren schlesischen Geschichte publiziert hatte, in den Jahren 1729 bis 1732 die erste Edition auf Schlesien bezüglicher historiographischer Texte, die „Silesiacarum rerum Scriptores". Zur gleichen Zeit stellte Johann Jakob Füldener eine systematische Ubersicht über die Texte und Autoren der schlesischen Geschichte zusammen. 15 Zu diesem Bestreben, die gesamte schriftliche Überlieferung zu sichten und zu dokumentieren gehört auch das erste genuin historiographiegeschichtliche Werk: Aus dem Nachlaß des 1748 verstorbenen Breslauer Gymnasiallehrers Christian Runge gab Samuel Benjamin Klose postum die Schrift „Notitia historicorum et historiae gentis Silesiacae" heraus. Es handelt sich um eine systematische Erfassung und Beschreibung aller historiographischen Werke, die das Oderland betreffen, unterschieden nach schlesischen und nicht-schlesischen Autoren. Diese Aufzeichnungen aus dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts sind ein frühes Beispiel des Bemühens um die Erfassung der historiographischen Uberlieferung zu einer Geschichtslandschaft. 16 Der zweite Zeitabschnitt war die Phase von etwa 1870 bis zum Ersten Weltkrieg, in der historiographiegeschichtliche Fragen fast ausschließlich im institutionellen Rahmen der deutschen landesgeschichtlichen Schlesienforschung thematisiert wurden. Historiographiegeschichte war in diesem Zusammenhang fast durchweg eine Funktion der Quellenkunde. Die Fragen der Historiker an die entsprechenden Texte waren nicht auf Formen und Artikulationen des Geschichtsdenkens gerichtet, sondern auf die Untersuchung von Texten hinsichtlich ihres Quellenwertes für die berichtete Zeit. Ähnlich wie in der allgemeinen Geschichtswissenschaft konzentrierte sich die Schlesienforschung des 19. Jahrhunderts auf Weber, Wolfgang: Zur Bedeutung des Antiquarianismus für die Entwicklung der modernen Geschichtswissenschaft. In: Küttler u. a. (Hg.): Geschichtsdiskurs, Bd. 2, 1 2 0 - 1 3 5 . Füldener, Johann Jakob von: Bio- & Bibliographia Silesiaca das ist: Schlesische Bibliothec und Bücher-Historie: welche eine Erzehlung und Urtheile von den gedruckten Scriptoribus Rerum Silesiacarum [...] und Schrifften, dererselben Editionen [...] Inhalt, Methode, Fehlern und Censuren [...] in sich fasset [...], Breßlau 1731. Runge: Notitia historicorum et historiae gentis Silesiacae, Teil 1 (1775); zu den Hintergründen der Edition vgl. Markgraf, Hermann: Zur Erinnerung an Samuel Benjamin Klose 1 7 3 0 - 1 7 9 8 . In: Silesiaca. Festschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens zum 70. Geburtstage seines Präses Colmar Grünhagen, Breslau 1898, 1 - 2 2 , hier 13. Blanke: Historiographiegeschichte, 1 0 2 - 1 1 0 , erwähnt Runge nicht.
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die mittelalterliche Geschichte. Dabei lassen sich drei Ansätze unterscheiden: Es sind zum einen Uberblicksdarstellungen der mittelalterlichen schlesischen Geschichtsschreibung, die aus verschiedenen historiographiegeschichtlichen Kontexten angefertigt wurden. Aus der schlesischen Landesgeschichtsschreibung stammt der „Wegweiser", den Colmar Grünhagen zuerst 1870, in überarbeiteter Fassung 1889, vorlegte, eine kurze chronologische Ubersicht über die historiographischen Texte des Mittelalters mit Angaben zu den Editionen; im Zusammenhang einer Gesamtdarstellung der mittelalterlichen polnischen Geschichtsschreibung widmete Heinrich Zeissberg den „Geschichtsquellen Schlesiens" umfassende Beachtung;17 hierauf wiederum stützte sich Ottokar Lorenz in einem Abschnitt über Schlesien und Polen in seinem Handbuch der deutschen spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung. 18 Diese Ubersichten über die mittelalterliche schlesische Geschichtsschreibung wurden zur gleichen Zeit ergänzt durch den noch nicht ersetzten Uberblick über die neuzeitliche Historiographie von Hermann Markgraf. 19 Das zweite Arbeitsgebiet war die Erstellung von Editionen zentraler Texte der schlesischen Geschichtsschreibung. Hierfür richtete die 1803 gegründete „Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur" die Reihe „Scriptores rerum Silesiacarum oder Sammlung schlesischer Geschichtsquellen" ein, deren Trägerschaft mit dem dritten Band vom „Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens" übernommen wurde und von der bis 1902 insgesamt 17 Bände erschienen.20 Daneben fanden schlesische historiographische Texte im Rahmen der deutschen und polnischen Editionsreihen Berücksichtigung; Wilhelm Arndt edierte die „Chronica Polonorum" und schlesische Annalen in den „Monumenta Germaniae Historica", 21 wenig später wurden die wichtigsten mittelalterlichen lateinischen Texte in den „Monumenta Poloniae Historica" veröffentlicht. Die Anlage der eigentlich historiographiegeschichtlichen Arbeiten war von zweierlei Art. Es waren zum einen kleinere Beiträge über einen Text, seine Uberlieferung und seinen Autor, die den bisherigen Kenntnisstand ergänzten
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Zeissberg, Heinrich: Die polnische Geschichtsschreibung des Mittelalters, Leipzig 1873 [ N D Köln 1968], 107-156. Lorenz, Ottokar: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, Bd. 2, Berlin 31887 [ N D Graz 1966], 233-251. Markgraf: Die Entwicklung der schlesischen Geschichtsschreibung (1888/1915), 1-29. Ders.: Der Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens in den ersten 50 Jahren seines Bestehens, Breslau 1896, 14, 40; Gerber, Michael Rüdiger: Die schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur (1803-1945), Sigmaringen 1988, 63f. Arndt, Wilhelm (Hg.): Annales Silesiae. In: Monumenta Germaniae Historica. Scriptores, Bd. 19, Hannover 1866, 526-570.
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und korrigierten. Zum anderen waren es größere monographische Abhandlungen über Autor und Werk, die in der Regel erstmals einen Text oder einen Historiker würdigten. Die behandelten Texte stammten in vielen Fällen aus dem Mittelalter; im einzelnen sind es die „Chronica Polonorum", 22 die „Cronica principum Poloniae", 23 Johannes Froben, 24 Laurentius Corvinus 25 und Pancratius Vulturinus;26 häufiger wurden jedoch Historiker des 17. und 18. Jahrhunderts thematisiert, so Abraham Hosemann, 27 Nikolaus Pol,28 Nikolaus Henel von Hennenfeld,29 Daniel Czepko, 30 Martin Hanke,31 Christian Czechiel,32 Samuel Benjamin Klose;33
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Maetschke, Ernst: Das Chronicon Polono-Silesiacum. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 59 (1925) 137-152; Loesch, Heinrich von: Zum C h r o nicon Polono-Silesiacum. Ebd., 65 (1931) 2 1 8 - 2 3 8 . Schulte: Die politische Tendenz (1906); Schaube, Adolf: Kanonikus Peter Bitschen und die Tendenz seiner Fürstenchronik (Cronica principum Polonie). In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 61 (1927) 12-43. D y b e k , Erwin: D e r Geschichtsschreiber Johannes Froben aus Namslau. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 43 (1909) 1—42. Bauch, Gustav: Laurentius Corvinus, der Breslauer Stadtschreiber und Humanist. Sein Leben und seine Schriften. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 17 (1883) 2 3 0 - 3 0 2 . Drechsler, Paul: Pancratii Vulturini Panegyricus Silesiacus, die älteste Landeskunde Schlesiens. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 35 (1901) 3 5 - 6 7 (Edition: 5 2 - 6 7 ) ; Meuss, Heinrich: Des Vulturinus Lobgedicht auf Schlesien von 1506. In: Mitteilungen der schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 28 (1927) 3 8 - 8 1 (Edition und deutsche Übersetzung: 4 8 - 8 1 ) . Grünhagen, Colmar: Abraham Hosemann, der schlesische Lügenschmidt. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 18 (1884) 2 2 9 242; Bednara: Abraham Hosemann (1936), 2 5 1 - 2 7 4 ; ders.: Hosemanns Lügengeschichte von Leobschütz. In: Beiträge zur Heimatkunde Oberschlesiens, Bd. 3, Leobschütz 1936, 185-272, mit Edition der Chronik von Leobschütz (190-249). Palm, Hermann: Quellen und Werth von Nikolaus Pols Jahrbüchern der Stadt Breslau bis zum 14. Jahrhundert. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 6 (1864) 2 9 7 - 3 3 4 ; Prittwitz, Bernhard von: Ü b e r die handschriftlichen Vervollständigungen von Pol's Hemerologium Silesiacum Wratislaviense nebst annalistischen Mittheilungen daraus. Ebd., 13 (1876) 193-242. Markgraf, Hermann: Nikolaus Henel's von Hennenfeld ( 1 5 8 2 - 1 6 5 6 ) Leben und Schriften. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 25 (1891) 1—4-1. Milch, Werner: Quellen zur schlesischen Geschichte des 17. Jahrhunderts aus Daniel Czepkos Werk. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 67 (1933) 4 6 - 8 4 . Markgraf, Hermann: Martin Hanke, einer der großen Rektoren des 17. Jahrhunderts, und seine Bedeutung für die schlesische Geschichtsschreibung. In: ders.: Kleine Schriften, 3 0 - 5 2 . Ders.: Christian Czechiels Leben und Schriften. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 12 (1874) 163-194. Ders.: Zur Erinnerung an Samuel Benjamin Klose, 1 - 2 2 .
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eine Musterung der Ansichten der gesamten frühneuzeitlichen Geschichtsschreibung zur Frage der ,Germanisierung' Schlesiens im Mittelalter hat Gerhard Menz vorgenommen. 34 Dagegen wurden zeitgenössische Entwicklungen vergleichsweise selten in Blick genommen. 35 Einen dritten zeitlichen Abschnitt bildet die Phase von etwa 1960 bis 1990. Die Zeit der ,widerstreitenden Historiographien' zeichnet sich auch im Bereich historiographiegeschichtlicher Forschungen durch eine Doppelung landesgeschichtlicher Zuständigkeit' in der deutschen und in der polnischen Geschichtswissenschaft und eine weitgehende Entwicklung dieser Forschungen ohne gegenseitigen Austausch aus. Dies erlaubt es, die deutschen und die polnischen Publikationen jener Jahre getrennt zu resümieren. Die ersten deutschen Nachkriegspublikationen beruhten noch auf Materialerhebungen und Forschungen der Vorkriegszeit; hierzu gehören die Forschungen Leo Santifallers zu Nikolaus Liebental 36 und Hermann Hoffmanns zur Chronik von Stanislaus Sauer.37 Die in der Nachkriegszeit entstandenen deutschen Arbeiten zeichnet ein völliges Abgehen von der bisherigen Ausrichtung auf mediävistische Fragestellungen aus. Zeitlich konzentrierte sich das Interesse auf frühneuzeitliche Historiker, methodisch blieb man bei der Würdigung und Einordnung eines Historikers und seines Werkes; Beachtung fanden Bartholomäus Stein, Nikolaus Henel, Gottfried Ferdinand Buckisch, Friedrich Lucae und Gustav Adolf Harald Stenzel.38 Der thematisch und methodisch in-
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