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German Pages [380] Year 2008
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Herausgegeben von Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theißen
Band 65
Vandenhoeck & Ruprecht
Dietrich-Alex Koch
Hellenistisches Christentum Schriftverständnis – Ekklesiologie – Geschichte herausgegeben von Friedrich Wilhelm Horn
Vandenhoeck & Ruprecht
Mit 43 Abbildungen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-54001-5
© 2008, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: b Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Einleitung
Die in diesem Buch versammelten Aufsätze von Dietrich-Alex Koch wurden in den Jahren 1985–2006 geschrieben. Ihr gemeinsamer Schwerpunkt ist das hellenistische Christentum, genauer sein Schriftverständnis, sein Gemeindeverständnis und seine Geschichte. Der Verfasser dieser Aufsätze hat meine Anregung, diese Arbeiten in einer Monographie zusammenzustellen, begrüßt und er war an der Auswahl und Zusammenstellung mitbeteiligt. Der Erscheinungstermin dieses Buches fällt mit dem 65. Geburtstag des Verfassers der Aufsätze zusammen. Mit der Erstellung dieses Bandes verbindet sich für mich von daher ein herzlicher Dank für die profunde exegetische Arbeit des Jubilars. Der Begriff des hellenistischen Christentums wird innerhalb der Forschung unterschiedlich gebraucht. Hans Conzelmann, der in diesem Aufsatzband von Dietrich-Alex Koch verschiedentlich als sein entscheidender Göttinger Lehrer angesprochen wird, hebt in seiner Darstellung der Geschichte des Urchristentums etwa das hellenistische Christentum vor Paulus von der sog. Jerusalemer Urgemeinde ab. Bis vor etwa dreißig Jahren noch fungierte der Begriff des hellenistischen Christentums als Gegenbegriff zu dem palästinischen Christentum. Jedoch hat sich diese Unterscheidung als nicht fruchtbar erwiesen, da eine durchgehende Hellenisierung nicht nur des Diasporajudentums, sondern auch Palästinas seit dem 4. Jahrhundert vor Christus zu beobachten ist. Es hat ein palästinisches Christentum gegeben, aber auch dieses Christentum war zu einem bestimmten Grad hellenisiert. Gehen wir noch weiter zurück innerhalb der Forschungsgeschichte, so erkennen wir, dass unter der Hellenisierung des Christentums die Aufnahme paganer, teilweise synkretistischer Elemente in die sich entwickelnde christliche Theologie verstanden wurde. Hierbei wurde freilich auch betont, dass innerhalb des zeitgenössischen Judentums, vor allem in seinen apokalyptischen Strömungen oder in Teilen des Diasporajudentums, gleichfalls eine Öffnung gegenüber hellenistischem Gedankengut vollzogen wurde, so dass die Hellenisierung des Christentums oder seine spezifische Ausprägung als ein Teil hellenistischer Religiosität einen parallelen oder entsprechenden Vorgang hierzu darstellt. Innerhalb der gegenwärtigen Forschung haben lokalgeschichtliche Arbeiten die jeweilige Gestalt hellenistischen Christentums in einer bestimmten Stadt oder einem Raum, einer Landschaft oder einer Provinz erarbeitet. Zunächst trat Antiochia in Syrien als Boden sog. gemischter Gemeinden,
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Einleitung
bestehend aus Juden- und Heidenchristen, in den Blick. Antiochia in Syrien scheint sehr bald neben der Jerusalemer Urgemeinde ein zweites Zentrum des frühen Christentums gewesen zu sein, und bedeutende urchristliche Theologen wie Paulus, Barnabas oder Petrus standen zu dieser hellenistischen Großstadt in zeitweise regem Kontakt. Sodann richtete sich der Blick auf die paulinischen Gemeindegründungen in Europa, auf Philippi, Thessalonich oder Korinth, in denen vor allem das pagane griechisch-römisch geprägte Umfeld eine konstitutive Rolle für die entstehenden christlichen Gemeinden, für ihre Struktur und ihre Theologie spielte. Das Christentum entsteht in der sich dem Ende zuneigenden Epoche des Hellenismus und es war von seinen Anfängen her nie unberührt vom Hellenismus. Freilich ist die Jesusbewegung als eine innerjüdische und exklusiv auf Israel bezogene Erneuerungsbewegung noch entfernt von dem missionarischen Anspruch der frühchristlichen Gemeinden, die den gesamten Mittelmeerraum innerhalb eines Jahrhunderts mit ihrer Botschaft tangieren. Im Zuge dieser Ausbreitung des frühen Christentums im Imperium Romanum werden die christlichen Gemeinden Teil der hellenistischen Kultur, was an Sprache und Gemeindestruktur, an Urbanität und Migration, an geradezu selbstverständlicher Übernahme ethischer Konventionen, vor allem aber innerhalb der Theologiebildung erkannt werden kann. Es ist daher angezeigt, den Begriff des hellenistischen Christentums in der Zeit des frühen Christentums vor allem mit den paulinischen Gemeinden zu verbinden. Dietrich-Alex Koch hat in den vergangenen Jahren etliche Studien vorgelegt, die das Verständnis des hellenistischen Christentums und seiner Geschichte an grundlegenden Schaltstellen erhellen. Dies betrifft einerseits den Schriftgebrauch und das Schriftverständnis des hellenistischen Christentums, andererseits ekklesiologische Studien sowohl im Blick auf die Organisation als auch hinsichtlich der konkreten Gestalt christlichen Lebens im paganen Raum. Er war seit seiner im Jahr 1982 eingereichten Mainzer Habilitationsschrift, die 1986 unter dem Titel ‚Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus‘ erschien, mit dem Gesamtthema befasst und hatte sich durch diese umfangreiche Arbeit Voraussetzungen geschaffen, die ein unabhängiges und begründetes Urteil in der schwierigen Thematik des Umgangs des hellenistischen Christentums mit dem Alten Testament erlaubten. Die Autoren des Neuen Testaments und mit ihnen das hellenistische Christentum beziehen sich auf die Septuaginta. Sie unterscheidet sich hinsichtlich Umfang, Anordnung und Textbestand von der hebräischen Bibel und ist also mehr als eine Übersetzung. Es hat im 1. Jh. innerhalb des Judentums neben einer nicht-rezensierten Textgestalt Revisionen und Revisionsversuche gegeben, deren Ziel darin bestand, den griechischen Text wie-
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der stärker an den hebräischen Text anzugleichen. Dietrich-Alex Koch zeigt, dass das frühe Christentum sich grundsätzlich auf einen SeptuagintaText bezieht, auch wenn in dem von Paulus übernommenen Text an einigen Stellen schon Revisionsbemühungen festzustellen sind. Das Schriftverständnis des hellenistischen Christentums wird in diesem Band in der Analyse einzelner Textkomplexe erarbeitet. Hierbei treten neben christologischen, paränetischen und eschatologischen Bearbeitungen des Textes der Septuaginta auch divergierende Interpretationsmodelle des alttestamentlichen Textes zutage. Das Kirchenverständnis des hellenistischen Christentums unterscheidet sich grundlegend von der frühen Jesusbewegung und der Jerusalemer Urgemeinde. Waren diese durch den Kreis der zwölf Jünger bezogen auf eine Sammlung Israels als des endzeitlichen Zwölf-Stämme-Volks, so tritt diese Ausrichtung mit der missionarischen Tätigkeit und der Bildung einer Kirche aus Juden und Heiden bald in den Hintergrund. Das Amt des ZwölferKreises verliert dabei seine Bedeutung. Andere, neue Funktionen und Ämter werden begründet. Auch das Apostelamt hat nur eine Übergangsfunktion. Hingegen wird im Zuge der Institutionalisierung des hellenistischen Christentums neben dem Ältestenamt und den Diakonen die Stellung des Episkopos, des Bischofs, wichtig. Diese Ämter sind teilweise in der jüdischen Synagogalgemeinde vorgegeben, sie greifen jedoch gleichfalls auf Vorbilder des hellenistischen Vereinswesens zurück. Die hellenistische christliche Gemeinde musste in einem Umfeld, das in geringem Maße von jüdischen Synagogalgemeinden, überwiegend aber von einer kulturell, religiös und sozial typisch hellenistisch geprägten Gesellschaft bestimmt war, ihre Identität finden. Wie diese Aufgabe konkret bewältigt wurde, kann an Detailstudien genauer nachvollzogen werden. Das in 1Kor 8–10 von Paulus auf unterschiedlichen Ebenen thematisierte Verhalten auf einem macellum/Fleischmarkt in Korinth, wo nicht nur, aber auch geopfertes Fleisch (Götzenopferfleisch) verkauft wurde, stellt den Ausgangspunkt für etliche Folgeprobleme für Christen im öffentlichen und privaten Leben der Stadt dar. Die möglichst präzise archäologische Aufarbeitung des Ausgangspunktes in Korinth und der Vergleich mit macella in Pompeji und Gerasa verdeutlichen das eigentliche Problem. Entgegen einer verbreiteten Ansicht wurde nicht ausschließlich Opferfleisch verkauft, sondern mehrheitlich wohl profan geschlachtetes Fleisch. Gerade dieser Befund verschärft für einen Teil der Christen die Entscheidung, da man nicht sicher wissen konnte, ob man Götzenopferfleisch verzehrte. Der abschließende Aufsatz dieses Bandes wird in einem grundsätzlicheren Sinn nach den Bedingungen fragen, unter denen sich die Christen als eine neue Randgruppe in Makedonien und Achaia etablierten.
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Einleitung
Die Geschichte des hellenistischen Christentums tritt erstmals mit der Gruppe der Hellenisten, einem Flügel der Jerusalemer Urgemeinde unter der Führung des Stephanus, in unseren Blick. Mit dieser Gruppe werden sowohl Tempel- als auch Gesetzeskritik verbunden und sie gilt als ein wesentlicher Vorläufer der christlichen Gemeinde in Antiochia in Syrien. In der Geschichte des hellenistischen Christentums kommt daneben den sog. Gottesfürchtigen bzw. den Phoboumenoi oder Sebomenoi eine Scharnierstellung zu. Sie stehen zwar in einer gewissen Nähe zur jüdischen Synagoge, sind aber kein formelles Mitglied. Gleichzeitig werden sie von der christlichen Mission angesprochen und sie stellen hernach eine Gruppierung innerhalb des entstehenden Christentums dar. Das Profil dieser Gottesfürchtigen kann aus Inschriften wie denjenigen aus Aphrodisias erschlossen werden. Die Rekonstruktion der Geschichte des hellenistischen Christentums ist in hohem Maße von den Ergebnissen der Exegese der Apostelgeschichte abhängig. Einer zu direkten historischen Quellenauswertung muss eine strenge Methodik entgegentreten, die dem Werk literaturgeschichtlich gerecht wird. In diesem Band zeigen die Beiträge zu Simon Magus, zu zwei Acta-Reden und zu der Jerusalemer Kollekte den Ertrag solcher Arbeit für das Verständnis des hellenistischen Christentums auf. Alle in diesem Band abgedruckten Beiträge wurden neu gesetzt. Gelegentlich wurden kleinere Nachträge hinzugefügt. Druckfehler in den Erstveröffentlichungen wurden korrigiert. Ein Auswahlregister soll dazu beitragen, Schriftverständnis, Ekklesiologie und Geschichte des hellenistischen Christentums zu erschließen. Ich danke den Verlagen, die einem erneuten Abdruck einzelner Aufsätze zugestimmt haben. Ich danke den Herausgebern der NTOA/StUNT, Max Küchler und Peter Lampe, insbesondere aber Gerd Theißen, die den Aufsatzband in diese Reihe aufgenommen haben. Ich danke Herrn Jörg Persch, der sich für diese Publikation eindrücklich eingesetzt hat. Schließlich danke ich den Mitarbeitern am neutestamentlichen Seminar in Münster, David C. Bienert, Nikolai Kiel und Dagrun Pflüger. Sie haben die Texte der einzelnen Aufsätze elektronisch neu erfasst und die Druckvorlagen vorbereitet. Jutta Nennstiel/Mainz hat die Korrekturarbeiten durchgeführt, das Register erstellt und durch vielfältige Korrespondenzen dazu beigetragen, dass dieser Aufsatzband erscheinen konnte.
Mainz, im September 2007
Friedrich Wilhelm Horn
Inhalt
I. Schriftverständnis „... bezeugt durch das Gesetz und die Propheten“. Zur Funktion der Schrift bei Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament . .
25
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta im ersten nachchristlichen Jahrhundert. Aspekte der neueren Septuagintaforschung und deren Bedeutung für die neutestamentliche Exegese . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Abraham und Mose im Streit der Meinungen. Beobachtungen und Hypothesen zur Debatte zwischen Paulus und seinen Gegnern in 2Kor 11,22–23 und 3,7–18 . . . . . .
71
Auslegung von Psalm 1 bei Justin und im Barnabasbrief . . . . . . . . . .
90
II. Ekklesiologie Zwölferkreis und Gottesvolk. Überlegungen zur Frühgeschichte neutestamentlicher Ekklesiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
The origin, function and disappearance of the ‘Twelve’. Continuity from Jesus to the post-Easter community? . . . . . . . . .
126
„Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32). Christliche Identität im OCMGNNQP in Korinth und bei Privateinladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
10
Inhalt
„Alles, was GXPOCMGNNY^ verkauft wird, eßt ...“. Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1Kor 10,25 . . . . . . . .
165
Die Einmaligkeit des Anfangs und die Fortdauer der Institution. Neutestamentliche Beobachtungen zum Problem der Gemeindeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197
III. Geschichte Crossing the border. The “Hellenists” and their way to the Gentiles . . . . . . . . . . . . . . .
213
Geistbesitz, Geistverleihung und Wundermacht. Erwägungen zur Tradition und zur lukanischen Redaktion von Act 8,5–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
Proselyten und Gottesfürchtige als Hörer der Reden von Apostelgeschichte 2,14–39 und 13,16–41 . . . . . . . . . . . . . . . .
250
The God-fearers between facts and fiction. Two theosebeis-inscriptions from Aphrodisias and their bearing for the New Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
272
Barnabas, Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs . . . . . . . . . . . . 299 Kollektenbericht, „Wir“-Bericht und Itinerar. Neue (?) Überlegungen zu einem alten Problem . . . . . . . . . . . . . .
318
Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jahrhundert n.Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
369
Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Sach- und Begriffsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
374
Bilder- und Tafelverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Schriftverständnis
„… bezeugt durch das Gesetz und die Propheten“ Zur Funktion der Schrift bei Paulus
Das Thema des VII. Europäischen Theologenkongresses nimmt ein Leitwort der reformatorischen Theologie auf, das sich auf Funktion und Verständnis der Schrift Alten und Neuen Testaments für die christliche Theologie bezieht. Das sog. reformatorische Schriftprinzip sollte die Schrift selbst in ihrer Verstehen erschließenden Kraft zur Geltung bringen,1 wobei diese Kraft in besonderer Weise in der paulinischen Theologie gesehen wurde, genauer gesagt: darin, wie in der paulinischen Theologie das Christusgeschehen als Rechtfertigungsgeschehen sola gratia und sola fide expliziert wurde. In der Schrift selbst, und d.h. in diesem Fall: bei Paulus, nach einem Schriftprinzip zu fragen, führt natürlich zu einer erheblichen Problemverschiebung. Das beginnt mit der elementaren Tatsache, daß die Reformatoren und Paulus, wenn sie von scriptura bzw. ITCHJ sprachen, jeweils eine deutlich anders strukturierte Sammlung von Schriften meinten. Damit verbunden ist ein jeweils ganz anderes Maß an Kontinuität und gleichzeitiger Diskontinuität im Verhältnis zur jeweils vorausgesetzten Schrift, einerseits bei Paulus, andererseits bei den Reformatoren. Fragt man, wie für Paulus das Verhältnis von Kontinuität und gleichzeitiger Diskontinuität im Verhältnis zu seiner Schrift zu bestimmen ist, dann wird dies am deutlichsten faßbar in der Formulierung von Röm 3,21, daß jetzt ohne das Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart ist – womit ohne Zweifel ein neues Heilshandeln Gottes gemeint ist, das Neues setzt und Bisheriges überholt oder gar ablöst –, von dem es dann aber gleichwohl ausdrücklich heißt, daß es bezeugt ist durch das Gesetz und die Propheten. Nun wird man diese Aussage, die sicher in ihrer Art eine Spitzenaussage des Paulus darstellt, nicht angemessen verstehen können, wenn man sie isoliert interpretiert und nur für sich genommen auf ihre inhaltlichen Kon Zuerst erschienen in: Schmid, H.H./Mehlhausen, J. (Hg.), Sola Scriptura. Das reformatorische Schriftprinzip in der säkularen Welt, Gütersloh 1991, 169–179. 1 Vgl. EBELING, G., „Sola scriptura“ und das Problem der Tradition, in: DERS., Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, Göttingen 21966, 91–143, bes. 119–133, und jüngst WENZ, G., Sola scriptura? Erwägungen zum reformatorischen Schriftprinzip, in: Rohls, J./Wenz, G. (Hg.), Vernunft und Glaube. Wissenschaftliche Theologie und kirchliche Lehre (FS W. Pannenberg), Göttingen 1988, 540–567, bes. 547–554.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
sequenzen hin befragt. Sie ist zu werten einerseits natürlich als kontextbezogene und -bedingte Aussage an einem ganz bestimmten Argumentationspunkt des Römerbriefs, andererseits aber ist sie auch nur zu beurteilen a) auf dem Hintergrund der konkreten Schriftverwendung des Paulus sowohl im Römerbrief selbst als auch in seinen übrigen Briefen, sofern diese Schriftzitate oder -bezüge enthalten, und b) im Zusammenhang mit möglichen weiteren Aussagen des Paulus, in denen er sich selbst über die Funktion der Schrift und ihr Verstehen äußert. Wenn ich jetzt einige Beobachtungen zur konkreten Schriftverwendung bei Paulus zusammentrage,2 möchte ich so verfahren, daß ich bekannte und unstrittige Dinge möglichst kurz behandele, um etwas mehr Raum für offene oder kontroverse Aspekte zu haben. Zunächst ist festzustellen: Paulus steht zweifellos in Kontinuität mit der zeitgenössischen jüdischen Schriftverwendung. Will man diesen – in dieser Allgemeinheit sicher unstrittigen – Satz jedoch konkretisieren, wird es allerdings sofort schwierig. Über die konkrete Schriftverwendung in homiletischen oder katechetischen Zusammenhängen, sei es in den Diasporasynagogen Kleinasiens bzw. Syriens oder auch in den hellenistischen Synagogen Jerusalems, wissen wir für die Zeit des Paulus viel zu wenig, um einen unmittelbaren Vergleich durchführen zu können.3 Man wird sich daher weitgehend mit allgemeineren Beobachtungen zufrieden geben müssen. Rein äußerlich ist feststellbar, daß Paulus mit der Praxis, sich schwerpunktmäßig auf eine begrenzte Anzahl von Schriften aus dem Gesamtkor-
2 Zur Begründung der folgenden Ausführungen verweise ich auf meine Veröffentlichung: Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986. 3 Schon die Frage des Verhältnisses zwischen Tora- und Prophetenlesung im synagogalen Gottesdienst vor 70 n.Chr. ist nur mit großer Vorsicht zu beantworten. Jedenfalls ist mit einer großen Variabilität (sowohl lokal als auch in bezug auf die verschiedenen innerjüdischen Gruppierungen) zu rechnen; vgl. PERROT, CH., The Reading of the Bible in the Ancient Synagogue, in: Mulder, M.J./Sysling, H. (Hg.), Mikra. Text, Translation, Reading and Interpretation of the Hebrew Bible in Ancient Judaism and Early Christianity, Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum II/1, Assen 1988, 137–159, bes. 149–159. Diese Variabilität gilt natürlich erst recht für die (grundsätzlich natürlich vorauszusetzende) homiletische Praxis. Aussagen über jüdische Schriftexegese z.Zt. des Paulus können sich daher nur auf zeitgenössische schriftliche Quellen stützen, insbesondere auf die exegetische Literatur des alexandrinischen Judentums und aus Qumran. Diese Schriften sind allerdings schon von ihrer Gattung her nicht mit den Briefen des Paulus vergleichbar. Das trifft auch für die sog. apokryphen und pseudepigraphischen Schriften zu, in denen die (zahlenmäßig sehr begrenzten) ausdrücklichen Schriftanführungen vor allem in nicht-biblischen narrativen Erzählzusammenhängen begegnen; vgl. DIMANT, D., Use and Interpretation of Mikra in the Apocrypha and Pseudepigrapha, in: Mulder/Sysling, Mikra, 379–419. Zum Ganzen vgl. auch PATTE, D., Early Jewish Hermeneutic in Palestine, SBLDS 22, Missoula (Montana).
„… bezeugt durch das Gesetz und die Propheten“
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pus der ITCHJ zu stützen,4 in Kontinuität mit dem zeitgenössischen Judentum steht. Auch dort stehen der Pentateuch, Jesaja und die Psalmen im Vordergrund und spielen eine deutlich größere Rolle als z.B. Jeremia, Ezechiel oder die Chronikbücher, die von Paulus überhaupt nicht herangezogen werden. Allerdings ist auch hier sofort die Diskontinuität nicht zu übersehen. Es findet ein nochmaliger Reduktions- und damit auch Auswahlprozeß statt – und zwar offensichtlich aus inhaltlichen Gründen. Aus dem Pentateuch, der Tora, sind es die Geschichtsüberlieferungen, die im Vordergrund stehen, während die eigentliche Gesetzesüberlieferung weitgehend zurücktritt. So findet sich innerhalb der fünf von Paulus zitierten Texte aus dem Buch Exodus kein einziges Zitat aus dem Bundesbuch (Ex 20,22–23,33), und die beiden einzigen Zitate aus dem Buch Leviticus (Lev 18,5, zitiert in Röm 10,5 und Gal 3,12, sowie Lev 19,18, zitiert in Röm 13,9 und Gal 5,14) sind keineswegs typisch für den Gesamtcharakter der in Leviticus zusammengefaßten Gesetzesüberlieferung. Aber auch innerhalb der Geschichtsüberlieferung sind Reduktionen feststellbar. Obwohl die Abrahamüberlieferung bei Paulus einen breiten Raum einnimmt, beschränkt sich die paulinische Rezeption auf den Textbereich Gen 12–18, während Gen 22, Isaaks Opferung, der Zentraltext schlechthin für das zeitgenössische jüdische Abrahambild, von Paulus völlig umgangen wird. Offenbar war dieser Text in seiner Interpretation so eindeutig besetzt, daß es Paulus nicht möglich war, ihn im Rahmen seiner Theologie fruchtbar zu machen. Gleiches gilt offenbar auch für den großen Bereich der Geschichtsüberlieferung aus der staatlichen Zeit Israels. In Röm 9,4f nennt Paulus als Vorzüge Israels und konkrete Merkmale seiner Erwählung zunächst die Bundesschlüsse, die Gesetzgebung, den Gottesdienst und die Verheißungen – sodann die Väter und unmittelbar nach den Vätern dann sofort in einem großen Sprung den &TKUVQLMCVCUCTMC. Dem entspricht, daß Paulus zwar mehrfach in positiver Weise auf die Väter Bezug nehmen kann, auf Abraham als den Vater der Glaubenden (Röm 4), auf Isaak als den Sohn der Freien (Gal 4,28–31), an Isaak und Jakob zeigt er Gottes freies Erwählungshandeln (Röm 9,6–13). Aber mit Mose und seinem Gegenspieler Pharao bricht die Kette der geschichtlichen Beispiele in Röm 9 ab, Erwählungshandeln unterhalb der Grenze der Väter wird nicht namhaft gemacht. Sofern Paulus auf Vorgänge aus dem Exodus oder der Königszeit zurückgreift, geschieht dies in einseitig kritischer Wendung: Am Israel des Exodus interessiert lediglich sein Ungehorsam und sein Abfall von Gott, 4
Dabei bleibt Paulus ohnehin in dem Rahmen, der dann nach 70 n.Chr. im pharisäischrabbinischen Judentum endgültig verbindlich wurde; vgl. KOCH, Die Schrift, 47.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
um davor die gegenwärtige Generation zu warnen (1Kor 10,1–13), und aus der Königszeit ist es nur die Gestalt des verfolgten Propheten Elia, die Erwähnung findet (Röm 11,2–4). Auf der anderen Seite erscheint David nur als offenbar zeitloser Sprecher der Psalmen; als geschichtlicher König einer vergangenen glanzvollen Heilszeit tritt er nicht in Erscheinung. Die ganze Königszeit ist bei Paulus ausgeblendet; und bei einem bewußt pharisäisch erzogenen und geprägten Juden wird man das nicht auf Unkenntnis zurückführen können. Vielmehr gilt auch hier: Dieser Überlieferungsinhalt versperrte sich offensichtlich einer theologischen Aneignung durch den christlichen Apostel. Er bot – anders als die Väterüberlieferung – aus seiner Sicht offenbar keine Anknüpfungs- und Identifikationsmöglichkeiten für eine Christenheit, die sich erklärtermaßen als eine Gemeinde verstand, die von Gott berufen war „nicht nur aus Juden, sondern auch aus Heiden“ (Röm 9,24). Diese Beobachtungen deuten darauf hin, daß es sich bei der Schriftverwendung des Paulus in seinen Briefen, die er als christlicher Apostel schrieb, nicht um bruchlose Übernahme oder Fortsetzung seines früheren Umgangs mit der Schrift als Pharisäer handeln kann. So wie er gezwungen war, zentralste Inhalte seiner jüdischen Existenz und Identität, allem voran die Rolle des Gesetzes, neu zu bewerten (vgl. Phil 3,3–11), so war auch die Schrift von diesem Umbruch betroffen, da ja Gesetz und Beschneidung, Bund und Erwählung, die jeweils neu bewertet werden mußten, fest in der Schrift verankert waren. Natürlich gab es bestimmte Bereiche, die weitgehend bruchlos fortgalten. Das ist am deutlichsten im Bereich der Paränese der Fall. So kann Paulus das Liebesgebot von Lev 19,18 als inhaltliche Zusammenfassung des Gesetzes überhaupt bezeichnen und in diesem Sinne zitieren, womit er deutlich in hellenistisch-jüdischer Auslegungstradition steht, die natürlich auch für die hellenistisch-judenchristlichen Gemeinden im syrischen Raum vor und neben Paulus als wirksam vorausgesetzt werden kann. Sicher wäre es auch an diesem Punkt von großem Nutzen, Genaueres in Erfahrung bringen zu können. Für die hellenistisch-judenchristliche Theologie vor und neben Paulus bestand die gleiche Ausgangslage und die gleiche Aufgabe wie für Paulus: Unter der Voraussetzung der unumstrittenen Geltung der Schrift diese doch angesichts neuer Glaubenserfahrungen und -einsichten neu zu lesen und neu zum Sprechen zu bringen, damit sie tatsächlich eigener Besitz bleibt bzw. es erneut wird. In welchem Umfang dies bereits vor Paulus geschehen ist und welche Wege dabei beschritten wurden, ist jedoch allenfalls in Umrissen zu erkennen. Neben der offenbar bruchlosen Übernahme paränetischer Schriftinhalte und neben der prinzipiellen Aussage, daß das Christusgeschehen sich in Übereinstimmung mit „den Schriften“ vollzogen hat (1Kor 15,3b–5), ist
„… bezeugt durch das Gesetz und die Propheten“
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eine christologische Aneignung und Interpretation messianischer Aussagen besonders aus dem Buch Jesaja feststellbar.5 Der von Paulus in Röm 9,33 vorausgesetzte, mit 1Petr 2,6 übereinstimmende Wortlaut von Jes 28,16 weist auf eine vorpaulinische christologische Adaption dieses messianisch verstandenen Verheißungswortes hin. Ebenfalls vorpaulinisch ist die Aufnahme von Jes 45,23 in Phil 2,10f. Analoges kann für Jes 11,10 (von Paulus in Röm 15,12 zitiert) und Jes 59,20f (zitiert in Röm 11,26f) angenommen werden. Dieser Schriftverwendung entspricht die ebenfalls als traditionell anzusehende Formulierung in Röm 1,2, daß „die“ Propheten das Evangelium Gottes über den David- und Gottessohn (Röm 1,3f) im voraus angekündigt haben. Hier wird also der Anspruch des frühen Christentums sichtbar, daß das, was für die Schrift noch eschatologische Erwartung gewesen ist, im Kommen Christi bereits Wirklichkeit geworden ist. Und es wird deutlich, daß die „heiligen Schriften“ gerade unter diesem Gesichtspunkt gelesen und interpretiert wurden. Gegenüber diesen vorpaulinischen Ansätzen weist die paulinische Schriftverwendung ein deutlich eigenständiges Profil auf, und zwar deshalb, weil die Schriftzitate des Paulus sowohl funktional als auch inhaltlich aufs engste mit der Abfassung seiner Briefe und mit den in ihnen diskutierten Themenfeldern verbunden sind. Analysiert man die Funktion der insgesamt 88 Schriftanführungen bei Paulus, in denen er 93 verschiedene Schrifttexte heranzieht, dann zeigt sich, daß der geringste Teil lediglich eine rein bestätigende oder gar nur illustrative Funktion hat. Die übergroße Mehrzahl der Zitate dient der Verdeutlichung, der Fortführung eigener Aussagen, oder sie sind eigenständige Argumente im Gedankengang und stehen nicht selten auch völlig anstelle einer eigenen Aussage des Paulus. Sie sind so integraler Bestandteil der Argumentation des Paulus, aus der daher in den meisten Fällen das einzelne Schriftwort auch gar nicht mehr herausgelöst werden kann. Und man kann beobachten, daß dort, wo Paulus gezwungen ist, besonders genau zu argumentieren, die Häufigkeit der Schriftanführungen besonders dicht ist. Diese hohe argumentative Bedeutung der Schriftzitate hat aber auch eine Kehrseite. Die Schriftzitate dienen, wie gesagt, in aller Regel direkt der Argumentation, und sie haben so ihren festen Platz in deren Fortgang und werden auch nicht erst durch eine angehängte Auslegung in ihrem Sinn gesichert. Gerade deshalb muß der Wortlaut des Zitats selbst das voll zum Ausdruck bringen, was an der betreffenden Stelle als Argument erforderlich ist. Von hier aus erklärt sich das hohe Maß an Differenzen zwischen dem vorauszusetzenden Septuaginta-Wortlaut und der tatsächlichen paulinischen 5
Vgl. dazu meinen Aufsatz: Beobachtungen zum christologischen Schriftgebrauch in den vorpaulinischen Gemeinden, ZNW 71, 1980, 174–191.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
Zitatfassung. Auch wenn man textgeschichtliche Veränderungen der Septuaginta miteinrechnet – und für den von Paulus vorausgesetzten Text von Jesaja und Hiob ist derartiges m.E. nachweisbar –, so bleibt doch eine umfangreiche Anzahl von Textdifferenzen, die einerseits auf diese Weise nicht erklärt werden können; und diese Textdifferenzen stimmen andererseits in aller Regel exakt mit der paulinischen Verwendung des so veränderten Schriftzitats überein, ja sie machen oft diese überhaupt erst möglich. Das Ausmaß der Zitatumgestaltungen ist dabei z.T. beträchtlich und kann bis zur nahtlosen Zusammenfügung, ja bis zur Verschmelzung benachbarter oder auch weit entfernter Schriftworte führen, so daß sich das betreffende Zitat so gar nicht in der Schrift findet. Und Paulus unterscheidet sich damit auch deutlich von dem, was als Zitierpraxis in der zeitgenössischen jüdischen Literatur sonst zu beobachten ist. Dies hängt, wie gesagt, zum einen mit der unmittelbar argumentativen Funktion der Schriftanführungen zusammen. Zum anderen wird hier ein inhaltliches Problem sichtbar. Wenn Paulus z.B. in Röm 10,6–8 eine Schriftaussage über die Nähe der FKMCKQUWPJ3GQW und ihre Zugänglichkeit im Wort des Glaubens anführen will und dafür auf Dtn 30,12–14 zurückgreift, dann ist das eben nur durch massive Texteingriffe möglich. D.h., die intensive Inanspruchnahme von Schriftaussagen und deren gleichzeitige Umgestaltung bedingen sich gegenseitig. Ich möchte noch auf ein anderes Problem eingehen, das zumeist völlig übergangen wird, nämlich die ganz unterschiedliche Häufigkeit der Schriftzitate in den einzelnen Briefen des Paulus, und zwar deshalb, weil sich von hier aus u.U. interessante Rückschlüsse auf die Zitiertechnik des Paulus ergeben. Adolf von Harnack hat in einem Akademievortrag von 1928 mit dem Titel „Das Alte Testament in den Paulinischen Briefen und den Paulinischen Gemeinden“ auf die extrem ungleiche Verteilung der Schriftzitate auf die Briefe des Paulus hingewiesen:6 In den sog. kleinen Briefen (und dazu zählte Harnack neben dem 1. Thessalonicherbrief und dem Philemonbrief auch den 2. Thessalonicher-, den Kolosser- und den Epheserbrief) fehlten Schriftzitate entweder völlig oder kämen nur beiläufig vor (Eph). Diese Briefe bieten für Harnack sozusagen den Normalfall, während die intensive Verwendung der Schrift in den sog. großen Briefen weitgehend durch von außen aufgezwungene Kontroversen veranlaßt sei. Und Harnacks Schlußfolgerung lautete: Paulus habe die jungen Gemeinden von sich aus überhaupt nicht in die Schrift eingeführt. Für seine persönliche Frömmigkeit habe die Schrift zwar weiterhin eine hohe Bedeutung gehabt, doch habe
6
HARNACK, A. VON, Das Alte Testament in den Paulinischen Briefen und in den Paulinischen Gemeinden, SPAW.PH, 1928/XII, 124–141.
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sie für seine Missionsverkündigung nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt. Dem hat bereits 1929 Otto Michel7 in seiner Untersuchung „Paulus und seine Bibel“ widersprochen. Michel hat die von Harnack vorgenommene Trennung zwischen persönlicher Frömmigkeit und Missionsverkündigung bei Paulus m.R. in Frage gestellt. Zudem – so Michel – seien bei Harnack die sog. kleinen Paulus-Briefe überbewertet, da es sich bei ihnen lediglich um Gelegenheitsschreiben handele. Doch läßt sich eine gattungsmäßige Unterscheidung zwischen Gelegenheitsbriefen und sonstigen Briefen nicht durchführen; und sie erklärt auch nicht, warum im 1. Thessalonicherbrief, der immerhin gut sechs Nestle-Seiten umfaßt, keine Gelegenheit für ein einziges Schriftzitat war, während Paulus in dem kurzen Kollektenschreiben von 2Kor 9, das nur eineinhalb Nestle-Seiten lang ist, gleich drei Schriftworte anführt. Die Anfrage an die übliche Sicht der paulinischen Schriftverwendung, die Harnacks These darstellt, ist später nur ganz vereinzelt aufgegriffen worden.8 Erst recht fehlt eine Antwort auf Harnacks These, d.h. eine positive Erklärung der an sich ja unbestreitbaren Beobachtung Harnacks, ohne dabei seine gewaltsame Lösung zu übernehmen. Ich möchte versuchen, hier eine derartige Antwort vorzutragen, auch wenn diese u.U. dem gewohnten Bild über den Umgang des Paulus mit der Schrift widersprechen mag. Das weithin übliche Bild sieht im Grunde so aus, daß Paulus schon längst vor Abfassung seines allerersten Briefes einen festen Zitatenschatz gedächtnismäßig gespeichert hatte, längst erworben in seiner vorchristlichen Zeit als eifriger Pharisäer, aus dem er später bei Abfassung eines Briefes jederzeit geeignete Materialien mühelos abrufen konnte. Dieses Bild – so eindrucksvoll es sein mag – kollidiert mit dem Textbefund, denn es macht das völlige Fehlen von Schriftzitaten im 1. Thessalonicherbrief, im Philipperbrief und zusätzlich im sog. Versöhnungsbrief (2Kor 1,1–2,13; 7,5–16) unerklärlich. Jedenfalls ist irgendein vernünftiger Grund, warum Paulus in diesen drei Fällen das vermeintlich jederzeit verfügbare Schriftmaterial nicht benutzt haben soll, nicht erkennbar. Auffällig ist außerdem, daß in dem letzten Brief des Paulus, dem Römerbrief, der zugleich die sorgfältigste kompositorische Durchgestaltung aller Paulusbriefe aufweist, sich die größte Dichte von Schriftzitaten findet, während umgekehrt der früheste Brief, der 1. Thessalonicherbrief, kein einziges Zitat aufweist. Das spricht dafür, in den ausdrücklichen Anführungen von Schriftworten eine literarische Technik zu sehen, die Paulus erst schrittweise im Zusammen7 MICHEL, O., Paulus und seine Bibel, BFChTh.M 18, Gütersloh 1929 (Nachdruck Darmstadt 1972), 112–134. 8 So bei LUZ, U., Das Geschichtsverständnis des Paulus, BEvTh 49, München 1968, 411.
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hang mit der Abfassung seiner Briefe entwickelt hat. Erklärbar wird dieser Vorgang, wenn man a) grundsätzlich annimmt, daß Paulus sich auch als christlicher Apostel weiterhin bzw. erneut – oder vielleicht sogar: jetzt erst recht – aktiv mit der Schrift beschäftigte; b) zusätzlich annimmt, daß er im Zusammenhang mit der Vorbereitung und in Abfassung der Briefe, die auf den 1. Thessalonicherbrief folgten, sich gezielt mit der Schrift beschäftigte, wobei auch für die späteren Briefe gilt, daß die Häufigkeit der Schriftanführungen abhängig ist von der jeweiligen Vorbereitungszeit. Auf jeden Fall ist es auffällig, daß auch ein so relativ später Brief wie der sog. Versöhnungsbrief (2Kor 1,1–2,13; 7,5–16), der offenbar sehr spontan entstanden ist, keine Zitate aufweist.9 Vorauszusetzen ist dabei, daß diese Beschäftigung des Paulus mit der Schrift, und zwar im Blick auf deren Verwendung zur Argumentation innerhalb eines Briefes, sich konkret als Lektüre schriftlicher Texte vollzog – und daß Paulus auch in der Regel nur dann Zitate anführte, wenn er sich bei der Vorbereitung auf schriftliche Unterlagen stützen konnte. Unter dieser Voraussetzung wird auch das Fehlen von Zitaten im Philipperbrief sofort verständlich, insofern für diesen als Gefängnisbrief eben nicht die für die übrigen Briefe vorauszusetzenden Abfassungsbedingungen gegeben gewesen sind. Wie Paulus bestimmte mit der Schrift verbundene Themen im Blick auf die Abfassung seiner Briefe neu durcharbeitete und dabei auch erneut die Schrift selbst intensiv heranzog, kann man am Vergleich von Gal 3,6–18 mit den entsprechenden Abschnitten des Römerbriefs kontrollieren. Von den sieben Zitaten aus Gal 3,6–18 ist das zentrale Ausgangszitat, Gen 15,6, zum Basiszitat von Röm 4 geworden; das Zitat Hab 2,4b, das in Gal 3,11 nur eine begrenzte Argumentationsreichweite besitzt, ist in Röm 1,17 in eine kompositorisch zentrale Position gerückt, und auch Lev 18,5c ist – in ganz anderem Zusammenhang – weiterverwendet. Auf der anderen Seite ist das zentrale Zitat Gen 15,6 durch neue Zitate und Schriftreferate aus Gen 15–17 ergänzt (Gen 15,5d in Röm 4,18; Gen 17,5c in Röm 4,17; Schriftreferat in Röm 4,19) und wird durch ein ebenfalls neues Psalm-Zitat (31,1f 9
Analog ist die Situation im sog. Tränenbrief (2Kor 10–13). Auch für die Abfassung dieses (ebenfalls relativ spät, nämlich zwischen Apologie und Versöhnungsbrief, entstandenen) Briefes ist in der Situation der offenen Krise mit einem erheblichen Zeitdruck zu rechnen. Dem entspricht die Verwendung der Schriftzitate in frappanter Weise: Die beiden einzigen Zitate begegnen in 2Kor 10,17 („Wer sich rühme, der rühme sich im Herrn“; zur Herkunft vgl. KOCH, Die Schrift, 35f) und 2Kor 13,1 (Dtn 19,15). Das Zitat in 2Kor 10,17 ist von Paulus bereits in 1Kor 1,31 verwendet worden, d.h. spätestens seit dieser Verwendung also geläufig und wahrscheinlich ohnehin in dieser zugespitzten sentenzartigen Form mündlich vermittelt; und das Schriftwort Dtn 19,15 ist ein mündlich geläufiger und häufig angeführter Grundsatz (vgl. im NT Mt 18,16 und die Hinweise bei KOCH, Die Schrift, 118, A 15).
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LXX) theologisch interpretiert. Hier hat Paulus also auf dem bisher Erreichten aufbauend die Schrift neu durchgearbeitet und seine Argumentation auf diese Weise ausgebaut. Paulus hat also offenbar nicht von Anfang an einen für seine Briefe geeigneten fertigen Zitatenschatz besessen. Vielmehr hat er sich die Möglichkeit, theologische Probleme mit den Aussagen der Schrift in Beziehung zu setzen und sie mit Hilfe dieser Aussagen zu durchdenken, schrittweise erarbeitet, und zwar in dem Maße, in dem die Notwendigkeit wuchs, bestimmte kontroverse Fragen auch schriftlich im Rahmen eines Briefes zu entfalten.10 Dies spricht nicht gegen die Bedeutung der Schrift für die Theologie des Paulus. Im Gegenteil: Dieser Vorgang läßt die Energie deutlich werden, die Paulus hier aufwandte, und damit zugleich die Bedeutung, die Paulus der Aufgabe zumaß, die längst vorhandene Schrift für die Durchklärung der Botschaft von dem neuen Heilshandeln Gottes einzusetzen und sie so neu zu gewinnen. Die Annahme, daß es sich bei dem von Paulus aus der Schrift entnommenen Argumentationsmaterial zum überwiegenden Teil um Materialien handelt, die er selbst in eigenständiger Beschäftigung mit der Schrift für sich entdeckt bzw. neu gewonnen hat, – diese Annahme bestätigt sich, wenn man nach den inhaltlichen Schwerpunkten der paulinischen Schriftverwendung fragt. Einerseits ist festzustellen, daß die christologische Aneignung einzelner messianischer Schriftaussagen, die für das vorpaulinische jüdisch-hellenistische Christentum feststellbar ist, von Paulus nicht fortgesetzt wird. Umgekehrt treten Sachbereiche in den Vordergrund, die für Paulus spezifisch sind: die Entfaltung der FKMCKQUWPJ3GQW und das Verständnis des Gesetzes sowie die Berufung der Gemeinde aus Juden und Heiden und die Fortgeltung der Verheißung für Israel. Hier handelt es sich um genuin paulinische Themenbereiche, und hier finden sich Schriftanführungen in besonderer Dichte. Hier – so wird man schlußfolgern müssen –
10 Das schließt nicht aus, sondern ein, daß es inhaltliche Gründe waren, die Paulus zum Rückgriff auf die Schrift veranlaßten, so daß auch in den späteren Briefen sich die Schriftanführungen schwerpunktmäßig auf ganz bestimmte Themenfelder konzentrieren. Allerdings ist der Eindruck unzutreffend, daß Paulus im Grunde ausschließlich für die Rechtfertigungs- und Gesetzesthematik und die Frage der Erwählung Israels die Schrift explizit heranzieht. Dagegen spricht schon die inhaltlich breit gefächerte Schriftverwendung in 1Kor. Auf diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, daß Paulus aus inhaltlichen Gründen in 1Thess und Phil keinen Anlaß oder keine Möglichkeit zur Verwendung der Schrift gehabt haben soll. Aufschlußreich ist die Behandlung der analogen Thematik in 1Thess 4,13–5,11 und in 1Kor 15. Natürlich ist in der vorliegenden Argumentationsfolge von 1Thess 4,13–5,11 (anders als in 1Kor 15) für ein Schriftzitat kein Platz. Das zeigt jedoch, daß Paulus Schriftzitate eben nicht als zusätzlichen rhetorischen Schmuck einsetzt, der nachträglich hinzugefügt wird. 1Thess 4,13–5,11 ist im Unterschied zu 1Kor 15 von vornherein ohne Rückgriff auf die Schrift konzipiert. Und dies gilt es zu erklären.
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hat Paulus mit besonderer Energie die Schrift befragt, sie heranzuziehen versucht, um sie auf ganz neue Weise zum Sprechen zu bringen. Was dabei letztlich geschieht, hat Paulus selbst in Röm 3,21 formuliert: Er nimmt Gesetz und Propheten dafür in Anspruch, daß sie selbst die kritische Sicht des Gesetzes, die sich für Paulus als Konsequenz aus dem Christusgeschehen ergibt, bezeugen. Damit setzt sich Paulus natürlich in diametralen Gegensatz zur zeitgenössischen jüdischen Schriftinterpretation, die ja für ihn selbst früher ebenfalls fraglos gültig war. Den Bruch mit ihr mußte Paulus vollziehen, weil sich der übergreifende Verstehensrahmen für die einzelnen Schriftaussagen radikal verändert hatte. Nun betrifft dieser Bruch allerdings nicht nur die jüdische Schriftauslegung, sondern er tangiert die Schrift selbst, weil und insoweit die jüdische Auslegungstradition mit den für sie leitenden Rahmenbedingungen nicht ohne Grundlage in der Schrift selbst gewesen ist. Wenn Dtn 30,12–14 im palästinischen Targum Pseudo-Jonathan paraphrasiert wird: „Nahe ist euch das Wort in euren Lehrhäusern; öffnet euren Mund, um in ihnen zu studieren, reinigt eure Herzen, um sie (die Tora) zu tun“11, dann bleibt die erweiternde und aktualisierende Paraphrase bei dem Thema, das für die Schriftaussage selbst zentral ist: der Nähe und Zugänglichkeit des von Mose gegebenen Gebots. Gleiches gilt, wenn im Fragmententargum12 ausdrücklich auf Mose verwiesen wird als den, der ja schon in den Himmel hinaufgestiegen ist. Jeweils kann der Dtn-Text dabei unverkürzt beibehalten werden. Genau das ist bei Paulus nicht möglich. Zwar stellen die Eingriffe, die Paulus in diesem Text bei seiner Wiedergabe in Röm 10,6–8 vornimmt, auch im Rahmen der paulinischen Zitierpraxis einen Sonderfall dar. Aber dieser Extremfall weist doch auf eine grundsätzliche Problematik der paulinischen Schriftaneignung hin. Diese Problematik zeigt sich auch dort, wo Paulus einer Schriftaussage mehr abzugewinnen versucht, als sie – selbst in einer u.U. schon abgeänderten Gestalt – hergibt. Zur Verdeutlichung möchte ich auf die Anführung von Dtn 27,26 in Gal 3,10 verweisen. Paulus strafft zunächst das Zitat und verschärft es durch Umformulierung mit Hilfe der in Dtn 28–30 mehrfach begegnenden Wendung „das was geschrieben ist im Buch dieses Gesetzes“. Ursprünglich lautete Dtn 27,26 LXX: „Verflucht ist jeder Mensch, der nicht in allen Worten dieses Gesetzes bleibt, um sie zu tun.“ 11
Bill III., 279. Ausgabe: KLEIN, M.L., The Fragment-Targums of the Pentateuch According to their Extant Sources, AnBib 76, Rom 1980, I, 223 (Text); II, 181 (Übersetzung); zu berücksichtigen ist außerdem die Randglosse in der Targum-Handschrift Codex Neofiti I (dazu vgl. KOCH, Die Schrift, 158f). 12
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Bei Paulus heißt es jetzt: „Verflucht ist jeder, der nicht in allem bleibt, was geschrieben ist im Buch des Gesetzes, um es zu tun.“
„Die Worte dieses Gesetzes“ (QKBNQIQKVQWPQOQWVQWVQW) sind also ersetzt durch das „Geschriebene“, das im „Buch des Gesetzes“ enthalten ist (VC IGITCOOGPCGXPVY^DKNKY^VQWPQOQW). Paulus will also dieser Schriftstelle eine grundsätzliche Aussage über das Gesetz überhaupt abgewinnen. Dabei betont er einseitig den schriftlichen Charakter des Gesetzes und interpretiert auf diese Weise den PQOQL als ITCOOC, wodurch Paulus indirekt den PQOQL, wie ein Blick auf 2Kor 3 zeigt, als tötende Macht charakterisiert. Bemerkenswert ist außerdem, daß von den sechs Stellen, an denen in Dtn 28–30 die Wendung (VC) IGITCOOGPCGXPVY^DKNKY^VQWPQOQW VQWVQW vorkommt (Dtn 28,58.61; 29,19.20.26; 30,10), fünf Stellen Teil einer Fluchankündigung sind (mit Ausnahme von Dtn 30,10). Das zeigt, daß Paulus die Schriftaussage in einer ganz bestimmten Richtung verschärfen will. Er will die prinzipielle Feststellung von Gal 3,10a aus der Schrift belegen, daß derjenige, der sich in den Bereich des Gesetzes begibt, damit in den Bereich des Fluchs gerät, der grundsätzlich mit dem Gesetz verbunden ist. Aber genau das gibt das Zitat – selbst in seiner von Paulus zugespitzten Fassung – nicht her. Es droht – für sich genommen – lediglich dem Gesetzesübertreter den Fluch an und stellt keineswegs alle, die „aus den Werken des Gesetzes sind“, unter den Fluch. Nun wird man nicht verkennen können, daß Paulus sich hier in einem Dilemma befand: Denn eine geeignetere Schriftaussage, die das, was Paulus formulieren wollte, tatsächlich enthielt, war weder im Deuteronomium noch sonst in der Schrift zu finden. Wenn man abschließend nach den Schlußfolgerungen fragt, die sich aus den vorgetragenen Beobachtungen ergeben, so möchte ich bei dem soeben dargestellten Bruch mit der jüdischen Schriftauslegung einsetzen, den Paulus vollzogen hat. Dieser Bruch betrifft nicht (oder nur in sehr geringem Maße) die einzelnen Methoden der Schriftauslegung und -aktualisierung. Dieser Bruch geht tiefer. Zwar ist Paulus mit der jüdischen Schriftauslegung der Meinung, daß die Schrift „um unseretwillen“ geschrieben ist (1Kor 9,10; Röm 4,23f). Sie ist damit auf die Gegenwart des Hörers bzw. Lesers bezogen, und dies ist bei ihrer Auslegung entsprechend zu beachten. Aber gerade weil die Gegenwart sich grundsätzlich gewandelt hat, ist davon auch das Verständnis der Schrift fundamental betroffen. Dabei handelt es sich um mehr als nur um den Austausch von einem Interpretationsmuster durch ein beliebiges anderes. Denn der Wechsel der für das Verständnis leitenden Rahmenbedingungen hat Rückwirkungen auf den Inhalt der Schrift selbst und führt, da die jüdischen Interpretationsvoraussetzungen ja nicht beliebig an die Schrift herangetragen worden sind, zu einer Umwer-
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tung sowohl einzelner Schriftaussagen als auch fundamentaler Schriftinhalte. Paulus gewinnt auf diese Weise in einer neuen Situation die Schrift neu, allerdings durch den Bruch hindurch. Dieser Bruch in der Neuaneignung bzw. diese Neuaneignung durch den Bruch hindurch ist für Paulus unvermeidlich und auch sachgemäß, eben weil das Christusgeschehen nicht das Handeln eines anderen oder neuen Gottes darstellt, sondern das Handeln des Gottes Israels, der sich in der Schrift längst kundgetan hat, der allerdings jetzt in ganz neuer und definitiver Weise gehandelt hat. Dieses neue Handeln führt notwendigerweise auch zu einer z.T. radikalen Neubewertung seiner bisherigen Kundgaben. Deshalb kann Paulus formulieren, daß erst in Christus die „Decke“, die auf der Verlesung des „alten Bundes“ liegt, fortgenommen wird (2Kor 3,14), daß also erst vom Christusgeschehen her sich der Sinn der Schrift erschließt. Das sola scriptura der Reformatoren sollte die Verstehen eröffnende Kraft, die in bezug auf die Schrift in ihr selbst enthalten ist, zur Geltung bringen. Für Paulus ergibt sich die das Verstehen der ITCHJ erschließende Kraft nicht aus dieser selbst, sondern aus dem GWXCIIGNKQP, durch das aus der RCNCKCFKCSJMJ überhaupt erst ITCHJ wird.
Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament∗
Hab 2,4b gehört zu der insgesamt recht begrenzten Zahl von Schriftzitaten, die im Neuen Testament mehrfach, und zwar auch von verschiedenen Autoren, angeführt werden: zweimal von Paulus, in Röm 1,17b und Gal 3,11b, und einmal vom Verfasser des Hebräerbriefs, in Hebr 10,38a. Dies fordert natürlich zu einem Vergleich des jeweiligen Verständnisses des Zitats bei Paulus und im Hebr heraus.1 Doch stellt schon der reine Textvergleich zwischen den ntl. Zitierungen und dem LXX-Wortlaut, der ja die elementare Basis einer inhaltlichen Interpretation von Schriftzitaten im NT darstellt, vor verwickelte Probleme. Die Anführungen von Hab 2,4b bei Paulus und im Hebr stimmen, wenn man in Hebr 10,38a den von allen modernen Herausgebern akzeptierten Text von P46 a etc. als ursprünglich voraussetzt,2 schon untereinander nicht überein. Sodann ist der Überlieferungsbefund in der LXX ausgesprochen unübersichtlich: Beide ntl. Zitatformen werden zwar auch von einem Teil der LXX-Handschriften vertreten, aber eben jeweils nur von einem Teil. Die Mehrheit der Handschriften bietet weder den Wortlaut von Röm 1,17b/Gal 3,11b, noch den von Hebr 10,38a P46. Aber auch in Hebr 10,38a ist die Textüberlieferung nicht einheitlich. Hier begegnen ebenfalls alle drei Textfassungen, wenn auch mit deutlich anderer Häufigkeit als in der LXX. Und schließlich weichen alle drei Textformen ihrerseits vom Masoretischen Text ab. Die daraus resultierende unterschiedliche Beurteilung des Verhältnisses zwischen den ntl. Zitierungen und ihrer (jeweiligen?) LXX-Vorlage in der neueren Literatur3 läßt eine genauere ∗
Zuerst erschienen in: ZNW 76, 1985, 68–85. Vgl. GRÄSSER, E., Der Glaube im Hebräerbrief, MThSt 2, Marburg 1965, 43f; DERS., Rechtfertigung im Hebräerbrief, in: J. Friedrich/W. Pöhlmann/P. Stuhlmacher (Hg.), Rechtfertigung (FS E. Käsemann), Tübingen/Göttingen 1976, 79–93, dort 83(ff); MICHEL, O., Der Brief an die Hebräer, KEK 13, Göttingen 7(13)1975, 365. 2 Nach Aland, K., u.a. (Hg.), Novum Testamentum Graece, Stuttgart 261979, 735 bieten sämtliche dort berücksichtigten Ausgaben in Hebr 10,38 o` de. di,kaio,j mou evk pi,stewj zh,setai, wobei lediglich Westcott, B.F./Hort, F.J.A. (Hg.), The New Testament in the Original Greek, Cambridge/London 1881 di,kaio,j [mou] haben. 3 Vgl. z.B. die schwankende Beurteilung von Röm 1,17b durch MICHEL, O., Paulus und seine Bibel, BFChTh. M 18, Gütersloh 1929 (Neudruck: Darmstadt 1972), 73.76.74: Das Fehlen von mou nach evk pi,stewj stellt eine absichtliche Auslassung dar; dagegen DERS., Der Brief an die Römer, KEK 4, Göttingen 5(14)1978, 90: Die „Stellung des mou (ist) unsicher, und es ist nicht gewiß, ob Paulus es vorgefunden hat“; schließlich DERS., Hebr (s. Anm. 1), 363 Anm. 1: „Paulus übernimmt (!) den Kurztext“. 1
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Behandlung dieser Frage als berechtigt erscheinen.4 Hinzu kommt, daß sowohl die Handausgabe der LXX durch A. Rahlfs als auch die kritische Ausgabe des Zwölfprophetenbuches der LXX durch J. Ziegler5 hinsichtlich des Alters der mit Röm 1,17b/Gal 3,11b übereinstimmenden Lesart von Hab 2,4b LXX ein unzutreffendes Bild vermitteln.
I Auszugehen ist von der Frage nach dem ältesten – und möglicherweise ursprünglichen – Wortlaut von Hab 2,4b in der LXX. Im Anschluß daran kann diskutiert werden, wie die Übereinstimmung der ntl. Anführungen mit jeweils einem Teil der handschriftlichen Überlieferung von Hab 2,4b LXX zu erklären ist, wobei gleichzeitig die uneinheitliche Textüberlieferung von Hebr 10,38a zu berücksichtigen ist. Da allenfalls eine der beiden ntl. Zitatformen mit dem ältesten LXX-Wortlaut übereinstimmen kann, stellt sich zumindest in einem Fall (u.U. auch in beiden) die Frage, ob hier der ntl. Autor bereits eine sekundäre Stufe der Textentwicklung von Hab 2,4b LXX voraussetzt oder ob umgekehrt mit Rückwirkung der ntl. Textfassung auf die – ausnahmslos christliche – LXX-Überlieferung zu rechnen ist. Zur Klärung dieser Frage ist der erforderliche Textvergleich (Beilage 1) auf Hab 2,4 insgesamt auszudehnen, nicht nur weil in Hebr 10,38 Hab 2,4 vollständig zitiert wird, sondern auch deshalb, weil nur so die ursprüngliche Intention des LXX-Übersetzers bei der Wiedergabe seiner hebräischen Vorlage festgestellt werden kann. Darüber hinaus sind auch die späteren jü-
4 Teilweise wird der Textbefund der LXX sogar entstellt wiedergegeben und von einem Wortlaut ausgegangen, der in keiner gegenwärtigen oder früheren LXX-Ausgabe als Text von Hab 2,4b LXX geboten wird. So zitiert WILCKENS, U., Der Brief an die Römer, EKK 6/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1978, 89, den Wortlaut von Gal 3,11b – o` di,kaio,j evk pi,stewj zh,setai – als „LXX“, ohne auch nur anzudeuten, daß dies (auch abgesehen von der zusätzlichen Auslassung von de,) höchstens eine von mehreren Lesarten von Hab 2,4b LXX darstellt – und zudem die am schmalsten bezeugte. KÄSEMANN, E., An die Römer, HNT 8a, Tübingen 31974, 28, zitiert sogar als „Modifikation der LXX“ o` de. di,kaio,j mou (!) evk pi,stew,j mou (!) zh,setai. Doch findet sich dieser Mischtext in keiner einzigen LXX-Handschrift. Offenbar ist von Käsemann nur die – in ihrem Apparat unzureichende und längst überholte – Handausgabe von Swete, H.B. (Hg.), The Old Testament in Greek according to the Septuagint, Bd. III, Cambridge 1894, eingesehen worden, in der zu Hab 2,4b lediglich „dikaioj] + mou A“ verzeichnet ist, ohne die gleichzeitige Auslassung von mou nach pistewj zu vermerken. Aber schon die Handausgabe von Rahlfs, A. (Hg.), Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, Bd. II, Stuttgart 1935, notiert unmißverständlich: „ek pist./mou] tr. A …“. 5 Ziegler, J. (Hg.), Duodecim Prophetae; Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Societatis Litterarum Gottingensis editum, Bd. 13, Göttingen 1943 (= LXX/XII).
Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament
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dischen LXX-Rezensionen und Neuübersetzungen miteinzubeziehen, da sie z.T. bis in die ntl. Zeit zurückreichen. LXX (LA II)
LXX (LA III)
evan. u`postei,lhtai( ouvk euvdokei/ h` yuch, mou evn auvtw|\/ o` de. di,kaioj evk pi,stew,j mou zh,setai)8
evan. u`postei,lhtai( ouvk euvdokei/ h` yuch, mou evn auvtw|\/ o` de. di,kaio,j mou evk pi,stewj zh,setai)
evan. u`postei,lhtai( ouvk euvdokei/ h` yuch, mou evn auvtw|\/ o` de. di,kaioj evk pi,stewj zh,setai)
W*vid B S Q V cet10 it syh; Hebr 10,38 D* pc; Or Cyp Eus Hier ThdrMps Spec11
A al12 ach armpt; Hebr 10,38 P46 al; ClAl Thrt Thphyl13
763* pc14 bo aeth armpt; Röm 1,17 (Gal 3,11)15 Hebr 10,38 P13 pl; Tert Chr Cyr Genn Phot16
8„evXIIgr17
Aquila (+ Q)19
Symmachus
ivd[ou.] skoti,a\ ouvk euvqei/a yuch. auvtou/ [… …di,,]kaioj evn pi,stei auvtou/ zh,set[ai.18
ivdou. nwceleuome,nou ouvk euvqei/a h` yuch, mou (?) evn auvtw//| kai. di,kaioj evn pi,stei auvtou/ zh,setai.20
o` di,kaioj th/| e`autou/ pi,stei zh,sei.
MT LXX (LA I)6 hlp[ hnh hrXy al wXpn wb qydcw wtnwmab 7 `hyxy Vgl. 8„evXIIgr VA S Q vg9
Beilage 1: Hab 2,4 in MT, LXX, 8„evXIIgr, Aquila, Symmachus und Theodotion _____________________ 6 Die Aufgliederung in Lesarten und die Angaben der Bezeugung beziehen sich jeweils auf V. 4b. Die Überlieferung von V. 4a weist nur geringfügige Unterschiede auf, die hier außer Betracht bleiben können, da Paulus nur Hab 2,4b zitiert und in Hebr 10,38b Hab 2,4a ohne Abweichungen wiedergegeben wird. Hinsichtlich der Notierung der Bezeugung ist zu beachten: 1. A B und S (= a; Sinaiticus) sind Vollbibeln, Q und W dagegen nicht; diese sind also nicht mit den NT-HSS mit gleichem Sigel zu identifizieren. Gleiches gilt für die Anm. 10. 12. 14 aufgeführten Minuskeln. 2. Mit „cet“, „al“, „pc“ sind jeweils die Minuskel-HSS gemeint, wobei die Wahl der Bezeichnung den jeweiligen Umfang andeuten soll. 3. „Syh“ meint die syrohexaplarische Übersetzung, vgl. Ziegler, LXX/XII (s. Anm. 5), 21: „it“ bezeichnet die altlateinische Übersetzung („La“ bei Ziegler). 4. Anführungen bei Kirchenvätern sind nur berücksichtigt, wenn der angeführte Text ausdrücklich als Hab- oder zumindest als Prophetenzitat bezeichnet ist.
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Wörtlich: „Siehe, aufgeblasen ist, nicht redlich ist seine Seele in ihm; der Gerechte aber wird durch seine Treue am Leben bleiben“; vgl. RUDOLPH, W., Micha – Nahum – Habakuk – Zephanja, KAT 13/3, Gütersloh 1975, 212. 8 „Wenn er zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm; der Gerechte aber wird durch meine Treue leben.“ 9 Vulgata: Iustus autem in fide sua vivet. – In 1QpHab ist zwar der Text von Hab 2,4b nicht mehr erhalten, aber die suffigierte Form ~tnma in der Auslegung (8,2) zeigt, daß wtnwmab als Text vorausgesetzt ist. 10 Und zwar die Mehrheit der alexandrinischen HSS (198, 233, 544, 710, 764), die Mehrheit der lukianischen HSS (22, 48, 51, 147, 410, 613, 719) und ein Teil der Catenen-HSS (239, 534, 538); die textgeschichtliche Zuordnung der HSS beruht auf Ziegler, LXX/XII, 30–102. 11 Origenes, Comm in Rom I (zu 1,17; MPG 14, 861B); IV (zu 4,1–8; a.a.O. 961A); in I (zu 1,13–15; a.a.O. 858C) iustus … ex fide vivit liegt Paraphrase von Röm 1,17 vor. – Cyprian, Test I 5 (CChr. SL 3, 10); III 42 (a.a.O. 134). – Euseb, Dem Ev VI 14,1 (GCS 23, 267). – Hieronymus, Comm in Hab I (zu 2,2–4; CChr. SL 76A, 597); Comm in Gal II (zu 3,11f; MPL 26, 384C). – Theodor von Mopsuestia, Comm in Hab (Hab 2,4; Sprenger, H.N. [Hg.], Theodori Mopsuesteni Commentarius in XII Prophetas, Göttinger Orientforschungen V/I, Wiesbaden 1977, 268); – PsAugustin, Speculum 34 (CSEL 12, 460); 125 (a.a.O. 670). 12 Und zwar die alexandrinischen HSS 26 und 49, die lukianischen HSS 36, 46, 86, 711, der codex mixtus 407 und die Catenen-HSS 68, 87, 91, 409. 13 Clemens von Alexandrien, Strom II 8,2 (GCS 52, 117). – Theodoret von Kyros, Comm in Hab (Hab 2,4; MPG 81, 1820B). – Theophylakt von Achrida, Comm in Hab (zu 2,4; MPG 126, 853A). Er bezeichnet dabei diesen Text ausdrücklich als LA ‚einiger Abschriften‘: dio. kai. ei;rhtai, w[j tina tw/n avntigra,fwn e;cei· ~O de. di,kaio,j mou· toute,stin, o` th|/ evmh|/ ca,riti di,kaioj geno,menoj. Der vorangestellte Hab-Text, der jetzt ebenfalls LA II bietet, ist also nicht mehr in Ordnung. 14 Und zwar neben der lukianischen HS 763* die alexandrinische HS 106 sowie die CatenenHSS 130 und 311. 15 In Gal 3,11b ist de, ausgelassen. 16 Tertullian, Adv Marc V 3,8 (CChr. SL 1, 670); zur Zitatform in IV 18,9 (a.a.O. 591) s.u. – Johannes Chrysostomus (zu Gal 3,11; in: Cramer, J.A., Catenae Graecorum Patrum in Novum Testamentum. VI, Oxford 1842 [Neudruck: Hildesheim 1967], 50). – Kyrill von Alexandrien, Comm in Hab I (Hab 2,3f; Pusey, P.E. [Hg.], Cyrilli in XII Prophetas, Oxford 1868 [Neudruck: Brüssel 1965] II, 93). – Gennadius von Konstantinopel (zu Röm 1,16f; in: STAAB, K., Pauluskommentare aus der griechischen Kirche aus Katenenhandschriften gesammelt, NTA 15, Münster 1933, 355). – Photius von Konstantinopel (zu Röm 1,16–18; in: STAAB, a.a.O., 475). – Auch Kirchenväter, die in ihrem Hab-Kommentar LA I oder LA II bieten, bezeichnen in ihren PaulusKommentaren Röm 1,17b bzw. Gal 3,11b als Schriftzitat, ohne auf die Textdifferenz einzugehen; so z. B. Theodoret, Comm in Rom (Röm 1,17; MPG 82, 60B) und Comm in Gal (Ga1 3,11; MPG 82, 477C). 17 Kol. 12; Lederrolle des griechischen Zwölfprophetenbuches aus Nahal Hever; Veröffentlichung der Transkription: BARTHÉLEMY, D., Les devanciers d’Aquila. Primière publication intégrale du texte des fragments du Dodecapropheton trouvés dans le Désert de Juda, VT.S 10, Leiden 1963, dort 175. Zur Datierung (zwischen 50 v. und 50 n.Chr.) vgl. KAHLE, P., Die Kairoer Genisa hebraisierende Rezension der LXX, die von Barthélemy als Zeuge der sog. Kaige-Rezension bestimmt wird (a.a.O. 179–202). Zur weiteren Diskussion vgl. SKEHAN, P.W., The Biblical Scrolls from Qumran and the Text of the Old Testament, BA 28, 1965, 87–100, dort 92f, abgedruckt in: Cross, F.M./Talmon, S. (Hg.), Qumran and the History of the Biblical Text, Cambridge (MA), 2 1976, 264–277, dort 269f; WEVERS, J.W., Septuaginta. Forschungen seit 1954, ThR NF 33, 1968, 18–76, dort 66–76 und BROCK, S.P., Art. Bibelübersetzungen I, TRE 6, 1980, 164f, 168f.
Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament
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Der MT von Hab 2,4a ist nicht mehr in Ordnung,21 und der LXX-Übersetzer, der offensichtlich diesen Wortlaut bereits voraussetzt,22 war daher gezwungen, vom vermuteten Sinn auszugehen.23 Zusätzlich mußte er offenbar die Bedeutung von hlp[ erraten.24 Der Übersetzer geht von V. 3b aus und versteht V. 4a als Aussage über den, der die Anweisung von V. 3b – u`po,meinon auvto,n25 – nicht befolgt,26 also nicht abwartet und standhält, sondern „zurückweicht“.27 Außerdem faßt er hnh im Sinne von !h („wenn“) auf,28 so daß V. 4aa jetzt einen Konditionalsatz bildet, an den sich nun V. 4ab als 18
„ …] sie[he] Finsternis; nicht gerade ist seine Seele […… Ge]rechte wird durch seine Treue lebe[n.“ Nach BARTHÉLEMY, a.a.O., 175 liegt hinter skoti,a ein Neueinsatz vor. 19 VA ist bei Euseb, Dem Ev VI 14,9 (GSC 23, 269) überliefert, S bei Hieronymus, Comm in Hab I (a.a.O. 597), und zwar ebenfalls griechisch. Q ist nicht selbständig überliefert, aber für V.4b aufgrund von Hieronymus, Comm in Gal II (a.a.O. 384C; bei ZIEGLER, LXX/XII nicht ausgewertet, so daß dort Q nicht notiert ist) zu erschließen: Aquila et Theodotion: ‚Iustus autem ex fide eius vivit‘, id est Dei. Damit stimmt die Angabe des Hab-Kommentars überein (auch wenn Hieronymus hier den zugrundeliegenden Wortlaut – evn pi,stei auvtou/ – anders versteht): Ubi Septuaginta posuerunt: ‚Iustus autem ex fide mea vivat‘, omnes (!) aequaliter transtulerunt: ‚ex fide sua (!) vivet‘. Denique Symmachus significantius interpretans ait: ‚Iustus autem per fidem propriam suam vivet‘, quod Graece … dicitur o` di,kaioj th|/ e`autou/ pi,stei zh,sei. Hier schließt „omnes“ offensichtlich ebenfalls Q mit ein, und die übereinstimmende Wiedergabe von VA bzw. „omnes“ durch ex fide zeigt, daß aus den Angaben des Hieronymus neben evn pi,stei (so VA nach Euseb) keine weitere Textform evk pi,stewj zu erschließen ist (anders ZIEGLER, LXX/XII, 265). 20 „Siehe, wenn er träge ist, ist meine (?) Seele nicht gerade in ihm; und der Gerechte wird durch seine Treue leben.“ BARTHÉLEMY, a.a.O., 249f vermutet, daß h` yuch, mou fehlerhafte Angleichung an die LXX im Zuge der Euseb-Überlieferung darstellt. Für VA sei entsprechend dem MT (und wie in 8HevXIIgr) yuch. auvtou/ vorauszusetzen. 21 Vgl. ELLIGER, K., Das Buch der Zwölf Propheten II, ATD 25, Göttingen 51964, 38; HORST, F., in: Th.H. Robinson/F. Horst, Die Zwölf kleinen Propheten, HAT 1/14, Tübingen 31964, 176, und ausführlich RUDOLPH, a.a.O., 212f. 22 Auch in 1QpHab 7,14 wird Hab 2,4a – soweit erhalten – entsprechend dem MT angeführt. 23 Zum Verhältnis von Hab 2,3f LXX zum MT vgl. außer den Anm. 21 genannten Kommentaren auch SCHRÖGER, F., Der Verfasser des Hebräerbriefes als Schriftausleger, BU 4, Regensburg 1968, 183f. Nach dem inhaltlichen Verständnis der LXX-Wiedergabe fragt IN DER SMITTEN, W.T., Habakuk 2,4 als prophetische Definition des Gerechten, in: H.-J. Fabry (Hg.), Bausteine Biblischer Theologie (FS G.J. Botterweck), BBB 50, Köln/Bonn 1977, 291–300. 24 MT: hlp[ (1QpHab 7,14: hlpw[); sonst nicht belegtes Pual von lp[ (Hifil: ‚sich vermessen‘; auch dies nur Num 14,44), vgl. KBL 3, 31983, 814 s.v. 25 Der LXX-Übersetzer hat V. 3b personal verstanden, d.h. messianisch interpretiert; vgl. ZIEGLER, J., Untersuchungen zur Septuaginta des Buches Isaias, ATA 12/3, Münster 1934, 112f; STROBEL, A., Untersuchungen zum eschatologischen Verzögerungsproblem auf Grund der spätjüdisch-urchristlichen Geschichte von Habakuk 2,2 ff., NT.S 2, Leiden 1961, 53–56. 26 Im hebräischen Text ist V. 4a nicht Fortführung von V.3b; hnh in V. 4a markiert einen Neueinsatz. Es folgt ein „belehrendes göttliches Orakelwort“ (HORST, a.a.O., 179), das durch V. 3 vorbereitet wurde; ebenso RUDOLPH, a.a.O., 215f. 27 Dabei kann zusätzlich die lautliche Nähe zu @l[ (Pual: ‚ohnmächtig werden‘) eine Rolle gespielt haben; so SCHRÖGER, a.a.O., 184. VA verwendet nwceleu,esqai (von nwcelh,j: ‚träge‘) – ebenfalls aufgrund von @l[ (vgl. REIDER, J./TURNER, N., An Index to Aquila, VT.S 12, Leiden 1966, 165 s. v.)? 28 !h ist offensichtlich nicht erst aramäisch als Konjunktion (‚wenn‘) belegt, vgl. KBL3 1, 241 s.v. !h I.2; s. Ex 4,1; 8,22; Jer 3,1; Hag 2,12, wo die LXX jeweils mit eva,n übersetzt.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
Darstellung der Straffolge anschließen muß. Der Übersetzer sieht daher in V. 4ab die Verwerfung des Zurückweichenden durch Gott ausgesprochen, so daß er h` yuch, mou für wXpn setzt.29 Parallel dazu verläuft die Wiedergabe von V. 4b. Dem negativen ouvk euvdokei, h` yuch, mou evn auvtw/|, das in der LXX-Überlieferung einhellig bezeugt ist, entspricht das positive evk pi,stew,j mou zh,setai von W* B S etc. D.h. LA I ist nicht nur am frühesten bezeugt und am weitesten verbreitet, sondern ist auch als der ursprüngliche LXX-Wortlaut anzusehen.30 Zugleich ist deutlich, daß die Annahme einer vom MT abweichenden hebräischen Vorlage nicht erforderlich ist;31 dies gilt erst recht für 8HevXIIgr, VA, S und Q. Inhaltlich hat der LXX-Übersetzer den Akzent auf die Bewahrung des ‚Gerechten‘ durch Gottes Treue32 verlagert, während der MT von der Treue33 des qydc als Bedingung und Unterpfand seiner Bewahrung sprach.
29 Auch die Wahl von euvdokei/n (für rXy nur hier) ist aus inhaltlichen Gründen erfolgt, um die Verwerfung des ‚Zurückweichenden‘ zu formulieren; vgl. auch RUDOLPH, a.a.O., 213. 30 Dieser Text wird von B und S (beide 4. Jh.) vertreten; ältester Textzeuge dürfte W* (2. Hälfte des 3. Jh.) sein; s. u. – MANSON, T.W., The Argument from Prophecy, JThS 46, 1945, 129–136, tritt dagegen für die LA von A etc. als ursprünglichen Wortlaut ein: Subjekt von V. 4 sei weiterhin evrco,menoj(v. 3bb); „if he hangs back, that very fact will be a sign that he is not God’s chosen … The genuine choice of God, God’s rightous one, will be faithful to his God, his people and his task, and so he will win life“ (134). Manson übersieht, daß eine durchgängige messianische Interpretation nicht vorliegt (vgl. V. 5!); die Frage nach der Erkennbarkeit des evrco,menoj ist eingetragen, und ganz abwegig ist es, daß in V. 4b eine Lebenszusage an eine messianische Rettergestalt vorliegen soll. Es geht dem Übersetzer vielmehr um die sachgemäße Haltung seiner Leser angesichts des sich verzögernden Eintreffens des ‚Kommenden‘. 31 Dies betrifft auch die Suffixe in wXpn und wtnwmab: Zwar vermutet bereits Hieronymus, Comm in Hab I (a.a.O., 597), der LXX-Übersetzer habe in seiner Vorlage ytnwmab gelesen, doch ändert er auch wXpn in h` yuch, mou ab. 32 RUDOLPH, a.a.O., 213, hält es unter Verweis auf Mk 11,22 (e;cete pi,stin qeou/) für möglich, evk pi,stew,j mou im Sinne eines Gen. obj. zu fassen, also: „aus Glauben an mich“; ebenso MUSSNER, F., Der Galaterbrief, HThK 9, Freiburg 1974, 226. Doch ist Mk 11,22 keine ausreichende Parallele, da dort ein nominaler Genitiv vorliegt. Für das pronominale pi,stij von Hab 2,4b besteht (zumal nach h` yuch, mou in V. 4a) kein Grund, ein anderes als das naheliegende possessive Verständnis (also: „meine Treue“) anzunehmen. Die Rede von der pi,stij Gottes ist zwar auch in der LXX selten, aber durchaus vorhanden, so in Hos 2,22; Ps 32,4 LXX; PsSal 8,28; hinzu kommt die Wendung qeo.j pisto,j u. ä.: Dtn 7,9; 32,4; Ps 114,3c LXX. 33 Zur Bedeutung von hnwma vgl. WEISER, A., Art. pisteu,w ktl. B., ThWNT 6, 1959, 182–197; WILDBERGER, H., „Glauben“ im Alten Testament, ZThK 65, 1968, 129–159, und JEPSEN, A., Art. !ma, ThWAT 1, 1973, 341–345, der die hnwma von Hab 2,4 als „das der tma entsprechende Verhalten, das Wahrhaftigkeit, Treue, Verläßlichkeit und Beständigkeit einschließt“, bestimmt (343).
Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament
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II Vor einer Diskussion des Verhältnisses zwischen den ntl. Anführungen von Hab 2,4b und den verschiedenen Lesarten der LXX ist zunächst zu klären, welche Textform für Hebr 10,38a als ursprünglich anzusehen ist. Alle drei Lesarten finden sich ja auch in Hebr 10,38a wieder, und zwar LA I (B S etc.) LA II (A etc.) LA III (763* etc.)
bei D* pc m sy bei P46 a A H* 33, 1739 pc lat sa boms bei P13 D2 Hc I Y Mehrheitstext (hier einschließlich von K L P; 81, 104, 365, 630, 1175, 1241, 1881, 2496) b t z vgmss; bo.
Die LA von D* etc. (= LXXLA I) kommt schon aufgrund ihrer äußerst geringen Bezeugung nicht als ursprünglich in Betracht und ist als Angleichung an den vorherrschenden LXX-Text zu bewerten. Der Text von P46 etc. (= LXXLA II) hat zwar in der Bezeugung ein qualitatives (wenn auch nicht numerisches) Übergewicht, aber auch die mit LXXLA III übereinstimmende Textform wird mit P13 von einem frühen Textzeugen vertreten. Als nachträgliche Angleichung sind grundsätzlich beide Textfassungen erklärbar, die von P46 etc. als Angleichung an LXXLA II, die von P13 etc. als Angleichung an LXXLA III bzw. Röm 1,17/Gal 3,11. Doch zeigt ein genauerer Vergleich des Verhältnisses zwischen den Varianten der LXX und denen der ntl. Anführungen, daß Angleichungen an eine der beiden sekundären LXX-Lesarten als Ursache der Textabänderung in Hebr 10,38 – gleich in welcher Richtung – ausgesprochen unwahrscheinlich sind. Schon die älteste und am weitesten verbreitete Textform von Hab 2,4b LXX, LA I, hat nur einen sehr begrenzten Einfluß auf die ntl. Textüberlieferung gehabt: In Hebr 10,38 entspricht ihr nur die am geringsten bezeugte Lesart, und in Gal 3,11 und Röm 1,17 ist die gesamte Überlieferung frei von Angleichungen an LXXLA I.34 Geht man in Hebr 10,38 von der LA von P13 etc. als ursprünglichem Text aus, muß man erklären, warum dieser Text – wenn er denn an die LXX angeglichen werden sollte – nur in ganz geringem Umfang im Sinne der ältesten und weiter verbreiteten Textfassung von LA I abgeändert wurde, die jüngere und schmaler bezeugte LA II dagegen einen so viel größeren Einfluß auf die Textüberlieferung von Hebr 10,38 gewonnen haben soll.35 Geht man dagegen in Hebr 10,38 von P46 etc. als 34
Gal 3,11b ist ohne jede Abweichung überliefert; in Röm 1,17b ändert C* zwar ab, aber nicht im Sinne von LA I, sondern liest wie LA II bzw. Hebr 10,38 P46 etc. 35 Ältester Vertreter ist A (5. Jh.); hinzu kommen ach und wahrscheinlich auch Wc (beide ebenfalls 5. Jh.); s.u.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
ältestem Text aus, ergibt sich ein überzeugendes Bild: Diese Textform von Hab 2,4b, die sowohl von LXXLA I als auch von Röm 1,17/Gal 3,11 abweicht, ist an die beiden dominierenden Fassungen dieses Schriftwortes angeglichen worden – einerseits (allerdings in sehr begrenztem Umfang) an die verbreitetste Fassung von Hab 2,4b LXX, andererseits (und zwar ausgesprochen häufig) an den von Paulus her geläufigen Wortlaut.36 Das (fast) völlige Fehlen irgendeines Einflusses der LXX auf Röm 1,17 und Gal 3,11 zeigt die prägende Kraft der paulinischen Zitatform für die ntl. Textüberlieferung,37 was angesichts der zweimaligen Anführung bei Paulus und insbesondere aufgrund der markanten Stellung des Zitats in Röm 1,17b auch nicht verwunderlich ist.
III Ist somit der Text von P46 etc. als ursprünglicher Wortlaut von Hebr 10,38a festgestellt, kann nach dem Verhältnis zwischen der zugrundeliegenden LXX-Vorlage und der Anführung des Zitats im Hebr gefragt werden. Alter und Verbreitung der LA II von Hab 2,4b – o` de. di,kaio,j mou (!) evk pi,stewj zh,setai – schließen zwar deren Herkunft aus ntl. Zeit nicht von vornherein aus, aber Gründe für eine von Hebr 10,38a unabhängige Entstehung dieser LA, sei es als stilistischer Glättung oder als inhaltlicher Korrektur, sind nicht erkennbar. Nach Hab 2,4a – h` yuch, mou – lag es in keiner Weise nahe, in V. 4b evk pi,stewj mou abzuändern. Die Annahme einer zufälligen Entstehung dieser LA, die ja nicht nur in der Auslassung von mou nach evk pi,stewj, sondern auch in der gleichzeitigen Zufügung von mou nach o` de. di,kaioj besteht, ist ausgesprochen unwahrscheinlich, und auch das Verhältnis zum MT erklärt die Entstehung dieser LA nicht. Wie Angleichungen an den MT aussehen, zeigen 8HevXIIgr sowie VA, S und Q. Dagegen kann verständlich gemacht werden, warum der Verf. des Hebr auf der Grundlage des ursprünglichen LXX-Wortlauts diesen eigenständig im Sinne von LA II abgeändert hat. Hab 2,3f dient in Hebr 10,37f als abschließende Begründung für die Ermahnung zur u`pomonh,, die in 10,32 mit der Erinnerung an frühere Bewäh-
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So auch ZUNTZ, G., The Text of the Epistles, London 1953, 173f, und METZGER, B.M., A Textual Commentary on the Greek New Testament, London/New York (1971) 1975, 670; eine Angleichung an die äußerst schmale und erst spät einsetzende Überlieferung von LA III (763* etc.) ist dagegen ausgesprochen unwahrscheinlich. 37 Umgekehrt kann man für Röm 1,17b C* fragen, ob hier tatsächlich Einwirkung von LA II oder nicht eher von Hebr 10,38 P46 etc. vorliegt.
Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament
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rung einsetzt38 und in 10,36 klar formuliert wird: u`pomonh/j ga.r e;cete crei,an i[na to. qe,lhma tou/ qeou/ poih,santej komi,shsqe th.n evpaggeli,an. Als Schriftbegründung fügt der Verf. das Hab-Zitat an, das er in 10,39 abschließend in seinem paränetischen Ertrag (Gegenüberstellung von u`postolh, und pi,stij) knapp zusammenfaßt. Dieser paränetischen Verwendung entsprechen nicht nur die Wahl des Zitatenausschnitts, sondern auch sämtliche Textabänderungen: 1. Die Umgestaltung des Zitatbeginns mit Hilfe der Jes 26,20 entnommenen Wendung mikro.n o[son o[son, durch die der Verf. die Verzögerungsaussage von Hab 2,3ba (eva.n u`sterh,sh|!) umgeht.39 Damit wird die Zeit der u`pomonh, als begrenzte – und damit zu bewältigende – Zeitspanne dargestellt.40 2. Das gleiche Interesse läßt den Verf. das Hab-Zitat bereits mit V. 3bb beginnen (ouv croni,sei!), das er nicht anders als christologisch verstehen kann, so daß er in o` (!) evrco,menoj abändert.41 3. Die Abänderung der Reihenfolge innerhalb von Hab 2,4 – der Verf. stellt V. 4b voran – ist nicht nur durch das christologische Verständnis von V. 3bb veranlaßt, das eine unveränderte Übernahme von V. 4a im Anschluß an V. 3bb ausschloß.42 Sie hat auch zur Folge, daß jetzt die Warnung vor der u`postolh, die Schlußaussage des Zitats bildet, an das sich nun die abschließende Interpretation von 10,39 unmittelbar anschließt. 4. Im Gegenüber zur u`postolh,, vor der der Verf. warnt, war nicht eine Aussage über Gottes (!) Treue verwendbar, sondern nur eine Aussage über die pi,stij der Leser – pi,stij dabei verstanden als „Haltung, die charakterisiert ist durch Geduld und Standhaftigkeit, … (als) Durchhalten im Blick
38 Zur Interpretation von Hebr 10,32–39 vgl. MICHEL, Hebr, 355–367; GRÄSSER, Glaube (s. Anm. 1), 41–45.90–93.102–105; zum Zitat in V. 37f vgl. außerdem HARDER, G., Die Septuagintazitate des Hebräerbriefs, in: Theologia viatorum. Theologische Aufsätze von M. Albertz, H. Asmussen u.a., München 1939, 33–52, dort 37; AHLBORN, E., Die Septuaginta-Vorlage des Hebräerbriefes, Diss. masch. Göttingen 1966, 91–95, und SCHRÖGER, a.a.O., 182–187. 39 Nach STROBEL, a.a.O., 84–86, handelt es sich um eine ‚traditionsbedingte Zusammenstellung‘. Doch sind die von ihm aufgezeigten Bezüge äußerst vage, und zumindest die Abänderung von Hab 2,3ba ist auf den Verf. des Hebr zurückzuführen. – Zum Wechsel von ouv mh. croni,sh| (W* B S A Q etc.) zu ouv croni,sei (62 etc. = Hebr 10,37) vgl. AHLBORN, a.a.O., 92f. 40 In der Eschatologie des Hebr sind zwar die zeitlichen Kategorien durch räumliche überlagert, aber sie sind nicht eliminiert worden; zur Wiederkunft Christi s. auch 9,28; vgl. dazu insgesamt GRÄSSER, Glaube, 171–184. 41 Diese Abänderung wird (ebenso wie die Umstellung innerhalb von V. 4) durchgängig auf den Verf. des Hebr zurückgeführt, vgl. HARDER, a.a.O., 37; AHLBORN, a.a.O., 91–93; MICHEL, Hebr, 362f; GRÄSSER, Glaube, 43; SCHRÖGER, a.a.O., 183f. 42 Immerhin hätte eine leichte Änderung des Wortlauts (etwa: kai. eva,n tij u`postei,lhtai) ausgereicht, um den Subjektwechsel von V. 3bb zu V. 4a deutlich zu machen.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
auf die außerweltlichen Heilsgüter“.43 D.h. bei Verwendung des ursprünglichen LXX-Wortlauts war die hier vorliegende Abänderung unumgänglich. Dabei ist der Verf. relativ zurückhaltend vorgegangen, indem er mou nicht ersatzlos strich, sondern lediglich voranstellte, so daß jetzt von der Glaubenstreue ‚meines (!) Gerechten‘ die Rede ist.44 Auch die äußere Bezeugung spricht nicht gegen die Herkunft von LXXLA II aus Hebr 10,38a. In der alexandrinischen Textgruppe ist diese LA mit A, 26 (mit A eng verwandt), 49 und der achmimischen Übersetzung nur recht schwach vertreten.45 Der Wert der Bezeugung durch A wird dadurch gemindert, daß A hier nicht von Q unterstützt wird und daß der Codex Alexandrinus zugleich in erheblichem Umfang Besonderheiten aufweist, und zwar sowohl Einflüsse benachbarter und verwandter Stellen46 als auch ntl. Schriftanführungen.47 Auch die (wahrscheinliche) Bezeugung von LA II durch Wc sowie durch ach (wie A beide 5. Jh.)48 und einige Kirchenväter kann die Annahme einer vom NT unabhängigen Herkunft nicht stützen. Wc weist zwar – wie W* und Wa/b – interessante Beziehungen zur sahidischen49 und achmimischen Über43 LÜHRMANN, D., Glaube im frühen Christentum, Gütersloh 1976, 77; vgl. auch GRÄSSER, Glaube, 102–105. 44 Mit Änderung durch den Verf. rechnen auch HARDER, a.a.O., 37 (positiv aufgenommen von GRÄSSER, Glaube, 43) und (wenn auch etwas zögernd) AHLBORN, a.a.O., 93–95; anders SCHRÖGER, a.a.O., 184 (jedoch ohne weitere Begründung): „Der Hebräerbrief schließt sich LXX A an.“ 45 Darauf weist AHLBORN, a.a.O., 94, m.R. hin. 46 Vgl. Ziegler, LXX/XII, 43; das gleiche Bild bietet A in Jes, vgl. Ziegler, J. (Hg.), Isaias; Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Societatis Litterarum Gottingensis editum, Bd. XIV, Göttingen 1939 [= LXX/Jes], 27. 47 Ziegler, LXX/XII, 43, nennt: Hos 10,8 (Umstellung, vgl. Lk 23,30), Mi 5,1 (+ h`gou,menoj, vgl. Mt 2,6); und für Jes DERS., LXX/Jes, 27: Jes 9,1 (kaqh,menoj statt poreuo,menoj, vgl. Mt 4,16), 40,14 (+ Hi 41,3 [= Röm 11,35]), 59,8 (e;gnwsan statt oi;dasi, vgl. Röm 3,17) und 66,24 (teleuta/| statt teleuth,sei, vgl. Mk 9,48). Besonders eindrücklich ist die Ergänzung von Hi 41,3 in Jes 40,14. Schon die Zusammenstellung beider Zitate in Röm 11,34f ist als paulinisch anzusehen, vgl. KOCH, D.-A., Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, HabSchr.masch. Mainz 1983, 162f (= BHTh 69, Tübingen 1985 [dort 178f]). Außerdem wird Hi 41,3 wörtlich in der sonst nicht weiter belegten hebraisierenden Überarbeitung zitiert, die Paulus in Röm 11,35 voraussetzt; dazu vgl. SCHALLER, B., Zum Textcharakter der Hiobzitate im paulinischen Schrifttum, ZNW 71, 1980, 21–26. Die Abhängigkeit von Paulus ist also offenkundig. 48 Zur LA von Wc und deren Alter s.u.; die achmimische Übersetzung des Zwölfprophetenbuches liegt nur in einer einzigen HS vor, der Hab 2,4 enthaltende Teil ist veröffentlicht von MALININE, M., Fragment d’une version achmimique des Petits Prophètes, in: Coptic Studies in Honor of W.E. Crum, Bulletin of the Byzantine Institute 2, Boston 1950, 365–415 (384: Transkription von Hab 2,4). Zum Alter der HS vgl. TILL, W., Die achmîmische Version der Zwölf kleinen Propheten (Codex Rainerianus, Wien), Coptica. Consilio et impensis Instituti Rask-Oerstediani edita IV, Kopenhagen 1927, XIVs; zum textgeschichtlichen Charakter vgl. GROSSOUW, W., The Coptic Versions of the Minor Prophets, MBE 3, Rom 1938, 111–122. 49 Die sahidische Übersetzung ist für Hab 2,4 nicht erhalten, vgl. Ziegler, LXX/XII 18–20; auch die neuere Liste von TILL, W.C., Coptic Biblical Textes published after Vaschalde’s lists,
Der Text von Hab 2,4b in der Septuaginta und im Neuen Testament
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setzung auf, und zwar vor allem übereinstimmende Korrekturen anhand des hebräischen Textes, doch liegt eine derartige Abänderung hier nicht vor, während andererseits auch die achm. Übersetzung nicht frei von Angleichungen an ntl. Schriftzitate ist.50 Dies gilt erst recht für die patristischen Belege. So ist Clemens von Alexandrien51 bei seiner Wiedergabe von Hab 2,4b offensichtlich unmittelbar von Hebr 10,38a beeinflußt, denn kurz nach dem Hab-Zitat führt er ausdrücklich Hebr 11,1f.6a an. Andererseits ist bemerkenswert, daß Hieronymus52 als LXX-Text von Hab 2,4b lediglich den Wortlaut von LA I kennt. Dies spricht stark gegen eine weite Verbreitung – und eine entsprechend frühe Entstehung – von LA II (und erst recht von LA III).53
IV Hinsichtlich der mit Röm 1,17b und Gal 3,11b übereinstimmenden LA III von Hab 2,4b (763* etc.) ist zunächst deren Bezeugung zu klären. A. Rahlfs und J. Ziegler sind in ihren Ausgaben formal zwar korrekt, wenn sie Wc als Zeugen für die Auslassung von mou nach evk pi,stewj aufführen, andererseits aber nicht als Vertreter der Einfügung von mou nach o` de. di,kaioj nennen. Doch ist die aufgrund dieser Angaben naheliegende Annahme, Wc sei ein Zeuge – und zwar dann der mit Abstand älteste (etwa 5. Jh.)! – für eine ersatzlose Auslassung von mou, unzutreffend, obwohl die Ausgaben von Rahlfs und Ziegler diesen Eindruck vermitteln.54 Denn Codex W (Washington, Freer Collection, Gr. MS. V; Mitte bis Ende des 3. Jh.)55 ist durchgänBJRL 42, 1959/60, 220–240, und die von T. Orlandi herausgegebene ‚Coptic Bibliography‘, Corpus dei Manoscritti Copti Letterari, Rom (Centro Italiano Microfiches), 1/1982; 2/1983 enthalten keine Hinweise auf sahidische Fragmente von Hab 2,4. 50 Vgl. GROSSOUW, a.a.O., 119. 51 S.o. Anm. 13. 52 S.o. Anm. 18. 53 Hieronymus verteidigt irrtümlich Paulus sogar dafür, daß er in Röm 1,17 den Wortlaut der LXX (und zwar: LA I!) zitiert: quod apostolus LXX magis testimonio abusus est ad Romanus scribens ‚Iustus autem ex fide mea vivet‘, et non eo quod habetur in Hebraico, causa perspicua est. Scribebat enim Romanis, qui scripturas Hebraicas nesciebant; nec erat ei cura de verbis, cum sensus esset in tuto, et damnum ex eo praesens disputatio non haberet (Comm in Hab I, a.a.O., 600). – Daß es in Hab 2,4b LXX verschiedene Lesarten gibt, bemerkt zuerst Theophylakt (ca. 1050–1108); s.o. Anm. 13. 54 Rahlfs, a.a.O., II 534, bietet im Apparat: „evk pist./mou] tr. AC, mou > Wc: cf. Rom. 1,17 Gal. 3,11 Hebr. 10,38“; bei Ziegler, LXX/XII, 264 erscheint Wc sogar direkt als Zeuge für LA III: „evk pist./mou W* …] tr. A …= Hebr. 10,38; om. mou Wc 763* 130 , 106 BoAethArmP Cyr. = Rom. 1,17; Gal. 3,11“. 55 Herausgegeben (Transkription) von Sanders, H.A., in: H.A. Sanders/C. Schmidt, The Minor Prophets in the Freer Collection and the Berlin Fragment of Genesis, University of Michigan
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gig nur sehr lückenhaft erhalten, und ein Foto von p. 37 (Beilage 2) zeigt, daß dies auch für Hab 2,4 zutrifft.56
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mh cronish ean up[ostei]lhtai o[uk eudo] kei h yuch mou en autw o de d[ikaioj ek] pistewj mou zhsetai o de katoiome[noj]
Beilage 2: Codex W (Washington, Freer Collection, Gr. MS. V; Papyrus, 3. Jh.n.Chr.); Faksimile von Zeile 1–12, Abschrift und Transkription von Zeile 9–11 (Hab 2,4). Die Ergänzung am Ende von Zeile 10 – o de d[ikaioj ek] – unterliegt keinem ernsthaften Zweifel,57 so daß W* als ältester Zeuge des ursprünglichen Wortlauts von Hab 2,4b LXX gelten kann. Zugleich ist erkennbar, daß ein späterer Korrektor – nach dem Herausgeber, H.A. Sanders, der dritte (Wc) – Studies. Humanistic Series 21, New York 1927, 1–229. Das Alter der HS selbst bestimmt Sanders „between the middle and the end of the third century A.D.“ (a.a.O., 12, vgl. 19–24), das des 3. Korrektors „at least a century later than the first scribe“ (a.a.O., 44). 56 Das Foto für die erneute Veröffentlichung verdanke ich der freundlichen Hilfe von Herrn Jan Dochhorn vom Septuaginta-Unternehmen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen; es ist entnommen: Sanders, H.A. (Hg.), Facsimile of the Washington Manuscript of the Minor Prophets in the Freer Collection and the Berlin Fragment of Genesis, Ann Arbor (Mich.) 1927 (limited edition). Die Transkription ist unverändert Sanders, a.a.O. (s. Anm. 55), 103 entnommen. 57 Die Ergänzung im Sinne von LA I führt zu einer Zeile von 29 Buchstaben. Dies entspricht der durchschnittlichen Zeilenlänge des Papyrus W, die 30 Buchstaben beträgt, wobei deutliche Überschreitungen nur selten begegnen (vgl. Sanders, a.a.O. [so Anm. 55], 10). Zu einer Ergänzung von o de d[ikaioj mou (!) ek], die zu einem sonst nirgends bezeugten Text führen würde, besteht also schon aus äußeren Gründen kein Anlaß.
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in Zeile 11 mou nach pistewj gestrichen hat. Doch ist aufgrund der Lücke am Ende von Zeile 10 nicht mehr entscheidbar, ob der Korrektor mou ersatzlos gestrichen hat oder es gleichzeitig nach dikaioj ergänzte, also bei seiner Verbesserung den Wortlaut von LA III (= Röm 1,17b/Gal 3,11b) oder den von LA II (= Hebr 10,38a) herstellte. Als positiver Zeuge von LA III scheidet Wc damit auf jeden Fall aus. H.A. Sanders vermutet sogar, daß Wc hier im Sinne von LA II (A etc. ach) abgeändert hat.58 Damit verbleiben als Textzeugen für LA III die griechischen Minuskeln 763*, 106, 130, 311 (mit 130 eng verwandt), sodann als Übersetzungen bo, aeth und armpt. Hinzu kommen Zitierungen bei Tertullian, Johannes Chrysostomus, Kyrill, Gennadius und Photius.59 Die handschriftliche Bezeugung ist also ausgesprochen schmal und spät. So stammen die griechischen HSS erst aus dem 11. bis 14. Jh.60 und weisen (ebenso wie die bohairische Übersetzung) auch an anderen Stellen des Zwölfprophetenbuches Abänderungen aufgrund ntl. Schriftanführungen auf.61 Die gemeinsame Bezeugung durch die alexandrinischen Textzeugen 106, bo und aeth legt zwar die Vermutung nahe, daß diese LA in einer Teilgruppe des alexandrinischen Textes beheimatet ist und sporadisch auch HSS anderer Textzugehörigkeit beeinflußt hat. Doch ist es fraglich, ob überhaupt alle Textzeugen dieser LA auf einen gemeinsamen – und dann weiter zurückliegenden – Ausgangspunkt zurückzuführen sind. Da alle Textzeugen ntl. Einflüsse aufweisen, ist aufgrund der dominierenden Rolle von Röm 1,17b/Gal 3,11b (hinzu kommt Hebr 10,38a P13 etc.) durchaus mit der Möglichkeit zu rechnen, daß diese ‚Lesart‘ an mehreren Stellen auch unabhängig voneinander entstanden sein kann. Ein entscheidend höheres Alter dieser LA, etwa 5. Jh. oder gar noch früher, ist auch durch die Einbeziehung der bohairischen und äthiopischen Übersetzung nicht zu sichern. Angesichts der späten Herkunft der bohairischen HSS für Hab (14. Jh. und später)62 ist es völlig offen, ob diese LA bereits 58 Sanders, a.a.O. (s. Anm. 55), 193f; dafür spricht die Übereinstimmung mit der achmimischen Übersetzung, auch wenn es sich hier nicht um eine hebraisierende Korrektur handelt; zum Textcharakter von Wc vgl. Sanders, a.a.O., 44f. 59 S. o. Anm. 16. 60 763*: 11. Jh.; 311: 12. Jh.; 130: 12.–13. Jh.; 106: 14. Jh.; vgl. Ziegler, LXX/XII, 8–10. 61 So Hos 10,8] Umstellung: 106 = Lk 23,30; Joel 3,2] + kai. profhteu,sousin 130, 311 = Act 3,18; Sach 11,13] + Mt 27,10b: 106; Sach 13,7 pata,xate] pata,xw 106 = Mk 14,27; Mt 26,31; Sach 13,7 tou.j poime,naj] to.n poime,na 106, 130, 311, 763 = Mk 14,27; Mt 26,31; Sach 13,7 evkspa,sate] diaskorpisqh,sontai 106 = Mk 14,27; Mt 26,31. Zu den Abänderungen aufgrund des NT in der bohairischen Übersetzung (die gegenüber der sahidischen und achmimischen einen deutlich niedrigeren Rang hat) vgl. GROSSOUW, a.a.O., 109. 62 Zur Verfügung steht lediglich die Ausgabe von TATTAM, H., Duodecim Prophetarum Minorum libros in lingua Aegyptica vulgo Coptica seu Memphitica ex manuscripto Johannis Lee, J. C. D. collatos latine edidit, Oxford 1836; sie beruht im wesentlichen auf einer HS von 1373 (die auch nur in der Abschrift einer Tochter-HS benutzt ist), die zusätzlich herangezogenen HSS sind noch später, vgl. VASCHALDE, A., Ce qui a été publié des versions coptes de la Bible, Muséon 43, 1930,
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den ursprünglichen Wortlaut von Hab 2,4b in dieser Übersetzung darstellt oder erst einer späteren Stufe der Textentwicklung angehört. Gleiches gilt für die äthiopische Übersetzung.63 Erst recht sind die patristischen Bezeugungen nicht geeignet, eine frühe (oder gar vorpaulinische) Herkunft dieser LA zu sichern. Zwar findet sie sich bereits bei Tertullian, doch kann man gerade bei ihm sehr deutlich sehen, wie derartige „Septuaginta“Lesarten zustande kommen. Tertullian führt Hab 2,4b in der gleichen Schrift ‚Adversus Marcionem‘ gleich in zwei verschiedenen Fassungen an: a) iustus ex fide sua (!) vivet (IV 18,9) und b) iustus ex fide vivit (V 3,8). In der ersten Fassung (ex fide sua) wird allerdings kaum eine hebraisierende Sonderüberlieferung greifbar, vielmehr liegt Angleichung an den unmittelbar zuvor angeführten Wortlaut von Lk 7,50 (dort: fides tua) vor.64 In V 3,8f, wo Tertullian dann Hab 2,4b in Übereinstimmung mit LA III zitiert, interpretiert er das Zitat in engem Anschluß an Paulus65 und betont ausdrücklich die Übereinstimmung zwischen Hab und Paulus;66 d.h. für ihn ist die Zitatfassung von Gal 3,11b/Röm 1,17b leitend. Ebenso ist die Bezeugung durch Kyrill zu bewerten.67 Er zitiert in seiner Auslegung68 sowohl Gal 2,16 als auch Röm 4,15, kennt also Hab 2,4b als Schriftbeleg für die Rechtfertigung dia. pi,stewj vIhsou/ Cristou/.69 Bei den übrigen Kirchenväterzeugnissen handelt es sich jeweils um Paulus-Kommentare, in denen das Zitat nach Paulus referiert wird.
Aufgrund dieser Sachlage ist nicht eine späte (und damit auf jeden Fall nachpaulinische) Herkunft dieser LA zu beweisen, es ist vielmehr die gegenteilige Annahme, die durch zusätzliche Argumente zu begründen wäre. Möglich wäre dies nur, wenn a) Gründe erkennbar sind, die für eine von Paulus unabhängige Entstehung dieser LA als Abänderung des Textes von W*vid B S etc. (LA I) sprechen; und wenn b) gezeigt werden kann, daß 409–431 (dort 424f) und GROSSOUW, a.a.O., 6f. Zur kontroversen Diskussion über die Geschichte der koptischen Bibelübersetzungen, die für die atl. Bücher durch den lückenhaften Bestand erheblich erschwert wird, vgl. BROCK, a.a.O., 199f (mit Lit.). 63 Zum Alter der äthiopischen HSS (für Hab: 14. Jh. und später) vgl. Ziegler, LXX/XII, 24; zur Geschichte der äth. Übersetzung vgl. BROCK, a.a.O., 206 f. 64 Tertullian, Adv Marc IV 18,9 (nach einem Referat von Lk 7,36–50): Sed et si paenitentiae stimulus ex fide acciderat, per paenitentiam ex fide iustificata ab eo audiit: ‚fides tua te salvam fecit‘, qui per Abacuc pronuntiarat: ‚iustus ex fide sua vivet‘ (CChr. SL 1, 591). 65 Vgl. die Rückgriffe auf Gal 3,10–13 in V 3,9 (a.a.O., 670). 66 Quod si prophetes Abacuc pronuntiavit, habes et apostolum prophetas confirmantem (V 3,9; a.a.O., 670). 67 S.o. Anm. 16. 68 Comm in Hab I, 534b (a.a.O., II 95). 69 Wie sorglos Kyrill zitieren kann, zeigt seine Auslegung von Joel 3,1f [2,28f] (227b; a.a.O., I 336), wo er Jes 28,11f nach 1Kor 14,21 wiedergibt. Dieses Zitat ist nicht nur deswegen aufschlußreich, weil Paulus hier eine hebraisierende Überarbeitung voraussetzt, sondern zusätzlich eigene Veränderungen am Wortlaut vornimmt (so die Umsetzung in die 1. Pers. Sgl. und ouvdV ou[twj, vgl. KOCH, Schrift 1985 [s.o. Anm. 47], 63–66.111f.122f). Kyrills „Zitat“ enthält auch diese Änderungen.
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Paulus diese Zitatform bereits voraussetzt, er also als Urheber dieser Textverkürzung nicht in Frage kommt. Doch sind auch für diese LA Gründe, die eine vom NT unabhängige Entstehung verständlich machen, nicht sichtbar. Mißverständlich etwa wird evk pi,stew,j mou ja erst bei isolierter Anführung von V. 4b, wie sie dann allerdings im christlichen Bereich traditionell wird. Auch Angleichung an den MT liegt nicht vor. Umgekehrt kann positiv gezeigt werden, warum Paulus – auf der Grundlage des ursprünglichen Wortlauts von Hab 2,4b LXX – den Text eigenständig verkürzt hat. Die ersatzlose Auslassung von mou nach evk pi,stewj stellt zwar formal eine recht geringfügige Abänderung dar, signalisiert aber einen grundsätzlichen Wandel im Textverständnis, der unmittelbar mit der paulinischen Verwendung des Zitats in Gal 3,11 und Röm 1,17 verbunden ist. Schon in Gal 3,11, der zeitlich früheren Anführung dieses Zitats durch Paulus, war die unveränderte Wiedergabe von Hab 2,4b LXX (= LA I) nicht möglich. Was Paulus ab Gal 3,1 (vgl. V. 2.5) – und dann ab V. 6 unter Rückgriff auf die Schrift – entfalten will, ist der sich ausschließende Gegensatz von e;rga no,mou und pi,stij, wobei pi,stij immer als pi,stij VIhsou/ Cristou/ zu verstehen ist.70 Wie die charakteristischen Wendungen oi` evk pi,stewj (V. 9) und o[soi evx e;rgwn no,mou (V. 10) zeigen, geht es jeweils um eine sich wechselseitig ausschließende Zugehörigkeit des Menschen, entweder zum Bereich des no,moj und des ihm inhärenten Fluchs (V. 10)71 oder zu Christus, dessen Tod hier als Aufhebung dieses Fluchs interpretiert wird (V. 13). Dieser Entgegensetzung von no,moj bzw. e;rga no,mou und pi,stij (in 3,1–14 immer absolut gebraucht!) entspricht nur die absolute Fassung von evk pi,stewj im Wortlaut des Schriftzitats in V. 11b. Nur so bietet es das Schriftargument, das Paulus benötigt, um die Möglichkeit des evn no,mw| dikaiou/sqai zu widerlegen (V. 11a).72 Aus dem Schriftwort über die Treue Gottes, der den Gerechten bewahren wird, ist eine Aussage geworden, die den unlöslichen und exklusiven Zusammenhang von dikaiosu,nh und pi,stij VIhsou/ Cristou/ formuliert. 70
Zu pi,stij bei Paulus vgl. BULTMANN, R., Art. pisteu,w ktl., ThWNT 6, 1959, 218–224; Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 81980 (hg. von O. Merk), 315–331; CONZEL3 MANN, H., Grundriß der Theologie des Neuen Testaments, München 1976, 192–194; LÜHRMANN, a.a.O., 46–59; DERS., Art. Glaube, RAC 9, 1981, 67–72; BARTH, G., Art. pi,stij, EWNT 3, 1983, 224–226. 71 Zum Verhältnis zwischen der paulinischen Ausgangsthese Gal 3,10a und dem Schriftzitat Dtn 27,26, das bemerkenswerte Abänderungen aufweist, vgl. KOCH, Schrift 1985 (s.o. Anm. 47), 120f.163–165. 72 Gal 3,11a ist nicht Schlußfolgerung aus dem Zitat in V. 10b; dagegen spricht schon die Funktion von o[ti de. evn no,mw| ktl. als von dh/lon abhängigem, vorangestelltem Objektsatz, vgl. HANSE, H., DHLON (zu Gal 3,11), ZNW 34, 1935, 299–303. Vielmehr begründet Paulus die These von V. 11a durch das Schriftzitat in V. 11b. DERS.,
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Das in Gal 3,11 vorliegende Verständnis von Hab 2,4b setzt Paulus auch in Röm 1,17 voraus, wo er das Zitat im gleichen verkürzten Wortlaut anführt.73 Als Bestätigung und Fortführung von Röm 1,16.17a war es auch hier nur verwendbar, wenn es – wie zuvor bei Paulus selbst (evk pi,stewj eivj pi,stin V. 17a!) – evk pi,stewj absolut enthielt.74 So umgestaltet entspricht das Zitat allerdings voll der Intention des Paulus innerhalb von Röm 1,16f. In seiner begrifflich verdichteten Beschreibung des euvagge,lion als du,namij qeou/ bestimmt er das euvagge,lion sofort positiv als Rettungsmacht: eivj swthri,an panti. tw/| pisteu,onti. Dies nimmt das Zitat bruchlos auf, das jetzt (in der hier vorliegenden Verkürzung!)75 zu einer genuin paulinischen Aussage geworden ist und am Ende von Röm 1,16f die soteriologische Bedeutung der dikaiosu,nh qeou/ prägnant zum Ausdruck bringt.76
73 ELLIS, E.E., Paul’s Use of the Old Testament, Edinburgh 1957, 150, bagatellisiert die Bedeutung der Textabänderung durch Paulus („only a slight variation from the LXX“). Zwar diskutiert er breit die Möglichkeit einer Äquivalenz von hnwma und pi,stij (117f), aber daß Paulus zweimal den LXX-Text in gleicher Weise verkürzt, wird überhaupt nicht erwähnt. Auch HEROLD, G., Zorn und Gerechtigkeit bei Paulus. Eine Untersuchung zu Röm 1,16–18, EHS.T 14, Bern 1973, streift nur beiläufig die Frage der verschiedenen Textformen von Hab 2,4b im MT, der LXX und bei Paulus (180 Anm. 5). 74 Nicht überzeugend ist die Interpretation der Textänderung durch KUSS, O., Der Römerbrief I, Regensburg 1957, 24: „Der Septuagintatext wird von Paulus … erheblich verändert, andererseits aber durch die Auffassung der pi,stij als einer Eigenschaft des Menschen dem Urtext angenähert.“ Auch abgesehen von der Röm 1,16f unangemessenen Bestimmung der pi,stij als ‚Eigenschaft des Menschen‘ sollte man sich bewußt sein, daß Paulus sich nicht gegen die LXX und für den MT entscheidet, sondern hier die LXX ohne Einfluß des MT selbständig abändert. – Im übrigen kann ein Vergleich zwischen Hab 2,4b MT und Röm 1,17b auch zu einem erheblich anderen Ergebnis führen; vgl. das Urteil von WELLHAUSEN, J., Die kleinen Propheten, Berlin 3 1898 (= 41963), 168: „Die Antithese (sc. V. 4b) hat ein anderer Mann dadurch berühmt gemacht, dass er einen anderen Geist hinein legte.“ 75 Bemerkenswert ist die (sehr vorsichtig vollzogene) Zuordnung von Hab 2,4b LXX und Röm 1,17/Gal 3,11 bei IN DER SMITTEN, a.a.O., 294: Die LXX „unterstreicht die Lebenszusage, die dem ständig Harrenden … ohne eigenes Zutun und Nichtbeteiligung menschlicher Aktivität zugesprochen wird“. Dennoch bleibt festzuhalten, daß schon in Gal 3,11 das Zitat fest eingespannt ist in das antithetische Gegenüber von e;rga no,mou und pi,stij Iv hsou/ Cristou/ (3,10–13); und in Röm 1,17 ist es voll integriert in die eigene theologische Begrifflichkeit des Paulus, von der her es seine Aussagekraft gewinnt; das betont besonders VIELHAUER, P., Paulus und das Alte Testament, in: DERS., Oikodome. Aufsätze zum Neuen Testament. Band 2, TB 65, München 1979, 213f (zuerst: FS E. Bizer, 1969). 76 Das Zitat hat damit in bezug auf 1,16.17a nicht nur eine rein bestätigende Funktion, sondern stellt eine für Paulus notwendige Weiterführung und Akzentuierung dar; vgl. dazu KOCH, Schrift 1985 (s.o. Anm. 47), 275–277.
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V Ergebnis: 1. Der in Hab 2,4b LXX am besten bezeugte Wortlaut o` de. di,kaioj evk pi,ostew,j mou zh,setai hat sich als der älteste und ursprüngliche Text erwiesen. 2. Die davon abweichenden Lesarten II und III, die mit Hebr 10,38a bzw. Röm 1,17b/Gal 3,11b übereinstimmen, sind demgegenüber als sekundär zu beurteilen, jedoch nicht als Abänderungen innerhalb der Textgeschichte der LXX selbst erklärbar. Auch die Annahme einer hebraisierenden Überarbeitung scheidet aus. 3. Dagegen entspricht die Abänderung des Wortlauts zu o` de. di,kaioj mou evk pi,stewj zh,setai (LA II) voll der Verwendung des Zitats in Hebr 10,38, und die Verkürzung zu o` de. di,kaioj evk pi,stew,j zh,setai (LA III) ist die notwendige Voraussetzung für die Anführung des Zitats in Gal 3,11 und Röm 1,17. Damit ist für Paulus und den Verf. des Hebr davon auszugehen, daß für sie der unveränderte Wortlaut der LXX-Übersetzung von Hab 2,4b die Grundlage war, den sie entsprechend ihrer jeweiligen Verwendungsabsicht umgestalteten. 4. Die sekundären Lesarten von Hab 2,4b LXX sind daher als Rückwirkungen der betreffenden ntl. Zitatformen zu bewerten. Im Falle der von Paulus ausgehenden LA III wird dies zusätzlich durch deren ausgesprochen späte Bezeugung (Wc scheidet als Textzeuge aus!) bestätigt.77
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Auf die Frage, ob für Gal 3,11 und Röm 1,17 bereits mit einer vorausliegenden judenchristlichen Auslegungs- und Aneignungsgeschichte von Hab 2,4 zu rechnen ist (so KÄSEMANN, a.a.O., 28f), kann in diesem Rahmen nicht ausreichend eingegangen werden. Nur dies läßt sich hier feststellen: In Gal 3,11/Röm 1,17 liegt keine „christliche Version“ des Zitats vor, für die es Anzeichen einer vorpaulinischen Herkunft gibt. Differenzen zwischen einer vorpaulinisch-judenchristlichen Interpretation des Zitats und seiner paulinischen Verwendung sind jedenfalls am Wortlaut des Zitats selbst nicht festzumachen. Paulus und der Verf. des Hebr greifen unabhängig voneinander unmittelbar auf den unveränderten Wortlaut der LXX zurück.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta im ersten nachchristlichen Jahrhundert Aspekte der neueren Septuagintaforschung und deren Bedeutung für die neutestamentliche Exegese∗
Das wohl ursprünglichste Feld, auf dem sich das frühe Christentum und das Judentum begegnet sind, ist der Umgang mit der Schrift. Die Tatsache, daß das frühe Christentum an den ‚heiligen Schriften‘ als (auch) ihrer ‚Schrift‘ festhielt, bedeutete zweierlei – einmal, daß das Gegenüber zum zeitgenössischen Judentum bewußt blieb (und damit auch: der Zusammenhang mit ihm), auf der anderen Seite, daß gerade am unterschiedlichen Verständnis der Schrift auch die Differenz besonders klar empfunden wurde. Die Bedeutung, die die Überlieferungen des zeitgenössischen Judentums für das frühe Christentum hatten, läßt sich schon für die ersten hundert Jahre dieses Nebeneinanders nicht auf einen Generalnenner bringen, sondern höchstens mit den Stichworten Rezeption, Absorption und Abstoßung in ihren verschiedenen Facetten beschreiben. Bewahrung jüdischer Überlieferung unter dem Vorzeichen von Rezeption und Absorption – das gilt besonders für den gesamten Bereich des hellenistischen, griechischsprechenden Diasporajudentums, dessen literarische Überlieferung fast ausschließlich im Christentum tradiert wurde. Dies trifft auch für das theologische Anfangs- und Grunddokument des hellenistischen Judentums zu, nämlich für die unter dem Namen „Septuaginta“ firmierende Übersetzung der hebräischen Schrift ins Griechische. Nach dem Untergang des hellenistischen Judentums ist sie, da inzwischen von der christlichen Kirche voll rezipiert, nur noch von ihr weitertradiert worden.1 Der Rezeptionsprozeß der Septuaginta durch das Christentum setzte am frühest möglichen Zeitpunkt ein. Schon die ältesten christlichen Autoren, die neutestamentlichen Schriftsteller und die frühchristlichen Apologeten, ∗
Zuerst erschienen in: Koch, D.-A./Lichtenberger, H. (Hg.), Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter (FS H. Schreckenberg), Göttingen 1993, 215–244. 1 Die wenigen jüdischen Septuaginta-Handschriften (LXX-Mss.) stammen durchweg aus dem 1. Jh. v.Chr. und dem 1. Jh. n.Chr. Nur der Papyrus 957 (Zählung nach Rahlfs; John Rylands Library P.Gr. 458) ist älter: 2. Jh. v.Chr. (vgl. K. ALAND, Repertorium der griechischen christlichen Papyri, Bd. 1: Biblische Papyri, PTS 18, Berlin 1976, 96); umgekehrt sind die ab dem 2. bzw. 3. Jh. erhaltenen LXX-Mss. grundsätzlich christlicher Herkunft. Später wurde dann die LXX nur noch in der griechischen Kirche tradiert.
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benutzen die Schrift in der Form, in der sie in den griechischsprachigen Synagogen des Diasporajudentums in Gebrauch war, also in der aus Alexandria stammenden griechischen Übersetzung, der Septuaginta. Das ist schon für den Diasporajuden und früheren Pharisäer Paulus offenbar ganz selbstverständlich, erst recht für die Verfasser der Evangelien oder des Hebräerbriefes. Aber gerade dieser frühe Rezeptionsprozeß wirft ein ganzes Bündel von Fragen auf, angefangen von Problemen der Textgeschichte der LXX bis hin zu Grundfragen der Hermeneutik, die zudem oft miteinander verschränkt sind.2 Dies gilt besonders für die – zahlenmäßig durchaus beträchtlichen – Fälle, in denen ein Schriftzitat in einer Form erscheint, die von der LXX-Überlieferung deutlich abweicht. Will man in solchen Fällen den konkreten Rezeptionsprozeß einer alttestamentlichen Schrift oder einer bestimmten Schriftstelle bei einem frühchristlichen Autor aufhellen, steht man jedoch sofort vor der Frage nach der Gestalt der jeweiligen LXXVorlage, die der betreffende Autor voraussetzt. Restlos beseitigt wären diese Probleme erst, wenn wir – etwa im Falle des Paulus – neben dem Römer- und 1. Korintherbrief selbst auch diejenige Jesaja-Rolle hätten, die er bei der Abfassung dieser Briefe benutzte. Selbst der Fund eines vollständigen griechischen Jesajatextes aus der ersten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts – so begrüßenswert ein solcher Fund auch wäre – würde die Frage nach der konkreten Textvorlage des Paulus nicht überflüssig machen, sofern nicht Fundumstände oder sonstige Nachrichten es eindeutig machen würden, daß Paulus genau diese Rolle benutzt hat. Aber der älteste vollständige griechische Jesajatext stammt nicht aus dem 1., sondern aus dem 4. Jh.3 Das hat zur Folge, daß die Autoren des 1. und 2. Jh. (neben den christlichen Schriftstellern vor allem Philo und Josephus) ihrerseits prinzipiell als Quelle in Frage kommen, um die Gestalt der Septuaginta in dieser Phase zu rekonstruieren. Jedoch kommen diese Schriftzitate faktisch nur sehr begrenzt als Textzeugen in Frage, denn bei jedem Autor – und auch bei jedem einzelnen Zitat – ist zu fragen, wie exakt der betreffende Autor seiner Vorlage tatsächlich folgt. Schon beim ältesten Autor, der hier in Frage kommt, bei Paulus, ist unverkennbar, daß er Schriftzitate entsprechend der von ihm intendierten Verwendung 2 Einen allgemeinen Überblick (mit reichlichen Literaturhinweisen) vermittelt E. PLÜMACHER, Art.: Bibel II. Die Heiligen Schriften des Judentums im Urchristentum, TRE 6, 8–22. 3 Einen vollständigen griechischen Jes-Text bieten erst die christlichen Vollbibeln Codex Vaticanus gr. 1209 (B) und Codex Sinaiticus (London, Brit. Mus. Add. 43725; Rahlfs: S), die beide aus dem 4. Jh. stammen. Ob die erhaltenen Papyri (durchweg sehr stark fragmentiert) erheblich älter sind, ist in mehreren Fällen umstritten; vgl. die Angaben bei ALAND, Repertorium (s.o. Anm. 1), 191–197, mit den Datierungen von E.G. TURNER, The Typology of the Early Codex, o.O. 1977, 182f. Der einzige frühe Papyrus, der mehr als nur wenige Zeilen umfaßt, ist P. Chester Beatty VII (A); Rahlfs: 965, vgl. ALAND, Repertorium, 191 (3. Jh.).
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umgestaltet, bis hin zu dem Vorgang, daß er Teile eines Schriftzitates durch Wendungen, die er einer anderen Schriftstelle entnimmt, ersetzt.4 Unbekannt oder zumindest fraglich ist also beides: Die konkrete Textgestalt, die ein frühchristlicher Autor voraussetzt, und der Umfang der Textumgestaltung durch den zitierenden Autor. Faktisch vergleichbar ist nur die Textüberlieferung der Septuaginta aus dem (3. oder) 4. Jh. und der Zitatwortlaut aus dem 1. oder 2. Jh. Und die Frage ist, ob diese Lücke zu schließen oder zumindest zu verringern ist. Da hier zwei Faktoren im Spiel sind, die exegetischen Interessen des frühchristlichen Autors und die frühe Textüberlieferung der Septuaginta, ist der Neutestamentler gezwungen, sich selbst an der Lösung der Probleme zu beteiligen und kann diese Aufgabe nicht einfach an eine Sonderdisziplin, die Septuagintaforschung, delegieren. Faktisch möglich ist nur der Weg der indirekten Annäherung. Zu fragen ist, ob sich zusätzlich zu den möglichen Textumgestaltungen durch den zitierenden Autor weitere Besonderheiten seines Septuagintatextes feststellen lassen, die seiner Vorlage zuzuweisen wären. Hinreichende Sicherheit wird man allerdings erst dann gewinnen, wenn sich diese Besonderheiten sinnvoll in den erkennbaren Gang der Textgeschichte der Septuaginta einordnen lassen. Und gerade hier sind in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte in der Forschung zu verzeichnen, die für die Beurteilung neutestamentlicher Schriftzitate von erheblicher Bedeutung sind. Textgeschichtlich relevante Besonderheiten in den neutestamentlichen Schriftanführungen sind schon längst beobachtet worden; doch ließen sie sich bislang nicht in das normale Bild einer relativ konstanten vororigenistischen (alexandrinischen) Textüberlieferung, in die erst durch Aquila, Symmachus und Theodotion Bewegung gekommen ist, einordnen. Die hierher gehörenden Probleme seien zunächst in Frageform formuliert: 1. Wie ist es zu erklären, daß bei frühchristlichen Autoren gelegentlich Zitatformen begegnen, die dem hebräischen Wortlaut wesentlich genauer entsprechen als der traditionelle Septuagintatext? Hierher gehören auch Textformen, die nach der früher gängigen Sicht zur Zeit des Neuen Testaments eigentlich noch gar nicht existiert haben können. Wenn ein Zitat wie das von Jes 25,8 in 1Kor 15,54 wörtlich mit der (in der Regel als eindeutig später angesehenen) Übersetzung des Theodotion übereinstimmt, ist das ein Sachverhalt, der mit Recht Verwunderung auslöst und der Erklärung bedarf.5
4 Besonders deutlich ist die Umgestaltung von Jes 28,16 mit Hilfe von Jes 8,14b in Röm 9,33; dazu s.u. Das ganze Spektrum der Zitatumgestaltungen bei Paulus habe ich diskutiert in meiner Arbeit: Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986. 5 Dazu vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 61–63.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
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2. Wie ist es zu erklären, daß bei dem ältesten christlichen Schriftsteller, Paulus, sich diese Textbesonderheiten auf maximal drei der insgesamt zehn von ihm zitierten Bücher der Septuaginta beschränken, nämlich auf Jesaja, Hiob und III Regum?6 Dabei sind diese Besonderheiten offenbar völlig unabhängig von der Häufigkeit, in der Paulus diese Bücher heranzieht: Jesaja steht mit 25 verschiedenen Texten an der Spitze aller Schriften, aus denen Paulus zitiert, während Hiob und III Regum mit je zwei Anführungen das eindeutige Schlußlicht darstellen. 3. Wie ist es zu erklären, daß die auffällige Nähe zum hebräischen Text keineswegs für die Mehrzahl oder gar alle Jesaja-Zitate bei Paulus zutrifft, sondern nur bei insgesamt vier verschiedenen Texten nachweisbar ist? 4. Wie sind die Fälle zu erklären, in denen neutestamentliche Autoren eine Textform bieten, die sich sowohl vom hebräischen Text als auch vom überlieferten Septuaginta-Text entfernen, ohne daß man dafür mit einiger Wahrscheinlichkeit den neutestamentlichen Schriftsteller selbst verantwortlich machen kann?7
II Wenn somit die auffälligen Besonderheiten der Schriftzitate in den ältesten frühchristlichen Schriften skizziert sind, ist vor deren weiterer Analyse der inzwischen erreichte Stand der Septuagintaforschung einzubeziehen. Zwar ist es richtig, daß nach wie vor die ältesten vollständigen Handschriften der einzelnen Bücher der Septuaginta erst aus der (christlichen) Textüberlieferung des 4. Jh. stammen, doch haben sich in den letzten 40 Jahren die Rahmenbedingungen, um die Frage nach der von den frühchristlichen Autoren benutzten Textform beantworten zu können, deutlich verbessert. Dafür sind zwei Faktoren maßgebend: a) Zum einen hat die Editionsarbeit des Göttinger Septuaginta-Unternehmens dazu geführt, daß – jedenfalls für die wichtigsten Teile der Septuaginta – die Textform rekonstruiert werden konnte, die der Textüberlieferung des 4. Jh. vorausliegt.8 Von dieser Rekonstruktion kann man mit einiger Zuversicht sagen, daß es sich um die älteste derzeit erreichbare Textgestalt handelt, und man kann auch davon ausgehen, daß diese Textform bereits im 6
Dazu vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 57–81. Dies gilt für die Anführungen von Jes 28,16 in Röm 9,33 (vgl. 1Petr 2,6) und das Zitat in 1Kor 2,9; vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 69–71 und 36–41. 8 Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum, Göttingen 1931ff (=LXXGott). 7
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
2. und wohl auch 1. Jh. nach Christus existierte. Diese Annahme wird durch die gleich zu erwähnenden neueren Textfunde unterstützt. b) Als zweiter Faktor, der die Kenntnis der vorchristlichen Überlieferungsgeschichte der Septuaginta vergrößert, sind die Textfunde der letzten 40 Jahre, besonders die inzwischen zugänglich gewordenen jüdischen Septuaginta-Handschriften aus vorchristlicher Zeit9 zu nennen. Und zwar handelt es sich um sechs (jeweils sehr schmale) Handschriftenüberreste aus Qumran,10 drei verschiedene Handschriften aus Ägypten11 und eine Handschrift vom Toten Meer (Nahal Hever), die eine Revision des Zwölfprophetenbuches der Septuaginta enthält.12 Einerseits hat sich bestätigt, daß wir bei den einzelnen Büchern der Septuaginta davon ausgehen können, daß am Anfang der Textüberlieferung jeweils eine einzelne bestimmte Textfassung gestanden hat. Die lang diskutierte These von Paul Kahle,13 daß am Anfang der Textgeschichte der Septuaginta ein Nebeneinander verschiedener Übersetzungen stand, die erst im Laufe eines langen Prozesses zu einem standardisierten Text zusammengewachsen sind, hat sich nicht bestätigt. Die neuen Textfunde weisen vielmehr in die entgegengesetzte Richtung: Sie sind Zeugen einer Weiterentwicklung der ursprünglich einheitlichen Textgestalt, wobei diese Textentwicklung bei den Septuaginta-Handschriften aller9
Schon vorher haben die Papyrusfunde von LXX-Mss. aus dem 2. bzw. 3. und 4. Jh. die Textbasis erweitert; eine Übersicht findet sich bei S. JELLICOE, The Septuagint in Modern Study, Oxford 1968, 224–242. 10 Es handelt sich um 5 Pentateuchfragmente (je ein Ex-, Num- und Dtn-Fragment und zwei Lev-Fragmente) sowie ein Fragment von EpJer. Eine gute Übersicht findet sich bei E. ULRICH, The Greek Manuscripts of the Pentateuch from Qumrân, Including Newly-Identified Fragments of Deuteronomy (4QLXXDeut), in: De Septuaginta. Studies in Honour of John William Wevers on his Sixty-fifth Birthday, hg.v. A. Pietersma u.a., Missisauga, Ontario 1984, 71–82. 11 Es handelt sich um drei Pentateuchpapyri, die ungeschickterweise alle als P. Fouad Inv. 266 firmieren: ein Gen-Ms. (Rahlfs: 942 – wenige Bruchstücke) und zwei Dtn-Mss. (Rahlfs: 847 und 848), wobei 848 durchaus umfangreiche Bruchstücke aus Dtn 17–33 enthält, während 847 sehr fragmentarisch ist. Ein Bruchstück aus 848 war bereits von W.G. WADELL, The Tetragrammaton in the LXX, JThS 45, 1944, 158–161, veröffentlicht worden. Vollständige Veröffentlichung der (erhaltenen) Bruchstücke aller drei Mss.: Z. ALY/L. KOENEN, Three Rolls of the Early Septuagint. Genesis and Deuteronomium, PTA 27, Bonn 1980. Die Mss. 942 und 848 werden auf die Mitte des 1. Jh. v.Chr. datiert; so KOENEN in: ALY/KOENEN, a.a.O. 3 (mit Anm. 11) und 4, vgl. auch J.W. WEVERS, Genesis, LXXGott I, Göttingen 1974, 25; DERS., Deuteronomium, LXXGott III/2, Göttingen 1977, 14; Ms. 847 wird etwas später angesetzt (KOENEN, a.a.O., 6 Anm. 28: „at the end of the 1st cent. B.C.“; WEVERS, Deuteronomium, 14: „um 50 n.Chr.“). 12 Vorläufige Veröffentlichung durch D. BARTHÉLEMY, Les devanciers d’Aquila. Première publication intégrale du texte des fragments du Dodécaprophéton, VT.S 10, Leiden 1963; endgültige Veröffentlichung: E. TOV, The Greek Minor Prophets Scroll from Nahal Hever (8HevXIIgr), DJD 8, Oxford 1990; zur Datierung s.u. Anm. 15. 13 P. KAHLE, Die Kairoer Genisa. Untersuchungen zur Geschichte des hebräischen Bibeltextes und seiner Übersetzungen, Berlin 1962; vgl. schon DERS., Untersuchungen zur Geschichte des Pentateuchtextes, ThStKr 88, 1915, 399–439 (= abgedruckt in: DERS., Opera Minora, Leiden 1956, 3–37).
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dings zu besonders unterschiedlichen Ergebnissen geführt hat, weil hier zu den üblichen Gründen für die Handschriftenvarianzen und die Entstehung unterschiedlicher Texttypen als zusätzlicher Faktor die Tatsache der Übersetzungsliteratur hinzukommt: Als übersetzter Text, dessen Ausgangstext weiterhin jederzeit zur Verfügung stand, war die Möglichkeit einer punktuellen oder auch systematischen Überarbeitung aufgrund des Vergleichs mit dem Ausgangstext ständig gegeben. Gerade diejenige neugefundene Handschrift, die sich am deutlichsten von der Septuaginta in ihrer ältesten erreichbaren Textgestalt unterscheidet, die Zwölfprophetenrolle vom Toten Meer, stellt eine bewußte Revision der Septuaginta dar und setzt diese voraus. Damit eröffnen die hinzugekommenen Septuaginta-Textfunde nicht die Möglichkeit, auch nur umrißhaft für eine bestimmte Schrift zwei ursprünglich unterschiedliche Textfassungen zu rekonstruieren. Die vorhandene Textüberlieferung jedenfalls ist voll und ganz unter der Annahme eines einheitlichen Ausgangspunktes der Textgeschichte erklärbar.14 Damit soll nicht postuliert werden, daß die alexandrinische Übersetzung des Pentateuchs (oder die daran sich anschließenden Übersetzungen der übrigen Bücher der Schrift) ohne jeden Vorläufer entstanden ist. Denkbar sind vorauslaufende Übersetzungsversuche durchaus. Aber wenn es sie gab, dann sind sie von der unter dem Namen der „Siebzig“ firmierenden Übersetzung derart überboten worden, daß sie in der Textgeschichte keine erkennbaren Spuren hinterlassen haben.
Zugleich ist aber auch die Bedeutung dieser ältesten Textform für das 1. Jh. nach Christus relativiert worden. Daß es überhaupt diese Textform so, wie sie annäherungsweise in der Göttinger Septuaginta-Ausgabe rekonstruiert worden ist, in dieser Zeit gegeben hat, ist deutlich. Deutlich geworden ist aber auch, daß diese Textform keineswegs die einzige war, die in diesem Zeitraum existierte. Das ist ebenfalls durch die neueren Textfunde erkennbar geworden.
III Ein besonders wichtiger Fund im Rahmen der vorchristlichen SeptuagintaHandschriften ist immer noch die griechische Zwölfprophetenrolle vom Toten Meer (8HevXIIgr). Die Bedeutung dieser eindeutig aus vorchristlicher Zeit (zwischen 50 vor und 50 nach Christus) stammenden Handschrift15 liegt nicht so sehr in der möglichen Übereinstimmung einzelner 14 Vgl. dazu R. HANHART, Zum gegenwärtigen Stand der Septuagintaforschung, in: De Septuaginta (s.o. Anm. 10), 3–18; E. TOV, The Text-critical Use of the Septuagint in Biblical Research, Jerusalem Biblical Studies 3, Jerusalem 1981, 40–45. 15 BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 167f vertritt eine relativ späte Datierung „la date la plus vraisemblable … serait le milieu du premier siècle de notre ère“); vgl. dagegen die Stellungnahmen von C.H. Roberts und W. Schubart bei KAHLE, Genisa (s.o. Anm. 13), 239f: 50 v.Chr.–50 n.Chr.; ebenso jetzt P.J. PARSONS, The Scripts and their Date, in: E. Tov, Minor
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
Schriftzitate aus der frühchristlichen Literatur mit einer dort belegten Textfassung. Vielmehr wird in dieser Rolle grundsätzlich eine Entwicklungstendenz der Septuaginta-Textgeschichte greifbar, die auch für die neutestamentlichen Schriftzitate von Bedeutung ist, nämlich der Prozeß einer systematischen Revision des überlieferten Septuaginta-Textes anhand des hebräischen Wortlauts der Schrift, und zwar bereits im 1. Jh. n.Chr. Um zu prüfen, ob von hier aus neues Licht auf bisher ungeklärte Probleme bei der Textgestalt neutestamentlicher Schriftzitate fällt, sei zunächst ein charakteristischer Textausschnitt aus dieser Handschrift vorgestellt. Es handelt sich um 21 (relativ vollständig erhaltene) Zeilen aus Kolumne 18, die den Text von Hab 2,16–20 enthalten.16 Tabelle 1: Hab 2,16–20 nach 8HevXIIgr 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
[th.n avschmos]u,nhn auv[tw/]n) (16) evneplh,s[qhj avtimi,aj ev]k do,xhj( [p]i,e kai. ge su kai.. [---------]kuklw,sei evpi. se. po[th,rion dexia/j] hwhy( kai. e;metoj [avtimi,aj evpi.] th.n do,xan s[o]u) (17) o[ti avdiki,a [liba,nou kalu,]yei se, kai. talaipwri,a [kthnw/n ptoh,]sei se diV ai[mata avn[qrw,p]wn kai. avdiki,an gh/j( po,lewj [k]ai. pa,ntwn tw/n evnoi[k]ou,ntwn evn [auvt]th|/) (18) ti, wvfe,lhsen glupto,n( o[ti [e;gluye]n auvto. o` pla,saj auvto. cw,neuma [kai. fa]ntasi,an yeudh/( o[ti pe,poiqen o` [p]la,saj evpi. to. pla,sma auvtou/ evpV auvto. [p]oih/sai ei;dwla kwfa,) (19) [ouva]i. le,gwn tw/| xu,lw| :Egnhyon evxe[ge,rqhti] tw/| li,qw| siwpw/n) auvto.j fw[tiei/\ ivdou.] auvto. sesgme,non cru[so]u/n [kai. avrgu]rou/n( kai. pa/n pneu/ma ouv [mh,] ev[s]tin evn me,sw| auvtou/) (20) kai. o` hwhy evn naw/| a`gi,w| [a]uvtou/\ siw,phson avpo. prosw,pou auvtou/ pa/sa h` gh/)
Prophets (s.o. Anm. 12), 19–26, dort 25f: „I should …, opt, tentatively … for a date in the later i (century) B.C.“; ähnlich die dort zitierten Stellungnahmen von C.H. Roberts (50 v.Chr.–50 n.Chr.) und T.C. Skeat (1. Jh. v.Chr.). 16 Abbildung bei BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 168, und bei ALY/KOENEN, Rolls (s.o. Anm. 11), Plate XII, Transkription und Textergänzungen (hier zugrunde gelegt): 54f.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
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Als Charakteristikum nicht nur dieser jüdischen Handschrift hebt sich sofort innerhalb des griechischen Textes der in althebräischer Schrift wiedergegebene Gottesname JHWH heraus, der also nicht mit ku,rioj „übersetzt“, ja noch nicht einmal ins Griechische transkribiert worden ist.17
Um den Textcharakter dieser Handschrift zu bestimmen, ist es erforderlich, ihn sowohl mit dem hebräischen Text als auch mit der Septuaginta zu vergleichen. Dazu soll ein Teilausschnitt aus Kolumne 18, und zwar der Text von Hab 2, 19f dienen:
17
Zur Diskussion vgl. J.A. FITZMYER, Der semitische Hintergrund des neutestamentlichen Kyriostitels, in: Jesus Christus in Historie und Theologie (FS H. Conzelmann), Tübingen 1975, 267– 298, hier 280–288, und A. PIETERSMA, Kyrios and Tetragramm. A Renewed Quest for the Original LXX, in: De Septuaginta (s.o. Anm. 10), 85–101.
50
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
Tabelle 2: Synopse zu Hab 2,19-20 in MT, LXX und 8HevXIIgr18 Hab 2,19f MT 1
(V.19) #[l rma ywh Wehe dem, der zum Holz spricht:
hcyqh
2
„Erwache“,
!bal yrw[
3
„Werde munter“ zum Stein,
~mwd
4
der schweigt.
hrwy awh
5
Der soll belehren!
Xwpt awh hnh
6
Siehe, es ist überzogen
@skw bhz
7
mit Gold und Silber,
!ya xwr-lkw
8
und kein Odem
`wbrqb
9
ist in ihm. (V. 20)
10
hwhyw JHWH aber ist
wXdq lkyhb
11
in seinem heiligen Tempel;
sh
12
still sei
wynpm
13
vor seinem Angesicht
`#rah lk
14
die ganze Erde.
18
Hab 2,19f LXX
Hab 2,19f 8HevXIIgr
Ouvai. o` le,gwn tw/| xu,lw| Wehe dem, der zum Holz spricht :Eknhyon „Erwache,
[Ouva]i. le,gwn tw/| xu,lw| Wehe dem, der zum Holz spricht :Egnhyon „Erwache“,
evxege,rqhti, kai. tw/| li,qw| steh auf“, und zum Stein:
evxe[ge,rqhti] tw/| li,qw| „Steh auf“ zum Stein,
~Uyw,qhti\ „Erhebe dich“;
siwpw/n. er soll schweigen.
kai. auvto, evstin fantasi,a( und es selbst ist ein (Trug-)bild; tou/to de, evstin e;lasma es ist aber eine Metall platte crusi,ou kai. avrguri,ou von Gold und Silber,
auvto.j fw[tiei/\] Er selbst tue kund:
kai. pa/n pneu/ma ouvk und kein Lebensgeist
kai. pa/n pneu/ma ouv [mh,] und kein Lebensgeist
e;stin evn auvtw/|. ist in ihm.
ev[s]tin evn me,sw| autou/. ist in seiner Mitte.
o` de. ku,rioj Der Herr aber ist
kai. o` hwhy Und JHWH ist
evn naw/| a`gi,w| auvtou/\ in seinem heiligen Tempel; euvlabei,sqw andächtig sei
evn naw/| a`gi,w| [a]uvtou/\ in seinem heiligen Tempel; siw,phson es schweige
avpo. prosw,pou auvtou/ vor seinem Angesicht
avpo. prosw,pou auvtou/ vor seinem Angesicht
pa/sa h` gh/ die ganze Erde.
pa/sa h` gh/ die ganze Erde.
[ivdou.] auvto. sesagme,non Siehe, es ist bedeckt cru[so]u/n [kai. avrgu]rou/n golden und silbern,
Differenzen zwischen der LXX und 8HevXIIgr sind durch Unterstreichung hervorgehoben.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
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In Hab 2,19f handelt es sich um ein Drohwort gegen die Verehrung von Götzenbildern.19 Dabei ist Z. 5 als Glosse zu beurteilen, als Kommentierung, die deutlich machen soll, wie lächerlich der Anspruch ist, aufgrund des Umgangs mit Götzenbildern Belehrungen erteilen zu wollen. Das Drohwort schließt mit einem Hinweis auf die lebendige Gegenwart Jahwes in seinem Heiligtum, die sich scharf von der leblosen Gestalt eines Götzenbildes abhebt. Wenn man jetzt die beiden griechischen Textfassungen miteinander vergleicht (die Differenzen sind jeweils unterstrichen), so ist zunächst einmal deutlich, daß hier nicht zwei verschiedene, voneinander unabhängige Übersetzungen vorliegen. Die Übereinstimmungen zwischen den beiden griechischen Texten sind deutlich umfangreicher als die Differenzen. So sind die Zeilen 2, 11, 13 und 14 völlig identisch, und die Abweichungen in den Zeilen 1,7–9 sind nur begrenzt, während gravierende Differenzen in den Zeilen 3–6 und 12 vorliegen. Vergleicht man Übereinstimmungen und Differenzen mit dem hebräischen Text, dann zeigt sich: Der in beiden griechischen Textformen identische Text entspricht wörtlich der hebräischen Vorlage. Differenzen zwischen den beiden griechischen Fassungen treten dagegen jeweils dort auf, wo sich die Septuaginta vom hebräischen Text entfernt, und jeweils folgt an diesen Stellen 8HevXIIgr dem hebräischen Wortlaut. Untersucht man im einzelnen die Differenzen zwischen der Septuaginta und dem Text von 8HevXIIgr, dann ist der Schluß unausweichlich, daß die Septuaginta-Übersetzung die Grundlage gebildet hat und diese dann in der Zwölfprophetenrolle an den hebräischen Text angeglichen worden ist. Die Tendenz von 8HevXIIgr zur Korrektur der LXX anhand der hebräischen Vorlage ist sehr deutlich in Zeile 6 und 7 zu fassen. Der MT lautet: „Siehe, es (gemeint ist „das Holz“) ist überzogen mit Gold und Silber“. Dies ist in der LXX zwar frei, aber durchaus sinngemäß wiedergegeben: „Dieses ist aber eine Metallplatte von Gold und Silber“. Das vorangestellte hnh „siehe“ des MT fehlt, und statt Xwpt „überzogen“ steht e;lasma, „Blech“, auch allgemein „Metallplatte“. Beides ist in 8HevXIIgr korrigiert. Ebenso ist in Z. 12 siw,phson „es schweige“ wesentlich wörtlicher als das euvlabei,sqw („es sei andächtig“) der LXX. Zeile 9 und 10 zeigen, daß sogar pedantisch geändert wurde. Für wbrqb („in ihm“) war das einfache evn auvtw|/ der LXX nicht wörtlich genug, es heißt jetzt: evn me,sw| auvtou/ („in seiner
19
Zur Auslegung vgl. F. HORST, in: H. ROBINSON/F. HORST, Die Zwölf Kleinen Propheten, HAT 14, Tübingen 31964, 181; K. ELLIGER, Das Buch der Zwölf Kleinen Propheten, Bd. 2, ATD 25, Göttingen 31956, 47, und K. RUDOLPH, Micha – Nahum – Habakuk – Zephanja, KAT 13/3, Gütersloh 1975, 229f.
52
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
Mitte“). Ebenso ist in Zeile 10 o` de, in kai. o` abgeändert, obwohl die Setzung einer Adversativpartikel durchaus sinngemäß ist. Die umgekehrte Erklärung, der Text von 8HevXIIgr sei die Grundlage der Septuaginta gewesen, ist dagegen nicht möglich. Jeweils bietet die Rolle von Nahal Hever einen in sich klaren, unanstößigen Text, der keinen Anlaß bot, ihn im Sinne der Septuaginta abzuändern. Das gleiche Bild bietet sich auch in Zeile 4 und 5. Das ausgesprochen seltene ~mwd „still, stumm“, es begegnet im Zwölfprophetenbuch nur hier, hat der LXX-Übersetzer entweder nicht verstanden oder er setzt einen anderen hebräischen Wortlaut voraus. Jedenfalls übersetzt er, als ob seine Vorlage ymwr (von mwr „aufstehen, sich erheben“) lautete.20 Damit hat er sich aber eine neue Schwierigkeit eingehandelt: Jetzt hat er drei Imperative, aber nur zwei Adressaten, to. xu,lon in Zeile 1 und o` li,qoj in Zeile 3, an die sie sich richten können. Dieses Problem löst er dadurch, daß er die beiden ersten Imperative auf to. xu,lon bezieht, den dritten Imperativ auf o` li,qoj in Zeile 3 und deshalb kai, vor tw|/ li,qw| einfügt. Beides – die Abweichung vom Konsonantenbestand ~mwd und die Einfügung von kai, sind in 8HevXIIgr beseitigt.21 Schließlich ist noch auf die Differenzen in Zeile 5 einzugehen. Diese Glosse in der hebräischen Vorlage hat dem LXX-Übersetzer erhebliche Schwierigkeiten gemacht, und er versucht, dem Text einen Sinn abzugewinnen, der dem Zusammenhang entspricht, in diesem Falle der Fortsetzung der Aussage über die Götzenbilder in Zeile 6ff. Der Übersetzer geht für hrwy („er wird/soll belehren“) nicht von hry Hifil „zeigen, unterweisen, belehren“, sondern von har „sehen“ (im Nifal „sich zeigen“) aus und übersetzt substantivisch fantasi,a „Erscheinung“.22 Auch dies ist in 8HevXIIgr korrigiert – auch wenn der Text jetzt schwerer verständlich ist. Gemeint ist offenbar: Derjenige, der ein Götzenbild zum Handeln auffordert, soll schweigen und statt dessen selbst einräumen, daß es sich um ein totes Gebilde handelt.
20
Vgl. RUDOLPH, KAT (s.o. Anm. 19), 222. In 8HevXIIgr ist ~mwd als Partizip von ~md („verstummen“) verstanden und wörtlich mit siwpw/n wiedergegeben. Das Ergebnis dieser Übersetzung ist jedoch problematisch, weil dies Partizip nicht auf tw|/ li,qw| bezogen ist. Im Sinne der jetzt vorliegenden Übersetzung ist siwpw/n wohl als konstruktionslos angehängtes Partizip mit imperativischer Bedeutung zu verstehen, das sich auf den Götzenverehrer von Z. 1 bezieht. 22 Der Übersetzer greift hier auf 2,18 zurück, wo er rqX hrwm („der Lehrer der Lüge“) mit fantasi,a yeudh,j wiedergegeben hat. Dieser Sinn ist auch hier vorausgesetzt. 21
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
53
IV Ein charakteristischer Zug dieser Überarbeitung der Septuaginta-Übersetzung, der allerdings in dem soeben analysierten Textausschnitt nicht begegnet, ist die konstante Wiedergabe der hebräischen Konjunktionen ~g und ~gw „auch“ durch kai, ge, während ebenso konstant für die Wiedergabe der Verbindungspartikel ‚waw‘ kai, reserviert bleibt.23 Diese Auffälligkeit hat dem Text von Nahal Hever in der Septuaginta-Forschung die Bezeichnung ‚Kaige-Rezension‘ eingetragen. Ebenso typisch ist die durchgängige Wiedergabe von Xya durch avnh,r, und zwar auch dort, wo es nicht „Mensch“ bedeutet, sondern im Sinne von „jeder“ verwendet ist.24 Die Entdeckung einer derartig umfangreichen Septuaginta-Rezension aus vorchristlicher Zeit stellte für die Septuaginta-Forschung eine Sensation dar. Bis zu diesem Zeitpunkt – die Rolle wurde 1963 publiziert – waren derartige Revisionen überhaupt nicht bekannt. Bekannt waren nur die Neuübersetzungen aus dem 2. Jh. nach Christus durch Aquila, Symmachus und Theodotion. Die Existenz früherer Revisionen war zwar gelegentlich schon vermutet worden, so 1905 von Adolf Deißmann,25 doch konnten derartige Vermutungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht durch existierende Handschriften erhärtet werden. Dies ist jetzt möglich, und es zeigt sich: Die Übersetzungen von Aquila, Symmachus und Theodotion aus dem 2. Jh. sind nicht voraussetzungslos entstanden und auch nicht allein daraus zu erklären, daß nun das Christentum die Septuaginta als Argumentationsmaterial – gerade auch gegen das Judentum – verwandte. Diese jüdischen Neuübersetzungen hatten vielmehr bereits in vorneutestamentlicher Zeit einzelne Vorläufer, die im Zusammenhang der innerjüdischen Texttradierung im 1. Jh. vor und nach Christus verstanden werden müssen. Eine unmittelbare Folge der Entdeckung der Zwölfprophetenrolle aus dem Nahal Hever war, daß man den bereits bekannten Bestand der Septuaginta-Handschriften nach Spuren einer vergleichbaren hebraisierenden Rezension durchforschte.26 In Betracht kommt hierfür in erster Linie die Textüberlieferung der Königsbücher. Dort existiert eine Gruppe von Handschriften, die – in einzelnen Abschnitten der Königsbücher – ganz ähnliche Merkmale aufweist wie die Rezension der Zwölfprophetenrolle. Neues Interesse fanden jetzt auch die Zwölfprophetenzitate von Justin, von denen 23
Vgl. BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 199; TOV, Minor Prophets (s.o. Anm. 12),
133f.
24
BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 199. A. DEISSMANN, Die Septuaginta-Papyri und andere altchristliche Texte der Heidelberger Papyrus-Sammlung, Veröffentlichungen der Heidelberger Papyrus-Sammlung 1, Heidelberg 1905, 69f. 26 Umfassend: BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 89–160.203–270. 25
54
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
einige stark von der Septuaginta abweichen. Unter diesen ist wiederum eines, nämlich das Zitat von Micha 4,1–7 im Dialog mit Tryphon Kap 109, das nahezu wörtlich mit dem jetzt bekannt gewordenen rezensierten Septuaginta-Text übereinstimmt.27 Barthélemy, der in seiner Ausgabe diese Beziehungen detailliert untersucht hat, schreibt der gleichen Rezension außerdem die sog. Quinta, die zusätzliche fünfte griechische Spalte in der Hexapla des Origenes, zu, identifiziert als Autor dieser Rezension Theodotion, setzt diesen mit Jonathan Ben Uzziel, dem Verfasser des Targum Jonathan zu den Schriftpropheten, gleich und weist alle sonstigen Notierungen der Kirchenväter und der Handschriften über Theodotionlesarten im Zwölfprophetenbuch als unrichtig zurück. Diese weitgehenden Schlußfolgerungen sind z.T. ausgesprochen umstritten, aber auch ohne sie bleibt die Zwölfprophetenrolle wichtig genug.28 Fraglich ist zunächst die (auf rabbinischen Quellen beruhende) Sicht, daß Aquila und Theodotion jeweils (!) eine aramäische Übersetzung von Pentateuch bzw. Propheten einerseits und eine griechische Übersetzung des ganzen AT andererseits angefertigt hätten.29 Ein wesentliches Hindernis für die Identifizierung der Rezension von 8HevXIIgr mit Theodotion (auch ohne dessen Gleichsetzung mit dem Verfasser des TJon) ist die Datierungsfrage. Die Verfechter einer solchen Identifizierung sind nämlich zu einer extremen Frühdatierung von Theodotion (1. Hälfte des 1. Jh. n.Chr.)30 bei gleichzeitig sehr später Ansetzung von 8HevXIIgr gezwungen. Aber auch wenn man Theodotion vor Aquila ansetzt (Übersetzung: ca. 130 n.Chr.)31 und für Justin die Existenz der Übersetzung Theodotion voraussetzt,32 gelangt man nur bis in das 1. Viertel des 2. Jh.
27
BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 205–207; vgl. außerdem jetzt O. SKARSAUNE, The Proof from Prophecy. A Study in Justin Martyr’s Proof-text Tradition. Text-type, Provenance, Theological Profile, NT.S 56, Leiden 1987, 17–92. 28 Zur Diskussion vgl. S.P. BROCK, Art.: Bibelübersetzungen I.2. Die Übersetzungen des Alten Testaments ins Griechische, TRE 6, 163–172, hier 164f (zur Kaige-Rezension) und 168f (zu Theodotion). 29 Zum Problem vgl. P. SCHÄFER, Art.: Bibelübersetzungen II. Targumim, TRE 6, 216–228, hier 220f.222f; A. VAN DER KOOIJ, Die alten Textzeugen des Jesajabuches. Ein Beitrag zur Textgeschichte des Alten Testaments, OBO 35, Freiburg u.a. 1981, 125–155, folgt zwar weitgehend Barthélemy, übernimmt auch die Gleichsetzung von Theodotion mit Jonathan ben Uzziel, hält jedoch die späteren Angaben über ihn als den Verfasser auch von TJon für unzutreffend. 30 BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 156: „vers la fin de la première moitié du premier siècle“; VAN DER KOOIJ, Textzeugen (s.o. Anm. 29), 150: Die Theodotionübersetzung von Jes wurde „etwa zu Beginn des 1. Jh. n.Chr. … verfasst“. 31 Vgl. A.E. SILVERSTONE, Aquila and Onkelos, Manchester 1931, 160; H.B. SWETE, An Introduction to the Old Testament in Greek, Cambridge 21902, 31–33. 32 Doch sollte nicht übersehen werden, daß die in Justin Dial 43,8; 67,1 und 84,3 erwähnte (von der LXX abweichende) Übersetzung von Jes 7,14 an keiner Stelle auf einen bestimmten Übersetzer, d.h. eben auch nicht auf Theodotion, zurückgeführt wird.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
55
n.Chr.33 Geht man gleichzeitig von der aus paläographischen Gründen wahrscheinlichsten Datierung von 8HevXIIgr (Mitte bis Ende des 1. Jh. vor Chr.)34 aus, erweist sich eine Gleichsetzung von 8HevXIIgr mit Theodotion als ausgesprochen unwahrscheinlich – und sie ist auch unnötig, um die Bedeutung von 8HevXIIgr im Rahmen der frühen Textgeschichte der LXX angemessen zu bewerten.
Richtig ist die grundsätzliche Einschätzung, daß hier eine Vorstufe zur Übersetzung von Aquila vorliegt. Die Methode, ~g und ~gw durch kai, ge zu übersetzen und Xya durch avnh,r, auch wenn es im Sinne von „jeder“ gebraucht ist, findet sich auch bei Aquila. Andererseits fehlt in der Zwölfprophetenrolle noch die Praxis Aquilas, die nota accusativi ta jedenfalls, wenn ein Substantiv mit Artikel folgt – durch su,n wiederzugeben. Was Aquila auszeichnet, ist der extreme Perfektionismus seiner Wörtlichkeit, bei dem er auch die totale Unverständlichkeit seiner Übersetzung voll in Kauf nimmt. Die Rezension der Zwölfprophetenrolle geht keineswegs so weit, ist aber eine eindeutige Vorstufe dazu. D.h. Aquila hat nicht voraussetzungslos gearbeitet, sondern deutlich erkennbare Ansätze vor ihm aufgenommen und auf die Spitze getrieben. Zum Gesamtbild der vorchristlichen Septuaginta des 1. Jh. gehören aber auch die weiteren Septuaginta-Handschriften aus Qumran und Ägypten. Insbesondere die beiden größeren Deuteronomium-Handschriften aus Ägypten, die Handschriften 848 (ca. 50 v.Chr.) und 847 (ca. 50 n.Chr.) lassen wichtige Rückschlüsse auf die Textgeschichte der vorchristlichen Septuaginta-Überlieferung zu: Diese Handschriften zeigen einerseits eine relativ hohe Stabilität des Septuagintatextes bereits in vorchristlicher Zeit,35 andererseits lassen sie deutlich erkennen, daß es schon auf dieser Stufe Angleichungen an die hebräische Vorlage gab,36 die in ihrer Gesamtheit nicht als zufällig zu bewerten sind, andererseits jedoch nicht das Ausmaß einer systematischen Revision wie im Falle von 8HevXIIgr haben.
33 Eine frühere Datierung kann sich lediglich auf die Aussagen von Hieronymus aus den Jahren 404 und 407 (!) berufen, vgl. BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 146f und VAN DER KOOIJ, Textzeugen (s.o. Anm. 29), 141. Der Hinweis auf die Übereinstimmung des Zitats von Jes 25,8 in 1Kor 15,54 mit Theodotion (von BARTHÉLEMY, a.a.O., 148, und VAN DER KOOIJ, a.a.O., 142, als wichtiges Indiz gewertet) ist nur dann beweiskräftig, wenn man postuliert, daß die Übersetzung von Theodotion ohne alle Voraussetzungen und Vorstufen erfolgt ist. 34 S.o. Anm. 15. 35 Vgl. R. HANHART, Rez.: F. Dunand, Papyrus Grecs Bibliques (Papyrus F. Inv. 266), Kairo 1966, OLZ 73, 1978, 39–45, hier 42 sowie J.W. WEVERS, Text History of the Greek Deuteronomy, MSU 13, Göttingen 1978, 72–85. 36 Ein Beispiel aus Ms. 847 (Dtn 33,19) diskutiert Koenen in: ALY/KOENEN, Rolls (s.o. Anm. 11), 18f; vgl. seine grundsätzliche Beurteilung: „the results of continuous attempts to bring the Greek text into closer accord with the Hebrew are clearly recognizable“, ebd., 1). – Zu Ms. 848 vgl. R. HANHART, Rez. F. Dunand (s.o. Anm. 35), Sp. 43f; J.W. WEVERS, Text History (s.o. Anm. 35), 69–71.
56
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
Das Nebeneinander dieser unterschiedlichen Textzeugen aus dem gleichen Zeitraum (jeweils zwischen ca. 50 v.Chr und 50 n.Chr.) nötigt zu dem Schluß, daß für die vorneutestamentliche Zeit einerseits mit einem relativ stabilisierten Septuagintatext zu rechnen ist, der aber bereits verschiedenen Revisionsversuchen unterschiedlichen Ausmaßes unterworfen war, die darauf abzielten, den Septuagintatext in größere Übereinstimmung mit dem vorausgesetzten hebräischen Text zu bringen.
V Für die neutestamentliche Exegese ergibt sich hieraus, daß bei der Beurteilung von Schriftzitaten bei neutestamentlichen Autoren in der Tat grundsätzlich von der vorhexaplarischen Textgestalt, so wie sie heute erkennbar ist, auszugehen ist. Gleichzeitig wird dort erhöhte Aufmerksamkeit geboten sein, wo Zitatformen begegnen, die eine größere Nähe zum hebräischen Wortlaut aufweisen als der überlieferte LXX-Text, ohne daß dies auf den jeweiligen neutestamentlichen Autor zurückzuführen ist. D.h. die Frage ist, ob sich auch in neutestamentlichen Schriftzitaten Auswirkungen vorchristlicher Revisionsbemühungen am LXX-Text feststellen lassen. Dies ist offensichtlich bei dem ältesten christlichen Autor, nämlich Paulus, der ja noch keine christliche Textüberlieferung der Septuaginta voraussetzt, der Fall. Besonders deutlich ist dies bei vier der insgesamt 25 verschiedenen Texte, die Paulus aus Jesaja zitiert. Als Beispiel soll die Anführung von Jes 8,14 in Röm 9,33 dienen. Grundlage der mit einer Einleitungsformel unzweideutig als Zitat gekennzeichneten Schriftanführung in Röm 9,33 ist zweifellos Jes 28,16, obwohl schon hier beträchtliche Differenzen zum überlieferten Wortlaut der Septuaginta bestehen.37 Dies gilt erst recht für die Wendung von dem li,qoj prosko,mmatoj und der pe,tra skanda,lou, die in den (gleichzeitig verkürzten) Wortlaut von Jes 28,26 eingefügt ist. Diese Wendung geht zweifellos auf Jes 8,14 zurück – aber wie? Der Zusammenhang ist offenkundig, die Unterschiede gleichwohl fundamental. Zur vollständigen Beurteilung der Differenzen sind hier neben dem hebräischen Text und der Septuaginta auch die späteren Fassungen von Jes 8,14 heranzuziehen.38
37
Vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 69–71.161f; vgl. DERS., Beobachtungen zum christologischen Schriftgebrauch in den vorpaulinischen Gemeinden, ZNW 71 (1980), 174–191, hier 178– 184. 38 Vgl. zur folgenden Darstellung die Analyse bei KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 58–60.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
57
Tabelle 3: Synopse des Schriftzitats aus Jes 8,13f in Röm 9,3339
1
Jes 8,13f MT
Jes 8,13f LXX
twabc hwhy ta
ku,rion
JHWH Sebaoth, wXydqt wta ihn haltet heilig … (V. 14)
2
3 4 hyhw Und er wird
5
Xdqml zum Heiligtum werden,
6 7
@gn !balw 8
und zum Stein des Anstoßes
9
10 lwXkm rwclw 11
und zum Fels des Strauchelns
Röm 9,33 (Jes [28,16] 8,14)
ku,rion tw/n duna,mewn Den Herrn der Heerscharen, auvto.n a`gia,sate ihn haltet heilig …
Den Herrn, auvto.n a`gia,sate ihn haltet heilig … kai. eva,n evpV auvtw|/ Und wenn du auf ihn pepoiqw.j h|=j( vertraust, e;stai soi eivj wird er für dich zum a`gi,asma, Heiligtum werden, kai. ouvc w`j und nicht wie li,qou prosko,mmati dem Anstoß an einem Stein sunanth,seqe auvtw/| werdet ihr ihm begegnen, ouvde. w``j noch wie pe,traj ptw,mati dem Fall an einem Fels;
Jes 8,13f Σ
kai. e;stai eivj Und er wird zum [ivdou. ti,qhmi Siehe, ich lege
a`gi,asma, Heiligtum werden,
evn Siw.n in Zion] li,qon prosko,mmatoj einen Stein des Anstoßes
eivj de. li,qon prosko,mmatoj40 aber zum Stein des Anstoßes
kai. pe,tran skanda,lou und einen Fels des Ärgernisses,
kai. eivj pe,tran ptw,matoj41 und zum Fels des Falls
Übereinstimmungen zwischen Röm 9,33 und Jes 8,13fΣ sind durch Unterstreichung hervorgehoben. 40 Q, vA: kai. eivj li,qon prosko,mmatoj. 41 Q: kai. eivj pe,tran ptw,matoj; vA: kai. eivj stereo.n skanda,lou. 39
58
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis Jes 8,13f MT larXy ytb ynXl
12
für beide Häuser Israels, Xqwmlw xpl
13
zum Klappnetz und zum Fangholz bXwyl für den Bewohner `~lXwry Jerusalems.
14 15
Jes 8,13f LXX o` de oi=koj vIakw.b aber das Haus Jakobs evn pagi,di, kai. evn koila,smati ist in der Schlinge, und in der Fallgrube evgkaqh,menoi evn sind die Einwohner in VIerousalh,m. Jerusalem.
Röm 9,33 (Jes [28,16] 8,14) [kai. o` pisteu,wn evp v auvtw/| und wer an ihn glaubt, ouv kataiscunqh,setai. wird nicht zuschanden werden.]
Jes 8,13f Σ toi/j dusi.n oi;koij vIsrah,l, für beide Häuser Israels, eivj pagi,da kai. eivj ska,ndalon zur Schlinge und zum Ärgernis tw/| oivkou/nti für den Bewohner VIerousalh,m. Jerusalems.
Der MT ist in seiner vorliegenden Gestalt wahrscheinlich nicht einheitlich. Wildberger und Kaiser42 rechnen in ihren Kommentaren jeweils mit Glossen und sekundären Textveränderungen. Das kann hier unerörtert bleiben, weil sowohl die Septuaginta als auch Symmachus an den hier wesentlichen Punkten eine hebräische Vorlage im Sinne des MT voraussetzen. Der MT enthält einen deutlichen Widerspruch. Zunächst bieten die Zeilen 1f und 5f ein geschlossenes Bild: Es wird aufgerufen, Jahwe heilig zu halten, und die Zusage formuliert, daß er so für die Adressaten zum Heiligtum, d.h. zum Ort für Bewahrung und Schutz wird. Zwischen Zeile 6 und Zeile 8 liegt mitten im Satz ein scharfer Bruch. Die Zeilen 5f, 8, 11–15 stellen zwar einen einzigen Satz dar, in dem aber auf die Heilszusage am Beginn übergangslos eine Unheilsankündigung folgt: Jahwe wird – für dieselben Adressaten – zum Heiligtum werden (so Zeile 6) und zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchelns (so Zeile 8 und 11, fortgesetzt in Zeile 13 und 14f). Diesen Bruch hat der Septuaginta-Übersetzer sehr deutlich empfunden, und er verschiebt ihn nach hinten. Die Unheilsankündigung setzt erst mit Zeile 12 ein: „aber das Haus Jakobs ist in der Schlinge“. Der vorangehende Text, bis Zeile 11 einschließlich, ist in mehrfacher Hinsicht verändert, um ihn geschlossen als Heilsankündigung zu verstehen. Zunächst ist der Vorsatz: „und wenn du auf ihn vertraust“ (Zeile 3 und 4) frei hinzugefügt. Damit handelt es sich in der Septuaginta in Zeile 5f nur noch um eine bedingte 42
H. WILDBERGER, Jesaja I, BK.AT 10/1, Neukirchen-Vluyn 1972, 335; O. KAISER, Der Prophet Jesaja. Kapitel 1–12, ATD 17, Göttingen 21963, 92.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
59
Heilszusage. Außerdem sind Heils- und Unheilsankündigung syntaktisch voneinander getrennt, denn Zeile 12ff setzt nach Zeile 7–11 syntaktisch neu ein, so daß eine direkte Identität der Adressaten nicht mehr gegeben ist. Die Absicht, die Aussage vom Stein des Anstoßes und dem Fels des Strauchelns noch als Teil der Heilsankündigung zu verstehen, erforderte aber noch weitere Eingriffe. Der Übersetzer bildet durch die Einfügung von sunanth,sesqe auvtw/| „ihr werdet ihm begegnen“ eine neue, die Zeilen 7–11 umfassende, eigenständige syntaktische Aussage, er vertauscht außerdem das Abhängigkeitsverhältnis der hebräischen Konstruktusverbindung und spricht von einem „Anstoß an einem Stein“ und einem „Fall an einem Fels“. Vor allem aber: Er fügt zweimal eine Negation ein, in Zeile 7 „und nicht wie“ und in Zeile 10 „noch wie“, womit er den Sinn seiner hebräischen Vorlage endgültig in ihr Gegenteil verkehrt. Ein kurzer Blick auf Symmachus zeigt, daß dort diese Änderungen durchweg fehlen und eine grundsätzlich wörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen vorliegt. Interessant ist übrigens, wie Symmachus mit dem Bruch zwischen Zeile 6 und 8 des hebräischen Textes fertig geworden ist. Symmachus folgt genau seiner hebräischen Vorlage, fügt aber in Zeile 8, zu Beginn der Unheilsaussage, ein de, ein, und deutet damit an, daß – seiner Meinung nach – Heils- und Unheilsankündigung sich nicht auf die gleichen Adressaten beziehen. Nachdem das gegenseitige Verhältnis zwischen hebräischem Text, Septuaginta und Symmachus geklärt ist, kann nach der Herkunft der paulinischen Anführung von Jes 8,14 in Röm 9,33 gefragt werden. Für den von Paulus aus Jes 8,14 aufgenommenen Textausschnitt „ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses“ (im Text unterstrichen) ist jedoch offensichtlich, daß er nicht auf den Septuaginta-Text zurückgehen kann. Denn in Röm 9,33 ist – gegen die Septuaginta, aber in Übereinstimmung mit dem hebräischen Text und Symmachus – die Wendung vom li,qoj prosko,mmatoj und der pe,tra skanda,lou im Sinne einer Unheilsaussage verstanden. Auch rein sprachlich sind die beiden Genitivverbindungen nicht aus der Septuaginta herzuleiten, da sie dort ja gerade nicht vorliegen. Der griechische Jes-Text, den Paulus hier voraussetzt, muß also an dieser Stelle, an der die Septuaginta besonders frei übersetzt, bereits vor Paulus an den hebräischen Text angeglichen worden sein. Die vorpaulinische Korrektur dieser Septuaginta-Stelle kann sich aber nicht auf die Verbesserung lediglich von Zeile 8 und Zeile 11 des Septuaginta-Textes beschränkt haben. Denn mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Sinns von Zeile 8 und 11 als Unheilsaussagen ist eine Beibehaltung der gegenteiligen Textergänzungen in der Septuaginta nicht mehr vereinbar. Auf dem Hintergrund der Zwölfprophetenrolle aus der Wüste Juda und der Dtn-Handschriften 848 und 847 aus Ägypten ist nun die Vermutung
60
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
naheliegend, daß Paulus hier für Jes einen Septuaginta-Text voraussetzt, der in gewissem Umfang eine hebraisierende Überarbeitung erfahren hat. Und es schließt sich die weitergehende Frage an, ob sich ähnliche Beobachtungen auch bei anderen Jes-Zitaten in den Briefen des Paulus machen lassen. Das ist in der Tat der Fall. Von den insgesamt 25 Jes-Texten, die Paulus zitiert, stehen drei weitere ebenfalls dem hebräischen Text – und damit zugleich Aquila, Symmachus und Theodotion – näher als der Septuaginta. Es handelt sich dabei neben Jes 8,14 um Jes 25,8 (zitiert in 1Kor 15,54), Jes 28,11f (1Kor 14,21) und Jes 52,7 (Röm 10,15).43 Bemerkenswert ist schließlich, daß es sich bei drei dieser insgesamt vier so überarbeiteten JesStellen um Textabschnitte handelt, in denen die Septuaginta nicht nur einzelne Wörter frei wiedergibt, sondern – so wie hier in Jes 8,14 – auch hinsichtlich der syntaktischen Zusammenhänge von der hebräischen Vorlage abweicht. Man kann es auch umgekehrt formulieren: Wenn man bei allen von Paulus zitierten Jes-Texten einen Vergleich zwischen hebräischem Text und Septuaginta durchführt, dann sind es gerade diese drei bzw. vier Zitate, die am ehesten für eine Korrektur in Frage kommen. Man kann also – bezogen auf diese vier Zitate – durchaus von einer echten Rezension sprechen, die ein erkennbares Profil aufweist. Analog zu beurteilen sind die beiden einzigen Hiob-Zitate des Paulus.44 Deren Nähe zum hebräischen Text ist ein längst bekannter Tatbestand. Sie stellen jetzt keinen unerklärlichen Sonderfall mehr dar, sondern es zeigt sich, daß auch hier mit einer hebraisierenden Septuaginta-Rezension jüdischer Herkunft zu rechnen ist. Es liegt nämlich keineswegs eine völlige Neuübersetzung, sondern eine Bearbeitung des Septuaginta-Textes vor.45 Und der unpaulinische Wortschatz macht deutlich, daß diese SeptuagintaBearbeitung nicht auf Paulus selbst zurückgeführt werden kann.46 Ein noch wieder anderes Bild bieten die beiden Zitate des Paulus aus dem 3. Königebuch (dem 1. Königebuch des MT).47 Hier liegt ein anderer Sachverhalt vor. Die Differenzen – abgesehen von zusätzlichen Änderungen durch Paulus selbst – sind sprachlicher Art. Die SeptuagintaÜbersetzung von III Reg 19,10 stellt ein unbeholfenes Übersetzungsgriechisch dar. Die Fassung des Paulus in Röm 11,3 ist dagegen sprachlich wesentlich glatter. Analoge Änderungen begegnen auch in dem zweiten Zitat des Paulus aus dem 3. Königebuch (19,18 in Röm 11,4). Dabei ist bemerkenswert, daß sich die Zitate in ihren sprachlichen Korrekturen in 43
Vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 61–69. Vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 71–73. 45 Dies hat überzeugend B. SCHALLER, Zum Textcharakter der Hiobzitate im paulinischen Schrifttum, ZNW 71 (1980), 21–26, gezeigt. 46 Vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 72 (mit Anm. 71). 47 Vgl. KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 71–77. 44
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
61
keinem Fall vom hebräischen Text entfernen. Auf Paulus sind diese Änderungen des Septuaginta-Textes nicht zurückzuführen, sondern sie sind als vorpaulinische Rezensionsarbeit zu werten, über deren Umfang aufgrund der schmalen Textbasis jedoch keine auch nur einigermaßen begründete Aussage gemacht werden kann.
VI Als vorläufiges Ergebnis läßt sich auf dieser Grundlage formulieren: 1. Für die konkrete Gestalt der Septuaginta im 1. Jh. n.Chr. ist davon auszugehen, daß es neben der nicht-rezensierten Textgestalt, die natürlich weiterhin existierte, Einzelversuche gab, den überlieferten Wortlaut der Septuaginta stärker an den hebräischen Text anzugleichen. Diese Revisionsversuche sind als Vorläufer der späteren umfassenden Neuübersetzungen bzw. Revisionen durch Aquila, Symmachus und Theodotion zu bewerten. Dabei sind die einzelnen feststellbaren Revisionen – etwa die der Zwölfprophetenrolle vom Toten Meer, die der Septuaginta-Handschriften 848 und 847 aus Ägypten oder die rezensierten Textfassungen von Jesaja, Hiob und dem 3. Königebuch, die Paulus voraussetzt, – nicht als Einheit zu bewerten, sondern als jeweils eigenständige Einzelversuche, die Lücke zwischen dem überlieferten Septuaginta-Wortlaut und dem hebräischen Text zu beseitigen. 2. Für diese frühen Revisionen bzw. Revisionsversuche ist jeweils eine nur begrenzte Verbreitung anzunehmen. Eine direkte Auswirkung des Texttyps, der in der Zwölfprophetenrolle vom Toten Meer vorliegt, also der sog. Kaige-Rezension dieses Buches, liegt lediglich bei einem Teil der Zwölfpropheten-Zitate des Justin (offenbar jedoch nicht bei allen)48 vor. Auswirkungen kann man auch in den relativ häufigen hebraisierenden Abänderungen der Zwölfprophetenhandschrift Codex W (Ende des 3. Jh. n.Chr.)49 und der mit ihm verwandten koptischen Übersetzung des Zwölfprophetenbuches erkennen.50 Gleichzeitig ist jedoch festzustellen, daß diese Auswirkungen – 48 Nach SKARSAUNE, Proof (s.o. Anm. 27), 25–92, benutzt Justin zwei verschiedene Quellen für seine Schriftzitate: einen rezensierten LXX-Text jüdischer Herkunft (in der Form direkt vorliegender Mss.) und ein (christliches) Testimonienbuch, das auf einer nicht-rezensierten LXXFassung beruht (vgl. bes. die Ergebnisse 43–46.90–92). 49 Ausgabe: H.A. SANDERS, The Minor Prophets in the Freer Collection, in: H.A. Sanders/C. Schmidt, The Minor Prophets in the Freer collection and the Berlin Fragment of Genesis, UMS.H 21, New York u.a. 1927, 1–229; zum Textcharakter und zum Verhältnis zu den koptischen Übersetzungen vgl. SANDERS a.a.O., 25–45. 50 Vgl. BARTHÉLEMY, Devanciers (s.o. Anm. 12), 239–243.
62
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
verglichen mit dem tatsächlichen Umfang der Revisionsarbeit in 8HevXIIgr – doch sehr begrenzt sind. So finden sich nur zwei von insgesamt 13 Abänderungen von Hab 2,19f LXX, die in 8HevXIIgr vorliegen, im Codex W, den koptischen Übersetzungen oder der übrigen handschriftlichen Überlieferung,51 wobei diese beiden Änderungen noch nicht einmal besonders charakteristisch für die Textgestalt von Hab 2,19ff in 8HevXIIgr sind. Tabelle 4: Liste der mit 8HevXIIgr gegen LXX übereinstimmenden LXXMss. in Hab 2,19f52
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
LXX
8HevXIIgr
LXX-Mss. = 8HevXIIgr
ouvai. o` le,gwn evxege,rqhti kai. tw/| li,qw| u`yw,qhti kai. auvto, auvto, evstin fantasi,a tou/to de, evstin e;lasma crusi,ou / avrguri,ou ouvk evn auvtw/| o` de, euvlabei,sqw
ouvai. le,gwn evxege,rqhti tw/| li,qw/ siwpw/n auvto,j auvto,j fwtiei/ ivdou. auvto. sesagme,non crusou/n / avrgurou/n ouv mh, evn me,sw| auvtou/ kai. o` siw,phson
– Sc Catenen-Mss. 68 syh – W Catenen-Mss. 544 – – – – – – ( vA = 8HevXIIgr) – –
Diese Überarbeitungen und Revisionen hatten sich also im jüdischen Bereich offenbar noch nicht allgemein durchgesetzt, als das frühe Christentum die Septuaginta vom hellenistischen Judentum übernahm, womit für die erste Hälfte oder die Mitte des 2. Jh. n.Chr. zu rechnen ist.53 Für diese Zeit wird man vermuten können, daß eine eigenständige christliche Tradierung der Septuaginta einsetzte. 51 Ebenso haben die von Koenen in: ALY/KOENEN, Rolls (s.o. Anm. 11), 18f, diskutierte Abänderung von Dtn 33,19 in Ms. 847 und die von HANHART, Rez.: F. Dunand (s.o. Anm. 35), 43, diskutierten Abänderungen von Dtn 19,10; 22,9; 31,21 in Ms. 848 keine Auswirkungen auf die Textüberlieferung gehabt. 52 Die Differenzen zwischen LXX und 8HevXIIgr sind durch Unterstreichung gekennzeichnet. Die Angaben in der dritten Spalte geben die Bezeugung dieser Varianten in den LXXHandschriften an. 53 Als ältestes christliche LXX-Ms. gilt gewöhnlich P. Yale 1 (früher: P. Yale Inv. Nr. 419; Rahlfs: 814), der zumeist auf 80–90 n.Chr. datiert wird; vgl. ALAND, Repertorium (s.o. Anm. 1), 77; doch vgl. TURNER, Typology (s.o. Anm. 3), 90.164, der den Papyrus (in der Zählung von Turner: OT 7) auf ca. 200 n.Chr. datiert; auch bei Turner gehört P. Yale 1 zur ältesten Gruppe christlicher LXX-Mss., von denen er keines vor 200 n.Chr. ansetzt; vgl. auch die Datierungsliste bei ALAND, a.a.O., 434–452.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
63
Für die Analyse von Schriftzitaten frühchristlicher Autoren ist daher davon auszugehen: a) Für den in der hellenistischen Synagoge gebrauchten Septuaginta-Text ist eine im Prinzip noch nicht rezensierte Textform vorauszusetzen. Diese Textform ist immer noch am besten aus den christlichen SeptuagintaHandschriften zu erschließen. Die Rekonstruktion dieser alexandrinischen vorhexaplarischen Textform ist ja das Ziel der Göttinger SeptuagintaAusgabe. b) Daneben ist grundsätzlich mit der Möglichkeit zu rechnen, daß es für einzelne Bücher Handschriften gab, die einen mehr oder minder rezensierten Text enthielten, und daß einzelne neutestamentliche Autoren derartige Textformen benutzten. Dabei ist auch beim gleichen Autor grundsätzlich zwischen den verschiedenen Büchern der Schrift zu unterscheiden. So weist der Jesaja-Text des Paulus eine partielle Revision auf, sein Pentateuchtext keineswegs. Außerdem: Was für einen neutestamentlichen Autor gilt, gilt deshalb noch keineswegs für einen anderen. Der Jesaja-Text des Paulus ist in dem beschriebenen Umfang als rezensierter Text zu beurteilen, der Jesaja-Text des Hebräerbriefes (obwohl dieser eindeutig später verfaßt ist als die Paulusbriefe) dagegen nicht. c) Für diese frühen Septuaginta-Rezensionen ist nur eine geringe Breitenwirkung anzunehmen. Falls also ein frühchristlicher Schriftsteller eine derartige Textform voraussetzt, ist die Annahme, er habe sie in der Synagoge kennengelernt, unwahrscheinlich, und man wird – jedenfalls für diese Zitate – eher eine schriftliche Vermittlung anzunehmen haben, also die Benutzung einer Septuaginta-Handschrift, die diesen Text bot.54 d) Dennoch ist es nicht berechtigt, jede von der überlieferten vorhexaplarischen Textgestalt abweichende Zitatform auf eine hypothetische Septuaginta-Rezension zurückzuführen. Denn: Der Umfang der einzelnen Rezensionsversuche ist zwar im Einzelfall nie von vornherein fixierbar, aber die Zielrichtung dieser Revisionen ist durchaus erkennbar: Sie zielen durchweg auf eine größere Übereinstimmung mit dem hebräischen Text, der von der Rezension als Maßstab vorausgesetzt ist. Daher ist es auch weiterhin durchaus sinnvoll und möglich zu fragen, wo der frühchristliche Schriftsteller nun seinerseits in den Wortlaut des zitierten Textes verändernd eingegriffen hat.
54
Interessant ist ja, daß der früheste Hinweis auf divergierende Textformen der griechischen Bibel (und zwar in bezug auf Jes 7,14) bei Justin im Dialog mit Tryphon auftaucht (s.o. Anm. 32), d.h. im Zusammenhang schriftgelehrter Diskussion, wobei aufschlußreich ist, daß diese abweichende Übersetzung ausdrücklich auf jüdische dida,skaloi zurückgeführt wird (Justin, Dial 43,8). Dort, in der gelehrten Schuldiskussion, ist der ‚Sitz im Leben‘ dieser LXX-Rezensionen zu suchen.
64
Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
So ist es in Röm 9,33 eindeutig, daß die Angleichung von Jes 8,14 an den hebräischen Text vorpaulinisch ist. Dagegen geht die Abänderung von Jes 28,16 durch diese Fassung von Jes 8,14 auf Paulus zurück. Erst so kann Paulus zeigen, was er in Röm 9,30ff zeigen will, daß nämlich Israel gerade an Christus zu Fall gekommen ist bzw. umgekehrt: die dialektische Wirkung des Christusgeschehens als Grund des Unheils für die einen und gleichzeitig als Grund des Heils für den, der an ihn glaubt. In welchem Umfang und mit welcher Sicherheit dabei jeweils die vorgegebene Textentwicklung und die Abänderung durch den neutestamentlichen Autor voneinander abgegrenzt werden können, ist dabei nur im Einzelfall entscheidbar – und es gibt auch durchaus Fälle, wo sozusagen eine Grauzone bleibt. Auch dies läßt sich am Beispiel von Röm 9,33 deutlich machen. Feststellbar ist, daß die Vorlage des Paulus die Worte li,qon prosko,mmatoj kai. pe,tran ... umfaßte, wobei auf pe,tran ebenfalls ein Substantiv im Genitiv folgte. Dieses Substantiv kann entweder ptw/ma („Fall“) – so Symmachus – oder auch ska,ndalon („Ärgernis“) gewesen sein. Jedenfalls übersetzte Aquila lwXkm mit ska,ndalon. Das paulinische Interesse am Begriff ska,ndalon ist eindeutig, und wenn er pe,tran ptw,matoj vorgefunden hat, ist klar, warum er geändert hat. Aber es ist nicht auszuschließen, daß er gar nicht mehr zu ändern brauchte.
VII Neben diesem Faktor, daß es partielle hebraisierende Septuaginta-Rezensionen bereits in neutestamentlicher Zeit gab, die zum Teil Auswirkungen auf neutestamentliche Schriftanführungen hatten, ist noch ein zweiter Faktor in Rechnung zu stellen, der schon vor der Aufnahme einer Schriftaussage durch einen neutestamentlichen Autor zu einer Differenz gegenüber dem vorhexaplarischen alexandrinischen Text geführt hat – es ist der Faktor der mündlichen Schriftverwendung, sei es im jüdischen, sei es im christlichen Bereich. Als Beispiel – auch für die Möglichkeit, zuvor mündlich verwendete Schriftzitate von rein schriftlicher Zitatanführung zu unterscheiden – sollen die beiden Schriftzitate in Apg 1,20 dienen. Apg 1,15–26 hat zwei thematische Schwerpunkte:55 das schreckliche Ende des Verräters Judas (V. 16–19) und die Vervollständigung des Zwölfer55
Zur Analyse des Abschnitts (und zu den in der Literatur diskutierten Alternativen) vgl. die übersichtliche Darstellung bei A. WEISER, Die Apostelgeschichte, Bd. 1, ÖTBK 5/1, Gütersloh u.a. 1981, 62–72; G. SCHNEIDER, Die Apostelgeschichte, Bd. 1, HThK 5/1, Freiburg i.Br. 1980, 211– 221.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
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kreises durch Matthias (V. 21–26). Die beiden Schriftzitate in V. 20 stehen am Übergang zwischen diesen beiden Teilen. Dabei ist deutlich, daß sich das erste Zitat (Ps 68,26 LXX) auf das vorangegangene Thema bezieht, während mit Ps 108,8b LXX das neue Thema eröffnet wird.56 Deutlich ist außerdem, daß Lk in beiden Teilen jeweils Traditionsmaterial verarbeitet hat, auch wenn dessen exakte Abgrenzung angesichts der intensiven Überarbeitung nicht mehr möglich ist. Dabei ist davon auszugehen, daß beide Traditionen erst durch Lukas miteinander verbunden wurden.57 Dies legt die Annahme nahe, daß die Zusammenordnung der beiden Schriftzitate, die genau an der Schnittstelle beider Traditionen vorliegt, ebenfalls auf Lukas zurückgeht.58
56 Das übersieht G.D. KILPATRICK, Some Quotations in Acts, in: Les Actes des Apôtres, hg.v. J. Kremer, BEThL 48, Leuven 1979, 81–97, hier 86–88, der aus dem (s.E. innerhalb von Apg 1,15–26 unerklärlichen) Fehlen von Ps 108,8a LXX schlußfolgert, Lukas habe hier ein hellenistisch-jüdisches Florilegium benutzt, in dem das (kombinierte) Zitat sich inhaltlich auf Israel (bzw. das Land Palästina) bezog. 57 Die (inhaltlich gegenüber Apg 1,18–20a eigenständige) Tradition von Mt 27,3–10 zeigt, daß in Apg 1,18–20a eine selbständige Überlieferung verarbeitet ist. Zum Auftakt für die MatthiasÜberlieferung wird sie erst dadurch, daß Lk sie zu einem Teil der bis Vers 22 reichenden Rede des Petrus macht. 58 Dagegen vermutet E. HAENCHEN, Schriftzitate und Textüberlieferung in der Apostelgeschichte, in: DERS., Gott und Mensch. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1965, 157–171, hier 167: „Lukas wird hier einer Überlieferung der hellenistischen Gemeinde folgen, die beide Psalmverse auf Judas gedeutet hatte“; vgl. DERS., Tradition und Komposition in der Apostelgeschichte, ebd. 206–226, hier 208, und DERS., Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 71977, 167. Doch zeigt Haenchen nicht, warum diese vorlukanische Schriftaneignung nicht nur Ps 68,26 LXX, sondern auch Ps 108,8b umfaßte, zumal dann die Auslassung ausgerechnet von Ps 108,8a LXX ohne sinnvolle Erklärung bleiben muß – es sei denn, es folgte eben die von Lk angeführte Tradition über die Nachwahl des Matthias.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
Tabelle 5: Synopse der Schriftzitate in Apg 1,2059 Ps 69,26 (MT) Ps 68,26 (LXX) 1 2 3 4 5 6 7 8
genhqh,tw h` e;paulij auvtw/n hvrhmwme,nh kai. evn toi/j skhnw,masin auvtw/n yhy la mh. e;stw `bXy o` katoikw/n.
yht ~tryj hmXn ~hylhab
Ps 109,8 (MT) Ps 108,8 (LXX) 9 10 11 12 13 14 15
Apg 1,20
Ps 108,8 (Ps.Rom)
genhqh,tw h` e;paulij auvtou/ e;rhmoj kai.
fiat habitatio eius deserta et
mh. e;stw o` katoikw/n evn auvth|/
non sit qui inhabitet in ea.
Apg 1,20
Ps 108,8 (Ps.Rom)
genhqh,twsan ai` h`me,rai auvtou/ ovli,gai, kai. th.n evpiskoph.n kai. th.n evpiskoph.n auvtou/ auvtou/ labe,tw xqy la,boi `rxa e[teroj. e[teroj.
wyhw wymy ~yj[m wtdqp
fiant dies eius pauci et episcopam eius accipiat alter.
Bevor ein direkter Vergleich des Wortlautes beider Zitate in Apg 1,20 mit der Septuaginta vorgenommen werden kann, ist aber eine Sonderentwicklung in der Textgeschichte von Ps 108,8 LXX zu diskutieren, in der die Zusammenordnung beider Zitate tatsächlich belegt ist,60 nämlich in der im Psalterium Romanum überlieferten Form von Ps 108(MT: 109),8.61
59 Differenzen zwischen Apg 1,20 bzw. Ps 108(109),8 in der Fassung von Ps.Rom einerseits und Ps 68,26 LXX bzw. 108,8 LXX andererseits sind durch Unterstreichung gekennzeichnet. 60 Auf diese Textüberlieferung hat KILPATRICK, Quotations (s.o. Anm. 56), 86–88, aufmerksam gemacht. Er hält diese Textform für vorchristlich, sieht in ihr aber nicht die direkte Vorlage von Apg 1,20, sondern postuliert als Zwischenstufe ein jüdisches Florilegium, in dem diese Zitatkombination als Testimonium zum Thema Israel fungiert habe. Nur so sei die Auslassung von Ps 108,8a LXX in Apg 1,20 erklärbar. 61 Text nach R. Weber (Hg.), Le Psautier Romain et les autres anciens Psautiers latins, CBLa 10, Rom 1953, 277. Die Textüberlieferung des Psalterium Romanum ist weitgehend einheitlich; lediglich Codex V liest (entsprechend Ps 68[69],26a) „habitatio eorum“, die Codices B und C ergänzen (entsprechend Ps 68[69],26b) „et in tabernaculis eius non sit etc.“. In einem Teil der übrigen altlateinischen Psalmenüberlieferung fehlt der Zusatz (Psalterium Veronense, Psalterium Corbeiense, Psalterium Augiense 1 sowie in einem Teil der mozarabischen Überlieferung). Dagegen haben das Psalterium Sangermanense und ein Teil der mozarabischen Überlieferung den Zusatz nachgestellt.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
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Nach dem Urteil von W. Thiele ist hier die Vetus Latina als Zeuge eines nicht mehr erhaltenen griechischen Textes zu werten.62 Dann fragt sich aber, wie diese (sicher sekundäre) griechische Textform63 zu bewerten ist: als Rückwirkung aus Apg 1,20 oder als Textentwicklung, die unabhängig von Apg 1,20 (und u.U. zeitlich früher als Lk) erfolgt ist? Auffällig ist die völlige Übereinstimmung dieser Erweiterung von Psalm 108(109),8 in der Vetus Latina (bzw. deren griechischer Vorlage) mit Apg 1,20 gerade in den Textteilen, in denen Apg 1,20 von Ps 68(69),26 abweicht. Das kann natürlich auf eine wortgetreue Wiedergabe einer derartigen (sekundär veränderten) Vorlage durch Lukas zurückgehen. Doch ist zu prüfen, auf welchen Vorgang die Veränderungen von Ps 68,26 LXX zurückzuführen sind – auf eine sekundäre Einfügung in Ps 108,8 LXX oder auf die Verwendung dieses Textes im Rahmen von Apg 1,15ff.64 Zwischen dem Wortlaut von Ps 68,26 LXX in der SeptuagintaÜberlieferung und in der Apg 1,20 (bzw. im Psalterium Romanum im Ps 108[MT: 109]) sind folgende Differenzen feststellbar, die jeweils als sekundäre Veränderungen des ursprünglichen Septuaginta-Wortlauts zu beurteilen sind: 1. Änderung des Personalpronomens auvtw/n (nach e;paulij) in den Singular auvtou/ in V. 26a, was der völligen Vermeidung des Personalpronomens (auvtw/n) in V. 26b entspricht. Diese Änderung war erforderlich, wenn man den Psalmtext nicht mehr kollektiv auf die Feinde des Beters (so in Ps 68 LXX), sondern auf eine Einzelperson bezog. Diese Abänderung war in beiden möglichen Fällen 62
W. Thiele (brieflich am 25.1.1989) beurteilt die altlateinische Überlieferung von Ps 108 (109),8 in folgender Weise: „Die überwiegende Mehrzahl der altlateinischen Psalmen hat diesen Zusatz (teilweise nach Vers 8), und nur Texte, für die die Korrektur nach dem Griechischen bekannt ist, streichen den Zusatz; typisch ist in dieser Hinsicht, daß der von Augustin benutzte Psalter und Hieronymus im Gallicanum (und natürlich im iuxta Hebraeos) ihn nicht haben. Daß die Vetus Latina Texte belegt, die im Griechischen nicht mehr erhalten sind, ist nicht ungewöhnlich.“ Ich danke ausdrücklich Herrn Kollegen Thiele für seine Hilfsbereitschaft, mich in diesen Fragen fachkundig zu beraten. Allerdings wird die im folgenden vorgetragene Beurteilung des Verhältnisses zwischen der Vetus Latina zu entnehmenden Textform von Ps 108 (109),8 und Apg 1,20 ausschließlich von mir verantwortet. 63 Zusätzlich ist wohl auch noch mit innerlateinischer Entwicklung zu rechnen; so bei der Nachstellung der Einfügung in mehreren altlateinischen Textzeugen (s.o. Anm. 61). 64 Eine ausgesprochen merkwürdige Begründung bietet KILPATRICK, Quotations (s.o. Anm. 56), 87, für die Annahme, die in der altlateinischen Überlieferung von Ps 108(109),8 greifbare Erweiterung könne nicht auf Apg 1,20 zurückgehen. Gegen diese Sicht spreche: „It requires that the interpolator of Ps 68,25 (LXX) (sic! gemeint ist Ps 68,26) in the Latin Psalter of Ps 108,8 (LXX) checked the quotation in Acts against the LXX and added genhqh,twsan from the LXX and fails to explain why this line was missing in Acts.“ Doch ist der Vorgang auch wesentlich einfacher zu erklären: Der Abschreiber ‚vervollständigt‘ Ps 108,8 LXX mit Hilfe von Apg 1,20 – und zwar in der aus Apg 1,20 vorgegebenen Abfolge. Von einer ‚Zufügung‘ von Ps 108,8a LXX zu reden, ist abwegig.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
notwendig. Bei ursprünglicher Einfügung von Ps 68,26 LXX in Ps 108,8 LXX war es eine notwendige Anpassung an den singularisch formulierten Kontext. Genauso erforderlich war die Umsetzung in den Singular aber auch bei der Verwendung im Rahmen von Apg 1,18f. 2. Auslassung von evn toi/j skhnw,masin auvtw/n in V. 26b, dessen syntaktische Funktion durch das nachgestellte evn auvth/| übernommen wird. Diese Änderung war notwendig, sofern Ps 68,26 LXX als Schriftaussage im Zusammenhang der Judas-Blutacker-Tradition verwendet werden sollte. Diese sprach von einem cwri,on („Grundstück, Landgut“), auf dem der Verräter zu Tode kam. Dazu paßt e;paulij („Gehöft, Landgut“), jedoch nicht skh,nwma („Zelt, Behausung“) und erst recht nicht skhnw,mata. Umgekehrt ist diese Änderung nicht erklärbar, wenn man die Zusammenordnung beider Zitate auf eine von Lukas unabhängige Einfügung von Ps 68,26 LXX in Ps 108,8 LXX zurückführt. Denn warum in diesem Zusammenhang evn toi/j skhnw,masin (bzw. evn tw/| skhnw,mati) störend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar.65 3. Eine weitere Differenzierung zum Septuaginta-Wortlaut von Ps 68,28 LXX ist dagegen unabhängig von der jetzigen Zitatanwendung: die Abänderung des Partizip Perfekt Passiv hvrhmwme,nh („verödet“) in das Adjektiv e;rhmoj („öde“). Diese Änderung stellt eine sprachliche Vereinfachung ohne erkennbare Sinndifferenz dar. Daß diese Änderung auf Lukas zurückgeht, ist ausgesprochen unwahrscheinlich. Er selbst imitiert ja gerade in seinen eigenen Formulierungen die Septuaginta-Sprache, gibt den Reden, die er formuliert, bewußt die Patina biblischer Sprache.66 Daher ist die sprachliche Vereinfachung eines Schriftzitates ihm nicht zuzurechnen. Sie paßt aber sehr gut zur 65 vEn toi/j skhnw,masin ist ja nicht zufällig entfallen, sondern, wie der Ersatz durch evn auvth|/ zeigt, bewußt umgangen; über die Beurteilung gerade dieser Differenz zum LXX-Wortlaut als inhaltlich bedingte Änderung herrscht weitgebend Einigkeit; vgl. z.B. T. HOLTZ, Untersuchungen über die alttestamentlichen Zitate bei Lukas, TU 104, Berlin 1968, 43–46; ebenso E. NELLESSEN, Tradition und Schrift in der Perikope von der Erwählung des Matthias (Apg 1,15–26), BZ NF 19 (1975), 205–208; er übt jedoch Kritik an Haenchens These (s.o. Anm. 58), die Schriftverwendung in Apg 1,20 sei nur auf der Grundlage der LXX möglich gewesen. Das ist insofern berechtigt, als man für eine (von Nellessen postulierte) aramäische Judas-Tradition (mit Schriftzitat) nicht die wörtliche Zitierpraxis der späteren rabbinischen Literatur voraussetzen kann. Doch ist eine aramäische Vorstufe der von Lukas verarbeiteten Tradition nicht (mehr) erkennbar. Im übrigen würde eine derartige Annahme die Beurteilung der Zitate nicht verändern. Sie gehen in der bei Lukas vorliegenden Form auf jeden Fall auf die LXX zurück und sind keine Ad-hoc-Übersetzungen aus dem Aramäischen (oder Hebräischen), wie die Wahl von e;paulij in Apg 1,20 zeigt. Da cwri,on und e;paulij weitgehend gleichbedeutend sind (und hier eindeutig in der gleichen Bedeutung gebraucht werden!), ist nicht erklärlich, warum bei einer Ad-hoc-Übersetzung nicht direkt cwri,on (vgl. V. 18.19) gewählt wurde. 66 Vgl. zur LXX-Mimesis des Lk: E. PLÜMACHER, Lukas als hellenistischer Schriftsteller. Studien zur Apostelgeschichte, StUNT 9, Göttingen 1972, 38–72.
Die Überlieferung und Verwendung der Septuaginta
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Annahme, daß dieses Schriftwort schon Teil der mündlichen Überlieferung vom Ende des Verräters Judas war. Für mündliche Verwendung ist eine derartige sprachliche Vereinfachung naheliegend. 4. Ebenso ist die Änderung der Wortfolge in der Wiedergabe von Ps 68,26b LXX, die gleichzeitig mit der Abänderung von evn toi/j skhw,masin zu evn auvth|/ erfolgte, nicht auf inhaltliche Gründe zurückzuführen. Indem evn auvth|/ nachgestellt wird (und nicht in die entsprechende Lücke eingefügt wird), entsteht eine glatte Parallelität in der Abfolge der Satzglieder beider Zitatzeilen. Auch dies ist als sprachliche Vereinfachung zu beurteilen, die bei mündlicher Tradierung naheliegend ist. Damit ergibt sich als Schlußfolgerung, daß die Anführung von Ps 68,26 LXX in Apg 1,20 Teil einer vorlukanischen frühchristlichen Überlieferung über den Tod des Verräters Judas ist.67 In dieser Überlieferung bildete das Schriftzitat, das für die jetzige Verwendung erheblich umgestaltet wurde, den Schlußpunkt. Es zeigte, daß das zuvor erzählte schreckliche Ende des Verräters als göttliches Strafgericht zu verstehen ist. Die erst auf Lukas zurückzuführende Fortsetzung durch Ps 108,8b LXX, die der Anfügung der Überlieferung von der Nachwahl des Matthias dient, hat dann in der christlichen Textüberlieferung von Ps 108,8 LXX zu der im Psalterium Romanum greifbaren Texterweiterung geführt. Ein anderes Bild bietet das folgende Zitat (Ps 108,8b LXX), auch wenn es sehr kurz ist. Hier findet sich nur eine Änderung – und diese ist aufgrund des jetzigen Zusammenhanges notwendig: Die Abänderung des Optativs la,boi in den Imperativ labe,to. Zwar ist Lukas nahezu der einzige neutestamentliche Autor, der den Optativ noch in einem gewissen Umfang verwendet, aber hier war der Optativ nicht passend. Lukas will ja keinen bloßen Wunsch formulieren, sondern eine Ankündigung der Schrift zitieren, die strikt gültig ist und die sich für ihn jetzt in dem dargestellten Geschehen verwirklicht. Das heißt, Hinweise auf eine vorlukanische mündliche Verwendung des Zitats liegen nicht vor,68 und dies entspricht der Tatsache, daß die Fortsetzung in Apg 1,21f als rein lukanische Bildung anzusehen ist.69
67 So auch u.a. HOLTZ, Untersuchungen (s.o. Anm. 65), 43–48, dafür spricht zusätzlich, daß auch in Mt 27,3–10 die Judas-Blutacker-Tradition mit einem Schriftzitat schließt; vgl. auch WEISER, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 55), 65. Im Falle von Apg 1,18–20a ist das Schriftzitat auch aufgrund seiner Funktion als notwendiger Teil der Tradition anzusehen: Gegenstand von Apg 1,18–20a ist (anders als von Mt 27,3–10) die schreckliche Todesart des Judas, mit der (ebenso im Unterschied zu Mt) auch der Blutacker direkt in Verbindung gebracht wird. 68 Ebenso führen HOLTZ, Untersuchungen (s.o. Anm. 65), 47f, und WEISER, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 55), 67, die Anführung von Ps 108,8b LXX auf Lukas zurück. 69 In Apg 1,21–26 ist die lukanische Redaktion besonders intensiv; so rechnet WEISER, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 55), 66–68, lediglich V. 23.25 (teilweise) und V. 26 zur vorlukanischen Überlieferung, wobei die vorliegende Gestalt auch hier stark lukanisch gestaltet ist.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
VIII Durch die systematische Einbeziehung der Möglichkeit einer mündlichen Verwendung der Schrift (einschließlich der damit u.U. verbundenen Umgestaltungen) als weiteren Faktor wird das Bild natürlich noch einmal komplizierter. Aber diese Komplexität ist ursächlich damit verbunden, daß die Schrift als lebendiger Besitz von Juden und Christen in vielfacher Weise benutzt wurde.70 Was inhaltlich dabei sichtbar wird, ist zum einen die starke Verflochtenheit der neutestamentlichen Schriftverwendung mit aktuellen Tendenzen der (z.Zt. des Neuen Testaments noch vom Judentum getragenen) Textgeschichte der Septuaginta. Für den neutestamentlichen Exegeten bemerkenswert ist die bewußte Rückbindung der frühen Christenheit an die Schrift – sei es im Rahmen legendarischer Überlieferung, wie der von Apg 1,15–20, sei es im Rahmen bewußter theologischer Reflexion, wie der von Röm 9,30–33. Gleichzeitig wird aber auch – und gerade die Schriftanführung in Röm 9,33 macht dies überdeutlich – eine erstaunliche Freiheit im Umgang mit der Schrift sichtbar, die nicht als gedankliche Laxheit abgetan oder bagatellisiert werden kann. In anderen Worten: Es geschieht nichts weniger als die Neuaneignung des längst ergangenen und längst bekannten Gotteswortes aufgrund der jetzt ergehenden Verkündigung eines neuen eschatologischen Heilshandelns Gottes. Durch dieses Handeln Gottes sah sich die frühe Christenheit an die Schrift gewiesen, aber so, daß sie sich dazu berechtigt und genötigt sah, die Schrift jetzt in ganz anderer Weise zu lesen als zuvor.
70 Einen anderen Vorgang, die Übernahme schon im Judentum mündlich tradierter Schriftzitate im Urchristentum, kann ich hier aus Raumgründen nicht darstellen. Dieser Vorgang ist m.E. in 1Kor 1,31 und 2,9 greifbar; vgl. dazu KOCH, Schrift (s.o. Anm. 4), 35–41.
Abraham und Mose im Streit der Meinungen Beobachtungen und Hypothesen zur Debatte zwischen Paulus und seinen Gegnern 2Kor 11,22–23 und 3,7–18∗
Der zweite Teil der ‚korinthischen Korrespondenz‘ ist von dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen Paulus und den inzwischen in Korinth wirksamen christlichen Wandermissionaren bestimmt. In diesem Konflikt wird von beiden Seiten auch auf Gestalten der biblischen Überlieferung Bezug genommen, nämlich auf Abraham und Mose. Will man diese Rückbezüge auf die – für beide Seiten je auf ihre Weise wichtige – Überlieferung miteinander in Beziehung setzen, dann konfrontiert man allerdings zwei Texte, die schon in ihrem äußeren Umfang extrem ungleich sind: einerseits die kurze Selbstbezeichnung der Gegner, die Paulus in 2Kor 11,22–23 referiert, und andererseits den – im Vergleich dazu wesentlich umfangreicheren – Text des Paulus in 2Kor 3,7–18. In dieser Themenstellung verknüpfen sich zwei – in sich bereits hinreichend komplexe – Problembereiche: einerseits die Frage nach der Rezeption der biblischen Überlieferung in der frühen Christenheit, zum anderen die Frage nach den Gegnern des Paulus im 2. Korintherbrief.1 Dabei wird sich zeigen müssen, ob durch die Einbeziehung der Frage nach dem jeweiligen Rückbezug auf die biblische Überlieferung doch etwas
∗ Zuerst erschienen in: R. Bieringer (Hg.), The Corinthian Correspondence, BEThL 125, Leuven 1996, 305–324. 1 Zur Diskussion über das Problem der „Gegner“ vgl. G. FRIEDRICH, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief, in: O. Betz u.a. (Hg.), Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (FS O. Michel), AGJU 5, Leiden-Köln 1963, 181–215; = G. FRIEDRICH, Auf das Wort kommt es an. Gesammelte Aufsätze zum 70. Geburtstag, hg. v. J.H. FRIEDRICH, Göttingen 1978, 189–223; D. GEORGI, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike, WMANT 11, Neukirchen/Vluyn 1964; englische Fassung (mit einem Nachwort): The Opponents of Paul in Second Corinthians, Philadelphia 1986; C.K. BARRETT, Paul’s Opponents in II Corinthians, NTS 17, 1971, 233–254; = DERS., Essays on Paul, London, SPCK, 1982, 60–86; M. THRALL, Super-Apostles. Servants of Christ, and Servants of Satan, JSNT 6, 1980, 42–57; V.P. FURNISH, II Corinthians. Translated with Introduction. Notes. And Commentary, AB, 32A, Garden City, NY 1984, 48–54; C. WOLFF, Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, ThHK 8, Berlin 1989, 5–8; R. BIERINGER, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief, in: DERS./J. LAMBRECHT, Studies on 2 Corinthians, BEThL 112, Leuven 1994, 181–221. Auf die in dieser Anmerkung angeführten Werke wird im folgenden mit Kurztiteln verwiesen.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
neues Licht auf die zwischen Paulus und seinen Gegnern2 strittigen Positionen fällt.
I. 2Kor 11,22–23 als Selbstaussage der Gegner Der dia,konoj Cristou/ als spe,rma VAbraa,m 1. In 2Kor 11,22–23 zitiert Paulus die Vorzüge, deren sich seiner Meinung nach seine Gegner rühmen, nämlich ~Ebrai/oi, VIsrahli/tai, spe,rma VAbraa,m und dia,konoi Cristou/ zu sein. Diese Bezeichnungen, das macht Paulus deutlich, wenden die Gegner auf sich selbst an.3 Dabei liegt m.E. hier keineswegs eine erst nachträgliche Zusammenstellung ursprünglich verstreuter und unzusammenhängender Einzelbezeichnungen vor, die erst Paulus in diese kompakte Form gebracht hat, um sich mit ihnen besser auseinandersetzen zu können. Dagegen spricht die ganz unterschiedliche Art, mit der Paulus auf diese Selbstqualifikationen, die er als Ruhmestitel versteht, eingeht. In 2Kor 11,21b macht Paulus zwar deutlich, daß diese Qualifikationen, als Ruhmestitel gebraucht, grundsätzlich untauglich sind, weil jedes Sichselbst-Rühmen, gleich auf welcher Grundlage, verfehlt ist. Aber argumenta2 Relativ weit durchgesetzt hat sich die Sicht, für die in Korinth tätigen (christlichen!) Wandermissionare einen jüdisch-hellenistischen Hintergrund anzunehmen, so FURNISH, II Corinthians, 53; F. LANG, Die Briefe an die Korinther, NTD 7, Göttingen 1986, 12; WOLFF, Brief, 6. In spezifischer Weise ist diese Sicht von GEORGI, Gegner, vertreten worden: Er versteht die korinthischen Wandermissionare als qei/oi a;ndrej und stellt sie in den Zusammenhang der missionarischen Aktivität des hellenistischen Diasporajudentums, die er aus der jüdisch-hellenistischen Apologetik erschließt (GEORGI, Opponents, 83–151.368–377). Zur Kritik an der These von den Gegnern als qei/oi a;ndrej vgl. BIERINGER, Gegner, 207–208. Aber auch Georgis These eines grundsätzlich missionierenden Diasporajudentums ist anfechtbar. Zwar konnte die Sympathiewerbung der jüdisch-hellenistischen Apologetik und der Synagogengemeinden der Diaspora in der Tat zu individuellen Übertritten führen, doch ist dies nicht mit der missionarischen Dynamik des frühen Christentums gleichzusetzen. Zu einem Aussendungsbericht wie Apg 13,1–3 oder Gemeindegründungsdarstellungen wie Apg 8,4–25; 13; 14 oder 16–19 gibt es eben keine jüdisch-hellenistischen Entsprechungen. Skepsis gegenüber der Sicht eines grundsätzlich missionsorientierten Disasporajudentums äußert auch A.T. KRAABEL, The Roman Diaspora; Six Questionable Assumptions, JJS, 1982, 445–464, dort 451–452, und J. MURPHY-O’CONNOR, St. Paul’s Corinth. Texts and Archaeology, GNS 6, Wilmington, DE 1983, 80. – Auf der anderen Seite vertritt G. LÜDEMANN, Paulus, der Heidenapostel. Band II. Antipaulinismus im frühen Christentum, FRLANT 130, Göttingen 1983, 132–143, die Jerusalemer Herkunft der korinthischen Gegner; vgl. auch BARRETT, Opponents, und THRALL, Super-Apostles. 3 Als Selbstbezeichnungen der Gegner wird 2Kor 11,22–23 auch gewertet von GEORGI, Opponents, 27–60, bes. 27.40–41; WOLFF, Brief, 230–231; FRIEDRICH, Gegner, (Aufsätze), 189– 190.194; ebenso (wenn auch mit Vorsicht gegenüber allzu weitgehenden Schlußfolgerungen) FURNISH, II Corinthians, 533–535.
Abraham und Mose im Streit der Meinungen
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tiv geht Paulus mit den vier Selbstqualifikationen dann ganz unterschiedlich um. Die ersten drei Selbstbezeichnungen, ~Ebrai/oi, VIsrahli/tai, spe,rma VAbraa,m behandelt Paulus lediglich als individuelle, rein biographisch zu wertende Angaben, denen er mit einem dreimaligen „ich auch“, „ich auch“, „ich auch“ begegnen zu können meint und die er damit faktisch doch nur beiseite schiebt. Erst bei der vierten Selbstbezeichnung, dia,konoi Cristou/, geht Paulus auf den darin enthaltenen Selbstanspruch argumentativ ein. Hier wird er plötzlich beredt, hier setzt er auch rhetorische Stilmittel ein4 und entfaltet, worin, wenn überhaupt, sachgemäßes Rühmen bestehen kann – im Ruhm der Schwachheit (11,30). Das spricht dagegen, daß erst Paulus diese Viererreihe gebildet hat. Es ist auch nicht stichhaltig, daß diese Selbstbezeichnungen als Gruppenbezeichnungen zu unspezifisch seien.5 Unspezifisch sind diese Bezeichnungen nur, wenn man sie – mit Paulus – als rein biographische Daten behandelt und damit faktisch von der vierten Selbstbezeichnung, dia,konoi Cristou/, abtrennt. Aber gerade das dürfte erst auf Paulus zurückzuführen sein.6 Es ist also davon auszugehen, daß es sich um eine zusammenhängende Selbstbezeichnung der in Korinth zu dieser Zeit tätigen Wandermissionare handelt, die Paulus durchaus korrekt wiedergibt, auch wenn er ihnen inhaltlich mit seiner unterschiedlich gelagerten Gegenargumentation nicht in gleicher Weise gerecht geworden sein dürfte. Jedenfalls spricht die dreifache Bezeichnung der jüdischen Herkunft dagegen, daß die Missionare hiermit lediglich Mitteilung machen wollten, sie stammten nicht aus dem Ethnos X, sondern aus dem Volk Y. Auch reicht es nicht, darauf hinzuweisen, daß hier der gängige Topos peri. euvgenei,aj vorliege – allerdings in von Paulus parodierter Form.7 Denn zum Aufweis der eigenen jüdischen Herkunft und für deren positive Hervorhebung hätten die Bezeichnungen ~Ebrai/oj und VIsrahli/thj völlig ausgereicht; ihnen gegenüber enthält spe,rma VAbraa,m – jedenfalls hinsichtlich der Herkunft der Sprecher – kein zusätzliches Moment. Doch ist gerade zu erklären, warum diese vermeint4 Zur rhetorischen Analyse von 2Kor 11,23b–33 vgl. J. ZMIJEWSKI, Der Stil der paulinischen „Narrenrede“. Analyse der Sprachgestaltung in 2Kor 11,1–12,10 als Beitrag zur Methodik von Stiluntersuchungen neutestamentlicher Texte, BBB 52, Köln/Bonn 1978, 243–323. 5 So der Einwand von K.-W. NIEBUHR, Heidenapostel aus Israel. Die jüdische Identität des Paulus nach ihrer Darstellung in seinen Briefen, WUNT 62, Tübingen 1992, 128, Anm. 83. Immerhin muß auch Niebuhr annehmen, daß sich Paulus hier keineswegs nur mit fiktiven Problemen auseinandersetzt; und er muß einräumen, daß die (von Paulus vorgenommene) Reihung „Vorzüge seiner Gegner benennt, auf die sich möglicherweise ihr Selbstverständnis gründete“. 6 Formal handelt es sich bei den jeweiligen Antworten des Paulus auf die Selbstbezeichnungen der Gegner um das Verfahren der ‚Synkrisis‘ (vgl. ZMIJEWSKI, Stil [Anm. 4], 322), doch fällt diese ‚Vergleichung‘ eben charakteristisch unterschiedlich aus. 7 So H.-D. BETZ, Der Apostel Paulus und die sokratische Tradition. Eine exegetische Untersuchung zu seiner „Apologie“ 2Korinther 10–13 (BHTh, 45), Tübingen 1972, 97; vgl. FURNISH, II Corinthians, 534.
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lich rein biographischen Daten auf die Selbstbezeichnung spe,rma VAbraa,m zulaufen und in dieser Zuspitzung in einer Reihe erscheinen, die in der Qualifikation als dia,konoi Cristou/ gipfeIt. Die Fragen, die sich hier im einzelnen stellen, sind m. E. folgende: a) In welchem Sinne bilden die insgesamt vier Selbstbezeichnungen „Hebräer, Israeliten, Same Abraham, Diener Christi“ eine Einheit? Genauer: Welches Gesamtkonzept kann man bei Missionaren vermuten, die ihre Rolle und Aufgabe mit diesen vier zusammenhängenden Begriffen offenbar doch authentisch beschreiben? b) Warum bezeichnen sich Missionare, die sich bewußt als dia,konoi Cristou/ verstehen, betont als Hebräer, Israeliten, Same Abrahams – und zwar gegenüber einer Gemeinde, die zum weitaus überwiegende Teil aus Personen besteht, die diese Bezeichnungen nicht auf sich selbst anwenden können? 2. Die Bezeichnungen „Hebräer, Israelit, Same Abrahams“ sind – in jeweils unterschiedlicher Nuancierung – Ausdruck eines deutlich erkennbaren jüdischen Traditionsbewußtseins. Sie sind als Fremdbezeichnungen ungebräuchlich; vielmehr sind sie Selbstbezeichnungen, die bewußt an die eigenen Traditionsinhalte anknüpfen. Es ist der Zusammenhang der gegenwärtigen Situation der Sprecher oder Schreiber mit der eigenen, positiv gesehenen Vergangenheit und Herkunft, der mit diesen Bezeichnungen hervorgehoben werden soll. Das wird sofort deutlich, wenn man die Verwendungen von ~Ebrai/oj mit dem neutralen Begriff VIoudai/oj vergleicht, der hier bezeichnenderweise fehlt.8 Die Nuancen zwischen den drei Begriffen ~Ebrai/oj, VIsrahli/thj und spe,rma VAbraa,m sind dabei nicht besonders groß, aber durchaus feststellbar. Mit ~Ebrai/oj, das nicht nur archaisierender klingt als VIoudai/oj, sondern auch als VIsrahli/thj,9 wird primär der geschichtliche Zusammenhang mit 8 Zur unterschiedlichen Verwendung von VIoudai/oj und VIsrahli/thj bzw. (lao.j) VIsrah,l vgl. die jüngste umfassende Untersuchung von P.J. TOMSON, The Names Israel and Jew in Ancient Judaism and in the New Testament, Bijdr 47, 1986, 120–140 und 266–289. TOMSON stellt zu Recht fest, daß es sich bei VIoudai/oj um eine ethnische Bezeichnung handelt, die entweder als Fremdbezeichnung benutzt wird oder in jüdischen Texten erscheint, sofern diese sich (jedenfalls potentiell) an nicht-jüdische Adressaten wenden bzw. nicht-jüdische Äußerungen zitieren (120.133–136.140). Damit ist die religiöse Dimension in dieser ethnischen (Fremd-) Bezeichnung nicht ausgeblendet (125–126). Doch bleibt festzuhalten: VIoudai/oj „is a self-designation of Jews used in communication with non-Jews. The inner-Jewish self-designation remains to be ,Israel‘, as in the Bible“ (140). 9 Zutreffend M. HENGEL, Zwischen Jesus und Paulus, ZThK 72, 1975, 151–206, dort 169: Der Begriff ~Ebrai/oj „wird 1. als ausgesprochen archaisierende Volksbezeichnung bei der Beschreibung der biblischen Geschichte verwendet, 2. finden wir das Wort im poetischen, literarisch
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dem schon seit langem existierenden Volk und die Zugehörigkeit zu ihm10 hervorgehoben,11 während mit VIsrahli/thj stärker die religiöse Komponente angesprochen wird. Zutreffend stellt Peter Tomson fest: „‚Israel‘ remains the name used in inner-Jewish speech conceived in the perspective of Jewish history which is created by the Bible: Israel, a people singled out by God for a historic mission in the world of nations“.12 Noch evidenter ist der theologische Sinn der Selbstbezeichnung spe,rma VAbraa,m. Zwar ist die Rede von Abraham als ‚Vater‘ oder Stammvater der Israeliten traditionell, dennoch ist die Selbstbezeichnung als spe,rma VAbraa,m – im Unterschied zur Selbstbezeichnung VIsrahli/tai – ausgesprochen selten.13 Mit dem Rückbezug auf Abraham wird hinter die Ursprungsgeschichte des Volkes Israel gehobenen Sprachgebrauch, und 3. bedeutet es – von der Sicht der Diaspora aus … den aus Palästina – d.h. dem Heiligen Land – stammenden oder mit Palästina besonders verbundenen Juden“. 10 Damit kann sich auch der Aspekt der Zugehörigkeit zum hebräischen bzw. aramäischen Sprachbereich verbinden, besonders wenn (wie in Apg 6,1) der Gegenbegriff ~Ellhnisth,j erscheint (vgl. HENGEL, Jesus [Anm. 9], 165–169), doch ist dieser Aspekt keineswegs automatisch mit dem Begriff ~Ebrai/oj verbunden (anders NIEBUHR, Heidenapostel [Anm. 5], 106–107). Zur Verwendung von ~Ebrai/oj im nicht-sprachlichen Sinne vgl. Josephus, Bell. V 160 (h` ~Ebrai,wn klhroci,a). 443 (to. ge,noj tw/n ~Ebrai,wn – auf die Gegenwart bezogen!). Auch bei der Synagogeninschrift von Korinth – SUN]AGWGH EBR[AIWN – steht eher der Traditions- als der Sprachaspekt im Vordergrund; vgl. A. DEISSMANN, Licht vom Osten, Tübingen 4 1923, 13, Anm. 8: „Ich glaube nicht, daß bei ~Ebrai/oi an hebräisch redende Juden zu denken ist.“ Vgl. auch P.W. VAN DER HORST, Ancient Jewish Epitaphs. An Introductory Survey of a Millennium of Jewish Funerary Epigraphy, 300 BCE – 700 CE, Contributions to Biblical Exegesis and Theology 2, Kampen 1991, 87. Allerdings ist das Alter der Inschrift schwer zu bestimmen; vgl. den von DEISSMANN, Licht, 12–13 Anm. 8, mitgeteilten Datierungsversuch durch H. v. Gaertringen („als äußerste Grenzen der Entstehungszeit seien mit Vorbehalt die Jahre 100 v.Chr. bis 200 n.Chr. zu vermuten“). Eine spätere Datierung vertritt B.D. MERITT, Corinth VIII/1. Greek Inscriptions 1896-1927, Cambridge, MA 1931, 79: „the style of lettering indicates that the inscription is considerably later than the time of St. Paul.“ Ohne jede Festlegung: MURPHY-O’CONNOR, Corinth (Anm. 2), 78. FURNISH, II Corinthians, 21, referiert die Meinung von C.K. Williams, „the inscription could be as late as the fourth century C.E.“ Auch wenn man die Inschrift selbst aus methodischer Vorsicht erst für deutlich nachpaulinisch hält, ist nicht auszuschließen, daß die Bezeichnung Sunagwgh. ~Ebrai,wn älter als die Inschrift selbst ist. 11 Gegen eine automatische Einbeziehung des Sprachaspekts in die Bezeichnung ~Ebrai/oi spricht auch die Bezeichnung weiterer Synagogen als ,Synagogen der Hebräer‘ (jeweils in griechischen Inschriften!), so – neben Korinth – nicht nur in Rom, sondern auch in Golgoi/Zypern (CIJ 735; 4. Jh. n.Chr.) und Philadelphia/Lydien (CIJ 754); vgl. auch die Gruppenbezeichnung oi` ~Ebrai/oi in Aphrodisias (J. REYNOLDS/R. TANNENBAUM [Hg.], Jews and Godfearers at Aphrodisias. Greek Inscriptions with Commentary, Cambridge 1987, 132) und Seleukia/ Kilikien (CIJ 784). Ein Sonderproblem besteht darin, daß in Rom eine Sunagwgh. ~Ebrai,wn (CIJ 510; vgl. 291, 317, 535) neben (!) anderen Synagogen existierte; vgl. einerseits W. SCHRAGE, sunagwgh, ktl. ThWNT 7, 1964, 798–850, dort 807, andererseits VAN DER HORST, Epitaphs (Anm. 10), 87–88. 12 TOMSON, Names (Anm. 8), 126. 13 Sie begegnet lediglich in poetischen Texten bzw. literarisch besonders hervorgehobenen Textteilen, so Ps 104,6 LXX; PsSal 9,9. In 3Makk 6,3 und 4Makk 18,1 (avpo,gonoi tw/n VAbramiai,wn sperma,twn) handelt es sich um einen Gebetstext bzw. eine rhetorisch besonders hervorgehobene Anrede. In zwei Fällen erscheint als Parallelbegriff te,kna bzw. ui`oi. VIakw,b (Ps 104,6 LXX; 3Makk 6,3).
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zurückgegangen und an den ‚Vorvater‘, den ersten Verehrer des einen Gottes und Empfänger der grundlegenden Verheißungen, angeknüpft.14 Damit liegt schon in den ersten drei Gliedern der Kette der Selbstbezeichnungen von 2Kor 11,22–23 eine bewußte Steigerung vor: Zu Beginn steht ein archaisierender Begriff, der in erster Linie einen ethnischen und geographischen Bezug hat; es folgt an zweiter Stelle die gängige jüdische Selbstbezeichnung, die das Selbstverständnis der Sprecher als Glieder des erwählten Volkes angemessen zum Ausdruck bringt. Das dritte Glied der Kette hat dann nochmals stärkere theologische Implikationen – und steht nicht zufällig unmittelbar vor der vierten und abschließenden Selbstbezeichnung als dia,konoi Cristou/. Und wenn spe,rma VAbraa,m als bewußte Steigerung gegenüber ~Ebrai/oi und VIsrahli/tai zu verstehen ist,15 dann gilt dies für die vierte Bezeichnung erst recht.16 Im Sinne der mit Paulus konkurrierenden Wandermissionare wird man sagen müssen: Als ~Ebrai/oi, als VIsrahli/tai und als spe,rma VAbraa,m sind sie dia,konoi Cristou/. Hier herrscht keine Spannung oder gar Antithese, sondern Synthese.17 Gerade als dia,konoi Cristou/ treten sie nicht aus den Zusammenhängen der Verheißungs- und Erwählungsgeschichte Israels heraus. Vielmehr verkörpern sie – auch gegenüber den Hörern – in ihrer eigenen Person diesen Zusammenhang der Christusbotschaft mit der Verheißungs- und Erwählungsgeschichte Israels, wobei Christus als deren integraler Bestandteil – und doch wohl auch: als deren Kulminationspunkt – verstanden wird. Gleichzeitig ist davon auszugehen, daß die in Korinth tätigen Wandermissionare, anders als die Gegner des Paulus in Galatien, mit ihrem Kontinuitätskonzept keine weitergehenden Forderungen verbinden, die auf eine Integration der Christengemeinde von Korinth in den jüdischen Religionsverband hinauslaufen würden. Die Frage der Beschneidung oder überhaupt der Geltung des Gesetzes ist nicht kontrovers.18 Dennoch wird man annehmen müssen, daß diese Wandermissionare ihre Zugehörigkeit zum Verheißungsvolk nicht nur in der Weise als persönliche Qualifikation betrachtet haben, wie etwa ein jüdischer Magier gegenüber einem nichtjüdischen Publikum den Hinweis auf seine jüdische Herkunft
14 Vgl. K. BERGER, Art. Abraham II. Im Frühjudentum und Neuen Testament, TRE 1, 1977, 372–382, dort 373.376. 15 So auch LANG, Briefe (Anm. 2), 343. 16 Auch in rhetorischer Hinsicht weist die Abfolge der vier Selbstbezeichnungen eine bewußte Steigerung auf; vgl. die Analyse von ZMIJEWSKI, Stil (Anm. 4), 237. 17 Dies betont GEORGI, Opponents, 246–313. 18 Vgl. FURNISH, II Corinthians, 53; WOLFF, Brief, 7–8.
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benutzt hat, nämlich als Argument, das ausschließlich seine eigene Qualifikation – im Unterschied zu seinem Publikum – hervorheben sollte.19 Die Frage lautet also: Welche Inhalte verbanden sich mit dem jüdisch geprägten Traditionsbewußtsein dieser dia,konoi Cristou/ im Blick auf die Adressaten? 3. Ein möglicher Ansatzpunkt ist die betonte Selbstbezeichnung als spe,rma VAbraa,m. ~Ebrai/oi und VIsrahli/tai waren die Wandermissionare im Unterschied zu ihren Hörern in Korinth – aber als spe,rma VAbraa,m konnten sie auch die christliche Gemeinde nichtjüdischer Herkunft ansprechen – oder genauer gesagt: Sie konnten durch ihre eigene unbestreitbare Zugehörigkeit zum Verheißungsvolk Israel den Zuhörern deren Zugehörigkeit zum spe,rma VAbraa,m glaubwürdig vermitteln. Schon im Rahmen des hellenistischen Judentums bot sich Abraham aufgrund der biblischen Überlieferung geradezu als Modell an, um den Zusammenhang des jüdischen Volkes mit der übrigen Völkerwelt zu klären.20 Einerseits galt Abraham als das Urbild des Proselyten, insofern er als einzelner zur wahren Gottesverehrung gelangt war.21 Andererseits boten die biblischen Traditionen von den Söhnen Abrahams mit Ketura und von den zwölf (!) Söhnen Ismaels (Gen 25,1–6.12–18) die Möglichkeit, eine Verwandtschaft des Volkes Israel mit den anderen Völkern – und zwar über den Vorvater Abraham – darzustellen.22 Selbst da, wo die Verwandtschaft 19 Vgl. den Exorzismus eines jüdischen Wundertäters vor Vespasian bei Josephus, Ant. VIII 2,5 (= §§ 45–49). Ebenso setzt Justin, Dial 85,3, ganz selbstverständlich die Tätigkeit jüdischer Exorzisten voraus; vgl. auch Mt 12,27/Lk 11,19; Apg 19,13–17 sowie den „Syrer aus Palästina“ bei Lukian, Philopseudes 16. Zu Schriftgelehrten als Exorzisten vgl. Bill IV, 534–535. 20 Zum jüdischen Abrahambild vgl. K. BERGER, Abraham in den paulinischen Hauptbriefen, MThZ 17, 1966, 47–89; G. MAYER, Aspekte des Abrahambildes in der hellenistisch-jüdischen Literatur, EvTh 32, 1972, 118–127; BERGER, Abraham II (Anm. 14), 372–382; zu Philo: S. SANDMEL, Philo’s Place in Judaism. A Study of Conceptions of Abraham in Jewish Literature, Cincinnati, OH 1956; zu Josephus: L.H. FELDMAN, Abraham the Greek Philosopher in Josephus, TPAPA 99, 1968, 143–156; DERS., Abraham the General in Josephus, in: F.E. Greenspahn u.a. (Hg.), Nourished with Peace. Studies in Hellenistic Judaism in Memory of Samuel Sandmel, Chico, CA 1984, 43–49; zum haggadischen Abrahambild vgl. G. VERMES, Scripture and Tradition in Judaism. Haggadic Studies, SPB 4, Leiden 21973, 67–126; zu den (gelegentlichen) Erwähnungen Abrahams in der außerjüdischen Literatur vgl. J.S. SIKER, Abraham in Graeco-Roman Paganism, JSJ 18, 1987, 188–208. 21 Die Gotteserkenntnis Abrahams, die sich in der Abkehr vom Polytheismus (und bei Philo und Jub: von der Astrologie) manifestiert, wird durchweg hervorgehoben, so bei Ps-Eupolemos, F 1 § 3, JSHRZ 1/2, 141; Ps-Hekataios II, F 1 (zitiert bei Josephus, Ant. 17,1; JSHRZ 1/2, 158); ApkAbr 1–8; Jub 11,16–17; 12,1–31; Philo, Abr. 68–88; Virt. 212–219; GenR 39. Philo, Virt. 219, bezeichnet Abraham als a[pasin evphlu,taij euvgenei,aj kanw,n. 22 Die Nachkommenlisten aus Gen 25 werden dabei bewußt aufgenommen und ausgebaut, um eine Zuordnung anderer Völker zum eigenen Stammvater zu erreichen. Die Zuordnung der Nabatäer (Josephus, Ant. I 12,4 – vgl. schon Artapanos, F 2, JSHRZ 1/2, 127–128) lag aufgrund von Gen 25,12–18 nahe; nach Josephus, Ant. I 15 stammen die sagenhaften Troglodyten und die
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zwischen Juden und Spartanern etabliert werden soll, geschieht dies, indem eine gemeinsame Abstammung von Abraham behauptet wird.23 Was in jüdischen Quellen allerdings fehlt, ist, daß auch diese Nachkommen Abrahams gleichermaßen Adressaten der Abraham gegebenen Verheißungen24 sind.25 Gerade an diesem Punkt mußten die in Korinth wirksamen Wandermissionare angesichts ihrer nichtjüdischen Adressaten über das bisherige Abrahambild hinausgehen, wenn sie denn ihre Hörer in den Zusammenhang der biblischen Verheißungsgeschichte, die in Christus ihr Ziel findet, eingliedern wollten. Sie konnten also Abraham gerade nicht als den ersten Proselyten interpretieren, sondern mußten in ihm den ‚Vater vieler Völker‘ sehen, der eben diesen vielen Völkern zum Segen werden sollte. Wir haben natürlich kein Zeugnis über das Abrahambild der in Korinth tätigen Wanderprediger – aber wir haben ein zeitgleiches Zeugnis für dieses Abrahambild, das hier hypothetisch für die Gegner des Paulus angenommen worden ist – nämlich bei Paulus selbst. Paulus knüpft gerade an die soeben genannten Momente des in der Schrift bereitliegenden Abrahambildes an, Einwohner der Arabia Felix ebenfalls von Abraham ab, und schon Kleodemus Malchas (F 1; JSHRZ 1/2, 119–120; bei Josephus ibid. zitiert) führt die Einwohner Assyriens und ‚Afrikas‘ auf Abraham zurück (auf der Basis von Gen 25,1–6). 23 1Makk 12,6–7.21; zur Legende von der Verwandtschaft zwischen den Juden und Spartanern vgl. jetzt P. PILHOFER, Presbyteron Kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte, WUNT 2/39, Tübingen 1990, 146–147. 24 Der von Abraham ausgehende Segen für die Völker stellt in der zeitgenössischen jüdischen Abrahamtradition kein zentrales Thema dar. Spe,rma VAbraa,m im eigentlichen Sinne ist lediglich Israel. Zum zeitgenössischen jüdischen Verständnis von Gen 12,3b und 22,17–18 vgl. G. SASS, Leben aus den Verheißungen. Traditionsgeschichtliche und biblisch-theologische Untersuchungen zur Rede von Gottes Verheißungen im Frühjudentum und beim Apostel Paulus, FRLANT 164, Göttingen 1995, 207–210; vgl. 72–75 zur Analyse von Sir 44,19–21: Dominierend ist die Mehrungszusage (Sir 44,21c–g), während die Segenszusage für „e;qnh“ (pa,nta und der Artikel fehlen!) offenbar auf die Anwesenheit Israels unter den Völkern bezogen wird: „Deswegen hat er (Gott) ihm (Abraham) durch Eid zugesichert, daß durch seinen Samen Völker gesegnet werden sollen“ (Sir 44,21a.b). 25 Zwar wirkt sich die Anwesenheit Abrahams bei Chaldäern, Phöniziern und Ägyptern positiv aus; so bringt nach Artapanos (F 1; JSHRZ 1/2, 142), Ps-Eupolemos (F 1 § 8; JSHRZ I/2, 142) und PS-Hekataios 11 (F 1 § 167–168; JSHRZ I/2, 159) Abraham den Ägyptern die Astrologie (nach PS-Eupolemos, F 1 § 4 [JSHRZ I/2, 141] auch den Phöniziern), und nach PS-Eupolemos, F 1 § 3 (JSHRZ 1/2, 141) habe Abraham die Astronomie überhaupt erfunden (PS-Hekataios 11 und PS-Eupolemos nennen dabei außerdem noch die mit der Astronomie eng verwandte Mathematik). Doch wird dies nicht als Erfüllung der Segenszusage von Gen 12,3c oder 18,18b interpretiert. Vielmehr wird Abraham hier als Kulturbringer und prw/toj eu`reth,j dargestellt (genau wie z.B. Joseph bei Artapanos, F 2 [JSHRZ 1/2, 127–128] oder Mose [dazu s.u. S. 80). Ziel dieser Argumentation ist die Gleichrangigkeit des eigenen Volkes mit anderen Völkern hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungen, vgl. K. THRAEDE, Erfinder II (geistesgeschichtlich), RAC 5, 1962, 1191– 1278. Das Bild von Abraham (und dann von Mose) als prw/toj (!) eu`reth,j und als Kulturbringer ist dabei ein wichtiger Baustein für den Altersbeweis in der hellenistisch-jüdischen Apologetik; vgl. PILHOFER, Presbyteron, (Anm. 23), 143–220.
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an Abraham als den Vater vieler Völker (Röm 4,17) und den Segensträger für pa,nta ta. e;qnh (Gal 3,8). Und wenn in christlichen Gemeinden außerhalb des jüdischen Synagogenverbandes bewußt auf Abraham rekurriert wurde, dann war es nahezu zwangsläufig, diese Momente zu reaktivieren. Daß nur Paulus dazu in der Lage gewesen sein soll, will mir jedenfalls nicht einleuchten. Spezifisch paulinisch sind dann die Antithese von e;rga no,mou und pi,stij und die Herausarbeitung Abrahams als Modellfall des Glaubenden (Gal 3; Röm 4). Diese Momente führt Paulus sicher zusätzlich in das Abrahambild ein. D.h. beim Vergleich des – natürlich nur hypothetisch zu rekonstruierenden – Abrahambildes der korinthischen Wanderprediger mit dem des Paulus ist also mit beidem zu rechnen, einem nicht unbeträchtlichen Maß grundsätzlicher Übereinstimmung und gleichzeitig mit spezifischen Differenzen. 4. Die größte inhaltliche Differenz ist aber darin zu sehen, daß Paulus die theologische Bedeutung seiner jüdischen Herkunft und Identität anders bestimmt als die mit ihm in Korinth konkurrierenden Wanderprediger. Für Paulus ist seine Zugehörigkeit zum jüdischen Volk einerseits Erweis für die Treue Gottes zu seinem erwählten Volk (so Röm 11,1), während sich Paulus andererseits in Phil 3,5 mit einer ganz ähnlichen Kette von Bezeichnungen wie hier in 2Kor 11,22 als der ,exemplarische’, nämlich durch Herkunft und praktizierte Toratreue konsequente Jude stilisiert, der gerade deshalb auch mit Kompetenz und Glaubwürdigkeit das kritische Urteil über seine frühere Existenz im VIoudai?smo,j fällen kann.26 Die Herkunft als ~Ebrai/oj und VIsrahli/thj ist für Paulus also gerade in solchen Zusammenhängen wichtig, in denen es um das neue Erwählungsund Heilshandeln Gottes geht – und um die Kontroversen, die sich hieraus ergeben. In solchen Zusammenhängen kann Paulus darüber hinaus betonen, daß sein früheres konsequentes Jude-Sein sogar bis zur Verfolgung der Christusanhänger führte (Phil 3,6, vgl. Gal 1,13). Dagegen benutzt Paulus seine Zugehörigkeit zum jüdischen Volk – anders als die Wanderprediger von Korinth – nie als Legitimation für seine missionarische Tätigkeit selbst und erklärt sie auch nicht zum theologisch notwendigen Teil seines Apostelamtes. Die Selbstvorstellungen in den Präskripten seiner Briefe, in denen jeder vergleichbare Hinweis fehlt, sind hier ganz eindeutig. Für Paulus ist es also kennzeichnend, daß er seine Herkunft aus und seine Zugehörigkeit zu Israel im Lichte des Christusgeschehens sieht, das einerseits eine Bekräftigung der Zusagen an die Väter darstellt (Röm 15,8), andererseits eine – für ihn auch biographisch demonstrierbare – Beendigung 26
Vgl. hierzu NIEBUHR, Heidenapostel (Anm. 5), 109–111.
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des Weges des Toragehorsams als Weg zur Erfüllung des Gotteswillens bedeutet (Phil 3,7ff). Nur durch diesen Bruch hindurch kann sich Paulus positiv auf seine jüdische Identität zurückbeziehen (vgl. die Aussage Röm 11,1 – vor dem Hintergrund [!] von Röm 9,30–10,13). Nun ist deutlich, daß Paulus diese Differenz, die sich hier zwischen den in Korinth tätigen Wanderpredigern und ihm auftut, in 2Kor 11,22–23 gerade nicht diskutiert. Den Anspruch, FKCMQPQK&TKUVQW zu sein, greift er auf; hier beginnt er zu argumentieren, während er den Verweis der Wanderprediger auf ihre Zugehörigkeit zu Israel als lediglich individuelle biographische Daten behandelt und damit herunterspielt. Im Rahmen der „Narrenrede“ von 2Kor 11,1–12,13 war offenbar kein Platz, um die Frage nach der Bedeutung der Zugehörigkeit zu Israel als Qualifikationsmerkmal des Apostels zu erörtern. Doch wäre es verwunderlich, wenn Paulus nicht bemerkt haben sollte, daß hier mehr vorliegt als eine lediglich biographisch gemeinte Mitteilung ohne jede Relevanz für den Anspruch der Wanderprediger, FKCMQPQK&TKUVQW zu sein.
II. 2Kor 3,7–18 als Antwort des Paulus Die FKCMQPKC des Apostels im Gegenüber zur FKCMQPKC des Mose 1. Hält man sich die möglichen Implikationen der Kette der Selbstbezeichnungen vor Augen, nämlich eine Konzeption, in der diese Wandermissionare als `(DTCKQK und 8,UTCJNKVCK den christlichen Hörern deren Zugehörigkeit zum URGTOC8$DTCCO vermitteln können, dann legt sich 2Kor 3,7–18 geradezu als Kontrastprogramm nahe, ja als implizite paulinische Antwort auf das Kontinuitätskonzept seiner Gegner, das aus den Selbstbezeichnungen von 2Kor 11,22–23 erhoben werden kann. Bezeichnend ist schon die Wahl der biblischen Person, die Paulus zur Explikation seiner eigenen Sicht heranzieht: nicht Abraham, sondern Mose. Zwar kann auch Mose in der jüdischen (wie auch in der nichtjüdischen) Literatur als der exemplarische Weise geschildert werden, dessen Weisheit alle übrige Weisheit übertrifft und von dessen Weisheit auch andere Völker, speziell die Ägypter, profitiert haben. Aber das steht beim Mosebild nicht im Vordergrund, sondern ist nur ein Teilaspekt des Gesamtbildes. Mose steht – anders als Abraham – nicht mehr vor der Volkwerdung Israels, sondern innerhalb der Geschichte des Volkes, das von anderen Völkern unterscheidbar ist. Und Mose ist – neben der Befreiung aus der Fremdherrschaft – primär mit der Sinaigesetzgebung verknüpft und verkörpert somit die Absonderung des einen Volkes von den übrigen Völkern. Dabei ist
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dieser Aspekt auch dort leitend, wo Mose außerhalb des Judentums wahrgenommen wird. Zwar konnte Mose, der ohnehin im außerjüdischen Bereich wesentlich bekannter war als Abraham, in der paganen Literatur auch positiv bewertet werden,27 und zwar im Zusammenhang mit der Sicht, daß die Barbarenvölker der eigentliche Ursprungsort der Weisheit seien.28 So nennt Numenios von Apamea (in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n.Chr.) Brahmanen, Juden, Magier und Ägypter als die tatsächlichen Quellen der Weisheit und fragt rhetorisch: „Was ist Platon anderes als Mose auf Griechisch?“ ti, ga,r evsti Pla,twn h' Mwsh/j avttiki,zwn?29 Auf der anderen Seite ist Mose nicht nur für Tacitus der Urheber der jetzigen Situation, die aus paganer Sicht dadurch gekennzeichnet ist, daß „bei den Juden alles unheilig ist, was bei uns heilig ist“ – und umgekehrt (Tac., Hist. V 4,1).30 Schon Hekataios von Abdera schreibt Anfang des 3. Jh. v.Chr. in seiner an sich keineswegs feindseligen Darstellung, Mose habe „eine unnatürliche und fremdenfeindliche Lebensweise eingeführt“ – avpa,nqrwpo,n tina kai. miso,xenon bi,on.31 D.h. auch in der Außenwahrnehmung verbindet sich die Gestalt des Mose mit der Sonderrolle des jüdischen Volkes – was dort allerdings je länger, desto kritischer aufgefaßt wird. Und nun ist es charakteristisch, daß auch Paulus in 2Kor 3,7–18 gerade Mose als Kontrastmodell benutzt – und zwar in deutlicher Bezugnahme auf die Sinaigesetzgebung, wenn er in 3,7a von einer diakoni,a spricht, deren Buchstaben in Stein gemeißelt sind. Sicher: Auch Paulus kann positiv auf die Abrahamkindschaft der an Christus Glaubenden eingehen. Hier legt er aber nicht eine bessere Abrahaminterpretation vor, sondern ein Alternativmodell.
27 Vgl. die umfassende Analyse von J.G. GAGER, Moses in Graeco-Roman Paganism, SBL MS 16, Nashville, TN/New York 1972. Zur Bekanntheit des Mose vgl. PILHOFER, Presbyteron (Anm. 23), 214–216. 28 Vgl. hierzu ibid., 65–75. 29 Zitiert nach M. STERN, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism. I. From Herodotus to Plutarch; II. From Tacitus to Simplicius. Jerusalem, The Israel Academy of Sciences and Humanities, 1974–1980, dort Nr. 363 c = II, 210. Zu Numenios vgl. GAGER, Moses (Anm. 27), 63–69; PILHOFER, Presbyteron (Anm. 23), 218–219. 30 Zitiert nach Tacitus, Historiae. Lateinisch-deutsch, hg. v. J. Borst, München/Zürich 51984, 515; vgl. dazu GAGER, Moses (Anm. 27), 82–86; H. CONZELMANN, Heiden – Juden – Christen. Auseinandersetzungen in der Literatur der hellenistisch-römischen Zeit, BHTh 62, Tübingen 1981, 108–119. 31 Zitiert nach STERN, Authors (Anm. 29), Nr. 11 = I, 26. Hekataios erklärt dies zwar als Folge der eigenen Vertreibung der Juden aus Ägypten, doch ist die negative Charakterisierung von Mose (als Urheber und Inbegriff jüdischer Lebensweise) nicht zu übersehen. Zur Tendenz von Hekataios vgl. GAGER, Moses (Anm. 27), 26–37; CONZELMANN, Heiden (Anm. 30), 56–58.
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2. Die Textabfolge in 2Kor 3 hat ja schon immer Schwierigkeiten verursacht. Nach den klar auf die Gegner bezogenen Aussagen in 3,1–3 (sowie 3,4–5) scheint sich Paulus ab 3,6 und dann vor allem ab 3,7 immer stärker von der aktuellen Diskussionslage zu entfernen, so daß man häufig 3,7–18 als Exkurs oder ‚Einlage‘ bewertet hat.32 Doch spricht schon das Leitwort diakoni,a, das ab 3,7 die Ausführungen des Paulus strukturiert, dagegen, daß Paulus ausgerechnet hier die aktuelle Kontroverse, in der er steht, aus den Augen verloren haben soll. Es ist ja zudem dasselbe Stichwort, das die Gegner laut 11,22–23 positiv auf sich selbst anwenden – und der Streit geht darum, wie diese diakoni,a, der sich Paulus mindestens genauso verpflichtet weiß, sachgemäß zu verstehen ist. Ein ganz deutlicher Zusammenhang mit der aktuellen Kontroverse liegt zunächst in der Argumentationsabfolge von 3,5 zu 3,6 vor: Paulus präzisiert die strittige Frage der i`kano,thj dahingehend, daß er die Frage nach der sachgemäßen Grundlage für den Dienst des dia,konoj stellt. D.h. er entwickelt hier in 3,6 – und dann thetisch ab 3,7 – sein Verständnis der dia,konoj-Aufgaben des christlichen Verkündigers – und zwar im Gegenzug zu dem deutlich anders ausgerichteten Verständnis seiner Gegner.33 Inhaltlich erfolgt die zentrale Weichenstellung in der Argumentation in V. 6 durch die Qualifizierung des christlichen Verkündigers als ‚Diener des neuen Bundes‘, eine Formulierung, die implizit deutlich antithetisch angelegt ist. Diese Weichenstellung wird dann durch die zur Erläuterung angefügte ausdrückliche Antithese von gra,mma und pneu/ma weitergeführt und verdeutlicht. Die in der Tat vorhandene Schwierigkeit des Gedankengangs von 2Kor 3,5.6.7ff liegt darin, daß Paulus die positiven Grundlagen seines Dienstes durch Antithesen entfaltet, von denen nicht erkennbar ist, daß sie 32
So H. WINDISCH, Der zweite Korintherbrief, KEK 6, Göttingen 1924, 112; H. CONZELMANN; Paulus und die Weisheit, NTS 12, 1965, 231–244; = DERS., Theologie als Schriftauslegung. Aufsätze zum Neuen Testament, BevTh 65, München 1974, 177–190, dort 181–182; J.A. FITZMYER, Glory Reflected on The Face of Christ (2Cor 3:7–4:6) and a Palestinian Jewish Motif; TS 42, 1981, 630–644, dort 631–632. Dagegen will FURNISH, II Corinthians, 242–245, allenfalls 3,14–15 als „momentary digression“ (243) gelten lassen. Vgl. auch die umfassende Diskussion des Aufbaus von 2Kor 2,14–4,6 durch J. LAMBRECHT, Structure und Line of Thought in 2Corinthians 2,14–4,6, Bib 64, 1983, 344–380; = R. BIERINGER/J. LAMBRECHT, Studies (Anm. 1), 257–293 (Additional Note, 293–294), der 3,7–18 als „unit of its own“ (259) bzw. als Exkurs zu 3,6 bezeichnet. Durch diese Unterbrechung „Paul wants to explain his antithesis of letter and spirit, mentioned in the preceding 3,6, i.e. the opposition of the old and new dispensations“ (292). 33 Anders J. SCHRÖTER, Der versöhnte Versöhner. Paulus als unentbehrlicher Mittler im Heilsvorgang zwischen Gott und Gemeinde nach 2Kor 2,14–7,4, TANZ 10, Tübingen/Basel 1993, 84: Paulus wolle den Anschein erwecken „als wäre der Buchstabe der Empfehlungsbriefe theologisch gleichzusetzen mit dem gra,mma des Alten Bundes“. Richtig ist zwar, daß Paulus mit 3,3c im Vorgriff auf 3,7 (diakoni,a … evn gra,mmasin evntetupwme,nh li,qoij) einen assoziativen Übergang von den Empfehlungsbriefen zum Sinaigesetz herstellt. Damit liegt jedoch keine Gleichsetzung vor. Dagegen spricht schon, daß in 3,7–18 nirgends mehr auf das Thema der Empfehlungsbriefe eingegangen wird. Zur Kritik dieser These vgl. bereits WOLFF, Brief, 64.
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eine konkrete Rolle in der aktuellen Auseinandersetzung gespielt haben. Mehrfach ist daher vermutet worden, daß sich die Gegner des Paulus auf Mose als Träger göttlicher Weisheit berufen haben.34 Dem widerspricht, daß direkte Bezüge zwischen Mose und den Gegnern in 3,7–18 gerade nicht hergestellt werden. Gegen eine Bezugnahme auf Mose spricht auch, daß die Frage der Beachtung des Gesetzes von den Gegnern offensichtlich nicht thematisiert worden ist. Im übrigen gibt es für die Annahme, die Gegner würden in positiver Weise ihr Selbstverständnis von Mose her legimitieren, außer der schwierigen Gedankenführung in 3,5.6.7ff keinen Anhaltspunkt – und die Selbstbezeichnung als spe,rma VAbraa,m (11,22) weist deutlich in eine andere Richtung. Das bedeutet umgekehrt für die Argumentation des Paulus: Weder die antithetischen Bestimmungen von 3,6 noch der antithetische Rückbezug auf Mose ab 3,7 sind als direkte Reaktion des Paulus auf entsprechende Äußerungen seiner Gegner zu werten. Was hier vorliegt, ist eine durchaus eigenständig konzipierte Abhandlung des Paulus, die aber als ganze eine gezielte Antwort auf die deutlich anders gelagerte Position seiner Gegner darstellt. 3. Die Entfaltung der antithetischen Gegenüberstellungen von 3,6 erfolgt ab 3,7 in einem Argumentationsgang, der auch in sich konsequent antithetisch strukturiert ist. Dabei stehen sich zwei diakoni,ai gegenüber, wobei die als Negativfolie dienende diakoni,a tou/ qana,tou, die mit der Person des Mose verbunden ist, anscheinend nur als quantitativ unterlegen dargestellt wird – denn auch diesem ‚Todesdienst‘ kommt do,xa zu. So legt die pollw|-/ ma/llonFormulierung in V. 9 (vgl. pw/j ouvci. ma/llon in V. 8) zunächst die Schlußfolgerung nahe, daß die diakoni,a th/j dikaiosu,nhj lediglich eine quantitative Überlegenheit gegenüber der diakoni,a th/j katakri,sewj aufweist, daß hier also im Sinn von „Mehr“ und „Weniger“ gedacht wird. Doch erfolgen die inhaltlichen Bestimmungen der beiden diakoni,ai nicht im Sinne einer lediglich quantitativen Abstufung, sondern im Sinne der sich ausschließenden Antithese von Tod und Leben (V. 6c) bzw. von Gerechtigkeit und Verurteilung (V. 9). Dienst des Todes steht gegen Dienst des Geistes, Dienst der Verurteilung steht gegen Dienst der Gerechtigkeit bzw. Rechtfertigung. Man kann nicht gleichzeitig Diener des Todes und Diener des lebendigmachenden Geistes sein. Hier wird – anders als bei den konkurrierenden Wanderpredigern – nicht integrativ, sondern alternativ bzw. konfrontativ gedacht. Natürlich steht es zu dieser alternativen Bestimmung der beiden diakoni,ai in Spannung, wenn der diakoni,a tou/ qana,tou doch auch eine do,xa zuerkannt wird. Doch ist das zunächst einmal durch den der Schrift ent34
So WOLFF, Brief, 65–66.
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nommenen Bezugstext, nämlich Ex 34, der hier im Hintergrund steht, bedingt.35 Auch Paulus selbst ist sich übrigens dieser Spannung bewußt, die hier zwischen dem Ausgangspunkt in der Schrift und dem Ziel seiner Argumentation besteht. Dies zeigt deutlich der zur Erläuterung eingefügte V. 10, mit dem verhindert werden soll, daß der lediglich als Kontrast herangezogenenen diakoni,a des Mose doch eine eigenständige oder gar bleibende do,xa zuerkannt wird. Im Blick auf die do,xa des Mose, die schon in V. 7 sofort als eine vergängliche bezeichnet worden ist,36 heißt es dann in V. 10: „Das Verherrlichte ist gar nicht verherrlicht – bezüglich der überragenden Herrlichkeit“, nämlich angesichts der überragenden do,xa der diakoni,a tou/ pneu,matoj.37
35 Zur Aufnahme von Ex 34 in 2Kor 3,7–18 vgl. meine Untersuchung: D.-A. KOCH, Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986, 333–335. Vgl. außerdem die z.T. unterschiedlichen Analysen von A. VANHOYE, L’interprétation d’Ex 34 en 2Cor 3,7–14, in: L. De Lorenzi (Hg.), Paolo, Ministro del Nuovo Testamento (2Co 2,14–4,6), Benedictina 9, Rom 1987, 159–180; Diskussion: 181–196; M.E. THRALL, Conversion to the Lord. The Interpretation of Exodus 34 in II Cor. 3:14b–18), in: De Lorenzi (Hg.), Paolo, 197–232; Diskussion: 233–265; C.K. STOCKHAUSSEN, Mose’s Veil and the Glory of the New Covenant. The Exegetical Substructure of II Cor 3,1–4,6, AnBib 116, Rom 1989 und L.L. BELLEVILLE, Reflections of Glory. Paul’s Polemical Use of the Moses-Doxa Tradition in 2Corinthians 3,1–18, JSNT SS 52, Sheffield 1991. 36 Die sofortige Qualifizierung der do,xa des Mose in V. 7 als katargoume,nh zeigt das sachliche Gewicht, das diese Aussage für Paulus hat. – L.L. BELLEVILLE, Tradition or Creation? Paul’s Use of the Exodus 34 Tradition in 2Corinthians 3,7–18, in: C.A. Evans/J.A. Sanders (Hg.), Paul and the Scriptures of Israel, JSNT SS 83, Sheffield 1993, 165–186, will hierin eine Aufnahme jüdischer Interpretationen von Ex 34 sehen. Neben der (dominanten) Auslegungsrichtung, die von der bleibenden Größe der do,xa des Mose handelt, gäbe es auch eine Linie, die der Sicht des Paulus entspreche. Doch sind die beigebrachten Belege problematisch: 1. Frühester Beleg ist LAB 19,16 (nach der letzten Rede Gottes zu Mose unmittelbar vor seinem Tod): mutata est effigies eius in gloria et mortuus est in gloria – hier wird gerade nicht das Ende der do,xa des Mose betont, und ob sie vorher zeitweilig verschwunden war oder nicht, wird hier nicht reflektiert. Wesentlich später sind: 2. Zohar 3.58a (zitiert bei BELLEVILLE, Reflections [Anm. 35], 183): Wegen der Sünde Israels (in der Anbetung des Goldenen Kalbs) wurde die do,xa des Mose auf einen minimalen Rest reduziert – aber auch dieser Rest war so groß, daß die Israeliten nicht in das Angesicht von Mose blicken konnten; 3. Zohar 1,31b (vgl. ibid.): Die do,xa begleitete Mose bis zu seinem Ende – dies ist primär eine positive Aussage über die Dauer der do,xa. 4. Eine tatsächliche Parallele scheint nur in Cant. R. 3.7 § 5 (vgl. ibid., 180) vorzuliegen: Vor dem Sündenfall der Israeliten flohen die Engel vor dem Angesicht des Mose – danach konnte umgekehrt Mose dem Anblick der Engel nicht mehr standhalten. Doch ist dies eine vereinzelte Stimme – und es fehlt vor allem die Verbindung mit dem Motiv der ,Decke‘, die in 2Kor 3,13 vorliegt. 37 Vgl. die zutreffende Interpretation von FURNISH, II Corinthians, 229: „Neither in this verse nor in the argument as a whole is denied that the ministry of Moses and of the old covenant was accompanied by splendor. … At the same time, however, one must note that the effect of the surpassing sp1endor of the new convenant is to nullify the splendor of the old – not, as it were, to ,supplement‘ it or to carry it forward to some kind of ,fulfillment‘“ (Hervorhebung im Original).
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Nicht überzeugend ist der Versuch, von einer bleibenden do,xa des Mose zu reden,38 und zwar ‚bleibend‘ bis zum Eschaton, weil katargei/sqai (in V. 7.11) bei Paulus ein apokalyptischer Terminus sei und hier damit also die erst für das Eschaton zu erwartende Beendigung der do,xa des Mose ausgesagt sei.39 Aber: Das Verbum katargei/sqai ist nicht als solches schon ein apokalyptischer Terminus, der ausschließlich eine erst endzeitliche Außerkraftsetzung bzw. Aufhebung beschreibt. Dies zeigt sich deutlich in Röm 6,6, wo auf die Beseitigung des sw/ma th/j a`marti,aj zurückgeblickt wird. Daher läßt sich der zeitliche Horizont des gemeinten Vorgangs nur aus dem jeweiligen Kontext erheben. Auch in 2Kor 3 selbst, und zwar in V. 14, wird katargei/sqai40 völlig unapokalyptisch gebraucht.41 Hinzu kommt die gesamte Argumentationsabfolge ab V. 12, die gegen die These von einer bis zum Eschaton bleibenden do,xa des Mosedienstes spricht. Dem „Ende42 des Vergänglichen“, das Mose vor den ui`oi. VIsrah,l verborgen hat (V. 13), entspricht, daß in Bezug auf die gegenwärtige Verlesung von ‚Mose‘ nicht mehr von irgendeiner do,xa geredet wird. Gegenwärtige do,xa ist für Paulus durchaus aussagbar, aber eben nur dort, wo es sich um die do,xa des Herrn (V. 18) handelt.
38 So E. STEGEMANN, Der neue Bund im Alten. Zum Schriftverständnis des Paulus in II Kor 3, TZ 42, 1986, 97–114, dort S. 111; vgl. schon früher P. VON DER OSTEN-SACKEN, Geist im Buchstaben. Vom Glanz des Mose und des Paulus, EvTh 41, 1981, 230–243, dort 231. 39 STEGEMANN, Bund (Anm. 38), 111, verweist auf Röm 6,6; 1Kor 13,8.10; 15,24.26. Doch ist der Verweis auf Röm 6,6 unzutreffend. 40 Zur Dikussion über die Bedeutung von katarge,omai in 2Kor 3,7 vgl. G. DELLING, katarge,w, ThWNT 1, 1933, 453–455; H. HÜBNER, katarge,w, EWNT 2, 1981, 659–661; BELLEVILLE, Reflections (Anm. 35), 204–206. Die Vorschläge für die Bedeutung des (vor Paulus ausgesprochen selten gebrauchten) Verbums reichen „von außer Kraft setzen“ über „verschwinden“ (in Bezug auf die do,xa) bis zu „beseitigen“ im Sinne von „wegnehmen“. Aufgrund des sonstigen paulinischen Sprachgebrauchs ist von der Bedeutung „wirkungslos machen, außer Kraft setzen“ auszugehen. Doch zeigt die betonte Entgegensetzung katargou,menon – to. me,non in 3,11, daß hier auch das zeitliche Moment der Vorläufigkeit hervorgeheben wird: Das, was außer Kraft gesetzt wird, hat damit zugleich keine Dauer (vgl. die Entgegensetzung von katarghqh,sesqai und me,nein in 1Kor 13,8.13). Da Paulus sich ab 2Kor 3,10 bewußt von der do,xa des Mose als Bezugspunkt seiner Ausführungen löst und nur noch neutrisch formuliert (vgl. KOCH, Schrift [Anm. 35], 334), ist es nicht angebracht, die Bedeutung von katargei/sqai zu eng mit dem Vorstellungsbereich von do,xa zu verknüpfen, also das Partizip mit ,verblassend‘ zu übersetzen (so jedoch BELLEVILLE, Reflections, 205). Angemessen dürfte die Übersetzung mit ,vergehend‘ sein, also „das Vergehende“ – „das Bleibende“. Das schließt die Bedeutung von „beseitigen“ in 3,14–15 nicht aus. Denn in 3,14– 16 wird me,nein durch kei/sqai (V. 15) und katargei/sqai durch periairei/sqai (V. 16) fortgeführt. 41 Vgl. auch die Kritik von S. VOLLENWEIDER, Freiheit als neue Schöpfung. Eine Untersuchung zur Eleutheria bei Paulus und in seiner Umwelt, FRLANT 147, Göttingen 1989, 275–276, Anm. 397. 42 Zur Bedeutung von te,loj in 3,13 im Sinne von „Ende“ vgl. BELLEVILLE, Reflections (Anm. 35), 200–203.
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Paulus redet hier also nicht von einem Nebeneinander zweier diakoni,ai und ihrer entsprechenden do,xa, wobei dieses Nebeneinander erst endzeitlich aufgehoben wird, sondern er spricht von der neuen diakoni,a, deren do,xa jetzt schon ‚uns alle‘ verwandelt ‚von Herrlichkeit zu Herrlichkeit‘ (V. 18) und die dem vergänglichen ‚Dienst des Todes und der Verurteilung‘ (V. 7.9) als das ‚Bleibende‘ (V. 11) gegenübergestellt wird. 4. Liest man 2Kor 3,6 sowie 3,7–11 in der dargestellten Weise als implizite Auseinandersetzung des Paulus mit dem Selbstverständnis seiner Gegner, dann ergibt sich eine klare Argumentationsabfolge: Paulus lehnt den Verweis auf die Zugehörigkeit zum Volk Israel als unmittelbares Qualifikationsmerkmal eines christlichen Verkündigers ab und betont im Gegenzug, daß der dia,konoj Cristou/ mit der ihm aufgetragenen Botschaft sich nicht in einer ungebrochenen Kontinuität befindet, sondern eben Diener eines neuen Bundes ist. Nicht Abraham als Integrationsmodell, sondern Mose als Kontrastmodell wird deshalb von Paulus in diesem Zusammenhang in den Vordergrund gestellt. Fragt man nun nach den inhaltlichen Gründen, warum Paulus den Dienst des christlichen Verkündigers bei seinen Gegnern in unzureichender Weise erfaßt findet, wird man auf 2Kor 5,17–6,2 verweisen müssen, den zweiten Text innerhalb der sog. ‚Apologie‘, in dem Paulus den Inhalt seines Apostelamtes positiv entfaltet – wiederum unter dem Leitwort diakoni,a, hier als diakoni,a th/j katallagh/j (5,18).43 Auch hier bestimmt, wie in 3,6, der Gegensatz von ‚alt‘ und ‚neu‘ die Ausführungen. Und hier ist deutlich, daß diese Antithese der sachgemäßen Erfassung der Christologie dient, nämlich um die Neuheit der durch Christus geschehenen Versöhnung Gottes mit der Welt auszusagen. Dies hat gleichzeitig unmittelbare Konsequenzen für das Verständnis der diakoni,a, die auf dieses Versöhnungsgeschehen bezogen ist. Das Christusgeschehen als Versöhnungsgeschehen schafft Neues, so grundsätzlich Neues, daß Paulus diese neue Situation mit Hilfe des Schriftwortes aus Jes 49,8 so zuspitzen kann, daß er sagt: „Siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (6,2).44 Schon in 5,17 hatte Paulus prinzipiell erklärt: „Das Alte ist vergangen – siehe, Neues ist entstanden“. Davon ist auch die diakoni,a, 43 Zur Interpretation von 2Kor 5,17–6,2 vgl. als neueste Beiträge (mit gründlicher Darstellung der bisherigen Diskussion) R. BIERINGER, Paul’s Understanding of Diakonia in 2Corinthians 5,18, in: DERS./J. LAMBRECHT, Studies (Anm. 1), 413–428; BIERINGER, 2Korinther 5,19a und die Versöhnung der Welt, 429–459; DERS., Sünde und Gerechtigkeit Gottes in 2Korinther 5,21, 461– 513. 44 Zur Funktion von Jes 49,8 in 2Kor 6,2 und der Interpretation durch Paulus vg1. KOCH, Schrift (Anm. 35), 261–263, sowie J. LAMBRECHT, The Favorable Time: A Study of 2Cor 6,2a in Its Context, in: H. Frankemölle/K. Kertelge (Hg.), Vom Urchristentum zu Jesus (FS J. Gnilka), Freiburg-Basel-Wien 1989, 377–391; = R. BIERINGER/J. LAMBRECHT, Studies, 515–529.
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die diese neue Situation verkündigt, bestimmt. In diesem Rahmen ist – nach Paulus – über das Wesen der diakoni,a nachzudenken. Angesichts dieser neuen Sachlage sind umgekehrt Hinweise auf Qualifikationen wie ~Ebrai/oj, VIsrahli/thj, oder spe,rma VAbraa,m unzureichend – jedenfalls in diesem Zusammenhang. 5. Diesen Gegensatz von Alt und Neu, dessen christologische Grundlegung in 2Kor 5,17–6,2 sichtbar wird, bezieht Paulus dann in 3,12–18 auf die Verlesung der Schrift, die hier in polemischer Weise als ‚Verlesung von Mose‘ (V. 15) erscheint.45 Interessant ist zunächst, daß Paulus zu Beginn dieses Gedankengangs die Antithese zu Mose sogar direkt durchführt (V. 12–13), wobei Paulus mit der Person des Mose und dessen Dienst zwei Sachverhalte verbindet, nämlich Vergänglichkeit und Verhüllung. Dagegen ist der eigene Dienst bereits in V. 11 als ‚das Bleibende‘ charakterisiert worden – und dieser Dienst vollzieht sich ‚in voller Offenheit‘ (V. 12). Diese Offenheit, auf die Paulus dann auch in Kap. 4 großen Wert legt, ist aber nicht nur Kennzeichen des christlichen Verkündigers, sondern sie charakterisiert genauso die Gemeinde als ganze, die mit unverhülltem Angesicht die do,xa des Herrn schaut (V. 18). Und ganz analog ist die do,xa des Verkündigungsdienstes kein exklusives Privileg des Verkündigers, sondern Ausdruck der do,xa des Herrn, die die ganze Gemeinde verwandelt (V. 18).46 Die Aussagen über die Verlesung der palaia. diaqh,kh bzw. von ‚Mose‘ laufen also auf Aussagen über die Gemeinde zu, wobei in diesen Bestimmungen gerade die neue Situation der Gemeinde hervorgehoben wird. Vor diesem Horizont verhandelt Paulus die Frage des Verständnisses der Schrift, wobei er zwar die Situation der Schriftlesung in der Synagoge im Blick hat, aber gerade nicht sagt, daß in der Synagoge die Schrift verhüllt ist; vielmehr ist das, was dort verlesen wird, palaia. diaqh,kh bzw. ‚Mose‘ (V. 14–15). Von ‚Schrift‘ – und nicht mehr von ‚Mose‘ – kann offensichtlich erst dort geredet werden, wo der neue Zugang zu ihr eröffnet wird, nämlich im ku,rioj bzw. im pneu/ma (V. 16b). Daher ist m.E. die Argumentation des Paulus nicht angemessen erfaßt, wenn im Blick auf V. 14–17 formuliert wird: „ Entfernt wird natürlich die Decke, nicht der Alte Bund“.47 In der Tat wird die ‚Decke‘ entfernt, aber diese liegt ja nach Paulus nicht nur ‚auf der Verlesung des alten Bundes‘ (V. 14), sondern zugleich ‚auf ihren Herzen‘ (V. 15b), so daß das, was gelesen wird, eben ‚Mose‘ ist – tötender
45
Zur Analyse von 2Kor 3,12–18 vgl. KOCH, Schrift (Anm. 35), 331–341; zur Umgestaltung des Schriftzitats aus Ex 34,34 in 2Kor 3,16: 114–115.126–127.151–152. 46 Vgl. die Untersuchung von J. LAMBRECHT, Transformation in 2Cor 3,18, Bib 64, 1983, 243– 254; = R. BIERINGER/J. LAMBRECHT, Studies, 295–307, und FITZMYER, Glory (Anm. 32), 630– 644. 47 STEGEMANN, Bund (Anm. 38), 113, Anm. 39.
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Buchstabe, der erst in der Hinwendung zum ku,rioj 48 für den Hörer zur ‚Schrift‘ wird. Nur in dem durch den ku,rioj erschlossenen Bereich von evleuqeri,a und pneu/ma (V. 17) gilt, daß das, was da verlesen wird, nicht tötendes gra,mma, sondern lebensstiftendes pneu/ma ist.49 Wenn Paulus also zu den Ausführungen über die tatsächlichen Grundlagen und die wesentlichen Bestimmungen des Verkündigungsdienstes durch die aus seiner Sicht unzureichende Position seiner Gegner veranlaßt ist und zum Aufweis des spezifischen Charakters dieses Dienstes auf das Gegenmodell des Mose zurückgreift, dann ist es natürlich verlockend zu überlegen, ob die gleiche Veranlassung auch für V. 12–18, die Ausführungen über den Zugang zur Schrift, anzunehmen ist. In vorsichtiger Form wird man diese Möglichkeit durchaus in Rechnung stellen können. Jedenfalls hat es einige Wahrscheinlichkeit für sich, daß Prediger, die ganz programmatisch und offenbar bruchlos ihre Zugehörigkeit zu Israel als dauerndes Merkmal ihres Dienstes als dia,konoi Cristou/ verstehen, auch die Schrift – faktisch sicherlich selektiv – benutzen und sie dabei von einem integrativen Ansatz her lesen und auslegen.50 Demgegenüber betont Paulus hier – genauso wie im Blick auf das Wesen der diakoni,a selbst –, daß die Orientierung am ku,rioj zugleich dazu führt, daß sich erst jetzt die Schrift in unverstellter Weise erschließt. Setzt man voraus, die mit Paulus konkurrierenden Wandermissionare hätten sich nicht nur als ~Ebrai/oi, VIsrahli/tai und spe,rma VAbraa,m bezeichnet, sondern darüber 48
Zum christologischen Sinn von ku,rioj in 3,16, der durch die Parallelität mit 3,14 für sichergestellt ist, vgl. KOCH, Schrift (Anm. 35), 337; FITZMYER, Glory (Anm. 32), 638 (mit Literatur); anders THRALL, Conversion (Anm. 35), 208–216 (doch vgl. die Diskussion 233–265) und FURNISH, II Corinthians, 211–212. FURNISH bestreitet die Parallelität von 3,16 mit 3,14, da in 3,14 „Christ is described as the one in whom the entire ministry of the old covenant is annulled“ (211). Doch ist in 3,14 für o[ti evn Cristw/| katargei/tai als Subjekt to. ka,lumma (V. 14b) – und nicht h` palaia. diaqh,kh – vorauszusetzen; vgl. KOCH, Schrift (Anm. 35), 337; THRALL, Conversion (Anm. 35), 199–202. 49 Dieser m.E. sehr deutliche Rückbezug der Aussagen von V. 15–17 mit den Stichworten ,Mose‘ und ,Geist‘ auf die gra,mma-pneu/ma-Antithese von V. 6 zeigt, daß der ganze Abschnitt 3,6– 18 trotz der wechselnden Gesichtspunkte von Paulus als thematische und argumentative Einheit konzipiert ist und mit Kategorien wie ,Einlage‘ oder ,Abschweifung‘ nicht angemessen erfaßt wird. Insofern sind auch die entsprechenden Aussagen des Verfassers selbst in KOCH, Schrift (Anm. 35), 332, zu korrigieren. – Zur Sachhaltigkeit des Rückbezugs von 3,17 auf 3,6, der durchaus im Sinne einer ‚inclusio‘ gewertet werden kann, vgl. VOLLENWEIDER, Freiheit (Anm. 41), 277. 50 Eine wesentlich weitergehende Sicht vertritt GEORGI, Opponents, der für die Gegner des Paulus ein positives Verständnis von Mose als qei/oj avnh,r voraussetzt (254–258), dies durch die Rekonstruktion einer auf die Gegner zurückgehenden Vorlage in 2Kor 3,7–18 abstützt (264–271) und die Rolle der Schrift für die Gegner mit der Wendung ,das Archiv des Geistes‘ bestimmt (258–264; vgl. DERS., Gegner, 265–273). Doch ist Georgis Vorgehen ausgesprochen zirkelhaft und setzt voraus, was erst zu zeigen wäre, daß nämlich die Gegner selbst Mose als qei/oj avnh,r verstanden – und zwar als Prototyp ihres eigenen Selbstverständnisses; zur Kritik vgl. KOCH, Schrift (Anm. 35), 333; FURNISH, II Corinthians, 243–245.
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hinaus auch aktive Schriftauslegung getrieben, was m.E. durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen liegt, dann würde Paulus ihnen gegenüber hier deutlich machen, daß auch die Frage der Schriftauslegung nicht von der Neuorientierung am ku,rioj zu trennen ist und von dorther eine grundsätzliche Umprägung erfährt. Nachbemerkung: Der Vorschlag, 2Kor 3 als einen impliziten Dialog des Paulus mit der Position seiner Gegner zu verstehen, die indirekt in der Replik des Paulus von 2Kor 11,22–23 greifbar wird, hat einen Schönheitsfehler. Bei der literarkritischen Analyse des 2Kor gehe ich – mit einem nicht ganz unbedeutenden Teil der Exegeten – davon aus, daß 2Kor 3 einem früheren Brief angehört als 2Kor 11. Doch ist die von hier aus sich ergebende Schwierigkeit begrenzt. Deutlich scheint mir zu sein, daß Paulus sich in 2Kor 2,14–7,4, der sog. ‚Apologie‘, mit den gleichen Gegnern auseinandersetzen muß wie in Kap. 10–13. Zwar ist in 2Kor 2,14–7,4 die Kritik an den Gegnern bei weitem nicht so polemisch wie in Kap. 10–13, aber daß Paulus in einem früheren Brief wesentlich schlechter über deren grundsätzliche Position informiert ist, wird man nicht sagen können. Als Beispiel möchte ich auf die Peristasenkataloge hinweisen. Ihre direkte Funktion in der Auseinandersetzung als Differenzkriterium für das Verständnis des Apostelamtes wird in 2Kor 11,23ff (in Verbindung mit 12,11–13) überaus deutlich. Im Lichte dieser Aussagen wird man aber die gehäufte Verwendung der Leidenskataloge in 2,14–7,4 (4,7–12 und 6,3–10) nicht als Zufall bewerten können. Auch hier ist Paulus offenbar über die grundsätzliche Position der Gegner sehr wohl informiert und setzt sich in der Sache mit ihr durchaus auseinander – ohne allerdings die Auseinandersetzung durch die direkte Benennung der Gegenposition zu verschärfen. Analog kann man davon ausgehen, daß Paulus die Position, die in 11,22–23 sichtbar wird, durchaus schon z.Zt. der Abfassung der ‚Apologie‘ kennt und sie in Kap. 3 theologisch aufzuarbeiten versucht.
Auslegung∗ von Psalm 1 bei Justin und im Barnabasbrief∗∗
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Die Bedeutung von Psalm 1 im Rahmen der Entstehung der schriftlichen Psalmensammlung ist in der alttestamentlichen Wissenschaft seit langem erkannt und auch für die Frage nach der Formierung der Sammlung der „(heiligen) Schrift(en)“ insgesamt fruchtbar gemacht worden. Ps 1 gibt mit seiner programmatischen Verbindung von Tora- und Weisheitsfrömmigkeit unstrittig den Verstehenshorizont an, in dem nach dem Willen der Endredaktion die Psalmensammlung insgesamt gelesen werden soll.1 Gleichzeitig ist jedoch unverkennbar, daß der Psalter seinen Charakter als Sammlung von Einzeltexten behielt und auch selbstverständlich so benutzt worden ist. Deutlich wird dies besonders in der christlichen Literatur des 1. und 2. ∗ Zuerst erschienen in: Seybold, K./Zenger, E. (Hg.), Neue Wege der Psalmenforschung (FS W. Beyerlin), Freiburg 1994 (21995), 223–242. ∗∗ Die überlieferungskritische Analyse, die nach „Werden und Wesen“ eines Psalms fragt, ist ein zentrales Arbeitsfeld des Jubilars [s. Anm. *]. Ziel dieser Arbeitsweise ist es, die Probleme eines Psalms „aus der Bewegung heraus zu erhellen, die in der vorliterarischen Dimension auf das literarisch fixierte Psalmgedicht zuführt“ (W. BEYERLIN, Psalm 8 [1976], 3). Der folgende Beitrag versucht, an einem einzelnen Text einer anderen Bewegung nachzugehen: der Bewegung, die ein literarisch fixierter Psalmtext dann in seiner Rezeptionsgeschichte ausgelöst hat. Die Spannung von Überlieferung und aktualisierender Aneignung bestimmt nicht nur den Werdeprozeß des Psalters, sondern – auf neuer Stufe – auch seine überreiche Wirkungsgeschichte. Diese wiederum wäre nicht denkbar ohne die vielfältigen Erfahrungen und Reflexionen, die in den Psalter in seiner vorliegenden literarischen Endgestalt eingegangen sind. 1 Vgl. die Hinweise bei R.G. KRATZ, Die Gnade des täglichen Brotes (1992), 37 Anm. 106; O.H. STECK, Der Kanon (1992), 23 Anm. 35; C. LEVIN, Gebetbuch (1993), 359–361; E. ZENGER, Der Psalter als Wegweiser (1993), 39–47; vgl. (zu Ps 2) DERS., „Wozu tosen die Völker …?“ (1986), 508f. Hier wird Ps 1 (zusammen mit Ps 2) als Einleitung für das Gesamtkorpus des Psalters gewertet, und zwar als Sammlung, die den bereits bestehenden Sammlungen von Tora und Nebiim bewußt zugeordnet wird: Ps 2 (als Einleitung zum Davidpsalter Ps 3–41) verweise zugleich auf die Nebiim-Sammlung, Ps 1 auf das Torakorpus; dafür spricht die sicher nicht zufällige Berührung von Ps 1,2f mit Jos 1,7f (d.h. mit der Nahtstelle zwischen Tora und Nebiim) und von Ps 1,2.4–6 mit Mal 3,18f.22, dem Schluß der Nebiimsammlung. O.H. STECK, Der Kanon (1992), 22, sieht in einem „offiziellen Tempeljudentum weisheitlich-eschatologischer Prägung“ den Träger für die Zusammenführung von gesetzesorientierten, weisheitlichen und prophetischen Traditionslinien. Ps 1 dürfte dann direkter literarischer Niederschlag dieser Formierungstendenzen sein. – Zur Geschichte des Psalters vgl. auch K. SEYBOLD, Psalmen (1986), 12–21, und jüngst (mit Schwerpunkt auf Ps 1–50) F.-L. HOSSFELD/E. ZENGER, Die Psalmen I (1993), 5–16.
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Jahrhunderts. Hier erfolgt unter neuen Gesichtspunkten und Verstehensvoraussetzungen ein ausgesprochen selektiver Zugriff auf den Psalter. Besonders hervorstechend ist die Rolle der Leidenspsalmen in der markinischen Passionsgeschichte, in der diese Texte eine zentrale hermeneutische Funktion erhalten: Durch den Rückgriff auf diese Psalmen wird die Passion Jesu als Vollzug des Weges des verfolgten Gerechten verstanden2 und so einerseits als Verwirklichung des Willens Gottes interpretiert, ohne ihr andererseits den Charakter des Unfaßlichen zu nehmen. Gerade die Sprache des Psalters bot hierzu die angemessene Möglichkeit. Parallel dazu bezieht sich die christologische Auslegung des Psalters im frühen Christentum mindestens genauso selbstverständlich auf messianische bzw. messianisch verstandene Teile des Psalters. Diese Verwendung des Psalters bleibt nicht auf Ps 2,7 oder Ps 110,1 beschränkt, wie der Hebräerbrief zeigt.3 Ein nochmals anderer Zugriff – ebenfalls selektiv – ist bei Paulus zu beobachten.4 Hier fallen vor allem zwei Bereiche auf, in denen der Psalter Paulus in die Lage versetzt, wichtige theologische Anliegen sachgemäß zu formulieren:5 einmal die Universalität der Macht der a`marti,a, die jede vorfindliche Eigengerechtigkeit des Menschen zur Illusion macht; hier kann Paulus in Röm 3,10–18, ausgehend von Ps 14,1–3, eine Kette von Psalmenaussagen6 (ergänzt durch ein Jes-Zitat)7 bilden, in denen er im beschreibenden Stil eindrücklich die Aussage ouvk e;stin di,kaioj ouvde. ei-j entfaltet.8 Eine andere, ebenfalls charakteristische Zusammenstellung von Psalmzitaten findet sich in Röm 15,9 und 15,11: Hier nimmt Paulus das Thema des Gotteslobes aus den Lobpsalmen auf, speziell das Lobversprechen bzw. die Lobaufforderung des Psalmbeters.9 Die sich dort findenden Aufforderungen zum Gotteslob unter den e;qnh und auch durch die e;qnh sind für Paulus nicht 2
Vgl. die Analyse von E. FLESSEMAN-VAN LEER, Interpretation (1967), 79–96, und L. RUPJesus als leidender Gerechter? (1972), 42–59. Dabei sind die Psalmtexte im Lichte der erst später anzusetzenden Konzeption vom „leidenden und verherrlichten Gerechten“ (faßbar u.a. in Weish 2,12–20; 5,1–7) gelesen worden. 3 Dazu vgl. P.-G. MÜLLER, Psalmenzitate (1986), 223–242. 4 Vgl. hierzu die Untersuchung des Vf.: D.-A. KOCH, Die Schrift als Zeuge (1986). 5 Die passionstheologische Verwendung des Psalters und seine Inanspruchnahme, um die Würde des Erhöhten auszusagen, fehlen bei Paulus nicht völlig, bestimmen aber nicht das Bild; vgl. einerseits in Röm 15,3 die Anführung von Ps 69,10 im Rahmen der Passionsthematik (dazu vgl. D.-A. KOCH, Die Schrift als Zeuge [1986], 234f, 324–326) und andererseits die Verwendung von Ps 8,7 in 1Kor 15,27; zumeist wird bereits in 1Kor 15,25 ein Zitat von Ps 110,1 gesehen; doch ist dies umstritten, vgl. dazu die unterschiedlichen Analysen von D.-A. KOCH, Die Schrift als Zeuge (1986), 19f, und A. LINDEMANN, Parusie Christi (1987), 96–98. 6 Es handelt sich um Ps 5,10c.d; 140,4b; 10,7a; 36,2b. 7 Jes 59,7.8a. 8 Zur Analyse vgl. D.-A. KOCH, Die Schrift als Zeuge (1986), 118f, 179–184, 278f. 9 Zitiert werden Ps 18,50 und 117,1 ergänzt durch Dtn 32,43a und Jes 11,10a–c; zur Analyse vgl. D. ZELLER, Juden und Heiden (1973), 218–223, und D.-A. KOCH, Die Schrift als Zeuge (1986), 281–284.
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anders zu verstehen und zu denken, als daß die „Annahme“ durch Christus (Röm 15,7) auch die e;qnh miteinschließt und so deren Gotteslob möglich macht. So sehr also der Psalter von Anfang an im Blickfeld frühchristlicher theologischer Bemühungen war,10 so ist es doch bemerkenswert, daß der Zugriff auf den Psalter in der soeben angedeuteten Weise keineswegs einlinig, aber dennoch ausgesprochen selektiv war und in neutestamentlicher Zeit gerade Psalm 1 nicht miteinschloß.11 Die früheste, allerdings recht beiläufige Bezugnahme auf Ps 1 findet sich bei Ignatius im Brief an die Magnesier 13,1.12 Ausdrückliche Anführungen – und zwar jeweils nicht nur einmal – liegen dagegen bei Justin und im Barnabasbrief vor. Justin zitiert im Dialog mit Tryphon Ps 1,3a–c im Rahmen einer umfangreichen Zitatenkette (Dial 86,4), und in der Apologie gibt er Ps 1 (zusammen mit Ps 2) in vollem Umfang wieder (I Apol 40,8–10). Im Barnabasbrief finden sich die Zitate von Ps 1 in Kap. 10 und 11; angeführt werden dort Ps 1,1 bzw. 1,3–6. Eine gemeinsame Behandlung der genannten Stellen empfiehlt sich nicht nur, weil hier die beiden frühesten literarisch greifbaren Interpretationen von Ps 1 bei christlichen Schriftstellern des 1. und 2. Jahrhunderts vorliegen. Beide Autoren weisen sowohl hinsichtlich ihrer traditionsgeschichtlichen Voraussetzungen als auch in bezug auf ihre Stellung in der Theologiegeschichte des 2. Jahrhunderts13 zumindest Parallelen, z.T. sogar direkte 10
Parallel dazu wird man auch mit einem gottesdienstlichen Gebrauch des Psalters im frühen Christentum zu rechnen haben, auch wenn man hier natürlich nur Vermutungen anstellen kann. Einen positiven Hinweis auf die gottesdienstliche Verwendung des Psalters bieten die insgesamt fünf stichisch geschriebenen Psalmenhandschriften aus dem 1. bis 3. Jh. n.Chr.; vgl. M. HENGEL, Septuaginta (1992) 54, 58f. Zur Frage der Verwendung der Psalmen in der Jerusalemer Tempelliturgie des 1. Jh. n.Chr. und in den Synagogen im 1. und 2. Jh. vgl. F.-L. HOSSFELD/E. ZENGER, Psalmen I (1993), 6f. 11 Zur jüdischen Auslegungsgeschichte (faßbar in Sir 14,20–15,10; 4Q Flor; 4Q 525 und später dann im Midrasch Tehillim) vgl. J. MARBÖCK, Wirkungsgeschichte (1986), 208–222; E. ZENGER, Der Psalter als Wegweiser (1993), 33–35. 12 Ignatius lehnt sich an die Formulierung von Ps 1,3d an, doch kann man hier noch nicht von einer inhaltlichen Rezeption sprechen. Ob dagegen in Hermas, Sim VI,1 (61,1) überhaupt eine bewußte Aufnahme von Ps 1,1f vorliegt, scheint mir fraglich zu sein. Die Berührungen mit Ps 1,1f sind ausgesprochen gering – sie beschränken sich auf maka,rioj und poreu,esqai evn; zusätzlich kann man in evntolai, eine Entsprechung zu no,moj in Ps 1,2 sehen. Doch ist die Thematik und die Ausdrucksweise für Hermas ausgesprochen typisch. Zu poreu,esqai evn vgl. Vis V (25,7) und Mand IV,2 (30,4) – jeweils ist vom poreu,esqai evn tai/j evntolai/j die Rede; vgl. auch im unmittelbaren Kontext 61,2–4; zu maka,rioj vgl. die Hinweise bei N. BROX, Der Hirte des Hermas (1991), 101. Bemerkenswert ist auch, daß N. BROX in der Übersetzung (328) von Sim VI,1 zwar auf Ps 1,1f und Ps 118,1 als Parallelen verweist, in der Kommentierung (332) auf diese Bezüge jedoch überhaupt nicht eingeht – offenbar weil sie für das Textverständnis unerheblich sind. 13 Die Schriften Justins werden auf 150–160 n.Chr. datiert, der Barnabasbrief zumeist in das 2. Viertel des 2. Jh.; vgl. (nicht nur zur Datierung) O. SKARSAUNE, Justin (1988), 471–478;
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Berührungen auf. Justin und der Verfasser des Barnabasbriefes greifen in ihren Schriftanführungen häufig auf vorgeformte, vermutlich schulmäßig erarbeitete Zitatenketten zurück – und dies scheint auch im Fall von Ps 1 der Fall zu sein. Außerdem markieren Justins Dialog mit Tryphon und der Barnabasbrief eine neue Phase der Debatte über die sachgemäße Rezeption und Interpretation des Alten Testaments im Gegenüber zu der deutlich differierenden Verstehensweise der gleichen „Schrift“ in der zeitgleichen jüdischen Theologie.
II In Dial 86 bietet Justin eine Kette von Schriftzitaten und Schriftreferaten, die sich (größtenteils jedenfalls) dem Leitbegriff xu,lon th/j zwh/j (Dial 86,1) zuordnen lassen. Doch ist nicht nur die Analyse der gesamten Kette von Schriftbelegen in Dial 86 schwierig,14 problematisch ist auch die Frage, in welchem Sinne in Dial 86,4 Ps 1,3a–c angeführt wird. Die doppelte Themenangabe in 86,1 („Holz des Lebens“/„das, was allen Gerechten geschehen soll“) scheint es zunächst nahezulegen, die Aussage von Ps 1,3 über den Gerechten (und die inhaltlich analog ausgerichtete Aussage von Ps 92,13a, die im Anschluß daran zitiert wird) auf die Getauften (vgl. 86,6) zu beziehen.15 Doch spricht der unmittelbare Kontext von Ps 1,3a–c in Dial 86,4 eher für ein anderes Verständnis: Vorangegangen sind eindeutig christologische Ausführungen zu li,qoj und cri/sma (86,3); zu Beginn von 86,4 wird zunächst auf den „sprossenden Stab [r`ab, doj] Aarons“ (vgl. Num 17,8 LXX; MT: 17,23) verwiesen, der Aaron als Hohenpriester erwiesen habe; K. WENGST, Tradition (1971), 105–113; DERS., Barnabasbrief (1980), 238–241; R.A. KRAFT, Apostolic Fathers III (1965), 42f; P. PRIGENT/R.A. KRAFT, Épître (1971), 26f. 14 Aufbau und Aussagerichtung von Justin, Dial 86 sind ausgesprochen undurchsichtig; entsprechend schwierig ist die Analyse. G.Q. REIJNERS, Terminology of the Holy Cross (1965), 38– 44, sieht in der Kette der Schriftbelege nur eine lockere thematische Ordnung mit zusätzlichen inhaltlichen Abschweifungen. Als Grundlage rechnet er mit einer Zitatenzusammenstellung unter dem Stichwort „Holz“ – und damit verweisen diese Zitate in ihrer Gesamtheit auf das „mysterium crucis“ (44). O. SKARSAUNE, Proof (1987), 374–378, ordnet sämtliche Schriftzitate der in Dial 86,1 enthaltenen Themenangabe („Holz des Lebens“/„das, was allen Gerechten geschehen soll“) zu. Die Schwierigkeit besteht darin, daß er zwei Schriftzitate als Zufügung Justins ausgrenzen muß (so auch Jes 11,1 unmittelbar vor Ps 1,3a–c) und außerdem die vorliegende Abfolge der Zitate (in ihrer Zuordnung zu den beiden Themenangaben) nicht einsichtig machen kann. Inhaltlich geht O. SKARSAUNE, Proof (1987), 215, 374–379 (aufgrund der Deutung von IV Reg 6,1ff in Dial 86,6 und unter Verweis auf Barn 11) davon aus, daß die Verbindung der Stichworte „Holz“ und „Wasser“ (also: Taufe) für die Zitatensammlung von vornherein konstitutiv gewesen ist. 15 So G.Q. REIJNERS, Terminology of the Holy Cross (1965), 43, und O. SKARSAUNE, Proof (1987), 377.
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und unmittelbar vor der Anführung von Ps 1,3a–c wird die ausdrücklich christologisch interpretierte Weissagung von Jes 11,1 über die r`a,bdoj evk r`i,zhj VIessai, zitiert. Auf diesem Hintergrund ist die Aussage von Ps 1,3a–c über den di,kaioj als „xu,lon, gepflanzt an Wasserläufen“ ebenfalls als christologisch gemeint zu verstehen: „Der“ Gerechte ist Christus,16 auf den die Schriftaussagen über das „Holz des Lebens“ verweisen.17 Bestätigt wird dieses Verständnis durch das direkt angeschlossene Zitat von Ps 92,13a („Der Gerechte wird blühen [!] wie eine Palme“), das auf den ersten Schriftbeleg von Dial 86,4, die Erwähnung des „sprossenden [!] Stabes Aarons“ (als Hinweis auf seine Würde als Hoherpriester) zurückverweist. Charakteristisch für den Umgang mit der Schrift nicht nur bei Justin ist, daß die zweite Verwendung von Ps 1 beim gleichen Autor eine deutlich andere Zugriffsweise erkennen läßt. In I Apol 40 werden Ps 1 und 2 vollständig und ohne voneinander abgesetzt zu werden zitiert. Justin leitet dieses umfangreiche Schriftzitat mit einer ausdrücklichen Auslegung ein (40,5–7). Im Anschluß an das vorangegangene Psalmzitat (Ps 19,3–6 in I Apol 40,1–4) will er, so sagt Justin, an „andere Worte, die durch denselben David prophezeit worden sind“, erinnern (40,5), und als deren Gegenstand bestimmt er – „wie der prophetische Geist die Menschen anleitet, zu leben“ (40,5) und – „wie er [der prophetische Geist] auf die Vereinigung von Herodes, dem König der Juden, von den Juden selbst und von Pilatus … gegen Christus hinweist“ (40,6). Dies ist ein klarer Vorblick auf die beiden folgenden Psalmen. Ps 1 ist hier – ganz anders als in Dial 86,4 – als paränetischer Text, als Anweisung zum Leben, verstanden. Doch fragt sich, ob diese – vom Text des 1. Psalms her für heutige Leser an sich sehr naheliegende – Möglichkeit auch die ursprüngliche Perspektive darstellt, die zur geschlossenen Anführung von Psalm 1 und 2 in I Apol 40 geführt hat. Im Rahmen der christologischen Fragestellung, die Justin in I Apol 39–46 verfolgt,18 ist die Anführung eines paränetisch verstandenen 16
Vgl. Apg 3,14; 7,52, 22,14; s. auch Mt 27,19 und Lk 23,47. Eine nichtchristologische Interpretation von Ps 1,3a–c in Dial 86,4 ist nur möglich, wenn man zuvor mit O. SKARSAUNE, Proof (1987), 375, Jes 11,1 aus der vorgegebenen Zitatenkette ausgegrenzt hat. Doch ist die Abfolge von Num 17,8LXX (die r`a,bdoj des Hohenpriesters Aaron) und Jes 11,1 (die r`a,bdoj aus der „Wurzel Jessai“) unproblematisch. Daß Jes 11,1 (im Unterschied zu den übrigen Schriftanführungen) nicht im Sinne von Dial 86,1 als su,mbolon zu werten sei, sondern als echte Prophetie, erweist Jes 11,1 nicht als sekundäres Element der Zitatenkette, vielmehr ist eher anzunehmen, daß die messianische Aussage von Jes 11,1 der Anlaß war, eine Zitatenkette zu bilden, die sechs weitere Schriftbelege zum Stichwort r`a,bdoj enthält. 18 O. SKARSAUNE, Proof (1987), 158–160, identifiziert in I Apol 39–46 (unter Ausschaltung der exkursartigen Abschnitte 43f und 46) eine traditionelle Zitatenkette zum Thema „The reign of 17
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Psalms überraschend. Die Einbeziehung von Ps 1 wird jedoch sofort verständlich, wenn Justin beide Psalmen als ein zusammenhängender christologischer Text vorgegeben gewesen sind:19 Ps 1 ist dann in der Perspektive eines christologisch verstandenen Ps 2 gelesen und mit seiner Schilderung des Gegenübers des Gerechten und des Ungerechten als Vorblick auf das Gegenüber des Gesalbten und Gottessohnes einerseits (Ps 2,2.7) und seiner Feinde, der basilei/j und a;rcontej, andererseits (Ps 2,2) verstanden worden. Ein solches, Justin vorgegebenes Verständnis, dem er sich allerdings nicht anschließt, würde erklären, warum Justin Ps 1 überhaupt anführt, obwohl dazu im Rahmen von I Apol 39–46 kein Anlaß besteht.
III Auch im Barnabasbrief liegt eine zweimalige Verwendung von Ps 1 vor, und auch hier ist eine doppelte Zugangsweise festzustellen, auch wenn sich im Barn die unterschiedliche Sichtweise des Psalms auf verschiedene Ausschnitte aus dem Psalm bezieht.20 In Barn 10 liegt eine der Sache nach noch vergleichbar einfache Interpretationsweise vor. Barn 10 handelt von dem „richtigen“, d.h. allegorischen Verständnis der alttestamentlichen Speisevorschriften.21 Genannt werden zunächst das Verbot des Verzehrs von Schwein, dreier Vogelarten (Adler, the risen Christ through the apostolic kerygma“ (159). Die Zugehörigkeit des außergewöhnlich langen Zitats von Ps 1f macht jedoch Schwierigkeiten. O. SKARSAUNE sieht in Ps 2,8f den Anlaß für die Einbeziehung des Psalmtextes; ähnlich P. PRIGENT, Justin (1964), 230, („une amplification secondaire d’une citation du Ps. 2,10ss.“). Doch kann diese (sicher zutreffende) Überlegung höchstens die Anführung von Ps 2 erklären, nicht jedoch die zusätzliche Einbeziehung des vollständigen 1. Psalms. 19 Unentscheidbar ist die Frage, ob für Justin (und besonders seine Tradition) Ps 1 und 2 auch in formaler Hinsicht als ein einziger Psalm galten. Immerhin ist bemerkenswert, daß Origenes, Euseb und Hieronymus eine Texttradition des hebräischen Psalters kannten, die Ps 1 und 2 zu einer Einheit verband; vgl. J.T. WILLIS, Psalm 1 (1979), 388–391. Die gleiche Tradition wird auch Ber 9b.10a sichtbar. J.T. WILLIS, der den Gesamtbefund (einschließlich der Lesart von Apg 13,33D und 4Q Flor) kritisch sichtet (382–391), betont (sicher zu Recht), daß die Tradition, die Ps 1 und 2 unterscheidet, mindestens genauso stark verbreitet gewesen ist. Immerhin würde die jedenfalls parallel dazu existierende exegetische Tradition, die beide Psalmen in einem engen Zusammenhang sah, erklären, warum sich die christologische Interpretation nicht auf Ps 2 beschränkte (vgl. Apg 4,25f; 13,33; Hebr 1,5; 5,5; 1Clem 36,4). Im übrigen zitiert auch Justin selbst sonst nur Einzelstellen aus Ps 2 (Dial 88,8: Ps 2,7; 122,6: Ps 2,7f); d.h. in I Apol 40 liegt ein Sonderfall vor, der einer besonderen Erklärung bedarf. 20 Zur Analyse der Psalmen im Barnabasbrief vgl. J.-L. VESCO, Lecture (1986), 5–37, bes. 14f, 20f; doch werden hier die Anführungen von Ps 1 in Barn 10f nur paraphrasierend behandelt. 21 Zur Analyse von Barn 10 vgl. H. WINDISCH, Barnabasbrief (1920), 357–366; K. WENGST, Tradition (1971), 36–39.
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Habicht, Rabe) und von schuppenlosen Fischen. Diese in 10,1 genannten Verbote werden in 10,3–5 auf drei verschiedene Menschentypen gedeutet: den undankbaren, den räuberischen und den gottlosen, jetzt schon verdammten Menschen. An diese Dreiergruppe schließt sich übergangslos die Deutung von drei weiteren Speiseverboten an: Die Deutung des Verzehrverbots des Hasen (10,6), der Hyäne (10,7) und des Wiesels (10,8). Daß hier eine Erweiterung vorliegt, zeigt die rahmende Schlußbemerkung in 10,9, wo lediglich 10,1–5 im Blick ist, wenn von den tri,a do,gmata die Rede ist, die Mose erhalten hat. Hieran schließt sich ein analoger Argumentationsgang an – jetzt mit Hilfe von Ps 1,1. Die Deutung des Verbots von Fisch, Schwein und (Raub-)Vogel wird jetzt mit den negativen Aussagen von Ps 1,1 koordiniert.22 Für den Autor ist, wie er ausdrücklich sagt, die in Ps 1,1 enthaltene „Gnosis“ die gleiche, die auch Mose mit dem Empfang der drei (allegorisch gemeinten) Speiseverbote erhalten hat. Inhaltlich liegt hier eindeutig eine paränetische Anwendung des 1. Psalms vor. Die Schilderungen ungerechten Verhaltens aus Ps 1, die dort der Abgrenzung gerechten Verhaltens dienen, werden – durchaus sachgemäß – als Warnung benutzt. Dennoch fragt sich, ob hierin für den Verfasser des Barnabasbriefes und die von ihm repräsentierte Überlieferung die primäre Zugangsweise zu Ps 1 zu sehen ist. Auffällig ist ja, daß in dieser Verwendung Ps 1,1 lediglich eine ergänzende Funktion zukommt: Die Inhalte, mit denen die Aussagen von Ps 1,1 koordiniert und gefüllt werden, sind aus der Auslegung ganz anderer Texte (Gesetzesüberlieferung) gewonnen.23
IV Schwieriger zu beurteilen, aber vermutlich älter ist die Verwendungsweise von Ps 1 im folgenden Kapitel des Barnabasbriefes (Kap. 11).24 Als Thema gibt der Verfasser in 11,1 die Frage nach der Offenbarung „über das Wasser und das Kreuz“ an.25 Die Entfaltung geschieht so, daß trotz der in 11,1 22
Der Vf. hält sich dabei an die Abfolge der Aussagen von Ps 1,1 und ordnet deshalb das Verbot hinsichtlich der Fische, die bereits in 10,5 als die Gottlosen interpretiert wurden, nach vorn. 23 K. WENGST, Tradition (1971), 38, sieht in Barn 10,1.3–5.9f einen vorgegebenen Zusammenhang, in den der Vf. V. 6–8 eingeschoben habe. Gleichwohl ist die Deutung von Ps 1,1 in Barn 10,10 von der Auslegung der Speiseverbote in 10,3–5 abhängig. 24 Zur Analyse von Barn 11 vgl. H. WINDISCH, Barnabasbrief (1920), 366–369; P. PRIGENT, Testimonia (1961), 90–99; K. WENGST, Tradition (1971), 39–41; O. SKARSAUNE, Proof (1987), 378f. 25 Diese Fragestellung setzt voraus, daß die Taufe auf den „Namen Christi“ verstanden ist als Zueignung des Todesgeschicks Jesu. Zur „Taufe auf den Tod Christi“ vgl. bereits Röm 6,3. Die
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vorgenommenen Zusammenordnung von „Wasser und Kreuz“ in Kap. 11 Schriftbelege zum Thema u[dwr, phgh, und potamo,j, also zum Thema Taufe (vgl. 11,2) zusammengestellt und (z.T. jedenfalls) auch kommentiert werden, während das Thema „Kreuz“ mit einer neuen Belegkette und nach einer eigenen Zwischenüberschrift26 in Kap. 12 verhandelt wird.27 Die Belegkette von Kap. 11 besteht – wie häufig im Barn – aus z.T. (völlig oder weitgehend) wörtlichen Schriftanführungen und z.T. aus kaum zu identifizierenden Zitatbildungen. Da schon der erste aus zwei verschiedenen Schriftaussagen kombinierte Schriftbeleg sich als traditionell erweist, wie der Vergleich mit Justin, Dial 114,5 ergibt, stellt sich die Frage, ob nicht die gesamte Belegkette in Barn 11 dem Verfasser vorgegeben ist. Dafür spricht, daß die Zitatenkette insgesamt – auch unabhängig von der sie begleitenden Kommentierung – in ihrer Abfolge einen erkennbaren Gedankenfortschritt aufweist:28 Nr. 1 (Barn 11,2.3 – Jer 2,12f + Jes 16,1b.2): Die Ablehnung der „Quelle des Lebens“ durch Israel, Nr. 2 (Barn 11,4–5 – Jes 45,2f + 33,16–18a): Die Verheißung wahrer Gotteserkenntnis an den Getauften, Nr. 3 (Barn 11,6+7 – Ps 1,3–6): Segenszusage an den, der „das tut“, und Verwerfung der Gottlosen, Nr. 4 (Barn 11,9): Verherrlichung der Getauften,29 Nr. 5 (Barn 11,10): Eschatologische Verheißung für den Getauften.30 Zusammenordnung von Kreuz Christi und Taufe liegt auch bei Justin, Dial 86,6 in seiner allegorischen Auslegung von IV Reg 6,1–7 vor. 26 Der redaktionelle Neueinsatz in Barn 12,1 entspricht dem Befund im Zitatenmaterial selbst. Das erste Zitat (in 11,2f) bezieht sich ausschließlich auf die Taufe, das erste eindeutig auf das Kreuz zu beziehende Zitat findet sich in 12,1 – und von 12,1 an fehlt dann umgekehrt der Bezug zur Taufe. 27 Die Absicht des Redaktors, beide Themen miteinander zu verklammern, zeigt sich in 11,8, wo er behauptet, in der (auf die Taufe bezogenen) Aussage von Ps 1,3–6 würden „Wasser und Kreuz zugleich definiert“. Hier ist deutlich zu erkennen, daß der Vf. in Barn 11 eine vorgegebene Zitatenzusammenstellung verwendet. Anders K. WENGST, Tradition (1971), 40: Der Vf. führe von sich aus das Zitat von Ps 1,3–6 ein, um das Thema des Kreuzes hervorzuheben. Doch spricht gerade die Analogie mit dem gleichartigen Interpretationsverfahren in Barn 8,1 (dazu vgl. K. WENGST, Tradition [1971], 32) eher dafür, hier ebenfalls mit einem vorgegebenen Zitat zu rechnen. 28 Das übersieht K. WENGST, Tradition (1971), 39–41, der lediglich mit mehreren kurzen Einzeltraditionen (V. 1b–3.4f.9–11), die erst der Vf. des Barn zusammengestellt habe, rechnet. 29 Die Herkunft des Zitats ist völlig unsicher; meist wird auf Ez 20,6 hingewiesen, wo von dem Israel zugesagten Land gesagt wird: khri,on evsti.n para. pa/san th.n gh/n. Doch ist auch auf syrBar 61,7 hinzuweisen: „So ward das Land … gepriesen über alle Länder“ (Übersetzung: A.F.J. KLIJN, Baruch-Apokalypse [1976], 164). 30 Das Zitat ist offenbar eine freie Bildung auf der Grundlage von Ez 47,1–12, der Vision von der lebensspendenden Tempelquelle, und Gen 3, der Schilderung der Paradiesbäume (Gen 2,9; 3,6), insbesondere des Lebensbaums (vgl. Gen 3,22 mit dem Schluß des Zitats).
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Schon der erste Schriftbeleg stellt eine vorgegebene Zitatzusammenstellung zum Thema der Taufe dar. Die in Barn 11,2f zitierten Texte, Jer 2,12f und Jes 16,1b–2, werden in gleicher Reihenfolge31 – allerdings jeweils in kürzerer Form und ergänzt durch die Anführung von Jer 3,8 – auch in Justin, Dial 114,5 zitiert,32 und zwar ausdrücklich unter dem Leitwort des „Wassers des Lebens“ (114,4).33 Unter dem gleichen Leitwort wird Jer 2,13 allein auch in Dial 14,1 herangezogen34 und zugleich ausdrücklich auf die Taufe bezogen. Der gleiche Bezug auf die Taufe ist auch für die Zitatkombination von Dial 114,5 gegeben, wenn dort polemisch die „erste“ und die „zweite“ Beschneidung gegenübergestellt werden.35 Wenn der Verfasser des Barn also die mit der Kombination von Jer 2,12f und Jes 16,1b.2 beginnende Zitatenkette zum Thema „Wasser“ auf die „Taufe, die Sündenvergebung bringt“ bezieht, formuliert er lediglich mit eigenen Worten das Thema, das die Zitatenkette von Anfang an hatte.36 31 In beiden Fällen wird die zweite Schriftstelle ohne eigene Zitierformel an die erste angeschlossen, so daß beide Schriftaussagen (im Falle von Justin, Dial 114,5 alle drei) ein einziges Zitat darstellen. 32 Die Zitatform von Jer 2,(12)13 und Jes 16,1b.2 weicht in Barn 11,2f und Justin, Dial 114,5 (sowie Dial 14,1; 19,2 und 140,1, wo jeweils aus Jer 2,13 allein zitiert wird) so deutlich voneinander ab, daß eine direkte Benutzung von Barn 11,2f durch Justin auszuschließen ist. Der feste Zusammenhang beider Schriftstellen zeigt andererseits, daß beide Autoren einer gemeinsamen älteren Tradition folgen; so m.R. O. SKARSAUNE, Proof (1987), 69: Justin „deviates from the LXX when Barnabas agrees, and vice versa“. 33 Schon bei Philo, Fug 197 wird Jer 2,13 als Teil einer umfangreichen (und umfangreich kommentierten) Zitatenkette zum Stichwort phgh. tou/ u[datoj (aus Gen 16,7, s. Fug 177) angeführt. Abgesehen von der auch bei Philo unmotivierten Auslassung von u[datoj nach phgh,n weist das Zitat bei Philo keine weiteren Berührungen mit der Zitatform bei Barn oder Justin auf. Vor allem fehlt die polemische Zuspitzung durch die Anfügung von Jes 16,1b.2 bzw. Jes 16,1b und Jer 3,8. 34 Ohne Verbindung mit anderen Zitaten wird Jer 2,13 insgesamt dreimal bei Justin angeführt: neben 14,1 noch 19,2 und 140,1f. 35 Vgl. auch die Verwendung von Jer 2,13 in Dial 19,2. Ausgangspunkt der Argumentation Justins ist dabei jeweils das Gegenüber von äußerer (fleischlicher) und innerer Beschneidung (so Dial 19,3; 114,4) bzw. Waschung (so Dial 14,1f); zur „Beschneidung der Herzen“ vgl. bereits Röm 2,29. Der Bezug zur Taufe ist unüberhörbar, wenn er von dem ba,ptisma to. mo,non kaqari,sai tou.j metanoh,santaj duna,menon (Dial 14,1) bzw. von to. ba,ptisma tou/to to. th/j zwh/j (Dial 19,2) spricht. Zu Dial 13–15 vgl. auch die Analyse bei O. SKARSAUNE, Proof (1987), 168f. – Eine anders ausgerichtete Verwendung von Jer 2,13 liegt in Dial 140,1f vor, wo die „Brunnen“ allegorisch auf die didaskali,aj evnta,lmata avnqrw,pwn gedeutet werden. 36 Auffällig ist die dabei unmotivierte Auslassung von u[datoj nach phgh,n in der Wiedergabe von Jer 2,13 (LXX: phgh.n u[datoj zwh/j; v.l. phgh.n u[datoj zw/ntoj) bei Justin und im Barn. Justin, Dial 19,2 und 114,5 bietet phgh.n zw/san, Dial 140,1: zw,shj phgh/j, während Justin, Dial 14,1 in der redaktionellen Einleitung von u[dwr th/j zwh/j spricht! Genauso überraschend ist der Befund bei Philo, Fug 197 in der Anführung von Jer 2,13: Philo hat (wie Barn 11,2S) phgh.n zwh/j – obwohl das Zitatstichwort von Gen 16,7 (Fug 177), das die Anführung von Jer 2,13 veranlaßt hat, phgh. tou/ u[datoj lautet. In Barn 11,2 liest S: phgh.n zwh/j, V: phgh.n zw/san (vgl. Justin!). Demgegenüber liegt in H (phgh.n u[datoj zw/san) und L (phgh.n u[datoj zwh/j [aquae vitae]) Angleichung an LXX vor. Das Fehlen von u[datoj bei Justin, Philo und im Barn ist daher nicht als bewußte Auslassung, sondern als – sonst nicht bezeugte – abweichende Texttradition zu werten und spricht daher nicht dagegen,
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Fragt man, welche Aussage mit Hilfe der auf die Taufe bezogenen Zitatzusammenstellung von Jer 2,12f und Jes 16,1b.2 gemacht werden soll, so ergibt sich sowohl für Justin, Dial 114,5 als auch für Barn 11,2f, daß mit Hilfe dieser Schriftaussagen polemisch auf die Ablehnung der Taufe durch das Judentum reagiert wird.37 Diese Ablehnung wird – durch Jer 2,12 dem göttlichen Gericht unterstellt,38 – durch Jer 2,13 als Abwendung von Gott interpretiert;39 gleichzeitig wird durch die Schriftaussage von den „selbsterbauten Gruben“ die Beschneidung negativ als eigenmächtiges menschliches Handeln charakterisiert; – durch die rhetorische Frage aus Jes 16,1b wird die Ablehnung der Taufe als selbstverschuldet bezeichnet,40 – und mit Jes 16,2 (in Dial 114,5 durch Jer 3,8 ersetzt) wird die Verwerfung Israels als Folge der Ablehnung der Taufe formuliert. Der zweite umfangreiche Schriftbeleg in Barn 11 ist eine Zusammenstellung von Jes 45,2f und 33,16–18a.41 Die auf den Gerechten bezogene Verim Rahmen von Barn 11 bereits die Anführung von Jer 2,12f als Schriftbeleg zum Thema der Taufe zu werten. 37 Anders P. PRIGENT, Testimonia (1961), 90–92, der in dem kombinierten Zitat einen Schriftbeleg für die jüdische Zurückweisung Jesu allgemein und deren Folgen sieht. P. PRIGENT verweist darauf, daß das in Jer 2,12f.LXX an sich zweimal enthaltene Stichwort u[dwr in Barn 11,2f jeweils fehlt. Aber das Zitat enthält immerhin phgh. zwh/j – und kann deshalb einer Zitatenkette zum Stichwort u[dwr (zwh/j) genauso wenig abgesprochen werden wie das Zitat in 11,10, das das Stichwort potamo,j enthält; vgl. die Zusammenstellung von r`a,bdoj- und xu,lon-Zitaten in Justin, Dial 86. Zur Auslassung von u[datoj nach phgh,n s. die vorige Anm. Die Verkürzung von Jer 2,13c in Barn 11,2, durch die die zweite Erwähnung von u[dwr entfällt (Justin entspricht hier jeweils der LXX), ist dagegen gut erklärlich: Die Entgegensetzung „Quelle des Lebens“/„Grube des Todes“ ist im Blick auf die jetzige Anwendung wesentlich klarer als der LXX-Text selbst, der von „geborstenen Zisternen, die das Wasser nicht festhalten können“, spricht. Justin, Dial 140,1f zeigt übrigens, daß bei einer eigenständigen Ausdeutung dieses Textelements auch ein anderer Bezug als der auf die Taufe näher liegt. 38 Jer 2,12 wird nur in Barn 11,2 zitiert; Justin, Dial 114,5 zitiert lediglich Jer 2,13, doch ist dem Zitat ein „Wehe euch“ vorangestellt, das die Funktion von Jer 2,12 erfüllt – und sicher eine Umformung darstellt, die in Kenntnis von Jer 2,12 erfolgte. 39 Die Abänderung von o` lao,j mou (Jer 2,13LXX) in das distanzierte o` lao,j ou-toj in Barn 11,2 (Justin setzt jeweils erst danach ein) hat deutlich polemische Gründe; ebenso liegt mit bo,qron qana,tou in Barn 11,2 (Justin zitiert auf der Grundlage der LXX) eine polemische Zuspitzung vor. 40 Jes 16,1b (mh. pe,tra e;rhmo,j evstin to. o;roj Siw,n [!]) ist in Barn 11,3 (unter Einfluß von Ps 67,18cLXX [o` ku,rioj evn auvtoi/j evn Sina/ evn tw|/ a`gi,w]| ?) abgeändert in mh. pe,tra e;rhmo,j evstin to. o;roj to. a[gio,n mou Sina/, während Justin, Dial 114,5 mh. e;rhmon h|= ou- evsti to. o;roj Siw,n bietet. In Barn 11,3 dürfte – im Rahmen einer Schriftbelegkette zum Thema „Wasser“ – damit auf das Wasserwunder am Horeb (Ex 17,5f) angespielt sein, auf das sich auch Justin, Dial 86,1 bezieht. Sinn des Zitats wäre also: Israel hatte durchaus Zugang zur phgh. zwh/j. Etwas anders O. SKARSAUNE, Proof (1987), 378, zur Funktion von Jes 16,1b: „Israel already declared Sinai to be a desert rock, i.e. they showed disbelief concerning the water from the rock“. 41 Die Einleitung von Jes 33,16 mit kai, in 11,5 bewirkt keine tatsächliche Trennung beider Zitate; so m.R. H. WINDISCH, Barnabasbrief (1920), 367. Anders gestaltet sind die erkennbaren
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heißung von Jes 33,16–18a (vgl. V. 15: poreuo,menoj evn dikaiosu,nh|) und die in gleicher Perspektive gelesene Verheißung42 von Jes 45,2 werden hier positiv aufgenommen und sind auf dem Hintergrund des vorangegangenen Schriftbelegs nur auf den Getauften zu beziehen.43 Dabei enthalten die Schriftaussagen44 – anders als im ersten Schriftbeleg – keine fortschreitende Gedankenentwicklung, sondern der zweite Teil des Schriftbelegs (Jes 33,16–18a in Barn 11,5) variiert und ergänzt die Aussage des ersten Teils (Jes 45,2f in Barn 11,4). Den Getauften werden mit Hilfe dieser Schriftaussagen zugesagt: – Gottes Schutz und befreiendes Handeln (Jes 45,2; 33,16a), – die Gabe wahrer Gotteserkenntnis (Jes 45,3) und das Schauen des Königs (Jes 33,17),45 – wahre Gottesfurcht (Jes 33,18). Die Anbindung dieser Verheißung an den ersten Schriftbeleg, der Gott selbst als phgh. zwh/j bezeichnet hat, erfolgt durch das Stichwort u[dwr: kai. to. u[dwr auvtou/ pisto,n. Dabei ist daran zu erinnern, daß schon die Verbindung des vorangegangenen kombinierten Zitats mit dem Taufthema unter dem Leitwort des u[dwr th/j zwh/j erfolgte. Die Gabe des „Lebenswassers“ realisiert sich einerseits in der Taufe, greift aber über die Taufe hinaus, insofern mit diesem Symbolbegriff schon im Neuen Testament eine KonNeueinsätze in 11,4 und 11,6. Für die Zusammengehörigkeit beider Schriftstellen als einer einheitlichen Schriftaussage spricht auch, daß das leitende Stichwort u[dwr erst in der zweiten Schriftstelle erscheint. 42 Ursprünglich: Heilsorakel an Kyros als den Gesalbten Jahwes! 43 P. LUNDBERG, Typologie baptismale (1942), 179 (aufgenommen von P. PRIGENT, Testimonia [1961], 93f, und O. SKARSAUNE, Proof [1987], 378), verweist auf OdSal 17,8, wo Stichworte aus Jes 45,2 im Sinne des descensus Christi ad inferos verwendet werden, und er setzt diese Funktion des Zitats auch für Barn 11,4 voraus und schlußfolgert, „que pour l’auteur de l’épître de Barnabé il devait exister un rapport fixe entre le baptême et le descensus“. Doch ist von der Fassung des Descensusmotivs als Predigt Christi an die Verstorbenen (so neben 1Petr 3,19 auch EvPetr 41f und Justin, Dial 72,4) zu einer ausdrücklichen Interpretation der Taufe als eines descensus des Getauften selbst noch ein erheblicher Schritt, der für Barn 11,4 noch keineswegs vorauszusetzen ist. 44 Die Wiedergabe von Jes 45,2f und 33,16–18a ist relativ wörtlich. Jes 45,3 ist leicht verkürzt, ohne daß dies zu einer Sinnverschiebung führt. Bemerkenswert ist höchstens, daß am Ende von Jes 45,3 nicht die 2. Pers. Sing. beibehalten ist (i[na gnw/sin statt i[na gnw|/j), obwohl der Beginn von Jes 33,16 (3. Pers. Sing.) in die 2. Pers. Sing. umgesetzt ist. Man kann erwägen, ob in beiden Zitaten der Beginn mit seiner singularischen Anrede als Gotteswort an Christus zu verstehen ist und erst die pluralischen Aussagen auf die Getauften zu beziehen sind. Jes 45,2 wäre dann Darstellung der Überwindung der Todesmacht der Unterwelt (vgl. bereits Apg 2,24), und Jes 33,16 müßte man dann auf die Geburt Jesu in einer Höhle beziehen (diese Tradition begegnet bei Justin, Dial 78 unter Einbeziehung von Jes 33,16; vgl. Dial 70). Doch wäre das – zumal in dieser Reihenfolge – eine recht komplizierte Anwendung der Zitate, die man ohne eine entsprechende kommentierende Auslegung nicht voraussetzen kann. 45 Auch wenn dies in Barn 11,5 nicht interpretiert wird, liegt in der christlichen Verwendung dieser Zitataussage deren christologisches Verständnis auf der Hand.
Auslegung von Psalm 1 bei Justin und im Barnabasbrief
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zeption zur Sprache kommt, die in höchst prägnanter Weise die dem Glaubenden auf Dauer eröffnete Heilsgabe beschreibt.46 Diese Doppeldeutigkeit des Leitwortes u[dwr als Taufwasser und (bleibend gewährtes) „Lebenswasser“ ermöglicht die Fortsetzung der Zitatenkette durch Ps 1,3–6.
V In Barn 11,6f wird mit Hilfe von Ps 1,3–6 die Existenz der Getauften, die in der Taufe die dauernde Gabe des Lebenswassers erhalten, beschrieben. In diesem Zusammenhang kann die Schilderung des verheißungsvollen Ergehens des Gerechten unverändert übernommen werden, wobei allerdings die Alternative di,kaioj und avsebh,j in die Alternative Glaubender/Nichtglaubender bzw. Getaufter/Nichtgetaufter überführt ist. Der Anschluß dieses Psalmzitats an den vorherigen Schriftbeleg ist dabei bemerkenswert glatt: Schon der zweite Schriftbeleg war in seinem Schlußteil von den Aussagen über Gottes befreiendes und erkenntnisverleihendes Handeln dazu übergegangen, die neue Existenz des Getauften zu beschreiben („eure Seele wird sich in der Furcht des Herrn üben“). Dies wird mit Hilfe von Ps 1,3ff unmittelbar fortgesetzt: Die im Psalm ausgesprochene Zusage gesegneten Lebensvollzugs gilt dem, der „dies tut“, wie in Barn 11,6 über die LXX (und den hebräischen Text) hinaus gesagt wird. Diese Zufügung vertritt die in Barn 11,5 nicht mitzitierten Aussagen von Ps 1,2. Der direkte Anschluß von Ps 1,3–6 an das vorherige Zitat (unter Ausschaltung von Ps 1,2 und Einfügung von o` tau/ta poiw/n) führt zu einer bruchlosen Struktur der Zitatenkette: Das Zitat verheißt demjenigen, der sich im Sinne der ersten beiden Schriftaussagen verhält, sich also taufen läßt, segenshaften Lebensvollzug.47 Auf diese Weise wird zugleich der doppelte Verweis des Gerechten an das „Gesetz des Herrn“ in Ps 1,2 vermieden, der in einer antijüdisch ausgerichteten Zitatenkette zum Thema „Taufe“ störend oder zumindest erheblich interpretationsbedürftig gewesen wäre.48
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Hierzu vgl. J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse (1989), bes. 58–60, 64–66. Natürlich bezieht sich o` tau/ta poiw/n unmittelbar zunächst auf die direkt zuvor genannte „Furcht des Herrn“. Doch ist diese nicht zu trennen von der Gabe des u[dwr pisto,n. 48 Auffällig ist, daß das in dem nicht zitierten V. 2b von Ps 1 begegnende Stichwort meleth,sei im Zitat von Jes 33,18a in Barn 11,5 erscheint. R.A. KRAFT, Apostolic Fathers (1965), 116, sieht in dieser Stichwortübereinstimmung eine mögliche Brücke zur Anfügung von Ps 1. Dies ist keineswegs auszuschließen. Um so bemerkenswerter wäre, daß Jes 33,18a in die Zitatenkette aufgenommen wurde, Ps 1,2 dagegen nicht. 47
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Wenn man mit der Möglichkeit rechnet, daß nicht nur einzelne Zitatkombinationen wie die in Barn 11,2f und 11,4f, sondern die Zitatenkette insgesamt dem Verfasser des Barnabasbriefes vorgegeben gewesen ist, ist es methodisch angebracht, die eingeschobenen Interpretationen zunächst zu übergehen und die folgenden Zitate in ihrem Verhältnis zum Beginn der Zitatenkette zu untersuchen. Dabei ist das Schlußzitat in Barn 11,10 in seiner Herkunft zwar schwierig zu beurteilen, aber in seiner Funktion als Schluß einer möglichen Zitatenkette zum Thema der Taufe und der Gabe des Lebenswassers voll einsichtig. Der Beginn des Zitats ist eine Anspielung auf den Taufvorgang, und das Zitat endet mit der Verheißung ewigen Lebens. Dabei wird man bei den de,ndra w`rai/a nicht an den Getauften zu denken haben; vielmehr wird hier eher die Assoziation an den Lebensbaum hineinspielen.49 Schwieriger zu beurteilen ist die Funktion des kurzen Zitats in Barn 11,9 – nicht nur wegen seiner unklaren Herkunft. Sein Zusammenhang mit den übrigen Zitaten ist kaum zu erkennen.50 Wenn man das Zitat über das vor aller Welt verherrlichte „Land Jakobs“ zwischen der Zusage gesegneten Lebensvollzugs mit Hilfe von Ps 1,3–6 und der eschatologischen Verheißung am Schluß der Zitatenkette einordnen will, dann wird man es – versuchsweise – so deuten können, daß die Getauften jetzt in dem verherrlichten „Land Jakobs“ bereits leben.51
VI Zu fragen ist nun, wie diese vermutlich vorgegebene Zitatenkette zum Thema der Taufe vom Verfasser aufgenommen und kommentiert wurde.52
49 S.o. Anm. 30. Die damit verbundene Verschiebung im Verständnis von xu,lon (der Getaufte) zu de,ndra (Lebensbaum) spricht nicht dagegen, hier eine vorgegebene Zitatenkette anzunehmen. 50 Die vom Vf. angefügte Interpretation dürfte in die richtige Richtung gehen, doch ist daraus nicht zu schließen, daß auch das Zitat selbst vom Vf. eingefügt wurde. 51 Vgl. als Analogie die – allerdings wesentlich breiter ausgebaute – Auslegung des „Landes, in dem Milch und Honig fließt“, in Barn 6,8–19. 52 Natürlich kann man fragen, ob nicht auch die in Barn 11 vorliegenden Kommentierungen traditionell sind. Die Bildung einer solchen Zitatenkette setzt ja schon immer ein Gesamtverständnis voraus, unter dem die einzelnen Schriftbelege gesammelt werden. Insofern reduziert sich die Frage nach der Herkunft der Kommentierung darauf, ob die Explikation des Sinns einer solchen Zitatenkette auch schon (relativ) fester Teil ihrer Tradierung war oder ob beim jeweiligen Tradenten eine größere Eigenständigkeit vorausgesetzt werden kann. Daß der Vf. in seinen Kommentierungen durchaus als Autor anzusprechen ist, ist z.B. an der Verwendung der Trias pi,stij – avga,ph – evlpi,j in Barn 11,8 zu sehen; dazu s.u. bei Anm. 62.
Auslegung von Psalm 1 bei Justin und im Barnabasbrief
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In Barn 11,1 versieht der Verfasser die Zitatenkette mit einer doppelten Einleitung: Angekündigt wird in 11,1a die Darlegung der Offenbarung über „das Wasser und das Kreuz“. In V. 1b folgt dann die Teilüberschrift zum Thema „Wasser“,53 wobei dieses Thema jetzt näher entfaltet wird: Es geht um die Taufe, von der sofort ihre sündenvergebende Funktion betont wird,54 und im ersten Zitat näherhin darum, daß Israel die Taufe abgelehnt hat, indem sie „e`autoi/j oivkodomh,sousin“. Damit nimmt der Verfasser die Zielrichtung des Anfangszitats voll auf und zeigt – durchaus in Übereinstimmung mit der Zitatenkette –, wie dies zu verstehen ist. Eine weitere Kommentierung des ersten Schriftbeleges erfolgt nicht, und auch der zweite Schriftbeleg, der ja durchaus Anlaß für Erläuterungen gegeben hätte, bleibt unkommentiert. Erst das Zitat von Ps 1,3–6 erfährt anschließend in 11,8 eine – jetzt allerdings vergleichsweise umfangreiche – Auslegung. Dabei führt das Auslegungsverfahren, einzelne Textelemente allegorisch zu deuten, zu einem keineswegs in sich stimmigen Ergebnis. Der Psalmtext selbst vergleicht den Gerechten mit einem xu,lon, gepflanzt an Wasserläufen, und auch der durch o` tau/ta poiw/n veränderte Text in der Zitatenkette nimmt dieses Bild unverändert auf. Auch die Kommentierung setzt in ihrem weiteren Verlauf den „Baum“ mit dem Getauften gleich, wenn das fu,llon von Ps 1,3c auf das Zeugnis der Getauften gedeutet wird. Gleichzeitig bezieht der Verfasser aber die „Wasserläufe“, an denen der „Baum“ gepflanzt ist, direkt auf das Taufwasser,55 wenn er diejenigen als maka,rioi preist,56 „die in das Wasser hinabgestiegen sind“ – was zu einem fest eingepflanzten Baum natürlich schlecht paßt. Überraschend ist dann auch, daß erst das fu,llon von Ps 1,3c auf den Lebensvollzug der Getauften bezogen wird, während der (an erster Stelle erwähnte!) karpo,j aus Ps 1,3b im Sinne des noch ausstehenden eschatologischen Lohnes verstanden wird.57 Das paßt zu dem so interpretierten Text nur mit erheblicher Mühe, denn in Ps 1,3 stehen o` karpo,j und to. fu,llon eindeutig parallel. Verständlich wird das nur von der Deutungsebene her, die in der Zitatauslegung leitend ist: Die Taufe ist Gabe der Sündenvergebung (11,1) und der Geistverleihung (11,11), aber als solche von der Gabe der zwh. aivw,nioj zu unterscheiden.58 Der Anhalt am Text, den der Verfasser für seine Deutung findet, ist recht schwach, nämlich die 53
Dem entspricht in 12,1 die zweite Zwischenüberschrift über das „Kreuz“. Vgl. die Kommentierung des Abschlußzitats in 11,11. 55 Und nicht – wie für die vorgegebene Zitatenkette vorauszusetzen ist – auf das grundsätzlich zugängliche „Lebenswasser“. 56 Die Gestaltung der Kommentierung als Seligpreisung ist natürlich Aufnahme von Ps 1,1a. 57 Die eigentlich hier zu erwartende Deutung auf die „Früchte“ der Taufe folgt erst in 11,11 – obwohl das Zitat in 11,10 das Stichwort karpo,j gar nicht enthält. 58 Zur Eschatologie des Barn insgesamt vgl. H. LOHMANN, Drohung und Verheißung (1989), 195–241. 54
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zeitliche Bestimmung evn kairw|/ auvtou/ in Ps 1,3b, die der Verfasser zum Anlaß nimmt, in seiner Auslegung zwischen Zukunft und Gegenwart (in dieser Reihenfolge!) betont zu unterscheiden.59 Wie wichtig ihm dieser Gesichtspunkt war, zeigt sich daran, daß er dabei die zusätzliche Unstimmigkeit in Kauf nimmt, daß im Zitat von to.n karpo.n auvtou/, also von der „Frucht des Baumes“, die Rede ist, während der Verfasser vom „Lohn“ spricht – und dessen Geber ist Gott: to.n me.n misqo.n le,gei „evn kairw|/ autou/“. to,te, fhsi,n, avpodw,sw. Eine weitere Unstimmigkeit entsteht dadurch, daß der Verfasser gleich zu Beginn der Kommentierung behauptet, in diesem Psalmtext würden „das Wasser und das Kreuz zugleich [!] definiert“. Was gemeint ist, zeigt die Fortsetzung, die im Sinne des Verfassers als Auslegung von Ps 1,3a zu verstehen ist: „Selig sind die, die in der Hoffnung auf das Kreuz in das Wasser hinabgestiegen sind“. Eine exakte Gleichsetzung der Textelemente u[dwr und xu,lon mit dem Taufwasser und dem Kreuz erfolgt nicht, weil das im Text vorausgesetzte Verhältnis zwischen den „Wasserläufen“ und dem „Baum“ nicht dem Verhältnis von Taufwasser und Kreuz entspricht.60 Wesentlich ungezwungener ist dagegen die Auslegung der „Blätter“61 von Ps 1,3c auf das Zeugnis der Getauften, wobei die inhaltliche Entfaltung wieder deutlich die Handschrift des Verfassers erkennen läßt. Wie in 1,4 verwendet er die seit Paulus traditionelle Trias pi,stij – avga,ph – evlpi,j62 so, daß pi,stij und avga,ph eng zusammengerückt sind und evlpi,j den Abschluß bildet: Das in pi,stij und avga,ph ergehende Zeugnis wird „viele“ zur evpistrofh, und damit zur evlpi,j führen.
VII Das kurze Zitat in Barn 11,9, das von der gh/ tou/ VIakw,b handelt, wird auf das skeu/oj tou/ pneu,matoj gedeutet. Eine christologische Ausrichtung dieser
59 Vgl. die zeitliche Differenzierung zwischen den an sich parallelen Zitataussagen von Ps 1,3b und 1,3c durch to,te und nu/n de, in 11,8. 60 Man fragt sich natürlich, ob diese Kommentierung in Kenntnis der bei Justin, Dial 86,4 greifbaren christologischen Deutung des xu,lon von Ps 1,3a erfolgt. Positiv zu sichern ist dies jedoch nicht, da die Erwähnung des Kreuzes in der Auslegung von Ps 1,3a in Barn 11,8 auch allein auf dem Hintergrund von Barn 8,1 – und im Vorgriff auf Kap. 12 – erklärlich ist. 61 In der Deutung spricht der Vf. von ta. fu,lla, obwohl er zunächst korrekt to. fu,llon zitiert hat. 62 Zur Herkunft der Trias und ihrer Funktion bei Paulus (1Thess 1,3; 5,8; 1Kor 13,13; s. auch Gal 5,5f) vgl. O. WISCHMEYER, Weg (1981), 144–162; T. SÖDING, Trias (1992) passim (zu Barn 11,8: 193), und W. WEISS, Glaube – Liebe – Hoffnung (1993), 196–217.
Auslegung von Psalm 1 bei Justin und im Barnabasbrief
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Wendung ist zwar nicht auszuschließen,63 doch legt der engere Zusammenhang die Deutung auf die Getauften näher:64 Sie, die ja in 11,8 als maka,rioi gepriesen wurden, sind im Sinne des Barnabasbriefes Geistträger, wie schon das Proömium zeigt, in dem der Verfasser sich lobend evpi. toi/j makari,oij kai. evndo,xoij [!] pneu,masin der Adressaten ausspricht (1,2). Als solche Geistträger sind die Getauften von Gott verherrlicht.65 Die Auslegung des Schlußzitats erfolgt dann relativ problemlos. Der auf Ez 47 zurückgehende Schriftbeleg ist ja schon in der vorgegebenen Zitatenkette als eschatologischer Abschluß gemeint, der den endzeitlichen Lohn der Taufe (an die das Stichwort potamo,j erinnert) formulieren soll. Das braucht der Verfasser nur noch zu entfalten. Die Taufe, so lautet seine Erklärung, bedeutet Reinigung von den Sünden und damit Beginn eines neuen Lebens, das „Frucht“ bringt66 und – wie in nochmaliger Aufnahme des Schlußteils formuliert wird – ein zh/n eivj to.n aivw/na verheißt. Deutlich erkennbar ist, daß damit die Themen, die der Verfasser in der Deutung von Ps 1,3–6 in 11,8 angesprochen hat, nämlich der gegenwärtige Wandel der Getauften und die eschatologische Verheißung der Taufe, hier nochmals aufgenommen werden.
VIII Will man versuchen, die einzelnen Beobachtungen zu bündeln, so kann man feststellen, daß sich in der Aufnahme von Ps 1 bei Justin und im Barn offenbar drei bereits traditionelle Interpretationslinien abzeichnen: – eine christologische, – eine tauftheologische – und eine paränetische Interpretationslinie. Zusätzlich stellt der Verfasser des Barnabasbriefes den Text in einen eschatologischen Deutungsrahmen.67 Dabei ist jeweils eine unterschiedliche Sichtweise des di,kaioj, der in Ps 1 selig gepriesen und in seinem Geschick beschrieben wird, leitend. In 63
Die Wendung kommt bei Barn nur noch 7,3 vor und ist dort eindeutig christologisch gemeint. 64 Zu dieser Alternative vgl. H. WINDISCH, Barnabasbrief (1920), 368. 65 Vgl. auch Barn 16,10: Im Glaubenden redet nicht er selbst, sondern Gott redet in ihm (vgl. 16,9), so daß jeder Hörende darüber erstaunt. 66 Hier trägt der Vf. die Auslegung nach, die man an sich in 11,8 im Anschluß an Ps 1,3b bereits erwartet hat. 67 In der eschatologischen Deutung von Ps 1,3b in Barn 11,8 liegt offenbar ein spezifischer Eigenbeitrag des Vf. zur Auslegungstradition vor, während die in 11,11 nachgeholte paränetische Deutung bereits traditionell sein dürfte.
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der christologischen Deutung, die darauf abzielt, das xu,lon von Ps 1,3 als Hinweis auf das Kreuz zu interpretieren, ist vorausgesetzt, daß Christus der wahre Gerechte bzw. der Gerechte schlechthin ist. In der tauftheologischen Deutung wird der Gerechte von Ps 1 als der Getaufte interpretiert, der durch die mit der Taufe vermittelte Sündenvergebung und durch die Geistverleihung die Gabe der dikaiosu,nh erlangt hat. Die paränetische Deutung kann die weisheitlich-mahnende Ausrichtung von Ps 1 aufnehmen und in dem di,kaioj den Christen sehen, der auf die „Früchte“ hin angesprochen werden kann, zu denen er durch die Taufe instand gesetzt ist.68 Dabei ist es bemerkenswert, daß der paränetischen Deutung in der Aufnahme von Ps 1 traditionsgeschichtlich offenbar nicht die Priorität zukommt. Und auch dort, wo diese Möglichkeit des Textverständnisses ergriffen wird, ist sie vom neuen Gesamtverständnis gerahmt. Das gilt nicht nur dort, wo die Aussagen von Ps 1,3 auf den Getauften bezogen und paränetisch gewendet werden. Gleiches gilt auch, wenn – für heutiges Textverständnis ungewohnt – in Barn 10,10 die negativ-abgrenzenden Aussagen von Ps 1,1 zur Absicherung einer paränetisch orientierten allegorischen Auslegung alttestamentlicher Speiseverbote herangezogen werden. Besonders deutlich wird der neue Bezugsrahmen, wenn sich die paränetische Deutung mit einer eschatologischen Perspektive verbindet.69 Diese Integration in den neuen Verstehenshorizont erklärt auch, warum auch im Rahmen der paränetischen Deutung von Ps 1 die für den ersten Psalm so charakteristische Anbindung gerechten Lebensvollzugs an das unablässige Bedenken des Gesetzes keine positive Aufnahme findet. D.h. auch dort, wo – gegenüber dem Neuen Testament mit deutlicher Zeitverzögerung – Ps 1 als Beschreibung gerechten, d.h. vor Gott bestandsfähigen Lebens und als Ausdruck der solchem Leben geltenden Verheißungen wahrgenommen wird, erfolgt diese Wahrnehmung selektiv. Gleichzeitig ist aber nicht zu übersehen (das machen die tauftheologische und auch die christologische Deutung klar), daß hier auf mehrfache Weise versucht wird, die in Ps 1 ausgesprochene Lebensverheißung an den Gerechten neu zu 68 Die Aussage über das „Fruchtbringen“ derer, die „im Geist Furcht und Hoffnung auf Jesus haben“ (Barn 11,11), ist dabei wesentlich weniger gesetzlich formuliert, als dies häufig für Barn generell unterstellt wird. 69 Etwas komplizierter ist die Situation in Justin, I Apol 40. Der inhaltliche Vorblick auf das Zitat scheint ein rein auf die ethische Dimension beschränktes Verständnis von Ps 1 nahezulegen: Justin sagt, er führe Ps 1 an, weil man aus ihm lernen könne, „wie der prophetische Geist die Menschen anleitet, zu leben“ (40,5). Doch wird im Anschluß an Ps 1 in unmittelbarer Fortsetzung Ps 2 zitiert – und dieser zielt nach Justin (er bezieht sich dabei auf Ps 2,10–12) darauf, zu zeigen, „wie Gott alle zur Buße (meta,noia) ruft, bevor der Tag des Gerichtes kommt“ (40,7). In diesem Gesamthorizont ist dann aber auch Ps 1, dessen Wiedergabe unmittelbar nach diesen Worten beginnt, zu lesen, d.h. als Ruf zur umfassenden meta,noia; zum (auch exegetisch verifizierbaren!) Rückbezug von Ps 2,10–12 auf Ps 1 vgl. F.-L. HOSSFELD/E. ZENGER, Psalmen I (1993), 45, 50f.
Auslegung von Psalm 1 bei Justin und im Barnabasbrief
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hören – und zwar in dem Horizont, in dem nun von „Leben“ (nicht zuletzt unter dem Bildwort vom Lebenswasser) als neuem, geschenktem Leben im Rahmen christlicher Verkündigung zu reden ist. Literatur BEYERLIN, W., Psalm 8. Chancen der Überlieferungskritik, ZThK 73, 1976, 1–22. BROX, N., Der Hirt des Hermas, KAV 7, Göttingen 1991. FLESSEMAN-VAN LEER, E., Die Interpretation der Passionsgeschichte vom Alten Testament aus, in: H. Conzelmann u.a., Zur Bedeutung des Todes Jesu. Exegetische Beiträge, STAEKU, Gütersloh 1967, 79–96. HENGEL, M./DEINES, R., Die Septuaginta als „christliche Schriftensammlung“ und das Problem ihres Kanons, in: W. Pannenberg/T. Schneider (Hg.), Verbindliches Zeugnis I. Kanon – Schrift – Tradition, DiKi 7, Freiburg/Göttingen 1992, 34–127. HOSSFELD, F.-L./ZENGER, E., Die Psalmen I. Psalm 1–50, NEB.AT 29, Würzburg 1993. KLIJN, A.F.J., Die syrische Baruch-Apokalypse, JSHRZ 5,2, Gütersloh 1976, 105–191. KOCH, D.-A., Die Schrift als Zeuge des Evangeliums. Untersuchungen zur Verwendung und zum Verständnis der Schrift bei Paulus, BHTh 69, Tübingen 1986. KRAFT, R.A., The Apostolic Fathers. A New Translation and Commentary. Vol. 3. Barnabas and the Didache, New York 1965. KRATZ, R.G., Die Gnade des täglichen Brotes. Späte Psalmen auf dem Weg zum Vaterunser, ZThK 89, 1992, 1–40. LEVIN, C., Das Gebetbuch der Gerechten. Literargeschichtliche Beobachtungen am Psalter, ZThK 90, 1993, 355–381. LINDEMANN, A., Parusie Christi und Herrschaft Gottes. Zur Exegese von 1Kor 15,23–28, WuD NF 19, 1987, 87–107. LOHMANN, H., Drohung und Verheißung. Exegetische Untersuchungen zur Eschatologie bei den Apostolischen Vätern, BZNW 55, Berlin/New York 1989. LUNDBERG, P., La typologie baptismale dans l’ancienne église, ASNU 10, Leipzig/Uppsala 1942. MARBÖCK, J., Zur frühen Wirkungsgeschichte von Ps 1, in: E. Haag/F.-L. Hossfeld (Hg.), Freude an der Weisung des Herrn. Beiträge zur Theologie der Psalmen (Festgabe zum 70. Geburtstag von Heinrich Groß), SBB 13, Stuttgart 1986, 207–222. MÜLLER, P.-G., Die Funktion der Psalmenzitate im Hebräerbrief, in: E. Haag/F.-L. Hossfeld (Hg.), Freude an der Weisung des Herrn. Beiträge zur Theologie der Psalmen (Festgabe zum 70. Geburtstag von Heinrich Groß), SBB 13, Stuttgart 1986, 223–242. PRIGENT, P., Les Testimonia dans le Christianisme primitif. L’Epître de Barnabé I-XVI et ses sources, EtB, Paris 1961. –, Justin et l’Ancien Testament, EtB, Paris 1964. PRIGENT, P./KRAFT, R.A., Épître de Barnabé. Introduction, Traduction et Notes par Pierre Prigent. Texte Grec établi et présenté par Robert A. Kraft, SC 172, Paris 1971. REIJNERS, G.Q., The Terminology of the Holy Cross in Early Christian Literature as based upon Old Testament Typology, GCP 2, Nijmwegen 1965. RUPPERT, L., Jesus als der leidende Gerechte? Der Weg Jesu im Lichte eines alt- und zwischentestamentlichen Motivs, SBS 59, Stuttgart 1972. SEYBOLD, K., Die Psalmen. Eine Einführung, VB 382, Stuttgart 1986. SKARSAUNE, O., The Proof from Prophecy. A Study in Justin Martyr’s Proof-Text Tradition: TextType, Provenance, Theological Profile, NT.S 56, Leiden 1987. –, Art. Justin der Märtyrer, TRE 17, Berlin/New York 1988, 471–478. SÖDING, T., Die Trias Glaube, Hoffnung, Liebe bei Paulus. Eine exegetische Studie, SBS 150, Stuttgart 1992.
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Hellenistisches Christentum: Schriftverständnis
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II. Ekklesiologie
Zwölferkreis und Gottesvolk Überlegungen zur Frühgeschichte neutestamentlicher Ekklesiologie∗
Ekklesiologische Entwürfe und Theoriekonzepte innerhalb der systematischen Theologie, die sich auf neutestamentliche Ansätze und Voraussetzungen zurückbeziehen, finden ihre produktivsten Anknüpfungspunkte zumeist im Bereich der paulinischen Theologie bzw. in den durch Paulus vermittelten Traditionsbereichen, so im Selbstverständnis der frühen, gesetzesfreie Mission betreibenden Gemeinden als ‚EKKLESIA‘, in der LeibChristi-Konzeption des Paulus oder in den paulinischen und nachpaulinischen Konzeptionen zum Verhältnis von Gemeinde und Amt. Die Rolle des Zwölferkreises und dessen mögliche ekklesiologische Bedeutung treten dagegen deutlich in den Hintergrund.1 Das entspricht durchaus dem Befund in der neutestamentlichen Forschung, in der der Zwölferkreis ausgesprochen kontrovers beurteilt wird. Der Grund dafür dürfte ein doppelter sein: a) Strittig ist aufgrund der problematischen Quellenlage die historische Verankerung des Zwölferkreises. Die neutestamentlichen Quellen lassen nämlich die historische Rolle des Zwölferkreises nur schwer erkennen.2 b) Noch geringere Auskünfte enthalten die neutestamentlichen Quellen über die mögliche ekklesiologische Bedeutung des Zwölferkreises. An beiden Fragen soll versucht werden zu prüfen, ob nicht doch – im Rahmen sinnvoller Hypothesenbildung – genauere Auskünfte möglich sind.
∗ Zuerst erschienen in: W. Brändle/R. Stolina (Hg.), Geist und Kirche (FS E. Lessing), Frankfurt/M. u.a. 1995, 1–20. 1 Als Beispiel sei auf EBELING, G., Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 3 (1979), Tübingen 31993, dort 331–384 (§ 36: „Die Gemeinschaft des Glaubens“) verwiesen, der an die genannten paulinischen Bestimmungen anknüpft, während im Register das Stichwort „Die Zwölf“ überhaupt fehlt. 2 Das Meinungsspektrum reicht von der Verneinung über vorsichtige bis zu fragloser Bejahung vorösterlicher Herkunft. Zur Illustration sei auf drei neuere Gesamtdarstellungen verwiesen: SCHENKE, L., Die Urgemeinde. Geschichtliche und theologische Entwicklung, Stuttgart 1990, 75– 78 (76: „Es spricht … meines Erachtens mehr dafür, daß dieser Kreis nachösterlich ist und durch die Erscheinung des Auferstandenen [1Kor 15,5] konstituiert wurde“); GNILKA, J., Jesus von Nazaret. Botschaft und Geschichte, HThK.S 3, Freiburg/Basel/Wien 1990, 187–191 (188: Mit der Annahme nachösterlicher Herkunft „schafft man … nur größere Schwierigkeiten“); VOUGA, F., Geschichte des frühen Christentums, UTB 1733, Tübingen/Basel 1994, 25–27 (26: „es gibt keinen Grund, ‚die Zwölf‘ für eine Schöpfung der nachösterlichen Gemeinden zu halten“).
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Hellenistisches Christentum: Ekklesiologie
I. Als unumstritten sicherer Einsatzpunkt für die Frage nach der historischen Verortung des Zwölferkreises kann die vorpaulinische katechetische Formel von 1Kor 15,3b–5 gelten.3 Die hier verankerte Rolle von ‚Kephas‘ und den ‚Zwölf‘ läßt die begründete Vermutung zu, daß der Zwölferkreis mit Petrus an der Spitze in einer frühen Phase der Jerusalemer Urgemeinde eine theologisch qualifizierte Rolle gespielt hat. Nur so ist die Nennung des Zwölferkreises in einem theologisch so herausgehobenen Text erklärbar, denn die Formel als ganze benennt diejenige Grundlage, die für die hinter dieser Formel stehende Gruppe von konstitutiver Bedeutung ist. Die hier sichtbar werdende einzigartige Rolle des Zwölferkreises zeigt sich auch daran, daß der Zwölferkreis von den von Paulus gleich im Anschluß genannten weiteren Auferstehungszeugen (den ‚mehr als 500 Brüdern‘, 1Kor 15,6) ausdrücklich unterschieden wird – nur die ‚Zwölf‘ und nicht die ‚500 Brüder‘ finden Aufnahme in die katechetische Fundamentalaussage von 1Kor 15,3b–5.4 Die von Paulus in 1Kor 15,7 angefügte Aussage über die Erscheinungen des Auferstandenen vor ‚Jakobus‘ und ‚allen Aposteln‘5 signalisiert, daß 3
Zur Analyse und Interpretation der Formel vgl. KRAMER, W., Christos – Kyrios – Gottessohn. Untersuchungen zu Gebrauch und Bedeutung der christologischen Bezeichnungen bei Paulus und den vorpaulinischen Gemeinden, AThANT 44, Zürich 1963, 15–40; CONZELMANN, H., Zur Analyse der Bekenntnisformel 1Kor 15,3–5 (1965), in: DERS., Theologie als Schriftauslegung. Aufsätze zum Neuen Testament, BEvTh 65, München 1974, 131–141; DERS.: Grundriß der Theologie des Neuen Testaments, München 21968, 84–86, bzw. UTB 1446, Tübingen 51992 (bearb. von A. Lindemann), 50–52; WENGST, K., Christologische Formeln und Lieder des Urchristentums, StNT 7, Gütersloh 1972, 92–97; DERS., Art. Glaubensbekenntnis(se) IV. Neues Testament, TRE 13, 1984, 392–399, dort 395f; HOFFMANN, P., Art. Auferstehung II/1. Auferstehung Jesu Christi. Neues Testament, TRE 4, 1979, 478–513, dort 482f.491–493; SCHENKE, L., Urgemeinde (s.o. Anm. 2) 334–339. Aufgrund ihrer komplexen Struktur wird man allerdings die Formel von 1Kor 15,3b–5 sicher nicht an den Anfang der Entwicklung des christologischen Formelgutes setzen können (so auch Wengst, Hoffmann, Schenke); s. auch u. S. 115. 4 Daß die vorpaulinische Formel auf 1Kor 15,3b–5 zu beschränken ist, ist weitgehender Konsens. Das bedeutet nicht, daß Paulus nicht auch in V. 6 (und V. 7) Überlieferung wiedergibt. Doch sind diese Überlieferungen nicht Teil der in V. 1–3a angekündigten Tradition. Anders jetzt offenbar VOUGA, Geschichte (s.o. Anm. 2), 25f. 5 Diese Aussage ist deutlich als Parallelbildung zu 1Kor 15,5 erkennbar. WENGST, Formeln (s.o. Anm. 3), 94f, und HOFFMANN, Auferstehung (s.o. Anm. 3), 491, rechnen mit paulinischer Herkunft (der Formulierung) von V. 7; SCHENKE, Urgemeinde (s.o. Anm. 3), 335, schließt die Möglichkeit einer sekundären vorpaulinischen Erweiterung von V. 3b–5 um (V. 6a und) V. 7 nicht aus. Nicht überzeugend scheint mir die Argumentation von WENGST, a.a.O., 94f zu sein, V. 7 sei ohne jeden sachlichen Anstoß als paulinisch erklärbar. Die ohne Einschränkung formulierte Wendung oi` avpo,stoloi pa,ntej bringt Paulus doch in erkennbare Schwierigkeiten (V. 8–10). Bei einer tatsächlich eigenständigen Formulierung wäre eher eine Wendung wie ‚alle damaligen Apostel‘ oder ‚alle, die damals Apostel waren‘ zu erwarten, zumal sich bereits V. 6 völlig von der Struktur der katechetischen Formel entfernt.
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bereits vor Paulus eine Verschiebung stattgefunden hat. Offensichtlich ist neben die ‚Zwölf‘ ein anderer Kreis von Personen getreten,6 der sich in seiner Funktion auf die gleiche Legitimation beruft wie die ‚Zwölf‘.7 Die Spitzennennung des ‚Kephas‘ einerseits und des Jakobus andererseits8 läßt dabei den Schluß zu, daß es sich beim Zwölferkreis um (primär wohl galiläische) Jesusanhänger aus der Phase seines vorösterlichen Wirkens handelt, während für den ‚Jakobus/Apostel-Kreis‘ vorösterliche Zugehörigkeit zur Gruppe der Jesusanhänger nicht als notwendig vorauszusetzen ist. Das hieße zugleich: Das Hinzutreten eines weiteren Personenkreises9 mit eige6
Das Nebeneinander von 1Kor 15,5 und 15,7 reflektiert einen vorpaulinischen Zustand, in dem die ‚Zwölf‘ und ‚die/alle Apostel‘ verschiedene Gruppen darstellten; vgl. SCHMITHALS, W., Das kirchliche Apostelamt. Eine historische Untersuchung, FRLANT 79, Göttingen 1961, 56–77; KLEIN, G., Die Zwölf Apostel. Ursprung und Gestalt einer Idee, FRLANT 77, Göttingen 1961, 38–49. ROLOFF, J., Apostolat – Verkündigung – Kirche. Ursprung, Inhalt und Funktion des kirchlichen Apostelamtes nach Paulus, Lukas und den Pastoralbriefen, Gütersloh 1965, 57–60, versucht den Nachweis zu führen, die avpo,stoloi von 1Kor 15,7 schlössen die ‚Zwölf‘ von 1Kor 15,5 mit ein. Er hält es für „undenkbar, daß zu diesen maßgeblichen Persönlichkeiten“, die Paulus lt. Gal 1,17–19 in Jerusalem traf, „nicht damals, wenige Jahre nach der Auferstehung, die Zwölf gehört hätten, wenn auch andererseits der Apostelkreis niemals auf sie alleine beschränkt gewesen sein mag“ (59). Dagegen spricht: 1. Wenn die avpo,stoloi pa,ntej von 1Kor 15,7 ein Kreis von Personen waren, der auch die Zwölf (und damit auch Petrus!) miteinschloß, wären die Zwölf (wiederum: mit Petrus!) bereits in dieser frühen Zeit, die nach 1Kor 15,1–8 vor der Berufung des Paulus lag, in einen größeren Kreis unter der Leitung des Jakobus integriert worden. 2. Die Ausdrucksweise des Paulus in Gal 1,17–19 spiegelt eine Situation wider, in der mit Petrus und Jakobus die beiden Personen genannt werden, die in 1Kor 15,5/7 jeweils an der Spitze eines unterschiedlich benannten Personenkreises erscheinen. Richtig ist, daß beide in Gal 1,17–19 mit dem gleichen Titel avpo,stoloj bezeichnet werden, doch ist daraus kein Rückschluß auf eine irgendwie relevante Rolle des Zwölferkreises z.Zt. des ersten Besuchs des Paulus in Jerusalem möglich. Feststellbar ist nur eine Ausweitung des Apostelbegriffs auch auf Petrus und die Nichterwähnung der Zwölf. Beim Zurücktreten des Zwölferkreises und der Ausweitung des Apostelbegriffs dürfte es sich um ein und denselben Vorgang handeln, der in Gal 1,19 (und Gal 2,1–10, wo der Zwölferkreis ebenfalls fehlt!) bereits vorausgesetzt ist. Richtig HOFFMANN, Auferstehung (s.o. Anm. 3), 491: „die ‚Apostel alle‘ sind für Paulus offenbar eine klar umgrenzte, von den Zwölfen unterschiedene Gruppe judenchristlicher Missionare“. 7 Im Begriff avpo,stoloj, der erkennbar parallel zu dem der ‚Zwölf‘ steht, kommt ein anderer fundamentaler Aspekt der Urgemeinde zum Ausdruck: ihr missionarisches Selbstverständnis, das offensichtlich nicht erst Kennzeichen der ‚Hellenisten‘ (und bei diesen gar erst auf Grund ihrer Vertreibung) ist. 8 Zur Rolle des Herrenbruders Jakobus in der Jerusalemer Gemeinde vgl. die Untersuchung von PRATSCHER, W., Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition, FRLANT 139, Göttingen 1987, 29–102. 9 Wenn diese Gruppe durch ‚Jakobus und alle Apostel‘ repräsentiert wird, dann bedeutet das: Dieser Personenkreis, der durch Mission gewonnen wurde, übernimmt seinerseits aktiv die Missionsaufgabe und findet darin sein spezifisches Selbstverständnis. Frappierend ist dabei, daß dieser Kreis, an dessen Spitze mit dem Herrenbruder Jakobus ein Palästinenser steht, mit dem Begriff avpo,stoloj eine griechisch formulierte Funktionsbezeichnung wählt (die überdies noch eine neue Wortprägung darstellt!). Dies könnte darauf hindeuten, daß der gesamte durch ‚Jakobus und alle
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nem Autoritätsanspruch ist einerseits Ausdruck des Wachsens der Jerusalemer ‚Urgemeinde‘, stellt aber zugleich die in der vorpaulinischen Formel sich widerspiegelnde einzigartige Stellung des Zwölferkreises in Frage. Interessant ist, daß die zweite Erwähnung des Zwölferkreises, die schlaglichtartig eine gewisse historische Konkretion erkennen läßt, die Nennung der ‚Zwölf‘ in Apg 6,2, ebenfalls in einem Zusammenhang erfolgt, in dem es um eine Ausweitung der Gemeinde und um dadurch bedingte konkurrierende Leitungsansprüche geht.10 Im Zuge des Anwachsens der Jerusalemer ‚Urgemeinde‘ erlangte der hellenistisch-jüdische Anteil innerhalb der Gemeinde ein solches Eigengewicht, daß sich dieser Gemeindeteil als eigenständige Einheit – als die ‚Hellenisten‘ konstituierte. Unstrittig ist, daß in den ‚sieben Männern‘ (Apg 6,3 – der Titel ‚Diakon‘ wird nicht gebraucht!) das Leitungsgremium der ‚Hellenisten‘ zu sehen ist. Deutlich ist außerdem, daß mit der Bildung eines eigenen Leitungsgremiums eine Verselbständigung der ‚Hellenisten‘ gegenüber der (übrigen) Jerusalemer Urgemeinde einsetzte bzw. sich verstärkte. Die weitere Entwicklung der ‚Hellenisten‘, ihre Konflikte innerhalb Jerusalems, das Martyrium des Stephanus und die Vertreibung aus Jerusalem, zeigen deutlich, daß die ‚Hellenisten‘ eine von den ‚Hebräern‘ – aber auch den ‚Zwölf‘ – unabhängige Dynamik entwickelten.11 Spätestens mit der Vertreibung der ‚Hellenisten‘ aus Jerusalem (Apg 8) und deren Hinwendung zu einer über Israel hinausgreifenden Missionstätigkeit war der Anspruch des Zwölferkreises, die Gesamtheit der Christusanhänger zu repräsentieren, direkt in Frage gestellt. Die auf die Restitution des eschatologischen Zwölfstämmevolkes ausgerichtete Konzeption, die im Zwölferkreis zum Ausdruck kommt, war nicht mehr aufrechtzuerhalten – es sei denn, man hätte jede Brücke zu den von den ‚Hellenisten‘ gegründeten jüdisch-nichtjüdisch gemischten Gemeinden abgebrochen. Da die JerusaleApostel‘ repräsentierte Teil der Gemeinde sehr bald ein deutliches hellenistisch-jüdisches Element umfaßte, aus dem dann die ‚Hellenisten‘ entstanden. 10 Zur Analyse von Apg 6,1–15 vgl. HENGEL, M., Zwischen Jesus und Paulus. Die „Hellenisten“, die „Sieben“ und Stephanus (Apg 6,1–15; 7,54–8,3), ZThK 72, 1975, 151–206; LÖNING, K., Der Stephanuskreis und seine Mission, in: J. Becker u.a., Die Anfänge des Christentums, Stuttgart 1987, 80–101; SCHENKE, Urgemeinde (s.o. Anm. 2), 69–73.176–197; sowie SCHNEIDER, G., Die Apostelgeschichte. Erster Teil: Einleitung. Kommentar zu Kap. 1,1–8,40, HThK 5/1, Freiburg/Basel/Wien 1980, 417–440; WEISER, A., Die Apostelgeschichte. Kap. 1–12, ÖTBK 5/1, Gütersloh/Würzburg 1981, 162–174; PESCH, R., Die Apostelgeschichte. 1. Teilband. Apg 1–12, EKK 5/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1986, 224–240. 11 SCHENKE, Urgemeinde (s.o. Anm. 2), 79, nimmt an, daß vor der Vertreibung der ‚Hellenisten‘ die ‚Hebräer‘ und ‚Hellenisten‘ zwei Untergliederungen der Urgemeinde bildeten; an der Spitze dieser Untergruppen standen die Jerusalemer ‚Apostel‘ bzw. die ‚Sieben‘, während die ‚Zwölf‘ „das übergeordnete Gremium der Gesamtgemeinde“ gewesen sein könnten. Doch dürfte dies – wenn überhaupt – nur für eine Übergangsphase der Fall gewesen sein.
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mer Gemeinde – und auch die Zwölf12 – zu diesem Bruch offenbar nicht bereit waren, wurde der Zwölferkreis als Ausdruck des Selbstverständnisses und des Anspruchs aller Christusanhänger funktionslos.13 Ein Zwölferkreis, der lediglich die in Jerusalem verbliebenen ‚Hebräer‘ (und u.U. die palästinischen Gemeinden insgesamt) repräsentierte, wäre ein Unding gewesen – abgesehen davon, daß außerdem die Leitungsansprüche der konkurrierenden ‚Jakobus/Apostel‘-Gruppe eher größer als geringer wurden. Die inneren Veränderungen, die sich aus dieser gesamten Entwicklung für die Jerusalemer Gemeinde ergaben, sind in ihrem Resultat in Gal 2,1–10 sichtbar, wo der Zustand für die zweite Hälfte der 40er Jahre greifbar wird: Es existieren unabhängig voneinander zwei selbständige Gemeinden, diejenige von Jerusalem und die auf die ‚Hellenisten‘ zurückgehende Gemeinde von Antiochia.14 An der Spitze der Jerusalemer Gemeinde steht ein Dreierkollegium (Gal 2,9): einerseits Jakobus, als Vertreter der nach Ostern hinzugekommenen (Juden-)Christen (an der Spitze genannt!),15 andererseits (an dritter Stelle) Johannes als Angehöriger des vorösterlich-galiläischen Gemeindeteils (und Mitglied des alten Zwölferkreises) und schließlich – in bezeichnender Mittelstellung – Kephas, dem offenbar auch innerhalb der Jerusalemer Gemeinde (jedenfalls in dieser Phase) eine Brückenfunktion zukommt.16 12 Es ist ja gerade Petrus, der später die Verbindung zu den nichtjüdischen Gemeinden aufrecht erhält, vgl. Gal 2,11; s. auch 1Kor 9,5. 13 Ähnlich SCHENKE, Urgemeinde (s.o. Anm. 2), 76, der allerdings mit einem zusätzlichen Grund rechnet: Das in der Bildung des Zwölferkreises zum Ausdruck kommende Programm war unmittelbar auf Jerusalem bezogen. Hier wurde die endzeitliche Restitution des Zwölfstämmevolkes erwartet. Auch nach der Vertreibung der ‚Hellenisten‘ sei der auf Israel bezogene Anspruch erhalten geblieben. „Aber er war nicht mehr in Jerusalem durchzusetzen, weil Jerusalem und seine Führer sich diesem Anspruch widersetzt … hatten.“ Doch mußte wegen der Verfolgung des Stephanuskreises (die zudem den Zwölferkreis und die ‚Hebräer‘ überhaupt nicht betraf!) die Erwartung einer endzeitlichen Restitution Israels in Jerusalem keineswegs als gescheitert gelten. Verfolgungen waren – als Zeichen des herannahenden Endes – durchaus mit intensiver Enderwartung vereinbar. 14 Natürlich ist das ein vereinfachtes Bild. Sowohl in Palästina als auch in Syrien ist mit weiteren Gemeinden zu rechnen (Lydda, Joppe, Caesarea, Damaskus), doch spitzt sich das ekklesiologische Problem im Nebeneinander von Jerusalem und Antiochia zu. 15 PRATSCHER, Herrenbruder (s.o. Anm. 8), 68–70, führt die Nennung des Jakobus an erster Stelle auf die argumentative Absicht des Paulus in Gal 2,1–10 zurück – in Verbindung mit der führenden Rolle, die Jakobus dann z.Zt. der Abfassung des Gal tatsächlich innegehabt habe. Immerhin ist der Unterschied zu Gal 1,18f auffällig. 16 Auch PRATSCHER, Herrenbruder (s.o. Anm. 8), 68, sieht im ‚Säulenkollegium‘ „einen Kompromiß zwischen der alten Dodeka- bzw. Kephastradition und der jüngeren Jakobustradition“. Nicht ganz so sicher ist, welche Rückschlüsse aus Gal 1,19 für die Mitte bzw. die zweite Hälfte der 30er Jahre in bezug auf die Leitungsstrukturen der Jerusalemer Gemeinde gezogen werden können. Immerhin ist bemerkenswert: Als Einzelpersonen werden lediglich Kephas und der Herrenbruder Jakobus genannt, und als Funktionsbezeichnung begegnet nur noch avpo,stoloi – ohne das Gegenüber der ‚Zwölf‘.
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Es ergibt sich somit: Es war die offenkundig sehr wirksame werbende Tätigkeit des Zwölferkreises17 und der von ihm repräsentierten Gruppierung, die dazu führte, daß der Zwölferkreis in seiner Funktion, die Gesamtheit der (faktisch zunächst auf Jerusalem beschränkten) Christusanhänger in ihrem Anspruch und Selbstverständnis zu repräsentieren, sehr bald in Frage gestellt wurde. Als Gründe für das offenbar recht früh eingetretene Ende des Zwölferkreises schälen sich dabei zwei recht unterschiedlich gelagerte Faktoren heraus: a) die personelle Beschränkung des Zwölferkreises auf (im Prinzip galiläische) Anhänger Jesu aus dessen vorösterlicher Wirkungsphase, die jede Repräsentanz anderer Teile der Gemeinde ausschloß;18 b) der in der Konzeption des Zwölferkreises enthaltene Bezug auf Israel, genauer: auf dessen eschatologische Restitution – eine Konzeption, die spätestens mit der Hinwendung der ‚Hellenisten‘ zur über Israel hinausgreifenden Mission keine alle Christusanhänger bindende Kraft mehr hatte. Die Tatsache, daß von einem relativ frühen Ende des Zwölferkreises auszugehen ist, läßt aber auch die Schlußfolgerung zu, daß für die Konzeption des Zwölferkreises mit einer ausgesprochen frühen Entstehung zu rechnen ist. Von hier aus ergibt sich auch, daß die in 1Kor 15,3b–5 vorliegende Verankerung des Zwölferkreises im gemeindekonstituierenden Geschehen der Ostererfahrung als historisch grundsätzlich zutreffend anzusehen ist. In die gleiche Richtung weist die Tatsache, daß der Zwölferkreis auf Personen aus dem Kreis der vorösterlichen Jesusanhänger begrenzt ist. Damit stellt sich die Frage, in welchem Sinne die in 1Kor 15,5 genannten Erscheinungen des Auferstandenen vor ‚Kephas‘ und vor den ‚Zwölf‘ in bezug auf den Zwölferkreis als dessen Entstehungsdatum anzusehen sind: Ist hier ein vorösterlicher Zwölferkreis neu konstituiert worden – oder handelt es sich um eine Institution, die ohne Voraussetzungen im vorösterlichen Wirken Jesu erst durch die Erscheinungen selbst entstanden ist?
II. Die Möglichkeit, eine nachösterliche Entstehung des Zwölferkreises ernsthaft in Erwägung zu ziehen, ergibt sich daraus, daß das synoptische Material – in Verbindung mit der vorpaulinischen Überlieferung von 1Kor 15,3b– 17
S.o. S. 109 (mit Anm. 7). Dies gilt unabhängig von der Frage der vor- oder nachösterlichen Entstehung des Zwölferkreises. Auch bei einer nachösterlichen Entstehung des Zwölferkreises ist deutlich, daß die Konzeption dieses Kreises eine Beschränkung auf die vorösterlichen Jesusanhänger implizierte. Anders ist die Nichtzugehörigkeit des Herrenbruders Jakobus zum Zwölferkreis nicht erklärbar. 18
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5 – alles andere als eindeutig ist. Natürlich stellen die Synoptiker die Einsetzung des Zwölferkreises als Teil des irdischen Wirkens Jesu dar. Doch mit welchem Recht? Die Verankerung der Zwölferliste Mk 3,16–19 in einer vorösterlichen Szenerie und die sonstigen Erwähnungen des Zwölferkreises sind durchweg auch unter der Annahme erklärbar, daß es sich beim Zwölferkreis um eine frühe nachösterliche Bildung ohne vorösterliche Vorstufe handelt.19 Das gilt grundsätzlich auch für die feste Bezeichnung des Verräters Judas als „einer der Zwölf“ (Mk 14,10.20.43; vgl. 3,19).20 Schließlich zeigt die Tatsache, daß Mk für den Zwölferkreis keine spezifische Funktion mehr angeben kann,21 nur den Abstand, der zwischen dem Ende (der realen Funktion) des Zwölferkreises und dem ältesten Evangelium liegt, besagt jedoch nichts zur Frage nach der Entstehung. Die Ambivalenz der Quellenlage wird besonders bei der Auswertung von 1Kor 15,5 sichtbar. Auffällig ist ja, daß in 1Kor 15,5 trotz der Tradition von Judas als ‚einem der Zwölf‘ nicht von elf, sondern von zwölf Personen die Rede ist. Aus dieser unumstrittenen Beobachtung werden jedoch genau 19 Zur Diskussion vgl. RIGAUX, B., Die „Zwölf“ in Geschichte und Kerygma, in: H. Ristow/K. Matthiae (Hg.), Der historische Jesus und der kerygmatische Christus, Berlin 21961, 468–486; VIELHAUER, PH., Gottesreich und Menschensohn in der Verkündigung Jesu (1957), in: DERS., Aufsätze zum Neuen Testament, ThB 31, München 1965, 55–91, dort 68–71; SCHMITHALS, W., Apostelamt (s.o. Anm. 6) 56–61; KLEIN, G., Apostel (s.o. Anm. 6) 34–38; ROLOFF, J., Apostolat (s.o. Anm. 6) 138–168; HOLTZ, T., Art. dw,deka, EWNT 1, 1980, 874–880; TRILLING, W., Zur Entstehung des Zwölferkreises. Eine geschichtskritische Überlegung (1977), in: DERS., Studien zur Jesusüberlieferung, SBAB 1, Stuttgart 1988, 185–208. 20 Für die Vertreter einer vorösterlichen Herkunft des Zwölferkreises ist die feste Bezeichnung des Judas als „einer der Zwölf“ ein besonders starkes, wenn nicht das stärkste Argument überhaupt, das sich im synoptischen Überlieferungsmaterial gegen die Annahme einer nachösterlichen Entstehung des Zwölferkreises anführen läßt; vgl. ROLOFF, Apostolat (s.o. Anm. 6), 158. Trotz der vehementen Kritik von HENGEL, M., Die Ursprünge der christlichen Mission, NTS 18, 1971/72, 15–38, dort 34 Anm. 61, gegen die gegenteilige Sicht ist festzuhalten: Die Hypothesenkette, die im Falle nachösterlicher Herkunft erforderlich ist, um die Bezeichnung des Judas als „einer der Zwölf“ zu erklären, stellt einen relativen Nachteil dieser Annahme dar – aber eben nur einen relativen. Denn auch die Annahme vorösterlicher Herkunft des Zwölferkreises (verbunden mit der Annahme der Zugehörigkeit des Judas zum Zwölferkreis – diese dient ja als Argument!) kommt nicht ohne eine Hilfshypothese aus, nämlich daß der Zwölferkreis sich auch dann unter dieser Bezeichnung versammeln konnte (1Kor 15,5!), als ihm nur elf Personen angehörten. 21 Die Angaben über die Aufgaben der ‚Zwölf‘ in Mk 3,14f sind weitgehend markinisch – oder sogar vollständig (so SCHMAHL, G., Die Zwölf im Markusevangelium. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung, TThSt 30, Trier 1974, 54–60); sie lassen außerdem keinen inhaltlichen Bezug zur Zwölfzahl erkennen. Die Aufgabenstellung der Verkündigung und Dämonenaustreibung (Mk 3,14[Ende].15; auch in Mk 6,7 [vgl. 6,12f] auf die ‚Zwölf‘ bezogen) ist nicht an eine bestimmte Anzahl von Personen gebunden (vgl. Lk 10,1!). Ebenso ist bei der Aufgabenstellung, „mit ihm zu sein“ (Mk 3,14 Mitte), nicht ersichtlich, wieso dies zur Ausgrenzung von exakt zwölf Personen geführt hat. Wenn man mit GNILKA, J., Das Evangelium nach Markus. Mk 1–8,26, EKK 2/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1978, 137, damit rechnet, in Mk 3,14 (Mitte) liege bereits eine vormarkinische Rahmung der Namensliste von Mk 3,16–19 vor, dann gilt schon für die vormarkinische Überlieferung, daß ihr die ursprüngliche Funktion des Zwölferkreises nicht mehr präsent war.
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entgegengesetzte Schlußfolgerungen gezogen. Für die Bestreiter einer vorösterlichen Herkunft des Zwölferkreises ist 1Kor 15,5 zentrales Argument für die Annahme, daß der Zwölferkreis genau durch diese Erscheinung überhaupt erst konstituiert wurde.22 Aber auch die Vertreter einer vorösterlichen Herkunft können die ‚Zwölf‘ von 1Kor 15,5 nahtlos in ihr Gesamtbild integrieren: Gerade als feste vorösterliche Institution konnte sich auch der unvollständige Zwölferkreis eben nur als ‚die Zwölf‘ neu versammeln.23 Das ist in der Tat in sich schlüssig, doch ist nicht zu übersehen, daß hier vorausgesetzt wird, was an sich strittig ist: die vorösterliche Herkunft der Institution der ‚Zwölf‘. Nun besteht u.U. doch die Möglichkeit, die historische Rückfrage an einem bestimmten Punkt noch weiter voranzutreiben. H. Conzelmann hat – über die reine Bestreitung einer vorösterlichen Herkunft hinaus – die These von der Entstehung des Zwölferkreis unmittelbar in der autorisierenden Erscheinung des Auferstandenen weiter reflektiert: „Die Kirche beginnt mit der ersten Erscheinung des Auferstandenen vor Petrus. Wie kommt es aber zur zweiten Erscheinung – vor den Zwölfen? Das setzt ja voraus, daß ein Kreis von zwölf Männern versammelt ist.“ Conzelmann fragt dann, wie das mit der (von ihm vorausgesetzten) Annahme vereinbar sei, daß der Zwölferkreis erst nachösterlich konstituiert wurde. Seine Antwort lautet: „Offenbar so, daß Kephas durch ‚seine‘ Erscheinung seine Aufgabe erfaßte. Durch sie wurde er zum Fundament. D.h. er sammelte den Kreis von zwölf Repräsentanten des Gottesvolkes. Der Herr gab durch sein Erscheinen die Bestätigung dieser Funktion und damit der Kirche und eines bestimmten Verständnisses der Kirche. Die Idee des eschatologischen Gottesvolkes ist also fundamental.“24
In diesen Sätzen ist das historische Problem benannt, das mit einer Entstehung des Zwölferkreises im Vorgang der Erscheinung vor diesem Kreis selbst verbunden ist. Da die Erscheinung vor den ‚Zwölf‘ diesen Kreis bereits voraussetzt, muß man die Voraussetzung dafür in der Ersterscheinung vor Petrus suchen. Dann lautet die Frage: Wie ist Petrus aufgrund seiner Christophanie dazu gekommen, seine „Aufgabe“ in dem Sinne zu erfassen, daß er aus der Erkenntnis der Auferweckung Jesu unmittelbar eine Schlußfolgerung zog, die nichts weniger als ein umfassendes ekklesiologisches Programm enthielt, nämlich – so Conzelmann – die „Idee des escha22
Vgl. VIELHAUER, Gottesreich (s.o. Anm. 19), 69–71. Vgl. HOLTZ, dw,deka (s.o. Anm. 19), 878: „oi` d[w,deka] (ist) offensichtlich der feste Name einer Institution, die zwar durch zwölf bestimmte Männer konstituiert wird, die aber als eigene Ganzheit funktioniert. Daher läßt sich aus 1Kor 15,5 kein entscheidendes Argument gegen (sic!) die vorösterliche Existenz dieser Gruppe gewinnen: Die Formel benennt die Gruppe, nicht primär die Zahl ihrer Glieder.“ 24 CONZELMANN, Analyse (s.o. Anm. 3), 138f; ähnlich KASTING, H., Die Anfänge der urchristlichen Mission, BEvTh 55, München 1969, 89. 23
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tologischen Gottesvolkes“, dargestellt durch „den Kreis von zwölf Repräsentanten“? Wenn man sich vergegenwärtigt, daß selbst die Bedeutung der Auferweckung Jesu – und erst recht die seines Todes – erst schrittweise in der theologischen Reflexion geklärt werden mußte,25 erscheint es ganz unwahrscheinlich, daß faktisch vor dem Beginn dieser Klärung bereits ein derartig weitgespanntes ekklesiologisches Konzept mit einem Schlage entstehen konnte. Die älteste Stufe der neutestamentlichen Auferweckungsaussagen ist in den partizipialen Wendungen über „Gott, der ihn/Jesus von den Toten auferweckt hat“ (vgl. Gal 1,1; Röm 4,24b) bzw. in der entsprechenden Satzaussage „Gott hat ihn/Jesus von den Toten auferweckt“ (vgl. Röm 10,9b) zu sehen.26 Daß hierin bereits eine Aussage über die Restitution des eschatologischen Zwölfstämmevolkes enthalten ist, wird man schwerlich behaupten können. Als Zwischenglied wird man auf jeden Fall den Übergang von der auf Gott bezogenen Aussage über sein Auferweckungshandeln an Jesus zur personalen Prädikation des Auferweckten als Messias annehmen müssen.27 Erst daraus ließe sich dann – als dritter Schritt – die auf Israel bezogene ekklesiologische Konzeption erklären, die im Zwölferkreis sichtbar wird. Dies alles wird man nicht gleichzeitig in der absoluten Ausgangssituation der Ersterscheinung vor Petrus verankern können. Damit wäre dieses Geschehen eindeutig überfrachtet. Es ergibt sich also die Alternative, entweder die (bestätigende) Erscheinung des Auferstandenen vor dem Zwölferkreis von der Ersterscheinung vor Petrus zeitlich erheblich abzurücken – oder doch die Frage einer vorösterlichen Herkunft erneut zu überprüfen. Deutlich ist zunächst: Gab es einen vorösterlichen Zwölferkreis, so ist die ‚Bildung‘ dieses Kreises in der in 1Kor 15,5 gemeinten Situation unmittelbar verständlich: In der Erscheinung des Auferstandenen vor Petrus hatte sich erwiesen, daß Jesu Wirken und der darin enthaltene Anspruch von Gott nicht verworfen, sondern bestätigt worden ist. Das galt dann auch sofort für den Zwölferkreis, der ein besonderer Ausdruck dieses Anspruchs war. 25 Diese Reflexion spiegelt sich in der schrittweisen Ausbildung des christologischen Formelgutes wider, vgl. HOFFMANN, Auferstehung (s.o. Anm. 3), 478–493; WENGST, Glaubensbekenntnis(se) (s.o. Anm. 3), 392–394. 26 Diese Wendungen dürften die ältesten ‚christologischen‘ Aussagen darstellen; so auch HOFFMANN, WENGST (s. die vorige Anm.) und BECKER, J., Das Gottesbild Jesu und die älteste Auslegung von Ostern, in: G. Strecker (Hg.), Jesus Christus in Historie und Theologie (FS H. Conzelmann), Tübingen 1975, 105–126, dort 117–122; MERKLEIN, H., Die Auferweckung Jesu und die Anfänge der Christologie (Messias bzw. Sohn Gottes und Menschsohn) (1980), in: DERS., Studien zu Jesus und Paulus, WUNT 43, Tübingen 1987, 221–246, dort 221–223. 27 Zur Debatte über die Herkunft der Messiasprädikation, die hier nicht weiter verfolgt werden muß, vgl. statt zahlreicher anderer Titel einerseits MERKLEIN, Auferweckung (s.o. Anm. 26), 224– 236, und andererseits STUHLMACHER, P., Biblische Theologie des Neuen Testaments. Bd. 1: Grundlegung. Von Jesus zu Paulus, Göttingen 1992, 107–125.
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Unter dieser Voraussetzung läßt sich auch die sofortige Sammlung des Zwölferkreises ohne Schwierigkeiten erklären: Die Jesusanhänger bekennen damit, daß der von Jesus vor seinem Tode erhobene Anspruch zu Recht bestanden hat – und jetzt, da er nicht im Tode geblieben ist, weiter besteht.28
III. Versucht man, die Existenz des vorösterlichen Zwölferkreises in das Wirken des historischen Jesus einzuordnen, wird man vor allem nach der Verbindung mit der Ansage der nahen BASILEIA Gottes zu fragen haben. Unumstritten ist, daß die ‚Zwölf‘ in Relation zur Idee des Zwölfstämmevolkes zu sehen sind. Und angesichts der Tatsache, daß der Zwölfstämmeverband seit Jahrhunderten nicht mehr existierte,29 impliziert dies die Hoffnung auf eine endzeitliche Restitution des Gottesvolkes in seiner ursprünglichen Ganzheit. J. Gnilka formuliert den möglichen Konsens über die vorösterliche Bedeutung des Zwölferkreises auf folgende Weise: „Die Zwölfe um Jesus symbolisieren die Hinwendung zum Gesamtvolk Israel, die Verheißung seiner Rekonstitution, seine Bestimmung für das Heil der kommenden Gottesherrschaft.“ Und: „angesichts der Verkündigung Jesu (ist) der einzelne zur Stellungnahme und Entscheidung herausgefordert“.30
28 Dann ließe sich auch die offensichtlich sehr früh einsetzende nachösterliche Prädikation Jesu als Messias ohne Gewaltsamkeiten erklären – als personale Explikation der Bedeutung des von Gott auferweckten Jesus in bezug auf Israel. Interessant ist übrigens, daß in der Logienquelle, die nicht die Bedeutung des Auferweckten, sondern des künftigen Richters (Menschensohn!) für Israel entfaltet, die Messiasprädikation fehlt. 29 Zur Entstehung und Entwicklung der Konzeption des Zwölfstämmevolkes vgl. ALBERTZ, R., Art. Israel I. Altes Testament, TRE 16, 1987, 369–379, dort 376f. Zur Rolle der Zwölfstämmekonzeption im zeitgenössischen Judentum vgl. die kurzen Hinweise bei SCHMAHL, Zwölf (s.o. Anm. 21), 39f. Bemerkenswert ist, daß der essenische „Rat der Gemeinschaft“ nach 1QS VIII 1 aus „zwölf Männern und drei Priestern“ bestehen muß; zur traditionsgeschichtlichen Beurteilung des Abschnitts 1QS V 1 – XI 22 vgl. STEGEMANN, H., Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus. Ein Sachbuch, Freiburg/Basel/Wien 31994, 156–159. Die Hoffnung auf die Sammlung der Zerstreuten (vgl. nur PsSal 11 oder die 10. Benediktion des Achtzehnbittengebets) muß nicht notwendigerweise den Gedanken der Rückkehr der zehn vertriebenen Stämme miteinschließen, sondern kann sich auch allgemein auf die Diasporasituation in hellenistisch-römischer Zeit beziehen. Doch war die Ausweitung auf die Restitution des Zwölfstämmevolkes jederzeit möglich, vgl. Sir 36,10: „Sammle alle (!) Stämme Jakobs (!), und laß sie ihren Erbteil einnehmen wie am Anfang.“ Eine Legende über die gegenwärtige Existenz der vertriebenen zehn Stämme weit jenseits des Euphrats findet sich in 4Esr 13,40–47; und an die neuneinhalb Stämme „jenseits des Flusses“ wird in syrBar 78 sogar ein Brief geschrieben – der durch einen Vogel überbracht werden soll! 30 GNILKA, Jesus von Nazareth (s.o. Anm. 2), 189.
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Die Existenz des Zwölferkreises als Teil des vorösterlichen Wirkens bedeutet damit zweierlei: Die Verkündigung der nahen BASILEIA ist bezogen auf die Konzeption des eschatologischen Gottesvolkes. Gleichzeitig gilt umgekehrt, daß dieses eschatologische Gottesvolk sich dort sammelt oder zu sammeln beginnt, wo die nahe Gottesherrschaft sich vorzeichenhaft bereits realisiert – und dies als eine die Gegenwart bereits heute umorientierende Ansage angenommen wird. Kurz gesagt: Die Ansage der nahen BASILEIA31 impliziert die Sammlung des eschatologischen Gottesvolkes32 – und die Sammlung geschieht dort, wo die sich nahende BASILEIA verkündigt, geglaubt und gelebt wird. Die „Fortsetzung“ dieser Konzeption nach Ostern bedeutet faktisch einen nicht zu unterschätzenden Wandel. Jetzt trat das Auferweckungshandeln Gottes in den Vordergrund, das ja die Voraussetzung dafür war, daß der Zwölferkreis sich überhaupt erneut sammelte. Die Restituierung des Zwölferkreises durch die Erscheinung des Auferstandenen stellte den Zwölferkreis in eine ursächliche Relation zur Osterbotschaft. Damit hat die Idee des eschatologischen Gottesvolkes, die ja im Zwölferkreis weiterhin zum Ausdruck kam, einen neuen Bezugspunkt erhalten: Der durch den Auferstandenen restituierte und erneut legitimierte Zwölferkreis repräsentiert das eschatologische Gottesvolk, das sich jetzt im Bekenntnis zum Auferstandenen sammelt. Damit sind die wesentlichsten Elemente einer frühen urchristlichen Ekklesiologie erkennbar. Diese Elemente blieben – in veränderter Gestalt – auch dann wirksam, als die Konzeption des Zwölferkreises nicht mehr ausreichte, um das Selbstverständnis der sich rasch ausbreitenden Urchristenheit angemessen zum Ausdruck zu bringen: 1. Die Jerusalemer Urgemeinde versteht sich als das eine Gottesvolk im umfassenden Sinne – sie ist damit Zielpunkt des Erwählungshandelns Got-
31 Zum Verständnis der BASILEIA-Verkündigung Jesu vgl. MERKLEIN, H., Die Gottesherrschaft als Handlungsprinzip. Untersuchungen zur Ethik Jesu, fzb 34, Würzburg 21981; DERS., Jesus, Künder des Reiches Gottes (1985), in: DERS., Studien (s.o. Anm. 26) 127–156; LINDEMANN, A., Art. Herrschaft Gottes/Reich IV. Neues Testament und spätantikes Judentum, TRE 15, 1986, 196–218. 32 Nicht zu übersehen ist, daß damit Jesus in Konkurrenz zu anderen religiösen Gruppierungen des Judentums tritt. Vgl. die Darstellung der Essener bei STEGEMANN, Essener (s.o. Anm. 29), 229–231: „Die Essener haben sich von vornherein nie anders betrachtet denn als Repräsentanz des gesamten Zwölf-Stämme-Volkes Israel in ihrer Gegenwart“ (229). „Die Essener waren ihrem Selbstverständnis nach kein besonderer Verein im Rahmen Israels, sondern schlicht Gesamtisrael“ (230; Hervorhebungen im Orig.). Der zentrale Unterschied (auch von den pharisäischen Gruppen) ist wohl darin zu sehen, daß die Eigenart der BASILEIA-Verkündigung Jesu es nicht erforderlich machte, die für die Heiligkeit Israels erforderliche Toraobservanz durch gemeinschaftliche, fest organisierte Lebensformen zu sichern, ja überhaupt der Toraobservanz einen vergleichbaren Stellenwert zuzumessen.
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tes und erhebt mit dem Zwölferkreis den Anspruch, allein das Gottesvolk zu repräsentieren.33 Dieser Anspruch, die Gesamtheit der von Gott erwählten „Heiligen“34 zu umfassen, kommt dann vor allem in der Selbstbezeichnung der frühchristlichen Gemeinden als evkklhsi,a tou/ qeou/35 zum Ausdruck. Sowohl auf dem Hintergrund des griechischen Alten Testaments als auch im Rahmen des allgemein-griechischen Sprachgebrauchs ist dieser Sinn von evkklhsi,a tou/ qeou/ unüberhörbar: So wie es für das Alte Testament nicht mehrere, sondern nur eine evkklhsi,a kuri,ou gab, so konnte es auch für griechisches Verständnis nur eine einzige evkklhsi,a aller (freien) Bürger einer bestimmten Polis36 geben.37 33
Dem entspricht Jerusalem als ständiger Ort des Zwölferkreises. Für alttestamentlich-jüdisches Verständnis ist der Gedanke der ‚Heiligkeit‘ fester Bestandteil der Konzeption des erwählten Gottesvolkes. Dies macht die Selbstbezeichnung der Jerusalemer Gemeinde als oi` a[gioi verständlich und beleuchtet zugleich ihr Selbstverständnis. Diese Selbstbezeichnung wurde auch dann beibehalten, als weitere Gemeinden außerhalb Jerusalems (und auch außerhalb Palästinas) hinzukamen, und sie blieb auch für Jerusalem in besonderer Weise charakteristisch. Nur so ist zu erklären, daß Paulus auch ohne jede Erläuterung die Jerusalemer Gemeinde mit der bloßen Wendung oi` a[gioi offenbar hinreichend eindeutig bezeichnen kann (1Kor 16,1; 2Kor 8,4; 9,1.12). Dieser Sprachgebrauch wirkt auch noch bei Lukas nach, der in der Apg oi` a[gioi für Jerusalem (Apg 9,13; 26,10) und die palästinischen Gemeinden (Apg 9,32.41) verwendet. Aufgrund dieser Entstehungsgeschichte wird man auch nicht unterstellen können, daß die Jerusalemer Gemeinde diese Selbstbezeichnung dann in exklusivem Sinne verwendete, um sich so von anderen evkklhsi,ai tou/ qeou/ abzugrenzen. 35 Herkunft und Bedeutung des Begriffs sind stark umstritten. Die (sehr begrenzten) Berührungen von evkklhsi,a tou/ qeou/ mit der LXX und Qumran erklären die Wahl dieses Terminus nicht (so m.R. SCHRAGE, W., „Ekklesia“ und „Synagoge“. Zum Ursprung des urchristlichen Kirchenbegriffs, ZThK 60, 1963, 178–202). Als Gründe für die Bildung des Begriffs ist in Rechnung zu stellen, daß evkklhsi,a selbst a) in seinem innerjüdischen Gebrauch noch nicht derart festgelegt war wie sunagwgh, oder lao.j (tou/) qeou/, b) von vornherein einen Gesamtanspruch auf alle zu dem betreffenden Volk gehörenden Personen enthielt. Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, daß die Verwendung der Begriffsverbindung evkklhsi,a tou/ qeou/ innerjüdisch durchaus möglich – und durchaus auch verständlich – war. Dies zeigen die (wenigen) Belege, in denen die LXX qehal jhwh mit evkklhsi,a kuri,ou wiedergibt (Dtr 23,2–9 [5mal]; Mi 2,5), sowie die vereinzelte Verwendung qehal el in Qumran (1QM IV 10; vgl. 1QSa I 25). Charakteristisch ist jedoch, daß in 1QM IV 9–11 qehal el lediglich als sechste von insgesamt acht Selbstbezeichnungen erscheint (an der Spitze steht adat el). Die Wortverbindung evkklhsi,a tou/ qeou/ dürfte daher kaum aus dem vereinzeltelten Vorkommen von qehal el in Qumran abzuleiten sein (so jedoch ROLOFF, J., Art. evkklhsi,a, EWNT 1, 1980, 998–1011, dort 1000), sondern in Analogie zur gängigen jüdischen Selbstbezeichnung als lao.j tou/ qeou/ entstanden sein. 36 So die weit überwiegende Verwendung des Begriffs; als beliebig herangezogene Beispiele seien genannt: Herodot (5. Jh. v.Chr.), Historiae III 142: evkklhsi,a pa,ntwn tw/n avstw/n (von Samos); Aischines (4. Jh. v.Chr.), In Timarchum 180: evkklhsi,a tw/n Lakedaimoni,wn; In Ktesiphontem 124: evkklhsi,a tw/n VAmfiktuo,nwn; Aelian (2. Jh. v.Chr.), Varia historia 8,16: evkklhsi,a tw/n VAqhnai,wn. Das gleiche Bild bieten die Inschriften: h` evkklhsi,a Delfw/n (Fouilles de Delphes [Paris 1909ff] III/5 20.59); Gortuni,wn evkklhsi,a (Inscriptiones Creticae [Rom 1935ff] IV 176.39). 34
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Ebenso signalisiert dann im pagan-hellenistischen Bereich die für griechisches Sprachempfinden ungewöhnliche, weil analogielose Selbstbezeichnung einer religiösen Gruppierung als evkklhsi,a – zumal in der Form evkklhsi,a tou/ qeou/ 38 –, daß sich die Urchristenheit nicht als ein weiterer Kultverein in das schon bestehende religiöse Spektrum einordnen läßt. 2. Die Jerusalemer Urgemeinde versteht sich als Kern des Gottesvolkes, das sich im Namen des Auferstandenen und im Bekenntnis zu ihm sammelt. Die Christen sind daher „diejenigen, die den Namen des Herrn anrufen“ (1Kor 1,2; vgl. Apg 9,21). Diese bestimmende Kraft der Christologie ist auch für die weitere Entwicklung charakteristisch. Sobald das Christusgeschehen – wie bereits in 1Kor 15,3b–5 – auch in seiner soteriologischen Bedeutung erfaßt und entfaltet wird, tritt es in Konkurrenz zur soteriologischen Funktion von Tempel und Gesetz und depotenziert sie. Die Konsequenz wird in der (vermutlich vorpaulinischen) Bestimmung von Gal 3,28 greifbar,39 daß „in Christus“ der Unterschied zwischen „Jude und Grieche“ ebenso überwunden ist wie der zwischen Sklaven und Freien sowie Mann und Frau.40 3. Der Anspruch, Kern des eschatologischen Gottesvolkes zu sein, hat unmittelbar zur Folge, daß sich die Gemeinde beauftragt wußte, die Dem entspricht auch 1Makk 4,59: evkklhsi,a VIsrah,l. Einen Sonderfall stellt offenbar Diodor von Sizilien (1. Jh. v.Chr.) dar, der evkklhsi,a völlig unspezifisch für jedes Zusammentreffen überhaupt benutzt (also im Sinne von sunagwgh,), vgl. Diod Sic, Bibl 1,58; 13,96; 17,15; u.ö. 37 Umstritten ist, ob die Selbstbezeichnung h` evkklhsi,a tou/ qeou/ auf die „Hellenisten“ zurückgeht und spezifischer Ausdruck ihrer gesetzeskritischen Position ist (so SCHRAGE, „Ekklesia“ [s.o. Anm. 35] 196–202). Richtig ist, daß Paulus die Empfänger der für die Jerusalemer Gemeinde bestimmten Kollekte durchweg als „die Heiligen“ (s.o. Anm. 34) bzw. „die Armen“ (Gal 2,10; Röm 15,26: „die Armen der Heiligen“) bezeichnet – und nicht als „evkklhsi,a (Gottes) in Jerusalem“. Andererseits spricht er in 1Thess 2,14 und Gal 1,22 von den evkklhsi,ai tou/ qeou/ oi` o;ntej evn th|/ VIoudai,a| bzw. von den evkklhsi,ai th/j VIoudai,aj. Daher ist es fraglich, ob der Begriff evkklhsi,a tou/ qeou/ ursächlich mit der Frage der Gesetzesfreiheit zu verknüpfen ist. Wenn es richtig ist, in evkklhsi,a tou/ qeou/ eine begriffliche Neuprägung des frühen Christentums zu sehen, besteht kein Anlaß, seine ursprüngliche Verwendung auf den gesetzeskritischen Teil des frühen Judenchristentums (also: die „Hellenisten“) zu beschränken. 38 Die ganz vereinzelte Verwendung für die geschäftliche Zusammenkunft der Mitglieder eines Kultvereins (vgl. die Hinweise bei SCHMIDT, K.L., Art. evkklhsi,a, ThWNT 3, 1938, 502–539, dort 517 Anm. 25) ändert nichts daran, daß evkklhsi,a nicht zur Bezeichnung eines (Kult-)Vereins selbst geworden ist (so m.R. auch SCHRAGE, „Ekklesia“ [s.o. Anm. 35], 179 Anm. 5). Erst recht ist eine Verbindung von evkklhsi,a mit einem Gottesnamen im Genitiv, also z.B. evkklhsi,a tou/ qeou/ nicht belegt – und auch von der Sache her undenkbar. 39 Zur Analyse von Gal 3,26–28 vgl. BETZ, H.D., Geist, Freiheit und Gesetz. Die Botschaft des Paulus an die Gemeinden in Galatien, ZThK 71, 1974, 78–93, dort 80–83; PAULSEN, H., Einheit und Freiheit der Söhne Gottes – Gal 3,26–29, ZNW 71, 1980, 74–95; SCHNELLE, U., Gerechtigkeit und Christusgegenwart. Vorpaulinische und paulinische Tauftheologie, GTA 24, Göttingen 21986, 57–61. 40 Paulus hat dann mit dem Leitbegriff des sw/ma Cristou/ (1Kor 12,12f.27) explizit Christologie und Ekklesiologie aufeinander bezogen.
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evkklhsi,a tou/ qeou/ im Namen Christi zu sammeln. Die Gemeinde verstand sich nicht als kleine, abgekapselte Gruppe, als ‚heiliger Rest‘ in statischem Sinne, sondern als Zentrum einer auf ganz Israel bezogenen Sammlungsbewegung, die sich angesichts des nahen Endgeschehens vollzog. Genuiner Aspekt dieser Dynamik wurde dann sehr bald die Funktion des avpo,stoloj, in der das missionarische Selbstverständnis des frühen Christentums charakteristisch zum Ausdruck kommt. 4. Schließlich impliziert die Konzeption des Zwölferkreises, daß sich die Urgemeinde als die Gemeinde der Wartenden verstand. Die Differenz zwischen der Zwölfzahl und der realen Situation des Zwei(einhalb)stämmevolkes ist ja unübersehbar. Dieses Konzept schließt einerseits die Aufgabe der Sammlung des empirischen Israels ein – und hält andererseits die Differenz zwischen der gegenwärtig sich vollziehenden Sammlung und der endzeitlichen Vollendung fest.41 Der nicht zufällig aramäisch überlieferte Gebetsruf „Maranatha“ (1Kor 16,22; Did 10,6; vgl. Apk 22,20) „Unser Herr, komm!“42 zeigt, wie hier das Endgeschehen als – durch Christus ermöglichtes – Rettungsgeschehen den Horizont für die sich im Namen des Herren versammelnde evkklhsi,a tou/ qeou/ bildete.43 Auch der von Anfang an gegebene Zusammenhang von Ekklesiologie und Eschatologie blieb für die weitere Entwicklung kennzeichnend, auch wenn er – angesichts veränderter eschatologischer Erfahrungen – neu gefaßt werden mußte. Deutlichstes Beispiel hierfür ist im Rahmen des Neuen Testaments die Zuordnung von Kirche und Heilsgeschichte Gottes bei 41 Eine endzeitliche Rolle wird den „Zwölf“ ausdrücklich in Mt 19,28 (vgl. Lk 22,30) zugesprochen. Es ist der einzige Fall, wo die Konzeption des Zwölferkreises in der Logienquelle erscheint. Dies – und die z.T. unsichere Rekonstruktion des für Q vorauszusetzenden Wortlauts – erschweren die Interpretation des Logions. Zur Analyse vgl. SCHULZ, S., Q. Die Spruchquelle der Evangelisten, Zürich 1972, 330–336; SCHMAHL, Die Zwölf (s.o. Anm. 21) 29–36; SCHNEIDER, G., Das Evangelium nach Lukas. Kapitel 11–24, ÖTBK 3/2, Gütersloh/Würzburg 1977, 449–452 (mit Lit.). Wenn man die dw,deka qro,noi, (Mt 19,28) für ursprünglich hält, ist als ursprünglicher Adressat nicht allgemein die „Gefolgschaft Jesu“ (so SCHMAHL, 35) vorauszusetzen, sondern der Kreis der „Zwölf“ (so auch SCHULZ, 333). Zunächst ist es sicher richtig, daß sich das Logion „nicht an Adressaten außerhalb der Gemeinde (wendet) und … keine Gerichtsdrohung gegen Israel (darstellt), sondern … die ‚Zwölf‘ im Blick auf ihre zukünftige eschatologische Aufgabe (legitimiert)“ (SCHENKE, Urgemeinde [s.o. Anm. 2], 77). Aber die ‚eschatologische Aufgabe‘ der Zwölf wird in Relation zur eschatologischen Rolle des Menschensohns gesehen – und dieser ist als endzeitlicher Richter verstanden (vgl. Lk 12,8f). 42 Vgl. RÜGER, H.P., Art. Aramäisch II. Im Neuen Testament, TRE 3, 1978, 602–610, dort 607; SCHNEIDER, G., Art. marana qa, EWNT 2, 1981, 947f (mit Lit.). 43 Den Zusammenhang von Ekklesiologie und Eschatologie betonte in besonderer Weise W.G. KÜMMEL in seiner bekannten Studie: Kirchenbegriff und Geschichtsbewußtsein in der Urgemeinde und bei Jesus (1943), Göttingen 21968. KÜMMEL geht dabei von dem in der Auferweckung Jesu eröffneten eschatologischen Bewußtsein der Urgemeinde aus, „bereits an den Kräften der seit der Auferstehung angebrochenen Endzeit teil(zu)haben“ (15). Allerdings hebt dann auch Kümmel die Ausrichtung auf das erwartete Kommen des ‚Herrn‘ hervor (25).
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Lukas. Aber auch ein so faszinierendes Konzept wie das des Paulus in Röm 8, der die „Offenbarung“ bzw. die künftige „Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (8,19.21) zum Zentrum für die Hoffnung der Schöpfung macht, gehört in diesen Zusammenhang. Eine Analyse der ekklesiologischen Rolle des Zwölferkreises zeigt also beides sehr deutlich: einerseits eine zeitlich eng begrenzte Phase der frühchristlichen Ekklesiologie, die in sich selbst die Voraussetzungen dafür enthielt, daß sie von der von ihr selbst in Gang gesetzten Entwicklung überholt wurde; andererseits zeigt sich aber auch, daß in dieser ersten – und in der Tat bald überholten – Phase frühchristlicher Ekklesiologie Grundelemente sichtbar werden, die für die weitere Entwicklung maßgeblich geblieben sind und die insofern als Grundbedingungen des Konstitutionsgeschehens der Kirche in neutestamentlicher Zeit gelten können.44
44 Vgl. die aus systematischer Sicht erfolgende Reflexion der Bedeutung des Konstitutionsbegriffs für die Ekklesiologie bei LESSING, E., Kirche – Recht – Ökumene. Studien zur Ekklesiologie, UnCo 8, Bielefeld 1982, 10–20 und (auf die Rolle der biblischen Theologie bezogen) 72–79. Die dort vorgenommene Unterscheidung (und Zuordnung!) von Konstitutionsbedingungen und Konstitutionsgeschehen verweist auf die spannungsvolle Einheit zwischen den der Kirche vorgegebenen konstitutiven Bedingungen ihrer Existenz und der geschichtlichen Gestalt, in der sich das Dasein der Kirche entfaltet.
The origin, function and disappearance of the “Twelve”:∗ Continuity from Jesus to the post-Easter community?1
When we are dealing with history we are always involved with the reconstruction of history. This applies to all history, not only the history of Early Christianity. While this may be regarded as a disadvantage, it is inevitable but important in order to understand the reason for this fundamental issue.2 What is necessary if we want to describe the history of South Africa of the past 200 years, that of Central Europe during the Middle Ages, or the history of medicine in the 19th century? First of all, we have to choose a subject and, simultaneously, the specific period of time within which we want to explore the history of the chosen subject. Next, we must collect all facts within this period that are related to the subject. Finally, we have to connect these facts, and at this stage it is necessary to assess the importance of the facts in relation to each other. Which facts have fundamental importance, and which facts are to be understood as a result of another, more fundamental fact? If we want to write history, we have to establish the main developments of the subject we are dealing with, and the main reasons for such development. In doing so, the individual facts no longer are isolated units without any further importance for other facts. Rather, they become part of a comprehensive picture. Writing history involves producing a network between and behind the facts. This, in turn, provides a framework ∗
Reprinted from HTS 61, 2005, 211–229. This article is based on the lecture delivered at the “Conference on Early Christianity: Continuity – Changes – Breaks. Problems of reconstructing the history of Early Christianity”, hosted by the Theological Faculty of the University of Pretoria at Hammanskraal, on 25th and 26th August 2004. It was an honour to have been invited to this conference by the Faculty of Theology and I wish to thank the Dean, Prof. Cas Vos, and all colleagues and participants for the warm hospitality. The conference was a very fruitful experience for me and I thank Prof. G J Steyn who was responsible for all the arrangements for the meeting and chaired the discussions. Additionally, I had the opportunity to read the paper on 24th August 2004 at the Faculty of Arts at the Rand Afrikaans University, now University of Johannesburg, and I want to thank Prof. J A du Rand and all colleagues and students I met both at the University of Johannesburg and at the conference in Hammanskraal for the fruitful discussions which I found most helpful. Richard Ascough, Associate Professor for New Testament at Queen’s University, Kensington Ontario (Canada), who stayed for a sabbatical in Münster, sponsored by the Humboldt-Foundation, helped me with the English editing of the article. All readers of the paper will profit from his labour. He was the first reader of my draft and gave me helpful comments. The responsibility, however, for the result is naturally not his. 2 As this was the first paper of the Conference in Hammanskraal, I started with some general remarks on the problem of reconstructing history. 1
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within which we can perceive the interrelation among the facts. It is only by this act of interpretation that we can comprehend the importance of the facts. This does not mean that writing history is akin to writing a fictional story. Not at all. The network cannot be produced arbitrarily. It is a network which has to explain the importance of the facts. Facts and the network in terms of which we reconstruct interrelations and developments must fit together. To summarise it in a single sentence: History is not a collection of facts with attached interpretations; on the contrary, history is only achieved through interpretation.3 This applies to all areas of history – and it applies to all periods in which historians try to write history. It applies to modern historians, but also to Herodotus, the father of historical writing. By briefly examining the work of Herodotus, it becomes clear that these problems had already been at hand at the very beginning of historical writing. Herodotus who lived in the second half of the 5th century BC, tried to report on the central political event that dominated the last two generations of his own cultural and political world: the war between the Persians and the Greeks. In attempting this account, what was Herodotus’ aim? In the first sentence of his work, the so-called prooemium he provides an explanation: ~Hrodo,tou ~Alikarnasse,oj i`stori,hj avpo,dexij h[de( w`j mh,te ta. geno,mena evx avnqrw,pwn tw/| cro,nw| evxi,thla ge,nhtai( mh,te e;rga mega,la te kai. qwmasta,, ta. me.n {Ellhsi( ta. de. barba,roisi avpodecqe,nta( avklea/ ge,nhtai( ta, te a;lla kai. diV h]n aivti,hn evpole,mhsan avllh,loisi. “This is the exposition of the inquiry of Herodotus of Halikarnassos, in order that neither things, which have happened by men, will fade away in the course of time nor great and marvellous deeds done by Greeks or Barbarians will become inglorious and especially by which reason they waged war against each other.”
This opening sentence reveals two different ways of dealing with events of the past. The middle of the sentence, in other words the two indented lines, 3 The famous German historian Leopold von Ranke (1795–1886) claimed that all historical research has to describe history “as it really has been.” But the discussion on “historicism” in the 19th and 20th century clearly showed that reconstruction of history inevitably is interpretation. For this discussion see REBENICH (2000:469–485). In the area of New Testament research the most famous example is the debate about the “historical Jesus”, rooted in the 19th century and which is still ongoing. For the actual discussion on historicism see RÜSEN (1983, 1986) and GOERTZ (1995).
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give expression to the older concept of heroic tales or poems. These heroic tales or poems have as subject “things, which have happened by men” / ta. geno,mena evx avnqrw,pwn. This subject is specified in the next line where Herodotus speaks of “great and marvellous deeds” / e;rga mega,la te kai. qwmasta,. These “great and marvellous deeds” are the subject of poets such as Homer and his anonymous predecessors. The poets’ aim is to remember these deeds – they shall “not fade away in the course of time nor become inglorious.” To remember the glory of the deeds of the past means to prevent these deeds from being forgotten.4 Besides this older concept, a new approach to the events of the past is also evident. At the end of the prooemium Herodotus states that the aim of his book is to provide the “reason” or “cause”, the aivti,a, for the war between the Greeks and the so-called Barbarians. And at the very beginning of the prooemium Herodotus himself classifies the task he sets out to undertake as “exposition” (avpo,dexij of what he calls “history”. But i`stori,a in this early use does not mean “history” in the later technical sense of the word. Rather, as the verb i`storei/n indicates, it means “inquiry”; i`stori,hj avpo,dexij therefore must be rendered by “the exposition of his knowledge obtained by inquiry.”5 Thus, Herodotus is aware of the fact that if he wants to explain the cause, the aivti,a of the war between the Greeks and the Persians, his undertaking goes far beyond the task of recounting the fame and the glory of great persons of the past.6 He wants to detect the reason for an important political development which affected two great peoples and two great cultures in the last two generations. In order to do so, he has to acquire thorough knowledge of many facts and collect a host of information about foreign countries and cultures, as well as about the political developments in Greece. But not only does he have to collect this data,7 he is forced to put these facts in 4
For Homer and the other epic tales of the archaic epoch, see LENDLE (1992:3–9). LATEINER (1989:9): “Historie, apodexis and aitie were relatively new terms: Herodotus draws attention to his invention. VApo,dexij i`stori,hj suggests that the written report is at least two steps removed from ta. geno,mena, the events … His report cannot replicate the events itself, … nor is his report all the accounts that he heard, all the research that he conducted, for even the most restrictive annalist assimilates, digests, discards, reorders his assembled notes and datas. His report is the production-display-performance-proof-declaration-publication of his labours, to put it awkwardly but more adequately.” 6 For the prooemium of Herodotus, see MEISTER (1997:243) who emphasises another aspect: Herodotus restricts his investigation to the deeds of men, thus excluding the tales of Gods and heroes. In comparison to the works of his predecessors, especially Hekataios of Milet, this is indeed another important step, but it does not rule out that Herodotus was the first to have enquired about the “cause”, the aivti,a of a historical development. 7 The work of Herodotus contains a lot of ethnographical and historical material, especially in the first books. Scholars argued therefore that he first started as an ethnographical writer, and that the development to a historian still can be seen in his work. But it is easy to explain that the 5
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relation to each other and to create a coherent picture in which the collected facts have their distinctive place. It is not possible to deal with the history of writing history from Herodotus to his successors Thucydides and Polybios and the Roman Historians in this paper. It is nevertheless important to bear in mind the basic problems associated with writing history when we turn to the challenge of reconstructing the history of Early Christianity. As far as the reconstruction of the history of Early Christianity is concerned, the problem of continuity and discontinuity between the pre-Easter und post-Easter period is a crucial point. In this respect the origin, function and disappearance of the Twelve is a very interesting example. But first of all it has to be recognised that a problem of continuity exists at all. We have, someone may object, a clear picture in the Gospels that Jesus installed the Twelve, that they followed him in Galilee, that they shared his ministry and that they followed him on his way from Galilee to Jerusalem. That is indeed the picture drawn in the Gospel of Mark and the other synoptic gospels, those of Matthew and Luke. But a critical review of the individual texts in which the Twelve are mentioned, provide reasons for doubting whether this group of twelve disciples had a pre-Easter origin.8 Even in the most prominent text concerning the Twelve, the installation of the group of the Twelve in Mark 3:13–19,9 this is the case. (13) Kai. avnabai,nei eivj to. o;roj kai. proskalei/tai ou]j h;qelen auvto,j( kai. avph/lqon pro.j auvto,n) (14) kai. evpoi,hsen dw,deka, [ou]j kai. avposto,louj wvno,masen(] i[na w=sin metV auvtou/ kai. i[na avposte,llh| auvtou.j khru,ssein (15) kai. e;cein evxousi,an evkba,llein ta. daimo,nia\
(13) He went up the mountain and called to him those whom he wanted, and they came to him. (14) And he made twelve, [whom he also named apostles], to be with him, and to be sent out to proclaim the message, (15) and to have authority to cast out demons.
ethnographical material is mainly to be found in the first half of his work and it is clearly linked with the work as a whole (cf. MEISTER 1998:469–475). 8 The problem is much debated, at least since BULTMANN (1931:65, 366, 369–370; 1958:39– 40, 62) questioned the pre-Easter origin of the traditions concerning the Twelve. For the further discussion, see KLEIN (1961); STOCK (1975); TRILLING (1977:201–222); BEST (1978:11–35); HOLTZ (1980:874–880); KLAUCK (1989:131–136); SCHENKE (1990:75–78); ROLOFF (1993:61– 62); KOCH (1995:1–20); THEISSEN & MERZ (1997:200f); MEIER (1997:635–672); KOCH (forthcoming). For a fuller bibliography of German literature, see TRILLING (1977:221–222). For a more expanded bibliography of English literature, see MEIER (1997:637). MEIER (1997:635) points out that there are also up-to-date arguments supporting the view that the Twelve cannot be traced back to Jesus. Referring to John Dominique Crossan, Meier says: “Scholars who think of Jesus in terms of a wandering Cynic philosopher, expounding a first-century version of egalitarianism and feminism tend to deny the existence of the circle of the Twelve during Jesus’ lifetime.” 9 New Testament translations are adapted from the NRSV.
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(16) [kai. evpoi,hsen tou.j dw,deka(] kai. evpe,qhken o;noma tw/| Si,mwni Pe,tron( (17) kai. VIa,kwbon to.n tou/ Zebedai,ou kai. VIwa,nnhn to.n avdelfo.n tou/ VIakw,bou( kai. evpe,qhken auvtoi/j ovno,mata Boanhrge,j( o[ evstin Ui`oi. Bronth/j\ (18) kai. VAndre,an kai. Fi,lippon kai. Barqolomai/on kai. Maqqai/on kai. Qwma/n kai. VIa,kwbon to.n tou/ VAlfai,ou kai. Qaddai/on kai. Si,mwna to.n Kananai/on (19) kai. VIou,dan VIskaiw,q, o]j kai. pare,dwken auvto,n)
(16) [So he made the twelve]: and to Simon he gave the name Peter; (17) and James (son) of Zebedee and John the brother of James and he gave them the name Boanerges, that is, Sons of Thunder; (18) and Andrew, and Philip, and Bartholomew, and Matthew, and Thomas, and James (son) of Alphaeus, and Thaddaeus, and Simon the Cananaean, (19) and Judas Iscariot, who betrayed him.
According to the preceding text, Mk 3:7–12, Jesus is surrounded by a huge crowd and by his disciples. Mark does not mention how many disciples were present, but in Mk 3:13 it is clear that Jesus singles out a limited number of persons who belong to a greater group of disciples. And then Mark says: “He made Twelve” / kai. evpoi,hsen dw,deka. That is a rather vague expression, and upon further investigation, the problems will increase. The crucial question is: What is the function of these “Twelve”? Mark provides two functions (3:14, 15): – they should be “with him”, – it is their duty to be sent out for proclamation and for casting out demons. This twofold function of the “Twelve” does not explain the choice of 12 persons. Concerning the first function mentioned by Mark, we get no explanation why it was necessary for Jesus to have this group at all. Moreover, there is no explanation why it had to be a group of 12 members to be “with him” – rather than 10 or 15 or 25. The same applies to the second function, the ministry of preaching. This task doesn’t explain the reason for the number of 12 either. This is also evident in comparison with Luke 9 and Luke 10. In Luke 9:1 we have the commissioning of the “Twelve” to preach and to cast out demons. In Luke 10 there is a second text commissioning the disciples to heal the sick and proclaim that the Kingdom of God has come near. The reason for the twofold commissioning is obvious: In chapter 9 Luke reproduces the commissioning of the Twelve that he had found in Mark 6. In chapter 10 he reproduces a similar tradition he had found in the Sayings Source Q. In the latter text Luke states that Jesus sent out 72 disciples. But in neither text does Luke explain why the groups are of the size specified. Returning the attention to Mark, I think it can be reasonably assumed that at its historical outset the group of the Twelve had a function that was connected to the number of 12 – but it is obvious that Mark is no longer familiar with this func-
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tion. Therefore, we have to conclude that the only pre-Markan tradition in Mark 3:13–19 is the list itself of the Twelve in verses 16–19.10 In examining this list,11 we may be inclined to conclude that it is of preEaster origin, because at the very end of the list Judas is mentioned, who, as it is explicitly stated, betrayed Jesus. One might think that in a post-Easter situation it would be impossible to invent a list of Jesus’ special disciples that includes the one that betrayed him. But there are two reasons why we should be cautious: – As we have noted, it is clear as early as Mark’s gospel that the writer had no idea what the original function of the Twelve was, and we will see that the group of the Twelve very soon disappeared in the history of the Christian community in Jerusalem, long before the Gospel of Mark was written. – There is ample evidence that harsh expressions against the disciples originated in post-Easter times. In Mark 6:52 Mark comments on the disciples after the miracle of the loaves and the walking on the sea with the following words: ouv ga.r sunh/kan evpi. toi/j a;rtoij( avllV h=n auvtw/n h` kardi,a pepwrwme,nh) “for they did not understand about the loaves, but their hearts were hardened.”
This is the type of criticism we would expect to be levelled at the enemies of Jesus, not at his disciples. And in this case it is clear that this critical remark is a comment of Mark himself (KOCH 1975:107–108; GNILKA 1978:265–267). Even more striking is a sentence in the letter of Barnabas, belonging to the so-called Writings of the Apostolic Fathers, and written between 130 and 132 AD (PROSTMEIER 1999:117–118). Barn 5:9 reads (translation by KRAFT 1965:94–95): {Ote de. tou.j ivdi,ouj avposto,louj tou.j me,llontaj khru,ssein to. euvagge,lion auvtou/ evxele,xato( o;ntaj u`pe.r pa/san a`marti,an avnomwte,rouj( i[na dei,xh| o[ti ouvk h=lqen kale,sai dikai,ouj( avlla. a`martwlou,j( to,te evfane,rwsen e`auto.n ei=nai ui`o.n qeou/) But when he chose his own apostles who were destined to preach his gospel – men who were sinful beyond measure, so that he might prove that he came “not to call righteous but sinners” – it was then that he revealed himself as God’s son.
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For a detailed analysis of the vocabulary in Mark 3:13–16a, which turns out to be characteristically Markan, see STOCK (1975:7–53). 11 Mark connects the list of the Twelve with traditions concerning the bynames of some members. The result is in some way an awkward syntactical structure.
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If a similar text where Jesus would say: “I chose you, who are sinful beyond measure, because I have not come ...” and so forth, had to appear in one of the Gospels, then most of us would not hesitate in judging it to be impossible to invent such a negative statement (applying the criterion of the difficulty of the saying). But Barn 5:9 demonstrates that it is possible to make such slanderous remarks about the disciples in the post-Easter context. It is sufficient to assume that the Judas’ betrayal is a historical event and that, when the list of the Twelve was produced in later times, he was included in this list because he belonged to the inner circle of the disciples of Jesus. Therefore we have to look for other texts referring to the group of the Twelve. In the Gospel of Mark mention is made of the Twelve in a further nine texts (Mk 4:10; 6:7; 9:35; 10:32; 11:11; 14:10, 17, 20, 43), in all of which the Twelve do not form part of a pre-Markan tradition, but are part of the editorial framework. In 4:10; 9:35; 10:32 Mark creates episodes which depict Jesus as an esoteric teacher: Here Mark uses the Twelve as a limited audience of Jesus. During Jesus’ last days in Jerusalem he also uses the Twelve as a group which accompanied Jesus initially, but failed and abandoned him later on. That Jesus was abandoned by his disciples is part of the pre-Markan narration of the Passion, but the emphasis on the Twelve is part of the comprehensive literary activity of Mark.12 There is only one tradition in the Synoptic Gospels where the group of the Twelve is possibly part of the tradition itself, namely in Matthew 19:28 (parallel Lk 22:28–30). There is a common tradition that underlies both texts; this tradition mentions the 12 tribes of Israel – and Jesus’ announcement that his followers will “judge” the 12 tribes of Israel.
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The same applies to the Gospels of Matthew and Luke: Matthew 10:1, 2, 5; 19:28; 20:17; 26:14, 20, 47 are clearly from Mark; Matthew 11:1 is the closing of the speech to the disciples created by Matthew; Luke 9:1; 18:31; 22:3, 47 are from Mark; Luke 8:1 and 9:12 are created by Luke; there is only one exception: Matthew 19:28 / Luke 22:30.
The origin, function and disappearance of the “Twelve” Mt 19, 28
Q (hypothetical reconstruction)13 VAmh.n le,gw u`mi/n o[ti um` ei/j um` ei/j … oi` avkolouqh,sante,j moi, evn oi` avkolouqh,sante,j moi … th| paliggenesi,a|(
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Lk 22, 28–30
(28) um` ei/j de, evste oi` diamemenhko,tej metV evmou/ evn toi/j peirasmoi/j mou (29) kavgw. diati,qemai u`mi`n kaqw.j die,qeto, moi o` path,r o[tan kaqi,sh| o` ui`o.j tou` avnqrw,pou evpi. qro,nou mou basilei,an do,xhj auvtou/( (30) i[na e;sqhte kai. pi,nhte evpi. th/j trape,zhj mou evn th/| basilei,a| mou, kai. kaqh,sesqe kai. u`mei/j kaqh,sesqe kaqh,sesqe epi. vpi. dw,deka qro,nouj epi. vpi [dw,deka] qro,nouj epi. v pi qro,nwn pi pi pi kri,nontej ta.j dw,deka fula. ta..j dw,deka fula. ontej ta. ta.j dw,deka fula.j ta fula.j fula. kri,nontej kri,nontej fula.j tou/ VIsrah, VIsrah,l) ontej tou/ VIsrah,l) ontej tou/ VIsrah, VIsrah,l) (28) Jesus said to them: (28) You are those who Truly I tell you, have stood by me in my you who have followed me, You who have followed me trials; (29) and I confer on you, just as my Father has at the renewal of all things, conferred on me, a when the Son of Man is kingdom, (30) so that you seated on the throne of his may eat and drink at my glory, you table in my kingdom, and will also sit on twelve will sit on [twelve] thrones you will sit on thrones thrones, judging the twelve judging the twelve tribes of judging the twelve tribes of tribes of Israel. Israel. Israel.
Two crucial questions are related to the reconstruction and evaluation of this logion: a) Is the mentioning of the 12 thrones in Matthew original to the Q saying? This being the case, we would have a clear allusion to the group of the Twelve within an early tradition; b) Is this a pre-Easter tradition? Regarding question a: I am of the opinion that there are good reasons to assume that Luke omitted mentioning the explicit number of the thrones. He placed this logion at the end of a pericope dealing with the problem of precedence among the disciples (22:24–30) and this pericope follows di13
See ROBINSON (2000:558–561); there is only one, but important difference: Robinson et al omit “twelve” before “thrones” (following Lk), while in the following paragraph I will argue in favour of “twelve thrones” (thus following Mt). Therefore I included “twelve” before “thrones” in brackets.
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rectly after the prediction of Judas’ betrayal (22:21–23). It would be inappropriate to announce directly thereafter that Judas would sit on one of the thrones in the Kingdom of the Lord. Therefore, despite the decision of the International Q-project, it is more probable that the Q-tradition contained the explicit mentioning of the twelve thrones, rather than the opposite assumption.14 The reasons for the opposite view, namely that Matthew inserted the “Twelve” before “thrones” are as follows (HEIL 1998:422–425): i.) By inserting Matthew 19:28 in the text of Mark 10:29, Matthew stresses the role of Peter as spokesperson of the Twelve. This is in fact the result, but does it prove that the explicit mentioning of twelve thrones in 19:28 is added by Matthew? ii.) Dw,deka (and the concept of 12 disciples at all) does not occur elsewhere in Q. But this argument is not convincing either: It is an argumentum e silentio and therefore rather weak.15 We can thus conclude that there are good reasons for assuming that the common tradition of the logion used by Matthew and Luke clearly referred to the Twelve. Regarding the second question: It is rather doubtful that this logion goes back to Jesus. The underlying concept of a final judgement of Israel is in accordance with traditions of Q critical of Israel,16 especially those passages that contain accusations against “this generation” / h` genea. au[th)17 On the other hand, tracing this logion back to the historical Jesus is not easy. Scholars refer to PsSal 17:26 (THEISSEN & MERZ 1997:200), where to “judge” is indeed a prominent task of the expected king, the son of David:18 But upon closer examination, this text demonstrates how it fundamentally differs from the message of Jesus: The expected son of David in PsSal 17 shall perform justice and cast out the unjust, that is ta. e;qnh (17:23–25), he 14 A considerable number of scholars argue that the explicit mentioning of the “twelve” before the “thrones” has been omitted by Luke, see SCHULZ (1972:332); FITZMYER (1984:1419); LUZ (1997:121). 15 The weakness of this argumentum e silentio is sharply emphasized by MEIER (1997:659): “In short, since the scarcity – or even absence! – of references to the disciples of Jesus in Q leads no one to deny the existence of such a group, the same should hold true of the one reference to the Twelve.” 16 Luke 10:13–16 / Matthew 11:20–24; Luke 11:37–54 / Matthew 23:1–36; Luke 13:28f / Matthew 8:11–12.; Luke 13:34–35 / Mt 23:37–39. 17 Luke 7:31–35 / Matthew 11:16–19; Luke 11:29–32 / Matthew 12:38–42; Luke 11:49–51 / Matthew 23:34–36; for this concept see TUCKET (1996:196–201). 18 Kri,nein is part of the concept of kingship, but not an equivalent to a;rcein, see LUZ (1997:129, n 71). FITZMYER: Lk 14:19 tries to interpret kri,nein in a broader sense.
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shall purify Jerusalem (17:22) and within the sanctified people he shall dispose all “injustice” (17:27). The underlying concept of ritual purity cannot be reconciled with the attitude of the historical Jesus.19 Despite the negative result as far as the origin of this logion is concerned, one positive conclusion can be drawn from it: In this tradition we have a clear relation between the number of the Twelve and the concept of the 12 tribes of Israel – and this presents the only possibility to understand the original function of the “Twelve”. Let us now turn our attention to 1 Corinthians 15:3–5, the oldest nongospel tradition in which the group of the Twelve is mentioned. It is remarkable that both the advocates and opponents of a pre-Easter origin of the “Twelve” refer to this text.20 1 Corinthians 15:3–5 (3) pare,dwka ga.r u`mi/n evn prw,toij( o] kai. pare,labon( o[ti Cristo.j avpe,qanen u`pe.r tw/n a`martiw/n h`mw/n kata. ta.j grafa,j( (4) kai. o[ti evta,fh( kai. o[ti evgh,gertai th/| h`me,ra| th/| tri,th| kata. ta.j grafa,j( (5) kai. o[ti w;fqh Khfa|/( ei=ta toi/j dw,deka\ 3
For I handed on to you as of first importance what I in turn had received: that Christ died for our sins in accordance with the scriptures, 4 and that he was buried, and that he was raised on the third day in accordance with the scriptures, 5 and that he appeared to Cephas, then to the twelve.
The tradition of which the pre-Pauline origin is indisputable21 includes in the last line (verse 5) a statement about Peter and the Twelve and the appearance of the risen Lord. According to this tradition Peter is the one to 19 In her monograph Eschatologische Mitherrschaft, HANNA ROOSE (2004:53–57) tries to establish a fixed use of kri,nein as expression of beneficial rule. Thus, it would be possible to trace Matthew 19:28 back to the historical Jesus. But kri,nein as an aspect of rule or kingship implies the punishment of the unjust and to expel the unclean. This applies not only to PsSal 17, but also to 1 Makk 9:73: kai. h;rxato VIwna,qan kri,nein to.n lao.n kai. hvfa,nisen tou.j avsebei/j evx VIsrah,l (“and Jonathan began to judge the people, and he expelled the ungodly out of Israel”). The difference between kri,nein (“to judge”) and basileu,ein (“to rule”) can clearly be seen in 1 Corinthians: In 1 Corinthians 6:1–2 is dealing with the power of the saints to judge (kri,nein) the world (and the angels), whereas in 1 Cor 4:8 Paul ironically states “Quite apart from us you have become kings (evbasileu,sate)!“ 20 For a supportive view, see HOLTZ (1980:877–878); ROLOFF (1993:61–62). A critical position is for example held by SCHNEEMELCHER (1981:61–62); SCHENKE (1990:76). 21 For analysis of the tradition see FEE (1987:722–729); SCHRAGE (2001:31–53). Concerning the mentioning of the Twelve in 1 Cor 15, MEIER (1997:670) rightly speaks of a “fossil of reference” and he is correct as well, when he argues that this applies already to Paul himself: Against the background of the total absence of the Twelve in the Pauline writings this is “the sole exception that proves the rule.”
136
Hellenistisches Christentum: Ekklesiologie
whom the risen Lord appeared first – and then to the Twelve. The appearance to the Twelve is only possible on the precondition that they had gathered in this number – or at least as a group called “The Twelve”. In addition, it is plausible to assume that this assembly was called together by Peter after his own experience of the risen Lord. Up to this point, there is little dispute among scholars. But now the question arises: Why did Peter, after his own experience of the risen Lord, call together a group of twelve disciples – and not 25, or for that matter all the disciples gathered in Jerusalem? By calling together a group of twelve at least implies a basic idea of the people of God represented by this body of 12 disciples. The alternative that emerges as a result goes as follows: a) Peter re-gathered the pre-Easter group of the Twelve which had been installed in pre-Easter times by the historical Jesus; or b) Peter created the idea of the Twelve and he consciously gathered a group of 12 disciples without any precondition in the ministry of the historical Jesus. In my judgement, the former is the more probable possibility, in other words that Peter re-gathered a pre-Easter group of 12 disciples. Otherwise, we would have to explain how the ecclesiological concept of the people of God, represented by the Twelve, directly emerged from the basic christological conviction that God had raised Jesus from the dead. If this conclusion were acceptable, the next step to secure this result would be to determine the function of the Twelve within the ministry of Jesus, and subsequently to inquire about their historical role in the first decades of the post-Easter community in Jerusalem. Four statements or assumptions are possible concerning the role of the Twelve within the ministry of Jesus (BECKER 1996:33–34; THEISSEN & MERZ 1997:201): i.) The installation of the group of the Twelve is an expression of the fact that with his message Jesus addressed himself to Israel as a whole. ii.) This Israel to which Jesus addressed himself went far beyond the limits of the present empirical Israel which in reality comprised only two tribes. When Jesus referred in his ministry to the 12 tribes of Israel this implies that he expected the eschatological restoration of Israel as a whole. iii.) The installation of the Twelve did not mean that Jesus had started to build a holy remnant as was the case at Qumran. On the contrary, his most characteristic activities, especially his eating with tax-collectors and “sinners” prove that he did not accept any border or separation within the people of God. iv.) Thus, we can conclude: In Jesus’ ministry, that is in his healing activities, in his meal community and in the proclamation of the EUAGGE-
The origin, function and disappearance of the “Twelve”
137
LION to the poor, the vision of the eschatological people of God started to become a reality, the visible expression of which was the installation of the Twelve. This development abruptly came to a halt with the crucifixion of Jesus. The crucifixion demonstrated that the ministry of Jesus had failed. There was thus no possibility for a continuation of the group of the Twelve. The possibility of continuation only emerged when a completely new action of God was proclaimed, namely that God had not abandoned Jesus, but had in fact raised him from death whereby the risen Lord thus obtained heavenly status. This message implied that Jesus had not failed in his ministry, as his enemies had maintained, and therefore it was possible to re-convene the group of the Twelve. And naturally they gathered as the former Twelve, despite actually only being eleven. The group of the Twelve, re-convened by Peter, was re-installed by the appearance of the risen Lord and so their function, namely to form the nucleus of the new people of God, was confirmed. But this new people of God now gathered on a new basis: They gathered in the name of the risen Jesus. And this new people of God started in the circle of those who believed that God had raised Jesus from the dead (Rom 10:9) and who proclaimed in the worship the exalted Jesus as “Lord” (1 Cor 12:3). The group of the Twelve re-gathered by Peter and authorised by the risen Lord, formed the nucleus of this new people of God (ROLOFF 1993:61), If this reconstruction of the history of the Twelve is plausible, then we can assume that the by-election of Matthias (Act 1:15–26) to replace Judas is basically reliable. Against this background it is particularly interesting to note that this was indeed the only by-election of a member of the Twelve. When John, son of Zebedee, was killed by “Herodes” Agrippa I. (ruler of Jerusalem 41–44 AD) he was not replaced by another disciple (Act 11:1–3). This raises the question: Why did the Twelve disappear so quickly from the stage of history? In my opinion it was the very success of the group of the Twelve that made it obsolete as representative body of the community in Jerusalem. The members of this group were all disciples of the historical Jesus, that is they formerly lived in Galilee. The same applied to all the other members of the community, because at the very beginning, we have to assume, there were at best very few members who did not come from Galilee. At this stage the Twelve indeed were a representative body for the community as a whole. But this did not last very long. The community grew fast, new members joined of which at least two groups can be identified: – People of Galilee who weren’t disciples of the historical Jesus now became members of the community in Jerusalem and settled there. We know
138
Hellenistisches Christentum: Ekklesiologie
James, the brother of Jesus, and Mary, his mother by name, but it can be assumed that other people from Galilee, who were not as prominent as James or Mary also joined the community in Jerusalem; – the so-called “Hellenists”, mentioned in Act 6:1; they belonged to those Jews from the Diaspora who returned to Jerusalem to live there. A certain number of these returnees joined the young Christian community. Obviously this group grew rather quickly and became a distinctive subgroup within the community. The list of seven persons handed down in Act 6:5 – with Stephen at the first place – can fairly be considered as the list of the leading body of the “Hellenists”; – apart from these two groups, other persons also joined the community, for example Barnabas, who later on was to become the leading figure in the community of Antioch. The Twelve all came from Galilee and soon were not representative of the quickly growing community as a whole, because it was not possible to widen the group of the Twelve in order to include, for example James or Stephen or Barnabas. This reason makes us understand why the group of the Twelve quickly lost its leading role in the community of Jerusalem. So James, the son of Zebedee was not replaced after his killing between 41 and 44 AD. And when in 49 AD the leaders of the community of Antioch, Barnabas and Paul, went to Jerusalem to settle the conflict regarding the preaching of the Gospel to non-Jews, they did not meet the Twelve as leading body of the community of Jerusalem, but they talked to the three “pillars”, the stu/loi (Gal 2:9). This means that the community in Jerusalem was no longer directed by the Twelve but by what could be termed a Triumvirate or a Troika. The Triumvirate was formed by James, Peter (here called Cephas) and John. James, who is mentioned in the first position, was the brother of the Lord; and from 1 Corinthians 15:7 we can fairly deduce that he was a leading person within the group of the Apostles in Jerusalem, similar to Peter, who was the leading person within the group of the Twelve. Peter, who was Apostle (Gal 1:18–19) and at the same time head of the Twelve, held the middle position. The third person of the Triumvirate was John, son of Zebedee, a prominent member of the Twelve (Mk 1:19; 5:37; 9:2; 10:35–41). This reflects the development of the community in Jerusalem until 49 AD, but we know that this development continued. The importance of the Twelve waned and when in 56 AD Paul visited Jerusalem James was the only leading person, and had definitively replaced Peter (Act 21:18).22
22
For details of the history of James, see PRATSCHER (1987); PAINTER (1997).
The origin, function and disappearance of the “Twelve”
139
Now let us turn to the lists of names that occur in the New Testament.23 There are four lists altogether (Mk 13:16–19; Mt 10:2–4; Lk 6:14–16: Act 1:13). In all the lists Peter is mentioned in the first position and Judas Iscariot in the last (besides Act 1:13). The other names differ in order, but not significantly so. Apart from the differences in order, ten names are identical in all the lists. Differences concerning the names exist between the lists in Mark 3 and in Matthew 10, on the one hand, and those in Luke 6 and in Acts 1, on the other hand. The one obvious difference pertains to the name of Thaddaeus, which is mentioned by Mark (and Mathew) but which does not appear in Luke (and in Act). In the Lukan lists Judas, son of James is mentioned instead of Thaddaeus. Moreover, there is a difference with regard to the “Simon” mentioned in the second half of all the lists: In Mark (and in Mt) he is called “Simon the Cananaean”, while in Luke (and Act) he is referred to as “Simon the Zealot”. When the Evangelists wrote their gospels during the last decades of the first century, they no longer had a firm idea of the Twelve and to a greater or lesser extent identified them with the group of the Apostles24 which was a distinctive group alongside the Twelve at the outset. This can be deduced from the two different statements about the appearances of the Lord in 1 Corinthians 15, verse 5 concerning the appearance to Peter and the Twelve (w;fqh Khfa/|( ei=ta toi/j dw,deka / “he appeared to Cephas, then to the Twelve”) and in verse 7 to James and “the Apostles altogether” (e;peita w;fqh VIakw,bw|( ei=ta toi/j avposto,loij pa/sin / “there upon he appeared to James, then to the Apostles altogether”). The Evangelists identified both groups, both which did not exist at their time any longer. The way in which Luke handled the matter is most interesting – he aimed at a mutual and exclusive identification of the Twelve and the Apostles (cf. Act 1:26; 6:2, 6). But it was impossible to count Paul among those Twelve who had accompanied Jesus from Galilee to Jerusalem (cf. Act 1:21–26). Therefore, with the exception of two instances (Act 14:4, 14), he even denied Paul the title of “Apostle”. This was a somewhat radical solution which the churches did not accept in later times. When, in later centuries, lists of the “Twelve Apostles” were established, the identification of the Twelve and the Apostles was adopted, but with the inclusion of Paul. The inclusion of Paul was achieved by omit-
23
See the lists provided at the end of the article. This may already be the case in Mark 3:14 if it is read according to the old manuscripts a, B, Q et cetera kai. evpoi,hsen dw,deka( ou]j kai. avposto,louj wvno,masen (and he made Twelve, whom he also named apostles”); the same remark occurs in Luke 6:13. Matthew 10:2 has the clear expression: oi` dw,deka avpo,stoloi. 24
140
Hellenistisches Christentum: Ekklesiologie
ting Judas, respectively the by-elected Matthias (Act 1:15–26).25 This was a common development in the churches of the East and the West. In addition, the Greek speaking church included Mark and Luke26 for obvious reasons: The New Testament lists already contained Matthew and John, to whom two of the Gospels were ascribed. By including Mark and Luke, all four evangelists thus became represented in the list. In order to achieve this, two other unimportant names from the second half of the New Testament lists were omitted, namely those of James, son of Alphaeus, and Thaddaeus (or Judas, son of James, who is mentioned in Lk 6 and Acts 1 instead of Thaddaeus). To summarise: The historical role of the Twelve was limited to a short period. For this reason the authors of the Gospels had no idea of the historical function of the Twelve. As institution of pre-Easter origin the Twelve represented the new eschatological people of God initially gathered by Jesus, then re-convened in the name of the risen Lord. The more the early Christian community in Jerusalem grew, the more the Twelve lost their importance. Almost 20 years later, in 49 AD, the leading body of the community was no longer the group of the Twelve but a group of three people, called the “pillars” (Gal 2:9). Two of these “pillars” (Peter and John) were members of the former group of the Twelve, the third, in Galatians 2:9 mentioned in the first position, was James, the brother of the Lord. Few years later, in 56 AD, it was only James who was the head of the community in Jerusalem. The Twelve, we must conclude, definitely had lost their function. Another 20 or 30 years later the Twelve entered a new carrier on the literary level in the Synoptic Gospels, now being merged with another group of the first decades that did not exist no longer either, the Apostles. This identification produced new problems because now Paul hat to be integrated in the group of the Twelve. Luke tried to avoid this consequence but at this point he was not successful. All lists established in later centuries by the Latin and Greek-speaking churches included Paul in the number of the “12 Apostles” despite the fact that he never had been a disciple of the historical Jesus.
25
The row of Apostles in the Cathedral San Vitale in Ravenna (Italy) which dates back to the middle of the 6th century provides an early example. In the arch in front of the presbyterium is a chain of medallions: In the central position is a medallion of Christ with on each side seven other medallions, six Apostles and (in the last position) one Saint. Peter and Paul are placed on either side of Christ. When both rows are joined alternately, the same list emerges as in the Sacramentarium Gelasianum (from the 8th century): There Peter and Paul are at the top of the list, followed by Andreas (Andrew), Jacubus (James), Johannes (John) et cetera (see MOHLBERG 1971:238). 26 As for example in Ps-Chrysostomos, in XII Apostolos (Migne 1862:495).
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Lists of the Twelve in the New Testament and in the tradition of the church Mt 10:2–4
Mk 3:16–19
Lk 6:14–16
Acts 1:13.26
Ravenna, San Ps-ChrysoVitale (cf.
stomos, In
Sacramenta-
XII Aposto-
rium Gela-
los
sianum) 1
Si,mwn o`
(Si,mwn)
Si,mwn( o]j
lego,menoj
Pe,troj
kai. Pe,troj
Pe,troj
Petrus
Pe,troj
VAndre,aj
VIa,kwboj
VAndre,aj
o` avdelfo.j
o` tou/
o` avdelfo.j
VIwa,nnhj
Paulus
Pau/loj
auvtou/
Zebedai,ou
auvtou/
VIa,kwboj
VIwa,nnhj
o` tou/
o` avdelfo.j
VIa,kwboj
VIa,kwboj
Andreas
VAndre,aj
Zebedai,ou
tou/ VIakw,bou
VIwa,nnhj
VAndre,aj
VIwa,nnhj
VAndre,aj
Jacobus
Si,mwn
Fi,lippoj
Fi,lippoj
Fi,lippoj
Johannes
Qwma/j
Philippus
VIa,kwboj
Pe,troj 2
3
4
o` avdelfo.j auvtou/ 5
Fi,lippoj
6
Barqolomai/oj Barqolomai/oj Barqolomai/oj Qwma/j
7
Qwma/j
Maqqai/oj
Maqqai/oj
Barqolomai/oj Bar-
Ma/rkoj
tholomeus 8
Qwma/j
Qwma/j
Maqqai/oj
Thomas
Louka/j
VIa,kwboj
VIa,kwboj
VIa,kwboj
VIa,kwboj
Mattheus
Maqqai/oj
o` tou/
o` tou/
~Alfai,ou
~Alfai,ou
~Alfai,ou
~Alfai,ou
Qaddai/oj
Qaddai/oj
Si,mwn o`
Si,mwn o`
Jacobus
VIwa,nnhj
kalou,menoj
zhlwth,j
Al(phaeus) Thaddeus
Barqolomai/oj
Simon
Fi,lippoj
Maqqai/oj o` telw,nhj
9
10
Zhlwth,j 11 12
Si,mwn o`
Si,mwn o`
VIou,daj
VIou,daj
Kananai/oj
Kananai/oj
VIakw,bou
VIakw,bou
VIou,daj o`
VIou,daj
VIou,daj
Maqqi,aj
VIskariw,thj
VIskariw,q
VIskariw,q
Chan(anaeus)
142
Hellenistisches Christentum: Ekklesiologie
Lists of the Twelve in the New Testament and in the tradition of the church Mt 10:2–4
Mk 3:16–19
Lk 6:14–16
Acts 1:13.26 Ravenna, San
Ps-Chryso-
Vitale (cf. Sa-
stomos, In XII
cramentarium
apostolos
Gelasianum) 1 Simon, who is called
Simon /
Simon /
Peter
Peter
Peter
Peter
Peter
James, son
Andrew, his
of Zebedee
brother
John
Paul
Paul
John, the
James,
James
Andrew
Andrew
John,
Andrew
James
Simon
Peter 2 Andrew, his brother 3 James, son of Zebedee
brother of James
4 John, his
Andrew
brother 5 Philip
Philip
Philip
Philip
John
Thomas
6 Bartholo-
Bartholo-
Bartholo-
Thomas
Philip
James
mew
mew
Matthew
Matthew
Bartholo-
Bartholomew
Mark
mew 7 Thomas
mew 8 Matthew the
Thomas
Thomas
Matthew
Thomas
Luke
James, son
James, son
James, son
Matthew
Matthew
of Alphaeus
of Alphaeus
of Alphaeus
Simon the
Simon, who
Simon the
James, son of
John
Cananaean
was called
Zealot
Alphaeus
tax collector 9 James, son of Alphaeus 10 Thaddaeus
the Zealot 11 Simon the
Thaddaeus
Cananaean 12 Judas Iscariot
Judas, son of Judas, son of Thaddaeus James
James
Judas Iscar-
Judas Iscar-
Matthias
iot
iot
Simon the Cananaean
Bartholomew Philip
The origin, function and disappearance of the “Twelve”
143
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„Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32) ∗ Christliche Identität im ma,kellon in Korinth und bei Privateinladungen
Am Ende seiner Ausführungen zum Umgang mit sog. Götzenopferfleisch in 1Kor (8,1–13)10,23–11,1 formuliert Paulus in 10,32 eine grundsätzliche Weisung: „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes.“ Diese Aufforderung überrascht und versetzt – wenn sie in Analysen von 1Kor 8–10 nicht ohnehin völlig übergangen wird – regelmäßig in Verlegenheit.1 Denn: Wie soll eine christliche Gemeinde in einer solchen Frage eine für Juden und Griechen gleichermaßen akzeptable Verhaltensweise entwickeln können, wenn gerade hier die Differenz zwischen Juden und Griechen besonders stark war? Wird hier nicht eine doppelte und in sich auch noch völlig widersprüchliche Anpassung verlangt?2 Andererseits: Hat Paulus nicht kurz zuvor, nämlich in 1Kor 10,28 eine konkrete ∗ Zuerst erschienen in M. Trowitzsch (Hg.): Paulus, Apostel Jesu Christi (FS Günter Klein), Tübingen 1998, S. 35–54. 1 Charakteristisch ist hier das weitgehende Schweigen der an sich sehr problembewußten Untersuchung von H.-J. KLAUCK, Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung zum ersten Korintherbrief, NTA.NF 15, 21986, 278f, der nur sehr allgemein vom ,Dastehen der Gemeinde in der Welt‘ redet; ebenso kurz H. CONZELMANN, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, 21981, 219, der auf das in 10,32 angesprochene Außenverhältnis überhaupt nicht eingeht; dagegen diskutiert W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther. 2. Teilband. 1Kor 6,12–11,16, EKK 7/2, 1995, 474f, den Text ausführlicher und interpretiert ihn von 1Kor 9,22 her als „Adaption um des Evangeliums willen bzw. der Rettung anderer willen“. Ähnlich schon J. WEISS, Der erste Korintherbrief, KEK 5, 1910 (2. Nachdruck 1977), 266, und ebenso F. LANG, Die Briefe an die Korinther, NTD 7, 1986, 132f. Der Verweis auf 1Kor 9,20–22 ist durchaus beachtlich, zumal Paulus ja 10,33 auf sich selbst ausdrücklich verweist – doch das beantwortet ja nicht die Frage: Gibt es in den in 10,23ff angesprochenen Situationen ein Verhalten, das für Juden und Griechen (und auch für die Gemeinde selbst!) gleichermaßen „unanstößig“ ist, und wie sah das konkret aus? 2 M.M. MITCHELL, Paul and the Rhetoric of Reconciliation. An Exegetical Investigation of the Language and Composition of 1 Corinthians, HUTh 28, 1991, hat eindrucksvoll gezeigt, daß Paulus nicht nur in 1Kor 1–4, sondern auch in 8–11 in der Tradition der politischen Rhetorik steht, die sich um die Durchsetzung eines übergeordneten Gemeinschaftsinteresses gegenüber der Durchsetzung von Gruppeninteressen („factionalism“) bemüht (bes. 126–149; vgl. auch 237–258). Gerade in 1Kor 9,22 (und 10,33) präsentiere sich Paulus als „non-factionalist“ (133, vgl. 147f). Doch beantwortet der Hinweis auf die rhetorische Funktion des Prinzips pa/sin avre,skein (im Gegenüber zum Parteienwesen) noch nicht die Frage nach dessen konkreter Realisierung – zumal, wenn Paulus diesen Grundsatz in 10,32 als Handlungsanweisung an die Gemeinde formuliert, und dies auch noch gegenüber Außenstehenden.
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Anweisung gegeben, die den Christen zwingt, sich in einem bestimmten Konfliktfall sehr deutlich von der Praxis seiner nichtchristlichen Umwelt (dem Verzehr von ausdrücklich als solchem qualifizierten Opferfleisch) öffentlich zu distanzieren? Die Fragen, die sich hier ergeben, betreffen zunächst die innere Kohärenz der Argumentation des Paulus in 1Kor 10,23–11,1. Dabei ist es unumstritten, daß 1Kor 10,23–11,1 nur auf dem Hintergrund und als Teil von Kap. 8–10 insgesamt beurteilt werden kann, da in 10,23–11,1 ganz offensichtlich der Abschluß und auch Zielpunkt der 1Kor 8,1 einsetzenden Erörterung über die eivdwlo,quta vorliegt. Da die Ausführungen des Paulus dabei sowohl direkte Handlungsanweisungen (10,14.25.27.28) als auch generelle Handlungsorientierungen (10,23f.31–33; 11,1; indirekt auch 8,13) enthalten, ist zugleich nach einem angemessenen Verständnis der sozialen Problemlage zu fragen, auf die Paulus sich mit seinen Ausführungen bezieht. Die verschiedenen Situationen, die Paulus in 1Kor 8–10 benennt, machen deutlich: Es handelt sich bei der Frage nach dem Verzehr von sog. Götzenopferfleisch um ein zentrales Problem der Interaktion der christlichen Gemeinde mit ihrer nichtchristlichen Umwelt. Da zugleich dieses Problem innerhalb der Gemeinde offenbar schroff gegensätzlich beurteilt wird, steht hier beides gleichzeitig auf dem Spiel: das Außenverhältnis der Gemeinde und der Fortbestand ihrer inneren Einheit.3 Wenn nun Paulus, der Gründungsapostel der Gemeinde, dieses Problemfeld aufgreift, dann stellt sich die Frage, ob es ihm gelingt, die unterschiedlichen Beurteilungen des Außenverhältnisses (und die dementsprechend divergierende Praxis) miteinander so zu vermitteln, daß die innere Einheit der Gemeinde nicht verloren geht. Kurz: es geht in 1Kor 8–10 um nichts weniger als um die Identität der christlichen Gemeinde im unauflöslichen Ineinander von Binnen- und Außenverhältnis.4 Dabei sind die paulinischen Missionsgemeinden – und die in Korinth besonders – als personell und institutionell noch sehr instabile Gruppierungen anzusehen, die sich erst schrittweise zu formieren beginnen und so immer wieder ihre Identität neu klären müssen. Zusätzlich zu bedenken ist, daß zumindest der Apostel selbst, aber auch ein gewisser Teil der Gemeindemitglieder nach Herkunft und Sozialisation ursprünglich Diasporajuden und wohl auch bewußte Mitglieder der jüdischen (Diaspora-)Synagogengemeinde gewesen sind, denen deshalb die Probleme der Abgrenzung ge3
Wie sehr Paulus in 1Kor grundlegend mit dem Problem der inneren Einheit der Gemeinde befaßt ist und dies auch die rhetorische Gestalt des Briefes fundamental bestimmt, hat MITCHELL (s. Anm. 2) überzeugend gezeigt (vgl. 126–149 zu 1Kor 8–10). 4 Zum Zusammenhang von Identität, Abgrenzung und Außenverhältnis vgl. W.A. MEEKS, Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden, 1993 (zuerst engl. „The First Urban Christians“, 1983), 180–225.
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genüber der paganen Umwelt (jedenfalls in bestimmten Bereichen) und der (gleichwohl notwendigen) Interaktion mit ihr hinreichend vertraut waren.5 Zu klären sind daher folgende Fragen: 1. Welche Situation(en) setzt Paulus voraus? Zu berücksichtigen ist dabei, daß Paulus die Erörterung des Problemfeldes bereits in 1Kor 8,1 beginnt und bereits in 8,10 und 10,21 auf bestimmte Situationen anspielt, bei denen zu fragen ist, wie sie sich zu den in 10,25.27 angesprochenen Situationen verhalten. 2. Welche Argumentationsziele verfolgt Paulus in 1Kor 8–10 insgesamt und wie sind insbesondere Aufbau und Argumentation von 1Kor 10,23– 11,1 zu bestimmen? Und: Sind die Vorschläge und Anweisungen des Paulus zur konkreten Regelung des Außenverhältnisses – einschließlich des generellen Grundsatzes von 10,32 – in sich konsistent? 3. Sind die konkreten Handlungsanweisungen des Paulus und seine prinzipiellen Handlungsorientierungen geeignet, für die in einem dynamischen Wachstumsprozeß sich befindende Gemeinde in Korinth tatsächlich identitätssichernd zu wirken? 4. Nicht uninteressant dürfte es sein, auch danach zu fragen, wie sich der Lösungsvorschlag des Paulus zur Problemlösung im Bereich des (hellenistischen) Diasporajudentums verhält – zumal Paulus selbst ja in 1Kor 10,32 das Außenverhältnis auch zu den Juden bewußt anspricht.
II Paulus benennt viermal Situationen, in denen sich das Problem der eivdwlo,quta ergeben konnte: 1. Eivdwlolatri,a (10,14–22), d.h. Teilnahme an paganen Opfer- und Kultmahlen (bes. deutlich: 10,21: die tra,peza der Dämonen); dabei kann sowohl an gemeinschaftlichen Verzehr von Fleisch im Anschluß an Schlachtopfer im Tempelareal gedacht sein6 wie auch an spezielle Kultmah5 Von einer starken Verschränkung der innerchristlichen Probleme in Korinth mit denen der jüdischen Synagogengemeinde geht K.-W. NIEBUHR, Identität und Interaktion. Zur Situation paulinischer Gemeinden im Ausstrahlungsfeld des Diasporajudentums (in: J. Mehlhausen [Hg.], Pluralismus und Identität, 1995, 339–359) aus, der auf 341–350 die Problematik jüdischer Identität in der Diasporasituation informativ darstellt (mit weiterer Literatur). 6 Zuweilen konnte auch ein anderer Platz Ort des anschließenden Festmahls sein, so in Athen der weiträumige Bereich des Dipylon am Kerameikos, wo noch zahlreiche Pfostenlöcher auf dort aufgestellte Festzelte schließen lassen; auch fand sich im nördlich angrenzenden Graben als „Füllung eine Unmenge von Rinderknochen, die wohl mit Recht für Abfall von der großen, am Panathenäenfest teilweise im Kerameikos verzehrten Hekatombe gehalten werden“ – so U. KNIGGE, Der Kerameikos von Athen. Führung durch Ausgrabungen und Geschichte (hg. vom Deutschen Archäologischen Institut Athen), 1988, 78 (vgl. auch 68f zu den Pfostenlöchern).
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le, etwa von Dionysosvereinen7 oder Sarapis-Kultgemeinschaften.8 Hieran teilzunehmen ist mit der Zugehörigkeit zum ku,rioj VIhsou/j Cristo,j grundsätzlich unvereinbar, weil im Mahl jeweils Gemeinschaft hergestellt wird, und das bedeutet: Der Teilnehmende unterstellt sich entweder dem ku,rioj – oder den „Dämonen“. 2. Ein Christ nimmt an einem Gastmahl in einem „Götzenhaus“ teil und ißt dort (notwendigerweise?) eivdwlo,quta (1Kor 8,10). Dies wird von Paulus im Blick auf den Bruder, dessen sunei,dhsij schwach ist, in 1Kor 8,10–12 zwar äußerst kritisch beurteilt, aber nicht (oder: noch nicht?)9 verboten. Dabei ist es durchaus möglich, hierin eine Situation zu sehen, die von den eindeutigen Kult- und Opfermahlzeiten, die in 10,14–22 im Blick sind, zu unterscheiden.10 Die Formulierung von H. Conzelmann, der vom „Tempelrestaurant“ spricht,11 ist zwar recht nonchalant, aber durchaus zutreffend: Kultbezirke wie der der Demeter und Kore in Korinth umfaßten auch Bankettsäle;12 selbständige Anlagen von Banketträumen befinden sich im direkten Anschluß an das Asklepieion von Korinth13 und im Bereich des Heraion nördlich von Argos.14 Derartige Bankettsäle konnten ja auch außerhalb der großen Kultfeierlichkeiten benutzt werden, und sicher nicht nur von
7 Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der sog. ,Podiensaal‘ bzw. ,Bankettsaal‘ im Bereich der Stadtgrabung von Pergamon, der in seinem Endzustand Platz für etwa 70 Teilnehmer bot, in der Mitte einen Altar aufwies und durch ein Altarfragment und Reste der Wandbemalung als Kultsaal eines Dionysosvereins identifiziert werden konnte; die jetzige Gestalt des ,Podiensaals‘ wird von den Ausgräbern (in verschiedenen Stufen) dem 2. bis 4. Jh. n.Chr. zugewiesen, doch zeigt der Fund eines Fragments eines Dionysos-Altars aus augusteischer Zeit, daß die Anlage selbst bis ins erste Jh. n.Chr. zurückreichen dürfte; vgl. W. RADT, Pergamon. Geschichte und Bauten, Funde und Erforschung einer antiken Metropole, 1988, 224–228. 8 Vgl. die Hinweise auf Sarapis-Mähler bei KLAUCK (s. Anm. 1), 132–136. 9 Falls nämlich Paulus hier faktisch eivdwlolatri,a im Blick hat, diese hier aber als solche noch nicht diskutieren will; so G. HEINRICI: Der erste Brief an die Korinther, KEK V, 81896, 251. Doch siehe gleich im Text; s. auch Anm. 37. 10 Anders H. MERKLEIN, Die Einheitlichkeit des ersten Korintherbriefes, (ZNW 75, 1984, 153– 183), 167, der der Ansicht ist, daß 1Kor 8,1–13 (also auch 8,10) und 10,1–22 „im wesentlichen auf den gleichen Fall abzielen: auf die Teilnahme an (kultischen) Mählern im Tempel“ (Hervorhebungen im Original). Ebenso KLAUCK (s. Anm. 1), 272, der daher (anders als Merklein) 8,1–13 und 10,1-22 auf zwei verschiedene Briefe verteilt. 11 CONZELMANN (s. Anm. 1), 184; aufgenommen von SCHRAGE (s. Anm. 1), 263. 12 Zu den Banketträumen des Demeter-Kore-Heiligtums vgl. die Literaturhinweise bei M. KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern, TANZ 13, 1996, 71f (dort auch eine kurze Zusammenfassung des Gesamtbefundes). 13 Zum Asklepieion von Korinth und dem westlich (KLINGHARDT [s. Anm. 12], 70, irrtümlich: östlich) anschließenden Gästehaus (im Anschluß an Pausanias II 4,5 ‚Lerna‘ genannt) mit drei gut erhaltenen Banketträumen vgl. C. ROEBUCK, Corinth. Results of Excavations, Vol. XIV. The Asklepieion and Lerna, 1951. 14 Vgl. A. FRICKENHAUS, Griechische Banketthäuser JdI 32, 1917, 114–133); zu Argos 121– 130.
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Kultvereinen, sondern sowohl von anderen Vereinigungen als auch von Einzelpersonen bei privaten Festanlässen.15
3. Fleischverkauf im ma,kellon (1Kor 10,25); das ma,kellon stellt eine für die römische Stadtkultur charakteristische Gebäudeform dar, die von einer avgora,, die ja ebenfalls dem Handel dienen konnte, zu unterscheiden ist.16 Es handelt sich um eine vor allem auf Fleisch, aber auch auf Fisch, also besonders hochwertige Güter, spezialisierte Verkaufsanlage. Paulus setzt dabei voraus, daß das dort zum Verkauf angebotene Fleisch sowohl aus kultischen als auch aus unkultischen Schlachtungen kommen konnte.17 In diesem Fall, so Paulus, braucht der Christ nicht Erkundigungen einzuziehen, ob es sich um Opferfleisch handelt oder nicht. 4. Die private Einladung (1Kor 10,27–30); hier erfolgt zunächst die gleiche Freigabe wie im Falle des Fleischkaufs im ma,kellon: Auch in diesem Falle braucht der Christ nicht zu prüfen, ob Opferfleisch zum Verzehr kommt oder nicht. Erst wenn er ausdrücklich darauf hingewiesen wird, ist eine neue Situation gegeben. Diese läßt dann allerdings dem Christen auch keinen Spielraum mehr. Hier gilt ohne Einschränkung: mh. evsqi,ete (10,28). Für Paulus ist es also ganz offenkundig nicht die Qualität des Fleisches selbst, die zur Stellungnahme zwingt, sondern die von Menschen qualifizierte Situation: Die von Menschen begangene Verehrung von Göttern ist für den Christen der Fall, an dem er sich schlechterdings nicht beteiligen 15
Dies kann man z.B. mit guten Gründen für die Banketträume des Pompeion in Athen (86 v.Chr. zerstört) annehmen. Für dieses Gebäude (zwischen Dipylon und Heiligem Tor gelegen) ist der gleiche Zweck vorauszusetzen wie für den Nachfolgebau aus dem 2. Jh. n.Chr., der nach Pausanias I 2,4 der ‚Herrichtung der Festzüge‘ diente; hier wurde vermutlich auch das Schiff der großen Prozession des Panathenäenfestes aufbewahrt. Da im Bereich von Dipylon und Pompeion ohnehin das große Kultmahl des Panathenäenfestes abgehalten wurde (vgl. Anm. 6), ist für die sechs Banketträume des Pompeion der gleiche Zweck vorauszusetzen. Genauso ist aber auch anzunehmen, daß diese Banketträume auch außerhalb dieses einmal jährlich stattfindenden Festes benutzt wurden (und damit auch eben für private Zwecke), zumal das Pompeion gleichzeitig auch als Gymnasium diente; vgl. insgesamt KNIGGE (s. Anm. 6), 79–82. 16 Zur Unterscheidung von Agora und macellum vgl. R. MARTIN, Recherches sur l’agora grecque. Etudes d’histoire et d’architecture urbaines, BEFAR 174, 1951, 518–522. 17 Dies wird zum Teil in Abrede gestellt. So geht G. SELLIN, Hauptprobleme des Ersten Korintherbriefes (ANRW II 25,4, 1987, 2940–3044), 3004, Anm. 327, selbstverständlich davon aus, daß „fast alles auf dem Markt angebotene Fleisch aus kultischen Schlachtungen stammte“; diese Sicht findet sich schon bei WEISS (vgl. Anm. 1), 263, der zur Begründung auf das macellum von Pompeji verweist. Dieses macellum enthält in der Tat eine Kultstätte des Kaiserkultes und vermutlich auch eine dazugehörige Opfervorrichtung. Der Verweis auf Pompeji findet sich (zusätzlich mit einem Grundriß) auch bei H. LIETZMANN, An die Korinther I.II, HNT 9, 41949, 51f. Der alleinige Verweis auf das macellum von Pompeji bei WEISS und LIETZMANN hat dazu geführt, daß z.B. bei KLAUCK (s. Anm. 1), 274, und SCHRAGE (s. Anm. 1), 465, das macellum von Pompeji als das Grundmuster eines macellum überhaupt fungiert. Doch ist damit der Gesamtbefund eindeutig verzeichnet. Ich hoffe, in anderem Zusammenhang diese Frage ausführlicher behandeln zu können. (s. jetzt den Aufsatz: „Alles, was evn make,llw| verkauft wird, eßt …“; in diesem Band S. 165– 196.
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kann (Fall 1); im Falle der Privateinladung (Fall 4) ist aus der rein sozialen Kommunikation in dem Moment eine kultische Situation geworden, in dem das Fleisch öffentlich als Opferfleisch deklariert wird.18
III 1Kor 8,1–11,1 ist ein Beispiel dafür, wie Paulus konkrete Probleme nicht durch sofortige pragmatische Regulierungen,19 sondern durch Rückgriff auf die Glaubensgrundlagen der Gemeinde einer Klärung näherzubringen versucht, wobei er zugleich bestrebt ist, die Gemeinde bzw. die beteiligten Gruppen innerhalb der Gemeinde in diesen Klärungsprozeß einzubinden. In 1Kor 8 thematisiert Paulus zunächst offen die prinzipielle Differenz, die in der Gemeinde in Korinth besteht – und stellt dabei schon die ersten Weichen: Einerseits gibt er zu erkennen, daß er die Position der ,Starken‘20 – jedenfalls in bezug auf ihr konkretes Verhalten – durchaus teilt; gleichzeitig macht er deutlich, daß ihre Argumentation erheblich zu kurz greift. Denn die theoretische Position „es gibt gar kein ei;dwlon“ (8,4) verkennt, daß die ,Götzen‘ gleichwohl überall dort reale Macht ausüben, wo der Mensch ihnen Macht einräumt. Auf dieser Basis kann Paulus die Position der ‚Schwachen‘ stärken, ihre Situation21 und das dieser Situation entsprechende ‚schwache‘ Gewissen voll akzeptieren und von den ‚Starken‘ ver18 Nach M. WOLTER, Art. Gewissen II. Neues Testament, TRE 13, 1984, 213–218, dort 215, bezieht sich der Bedingungssatz 10,28 (samt der anschließenden Begründung in V. 29) sowohl auf V. 27 als auch auf V. 25, also auf die Situation bei der Privateinladung genauso wie beim Einkauf im ma,kellon. Das ist grundsätzlich möglich, und wenn ein Christ im ma,kellon einen Hinweis analog zu dem von V. 28 erhielte, müßte er sich – im Sinne des Paulus – in der Tat analog verhalten. Nur scheint es kein Zufall zu sein, daß Paulus die Möglichkeit eines ausdrücklichen Hinweises tou/to i`ero,quto,n evstin erst beim zweiten Fall, der Privateinladung mit ihrer viel intensiveren persönlichen Kommunikation bespricht. 19 Eine analoge Vorgehensweise liegt bei der Behandlung des Problems der sci,smata in 1Kor 1,10–4,21 vor. 20 SELLIN (s. Anm. 17), 3004, Anm. 331, schlägt vor, in bezug auf 1Kor 8 die Begrifflichkeit von ‚Starken‘ und ,Schwachen‘ zu vermeiden, nämlich um eine Vermischung der Problemlagen von 1Kor 8 mit Röm 14f auszuschließen. SELLIN redet statt dessen von ‚Schwachen‘ und ‚Wissenden‘. Das ist formal textnäher, doch ist es völlig sachgemäß, diejenigen, die gnw/sij besitzen, im Gegenüber zu der anderen Gruppe, deren Kennzeichen die ‚schwache‘ sunei,dhsij ist, als ,Starke‘ zu bezeichnen. Faktisch liegt in Röm 14f eine Weiterentwicklung der Begrifflichkeit von 1Kor 8 vor. Daß man beide Problemlagen soweit wie möglich getrennt analysieren sollte, ist allerdings völlig richtig. 21 Nämlich, daß für sie der Verzehr von Götzenopferfleisch aufgrund ihrer früheren, jetzt aber noch nachwirkenden religiösen Sozialisation (vgl. das Stichwort sunh,qeia in 8,7) die erneute Unterstellung unter die Macht der ei;dwla bedeuten würde; zum Problem vgl. ausführlich SCHRAGE (s. Anm. 1), 254–256.
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langen, daß sie diese Situation (samt dem darin enthaltenen Gefahrenpotential für die ‚Schwachen‘) als Gegebenheit zu respektieren haben. Paulus spitzt diesen Gesichtspunkt soweit zu, daß dieser Respekt – jedenfalls für ihn selbst – zum Verzicht auf Fleischverzehr überhaupt führen könne (8,13). Paulus hat damit allerdings zunächst nur auf der Ebene der Prinzipienklärung die grundsätzliche Notwendigkeit der Respektierung der Situation der ‚Schwachen‘ begründet. Eine konkrete Handlungsanweisung erfolgt von hier aus dagegen nicht. Die Schlußfolgerung in 8,13 ist offenbar ganz bewußt im Ich-Stil formuliert, und eine Übertragung auf die Gemeinde (etwa: „Werdet auch hierin meine Nachahmer“ – vgl. 11,1!) erfolgt gerade nicht. Offenbar liegt in 1Kor 8,1–13 noch keine ausreichende Basis für einen für die gesamte Gemeinde tragfähigen Lösungsvorschlag vor. Denn eine direkt an 8,13 anschließende konkrete Anweisung könnte ja nur in der direkten Anwendung der Position von 8,13 auf die Gesamtgemeinde bestehen.22 Das würde bedeuten: Das Verhalten der Gesamtgemeinde wird ausschließlich an die Situation einer Teilgruppe, der ‚Schwachen‘, gebunden, und die ‚Starken‘ würden vor die Alternative gestellt, entweder ihre eigene Position (die Paulus grundsätzlich ja anerkennt) zu verleugnen oder die Gemeinschaft der einen evkklhsi,a aufzukündigen. Gerade diese Alternative will Paulus offenkundig vermeiden. Es zeigt sich also: Auch die rhetorisch sehr eindrucksvoll formulierte Forderung nach bedingungsloser Respektierung der Position der ‚Schwachen‘ stellt noch nicht die endgültige Lösung dar, sondern bildet offenbar nur einen Teilaspekt der Gesamtproblematik. Auf diesem Hintergrund sind die Ausführungen von 1Kor 9,1–10,22 als Versuch zu werten, weitere Gesichtspunkte zu erarbeiten, um dann abschließend in 1Kor 10,23–11,1 einen für alle Teile der Gemeinde akzeptablen Lösungsvorschlag vorlegen zu können. Im Blick auf diesen Lösungsvorschlag haben die Ausführungen von 1Kor 9,1–10,22 durchaus eine notwendige Funktion. In 1Kor 9 setzt Paulus zunächst die argumentative Linie von 8,7–13 fort: Er entfaltet an seinem eigenen Beispiel, daß Freiheit und Rechtsverzicht durchaus zusammenpassen, ja daß Rechtsverzicht durchaus
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Meist wird nach der Anwendbarkeit von 1Kor 8,13 und der Vereinbarkeit mit der Anweisung von 1Kor 10,25 überhaupt nicht gefragt. Eine Ausnahme macht hier H.-J. ECKSTEIN, Der Begriff Syneidesis bei Paulus. Eine neutestamentlich-exegetische Untersuchung zum ‚Gewissensbegriff‘, WUNT II/10, 1983, 261: Der Gesichtspunkt von 8,7 (die Gefahr für die sunei,dhsij des ,Schwachen‘) spielt in 10,25f „wohl (!) deshalb“ keine Rolle, weil beim privaten Verzehr des im ma,kellon eingekauften Fleisches „nicht mit der Gegenwart eines schwachen Bruders gerechnet werden muß“. Diese ‚Lösung‘ zeigt nur das Dilemma. Denn der Einkauf im ma,kellon ,ohne nachzufragen‘ ist genauso öffentlich wie das ,Liegen im eivdwlei/on‘ (8,10).
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sachgemäßer Ausdruck von evxousi,a sein kann.23 Paulus macht damit den ‚Starken‘ deutlich: Die eigene evxousi,a ist nicht letztgültiger Maßstab, sondern anderen Maßstäben nachgeordnet (9,19–23.24–27). In 1Kor 10,1–22 führt Paulus einen weiteren Gesichtspunkt in die Debatte ein. Auch völlig unabhängig von der Frage nach den Folgen für die Situation des ‚schwachen‘ Mitchristen gibt es auch für die Position der ‚Starken‘ eine objektive Grenze: die Teilnahme am Götzenopferkult. Diese Möglichkeit ist als solche ausgeschlossen. An diesem Punkt gibt Paulus damit der Position der ‚Schwachen‘ auch inhaltlich recht (während er in 1Kor 8 nur die Respektierung ihrer Position als Gegebenheit gefordert hat), insofern er feststellt, daß durch gnw/sij nicht einfach jede Situation gemeistert werden kann. Auch für den ‚Starken‘ mit all seiner gnw/sij, die ihm zu Gebote steht, gibt es objektive Grenzen. Denn als Vorgang, der Gemeinschaft mit Dämonen herstellt, schließen sich eivdwlolatri,a und Zugehörigkeit zum ku,rioj (exemplarisch dargestellt an der Teilnahme am Herrenmahl) aus. In dieser Diskussion entwickelt Paulus die Unterscheidung zwischen eivdwlo,quton und ei;dwlon, genauer gesagt, zwischen dem Verzehr einer Substanz und dem Vorgang der Teilnahme an einem kultischen Ablauf, in dem sich der Teilnehmende der Macht des Dämons unterstellt. Nach diesen Vorklärungen, die nur scheinbar Umwege sind, kann Paulus in 1Kor 10,23–11,1 seinen endgültigen Lösungsvorschlag mit einiger Aussicht auf Akzeptanz vorlegen.
IV Der Abschnitt 1Kor 10,23–11,1, der die Probleme der eivdwlo,quta endgültig klären soll,24 ist von Paulus mit erheblicher Sorgfalt aufgebaut: – Zu Beginn formuliert Paulus aufs neue die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für seine Entscheidung (und für die Gemeinde, die seine Entscheidungen ja akzeptieren soll): Einerseits nimmt Paulus mit pa,nta e;xestin 23 Die Funktion von 1Kor 9 als Beispiel für die übergeordnete Thematik von 1Kor 8–10 insgesamt betonen sehr nachdrücklich MITCHELL (s. Anm. 2), 243–250, und SCHRAGE (s. Anm. 1), 211–215. 24 Zumeist wird überhaupt nicht die Frage gestellt, ob 1Kor 8,7–13 und 10,23–11,1 in gleicher Weise Handlungsanweisungen für die Gemeinde darstellen – und wenn ja: wie sich beide eigentlich zueinander verhalten würden. Fragt man so, dann zeigt sich, was auch aus kompositorischen Gründen naheliegt: Die konkrete Handlungsanweisung steht am Schluß und 8,7–13 dient (wie unumstritten 8,1–6) zunächst der Grundsatzklärung. Auch SCHRAGE (s. Anm. 1), 461, ist noch zu unscharf, wenn er zu 10,23–11,1 schreibt, daß Paulus hier „zu den mehr grundsätzlichen Erörterungen von Kap. 8 zurückkehrt und diese bilanzierend an konkreten Paradigmen verdeutlicht“. Doch sind die Anweisungen von 10,25.27f mehr als nur „Paradigmen".
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(10,23a) die Position der ,Starken‘ auf, andererseits ordnet er sie aber dem übergeordneten Gesichtspunkt der oivkodomh, (10,23b) unter und verschärft diese Unterordnung in 10,24 noch, wenn er hier den Gesichtspunkt der oivkodomh, durch den personalen Aspekt des Nutzens für den e[teroj ergänzt (10,24).25 – Dem breiten Rahmen zu Beginn entspricht eine noch breitere Rahmung am Schluß (10,31–11,1), die sich ringförmig auf 10,23f zurückbezieht. – In den Rahmen dieser von grundsätzlichen Gesichtspunkten getragenen Ein- und Ausleitung fügt Paulus jetzt zwei konkrete Fallregulierungen ein: a) Zunächst den offenbar einfacheren Fall des Fleischkaufs im ma,kellon, der eine eindeutige Regulierung erfährt, nämlich die Freigabe des Einkaufs ohne die Notwendigkeit einer Nachprüfung, ob es sich um Opferfleisch handelt oder nicht; b) den deutlich schwierigeren Fall der Privateinladung, bei dem zwei Unterfälle in Betracht gezogen werden: α) der Fall ohne weitere ,Komplikationen‘, d. h. (wie die Fortsetzung zeigt) ohne Hinweis auf den Charakter des Fleisches als i`ero,quton; hier ist der Fall genau so wie beim Einkauf im ma,kellon, d. h. von sich aus ist der Christ nicht genötigt, Nachforschungen anzustellen; β) der Fall, daß das zum Verzehr angebotene Fleisch ausdrücklich als i`ero,quton qualifiziert wird. Dies verändert die Situation offenbar prinzipiell, jedenfalls ist jetzt der Verzehr nicht mehr möglich. Wichtig zu sehen ist, daß Paulus nach der eindeutigen Stellungnahme von 1Kor 10,1–22 zur Teilnahme an der eivdwlolatri,a nun auch für die Frage des Verzehrs von Götzenopferfleisch außerhalb eindeutiger Kulthandlungen eine generelle Regulierung zu treffen versucht, die von allen Gruppen der Gemeinde getragen werden kann. Dafür spricht schon der Beginn in 10,23f. Anders als in 1Kor 8,7 setzt Paulus hier nicht mit der Gegenüberstellung konträrer Positionen ein, sondern mit übergreifenden und in ihrer Gesamtheit konsensfähigen Kritierien. Auf diese Weise will Paulus offensichtlich die Diskussionslage objektivieren. Allerdings spiegeln die prinzipiellen Gesichtspunkte von 10,23f die Spannung zwischen den beiden Positionen durchaus (wenn auch abgemildert) noch wider – einerseits (in Entsprechung zu 8,13) der ohne jede Einschränkung formulierte Bezug auf den e[teroj, der isoliert betrachtet überhaupt keinen Raum für eine Geltendmachung der eigenen evxousi,a offen läßt; auf der anderen Seite die Anerkennung des Grundsatzes pa,nta e;xestin, der durch den Gesichtspunkt der oivkodomh, zwar prinzipiell begrenzt, aber in dieser Eingrenzung 25 Im e[teroj ist der Bruder von 8,7–13, dessen sunei,dhsij schwach ist, präsent, wenn auch in sprachlich neutraler Form. Das ergibt sich auch daraus, daß V. 24 die Fortführung der kritischen Eingrenzung der Position der ‚Starken‘ von V. 23 ist.
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doch legitim ist. Angesichts dieser zwar abgemilderten, aber keineswegs aufgelösten Spannung kann man fragen, ob Paulus überhaupt in der Lage ist, einen überzeugenden Lösungsvorschlag zu entwickeln. Doch zeigen die konkreten Regulierungen des Paulus in 10,25f.27–30, daß er inzwischen einen einheitlichen Lösungsansatz entwickelt hat. Das einheitliche Sachkriterium, das hinter den unterschiedlichen Regulierungen von 10,25.27f steht und hier zur Anwendung kommt, ist dabei bereits in 10,19–21 entwickelt worden,26 nämlich die Unterscheidung zwischen eivdwlo,quton und ei;dwlon genauer: zwischen den Substanzen und den Situationen, in denen Menschen durch die Anteilhabe an den kultisch qualifizierten Substanzen selbst zu Dienern von Götzen werden.27 Daraus ergibt sich für 10,25–30 ein einheitlicher Gesichtspunkt: Die Substanzen als solche sind gleichgültig; da braucht man nicht nachzufragen.28 Überhaupt nicht
26 Und 10,19–21 greift seinerseits auf 8,4–6 zurück. Dabei zeigt sich in 10,19–21 (wie auch schon in 8,5), daß Paulus in den ei;dwla bzw. lego,menoi qeoi, durchaus reale, den Menschen bedrohende Mächte sieht. Der Unterschied besteht nicht zwischen einer stärker aufgeklärten bzw. reflektierten Position in 8,4f und einer stärker dämonologischen (so KLAUCK [so Anm. 1], 272; anders übrigens aaO. 245) Sicht, sondern zwischen einer eher beschreibenden Formulierung (kai. ga.r ei;per eivsi.n … avllV h`mi/n …) und der daraus als Konsequenz sich ergebenden Handlungsanweisung: ouv qe,lw (10,20b). 27 Anders P.J. TOMSON, Paul and the Jewish Law: Halakha in the Letters of the Apostle to the Gentiles, CRINT 3/1, 1990; TOMSON kann zwar auch gelegentlich formulieren „The power of idolatry is not in the food, but in the pagan’s mind“ (217), doch will er nachweisen, daß die Anweisungen des Paulus (deshalb?) durchaus in halachischer Weise die Substanzen selbst betreffen. So faßt er 1Kor 10,1–22 in den Satz zusammen „idol food (!) should not be eaten“ (202) – und das nach 10,19f! Für 10,25–29 will TOMSON zeigen, daß hier ein halachaartiges Spezialproblem vorliegt: „10:25–29 deal with food of unspecified nature in a pagan setting“ (208). Doch sind die halachischen Analogien, die er heranzieht, nicht stichhaltig: a) Der Grundsatz, daß Verkauf von ursprünglich kultischen Gegenständen ihren kultischen Zweck aufhebt, so daß sie für Juden erlaubt sind (217), kommt hier gerade nicht zur Anwendung. Denn dann hätte Paulus in 10,25 schreiben können: „Alles was im ma,kellon verkauft wird, könnt ihr kaufen, auch wenn euch jemand sagt: Dies ist Opferfleisch.“ b) Für mhde.n avnakri,nontej dia. th.n sunei,dhsin verweist TOMSON, 214 (vgl. auch 218), auf Regelungen, nach denen ein jüdischer Verkäufer sich nicht erkundigen muß, ob z.B. ein bei ihm gekaufter Hahn zum Opfer benutzt oder direkt privat verspeist werden soll (es sei denn, es ist ein weißer Hahn, der für solche Opfer besonders typisch war). Doch liegt in 10,25 gerade der umgekehrte Fall vor. c) Erst recht paßt das Beispiel von dem herrenlosen Gut in der Nähe einer Götterstatue nicht (209). 28 Wie sehr TOMSON (s. Anm. 27) die paulinische Intention verfehlt, zeigt 209, wenn er dort die Fragestellung (in seinem Sinne) zu präzisieren versucht, auf die Paulus in 1Kor 10,25 angeblich antwortet: „what should a Christian who subscribes to the prohibition of idol food do with food of which he does not know the status in a pagan environment? If he has heard with certainty that it came from a pagan temple or celebration, he would consider it prohibited. But what if this is not clear and nobody is there to ask?“ Als wenn das ausgerechnet für die Situation im ma,kellon gelten könnte! Im übrigen hätte Paulus dann genau umgekehrt formulieren müssen: „Im ma,kellon müßt ihr euch ganz genau erkundigen, ob es Götzenopferfleisch ist oder nicht. Ausnahmsweise
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gleichgültig ist die Situation, in der der Mensch die Macht der Götzen anerkennt und diese damit über sich oder andere Gewalt gewinnen läßt.29 In dieser Perspektive gelesen meinen die prinzipiellen Gesichtspunkte von 10,23f: Sachkriterium kann nur ein personaler Gesichtspunkt sein, nämlich das, was dem e[teroj nützt und so der oivkodomh, der Gemeinde als Ganzer dient. Von dorther kann, solange eben der e[teroj nicht tangiert und die oivkodomh, nicht in Frage gestellt ist, das Problem der Substanzen ganz im Sinne der ‚Starken‘ beantwortet werden – denn: „Des Herrn ist die Erde und ihre Fülle“ (10,26). Mit der Unterscheidung zwischen den Substanzen selbst und der Situation, in der es um den Verzehr der Substanzen geht, hat Paulus einen Gesichtspunkt entwickelt, der zwar die unterschiedlichen Standpunkte nicht ablöst, sie aber doch so stark relativiert, daß die Gesamtgemeinde keinen Schaden nimmt. Äußerlich befaßt sich Paulus in den beiden Regulierungen von 10,25f.27–30 nur mit der Position der ‚Starken‘, deren Praxis er (nach 1Kor 10,1–22) nochmals eine Grenze setzt. Faktisch wird aber auch die Position der ‚Schwachen‘ relativiert. Zwar kommen die ‚Schwachen‘ in den abschließenden Anweisungen des Paulus formal gar nicht vor, doch sind sie davon ebenfalls betroffen. Zwar können die ‚Schwachen‘ selbstverständlich bei ihrer bisherigen Praxis einer sehr restriktiven Haltung gegenüber Opferfleisch (auch solchem, das nur potentiell als solches zu qualifizieren ist) bleiben. Keineswegs müssen sich die ‚Schwachen‘ den Regulierungen von 10,25.27 anschließen. Die Anweisungen von 10,25.27–30 markieren die Grenze, bis zu der ein ‚Starker‘ gehen kann, und stellen natürlich kein Gebot dar und auch kein Fernziel gegenseitiger innergemeindlicher „Erziehung“. Die ‚Starken‘ haben also weiterhin die Praxis der ‚Schwachen‘ zu respektieren. Umgekehrt bedeuten die Anweisungen des Paulus in 10,25 und 10,27 (auch unter Einschluß von V. 28), daß Paulus zwar das Verhalten der ‚Starken‘ eingrenzt – in dieser Eingrenzung aber ausdrücklich legitimiert. Insofern das Verhalten der ‚Starken‘ den Grundsätzen von 10,25.27f entspricht, ist es damit auch der möglichen Kritik der ‚Schwachen‘ entzogen. Die (wohl nicht nur theoretische) Möglichkeit, aus Rücksicht auf die dürft ihr aber auch solches Fleisch kaufen, dessen Herkunft sich nicht mit letzter Sicherheit ermitteln läßt.“ 29 So auch KLAUCK (s. Anm. 1), 248, der zu 1Kor 8,1–13 feststellt: „Man gewinnt nicht den Eindruck, als sei Opferfleisch eine unheilige Substanz. Es gewinnt seine Mächtigkeit erst da, wo es in das Wechselspiel zwischen Personen hineingezogen wird.“ Daher kann Paulus, sofern ‚Personen nicht hineingezogen sind‘ (d.h. in den Situationen von 10,25.27), die „Möglichkeit (sc. des Verzehrs von Götzenopferfleisch) bewußt in Kauf (nehmen)“ (aaO. 275). Gegen KLAUCK, ebd. ist aber festzustellen, daß hier keineswegs eine Spannung zu 10,20f besteht, da es dort um die koinwni,a von Personen mit den Dämonen geht.
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Situation der ‚Schwachen‘ auf Fleischverzehr überhaupt verzichten zu müssen (oder eben die Einheit der Gemeinde zu gefährden), ist damit vom Tisch. Auch den sog. ‚Schwachen‘ wird somit zugemutet, in dieser Frage innerhalb der Gemeinde ein abweichendes Verhalten mitzutragen. Im Blick auf die Interaktion innerhalb der Gemeinde wird man sagen können: Paulus verringert den Spielraum beider Gruppen, ohne den Versuch einer gewaltsamen Vereinheitlichung zu unternehmen. Er gibt zu verstehen, wieweit jede Gruppe die andere in ihrem abweichenden Verhalten zu akzeptieren hat und gibt der Gemeinde insgesamt (einschließlich aller Gemeindemitglieder, die möglicherweise zwischen den beiden Flügeln stehen) eine konkrete Orientierung, die aus den sich gegenseitig blockierenden Positionen hinausführt: Das Gewissen des Christen wird nicht von den Substanzen beansprucht, sondern vom ku,rioj30 und dem (schwachen) Bruder. Da es sich hier um eine generell gemeinte Weisung, und zwar im Sinne der (regulierten) Freigabe handelt, ist es auch am sinnvollsten, unter dia. th.n sunei,dhsin in 10,25.27 jeweils das je eigene Gewissen zu verstehen.31 Dafür spricht auch, daß dort, wo Paulus von der Bindewirkung eines anderen Gewissens spricht (10,28f), er dies ganz ausdrücklich sagt.
Auch wenn damit die Zielrichtung der Argumentation des Paulus hinreichend deutlich ist, so ist die konkrete Anwendung der grundsätzlichen Gesichtspunkte von 1Kor 10,19f.23f für Paulus doch z.T. mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Dies gilt vor allem für den zweiten Unterfall des zweiten Problemkreises, d.h. die Privateinladung, sofern hier öffentlich auf den Charakter der angebotenen Speise als Opferfleisch hingewiesen wird. Paulus will deutlich machen, daß dieser Fall als eivdwlolatri,a zu bewerten ist, und zwar objektiv, auch wenn ein ,Starker‘ dies im Blick auf seine eigene Person bestreiten würde. Zugleich will er den Gesichtspunkt der Rücksicht auf den ‚schwachen‘ Bruder (vgl. 8,7–13) bzw. den e[teroj (10,24) zur Geltung bringen, der von einer solchen (faktischen) eivdwlolatri,a mit Recht betroffen wäre. In 1Kor 10,28b.29a sprechen gute Gründe dafür, 1. in dem mhnu,saj und dem e[teroj zwei verschiedene Personen zu sehen;32 30
Vgl. die Warnungen in 1Kor 10,9.22! Vgl. CONZELMANN (s. Anm. 1), 216, der dia. th.n sunei,dhsin interpretiert: „Man soll nicht meinen, das Gewissen (absolut! D.-A. K.) fordere Nachforschung“; positiv aufgenommen von KLAUCK (s. Anm. 1), 275; vgl. auch ECKSTEIN (s. Anm. 22), 261; anders WOLTER (s. Anm. 18), 215, und SCHRAGE (s. Anm.1), 466, die auf V. 29 verweisen. Doch ist aus der Tatsache, daß der Bezug auf den e[teroj erst in V. 29 hergestellt wird, eher der umgekehrte Schluß zu ziehen. 32 Vgl. KLAUCK (s. Anm. 1), 276f; dies zeigt die umständliche Argumentation, die zunächst mit einer mißverständlichen Formulierung in 10,28b beginnt, die dann ihrerseits in 10,29a eine Klarsteilung erforderlich macht. Verständlich ist das nur, wenn der e[teroj, auf den Paulus in 31
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2. dabei in dem mhnu,saj einen beim Mahl anwesenden a;pistoj zu sehen; dies wird dem Leser durch die (in 1Kor 8–10 einmalige!) Verwendung von i`ero,quton deutlich signalisiert;33 und 3. den Hinweis auf den e[teroj als einen bewußten Rückgriff auf 10,24 zu verstehen.34 Damit bezieht sich Paulus über 10,24 auf die Argumentation von 8,7–13 zurück. Er meint also dezidiert das Gewissen eines möglicherweise ‚schwachen‘ Bruders, der sich von der ‚emanzipierten‘ Handlungsweise des ‚Starken‘ im Sinne von 8,11f betroffen fühlen könnte.35
Die Analyse von 10,28b.29a zeigt also, daß es für Paulus zwei voneinander unabhängige Gründe für den Verzicht auf den Verzehr von (öffentlich ausdrücklich so qualifiziertem) Götzenopferfleisch gibt: Die Rücksicht auf den möglichen Anstoß für die ‚schwache‘ sunei,dhsij eines Mitchristen – und „um des hinweisenden (Nichtchristen) willen“. Inwiefern kann dieser aber selbst ein Grund sein, der schon für sich allein den Verzicht auf die Mahlteilnahme erfordert? Die Antwort kann nur lauten: Weil durch diesen Hinweis sich die Situation selbst grundsätzlich gewandelt hat. Die Substanz ist zwar die gleiche, aber der Vorgang wäre ein anderer. Der Christ würde Opferfleisch als Op-
10,29a zusteuert, nicht mit dem mhnu,saj identisch ist, sondern von ihm erst zusätzlich eingebracht werden muß; so m.R. LIETZMANN (s. Anm. 17), 51. 33 Hierin besteht die größte Schwierigkeit für diejenigen, die die sunei,dhsij tou/ e`te,rou von 10,29a als sunei,dhsij auvtou/ (sc. tou/ mhnu,santoj …) interpretieren, wie sich besonders bei SCHRAGE (s. Anm. 1), 470 (mit Anm. 531), zeigt. 34 Bei der Gleichsetzung des mhnu,saj mit dem e[teroj ergeben sich dagegen drei andere Interpretationsmöglichkeiten: a) ECKSTEIN (s. Anm. 22), 264: der mhnu,saj bzw. e[teroj ist ein beim Mahl anwesender ,schwacher‘ Bruder; der ,Starke‘ hat ausschließlich aus Rücksicht auf dessen Gewissen zu verzichten; eine Bekenntnissituation gegenüber einem Heiden ist nicht im Blick; so auch SCHRAGE (s. Anm. 1), 469–471; doch s. die vorige Anm. und Anm. 36. b) CONZELMANN (s. Anm. 1), 218: Der mhnu,saj bzw. e[teroj ist ein Heide; durch seinen Hinweis ist die Situation jetzt kultisch qualifiziert und so für den Christen der status confessionis eingetreten; doch wäre der Wechsel im Bezug von sunei,dhsij (nach 8,7–13) sehr überraschend. Auch müßte dann beim Verständnis von e[teroj in 10,29a die Rahmung durch 10,24 ausgeblendet werden. c) C. WOLFF, Der erste Brief des Paulus an die Korinther. Zweiter Teil; Auslegung der Kapitel 8–16, ThHK VII/2, 21982, 61: Der mhnu,saj bzw. e[teroj ist ein Heide, und der Christ ist aus Respekt vor dessen Gewissen gehalten, auf den Verzehr von i`ero,quton zu verzichten; WOLFF: Der Christ soll (nach Paulus!) „der besonderen Bedeutung des Opferfleisches (sc.: für den Heiden) … dadurch Rechnung (tragen), daß er es nicht ißt“. Angesichts von 1Kor 8,4–6; 10,19f und 12,2 eine ganz abwegige Lösung. 35 Dabei ist es nicht notwendig vorauszusetzen, daß der ‚schwache‘ Bruder von Paulus als beim Mahl anwesend gedacht ist. Es genügt die Annahme, daß der ‚Schwache‘ bei einer an ihn ergehenden Einladung mit dem Beispiel eines kürzlich stattgefundenen ‚besseren‘ Verhaltens eines (starken) Mitchristen konfrontiert werden kann.
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ferfleisch verzehren und würde damit öffentlich und auch gerade dem gegenüber, der diesen ‚Hinweis‘ gegeben hat, Gott verleugnen.36 Für Paulus gibt es also in dieser gesellschaftlich durchaus verfänglichen Situation einen doppelten Grund, hier strikt den Verzehr von ausdrücklich so deklariertem Opferfleisch zu verweigern, und zwar jenseits der Frage, ob man selbst diese Situation als Gefährdung betrachte oder nicht: – die objektive Lage selbst, die jetzt das Essen zu einem kultischen Essen machen würde – und die Rücksichtnahme auf das (schwache) Gewissen eines Bruders, das sich – so Paulus – hier zu Recht tangiert fühlen würde.37
V Die Schlußrahmung von 1Kor 10,23–11,1 in 10,31ff bringt einen verallgemeinernden Abschluß, der z.T. ringförmig 10,23f aufnimmt, zugleich aber weiter ausgreift. Als Orientierungsmaßstäbe nennt Paulus a) die do,xa qeou/ b) das Außenverhältnis zu Juden und (!) Griechen c) die evkklhsi,a tou/ qeou/ d) das Vorbild des Apostels selbst Mit dem – an erster Stelle genannten! – Orientierungsmaßstab der „Ehre Gottes“ (10,31) unterstreicht Paulus nochmals, daß in den Fragen des Verzehrs von Götzenopferfleisch nicht nur das Verhältnis zwischen Christen untereinander tangiert ist, sondern daß hier auch das Verhältnis des einzelnen und der Gesamtgemeinde zu Gott auf dem Spiel steht.38 36 Anders SCHRAGE (s. Anm. 1), 470, Anm. 534, der bestreitet, daß Paulus hier den status confessionis im Blick habe und fragt, inwiefern denn aus dem status confessionis die Forderung auf Verzicht auf das Essen resultiere: „Aber warum könnte das Essen gegenüber einem heidnischen mhnu,saj nicht gerade die christliche Freiheit bezeugen?“ Die Frage läßt sich beantworten: In einer prinzipiell polytheistischen Situation, in der die Teilnahme an Kultmahlen verschiedener Gottheiten den Normalfall bildete, war eine Praxis, die dies bruchlos fortsetzte, nun wirklich nicht als Ausdruck einer spezifisch christlichen Freiheit (nämlich der von den Dämonen) erkennbar. Einen auch für Außenstehende nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen (gewandelter) Glaubensgrundlage und konkretem Verhalten gab es in diesem Kontext nur in der Gestalt des Verzichts. 37 Von hier aus fällt rückblickend auch Licht auf den an sich noch unerledigten Fall von 1Kor 8,10, die Teilnahme an einem Mahl in einem Bankettraum innerhalb eines Tempelbezirks – auch wenn es sich nicht um ein Kultmahl handeln sollte. In diesem Falle bedarf es eigentlich keines ,mhnu,saj‘, um das zum Verzehr angebotene Fleisch als i`ero,quton zu identifizieren. D.h. dieser Fall wäre in Analogie zu 1Kor 10,28 zu beurteilen. 38 Sicher nicht nur, insofern an das Problem des Götzenopferfleisches auch das des Götzenopferdienstes mindestens angrenzt. Die do,xa qeou/ ist positive Orientierung, nicht nur Grenzmarkierung.
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In 10,32 spricht Paulus nochmals das heikle Außenverhältnis der Gemeinde an – jetzt sogar als Orientierungsmaßstab! Von diesem Außenverhältnis war zwar bisher auch schon durchgängig die Rede, allerdings nur im Blick auf die (nicht jüdischen) a;pistoi. Jetzt wird der Blick ausgeweitet, eben weil das Außenverhältnis noch erheblich komplizierter ist. Da es aber um eine Erweiterung des Blickfeldes geht, nennt Paulus oi` VIoudai/oi vor den {Ellhnej an erster Stelle – und fügt als weitere Orientierungsgröße noch die evkklhsi,a tou/ qeou/ an. Ist das Gefälle der Argumentation erkannt, kann es sich bei der Aufforderung avpro,skopoi … gi,nesqe nicht darum handeln, den beiden genannten Gruppen gleichermaßen (oder vielleicht auch nacheinander) zu entsprechen – was gerade bei diesem Thema auch der Quadratur des Kreises gleichkäme.39 Im Blick auf die {Ellhnej ist ja durch 1Kor 10,21 und 10,28 auch ein tatsächliches pa,nta pa/sin avre,skein (vgl. 10,33) ausgeschlossen.40 Auch gegenüber den Juden kann die von Paulus geforderte Problemlösung nicht darin bestehen, die jüdische Praxis zu übernehmen. Dann hätte sich Paulus seine ganze umständliche Argumentation sparen können. Die jüdische Praxis41 – gerade auch in der Diaspora – war geprägt von der Forderung einer konsequenten Vermeidung jeder Tischgemeinschaft mit Nichtjuden, und zwar weil sich die Speisegebote nicht auf die Ablehnung einzelner Fleischsorten beschränkten, sondern alle nichtrituell zubereiteten Speisen, insbesondere nichtrituell geschlachtetes Fleisch überhaupt betrafen.42 Dabei handelt es sich nicht nur um eine theoretische Forderung, sondern diese bestimmte durchaus die Praxis des Diasporajudentums. Jedenfalls nahm es die nicht jüdische Umwelt sehr genau (und kritisch!) wahr, daß es jüdisches Gesetz ist, mhdeni. a;llw| e;qnei trape,zhj koinwnei/n („mit keinem anderen Volk Tischgemeinschaft zu halten“).43 Dies ist der Kern des antiken Vorwurfs der avmixi,a, d.h. der Verweigerung der Gemeinschaft mit anderen Völkern,44 39 So zutreffend SCHRAGE (s. Anm. 1), 475; gleichwohl tendiert er dazu, die Anweisung des Paulus in Richtung einer (fallweisen) Adaption, d.h. an Juden oder (!) Griechen (und zwar in missionarischer Perspektive) zu interpretieren. 40 Daher ist auch eine direkte Parallelisierung zwischen dem in 1Kor 10,33 herangezogenen eigenen Verhalten des Paulus (in seiner Aufgabe als Apostel – vgl. 9,19–23) und dem Verhalten der Korinther im Problemfeld des Verzehrs von eivdwlo,quton nicht möglich. Ebensowenig ist der Gesichtspunkt des i[na swqw/sin von 10,33 in 10,32 einzutragen, zumal er in 10,23–30 (und auch vorher, z.B. in 8,7–13 oder 10,1–22) nirgends relevant war; anders SCHRAGE (s. Anm. 1), 475. 41 Vgl. zum Folgenden G. DELLING, Die Bewältigung der Diasporasituation durch das hellenistische Judentum, 1987, 12f. 42 Modellhaft dargestellt im Bekehrungsroman Joseph und Aseneth 7,1: VIwsh.f … ouv sunh,sqie meta. tw/n Aivgupti,wn, o[ti bde,lugma h=n auvtw/| tou/to („Joseph … aß nicht gemeinsam mit den Ägyptern, weil ihm das ein Greuel war“); vgl. auch den die Diasporasituation bewußt reflektierenden Aristeasbrief: Die Jerusalemer Delegation erhält beim Gastmahl mit dem Ptolemäerkönig ihr eigenes, von einem „zuverlässigen Mann“ zubereitetes Essen (Arist 181–183.186). 43 Diodor von Sizilien, Bibl. Hist. 34,1,2. 44 Der Vorwurf basiert auf der Verweigerung der Tischgemeinschaft und dem strikten Verbot der Eheschließung mit Nichtjuden (vgl. hierzu die Hinweise bei M. STERN, Greek and Latin
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und daraus resultierend der Anlaß für den Vorwurf der Menschenfeindlichkeit45 – auf den jüdische Apologeten zwar zu reagieren versuchen, jedoch ohne den Grundsatz der Absonderung des Judentums aufzugeben.46 Für das Diasporajudentum konnte also das in 1Kor 8,1–11,1 diskutierte Problem so gar nicht entstehen. Das gilt nicht nur für die in 1Kor 10,27 angesprochene Einladung durch einen Heiden,47 sondern auch für den Kauf im ma,kellon (1Kor 10,25). Ein Diasporajude kam, bei Beachtung seiner eigenen Grundsätze, gar nicht in die Situation, unabsichtlich eivdwlo,quton zu kaufen, weil schon ,normales‘ Fleisch für ihn als ,Ersticktes‘ (pnikto,n) tabu war.48
Die Orientierung an der Maxime, sich weder für Juden noch für Griechen anstößig zu verhalten, kann also in keinem der beiden Fälle dahingehend verstanden werden, sich der jeweiligen (extrem entgegengesetzten) Haltung gegenüber dem Götzenopferfleisch anzuschließen,49 zumal ja gleichzeitig Authors on Jews and Judaism 11, 1980, 40); zum Vorwurf selbst vgl. Philo, Virt 141: Die Verleumder des jüdischen Volkes werfen diesem vor, die jüdischen Gesetze würden Trennung und Absonderung befehlen (tou.j no,mouj w`j a;mikta kai. avkoinw,nhta paragge,lontaj). 45 Zum Vorwurf der misanqrwpi,a vgl. ebenfalls Philo, Virt 141; außerdem Josephus, Ap II 148; 291; Ant XI 212 – und Tacitus, Hist V 5,2: den zum Judentum Übergetretenen werde gleich zu Beginn beigebracht, „die Götter zu verachten, das Vaterland zu verleugnen sowie Eltern, Kinder und Brüder gering zu schätzen“. 46 Philo und Josephus reagieren sehr sensibel auf die Vorwürfe der avmixi,a und misanqrwpi,a, vgl. Philo, Virt 141; Josephus, Ap II 145–150; 255–268. Doch hat an dieser Stelle ein jüdischer Apologet einen ausgesprochen schweren Stand. Wenn Josephus apologetisch auf Absonderungstendenzen bei anderen Völkern (etwa den Spartanern) hinweist (Ap II 259–261), sind seine Beispiele nicht besonders überzeugend. Wenn die Apologeten auf die grundsätzliche filanqrwpi,a der jüdischen Gesetzgebung verweisen (so z.B. Josephus, Ap II 146; 211–214 und Philo, Virt 51–174 insgesamt), dann bezieht sich das faktisch auf diejenigen „Vorschriften der Tora, die zunächst das Zusammenleben innerhalb des Volkes im Auge haben“ (DELLING [s. Anm. 39], 17). Als echtes Argument bleibt nur der Verweis darauf, daß der Proselyt (!) vorbehaltlos ins eigene Volk aufgenommen wird (Josephus, Ap II 209f; 261; s. auch Philo, Virt 102–104) – nur damit wird ja letztlich die bestehende Kritik unfreiwillig bestätigt. Auch für Josephus bleibt unverrückbar, „daß wir diejenigen, die in anderen Ansichten über Gott befangen sind, nicht aufnehmen noch mit denjenigen Gemeinschaft haben wollen, die eine andere Lebensweise bevorzugen“ (Ap II 258); dem entspricht die programmatische Feststellung in Arist 139: „der Gesetzgeber … umgab … uns mit undurchdringlichen Wällen und eisernen Mauern, damit wir uns mit keinem Volk irgendwie vermischen“. 47 Vom „Liegen im eivdwlei/on“ (1Kor 8,10) ganz zu schweigen! 48 Vgl. das Verbot des ,Erstickten‘ im sog. Aposteldekret von Apg 15,20.29. Diese Regelung, die – vermutlich zeitgleich mit dem Wirken des Paulus im ägäischen Raum – in die jüdisch/nichtjüdisch gemischten christlichen Gemeinden Syriens und Kilikiens (vgl. Apg 15,23) gehört, zeigt, daß auch in der jüdischen Diaspora der Verzehr von ,normalem‘ Fleisch grundsätzlich nicht möglich war. 49 Das gilt auch für die jüdische Problemlösung, die Paulus überhaupt nicht diskutiert. Das Problem in Korinth ist auch nicht dadurch relevant geworden, „daß Grundsätze jüdischer Lebensgestaltung in der paulinischen Gemeinde bestimmend blieben bzw. für die ehemals heidnischen Glieder erst bestimmend wurden“ (so NIEBUHR [so Anm. 5], 358). Denn – nach Paulus – ist nicht eine neue Orientierung an jüdischer Lebenspraxis bei den „Schwachen“ leitend, sondern deren noch wirksame sunh,qeia an ,den Götzen‘ (1Kor 8,7). Erst recht geht es weder der Gesamtgemein-
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auch noch jeder Anstoß für die evkklhsi,a tou/ qeou/ genauso vermieden werden soll. Mit dem Hinweis auf die evkklhsi,a wird nach der Außenorientierung jetzt wieder die Gemeinde selbst als Gesamtrahmen des Verhaltens in Erinnerung gebracht (im Sinne von 1Kor 10,23b). Doch ist damit die Orientierung in inhaltlicher Hinsicht keineswegs klarer geworden. Vielmehr kann die Aufforderung von 1Kor 10,32 aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit auf inhaltlicher Ebene beim Leser eher Ratlosigkeit hervorrufen. Offenkundig deshalb fügt Paulus abschließend einen durchaus breit formulierten Hinweis auf sein eigenes Verhalten an (1Kor 10,33;11,1). Das eigene Verhalten des Apostels ist inhaltlich von analogen Gesichtspunkten geprägt (pa,nta pa/sin avre,skein, to. su,mforon tw/n pollw/n), wie dies für die Gemeinde gelten soll;50 und diese Gesichtspunkte sind ihrerseits Ausdruck der prinzipiellen christologischen Orientierung der apostolischen Tätigkeit (11,1). Gerade in dieser Ausrichtung ist das Verhalten des Paulus Modell und sollen die Korinther mimhtai, des Apostels werden. Eingespannt in diesen Rahmen einer Orientierung an der do,xa qeou/ und an dem christologisch ausgerichteten Beispiel des Apostels kann die Forderung der ,Unanstößigkeit‘ nur bedeuten: Die Gemeinde hat sich so an der do,xa qeou/ zu orientieren, daß sie nach außen keinen (nach diesem Maßstab!) berechtigten Anstoß bieten kann. Unanstößigkeit und klare, vom ku,rioj her bestimmte Identität schließen sich für Paulus offenkundig nicht aus, und insofern sind auch Identität und positives Außenverhältnis miteinander vereinbar.51 Für Paulus existiert die evkklhsi,a in der Welt (vgl. 1Kor 5,10 Ende), und das nicht nur notgedrungen. Vielmehr ist die Welt der Ort, an dem die Gemeinde zur Ehre Gottes existieren kann und für die Ehre Gottes durch ein in sich stimmiges Verhalten vor Juden und Griechen auch positiv de noch den ‚Schwachen‘ darum, „jüdische Identitätsmerkmale gegenüber ihrer heidnischen Umwelt zu bewahren“ (NIEBUHR, ebd.), und auch nicht darum, daß etwa Paulus seine ‚jüdische Identität‘ der Gemeinde in Korinth gar aufprägen wollte. In all diesen Fällen wäre dies ja auch nur ein kläglicher Rest jüdischer Identität gewesen. Natürlich gibt es eine fundamentale Gemeinsamkeit: die Ablehnung der eivdwlolatri,a. Aber daß trotz dieses grundsätzlich gleichen Interesses ein völlig eigenständiger Lösungsweg gesucht wird, zeigt, daß zugleich auch eine fundamentale Differenz besteht. Die Grundlage, auf der das gleiche Problem in Korinth diskutiert und von Paulus geklärt wird, ist eben eine andere geworden. 50 Die Rückbezüge von 1Kor 10,33 auf 10,23f sind mehr als deutlich, bis hin in die Terminologie (sumfe,rein, zetei/n). 51 Das gilt auch für 1Thess 4,12, der nächsten Sachparallele zu 1Kor 10,32 (vgl. Röm 13,13). Doch ist zugleich der Unterschied nicht zu übersehen: In 1Thess 4,12 werden damit Weisungen (nämlich die in 4,11 genannten) begründet, bei denen Paulus von einem inhaltlichen Konsens zwischen Christen und Nichtchristen ausgehen kann, was beim Problem des Götzenopferfleisches gerade nicht der Fall war. Zum Problem des „partiellen ethischen Konsensus“, der in 1Thess 4,12 und (noch stärker) in Phil 4,8 deutlich wird, vgl. W. SCHRAGE, Ethik des Neuen Testaments, GNT 4, 1982, 191f.
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Zeugnis ablegen kann. Dabei sind sowohl gegenüber ‚Juden‘ wie auch gegenüber ‚Griechen‘ jeweils erhebliche Anstöße auch tatsächlich ausgeräumt. Gegenüber den ,Griechen‘ ist der mögliche Vorwurf der Verweigerung der Tischgemeinschaft, der gegenüber den Juden zum Vorwurf der avmixi,a, der prinzipiellen Absonderung führte, insofern vermieden, als die Annahme einer Einladung durch einen a;pistoj grundsätzlich möglich ist52 (1Kor 10,27).53 Gegenüber den Juden ist umgekehrt der Anstoß einer Teilnahme an der eivdwlolatri,a vermieden. Gleichzeitig hat das ,Vermeiden eines Anstoßes‘ aber auch jeweils seine Grenze: Gegenüber den Griechen, wenn es sich darum handelt, den Götzen im Mahlvorgang tatsächlich Macht einzuräumen. Dann gilt nicht: „Seid unanstößig“, sondern: „Flieht den Götzendienst“ (1Kor 10,14) und: „Eßt nicht“ (1Kor 10,28). Ebenso hat die Maxime „seid unanstößig“ gegenüber Juden ihre Grenze, nämlich wenn die Substanz des Fleisches selbst zum Kriterium für das eigene Verhalten wird. Dann gilt: „Des Herrn ist die Erde und ihre Fülle“ (1Kor 10,26) – und die Substanz selbst bedarf keiner Nachfrage (1Kor 10,25.27). Die komplizierte Verhältnisbestimmung von identitätsstiftender Orientierung an der do,xa qeou/ (1Kor 10,31) einerseits (in deren konkreter Auslegung in 8,1–6; 10,1–22) und Berücksichtigung des komplexen Außenverhältnisses (1Kor 10,32) andererseits verweist auf ein Grundproblem frühchristlicher Missionsgemeinden überhaupt, sofern diese die Grenze des Judentums überschritten hatten. Die Gemeinden, die bewußt den Grundsatz ‚weder Jude noch Grieche‘ (1Kor 12,13) praktizierten, mußten plötzlich für viele Fragen der sozialen Lebensgestaltung erst ihre eigenen Antworten suchen. Dabei konnten diese Fragen der praktischen Lebensgestaltung (nicht nur in dem hier diskutierten Bereich) je nach Situation durchaus zu einer grundsätzlichen, die Identität der Gemeinde insgesamt betreffenden Angelegenheit werden. Die Forderung des avxi,wj tou/ euvaggeli,ou tou/ Cristou/ politeu,esqai (Phil 1,27) impliziert ja die konkrete, auch sozial sichtbare Realisierung. Dabei zeigt sich immer wieder, daß die konkrete Gestalt einer solchen christlichen Lebensgestaltung von den frühchristlichen Missionsgemeinden erst selbst gefunden werden mußte.54 Paulus kann 52
Im sog. Aposteldekret (s. Anm. 48) liegt übrigens eine Problemlösung vor, die auf die Außenbeziehung der Gemeinde (jedenfalls zu den „Griechen“) überhaupt keine Rücksicht nimmt und ausschließlich an dem Binnenverhältnis (zwischen Christen jüdischer und nichtjüdischer Herkunft) orientiert ist. 53 Daß dann doch der Vorwurf der misanqrwpi,a sehr schnell auch auf die Christen übertragen wurde (Tacitus, Ann 15,44,4: odium humani generis) widerspricht dem nicht, sondern zeigt, daß sich das frühe Christentum eben nicht konfliktfrei in das bestehende Miteinander der Kulte und Religionen einfügen ließ. 54 Das unterscheidet die Gründung einer christlichen Gemeinde von der Bildung einer jüdischen Gemeinde an einem beliebigen Ort des Römischen Reiches, an dem eine solche bisher noch
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nicht von Anfang an auf fertige, längst erprobte Handlungsmuster verweisen, die er den neu gegründeten Gemeinden an die Hand geben kann.55 Das erklärt, warum die materiale Ethik bei Paulus häufig hinter der Diskussion der Grundlagen des christlichen Handelns überhaupt zurücktritt.56 Diese Grundlagen versucht Paulus zu klären, und zwar um so die Gemeinden instand zu setzen, selbst konkrete Lösungen zu entwickeln. Wenn Paulus die Gemeinde in Rom aufruft, zu prüfen, „was der Wille Gottes ist, das Gute, das Wohlgefällige, das Vollkommene ist“ (Röm 12,2), dann hat das diesen sehr praktischen Hintergrund (vgl. auch 1Thess 5,21 und Phil 4,8). In 1Kor 8–10 beläßt Paulus es dagegen nicht bei der Klärung der Handlungsgrundlagen, sondern gibt – nach der notwendigen Grundlagendiskussion – doch definitive Weisungen. Dies hängt sicher mit der spezifischen Situation in Korinth zusammen. Aber auch diese konkreten Problemlösungen sind nur unter der Voraussetzung verständlich, daß es an diesem Punkt noch kein vorgegebenes Modell für eine angemessene Praxis gab, sondern diese erst gefunden werden mußte. Was Paulus materialiter als Lösungsmodell entwickelt, kann rein äußerlich auch wie ein pragmatischer Kompromiß zwischen einer konsequent jüdischen Vermeidung jeden Kontakts mit Götzenopferfleisch auf der einen Seite und paganer ‚Freiheit‘ auf der anderen Seite wirken. Bezieht man die Begründungsstrukturen mit ein, dann zeigt sich jedoch, daß hier ein in sich einheitliches und damit auch in positiver Weise identitätsstiftendes Gesamtverständnis wirksam ist: die Orientierung an der Ehre Gottes, der sich in seinem Sohn so der Welt zugewandt hat, daß seine evkklhsi,a allen Ansprüchen der sog. ,Götter und Herren‘ enthoben ist (8,4–6), was aber zur Folge hat, daß jede Gemeinschaft mit diesen Mächten Gottes Ehre verletzen würde (10,1–22), dessen Zuwendung aber auch die Welt mit ihren Gaben als Herrschaftsbereich des ku,rioj erfahren läßt (10,26), so daß diese Gaben in Freiheit und mit Dank (vgl. 10,30) entgegengenommen werden können. nicht existierte. Fand sich an einem solchen Ort eine hinreichende Anzahl von Juden zusammen, so waren sie alle längst jüdisch sozialisiert und brauchten ihr Judentum nicht erst an Ort und Stelle neu zu ‚erfinden‘. Genau in dieser Situation befanden sich aber die frühchristlichen Missionsgemeinden. 55 Da sich die paulinischen Missionsgemeinden noch alle in der Gründungs- bzw. (ersten) Wachstumsphase befinden, kann Paulus auch fast nirgends auf eine bereits stabilisierte Praxis anderer christlicher Gemeinden verweisen. Ein solcher Verweis fehlt in 1Kor 8,1–11,1 völlig. Auch in anderen Zusammenhängen begegnen derartige Hinweise selten. Sie liegen im strengen Sinne eigentlich nur in 1Kor 11,16 (ausgerechnet!) und in dem (in seiner Echtheit allerdings umstrittenen) Abschnitt 1Kor 14,33b–36 (V. 33b) vor. Man kann allenfalls noch auf 1Kor 4,17, eher schon auf 1Kor 7,17 verweisen. 56 Vgl. die (nicht zufälligen) Proportionen in der Darstellung der paulinischen Ethik bei SCHRAGE, (s. Anm. 51). Die Darstellung der materialen Ethik umfaßt 18 Seiten, die der Begründungsstrukturen und Kriterien dagegen 53 Seiten!
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Auf diese Weise bringt Paulus das alle Gruppen der Gemeinde verbindende, weil ihre Existenz als Gemeinde konstituierende Grundbekenntnis zum ei-j qeo,j und ei-j ku,rioj (1Kor 8,6) in einer konkreten Problemlage so zur Geltung, daß es selber identitätsstiftend wirken kann.57 Von hier aus eröffnet sich sowohl ein sinnvolles Miteinander von ‚Starken‘ und ‚Schwachen‘ innerhalb der evkklhsi,a tou/ qeou als auch ein verantwortbares und damit in der Sache unanstößiges Außenverhältnis gegenüber Juden und Griechen.
57 Die Konsequenz ist, daß Paulus in 1Kor 10,32 die evkklhsi,a tou/ qeou/ als neue, und damit dritte Größe neben ‚Juden‘ und ,Griechen‘ nennt; hierauf weist auch NIEBUHR (s. Anm. 5), 359, hin.
„Alles, was evn make,llw| verkauft wird, eßt …“∗ Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1Kor 10,251
1. Die Bedeutung des macellum für die Interpretation von 1Kor 10,25 Auf die in der christlichen Missionsgemeinde von Korinth strittige Frage nach dem Verzehr von Götzenopferfleisch geht Paulus in 1Kor 8–10 zweimal ausdrücklich ein. In 1Kor 8 beginnt er zunächst mit einer prinzipiellen Erörterung des Problems (8,1–6: Das ‚Wesen‘ der eivdwlo,quta; 8,7–13: Die notwendige Rücksicht auf den ‚schwachen‘ Bruder). Im weiteren Verlauf zeigt sich jedoch, daß damit für Paulus das Problem noch keineswegs abschließend gelöst ist: In 10,23–11,1 kommt er nochmals auf das Thema zurück und nimmt jetzt abschließend dazu Stellung, und zwar so, daß er jetzt auch konkrete Leitlinien für das Verhalten der Gemeinde formuliert. So schreibt er in 1 Kor 10,25: „Alles, was in der Markthalle (evn make,llw|)2 verkauft wird, eßt, ohne wegen des Gewissens nachzufragen“.
Paulus meint damit, daß sich die Angehörigen der christlichen Gemeinde in Korinth nicht zu erkundigen brauchen, ob das Fleisch, das sie im macellum kaufen, eivdwlo,quton, also Götzenopferfleisch, ist oder nicht. Paulus setzt damit voraus, daß man im macellum beides bekommen kann, Götzenopferfleisch, also aus paganen kultischen Schlachtungen stammendes Fleisch, und sozusagen ‚normales‘ Fleisch, d.h. Fleisch von Tieren, die nicht für kultische Zwecke geschlachtet worden sind. Allerdings herrscht an diesem Punkt in der exegetischen Literatur eine deutliche Unsicherheit darüber, ob es solches ‚normales‘ Fleisch tatsächlich ∗
Zuerst veröffentlicht in: ZNW 90, 1999, 194–219. Überarbeitete Fassung eines Referats während der Tagung der Fachgruppe Neues Testament der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie am 5./6. Juni 1998 in Münster/W. Die anregende und konstruktive Diskussion hat dem Vf. zu zusätzlichen Präzisierungen besonders im dritten Teil des Aufsatzes verholfen. 2 Zum Unterschied zwischen einem macellum als Gebäude und einem offenen Marktplatz, also einem forum bzw. einer avgora, s.u. unter 2.1; da es für den Gebäudetyp des macellum keine direkte neuzeitliche Entsprechung gibt, fehlt ein exakter Begriff für die Übersetzung. Die Wiedergabe mit „Markthalle“ soll den Charakter des macellum als geschlossen konzipiertem Gebäude hervorheben. 1
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gegeben hat. So hat Hans Lietzmann in seiner Auslegung des 1. Korintherbriefs im „Handbuch zum Neuen Testament“ schon in der 1. Auflage von 1907 den Grundriß des macellum von Pompeji aufgenommen, um den grundsätzlich engen Zusammenhang von Schlachtung und Kult überhaupt zu belegen.3 Lietzmann interpretiert dabei4 den zentralen Raum auf der Ostseite des macellum als Kultraum für den Kaiserkult5 und weist auch einem der angrenzenden Räume kultische Funktion zu. In der Kommentierung schreibt Lietzmann: „ma,kellon macellum … ist die übliche Bezeichnung der Viktualienmarkthallen: in Pompeji … ist die ganze Anlage am Forum erhalten… Die Kapelle der göttlichen Kaiser hat zur Linken einen Raum, der sicher mit Opferkult zu tun hatte,6 rechts neben ihr ist die Fleischbank, auf der die geschlachteten Opfertiere verkauft wurden. Da ist der enge Zusammenhang zwischen Opfer und Markt augenscheinlich.“7
Schon Johannes Weiß nimmt 1910 in seiner Auslegung des 1. Korintherbriefs Lietzmanns Hinweis auf den Befund in Pompeji gern auf, und zwar als zusätzliche Stütze für seine aus allgemeinen religionsgeschichtlichen Erwägungen gewonnene These, daß „in einer Stadt wie K.(orinth) kaum anderes Fleisch zu kaufen (war) als aus dem Tempel stammendes; das macellum … befand sich gewiß oft in unmittelbarer Nachbarschaft des Tempels wie in Pompeji, wo neben der Kapelle für den Kaiserkult die Fleisch- und Fischhalle aufgedeckt ist“.8
Wenn diese Schlußfolgerungen zutreffend wären, würde der Ratschlag des Paulus an die Christen in Korinth, alles Fleisch in der Markthalle zu kaufen, ohne wegen des Gewissens nachzufragen, doch in ein erhebliches Zwielicht H. LIETZMANN, An die Korinther I.II, HNT 9, Tübingen 41949, 52; in 1. Aufl. erschienen als: An die Korinther I (ausgeliefert 1907), in: H. LIETZMANN/M. DIBELIUS, Die Briefe des Apostels Paulus, HNT 3, Tübingen 1913, hier: 126. 4 LIETZMANN, Korinther (s. Anm. 3), 52, bezieht sich auf A. MAU, Pompeji in Leben und Kunst, Leipzig 1900, 85ff (21908f). Lietzmanns Plan entspricht dem von MAU, Pompeji, 85. 5 Vgl. auch Abb. 2, die den inzwischen maßgeblichen Grundriß von A. Maiuri (s. Anm. 24) zeigt. Der Grundriß von Maiuri ist nicht genordet, sondern geostet, so daß sich der zentrale Kultraum der Ostseite oben befindet. Er liegt exakt auf der Mittelachse des Gebäudes, die vom Haupteingang (unten Mitte) und dem zentralen Rundbau gebildet wird, und ist daher eindeutig zu identifizieren. In Lietzmanns Plan (s. Anm. 3) liegt der zentrale Kultraum rechts, da der Plan genordet ist, und ist außerdem eindeutig markiert. 6 Nach dem Plan von LIETZMANN, Korinther (s. Anm. 3), 52 (bzw. 126 in der 1. Aufl.), handelte es sich um einen „Schlacht- oder Speiseraum“. Im Teil 2.2.1 dieses Aufsatzes wird dieser Raum als „NO-Raum“ bezeichnet. 7 LIETZMANN, Korinther (s. Anm. 3), 51 (4. Aufl.) bzw. 126 (1. Aufl.). 8 J. WEISS, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 91910 (1. Aufl. der Neubearbeitung), 263 (Nachdr. 1977). Ähnlich äußert sich G. SELLIN, Hauptprobleme des Ersten Korintherbriefes, ANRW II 25/4, Berlin 1987, 2940–3044, hier 3004 Anm. 327, der davon ausgeht, daß „fast alles auf dem Markt angebotene Fleisch aus kultischen Schlachtungen stammte“. 3
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geraten. Denn das hieße ja, Paulus müßte als einigermaßen zutreffend informierter Zeitgenosse (und genauso wie die Korinther selbst!) wissen, daß im Grund alles Fleisch im macellum Götzenopferfleisch ist. Paulus würde also seinen Adressaten in Korinth augenzwinkernd vorschlagen, diesen Tatbestand einfach zu übergehen und möglichst ja nicht nachzufragen, um nicht vom Fleischverkäufer in der Markthalle die zu erwartende, aber unangenehme Antwort zu erhalten: „Jawohl, natürlich ist das Opferfleisch. Wir haben doch auch gar nichts anderes.“ Neuere Kommentare schwächen zwar die Behauptung ab, daß im Grunde alles im macellum verkaufte Fleisch Opferfleisch gewesen sei (so H. Conzelmann und W. Schrage),9 doch fungiert Pompeji (gerade auch in diesen Kommentaren) weiterhin als das Beispiel eines römischen macellum überhaupt.10 Eine überzeugende Lösung ist das nicht. Folglich sind zwei Fragen zu klären: 1. Ist der Befund von Pompeji so zu interpretieren, wie dies bei Lietzmann der Fall ist? 2. Wie repräsentativ ist eigentlich der Befund vom Pompeji? Stellt das macellum von Pompeji – gerade hinsichtlich seiner kultischen Bauelemente – sozuagen den Normalfall dar oder ist es eher als Ausnahmefall zu beurteilen? Die Beantwortung dieser Fragen erfordert zunächst eine umfasssende Berücksichtigung des archäologischen Forschungsstandes. Diesen repräsentiert gegenwärtig die Untersuchung von Claire De Ruyt: Macellum. Marché alimentaire des Romains von 1983;11 es handelt sich hierbei um die neueste Gesamtdarstellung12 zu diesem Thema, die in der neutestamentlichen Diskussion allerdings noch gar nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Die folgenden Ausführungen stützen sich zunächst auf die Analysen von Claire De Ruyt. Zusätzlich zu dem in dieser Untersuchung vorgelegten Katalog von insgesamt bislang 78 bekannten macella kann außerdem das erst später entdeckte und inzwischen archäologisch voll erschlossene macellum von Gerasa, das sich zudem in einem hervorragenden Erhaltungszustand befindet, einbezogen worden.
9 H. CONZELMANN, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 121981 (2. Aufl. der Neubearbeitung), 215f; W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther. 2. Teilband. 1 Kor 6,12– 11,16, EKK 7/2, Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn 1995, 216f; vgl. auch H.-J. KLAUCK, Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine Untersuchung zum ersten Korintherbrief, NTA NF 15, Münster 2 1985, 274f. 10 So bei CONZELMANN, Korinther (s. Anm. 9), 216 Anm. 13; SCHRAGE, Korinther (s. Anm. 9), 465; ebenso KLAUCK, Herrenmahl (s. Anm. 9), 274. 11 C. DE RUYT, Macellum. Marché alimentaire des Romains (Publication d’Histoire de l’Art et d’Archéologie de l’Université Catholique de Louvain 35), Louvain-la-Neuve 1983. 12 Ältere Gesamtdarstellungen sind selten; zu nennen sind: K. SCHNEIDER, Art. Macellum, PRE 14, 1928, 129–133, und die unveröffentlichte Dissertation von N. NABERS, Macella. A Study in Roman Archaeology, Princeton University, Diss. Ph.D., 1967, vgl. DERS., The Architectural Variations of the Macellum, Opuscula Romana 9, 1973, 173–176.
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2. Das macellum – Gebäudetyp und Funktion 2.1 Agora und macellum Die hellenistische Agora ist (wie das römische forum) als offener Platz mit Randbebauung zu definieren, der merkantilen und/oder administrativen (sowie religiösen) Zwecken diente.13 Typisch für die urbanistische Entwicklung des Hellenismus ist die Tendenz zur Ausbildung zweier funktional getrennter Agoren: einer Staatsagora, die mit den dort konzentrierten Verwaltungsgebäuden und wichtigen Tempeln das öffentlich-politische Zentrum der Stadt bildete, und einer Handelsagora, die die merkantile Funktion übernahm und die Staatsagora hiervon entlastete.14 Gleichzeitig ist die Tendenz zu einer Vereinheitlichung der Randbebauung feststellbar, der insbesondere die Verwendung von umlaufenden gleichmäßigen Säulenhallen diente.15 Dabei war bei den Handelsagoren der freie Platz selbst der Ort des merkantilen Austausches, während die den offenen Platz umgebenden Säulenhallen mit den z.T. dahinter liegenden Räumen eher eine Zusatzfunktion hatten, nämlich als Warenlager, Geschäfts- und Verwaltungsräume.16 Ein ganz anderes Bild bietet ein römisches macellum. Schon der Grundriß eines typischen macellum zeigt, daß es sich hierbei nicht um einen gleichmäßig umbauten offenen Platz, sondern um ein geschlossenes Gebäude mit Innenhof handelt. Als Beispiel kann das macellum von Cuicul dienen.17 13 Vgl. F. KOLB, Art. Agora, Der Neue Pauly 1, 1996, 267–273; CHR. HÖCKER, Art. Forum I. Archäologisch-urbanistisch, Der Neue Pauly 4, 1998, 602–613. 14 Besonders anschaulich ist diese Trennung auch heute noch in Ephesos, wo die Handelsagora der hellenistischen Stadt direkt am (damaligen) Hafen lag, die Staatsagora (mit Bouleuterion und Prytaneion) dagegen etwa 350 m entfernt im Zentrum der Polis; vgl. F. HUEBER, Ephesos. Gebaute Geschichte, Mainz 1997, 42f (mit Abb. 48). Zur Unterscheidung zwischen Handels- und Staatsagora, die schon von Aristoteles, Pol. VII 11,1–3 gefordert wurde (s. auch Platon, Leg. 778C), vgl. R. MARTIN, Recherches sur l’agora grecque. Études d’histoire et d’architecture urbaines, Paris 1951, hier 274f; DE RUYT (s. Anm. 11), 275f. 15 Dazu vgl. H. LAUTER, Die Architektur des Hellenismus, Darmstadt 1986, 97–99. Der Endpunkt dieser Entwicklung ist greifbar in der Südagora von Milet (vgl. LAUTER, Architektur, 97) und der augusteischen Gestaltung der Handelsagora von Ephesos (vgl. HUEBER, Ephesos [s. Anm. 14], 73f). 16 Nur so erklärt sich die Größe der Handelsagora von Ephesos, die mit 111 m innerer Kantenlänge ein offenes Areal von über 12.000 m2 umschließt. Hinzu kommt, daß diese Fläche insgesamt gepflastert und kanalisiert war; vgl. HUEBER, Ephesos (s. Anm. 14), 74. 17 Cuicul (Provinz Mauretanien, heute Djemila, bei Stif in Algerien) weist beachtliche antike Überreste auf, vgl. C. LEPELLEY, Les cités de l’Afrique romaine au Bas-Empire, Bd. II, Notices d‘histoire municipale, Paris 1981, 402–415; zum macellum, das nahe am cardo maximus gelegen ist, vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 61–67. Der Grundriß von Abb. 1 stammt von A. BALLY, Rapport sur les fouilles exécutées en 1915 par le Service des monuments historiques de l’Algérie. Djémila (BAr) 1916, wiedergegeben nach DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 62.
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Abb. 1
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Cuicul: Plan des macellum
Dieses Gebäude hat einen nahezu quadratischen Grundriß von 22 mal 24 m Außenlänge. Der etwa 10 mal 12 m große Innenhof ist von einer 2,20 m tiefen Säulenhalle umgeben, hinter der sich insgesamt 17 Läden befinden. Die Läden sind zum Säulenumgang offen, und in der Öffnung befindet sich jeweils ein fest eingebauter steinerner Ladentisch. In der Mitte des Innenhofs stand ein sechseckiger offener Rundbau, in dem sich vermutlich ein Wasserbecken befand. Im Unterschied zu einer normalen Handelsagora, auf der grundsätzlich Waren aller Art zum Verkauf kamen, diente das macellum einem sehr spezialisierten Warenangebot. Aus literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnissen läßt sich eindeutig entnehmen, daß in einem macellum besonders hochwertige Nahrungsmittel angeboten wurden, nämlich Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild, besonders teures Gemüse oder auch Obst.18 Hier konnte man alles bekommen, was man benötigte, wenn man eine standesgemäße Einladung, ein anspruchsvolles Gastmahl veranstalten wollte. Und wenn man selbst nicht das Personal hatte, das all die Köstlichkeiten, die man hier erwerben konnte, auch sachgerecht zuzubereiten verstand, dann konnte man hier sich auch noch gleich einen Koch für die Zubereitung des Festmahls mieten. Also eine Art antiker Partyservice. Jedenfalls ist das für Rom überliefert.19 Entsprechend dem gehobenen Lebensstandard, dessen 18 19
Einzelnachweis bei DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 341–350. Vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 364–366.
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Bedarf im macellum gedeckt wurde, lagen die macella meist in bevorzugter, zentraler Verkehrslage, in der Nähe des Forums oder am cardo maximus. Auch der architektonische Aufwand der Anlage zeigt, daß hier höhere soziale Bedürfnisse im Spiel sind.20 Claire De Ruyt, die in ihrer Untersuchung 78 nachweisbare macella aufführt,21 wobei für rund 30 ein gesicherter Grundriß vorhanden ist, unterscheidet zwei Grundtypen eines macellum, die beide etwa gleich häufig begegnen:22 TYP 1: die gleichseitigen, meist quadratisch angelegten Gebäude; hierzu zählt das macellum von Cuicul; TYP 2: diejenigen Gebäude, die auf der dem Haupteingang gegenüberliegenden Seite einen oder mehrere besonders hervorgehobene Räume aufweisen und damit axial angelegt sind; hierzu zählt das macellum von Pompeji.
2.2 Der axiale Gebäudetyp 2.2.1 Das macellum von Pompeji Der Befund von Pompeji ist natürlich in jedem Fall beachtenswert, schon aufgrund der außergewöhnlich guten Dokumentation des Untergangs dieser Stadt durch antike Zeitzeugen und aufgrund des weithin einmaligen Erhaltungszustands der Ruinen:23 Das macellum von Pompeji liegt ausgesprochen zentral, direkt am Forum, und es weist mehrere Bauphasen auf. Das einschneidende Datum für die jüngere Baugeschichte ist das Erdbeben des Jahres 62 n.Chr., das in der ganzen Stadt große Schäden verursacht hatte; diese Schäden waren beim Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 n.Chr., dem endgültigen Untergang der Stadt, noch keineswegs vollständig beseitigt; vielmehr befand sich die Stadt mitten im Wiederaufbau. Der Bereich des Forums war vom Erdbeben offenbar besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Auch das macellum war erheblich beschädigt und der Wiederaufbau noch keines20 Wir befinden uns also, um die Situation durch einen Vergleich mit der Gegenwart zu verdeutlichen, auf dem Niveau heutiger Feinkostläden, also eher auf der Ebene von Feinkost-Käfer und mit Sicherheit nicht auf der Ebene von ALDI! 21 DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 17–222. 22 DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 284–289. 23 Einen guten Überblick bietet F. COARELLI (Hg.), Pompeji. Archäologischer Führer (zuerst italienisch: Guida archeologica di Pompei, Mailand 1976), Bergisch Gladbach 1990 (Nachdruck Augsburg 1997); dieser Führer enthält auf S. 166–170 auch eine ausführliche Beschreibung des macellum. Vgl. ebenso DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 137–149 – jeweils mit Lit.
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wegs abgeschlossen. Dennoch wurde das macellum bereits provisorisch benutzt.
Abb. 2
Pompeji: Grundriß des macellum von A. Maiuri
Bei der Wiedererrichtung konnten einige Teile der früheren Anlage weiterverwendet werden.24 24
Abb. 2 zeigt den inzwischen maßgeblichen Grundriß von A. MAIURI, Notitia Scavi 1942, 254 Abb. 1, wiedergegeben nach DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 142; dabei liegt Norden links, d.h. die hier zu diskutierende Ostseite oben. Die einzelnen Sondagen von Maiuri von 1942, durch die auch die Vorgeschichte des jetzigen Gebäudes erkennbar geworden ist, sind mit römischen Ziffern bezeichnet. Auf der Nord- und Westseite konnte beim Wiederaufbau frühere Bausubstanz übernommen werden. Dagegen sind die schwarz eingezeichneten Mauerzüge im Ostteil des macellum völlig abgetragen worden; dies gilt auch für den Säulenumgang des älteren macellum (ebenfalls schwarz) und das schraffiert gezeichnete kleine Gebäude bei Sondage XVIII (an der
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Was die Gesamtkonzeption des Gebäudes aus der Zeit des Wiederaufbaus, also zwischen 62 und 79 n.Chr. betrifft, so fallen einige Besonderheiten auf (s. auch Tafel 1: Gesamtansicht25). Zunächst einmal enthält das macellum von Pompeji nur eine einzige Ladenreihe, nämlich auf der Südseite. Die Läden der Nord- und Westseite öffnen sich nach außen auf die dort vorbeiführenden Straßen. In der Mitte des Innenhofs befinden sich 12 Sockel,26 die als Basen bzw. Halterungen für 12 kreisförmig abgeordnete Holzsäulen gedeutet werden, die ein hölzernes konisches Dach trugen bzw. tragen sollten. In der Mitte ist jedenfalls ein großes Wasserbecken für den Verkauf von Fischen nachgewiesen.
Tafel 1
Pompeji: Gesamtansicht des macellum Richtung Osten
Besonders bemerkenswert ist die Gestaltung der dem Haupteingang gegenüberliegenden Ostseite. In der Mitte der östlichen Seite des macellum, also genau in der Hauptachse des Gebäudes, befindet sich ein großer hervorgehobener Raum, der unzweideutig als Kultraum, und zwar für den Kaiserkult, zu identifizieren ist. Gestaltet ist dieser Raum wie ein kleiner AntenOstkante des jetzigen Innenhofs gelegen), das einer Zwischenphase angehört. Auch dieses kleine Gebäude (4,30 x 2,80 m) wurde beim Wiederaufbau nicht wieder aufgerichtet. Der Zweck dieser Anlage ist übrigens unklar. Eine religiöse Funktion ist nicht ausgeschlossen; jedenfalls hat man innerhalb der (recht begrenzten) freien Innenfläche eine Vertiefung für die Aufstellung eines Pfeilers (oder einer Statue?) gefunden; vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 140. 25 Die Abbildungen der Tafeln 1 und 2 wurden freundlicherweise für diese Veröffentlichung von Werner Hanschmann am 26.4.1999 aufgenommen. 26 Diese Sockel sind im 19. Jh. stark restauriert worden, vgl. COARELLI U.A., Pompeji (s. Anm. 23), 169.
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tempel mit zurückspringendem, erhöhtem Kultraum; man gelangt zu diesem etwa 40 m2 großen Kultraum27 über eine Treppe, die in das Podest der kleinen Vorhalle vor dem eigentlichen Kultraum eingeschnitten ist. An der Rückwand des Kultraums befindet sich ein Sockel für eine Sitzstatue des Kaisers, von der sich immerhin noch der Rest eines Arms mit einem Globus gefunden hat.28 Auf den beiden Längsseiten befinden sich Nischen für die Aufnahme weiterer Statuen. Die beiden Statuen der rechten Seite sind sogar an Ort und Stelle gefunden worden.29
Tafel 2
Pompeji: Ansicht der beiden Kulträume an der Ostseite des macellum
27 Die Angaben über die Größe dieses Raumes differieren etwas: Nach J. OVERBECK/A. MAU, Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken, Leipzig 41884, 126, mißt der Raum 6,50 m im Quadrat, nach DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 144, ist er etwas kleiner: 6 m x 6,50 m. Die Vorhalle umfaßt zusätzlich rund 10 m2. 28 Vgl. dazu MAU, Pompeji (s. Anm. 4), 90. 29 Abbildungen bei P. ZANKER, Pompeji. Stadtbild und Wohngeschmack, Kulturgeschichte der antiken Welt 61, Mainz 1995, 96 und 97; auf Tafel 2 ist eine der Statuen (als Nachbildung) erkennbar; diese Statuen werden verschieden gedeutet: a) auf Octavia, die Schwester des Augustus und ihren Sohn Marcellus (so MAU, Pompeji [s. Anm. 4], 88–90); b) auf zwei andere Mitglieder der Kaiserfamilie (ohne genauere Festlegung, so COARELLI U.A., Pompeji [s. Anm. 23], 168); c) auf Livia, die Gattin des Augustus, und den jüngeren Drusus, Sohn des Tiberius (so OVERBECK/MAU, Pompeji [s. Anm. 27], 124); d) auf Mitglieder einer pompejanischen Honoratiorenfamilie, wahrscheinlich die Stifterfamilie des Kultraums (so ZANKER, Pompeji, 93–95).
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So eindeutig dieser mittlere Raum zu bestimmen ist, so merkwürdig ist der nordöstliche Eckraum, der sich nach links an den in der Mittelachse gelegenen Kultraum anschließt30 (Tafel 2). Wenn auch einige Einzelelemente unklar sind,31 so ist doch nicht zu bestreiten, daß dieser immerhin gut 75 m2 große Raum insgesamt religiöse Funktion hat und einen weiteren Kultraum darstellt. Auf der Rückseite dieses NO-Raumes befindet sich eine Nische (Tafel 3),32 die ebenfalls für eine Kultstatue gedacht gewesen sein dürfte.33 Davor steht ein Altar, der aus zwei Marmorstufen besteht, auf denen eine schwarze Deckplatte liegt, die 1,33 m x 64 cm groß ist.34
Tafel 3
Pompeji: Statuennische und Altar im NO-Raum des macellum
30 Im folgenden als NO-Raum bezeichnet. Auf dem Grundriß Abb. 2 befindet sich dieser Raum links oben. 31 Dies gilt vor allem für das Podium auf der rechten Längsseite. Dieses Podium hat zur Deutung des Raums als Auktionshalle (mit dem Podium als Standort des Auktionators) geführt, vgl. COARELLI U.A., Pompeji (s. Anm. 23), 168, und DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 146 (dort auch Hinweise auf weitere Deutungsmöglichkeiten – jeweils mit Literaturverweisen), doch weisen Altar und Kultnische eindeutig auf eine religiöse Funktion. MAU, Pompeji (s. Anm. 4), 91, vermutet einen Anrichtetisch für die Durchführung von Opfermahlzeiten, hält die Vorrichtung für diesen Zweck aber selbst für überdimensioniert. 32 Die Abbildungen der Tafeln 3 und 4 wurden freundlicherweise für diese Veröffentlichung von Annette Reimers am 16.9.1998 aufgenommen. 33 Unmittelbar vor dieser Nische befindet sich eine erhöhte Plattform, die von der rechten Seite durch eine kleine Treppe zugänglich ist; s. Abb. 2 (Grundriß) und Tafel 2. 34 Zu den Maßen des Altars vgl. OVERBECK/MAU, Pompeji (s. Anm. 27), 125.
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Diese von allen vier Seiten gleichermaßen zugängliche Altarplatte weist einen erhöhten Rand und an einer Ecke ein Abflußloch auf. Zumeist wird dieser Altar deshalb als Trankopferaltar gedeutet,35 doch scheint mir dies nicht zwingend zu sein. Grundsätzlich ist auch denkbar, daß hier auch das Blut etwa von einem kleineren geschlachteten Tier, z.B. einem Lamm aufgefangen werden konnte. Diese Möglichkeit ist nicht nur aufgrund der für Libationszwecke doch recht eigentümlichen Altarform in Betracht zu ziehen, sondern insbesondere im Blick auf den direkt westlich anschließenden kleinen Raum, der nachweislich der Aufbewahrung von lebenden Tieren diente!
Tafel 4
Pompeji: offene, vom Nordumgang des macellum abgeteilte Kammer
35 So einhellig MAU, Pompeji (s. Anm. 4), 91, OVERBECK/MAU, Pompeji (s. Anm. 27), 125, DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 146f, COARELLI U.A., Pompeji (s. Anm. 23), 168. Die Deutung auf Libationsopfer verbindet sich zumeist mit der Vermutung, hier seien „Opferschmäuse“ (so OVERBECK/MAU, Pompeji [s. Anm. 27], 125; vgl. auch COARELLI, Pompeji [s. Anm. 23], 168) abgehalten worden. Doch fehlen die typischen Merkmale eines Bankettsaals.
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Im Bereich des nördlichen Umgangs,36 direkt an den nordöstlichen Kultraum anstoßend, befindet sich nämlich ein schmaler abgeteilter Raum, von 4,75 m Länge und 93 cm Breite, also eher eine Art Kammer (Tafel 4);37 zum Säulenumgang hin ist dieser Raum durch eine 2,10 m hohe Mauer abgetrennt, war also nach oben offen. Nach alten Ausgrabungsberichten fanden sich bei den Ausgrabungen von 1821 bis 1822 in dieser Kammer „Gerippe von kleineren Thieren, wie von Schafen“,38 die dort von dem Aschenregen des Vesuvs begraben worden sind. Interessant ist schließlich, daß dieser kleine Raum nur von dem großen NO-Raum her zugänglich war, der ja, wie beschrieben, einen recht auffälligen Altar besitzt. Diesem Raum mitsamt dem Altar ist diese Kammer also eindeutig zugeordnet gewesen. Angesichts dieses Gesamtbefundes liegt nun die Vermutung sehr nahe, daß der NO-Raum ebenfalls kultische Funktion hatte, und zwar vermutlich unabhängig von dem im Nachbarraum angesiedelten Kaiserkult; darauf deuten jedenfalls die eigene Kultnische und der Altar sehr stark hin; und es ist anzunehmen, daß die kleine, nur auf diesen Kultraum hin offene Kammer zur Aufnahme von Tieren diente, die dann in dem Kultraum, und zwar auf dem dort befindlichen Altar geschlachtet wurden. Als vorläufiges Ergebnis läßt sich daher für Pompeji feststellen: 1. In Pompeji gibt es einen echten, tempelartig gestalteten Kultraum für den Kaiserkult – nicht nur, wie sonst mehrfach zu beobachten, eine Exedra für eine Statue. 2. In Pompeji gibt es daneben einen weiteren Kultraum, offenbar für eine andere Gottheit. 3. In Pompeji gibt es in der Tat gesicherte Hinweise auf kultische Schlachtungen im macellum selbst, und zwar in dem zweiten, vermutlich nicht zum Kaiserkult gehörigen Kultraum. Dabei ist – das sei bereits im Vorgriff angedeutet – Punkt 1 ungewöhnlich, fällt aber nicht völlig aus dem Rahmen; dagegen sind Punkt 2 und Punkt 3, insbesondere die speziellen Vorrichtungen für kultische Schlachtungen, völlig analogielos.
36 Zwischen dem rechteckigen Innenhof und den Außenmauern (im N und W) bzw. den angrenzenden Räumen (im O und S) war mit Sicherheit ein Säulenumgang geplant. Beim Ausbruch des Vesuvs 79 n.Chr. waren die Säulen zwar noch nicht vorhanden, doch sind die Standflächen für die Säulen speziell an der Nordseite nachgewiesen; vgl. COARELLI U.A., Pompeji (s. Anm. 23), 167. 37 Auf dem Plan Abb. 2 ist dieser Raum unterhalb des NO-Raums, zwischen den Sondagen II und XVI zu finden. 38 OVERBECK/MAU, Pompeji (s. Anm. 27), 126 (unter Verweis auf H. NISSEN, Pompejanische Studien zur Städtekunde des Altertums, Leipzig 1877, 279).
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Aber unabhängig davon ist auch jetzt bereits klar: Selbst im macellum von Pompeji konnte der gesamte an einem Tag benötigte Bedarf an Hammel-, Schweine- und Rindfleisch unmöglich aus den im NO-Raum stattfindenden Schlachtungen gedeckt werden, selbst wenn dort täglich geopfert wurde. Die kleine Kammer, in der die Opfertiere zunächst eingeschlossen waren, eignete sich zur Aufnahme einiger Schafe oder Ziegen, aber unmöglich konnten dort z.B. mehrere Ochsen untergebracht werden. Im übrigen erweckt Lietzmann einen falschen Eindruck,39 wenn er den großen Raum in der SO-Ecke des macellum als „Fleischbank“ interpretiert, „auf der die geschlachteten Opfertiere direkt verkauft wurden“. Zumindest der linke Teil der dort aufgemauerten Verkaufstische ist als Verkaufsanlage für Fischwaren zu interpretieren,40 und die Annahme, daß der rechte Verkaufstisch ausschließlich für Fleischverkauf aus Opferhandlungen bestimmt gewesen sei, wäre reines Postulat.
2.2.2 Weitere Beispiele des axialen Gebäudetyps Natürlich gibt es noch andere macella, die in der Hauptachse, also gegenüber dem Haupteingang, einen besonders hervorgehobenen Raum besitzen. Dabei gibt es insgesamt drei verschiedene Lösungen:41 a) Mehrfach begegnet eine Exedra gegenüber dem Haupteingang, und zwar in den macella von Bulla Regia, Paestum, Puteoli und Thugga.42 Die Exedra ist ein festes Element der hellenistisch-römischen Architekturtraditon, die aus vielen anderen Zusammenhängen bekannt ist, und eine ihrer Hauptfunktionen besteht darin, daß sie zur Aufnahme von Statuen dient.43 Dies ist auch hier vorauszusetzen, wobei man in der Regel von Kaiser- oder Götterstatuen ausgehen kann. b) Auch für die Verwendung eines rechteckigen Raums gegenüber dem Haupteingang gibt es einige Beispiele: Außer in Pompeji begegnet ein derartiger Grundriß noch in Philippi und in Thibilis (Numidien, Provinz Africa proconsularis), wobei die genaue Deutung dieser Räume weitgehend unklar ist. Eine religiöse Funktion ist in diesen Fällen jedenfalls keineswegs sicher. So kann es sich im macellum von Thibilis bei dem Raum gegenüber
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LIETZMANN, Korinther (s. Anm. 3), 51. Vgl. COARELLI U.A., Pompeji (s. Anm. 23), 168f, und DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11),
146.
41
Vgl. die Analyse bei DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 287–289, und den Katalog der Grundrisse bei DE RUYT, Falttafel 4. 42 Zu Bulla Regia (in der Provinz Africa proconsularis, heute Tunesien, bei Jendouba) vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 50, zu Paestum 127, zu Puteoli 155, zu Thugga (Africa proconsularis, heute Dougga in Tunesien) 215f.218 sowie 310–312. 43 Dazu vgl. LAUTER, Architektur (s. Anm. 15), 238f.
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dem Haupteingang um einen Laufbrunnen gehandelt haben,44 während die Funktion des entsprechenden Raums im macellum von Philippi weitgehend offen bleiben muß.45 c) Eine profane Funktion ist auf jeden Fall bei der dritten Variante gegeben, bei der sich gegenüber dem Haupteingang eine Reihe apsidial angeordneter Verkaufsläden befindet. Doch begegnet dies nur in Gigthis und Thamugadi (Timgad), scheint also eine nordafrikanische Besonderheit zu sein.46 Damit zeigt sich insgesamt, daß schon innerhalb der macella mit axialer Ausrichtung das macellum von Pompeji einen Sonderfall darstellt. Maximal finden sich bauliche Vorrichtungen für die Aufstellung einer zentralen Kultstatue, meist in Form einer Exedra. Hinweise auf zwei Kulträume gibt es in keinem weiteren Fall, erst recht nicht Räume zur Aufnahme von Opfertieren, ebenso fehlt ein vergleichbarer Altar.
2.3 Der gleichseitige Gebäudetyp 2.3.1 Das macellum von Gerasa Für den gleichseitigen Gebäudetyp gibt es jetzt ebenfalls ein hervorragend erhaltenes Beispiel, dessen archäologische Erschließung jedoch erst Ende der 80er Jahre abgeschlossen war, so daß dieses macellum in der Untersuchung von Claire De Ruyt noch nicht berücksichtigt werden konnte. Es handelt sich um das macellum von Gerasa, der aus dem Neuen Testament ja bekannten, zur Dekapolis gehörigen hellenistischen Polis im Ostjordanland (s. Mk 5,1; Lk 8,26.37; Mt 8,28 v.l.).
44 Vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 205; Thibilis ist (frz. Announa, zu Algerien gehörig), wie Thamugadi (s. Anm. 44) im westlichen Teil der Provinz Africa proconsularis, der antiken Landschaft Numidien gelegen. 45 Für das quadratische Mauerfundament innerhalb dieses Raums, das seinerseits einen kreisrunden Raum von 3 m Durchmesser umschließt, wird z.T. die Deutung als „kreisrundes (Wasser?)-Becken“ erwogen, vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 134. 46 Vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 288f; beide Orte liegen in der Provinz Africa proconsularis: Gightis (heute Bou Grara in Tunesien), Thamugadi (heute Timgad bei Batna in Algerien).
„Alles, was evn makke,llw| verkauft wird, eßt …“
Tafel 5
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Gerasa: Ansicht des Ovalen Forums und des südlichen cardo maximus
Gerasa hat – wie viele andere Städte der östlichen Provinzen des Reiches auch – in der zweiten Hälfte des 1. und im 2. Jh. n.Chr. einen beispiellosen Bauboom erlebt.47 Zu dem urbanistischen Gesamtkonzept, das hier verwirklicht wurde, gehörten zunächst mächtige Tempelanlagen, ein Theater, ein Odeion, mehrere Thermen, Nymphäen und prächtige Kolonnadenstraßen. Ein Blick vom obersten Rang des Theaters nach Norden vermittelt auch heute noch ein beeindruckendes Bild der städtebaulichen Leistung dieser antiken Polis (Tafel 5).48 Zentraler Bezugspunkt der städtischen Gesamtplanung ist dabei der die gesamte Stadt von Nord nach Süd durchziehende cardo maximus, der in erheblichen Teilen auch noch erhalten ist. Am besonders wichtigen, nämlich dem südlichen Teil des cardo maximus, zwischen dem sog. Ovalen Forum und der südlichen Tetrakionia liegt an der Westseite das macellum, dessen Eingang zudem durch vier besonders hervorgehobene Säulen unübersehbar markiert ist.
47
Zu Gerasa vgl. C.H. KRAELING, Gerasa. City of the Dekapolis, New Haven 1938; I. BROWJerash and the Decapolis, London 1982 (Nachdruck 1991). 48 Die Fotoaufnahmen der Tafeln 5–7 hat dankenswerterweise mein früherer Mitarbeiter Hermann Köhler, Münster, zur Verfügung gestellt; sie wurden am 20.3.1995 während einer vom Vf. geleiteten Exkursion in Jordanien aufgenommen. NING,
180
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Abb. 3
Gerasa: Grundriß des macellum
Der Grundriß des macellum49 zeigt eine völlig gleichseitige Anlage: Hinter einer Straßenfront von rund 50 m Länge befindet sich eine nahezu quadratische Anlage von etwa 36 m Kantenlänge, deren Mitte ein achteckiger offener Innenhof bildet (Tafel 6). Dieser einem Kreis sich annähernde Innenhof ist mit rund 19 m Durchmesser und ca. 270 qm Fläche eine überschaubare Anlage, in deren Mitte sich ein Brunnen befand. Umgeben wird der Innen49
Die Ausgrabung erfolgte zwischen 1984 und 1988; es liegt bislang nur eine (allerdings recht ausführliche) vorläufige Veröffentlichung vor: M. MARTIN-BUENO: Notes Préliminaries sur le macellum de Gerasa, in: Jerash. Archeological Project 1984–1988. II. Fouilles de Jérash 1984– 1988 (Auszug aus Syria 66 [1989]), hg.v. Department of Antiquities of the Hashemite Kingdom of Jordan/Institut Francais d’Archéologie du Proche-Orient, Paris 1989, 177–199. Zur Datierung des jetzigen Gebäudes (gleichzeitig mit der jetzigen Gestalt des cardo maximus nach einem Brand in hadrianischer Zeit [117–138] errichtet) vgl. 194–196; dort auch 180 der hier wiedergegebene Grundriß. Vgl. auch ergänzend M. MARTIN-BUENO, The Macellum in the Economy of Gerasa, Studies in the History and Archaeology of Jordan 4, 1992, 315–319. Völlig ungeklärt sind frühere Bauphasen – also auch die Frage, ob es einen Vorgängerbau gleicher Funktion gab.
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hof von 24 Säulen, die das Dach des zum Innenhof offenen Umgangs trugen. Hinter dem achteckigen Umgang befanden sich die Verkaufsläden mit den Verkaufstischen, und zwar in den nahezu halbkreisförmigen Exedren, die durch die Einzeichnung einer im Prinzip kreisförmigen Innenanlage in einen quadratischen Außengrundriß entstehen. Diese Exedren, die als Standort für die Verkaufsläden dienten, waren ihrerseits zum Umgang hin offen. Die Abgrenzung erfolgte durch je zwei Säulen. Trotz anderweitiger Nutzung in byzantinischer und omayyadischer Zeit haben sich noch zwei bemerkenswerte Teile der Inneneinrichtung erhalten:
Tafel 6
Gerasa: Innenhof des macellum (Gesamtansicht)
a) der Brunnensockel mit Stifterinschrift50 und den Öffnungen für die Wasserspeier; in Analogie zu anderen macella ist damit zu rechnen, daß dieser Sockel ein Götterstandbild trug – erster Anwärter hierfür dürfte der Gott Mercur, der Schutzgott der Kaufleute, gewesen sein;51 b) eine originale Tischplatte eines Verkaufsladens und insgesamt 4 massive Tischstützen, die mit Tierprotomen (Raubkatzen) geschmückt sind (Tafel 7).
50
Die Inschrift nennt als Stifter einen Iulianos Alexander. Dieser dürfte mit dem gleichnamigen, für 130 n.Chr. bezeugten Statthalter identisch sein, vgl. MARTIN-BUENO, Notes (s. Anm. 49), 196. 51 Zu Merkurstatuen in den macella vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 373f.
182
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Tafel 7
Gerasa: Verkaufstische in der SW-Exedra des macellum
Auch die Frontseite, mit der sich das macellum zum cardo maximus hin öffnet, ist sehr überlegt gestaltet. In der Mitte befindet sich der aufwendig gestaltete Eingang: Die Vorderseite des Eingangs bilden zwei monumentale Säulen,52 hinter denen sich zunächst ein Vestibül befindet, auf das dann das eigentliche dreiteilige Eingangsportal folgt. Auf den beiden Seiten des Eingangs liegen jeweils vier Läden, die sich zum cardo maximus öffnen. Diese Anlage vermittelt durch die Ausgewogenheit ihrer baulichen Konzeption und ihren bemerkenswert guten Erhaltungszustand einen hervorragenden räumlichen Eindruck eines römischen macellum, ja sie zeigt die Möglichkeiten der gleichseitigen Anlage eines macellum in geradezu lehrbuchhaft-mustergültiger Weise.53 Darüber hinaus wird deutlich, wie unbegründet die Annahme ist, römische macella seien grundsätzlich mit kultischen Opfervorrichtungen verbunden gewesen. 52
MARTIN-BUENO, Notes (s. Anm. 49), 181, vermutet (sicher zutreffend), daß das macellum zweigeschossig war und sich die Säulen (ebenso wie das dahinterliegende dreiteilige Portal) über beide Stockwerke erstreckten. 53 MARTIN-BUENO, Notes (s. Anm. 49), 193, schreibt zur Qualität der architektonischen Konzeption des macellum von Gerasa: „Le macellum de Jerash est un édifice de grande qualité dans sa conception et son dessin. C’est un des ensembles les plus harmonieux que nous conaissions dans le monde romains, pour ce type d’édifice“. Aufgrund der Tatsache, daß die bauliche Ausführung durchaus Ungenauigkeiten aufweist (vor allem bei der Nivellierung des Fundaments) schlußfolgert MARTIN-BUENO, ebd.: „il paraît évident que le modèle a été apporté par l’administration romaine“. Das hieße, in Gerasa läge ein ausgesprochen typisches Exemplar eines römischen macellum vor.
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In diesem macellum, das läßt sich abschließend feststellen, gibt es nämlich keinerlei Hinweise auf einen Raum für kultische Schlachtungen, es gibt noch nicht einmal eine derart hervorgehobene Kultnische wie in Pompeji;54 auch wenn, wie durchaus vermutet werden kann, der Brunnen in der Mitte des macellum eine Götterstatue trug, etwa die des Mercur, dann ist das innerhalb dieses macellum verkaufte Fleisch dadurch noch lange nicht GKXFYNQSWVQP. 2.3.2 Zum macellum von Korinth Für Korinth ist nicht nur durch die Bemerkung des Paulus in 1Kor 10,25, sondern auch durch Inschriften die Existenz eines macellum grundsätzlich gesichert.55 Die bisherigen Ausgrabungen56 haben jedoch noch zu keinem wirklich sicheren Ergebnis geführt.57 Dabei muß berücksichtigt werden, daß selbst der Stadtkern des römischen Korinth bislang keineswegs vollständig ausgegraben ist, erst recht nicht die gesamte Stadtfläche. Erster Anwärter für eine Identifizierung als macellum ist daher immer noch die sog. Nordagora.58 54 Unter diesem Gesichtspunkt ist natürlich der Befund in dem dem Eingang gegenüberliegenden querrechteckigen Raum zwischen den beiden westlichen Exedren (auf Abb. 3 oben Mitte) interessant. Der Raum ist zwar mit ca 3,5 m x 11,50 m von durchaus beachtlicher Größe, doch fehlen alle Hinweise auf dessen mögliche Funktion. So ist auch der Zweck der beiden seitlichen Eingänge unbekannt, schon allein deswegen, weil das Gelände außerhalb der Eingänge nicht in die Ausgrabung einbezogen worden ist, vgl. MARTIN-BUENO, Notes (s. Anm. 49), 186. Sicher ist nur, daß weder Wandnischen noch Sockel für die Aufstellung von Statuen oder gar ein Altar nachgewiesen werden konnten. Ebensowenig kam dieser Raum, der zum inneren Säulenumgang lediglich durch zwei Säulen abgegrenzt ist, als Schlachtraum (etwa auch für nichtkultische Schlachtungen) in Frage. 55 Vgl. A.B. WEST, Corinth VIII, 2. Latin Inscriptions 1896–1926, Cambridge, Mass. 1931, 100–104 (Nr. 124 und 125). 56 Die Ausgrabungen in Korinth sind dokumentiert in: Corinth. Results of excavations conducted by the American School of Classical Studies at Athens, 16 Bde., Cambridge, Mass., u.a. 1929– 1977; zum macellum vgl. auch DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 55–61; neuere Zusammenfassungen liegen vor bei: W. ELLIGER, Paulus in Griechenland. Philippi, Thessaloniki, Athen, Korinth, Stuttgart 1987 (zuerst SBS 92/93, 1978), 200–251; J. WISEMAN, Corinth and Rome I: 228 B.C. – A.D. 267, ANRW II 7,1, 1979, 438–548; J. MURPHY-O’CONNOR, St. Paul’s Corinth. Texts and Archaeology, Wilmington, De. 1983. 57 Zu den verschiedenen Vorschlägen vgl. die Übersicht bei DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 60f (mit Literaturangaben); von den insgesamt diskutierten Möglichkeiten scheiden der sog. Halbrunde Bau an der Lechaionstraße nördlich der Basilika aus zeitlichen Gründen (Bauzeit: Ende 1./Beginn des 2. Jh. n.Chr.) und die Ladenreihe auf der Agora aus sachlichen Gründen aus; eher in Betracht zu ziehen wäre dagegen neben der Nordagora der beim Erdbeben 77 n.Chr. zerstörte Vorgängerbau des Peribolos des Apollon; vgl. H.J. CADBURY, The Macellum of Corinth, JBL 53 (1934), 134–141, dort 138–140; WISEMAN, Corinth (s. Anm. 54), 520, und H.N. FOWLER/R. STILWELL, Corinth I,1, Introduction, Topography, Architecture, Cambridge, Mass. 1932, 31–38.151–158. 58 Zum archäologischen Befund vgl. R.L. SCRANTON, Corinth I,3, Monuments in the Lower Agora and North of the Archaic Temple, Princeton 1951, 180–194. Der Plan der Abb. 4 wurde aus DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 56, übernommen.
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Abb. 4
Korinth: Plan des Zentrums58a
Die Nordagora (in Abb. 4 als North Market bezeichnet) ist nördlich des berühmten, aus spätarchaischer Zeit stammenden Apollon-Tempel gelegen, in der Nähe der Hauptverkehrsstraße zum nördlichen Hafen Lechaion. Allerdings ist die Nordagora nur in ihrem südlichen Teil ausgegraben (Tafel 8).59 Im nördlichen Teil sind lediglich Stichproben gemacht worden, so daß der Grundriß des größten Teils der Nordagora nur als relativ gesichert gelten kann.
Insgesamt handelt es sich bei der Nordagora um eine ausgesprochen große Anlage von 56 mal 45 m mit einem auffällig großen Innenhof von 34 mal 23 m; d.h. dieser Innenhof ist mit gut 782 m2 beinahe dreimal so groß wie der Innenhof des macellum von Gerasa. Mit einem derart großen Innenhof entspricht die Nordagora eigentlich nicht dem Bautyp eines macellum, sondern eher einer mittleren griechischen Handelsagora. Umgeben war die Nordagora von gleichseitig angelegten Ladenreihen. Auf der ausgegrabenen Südseite befinden sich insgesamt 13 Läden. Immerhin weist jeder einzelne Laden der Südseite einen Anschluß an die Kanalisation auf, was als Hin-
58a 59
Entnommen aus DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 56. Die Fotoaufnahme von Tafel 8 (s. folgende Seite) stammt vom Vf. vom 1.4.1994.
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185
weis auf den Verkauf zumindest von Fisch, möglicherweise auch von Fleisch gewertet werden kann.60 Sicher ist nur eins: Wenn diese Anlage das macellum von Korinth zur Zeit des Paulus war, dann gibt es auch hier keinen Hinweis auf einen Kultraum oder gar auf kultische Schlachtungen im macellum selbst. 60a
Tafel 8
Korinth: Läden an der Südseite der Nordagora
2.3.3 Weitere macella des gleichseitigen Typs Wenn man die Nordagora von Korinth als macellum einstufen will, gehört es (wie das macellum von Gerasa) zum gleichseitigen Gebäudetyp. Wie vom axialen Gebäudetyp gibt es auch von den gleichseitigen Anlagen eine ganze Reihe weiterer Beispiele mit z.T. sehr individuellen, den örtlichen Gegebenheiten angepaßten Lösungen,61 deren Analyse für die hier zu klärenden Fragen jedoch keine weiteren Aufschlüsse liefern würde.
60
DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 59.61. S. Nachtrag 1 am Ende dieses Beitrags (S. 195). 61 Vgl. die Analyse bei DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 285–287, und die Zusammenstellung der Grundrisse bei DE RUYT auf Falttafel III. 60a
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2.4 Die Ergebnisse des archäologischen Befundes 1. Ein macellum diente in den urbanistischen Konzeptionen der späten römischen Republik und der Kaiserzeit der Deckung einer sehr spezifischen Nachfrage, der nach hochwertigen Nahrungsmitteln wie Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild usw. 2. Dem entsprach ein durchaus aufwendiger Gebäudetyp, der zumeist auch an städtebaulich zentralen Verkehrslagen realisiert wurde. 3. Dieser Gebäudetyp war regelmäßig gekennzeichnet durch einen Innenhof, der zumeist von einem gedeckten, zum Innenhof offenen Umgang umgeben war, und dahinter gelegenen Verkaufsläden. Die Anlagen tendieren zu einem regelmäßigen, zumindest achsensymmetrischen, häufig sogar quadratischen oder kreisförmigen Grundriß. Regelmäßig war ein macellum auch mit der städtischen Wasserversorgung verbunden, wobei sich häufig in der Mitte des Innenhofs ein Brunnen befand.
3. Die religiösen Elemente des Gebäudetyps macellum und die Frage kultischer Schlachtungen 3.1 Götterstatuen Die religiösen Elemente eines macellum bestanden vor allem in Götterstatuen, die sehr häufig nachgewiesen sind62 und deren Existenz man auch dort vermuten kann, wo ein Nachweis (bisher jedenfalls) fehlt. Für die Aufstellung der Götterstatuen gab es grundsätzlich zwei Lösungen: a) Aufstellung im Innenhof, zumeist in Verbindung mit der zentralen Brunnenanlage; b) Aufstellung in einer hervorgehobenen Exedra, zumeist gegenüber dem Haupteingang.63 Durch eine Götterstatue allein ist jedoch die religiöse Situation für einen Käufer im macellum nicht anders als auf öffentlichen Straßen, Plätzen oder in anderen öffentlichen Gebäuden wie Thermen, Handelsbasiliken, Theatern oder Odeien: Darstellungen von Göttern und Heroen waren in einer hellenistisch-römischen Stadt überaus zahlreich – aber sich in deren Sicht62
Vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 300.324.373–375. Zu den in Anm. 42 genannten Fällen einer Exedra gegenüber dem Haupteingang ist noch das macellum von Herdonia (Süditalien) hinzuzufügen: Hier ist in einer kreisförmigen Anlage der dem Haupteingang gegenüberliegende Ladenraum nachträglich in einen Raum für eine Statue umgewandelt worden; vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 80–88, bes. 84. 63
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weite aufzuhalten, war für einen antiken Menschen als solches noch keine aktive Kultausübung, und daher war dies für die kleine christliche Gruppe unter den antiken Einwohnern etwa von Korinth noch nicht GKXFYNQNCVTKC. Gleiches gilt übrigens auch für jüdische Einwohner einer antiken Stadt.64 Dementsprechend war Fleisch, das im macellum in Sichtweite etwa einer Mercur-Statue verkauft wurde, deswegen noch lange nicht Götzenopferfleisch, genauso wenig wie Getreide oder Textilien deswegen religiös oder – aus christlicher Perspektive gesprochen – dämonisch affiziert waren, nur weil auf der Agora oder in der Handelsbasilika, in der diese Waren erworben wurden, auch Götterstandbilder zu finden waren.65
3.2 Altäre Wesentlich seltener als Kultstandbilder sind innerhalb eines macellum Altäre. Abgesehen wieder von Pompeji handelt es sich lediglich um zwei Fälle, beide jeweils aus einem macellum von Orten in Numidien, und zwar aus Cuicul und aus Thibilis.66 In beiden Fällen sind die Altäre dem Gott Mercur geweiht. Beide Altäre sind typische Kleinaltäre; sie bestehen aus einer etwa 80 cm hohen achteckigen Säule von 30–40 cm Durchmesser, die sich oben zu einer Platte von etwa 45–55 cm verbreitert. Dekoriert sind beide Altäre mit einer Opferkanne und einer Opferschale. Dies weist deutlich auf Libationsopfer und vegetabile Opfergaben hin, jedoch nicht auf Schlachtopfer. Natürlich konnte durch eine Kombination von Kultstatue und Altar mit Libationsmöglichkeit, insbesondere wenn zusätzlich die Statue in einer besonders prächtig ausgestalteten Exedra aufgestellt war,67 die rein repräsentative Rolle der Götterstatue in eine kultisch gemeinte Präsenz übergehen. Die in diesem Zusammenhang entscheidende Frage ist jedoch die, ob es neben vegetabilen Opfergaben innerhalb der macella auch Opferhandlungen mit tierischen Opfern und damit auch kultische Schlachtungen gab. 64 Vgl. die vielzitierte Stellungnahme von R. Gamaliel (II) zur Rolle eines Aphroditestandbildes in einer (nichtjüdischen) Badeanlage von Akko (mAZ 3,4; zitiert bei BILLERBECK IV, 385); vgl. dazu auch E. SCHÜRER/G. VERMES U.A., The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ. Revised Edition, Vol. II, Edinburgh 1979, 81–83. 65 Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Edikt von Maximinus Daia im Zuge seiner gegen das Christentum gerichteten Maßnahmen, in dem angeordnet wird, „daß die auf dem Markt verkauften Lebensmittel durch Libationen, die von Opfern herrühren, verunreinigt werden sollten“ (Eusebius, Mart. Palest. IX 2 [GCS 9,2, p. 928, l. 15s]). D.h. erst durch solche in der Tat künstliche Maßnahmen (so m.R. KLAUCK, Herrenmahl [s. Anm. 9], 275) wurde aus normalen Lebensmitteln kultisch qualifizierte Materie. 66 Vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 66 (zu Cuicul) und 205 (zu Thibilis) sowie 373. 67 Zur Dekoration der Exedren vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 310–312.
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3.3 Zur Frage kultischer Schlachtungen im macellum Positive Hinweise auf Schlachtungen innerhalb eines macellum gibt es nur in einem einzigen Fall, nämlich dem von Pompeji. Sofern von den insgesamt weiteren 79 bekannten macella hinreichend sichere Grundrisse rekonstruierbar sind und die baulichen Überreste Rückschlüsse auf die Funktion einzelner Gebäudeteile zulassen, ist in keinem einzigen Fall der Schluß wahrscheinlich oder auch nur naheliegend, daß innerhalb eines macellum Schlachtungen, seien sie kultischer oder auch nichtkultischer Art, stattgefunden haben.68 Man kann sich das am besten am Beispiel von Gerasa klar machen. Hier ist sehr deutlich ein rein für die Bedürfnisse einer sozial gehobenen Käuferschicht errichtetes Gebäude erkennbar, und es ist mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, daß in dieses Gebäude zuerst Lebendvieh, etwa Ochsen, getrieben wurde, um diese dann innerhalb dieses Gebäudes zu schlachten, zu zerlegen und anschließend das Fleisch zu verkaufen. Natürlich wurde hier Fleisch verkauft, aber die Schlachtungen fanden außerhalb des macellum statt. Dafür spricht auch, daß, wie Claire De Ruyt gezeigt hat, der Sprachgebrauch sich erst ab dem 4. Jh. n.Chr. wandelt. Bis Ende des 3. Jh. n.Chr. bezeichnet macellum die (Fleisch-) Markthalle und macellarius den dort tätigen Fleischverkäufer; vom 4. Jh. an ist eine Entwicklung feststellbar, macellum im Sinne von Schlachthaus zu gebrauchen; und erst von da an ist der macellarius nicht mehr der Fleischhändler bzw. -verkäufer, sondern tatsächlich der Metzger.69 Welche Vorrichtungen in Wirklichkeit für die Durchführung von Schlachtungen innerhalb eines macellum notwendig gewesen wären, kann man in Thugga erkennen,70 wo ein macellum und eine Schlachtanlage miteinander verbunden waren. Das macellum grenzt mit seiner Exedra an eine Geländestufe, und unterhalb der Exedra waren zwei Räume an das macellum angebaut, die nur von der hinter dem macellum vorbeiführenden, erheblich tiefer gelegenen Straße zugänglich waren. Diese Räume71
68
DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 297, vermutet, daß der Rundbau im Innenhof (!) des macellum von Morgantina (bei Aidone in Sizilien) und ein kreisrunder Nebenraum im älteren macellum von Alba Fucens (bei Avezzano in Mittelitalien) ebenfalls zum Schlachten von Tieren dienten, doch fehlen dafür alle näheren Hinweise. So fehlt in der Einzeldarstellung des Befundes von Morgantina (112f) jegliche Funktionsbestimmung des Rundbaus, und in der Beschreibung von Alba Fucens sagt DE RUYT im Blick auf den runden Nebenraum: „l’épaisseur des murs pourrait faire penser à un silo“ (30). 69 Vgl. den Nachweis bei DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 271–273. 70 Zum Befund vgl. DE RUYT, Macellum (s. Anm. 11), 212–215. 71 Sie sind etwa 19 m2 bzw. 26 m2 groß.
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dienten, wie der archäologische Befund zeigt, zur Aufnahme von Lebendvieh,72 und es ist mit Claire De Ruyt anzunehmen, daß hier auch die für das macellum notwendigen Schlachtungen stattfanden. Allerdings erfolgten diese Schlachtungen eindeutig außerhalb des macellum: Die beiden Räume waren nur durch zwei steile Treppen zu 17 bzw. 19 Stufen mit dem macellum verbunden; d.h. man konnte hier zwar ohne Schwierigkeiten Teile von geschlachteten Tieren hinaufbringen, aber unmöglich Lebendvieh in das macellum treiben. Im übrigen befindet sich in den beiden tiefergelegenen Räumen natürlich auch kein Altar o.dgl., so daß es sich hier tatsächlich um eine Vorrichtung für nichtkultische Schlachtungen handelt.72a
3.4 Ergebnisse Es zeigt sich also, daß das Fleisch, das im macellum zum Verkauf kam, für den Käufer in der Tat von unklarer Herkunft war – es konnte sich tatsächlich um beides handeln, um normales Fleisch, also Fleisch von Tieren, die nicht für Opfervorgänge geschlachtet worden waren, und um Fleisch, das aus kultischen Schlachtungen stammte.73 Auch literarische und bildliche Zeugnisse sprechen dafür, daß es – jedenfalls in klassischer und hellenistisch-römischer Zeit – neben dem aus kultischen Schlachtungen stammenden Fleisch auch solches aus nichtkultischen Schlachtungen gab.74 So rechnet Plinius d.J. es sich in seinem vielzitierten Brief Ep. X 96,10 an Trajan als Erfolg an, daß aufgrund seiner Maßnahmen gegen die Christen das Opferfleisch wieder Absatz findet, „für das sich bisher nur ganz selten ein Käufer fand“ – was voraussetzt, daß man seinen Fleischbedarf auch anderweitig decken konnte.75 Eine lohnende Aufgabe wäre auch die systematische Auswertung des Materials der klassischen und nachklassischen Vasenmalerei. Hier sei nur auf eine Darstellung aus dem 5. Jh. v.Chr. (jetzt: Boston, Mass.; Museum of Fine Arts, H.C. Pierce Fund)
72 „À divers endroits, les pierres des murs de ces pièces sont percées horizontalment de trous destinés à attacher des bêtes. Peut-être ces annexes ont-elles servi d’écuries ou encore d’abattoire pour le marché aux vivres“ (DE RUYT, Macellum [s. Anm. 11], 216). 72a S. Nachtrag 2 am Ende dieses Beitrags (S. 196). 73 So auch KLAUCK, Herrenmahl (s. Anm. 9 ), 273–275. 74 Zutreffend stellt KLAUCK, Herrenmahl (s. Anm. 9), 274, fest: Die These, „jede Profanschlachtung in Haus und Hof sei von einfachen Opferriten wie dem Verbrennen einiger Fleischstücke oder der Stirnhaare begleitet worden, hat außer Od. 14,422f keinen zweifelsfreien Beleg für sich.“ Ebenso besagt die religionsgeschichtliche These über den Ursprung des Opfers als notwendigem Begleitritus für die menschliche Fleischbeschaffung (W. BURKERT, Homo necans. Interpretation altgriechischer Opferriten und Mythen, [RVV 32], Berlin 1972, 8–60) nichts über die Praxis in klassischer oder gar nachklassischer Zeit. 75 Hier liegt außerdem die Annahme nahe, daß dort jedenfalls das Opferfleisch überwiegend in den Tempeln selbst zum Verkauf gelangte. Oder soll man annehmen, daß die Christen in Bithynien beim Einkauf im macellum jeweils gezielt nachgefragt haben?
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verwiesen,76 die einen Metzger mit seinem Gehilfen bei der Arbeit zeigt. Der Metzger befindet sich am Schlachtbock bei der Zerlegung eines geschlachteten Tieres, auch eine große Schüssel bzw. ein Kessel ist zu sehen sowie an der Wand hängende Teile eines Tieres – es fehlt aber jeder Hinweis auf einen kultischen oder rituellen Aspekt dieses Vorgangs.
Dabei ist noch nicht einmal zu postulieren, daß das verkaufte Fleisch in der Regel mehrheitlich Opferfleisch war.77 Natürlich war die Situation variabel, da die Häufigkeit von Opfervorgängen in einer Stadt jeweils schwankend war. Doch ist es unwahrscheinlich, daß der Gesamtbedarf in einer Stadt wie Korinth regelmäßig überwiegend aus Opferschlachtungen gedeckt werden konnte. Zu Beginn waren zwei Fragen formuliert worden: 1. Frage: Ist der Befund von Pompeji bei Lietzmann richtig interpretiert? 2. Frage: Wie repräsentativ ist der Befund von Pompeji? Zur 1. Frage: Der Befund von Pompeji ist von Lietzmann insofern richtig interpretiert worden, als es dort tatsächlich kultische Schlachtungen im macellum gab. Doch ist es eine ganz unbegründete Schlußfolgerung, daß damit alles im macellum von Pompeji angebotene Fleisch aus kultischen Schlachtungen im nordöstlichen Raum dieses macellum selbst stammt. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der überwiegende Teil des dort verkauften Fleisches aus Schlachtungen außerhalb des macellum stammte und somit auch ‚normales‘ Fleisch sein konnte. Zur 2. Frage ist festzustellen: Auch mit der soeben formulierten Einschränkung ist der Befund von Pompeji nicht repräsentativ. Im Gegenteil: Das macellum von Pompeji erweist sich mit seinen zwei verschiedenen Kulträumen und mit seinen Vorrichtungen für kultische Schlachtungen im nord-östlichen Kultraum, nämlich der Kammer zur Aufbewahrung von Opfertieren und dem Kultraum mit einem besonders gestalteten Altar, als eindeutiger Ausnahmefall, dem in dieser Hinsicht kein zweites macellum entspricht.
76 Ich stütze mich auf die Wiedergabe in W. BURKERT u.a., Propyläen – Geschichte der Literatur I: Die Welt der Antike, Berlin 1981, 111. 77 Dabei ist zu berücksichtigen, daß keineswegs jeder Opfervorgang dazu führte, daß anschließend auch Opferfleisch zum Verkauf an nichtbeteiligte Personen gelangte. Gerade bei privaten Opfern handelt es sich ohnehin häufig um rein vegetabile Gaben- bzw. Spendeopfer (Wein, Getreide oder Früchte) bzw. unblutige Räucheropfer. Tieropfer (insbesondere für Herakles und Asklepios) bestanden häufig lediglich aus dem berühmten Hahn (vgl. Platon, Phaid. 118). Auch von größeren Opfern wurde ein erheblicher Teil des Opferfleisches von den Kultteilnehmern direkt verzehrt. Daneben gab es (wenn auch in begrenzterem Umfang) Ganzopfer, deren Fleisch an sich überhaupt nicht zum Verzehr kam; hierauf bezieht sich wohl die Episode bei Diogenes Laertius 2,132.
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4. Die von Paulus in 1Kor 8–10 vorausgesetzten Situationen und seine Stellungnahme 4.1 Zu 1Kor 10,25 Aus dem archäologischen Befund ergibt sich also für die Ausführungen des Paulus in 1Kor 10,25, daß der Apostel hier keineswegs seiner Gemeinde einen doppelbödigen oder gar scheinheiligen Ratschlag erteilt. Vielmehr kann Paulus mit Recht davon ausgehen, daß die Situation im macellum völlig offen ist, daß man dort zwar auch Opferfleisch, aber eben genauso Fleisch bekommen konnte, das nicht aus paganen kultischen Schlachtungen stammte. Da die Situation also grundsätzlich offen ist, gibt es für Angehörige einer christlichen Gemeinde insgesamt drei verschiedene Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen: a) sich vorsichtshalber von jedem Fleischeinkauf im macellum fernzuhalten; in der Praxis müßte man dann entweder Vegetarier werden oder beim jüdischen Schlachter einkaufen; b) beim Kauf jeweils sicherheitshalber nachzufragen; c) beim Kauf bewußt nicht nachzufragen. Paulus erklärt die letztgenannte Möglichkeit ausdrücklich als eine für einen Christen durchaus angemessene Verhaltensweise. Dies kann man nur dann richtig beurteilen, wenn man die verschiedenen Situationen, die Paulus in 1Kor 8–10 anspricht, insgesamt in Betracht zieht.78
4.2 Die von Paulus in 1Kor 8–10 diskutierten Situationen Insgesamt werden von Paulus in 1Kor 8–10 vier verschiedene Situationen benannt: 1. GKXFYNQNCVTKC – Götzenopferdienst (1Kor 10,14–22), also Teilnahme an paganen Kulthandlungen; von Paulus wird diese Teilnahme an paganen Kultvorgängen noch zugespitzt auf das Liegen am „Tisch der Dämonen“ (10,21), also auf die Teilnahme an Kultmählern. Hier gilt die kompromißlose Forderung: „Fliehet den Götzendienst“ (10,14). Dies gilt auch (und besonders) für die sog. „Starken“, also die, die für sich den Besitz von „Erkenntnis“ in Anspruch nehmen (vgl. 1Kor 8,1.10); auch für sie gilt diese 78
Vgl. zum Folgenden den exegetischen Einzelnachweis im Aufsatz des Vf.: „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32). Christliche Identität im OCMGNNQPin Korinth und bei Privateinladungen, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi. (FS Günter Klein), Tübingen 1998, 35–54 (in diesem Band 145–164).
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strikte Weisung, selbst wenn sie sich subjektiv von den paganen Kultvorgängen nicht betroffen fühlen sollten. Hier argumentiert Paulus übrigens auch nicht mit der notwendigen Rücksicht auf die „Schwachen“, sondern ganz prinzipiell, nämlich vom Sakrament her: Das Sakrament, das Anteil an Blut und Leib Christi gewährt und damit Gemeinschaft mit dem Herrn, schließt Gemeinschaft mit den Dämonen aus. Völlig indiskutabel ist für Paulus offenbar auch ein Fall, den er überhaupt gar nicht erst erwähnt, nämlich der Einkauf von Fleisch im Tempel. Falls dies auch in Korinth möglich war (und dies ist durchaus in Rechnung zu stellen), dann ist für Paulus – und offenbar auch für die korinthische Gemeinde insgesamt – klar, daß dies jedenfalls völlig ausgeschlossen ist.79
2. Die zweite Situation, die Paulus ausdrücklich anspricht, ist das Gastmahl im „Götzenhaus“ (1Kor 8,10), d.h. die Teilnahme an einem Gastmahl in einem Bankettraum eines Heiligtums – wobei hier offenbar nicht an ein Kultmahl, sondern an eine private Einladung in einen solchen Bankettraum gedacht ist. Das hält Paulus für ausgesprochen bedenklich – nicht zuletzt im Blick auf den „schwachen“ Bruder. In der Tat war diese Situation auch äußerst zweideutig, denn die räumliche Nähe zum Kult war eindeutig. Hier war es hinreichend wahrscheinlich, daß das Fleisch, das bei einer solchen Einladung zum Verzehr kam, aus einer Schlachtung innerhalb des gleichen Tempelbezirks, in dem sich auch der Bankettraum befand, stammte. Als Gast konnte man also davon ausgehen, daß hier jedenfalls in erster Linie Opferfleisch zum Verzehr kam, und zwar auch ohne daß ein Teilnehmer oder der Gastgeber selbst darauf ausdrücklich hinweisen mußte. Der Fall war also keineswegs so offen wie im macellum. 3. Fleischkauf im macellum für den eigenen Verzehr (1Kor 10,25), wobei der christliche Käufer davon ausgehen muß, daß die Möglichkeit besteht, auch Opferfleisch zu bekommen, und wo der christliche Käufer auch voraussetzen muß, daß der Fleischverkäufer weiß, woher das Fleisch stammt, also auch in der Lage wäre, auf Nachfrage hin hierüber Auskunft zu geben. 4. Der vierte Fall ist die Privateinladung bei einem Nichtchristen (1Kor 10,27–29), bei der die Möglichkeit besteht, daß zumindest der Gastgeber weiß, woher das Fleisch stammt. In den beiden letztgenannten Fällen, so Paulus, ist es für einen Christen keineswegs notwendig, sich beim Fleischverkäufer oder beim Gastgeber
79
Das würde dafür sprechen, daß es den ‚Starken‘ nicht um die Demonstration ihrer ‚Gnosis‘ als solche ging, sondern um den sozial-kommunikativen Aspekt, nämlich den gesellschaftlich bedingten Verzehr von Opferfleisch, also um die ungehinderte Teilnahme an Einladungen, sei es in ein Privathaus, sei es in einen Bankettraum eines Tempels.
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genauer zu erkundigen, woher das Fleisch stammt. Damit formuliert Paulus eine grundsätzliche Freigabe, wobei natürlich alles auf die sachgerechte Begründung ankommt.
4.3 Die Kriterien der paulinischen Stellungnahme Möglich ist die hier formulierte Freigabe, im macellum unbedenklich zu kaufen, weil Paulus grundsätzlich zwischen GKXFYNQSWVQP undGKXFYNQNCVTKC, zwischen Götzenopferfleisch und Götzenopferdienst unterscheidet. Diese Unterscheidung hat Paulus in 1Kor 10,19.20 grundsätzlich formuliert: „Was sage ich? Daß das Götzenopferfleisch etwas ist? Oder daß der Götze etwas ist?“ Der rhetorische Charakter dieser Fragen macht klar, daß sie nur verneint werden können. In der Fortsetzung bezieht sich Paulus daher auch nicht mehr auf die Substanzen, sondern auf die Personen: „sondern, – so fährt Paulus fort – was sie opfern, opfern sie Dämonen und nicht Gott. Ich will aber nicht, daß ihr Genossen von Dämonen werdet.“ Der Christ wird also nicht von den Substanzen als solchen in seinem Handeln bestimmt, sondern bestimmend sind die Situationen, in die sich eine Person dadurch begibt, daß sie in dieser oder jener Weise mit den Substanzen umgeht. Mit dieser Unterscheidung hat Paulus einen Sachgesichtspunkt jenseits der Differenzen zwischen „Schwachen“ und „Starken“ gewonnen, und er kann jetzt den Handlungsraum für alle, einschließlich der „Starken“, umschreiben, und zwar so, daß auch die sog. „Schwachen“ dies als sachgemäße Verhaltensweise anderer Gemeindeglieder akzeptieren müssen. Der grundlegende Sachgesichtspunkt lautet: Nicht die Substanz affiziert den Kaufenden und auch nicht den Essenden irgendwie negativ; gegenüber den Substanzen selbst gilt der Grundsatz: „Des Herrn ist die Erde und ihre Fülle“ (1Kor 10,26). Dies gilt ohne Einschränkung. Genauso eindeutig gilt aber: Wenn ein anderer Mahlteilnehmer beim Gastmahl dem eingeladenen Christen gegenüber ausdrücklich auf die kultische Qualität des angebotenen Fleisches hinweist, ist das Fleisch zwar immer noch das gleiche Fleisch, aber die Situation hat sich geändert. Jetzt kann der von Christen vollzogene Bruch mit der Verehrung der „Götzen“ (vgl. 1Kor 12,2 und auch 1Thess 1,9) nur dadurch glaubwürdig durchgehalten werden, daß der Verzehr der so als Opferfleisch deklarierten Speise vom Christen grundsätzlich abgelehnt wird. Von dieser Problemlösung her, die Paulus erst ganz am Ende seiner Ausführungen zum Thema des Götzenopferfleisches formuliert, ergeben sich auch Rückschlüsse auf die zuvor genannten Situationen.
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Der erste Rückschluß betrifft die Situation des Einkaufs im macellum. Wenn hier der Verkäufer von sich aus erklären würde: „Dies ist Opferfleisch“, wäre für den Christen die gleiche Situation gegeben wie bei einer entsprechenden Erklärung beim Gastmahl.80 Die Konsequenz könnte daher nur lauten: Dann nicht zu kaufen. Auch für das „Liegen im Götzenhaus“ (1Kor 8,10), zu dem Paulus in Kap. 8 nicht definitiv Stellung genommen hat, ergibt sich eine klare Beurteilung: Mit einem solchen Schritt würde sich ein Christ in eine Situation begeben, in der von vornherein deutlich ist, daß hier ganz bewußt Götzenopferfleisch zum Verzehr kommen kann; d.h. man würde sich hier von vornherein in eine ausgesprochen problematische Nähe zum Götzenopferdienst begeben. Wenn also die Briefempfänger bereit waren, die von Paulus erarbeiteten Gesichtspunkte zu übernehmen und auf diesen Fall anzuwenden, müßten sie zu dem Schluß gekommen sein: Diese Einladung, also die Einladung zu einem Gastmahl in einem Bankettraum eines Tempels, die sollte man erst gar nicht annehmen; und hier – so Paulus – kann sich ein schwacher Bruder auch mit Recht verletzt fühlen.81 Die Stellungnahme des Paulus fällt also ausgesprochen differenziert aus. Dies war auch gar nicht anders möglich aufgrund der vielfältigen und unterschiedlich deutlichen Präsenz paganer Kultelemente im Alltag der hellenistisch-römischen Welt. Angesichts dieser Gesamtsituation konnte Paulus auch nur abgestuft und differenziert argumentieren – jedenfalls dann, wenn es galt, einerseits den grundsätzlichen Bruch mit den sog. Götzen auch im Alltag tatsächlich umzusetzen und durchzuhalten – und andererseits innerhalb der vorgegebenen sozialen Umgebung den Glauben an den erhöhten Herrn zu praktizieren und nicht aus der Welt auszuwandern, was Paulus ja in 1Kor 5,9 auch ausdrücklich ablehnt. In dieser Situation mußten die frisch gegründeten frühchristlichen Missionsgemeinden ihre Identität im Alltag finden, und zwar ohne auf frühere Problemlösungen, etwa von jüdischer Seite, zurückgreifen zu können. Für diese offene Situation, in der sich Ge80
215.
So zutreffend M. WOLTER, Art. Gewissen II. Neues Testament, TRE 13, 1984, 213–218, hier
81 In der mündlichen Diskussion (s. Anm. 1) hat J. Becker/Kiel die These vertreten, das „Liegen im Götzenhaus“ sei nur deswegen problematisch gewesen, weil hierüber in der Gemeinde von Korinth kein Konsens bestanden hätte; wären sich alle einig gewesen, hätte die Teilnahme an einem Gastmahl innerhalb eines Tempelbereichs überhaupt kein Problem dargestellt. Aber dasselbe würde ja auch für die Einladung in ein Privathaus gelten. Diese war ja offensichtlich auch umstritten. Aufschlußreich ist nun aber doch, daß Paulus für den Fall der Privateinladung den ‚Starken’ durch konkrete Weisungen die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet (1Kor 10,27f), was jedoch für die Teilnahme an einem Mahl in einem ‚Götzenhaus‘ unterbleibt. Paulus differenziert also zwischen Situationen, von denen sich ein ‚Schwacher‘ mit Recht verletzt fühlen kann, und solchen, wo dies nicht gegeben ist. Dabei kommt als Kriterium für die Differenzierung in 1Kor 8– 10 nur die Nähe bzw. Distanz zum Götzenopferdienst in Frage.
„Alles, was evn makke,llw| verkauft wird, eßt …“
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meinden wie die von Korinth befanden, formuliert Paulus hier konkrete Weisungen. Er erarbeitet aber gleichzeitig grundsätzliche Gesichtspunkte, von denen her sich seine Weisungen begründen und die auch eine eigenständige Urteilsbildung der Gemeinden selbst ermöglichen.
Nachtrag 1: Zur Lage des macellum in Korinth82 S.C.K. Williams: Roman Corinth as Commercial Center, in: T.E. Gregory (Hg.), The Corinthia in the Roman Period, Ann Arbor 1993, 31–46, hat die Lage des macellum z.Zt. des Paulus nachgewiesen: Es befand sich in der Nähe des Forums und der repräsentativ ausgestalteten Peirene-Quelle und wurde nach dem Erdbeben 77 n.Chr. in einen säulenumstandenen Hof, den sog. Peribolos des Apollos, umgestaltet. Das macellum war von nahezu quadratischem Grundriß, hatte auf der Nord- und Südseite des Innenhofs je eine Ladenreihe und in der Mitte einen Rundbau mit Wasseranschluß. Somit entsprach es dem Grundmodell eines macellum des 1. und 2. Jh. n.Chr. Allerdings bleibt für die Zeit ab 77 n.Chr. die Lage des macellum ungeklärt. Daß es ersatzlos aufgegeben wurde, ist ganz unwahrscheinlich. – Den Hinweis auf die Veröffentlichung von S.C.K.Williams verdanke ich dem freundlichen Hinweis von Herrn Kollegen Dieter Zeller/Mainz.
Tafel 9
82
Der Peribolos des Apollon in Korinth, der Platz des macellum z.Zt. des Paulus
Nachtrag (2007) zu S. 185 (bei Anm. 60a).
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Nachtrag 2: Zum macellum in Thugga83 Bei einem Besuch in Thugga (Provinz Africa proconsularis; heute: Dougga/ Tunesien) während einer Exkursion nach Tunesien und Libyen am 17.3.2006 hat sich der aus der Literatur entnommene Befund eindeutig bestätigt. Der außerhalb (und unterhalb) des macellum gelegene Schlachtraum ist klar erkennbar, ebenfalls die Treppen, die von dort zur Rückseite des macellum führen.
Tafel 10
Tafel 11 83
Schlachtraum unterhalb des macellum von Thugga
Rückseite des macellum von Thugga mit Treppe
Nachtrag (2007) zu S. 189 (bei Anm. 72a).
Die Einmaligkeit des Anfangs und die Fortdauer der Institution∗ Neutestamentliche Beobachtungen zum Problem der Gemeindeleitung
Fragt man in neutestamentlicher Perspektive nach Modellen von Gemeindeoder gar Kirchenleitung und deren theologischer Begründung, so liegen zwei Bezugspunkte auf der Hand: Die Orientierung an dem primär vom Gedanken der Charismen geprägten Gemeindeverständnis des Paulus oder der Rückbezug auf die institutionell angelegte Ämterstruktur der Pastoralbriefe. Damit steht man aber sofort in der Gefahr, in die Falle eines Geschichtsbildes zu tappen, das vom Unterschied zwischen dem großartigen Anfang in der ersten Generation und dem Abfall in der zweiten und dritten Generation bestimmt ist. Dieses Geschichtsbild ist aus zwei Gründen suggestiv: 1. Der in der Tat sehr geringe Institutionalisierungsgrad der frühchristlichen Gemeinden in ihrer Gründungsphase, und aus dieser stammen ja die Briefe des Paulus durchweg, kommt einer latenten oder gar offenen institutionskritischen Haltung im heutigen Protestantismus sehr entgegen. 2. Schon im Neuen Testament selbst wird das Bild einer vorbildlichen Ursprungszeit des Christentums entworfen, und die Anfangsphase ist als eine Zeit der idealen Gemeinschaft beschrieben, in der es weder Meinungsunterschiede noch soziale Unterschiede gab. Dies geschieht Ende des 1. Jh. n.Chr. in der Apostelgeschichte, dort in den Kapiteln 2–6. Dabei ist diese Schilderung der idealen Jerusalemer Urgemeinde der 30iger und 40iger Jahre als bewußtes Gegenbild zur eigenen Gegenwart gestaltet. Von der Gegenwart gilt eben nicht, daß dort alle ‚ein Herz und eine Seele‘ sind (4,32), beständig ‚einmütig‘ beieinander sind (1,14; 2,46; 5,12) und geschlossen festhalten an der ‚Lehre der Apostel‘ (2,42). Für die Gegenwart, die in der Abschiedsrede des Paulus in Milet (Apg 20) in den Blick kommt, gilt vielmehr, daß es jetzt ‚reißende Wölfe‘ gibt (20,29), nämlich Leute, die aus den eigenen Gemeinden stammen „und Falsches reden, um die Jünger hinter sich her zu ziehen“ (20,30). Natürlich dient diese Gegenüberstellung als Mahnung an die Adresse der Leser in der eigenen Zeit des Lukas. Gleiches gilt für das Bild der idealen Gütergemeinschaft (Apg 2,44f; 4,32.34f): ∗
Zuerst erschienen in: Böttcher, M./Schilberg, A./Tübler, A.-C. (Hg.), Die kleine Prophetin Kirche leiten (FS G. Noltensmeier), Wuppertal 2005, 155–168.
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Es ist Mahnung zu einem sachgemäßen Umgang mit dem an sich ‚ungerechten Mammon‘ (Lk 16,9). Auch wenn hier ein durchaus erkennbares Interesse leitend ist und man auch das Gegenüber eines ‚apostolischen‘ und eines ‚nachapostolischen‘ Zeitalters als Konstrukt durchschaut,1 es bleibt die Tatsache, daß sich die Verfasser einer ganzen Reihe von Schriften des Neuen Testaments als Angehörige der zweiten oder gar dritten Generation verstehen. Dies allein ist schon ein erstzunehmendes Signal für einen Bewußtseinswandel. Diese Selbstwahrnehmung kommt besonders deutlich in den Pastoralbriefen zum Ausdruck, wenn dort die Presbyter von den Paulusschülern Timotheus und Titus eingesetzt werden, die ihrerseits dafür von Paulus beauftragt werden (Tit 1,5, vgl. 1Tim 5,22). Gerade weil man sich bewußt war, nicht mehr zur Gründergeneration zu gehören, ja daß, wie es in 2Petr 2,4 heißt, ‚die Väter entschlafen sind‘,2 war es für die Vertreter der dritten Generation unumgänglich, sich dieser Situation zu stellen und die damit sich ergebenden Aufgaben wahrzunehmen. Die Aufgaben, die sich jetzt stellten, waren: 1. Die Entwicklung eines tragfähigen theologischen Fundaments – selbstverständlich in Orientierung an der gemeindegründenden Verkündigung der Apostel und Missionare der ersten Generation, aber so, daß die Erfordernisse der veränderten Situation mitreflektiert wurden. 2. Die Entwicklung tragfähiger Gemeindestrukturen, die auch personenunabhängig Bestand haben konnten und die es ermöglichten, das als theologisch notwendig Erkannte in den Gemeinden auch umzusetzen.
II Kennzeichnend für die theologische Entwicklung Ende des 1. Jahrhunderts ist die bewußte Orientierung am Anfang. Diesem Ziel dient die Sicherung der Überlieferung. Doch erfolgt dies nicht aus antiquarischem Interesse, sondern die Überlieferung ist notwendig als Fundament der Gegenwart, und zwar als eine möglichst breite Basis für eine möglichst große Anzahl christlicher Gemeinden, wenn nicht gar aller. So sind in dieser Zeit mehrere Versuche greifbar, verschiedenartige Traditionen zu integrieren und damit auch Gemeinden unterschiedlicher Prägung in das Ganze der ‚Ekklesia Gottes‘ (Apg 20,28) einzubinden. Vgl. HANS CONZELMANN, Geschichte des Urchristentums, GNT 5, Göttingen 21971, 5–8. Dazu vgl. JÜRGEN BECKER, Das Urchristentum als gegliederte Epoche, SBS 155, Stuttgart 1993, 87–96. 1 2
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Ein deutliches Dokument einer solchen integrativen Zielsetzung ist das Matthäusevangelium. Matthäus rezipiert das heidenchristliche Markusevangelium und die palästinisch geprägte Logienquelle; er übernimmt dezidiert judenchristliche Positionen (Mt 10,5) und integriert sie in eine an der Verheißungsgeschichte Israels orientierte, jedoch universalistisch ausgerichtete Gesamtkonzeption (Mt 28,16–20). Auf der Ebene der Gemeinde entspricht dem die an die Gemeindeleiter gerichtete Warnung, nicht ‚die Kleinen‘ verlorengehen zu lassen (Mt 18,10.14). Integrativ ausgerichtet ist auch das lukanische Doppelwerk. Hier wird nicht nur die Differenz zwischen gemeindegründender Ausgangsphase und der Gegenwart reflektiert, das Doppelwerk als solches ist ja Ausdruck dieses Bewußtseins. Es wird auch eine theologische Grundlage formuliert, die es ermöglicht, so unterschiedliche Gestalten wie Petrus, Paulus und Jakobus in ein übergreifendes Gesamtkonzept einzubinden. Jedem der Protagonisten wird dabei soviel Profil gelassen, wie dies möglich ist, ohne diese Einbindung zu gefährden. Der gesetzestreue Jakobus formuliert (unter ausdrücklichem Verweis auf Mose!) die Bestimmungen des Aposteldekrets, doch dient dies dazu, den Verzicht auf die Beschneidungsforderung an die nichtjüdischen Gemeindeglieder zu legitimieren (Apg 15,19–21). Der gegenüber den Gemeinden nichtjüdischer Herkunft und ihrer Lebensart offenere Petrus ist derjenige Jerusalemer, der die erste Heidentaufe vollzieht (Apg 10), der gesetzeskritische Paulus wird zwar als völlig gesetzestreu dargestellt, kann aber in Apg 13,38 das Unvermögen des Gesetzes formulieren, und zwar durchaus in der Antithese von Gesetz und Glaube. Daß dies alles ein Zufall ist, wird man kaum annehmen können. Ein drittes Zeugnis dieser integrativen Tendenz ist der sicher erst Ende des 1. Jahrhunderts, aber vielleicht auch erst Anfang des 2. Jahrhunderts verfaßte 1. Petrusbrief. Über dessen ‚Paulinismus‘ ist ja viel gestritten worden, denn die Nähe zur Paulustradition ist unübersehbar, die Differenzen ebenfalls.3 Hinzu kommen äußere Daten, die darauf schließen lassen, daß der Eindruck der Nähe zur Paulustradition bewußt angestrebt ist. Dazu zählen die Anlehnung an das paulinische Briefformular (was im Jakobusbrief gerade nicht der Fall ist!) und die (natürlich pseudepigraphische) Inanspruchnahme der Paulusmitarbeiter Silvanus und Markus (5,12f). Besonders aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Adressierung des Briefes an die fünf Provinzen Kleinasiens: Davon sind zwei Provinzen sozusagen klassische Missionsgebiete des Paulus (die Provinzen Galatien und Asia), hinzu kommen drei weitere, für die keine Paulustraditionen anzunehmen sind (Kappadozien, Bithynien und Pontus). Das bedeutet: Hier 3
5
Vgl. dazu den Überblick bei UDO SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 2005, 456 (mit Literatur).
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versucht ein Verfasser, eine theologische Grundlage zu formulieren, die sowohl für paulinisch als auch nicht-paulinisch geprägte Gemeinden Kleinasiens akzeptabel ist. Die Dringlichkeit ergibt sich aus der Verfolgungssituation, die offenbar neu ist und eine Stärkung der Gemeinden notwendig macht. Diese Lage erfordert eine neue apostolische Weisung. Sie erfolgt im Namen des Petrus, aber mit einer theologischen Grundlegung, in der sich paulinische, aber auch anders geprägte Gemeinden gleichermaßen wiederfinden können. Dabei ist Petrus, anders als Paulus, offenbar im Rückblick geeignet, auch als Person diese Tendenz zur Integration unterschiedlich geprägter Gemeinden glaubwürdig zu verkörpern. Hier ist die durchaus zutreffende historische Erinnerung wirksam, daß Paulus als besonders profilierter Apostel polarisiert hat, während Petrus eher als Vermittler wirksam gewesen ist. Analoges zeigt sich auch in Mt 16,18, dem berühmten Felsenwort. Das hier vorliegende Bild von der Kirche als Bau weist eine deutliche Nähe zu Eph 2,20 auf. Der Epheserbrief, wie das Matthäusevangelium etwa zwischen 80 und 100 n.Chr. verfaßt, spricht davon, daß die Kirche erbaut ist „auf dem Fundament der Apostel und Propheten, wobei Christus der Eckstein ist“. Hier zeigt sich ein für die dritte Generation aufschlußreicher Sachverhalt: Es genügt jetzt nicht mehr, wie das in der ersten Generation der Fall war, Christus als Fundament der Gemeinde zu bezeichnen (so Paulus in 1Kor 3,11), notwendiger Teil der eigenen Identität sind jetzt auch die gemeinsamen ‚Väter‘ der gegenwärtigen Generation.4 In den Pastoralbriefen ist dies Paulus allein – allerdings damit auch begrenzt auf den paulinischen Traditionsbereich. In Eph 2,20 sind es ganz umfassend die „Apostel und Propheten“, die das Fundament des ‚Baus‘ der Kirche bilden. Und hier ist es auch angemessen, von ‚Kirche‘ zu reden, die zwar noch keinerlei ortsübergreifende Organisationsstrukturen aufweist, aber im Rückbezug auf das gemeinsame Fundament ihre Zusammengehörigkeit findet. Dieses gemeinsame Fundament, in Eph 2,20 als „Apostel und Propheten“ bestimmt, wird in Mt 16,18 personell zugespitzt auf Petrus als das Felsenfundament der Kirche insgesamt.5 Damit werden gerade keine aktuellen (und damit immer: partikularen!) Herrschaftsansprüche erhoben,6 sondern es wird die Person aus der gemeinsamen Ursprungsgeschichte benannt, auf die
4 So m.R. MICHAEL WOLTER, Die Pastoralbriefe als Paulustradition, FRLANT 146, Göttingen 1988, 270 in bezug auf die Rolle des Paulus in den Pastoralbriefen. 5 Vgl. die gründliche Analyse bei ULRICH LUZ, Das Evangelium nach Matthäus. 2.Teilband. Mt 8–17, EKK I/2, Zürich /Neukirchen-Vluyn 1990, 455–458. 567–471. 6 Das zeigt sich sehr schön in der Abfolge von Mt 16,18f zu 18,18: Die Binde- und Lösegewalt, die in 16,19 zunächst Petrus zugesprochen wird, wird in 18,18 auf die Gemeinde insgesamt ausgedehnt, die Funktion des Petrus als Felsenfundament dagegen nicht.
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sich alle (oder jedenfalls möglichst viele) Gemeinden beziehen können, um ihre Zusammengehörigkeit tatsächlich darstellen zu können. Die Integration möglichst vieler Traditionen hat aber einen doppelten Preis: Einmal den der Abschleifung scharfer Konturen, was man exemplarisch in der Apostelgeschichte sehen kann. Gleichzeitig ergab sich aber auch die Notwendigkeit der Grenzziehung gegenüber denjenigen Positionen, die nicht integrierbar sind. Die innere Pluralisierung des frühen Christentums war ja ein fortdauernder Prozeß, so daß zugleich auch die Frage der Abgrenzung, und d.h. die Frage der Irrlehre akut wurde. Und so steht im Matthäusevangelium neben der Aufforderung, die ‚Kleinen‘ nicht verlorengehen zu lassen, die scharfe Warnung vor den Pseudopropheten (7,15–23).
III Damit ist zugleich vorgezeichnet, warum und in welchem Sinne tragfähige Gemeindestrukturen und -funktionen entwickelt werden mußten. Für die Entwicklung der Strukturen der frühchristlichen Gemeinden, insbesondere für die Ausbildung des Presbyteramtes wurde in der Forschung bisher in der Regel auf die jüdische Synagogengemeinde verwiesen. Nachdem in der Gründungsphase spezifische, für die Missionsgemeinden typische Funktionen entwickelt worden waren, nämlich „Apostel, Propheten und Lehrer“ (1Kor 12,28), wäre jetzt in der Konsolidierungsphase auf erprobte Modelle aus dem Umfeld des frühen Christentums zurückgegriffen worden. Doch wird die Orientierung am Modell der Synagogengemeinde in der neueren Forschung nicht mehr so fraglos akzeptiert wie in früheren Generationen. Die lange aus dem Blickfeld geratenen Beziehungen der frühchristlichen Gemeinden zu den hellenistisch-römischen Vereinen werden wieder verstärkt wahrgenommen;7 zudem wird gefragt, ob nicht auch in bezug auf Synagogengemeinden mit Bezügen zum hellenistisch-römischen Vereinswesen zu rechnen ist,8 so daß sich die alten Entgegensetzungen aufzulösen beginnen. Schließlich wird immer deutlicher, daß die Funktion des Presby7 Vgl. DIETRICH-ALEX KOCH/ DIRK SCHINKEL, Die Frage nach den Vereinen in der Geistesund Theologiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung des zeitgenössischen Vereinswesens und der „Wende“ in der protestantischen Theologie nach 1918, in: Andreas Gutsfeld und Dietrich-Alex Koch (Hg.), Vereine, Synagogen und Gemeinden im kaiserzeitlichen Kleinasien, STAC 25, Tübingen 2005, 129–148; RICHARD ASCOUGH, Voluntary Associations and the Formation of Pauline Christian Communities: Overcoming the Objections, ebd. 149–183. 8 Vgl. JOHN M.G. BARCLAY, Money and Meetings, Group Formation among Diaspora Jews and Early Christians, ebd. 113–127.
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ters keineswegs im Bereich der Synagogen des 1. Jahrhunderts bereits so fest verankert war, daß sie als Modell für die frühchristlichen Gemeinden gedient haben könnte. Für die Funktion des episkopos („Bischof“) ist dies ohnehin nicht der Fall. Hat also das frühe Christentum – natürlich im Rahmen der antiken Voraussetzungen – Elemente verschiedener Herkunft aufgenommen und entsprechend seinen eigenen Bedürfnissen hieraus ein eigenes Strukturmodell entwickelt? a) Das frühchristliche Amt des presbyteros („Ältester“)9 ist, wie die jüngste Diskussion gezeigt hat, nur sehr bedingt aus den jüdischen Synagogengemeinden herzuleiten.10 Die jüdischen Inschriften aus dem 1.–3. Jh. n.Chr. zeigen nämlich, daß es eine Fülle von Amtsbezeichnungen gibt (Synagogenvorsteher, Anführer, Verwalter, Schreiber, Vorsteher, Priester). „Der Titel presbyteros ist dagegen vergleichsweise selten belegt.“11 Ein vereinzelter früher Beleg liegt für Jerusalem mit der Theodotos-Inschrift vor, die vermutlich vor 70 n.Chr. zu datieren ist, die Belege in der Diaspora stammen dagegen alle aus dem 3. Jahrhundert oder sie sind noch später. Eine gründliche Analyse (unter Einschluß auch der neutestamentlichen Belege) ergibt: „Der Synagogengottesdienst wurde sehr viel wahrscheinlicher von einem archisynagogos [‚Synagogenvorsteher‘] und vielleicht dazu einem Gehilfen (hyperetes) geleitet als von den presbyteroi [‚Ältesten‘]. Sicher haben Älteste eine wichtige und angesehene Rolle im jüdischen Leben gespielt. Daß sie jedoch damit auch ein spezielles Amt innehatten, ist nicht sichtbar zu machen. Viel eher scheint es sich hier um einen Ehrentitel 9 Es liegt natürlich nahe, gerade in Kirchen reformierter Prägung presbyteros mit ‚Presbyter‘ zu übersetzen. Aber es ist problematisch, die heutigen Aufgaben eines Presbyters unbesehen auch für die presbyteroi in neutestamentlicher Zeit vorauszusetzen. Gleiches gilt erst recht für die Bezeichnungen episkopos („Bischof“) und diakonos („Diakon“). Aus all diesen Bezeichnungen haben sich ja im Laufe der Kirchengeschichte Ämter mit durchaus eigener Geschichte entwickelt, die man gerade nicht zum Ausgangspunkt für die Analyse der neutestamentlichen Texte machen darf. Um dies in Erinnerung zu halten, werden im folgenden die griechischen Begriffe benutzt, und zwar in lateinischer Umschrift und kursiv hervorgehoben. 10 Davon zu unterscheiden ist die Verwendung der Bezeichnung presbyteroi für die Mitglieder der gerousia, des Ältestenrats von Jerusalem (und dem zu Jerusalem gehörenden Territorium) im 2. und 1. Jh. v.Chr. Aber auch hier ist die Terminologie keineswegs stabil. So begegnen im 1. Makkabäerbuch im gleichen Kapitel zwei unterschiedliche Bezeichnungen: In 14,20 wird ein offizielles Schriftstück zitiert; es ist gerichtet an den „großen Priester Simon, die presbyteroi, die Priester und das übrige Volk der Juden“; hier ist in der Tat der Jerusalemer Ältestenrat gemeint. In 14,28 ist dagegen von einer ‚Versammlung der Priester und des Volkes‘ die Rede, wobei der Begriff ‚Volk‘ nochmals spezifiziert wird durch die Wendung ‚die Anführer des Volkes und die presbyteroi des Umlandes(!)‘. Hier sind die presbyteroi offenbar Vertreter der Landbevölkerung! Erst recht kann man nicht die Erwähnung von ‚Ältesten‘ in der Darstellung der staatlichen oder gar der vorstaatlichen Zeit Israels (in den Büchern Exodus, Numeri oder den Königsbüchern) auf das Judentum im 1. Jh. n.Chr. übertragen. 11 CARSTEN CLAUSSEN, Versammlung, Gemeinde, Synagoge. Das hellenistisch-jüdische Umfeld der frühchristlichen Gemeinden, StUNT 27, Göttingen 2002, 271.
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für besonders angesehene und entsprechend einflußreiche Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft und um einen Kollektivbegriff für Leiter überhaupt gehandelt zu haben“.12 In den Pastoralbriefen ist jedoch unstrittig, daß hier ein tatsächliches Amt gemeint ist, auch wenn die damit verbundenen Aufgaben im einzelnen nicht sehr deutlich sind.13 Daß hier ein Amt gemeint ist, zeigt die Parallelität zu den diakonoi („Diakone“): Für beide Gruppen gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen (vgl. Tit 1,6 mit 1Tim 3,8–13). Auch begegnet bereits die Bezeichnung presbyterion (1Tim 4,14), d.h. hier ist ein Ältestenkollegium als institutionelle Größe vorausgesetzt.14 Gerade deshalb werden auch die Aufgaben der presbyteroi in den Pastoralbriefen gar nicht ausdrücklich beschrieben, was für eine heutige Analyse natürlich sehr nachteilig ist. Dort, wo es neben den presbyteroi keinen episkopos („Bischof“) gibt, haben die presbyteroi eindeutig die Aufgabe der Gemeindeleitung. Das ist zum einen in Apg 20 der Fall, wo nach Lukas Paulus die Gemeinde von Ephesus (und das gilt sicher exemplarisch analog für alle Gemeinden) den presbyteroi (und zwar ihnen allein!) anvertraut.15 Dazu paßt zum anderen die Situation der Gemeinde in Philippi, wie sie sich aus dem Brief des Polykarp von Smyrna nach Philippi Anfang des 2. Jahrhunderts ergibt: Auch hier ist kein episkopos vorhanden und die Gemeindeleitung liegt voll in den Händen der presbyteroi. Dabei zeigt die Aufgabe, ‚das Verirrte zurückzuholen‘ (Pol 6,1), daß sich Gemeindeleitung dabei keineswegs auf den Bereich der Verwaltung beschränkte.16 Dem entspricht, daß in den Pastoralbriefen jedenfalls einige presbyteroi durchaus auch Aufgaben im Bereich der Verkündigung und der Lehre haben (1Tim 5,17). Polykarp erwähnt in seinem 12
CLAUSSEN, Versammlung, 273. Zu der Ämterstruktur der Pastoralbriefe vgl. insgesamt JÜRGEN ROLOFF, Artikel: Amt/Ämter, Ämterverständnis, TRE 2, Berlin 1978, 509–533, dort 523–527; DERS., Die Kirche im Neuen Testament, GNT 10, Göttingen 1993, 250–267; HELMUT MERKEL, Die Pastoralbriefe, NTD 9/1, Göttingen 1991, 90–93. 14 Ein solches Kollegium ist für keine Synagogengemeinde belegt. Lk benutzt in Lk 22,66 und Apg 22,5 den Begriff presbyterion für die oberste (politische) Ratsversammlung in Jerusalem, doch begegnet diese Bezeichnung nirgends in jüdischen Quellen. 15 Die in Apg 20,17 erwähnten „presbyteroi der Gemeinde“ haben laut 20,28 die Aufgabe, ‚auf die ganze Herde zu achten‘, in der sie „der Heilige Geist als ‚Aufseher‘ (episkopoi!) eingesetzt hat, um die Gemeinde Gottes zu weiden“; episkopoi (im Plural!) ist hier rein funktional gebraucht. Ein von den presbyteroi unterschiedenes Amt eines episkopos (im Singular!) ist hier noch nicht erkennbar. 16 Pol 6,1: „Aber auch die presbyteroi sollen barmherzig sein, mitleidig gegen alle, das Verirrte zurückholen, nach allen Kranken sehen und nicht die Witwe, die Waise oder den Armen vernachlässigen, sondern stets Sorge tragen für das, was vor Gott und den Menschen gut ist“ (Übersetzung aus: HENNING PAULSEN, Die Briefe des Ignatius von Antiochia und der Brief des Polykarp von Smyrna, HNT 18, Tübingen 1985, 118). 13
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Brief auch den Fall eines presbyteros namens Valens, der offenbar Geld veruntreut hat (11,1–12,1), und Polykarp versucht, diesen Fall zu regeln.17 Ganz analog sehen sich die Pastoralbriefe genötigt zu regeln, wie mit Anklagen gegen presbyteroi umzugehen ist (1Tim 5,19–21). Dabei ist entweder an Verfehlungen im Bereich der Leitungs- und Verwaltungsaufgaben gedacht (also wie im Falle des Valens) oder an Verstöße gegen die moralischen Anforderungen, die nach Tit 1,6 an einen presbyteros zu stellen sind. Die Zuordnung der presbyteroi zum episkopos, dem eigentlichen Gemeindeleiter, spricht dafür, in der Versammlung der presbyteroi eine Art Gemeindevorstand zu sehen, dem Personen aus z.T. unterschiedlichen Gründen angehören konnten – entsprechend der durchaus heterogenen Struktur der jeweiligen Gemeinden. D.h. es ist anzunehmen, daß gesellschaftlich wichtige Personen, also die Vorstände wichtiger Familien bzw. ,Häuser‘, aber auch besonders aktive Gemeindeglieder dem presbyterion angehörten. Dieses presbyterion konnte seine Aufgabe nur erfüllen, wenn in ihm die wesentlichen Kräfte einer Gemeinde vertreten waren. b) Die eigentliche Gemeindeleitung liegt in der Konzeption der Pastoralbriefe beim episkopos („Bischof“, wörtlich: „Aufseher“).18 Er hat vor allem die Aufgabe, die ‚gesunde Lehre‘ zu vermitteln und die ‚Gegner‘ zu widerlegen. Damit sind, wie sich in 2Tim 2,14–26 zeigt, nicht Personen gemeint, die von außen die christliche Wahrheit bestreiten, sondern Angehörige der Gemeinden selbst, die Meinungen vertreten, die von der ‚gesunden Lehre‘ abweichen und als Irrlehre qualifiziert werden. Wenn man außerdem die fiktiv an Timotheus delegierten Aufgaben auf den episkopos beziehen darf, dann ist er es, der über die Zulassung von Anklagen gegen die presbyteroi entscheidet und auch die Aufgabe der Handauflegung innehat (1Tim 5,19– 22). Allerdings besteht hier ein wechselseitiges Verhältnis, denn ‚Timotheus‘ seinerseits ist durch Handlauflegung durch das presbyterion (1Tim 4,14) in sein Amt eingesetzt. In den Pastoralbriefen fungieren die fiktiven Adressaten ‚Timotheus‘ und ‚Titus‘ als ‚Ur‘-episkopoi. ‚Titus‘ soll in Kreta presbyteroi einsetzen, aber keinen episkopos, obwohl dessen Amt ab 1,7 entfaltet wird – die Rolle des episkopos wird hier fiktiv von ‚Titus‘ eingenommen. Charakteristisch ist der gleitende Übergang von Tit 1,9 zu 1,10–16/2,1ff; nach 1,9 ist es die Aufgabe des episkopos, die ‚gesunde Lehre‘ zu vertreten und die Gegner zu widerlegen. Ab 1,10 wird die Notwendigkeit dieser Aufgabe mit dem Hinweis auf den negativen Charakter der Irrlehrer begründet – und 17
Der Fall des Valens ist wohl auch der eigentliche Anlaß des Briefes (vgl. 3,1 und die Warnung vor der ‚Geldgier‘ in 4,1). Valens ist offenbar als presbyteros abgesetzt (vgl. PAULSEN, Briefe, 123), aber der Fall ist damit offenbar noch nicht erledigt. Daß man die Autorität des Bischofs von Smyrna bemüht, ist erklärlich, wenn es in Philippi noch keinen eigenen episkopos gab. 18 Darauf deutet 1Tim 3,5: Der episkopos hat die Aufgabe, sich um ‚die Gemeinde Gottes‘ zu kümmern.
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in 1,13 nahtlos ‚Titus‘ selbst beauftragt, sie mit Strenge „zu widerlegen, damit sie gesund im Glauben werden“; es begegnen also hier sogar die gleichen Stichworte wie in 1,10 für die Beschreibung der Aufgabe des episkopos. Ebenso entspricht die Aufgabenbeschreibung des ‚Timotheus‘ in 2Tim 2,14–26 in der Auseinandersetzung mit den Irrlehrern den Aufgaben des episkopos (und des ‚Titus‘) in Tit 1,7–9/10ff und 1Tim 3,1–7. Für ‚Timotheus‘ und den episkopos gilt, daß sie „zur Lehre befähigt“ sein müssen (1Tim 3,2; 2Tim 2,14).
Dieses Amt des episkopos ist nicht aus den bei Paulus sichtbaren Ämtern in den von ihm gegründeten Gemeinden herzuleiten. Dort gibt es als wichtigste Funktionen „Apostel, Propheten und Lehrer“ (1Kor 12,28), während die Wahrnehmung von Leitungs-, Verwaltungs- und Helferfunktionen offenbar ad hoc geregelt wurde (1Kor 12,28b). Dabei ist bei den verschiedenen Gemeinden keinerlei Uniformität vorauszusetzen, wie sich im Falle von Philippi zeigt. Dort (und nur dort!) stehen an der Spitze der Gemeinde episkopoi und diakonoi („Bischöfe und Helfer“; Phil 1,1). Diese episkopoi (im Plural!) haben wohl eher Leitungsaufgaben, sicher keine Aufgaben im Bereich der Verkündigung oder der Lehre. Dafür spricht die Herkunft dieses Begriffs aus dem Bereich der kommunalen Verwaltung,19 wo mit episkopos zumeist irgendeine Aufsichtsfunktion bezeichnet wird. Dabei ist die Übernahme politischer Funktionsbezeichnungen in hellenstischrömischen Vereinen ein durchaus verbreitetes Phänomen20 und gerade in Philippi gibt es dazu durchaus vergleichbare Beispiele. Im Verein der Silvanusverehrer hat ein Mitglied den Ehrentitel eines Ädil verliehen bekommen,21 d.h. hier wird ein eindeutiger Verwaltungstitel innerhalb eines Vereins verwendet, denn der Ädil war innerhalb des römischen Verwaltungssystems derjenige Beamte, der für die Sicherheit in der Stadt zuständig war, die Aufsicht über den Markt, die öffentlichen Veranstaltungen usw. hatte. Eine weitere Inschrift aus Philippi nennt sehr wahrscheinlich ‚Procuratoren‘ als Funktionsträger in einem Verein für die Verehrung einer thrakischen Gottheit.22 Damit kommt man in der Tat in die Nähe der episkopoi aus Phil 1,1, denn der lateinische Begriff procurator („Verwalter“) wird zwar im Griechischen mit epitropos wiedergegeben, aber er kommt dem Begriff des episkopos („Aufseher“) in der Bedeutung sehr nahe.23
Eine Brücke von diesen episkopoi in der Frühzeit der Gemeinde von Philippi zu dem episkopos der Pastoralbriefe, dessen Leitungsaufgabe ihr Zen19
ALBRECHT OEPKE, Artikel episkeptomai etc., ThWNT 2, 1935, 595–620, dort 607–610. Vgl. ASCOUGH, Associations,164f, der Beispiele für die Verwendung von episkopos für Funktionsträger von Vereinen aufführt. 21 PETER PILHOFER, Philippi Band I. Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995, 111f. Die Inschrift selbst ist abgedruckt in DERS., Philippi Band II. Katalog der Inschriften von Philippi, WUNT 119, Tübingen 2000, 176 (Inschrift Nr. 164/L001; Übersetzung: 177). 22 PILHOFER, Philippi I, 98–100. 23 Vgl. PILHOFER, Philippi I, 144–146. 20
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trum in der Lehre hat, besteht nicht. Zum einen ist es für den Amtsträger der Pastoralbriefe charakteristisch, daß hier grundsätzlich von ‚dem‘ episkopos die Rede ist, während es in Phil 1,1 mehrere sind. Außerdem besteht auch rein historisch überhaupt kein Zusammenhang: Aus dem Brief des Polykarp von Smyrna an die Gemeinde in Philippi ergibt sich, daß in Philippi Anfang des 2. Jahrhunderts die christliche Gemeinde zwar das Presbyteramt hat, aber gerade keinen episkopos. Man wird daher annehmen müssen, daß die Aufgaben der episkopoi aus der Zeit des Paulus jetzt von den presbyteroi wahrgenommen wurden und daß die Entwicklung zur Ausbildung des Amtes des episkopos, die in Kleinasien schon im Gang ist, in Philippi noch nicht stattgefunden hat.24 c) Bei der Entstehung des Amtes der diakonoi („Diener, Helfer“) ist die Frage nach dem Zusammenhang mit der Situation zu Beginn der paulinischen Mission deswegen schwierig, weil der Begriff diakonos bei Paulus unterschiedlich gebraucht wird. Zum einen gibt es bei Paulus eine Verwendung von diakonos, die sich nicht auf eine Hilfsfunktion, gar bei der Armenfürsorge und beim Tischdienst, bezieht, sondern eher seiner Selbstbezeichnung als „Sklave Jesu Christi“ (Röm 1,1, vgl. Phil 1,1) entspricht, also auf die missionarische Verkündigung abzielt. So benutzt Paulus in 1Kor 3,5 den Begriff diakonos als gemeinsame Bezeichnung für Apollos und sich selbst: „Wer ist nun Apollos? Wer Paulus? Diener (sind wir), durch die ihr zum Glauben gekommen seid“; und in 2Kor 11,22f referiert Paulus, daß seine Gegner in Korinth sich „Hebräer“, „Israeliten“, „Same Abrahams“ und „Diener (diakonoi) Christi“ nennen. In beiden Fällen ist also eine missionarisch-verkündigende Tätigkeit im Blick. Daneben gibt es, wie erwähnt, in der Gemeinde von Philippi neben den episkopoi („Aufsehern“) auch diakonoi (Phil 1,1). Dabei ist auffällig, daß sie den episkopoi nachgeordnet werden. Das spricht dafür, sie nicht mit den missionarisch tätigen „Dienern Christi“ (vgl. 2Kor 11,23) gleichzusetzen, sondern in ihnen einen Titel für diejenigen helfenden Tätigkeiten zu sehen, die Paulus in 1Kor 12,28 mit dem abstrakten Begriff „Hilfeleistungen“ zusammenfaßt.25 Dabei ist festzustellen, daß auch der Titel diakonos durch24 So m.R. PILHOFER, Philippi I, 226–228. Auch für Korinth gibt es z.Zt. des 1. Klemensbriefs noch keinen episkopos. 1Klem 44,5; 54,2 und 57,1 zeigen, daß der Konflikt die presbyteroi betrifft. Von den ‚episkopoi(!) und diakonoi‘ ist nur im Schriftzitat 44,5 und im unmittelbaren Zusammenhang damit die Rede. Ein Sonderfall ist die Aufforderung in Didache 15,1: „Wählt euch nun episkopoi und diakonoi“. Paulinischer Einfluß (gar von Phil 1,1) ist hier aus zeitlichen und geographischen Gründen auszuschließen. Falls hier wirklich mit mehreren episkopoi in einer einzigen Gemeinde zu rechnen ist, liegt hier möglicherweise eine Gegenreaktion auf eine andernorts sich bereits abzeichnende Entwicklung zum Monepiskopat vor. 25 Die Vorliebe für wohlklingende Titel, die in Philippi allenthalben zu beobachten ist (vgl. PILHOFER, Philippi I, 142–144) und die ja auch im Titel der episkopoi zum Ausdruck kommt, ist auch hier wirksam.
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aus in zeitgenössischen Vereinen begegnet26, wobei davon auszugehen ist, daß damit im Einzelfall sehr unterschiedliche „Dienstleistungen“ gemeint sein konnten. Allerdings: Das Nebeneinander von episkopoi und diakonoi in Philippi ist ein Sonderfall. Schwierig zu beurteilen ist Röm 16,1. Hier wird die Christin Phöbe von Paulus als „diakonos/Dienerin der Gemeinde von Kenchreai“ bezeichnet. Ob dies mehr ist als eine von Paulus ad hoc verwandte Bezeichnung, ist fraglich. Kenchreai liegt knapp 10 km östlich des antiken Korinth und war dessen Hafen an der Ägäis, d.h. das Tor zum gesamten östlichen Mittelmeerraum. Dieser Hafen ist sicher auch von Paulus mehrfach benutzt worden (vgl. Apg 18,18); dabei ist Phöbe ihm zum ‚Beistand‘ geworden (Röm 16,2). Wie groß diese „ekklesia/Gemeinde von Kenchreai“ war, wissen wir nicht, aber die Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde in Korinth (und nicht mit Kenchreai) zeigt, daß die Gemeinde von Korinth ungleich größer gewesen sein muß. In der Apg wird die Gemeinde von Kenchreai gar nicht erwähnt, obwohl der Ort selbst genannt wird. Wenn selbst für das ungleich größere Korinth das Amt des diakonos in paulinischer Zeit nicht nachweisbar ist, es für Thessaloniki ebenfalls keine Anzeichen gibt und Philippi einen Sonderfall darstellt, wird man auch für Kenchreai skeptisch sein müssen. Der Eindruck, daß schon in der Frühzeit das Amt der diakonoi, und zwar als Helfer beim Tischdienst, in den frühchristlichen Gemeinden weiter verbreitet gewesen ist, beruht auf der Darstellung von Apg 6,1–7, ist aber dennoch unzutreffend. In Apg 6,1–7 wird eine Gruppe von sieben Männern mit Stephanus an der Spitze für den „Tischdienst“ ausgewählt. Aber: Selbst Lukas bezeichnet diese sieben Männer nicht direkt als diakonoi, und wenn sie sich selbst so bezeichnet haben sollten, dann eher in dem Sinne, in dem auch Paulus diese Bezeichnung in 1Kor 3,5 verwendet. Denn die Fortsetzung in Apg 6,8–14 zeigt, daß die gewählten sieben Männer, allen voran Stephanus, sich nicht um die Armenfürsorge kümmern, vielmehr ist Stephanus aktiv in der Verkündigung in mehreren namentlich genannten Synagogen Jerusalems tätig. Genau deswegen wird er auch zum Märtyrer, nicht aufgrund innergemeindlicher Fürsorgetätigkeit. Ebenso ist Philippus, der zweite Mann in der Siebenerliste, in Apg 8,5–13 in Samaria als Missionar tätig und alle übrigen laut Apg 8,4 und 11,19f ebenfalls (z.B. in Phönizien, Zypern und Antiochia). In Apg 6,1–7 wird erkennbar, daß es in der Jerusalemer Gemeinde zwei Gruppen gab, die „Hebräer“ und die „Hellenisten“. Dies sind griechischsprechende Angehörige der Gemeinde, und zwar aus dem Kreis der nach Jerusalem zurückgewanderten Juden aus der Diaspora. Die Schilderung, die Lk bietet, ist widersprüchlich: Die Witwen der 26
Vgl. ASCOUGH, Associations, 165f.
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‚Hellenisten‘ sind bei der Nahrungsverteilung übersehen worden (und zwar offenbar alle!), „die Apostel“ wollen sich weiterhin dem Gebet und der Verkündigung widmen, daher sollen sieben Männer für den Tischdienst eingesetzt werden. Aber genau die Aufgabe, für die die Apostel freigestellt werden sollten, wird jetzt von Stephanus und dem Siebenerkreis wahrgenommen! Außerdem besteht dieser neue Kreis, der innerhalb der Gesamtgemeinde offenbar für mehr Gerechtigkeit sorgen soll, einseitig nur aus Vertretern der ‚Hellenisten‘. Jedenfalls begegnen in der Liste ausschließlich griechische Namen. Es ist in der Forschung unstrittig, daß dieser Siebenerkreis das Leitungsgremium der Gruppe der ‚Hellenisten‘ war, die innerhalb der Jersualemer Gemeinde eine eigenständige Größe darstellte. Dieses Leitungsgremium hat dann vermutlich innerhalb der eigenen Gruppe auch die Armenfürsorge organisiert.
In den Pastoralbriefen sind die diakonoi ein eindeutiges Amt, d.h. es handelt sich um eine bestimmte Funktion, die an persönliche Voraussetzungen gebunden ist und deren Ausübung an bestimmte Personen ausdrücklich übertragen wird, und zwar nach Prüfung der Voraussetzungen (1Tim 3,8– 10.12f). Die Aufgabe der diakonoi wird, wie die der presbyteroi, gar nicht genannt bzw. nur allgemein mit ‚den Dienst verrichten‘ umschrieben (1Tim 3,10.13). Offenbar war die Aufgabenstellung der diakonoi bekannt und auch unstrittig, so daß sie nicht ausdrücklich erwähnt werden mußte. Der Sache nach können dabei Dienstleistungen sehr unterschiedlicher Art gemeint sein, je nach den Notwendigkeiten der Gemeinde. Eine wichtige Funktion kann dabei die Mitwirkung an den Gemeindemählern gewesen sein, das hieße, sie hätten dann auch Anteil an den liturgischen Aufgaben in der Gemeinde. Die diakonoi definieren sich offenbar primär funktional, und ihre Zuordnung zu dem episkopos, die in den Pastoralbriefen erkennbar wird, ist sicher nicht als Zufall zu bewerten. Im Blick auf die Organisationsstruktur der Gemeinden wird man sagen müssen: Sie verkörpern gerade durch die Betonung des funktionalen Moments das Gegenprinzip zu dem eher dem Repräsentationsprinzip gehorchenden Gremium des presbyterion – und sie sind so für einen episkopos sicher ein willkommenes Gegengewicht zu den presbyteroi. Allerdings ist das Verhältnis der drei Ämter zueinander in den Pastoralbriefen nicht einfach zu bestimmen, weil mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß hier nicht nur vorhandene Organisationsstrukturen einfach abgebildet werden, sondern daß bestimmte Ämter zu Lasten anderer befördert werden sollen. Dieser Eindruck legt sich nahe, wenn man die Qualifikationen miteinander vergleicht, die von den verschiedenen Amtsträgern verlangt werden: Die Kette der Anforderungen an den episkopos ist bei weitem die längste (in 1Tim 3,1–7 sind es 15 Anforderungen, in Tit 1,7f immerhin 12, wobei es natürlich Überschneidungen gibt), dann folgen die diakonoi mit 8 Anforderungen (1Tim 3,8–10.12f sowie drei zusätzlichen Anforderungen für die weiblichen diakonoi in 3,11). Dagegen ist die Anforderungs-
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kette für die presbyteroi in Tit 1,6 auffallend kurz. Hier sind nur fünf Anforderungen genannt. Das bedeutet nicht, daß für die presbyteroi eine geringere persönliche Qualifikation ausreichen würde, die Anforderungen sind vielmehr sehr allgemein formuliert, und der Verfasser geht in 1,7 sehr schnell zum episkopos und dessen Anforderungsprofil über.27 Eine Tendenz, das Gewicht der presbyteroi gegenüber dem episkopos, aber auch den diakonoi zu reduzieren, wird auch erkennbar, wenn man fragt, welche geistlichen Qualifikationen jeweils gefordert werden. Beim episkopos sind sie klar: Sie beziehen sich auf seine zentrale Aufgabe, die Lehre. Daher muß er „zur Lehre befähigt“ sein (1Tim 3,2, vgl. 2Tim 2,24), der diakonos immerhin „das Geheimnis des Glaubens mit reinem Gewissen“ bewahren (1Tim 3,9), sich also von Irrlehre fernhalten. Dagegen fehlt eine entsprechende Anforderung bei den presbyteroi überhaupt. Außerdem ist die Tendenz erkennbar, die Disziplinargewalt des episkopos über die presbyteroi auszudehnen,28 während dies im Blick auf die diakonoi offenbar von vornherein klar ist.
IV Die in den Pastoralbriefen sichtbar werdende Gemeindeverfassung, die sich im Laufe des 2. Jahrhunderts allgemein durchgesetzt hat, stellt also gegenüber der Situation in der Gründungsphase des frühen Christentums einen Neuansatz dar. Sie ist auch nicht einfach als Weiterentwicklung der Anfangszeit zu beurteilen. Die verbreitete Ansicht, es habe Ende des 1. Jahrhunderts eine „Verschmelzung der paulinischen Episkopenverfassung mit der palästinischen Ältestenverfassung“29 gegeben, ist in doppelter Hinsicht unzutreffend. Weder gab es eine paulinische Episkopenverfassung, noch ist 27 ROLOFF, Amt, 523, schließt aus der Abfolge Tit 1,5 (Einsetzung der presbyteroi) und 1,7ff (Beschreibung des Amtes des episkopos), hier werde das Presbyteramt als Episkopenamt beschrieben und der Vf. ziele auf eine Transformation des Amtes des presbyteros in das des episkopos. Doch ist in Tit 1,6 durchaus eigenständig von den Anforderungen an einen presbyteros die Rede. Der sog. ordo triplex zeichnet sich hier also schon deutlich ab. 28 Interessant ist, wie die jeweilige Zulassung erfolgen soll: In 1Tim 3,10 heißt es im Blick auf die diakonoi, daß sie überprüft werden sollen, und zwar steht dies im Anschluß an die Ausführungen über den episkopos. Dies legt die Schlußfolgerung nahe, daß die Überprüfung durch den episkopos erfolgt. Von der Überprüfung der presbyteroi ist dagegen nur indirekt die Rede: In 1Tim 5,19–21 heißt es, daß ‚Timotheus‘ die Anklagen gegen presbyteroi nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen soll. Unmittelbar danach wird ‚Timotheus‘ gewarnt, „niemandem die Hände zu schnell auf(zu)legen“. Das zielt, vor allem in Verbindung mit Tit 1,5, auf eine Zulassung der presbyteroi durch den episkopos, was allerdings nicht direkt ausgesprochen wird. 29 So ROLOFF, Amt, 523.
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das Amt des presbyteros charakteristisch für die jüdischen Synagogengemeinden des 1. und 2. Jh. n.Chr. Die Organisations- und Ämterstruktur der Pastoralbriefe ist also ein Neuentwurf der dritten Generation. Daß ein solcher Neuentwurf legitim sein kann, steht außer Frage. Die Einmaligkeit des Anfangs perpetuieren zu wollen, ist ohnehin problematisch. Um so schärfer stellt sich aber die Frage, ob dann in der Sache, natürlich unter den gewandelten Rahmenbedingungen, die grundlegende Orientierung am Ursprung wirksam geblieben ist. War das Apostelamt das charakteristische Merkmal der Gründungsphase des frühen Christentums, so ist die Ausbildung des Amtes des episkopos die Antwort der dritten Generation auf die Probleme, mit denen sie konfrontiert war: Dieses Episkopenamt bringt die Einheit der Gemeinde nicht nur zum Ausdruck, sondern soll sie allererst sichern. Das geschieht in einer kirchengeschichtlichen Situation, in der vor allem die Bewahrung der Überlieferung und die Integration unterschiedlicher Traditionsströme die vordringlichsten Aufgaben waren. Diese Einheit in der Überlieferung, die sich auch im gemeinsamen Rückbezug auf eine Leitfigur der Gründungsphase wie Petrus konkretisierte, war ja die einzige Klammer zwischen den Gemeinden, für die es noch keine ortsübergreifende organisatorische Verbindung gab. Im Bereich der Einzelgemeinde war die Einrichtung des Episkopenamtes der Versuch, auf lokaler Ebene die Einheit der Gemeinde zu bewahren, und zwar zentral begründet in der Einheit der Lehre. In dem Nebeneinander der Ämter des episkopos, der presbyteroi und der diakonoi kommt die komplexe Struktur der früchristlichen Gemeinden zum Ausdruck. Die Einrichtung des Episkopenamtes ist in diesem Geflecht, wenn man es nicht sofort in der Perspektive späterer Übersteigerungen beurteilt, als der respektable Versuch anzusehen, Einheit und Fortbestand der Gemeinden zentral mit der Funktion der Lehre zu verbinden, also die Einheit der Gemeinde in der Rückbindung an das Wort sichern zu wollen. Die Anforderungen, denen ein episkopos genügen soll, laufen in den Pastoralbriefen darauf hinaus, daß er persönlich integer zu sein hat, Leitungsqualitäten besitzen und „zur Lehre befähigt“, und damit auch: theologisch urteilsfähig sein soll. Wo dies – wie im Falle des Jubilars dieser Festschrift – in glücklicher Weise zusammentrifft, wird Kirchenleitung überzeugend sichtbar.
III. Geschichte
Crossing the border∗: The “Hellenists” and their way to the Gentiles1
The decisive step in the history of early Christianity was the crossing of the border between Jews and Non-Jews. This is not only a judgement of later centuries or of modern scholarship; contemporaries themselves held the same view. In Gal 3 Paul cites an older tradition which is a striking example for the self-consciousness of the young missionary communities in early Christian times. The baptismal tradition Paul quotes in Gal 3:26–28 runs as follows:2 26 27
26 27
Pa,ntej ga.r ui`oi. qeou/ evste [dia. th/j pi,stewj] evn Cristw/| VIhsou/) o[soi ga.r eivj Cristo.n evbapti,sqhte( Cristo.n evnedu,sasqe\ 28 ouvk e;ni VIoudai/oj ouvde. {Ellhn( ouvk e;ni dou/loj ouvde. evleu,qeroj, ouvk e;ni a;rsen kai. qh/lu\ pa,ntej ga.r u`mei/j ei-j evste evn Cristw/| VIhsou/. For you are all children of God [through faith] in Christ Jesus. As many of you as were baptized into Christ have clothed yourselves with Christ. 28 There is neither Jew nor Greek, there is neither slave nor free, there is no male and female; for all of you are one in Christ Jesus. ∗
Reprinted from Neotestamentica 39.2, 2005, 289–312. This article is based on a paper that was read at the “Conference on Early Christianity: Continuity – Changes – Breaks. Problems of Reconstructing the History of Early Christianity” hosted by the Theological Faculty of the University of Pretoria at Hammanskraal, on 25th and 26th August 2004. It was an honour to have been invited to this conference by the Faculty of Theology and I wish to thank the Dean, Prof. Cas Vos, and all colleagues and participants for the warm hospitality. The conference was a very fruitful experience for me and I thank Prof. G.J. Steyn who was responsible for all the arrangements for the meeting and chaired the discussions. Additionally, I had the opportunity to read the paper on 30th of August 2004 in the Theological Faculty of the Northwest University at Potschefstroom and I want to thank Prof. J. Jordaan and all colleagues and students I met both at the University of Potschefstroom and at the conference in Hammanskraal for the fruitful discussions which I found most helpful. – Richard Ascough, Associate Professor for New Testament at Queen’s University, Kensington Ontario (Canada), who stayed for a sabbatical in Münster, sponsored by the Humboldt-Foundation, helped me during the preparation of the paper to polish my poor English. All readers of the paper will profit of his labour. He was the first reader of my draft and gave me helpful comments. The responsibility, however, for the result is naturally not his. 2 The reasons for assuming this tradition are set forth by BETZ (1979, 181–185); SCHNELLE (1986, 57–62; 191–195); BECKER (1998, 59–60); HELLHOLM (2003, 151–154). 1
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Hellenistisches Christentum: Geschichte
This tradition has a clear structure (I only bracketed in the first line dia. th/j pi,stewj / “through faith” as a Pauline addition): The first and the last line form an inclusio, starting both with pa,ntej / “all” and closing with evn Cristw/| VIhsou/ / “in Christ Jesus”. The first line gives the main thesis calling the addressees “children of God”, and the following statement about the baptism gives the reason for it; then in three short clauses it is stated that the new identity in Christ exceeds the differences of humankind valid until now.3 In the last line we have the result of the baptism into Christ: all who are baptised are “one” in Christ. This tradition gives full expression to the joy that the old frontiers and borders that divided humankind until then have been pulled down in the name of Christ. This early tradition can be traced to communities that consist of Jews and Greeks and not only of Jews, otherwise this text makes no sense. But how did this development take place, that is, the development from the Christian communities that existed solely within Judaism (e.g. in Jerusalem) to those of Antioch on the Orontes and then in many other places in Asia Minor and Greece where Christians of both Jewish and Greek origin lived and worshipped together? To begin with, we have to admit that our knowledge about the development from Jewish to Jewish/Gentile Christianity is very limited. We can only refer to the traditions handed down by Luke in his “Acts of the Apostles” and rely on conclusions we can draw from the Pauline epistles. On this basis we are able to describe the development from Jerusalem to Antioch on the Orontes, and from Antioch via Cyprus to Asia Minor. But what happened, for example, in Damascus and what developments took place in Caesarea by the Sea? We know nearly nothing about these places, except the fact that there must have been Christian communities there. Thus, we can only reconstruct a limited section of a much broader development within early Christianity. The development within this small section, which we can reconstruct, took place in four steps: First step: Within the early Christian community in Jerusalem there emerged a distinctive sub-group, the so-called “Hellenists”.4 They belonged 3 Only the first of these three clauses, concerning the border between Jews and Greeks, has a bearing on the problems in Galatians, the two other clauses “actually are superfluous for the argumentative force in this letter” (HELLHOLM 2003, 152). 4 For this term see HENGEL (1975, 157–169). For the importance of the “Hellenists” in the history of early Christianity see WEISER (1981, 168–169); SCHENKE (1990, 69–73; 78; 176–197); LÖNING (1994, 15–35); KRAUS (1999). PENNER (2004) questions the possibility to draw historical conclusions from Luke’s account in Acts 6–8 concerning the “Hellenists”, “Stephen” and the “Seven” for two reasons: 1. The immediate response of the community to the conflict of Acts 6:1 (the neglect of the Hellenistic widows in the daily distribution of food) by appointing a group to “wait on the table” (267) functions in Luke’s historiographical strategy as example for the ethos of the community, an ethos
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to the Greek speaking Jews who had returned from the Diaspora to Jerusalem and now lived in the Holy City.5 A certain number of these returnees joined the Christian community gathered around the group of the Twelve (Acts 6:1). Within the community these new members soon formed a subgroup. In Acts 6:5 a list of seven persons is handed down and all of them bear Greek names. It can be fairly assumed that these seven persons were not primarily installed to “serve at the table” (Acts 6:2). This can clearly be deduced from the activities of the “Seven” Luke is talking about: Stephen preaches in the Greek speaking synagogues of Jerusalem and it is for this reason that he became the first martyr (Acts 6:8–14; 7:54–59) and not as social worker within the community. On the contrary, the “Seven” were the leading body of this sub-group within the Christian community in Jerusalem.6 As the members of this sub-group used Greek as their mother language they could easily be distinguished from the Aramaic speaking part of the community summarily given by Luke as “Hebrews” (Acts 6:1). Second step: The leading figure among the “Hellenists”, Stephen, was persecuted and killed (Acts 6:11–14; 7:54–60) and the other members of the group were expelled from Jerusalem (Acts 8:1). Third step: Some of the expelled “Hellenists” went to Antioch on the Orontes and established a Christian community there (Acts 11:19–24). Fourth step: This community grew quickly, and among the new members there were not only Jews but also Non-Jews (Acts 11:20). This development did not happen by chance. I cannot imagine that Jews like Barnabas, a leading figure in Antioch, did not know what they were doing when they baptised Non-Jews and thus accepted them as members of the of “koinonia, philantropia, and charity” (274–275). – But this tendency is operative in Acts 15 as well, and it is evident (by comparison with Gal 2:1–10) that the conflict underlying Acts 15 actually happened. Therefore it is unwarranted to assume that the conflict of Acts 6:1 is nothing else than a literary device of Luke. 2. The “Hellenists” function in Luke’s historiography as bridge between Jerusalem and Paul (270). Thus the “designations ‘Hellenists’ and ‘Hebrews’ … can quite readily viewed as Lukan tropes that demonstrate lines of continuity and expansion” (329). – But it is in modern scholarship that the “Hellenists” function as bridge between Jerusalem and Paul, and not in Acts. Luke ties Paul directly to Jerusalem (Acts 9:26–30). Additionally Luke plays down the role of the “Hellenists” in the process of expansion: a) by making Peter to be the first who baptized a Gentile (Acts 10:1–11:18), b) by making Barnabas the commissioner of Jerusalem for the community in Antioch thus belatedly legitimating its founding (Acts 11:22–24). These aspects of Luke’s redaction lead to the conclusion that he draws on historical material that does not fit automatically to the overall perspective of Acts. 5 Returnees from the Diaspora are attested by the name of the synagogue in Acts 6:9. There the synagogue of the so-called Freedman, of the Cyrenians and the Alexandrians is mentioned. Cf. the collection of evidence in JEREMIAS (1969, 62–71) not only for pilgrimage of Diaspora-Jews but also for long term residence, also VERMES (1979, 428). 6 See HENGEL (1975, 175–176); SCHENKE (1990, 78).
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elected people of God gathered in the name of Christ. And as an explanation of the missionary activities of Barnabas und Paul in Asia Minor such an assumption fails totally. These four steps are only a rough sketch and nothing else can be drawn from a critical reading of Acts. And it is indeed no more than a minimum. The decisive questions are still open: 1. What was the reason that Stephen was persecuted and killed and that the group of the “Hellenists” was forced to leave Jerusalem, whereas the rest of the community could stay in the city? 2. What was the reason and what theological preconditions must we assume which led the expelled Hellenistic-Jewish Christians when they came to Antioch to ignore the traditional boundaries of the people of God by accepting Jews and non-Jews as new members of the community they founded? 3. What does it mean that the community in Antioch, which had crossed the boundaries of the people of God valid until that time, established new communities in places far away? And additionally: How can we explain the very unusual way that Barnabas and Paul chose according to Acts 13 and 14 to carry out their mission? Does this shed light on the way of Christian missionary activities at its very beginning? Regarding the first question, there are two main possibilities to explain the persecution and the martyrdom of Stephen: a) The group of the “Hellenists”, with Stephen as their leading figure, was an ecstatic movement that evoked opposition in Jerusalem, but there were no important differences in the content of their preaching.7 b) The group of the “Hellenists” not only developed missionary activities in Jerusalem like other members of the Christian community, but, in addition, the specific content of their preaching provoked harsh reactions. I doubt that the first possibility can explain sufficiently the violent reaction of other Jewish groups in Jerusalem. Ecstatic phenomena are not confined to the “Hellenists” within the Christian community in Jerusalem as can be clearly seen in Acts 2:1–4. Therefore, we have to look for distinctive features in the preaching of the “Hellenists”. There must have been items in their preaching that touched a vital point of Jewish belief and religious life. Otherwise, we cannot explain this hostile action against Stephen.
7
This position is favoured by HENGEL (1975, 193–196). For a critical assessment see KLEIN (1984, 62).
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This raises the crucial question: What was the primary reason for the persecution of Stephen – his criticism of the Law of Moses or his criticism of the temple? The basis for this alternative is Acts 6:11–14: 11
to,te u`pe,balon a;ndraj le,gontaj o[ti VAkhko,amen auvtou/ lalou/ntoj r`h,mata bla,sfhma eivj Mwu?sh/n kai. to.n qeo,n\ 12 suneki,nhsa,n te to.n lao.n kai. tou.j presbute,rouj kai. tou.j grammatei/j( kai. evpista,ntej sunh,rpasan auvto.n kai. h;gagon eivj to. sune,drion( 13 e;sthsa,n te ma,rturaj yeudei/j le,gontaj( ~O a;nqrwpoj ou=toj ouv pau,etai lalw/n r`h,mata kata. tou/ to,pou tou/ a`gi,ou ou [tou, tou,tou] ou kai. tou/ no,mou\ 14 avkhko,amen ga.r auvtou/ le,gontoj o[ti VIhsou/j o` Nazwrai/oj ou-toj katalu,sei to.n to,pon tou/ton kai. avlla,xei ta. e;qh a] pare,dwken h`mi/n Mwu?sh/j. 11
Then they secretly instigated some men to say, “We have heard him speak blasphemous words against Moses and God.” 12 They stirred up the people as well as the elders and the scribes; then they suddenly confronted him, seized him, and brought him before the council. 13 They set up false witnesses who said, “This man never stops saying words against this holy place and the Law; 14 for we have heard him say that this Jesus of Nazareth will destroy this place and will change the customs that Moses handed on to us.”
Three times Luke tells his readers that the opponents claimed that Stephen had publicly opposed the Law and the temple.8 Luke wants the reader to understand these as false accusations, but it is very suspicious that he repeats these accusations three times. If we want to assess the claim of Luke that these were false accusations, we can compare Acts 6:11–14 with another accusation put forward in Acts, the accusation against Paul in Acts 21:21:9 There Paul is accused – according to Luke – that “he teaches all the Jews living among the Gentiles to forsake Moses, and that he tells them not to circumcise their children or observe the customs.” This is obviously wrong, as every reader of Acts knows, and even in comparison with 1 Cor 7:17–20 it is exaggerated. But there is a real problem behind this exaggerated accusation, namely, Paul’s fundamental criticism of the Law – if the 8 For analysis and interpretation of Acts 6:11–14 see the commentaries on Acts, e.g. WEISER (1981, 171–172), and RAU (1994, 15–35). 9 RAU (1994, 16–17) draws on Acts 21:21 too.
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Law is used as a means for gaining righteousness (Gal 3:21) and understood as a precondition for becoming a member of the people of God (cf. Gal 3:18.29). So it is quite possible that there is some veracity hidden behind the three “false” accusations against Stephen in Acts 6:11–14. These accusations concern two points, the abolition of the Law and the attack on the temple. And indeed, if one of these accusations would turn out to be correct, at least to a certain degree, then we could understand why the first Christian martyr paid for his activities with his life. Unfortunately, it is not possible to draw direct historical conclusions on the basis of Acts 6:11–14; 7:54–8:3. Luke was not an eyewitness of the events in Jerusalem. Rather, he depended on traditions handed down in the community in Antioch. The subject of this tradition Luke used in Acts 6:11–14; 7:54–8:3 was the death of Stephen. This tradition, we can suppose, comprised not only an account of the death, but informed the hearer about the reason for Stephen’s death. Thus, it is necessary to make a distinction between three levels: 1. The level of Luke as author of Acts: on this level the claim that Stephen was an opponent of the Law and the temple is an accusation put forward by false witnesses. 2. The second level is the pre-Lukan tradition. In this tradition, the death of Stephen is probably explained as martyrdom that took place because of a conflict concerning the temple and the Law. Whether this conflict was told to be the result of false accusations or not cannot be answered definitely. But we can fairly assume that this tradition was handed down to Luke by the community in Antioch, and in the light of the later development in Antioch it is possible that in this tradition Stephen is remembered as opponent of the Law and the temple. 3. The level of the historical incident that caused Stephen’s martyrdom. A more traditional exegesis now would turn to Acts 7:2–53, the Speech of Stephen to the Synhedrion in order to have a closer look on his theology. But since Martin Dibelius, the historical value of the speeches in Acts is heavily disputed.10 According to Dibelius the speeches are literary means of Luke to express the theological bearing of the events he is talking about, and Dibelius pointed as analogy to the role of the speeches in the works of the ancient historians, especially of Thucydides. It is not possible to resume here the discussion about the speeches in Acts in detail,11 therefore some short remarks limited to Acts 7 should suffice.
10 11
DIBELIUS (1961, 120–162). See PLÜMACHER (1978, 502–506); SCHNELLE (2005, 317–318).
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1. The speech in Acts 7 does not function as defence against the accusations of 6:11–14: There is no reply at all to the charge of opposition against the Law, and the accusation of opposition against the temple is not disproved either. On the contrary, Acts 7:48–50 sounds more like confirmation than a refutation.12 2. In most of the text of the speech no relation to the accusations of 6:11– 14 can be found. The speech is a summary of the history of Israel from Abraham until David, not a speech of defence in a court.13 Therefore, many scholars are inclined to suppose a pre-Lukan tradition reproduced and reshaped by Luke who inserted it deliberately at this point of his work.14 This tradition could be traced back with some confidence to the community in Antioch, but it would be impossible to assign this tradition to Stephen himself. But even this cautious analysis has been challenged recently15 and there are good reasons to consider Acts 7:2–53 as product of Luke’s literary activities. There are quite a number of summaries of the history of Israel in early Jewish literature, and a comparison of these summaries reveals a set of motifs each author can use according to his own aims. So Luke, in composing the speech of Acts 7, makes use of a traditional genre comprising a set of traditional motifs but at the same time the speech is his own composition.16 So we have to ask (without the possibility to refer to Acts 7): Was the opposition against the Law the reason for Stephen’s death in historical perspective? Is it probable that at this early date in Jerusalem a fundamental criticism of the Law arose? And what was the basis from which this position was achieved? Did the “Hellenists” and especially Stephen adopt Je12 In the view of Dibelius the speeches have no bearing for the actual situation described in the immediate context but in the greater context of the whole book. This is often disputed but basically correct. For the reader of Acts it is not necessary to refute the accusations of 6:11–14. The reader knows very well that these accusations are totally unjustified. The reader of Luke-Acts knows that the Apostles and the whole community lived according to the commandments of Jesus and therefore according to the Law (Luke 16:17 and later on Acts 10:14) gathering in the temple and praying there (Acts 2:46; 3:1; 5:12). 13 According to DIBELIUS (1961, 145) Luke wants to give an example for Stephen’s wisdom mentioned in 6:10. But then a speech at the sabbath in one of the synagogues mentioned in 6:9 would be much more appropriate, and in Acts 13:16–41 can be seen that Luke is able to create a speech in such surroundings. 14 See e.g. WEISER (1981, 180–182). 15 JESKA 2001. 16 That is the compelling result of JESKA’s analysis (2001, 156–203). He can even explain why Luke included the lengthy exposition concerning Abraham and Joseph in Acts 7:1–19: Here Luke can show how it was possible that God’s chosen people lived successfully outside of Palestine in the Diaspora, thus pointing to the situation of the God’s chosen people in Luke’s own times which spreads until the “end of the earth” (Acts 1:8).
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sus’ criticism of the Law, for instance in the conflict stories of the Gospels concerning the Sabbath? But apart from the fact that it is not easy to assess the attitude of the historical Jesus at this point, we have to ask, why this position of the historical Jesus was only adopted by the “Hellenists” and not the whole Christian community in Jerusalem. And, in addition, there is the question, why this problem should have been disputed between Christian “Hellenists” and the majority of the former Diaspora-Jews living in Jerusalem. The Mosaic Law, the Torah, was a vital point for contemporaneous Judaism, but it is hard to see why the Torah should have been disputed at this stage of the development. The Torah was the border between Jews and non-Jews. But Jerusalem was a Jewish city and all members of the Christian community, “Hebrews” and “Hellenists”, were Jews and lived within the boundaries of the Law. Turning to the other possible reason for Stephen’s death, namely his criticism of the temple, it must be asked as well, how one can explain it. Did the “Hellenists” adopt Jesus’ criticism of the temple exemplified in the accounts in the Gospels of the cleansing of the temple – whatever the case may have been in terms of the historical event? To illustrate the problems connected with the tradition of the cleansing of the temple I want to sketch two positions that are being put forward in the recent discussion:17 1. Gerd Theissen and Annette Merz18 try to understand the tradition of Mark 11:15–17 as a symbolic action that does not aim at a reformation of the cult. In combination with the prophecy of the destruction of the temple (Mark 14:58; 13:1–2) Jesus’ action points to the end of the temple that will happen as part of the final catastrophe in the near future. But Theissen and Merz must admit, that the combination of the tradition of the cleansing of the temple with the prophecy concerning the end of the temple does not occur prior to John 2:14–22. 2. Jürgen Becker19 raises two objections against the view that there has been an historical incident underlying the tradition of the cleansing of the temple. a) It is impossible, argues Becker, that a single person would have been able to cause a total interruption of all commercial activities in the vast area of the forecourt of the temple (ca 30.000 – 40.000 m2) without any resistance of the people involved in those activities and without interference of the temple police. Becker criticises the tendency to minimize the cleansing of the temple to a little quarrel between Jesus and one or two dove sellers or 17
For a more traditional view see ÅDNA 2000. THEISSEN / MERZ (1997, 380–381). 19 BECKER (1996, 408–10). 18
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moneychangers in a remote corner of the forecourt. This is not adequate to the text of the Gospel. b) The action that Mark 11:15–17 is telling about does not aim at a termination of the sacrifices in the inner part of the temple area. On the contrary, Mk 11:16 (“he did not allow anyone to carry anything through the temple”) talks about an expanding of the area of ritual purity and holiness in order to include the forecourt into this area of holiness confined until then to the inner courts of the temple.20 Becker concludes that such a tendency cannot be reconciled with the attitude of the historical Jesus. Even if we assume, despite the difficulties just mentioned, that Jesus did perform such an action a few days before the crucifixion, then we have to ask the question: Why did the “Hellenists” draw from it the conclusion that they should publicly criticise the temple while other parts of the community did not do so? Therefore, we have to look at least for an additional factor that would explain this critical attitude towards the temple – if such an attitude really was adopted by the Hellenists. The key to that problem is, in my opinion, to be found in Rom 3:25– 26a.21 It is widely accepted that this is a tradition quoted by Paul,22 proclaiming the death of Christ as an act of expiation carried out by God himself:23 25
o]n24 proe,qeto o` qeo.j i`lasth,rion [dia. pi,stewj] evn tw/| auvtou/ ai[mati eivj e;ndeixin th/j dikaiosu,nhj auvtou/ dia. th.n pa,resin tw/n progegono,twn a`marthma,twn 26 evn th/| avnoch/| tou/ qeou/. 25
whom God put forward as means of expiation by his blood [through faith], for the proof of his righteousness,
20 The large forecourt was built only by Herod the Great (37–4 BCE) and therefore was not part of the traditional temple area. As Herod was not a member of the group of the priests he was not allowed to enter the inner parts of the sanctuary. But on the new created forecourt he could build his own palace, the so-called Royal Hall, on the same level as the temple; see NETZER (1999, 120–122). 21 LÖNING (1994, 87), SCHENKE (1986, 177) and KRAUS (1999, 75), too, point to Rom 3:25– 26a, whereas RAU (1994, 24–35) draws on the prophecies concerning the destruction of the temple (Mark 13:2; Luke 12:34–35/Matt 23:37–39). 22 The pre-Pauline origin of Rom 3:25–26a is widely recognized, see REUMANN (1966, 432– 452); WENGST (1972, 87–91); DUNN (1988, 163–164); FITZMYER (1993, 342–343). 23 At the beginning Paul slightly extended the tradition by the awkward insertion of dia. pi,stewj / through faith which interrupts the close connection between i`lasth,rion / means of expiation and evn tw/| auvtou/ ai[mati / by his blood. It is characteristic that the RSV does not retain the original position of the insertion but postpones it after evn tw/| auvtou/ ai[mati / by his blood. 24 LOHSE (2003, 133): The tradition was preceded by a short clause, e.g. “Blessed be Jesus Christ”.
222 26
Hellenistisches Christentum: Geschichte because of the remission of the sins previously committed (enacted) by God’s forbearance.25
In this tradition the death of Jesus is understood as an expiatory deed, enacted by God himself. And to express this the term i`lasth,rion is used. There has been a long debate about the meaning and the background of the term i`lasth,rion.26 The following points are important for an adequate understanding of the problem: a) The Greek adjective i`lasth,rioj(-on qualifies something as “belonging to expiation” or (as i`la,skesqai has the basic meaning of “to appease”, “to placate”)27 “belonging to placation”.28 b) ~Ilasth,rion as independent noun is used for a gift, in most cases a monument, that is donated to placate a deity, a hero or another human being;29 i`lasth,rion thus is a “gift of placation”.30 25 The rendering of Rom 3:25–26a in the RSV is reshaped in order to get a more literal translation. For the meaning of e;ndeixij and pa,resij see KÜMMEL (1965, 260–270); for the English aquivalents of the Greek expressions and many other lexicographical problems I relied on the unvaluable help of DANKER 2000. 26 The problem is debated since a long time; for the range of positions in the recent decades I point to BREYTENBACH (1989, 166–168); KRAUS (1991, 21–91); LOHSE (2003, 134–136). 27 See LSJ 828. 28 Cf. Josephus B.J. 16,182: Herod had opened the tomb of the famous king David and two of his servants who tried to go in were killed by fire coming out from the tomb. This made Herod to erect a i`lasth,rion mnh/ma, an “expiatory/placating monument”. A papyrus from Egypt from the 2nd century CE reads: toi/j qeoi/j i`lasthri,ouj qusi,aj … evpitelei/sqai (to carry out expiatory/placating sacrifices for the Gods); GRENFELL / HUNT (1900, 313 nr. 337). 29 Two inscriptions are discussed by DEISSMANN (1895, 127–129; 1903, 195–196). Both inscriptions come from the Greek island Kos; a third inscription, now in the British Museum, comes from the island Kalymna, near Kos (BM Calymna 3:14,11) and a forth example is Dio Chrysostomus Orat. 11,121 mentioning a monument erected by the Greeks in Troja with the inscription ~Ilasth,rion VAcaioi. th/| VAqhna/| th/| VIlia,di (The Greeks [donate] a [gift of] propitiation for Athena of Ilion). In the chronicle of the temple of Athena in Lindos (on the island Rhodos) a bowl with golden bosses is mentioned donated for the placation of Athena with the inscription (B 49–50; BLINKENBERG 1915, 12): Th,lefoj VAqa,nai i`lath,[ri]on( w`j o` Lu,kioj VApo,llwn ei=pe (Telephos [donates] a [gift of] propitiation for Athena, as the Lykian Apoll said). Especially in the last both cases it is clear that the donations are made in order to propitiate Athena so that the goddess will not punish the donator for an outrage that had offended her. All these texts come from the 1st century BCE and the 1st century CE. 30 There are only examples for i`lasth,rion as a noun for monuments or other gifts. Very often 4 Macc 17:22 is referred to as an example for an abstract use, i.e. “(means of) atonement”. This text is indeed a famous example for the concept of the expiatory effect of the death of a martyr but not an example for i`lasth,rion as a noun although in the current LXX-edition of Rahlfs the text is given as kai. dia. tou/ ai[matoj tw/n euvsebw/n evkei,nwn kai. tou/ i`lasthri,ou tou/ qana,tou auvtw/n h` qei,a pro,noia to.n VIsrah.l prokakwqe,nta die,swsen (“and through the blood of those devout ones and through the means of atonement of their death divine Providence preserved Israel that previously had been mistreated”), but the best manuscripts have dia. … tou/ i`lasthri,ou qana,tou, see KLAUCK (1989, 753 n.) Therefore i`lasthri,ou here is a normal adjective and the phrase has to be translated by “… through their expiatory death”.
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c) The kapporet (LXX: i`lasth,rion) was a cultic object in the Holy of Holies in Solomon’s Temple in the time before its destruction in 589 BCE. According to Ex 25:10–22 it was a golden plate lying upon the Ark of the Covenant; at each end a Cherub was attached and between these two Cherubim God would encounter Moses and spoke to him (Ex 25:22; Lev 16:2). In the ritual of the Day of Atonement, before 589 BCE, the High Priest sprinkled blood of a sacrifice against the kapporet / i`lasth,rion) This is an act of ritual purification. Therefore this object called in the LXX i`lasth,rion is an object by which neither placation or expiation may be achieved, it was rather an object for which there was a need of expiation by a ritual of purification. d) In the LXX i`lasth,rion functions as translation of kapporet. The translation is due to etymological assumption that kapporet is derived from kipper (“to expiate”, “to atone”)31 and is based on the presupposition that kipper can adequately be translated by i`la,skesqai (to appease, to placate, to conciliate).32 e) This very specialised and in some way awkward use of i`lasth,rion is limited to the LXX (mainly Ex 25 and Lev 16) and absent from the Jewish Hellenistic literature – except those cases where Philo is quoting a text from the LXX. The absence of the term i`lasth,rion is no surprise as the object called i`lasth,rion was totally outdated33 and the term used for the object rather inappropriate. But the issue of expiation or atonement itself was not outdated. Every year in Jerusalem the yom kippur / the Day of Atonement / Greek: h`me,ra tou/ i`lasmou/ (Philo Plant. 61) was celebrated and indeed atonement for the people was there achieved, but not related to a non-existing kapporet. The “averting and dismissal of the transgression of the whole people” was according to Josephus achieved by sending off the scapegoat into the wilderness.34 31 According to MAAS (1971, 844) it is doubtful to trace kapporet back to the verb kipper, cf. LANG (1984, 313–314); the etymology of kipper is doubtful as well, cf. LANG (1984, 304–305). 32 The direct object of kipper is the sanctuary (Lev 16:33) or the “guilt” (Ps 78:38), but not God, whereas i`la,skesqai refers to deities or human beings, cf. the examples given by BÜCHSEL (1938, 314–315). Thus the basic meaning of kipper is “to atone”, “to expiate” or even “to purify” (a sanctuary), whereas the basic meaning of i`la,skesqai is “to appease”, “to placate”, “to conciliate”, “to propitiate”. For the differences between kipper and i`la,skesqai see WOLTER (1978, 37– 38). 33 In the period of the second temple the Holy of Holies was empty and the High Priest sprinkled the blood of the sacrifice against the roof and on the floor of this most sacred room. This is clearly stated by Josephus B.J. 3,240–243 who gives the only contemporary description of the ritual at the Day of Atonement in the period of the second temple in Jerusalem. 34 Josephus B.J. 3,241.
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Hellenistisches Christentum: Geschichte
It is not necessary to presuppose an alternative between a Hellenistic use of i`lasth,rion as gift of placation and the Jewish ritual of the h`me,ra tou/ i`lasmou/ and its ritual of atonement or expiation. On the contrary, both cultural areas merged together exactly in Hellenistic Judaism. If in the context of Hellenistic Judaism Jesus Christ is called a i`lasth,rion( as it occurs in Rom 3:25, then a fundamental expiatory function is attributed to him. Against the background of the Hellenistic use of i`lasth,rion for an object of placation, especially for a monument, it is a metaphorical use, referring no more to a real monument or another gift, e.g. as a bowl, but to a formerly human, now heavenly being. And as God himself has put him forward as i`lasth,rion this term no longer means a gift to God, but a means of atonement comprising above all the remission of “the sins previously committed” (Rom 3:25c). Thus in the pre-Pauline tradition of Rom 3:25–26a the Hellenistic concept of i`lasth,rion is adapted in a characteristically Jewish way. And in the Jewish context of the h`me,ra tou/ i`lasmou/ there is a clear antithetic relation of Christ as i`lasth,rion: Christ’s death is an expiatory act beyond all cultic connotations, thus replacing the temple rituals of expiation. The fusion of the Hellenistic concept of i`lasth,rion and the Jewish concept of atonement in the context of the h`me,ra tou/ i`lasmou/ is best understood as development that took place in Jerusalem,35 the place of the ritual of atonement. So it is possible to trace back the tradition of Rom 3:25–26a to the group of the so called “Hellenists” in Jerusalem and thus we can understand the problem that caused the conflict between the “Hellenists” and majority of the Hellenistic Diaspora-Jews in Jerusalem: It was indeed the most vital role of the temple to offer the possibility of atonement to the people of God. And if the death of Jesus is proclaimed as expiatory act, it is easily possible to conclude that the temple is no longer necessary. But if we connect this tradition with the conflict between Stephen and other Diaspora-Jews settling in Jerusalem, we have to ask: How was it possible that Diaspora-Jews who had come back to the Holy Land and joined the community worshipping the exalted Lord Jesus Christ adopted such a temple-critical attitude?36 It is not easy to answer this question, but I think, it is possible to establish a sound hypothesis. 35
LOHSE (1963, 152) argues in favour of a non-Palestinian origin because of the absence of Semitisms and the difficulty of putting the tradition back into Hebrew; but this does not rule out an origin within the Greek-speaking part of the Christian community in Jerusalem, i.e. the “Hellenists”. 36 HENGEL (1975, 203–204) supposes that the Hellenists, after their return from the Diaspora, were disappointed because the reality of Jerusalem did not fit to the idealistic picture they had before. As an analogy Hengel points to the visit of Martin Luther in Rome. But that is a mere psychological guess and the analogy with Luther points just in the opposite direction: Luther’s
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These Diaspora-Jews are not the same as the Jewish pilgrims who came to Jerusalem to attend the great feasts, which had their centre in the sacrifices performed in the temple. The pilgrims orientated themselves strictly to the temple, but this does not necessarily apply to all the Diaspora-Jews who lived in Jerusalem for several years. They had a strong commitment to Palestine and especially to Jerusalem, but as members of the Hellenistic Diaspora they were accustomed to worship in their synagogues, and thus they worshipped by prayers, hymns and reading the scripture, but without bloody sacrifices. Additionally, within the Jewish tradition itself there was a thread in which the sacrificial system was criticised; i.e. in the Prophets, especially Amos and Isaiah, and in the Psalter. This tradition was limited, but it existed. We can take, for example, Psalm 51, which says: O Lord, open my lips, and my mouth will declare your praise. For you have no delight in sacrifice; if I were to give a burnt offering, you would not be pleased. 17 The sacrifice acceptable to God is a broken spirit; a broken and contrite heart, O God, you will not despise. 15 16
Philo states that the “best sacrifices” are “hymns and thanksgiving” (Spec. leg 1.272). This is stressed with reference to Non-Jews as we can see in the Let. Aris. 234: The king bestowed great praise upon him and asked the tenth, “What is the highest form of glory?” And he said, “To honour God, and this is done not with gifts and sacrifices but with purity of soul and holy conviction, since all things are fashioned and governed by God in accordance with His will.”
This attitude is similar to criticism of bloody sacrifices that can be found to a certain degree in the Hellenistic world as well, especially within certain parts of Hellenistic philosophy and religion. The Pythagoreans, in particular, criticised any practice which would “honour the divine with slaughter and death”.37 Considering this background, it is possible that within at least a minority of the Diaspora-Jews living in Jerusalem who joined the community of the “Twelve” there emerged an interpretation of the death of Jesus as un-cultic, non-sacrificial atonement.38 If Stephen addressed himself in this way to his fellow countrymen in the Hellenistic synagogue of the “Freedmen, Cyrenivisit took place already in 1510/11, and there is no indication that Luther in that time adopted a critical position as result of his visit of Rome, see BRECHT (1991, 515). 37 Jamblich De vita pythagorica 11 § 54: fo,nw| de. kai. qana,tw| to. daimo,nion mh. tima/n. 38 The concept of Christ’s expiatory death as such is best understood against the background of the expiatory function of the death of the martyrs e.g. in 2 Macc 7 and 4 Macc. For these texts, see LOHSE 1963, and VAN HENTEN 1997. But to develop such a concept means to question the central position of the atonement achieved by the rituals of the temple.
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ans, and Alexandrians and to those from Cilicia and Asia” (Acts 6:9), then their violent reaction is no great surprise. The temple was a vital point of Jewish belief and religious life. If this reconstruction is valid, the “Hellenists” did not attack the Law as such, but the expiatory function of the temple, and therefore they were driven out of Jerusalem. According to Acts 11, some of them went to Antioch on the Orontes. The town of Antioch was the capital of Syria and, along with Alexandria and Ephesus one of the biggest cities in the Eastern part of the Roman Empire. Since the Seleucidian period there existed in Antioch a large Jewish community. From Acts 6:5 we learn that Nikolaos, one of the seven “deacons”, the leading body of the “Hellenists” of the Jerusalem Christian community, was a proselyte from Antioch. This reveals that there were personal ties to the Jewish community in Antioch and these ties must have helped the refugees from Jerusalem to settle there. These refugees founded a Christian community in Antioch and, according to Acts 11, they accepted not only Jews but also Non-Jews as members of their community. As I pointed out at the beginning, this was a decisive step and the question arises: How can we explain this development against the background of the events that took place in Jerusalem? I think we have to consider two aspects: 1. the different situation in the Diaspora, then 2. the close relationship between temple and Torah.
1. The different situation in the Diaspora In Antioch Jewish people were a minority within a great non-Jewish majority. Therefore the Law was important for the Jewish minority, because the identity of this minority was maintained by the observance of the Mosaic Law. The Law was an identity marker and at the same time it prevented the assimilation of the Jews into the Hellenistic world and culture. Circumcision, dietary restrictions, observance of the Sabbath – and in consequence a rather strict praxis of endogamy – prevented the Diaspora Jews from having full contact with the non-Jewish inhabitants of the same town. Therefore the observance of the Jewish Law, the Torah was a pressing problem in the Diaspora. The separatism that was inevitable if Jews tried to be faithful to their ancestral tradition produced the charge of misanqrwpi,a / misanthropia (hatred of mankind).
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2. The close relationship between temple and Torah There is a close relationship between the temple and the Torah: The prescriptions concerning the sacrifices and the Day of Atonement are part of the Pentateuch,39 and in Qumran there were new legislative texts concerning the temple. The Temple Scroll (11QTemple) and the so-called letter of the Teacher of Righteousness (4QMMT) deal with prescriptions that will prevent the temple and the Holy City from becoming ritually unclean. Here, the temple is the core of the Law. Thus, if the function of the temple as place of atonement is denied, as it was the case in Jerusalem by Stephen and the “Hellenists”, then this affects the Law as such. If we consider the problem from the ecclesiological perspective we see the importance of this development: According to the “Hellenists” in Jerusalem, the basis of the new people of God is not the atonement which is accessible in the rituals and sacrifices of the temple. Rather, the atonement took place once and for all in the death of Jesus Christ and is accessible to those who proclaim him as ku,rioj (1 Cor 12:3). The same critical attitude that the “Hellenists” developed with regard to the temple could also apply to the Mosaic Law if a problem concerning the Law should arise. And, indeed, this happened in Antioch. When the “Hellenists” came to Antioch they met a new situation and came across a new problem. These refugees from Jerusalem were Jews, and in Antioch they were naturally members of the Jewish minority. But what was their relationship to those Greeks who were sympathisers of the Jewish Synagogue and the Jewish people without becoming, for several reasons, proselytes? From the Jewish perspective these so-called God-Fearers were sympathisers, but not members of the chosen people because they did not accept the Mosaic Law as the only foundation and rule of their life. The Mosaic Law was indeed the identity marker of God’s chosen people. But if the central basis of this people was the death of Jesus, as the “Hellenists” maintained, neither the temple of Jerusalem nor the Mosaic Law was any longer indispensable. Thus, the “Hellenists” accepted non-Jews as members of their community. Until this point, the “Hellenists’” community was a sub-group within the great number of Jewish inhabitants in Antioch on the Orontes. Now this group accepted members who did not become proselytes and who were baptised as Non-Jews and remained uncircumcised. Therefore, the Christian community in Antioch as a whole was no longer a sub-group of the Jewish community there, and, if Luke is right, this was noticed even from the outside. In any case, according to Acts 11:26, in Antioch the members of the 39
Day of Atonement: Lev 16; sacrifices: Lev 2–7.
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community worshipping the exalted Lord were called “Christians” for the first time. And this is neither a self-designation nor a designation from the Jewish side. This new communal relationship between Jews and non-Jews was possible because of the common new foundation – the atonement in Christ was more important than the old foundation of the chosen people of God, temple and Torah. On this new common basis Jews and Greeks who were “baptised into Christ” were actually “one in Christ” (Gal 3:28). As I have pointed out, those Greeks who became members of the Christian community probably already had a close personal relationship to the Jewish Synagogue. Even if these Greeks were so-called “God-fearers”, i.e. sympathisers of the Jewish Synagogue, they were Non-Jews and Jews from the Diaspora like Barnabas were fully aware of it. This can be derived from the next step within the development of the community in Antioch. This community, which had transformed itself into a community of Jews and Greeks, tried very soon to establish new communities outside Antioch on the Orontes. We can assume that these communities were intended to be communities of Jews and Greeks as well. At the very least, the traditions of Acts 13 and 14 point to mixed communities (in Antioch of Pisidia, Acts 13:13–52) or even to predominantly non-Jewish congregations (Lystra, Acts 14:8–18).40 The traditions of such missionary activities were handed down in Acts 13 and 14. The way in which the missionary activities developed, are very interesting. Apparently they were well organised: The two leading figures of the community in Antioch, Barnabas and Paul, were sent out, but they used personal relationships that were already existing. Some of the “Hellenists” who were forced to leave Jerusalem went, according to Acts 11:19, to Cyprus – and from Acts 4:36 we learn that Barnabas himself came from that island as well. Acts 13:4–12 reveals that Cyprus was the first destination of their missionary journey. That is not pure coincidence. There in Cyprus they get access to the Proconsul Sergius Paulus. This is only possible if they had some previous contacts to members of this great household. The proconsul shows himself rather benevolent to the two missionaries from Antioch and afterwards they went to Antioch of Pisidia. There is no explanation for this destination in Acts, but historical scholarship has made it possible to understand why they moved from Cyprus to Southern Galatia. The historian Stephen Mitchell (1993, 6–7) has pointed out that Sergius Paulus was a member of the Roman upper class who had extensive estates in Southern Galatia. Naturally, he had many personal contacts with the upper class there. Mitchell concludes that Sergius Paulus advised Barnabas and Paul to go to Antioch of Pisidia to get in contact with 40
For analysis of these traditions see BREYTENBACH 1996.
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the Roman upper class there so that they could spread their religious message. Here Mitchell relies uncritically on Luke who exaggerated the success of the Christian missionaries, when he said, the Proconsul “believed” / evpi,steusen after the preaching and the powerful action of Paul (Acts 13:12). Anyhow, Luke does not say, that the Proconsul was baptised, and there is no indication that in Paphos, or at least at the court of the Proconsul, a Christian community was founded. Obviously the Proconsul was interested in figures representing new religious ideas or developments and did not behave in a hostile way towards Barnabas and Paul.41 Probably they already had relations with some members of the household of Sergius Paulus and after they had visited him they probably could get acquainted with some other members. As there were close ties between the household of Sergius Paulus in Paphos and the administration of his estates in Southern Galatia, the two Christian missionaries could benefit from the new personal connections they could establish in Paphos. This is important to see, because later Paul’s missionary strategy clearly differs from the pattern we can perceive here. To conclude: The decisive step on the way to the Gentiles was established by the Christian community in Antioch on the Orontes founded by the “Hellenists”, the Hellenistic Christian Jews who were driven out of Jerusalem. This step, however, can be explained as consequence of the basic christological convictions that the “Hellenists” held already in Jerusalem. Paul, for his part, joined this community, shared these convictions and carried on the development that had its starting point in Antioch.
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Geistbesitz, Geistverleihung und Wundermacht Erwägungen zur Tradition und zur lukanischen Redaktion in Apg 8,5–25∗ Hans Conzelmann zum 70. Geburtstag
I Einer der besonders oft diskutierten Texte der Apostelgeschichte ist der von 8,5–25, in dem Lukas die Gründung der ersten Gemeinde außerhalb Jerusalems, in ‚der‘1 po,lij th/j Samarei,aj, darstellt. Das Interesse konzentriert sich dabei zumeist jedoch nicht auf die Personen, auf die nach der Darstellung des Lukas die Gründung und Konstituierung der Gemeinde zurückgeht, den Missionar Philippus und die Jerusalemer Apostel Petrus und Johannes, sondern auf den Mann ‚namens Simon‘, der – so wiederum nach Lukas – schon zuvor in dieser Stadt erfolgreich gewirkt hat und zunächst als überwundener Konkurrent, dann jedoch als gefährlicher Widersacher erscheint. Dieses Interesse an dem in V. 9–11 als ‚Magier‘ geschilderten Simon ist jedoch nicht primär in den Problemen des Textes von Apg 8,5–25 selbst begründet, sondern vor allem in der Rolle, die ihm später die altkirch∗
Zuerst erschienen in: ZNW 77, 1986, 64–82. Setzt man mit P74 אA B 1175 pc th.n (!) po,lin th/j Samarei,aj als ursprünglich voraus (der Artikel fehlt in C D E Ψ 33 81 1739 und den Koine-Hss.), ist damit eine mit dem Gebiet Sama,reia gleichnamige Stadt gemeint, die deren zentrale Polis darstellt, neben der keine weitere bedeutende Stadt existiert. Dies trifft für Samaria mindestens für die Zeit zwischen 63 v.Chr. (Wiedererrichtung durch Pompeius nach der Zerstörung 108 v.Chr. durch Hyrkan I., ab 27 v.Chr. durch Herodes I. als ‚Sebaste‘ großzügig erweitert) bis zum Beginn des 2. Jh. n.Chr. eindeutig zu (vgl. ELLIGER, K., Art. Samaria, BHH 3, Göttingen 1966, 1655–1660). Denn einerseits war das nahe Sichem (12 km entfernt) ebenfalls durch Hyrkan I. zerstört, jedoch nicht wieder besiedelt worden (vgl. CAMPBELL, E.F./ROSS, J.F., The Excavation of Shechem and the Biblical Tradition, BA 26, 1963, 2–27, dort 25f; WRIGHT, G.E., Shechem. The Biography of a Biblical City, London 1965, 172.181–184), andererseits wurde Flavia Neapolis (2 km von Sichem entfernt, in Richtung Samaria/Sebaste; heute: Nablus) erst 72 n.Chr. unter Vespasian gegründet und hat erst vom 2. Jh. an größere Bedeutung erlangt (vgl. ABEL, F.-M., Géographie de la Palestine, Bd. 2, Paris 31967, 396f; zu den Ausgrabungen des unter Hadrian [117–138] errichteten Zeustempels auf dem Garizim vgl. BULL, R.J., Art. Er-Ras, Tell (Mount Gerizim), in: M. Avi-Yonah/E. Stern [Hg.], Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Bd. 4, London 1978, 1015–1022). Die Lesart von P74 usw. entspricht also der Situation des Lukas (und erst recht der von vor 70 n.Chr.), während die Lesart von C usw. Angleichung an die spätere Situation ist. Zur Frage, warum Lukas den Namen der Stadt nur umschreibt, s.u. Anm. 36. 1
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lichen Häresiologen zuschrieben: als Urheber aller Irrlehren, insbesondere der sogenannten ‚Gnosis‘.2 Auch wenn man – zumal bei kritischer Analyse der patristischen Überlieferungen – dieses Bild nicht teilen kann, der ‚Magier‘ Simon bleibt ein die Forschung irritierendes Problem. Schon die scheinbar einfache Frage nach Umfang und Aussageabsicht der in Apg 8,5–25 von Lukas verarbeiteten Tradition(en) findet sehr divergierende Antworten,3 wobei z.T. die Tendenz besteht, angesichts der intensiven lukanischen Bearbeitung, die in Apg 8,5–25 mit Sicherheit vorliegt, das vorlukanische Traditionsmaterial für kaum noch genauer eingrenzbar anzusehen.4 Dies hat zur Folge, daß auch 2 Schon Justin, apol. I, 26 (hg.v. J.C.Th. Otto, 66.68) beginnt die Darstellung der drei von ihm geschilderten Häresien mit Simon; ausdrücklich formuliert ist diese Sicht bei Irenäus, adv. haer. I, 23,2: Simon autem Samaritanus, ex quo universae haereses substiterunt (SC 264 [hg.v. A. Rousseau/L. Doutreleau], 314 [= Harvey 191]); dazu vgl. LÜDEMANN, G., Untersuchungen zur simonianischen Gnosis, GTA 1, Göttingen 1975, 36f; s. auch Irenäus, adv. haer. I, 23,4: Simoniani, a quibus falsi nominis scientia accepit initia (SC 264, 320 [= Harvey 195]). Dabei ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Irenäus hier eine ihm vorgegebene Quelle verarbeitet, daß also diese Beurteilung des ‚Magiers‘ Simon bereits älter ist; HILGENFELD, A., Die Ketzergeschichte des Urchristentums, Leipzig 1884 (Nachdruck: Darmstadt 1963), 21–30.46–58, der (wie vor ihm schon LIPSIUS, R.A., Zur Quellenkritik des Epiphanios, Wien 1865, 56–62), Irenäus, adv. haer. I, 11f.23f.27 auf das bei Justin, apol. I, 26,8 (OTTO, a.a.O., 70) erwähnte ‚Syntagma‘ zurückführt; vgl. dazu die grundsätzlich positiven Stellungnahmen von LÜDEMANN, a.a.O., 36, und RUDOLPH, K., Simon – Magus oder Gnosticus?, ThR.NF 42, 1977, 279–358, dort 290f. – Diese Einordnung Simons als Anfang aller (nachchristlichen) Häresien ist dann zum festen Topos in der Auseinandersetzung geworden, vgl. Epiphanius, panar. 21, 1,1 (GCS 25 [hg.v. K. Holl], 238): Die Lehre Simons ist die prw,th ai[resij avpo. Cristou/; Ps-Tertullian, adv. haer. I, 2 (CChr.SL 2 [hg.v. A. Kroymann], 1401); ConstAp (= Didask) VI, 7,1 (hg.v. F.X. Funk, 314f). 3 Vgl. die Darstellung der Diskussionslage durch GRÄSSER, E., Acta-Forschung seit 1960 (Fortsetzung), ThR.NF 42, 1977, 1–68, dort 25–34; RUDOLPH, a.a.O., 314–320. 4 So besonders deutlich HAENCHEN, E., Simon Magus in der Apostelgeschichte, in: K.W. Tröger (Hg.), Gnosis und Neues Testament. Studien aus Religionswissenschaft und Theologie, Berlin 1973, 267–279, dort 277–279: Der Anteil der lukanischen Redaktion ist ebenso groß wie in Apg 22,3–16; 26,12–18 und 25,14–22; positive Aussagen über die Gestalt der vorgegebenen Tradition fehlen daher bei Haenchen (im Gegensatz zu früheren Analysen; s.u.) völlig, und älteres Überlieferungsmaterial vermutet er offenbar höchstens in V. 5 und V. 9f (so auch LÜDEMANN, a.a.O. 39– 42). Eine ausgesprochen willkürliche Auswertung des unsicheren Verhältnisses von Tradition und Redaktion in Apg 8,5–25 bietet BEYSCHLAG, K., Simon Magus und die christliche Gnosis, WUNT 16, Tübingen 1974, 7f.99–106. Einerseits stellt er fest: „Über den ursprünglichen Kern der SimonMagus-Perikope läßt sich so gut wie nichts Greifbares mehr ermitteln. … Der Stil des Ganzen ist rein lukanisch, läßt also quellenkritisch keine Rückschlüsse zu“ (a.a.O., 8). Dennoch hält Beyschlag diesen lukanischen Kontext (des Titels ‚die große Kraft [Gottes]‘) für Tradition – jedenfalls soweit er dazu geeignet ist, eine gnostische Interpretation dieser Titulatur zu bestreiten. Unverständlich bleibt, wie Beyschlag im gleichen Zusammenhang behaupten kann, daß Lukas „nicht mehr genau gewußt zu haben (scheint), was der in 8,10 verborgene Titel eigentlich bedeutete“ (a.a.O., 106). Wenn außerdem (was richtig ist) keineswegs vorausgesetzt werden kann, daß die vorlukanische Überlieferung „die Person Simons … historisch getreu wiedergegeben (hat)“ (ebd.), wäre es doch eine elementare Forderung, die polemische Beurteilung Simons als Magier nicht undiskutiert als historische Tatsache zu werten (so besonders deutlich a.a.O., 103). Ein historischer
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die Absicht der lukanischen Gestaltung letztlich unklar bleibt,5 was schon im Blick auf die Interpretation der Apostelgeschichte selbst unbefriedigend ist. Allerdings ist den Schwierigkeiten des lukanischen Textes nicht dadurch zu entgehen, daß man spätere Überlieferungen über Simon (etwa die von Justin, apol. I, 26,1–3; 56,1–2 oder Irenäus, adv. haer. I, 23,1–4) zusätzlich heranzieht. Abgesehen davon, daß auch deren Interpretation strittig ist, muß davon ausgegangen werden, daß sie – sofern nicht ältere Quellen nachweisbar sind – jeweils (polemische) Reaktionen auf den Simonianismus ihrer eigenen Zeit und dessen Simonbild sind.
II Eine Rückfrage nach dem in Apg 8,5–25 von Lukas verarbeiteten Material hat daher von der vorliegenden literarischen Gestalt und den in ihr enthaltenen Rissen und Brüchen auszugehen. In seiner lukanischen Fassung weist der Text folgende Darstellungsabfolge auf:
Wundertäter Simon wird seine Wundertaten sicher nicht als ‚Magie‘ abqualifiziert haben. Gleiches gilt natürlich auch für das Verständnis der Person Simons seitens seiner Anhänger – falls hier ein derartiges ‚simonianisches‘ Simonbild zusätzlich als Zwischenstufe zwischen dem historischen Simon und der (ja wohl ebenfalls schon antisimonianisch ausgerichteten) vorlukanischen Tradition anzunehmen ist; dazu s.u. 5 Die Absicht des Lukas wird sehr verschieden beurteilt: a) Lukas geht es darum, „die Überlegenheit der christlichen Wunder über das Zauberwesen der Umwelt zu veranschaulichen und den Gegensatz von Gottesmacht und dämonischer Zauberei aufzuzeigen“ (HAENCHEN, E., Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 7(16)1977, 298; ebenso CONZELMANN, H., Die Apostelgeschichte, HNT 7, Tübingen 21972, 62: „Abgrenzung von Wunder und Magie“). b) Lukas geht es primär um die Korrektur einer ‚Hellenisten‘-Tradition von der Bekehrung Samarias durch Philippus zugunsten der Rolle der Jerusalemer Apostel (insbesondere des Petrus); so HAENCHEN, Simon Magus (s.o. Anm. 4), 278: „Die Belehrung über die Unverfügbarkeit des Geistes ist nur ein donum superadditum zu dem eigentlichen Ertrag der Erzählung, welcher die Größe und Bedeutung der Apostel ins hellste Licht stellt“. c) Lukas geht es um ein seiner Gesamtkonzeption entsprechendes Bild von der Missionierung Samarias angesichts zweier konkurrierender Gemeindegründungstraditionen (so LÖNING, K., Lukas – Theologe der von Gott geführten Heilsgeschichte, in: J. Schreiner/G. Dautzenberg [Hg.], Gestalt und Anspruch des Neuen Testaments, Würzburg 21969, 200–228, dort 205–209). d) Lukas verhandelt anhand der Person Simons das Problem des Synkretismus – nämlich wie derartige Tendenzen „im Gefolge der christlichen Mission zwar entstehen und sich unerkannt eine Weile auch zu halten vermögen, notwendig aber in dem Augenblick auffliegen, da sie dem verbindlichen Kriterium der apostolischen Tradition ausgesetzt werden“ (so KLEIN, G., Der Synkretismus als theologisches Problem in der ältesten christlichen Apologetik, in: DERS., Rekonstruktion und Interpretation. Gesammelte Aufsätze zum Neuen Testament, BEvTh 50, München 1969, 262– 301 [zuerst: ZThK 64, 1967, 40–82], das Zitat dort 295).
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1. V. 5–13: Die missionarische Tätigkeit des Philippus in Samaria a) V. 5–8: Allgemeine Schilderung b) V. 9–13: Die Gründung der Gemeinde, zu der auch der frühere Wundertäter Simon gehört 2. V. 14–25: Das Wirken der Apostel Petrus und Johannes in Samaria a) V. 14–17: Die Geistverleihung durch die Apostel b) V. 18–24: Der Konflikt mit Simon c) V. 25: Die Mission der Apostel in den ‚Dörfern der Samaritaner‘ Unzweifelhaft ist, daß diese Darstellung nicht auf einer geschlossenen und von Lukas nur unwesentlich überarbeiteten Tradition beruht. Schon der auffällige Wechsel der Hauptpersonen von Philippus zu Petrus und Johannes spricht dagegen. Gleiches gilt für die Person des Simon, obwohl dieser die einzige verbindende Gestalt in beiden Abschnitten ist. Aber schon die Tatsache, daß er erst jeweils im zweiten Abschnitt beider Hauptteile erscheint, legt die Vermutung nahe, daß hier die gestaltende Hand des Schriftstellers die vorliegende Darstellung bestimmt. Hinzu kommt der Wechsel im Bild, das jeweils von Simon vermittelt wird: In V. 9–13 ist er der bekehrte Zauberer, der den christlichen Wundertäter bestaunt und sich ihm unterordnet, in V. 18–24 ist er der Gegenspieler der Apostel, dem der Untergang angedroht wird. Der Riß zeigt sich, wenn man fragt, ob auch Simon den Geist erhalten hat. Dies wird bei Lukas verschleiert. Simon ist zum Glauben gekommen und getauft worden (V. 13), er gehört also zur Gemeinde. Nach V. 14–17 erhält die Gemeinde durch Petrus und Johannes den Geist, und daß Simon davon ausgeschlossen gewesen ist, wird in keiner Weise angedeutet: Er wird in V. 14–17 ja überhaupt nicht erwähnt, d.h. eine Verweigerung des Geistes ist nicht einzutragen.6 In V. 18–24 verhält er sich aber gar nicht so, wie man es von einem getauften und gerade vom Geist erfüllten Gemeindeglied erwarten sollte.7
Noch merkwürdiger ist das Ende der Auseinandersetzung mit Simon: Petrus kündigt ihm das Verderben an, allerdings verbunden mit einem Bußangebot (V. 20–23). Diese Abfolge ist zwar überraschend,8 aber für sich genommen noch nicht widersprüchlich. Endgültig schwierig wird der Erzählungsschluß erst durch die ausgesprochen zweideutige Reaktion Simons, die sich hieran anschließt: Er formuliert seinerseits keineswegs seine Schuld und bittet auch nicht um Vergebung, sondern sagt nur: „Betet für mich zum Herrn, 6 Auch bezieht sich das Ansinnen Simons in V. 18f nicht auf die Gabe des Geistes selbst (obwohl h` dwrea. tou/ qeou/ in V. 20 das natürlich nahelegt; dazu s.u.), die ihm vorenthalten worden wäre, sondern ausdrücklich auf die evxousi,a der Geistverleihung. 7 Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 5), 294f. 8 Auf das Problem, daß einerseits Simon das endgültige Verderben angekündigt und ihm andererseits zugleich die Möglichkeit der Buße eröffnet wird, hat mit Nachdruck KLEIN, a.a.O., 291– 293, hingewiesen.
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damit nichts von dem, was ihr gesagt habt, über mich komme“ (V. 24).9 Umgekehrt fehlt jede Reaktion der Apostel auf diese Bitte Simons.10
III Angesichts dieses uneinheitlichen Gesamteindrucks, der sich in Apg 8,5–25 bietet, ist bei dem Versuch einer Sonderung von Tradition und Redaktion von den möglichst sicheren Indizien auszugehen, um von dort aus zu einer den gesamten Text erfassenden Analyse zu gelangen. Dabei ist es am sinnvollsten, bei denjenigen Textteilen einzusetzen, die nicht die Rolle Simons betreffen. Sicher lukanisch ist die einleitende Darstellung des Wirkens des Philippus in V. 5–8 – abgesehen von der Nachricht als solcher, daß Philippus in Samaria missionarisch tätig war.11 In dieser summarischen Schilderung findet keine einzelne konkrete Handlung statt, sondern es wird ein umfassendes Bild von der erfolgreichen Predigt- und Wundertätigkeit des Philippus entworfen. Das entspricht der ebenfalls lukanischen Darstellung des Stephanus in 6,8–10, und auch sprachlich ist 8,5–8 unverkennbar lukanisch geprägt.12
9
Die Zweideutigkeit des Ausgangs des Petrus-Simon Magus-Konflikts spiegelt sich deutlich in der Literatur wider. WEISER, A., Die Apostelgeschichte, ÖTBK 5, 1/2, Gütersloh/Würzburg 1981/1985, 205: V. 24 sei Zeichen für die tatsächliche Umkehr Simons. „Sie wird im Sinne des Lukas ebenso ernst gemeint sein wie die Notiz über den Glauben und die Taufe Simons in Vers 13.“ Ebenso SCHNEIDER, G., Die Apostelgeschichte. I. Teil, HThK 5/1, Freiburg 1980, 495 (mit Anm. 121). – Dagegen CONZELMANN, a.a.O., 63: „Lk vermeidet, den Abfall Simons zu berichten. Andererseits kann er den bekannten Konkurrenten nicht zum Christen machen“. 10 Die fehlende Reaktion der Apostel ist von BAUERNFEIND, O., Die Apostelgeschichte, ThHK 5, Leipzig 1939 (Nachdruck: Kommentar und Studien zur Apostelgeschichte; hg.v. V. Metelmann, WUNT 22, Tübingen 1980), 127, bemerkt und ergänzt worden, wenn er meint, daß mit dem „Gebet um die Rettung Simons … die Apostel sicher keinen Augenblick gezögert haben“. 11 Vgl. CONZELMANN, a.a.O., 60; ROLOFF, J., Die Apostelgeschichte, NTD 5, Göttingen 1(17) 1981, 132; WEISER, a.a.O., 199f; vgl. auch LÖNING, a.a.O., 207; anders SCHNEIDER, a.a.O., 484, der Apg 8,5–8.12 wie 8,26–40 als vorlukanische Philippustradition ansieht. Doch macht gerade der Vergleich mit 8,26–40 deutlich, daß 8,5–8.12 überhaupt keine für eine Erzählüberlieferung ausreichende erzählerische Substanz enthält. Mit einer gemeinsamen vorlukanischen Herkunft einer (breiteren) Philippustradition von 8,5ff und 8,26–40 rechnete bereits BAUERNFEIND, a.a.O., 122: Beide Überlieferungen seien schon vor Lukas miteinander verknüpft gewesen, und zwar mit durchaus programmatischer Absicht: In dieser, dem Traditionsbereich der ‚Hellenisten‘ angehörenden Überlieferung wurde (in Entgegensetzung zu einer Position wie der von Mt 10,5) das Recht sowohl auf Samaritaner- als auch auf Heidenmission begründet. Aber in 8,5ff fehlt gerade jede 8,26.29 entsprechende Begründung für die Mission in Samaria. 12 Vgl. WEISER, a.a.O., 199f.
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Schwieriger zu beurteilen sind V.14–17. Ein unverändert übernommenes Traditionsstück liegt hier kaum vor. Das zeigt sich am Verhältnis zu V. 18ff. Zwar sind in V. 18 die beiden Apostel noch gleichrangige Akteure, aber ab V. 20 ist Petrus allein der Gegenspieler Simons, der sich in V. 24 allerdings wieder an beide Apostel wendet. Da die Zweizahl der Apostel (oder anderer Abgesandter) auch in anderen lukanischen Kompositionen der Apg begegnet,13 liegt zumindestens hinsichtlich der Einbeziehung des Johannes die Vermutung lukanischer Überarbeitung nahe. Darüber hinaus mutet die Trennung von Taufe und Geistverleihung, die in V. 14–17 vorliegt, genauso konstruktiv an wie in Apg 10,44–48.14 Auch ist der Effekt für das Gesamtbild der Apg von der Ausbreitung der Kirche ausgesprochen charakteristisch: Es handelt sich ja um die erste Gemeindegründung außerhalb von Jerusalem. Bis Apg 15 ist im Sinne des Lukas Jerusalem eindeutig das Handlungszentrum, und Leitungsorgan der Gemeinde in Jerusalem sind die Apostel. Sie allein garantieren die Kontinuität der Kirche. Zwar erfolgt die erste Mission außerhalb Jerusalems durch Philippus, also nicht durch einen Apostel, und selbst Lukas stellt ihn nicht als im Auftrag der Apostel handelnd dar. Aber erst durch die Aktion von Petrus und Johannes, die im Auftrag der Gesamtheit der Jerusalemer Apostel nach Samaria kommen und den Geist übermitteln, ist dort Gemeinde im vollgültigen Sinne vorhanden. Daß die Konzeption einer Geistübermittlung ausschließlich durch die Jerusalemer Apostel unhistorisch ist, ist ohnehin eindeutig. Sie ist aber auch im Rahmen der Apostelgeschichte eine Ad-hocKonstruktion,15 wie sich aufgrund des Vergleichs mit Apg 11,22–24 ergibt: Die Gemeinde in Jerusalem erfährt von der – ebenfalls ohne ihr Zutun erfolgten – Gemeindegründung in Antiochia und schickt Barnabas dorthin. Dieser fungiert dort dann als von Jerusalem legitimierter Gemeindeleiter. Von einer Geistübermittlung durch die Apostel (oder Barnabas als deren Beauftragten) ist überhaupt nicht die Rede.16 Apg 11,22–24 zeigt also das 13 So 3,1–10 und 4,1–22 (ebenfalls jeweils Petrus und Johannes; sie werden auch in 1,13 [anders als in Lk 6,14–16 par. Mk 3,16–18] an der Spitze der Zwölferliste genannt); 15,27 (Judas und Silas). 14 Vgl. CONZELMANN, a.a.O., 73. 15 Anders DIETRICH, W., Das Petrusbild der lukanischen Schriften, BWANT 94, Stuttgart 1972, 245–256: Apg 9,17f zeige, daß die Eingrenzung der evxousi,a der Geistverleihung auf die Apostel unlukanisch ist. Doch ist in 9,17f die direkte Darstellung der Geistmitteilung durch Ananias gerade vermieden (vgl. CONZELMANN, a.a.O., 66), und die Handauflegung von 9,17 ist auf dem Hintergrund von 9,12 von Lukas primär als Heilgestus dargestellt (vgl. COPPENS, J., L’imposition des mains dans les Actes des Apôtres, in: J. Kremer [Hg.], Les Actes des Apôtres. Traditions, rédaction, théologie, BEThL 48, Gembloux/Leuven 1979, 405–438, dort 406.412– 415). 16 Lukas stellt zwar in 11,21 die Gemeindegründung in Antiochia sehr summarisch dar und erwähnt dabei noch nicht einmal die Taufe, so daß sich die Frage der Geistübermittlung gar nicht erst stellt. Aber daß Lukas sowohl Taufe als auch Geistverleihung völlig übergehen und die
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grundsätzliche lukanische Interesse an der Anbindung der neugegründeten Gemeinde an Jerusalem als kirchlichem Kontinuitätsort, läßt aber auch vermuten, daß Lukas in 8,14–17 durch sein Traditionsmaterial veranlaßt war, es hier auf diese Weise zum Zuge zu bringen. Eindeutig lukanisch ist schließlich die Abschlußbemerkung in 8,25. Hier holt Lukas das nach, was eigentlich – schon aufgrund von 1,8 – längst zu erwarten war, nämlich die aktive Mission von Mitgliedern des Apostelkreises in Samaria. Auch bei der Rekonstruktion des vorlukanischen Materials ist von den relativ sicheren Elementen auszugehen. Zweifellos auf vorlukanische Überlieferung geht es zurück, daß die Gründung der Gemeinde in Samaria auf Philippus zurückgeführt wird. Lukas hat ja erhebliche Mühe, hier – wie in Apg 11 – die missionarischen Aktivitäten der aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten in sein Gesamtkonzept zu integrieren. Auch in V. 9–13 muß man mit vorgegebenem Material rechnen, und zwar hinsichtlich der Angaben über Simon. Seine Erwähnung ist nicht als freie Konstruktion des Lukas zu erklären, ebenso nicht die elementaren Bestandteile des Bildes, das er von Simon entwickelt. Dazu sind zu rechnen, a) daß Simon offenbar als Thaumaturg wirkte und b) als h` du,namij [tou/ qeou/]17 h` mega,lh18 bezeichnet wurde. Ein größeres vorlukanisches Traditionsstück wird damit jedoch in V. 9–13 noch nicht sichtbar. Denn V. 12 und V. 13 weisen nicht nur sprachlich einen völlig lukanischen Charakter auf,19 sie sind auch als redaktionelle Bildung verständlich, mit der Lukas die Größe des Missionserfolgs abschließend darstellen will.20
Anbindung an Jerusalem auch ohne eine Geistübermittlung durch die Apostel herstellen kann, ist doch aufschlußreich. 17 Für tou/ qeou/ wird meist (unter Verweis auf Lk 22,69 [vgl. Mk 14,62]) mit lukanischer Herkunft gerechnet, so HAENCHEN, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 5), 293; SCHNEIDER, a.a.O., 489, und WEISER, a.a.O., 200; doch vgl. das bei CONZELMANN, a.a.O., 60f, aufgeführte inschriftliche Material, das zeigt, daß tou/ qeou/ keineswegs notwendigerweise sekundäre interpretatio christiana ist. 18 Zur lukanischen Herkunft von kaloume,nh vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 5), 293; CONZELMANN, a.a.O., 60 („Zusatz des Lk, der den titularen Sinn noch erkennen läßt“); LÜDEMANN, a.a.O., 41; die sachliche Schwierigkeit hat schon WELLHAUSEN, J., Kritische Analyse der Apostelgeschichte, AGWG.PH 15/2, Berlin 1914 (Nachdruck: Nendeln/Lie.), 15, gesehen: „In 10 befremdet kaloume,nh wegen des vorangehenden le,gontej; die Leute können doch nicht gut sagen: er ist die sogenannte große Kraft“ (Hervorhebung i.O.). 19 Vgl. WEISER, a.a.O., 200 (zu V. 12); auch V. 13 ist stark lukanisch geprägt: so kai. auvto,j (vgl. Apg 21,24; 22,20; 24,16; 25,22, vgl. BLASS, F./DEBRUNNER, A./REHKOPF, F., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 151979 [= BDR], § 277 Anm. 3); zu evpi,steusen … baptisqei,j vgl. Apg 18,8; lukanisch sind auch proskarterei/n (vgl. Apg 1,14; 2,42.46; 6,4; 10,7) und die Verwendung der coniugatio periphrastica (in Apg 1–13 besonders häufig, vgl. BDR § 353.1); zu shmei,a kai. duna,meij vgl. Apg 2,22 (zwar ist die Zusammenordnung shmei,a kai. te,rata bei Lukas wesentlich häufiger, doch verwendet Lukas auch duna,meij: so Apg
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Da in V. 14–17 zumindest mit intensiver lukanischer Umgestaltung vorgegebener Tradition zu rechnen ist, verbleibt als Ansatz zur Rückfrage nach der (oder: den) vorlukanischen Überlieferung(en) nur V. 18ff. Da für eine mündliche Erzählüberlieferung, die doch offenbar einen scharfen, prinzipiellen Konflikt zum Gegenstand hatte, ein so unentschiedener Schluß wie der von V. 24 ausgesprochen unwahrscheinlich ist, wird man zumindest V. 24, unter Umständen sogar bereits das Bußangebot in V. 22f, ebenfalls ausklammern müssen.21 19,11 vgl. auch 6,8; 10,38); zur Hervorhebung durch mega,laj vgl. Apg 4,33 6,8; zu duna,meij … ginome,naj vgl. Apg 10,37; 11,19; 13,32; 26,6; zu evxi,stato vgl. Apg 2,7.12; 9,21; 10,45; 12,16. 20 In V. 12 holt Lukas die Predigt des Philippus nach (vgl. den Vorblick in V. 5), die er in V. 6–8 noch nicht darstellen konnte, da er zunächst ein Gegengewicht zur ‚Magie‘ des Simon (V. 9.11) schaffen mußte. Zugleich wird das Bestreben deutlich, den Glauben der von Philippus gewonnenen Samaritaner nicht als reinen Wunderglauben erscheinen zu lassen (vgl. auch die bewußte Differenzierung zwischen prosei/con in V. 6 und evpi,steusan in V. 12). – V. 13a liefert zunächst die nach V. 9–11 notwendige Ergänzung hinsichtlich der Person Simons, V. 13b (qewrw/n … evxi,stato) unterstreicht die Wundermacht des Philippus. Zugleich schafft Lukas die Voraussetzung für das erneute Auftreten Simons in V. 18f (mit CONZELMANN, a.a.O., 61). Anders BAUERNFELD, a.a.O., 124: „daß Lk ohne den Druck der Tradition den Glauben und die Taufe gerade Simons berichtet hätte, ist unwahrscheinlich“. Warum eigentlich? Erst so ist ja der Missionserfolg des Philippus wirklich umfassend. 21 Zur Beurteilung von V. 21 s.u.; die Sprache ist in V. 20–24 durchgängig stark lukanisch. Lukas hat also auch die vorgegebene Überlieferung sprachlich stark umgeprägt. V. 20: Der Optativ Präsens bei Verwünschungen begegnet im NT nur hier (vgl. BDR § 384); zu nomi,zein mit Infinitiv s. Apg 7,25; 14,19 u.ö. (vgl. SCHNEIDER, a.a.O., 494, Anm. 101); crh,mata ist auch in Apg 4,37; 24,26 lukanisch; zu kta/sqai s. Apg 1,18 u.a. (vgl. SCHNEIDER, ebd. Anm. 104). V. 21: Zu lo,goj im Sinne von ‚Gegenstand, Sache‘ vgl. Apg 15,6; 19,38. V. 22: Dei/sqai (nochmals in V. 24 verwendet) ist auch in Lk 5,12; 8,28.38; 9,38.40; 21,36; 22,32; Apg 8,34; 10,2; 21,39; 26,3 lukanisch. V. 23: Zu o`rw/ se o;nta vgl. Lk 13,28. V. 24: Zu avpokriqei.j de. + Namen + ei=pen vgl. Lk 9,41 (diff. Mk 9,19); 9,49 (diff. Mk 9,38); 17,17 (Sondergut); 22,51 (diff. Mk 14,47); Apg 5,29; vgl. auch 4,19; zu mhde.n evpe,lqh| … w-n eivrh,kate vgl. Apg 13,40: mh. evpe,lqh| to. eivrhme,non. Hinzu kommen mehrere der LXX entlehnte Wendungen (zur LXX-Mimesis des Lukas in den Reden, aber auch in kürzeren Äußerungen der Apostel vgl. PLÜMACHER, E., Lukas als hellenistischer Schriftsteller, StUNT 9, Göttingen 1972, 38–72 [zu 8,20f: 47, Anm. 58]): V. 20: Zu ei=nai eivj avpw,leian s. Jes 34,12 u.ö. (vgl. SCHNEIDER, ebd. Anm. 100); V. 21: Zu ouvk e;stin soi meri.j ouvde. klh/roj vgl. Dtn 12,12; 14,27.29; 18,1; vgl. auch Dtn 10,9; Jes 57,6; Jer 13,25; im NT ist sonst nur noch in Kol 1,12 die Verbindung von meri,j und klh/roj vorausgesetzt; klh/roj allein begegnet auch in Apg 1,17.26; 26,18 (dort ebenfalls für die Zugehörigkeit zur Gemeinde überhaupt gebraucht). In V. 21b ist h` ga.r kardi.a sou ouvk e;stin euvqei/a in Anlehnung an Ps 77,37 LXX formuliert; e;nanti tou/ qeou/ (nicht in Ps 77,37 LXX vorgegeben) ist ebenfalls LXX-Wendung, vgl. Ex 28,29; Num 10,10; Jer 3,25; vgl. e;nanti kuri,ou tou/ qeou/ sou/u`mw/n in Dtn 1,41; 14,23 u.ö. V. 22: Zu metano,hson avpo. th/j kaki,aj sou vgl. Jer 8,6; zu evpi,noia (im NT Hapaxlegomenon) vgl. SapSal 14,12; 15,4 (jeweils negativ); außerdem: Jer 20,10; SapSal 6,16; 9,14; Sir 40,2. V. 23 ist im Anschluß an Dtn 29,17 (colh. kai. pikri,a), Klgl 3,15 (pikri,a, colh,) und Jes 58,6 (sundesmo.j avdiki,aj) formuliert.
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V Als vorlukanische Elemente in Apg 8,5–25 kommen somit in Betracht: 1. Eine allgemeine Nachricht über die missionarische Wirksamkeit des Philippus in Samaria; 2. die Nachricht über das Wirken und die Verehrung Simons in Samaria; 3. die Schilderung eines Zusammenstoßes zwischen Petrus und Simon Magus. Ein Versuch, diese vorlukanischen Bestandteile von Apg 8,5–25 vollständig einer einzigen, in sich geschlossenen Überlieferung zuzurechnen, führt zu keinem überzeugenden Ergebnis.22 Eine mündliche Erzählung, die mit Philippus als Hauptperson einsetzt und dann mit Petrus als gleichrangiger Hauptperson fortfährt (und zwar unter völliger Ausblendung des Philippus), hat weder ein geschlossenes Handlungsgerüst, noch kann für sie ein die ganze Erzählung bestimmendes Erzählziel angegeben werden.23 Daher werden in der Literatur zwei verschiedene Rekonstruktionen vertreten, in denen jeweils nur mit einer Hauptperson gerechnet wird: a) So geht E. Haenchen von einer Überlieferung aus, die lediglich von Philippus und dem Magier Simon handelte. Gegenstand der Erzählung wäre dann der Versuch Simons gewesen, dem Philippus die Wunderkraft, die der eigenen noch überlegen war, abzukaufen. Geendet habe die Erzählung mit der scharfen Zurückweisung des Simon durch Philippus.
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Noch problematischer ist es, ohne vorausgegangene literarische Analyse den Text unmittelbar religionsgeschichtlich auszuwerten (und dabei Lücken des Textes entsprechend aufzufüllen); so jedoch DERRETT, D.J.M., Simon Magus (Act 89–24), ZNW 73, 1982, 52–68. Er hält Simon (aufgrund von V. 9: mageu,wn) für einen „peripatetic practitioner in the occult“ (53), der gewisse pneumatische Fähigkeiten besaß (Derrett spricht von „Simon’s practising spirit-possession and speaking in trance with the deity’s/demon’s voice“ ebd.); „but he had not (so we are told) the gift of inducing the required trance in others“ (54f). Diese Fähigkeit habe er von den Aposteln erwerben wollen, wobei die Geldleistung von Simon als „price for a ‚priesthood‘ subordinate to Peter“ gemeint gewesen sei (62). Dabei bleibt nicht nur offen, warum sich Simon von Philippus (der ja das gleiche pneumatische Defizit aufwies wie Simon selbst) überhaupt bekehren ließ (Derretts Verweis, a.a.O., 53, auf „Philip’s charisma“ beantwortet diese Frage nicht), sondern vor allem, warum auf die Ankündigung des Verderbens durch Petrus (dessen Schrifthintergrund Simon nach DERRETT, a.a.O., 67f, durchaus verstanden haben dürfte!) und auf das anschließende Bußangebot keine eindeutige Reaktion Simons erfolgt. 23 CONZELMANN, a.a.O., 61, rechnet mit der Möglichkeit, daß das disparate Traditionsmaterial von Apg 8,5–24 schon vor Lukas zusammengestellt worden ist. Doch wäre das nur bei Annahme einer schriftlichen Vorlage in Betracht zu ziehen. Zu den Schwierigkeiten der Quellenanalyse in Apg 1–14 vgl. CONZELMANN, a.a.O., 5f; er rechnet mit einer schriftlichen ‚hellenistischen‘ Sammlung, die vermutlich Jerusalem und Antiochia verknüpft habe (unter Verweis auf 6,1–6; 7,8– 12.54ff). Doch liegen die von Conzelmann selbst a.a.O., 5, genannten Indizien für eine Quelle (Listen; lukanische Einsprengungen in vorgegebene Zusammenhänge) in 8,5–24 nicht vor.
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Dies ist der Kern der verschiedenen Äußerungen Haenchens zu Apg 8,5–25 zwischen 1952 und 1968. Nach Haenchens frühester Analyse (von 1952)24 ist diese PhilippusSimon Magus-Erzählung, die noch nicht die Taufe Simons voraussetzt, bereits vor Lukas dadurch verändert worden, daß zusätzlich die Apostel als Vertreter der legitimen Kirche eingeführt wurden. Dadurch sei Philippus in den Hintergrund getreten und der Konflikt zwischen Simon Magus und Philippus vom Konflikt zwischen Simon Magus und Petrus abgelöst worden. In der 1. Auflage seines Kommentars (1956) weist Haenchen diese Erweiterung der lukanischen Redaktion zu, hält aber andererseits die Taufe Simons für einen Bestandteil der Philippuserzählung selbst.25 In der 4. Auflage (1961) rechnet er zusätzlich mit einer Vorstufe, in der noch nicht „die Simongeschichte ... mit der Philippusgeschichte verbunden war“.26
Eine derartige reine Philippus-Simon Magus-Erzählung wäre zwar in sich geschlossen, doch wäre dann der Abstand zwischen vorlukanischer Überlieferung und lukanischer Endgestalt beträchtlich. Lukas hätte dann im Hauptteil der Überlieferung jeweils Philippus durch Petrus (und Johannes) ersetzt,27 nicht nur Johannes, sondern auch Petrus ohne jeden Anhalt an seinem Überlieferungsmaterial eingeführt und schließlich den Gegenstand des Konflikts mit Simon Magus völlig umgestaltet. Eine derartige Lösung wäre erst dann in Betracht zu ziehen, wenn andere Rekonstruktionsmöglichkei-
24 HAENCHEN, E., Gab es eine vorchristliche Gnosis?, in: DERS., Gott und Mensch, Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1965 (zuerst: ZThK 49, 1952, 316–349), 265–298, dort 295f. Haenchen fußt dabei auf WELLHAUSEN, a.a.O., 15, der rein literarkritisch urteilte: V. 14–18 sind sekundär, ebenso V. 19b; an V. 13 schloß unmittelbar prosh,negken auvtw|/ (!) crh,mata (vgl. V. 18b) an, „in 19a ist do,j zu lesen und in 20 Fi,lippoj für Pe,troj“. 25 HAENCHEN, E., Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 1(10)1956, 265f. 26 HAENCHEN, E., Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 4(13)1961, 258, ebenso in der letzten von Haenchen selbst besorgten Auflage 6(15)1968, 258 (entspricht 7(16)1977, 298). Haenchen ist dabei offenbar von der historischen Erwägung geleitet, daß Philippus eher bei den samaritanischen Juden in Sichem (dazu s.u. Anm. 31), Simon Magus dagegen im heidnischen Samaria/Sebaste gewirkt haben dürfte (4/61961/1968, 257 = 71977, 297). – In seiner letzten Äußerung zu diesem Text (Simon Magus [s.o. Anm. 4], 273–279) von 1973 rechnet Haenchen offenbar für V. 14–24 mit rein lukanischer Bildung; von einem ursprünglichen Konflikt zwischen Philippus und Simon Magus ist jedenfalls nicht mehr die Rede. Gleichzeitig beurteilt er auch die Taufe Simons als spät, wenn nicht gar lukanisch. Vorgegeben wären dann lediglich die in V. 5 und V. 9f verarbeiteten Einzelnachrichten. Doch wird dann unverständlich, warum Lukas auf dieser schmalen Traditionsbasis Simon Magus einen derart breiten Raum in seiner Komposition einräumt und vor allem: warum er ihn in V. 9–13 und V. 18–24 derart unterschiedlich darstellt. Daß die Zusammenordnung Simons sowohl mit Philippus als auch mit Petrus (und Johannes) auf Lukas zurückgeht, ist äußerst unwahrscheinlich. 27 Noch unbefriedigender ist die Ansicht, diese Abänderung sei vorlukanisch (so die früheste Analyse von HAENCHEN; s.o. Anm. 24). Mit der Annahme einer sekundären Einfügung der Apostel im mündlichen Überlieferungsprozeß ließe sich allenfalls eine überbietende Ergänzung des ersten Konflikts (mit Philippus über die Wunderkraft) durch einen zweiten (mit den Aposteln über die evxousi,a der Geistvermittlung) erklären, aber nicht die ersatzlose Beseitigung der älteren Konfliktszene.
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ten, die mit weniger Hypothesen hinsichtlich der lukanischen Umgestaltung verknüpft sind, nicht in Frage kommen.28 b) Der umgekehrte Rekonstruktionsversuch setzt voraus, daß die Rolle des Petrus vorlukanisch ist. So rechnet A. Weiser mit einem Traditionsstück, das von Lukas in den Versen 9f.18–24 verarbeitet worden ist. „Inhalt des Traditionsstückes war wohl die Erwähnung der Missionsarbeit des Petrus in Samaria, die von ihm durch Handauflegung bewirkte Geistmitteilung und der Konflikt mit Simon“.29 Das ist als Beschreibung einer mündlichen Erzählung in dieser Form problematisch. Für mündliche Erzählungen ist eher von einer einsträngigen Handlung auszugehen, davon, daß sie ein einziges Sachproblem klären und nicht mehrere Handlungsschwerpunkte gleichzeitig aufweisen. Das spricht gegen die Annahme, in der Exposition der vermuteten Erzählung von dem Konflikt zwischen Petrus und Simon Magus sei vor der Geistmitteilung (dem Anlaß des Konflikts) zunächst die Gründung der Gemeinde durch Petrus dargestellt worden.30 Der entscheidende Einwand liegt jedoch darin, daß dann das Redaktionsverfahren des Lukas völlig uneinsichtig wird. Lukas hätte – nach dieser Analyse – zwei konkurrierende Traditionen über die Missionierung Samarias gehabt: eine kurze, allgemeine Nachricht über die Missionstätigkeit des Philippus und ein eigenständiges Überlieferungsstück, das in seiner Exposition die Gründung der Gemeinde auf Petrus zurückführt. Das würde bedeuten: Lukas hätte entgegen seiner eigenen, auf Jerusalem und die dortigen Apostel zentrierten Darstellung die Missionstätigkeit des Petrus zunächst völlig eliminiert, um sie dann doch in V. 25 mühsam nachzutragen31 – und 28 Außerdem ist unter der Voraussetzung, die Wunderkraft des Philippus sei der ursprüngliche Konfliktgegenstand gewesen, die Formulierung von V. 20 (Simon wird die dwrea. tou/ qeou/ verweigert) schwer erklärlich. Diese Wendung ist einerseits nicht lukanisch (s.u.), andererseits läßt sie eher an die Gabe des Geistes als an die Übereignung von Wunder-Dynamis denken. 29 WEISER, a.a.O., 200; ähnlich auch LÖNING, a.a.O., 207f, allerdings ohne die vorlukanische Tradition genauer einzugrenzen. 30 LÖNING, a.a.O., 207f, Anm. 19, begründet die Annahme, die vorlukanische Petrus-Simon Magus-Überlieferung sei (zugleich) eine Gemeindegründungstradition gewesen, mit dem Hinweis auf Apg 13,4–12; doch ergibt sich aus 13,4–12 eher die gegenteilige Schlußfolgerung: Eine Mission, die zu einer Gemeindegründung führt, findet dort gerade nicht statt; die einzige Person, die zum Glauben kommt, ist der Prokonsul Sergius Paulus (V. 12), und gerade hier ist mit lukanischer Erweiterung der Tradition zu rechnen, vgl. WEISER, a.a.O., 314. 31 Das übersieht LÖNING, a.a.O., 207f, Anm. 19, der zwei verschiedene Möglichkeiten für die Erweiterung der von ihm vermuteten konkurrierenden Missionstraditionen nennt: a) die Mission in Samaria sei doppelt erfolgt, da die erste (und zwar durch Petrus!) erfolglos war, so daß eine zweite Missionierung (durch Philippus) erforderlich wurde. Doch wird in V. 14–24 kein Fehlschlag des Petrus erzählt (und auch nicht von Lukas überspielt); b) die konkurrierenden Traditionen bezogen sich auf verschiedene Städte (Sichem und Samaria/Sebaste). Auch in diesem Falle hätte Lukas Petrus und Johannes zu Dorfaposteln degradiert (V. 25)! – Im übrigen kommt als Ort neben Samaria/Sebaste, wenn überhaupt, nicht Sichem, das nach 108 v.Chr. nicht wieder besiedelt
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das zugunsten eines Mannes, den er selbst in Apg 6,1–6 lediglich als Mitglied eines Diakonenkreises geschildert hat!
VI Mit A. Weiser ist davon auszugehen, daß in V. 18ff der Zielpunkt eines vorlukanisch erzählenden Traditionsstücks enthalten ist, doch ist dessen Verknüpfung mit einer hypothetischen Missionstätigkeit des Petrus nicht aufrecht zu erhalten. Das Traditionstück handelte also von einem scharfen Konflikt zwischen Petrus und dem ‚Magier‘ Simon, das, wenn man V. 22– 24 ausschaltet, dessen kompromißlose Zurückweisung und – im Sinne der Erzählung – damit seine Niederlage zum Ziel hat. Will man von hier aus versuchen, die Erzählung in ihren weiteren Umrissen zu rekonstruieren, ist nach deren möglicher Funktion zu fragen, also danach, welcher Konflikt die Bildung dieses Traditionsstücks veranlaßt hat. Sinnvoll im Leben der frühchristlichen vorlukanischen Missionsgemeinden ist eine solche Konflikterzählung nur, wenn die Notwendigkeit bestand, sich auf diese Weise von einer konkurrierenden Gruppierung klar abzugrenzen. Es ist also anzunehmen, daß es dort, wo diese Erzählung geformt und zunächst auch tradiert wurde, d.h. aller Wahrscheinlichkeit nach in Samaria selbst, eine konkurrierende Gruppierung von ‚Simonianern‘ gab, gegen die sich diese Erzählung richtete. Eine derartige Erzählung muß natürlich zunächst in gewissem Umfang ein Bild des am Ende überwundenen Gegners vermitteln. Daher sind die – jetzt lukanisch überarbeiteten – Angaben von V. 9 und V. 10 über Simon als Elemente der Exposition der vorlukanischen Tradition zuzurechnen. Daran schloß sich die Darstellung des Konfliktgegenstandes an, dessen Rekonstruktion das zentrale und zugleich schwierigste Problem bei der Rückfrage nach der vorlukanischen Tradition ist. Wenn die Vollmacht der Geistverleihung als lukanisch anzusehen ist und andererseits angenommen werden kann, daß Lukas den Konfliktgegenstand nicht völlig neu konstruiert hat, ist es eine plausible Vermutung, daß der
worden ist (s.o. Anm. 1), sondern allenfalls Sychar, das wohl stark ‚samaritanisch‘ geprägt war, in Betracht; vgl. SCHENKE, H.-M., Jakobsbrunnen – Josephsgrab – Sychar. Topographische Untersuchungen und Erwägungen in der Perspektive von Joh 4,5.6, ZDPV 84, 1968, 159–184, dort 181– 183. Dies gilt auch für die Vermutung von HAENCHEN, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 5), 297, Philippus habe eher im jüdisch-samaritanischen Sichem, Simon Magus dagegen im hellenistischen Sebaste gewirkt.
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ursprüngliche Konfliktgegenstand der Geistbesitz selbst war.32 Dafür spricht zum einen die Formulierung von V. 20, wo (anders als in V. 19!) nicht von h` evxousi,a au[th (nämlich, wie sofort erläutert wird, durch Handauflegung den Geist zu vermitteln), sondern von der dwrea. tou/ qeou/ geredet wird, die Simon erwerben möchte. Da dwrea, in der Apg feste Bezeichnung für die Gabe des Geistes selbst ist (so an allen übrigen Stellen: 2,38; 10,45 und 11,17), ist dieser Wechsel kaum als Zufall zu bewerten, sondern als Hinweis auf das vorlukanische Traditionsmaterial.33 Zum anderen fügt sich die Annahme, daß der Geistbesitz selbst den ursprünglichen Konfliktgegenstand darstellte, gut in das auch sonst zu gewinnende Bild der frühen hellenistisch-judenchristlich geprägten Missionsgemeinden ein. Nicht erst für die primär heidenchristlichen Gemeinden des paulinischen Missionsbereichs (Korinth!) war der Geistbesitz ein ihr Erscheinungsbild wesentlich bestimmendes Kennzeichen und zugleich auch ein wichtiger Faktor ihres Selbstverständnisses. Auch für die Gemeinden, die von den aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten gegründet wurden, gibt es Hinweise, daß hier dem Besitz des Geistes eine erhebliche Bedeutung zukam.34 Gerade am Geistbesitz ließ sich gut die Differenz und Überlegenheit der christlichen Gemeinden aufzeigen, zumal wenn man sich gegenüber einer Gruppe durchsetzen mußte, die sich auf einen machtvollen Wundertäter berief. Die Bildung einer derartigen Konflikterzählung, die der Abgrenzung von einer konkurrierenden Gruppe dient, setzt eine bereits existierende christliche Gemeinde voraus. Dies macht verständlich, warum die Erzählung selbst den Konflikt nicht mit der Gemeindegründung verbindet.35
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Daß Simon auf einer früheren Traditionsstufe den Aposteln (!) die Wundermacht abkaufen wollte (so BAUERNFEIND, a.a.O., 125; vgl. CONZELMANN, a.a.O., 62), kann man erst auf dem Hintergrund von V. 13 vermuten. 33 Die Differenz zwischen der evxousi,a der Geistverleihung in V. 18f und der Aussage von V. 20, daß es um den Erwerb der dwrea. tou/ qeou/ selbst ging, wird in der Literatur z.T. gesehen – und überspielt; so bei DIETRICH, a.a.O., 254: „Zwar wird nicht erkennbar, ob sich die dwrea. tou/ qeou/ auf die Fähigkeit, den Geist zu verleihen, oder auf das Pneuma selbst bezieht, aber diesem Unterschied wird kein allzugroßes Gewicht beizumessen sein, da unbestreitbar die dwrea, mit dem Geist auf irgendeine Weise (sic!) als zusammengehörig bezeichnet werden muß;“ vgl. auch SCHNEIDER, a.a.O., 494, Anm. 102. 34 Eine Tradition über eine ekstatische Geisterfahrung, die eine Gemeinde insgesamt betraf, liegt in der Apg nur in 2,1–13 vor. Für Jerusalem ist außerdem mit Agabus (Apg 11,27–30) die Existenz eines Charismatikers bezeugt, der in Verbindung mit der hellenistischen Gemeinde in Antiochia stand (vgl. auch seine Verknüpfung mit Paulus in 21,20f). In den hellenistischjudenchristlichen Traditionsbereich weist auch die Überlieferung von den vier Töchtern des (später offenbar in Cäsarea ansässigen) Philippus als ‚Prophetinnen‘ (21,8f). 35 Auch in Apg 9,32–43 liegen Petrustraditionen vor, die ein Wirken des Petrus in einer bereits existierenden Gemeinde schildern, ohne daß über die Gründung der Gemeinde überhaupt reflektiert wird.
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Auch die Rolle des Petrus ist in einer derart ausgerichteten Erzählung gut erklärlich. Der Konflikt mit der konkurrierenden Gruppe wird ja personalisiert dargestellt. Daher muß auch der Konfliktgegner auf der eigenen Seite ebenfalls eine Person, und zwar von vergleichbarer Funktion sein. Hierfür war Petrus wie kaum ein anderer geeignet. Seine zentrale Rolle für die frühe Phase des palästinischen Christentums ist in den verschiedenen Traditionen der Apg noch erkennbar, wobei die Überlieferung ihn keineswegs auf Jerusalem beschränkt (vgl. Apg 9,32–43; 10).
Da Lukas nicht nur den Mittelteil der vorgegebenen Erzählung inhaltlich erheblich umgestaltet, sondern auch die übrigen Bestandteile sprachlich intensiv umgeprägt hat, ist der konkrete Wortlaut der Tradition nicht mehr rekonstruierbar. Dennoch ist es notwendig, eine hypothetische Formulierung der hier erwogenen Erzählabfolge vorzunehmen, um zu kontrollieren, ob eine derartige Erzählung überhaupt denkbar ist oder aufgrund innerer Spannungen als Einzelüberlieferung doch nicht in Betracht kommt. Ein aus diesem Grunde hypothetisch entworfener Wortlaut könnte folgende Gestalt haben: „Ein gewisser Mann namens Simon war in der Stadt Samaria.36 Er zauberte und setzte das Volk von Samaria in Erstaunen (V. 9).37 Alle hörten auf ihn, von klein bis groß, und sagten: Dieser ist die große Kraft [Gottes] (V. 10). Als aber Petrus in die Stadt kam und die Gemeinde versammelt war, wurden sie voll des Geistes (vgl. V. 14–17). Als Simon das sah, brachte er Geld und sagte: Gib auch mir den heiligen Geist (vgl. V. 18f). Petrus aber sprach zu ihm: Dein Geld verderbe samt dir, weil du geglaubt hast, die Gabe Gottes mit Geld erwerben zu können (V. 20)“.38
VII Zur weiteren Gegenkontrolle ist es notwendig zu prüfen, ob die in Apg 8,5– 25 vorliegende Endfassung als lukanische Redaktion einer derartigen Überlieferung verständlich ist. Wenn Lukas neben der allgemeinen Nachricht über die Missionstätigkeit des Philippus für die Geschichte der Gemeinde in Samaria nur eine Einzel36
Für die vorlukanische Erzählung kann angenommen werden, daß sie den traditionellen Ortsnamen ‚Samaria‘ und nicht die offizielle Bezeichnung ‚Sebaste‘ verwendete. Die indirekte Benennung in Apg 8,5 wäre dann auf Lukas zurückzuführen, der damit einerseits eine ‚inkorrekte‘ Formulierung vermeidet, andererseits aber (schon im Blick auf V. 25) ‚Samaria‘ nicht streichen will. 37 Für V. 9c (le,gwn ktl.) ist rein lukanische Herkunft wahrscheinlich (vgl. 5,36); so auch WEISER, a.a.O., 200; vgl. auch HAENCHEN, Apostelgeschichte (s.o. Anm. 5), 293. 38 Schon V. 21 dürfte (nicht nur wegen der stark lukanischen Sprache; s.o. Anm. 21) auf Lukas zurückzuführen sein: Der Ausschluß aus der Gemeinde, der hier formuliert wird, setzt die in V. 13 von Lukas redaktionell eingebrachte Zugehörigkeit Simons zur Gemeinde voraus.
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erzählung im oben skizzierten Sinne besaß, ist sein Redaktionsverfahren sowohl literarisch als auch inhaltlich durchaus einsichtig. Er verknüpft die beiden ihm vorgegebenen Überlieferungsinhalte, die in ihrem Umfang ganz unterschiedlich waren, zu einer zusammenhängenden Schilderung. Durch die Verwendung der Exposition der Petrus-Simon Magus-Erzählung innerhalb seines Philippus-Teils kann er die Missionstätigkeit des Philippus, für die ihm sonst offensichtlich kein konkretes Material zur Verfügung stand, erzählerisch ausbauen39 und so zwei annähernd gleich umfangreiche Teile gestalten. Zugleich formt er den Mittelteil der Erzählung von der Überwindung des ‚Magiers‘ Simon durch Petrus so um, daß schon bei der Gründung der Gemeinde in Samaria der Zusammenhang mit Jerusalem hergestellt, ja daß das entscheidende Element für die Existenz der Gemeinde, die Geistverleihung, erst durch die Apostel als Garanten der kirchlichen Kontinuität vermittelt wird. Auf diesem Hintergrund wird auch der merkwürdig unentschieden wirkende Schluß in V. 21–24 erklärlich. Lukas hat den ‚Magier‘ Simon in V. 13 zunächst zum Gemeindeglied gemacht, um so den umfassenden Missionserfolg des Philippus darzustellen.40 Für die dann von ihm aufgenommene Erzählung steht Simon jedoch außerhalb der Gemeinde und wird mit seinem Ansinnen, durch das er sich selbst als unterlegen erweist, abgewiesen. Ein so einfacher Schluß war aber für Lukas nach V. 13 nun nicht mehr möglich. Zunächst mußte Lukas in V. 21 den V. 13a korrespondierenden Ausschluß Simons aus der Gemeinde formulieren. Außerdem hatte Lukas in V. 13b breit die Reaktion Simons auf die Wundertaten des Philippus dargestellt. Dies machte es notwendig, nun auch eine Reaktion auf die von Petrus formulierte Zurückweisung seines Vorhabens anzufügen. Dafür gab es zwei eindeutige Möglichkeiten: a) Die völlige, endgültige Unterwerfung Simons, b) seinen völligen Abfall. Beide Lösungen wären jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Eine endgültige Unterwerfung als Erzählungsschluß wäre nicht nur ohne Grundlage in der vorgegebenen Tradition gewesen. Es ist auch als wahrscheinlich anzunehmen, daß auch für Lukas mit der hier dargestellten Episode das Wirken Simons noch keineswegs zu Ende war und der Simonianismus eine Gruppierung darstellte, die auch weiterhin existierte, so daß eine endgültige Unterwerfung des Oberhauptes dieser Religionsgruppe alles andere als glaubhaft gewesen
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Ein solches Verfahren kann sich Lukas durchaus leisten, da er sich für die Apostel ab V. 14 eine übergeordnete Funktion aufspart. 40 Anders KLEIN, a.a.O., 289f, der aufgrund von V. 18ff von einer „Pseudobekehrung“ Simons spricht (290, Anm. 155). Doch besteht gerade darin die zu erklärende Spannung des Textes, daß die neue Rolle Simons in V. 18ff in V. 5–13 in keiner Weise vorbereitet ist. Irgendeine Einschränkung hinsichtlich der Qualität des pisteu,ein auch des Simon ist in V. 9–13 nicht enthalten.
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wäre. Erst recht konnte Lukas kein Strafhandeln der Apostel im Sinne von Apg 13,6–12 (oder gar 5,1–11) als Schluß anfügen.41 Doch ist auch unabhängig davon fraglich, ob die Anfügung eines Strafwunders der lukanischen Redaktion entsprochen hätte. Die Strafwunder der Apg sind zwar im Vergleich mit den Wundertraditionen der Evangelien auffällig, aber sie sind Lukas durchweg aus der Tradition vorgegeben; außerdem sind sie, wenn sie sich gegen Gegner oder Konkurrenten richten (und in 8,5–13 ist Simon ja der überwundene Konkurrent), entweder zeitlich begrenzt (so 13,9–11)42 oder harmlos-burlesk (so 19,13–17). Ein Strafhandeln im Stil von 5,1–11 wird von keinem Apostel gegenüber einem Gegner der christlichen Verkündigung dargestellt,43 was nicht als Zufall zu bewerten ist, da Lukas sich ja bemüht, die Ausbreitung der christlichen Botschaft gerade nicht als Gefährdung der öffentlichen Ordnung des römischen Reiches darzustellen.44
Umgekehrt war auch die Darstellung der endgültigen Abkehr Simons kein für Lukas geeigneter Erzählungsschluß, da ein (dann ja folgenloser) Abfall Simons notwendigerweise mit der Wirkungslosigkeit der Strafandrohung der Apostel verbunden gewesen wäre. Lukas ist stattdessen einen Mittelweg gegangen: Auf die eindeutige Zurückweisung des Ansinnens Simons folgt das Bußangebot, das von Simon in ausgesprochen zweideutiger Weise aufgenommen wird: Er formuliert seinerseits keineswegs seine Schuld, sondern erbittet lediglich die Fürbitte der Apostel. Damit hat Lukas einerseits die Überlegenheit der Apostel als Ergebnis seiner Darstellung gewahrt, andererseits aber eine unglaubwürdige Unterwerfung Simons vermieden. Aufschlußreich ist auch der Wandel in der Problemlage, der sich in dieser Bearbeitung durch Lukas zeigt. In der vorlukanischen Tradition war es der Geistbesitz der Gemeinde als Ganzer, durch den sie sich von einer konkurrierenden Gruppe, repräsentiert durch deren Leitfigur, abgrenzen und dabei als überlegen erweisen konnte. Bei Lukas ist daraus die Darstellung eines rein auf die Person der damaligen Apostel bezogenen Unterlegenheit 41 Auf das auffällig milde Ende des Konflikts zwischen Simon Magus und Petrus, das sich deutlich von 5,1–11 und 12,20–23 abhebt, hat mit Nachdruck KLEIN, a.a.O., 280.291–295, hingewiesen. Er sieht hierin (angesichts des Problems des Synkretismus) eine deutliche Unterscheidung zwischen der Sache, die kompromißlos bekämpft wird, und der Person, die die Möglichkeit der Buße erhält. 42 Hier kann man sich fragen, ob die vorlukanische Überlieferung nicht eine wesentlich massivere Strafe enthielt, vgl. ROLOFF, a.a.O., 199; für lukanische Herkunft von a;rci kairou/ tritt auch KLEIN, a.a.O., 286, ein. 43 Mit Apg 5,1–11 vergleichbar ist nur noch 12,20–23, allerdings liegt hier gerade kein Strafhandeln eines Apostels oder eines christlichen Missionars vor. 44 Unzureichend ist dagegen der Versuch von DIETRICH, a.a.O., 254f, die von Klein hervorgehobene Differenz zu 5,1–11 zu erklären: Simon habe (im Sinne des Textes) katV a;gnoian gehandelt, was in 5,1–11 für Ananias und Sapphira nicht vorausgesetzt werde. Doch bietet die eindeutige Formulierung von V. 23 hierfür keinen Raum.
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Simons hinsichtlich der Vollmacht zur Geistverleihung geworden.45 Dem vorangestellt hat Lukas die Begegnung Simons mit dem christlichen Missionar Philippus, und dieser erweist sich gerade auch als Wundertäter dem ‚Magier‘ Simon als überlegen. Hier, bei der Frage der Wundertaten der frühchristlichen Missionare und Apostel, der Vergleichbarkeit und der Differenz im Verhältnis zu konkurrierender Wunderpraxis, hat Lukas offensichtlich ein Problem seiner eigenen Gegenwart berührt.46 Seine Lösung besteht – hier jedenfalls – zunächst darin, die Überlegenheit des christlichen gegenüber dem nichtchristlichen Thaumaturgen rein quantitativ aufzuzeigen. Doch kommt durch V. 14–24 indirekt auch eine qualitative Abgrenzung ins Spiel. Denn was hier über die Vollmacht der Geistverleihung gesagt wird, gilt auch für die Wundertaten der christlichen Missionare und Apostel: Sie sind nicht käuflich und d.h. nicht ablösbar davon, daß sie als Wundertaten evn tw|/ ovno,mati Iv hsou/47 auch nur von den Aposteln und Missionaren des Herrn vollbracht werden können. Als Ertrag für die Frage nach der Person des Simon Magus ergibt sich: 1. Die von Lukas verarbeitete Tradition zeigt, daß in vorlukanischer Zeit in einem bestimmten Bereich, und d.h. wohl: in Samaria selbst, christliche Gemeinden sich der Konkurrenz simonianischer Gruppierungen ausgesetzt sahen. 2. Die vorlukanische Tradition bezieht sich nicht direkt auf die Person des Simon, sein Wirken und seinen möglichen Selbstanspruch, sondern sie reflektiert das Simon-
45 Gegen die Annahme von KLEIN, a.a.O., 293–295, Lukas setze sich hier mit dem zunächst unerkannt von außen eindringenden Synkretismus auseinander, spricht, daß Lukas das Wirken Simons nach seiner Taufe nicht als Gefährdung der Gemeinde darstellt. Petrus wirft ihm zwar Unaufrichtigkeit und Bosheit vor (V. 21.23), aber nicht die Absicht, die Gemeinde zerstören zu wollen. 46 Während die pneumatischen Fähigkeiten der frühen Gemeinden für ihn offenbar nicht mehr aktuell sind, vgl. die schematische Darstellung in 4,31; 10,46 und 19,6: Das glw,ssaij lalei/n interpretiert Lukas als lalei/n to.n lo,gon meta. parrhsi,aj, megalu,nein to.n qeo,n bzw. als profhteu,ein; vgl. CONZELMANN, a.a.O., 32.119. Der Geist wirkt sich für Lukas durchaus in der geisterfüllten Rede aus, aber diese ist nicht ‚pneumatisch‘, sondern erweist sich darin als vom Geist gewirkt, daß durch sie die Gegner überwunden werden, vgl. 4,8; 6,10; 13,9; 18,25, vgl. auch 5,32 und die Zusammenstellung von pneu/ma und sofi,a in 6,3.10. Umgekehrt fehlt bei Lukas (jedenfalls für die Apostel und Missionare) die Rückführung der Wundertaten auf die Gabe des pneu/ma (vgl. 6,8.10!). Diesen Wandel im Verständnis des pneu/ma und seiner Wirkungsweise, der sich sehr deutlich zeigt, wenn man den Befund in der Apg mit 1Kor 14 (und Röm 15,18f) vergleicht, übersieht BARRETT, C.K., Light on the Holy Spirit from Simon Magus (Acts 8,4–25), in: J. Kremer, Actes (s.o. Anm. 15), 281–295. 47 Vgl. Apg 3,6 – und 4,10! Die Interpretation der Wunderüberlieferungen der Apg steht weitgehend im Schatten des Interesses an der Wunderthematik in den Evangelien. Eine die Einzelaspekte zusammenfassende Untersuchung, bei der auch Apg 8,5–25 zu berücksichtigen wäre, fehlt bislang. Eine Zusammenstellung des Materials und der bisherigen Diskussion gibt NEIRYNCK, F., The Miracle Stories in the Acts of the Apostles. An Introduction, in: DERS., Evangelica. Gospel Studies – Études d’Évangile (hg.v. F. van Segbroeck), BEThL 60, Gembloux/Leuven 1982, 835– 880 (zuerst in: Kremer, J., Actes [s.o. Anm. 15], 169–213).
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bild der ihn verehrenden Gruppe,48 wobei die Tradition auch an der Wiedergabe dieses Bildes von Simon kein eigenständiges, sondern ein durch Polemik gesteuertes und begrenztes Interesse hat. 3. Das Bild von Simon, mit dem sich die christliche(n) Gemeinde(n) auseinandersetzen mußte(n), enthielt zwei Faktoren, auf die hier Bezug genommen wird: a) Simon galt als erfolgreicher Thaumaturg b) er wurde als „die große Kraft [Gottes]“ verehrt. Beide Faktoren gehören im Sinne der Erzählung zusammen. Die Auseinandersetzung selbst bezieht sich zunächst nur auf die Wundermacht, der der Geistbesitz der christlichen Gemeinden entgegengesetzt wird. Aber indem Simon durch sein Kaufangebot zugeben muß, die dwrea. tou/ qeou/, d.h. den Geist, nicht zu besitzen, ist zugleich die Behauptung, er sei h` du,namij [tou/ qeou/] h` mega,lh, als falsch entlarvt. 4. Als wahrscheinlich kann angenommen werden, daß damit nicht beliebige Nebenaspekte, sondern zwei durchaus charakteristische und zentrale Aspekte des Simonbildes der Gegner aufgegriffen worden sind. Ein völlig unzutreffendes oder nur Nebensächlichkeiten enthaltendes Bild würde die Auseinandersetzung von vornherein um ihre Wirkung gebracht haben.49 5. Zwar ist eine präzise Bestimmung der beiden hier aufgegriffenen Momente des (simonianischen) Simonbildes der vorlukanischen Tradition nicht zu entnehmen – und von ihr auch gar nicht zu erwarten; aber wenn beide Momente, Simons Wundertätigkeit und seine Verehrung als h` du,namij [tou/ qeou/] h` mega,lh, als solche noch keine Verzeichnung darstellen, kann angenommen werden, daß beide Momente auch für die Simonanhänger selbst zusammengehörten. Eine Traditionsstufe, auf der Simon nicht auch (und ganz wesentlich) Thaumaturg war, ist jedenfalls nicht erkennbar.50 6. Für die vorlukanische Tradition ist Simon ‚Magus‘ im gleichen Sinne wie Petrus eine konkrete historische Person. Gleiches ist auch für die gegnerische Gruppe vorauszusetzen.51 48 Zur These, daß dabei Simon als Kultgottheit verehrt wurde (so LÜDEMANN, a.a.O., 49–55, aufgrund von Justin, apol. I, 26.2f; 56,2; dial. 120,6), vgl. die kritische Stellungnahme von RUDOLPH, a.a.O., 325f.349–351. 49 Von hier aus wird es fraglich, mit LÜDEMANN, a.a.O., 42.54.79, das simonianische Simonbild aus dem Anfang der 2. Hälfte des 1. Jh. bereits als Kunstmythos (in gleichem Sinne wie den Ennoia/Helena-Mythos, den er für gleich alt hält; vgl. a.a.O., 72–78.101f) zu interpretieren. Wenn dies bereits das gegnerische Simonbild war, das in der polemischen Tradition von Apg 8,9f.14ff vorausgesetzt ist, wird deren Strategie der Auseinandersetzung unverständlich. Im übrigen setzt die These vom Kunstmythos (abgesehen von der fraglichen Frühdatierung des Ennoia/HelenaMythos) die (ebenfalls problematische) Annahme eines samaritanischen Simon/Zeuskultes voraus (so LÜDEMANN, a.a.O., 49–54; dazu kritisch RUDOLPH, a.a.O., 325f). 50 Dies wäre bei einer Rückfrage nach dem hier vorausgesetzten Verständnis von h` du,namij [tou/ qeou/] h` mega,lh (dazu vgl. RUDOLPH, a.a.O., 320–328) stärker zu berücksichtigen. 51 Vgl. auch RUDOLPH, a.a.O., 351 (in Auseinandersetzung mit LÜDEMANN, a.a.O., 102, der einen ‚genetischen Zusammenhang‘ zwischen dem Simon-Kult des 1. Jh. und einem historischen Simon offenläßt): „… nach aller historischen Wahrscheinlichkeit steht am Ursprung eine charismatische Person wie sie auch in Apg 8 durchschimmert und auch in den späteren Nachrichten erhalten geblieben ist“. Außerdem gibt es m.W. keine ausreichenden religionsgeschichtlichen Analogien dafür, daß eine ursprünglich reine Kultgottheit (wie z.B. Sarapis) in dieser Weise sekundär ‚historisiert‘ wurde.
Proselyten∗ und Gottesfürchtige als Hörer der Reden von Apostelgeschichte 2,14–39 und 13,16–41∗∗
Die Rolle der sog. „Gottesfürchtigen“ hat bei der Analyse der Geschichte des frühen Christentums auch in den letzten Jahren eine erhebliche Rolle gespielt.1 Wird doch hier ein Stück der komplexen religiösen (und auch sozialen) Realität der Welt des östlichen Mittelmeerraums in den ersten Jahrhunderten nach Christus erkennbar. Es ist dies die Welt, in der das frühe Christentum entstand und in die es kontinuierlich hineingewachsen ist, und zwar in einem intensiven Prozeß von Akkulturation und Assimilation, aber auch von Reaktion und aktiver Mitgestaltung. Diese komplexe Wirklichkeit spiegelt sich auch in der Apostelgeschichte wider, allerdings im Rahmen bestimmter literarischer und inhaltlicher Zielsetzungen des Verfassers.2 Diese sind bei der historischen Auswertung des literarischen Befundes immer zu berücksichtigen.3 Deshalb sei im folgen∗
Zuerst erschienen in: Breytenbach, C./Schröter, J./Du Toit, D.S. (Hg.): Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung (FS E. Plümacher), Ancient Judaism & Early Christianity LVII, Leiden/Boston 2004, 83–107. ∗∗ In gekürzter Form vorgetragen beim Festakt für Eckhard Plümacher am 25. Oktober 2003 in Berlin; eine frühere Fassung konnte ich mit den Kolleginnen und Kollegen der Neutestamentlichen Arbeitsgemeinschaft der Ev.-Theol. Fakultät Münster am 04.06.2003 diskutieren. Ich danke ihnen für wichtige Hinweise. 1 Exemplarisch sei hingewiesen auf B. WANDER, Gottesfürchtige und Sympathisanten. Studien zum heidnischen Umfeld von Diasporasynagogen, WUNT 104, Tübingen 1998, der auch umfassende Hinweise auf die ältere Literatur enthält; bald danach erschienen ist W. REINBOLD, Propaganda und Mission im ältesten Christentum. Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche, FRLANT 188, Göttingen 2000, der die Bedeutung der Gottesfürchtigen im Zusammenhang der Ausbreitung des frühen Christentums betont skeptisch beurteilt (bes. 180– 187). Aus der nur noch schwer zu überblickenden Literatur seien lediglich genannt F. SIEGERT, Gottesfürchtige und Sympathisanten, JSJ 4, 1973, 109–164, und E. SCHÜRER/G. VERMES U.A., The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C. – A.D. 135), Bd. 3/1, Edinburgh 1986, 161–171. 2 Mit diesem Beitrag sei ein kleiner Dank für die Impulse abgestattet, die für die ActaForschung, insbesondere für die Erforschung der Reden und des Erzählstils der Apostelgeschichte, von dem Werk Eckhard Plümachers ausgegangen sind; vgl. insbesondere E. PLÜMACHER, Lukas als hellenistischer Schriftsteller, StUNT 9, Göttingen 1972; DERS., Art. Lukas als griechischer Historiker, PRE Suppl. 14, 1974, 236–264, dort 244–261, und DERS., Art. Apostelgeschichte, TRE 3, 1978, 483–528, dort 501–513. 3 Dies wirkt zwar wie ein Allgemeinplatz, zumal es theoretisch unumstritten ist. Dennoch fällt selbst in einer im historischen Bereich so sorgfältig differenzierenden Arbeit wie der von B. WANDER, Gottesfürchtige (s.o. Anm. 1), dort 189–192, auf, daß er bei der Diskussion der in Apg 13 verwendeten Terminologie (fobou,menoi to.n qeo,n und sebo,menoi prosh,lutai) überhaupt nicht
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den nach der literarischen Rolle der sog. Gottesfürchtigen in der Apostelgeschichte gefragt, ohne damit die historische Nachfrage für überflüssig zu erklären. Im Gegenteil: eine Klärung der literarischen Funktion der Aussagen über die Gottesfürchtigen ist Voraussetzung für deren sachgemäße historische Auswertung. Die „Gottesfürchtigen“ begegnen in der Apostelgeschichte offensichtlich als eine Art Übergangsgröße bzw. als Zwischenglied zwischen Judentum und paganer Welt, und zwar besonders deutlich dort, wo sie als Hörer einer der Reden der Apostelgeschichte erscheinen, nämlich in der Rede des Paulus im pisidischen Antiochia (Apg 13,16–41). In dieser ersten großen Rede, die Lukas auf der ersten von ihm gestalteten missionarischen Reise entwirft, ist die Erwähnung der „Gottesfürchtigen“ ohnehin nicht als Zufall zu bewerten, wird doch hier, nach dem Vorspiel auf Zypern (13,4–12), programmatisch der Übergang der Missionsverkündigung zu den „Heiden“ vollzogen. Zur Klärung und Abgrenzung der Rolle der „Gottesfürchtigen“ ist auch die Rolle der „Proselyten“ zu berücksichtigen, zumal sie auch im unmittelbaren Kontext der Rede von 13,16–41 ebenfalls erscheinen (13,43). Dabei bietet es sich an, im Gegenüber zu 13,16–41 eine andere große Rede der Apostelgeschichte heranzuziehen, die Pfingstpredigt des Petrus in Apg 2,14–39, werden doch unter den bei diesem Ereignis anwesenden Gruppen in 2,11 ausdrücklich auch „Proselyten“ genannt.
I Wen Lukas als Adressaten der Pfingstpredigt in Apg 2 voraussetzt, scheint zunächst völlig eindeutig zu sein: Innerhalb der Rede, in 2,22, spricht Paulus die Hörer als a;ndrej VIsrahli/tai an, was in 2,29 mit a;ndrej avdelfoi, fortgeführt wird. Allerdings ist die Anrede zu Beginn der Rede in 2,14 doch deutlich komplizierter: a;ndrej VIoudai/oi kai. oi` katoikou/ntej VIerousalh.m pa,ntej. Diese Anrede „Jüdische Männer und alle Einwohner Jerusalems“ ist ausgesprochen mehrdeutig, weil sie zunächst mit einer religiösen (bzw. ethnischen) Qualifizierung der Adressaten (VIoudai/oi) beginnt, dann jedoch zu einer geographischen Zuordnung (oi` katoikou/ntej VIerousalh,m) übergeht, ohne daß angedeutet wird, wie das Verhältnis zwischen beiden Bestimmungen zu verstehen ist. Folgende Interpretationsmöglichkeiten sind denkbar:
den Inhalt der Rede, ihre literarische Funktion im Rahmen der Apostelgeschichte und den Zusammenhang von Rede und Szenerie berücksichtigt.
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1. Es liegt eine anreihende Aussage vor, d.h. es sind zwei unterschiedliche Personengruppen gemeint.4 Dabei ist zu berücksichtigen, daß die zweite Gruppe offenbar bereits zuvor im Text genannt worden ist; jedenfalls werden die in der Liste V. 9–11 hinsichtlich ihrer Herkunft sehr differenziert aufgeführten Personen in V. 5 vorweg als eivj VIerousalh.m katoikou/ntej bezeichnet. Wenn aber dementsprechend in V. 14 unter den katoikou/ntej VIerousalh.m pa,ntej die Gesamtheit der aus der weltweiten Diaspora (vgl. V. 9–11!) stammenden Juden zu verstehen ist,5 die jetzt wieder in Jerusalem wohnen, wer sind dann die a;ndrej VIoudai/oi? Die übrigen, ebenfalls jüdischen Einwohner Jerusalems? Oder wären mit oi` katoikou/ntej VIerousalh.m pa,ntej tatsächlich alle Einwohner Jerusalems gemeint, einschließlich derer, die seit alters her in der Stadt wohnen, wobei dann unter den a;ndrej VIoudai/oi zusätzlich anwesende jüdische Festpilger zu verstehen wären? Deren Anwesenheit ist zwar historisch plausibel, aber Lukas nimmt nirgends auf sie Bezug, so daß für den Leser nicht erkennbar wird, daß er an diesen Personenkreis denken soll. 2. Als Alternative bietet es sich an, in kai. oi` katoikou/ntej VIerousalh.m pa,ntej eine explizierende Aussage zu sehen, so daß es sich um eine Näherbestimmung zu a;ndrej VIoudai/oi handeln würde.6 Allerdings müßte man auch in diesem Fall oi` katoikou/ntej VIerousalh.m pa,ntej anders als in 2,5 verstehen,7 nämlich als die Gesamtheit aller (jüdischen) Einwohner 4
Das ist jedenfalls das nächstliegende Verständnis, vgl. in der Apostelgeschichte z.B. 4,8; 13,27; 25,2, aber auch 11,1; 13,1; 15,22. 5 Da zwischen V. 5–13 und V. 14ff kein szenischer Wechsel im Kreis der anwesenden Personen angedeutet ist, ist es erforderlich, für beide Aussagen ein gemeinsames Verständnis anzunehmen. Der Zusammenhang von V. 14 mit V. 5 wird jedoch in aller Regel nicht gesehen, vgl. z.B. J. JERVELL, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 1998, 142 (zu 2,14): „Die Anrede zeigt, dass Petrus zu Israel redet und besonders an die Adresse der Jerusalemer. … Es ist … eine Rede … an das weltweite Judentum.“ Die zuletzt zitierte Aussage ist prinzipiell richtig, aber daß Lukas ausgerechnet die Vertreter des weltweiten Judentums in 2,5 dezidiert zu Einwohnern Jerusalems erklärt hat, wird damit übergangen. 6 Allerdings fehlen innerhalb der Apostelgeschichte überzeugende sprachliche Analogien für ein derartiges Verständnis der an sich eindeutig kopulativen Formulierung. Als Möglichkeit für ein explikatives kai, führt BDR § 442 Anm. 18 Apg 5,21 an: suneka,lesan to. sune,drion kai. pa/san th.n gerousi,an tw/n ui`wn/ VIsrah,l, allerdings mit dem bezeichnenden Zusatz: „vorausgesetzt, daß Lukas die jerus[alemer] Verhältnisse genau kannte!“ Diese Voraussetzung ist für J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 206, offenbar selbstverständlich gegeben, und auch im Blick auf die Leser, so Jervell, „gibt es hier keine Schwierigkeiten“, sofern man nur mit judenchristlichen Lesern rechnet, die eben Bescheid wissen. Daß pa/san th.n gerousi,an tw/n ui`wn/ VIsrah,l direkt aus Ex 12,21 stammt, ist zwar zutreffend, trägt aber zu dieser Frage nichts bei. Richtiger urteilt hier R. PESCH, Die Apostelgeschichte, 1. Teilband, Apg 1–12, EKK 5/1, Neukirchen-Vluyn 1986, 214: „Lukas steigert die Repräsentanz der gegen die Apostel aufgebotenen Versammlung, indem er dem Synedrion noch den ‚Ältestenrat der Söhne Israels‘ (vgl. Ex 12,21; auch 1Makk 12,6.35; 2Makk 1,10; Jos Ant. 13,166), die eigentlich mit dem Synedrion identische Gerusia, zugesellt.“ 7 Dies ist nicht berücksichtigt bei E. HAENCHEN, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 7 1977, 180 Anm. 6, aufgenommen von G. SCHNEIDER, Die Apostelgeschichte, I. Teil, HThK 5/1,
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Jerusalems, und zwar sowohl der seit alters her als auch der erst seit kurzem wieder dort wohnenden – es sei denn, man entschließt sich, die in Jerusalem wohnenden Diasporajuden zu alleinigen Hörern der Pfingstpredigt zu erklären, schließlich waren sie ja auch bei dem Pfingstwunder die einzige Gruppe, deren Anwesenheit in 2,5 ausdrücklich genannt wurde. Wendet man sich angesichts dieser unklaren Lage in 2,14 direkt 2,5–13 zu, so ergeben sich dort neue Probleme. Dieser Abschnitt beginnt in V. 5 mit einer vorangestellten Einleitungswendung über die eivj VIerousalh.m katoikou/ntej VIoudai/oi. Es folgt in V. 6–8 eine kurze Szene, wobei die anschließende Völkerliste V. 9–11 dann die Szene insofern entfaltet, als hier der umfassende Charakter des Sprachenwunders von V. 6–8 eindrucksvoll demonstriert wird. Die Einleitungswendung in 2,5, die ja insbesondere für das Verständnis von V. 9–11 wichtig ist, ist in sich ausgesprochen komplex. Sie enthält gleichzeitig mehrere Elemente, durch die die Hörer des Pfingstwunders,8 die dann ja auch die Hörer der Pfingstpredigt sind, genauer bestimmt werden. Die in V. 5 enthaltenen Aussagen betreffen religiöse Identität, jetzigen Wohnort und Herkunft der in der Szene auftretenden und in der Völkerliste detailliert aufgeführten Personen. Bei diesen Personen handelt es demnach (a) um Juden, die (b) ausdrücklich als a;ndrej euvlabei/j bezeichnet werden; (c) sie wohnen in Jerusalem; (d) sie stammen avpo. panto.j e;qnouj tw/n u`po. to.n ouvrano,n. Beachtenswert, aber nicht außergewöhnlich ist die Charakterisierung der „Juden“ als euvlabei/j.9 Damit wird ihre positive religiöse Haltung hervorgehoben, sie sind also eine besonders qualifizierte Hörerschaft. Freiburg 1980, 267 Anm. 24, die davon ausgehen, daß sich die zweiteilige Formulierung an den gleichen Personenkreis richtet. 8 Es ist durchaus sinnvoll, mit einer vorlukanischen Überlieferung zu rechnen, die ein glossolalisches Ereignis in der Frühzeit der Jerusalemer Gemeinde zum Gegenstand hatte; vgl. E. LOHSE, Die Bedeutung des Pfingstberichtes im Rahmen des lukanischen Geschichtswerkes, in: DERS., Die Einheit des Neuen Testaments. Exegetische Studien zur Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1973, 178–192, dort 192, und G. SCHNEIDER, Apg I (s.o. Anm. 7), 244f. Doch ist für Lukas das Pfingstgeschehen ein Sprachenwunder, dem das Hören in den verschiedenen dia,lektoi entspricht. Zur Verwendung von dia,lektoj im Sinne „fremder Sprache“ in der Apostelgeschichte vgl. 1,19; 21,40; 22,2 und 26,14; dabei ist 21,40 (ebenso 2,22) durch die Gegenüberstellung von ~Ellhnisti, und th|/ ~Ebrai,d? i diale,ktw| besonders instruktiv. 9 Mit euvla,beia ist (in religiösem Zusammenhang) eine Haltung gemeint, die am ehesten mit „Ehrfurcht“ wiederzugeben ist, vgl. die Belege bei BAUER-ALAND, Wb. 651 s.v. euvla,beia; außerdem Philo Cher. 29: hier wird die euvla,beia qeou/ als avreth, bezeichnet; hier 22: euvlabw/j „ehrfürchtig“. Im NT begegnet euvla,beia nur noch Hebr 7,5; 12,28, euvlabh,j ausschließlich bei Lukas: neben Apg 2,5 noch Lk 2,25; Apg 8,2 und 22,12. Im Jerusalemer Kontext von Apg 22 bezeichnet Lukas den aus Apg 9 bekannten Ananias als euvlabh.j kata. to.n no,mon. Daraus schlußfolgert J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 134, euvlabh,j bedeute bei Lukas grundsätzlich „gesetzesfromm“;
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Auffällig ist dagegen, daß sämtliche Juden, deren unterschiedliche Herkunft dann in der Völkerliste aufgeführt wird, in Jerusalem wohnen, und nicht nur als Festpilger kurzzeitig anwesend sind.10 Besonders merkwürdig aber ist die Formulierung der Herkunftsangabe avpo. panto.j e;qnouj, weil ja die Juden selbst auch als e;qnoj gelten und auch in der Apostelgeschichte so bezeichnet werden (Apg 10,22; 24,17; 26,4). Man muß diese Formulierung, wenn man sie nicht als widersprüchlich stehen lassen will, in dem Sinne interpretieren, daß hier die Juden gemeint sind, die „von (dem Gebiet) jeglichen (nichtjüdischen) Volkes“ kommen.11 Allerdings: So eindeutig sagt Lukas das eben nicht. Diese nicht völlig glatte, aber doch gangbare Lösung für 2,5 ist auch noch für den Beginn der Völkerliste in 2,9 tragfähig. Lukas beginnt ja, um die jeweils verschiedene ivdi,a dia,lektoj der in Jerusalem wohnenden „frommen Juden von jeglichem Volk“ zu illustrieren, mit einer Aufzählung verschiedener Völker (Parther, Meder und Elamiter; V. 9a). Dies kann man in dem Sinne verstehen, daß die Zeugen des Sprachenwunders die Sprachen dieser Völker sprechen. Danach geht Lukas in V. 9b.10 zur Aufzählung von insgesamt neun verschiedenen Herkunftsländern über,12 doch bezeichnet er diese Bereiche direkt als Wohnort der jeweiligen Personen, wenn er formuliert: kai. oi` katoikou/ntej th.n Mesopotami,an ktl. Dies steht allerdings in Spannung zu der Aussage in V. 5, durch die die Zeugen des Pfingstwunders als eivj VIerousalh.m katoikou/ntej VIoudai/oi bezeichnet worden sind.13 Es ist also deutlich erkennbar, daß Lukas das von ihm selbst zunächst entworfene Bild nicht konsequent durchhält. Auffällig ist auch, daß innerhalb der Länderaufzählung auch Judäa genannt wird, obwohl doch die ganze Szene in Judäas Hauptstadt Jerusalem spielt.14 Noch merkwürdiger ist, daß am Ende, doch steht die Übereinstimmung der Frömmigkeit mit dem Gesetz an den übrigen Stellen nicht im Vordergrund. 10 Diese Festpilger sind hier völlig ausgeblendet, obwohl sie das Sprachwunder genauso gut illustrieren könnten. Zu den Festpilgern in Jerusalem vgl. J. JEREMIAS, Jerusalem zur Zeit Jesu, Göttingen 31962, 86–98; E. SCHÜRER/G. VERMES, The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C. – A.D. 135), Bd. 2, Edinburgh 1979, 76. 11 Einfacher ist der Fall in Apg 7,45, wo Lukas in bezug auf die Landnahme von der kata,scesij tw/n evqnw/n w-n evxw/sen o` qeo,j (die Besitzergreifung [sc. des Landes] der Völker, die Gott hinausgestoßen hat) spricht, weil hier die Rolle, die den „Völkern“ zukommt, im Relativsatz sofort erklärt wird. 12 Nimmt man die Erwähnung Roms am Schluß hinzu, sind es zehn verschiedene Herkunftsangaben. 13 Diesen Hinweis verdanke ich Frau Kollegin Angelika Reichert. 14 Die Nennung von Judäa, das in der älteren Literatur häufig für sekundär gehalten wurde (vgl. HAENCHEN, Apg [s.o. Anm. 7], 173), zeigt, daß Lukas hier eine Liste aus anderem Zusammenhang übernommen hat, so m.R. R. PESCH, Apg I (s.o. Anm. 6), 106. Dabei ist am ehesten an eine Liste zu denken, die die Länder des Seleukiden- und des Ptolemäerreiches aufzählte, vgl. H. CONZELMANN, Die Apostelgeschichte, HNT 7, Tübingen 21972, 31. In der Ausrichtung der Liste auf diese beiden Reiche kann man durchaus eine spezifisch jüdische Perspektive sehen (so
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wo wiederum Völker bzw. Personengruppen genannt werden, jetzt nochmals ausdrücklich „Juden“ aufgezählt werden, diesmal allerdings „Juden und Proselyten“ (V. 11). Das kann man als ungeschickte Verdoppelung angesichts der Erwähnung Judäas in V. 9 erklären, doch handelt es sich eher um einen inklusionsartigen Rückverweis auf V. 5: Der Vf. erinnert abschließend daran, daß es sich bei den Personen aus all den aufgezählten Völkerschaften und Ländern ausschließlich um Juden, genauer gesagt: um Juden und Proselyten handelt.15 Dabei entspricht die Doppelaussage „Juden und Proselyten“ zunächst einmal dem Listenstil der von Lukas aufgenommenen Vorlage. Damit wird aber auch innerhalb des Judentums differenziert, und zwar in einer Hinsicht, die hier sicher nicht zufällig ist: Es wird unterschieden zwischen geborenen Juden und den zum Judentum Übergetretenen. Auf diese trifft tatsächlich die Formulierung aus V. 5 zu: Sie sind „Juden von den Völkern“. Wenn jedoch die von V. 5 und V. 11a eingeklammerte Aufzählung von Völkern und Ländern in V. 9–10 als Aussage über die Herkunft von jetzt in Jerusalem wohnenden Juden (und Proselyten) zu verstehen ist, dann stellt die nachklappende Bemerkung „Kreter und Araber“ ein erhebliches Problem dar. Soll auch hier der Leser noch im Geist hinzufügen: „(Juden und Proselyten aus dem Gebiet der) Kreter und Araber“?16 Das ist formal nicht G. SCHNEIDER, Apg I [s.o. Anm. 7], 255), da ja Palästina lange Zeit an der Schnittstelle beider Reiche lag. – J. KREMER, Pfingstbericht und Pfingstgeschehen. Eine exegetische Untersuchung zu Apg 2,1–13, SBS 63/64, Stuttgart 1973, 158, rechnet dagegen mit einer jüdischen Liste, die (ohne Judäa) den Bestand der Ausbreitung der jüdischen Diaspora darstellen will. Doch fehlen dann Makedonien und Achaia; dazu vgl. E. SCHÜRER/G. VERMES U.A., History 3/1 (s.o. Anm. 1), 64–72. Anders als die meisten nimmt J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 136, ein positives Interesse des Lukas an Judäa an, und zwar als Zentrum des „Weltjudentums“. Doch ist für Lukas Jerusalem selbst das Zentrum seines Interesses, und durch V. 5 steht ja Jerusalem als Vorzeichen vor dem gesamten Text. 15 So m.R. M. DÖMER, Das Heil Gottes. Studien zur Theologie des lukanischen Doppelwerkes, BBB 51, Köln 1978, 148; die Annahme lukanischer Herkunft liegt ausgesprochen nahe, vgl. A. WEISER, Die Apostelgeschichte, Kapitel 1–12, ÖTBK 5/1, Gütersloh 1981, 80, zumal auch die unmittelbar vorangehende Wendung kai. oi` evpidhmou/ntej ~Rwmai/oi (die [jetzt hier] weilenden Römer) auf Lukas zurückgehen dürfte (vgl. 1,8!), vgl. H. CONZELMANN, Apg (s.o. Anm. 14), 31; G. SCHNEIDER, Apg I (s.o. Anm. 7), 253 Anm. 88. 16 Die Zusammenordnung läßt sich anscheinend nicht der Liste von V. 9–10 zuordnen und wirkt isoliert betrachtet altertümlich, weil sie einen beschränkten geographischen Horizont vorauszusetzen scheint. Die Sonderstellung ist jedoch weniger auffällig, wenn man die Erwähnung der Römer (V. 10 Ende) und der „Juden und Proselyten“ (V. 11a) als lukanische Ergänzungen ansieht. Dann hätte die vorlukanische Liste mit der Nennung von Völkernamen (Parther, Meder und Elamiter) begonnen und geschlossen (Kreter und Araber) und in dieser Rahmung eine Kette von Ländernamen enthalten. Meist wird, um die jetzt nachklappende Stellung zu erklären, die Bedeutung eher in geographischer Hinsicht gesehen; so ist G. SCHNEIDER, Apg I (s.o. Anm. 7), 253, der Ansicht, daß „‚Kreter und Araber‘ am Ende der Liste zusammenfassend ‚Insel- und Festlandbewohner‘ bzw. ‚Westliche und Östliche‘ bedeutet“; ähnlich H. CONZELMANN, Apg (s.o. Anm. 14), 31, der auf Philo Leg. 283 verweist, wo Philo eine Aufzählung von Ländern, in denen Juden
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auszuschließen, aber es ist auch nicht zu bestreiten, daß die lange Völkerund Länderliste sich immer weiter verselbständigt, so daß in V. 11 „Juden und Proselyten“ auch als Teil der Aufzählung gelesen werden können, d.h. neben Völkerschaften wie Kretern und Arabern.17 Bei der Frage nach der Aussageabsicht des Textes steht nicht im Vordergrund, ob es historisch wahrscheinlich oder plausibel ist, daß unter den rückgewanderten Diasporajuden, die dauerhaft in Jerusalem lebten, alle diese verschiedenen Gebiete und Sprachbereiche tatsächlich vertreten waren und ob man nicht – auf historischer Ebene – ohnehin zwischen zeitweilig anwesenden Festpilgern und dauerhaft in Jerusalem wohnenden Rückwanderern unterscheiden müßte. Wichtig dagegen ist, was mit den verschiedenen Formulierungen, die Lukas für die Adressaten der Petrusrede in Apg 2 verwendet, vermittelt werden soll. Hier läßt sich eine doppelte Tendenz feststellen: 1. Einerseits beginnt Lukas in einem bewußt jüdischen Kontext, und zwar in einem betont stadtjerusalemer Rahmen. Daher die doppelte Anrede an „Juden und alle Einwohner Jerusalems“. So wie das Evangelium im innersten Kern des Judentums, dem Jerusalemer Tempel beginnt (Lk 1,8–20 und Lk 2,41–52 als Rahmung von Lk 1–2 insgesamt), so ist der Entstehungsort der frühen Christenheit ganz programmatisch Jerusalem.18 Deshalb kann Lukas hier nur eine jüdische Hörerschaft in Szene setzen, obwohl einige nichtjüdische Hörer erzählerisch und historisch durchaus plausibel hätten eingeführt werden können, ja er geht sogar so weit, die aus der riesigen Diaspora stammenden jüdischen Hörer allesamt (und gerade sie!) in Apg 2,5 zu Einwohnern von Jerusalem zu erklären.19 wohnen, mit der Bemerkung abschließt: to. Euvrwpai/on( to. VAsiano,n( to. Libuko,n( to. evn hvpei,roij( to. evn nh,soij( pa,ralo,n te kai. meso,geion („Europa, Asien, Libyen, das [Gebiet] auf dem Festland und auf den Inseln, das Küstengebiet und das Binnenland“); hier wird jedoch nach einer Liste mit konkreten Namen tatsächlich verallgemeinert, was in Apg 2,11 so nicht der Fall ist. „Kreter“ und „Araber“ sind auch zur Zeit des Lukas real existierende einzelne Völkerschaften. Eher ist eine andere Vermutung angesichts der auf das Ptolemäer- und Seleukidenreich bezogenen Gesamtperspektive möglich: Es handelt sich bei Kreta und Arabien um zwei Bereiche, die gerade nicht der Herrschaft dieser beiden Diadochenstaaten unterstanden. Hier werden also eher die angrenzenden Gebiete genannt. Zur Geschichte Arabiens gerade auch in hellenistischer Zeit vgl. J. PAHLITZSCH, Art. Arabia, DNP 1, Stuttgart 1996, 945–948. 17 Man kann diese Spannung diachron erklären, und zwar mit der zutreffenden Beobachtung, daß die Beschränkung der Liste auf das (Diaspora-)Judentum (V. 5) bzw. „Juden und Proselyten“ (V. 11) nur in der lukanischen Rahmung enthalten ist und auf Lukas selbst zurückgeht, während in der Liste selbst Judäa als ein Land neben anderen Ländern erscheint. Allerdings bleibt der uneinheitliche Eindruck auf der Ebene des lukanischen Textes bestehen, da es ja gerade die lukanischen Einschübe (s.o. Anm. 15) sind, die zu der auffälligen Stellung von „Kretern und Arabern“ führen. 18 Vgl. D. MARGUERAT, Luc-Actes entre Jérusalem et Rome. Un procédé lucanien de double signification, NTS 45, 1999, 70–87. 19 Für das Verhältnis zwischen V. 14 und V. 5 und das Verständnis des jeweiligen oi` katoikou/ntej (eivj) VIerousalh,m wird man sich mit der Erklärung zufrieden geben müssen, daß Lukas
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2. Auf der anderen Seite eröffnet Lukas offenbar genauso bewußt eine weltweite Perspektive. Es wird ein weitgespannter Kreis von Zuhörern eingeführt, und durch dieses weitgefächerte Bild der geographischen Herkunft der Hörer der Pfingstpredigt werden diese faktisch zu Repräsentanten ihrer Herkunftsländer. Durch sie ist dieser weite Kreis von Völkern und Ländern bei dem Sprachenwunder und der anschließenden Predigt bereits vertreten.20 Schließlich wird mit der Wendung „Juden und Proselyten“ auch der Bereich des Judentums selbst so weit ausgedehnt, wie dies möglich ist, ohne seine Grenzen zu überschreiten. Dem möglichst weiten geographischen Horizont, den Lukas in der Szenerie für die Pfingstpredigt eröffnet, entsprechen zwei bewußt universalistisch formulierte Spitzenaussagen innerhalb der Predigt: (a) Das programmatisch an den Anfang gerückte Schriftzitat aus Joel 3,1–5 läuft auf die Schlußaussage hinaus: pa/j (!) o]j eva.n evpikale,shtai to. o;noma kuri,ou swqh,setai.21 (b) Dem korrespondiert als Schlußpunkt der Rede überhaupt die Aussage über die weltweite Relevanz des in der Predigt entfalteten Christuskerygmas: u`mi/n ga,r evstin h` evpaggeli,a kai toi/j te,knoij u`mw/n kai pa/sin toi/j eivj makra.n o[souj a'n proskale,shtai ku,rioj o` qeo.j h`mw/n (2,39). Lukas betont hier zwei Aspekte: a) die Entgrenzung des Geltungsbereichs der Verheißung: Sie gilt auch toi/j eivj makra,n, also nicht nur hier in Jerusalem,22 und sie gilt b) pa/sin … o[souj a'n proskale,shtai ku,rioj o` qeo.j hier recht unscharf formuliert. Es ist aber jetzt deutlich erkennbar, warum er das tut: Nicht aus sprachlichem oder gestalterischem Unvermögen, sondern weil seine inhaltlichen Interessen zu dieser auf der Handlungsebene eher unklaren Aussage führten. 20 So u.a. auch G. SCHNEIDER, Apg I (s.o. Anm. 7), 251; dies bestreitet J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 134 Anm. 161, mit der rhetorischen Gegenfrage: „Wie aber soll man das verstehen?“ Doch besteht hier kein Verstehensproblem, man muß lediglich die Darstellungsabsicht des Lukas zur Kenntnis nehmen. 21 Schon Paulus hat Joel 3,5a in Röm 10,13 (auf dem Hintergrund von 10,5–12) als Schriftargument für die Bedingungslosigkeit des in Christus eröffneten Heils herangezogen. D.h. das Zitat kann durchaus ohne Begrenzung auf den jüdischen Bereich gelesen werden. Dabei ist zu beachten, daß Lukas das Zitat zwar wesentlich früher als Paulus beginnt, es aber an genau der gleichen Stelle beendet. Die auf Jerusalem bezogene Aussage wird hier also von ihm ausgeblendet. Die Fortsetzung hätte gelautet: o[ti evn tw/| o;rei Siw.n kai. evn vIerousalh.m e;stai avnasw|zo,menoj( kaqo,ti ei=pen ku,rioj( kai. euvaggelizo,menoi( ou]j ku,rioj proske,klhtai („und der Gerettete wird auf dem Berg Zion und in Jerusalem sein, wie der Herr gesagt hat, und die Boten, die der Herr herbeigerufen hat“). Dazu zutreffend M. RESE, Alttestamentliche Motive in der Christologie des Lukas, StNT 1, Gütersloh 1969, 50: „Bewußt wird durch die Kürzung des Zitats die Einschränkung der Verheißung von Joel 3 auf die Juden vermieden“; vgl. auch G.J. STEYN, Septuagint Quotations in the Context of the Petrine and Pauline Speeches of the Acta Apostolorum, Kampen 1995, 89f. Daß Lukas diese Fortsetzung gekannt hat, zeigt V. 39! 22 Das Stichwort makra,n erscheint nochmals in 22,21, dem Spitzen- und Schlußsatz der Rede des Paulus in Jerusalem vor jüdischen Hörern, die seine Beauftragung durch Gott, sich zu den Heiden zu wenden, zum Thema hat: kai. ei=pen pro,j me( poreu,ou( o[ti evgw. eivj e;qnh makra.n evxapostelw/ se)
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h`mw/n. Mit der Betonung des freien Berufungshandelns Gottes eröffnet Lukas die Möglichkeit, daß durch die Initiative Gottes später noch ganz andere Personengruppen als die hier Angesprochenen in den Geltungsbereich der Verheißung einbezogen werden.23 Natürlich kann man sowohl die geographischen Angaben als auch die direkten Anreden an die Hörer und die Einzelaussagen der Pfingstpredigt selbst ganz in innerjüdischem Rahmen lesen; andererseits wird bewußt so formuliert, daß alle Aussagen auch offen sind für eine spätere Ausweitung über den Bereich des e;qnoj tw/n VIoudai,wn hinaus; und 2,39 deutet schon an, auf welcher Grundlage dieser Vorgang sich vollziehen wird.24
II Der Übergang der Verkündigungstätigkeit der Apostel und Missionare zu den e;qnh wird von Lukas in mehreren sich ergänzenden Schritten dargestellt: (a) Die vom Heiligen Geist gegen den Willen des Petrus in Gang gesetzte Taufe des Kornelios (Apg 10),25 die alsbald von der Jerusalemer Gemeinde gebilligt wird (Apg 11,1–18);26 (b) die ebenfalls dann von Jerusalem gebilligte Aktion einiger vertriebener Anhänger des Stephanus, in Antiochia auch jenseits der Grenze des 23 Zur Betonung der Initiative Gottes durch Lukas bei der schrittweisen Ausweitung der Mission sowohl in Apg 10 (Taufe des ersten Heiden) als auch Apg 16 (Übergang des Paulus nach Europa) vgl. D.-A. KOCH, Kollektenbericht, „Wir“-Bericht und Itinerar. Neue(?) Überlegungen zu einem alten Problem, NTS 45 (1999), 367–390, dort 386f (in diesem Band 318–339). 24 Dabei kann man durchaus in V. 39 eine lukanische Abwandlung der in 2,21 nicht mehr zitierten Fortsetzung des Joel-Zitats sehen (s.o. Anm. 21), bzw. eine Reaktion auf diesen Text; vgl. E. PLÜMACHER, Lukas (s.o. Anm. 2), 42; H. CONZELMANN, Apg (s.o. Anm. 14), 35. Die Formulierung o[souj a;n proskale,shtai ku,rioj o` qeo.j h`mw/n (V. 39) lehnt sich in der Tat deutlich an ou]j ku,rioj proske,klhtai aus Joel 3,5b an; d.h. die Ausrichtung der Heilserwartung auf Jerusalem wird durch eine Heilszusage ersetzt, deren Geltungsbereich nicht nur geographisch (toi/j eivj makra,n), sondern auch hinsichtlich des Adressatenkreises prinzipiell entgrenzt ist (o[souj a;n ktl)), wobei zur Begründung auf die Inititative Gottes verwiesen wird. 25 Lukas interpretiert selbst diesen Vorgang als prinzipiellen Übergang der Verkündigung zu den „Völkern“ und deren Taufe allein aufgrund des Geistempfangs und d.h.: ohne Beschneidung; so wird in 10,45 und 11,1 gleich zwei Mal aus dem Einzelfall des Kornelios eine grundsätzliche Schlußfolgerung für „die Völker“ gezogen: o[ti kai. evpi. ta. e;qnh h` dwrea. tou/ pneu,matoj tou/ a`gi,ou evkke,cutai (10,45) bzw. o[ti kai. ta. e;qnh evde,xanto to.n lo,gon tou/ qeou/ (11,1), wobei die zweite Aussage die erste ergänzt und weiterführt. 26 Diese Abfolge der (vom Heiligen Geist gesteuerten) Aktion des Petrus und der Billigung durch die Jerusalemer Gemeinde hat Modellcharakter: Das gleiche Verhältnis besteht zwischen der Missionstätigkeit in Apg 13 und 14 (mit dem zentralen Schwerpunkt im Übergang zur Heidenmission) und der Billigung durch Jerusalem in Apg 15.
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Judentums zu verkündigen und Nichtjuden ohne Beschneidung in die dortige Gemeinde der Christianoi aufzunehmen (11,20f.22–24);27 (c) die positive Resonanz, die die Verkündigung der Missionare Barnabas und Paulus auf Zypern bei dem dortigen Statthalter Sergius Paulus findet (Apg 13,6–12).28 Hierbei handelt es sich um die erste größere missionarische Reise überhaupt, die in der Apostelgeschichte geschildert wird. Diese Reise, die nach der Darstellung des Lukas ausschließlich auf die Initiative des Heiligen Geistes zurückgeht (11,1–3, in V. 4 wiederholt!), stellt als ganze einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur universalen Verkündigung des „Evangeliums von der Gnade Gottes“ (Apg 20,24) dar: Bisher hatte sich die Botschaft über die Grenzen von Judäa und Samaria hinaus (Kap. 8–10) nur durch unfreiwillig vertriebene Boten ausgebreitet (11,19f). Jetzt wird, vom Heiligen Geist veranlaßt, eine gezielte und zugleich weitgespannte Missionsaktion in Gang gesetzt, eine Reise, die in weit entfernte Städte in verschiedenen Landschaften bzw. Provinzen führt (Zypern, Pisidien, Lykaonien, Pamphylien) und deren Ergebnis die Gründung mehrerer Gemeinden ist (im pisidischen Antiochia, Lystra, Ikonion, Derbe).29 Die beiden Reden, die Lukas in die Darstellung dieser Reise einfügt und formuliert, dienen dem gemeinsamen Thema des gesamten Abschnitts, dem Übergang zur Heidenmission. Dabei vollzieht sich dieser Vorgang durch die erste Rede, die im pisidischen Antiochia spielt (13,16–41), sowie die anschließende 27 Lukas verschleiert etwas den Tatbestand, wenn er in 11,20 ausdrücklich von der Verkündigung an die Hellenistai (im Unterschied zu den Juden) redet, dann aber 11,21 allgemein von einer „großen Zahl“, die sich „zum Herrn bekehrte“, spricht. Hierzu müssen Hellenistai, also Nichtjuden, gehört haben, die getauft wurden, ohne zuvor zum Judentum überzutreten – wie der Hauptmann Kornelios von Kap. 10. 28 Lukas ist hier nur an der positiven Wirkung der Verkündigung interessiert, die auch von einem jüdischen Magier nicht verhindert werden kann. Die Hinwendung des Statthalters zum Christentum wird dagegen nicht weiter entfaltet. Eine Taufe (gar mitsamt seiner Umgebung) wie in 10,44–48 fehlt jedenfalls. Natürlich ist es für Lukas nicht unwichtig, daß es sich dabei um einen römischen Statthalter handelt, so m.R. G. LÜDEMANN, Das frühe Christentum nach der Tradition der Apostelgeschichte, Göttingen 1987, 156; R. PESCH, Die Apostelgeschichte, 2. Teilband, Apg 13–28, EKK 5/2, Neukirchen-Vluyn 1986, was J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 348 Anm. 437, offenbar nicht nachvollziehen kann. Jervell zitiert zustimmend A.D. NOCK, Paul and the Magus, in: F.J. Foaks-Jackson/K. Lake (Hg.), Beginnings of Christianity I, The Acts of the Apostles, Bd. 5, London 1933, 187: „the proconsul’s conversion … is just stated as though it were that of a washerwoman.“ Das klingt auf den ersten Blick plausibel, weil die Bekehrung selbst sehr knapp erzählt wird. Aber welche Waschfrau hat schon einen Magier im Gefolge und kann sich zwei Wanderprediger kommen lassen, um deren religiöse Botschaft persönlich kennenzulernen? Aus dem religiös interessierten Statthalter einen getauften Christen und ein dauerhaftes Glied der ersten christlichen Gemeinde in Paphos zu machen, das hat Lukas dann doch nicht gewagt. Also bleibt es beim Erstaunen über die „Lehre des Herrn“ und der lakonischen Bemerkung evpi,steusen (13,12). 29 Vgl. für Derbe Apg 14,21a (hier signalisiert maqhteu,santej i`kanou,j die Gemeindegründung) und zu den übrigen Städten die zusammenfassende Bemerkung in 14,21b–23: Die Einsetzung von Presbytern zeigt, daß hier jeweils geordnete evkklhsi,ai entstanden sind.
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Szene (13,42–49) direkt vor den Augen der Leser.30 Und die Abfolge beider Reden zeigt den exemplarischen Charakter dieser Reise: War der Ausgangspunkt der Handlung im pisidischen Antiochia noch die Synagoge, wobei die Rede des Paulus, zunächst jedenfalls, ausschließlich die jüdische Geschichte zum Thema hatte und sich somit an die jüdischen Hörer wandte, so folgt in Lystra eine Rede, die keine Synagoge als die Szenerie voraussetzt und sich sofort an ein heidnisches Publikum wendet (14, 14–18), dessen Religiosität sofort kritisch thematisiert wird.31 Die Szenerie für die entscheidende Rede in 13,16b–41 wird von Lukas in 13,14b–16a sehr sorgfältig entwickelt: Die Missionare Barnabas und Paulus nehmen an einem Synagogengottesdienst teil und werden von der Leitung der Synagogengemeinde um einen lo,goj paraklh,sewj gebeten, also um trostspendende Verkündigung, was im Sinne des Lukas auf die Christusbotschaft voll zutrifft. Paulus, der hier (anders als in 14,15–17) allein als Redner auftritt, redet die Gottesdienstteilnehmer in der Synagoge als a;ndrej VIsrahli/tai kai. oi` fobou,menoi to.n qeo,n an. Deutlicher noch als in 2,14 sind hier zwei verschiedene Gruppen genannt.32 Damit sind in der Synagoge nicht nur Juden anwesend (und auf dem Hintergrund von 2,11 schließt dies auch möglicherweise anwesende prosh,lutoi ein), sondern weitere Personen, die „Gott fürchten“. Das können dann nur Nichtjuden sein, die allerdings den gleichen Gott „fürchten“ wie die Juden. Obwohl der erste Teil der folgenden Rede (V. 17–25) inhaltlich sich ausschließlich mit der Geschichte des lao.j VIsrah,l (V. 17) befaßt, sind also von vornherein Nichtjuden als Hörer der Predigt anwesend. 30 Der Jubilar hat das Zentrum der lukanischen Darstellungskunst m.R. in der Umsetzung von abstrakten Themen (Neutralität des Staates in religiösen Dingen u.a.) in Reden, die die Entwicklung selbst vorantreiben, und Episoden, die die Themen direkt entfalten, gesehen; vgl. E. PLÜMACHER, Lukas (s.o. Anm. 2), 32–38; 98–111; Plümachers Feststellung trifft auch für Apg 13,14–52 in vollem Umfang zu, vgl. E. PLÜMACHER, a.a.O., 34 (mit Anm. 10), und U. WILCKENS, Die Missionsreden der Apostelgeschichte, WMANT 5, Neukirchen-Vluyn 21963, 96. 31 H. CONZELMANN, Apg (s.o. Anm. 14), 89: Die Rede ist „ein knapper Abriß der Topoi der Heidenpredigt nach lukanischer Darstellung“. Zur Analyse der in der Lystraperikope verwendeten Motive und zum archäologischen Befund über die dortige religiöse Situation vgl. C. BREYTENBACH, Paulus und Barnabas in der Provinz Galatien. Studien zu Apostelgeschichte 13f.; 16,6; 18,23 und den Adressaten des Galaterbriefes, AGJU 38, Leiden 1996, 31–38; DERS., Zeus und der lebendige Gott: Anmerkungen zu Apostelgeschichte 14,11–17, NTS 39, 1993, 396–413. 32 Eine explikative Deutung ist schon hier auszuschließen und in 13,26, wo die Anrede in variierter Form aufgenommen wird, völlig unmöglich: Die evn u`mi/n (!) fobou,menoi to.n qeo,n sind eine Teilgröße innerhalb der gesamten Hörerschaft und damit auch von den „Söhnen des Geschlechts Abrahams“ zu unterscheiden. Andernfalls würde Lukas nur einen Teil der jüdischen Hörerschaft als „gottesfürchtig“ bezeichnen, einem anderen Teil damit (jedenfalls indirekt) diese Qualifikation verweigern, was sicher nicht beabsichtigt ist; so auch A. DEUTSCHMANN, Synagoge und Gemeindebildung. Christliche Gemeinde und Israel am Beispiel von Apg 13,42–52, BU 30, Regensburg 2001, 58.
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Erst nach der erneuten Anrede, die die getrennte Nennung der beiden Gruppen in leicht abgewandelter Form wiederholt („Söhne des Geschlechts Abrahams und die Gottesfürchtigen unter euch“), folgt das Christuskerygma, das Juden und Nichtjuden gleichermaßen gilt (V. 36–41). Eine genauere Analyse der Rede33 zeigt dabei, daß schon in der Rede selbst, und nicht erst in der dramatisch gestalteten Szene V. 42–52, die entscheidenden Grundlagen für den Übergang von der Adressierung der Christusbotschaft an die Juden zur Adressierung an die Heiden gelegt werden. In den beiden Teilen der Rede, dem Geschichtsrückblick von V. 17–25 und dem anschließenden Christuskerygma von V. 26–41 ist eine doppelte Tendenz erkennbar:34 (a) Lukas betont ganz einseitig die Aktivität Gottes in der Geschichte seines Volkes; eigenständiges Handeln einzelner Personen kommt (ganz anders als in Apg 7) nicht vor. Diese Handeln Gottes ist durchgehend auf das Volk als ganzes bezogen und kulminiert in der Sendung Jesu;35 d.h. aber auch: Jesu Sendung ist dezidiert eine Sendung an und für Israel.36 Dem entspricht, daß Lukas in der anschließenden Szene den großen Missionserfolg der Missionare gerade bei den „Juden und frommen Proselyten“ (V. 43) hervorhebt. Lukas gebraucht hier das Partizip sebo,menoj (und den Stamm se,besqai überhaupt) erstmalig in der Apostelgeschichte. Das Partizip erscheint hier (und auch in 13,50) noch nicht im technischen Sinne wie in Apg 16,14 und 18,7, wo sebome,nh/ sebo,menoj to.n qeo,n (wie zuvor in 10,2; 13,16.26 fobou,menoj to.n qeo,n) als Statusbezeichnung verwendet wird. In 13,43.50 ist sebo,menoj dagegen als allgemeine religiöse Qualifizierung gebraucht, analog zu euvlabh,j (vgl. 2,5)37 oder euvsebh,j (vgl. 10,2), und bedeutet „ehrfürchtig / fromm“. Die allgemeine Verwendung von se,besqai im Sinne von „Ehrfurcht haben / verehren“ ist weit verbreitet,38 die spezifisch religiöse Ver33 Vgl. dazu jetzt die umfassende Untersuchung von J. JESKA, Die Geschichte Israels in der Sicht des Lukas. Apg 7,2b–53 und 13,17–25 im Kontext antik-jüdischer Summarien der Geschichte Israels, FRLANT 195, Göttingen 2001, dort 221–253. 34 Die doppelte Erwähnung des Jesusgeschehens (V. 23 und V. 27–39) ist keine Ungeschicklichkeit des Lukas, sondern sachgemäß: In dem summarischen Geschichtsrückblick von V. 17–25 wird dieses Geschehen in die Geschichte Gottes mit seinem Volk eingereiht; ab V. 26 erfolgt, nach der erneuten Anrede, die betont die „Gottesfürchtigen unter euch“ hervorhebt, die Entfaltung des Juden und Nichtjuden gleichermaßen geltenden Kerygmas. 35 Vgl. die Analyse bei J. JESKA, Geschichte (s.o. Anm. 33), 221–231. 36 Zutreffend J. JESKA, Geschichte (s.o. Anm. 33), 230: In die Kette der „Leitungsfiguren“, die Gott Israel gegeben hat (Richter, Saul, David), werden auch Jesus und der Täufer eingereiht, zugleich liegt aber auch in der Darstellung eine deutliche Überbietung vor, da „(1) Jesus als swth,r bezeichnet wird, so daß die Reihe der Leitungsfiguren eine Klimax aufweist (kritai, – basileu,j – swth,r), und (2) Jesus in Johannes einen Vorläufer bzw. Ankündiger hat wie keine zweite dargestellte Gestalt der Geschichte Israels.“ 37 S.o. 247 mit Anm. 9. 38 Vgl. W. FOERSTER, Art. se,bomai ktl), ThWNT 7, Stuttgart 1964, 170, der z.B. auf Platon Leg. VII 777d verweist (Ehrfurcht vor der di,kh), vgl. auch 798b (Ehrfurcht vor den no,moi).
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wendung (im Sinne „[eine Gottheit] verehren“) tritt besonders bei Plutarch deutlich hervor. Doch bleibt auch bei Plutarch der substantivische Gebrauch des Partizips sebo,menoj mit Akkusativobjekt (oi` sebo,menoi to.n qeo,n / to.n :Osirin / to.n :Anoubin)39 vorherrschend, eine rein attributive Verwendung wie in Apg 13,43.50 fehlt dagegen. Gleiches gilt für die LXX.40 In 13,43.50 liegt also offenbar eine Spracheigentümlichkeit des Lukas vor.
(b) Gleichzeitig wird aber unter den Heilstaten Gottes für sein Volk die Gabe des Gesetzes völlig übergangen,41 obwohl Lukas sie sehr wohl kennt, wie die kurze Erwähnung in dem breiten Moseabschnitt in 7,20–42 (dort V. 38) zeigt. Dem entspricht, daß in 13,38 ausdrücklich festgestellt wird, daß in Christus „euch“ Vergebung der Sünden verkündigt wird,42 während „das Gesetz des Mose“ genau dieses nicht leisten konnte und somit keine befreiende Wirkung hatte. Diese Aussage gipfelt in der universalistischen Feststellung, daß in Christus jeder (!) Glaubende gerechtfertigt wird:43 evn tou,tw| pa/j o` pisteu,wn dikaiou/tai (V. 39).44 Diese prinzipielle Aussage hat ihre direkte Entsprechung in 2,21, dem Schluß des Schriftzitats am Beginn der Pfingstpredigt: pa/j (!) o]j evan. evpikale,shtai to. o;noma kuri,ou 39
Plutarch, De Iside et Osiride 363a; 365a; 368f. Aber auch für die substantivische Verwendung des Partizips sind die Belege recht begrenzt: Jes 66,14; Dan 3,33.90; SapSal 15,6 und 3Makk 3,4; zu diesen Stellen vgl. auch B. WANDER, Gottesfürchtige (s.o. Anm. 1), 74; dabei ist Wander Dan 3,33 entgangen (während die zweifache Anführung von Jes 66,14 bei WANDER, ebd., nämlich für und gegen die Partizipialkonstruktion, widersprüchlich ist). 41 So die zutreffende Beobachtung von J. JESKA, Geschichte (s.o. Anm. 33), 223. 42 Die Wendung verweist direkt zurück auf die Ankündigung Lk 24,47, daß eivj pa,nta ta. e;qnh „die Buße zur Vergebung der Sünden“ verkündigt werden solle. In Apg 13 beginnt die Erfüllung dieser Ankündigung. 43 Lukas spielt hier mit den semantischen Möglichkeiten von dikaiou/n / dikaiou/sqai: In V. 38 verwendet er dikaiou/sqai avpo,, also in der Bedeutung „befreit werden von etw.“, in V. 39 dagegen absolut, also durchaus (und sicher nicht zufällig) im paulinischen Sinne, d.h. als „gerechtfertigt werden“. Zu übersetzen ist dann (wenn man mit J. JERVELL, Apg [s.o. Anm. 5], 360 V. 38b, als Erläuterung zu V. 38a versteht): „Es sei euch nun kund, ihr Männer und Brüder, daß durch diesen (Christus) euch die Vergebung der Sünden verkündigt wird – und zwar (die Vergebung) aller (Sünden), von denen ihr durch das Gesetz nicht befreit werden konntet. Durch diesen (Christus) wird jeder Glaubende gerechtfertigt.“ Faßt man dagegen (mit G. SCHNEIDER, Die Apostelgeschichte, II. Teil, HThK 5/1, Freiburg 1982, 127; R. PESCH, Apg II [s.o. Anm. 28], 29) V. 38b als Vordersatz von V. 39 auf, ergibt sich: „Es sei euch nun kund …, daß durch diesen (Christus) euch die Vergebung der Sünden verkündigt wird; und von allen (Sünden), von denen ihr durch das Gesetz nicht befreit werden konntet, – durch diesen (Christus) wird jeder Glaubende gerechtfertigt.“ Ein wesentlicher Unterschied besteht nicht. 44 Die Paulus-Reminiszenz in 13,38f ist von Lukas beabsichtigt (vgl. E. PLÜMACHER, Lukas [s.o. Anm. 2], 35 Anm. 12; 67); dabei ist die Voranstellung des Motivs der Sündenvergebung lukanisch, doch begegnet das Motiv auch schon „paulinisch“, nämlich Kol 1,14; Eph 1,7; zur weiteren Diskussion der Stelle vgl. A. LINDEMANN, Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion, BHTh 58, Tübingen 1979, 58–60; 170f, der auf die Verbindung von Glaube und Rechtfertigung in 13,39 hinweist und eine deutliche Nähe zur deuteropaulinischen Soteriologie sieht. 40
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swqh,setai. Im Unterschied zu 2,21 erfolgt die universalistische Heilszusage in Apg 13,39 jedoch vor jüdischen und nichtjüdischen Hörern, und sie erfolgt hier in Konfrontation mit dem zentralen Merkmal jüdischer Partikularität, dem Gesetz. Die Feststellung, daß das Gesetz insuffizient ist, weil es das dikaiou/sqai nicht zu leisten vermag, richtet sich in ihrer Formulierung mit w-n ouvk hvdunh,qhte zunächst an die jüdischen Hörer, doch ist sie Hinführung zu der prinzipiellen Aussage von 13,39, die betont alle Hörer umgreift. Dabei erfolgt die Gesamtaussage von 13,38f genau an der Stelle, an der der Übergang der Christusverkündigung zu den Heiden theologisch vorbereitet und begründet werden muß; d.h. hier wird theologisch geklärt, was dann ab 13,44 narrativ entfaltet wird.45 Denn mit 13,38f wird begründet, warum das Gesetz, das ja bislang die Grenze des Gottesvolkes markierte (vgl. 10,28a), keine positive soteriologische Funktion mehr hat und somit auch keine Grenze für die Christusverkündigung darstellen kann. Die Bedeutung, die Lukas der Aussage von 13,38f beimißt, wird auch dadurch hervorgehoben, daß hier wiederum (und abgesehen vom Beginn erst zum zweiten Mal) eine direkte Anrede an die Hörer erfolgt – jetzt aber erstmalig nicht in Juden und Gottesfürchtige unterteilt (so V. 16 und 26), sondern mit einem alle Hörer zusammenschließenden a;ndrej avdelfoi,. Angesichts der soteriologischen Ausrichtung des Christuskerygmas ist die Differenzierung zwischen Juden und Nichtjuden aufgehoben.46 Diese Interpretation steht in Gegensatz zu den Analysen von Klinghardt47 und Jervell, die hier gerade keine Abrogation des Gesetzes sehen wollen. Dafür werden folgende Argumente angeführt: 1. Mit „Sündenvergebung“ sei nur die Wegnahme der Sünden und „nicht … eine positive Begabung des neuen Lebens“ gemeint.48 45 Daß 13,38f eine wichtige Weichenstellung im Blick auf die Fortsetzung innerhalb der lukanischen Darstellungsabfolge darstellt, wird vielfach übersehen, so auch bei D. RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas, BZNW 112, Berlin 2003, 408f, der Apg 13,38f nur mit Apg 2,38 in Beziehung setzt: Jeweils werde „die Heilsgabe auf den jeweiligen Redeanlass zugespitzt: Petrus verheißt seinen Zuhörern die Gabe des heiligen Geistes – entsprechend dem Anlass an Pfingsten; und Paulus verheißt seinen Zuhörern die Gerechtmachung … trotz eigener Ungerechtigkeit gegenüber den Geboten der Mosetora – entsprechend dem Anlass als Heilsbotschaft für Juden in der Diaspora.“ Doch ist dabei der „Redeanlaß“ falsch bestimmt: 13,26–41 ist eben keine Rede nur an Diasporajuden, sondern von vornherein an Juden und Nichtjuden („Gottesfürchtige“), die hier ausdrücklich (und erstmalig in der Apostelgeschichte!) als Hörer eingeführt werden. Im übrigen ist auch zu fragen, warum Lukas Anlaß haben sollte, gegenüber Diasporajuden die Frage der „Gerechtmachung … trotz eigener Ungerechtigkeit gegenüber den Geboten der Mosetora“ zu thematisieren, gegenüber jüdischen Hörern in Palästina dagegen nicht. 46 Eine weitere Hervorhebung von 13,38f erfolgt durch die feierliche Einleitung gnwsto.n ou=n e;stw u`mi/n, die Lukas nur noch in 2,14; 4,10 und 28,28 verwendet. 47 M. KLINGHARDT, Gesetz und Volk Gottes. Das lukanische Verständnis des Gesetzes nach Herkunft, Funktion und seinem Ort in der Geschichte des Urchristentums, WUNT 2/32, Tübingen 1988, 97–114; J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 360f.
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2. Sündenvergebung und Gesetz stünden ohnehin nicht auf der gleichen Ebene: Während Sündenvergebung nur in der Hinwendung zu Christus möglich sei, bleibe die Funktion des Gesetzes, die auf einer ganz anderen Ebene liege, bestehen, nämlich „Kennzeichen des Heilsvolkes zu sein“.49 Damit wird die Argumentation des Lukas in Apg 13 auf den Kopf gestellt: 1. Die Entgegensetzung von Sündenvergebung und „neuem Leben“ ist unsachgemäß, weil hier ein paulinischer Begriff in die Lk-Interpretation eingeschleust wird. Für Lukas ist Sündenvergebung (die umgekehrt bei Paulus fehlt) ein eindeutig soteriologischer Begriff, der festes Element des Bekehrungs- bzw. Taufvorgangs ist (vgl. Lk 5,32; Apg 2,38);50 auch in Apg 10,38–43 wird der soteriologische Zielpunkt des Christuskerygmas mit a;fesij a`martiw/n dia. ovno,matoj auvtou/ angegeben (V. 43). 2. Die These, die Klinghardt51 dem Text entnehmen will, „daß das Gesetz allein nicht ausreicht (!) als Kriterium der Zugehörigkeit zur Basileia“ und die Bekehrung zu Christus noch hinzukommen müsse, hätte sprachlich ganz anders realisiert werden müssen, jedenfalls nicht in der Form einer antithetischen Gegenüberstellung evn no,mw| Mwu?se,wj (V. 38b) – evn tou,tw| (d.h. dem swth.r VIhsou/j, V. 39, vgl. V. 23):52 Was das Gesetz nicht vermag, genau das wird den Hörern als direkte Wirkung der Christusverkündigung zugesagt.53 Auch daß Klinghardt die klare Formulierung ouvk hvdunh,qhte … dikaiwqh/nai abschwächen muß zu einem: „es war für euch nicht ausreichend“, spricht gegen seine Interpretation. Lukas formuliert also gerade nicht eine Aussage über die Fortgeltung des Gesetzes. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Lukas spricht hier, am entscheidenden Umschlagspunkt zur Mission unter den e;qnh, ausschließlich von der Insuffizienz des Gesetzes – und eröffnet damit theologisch den Weg zur Heidenmission.54
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M. KLINGHARDT, Gesetz (s.o. Anm. 47), 100; aufgenommen von J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 360: Sündenvergebung ist hier „als Beseitigung der Sünden zu verstehen, also nicht paulinisch als Gabe des Heils, umfaßt also nicht das neue Leben“. 49 J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 361; vgl. auch M. KLINGHARDT, Gesetz (s.o. Anm. 47), 109: Funktion des Gesetzes sei es, „den Kreis derer zu bestimmen, denen die Basileia verheißen ist“. 50 Das weiß auch J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 361, obwohl er unmittelbar zuvor die These von Klinghardt übernommen hat, der den soteriologischen Gehalt von „Sündenvergebung“ in 10,38 in Abrede stellt (s.o. Anm. 48). 51 M. KLINGHARDT, Gesetz (s.o. Anm. 47), 108. 52 Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob man V. 38b als Vordersatz zu V. 39 versteht oder als Erläuterung zu V. 38a (so J. JERVELL, Apg [s.o. Anm. 5], 360; s.o. Anm. 43), da für Lukas die Verkündigung der Sündenvergebung (V. 38a) und die Rechtfertigung „in Christus“ (V. 39) sich gegenseitig interpretieren. 53 Die Aussage des Lukas über die Insuffizienz des Gesetzes im Gegenüber zur Sündenvergebung bzw. zur Rechtfertigung kann man auch nicht durch die Bemerkung aushebeln: „Sündenvergebung durch Gebotserfüllung ist auch im Judentum unmöglich, aber davon ist hier auch keine Rede“ (J. JERVELL, ebd.; vgl. M. KLINGHARDT, Gesetz [s.o. Anm. 47], 101f). Lukas redet in der Tat nicht von Gebotserfüllung, im Gegenteil: 15,10 zeigt, daß für Lukas das „Gesetz des Mose“ (15,5) ein „Joch“ ist, das auch die Juden nicht tragen konnten; und 13,38f hebt hervor, daß das Gesetz selbst nicht in der Lage ist, Rechtfertigung zu bringen, sich also angesichts der jetzt ergehenden Verkündigung (V. 38a) als defizitär erweist. 54 Daß die Aussage über die Insuffizienz des Gesetzes unmittelbar vor der Hinwendung zu der Heidenmission steht, ist bei M. KLINGHARDT, Gesetz (s.o. Anm. 47), 97–109 völlig ausgeblendet.
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Dieser Zielrichtung, der universalen Öffnung der Missionspredigt, entspricht auf szenischer Ebene der Zulauf von „nahezu der gesamten Stadt“ (V. 44).55 Diese Wirkung der Synagogenpredigt des Paulus ist zwar szenisch schlecht vorbereitet, es sei denn, man ergänzt, daß die in der Synagoge anwesenden Gottesfürchtigen innerhalb der einen Woche, die Lukas als Abstand voraussetzt, als massenhafte Multiplikatoren für die gesamte Stadt tätig waren. Aber auf der Ebene der theologischen Sachentfaltung ist der Zusammenhang evident: In dem Moment, in dem das Gesetz als Faktor für die Definition des Gottesvolkes abrogiert ist, kann sich „nahezu die ganze Stadt“ (V. 44) der Christusbotschaft öffnen, wobei vorausgesetzt ist, daß die Menge, die jetzt herbeiströmt, heidnisch ist. Die Schnittstelle auf szenischer Ebene liegt im Übergang von V. 42f zu V. 44–49. V. 42f, die Darstellung des großen Missionserfolgs unter den Juden, korrespondiert dem ersten Teil der Rede (V. 17–25), der die Ausrichtung des Heilshandelns Gottes auf Israel behandelt hat. Dementsprechend wird in V. 42f ausschließlich von Juden und dem Erfolg bei ihnen erzählt: Den beiden Missionaren folgen „viele von den Juden und den frommen Proselyten“. Wie in 2,11 ist hier der Ausdruck „Juden und Proselyten“ als Beschreibung des Judentums insgesamt, der geborenen Juden und der zum Judentum Übergetretenen, gemeint. Von den Gottesfürchtigen, die Lukas in der Rede zweimal ausdrücklich erwähnt hat (V. 16.26), redet er hier überhaupt nicht. Deren Fehlen wird an dieser Stelle durch die Erwähnung der Proselyten, die jetzt plötzlich neu eingeführt werden, kompensiert, zumal Lukas sie noch mit der schmückenden Bezeichnung sebo,menoi „ehrfürchtig / fromm“ versieht.56 Dies ist nur dadurch zu erklären, daß Lukas im Blick auf die unterschiedliche Reaktion von Juden und Heiden, die er jetzt schildern will, die von ihm dargestellten Personengruppen erzählerisch jeweils getrennt behandeln muß. So notwendig es war, in der Synagoge Juden und Heiden (in Gestalt der Gottesfürchtigen) gemeinsam als Hörer der Predigt des Paulus in der Synagoge aufzuführen, so sehr muß er jetzt die jüdische und heidnische Reaktion getrennt darstellen. Daher müssen die Gottesfürchtigen in der Schilderung des Erfolgs der Missionspredigt bei den jüdischen Hörern in V. 42f unerwähnt bleiben. Die Bezeichnung der oi` sebo,menoi prosh,lutai in V. 43 hat in der Literatur zu zahlreichen Irritationen geführt.57 Es gibt zahlreiche Versuche, in den fobou,menoi to.n qeo,n von V. 16.26 und den sebo,menoi prosh,lutoi von V. 43 den gleichen Perso55
A. DEUTSCHMANN, Synagoge (s.o. Anm. 32), 65, hält diese Formulierung des Lukas für „sicher übertrieben“, da ja, wie am Sabbat zuvor, die Synagoge als Versammlungsort vorauszusetzen sei. Aber genau das sagt Lukas eben nicht, und man sollte es auch nicht in den Text einschmuggeln. 56 Zur Wortbedeutung s.o. 255 mit Anm. 38. 57 Vgl. J. JESKA, Geschichte (s.o. Anm. 33), 234–236.
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nenkreis zu sehen, sei es, daß man eine unspezifische Bedeutung von prosh,lutoj voraussetzt58 und auch in V. 43 die Gottesfürchtigen von V. 16.26 erwähnt sieht,59 sei es, daß man umgekehrt die Gottesfürchtigen in der Synagoge schon zu Konvertiten zum Judentum erklärt.60 Doch widerspricht eine derartige Gleichsetzung (egal in welcher Richtung) dem gesamten Sprachgebrauch der Apostelgeschichte:61 In Apg 2,11 sind die „Proselyten“ Teil der jüdischen Hörerschaft, auch Nikolaos „der Proselyt“ (Apg 6,5) ist Jude, schließlich ist die Taufe des ersten Nichtjuden noch erheblich entfernt – und dieser Kornelios ist gerade nicht Angehöriger des jüdischen Volkes (10,1f) und wird daher auch nicht als prosh,lutoj, sondern als fobou,menoj to.n qeo,n bezeichnet. Auch der Sprachgebrauch von Philo bestätigt dieses Bild: Während er in der LXX als Wiedergabe des hebräischen Begriffs rgE/ger („Fremdling“) das griechische prosh,lutoj vorfindet, verwendet er selbst für den im Lande wohnenden Nichtjuden konsequent die Bezeichnung e;phluj („Hinzugekommener“); unter einem prosh,lutoj versteht er dagegen, sicher dem zu seiner Zeit gängigen Sprachgebrauch folgend, den zum Judentum konvertierten Nichtjuden. So zitiert Philo Cher. 108.119 zunächst Lev 25,23 korrekt mit prosh,lutoj, verwendet dann aber in seiner Kommentierung konsequent evph,lutoj (Philo Cher. 120f, insgesamt 4 Mal); der gleiche Vorgang begegnet Spec.Leg. I 308f (zitiert wird dort Dtn 10,18); in Spec.Leg. IV 176–178 und Virt. 102–104 formuliert Philo sogar die atl. Texte, auf die er sich bezieht, um und verwendet sofort evph,lutoj. In dieses Bild fügt sich auch QE II.2 voll ein: Hier bietet Philo sogar eine begriffliche Abgrenzung von e;phluj und prosh,lutoj: e;phluj ist der weitere Begriff und kann sowohl evph,ludej cw,raj („Hinzugekommene des Landes“, also Fremde, die in ein bestimmtes Land gekommen sind) als auch evph,ludej nomi,mwn kai. e;qwn („Hinzugekommene der Gesetze und Sitten“, die also die
58 Vgl. F. SIEGERT, Gottesfürchtige (s.o. Anm. 1), 139f (unter Verweis auf einen s.E. weiteren Sprachgebrauch bei Philo QE II 2 zu Ex 22,20); allerdings warnt Siegert selbst vor verallgemeinernden Schlußfolgerungen aus Apg 13,43; zudem erweist sich der Verweis auf Philo QE II 2 als nicht tragfähig (s. gleich). 59 Vgl. A. WEISER, Die Apostelgeschichte, Kapitel 13–28, ÖTBK 5/1, Gütersloh 1985, 337; ebenso I. LEVINSKAYA, The Book of Acts in Its Diaspora Setting, Grand Rapids 1996, 47–49, die Siegerts Hinweis übernimmt. 60 So G. WASSENBERG, Aus Israels Mitte – Heil für die Welt, BZNW 92, Berlin 1998, 48–51. Vgl. auch G.F. SNYDER, The God-Fearers in Paul’s Speech at Pisidian Antioch, in: Th. Drew-Bear u.a. (Hg.), Actes du Ier Congrès international sur Antioche de Pisidie, Collection Archéologie et Histoire de l’Antiquité. Université Lumière-Lyon 2, Paris 2002, 45–52. Er übersetzt sebo,menoi prosh,lutoi mit „God-fearers who had become proselytes“ (45, vgl. 49). Doch gibt die sprachliche Gestaltung von 13,43 das nicht her: sebome,nwn ist ohne Zweifel Attribut zu proshlu,twn) Problematisch ist zudem, daß Snyder auch in 13,50 sebo,menoj zu sebo,menoj to.n qeo,n ergänzt (46), wobei er außerdem die vermeintlichen „God-fearing women“ mit den „leading man“ aus 13,50 zu Parteigängern des Paulus macht (51). 61 So auch A. DEUTSCHMANN, Synagoge (s.o. Anm. 32), 60–64.
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„Gesetze und Sitten“ übernommen haben) bedeuten – und nur letztere sind prosh,lutoi:62 „u`mei/j [ga.r] oi;date th.n yuch.n tou/ proshlu,tou“. Ti,j de. proshlu,tou dia,noia, evstin* 〈:H ouvk〉63 avllotri,wsij th/j poluqe,ou do,xhj( oivkei,wsij de. th/j pro.j to.n e[na kai. pate,ra tw/n o[lwn timh/j* Deu,teron( evph,ludaj e;nioi kalou/si tou.j xe,nouj. Xe,noi de. kai. oi` pro.j th.n avlh,qeian huvtomolhko,tej( 〈ouv〉 to.n auvto.n tro,pon toi/j evn Aivgu,ptw| xeniteu,sasin. Ou-toi me.n ga.r evph,ludej cw,raj( evkei/noi de. nomi,mwn kai. evqw/n eivsi\ to. de. o;noma koino.n e`kate,rwn evphlu,dwn u`pogra,fetai)
„Ihr kennt die Seele des Proselyten.“ Was ist die Bedeutung von „Proselyt“? Ist es nicht die Abkehr vom polytheistischen Schein und die Aneignung der Verehrung des einen, des Vaters des Alls? Zweitens nennen einige die Fremden „Hinzugekommene“. Fremde sind auch die, die zur Wahrheit übergegangen sind, nicht in der gleichen Weise wie die, die in Ägypten als Fremde lebten.64 Diese sind „Hinzugekommene des Landes“, jene (sind „Hinzugekommene) der Gesetze und Sitten“. Als gemeinsamer Name für beide wird „Hinzugekommene“ verwendet.
Die nichtjüdische Hörerschaft kommt dann ab V. 44 als eigenständige und dem Judentum gegenüberstehende Größe in den Blick. Da das Gesetz, das bisher als Grenze des Gottesvolkes die Hinwendung zu den Heiden verhinderte, keine Relevanz mehr besitzt (V. 38) und die Grundlage des Gottesvolkes universalistisch bestimmt ist (V. 39), strömt jetzt „nahezu die gesamte Stadt“ herbei, worauf die jüdische Einwohnerschaft negativ reagiert. So wie in V. 42f die Reaktion der Gottesfürchtigen ausgeblendet war, so sind hier nicht mehr die polloi. tw/n VIoudai,wn kai. tw/n sebome,nwn proshlu,twn aus V. 43 im Blick. Hieraus ist nicht zu schlußfolgern, daß Lukas indirekt andeuten wolle, daß diese bekehrten Juden in kürzester Zeit wieder abgefallen sind. Vielmehr rückt jetzt ein anderes Problem in den Mittelpunkt, ja es beherrscht ausschließlich die Darstellung: Die negative jüdische Reaktion auf die durch die christlichen Missionare erfolgte Ausweitung des Gottesvolkes und die Erfolge, die die Missionare dabei hatten. Auf diesem Hintergrund ist auch der Wechsel in der Ausdrucksweise, und zwar von der substantivischen Formulierung fobou,menoi to.n qeo,n zur attributiven Verwendung von sebo,menoi, als bewußte Strategie zu beurtei62
Text nach F. PETIT, Quaestiones in Genesim et in Exodum. Fragmenta graeca. Introduction, texte critique et notes, in: C. Mondésèrt (Hg.), Les Œvres de Philon d’Alexandrie, Bd. 33, Paris 1978, 239. 63 Zu den beiden textkritischen Problemen des Fragments vgl. PETIT, Quaestiones (s.o. Anm. 62), 239. 64 Nämlich die zuvor im Fragment erwähnten Hebräer.
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len: Die Proselyten, die in V. 43 (wie in 2,11) neben den VIoudai/oi genannt werden, sollen analog zu den „Gottesfürchtigen“ positiv qualifiziert werden,65 ohne sie mit ihnen zu identifizieren.66 Eine zusätzliche Wendung bekommt das Problem dadurch, daß Lukas in V. 50 sebome,nai gunai,kej erwähnt. Ihre Funktion ist deutlich: Sie werden von Lukas als einflußreiche Personen67 (in unmittelbarem Zusammenhang mit den prw,toi th/j po,lewj) dargestellt, an die sich die jüdische Seite wendet, um die christlichen Missionare aus der Stadt zu vertreiben. Es ist also vorausgesetzt, daß sie nicht selbst Jüdinnen sind, daß sie jedoch von jüdischer Seite angesprochen werden konnten. Auch hier handelt es sich bei der attributiven Verwendung von sebome,nai grundsätzlich um eine persönliche Qualifizierung,68 nicht um eine formelle Status- oder Gruppenbezeichnung wie in 16,10. Andererseits ist zu fragen, warum Lukas diese Frauen nicht als euvsebei/j bezeichnet. Die Wortwahl ist literarisch erklärbar: In V. 43 hatte Lukas die Proselyten als sebo,menoi / „ehrfürchtig, fromm“ qualifiziert; die gleiche positive Qualifikation verwendet er hier, um damit für die in V. 50 dargestellten Frauen eine gewisse Nähe zum Judentum sprachlich anzudeuten.
III Ergebnisse und Schlussfolgerungen: 1. In der programmatischen Eröffnungsrede der Apostelgeschichte, in 2,14–39 in Jerusalem, gestaltet Lukas eine Rede, die vor rein jüdischen Hörern spielt, wobei er einerseits die stadtjerusalemer Perspektive, andererseits aber auch den weltweiten Horizont des Geschehens hervorhebt. In diesem Zusammenhang dient die Erwähnung der Proselyten in 2,11 dem Ziel, den weltweiten Radius der Hörerschaft zu unterstreichen, ohne dabei 65 Auch dort, wo fobou,menoj to.n qeo,n als Status- bzw. Gruppenbezeichnung fungiert, impliziert diese Bezeichnung immer eine positive religiöse Qualifikation; anders B. WANDER, Gottesfürchtige (s.o. Anm. 1), 189–192. 66 B. WANDER, Gottesfürchtige (s.o. Anm. 1), 191, gelangt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß hier tatsächlich Proselyten gemeint sind, allerdings ausschließlich aufgrund des Sprachgebrauchs von Apg 2,11 und weil es ja auch historisch („von der Genese her“) zwei verschiedene Gruppen seien; eine Analyse der Funktion der prosh,lutoi in V. 43 auf der literarischen Ebene von Apg 13 unterbleibt jedoch. Warum Lukas die prosh,lutoi zusätzlich als sebo,menoi qualifiziert, führt bei Wander nur zu vagen Vermutungen: „vielleicht (sollten) … besondere Leistungen für die Gemeinschaft vor Ort zum Ausdruck (gebracht werden)“. Die Frage, warum Lukas die Proselyten überhaupt erwähnt (obwohl sie in V. 16.26 nicht genannt wurden!), wird erst gar nicht gestellt. Diese Frage kann auch nicht in den Blick kommen, weil Wander überhaupt nicht nach der Darstellungsabsicht und Erzählstrategie des Textes von Apg 13 fragt, sondern sich nur punktuell mit den jeweiligen Einzelheiten des Textes beschäftigt. 67 Dies zeigt auch die zusätzliche soziale Einstufung als euvsch,monej („vornehm, angesehen“), vgl. P. FIEDLER, Art. euvsch,mwn ktl), EWNT 2, 215f. 68 Anders B. WANDER, Gottesfürchtige (s.o. Anm. 1), 190.
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die Grenzen des Judentums zu überschreiten. „Proselyten“ sind also für Lukas, historisch durchaus korrekt, zum Judentum konvertierte Menschen, die von Geburt her eine andere ethnische Herkunft haben. Sie werden aber nur dort erwähnt, wo dies aus literarischen Gründen erforderlich ist. Abgesehen von Apg 6,5, wo die Nennung des „Proselyten Nikolaos“ innerhalb einer von Lukas übernommenen Liste erfolgt, ist dies neben 2,11 nur noch in 13,43 der Fall. Auch dort will Lukas eine möglichst breite, jedoch rein jüdische Reaktion auf die Verkündigung der Missionare im pisidischen Antiochia darstellen. Da in beiden Fällen die Erwähnung der Proselyten literarisch bedingt ist, sind auch keine Rückschlüsse darauf möglich, ob es (und sei es auch nur in der Perspektive des Lukas) in Jerusalem und dem pisidischen Antiochia besonders viele Proselyten, dagegen z.B. in Korinth oder Ephesus wenige oder gar keine gab. 2. In Apg 13,16–52 ist sowohl die zweimalige Adressierung der Rede des Paulus an „Israeliten und Gottesfürchtige“ (V. 16.26) als auch die Erwähnung der „frommen Proselyten“ (V. 43) durch die literarische Zielsetzung des Lukas bedingt, der in der Schilderung des Wirkens der Missionare Barnabas und Paulus im pisidischen Antiochia den Übergang der Christusverkündigung von den Juden zu den Heiden darstellen will. Die „Gottesfürchtigen“ haben dabei eine wichtige Funktion: Sie sind das Scharnier zwischen Juden- und Heidentum. Die fobou,menoi to.n qeo,n sind in der Synagoge anwesend, also auch Hörer des Christuskerygmas V. 27–41, das ausdrücklich auch ihnen gilt (V. 26). Sie sind eindeutig nicht Teil der zugleich anwesenden jüdischen Hörerschaft, d.h. Lukas betrachtet sie als dem Judentum nahestehende Nichtjuden, was auch auf dem Hintergrund von Apg 10,2, wo ja Kornelios ganz analog charakterisiert wird, ohnehin eindeutig ist. Lukas benötigt sie in der Rede, in der sich der Übergang zur Verkündigung an die e;qnh vollzieht – und kann sie dann ausblenden. Denn bei der zunächst in V. 42f dargestellten rein jüdischen Reaktion können sie ohnehin nicht berücksichtigt werden, und ab V. 44 sind sie Teil der e;qnh, die sich der Verkündigung der Missionare öffnen, und brauchen daher nicht mehr gesondert erwähnt zu werden.69 69 Daran zeigt sich, daß die grundsätzliche These von J. Jervell, die Heidenmission der Apostelgeschichte sei im Sinne des Lukas überhaupt keine solche, sondern durchweg eine Mission an den „Gottesfürchtigen“ und damit eigentlich immer noch (weltweite) Judenmission, über die Texte hinweggeht. J. JERVELL, Apg (s.o. Anm. 5), 366, muß auch bezeichnenderweise in seinem zusammenfassenden Referat von Apg 13,44–48 die „Gottesfürchtigen“ in den Text hineinschmuggeln: „Die Ungläubigen unter den Juden widersprechen, weswegen sich Paulus an die Heiden, sprich Gottesfürchtigen [sic!], wendet“. Am Text vorbei geht auch die Behauptung zu dem Zitat aus Jes 49,6 in V. 47: „Das in der Synagoge anwesende, gläubige Gottesvolk ist das ‚Licht der Heiden‘“ (ebd.). Genau das stellt Lukas eben nicht dar: Nicht die in der Synagoge versammelten Israeliten gehen nach der Predigt des Paulus als „Licht“ zu den Heiden, sondern die Missionare wenden sich ihnen zu (V. 46). Unbegründet ist auch die Behauptung: „Weiter muss se auf Israel
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3. Die Verwendung der „Gottesfürchtigen“ als Gruppe der nichtjüdischen Bevölkerung mit einer besonderen Nähe zum Judentum entspricht also durchaus der historischen Realität. Wann und in welcher Weise Lukas sie literarisch einsetzt, hängt allerdings – genauso wie im Falle der Proselyten – von seinen Darstellungsinteressen ab.70 4. Für den Sprachgebrauch des Lukas ergibt sich damit: (a) Die Bezeichnung fobou,menoj to.n qeo,n( die Lukas in 10,2; 13,16.26 verwendet, hat die gleiche Funktion wie die Bezeichnung sebo,menoj to.n qeo,n in 16,14; 18,7: Jeweils werden die Personen nicht nur in ihrer individuellen Qualität charakterisiert, sondern es wird eine mit Herkunft und Berufsangabe vergleichbare religiöse Statusangabe gemacht.71 Merkmal dieser Statusangabe ist die ausdrückliche Hinzufügung des Akkusativobjekts to.n qeo,n) „qeo,j“ meint dabei im Sinne des Lukas grundsätzlich den lebendigen Gott, o]j evpoi,hsen to.n ouvrano.n kai. th.n gh/n (vgl. 14,15). (b) Davon zu unterscheiden ist die rein attributive Verwendung von bloßem sebo,menoj( die in 13,43.50 und 17,4 vorliegt. Diese begegnet zuerst in gehen“ (J. JERVELL, Apg [s.o. Anm. 5], 364). Lukas ist an der Legitimation des Übergangs der Christusverkündigung zu den Heiden interessiert, und das Schriftzitat V. 47 zeigt, daß die Missionare mit ihrem in V. 46 geschilderten Verhalten exakt dem Befehl der Schrift folgen. Daß sie dabei als „Repräsentanten Israels“ fungieren (so W. STEGEMANN, „Licht der Völker“ bei Lukas, in: C. Bussmann/W. Radl [Hg.], Der Treue Gottes trauen [FS G. Schneider], Freiburg 1991, 84– 87, aufgenommen von J. JERVELL, Apg [s.o. Anm. 5], 364), ist in den Text eingelesen. Lukas hat eine derartige Funktion der Missionare in Apg 13–14 nirgends angedeutet. Eher ist in Apg 13,16– 41 das Gegenteil der Fall. Jedenfalls schließt sich der Redner Paulus in 13,26, nachdem er ausdrücklich „die Söhne des Geschlechts Abrahams und (!) die Gottesfürchtigen unter euch“ angeredet hat, mit diesen Hörern insgesamt mit einem kommunikativen h`mi/n zusammen, wenn er fortfährt: h`mi/n o` lo,goj th/j swthri,aj tau,thj evxapesta,lh. Beide Gruppen sind also gleichermaßen Adressaten des rettenden Gotteswortes. 70 Anders zu beurteilen sind natürlich diejenigen Fälle, in denen Lukas nicht selbständig dramatische Szenen entwirft, sondern Einzelnachrichten wiedergibt, die sich auf sebo,menoi to.n qeo,n beziehen, so in 16,14 (Lydia, in Philippi) und 18,7 (Titius Iustus, in Korinth). Aber auch dort, wo vorgegebenes Material verarbeitet wird, ist es bewußte Entscheidung des Lukas, den besonderen Status dieser Personen ausdrücklich zu erwähnen, und dies geschieht jeweils am Übergang von der anfänglichen Verkündigungstätigkeit des Paulus in der Synagoge zur Verkündigung außerhalb des jüdischen Bereichs. 71 Besonders deutlich ist dies in 16,14, wo die erste sebome,nh to.n qeo,n erwähnt wird: Lydia wird charakterisiert durch die Angabe von Beruf (Purpurhändlerin), Herkunft (aus Thyatira) und religiösen Status (Gottesfürchtige). Analog ist dann die ebenfalls als Apposition hinzugefügte Identifizierung des Titus Iustus in 18,7 zu bewerten. In 10,1f wird nach der beruflichen Stellung des Kornelios seine religiöse Identität mindestens genauso umfangreich dargestellt: Er ist nicht nur allgemein euvsebh,j, sondern ausdrücklich fobou,menoj to.n qeo,n. Diese Angabe füllt Lukas mit weiteren Einzelheiten auf, so daß der Eindruck einer umfassenden religiösen Haltung entsteht: Seine religiöse Grundeinstellung vermittelt er auch seinem „ganzen Haus“, sie konkretisiert sich nach außen in reichem Almosengeben „für das Volk“ und persönlich in intensivem Gebet. Nachdem in 10,2 in geradezu exemplarischer Weise ein fobou,menoj to.n qeo,n geschildert worden ist, kann deren Erwähnung als Gruppe in der Synagoge des pisidischen Antiochia in 13,16.26 ohne weitere Erläuterungen erfolgen.
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13,43, wo sie die religiöse Haltung der dort erwähnten Proselyten hervorhebt und im Sinne von „fromm“ wiederzugeben ist. Dies gilt auch für die beiden weiteren Fälle, wobei dort dann jeweils eine gewisse Nähe zum Judentum impliziert ist. Doch ist die Formulierung wesentlich offener als bei der Verwendung der Statusbezeichnung sebo,menoj to.n qeo,n) Auch hier ist deutlich, daß die jeweilige Verwendung von bloßem sebo,menoj auf literarische Gründe zurückzuführen ist.72 Ein besonderes Problem ist der Wechsel in der Terminologie, den Lukas zwischen Apg 10–13 und 16–18 vollzieht: In 10,2; 13,13.26 verwendet er fobou,menoj to.n qeo,n, in 16,21 und 18,7 dagegen sebo,menoj to.n qeo,n) Dabei entspricht fobou,menoj to.n qeo,n der Ausdrucksweise der LXX,73 während se,besqai der charakteristisch griechische Ausdruck ist, um die angemessene Haltung des Menschen gegenüber der Gottheit zu formulieren.74 Lukas wechselt also von der LXX-Sprache75 zur hellenistischen Ausdrucksweise,76 vollzieht also auch auf sprachlicher Ebene den Weg nach, den er in seinem Buch vom palästinisch-jüdischen Ausgangspunkt zur weltweiten Perspektive der Heidenmission dargestellt hat.
72 Überraschend wirkt zunächst die unterschiedliche Position, die jeweils die so beschriebenen Personen einnehmen: In 13,43 gehören die sebo,menoi prosh,lutoi zu den Juden, die sich der Verkündigung der Missionare anschließen. In 13,50 werden dagegen so diejenigen „vornehmen Frauen“ charakterisiert, die die feindlich gesonnenen Juden in ihre Verfolgungsaktion gegen die Missionare einbeziehen bzw. dieses jedenfalls versuchen. Doch ist dies durch den szenischen Wechsel zwischen 13,42f und 13,44–51 bedingt, bei dem ja auch die Juden selbst in ganz unterschiedlicher Position erscheinen. – Dagegen entspricht die Verwendung in 17,4, wo von der „Menge der sebome,nwn ~Ellh,nwn“ die Rede ist, die sich Paulus und Silas anschließen, dem Befund in 13,43. 73 Vgl. 2Esr 17,2 LXX; Ps 65,16 LXX; Koh 7,18; 8,12; wesentlich häufiger ist die Wendung fobou,menoj to.n ku,rion, so Ps 14,4 LXX; 24,12 LXX; 21,24 LXX u.ö. 74 Vgl. W. FOERSTER, Art. se,bomai ktl), ThWNT 7, Stuttgart 1964, 168–172; H. BALZ, Art. fobe,w ktl) A (Die Wortgruppe bei den Griechen). C (Die Furcht im palästinischen und hellenistischen Judentum). D (Die Wortgruppe im Neuen Testament), ThWNT 9, Stuttgart 1973, 186– 195.201–214, dort 191–194.203f.208f. 75 E. Plümacher hat gezeigt, wie bewußt Lukas (insbesondere im ersten Teil der Apostelgeschichte und der Paulusrede 20,18–35) das Stilmittel der LXX-Mimesis einsetzt und daß es sich keineswegs um einen stilistischen Selbstzweck handelt. Dabei beschränkt sich diese Stilisierung nicht nur auf die Reden selbst. Vielmehr gilt allgemein: „Die in Act 1-15 dargestellte Anfangszeit der Kirche hat für Lukas einen besonderen, vor allem im Fortwirken der Apostel begründeten idealen Charakter, der sich auch in der Terminologie niedergeschlagen hat.“ Es geht Lukas bei der LXX-Mimesis um das gleiche Ziel wie bei der Klassikerimitation des Hellenismus, nämlich darum, „nicht zuletzt mit Hilfe sprachlicher und stilistischer Nachahmung eines in seiner Qualität bzw. Autorität unumstrittenen Vorbildes jener Epoche, die man schildert, ein bestimmtes Gesicht zu geben.“ (E. PLÜMACHER, TRE 3 [s.o. Anm. 2], 507). 76 Vgl. dazu F. SIEGERT (s.o. Anm. 1), 140, mit Hinweis auf H.J. CADBURY, The Making of Luke-Acts, New York 1927, 225. Herrn Kollegen Siegert verdanke ich eine intensive Diskussion dieses Vortrags, insbesondere auch dieses zum Schluß behandelten Problems.
The God-fearers between facts and fiction∗ Two theosebeis-inscriptions from Aphrodisias and their bearing for the New Testament1
In the Acts of the Apostles chapter 10, Luke tells a story about an officer of the Roman army garrisoned in Caesarea Maritima in Palestine who had close relations to the Jewish people. He gave considerable donations to the Jews and worshipped the God proclaimed by the Jewish synagogue. This officer, called Cornelius, is designated by Luke as fobou,menoj to.n qe,on( literally translated ‘fearing God’. The problem of the so-called God-Fearers has been discussed for more than 100 years. The question is whether there has been a distinctive group of pagan people who – as Cornelius from Caesarea – had a certain religious commitment to the Jewish synagogue but without becoming, for various reasons, proselytes and who played an important role in the spread of Early Christianity in the first and second century C.E. Especially in the last decades, very different positions have been put forward. In 1973 Folker Siegert made a thorough assessment of the literary and epigraphic evidence available to that date.2 He draws two basic conclusions in his article: 1. “The first adherents the Early Christianity could gain as members among the pagans came from a loose circle of interested people around the Jewish communities.”3 These people he identifies as the GodFearers known from the Acts of the Apostles. 2. At the end of his article he gives a definition of the God-Fearers: “They were religious adherents of Judaism, but not members of the Jewish community, the Synagogues. They followed to a certain degree the Jewish ethos, but did not live according the ∗ Reprinted from Studia Theologica, www.tandf.no/studtheol, 2006, 60.1, 62–90, by permission of Taylor & Francis AS. 1 This paper was delivered as the Nils Astrup Dahl Lecture at the University of Oslo on February 6th, 2006. I am grateful for fruitful and vivid discussions with colleagues and students in Oslo. The character as oral speech is retained. For the useful photos of the Aphrodisian inscriptions, I am indebted to Prof. Angelos Chaniotis from the University of Heidelberg. He took them at my request in the first days of August 2005, so that I could use them when I delivered the paper in Oslo; and I am especially grateful for the permission to publish them in connection with this article. 2 FOLKER SIEGERT, Gottesfürchtige und Sympathisanten, JSJ 4 (1973): 109–164. For a bibliography until 1998 see BERND WANDER, Gottesfürchtige und Sympathisanten: Studien zum heidnischen Umfeld von Diasporasynagogen (WUNT 104; Tübingen: Mohr, 1998). 3 SIEGERT, Gottesfürchtige, 109.
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rules of the Law or the tradition (i.e. the halakha); they venerated the God the Jews proclaimed, but were not necessarily monotheists.”4 In connection with these statements, he makes a clear distinction between those who were – in his words – “seriously interested in the Jewish religion” and those who were “merely imitating some Jewish customs or were well-disposed towards the Jews by political reasons.”5 The former group he called ‘GodFearers’, whereas those of the latter group he called ‘sympathizers’. Naturally, it is possible to question this distinction and to argue that religious and social aspects are often mingled together, but for clarifying the problems such a distinction is helpful. In 1981, Alf Thomas Kraabel launched an influential essay entitled “The Disappearance of the God-Fearers.”6 He claimed that the so-called GodFearers did not exist apart from the literary world of the Acts of the Apostles. Judging from the total lack of archaeological and epigraphic evidence – in his view – for such a group related to the synagogue, he concluded that the God-Fearers were an invention of Luke. Perhaps Kraabel would have succeeded in making the God-Fearers disappear, at least from the scholarly discussion, but in 1987 a Greek inscription from Aphrodisias in Asia Minor was published.7 On two faces of a tall marble block 125 names of Jews, Proselytes and God-Worshippers were inscribed (plate 1). For the first time there was clear evidence, that Jews, proselytes and GodFearers were three different groups in a certain town of Asia Minor.8 The editors of the editio princeps Joyce Reynolds and Robert Tannenbaum claimed that the text on both sides of the marble block was one single inscription consisting of two parts and they dated it at the beginning of the third century, 200 C.E. or few years later.9 But in the last 15 years 4
SIEGERT, Gottesfürchtige, 163. SIEGERT, Gottesfürchtige, 110. 6 Numen 28 (1981): 113–126. For the archaeological and epigraphical data KRAABEL refers to see his article: The Diaspora Synagogue: Archaeological and Epigraphic evidence since Sukenik, ANRW 19.1: 477–510. 7 JOYCE REYNOLDS/ROBERT TANNENBAUM, Jews and God-Fearers at Aphrodisias: Greek Inscriptions with Commentary (Proceedings of The Cambridge Philological Society, supp. vol. 12; Cambridge: Cambridge Philological Society, 1987). 8 Cf. the principle statement of IRINA LEVINSKAYA, The Book of Acts in Its Diaspora Setting (Grand Rapids: Eerdmans, 1996), 80: “The importance of this inscription … lies in the fact that, once and for all, it has tipped the balance and shifted the onus if proof from those who believe in the existence of Luke’s God-fearers to those who have either denied or had doubts about it.” 9 REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 19–24. This early chronology is followed by PIETER W. VAN DER HORST, Jews and Christians in Aphrodisias in the Light of their Relations on other Cities of Asia Minor, in: Essays on the Jewish World of Early Christianity (ed. Pieter W. van der Horst; NTOA 14; Freiburg/Göttingen: Universitätsverlag Freiburg Schweiz/Vandenhoeck & Ruprecht, 1990), 166–181; PAUL R. TREBILCO, Jewish Communities in Asia Minor (MSSNTS 69; Cambridge: Cambridge University Press 1991), 151; LEVINSKAYA, Book of Acts, 72–73; PETER HERZ, Juden in Gesellschaft und Wirtschaft des oberen Maiandros-Tales, in: Ethnische und religiöse 5
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there has been a broad discussion about the dating and the structure of the inscription. In this discussion, strong arguments have been put forward that the texts of the two faces of the slab are not parts of one single text but two different inscriptions totally independent from each other. The only common feature of both inscriptions is that they are both of Jewish origin. The dating at the beginning of the third century C.E. is disputed as well and it is maintained that one of these two inscriptions comes from the fourth and the other even from the fifth century.10 Therefore it is time to reconsider the bearing of these two important inscriptions for the history of Early Christianity. Thus we have to ask several questions. These questions concern: – the interpretation of the above mentioned inscriptions from Aphrodisias and its historical setting, – the conclusions that can be drawn from other epigraphic material from the third and fourth centuries, – and (last but not least) the evidence in the Early Christian writings, especially in the Acts of the Apostles.
Minderheiten in Kleinasien (ed. Peter Herz and Jörn Kobes; Mainzer Veröffentlichungen zur Byzantinistik 2; Wiesbaden: Harrassowitz, 1998), 1–26 (22); JAN WILLEM VAN HENTEN, Gottesfürchtige, RGG (4th ed.) 3:1219. 10 HELGA BOTERMANN, Griechisch-jüdische Epigraphik: Zur Datierung der Aphrodisias-Inschriften, ZPE 98 (1993): 184–194, was the first who questioned the origin being in the early third century; MARIANNE PALMER BONZ, The Jewish Donor Inscriptions from Aphrodisias: Are they both Third-Century and who are the Theosebeis?, HSCP 96 (1994): 281–299, clearly argued for a different origin of the two texts (289, 291), dating the inscription on the left side to the fifth century; a thorough reappraisal was put forward by ANGELOS CHANIOTIS, The Jews of Aphrodisias: New Evidence and Old Problems, SCI 21 (2002): 209–242, who confirmed that the texts are independent from one other. Evaluating the onomastic material, CHANIOTIS, Jews, 213–218, concluded that the inscription of the front side cannot be dated earlier than 250 C.E., but a date in the fourth century is possible as well and for historical reasons he opts for the period between the Galerius decree in 311 and the reign of Theodosius (379–395). Concerning the inscription on the left side, CHANIOTIS, Jews, 218, accepted the dating in the fifth century C.E. proposed by Palmer Bonz. This interpretation, including the late chronology, is followed by WALTER AMELING (ed.), Inscriptiones Judaicae Orientis: II: Kleinasien (TSAJ 99; Tübingen: Mohr, 2004), no. 14, 71–112.
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Plate 1: Stele from Aphrodisias, Inv. 76.1; front and left side (A. Chaniotis 3.8.2005)
The First Theosebeis-Inscription from Aphrodisias The Aphrodisian inscriptions11 are engraved on a block of marble 2,80 m high, the front and the back sides are 46 cm wide, the left and the right side 45 cm.12 The block is tapered a little towards the top. Two sides of the block, the front side and the left side, are inscribed,13 and the top of the block is damaged. The editors treated the text of the two sides as two parts 11
In the following description, I rely on the editio princeps by REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3–24, on the reassessment of the inscription by CHANIOTIS, Jews, 209–242, and on AMELING, Inscriptiones, 72–82. 12 As the block is tapering a little to the top, the exact width of the front side is 46 – 42,5 cm, that of the left and the right side 45 – 43 cm; cf. REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3. 13 In the description of REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3: face b (front side) and face a (left side); WANDER, Gottesfürchtige, 122, erroneously calls “face a” the front side and “face b” the back (!) side. But it is clearly visible from the picture in REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 15, that face a and face b (always in the designation of REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3) are adjacent to each other.
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of one single inscription, starting on the left side,14 but the recent discussion has clearly demonstrated that each side comprises an independent inscription that must be discussed separately and the text of the front side has turned out to be the older one. Therefore I will deal with the inscription of the front side first.
Plate 2: Stele from Aphrodisias, front side (A. Chaniotis 3.8.2005)
On the front side15 (plate 2) there are two lists of names inscribed. In the upper part of the block there are 32 lines visible containing 55 names. A 14
Therefore REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3, call the left side “face a” and the front side “face b”; CHANIOTIS, Jews, 211, who opts for two independent inscriptions and for the earlier date of the inscription on the front side calls this side “face I” (AMELING, Inscriptiones, 73–75: face B – despite the fact that he accepts the chronology of Chaniotis). 15 The character of this side as the front side is undisputed, cf. REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3: the marble block is “carefully smoothed on faces a, b and c (but left roughly dressed on face d)”. So it is clear that (always in the designation of REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3) ‘face d’ is the back side, and ‘face b’, opposite of ‘face d’, therefore is the front side. See also REYNOLDS/ TANNENBAUM, Jews, 19: The marble block “was intended to stand with its forth face against or facing a wall, and the face opposite that, b in our enumeration, presented to the viewer as the main one”.
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high percentage of these names are exclusively Jewish and for the other names Jewish use is well attested. After a blank space of 5 lines a second list in the same script follows. This list is introduced by the words MCK Q=UQKSGQUGD(G)KL/ “and these God-worshippers” (plate 3). This list contains 52 names and, with one exception, for these names no specific Jewish use or origin can be proven. Especially noteworthy is that the first nine persons are said to beDQWNGWVJL/ ‘town-councillor’. The inscription in both parts is executed very carefully. The editors proposed – with some hesitation – an origin in the time of the Severian dynasty, at least before 212 C.E.16 But the recent discussion has clearly shown that, judging from names occurring in the lists, the inscription must be dated to the fourth century.17
Plate 3: Stele from Aphrodisias, front side: central section (A. Chaniotis 3.8.2005)
So the basic situation is clear: The two lists of the front side form one coherent inscription consisting of two separate parts, the upper part and the lower part. The people listed in the upper part are Jewish inhabitants of Aphrodisias, i.e. members of the Jewish community in that town, whereas those listed in the lower part are non-Jewish inhabitants of the same town. At the beginning of the second part there is a subsidiary heading – MCKQ=UQKSGQUGD(G)KL ‘and these God-worshippers’ – and it is rather prob16
REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 19–24; in 212 C.E. Emperor Marcus Aurelius Antoninus (normally called by his nickname Caracalla) granted Roman citizenship to all inhabitants of the empire (the so-called constitutio Antioniana) and therefore many people chose $WXTJNKQL as part of their own name. And as there is no $WXTJNKQL among these 107 names, the editors concluded that the inscription must be dated before 212 or it would derive from a date much later, for example from the late fourth century. Reynolds and Tannenbaum opted for the earlier date. This argument of the constitutio Antioniana is questioned by BOTERMANN, Datierung, 187–189. 17 See above note 10.
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able that at the beginning of the first part there was a corresponding heading,Q=UQK8,QWFCKQK “these Jews”,18 but due to the damage to the top of the slab (plate 4) such a subsidiary heading is now lacking. Additionally, it is necessary to assume that there was a main heading concerning the purpose of the inscription as a whole.19 Unfortunately, this main heading was lost as well. Therefore we can only guess what the purpose of the inscription actually was. In principle, there are two possibilities concerning the genre of such a list of names: either it is a membership list or a donors’ list. A membership list of the Jewish community in Aphrodisias would be an extraordinary text: not only because it would be without any parallel, it would also raise the question whether the God-worshippers were a fixed group formally attached to the Jewish synagogue. Therefore it is much more probable that this inscription is a donors’ list, listing 107 persons who made donations.20
Plate 4: Stele from Aphrodisias, front side: top section (A. Chaniotis 3.8.2005)
If we have a look at the whole inscription, there are three features that are remarkable: 1. In relation to the inhabitants, the proportion of Jewish donors is much higher than that of the of non-Jewish donors; 2. both groups are clearly separated; and 18
Cf. AMELING, Inscriptiones, 99. It is reasonable to assume that this text was inscribed on a second slab, as it is considered by REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 19. 20 See the list of 18 members of the Jewish community in Berenike who gave a donation for the synagogue, in: B. LIFSHITZ, Donateurs et fondateurs dans les Synagogues Juives (Paris: Gabalda, 1967), 81–83 (nr. 100). 19
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3. the group of Jews is mentioned first. These features are understood best if we assume that the donation was made for the benefit of a Jewish institution. But there are other questions that are much more difficult: How can we describe the relationship between the Jews and the non-Jews on the basis of this inscription and – most important – what is the meaning of the term SGQUGDGKL / God-worshippers used for the non-Jewish donors? To start with the first question: Apart from the crucial term SGQUGDGKL / God-worshippers, there are no reasons to assume a closer affinity of the non-Jews to the Jewish community as far as their participation in Jewish religious beliefs or practices is concerned. The donations made by these persons display their social relationship to the Jewish community in Aphrodisias but no religious commitment. Let me draw a modern parallel. In Germany, we are accustomed to Roman Catholics and Protestants living together in the same village, suburb or town. If, in the suburb of Münster, where I am living, the Roman Catholic community needs support for the nursery school or the windows in the church, the Protestant butcher naturally will give a donation as will his neighbour, the Catholic baker, as well. And if the Protestant community needs money for the library or the organ, the same will happen the other way around. There are close social ties between the inhabitants of the village, but the religious identity is not affected by giving a donation. So we can learn very much about the social relationships of the Jewish community in Aphrodisias in the fourth century from this donors’ list, but we cannot make any assumption concerning the religious attitude of the non-Jewish donors mentioned in the inscription. But then the question arises: Why are these non-Jewish individuals called SGQUGDGKL / God-worshippers? To answer this question, we have to remember that the inscription was made and publicly erected by those people who received the donation, presumably the leading persons of the Jewish community, and it was their aim to express their gratitude to the donors. Therefore the donors are called SGQUGDGKL, literally translated ‘Godworshippers’. For a correct appreciation of this term, we have to take into account that UGDGUSCKVQPSGQP/ ‘to worship God’ is a normal Greek phrase that can be used for any devotion in pagan context (for example UGDGUSCKVQP81UKTKPVJP8,UKFKP/ ‘to worship Osiris, Isis’ etc.).21 There-
21 Cf. Plutarch, Is. Os. 363a, 365a, 368–369; for a general description of the use of UGDGUSCK, see WERNER FOERSTER, UGDQOCK, TWNT 7:169–171. The adjective SGQUGDJLis attested since Euripides and Herodotus, cf. Euripides, Alc. 605; Herodotus I 86, II 37; see GEORG BERTRAM, SGQUGDJL, TWNT 3:124; SGQUGDJL is not so frequently used as GWXUGDJL, nevertheless there is a limited, but constant use of SGQUGDJL by pagan authors, see Dionysius of Halicarnassus,
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fore,SGQUGDJL / God-worshipper does not necessarily imply that the person thus called is venerating the God proclaimed by the Jewish community. It only means that the person is worshipping a certain deity – or in more general terms, that the person is pious. And naturally these people were pious, because they gave some money to a religious institution. That means: They did not give a donation because they were members of a fixed group called SGQUGDGKL / God-worshippers, but they were called SGQUGDGKL / God-worshippers because they gave a donation.22 With regard to this inscription, I fully agree with Alf Thomas Kraabel who said: “It is quite possible that gentiles were friendly toward Jews simply as neighbours or fellow-townspeople.”23 This is perfectly right as far as the front side, that means the first of the two Aphrodisian inscriptions, is concerned.24 This long list of Jewish and non-Jewish donors indeed displays a positive relationship between the Jewish community and at least a part of the non-Jewish inhabitants of that town, including a remarkable number of town-councillors.25 All these people were not only willing to give a donation to a Jewish institution, they also accepted that their names were publicly listed as donors in support of the Jewish community, without fearing social disadvantage from this publicly demonstrated relationship. On the other hand, we have to notice that there is, despite this positive relationship, a clear distinction between Jews and non-Jews. The two groups are not mingled together. On the contrary, they are separated very Ant. rom. II 60; Plutarch, Rom. 22. For the Jewish use, see BERTRAM, TWNT 3:125–126; WANDER, Gottesfürchtige, 65–73. 22 This result is possible if both inscriptions are treated totally separate from each other. JEROME MURPHY-O’CONNOR, Lots of God-Fearers? Theosebeis in the Aphrodisias Inscription, RB 99 (1992): 418–424, tried to establish a different meaning of SGQUGDJLon both sides of the slab, but assuming that both sides form one single inscription he was not very successful, cf. the critical remarks of LEVINSKAYA, Book of Acts, 78. The same applies to WANDER, Gottesfürchtige, 121– 128, who did not take notice of the article of PALMER BONZ, Donor Inscriptions, from 1994. On the other hand, AMELING, Inscriptiones, who clearly treats the two sides as two different inscriptions, is totally inconsistent (106 n. 157) in criticising Murphy-O’Connor and Wander for their attempt to establish a different meaning of SGQUGDJL on both sides of the slab with the argument that both sides are not part of the same inscription! 23 ROBERT S. MACLENNAN/A. THOMAS KRAABEL, The God-Fearers – A Literary and Theological Invention, in: Diaspora Jews and Judaism (ed. J. Andrew Overman and Robert S. MacLennan; Atlanta: Scholars press, 1992), 131–143 (138) – originally published BAR 12 (1986): 47–53. 24 If these 9 town-councillors were called SGQUGDGKL on the basis of their donation, then it is all the more unnecessary to look for reasons why they did not become proselytes, as WANDER, Gottesfürchtige, 124, does (cf. the critical remark of AMELING, Inscriptiones, 100 n. 141). 25 For a general picture of the relations between Pagans, Jews and Christians in Aphrodisias in the fourth and fifth century C.E., see ANGELOS CHANIOTIS, Zwischen Konfrontation und Interaktion: Christen, Juden und Heiden im spätantiken Aphrodisias, in: Patchwork: Dimensionen multikultureller Gesellschaften (ed. Andreas Ackermann and Klaus E. Müller; Bielefeld: Transcript Verlag, 2002), 83–128.
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clearly by the blank space of five lines.26 And the non-Jews received their own designation of SGQUGDGKL/ God-worshippers, which is an honourable term, but nevertheless a term distinguishing them from the Jews. This obvious distinction between the two parts of the inscription – which is often neglected – betrays a clear awareness of the difference between being a Jew and not being one.
The second theosebeis-inscription from Aphrodisias Everybody who has seen the slab, which is now situated in the Excavation Magazine in Aphrodisias, is struck by the difference between the scripts on either side. Whereas the text of the front side is written in a very careful manner, the quality of the script of the left side27 (plates 5 and 6) is much poorer.28 For epigraphic reasons, this inscription comes from a later period than that of the front side, perhaps it is not earlier than the fifth century.29 Unlike the front side, the text of the left side has been preserved completely and it starts with an introduction (lines 1 to 8; plate 5) that is followed by a list of names (lines 9 to 27). The introduction runs as follows:30
26 And the blank space at the end of the Jewish part of the inscription provides the possibility to add further Jewish names in their proper place if there was any need for such an addition as it was the case at the end of the second part of the inscription; there, two names are added by a later hand to supplement the list of the SGQUGDGKL (line 60 and 61). 27 In the description of REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 3: face a; CHANIOTIS, Jews, 211: face 2; AMELING, Inscriptiones, 73: face A. 28 Cf. CHANIOTIS, Jews, 212: “there are no guide-lines, the letter-heights vary, in a few cases the text goes beyond the right hand margin and the first line is oblique”. 29 Cf. PALMER BONZ, Donor Inscriptions, 285–291, accepted by CHANIOTIS, Jews, 218. 30 Restored letters are marked by a dot below [CïDïIïFï], supplemented letters are put in round brackets (abcd), later additions are put in italics.
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Plate 5: Stele from Aphrodisias, left side: top section (A. Chaniotis 3.8.2005) SGQLDQJSQLRCVGNNCFQï [K?] QKBWBRQVGVCIOG- PQKVJLFGMCP(KCL) VYPHKNQOCSY[P] VYPMGRCPVGWNQI(-YP) 5 GKXLCXRGPSJUKCP
May (?) God the helper provide meals (?) The ones listed below (members) of the association of the ‘lovers of learning also (known as) those who wholly praise (God?)’31 for the alleviation of grief
31 REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 34–37, supplementRCPVGWNQI[QWPVYP], although it is unattested. GERARD MUSSIES, Jewish Personal Names in some Non-Literary Sources, in: Studies in Early Jewish Epigraphy (ed. Jan Willem van Henten and Pieter Willem van der Horst; AGJU 21; Leiden: Brill, 1994), 242–276, rejects this restoration and proposes RCPVGWNQI[JVYP]:those “who are blessed in all respects (by God)” (258), and points for this restoration to Ephraem Syrus, Duae praecationes ad Dei matrem II 4.362 who uses RCPVGWNQIVJGin the address to the Virgin Mary (reused in II 5.375; II 6.386). But Ephraem creates a chain of not less than 14 adjectives all beginning with RCP- These adjectives are altogether very rare and several of them totally unattested, not only RCPVGWNQIJVG, but also RCPCOQNWPVGandRCPCOYOJVG. As RCPVGWNQIJVGin Ephraem is a neologism, no conclusions can be drawn for the Aphrodisias inscription. On the other hand, GWXNQIGKPin the meaning of “praise, extol” is common in Jewish literature, cf. Frederick William Danker (ed.), A Greek-English Lexicon of the New Testament and other Early Christian Literature – third edition – (BDAG, Chicago: University of Chicago press, 2000), 408.
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The text of lines 2 and 3 clearly shows that the people mentioned later in the inscription are members of a decania. This term may be used – as Reynolds and Tannenbaum say – “for a formal group or organisation, or its governing council, having no necessary connection with the number ‘ten’,”33 and from the fourth century onwards the term decania is attested for burial associations.34 The decania in this inscription has a distinctive name: The members are a group called the ‘lovers of learning, also (known as) those who wholly praise (God?)’. As the names of the people mentioned further on in this inscription are clearly Jewish, we have to understand the name of the association in a Jewish context. The most natural understanding is then: It is a group of pious Jewish people who were devoted to the study of the Torah35 and to the praise of God.36 This would be in accordance with the fact that one member is explicitly said to be a [CNOQNQIQL/ Psalmsinger. This is clearly a Jewish term. This religious Jewish association erected a OPJOC as we read in line 8, and the most natural translation of OPJOCis ‘tomb’. And according to line 6 and 7, it was erected GKXLCXRGPSJUKCPandVY^RNJS(G)K/ ‘for the alleviation of grief’37 and ‘for (the benefit of) the community’. Therefore, it is probable
REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 35–36, assume that the “RCPV- in RCPVGWNQIYPcould be an equivalent of FKCRCPVQL” and they translate “those who wholly praise (the Lord)” or “those who constantly recite benedictions” (36). 32 For the use of RNJSQL, see REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 38. 33 REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 28; on page 31–32, Reynolds and Tannenbaum discuss the possibility that the decania was the leading body of the Jewish inhabitants of Aphrodisias and they reject it convincingly. 34 REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 29. 35 PALMER BONZ, Donor Inscriptions, 282, translates ‘disciples of the law’. That is probably a correct understanding, but the literal translation of HKNQOCSJLis ‘lover of learning’, cf. REYNOLDS/ TANNENBAUM, Jews, 30. 36 MARGARET H. WILLIAMS, The Jews and Godfearers Inscription from Aphorodisias – A Case of Patriarchal Interference in Early 3rd Century Caria?, Hist. 41 (1992): 297–310, supposes that there is a special use of GWXNQIGKP in the context of funeral rites (‘to say blessings for the defunct’). Then the OPJOC would be erected by a burial association in the proper sense of the word (305– 306). But it is not necessary to restrict the association to only one purpose. The term HKNQOCSGKL points to a broader purpose. JUDITH LIEU, Do God-Fearers Make Good Christians? in: Crossing the Boundaries (ed. Stanley E. Porter, Paul Joyce and David E. Orton; Leiden: Brill, 1994), 329– 345, tries to avoid the conclusion that the decania is a Jewish religious association and, without discussing the terms HKNQOCSY[P]VYPMGRCPVGWNQI[-YP] she maintains that “attachment to the Jewish community, in its varying degrees is to be understood in social terms” (337). In this statement, basic presuppositions seem more important than the clear evidence of the text. 37 8$RGPSGUKCis a neologism; RGPSQLis used in the sense of ‘grief, sorrow’ andGKXLCXRGPSJUKCP therefore is rendered convincingly by REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 38, by ‘to alleviate grief’ and clearly points to a burial situation; Reynolds and Tannenbaum try to avoid this conclusion, but see the critical comment of WILLIAMS, Inscription, 305 n. 46.
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that OPJOChere means a public tomb or ‘funerary building’ for the members of the Jewish community.38 Reynolds and Tannenbaum frankly admit that ‘tomb’ is the most natural translation, and they clearly say: “It is perfectly conceivable that such a monument was erected as a public tomb in Aphrodisias.”39 But they look for another interpretation, because ‘tomb’ does not fit with their understanding of line 1, where, according to their theory, a soup-kitchen is mentioned. So they compare OPJOC with the Aramaic term dekhara, claim that dekhara is used as designation for a building and conclude that the Greek term OPJOChas the meaning ‘memorial (to its donors)’.40 And in this way they obviously think to have filled the gap between the ‘soup-kitchen’ of line 1 and the OPJOCof line 8. But the interpretation of the Aramaic term is far from convincing41 and the inscription itself clearly runs against this hypothesis: It is not said that theOPJOCis a memorial for the “ones listed below, (members) of the decania” but that it was erected by these people for the alleviation of the grief of the community.42 38 REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 30, try to rule out any similarity with a burial association by pointing to the fact that according to line 26–27 a priest (more correctly: a descendent of a priest) was a member of the decania, and therefore it would be impossible to assume burial activities of the decania. But the inscription only deals with the building of a tomb and does not give any information about possible funeral activities of the individual members of the decania. Furthermore, the epigraphic basis of this argument is rather weak: the letters of line 26 and 27 are erased and therefore nearly illegible, and even REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 10, argue that if KBGTGWL actually were written there, this obviously was corrected when the erased name was repeated on the left margin; there the man is not a priest (,(4(75 / KBGTGWL), but a man from Perge (2(4*(175 / 2GTIGQWL). 39 Jews, 39. 40 REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 40 41 In all the cases REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 39–40, mention, dekhara means (as OPJOQUWPJ in Acts 10:4) ‘remembrance’ and is linked to the common phrase dekhir ltav (“may he be remembered for good”), see PIETER W. VAN DER HORST, Ancient Jewish Epitaphs: An introductory survey of a millennium of Jewish funerary epigraphy (300 BCE–700 CE) (CBET 2; Kampen: Kok Pharos, 1991), 45. This also applies to the inscription from Dura Europos mentioned by Reynolds and Tannenbaum (CIJ 845) as the main argument for their interpretation: da]khir ltav kodam
elah sh] mija. amen zata dekhara ltav. As the two first lines read ‘may he be remembered for good before the God of Heaven. Amen’ (40), there is no doubt that the rest is to be translated by ‘may this be a remembrance for good’, and there is no reason to look for another meaning of dekhara ltav in the second part than of dakhir ltav at the beginning of the inscription and to claim that dekhara means “memorial” and designates some sort of Jewish building. 42 WILLIAMS, Inscription, 307–308, argues that the OPJOC of the inscription was a triclinium attached to the synagogue and used for memorial meals. This would indeed be easier to reconcile with the first line as the term ‘dish’ in some sense is mentioned there, but there is no parallel for this use of OPJOC
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A puzzling question is the meaning of the first line of the inscription. It is obviously the beginning of the inscription, starting with an invocation of God, SGQLDQJSQL/ ‘God the helper’, common among Jewish and Christian inscriptions.43 The meaning of the following letters are heavily disputed. The first seven letters can be read clearly as RCVGNNC (patella),44 which was used in Greek as a loanword from Latin with the meaning ‘dish’ or ‘plate’. According to Reynolds and Tannenbaum,45 patella here is the designation for a soup-kitchen for the poor of the Jewish community. But this is a very hypothetical interpretation which is only possible if patella is understood metaphorically and if it is equated with the Hebrew term tamhui, designating in Rabbinical writings the soup kitchen46 as a charitable institution.47 On the other hand, it is possible to restore RCVGNNCFQï[K?]and the whole line would read ‘May (?) God the helper provide meals (?)’.48 This would be an adequate request if it is read independently of the following context. But it is not easy to understand it in connection with the erection of the funeral building mentioned in line 8. But this difficulty applies to the ‘soup-kitchen’ interpretation all the more. Other scholars point to RCVGNNCL, a Greek word only once attested, that would mean: ‘the owner of a snack-bar’.49 But in connection with the funeral building of line 8, this interpretation sounds even more strange than the other proposals.50 So we must leave the question open.
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See AMELING, Inscriptiones, 83. As an additional letter Q or Y can be assumed, and as the right edge of the stele is damaged, there was space at least for one further letter. 45 Jews, 26–28. 46 This interpretation is heavily questioned by WILLIAMS, Inscription, 301–304, who argues: “An interpretation … whereby the term for an domestic utensil is taken to be the equivalent of a communal building is unparalleled, strained and unconvincing” (303). Additionally Robert and Tannenbaum give no explanation for the relation between the hypothetical soup-kitchen and the OPJBOC understood as ‘memorial (to its donors)’. 47 According to their theory, REYNOLDS/TANNENBAUM, Jews, 27–28, restore RCVGNNC^(dative!)Fï[QOC]‘building for the soup-kitchen’ or RCVGNNC^(dative!)F[QVCK] / ‘donors for the soupkitchen’. 48 This solution is proposed by MUSSIES, Personal Names, 257. WILLIAMS, Inscription, 308– 310, proposes to restore the (totally unattested) imperative RCVGNNCFQL‘put (food) upon our plate’ which fits to her view of the OPJOCas triclinium for memorial dining. But see the critical remark of MUSSIES, Personal Names, 256–257. 49 PETER VAN MINNEN, Drei Bemerkungen zur Geschichte des Judentums in der griechischrömischen Welt, ZPE 100 (1994): 253–258 (255–257), accepted by AMELING, Inscriptiones, 83– 86. 50 It is only an act of desperation that VAN MINNEN, Bemerkungen, 256, therefore assumes that line 1 is a later addition without any connection with the rest of the inscription. But according to the affirmation of CHANIOTIS, Jews, 212 n. 12 (reaffirmed in a personal communication on the 18th August 2005 immediately after his last visit in Aphrodisias) there can be no doubt “that the first line is written together with the rest of the text on this face.” AMELING, Inscriptiones, 86, tries to 44
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Plate 6: Stele from Aphrodisias, left side: lower section (list of names): lines 12–27 (A. Chaniotis 3.8.2005)
If we look at the names listed under this heading (plate 6), we see 13 names that are inscribed at the same time (lines 9 until 21).51
back van Minnen’s theory and puts forward three arguments – but they are altogether unconvincing: 1. The first line is oblique, whereas the following lines would be written straight – but even the photo in Ameling op. cit. 562, presenting only the first three lines clearly shows that line 2 is nearly as oblique as line 1, and still line 3 is not totally straight. 2. In comparison to line 1, the second line would be indented – but the same applies to line 3 in relation to the foregoing line. 3. The first letter of line 2 would be shaped as an initial letter – but this is not astonishing as line 1 is an independent heading and line 2 is the beginning of a new sentence. 51 In line 22 to 27, the names of 5 other people are added at a later date. The last of these 5 names has been erased later on; on the left hand margin, the same name is added, but with a slight difference in the second addition to the name (see note 38).
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Sa mou hl prej beu th.j Per ge ou,j
VIahl prosta,thj su.n ui`w|/ VIwsou,a| a;rc(onti) Qeo,dotoj Palati/n(oj) su.n ui`w/| ~Ilarianw/| Samouhl avrcid(e,kanoj) prosh,l(utoj) VIwsh/j VIesse,ou Beniamin yalmo(lo,goj) VIou,daj eu;koloj VIwsh/j prosh,lu(toj) Sabba,tioj VAmaci,ou VEmmo,nioj qeoseb(h,j) VAntwni/noj qeoseb(h,j) Samouhl Politianou/ Eivwshf Euvsebi,ou prosh,(lutoj) kai. Eivou,daj Qeodw,r(ou) kai. VAntipe,oj ~Ermh,(ou)
kai. Saba,qioj nekta,rij [ka]i. Sïaïmïoï[u]hïlï pïrïeïsïbïïeïuïtïhï. jï i`ïeïrïeïuï, jï)
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Jael, president with his son Josuas, leader Theodotos Palatinos with his son Hilarianos Samuel, leader of the decany, proselyte Joses, son of Jesseos Benjamin, psalm-singer Judas, the sweet-tempered Joses, proselyte Sabbathios, son of Amachios Emmonius, God-worshipper Antoninos, God-worshipper Samuel, son of Politianos Josef, son of Eusebios, proselyte and Iudas, son of Theodoros and Antipeos, son of Hermes and Sabathios, the well-fragrant and Samuel, the elder, priest
The first 13 names, being inscribed at the same time, are especially interesting because they contain persons of three different groups: Two are explicitly called proselytes: Samouh.l avrcid[e,kanoj] prosh,l[utoj] (line 13) and VIwsh/j prosh,lu[toj] (line 17). Two others are designated as qeosebh,j / Godworshipper: VEmmo,nioj qeoseb[h,j] and VAntwni/noj qeoseb[h,j] in line 19 and 20 (plate 7). The remaining 9 are clearly Jews by birth: 7 of them have biblical names like Samuel or Benjamin and two of them have Greek names that are very often used by Jews as well, namely Qeo,dotoj and ~Ilariano,j. So the conclusion is clear: there are people of three different origins in this list: Jews by birth, proselytes, that means people who became Jew by conversion, and non-Jews who are designated as qeosebh,j / God-worshipper.52 As I already pointed out, the two texts of both sides of the slab are two different inscriptions. But the fundamental differences between the two inscriptions do not concern only questions of epigraphy. The way in which the qeosebei/j / the God-worshippers are mentioned is totally different as well. On the front side, they are listed separately. In the inscription of the left side, the qeosebei/j / God-worshippers are included in the common list containing Jews, proselytes and qeosebei/j / God-worshippers without any separation. At the same time, the proportion between Jews and qeosebei/j / God-worshippers is totally different. In the first inscription, both groups 52
The 5 names added at a later date comprise four born Jews and one proselyte.
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were nearly of the same size. In the second, we have a proportion of 11 Jews (including two proselytes) to two SGQUGDGKL / God-worshippers.
Plate 7: Stele from Aphrodisias, left side: lower section (list of names): lines 17–25 (A. Chaniotis 3.8.2005)
At this point, it is necessary to consider the different social setting for the mentioning of the SGQUGDGKL / God-worshippers. In the inscription of the front side, there are, as we have seen, 52 non-Jews out of 107 people, who, by reason of social relationship, gave a donation to a Jewish institution and therefore are calledSGQUGDGKL / God-worshippers. On the left side, we have not more than two SGQUGDGKL/ God-worshippers out of 13 people. But these two non-Jews are members of a religious Jewish association. In this case it is clear that these two non-Jews are interested in the religious beliefs and practices that are specific to the Jewish community. These two are SGQUGDGKL / God-worshippers because they are indeed venerating the God which the Jewish community proclaimed. These twoSGQUGDGKL/ God-worshippers gave a donation as the other members of the association, but they are called SGQUGDGKL/ God-worshippers because of their religious commitment to the Jewish religion. It is no surprise that the number of SGQUGDGKL / Godworshippers on the left side is rather limited. Social contacts and relationships with the Jewish community on the one hand, and being committed to the religious beliefs and practices of this community on the other hand are clearly two different matters.
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This commitment, as it can be seen from the second inscription, nevertheless does not mean that these two qeosebei/j / God-worshippers were on the same level with those members in the association who were Jews by birth or by conversion. This is clearly seen if we consider the order of born Jews, of proselytes and of qeosebei/j / God-worshippers. The list displays a hierarchic order as can be derived from the fact that the first person mentioned is Jael who is called prosta,thj / president53 and the second person, Josua the son of Jael, is called a;rcwn / leader. The third person, Theodotos, has a high social position as well. He is called Palati/noj, a title used for persons belonging to the Imperial administration.54 Immediately after Theodotos and his son Hilarianos, the first proselyte, Samuel, is mentioned. That ranks him fifth (line 13). He is called avrcide,kanoj, which means that he had a leading position in the association.55 The other proselyte, Joses, is mentioned in line 17, i.e. in the ninth position (out of 13). These proselytes, we can conclude, were fully integrated into the Jewish community. But the two qeosebei/j / God-worshippers are treated quite differently: they are mentioned at positions 11 and 12, almost at the end of the total list of 13 names (line 19 and 20). Therefore we have to conclude: An equal position with the Jews by birth can be assumed for the proselytes but not for the qeosebei/j / God-worshippers.56 Therefore we can assume that they were members of a predominant Jewish association, but it is unjustified to claim that they were members of the Jewish community itself.
A Theosebes-Inscription from Tralles The two inscriptions from Aphrodisias that we have just discussed, are the only texts that portray qeosebei/j / God-worshippers as a group that can be distinguished from Jews and proselytes. All other inscriptions available from the same period that designate a person as qeosebh,j, are dealing only with one person. In these cases, it is much more difficult to determine how to understand this designation. 53
MUSSIES, Personal Names, 261–269, argued convincingly that here the rare Jewish name “Jael”, accompanied by prosta,thj, is used as a male name. 54 Cf. AMELING, Inscriptiones, 94. 55 This is in accordance with the principle statement “that in essentials proselytes were regarded by the rabbis of equal status with born Israelites in regard to duties and rights” (Geza Vermes, Fergus Millar and Martin Goodman [ed.], The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ [175 B.C. – A.D. 135] by EMIL SCHÜRER [vol. III/1; Edinburgh: T&T Clark, 1986], 175–176). 56 WANDER, Gottesfürchtige, 123, claims that the qeosebei/j / God-worshippers played an active role in the association, but he did not notice the clear hierarchic structure of the list.
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I want to discuss two inscriptions57 that display, at least with a certain probability, the use of qeosebh,j / God-worshipper for a non-Jewish person related in some way to the synagogue. In Tralles in Caria, i.e. in the same region of Asia Minor as Aphrodisias and 90 km west of this town, an inscription has been found that deals with a wealthy pagan lady who acted as benefactress for the Jewish community: Kapetwli/na h` avxiolog(wta,th) kai. qeoseb(h.j) [p]oih,sasa to. pa/m [b]a,qro[n] evskou,tlwsa t[o.n] [av]nabasmo.n u`p[e.r] euvch/j e`auth/j [kai.?] pedi,wn te [ka]i. evggo,nwn) euvlogi,a)
5
Capitolina, worthy and God-Worshipper, erected all the platform and decorated the staircase in fulfilment of a vow of herself, and of (her) children and grandchildren. Blessings.
The inscription dates from the 3rd century C.E.58 The Jewish origin of the inscription can be derived from two significant details: The expressions u`p[e.r] euvch/j and euvlogi,a – ‘in fulfilment of a vow’ and ‘Blessings’. The Capitolina of this inscription is known from other inscriptions as a member of a leading family in Asia Minor and she was married to a member of the Senate in Rome.59 Her social rank is expressed in the inscription by the word avxio,logoj: she is indeed a worthy, honourable person. Judging from her social rank, it is totally improbable that she had converted to Judaism. But she paid for the decoration of a Jewish building, probably a synagogue.60 It is possible to argue that she did so only for social reasons. But there are certain religious elements in the inscription: it is explicitly stated that she made the donation “in fulfilment of a vow.” Even if we account the exact phrasing to the officials of the synagogue, we still must assume that Capitolina was in agreement with the content of the inscription which tells every visitor to this building that the well-known Capi-
57 I pass over all ambiguous cases, even the much debated inscription from the theatre in Milet; for all these inscriptions cf. LEVINSKAYA, Book of Acts, 51–82; for the Latin theosebes- and metuens-inscriptions, see also VAN DER HORST, Epitaphs, 71–72. I refrain as well from discussing the inscriptions concerning the Theos-hypsistos-worshippers; cf. for this topic LEVINSKAYA, Book of Acts, 83–103, and STEPHEN MITCHELL, Wer waren die Gottesfürchtigen?, Chiron 28 (1998): 55–64. 58 Text and epigraphic commentary: AMELING, Inscriptiones, 140–143. 59 AMELING, Inscriptiones, 141. 60 The word ba,qron together with avnabasmo,n (‘staircase’) is rendered best as ‘platform’ and both can be understood as architectural furnishings of a synagogue, cf. AMELING, Inscriptiones, 142.
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tolina made a donation to a Jewish religious institution in “fulfilment of a vow.”61 This inscription clearly displays a certain religious commitment to the God worshipped in this building. Therefore, she is called SGQUGDJL / Godworshipper.62 But this does not mean that we have to think of an exclusive commitment of Capitolina to the Jewish God. In a pagan perspective, it was possible and indeed natural to worship more than only one deity. And from the perspective of a pagan person, this applies to the god worshipped in the synagogue as well.63 So we must recognize a genuine religious commitment, at the same time, however, we have to admit that the framework of this commitment was basically pagan and that this governed the perception of the Jewish God.
Two Theosebes-Inscriptions from Sardeis Now I want to touch very briefly on the second example. It comes from Sardeis, in the region of Lydia, also in Asia Minor, 100 km north of Tralles. There, an impressive synagogue has been excavated and partly restored. It was originally a public building, erected in the late 1st or early 2nd century, and was later converted into a synagogue. The Jewish use of the building is attested by many inscriptions on the ground floor and in the revetment of the walls.64 According to the coins that were found beneath the mosaics, the decoration of the building as a synagogue took place no earlier than the late 3rd century.65 61 This is overlooked by LEVINSKAYA, Book of Acts, 66, who takes SGQUGDJL here for an “honorary title.” 62 TREBILCO, Communities, 157, overstates when he claims: “Capitolina must have been a regular attender at the synagogue.” 63 This is stressed by AMELING, Inscriptiones, 143. 64 To the history of the building cf. ALF T. KRAABEL, The Synagogue and the Jewish Community, in: Sardis from prehistoric to Roman Times; Results of the archaeological exploration of Sardis 1958 – 1975 (ed. G.M.A. Hanfmann; Cambridge: Harvard University Press, 1983), 178– 190, and the critical remarks of H. BOTERMANN, Die Synagoge von Sardes: Eine Synagoge aus dem 4. Jahrhundert?, ZNW 81 (1990): 103–121, and MARIANNE PALMER BONZ, The Jewish Community of Ancient Sardis: A Reassessment of its Rise to Prominence, HSCP 93 (1990): 343– 359. For the dating, I rely on the edition of the Sardeis inscriptions by JOHN H. KROLL, The Greek Inscriptions of the Sardis Synagogue, HTR 94 (2001), 5–55, cf. especially 13–15; the inscriptions have the numbers 1 to 79; they are also available in AMELING, Inscriptiones, 224–297 (no. 60– 145). 65 There is only one inscription that can be dated to the late 3rd century (KROLL, Inscriptions, 17 no. 3, [AMELING, Inscriptiones, no. 62]). But the next inscriptions in chronological order come from the 4th century.
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Plate 8: Synagogue of Sardeis
Plate 9: Synagogue of Sardeis: Forecourt (D.-A. Koch 11.10.2001)
Most of the inscriptions come from the 4th century, but a certain number is even later.66 These later inscriptions excluded, there remain 19 inscriptions, and in 13 of these earlier inscriptions, at least the end of the name and the beginning of the following text67 is preserved so that we definitely know whether a donor mentioned in this inscription is called qeosebh,j / God66
These inscriptions are later additions or part of restorations in the 5th or even 6th century. In the edition of KROLL, Inscriptions, they have the following numbers (in brackets the numbers of Ameling): 1 (60), 3 (62), 5 (64), 8 (67), 9 (68), 10 (69), 11 (70), 13/14b (76), 16 (77), 17 (78), 30 (91), 31 (92), 37 (98). 67
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worshipper or not. This is because the designation always follows immediately after the name. These 13 inscriptions contain the names of 12 different donors and two of them are designated as qeosebh,j / God-worshipper.68 Both inscriptions are situated in the forecourt (plate 8 and 9), and even alongside one another (plate 10).69 As in many other cases in Sardeis, we do not have any further information about these donors except these short texts.70 So we have no firm basis for specifying their religious or ethnic affiliation.71 But it is conspicuous that only 2 of 12 donors from the 4th century are designated as qeosebh,j. And as all other donors are clearly Jews, the designation qeosebh,j must point to a characteristic element common to these two people in distinction to the rest of the donors.72 And the assumption that these two qeosebei/j / Godworshippers are pagans would best explain this difference and fit with the archaeological situation that both qeosebei/j / God-worshippers are mentioned alongside each other and that their inscriptions are situated in the forecourt.73 Therefore, I argue that these two qeosebei/j / God-worshippers are non-Jews as Capitolina in Tralles. And, as in Tralles, there is a certain
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There are four other inscriptions of donors who are designated as qeosebh,j) Three inscriptions belong to a later period, no. 22 (83), 57 (123) and 59 (125), the fourth inscription is engraved on a plaque. The text concerns the donation of a menorah and was found in the main hall. The date is uncertain, but it is rather unlikely that it goes back to the 4th century. 69 KROLL, Inscriptions, 20 no. 8 (AMELING, Inscriptiones, 241–242 no. 67) and KROLL, Inscriptions, 20 no. 9 (AMELING, Inscriptiones, 243–44 no. 68). The inscriptions come from the last quarter of the 4th century. 70 According to ROBERT, Nouvelles inscriptions, 40, the name Euvlo,gioj would be very suitable for a Jew, but it could be used for any other person as well. 71 ROBERT, Nouvelles inscriptions, 42, argues that these people were Jews: “L’emploi (de l’épithète qeosebh,j) dans les deux inscriptions de la synagogue exclut que Polyhippos et qu’Eulogios n’aient pas membres de la communauté.” But Robert does not mention that these inscriptions are situated in the forecourt, nor does he explain why only these two persons are called qeosebh,j if they were born Jews as all the other donors. 72 In this regard, it is indeed striking that the third inscription of the forecourt (KROLL, Inscriptions, 20–21 no. 10 / AMELING, Inscriptiones, 244–246 no. 69), directly adjacent to the two qeosebh,j-inscriptions, obviously tries to stress the Jewish origin of the donor. In this inscription, Auvr) VOlu,mpioj is explicitly said to be a member of the fu,lh Leonti,nwn) Leontios was a rather widespread name in Diaspora Judaism “because it can be interpreted as having reference to the lion of Judah” (REYNOLDS AND TANNENBAUM, Jews, 102), and it is plausible to assume that the donor wants to emphasize that he is of Jewish origin (KROLL, Inscriptions, 21). This interpretation is independent from the problem of how to understand fu,lh, which is rather strange in this context; cf. the discussion between ROBERT, Nouvelles inscriptions, 46–47; KROLL, Inscriptions, 21, and AMELING, Inscriptiones, 245. 73 KROLL, Inscriptions, 9: “The epithet [qeosebh,j] would be relatively meaningless if it served merely to attest to a donor’s piety: surely all of the donors of the Sardis Synagogue were pious, god-fearing individuals.”
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religious element in the inscriptions concerning Aurelios Polyhippos and Aurelios Eulogios: They made their donation in fulfilment of a vow.
Plate 10: Synagogue of Sardeis – Forecourt inscription of the God-Worshipper Aur. Polyhippos (H. Köhler 23.2.1993)
Auvr(h,lioj) Polu,ippoj qeosebh,j euvxa,menoj evplh,rwsa) Aur(elios) Polyhippos, God-Worshipper, I made a vow and fulfilled (it).
Auvr(h,lioj) Euvlo,gioj qeosebh.j euvch.n evte,lesa Aur(elios)Eulogios, GodWorshipper, I fulfilled a vow
God-fearers and God-worshippers in the New Testament Finally, let us have a look at the Acts of the Apostles, the starting point of the discussion about the ‘God-fearers’. First of all, it is necessary to make a short remark on terminology. Luke uses two terms to designate people who are interested in Judaism. The expression fobou,menoj to.n qeo,n / ‘fearing God’ is used in the first chapters of Acts, thus for the centurion in Caesarea
The God-fearers between facts and fiction
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Maritima (10:1), the officer I mentioned at the beginning of this paper. Fobou,menoj to.n qeo,n / ‘fearing God’ is also used for the pagan visitors at the service in the synagogue in Antioch in Pisidia (13:16.26).74 This expression sounds rather biblical, as the expression ‘to fear God’ / fobei/sqai to.n qeo,n is a typical phrase of the Septuagint. Later on in Acts, when the Christian missionaries Luke is talking about move deeply into the Hellenistic world, Luke uses the expression sebo,menoj to.n qeo,n / ‘worshipping God’, which sounds more natural in Greek.75 This expression, sebo,menoj to.n qeo,n / ‘worshipping God’, is used in 16:14 (where Lydia in Philippi is called sebome,nh to.n qeo,n) and in 18:7 (concerning Titius Iustus from Corinth). As can clearly be derived from 13:50, 17:4 and 17:17, this is the way Luke designates non-Jewish people with close ties to Judaism.76 Therefore, the terms fobou,menoj to.n qeo,n / ‘fearing God’ and sebo,menoj to.n qeo,n / ‘worshipping God’ are virtually identical in Acts. In comparison with the epigraphic material discussed in this paper, the fobou,menoi / sebo,menoi to.n qeo,n in Acts have the same function as the two qeosebei/j in the second inscription of Aphrodisias. And, to a certain degree, Capitolina from Tralles and the two God-worshippers from Sardeis, Aurelios Polyhippos and Aurelios Eulogios, fit the same pattern: They are non-Jews with a more or less strong relationship to the synagogue, including not only social affinities, but to a certain degree also a religious commitment. What we have in Acts is a picture – a picture produced by Luke. A. T. Kraabel was perfectly right when he pointed out that Luke’s use of the Godfearers and God-worshippers / fobou,menoi and sebo,menoi to.n qeo,n is governed by his literary interests. But this applies to the proselytes as well. Luke mentions proselytes when he wants to stress the broad range of the Jewish crowd he is talking about (this is absolutely clear in Acts 2:11 when he introduces the audience of Peter’s Pentecostal speech),77 but no scholar would argue that the proselytes are an invention of Luke because he uses 74 Cf. DIETRICH-ALEX KOCH, Proselyten und Gottesfürchtige als Hörer der Reden von Apostelgeschichte 2,14–39 und 13,16–41, in: Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung (Ancient Judaism and Early Christianity 57; ed. Cilliers Breytenbach and Jens Schröter; Leiden: Brill, 2004), 83–107 (in diesem Band S. 244–265). 75 This was already noticed by MARCEL SIMON, Gottesfürchtiger, RAC 11:1063. 76 The use of the adjective sebo,menoj is very striking: in 13:50, ladies of high social rank, to whom the Jews in Antioch in Pisidia obviously have good relations, are called sebo,menai gunai/kej) In 17:4, Luke is talking about Paul who is preaching in the synagogue of Thessalonica to Jews and tw/n sebome,nwn ~Ellh,nwn plh/qoj polu, (NRS: “a great many of the devout Greek”; NAB: “a large number of the God-fearing Greeks”). These Greeks are, in Luke’s view, in the same way committed to the Jewish religion as the fobou,menoi to.n qeo,n who attend, according to 13:16,26, the service in Antioch in Pisidia. 77 The same is the case in 13:43, see KOCH, Proselyten, 100 (in diesem Band S. 259).
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them according to his literary aims.78 The picture of the God-fearers in Acts is indeed a literary picture as well, but as it is the case for the proselytes, we can reasonably assume that the picture of the God-fearers has its equivalence in the social and religious world of Luke and his readers. This assumption is possible because not all cases in which Luke is mentioning proselytes, God-fearers or ‘worshippers of God’ are the product of his literary activities without any basis in older traditions. In 6:5, Nicolaus, a proselyte from Antioch, is mentioned in a list Luke is reproducing from an older tradition; and in a similar way in 16:4 and 18:7, two individual persons are designated as ‘God-worshippers’, Lydia from Thyateira, now living in Philippi, and Titius Iustus from Corinth.79 Therefore, we can fairly assume that in the cases of Lydia and Titius Iustus, Luke is communicating special details from the early history of the Christian communities of Philippi and Corinth. But we have to admit: these are two individual cases (or three, if we include Cornelius from 10:1) and we must be cautious when we draw more general conclusions from such a small basis. Before doing so, I want to emphasize two points: 1. Designating a person as qeosebh,j / ‘God-worshipper’ and being in a closer relationship to the Jewish community can mean very different aspects of social relationship and religious commitment. Concerning the religious commitment, I want to sketch three different aspects: Being interested in the teaching of the synagogue, as it can be seen in the second inscription from Aphrodisias, and being related to the Jewish God by a vow are clearly two different matters. And a third matter is the imitation in Jewish practices such as the Sabbath-observance or the observance of fasting or dietary laws.80 2. We have to assume that the situation in the individual towns of Asia Minor and Greece was very different, due to the different size and influence of the Jewish communities in each town. So it would be necessary to judge 78 KRAABEL, Disappearance, 120: “The God-fearers are on the stage as needed, off the stage after they have served the purpose in the plot.” The same applies to the proselytes. Kraabel’s main argument is the ‘disappearance’ of the God-fearers after Acts 18:7. But then the ‘disappearance’ of the proselytes is even more striking: they ‘disappear’ already after 13:43! 79 KRAABEL, Disappearance, 120, rightly points out that the God-fearers are part of the literary picture in order to demonstrate that Gentile Christianity did not lose its Old Testament roots. But Kraabel cannot explain why Luke in 16:4 and 18:7 gives very precisely the names of the two Godworshippers whereas in 17:4 and 17:7 he uses rather vague expressions. So it would be more convincing if Kraabel had argued that there are only few individual cases of God-worshippers in Acts and that Luke tries to multiply these cases. 80 Cf. Juvenal, Sat. 14:96–106; Josephus, C. Ap. II 282. For further references, see VERMES, History vol. III, 164–165. For Juvenal, see the valuable commentary of MENAHEM STERN, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism II (Publications of the Israel Academy of Sciences and Humanities: Sect. of Humanities; Jerusalem: Monson, 1980), 102–107.
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each town on its own. But the archaeological, epigraphic and literary evidence for the first centuries C.E. is so scattered that we are far away from getting a comprehensive view of the situation in Greece or Asia Minor. But what we can see is the range of possibilities of the relations between Jews and non-Jews. At the end of my paper, let us have a short look at the town of Antioch at the Orontes, the capital of the Roman province of Syria. Judging from the size of the Jewish community in Antioch81 and from the fact that there is at least one proselyte from Antioch mentioned in the New Testament (Acts 6:5), we can reasonably assume that there was a certain number of nonJewish people in Antioch who had, to a certain degree, a social and religious relationship to Judaism. And according to Acts 11:20, it was in Antioch that the Jewish-Christian missionaries expelled from Jerusalem crossed the border between Jew and non-Jew and established a community of believers in Christ (11:21–24) comprising not only Jews but also Greeks. We have no written texts from this community, but in Gal 3, Paul is quoting a tradition82 which is important for our question. 26
Pa,ntej ga.r ui`oi. qeou/ evste [dia. th/j pi,stewj] evn Cristw/| VIhsou/) o[soi ga.r eivj Cristo.n evbapti,sqhte( Cristo.n evnedu,sasqe\ 28 ouvk e;ni VIoudai/oj ouvde. {Ellhn( ouvk e;ni dou/loj ouvde. evleu,qeroj( ouvk e;ni a;rsen kai. qh/lu pa,ntej ga.r u`mei/j ei-j evste evn Cristw/| VIhsou/) 27
26
For you are all children of God [through faith]83 in Christ Jesus. As many of you as were baptized into Christ have clothed yourselves with Christ. 28 There is neither Jew nor Greek, there is neither slave nor free, there is no male and female; for all of you are one in Christ Jesus. 27
81 For the history of the Jewish community in Antioch until the Jewish War 66–70 C.E., see VERMES, History vol. III, 13; JOHN M.G. BARCLAY, Jews in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Trajan (323 BCE – 117 CE) (Edinburgh: T&T Clark 1996), 242–254. 82 The reasons for assuming this tradition are set forth by HANS DIETER BETZ, Galatians (Hermeneia, Philadelphia: Fortress Press, 1979), 181–185; UDO SCHNELLE, Gerechtigkeit und Christusgegenwart: Vorpaulinische und paulinische Tauftheologie (GTA 24; 2nd ed.; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1986), 57–62.191–195; JÜRGEN BECKER, Der Brief an die Galater (NTD 8/1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1998), 7–103 (59–60); DAVID HELLHOLM, The Impact of the Situational Contexts for Paul’s Use of Baptismal Traditions in his Letters, in: Neotestamentica et Philonica (NT.S 106; ed. David E. Aune, Torrey Seland, and Jarl H. Ulrichsen; Leiden: Brill, 2003), 147–175 (151–154). 83 This is a theological element characteristic for Paul that was inserted by Paul himself in the tradition passed down to him; this can clearly be derived from the awkward position of dia. th/j pi,stewj in the clause interrupting the connection of ui`oi. qeou/ evste with evn Cristw/| VIhsou/ and distorting the parallelism between the first and the last clause.
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It is probable to assume that Paul got to know this tradition in Antioch, where he stayed for at least six years,84 since this tradition fits to the structure of the Christian community in Antioch comprising Jews and Greeks and to the interesting development whereby this community very quickly started to establish new Christian communities in Cyprus and Asia Minor consisting of both Jews and non-Jews (Acts 13–14). The baptismal tradition of Gal 3:26–28 gives full expression to the joy of these early Christian communities that the old borders that divided mankind until then have been pulled down in the name of Christ. And the first border mentioned is that between Jews and non-Jews. We have seen that God-fearers or God-worshippers were treated honestly in the Jewish synagogue, but it was very clear that they did not belong to the Jewish community, the chosen People of God, which at the same time was an ethnic and religious group. Here in the new emerging Christian communities, this border did not exist any longer. For those who were called God-worshippers, being interested in Judaism by various reasons but without being accepted as members of the chosen people of God, this message would be attractive: There is no Jew nor Greek.
84
Cf. UDO SCHNELLE, Paulus. Leben und Denken (Berlin: Walter de Gruyter, 2003), 107–113.
Barnabas,∗ Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs1
Die neueste Debatte über die schon seit Generationen strittige Frage nach der genaueren Lokalisierung des Adressaten des Galaterbriefs läßt deutlich erkennen, daß auch im deutschsprachigen Bereich das Übergewicht der nordgalatischen (oder: Landschafts-)Hypothese gegenüber der südgalatischen (oder: Provinz-)Hypothese zurückgeht.2 Die jüngste monographische Veröffentlichung hierzu im deutschen Sprachraum, die Untersuchung von C. Breytenbach3 zeigt, daß einige der traditionell für die nordgalatische These vorgebrachten Argumente in ihrer Überzeugungskraft im Schwinden begriffen sind. Dies gilt vor allem für die Annahme, die Anrede von Gal 3,1 könne sich nicht auf die im (ethnischen Sinne) nichtgalatischen Einwohner des Südens der Provinz Galatien beziehen.4 Gleichzeitig zeichnet sich Breytenbachs Plädoyer für die süd∗ Zuerst erschienen in: U. Mell/U.B. Müller (Hg.): Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker), BZNW 100, Berlin/New York 1999, 85–106. 1 Der Beitrag knüpft an die jüngsten Ausführungen des verehrten Jubilars zu diesem Thema an, nämlich an die Einleitung von Jürgen Beckers Auslegung des Galaterbriefs in J. BECKER/U. LUZ, Die Briefe an die Galater, Epheser und Kolosser, NTD 8/1, Göttingen 1998, dort insbesondere 14– 16 („Die Bestimmung der Adressaten des Briefes …“), die, wie ein Vergleich mit der früheren Fassung (in J. BECKER/H. CONZELMANN/G. FRIEDRICH, Die Briefe an die Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher und Philemon, NTD 8, Göttingen 1976, dort 1f) ergibt, weitgehend neu gestaltet worden ist. – Die in diesem Beitrag vorgetragene Argumentation ist unabhängig von den Ausführungen bei Becker, Gal (1998), 14–16, doch ist sie m.E. geeignet, die Ausführungen des Jubilars zu ergänzen und zu unterstützen. 2 Die grundsätzlich noch vorhandene Dominanz der nordgalatischen Hypothese im deutschsprachigen Raum dokumentiert repräsentativ U. SCHNELLE, Einleitung in das Neuen Testament, UTB 1830, Göttingen 1994, 120–122 (mit Literaturverweisen); vgl. auch F. VOUGA, An die Galater, HNT 10, Tübingen 1998, 9–12. 3 C. BREYTENBACH, Paulus und Barnabas in der Provinz Galatien. Studien zu Apostelgeschichte 13f; 16,6; 18,23 und den Adressaten des Galaterbriefs, AGJU 38, Leiden 1996. Es handelt sich um die seit langem erste monographische Untersuchung zu diesem Thema; sie zeichnet sich durch eine breite Berücksichtigung des durch die Provinzialgeographie Galatiens erschlossenen Materials und zugleich durch ein hohes Methodenbewußtsein aus. Dabei zeigt BREYTENBACH, 100–105, sehr deutlich, wie stark in der angelsächsischen Forschung seit dem Ende des 19. Jh. (William M. Ramsay!) die südgalatische Hypothese vorherrscht, in der deutschsprachigen dagegen die nordgalatische. 4 BREYTENBACH, 152–167, weist darauf hin, daß in der gesamten Provinz Galatien mit einer (sicher unterschiedlich starken) Präsenz hellenisierter ‚Galater‘ (im ethnischen Sinne) zu rechnen ist. Daher ist aus der Anrede von Gal 3,1 ein spezieller Bezug zum traditionellen Gebiet der Galater in der Landschaft Galatien nicht ableitbar. J. BECKER, Gal (1998 [s.o. Anm. 1]), 4–16 hat daher gegenüber der früheren Bearbeitung und auch gegenüber J. BECKER, Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989, 287, dieses Argument nicht mehr verwendet.
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galatische Adressierung des Galaterbriefs durch eine sorgfältige Unterscheidung zwischen dem Befund in der Apostelgeschichte des Lukas und dem Befund im Galaterbrief des Paulus aus. Breytenbach zeigt zunächst, daß in der Darstellung der Missionstätigkeit von Barnabas und Paulus in Apg 13f erstaunlich viel lokalspezifisches Material enthalten ist.5 Dies wirft zweifellos zusätzliches Licht auf die Überlieferungen dieser frühen Phase der antiochenischen Stadtmission. Eine Verbindung zum Befund im Galaterbrief ist damit jedoch noch nicht hergestellt. Dieser Verbindung dient bei Breytenbach die Hypothese, die judaistische Krise in den Missionsgemeinden des Galaterbriefs setze voraus, daß es am gleichen Ort jeweils jüdische Synagogengemeinden gab. Für jüdische Gemeinden gibt es jedoch nur im Süden der Provinz Galatiens eine hinreichende historische Evidenz, jedoch nicht in den (stärker) galatisch besiedelten Gebieten des Nordens der Provinz.6 Doch ist die Argumentation, mit der begründet werden soll, warum der Konflikt zwischen Paulus und den galatischen Gemeinden die Existenz von einer (oder mehreren) jüdischen Synagogengemeinde(n) in direkter örtlicher Nachbarschaft der christlichen Gemeinden voraussetze, nicht tragfähig. Breytenbach interpretiert die Beschneidungsforderung der Gegner zu Recht als Forderung nach Integration der heidenchristlichen Galater in die volle synagogale Gemeinschaft des Judentums.7 Er hält zugleich (ebenfalls mit vollem Recht) die Gegner für Judenchristen8 und bestreitet auch mit guten Gründen die Existenz einer organisierten jüdischen Mission, d.h. Proselytenwerbung für das 1. Jh. n.Chr.9 Allerdings zieht er daraus den Schluß: „Die Hypothese von zugereisten, wandernden und selbständig handelnden judenchristlichen Missionaren paßt schlecht ins Bild“10 – und postuliert deshalb Synagogengemeinden vor Ort als Urheber der galatischen Krise. Doch ist die hier vorausgesetzte Schlußfolgerung (weil es keine jüdischen Missionare zum Zweck der Proselytenwerbung gab, sind auch judenchristliche Abgesandte, etwa aus Jerusalem, auszuschließen) nicht aufrechtzuerhalten. Die vielfältigen gegenseitigen Gemeindebesuche im Urchristentum (Gal 2,11f: Petrus in Antiochia, 1Kor 3,5f: Apollos in Korinth) zeigen das klare Gegenteil.11 Insbesondere der in Gal 2,12 erwähnte 5
BREYTENBACH (s.o. Anm. 3), 5–97. BREYTENBACH, 126–148. 7 BREYTENBACH, 128–132. 8 Und zwar näherhin um „Judenchristen …, die selbst noch der Synagoge verbunden sind“ (BREYTENBACH, 132). 9 BREYTENBACH, 140–143. 10 BREYTENBACH, 143. 11 Vgl. J. BECKER, Gal (1998 [s.o. Anm. 1]), 15 im Blick auf Breytenbachs These: „Besuche von Gemeinde zu Gemeinde sind nicht nur für die Gemeinden Jerusalems und Antiochias gang und gäbe. In diese Gepflogenheit paßt sich die Reise der Judaisten gut ein.“ 6
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Besuch der aus Jerusalem kommenden ‚Jakobusleute‘ in Antiochia, die spezifisch judenchristliche Forderungen erhoben (und durchsetzten!), stellt eine direkte Parallele zu den in Galatien vorauszusetzenden judenchristlichen Propagandisten dar. Obendrein muß Breytenbach die waghalsige These von der Existenz ortsansässiger Judenchristen in Galatien aufstellen, die zu den dortigen Synagogengemeinden gehörten und die die parallel zu ihnen existierenden, von Barnabas und Paulus gegründeten heidenchristlichen (Haus-)Gemeinden nachträglich in die Synagogengemeinden zu integrieren versuchten.12 Doch gibt es für ein solches innersynagogales Judenchristentum in Galatien in zeitlicher Parallelität zur Frühphase der ersten heidenchristlichen Gemeinden nicht die geringsten Anzeichen.13 Man wird also doch mit einer prinzipiellen Richtungsdiskussion innerhalb des größeren Rahmens der frühchristlichen Missionsgemeinden zu rechnen haben, an dem Vertreter des judenchristlichen Teils des Urchristentums aktiv beteiligt waren. Dieser Richtungsstreit wird in bezug auf die galatische Kontroverse so zu definieren sein: Ist die Geltung der Abrahamsverheißung in der Weise gegeben, daß – evn Cristw/| – die bisher geltenden Unterschiede zwischen Juden und Griechen überwunden sind (Gal 3,27–29) – was ja die Notwendigkeit der Beschneidung von Nichtjuden überflüssig macht; oder impliziert die Einbeziehung der Nichtjuden in den Geltungsbereich dieser Verheißungen, daß sie gerade auch hinsichtlich der Beschneidung dem Beispiel des (ja ebenfalls beschnittenen!) Abraham zu folgen haben? Für Paulus – das ist unstrittig – ist damit die Frage nach der Rolle des Gesetzes überhaupt gestellt, und für ihn ist mit der Hinwendung zur Beschneidung unmittelbar die Gefahr verbunden, daß in Christus eröffnete Heil an Bedingungen bzw. Voraussetzungen außerhalb des Christusgeschehens selbst zu binden. Diese Debatte konnte aber an jedem beliebigen Ort innerhalb der weitläufigen Provinz Galatien aufbrechen, sofern dort christliche Gemeinden existierten, die zunächst als gesetzesfreie Gemeinden gegründet worden 12 Diese Hypothese wird bei BREYTENBACH (s.o. Anm. 3), 143, nicht so klar ausgesprochen, wie sie oben formuliert worden ist, doch ist sie eindeutig vorhanden: So formuliert BREYTENBACH, 143, einerseits: Es handelt sich „um den Versuch der Synagogengemeinschaften, die Galater zur Beschneidung … zu bewegen“; und im gleichen Zusammenhang heißt es: „Es ist eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Judenchristen, die sich noch nicht von der Synagoge gelöst hat“ (Hervorhebungen von D.-A. K.). 13 Im übrigen würde sich dann hier ebenfalls die Frage nach der Herkunft dieser (noch zur Synagoge gehörenden) Judenchristen stellen – wenn sie denn nicht ihrerseits ebenfalls durch von außen gekommene judenchristliche Missionare gewonnen worden sind. Eine Binnenwanderung, die die Entstehung judenchristlicher Gruppen in Rom durchaus erklären kann, wird man ja wohl ausgerechnet für Südgalatien nicht postulieren wollen.
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waren und in denen dann judaistische Propagandisten wirksam wurden, die offensiv den unlöslichen Zusammenhang von Abrahamsverheißung und Beschneidung vertraten. Daraus ergibt sich, daß eine Eingrenzung der Adressaten des Galaterbriefs auf Orte in der Provinz Galatien, in denen die Existenz einer jüdischen Synagogengemeinde vorausgesetzt werden kann, unbegründet ist. Damit entfällt das einzig diskutable Argument, daß sich – bei Ausklammerung des Befundes der Apg – aus dem Galaterbrief des Paulus für die südgalatische Hypothese ergibt. Ein positiver Hinweis für eine Lokalisierung der Adressaten des Galaterbriefs im Norden der Provinz ist aber aus dieser Feststellung ebensowenig ableitbar.
II Auch der Befund in der Apostelgeschichte ergibt – jedenfalls bei kritischer Lektüre – keine eindeutigen Hinweise zugunsten einer der beiden zur Debatte stehenden Möglichkeiten. Zwar berichtet die Apostelgeschichte nur für Orte im Süden der Provinz Galatiens von der Gründung von Missionsgemeinden (nämlich in Apg 13f), während sich für frühchristliche Gemeinden im Norden der Provinz in der Apostelgeschichte keine Anhaltspunkte ergeben. Doch ist der Sachverhalt bei genauerer Analyse wesentlich komplizierter und keineswegs einseitig für eine der beiden Hypothesen in Anspruch zu nehmen: 1. Für Lukas liegen die Gemeinden, von deren Gründung er in Apg 13f erzählt, gerade nicht in Galatien, sondern in Pisidien und Lykaonien (vgl. Apg 13,14; 14,6).14 In das „phrygische und galatische Gebiet“ gelangt man nach Apg 16,1–5/6 erst, wenn man die in Apg 13f (und 16,1.4) genannten Städte verlassen hat.15 Für Lukas liegt „Galatien“ also noch weiter im Inneren Kleinasiens als Pisidien und Lykaonien.16 D.h. in Antiochia Pisidia, Ikonium, Lystra und Derbe gründen Barnabas und (!) Paulus zwar Gemein14 Nach Lukas liegt Perge in Pamphylien (13,13), Antiochia in Pisidien (13,14) und Lystra und Derbe in Lykaonien (14,6). Lukas benutzt hier also die kleinräumigeren Landschaftsbezeichnungen und nicht die Gesamtbezeichnung für die Provinz, Galatia. Dieses Bild wiederholt sich in 14,24 (Pisidien, Pamphylien). D.h. mit den Bezeichnungen Pamphylien, Pisidien und Lykaonien sind die in Apg 13f gemeinten geographischen Bereiche vollständig beschrieben – und vor allem: Der Begriff „Galatien“ taucht dabei überhaupt nicht auf! 15 So m.R. C.-J. THORNTON, Der Zeuge des Zeugen. Lukas als Historiker der Paulusreisen, WUNT 56, Tübingen 1991, 85f Anm. 5. 88 (mit Anm. 7) in Kritik an C. HEMER, The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, WUNT 49, Tübingen 1889, 201.281f. 16 Grundlegend für die historische Landeskunde des zentralanatolischen Gebiets ist die Darstellung von ST. MITCHELL, Anatolia. Land, Men, and Gods in Asia Minor. Vol. I / II, Oxford 1993.
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den, aber diese liegen für Lukas gerade nicht in „Galatien“17 – und genausowenig in Phrygien. Über den Doppelausdruck h` Frugi,a kai. Galatikh. cw,ra in 16,6 und den vermeintlich oder tatsächlich davon abweichenden Ausdruck h` Galatikh. cw,ra kai. Frugi,a in 18,23 und die Frage, ob Frugi,a Adjektiv sein könne oder nicht, hat es eine ganz unsinnige Debatte gegeben. Diese Debatte ist deshalb in die Irre gegangen, weil gar nicht nach dem Sprachgebrauch des Lukas gefragt wurde,18 sondern sofort die nord- bzw. südgalatische Theorie im Text des Lukas wiedergefunden werden sollte.19 Für den Leser der Apg ist jedoch nicht erkennbar, daß in 16,6 und 18,23 zwei verschiedene geographische Angaben gemacht werden sollen; d.h. mit der (sicher substantivischen) Bezeichnung h` Frugi,a in 16,6 und dem zum Adjektiv Galatikh, in 16,6 parallel stehenden Adjektiv Frugi,a ist der gleiche geographische Bereich gemeint. ‚Phrygien‘ ist damit für den Leser der Apg ein mit ‚Galatien‘ eng zusammengehöriger, aber nicht identischer Bereich.20 Dabei liegen beide Bereich noch weiter im Landesinneren21 als Pisidien und Lykaonien. 17 Dies übersieht MITCHELL, Anatolia II, 4. Er stellt zwar zutreffend fest, daß erst in flavianischer Zeit jene Inschriften begegnen, in denen die Bestandteile der (recht heterogenen) Provinz Galatia einzeln genannt werden (aufgeführt bei MITCHELL, Anatolia II, 151). Doch entspricht dies genau dem Befund im NT: Paulus, der noch in die julisch-claudische Epoche gehört, spricht generell von Galati,a, während Lukas, der seine Apg exakt in flavianischer Zeit verfaßt, die Teilbereiche Pisidien, Lykaonien und (davon unterschieden!) die Frugi,a kai. Galatikh. cw,ra (16,6) bzw. h[ Galatikh. cw,ra kai. Frugi,a (18,23) einzeln benennt. 18 Merkwürdigerweise fehlt diese Frage auch bei BREYTENBACH, 113–119, der zur Klärung des Verständnisses von 16,6 und 18,23 nicht nach dem lukanischen Sprachgebrauch fragt, sondern statt dessen auf die Straßenverhältnisse in Kleinasien zurückgreift. 19 Vgl. einerseits E. HAENCHEN, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen, 71977, 465 Anm. 2, und HEMER, 201.281–289, der besonders großzügig verfährt: Zunächst wird auf S. 201 Lukas ‚korrigiert‘: „The ‚Pisidian Antioch‘ is an informal manner of allusion to a city of Phrygia on the Pisidian border.“ Auf diese Weise hat Hemer das Pisidische Antiochien faktisch zu einem Phrygischen gemacht; anschließend interpretiert er (mit abenteuerlichen Parallelen) den Doppelausdruck von 16,6 so, daß nur ein einziges Gebiet gemeint sei, und postuliert dann, der Doppelausdruck von 16,6 sei das griechische Äquivalent für eine (übrigens nirgends belegte!) Bezeichnung Phrygia Galatica. Dieses sog. Phrygo-Galatien ist dann der Süden der Provinz – quod erat demonstrandum! 20 Anders HEMER, 120, der für Apg 18,23 nicht bestreiten kann, daß hier h` Galatikh. cw,ra und Frugi,a verschiedene Größen sind. Da für ihn das ‚galatische Gebiet‘ in 18,23 Südgalatien meint (also sein für 16,6 postuliertes ‚Phrygo-Galatien‘), muß hier mit Frugi,a etwas anderes gemeint sein als in 16,6 – nämlich der Ostteil der Provinz Asia. Woher der Leser der Apg das alles ahnen soll, fragt sich Hemer erst gar nicht. Die Konstruktionen von Hemer werden voll übernommen von R. RIESNER, Die Frühzeit des Apostels Paulus. Studien zur Chronologie, Missionsstrategie und Theologie, WUNT 71, Tübingen 1994, 253f. 21 Wie das „galatische Gebiet“ und der Bereich „Phrygien“ in der geographischen Vorstellung des Lukas zueinander liegen, ist nicht (mehr?) genauer zu bestimmen. Aus der Tatsache der unterschiedlichen Reihenfolge in Apg 16,6 und 18,23 ist lediglich zu entnehmen, daß der Vf. hier eine andere Reiseroute innerhalb des gleichen Bereichs andeuten will. Dem entspricht, daß auch
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Will man diese geographische Vorstellung des Lukas unbedingt mit der historischen Geographie dieses Gebiets in Beziehung setzen, dann ergibt sich: a) h` Galatikh. cw,ra (16,6; 18,23) kann nur das (auch ethnisch mehrheitlich galatisch besiedelte) Gebiet im Norden der Provinz Galatia meinen, also den Bereich, dessen Hauptorte Pessinus, Ancyra und Tavium waren; b) h` Frugi,a (cw,ra) in 16,6 bzw. h` Frugi,a in 18,23 ist dann mit dem zur Provinz Galatia gehörenden Ostteil des Großraums ‚Phrygien‘ zu identifizieren, d.h. faktisch handelt es sich dabei um die steppenartige, im Osten bis zu dem großen Salzsee, dem Tatta-See, reichende Hochebene in der Mitte der Provinz Galatia.22 Dagegen ist die Bezeichnung Phrygia Paroreius für das um VAntio,ceia h` Pisidi,a (so Lukas in Apg 18,23) liegende Gebiet23 auf die Apg nicht anwendbar. Lukas sagt eben nicht VAntio,ceia pro.j Pisidi,a|,24 sondern für ihn liegt die colonia Caesarea Antiochia tatsächlich in Pisidien.25 Ebenso ist der vermeintlich phrygische Charakter von Ikonion26 der Apg nicht zu entnehmen.27
der Ausgangspunkt unterschiedlich ist: in 16,1–5/6 Lykaonien (und Pisidien), in 18,22/23 Antiochia am Orontes. 22 Zum Umfang von Phrygien, das nie ein fest abgegrenztes Gebiet war, vgl. W. RUGE, Art. Phrygia. 1) Topographie, PRE 39, 1941, 781–868, und E. OLSHAUSEN, Art. Phrygia, KP 4, 1975, 825f. 23 Häufig anzutreffen bei MITCHELL (s.o. Anm. 16); zur Definition vgl. Anatolia I, 85: Das Gebiet liegt rund um den Sultan Dag, d.h. es umfaßt Philomelium, das Pisidische Antiochia, Synnada, nach I, 122 auch Tyriaeum; vgl. auch I, 144. Nach W. RUGE, 803, gehört dagegen Antiochia nicht zur Phrygia Paroreius. 24 So der möglichst exakt formulierende Geograph Strabo XII 6,4 (569); 8,14 (577). 25 Damit entspricht der Sprachgebrauch des Lukas durchaus den Statthalterinschriften aus flavianischer (und späterer) Zeit. Diese nennen als Teile der Provinz Galatia fast durchweg Pisidia (vgl. MITCHELL [s.o. Anm. 16], Anatolia II, 151 – dort in 5 von 7 Fällen), während Phrygia deutlich seltener erscheint (3mal, davon einmal neben Pisidia. MITCHELL, Anatolia II, 154, nimmt (mit Verweis auf Ptolemaeus) an, daß bei der Zuordnung von Pisidien zur Provinz Lykien (vermutlich 43 n.Chr.) der Nordteil Pisidiens, nämlich der schmale Streifen von Apollonia und der Kolonie Antiochia, bei der Provinz Galatien verblieb. Hierauf habe sich die Anführung von Pisidia in den Statthalterinschriften bezogen. Dem ist sicher zuzustimmen, ebenso der Bemerkung, daß „the northern edge of the region (sc. of Pisidia) … abutted Phrygia Paroreius“. Gleichwohl bezeichnet MITCHELL, Anatolia II, 156, auf der Karte das Gebiet selbst als „(Phrygia) Paroreius“. – Eine klare Zuordnung von Antiochia zu Pisidien findet sich übrigens bei Plinius, nat. V 24,94. 26 Stark betont bei MITCHELL, Anatolia II, 155, ebenso bei BREYTENBACH (s.o. Anm. 3), 50f.81, mit Verweis auf Xenophon, an. I 2,19. Doch ist dies auch der einzige Beleg dafür. Sonst wird Ikonion durchweg zu Lykaonien gerechnet, vgl. die Kette der Belege bei A.M. MANSEL, Art. Ikonion, KP 2, 1979, 1360. Gleichwohl trifft zu, daß Ikonion zum phrygischen Kultur- und Sprachgebiet gehörte – was nur beweist, daß Landschafts- und Sprachräume nicht identisch sein müssen. 27 In Apg 14,1–6 erfährt der Leser nur, daß dort VIoudai/oi und {Ellhnej leben. Wie BREYTENBACH, 81, zu dem Ergebnis kommt: „Der Erzähler weiß …, daß Ikonion … im phrygischen Gebiet liegt“, ist mir nicht erklärlich. Aus der Tatsache, daß Ikonion (anders als Lystra
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2. In dem Moment, in dem Paulus (mit Timotheos) das „phrygische und galatische Gebiet“ betritt, findet gerade keine Missionsverkündigung, geschweige denn die Gründung auch nur einer einzigen Gemeinde statt. Die erste Missionsverkündigung (die dann auch sofort zur Bildung einer Gemeinde führt) erfolgt in Philippi, also in Europa. 3. Besonders unübersichtlich wird die Situation dadurch, daß Lukas in Apg 18,18–23a für das Gebiet, das Paulus in Apg 16,6–8 nur durchquert hat, nämlich das „galatische Gebiet“ und Phrygien, plötzlich die Existenz von Gemeinden voraussetzt, obwohl deren Gründung zuvor gerade nicht dargestellt worden ist. Allerdings ist dies im Rahmen der Apg kein Einzelfall. Genau das gleiche gilt für Troas Alexandria.28 Natürlich kann man sowohl die nordgalatische wie die südgalatische Hypothese mit diesem in sich widersprüchlichen Befund verbinden, jedoch in beiden Fällen nur mit (etwa gleich großen) Schwierigkeiten: a) Bei der südgalatischen These muß man annehmen, daß Lukas den Begriff „Galatien“ anders benutzt als Paulus – was ohne weiteres möglich ist; man muß aber zusätzlich annehmen, daß sich Lukas irrt, wenn er in Apg 18,18–23a „galatische“ Gemeinden außerhalb von Pisidien und Lykaonien voraussetzt.29 b) Bei der nordgalatischen Hypothese hat man keinerlei Schwierigkeiten mit der geographischen Terminologie des Lukas und mit den Angaben von Apg 18,18–23a über die Existenz von (nord)galatischen Gemeinden; allerdings muß man für Apg 16,6–8, d.h. für die Reiseroute des Paulus von Lykaonien quer durch das Innere Kleinasiens eine durchaus umfangreiche Missionstätigkeit postulieren, obwohl die Darstellung des Lukas keinerlei Überlieferungsmaterial enthält, das diese Annahme irgendwie stützen könnte.30 Dieser Befund bedeutet aber auch zugleich: Aus den bislang diskutierten Angaben der Apg ergibt sich keine eindeutige Option für eine der beiden Möglichkeiten. und Derbe) nicht Lykaonien zugeordnet wird, läßt sich ja nicht schlußfolgern, daß es deshalb für den Erzähler (oder gar für seine Leser!) zu Phrygien gehörte. 28 Die Darstellung in Apg 16,8–11 schließt jeden längeren Aufenthalt in Troas aus, so daß für irgendeine missionarische Tätigkeit kein Raum bleibt. Das ist auch konsequent: Lukas richtet seine Darstellung bewußt auf den Übergang nach Europa aus. Nur in dieser Perspektive ist Troas von Interesse. Dagegen wird in Apg 20,5–12 breit von einem Besuch des Paulus und seiner Reisebegleiter bei der Gemeinde in Troas und einem siebentägigen Aufenthalt in dieser Gemeinde berichtet. 29 Das wird von den Vertretern der südgalatischen Theorie jedoch zumeist nicht gesehen, weil sie ja in der Regel ihre Theorie direkt in der Apg wiederfinden und ihren eigenen Sprachgebrauch von „Galatien“ in die Apg eintragen. 30 Vgl. dazu D.-A. KOCH, Kollektenbericht, „Wir“-Bericht und Itinerar. Neue(?) Überlegungen zu einem alten Problem (Vortrag auf der SNTS-Konferenz 1998 in Kopenhagen, erschienen in NTS 45, 1999, 85–106 [in diesem Band 318–339]).
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Hieraus kann eigentlich nur eine einzige Schlußfolgerung gezogen werden: Wo das „Galatien“ des Galaterbriefs des Paulus liegt und insbesondere die Gemeinden, an die sich dieser Brief des Paulus richtet, kann nicht aus einer Kombination der Angaben des Galaterbriefs mit den Reisedarstellungen der Apostelgeschichte erschlossen werden. Allerdings sind auch von solchen Versuchen, die aus dem Galaterbrief allein genauere Hinweise für eine präzisere Lokalisierung der Adressaten zu erhalten versuchen, kaum neue Ergebnisse zu erwarten. Einen neuen Anlauf macht in dieser Hinsicht Th. Witulski:31 Positiv ist, daß er die Adressaten rein aufgrund des Gal als der einzigen Primärquelle zu bestimmen versucht, doch ist seine eigene Lösung extrem konstruktiv. So hält er Gal 4,8–20 für ein selbständiges Brieffragment, in dem sich Paulus nicht gegen eine judaistische Gefahr in den galatischen Gemeinden wendet. Vielmehr stünden diese in der Gefahr der Hinwendung zum Kaiserkult, für den für den Süden der Provinz ein (neues?) Aufblühen festzustellen sei. Doch ist das eine waghalsige Gesamtkonstruktion: – Sie setzt voraus, daß Gal 4,8–20 nicht zu einer judaistischen Front paßt, auch nicht in dem Sinne, daß Paulus hier die jüdische Frömmigkeit an die pagane bewußt annähert; – Gar nicht überzeugend ist dann der Unterschied, der hier zwischen dem Kaiserkult im Süden und im Norden der Provinz konstruiert wird;32 – Aufgrund einer in der Datierung sehr unsicheren Inschrift zu schlußfolgern, daß der Kaiserkult zwischen 2 n.Chr. und 50 n.Chr. im Süden der Provinz keinerlei öffentliche Wirkung gehabt haben soll, so daß Paulus jetzt quasi auf den Beginn des Kaiserkultes im südlichen Galatien reagiere, ist kaum nachzuvollziehen.
Eine weiterführende Möglichkeit wäre dann gegeben, wenn sich feststellen ließe, daß das Potential für einen (kritischen!) Vergleich zwischen dem Galaterbrief und den Überlieferungen der Apostelgeschichte noch nicht voll ausgeschöpft ist. Dies soll im folgenden versucht werden zu zeigen. Denn es ist offensichtlich, daß die Versuche, die Gründungsgeschichte der Adressatengemeinden des Galaterbriefs mit Hilfe der Apg zu erhellen, sich immer wieder auf die von Lukas erzählten Reiseverläufe einerseits und die biographischen oder direkt adressatenbezogenen Bemerkungen des Galaterbriefs andererseits (so Gal 3,1; 4,13f) konzentrieren – und auch beschränken. Gar nicht berücksichtigt wurde bislang die Frage, ob sich – unter der Voraussetzung der Identifizierung der Adressaten mit den Gemeinden von Apg 13f – die aus Apg 13f zu entnehmenden Grunddaten über die Entstehung dieser
31 TH. WITULSKI in: P. PILHOFER/TH. WITULSKI, Archäologie und Neues Testament: Von der Palästinawissenschaft zur lokalgeschichtlichen Methode, in: S. Alkier/R. Brucker (Hg.), Exegese und Methodendiskussion, TANZ 23, Tübingen 1998, 237–255. 32 Zumal, wie WITULSKI, 254, selbst mitteilt, davon auszugehen ist, daß der Augustustempel in der colonia Caesarea Antiochia besonders früh eingeweiht wurde.
Barnabas, Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs
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Gemeinden mit der Argumentationsstrategie des Paulus in seinem Brief an die Galater vereinbaren lassen oder nicht.
III Die Missionsüberlieferungen von Apg 13f zeigen eine von Antiochia ausgehende ‚Kollegiatsmission‘ des Barnabas und Paulus, wobei die Vorrangstellung des Barnabas, wie sie sich in den Texten spiegelt,33 der historischen Situation entsprochen haben dürfte.34 Für die in diesen Missionsüberlieferungen genannten Gemeinden bedeutet das: Sie führen ihre Existenz auf zwei Gründungsapostel zugleich zurück, wobei wiederum daran zu erinnern ist, daß für die Gründung, auf die die Gemeinden zurückblicken, keine Vorrangstellung des Paulus, sondern viel eher eine solche des Barnabas anzunehmen ist.35 Die Frage, die es dann im Blick auf die südgalatische Theorie zu prüfen gilt, lautet: Lassen sich diese Grunddaten der in Apg 13f genannten Gemeinden mit der Argumentationsstrategie des Paulus im Galaterbrief positiv in Verbindung bringen oder ergeben sich umgekehrt schwerwiegende Einwände gegen die Annahme, daß die Adressatengemeinden des Galaterbriefs von Barnabas und (!) Paulus gegründet wurden? Die Frage gilt es vor allem 33 Vgl. die Liste in Apg 13,1; in der Gesamtgestaltung von Apg 13f durch Lukas ergibt sich zwar ein Übergewicht zugunsten von Paulus. Dies entsteht vor allem dadurch, daß Paulus der Sprecher der großen Rede von 13,16–41 ist; doch ist dies Werk des Lukas. Deutlich anders liegen die Gewichte in der (in der Substanz durchaus vorlk) Erzählung 14,8–18: Barnabas – nicht Paulus! – als Zeus (V. 12). 34 Zu Barnabas vgl. W.H. OLLROG, Paulus und seine Mitarbeiter, WMANT 50, NeukirchenVluyn 1979, 14–17.206–215. Für eine führende Rolle des Barnabas sprechen: – die zentrale Rolle des Barnabas in der Gründungsphase der Gemeinde (Apg 11,22–24); – die Tatsache, daß die Initiative für die Wirksamkeit des Paulus in Antiochia von Barnabas ausging (Apg 11,25f); – umgekehrt die Tatsache, daß sich Paulus durch seine ehemalige Verfolgertätigkeit (vgl. Gal 1,23) in einer Sonderrolle befand; – unübersehbar bestätigt wird das Übergewicht des Barnabas durch den Ausgang des sog. Antiochenischen Konflikts, der zur Folge hatte, daß Paulus sich in der Sache nicht durchsetzen konnte und offenbar bald danach die Gemeinde verließ, während die Stellung des Barnabas in der Gemeinde weiterhin unangefochten ist. 35 Von den Vertretern der südgalatischen Theorie wird der Unterschied zwischen der Entstehung dieser Gemeinden und der Gründung der paulinischen Gemeinden in Makedonien und Achaia faktisch überhaupt nicht wahrgenommen. Selbst BREYTENBACH (s.o. Anm. 3) verstärkt (unbewußt?) den paulinischen Charakter der Gemeinden von Apg 13f, wenn er fast durchgehend von einer Mission des „Paulus und Barnabas“ (in dieser Reihenfolge) spricht, so 31.51 u.ö.; bes. auffällig ist dies auf S. 73 und 84, wo es um die Lystraüberlieferung geht (14,8–18). Dort steht Barnabas nun wirklich im Vordergrund (14,12: Barnabas als Zeus; 14,14: „als die Apostel Barnabas und[!] Paulus das hörten …“).
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an denjenigen Texten zu prüfen, in denen Barnabas von Paulus ausdrücklich erwähnt wird. Dies ist in zwei Texten der Fall, in Gal 2,1–10 und Gal 2,11–14. 1. Für die konkrete argumentative Verwendung des in Gal 2,1–10 dargestellten Konflikts (samt seinem positiven Ergebnis) lassen sich im Blick auf die mögliche Adressierung dieser Darstellung an die Gemeinden von Apg 13f drei Feststellungen treffen: a) An sich entsprechen der Gegenstand des in Gal 2,1–10 dargestellten Konflikts, die Debatte über die Beschneidungsfreiheit zwischen den Gemeinden von Antiochia und Jerusalem, und das positive Ergebnis, auf das Paulus verweisen kann, in hervorragender Weise dem Argumentationsziel des Paulus. Dies gilt auch für die Rolle des Barnabas, die in der Darstellung des Paulus sichtbar wird. Insofern könnte ein Brief, der Gal 2,1–10 enthält, sehr gut an Gemeinden gerichtet sein, die Barnabas und Paulus gemeinsam gegründet haben. Die hier dargestellte Rolle des Barnabas würde die inhaltliche Position des Paulus gegenüber den judaistischen Gegnern in Galatien deutlich stärken: Auf dem sog. Apostelkonzil – so könnte Paulus hier deutlich machen – haben Barnabas und er in voller Übereinstimmung die gleiche Zielsetzung vertreten, nämlich die Zurückweisung der von judenchristlicher Seite erhobenen Beschneidungsforderung für die heidenchristlichen Gemeinden. Und exakt dies war ja der Streitpunkt in Galatien. Der hier in der „narratio“ dargestellte Vorgang und die Argumentationsstrategie des Briefes insgesamt würden also unter der Voraussetzung, daß der Brief an die Gemeinden von Apg 13f gerichtet ist, aufs Beste zusammenstimmen. b) Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, daß der in Gal 2,1–10 vorliegende Rückgriff auf den damaligen Konflikt (und auf sein Ergebnis!) auch dann uneingeschränkt sinnvoll war, wenn der Brief an Gemeinden gerichtet war, die Paulus allein gegründet hatte. c) Schließlich ist festzustellen, daß Paulus überraschenderweise die Übereinstimmung mit Barnabas nicht besonders auswertet.36 Vielmehr ist die Tendenz des Paulus erkennbar, die eigene Rolle stärker hervorzuheben und damit Barnabas faktisch in den Hintergrund treten zu lassen.37
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Faktisch spielt Barnabas, obwohl er im dargestellten Vorgang eine direkt handelnde Person war, keine größere Rolle als in 1Kor 9,6. Die geringe Rolle des Barnabas in Gal 2,1–10 stellt – unter den Prämissen der südgalatischen Theorie – auch recht irritiert R. Bauckham fest und erklärt sie mit der persönlichen Enttäuschung des Paulus über Barnabas aufgrund des antiochenischen Zwischenfalls; s. R. BAUCKHAM, Barnabas in Galatians, JSNT 2, 1979, 61–70. Daß damit die Argumentationsrichtung von Gal 2,1–10 angemessen erfaßt wäre, wird man nicht behaupten können. 37 Die Spannung zwischen Gal 2,7f (Nachweis der eigenen Gleichrangigkeit mit Petrus) und 2,9b (Aufteilung und gegenseitige Anerkennung der Aufgaben zwischen „ihnen“ und „uns“) ist ja unübersehbar.
Barnabas, Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs
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2. Ein ganz anderes Bild bietet sich bei dem zweiten Konflikt, den Paulus in der „narratio“ seines Briefs als Argument heranzieht, dem in Gal 2,11–14 vorliegenden Rückgriff auf den Konflikt in Antiochia, der unmittelbar im Anschluß an die Darstellung der Jerusalemer Auseinandersetzung erfolgt. Hier benennt Paulus ausgerechnet eine Konfliktsituation, in der er mit dem anderen Gründungsapostel der südgalatischen Gemeinden, Barnabas, in offenen Widerspruch geraten ist und in dem Barnabas einer judenchristlichen Forderung gerade nicht widersteht, sondern ihr nachgibt. Die Gegner des Paulus in Galatien, wenn sie denn in Südgalatien anzusiedeln wären, hätten ja nur auf den von Paulus selbst dargestellten offenen Dissens zwischen Barnabas und ihm gegenüber judenchristlichen Forderungen hinzuweisen brauchen, um die gesamte Argumentationskraft des Galaterbriefs zu neutralisieren. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, daß Paulus selbst seinen Gegnern ohne Not diese Möglichkeit eröffnet hätte. Denn es ist Paulus selbst, der überhaupt den Konfliktfall von Antiochia in Gal 2,11–14 als Analogiefall zu der gegenwärtigen Kontroverse einführt. Schließlich ging es bei dem in Gal 2,11–14 dargestellten Konflikt gar nicht um die Beschneidung, sondern um die (von den Judenchristen verweigerte) Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen – und es ist erst Paulus, der durch eine Verallgemeinerung der Problemlage in Gal 2,14 den Konfliktfall von Antiochia38 überhaupt erst analogiefähig macht.39 Selbst wenn man annimmt, der Konflikt mit Barnabas sei so bekannt gewesen, daß Paulus ihn nicht übergehen konnte oder übergehen wollte, so erklärt dies gerade nicht die konkrete argumentative Verwendung des damaligen Konflikts. Paulus macht in Gal 2,11–14 überhaupt keinen Versuch, die für ihn schädliche Wirkung dieses Konflikts aufzufangen. Daß Paulus überhaupt nichts unternimmt, um der für ihn hier bestehenden Gefahr entgegenzuwirken, zeigt, daß Barnabas unmöglich für die Adressaten der (mit Paulus zumindest gleichgewichtige!) Gründungsapostel gewesen sein kann.
38 Diese notwendige Verallgemeinerung erfolgt in V. 14b nach der Darstellung des Konfliktfalls selbst, und zwar mit Hilfe des Begriffs ivoudai?z, ein: Das Beharren auf den jüdischen Bedingungen für eine Tischgemeinschaft mit den Christen nichtjüdischer Herkunft stellt einen Versuch dar, Nichtjuden „zur jüdischen Lebensweise zu zwingen“ (so die Übersetzung von BECKER, Gal [1998; s.o. Anm. 1], 37) ebenso wie die Beschneidungsforderung von Gal 2,3–5. Erst dies ist die Brücke, die es Paulus überhaupt ermöglicht, den Fall von Gal 2,11–14 mit der Konfliktlage von Gal 2,1–10 auf eine Stufe zu stellen und so mit dem gegenwärtigen Problem in Galatien in Verbindung zu bringen. 39 Dies wird bei BAUCKHAM (s.o. Anm. 36), 74 völlig übersehen, der sich auch gar nicht danach fragt, warum Paulus denn überhaupt auf den Zwischenfall von Antiochia als Argumentationsmittel zurückgreift. Unter der Voraussetzung der südgalatischen Theorie ist diese Frage auch nicht zu beantworten.
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Daraus ergibt sich: So wie Paulus den Konflikt mit (Petrus und) Barnabas in Gal 2,11–14 darstellt und argumentativ einsetzt, ist auszuschließen, daß Barnabas neben (oder sogar: vorrangig vor) Paulus gemeinsamer Gründungsapostel der Gemeinden war, an die sich Paulus mit diesem Brief richtet.40 Um es zugespitzt zu formulieren: Als Adressaten des Galaterbriefs kommen prinzipiell alle denkbaren Gemeinden an jedem beliebigen Ort in der Provinz Galatien in Frage – abgesehen von denjenigen Gemeinden, die Barnabas und Paulus nach Apg 13f gemeinsam gegründet haben, nämlich Antiochia Pisidia, Ikonion, Lystra und Derbe. Positiv formuliert: Die gesamte Argumentation des Paulus im Galaterbrief erfolgt in der vollen Autorität des einen, von Gott berufenen Gründungsapostel dieser Gemeinden (vgl. Gal 1,1 – und 1,8f).41 Auch Gal 4,12– 14 ist mit der Annahme einer gemeinsamen Tätigkeit von Barnabas und (!) Paulus nur schwer vereinbar. Damit ist die Mission des Paulus in Galatien der Phase seiner alleinigen Missionstätigkeit nach der Trennung von Antiochia zuzuordnen.42 Diese Feststellung ist auch dann richtig, wenn eine weitergehende Präzisierung der Adressaten des Galaterbriefs nicht möglich sein sollte oder umstritten bleibt.
IV Das bisher erreichte Ergebnis, daß als Adressaten des Galaterbriefs Gemeinden an jedem Ort in der Provinz Galatien, abgesehen von den vier in Apg 13f genannten, in Frage kommen, läßt sich noch präzisieren. Hierfür ist die Berücksichtigung der Siedlungsstruktur und der urbanistischen Erschließung der Provinz Galatien in julisch-claudischer Zeit erforderlich.43 40 Bei RIESNER (s.o. Anm. 20), 257 Anm. 46, wird neben Bauckham auch F. WATSON, Paul, Judaism and the Gentiles. A Sociological Approach, SNTS.MS 56, Cambridge 1986, 56f, als Vertreter der These angeführt, ausgerechnet die Erwähnung von Barnabas in Gal 2 spreche für eine Gründung der Adressatengemeinden durch Barnabas und Paulus. Dabei ist jedoch die Erwähnung von F. Watson unzutreffend: Watson ist ein klarer Vertreter der nordgalatischen Hypothese, was im angelsächsischen Bereich keineswegs selbstverständlich ist. 41 Zutreffend weist BECKER, Gal (1998 [s.o. Anm. 1]), 10, darauf hin, daß sich in der Argumentationsweise des Gal besonders deutliche Übereinstimmungen mit 2Kor 10–13 zeigen, einem Brief, der eindeutig an eine von ihm allein gegründete Gemeinde gerichtet ist. 42 Bemerkenswert ist auch, daß Paulus im Falle des Röm sehr wohl darauf Rücksicht nimmt, daß hier eine Gründungssituation vorliegt, die sich von der in Philippi, Thessaloniki oder Korinth charakteristisch unterscheidet. Auch dies sollte Anlaß zur Skepsis gegenüber der Annahme sein, Paulus hätte an die Gemeinden von Apg 13f genauso geschrieben wie an eine von ihm allein gegründete Gemeinde. 43 Dazu sei nochmals ausdrücklich auf die beiden Bände von MITCHELL, Anatolia, hingewiesen (s.o. Anm. 16); s. auch oben die Einzeldiskussion im Abschnitt II.
Barnabas, Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs
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Die 25 v.Chr. gebildete Provinz war sehr heterogen zusammengesetzt und bestand aus mehreren Teilen. In den Umschreibungen des Aufgabengebiets der römischen Statthalter aus der 2. Hälfte des 1. Jh. n.Chr. spiegelt sich deutlich die innere Struktur der Provinz wider: Im Norden lag das tradionelle Kerngebiet Galatia (mit den Städten Pessinus, Ancyra und Tavium als Hauptorten) sowie (nördlich bzw. nordöstliche davon) Paphlagonia und Pontus Galaticus. Einen zweiten zusammenhängenden Bereich bildeten die wesentlich weiter südlich gelegenen Gebiete Pisidia und Lycaonia, wobei gelegentlich auch noch Isauria zusätzlich genannt wird.44 Beide Bereiche, das nördlich gelegene galatische Gebiet von Pessinus, Ancyra und Tavium einerseits und der südliche Bereich, also Pisidien und Lykaonien, sind relativ dicht besiedelt und weisen in julisch-claudischer Zeit eine große Anzahl von Städten und römischen Kolonien auf.45 Zwischen beiden Bereichen liegt jedoch die große steppenartige Hochebene mit dem großen Salzsee, dem Tata-See (heute: Taz Gölü), die ausgesprochen ungünstige Siedlungsbedingungen bot. Hier sind erst für das 2. Jh. n.Chr. Versuche von Städtegründungen nachweisbar.46 Wenn man also davon auszugehen hat, daß die Adressaten des (griechisch geschriebenen) Galaterbriefs in den hellenisierten Städten bzw. Kolonien der Provinz Galatiens zu suchen sind, kommen entweder die weiteren, in Apg 13f nicht genannten Orte des Südens der Provinz in Frage. Solche Orte sind durchaus vorhanden, so Apollonia, Neapolis, Laodicea Catacecaumene oder Isaura vetera und Isaura nova. Oder es sind doch die Städte im Norden der Provinz, also im Bereich von Pessinus, Ancyra und Tavium in Betracht zu ziehen. Wenn die Gemeinde, an die Paulus seinen Galaterbrief richtet, von ihm allein – und d.h. zugleich: nach dem Treffen von Gal 2,1–10 und d.h. erst recht: nach der Mission von Apg 13f – gegründet worden sind, muß es allerdings als ausgeschlossen gelten, daß diese Gemeinden ebenfalls im Süden der Provinz lagen. Eine Gründung weiterer Gemeinden in exakt dem gleichen Bereich, in dem bereits Jahre zuvor Barnabas und er selbst mehrere Gemeinden gegründet hatten (und mit Antiochia Pisidia und Iconium an den sicher wichtigsten Orten der gesamten Region), hätte den Missionsgrundsätzen, die Paulus selbst formuliert, glatt widersprochen. Er legt in Röm 15,20f ausdrücklich Wert darauf, dort nicht als Missionar tätig zu werden „wo Christus schon genannt worden ist“. Die gleiche Position wird 44
Die entscheidenden Informationen liefern hier die (mit der Apg zeitgleichen!) Beschreibungen der Aufgabenbereiche der Statthalter der Provinz Galatien, abgedruckt bei MITCHELL, Anatolia II, 151. 45 Zur Geschichte der Urbanisierung der Provinz Galatien insgesamt vgl. MITCHELL, Anatolia I, 80–99. 46 Vgl. MITCHELL, Anatolia I, 96, und die aufschlußreiche Karte (99).
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auch in 2Kor 10,15f erkennbar, wo er konkurrierende Missionare kritisiert, die sich nicht an diesen Grundsatz halten. Daß Paulus nach der Trennung von Antiochia und von Barnabas sein zentrales Arbeitsgebiet in Makedonien und Achaia sucht,47 entspricht genau diesem Grundsatz. Es ist daher auszuschließen, daß die von Paulus gegründeten Gemeinden, an die er den Galaterbrief richtet, im Bereich von Antiochia Pisidia, Ikonion, Lystra oder Derbe, also im Süden der Provinz liegen. Dieses Ergebnis ist unabhängig davon, ob es möglich ist, aufgrund briefinterner Angaben und briefexterner Informationen (aus der Apostelgeschichte und den übrigen Paulusbriefen) die Missionstätigkeit des Paulus im Norden der Provinz Galatien biographisch genauer zu bestimmen oder nicht.
V Die übliche biographische Zuordnung der Gründung der galatischen Gemeinden im Rahmen der nordgalatischen Theorie besteht darin, auf die in Apg 16,6–8 dargestellte Reise durch die Frugi,a kai. Galatikh. cw,ra zu verweisen.48 Doch ist diese Zuordnung mit erheblichen Problemen verbunden. 1. In Apg 16,6–11 wird gerade keine Missionstätigkeit des Paulus geschildert. Die Lenkung durch den Geist, der Paulus nicht ausweichen kann, führt ihn geradewegs nach Troas (16,6–8) – und von dort in sein Missionsfeld Makedonien (16,9–11). Es ist dabei auch nicht erkennbar, daß Lukas hier Nachrichten über eine Missionstätigkeit des Paulus oder gar erfolgreiche Gemeindegründungen besessen hat und bewußt unterdrückt.49 Vielmehr wird man davon auszugehen haben, daß Lukas zwar von der Existenz von Gemeinden in Galatien weiß, deren Gründung aber dem Wirken des Paulus 47 A.M. SCHWEMER, Paulus in Antiochien, BZ NF 42, 1998, 161–180, dort 175f, stellt die Identifizierung des Zwischenfalls von Gal 2,11–14 mit der Trennung zwischen Paulus und Barnabas in Apg 15,36–40 in Frage und verlegt den Vorfall von Gal 2,11–14 auf den Besuch des Paulus in Antiochia von Apg 18,22. Doch ist dabei der grundsätzliche Wandel in der Missionsstrategie des Paulus nicht angemessen berücksichtigt, der exakt mit Apg 15,36–40 verbunden ist und sogar bei Lukas selbst deutlich wird: Anders als in Apg 13,1–13 kann Lukas für 15,36–40 keine Beauftragung durch die Gemeinde von Antiochia darstellen. Dem entspricht, daß Paulus jetzt nicht von Antiochia als Ausgangspunkt aus einzelne missionarische Vorstöße unternimmt, sondern sich in Korinth (später in Ephesus) ein eigenes Missionszentrum schafft. Dies ist nicht mit dem Hinweis auf eine untergeordnete Personalfrage zu erklären. 48 So PH. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin 1975, 108–110; vgl. auch BECKER, Gal (1998 [s.o. Anm. 1]), 14. 49 Zum Problem des Itinerars s.o. Anm. 30.
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nicht sicher zu- und einordnen kann. Ähnlich gelagert ist offensichtlich auch der Fall von Troas Alexandria.50 Die Annahme, die im Norden der Provinz Galatiens gelegenen Gemeinden, an die Paulus seinen Galaterbrief richtet, seien während der in Apg 16,6–8 geschilderten Reise des Paulus von Lykaonien und Pisidien (16,1–5) nach Troas (16,8) gegründet worden, ist daher eine reine Vermutung ohne positive Grundlage in der Apostelgeschichte. 2. Diese Vermutung ist zusätzlich mit der Schwierigkeit verbunden, daß nicht erkennbar ist, warum Paulus auf dem Weg von Lykaonien und Pisidien nach Troas Alexandria diesen großen Umweg nach Nordosten macht, den man voraussetzen muß, wenn man einen Weg durch den Nordteil der Provinz Galatien voraussetzt. Schon die Darstellung des Lukas in Apg 16,6–8 ist hier von bemerkenswerter Unklarheit. Denn die Angabe, daß die Missionare „durch den Heiligen Geist“ an einer Verkündigungstätigkeit in der Asia gehindert wurden (16,6), erklärt keineswegs die Reiseroute durch das „phrygische und galatische (!) Gebiet“, auch wenn man das Verkündigungsverbot (m.E. zutreffenderweise) dahingehend versteht, daß sie – nach der Meinung des Lukas – überhaupt daran gehindert wurden, die Asia zu betreten.51 Denn entweder ist mit der Asia hier die seit 129 v.Chr. bestehende römische Provinz gemeint, dann dürfte Paulus und Timotheos auch nicht anschließend von Galatien nach Mysien gehen und sich nach Troas begeben, denn Mysien gehörte von Anfang an (und ununterbrochen bis zur Diokletianischen Provinzreform) zur Provinz Asia! Geht man dagegen davon aus, daß hier Asia als Landschaftsbezeichnung benutzt wird, dann gehört zwar Mysien nicht mehr dazu, aber ebensowenig der große östliche Teil der Provinz Asia, nämlich Phrygien. Dann braucht man aber auch nicht bis in den Norden der Provinz Galatien auszuweichen, um die Landschaft Asia zu umgehen, sondern kann 50 Hier kann man die Darstellungslücke der Apg sogar relativ sicher schließen: 2Kor 2,12 zeigt, daß am Ende des Aufenthalts in der Asia sich in Troas eine positive Entwicklung anbahnte, die Paulus jedoch (zunächst?) nicht weiter verfolgte, weil für ihn das Zusammentreffen mit Titus Priorität hatte (2Kor 2,13). Für die in 2Kor 2,12f beschriebene Situation ist allerdings noch nicht mit einer bereits existierenden Gemeinde zu rechnen. Dies ist jedoch bei der Reise von Apg 20,4– 21,18 der Fall, auf der Troas dann die erste (und zeitlich recht ausgedehnte) Reisestation ist. Zu diesem Zeitpunkt ist in Troas eine Gemeinde vorhanden, und es ist unklar, ob Paulus nach dem Zusammentreffen mit Titus (2Kor 2,12f; 7,5–7) zunächst wieder nach Troas zurückgekehrt ist, um die dortige Entwicklung selbst weiter voranzutreiben oder ob er hiermit einen (oder mehrere) seiner Mitarbeiter beauftragte. 51 Die Bemerkung in 16,6b kwluqe,ntej u`po. tou/ a`gi,w| pneu,matoj lalh/sai to.n lo,gon evn th/| VAsi,a| dient offenkundig dazu, die in V. 6a geschilderte Reiseroute zu begründen, ist also in dem Sinne zu verstehen, daß Lukas hier dem Leser mitteilen will, daß die Missionare daran gehindert wurden, die Asia zu betreten. Interpretiert man V. 6b enger, nämlich als reines Verkündigungsverbot, dann hätten die Missionare jederzeit die ‚Asia‘ durchqueren können, und der Weg durch das „phrygische und (!) galatische Gebiet“ wird noch unverständlicher.
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wesentlich kürzer durch Phrygien nach Mysien gelangen.52 D.h. die Begründung des Lukas in Apg 16,6 leistet nicht das, was sie leisten soll – vorausgesetzt, man liest sie als Darstellung eines Reiseverlaufs, der historisch so stattgefunden hat und den man deshalb auch mit einem Geschichtsatlas in der Hand nachvollziehen kann.53 Ohne die Zusatzinformationen aus Geschichtsatlanten und historischen Handbüchern bereitet die Darstellung des Lukas dagegen keine Schwierigkeiten: Lukas schildert, wie Paulus und sein Mitarbeiter Timotheos durch den Geist gradlinig von dem früheren Missionsgebiet Lykaonien und Pisidien quer durch das Innere Kleinasiens genau zu dem Hafen dirigiert werden, an dem man nach Makedonien übersetzen kann – und genau das ist das Ziel der Reise (von dem Paulus – nach der Darstellung des Lukas – vorher natürlich überhaupt nichts weiß). Diese Reise schildert Lukas so gut er konnte – und seine Kenntnisse der genauen Lage der einzelnen Landschaften weit im Inneren Kleinasiens sind ganz offensichtlich begrenzt. Für eine biographische Zuordnung der Gründung der Gemeinden im Norden der Provinz Galatiens zum unmittelbaren Beginn seiner selbständigen Missionstätigkeit bleibt also die Schwierigkeit bestehen, daß überhaupt kein Grund erkennbar ist,54 warum er sich überhaupt in dieses Gebiet begeben hat.55 3. Rechnet man mit der Gründung von Gemeinden im Norden der Provinz Galatien während der Reise des Paulus von Lykaonien und Pisidien nach Makedonien (die als solche natürlich historisch ist), dann wären diese Gemeinden die ersten Gemeinden überhaupt, die Paulus während seiner eigenständigen Missionsarbeit gegründet hat. Das ist grundsätzlich natürlich möglich, bereitet aber doch Schwierigkeiten, wenn man bedenkt, daß 52 Diese Schlußfolgerung fehlt auch bei J. JERVELL, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 1998, 416, obwohl er zutreffend Asia als Landschaftsbezeichnung versteht. Warum man aber, um eine Verkündigung in der Landschaft Asia zu umgehen, bis nach Galatien ausweichen muß, bleibt auch bei Jervell völlig unklar. 53 So arbeitet grundsätzlich RIESNER (s.o. Anm. 20). Er gelangt so auch zu ganz neuen ‚Argumenten‘ für die südgalatische Theorie. So hält er es für unmöglich, daß die judaistischen Abgesandten aus Jerusalem paulinische Gemeinden in Nordgalatien aufgesucht haben, weil sie ja zunächst zwangsläufig durch den Süden Galatiens gekommen sein müssen – „schließlich gab es damals noch keine Direktflüge zwischen Tel Aviv und Ankara“ (251). Das ist kaum zu widerlegen. Unter der Voraussetzung dieser Logik müßte Riesner aber eigentlich zunächst eine judaistische Propagandatätigkeit zugunsten der allgemeinen Beschneidung für Antiochia am Orontes postulieren. Oder gab es doch Direktflüge von Tel Aviv aus – wenigstens nach Konya? 54 Eine häufige Erklärung lautet ja (mit Verweis auf Gal 4,13f), die Mission in (Nord-)Galatien sei dadurch bedingt, daß Paulus bei seiner Reise durch Galatien erkrankt sei, also sich dort unfreiwillig länger aufhalten mußte; vgl. VIELHAUER (s.o. Anm. 48), 109. Nur: Warum Paulus überhaupt dorthin gereist ist, ist damit noch nicht erklärt. 55 Hier übt RIESNER (s.o. Anm. 20), 251f, m.R. Kritik an den Versuchen, die geographischen Schwierigkeiten durch eine möglichst großzügige Definition von (Nord-)Galatien zu reduzieren.
Barnabas, Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs
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Paulus in Phil 4,15 die avrch. tou/ euvaggeli,ou, den Beginn der Evangeliumsverkündigung, mit Philippi in Verbindung bringt.56 Damit kann ja nur, wenn man Paulus nicht völlige Hybris unterstellen will, nur der Beginn seiner eigenen Evangeliumsverkündigung, die für ihn den Charakter einer ganz besonderen, persönlichen Verpflichtung hat (vgl. 1Kor 9,16–18), gemeint sein. Stellt sich also die Zuordnung der Gründung der Gemeinden im Norden der Provinz Galatiens zu der in Apg 16,6–8 erwähnten Reise des Paulus als problematisch dar, so ist nach Alternativen für eine biographische Einordnung dieser Gemeindegründungen zu suchen. In Frage kommt dann nur noch die Phase nach der Gemeindegründungstätigkeit des Paulus in Makedonien und Achaia, die man auf die Jahre 49– 52 datieren kann.57 Auch für diese Phase, in der Paulus den Mittelpunkt seines Wirkens ganz offensichtlich in Ephesus hatte, gibt es in der Apostelgeschichte keine direkten Hinweise, daß dies der zeitliche Rahmen für die Gründung der Gemeinden im Norden der Provinz Galatiens gewesen ist, aber es gibt Indizien, die dies doch als möglich erscheinen lassen. a) Über die Phase des Wirkens in Ephesus und der Asia insgesamt sind wir durch die Apostelgeschichte nur lückenhaft unterrichtet. Das betrifft nicht nur die korinthische Krise, die in der Apostelgeschichte einfach nicht stattfindet (einschließlich des in 2Kor 12,14; 13,1; 2,3–11; 7,8.12 erwähnten bzw. vorausgesetzten Zwischenbesuchs in Korinth). Auch die Krisen, von denen das Wirken des Paulus in Ephesus begleitet war, werden nur teilweise wiedergegeben. So berichtet Lukas nur von einem großen Konflikt in Ephesus (Apg 19,23–40), während sich die Nachrichten von 1Kor 15,32 und 2Kor 1,8–11 offenbar doch auf zwei verschiedene Vorgänge beziehen. Ausschließlich aus dem Philemonbrief ist auch zu erfahren, daß Paulus einen offenbar begüterten Hausbesitzer bekehrt hat, der – wie die Nachrichten aus Kol 4 nahelegen – wahrscheinlich im Lykostal in der Nähe von Kolossä wohnhaft war.58 In der Regel wird nicht diskutiert, wo Paulus und Philemon zusammengetroffen sind. Eine reale Möglichkeit ist, daß Philemon aus geschäftlichen oder privaten Gründen sich längere Zeit in Ephesus aufhielt, dort die Missionsverkündigung des Paulus hörte und Christ wurde. Eine andere Möglichkeit besteht jedoch darin, daß es für Vgl. dazu zutreffend J. GNILKA, Der Philipperbrief, HThK 10/3, Freiburg u.a. 31980, 177: Die Formulierung legt nahe, „daß für den Apostel die Wirksamkeit in Makedonien tatsächlich den eigentlichen Beginn seiner Verkündigung darstellt“. Bei Gnilka werden auch die Schwierigkeiten deutlich, die entstehen, wenn man unter Beachtung der Aussage von Phil 4,15 gleichzeitig mit einer Mission des Paulus in (Nord)Galatien noch vor seiner Wirksamkeit in Philippi rechnet. 57 Vgl. BECKER, Paulus, 32. 58 Vgl. M. WOLTER, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, ÖTBK 12, Gütersloh / Würzburg, 1993, 238f. 56
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Paulus Gründe gab, Ephesus zu verlassen und sich weiter ins Landesinnere zu begeben, so daß er Philemon an seinem Wohnsitz im Lykostal selbst traf.59 Ereignisse wie die in 1Kor 15,32 oder Apg 19,23–40 erwähnten wären ohne weiteres ein plausibler Grund dafür, Ephesus jedenfalls zeitweilig zu verlassen. b) Hinzuweisen ist – trotz erheblicher Unsicherheiten in der Auswertung – doch auch auf die Reise von Apg 18,18–23; 19,1. Sie ist zwar in ihrer Darstellungsweise völlig schematisch, auch ihr Platz in der jetzigen Darstellungsabfolge der Apostelgeschichte kann durchaus literarisch bedingt sein,60 doch fragt sich, warum Lukas überhaupt die Schwierigkeit in Kauf nimmt, vom Besuch des Paulus bei Gemeinden zu erzählen, deren Gründung er überhaupt nicht berichtet hat. Hier ist jedenfalls die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß Lukas Nachrichten über ein Wirken des Paulus in Galatien hatte (und zwar in zeitlichem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Ephesus), anderseits keine verwertbaren Einzeltraditionen besaß, so daß er offenbar eine direkte Gründung durch Paulus nicht behaupten wollte. Natürlich ist auch für eine Datierung der Gründung der Gemeinden im Norden der Provinz Galatien im Zusammenhang mit dem Ephesusaufenthalts des Paulus nach den möglichen Gründen zu fragen, die den Apostel veranlaßt haben könnten, sich in dieses entlegene Gebiet zu begeben. Immerhin ist es durchaus denkbar, daß die in 1Kor 15,32 und Apg 19,23–40 erkennbaren Konflikte Paulus veranlaßt haben könnten, die Provinz Asia insgesamt für einige Zeit zu verlassen und sich in eine Nachbarprovinz zu begeben. Daß dies dann eher Nordgalatien war als der Süden der Provinz, wo ja ‚Christus schon längst verkündigt worden war‘ (vgl. Röm 15,20), ist naheliegend. Eine solche biographische Zuordnung würde bedeuten, daß die Gemeinden in Galatien durch Paulus nach seinem Aufenthalt in Korinth, aber vor der Abfassung des 1. Korintherbriefs gegründet worden sind, wo ja in 1Kor 59 Die Annahme, daß Philemon in der Nähe von Kolossä wohnhaft war und dort von Paulus bekehrt wurde, widerspricht nicht der Aussage von Kol 1,6–8. Dort ist lediglich vorausgesetzt, daß Paulus die Gemeinde von Kolossä nicht selbst gegründet hat. Die Gemeinde, auf die der Kolosserbrief zurückblickt (und die nach der ‚Normalhypothese‘ 61 n.Chr. aufgehört hat zu existieren – bezweifelt übrigens von WOLTER, Kolosser, 35) kann durchaus vor 61 n.Chr. gegründet worden und gleichwohl nachpaulinisch sein. 60 BECKER, Paulus (s.o. Anm. 4), 28, hält die gesamte Reise für eine literarische Konstruktion. M. WOLTER, Apollos und die ephesinischen Johannesjünger (Act 18,24–19,7), ZNW 78, 1987, 49–73, urteilt: „Lukas … schafft durch das Reisesummarium, und hier vor allem durch V. 23, allererst den zeitlichen Raum, der es ihm ermöglicht, Apollos in Ephesus auftreten, belehrt werden und wieder abreisen zu lassen – dies alles, ohne Paulus zu begegnen.“ JERVELL (s.o. Anm. 52), 465–468, bietet dagegen kaum mehr als eine Nacherzählung des lukanischen Textes, wobei er die vermeintliche Tendenzlosigkeit als Zeichen historischer Zuverlässigkeit wertet.
Barnabas, Paulus und die Adressaten des Galaterbriefs
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16,1 Gemeinden in Galatien vorausgesetzt werden. Die völlig unproblematische Art, in der Paulus in 1Kor 16,1 auf Galatien Bezug nimmt, spricht dafür, daß der 1. Korintherbrief noch vor der galatischen Krise verfaßt worden ist. Dann kann man den Galaterbrief auf die Mitte oder die zweite Hälfte der Tätigkeit des Paulus in der Asia datieren und hat als Abstand zwischen der Gemeindegründung und der Briefabfassung einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Dies reicht angesichts der Bemerkung in Gal 1,6 völlig aus, ja diese Datierung entspricht der Aussage von Gal 1,6 wesentlich besser als eine Datierung auf das Jahr 49, was immerhin eine Zeitspanne von 6 bis 7 Jahren bedeuten würde.
VI Als Ergebnis läßt sich formulieren: 1. Als Orte für die evkklhsi,ai th/j Galati,aj, an die sich Paulus mit seinem Brief wendet, kommen grundsätzlich alle Orte in der Provinz Galatia in Frage, an denen mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß Paulus hier wärend seiner eigenständigen missionarischen Tätigkeit Gemeinden gegründet hat. 2. Umgekehrt schließt die gesamte Argumentation des Galaterbriefs aus, daß diese Gemeinden neben Paulus (oder gar vorrangig vor ihm) einen zweiten Gründungsapostel hatten. Dies gilt insbesondere für Barnabas, dessen kritische Erwähnung in Gal 2,11–14 es unmöglich macht, in den „Gemeinden Galatiens“ diejenigen Gemeinden zu erblicken, deren Gemeindegründungstraditionen Lukas in Apg 13f aufgenommen und verarbeitet hat. 3. Das in Röm 15,20f formulierte Nichteinmischungsprinzip (vgl. auch 2Kor 10,15f) schließt aus, die von Paulus in der Provinz Galatien eigenständig gegründeten Gemeinden in den südlichen Teilen dieser Provinz, nämlich Lykaonien und Pisidien zu suchen. 4. Die biographische Zuordnung der selbständigen Mission des Paulus im Norden der Provinz Galatiens ist allerdings schwierig. Die (im Rahmen der nordgalatischen Theorie gängige) Einordnung unmittelbar nach dem Antiochenischen Konflikt (und noch vor der Mission in Makedonien) ist ohne positiven Anhalt an der Darstellung der Apostelgeschichte und den in ihr erkennbaren Überlieferungen und durchaus mit sachlichen Schwierigkeiten verbunden. 5. Eine Datierung in die erste Hälfte bzw. die Mitte des Aufenthalts des Paulus in Ephesus sollte als mindestens gleichrangige Möglichkeit ebenfalls in Betracht gezogen werden.61 61
So jetzt auch SCHNELLE (s.o. Anm. 2), 123.
Kollektenbericht, „Wir“-Bericht und Itinerar∗ Neue (?) Überlegungen zu einem alten Problem∗∗
1.0 In Apg 21,16 erzählt Lukas, wie eine Reisegruppe, die aus Paulus und einer Reihe namentlich genannter Begleiter bestand, mehrere Wochen nach ihrem Aufbruch in Philippi nach Jerusalem kam, und zwar nachdem sie zuvor in Caesarea Station gemacht hatte. Lukas schreibt: „Es kamen auch einige der Jünger von Caesarea mit uns (nämlich nach Jerusalem), und sie führten uns zu dem alten Jünger Mnason, der aus Zypern stammte, bei dem wir wohnen sollten“.
Solche Einzelheiten verleihen der Apostelgeschichte Farbe, Detailreichtum und vermitteln den Eindruck authentischer Berichterstattung. Wer will schon die Möglichkeit eines aus Zypern stammenden Gemeindemitgliedes in Jerusalem bestreiten? Und wer will bestreiten, daß es höchst plausibel ist, wenn die hellenistisch-griechische Delegation aus Makedonien zuerst bei einem Glaubensbruder aus der hellenistisch-jüdischen Diaspora Station macht, bevor sie zu dem delikaten Teil der Reise übergeht, dem Zusammentreffen mit der palästinisch-judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem? So ist diese Stelle auch für Martin Dibelius, einen der Altmeister der deutschen Actaforschung, ein wichtiger Hinweis auf das von ihm vermutete Itinerar der Paulusreisen gewesen.1 Dabei versteht Dibelius unter einem Itinerar ein „Verzeichnis der Stationen, wie man es bei solchen Fahrten wohl schon aus praktischen Gründen anlegte, um bei einer Wiederholung der Reise die Wege und die alten Gastfreunde wiederzufinden“.2
∗ Zuerst erschienen in: NTS 45, 1999, 367–390; abgedruckt mit Genehmigung von Cambridge University Press, Cambridge, U.K. ∗∗ Um Anmerkungen ergänzte und leicht überarbeitete Fassung eines Hauptvortrags (‚main paper‘) auf der 53. Jahrestagung der Studiorum Novi Testamenti Societas in Kopenhagen am 7.8.1998; die lebhafte und anregende Diskussion hat mir vor allem im Mittelteil zu Präzisierungen verholfen. 1 Vgl. M. DIBELIUS, Die Apostelgeschichte im Rahmen der urchristlichen Literaturgeschichte, in: DERS., Aufsätze zur Apostelgeschichte, hg.v. H. Greeven, FRLANT 60, Göttingen 41961, 163– 174, dort 167; zur Itinerarhypothese insgesamt s. 167–170, die letzte (1953 posthum veröffentlichte) Äußerung von Dibelius zu diesem Thema; die früheste Aussage stammt aus einem Aufsatz von 1933: Stilkritisches zur Apostelgeschichte, in: Aufsätze, 9–28, dort 12–13. 2 DIBELIUS, Aufsätze, 169.
Kollektenbericht, „Wir“-Bericht und Itinerar
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Auf der anderen Seite, wenn man zunächst weiter im Bereich der deutschen Forschung bleibt, ist auf Hans Conzelmann zu verweisen, der ein Itinerar völlig ablehnte.3 Er pflegte in solchen Zusammenhängen auf den in Deutschland bekannten Schriftsteller Karl May (1842-1912) hinzuweisen.4 Dieser Romanautor hat ungemein fesselnd den sog. Wilden Westen der USA beschrieben; für Generationen deutscher Jugendlicher war er die Informationsquelle über Irokesen und Mohikaner, edle Indianer und weniger edle weiße Abenteurer – aber nachweislich hat er sein Wissen allein aus literarischen Quellen geschöpft. Erst als er längst berühmt war, konnte er sich eine Reise in das Land leisten, das er schon in millionenfach verkauften Büchern beschrieben hat. 1.1 Lokalkolorit allein, so zeigt sich, ist noch kein untrügliches Gütesiegel für authentische Berichterstattung. Derartige Effekte lassen sich auch schriftstellerisch herstellen.5 Man muß also schon genauer prüfen, wo die Ereigniswelt, die dem Leser zunächst in rein literarischer Gestalt entgegentritt, direkt – oder wenigstens indirekt – auf realen geschichtlichen Abläufen beruht oder rein fiktional gestaltet ist. Unter dieser Fragestellung möchte ich mich mit der Darstellung der Reisen des Paulus in der Apg beschäftigen und mich dabei auf Apg 15,36–21,26 beschränken, also den Bereich, der üblicherweise als 2. und 3. Missionsreise bezeichnet wird. Dabei bin ich mir zweierlei bewußt: zum einen, daß ich wahrlich nicht der erste bin, der sich diesen Fragen zuwendet, sondern daß es hier eine Forschungsgeschichte mit derart berühmten Namen gibt (ich habe nur zwei aus einer viel größeren Anzahl genannt),6 daß dies eher paralysierend wirken kann; und auch, daß es eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich von der Diskussion der Quellenfragen keine neuen Einsichten
H. CONZELMANN, Die Apostelgeschichte, HNT 7, Tübingen 21963, 6–7. Dieser Hinweis erfolgte gelegentlich auch schriftlich, vgl. H. CONZELMANN, Rez. von W. Gasque, A History of the Criticism of the Acts of the Apostles, Tübingen 1975, Eras. 28, 1976, Sp. 65–68, dort Sp. 68; vgl. auch H. CONZELMANN/A. LINDEMANN, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Tübingen, 121998, 51. 5 Das kann man am Beispiel der Areopagrede von Apg 17,16–33 studieren. Hier vermag C.J. HEMER, The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, hg.v. J.H. Gempf, WUNT 49, Tübingen, 1989, 116–118, keinerlei Anzeichen einer literarischen Bildung zu erkennen (116 Anm. 37). Seine Argumente bestehen einfach darin, lokalspezifische Einzelheiten des Textes aufzuzählen und zu erklären, sie würden zur Situation des Paulus vor dem Areopag gut passen. Die Möglichkeit, daß auch eine durchaus situationsgemäß wirkende Rede eine literarische Bildung sein könnte, wird überhaupt nicht ernsthaft geprüft. 6 Zur Forschungsgeschichte vgl. W. GASQUE, A History of the Criticism of the Acts of the Apostles, BGBE 17, Tübingen, 1975; E. PLÜMACHER, Apostelgeschichte, TRE 3, 1978, 483–528, dort 491–495; zu den Wir-Abschnitten J. WEHNERT, Die Wir-Passagen der Apostelgeschichte. Ein lukanisches Stilmittel aus jüdischer Tradition, GTA 40, Göttingen 1989, 47–124. 3 4
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erhoffen und die es daher vorziehen, die literarische Endgestalt der Apostelgeschichte in den Blick zu nehmen.7 Nun ist überhaupt nicht zu bestreiten, daß bei einer Beschäftigung mit der literarischen Endgestalt dieses Buches noch viele interessante und auch neue Entdeckungen gemacht werden können. Tatsache ist aber auch, daß die Verwendung der Apostelgeschichte als Geschichtsquelle natürlich ungebrochen weitergeht, und zwar in erheblichem Umfang ohne angemessene Beachtung der Probleme, die sich hinsichtlich des Quellenwerts der Apostelgeschichte stellen.8 Daher bin ich der Meinung, daß sich der kritische Teil der Actaforschung nicht von der elementaren Frage dispensieren kann, in welchem Umfang hinter der literarischen Darstellung der Apg historische Abläufe stehen oder nicht. Und das erste Problem, das dann zu diskutieren ist, ist die Quellenfrage. 1.2 Stellt man sich tatsächlich der Frage nach der Möglichkeit, ob die Reisedarstellungen in Apg 15–21 ganz, teilweise oder gar nicht auf zusammenhängende Quellen zurückgehen, dann kann der Ausgangspunkt nur die Textebene des Lukas und seine Darstellungsweise sein. Dabei ergibt sich beim Vergleich der verschiedenen Paulusreisen, so wie Lukas sie dem Leser präsentiert, sehr bald eine den gesamten Abschnitt betreffende Frage: Wie ist die große Divergenz in der Darstellung der verschiedenen Seereisen, aber genauso auch der Landreisen des Paulus zu erklären? Ist dieser Stilwechsel unabhängig von der Quellenfrage zu erklären oder bietet er vielleicht sogar einen wesentlichen Schlüssel zur Lösung der hier bestehenden Probleme? 2.0 Als Beispiel für die ganz unterschiedliche Darstellung der Seereisen wähle ich zwei von Streckenverlauf und Entfernung her gut vergleichbare 7 Hier sei exemplarisch auf die Arbeiten von M.L. Soards und L. Alexander verwiesen; M.L. SOARDS, The Speeches in Acts. Their Content, Context and Concerns, Louisville 1994; L. ALEXANDER, The Preface to Luke’s Gospel, SNTS.MS 78, Cambridge 1993; L. ALEXANDER, Acts and Ancient Intellectual Biography, in: B.W. Winter/A.D. Clarke (Hg.), The Book of Acts in Its First Century Setting: Vol. I: The Book of Acts in Its Ancient Literary Setting, Grand Rapids 1993, 31–63; L. ALEXANDER, In Journeyings Often in: C.M. Tuckett (Hg.), Voyaging in the Acts of the Apostles and in Greek Romance. Luke’s Literary Achievement, Collected Essays, Sheffield 1995, 17–57; s. auch Anm. 35. 8 So ist in zahlreichen, auch durchaus prominenten Veröffentlichungen eine einseitig apologetische Tendenz unübersehbar. Zur Strategie, Lukas als Augenzeugen der Paulusreisen zu retten (so daß sich dann alle weiteren Quellendiskussionen erübrigen) gehört die These, daß der Jerusalembesuch von Gal 2,1–10 nicht Apg 15, sondern Apg 11,30 entspreche (und in Apg 15 ein dritter Jerusalembesuch [nach Abfassung des Gal!] gemeint sei); so bei HEMER, Book of Acts, 247–248, und jüngst ausführlich D. WENHAM, Acts and the Pauline Corpus II. The Evidence of Parallels, in: Winter/Clarke, Book of Acts, Vol. I, 215–258, dort 226–243; beide Autoren sind sogar in der Lage, die Unterschiede zwischen Gal 1,15–20 und Apg 9,23–30 „aufzulösen“, so HEMER, Book of Acts, 248–249, und WENHAM, Acts, 221–226.
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Reisen, die beide in der Ägäis beginnen, in Ephesus bzw. Milet eine Zwischenstation aufweisen und beide zur palästinischen bzw. phönizischen Küste führen. Es sind 1. die in Apg 18,18–22a geschilderte Reise des Paulus von Korinth, genauer gesagt von Kenchreai, dem östlichen Hafen Korinths, über Ephesus nach Caesarea, und 2. die Reise von Kap. 20,4–21,8 von Philippi über (Alexandria) Troas, Milet und Tyros nach Ptolemais und dann nach Caesarea.9 2.1 Die Darstellungsweise der ersten Reise, der von Apg 18,18–22a, ist ganz summarisch. Sie weist nur eine einzige Unterbrechung auf, den Aufenthalt in Ephesus, der auch mit bestimmten, hier zu erzählenden Ereignissen verknüpft ist. Lukas berichtet (in knapp gehaltenem Referat), daß das Ehepaar Priskilla und Akylas, das Paulus von Korinth begleitet hatte, in Ephesus blieb. Hinzu kommt eine Notiz von einem positiv verlaufenen, wenn auch kurzen Synagogenbesuch.
Sonstige Stationen, sowohl zwischen Kenchreai und Ephesus als auch zwischen Ephesus und Caesarea fehlen völlig, obwohl beide Strecken keineswegs an einem einzigen Tag bewältigt werden konnten. Gerade für den zweiten Teil, die Strecke von Ephesus nach Caesarea, bietet die Darstellung einer Reise auf nahezu der gleichen Route in Apg 21, nämlich von Milet nach Ptolemais bzw. Caesarea, ein interessantes Gegenstück. 2.2 Die Darstellung der Seereise in Apg 20–21 bietet mit der Genauigkeit ihrer Angaben das exakte Gegenteil zu der ganz summarischen Schilderung der Reise von Apg 18,18–22a.10 Ebenso wie die Reise von Apg 18,18–22a weist auch die Reise von Apg 20–21 in der Mitte eine Unterbrechung auf, die mit bestimmten Ereignissen verbunden ist, nämlich dem Aufenthalt in Milet mit dem Zusammentreffen mit den Presbytern aus Ephesus und der anschließenden Rede des Paulus (20,16–38). Ebenso ist der Aufenthalt in Troas mit Ereignissen an diesem Ort verbunden (20,7– 12: Zusammentreffen mit der Gemeinde; Wundertat des Paulus). Die Reiseunterbrechungen in Tyros (21,3–6) und Ptolemais (21,7b) werden jeweils zu Besuchen bei den dortigen Gemeinden genutzt. Dabei ist der Besuch in Ptolemais mit keinerlei Einzelereignissen verbunden. Der Aufenthalt in Tyros bildet den Rahmen für die erste 9 Die Formulierung von Apg 21,7a („Wir vollendeten die Seereise und gelangten von Tyros nach Ptolemais“) legt es nahe, Ptolemais als Ende der Seereise anzusehen; dann wäre die Reise von Ptolemais nach Caesarea (21,8a) bereits auf dem Landweg gedacht. Andererseits ist als Reisezeit für diese Etappe nur ein einziger Tag vorausgesetzt, was eher an eine Schiffsreise denken läßt. 10 Die Besonderheit von Apg 20–21 hat bereits J. WELLHAUSEN, Kritische Analyse der Apostelgeschichte, AGWG.PH 15.2, Berlin 1914, 42, gesehen und im Rahmen seiner Gesamtsicht so formuliert: „Das Itinerar wird mit Eintritt des WIR ungleich genauer“, wobei er allerdings 20,4– 21,18 mit 20,1–3 verglich, nicht mit einer anderen Seereise.
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Warnung an Paulus vor einer Fortsetzung seiner Reise nach Jerusalem (21,4). Doch bleibt diese Szene wesentlich blasser als die von 21,10–14.
2.2.1 Aber anders als in Apg 18,18–22a findet sich hier eine ganze Reihe von weiteren Zwischenstationen, die überhaupt nicht Ort eines hier zu berichtenden Vorgangs sind: Es sind dies a) zwischen (Alexandria) Troas und Milet vier Stationen, nämlich Assos (20,13.14a), Mitylene (20,14b – auf der Insel Lesbos), ein Landeplatz „gegenüber (der Insel) Chios“ (20,15a) (in Entsprechung zu den vorangegangenen Stationsangaben ist vorauszusetzen, daß mit „gegenüber von Chios“ eine Unterbrechung der Fahrt während der Nachtstunden gemeint ist),11 und Samos (20,15b – auf der gleichnamigen Insel); b) zwischen Milet und Tyros werden drei Zwischenstationen genannt: Kos (21,1a – Hauptort der gleichnamigen Insel), Rhodos (21,1b – Hauptort dieser Insel) und der östlich von Rhodos liegende lykische Küstenort Patara (21,1c). 2.2.2 Außerdem erfolgt in 21,3 eine bislang in der Apg einmalige Angabe über die Fahrtroute des Schiffs, nämlich, daß die Fahrt von Patara nach Tyros südlich von Zypern vorbeiführte („Zypern ließen wir links liegen“). Zur detaillierten Darstellungsweise dieser Reiseschilderung (im Unterschied zu der von Apg 18,18–22a) gehört auch, daß für Patara ausdrücklich der dort erforderliche Schiffswechsel (21,2) und für Tyros die Notwendigkeit, das Schiff zu entladen (21,3), erwähnt werden.12 Völlig ohne jede Analogie ist auch der in 20,13–14 berichtete Fußmarsch, den Paulus zwischen Troas und Assos unternahm, während die übrige Reisegruppe mit dem Schiff reiste. 2.2.3 Eine weitere Besonderheit, die diese Reisedarstellung von jener in 18,18–22a unterscheidet, ist die mehrmalige präzise Angabe der Reise- und Aufenthaltsdauer: Die Strecke von Philippi nach Troas legten Paulus und seine Begleiter in fünf Tagen zurück (20,6), die Aufenthaltsdauer für Troas wird mit sieben Tagen angegeben (20,6). Dann werden zwischen Troas und Patara ausdrücklich vier Tagesetappen vermerkt, indem die jeweiligen Zielorte mit der Angabe „am folgenden Tage“ o.dgl. versehen werden; es sind die Etappen von Mitylene zu einem Landeplatz „gegenüber von Chios“ (21,15a); von dort nach Samos
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Wenn der Stationsliste eine reale (Küsten-)Seefahrt zugrunde liegt, ist auch historisch eine Nachtfahrt in dem engen, klippenreichen Küstengewässer zwischen Chios und dem Festland auszuschließen. 12 Dagegen fehlt für Milet eine Begründung für den mehrtägigen Aufenthalt des Schiffes in diesem Hafen. Die in Apg 20,16 gegebene Begründung (Paulus wollte eine Zeitverzögerung vermeiden) bezieht sich nur auf die Absichten des Paulus!
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(20,15b); von Samos nach Milet (20,15c); und schließlich die Etappe von Kos nach Rhodos (21,1b).13 Für Tyros ist sodann ein siebentägiger Aufenthalt vermerkt (21,4), für Ptolemais eine eintägige Reiseunterbrechung (21,7), und für die letzte Etappe (von Ptolemais nach Caesarea) wird ebenfalls eine Dauer von einem Tag angegeben (21,8). 2.2.4 Zum Gesamtbild der Reisedarstellung von Apg 20–21 gehört auch, daß hier am Endpunkt der Seereise in Caesarea die Angabe erfolgt, wo die Reisenden Herberge gefunden haben, nämlich bei dem „Evangelisten“ Philippos (21,8) – und nimmt man den Zielpunkt der Reise insgesamt hinzu, dann ist auch auf die Angabe über den „alten Jünger“ Mnason in Jerusalem einzubeziehen (21,16). 2.3 Es zeigt sich also, daß in der Apg zwei nahezu gleich lange Seereisen des Paulus in ganz unterschiedlicher Weise beschrieben werden: die Reise von Korinth über Ephesus nach Caesarea in Apg 18,18–22a in ausgesprochen summarischer Weise, die Reise von Philippi über Milet nach Ptolemais und dann ebenfalls nach Caesarea in 20,5–21,8 mit einer Fülle von Detailangaben, die Reisestationen, Reisedauer, Gründe für die Reiseunterbrechung und auch Gastfreunde betreffen. Damit stellt sich die Frage: Wie ist nun dieser Unterschied in der lukanischen Darstellung der beiden – in der Realität nahezu gleich langen – Seereisen zu erklären? 2.3.1 Mit der klassischen Itinerarhypothese von M. Dibelius ist das Problem nicht sinnvoll zu lösen. Dibelius postuliert, wie bereits erwähnt, eine einzige durchlaufende Quelle, die der Darstellung aller Paulusreisen von Apg 13–21 zugrunde liegt. Dabei stellt er sich dieses Itinerar vor als ein „Verzeichnis der Stationen, der wichtigen und der unwichtigen, mit Angabe der Gastfreunde, des Missionserfolges und mit anderen kurzen Nachrichten“.14 Damit wird jedoch nicht erklärt, warum, wie gezeigt, zwei nahezu gleich lange Reisen, für die die gleiche Quellenbasis vorhanden sein soll, so völlig unterschiedlich dargestellt werden. Dabei orientiert sich das Bild, das sich Dibelius vom Itinerar macht, ganz überwiegend an Apg 20–21.15 An den Stellen jedoch, an denen die Darstel13 Die Technik, die eintägigen Reiseetappen mit „am folgenden Tag“ o. dgl. anzugeben, hat zur Folge, daß nach einer mehrtägigen Unterbrechung (Troas Alexandria, Milet, Tyros) jeweils erst die übernächste Etappe so bezeichnet werden kann (20,15a: Milet – Chios; 21,1b: Kos – Rhodos; 21,8a: Ptolemais – Caesarea), – doch wird dadurch auch die jeweils vorangegangene Etappe implizit als eintägige Etappe charakterisiert, nämlich als Etappe des „vorherigen Tages“ (also: 20,14b: Assos – Mitylene; 21,1a: Milet – Kos; 21,7a: Tyros – Ptolemais). 14 DIBELIUS, Aufsätze, 168. 15 Hier findet Dibelius die schlagendsten Beispiele von „für die Missionsgeschichte und die Biographie des Paulus völlig unwichtige“ Nachrichten (DIBELIUS, Aufsätze, 167), nämlich den Fußmarsch des Paulus von Troas nach Assos (erwähnt DIBELIUS, Aufsätze, 110.167) und die Unterkunft beim „alten Jünger Mnason“ (erwähnt DIBELIUS, Aufsätze, 167). Nachrichten über
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lung des Lukas diesem Bild nicht entspricht, muß Dibelius zu der Hilfshypothese greifen, daß Lukas gekürzt habe.16 Doch ist nicht erkennbar, warum Lukas an der hier diskutierten Stelle, nämlich der Seereise von Apg 18,18–22a, das vermeintliche Itinerar derartig radikal zusammengestrichen haben sollte.17 2.3.2 Das umgekehrte Problem besteht bei der Analyse von H. Conzelmann: Für ihn ist das vermeintliche Itinerar viel zu ungleichmäßig, als daß es als Quelle in Betracht kommt; er geht vielmehr davon aus, daß „umgekehrt der Verfasser die Routen aus einzelnen Angaben zu einem Ganzen gestaltete. Daß er dabei auch gleichgültige Zwischenstationen einfügte, kann rein literarisch erklärt werden“.18 Das ist grundsätzlich richtig,19 erklärt aber nicht, warum der Vf. der Apg, wenn er denn für alle Reisedarstellungen seines Buches gleichermaßen verantwortlich ist, derart unterschiedlich gearbeitet haben soll. Zu Apg 20–21 erklärt Conzelmann zusätzlich: Lukas verfolgt „die Spuren des Paulus“.20 Auch das ist sicher richtig – aber wiederum stellt sich die Frage: Warum tut Lukas das nur in Kap. 20 und 21, und nicht auch genauso in Kap. 18? 2.4 Der auffällige Unterschied in der Darstellung der Reise von Apg 20,5–21,8 gegenüber der Darstellung früherer Seereisen, besonders der von Apg 18,18–22a, ist also nicht auf Lukas selbst zurückzuführen, kann aber genauso wenig im Rahmen einer umfassenderen vorlukanischen Quelle erklärt werden. Doch ist damit die Quellenfrage noch keineswegs erledigt. Vielmehr besteht die sehr naheliegende Alternative, daß hier ein auf Apg 20–21 begrenztes Quellenstück sichtbar wird. Dabei ist davon auszugehen, daß die hier zur Debatte stehende vorlukanische Überlieferung nicht auf 20,5–21,8 einzugrenzen ist, sondern daß dieser Überlieferung auch Gastfreunde (für Dibelius ein charakteristisches Moment des Itinerars) finden sich innerhalb von Apg 15–21 ohnehin nur in 21,8b (Caesarea: Philippus) und 21,16b (Jerusalem: Mnason). Wenn DIBELIUS, Aufsätze, 167, behauptet, die Kennzeichen des Itinerars fänden sich innerhalb und außerhalb der „Wir“-Abschnitte in gleicher Häufigkeit, so ist dies nicht zutreffend. 16 Kürzungen des Itinerars nimmt Dibelius vor allem für Apg 16,6–8 und z.T. auch für 20,1–3 an (vgl. DIBELIUS, Aufsätze, 71.170 und 12.113–114.128–129.169). 17 Dibelius äußert sich auch nicht zu Apg 18,18–22a (s. das Register in DIBELIUS, Aufsätze, 185). 18 CONZELMANN, Apostelgeschichte, 6 (mit Verweis auf Xenophon von Ephesus I 11–12). 19 Doch ist der Verweis auf Xenophon von Ephesus I 11–12 bei Conzelmann (s. die vorige Anm.) nicht unproblematisch. Xenophon schildert am Beginn der verwickelten Romanhandlung eine Fahrt der beiden Hauptpersonen von Samos nach Rhodos. Es ist eine Schlüsselszene des Romans, in der sich das frisch vermählte Paar unverbrüchliche Treue schwört. Die Fahrt (bei „günstigem Wind“ [12,3]) führt vorbei an Kos und Knidos nach Rhodos. Hier findet während der Seereise ein erzählerisch notwendiger Vorgang statt, und die Erwähnung von Kos und Knidos hat die Funktion, Fortgang und Schnelligkeit der Reise erzählerisch darzustellen. In Apg 20,5–21,1 findet dagegen während der Seereisen gerade nichts statt. 20 CONZELMANN, Apostelgeschichte, 129.
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21,9–17 zugerechnet werden kann.21 Auch ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß es sich bei dem vorlukanischen Stück 20,5–21,17 nicht um eine vollständig erhaltene Quelle, sondern nur einen Ausschnitt aus einer größeren, nicht mehr vollständig erhaltenen Quelle, also um ein Quellenstück handelt.
2.4.1 Für die Rückführung von Apg 20,5–21,17 auf eine vorlukanische Quelle spricht, daß sich dieser Textteil literarisch scharf von seinem Kontext abhebt, und zwar (a) durch die Besonderheit der Reisedarstellung, die in der außergewöhnlichen Präzision der Angaben über Reisestationen, Reisedauer und Reiseumstände besteht; und (b) durch den nach der Nennung der Reiseteilnehmer sofort mit 20,5 einsetzenden „Wir“-Stil, der das gesamte Quellenstück umfaßt und mit 21,18 endet. 2.4.2 Nicht zu der hier vorauszusetzenden Quelle zu rechnen sind mögliche lukanische Einschübe, allen voran die Rede des Paulus in Milet (Apg 20,18–35). Umgekehrt sind zur Quelle hinzuzurechnen: (a) die Namensliste von Apg 20,4. Diese Liste von insgesamt sieben namentlich genannten Reisebegleitern des Paulus, die aus mindestens drei verschiedenen Orten stammen (Beroia, Thessaloniki und der „Asia“),22 ist nicht von Lukas fingiert.23 Nur zwei der sieben Namen sind schon zuvor in der Apg genannt (Timotheos, der ab 16,1–3 Begleiter des Paulus ist, und Aristarchos, vgl. 19,29). Die übrigen Namen begegnen hier zum ersten Mal; 21 Die bisher vorgenommene Begrenzung auf Apg 20,5–21,8 erfolgte, um die beiden Seereisen von Apg 18 und 20–21 direkt miteinander vergleichen zu können. Der Textbefund von Apg 21 gibt jedoch keinerlei Anlaß, zwischen 21,8 und 21,9–14 eine Trennung vorzunehmen. Im Gegenteil: 21,9–14 gehört noch zum Caesareabesuch und führt zugleich direkt über zur nächsten Reisestation, Jerusalem, die mit 21,15–17 erreicht ist und offensichtlich das eigentliche Reiseziel darstellt. Auch in der Darstellungsweise ist zwischen 21,1–8 einerseits und 21,9–17 andererseits kein Wechsel oder gar Bruch erkennbar. Zur zusätzlichen Einbeziehung von 21,4 (Reiseteilnehmer) und 21,18(–26? – Jerusalembesuch) in das vorlukanische Quellenstück s. gleich im Text. 22 Nicht mehr klar zu beurteilen ist die Herkunftsbezeichnung des an vierter Stelle genannten Ga,io? j Derbai/oj. Sie ist in jedem Falle schwierig, da die Gemeindegründung von Derbe (Apg 14,6.20–21) noch vor der selbständigen Missionstätigkeit des Paulus lag und der Ort auch geographisch vom Ausgangspunkt der Reise in Philippi ausgesprochen weit entfernt ist. Es ist in der Tat verlockend, diesen Gaios mit dem 19,29 genannten „Makedonier“ Ga,io? j zu identifizieren (zumal er jeweils gleichzeitig mit Aristarchos genannt wird!) und mit R. PESCH, Die Apostelgeschichte, Bd. 2. Apg 13–28, EKK V/2, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1986, 185–186, anzunehmen, die irrtümliche Herkunftsbezeichnung gehe auf Lukas zurück, der dann die Herkunft aus dem nordmakedonischen Do,bhroj an das ihm von Apg 14,6.20–21 her bekannte Derbe angeglichen hätte; vgl. auch die Lesart von D (gig); vgl. auch C.-J. THORNTON, Der Zeuge des Zeugen. Lukas als Historiker der Paulusreisen, WUNT 56, Tübingen 1991, 256. Doberos liegt übrigens nicht südwestlich von Philippi (so PESCH, Apostelgeschichte, Bd. 2, 185), sondern ist im oberen Tal der Strumica (bzw. Strumesnica), einem westlichen Nebenfluß des Strymon/Struma, zu suchen, also rund 120–140 km (Luftlinie) westnordwestlich von Philippi im Südosten der heutigen Republik Mazedonien; die Existenz von Doberos ist für das 1.-3. Jahrhundert zwar selten, aber einwandfrei bezeugt, und es war offenbar nie eine besonders bedeutende Stadt; vgl. F. PAPAZOGLOU, Les Villes de Macédoine à l’Époque Romaine, BCH Suppl. 16, Athen 1988, 328–333. 23 So übrigens auch CONZELMANN, Apostelgeschichte, 124.
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und obwohl eine derartig umfangreiche „Reisebegleitung“ des Paulus in der Apg völlig analogielos ist, kann Lukas keinen Grund für deren Anwesenheit nennen – und erst recht nicht für ihre Herkunft aus mindestens drei verschiedenen Gemeinden! Daß diese Liste dennoch von Lukas weitergegeben wird, ist am ehesten damit zu erklären, daß sie ihm bereits als Teil der Quelle vorgegeben war, die der Darstellung der Reise von 20,5–21,17 zugrunde liegt; (b) hinzuzurechnen ist vermutlich auch Apg 21,18, das Zusammentreffen des Paulus und seiner Begleiter mit Jakobus und den Jerusalemer Presbytern. Die Tatsache, daß das für das Quellenstück charakteristische „Wir“ auch noch in 21,18 erscheint, deutet jedenfalls stark darauf hin. Das in diesem Umfang erkennbare Quellenstück hat also eine Reise von insgesamt acht Personen von Philippi über insgesamt zwölf Stationen bis nach Jerusalem zum Gegenstand, wobei die Gruppe neben Paulus aus einem seiner persönlichen Mitarbeiter (Timotheos) und sechs weiteren Personen aus mindestens drei verschiedenen Gemeinden bestand. 2.4.3 Für die historische Rekonstruktion der in diesem Quellenstück geschilderten Reise (und für die Klärung von Herkunft und Abfassungszweck der Quelle) ist von diesem Befund auszugehen und zu fragen, wo dieser sich in die uns bekannten Daten des Wirkens des Paulus einordnen läßt. Historisch gibt es für eine solche Reise des Paulus, die die Gemeindegründungen in Makedonien und der Asia voraussetzt, nur einen einzigen möglichen Ort, nämlich dort, wo Lukas sie selbst auch einordnet: am Ende der Wirksamkeit des Paulus im östlichen Mittelmeerraum. Dabei handelt es sich um dasjenige Unternehmen, das ihn am Ende seiner Tätigkeit in Ephesus (vgl. 1Kor 16,1–9) und im Anschluß daran (vgl. 2Kor 8–9) besonders in Anspruch genommen hat – die Überbringung der Kollekte der Gemeinden seines Missionsgebiets nach Jerusalem (vgl. Gal 2,10 – und als letzte Äußerung des Paulus Röm 15,30–32).24 Auf diese Weise wäre auch sofort geklärt, warum Paulus nicht nur mit einem seiner Mitarbeiter unterwegs ist, sondern sechs weitere Mitglieder aus mindestens drei verschiedenen Gemeinden an der Reise teilnehmen. Es handelt sich jeweils um Gemeindedelegierte, die den Auftrag haben, die Spenden ihrer Gemeinden zu überbringen.25 24
Zur Geschichte der Kollekte vgl. D. GEORGI, Der Armen zu gedenken: Die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem, Neukirchen-Vluyn 21994, 87–89; W.-H. OLLROG, Paulus und seine Mitarbeiter, WMANT 50, Neukirchen-Vluyn 1979, 52–58; H.-D. BETZ, 2. Korinther 8 und 9: Ein Kommentar zu zwei Verwaltungsbriefen des Apostels Paulus, Gütersloh 1993 (engl. Original 1985), 101; J. BECKER, Paulus. Der Apostel der Völker, UTB 2014, Tübingen 41998, 479–480. 25 1Kor 16,3 zeigt, daß die Überbringung der Kollekte von vornherein durch Abgesandte der Gemeinden erfolgen sollte. Lediglich die eigene Teilnahme läßt Paulus in 1Kor 16,4 noch offen; anders dann der (allerdings nicht realisierte) Reiseplan von 2Kor 1,15–16.
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Die Formulierung von Apg 20,5 („Diese aber gingen voraus und warteten auf uns in Troas“) im Anschluß an die Liste von 20,4 hat zu der Vermutung Anlaß gegeben, neben den sieben Teilnehmern von 20,4 seien die „Wir“ ein weiterer Teil der (insgesamt dann deutlich größeren) Kollektendelegation.26 Zu dem „Wir“ könnten dann Delegierte aus Korinth und Philippi, deren Teilnahme dann als wahrscheinlich vorausgesetzt wird, gehört haben27 – sowie der Verfasser des Rechenschaftsberichts, der dann einer der nicht genannten Delegierten gewesen wäre.28 Nun ist jedoch (a) die Ausdrucksweise des Lukas in 20,5 nicht eindeutig; es ist keineswegs zwingend, 20,5 auf alle in 20,4 genannten Personen zu beziehen; ein Bezug lediglich auf die beiden zuletzt genannten „Asianer“ Tychikos und Trophimus ist ebenso möglich;29 (b) ohnehin ist zwischen der Quelle und deren Wiedergabe durch Lukas zu unterscheiden, so daß selbst bei einer eindeutigen Unterscheidung zwischen der Delegation von Apg 20,4 und der „Wir“-Gruppe auf der Textebene des Lukas dies für die Quelle immer noch offen ist. Postuliert man auch für die Quelle eine derartige Unterscheidung, müßte man annehmen, daß der Verfasser sich selbst und seine Teilgruppe, der er angehörte, bewußt ausgelassen hat. Doch ist ein Grund dafür (zumal in einem offiziellen Bericht!) nicht zu erkennen.30 (c) Schließlich ist die Annahme, der Delegation müßten auch Vertreter der Gemeinden von Korinth und Philippi angehört haben, ein durchaus anfechtbares Postulat. Daß eine Beteiligung von Korinth sicher im Sinne des Paulus gewesen wäre, ist zwar zutreffend, besagt aber nichts über die historische Realität, die im Falle von Korinth notorisch kompliziert war.31 Dagegen kann es für die Gemeinde in Philippi ganz andere Gründe gegeben haben, auf die Entsendung von eigenen Delegierten zu verzichten: Wenn es eine Gemeinde gibt, von der man annehmen kann, daß sie ihr Geld direkt Paulus (und Timotheos) anvertraute, dann 26
So OLLROG, Mitarbeiter, 57 Anm. 261. Mit einer größeren Kollektendelegation rechnen auch GEORGI, Kollekte, 87–88; J. ROLOFF, Die Apostelgeschichte, NTD 5, Göttingen 1981, 295 (Lukas habe die Delegierten aus Korinth und Philippi gestrichen – warum eigentlich?), und THORNTON, Zeuge, 261.306–307, der allerdings andere „Ergänzungen“ bietet: (a) Titus und (b) die beiden „Gemeindeapostel“ von 2Kor 8,18–23. 28 Für OLLROG, Mitarbeiter, 57, gehört der Verfasser als Teil der „Wir“-Gruppe zu den Delegierten aus Korinth oder Philippi, für THORNTON, Zeuge, 305–313, ist es einer der „Gemeindeapostel“ von 2Kor 8,18–23 – und d.h. für Thornton: es ist Lukas! Vgl. auch THORNTON, Zeuge, 347–351.364–365. 29 So auch K. LAKE/H.J. CADBURY, The Beginnings of Christianity. Part I: The Acts of the Apostles. Vol. IV: English Translation and Commentary, Grand Rapids 1932, 253; E. HAENCHEN, Die Apostelgeschichte, KEK III, Göttingen 71977, 557–558; CONZELMANN, Apostelgeschichte, 124; vgl. auch ROLOFF, Apostelgeschichte, 296. 30 Eine Begründung fehlt auch durchweg. Als Scheinbegründung erweist sich der Erklärungsversuch von THORNTON, Zeuge, 306: „Wenn die hypothetische Wir-Quelle den Namen des Titus nicht nannte, so kann es dafür nach meiner Einschätzung nur eine sinnvolle Erklärung geben, nämlich die, daß Titus in den ‚Wir‘ mit eingeschlossen ist.“ Nur: warum sämtliche Mitglieder der „Wir“-Gruppe in der Namensliste fehlen sollen, bleibt immer noch ohne Begründung. 31 Die ursprüngliche Planung, von Korinth aus nach Jerusalem zu reisen (2Kor 1,15–16; Apg 20,2–3) impliziert natürlich (insbesondere auf dem Hintergrund von 2Kor 8 und 9), daß auch Korinth (und Achaia) an der Überbringung der Kollekte beteiligt sein sollten. Doch kennen wir die Hintergründe für die Wahl von Philippi anstelle von Korinth als Abfahrtsort höchstens teilweise. Möglicherweise gab es noch weitere Gründe als den in Apg 20,3 genannten. Erst recht wissen wir nicht, welche Reaktionen die Änderungen des Reiseplans in Korinth hervorgerufen haben. 27
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diese Gemeinde, die ja in einem einmaligen Vertrauensverhältnis (gerade auch in finanziellen Dingen!) zu ihrem Apostel stand (vgl. Phil 4,14–19).32
Da es gegen die historische Zuordnung der im Quellenstück von Apg 20,4– 21,18 geschilderten Reise zur Überbringung der Jerusalemkollekte keine ernsthaften Gegengründe und schon gar nicht eine diskutable Alternative gibt, kann jetzt umgekehrt auf dieser Grundlage die weitere Klärung der Quellenfrage erfolgen. Vor allem ist zu fragen: Welche sinnvollen Annahmen sind über die Person des Verfassers, den Abfassungszweck und Gesamtumfang der in 20,5–21,18 verarbeiteten Quelle möglich? 2.4.4 Als Verfasser der Quelle ist einer der insgesamt acht Reiseteilnehmer vorauszusetzen. Das liegt ohnehin nahe, und aufgrund der Verwendung der 1. Person Plural ist auch kaum eine andere Annahme möglich. Dabei kommt faktisch nur einer der makedonischen Gemeindedelegierten als Verfasser in Betracht. Die beiden Delegierten der „Asia“, Tychikos und Trophimos, scheiden aus, da sie nach 20,4–5 nicht zur „Wir“-Gruppe gehören; dies gilt übrigens nach 20,13–14 auch für Paulus. Ebenso kann Timotheos als Verfasser ausgeschlossen werden. Andernfalls muß man sofort erklären, warum diese vermeintliche Timotheosquelle erst hier einsetzt, obwohl Timotheos bereits ab Apg 16,1–3 als Begleiter und Mitarbeiter des Paulus aktiv ist.
Wenn der Verfasser zu dem Kreis derjenigen Reiseteilnehmer gehörte, deren Aufgabe es ganz offensichtlich war, die Kollektenbeträge der jeweiligen Gemeinde an die Empfänger in Jerusalem zu überbringen, dann liegt die Schlußfolgerung nahe, daß der Abfassungszweck der Quelle genau mit dieser Aufgabenstellung der Reiseteilnehmer in Zusammenhang steht, d.h. daß hier ein Stück einer Quelle sichtbar wird, die dazu diente, nach der Rückkehr vor den einzelnen Gemeinden Rechenschaft über die Durchführung der Kollektenaktion zu geben.33 Angesichts der offenbar nicht unbeträchtlichen Geldsummen, die hier zu verwalten und zu überbringen waren, war es durchaus angebracht, formell Rechenschaft zu geben.34 32 Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Entsendung von Delegierten mit nicht unerheblichen Zusatzkosten verbunden war. 33 So schon OLLROG, Mitarbeiter, 56–57; ROLOFF, Apostelgeschichte, 294–295, und THORNTON, Zeuge, 305–313. OLLROG liefert (auf begrenztem Raum) eine recht klare Analyse. Roloffs Ausführungen sind dagegen nicht ganz eindeutig. Er spricht einerseits von einem „Reisebericht“, „der den Weg des Paulus und seiner Begleiter von Ephesus (!) bis nach Jerusalem nachzeichnet“, gleichzeitig charakterisiert er diesen Bericht als „offizielles Protokoll über die Kollektenreise“ (ROLOFF, Apostelgeschichte, 294). Doch ist Paulus in 20,1 gerade nicht von Mitarbeitern begleitet, und von einer „Kollektendelegation“ (ROLOFF, Apostelgeschichte, 10) kann erst ab 20,5 die Rede sein; d.h. der Beginn eines „Rechenschaftsberichts der Kollektendelegation“ in Ephesus ist nicht begründbar. Zu Thornton s.u. Anm. 46. 34 Die Bemerkung des Paulus in 2Kor 8,20–21 zeigt die Probleme und Verdächtigungen, denen sich Paulus bei der Vorbereitung der Kollekte ausgesetzt sah; charakteristisch ist, daß Paulus die
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Dabei entspricht es durchaus den Gepflogenheiten der Zeit, einen solchen Rechenschaftsbericht auch schriftlich niederzulegen.35 Da dieser Bericht der Rechenschaft einer Gruppe von mehreren Personen diente, ist die Abfassung im „Wir“-Stil nicht überraschend, sondern völlig sachgemäß und auch selbstverständlich. Damit ist auch ein wesentlich sinnvollerer Grund für die Abfassung der hier vorliegenden Quelle angegeben als die durchweg nur vagen Vermutungen, die für die Annahme eines Itinerars vorgebracht werden können. M. Dibelius meinte ja, daß das von ihm vorausgesetzte Itinerar dazu gedient habe, „um bei einer Wiederholung der Reise die Wege und die alten Gastfreunde wiederzufinden“.36 Doch ist eine derartige Annahme ganz unwahrscheinlich. Denn für wen sollte Paulus solche Notizen während seiner Reisen anfertigen lassen? Für sich selbst? Wenn er einmal in Troas in ein Schiff gestiegen war, um nach Neapolis zu fahren, und dann festgestellt hatte, daß man anschließend von dort direkt nach Philippi gelangen kann, dann brauchte er sich das nicht aufzuschreiben und in sein Privatarchiv aufzunehmen, um dann beim nächsten Mal, wenn er wieder in Troas am Hafen stand, nachzusehen, wie es jetzt wohl weitergeht. Und wie die Vermittlung von Gastfreunden in der Realität abläuft, zeigt sehr plastisch Apg 21,16: Nicht durch Aktennotizen, sondern durch persönliche Empfehlung und (falls nötig) auch durch direktes Geleit gelangt man zur nächsten Unterkunft, in diesem Falle zum „alten Jünger“ Mnason. Für die Missionsarbeit des Paulus ist die Abfassung eines Itinerars also eine ganz überflüssige Angelegenheit; und ein Reisehandbuch für Dritte dürfte ja erst recht eine unwahrscheinliche Annahme sein.
Auch der Umfang der Quelle, die Lukas in Apg 20–21 verarbeitet hat, läßt sich relativ sicher bestimmen. Der Rechenschaftsbericht der Kollektendelegation beginnt in der Tat mit der Abreise der Delegation von Philippi, vorweg steht lediglich die Liste der Reiseteilnehmer, und dann setzt sofort der „Wir“-Stil ein. Die Quelle umfaßt dann die gesamte Seereise bis Ptolemais bzw. Caesarea und den Weg von dort nach Jerusalem, wobei lukanische Einschübe, allen voran die Miletrede (20,18–35), auszugrenzen sind. Sicher verfolgen läßt sich die Quelle nur bis 21,18, der letzten Erwähnung des „Wir“. Natürlich muß der Rechenschaftsbericht der Kollektendelegation neben der Hinreise noch mehr umfaßt haben, nämlich die Überbringung der Bestellung eines „Reisebegleiters“ durch die Gemeinden unmittelbar mit der Abwehr möglicher Verdächtigungen begründet. 35 Zu Berichten nach Dienstreisen römischer Beamter vgl. THORNTON, Zeuge, 291–294. Zwar ist eine solche Praxis nicht automatisch auf die nichtstaatliche Ebene einer frühchristlichen Gemeinde zu übertragen, doch konnte man sich auf kommunaler Ebene und in Vereinen bei Bedarf auch solcher Modelle bedienen. Zur Existenz von Privatarchiven vgl. einerseits das Archiv des Zenon aus dem 3. Jh. v.Chr. (dazu s. H. VOLKMANN, Zenon 1, KP 5, 1975, 1497), andererseits das ebenfalls in Ägypten gefundene Privatarchiv des Theophanes aus dem 4. Jh. n.Chr., auf das Loveday Alexander in einem Referat, vorgetragen im Lk-Seminar der SNTS-Tagung in Strasbourg 1996, hingewiesen hat. 36 DIBELIUS, Aufsätze, 169.
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Kollekte und die Rückreise. Daß Lukas die Rückreise der Delegation fortgelassen hat, ist klar; er verfolgt in der Tat den Weg des Paulus. Die Aufnahme der Delegation in Jerusalem sowie die Übergabe der Kollekte könnte Lukas in Apg 21,19–26 verarbeitet haben. 2.4.5 Die Übergabe der Kollekte ist natürlich ein historisches Rätsel,37 gleich welche Quellentheorie man für Apg 20–21 vertritt.38 Doch bedeutet die Tatsache, daß Lukas das Problem der Übergabe der Kollekte übergeht, nicht, daß auch in der Quelle selbst hierzu gar nichts enthalten war.39 Lukas verschweigt ja ohnehin den Zweck der Reise insgesamt, obwohl er ihn kennt (vgl. 24,17). Als mögliche Gründe für eine Kürzung durch Lukas kommen in Betracht: (1) die Übergabe der Kollekte ist nicht konfliktfrei verlaufen und die Quelle hat dies auch deutlich erkennen lassen, was dem Bild der Apg vom harmonischen Miteinander in der Frühzeit der Kirche nicht entsprach;40 (2) Lukas wollte wegen der finanzpolitischen Problematik (unerlaubte Geldausfuhr aus den betreffenden Provinzen) die Geldübergabe übergehen;41 doch beruht diese Annahme auf unzutreffenden historischen Voraussetzungen;42 (3) die Frage der Kollekte war zur Zeit des Lukas bereits längst Vergangenheit; ihm war an dieser Stelle der Beginn des Martyriums des Paulus wichtiger.43 Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß die in 37
Überwiegend wird mit einer Ablehnung der Kollekte, also mit dem Scheitern der Reise der Kollektendelegation gerechnet, so G. LÜDEMANN, Paulus, der Heidenapostel, Bd. 2: Antipaulinismus im frühen Christentum, FRLANT 130, Göttingen 1983, 94–98; ROLOFF, Apostelgeschichte, 313; PESCH, Apostelgeschichte, Bd. 2, 222; JERVELL, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 1998, 529–530; unentschieden A. WEISER, Die Apostelgeschichte, Bd. 2, Kapitel 13–28, ÖTBK 5/2, Gütersloh/Würzburg 1985, 597; zu Haenchen und Georgi s.u. 38 Sofern man nicht Lukas zum Augenzeugen macht, ist er hier ohnehin von Quellen abhängig. 39 Selbst wenn die Delegierten mit der gesamten Summe wieder abgereist wären, wäre hierüber Rechenschaft erforderlich – ja angesichts der Mühe der paulinischen Gemeinden bei der Vorbereitung der Kollekte sogar dann erst recht! Doch deutet die Annahme der von Paulus bereitgestellten Geldmittel für die Nasiräatsauslösung eher in Richtung einer (natürlich nicht unkomplizierten) Annahme. 40 So HAENCHEN, Apostelgeschichte, 586–588; GEORGI, Geschichte, 88–89. 41 So der mündliche Hinweis von Klaus Haacker/Wuppertal in der Diskussion am 7.8.98 (s.o. Anm. **) mit Verweis auf den aus Cicero, Pro Flaccum 66–69 bekannten Vorfall aus Ephesus. Hier hatte L. Valerius Flaccus als Prokonsul der Provinz Asia (62 v.Chr.) die Weiterleitung der Geldüberweisungen der jüdischen Gemeinden der Provinz Asia an den Tempel nach Jerusalem verhindert. Zur Entlastung des Flaccus verweist Cicero auf den wiederholt bekräftigten Beschluß des Senats gegen die Goldausfuhr (exportari aurum non oportere) – von der allerdings die Zahlungen der jüdischen Gemeinden für den Jerusalemer Tempel ausgenommen waren; vgl. dazu insgesamt E.M. SMALLWOOD, The Jews under Roman Rule from Pompey to Diocletian, SJLA 20, Leiden 1981, 126–127. 42 Der Senatsbeschluß bezog sich nach SMALLWOOD, Jews, 126, nur auf Gold- und Silberausfuhren in fremde Staaten und Gebiete, nicht auf Geldmengenbewegungen innerhalb des römischen Reiches – und zur Zeit der Kollekte für Jerusalem war Palästina längst römische Provinz. 43 So WEISER, Apostelgeschichte, Bd. 2, 597. Doch ist fraglich, ob Lukas eine tatsächlich problemlose Kollektenübergabe (in Analogie zu 11,27–29) wirklich übergangen hätte.
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21,23–24.26 erwähnte Nasiräatsauslösung,44 die Lukas sicher nicht frei fingiert hat, noch zur Quelle gehörte und inhaltlich den ersten Schritt einer möglicherweise komplizierteren und stufenweise erfolgten Übergabe der Kollekte darstellte.45 2.4.6 In diesem Umfang (Angabe der Reiseteilnehmer, listenmäßige Darstellung der Hinreise, Darstellung der Geldübergabe und Beschreibung der Rückreise in Analogie zur Hinreise) ist die Annahme eines Rechenschaftsberichts der Kollektendelegation als Quelle des Lukas sinnvoll – aber nur in diesem Umfang. Rechnet man noch mehr dazu, etwa den „Wir“-Abschnitt aus Apg 16,10–17, der mit der Kollekte überhaupt nichts zu tun hat, kann man nicht mehr von einem Rechenschaftsbericht der Kollektendelegation reden.46 Gleiches gilt erst recht, wenn man diesen Rechenschaftsbericht zum Teil einer Apg 16,10–17; 20,4–21,18 und 27–28 umfassenden „Wir“-Quelle macht.47 Es entfallen bei solchen „Ergänzungen“ zunächst alle Gründe, die für einen Rechenschaftsbericht der Kollektendelegation angeführt werden können. Statt dessen muß man ganz neu für die vermutete „Wir“-Quelle den ursprünglichen Gesamtumfang, den Abfassungszweck und den Verfasser angeben, was trotz intensiver Bemühungen schon früheren Forscherge-
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Zur Darstellung des Nasiräats in Apg 21 vgl. jetzt F.W. HORN, Paulus, das Nasiräat und die Nasiräer, NT 39, 1997, 117–137. 45 Dabei könnte die Finanzierung des Nasiräatsgelübdes einen doppelten Zweck gehabt haben: (a) das notwendige positive Umfeld für die Annahme der Kollekte selbst zu schaffen, und (b) bereits auf diese Weise einen Teil der Kollekte faktisch der Jerusalemer Gemeinde zuzuleiten, die ja ihrerseits dadurch von der Aufgabe enthoben wurde, die Nasiräatskosten selbst zu tragen (freundlicher Hinweis von Michael Wolter/Bonn). 46 Anders THORNTON, Zeuge, 309, der (zunächst scheinbar nur versuchsweise) Apg 16,11–15 dem Rechenschaftsbericht der Kollektendelegation zuweist. Die „Gründe“, die Thornton anführt, sind nicht tragfähig, so die Annahme, es habe „offenbar eine besondere Beziehung zwischen Titus und Troas“ gegeben. Einige Seiten früher (248) war dies lediglich als fragende Erwägung formuliert (und zwar auf sehr vager Grundlage), 60 Seiten später ist es schon „offenbar“. Auf dieser „Grundlage“ zusammen mit weiteren spekulativen Erwägungen über eine Zugehörigkeit des Titus zur Kollektendelegation wird die weitere Hypothese (also eine Hypothese 2. Grades!) über die Zugehörigkeit von Apg 16,11–15 zum Kollektenbericht 20,4–21,18 aufgebaut. Doch braucht Thornton die Anwesenheit des Titus in 16,10–17 und 20,4–21,18 seinerseits als Brücke, um so einen weiteren Paulusbegleiter einzuschleusen, der „neben ihm [d.h. Titus] … gestanden haben [könnte]“ – nämlich Lukas! Vor lauter historischen Spekulationen vergißt Thornton die Frage zu beantworten, welche Funktion Apg 16,10–17 (oder auch nur 16,11–15) als Teil eines Rechenschaftsberichts der Kollektendelegation gehabt haben soll. 47 Die Annahme einer „Wir“-Quelle war vor dem Aufkommen der Itinerarhypothese von Dibelius weit verbreitet, vgl. A. JÜLICHER, Einleitung in das Neue Testament, Tübingen 61913, 405– 407; P. FEINE, Einleitung in das Neue Testament, Leipzig 21918, 69–71; H. WEINEL: R. KNOPF/H. WEINEL/H. LIETZMANN, Einführung in das Neue Testament, Gießen 21923, 132.134–135; jüngst ist die These erneuert worden von S.E. PORTER, The ‘We’Passages, in: D.W.J. Gill/C. Gempf (Hg.), The Book of Acts in Its First Century Setting, Bd. II: The Book of Acts in Its GraecoRoman Setting, Grand Rapids 1994, 545–574.
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nerationen bislang nicht gelungen ist.48 Man kann also nur eines von beiden haben: eine wirklich gut begründbare Quelle, die jedoch in ihrem Umfang begrenzt ist, oder eine vage Theorie, die sich zwar auf einen deutlich größeren Textbereich bezieht, für die jedoch keine überzeugenden Argumente beigebracht werden können. 3.0 Auch bei den Landreisen gibt es innerhalb von Apg 15–21 kraß gegensätzliche Darstellungsweisen. Hier ist besonders auf Apg 16,6–8 einerseits und Apg 16,11–12; 17,1 andererseits hinzuweisen. 3.1 In Apg 16,6–8 wird der Weg des Paulus (und Timotheos) durch Kleinasien dargestellt. Der letzte Ort, der zuvor ausdrücklich genannt wurde, war Lystra (16,1) bzw. die in 16,4 nicht namentlich genannten „Städte“, bei denen auf dem Hintergrund von Apg 13–14 nur Antiochia Pisidia und Ikonion gemeint sein können.49 Endpunkt der Reise ist Troas im äußersten Nordwesten Kleinasiens. Die Entfernung zwischen beiden Punkten ist beträchtlich: Schon die reine Luftlinie beträgt über 550 km (bzw. von Antiochia Pisidia aus 450 km), die reale Wegstrecke ist wesentlich länger (heutige Straßenverbindung: Lystra – Troas: 800 km; Antiochia Pisidia – Troas: 600 km). Für diese nun wirklich lange Reisestrecke mit ausgesprochen schwierigen Straßenverhältnissen50 wird überraschenderweise an keiner Stelle eine Reisestation genannt; vielmehr werden pauschal ganze Landschaften angegeben, die durchquert werden, nämlich Phrygien und Galatien in 16,6a und Mysien in 16,8. Jede weitere Präzisierung fehlt. Statt dessen wird erzählt, was nicht stattfand: Der „Heilige Geist“ ließ weder eine Verkündigung in der Asia zu (16,6b), noch gestattete es „der Geist Jesu“ den Missionaren, nach Bithynien zu gehen (16,7). Es war also weder ein Aus48
Schon bei JÜLICHER, Einleitung, 406–407, zeigen sich die grundsätzlichen Probleme der „Wir“-Quellen-Hypothese: (a) Die Quelle ist unvollständig (vgl. allein die Lücke zwischen Apg 16,17 und 20,5!); d.h. man muß Ergänzungen aus Apg 16–19 vornehmen, hat dann aber sofort eine uneinheitliche Quelle, in der „Wir“ und „Er“ bzw. „Sie“ einander abwechseln, was wiederum erklärt werden müßte; (b) es läßt sich kein Verfasser angeben, der an allen drei Reisen teilgenommen hat. Auch PORTER, ‘We’-Passages, 573, rechnet mit „a continuous, independent source“, äußert sich aber nicht zu deren Umfang, Herkunft oder Verfasser. 49 Vgl. hierzu (zutreffend) THORNTON, Zeuge, 87–88 Anm. 6 und 7. 50 Zur Entwicklung des römischen Straßensystems in Kleinasien vgl. D.H. FRENCH, The Roman Road-System of Asia Minor, ANRW II 7.2, 1980, 698–729, und S. MITCHELL, Anatolia I: Land, Men, and Gods in Asia Minor, Oxford 1993, 124–126. Die Untersuchungen zeigen, daß in republikanischer Zeit nur die Provinz Asia straßenmäßig erschlossen wurde (was nicht überraschend ist) und daß unter Augustus die sog. Via Sebaste, die den Süden der Provinz Galatien erschloß und mit Pamphylien verband, erbaut wurde. Dagegen begann die Anlage des römischen Straßensystems im Innern der Provinz Galatien (mit Ankyra als Mittelpunkt) erst in flavianischer Zeit. Vgl auch die Bemerkung von D. H. FRENCH, Acts and the Roman Roads of Asia Minor, in: Gill/Gempf, Book of Acts, Bd. 2, 49–58: „No Roman road passing westwards through Mysia had yet been discovered but one may reasonably suppose however, that Paul travelled by tracks or paths (!) first in Galatia ...“ (54).
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weichen nach Westen noch nach Norden möglich. Der Leser bekommt auf diese Weise den Eindruck, daß die beiden Missionare von Lystra (bzw. den in 16,4 erwähnten „Städten“) quer durch das Hinterland Kleinasiens vom Geist ohne jede weitere Verzögerung oder längeren Aufenthalt direkt nach Troas dirigiert werden. 3.2 Mit Troas, dem Endpunkt der Reise quer durch Kleinasien, ändert sich die Darstellungsweise schlagartig. Für die relativ kurze Seereise von Troas nach Neapolis (heute: Kavalla) wird in Apg 16,11 sogar ausdrücklich eine Zwischenstation genannt (Samothrake). Außerdem wird die Reisedauer vermerkt, obwohl es gerade mal zwei Tage sind. Ebenso wird dann für die Reise von Philippi nach Thessaloniki in Apg 17,1 die Strecke sehr genau angegeben, indem Amphipolis und Apollonia als Zwischenstationen genannt werden. Das ist gerade im Vergleich zu der in 16,6–8 ganz summarisch abgehandelten Reise quer durch Kleinasien wirklich erstaunlich. Für eine Strecke von mindestens 600 km durch ausgesprochen schwieriges Gelände, in dem es auch verschiedene Reisewege (mit jeweils eigenen Schwierigkeiten) gab, erfolgt keine einzige Angabe über Reisewege oder Zwischenstationen, für die Strecke von Philippi nach Thessaloniki, insgesamt gerade 160 km, wo es schlechterdings auch nur eine einzige Straßenverbindung gab, die allseits bekannte und gut ausgebaute Via Egnatia,51 da ausgerechnet werden gleich zwei Zwischenstationen erwähnt. Für ein Itinerar im Sinne von M. Dibelius wäre eigentlich genau das Umgekehrte zu erwarten: nämlich daß die unbekannte, schwierige Reiseroute genauer beschrieben wird, die allgemein bekannte dagegen nicht. 3.2.1 M. Dibelius muß daher auch hier zu einer Hilfshypothese greifen: Lukas habe in Apg 16,6–8 die Zwischenstationen gestrichen, um das dreimalige göttliche Eingreifen darzustellen, das zur Mission des Paulus in Europa geführt habe.52 Das ist als Beschreibung der Zielsetzung des Lukas insgesamt sicher richtig. Doch ist damit nicht erklärt, warum Lukas sämtliche(!) Zwischenstationen des Itinerars gestrichen haben soll, wenn ihm denn eine Quelle in Analogie zu Apg 20–21 zur Verfügung stand. Auch mit Hilfe einiger Zwischenstationen hätte sich die Länge der Reise und die Lenkung durch den Geist gut darstellen lassen. Hinzu kommt, daß auch die zweite Reise des Paulus durch das Innere Kleinasiens, die Lukas schildert, nämlich die von Apg 18,23; 19,1, mindestens genauso schematisch dargestellt wird. Diese Reise führt in den gleichen Bereich, der schon in Apg 16,6 genannt worden war, nämlich Galatien und Phrygien, diesmal direkt von Antiochia aus – und es fehlen wiederum alle Zwischenstationen. Im Falle von Apg 18,23 ist das Fehlen sämtlicher konkreter Reiseangaben noch 51 52
Vgl. G. RADKE, Viae publicae Romanae, PRE Suppl. 13, 1973, 1417–1686, dort 1666–1667. DIBELIUS, Aufsätze, 113–114; 128–129.
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weniger als redaktionelle Kürzung durch Lukas erklärbar als in Apg 16,6– 8.53 3.3 Man wird daher beide Reisedarstellungen durch Kleinasien, die von Apg 16,6–8 und die von 18,23; 19,1 als rein lukanische Gestaltungen zu beurteilen haben. Dabei hat Lukas diese Reisen natürlich nicht voraussetzungslos erfunden. Auch der historische Paulus hat zu einem bestimmten Zeitpunkt Antiochia verlassen und einige Zeit danach in Philippi seine selbständige Missionsarbeit begonnen. Paulus hat auch den Weg zwischen beiden Orten tatsächlich zurückgelegt. Das ist gar nicht zu bestreiten. Zu bestreiten ist jedoch, daß Lukas für die Darstellung dieses Weges ein Itinerar zur Verfügung hatte, das er einerseits benutzte, gleichzeitig aber so radikal gekürzt hat, daß es faktisch nicht mehr zu erkennen ist. Vielmehr hat Lukas in beiden Fällen den Weg des Paulus geschildert, so gut er konnte, d.h. aus den ihm zur Verfügung stehenden Rahmendaten erschlossen. Dabei ist als geographisches Wissen lediglich vorauszusetzen, daß für Lukas (und für seine Leser) die Landschaften Asia, Mysien und Bithynien jeweils am Meer liegen, und zwar Asia im Westen, Mysien im Nordwesten und Bithynien im Norden (so wie Kilikien und Pamphylien an der Südküste, vgl. Apg 27,5), sodann daß man von Antiochia am Orontes erst Syrien und Kilikien durchqueren mußte, um in die (lykaonischen) Städte Derbe und Lystra zu gelangen – und daß man erst nach Verlassen dieser „Städte“ insgesamt (vgl. 16,4) nach Phrygien und Galatien kommt. Für das phrygische und galatische „Gebiet“, wie Lukas sich ausdrückt, ist lediglich deutlich, daß beide geographischen Bereiche im Hinterland der Küstenprovinzen liegen54 und daß man diese Gebiete durchqueren muß, wenn man von Lykaonien bzw. Pisidien nach Mysien gelangen will.55 3.3.1 Dabei hat der Leser, der lediglich Apg 16,6–8 liest, keineswegs den Eindruck, von dem immer wieder in der Sekundärliteratur die Rede ist, daß es nämlich auf dieser Reise des Paulus in Kleinasien ein riesiges Hin und Her gegeben habe56 oder daß Paulus einen großen und unerklärlichen Um53 Für Apg 18,22–23 läßt DIBELIUS, Aufsätze, 12 (also in einer sehr frühen Äußerung), die Möglichkeit offen, ob hier „die Stationsangaben nicht vorhanden (waren) … oder Lukas … gekürzt (hat)“. Später kommt Dibelius nie wieder auf Apg 18,22–23 zurück. 54 Und zwar wohl noch weiter landeinwärts als Pisidien (vgl. Apg 14,24) und Lykaonien (14,6). 55 Für Lukas gelangt man in der Tat erst dann in das „phrygische und galatische Gebiet“, wenn man Ikonion und Antiochia Pisidia verlassen hat; so (zutreffend) THORNTON, Zeuge, 85f Anm. 4, 88 in Kritik an HEMER, Book of Acts, 280–284; 294, der zudem einen nicht belegten Begriff „Phrygia Galatica“ (in Analogie zu „Pontus Galaticus“) postuliert; Hemers These scheitert außerdem daran, daß in 18,23 das Nebeneinander von Galatikh. cw,ra und Frugi,a nicht zu bestreiten ist. Hemers These wird gleichwohl übernommen von R. RIESNER, Die Frühzeit des Apostels Paulus, WUNT 71, Tübingen 1994, 253–254. 56 So DIBELIUS, Aufsätze, 113; vgl. G. LÜDEMANN, Das frühe Christentum nach den Traditionen der Apostelgeschichte, Göttingen 1987, 184, der von einem „Zick-Zack-Kurs“ des Paulus
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weg57 gemacht habe. Diesen Eindruck bekommt man erst, wenn man Zusatzinformationen in den Text einträgt, indem man einen Bibelatlas aufschlägt, die Lage der einzelnen geographischen Bereiche kritisch überprüft und dann versucht, die lukanische Reiseroute als reale Reiseroute auf der Landkarte wiederzufinden. Dieser Versuch muß scheitern,58 weil gar nicht vorauszusetzen ist, daß Lukas und seine Leser dieses genaue Wissen über das Innere Kleinasiens besaßen, das wir ihnen immer ganz selbstverständlich unterstellen.59 3.4 Im Unterschied zu dieser ganz summarisch dargestellten Reise von Apg 16,6–8 quer durch Kleinasien bietet Lukas in Apg 16,11–12 und 17,1 plötzlich eine sehr detailreiche Schilderung des Reiseverlaufs. Doch ist diese sehr genaue Reisebeschreibung genauso wenig wie die grobflächige Reiseschilderung unmittelbar zuvor auf eine Quelle zurückzuführen. Was hier vorliegt, ist eine bewußt eingesetzte narrative Dehnung der Darstellung, durch die Lukas die Bedeutung des Übergangs der christlichen Verkündigung nach Europa massiv hervorhebt. Dem dienen neben den Stationsangaben von 16,11–12 und 17,1 (1) die Vision des Paulus in Troas, die die Überfahrt nach Makedonien überhaupt erst in Gang setzt (16,10), und (2) die in der Apg einmalige Erwähnung des politischen Status und der verwaltungsmäßigen Zugehörigkeit Philippis im Rahmen der Provinzverwaltung Makedoniens: Philippi wird als kolwni,a und als „Stadt im ersten Bezirk Makedoniens“ bezeichnet (16,12).60 Mit der Vision von 16,10 setzt spricht; ebenso jetzt R. JEWETT, Mapping the Route of Paul’s ’Second Missionary Journey’ from Dorylaeum to Troas, TynB 48, 1997, 1–22, der auf „fluctuating travel plans“ schließt. 57 Manche Ausleger verlegen „das galatische Gebiet“ teilweise oder völlig in die Provinz Asia, um so den großen Umweg nach Nordosten (für den auch historisch kein Grund erkennbar ist) zu vermeiden, so K. LAKE, Paul’s Route in Asia Minor, in: K. Lake/H.J. Cadbury (Hg.), The Beginnings of Christianity. Part I: The Acts of the Apostles. Vol. V: Additional Notes to the Commentary, Grand Rapids 1932, 224–240, dort 236. Doch ist eine Landschaftsbezeichnung „Galatia“ für den Nordosten der Provinz Asia nicht belegt und siedlungsgeographisch entbehrt eine solche Annahme jeder Grundlage, vgl. MITCHELL, Anatolia II, 51–58. 58 Den neuesten Versuch bietet JEWETT, Mapping, 1–22; er identifiziert das „galatische Gebiet“ mit den nordgalatischen Städten, also Psessinus und Ankyra, und diskutiert dann ausführlich die Frage, welche Straßenverbindungen von dort über Dorylaion nach Troas bestanden. Die viel elementarere Frage, ob der Text des Lukas, der keinerlei Reisestationen enthält, überhaupt in diesem Sinne auswertbar ist, wird überhaupt nicht gestellt. Wie wenig der Text der Apg ernst genommen wird, ergibt sich auch daraus, daß für Galatien ganz selbstverständlich mit Gemeindegründungen durch Paulus gerechnet wird (5), für Mysien dagegen nicht (6) – ohne diese unterschiedliche Auswertung des Textes zu begründen. 59 Vgl. die abgewogene Analyse von P. PILHOFER, Luke’s Knowledge of Pisidian Antioch, in: T. Drew-Bear/M. Taşlialan/C.M. Thomas (Hg.), First International Congress on Pisidian Antioch, Izmir 1999, 69–76, der bereits für das noch im Süden der Provinz Galatien gelegene Antiochia Pisidia zu dem Ergebnis gelangt, daß Lukas in Apg 13 keine eigenen Kenntnisse verarbeitet. 60 Dazu vgl. P. PILHOFER, Philippi. Bd. I: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995, 159–165. THORNTON, Zeuge, 304, meint, die geographische Erläuterung in Apg 16,12 passe gut zu einem Reisebericht und die Annahme, „Lukas habe den Satz (d.h. 16,12) in
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Lukas seine Interpretationslinie von 16,6–8 fort, Paulus durch das Eingreifen des Geistes in sein neues Wirkungsfeld zu dirigieren, und mit der ausführlichen Beschreibung des Status von Philippi steigert er die Bedeutung des ersten Missionsortes in Europa61 beträchtlich. Die Kenntnis für solch detailreiche Darstellung war (anders als für das Innere Kleinasiens) nicht schwer zu bekommen. Der geographische Horizont des Lukas ist ohnehin die Ägäis und das östliche Mittelmeer.62 Hier kennt Lukas sich aus. Hier kann er Hafenorte wie Kenchreai nennen (18,18), hier weiß er, daß Beroia (damals jedenfalls) nahe am Meer lag (17,14), und er weiß auch, an welcher Stelle er in die Stationenliste von Apg 20–21 ein Zusammentreffen mit den Presbytern aus Ephesus einfügen kann, obwohl Ephesus selbst in der Stationsliste nicht vorkommt, nämlich bei der Station Milet in 20,16–17. Genauso bekannt war ein Ort wie (Alexandria) Troas als Übergangspunkt zwischen den Provinzen Asia und Makedonien. Bekannt war aber für einen Bewohner einer größeren Polis im Bereich der Ägäis genauso die Via Egnatia,63 die wichtigste überregionale, bereits in republikanischer Zeit errichtete Straßenverbindung im griechischen Raum überhaupt, so daß man auch hierfür kein Stationenverzeichnis eines Paulusbegleiters brauchte.
3.5 Durch den wiederholten Hinweis auf die Rolle des Geistes als den eigentlichen Urheber des Geschehens in Apg 16,6–10 und durch den gezielten Einsatz geographischer Angaben in 16,11–12; 17,1 hebt Lukas die Bedeutung des Übergangs nach Europa deutlich hervor und interpretiert ihn zugleich in ganz bestimmter Weise: Genauso wie der erste Schritt zur Heidenmission, die Taufe des römischen Hauptmanns Cornelius durch Petrus (Apg 10), nicht auf menschliche Eigenmächtigkeit zurückging, sondern Petrus durch mehrfaches Eingreifen des Geistes überhaupt erst zu Cornelius dirigiert werden mußte, so geht es auch auf den Geist zurück, daß der Beginn der selbständigen Mission des Paulus zugleich den Übergang in ein seine Quelle eingetragen, ist darum (!) recht unwahrscheinlich“. Das setzt nicht nur den Nachweis einer „Quelle“ unabhängig von 16,12 voraus. Es müßte auch zusätzlich erklärt werden, warum hier eine derartige Erläuterung erfolgt, die auch in den gesamten „Wir“-Abschnitten völlig analogielos ist. Hat bei allen anderen Orten die „Quelle“ versagt oder hat Lukas etwa permanent gekürzt? 61 PILHOFER, Philippi, 154–155, bestreitet, daß es sich hier für Lukas um den Übergang nach „Europa“ handelt. Diese Sicht entspreche auch nicht dem Bewußtsein griechischer und römischer Leser der Apg: Beiderseits der Ägäis siedelten seit alters her Griechen, und Troas und Philippi seien gleichermaßen römische Kolonie. Das ist richtig, doch gibt es gleichzeitig auch ein deutliches „Kontinenten“-Bewußtsein. Schon für Herodot, Hist 5,36–45 ist die Unterscheidung der drei Kontinente Europa, Asien und Libyen selbstverständlich, und fraglich ist allenfalls die Grenze zwischen Europa und Asien im Bereich des Pontus Euxenus (Schwarzes Meer). Dementsprechend gliedert Pomponius Mela seine 43/44 n.Chr. (!) abgefaßte Chronographie insgesamt nach den drei Erdteilen und stellt ganz selbstverständlich fest, daß im Bereich des Bosporus lediglich ein canalis angustior Europam ab Asia stadiis quinque disterminat („eine recht schmale Rinne von fünf Stadien [925 m] trennt Europa von Asien“). 62 Vgl. ALEXANDER, Journeyings, 21–25.29–33.36–37. 63 Zum Verlauf der Via Egnatia zwischen Philippi und Thessaloniki vgl. PILHOFER, Philippi, 199–203 (mit Karte).
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ganz neues Wirkungsfeld darstellt. Dabei wird der Übergang nach Europa derart massiv vom Geist gesteuert, daß jeder Gedanke an eine Eigenmächtigkeit auf seiten des Paulus völlig ausgeschlossen ist. Neben dieser Korrespondenz nach rückwärts gibt es für den Weg des Paulus von Troas nach Makedonien auch eine Korrespondenz nach vorwärts, nämlich mit dem Weg, der den Völkerapostel zunächst zurück nach Jerusalem (Apg 20–21) und dann nach Rom führt (Apg 27–28). Dieser Weg erweist sich ab Apg 20,18 immer stärker als Weg ins Martyrium, und auch diesen Weg geht Paulus nicht eigenmächtig, sondern „gebunden im Geist“ (20,22). Genau dieser Korrespondenz beider Reisen, die das selbständige missionarische Wirken des Paulus rahmen, entspricht die Verwendung des „Wir“. Es ist zwar richtig, daß in Apg 20,4–21,18 das „Wir“ Teil einer Quelle ist, die Lukas benutzt hat; das heißt aber nicht, daß jeder andere „Wir“Abschnitt der Apg ebenfalls Teil einer Quelle sein muß. Vielmehr kann ein Autor, gerade wenn er ein bestimmtes literarisches Gestaltungsmittel aus seiner Vorlage kennt und übernimmt, dieses Gestaltungsmittel dann auch eigenständig anwenden. Dieser Sachverhalt liegt hier vor. Lukas hat also durch die Wahl seiner Darstellungsmittel den Übergang nach Europa, und damit zugleich den Beginn der selbständigen Mission des Paulus derjenigen Reise angeglichen, die am Ende des missionarischen Wirkens des Paulus steht, seiner Reise ins Martyrium. Auf diese Weise macht Lukas unmißverständlich klar, welche Bedeutung er dem Wirken des Paulus und seinem Schritt nach Europa zuweist.64 4.0 Was bleibt nun von dem häufig doch vorausgesetzten zusammenhängenden Itinerar der Paulusreisen? Wenn man, wie gezeigt, Apg 20,4–21,18 als eigenständiges Quellenstück nicht einem durchlaufenden Itinerar zurechnen kann, enthält diese These einen entscheidenden Stoß. Innerhalb von Apg 13–21 begegnet ja nur in Apg 20,4–21,18 tatsächlich ein längeres Stationenverzeichnis; ebenso finden sich hier die beiden einzigen Fälle, in denen tatsächlich Gastfreunde genannt werden, bei denen man unterkommen kann (Philippus in Caesarea [21,8] und der „alte Jünger“ Mnason in Jerusalem [21,16]). Schon durch die Ausgrenzung von 20,4–21,18 wird das vermeintliche Itinerar zu einer weitgehend schemenhaften Größe – und dies erst recht, wenn die Stationsangaben von 16,11–12 und 17,1 als lukanisch erkannt sind. An allen übrigen Stellen in Apg 17,2–20,3 muß man, wenn man an der Itinerarhypothese festhalten will, eigentlich eine Doppelhypo-
64
Vgl. G. SCHNEIDER, Die Apostelgeschichte, Bd. 2, Kommentar zu Kap. 9,1–28,31, HThK V/2, Freiburg 1982, 204: Das „Wir“ unterstreicht die Wichtigkeit des Schritts nach Europa.
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these vertreten: daß Lukas ein Intinerar benutzt hat und daß er es durch intensive Kürzungen gleich wieder zum Verschwinden gebracht hat. 4.1 Es gibt allerdings auch Gründe, die gegen einen Verzicht auf die Itinerarhypothese zu sprechen scheinen. So wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Übereinstimmung zwischen den Reiserouten des Paulus in Apg 16,12–20,3 mit den aus den Paulusbriefen zu erhebenden Angaben hingewiesen.65 Derartige Übereinstimmungen bestehen in der Tat (1) für die Route von Philippi über Thessaloniki und Athen nach Korinth (also für Apg 16,12–18,2), und (2) für die Route Ephesus – Mazedonien – Korinth bzw. „Hellas“ (also Apg 19,1b; 20,1b.2.3a). Doch steht diesen Übereinstimmungen auch ein gravierender Widerspruch gegenüber: die unterschiedliche Darstellung der Reisen von Timotheos bzw. von Silas und Timotheos in 1Thess 3,1–5 und Apg 17,14–15. Nach Apg 17,14–15 bleiben nämlich Silas und Timotheos in Beroia zurück, und sie treffen erst wieder in Korinth mit Paulus zusammen (18,5). Nach 1Thess 3,1–5 dagegen schickte Paulus (und zwar diesen allein!) von Athen aus (!) nach Thessaloniki (!) zurück. Dabei ist unstrittig, daß der im unmittelbaren Geschehenszusammenhang verfaßte 1Thess hier die bessere historische Quelle ist. Die gleiche Zuverlässigkeit müßte man aber auch für ein Itinerar voraussetzen, dessen Angaben über die Mitarbeiterreisen ja mindestens genauso dicht am Geschehen selbst sein müßten wie die Mitteilungen des Paulus in 1Thess 3. Diese Ungenauigkeit der lukanischen Angaben spricht dagegen, daß sie einem in unmittelbarer Ereignisnähe erstellten Itinerar entnommen sind; sie weisen vielmehr auf mündliche Überlieferung in den einzelnen Ortsgemeinden des paulinischen Missionsgebiets hin. 5.0 Folgende Ergebnisse lassen sich formulieren: 1. Alle Globaltheorien für die Darstellung der Paulusreisen in Apg 13–28 sind höchst problematisch. Dies gilt sowohl für die Annahme eines durchlaufenden Itinerars als auch für die Annahme einer rein lukanischen Gestaltung aller in der Apg dargestellten Reisen. Zwar können sich beide Theorien jeweils auf bestimmte Teile der verschiedenen lukanischen Reisedarstellungen stützen; gleichzeitig gibt es aber jeweils andere Teile, an denen das betreffende Erklärungsmodell versagt und nur durch zusätzliche Hilfshypothesen aufrechterhalten werden kann. 2. Daraus folgt: Ob eine bestimmte Reisedarstellung auf einer Quelle beruht oder als schriftstellerische Gestaltung des Lukas ohne Quellenbasis zu beurteilen ist, muß jeweils getrennt geprüft werden. Was für Apg 20–21 zutrifft, braucht für Apg 16 noch lange nicht zutreffend zu sein – und umgekehrt. 65
So u.a. WEISER, Apostelgeschichte, Bd. 2, 389.
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3. Hat man von dem Versuch Abschied genommen, alle Reisen des Paulus, auch die in Apg 15–21, durch eine einzige These erklären zu wollen und hat man sich einmal darauf eingelassen, die Darstellung der einzelnen Reisen jeweils für sich zu analysieren, dann stellt sich sehr schnell Apg 20,4–21,18 als Größe eigener Art dar, die alle Merkmale eines übernommenen Quellenstücks aufweist. Es handelt sich um den Rechenschaftsbericht der Delegation, die die Aufgabe hatte, die (auch historisch sicher zu verortende) Kollekte der paulinischen Missionsgemeinden für Jerusalem zu überbringen. Für diese Quelle, deren originales „Wir“ Lukas nicht getilgt hat, läßt sich auch (im Unterschied zu einem häufig postulierten Itinerar) eine klare Funktion angeben, die ihre schriftliche Abfassung erklären kann. 4. Im Unterschied dazu erweisen sich die Reisedarstellungen von Apg 16,6–12; 17,1 trotz des Wechsels von sehr globalen Landschaftsangaben zu detaillierten Tagesetappen als einheitliche lukanisch-redaktionelle Gestaltungen. Das hier an einer Nahtstelle der lukanischen Darstellung erscheinende „Wir“ ist somit nicht Teil einer Quelle, sondern schriftstellerisches Mittel des Lukas, der es allerdings nicht voraussetzungslos verwendet, sondern sich hier bewußt am Vorbild des im „Wir“-Stil verfaßten Rechenschaftsberichts der Kollektendelegation von Apg 20,4–21,18 orientiert. 4.1 Lukas unterstreicht damit auf literarischer Ebene die Korrespondenz der beiden Reisen, die das selbständige missionarische Wirken des Paulus rahmen und die von Lukas auch inhaltlich analog interpretiert werden: Der Weg, der Paulus als Missionar nach Europa führt, ist ebenso wie sein Weg zum Martyrium, der ihn nach Rom bringen soll, ein Weg, den Paulus im Gehorsam gegenüber den unzweideutigen Weisungen des Geistes gegangen ist. 5. Für die übrigen Teile der Darstellung der Paulusreisen in Apg 15–21 sind keine durchlaufenden Quellen nachweisbar. Hier ist eher damit zu rechnen, daß Lukas ortsgebundene Überlieferungen der Gemeinden in Makedonien, Achaia und der Asia auswerten konnte.
Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia im 1. Jahrhundert n.Chr.∗
Was passierte eigentlich, wenn ein Hausbesitzer in Philippi, ein Handwerker in Thessaloniki oder ein Sklave in Korinth sich im Jahre 55 oder 65 n.Chr. der erst vor einigen Jahren entstandenen, kleinen christlichen Gemeinde anschloß und sich taufen ließ? Hat der Hausbesitzer die kleine Kultecke in seinem Haus mit den Kleinplastiken des Dionysos und Herakles und der Isis abgebaut und sie übertüncht? Oder wodurch hat er sie vielleicht ersetzt? Hat der Handwerker weiterhin an den Aktivitäten seines Vereins teilgenommen, in dem er sich mit seinen Berufskollegen und Nachbarn versammelte, wo gemeinsam gespeist wurde – und dabei auch den Göttern ein Trankopfer dargebracht wurde? Hat er weiterhin in die Begräbniskasse des Vereins eingezahlt, um ein – aus christlicher Sicht – möglicherweise dann ‚heidnisches‘ Begräbnis zu bekommen? Hat der Sklave weiterhin darauf hingearbeitet, die Freilassung zu erhalten, auch dann, wenn zu erwarten war, daß die Freilassung durch Erklärung bei einem Notar und unter feierlicher Anrufung der Götter beurkundet wurde? Auf solche Probleme gehen neutestamentliche Texte nur gelegentlich, nicht jedoch systematisch ein. Im Vordergrund stehen Fragen der inhaltlichen Glaubensvermittlung und der theologischen Reflexion der Glaubensinhalte. Daher ist das Neue Testament auch das Glaubensdokument schlechthin für die Christen geworden und bis zum heutigen Tag geblieben. Dennoch haben die Fragen der praktischen Lebensführung und -gestaltung, die ich eben beispielhaft genannt habe, durchaus etwas mit der grundsätzlichen Glaubensorientierung zu tun. Aber wichtiger als konkrete Einzelfallregulierung ist den meisten neutestamentlichen Autoren die Grundorientierung der jungen Gemeinden überhaupt. Dagegen wird den Gemeinden zugetraut und auch zugemutet, die Umsetzung der ihnen vermittelten Grundorientierung selbst vorzunehmen. Deshalb können wir auch die praktischen Fragen, die ich zu Beginn formuliert habe, nicht direkt beantworten, sondern müssen ein Stück weit theoretischer ansetzen. ∗ Zuerst erschienen in: Müller, H.-P./Siegert, F. (Hg.), Antike Randgesellschaften und Randgruppen im östlichen Mittelmeerraum. Ringvorlesung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Münsteraner Judaistische Studien 5, Münster u.a. 2000, 158–188.
Die Christen als neue Randgruppe in Makedonien und Achaia
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Allgemein formuliert stellt sich die Frage so: Wie verhalten sich Menschen, die jeder für sich früher fraglos Teil der jeweiligen paganen Wohnbevölkerung von Philippi, von Thessaloniki oder von Korinth waren, – wie verhalten sich diese Menschen jetzt, nachdem sich ihre grundsätzliche religiöse Orientierung (gerade auch nach ihrem eigenen Verständnis) so fundamental verändert hat? Die dahinter liegende Leitfrage lautet: In welchem Sinne kann man überhaupt die frühchristlichen Missionsgemeinden des 1. nachchristlichen Jahrhunderts als eine neue Minderheit bezeichnen? Konzentrieren will ich mich dabei auf die Gemeinden in Makedonien und Achaia, weil deren Gründungsgeschichte relativ gut dokumentiert ist. Dabei möchte ich meinen Vortrag in vier Teile gliedern: Teil A: In diesem ersten Teil möchte ich eine kurze Einführung geben, und zwar um die grundsätzlich bestehenden Pole zu verdeutlichen, zwischen denen sich die urchristlichen Missionsgemeinden bewegten – nämlich zwischen Anpassung und Abgrenzung. Umfangreicher wird Teil B: Hier soll das Problem von Anpassung und Abgrenzung an einem konkreten Beispiel erläutert werden, das innerhalb der Gemeinde von Korinth selbst strittig war: Wie soll man – als Christ – den (früher natürlich völlig unproblematischen) Verzehr von paganem Opferfleisch beurteilen? In einem dritten Teil, also Teil C, möchte ich dann das zentrale äußere Konfliktfeld der sich formierenden christlichen Missionsgemeinden darstellen, nämlich das jeweilige Verhältnis zur jüdischen Synagogengemeinde. Zugespitzt lautet die Frage hier: Was passiert eigentlich, wenn sich am Rande einer schon bestehenden Minderheit, der jüdischen Synagogengemeinde, eine weitere Minderheit, nämlich die jeweilige christliche Gemeinde, konstituiert? Im abschließenden Teil D soll dann versucht werden, einige Schlußfolgerungen zu ziehen.
A. Einführung Die Pole, zwischen denen sich das konkrete Verhalten von Christen in neutestamentlicher Zeit bewegen konnte, kann man durchaus mit den Begriffen Anpassung oder Abgrenzung markieren. Beide Pole werden schon von dem ältesten christlichen Schriftsteller, Paulus, offen angesprochen. So fordert Paulus in seinem Brief an die Christen in Rom seine Briefempfänger auf:
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Hellenistisches Christentum: Geschichte
„Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch die Erneuerung eures Denkens, damit ihr prüfen könnt, was der Wille Gottes ist, das Gute, das Wohlgefällige und das Vollkommene“ (Röm 12,2).
Also ist es offenbar nicht möglich, nach dem Glaubenswechsel in der konkreten Lebensführung einfach ungebrochen fortzufahren. Alles was bisher selbstverständlich war, kommt auf den Prüfstand, kann in Frage gestellt werden. Das kann natürlich sehr schnell zur Forderung der totalen Abkehr von allem Bisherigen führen. Wie schnell das passieren kann, kann man im 1. Korintherbrief erkennen. Paulus hatte, das wird in 1Kor 5,9–11 deutlich, bereits früher einmal an die Gemeinde in Korinth geschrieben. In diesem früheren, schon im 1. Jahrhundert verloren gegangenen Brief hatte Paulus offenbar Distanz zu Personen mit – na sagen wir – laxer Sexualmoral gefordert. Er bezeichnet solche Leute schlankweg als „Unzüchtige“, und er hatte der Gemeinde geschrieben, mit solchen Leuten keine Gemeinschaft zu halten. Wobei man zur inhaltlichen Seite wissen muß, daß Paulus hier einfach die jüdischen Moralvorstellungen voraussetzt und anwendet, für die jede Form von Homosexualität und Päderastie Unzucht war – und aus jüdischer Sicht konnte jeder Nichtjude potentiell derartiges praktizieren. Aus der Anweisung des Paulus, mit solchen Leuten keine Gemeinschaft zu halten, haben die frischgetauften Christen in Korinth geschlußfolgert: Also müssen wir eigentlich alle Außenkontakte abbrechen. Das korrigiert Paulus, indem er schreibt: „Ich habe euch geschrieben (gemeint ist damit der frühere Brief), euch nicht mit Unzüchtigen zu vermischen – jedoch nicht (und jetzt kommt die Richtigstellung) mit den Unzüchtigen dieser Welt überhaupt oder den Habgierigen, Räubern oder Götzendienern, denn dann müßtet ihr ja aus der Welt auswandern. Jetzt schreibe ich euch: keine Gemeinschaft zu haben, wenn ein sog. Bruder ein Unzüchtiger, Habgieriger oder Götzendiener ist“ (1Kor 5,9–11).
Hier wird deutlich: Die Differenz zur Welt, die für Paulus selbstverständlich ist, wie das Zitat aus dem Römerbrief zeigt, kann nicht dazu führen, daß Christen aus der Welt auswandern. Zwischen den beiden Polen mußten die frühchristlichen Gemeinden ihren Weg finden, ihre neue religiöse Identität zu definieren und zu praktizieren.
B. Das Problem des Götzenopferfleisches in Korinth An einem bestimmten Punkt kann man diesen Orientierungs- und Klärungsprozeß noch recht genau beobachten, nämlich bei der Frage nach der Teilnahme an paganen Kultveranstaltungen und – was damit zusammen-
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hängt, aber keineswegs gleichbedeutend ist – bei der Frage nach dem Verzehr von Opferfleisch. Dieses Problem wird von Paulus in dem bereits erwähnten 1. Korintherbrief ausführlich diskutiert (1Kor 8,1–11,1). Zum Hintergrund muß man wissen, daß es hier einen Richtungsstreit in der Gemeinde gab.1 Auf der einen Seite gab es die sog. Starken bzw. Wissenden. Sie wußten, daß die paganen Gottheiten alle nur Einbildung sind, und daß es nur einen Gott gibt, den Schöpfer und Vater des Herrn Jesus Christus. Die Schlußfolgerung dieser Leute lautete: Also ist es auch Einbildung, irgendwelches Fleisch für Opferfleisch zu halten. Alle Opfer beziehen sich ja sowieso nur auf Phantome. Also können wir auch zu irgendwelchen festlichen Einladungen ruhig hingehen, auch wenn dort Opferfleisch zum Verzehr kommt, ja sogar dann, wenn die Einladung in einem Bankettraum eines Tempels stattfindet. Auf der anderen Seite gab es Gemeindeglieder, die sich mühsam, aber entschlossen von ihrer bisherigen religiösen Praxis losgesagt hatten und nicht mehr an kultischen Veranstaltungen für irgendwelche Gottheiten teilnahmen; sie machten nun einen großen Bogen um alles, was Opferfleisch sein konnte – nur um in ihrer religiösen Grundentscheidung gegen die Götterwelt nicht wieder wankend zu werden. Ihr Gewissen sagt ihnen, daß sie bei erneutem Verzehr von Opferfleisch, das für sie Götzenopferfleisch ist, wieder schwankend werden und den Göttern wieder die Ehre erweisen würden. Der innergemeindliche Konflikt bestand offenbar nun darin, daß beide Seiten ihre Position für die einzig richtige hielten und die jeweils andere Seite zu ihrer Meinung zu bekehren versuchten. Paulus diskutiert die inhaltlichen und die praktischen Aspekte des Problems sehr ausführlich. Ich kann das hier nur kurz zusammenfassen, und zwar in folgender Weise: Paulus gibt den sog. Starken zunächst durchaus Recht (1Kor 8,1–4): Es gibt keine anderen Götter – aber (und das ist für antikes Denken kein Widerspruch) Dämonen und dämonische Kräfte sind und bleiben eine reale Größe und Gefahr (1Kor 8,5). Dabei ist nicht entscheidend, was diese Dä-
1
Aus der Fülle der Literatur zu 1Kor 8,1–11,1 möchte ich exemplarisch einige Veröffentlichungen nennen: als guten allgemeinverständlichen Kommentar F. LANG, Die Briefe an die Korinther, NTD 7, Göttingen 1986, 107–133, als fachwissenschaftlichen Kommentar W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther. Bd. 2: 1 Kor 6,12–11,16, EKK 7/2, Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn 1995, 211–486; außerdem als thematische Untersuchung H.-J. KLAUCK, Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung zum ersten Korintherbrief, NTA NF 15, Münster, 2. Aufl. 1986; meine eigene Analyse habe ich vorgelegt in dem Aufsatz: „Seid unanstößig für Juden und für Griechen und für die Gemeinde Gottes“ (1Kor 10,32). Christliche Identität im ma,kellon in Korinth und bei Privateinladungen, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS Günter Klein), Tübingen 1998, 35–54 (in diesem Band 145–164).
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monen sozusagen an sich sind, sondern was Menschen aus ihnen machen – also ob sich Menschen in Gemeinschaft mit Dämonen begeben oder nicht. Paulus formuliert das so: „Was sage ich nun? Daß etwa das Götzenopferfleisch etwas ist? Oder daß etwa der Götze etwas ist?“
Das sind rhetorische Fragen – und die Antwort kann natürlich nur lauten: Nein, an sich ist das Götzenopferfleisch natürlich ein Nichts. Aber – so fährt Paulus fort: „Was sie (die Menschen) opfern, opfern sie Dämonen und nicht Gott. Ich will aber nicht, daß ihr Genossen von Dämonen werdet. Ihr könnt nicht den Becher des Herrn trinken und den Becher der Dämonen. Ihr könnt nicht teilhaben am Tisch des Herrn und am Tisch der Dämonen“ (1Kor 10,19–21).
Damit ist zunächst einmal festgehalten: Teilnahme an heidnischen Kulthandlungen und Kultmahlzeiten ist für Christen ausgeschlossen. Dementsprechend heißt es schon einige Sätze vorher: Flieht den Götzendienst (1Kor 10,14). Das gilt für Starke und Schwache, und zwar auch dann, wenn ein Starker sagen sollte: ‚Ich durchschaue das doch alles und weiß, daß das alles nur Theater ist‘. Zugleich wird in den eben zitierten Sätzen aber etwas anderes sichtbar: Nicht die Substanzen bestimmen das Verhalten eines Christen – das Götzenopferfleisch ist in der Tat nichts. Bestimmend sind die Situationen, in die sich ein Christ begibt, ob er nämlich Genosse der Dämonen wird oder nicht. Damit hat Paulus einen Gesichtspunkt jenseits der Auseinandersetzung zwischen Starken und Schwachen gewonnen und kann den innergemeindlichen Streit tatsächlich entschärfen. Dabei geht Paulus durchaus ins Detail und diskutiert insgesamt vier Situationen:
1. Situation: Teilnahme am heidnischen Kult Ein erheblicher Teil der korinthischen Gemeinde hat früher, wie aus dem 1. Korintherbrief eindeutig hervorgeht, an paganen Kulten teilgenommen (vgl. 1Kor 8,7 und 12,2), und Gelegenheit hierzu gab es in Korinth, wie in jeder antiken Stadt in hinreichendem Umfang. Dies ist selbst für heutige Besucher der archäologischen Überreste unmittelbar nachvollziehbar.2 Dies gilt insbesondere für den Apollon-Tempel aus archaischer Zeit (Tafel 1), die 2 Im folgenden beschränke ich mich auf die unmittelbar sichtbaren Denkmäler. Der ursprüngliche Bestand an Tempelanlagen war natürlich wesentlich größer. Instruktiv ist hier die Beschreibung von Pausanias II 2,4-5,5.
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Reste eines römischen Tempels (Tafel 2) und das Isis-Heiligtum von Kenchreai, dem östlichen Hafen Korinths (Tafel 3–4).3 Die Anzahl der Heiligtümer und Kulte war beachtlich und auch der Jahreskreis war durchsetzt von Kultfesten.4
Tafel 1
3
Korinth: Apollon-Tempel
Diese Anlage ist besonders interessant. Tafel 3 zeigt die Grundmauern eines apsidialen Baus. Es handelt sich um den (wohl offenen) Versammlungsraum einer Isis-Kultstätte mit überdachter Apsis für die Kultstatue; ferner gehörten zur Kultanlage ein Brunnenhaus und ein Tempel in ägyptischem Stil, der direkt am Hafenbecken lag. Brunnenhaus und Tempel in ägyptischem Stil sind zwar aufgrund von Erdbeben und Küstensenkungen vom Wasser überflutet, aber eine im Brunnenhaus gefundene Wandverkleidung aus opus sectile (jetzt im Museum von Isthmia – dort auch die auf Tafel 4 wiedergegebene Rekonstruktion) vermittelt ein recht anschauliches Bild dieser Anlage. Das Isis-Heiligtum von Kenchreai hat eine besondere Rolle in der Geschichte des Isis-Kultes gespielt: Das Heiligtum ist schon für das 1. Jh. n.Chr. (also die Zeit des Paulus) nachgewiesen – und es existierte noch bis 375 n.Chr. Noch 365 n.Chr. wurde nach einem großen Erdbeben eine umfassende Erneuerung in Angriff genommen. In diesem Zusammenhang wurden auch die Wandverkleidungen aus opus sectile angefertigt, die dann aber doch nicht mehr zum Einbau kamen. Literarische Berühmtheit hat das Isis-Heiligtum von Kenchreai durch Apuleius (2. Jh. n.Chr.), der in Buch XI seiner Metamorphosen die einzige Schilderung eines Isis-Kultfestes und einer Einweihung in die Isis-Myterien bietet – und Ort dieser Kulthandlungen ist Kenchreai! – Zum archäologischen Befund vgl. R. SCRANTON u.a. (Hg.), Kenchreai. Eastern Port of Corinth. Results of Investigations by The University of Chicago and Indiana University for The American School of Classical Studies at Athen, Vol. I-III, Leiden 1976–78. 4 So ist gerade mit Kenchreai eines der beiden großen Kultfeste der Isis verbunden, die (von Apuleius beschriebene) ploiaphesia (‚der Stapellauf [des Isis-Schiffes]‘), das auch direkt navigium Isidis (‚das Isis-Schiff‘) genannt wurde, mit dem am 5. März die Schiffahrt wieder eröffnet wurde.
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Tafel 2
Tafel 3
Tafel 4
Korinth: Römischer Tempel
Kenchreai: Isis-Heiligtum
Rekonstruktion des opus sectile aus Kenchreai (Museum Isthmia)
Paulus spitzt, wie wir gehört haben, die Teilnahme am heidnischen Kult zu auf das Problem der Teilnahme an Kultmahlen, er spricht vom Tisch und dem Becher der Dämonen. Versammlungsräume für solche Kultmahlzeiten sind auch für Korinth durchaus vorauszusetzen, allerdings archäologisch
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nicht belegt, da Korinth keineswegs flächendeckend erforscht ist; ganz im Gegenteil. Zur Veranschaulichung kann aber ein vergleichbarer Kultraum aus Pergamon herangezogen werden. Dieser sog. ‚Podiensaal‘ ist ein Versammlungsraum des Dionysos-Vereins von Pergamon, der Platz für etwa 70 Personen bot (Tafel 5).5 In der Mitte dieses Raums stand ein Altar; häufig gab es in solchen Räumen auch kleinere Kultstatuen, die etwa an der Stirnseite des Raums aufgestellt wurde. Hier lag man tatsächlich am Tisch einer Gottheit.6
Tafel 5
Pergamon: Podiensaal (Gesamtansicht)
5 Zu diesem ‚Podiensaal‘ bzw. ‚Bankettsaal‘ vgl. W. RADT, Pergamon. Geschichte und Bauten, Funde und Erforschung einer antiken Metropole, Köln 1988, 224–228. Die jetzige Gestalt des ‚Podiensaals‘ wird von den Ausgräbern (in verschiedenen Stufen) dem 2. bis 4. Jh. n.Chr. zugewiesen. Doch zeigt der Fund eines Fragments eines Dionysos-Altars aus augusteischer Zeit, daß die Anlage selbst bis ins 1. Jh. n.Chr. zurückreichen dürfte. 6 Zu Göttern als Mahlteilnehmern und besonders zu Sarapis als „Tischherr und Gastgeber“ vgl. Aelius Aristides, Or 45,27 (360,10–20 Keil).
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Nicht nur an den öffentlichen Kultfesten (die ja auch meistens mit Opfermahlzeiten verbunden waren), sondern erst recht an Kultmahlzeiten in derartigen Versammlungsräumen teilzunehmen, das war für einen Christen, so Paulus, völlig undenkbar und indiskutabel.
2. Situation: Die Einladung in das sog. Götzenhaus „Götzenhaus“ ist natürlich eine polemische Bezeichnung. Gemeint ist die Einladung in einen Bankettraum innerhalb eines Tempelbezirks – mein Lehrer Hans Conzelmann hat etwas salopp vom Tempelrestaurant gesprochen.7 Solche Speiseräume direkt an einem Tempel sind häufig nachgewiesen, in diesem Falle auch in Korinth, und zwar im Asklepiosheiligtum im Norden der römischen Stadt, zwischen Korinth und dem nördlichen Hafen Lechaion gelegen (Tafeln 6 und 7).8 In einem solchen Bankettraum innerhalb eines Heiligtums an einem Mahl teilzunehmen, hält Paulus für einen Christen für äußerst bedenklich – eben weil die Nähe zum paganen Kult ja unübersehbar ist.
H. CONZELMANN, Der erste Brief an die Korinther, KEK 5, Göttingen 21981, 184. Zum Asklepieion von Korinth vgl. C. ROEBUCK, Corinth XIV. The Asclepieion and Lerna, Princeton, New Jersey 1951; Tafel 8 ist entnommen aus LANG, Cure 16f. Der Tempel befindet sich, wie der untere Längsschnitt zeigt, auf einer höheren Geländeebene als der im Westen (rechts) sich anschließende Hof. Die Banketträume befinden sich direkt unterhalb des mit H bezeichneten westlichen Bereichs des Abaton, des zentralen Raums eines Asklepiosheiligtums überhaupt! 7 8
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Tafel 6
Tafel 7
Korinth: Plan des Asklepieion
Korinth: Banketträume im Asklepieion
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3. Situation: Der Kauf von Fleisch im macellum Ganz anders beurteilt Paulus die dritte Situation, auf die er in 1Kor 8–10 eingeht, nämlich den Vorgang, daß ein Christ im macellum Fleisch einkauft. Hier sagt Paulus: „Alles, was im macellum verkauft wird, eßt, ohne wegen des Gewissens nachzufragen“ (1Kor 10,25).
Fleischverzehr hatte damals natürlich nicht die quantitative Bedeutung wie heute bei uns9 – aber es war auch nicht so selten wie heute etwa Kaviar oder Austern. Bei festlichen Gastmählern, sei es im Verein, sei es aus privaten Anlässen, gehörte Fleisch durchaus dazu, auch in breiteren Bevölkerungskreisen. In der römischen Architektur entwickelte sich für den Verkauf von Fleisch, Fisch und hochwertigem Gemüse ein bestimmter Gebäudetyp, das macellum, und Paulus benutzt ja auch diesen Begriff. Ein macellum ist im Unterschied zu einer Agora oder einem Forum kein freier, offener Platz, der am Rande von Gebäuden umgeben ist, sondern ein geschlossenes Gebäude mit Innenhof und innenliegenden Verkaufsläden, wobei es natürlich im Einzelfall auch Übergänge zur Agora gab.10 Für Korinth ist nun zunächst festzustellen, daß die Lage des von Paulus erwähnten macellum nicht definitiv gesichert ist, eben weil keineswegs das gesamte Stadtgebiet, noch nicht einmal der gesamte Stadtkern ausgegraben ist. In Frage kommt natürlich die sog. Nordagora (Tafel 8).
Tafel 8
Korinth: Nordagora
9 Vgl. dazu M. JAMESON und P. HERZ, Art. Fleischkonsum, Der Neue Pauly 4, 1998, 553–555, und A. GUTSFELD, Art. Fleischspeisen, Der Neue Pauly 4, 1998, 555f. 10 Zum macellum insgesamt vgl. C. DE RUYT, Macellum.
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Allerdings: Die Nordagora ist mit ihren Ausmaßen von 58 x 46,5 m doch von erheblicher Größe, so daß diese Anlage eher einer griechischen Handelsagora entspricht.11 Aber vielleicht liegt das von Paulus gemeinte macellum ohnehin woanders. Zudem kann man sich aufgrund des Erhaltungszustands von der Nordagora mit ihren Verkaufsläden auch kein besonders plastisches Bild machen, selbst wenn dies tatsächlich das von Paulus gemeinte macellum gewesen sein sollte.11a Eine wesentlich bessere Anschauung vermittelt ein hervorragend erhaltenes macellum, das erst vor wenigen Jahren archäologisch erschlossen worden ist, das macellum von Gerasa. Gerasa war die wohl wichtigste Stadt der antiken Dekapolis im Ostjordanland, also dem heutigen Jordanien. Das macellum in Gerasa hat zur Zeit des Paulus noch nicht existiert, man kann sich aber hier den Charakter dieses Bautyps gut vor Augen führen (Tafel 9).12
Tafel 9 11
Gerasa: macellum (Innenansicht von Südosten)
Zur Diskussion um das macellum von Korinth vgl. DE RUYT, Macellum, 60f. Zur Lage des macellum in Korinth vgl. nun auch den Nachtrag oben S. 191 sowie D.-A. Koch, 2.2.7.3. VIII. Korinth in: Scherberich, K. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 2: Familie – Gesellschaft - Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 159–162. 12 Die Ausgrabung erfolgte zwischen 1984 und 1988; es liegt bislang nur eine (allerdings recht ausführliche) vorläufige Veröffentlichung vor: M. MARTIN-BUENO, Notes Préliminaires sur le macellum de Gerasa, in: Jerash. Archaeological Project 1984–1988. II. Fouilles de Jérash 1984– 1988 (Auszug aus Syria 66 [1989]), hg. v. Department of Antiquities of the Hashemite Kingdom of Jordan / Institut Français d’Archéologie du Proche-Orient, Paris 1989, 177–199. Zur Datierung (in hadrianischer Zeit, also 117–138) vgl. 194–196; vgl. auch ergänzend M. MARTIN-BUENO, The Macellum in the Economy of Gerasa, in: M. Zaghoul u.a. (Hg.), Studies in the History and Archaeology of Jordan, Bd. 4, Amman 1992, 315–319, und A. USCATESCU, Jerash Bowls and Other Related Local Wares from the Spanish Excavations at the macellum of Gerasa (Jarash), Annual of the Department of Antiquities of Jordan 39, 1995, 365–408. Völlig ungeklärt sind übrigens mögliche frühere Bauphasen, also auch die Frage, ob es einen Vorgängerbau mit gleicher Funktion gab. 11a
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Es handelt sich um eine völlig gleichseitige Anlage mit einem achteckigen Innenhof in der Mitte, in dessen Zentrum sich ein Brunnen befand. Um den Innenhof verlief ein achteckiger gedeckter Umgang, hinter dem sich vier Exedren befanden, die sich zum Umgang öffneten. In diesen Exedren standen die Verkaufstische. Dabei sind in der SW-Exedra die Tischstützen und eine Tischplatte noch erhalten (Tafel 10).
Tafel 10
Gerasa: Verkaufstische in der SW-Exedra des macellum
In einem solchen macellum wurde nicht geschlachtet, und erst recht fanden hier keine kultischen Schlachtungen wie in einem Tempelbezirk statt. Daher stammt der überwiegende Teil des Fleisches, das hier verkauft wurde, aus nichtkultischen Schlachtungen.13 Aber bei kultischen Schlachtungen in einem Tempel oder genauer gesagt vor einem Tempel konnte es durchaus vorkommen, daß nach dem Opfervorgang, d.h. nach dem Verbrennen eines Teils des Opfertieres und dem gemeinsamen Opfermahl, noch Fleisch übrigblieb. Da es damals noch keine Kühlhäuser gab, mußte dieses Fleisch möglichst umgehend anderweitig verwendet werden und konnte dann, wenn es nicht von der Priesterschaft privat verwendet wurde, auch verkauft werden. Dies konnte durchaus auch so geschehen, daß der Verkauf in einem macellum durch einen dort tätigen Fleischhändler, einen macellarius, erfolgte, der dort seinen Verkaufsplatz hatte. Das bedeutet für einen Kunden, der ins macellum ging, um Fleisch einzukaufen: Er konnte nicht wissen, ob es sich nun eindeutig um sozusagen normales Fleisch handelt oder vielleicht um Opferfleisch. 13 Dies habe ich ausführlicher begründet in einem Vortrag: „Alles, was evn make,llw| verkauft wird, eßt …“. Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1Kor 10,25, gehalten am 6.6.1998 in Münster/W. während der Tagung der Fachgruppe Neues Testament der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie; erschienen in ZNW 90, 1999, 194–219 (165–196).
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Hier sagt nun Paulus ausdrücklich – ich habe es vorhin schon einmal zitiert: „Alles, was im macellum verkauft wird, eßt ohne wegen des Gewissens nachzufragen“ (1Kor 10,25).
und an die Adresse der Schwachen, die an diesem Punkt sicher skeptisch waren, fügt Paulus hinzu: „Denn des Herrn ist die Erde und ihre Fülle“ (1Kor 10,26).
Alles Fleisch, so Paulus, ist Gottes Schöpfung, egal, was Menschen daraus machen. D.h. ganz praktisch: Der Christ kann wie bisher in der Markthalle einkaufen. Er braucht jetzt nicht plötzlich nachzufragen. Er braucht auch nicht zum jüdischen Metzger zu gehen, den es natürlich auch in Korinth gab und bei dem man natürlich sicher gewesen wäre, kein heidnisches Opferfleisch zu bekommen.
4. Situation: Einladung in ein Privathaus eines Nichtchristen Solche Privateinladungen waren ausgesprochen wichtig für das soziale Miteinander in einer antiken Stadt, zumal das sozialromantische Bild, die frühchristlichen Gemeinden hätten ausschließlich aus Sklaven und bettelarmen Außenseitern und Ausgestoßenen bestanden, nicht haltbar ist.14 Gerade für Korinth ist deutlich, daß Paulus voraussetzt, daß die Gemeindeglieder durchaus Häuser haben und daß es einige gibt, deren Häuser so groß sind, daß sich darin die Gemeinde insgesamt versammeln kann. Wiederum sind solche Häuser nicht in Korinth erhalten. Das ist ohnehin ganz selten der Fall. Immerhin gibt es in Ephesus einige Häuser aus der Kaiserzeit, die zur Veranschaulichung dienen können (Tafel 11),15 zumal wir mit Ephesus uns nicht besonders weit vom 1. Korintherbrief entfernen, denn Paulus hat diesen Brief ja in Ephesus geschrieben. Zu solchen Häusern gehörten natürlich neben Empfangs- und Wohnräumen auch ein Speisezimmer, ein Trikli14 Vgl. dazu die wichtige Untersuchung von G. THEISSEN, Soziale Schichtung in der korinthischen Gemeinde. Ein Beitrag zur Soziologie des hellenistischen Urchristentums, in: DERS., Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 1979, 231-271 (zuerst ZNW 65, 1974, 232–272), vgl. auch DERS., Die Starken und Schwachen in Korinth. Soziologische Analyse eines theologischen Streites, ebd. 272–289 (zuerst EvTh 35, 1975, 155–172); s. auch (und zwar auch zum Fortgang der durch Theißen ausgelösten Debatte) W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther. Bd. 1: 1Kor 1,1–6,11, EKK 7/1, Braunschweig/Neukirchen-Vluyn 1991, 29–33. 15 Es handelt sich um die sog. Hanghäuser oberhalb des Embolos (heutige Bezeichnung: Kuretenstraße); hierzu vgl. S. ERDEMGIL u.a., Die Hanghäuser von Ephesus, Istanbul o.J. (1988?) und F. HUEBER, Ephesos. Gebaute Geschichte, Mainz 1997, 53–58. Tafel 13 zeigt das Peristyl von Haus B (so Erdemgil) bzw. Wohneinheit 2 (so Hueber) von Hanghaus 2.
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nium. So sind z.B. für das in Tafel 11 gezeigte Haus zwei Triklinien nachgewiesen.16
Tafel 11
Ephesus: Hanghaus 2, Peristyl in Wohnhaus B
Bei der Einladung zu einem Mahl in einem Triklinium bestand für einen Juden ja ein grundsätzliches Problem, weil der ganze Bereich der nichtrituellen Speisezubereitung ein Tabubereich war. Alles Fleisch, das nicht vom jüdischen Metzger rituell korrekt geschlachtet, nämlich geschächtet worden war, war für einen Juden, wollte er denn korrekt bleiben, untersagt. Auch für die entstehenden christlichen Gemeinden stellte sich die Frage, ob für sie eine ähnliche Barriere existiert. Zwar ist die Einhaltung der jüdischen Speisevorschriften – jedenfalls in Korinth – offenbar nie ein Thema gewesen. Aber der Verzehr von Götzenopferfleisch war durchaus ein Thema, und bei einer Einladung eines Nichtchristen konnte es – genauso wie im macellum – natürlich passieren, daß dieses Fleisch aus kultischen Schlachtungen stammte, also Opferfleisch war. Auch hier gibt Paulus den Verzehr grundsätzlich frei: „Wenn euch einer von den Ungläubigen einlädt und ihr wollt hingehen, könnt ihr alles essen, was euch vorgesetzt wird, ohne wegen des Gewissens nachzufragen“ (1Kor 10,27).
Die Begründung, die Paulus bereits beim Thema des Fleischeinkaufs im macellum gegeben hat, gilt sinngemäß auch hier, ohne daß er sie ausdrücklich wiederholen muß: „Des Herrn ist die Erde und ihre Fülle“. 16
Die Triklinien lagen an der Längsseite des Peristyls und waren – wie die meisten Räume dieses Hauses – mit Mosaiken und Wanddekorationen geschmückt.
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Allerdings gibt es jetzt eine Einschränkung: Wenn jemand aus dem Kreis der Anwesenden dem Christen gegenüber erklärt: „Das ist Opferfleisch“, dann ist das Fleisch zwar immer noch das gleiche Fleisch, aber die Situation hat sich verändert. Jetzt steht zur Debatte, wie der Christ in dieser Situation seinen prinzipiellen Bruch mit der paganen Götterverehrung glaubwürdig durchhält oder nicht. Daher sagt Paulus: In dieser Situation „eßt nicht“ – und zwar wegen des Gewissens eines schwachen Mitchristen und auch wegen desjenigen, der euch darauf hingewiesen hat (1Kor 10,28f). Paulus reflektiert also die öffentliche Situation des Mahls. Gegenüber dem heidnischen Tischgenossen, der dem Christen gesagt hat: „Das ist Opferfleisch“, muß der Christ durch sein Verhalten eindeutig machen, daß hier für ihn eine Grenze vorliegt. Und gegenüber dem Gewissen des schwachen Mitchristen wäre ja auch eine Grenze überschritten. Der könnte das tatsächlich als eine für ihn verderbliche Aufforderung zum Götzendienst verstehen. Man sieht also: Die Orientierung an der Situation, in die man sich jeweils begibt, ist nicht einfach, weil Situationen oft kompliziert sein können. Dennoch: Paulus traut den Gemeinden zu, so ihren Weg, ihre Identität zu finden, was jedoch oft zur Gratwanderung zwischen Anpassung und Abgrenzung wurde und auch die sich frisch formierenden Gemeinden vor erhebliche innere Belastungen stellen konnte. Der geschilderte Fall des Verzehrs von potentiellem Opferfleisch ist ein Beispiel für die Probleme, die dadurch entstehen konnten, daß sich mitten innerhalb der hellenistisch-römischen Welt des 1. und 2. Jahrhunderts eine neue Minderheit bildet – und zwar nicht durch Zuzug von außerhalb, also von fremden Personen an einen bestimmten Ort, sondern durch religiöse Konversion von Einzelpersonen aus dem Kreis der vorhandenen Wohnbevölkerung einer Stadt. Was hat also ein Handwerker in Korinth getan, der Christ wurde? Auf diese Frage kann ich natürlich nur vermutungsweise eine Antwort geben. Dieser Handwerker ist – vermutlich – weiterhin in seinen Berufsverein gegangen, hat dort seine Beiträge bezahlt, aber vielleicht hat er parallel dazu innerhalb der christlichen Gemeinde versucht, mit Gleichgesinnten für ein christliches Begräbnis zu sparen. Damit stellt sich eine weitere interessante Frage: Ab wann ist das Christentum als eine vom Judentum zu unterscheidende Gruppe überhaupt von außen wahrgenommen worden? Das ist nach Ausweis der Apostelgeschichte schon recht früh geschehen, gerade in Makedonien und Achaia. Und zwar spielt dabei jeweils die Differenz zur örtlichen Synagogengemeinde eine entscheidende Rolle.
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Hellenistisches Christentum: Geschichte
C. Die Konflikte bei der Gründung der frühchristlichen Gemeinden in Makedonien und Achaia In den drei hellenistisch-römischen Städten Philippi, Thessaloniki und Korinth ist es bei der Entstehung der christlichen Gemeinden jeweils zu Konflikten gekommen, die aber jeweils einen charakteristisch anderen Verlauf genommen haben. Diese unterschiedlichen Verläufe müssen jeweils in den Besonderheiten der örtlichen Situation gesucht werden, denn die Personen, von denen die Gemeindegründung jeweils ausging, waren in allen Fällen die gleichen, Paulus mit seinen beiden Mitarbeitern Silas und Timotheos.
1. Philippi Philippi ist faktisch eine römische Neugründung,17 und zwar als römische Kolonie, also als Veteranensiedlung, zuerst 42 v.Chr. durch Antonius nach dem bei Philippi errungenen Sieg von Octavian und Antonius über die Cäsarmörder Cassius und Brutus – und dann nochmals durch Octavian, den späteren Augustus, der nach seinem Sieg bei Actium über Antonius im Jahre 31 v.Chr. vor allem italische Siedler hier seßhaft machte.
Tafel 12
17
Philippi: Nordseite des Forums
Zur Geschichte der Stadt vgl. PAPAZOGLU, Les villes, 405–413.
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Als römische Kolonie ist Philippi auf der Ebene der örtlichen Verwaltung völlig römisch geprägt. Die römischen Bürger, die ihr Bürgerrecht fiktiv in der tribus Voltinia besitzen, bilden die res publica, an deren Spitze – wie in Rom – ein Zweimännerkollegium steht, in Rom die beiden Konsuln, hier die duumviri. Von der römischen Prägung geben sowohl das noch heute sichtbare Stadtbild mit dem Forum als Zentrum (Tafel 12) als auch die zahlreichen lateinischen Inschriften eindeutig Zeugnis. So gibt es auch charakteristisch römische Kulte, wie z.B. den Kultverein des SilvanusKultes. Einen Kult für diese spezifisch römische Gottheit gibt es in ganz Makedonien nur an einer Stelle, nämlich in Philippi. Und hier gibt es gleich 5 Silvanus-Inschriften, von denen die längste insgesamt 69 SilvanusVerehrer namentlich aufführt.18 Daneben gab es eine zahlenmäßig ebenfalls beträchtliche griechisch sprechende Bevölkerungsschicht, die nicht das römische Bürgerrecht besaß, also auch in der römischen colonia keine politischen Mitwirkungsrechte hatten, weil es zugezogene Personen aus den benachbarten Städten Makedoniens, Achaias und der Provinz Asia waren. Im Umland, und d.h. heißt auch: auf dem umfangreichen Territorium, das zur colonia gehörte, wohnten einheimische, thrakisch sprechende Einwohner, die genauso wie die eingewanderten Griechen ihre spezifischen Kulte hatten. So sind neben dem griechischen Dionysoskult auch spezifisch thrakische Kulte in großen Umfang nachgewiesen, und zwar die Verehrung der thrakischen Göttin Bendis und des thrakischen Reitergottes.19 Was offenbar unterentwickelt war, war die jüdische Präsenz. Die Stadt war z.Zt. des Paulus ja keine 100 Jahre alt und hatte durch ihre faktische Neugründung als römische Kolonie von vornherein eine stark römische Prägung erhalten. Dies hat ganz offensichtlich dazu geführt, daß sich hier ein nennenswerter jüdischer Anteil der Wohnbevölkerung nicht entwickelte und es daher auch nicht zur Bildung einer jüdischen Synagogengemeinde kam.20 So findet Paulus – jedenfalls nach der Darstellung der Apostelgeschichte – in Philippi keine jüdische Gemeinde vor, sondern stößt nur auf eine Gruppe von Frauen; diese besitzen kein Gebäude innerhalb der Stadt, sondern treffen sich außerhalb der Stadt an einem Fluß (Apg 16,13),21 wobei fraglich ist, ob ein Gebäude gemeint ist, das auch hinsichtlich seiner
18
Zur Situation der römischen Stadt im 1. Jh. n.Chr. vgl. umfassend PILHOFER, Philippi, 49– 113, zum Silvanus-Kult, 108–113. 19 Vgl. PILHOFER, Philippi, 93–100. 20 Nach PILHOFER, Philippi, 231–234, ist trotz eines insgesamt reichen Inschriftenmaterials eine jüdische Präsenz in Philippi nicht nachweisbar. 21 Zur Lage der proseuch, vgl. PILHOFER, Philippi, 165–174.
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Funktion gleichrangig war mit denjenigen jüdischen Gebäuden, die Lukas sonst durchweg als Synagogen bezeichnet.22 Eine dieser Frauen, die sich dort treffen, Lydia, eine aus der Stadt Thyatira in der Provinz Asia zugewanderte Purpurhändlerin, wird die erste Christin (Apg 16,14f). Da es faktisch keine ernsthafte jüdische Präsenz in Philippi gab, entwickelte sich auch kein Konflikt zwischen der entstehenden christlichen Missionsgemeinde und einer jüdischen Synagogengemeinde. Der Konflikt, von dem Lukas erzählt, geht gerade in eine andere Richtung: Paulus gerät mit der heidnischen Volksfrömmigkeit in Konflikt, nämlich mit einer Wahrsagerin (Apg 16,16–18). Die Folge davon ist, daß Paulus und sein Mitarbeiter Silas beschuldigt werden, als Juden Sitten in Philippi einzuführen, die für Römer unannehmbar sind (Apg 16,19–21). Dementsprechend werden sie von den Stadtbehörden der Colonia Iulia Augusta Philippensis – so der offizielle Name – aus der Stadt ausgewiesen.23
2. Thessaloniki Ganz anders stellt sich der Verlauf des Konflikts in Thessaloniki dar. Dort sind allerdings auch die Voraussetzungen ganz anders. Thessaloniki war 316 oder 315 v.Chr. von Kassander, dem damaligen Machthaber und späteren König von Makedonien, an günstiger Stelle im Thermaeischen Golf gegründet worden und entwickelte sich bald zur wich22 Lukas gebraucht für Philippi (anders als für alle anderen Städte, an denen er eine jüdische Gottesdienststätte erwähnt) nicht den Begriff „Synagoge“ (eigentlich: Versammlung[sstätte]), sondern „Proseuche“ (eigentlich: Gebet[sstätte], und zwar gleich zwei Mal (Apg 16,13 und 16). Häufig wird ein Unterschied zwischen beiden Bezeichnungen bestritten, meist mit Verweis auf die apodiktische Aussage von M. HENGEL: „Daß Lk hier gegen seine Gewohnheit nicht sunagwgh,, sondern proseuch, sagt, dürfte auf eine Quelle hinweisen.“ (Proseuche und Synagoge. Jüdische Gemeinde, Gotteshaus und Gottesdienst in der Diaspora und Palästina, in: G. Jeremias u.a. (Hg.), Tradition und Glaube, (FS K.G. Kuhn), Göttingen 1971, 157–184, hier 175). Doch gibt Hengel keinerlei Begründung für seine Vermutung. Es ist zwar richtig, daß proseuch, bis in die frühe Kaiserzeit verbreitete Bezeichnung für das jüdische Gottesdienstgebäude war, aber dies gilt nicht mehr für die Zeit, in der Lukas seine Apostelgeschichte schreibt (Ende des 1. Jh. n.Chr.). 23 Diese Ausweisung wird in Apg 16,39f nur mühsam verschleiert: Warum die Missionare ‚gebeten‘ werden, die Stadt zu verlassen, obwohl sie doch (nach Lukas) unschuldig sind, und warum sie dieser ‚Bitte‘ auch Folge leisten, bleibt völlig offen. D.h. die zwangsweise Ausweisung der Missionare dürfte vorlukanische Tradition sein, da sie der Tendenz des Lukas massiv zuwiderläuft. Zur lukanischen Gestaltung in Apg 16,39f vgl. PILHOFER, Philippi, 204.254. Die Tatsache, daß es in Philippi einen ernsthaften Konflikt für Paulus gab, wird durch die Bemerkung in 1Thess 2,2, wo Paulus Leiden und schimpfliche Behandlung in Philippi erwähnt, bestätigt.
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tigsten Stadt Makedoniens.24 Als Thessaloniki 146 v.Chr. Sitz des Statthalters der römischen Provinz Makedonien wurde, war Thessaloniki längst eine seit über 150 Jahren existierende, prosperierende griechische Polis. In römischer Zeit erhielt die Stadt zusätzlichen Auftrieb durch den Bau der via Egnatia, der großen Ost-West-Straßenverbindung vom Bosporus zur Adria, die direkt durch Thessaloniki (in der Nähe des römischen Forums, s. Tafel 13) führte. Hier in Thessaloniki berührte die via Egnatia noch einmal das Meer; der nächste Hafen Richtung Westen lag dann schon an der Adria, in Dyrrhachium, im heutigen Albanien. Auch in der späteren Kaiserzeit war Thessaloniki ein bedeutendes Handels- und Verwaltungszentrum, wie die baulichen Überreste aus der Zeit von 298 bis 305 zeigen, als Thessaloniki Residenz des (Mit-)Kaisers Galerius war.
Tafel 13
Thessaloniki: Forum
Zur Zeit des Paulus war Thessaloniki eine Stadt, die schon mehr als 300 Jahre existierte und daher im Unterschied zu Philippi auf eine eigenständige, griechisch geprägte Tradition zurückblicken konnte. Zudem war Thessaloniki seit Antonius und Augustus civitas libera, hatte also, trotz der Anwesenheit des römischen Statthalters, ein erhebliches Maß an innerer Selbstverwaltung. Mit dieser griechischen Prägung, die durch die innere Autonomie abgesichert wurde, unterscheidet sich Thessaloniki sehr deutlich von den beiden römischen coloniae Philippi und Korinth – und dieser Unterschied ist wichtig für den besonderen Verlauf des Konflikts zwischen der jüdischen Synagogengemeinde und der frühchristlichen Missionsgemeinde in Thessaloniki. 24
Zur Geschichte von Thessaloniki vgl. PAPAZOGLU, Les villes, 189–212.
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In der ursprünglich makedonischen Gründung Thessaloniki gab es, so muß man annehmen, auch eine längst etablierte jüdische Minderheit. Zwar ist die Erwähnung der „Synagoge der Juden“ in Apg 17,1 der älteste eindeutige Beleg für die Existenz einer Synagoge in Thessaloniki,25 weil zusätzliche archäologische oder epigraphische Zeugnisse aus der frühen Kaiserzeit für eine jüdische Präsenz in Thessaloniki überhaupt fehlen. Doch ist dies in anderen Bereichen, selbst in Syrien oder Phönizien, wo starke jüdische Minoritäten zweifelsfrei bezeugt sind, keineswegs wesentlich anders. So ist es schon ein Glücksfall, daß jetzt seit kurzem, d.h. seit 1994, wenigstens aus dem späten 3. Jh. n.Chr. eine eindeutig jüdische Grabinschrift bekannt ist (Tafel 14).26
Tafel 14
Thessaloniki: Jüdische Inschrift
Es handelt sich um den Sarkophag eines Markus Aurelius Jakob, also eines Mannes mit eindeutig jüdischem Namen. Der zweite Teil der Inschrift enthält die übliche Strafformel, daß bei mißbräuchlicher Benutzung des Sarkophags eine bestimmte Summe Geldes als Strafsumme zu entrichten ist, und zwar in diesem Falle an „die Synagogen“. Hier ist also für das Ende des 3. Jh.s eine Mehrzahl von Synagogen vorausgesetzt. Eine solche Situation entsteht ja auch nicht über Nacht, sondern setzt eine längere Anwesenheit einer jüdischen Wohnbevölkerung in Thessaloniki voraus. Hier kommt es nun zum Konflikt, weil Paulus und Silas erfolgreich bei der jüdischen Gemeinde missionieren (vgl. Apg 17,1–9), d.h. Paulus gewinnt einige Mitglieder der jüdischen Synagogengemeinde für die christliche Botschaft. Vor allem aber hat er Erfolg bei den sog. Gottesfürchtigen, 25
Immerhin ist zusätzlich auf die Bemerkung von Philo, LegGai 281 zu verweisen, der in seiner Aufzählung von jüdischen ‚Kolonien‘ auch allgemein Makedonien aufführt. 26 Die Veröffentlichung erfolgte durch PANTELIS, Synagoge(n). Die Abbildung auf Tafel 19 ist von der Tafel VII bei Pantelis übernommen.
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d.h. den nichtjüdischen Sympathisanten des Judentums, die sich von der monotheistischen Lehre des Judentums angezogen fühlen – und dabei sind es insbesondere eine Anzahl vermögender Frauen, die sich der hier entstehenden christlichen Gemeinde anschließen. Das führt zur Gegenreaktion der jüdischen Gemeinde, die einige Mitglieder der christlichen Gemeinde, insbesondere den Gastgeber des Missionars Paulus, bei den städtischen Behörden verklagt. Mit diesem Vorgehen erreicht die jüdische Gemeinde, daß Paulus und Silas die Stadt verlassen müssen, und zwar wesentlich schneller als geplant. Aus dem 1. Thessalonicherbrief, den Paulus einige Zeit später an die Gemeinde richtet, geht hervor, daß es ihm auch nicht möglich war, nach Thessaloniki zurückzukehren, um die frisch gegründete Gemeinde weiter zu leiten und zu betreuen, obwohl er dies mehrfach versucht hat (1Thess 2,17f). Ganz offensichtlich hatte Paulus in Thessaloniki Aufenthaltsverbot.27 Folgende Aspekte sind an diesem Konflikt wichtig: a) Der Beginn der frühchristlichen Mission in einer jüdischen Synagoge ist nicht als Zufall zu bewerten. Das frühe Christentum versteht sich selbst als das wahre Judentum. Die frühchristlichen Missionare verkünden ja auch keinen neuen Gott, sondern berufen sich auf den in der Synagoge verehrten Gott, verkünden aber von ihm ein neues Heilshandeln, eine neue Hinwendung zum Menschen in der Person Jesu Christi (vgl. die eigene Zusammenfassung der Missionsverkündigung durch Paulus in 1Thess 1,9f). b) Im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Verkündigung entsteht jedoch eine neue religiöse Gemeinschaft, die von Anfang an nicht eine Untergruppe der bestehenden Synagogengemeinde von Thessaloniki war und auch nicht eine zweite oder dritte Synagogengemeinde neben der bereits bestehende darstellte, so wie es zumindest in sehr großen Städten wie Rom oder Alexandria bereits schon damals mehrere Synagogen nebeneinander gab. Auch dieser Sachverhalt, daß nämlich trotz des Beginns innerhalb des Bereichs der jüdischen Synagoge keine weitere Synagogengemeinde, sondern etwas ganz Neues entstand, ist ebenfalls nicht als Zufall zu bewerten. Wenn für diese neue religiöse Bewegung der Grundsatz galt: Hier ist weder Jude noch Grieche (Gal 3,28, vgl. 1Kor 12,13), dann bedeutet das den programmatischen Verzicht auf den Zusammenhang von ethnischer und religiöser Identität, der für jüdische Synagogengemeinden, jedenfalls in ihrer bisherigen Gestalt, schlechterdings unverzichtbar war. Die Verkündi27 Dafür spricht auch, daß nach Apg 17,9 der Gastgeber des Paulus, Jason, sicher auch ein Mitglied der neugegründeten christlichen Gemeinde, eine Kaution stellen mußte – ganz offensichtlich als Sicherheit gegen eine Rückkehr des Paulus. Lukas sagt zwar nicht, bei wem die Kaution entrichtet werden mußte und wer sie angeordnet hat, aber hierfür kommen nur die in Apg 17,6 bereits genannten ‚Politarchen‘, also die obersten Beamten der Stadt, in Betracht.
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gung der frühchristlichen Missionare wandte sich also mit innerer Notwendigkeit auch an die jüdische Synagogengemeinde, beschränkte sich aber aus programmatischen Gründen gerade nicht auf sie. Dies mußte entweder zu einer völligen Transformation der bisherigen jüdischen Synagogengemeinde oder – wenn dies nicht gelang – zur Gründung einer ganz neue religiösen Gruppierung außerhalb der Synagogengemeinde führen. Genau dies ist in Thessaloniki geschehen. Auch die christlichen Gemeinden selbst, die hier in Thessaloniki und an anderen Orten entstehen, verstehen sich nicht einfach als gradlinige Fortführung oder Parallelbildung zur jüdischen Synagogengemeinde, sondern durchaus als etwas Neues. Jedenfalls nennen sie sich nicht „Synagoge der Christianer“, so wie es in Jerusalem eine Synagoge der Libertiner oder Kyrenaier gab (Apg 6,9), sondern sie nennen sich evkklhsi,a tou/ qeou/, also ‚(Volks-)Versammlung Gottes‘ – ein Begriff, der nirgends für eine jüdische Synagogengemeinde belegt ist. Das bedeutet: Die Gründung der christlichen Gemeinde als Gruppe neben der jüdischen Gemeinde ist bereits die Folge eines Konflikts, nämlich die Folge davon, daß die bestehende Synagogengemeinde sich weigert, sich im Sinne der frühchristlichen Missionsverkündigung transformieren zu lassen. Der Konflikt verschärft sich in doppelter Hinsicht a) dadurch, daß es einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde nun doch gibt, die sich dieser neuen religiösen Bewegung anschließen, also die weiterbestehende jüdische Gemeinde verlassen und diese damit schwächen; b) vor allem aber dadurch, daß die Mission des Paulus bei den Sympathisanten der jüdischen Synagogen Erfolg hat, also im direkten Umfeld der Synagogengemeinde. Dieses Umfeld ist natürlich für die jüdische Gemeinde als Minderheitengruppe in einer Stadt wie Thessaloniki sehr wichtig für ihre Stellung im sozialen Gesamtgefüge der Stadt. Und der Verlauf des Konflikts in Thessaloniki zeigt beides: a) Zum einen, daß die jüdische Synagogengemeinde in Thessaloniki nicht nur die Transformationsversuche der christlichen Missionare ablehnte, sondern sofort auch sehr scharf darauf reagierte, daß sich jetzt unmittelbar neben ihr eine neue, mit ihr konkurrierende religiöse Gruppierung etablierte; b) der Konflikt zeigt zum anderen, daß die jüdische Synagogengemeinde in Thessaloniki in der Lage war, die autonom agierende Stadtbehörde gegen die neue Konkurrenz zu mobilisieren.28 28
Auch die scharf polemische Wendung gegen jüdische Behinderungen der Mission in 1Thess 2,14f, obwohl formal nur die „Mitbürger“ der Thessalonicher als Urheber ihrer Bedrückung genannt werden, ist am ehesten erklärlich, wenn in den Gegenmaßnahmen, die von nichtjüdischer Seite durchgeführt wurden, ein Impuls der jüdischen Gemeinde wirksam war; vgl. hierzu
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3. Korinth Noch anders verlief der Konflikt in Korinth. Korinth war eigentlich eine recht junge Stadt, kaum älter als die von Oktavian und Antonius gegründete Kolonie Philippi.29 Natürlich hatte Korinth eine große Vergangenheit seit dem 7. Jh. v.Chr., aber es war von den Römern 146 v.Chr. parallel zu Karthago restlos zerstört worden, und erst Cäsar hatte 44 v.Chr. Korinth wieder neu begründet (vgl. Tafel 15: Stadtplan des römischen Korinth).
Tafel 15
Korinth: Stadtplan
Als Paulus also im Jahre 49 n.Chr. nach Korinth kam, war die Stadt, die er betrat, noch nicht ganz 100 Jahre alt – und damit nur wenige Jahre älter als Philippi, und wie Philippi römische Kolonie. Anders als Philippi hatte Korinth jedoch eine unvergleichlich günstigere Lage, nämlich an der Schnittstelle der Handelswege von West nach Ost und Nord nach Süd und mit zwei Häfen, nämlich Lechaion im Norden am Korinthischen Golf und Kenchreai im Osten am Saronischen Golf. Von dem einen Hafen war die Adria und das westliche Mittelmeer erreichbar, von dem anderen die gesamte Ägäis und das östliche Mittelmeer. Aufgrund dieser günstigen VorT. HOLTZ, Der erste Brief an die Thessalonicher, EKK 13, Zürich/Neukirchen-Vluyn 21990, 96– 114, hier bes. 110f. 29 Zur Geschichte der Stadt vgl. den knappen Überblick von Ernst MEYER, Art. Korinthos, KP 3, 1975, Sp. 301–305; und für die neutestamentliche Zeit W. ELLIGER, Paulus in Griechenland, Stuttgart 1987, 200–225.
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aussetzungen hat Korinth nach seiner Neugründung einen rasanten Aufstieg als Handels- und Gewerbezentrum gehabt, während Philippi eben eine bessere Ackerbürgerstadt an der Grenze des Römischen Reiches geblieben ist. Anders als in Philippi, aber so wie auch in Thessaloniki gab es hier ebenfalls eine jüdische Synagogengemeinde. Aber offenbar war diese Gemeinde in der relativ jungen Stadt Korinth nicht so stabil und fest verankert wie in Thessaloniki. Zwar ist (anders im Falle von Thessaloniki) die Existenz einer jüdischen Gemeinde Korinth unabhängig von der Apostelgeschichte (dort 18,4) bezeugt, und zwar durch Philo von Alexandrien (LegGai 281) – dagegen dürfte die oft erwähnte Inschrift, die eine „(Syna)goge der Hebr(äer)“ (Tafel 16) nennt, kaum aus der Zeit von Paulus stammen.30 Aber der Verlauf des sich auch hier entwickelnden Konflikts mit der frühchristlichen Mission zeigt deutlich, daß die jüdische Gemeinde in Korinth wesentlich geringere politische Einflußmöglichkeiten besaß als ihre Schwestergemeinde in Thessaloniki.
Tafel 16
Korinth: Synagogeninschrift
Auch in Korinth beginnt Paulus seine Missionstätigkeit im Bereich der jüdischen Synagogengemeinde, und auch hier muß Paulus die Synagogengemeinde verlassen. Aber: Der Wanderungsverlust der jüdischen Gemeinde ist hier in Korinth offenbar gravierender als in Thessaloniki. Jedenfalls berichtet Lukas, daß Paulus in Korinth sogar einen Synagogenvorsteher für die christliche Gemeinde gewinnen kann (Apg 18,8).
Vgl. V. P. FURNISH, II Corinthians, AncB 32A, Garden City (NY) 21984, 21. Tafel 16 zeigt den Stein mit Wiederholung der vorhandenen Buchstabenfolge (unten) und Ergänzung (oben). 30
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Vor allem aber (und das ist der entscheidende Unterschied zu Thessaloniki): Der Versuch der jüdischen Gemeinde, die zuständige Behörde gegen die neue Konkurrenz zu mobilisieren, nimmt hier in Korinth einen ganz anderen Verlauf als in Thessaloniki. Allerdings war die Situation in Korinth auch in anderer Hinsicht komplizierter. Für Thessaloniki kann man voraussetzen, daß es dort stabilisierte Beziehungen zwischen der jüdischen Synagogengemeinde und den obersten Stadtbehörden gab, deren Mitglieder in dieser sich intern selbst verwaltenden Stadt aus der einheimischen Oberschicht stammten. Korinth war dagegen römische Kolonie und zugleich Sitz des Statthalters der Provinz Achaia, der alle zwei Jahre wechselte. Der Statthalter zu dieser Zeit war gerade Lucius Iunius Gallio Annaeanus, ein Bruder des berühmten Philosophen Seneca. Diesen versuchte die jüdische Synagogengemeinde zu gewinnen, sicher mit dem Ziel, die konkurrierenden Missionare der Stadt zu verweisen. Dieser Versuch blieb erfolglos.
Tafel 17
Korinth: Das Bema auf dem Forum
Nach der Darstellung des Lukas in Apg 18,12–17 verklagte die jüdische Synagogengemeinde den christlichen Missionar Paulus vor dem Statthalter. In der Verhandlung, die nach Lukas auf dem ‚Bema‘ in der Mitte des Forums stattfand (vgl. Tafel 17), hatte die Synagogengemeinde jedoch keinen Erfolg. Die Anklage seitens der Synagogengemeinde und die Begründung der Ablehnung durch den Statthalter sind historisch nicht mehr nachvollziehbar, weil hier der Schriftsteller Lukas mit Sicherheit keine schriftlichen Quelle oder gar die Prozeßakten selbst verarbeitet, sondern beides frei ge-
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staltet.31 Nur eines scheint mir deutlich zu sein: Die Entscheidung des Statthalters Gallio ist mit Sicherheit nicht als positive Stellungnahme für eine unbehinderte Existenz der christlichen Gemeinde zu interpretieren; viel eher dürfte die Verachtung für die jüdische Religion auf seiten eines Vertreters der römischen Oberschicht bei dieser Entscheidung leitend gewesen sein. Diese Verachtung läßt sich sogar im direkten Umfeld des Statthalters Gallio literarisch nachweisen, nämlich in den Schriften seines Bruders Seneca (vgl. das Fragment32 aus De superstitione bei Augustus, civ. VI 11 und epist. 95,47). Daraus ergibt sich: Die jüdische Gemeinde war offenbar zu schwach und die Hürde, die es zu nehmen galt, auch zu hoch, als daß das gleiche Ergebnis erreicht werden konnte wie in Thessaloniki.
D. Schlußfolgerungen Die drei dargestellten Konflikte aus dem Beginn der Missionsarbeit des Paulus in Makedonien und Achaia zeigen: Das sich entwickelnde Christentum wurde relativ schnell als neue Minderheit wahrgenommen, und zwar sowohl auf der individuellen als auch auf der institutionellen Ebene. Auf der Ebene der persönlichen Kommunikation, bei festlichen Einladungen, war dies unvermeidlich, auch wenn sich Christen keineswegs in demonstrativer Weise abzugrenzen versuchten. Auch die differenzierte Position, die Paulus vertritt, hat zur Folge, daß die Besonderheit dieser Gruppe durchaus wahrgenommen wird. Auf institutioneller Ebene ist spätestens in Thessaloniki und in Korinth der Schritt vollzogen, daß die sich bildende christliche Gemeinde als etwas Neues wahrgenommen wird – nämlich dadurch, daß die jüdische Gemeinde demonstrativ auf Distanz zu dieser Gruppe geht und bei den städtischen bzw. provinzialen Behörden den Versuch unternimmt, den Einfluß dieser konkurrierenden Gruppe möglichst zurückzudrängen. 31
Zur Absicht des Lk vgl. zutreffend A. WEISER, Die Apostelgeschichte. Bd. 2: Kapitel 13–28, ÖTBK 5/2, Gütersloh/Würzburg 1985, 494: Lukas will deutlich machen, „daß die Christen keine Übeltäter sind und das Christentum nicht staatsgefährlich ist (V. 14) und daß sie deshalb auch nicht durch die Staastbehörden verfolgt, belangt oder bestraft werden dürfen. Gallio ist im Sinne des Lukas der mustergültige Staatsbeamte, der dies erkennt und danach handelt (V. 15).“ 32 Text bei M. STERN, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism. Vol. I: From Herodotus to Plutarch, Jerusalem 1974, 431f, Nr. 186; vgl. dazu die Hinweise bei H. CONZELMANN, Heiden – Juden – Christen. Auseinandersetzungen in der Literatur der hellenistisch-römischen Zeit, BHTh 62, Tübingen 1981, 167f: Senecas abschätzige Äußerungen über das Judentum sind Teil seiner Verachtung für orientalische Religionen insgesamt.
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Nun könnte man natürlich meinen, die negative Reaktion seitens der jüdischen Gemeinde hätte ein Vorteil für die neue Minderheit der Christen sein können, denn auch die Juden waren nur in recht begrenztem Maße positiv gelitten, jedenfalls galten sie – aufs Ganze gesehen – doch als krasse Außenseiter. Dennoch: Auch die Christen waren nicht voll integriert und auch nicht voll integrierbar in die antike Gesellschaft. Natürlich: Nach ihrem eigenen Selbstverständnis konnten und sollten die Christen aus der Gesellschaft nicht auswandern, sondern innerhalb dieser Welt ihrem Herrn dienen. Aber genauso selbstverständlich galt, sich nicht gleichzustellen, alles zu prüfen, aber nur das Beste zu behalten, wie es Paulus einmal formulierte (1Thess 5,21) – und es galt, die eigene Identität, die in dem neuen religiösen Bekenntnis begründet war, nicht preiszugeben. D.h. auch wenn die faktische Distanz der Christen zur paganen Gesellschaft deutlich geringer war als im Falle des Judentums, das Gefühl der Distanz, ja der Fremdheit blieb, und dies führte dazu, daß innerhalb der hellenistisch-römischen Welt eine weitere, neue Minderheit entstand.
Mehrfach zitierte Literatur C. DE RUYT, Macellum. Marché alimentaire des Romains (Publications d’histoire de l’art et d’archéologie de l’Université Catholique de Louvain 25), Louvain-la-Neuve 1983. M. LANG, Cure and Cult in Ancient Corinth, American Excavations in Old Corinth. Corinth Notes 1, Princeton, N.J., 1977. M. N. PANTELIS, Synagoge(n) und Gemeinde der Juden in Thessaloniki: Fragen aufgrund einer neuen jüdischen Grabinschrift der Kaiserzeit, ZPE 102, 1994, 297–306 sowie Tafel VII. F. PAPAZOGLU, Les villes de Macédonie à l’époque Romaine, Bulletin de correspondance Hellénique. Suppelemt XVI, Athen 1988. P. PILHOFER, Philippi. Bd. I: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT 87, Tübingen 1995.
Nachweis der Abbildungen Die Abbildungen der Tafeln 4–5, 9–12 und 17 verdanke ich meinem früheren Mitarbeiter Hermann Köhler, Münster; und zwar stammen die Abbildungen der Tafel 4 (Museum Isthmia) vom 26.9.1989, die von Tafel 5 (Pergamon) vom 22.3.1993, von Tafel 9 und 10 (Gerasa) vom 20.3.1995, von Tafel 11 (Ephesus) vom 27.3.1993, von Tafel 12 (Philippi) vom 19.9.1989 und die von Tafel 17 (Korinth) vom 25.9.1989; die Abbildung von Tafel 13 (Thessaloniki) stammt von meinem Mitarbeiter Joachim Jeska, und zwar vom 27.9.1994.
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Hellenistisches Christentum: Geschichte
Die Abbildungen der Tafeln 1–3 und 7–8 stammen vom Verfasser, und zwar vom 1.4.1994 (Tafeln 1–2 und 7–8: Korinth) bzw. vom 3.4.1994 (Tafel 3: Kenchreai). Die Abbildungen von Tafel 14 sind entnommen aus PANTELIS, Synagoge(n), Tafel VII. Die Tafel 16 stellt eine Reproduktion der Inschrift dar; als Vorlage diente die Abbildung Nr. 111 in: B. D. MERITT (Hg.): Corinth VIII/1. Greek Inscriptions 1896–1927, Cambridge, Mass. 1931, 78, darunter ist die Buchstabenfolge wiedergegeben nach A. DEISSMANN: Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, Tübingen, 4., völlig neubearb. Aufl. 1923, 13, Abb. 2. Die Pläne von Tafel 6 (Asklepieion von Korinth) und Tafel 15 (Stadtplan Korinth), sind entnommen aus LANG, Cure 2 (Stadtplan) bzw. 16f (Asklepieion).
Stellenregister (Auswahl) Altes Testament Deuteronomium 27,26 22 30,12–14 22 Psalmen 1 90–106 1,1 96 1,3–6 101–106 2 95 14,1–3 91 51 225 68,26LXX 66–69 69,26MT 66–69 108,8LXX 66–69 109,8MT 66–69 Jesaja 8,14 56–60, 64 16,1b–2 98f 33,16–18a 99–101 45,2f 99–101 Jeremia 2,12f 98 3,8 98 Habakuk 2,4b 25–41 2,16–20 48–52 2,19f 62
Frühjüdische Literatur Achtzehngebet 10. Ben. 120 Baruch, syr. 78 120
4. Esra 13,40–47 120
Psalmen Salomos 11 120 17,26 134 8HҎevXIIgr 47–52, 62 Qumran 4QMMT 227 1QS VIII 1 120 11QTemple 227 Sirach 36,10 120
Neues Testament Matthäus 10,2–4 139 16,18 200 19,28 132–134 Markus 3,7–12 130 3,13–19 129 3,16–19 117 4,10 132 6,7 132 6,52 131 9,35 132 10,29 134 10,32 132 11,11 132 11,15–17 220f 13,1f 220 13,16–19 139 14,10 132
370 14,10.20.43 117 14,17 132 14,20 132 14,43 132 14,58 220 Lukas 6,14–16 139 22,28–30 133 Johannes 2,14–22 220 Apostelgeschichte 1,13 139 1,15–26 64f, 137, 140 1,20 64–70 2,5–13 253 2,5 253–255, 257 2,9–11 252 2,9 254f 2,11 269 2,14–39 250–271 2,14 251, 253 6,1–7 207f 6,5 226, 269, 296 6,9 226 6,11–14 217–219 7,2–53 218 7,54–8,3 218 8,5–25 232–249 10 258 10,1 295 10,44–48 237 11,1–3 137 11,1–18 258 11,20 297 11,21–24 297 11,20f.22–24 259 11,22–24 237, 253 11,26 227 13–14 228, 298, 300, 302, 306–308, 310–311, 317 13,6–12 259 13,16–41 250–271 13,16.26 295 13,38f 263
Stellenregister 13,43 269 15,36–21,26 319 16,1–5/6 302 16,4 296 16,6–11 312 16,6–10 336 16,6–8 305, 312–313, 315, 332–334 16,6 303f 16,11f 332f, 335f 16,13 357 16,14f 358 16,14 295 16,16–18 358 16,19–21 358 17,1–9 360 17,1 332f, 335–336, 360 17,14f 338 18,7 295f 18,8 364 18,12–17 365 18,18–23 316 18,18–22a 321–324 18,18–23a 305 18,23 303f, 334 19,1 316, 334 19,23–40 316 20–21 321, 323–324, 329f 20 203 20,4–21,18 328, 337, 339 20,4 325, 327 20,5–21,17 325 20,16–38 321 20,18–35 325 21,16 318, 329 21,18 326 21,21 217 Römer 1,17b 25–41 3,10–18 91 3,21 13 3,25–26a 221–224 9,33 57–59, 64 11,1 79 12,2 342 15,8 79
Stellenregister 15,9 91 15,11 91 15,20f 311, 317 15,30–32 326 16,1 207 1. Korinther 3,5f 300 5,9–11 342 5,9 194 7,17–20 217 8,1–11,1 150–152, 343 8,1–10 146, 165, 191–194, 350 8,6 164 8,7 344 8,10–12 148, 192, 194 9,1–10,22 151 10,1–22 152 10,14–22 147, 191 10,14 344 10,19–21 154 10,19f 193 10,23–11,1 146f, 152 10,23a 153 10,25f.27–30 155 10,25 149, 165–196, 350, 353 10,26 193, 353 10,27–30 149 10,27–29 192 10,27 354 10,28f 355 10,28b.29a 156–158 10,31ff 158 10,32 145–164 11,1 161 12,2 344 12,13 361 12,28 2054,13f 306 15,3–5 112–119, 123, 135–137 15,5 119, 139 15,7 112–116, 138 15,32 315f 16,1–9 326 16,1 317 16,22 124
2. Korinther 1,8–11 315 3,7–18 71–89 5,17–6,2 86 5,17 86 6,2 86 8–9 326 10,15f 312 11,1–12,13 80 11,22f 71–89 Galater 1,17–19 113 1,18–19 138 2,1–10 115, 308, 321 2,9 138 2,10 326 2,11–14 309f, 317 2,11f 300 3,1 299, 306 3,6–18 20 3,10 22 3,11b 25–41 3,26–28 213, 297f 3,28 123, 228, 361 3,27–29 301 4,8–20 306 4,12–14 310 Epheser 2,20 200 Philipper 1,1 205 3,5 79 3,6 79 4,15 315 1. Thessalonicher 1,9f 361 3,1–5 338 1. Timotheus 3,11 208 3,1–7 205, 208 3,8–10.12f 208
371
372
Stellenregister
3,8–13 203 5,17 203
Didache 10,6 124
2. Timotheus 2,14–26 205
Ignatius Brief an die Magnesier 13,1 92
Titus 1,6 203, 209 1,7–9 205 1,7f 208 1,9 204 Hebräer 10,38a 25–41 Johannesoffenbarung 22,20 124
Frühchristliches Schrifttum Barnabas 5,9 127–128, 131 10 95f 10–11 92 11 96–101 11,1 103 11,6f 101–106 11,8 103 11,9 102, 104 11,10 102 11,11 103
Irenäus adv. haer. I, 23,1–4 234 Justin Dial 86 93–95 86,4 92–94 114,5 97 Apol. I 26,1–3 234
40 94f 40,8–10 92 56,1–2 234 Ps–Chrysostomos XII Apostolos 140–142
Pagane Autoren Herodot Prooemium 127 Plinius d.J. Ep. X 96,10 189
Ortsregister Achaia 312, 340–367 Antiochia 115, 138, 2214f, 226–229, 258, 295f, 307, 309–312, 334f Antiochia Pisidia 228, 259, 295, 302, 310–312, 332, 334f Aphrodisias 272–289, 295 Argos 148 Asia 313, 315, 325, 328, 332, 334, 339 Assos 322 Athen 147, 149, 338 Beroia 325, 336 Caesarea 318, 321, 323–325, 329, 337 Chios 322 Cuicul 168f, 187
Lykaonien 302, 311, 313f, 317, 334 Lystra 228, 259, 302, 310f, 332–334 Makedonien 312, 314, 326, 335–337, 339, 340–367 Milet 321, 323, 325, 336 Mitylene 322 Mysien 313f, 332, 334 Pergamon 148, 347 Philippi 177, 205, 270, 295f,305, 315, 318f, 321f, 326–327, 333–336, 338, 356–358 Phrygien 303–305, 313–314, 332–334 Pisidien 302f, 311, 313f, 317, 334 Pompeji 149, 166f, 170–177, 188, 190 Ptolemais 223, 229
Derbe 259, 302, 304, 310f, 334 Ephesus 168, 315f, 317, 321, 323, 326, 336, 338, 353f Galatien 299–317, 332–335 Gerasa 178–183, 188, 351f Gigthis 178 Ikonion 259, 302, 304, 310f, 332, 334 Isauria 311 Jerusalem 115, 138, 214, 218f, 256, 323–330, 337 Kenchreai 207, 321, 336, 345f Kolossä 315f Korinth 145–164, 183–185, 195, 244, 269, 295f, 315f, 321, 323, 327, 338, 342–355, 363–366 Kos 222, 323
Rhodos 323 Rom 337 Samaria 232, 234 Samos 322f Sardeis 291–295 Thamugadi 178 Thessaloniki 325, 333, 336, 338, ' 358–362 Thibilis 177, 187 Thugga 188, 196 Thyatira 270 Tralles 289, 295 Troas Alexandria 305, 313, 321–323, 327, 329, 332, 335–337 Tyros 321–323 Zypern 228f, 259, 322
Sach- und Begriffsregister Abraham 76–79, 86 Abrahamsverheißung 301 Agora 168f, 348–350 Altar 187 Alt und Neu 87 Aphrodisias-Inschriften 275–289 Apostel 112–116, 124, 139, 210, 247 Apostelkonzil 308 Apostelgeschichte Geographischer Horizont 336 Itinerar 318–339 Kollektenbericht 318–339 Lokalkolorit 319 Redaktion 339f Reden 257 Seereisen 320–328 Traditionen 339f „Wir“-Bericht 318–339 Auferweckung 119 Barnabas 138, 228, 307f, 317 Barnabasbrief 90–108 Basileia s. Reich Gottes Beschneidung 226, 300f, 309 Bischof 203f, 210 Bund 86f Bürgerrecht 357 Charismen 197 Christologie 123 Colonia 357, 359 Dämonen 192, 346 decania 283f Diakone 203, 206–209 Diasporajudentum 42, 146, 159f, 225f Ekklesiologie 111–125 Epheserbrief 200 Erscheinung des Auferstandenen 118, 137
Eschatologie 105–107, 124f Ethik 163, 342 Freiheit 163 Fremdheit 367 Galaterbrief 299–317 Adressaten 299–317 Gegner 300f, 309 Nordgalatische bzw. südgalatische Hypothese 302–305, 317 Galatien 316 Gastmahl 156f Geist 232–249, 336f Geistbesitz 244 Geistverleihung 237f, 243f Gemeindeleitung 197–210 Geschichtsverständnis 126f Gesetz 106, 226–229, 263f, 301 Gesetzeskritik 217–220, 226 Sinaigesetzgebung 81 Speisevorschriften 95f, 159, 226, 354 Gewissen 150f, 156 Gnosis 233 Götterstatuen 186f Gottesfürchtige 227, 250–271, 272– 298 Gottesvolk 111–125, 137 Götzenopfer 152, 165, 340–355 Gütergemeinschaft 197 Handauflegung 204, 242 Hebräer 114, 207f Heiden 213–231 Heilige 122 Hellenisten 114, 138, 207f, 213–229, 244 Institution 197–210 Irrlehrer 205
Sach- und Begriffsregister Jakobus 112–116 Judas 117, 137 Judenchristentum 301 Jüngerlisten 139–142 Justin 90–108 Kaiserkult 166, 176, 306 Kephas s. Petrus Kollekte 326–328 Kollektenbericht 318–339 Kollektendelegation 327f, 331 Übergabe 331f 2. Korintherbrief 71–89 Literarkritik 89 Kreuzigung 137 Kult, heidnischer 344–348 Lehre 204 Lukanisches Doppelwerk 199 Mahlgemeinschaft 309, 353–355 Matthäusevangelium 199 Mission 79 Kollegiatsmission 307 Mose 80f, 86 Nasiräat 331 Opfer 186–189, 227, 352, 355 Paränese 96 Pastoralbriefe 197f, 203–210 Paulus Gegner 71–89, 300, 309 Paulinismus 199 Peristasenkataloge 89 Petrus 112–120, 136, 138, 200 1. Petrusbrief 199 Philemonbrief 315 Philippus 236–238, 246 Presbyter 205–207, 216 Proselyten 77f, 250–271 Psalter Christologische Deutung 95, 105f Eschatologische Deutung 105–107 Leidenspsalmen 91
375
Paränetische Deutung 96, 105–107 Psalmensammlung 90–107 Reich Gottes 120f Sabbat 226 Sakrament 192 Schrift Schriftprinzip 13 Schriftverwendung 14–24, 64 Schriftzitate 17–24 Verlesung 87 Zitiertechnik 18–23 Schriftauslegung Christliche 89 Jüdische 25–41 Schwache 151, 155, 193 Septuaginta 23–39, 42–70 Göttinger Septuaginta 45–47 Rezensionen 53–56, 63 Revision 48, 56–61 Rezeptionsprozess 42–45 Septuagintaforschung 42–70 Septuaginta–Handschiften 55, 63 Textform, alexandrinische 63 Textgeschichte 46f Übersetzung von Aquila 53–56, 61 Übersetzung von Symmachus 53– 56, 61 Übersetzung von Theodotion 53– 56, 61 Zitatformen 44 Silas 338 Simonianismus 246f Simon Magus 232–249 Starke 150–152, 155, 193, 343 Stephanus 114, 207, 215f Sündenvergebung 263f Synagoge 146, 201, 210, 219, 277– 298, 296, 355, 357, 361–366 Taufe 100–108, 237, 342 Tempel, Jerusalem 222, 227–223 Tempelkritik 220f, 226 Versöhnung 224 Tempel, Korinth 348f
376
Sach- und Begriffsregister
Theodotos–Inschrift 202f 1. Thessalonicherbrief 361 Timotheus 338 Tradition Traditionsbewusstsein, jüdisches 74, 77 Urchristentum 129 Urgemeinde 114, 123, 138f, 197 Vereinswesen, hell.-röm. 201f, 205 Verkündigung 130, 258f Versöhnungstag 227
B(DTCKQK 72–80 GKXFYNQSWVC 146–164 GKFYNQP 154 GXMMNJUKCVQWSGQW 122f GXRKUMQRQL 203f SGQUGDGKL 279–281, 287–289, 290– 292f, 296 KBNCUVJTKQP 222–224 8,UTCJNKVCK 72–80
Wandermissionare 76–80 Wunder 232–249
OCMGNNQP, macellum 145–164, 165– 196, 348–350, 354 macellarius 188f, 352 OPJOC 283f
Zwölferkreis 111–125, 126–144 Zwölfstämmevolk 114, 120, 132f, 135
RCVGNNC 285 RTQUJNWVCK 265–267
CXRQUVQNQL 124
UGDQOGPCK 268 UGDQOGPQK 265–267, 270f, 295 URGTOC8$DTCCO 72–80
IPYUKL 152 FKCMQPKC 82, 88 FKCMQPQK&TKUVQW 72–80 FQZCSGQW 161f
HQDQWOGPQK 270f, 272–298, 295
Bilder- und Tafelverzeichnis Codex W (Washington, Freer Collection, Gr. MS. V; Papyrus, . . . . . . . . . . . . . . . 3. Jh. n. Chr.)
36
Cuicul: Plan des macellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
Pompeji: Grundriß des macellum von A. Maiuri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
Pompeji: Gesamtansicht des macellum Richtung Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
Pompeji: Ansicht der beiden Kultäume an der Ostseite des macellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
Pompeji: Statuennische und Altar im NO-Raum des macellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
Pompeji: offene, vom Nordumgang des macellum abgeteilte Kammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
Gerasa: Ansicht des Ovalen Forums und des südlichen cardo maximus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
Gerasa: Grundriß des macellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180
Gerasa: Innenhof des macellum (Gesamtansicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
Gerasa: Verkaufstische in der SW-Exedra des macellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182
Korinth: Plan des Zentrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
Korinth: Läden an der Südseite der Nordagora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185
Der Peribolos des Apollon in Korinth, der Platz des macellum z. Zt. des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195
Schlachtraum unterhalb des macellum von Thugga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
Rückseite des macellum von Thugga mit Treppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
Stele from Aphrodisias, Inv. 76.1; front and left side . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
Stele from Aphrodisias, front side . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
Stele from Aphrodisias, front side: central section . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
Stele from Aphrodisias, front side: top section . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278
Stele from Aphrodisias, left side: top section . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282
Stele from Aphrodisias, left side: lower section (list of names): lines 12–27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
Stele from Aphrodisias, left side: lower section (list of names): lines 17–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
Synagogue of Sardeis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
Synagogue of Sardeis: Forecourt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292
378
Bilder- und Tafelverzeichnis
Synagogue of Sardeis – Forecourt inscription of the God-Worshipper Aur. Polyhippos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294
Korinth: Apollon-Tempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
Korinth: Römischer Tempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
Kenchreai: Isis-Heiligtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
Rekonstruktion des opus sectile aus Kenchreai (Museum Isthmia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
Pergamon: Podiensaal (Gesamtansicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
Korinth: Plan des Asklepieion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
Korinth: Banketträume im Asklepieion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
Korinth: Nordagora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
350
Gerasa: macellum (Innenansicht von Südosten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351
Gerasa: Verkaufstische in der SW-Exedra des macellum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
352
Ephesus: Hanghaus 2, Peristyl in Wohnhaus B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
Philippi: Nordseite des Forums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
356
Thessaloniki: Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
359
Thessaloniki: Jüdische Inschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
360
Korinth: Stadtplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
363
Korinth: Synagogeninschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
364
Korinth: Das Bema auf dem Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Band 64: Judith Hartenstein
Band 61: Benedict Viviano
Charakterisierung im Dialog
Matthew and His World
Maria Magdalena, Petrus, Thomas und die Mutter Jesu im Johannesevangelium im Kontext anderer frühchristlicher Darstellungen 2007. 347 Seiten mit zahlreichen Tabellen, gebunden. ISBN 978-3-525-53987-3
The Gospel of the Open Jewish Christians Studies in Biblical Theology 2007. 309 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53964-4
Wie nehmen wir als Leserschaft die Begleiter Jesu wahr?
Band 63: Thomas Witulski
Kaiserkult in Kleinasien Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius 2007. 210 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53986-6 Thomas Witulski zeigt bedeutsame Entwicklungslinien der kultisch-religiösen Verehrung römischer Kaiser auf.
Band 62: Taeseong Roh
Der zweite Thessalonicherbrief als Erneuerung apokalyptischer Zeitdeutung 2007. 140 Seiten mit 9 Abb. und einer Tabelle, gebunden ISBN 978-3-525-53963-7 Der zweite Brief des Paulus an die Thessalonicher wird sozialgeschichtlich erhellt. Ist er eine Korrektur der Naherwartung des Paulus, wie sie in 1Thess zu finden ist?
Ursprung und Kontext des MatthäusEvangeliums.
Band 60: Ilze Kezbere
Umstrittener Monotheismus Wahre und falsche Apotheose im lukanischen Doppelwerk 2006. 231 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53960-6 Lukas weist jede Vergöttlichung von Menschen zurück und nimmt eine Position zwischen Juden und frühchristlichen Apologeten ein.
Band 59: Max Küchler / Karl Matthias Schmidt (Hg.)
Texte – Fakten – Artefakte Beiträge zur Bedeutung der Archäologie für die neutestamentliche Forschung 2006. XI, 242 Seiten mit 50 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-53962-0 Renommierte Exegeten bringen Archäologie und Literaturwissenschaft miteinander ins Gespräch und führen zu einem adäquateren Verständnis des Neuen Testaments.
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Band 58: Ute E. Eisen
Band 55: Siegfried Ostermann
Die Poetik der Apostelgeschichte
Die Münzen der Hasmonäer
Eine narratologische Studie 2006. 294 Seiten mit 19 Tab. und 2 Schaubildern, gebunden ISBN 978-3-525-53961-3 Die vielfältigen Ansätze innerhalb der Erzähltheorie werden systematisiert und auf Texte der Apostelgeschichte angewandt. Eisen liefert Neues zu Glaubensverständnis und Heidenmission.
Band 57: Dieter Sänger / Matthias Konradt (Hg.)
Das Gesetz im frühen Judentum und im Neuen Testament Festschrift für Christoph Burchard zum 75. Geburtstag 2006. 344 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53958-3 Im Zentrum der Festschrift stehen zentrale Aspekte der Gesetzesthematik im Neuen Testament und im frühen Judentum.
Band 56: Christoph RiedoEmmenegger
Ein kritischer Bericht zur Systematik und Chronologie Mit einem Vorwort von Max Küchler. 2005. X, 89 Seiten mit 15 Abb. und 10 Tab., gebunden ISBN 978-3-525-53956-9 Eine Darstellung der Forschungsgeschichte des hasmonäischen Münzkorpus, die durch die zahlreichen Abbildungen und Tabellen auch dem NichtNumismatiker die antike jüdische Stempelkunst näher bringt.
Band 54: Hanna Roose
Eschatologische Mitherrschaft Entwicklungslinien einer urchristlichen Erwartung 2004. 376 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53955-2 Nach Mt 19,28/par Lk 22,30 sollten die Jünger an der eschatologischen Herrschaft Gottes teilhaben. Diese Studie untersucht die urchristlichen Diskussionen darüber, für wen genau diese Verheißung galt.
Band 53: Ellen B. Aitken
Prophetisch-messianische Provokateure der Pax Romana
Jesus’ Death in Early Christian Memory
Jesus von Nazaret und andere Störenfriede im Konflikt mit dem Römischen Reich 2005. XXI, 381 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53959-0
The Poetics of the Passion 2004. 202 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53954-5