Handbuch des integrierten Umweltmanagements 9783486793406, 9783486242201

Das Seminar-Handbuch zum Umweltmanagement auf allen Aus- und Weiterbildungsebenen.

214 9 30MB

German Pages 300 Year 1997

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Table of contents :
Kapitel 1: Einleitende Zusammenfassung
Teil A. Rahmenbedingungen, Trends und Querschnittsfragen
Kapitel 2: Sustainable Development und Rahmenbedingungen
Kapitel 3: Was ist und wie erreichen wir eine nachhaltige Entwicklung ?
Kapitel 4: Public Private Partnership
Kapitel 5: „Leistungs- statt Produktabsatz“ für einen ökologischeren Konsum ohne Eigentum
Kapitel 6: Trends in der Umweltschutztechnologie
TeilB. Integration in und Vernetzung von Wertschöpfungsketten
Kapitel 7: Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts
Kapitel 8: Führungsorientiertes Öko-Controlling
Kapitel 9: Best practice Organisationsgestaltung und Personalmanagement
Kapitel 10: Produktentstehung in einer Kreislaufwirtschafl
Kapitel 11: Ökologieorientiertes Konsumentenverhalten als markt- und wettbewerbsstrategische Herausforderung für das Umweltmanagement
Kapitel 12: Umweltschutz in der schlanken Produktion
Kapitel 13: Management geschlossener Kreisläufe
Autorenverzeichnis
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Handbuch des integrierten Umweltmanagements
 9783486793406, 9783486242201

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Lehr- und Handbücher zur Ökologischen Unternehmensfuhrung und Umweltökonomie Herausgegeben von

Dr. Carlo Burschel Bisher erschienene Werke: Birke • Burschel • Schwarz (Hrg.), Handbuch Umweltschutz und Organisation Bringezu, Umweltpolitik Steger (Hrg.), Handbuch des integrierten Umweltmanagements

Handbuch des integrierten Umweltmanagements Herausgegeben von Professor

Dr. Ulrich Steger

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Handbuch des integrierten Umweltmanagements / hrsg. von Ulrich Steger. - München ; Wien : Oldenbourg, 1997 (Lehr- und Handbücher zur ökologischen Untemehmensfuhrung und Umwehökanomie) ISBN 3-486-24220-2

© 1997 R Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 Münch« Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: R Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-24220-2

Vorwort des Reihenherausgebers

Das Thema „Ökologische Unternehmensfiihrung" ist unter den umweltpolitischen Vorzeichen „Deregulierung" und „Selbstverpflichtung" verstärkt in den Fokus fachwissenschaftlicher und öffentlicher Diskussion gerückt. Wieder einmal wurde auch deutlich, daß die wissenschaftlichen Diskurse bis dato primär unter naturwissenschaftlichen bzw. ingenieurtechnischen Gesichtspunkten geführt werden - zumal die Betriebswirtschaftslehre relativ spät auf die ökologische Herausforderung reagiert hat. So ist auch die Entwicklung zu beobachten, daß zwischenzeitlich einerseits eine Vielzahl von hochspezialisierter Fachliteratur vorliegt, andererseits einführende Grundlagenwerke aber nicht fortgeschrieben werden oder in nur wenig veränderten Nachdrucken erscheinen. Dies muß als Defizit empfunden werden, da gerade in den letzten Jahren - vor dem Hintergrund des Leitbildes

„Sustainable

Development"

-

eine

strategische

Zäsur

im

betrieblichen

Umweltschutz gefordert wird: vom additiven zum integrierten betrieblichen Umweltschutz. Es wäre ein geradezu fataler Optimismus zu glauben, daß der Grundgedanke der „ökologischen Unternehmensführung" in Wissenschaft und Praxis etwa mit der zunehmenden Verbreitung der Validierungs- bzw. Zertifizierungssysteme ä la „Öko-Audit-Verordnung" oder „ISO 14001 ff." etabliert worden wäre. Die Situation stellt sich vielmehr so dar, daß ein kleiner Kreis engagiert und spezialisiert die Diskussion voranträgt; die Diffusion in weite Kreise der Betriebswirtschaftslehre und der Praxis aber nur unzureichend gelungen ist und fast schon als stagnierend zu apostrophieren ist. Darüber kann auch nicht die zunehmende Institutionalisierung in diversen Studiengängen, Zusatzfächem und das Angebot von akademischen Zertifikaten hinwegtäuschen, da die Professionalisierung umweltspezifischer Berufsbilder und das Entstehen einer entsprechenden Arbeitsmarktnachfrage nur mit erheblichen „time-lags" vonstatten geht. Deshalb ist es notwendig, für „Newcomer" des betrieblichen Umweltschutzes ein entsprechendes „Einführungswerk" vorzulegen, welches die entsprechenden ökonomischen und ökologischen Grundprobleme auf aktuellem Stand darstellt und somit auch für „Fortgeschrittene" als Kompendium Verwendung finden kann.

VI

Die

Vorwort

Reihe

„Lehr-

und

Handbücher

zur

ökologischen

Unternehmens fllhrung

und

Umweltökonomie" des Oldenbourg Verlages unternimmt einen Schritt in diese Richtung, indem namhafte Autoren dieses Bandes die wichtigsten betrieblichen Funktionsfelder in den aktuellen ökologischen Diskussionskontext stellen. Der Herausgeber dieses Bandes, Prof. Dr. Ulrich Steger, einer der „Öko-Pioniere" in Deutschland, legt hier ein Handbuch vor, das Wissenschaftlern, Studenten und Praktikern gleichermaßen eine strukturierte Einführung, wie aktuelle Darstellung der Themenkomplexe einer ökologischen Betriebswirtschaftslehre, die sich als Managementlehre versteht, bietet. Fulda und Osnabrück, im Mai 1997

Carlo Burschel

Vorwort des Herausgebers

Die Rahmenbedingungen für das Umweltmanagement haben sich in den letzten Jahren ebenso verändert wie die innerbetrieblichen Voraussetzungen in den Unternehmen. Schlag- oder Stichwörter wie Globalisierung, shareholder value, Stagnation der Umweltpolitik, sowie erneute Prioritätenverschiebungen der Konsumenten durch Arbeitslosigkeit und sinkende Realeinkommen müssen ebenso stärker als Kontextfaktoren beachtet werden wie die organisatorischen Veränderungen zu dezentralen, prozeß-orientierten Entscheidungseinheiten. Femer entwickelt sich erfolgreiches Umweltmanagement von einer Spezialfunktion zu einem integrierten Bestandteil von Geschäftsprozessen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und darüber hinaus. Managementsysteme erhalten eine größere Bedeutung und es sind Versuche erkennbar, sie auf eine gemeinsame ,»Plattform" zu stellen (etwa indem Qualitätsmanagement- oder Arbeitssicherheitssysteme mit Umweltmanagementsystemen zusammengefaßt werden). Trotzdem orientieren sich große Teile der Literatur weiterhin an den „Spezialitäten" des Umweltschutzes und betrachten die Integration immer noch aus der ökologischen Perspektive. In diesem Band wird ein anderer Blickwinkel empfohlen: auf der Basis von „best practice" einer Aufgabe oder Funktion soll erörtert werden, welche Management-Anforderungen sich ergeben, wenn Umweltschutzkriterien berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden weiterführende Perspektiven und Ideen erörtert, die mit dem (schwierigen) Übergang zum „Sustainable

Development" als gleichwertige

Berücksichtigung

von

ökonomischen,

ökologischen und sozialen Zielen verbunden sind. Das Handbuch richtet sich daher weniger an Umwelt-Spezialisten, sondern vielmehr an alle, die Umweltschutz aus ihrer Managementverantwortung heraus oder in Forschung und Lehre stärker in ihrer „normalen" Tätigkeit berücksichtigen wollen.

Vili

Vorwort

Mein aufrichtiger Dank gilt an dieser Stelle meinen Autoren-Kolleginnen für die konstruktive Zusammenarbeit und den regen Gedankenaustausch, Herrn Dr. Carlo Burschel für die angenehme Betreuung im Rahmen der Herausgeberschaft der Reihe, Herrn Dipl.-Vwt. Martin Weigert für die fachlich kompetente und geduldige Unterstützung von Seiten des R. Oldenbourg Verlages, sowie Herrn Dipl.-Kfm. Marco Prehn für die hilfreiche Unterstützung bei der konzeptionellen, organisatorischen und technischen Entwicklung dieses Handbuches. Oestrich-Winkel und Lausanne, im Mai 1997

Ulrich Steger

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

1:

Einleitende Zusammenfassung

1

von Prof. Dr. Ulrich Steger

Teil A Rahmenbedingungen, Trends und Querschnittsfragen Kapitel

2:

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

31

von Prof. Dr. Eberhard Feess Kapitel

3:

Was ist und wie erreichen wir eine nachhaltige Entwicklung ?

51

von Prof. Dr. Malte Faber, Frank Jost, M.A. und Reiner Manstetten, M.A. Kapitel

4:

Public Private Partnership von Dr. Uwe Schneidewind

69

Kapitel

5:

„Leistungs- statt Produktabsatz" für einen ökologischeren Konsum ohne Eigentum

87

von Prof. Dr. Ursula Hansen und Dipl.-Kfm. Ulf Schräder Kapitel

6:

Trends in der Umweltschutztechnologie

111

von Dr. Eberhard Böhm und Dr. Harald Hiessl

Teil B Integration in und Vernetzung von Wertschöpfungsketten Kapitel

7:

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

137

von Prof. Dr. Thomas Dyllick und Dr. Johannes Hummel Kapitel

8:

Führungsorientiertes Öko-Controlling von Dr. Stefan Güldenberg

155

Inhaltsverzeichnis

X

Kapitel

9:

Best practice Organisationsgestaltung und Personalmanagement

179

von Prof. Dr. Michael Stitzel und Dipl.-Kffr. Claudia Kirschten Kapitel

10:

Produktentstehung in einer Kreislaufwirtschaft

197

von Prof. Dr. Harald Dyckhoff, Dr. Heinz Ahn und Dipl.-Ing., Dipl.-Kfin. Tom Gießler Kapitel

11 :

Ökologieorientiertes Konsumentenverhalten als markt- und wettbewerbsstrategische Herausforderung für das Umweltmanagement

217

von Prof. Dr. Dr. h.c. Heribert Meffert und Dr. Manfred Kirchgeorg Kapitel

12:

Umweltschutz in der schlanken Produktion von Dr. Jürgen Fleig

241

Kapitel

13:

Management geschlossener Kreisläufe

255

von Prof. Dr. H.-C. Pfohl und Dipl.-Wi.-Ing. Christian Schäfer

Autorenverzeichnis

287

Kapitel 1 Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements Eine Einfuhrung von Ulrich Steger

1. Eine Dekade Umweltmanagement - ein Rückblick

2

2. Zur Notwendigkeit eines konzeptionellen Neuansatzes

4

3. Ein alternativer Ansatz: ökologische Restriktionen in der „Resource - Based View of the Firm"

8

4. Leitideen, Verbindungslinien und weiterführende Perspektiven dieses Bandes

15

5. Fazit und Ausblick

26

Literatur

27

Kapitel 1

2

1.

Eine Dekade Umweltmanagement - ein Rückblick

Rückblicke haben immer ihre Tücken. Nostalgische Verklärungen ist die eine Falle, der man meistens bei Jubiläen unterliegt. Daher möchte ich diese Ginführung nicht mit dem Rückblick auf „10 Jahre", sondern auf - grob geschätzt - eine Dekade Umweltmanagement beginnen. Die zweite Falle ist der Versuch, wie Historiker einen „roten Faden" der logischen Zwangsläufigkeit aus einem Gewirr von Zufällen, Irrtümern und unbeabsichtigten Folgen entwickeln. Dies ist zwar immer eine Festrede wert, reicht aber meistens weder für eine Bestandsaufnahme noch für die Identifizierung zukünftiger Entwicklungen. Aber genau darum soll es in diesem einleitenden Aufsatz gehen: eine Evaluierung des gegenwärtigen Status-quo und der (hieraus resultierenden) künftigen Notwendigkeiten des „Weiterdenkens" und seiner Umsetzbarkeiten. Wissenschaftliche Entwicklungen haben selten einen klar definierten Beginn oder ein abruptes Ende: so gab es natürlich frühe Pioniere in der deutschen wissenschaftlichen Diskussion (etwa Eichhorn 1972, oder Strebel 1980), aber es ist wohl fair zu behaupten, daß der „Boom" des Umweltmanagements in der betriebswirtschaftlichen Literatur erst nach der ersten Hälfte der 80er Jahre folgte. Anlaß war die zunehmende Erkenntnis, daß von Unternehmen auf dem Gebiet des Umweltschutzes dauerhaft mehr erwartet wurde als die reine Befolgung gesetzlicher Auflagen. Die Gründung der beiden umweltorientierten Unternehmensverbände - B.A.U.M. e.V. und future e.V. - symbolisiert diese Entwicklung, die im angelsächsischen Sprachraum erst eine halbe Dekade später einsetzte (siehe z.B. den Überblick bei Welford/ Starkey 1996; aufgrund der Sprachbarriere wurde allerdings nicht auf Konzepte oder Erfahrungen aus dem deutschsprachigen Raum zurückgegriffen). Schon zu Beginn der betriebswirtschaftlichen Diskussion waren zwei unterschiedliche Grundströmungen zu beobachten (vgl. auch Stitzel 1994; ähnlich in den USA: vgl. Gladwin/ Kennelly/ Krause 1995): den einen ging es mehr um die Aufarbeitung eines neuen Problemfeldes im Rahmen der ,,mainstream-"Betriebswirtschaftslehre, während andere eher nach einer „besseren", d.h. ökologieorientierten BWL suchten (für die letzteren sei beispielhaft auf die Mehrheit der Beiträge in dem von Seidel/ Strebel (1992) herausgegebenen Reader verwiesen, für erstere auf den Sammelband der Schmalenbach-Gesellschaft 1994). Die sich daraus ergebende Verwirrung von Sein, Sollen und Können hat nicht immer zur Transparenz und Klarheit der Diskussion beigetragen. Aber jenseits der normativ - und damit wissenschaftstheoretisch - unterschiedlichen Ausgangspunkte, wurde im pragmatischen Sinne

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

3

die Frage verfolgt, welche Voraussetzungen vorhanden und welche Entscheidungen getroffen werden müßten, um eine umweltorientierte Unternehmensführung zu erreichen. Dabei behandelten die Autoren die Formulierung und Umsetzung von untemehmensbezogenen wie funktionalen Strategien,

die

Anpassung

und

Weiterentwicklung

von

Instrumenten,

Organisationsformen usw., aber eher seltener bereits den Einfluß von Markt- und politischen Rahmenbedingungen („typisch" für diese Art der Literatur u.a. Steger 1997b, Wagner 1993). Daneben gaben größere empirische Untersuchungen Aufschluß darüber, wie weit die „Durchdringung" des Umweltschutzes im Unternehmen gediehen war (zum Überblick etwa Antes/ Steger/ Tiebier 1992, Schwaderlapp 1995 oder Kirchgeorg 1995). Mit dem Erlaß der EG-Öko-Audit-Verordnung im Jahre 1993 trat der Aspekt der Managementsysteme sehr stark in den Vordergrund (was eine sehr höfliche Umschreibung für eine wahre „Literaturflut" ist; beispielsweise ergab eine Datenbankrecherche im Rahmen der Forschungsgruppe Evaluierung Umwelt-Audit im Zusammenhang mit der Überprüfung der Verordnung, daß pro validiertem Standort knapp 10 Veröffentlichungen, und allein im Jahre 1996 sechs Handbücher, Leitfäden o.a. mit jeweils über 250 Seiten zu dieser Thematik erschienen sind; zu einer knappen Zusammenfassung der Debatte vgl. Dyllick 1997). Im Rückblick wird dabei deutlich, daß die bisherigen Arbeiten (der Verfasser eingeschlossen) implizit oder explizit auf Basis einer zentralen Voraussetzung argumentieren: Umweltschutz im Unternehmen ist nicht nur notwendig, sondern auch erfolgreich, weshalb sich das, was heute nur „aufgeklärte" Firmen tun, zwangsläufig überall nach dem Motto durchsetzen wird: was vernünftig ist, wird früher oder später auch gemacht (als typische Beispiele sei verwiesen auf die Beiträge in Kreikebaum/ Siedel/ Zabel 1994; für den angelsächsischen Sprachraum: Shirivstrava 1996). An dieser zentralen Prämisse habe ich (und wohl nicht nur ich) heute meine erheblichen Zweifel. Zudem ist die gegenwärtige Diskussion durch zwei Merkmale gekennzeichnet: einerseits stagniert das Fach nach einer Phase der stürmischen Entwicklung. Wer z.B. die letzte Greening of Industry-Konferenz verfolgte, konnte unschwer feststellen, daß sich die Doktoranden der dritten Generation noch immer mit denselben Problemen herumschlagen wie diejenigen der ersten. Andererseits scheint die Kluft zwischen zwar sympathischen, aber irrelevanten nomativen Konzepten und der betrieblichen Realität immer größer zu werden. Damit

wird

auch

das

Orientierungs-

und

Handlungswissen,

welches

die

Betriebswirtschaftslehre als angewandte Wissenschaft (oder vielleicht doch nur „Kunstlehre") den Unternehmen zur Verfügung stellen kann, obsolet. Was soll man z.B. vom Realitätsgehalt ausgefeilter normativer Konzepte für die „sustainable Corporation" halten (etwa Pfriem 1995, Wedford 1995), wenn selbst in Unternehmen mit einer langjährigen und fortgeschrittenen

4

Kapitel 1

Umweltpolitik nur etwa 50% der Beschäftigten wissen, daß das Unternehmen einen Umweltbericht hat (vgl. u.a. Ramus/Steger 1997) ? Die Ergebnisse anderer Untersuchungen zu diesen und anderen Fragestellungen deuten in die gleiche Richtung: Umweltschutz hat systematisch einen geringeren Stellenwert als es in der Vergangenheit angenommen wurde. So zeigte eine vom Institut für Ökologie und Untemehmensführung durchgeführte Folgeuntersuchung für das Transportgewerbe, daß der früher von uns prognostizierte Trend zu einer größeren Umweltorientierung nicht eingetreten ist (Richter/ Riedl/ Tiebier 1997). Ich hoffe nicht, daß der Eindruck entsteht, daß ich die Kolleginnen davon abhalten will, derartige Konzepte zu entwerfen, aber entscheidend ist der oft entstehende irrige Eindruck, daß ein Trend in dieser Richtung stattfände oder gar unausweichlich sei. Aber gerade weil dies - empirisch belegbar - nicht der Fall ist, halte ich die Notwendigkeit für einen konzeptionellen Neuansatz nach einer Dekade der Entwicklung des Umweltmanagements für größer

als es die quantitative

Ergiebigkeit

des

akademisch-betriebswirtschaftlichen

„Umweltoptimismus" vermuten läßt.

2.

Zur Notwendigkeit eines konzeptionellen Neuansatzes

Um Mißverständnisse von vornherein aus dem Weg zu räumen: es geht nicht um die Frage (normativ), ob nicht Unternehmen einen Beitrag zum Umweltschutz leisten müssen, um sonst erkennbar werdende Probleme für sich selbst als Organisationen und ihr Umfeld (sprich: die Menschheit) zu vermeiden (jüngst wieder überzeugend begründet in Hart 1997), unabhängig davon, ob dies aus ethischen Überzeugungen oder Eigeninteresse geschieht. Demgegenüber steht hier zur Debatte, ob diejenigen, die sich wissenschaftlich mit dieser Frage beschäftigen, die Veränderungen im Markt- und regulativen Umfeld von Unternehmen und ihr verändertes Verhalten hinreichend zur Kenntnis genommen haben und ob ihre Theorien und/ oder Konzepte (manchmal auch Rezepte) - sowohl die Analyse als auch die Therapie betreffend adäquat zur Problembehandlung sind. Meine Zweifel beziehen sich dabei zunächst auf die im folgenden erläuterten sieben Punkte, bevor die Umrisse eines alternativen Ansatzes skizziert werden sollen. 1. Empirische Daten (vgl. Meffert/ Kirchgeorg in diesem Band) zeigen, daß der Stellenwert des Umweltschutzes in der Bevölkerung (nicht nur in Deutschland) gesunken ist - von der schon immer vorhandenen Diskrepanz über die in Meinungsumfragen bekundeten, umweltfreundlichen Absichten beim Einkauf und dem tatsächlichen Verhalten am „pointof-sale" ganz zu schweigen. Arbeitslosigkeit und sinkende Realeinkommen als

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

5

(europäische) Realität für die nächsten Jahre lassen nicht erwarten, daß es einen (neuen) „ökologischen Wonnemonat" von Seiten der Konsumenten geben wird. Sieht man einmal von direkter Betroffenheit der Konsumenten etwa bei Gesundheitsrisiken ab, so wird Umweltschutz auch in Zukunft wohl nur als (kostenloser) Zusatznutzen oder im Fall von monetären

Vorteilen

durch

geringere

Anschaffungs-

oder

Betriebskosten

bei

Ressourceneinsparung eine Rolle spielen. 2. Auch in den Unternehmen hat die Frage des Überlebens und das Erreichen der höheren finanziellen Ertragsziele - wie empirische Untersuchungen, aber auch die Diskussion um Shareholder-Value beispielhaft zeigen - andere Überlegungen eher in den Hintergrund gedrängt (Steger 1997b). Zwar gibt es Unternehmen, die aus ökologischer Betroffenheit oder persönlicher Überzeugung ihrer Unternehmensspitze/ Eigentümer einen pro-aktiven Umweltschutz fortführen, aber sie stellen eine Minderheit dar, der eine große Zahl von „Öko-Minimalisten" gegenübersteht (auch wenn sich diese zertifizieren bzw. validieren lassen). 3. Die bisherige Literatur hat das „ökologische Informationsdilemma" erheblich unterschätzt. Die Kriterien und Mechanismen, nach denen Umweltprobleme im Markt und in der Öffentlichkeit verarbeitet und bewertet werden, sind vollkommen andere als sich aus den naturwissenschaftlich-technischen Instrumenten der Öko-Bilanz oder des life-cycleassessments ergeben (ausführlicher hierzu Spiller 1996). Dies wirft die Frage auf, ob wir für die Unternehmen eigentlich die benötigten Instrumente entwickelt haben. 4. Wie an anderer Stelle ausführlicher begründet (Steger 1997a), weisen die drei hauptsächlich

im

Umweltmanagement

angewandten

Konzepte

des

strategischen

Managements, des Organisationsiemens und der Mikropolitik erhebliche analytische und konzeptionelle Defizite auf, um das Verhalten von Unternehmen (nicht nur) im Umweltschutzbereich

unter

heutigen

Bedingungen

erklären

zu

können

oder

Handlungswissen bereit zu stellen: - das strategische Management, wie wohl noch im Denken weit verbreitet und praktisch angewandt, ist ursächlich für den „öko-Voluntarismus" in der bisherigen Literatur, weil es davon ausgeht, daß das Unternehmen quasi-autonom in der Strategiewahl sei und es nur um die Frage der eingesetzten Instrumente gehe, um auch die gewählte Strategie (erfolgreich) zu implementieren. Dieser „Aktionsansatz" ist aber wenig geeignet, die Komplexität und Dynamik konzeptionell zu fassen, denen sich die Unternehmen heute gegenübersehen;

6

Kapitel

1

- die Mikropolitik ist zwar analytisch sehr „tiefen-scharf', wenn sie einzelfallbezogen die Akteure, Interessenlagen und Handlungen im betrieblichen Umweltmanagement analysiert (vgl. u.a. Burschel 1996), aber wie die Systemtheorie ist sie inhaltlich leer und muß im Einzelfall mit Hypothesen und (Auswahl-)Kriterien gefüllt werden. Genau dies

verhindert

allerdings,

daß

sie

als

theoretische

Grundlage

für

(verallgemeinerungsfähige) Handlungsanleitungen dienen kann; - die Konzeption des Organisationsiemens ist weder theoretisch weit genug entwickelt, noch in der Mehrzahl der Ansätze empirisch testbar, um gegenwärtig als konzeptionelle Grundlage für das Umweltmanagement zu dienen und (nicht nur dort) auf dieser Grundlage handlungsrelevantes Wissen zu generieren. Nur im sehr eingeschränkten Bereich von expliziter Wissensakquisition und -distribution kann dies anders beurteilt werden (ausführlicher Winter 1997). - Nicht nur neue Phänomene, wie die rapide

Zunahme

von

„Explosion"

der Wertschöpfungskette durch die

Direktinvestitionen,

sondern

auch

die

Veränderungsgeschwindigkeit und die Handhabung von Komplexität, die sich gerade im „ökologischen Systemmanagement" als das eigentliche Defizit erweist (ausführlicher Steger 1996b), müssen künftig adäquater in der Literatur behandelt werden.

5. Die zugrunde gelegten Organisationsmuster im Umweltmanagement spiegeln nur sehr unzureichend die sich heute entwickelnden Realitäten wider. Gerade in der Debatte um Umweltmanagementsysteme

kommen

wieder

geradezu

archaisch

anmutende

Vorstellungen über ,Aufbau- und Ablauforganisation" zum Tragen. Die in den Unternehmen stattfindenden radikalen Dezentralisierungsprozessse, die unterschiedlichen „Achsen"

des Managements (nach Regionen, Produkten, Mega-Projekten, Kunden und -

immer noch - Funktionen), die insgesamt zu einer hohen Organisationskomplexität bei ständigem Wandel führen, kommen ebenso wenig vor wie die Orientierung an Prozessen statt Strukturen (ausführlicher zu diesen komplexen Prozeßorganisationen: Galbraith 1995). Damit werden nicht nur systematisch relevante Fragen wie etwa die Beziehungen zwischen Konzernzentrale und Unternehmensbereichen im Umweltschutz vernachlässigt oder bürokratische Organisationskonzepte entwickelt, für die es keine betrieblichen Entsprechungen mehr gibt. Darüber hinaus verändern sich die Voraussetzungen, Interessenlagen, Motivationen und Anforderungen für die organisatorische Integration des Umweltschutzes entscheidend durch die dezentrale Ergebnisverantwortung oder sogar Netzwerk-Gestaltung und die damit verbundenen komplexen Organisationsstrukturen (z.B. eine Einflußdeterminante, die in der ansonsten verdienstvollen Arbeit von Antes (1996) völlig unbeachtet bleibt). Und schließlich werden kaum die Interaktionen zwischen

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

externem

und

internem

Wandel

und

den

damit

verbundenen

1

Auslese-

und

Entwicklungsprozessen von Unternehmen thematisiert (eine Frage, die in den U.S.A. als „organisational ecology"1 zunehmend Interesse findet; für einen Überblick vgl. Amburgy/ Hayagruva 1996). 6. Erst langsam wird in der empirischen Beobachtung transparent, daß sich die (begrenzte) Anpassung an ökologische Restriktionen in Unternehmen über sehr unterschiedliche „Avenues" vollzog. Als „Einfallstraßen" von Umweltschutzideen und Praktiken konnten über Produktionsprozesse und Produkte, externen Druck durch Behörden, Kunden etc., die (Weiter-)Entwicklung

von Managementsystemen

oder

auch

Personalentwicklungen

identifiziert werden (vgl. Ebbinghaus 1997). Das einzelne Unternehmen kann dabei auf verschiedenen „Straßen" mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorankommen, so daß „Greening" ein keinesfalls synchron oder gar ganzheitlich ablaufender Prozeß ist. Allerdings wissen wir noch sehr wenig darüber, welche Faktoren die Wahl der ,Avenues" und die darauf gefahrene „Geschwindigkeit" bestimmen und welchen Einfluß dies auf die Technologiewahl (Produkte und Prozesse) hat. 7. Schließlich

ist

noch

darauf

hinzuweisen,

daß

die

gegenwärtigen

rechtlichen

Rahmenbedingungen vermutlich eine Reihe von Ineffizienzen, falschen Anreizen und Demotivierangen enthalten und wenig auf die „neuen" Problemkonstellationen von diffusen Emissionen zugeschnitten sind, die erst in der langfristigen Kumulation das natürliche Gleichgewicht (unter Umständen auch weltweit) empfindsam stören können. Der tägliche, für Unternehmen nerven- und zeitraubende Kampf mit den extrem detaillierten, etwa 9.200 Vorschriften der Umweltregulierung in Deutschland findet in der Literatur nur selten seinen Niederschlag - auch wenn er die Praxis prägt. Auch dieses Problem ist noch nicht ausreichend empirisch aufgearbeitet, weil man in der Vergangenheit selektiv zu sehr auf die Öko-Pioniere, nicht aber die „Normalunternehmen" fokussiert hat. Diese „Mängelliste" ist weder vollständig noch ausgewogen, aber wohl hinreichend für die Begründung, warum der Rückblick

keinen Anlaß zur Selbstzufriedenheit gibt (dieser

Ausdruck induziert wohl in ausreichender Weise, daß ich mich mit meinen bisherigen Arbeiten in dieser Kritik eingeschlossen fühle). Weder in der Analyse des Umfeldes noch in den Umsetzungs- und Wirkungsmechanismen waren wir konzeptionell präzise und empirisch fundiert genug, dagegen im Übermaße teils normativ, teils euphorisch, in jedem Fall selektiv und oft „trendy", aber neuere Entwicklungen in den Unternehmen ignorierend.

1 Ecology verweist hier nicht auf die Natur, sondern den (sozialen und ökonomischen ) „fit" zwischen Organisation und Umfeld.

Kapitel 1

8

Diese Diagnose heißt allerdings nicht, auch schon eine Theorie zur Hand zu haben. Aber einige

erste

Überlegungen

sollen

im

folgenden

skizziert

werden,

und

eher

als

Forschungsprogramm denn als Ergebnis verstanden werden. Grundlegend ist dabei eine Umkehr in der bisher dominanten Fragestellung der Analyse. Es wird nicht mehr gefragt, wie Umweltschutz in die Unternehmensziele, -Strategien und -prozesse integriert wird, weil es impliziert, daß dies .jemand" beabsichtigt. Da aber genau diese Unterstellung nicht mehrheitlich als strategische Absicht (im Sinne von Kreikebaum) angenommen werden kann, muß die Frage umgedreht werden: wie funktioniert unter heutigen und zukünftigen Bedingungen ein Unternehmen, welche externen und internen Veränderungsfaktoren spielen dabei eine Rolle, und - erst dann - wo sich daraus positive wie negative ökologische Wirkungen ergeben und ob es eine externe oder interne Instanz gibt, die diesen Wirkungen entweder gegensteuert oder sie fordert und welche selektiven Teilstrategien wie Instrumente dann hierfür eingesetzt werden. Fundamental ist also die Annahme, daß Unternehmen andere Prioritäten als den Umweltschutz haben und es zu spezifizierende externe wie interne Faktoren geben muß, um Umweltschutzbelange als eine eigene Anstrengung anzugehen. Solche

Faktoren

können

Gesetzgebung,

Kundenerwartungen,

neue

profitable

Technologieoptionen, aber auch normative Grundüberzeugungen - etwa des Eigentümers sein. Oder aber die Theorie muß auch erklären können, wenn man die Pointierung anders setzt, warum Unternehmen ohne Integration des Umweltschutzes erfolgreich überleben können. Als konzeptionellen Ansatz habe ich hierfür - nach längeren Überlegungen - die „ResourceBased View of the Firm"

2

ausgewählt. Die (vorläufigen) Grundüberlegungen sollen im

folgenden skizziert werden.

3.

Ein alternativer Ansatz: ökologische Restriktionen in der „ResourceBased View of the Firm"

Die Theorie der Unternehmung hat in den letzten Jahren - gerade in der angelsächsischen Diskussion - erhebliche konzeptionelle wie empirisch fundierte Erweiterungen erfahren. Aufbauend auf M. Porter's Arbeiten zu Wettbewerbsvorteilen (Porter 1985) wurde gefragt, wie

Firmen

Positionen

der

Kostenführerschaft

oder

Differenzierungsvorteile

(Qualitätsführerschaft) erreichen und auch künftig erhalten können. Ein erster Ansatz bestand

2 Vorschläge, wie sich dieser Ausdruck treffend in die deutsche Sprache übersetzen läßt, ohne Mißverständnisse zu erzeugen, werden gerne entgegengenommen.

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

9

darin, daß Finnen über spezifische Fähigkeiten (distinctive competences and capabilities) verfügen müssen, die es ihnen erlauben, preiswertere oder nutzendifferenzierende Produkte anzubieten (ein Instrument zur Identifizierung dieser spezifischen Fähigkeiten ist dabei die Wertschöpfungskette, auf die unten zurückzukommen sein wird). Die „Resource-Based View of the Firm" (aus der Fülle der Literatur u.a. Prahalad/ Hamel 1990, Barney 1991, Grant 1991, Bartlett/ Goshal 1993, Hamel/ Prahalad 1994) schreibt diese Fähigkeiten einem Bündel von Ressourcen 3 zu, die wertvoll, aber nicht handelbar sind, nicht substituiert und vor allem schwer durch Wettbewerber imitiert werden können. Es handelt sich also um Aktiva, die auf implizitem

Wissen

organisationalen

(tacit

Prozessen

knowledge), (z.B.

spezifischen

Erfahrungen,

Kooperationsmechanismen)

oder

sozialen sehr

und

seltenen,

firmenspezifischen Qualifikationen von Mitarbeitern (z.B. im Design) beruhen. Nur wenn die Umsetzung von Ressourcen in Fähigkeiten und von Fähigkeiten in Wettbewerbsvorteile ,nahtlos" erfolgt, kann die Firma Wettbewerbsvorteile erzielen. Wie Hart in einem ersten Ansatz gezeigt hat, kann diese Theorie der Unternehmung auch auf die Frage der ökologischen Restriktionen und den sich daraus ergebenden Marktrisiken und chancen angewandt werden (vgl. Hart 1995). Anders als Hart werden wir aber diesen Ansatz weniger verwenden, um ein Stufenmodell zu entwickeln (von pollution prevention über product

stewardship

zu sustainable development),

sondern explizit

(Umweltschutz-)

Restriktionen einzuführen. Denn die (optimistische) Annahme von Hart, die ökologische Höherentwicklung sei ein vom Unternehmen selbst vorangetriebener Prozeß, erscheint mir wie im 2. Kapitel begründet - etwas artifiziell zu sein. Hier wird davon ausgegangen, daß es keine Aktivitäten im Umweltschutz ohne eine profitable „value creation idea" gibt - komme sie aus dem endogenen Innovationsprozeß oder als Reaktion auf eine Restriktion.

3 Ressourcen meint hier keine natürlichen Ressourcen (oder nur im Ausnahmefall), sondern im Laufe der Finnenentwicklung geschaffene Aktiva im materiellen wie immateriellen Sinne.

10

Kapitel 1

Kunden

Umweltpolitik

Abbildung l: Ökologische Restriktion in der Resource-Based View of the Firm (erweiterte Darstellung, aufbauend auf Hart 1995).

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

11

Abbildung 1 zeigt das „resource-based" Modell samt den Restriktionen. Innerhalb des Unternehmens zeigt es die Transformation von den spezifischen Ressourcen zu Fähigkeiten, die marktorientiert in Wettbewerbsvorteile umgesetzt werden. Ihr „Zusammenpassen" (fit) mit den Marktanforderungen kann mit Hilfe der Industrie-Ökonomik analysiert werden. Kunden wie Wettbewerber können hier Umweltschutzvorteile als ein Anforderungskriterium oder Wettbewerbsstandard setzen, sofern nicht das hier zu analysierende (noch abstrakte) Unternehmen selbst aktiv wird. Die Restriktionen können zum einen ökologischer Natur sein und dem Unternehmen direkt „Grenzen" setzen - ein in westlichen Industrieländern seltener Fall, der aber für die rasch wachsenden Schwellenländer eine durchaus realistische Annahme darstellt. Zum anderen werden die ökologischen Restriktionen - vermittelt über die Umweltpolitik - in Form von rechtlichen Rahmenbedingungen oder politischen Erwartungen (z.B. bei verhandelten Vereinbarungen) so gesetzt, daß sie durch das Unternehmen bei seinen internen wie externen Handlungen im marktorientierten Wertschöpfungsprozeß beachtet werden müssen 4 . Aber der Grad, in dem diese Restriktionen wirksam werden, ist situativ sehr verschieden - faktisch wie auch in der Wahrnehmung der Akteure. Prüfen wir an einem Beispiel, welche Aussagefähigkeit dieses Modell - gerade im Hinblick auf die unter Ziffer 2 identifizierten kritischen Punkte - prinzipiell für unternehmensbezogene Umweltschutzfragen hat. Nehmen wir an, das Unternehmen habe ein besonderes Materialknow-how (ein Ressource, die Innovation ermöglicht), welches die Recyclingfähigkeit der Produkte erst ermöglichen würde. Es könnte nun dies Know-how einsetzen, um in einen Design for Environment-Prozeß

(Fähigkeit) einen Wettbewerbsvorteil am Markt zu erringen.

Dazu bedarf es aber weiterer Fähigkeiten, z.B. diesen ökologischen Nutzenvorteil für den Kunden zu begründen und zu kommunizieren. Diese Fähigkeiten erfordern wieder spezifische Ressourcen, etwa aufgebautes Vertrauenskapital oder Glaubwürdigkeit, und ihr erfolgreicher Einsatz hängt nicht nur vom Transformationsprozeß im Unternehmen, sondern auch von Marktvoraussetzungen und Kundenerwartungen ab. In dieser Form gestaltet sich der „proaktive" Fall.

4 Die „optimistische" Schule des Umweltmanagements würde hier sofort einwenden, daß Umweltschutz nicht nur Restriktion, sondern zugleich auch neue Chance sei. Aber meistens entstehen diese Chancen erst, wenn die Restriktion entweder durch den Gesetzgeber oder (seltener) den Kunden gesetzt wird. Ohne Abfallgesetzgebung gebe es z.B. erheblich weniger Recycling. Zum anderen ist der Fall der vom Unternehmen aktiv betriebenen Erzeugung von Wettbewerbsvorteilen durch Umweltschutz im Transformationsprozeß von Ressourcen zu marktwirksamen Wettbewerbsvorteilen als ein Spezialfall enthalten (wie im folgenden zu zeigen sein wird).

Kapitel I

12

In dem Fall, daß durch die Umweltgesetzgeber eine Restriktion erzeugt wird, z.B. die Anforderung, daß Produkte recyclingfähig sein müssen, kann das Material-know-how ebenfalls aktiviert werden. Es hängt dann von den notwendigen komplementären Ressourcen und den eingesetzten Fähigkeiten ab, ob das Unternehmen damit in Relation zu seinen Wettbewerbern Vorteile am Markt erringen kann. Denn in diesem Fall, in dem sich alle Wettbewerber der gleichen Restriktion ausgesetzt sehen, entscheidet die Summe der eingesetzten Ressourcen und transformierten Kompetenzen in Relation zu denen der konkurrierenden Unternehmen, ob sich für das Unternehmen aus der (neuen) Restriktion ein Vor- oder Nachteil am Markt ergibt. Die Kundenakzeptanz spielt hier eine geringe Rolle, da generell alle Unternehmen in gleicher Weise ihre Produkte verändern müssen und sich nur darin unterscheiden können, wie sie damit umgehen. Dieses - zugegebenermaßen eher kursorisch beschriebene - Beispiel5 gibt aber schon Hinweise, wo dieses Modell Ansatzpunkte bietet, um die oben kritisierten Defizite des Standes der Forschung anzugehen: - es kann - ohne Präjudiz - den Anlaß für umweltschutzbezogene Aktivitäten identifizieren (intern, extem, pro-aktiv/ reaktiv auf Restriktion etc.) und bildet die Interaktion zwischen Unternehmensprozessen und der marktlichen, natürlichen und sozialen Umwelt ab (Punkte 1 und 2 von Kapitel 2); - es kann für den spezifischen Erfolg einer umweltbezogenen Handlung die speziell notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten (einschließlich der Komplementaritäten) identifizieren und damit vielleicht auch die verschiedenen .Avenues" erklären (Ziffer 6 von Kapitel 2). Bei dieser Analyse werden nicht nur Stärken, sondern auch die Schwächen sichtbar, die ein (relatives) Versagen des Unternehmens bei umweltschutzbezogenen Aufgaben erwarten lassen (ein geeignetes Instrument hierfür ist beispielsweise Benchmarking), etwa das oben erwähnte ökologische Informationsdilemma (Ziffer 3 von Kapitel 2).

5 Wir werden dieses Fallbeispiel demnächst in einer Case-Study ausfuhrlicher testen und dann auch in empirischen Untersuchungen einführen.

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

13

Damit werden einige Nachteile der Konzeption des strategischen Managements wie der Mikropolitik aufgehoben. 6 Insgesamt ist dieser Ansatz stärker operationalisierbar als gegenwärtig die Theorien zum Organisationsiemen. Aber wie das Beispiel auch zeigt, fehlt ihm noch eine hinreichende Organisationsdimension, die erklärt, wie die Transformation von Ressourcen über Fähigkeiten zu Wettbewerbsvorteilen als Prozeß gemanagt wird. Diese

Organisationsdimension

muß

dabei

die

Prozeßorientierung

heutiger

Unternehmensstrukturen, und dabei die Komplexität mehrerer „Achsen" des Managements (Produkte, Regionen, Projekte, Kunden, Funktionen) abbilden, sowie den permanenten Wandel

der

Abläufe

erfassen und

Untemehmensgrenzen,

also

die

die

Vernetzung

, Andockfähigkeit"

innerhalb zu

vor-

wie

außerhalb

und

nachgelagerten

der

Wertschöpfungsketten, als Schnittstellen analysieren können. Bildlich gesprochen läßt sich dies erreichen, indem man das vertikale Modell des resource-based Unternehmens in die Horizontale dreht und die Transformation als Wertschöpfungskette interpretiert. Dieses von Porter popularisierte Instrument (Porter 1985, zur Anwendung auf Umweltfragen: Steger 1997) bildet allerdings nur die Prozeßkette von primären Aktivitäten ab (z.B. Produktion, F&E) und enthält die organisatorische Dimension nur implizit in den unterstützenden Funktionen. Konzeptionell läßt sich jedoch die Prozeßorganisation - wie Abbildung 2 verdeutlichen

soll

- als

Managementsystemen

Managementsysteme

gesprochen,

Organisationsform stabilisieren

weil

sie

herauslösen. den

Hier wird bewußt

Wertschöpfüngsprozeß

als

von

heutige

und eine „fließende" Kooperation durch Standardisierung

einzelner (externer wie interner) Aufgaben an den Schnittstellen erst ermöglichen. Dies gilt für

finanzwirtschaftliche

Transportprozesse

Managementsysteme (Controlling) ebenso wie für physische

(Logistik) oder andere

„Querschnittsaufgaben" wie Qualität

oder

Umweltschutz.

6 Vertreter der Mikropolitik können nur entgegenhalten, daß mein Modell „inhaltlich leer" sei, was ich ja gerade bei der systemtheorie-basierten Mikropolitik kritisiert habe. Dieser Eindruck kann vielleicht durch den hohen Abstraktionsaspekt dieser Erläuterungen entstehen. Aber hinter der Theorie des resource-based Unternehmens stehen falsifizierbare Hypothesen und das Modell kann und muß unter den spezifischen Forschungs- und Erkenntnisfragen - mit testbaren generellen Hypothesen - weiter detailliert und operationalisicrt werden.

14

Kapitel I

Managementsysteme: Controlling, PPM, Logistik, QM, UM

Marktanforderungen

\ \ \ \ Fähig-

Ressourcen

'funktional "^Jirgebnis

keiten J

>j>rojektbe-Wett-

Kompe- ?

zogen

} bewerbs-^

tenzen ^rmatrixorg.^r vorteil

/ /

/

/

Untemehmensinfrastruktur

rechtliche und politische Anforderungen

(physisch, Serviceeinrichtung)

Abbildung 2: Prozeßorganisierte

Organisation der resource-based firm durch

Managementsysteme

Die Wertschöpfungsprozesse werden aber nicht nur durch die Managementsysteme als Prozeßorganisation, sondern auch durch Untemehmensinfrastrukturen ergänzt, wozu auch Serviceeinrichtungen und -dienste gehören. Die Abgrenzung ist hier empirisch sicher nicht ganz einfach, denn was in einem Fall ein schlichter Service sein kann - etwa Personalwesen kann in anderen Unternehmen eine spezifische Ressource sein. Aber insgesamt soll Abbildung 2 interpretieren, wie der Prozeß der Transformation von Ressourcen zu Wettbewerbsvorteilen organisatorisch abgestützt wird. Im Einzelfall ist dann zu identifizieren, wie Managementsysteme den Prozeß antreiben (durch die schrägen Pfeile symbolisiert).

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

Bezogen

auf den Umweltschutz bedeutet dies, daß geklärt werden muß,

15

welches

Managementsystem für die umweltbezogenen Prozeßelemente in welcher Ausgestaltung welche Ergebnisse erzielt und inwieweit es mit den anderen Systemen harmoniert, d.h. inwiefern diese die umweltschutzbezogenen Teilaufgaben fördern oder hemmen. Als Beispiel kann hier ein sehr stark operativ ausgerichtetes, nur an kurzfristigen Finanzkennzahlen orientiertes Controllingsystem genannt werden, welches kaum als

fördernd

für das

Umweltmanagementsystem zu betrachten sein dürfte, da hier (investive) Vorleistungen und schwer zu quantifizierende Faktoren wichtig sind. Aber ohne den Kontext des Umweltmanagementsystems (das große Defizit der EMAS/ISODebatte) läßt sich wenig über seine Wirksamkeit aussagen. Denn zukünftig wird es entscheidend darauf ankommen, Umweltschutz als einen Kontextfaktor zu begreifen, der den unternehmerischen Wertschöpfungsprozeß als einer von mehreren (bisweilen) anderen Einflußfaktoren prägt (oder auch nicht) und dessen organisatorische Dimension nur im Gesamtzusammenhang der Prozeßkette und aller Managementsysteme wirksam wird. Im folgenden sollen einige Leitideen und weiterführende Perspektiven aus den Beiträgen dieses Bandes im Lichte der vorstehenden Ausführungen skizziert werden. Ich maße mir dabei weder an, die Beiträge zusammenzufassen, noch möchte und darf ich die Kolleginnen unzulässigerweise für meine Position vereinnahmen. Allerdings besteht die Aufgabe dieses Bandes ja gerade darin, die Integration des Umweltschutzes vorrangig aus der fachlichen Perspektive der einzelnen Themen zu betrachten und damit die umweltschutzzentrierte Betrachtungsweise (etwas) zu verlassen.

4.

Leitideen, Verbindungslinien und weiterführende Perspektiven dieses Bandes

Der Aufbau des Handbuches geht von einigen allgemeinen Überlegungen über längerfristige Trends

und

Rahmenbedingungen

zu

den

spezifischen Fragen

der

Integration

des

Umweltschutzes in die Wertschöpfungsketten und den Vernetzungen dieser Fragestellungen aus. Zu Beginn der Diskussion übernimmt Feess die Aufgabe, den sehr vieldeutigen Begriff des Sustainable

Development

stärker zu operationalisieren und die relevanten Beiträge der

ökonomischen Theorie zu skizzieren. Zentral sind für ihn dabei die Fragen nach

Kapitel 1

16

internationaler und intergenerationeller Gerechtigkeit durch Erhalt des Umweltkapitals, was sich auf der nächsten Ebene in Forderungen nach Sicherung der Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme, Schonung nicht-regenerativer Ressourcen, Erhalt der genetischen Vielfalt u.a.m. begründen läßt. Ein zentrales Problem ist dabei die Minderschätzung zukünftiger Bedürfnisse, die sich in der Abdiskontierung künftiger Nutzen und Kosten widerspiegelt. Feess zeigt hier, daß sich dieses Problem nicht durch eine „ökologische Ökonomie" umgehen läßt, sondern nur durch normative Satzungen, die wohlfahrtstheoretisch begründet werden können. Auf der nächsten Ebene - mit welchen Instrumenten denn diese Zielsetzungen ökonomisch effizient erreicht werden können - erläutert Feess die grundlegenden Kriterien, insbesondere die der ökologischen Treffsicherheit und der Kosteneffizienz und zeigt an den Beispielen Abgaben,

Zertifikaten

und

Auflagen

die

Vor-

und

Nachteile

grundlegender

Instrumentenoptionen zur Erreichung oder Näherung an das Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Dieses Ziel läßt sich jedoch nur international erreichen; dabei haben aber nationale Regierungen auf der internationalen Ebene ähnliche Anreize eine „Trittbrettfahrer"Position einzunehmen, wie Individuen gegenüber dem Kollektivgut einer geschützten Umwelt: wenn andere zahlen, bekommt man selbst auch dann den Nutzen, wenn man nichts dazu beigetragen hat. Dieses Dilemma kann auf nationaler Ebene der Staat durch allgemein gültige Gesetze überwinden, auf internationaler Ebene gibt es aber noch keine vergleichbare Instanz, die dieses sicherstellt. Versuche, dies über die Bekämpfung von „Öko-Dumping" zu erreichen, werden viel Schaden im Welthandel anrichten, aber umweltpolitisch wenig bewirken. Es bleibt nur das Plädoyer, langfristig eine supra-nationale Umweltbehörde einzurichten, wohlwissend, daß dies politisch kein sehr aktueller Vorschlag ist. Genau hier setzen die Überlegungen von Faber, Jost und Manstetten an, die aufgrund der verschiedenen Zielkonflikte (wohl zutreffenderweise) keine grundlegende Bewegung in Richtung auf Sustainable Development feststellen können. Einen der Gründe hierfür sehen sie in dem dominanten wissenschaftlich-technischen Zugang zu den Problemen, wo es sich doch um eine ethische Frage nach (internationaler und intergenerationeller) Gerechtigkeit und der Verantwortbarkeit unseres gegenwärtigen Lebensstils in den Wohlstandsländern handelt. Nicht, daß Wissenschaft unwichtig wäre, schließlich entziehen sich die meisten der heutigen Umweltprobleme (in der nördlichen Halbkugel) der sinnlichen Wahrnehmung und basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen (von C0 2 -Effekten bis hin zu Östrogenen Wirkungen von Chemikalien). Aber das wissenschaftliche Wissen ist prinzipiell unsicher, etwa durch unpräzise schätzbare zeitliche Verzögerung von Ursache und eintretender Wirkung, das Schadensausmaß dieser Wirkungen, die multi - faktoriellen Ursachen und die verschiedenen Kontextbedingungen.

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

17

Deshalb geht es ihnen darum, einen grundlegenden Konsens über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung zu schaffen, der nicht durch die Unzuverlässigkeit unseres Wissens erschüttert werden kann. Dieser Konsens kann aber nicht durch eine Elite oktroyiert werden. Darüber hinaus sind sie skeptisch, ob dieser im Regelfall durch Unternehmen oder politische (parlamentarische) Institutionen überhaupt erreicht werden kann. Daher setzen sie eher auf einen „trickle-down-"Prozeß. Er beginnt beim ethischen Diskurs und dem Nachdenken über die Zukunft in den Freiräumen der Gesellschaft (etwa den evangelischen Akademien), wo sich der Konsens über die Notwendigkeit der Änderung des Lebensstils und eines neuen Versuchs der Gerechtigkeit formt und weiterverbreitet. Aus diesem Prozeß von Diagnose und Ethik erwachsen umsetzbare Vorschläge in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung, die sich dann auch langsam in den etablierten Institutionen durchsetzen lassen (etwa ökologische Steuerreform). Wohl wissend, daß dieser Prozeß des Nachdenkens, Abwägens, Entwickeins, Verbreitens und Entscheidens viel Zeitbedarf erfordert, halten dies die Autoren bei Weichenstellungen für Jahrhunderte für durchaus angemessen. Zwei

zentrale

Aspekte

der

Analyse

von

Faber

et.

al.

-

institutionelle

Problemlösungskompetenz und Veränderung des Lebensstils - werden in den nächsten beiden Kapiteln

fortgeführt. Zunächst

geht

es bei

Schneidewind

um

neue

institutionelle

Arrangements, die sich aus der Erosion von Macht und Legitimität traditioneller staatlicher Handlungsmuster ergeben. Denn die vielschichtigen Formen von Public-Private Partnerships beruhen auf drei Voraussetzungen: 1. die

gewachsene

Skepsis

bezüglich

der

Problemlösungskompetenz

staatlicher

Bürokratien, 2. der durch gesellschaftliche wie ökonomische Trends - von Globalisierung bis Individualisierung - erzwungene Rollenwechsel vom Staat als über der Gesellschaft stehende Autorität zum Mitspieler im gesellschaftlichen Prozeß und 3. die Bildung von organisierten, nicht-wirtschaftlichen und nicht-(partei-)politischen Interessengruppen, deren Vielfalt eine positive Definition erschwert und deren Abgrenzung daher immer dadurch erfolgt, was sie nicht sind (auf internationaler Ebene: NRO - Nichtregierungsorganisationen). Mit diesen durchaus konfliktfähigen Gruppen man denke beispielhaft an den Brent Spar-Fall - müssen sich Unternehmen mittlerweile auseinandersetzen.

Kapitel 1

18

Nach Schneidewinds Forschungen lassen sich - bei aller Variabilität im einzelnen - vier Formen aus Sicht der Unternehmen identifizieren: • als noch häufigste Form wird die defensive Strategie der „Marktabsicherung" angewandt. Hier erfolgt die Kooperation (etwa über freiwillige Branchenvereinbarungen im Umweltschutz) eher zur Verhütung „Schlimmeres"; • in der offensiven Variante werden dagegen

„ M a r k t e n t w i c k l u n g e n "

angestrebt, da sich

ohne Kooperation keine Rahmenbedingungen einstellen, die eine umweltbezogene Innovation aussichtsreich erscheinen lassen (etwa gemeinsames Lobbying für Recycling-Vorschriften); • sind die beiden ersten Varianten eher gesellschafts- und damit politik-orientiert, so ist die „Effizienzstrategie" darauf ausgerichtet, „win-win" - Situationen zu schaffen, d.h. z.B. durch Kooperation mit Umweltverbänden die eigene Marktstrategie zu stützen. Mediationsverfahren, wo z.B. ein langwieriges Gerichtsverfahren bei der Genehmigung einer Neuanlage durch die Zusage von höheren Umweltstandards vermieden wird, sind ein Beispiel hierfür; • nur in der Differenzierungsstrategie kommt es zu einer ergebnisoffenen, längerfristig und systematisch organisierten Kooperation (etwa die gemeinsame Produktlinienanalyse von der Hoechst AG und dem Öko-Institut). Jede dieser

Strategien hat unterschiedliche Ziele, (institutionelle)

Spielregeln

und

Managementprozesse, über die sich die Beteiligten verständigen sollten. Auch wenn die ökologische Tragweite z. Zt. noch relativ gering ist, so kann man doch Schneidewinds Schlußfolgerung zustimmen, daß sich hier eine neue institutionelle Ebene entwickelt, welche die Anpassungs- und Steuerungsfähigkeit für den Umweltschutz auch unter schwierigen Bedingungen erhalten kann. Aber für Sustainable Development reichen Veränderungen in den Unternehmen und bei den (institutionellen) Rahmenbedingungen nicht aus, sondern es muß eine Verhaltensänderung der Konsumenten hinzukommen. Unabhängig davon, was Unternehmen im Rahmen ihrer Marketingstrategie tun können (siehe dazu den Beitrag von Meffert/ Kirchgeorg unten), geht es immer um Konzepte, die in der einen odei anderen Form „Konsumdruck" wegnehmen, ohne daß das erreichte Komfortniveau signifikant abgesenkt wird. Ein Ansatz ist der von Hansen/ Schräder diskutierte „Konsum ohne Eigentum", der grundsätzlich darauf hinausläuft, einen Leistungs- statt Produktabsatz für die Unternehmen zu erzielen. Grundlegend neu ist die Idee nicht, wie viele Formen von Mieten, Leasing oder Gemeinschaftsnutzung im Wirtschaftsleben zeigen. Auch die Überlegung, ein spezifisches Produkt durch eine

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

Dienstleistung

zu

ersetzen,

Umweltschutzauflagen

bei

wird

schon

chlorierten

praktiziert

(so

haben

Kohlenwasserstoffen

dazu

z.B.

19

die

geführt,

hohen

daß

die

Metallreinigung in geschlossenen Systemen stattfindet, bei denen der Chemie-Hersteller nicht mehr Reinigungslösungen als Verbrauchsgüter verkauft, sondern eine Anlage liefert und eine bestimmte Anzahl von Reinigungen dem Unternehmen überläßt, aber alles andere - Lieferung des frischen Bades, Abholung der verbrauchten Lösung und deren Wiederaufbereitung - als Dienstleistung erfolgt). Aber derartige Beispiele sind vornehmlich in Unternehmen zu finden; im Falle von Konsum (beim Endverbraucher) tauchen neue Probleme auf. Dabei ist die Grundidee plausibel: da der Produzent am Ende der Lebensdauer noch im Besitz des Produktes ist, hat er keinen Anreiz für eine Strategie der Obsoleszenz, wohl aber zur Reduktion von Umweltbelastungen. Aber in der Umsetzung wird es schwierig, und ein Großteil des Beitrages beschäftigt sich mit den zahlreichen Hemmnissen, deren Überwindung - noch - nicht sichtbar ist. Es beginnt damit, daß es z.B. zwischen Lebensdauer und Ökologie durchaus Konflikte geben kann, sei es, daß eingesetzte Materialien den Verbrauch an anderer Stelle erhöhen oder der ressourcensparende technologische Fortschritt nicht genutzt werden kann; Arbeitseinsatz und Finanzrisiko steigen und es ist fraglich, ob dies durch einen effizienteren Ressourceneinsatz zu kompensieren ist. Ein anderer Aspekt ist die Reaktion der Konsumenten, d.h. wie die Preiselastizität der Nachfrage bei nutzungsabhängiger Zahlung ist. Wie werden z.B. gesetzliche Standards (etwa im Hygiene-Bereich) eingehalten, Interesse an der Werterhaltung im System bei den verschiedenen Teilnehmern verankert und wie können Transaktionskosten

mit den vielen Vertrags-, haftungs- und

geringe

versicherungsrechtlichen

Tatbeständen vereinbart werden? Außerdem besteht die Frage, ob der Konsument eigentlich zweckrational reagiert oder ob Eigentum auch einen Selbstzweck (Unabhängigkeit, Prestige etc.) hat und die Marktdominanz aus dessen Privatleben fern hält ? Und schließlich: wer auf der Anbieterseite hat ein Interesse und die Kompetenz, diese zunächst Ent- und dann Neubündelung von Leistungsmerkmalen vorzunehmen ? Das Stellen dieser Fragen heißt nicht, die Antworten vorwegzunehmen, sondern nur, daß es sich bei der Veränderung von Konsummustern um einen langwierigen und widersprüchlichen Prozeß handelt, der sich einer bewußten (zentralen) Steuerung entzieht und fiir die Offenheit von Märkten (und damit Innovationen) wie die Existenz von Nischen, in denen sich die neuen Formen entwickeln können, wichtige Voraussetzung ist.

Kapitel 1

20

Weil es mit den Veränderungen im Konsumentenverhalten so erkennbar schwierig ist, blicken viele auf einen scheinbar leichteren Ausweg: die neuen Technologien. Was hier in der „pipeline" ist, zeigt der Beitrag von Böhm/ Hiessl. Folgende Trends (quasi in aufsteigender Komplexitätsreihe) erwarten sie: • die - in der Literatur vielgeschmähten - „end-of-the-pipe"-Technologien bleiben in vielen Anwendungsbereichen unverzichtbar, speziell wenn sie durch Innovationen in der Verfahrenstechnik, Bio-Technologie, Werkstoff- und Oberflächentechnik sowie der Analytik an Effektivität gewinnen und stärker dezentral („point of use") eingesetzt werden; • der produktionsorientierte Umweltschutz wird davon getragen, daß durch das Prozeß(Re-)Engineering ohnehin umfangreiche Optimierungen der Verfahrenstechnik wie der Substitution von oft umweltbelastenden Prozessen anstehen (siehe auch den Beitrag von Fleig unten). Gerade Erhöhungen der Ressourcenproduktivität, die oft auch mit Kosteneinsparungen verbunden sind, haben hier eine Chance. Sehr oft erfordern sie einen erheblichen Einsatz an Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Meß- und Regeltechnik, durch die zusätzlich Wiederverwendungen und -Verwertungen möglich werden; • das Konzept der „Ecofactory", das z. Zt. in Japan entwickelt wird, erfordert darüber hinaus aber auch eine zwischenbetriebliche Vernetzung und die Zusammenfassung von innovativen Technologien. Die noch weitergehende Integration in „Öko-Industrieparks" (mit dem dänischen Kaiundborg als einem sich eher zufällig entwickelnden Beispiel) bedarf nicht nur einer Informationsvemetzung, sondern auch Kopplungsstrukturen (einschließlich

Qualitätssicherungssystemen),

um

(partielle)

Kreislaufsysteme

aufzubauen; • die „lean products" werden durch produktbegleitende Informationssysteme, höhere Recyclingfähigkeit,

Nutzungsintensivierung

und

gegebenenfalls

Lebensdauer-

verlängerung gekennzeichnet sein und generell Ressourcen sehr viel produktiver einsetzen können. Aber - so warnen die Autoren am Ende ihres Beitrages - es geht beim Umweltschutz eben nicht nur um Technologie, sondern auch um Organisations- und Verhaltensprobleme. Wie ihre Beispiele zeigen, sind gerade bei den weiterreichenden, komplexen Strukturen einer Vernetzung nicht nur die Effizienzgewinne am größten, sondern auch die organisatorischen (Management-)Aufgaben, um den „System-fit" herzustellen.

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

21

Was heißt dies nun für Unternehmen, sowohl generell als auch in den einzelnen Funktionen ? Dyllick/Hummel

beginnen ihre Konzeptentwicklung des integrierten Umweltmanagements im

Rahmen des St. Galler Management-Modells mit einer Analyse der Unterschiede zwischen der ökonomischen und der ökologischen Perspektive, welche durch Stoff- und Energieflüsse, Schadschöpfungsprozesse und Knappheit der Natur gekennzeichnet ist (und man sollte hinzufügen, daß die ökologische Knappheit zumindest nicht völlig in ökonomische Knappheit überführt werden kann). Das ökologische Subsystem der Unternehmung verfolgt daher andere Ziele und wendet andere Regeln an als das ökonomische Subsystem. Auch Dyllick/ Hummel gehen davon aus, daß die Ökologie nicht direkt dem Unternehmen gegenübertritt,

sondern

indirekt

in

Form

von

drei

unterschiedlichen

externen

Lenkungssystemen: Markt, Politik und Öffentlichkeit, repräsentiert durch unterschiedliche Anspruchsgruppen mit unterschiedlichen Zielsetzungen. In diesem Kontext ist nun das St. Galler Management-Konzept, wie es von K. Bleicher fortentwickelt

wurde,

anzuwenden.

Es

führt

als

„Leerstellengerüst"

(Dyllick),

das

kontextspezifisch ausgefüllt werden muß, Strukturen, Aktivitäten und Verhalten mit den normativen, strategischen und operativen Ebenen des Managements zusammen. Als solches ist es speziell geschaffen, um Integrationsprobleme zu lösen 7 und kann beschreiben, welche Voraussetzungen auf welcher Ebene vorhanden sein müssen, um Strukturen, Aktivitäten und Verhalten ökologisch auszurichten (z.B. eine Umweltpolitik mit klaren Zielvorgaben zu formulieren, die sinnvoll durch die Unternehmensverfassung wie die gelebte Kultur gestützt wird, und damit Vorgaben für Umweltmanagementsysteme wie -Strategien macht).

7 Diesem Aspekt möchte ich hier ausdrücklich zustimmen, und dies ist auch der Grund dafür, warum ich dieses Modell früher selbst verwendet habe. Mit der „resource-based view" möchte ich aber einen anderen Aspekt hervorheben, der z. Zt. im St. Galler Ansatz noch fehlt, mir derzeit aber das Kernproblem zu sein scheint: was sind die benötigten Ressourcen, Fähigkeiten, Restriktionen und Anreize, um die Integration von Umweltkriterien zu wollen und vollführen zu können. Dyllicks Modell ist ein normatives Modell (im Sinne von best practice), d.h. wohin die Unternehmensentwicklung gehen sollte. Die „resource-based view" ist mehr ein deskriptives Modell, das es erlaubt, fehlende Ressourcen und Fähigkeiten zu identifizieren und den (mis-)fit von Organisation und Umwelt (im weiteren Sinne) zu analysieren.

Kapitel 1

22

Analysiert man dann auf der nächsten Stufe die Anforderungen für die Managementsysteme spezifischer, so kommt - gerade in Zeiten von shareholder-value - dem Controlling eine, wenn nicht die entscheidende Bedeutung als Querschnittsfunktion zu. Aufbauend auf einer generellen Analyse von Funktion und Wirkung des Controlling analysiert Güldenberg drei unterschiedliche Konzeptionen: -

die rechnungswesen-orientierte,

-

die ökologisch-aktionsorientierte und

- die führungsorientierte Version des Controlling. Nach seiner Einschätzung sind die beiden ersteren zu kontrollorientiert und erbringen damit nicht die ergänzenden Führungsleistungen und unterstützenden Führungsdienstleistungen, die für eine umweltorientierte Untemehmensführung notwendig sind. Er schlägt daher vor, das ökologisch-aktionsorientierte mit dem flihrungsorientierten Controlling zu integrieren (oder anders: das führungsorientierte Controlling um die ökologische Dimension zu erweitern und ökologiespezifische Informationsinstrumente entsprechend einzupassen). Daraus entsteht ein Controllingsystem, welches die (ökologische) Innovation durch die Wahrnehmung von vier Aufgaben unterstützt: - es sichert den Querschnittscharakter des Umweltschutzes und bildet die Vernetzung der Teilbereiche hinreichend ab, -

es fordert die Systementwicklung in die ökologische Richtung,

-

es baut eine Feedback-Schleife auf, die es erlaubt, aus Erfahrungen rasch zu lernen und

-

es gewährleistet auch in der Informationsversorgung die ökologische Dimension.

Damit kann der Controller vom „Spürhund" im ökologisch-aktionsorientierten Controlling zum Navigator und Innovator mit stark ausgeprägter Serviceorientierung werden. Eine andere Aufgabe, die unter dem Kriterium der Integration des Umweltschutzes sehr stark als

Querschnittsaufgabe

oder

Prozeßvoraussetzung

gesehen

werden

muß,

ist

die

Organisationsgestaltung und das Personalmanagement. Stitzel/ Kirschten entwickeln eine best-practice-Konzeption für beide Bereiche, ohne dabei Interessenkonflikte zu harmonisieren oder der Illusion einer unbegrenzten Steuerbarkeit zu unterliegen. Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter nicht zum Zweck des Umweltschutzes und neben der (formalen) Aufbau- und Ablauforganisaton sind auch die - schwerer zu verändernde und kaum zu steuernde Untemehmenskultur und die mikropolitischen Spielregeln zu beachten.

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

23

Was die Organisationsgestaltung betrifft, so ist die Stablinien-Organisation im Umweltschutz - gerade unter Integrationsgesichtspunkten - nicht sehr geeignet, insbesondere wenn ein Machtpromotor fehlt. Die oft gewählte Form einer Sekundär-(Overlag-)Organisation, etwa in Form eines Umweltausschusses, erhöht wiederum die Organisationskomplexität. Entscheidend kommt es daher nach Stitzel/ Kirschten darauf an, daß Organisationslemfahigkeiten entwickelt (wozu auch die Fähigkeit des Entlernens gehört) und Voraussetzungen geschaffen werden: etwa die Kooperations-

wie

Konfliktfahigkeit zu

trainieren,

ein

für ökologische

Aspekte

aufgeschlossenes Lernklima zu schaffen etc. Die Umweltlemaktivitäten sollen sich dabei auf das betriebliche Geschehen richten. Darauf aufbauend entwickeln die Autoren ein 3-StufenModell: - die Bewußtmachung der Notwendigkeit und der Möglichkeit umweltbezogenen Handelns (was realistischerweise schon nicht alle Mitarbeiter umfassen wird), - die Schaffung von ökologiefreundlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiter (und den sich daraus ergebenden Rollenkonflikten) und - die

Umsetzung

in

konkrete

Maßnahmen

des

Personalmanagements

(etwa

Anreizsysteme). Wie notwendig aber eine organisatorische und personelle Fundierung von Umweltstrategien ist, ergibt sich alleine schon aus den Anforderungen, mit denen Dyckhoff, Ahn und Gießler die Produktentstehung

in

der

Kreislaufwirtschaft

beschreiben.

Die

Integration

des

Umweltschutzes erhöht die Interdisziplinarität des F & E - Prozesses, damit die Komplexität wie Unsicherheiten transparenter werden, einfach weil Produkte nun über den gesamten Lebenszyklus zu optimieren sind. Entscheidend ist hierbei die Phase der Konzeption, in der die wichtigsten Festlegungen getroffen werden. Dabei sind Ziele für den Umweltschutz so desaggregiert festzulegen, daß sie auch tatsächlich für die einzelnen Konstrukteure nachvollziehbar

sind. Die Strategie umfaßt die Festlegung der Technologie,

die

einzugehenden Kooperationen und Produktverantwortungen, was ohne eine entsprechende Organisation und personelle Kompetenz nicht umsetzbar ist. Auf der Ebene der Instrumente müssen entsprechende Richtlinien existieren (Design for Environment), auch wie meist vorhandene Zielkonflikte abzuwägen oder wie die verschiedenen Teiloptima auszubalancieren sind (denn ein Design for Environment mag nicht gerade sehr „produktionsfreundlich" sein und umgekehrt).

Dabei

können die einzusetzenden

Instrumente

unbeeinflußt von

Umweltschutzüberlegungen sein, sie fordern (etwa Quality Function Deployment; QFD) oder ganz neu hinzukommen (etwa Life Cycle Assessment; LCA).

24

Kapitel I

Der Absatz ist für die Unternehmen in den Käufermärkten von heute der Engpaßfaktor geworden, mit der Folge, daß sich auch die anderen Unternehmensbereiche danach ausrichten müssen. Insofern ist Marketing mehr als nur eine Funktion, die auch unabhängig davon professionell wahrgenommen werden muß. Meffert/ Kirchgeorg untersuchen daher, welche Rolle der Umweltschutz bei der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen spielen kann. Die stets zu beobachtende Diskrepanz zwischen Umweltbewußtsein und -verhalten erleichtert den Unternehmen diese Aufgabe nicht. Durch die politischen (Vereinigung) und ökonomischen Veränderungen (Arbeitslosigkeit) verschoben sich zudem die Prioritäten der Bürger. Die heutige Situation kann man mit den Autoren als stagnierend im Verhalten, bei Differenzierung und Routinisierung in einzelnen Bereichen sowie erheblich gestiegenem Umweltwissen zusammenfassen. Wettbewerbsvorteile müssen - wie oben schon angesprochen - nicht nur verteidigbar sein, sondern auch wahrgenommen werden. Hier liegt eine weitere Schwierigkeit, wie auch informationsökonomische Ansätze zeigen. Schon auf der Sachebene ist es für den Verbraucher schwierig, geeignete Informationen zu erlangen. Die Meinungen der Experten differieren und niemand kann die Information einer Öko-Bilanz oder eines LCA nachprüfen. Auch aus Erfahrungen kann sich der Konsument kein Urteil bilden, weil die wenigsten Umweltschäden, die er verursacht, sofort sichtbar sind. Bleiben nur die Vertrauenseigenschaften, die aber erfordern, daß das Unternehmen langfristig eine entsprechende Glaubwürdigkeit beim Verbraucher aufgebaut hat. Dies ist aber äußerst wichtig, weil der Konsument heute dem Handel wie Hersteller eine höhere Verantwortung bei der Lösung von Uniweltfragen zuweist. Deshalb muß das Unternehmen anhand eines Portfolios prüfen, ob Umweltschutz ein Individual- oder Sozialnutzen ist und ob der Preis bzw. die Opportunitätskosten über oder unter den Kosten (relativ) weniger umweltfreundlicher Produkte liegen. Daraus kann dann abgeleitet werden, ob und welche Wettbewerbsvorteile möglich sind. Fleig prüft in seinem Beitrag die Umweltwirkungen der „lean production"-Konzeption, die ja mit ihrer Prozeßorientierung und Dezentralisierung von Entscheidungen überall dort angewandt wird, wo Produktionskosten und -Zeiten gesenkt und Qualität erhöht werden soll. Die ökologischen Auswirkungen sind - wen wundert es - höchst unterschiedlich und kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Einer erhöhten Ressourcenproduktivität, z.B. durch verminderte Abfälle, stehen u.U. gestiegene Transportaufwendungen mit erhöhten Emissionen und Energieverbrauch gegenüber.

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

25

Andererseits zeigen die Untersuchungen aber auch, daß es eine Reihe von praktischen Maßnahmen gibt, die - gezielt eingesetzt - neben positiven ökonomischen auch positive Umweltwirkungen haben können: vorbeugende Instandhaltung, verminderte Lager und damit geringere Verschrottung, sorgsamer Umgang mit Verbrauchsmaterialien durch Gruppenarbeit oder der kontinuierliche Verbesserungsprozeß seien hier nur als Beispiele genannt. In jedem Fall ist die Rolle und Einstellung der Mitarbeiter zentral (siehe Beitrag Stitzel/ Kirschten), aber auch die angewandten Managementsysteme zeigen Wirkungen. Vor allem die Frage, ob Synergieeffekte (etwa zwischen Qualität und Umweltschutz) erzielt werden und ob eine

Integration

der

betrieblichen

Umweltpolitik

stattfindet,

wird

durch

die

Managementsysteme vorgeprägt. Offenbar wird dies nicht Uberall verstanden, denn sonst wäre die Beobachtung des Autor erstaunlich, daß organisatorische Maßnahmen im Umweltschutz „billiger" sind als technische, trotzdem letztere häufiger eingesetzt werden ... Die zentrale Rolle des Managements von Systemen gilt auch für den letzten Beitrag, in dem Pfohl/ Schäfer analysieren, wie geschlossene (Stoff-)Kreisläufe ökonomisch lebensfähig entwickelt und organisiert werden können. Wie die Autoren zu Recht betonen, ist hier Management von Komplexität und das Denken in Systemen erforderlich. Die Vielzahl von Beteiligten,

die

unterschiedlichen

Wertschöpfungsstufen und

damit

zu

bedienende

(Sekundär)märkte, die infrastrukurellen und technologischen Voraussetzungen, die Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften und - last, but not least - die schwierige Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz im konkreten Einzelfall seien nur als die wichtigsten Stichworte genannt. Beispielhaft sei aus den vielschichtigen Problemen, welche die Autoren behandeln, ein spezifisches Organisationsproblem herausgegriffen. Da jeder Akteur speziell seinen Teil der Wertschöpfungskette optimiert, kämen die Beteiligten an einem (möglichen) Kreislaufsystem überhaupt nicht zusammen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kosten und der Nutzen ungleich verteilt sind (was typischerweise der Fall ist). Hier bedarf es eines außenstehenden Vermittlers, der die Kooperation erst ermöglicht, indem er Schnittstellen für das System definiert (und standardisiert), Kosten und Nutzen angemessen auf die Akteure verteilt, aber auch vorgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette einbezieht, wo dies notwendig ist (z.B. um eine recyclinggerechte Produktentwicklung zu induzieren).

26

Kapitel 1

Die spannende Frage ist, wer aus welchem Grunde einen solchen Vermittler installieren soll, solange die Beteiligten nicht wirklich in Lebenszykluskosten rechnen, weil sie erwarten können, daß sie entweder von anderen (z.B. Konsumenten) in wenig transparenter Weise getragen werden (wer kalkuliert z.B. schon bei Kauf die Entsorgungskosten) oder sie mangels Zurechnung der Umweltkosten nicht monetär anfallen (etwa durch ökologisch teure, aber ökonomisch billige Deponien). Womit wir zwangsläufig wieder beim Ausgangspunkt wären...

5.

Fazit und Ausblick

Vielleicht für ein Handbuch ungewöhnlich, habe ich die Einleitung mit einer sehr kritischen Bestandsaufnahme begonnen. Aber realistischerweise müssen wir heute die Diffusion von Umweltschutzkriterien

in Untemehmensentscheidungen

als einen relativ

langsamen,

keineswegs zwangsläufigen Prozeß ansehen - was sich aber in der überwiegend „optimistischen" Literatur zum Thema nicht widerspiegelt. Mehr nüchterne Empirie und weniger Wunschdenken ist das Gebot der Stunde, die wenigen Beispiele von „best practice" dürfen nicht verdecken, wie der Durchschnitt - national wie international - operiert. Deswegen brauchen wir eine Konzeption, welche die gesamte Bandbreite vom unternehmerischen Verhalten im Umweltmanagement abdeckt; dazu gehören auch die (zahlreichen) Fälle von „Öko-Minimalisten" und Unternehmen, die nur einzelne , Avenues" eines umweltbewußteren Verhaltens weiter entwickelt haben. Hierzu gehört aber auch komplementär die „best practice"-Präsentation, wie Ökonomie und Ökologie besser integriert worden sind, damit die Richtung erkennbar wird, in der sich die Entwicklung bewegen könnte. Aber neben der Eigenmotivation von Unternehmen bedarf es dazu

eines

veränderten

Umweltschutzgesetzgebung

Verbraucherverhaltens als

rechtzeitiges

wie Setzen

einer von

wirksamen ökologischen

Knappheitsbedingungen in der Zukunft, um so eine innovationsorientierte Anpassung zu ermöglichen. Hier nicht Gegenstand, aber nicht weniger notwendig als Teil des „WeiterDenkens" muß die Reform der Umweltschutzgesetzgebung sein. Ähnlich wie sich die Bedingungen des Umweltmanagements durch Faktoren der Globalisierung, Marktdynamik und Technologieschübe und die daraus resultierende interne Transformation massiv verändert haben, so ist der schadstoffbezogene, die einzelne Emissionsquelle betrachtende gegenwärtige Regulierungsansatz wenig geeignet, die z.T. globalen und weit in der Zukunft auftretenden, dann aber irreversiblen Schädigungen von Ökosystemen zu erfassen.

Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

27

Die Umsetzung von Umweltmanagement in „Sustainable Development" steht noch ganz am Anfang,

und

die

keineswegs

zwangsläufige

Entwicklung

erfordert

individuelle,

organisatorische und gesellschaftliche Lernprozesse, die nicht nur Generationen dauern werden, sondern die durch andere Probleme - etwa die hohe Arbeitslosigkeit - auch in ganz andere

Richtungen

mit

anderen

Prioritäten

gelenkt

werden.

Weder

durch

Weltuntergangsszenarien noch durch euphorische „schöne neue Welt"-Bilder wird die Betriebswirtschaftslehre wie andere Wissenschaften einen Beitrag zur Problemlösung liefern. Nur konzeptionelle Präzision und empirische Genauigkeit werden jenes Handlungswissen erzeugen, das Akteure in dem schwierigen Prozeß des radikalen wie raschen Wandels potentiell nutzen können. Dazu sollte dieses Buch einen Beitrag leisten - bezogen auf die Organisaton, dessen Rolle zentral und zugleich begrenzt ist: das marktorientierten Unternehmen, welches durch Ertragszielsetzungen gesteuert wird. Gerade weil es begrenzte Zielsetzungen hat, ist es effizient und damit gegenwärtig die erfolgreichste und mächtigste Organisation, aber auch eben

deshalb

auf

komplementäre

und

z.T.

begrenzende

Regelungen

angewiesen.

Umweltschutz muß so verstanden, genutzt und damit integriert werden.

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28

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Kapitel 1

the Environmental

Strategy

Pyramid,

Lausanne

(noch

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Konzeption und Perspektiven des integrierten Umweltmanagements

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Teil A Rahmenbedingungen, Trends und Querschnittsfragen

Kapitel 2 Sustainable Development und Rahmenbedingungen von Eberhard Feess

1. Überblick

32

2. Kernpunkte des Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung und Probleme der Operationalisierung

33

3. Nachhaltige Entwicklung und umweltpolitische Instrumente

37

4. Die internationale Dimension einer nachhaltigen Entwicklung

44

5. Einige zusammenfassende Schlußfolgerungen

46

Literatur

47

32

1.

Kapitel 2

Überblick

Spätestens seit der Veröffentlichung des Abschlußberichts der "World Commission on Environment and Development" im Jahre 1987 mit dem Titel "Our Common Future", der nach der norwegischen Ministerpräsidentin auch als "Brundtland-Bericht" bezeichnet wird, steht der Begriff "Sustainable Development" im Mittelpunkt vieler Überlegungen, wie die ökonomische Entwicklung mit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft vereinbart werden kann. Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro verpflichteten sich die teilnehmenden Staaten dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung. Auch die politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, die Bundesregierung (vgl. z.B. BMU 1994) und zahlreiche international bedeutende Institutionen (vgl. z.B. den umfangreichen Bericht der Weltbank 1994) nehmen für sich in Anspruch, sich in ihrer politischen Programmatik an diesem Leitbild zu orientieren. Obwohl nach wie vor zahlreiche Definitionen und Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung existieren (vgl. hierzu die Übersicht in Feess/ Steger/ Weihrauch 1993, 113ff.), lassen sich mittlerweile einige Kernpunkte des Konzepts ausmachen, die im zweiten Kapitel des vorliegenden Beitrages dargestellt werden. Ohne in theoretische Details zu gehen, werden dabei unter anderem Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur traditionellen neoklassischen Umweltund Ressourcenökonomie kurz erörtert. Im dritten Kapitel werden im Rahmen einer Skizze umweltpolitischer Instrumente Änderungen der Finanzpolitik und/oder die Einfuhrung von Lizenzen als zentrale Rahmenbedingungen betrachtet, mit denen eine nachhaltige Entwicklung vorangetrieben werden kann. Obwohl auch dabei die internationale Dimension schon berücksichtigt wird, soll auf diese - angesichts ihrer anerkannten Bedeutung für das sustainability-Konzept - im vierten Kapitel explizit eingegangen werden. Der Artikel schließt mit einigen zusammenfassenden Schlußfolgerungen in Kapitel 5.

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

2.

33

Kernpunkte des Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung und Probleme der Operationalisierung

Ausgangspunkt des Konzepts ist der bereits erwähnte Brundtland-Bericht, der sustainable development als eine Entwicklung definiert, die gegenwärtige Bedürfnisse erfüllt, ohne zu riskieren, daß zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können (vgl. Hauff 1987, S. 48). Mit dieser Definition wird bereits deutlich, daß das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung zur traditionellen Umwelt- und Ressourcenökonomie eine zentrale Gemeinsamkeit, aber auch einen wichtigen Unterschied aufweist: - die Gemeinsamkeit besteht darin, daß eine anthropozentrische Sichtweise der Welt zugrundegelegt wird, in welcher der Natur "kein Wert an sich" beigemessen wird, sondern in ihrer Bedeutung für die Menschen beurteilt wird (vgl. Höhn 1994, S. 16); - der Unterschied ist, daß die intergenerationelle Verteilungsgerechtigkeit im Vergleich zur Effizienz eine wesentlich größere Rolle spielt als in der traditionellen neoklassischen Sichtweise. Ausgehend von diesem Sachverhalt lassen sich als zentrale Gemeinsamkeiten verschiedener Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung folgende Aspekte ausmachen (vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen 1996, S. 50f.; Cansier 1996): - intergenerationelle Gerechtigkeit: die heutige Inanspruchnahme der Umwelt soll auf ein Maß reduziert werden, das zukünftigen Generationen mindestens die gleiche Wohlfahrt ermöglicht wie der heutigen. Die Interessen zukünftiger Generationen müssen mit den Interessen der heutigen Generation gleichgewichtet werden; - internationale Gerechtigkeit: es sollen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um die Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern denen

in entwickelten

Industrieländern anzugleichen; - Sicherung der Regenerationsfiihigkeit erneuerbarer Ressourcen: der Abbau erneuerbarer Ressourcen (also beispielsweise der Walfang) soll auf ein Maß reduziert werden, das einen dauerhaften Entwicklungspfad gewährleistet. Dies ist dann der Fall, wenn der Abbau die Regeneration nicht überschreitet, so daß der Bestand langfristig konstant bleibt;

Kapitel 2

34

- Schonung nicht-erneuerbarer Ressourcen: fiir nicht-emeuerbare Ressourcen soll ein möglichst gleichmäßiger Abbau über die Zeit erreicht werden, sofern keine gleichwertigen Substitute zur Verfügung stehen; - Erhalt der Aufnahmekapazität der Umweit die Emission von Luft- und Wasserschadstoffen soll auf ein Ausmaß reduziert werden, das die langfristige Aufnahmekapazität der Umwelt nicht gefährdet; - Artenschutz-, die Vielfalt der Arten soll soweit wie möglich geschützt werden. Darin reflektiert sich die Hochschätzung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen, weil die heutige Generation künftige Präferenzen für bestimmte Tier- und Pflanzenarten nicht kennen kann; - Erhaltung des Umweltkapitals: das "Niveau" der natürlichen Umwelt ("Umweltkapital") soll im Zeitablauf nicht reduziert werden. Mit Hilfe einiger dieser Punkte ist nun ein etwas weitergehender Vergleich mit der traditionellen Umwelt- und Ressourcenökonomie möglich, der auch die Operationalisierungsprobleme des sustainability-Konzepts zum Ausdruck bringt. Vor allem die folgenden beiden Aspekte scheinen mir erwähnenswert zu sein (auf die Frage der internationalen Gerechtigkeit wird später ausführlicher eingegangen): 1.

Innerhalb der traditionellen Umwelt- und Ressourcenökonomie impliziert die in allen Gebieten der Ökonomie übliche Diskontierung eine Minderschätzung der Interessen zukünftiger Generationen. Diese Diskontierung kann in durchaus typischen Modellen sogar zur Folge haben, daß die intertemporale Wohlfahrt dadurch maximiert wird, daß die natürlichen Lebensgrundlagen vollständig zerstört werden (vgl. kritisch Barbier/ Markandya 1990). Weniger dramatisch formuliert führt die Diskontierung jedenfalls zu einem Zielkonflikt zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, der beispielsweise von Dubourg/ Perace (1996) deutlich herausgearbeitet wird. Effiziente Pfade und Pfade, die eine im Zeitablauf nicht-abnehmende Wohlfahrt garantieren, sind unter den neoklassischen Annahmen normalerweise nicht identisch. Weil das sustainability-Konzept eine Gleichbewertung künftiger Interessen sicherstellt, wird die Diskontierung grundsätzlich abgelehnt (hierzu vor allem Hampicke 1992a; sowie für differenzierte Begründungen einer kontextabhängigen Diskontierung Ströbele 1992). Interessanterweise kann sich eine so motivierte Kritik an diskontierten Wohlfahrtsfunktionen auf erstaunlich frühe und prominente Vorgänger berufen: so bezeichnete schon Ramsey, einer der Begründer der Wachstumstheorie, die

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

35

Diskontierung als "a practice which is ethically indefensible and arises merely from the weakness of imagination" (Ramsey 1928, S. 453; der gleichen Meinung ist z.B. Harrod 1939). Ahnliche Überlegungen fuhren schließlich vor allem im Anschluß an die berühmte Gerechtigkeitstheorie von John Rawls dazu, in Arbeiten zur Nachhaltigkeit eine Abnahme der Wohlfahrt in der Zeit kategorisch auszuschließen. Dies gilt mittlerweile als Charakteristikum des sustainability-Konzepts (vgl. Radtke 1995). 2.

Die Forderung nach intergenerationeller Gerechtigkeit bezieht sich im sustainabilityKonzept aber nicht nur auf die Wohlfahrt, sondern wird auch auf die Ressourcenschonung und den Erhalt des "Umweltkapitals" ausgedehnt (zur Auseinandersetzung mit diesem Konzept vgl. de Graaü Musters/ ter Keurs 1996). Dies kann durchaus im Gegensatz zur traditionellen Umwelt- und Ressourcenökonomie stehen, weil dort beispielsweise die Maximierung der intertemporalen Wohlfahrt bei erneuerbaren Ressourcen keineswegs implizieren muß, daß die Regenerationsrate bzw. der Bestand im Zeitablauf konstant bleibt (vgl. z.B. Endres/ Quemer 1993, S. 116f.; Feess 1995, S.235f.). Die Forderung des Erhalts des Umweltkapitals ist deutlich radikaler als die Forderung nach intertemporal gleicher Wohlfahrt, da Substitutionen von Umwelt- und Kapitalgütem damit eingeschränkt werden. Dies wird im sustainability-Konzept auf zweifache Weise begründet: erstens sind die Präferenzen zukünftiger Generationen nicht bekannt, und zweitens sind ökologische Kreisläufe so komplex, daß die Kenntnisse der Ersetzungsmöglichkeiten in der Realität sehr oft gering sind.

Auf

Grundlage

dieser

Überlegungen

kann

eine

Stärke

des

möglicherweise darin gesehen werden, daß es die eigenständige

sustainability-Konzepts Bedeutung ökologischer

Restriktionen für die Entwicklung der Menschheit deutlicher zum Ausdruck bringt als dies vorher der

Fall

war.

Ferner

"Publikumswirksamkeit",

ermöglichen die

angesichts

die

oben

der

genannten

vorhandenen

Kernpunkte

eine

Umweltprobleme

breite

und

der

Schwierigkeiten bei der nationalen und internationalen Durchsetzung konsequenter

um-

weltpolitischer Strategien dringend notwendig ist. Insbesondere die Forderungen nach intergenerationeller und internationaler Verteilungsgerechtigkeit sind normative

Setzungen,

die

beispielsweise angesichts der Haltungen zahlreicher Industrieländer bei der internationalen Bekämpfung des Treibhauseffektes zur Förderung des Problembewußtseins beitragen können. Allerdings sollte man sich darüber im klaren sein, daß das sustainability-Konzept weder unter theoretischen noch unter pragmatischen Gesichtspunkten wirklich neue Einsichten vermittelt:

Kapitel 2

unter theoretischen Gesichtspunkten ist besonders hervorzuheben, daß die Einführung ökologischer Restriktionen beliebig anmutet, sofern sie nicht wohlfahrtstheoretisch begründet wird. Gerade diese wohlfahrtstheoretische Begründung soll aber in vielen Arbeiten vermieden werden, weil sie zurück zur traditionellen Umwelt- und Ressourcenökonomie führen würde (hierzu z.B. Penings 1996; Beckenbach/ Pasche 1996); wichtiger ist noch, daß die Forderungen nach einem möglichst weitgehenden Erhalt erschöpfbarer Ressourcen und der Assimilationskapazitäten der natürlichen Umwelt keine konkreten Hinweise bei der umweltpolitischen Prioritätensetzung

geben können.

Ursprünglich stammt das Nachhaltigkeitsprinzip aus der Forstwirtschaft, in der sich dieses wie beispielsweise bei Fischbeständen - einfach als Beibehaltung der natürlichen Regenerationsrate interpretieren läßt. In diesem Fall läßt sich der Begriff „Umweltkapital" eindeutig operationalisieren. Außerhalb dieser "Ein-Gut-Welt" kann der Begriff eines "gleichen Umweltkapitals" dagegen nicht mehr durch die Konstanz der Bestände definiert werden, so daß man um die Frage, weiche Umweltveränderungen aus welchen Gründen zugelassen werden sollen, nicht herumkommt. Da diese Frage jedoch kaum ohne Wohlfahrtsüberlegungen (d.h. vor allem ohne die gängigen Methoden der Kosten-NutzenAnalyse; vgl. für aktuelle Anwendungen der Kosten-Nutzen-Analyse auf Umweltprobleme z.B. Bonus 1996) beantwortet werden kann, führt eine begründete Einführung ökologischer Restriktionen vom theoretischen Konzept her doch wieder in die traditionelle Ökonomie zurück. Ausschließlich naturwissenschaftliche Grenzwerte kommen nicht in Betracht, weil sie die Kostenseite des Umweltschutzes vernachlässigen (zutreffend ebenso bei Cansier 1996, S. 133).

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

3.

37

Nachhaltige Entwicklung und umweltpolitische Instrumente

Da ein Schwerpunkt des sustainability-Konzeptes auf der internationalen und intergenerationellen Verteilungsgerechtigkeit liegt, möchte ich mich beim Stichwort "Rahmenbedingungen für Sustainable Development" weitgehend auf Langfrist- und Globalbelastungen am Beispiel des Treibhauseffektes beschränken. Unter Ökonomen besteht schon lange Einigkeit darüber, daß zur Bekämpfung solcher Umweltprobleme marktorientierte Instrumente wie Abgaben und Zertifikate besonders geeignet sind. Dies wird deutlich, wenn man die zur Beurteilung umweltpolitischer Instrumente zentralen Kriterien der ökologischen Treffsicherheit und Kosteneffizienz in den Vordergrund stellt (für weitere wichtige Kriterien wie dynamische Anreizwirkung und Transaktionskosten, auf die hier nicht eingegangen werden kann, vgl. z.B. Endres 1994, 118f.; Feess 1995, 19f.). Unter ökologischer Treffsicherheit wird - grob gesprochen - verstanden, wie gut ein Instrument die Einhaltung einer gewünschten Umweltqualität ermöglicht. Konkretisieren kann man die ökologische

Treffsicherheit beispielsweise

durch die Wahrscheinlichkeitsverteilung

der

wirklichen Umweltqualität um die angestrebte Umweltqualität. Die in allen Staaten nach wie vor dominierende Auflagenpolitik wird vor allem mit ihrer hohen ökologischen Treffsicherheit begründet. Auflagen sind ordnungsrechtliche Vorgaben, deren Nicht-Einhaltung zu Zahlungen an die öffentliche Hand führt. Sofem die Kontrolldichte und die Zahlungen hinreichend hoch sind, liefern Auflagen einen starken Anreiz zu ihrer Einhaltung, so daß eine hohe ökologische Treffsicherheit gegeben ist. Aus diesem Grund kann kein Zweifel daran bestehen, daß ordnungsrechtliche Vorgaben dort ihre Berechtigung haben, wo es auf eine kurzfristige, punktuelle und exakte Einhaltung bestimmter Grenzwerte ankommt, weil andernfalls Gesundheitsschäden drohen (Gesichtspunkt der unmittelbaren Gefahrenabwehr). Diese Begründung für ordnungsrechtliche Instrumente muß jedoch gerade bei großräumigen Luftschadstoffen wie S02 und NOx stark relativiert werden. Erstens ist zu bedenken, daß die Mehrzahl der Grenzwerte für Luftschadstoffe in Form sog. Massenkonzentrationen festgelegt werden. Dies bedeutet, daß eine bestimmte Schadstoffbelastung pro Kubikmeter Abgas genehmigt wird. Weniger gebräuchliche Alternativen dazu sind die Festlegung als Massenstrom (d.h. als Masse emittierter Schadstoffe pro Zeit) oder als Massenverhältnis (d.h. als Verhältnis aus Schadstoffen und Produkteinheiten; vgl. ausführlicher z.B. Welsch 1994). Dies impliziert, daß

38

Kapitel 2

durch die am „Stand der Technik" (zur juristischen Auslegung des „Standes der Technik" vgl. genauer Hoppe/ Beckmann 1989, S. 405f.) orientierten Auflagen keineswegs automatisch zu bestimmten Gesamtemissionen oder Gesamtimmissionen für bestimmte Regionen fuhren. Genau darauf kommt es bei großräumigen Luftverschmutzungen aber an, so daß die ökologische Treffsicherheit von Auflagen in diesem Bereich nicht überschätzt werden sollte. Da es bei solchen Schadstoffen nicht auf die exakte Einhaltung zu bestimmten Zeitpunkten ankommt, ist die ökologische Treffsicherheit von Abgaben nicht so kritisch zu beurteilen, wie dies bei der punktuellen Gefahrenabwehr der Fall wäre. Zum genaueren Verständnis der Unterschiede von Abgaben- und Auflagenlösungen in ökonomischer Sicht ist es erforderlich, sich das Entscheidungsverhalten der betroffenen Unternehmen bei Abgaben etwas genauer zu betrachten. Werden Abgaben pro emittierter Schadstoffeinheit erhoben, so orientieren sich Unternehmen bei ihrer Schadstoffvermeidung am Ausgleich des Abgabensatzes mit den Grenzkosten der Schadstoffvermeidung. Denn solange der Abgabensatz noch höher ist als die Grenzkosten der Vermeidung, ist es günstiger, auf die Emissionen zu verzichten, statt die Abgabe an die öffentliche Hand zu entrichten. Unter dem Gesichtspunkt der ökologischen Treffsicherheit ergibt sich daraus die Schwierigkeit, daß Fehleinschätzungen der Schadstoffvermeidungskosten durch die Umweltbehörde zu anderen Emissionsniveaus fuhren, als dies von der Umweltbehörde prognostiziert wurde. Dieses Problem verschärft sich, sofern es nicht nur auf die Summe der Emissionen (wie bei CO2), sondern auch auf die lokale Verteilung der Schadstoffe (wie bei SO2) ankommt, weil sich dann verschiedene Fehleinschätzungen nicht nach dem Gesetz der großen Zahl kompensieren können. Dies kann in der Tat bedeuten, daß die ökologische Treffsicherheit von Abgaben geringer ist als diejenige ordnungsrechtlicher Vorgaben. Bei der Würdigung dieses Sachverhalts ist aber zu bedenken, daß es beispielsweise für die Bekämpfung des Treibhauseffekts nicht besonders schwerwiegend ist, wenn die Preislösung zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten zu einer unerwartet hohen Schadstoffbelastung fuhrt. So ist es für den Treibhauseffekt weitgehend egal, ob heute 10 und morgen 20 Einheiten oder jeweils 15 Einheiten CO2 emittiert werden. Es scheint dann ohne weiteres möglich, zunächst einen Abgabensatz vorzugeben, für den man die erwünschte Schadstoffreduktion für plausibel hält und diesen anschließend in einem trial-and-error-Verfahren zu korrigieren, sofern der wirkliche Umwelteffekt zu weit von dem gewünschten abweicht. Man sollte den Abgabensatz allerdings nicht ständig und willkürlich verändern, weil die Unternehmen bezüglich der Höhe der Abgabe auf eine gewisse Planungssicherheit nicht verzichten können. Schließlich handelt es sich bei der Abgabe um einen Preis für einen Produktionsfaktor, und ständige, unvorhersehbare

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

39

Schwankungen eines Faktorpreises führen zu falschen Investitionen. Denken Sie an ein Unternehmen, das sich zum Zeitpunkt to angesichts einer hohen Abgabe für eine teure, schadstoffsparende Investition entscheidet. Zum Zeitpunkt t] bemerkt die Umweltbehörde, daß die Schadstoffreduktion viel größer war als erwartet und reduziert daher den Abgabensatz drastisch. Während die nicht-innovativen Unternehmen nun nur noch die geringe Abgabe bezahlen müssen, ist die Wettbewerbsfähigkeit unseres Beispielunternehmens gesunken, weil sich die Innovation angesichts der geringen Abgabe nicht amortisiert. Es ist deshalb wichtig, daß die Abgabenpolitik der Umweltbehörde durchschaubar ist, so daß man das Problem nicht durch beliebige Variationen der Abgabenhöhe in den Griff bekommen kann. Insgesamt können wir aber festhalten, daß sich das Problem der ökologischen Treffsicherheit von Abgaben bei der Bekämpfung langfristiger und globaler Umweltprobleme viel weniger stellt als bei der punktuellen Gefahrenabwehr. Der entscheidende Vorteil marktorientierter Instrumente gegenüber dem Ordnungsrecht erschließt sich nun, wenn wir vom Kriterium der ökologischen Treffsicherheit zu dem der Kosteneffizienz übergehen. Die Minimierung der volkswirtschaftlichen Vermeidungskosten zur Einhaltung einer bestimmten Umweltqualität erfordert selbstverständlich, daß jede Schadstoffeinheit dort vermieden wird, wo dies am billigsten ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Grenzkosten der Schadstoffvermeidung bei allen Unternehmen identisch sind (dabei setzen wir voraus, daß es auf die lokale Verteilung der Schadstoffe nicht ankommt. Andernfalls ergeben sich ähnlich interpretierbare, allerdings etwas komplexere Beziehungen; vgl. z.B. Feess 1995, Abschnitte 2.5 und 4.4). Denn wenn die Vermeidung der letzten Einheit im Unternehmen A billiger wäre als in einem

Unternehmen

B (falls also die Grenzkosten

niedriger

wären), so

wäre

es

volkswirtschaftlich vorteilhaft, daß das Unternehmen A weniger und das Unternehmen B mehr emittieren würde. Genau dieser Ausgleich aller Grenzkosten der beteiligten Unternehmen wird von Abgaben erreicht, weil jedes Unternehmen solange Schadstoffe vermeidet, bis die Grenzkosten der Schadstoffvermeidung dem Abgabensatz entsprechen. Sofern der Abgabensatz für alle Unternehmen gleich hoch ist, folgt daraus unmittelbar, daß auch die Grenzkosten der Vermeidung für alle Unternehmen gleich sind. Dies hat zur Konsequenz, daß mit Abgaben eine beliebige Umweltqualität selbst dann kosteneffizient implementiert wird, wenn die Umweltbehörde keinerlei Kenntnis über die Veimeidungskosten der beteiligten Unternehmen hat. Dies ergibt sich wie erläutert einfach aus dem Gewinnmaximierungskalkül der Unternehmen, die alle ihren Grenzkosten der SchadstoffVermeidung dem Abgabensatz angleichen. In der Literatur wird zu Recht hervorgehoben, daß die Kosteneffizienz der Abgabenlösung bei gleichen Abgabensätzen Verrechnungsmöglichkeiten, wie sie beispielsweise bei der Abwasserabgabe in der

40

Kapitel 2

Bundesrepublik

Deutschland

existieren,

problematisch

machen.

Solche

Verrech-

nungsmöglichkeiten führen letztlich zu unterschiedlichen Abgabensätzen für unterschiedliche Vermeidungsmengen, was die Effizienz der Lösung untergräbt (vgl. z.B. Hansmeyer/ Gawel 1993, S. 328). Die Kosteneffizienz von Abgaben steht in krassem Gegensatz zu Auflagenlösungen. Da jedes Unternehmen

die

ordnungsrechtliche

Vorgabe

bei

entsprechender

Kontrolldichte

und

hinreichenden Strafzahlungen einhalten wird, sind Auflagen nur dann kosteneffizient, wenn die Grenzkosten der Vermeidung aller Unternehmen bei Einhaltung der Auflage identisch wären. Um dies zu gewährleisten, müßte die Umweltbehörde alle Grenzkostenfunktionen der Unternehmen genau kennen, so daß die Informationsanforderungen für eine kosteneffiziente Setzung von Auflagen prohibitiv hoch sind. Denn nur wenn die Umweltbehörde jede einzelne Kostenfunktion der Schadstoffvermeidung kennt, kann sie unternehmensspezifische Vorgaben machen, die dazu führen, daß die Grenzkosten aller Unternehmen durch die unterschiedlichen Auflagen angeglichen werden. Doch selbst wenn die Umweltbehörde tatsächlich über vollständige Information hinsichtlich der Grenzkosten der Schadstoffvermeidung verfügen würde, ergäben sich erhebliche Zielkonflikte zwischen dem Kriterium der dynamischen Anreizwirkung (darunter versteht man die Anreize zu technischem Fortschritt, die von umweltpolitischen Instrumenten ausgehen) und dem der Kosteneffizienz. Denn Kosteneffizienz erfordert ja, daß Unternehmen mit hohen Grenzkosten wenig Schadstoffe vermeiden müssen, so daß kein Anreiz bestehen würde, nach neuen technischen Verfahren zu suchen, mit denen sich Schadstoffe kostengünstiger vermeiden lassen. Der Versuch zur Erhöhung der Kosteneffizienz von Auflagen kollidiert daher mit der dynamischen Anreizwirkung. Wenn wir nun an jene großräumigen und langfristigen Umweltverschmutzungen denken, die für das sustainability-Konzept besonders wichtig sind, so wird deutlich, daß für diese das Kriterium der Kosteneffizienz ganz ins Zentrum der Beurteilung umweltpolitischer Instrumente rückt und die Überlegenheit marktorientierter Instrumente gegenüber Auflagen für diese Art von Umweltproblemen erheblich ist. Die zentrale Bedeutung der Kosteneffizienz erklärt sich dadurch, daß der Gesichtspunkt der kurzfristigen und punktuellen ökologischen Treffsicherheit aus den oben erläuterten Gründen weniger bedeutsam ist. Daher läßt sich in der Tat festhalten, daß sich „Langfrist- und Globalbelastungen mit ökonomischen Instrumenten grundsätzlich wirkungsvoll bekämpfen lassen" (Cansier 1996, S. 138).

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

41

Bisher haben wir als marktwirtschaftliches Instrument ausschließlich Abgaben betrachtet. Gerade zur Verminderung großräumiger Schadstoffbelastungen sind jedoch Zertifikate

hervorragend

geeignet. Bei Zertifikaten werden die insgesamt zulässigen Umweltbelastungen für einen bestimmten Bereich - d.h. also beispielsweise die insgesamt zulässigen C02-Emissionen - in einer Region festgelegt und auf handelbare Zertifikate aufgeteilt (bahnbrechend in der Bundesrepublik Deutschland waren hierzu die Arbeiten von Holger Bonus 1982. Zu praktischen Einsatzmöglichkeiten vgl. auch Kemper 1991, S. 208f.). Jedes beteiligte Unternehmen steht bei der Mengenlösung vor der Entscheidung, ob es Schadstoffe vermeiden oder lieber Zertifikate kaufen soll, deren Preis sich auf dem Markt für Zertifikate bildet. Zielsetzung des Unternehmens ist es, die gesamten Umweltschutzkosten als Summe aus den Vermeidungskosten und den Kosten für Zertifikate zu minimieren. Dies führt ganz analog zur Abgabenlösung dazu, daß jedes Unternehmen solange Zertifikate nachfragt, bis der Zertifikatepreis den Grenzkosten der Schadstoffvermeidung entspricht - es ergibt sich demnach das gleiche Ergebnis wie bei Abgaben. Allerdings setzt dies voraus, daß der Markt für Zertifikate hinreichend groß ist, weil sich andernfalls strategische Anreize ergeben, die zu Abweichungen des Zertifikatepreises von den Grenzkosten der Vermeidung und damit zu Ineffizienzen führen können (vgl. die Diskussion zwischen Siebert 1983 und Bonus 1983). Die wichtigste Zertifikatelösung in der Praxis ist das Acid Rain-Programm im Rahmen der Reform des US-amerikanischen Clean Air Acts von 1990, das für die Schadstoffe SO2 und NO x landesweit gültige Zertifikatelösungen einführte, die im Januar 1995 in Kraft traten (vgl. ausführlich z.B. Endres/ Schwarze 1994; Hansjürgens/ Fromm 1994a und 1994b). Die Zertifikatemenge wird zunächst als Anteil an der Energieerzeugung einer Anlage ausgegeben, so daß grundsätzlich jeder Anlage im Verhältnis zu ihrer Energieerzeugung die gleiche Schadstoffmenge zugestanden wird. Übersteigt (unterschreitet) der wirkliche Energieverbrauch der U.S.A. den geschätzten Energieverbrauch, so müssen mehr (weniger) Zertifikate ausgegeben werden als geplant. Für den Zeitraum von 1995 bis 2000 werden Altanlagen allerdings bevorzugt, indem ihnen pro Energieeinheit die doppelte Zertifikatemenge als den Neuanlagen zugestanden wird. Dies dient dazu, plötzliche Kostenschübe, welche die Wettbewerbsfähigkeit gefährden würden, zu vermeiden. Dennoch müssen die meisten Altanlagen auf dieser Grundlage Schadstoffe vermeiden oder Zertifikate hinzukaufen, weil der Schadstoffausstoß noch darüber liegt. Beachten Sie, daß es sich bei diesem Erstausgabeverfahren um kein "grandfathering" handelt, da sich die Menge bei Altanlagen nicht an den bisherigen Emissionen, sondern an den (verdoppelten) Sollwerten für Neuanlagen orientiert. Da die Mengen für Neuanlagen reduziert werden, müssen auch die Altanlagen in den Jahren von 1995 bis 2000 Schadstoffe abbauen. Dabei gibt es die

42

Kapitel 2

Möglichkeit, Zertifikate beispielsweise von 1996 nach 1998 zu verlagern, während die umgekehrte zeitliche Verlagerung (also eine spätere Vermeidung) nicht

zulässig

ist.

Auswertungen der bisherigen Entwicklung zeigen, daß der Zertifikatepreis weit unter dem geschätzten liegt. So konnten 1996 Emissionsrechte für eine Tonne SO2 für 60 Dollar erworben werden, während die US-amerikanische Umweltbehörde 1990 von einem Schätzwert von 8001000 Dollar ausgegangen war (vgl. für die Preisentwicklung z.B. Sachverständigenrat für Umweltfragen 1996, S. 344). Dies liegt offensichtlich auch daran, daß die geringen Verminderungsanforderungen durch die Umstellung auf weniger schwefelhaltige Brennstoffe erreicht werden kann. Allerdings kann dies nicht den Sachverhalt erklären, daß der Zertifikatepreis unter den Vermeidungskosten liegt und das Handelsvolumen dennoch gering ist. Ein Grund hierfür ist, daß die Energieaufsichtsbehörden überregionale Zertifikatekäufe teilweise nicht genehmigt haben, was die Funktionsfähigkeit der Märkte behinderte (vgl. für eine detailliertere Analyse der aktuellen Entwicklungen Schwarze 1996). Gegenüber Abgaben weisen Zertifikate für unser Beispiel der Bekämpfung des Treibhauseffekts drei Vorteile auf, so daß es nicht verwundert, daß der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem jüngsten Gutachten Zertifikate bei der europaweiten Verminderung des CO2-Ausstoßes im Vergleich zu den Entwürfen einer Energie- und CO2-Abgabe favorisiert (für eine Abwägung der Vor- und Nachteile von Abgaben und Zertifikaten vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen 1996, 342ff): - erstens kann die insgesamt zulässige CC>2-Menge eindeutig fixiert werden, so daß das Kriterium der ökologischen Treffsicherheit (bei einer entsprechenden Kontrolldichte) perfekt erfüllt werden kann; - zweitens kommt in einer eindeutigen Mengenfestlegung der politische Willen deutlicher zum Ausdruck, weil der ökologischen Restriktion sichtbar Priorität eingeräumt wird; - und drittens beschränken sich die bei internationalen Maßnahmen unvermeidlichen Verteilungskämpfe auf die Erstausgabe der Zertifikate, während bei Abgaben eine Einigung über die Verwendung des Aufkommens gefunden werden muß (vgl. zu internationalen Umweltverhandlungen z.B. Schmelzer 1996). Im Rahmen des für Sustainable Development typischen

Gerechtigkeitskonzeptes

könnte

man

eine

Gleichverteilung

pro

Kopf

favorisieren, doch ist dies erstens (zumindest weltweit) politisch nicht durchsetzbar und kann zweitens auch unter normativen Gesichtspunkten keine eindeutige Überlegenheit beanspruchen - denn warum sollte ein Staat für seine schlechte Bevölkerungspolitik belohnt werden, indem er eine größere Zertifikatemenge erhält als ein gleich großes Land mit

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

43

geringerer Bevölkerungsdichte? In der Praxis müssen also Kompromisse gefunden werden, bei denen beispielsweise die Größe eines Landes, die Bevölkerungsdichte, der aktuelle C02-Ausstoß und die Höhe des Sozialprodukts pro Kopf eine Rolle spielen könnten. In jedem Fall ist es ein wichtiger Vorteil von Zertifikaten, daß sie weltweit eine kosteneffiziente Verminderung von CO2 selbst dann ermöglichen, wenn die Umweltbehörde keinerlei Kenntnis von den Vermeidungskosten der Beteiligten hat, was bei internationalen Problemen ein entscheidender Vorteil ist. Zwar zeigt die ökonomische Theorie, daß die Umweltbehörde dies ebenso durch andere Mechanismen erreichen kann (vgl. vor allem Falkinger/ Hackl/ Pruckner 1996), doch sind marktorientierte Instrumente der einfachste Weg. Häufig wird als ein weiterer Vorteil von Zertifikaten gegenüber Abgaben angeführt, daß zumindest nach der Erstausgabe der Zertifikate keine Zahlungen mehr vom Unternehmenssektor an den Staat fließen, so daß die Kosten im Unternehmenssektor auf die Vermeidungskosten beschränkt bleiben. Dies verhindert erstens die mit Abgabenlösungen ceteris paribus verbundene Erhöhung der Staatsquote und kann zweitens unter dem Gesichtspunkt der internationalen Konkurrenzfähigkeit vorteilhaft sein. Die aktuelle Diskussion um eine ökologische Steuerreform zeigt jedoch, daß die Tatsache, daß bei Zertifikaten keine Zahlungen an die öffentliche Hand entstehen, nicht unbedingt ein Vorteil sein muß (vgl. zur ökologischen Steuerreform z.B. Hansjürgens 1995 und Kronberger Kreis 1996; sowie für eine Übersicht über die entsprechenden Konzepte der vier großen politischen Parteien Sachverständigenrat für Umweltfragen 1996, S. 326). Denn bei der Ausgestaltung einer ökologischen Steuerreform besteht ja mittlerweile Einigkeit darüber, daß dies außommensneutral gestaltet werden soll, worunter verstanden wird, daß der Untemehmenssektor als ganzes in der Höhe des Steueraufkommens entlastet werden soll (beispielsweise durch eine Senkung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung). Im Unterschied zu Zertifikaten bieten Öko-Steuem folglich die Möglichkeit, andere Steuern zu senken, die zu einer Verzerrung der Preisverhältnisse führen und dadurch die effiziente Allokation der Ressourcen stören („excess bürden"). Angesichts der Massenarbeitslosigkeit sind dabei selbstverständlich solche existierenden Abgaben besonders negativ zu bewerten, die den Produktionsfaktor „Arbeit" verteuern. Unter dem Stichwort der „doppelten Dividende" besteht die mit einer ökologischen Steuerreform verbundene Hoffnung folgerichtig darin, gleichzeitig eine Umweltentlastung und eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit bewirken zu können. Während der erste Effekt bei einer Wirksamkeit des Preismechanismus selbstverständlich ist, ist die Frage, ob durch Öko-Steuem Arbeitsplätze geschaffen werden können, theoretisch umstritten (vgl. z.B. Schneider 1996; Weinbrenner 1996).

Kapitel 2

44

Zusammenfassend zu diesem Abschnitt können wir festhalten, - daß marktorientierte Instrumente zur Verminderung langfristiger und großräumiger Belastungen besonders gut geeignet sind, weil es dort stärker auf die Kosteneffizienz als auf die sofortige, punktuelle ökologische Treffsicherheit ankommt und die langfristige ökologische Treffsicherheit auch durch Abgaben gewährleistet werden kann (bei Zertikaten stellen sich in dieser Hinsicht ohnehin keine Probleme); - beim C02-Problem einiges für Zertifikate- im Unterschied zu Abgabenlösungen spricht; -

insgesamt aber kein Zweifel daran bestehen kann, daß eine ökologisch orientierte Finanzreform (ausfuhrlich hierzu Sachverständigenrat für Umweltfragen 1996, Kapitel 5) eine der Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung ist.

4.

Die internationale Dimension einer nachhaltigen Entwicklung

Im zweiten Kapitel wurde deutlich gemacht, daß neben der Langfristigkeit auch die internationale Dimension der Umweltprobleme eine zentrale Rolle im sustainability-Konzept spielt. Dabei lassen sich zwei Kerngebiete analytisch unterscheiden: Der erste Problemkreis betrifft direkt den grenzüberschreitenden oder globalen Charakter von Umweltproblemen und die Schwierigkeiten, gemeinsame Strategien zur Bekämpfung zu finden. Die Schwierigkeit besteht dabei darin, daß bei der Reduktion globaler Schadstoffe alle beteiligten Länder einen Anreiz haben, sich auf die vermindernden Maßnahmen anderer Länder zu verlassen (technisch gesprochen handelt es sich um ein Problem ineffizienter Nash-Gleichgewichte, das oft vereinfachend und nicht ganz korrekt als "Gefangenendilemma" bezeichnet wird). Das Problem ist, daß Umweltbehörden bei der Festsetzung von Standards lediglich die Auswirkungen der Schadstoffe im Inland betrachten, sofern sie die Zielsetzung der Maximierung der inländischen Wohlfahrt verfolgen. Die Auswirkungen der Schadstoffe im Ausland werden dagegen nicht berücksichtigt. Da dieses Verhalten bei allen Ländern befürchtet werden muß, kommt es insgesamt zu einer viel zu geringen Schadstoffvermeidung, als dies im Interesse der Länder selbst wäre. Dies liegt letztlich daran, daß die Kosten der Vermeidungsmaßnahmen in den entsprechenden Ländern selbst anfallen, während der Nutzen sich auf alle Länder verteilt und daher von den einzelnen Ländern „unterbewertet" wird. Welche Schwierigkeiten sich bei der

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

45

Lösung dieser Probleme durch internationale Umweltverhandlungen ergeben, kann am Beispiel der Rio-Konferenz eindrucksvoll studiert werden (vgl. hierzu die Beiträge in Mintzer/ Leonard 1994). Ideal wäre die Einrichtung einer internationalen Umweltbehörde mit

rechtlich

verbindlicher Entscheidungskompetenz, was zwar schwer durchsetzbar scheint, als Ziel aber dennoch nicht aus den Augen verloren werden sollte. Die zweite Art von Problemen stellt sich selbst dann, wenn die Emissionen in nationalen Grenzen verbleiben und betrifft das in jüngster Zeit viel diskutierte Öko-Dumping, worunter der Versuch verstanden wird, durch niedrige Umweltstandards die internationale Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen zu steigern (vgl. ausführlich z.B. Diem 1996; Feser/ Flieger/ Wisch 1996). Im Kern geht es darum, die bei unvollständiger Konkurrenz möglichen Gewinne vom Ausland ins Inland umzuleiten, so daß Öko-Dumping in theoretischer Hinsicht eine naheliegende Anwendung der Theorie strategischer Handelspolitik auf das Umweltproblem ist (vgl. Barrett 1994). ÖkoDumping kann besonders reizvoll sein, sobald sich die betreffenden Märkte durch hohe Lernkurveneffekte auszeichnen, weil die Verbesserung der Wettbewerbssituation in der Gegenwart dann auch die langfristige Konkurrenzfähigkeit entscheidend erhöhen kann. In den U.S.A. gibt es mittlerweile eine starke Allianz aus Industrievertretern und Umweltschützern, die den Import aus Ländern mit niedrigen Umweltstandards unterbinden oder zumindest Importzölle einführen will. Niedrige Umweltstandards werden analog zu Exportsubventionen als Instrument der strategischen Handelspolitik interpretiert, was den Einsatz bilateraler Gegenmaßnahmen legitimieren soll (vgl. für eine umfassende Darstellung der Thematik Esty 1994). Obwohl diese Haltung durchaus verständlich ist und Öko-Dumping sicherlich nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, gibt es meines Erachtens gute Gründe, die gegen protektionistische Gegenmaßnahmen gegen Öko-Dumping sprechen (vgl. zu diesem Themenkomplex ausführlicher Feess 1996; Feess/ Steger 1996): -

erstens läßt sich Öko-Dumping in der Praxis kaum operationalisieren, weil die ,gichtigen" (technisch gesprochen: pareto-effizienten) Umweltstandards in den verschiedenen Ländern höchst unterschiedlich sind. Dies wird sofort deutlich, wenn man bedenkt, daß die Grenznutzen

und

Grenzkosten

der

Schadstoflvermeidung

beispielsweise

von

den

regionalen Assimilationskapazitäten der Umwelt, der Industriestruktur, den verwendeten Technologien, den Einkommensniveaus und den Präferenzen der Wirtschaftssubjekte abhängen. Zumindest die letzte Größe ist kaum berechenbar, so daß die Feststellung von Öko-Dumping im konkreten Einzelfall enorm schwierig ist;

46

Kapitel 2

- zweitens hat die Uruguay-Runde in der WTO zu einer Verringerung von Handelshemmnissen gefuhrt (vgl. z.B. Langhammer 1993), welche die Industriestaaten durch protektionistische Maßnahmen gegen Öko-Dumping nicht gefährden sollten (gleicher Meinung ist z.B. Petersmann 1992). Gerade die schwierige Operationalisierbarkeit von Öko-Dumping spricht dagegen, daß protektionistische Gegenschläge von den Entwicklungsländern akzeptiert werden würden. Wie schon bei der Behandlung grenzüberschreitender und globaler Schadstoffe kommt man daher meines Erachtens auch bezüglich des Öko-Dumpings zu dem Ergebnis, daß der richtige Weg im Umgang mit internationalen Umweltproblemen nicht in (bilateralen) Maßnahmen, sondern in der Errichtung einer supranationalen Umweltbehörde mit entsprechender Entscheidungskompetenz besteht.

5.

Einige zusammenfassende Schlußfolgerungen

Unter Sustainable Development kann ein Konzept verstanden werden, daß bei der Bekämpfung von Umweltproblemen stärker als die traditionelle Umweltökonomie auf Aspekte der (internationalen und intergenerationellen) Verteilungsgerechtigkeit abhebt. Obwohl das Konzept meiner Meinung nach weder theoretisch noch für die konkrete Umweltpolitik wesentlich neue Einsichten liefert, ist es als konsensfähige Norm für den politischen Willensbildungsprozeß wichtig. Bei der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung sollten Zertifikatelösungen für großräumige Luftverschmutzungen, eine aufkommensneutrale ökologische Steuerreform und die Errichtung einer supranationalen Umweltbehörde mit hoher Entscheidungskompetenz Schlüsselrollen spielen. Auf die Bedeutung anderer umweltpolitischer Instrumente (beispielsweise Haftungsregeln und freiwillige Selbstverpflichtungen) als Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Entwicklung konnte im Rahmen dieses Beitrags nicht eingegangen werden.

Sustainable Development und Rahmenbedingungen

47

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für eine nachhaltige, umweltverträgliche

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als

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Kapitel 3 Was ist und wie erreichen wir eine nachhaltige Entwicklung ? von Malte Faber, Frank Jost und Reiner Manstetten

1. Einleitung

52

2. Die Rolle von Wissenschaft und Technik auf dem Weg zu einem operationalen Konzept von Nachhaltigkeit

55

3. Die Grenzen der wissenschaftlich-technischen Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung

58

4. Die Rolle von Ethik und Öffentlichkeit auf dem Wege zur Nachhaltigkeit: Der Konsens

60

5. Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung

62

6. Räume und Institutionen für eine Konsens findung

63

Literatur

66

52

1.

Kapitel 3

Einleitung

Nachhaltige Entwicklung (sustainable development) ist das Leitwort der umweltpolitischen Diskussion der Gegenwart. Darüber, daß eine solche Entwicklung notwendig ist, herrscht weitgehend Konsens. Es ist jedoch weitgehend unklar, was unter nachhaltiger Entwicklung zu verstehen ist und wie wir eine nachhaltige Entwicklung erreichen können. In Folge dessen entsteht vielfach der Eindruck, es werde über Nachhaltigkeit viel geredet, aber wenig oder gar nichts getan. Wir wollen zunächst den Begriff der Nachhaltigkeit in seinen verschiedenen Bedeutungen klären. Danach wollen wir fragen, inwiefern eine nachhaltige Entwicklung erreichbar ist. Dabei werden wir zwischen einem operationalen Weg zur Nachhaltigkeit und einem Ideal der Nachhaltigkeit unterscheiden. Vergleichbar ist das Ideal mit einem Stern, den ein Seemann zur Kursbestimmung verwendet. Das Ideal ist unerreichbar, aber es gibt die Orientierung für alle operationalen Wege zu einer konkreten nachhaltigen Entwicklung ab. Wir unterscheiden drei Bedeutungen von "Nachhaltigkeit", die ökonomische (a), die ökologische (b) und die ethische (c) Bedeutung. (a) Die ökonomische Bedeutung ergibt sich aus dem 1987 vorgelegten Abschlußbericht der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung. Dort wurde von der Wirtschaft gefordert, "...die Grundbedürfnisse aller zu befriedigen und für alle die Möglichkeit zu schaffen, ihren Wunsch nach einem besseren Leben zu befriedigen" (Brundtland-Report 1987, S. 46f.). (Darüber hinaus aber sollte die Wirtschaft sich nachhaltig entwickeln.) Nachhaltigkeit bedeutet hier: Die Bedürfnisse der heute lebenden Generationen dürfen nur in einer solchen Weise befriedigt werden, daß hierdurch die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen nicht gefährdet wird (Brundtland-Report 1987, S. 46). Nachhaltige Entwicklung bezieht sich in dieser ersten Bedeutung auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und Wünsche. Damit steht sie im Einklang mit der traditionellen Volkswirtschaftslehre. Hinzu kommt allerdings ein Aspekt, der in der traditionellen Volkswirtschaftslehre kaum berücksichtigt wird: Nachhaltigkeit in der ersten, der ökonomischen Bedeutung erfordert die langfristige Erhaltung einer materiellen Basis für die Bedürfnisbefriedigung der Menschen. In diesem Sinne kann eine wirtschaftliche Entwicklung nur dann nachhaltig sein, wenn die Erfüllung der Bedürfnisse der Menschen auch in Zukunft möglich ist.

Nachhaltige

Entwicklung

53

(b) In der gegenwärtigen Diskussion wird der Begriff Nachhaltigkeit nicht nur in diesem auf die Wirtschaft beschränkten

Sinne verwendet. Wenn heute von einer nachhaltigen

Entwicklung gesprochen wird, dann ist damit vielfach auch das Ziel der umfassenden Erhaltung einer für sich bestehenden und sich entfaltenden Natur angesprochen. Tierisches und

pflanzliches

Leben

wird

hier

nicht

nur

als

Voraussetzung

menschlicher

Bedürfnisbefriedigung, sondern als Wert oder Zweck an sich angesehen. Eine Entwicklung ist demzufolge nur dann nachhaltig, wenn sich die menschliche Wirtschaft in Harmonie mit der außermenschlichen Natur entwickelt. Diese zweite Bedeutung von Nachhaltigkeit nennen wir die ökologische Bedeutung. Vorstellungen von Nachhaltigkeit im Sinne der ökologischen Bedeutung gehen weit über die Frage nach einer langfristigen Nutzung der Natur als Rohstofflieferant und Schadstoffaufnahmemedium für die Produzenten und Verbraucher hinaus. (c) Neben dieser Erweiterung des Begriffes der Nachhaltigkeit auf die außermenschliche Natur ist in der gegenwärtigen Debatte ein dritter Aspekt wichtig: die Frage nach der Gerechtigkeit. Wenn man Nachhaltigkeit als Gerechtigkeit gegenüber den jetzt lebenden Menschen, gegenüber zukünftigen Generationen und gegenüber der außermenschlichen Natur auffaßt, verwendet man den Begriff in einer ethischen Bedeutung. Bereits im BrundtlandReport werden Probleme der Verteilungsgerechtigkeit thematisiert, indem gefordert wird, eine nachhaltige Entwicklung solle sicherstellen, daß alle Menschen ihre Grundbedürfhisse befriedigen können. Hier wird die Frage nach sozialer Gerechtigkeit in erster Linie als Problem

der

Ungleichheit

zwischen

reichen

Industrienationen

und

armen

Entwicklungsländern angesehen. Aus unserer Sicht jedoch geht es bei der ethischen Bedeutung von Nachhaltigkeit um die Frage nach einem guten Leben der Menschen (Zukunftsfahiges Deutschland 1996). Ein gutes Leben ist ein Leben in Gerechtigkeit. In einer ethischen Debatte über nachhaltige Entwicklung müssen Lebens- und Konsumgewohnheiten, wie sie insbesondere in den Industrienationen vorherrschen, grundsätzlich in Frage gestellt werden. Die drei Bedeutungen von Nachhaltigkeit überlagern sich teilweise. Klar unterschieden sind sie durch die Akzentsetzung. Es ist wichtig, sich deutlich zu machen, unter welchem Gesichtspunkt man über Nachhaltigkeit spricht. Nachhaltigkeit erscheint jeweils anders, je nachdem ob man sie unter ökonomischen, ökologischen oder ethischen Aspekten betrachtet. Wenn

heute

allgemein

von

nachhaltiger

Entwicklung

gesprochen

wird,

dann

ist

Nachhaltigkeit das Leitbild für eine Korrektur unserer Wirtschafts- und Konsumweise, welche die knappen Rohstoffe und Schadstoffaufhahmekapazitäten der Natur in zu großem Umfange nutzt, Tier- und Pflanzenarten gefährdet oder vernichtet und zu sozialer Ungerechtigkeit fuhrt.

54

Kapitel 3

Für eine solche Umgestaltung wird gefordert, daß ökologische, ökonomische und ethische Ziele gleichrangig berücksichtigt werden. Über diese Forderung herrscht weitgehend Einigkeit, solange sie abstrakt bleibt. Kontroversen entstehen jedoch immer, wenn über konkrete Schritte hin zu einer nachhaltigen Entwicklung entschieden werden soll. Denn zwischen ökonomischen, ökologischen und ethischen Zielen, wie sie aus den drei Bedeutungen von Nachhaltigkeit abgeleitet werden, bestehen häufig Konflikte. In konkreten Fällen muß also entschieden werden, welches Ziel stärker zu gewichten ist, damit bestimmte umweltpolitische Maßnahmen durchgeführt werden können. Denn hier stellt sich das Problem, ob ökonomische, ökologische oder ethische Kriterien oder eine Mischung daraus für die Beurteilung einer vorgeschlagenen Maßnahme angewandt werden sollen. Dieses Problem ist deswegen so schwer zu lösen, weil es keine eindeutigen Kriterien gibt, es zu entscheiden. Das fuhrt dazu, daß im allgemeinen überhaupt keine Lösung realisiert wird. Obwohl punktuell, auf der Ebene von Haushalten, Unternehmungen, Kommunen, zum Teil auch auf Länder- und Bundesebene, durchaus Schritte zur Nachhaltigkeit in einer der drei Bedeutungen festzustellen sind, kann man gewiß nicht behaupten, daß es eine grundsätzliche Bewegung der Gesellschaft in Richtung auf eine nachhaltige Entwicklung gebe. Es ist indes weniger wichtig, ob der Akzent auf Nachhaltigkeit in der ökonomischen, der ökologischen oder ethischen Bedeutung gelegt wird, wichtig ist vor allem, daß Einigkeit darüber erreicht wird, daß wir den gegenwärtigen Zustand ändern sollten. Ein solcher Konsens ist die entscheidende Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Demgegenüber ist es zwar keineswegs unwichtig, aber letztlich zweitrangig, wie er im einzelnen aussieht. Wenn ein gewisser Konsens einmal erreicht ist, dann läßt sich erwarten, daß er sich im Laufe des Prozesses seiner Verwirklichung selbst verstärkt. Was wäre der Inhalt eines solchen Konsenses? Im allgemeinen erwartet man, daß in einem solchen Konsens festgeschrieben würde, welche Mengen von Rohstoffen pro Kopf aus der Natur entommen und welche Mengen an Schadstoffen abgegeben werden dürfen, welche Tier- und Pflanzenarten besonders geschützt werden müssen etc. Obwohl solche wissenschaftlich-technisch-politischen Festschreibungen zumindest als Grenzwerte sinnvoll sein können, kann der Konsens nicht nur daraus bestehen. Aufgrund unseres Unwissens sind alle Grenzwerte in gewissem Maße beliebig. Auch kennen wir die Wirkungen vieler Stoffe gar nicht. Daher bedarf der Konsens einer Grundlage, die nicht von der Unzuverlässigkeit unseres Wissens erschüttert werden kann. Dies bedeutet, daß sich die wissenschaftlichtechnisch-politischen Festschreibungen fiir eine nachhaltige Entwicklung immer wieder neu an einem übergeordneten Gesichtspunkt orientieren müssen: Wir nennen diesen Gesichtspunkt das Ideal der Nachhaltigkeit.

Nachhaltige

Entwicklung

55

Hinter den Konflikten über konkrete Maßnahmen steht somit eine grundsätzliche Frage: Meint man mit Nachhaltigkeit ein operationales Konzept zur Erhaltung der Naturbasis der menschlichen Wirtschaft oder versteht man Nachhaltigkeit als Ideal für ein gutes Leben der Menschen in Verbindung mit der Natur? Nachhaltigkeit als operationales Konzept bezieht sich vor allem auf die erste, die ökonomische Bedeutung; Nachhaltigkeit als Ideal bezieht sich vor allem auf die zweite, die ökologische und die dritte, die ethische Bedeutung. Als operationales Konzept spielt Nachhaltigkeit vor allem bei Naturwissenschaftlern, Ingenieuren, Ökonomen und Managern eine Rolle. Das Ideal der Nachhaltigkeit ist hingegen vor allem in Auseinandersetzungen wichtig, in denen es in grundsätzlicher Weise um die langfristige Zukunft unserer Gesellschaft geht. Unseres Erachtens gehört beides zusammen. Zum besseren Verständnis der beiden unterschiedlichen Vorgehensweisen wollen wir sie im folgenden jedoch nacheinander darstellen. Wir wollen zuerst den wissenschaftlich-technisch-politischen Zugang zur Nachhaltigkeit (Abschnitt 2) und dann das Ideal der Nachhaltigkeit (Abschnitt 3) untersuchen. Im Anschluß daran werden wir das Thema des Konsenses im Lichte dieser Untersuchungen erneut behandeln (Abschnitt 4). Danach werden wir die Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung darstellen (Abschnitt 5) und schließlich zeigen, welche Räume und Institutionen bestehen, um einen Konsens bezüglich der Nachhaltigkeit zu finden (Abschnitt 6).

2.

Die Rolle von Wissenschaft und Technik auf dem Weg zu einem operationalen Konzept von Nachhaltigkeit

Angesichts der Schwierigkeiten, den Begriff der Nachhaltigkeit zu spezifizieren, liegt es nahe, zunächst nach möglichst operationalen Verwendungen zu suchen. Eine operationale Verwendung setzt voraus, daß man genaue, wissenschaftlich fundierte Diagnosen bezüglich der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung gewinnt, insofern diese nicht nachhaltig ist. Auf der Basis solcher Diagnosen können technische Lösungen gesucht werden, die dann im politisch-ökonomischen Prozeß durchgesetzt werden müssen. Ein solcher Weg zur Spezifizierung von Nachhaltigkeit bezieht sich vor allem auf die erste, die wirtschaftliche Bedeutung des Begriffes. Obwohl die Verschmutzung von Luft und Wasser sowie das Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten in der Umgebung zunächst von Laien wahrgenommen wurden, spielen die

56

Kapitel 3

Wissenschaften eine entscheidende Rolle für die Diagnose von Umweltproblemen (Luhmann 1996). Viele gegenwärtige Umweltprobleme sind dadurch gekennzeichnet, daß mögliche Schäden erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung eintreten und räumlich kaum noch eingegrenzt werden können. Derartige Probleme können nur durch wissenschaftliche Forschung diagnostiziert werden. Wir wollen dies am Beispiel des Treibhauseffektes zeigen. Daß aufgrund unserer Art, zu produzieren und zu konsumieren, die Gefahr besteht, das Weltklima zu verändern, ist ein Wissen, das sich ausschließlich auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaften stützt. Im Gegensatz zu der sinnlichen Wahrnehmung übel riechender Abgase,

brennender

Mülldeponien

oder

einer

direkt

spürbaren

gesundheitlichen

Beeinträchtigung durch zu hohe Schwefeldioxidemissionen oder kontaminiertes Wasser ist eine Änderung der jährlichen Durchschnittstemperatur, die im Vergleich zu den täglich erfahrenen Temperaturschwankungen minimal ist, für uns nicht wahrnehmbar. Dennoch kann eine solche Änderung langfristig zu einer globalen Erwärmung mit möglicherweise katastrophalen Folgen für Ökosysteme und Wirtschaft führen. Die Wissenschaft ist bei diesem Thema besonders herausgefordert, weil die Zurechnung der Ursachen für den Treibhauseffekt sehr schwierig ist. Denn Wetteranomalien gab es schon immer, und die erwartete durchschnittliche globale Temperaturänderung durch anthropogene Spurengasemissionen ist so klein, daß diese kaum spürbar sein wird. Wahrnehmen könnten wir allenfalls die Folgen einer solchen Temperaturänderung, wie z.B. Änderungen in der Niederschlagsverteilung. Diese Veränderungen könnte man jedoch auch auf natürliche Faktoren zurückführen. Somit kann die Trennung von anthropogenen und natürlichen Ursachen einer solchen Veränderung nur mit Hilfe naturwissenschaftlicher Untersuchungen und Modelle durchgeführt werden. Was für das Beispiel Treibhauseffekt zutrifft, gilt für viele weitere Umweltprobleme. Gemeinsam ist diesen Problemen, daß (a) die Folgen eines Eingriffes in die Natur erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung eintreten, (b) eine Beurteilung der möglichen Schäden aufgrund der Komplexität von Ökosystemen sehr schwierig ist und (c) die Trennung in natürliche und anthropogene Ursachen der Veränderungen ebenfalls häufig sehr schwierig ist. Sind wir mit solchen Problemen konfrontiert, dann kommt den Wissenschaften in zwei Hinsichten eine große Bedeutung zu. Sie sind wichtig bei der Diagnose möglicher Schäden und ihrer Ursachen. Damit können die Wissenschaften rechtzeitig auf

mögliche

Umweltprobleme aufmerksam machen. Darüber hinaus können ihre Erkenntnisse genutzt werden, um anzugeben, in welchem Umfang wir die Natur als Rohstofflieferant und Schadstoffempfänger in Anspruch nehmen dürfen, ohne wesentliche Funktionen der Natur für die Wirtschaft zu zerstören. Aufgrund solcher Überlegungen über die Tragfähigkeit der Erde

Nachhaltige Entwicklung

57

und aus wissenschaftlichen Erkenntnissen über ökologische und ökonomische Systeme kann man dann gezielt nach neuen Techniken forschen und politische Handlungsanweisungen ableiten. Auf die Diagnose von Rohstoff- und Umweltproblemen muß also die Suche nach Lösungen folgen. Ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit wäre die Änderung bislang verwendeter technischer Verfahren und die Reparatur bestehender Umweltschäden. Auf diesem Wege sind bereits in den letzten beiden Jahrzehnten große Erfolge erzielt worden. Es wurden im nachsorgenden Umweltschutz zahlreiche Verfahren zur Reinigimg belasteter Abwässer und Abgase entwickelt (Brown/ Johnson 1982; Malle 1996). In jüngster Zeit gelang es im Rahmen des produktionsintegrierten Umweltschutzes, neue Produktionsverfahren zu entwickeln und einzuführen. Damit haben die Wissenschaften und die Technik schon wesentlich zur Verbesserung der Umweltqualität beigetragen (vgl. Faber/ Jost/ Müller-Fürstenberger 1995). Trotz dieser Beiträge, welche die Wissenschaften und die Technik bei der Diagnose und Lösung von Umweltproblemen leisten können, erscheint es uns fraglich, ob Wissenschaft und Technik allein in der Lage sind, das Problem einer nachhaltigen Entwicklung zu lösen. Wo die Schwierigkeiten liegen, wollen wir an einem Beispiel zeigen (vgl. Jost/ Manstetten 1996, S. 86). Wir betrachten den Verbrauch fossiler Energieträger und seine Folgen für das Klima. Auf dem wissenschaftlich-technischen Lösungsweg könnte man sich folgenden Ablauf vorstellen: zunächst geben die Geowissenschaftler an, wie groß die Vorräte an fossilen Energieträgern sind. Gleichzeitig ermitteln Biologen und Meteorologen, wie hoch die klimarelevanten Emissionen durch die Nutzung fossiler Energieträger höchstens sein dürfen, ohne daß es hierdurch zu gravierenden Klimaänderungen kommt, d. h. daß die Ökosysteme ausreichend Zeit haben, sich ohne große Friktionen an die veränderten Klimabedingungen anzupassen. Im Anschluß daran können die Ingenieure untersuchen, welche Verfahren zur Energieeinsparung gegenwärtig verfügbar sind und welche Substitutionsmöglichkeiten für fossile Energieträger existieren. Mit Hilfe dieser Informationen können Politiker - im Diskurs mit Naturwissenschaftlern und Ökonomen - Grenzwerte für die Emissionen klimarelevanter Spurengase festlegen. Dabei werden sie auch entscheiden, durch welche umweltpolitischen Instrumente die Einhaltung der Grenzwerte sichergestellt werden soll. Hierdurch werden die Rahmenbedingungen so gesetzt, daß die Wirtschaftssubjekte ihre eigenen Pläne verfolgen können und zugleich die Sicherheit haben, daß es zu keiner Übemutzung der Umwelt kommt. Die so gesetzten Rahmenbedingungen stellen dann auch sicher, daß die heute lebenden Generationen ihre Verantwortung für zukünftige Generationen wahrnehmen. Eine solche Vorgehensweise wird z.B. in der Studie "Zunkunftsfähiges Deutschland" vorgeschlagen (Zukunftsfahiges Deutschland 1996). Auf die damit verbundenen Schwierigkeiten gehen wir im nächsten Abschnitt ein.

58

3.

Kapitel 3

Die Grenzen der wissenschaftlich-technischen Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung

a) Unwissen Ein wesentliches Problem des hier dargestellten Vorgehens besteht darin, daß die Naturwissenschaftler, Techniker und Ökonomen jeweils alle wesentlichen Zusammenhänge und Daten innerhalb ihrer Gegenstandsbereiche kennen müssen. Bezüglich der Ökonomie kann man davon ausgehen, daß langfristige Vorhersagen wirtschaftlicher Entwicklungen äußerst schwierig sind (zur Darstellung der konzeptionellen Probleme ökonomischer Vorhersagen vgl. Faber/ Manstetten/ Proops 1992, sowie Faber/ Jost/ Manstetten 1995, S. 23 8f.). Aber auch die Ingenieure können zukünftige technische Neuerungen nur sehr unvollständig prognostizieren. Und die Naturwissenschaftler sind ebenfalls aufgrund der Komplexität von Ökosystemen und der zeitlichen Vernetzung vieler Umweltprobleme nur unzureichend in der Lage, die Grenzen der Belastbarkeit ökologischer Systeme anzugeben. Gerade im Bereich ökologisch-ökonomischer Zusammenhänge werden wir mit der Tatsache konfrontiert, daß wir bezüglich wesentlicher Fragen prinzipiell unwissend bleiben (zu dem Problem prinzipieller Grenzen menschlichen Wissens vgl. Faber/ Manstetten/ Proops 1992).

b) Politische Durchsetzbarkeit Aber selbst wenn die Wissenschaftler exakte Lösungsvorschläge aufgrund sicherer Prognosen machen könnten, bliebe ein wesentliches Problem bestehen. Wir können nämlich nicht ohne weiteres erwarten, daß ihre Vorgaben im politischen Prozeß angenommen, gesetzlich festgelegt und in Gesellschaft und Wirtschaft akzeptiert werden. Denn eine aus der Sicht der Naturwissenschaften als nachhaltig angesehene Entwicklung kann unter Umständen für die gegenwärtige Wirtschaft Eingriffe erfordern, die wirtschaftlich und sozial nicht verträglich sind. Solche Vorgaben könnten dann in einem demokratischen System kaum durchgesetzt werden. In diesem Zusammenhang braucht man nur an die Schwierigkeiten zu denken, in der Bundesrepublik ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen (zu Problemen politischer Durchsetzbarkeit und Verfassungsfragen vgl. Buchanan/ Tullock 1962, und Bernholz/ Faber 1986). Die bisherigen Ausfuhrungen zu den Versuchen, Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung auf wissenschaftlich-technischem Wege abzuleiten, haben gezeigt, daß der ausschließlich wissenschaftliche Blick auf das Problem der Nachhaltigkeit einseitig und daher nicht

Nachhallige Entwicklung

59

angemessen ist. Eine solche Vorgehensweise unterstellt, daß die Wissenschaftler alles wissen und die Techniker, Politiker, Ökonomen und Manager alles machen können. Damit wird gleichzeitig den Entscheidungsträgem eine Belastung aufgebürdet, der sie keinesfalls gerecht werden können.

c) Verantwortung des Einzelnen vs. Verantwortung einer Elite Außerdem ist der wissenschaftlich-technische Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung mit weiteren Gefahren verbunden, die in der gegenwärtigen Debatte häufig übersehen werden. Die Forderung einer nachhaltigen Entwicklung bedeutet, daß wir Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen wahrnehmen sollen. Wenn wir nun die Rahmenbedingungen für das Wahrnehmen unserer Verantwortung ausschließlich auf wissenschaftlich-technischem Wege ableiten, dann wird hierdurch die Verantwortung fast unbemerkt vom Einzelnen weg zu den Wissenschaftlern, Managern und Politikern delegiert. Denn diese scheinen allein die Möglichkeit

zu

haben,

langfristige Folgen

individueller

und

sozialer

Handlungen

vorherzusehen und zu steuern. Damit müßten auch wesentliche Entscheidungsbefugnisse an eine solche verantwortungsfähige Elite delegiert werden was aber dem Prinzip der Demokratie widerspricht. Damit eine nachhaltige Entwicklung demokratisch legitimiert ist und tatsächlich von der Gesellschaft getragen wird, ist zu fordern, daß eine Mehrheit von Bürgern

einen Rahmen

für ihre Wirtschaft setzt, von dem sie durch vernünftige

Argumentation überzeugt worden ist. Das setzt eine öffentliche Auseinandersetzung über Nachhaltigkeit voraus. Wenn dagegen eine Elite den Bürgern vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen haben, dann umgeht sie damit die öffentliche Auseinandersetzung und behandelt die Bürger letztlich als Untertanen, denen die Möglichkeit genommen wird, dieser Vorschrift aus freier Einsicht zu widersprechen oder zuzustimmen. Eine so verstandene Wahrnehmung der Verantwortung

gegenüber

zukünftigen

Generationen

im

Sinne

einer

nachhaltigen

Entwicklung könnte letztlich zur Rechtfertigung einer Ökodiktatur führen. Unsere

bisherigen

Überlegungen

zum

wissenschaftlich-technischen

Konzept

der

Nachhaltigkeit zeigen, auf welche Grenzen der Versuch stößt, auf wissenschaftliche Weise einen operationalen Entwicklungspfad für eine nachhaltige Wirtschaft festzulegen, und mit welchen Gefahren ein solcher Weg verbunden sein kann. Angesichts dieser Schwierigkeiten stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage Konzepte einer nachhaltigen Wirtschaft entworfen und umgesetzt werden können. Zur Beantwortung dieser Frage wenden wir uns einem anderen Weg zur Nachhaltigkeit zu.

60

4.

Kapitel 3

Die Rolle von Ethik und Öffentlichkeit auf dem Wege zur Nachhaltigkeit: Der Konsens

Wir beobachten in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft zwei gegenläufige Tendenzen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Einerseits haben wir in der Vergangenheit durch

Wissenschaft

und

Technik

eine

deutliche

Reduktion

des

Rohstoff-

und

Umweltverbrauches bei der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen erreicht. Andererseits sind diese Erfolge häufig durch einen immer weiter steigenden Verbrauch kompensiert worden. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung des Energieverbrauches und der damit verbundenen Kohlendioxidemissionen. Technischer Fortschritt hat in vielen Bereichen zu einem Rückgang des spezifischen Energieverbrauches geführt. Damit wurde das Wirtschaftswachstum

vom

Energieverbrauch

und

der

hierdurch

verursachten

Umweltbelastung entkoppelt. Allerdings sind diese Effizienzfortschritte häufig durch ein insgesamt gestiegenes Verbrauchsniveau kompensiert worden (vgl. Faber/ Jost/ Proops/ Wagenhals 1996). Es sind also vielfach unsere sich ausdehnenden Verbrauchsgewohnheiten, die günstige Entwicklungen in den Technologien teilweise oder vollständig rückgängig machen.

Aus diesem Grund wird zunehmend in Studien zur nachhaltigen

oder

zukunftsfähigen Entwicklung auch unsere Art zu leben thematisiert. So finden sich in der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland", die das Wuppertal-Institut im Auftrag von BUND und Misereor durchgeführt hat, Leitbilder einer nachhaltigen Entwicklung, die mit „Gut Leben statt viel haben" und „Rechtes Maß für Raum und Zeit" überschrieben sind (Zukunftsfähiges Deutschland 1996). Mit diesen Formulierungen ist nun nicht die Ebene operationaler wissenschaftlich-technischer Konzepte einer nachhaltigen

Entwicklung

angesprochen,

sondern hinter solchen Überschriften steht die Frage nach einem sinnvollen und guten Leben und einer ausreichenden Güterversorgung, die ein solches Leben ermöglichen. Damit ist die oben in Abschnitt 1 genannte, ethische Ebene (c) angesprochen. Die Frage nach einem guten Leben ist ihrer Natur nach keine Frage, die in den Wissenschaften gestellt werden kann. Diese Frage gehört in den Bereich der Ethik. Die Forderung nach einer nachhaltigen Wirtschaft ist in diesem Kontext die Forderung, hinsichtlich der Erhaltung der Lebensgrundlagen für heute lebende und zukünftige Generationen das Rechte zu tun und das Unrechte zu meiden. In diesem Sinne ist die Auseinandersetzung über Nachhaltigkeit ein Versuch unserer Zeit, die Idee der Gerechtigkeit in einer neuen Weise zu formulieren (vgl. Manstetten 1996). Es geht bei der Nachhaltigkeit nicht mehr nur darum, Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft herzustellen oder die Beziehungen zwischen den reichen und armen Staaten der Erde gerechter zu gestalten. Mit der

Nachhaltige Entwicklung

61

Forderung nach einer nachhaltigen Entwicklung wird die Idee der Gerechtigkeit derart formuliert, daß es um Gerechtigkeit zwischen heute lebenden Generationen und zukünftigen Generationen, die heute noch nicht geboren sind, geht. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach einem gerechten Umgang mit der nichtmenschlichen Natur, also der ökologischen Ebene (b). Die Festlegung von Kriterien für die Beurteilung von Zuständen als gerecht bzw. ungerecht kann aber nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen sein. Diese Schlußfolgerung gilt ebenfalls für die Beurteilung von Zuständen als nachhaltig oder nicht nachhaltig, wenn man Nachhaltigkeit in dem oben dargelegten umfassenderen Sinne bezüglich der Ebenen (b) und (c) versteht. Wenn wir davon ausgehen, daß eine weitreichende Änderung unserer jetzigen Produktionsund Konsumweise nicht von einer Elite verordnet werden kann, dann ist es notwendig, daß eine öffentliche Auseinandersetzung über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, über die Beurteilung unserer gegenwärtigen Lebensweise und die Möglichkeiten einer grundsätzlichen Änderung stattfindet. Nur wenn eine große Mehrheit einer solchen Änderung zustimmt, kann über konkrete Schritte der Umgestaltung unserer Produktions- und Konsumweise entschieden werden. Erst für diese konkreten Schritte ist dann der operationale Weg der Nachhaltigkeit von Bedeutung. Die Basis für den operationalen Weg ist die allgemeine Zustimmung der Bürger zu einer anderen Lebensweise. Eine solche allgemeine Zustimmung wollen wir als Konsens bezeichnen. Da der Begriff des Konsenses wesentlich für den Weg zur Nachhaltigkeit ist, wollen wir ihn kurz erläutern. In der gegenwärtigen politischen Diskussion wird dieser Begriff häufig verwendet, um einstimmig gefaßte Beschlüsse zu charakterisieren. Man kann Konsens aber auch in einem umfassenderen Sinne verstehen. Wenn in manchen politisch-ökonomischen Debatten von einem Grundkonsens die Rede ist, so wird darunter eine weitgehende Einmütigkeit

der

Beteiligten

verstanden,

die

sich

nicht

unbedingt

in

einem

Abstimmungsergebnis ausdrücken muß. Ein Beispiel für einen derartigen Konsens ist die Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland in den siebziger und achtziger Jahren. Auf der Ebene der Abstimmungen waren die Ostverträge der sozial-liberalen Koalition Anfang der siebziger Jahre höchst umstritten. Dennoch waren diese Verträge der Beginn eines Prozesses, der in einer allgemeinen Zustimmung zu der Öffnung nach Osten mündete. Diese allgemeine Zustimmung wurde nie in einem Abstimmungsergebnis ausgedrückt. Daß sie aber ein echter Konsens war, zeigt sich daran, daß die grundsätzliche Orientierung - trotz einzelner Rückschläge und Kontroversen über einzelne Maßnahmen - nicht in Frage gestellt wurde. Dies führte auch dazu, daß die Übernahme der Regierung durch die seinerzeitige Opposition

62

Kapitel 3

zu Beginn der achtziger Jahre an der Richtung in der Ostpolitik nichts geändert hat. Dieses Beispiel zeigt, daß ein Konsens nicht als ein einstimmig gefaßter Beschluß zu verstehen ist. Vielmehr ist der Konsens ein Prozeß, der die Geschichte der Einigung auf einen Beschluß sowie seine Bewährung im konkreten Handeln einschließt. Er ist eine Voraussetzung dafür, daß über konkrete Schritte der Umgestaltung von Politik entschieden werden kann. In diesem Sinne bedarf eine Umgestaltung der Gesellschaft im Sinne der Nachhaltigkeit eines Konsenses. Dieser Konsens betrifft insbesondere die Einigung auf der Ebene des Ideals, also auf der Ebene (c) und damit auf der ethischen Ebene. Auf der operationalen Ebene muß man hingegen immer mit einem gewissen Dissens rechnen. Maßnahmen auf dieser Ebene müssen daher prinzipiell aufgrund neuer Einsichten und Zielvorstellungen revidierbar sein (Proops/ Faber/ Manstetten/ Jost 1996).

5.

Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung

Unsere vorangegangenen Überlegungen haben deutlich gemacht, daß Nachhaltigkeit nicht etwas ist, das erreicht werden kann, sondern ein dynamischer Prozeß. Dieser Prozeß braucht ein Ideal, an dem sich jede Formulierung der Politik orientieren muß. Dieses Ideal kann im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte an die Idee der Gerechtigkeit in einem zweifachen Sinne anknüpfen: die Gerechtigkeit gegenüber heute lebenden Generationen und gegenüber zukünftigen Generationen. Dabei sind jedoch schon gegenwärtig viele verschiedene nachhaltige Zustände möglich, die alle mit dem Ideal von Nachhaltigkeit vereinbar sind. Darüber hinaus gilt für die Zukunft: viele neue, ebenfalls nachhaltige Zustände, die wir bisher noch nicht kennen, werden sich auf den Weg dahin ergeben. Vor der Formulierung von konkreten Politikmaßnahmen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung muß jedoch in der Gesellschaft eine weitgehende Zustimmung, also ein Konsens darüber hergestellt werden, daß wir gerecht handeln sollen gegenüber heute lebenden und künftigen Generationen, und daß hierzu eine Änderung unserer Produktions- und Konsumweise notwendig ist. Erst wenn diese gesellschaftliche und politische Zustimmung erreicht ist, können operationale Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung formuliert werden.

Nachhaltige

Entwicklung

63

Die Maßnahmen, die im Rahmen operationaler Konzepte vorgeschlagen werden, lassen sich dann zweifach untergliedern: 1. Zunächst sollten Vorschläge entworfen werden, von denen gefordert wird, daß sie prinzipiell umsetzbar sind. Dies sind Maßnahmen, die gegebenenfalls erst langfristig realisiert werden können. Eine ökologische Steuerreform ist eine Maßnahme, die sicherlich nicht in kurzer Frist durchgeführt werden kann, aber langfristig umsetzbar ist. 2. Vor diesem Hintergrund können Vorschläge erarbeitet werden, die konkret umsetzbar sind. Auf dem Weg zu einer grundlegenden Umgestaltung des Steuersystems könnte einer der ersten Schritte z.B. in dem Abbau solcher Steuervergünstigungen bestehen, die einen Anreiz zu umweltschädigendem Verhalten darstellen.

6.

Räume und Institutionen für eine Konsensfindung

Wir wollen nun fragen: wo gibt es in unserer Gesellschaft Räume für eine Konsensfindung im Sinne von Nachhaltigkeit und welche gesellschaftlichen Institutionen sind in der Lage, solche Räume offen zu halten oder neu zu öffnen? Allgemeiner gefaßt fragen wir hiermit nach den Räumen, in denen die Gesellschaft Vorstellungen über ihre langfristige Entwicklung formulieren kann. Denn erst wenn solche Vorstellungen entwickelt worden sind, kann man zu der Frage ihrer politischen Durchsetzung und ihrer sozialen und ökonomischen Realisierung übergehen. Solche Räume für eine Konsensfindung im Sinne von Nachhaltigkeit können nur in den seltensten Fällen innerhalb der Wirtschaft entstehen. Eine einzelne Unternehmung muß nämlich ihre eigenen Interessen verfolgen, um sich auf dem Markt behaupten zu können. Zwar schließt das nicht aus, daß weitblickende Manager und Unternehmer einzelne Strukturveränderungen im Sinne der Nachhaltigkeit durchführen, aber sie können der Gesellschaft nicht die Aufgabe abnehmen, einen übergreifenden Konsens innerhalb von solchen Räumen zu entwickeln, in denen es nicht um kurzfristige private, sondern um langfristige soziale Ziele geht. Als ein wichtiges Charakteristikum derartiger Räume wäre zu fordern, daß sie den Menschen die Möglichkeit geben, auch jenseits von Eigen- und Verbandsinteressen Konzeptionen über Fragen von allgemeinem Interesse zu entfalten. Es liegt nahe, in diesem Zusammenhang an die Wissenschaft zu denken. Denn die Wissenschaft hat die wesentliche Aufgabe, Probleme und Problemlösungen unabhängig von den Privatinteressen der an der Wissenschaft Beteiligten zu erarbeiten. Allerdings ist, wie wir gezeigt haben, die Wissenschaft nur auf der operationalen Ebene fähig, wesentliche Beiträge zum Problem der Nachhaltigkeit zu liefern. Das Ideal der Nachhaltigkeit liegt, wie gesagt,

64

Kapitel 3

außerhalb der Reichweite wissenschaftlicher Ansätze. Zwar können und sollen sich Wissenschaftler auch an Auseinandersetzungen über das Ideal der Nachhaltigkeit beteiligen. Aber in diesem Fall haben ihre Argumente nicht mehr Gewicht als die Argumente irgend eines anderen Staatsbürgers. Denn Nachhaltigkeit als Ideal betrifft weniger das Wissen, als den Willen und die Einsicht einer Gesellschaft. Der

Wille

einer

demokratischen

Gesellschaft

drückt

sich

insbesondere

in

ihren

parlamentarischen Institutionen aus. Wesentliche Fragen werden dort öffentlich diskutiert und durch demokratisch legitimierte Mehrheiten entschieden. Aber abgesehen von der Tatsache, daß

Eigeninteressen

von

Individuen

und

Verbänden

bei

der

parlamentarischen

Entscheidungsfindung eine nicht geringe Rolle spielen, muß man berücksichtigen, daß der Entscheidungshorizont der Parlamentarier aufgrund des Wahlzyklus in der Regel relativ kurzfristig ist. Er ist wesentlich kleiner als die für die Nachhaltigkeit geforderten Zeitspannen von Jahrzehnten

und Jahrhunderten. Immerhin können

bestimmte Fragen

auf

der

operationalen Ebene in mittelfristigen Horizonten durchaus von Parlamenten gelöst werden. Man denke in diesem Zusammenhang an die Abwasserabgabe, die in den siebziger Jahren eingeführt wurde. Das Ideal der Nachhaltigkeit kann am besten dort zur Diskussion gestellt werden, wo keine Orientierung an unmittelbaren Ergebnissen vorliegt. Zu seiner Klärung ist vor allem gemeinschaftliches Nachdenken und Abwägen erforderlich. Ein solcher Prozeß erfordert Zeit. Entgegen der Einstellung "Es ist bereits fünf vor zwölf 1 sind wir der Ansicht, daß Entscheidungen, die einen Zeitraum von Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten betreffen, einer vorausgehenden Phase sorgfaltigen Nachdenkens bedürfen. Es ist für das Überleben unserer Gesellschaft von großer Bedeutung, daß sie Räume erhält und fördert, wo ein solches Nachdenken möglich ist, ohne daß es sofort an konkreten Ergebnissen gemessen wird. Weder die Wissenschaft noch die politischen Institutionen sind heute ausreichend, um solche Räume bereitzustellen (vgl. z. B. Luhmann 1996). Es ist aber keineswegs so, daß derartige Räume gleichsam "aus dem Nichts" geschaffen werden müssen. So existieren bereits heute beispielsweise Bildungseinrichtungen für Erwachsene, die nicht unmittelbar mit dem Wissenschaftssystem verbunden sind, wie etwa die Volkshochschulen. Auch gibt es politische Stiftungen der Parteien und Verbände sowie kirchliche Einrichtungen. Insbesondere sind hier die evangelischen und katholischen Akademien hervorzuheben. Überall dort finden bereits jetzt Diskussionen über Fragen der Nachhaltigkeit statt, in denen jenseits von kurzfristigen Interessen über die langfristigen Orientierungen unserer Gesellschaft debattiert und gestritten wird. Die Auseinandersetzungen in derartigen Räumen könnten elitär wirken; ihrer Struktur nach sind sie es jedoch nicht. Zwar sind es oft nur wenige, die in einem solchen vergleichsweise geschützten Raum über ein Problem wie die Nachhaltigkeit nachdenken.

Nachhaltige

Entwicklung

65

Aber der Kreis der Diskutanten ist prinzipiell offen fiir jede Person, die an der Sache interessiert ist. Im Gegensatz zu einer Elite kann ein solcher Kreis sich außerdem nicht anmaßen, für die ganze Gesellschaft Entscheidungen zu fallen. Was in derartigen Räumen vorgedacht wird, muß sich in der großen Öffentlichkeit der Medien und des politischen Entscheidungsprozesses bewähren. Unabhängig von der Tatsache, daß politische Stiftungen und Kirchen Eigeninteressen verfolgen können, läßt sich in den genannten Räumen die Erfahrung machen, daß es dort möglich ist, jenseits von Eigeninteressen an einer Sache zu arbeiten. Wer etwa eine Tagung über Nachhaltigkeit bei einer evangelischen Akademie besucht hat, wird erfahren haben, daß dort bereits über die Zukunft der Gesellschaft ernsthaft nachgedacht wird. Aufgrund dieser letzten Bemerkungen folgt, daß es einen wesentlichen Schritt zur Nachhaltigkeit bedeuten würde, wenn die Gesellschaft derartige Räume des freien Nachdenkens über ihre Zukunft erhält und fordert. Wir wissen nicht, ob unsere Gesellschaft langfristig den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung einschlagen wird, denn wir sind weitgehend noch in einer Phase des Nachdenkens. Man sollte indes die Macht des Nachdenkens nicht unterschätzen. Wie groß die politische Bedeutung eines derartigen Nachdenkens sein kann, wollen wir abschließend an einem

Beispiel

zeigen.

Als

Resultat

langjähriger

Diskussionen

in

verschiedenen

evangelischen Akademien und Forschungseinrichtungen legte die evangelische Kirche Deutschlands im Jahre 1965 ihre Denkschrift zur Ostpolitik vor (EKD 1965). Obwohl diese Schrift in der Öffentlichkeit anfänglich massiv angefeindet wurde, konnte sie in der Politik wirksam werden. Dies lag daran, daß ihre Verfasser durch die vorausgegangene Phase des Nachdenkens alle wesentlichen Einwände, die später erhoben wurden, schon antizipiert hatten und berücksichtigen konnten. Die EKD-Denkschrift war der erste Schritt zu den Ostverträgen der sozial-liberalen Koalition und zu einer Ostpolitik, die jenseits der Parteien bis zum Jahre 1989 weitgehend Konsens war.

66

Kapitel 3

Literatur Bernholz, PJ Faber, M. (1986), Überlegungen zu einer normativen ökonomischen Theorie der Rechtsvereinheitlichung, in: Rabeis Zeitschrift, 1-2/86, S. 35-60. Brown, G. MJ Johnson R. W. (1982), Pollution control by efficient charges: It works in the Federal Republic of Germany, why not in the U. S.?, in: Natural Resources Journal, 82, S. 929-966. Brundtland-Report (1987) Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission fur Umwelt und Entwicklung. Herausgegeben von V. Hauff, Greven. Buchanan, J.MJ Tullock, G. (1962), The Calculus of Consent. Logical Foundations of Constitutional Democracy, Ann Arbor. EKD (1965), Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn (Ostdenkschrift 1965), Denkschriften Evangelische Kirche Deutschland. Faber, MJ Jost, FJ Proops, J.L.RJ, Wagenhals, G. (1993), Wirtschaftliche Aspekte des Kohlendioxidproblems, in: Spektrum der Wissenschaft, 7/93, S. 30-38. Faber, MJ Jost, FJ Manstetten, RJ Müller-Fürstenberger, G. (1995), Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz in der chemischen Industrie - eine Fallstudie, in: Spektrum der Wissenschaft, 9/95, S. 112-114. Faber, MJ Jost, FJ Manstetten, R. (1995), Limits and perspectives of the concept of a sustainable development, in: Economie Appliquée 2/95, S. 231-249. Faber, MJ Manstetten, RJ Proops, J.L.R. (1992), Toward an open future: ignorance, novelty, and evolution, in: Costanza, B./ Norton, B./ Haskell, B.D (Eds.), Ecosystem Health, New Goals for Environmental Management,Washington, S. 72-96. Luhmann, H.-J. (1996), Umweltpolitikgeschichte, in: Altner, G./ Mettler-von Meibom, B./ Simonis, U.E./ von Weizsäcker, E.-U. (Hrsg.), Jahrbuch Ökologie, München, S. 217-242. Jost, FJ Manstetten, R. (1996), Grenzen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung, in: Eichhorn, P. (Hrsg.), Umweltorientierte Marktwirtschaft. Zusammenhänge - Probleme - Konzepte, Wiesbaden, S. 83-93. Malle, G. (1996), Cleaning up the River Rhine, in: Scientific American, 1/96, S. 54-59. Manstetten, R. (1996), Zukunftsfahigkeit und Zukunftswürdigkeit. Philosophische Bemerkungen zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung, Diskussionsschrift Nr. 236, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Heidelberg. Proops, JJ Faber, MJ Manstetten, RJ Jost, F. (1996), Achieving a sustainable world, in: Ecological Economics, 17/96, S. 133-135. Zukunftsflihiges Deutschland (1996), Zukunftsfähiges Deutschland, Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, BUND/ Misereor (Hrsg.), Basel, Stuttgart.

Nachhaltige Entwicklung

67

Weiterführende Literatur Faber, MJ Manstetten, R./ Proops, J. (1996), Ecological Economics. Concepts and Methods, Cheltenham/ UK, Brookfield/ U.S.A. Redelift, M. (1993), Sustainable development: needs, values, rights, in: Environmental Values 2/96, S. 3-20. Tietenberg, Th. H. (1994), Economics and environmental policy, London. Solow, R.M. (1992), An almost practical step towards sustainability, an invited Lecture on the Occasion of the Fortieth Anniversary of Resource for the Future, October 8, 1992. Siebert, H. (1995), Economics of the Environment. Theory and Policy. Fourth, Revised and Enlarged Edition, Berlin. Toman, M.A. (1992), The difficulty in defining sustainability, in: Resource for the Future, No. 106.

Kapitel 4 Public Private Partnership von Uwe Schneidewind

1. Public Private Partnerships zur Vernetzung von Wertschöpfungsketten: Aktuelle Entwicklungen und Ausprägungen

70

1.1 Zu den Begriffen "Public", "Private" und "Partnership" und ihrer praktischen Ausprägung

70

1.2 Die Bedeutung von Public Private Partnerships in einem ökologischen Wertschöpfungskettenmanagement 2. Ziele und Motive von Public Private Partnerships

73 75

2.1 Public Private Partnership als Marktabsicherung

75

2.2 Public Private Partnership als Effizienzstrategie

78

2.3 Public Private Partnership als Differenzierungsstrategie

79

2.4 Public Private Partnership als Marktentwicklung

79

3. Bewertung und Perspektiven 3.1 Ökologische Tragweite von Public Private Partnerships

82 83

3.2 Public Private Partnerships als neue institutionelle Ebene des ökologischen Strukturwandels ? 3.3 Anforderungen an Public Private Partnerships der Zukunft Literatur

84 84 85

70

Kapitel 4

1.

Public Private Partnerships zur Vernetzung von Wertschöpfungsketten: Aktuelle Entwicklungen und Ausprägungen

Die Vernetzung von Wertschöpfungsketten ist in der Praxis kein Prozeß, der sich ausschließlich zwischen Unternehmen sowie ihren Kunden und Vorlieferanten abspielt. Öffentliche Partner sind häufig daran beteiligt. Sie können durch ihr Verhalten Anreize zur Vernetzung von Wertschöpfungsketten geben, diese (im Falle des Staates) durch die Androhung von Gesetzen z.T. sogar erzwingen, sie können Plattform für die Vernetzung sein oder ihr notwendige (finanzielle) Ressourcen und Durchsetzungsmacht verleihen. Der vorliegende Beitrag zeigt die vielfaltigen Formen von Public Private Partnership bei der Vernetzung von Wertschöpfungsketten auf. Er illustriert, aus welchen Motiven heraus sich Unternehmen auf eine Public Private Partnership einlassen, welche Partner und welche Formen der Partnerschaft dabei von Bedeutung sind. Es zeigt sich, daß Public Private Partnerships eine immer bedeutender werdende institutionelle Steuerungsebene für die Vernetzung von Wertschöpfimgsketten sind, deren Grenzen klar gesehen werden müssen, deren Potentiale aber bisher noch nicht ausgeschöpft sind.

1.1

Zu den Begriffen "Public", "Private" und "Partnership" und ihrer praktischen Ausprägung

Der Begriff der Public Private Partnership (öffentlich-private Partnerschaften) stammt ursprünglich aus dem Bereich der Finanzierung von Infrastruktureinrichtungen und sonstigen Projekten der öffentlichen Hand, die durch die Zusammenarbeit mit kapitalkräftigen privaten Akteuren realisiert werden. Sie sind eine Antwort auf kleiner werdende öffentliche Haushalte und den immer stärker werdenden Ruf nach Deregulierung (vgl. zum Überblick z.B. Heinz 1993). Im ökologischen Kontext greift eine solche enge Betrachtung von öffentlich-privater Zusammenarbeit zu kurz. Hier öffnet sich eine Kooperationslandschaft, die weit über die Motive klassischer Public Private Partnerships hinausgeht. Wenn im folgenden von Public Private Partnership gesprochen wird, so verbergen sich dahinter äußerst vielschichtige Formen der Zusammenarbeit zwischen dem "privaten" und dem "öffentlichen" Sektor. Sie umfassen Branchen- und Industrievereinbarungen auf nationaler und regionaler Ebene genauso wie die Abstimmung von Unternehmen mit ihren

Public Prívate Partnership

71

lokalen Vollzugsbehörden, "Runde Tische" und Mediationsverfahren sowie neue Formen der Kooperation zwischen Unternehmen und Umweltschutzorganisationen. Es bietet sich daher an, die drei Begriffe "Public", "Private" und "Partnership" für die weiteren Überlegungen exakter zu fassen. Public steht für den öffentlichen Sektor. Dieser beschränkt sich nicht nur auf staatliche Instanzen,

sondern bezeichnet auch alle Akteure der öffentlichen Diskussion

Bürgerinitiativen,

Umweltschutz-

und

Konsumentenorganisationen,

Kirchen

wie oder

Gewerkschaften. In den heutigen Demokratien westlicher Prägung verfügt der Staat schon lange über kein Monopol mehr dafür, als Wahrer des öffentlichen Interesses aufzutreten. Gerade Unternehmen sind zur Sicherstellung der Legitimität ihres Handelns auf weit mehr angewiesen, als nur bestehende Gesetze einzuhalten. Die offene Auseinandersetzung mit den Ansprüchen unterschiedlicher öffentlicher Anspruchsgruppen ist für die Legitimitätssicherung heute von hoher Bedeutung. Dies hat nicht erst die Auseinandersetzung von Shell und Greenpeace um die Versenkung der Ölplattform 3rent Spar gezeigt. Wenn im folgenden von "Public" die Rede ist, so ist damit daher nur in erster Linie der Staat mit all seinen Instanzen gemeint. Public Private Partnerships treten nämlich heute sowohl auf nationaler Ebene, wie z.B. in Form der C0 2 -Reduktionsverpflichtung der deutschen Industrie gegenüber der Bundesregierung (BDI 1996), als auch auf regionaler Ebene, z.B. der "Umweltpakt Bayern", (Bayerische Staatskanzlei 1995) oder auf lokaler Ebene in Form vielfaltiger Abstimmungen zwischen Unternehmen und lokalen Vollzugsbehörden auf. Zum anderen bezeichnet Public alle öffentlichen Anspruchsgruppen, die nicht dem staatlichen Bereich zugeordnet sind wie Umweltschutz- und Entwicklungshilfeorganisationen, Gewerkschaften oder Kirchen. Hierfür hat sich der Begriff der Nicht-Regierungs-Organisationen (Non Governmental Organisations NGO)

in

der

Debatte

eingeprägt,

wobei

Wirtschaftsunternehmen

und

ihre

Interessensorganisationen im folgenden bewußt ausgeklammert werden. Letzere sind im Verständnis von Public Private Partnership nämlich "Private", d.h. dem privatwirtschaftlichen Sektor zugehörig. Auch dieser Bereich ist vielschichtig strukturiert und beschränkt

sich nicht auf die Summe allsr Einzelunternehmen.

Alle Formen

der

Branchenverbände, wirtschaftlichen Interessenorganisationen und Untemehmensnetzwerke gehören dazu. Der Bereich des "Private" hat sich in den letzten Jahren erheblich ausdifferenziert: Neben die traditionellen Branchen- und Industrieverbände sind zahlreiche grüne

Unternehmensverbände

Untemehmensgrün

getreten.

wie Daneben

z.B.

in

haben

Deutschland sich

spezielle

B.A.U.M.,

future

Interessensgruppen

oder von

Wirtschaftsführern wie z.B. der World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) oder der European Round Table of Industrialists gebildet. Viele dieser Organisationen spielen im Rahmen von Public Private Partnerships eine wichtige Rolle.

72

Kapitel 4

Partnership zwischen Akteuren des öffentlichen und privaten Sektors umfaßt unterschiedliche Formen der Koordination zwischen diesen beiden Gruppen, die von der klassischen Ausprägung staatlicher Anordnung bzw. der Austragung öffentlicher Konflikte abweichen. In Anlehnung

an

Brockhaus,

der

eine

der

wenigen

umfassenden

Arbeiten

zu

gesellschaftsorientierten Unternehmenskooperationen im ökologischen Kontext vorgelegt hat, kann von Partnership (bzw. Kooperation) zwischen öffentlichen und privaten Partnern gesprochen werden, wenn diese freiwillig einen definierten "Problembereich (...) erörtern, kollektive Lösungen für ihn erarbeiten und gegebenenfalls auch umsetzen" (Brockhaus 1996, S. 61). Partnership reicht mithin von der Problemerörterung, wie dies z.B. bei "Runden Tischen" der Fall ist, über gemeinsame Problemlösungen und Zieldefinitionen, wie z.B. in der Abstimmung von Unternehmen mit ihren Vollzugsbehörden bis zur gemeinsamen Umsetzung (beispielsweise bei der Kooperation von Greenpeace mit den Schweizer Systempartnern zur Erstellung des Smile-Automobils). Die Abgrenzung des Begriffsgeflechtes Public Private Partnership macht deutlich, daß sich dahinter vielfaltige neue Zusammenarbeitsformen im gesellschaftlichen Diskurs verbergen. Diese gewinnen auch im Zuge des ökologischen Strukturwandels und damit im Rahmen der ökologisch orientierten Vernetzung von Wertschöpfungsketten an Bedeutung. In der Literatur finden sich aber dazu nur mit wenigen Ausnahmen (Brockhaus 1996, Götzelmann 1992) umfassende Arbeiten (vgl. zum Überblick auch Schneidewind 1995b). Es dominieren vielmehr Werke zu einzelnen Formen solcher Zusammenarbeiten im ökologischen Umfeld wie zu Branchenvereinbarungen (BDI 1992, aktuell ZEW 1996), zur Kooperation von Unternehmen mit Umweltschutzorganisationen (Will 1994) oder zu Mediationsverfahren (Claus/ Wiedemann 1994). Der vorliegende Beitrag systematisiert die unterschiedlichen Formen der Public Private Partnership. Er nimmt dabei die Perspektive von Unternehmen ein und klärt, welche Bedeutung solche "Partnerschaften" grundsätzlich für die erfolgreiche Vernetzung von Wertschöpfungsketten haben und aus welchen Motiven Unternehmen sich darauf einlassen. Er analysiert verschiedene Formen der Public Private Partnership und bewertet abschließend ihre ökologischen Effekte.

Public Private Partnership

1.2

73

Die Bedeutung von Public Private Partnerships in einem ökologischen Wertschöpfungskettenmanagement

Die Diskussion über die Vernetzung von Wertschöpfungsketten wurde in den letzten Jahren meistens unter dem Titel "Stoffstrommanagement" geführt (Enquete-Kommission 1994, de Man/ Flatz 1994). Dabei ist "Stoffstrommanagement (...) auf die zielorientierte, ganzheitliche und effiziente Beeinflussung von Stoffsystemen ausgerichtet" (Enquete-Kommission 1994, S. 85). Beim Streben nach einer Nachhaltigen Entwicklung geht es insbesondere darum, Stoffsysteme unter ökologischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen zu optimieren. Im Rahmen eines solchen Stoffstrommanagements lassen sich nun drei zentrale Fragenkomplexe unterscheiden (de Man/ Flatz 1994, S. 171): • der normative Fragenkomplex, der sich insbesondere mit der Festlegung von Zielkriterien beschäftigt, • der institutionelle Fragenkomplex, der die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Spielregeln festlegt, nach denen Stoffströme nachhaltig organisiert werden sowie • der

managementbezogene

Fragenkomplex,

der die Managementmethoden

und

-instrumente festlegt, nach denen Unternehmen als Akteure im Stoffstrommanagement ihre Aufgaben erfüllen. In einer traditionellen Auffassung obliegt die Klärung des normativen und des institutionellen Fragenkomplexes dem Staat. Er hat ökologische, ökonomische und soziale Ziele zu definieren und die Spielregeln zu deren Erreichung festzulegen. Unternehmen sind dann angehalten, in diesem

Rahmen

ihre

Managementaufgabe

wahrzunehmen

und

das

eigentliche

Stoffstrommanagement zu betreiben. Schon bei dieser klassischen Betrachtung von Stoffstrommanagement, bei dem sich Unternehmen

ausschließlich

auf

ihren

Mzrfaerfolg

unter

gegebenen

politischen

Rahmenbedingungen konzentrieren, spielen Public Private Partnerships eine Rolle, weil sie Unternehmen helfen können, die Umweltauflagen möglichst kostengünstig zu erfüllen oder sich mit ökologischen Maßnahmen von Wettbewerbern zu differenzieren. Doch die oben genannte Arbeitsteilung zwischen Staat und Unternehmen im Stoffstrommanagement ist in der Praxis kaum gegeben: Die Festlegung von Zielen und Institutionen erfolgt in der Regel nicht autonom durch staatliche Instanzen. In diesen Prozeß sind Unternehmen und Wirtschaftsverbände aktiv miteinbezogen. Sie wirken bei der

74

Kapitel 4

Zielfindung und Definition von (gesetzlichen) Normen sowie von Instutionen aktiv mit. Kooperationen mit staatlichen Instanzen spielen dabei eine wichtige Rolle (vgl. dazu Götzelmann 1992, S. 117, sowie S. 136ff., der in diesem Fall von "definitionsbezogenen Kooperationen" im Sinne einer "Definition" von gesetzlichen Regulierungen spricht). Mit schwindendem Legitimationsmonopol des Staates findet zudem die Definition von ökologischen Zielen teilweise auch im öffentlichen Raum statt. Dies gilt ebenfalls für die Festlegung von Arenen im Sinne von institutionellen Durchsetzungsmechanismen für die Normen. Sie vollzieht sich gerade bei internationalen Konflikten in der Öffentlichkeit mangels

fehlender staatlicher

Durchsetzungskraft. Der Fall

"Brent

Spar"

ist

ein

eindrucksvolles Beispiel dafür: Hier wurde die Festlegung von Zielen und institutionellen Regelungen der britischen Regierung durch die Aktionen der Umweltschutzorganisation Greenpeace in den Hintergrund gedrängt. Greenpeace definierte mit seinen öffentlichen Aktionen in diesem Fall die Ziele und Arenen des Stoffstrommanagements der Shell. Public Private Partnerships haben daher nicht nur einen Marktbezug, sondern häufig auch einen Gesellschaftsbezug (vgl. Abb. 1). Strategiebezug Strategieausrichtung

Defensiv

Offensiv

Gesellschaft

Markt

Public Private Partner- Public Private Partnership als ship als Marktabsicherung Eff izie nzs trateg ie 1 II IV III Public Private Partner- Public Private Partnership als ship als DifferenzierungsMarktentwicklung strategie

Abb. 1: Ansätze/ Motive für Public Private Partnerships (in Anlehnung an Dyllick/ Beiz/ Schneidewind 1997)

Sowohl marktbezogenes als auch gesellschaftsbezogenes Handeln im ökologischen Kontext kann sowohl defensiv als auch offensiv erfolgen. Defensiv ausgerichtete Public Private Partnerships liegen einmal dann vor, wenn Unternehmen den staatlich definierten Ziel- und Institutionenrahmen als gegeben hinnehmen und die Vorgaben nur möglichst effizient erfüllen wollen (Feld II in Abb. 1). Sie sind zum anderen dann gegeben, wenn Unternehmen und Wirtschaftsverbände ihre politischen und gesellschaftlichen Einflußmöglichkeiten nutzen, die

Public Prívate

ökologische

Zielformulierung

und

Partnership

ökologisch

75

orientierte

Weiterentwicklung

des

institutionellen Rahmens für ein Stoffstrommanagement zu verhindern, zu verzögern oder so zu beeinflussen, daß die eigene Marktposition möglichst unberührt bleibt (vgl. Feld I in Abb. 1). Viele der Branchenvereinbarungen der deutschen Industrie stehen unter einem solchen Verdacht (vgl. ZEW 1996). Offensiv ausgerichtete Public Private Partnerships versuchen dagegen entweder die Ziele und instutionellen

Rahmenbedingungen

eines

Stoffstrommanagements

aktiv

für

die

Differenzierung von Unternehmen in Märkten zu nutzen (vgl. Feld III in Abb. 1), oder gestalten diese Rahmenbedingungen sogar in ökologischer Hinsicht mit (vgl. Feld IV in Abb. 1). Durch die Unterscheidung von Strategiebezug (Gesellschaft/ Markt) und Strategieausrichtung (defensiv/ offensiv) entsteht eine Typologie von Public Private Partnerships im Rahmen eines Stoffstrommanagements (vgl. Abb. 1, zu dieser Strategietypologie im ökologischen Kontext vgl. Dyllick/ Beiz/ Schneidewind 1997). Für jede dieser vier Formen von Public Private Partnership sind andere Arenen und Kooperationsformen relevant. Sie werden im folgenden Kapitel vorgestellt und an Beispielen illustriert.

2.

Ziele und Motive von Public Private Partnerships

2.1

Public Private Partnership als Marktabsicherung

Ein Grund, warum in der aktuellen politischen Diskussion so kontrovers über Kooperationen zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor diskutiert wird, liegt darin begründet, daß vielen

Public

Private

Partnerships

vorgeworfen

wird,

sie

dienten

lediglich

der

Marktabsicherung. Sie hätten einen defensiven Charakter, der darauf ziele, gesellschaftliche Transformationsprozesse im Hinblick auf eine ökologische Rahmenordnung zu behindern und zu verlangsamen statt zu beschleunigen. Solche Vorwürfe treffen derzeit

besonders

Branchenvereinbarungen mit staatlichen Instanzen (vgl. aktuell ZEW 1996). Sie werden aber auch gegenüber Dialogveranstaltungen und

"'Runden Tischen" mit Unternehmen

und

Branchenverbänden laut. So hat z.B. im September 1996 der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) nach mehljährigem Eingehen auf die Dialogbemühungen der Chemischen Industrie diesem Dialog eine vorläufige Absage erteilt, weil er zu der

76

Kapitel 4

Überzeugung gelangt war, daß die Chemieindustrie in diesen Dialogen nicht wirklich an verbindlichen ökologischen Fortschritten interessiert ist. Auch

in

der

betriebswirtschaftlichen

Literatur

zu

gesellschaftsorientierten

Unternehmensstrategien (Dyllick 1989) und -kooperationen (Brockhaus 1996, Götzelmann 1992) dominiert eine "Outside-In-Perspektive" (Götzelmann 1992, S. 39): Ausgangspunkt der Betrachtungen sind Veränderungen im ökologischen und gesellschaftlichen Umfeld der Unternehmung. Kooperationen oder Public Private Partnerships gelten als eine adäquate Antwort

auf

die neuen

Herausforderungtri

und

Konfliktlinien. Die Suche

nach

Konfliktausgleich unterliegt jedoch immer der Gefahr einer strategischen Verkürzung: eine solche liegt dann vor, wenn Public Private Partnership den Zweck hat, für die bestehenden Ansprüche

der

Unternehmung

lediglich

Akzeptanz

zu

sichern.

Vielen

"Dialogveranstaltungen" und Mediationsverfahren von Unternehmen und Branchenverbänden wird dies vorgeworfen. Inwiefern in diesen Fällen wirklich keine Verständigungsorientierung vorliegt, ist nicht von außen zu entscheiden, sondern lediglich an Symptomen festzumachen. Ähnliches gilt für Branchenvereinbarungen. Auch hier ist schwer zu bestimmen, ob von Seiten der Branchenverbände legitime Ansprüche vorgebracht werden oder lediglich versucht wird, Veränderungen durch geschickte Rhetorik möglichst zu verhindern. In Abb. 1 ist die Verbindung zwischen Marktabsicherungs- und Marktentwicklungsstrategien deswegen nur mit einer gestrichelten Linie wiedergegeben. Um zu gewährleisten, daß Public Private Partnerships in politischen und gesellschaftlichen Prozessen nicht lediglich Marktabsicherung darstellen, sondern vom Bemühen um konstruktive Marktentwicklung getragen sind., ist es notwendig, klare Verfahrensregeln für solche Formen der Kooperationen zu definieren. Dazu gehört insbesondere, daß diese Partnerschaften

durch

Garantien

für ein

faires Verfahren und

eine

kompetente

Entscheidungsfindung (Wiedemann/ Claus 1994, S. 226; vgl. den gesamten Sammelband und Schneidewind 1994, auch zu Kriterien zur Ausgestaltung dieser Basisforderungen) geprägt sind. Public Private Partnerships zur Marktabsicherung können sich auf Standorte, Produkte oder Technologien und damit auf unterschiedliche Aspekte der Wertschöpfungskette beziehen (Dyllick/ Beiz/ Schneidewind 1997). Das jeweilige Bezugsobjekt hat Einfluß auf die Art der Partner und der Partnerschaft in solchen Kooperationen: Standortabsicherung vollzieht sich in der Regel im regionalen Kontext. Einzelne Unternehmen suchen den Kontakt mit Vollzugsbehörden und lokalen Anspruchsgruppen, um ökologische

Anforderungen

mit

den

ökonomischen

Rahmenbedingungen

des

Public Private

Partnership

77

Produktionsstandortes in Einklang zu bringen. Standortkonflikte können dabei sowohl um bestehende ökologische Belastungen entstehen, als auch um die Errichtung neuer Anlagen oder Entsorgungseinrichtungen (vgl. als gut dokumentierten Fall eines solchen Konfliktes mit letztlich kooperativem Ausgang das Stahlwerk Biberist der Von Roll/ Schweiz in Dyllick 1989, S. 413 ff., zahlreiche Beispiele finden sich auch bei Führ 1995, S. 151 f.). Produktabsicherung zielt auf die Absatzmärkte von Produkten. Deren Marktchancen können durch

gesetzliche

Produktauflagen,

Produktverbote,

umfassende

Rücknahme-

oder

Recyclinganforderungen oder durch schwindende Akzeptanz in der Öffentlichkeit bedroht sein. Public Private Partnerships wenden sich je nach Bedrohung eher an den Gesetzgeber, um drohende Regulierungen z.B. durch freiwillige Vereinbarungen abzuwenden, oder an öffentliche Anspruchsgruppen, um die Akzeptanz von Produkten zu steigern. Da die Marktbedrohung für Produkte meistens nicht ein einzelnes Unternehmen alleine trifft, treten häufig nicht einzelne Unternehmen in diesen Partnerships auf, sondern vielmehr die Branchenverbände oder eigens gegründete Interessenorganisationen. Ein bedeutendes Beispiel für letzteren

Fall

ist die Arbeitsgemeinschafts

PVC

und

Umwelt

(AGPU),

eine

Interessenorganisation der PVC-Hersteller und Verarbeiter, in die auch Wissenschaftler und andere Privatpersonen eingebunden sind. Sie ist durch zahlreiche

umweltorientierte

Aktivitäten darum bemüht, die Akzeptanz des Werkstoffes PVC zu steigern. Technologieabsicherung Produkttechnologien

zielt auf die Absicherung

wie

der

Kernenergie,

der

grundlegender

Bio-

und

chlorchemischen Produkten und Synthesewegen. Eine solche

Produktions-

Gentechnik

oder

und von

Technologieabsicherung

übersteigt zwangsläufig die Grenzen einzelner Unternehmen und ist als "Partnership" nur in sehr breit angelegten gesellschaftlichen Diskursen und Projekten möglich (vgl. als ein Beispiel das schweizerische Ausstellungsprojekt "Gentechnik - Pro und Contra" bei Brockhaus 1996, S. 99 ff.). Alle drei Formen der Marktabsicherung durch Public Private Partnerships lassen sich gut an der Chemieindustrie illustrieren. Sowohl die Produktionsstandorte als auch die Produkte und verwendeten Technologien der Branche sind immer wieder Gegenstand öffentlicher und politischer Diskussion. Die Chemieindustrie hat in den letzten Jahren darauf zunehmend mit Public Private Partnerships geantwortet: Auf der Ebene des Standortes entstanden z.B. in den U.S.A. zahlreiche Community Advisory Panels für chemische Unternehmen, über die Anwohner in Entscheidungsprozesse der Unternehmen eingebunden werden. Umfassende Nachbarschaftsinformationen sind in der europäischen Chemieindustrie weit etabliert. Ähnliches gilt für eine enge Abstimmung mit den relevanten Vollzugsbehörden. Im Bereich freiwilliger

Branchenvereinbarungen

zur

Produktabsicherung

erweist

sich

die

78

Kapitel 4

Chemieindustrie

als

eine

der

aktivsten

Branchen:

Von

den rund

80

freiwilligen

Vereinbarungen und Selbstverpflichtungen, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI 1996) für die deutsche Industrie seit Anfang der 70er Jahre ausweist, stammen über die Hälfte aus der chemischen Industrie. Ansätze der Produktabsicherung finden sich auch auf Unternehmensebene: so kooperiert z.B. die Hoechst AG seit 1996 mit dem Öko-Institut e.V. (lange Zeit einer der größten Kritiker des Unternehmens) zur Evaluation von ausgewählten Produktlinien im Hinblick auf ihr Nachhaltigkeitspotential. Hierdurch wird es dem Unternehmen möglich, frühzeitig Anpassungsbedarf bei Produkten zu erkennen. Schließlich spielt auch die Technologieabsicherung eine zentrale Rolle im Rahmen von Public Private Partnerships in der Chemieindustrie: zahlreiche Diskussionsveranstaltungen im Rahmen von "Chemie im Dialog" des deutschen Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) waren z.B. der Diskussion über Chlorchemie oder über Bio- und Gentechnik gewidmet.

2.2

Public Private Partnership als Effizienzstrategie

Defensiv ausgerichtete Public Private Partnerships müssen nicht zwangsläufig einen Gesellschaftsbezug haben. Sie können auch dazu dienen, bestehende ökologische Auflagen möglichst kostengünstig umzusetzen. So erweisen sich Mediationsverfahren bei der Errichtung von Neuanlagen häufig als zeit- und kostengünstiger, als wenn sich Unternehmen auf zahlreiche Einsprüche und langwierige Verwaltungsgerichtsentscheidungen einlassen. Unternehmen können standortbezogene Kosteneinsparungen auch durch gemeinsam mit Kommunen betriebene Entsorgungs- und Energieeinrichtungen erreichen (vgl. das Beispiel der

Lonza in

Visp/ Schweiz

in Schneidewind

1995a,

S. 262).

Schließlich

sind

produktbezogene freiwillige Branchenvereinbarungen, die nicht auf die Marktabsicherung, sondern auf einen Produktausstieg zielen, eine Möglichkeit, die Einstellung der Produktion mit Fristen sicherzustellen, welche die Amortisation des in den Anlagen investierten Kapitals gewährleistet. Staatliche Verbote ermöglichen es dagegen nicht, den Ausstiegszeitpunkt unter ökonomisch optimalen Gesichtspunkten zu wählen. Aus den Beispielen wird deutlich, daß solche Public Private Partnerships als Effizienzstrategie ganz konkrete Ziele anpeilen. Die Partner im Rahmen einer solchen Kooporation müssen zur Aushandlung konkreter Lösungen kompetent und legitimiert sein. Die Rahmenbedinungen sind für einen Erfolg möglichst klar zu definieren. In der Regel folgt die Public Private Partnership in diesen Fällen bei allen beteiligten Partner einem klaren ökonomischen Kalkül. Daher ist es wichtig, daß „win-win-"Situationen möglich sind und alle Partner ihren Nutzen möglichst eindeutig abschätzen können.

Public Private Partnership

2.3

79

Public Private Partnership als Differenzierungsstrategie

Weit offener sind diesbezüglich offensive marktbezogene Public Private Partnerships, die dazu dienen, Unternehmen ökologische Differenzierungschancen in Märkten zu eröffnen. Hier geht

es

darum,

daß

Unternehmen

- durch

die

Zusammenarbeit

mit

öffentlichen

Anspruchsgruppen - ökologisch orientierte Produktvarianten entwickeln und/ oder bestehende ökologische Produkte und Dienstleistungsangebote erfolgreich im Markt durchsetzen. Solche Kooperationen gehen in der Regel nur Einzeluntemehmen oder bei mehreren Unternehmen nur solche ein, die nicht miteinander im unmittelbaren Wettbewerb stehen. Beim "public" Partner ist nicht seine politische Entscheidungsmacht von Bedeutung, sondern vielmehr sein fachliches, kreatives und kritisches Potential, wenn es um Produktentwicklungen geht, bzw. seine öffentliche Glaubwürdigkeit, wenn die Durchsetzung ökologischer Produkte im Vordergrund steht. Umweltschutzorganisationen sind daher der häufigste Partner solcher Kooperationen. Ihnen eröffnet sich durch eine solche Zusammenarbeit die Möglichkeit, unmittelbar auf die Produktgestaltung und Marktentscheidungen von Unternehmen Einfluß zu nehmen. Insbesondere der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) hat sich in den letzten Jahren zahlreichen Wirtschaftskooperationen gegenüber geöffnet. Die längste und intensivste der Kooperationen ist diejenige mit dem Warenhaus Hertie (vgl. Will 1994, Brockhaus 1996, S. 159 ff.), deren Anfange bis zum Ende der 80er Jahre zurückreichen. Wichtigstes Ziel der Kooperation ist die ökologische Bereinigung und Weiterentwicklung wichtiger

Sortimentsbereiche

von

Hertie

und damit

einhergehend

eine

ökologische

Positionierung der Hertie-Warenhäuser. Auch die weiter oben erwähnte Kooperation von Hoechst mit dem Öko-Institut kann nicht nur unter Marktabsicherungs-, sondern muß auch unter Differenzierungsaspekten gesehen werden. Sie eröffnet dem Unternehmen Perspektiven für zukünftige Produktentwicklungen. Chemieuntemehmen wie die schweizerische Ciba (jetzt: Novartis) suchen daher schon lange den Kontakt mit kritischen Anspruchsgruppen im Rahmen ihrer Produktpolitik.

2.4

Public Private Partnership als Marktentwicklung

Public Private Partnerships zur Marktentwicklung sind ein relativ junges Phänomen. Sie zielen darauf ab, die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens von Unternehmen und Branchen so zu verändern, daß die Handlungsfreiräume für ökologische Maßnahmen vergrößert werden.

80

Kapitel 4

Sie sind in der Regel gesellschaftsorientiert, d.h. setzen an öffentlichen und politischen Prozessen an, können sich jedoch auch auf grundsätzliche marktliche Strukturparameter beziehen (s.u.). Unternehmen und Wirtschaftsverbände spielen immer schon ein wichtige Rolle im politischen Prozeß

der meisten parlamentarischen

Demokratien

(Kieps

1988). Im Kapitel

zur

Marktabsicherung wurde deutlich, daß sie ihre politische Rolle jedoch selten aktiv, sondern eher defensiv in Bezug auf ökologische Anliegen einbringen. Auch wenn die Grenzen zwischen Marktabsicherung und Marktentwicklung - wie weiter oben betont - fließend sind, so lassen sich kooperative Vorstöße, die auch von Kritikern als einhellig ökologisch pro-aktiv eingestuft werden, erst in jüngster Zeit beobachten: dazu gehört die Veröffentlichung

einer

Erklärung

zum

Rahmen

einer

ökologischen

gemeinsame und

sozialen

Marktwirtschaft vom Bund Junger Unternehmer (BJU) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) aus dem Jahr 1993 (BJU/BUND 1993), sowie die gemeinsame Erklärung und Anzeigenkampagne vom BUND mit 16 Unternehmen, in der vor der Bundestagswahl 1994 aktiv für eine ökologische Steuerreform geworben wurde. Mit solchen Public Private Partnerships wird unmittelbar auf den öffentlichen und politischen Meinungsbildungsprozeß gezielt. Die erwähnten Maßnahmen hatten einen symbolischen und plakativen Charakter und konnten ihr eigentliches Ziel (z.B. die Einführung einer ökologischen Steuerreform) bisher nicht erreichen. Die Möglichkeiten, über öffentliche und politische

Prozesse

die

Rahmenbedingungen

für

ein

ökologisches

Wirtschaften

mitzugestalten, sind jedoch erheblich weiter. Viele ökologische Reformprojekte haben nicht den

grundsätzlichen

Anhörungen

oder

Charakter

einer ökologischen

Mitwirkungen

Steuerreform.

im Gesetzgebungsprozeß

ist

Durch

hier

die

öffentliche pro-aktive

Mitgestaltung von Verordnungen und anderen Regelwerken durchaus möglich. Dies gilt insbesondere für Politikfelder wie z.B. die Chemiepolitik, die in der Regel auf das Expertenwissen und Ressourcen der Industrie und Verbände (z.B. zur Datenerhebung und ökologischen Bewertung von Stoffen) angewiesen sind. Die aktive Mitgestaltung solcher Rahmenbedingungen durch neue Formen von Public Private Partnerships (z.B. unter Einbindung von Umweltschutzorganisationen) steht hier erst am Anfang. Konkretere Ansätze einer kooperativen Marktentwicklung lassen sich dagegen schon dort beobachten, wo es um marktliche Rahmenbedingungen im engeren Sinne geht. Häufig scheitert

die

Durchsetzung

Transaktionskosten

oder

von

ökologischen

Informations-

und

Produkten

in

Märkten

Glaubwürdigkeitsproblemen

an bei

hohen den

Konsumenten. Public Private Partnerships können dazu beitragen, diese Barrieren zu überwinden, indem sie Informationsdefizite beseitigen oder bestehende Marktstrukturen aufbrechen. Ein Beispiel hierfür liefert ein konkretes Projekt aus der oben genannten BUND-

Public Private

Partnership

81

Hertie-Kooperation. Im Rahmen der Aktion "Sauberer Putzschrank" wurde das Putz- und Reinigungsmittelsortiment des Hertie-Konzerns unter ökologischen Gesichtspunkten bewertet und weiterentwickelt (ein Drittel der bisheriger. Produkte wurde ausgelistet). Dies war nur auf der Basis von umfassenden Produktinformationen der Reinigungsmittelhersteller möglich. Diese verweigerten jedoch in der Anfangsphase der Aktion die benötigen Datengrundlagen. Erst der kollektive Druck von Hertie, BUND und dem in die Kooperation einbezogenen IKUInstitut bewegte die Wasch- und Reinigungsmittelindustrie zur Herausgabe der Daten (Brockhaus

1996,

S. 166-167).

Von

dieser (erzwungenen)

Bereitschaft zu

höherer

ökologischer Transparenz profitiert im Sinne einer ökologischen Marktentwicklung der Gesamtmarkt. Ebenfalls interessante Public Private Partnerships zur ökologischen Weiterentwicklung von Marktstrukturen stellen die Greenpeace-Kooperation mit Foron zur Durchsetzung des FCKWfreien Kühlschranks sowie die Zusammenarbeit mit Schweizer Unternehmen zum Bau des 3Liter-Autos "Smile" dar. Beide Ansätze ziel(t)en darauf, bestehende Handlungsmuster einer Branche durch das Einbringen von neuen Produkten und Wettbewerbern grundsätzlich zu verändern. Im Falle des FCKW-freien Kühlschranks war diese Strategie sehr erfolgreich, der Ausgang der 3-Liter-Auto-Kampagne ist noch offen. Die technischen und teilweise ökonomischen

Ressourcen

der Unternehmen

verbinden

sich

hier

mit

dem

hohen

Bekanntheitsgrad und dem Mobilisierungspotential der Umweltschutzorganisation zu einer erfolgreichen Marktentwicklungsstrategie. Motor war in beiden Fällen Greenpeace. Die Beispiele zeigen, daß in solche Formen der Public Private Partnership auch kleinere und mittlere Unternehmen eingebunden sein können. Marktentwicklung vollzieht sich weiterhin in unterschiedlichen Formen von Netzwerken, die nur eine lose oder temporäre Kopplung aufweisen. Beispiele hierfür sind der Arbeitskreis Cotton bzw. die Glatt-Kommission in der Schweiz. Der Arbeitskreis Cotton ist ein Bündnis von Verbraucher-, Kultur-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie Naturtextilanbietern (vgl. Arbeitskreis Cotton 1996), der vom Hamburger Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) koordiniert wird. Der Arbeitskreis trifft sich vierteljährlich und organisiert gemeinsame Veranstaltungen mit dem Ziel, den ökologischen Baumwollanbau zu fördern. Da sich die Entwicklung des ökologischen Baumwollanbaus in einem äußerst frühen Stadium befindet und wenig Transparenz über Marktangebote und -möglichkeiten herrscht, stellt der informelle Informationsaustausch zwischen den beteiligten Organisationen

und

Marktentwicklung dar.

Unternehmen

im

AK

Cotton

einen

wichtigen

Beitrag

zur

82

Kapitel 4

Ökologische Netzwerke einer Marktentwicklung lassen sich auch unter Einbeziehung staatlicher Akteure beobachten. Ein prominentes Beispiel ist die schweizerische GlattKommission, die aus Vertretern der lokalen und der Bundes-Umweltbehörden, der lokalen Textil(veredelungs)industrie der Ostschweiz und Herstellern von Textilhilfsmitteln bestand und sich Mitte der 80er Jahre um die ökologische Sanierung des Ostschweizer Flusses Glatt bemühte, der erheblich durch Abwässer der Textilveredelungsunternehmen verschmutzt wurde (vgl. Führ 1995, S. 154-155, und die dort angegebenen Quellen). Ein Ergebnis dieser Public Private Partnership war ein differenziertes ökologisches Klassifikationssystem für Textilhilfsmittel, das in der Folge zu zahlreichen Verfahrens- und Produktinnovationen in der Textilindustrie bzw. in der Chemieindustrie führte und z.T. sogar international Anwendung fand. Die in diesem Abschnitt vorgestellten Beispiele zeigen, wie differenziert ökologische Marktentwicklungsstrategien durch Public Private Partnerships ausgestaltet werden können. Im nächsten Kapitel wird es darum gehen, alle vier Typen von Public Private Partnerships (ökologisch) zu bewerten und Perspektiven für ihre weitere Ausgestaltung aufzuzeigen.

3.

Bewertung und Perspektiven

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrages steht die Bedeutung von Public Private Partnerships für ein ökologisch orientiertes Management von Wertschöpfungsketten. Nach der Darstellung der diversen Kooperationsmuster gilt es daher abschließend, ihren ökologischen Beitrag zu würdigen (Kapitel 3.1). Da die Debatte über Stoffstrommanagement heute jedoch nicht ausschließlich unter ökologischen Aspekten, sondern vielmehr unter dem Begriff der "Nachhaltigkeit" gefuhrt wird (vgl. Kapitel 1.2), ist die Bewertung im einem zweiten Schritt auszuweiten (Kapitel 3.2): ein nachhaltiges Stoffstrommanagement dient nämlich der Optimierung

von

Stoffsystemen

unter

ökologischen,

sozialen

und

ökonomischen

Bedingungen. Zwischen diesen Zieldimensionen können - wie es sich in praktischen Fällen immer wieder zeigt - erhebliche Koflikte auftreten. Instrumenten und Ansätzen zur Lösung dieser Konflikte kommt daher im Management der Wertschöpfungskette eine hohe Bedeutung zu. Public Private Partnerships besitzen durchaus ein Konfliktlösungspotential und werden daher auch unter diesem Aspekt bewertet. Beide Evaluationen münden schließlich in eine Gesamtwürdigimg und Empfehlungen fur die weitere Ausgestaltung von Public Private Partnerships (Kapitel 3.3).

Public Prívate

3.1

Partnership

83

Ökologische Tragweite von Public Private Partnerships

Die gewählte Klassifikation von Public Private Partnerships nach Strategiebezug und Strategieausrichtung erlaubt auch eine Einordung der ökologischen Effekte der Strategien. Gesellschaftsbezogene Kooperationen

können, wenn

ihnen

die

(Mit)gestaltung

von

Rahmenbedingungen gelingt, erhebliche ökologische Auswirkungen haben, weil sich die Effekte nicht nur auf einzelne Unternehmen beziehen, sondern vielmehr branchenweit oder sogar branchenübergreifend wirken. Ob die ökologischen Effekte positiv sind, hängt jedoch hier entscheidend von der Strategieausrichtung der Public Private Partnership ab. In der Praxis dominieren derzeit noch defensive Ansätze, die umfassende Ökologisierungsprozesse eher verhindern oder verzögern als wirklich fördern. Die ökologisch proaktive Mitgestaltung von Rahmenbedingungen durch Public Private Partnerships ist noch die Ausnahme. Marktbezogene Public Private Partnerships nutzen die ökologischen Handlungsspielräume von Unternehmen in den gegebenen Rahmenbedingungen. Unternehmen sind in diesen Fällen zwar weiter diejenigen, die das eigentliche Stoffstrommanagement betreiben, jedoch erhöht die Kooperation mit öffentlichen Partnern dessen Durchsetzungschancen. In den letzten Jahren haben Unternehmen zunehmend erkannt, daß es über die Kooperation mit öffentlichen und politischen Anspruchsgruppen möglich ist, gegebene ökologische Ziele mit weniger Aufwand zu erreichen oder ökologische Marktchancen systematisch zu nutzen. Das Potential für weitere solcher ökonomisch-ökologischen Schnittmengennutzungen ist vorhanden. Mit der zunehmenden Nutzung bestehender Chancen wächst auch die Wahrscheinlichkeit, daß sich

Unternehmen

in

Zukunft

aktiv

an

der

ökologischen

Mitgestaltung

der

Rahmenbedingungen beteiligen, alleine um ihre ökologisch-orientierten Wettbewerbsvorteile vergrößern zu können. Markt- und Gesellschaftsbezug stehen hier in einem engem Wechselverhältnis. Jedoch sind dies alles Überlegungen, die sich auf Potentiale beziehen. Der heutige faktische ökologische Effekt von Public Private Partnerships muß noch als gering eingestuft werden. Die relevanten Ökologisierungsschritte im Wirtschaftsprozeß gehen derzeit immer noch von staatlichen Regulierungen und von Wettbewerbsprozessen zwischen Unternehmen ohne Beteiligung öffentlicher Partner aus.

84

Kapitel 4

3.2

Public Private Partnerships als neue institutionelle Ebene des ökologischen Strukturwandels?

Mit zunehmender Verschärfung ökologischer und sozialer Fragen besitzen Public Private Partnerships jedoch aus der Perspektive der Konfliktvermittlung zwischen ökologischen, sozialen und ökonomischen Ansprüchen eine wichtige Funktion. Schon heute überfordert das bestehende umweltpolitische Instrumentarium die Steuerungskapazitäten des Staates und vieler wirtschaftlicher Akteure. Public Private Partnerships besitzen das grundsätzliche Potential, die Anpassungsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit wirtschaftlicher Akteure auch unter verschärften ökologischen, ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen zu erhalten. Dafür ist es jedoch wichtig, daß sie einige Anforderungen erfüllen, auf die abschließend eingegangen werden soll.

3.3

Anforderungen an Public Private Partnerships der Zukunft

Ausgehend von der präsentierten Klassifikation von Public Private Partnerships ergeben sich folgende Anforderungen, deren Erfüllung notwendig ist, damit Public Private Partnerships ihr Potential für die ökologisch orientierte Vernetzung von Wertschöpfungsketten entfalten: - Unternehmen müssen Public Private Partnerships ökologisch pro-aktiv betreiben und nicht - wie bisher - hauptsächlich defensiv einsetzen. Erst dadurch wird der Nachweis gelingen, daß diese neue Form der Koordination zwischen wirtschaftlichen und privaten Akteuren wichtige Beiträge zu einem ökologischen Strukturwandel zu leisten vermag. Der lediglich defensive Rückgriff auf Public Private Partnerships droht dagegen diesen Ansatz weiter zu diskreditieren. - Neben dem Markt- gilt es auch den Gesellschaftsbezug als aktives Gestaltungsfeld von Public Private Partnerships durch Unternehmen zu erkennen. Unternehmen stehen über solche Partnerschaften Einflußmöglichkeiten im öffentlichen und politischen Prozeß offen, die sich ökologisch konstruktiv nutzen lassen. - Schließlich gilt es die bestehenden Erkenntnisse für ein erfolgreiches Funktionieren von Public Private Partnerships (vgl. dazu z.B. Wiedemann/ Claus 1994, BDI 1992, ZEW 1996) konsequent umzusetzen, um die Effizienz und Effektivität der Kooperationen sicherzustellen.

Public Private Partnership

85

Literatur

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und

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86

Kapitel 4

Schneidewind, U. (1994), Wege zur Umsetzung chemiepolitischer Kooperation: Theoretische Konzepte und praktische Erfahrungen, in: oikos (Hrsg.), Kooperationen für die Umwelt, Im Dialog zum Handeln, Chur/Zürich, S. 145-159. Schneidewind, U. (1995a), Chemie zwischen Wettbewerb und Umwelt, Perspektiven für eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Chemieindustrie, Marburg. Schneidewind, U. (1995b), ökologisch orientierte Kooperationen aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: UmweltWirtschaftsForum (uwf), 3. Jg., Heft 4, Dezember 1994, S. 16-21. Wiedemann, P.M./ Claus, F. (1994): Konfliktvermittlung bei umweltrelevanten Vorhaben - Ein Resümee, in: Claus, F./ Wiedemann, P.M. (Hrsg.): Umweltkonflikte, Vermittlungsverfahren zu ihrer Lösung, Taunusstein, S. 228-235. Will, S. (1994), Hertie und BUND - eine Kooperation im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie, Forschungsstelle für Umweltpolitik (FFU), Report 94-6, Berlin. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (1996), Möglichkeiten und Grenzen von freiwilligen Umweltschutzmaßnahmen der Wirtschaft unter ordnungspolitischen Aspekten, Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Mannheim.

Weiterführender Literaturhinweis Ökologisches Wirtschaften Nr. 6/1996: Themenschwerpunkt Stoffstrommanagement (gute Übersicht über den aktuellen Stand des Stoffstrommanagements unter Berücksichtigung kooperativer Aspekte).

Kapitel 5 "Leistungs- statt Produktabsatz" fttr einen ökologischeren Konsum ohne Eigentum von Ursula Hansen und Ulf Schräder

1. Einführung

87

2. Der Konsum ohne Eigentum

88

2.1 Typologisierung des Konsums ohne Eigentum

88

2.2 ökologisierung durch Konsum ohne Eigentum

92

3. Ziele und Gefahren eines ökologischen Leistungsabsatzes aus betriebswirtschaftlicher Sicht 4. Fördernde und hemmende Rahmenfaktoren des ökologischen Leistungsabsatzes

94 95

4.1 Faktoren der Makro-Umwelt: rechtliche, ökonomische, sozio-kulturelle und demographische Entwicklungen 4.2 Faktoren der Mikro-Umwelt 4.2.1 Konsumenten

96 97 97

4.2.2 Akteure im Marktweg

100

4.3 Faktoren der Unternehmung

101

4.4 Faktoren des Konsumgutes

102

5. Prinzipien der Gestaltung von Leistungen für den Konsum ohne Eigentum

103

5.1 Grundprinzip: Neubündelung attraktiver Leistungen

103

5.2 Gestaltung der zeitlichen Besitzeinschränkung

104

5.3 Gestaltung der geteilten Nutzung

105

5.4 Gestaltung des beschränkten Veränderungsrechts

105

5.5 Gestaltung des veränderten Zahlungsbezugs

106

5.6 Gestaltung der Verantwortung für den Werterhalt

107

6. Zusammenfassung und Ausblick

107

Literatur

109

Kapitel 5

88

1.

Einführung

Konsum ohne Eigentum galt Berry und Maricle schon 1973 als "Marketing Opportunity for Today and Tomorrow" (Berry/ Maricle 1973). Danach vergingen ca. 20 Jahre, in denen eine systematische Beschäftigung mit diesem Ansatz weder in der Marketing-Praxis noch in der Marketing-Theorie zu beobachten war. Dies verwundert, spiegelt doch die Umorientierung vom materiellen Produkt zum eigentlich nutzenstiftenden Konsum eine konsequente Bedürfnisorientierung und damit den Kern der Marketingphilosopie wider. Das Marketing kann den Konsum ohne Eigentum durch eine Strategie des "Leistungs- statt Produktabsatzes" ermöglichen. Ein Anbieter setzt dabei nicht mehr seine Produkte ab, sondern nur deren Leistung, wobei die Produkte selbst im Eigentum des Anbieters verbleiben. Verschiedentlich wird in der Literatur statt des Begriffes Leistungsabsatz vom "Verkauf von Nutzen anstatt von Produkten" (Stahel 1994a, S. 62) gesprochen. Diese Terminologie verwenden wir nicht, weil Nutzen genaugenommen nicht zu verkaufen ist, sondern intraindividuell durch die Befriedigung von Bedürfnissen entsteht. Obwohl Leistungsangebote also direkt an den Kundenbedürfnissen ansetzen, ist es nicht die aktuelle Debatte um eine Verbesserung der Kundenorientierung, sondern die Diskussion um die Realisierung einer Kreislaufwirtschaft, im Zuge derer der Gedanke des Konsums ohne Eigentum zunehmend auf Resonanz stößt (eine systematische Übersicht über vorliegende Ansätze liefert Hockerts 1995, S. 27). Während der produktersetzende Leistungsabsatz im Investitionsgüterbereich bereits verstärkt zu beobachten ist, läßt sich eine vergleichbare Entwicklung im Konsumgüterbereich jedoch nur in Ansätzen feststellen. Dennoch oder gerade deshalb konzentriert sich dieser Artikel auf die Chancen und Probleme der Durchführung eines "Leistungs- statt Produktabsatzes" im Konsumgüterbereich.

2.

Der Konsum ohne Eigentum

2.1

Typologisierung des Konsums ohne Eigentum

Konsum ist im Bewußtsein wohl der meisten Menschen an den Besitz von Produkten gekoppelt, der in der Regel mit Eigentum gleichgesetzt wird. Unter Konsumieren wird der Ge- oder Verbrauch von Produkten verstanden, die dem Konsumenten gehören. Jedoch bietet der Konsum ohne Eigentum gleichfalls vielfältige Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung: Produkte lassen sich auch von denjenigen nutzen, denen sie nicht gehören. Konsumenten können Pro-

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

89

dukte mieten bzw. leasen oder sie sich von anderen Menschen leihen bzw. sie mit diesen teilen (Gemeinschaftsnutzung). Auch bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen erwerben die Konsumenten in der Regel kein Produkteigentum, und genaugenommen bietet die illegale Nutzung von Diebesgut ebenfalls eine Möglichkeit zum Konsum ohne Eigentum (Berry/ Maricle 1973, S. 34; vgl. Abb. 1).

Abb. 1:

Typologie des Konsums ohne Eigentum

Im folgenden konzentrieren wir uns auf die direkt marktwirksamen Leistungsangebote in Form von Miete/ Leasing und Dienstleistungen i.e.S. . Die private Gemeinschaftsnutzung findet nur insofern Berücksichtigung, als sich aus den mit ihr verbundenen Motivationen und Spezifika auch Erkenntnisse für Miete/ Leasing und Dienstleistungen i.e.S. ziehen lassen. Miete und Leasing unterscheiden sich formalrechtlich nicht voneinander. Beiden liegt ein Miet- bzw. Pachtvertrag nach § 535 ff. BGB zugrunde. In der Praxis handelt es sich beim Leasing um eine besondere Ausgestaltung der Miete (Leinkauf/ Zundel 1994, S. 28), die meist aufgrund erwarteter Finanzierungs- oder Steuervorteile angewendet wird. Wie in der Literatur zum ökologischen Leistungsabsatz üblich, bezeichnet der Begriff Leasing im folgenden jedoch allgemein das Prinzip der Sachgütervermietung. Den Begriff Dienstleistung haben wir mit dem Zusatz i.e.S. versehen, weil für die hier interessierende Fragestellung des ökologischen Konsums ohne Eigentum nur ein kleiner Ausschnitt problemrelevant ist. Wir fassen darunter diejenigen Leistungen, bei denen der Anbieter direkt am Betrieb des materiellen Gutes, mit dessen Hilfe der Konsument seine Bedürfnisse zu befriedigen sucht1, beteiligt ist. Tätigkeiten wie Vermietung oder Verkauf, die im Sinne der

1 Anders als bei üblichen Dienstleistungsdefinitionen tritt die Interpretation des Personals als internem Faktor hier in den Vordergrund. Demgegenüber verliert die "Integration des externen Fak-

Kapitel 5

90

Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auch Dienstleistungen darstellen, bleiben damit unberücksichtigt. Wenn im folgenden der Begriff Dienstleistung verwendet wird, dann immer im Sinne der hier getroffenen Einschränkung. Die beiden Grundformen des Leistungsangebots lassen sich nun weiter differenzieren, auf das Ökologisierungsziel beziehen und anhand verschiedener Charakteristika und Beispiele vom Eigentum abgrenzen (vgl. Tab. 1). Referenzgröße

Öko-L easing

Öko-Diens tleistungen

Eigentum

KnrzzeitLeasing

LangzeitLeasing

Nntznngs-DL

Ergebnis-DL

zeitliche Besitzeinschränkung

nein

ja

nein

ja

nicht relevant

geteilte Nutzung

nicht notwendig

seriell

nicht notwendig

seriell/ parallel

nicht möglich

Veränderungsrecht

gegeben

nicht gegeben

bedingt gegeben

nicht gegeben

nicht möglich

üblicher Zahlungsbezug

Produkt

Zeit-/ Nutzungseinheit

Zeit/ Nutzungseinheit

Zeit-/ Nutzungseinheit

Leistungsergebnis

Verantwortung für den Werterhalt

Konsument

Anbieter und Konsument

Anbieter und Konsument

Anbieter und Konsument

Anbieter

Mobilität

Auto

Auto-Miete

(Auto-Leasing)

Bus, Bahn

Fahrrad-kurrier

Waschen

Waschmaschine

Münz(WaschmaschiWaschautomat nen-Leasing)

Waschsalon

Wäscherei

Werkzeuge

eigenes Werkzeug

(Do-it-yourself Werkstatt)

Handwerker

Charakteristika

Beispiele für die Bedürfnisfelder

Tab. 1:

Werkzeugverleih

Typologie ökologischer

(Werkzeugverleih)

Leistungsangebote

tors", d.h. des Konsumenten, als konstituierendes Dienstleistungsmerkmal an Bedeutung. Der Konsument ist nur insoweit relevant, als er als Co-Produzent bei jeder Form der Nutzenerzeugung mit Hilfe von Produkten beteiligt ist (Hansen/ Hennig 1995).

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

91

Die Verwendung der Vorsilbe "Öko-" verdeutlicht, daß hier nur Konzepte angesprochen sind, die durch die Substitution individuellen Eigentums Netto-Entlastungseffekte im Umweltverbrauch bewirken (können). Entsprechend umfaßt der insbesondere von Braungart (z.B. Braungart/ Engelfried 1993, S. 4) in die Diskussion gebrachte Begriff "Öko-Leasing" auch nicht das Leasing als Finanzierungsinstrument. Eine Kaufoption für den Endnutzer ist auszuschließen, um den noch zu erläuternden Anreiz zu größerer Langlebigkeit auf der Anbieterseite nicht zu gefährden (Leinkauf/ Zundel 1994, S. 34ff.). Aus diesem Grunde sind die Beispiele im Bereich des Langzeit-Leasings auch in Klammem gesetzt, da die hier heute bereits vorfindbaren Formen dem zugrundeliegenden Ökologisierungsansatz nicht entsprechen. Langzeit- und Kurzzeit-Leasing lassen sich zwar nicht trennscharf voneinander abgrenzen, der grundsätzliche Unterschied besteht jedoch darin, daß bei dem Kurzzeit-Leasing ein Gut für jede Nutzung neu in Besitz genommen wird, während das Gut beim Langzeit-Leasing auch zwischen den Nutzungen im Besitz des Nutzers verbleibt2. Die Verschiedenheit der beiden aufgeführten "Öko-Dienstleistungen" liegt vor allem darin, daß bei den Nutzungs-Dienstleistungen der Konsument ein vom Dienstleister betriebenes Gut selber nutzt, während bei der Ergebnis-Dienstleistung das Nutzungsergebnis allein vom Anbieter erbracht wird. Insbesondere im Bedilrfnisfeld "Waschen" wird deutlich, daß es von der Perspektive abhängt, wo eine bestimmte Marktleistung einzuordnen ist: während der Waschsalon als Ganzheit eine Nutzungs-Dienstleistung darstellt, fällt die Nutzung des Waschautomaten in den Bereich des Kurzzeit-Leasings.

2 Insofern ist der z.B. im Buchtitel von Erlhoff (1995) "Nutzen statt besitzen" suggerierte Gegensatz genaugenommen nicht existent: der Besitz als Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache (§ 8541 BGB) ist auch bei eigentumslosen Konsumkonzepten Nutzungsvoraussetzung.

92

2.2

Kapitel 5

Ökologisierung durch Konsum ohne Eigentum

Eigentumsloser Konsum kann in vielfacher Hinsicht zu dem im Kreislaufwirtschaftsgesetz fixierten Ziel der Schonung der natürlichen Ressourcen beitragen. Nimmt man das gegenwärtige Wohlstandsniveau als gegeben hin, so muß das Ziel einer Ökologisierung des Konsums durch die Minimierung der Umweltbelastung (ÜB) pro Nutzeneinheit (NE) erreicht werden: UB

Auf der Ebene der Produkte zielt ein Verhalten, das diesem heuristischen Öko-EffizienzIndikator entspricht, darauf ab, zum einen die direkte Umweltbelastung der Produkte zu minimieren (UB => min!) und zum anderen aus diesen Produkten mehr Nutzeneinheiten durch Maximierung der möglichen Nutzungen zu gewinnen (NE => max!). Dieser Ansatz ist insofern eine Generalisierung der von Schmidt-Bleek propagierten Minimierung der Materialintensität pro Serviceeinheit (MIPS; Schmidt-Bleek 1994). Das Angebot von Leistungen anstatt von Produkten schafft Anreize zu Verbesserungen in bezug auf beide Ansatzpunkte des Effizienz-Indikators. Ein reiner Leistungsanbieter hat verstärktes Interesse an einer direkten Reduktion der Umweltbelastung von Produkten, weil sich die zu nutzenden Produkte auch am Ende eines Lebenszyklus noch in seinem Eigentum befinden und er somit entstehende Entsorgungskosten zu tragen hat bzw. Wertschöpfungspotentiale realisieren kann. Es ergeben sich also finanzielle Anreize, besonders kreislauffahige Produkte zu konzipieren und einzusetzen. Gleichzeitig kann es zu einer beschleunigten Diffusion des ökologischen Fortschritts kommen, da aus Sicht der Nutzer der Umstieg auf umweltschonende Produktvarianten erleichtert wird. Während heute ein Anbieter in der Regel Interesse daran hat, möglichst viele Produkte zu verkaufen, konzentrieren sich die Absatzziele des Leistungsanbieters auf die Nutzungen bzw. die Nutzungsergebnisse. Für den Konsumenten wirkt dies wie eine Versicherung gegen Obsoleszenz (Berry/ Maricle 1973, S. 35): Anbieter haben keinen Vorteil mehr von Strategien der vorzeitigen Produktalterung, sondern profitieren direkt von einer Vermehrung der Nutzeneinheiten durch Verlängerung und Intensivierung der Produktnutzung.

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

93

Aus ökologischer Sicht sind jedoch bestehende Zielkonflikte und Ambivalenzen problematisch. So - verringert eine intensivere Nutzung die Lebensdauer3; - kann dem Ziel der Lebensdauerverlängerung der Einsatz schlecht abbaubarer und damit im Sinne der Kreislauffähigkeit kontraproduktiver Materialien entsprechen; - besteht ein Gegensatz zwischen dem Ziel der Langlebigkeit und dem der beschleunigten Diffusion des ökologischen Fortschritts; - müssen Vorkehrungen getroffen werden, daß das Interesse der Konsumenten an der Produktlebensdauer nicht in dem Maße sinkt, in dem es bei den Anbietern steigt. Trotz dieser Optimierungsprobleme läßt sich ein Leistungsabsatz-System prinzipiell so organisieren, daß ein Öko-Effizienz-Effekt erreichbar ist. Zudem kann das Leistungsangebot auch einen Suffizienz-Effekt, also einen Rückgang der nachgefragten Nutzungseinheiten zur Folge haben. Dies ist der Fall, wenn durch den veränderten Zahlungsbezug bisher selbstverständliche Nutzungen nun bewußt erfolgen und damit teilweise in Frage gestellt werden 4 . Zwar ist auch ein Leistungsangebot denkbar, das Produkteigentum nicht substituiert, sondern eine additive Nachfrage stimuliert; dieser fällt jedoch nach der oben getroffenen Abgrenzung nicht in den hier betrachteten Objektbereich. Allerdings stößt diese Unterscheidung zwischen additivem und substitutivem Konsum ohne Eigentum in der Praxis auf einige Schwierigkeiten: ermöglicht das Car-Sharing auch den Nicht-Autoeigentümern das Fahren oder in erster Linie den Auto-Eigentümern die Abschaffung ihres Fahrzeugs? Ersetzt die Transportdienstleistung des Linienflugzeugs den Privat-Jet oder macht es den Luftverkehr erst möglich? Welche Wirkungen jeweils vorherrschend sind, läßt sich nur im Einzelfall entscheiden.

3 Allerdings bleibt der Netto-Effekt in der Regel positiv, da ein beschleunigter nutzungsabhängiger Verschleiß die Relevanz des zeitabhängigen Verschleißes reduziert. Konkret: eine intensiv genutzte gewerbliche Waschmaschine in einem Waschsalon leistet ca. 30.000 Waschgänge (Stahel 1994a, S. 69). Bei extensiver Nutzung, z.B. in einem Ein-Personen-Haushalt würde diese Waschmaschine nach ca. 20 Jahren auch bei weit weniger als 30.000 Waschgängen nicht mehr unverändert nutzbar sein. 4 Ein häufig zitiertes Beispiel sind hier Mitglieder von Car-Sharing Organisationen, die zumindest im Durchschnitt mit zunehmender Dauer ihrer Mitgliedschaft ihre Automobilnutzung immer weiter reduzieren (z.B. BUND, Misereor 1996, S. 233).

Kapitel 5

94

3.

Ziele und Gefahren eines ökologischen Leistungsabsatzes aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Um als Marketing-Strategie erfolgreich zu sein, muß die ökologische Vorteilhaftigkeit des Leistungsabsatzes einhergehen mit betriebswirtschaftlicher Attraktivität. Grundsätzlich entspricht eine derartige Absatzstrategie im umfassendsten Sinne der anbieterseitigen Produktverantwortung, wie sie § 22 des im Oktober 1996 in Kraft getretenen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrW-/AbfG) fordert. Gelingt es mit dem Leistungsabsatz, dem Kreislaufgedanken durch eine Produktverantwortung "von der Wiege zurück zur Wiege" (Stahel 1994a, S. 61) pro-aktiv gerecht zu werden, dann stellt dies einen Weg zur Erreichung ökologischer Ziele dar, was bei entsprechender Sensibilisierung der Umwelt zur langfristigen Sicherung der sozialen Akzeptanz und damit zur Überlebensfähigkeit des Unternehmens beitragen kann. Aber auch kurzfristig birgt der Absatz von Leistungen anstatt von Produkten verschiedene Erfolgspotentiale. Durch die Kontrolle und Schließung der StofFströme kann der Leistungsanbieter im Bereich der Beschaffung und Entsorgung Kostensenkungs- und Wertschöpfimgspotentiale realisieren, deren Höhe von den jeweils geltenden marktlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen abhängt. Zudem ergibt sich die Möglichkeit zum effizienteren Ressourceneinsatz im Bereich F&E durch einen Ausstieg aus der "Beschleunigungs-" bzw. "Zeitfalle" (Deutsch S. 87ff.): während viele Produktanbieter unter dem Druck stehen, daß sich immer höhere Entwicklungskosten in immer kürzeren Produktzyklen amortisieren müssen, eröffnet der Leistungsabsatz mit seinem Prinzip der Bestandsbewirtschaftung die Möglichkeit zu einer stetigen Optimierung der eingesetzten Güter. Auch auf der Absatzseite besitzt der Leistungsabsatz erfolgswirksame Potentiale. So ergibt sich z.B. die Möglichkeit der Erschließung neuer Märkte oder der Sicherung von Zielgruppen, die an geringen Fixkosten, einer leistungsorientierten Abrechnung und/oder anbieterseitiger Produktaufbewahrung und -Instandhaltung interessiert sind. Aufgrund der im Verhältnis zum Produktabsatz häufigeren Kundenkontakte besteht zudem ein Ansatzpunkt für eine erhöhte Kundenbindung. Diesen Zielen stehen jedoch auch betriebswirtschaftliche Gefahren gegenüber. Insbesondere in einer Übergangsphase ergeben sich auf der Absatzseite in einzelnen Branchen Kannibalismuseffekte, da die Steigerung des Leistungsabsatzes nur dann ökologisch sinnvoll ist, wenn sie eine Absenkung des Produktabsatzs zur Folge hat. Zudem entstehen Probleme aufgrund eines vergleichsweise höheren Arbeitsaufwands und eines durch verlängerte Amortisationsund Planungshorizonte erhöhten Finanzierungsrisikos.

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

4.

95

Fördernde und hemmende Rahmenfaktoren des ökologischen Leistungsabsatzes

Makro-Umwelt

sozio-kulturell u. demographisch

ökonomisch

rechtlich - KrW-/ AbfG - Steuersystem

- Globalisierung - z.T. Reallohnverluste

MikroUmwelt

Konsumenten -

- Wertewandel - Verringerung der Haushaltsgrößen

f

Akteure im Marktweg - Veränderung des Rollenverständnisses - Entwicklung neuer Betriebstypen

Nutzungshäufigkeit Selbstwerterhöhung Sicherheitsstreben Freiheitsstreben

Unternehmung - Leistungsprogramm - Kapitalkraft und langer Planungshorizont - hohe Arbeitsintensität - Kundennähe

Leistung

- geringer Symbolwert - hoher Anschaffungspreis - großer Platzbedarf - hohe Entsorgungskosten

- Erreichbarkeit und Bedienbarkeit - homogene Leistungsanforderungen - geringe hygienische Relevanz - Zuverlässigkeit und Kontrollierbarkeit

Abb. 2: Rahmenfaktoren des ökologischen Leistungsabsatzes

96

Kapitel 5

Die in Abb. 2 dargestellten ausgewählten Rahmenfaktoren werden im folgenden auf das generelle Prinzip des "Leistungs- statt Produktabsatzes" angewendet. Besitzen die Rahmenfaktoren nur fiir einzelne Formen des Leistungsanbebotes Relevanz, so wird dies explizit ausgewiesen.

4.1

Faktoren der Makro-Umwelt: rechtliche, ökonomische, sozio-kulturelle und demographische Entwicklungen

Derzeit beobachtbare Trends in der Makro-Umwelt der Unternehmungen zeigen in ihren Einflüssen auf die Entwicklung eines Konsums ohne Eigentum gegensätzliche Tendenzen. Das bereits erwähnte Kreislaufwirtschaftsgesetz stellt im hier diskutierten Zusammenhang eine bedeutsame Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen dar. Obwohl es bisher kaum rechtswirksame Verordnungen bzw. Selbstverpflichtungserklärungen gibt, zeichnet sich bereits ein Druck auf die Unternehmen ab, sowohl Produkt- als auch Verantwortungskreisläufe zu schließen und (ökologisch bedingte) Kosten dort anfallen zu lassen, wo sie entstehen. Dem entgegen stehen jedoch andere gesetzliche Regelungen, insbesondere im Bereich des Steuersystems, die ökonomische Anreize zu einer ressourcenintensiven, arbeitssparenden Entwicklung setzen und insofern Konzepten wie Öko-Leasing und Öko-Dienstleistungen zuwiderlaufen (Bierter u.a. 1996, S. 70ff.). Die zunehmende Globalisierung als bedeutsamer makro-ökonomischer Trend ist in ihrer derzeitigen Form eher ein Hemmnis für Konzepte des Leistungsabsatzes. Dies gilt insbesondere deshalb, weil unter anderem durch eine gelungene weltweite Arbeitsteilung und durch die partielle Externalisierung von Umweltkosten viele langlebige Gebrauchsgüter heute für den Endverbraucher zu Preisen verfügbar sind, angesichts derer regionalen Vermietungs- und Dienstleistungskonzepten häufig die Wettbewerbsfähigkeit fehlt. Zudem lassen sich die für das Ideal einer Nutzung von Langzeitgütern notwendigen Reparatur- und Instandhaltungsleistungen bei einem Netz weltweiter und ausdifferenzierter Handelsbeziehungen für Produkte und Bauteile nur schwer organisieren. Durch die derzeit beobachtbaren Reallohnverluste in bestimmten Bevölkerungsschichten Deutschlands werden Konsummöglichkeiten ohne Eigentum besonders attraktiv, wenn der Erwerb von Eigentum finanziell nicht möglich ist. Allerdings handelt es sich aus ökologischer Perspektive dann oft nicht um eine sinnvolle Substitution, sondern eher um additiven Konsum. Zudem besteht hier in der privaten Gemeinschaftsnutzung eine häufig noch kostengünstigere Alternative.

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

97

Sozio-kulturell haben Entwicklungen des Wertewandels eine große Bedeutung für die Frage nach der Wandelbarkeit von Lebens- und Konsumstilen. Zwar geht die Lebensstilforschung nicht mehr von einem allgemeinen und linearen postmateriellen Wertewandel aus, sondern stellt durch alle Bevölkerungsschichten ein "Werte-Patchwork aus 'materialistischen' und 'postmaterialistischen' Orientierungen" (Schultz u.a. 1992, S. 68) fest. Dennoch ist Umweltschutz nach wie vor ein Wert von hoher gesellschaftlicher Relevanz, was sich auch in den Ergebnissen von Längsschnittstudien zum Umweltbewußtsein widerspiegelt (z.B. Meffert/ Bruhn 1996). Vor diesem Hintergrund scheint es möglich, die individuelle und gesellschaftliche Kontraproduktivität einer weiteren Beschleunigung des naturverzehrenden Güterwohlstands weiten Bevölkerungskreisen verständlich zu machen. Eine derartige Bewußtseinsänderung kann sich in entsprechendem Handeln niederschlagen, wenn es gelingt, durch bedürfnisgerechte ökologische Leistungsangebote das Leitbild "Gut Leben statt viel haben" (BUND/ Misereor 1996, S. 206ff.) für jeden erfahrbar und attraktiv zu machen. Ein für den Leistungsabsatz positiver demographischer Faktor findet sich in der fortschreitenden Verringerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße: Inzwischen wohnt in 35,8 % der westdeutschen Haushalte nur eine Personen (IDW 1996, Tab. 10). Damit verbunden ist eine fortschreitende Unterauslastung technischer Geräte, die zudem in kleineren Wohnungen relativ mehr Platz beanspruchen - beides macht den Konsum ohne Eigentum attraktiv. Hinzu kommen spezifische Bedürfnisse nach Sozialkontakten, die z.T. ebenfalls durch entsprechende Gestaltung von Leasing- und Dienstleistungskonzepten zu befriedigen sind5.

4.2

Faktoren der Mikro-Umwelt

4.2.1 Konsumenten Unabhängig von aktuellen Wertewandelstendenzen sieht sich die Forderung nach Eigentumsverzicht verschiedenen prinzipiellen Hemmnissen auf Seiten der Konsumenten gegenüber (Einert/ Schräder 1996, S. 56ff.). Zunächst hängt die finanzielle Vorteilhaftigkeit eigentumsloser Konsumformen von der Nachfragehäufigkeit ab: da die Fixkosten (insb. der Anschaffungspreis der genutzten Güter) auf die einzelnen Nutzungseinheiten verteilt werden und sich

5 Als Beispiel können die als Kommunikationsorte geplanten Wäschepflegezentren der Firma Elektrolux dienen, die mit "Kaffeebar, Leseecke, Kinderspielecke" (Deutsch 1994, S. 155) ausgestattet sein sollen.

Kapitel 5

98

gleichzeitig auch die entstehenden Transaktionskosten amortisieren müssen, die sich bei den Anbietern vor allem in Form von Lohnkosten niederschlagen, übersteigt der Preis für eine Nutzungseinheit Konsum ohne Eigentum ab einer gewissen Nutzungshäufigkeit den des Eigentums (vgl. Abb. 3).

Preis einer

Abb. 3:

Preisvergleich des Konsums mit und ohne Eigentum

Die stark vereinfachende Abbildung verdeutlicht, daß Konsum ohne Eigentum für Vielnutzer ("heavy user") in der Regel unattraktiv ist, denn es gibt einen Break-even-point, ab dem der Erwerb von Eigentum finanziell vorteilhaft ist. Aber auch "light usern", die unter dem jeweiligen Grenzwert liegen, fehlt häufig die Bereitschaft, auf ihr Eigentum zu verzichten. Dafür sind verschiedene psychisch und sozial bedingte Nutzen des Eigentums verantwortlich. So wurde Sachgütem seit jeher neben ihrer funktionalen auch eine symbolische Bedeutung zuerkannt. Eigentum wird in diesem Zusammenhang

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

99

nicht nur wegen der Nutzungsmöglichkeiten, sondern auch zur sozialen Kontaktgestaltung und hier insbesondere für die Erhöhung des Sslbstwertgefiihls nachgefragt6. Zwar läßt sich ein ähnlicher Prestigegewinn je nach Präferenzen und Bezugsgruppe ebenfalls durch demonstrativen Verzicht oder betont ökologisches Konsumverhalten erzielen, jedoch bleibt der materielle Wohlstand ein Orientierungspunkt für viele deijenigen, die nach sozialem Aufstieg streben. Das Eigentum an Gütern dient ihnen als Mittel der Annäherung an das angestrebte IdealSelbst bzw. zur "symbolischen Selbstergänzung" (Wicklund/ Gollwitzer 1993). Dies mag zwar das Resultat einer unter anderem durch unternehmerische Kommunikationspolitik verzerrten Wahrnehmung der sozialen Realität sein; dennoch ist dieses Phänomen nachfragewirksam und damit von Leistungsanbietem zu berücksichtigen. Eigentum kann darüberhinaus individuell und sozial Sicherheit vermitteln. Für das Individuum besitzen Güter eine Speicherfunktion für bestimmte Erlebnisse oder Gefühle (Bode 1993, S. 52): die Taschenuhr, die vom Großvater geerbt wurde; das Fahrrad, das an den letzten Urlaub erinnert usw.. Um diese Orientierungsfunktion wahrnehmen zu können, ist in der Regel eine individuelle Inbesitznahme und damit Zeit sowie das Recht zur Veränderung notwendig. Beides ist bei Ergebnis-Dienstleistungen nicht und bei den anderen Leistungsangeboten nur eingeschränkt gegeben. Zudem gilt grundsätzlich eine Produktrückgabepflicht, die bei den Konsumenten zu Konflikten führen kann, die bestimmte Sachgüter als Teile ihres erweiterten Selbst wahrnehmen (Belk 1988) und den Güterverlust als Verletzung des Egos erleben (Young 1991, S. 177f.). Sozial stellen Produkte die Requisite bereit, die für eine adäquate Rollenausübung notwendig ist (Solomon 1983). Dabei gehört häufig nicht nur die Nutzung der Güter, sondern auch das Eigentum selbst zu den erwarteten Rollenmerkmalen. Dennoch gilt, daß auch Handlungen des Konsums ohne Eigentum prinzipiell orientierungs- und damit sicherheitsstiftend sein können. Finanzielle Sicherheit läßt sich gleichfalls mit Hilfe von Eigentum anstreben. Sie wird in diesem Zusammenhang häufig als inflationssicherer und z.T. auch als generationenübergreifender Wertspeicher gesehen - unabhängig davon, ob dies objektiv der Fall ist oder nicht (Ryffel 1983, S. 67ff.). Insbesondere, wenn sich in den Augen der Bevölkerung die soziale Absiche-

6 Dabei ist für die Masse der Menschen der Versuch, über das Eigentum an sog. Positionsgütern den eigenen sozialen Status zu verbessern, definitionsgemäß zum Scheitern verurteilt (Hirsch 1980, S. 52 ff.). Es ist vergleichbar mit dem Stehen auf Zehenspitzen um einer besseren Sicht willen: wenn es alle tun, sieht in der Regel keiner mehr, als wenn alle bequem auf ihren Füßen stünden. Dennoch besitzt das bereits Ende des letzten Jahrhunderts von Thorstein Vehlen beschriebene Phänomen des demonstrativ aufwendigen Konsums (conspicuous consumption) (Veblen [1899] 1991, S. 68ff.) weiterhin große Relevanz.

100

Kapitel 5

rung weiter verschlechtert, könnte die Sicherheitsfunktion des Eigentums neu an Relevanz gewinnen. Dem gegenüber steht der Vorteil des Konsums ohne Eigentum, daß hier in der Regel der Anbieter das Risiko der Zersörung, des Diebstahls oder der Unbrauchbarkeit zu tragen hat. In der westlichen Rechtstradition besteht zudem eine starke Verbindung zwischen Privateigentum und Freiheit. Innerhalb der Grenzen des Gesetzes kann der Eigentümer mit seinen Gütern machen was er will, wann und wo auch immer. Dieses Recht schließt die Veränderung und den Ausschluß anderer mit ein, aber auch die Entscheidung, nutzbare Güter zu Abfall zu erklären (Minsch 1993, S. 70). Werden Produkte vermietet oder sind sie Trägermedien von Dienstleistungen, so können dem Konsumenten derart weitgehende Rechte nicht zugestanden werden. Stattdessen muß er sich an die angebotenen Nutzungsarten, -Zeiten und -orte anpassen, was Einschränkungen der Unabhängigkeit und z.T. auch der Bequemlichkeit mit sich bringen kann. Auf der anderen Seite steht die Befreiung von Eigentumspflichten der Aufbewahrung, Instandhaltung und Entsorgung sowie die Möglichkeit einer nur kurzeitigen Nutzung und eines einfachen Wechsels der angebotenen Leistungen. Zudem darf der Wunsch nach Freiheit nicht isoliert betrachtet werden; ihm steht häufig ein nicht minder wirksames Bedürfnis nach Gemeinschaft gegenüber. Insgesamt hat das Eigentum eine weit über die funktionalen Gütereigenschaften hinausgehende Bedeutung. Diese gilt es zu berücksichtigen, wenn die Zielgruppen und Leistungen für einen Konsum ohne Eigentum abgegrenzt werden.

4.2.2 Akteure im Marktweg In der Diskussion über Öko-Leasing und -Dienstleistungskonzepte wird häufig von der realen Akteursvielfalt im Marktweg abstrahiert. Dem Konsumenten steht aber in der Regel nicht nur ein Anbieter gegenüber, sondern eine ganze Akteurskette, die von Lieferanten über Produzenten und Zwischenhändler bis zum Vermieter oder Dienstleister reicht. Aus der Berücksichtigung des Marktweges ergeben sich eigene Probleme: insbesondere bei mehrstufigen Absatzwegen sind komplizierte Eigentums-, Abrechnungs- und Haftungsfragen sowie Aspekte der Aufgabenverteilung zu klären. Diese Absprachen werden dadurch verkompliziert, daß mit veränderten Absatzformen immer auch Verschiebungen in der Machtstruktur einhergehen. Hersteller werden sich kaum damit anfreunden können, "nur noch als Zulieferer, als 'Ersatzteillieferanten für die Nutzungssysteme'" (Stahel 1994b, S. 78) gesehen zu werden. Auf der anderen Seite wird auch der Handel nicht ohne weiteres bereit sein, vielfältige Zusatzaufgaben wie z.B. Redistribution und Wartung zu übernehmen.

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

101

Letztlich ist für eine breite Etablierung des ökologischen Leistungsabsatzes die Abkehr von einem althergebrachten Rollenverständnis bzw. ein "mentaler Strukturwandel" (MeyerKrahmer 1995, S. 36) und damit eine Änderung von Untemehmensphilosophien und -kulturen unumgänglich. Gelingt dies, wird der Anteil an reinen Händlern und Produzenten zurückgehen und das Aufgabenspektrum von Dienstleistern wie Banken, Versorgungs- und Wohnungsbauunternehmen wachsen. In der Folge ergäbe sich eine verstärkte Entwicklung von Betriebstypen wie Leasinggesellschaften bzw. "Flottenbetreibem" sowie Dienstleister i.e.S., wobei alle Partner im Marktweg ihre Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft erweitern müßten.

4.3

Faktoren der Unternehmung

Das Spektrum leistungsanbietender Unternehmen kann ähnlich wie das der Produktanbieter verschiedene, heterogene Betriebstypen wie große Industrieunternehmen und kleine Handwerksbetriebe umfassen. Dennoch lassen sich einige spezifische Merkmale nennen, durch die sich Leistungsanbieter auszeichnen müssen, um erfolgreich zu sein. Zunächst ist das Angebot eines Leistungsprogramms erforderlich, das den in Kap. 4.4. darzustellenden Merkmalen entspricht. Da der Leistungsabsatz mit einer Verlängerung der Amortisationszeiten von Investitionen in materielle Güter einhergeht, ist zudem insbesondere für die Anschubfinanzierung eine entsprechend hohe Kapitaldecke notwendig. Gleichzeitig muß der Planungshorizont sowohl zeitlich als auch inhaltlich ausgedehnt werden. Konsum ohne Eigentum führt voraussichtlich zu einer verringerten Produktzahl bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Arbeitsintensität. So erwartet z.B. Stahel (1994b, S. 86), daß die Entwicklung zu einer stärker eigentumslosen Konsumgesellschaft durch eine Untemehmensstruktur gekennzeichnet sein wird, in der dezentral organisierte Werkstätten und Handwerksbetriebe wieder einen größeren Stellenwert erlangen. Entsprechend werden große industrielle Produktionsunternehmen, deren Kostenvorteile insbesondere auf Skaleneffekten und Rationalisierungserfolgen beruhen, tendenziell eher zu den Verhinderern einer Leistungsabsatzwirtschaft zählen. Bei eigentumslosen Konsummodellen steht der Anbieter in intensivem Kontakt mit dem Konsumenten, der als externer Faktor im besonderen Maße in den Leistungserstellungsprozeß integriert ist. Um diese Schnittstelle zu bearbeiten, ist ein entsprechendes Management-Know-

Kapitel 5

102

how notwendig, wie es insbesondere in Unternehmen vorhanden ist, die auch bisher schon eine große Nähe zum Konsumenten auszeichnet. Die aufgezeigten Anforderungen an einen Leistungsanbieter sind z.T. gegenläufig, was ihre Entwicklung tendenziell erschwert. Während der Kapitalbedarf eher auf Großunternehmen verweist, lassen die Aspekte der hohen Arbeitsintensität und der besonderen Kundennähe vielmehr kleinere oder zumindest dezentral organisierte Handwerks- und Dienstleistungsuntemehmen in den Mittelpunkt rücken. Wie schon bei der Frage des Markweges, ist allerdings auch hier eine Entwicklung veränderter, an die neue Absatzstrategie angepaßter Betriebstypen zu erwarten.

4.4

Faktoren des Konsumgutes

Nicht bei allen materiellen Gütern macht der "Leistungs- statt Produktabsatz" Sinn. Grundsätzlich ist das Prinzip auf Gebrauchsgüter beschränkt, allerdings ist nicht im vorhinein festgelegt, ob ein bestimmtes Produkt ein Ver- oder ein Gebrauchsgut ist. So gibt es im Bereich der Investitionsgüter bereits Beispiele, wo Verbrauchsgüter wie Putzlappen oder Lösungsmittel durch eine geschickte Kreislaufführung in vermietbare Gebrauchsgüter überführt wurden (Stahel 1996, S. 255f.). An die Gebrauchsgüter als Trägermedien des Leistungsangebotes sind Anforderungen zu stellen, die sich aus den Nutzerbedürfnissen ergeben. Bei der folgenden Beschreibung der Produktmerkmale kommt es deshalb zu Überschneidungen mit den bereits genannten konsumentenbezogenen Anforderungen. So entstehen Akzeptanzprobleme bei Gütern, die aufgrund ihrer symbolischen Eigenschaften dem Eigentum einen Eigenwert verleihen. Ob ein Produkt solche Eigenschaften besitzt, läßt sich jedoch nicht generell, sondern nur für spezifische Produkt-Nutzer-Beziehungen bestimmen. Soll das Eigentum ersetzt werden, ist an seinen Nachteilen anzusetzen. Dazu zählt ein hoher Anschaffungspreis, insbesondere bei einer geringen oder aufgrund unzureichender Erfahrungen unsicheren Nutzungshäufigkeit. Auch ein großer Platzbedarf im Verhältnis zum vorhandenen Wohnraum kann ein Nachteil von Eigentum sein. Gleiches wird in Zukunft auch für Güter mit hohem ökologischen Problempotential gelten, wenn der Eigentümer die tatsächlich entstehenden Ensorgungskosten zu tragen hat. Aber auch bei Gütern, die nach den erwähnten Merkmalen attraktiv für eine Substitution durch eigentumslosen Konsum sind, müssen zusätzliche Anforderungen an das Leistungsangebot gestellt werden. So ist bei Kurzzeit-Leasing und Nutzungs-Dienstleistungen eine leichte

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

103

Transportierbarkeit bzw. eine gute Erreichbarkeit wichtig. Gleiches gilt für eine einfache Bedienbarkeit, da die Einarbeitungsbereitschaft hier in der Regel relativ gering ist. Auch eignen sich für Leasing und Nutzungs-Dienstleistungen nur solche Produkte, die mit den Leistungsanforderungen einer für ein marktfähiges Angebot hinreichenden Nutzerzahl in Einklang zu bringen sind. Dies läßt sich entweder über die Homogenität der Leistungsanforderungen oder über die Multifunktionalität der verwendeten Güter erreichen. Zudem ist generell eine geringe hygienische Relevanz eine wichtige Eignungsvoraussetzung7. Um den Koordinations- und Regelungsbedarf sowie das Konfliktpotential gering zu halten, sind auch eine besonders hohe Zuverlässigkeit der Güter sowie die Kontrollierbarkeit und Zurechenbarkeit von eventuellen Schäden von Bedeutung. Dabei könnten sog. "dokumentative Produkte" (Kirchgeorg 1995, S. 32) hilfreich sein, die auf elektronischem Wege Auskunft über die Sorgfalt bei der Nutzung und den jeweils verursachten Verschleiß geben sollen. Ob diese weitreichende Kontrolle des Nutzers datenschutzrechtlich und konsumentenseitig akzeptiert wird, bleibt abzuwarten.

5.

Prinzipien der Gestaltung von Leistungen für den Konsum ohne Eigentum

5.1

Grundprinzip: Neubündelung attraktiver Leistungen

Leistungs- statt Produktabsatz bedeutet nicht, daß bisher verkaufte Produkte ohne weitere Änderung zur Vermietung oder zur Erbringimg von Dienstleistungen eingesetzt werden. Es kann meist auch nicht darum gehen, das Eigentum an einem Produkt durch eine Leistung zu ersetzen, mit der exakt dieselben Bedürfnisse angesprochen und befriedigt werden. Ausgangspunkt für eine bedürfnisorientierte Gestaltung attraktiver Leistungen ist eine Entbündelung und Neubündelung der Funktionen von bisher verkauften Produkten und eine Neuverteilung der entsprechenden Eigentumsrechte. So ist z.B. beim Auto zunächst festzustellen, welche Teilfunktionen es besitzt (z.B. Ermöglichung oder Symbolisierung von Mobilität, Freiheit und Status). Danach muß überlegt werden, wie sich diese Teilfunktionen neu bündeln, ergänzen und dem Markt in Form einer Leistung anbieten lassen, die den ökologischen Erfordernissen,

7 Wie unterschiedlich jedoch die hygienische Relevanz von Produkten eingeschätzt wird, zeigt die Existenz von Windel-Vermietern auf der einen Seite und die Argumentation des Vorstandsvorsitzenden von VW, Piech, auf der anderen, der Car-Sharing-Konzepte mit der Begründung ablehnt: "Meine Unterhose teile ich ja auch mit niemandem" (Clute-Simon 1995, S. 24).

Kapitel 5

104

aber auch den bestehenden Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppen gerecht wird. Bei Beschreiten dieses Weges werden die für Dienstleistungen und das Kurzzeit-Leasing eingesetzten Sachgüter tendenziell eine geringere Zahl von Bedürfnissen auf höherem Niveau erfüllen können, wobei die Breite der Bedürfhisbefriedigungsmöglichkeiten dann im Rahmen eines umfassenderen Systems erreicht wird8. Aber nicht nur die Bedürfhisseite, sondern auch das Transaktionskostenproblem erfordert eine Neubündelung der Leistungen im Konsumgüterbereich, um ein hinreichendes Transaktionsvolumen zu erreichen. Die sich aus diesem Grundprinzip ergebenden konkreten Gestaltungsnotwendigkeiten werden im folgenden anhand der oben in Tab. 1 aufgeführten Charakteristika ökologischer Leistungsangebote dargestellt.

5.2

Gestaltung der zeitlichen Besitzeinschränkung

Kurzzeit-Leasing und Nutzungs-Dienstleistungen sind mit einer zeitlichen Einschränkung des Besitzes verbunden. Anbieter haben verschiedene Möglichkeiten, die hiermit verbundenen Nachteile zu mindern. Zunächst läßt sich durch eine entsprechend dezentrale und zuverlässige Organisation beim Nutzer ein Vertrauen in einfache und jederzeitige Nutzbarkeit schaffen. Darüber hinaus können Maßnahmen getroffen werden, die dem Nutzer das Gefühl einer Inbesitznahme ermöglichen, ohne eine Weitemutzung durch Dritte zu gefährden. Dies läßt sich z.B. dadurch erreichen, daß versucht wird, einem Nutzer ein bestimmtes Produkt zuzuordnen, das dieser wann immer möglich nutzen kann. Neben der Minderung der negativen Auswirkungen des Nicht-Besitzens lassen sich auch dessen positive Aspekte kommunikativ verstärken, wie z.B. die Befreiung von Aufbewahrungs-, Wartungs-, Reparatur- und Entsorgungspflichten.

8 Ein Beispiel ist ein diversifizierter Car-Sharing-Pool, der vom zweisitzigen Elektromobil bis zum Sport-Cabrio dem Nutzer fast alle Möglichkeiten bietet.

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

S.3

105

Gestaltung der geteilten Nutzung

Der Aspekt der geteilten Nutzung folgt bereits aus dem vorangehenden Aspekt des zeitlich beschränkten Besitzes: wenn ein Produkt nacheinander von mehreren Personen genutzt wird, handelt es sich um serielles Teilen. Eher wird mit geteilter Nutzung jedoch die gleichzeitige Miteinandemutzung assoziiert, also das parallele Teilen, wie es v.a. mit NutzungsDienstleistungen verbunden ist. Grundsätzlich muß es Ziel des Anbieters sein, die negativen Aspekte des Teilens (insb. Einschränkung der individuellen Freiheit) möglichst gering zu halten und gleichzeitig ein positives, nutzenstiftendes Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Dazu könnte der Anbieter die Schaffung eines persönlichen Kontaktes unter den Nutzern unterstützen. Als Vorbild dafür bieten sich die erfolgreichen Kundenklubs von Markenartiklern an. Diese bieten unter anderem die Möglichkeit der Kommunikation unter Gleichgesinnten, was für den einzelnen zu emotionaler Verstärkung und Kompetenzgewinnen fuhren kann. Derartige Ansätze lassen sich auch für ökologisch orientierte Leistungsanbieter andenken, zumal ihre dezentrale Organisation mit einer lokalen Konzentration der Kundenstruktur einhergeht, was die Bildung enger sozialer Kontakte begünstigt.

5.4

Gestaltung des beschränkten Veränderungsrechts

Der Nutzer von Leasinggütem und Dienstleistungen kann für sich kein unbeschränktes Veränderungsrecht in Anspruch nehmen, da ansonsten die Wiederverwendbarkeit nicht gesichert wäre. Dennoch hat der Anbieter die Möglichkeit, auch hier dem Wunsch des Konsumenten nach Individualisierung und Inbesitznahme entgegenzukommen, wenn durch einen modulartigen Aufbau die Voraussetzung für den Austausch spezieller Teile gegeben ist, die das ästhetische Erleben oder die funktionale Qualität des Produktes stark beeinflussen. Aus Anbietersicht ist die Reichweite des Veränderungsrechts vor allem eine Frage der Zahlungsbereitschaft des Nutzers. Werden jedoch auch die ökologischen Zielsetzungen miteinbezogen, so sind hier eindeutige Grenzen zu ziehen, damit die Ziele der Nutzungsdauerverlängerung und -intensivierung nicht konterkariert werden.

Kapitel 5

106

5.5

Gestaltung des veränderten Zahlungsbezugs

Eine nutzungs-, zeit- oder ergebnisabhängige Leistungsentlohnung geht mit einer weitgehenden Veränderung des Preisbewußtseins und des Preisurteilsverhaltens der Konsumenten einher. Beim Produktkauf ist der Preis fix, unabhängig von der Nutzungshäufigkeit und der Lebensdauer. Entsprechend unsicher ist der Preis der einzelnen Nutzungseinheit, der - wie in Abb. 3 dargestellt - mit der Nutzungshäufigkeit sinkt. Im Falle des eigentumslosen Konsums verhält es sich genau umgekehrt: der Preis der Nutzung bzw. des Nutzungsergebnisses ist fix, wieviel jedoch insgesamt für die Nutzung eines Sachgutes ausgegeben werden muß, ist ex ante unbekannt. Dies kann bei Konsumenten, die sich nach wie vor am Preis des Eigentums orientieren, zu Dissonanzen fuhren. Konsumenten sind häufig nicht Willens oder in der Lage, die bei der Nutzung eigentumsloser Leistungen entstehenden Opportunitätserlöse in Form von nicht anfallenden Anschaffungs-, Instandhaltungs-, Betriebs- und Entsorgungskosten sowie Verlust- und Zerstörungsrisiken in eine Vergleichsrechnung mit einzubeziehen und auf die einzelne Nutzungseinheit umzulegen. Hinzu kommt, daß, wenn Mietprodukte in Zukunft tatsächlich haltbarer gestaltet werden, über den gesamten Lebenszyklus hinweg ein Gesamtpreis zu zahlen ist, der weit über dem des ursprünglichen, verkauften Produktes liegt. Einem Leistungsanbieter muß es deshalb gelingen, seine Preisgestaltung für die Nutzer transparent und nachvollziehbar zu machen und/ oder Nutzungs- bzw. Dienstleistungspreise als eigene Beurteilungskategorie zu etablieren, die nicht im Verhältnis zur völlig anderen Marktleistung des Produktabsatzes beurteilbar sind. Ein wichtiges Gestaltungsprinzip muß auch die Vereinfachung des einzelnen Zahlungsvorganges sein, um die Transaktionskosten trotz erhöhter Transaktionshäufigkeit in Grenzen zu halten. Insbesondere beim Langzeit-Leasing ist darüber hinaus die Zeitperspektive der Preisgestaltung zu beachten. Die Langfristigkeit der Bindung und die eingeschränkte Wechselmöglichkeit beider Marktseiten wirft dabei wettbewerbsrechtliche Probleme auf. Eine Orientierung für diesbezügliche Lösungsansätze könnte das Contracting 9 liefern, wie es insbesondere von Energieversorgungsuntemehmen im business-to-business Bereich angewendet wird. Grundsätzlich zeigt sich beim Contracting die Notwendigkeit, von relativ langen Amortisationszeiträumen (hier ca. 15 Jahre) auszugehen und spezielle Leasinggesellschaften zur Zwi-

9 Beim Contracting werden in der Regel Energieeinsparinvestitionen durch einen Contractor getätigt, der auch Eigentümer der verwendeten energiesparenden Anlagen bleibt. Die Finanzierung erfolgt im Idealfall über die beim Contracting-Nehmer eingesparten Energi ekosten.

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

107

schenfinanzierung einzuschalten. Um hier zu der notwendigen Planungssicherheit zu kommen, ist eine erweiterte und genauere produktbezogene Lebensdauerplanung und -kontrolle notwendig.

S.6

Gestaltung der Verantwortung für den Werterhalt

Die Konzepte des "Leistungs- statt Produktabsatzes" wurden als Alternativen zur Realisierung der anbieterseitigen Produktverantwortung vorgestellt. Jedoch ist es sowohl ökonomisch als auch ökologisch notwendig, daß der Konsument nicht mehr Verantwortung abgibt, als der Anbieter zusätzlich übernehmen kann. Ohne ein Mindestmaß an Pflegeorientierung des Endnutzers kann kein Leistungsabsatzsystem überleben. Von Kritikern eines reinen Leistungsabsatzes wird häufig das Verlorengehen einer "spezifische(n) Pflegeorientierung" (Schultz u.a. 1992, S. 63) befurchtet, die Konsumenten nur gegenüber ihrem Eigentum besäßen. Diesem Problem stehen jedoch auf der anderen Seite erweiterte Einflußmöglichkeiten der Anbieter als Produkteigentümer gegenüber. Diese kann z.B. in Form einer vertraglichen Regelung von Nutzerrechten und -pflichten genutzt werden. Derartige Regeln müssen kontrollierbar und Verstöße durch die Art und den Zeitpunkt der vereinbarten Zahlungen sanktionierbar sein. Jedoch scheitert ein ausschließlich an dem Prinzip von Regeln und Strafen orientiertes System an prohibitiven Kontroll- und Sanktionskosten, wenn nicht eine Mindestmoral aller Systemteilnehmer etabliert werden kann. Entsprechend sind das bereits angesprochene Gemeinschaftsgefühl unter den Nutzern, aber auch eine von gegenseitigem Vertrauen geprägte Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager, weitere wichtige Ansatzpunkte für den Erhalt der konsumentenseitigen Pflegeorientierung.

6.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Ausführungen haben gezeigt, daß Konsum ohne Eigentum gleichzeitig Ökologisierungspotentiale und neue Marktchancen für Anbieter eröffnen kann. Allerdings leiten sich aus den zu berücksichtigenden Rahmenfaktoren auch viele Hemmnisse ab, die einer raschen und umfassenden Diffusion eines "Leistungs- statt Produktabsatzes" im Konsumgüterbereich noch entgegenstehen. Zu nennen sind hier insbesondere das (Transaktions-)Kostenproblem, die z.T. fehlende Bereitschaft der Konsumenten, auf ihr Eigentum zu verzichten und ein teilweise er-

108

Kapitel 5

höhtes Risiko bei den Anbietern. Diese Probleme sind bei der Gestaltung der alternativen Transaktionsformen zu bedenken und durch entsprechende Maßnahmen abzumildern. Grundprinzip ist dabei die Entbündelung der bisherigen Marktangebote und ihre funktionsorientierte Neuzusammensetzung im Sinne eines ökologischeren Konsums ohne Eigentum. Die Attraktivität der dabei entstehenden Leistungsbündel ist, ebenso wie beim traditionellen Konsumgütermarketing, stark einzelfallabhängig. Grundsätzlich gilt, daß der Konsum auch in Zukunft nie vollständig eigentumslos sein wird, daß es aber gute Gründe gibt, ihn weniger eigentumslastig zu gestalten als heute. Im Aufzeigen des Prinzips der Leistungsentbündelung liegt zudem ein Wert, der über den konkreten Leistungsabsatz hinausweist. Bei einer genauen Betrachtung von Elementen wie Produktrücknahme oder Zeit- und Nutzimgsabhängigkeit des Preises zeigt sich, daß diese durchaus auch mit Eigentum verknüpft werden könnten (z.B. in Form entsprechender Rücknahme-/ Rückkaufverpflichtungen, Pfandregelungen und/ oder erweiterten Garantieleistungen). Welche Form letztlich marktfähiger ist, muß sich im Einzelfall erweisen. Neben ökonomischen Argumenten sind aber auch gesellschaftspolitische Überlegungen auf das Prinzip des Konsums ohne Eigentum anzuwenden. So ersetzen die dargestellten Miet- und Dienstleistungen nicht nur das Produkteigentum, sondern z.T. auch die mit ihnen vollzogene Haushaltsproduktion und Selbstversorgung. Werden derartige Leistungen auf dem Markt nachgefragt, dann geht jeder Nutzung ein finanzieller Abwägungs- und Entscheidungsprozeß voraus. Damit kann eine zunehmende Bedeutung des Marktes im persönlichen Alltag verbunden sein bzw. mit den Worten Habermas die Gefahr einer fortschreitenden "Kolonialisierung" der Lebenswelt durch ökonomische Systemimperative (Habermas 1995, S. 292f.). Der Wunsch der Menschen nach Eigentum läßt sich aus dieser Perspektive auch als Abwehrreaktion gegen einen Übergriff des Marktes auf das Privatleben interpretieren. Diesen sozialen Aspekt gilt es zu berücksichtigen, wenn man sich in Zukunft Gedanken über ökologische und wirtschaftsverträgliche Alternativen zum Produkteigentum macht. Nur eine Strategie, die ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen gerecht wird, ist langfristig zukunftsfähig.

Ökologischerer Konsum ohne Eigentum

109

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Kapitel 5

110

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Kapitel 6 Trends in der Umweltschutztechnologie von Eberhard Böhm und Harald Hiessl

1. Die Rolle der Technologie im Umweltschutz und als Beitrag für umweltverträgliches Wirtschaften

112

2. Technologien zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit von Produktionsprozessen

115

2.1 Trends bei additiven Technologien

115

2.1.1 Verfahrenstechnik

116

2.1.2 Biotechnologie

117

2.1.3 Werkstoff-und Oberflächentechnik

117

2.1.4 Chemie und physikalisch-chemische Analytik

118

2.1.5 Verwertung von Rückständen

118

2.1.6 Dezentral einsetzbare Technologien 2.2 Trends bei produktionsintegrierten Technologien

119 119

3. Beitrag der Meß-, Steuer-, Reglungs- und der IuK-Technologien im Umweltschutz

121

3.1 Meß-, Steuer- und Regelungstechnik (MSR) zur Überwachung und Prozeßführung 3.2 Informations-und Kommunikationstechnik (IuK) 4. Technologien zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit von Produkten

121 123 124

4.1 Gestaltung umweltfreundlicher Produkte

124

4.2 Nutzungsintensivierung und Lebensdauerverlängerung von Produkten

125

5. Systematische Ansätze zur Erhöhung der Ressourcenproduktivität 5.1 Das japanische Ecofactory-Konzept

127 127

5.2 Redistributionslogistik

129

5.3 Technologien zur zwischenbetrieblichen Vernetzung

130

5.4 Produktbegleitende Informationssysteme

132

6. Künftige Bedeutung von Umwelttechnologien

134

Literatur

135

112

1.

Kapitel 6

Die Rolle der Technologie im Umweltschutz und als Beitrag für umweltverträgliches Wirtschaften

Die Notwendigkeit, aufgetretene Umweltschäden spürbar und möglichst rasch zu reduzieren, führte dazu, daß lange Zeit vornehmlich zurückdrängende und wiederherstellende Umweltschutzmaßnahmen ergriffen wurden. Die Maßnahmen konzentrierten sich deshalb zunächst überwiegend auf die Reduzierung der Emissionen bestehender Produktionsverfahren, wobei zunächst die nachsorgenden, additiven (end-of-pipe) Umwelttechnologien für Produktionsanlagen und für Kraftwerke sowie Sanierungsmaßnahmen im Vordergrund standen. Beispiele sind Filter-, Wasch- und Sorptionsanlagen zur Entstaubung und Abgasreinigung, biologische und physikalisch-chemische Abwasserreinigungsanlagen und Anlagen zur thermischen Behandlung flüssiger und fester Abfälle. Zudem wurden Deponieräume für die entstehenden Abfalle zur Verfügung gestellt und die Anforderungen an diese Deponien Schritt für Schritt erhöht. Diese Vorgehensweise führte zu einer weitgehend medialen Spezialisierung bei der Entwicklung

und

Anwendung

Umweltschutzanforderungen

verlangten

additiver daher

Umwelttechnologien. zunehmend

aufwendigere

Steigende technische

Lösungen, die mit stark steigenden Kosten und in der Regel auch mit einem erhöhten Energieverbrauch verbunden sind. Seit einigen Jahren sind die Entwicklungsanstrengungen im Umweltschutz vor allem durch die Erkenntnis bestimmt, daß durch steigende Anforderungen nicht nur die Kosten von additiven Umwelttechnologien überproportional wachsen, sondern daß nachgeschaltete Entsorgungsanlagen die Probleme der Emissionen in die Luft und Gewässer nur in den Abfallbereich verlagern. Hierdurch wachsen zum einen die Abfallmengen und zum anderen enthalten die Abfalle kritische Inhaltsstoffe. Dies führt zu Entsorgungsschwierigkeiten und zu erheblichen Folgekosten. Daraus ergab sich die Forderung nach einem medienübergreifenden Ansatz,

d.h.

danach,

Probleme

durch

sogenannte

produktionsintegrierte

Umweltschutztechnologien zu lösen, die Schadstoffemission und Abfälle aus Produktionsund Fertigungsverfahren von vornherein vermeiden oder verringern.

Trends in der Umweltschutztechnologie

Die

Anstrengungen

bei

den

additiven

und

den

113

produktionsintegrierten

Umweltschutztechnologien haben bei vielen Schadstoffen zu deutlichen Verringerungen der Emissionen gefuhrt. Die lokale und regionale Immissionssituation wichtiger Luftschadstoffe und die Belastung der Oberflächengewässer in der Bundesrepublik konnten dadurch zwar erheblich verbessert werden, aber gleichzeitig sind andere Umweltprobleme in den Vordergrund gerückt wie z.B. globale Klimaveränderungen, Verlagerung von Abwasser- und Abluftproblemen in den Abfallbereich, stark angestiegene Stofiflüsse und Umweltbelastungen durch Gebrauch und Entsorgung von Produkten. Es wurde deutlich, daß für eine weitere Verbesserung eine systemare, ganzheitliche Sicht notwendig ist, die nicht nur die eigentlichen Produktionsprozesse, sondern auch die Produkte in die Überlegungen zur Entlastung der Umwelt einbezieht. Da in allen Phasen des Produktlebenszyklus (Herstellung, Nutzung, Entsorgung/ Verwertung) Umweltbelastungen auftreten bzw. Ressourcen ineffizient genutzt werden können, muß der gesamte Lebenszyklus bei der Beurteilung der Umweltfreundlichkeit eines Produktes berücksichtigt werden. Während bei der bisherigen produktionsorientierten Betrachtung i.d.R. nur die Hersteller der Vorprodukte bzw. des Produktes selbst als Wirtschaftsakteure in die Umweltschutzüberlegungen einzubeziehen waren, kommen durch die Ausweitung der Sichtweise auf den gesamten Produktlebenszyklus weitere Wirtschaftsakteure (z.B. Handel, Endverbraucher, Instandhalter) hinzu, die im Verlauf des Produktlebens die Umweltbelastungen durch den Gebrauch des Produkts bzw. die effiziente Nutzung der im Produkt enthaltenen Ressourcen beeinflussen können. Die mit diesem Ansatz verbundenen produktorientierten Umweltschutztechnologien umfassen nicht nur umweltentlastende bzw. ressourcenproduktivitätserhöhende Maßnahmen im Rahmen der technischen Auslegung des Produktes, sondern auch entsprechende organisatorische Maßnahmen, welche die Art und den Umfang der Produktnutzung betreffen. Der Einsatz von Umwelttechnologien zum Schutz der Umwelt (bzw. zur Sanierung von geschädigten (Öko-)Systemen verlangt von der Wirtschaft bzw. von den Unternehmen, die sie anwenden müssen, zusätzliche Anstrengungen, um die gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Umwelt umzusetzen, d.h. aus betriebswirtschaftlicher Sicht entstehen dadurch in der Regel zusätzliche Kosten. Umweltschutz fuhrt dabei zu einer Verteuerung der Produktion und damit zur Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. In Zukunft wird aber gerade auch im Zusammenhang mit produktionsund produktorientierten Umweltschutztechnologien zu berücksichtigen sein, daß Abfalle und Emissionen aus der Herstellung und Nutzung von Produkten im Grunde ineffizient eingesetzte, d.h. verschwendete Ressourcen sind und sie damit ein Kosteneinsparungspotential liefern. In diesem Sinne

Kapitel 6

114

sind Umweltschutztechnologien nicht mehr nur Maßnahmen zum Schutze der Umwelt, sondern auch Chancen zur Verbesserung der Ressourcenproduktivität. Damit kommt ihnen auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine zunehmende Bedeutung bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu. Künftig werden neben den oben genannten Umweltschutztechnologien weitere Technologien zur Erhöhung der Ressourcenproduktivität hinzukommen. Diese Ansätze sehen z.B. natürliche Ökosysteme nicht mehr wie bisher als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung, indem sie das in natürlichen Ökosystemen bewährte Konzept der Vernetzung von Prozessen als Vorbild für die Verbesserung der RessourcenefFizienz in technischen Systemen nutzen. Wie in Abbildung 1 dargestellt, ergeben sich damit insgesamt drei Handlungsfelder für die Anwendung von Umwelttechnologien: 1. Umweltfreundliche

Produktions-

und Fertigungsverfahren:

industrielle

Herstel-

lungsprozesse werden so modifiziert, daß sie weniger bzw. weniger umweltschädliche Emissionen und Abfalle erzeugen bzw. freisetzen. Dies kann durch additive oder durch prozeßintegrierte Technologien und durch Maßnahmen zur besseren Steuerung/ Regelung der Prozesse erfolgen. 2. Umweltfreundliche Produkte-, das Produktkonzept bzw. -design und die im Produkt eingesetzten Werkstoffe und Komponenten werden so modifiziert, daß die Produkte während ihres gesamten Produktlebenszyklus' umweltfreundlicher sind, d.h. weniger Emissionen und Abfalle erzeugen, besser und länger nutzbar sowie leichter recyclierbar sind. 3. Ganzheitliche Konzepte zur nachhaltigen Ressourcennutzung: das Wirtschaftssystem als Ganzes, einschließlich aller beteiligten (Herstellungs-, Nutzungs- und Entsorgungs-) Prozesse, der Produkte und ihrer Nutzungskonzepte sowie der Wechselbeziehungen zwischen den Wirtschaftsakteuren wird so verbessert, daß weniger Werkstoffe und weniger Energie pro Einheit des erzeugten Wertes oder Nutzens verbraucht werden. Hierzu gehört auch eine systematische Vernetzung der Wirtschaftsakteure mit dem Ziel, die

Ressourcenproduktivität

zu

erhöhen,

bspw.

durch

eine

systematische

zwischenbetriebliche Vernetzung (auf stofflicher und energetischer Ebene).

Trends in der Umweltschutztechnologie

115

Umweltfreundliche Produktions- und Fertigungsverfahren (Produktionsintegrierte Umweltschutztechnologien) Umweltfreundliche Produkte (Produktorientierte Umweltschutztechnologien) Nachhaltige Ressourcennutzung (Technologien zur Erhöhung der Ressourcenproduktivität)

Abb. 1:

2.

Die Rolle der Technologie im Umweltschutz

Technologien zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit von Produktionsprozessen

2.1

Trends bei additiven Technologien

Additive (end-of-pipe) Techniken sind die meist verwendeten Umweltschutzmaßnahmen, da sie universell anwendbar sind, leicht in bestehenden Anlagen nachgerüstet und relativ kurzfristig realisiert werden können. Auch im produktionsintegrierten Umweltschutz (vgl. Abschnitt 2.2) werden sich Emissionen und Abfalle und damit additive Techniken nicht ganz vermeiden lassen, ihre Anwendung wird jedoch in der Kombination beider Konzepte durch spezifischere Lösungen und geringere Kosten (kleinere Anlagen) gekennzeichnet sein. Als typisches Querschnittsgebiet ist die klassische Umweltgüterindustrie keine eigenständige Branche, sondern traditionell ein wichtiges Betätigungsfeld zahlreicher Branchen wie bspw. des Maschinenbaus, des Apparate- und Anlagenbaus, der Meß- und Regeltechnik, der Elektrotechnik sowie der Bauindustrie. Der Markt für Umwelttechnik zeichnet sich durch seine

116

Kapitel 6

große Vielfalt und Komplexität an Produkten und Technologien aus, die in nahezu allen Branchen Anwendung finden. Technologische Innovationen im Umweltschutz profitieren stark vom Entwicklungspotential der unterschiedlichsten Fachrichtungen, wobei die Technologiefelder Verfahrenstechnik, Biotechnologie, Werkstoff- und Oberflächentechnik, Chemie und physikalisch-chemische Analytik, sowie Meß-, Steuer- und Regelungstechnik einen besonderen Einfluß haben.

2.1.1 Verfahrenstechnik Additive Umwelttechnik ist in weiten Bereichen ein spezifisches Anwendungsfeld der klassischen Verfahrenstechnik, d.h. vor allem der physikalischen Grundverfahren (unitoperations) zur Trennung/ Reinigung von Gasen, Flüssigkeiten und Feststoffen (mechanisch, thermisch, magnetisch, elektrolytisch), zur Zerkleinerung oder Agglomeration von Feststoffen, zum Mischen und Lösen von Substanzen unterschiedlichster Beschaffenheit und Aggregatzustände. Für diese Aufgaben wird eine Vielzahl von Apparaten und Maschinen eingesetzt, wodurch sich die große Breite des Angebots der Umweltschutzgüterindustrie allein im Bereich des Apparate- und Maschinenbaus erklärt. Durch verschiedenste Apparatekonstruktionen kann die technische Reaktionsführung auf die jeweiligen Aufgabenstellungen angepaßt

werden

(z.B.

in

Abhängigkeit

von

physikalischen

Stoffdaten

oder

Stoffkonzentrationen). Der verfahrenstechnische Ansatz steht bei Problemlösungen der Wasser- und Abgasreinigung sowie bei der Behandlung von kontaminierten Böden, Schlämmen und festen Abfallstoffen im Mittelpunkt. Beispiele für verfahrenstechnische Entwicklungen mit stark wachsender Bedeutung für die Umwelttechnik sind die Trennung von Gas- und Flüssigkeitsgemischen sowie von Lösungen durch Membranverfahren und Ionenaustauscher sowie die elektrostatische Trennung gemischter Kunststoffabfälle. Ein Beispiel für die Verbesserung des Wärme- und Stoffaustausches ist die Wirbelschichttechnik, die in Primärprozessen und in additiven Prozeßschritten

eingesetzt

werden

kann.

Weitere

Beispiele

sind

(Oberflächen-)

Reinigungsverfahren auf Basis wässriger Systeme, Kryo-Verfahren (u.a. mit überkritischem C0 2 ) oder Plasmaverfahren, wo bspw. dielektrisch behinderte Entladungen (DBE) zur Plasmaerzeugung eingesetzt werden. DBE-Verfahren werden derzeit auch für Aufgaben der Abgasreinigung im Kfz-Bereich entwickelt.

Trends in der Umweltschutztechnologie

117

2.1.2 Biotechnologie Die Biotechnologie, d.h. die Anwendung biologischer Prozesse in technischen Einrichtungen, bietet ein erhebliches Potential der Erweiterung und Verbesserung verfahrenstechnischer Problemlösungen im Umweltschutz. Neben den klassischen Einsatzfeldem der kommunalen Abwasserreinigung

und

der

Behandlung

organischer

Abfälle,

die

noch

immer

Entwicklungsmöglichkeiten bieten (z. B. biologische Phosphorelimination aus Abwasser) liegen künftige Entwicklungschancen in der biologischen Behandlung industrieller Abwässer, der Abluftreinigung und der Behandlung von Abfallen. Beispielhaft sei hier auf die sich derzeit in Entwicklung befindlichen biomimetischen Metallsorptionsverfahren für eine selektive Rückgewinnung von toxischen Schwermetallionen aus stark verdünnten wässrigen Lösungen (bspw. Abwässern) hingewiesen. Darüberhinaus kommen auch im Bereich der Altlastensanierung

zunehmend

biologische

Verfahren

für

die

(in-situ)

Sanierung

kontaminierter Böden und Grundwässer zum Einsatz (NRC 1994).

2.1.3 Werkstoff- und Oberflächentechnik Fortschritte in der Entwicklung und Anwendung neuer Werkstoffe haben in den letzten Jahren stimulierende Wirkung auch in der Umwelttechnik gehabt. Dieser Trend wird auch künftig anhalten. Neben der funktionalen Verbesserung der für die technische Anwendung wichtigen Werkstoffparameter, wird künftig auch die Recyclierbarkeit der Werkstoffe eine zunehmend wichtige Anforderung bei der Entwicklung neuer Werkstoffe sein. Vor allem hochtemperaturfeste und korrosionsbeständige Legierungen und Keramiken ermöglichen sowohl neue produktionsintegrierte

Umwelttechniken,

als

auch

Verfahrensverbesserungen

bei

nachgeschalteten Prozessen (z. B. thermische Behandlung von Sonderabfallen, keramische Träger für Katalysatoren). Ein Beispiel hierfür ist die Keramik-Metallegierung Cermet. Dieser Werkstoff ist härter und haltbarer als Stahl, gleichzeitig so leicht wie Aluminium und darüber hinaus korrosionsbeständig und nicht toxisch. Korrosions- und verschleißbeständigere Oberflächenbeschichtungen verlängern die Lebensdauer von Bauteilen und Maschinenelementen. Durch

umweltfreundlichere Beschichtungsverfahren können die

Emissionen

kritischer Luft- und Wasserschadstoffe erheblich reduziert werden (z.B. lösemittelfreie Beschichtungsmaterialien

auf Basis von Photokatalysatoren). Als weiteres wichtiges

Entwicklungsfeld sind polymere Werkstoffe zu nennen, die bei günstigen Kosten hohe Festigkeiten erreichen, korrosionsfest sind und erhebliche Gewichtseinsparungen ergeben können.

Besonders

unterschiedlichster

wichtig

für

Eigenschaften

die und

Umwelttechnik

sind

Ionenaustauscherharze,

polymere mit

denen

Membranen sich

neue

Trennverfahren realisieren lassen. Ein weitere wichtige Werkstoffgruppe sind die Aerogele, Feststoffe, die so porös sind, daß sie annährend die gleiche Dichte wie Luft haben. Sie eignen

Kapitel 6

118

sich u.a. für thermische und elektrische Isolationen (Aerogele aus Kieselerde) oder als Speicher für elektrische Energie mit sehr hoher Speicherdichte (Aerogele aus Kohlenstoff); u.a. eignen sich Aerogele auch als voltaische Filter zur Entsalzung und Reinigung von Wasser.

2.1.4 Chemie und physikalisch-chemische Analytik Die Chemie spielt nicht nur bei der Entwicklung polymerer Werkstoffe eine zentrale Rolle; weitere Anwendungsfelder chemischer Erzeugnisse in der Umwelttechnik sind Katalysatoren und Hilfsstoffe, unter anderem auch für additive Umwelttechniken.

Umwelttechnisch

bedeutsam ist die Substitution kritischer Substanzen, die in Produktionsverfahren und Produkten eingesetzt werden. Schließlich haben sich die heute in der Umweltanalytik eingesetzten physikalisch-chemischen Meßverfahren, z.B. für Spurenanalytik, mit wenigen Ausnahmen aus der Laboranalytik entwickelt (vgl. Abschnitt 3).

2.1.5 Verwertung von Rückständen Bei

der

Herstellung von Produkten aus unterschiedlichen

Grundstoffen oder

Zwi-

schenprodukten geht nur ein Teil der Stoffmenge als Wertstoff in das Produkt ein, der Rest fällt als Rückstand aus dem Produktionsprozeß an. Die Rückstände entstehen bei der Stoffaufbereitung und -umsetzung, bei Reinigungs- und Trennschritten, bei Prozessen der Werkstoff- oder Werkstückbehandlung und -Veredlung. Rückstände, die aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht verwertet werden können, müssen als Abfälle entsorgt werden. Knappe Entsorgungskapazitäten und gestiegene Entsorgungskosten haben in den letzten Jahren

zu

verstärkten

Bemühungen

geführt,

diese

Rückstände

in

nachgelagerten

Produktionsprozessen wenigstens teilweise zu verwerten (Angerer 1995; Böhm 1995). Die Verbundproduktion in der chemischen Industrie ist das klassische Beispiel dafür, daß diese Verwertung von Rückständen (Nebenprodukten) in der industriellen Produktion eine lange Tradition hat. Bei der Verwertung entstehen in der Regel wiederum Rückstände / Abfälle, die aber mengenmäßig reduziert werden oder durch Abtrennung kritischer Bestandteile leichter zu entsorgen sind. Neben der Verwertung im eigenen Produktionsverbund gibt es zunehmend Ansätze,

die

Rückstände

in

Zusammenarbeit

mit

(zwischenbetriebliches Recycling; vgl. Abschnitt 5.1).

anderen

Branchen

zu

verwerten

Trends in der Umweltschutztechnologie

119

2.1.6 Dezentral einsetzbare Technologien Schließlich

können

mehrere,

bspw.

für

die

Herstellung

eines

wichtigen

Produktionshilfsstoffes oder für die Entgiftung von Prozeßabwässern nötige Teilprozesse zu einem Gesamtprozeß zusammengefaßt und als eigenständige Anlage dezentral eingesetzt werden. Durch diese sog. „point-of-use-'Technologien können die benötigten Stoffe zum Zeitpunkt des Bedarfes vor Ort produziert werden. Damit lassen sich vor allem bei toxischen Stoffen die Umweltgefahren im Zusammenhang mit Lagerung und/oder Transport verringern.

2.2

Trends bei produktionsintegrierten Technologien

Der Begriff produktions- oder prozeßintegrierter Umweltschutz steht für alle Produktionsund Fertigungsverfahren, in denen Schadstoffemissionen und Abfälle von vornherein vermieden oder bereits an der Quelle erheblich verringert werden (Böhm 1995; Coenen et al. 1995). Die Tendenz, herkömmliche Verfahren durch umweltschonendere zu ersetzen, wird künftig in allen Branchen ein eigenständiger Bestandteil von Neuentwicklungen sein. Da die jeweiligen Lösungen von den eingesetzten Produktions- und Fertigungstechnologien abhängen, sind sie i.d.R. sehr problem- oder branchenspezifisch. Es spielen aber viele der in Abschnitt 2.1 behandelten Technologiefelder eine wichtige Rolle. Femer existieren Methoden zur Optimierung bei der strategischen Planung, Entwicklung und Projektierung umweltfreundlicher

Verfahren

(Hassan/

Kostka

1993;

Steinbach

1996).

Generelle

branchenübergreifende Ansatzpunkte, die eine Basis für Verbesserungen der herkömmlichen Verfahren im spezifischen Einzelfall darstellen, faßt Abbildung 2 zusammen.

120

Kapitel 6

Prozeß-Inputs

Abb. 2:

>

Produktionsprozeß^

Prozeß-Outputs

>

Ansatzpunkte fiir die Entwicklung umweltfreundlicher Produktionsverfahren (in Anlehnung an Böhm 1995)

Beispielsweise können andere oder weniger verunreinigte Rohstoffe, Zwischenprodukte oder Hilfsstoffe zur Reduzierung von Emissionen und Abfallen führen, oder es lassen sich durch Substitution besonders kritische Schadstoffe vermeiden. Ein anderer Weg ist die Installation zusätzlicher Einrichtungen oder Teilschritte, um aus dem Prozeß ausgetragene Hilfsstoffe nicht zu emittieren, sondern sie direkt im Prozeß wieder zu verwenden. In der Produktion werden häufig Hilfsstoffe eingesetzt, die nicht in das Produkt eingehen, jedoch Kühlschmiermittel,

für den

Herstellungsprozeß

Reinigungsbäder,

notwendig

Katalysatoren).

Diese

sind

(z. B.

Lösemittel,

Betriebsstoffe

werden

verunreinigt oder verändern mit der Zeit ihre Eigenschaften, so daß ihr Austausch zu Produktionsrückständen führt. Gelingt es, die Verunreinigungen zu entfernen (z. B. Recyclingverfahren für Galvanikbäder) oder die Betriebsstoffe zu regenerieren (z. B. Katalysatoren), können sie wieder im Ausgangsprozeß eingesetzt werden. Für den Betriebsstoff ergibt sich damit ein geschlossenes System. Weitere Beispiele für die Schließung von Stoffkreisläufen sind die Rückführung nicht umgesetzter Anteile von Ausgangsstoffen einer chemischen Reaktion oder des Oversprays einer Lackieranlage, die aus einem Produkt oder einem Abgas-/ Abwasserstrom abgetrennt und in konzentrierterer Form wieder der ersten Prozeßstufe zugeführt werden.

Trends in der Umweltschutztechnologie

121

Das wichtigste Maßnahmenbündel im produktionsintegrierten Umweltschutz hat Änderungen des

eigentlichen

Produktions- oder Fertigungsverfahrens

verfahrenstechnische Verarbeitungsgungsprozesses

bzw.

apparative

Verbesserungen,

zum Ziel. der

Verzicht

Dazu

gehören

auf

kritische

und Behandlungsstufen eines mehrstufigen Produktions- oder oder

deren

Substitution

durch

neue,

Ferti-

ressourceneffizientere

und

umweltfreundliche Teilprozesse (vgl. Abschnitt 2.1.1). Hinzu kommt noch die Möglichkeit, ganze Prozesse oder Produktionsverbünde durch völlig neue Konzepte zu ersetzen. Beispiele für diese Maßnahmenbündel sind neue metallische und organische Beschichtungsverfahren oder neue chemische Synthesewege in der chemischen Industrie (Wiesner 1990; Christ 1996). Die Beispiele zeigen, daß die neuen Prozesse teilweise sogar deutliche wirtschaftliche Vorteile bieten. Im Gegensatz zu additiven Technologien, die in relativ kurzer Zeit (ca. 2 bis 4 Jahre) entwickelt und umgesetzt werden können, benötigen die intergrierten Maßnahmen jedoch wesentlich länger. So vergehen von ersten Forschungen über die Entwicklung bis zur Einführung produktionsintegrierter Maßnahmen im großtechnischen Maßstab meist 5 bis 10 Jahre, teilweise dauert es noch länger. Die Möglichkeiten, durch verbesserte Steuerung und Regelung Prozesse und Verfahren umweltfreundlicher und ressourceneffizienter zu betreiben, werden im folgenden Abschnitt behandelt.

3.

Beitrag der Meß-, Steuer-, Reglungs- und der IuK-Technologien im Umweltschutz

3.1

Meß-, Steuer- und Regelungstechnik (MSR) zur Überwachung und Prozeßführung

Die herausragenden Aufgabengebiete der Meßtechnik im Umweltschutz sind - neben der Ermittlung von physikalischen, chemischen und biologischen Meßgrößen für die Steuerung und Regelung von Prozessen - vor allem die Überwachung von Emissionen aus technischen Anlagen, der Arbeitsschutz, die Innenraumüberwachung und die Umweltanalytik zur Ermittlung von Schadstoffgehalten und Schadstoffanreicherungen in Luft, Wasser, Abwasser sowie in Schlämmen und Produktionsabfällen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind heute alle in

der

Umweltanalytik

interessierenden

Stoffkomponenten auch

in

sehr

geringen

Konzentrationen nachweisbar. Die Analyseverfahren stammen ganz überwiegend aus der Laboranalytik, sie sind häufig apparativ aufwendig, arbeitsintensiv und damit auch teuer.

Kapitel 6

122

Durch die Miniaturisierung analytischer wie auch physikalischer Meßverfahren mit Hilfe der Mikrosystemtechnik können Sensoren und Meßsysteme für eine Vielzahl chemischer und physikalischer Größen realisiert werden (Clement et al. 1993; Göpel et al. 1994). Da die Sensoren mit mikroelektronischen Komponenten integrierbar sind, lassen sich selbst komplexe Meßsysteme mit umfangreicher Datenverarbeitungskapazität (z.B. Signalaufbereitung, Selbsttest, Schwellwertermittlung) relativ kostengünstig und auf kleinstem Raum aufbauen. Dadurch

lassen

sich

neue

Anwendungsfelder

für in-situ

und

on-line

Überwachungen industrieller Prozesse erschließen, für die herkömmliche Meßverfahren nicht oder nur ungenügend geeignet waren. Beispiele sind Sensoren zur Innenraumüberwachung für zahlreiche Einzelgase bzw. Gasgemische oder für die in-situ Erfassung von Korrosionsprozessen, zur Früherkennung von Schäden an Gebäuden, Rohrleitungen etc.. An die Sensoren werden nicht nur hohe meßtechnische Anforderungen (bspw. hinsichtlich Selektivität, Meßgenauigkeit, Ansprechzeit, Zuverlässigkeit und Langzeitstabilität) gestellt, sondern auch bezüglich der zulässigen Einsatzbedingungen (bspw. Hitze, Kälte, Erschütterungen, Feuchtigkeit, aggressive Medien, Einfluß elektromagnetischer Felder). Trotz der beachtlichen Fortschritte (z.B. 02-Sensor zur Regelung von Drei-Wege-Katalysatoren in Kraftfahrzeugen, sog. Lambda-Sonde) besteht aufgrund der enormen Vielfalt der Anforderungen an den Sensoreinsatz in industriellen Prozessen und der großen Vielzahl der interessierenden Meßgrößen noch umfangreicher F & E-Bedarf. Die Prozeßführung und -Überwachung mit Hilfe modemer MSR-Technologien leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Ressourcenproduktivität. Durch Messung und Verknüpfung zahlreicher prozeßbestimmender Parameter kann der Prozeß auch bei wechselnden Bedingungen nahe am Optimum (bzgl. stofflichem und energetischem Wirkungsgrad, Produktqualität und Selektivität) betrieben werden. Dies spart Energie, Grund- und Betriebsstoffe und verringert Emissionen oder Abfallprodukte. Durch neue MSR-Technologien (bspw. modellgestützte und adaptive Regelungen) und durch Fortschritte im Bereich der Visualisierung, Modellierung und Simulation von Prozessen können komplexe Prozesse besser gefuhrt und die Anlagenplanung und -Optimierung verbessert werden. Dies hat neben wirtschaftlichen Vorteilen gleichzeitig auch umweltentlastende Konsequenzen.

Trends in der Umweltschutztechnologie

3.2

123

Informations- und Kommunikationstechnik (IuK)

Im Verlauf der Herstellung sowie der Nutzung werden umfangreiche prozeß- wie auch produktbezogene Daten und Informationen generiert und benötigt (bspw. für Produktplanung; für Planung, Steuerung und Optimierung von Fertigungsprozessen; für Auftragsabwicklung und die Distribution der Produkte; für Planung und Dokumentation von Wartungs- und Instandhaltung). Die Informationen fallen zeitlich wie auch räumlich verteilt und darüber hinaus noch im Zuständigkeitsbereich verschiedener Wirtschaftsakteuffe an. Bisher fehlt hier eine durchgehende Infrastruktur, um diese Informationen systematisch bereitzustellen und zu nutzen (vgl. Abschnitt 5.1 und 5.2). Dies ist aber eine wichtige Voraussetzung, wenn Stoffströme im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft geschlossen werden sollen. Hier wird zunehmend eine entsprechend leistungsfähige Informations- und Kommunikationstechnik benötigt, um die Sammlung, Speicherung, Verarbeitung, Erschließung und Darstellung von Informationen zu unterstützen. Zunächst werden hier unternehmensinteme Systeme zum Einsatz kommen, die alle mit Anlagenbestand, Produktentwicklung, Fertigung, Bestands- und Lagerverwaltung zusammenhängenden Daten und Informationen unternehmensweit erfassen und erschließen. Dadurch werden die Kommunikation und Koordination zwischen einzelnen Untemehmensbereichen ebenso unterstützt wie die Management- und Überwachungsfunktionen innerhalb des Unternehmens.

Solche

Systeme werden

als „Product

Data

Management

(PDM)",

„Manufacturing Resources Planning (MRP)" oder „Enterprise Resource Planning" (ERP) Systeme

bezeichnet. Intranets, das sind

analog dem gobalen

Internet

konzipierte

unternehmensinteme Kommunikationsnetze, ermöglichen den Aufbau kostengünstiger, von spezifischen Hardware- bzw. Softwareplattformen weitgehend unabhängiger und flexibler Netzwerke über die bspw. die o.g. Systeme untemehmensweit integrierbar sind. Aus Umweltschutzsicht sind dies wichtige Voraussetzungen dafür, daß unternehmensweite, betriebs-, prozeß- und produkt- sowie ressourcenbezogene Stoff- und Energiebilanzen zeitnah erfaßt und verfügbar werden. Dadurch stehen der Unternehmensleitung wichtige und aktuelle Kenndaten zum umweltorientierten Management (Umweltcontrolling) zur Verfügung.

124

Kapitel 6

Globale Kommunikationsnetze (z.B. Internet oder World Wide Web; W3) gewinnen auch aus Umweltschutzsicht in der Wirtschaft an Bedeutung. Bspw. stehen im W3 Abfall- und SekundärTohstoffbörsen (z.B. Recycler's World, Global Recycling Network) zur Verfügung (EPA 1994). Durch derartige Börsen werden im Vergleich zu den teilweise heute noch üblichen ,Abfallbörsen" in gedruckter Form bzw. als off-line Datenbank (z.B. IHK- bzw. DIHT-Abfallbörsen) die Transaktionskosten gesenkt und die Bildung eines funktionsfähigen Marktes für Sekundärrohstoffe durch leichteren Zugang und höhere Zeitnähe unterstützt (Vaterrodt 1995).

4.

Technologien zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit von Produkten

Hersteller werden in zunehmendem Maße dazu gezwungen sein, nicht nur die bisher externen Kosten ihrer Produktion, sondern auch die externen Kosten ihrer Produkte zu übernehmen. Damit werden sich die Anstrengungen verstärken, die Umweltbelastungen aus dem Gebrauch von Produkten zu verringern. Darüberhinaus werden die Hersteller infolge der Umsetzung der Produktverantwortung und der damit verbundenen Produktrücknahme immer stärker mit dem Recycling verbrauchter Produkte und der Frage einer Optimierung der Nutzungs- und Lebensdauer der Erzeugnisse samt ihrer Nutzungskonzpte konfrontiert. Ziel sind sog. „lean products", d.h. dematerialisierte und ressourceneffiziente Produkte mit einem möglichst hohen

Nutzengehalt

bei

möglichst

geringem

Ressourceneinsatz

(Schmidt-Bleek/

Tischner 1995).

4.1

Gestaltung umweltfreundlicher Produkte

Für den ganzheitlichen Ansatz des produktorientierten Umweltschutzes ergeben sich zunehmend Vorteile gegenüber nachsorgenden Bemühungen, da die Entsorgungskosten weit überproportional gestiegen sind und somit wachsende Anteile an den Gesamtkosten von Produkten ausmachen. Geringere Entsorgungskosten lassen somit einen gewissen Spielraum in der Kostenkalkulation bei der Verwirklichung umweltverträglicher Produktkonzepte. Häufig zeigt sich, daß trotz vieler anderer konstruktiver Anforderungen (z. B. Funktionalität, Sicherheit, Zuverlässigkeit, Bedienungsfreundlichkeit, geringes Gewicht, kleine Abmessungen) auch umweltfreundliche Aspekte und Langlebigkeit, leichte Wartung und Reparier-

Trends in der Umweltschutztechnologie

125

barkeit ohne höheren baulichen Aufwand zu verwirklichen sind (Steinhilper 1990; OTA 1992; VDI 1993). Zu Einzelheiten der umweltfreundlichen Produktgestaltung sei auf Kapitel 10 (Dyckhoff et. al.) des vorliegenden Handbuches verwiesen.

4.2

Nutzungsintensivierung und Lebensdauerverlängerung von Produkten

Die bisherige Wirtschaftsweise ist überwiegend durch eine lineare Sequenz von der Produktherstellung bis zur Deponierung gekennzeichnet, d.h. die Stoffflüsse sind in der Regel offen. Ziel der Kreislaufwirtschaft ist eine weitgehende Schließung der Stoffflüsse. Die hierfür verfügbaren Optionen sind in Abbildung 3 zusammengefaßt, wobei als Ansatzpunkte in

Reihenfolge

abnehmender

(Veredelungsstufen)

die

ökonomischer

Produkt-,

wie

Komponenten-

auch und

ökologischer Bauteileebene,

Wertstufen sowie

die

werkstoffliche Ebene unterschieden werden (Hiessl et al. 1995). Während in der Vergangenheit technologische Lösungen hauptsächlich auf der Werkstoffebene durch stoffliches Recycling zur Schließung von Kreisläufen beitrugen, werden künftig vermehrt Technologien Einsatz finden, die auf den höheren Wertstufen beim Recycling von Komponenten oder Produkten (z.B. Wiederaufarbeitung) ansetzen sowie die Wartung und Instandhaltung der Produkte verbessern. Daß dies auch wirtschaftlich tragfähig ist, zeigt das Beispiel der Wiederaufarbeitungswirtschaft in den USA. Hier sind mehr als 70.000 Unternehmen mit ca. 480.000 Beschäftigten tätig, die in 46 verschiedenen Produktsparten mit Wiederaufarbeitung einen Gesamtumsatz von über 53 Mrd. US$ jährlich erwirtschaften. Aktuellen Schätzungen (Lund 1996) zufolge erschließen sie damit bei der Energie ca. 80% bzw. bei den Werkstoffen ca. 85% der im entsprechenden Neuprodukt enthaltenen energetischen bzw. stofflichen Ressourcen für ein weiteres Produktleben. Gleichzeitig sind die Preise der aufgearbeiteten Produkte im Durchschnitt 40 bis 50% günstiger als bei entsprechenden Neuprodukten.

Kapitel 6

126

hoch

/1 l\ II Ii Rohstoffe / nat. Ressourcen \

niedrig

Abb. 3:

Optionen zur Schließung von Stoffströmen in einer Kreislaufwirtschaft (Hiessl et al. 1995)

Zur Erhöhung der Ressourcenproduktivität stehen auf Produkt-, Komponenten- und Werkstoffebene verschieden Strategien zur Verfugung (Stahel 1991): 1. Produktion länger haltbarer Produkte (Langlebigkeit). 2. Produktion und Nutzung multifunktionaler und/ oder miniaturisierter und/ oder integrierter Produkte. 3. Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten bzw. Komponenten durch Wiederbenutzung, Reparatur, Wiederaufarbeitung, -Verwendung, technische Hochrüstung, Modernisierung (Produkt- bzw. Baugruppenrecycling). 4. Werkstoffrückgewinnung durch direkte Rückgewinnung aus Fabrikationsabfällen und/ oder sortenreines Stoffrecycling genutzter Produkte und/ oder Rückgewinnung von Stoffen aus Abfallgemischen (Stoffrecycling).

Trends in der Umweltschutztechnologie

127

5. Kommerzielle Strategien einer nachhaltigen Produktnutzung durch Verkauf von Nutzen statt Verkauf von Produkten (Produktvermietung), gemeinsame oder mehrfache Nutzung

(Nutzungsintensivierung),

Verkauf

von

Reparatur-

und

Nachrüstungs-

dienstleistungen (Modernisierung) statt Ersatzverkauf von Produkten. Diese Strategien sind wesentlicher Bestandteil des produktorientierten

Umweltschutzes

(Bierter et al. 1996). Für ihre Anwendung, aber auch für die Erfüllung der Produkthaftung, der Produktverantwortung sowie der Qualitätssicherung werden jedoch vielfältige Informationen benötigt. Hierzu gehören u.a. Informationen über die werkstoffliche Zusammensetzung der Produkte und Komponenten, ihren Aufbau, ihren Alterungszustand bzw. ihre Abnutzung und über durchgeführte Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen. Da diese Informationen bisher weder in ausreichendem Umfang noch am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden können, werden die inhärenten Wertpotentiale der Abfälle bzw. Altprodukte von den Unternehmen nicht bzw. nur sehr zögerlich erschlossen. Eine durchgängige „Informationsinfrastruktur" könnte dieses Potential zur Verbesserung der Ressourcenproduktivität erschließen (vgl. Abschnitt 5.2). Die Meßtechnik ist hier insbesondere dahingehend gefordert, Meß- und Prüfverfahren bereitzustellen,

mit

denen

die

Wiederaufarbeitungsfahigkeit

und

-Würdigkeit

von

Gebrauchtprodukten und -komponenten beurteilt werden kann.

§.

Systematische Ansätze zur Erhöhung der Ressourcenproduktivität

Über die oben dargestellten Ansätze hinaus werden künftig in verstärktem Maß weitere Ansätze

zur

Erhöhung

der

Ressourcenproduktivität

Anwendung

finden.

Dies

sind

Redistributionssysteme, Maßnahmen zur systematischen zwischenbetrieblichen Vernetzung verschiedener

Unternehmen

sowie

Maßnahmen

zur

Schaffung einer

durchgängigen

Informationsinfrastruktur zur Vernetzung der Akteure im gesamten Produktlebenszyklus.

5.1

Das japanische Ecofactory Konzept

In einer konzertierten Aktion von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sollen in Japan Technologien für eine nachhaltige Wirtschaftsweise entwickelt werden. Eine wesentliche, vor allem auf die Produktion ausgerichtete Initiative des MITI ist das Ecofactory-Konzept (Inoue

Kapitel 6

128

et al. 1992). Ziel dabei ist eine speziell auf die Steigerung der Recyclingrate ausgerichtete Technologieentwicklung, wodurch die natürlichen Ressourcen effizienter genutzt und die Umweltbelastung und das Entsorgungsproblem reduziert werden sollen. Abb. 4 zeigt die wichtigsten Technologiebereiche des Ecofactory-Konzeptes. Aus technologischer Sicht hat das Ecofactory-Konzept die primären Forschungsschwerpunkte: • Neue Technologien zur Produktplanung, -gestaltung und -fertigung unter intensiver Nutzung von Modellen, Datenbanken und Virtual Reality Technologien. • Neue Technologien zur Reduktion des Abfallaufkommens im Produktionssektor. • Neue Technologien zur leichten und weitgehend automatisierten Demontage von Altprodukten und zur Recyclierung von Produkten und Werkstoffen. • Entwicklung neuartiger Werkstoffe mit hoher Recyclingfahigkeit und hohem Qualitätsund Funktionalitätsstandard. Die Produktbewertung beim Ecofactory-Konzept erfolgt nicht mehr nur nach rein ökonomischen (z. B. Produktivität, Wirtschaftlichkeit und Marktfahigkeit), sondern auch nach ökologischen, den gesamten Produktlebenszyklus berücksichtigenden Kriterien (z.B. Minimierung des Energie- und Materialverbrauchs; Nutzung regenerativer Energieträger; Verzicht auf umweltbelastende

Stoffe; Reduktion des Abfallaufkommens bei

Produktion,

Altprodukte und beim Produktgebrauch; Verwendung wiederverwertbarer Werkstoffe).

Abb. 4:

Die wichtigsten Technologiebereiche im Ecofactory-Konzept

durch

Trends in der Umweltschutztechnologie

5.2

129

Redistributionslogistik

Produzierende Unternehmen mußten sich bisher nur im Zusammenhang mit den klassischen Bereichen Ressourcenbeschaffung, Produktion und Versorgung der Verbraucher mit Logistik befassen (Versorgungs- und Distributionslogistik). Durch die mit dem Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz eingeführte Produktverantwortung und die damit verbundene Erweiterung der Verantwortung des Unternehmens auf den gesamten Produktlebenszyklus, müssen die Unternehmen im Zusammenhang mit der Rücknahme verbrauchter Produkte zunehmend die Redistributionslogistik (Rücknahme- und Demontagelogistik) in Angriff nehmen. Es wäre wünschenswert, wenn bereits bestehende Distributionslogistiksysteme die neue Aufgabe der Redistribution übernehmen könnten. Distributionssysteme sind aber für Neuprodukte konzipiert, d.h., sie sind vor allem bezüglich der hieraus resultierenden Anforderungen an Verfügbarkeit, Transportlaufzeit

und Handling

(Vermeidung

von

Transportschäden)

optimiert. Dies führte zu (oft einstufigen) zentralisierten Systemen, die einerseits schnell sind und andererseits gleichzeitig noch die Kapitalbindung infolge Lagerhaltung hochwertiger Produkte sowie die Lagerhaltungskosten minimieren. Zur Unterstützung der Lagerhaltung und der

Distribution

stehen

umfangreiche

IuK-technische

Systeme

zur

automatischen

Identifikation und Warenverfolgung zur Verfügung. Beispiele hierfür sind optische (z.B. Barcodes) oder magnetische Etikettierungssysteme (z.B. Magstripes). Im Gegensatz zu einem Distributionssystem muß ein Redistributionssystem andere Anforderungen erfüllen. So ist bei der Redistribution von Altprodukten weder die Verfügbarkeit der Güter noch die Kapitalbindung ein wesentliches Gestaltungskriterium für das Logistiksystem. Wichtig ist hier eher eine schnelle Entsorgung der Altprodukte beim Verbraucher, aber weniger die möglichst rasche Versorgung der Demontageanlagen mit Altprodukten. Daher müssen Redistributionssysteme so ausgelegt sein, daß die relativ geringen zeitlichen Anforderungen zu niedrigen Gesamtkosten führen. Dies wird dadurch erreicht, daß die Mengenströme auf Umschlagflächen am Rande von Ballungsräumen gebündelt und dann ggf. von dort mit ausgelasteten Transportmitteln über längere Strecken transportiert werden. Meist wird aber ein Recycling in kleineren, dezentralen Anlagen kostengünstiger sein als in großen zentralen Anlagen. Damit wird eine größere Zahl dezentraler Recyclinganlagen entstehen, in denen eine (Teil-)Demontage sowie eine Fraktionierung der Bestandteile erfolgt. Von hier aus werden dann die unterschiedlichen Fraktionen (Baugruppen, Werkstoffe, Abfälle) zu den jeweiligen

Zielstationen

(Produktions-,

Aufarbeitungs-,

Entsorgungsanlagen) transportiert (Hansen/ Moukabary 1996).

Verbrennungs-

und

130

Für

Kapitel 6

eine

effiziente

und

wirtschaftliche

Rückführung

der

Altprodukte

in

den

Wirtschaftskreislauf werden umfangreiche Informationen benötigt, die durch entsprechende Technologien bereitgestellt werden müssen. Bezüglich der logistischen Aspekte bieten die im Zusammenhang mit der Distribution genannten Systeme Ansatzpunkte. Aufgrund des eher dezentralen Charakters der Rücknahme- und Demontagelogistik werden darüberhinaus noch weitergehende Informationen zur Beurteilung der Wiederaufarbeitungswürdigkeit, der Wiederverwendungsfähigkeit

der

Altprodukte

bzw.

-komponenten

sowie

deren

(automatisierbarer) Demontage und verfügbarer Entsorgungsprozesse benötigt. Diese Informationen können mit den heutigen o.g. logistikunterstützenden Systemen nicht bereitgestellt werden. Diese Aufgaben müssen von den produktbegleitenden Informationssystemen übernommen werden (vgl. Abschnitt 5.3). Auf eine weitergehende Darstellung der Logistik, vor allem auch der innerbetrieblichen Logistik, kann hier allerdings nicht eingegangen werden.

5.3

Technologien zur zwischenbetrieblichen Vernetzung

Die Schließung von Kreisläufen hat neben dem technischen (vgl. Abschnitt 2.2) und dem logistischen (vgl. Abschnitt 5.1) auch noch einen räumlich-organisatorischen Aspekt. Wie bereits erwähnt, wurde bisher in natürlichen Ökosystemen meist ein Teil des (Umweltschutz-) Problems gesehen, und die mit der Problemlösung verbundenen „Kosten" wurden beklagt. Wechselt man jedoch den Blick und betrachtet natürliche Ökosysteme als Teil der Lösung, so erschließen sich neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Ressourcenproduktivität. In natürlichen Ökosystemen gibt es systemweit gesehen nur in sehr geringem Umfang Abfälle, da - durch die intensive Vernetzung der verschiedenen biologischen Arten über vielfaltige Nahrungsketten - die Abfalle der einen Art anderen Arten als Lebensgrundlage dienen. In diesem Sinne können natürliche Ökosysteme als idealisiertes Leitbild für den industriellen Bereich dienen. Das industrielle Analogon zu einem natürlichen Ökosystem ist ein „industrielles Ökosystem" (Frosch/ Gallopoulos 1989). Es umfaßt einen abgegrenzten Raum (Gewerbegebiet, Industrieregion), in dem Abfälle, Abwässer und Abwärme möglichst weitgehend intern weiterverwendet werden. Es wird als „ökologischer Industriepark" (EcoIndustrial Park) bezeichnet. Während die bisherigen umwelttechnischen Maßnahmen schwerpunktmäßig auf eine weitestgehende innerbetriebliche Abfallvermeidung bzw. auf innerbetriebliches Recycling abzielen, hat die Implementierung eines industriellen Ökosystems die systematische Ausschöpfung der Möglichkeiten einer zwischenbetrieblichen Schließung von Stoff- und Energieströmen

Trends in der Umweltschutztechnologie

131

zum Ziel. Dieses wurde bisher gegenüber den innerbetrieblichen Maßnahmen vernachlässigt. Zwischenbetriebliches Recycling bedeutet, Abfälle (bzw. Abwärme) in eine Form zu bringen, daß sie als Sekundärrohstoffe (bzw. Energiequelle) verwertbar und direkt als Input in weiteren Produktionsprozessen einsetzbar sind. Hierzu ist es notwendig, die Abfalle (bzw. die Abwärme) entweder durch (additive) Technologien entsprechend zu konditionieren oder durch Veränderungen im Primärprozeß Nebenprodukte zu erzeugen, die den Anforderungen des Sekundärprozesses genügen. Hierdurch wird primär eine gesamtwirtschaftlich orientierte Ressourceneffizienz

angestrebt,

obwohl

sich

auch

für

die

Einzelunternehmen

Kosteneinsparungen (z.B. bei der Entsorgung, Rohstoffversorgimg) ergeben können. Dies kann zum einen dadurch erreicht werden, daß die in einem bestehenden Gewerbegebiet ansässigen Unternehmen auf energetischer und stofflicher Ebene (Werkstoffe, Wasser/ Abwasser) systematisch vernetzt werden oder daß der Branchenmix in einem (bestehenden oder neu zu erschließenden) Gewerbegebiet durch die Ansiedlung neuer „ökologisch passender" Unternehmen bewußt im Hinblick auf höhere Vernetzung der Unternehmen beeinflußt wird. Für die Umsetzung einer solchen Vernetzung gibt es drei wesentliche Voraussetzungen: 1. Die an dem System beteiligten Unternehmen in diesem Raum sind untereinander über ein dichtes Informationsnetz verbunden und kooperieren eng miteinander. 2. Die entsprechenden Produktionsprozesse sind aufeinander abgestimmt und durch entsprechende Kopplungstechnologien (Aufbereitungs- und Konditionierungsverfahren, Rohrleitungen, Logistik etc.) verbunden. 3. Es gibt Übereinkünfte zur Qualitätssicherung der zwischen den einzelnen Unternehmen ausgetauschten Ressourcen. Die systematische Vernetzung von Betrieben eines Untemehmensstandortes wird bspw. im Bereich der Großchemie bereits seit langem praktiziert. Diese sogenannte Koppelproduktion wird vor allem auch dadurch unterstützt, daß die vernetzten Betriebe i.d.R. zu dem selben Unternehmen gehören, daß sie auf einem zusammenhängenden,

dem Unternehmen

gehörenden Gelände angesiedelt sind und daß es sich um Betriebe der gleichen Branche (Chemie) handelt. Durch die Vernetzung der Einzelbetriebe ermöglichte Koppelproduktion verbessert aus Unternehmenssicht die Ressourcenproduktivität. Aber auch im Falle mehrerer unabhängig voneinander entscheidender- Einzeluntemehmen verschiedener Branchen in einer Region kann sich eine Vernetzung für jedes einzelne Unternehmen betriebswirtschaftlich lohnen. Das älteste und bekannteste Beispiel hierfür ist der ökologische Industriepark Kaiundborg/ Dänemark. Der Park entstand im Verlauf der letzten 20 Jahre aus einer

132

Kapitel 6

Eigeninitiative der beteiligten Unternehmen, wobei betriebswirtschaftliche Überlegungen der Ressourcenproduktivität den Anlaß gaben. Inzwischen sind Unternehmen aus den Bereichen chemische, agro- und petrochemische, pharmazeutische Industrie sowie Baustoffindustrie und Energieversorgung vernetzt (Frosch/ Gallopoulos, 1989).

5.4

Produktbegleitende Informationssysteme

Weitgehendes (Werkstoff-, Komponenten- und Produkt-)Recycling setzt voraus, daß dem Wiederaufarbeiter

oder

Entsorger

umfangreiche

Informationen

über

die

Produkte

bereitgestellt werden (vgl. Abschnitt 3.2). Aus Produktsicht wird zwischen statischen und dynamischen Daten/ Informationen unterschieden: • Statische Daten beinhalten Informationen über das Produkt, die keinen laufenden Änderungen unterworfen sind. Sie werden dem Produkt bei seiner Herstellung mit auf den Lebensweg gegeben. Beispiele sind Daten über Werkstoffe und (De-)Montageabläufe, Sicherheitshinweise, Reparaturanleitungen, Demontageanleitungen oder -programme sowie Entsorgungsprozesse und -wege. • Dynamische Daten sind Betriebsdaten, die laufenden Veränderungen unterworfen sind. Sie umfassen die zur Beschreibung der Belastung und des Zustandes eines Produktindividuums oder seiner Komponenten während der Nutzungsphase notwendigen physikalischen und chemischen Kenngrößen samt deren zeitlicher Entwicklung. Sie ermöglichen so die Abschätzung der Abnutzung wie auch die Dokumentation der durchgeführten Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen. Die Daten/Informationen können mit Hilfe produktbegleitender Informationssysteme erfaßt werden, welche entweder als dezentrale und/ oder zentrale Systeme ausgeführt sein können. Dezentrale Systeme sind in das Produkt integrierte Identifikationseinheiten (ID-Units). ID-Units können passiv (bspw. als Barcode) oder aktiv sein. Aktive ID-Units sind mikroelektronische Systeme mit eigenen Prozessor- und Speicherfunktionen sowie Sensoreinheiten und Stromversorgung. Sie werden als Komponenten in komplexe Produkte eingebaut. Während Barcodes nur für statische Informationen geeignet sind, können aktive Systeme sowohl statische als auch - mit Hilfe ihrer Sensorik und DV-Kapazität - dynamische Informationen erfassen, analysieren und im Produkt abspeichern und bereitstellen. Zentrale Systeme sind

Datenbanksysteme,

die

recycling-

und

wiederverwendungsrelevante

Produkt-

informationen enthalten. Diese Informationen werden über entsprechende Kommunikationsnetze on-line bspw. einem Wiederaufarbeiter oder Recycler zur Verfügung gestellt.

Trends in der Umweltschutztechnologie

133

Die mit produktbegleitenden Informationssystemen erfaßten Daten bzw. Informationen unterstützen Entscheidungen über Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, über Wiederoder Weiterverwendungsmöglichkeiten sowie über mögliche Recyclingmaßnahmen für das ausgebrauchte Produkt. Dezentrale produktbegleitende Systeme erlauben darüber hinaus, durch die erfaßten dynamischen Belastungsdaten den Alterungszustand bzw. Abnutzungsgrad eines

Produkt-

dungspotential

bzw.

Komponentenindividuums

und

damit

dessen

Wiederverwen-

abzuschätzen. Sie ermöglichen auch, die Praxistauglichkeit eines Produktes

unter verschiedensten realen Einsatzbedingungen zu beurteilen. In diesem Sinne liefern diese Systeme vor allem für den Produkthersteller wichtige Informationen über die Praxistauglichkeit seines Produktes und damit über Weiterentwicklungs- und Innovationspotentiale. Die Systeme erleichtem schließlich auch die Umsetzung von Vermietkonzepten für Produkte, indem sie über die Messung der Abnutzung des jeweiligen Produktindividuums eine abnutzungsgerechte

Gestaltung

der

Miettarife wie

auch

der

Wartungs-

und

Instandhal-

tungsmaßnahmen ermöglichen. Diese Beispiele verdeutlichen auch den Beitrag produktbegleitender Informationssysteme zur Verbesserung der Ressourcenproduktivität. Beispiele für heute bereits praktisch eingesetzte (relativ einfache) dezentrale produktbegleitende Informationssysteme sind Betriebsstundenzähler bei Motoren, Unfalldatenschreiber und Wartungsintervallanzeigen

sowie

Diagnosesysteme

bei

Kfz.

sowie

Systeme

zur

Verschleißmessung an Großturbinen. In der Automobilindustrie werden produktbegleitende Identifikationssysteme zur Steuerung von kundenspezifischen Ausstattungsvarianten bei der Fließbandfertigung von Pkw eingesetzt. In Zukunft werden vor allem im

Bereich

hochwertiger und komplexer Produkte weitere, wesentlich leistungsfähigere Systeme erwartet. Hierbei werden auch die mikrosystemtechnischen Entwicklungen miniaturisierter Sensoren und Meßsysteme eine wichtige Rolle übernehmen. Beispiele für moderne Konzepte produktbegleitender Informationssysteme sind das CARE (Comprehensive Approach for the Recycling of Electronic)-Konzept (Scheidt/ Zong 1994) oder der DEMROP (Design & Evaluation Method for the Recyclability of Electromechanical Products)-Ansatz (Kaase et al. 1996).

134

6.

Kapitel 6

Künftige Bedeutung von Umwelttechnologien

Die ökologischen Herausforderungen wie Schutz der Erdatmosphäre, Gewässerschutz, Abfallvermeidung, Altlastenbeseitigung, Natur- und Bodenschutz, erfordern in den Industrieländern rasch und effizient ablaufende Anpassungsprozesse in der Wirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung sowie bei privaten Konsumenten. Dies gilt nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern aufgrund der zu erwartenden verursachergerechteren Anlastung umweltbelastender Effekte (Internalisierung externer Kosten) auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Noch unterschlägt das Preissystem einen Teil der Kosten von Produktion, Energieverbrauch, Mobilität etc., doch sind Verhaltensänderungen der Verbraucher, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und staatliche Maßnahmen absehbar. Hierfür sind Neu- und Weiterentwicklungen in der Umwelttechnologie eine wesentliche Voraussetzung. Aufgrund des disziplinaren Querschnittcharakters der Umwelttechnologie profitieren hier technologische Innovationen stark

von

den

Innovationen

und dem

Entwicklungspotential

der

unterschiedlichen

Fachdisziplinen. Hierdurch wird sowohl zur Modernisierung der Volkswirtschaft als auch zur Umsetzung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise ein wesentlicher Beitrag geleistet. Die in Abschnitt 3.2 beschriebenen Ansätze zur Verlängerung der Lebensdauer und der Erhöhung der Nutzungsintensität von Produkten und die in Abschnitt 5 dargestellten Ansätze zur regionalen Vernetzung von Unternehmen verbessern nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter auf dem internationalen Markt, sondern über die intensivierte Kundenbindung auch ihre Stellung auf dem heimischen Markt. Die folgenden Aspekte charakterisieren die künftigen Weiterentwicklungen und den Einsatz von Umwelttechnologien sowie deren Beitrag zur Umsetzung einer nachhaltigen Wirtschaft: 1. Neu- und Weiterentwicklungen in der Umwelttechnologie sind auch künftig eine wesentliche Voraussetzung für einen verbesserten Umweltschutz. 2. Der Umweltschutz als branchen- und fachübergreifende Querschnittsaufgabe wird vom Entwickungspotential und dem technischen Fortschritt in den unterschiedlichsten Technologiebereichen profitieren. 3. Umweltprobleme lassen sich nicht immer durch neue Technologien, durch Substitution eines Verfahrens oder Produktes durch ein technisch besseres lösen. Eine erhebliche Reduzierung von Umweltbelastungen erfordert gleichzeitig organisatorische Voraussetzungen und auch Verhaltensänderungen, welche die gesamte Wertschöpfüngskette betreffen.

Trends in der Umweltschutztechnologie

135

4. Prozeßintegrierte Umwelttechnologien, Technologien zur Vernetzung von Unternehmen im Sinne eines zwischenbetrieblichen Recyclings wie auch umweltfreundliche Produkte werden künftig in allen Branchen erheblich an Bedeutung gewinnen. Additive Umwelttechnologien werden dadurch nicht überflüssig, sie werden aber kostengünstiger und in geringerem Umfang eingesetzt werden. 5. Umweltschutz ist nicht nur ein wichtiger Faktor für die Umweltindustrie im engeren Sinne,

er

ist

künftig

ein

Qualitätsmerkmal

für

die

gesamte

moderne

Industriegesellschaft. Umweltschutz wird nicht mehr als Wachstumsgrenze gesehen, sondern

zunehmend

als

Wachstumsvoraussetzung

und

als

Chance,

durch

umweltfreundliche Lösungen die Marktstellung zu verbessern.

Literatur

Angerer, G. (1995), Auf dem Weg zu einer ökologischen Stoffwirtschaft. Teil I: Die Rolle des Recyclings. GAIA 4, No. 2, S. 77-84. Bierler, WJ Stahel, W.RJ Schmidt-Bleek, F. (1996), Öko-intelligente Produkte, Dienstleistungen und Arbeit. Wuppertal Institut für Klima, Energie, Umwelt im Wissenschaftszentrum NordrheinWestfalen, Heft Wuppertal Spezial 2, Wuppertal. Böhm, E. (1995), Entwicklungstendenzen in der Umwelttechnologie. In: Zahn, E. (Hrsg.): Handbuch Technologiemanagement. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, S. 152-168. Christ, C. (1996), Produktionsintegrierter Umweltschutz: Konzept zur Verminderung Abwasserbelastung. Wasser-Abwasser-Praxis (WAP), Dezember 1996, S. 26-30.

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136

Kapitel 6

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zur

Effizienzsteigerung

in

der

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-

Grundlagen

und

Wiesner, J. (Bearb.; 1990), Produktionsintegrierter Umweltschutz in der chemischen Industrie - Verpflichtung und Praxisbeispiele. DECHEMA, Frankfurt.

Teil B Integration und Vernetzung von Wertschöpfungsketten

Kapitel 7 Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts von Thomas Dyllick und Johannes Hummel

1. Einleitung

138

2. Ökologisches Unternehmenskonzept als Grundlage des Umweltmanagements

139

2.1

Unterschiede zwischen ökonomischer und ökologischer Perspektive

139

2.2

Betrachtungsebenen ökologisch relevanter Einflüsse auf das Unternehmen

141

2.3

Das Unternehmen als ökologisches Subsystem

142

2.4

Ökologischer Produktlebenszyklus

143

2.5

Ökologierelevante Anspruchsgruppen und externe Lenkungssysteme

144

3. Das St. Galler Management-Konzept

146

4. Führung im ökologischen Kontext

147

5. Ausblick

152

Literatur

152

138

Kapitel 7

1. Einleitung Gegenstand und Begriff des Umweltmanagements sind noch sehr jung und werden mit einer Vielfalt an konzeptionellen Ansätzen belegt. Im Vordergrund der wissenschaftlichen Diskussion steht zumeist die Auseinandersetzung mit funktionalen Teillehren wie ÖkoMarketing, Öko-Controlling oder Öko-Auditing, im Vordergrund der praktischen Diskussion derzeit vor allem die Auseinandersetzung mit Umweltmanagementsystemen. Die Entwicklung einer integrierten Umweltmanagementkonzeption auf der Basis bestehender Erkenntnisse der Managementforschung und ausgehend von Ansätzen der Allgemeinen Managementlehre ist bislang jedoch höchstens in Ansätzen beobachtbar (so z.B. Steger 1993 und 1988, Dyllick 1990, Hopfenbeck 1990, Kirchgeorg 1990, Meffert/ Kirchgeorg 1993 und 1992). Eine solche Diskussion findet - wenn überhaupt - fast ausschließlich in der englischsprachigen Literatur (vgl. u.a. Greeno/ Robinson 1992, S.222; Hutchinson 1992, S. 9ff.; Welford/ Gouldson 1993; Gladwin 1994) statt. Der vorliegende Beitrag zielt auf die Entwicklung einer solchen Konzeption "Integriertes Umweltmanagement" ab. Hierbei ist beiden Bestandteilen des Umweltmanagementbegriffs gleichermaßen Rechnung zu tragen: dem Managementaspekt und dem Umweltaspekt. Es geht, mit anderen Worten, nicht nur darum, einen Anschluß an die Allgemeine Managementlehre herzustellen, sondern es ist auch den ökologischen Besonderheiten des Betrachtungsobjektes die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken. Und diese manifestieren sich stärker auf der Ebene des Unternehmensverständnisses, als auf der Ebene des Managementverständnisses. Grundlage der folgenden Ausführungen ist die systemorientierte Managementlehre, speziell das von K. Bleicher entwickelte St. Galler Management-Konzept. Dieses bietet sich als allgemeiner Bezugsrahmen für die Entwicklung einer Konzeption "Integriertes Umweltmanagement" an, da es als umfassendes, ganzheitliches Managementkonzept speziell zur Lösung von Integrationsproblemen geschaffen wurde. Der Beitrag gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird zunächst das ökologische Unternehmenskonzept als Grundlage des Umweltmanagements geklärt. Im zweiten Teil wird das St. Galler Management-Konzept dargestellt. Und im dritten und wichtigsten Teil werden die Umweltmanagementelemente im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts interpretiert.

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

2.

139

Ökologisches Unternehmenskonzept als Grundlage des Umweltmanagements

Im Rahmen des ökologischen Untemehmenskonzepts ist zunächst einmal herauszuarbeiten, inwiefern sich das "zu managende" Objekt Unternehmen in ökologischer Perspektive unterscheidet, bevor die Konsequenzen auf der Ebene des Managements und der Managementsysteme angegangen und präzisiert werden. Fünf Aspekte sollen herausgearbeitet werden:

Unterschiede

zwischen

ökonomischer

und

ökologischer

Perspektive,

Betrachtungsebenen ökologisch relevanter Einflüsse auf das Unternehmen, das Unternehmen als ökologisches Subsystem, der ökologische Produktlebenszyklus, Anspruchsgruppen und externe Lenkungssysteme.

2.1

Unterschiede zwischen ökonomischer und ökologischer Perspektive

Die ökologische Perspektive des Unternehmens unterscheidet sich in wesentlichen Aspekten von der

ökonomischen

Perspektive des Unternehmens,

die betriebswirtschaftlichen

Ausfuhrungen üblicherweise zugrunde liegt. Drei Aspekte sollen die Unterschiede verdeutlichen.

Ökonomische Perspektive

Ökologische Perspektive

Betrachtungsebene

Geldflüsse

Stoff- und Energieflüsse

Erkenntnisobjekt

Wertschöpfungsprozesse

Schadschöpfüngsprozesse

Zentrales Problem

Ökonomische Knappheit

Ökologische Knappheit

Abb. 1 :

Unterschiede zwischen ökonomischer und ökologischer Perspektive

Kapitel 7

140

Betrachtungsebene: Stoff- und Energieflttsse Stehen im Rahmen der ökonomischen Perspektive primär Geldflüsse im Vordergrund, so sind es im Rahmen der ökologischen Perspektive Stoff- und Energieflüsse. Diese finden ihren Niederschlag auf der Ebene von Geldflüssen nur unvollständig und verzerrt, weshalb sie als eigenständiger Bereich durch entsprechende Informationen und Führungsinstrumente unmittelbar zu erfassen und zu lenken sind. Dahinter steht die Einsicht, daß ökologische Probleme in unserer Gesellschaft auf der Ebene der Stoff- und Energieflüsse entstehen. Sie stoßen an natürliche Grenzen, die jenseits der menschlichen Verfügungsgewalt liegen. Demgegenüber sind die Geldflüsse prinzipiell grenzenlos und kennen diese natürlichen Begrenzungen nicht, ja sie sind ihnen eigentlich völlig wesensfremd.1 Entsprechend ist die Betrachtungsebene in ökologischer Perspektive primär die der Stoff- und Energieflüsse, nicht der Geldflüsse. Erkenntnisobjekt: Scbadschöpfungsprozesse Stehen im Rahmen der ökonomischen Perspektive Wertschöpfungsprozesse im Vordergrund, so haben wir es im Rahmen der ökologischen Perspektive mit deren Kehrseite in Gestalt von "Schadschöpfungsprozessen" zu tun.2 Ökologische Schäden werden zunächst einmal durch Produktions- und andere Betriebsprozesse verursacht. Hierbei handelt es sich um eine "direkte"

Schadschöpfung,

die

in

den

unmittelbaren

Verantwortungsbereich

des

Unternehmens fällt. Daneben treten ökologische Schäden aber auch auf vorgelagerten oder nachgelagerten Produktstufen auf, bei der Rohstoff- und Energiegewinnung oder bei Transporten, aber auch im Zuge von Verteilung, Konsum oder Entsorgung. Hierbei handelt es sich um eine "indirekte" Schadschöpfung, für die das betreffende Unternehmen als Nachfrager und als Hersteller mitverantwortlich, aber nicht allein verantwortlich ist.

1 Binswanger 1991, S. 17, sieht in dieser unheilvollen Verknüpfung den eigentlichen Kern der ökologischen Problematik. Er fuhrt hierzu aus: "Indem alle Produkte unter dem Geldaspekt erscheinen, lösen sich die Bande, welche die Produktion ursprünglich an die - begrenzte - Natur gebunden hatten: Die Natur erscheint im Bereich der Geldwerte auf einmal ebenso unendlich vermehrbar wie das Geld selbst. In Wirklichkeit wird sie aber gerade wegen dieser scheinbaren Unendlichkeit erst recht ausgebeutet und zerstört, wenn bestimmte Grenzen der Beanspruchung überschritten werden." 2 "Schadschöpfung" wird von Schaltegger/ Sturm 1992, S. 31, definiert als: "Die Summe aller durch betriebliche Leistungsprozesse direkt und indirekt (durch Beschaffung, Transport, Konsum, Recycling und Entsorgung) verursachten und nach ihrer relativen ökologischen Schädlichkeit gewichteten Stoff- und Energieflüsse in die Ökosphären ...".

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

141

Zentrales Problem: Ökologische Knappheit Steht im Rahmen der ökonomischen Perspektive die Bewältigung der ökonomischen Knappheit im Vordergrund, so ist es im Rahmen der ökologischen Perspektive die "ökologische Knappheit".3 Knappheit ergibt sich in ökonomischer und ökologischer Hinsicht aus dem Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Dennoch stehen völlig unterschiedliche Objektbereiche im Mittelpunkt, die anderen Gesetz- und Regelmäßigkeiten gehorchen. Bezieht sich ökonomische Knappheit auf das ökonomische Kapital in Gestalt materieller und finanzieller, teilweise auch technologischer und humaner Produktionsmittel, so bezieht sich ökologische Knappheit auf das ökologische Kapital in Gestalt von natürlichen Ressourcen (Wasser, Boden, Erdöl, Fischbestände etc.), die Rezeptionsfahigkeit der Aufhahmemedien Boden, Wasser und Luft für Zivilisationsrückstände, aber auch die generelle Widerstands- und Regenerationsfähigkeit natürlicher Systeme und Kreisläufe. Die Bewertung ökonomisch knapper Produktionsmittel erfolgt daher zumeist auf Märkten. Im Falle der Natur sind jedoch sowohl Eigentümer als auch Marktpreise problematisch. Bewertungen der ökologischen Knappheit finden deshalb in der Regel im Rahmen politischer Prozesse statt.

2.2

Betrachtungsebenen ökologisch relevanter Einflösse auf das Unternehmen

Im Hinblick auf das Verständnis ökologischer Einflüsse muß zwischen zwei Betrachtungsebenen unterschieden werden: einer stofflich-energetischen und einer sozio-ökonomischen Ebene. Auf der stofflich-energetischen Betrachtungsebene stehen die vom Unternehmen verursachten Stoff- und Energieflüsse von und in die Umwelt sowie die hiermit verbundenen Auswirkungen auf das Ökosystem im Vordergrund. Hier geht es um Aspekte wie Abfallaufkommen, Bodenbelastungen,

Ressourcenverbräuche

oder

Auswirkungen

auf

Ökosysteme. Auf der sozio-ökonomischen Betrachtungsebene sind es hingegen die externen Anspruchsgruppen bzw. die Lenkungssysteme Markt, Politik und Gesellschaft, die ökologische Forderungen an das Unternehmen herantragen respektive vermitteln. Hier handelt es sich um Aspekte wie öffentlichen Druck, behördliche Auflagen oder Nachfrageveränderungen auf dem Markt. Beide Betrachtungsbenen sind ökologisch relevant. Dennoch sind sie völlig anders geartet.

3 Dieser Begriff von Braunschweig/ Müller-Wenk 1993, S. 45, bezieht sich darauf, daß in einem gegebenen räumlichen Bereich (z.B. der Schweiz) und in einem gegebenen Zeitraum die einzelnen Elemente der natürlichen Umwelt nur in beschränktem Maß belastet werden dürfen, wenn man verhindern will, daß eine nicht hinnehmbare Zustandsverschlechterung des betreffenden Umweltgutes eintritt.

Kapitel 7

142

2.3

Das Unternehmen als ökologisches Subsystem

Im Rahmen des Umweltmanagements wird das Unternehmen als ein ökonomischökologisches System aufgefaßt. Was aber heißt es, das Unternehmen als ökologisches Subsystem aufzufassen? Hier wird das Unternehmen nicht primär als Teil des Wirtschaftskreislaufs, sondern als Teil des natürlichen Stoffkreislaufs gesehen. Im Vordergrund stehen somit Stoff- und Energieflüsse, nicht die für die ökonomische Welt zentralen Geldflüsse. In ökonomischer Sichtweise bezieht das Unternehmen Arbeit, Kapital, Boden und Know-how als zentrale Produktionsfaktoren auf der Inputseite und transformiert diese in Produkte. Abbildungsmedium dieser Input- und Outputflüsse ist das Geld. In ökologischer Sichtweise sind es ganz andere Elemente, die von Bedeutung sind. Hier sind es natürliche Ressourcen auf der Inputseite sowie Emissionen, Abfalle und Risiken, die neben den Produkten auf der Outputseite eine Rolle spielen. Abbildungsmedium sind hier physikalische Grössen. Transformation

Input

Output

Arbeit Kapital

Produkte

Boden Know-how"

"*• Emissionen Ressourcen

Unternehmung

Abfälle Risiken Produkte

Abb. 2:

Der unternehmerische Leistungserstellungsprozess in ökonomischer und ökologischer Perspektive

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

143

Entsprechend dieser veränderten Sichtweise des Unternehmens stehen in ökologischer Perspektive andere Ziele im Vordergrund, die sich auf die Bereiche Ressourcenschutz, Emissionsschutz, Abfallvermeidung und -Verminderung, Risikovermeidung und -Verminderung sowie auf die Entwicklung umweltverträglicher Produkte beziehen. Die Redeweise vom "Umweltschutz als Unternehmensziel" erhält hierdurch eine inhaltlich klare und operationale Bedeutung.

2.4

Ökologischer Produktlebenszyklus

Eine ganzheitliche Erfassung der ökologischen Zusammenhänge auf Produktebene zwingt uns über die engen Grenzen des einzelnen Unternehmens und selbst der Branche hinauszugehen und auch die vorgelagerten und nachgelagerten Stufen mit in die Betrachtung einzubeziehen. Der durch diesen Zusammenhang verdeutlichte ökologische Produktlebenszyklus, d.h. der gesamte Lebenszyklus eines Produktes "von der Wiege bis zur Bahre" bzw. "von der Wiege bis zur Wiedergeburt", stellt ein zentrales Konzept des Umweltmanagements dar (vgl. Hailay 1990, Dyllick 1990, Steger 1994). Die Ausweitung der Betrachtung ist jedoch auch aus ökonomischen Überlegungen sinnvoll. Probleme von Produkten schlagen häufig auch dann auf das Unternehmen zurück, wenn sie außerhalb der wirtschaftlichen Verantwortung des Unternehmens liegen, also auf vor- oder nachgelagerten Stufen des Produktlebenszyklus. Verbietet z.B. der Gesetzgeber in der Schweiz, wie tatsächlich passiert, den Einsatz von PVC als Getränkeveipackung, wegen der Probleme, die sich im Zuge der Abfallverbrennung ergeben, so hat das unmittelbare Rückwirkungen auf alle, die in der produktökologischen Kette vorgelagert sind: die Getränkeabfüller, die Hersteller von Gebinden und Verpackungen, die Hersteller der Rohmaterialien sowie der Abfüllmaschinen. Wie in einer Dominokette pflanzen sich solche Eingriffe rasch fort und zeigen Wirkungen, weit weg vom auslösenden Problemherd. Diese erweiterte Perspektive über den ganzen ökologischen Produktlebenszyklus

hat

unmittelbare Konsequenzen für die benötigten Informationen und die Informationssysteme, aber auch für die Ansatzpunkte von Handlungen und die Notwendigkeit kooperativer Strategien mit Akteuren auf ganz verschiedenen Stufen des Lebenszyklus. So wird es z.B. wichtig, daß die Entwickler und Hersteller von Verpackungsmaterialien nicht nur ihre direkten Kunden, die Abfuller im Falle von Getränkeverpackungen, im Blickfeld haben, sondern auch die Entsorger und deren Umfeld.

144

2.5

Kapitel 7

Ökologierelevante Anspruchsgrappen und externe Lenkungssysteme

Bezüglich der ökologierelevanten Einflüsse auf sozio-ökonomischer Ebene stellt sich die Frage, von wem die Umweltprobleme aufgegriffen und an die betroffenen Unternehmen herangetragen werden. Hierbei ist einerseits zwischen drei unterschiedlichen externen Lenkungssystemen zu unterscheiden (funktionale Sicht)4, andererseits zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen, die als Repräsentanten dieser Lenkungssysteme anzusehen sind (institutionelle Sicht)5. Unternehmen werden nur sehr selten direkt mit den eigentlichen ökologischen Folgen der von ihnen verursachten ökologischen Probleme konfrontiert, beispielsweise in Gestalt der übermäßigen Belastungen von Gewässern oder Böden. Umweltbelastungen werden für Unternehmen in der Regel erst dann relevant, wenn diese in unmittelbar spürbare gesellschaftliche Ansprüche, politische Regulierungen oder markt!¡che Veränderungen münden. Im ökologischen Zusammenhang sehen sich Unternehmen, mit anderen Worten, einer unmittelbar relevanten inneren, sozio-ökonomisch bestimmten "Primärumwelt" gegenüber, bestehend aus den externen Lenkimgsystemen Öffentlichkeit, Politik und Markt, sowie den diese Lenkungssysteme repräsentierenden Anspruchsgruppen ("stakeholders"). Diese Primärumwelt ist eingebettet in eine mittelbar relevante äußere "Sekundärumwelt", die ökologische Umwelt.

4 Unter dem Begriff der "Lenkungssysteme" versteht man in einem kybernetischen Verständnis ein System, welches das Unternehmen und sein Handeln beeinflußt oder sogar beherrscht, unabhängig davon, ob solche Lenkungseinflüsse bewußt, gezielt, oder geplant sind. 5 Unter dem Begriff der "Anspruchsgnippe" wird hier in Anlehnung an Achleitner 1985, S. 78, jede Person, Personengruppe oder Institution verstanden, die in direkten oder indirekten Beziehungen zum Unternehmen stehen und hieraus konkrete Ansprüche oder Forderungen ableiten.

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

145

Abb. 3: Ökologierelevante Einflüsse auf das Unternehmen

Eine Folgerung hieraus ist, daß unternehmerische Entscheidungen im ökologischen Kontext einem mehrdimensionalen Bedingungsrahmen unterliegen, bestehend aus einer ökologischen, gesellschaftlichen, politischen und marktlichen Dimension (vgl. Dyllick 1992, S. 403; ähnlich auch Meffert /Kirchgeorg 1992, S. 17f.). Jede dieser Dimensionen wird in institutioneller Sicht durch konkrete Anspruchsgruppen verkörpert und verlangt nach einem entsprechenden Zielbezug. So ist ein ökologischer Zielbezug (Vermeidung und Verminderung von Umweltbelastungen)

von einem gesellschaftlichen (gesellschaftliche Akzeptanz

und

Vertrauen), einem politischen (politische Legitimität) und einem marktlichen Zielbezug (ökonomische Effizienz) unternehmerischen Handelns zu unterscheiden.

Kapitel 7

146

3.

Das St. Galler Management-Konzept

Die Betrachtung der Untemehmensfiihrung im ökologischen Kontext erfolgt auf der Grundlage des St. Galler Management-Konzepts, wie es durch Bleicher in seinem Buch "Das Konzept Integriertes Management" (1991) entwickelt wurde. Dieses Konzept erhebt den Anspruch, ein ganzheitliches und umfassendes Untemehmensfuhrungskonzept zu sein. Management wird hierin in zweifacher Weise differenziert.

MANAGEMENTPHILOSOPHIE

)RMATIVES UNTERNEHMUNGSVERFASSUNG

UNTERNEHMUNGSPOUTIK

UNTERNEHMUNGSKULTUR

STRATEGISCHES MANAGEMENT ORGANISATIONS-! STRUKTUR MANAGEMENT- | SYSTEME

PROGRAMME

PROBLEMVERHALTEN

OPERATIVES MANAGEMENT ORGANISATORISCHE PROZESSE I DISPOSITIONS SYSTEME

AUFTRAGE

STRUKTUREN

LEISTUNGS- UND KOOPERATIONSVERHALTEN

VERHAL

TEN

AKTIV/TATEN

UNTERNEHMUNGSENTWICKL UNG

Abb. 4:

St. Galler Management-Konzept (Bleicher 1991, S. 56)

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

147

Unterschieden werden mit der normativen, strategischen und operativen Ebene drei Managementebenen.

Das normative Management definiert die Ziele des Unternehmens und

wirkt begründend. Das strategische Management umfaßt die grundlegende Auslegung des Unternehmens und wirkt richtend. Das operative Management setzt die Vorgaben in konkrete Ziele und Maßnahmen und ist ausführend. Auf jeder dieser drei Ebenen werden desweiteren mit den Strukturen, Aktivitäten und dem Verhalten drei Managementaspekte

unterschieden.

Insgesamt ergeben sich somit neun Module der Unternehmensführung. Darüber steht eine unternehmensphilosophisch begründete Vision des Unternehmens, die als Leitstern wirkt. Ergänzend tritt in dynamischer Perspektive noch die Unternehmungsentwicklung hinzu. Das St. Galler Management-Konzept betont den integrativen Charakter von Management, indem es Zusammenhänge zwischen den Modulen aufzeigt. Damit bietet es dem Management einen gedanklichen Bezugsrahmen, der helfen soll, die konkreten Managementprobleme zu analysieren sowie Interdependenzen und mögliche Inkonsistenzen zwischen einzelnen Managementbereichen zu erkennen. Es ist als ein "Leerstellengerüst" zu verstehen, das kontextspezifisch ausgefüllt werden muß, um zu konkreten Aussagen zu kommen. Dies soll im folgenden für den Bereich des Umweltmanagements geschehen.

4.

Führung im ökologischen Kontext

Nach dieser Klärung der konzeptionellen Grundlagen des Umweltmanagements und der Darstellung des St. Galler Management-Konzepts werden nun die Elemente des Umweltmanagements in den Rahmen des St. Galler-Management-Konzepts eingeordnet (Seghezzi 1996) hat jüngst eine analoge Interpretation des Qualitätsmanagements im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts vorgelegt). Im Vordergrund stehen hierbei weniger die einzelnen Module, sondern vielmehr die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Modulen (für die nachfolgenden Ausführungen siehe ausfuhrlich Dyllick/ Hummel 1996, S. 16 ff.). Die Darstellung beginnt mit der generellen Leitidee bzw. Vision des Umweltmanagements. Hierauf aufbauend werden die einzelnen Module des Umweltmanagements dargestellt und miteinander in Beziehung gesetzt, wobei eine Gliederung gemäß den Managementaspekten (Aktivitäten, Strukturen, Verhalten) gewählt wird. Den Abschluß bildet eine Analyse der ökologischen Unternehmensentwicklung, wie sie sich in ökologischen Pionierunternehmen abzuzeichnen beginnt. Die Einordnung des Umweltmanagements in das St. Galler Management-Konzept ergibt das folgende Bild:

Kapitel 7

148

NATIVES MANAGI

UKULUvjlòOn

UMWELT-

ÖKOLOGISCHE

ERWEITERTE

POLITIK

UNTERNEHMENS

UNTERNEHMENS-

KULTUR

VERFASSUNG

STRATEGISCHES MANAGEMENT • STRATEGISCHE UMWELTMANAGE MENTSYSTEME

ÖKOLOGISCHES PROBLEM-

UMWELT-

VERHALTEN

STRATEGIEN

OPERATIVES MANAGEMENT

OPERATIVE UMWELT

ÖKOLOGISCHES

MANAGEMENT-

LEISTUNGS-

SYSTEME

VERHALTEN

UMWELTPROGRAMME

STRUKTUREN

VERHALTEN AKTIVITÄTEN

ÖKOLOGISCHE

Abb.5:

UNTERNEHMENSENTWICKLUNG

Umweltmanagement im St. Galler Management-Konzept

Die Vision fiir ein nachhaltiges Wirtschaften bringt generelle Leitideen zur Entwicklung des Unternehmens hinsichtlich eines nachhaltigen Wirtschaftens zum Ausdruck. Im Mittelpunkt der umweltpolitischen Diskussion um Zielsetzungen einer umweltverträglichen Wirtschaftsentwicklung steht gegenwärtig das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung. In diesem Zusammenhang werden fünf mögliche konkrete Leitbilder eines ökologiegerechten Wirtschaftens diskutiert: die Leitbilder des ökologischen Strukturwandels, der Kreislaufwirtschaft,

der

Funktionsorientierung

sowie

des

produktorientierten

und

des

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

149

produktionsintegrierten Umweltschutzes. Diese Leitbilder, wie sie erstmals durch die deutsche Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" (vgl. Enquete-Kommission 1993) im Zusammenhang behandelt worden sind, beziehen sich auf ganz verschiedene Handlungsebenen. Eine Vision für ein nachhaltiges Wirtschaften auf Unternehmensebene entwickelt S. Schmidheiny in seinem Buch "Kurswechsel" (Schmidheiny 1992, S. 126f.). Unternehmerische Vision für ein nachhaltiges Wirtschaften Eine sich an den Prinzipien der Nachhaltigen Entwicklung orientierende Vision des Unternehmens umfaßt: -

die Erkenntnis, daß es kein langfristiges Wirtschaftswachstum geben kann, das nicht umweltverträglich ist;

-

die Einsicht, daß Produkte, Produktionsprozesse und Dienstleistungen zu einer dauerhaft tragfahigen Entwicklung beitragen müssen und können;

-

die berufliche Entwicklung der Mitarbeiter, deren Fähigkeiten erweitert und deren Tätigkeit über das Gehalt hinaus einen Sinn erhalten muß;

-

die Bewahrung der Glaubwürdigkeit gegenüber der Gesellschaft, ohne die das Unternehmen nicht arbeiten kann;

-

den offenen Dialog mit allen Bezugsgruppen des Unternehmens, wobei Probleme und Möglichkeiten zu erörtern sind, damit Vertrauen entsteht;

-

die Erhaltung des Freiraums für unternehmerische Gestaltung durch vorbeugende Maßnahmen; Staatseingriffe sollten sich in engen Grenzen halten.

Die Aktivitäten Umweltpolitik

bilden die zentrale Säule des Umweltmanagements. wird

von der Vision beeinflußt und von

Die

normative

der strukturell

wirkenden

Umweltverfassung und der verhaltensbestimmenden Umweltkultur getragen (vgl. Bleicher 1991, S. 53). Sie konkretisiert sich in Gestalt von Umweltstrategien, deren Umsetzung in Umweltprogramme auf der operativen Ebene erfolgt. Die Umweltpolitik des Unternehmens wird i.d.R. schriftlich in Form eines Umweltleitbilds festgehalten und gibt die Prinzipien für das gesamte Umweltmanagement vor. 6 Sie beeinflußt nicht nur die Umweltstrategien und -programme, sondern in Abstimmung mit diesen auch die Unternehmensstrukturen sowie das Verhalten der Mitarbeiter. Die Umweltstrategien zeigen die langfristigen Wege auf, wie ökologische Verbesserungen bei Prozessen und Produkten

6 Anforderungen an die Umweltpolitik in allgemeiner Form finden sich u.a. in der EMASVerordnung.

150

Kapitel 7

erzielt werden können, ohne den ökonomischen Erfolg des Unternehmens zu beeinträchtigen. Zu

ihrer Realisierung

bedürfen sie sowohl

der Unterstützung

durch

strategische

Umweltmanagementsysteme als auch eines ökologischen Problemverhaltens der Mitarbeiter im Rahmen der Personalentwicklung. Die Umweltprogramme beinhalten eine Beschreibung der konkreten ökologischen Ziele, Maßnahmen, Fristen und Verantwortlichkeiten.7 Ihre Realisierung bedarf ebenfalls der Unterstützung durch Strukturen in Form von operativen Umweltmanagementsystemen

und

einem

umweltbewußten

Leistungsverhalten

der

Mitarbeiter, da der Erfolg vieler operativer Umweltschutzaktivitäten auf deren freiwilligem Engagement beruht. Die Unternehmensstrukturen bestimmen den institutionellen Rahmen der Unternehmensaktivitäten.

Die ökologisch

erweiterte Unternehmensverfassung auf normativer

Ebene

konkretisiert sich in strategischen und operativen Umweltmanagementsystemen. Die ökologisch

erweiterte Unternehmensverfassung

definiert die Machtstruktur

des

Unternehmens und einen von allen Mitarbeitern zu respektierenden Verhaltensrahmen im Umweltmanagement. Sie wirkt als formale Rahmenordnung für die Zielfindung (vgl. Bleicher 1994, S. 115 f. sowie S. 294 f.) und regelt die Einbindung der externen Anspruchsgruppen.8 Strategische Umweltmanagementsysteme beinhalten sowohl die Umweltorganisation des Unternehmens als auch verschiedene Teilsysteme zur Unterstützung des Managements bei der Planung,

Steuerung

und

Kontrolle

von

Umweltstrategien

(zu

strategischen

Managementsystemen vgl. Kirsch et al. 1990, S. 130). Ihre Gestaltung ist von der spezifischen Umweltstrategie abhängig und beeinflußt durch die gegebenen Handlungsfreiräume das ökologische Problemverhalten

der Mitarbeiter.

Operative

Umweltmanagementsysteme

erfahren seit der Verabschiedung der EMAS-Verordnung und der Entwicklung der internationalen Norm ISO 14001 viel Beachtung (eine ausführliche Beschreibung der EMASVerordnung sowie den Vergleich mit der ISO 14001 Norm findet sich bei Dyllick 1995b). Sie stellen Führungs- und Entscheidungsstrukturen sowie entsprechende Instrumente für das operative Umweltmanagement bereit. Ihre Leistung wird regelmäßig in Form von Audits überprüft (vgl. Schwaninger 1994, S. 291 f., der hier auch auf die Bedeutung der Dialogfahigkeit von Umweltmanagementsystemen hinweist).

7 Der Begriff "Umweltprogramm" für die Bezeichnung der Aktivitäten auf operativer Ebene wurde von der EMAS-Verordnung geprägt und im Rahmen der Entwicklung der ISO-Norm 14001 in Form der "Umweltmanagementprogramme" übernommen. 8 Die Einbindung der Anspruchsgruppen kann beispielweise über einen Umwelt-Beirat erfolgen.

Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

151

Das Verhalten beinhaltet die "weichen" Faktoren des Umweltmanagements. Die ökologische Unternehmenskultur auf normativer Ebene konkretisiert sich auf strategischer Ebene in einem ökologischen

Problemverhalten

Leistungsverhalten außengesteuerte

und

auf operativer

der Mitarbeiter (Schwaninger

"Mitarbeiterentwicklung"

Ebene

weist

in

einem

ökologischen

darauf hin, daß

eine

rein

auch zur Manipulation werden kann, vgl.

Schwaninger 1989, S. 15). Die ökologische Untemehmenskultur beinhaltet die Gesamtheit der

firmenspezifischen

ökologischen Wertvorstellungen, Normen, Denk- und Verhaltensgewohnheiten, wie sie im Verlauf der Unternehmensentwicklung adaptiert und integriert wurden (vgl. Ulrich/ Fluri 1992, S. 129; Schein 1985, S. 9ff.). Sie wirkt damit verhaltensbegründend. Dem ökologischen Problemverhalten der Mitarbeiter kommt innerhalb des Umweltmanagements eine besondere Bedeutung

zu,

da

bei

strategischen

Entscheidungen

oft

große

Spielräume

zur

Berücksichtigung ökologischer Aspekte bestehen, deren Nutzung von den Werten der Entscheidungsträger abhängt (vgl. Kuhn/ Wittmann 1995, S. 10fT.; Bartscher 1994, S. 10). Durch das ökologische Leistungsverhalten soll eine von den Mitarbeitern getragene Untemehmenskultur der "kontinuierlichen ökologischen Verbesserung" erreicht werden, die das Umweltmanagement dynamisiert und den statisch wirkenden Strukturen entgegenwirkt. Eine ökologische

Unternehmensentwicklung

ist aufgrund der Neuheit des

Umwelt-

managements bei vielen Unternehmen erst in Anfangen zu beobachten. Im Vordergrund standen hierbei zunächst ökologische Prozeßstrategien (dies ergab eine empirische Studie für die Schweiz, vgl. Farago/ Bucher 1993, S. 26.). Mit einer zunehmenden ökologischen Sensibilisierung des Marktes erlangen jedoch ökologische Produktstrategien zunehmend an Bedeutung. Ökologische Unternehmensentwicklung

orientiert sich demnach

an den

9

Forderungen verschiedener Anspruchsgruppen und hat keinen festen Bezugspunkt. Ein Blick in die Praxis zeigt, daß gegenwärtig die Entwicklung von Strukturen, speziell von kurzfristig errichteten und operativ orientierten Umweltmanagementsystemen nach ISO 14001 oder EMAS im Vordergrund der Untemehmensaktivitäten steht. Langfristig angelegte, ökologisch orientierte Personalentwicklungsprogramme finden sich hingegen nur höchst selten (nach einer Untersuchung aus den Jahren 1991/92 wurden im Personalbereich Umweltschutzaspekte nur an vorletzter Stelle berücksichtigt, vgl. Coenenberg et al. 1994, S. 88 ff.).

9 Dies wird deutlich an der Vielzahl an Perspektiven, aus denen eine ökologische Unternehmensentwicklung betrachtet wird. Eine Darstellung der verschiedenen Ansätze findet sich bei Dyllick/ Beiz 1993.

Kapitel 7

152

5.

Ausblick

In den obigen Ausführungen wurde aufgezeigt, wie Umweltmanagement als eigenständiger Teilbereich des Managements in alle Bereiche der Unternehmensfiihrung integriert werden kann. Mit dem St. Galler Management-Konzept wurde hierfür ein Bezugsrahmen vorgestellt, der mit Vorteil auch für die Entwicklung eines integrierten Umweltmanagements verwendet wird. Eine Interpretation des Umweltmanagements in diesem Rahmen verweist einerseits auf Defizite in der aktuellen Diskussion, die stark auf Umweltmanagementsysteme und Strukturen konzentriert ist. Als Defizitbereiche sind insbesondere die Ebene des strategischen Managements, die Verhaltensaspekte sowie die ökologische Unternehmensentwicklung identifiziert worden. Diesen Bereichen ist im Hinblick auf ein tatsächlich integriertes Umweltmanagement zukünftig eine vergleichbare Bedeutung beizumessen, wie derzeit den weitgehend operativ ausgelegten Umweltmanagementsystemen zukommt. Andererseits erleichtert dieser Bezugsrahmen auch die Integration des Umweltmanagements in das Allgemeine Management und dessen Systeme und Strukturen. Es beugt damit einer Entwicklung vor, die derzeit als Gefahr festzustellen ist: ein weitgehend isolierter Aufbau von Umweltmanagementsystemen, die allenfalls mit anderen operativen „Sicherungssystemen" aus den Bereichen Qualitätssicherung, Arbeits- oder Gesundheitsschutz verknüpft werden, aber nicht mit dem wichtigsten Managementsystem in jedem Unternehmen, dem Allgemeinen Managementsysytem, das mittels Politik, Planung, Budgetierung und Controlling für die Lenkung der Geschäftsprozesse und des Unternehmenserfolgs eingesetzt wird. So lange diese Trennung nicht überwunden ist, sind Zukunft und Erfolg des Umweltmanagements und der Umweltmangementsysteme noch nicht als gesichert anzusehen.

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Integriertes Umweltmanagement im Rahmen des St. Galler Management-Konzepts

153

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154

Kapitel 7

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Kapitel 8 Führungsorientiertes Öko-Controlling von Stefan Güldenberg

1. Einführung

156

2. Führung in Unternehmen

156

2.1 Das Managementsystem

157

2.1.1 Managementbegriff

157

2.1.2 Ziele des Managements

157

2.1.3 Funktionen des Managements

158

2.2 Das Controllingsystem 2.2.1 Controllingbegriff

160 160

2.2.2 Ableitung von Controllingbedarf

161

2.2.3 Ziele des Controlling

163

2.2.4 Funktionen des Controlling

165

3. Ansätze eines betrieblichen Öko-Controlling in Unternehmen

166

4. Funktionen eines führungsorientierten Öko-Controlling in Unternehmen

169

4.1 Koordinationsfunktion

169

4.2 Integrationsfunktion

171

4.3 Informationsfunktion

172

4.4 Innovationsfunktion

174

5. Ausblick

175

Literatur

176

156

Kapitel 8

1. Einführung In einer Zeit, in der die Frage nach der Verantwortung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft immer häufiger gestellt wird, rücken Konzepte des Umweltmanagements zunehmend ins Zentrum betriebswirtschaftlicher Führungsaufgaben. So ist es nicht verwunderlich, daß in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine Flut von Publikationen zum Themenbereich des Umweltmanagements anzutreffen ist. Auf der anderen Seite sind in den letzten Jahrzehnten in Theorie und Praxis eine Fülle von Controllingkonzeptionen entstanden und haben dazu geführt, daß Controlling heute zu einem 'Mega-Wort' der Betriebswirtschaftslehre geworden ist. Deswegen ist es in der Tat nur wenig überraschend, daß versucht wird, die Idee des Umweltmanagements mit dem Gedankengut des Controlling zu verbinden. Ergebnis ist, wie kaum anders zu erwarten, eine Fülle von Ansätzen zum Thema Öko-Controlling, die unter einer Bandbreite von Begriffen, wie beispielsweise umweltbezogenes Controlling, ökologisch orientiertes Controlling, Umwelt-Controlling, Environmental-Controlling, usw. abgehandelt werden. Einzelne dieser Ansätze sollen in diesem Beitrag aufgegriffen und aus Sicht des am Institut für Unternehmensführung (Prof. Dr. R. Eschenbach) der Wirtschaftsuniversität Wien vertretenen führungsorientierten Controllingverständnisses bewertet werden (vgl. Eschenbach 1996).

2.

Führung in Unternehmen

Das Führungssystem eines Unternehmens besteht in erster Linie aus zwei Subsystemen, dem Managementsystem und dem Controllingsystem. Das Managementsystem als originäres Führungssystem wird von einzelnen Personen (Unternehmer/ Manager) oder Gesamtheiten von Personen (Unternehmensführung/ Management) realisiert, die Entscheidungen im Hinblick auf die Systemgestaltung und Lenkung fällen und für ihre Entscheidungen Ergebnisverantwortung tragen (Eschenbach 1997, S. 1). Das wichtigste führungsergänzende und führungsunterstützende Subsystem heißt Controlling (Kreuzer 1995, S. 47 ff.). Bei bestimmten Führungsfunktionen ergänzt das Controllingsystem das Managementsystem durch Führungsleistungen, bei anderen unterstützt es das Managementsystem durch Führungsdienstleistungen. Management und Controlling gehören deshalb innerhalb eines Führungssystems untrennbar zusammen.

Fährungsorientiertes Öko-Controlling

2.1

157

Das Managementsystem

2.1.1 Managementbegriff Der Begriff Management wird heute üblicherweise in zwei Richtungen definiert (Hopfenbeck 1992, S. 451; Staehle 1994, S. 69): Management im institutionalen Sinne: Beschreibung der Personen(-gruppen), ihrer Rollen und Tätigkeiten; Management im funktionalen Sinne: Beschreibung der Funktionen, die in Organisationen als komplexen, lemfähigen Systemen entstehen. In den folgenden Überlegungen wollen wir uns ausschließlich auf die funktionalen Aspekte des Managements konzentrieren. 2.1.2 Ziele des Managements Oberstes Ziel des Managements ist die Optimierung der Überlebensfähigkeit des Systems Unternehmen.

Das

Unternehmen

tritt

mit

seinem

Umfeld

über

seine

Struktur

(strukturdeterminiert) in Beziehung. Strukturelle Koppelung ist das Ergebnis einer „dynamischen und rekursiven Stabilität" (Maturana/ Varela 1987, S. 85). Diesen scheinbaren Widerspruch löst Vester im Begriff des Fließgleichgewichts auf (Vester 1993, S. 41 ff.). Vester versteht dabei unter einem Fließgleichgewicht ein dynamisches Gleichgewicht eines Systems, bei dem das System bei Perturbationen je nach deren Stärke entweder in das alte Gleichgewicht zurückkehrt oder in einen neuen Gleichgewichtszustand überführt werden kann:

Gl«h

Abb. 1:

Management zwischen alten und neuen Gleichgewichtsebenen

158

Kapitel 8

Die Gefahr der völligen Stabilität (dem dauerhaften Verharren in einem Gleichgewichtszustand) als einem Extrem oder der völligen Instabilität (dem ständigen Ungleichgewicht) erklärt in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Fliefigleichgewichts. Dabei hat sich das Management im wesentlichen auf die Aufrechterhaltung von vier Fließgleichgewichten zu konzentrieren (Hopfenbeck 1992, S. 469): • finanzwirtschaftliches Fließgleichgewicht: Erwartungen der Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber entsprechend; • güterwirtschaftliches Fließgleichgewicht: Erwartungen der Lieferanten und Kunden entsprechend; • personalwirtschaftliches Fließgleichgewicht: Erwartungen der Gesellschaft und Mitarbeiter entsprechend; • informationswirtschaftliches Fließgleichgewicht: Erwartungen der Wissenschaft und des Marktes entsprechend. 2.1.3 Funktionen des Managements Funktionen des Managements tragen in ihrer Gesamtheit dazu bei, die Ziele des Managements zu erfüllen und sind deshalb fester Bestandteil des Führungssystems. Bleicher formuliert in seinem systemtheoretischen Modell des „integrierten Managements" originäre und derivative Funktionsbereiche der Untemehmensführung. Unter den originären Funktionen der Unternehmensführung faßt er die externe und interne Harmonisation zusammen. Die externe Harmonisation stellt das Management vor die Aufgabe, Unternehmen und Untemehmensumfeld miteinander in Einklang zu bringen, eine Harmonie herzustellen („Untemehmen-UmfeldFit"). Im Gegensatz dazu sollen bei der internen Harmonisation die unternehmerischen Subsysteme miteinander in Einklang gebracht werden (Bleicher/ Meyer 1976, S. 30 ff.). Die Harmonisationsaufgabe wird durch Integration (ex-ante-Harmonisation) und Koordination (ex-post-Harmonisation) als originäre Führungsfunktion verwirklicht. Neben den originären Funktionen formuliert Bleicher derivative Funktionsbereiche der Unternehmensflihrung, „die in arbeitsteiligen Handlungsprozessen zur Erfüllung der originären Harmonisationsaufgaben erforderlich sind" (Bleicher 1993, S. 1277). Dabei identifiziert er die drei Führungsfunktionen der - Lokomotion - Motivation und - Kohäsion.

Fährungsorientiertes

Öko-Controlling

159

Für Bleicher stellt die Lokomotion eine sachlich-rationale Funktion, die Motivation und Kohäsion hingegen eine sozio-emotionale Funktion der Führung dar. In die Lokomotionsfunktion sind alle diejenigen Aktivitäten einzuordnen, „welche in einem instrumentellen, zielorientierten Sinne die Aufgabenerfüllung begünstigen und sich in Aktionen der Bildung, Durchsetzung und Sicherung eines Führungswillens (...) niederschlagen" (Bleicher 1993, Sp. 1277). Aus der Lokomotionsfunktion kann die Gestaltungs- und Lenkungsaufgabe in direkter Art und Weise abgeleitet werden: „Unternehmensführung heißt, das System Unternehmen zu gestalten und zu Zielen zu lenken" (Eschenbach 1997, S. 1). Das System Unternehmen gestalten bedeutet in diesem Zusammenhang, einen strukturellen Rahmen zu schaffen, der es dem System ermöglicht, über seine Zweckerfüllung hinaus Überlebens- und entwicklungsfähig zu bleiben (Bleicher 1993, Sp. 1272). Der Systementwicklungsprozeß selber bildet als positive Selbstverstärkung den umhüllenden Mantel der Gestaltungs- und Lenkungsfunktionen und ist gleichzeitig doch wiederum selbst Gestaltungs- und Lenkungsobjekt auf einer Meta-Ebene (Krieg 1971, S. 261f.). Das System Unternehmen zu Zielen hin zu lenken beinhaltet neben dem Zielvereinbarungsprozeß das Beschreiben, Festlegen und Kontrollieren zielgerichteter Aktivitäten des Systems bzw. seiner einzelnen Subsysteme und Elemente (Ulrich 1984, S. 115). Lenken ist dabei der Oberbegriff von feed-back-orientierter Regelung und feed-forward-orientierter Steuerung. Lenkung im Sinne von etablierten Verhaltensmustem beinhaltet Komplexitätsreduktion (Probst/Ulrich 1988, S. 89). Die sozio-emotionale Kohäsionsfunktion hat die Aufgabe, den Zusammenhalt der einzelnen Subsysteme und Elemente des Systems Unternehmen zu stärken, seine Konnektivität zu erhöhen. Die ebenfalls sozio-emotionale Motivationsfunktion hat die Aufgabe, die Systemmitglieder zur Aufgabenerfüllung und Systementwicklung zu bewegen (Bleicher 1993, Sp. 1277). Eine weitere wesentliche Herausforderung des Managementsystems ist in der Verknüpfung der sachlich-rationalen Funktion der Lokomotion mit der sozio-emotionalen Ebene der Kohäsion und Motivation zu sehen.

Kapitel 8

160

Systementwicklung

Lokomotion

Kohäsion

Motivation

Abb. 2:

Die Grundfunktionen systemtheoretischer Unternehmensfiihrung (zum Teil in Anlehnung an Bleicher 1993, Sp. 1277)

Im folgenden fassen wir unter dem Begriff des Managementsystems die Gesamtheit der Funktionen zusammen, die im System Unternehmen zur Optimierung seiner Überlebensfähigkeit erfüllt werden müssen.

2.2

Das Controllingsystem

2.2.1 Controllingbegriff Das Controlling gehört zu einem relativ jungen Zweig der Managementlehre. Gerade deswegen ist es um so erstaunlicher, welchen Verbreitungsgrad die Controllingforschung in den letzten Jahren gefunden hat. Controlling ist aber keine

„Erfindung"

der betriebswirtschaftli-

chen Forschung. Controlling ist ein Begriff aus der Praxis; Controlling ist aus der Praxis heraus entstanden (Peemöller 1990, S. 39). Der Begriff des Controlling hat sich vielleicht gerade deswegen zu einem ,,Mega-Wort" entwickelt: .Jeder hat seine eigene Vorstellung darüber, was Controlling bedeutet oder bedeuten soll, nur jeder meint etwas anderes" (Preißler, S. 10).

Fiihrungsorientiertes

Öko-Controlling

161

Diese Aussage verdeutlicht nicht nur die fast unendliche Mannigfaltigkeit des Begriffs Controlling, sondern gerade auch die Diskrepanz zwischen der gelebten und ausgedrückten Handlungstheorie, der eigentlichen Umsetzung von Controllingkonzeptionen: „Theories-inuse assume a world that prizes unilateral control and winning above all else, and in that world, we focus primarily on controlling others and on making sure that we are not ourselves controlled" (Argyris 1994, S. 80). Damit ergibt sich in der Praxis ein weitgefächertes Controllingverständnis: „In practice, people with the title of controller have functions that are, at one extreme, little more than bookkeeping and, at the other extreme, de facto general management" (Anthony 1965, S. 28). Und Haberland/ Preißler betonen, daß „diese Begriffsverwirrung hauptsächlich darauf zurückzuführen" sei, daß die vom Controller wahrzunehmenden Aufgaben „unterschiedlicher Art und deren Kombination im konkreten Fall in erster Linie umweltbedingt sind" (Haberland/ Preißler 1978, S. 3). Diese Aussagen unterstreichen nicht nur den Aspekt der Mannigfaltigkeit, sondern verdeutlichen auch den Unterschied zwischen einer Auffassung des Controlling als Funktion und einer Auffassung des Controlling als Institution. Control, Controlling und Controllership stellen insbesondere in der anglo-amerikanischen Managementliteratur oftmals synonym verwendete Größen dar. Die Begriffsverwirrung im Bereich der Controllingforschung unterstreicht die Feststellung, daß sich die Entwicklung der gesamten Controllingforschung weiterhin auf der ersten Stufe der Erkenntnisgewinnung, das heißt in der Phase der Begriffsfestlegung befindet. 2.2.2 Ableitung von Controllingbedarf Auf der einen Seite läßt sich ein umfeldinduzierter Controllingbedarf identifizieren. Das Management wird mit einer anwachsenden Unsicherheit des Untemehmensumfeldes konfrontiert. Diese anwachsende Unsicherheit beruht einerseits auf der zunehmenden Dynamik, andererseits auf der Zunahme externer Komplexität. Umfelddynamik wird durch die Häufigkeit und Geschwindigkeit von Veränderungen einzelner Umfeldbereiche und durch die Stärke sowie die Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit dieser Veränderungen charakterisiert (Horváth 1994, S. 3). Externe Komplexität drückt sich in der Anzahl und der Verschiedenartigkeit der möglichen und für das Unternehmen relevanten Umfeldzustände aus. Verlangt die zunehmende Dynamik vom Management eine immer schnellere Reaktion auf Umfeldveränderungen im Rahmen der Systementwicklung, so benötigt das Management andererseits, aufgrund der an-

162

Kapitel 8

wachsenden externen Komplexität, eine immer längere Zeit, neue Umfeldzustände zu analysieren, um in angemessener Art und Weise darauf reagieren zu können. Es öffnet sich damit eine Zeitschere, die das Management handlungsunfähig macht und in der Folge das Überleben des Unternehmens langfristig gefährdet:

Reaktionszeit ¡,

benötigte Reaktionszeit bei wachsender externer Komplexität verfügbare Reaktionszeit bei zunehmender Dynamik

1900

Abb. 3:

2000

Die Zeitschere (in Anlehnung an Bleicher 1992, S. 26)

Auf der anderen Seite besteht ein unternehmensbedingter Controllingbedarf. Nach Ashby's Gesetz kann nur Varietät Varietät zerstören (Ashby 1958, S. 206ff.). Eine hohe externe Komplexität fuhrt daher zur Notwendigkeit einer hohen unternehmensinternen Komplexität. Eine zu starke Reduktion der untemehmensinternen Komplexität würde zu einem Verlust der strukturellen Plastizität und in der Folge zu einem Verlust der Überlebensfahigkeit des Systems führen. Hohe unternehmensinterne Komplexität ist daher für das Überleben des Unternehmens erforderlich, birgt aber einen hohen Koordinationsbedarf für das Management mit sich: „Je deutlicher die Differenzierung der Subsysteme ausfällt, desto größer ist auch die Notwendigkeit, wieder Anschlüsse zwischen diesen herzustellen, weil jeder ausdifferenzierte Bereich eigendynamisch wird" (Niedermayr 1994, S. 53). Daraus kann gefolgert werden, daß eine hohe externe Komplexität die Notwendigkeit der Konnektivität der einzelnen Systemelemente und Subsysteme verstärkt und damit über die Möglichkeiten des Managementsystems im Rahmen seiner Kohäsionsfunktion hinauswachsen kann.

Führungsorientiertes

Öko-Controlling

163

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, daß sowohl umfeldinduzierter als auch unternehmensbedingter Controllingbedarf im Rahmen eines ganzheitlichen Führungssystems besteht. Das Controllingsystem trägt in diesem Sinne dazu bei, die Führungsqualität zu erhöhen. Manager sind in der Regel Generalisten, die eine Fülle von unternehmerischen Entscheidungen zu treffen haben. Sie stoßen dabei täglich an neue Komplexitätsgrenzen, d.h. sie werden ständig mit der Alternative konfrontiert, entweder Entscheidungen unter unvollständiger Erfassung der komplexen Problemsituation oder unter Überschreitung der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit zu treffen. Aus diesem Grunde bewährt sich eine personelle Arbeitsteilung zwischen Manager und Controller, bei welcher der Controller als „betriebswirtschaftlicher Servicemann" und „Informationsmanager" zusammen mit dem Manager das Führungsteam des Unternehmens bildet (Hoffmann/ Niedermayr/ Risak 1996, S. 48). 2.2.3 Ziele des Controlling Die

Ziele

des

führungsorientierten

Controlling

müssen

sich,

wie

im

Begriff

„führungsorientiert" bereits enthalten und in den obigen Abschnitten weiter angedeutet, in allererster Linie an den Zielen der Untemehmensführung orientieren. Das langfristige Ziel des Managementsystems ist die Optimierung der Überlebensfähigkeit des gesamten Unternehmenssystems. Das grundlegende Ziel eines führungsorientierten Subsystems Controlling ist deshalb die Erbringimg eines Beitrags zur Sicherung und Steigerung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens. Es ist daher erforderlich, innerhalb des Unternehmens vier entscheidende Fähigkeiten, die sich gegenseitig überlappen, zur Sicherung und Steigerung der Überlebensfähigkeit zu entwickeln und zu fördern (in Anlehnung an Hoffmann/ Niedermayr/ Risak 1996, S. 23; Niedermayr 1994, S. 55): - die Reaktionsfähigkeit, - die Koordinationsfähigkeit, - die Lernfähigkeit und - die Innovationsfähigkeit. Entwicklung der Reaktionsfähigkeit Der wesentlichste Beitrag des Controlling zur Entwicklung der Reaktionsfähigkeit des Unternehmens liegt in der Implementierung eines Informations- und Kontrollsystems. Es zeigt dem Management laufend das Verhältnis zwischen der geplanten und tatsächlich eingetretenen Entwicklung an. Laufend heißt in diesem Fall, daß das Controlling nicht nur die Informa-

164

Kapitel 8

tionen zur Verfügung stellt, die vom Management nachgefragt werden, sondern daß alle Informationen übermittelt werden, die nach Meinung des Controllers für das Unternehmen von Bedeutung sein könnten. Somit ermöglicht das Controlling die rechtzeitige und zielgerichtete Einleitung eines organisatorischen Wandels von sehen der Untemehmensführung.

Entwicklung der Koordinationsfähigkeit Der Begriff der Koordination beschreibt die Abstimmung der Einzelaktivitäten zur Erreichung der Unternehmensziele. Controlling muß diese Gesamtsicht durch geeignete Führungsinstrumente wahren. Entscheidend bei der Entwicklung der Koordinationsfähigkeit innerhalb des Unternehmens ist daher eine ganzheitliche Sichtweise der Entscheidungsprozesse. Dabei unterscheidet man vier Arten der Koordination (Egger/ Winterheller 1994, S. 50 ff.): - zeitliche Koordination (Kurz-, Mittel- und Langfristplanung), - sachliche Koordination (Strategie und Operation), - vertikale Koordination (unter- und übergeordnete Stellen) und - horizontale Koordination (Leistungsbeziehungen gleichgestellter Untemehmensbereiche). Die Schaffung einer gemeinsamen, einheitlichen Sprache trägt als Grundvoraussetzung wesentlich zur Erhöhung der Koordinationsfähigkeit .eines Unternehmens bei. Entwicklung der Lernfähigkeit Die organisationale Lernfähigkeit bezeichnet das latent vorhandene Potential des maximal möglichen organisational Lernens der Organisation. Dieses latent vorhandene Potential des maximal möglichen organisational Lernens kann auch vereinfacht als Problemlösungspotential der Organisation bezeichnet werden (Probst/ Büchel 1994, S. 179). Die Lernfähigkeit bzw. das Problemlösungspotential der Organisation ist mit ihrer strukturellen Plastizität eng verknüpft (Güldenberg 1996, S. 227). Der Grad an struktureller Plastizität einer Organisation legt den Grad möglicher Modifikationen der Organisationsstruktur aufgrund gegebener Umfeldveränderungen reaktiv und antizipativ fest. Aufgabe des Controlling ist es, die strukturelle Plastizität der Organisation zu entwickeln. Entwicklung der Innovationsfähigkeit Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens gibt Auskunft darüber, in welchem Ausmaß die strukturelle Plastizität, insbesondere die organisationale Intelligenz und die organisationale Wissensbasis, angewendet und in konkreten wirtschaftlichen Nutzen transformiert wird. Die

Fiihrungsorientiertes Öko-Controlling

165

Entwicklung der Reaktions-, Koordinations- und insbesondere der Lernfähigkeit führt langfristig zu einer Erhöhung der Innovationsfähigkeit innerhalb der Organisation. Der Controller muß dabei als Impulsgeber im Führungsprozeß aktiv werden und eine innovationsfördernde Systementwicklung betreiben. 2.2.4 Funktionen des Controlling Controlling hat in einem fühungsorientierten Verständnis nur noch wenig mit Kontrolle zu tun. Die frühere Beschränkung der Controllingfunktionen auf das Rechnungswesen ist heute einer systemumspannenden Untemehmensverantwortung gewichen. Controlling ist damit gemäß unserer Definition ein Subsystem des Führungssystems. Die Ziele dieses Controllingsystems bestimmen den Umfang und die Art der wahrzunehmenden Controllingfunktionen. Controlling wird durch seine Funktionen vollständig charakterisiert, die gleichzeitig zu den wesentlichen Aufgaben der Unternehmensführung zählen. Controlling ergänzt das Management, macht es zu einem Ganzen. Ohne Controlling wäre das Management eines Unternehmens nur unvollständig (Niedermayr 1994, S. 57). Das Controllingsystem übernimmt im Rahmen des Führungssystems eines Unternehmens ergänzende Führungsleistungen und unterstützende Führungsdienstleistungen. Die Führungsleistungen des Controlling umfassen die systembildende und systemkoppelnde Koordination. Die systembildende Aufgabe des Controlling besteht darin, möglichst günstige Koordinationsvoraussetzungen im Führungssystem zu schaffen. Diese Aufgabe beinhaltet im einzelnen (Niedermayr 1994, S. 61) die Entwicklung der einzelnen Führungsteilsysteme, den Aufbau von Gebilde- und Prozeßstrukturen sowie die koordinationsgerechte Gestaltung und Ausrichtung beider Bereiche. Die systemkoppelnde Koordination stellt als originäre Führungsaufgabe den „ad-hoc-Koordinationsbedarf ' innerhalb des Führungssystems, beispielsweise die Koppelung und Abstimmung zwischen Untemehmensplanung, Informationssystemen und Personalentwicklung, sicher (Niedermayr 1994, S. 62). Zusätzlich ergänzt das Controlling die Unternehmensfuhrung durch seine Integrationsfunktion, die der Steuerung des gesamten Führungsprozesses mit Hilfe von Vor- und Rückkoppelunginstrumentarien dient. Die Führungsdienstleistungen umfassen die Informations- und die Innovationsfunktion. Innerhalb der Informationsfunktion versucht der Controller als betriebswirtschaftlicher Berater und Gatekeeper, den Informationsfluß innerhalb des Unternehmens zu regeln. Die Innovationsfunktion trägt zur Systementwicklung und -emeuerung des gesamten Unternehmens bei. Zusammenfassend lassen sich die Aufgaben eines fiihrungsorientierten und fiihrungsergänzenden Controlling in folgender Abbildung in Beziehung zum Managementsystem setzen:

Kapitel 8

166

Führungssystem

S a> w « c ® S ® o> m c 03 S

Föhrungsergänzung durch

Führung •Systementwicklung •Lokomotion

Führungsleistung •Koordination

•Kohäsion •Motivation

5

£m

FührungsunterstiHzung durch Fü h ru ngsdiänstleistungen •Information •Innovation

Abb. 4:

Die Aufgaben eines fiihrungsorientierten Controlling (in Anlehnung an Kreuzer 1995, S. 48).

3.

Ansätze eines betrieblichen Öko-Controlling in Unternehmen

Unter dem Begriff des Öko-Controlling werden die Verfahren und Instrumente zusammengefaßt, die der Berücksichtigung des Ziels einer ökologischen Unternehmensführung dienen. Da bereits der Begriff des Controlling aufgrund seiner Vielfalt und seiner unterschiedlichen Ansätze als „Mega-Wort" bezeichnet werden kann, erstaunt es nicht, daß auch zum Begriff des „Öko-Controlling" ein weites Spektrum an Ansätzen existiert. Diese Vielfalt wird bereits in der hohen Anzahl an synonym verwendeten Bezeichnungen für den Begriff Öko-Controlling sichtbar, wie beispielsweise Umwelt-Controlling, ökologisch orientiertes Controlling, umweltbezogenes Controlling oder auch Environmental Controlling (Schaltegger/ Kempke 1996, S. 150, oder auch Müller 1995, S. 221ff). Analog zur gesamten Controllingforschung hat sich die Begriffsauffassung des Öko-Controlling von einem ausschließlich rechnungswesenorientierten über ein ökologisch-aktionsorientiertes hin zu einem führungsorientierten Controllingverständnis gewandelt. Dieser Wandlungsprozeß wird durch die folgende Darstellung zusammenfassend nachvollzogen (in Anlehnung an Henzler 1974, S. 60ff.; Peemöller 1990, S. 63; Schaltegger/ Kempke 1996, S. 150ff., und Welge 1988, S. 21):

Führungsorientiertes Öko-Controlling

Controllingauflassung

rechnungswesen-

ökologisch-

orientiert

aktionsorientiert

167

ftthrungsorientiert

Charakterisierende Merkmale Ziele

-

-

Konzentration auf die

-

Verbesserung der um-

- Integration von finan-

finanziellen Auswir-

weltbezogenen Informa-

ziellen Auswirkungen

kungen umweltbezo-

tionsprozesse und Kom-

ökologisch relevanter

gener Maßnahmen

munikationsbeziehungen

Handlungen und um-

Erhebung und Steuerung

weltbezogener Aus-

der Umweltauswirkungen

wirkungen wirtschaft-

Sicherung der

-

Liquidität

licher Hand-lungen

von wirtschaftlichen Maßnahmen -

-

Sicherung wirtschaftlich rationaler Umwel-

Sicherstellung der öko-

tentscheidungen

logischen Zielerreichung

- Die Erbringung eines Beitrags zur Optimierung der Überlebensfahigkeit des Unternehmens Institution

Leiter des (traditionell

Leiter des internen Rech-

Leiter einer neu geschaf-

verstandenen) Rech-

nungswesens und zusätzlich

fenen Abteilung (als

nungswesens

Leiter einer betriebswirt-

Antwort auf die gestiege-

schaftlichen Abteilung (z.B.

ne Komplexität und Dy-

Untemehmensplanung)

namik des Unternehmensumfelds)

zu kein Servicedenken

Verhältnis anderen

Stellen

Controller als 'Spürhund',

stark ausgeprägtes Ser-

Auftreten eines erheblichen

vicedenken, Hilfestellung

Konfliktpotentials

im Unternehmen

anstelle von Kontrolle und Sanktionen

Funktionen

- Kontrollfunktion

-

Kontrollfunktion

- Innovationsfunktion

- Informationsfunktion

- Integrationsfunktion -

Koordinationsfunktion Informationsfunktion

Kapitel 8

168

Controiling-

rechnungswesen-

ökologisch-

orientiert

aktionsorientiert

auffassung

fUhrnngsorientiert

Charakterisierende Merkmale Tätigkeits-

-

bereiche -

Kontrolle der Finan-

-

rungstätigkeit durch

Abweichungen

Führungsleistungen

Ökologische Schwach-

und Führungsdienst-

-

traditionelles betriebsen, ergänzt durch ei-

-

ne Öko-Bilanz Instrumente

keine zusätzlichen

leistungen

stellenanalyse

liches Rechnungswe-

-

Ergänzung der Füh-

tung umweltbezogener

Rechnungen

strategische

-

Durchführung von Umwelt-Budget-

-

Erfassung und Auswer-

zen

ökologische Beurteilung

-

ler Bestandteil einer

betriebliche Umweltin-

ökologischen Unternehmens-führung

formationssysteme -

Instrumente

ökologische Stärken/

-

Schwächen-Analyse -

Chancen/ Risiken-Anaökologische Organisa-

ökologie-orientierte Frühaufklärung

-

lyse -

Controlling als integra-

eingereichter Pläne

ökologie-orientierte Portfolioanalysen

-

Szenarioanalysen

tionsentwicklung operative

In- -

strumente

Umwelt-Budget-

-

Rechnung -

ökologische Kostenar- -

spezifisch gewichtete

ten-, Kostenstellen-

Öko-Bilanzen

und Kosteträgerrech-

-

nung -

EDV-gestützte Umwel-

ungewichtete Ökobi-

-

tinformationssysteme

-

-

ökologie-orientierte Informations- und Ent-

ökologische Abwei-

scheidungsinstru-

chungsanalyse

mente (z.B. Produktli-

Checklisten

nienanalyse, Umweltveträglichkeitsprüfung)

lanzen Philosophie

ökologie-orientiertes Kennzahlensystem

-

passiv

-

aktiv

-

-

reaktiv

-

antizipativ

-

-

vergangenheitsorien-

-

zukunftsorientiert

tiert

aktiv lemfahig vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsorientiert

systemisches

nicht vorhanden

nur ansatzweise vorhanden

Rollen-

Registrator/

Navigator

verständnis

Erbsenzähler

Denken

Kernpunkt aller Tätigeiten des Controllers Innovator

Tabelle 1: Abgrenzung von rechnungswesenorientiertem, ökologisch-aktionsorientiertem und fiihrungsorientiertem Controlling

Fährungsorientiertes Öko-Controlling

4.

169

Funktionen eines führungsorientierten Öko-Controlling in Unternehmen

4.1

Koordinationsfunktion

Eines der wesentlichen Probleme in einem nach klassischen Gesichtspunkten strukturierten Unternehmen stellt die Arbeitsteilung und damit das Ressortdenken dar. In vielen Unternehmen herrscht deshalb heute eine bürgerkriegsähnliche Situation vor. Der Ressortleiter versucht, die Privilegien seiner Abteilung gegenüber den anderen Divisionen zu verteidigen. Unerwünschte Informationen werden nur verzerrt weitergegeben und die Gesamtsicht des Unternehmens geht damit unweigerlich verloren. So werden zum Beispiel Informationen aus der F & E-Abteilung über eine eventuelle Umweltschädlichkeit des eigenen Produktes verspätet an die Unternehmensleitung und den Vertrieb weitergegeben. Weiter verstärkt wird diese negative Entwicklung durch die zunehmende Umfelddynamik und Komplexität. Die Gefahr eines überlebensbedrohenden Ungleichgewichtszustandes zwischen Unternehmen und Umfeld steigt dadurch an. Die Struktur des Unternehmens wird von seinem Umfeld nicht mehr akzeptiert. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Koordinationsfunktion für die Optimierung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens bedarf die UnternehmensfUhrung einer Betreuung" (Horväth 1994, S. 108) durch einen Controller als Führungsergänzung. Die externen Koordinationserfordemisse, die für die langfristige Existenz des Unternehmens überlebensnotwendig sind, haben ihre hohe Bedeutung als Vorsteuergröße für den unternehmensinternen Kooordinationsbedarf (Rück 1993, S. 56). Überträgt man diesen Gedanken auf die Umwelt als Subsystem des Unternehmensumfeldes, so ergibt sich für ein fiihrungsorientiertes Öko-Controlling die folgende Kernaufgabe: die Sicherstellung eines Umweltmanagements als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie (Müller 1995, S. 234). Die Koordinationsfunktion des Öko-Controlling soll die Gesamtsicht des Unternehmens durch das Führungssystem wiederherstellen und damit die Umsetzung des Umweltmanagements in allen Querschnittsbereichen des Unternehmens sichern. Es können in diesem Zusammenhang zwei Formen der Koordination unterschieden werden (Eschenbach/ Niedermayr 1996, S. 72fif.): - die systembildende Koordination und - die systemkoppelnde Koordination.

170

Kapitel 8

Die systembildende Koordination des Controlling besteht darin, möglichst günstige Koordinationsvoraussetzungen im Führungssystem zu schaffen. Diese Aufgabe beinhaltet bezogen auf ein Öko-Controlling im einzelnen (Müller 1995, S. 234f.): - Entwicklung eines Umweltmanagementsystems, - Integration der Steuerung des Umweltmanagements in das Controlling und - Einheitliche Umsetzung einer offensiven Umweltstrategie in allen Unternehmensbereichen. Innerhalb der systembildenden Koordination trägt das Controlling daher die Verantwortung für die Implementierung und Institutionalisierung der Instrumente des Umweltmanagements, die im Unternehmen eingesetzt werden. Systembildende Koordination findet sowohl in als auch zwischen den einzelnen Führungsteilsystemen statt. Nach Küpper setzt sich das Führungssystem eines Unternehmens aus den folgenden fünf Subsystemen zusammen (Küpper 1987, S. 95): - Wertesystem - Planungs- und Kontrollsystem - Informationssystem - Personalführungssystem -

Organisationssystem.

Das Öko-Controlling soll in diesen Bereichen den Systementwicklungsbedarf verdeutlichen und durch eigene Hilfestellungen den Abbau von Koordinationsmängeln in die Wege leiten. Die systemkoppelnde Koordination tritt in Erscheinung, wenn aktuelle Koordinationsprobleme aufeinander abgestimmt werden müssen und die systembildende Koordination in diesem Falle zu keiner Lösung der Problemlage führt. Ein hoher Grad an systembildender Koordination führt demnach zu einem geringen Bedarf an systemkoppelnder Koordination. Der Bedarf an systemkoppelnder Koordination nimmt mit abnehmender Variabilität betrieblicher Tatbestände zu (Gutenberg 1958, S. 238). Die systemkoppelnde Koordination stellt als originäre Führungsaufgabe den „ad-hocKoordinationsbedarP innerhalb des Führungssystems, beispielsweise die Koppelung und Abstimmung zwischen Gesamtunternehmensstrategie, Umweltstrategie und den operativen Maßnahmen der funktionalen Einheiten sicher.

Führungsorientiertes

4.2

Öko-Controlling

171

Integrationsfunktion

Die Integrationsfunktion als ex-ante-Harmonisation des Unternehmens mit seinem Umfeld stellt nach Bleicher die zweite originäre Führungsfunktion dar. Während die Hauptaufgabe der Koordination aber in der Herausbildung und Abstimmung von Strukturen liegt, dient die Integrationsfunktion der Verbindung von Führungsprozessen. Koordination und Integration sind zwei Seiten ein und derselben Medaille und gehören untrennbar zusammen (Kreuzer 1995, S. 52). Die Integrationsfünktion des Controlling besteht darin: - die Geschlossenheit des Führungsprozesses im Sinne eines kybernetischen Regelkreissystems sicherzustellen und - die Regelkreise in unterschiedlichen Untemehmensbereichen miteinander zu vernetzen. Kybernetische Regelkreise lenken das System Unternehmen durch Steuerung und Regelung. Die Steuerung stellt die antizipative Vorwegnahme von Abweichungen, die Regelung die adaptive Korrektur von Abweichungen dar. Das Öko-Controlling hat deshalb im Rahmen seiner Integrationsfünktion darauf zu achten, daß der Regelkreis des Umweltmanagements, der durch die Koordinationsfunktion in das Controlling integriert wurde, geschlossen bleibt. Das bedeutet konkret, daß beispielsweise einer Zielvereinbarung im Rahmen einer offensiven Umweltstrategie die konsequente Umsetzung der Ziele, die Kontrolle der Zielerreichung und das Ermitteln der Zielabweichung folgt und diese Abweichung wiederum Grundlage für die Planung und Realisierung von Korrekturmaßnahmen und der zukünftigen Umweltstrategie darstellt. Die Geschlossenheit kann etwa durch ein Informationsversorgungssystem, das die einzelnen Stufen des Regelkreises adäquat abbildet, oder durch direkte und indirekte Verhaltenssteuerung sichergestellt werden. Ein geschlossener Regelkreis des Umweltmanagements trägt dazu bei, daß organisationale Lernprozesse im Bereich der ökologieorientierten Unternehmensführung angestoßen werden, die von herausragender Bedeutung für eine offensive Umweltstrategie sind und das dafür notwendige Innovationspotential eröffiien (Fietkau 1988, S. 97ff.; Seidel 1988, S. 308; Seidel 1989, S. 80). Dadurch kann es gelingen, die Zeitfalle zwischen der zunehmenden untemehmensinternen Komplexität des Führungsprozesses und der sich beschleunigenden Dynamik der Umfeldentwicklung zu überwinden.

172

Kapitel 8

Die zweite Aufgabe des Öko-Controlling im Rahmen der Integrationsfunktion ist die Vernetzung der unterschiedlichen Regelkreissysteme im Unternehmen. Die besondere Herausforderung für das Umweltmanagement besteht darin, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge von Entscheidungen und Handlungen über längere Zeiträume hinweg zu erkennen. Das ÖkoControlling ist in diesem Zusammenhang weder mit einem Regler noch mit einer Regelstrekke oder einem Regelkreis zu verwechseln. Regelung und Steuerung sind Aufgabe der Linieninstanzen. Das Öko-Controlling übernimmt hingegen im Führungsprozeß die Aufgaben der Systementwicklung und der Minimierung der systembedingten Verzögerungen zwischen Ursache und Wirkung. Es hat daher für das Umweltmangement im Unternehmen jene Instrumente zur Verfügung zu stellen, die es benötigt, um systembedingte Verzögerungen wahrzunehmen und wenn möglich zu reduzieren. Als Beispiele seien an dieser Stelle die Regelkreisanalyse für den strategischen Bereich und der Soll-/Ist-Vergleich mit sich anschließender Erwartungsrechnung und Maßnahmenplan für den operativen Bereich genannt. Diese Instrumente tragen dazu bei, das Funktionieren der kybernetischen Regelkreise im Umweltmanagement sicherzustellen.

4.3

Informationsfunktion

Informationen sind die Grundlage jeder Führungstätigkeit und damit Voraussetzung für die Erbringung von Führungsleistung (Kreuzer 1995, S. 53). Der Controller hat im Rahmen seiner Informationsfunktion die Aufgabe, ein funktionsfähiges Informationsversorgungssystem zu gestalten. Dieses Informationsversorgungssystem „umfaßt alle Aktivitäten, die die formalisierte Bereitstellung untemehmensexterner und -interner Führungsinformation betreffen" (Niedermayr 1994, S. 66). Für die Funktionsfähigkeit eines solchen Informationsversorgungssystems sind zwei Faktoren entscheidend (Niedermayr 1994, S. 67): - die Berücksichtigung der Informationsaufnahme- und -Verarbeitungskapazität der Führungskräfte und - die koordinierte, arbeitsteilige Informationsversorgimg. Manager leiden heute unter einer wahren Informationsflut, die eine Entscheidungsfindung hinauszögert oder sogar unmöglich macht. Empirische Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, daß die Informationsnachfrage nur zwischen 6-11% des objektiv deckbaren Informationsbedarfs beansprucht (Witte 1975, Sp. 1919f.). Es werden daher rund 90% der von Informationsversorgungssystemen bereitgestellten Informationen nicht genutzt. Außerdem besteht kein positiver Zusammenhang zwischen der Quantität der Informationsversorgung und der

Führungsorientiertes Öko-Controlling

173

Qualität der unternehmerischen Entscheidungen. Ganz im Gegenteil: j e mehr das Informationsangebot die Informationsnachfrage übersteigt, desto mehr verschlechtert sich die Qualität der Entscheidungen. Darüberhinaus stellen 90% nicht genutzte Informationen auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein erhebliches Kostenproblem dar. Das Controlling hat deshalb innerhalb seiner Informationsfunktion die kognitiven Informationsverarbeitungsfähigkeiten des Managements zu berücksichtigen. Dies gilt in ganz besonderem Maße für die umweltbezogene Informationsbeschaffung, -Verarbeitung und -speicherung. Aus einer Vielzahl von Informationen aus dem Unternehmen und dem Untemehmensumfeld müssen vom Öko-Controlling diejenigen selektiert werden, die als Führungsinformation für das Umweltmanagement von übergeordneter Bedeutung sind. Gleichzeitig sind diese Informationen in einer Form aufzuarbeiten, die dem Management eine Wahrnehmung und empfängergerechte Weiterverarbeitung ermöglichen (Eschenbach/ Neumann 1995, S. 93ff). Eine koordinierte, arbeitsteilige Informationsversorgung umfaßt die Abstimmung zwischen der vom Umweltmanagement geäußerten, subjektiven Informationsnachfrage, dem von verschiedenen Unternehmensbereichen bereitzustellenden bzw. auch extern aus dem Untemehmensumfeld zu gewinnenden Informationsangebot und dem für eine zielorientierte Führung erforderlichen umweltbezogenen Informationsbedarf. Der daraus resultierende Koordinationsbedarf läßt das Informationsversorgungssystem zum Kern jedes führungsorientierten ÖkoControlling werden. Controlling hat im Gegensatz zum Management keine Ergebnisverantwortung, sondern Ergebnistransparenzverantwortung (Eschenbach 1997, S. 15). Neben der formalen Informationsversorgung, beispielsweise in Form eines standardisierten Berichtswesens, kommt der informellen und damit persönlichen Informationsweitergabe eine zunehmende Bedeutung zu, da hierbei insbesondere auch komplexere Inhalte im Rahmen des Umweltmanagements

vermittelt werden können.

Die Informationsfunktion des Öko-

Controlling erhält dadurch immer mehr den Charakter einer betriebswirtschaftlichen Umweltberatung zur Reflektion bewährter, aber gleichzeitig auch betriebsblinder Denkmuster (Steger 1988, S. 185f.). Dieser besondere Charakter ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: - Mitarbeit an der Erstellung offensiver Umweltstrategien und deren Umsetzung; - stärkere Gewichtung persönlicher Informationsbeziehungen, sowie - stärkere Einflußnahme auf umweltrelevante Entscheidungsprozesse. Die Informationsfunktion des Öko-Controlling kann daher insgesamt als Führungsdienstleistung für das Umweltmanagement bezeichnet werden.

Kapitel 8

174

4.4

Innovationsfunktion

Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens entscheidet in hohem Ausmaß über seine Überlebensfahigkeit. Der Begriff der Innovation beschreibt die kommerzielle Verwertung von Erfindungen (Inventionen). Während Inventionen eher zufällig und kontinuierlich erfolgen, treten Innovationen in zyklischen Wellen auf. Ausgelöst werden diese Wellen von sogenannten Basisinnovationen, die eine Reihe von Folgeinnovationen zwangsläufig nach sich ziehen. Als klassische Beispiele für Basisinnovationen lassen sich die Dampfmaschine oder auch der Computer anführen. Aber nicht nur im Produktbereich, sondern auch im Prozeßbereich können Innovationen entstehen. Das Fließband von Henry Ford beschreibt eine derartige Basisinnovation. Selbst im Managementbereich ist diese Art von Basisinnovationen denkbar. Das Scientific Management von Taylor brachte beispielsweise radikale Veränderungen, die bis in unsere heutige Zeit hinein wirksam sind, mit sich. Der Begriff der Innovation beinhaltet nicht nur objektiv Neues, sondern auch subjektiv Neues und damit Neuerungen, die in einem Unternehmen zum ersten Mal auftreten (Witte 1973, S. 3).

Umweltbezogene Produkt-, Prozeß- und Managementinnovationen zählen zu den wichtigsten Aufgaben eines Umweltmanagements. Der Manager arbeitet ständig in der Gefahr, daß seine Handlungen nur noch wenig Spielraum zur Selbstreflexion über seine eigene Arbeit lassen. Eine permanente Überlastung und eine ständige Zeitnot führen beim Manager zu einer Mechanisierung seiner Aufgabenerledigung. Der notwendige ökologische Bewußtseinswandel erscheint in dieser Situation als ein zu komplexes und zeitaufwendiges Schreckensgespenst. Man hat zuviel zu tun, um sich Gedanken über einen sinnvollen Wandel bzw. über die Einführung von unweitbezogenen Innovationen machen zu können, obwohl diese dem Manager eine Zeitersparnis bringen könnten. Der Manager befindet sich in einem sich negativ verstärkenden Teufelskreis, aus dem er ohne fremde Hilfe und/ oder ohne fremden Impuls nicht mehr herausfindet. Genau dieser Impuls, diese Hilfe soll durch das Öko-Controlling als Führungsdienstleistung erbracht werden. Impulse sind Aktivitäten, die Folgeaktivitäten auslösen (Niedermayr 1994, S. 63). Der Öko-Controller hat als bereichsübergreifender Impulsgeber die Aufgabe, die ökologische Qualität der Entscheidungsprozesse im Management sicherzustellen. Geschickt gesteuerte Impulse in Verbindung mit der Informationsfunktion des Controllers können organisationale Lernprozesse und in der Folge Umweltinnovationen auslösen. Impulse sind damit sowohl prozeßaktivierend als auch innovationsfördernd. Impulse sind genau dann einzusetzen, wenn organisationale Filter dazu führen, daß für das Unternehmen bedeutsame Umfeldentwicklungen nicht wahrgenommen werden. Impulse verstärken daher immer solche umweltbezogenen Informationen, die vom Management als bloße Information und damit ohne beglei-

Führungsorientiertes Öko-Controlling

175

tenden Impuls nicht wahrgenommen würden. Durch die Impulsverstärkung versucht das Controlling, katalytisch beim Management darauf hinzuwirken, daß die Informationen nicht nur wahrgenommen, sondern daß auch aufgrund der Informationen Entscheidungen gefällt und Maßnahmen gesetzt werden. Die Innovationsfunktion des Öko-Controlling ist daher eine auf der Informationsfunktion aufbauende Führungsdienstleistung.

5.

Ausblick

Das größte Mißverständnis in der deutschen Sprache liegt - bezogen auf das Controlling darin, daß die gängige deutsche Bezeichnung „Controlling" suggeriert, ein Controller würde den Beitrag seiner Aufgabe in der Wahrnehmung einer Art Kontrolle bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten sehen. Sowohl der rechnungswesenorientierte als auch der ökologischaktionsorientierte Ansatz des Öko-Controlling stellen diese Kontrollfunktion in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Dabei bezieht sich die Kontrolle beim rechnungswesenorientierten Ansatz auf die finanziellen Auswirkungen umweltbezogener Maßnahmen, beim ökologischaktionsorientierten Ansatz auf die umweltbezogenen Auswirkungen wirtschaftlicher Maßnahmen. Der Controller selbst macht jedoch nach unserem fuhrungsorientierten Verständnis kein Control bzw. Controlling. Er ermöglicht es vielmehr dem Management, Controllingaufgaben wahrzunehmen. Führungsorientiertes Öko-Controlling ist ein Vorgang, der zu den wesentlichen Aufgaben eines Umweltmanagements in einer Organisation zählt. Öko-Controlling ist daher ein Prozeß, der idealerweise als Interaktion zwischen Manager und Controller stattfinden sollte:

Koordination'

Manager

Integration Information

Controller

Innovation ,

Controlling

Abb. 5:Führungsorientiertes Controlling (in Anlehnung an Deyhle/Stegmeier u. a., S. 23)

176

Kapitel 8

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Führungsorientiertes

Öko-Controlling

m

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Kapitel 9 Best practice Organisationsgestaltung und Personalmanagement von Michael Stitzel und Uta Kirschten

1. Organisation und Personal im Umweltmanagement - auf dem Weg zur best practice? 2. Best practice umweltorientierte Organisation 2.1 Ausgangssituation und Ziele

180 181 181

2.2 Aufbau- und ablauforganisatorische Konzeptionen des betrieblichen Umweltschutzes 2.3 Umweltorientierte Organisationskultur und organisationales Lernen 3. Best practice umweltorientiertes Personalmanagement 3.1

Ausgangssituation und Zielsetzung

3.2

Ansätze eines best-practice umweltorientierten Personalmanagements

182 184 188 188 191

4. Fazit

193

Literatur

194

180

1.

Kapitel 9

Organisation und Personal im Umweltmanagement - auf dem Weg zur best practice?

So viel scheint sicher: Erfolgreiches unternehmerisches Umweltmanagement benötigt unabdingbar eine effiziente, auf die Spezifîka des Umweltinteresses bezogene Organisation sowie Mitarbeiter, die bereit und in der Lage sind, in ihrem betrieblichen Leistungsverhalten möglichst viel zur Umweltverträglichkeit der Unternehmung beizutragen. Hier gilt grundsätzlich das Gleiche wie bei jedem anderen Objekt von Management, nur wird man angesichts der Eigenheiten dieses Gegenstandes (Erhöhung von betrieblicher Komplexität, Gefahr manifester Zielkonkurrenzen zu ökonomischen Interessen) neue Wege gehen müssen. Eine Analyse von Theorie und Praxis des Umweltmanagements zeigt allerdings, daß die Aspekte Organisation und Personal in diesem Bereich relativ spät entdeckt wurden und daß vergleichsweise

wenige

innovative

und

erfolgversprechende

Organisations-

und

Personalmanagement-Konzepte entwickelt und realisiert wurden, die auf die vielfältigen besonderen Bedingungen des Umweltthemas Rücksicht nehmen. Die echten Fortschritte, auch im Sinn von best practice, sind im Bereich Rechnungslegung, speziell Öko-Controlling, sowie im Bereich der technischen Umsetzung des Umweltschutzzieles realisiert worden, wohl auch in der meist unausgesprochenen Annahme, daß das Umweltproblem eigentlich ein technokratisch lösbares sei. Das mag sogar richtig sein, wenn sich, wie vermutet wird, betrieblicher Umweltschutz ganz überwiegend in der Anpassung von Produktionsprozessen und Techniken an externe Vorgaben - Grenzwerte, Auflagen etc. - realisiert (Birke/ Schwarz 1996). Dann kann es ausreichen, den Beitrag der Organisation auf (meist wenig originelle) aufbauorganisatorische Varianten einzugrenzen und sich im Personalbereich auf relativ undifferenzierte Strategien der Umweltinformation und Umweltbildung zu beschränken (z.B. Hopfenbeck/ Willig 1995). Wenn indes Umweltmanagement als proaktives Chancen- und Risikenmanagement verstanden wird - und das sollte sowohl aus ökologischen als auch aus unternehmensstrategischen Gründen selbstverständlich sein - dann reicht das bislang Geleistete nicht aus; wir wären von best practice noch weit entfernt. Darauf weisen auch eine Vielzahl von skeptischen Überlegungen hin (schon früh z.B. Seidel/ Menn 1988; Seidel 1990; neuerdings Freimann 1996), die vor dem Hintergrund des Wissens um die begrenzte Gestaltbarkeit des komplexen Sozialsystems Unternehmung und der nur partiellen Steuerbarkeit des Mitarbeiterverhaltens differenziertere Analysen von Organisation und Personalmanagement anmahnen und teilweise auch zu realisieren versuchen (z.B. Fichter 1992 im Rückgriff auf Preuss 1991, s. Kap. 3; Pfriem 1995). Vor diesem Hintergrund ist auch best practice zu relativieren: es geht nicht um optimale Lösungen, sondern um trial-and-error-

Organisationsgestaltung und Personalmanagement

181

Prozesse, in deren Rahmen organisationaie Veränderungen, Bewußtseinswandel

und

Verhaltensanpassung auf ihre funktionale Umweltwirkung getestet und bei Bedarf verbessert werden. Mehr ist derzeit nicht zu leisten. Denk- und Diskussionsansätze dazu will dieser Beitrag zeigen. Immerhin, das belegt der Blick in die Literatur und die Praxis, sind die Themen Organisation und Personal aus der,Aschenputtelrolle" herausgekommen, die sie in der Frühphase der Auseinandersetzung der Betriebswirtschaftslehre mit dem Umweltproblem zugewiesen bekommen haben, und was nicht gerade zum Vorteil für diese neue Herausforderung an die Betriebswirtschaftslehre war.

2.

Best practice umweltorientierte Organisation

2.1

Ausgangssituation und Ziele

Angesichts des in Wissenschaft und betrieblicher Praxis sehr unterschiedlich benutzten Organisationsbegriffs ist zunächst das hier verwendete Organisationsverständnis (s. auch Kieser 1992; Heinen 1991) zu klären. Organisation als betriebliche Querschnittsfunktion hat zwei Komponenten: • Zum einen umfaßt sie die Gesamtheit der formalen Regelungen in Unternehmen, die angesichts der Komplexität des betrieblichen Geschehens für die Realisierung von Arbeitsteilung

und Koordination

erforderlich sind, speziell

die Aufbau- und

Ablauforganisation (funktionaler Organisationsbegriff; plakativ ausgedrückt: "Die Unternehmung hat eine Organisation"). • Zum zweiten betrifft sie die Unternehmung als soziales System und beschreibt damit die Strukturen und Prozesse, die dieses soziale System kennzeichnen und steuern, also z.B. Organisationsklima, Organisationskultur, Mikropolitik und organisationalen Wandel (institutioneller Organisationsbegriff; plakativ ausgedrückt: "Die Unternehmung ist eine Organisation"). Damit die Unternehmung unter den gegebenen Umständen (z.B. Wettbewerbssituation) möglichst wenig Umweltschäden verursacht, sind beide Aspekte von Organisation zu berücksichtigen. Einerseits hat eine best practice umweltorientierte Organisation formalisierte Aufbau- und Ablaufstrukturen zu generieren, die eine angemessene Realisierung des Umweltinteresses ermöglichen. Zum zweiten geht es aus systemischer Sicht um die Förderung einer umweltorientierten Organisationskultur und die Entwicklung der Fähigkeit

182

Kapitel 9

der Unternehmung, in Form des organisationalen Lernens immer bessere Umweltlösungen zu finden bzw. zu realisieren. Insgesamt ist das eine nicht gerade einfache Aufgabe und so überrascht es auch nicht, daß die bisherigen Überlegungen dazu von best practice noch einigermaßen weit entfernt sind (neuere positive Ansätze z.B. Freimann 1996, S. 477-501; siehe auch Seidel 1990). Zu Beginn der Organisations-Analyse ist darauf hinzuweisen, daß durch die EG-Öko-AuditVerordnung speziell die Frage der Organisation des betrieblichen

Umweltschutzes

mittelfristig wahrscheinlich auf eine völlig neue Daten-, Wissens- und Diskussionsbasis gestellt wird. Durch die von außen an die Unternehmung herangetragene Audit-Verordnung wird der Organisationsaspekt in das Zentrum einer ökologieorientierten Unternehmenspolitik gerückt.

Erreicht

wird

das

durch

das

zwingend

im

Audit

verankerte

sog.

"Umweltmanagementsystem" (der Begriff ist in der Audit-Verordnung etwas unglücklich gewählt), das im wesentlichen nichts anderes darstellt als die oben genannte Aufbau- und Ablauforganisation des umweltrelevanten Handelns der Unternehmung. Die das Audit durchfuhrenden Unternehmen werden sich bei der Implementation und kontinuierlichen Verbesserung des Umweltmanagmentsystems mehr als bisher mit klassisch organisationalen Fragen des Umweltschutzes, wie z.B. Einbindung in bestehende Strukturen oder Koordination und Kontrolle von Umweltschutzmaßnahmen, beschäftigen (müssen). Die dabei gemachten Erfahrungen und generierten Lösungen werden, so ist zu hoffen und zu vermuten, neue Wege einer effizienten Organisation des betrieblichen Umweltschutzes weisen. Bis dahin sind wir bei der Suche nach best-practice-Lösungen noch auf relativ unbestätigte Hypothesen angewiesen.

2.2

Aufbau- und ablauforganisatorische Konzeptionen des betrieblichen Umweltschutzes

Dominantes

Thema

wissenschaftlichen

der

Organisation

Überlegungen

des

betrieblichen

Umweltschutzes

und Berichten aus Unternehmen

die

ist

Frage

in der

zweckmäßigen Einbindung des Umweltinteresses in bestehende Organisationsstrukturen, also konkret z.B. die Frage der Stellenzuordnung und der Stellenkompetenzen, speziell der Betriebsbeauftragten für Umweltschutz (Seidel 1990; Schreiner 1993, S. 83ff.; Meffert/ Kirchgeorg 1992, S. 275 ff.). Die überwiegend beschriebene und auch empfohlene Form, das Umweltinteresse additiv als Stabstelle entweder der Geschäftsleitung und/ oder einer bzw. mehreren tieferliegenden Linieninstanz(en) zuzuordnen, ist wohl kaum als best practice anzusehen. Bei dieser Strukturierung potenzieren sich vermutlich wegen der Gefahr massiver

Organisationsgestaltung und Personalmanagement

183

Zielkonkurrenzen (Zusatzkosten durch Umweltschutz) die bekannten Stab-Linien-Probleme (ähnlich Freimann 1996, S. 485ff., der diese Lösung auch skeptisch in ihrer faktischen Wirkung einschätzt). Unter einer Bedingung kann die Stabslösung allerdings hocheffizient sein, dann nämlich, wenn dem Inhaber der jeweiligen Linienfunktion die Umweltorientierung sehr wichtig ist, also auch intentional "Chefsache" darstellt, der er nicht ausweichen will. Dann kann sich eine klassische Macht-/ Fachpromotor-Konstellation ergeben, bei welcher der Umweltbeauftragte das nötige Know-how liefert, das dann vom Linienmanager in konkrete Entscheidungen umgesetzt wird. Ist "Umweltschutz als Chefsache" dagegen nur ein leeres Schlagwort, weil die Umweltproblematik für den Manager letztendlich nur eine lästige Zusatzaufgabe darstellt, dann nützt der zugeordnete Stab und auch das uneingeschränkte Zugangsrecht des Betriebsbeauftragten kaum etwas für das Umweltinteresse; es wird, ggf. sehr freundlich, mit dem Blick auf kurzfristige ökonomische Zwänge abgeblockt oder es versandet in mikropolitischen Prozessen. Über

die

Stabslösung

hinausgehende

better-practice-Lösungen

der

Integration

des

Umweltinteresses in bestehende Organisationsstrukturen werden angedacht, allerdings fehlen noch ausreichende Erfahrungen über eine betriebliche Realisierung. Im Vordergrund stehen sekundärorganisationsorientierte Konzepte wie z.B. temporäres Projektmanagement und eine Umweltmatrixorganisation. Projektorganisationen zur Entwicklung und Implementation von abgegrenzten Umweltaktivitäten, wie z.B. die Vorbereitung eines Öko-Audits oder die Konzeption einer Ökobilanz (Meffert/ Kirchgeorg 1992, S. 282ff.) stellen sicherlich eine sinnvolle Organisationsstruktur dar; Erfolgsvoraussetzungen sind hohe Umweltqualifikation und -motivation der Mitarbeiter (siehe Kap. 3) sowie das Gelingen der Integration in die übrige

betriebliche

Aufgabenerfüllung, also

Aspekte,

die

bei jeglicher

Form

von

Projektorganisation gegeben sein müssen. Die Vorgehensweise, das Umweltinteresse als Matrixstruktur über die normale Organisation zu legen, wirkt zunächst einmal bestechend, insbesondere wenn es auch noch auf unterschiedliche Medien (Emissionen, Abfall ...) bezogen wird. Die Berücksichtigung der Umwelt ist dann, zumindest formal, in der ganzen Unternehmung präsent. Das Problem besteht darin, daß sich dadurch ggf. eine weitere Steigerung

der

zwischenzeitlich

Organisationsstrukturen Komplexität

der

sowie

Organisation

durch

durch ergibt.

Business

Reengineering

Marktturbulenzen In

manchen

ohnehin Fällen

und

größer

wird

verwandte gewordenen

man

von

einer

Tertiärorganisation sprechen können, wodurch zusätzliche, schwierig zu handhabende Koordinationserfordernisse entstehen. Da Komplexitätsreduktion tendenziell am letzten komplexitätserhöhenden Faktor (hier Organisation des Umweltschutzes) ansetzt, besteht die Gefahr,

daß

das

Umweltschutzinteresse

Vereinfachungsbestrebungen zum Opfer fällt.

als

erstes

auch

wieder

den

184

Kapitel 9

Weiterreichende und ausgefallenere Ideen, wie z.B. der Öko-Partisan (Stitzel/ Wank 1991; man könnte weniger provokativ auch vom Öko-Man sprechen), der losgelöst von der normalen Hierarchie und damit auch zwangs- und sanktionsfrei als eine Art Hofnarr der Unternehmung ihren umweltschädigenden Spiegel vorhält und Veränderungen anmahnt, werden zwar gerne zitiert, aber in der Praxis nicht einmal experimentierweise umgesetzt. Möglicherweise wird damit die Chance vertan, vorurteilsfrei Umweltprobleme zunächst einmal im Unternehmen zu identifizieren und nach Lösungen zu suchen, bevor sie (unerwartet!) von außen sanktionsorientiert durch den Staat oder Umweltschutzorganisationen an das Unternehmen herangetragen werden. Nur als Denkansatz: ein Öko-Partisan hätte vielleicht die Shell-Gruppe davon abhalten können, im Fall Brent Spar unsensibel und unbeirrbar auf den Gefühlen und Werten relevanter Bezugsgruppen herumzutrampeln und so das für Kosten und Image folgenschwere Desaster heraufzubeschwören (man überlege, wie wenig dieser Partisan in Relation zum eingetretenen Schaden gekostet hätte). Best practice ablauforganisatorische umweltbezogene Regelungsysteme sind weniger schwer zu entwickeln als eine umweltorientierte Aufbauorganisation. Eine funktionsfähige Unternehmung mit einem ausgewogenen Verhältnis von generellen und fallweisen Regelungen sowie hochwertigen Planungs- und Kontrollsystemen sollte, wenn die entsprechenden

aufbauorganisatorischen

Voraussetzungen

geschaffen

sind,

auch

umweltbezogene Abläufe effektiv gestalten können. Zu denken ist hier z.B. an umfassende Ökochecklisten und deren Steuerung bzw. Kontrolle, an die organisatorische Gestaltung von Öko-Bilanzen oder des Öko-Audits, die Umsetzung von unternehmensbezogenen Richtlinien (als Beispiel für die Ablauforganisation eines betrieblichen Energiesparprogramms vgl. Meffert/ Kirchgeorg 1992, S. 285f.) sowie - schon schwieriger - die Handhabung von Störfällen. Noch schwieriger ist die organisatorische Gestaltung im strategischen Bereich, so z.B.

die Realisierung

von

umweltsensiblen

Friihaufklärungssystemen.

Die

hierbei

auftretenden Probleme sind allerdings nicht umweltspezifisch, sie sind vielmehr bei jeder Form von strategischem Management anzutreffen, weshalb sie hier auch nicht weiter vertieft werden müssen.

2.3

Umweltorientierte Organisationskultur und organisationales Lernen

Man muß sich darüber im klaren sein, daß gute Umwelttechniken und eine effiziente Organisation des betrieblichen Umweltschutzes allenfalls notwendige, keineswegs jedoch hinreichende Bedingungen für Umweltverträglichkeit von Unternehmungen darstellen. Nur wenn das soziale System Organisation den Umweltgedanken intemalisiert hat und tatsächlich lebt ("umweltorientierte Organisationskultur") sowie das Unternehmen selbststeuernd

Organisationsgestaltung und Personalmanagement

185

Mechanismen entwickelt und angewendet, die umweltbezogene Fortschrittsfähigkeit bewirken

("organisationales Umweltlernen"), werden umweltorientierte Aufbau- und

Ablaufstrukturen die gewünschten Ergebnisse zeigen. Damit sind zwei hochgesteckte Ziele angesprochen, die seit einiger Zeit in der wissenschaftlichen Diskussion stärkere Beachtung finden (z.B. Hailay 1996; Pfriem/ Schwarzer 1996; Kreikebaum 1996; Hammerl 1996; Finger u.a. 1996 etc.). Wenden wir uns zunächst der Frage zu, was unter organisationalem Lernen und unter einer umweltorientierten Organisationskultur eigentlich zu verstehen ist, um anschließend ihre Interdendenzen zu thematisieren. Wir gehen davon aus, daß für die Sicherstellung der umweltbezogenen Fortschrittsfähigkeit im Sinne einer ökologischen Entwicklung von Organisationen die Lernfähigkeit der Organisationsmitglieder und der Organisation selbst eine zentrale Rolle spielt (Finger u.a. 1996; Pfriem/ Schwarzer 1996; Hailay 1996). Unter Lernfähigkeit verstehen wir die Sicherstellung der individuellen und organisationalen Veränderungsbereitschaft, die eine wichtige Spezialkompetenz darstellt, um den Bestand einer Organisation (Adaptions- und Antizipationsfähigkeit) in der sich rasant und vielfaltig verändernden Umwelt zu sichern (Schreyögg 1996, S. 529). Diese Lernfähigkeit ist die Voraussetzung fur die Lernprozesse der Organisationsmitglieder

und der Organisation

selbst, somit

auch

für ökologische

Lernprozesse. Lernprozesse wiederum sind die Voraussetzung für die Entwicklung von sozialen Systemen, sofern Lernen als Entwicklungsprozeß im Sinne des Übergangs von einer Entwicklungsstufe zu einer höheren Entwicklungsstufe aufgefaßt wird (Hailay 1996, S. 162f.). Individuelles Lernen kann beschrieben werden als „Prozeß der Auseinandersetzung mit der Umwelt auf der Grundlage bereits erworbener kognitiver Strukturen, die zugleich die Möglichkeitsstrukturen weiteren Lernens sind" (Hailay 1996, S. 163). Vom individuellen Lernen ist das organisatorische Lernen zu unterscheiden, das hier verstanden wird, als "Prozeß, in dem Organisationen Wissen erwerben, in ihrer Wissensbasis verankern und für zukünftige Problemlösungserfordemisse hin neu organisieren" (Schreyögg 1996, S. 517). Zwar lernen grundsätzlich nur die Individuen, aber aus der Entwicklung einer gemeinsamen Wissensbasis und über die Konstruktion einer gemeinsamen Wirklichkeit in der Organisation durch Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung resultiert das Lernen der Organisation (Hailay 1996, S. 166). Zum Ausdruck kommt die organisationale Wissensbasis und die Entwicklung in den Organisationsstrukturen und -prozessen sowie ihren Veränderungen (ebenda, S. 167).

186

Kapitel 9

Als Voraussetzung für einen erfolgreichen Lernprozeß wird häufig ein Entlernen bestehender Orientierungen angesehen, um Platz zu schaffen für neu zu lernende Inhalte und eine Neudefmition des Realitätsverständnisses (Hedberg 1981, S. 18). Im Sinne der Entwicklung gemeinsamer Annahmen und Wirklichkeiten in Systemen unterscheiden Argyris und Schön (1978) zwischen den Lernebenen des single-loop-leaming und des double-loop-leaming. Das single-loop-learning entspricht dem Lernen durch Anpassung, wobei die "theories in use" (die sog. Gebrauchstheorien) nicht infrage gestellt werden. Das single-loop-learning vollzieht sich im Rahmen eines etablierten und generell akzeptierten Bezugsrahmens an Normen und Werten, der nicht hinterfragt wird. Bei diesen Lernprozessen geht es in erster Linie um Störungskorrekturen und kleine Anpassungen bzw. Verbesserungen, (vgl. Schreyögg 1996, S. 520). Die Substitution umweltgefährdender Inhaltsstoffe eines angebotenen Produktes (z.B. Pestizide) sei als Beispiel für ein ökologisches single-loop-leaming genannt. Demgegenüber stehen beim double-loop-learning die kollektiven Handlungsbedingungen (Handlungstheorien als Bezugsrahmen der Organisation) selbst zur Disposition. Bis dahin geltende Überzeugungen und Grundwerte, d.h. der Bezugsrahmen selbst, stellt sich als problematisch heraus und muß verändert werden. Um bei unserem Beispiel zu bleiben, würde man beim double-loop-leaming nicht nur einzelne Inhaltsstoffe, sondern z.B. das Produkt insgesamt und seinen Beitrag zu einer bestimmten Bedürfnisbefriedigung infrage stellen (z.B. in Form der Ersetzung eines Pestizids durch naturnahe Schädlingbekämpfungsformen, die natürlich eine vergleichbare Wirksamkeit haben müßten). Im Gegensatz zum single-loopleaming wird beim double-loop-learing der Bezugsrahmen selbst verändert, und damit der Kontext (Annahmen, Werte und Normen) des single-loop-learning. Auf Bateson (1988) geht die Identifikation einer dritten sog. Meta-Ebene des Lernens zurück, das Deutero-Learning. Hierbei wird nicht nur der bestehende Bezugsrahmen verändert, sondern auch der Lernkontext reflektiert, wobei sowohl das Lemverhalten als auch Erfolge und Mißerfolge von Lernprozessen berücksichtigt werden. "Durch die Reflexion des Lernprozesses und das Aufdecken und die Beseitigung von Lernhindemissen gelingt damit eine neue Stufe des Lernprozesses: das Lernen zu lernen" (Hailay 1996, S. 165). Finger u.a. (1996, S. 22) sprechen in diesem Zusammenhang auch von der Entwicklung einer Lemkultur, die das möglichst kontinuierliche Lernen möglichst vieler Mitglieder der Organisation fördert und dadurch ihre Transformation möglich macht. Eine umweltorientierte Lernkultur befähigt die Mitglieder der Organisation, „ständig nach neuen Möglichkeiten für ökologische Verbesserungen in der Organisation selbst, aber auch in Zusammenarbeit mit marktlichen und/ oder gesellschaftlichen Anspruchsgruppen zu suchen." (ebenda, S. 25). Bisher kann die Entwicklung einer derartigen Lernkultur wohl als kaum realisierte Zielvorstellung angesehen

Organisationsgestaltung und Personalmanagement

187

werden; auch Finger u.a. (1996) weisen daraufhin, daß sie die Herausbildung einer Lemkultur nicht empirisch beobachten konnten. Damit ökologische Lernprozesse in Organisationen in dem oben dargestellten dreifachen Sinn stattfinden können, reicht die bisher gängige (wenn überhaupt?) Beschränkung auf eine reine Wissensvermittlung nicht aus. Vielmehr müssen Bedingungen geschaffen werden, die eine ökologische Lernfähigkeit fordern bzw. unterstützen. Grundlegend ist hierfür die Schaffung eines "lernfreudigen Klimas" in der Organisation. Gemeint ist damit nicht nur eine grundsätzliche Offenheit der Organisation für ökologische Belange, sondern auch die Gewißheit der Mitarbeiter, daß z.B. Vorschläge für ökologische Veränderungen gewünscht und positiv aufgenommen werden. Erst die Gewißheit einer solchen positiven Grundhaltung weckt und fördert die Sensibilität der Organisationsmitglieder für ökologisch relevante Sachverhalte sowie für ökologische Aus- und Wechselwirkungen der unternehmerischen Tätigkeit. Dies ist die Grundlage für die Bereitschaft, nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen

und

damit

ökologische

Lernprozesse

anzustoßen.

Darüber

hinaus

müssen

Bedingungen geschaffen werden, die einerseits Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit schaffen, um z.B. funktionsübergreifende neue Lösungen zu erarbeiten, andererseits aber auch Konfliktfähigkeit zulassen und fördern, da die Generierung neuer Lösungen häufig durch konfliktbeladene Interessenverschiebungen gekennzeichnet ist (Friedel-Howe 1985, S. 242). Wichtig für die Unterstützung ökologischer Lernprozesse ist auch eine ökologisch aufgeschlossene Organisationskultur. Darunter verstehen wir unter Bezugnahme auf Matenaar (1983) die „Summe des tradierten wandelbaren Raum-Zeit-spezifischen Wert- und Wissensstandards eines Systems, deren Werte und Normen über Akzeptanz verbindlich werden und deren Überzeugungen und Fähigkeiten über Symbole erfahrbar und erkennbar sind" (Matenaar 1983, S. 37). Als gelebtes Wertesystem ist die Organisationskultur in mehrfacher Hinsicht für die Verankerung ökologischer Orientierungen und die Förderung ökologischer Lernprozesse bedeutsam. Eine für ökologische Aspekte aufgeschlossene Organisationskultur ist einerseits nötig, um ökologische Lernprozesse im Unternehmen zu fördern bzw. zu unterstützen, andererseits wird die Organisationskultur auch durch die Lernprozesse selbst beeinflußt und ggf. verändert. Ihre maßgebliche Bedeutung besteht in ihrer Unterstützungsfunktion für umfangreichere ökologische Lernprozesse und daraus resultierende Veränderungen. Eine für ökologische Aspekte aufgeschlossene Organisationskultur bildet das notwendige Fundament, auf dem sich ökologische Veränderungen erst konkretisieren können (und müssen). Zum Ausdruck kommen kann eine ökologisch aufgeschlossene Organisationskultur durch z.B. ökologische Leitlinien oder die Formulierung eines ökologischen Leitbildes (Hammerl 1996, S. 18).

188

Kapitel 9

Andererseits

sind

Organisationskultur

ökologische im

Hinblick

Lernprozesse auf

eine

auch

stärkere

geeignet,

eine

Berücksichtigung

bestehende ökologischer

Anforderungen zu verändern. Dies ist sicherlich ein langfristiger Prozeß, der durchaus mit Schwierigkeiten behaftet sein kann, dies um so mehr, je starrer bzw. veränderungsresistenter die bestehende Organisationskultur ist. Dennoch verläuft die Entwicklung zu einer umweltbewußten Organisationskultur als Lernprozeß, "der sowohl individuelles Lernen der einzelnen Organisationsmitglieder als auch das Lernen der Organisation selbst betrifft" (Hammerl 1996, S. 19).

3.

Best practice umweltorientiertes Personalmanagement

3.1

Ausgangssituation und Zielsetzung

Eine Personalstrategie, die den Anspruch erhebt, die Mitarbeiter in ihrer betrieblichen Tätigkeit zu möglichst umweltorientiertem Handeln zu bringen, setzt zweckmäßigerweise an modernen Vorstellungen von Personalarbeit an, speziell am human-resource-Ansatz und an Personalmanagement-Konzeptionen. Dementsprechend geht es im Personalbereich darum, die Potentiale der Mitarbeiter umfassend in Richtung Umweltverträglichkeit durch entsprechende Qualifikation und Motivation zu bündeln und in die Gesamtheit des unternehmerischen Umweltmanagements einzubinden. In dieser Zielsetzung sind sich die meisten Autoren zu diesem Themenkreis einig (z.B. Bartscher 1993; Kuhn/ Wittmann 1994; Pfriem 1995, S. 382ff.). Wesentlich weniger präzise sind die Vorstellungen darüber, wie diese Zielsetzung in der Praxis umgesetzt werden kann, und nur wenige machen sich Gedanken darüber, welche Hemmnisse dabei zu überwinden sind. Als Königsweg werden mitunter Konzepte eines relativ undifferenzierten Umweltlernens angepriesen, allerdings weitgehend ohne lerntheoretische Fundierung und damit natürlich auch ohne Erfolgsgarantie (z.B. Hopfenbeck/ Willig 1995). An zwei Argumentationslinien macht sich die Skepsis an herkömmlichen Qualifizierungsund Motivationsmaßnahmen zur Erreichung von Umweltzielen fest. Zum einen wird deren Ökonomieverträglichkeit infrage gestellt (z.B. Kuhn/ Wittmann 1994), zum zweiten wird bezweifelt, ob Mitarbeiter die personalen Voraussetzungen dafür mitbringen (Fichter 1992, aufgegriffen und erweitert von Pfriem

1995, S. 388ff.), ob sie also

tatsächlich

umweltverträglicher handeln wollen oder können. Das Fazit ist, daß wir auch in diesem Bereich von best practice kaum sprechen können, weder von der theoretischen Durchdringung noch von der praktischen Umsetzung her.

Organisationsgestaltung und Personalmanagement

189

Als Ausgangsbasis aller Bestrebungen für ein umweltorientiertes Personalmanagement ist festzustellen, daß Mitarbeiter betrieblich vorgegebene Funktionen auszuführen haben und nur additiv in dem dadurch abgesteckten Rahmen, und zunächst einmal nur in diesem Rahmen auch Umweltgesichtspunkte realisieren können. Scharf formuliert: Mitarbeiter werden nicht aus Umweltschutzgründen beschäftigt (das gilt nicht einmal für Umweltschutzbeauftragte!), sondern weil sie einen Beitrag zur ökonomischen Zielerreichung des Unternehmens zu leisten haben (siehe analog die Kritik von Staehle/ Nork 1992 an angeblichen "betrieblichen Umweltzielen").

Vor

diesem

Hintergrund

ist

auch

die

häufig

genannte

Trias

"Wollen" (= Motivation), "Können" (= Qualifikation) und "Dürfen" (= Restriktionen) des Umwelthandelns von Mitarbeitern zu sehen (dazu in unterschiedlichen Ausprägungen Seidel 1990; Kuhn/ Wittmann 1994; Pfriem 1995, S. 386ff.) Für ein best practice umweltorientiertes Personalmanagement sind alle drei Bereiche zu gestalten bzw. erst einmal auf ihre Möglichkeiten zu hinterfiragen, wobei nicht übersehen werden darf, daß zwischen diesen Faktoren sehr starke Vernetzungen bestehen, speziell zwischen Wollen und Können ("ökologische Verhaltenslücke", s. unten). Jegliches Umweltmanagement und damit auch umweltorientiertes Personalmanagement hat (zunächst

einmal)

zu

akzeptieren,

daß

Unternehmen

bestimmte

Produkt-Markt-

Kombinationen realisieren, die nicht einfach über den Haufen geworfen werden können: Luftverkehrsgesellschaften verbrauchen ökologisch knappe Ressourcen und verursachen gefährliche Emissionen; Unternehmen der Chemiebranche produzieren Entsorgungsprobleme und

schaffen Störfallrisiken.

In

diesem

Feld

müssen

sich

zunächst

einmal

die

Umweltaktivitäten der Mitarbeiter bewegen. Umweltqualifikation und Umweltmotivation ohne Berücksichtigung dieser Fakten realisieren zu wollen, wäre blauäugig. Unternehmen sind mehr und handeln anders als die Summe ihrer Mitarbeiter, d.h. jene können sehr wohl umweltbewußt sein, ohne daß das entsprechende Wirkungen hat, wenn das Unternehmen selbst nicht umweltfreundlich ist. Dazu kommt, daß sich Maßnahmen zur Förderung umweltorientierten Mitarbeiterhandelns "irgendwie" rechnen müssen (Kuhn/ Wittmann 1994, S. 384ff.). Das ist eine Binsenweisheit,

sie wird aber bei Empfehlungen zu betrieblicher

Umweltbildung, die häufig nicht gerade billig sind, übersehen. Zu fragen ist allerdings, was der Bezugspunkt von "Sich-Rechnen" ist. Entsprechend der hier vorgelegten Konzeption ist Umweltorientierung im Sinn des human-ressource-Ansatzes als eine strategische Investition zu

begreifen,

welche

die Unternehmung

fähig macht,

langfristigen

ökologischen,

technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht zu werden. Da rechnet sich dann eventuell doch manches, was ansonsten dem Rotstift eines kurzfristig orientierten Controllers zum Opfer fallen würde, z.B. eine Zukunftswerkstatt zur Generierung einer umweltbewußten Untemehmensvision.

190

Kapitel 9

Problembehaftet ist allerdings auch der Bereich des Könnens und Wollens, wobei diese beiden Aspekte eng miteinander zusammenhängen. Es gibt eine Vielzahl von personalen Hemmnissen umweltverträglichen Handelns von Individuen, die nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in der betrieblichen Tätigkeit zum Tragen kommen. Hinlänglich bekannt und empirisch abgesichert ist die sog. "ökologische Verhaltenslücke" (z.B. Wimmer 1995), die verhindert, daß ein grundsätzlich positives Umweltbewußtsein auch zum umweltorientiertem Handeln führt. Verantwortlich können dafür sowohl kognitive Gründe (zu geringes Umweltwissen), wie affektive Defizite (einer intakten Umwelt wird gegenüber anderen Interessen ein minderer Wert zugeordnet) als auch intentionale Hemmnisse (Unfähigkeit zu konkretem Umwelthandeln) sein. Damit sind Wollen und Können kaum mehr voneinander zu trennen: Die Akteure würden sich gerne umweltorientiert verhalten, sind aber letztendlich in hoher Ambivalenz dazu doch nicht bereit. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein von der Psychologin S. Preuss (1991) unter dem pessimistischen Titel "Umweltkatastrophe Mensch" entwickeltes Modell. Es konstatiert, daß Menschen eigentlich kaum eine Chance haben, wirklich umweltverträglich zu handeln, weil sie • Umweltschäden nur bedingt wahrnehmen können (z.B. Vorhandensein und Wirkung von Giftstoffen), • diese Schäden auch nicht bewerten können (z.B. Tragweite von Umweltgiften), •

sich dann verständlicherweise davon nicht betroffen fühlen und

• schließlich auch kaum Möglichkeiten sehen, wirklich etwas zu verändern, sei es wegen fehlender Alternativen oder deshalb, weil sie (vermutlich sogar zu Recht) ihren eigenen schädigenden Beitrag für marginal halten. Auch wenn man sich dem Preuss'schen Pessimismus nicht voll anschließt, so sind derartige Begrenzungen doch sehr ernst zu nehmen. Was also ist zu tun, um zum einen die Mitarbeiter im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit zu möglichst umweltverträglichem Handeln zu bringen und den Personalsektor insgesamt so zu gestalten, daß die Umweltorientierung der Mitarbeiter

dazu

beitragen

kann,

das

Umweltmanagement

zum

Erfolgsfaktor

des

Unternehmens zu machen? Mit isolierten Aktionen wie mit einmaligen Appellen an das Umweltbewußtsein

der

Mitarbeiter

oder

mit

irgendeiner

umweltbezogenen

Schulungsmaßnahme, so viel scheint sicher, wird man diese Ziele nicht erreichen. Als best practice wird hier ein systemisches und integriertes Drei-Stufen-Modell vorgeschlagen, das aus folgenden Komponenten besteht:

Organisationsgestaltung und Personalmanagement

191

1. Bewußtmachung der Notwendigkeit sowie der Möglichkeiten und gleichzeitig der Schwierigkeiten umweltverträglichen Handelns im Betrieb; 2. Schaffung ökologiefreundlicher Rahmenbedingungen der Tätigkeit der Mitarbeiter und 3. Entwicklung, Realisierung und Evaluation konkreter Maßnahmen zur Realisierung eines umweltorientierten Personalmanagements.

3.2

Ansätze eines best-practice umweltorientierten Personalmanagements

Das oben vorgeschlagene Drei-Stufen-Modell soll im folgenden in seinen Grundzügen dargestellt werden, wobei der Experimentiercharakter sowohl im Gesamtaufbau als auch in seinen Einzelkomponenten im Auge behalten werden muß. In der einleitenden Analyse- und Konzeptionsphase geht es um die Identifikation von Veränderungspotentialen

und

Hemmnissen

umweltorientierten

Mitarbeiterverhaltens.

Ausgangspunkt sind einerseits die durch die Sachziele (Produkt-Markt-Kombinationen) und Formalziele (Gewinnoptimierung, Liquidität) gegebenen Grenzen, andererseits das Ausmaß der Bereitschaft und die Fähigkeit der Mitarbeiter zu umweltverträglichem Verhalten. Die identifizierbaren

Begrenzungen,

teilweise

schon

oben beschrieben,

werden,

wenn

vorurteilsfrei analysiert wird, sehr viel deutlicher ins Auge stechen als die möglicherweise realisierbaren

Potentiale.

Um

einige

Aspekte

zu

nennen,

die

natürlich

jeweils

untemehmensspezifisch zu konkretisieren sind: Produkt-Markt-Konzeptionen und die verfügbaren Technologien determinieren, kurzfristig kaum veränderbar, die Möglichkeiten zu umweltorientiertem Mitarbeiterverhalten: wie groß kann z.B. der Beitrag des einzelnen Mitarbeiters zum Ressourcenschutz in einen Kraftwerk sein, das in hohem Maße ökologisch knappe Ressourcen verbraucht? Hat dann ein bißchen Energieeinsparung am Arbeitsplatz nicht nur Alibifunktion? Ein anderer Aspekt ist die wirtschaftliche Situation der Unternehmung, gekennzeichnet heute überwiegend durch Wettbewerbsverschärfiing und Rationalisierungszwang.

Die

sich dadurch

ergebende,

zwischenzeitlich

grassierende

Arbeitsplatzunsicherheit (zu den Auswirkungen auf Motivation und Leistung vgl. Schramm/ Boeven

1994) ist nicht gerade ein günstiger Nährboden für die Förderung von

Umweltaktivitäten der Mitarbeiter: das Individualgut Existenzsicherung wird das Kollektivgut intakte Umwelt an Handlungsrelevanz deutlich übertreffen. Zu hinterfragen ist schließlich auch die Rede von der anzustrebenden Umweltorientierung aller Mitarbeiter. Natürlich gibt es immer Mitarbeiter, für die Umweltschutz nicht wichtig ist, schon gar nicht handlungsleitend, und die wird man mit einem umweltorientierten Personalmanagement auch nicht erreichen.

192

Kapitel 9

Erst wenn derartige Hemmnisse schonungslos auf den Tisch gelegt werden (in der Umweltmanagement-Literatur werden sie kaum thematisiert!), können realitätsnahe und umsetzungsfähige Personalmanagement-Konzeptionen angedacht werden, zunächst innerhalb des bestehenden Bezugsrahmens - Single loop leaming - z.B. in Form einer Modifikation des durch die Mitarbeiter beeinflußbaren Bereiches des betrieblichen Abfallsystems, dann aber auch mit Veränderungen des Bezugsrahmens - double loop leaming - z.B. in der Form, daß die Voraussetzungen für die Mitwirkung der Mitarbeiter an der Entwicklung von innovativen Umweltinstrumenten, z.B. der Öko-Bilanz oder eines Audits, geschaffen werden. Für die Analyse und Konzeption eines derartigen umweltorientierten Personalmanagements bieten sich projektähnliche Strukturen an, auch an Qualitätszirkel und Zukunftswerkstätten kann gedacht werden (siehe z.B. die Projektgruppe "Öko-Bilanz" der Kunert AG, beschrieben bei Kirschten

1995). Wichtig ist dabei, daß die Mitarbeiter in die Entwicklung des

umweltorientierten Personalmanagementsystems, das sie später mit Leben ausfüllen sollen, integriert werden. Die Moderation derartiger Projekte könnte eine lohnende Aufgabe des ÖkoPartisanen sein. Die Konzeptentwicklung für umweltorientiertes Personalmangement wird zwei wichtige Fragen

zu

behandeln

haben:

erstens,

welche

Rahmenbedingungen

können

die

Umweltorientierung der Mitarbeiter positiv beeinflussen, und zweitens, welche Instrumente und Anreize sollen das Umweltverhalten der Mitarbeiter fordern: damit sind die zweite und dritte

Stufe

des

Modells

angesprochen.

Relevante

Rahmenbedingungen

umweltorientiertes Personalmanagement betreffen schwerpunktmäßig

für

ein

strukturelle und

kulturelle Aspekte (ähnlich Kuhn/ Wittmann 1994, S. 389ff), womit die Verbindung zur Organisation des Umweltschutzes hergestellt ist. Umweltwirksames Mitarbeiterverhalten setzt aufbau- und ablauforganisatorische Strukturen bzw. Regelungen voraus, die einerseits dem Mitarbeiter die nötigen Informationen, Unterstützung und Handlungsanleitungen für konkrete Umweltaktivitäten geben und die andererseits offen sind für Ideen der Mitarbeiter zur Verbesserung der Umweltstandards des Unternehmens, also eine Kombination von top-downund bottom-up-Personalmanagement. Hierfür geeignet sind matrixähnliche Strukturen der Umweltschutzorganisation wegen ihrer leichten Erreichbarkeit für den einzelnen Mitarbeiter sowie wegen des hohen Differenzierungsgrads, der das Eingehen auf spezifische Umweltaktivitäten, z.B. Energieeinspamng, Verpackungsverminderung etc., ermöglicht. Auch der Öko-Partisan als immer ansprechbarer Partner für Umweltprobleme bietet sich hier organisationstrukturell an. Organisationsstrukturelle Aspekte betreffen vor allem den faktischen Stellenwert des Umweltinteresses im Unternehmen. Eine hohe kulturelle Bedeutung des Wertes "intakte Umwelt" ist wesentliche Voraussetzung für Umwelteffizienz der Unternehmung. Fatal können

Organisationsgestaltung und Personalmanagement

sich

unter

diesem

Umweltbewußtsein

Gesichtspunkt

des

Mitarbeiters

193

Rollenkonflikte

auswirken,

einerseits

organisationalen

und

die

aus

hohem

Vorstellungen

andererseits resultieren, daß Umwelthandeln unwichtig, Überflüssig, kostentreibend und schließlich auch karrierehemmend sei. Die sich daraus ergebenden Dilemmasituationen wenden sich meist zum Nachteil des Umweltinteresses, worauf Kuhn/ Wittmann (1994, S. 390) zu Recht hinweisen. Wenn demgegenüber das Management vermitteln kann, daß aktive

Umweltorientierung

der

Mitarbeiter

aus

Gründen

der

langfristigen

Untemehmenssicherung und aus Gründen einer ökologischen Ethik sinnvoll ist und auch positiv sanktioniert wird (siehe unten), entsteht eine Organisationskultur, die Umwelthandeln anregt. Ein wesentliches Element im Rahmen der Generierung einer ökologischen Organisationskultur ist Umweltinformation und Umweltbildung (zu deren Möglichkeiten und Formen: Fichter 1992; Hopfenbeck/ Willig 1995). Umweltbildung soll nicht nur Rüstzeug für konkretes Handeln bereitstellen, sondern auch, und zwar als Voraussetzung dafür, Umweltbewußtsein schaffen. Damit sind die affektiven und intentionalen Bereiche des Umweltverhaltens angesprochen, z.B. die Diskussion der ökologischen Verhaltenslücken. Derartige potentielle Hemmnisse im Rahmen von Umweltbildung anzusprechen, ist wichtige Voraussetzung für Veränderungen des Umweltverhaltens der Mitarbeiter. Die dritte Stufe des hier vorgelegten Modells, die Schaffung konkreter Anreize für Umweltorientierung

der

Mitarbeiter,

ist

in

ihren

konkreten

Ausprägungen

untemehmensspezifisch und auf die Gesamtheit der Anreizpolitik abzustimmen. Nötig sind derartige Anreize, um das Kollektivgut Umweltverträglichkeit aus Individualsicht heraus attraktiv(er) zu machen. Dabei ist keineswegs nur an materielle Anreize zu denken, sondern auch an Bereiche, in denen sich persönliche Vorteile (z.B. ideelle Incentives, beispielsweise Bericht

in der Firmenzeitung über besonders erfolgreiche Umweltaktivitäten)

mit

Selbstverwirklichungs-möglichkeiten (z.B. Bewußtsein, etwas Sinnvolles zu tun) decken. Die faktischen Möglichkeiten der Anreize erstrecken sich von Partizipation an den geldwerten Vorteilen einer Ressourceneinsparung für die Unternehmen bis hin zu Karrierechancen für Mitarbeiter, die im Umweltbereich besonders aktiv sind.

4.

Fazit

Auch wenn das, was in den Funktionsbereichen Organisation und Personal im Rahmen des Umweltmanagements derzeit realisiert wird, nur mit Mühe das Attribut "best" für sich beanspruchen kann, sind doch eine Reihe positiver Ansätze unübersehbar, wobei wir einige Hoffnung auf eine weite Verbreitung des EG-Öko-Audits legen: die Durchführung des Audits

Kapitel 9

194

bezieht eine große Anzahl von Mitarbeitern in die konkrete Umweltarbeit der Unternehmung ein und bewirkt damit eine Sensibilisierung zumindest eines Teils der Mitarbeiter; im Hinblick

auf

eine

effiziente Umweltorganisationsgestaltung

wird

das

Audit

das

Experimentieren mit innovativen Konzepten anregen. Im Organisationsbereich erscheint speziell

die

Erkenntnis

wichtig,

daß

es

zentral

um

eine

ökologisch

geprägte

Organisationskultur und die Fähigkeit zum Umweltlemen der Unternehmung geht; die Frage, wie das strukturell in bestimmten Aufbaukonfigurationen umgesetzt wird, ist demgegenüber nachgelagert. Im Personalbereich ist an der Verringerung der vielfältigen personalen und situativen Hemmnisse für umweltorientiertes Mitarbeiterverhalten anzusetzen anstatt sich auf relativ undifferenzierte Anstrengungen von Umweltbildung zu verlassen. Zum Schluß noch ein Denkanstoß: Dysfunktional für die hier vertretene Zielsetzung eines umwelteffizienten Personalmanagements ist wohl ein gleichzeitiger massiver Personalabbau. Mitarbeiter sind aus sozialökologischer Perspektive Teil der die Unternehmung umgebenden Öko-Systeme, und umweltorientiertes Personalmanagement kann nicht gegen die Mitarbeiter, sondern nur mit ihnen zusammen realisiert werden.

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Kapitel 10 Produktentstehung in einer Kreislaufwirtschaft von Harald Dyckhoff, Heinz Ahn und Tom Gießler

1. Einleitung 2. Bedeutung des ökologischen Produktlebenszyklus für die Produktentstehung

198 199

2.1 Ökologischer Produktlebenszyklus

199

2.2 Ansatzpunkte im Rahmen des Produktentstehungsprozesses

201

3. Umweltbewußte Gestaltung der Produktentstehung

205

3.1 Ziele und Strategien 3.2 Organisatorische und personelle Umsetzung

205 209

3.3 Instrumente

210

4. Resümee

213

5. Hinweise auf weiterführende Literatur Literatur

213 215

198

1.

Kapitel 10

Einleitung

Zentraler Ansatzpunkt eines integrierten Umweltmanagements sind die Produkte. Durch die Gestaltung eines Produktes werden nämlich wesentlich die Umweltbelastungen bestimmt, welche während des ökologischen Lebenszyklus von der Gewinnung der Rohstoffe aus der Natur über die Produktion und die anschließende Nutzung des Erzeugnisses durch den Konsumenten bis hin zu der Entsorgung des Altproduktes entstehen. Der Schutz der Umwelt erfordert deshalb seine möglichst frühzeitige Berücksichtigung im Rahmen des Prozesses der Produktentstehung. Schon in den frühen Phasen der Produktentstehung, d.h. bei der Situationsanalyse und Ideengenerierung, werden entscheidende Weichen für die spätere technische Gestaltung des Produktes sowie der zugehörigen Erzeugungsprozesse gestellt. Notwendig bei der Situationsanalyse ist somit nicht nur eine fundierte Marktforschung, sondern darüber hinaus eine Erforschung aller durch ein zukünftiges Produkt potentiell hervorgerufenen ökologischen Wirkungen sowie der damit verbundenen Ansprüche bestimmter Gruppen der Gesellschaft. Der Anstoß kann etwa von einem sensitiven Frühwarn(informations)system ausgehen, welches auf ökologische Gefahren bestehender Produkte so rechtzeitig hinweist, daß durch eine Neuentwicklung Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz errungen werden können, wie beispielsweise im Falle eines klimafreundlichen Kühlmittels. Ein integriertes Umweltmanagement muß deshalb auf alle Phasen des Produktentstehungsprozesses Einfluß nehmen, wodurch eine Vielzahl von Unternehmensbereichen angesprochen wird. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf Aspekte, die in engem Bezug zur Forschung und Entwicklung (F & E) stehen. Es soll aufgezeigt werden, wie die Produktentstehung umweltbewußt gestaltet werden kann. Zuvor wird grundlegend auf dazu benötigte Konzepte klärend eingegangen.

Produktentstehung in einer Kreislaufwirtschaft

2.

199

Bedeutung des ökologischen Produktlebenszyklus für die Produktentstehung

2.1

Ökologischer Produktlebenszyklus

Um bereits in den frühen Phasen der Entstehung eines neuen Produktes alle damit verbundenen Wirkungen auf die natürliche Umwelt antizipieren zu können, ist als Konzept zur Ableitung solcher Wirkungen in besonderem Maße der ökologische Produktlebenszyklus geeignet (Steger 1994). Ein diesbezügliches, vor dem Hintergrund des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG 1994) konzipiertes Modell gibt Abb. 1 wieder. Das Streben nach einem möglichst geschlossenen System des Wirtschaftens findet dabei seinen Niederschlag in der zyklischen Verbindung dreier Hauptfunktionen, • der Aufbereitung von Ressourcen aus der Ökosphäre bzw. von Abfallen aus dem Wirtschaftssystem zu Rohstoffen bzw. Wertstoffen, • der Verarbeitung dieser Roh- und Wertstoffe zu Produkten sowie • der Nutzung der resultierenden Produkte.

200

Abb. 1:

Kapitel 10

Idealtypisches Modell eines funktional gegliederten ökologischen Produktlebenszyklus (in Anlehnung an Brenken 1988, S. 22, und Dyckhoff 1996, Sp. 1460)

Produktentstehung in einer Kreislaufwirtschaft

201

Die Hauptfunktionen sind gekennzeichnet durch eine materielle Veränderung von Stoffen; sie können durchaus allesamt von einer einzigen Institution, sei es Unternehmen oder Haushalt, wahrgenommen werden. Entsprechendes gilt für sämtliche raum-zeitlichen Veränderungen der Stoffe, welche die Transport- und Lagerungsvorgänge als Nebenfunktionen betreffen. Zeitlich miteinander verknüpft verkörpern die Funktionen einzelne Phasen des ökologischen Produktlebenszyklus. Der in Abb. 1 dargestellte Kreislauf legt die Ansatzpunkte für eine gezielte Vermeidung, Verwertung und umweltverträgliche Beseitigung von Abfällen gemäß KrW-/AbfG offen. Die laut Gesetz zu priorisierende Vermeidung ist sowohl bei der Aufbereitung von Ressourcen und Abfallen als auch bei der Verarbeitung von Roh- und Wertstoffen sowie bei der Nutzung von Produkten möglich. Demgegenüber umfaßt die Verwertung die Weiterleitung der aus der Verarbeitung und Nutzung resultierenden Abfälle und ihre Aufbereitung zu Wertstoffen. Diese , r Abfälle zur Verwertung" sind zu unterscheiden von den Abfallen zur Beseitigung". Letztere werden - ggf. nach einer Aufbereitung - als Emissionen in die Natur (Ökosphäre) zurückgeführt. Verwertung und Beseitigung mittels geeigneter Transformation (Reduktion) der Abfälle dienen der Entsorgung. Demgegenüber umfaßt der Weg von der Ressourcengewinnung über den Einsatz von Roh- und Wertstoffen bis hin zur Produktnutzung Vorgänge, die sich auf die Versorgung der Gesellschaft mit Gütern beziehen (Erzeugung). Versorgung, Produktnutzung und Entsorgung beinhalten sämtliche Aspekte des abgebildeten ökologischen Produktlebenszyklus. Es darf freilich nicht verkannt werden, daß dieser als idealtypisches Modell konzipiert wurde mit dem Zweck, auf einfache Weise die wesentlichen Funktionen im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft darzustellen. In der Realität wird z.B. die gezielte Nutzung der Ökosphäre als Lieferant für Ressourcen und Aufhahmemedium für Abfälle nicht immer nur in Verbindung mit der Aufbereitungsfunktion stattfinden. Darüber hinaus kann es im Rahmen aller Funktionen stets zu weiteren - nicht unbedingt kontrollierten Austauschbeziehungen kommen; dies ist in Abb. 1 durch die Doppelpfeile angedeutet.

2.2

Ansatzpunkte im Rahmen des Produktentstehungsprozesses

Die weitere Verdeutlichung des Zusammenhanges zwischen dem ökologischen Lebenszyklus und der Produktentstehung setzt eine Begriffsklärung voraus. Das Verständnis der Produktentstehung ist im deutschsprachigen Raum uneinheitlich, da z.T. synonym auch die Begriffe

202

Kapitel 10

der Produktentwicklung bzw. der (integrierten) Produkt- und Prozeßentwicklung verwendet werden. Die letztgenannten Bezeichnungen vermitteln, möglicherweise weil sie vorwiegend im ingenieurwissenschaftlichen Bereich benutzt werden, eine stark technologisch geprägte Sicht auf die eigentlichen Tätigkeiten während der Entwicklung eines Produktes und des zugehörigen Produktionssystems. Vernachlässigt werden damit Aktivitäten mit stärker ökonomischem oder ökologischem Bezug; wie einleitend aufgezeigt wurde, sind aber gerade diese Aktivitäten von hoher Relevanz für eine „ökologieorientierte Entstehung" eines Produktes (z.B. Markt- bzw. Anspruchsgruppenforschung; Bennauer 1994, S. 137). Unter Produktentstehung sollen hier alle unternehmerischen Aktivitäten verstanden werden, die mit dem Ziel durchgeführt werden, aus einer Idee ein gewerblich vertreibbares Produkt bzw. Leistungspaket zu entwickeln. Eine Idee repräsentiert dabei eine vage Vorstellung dessen, was zukünftig zum Zwecke des langfristigen Untemehmenserhaltes als Leistung („Produkt & Service") auf Märkten angeboten werden kann bzw. was in absehbarer Zeit einer solchen Leistungsentwicklung dient („Vorentwicklung"). Üblicherweise umfaßt die Produktentstehung u.a. folgende Tätigkeitsarten, welche sich traditionell auch in einer entsprechenden Stellenbildung manifestieren:

Tätigkeitsarten

Beispiele

konstruktionsbezogen

Prinziplösung erarbeiten, Einzelteil oder Baugruppe konstruieren

marketingbezogen

Markt analysieren, Markteinführung planen

arbeits- bzw. fertigungsplanerisch

Fertigungsfolge ermitteln, Layout festlegen, Arbeitsprozesse planen

organisatorisch

Projekt planen, Abläufe terminieren, Personaleinsatz planen

qualitätsbezogen

Prüfmittel planen, relevante Qualitätsmerkmale ermitteln

Tab. 1:

Grobe Übersicht über Tätigkeiten in der

Produktentstehung

Produktentstehung in einer Kreislauf wirtschaft

203

Die ablauforganisatorische Anordnung der Tätigkeiten ist stark branchen- bzw. produktabhängig. Für einen groben ablauforientierten Überblick haben sich Phasenschemata als geeignet erwiesen. Ein Beispiel für den Automobilbau zeigt Abb. 2.

CS JZ o, c o

c HorwuMfimg von WettbeWBfbsvortûllen

Sicherung von Wettbewerbsvortellen

i + Rationalisierung + Differenzierung

^Jj^

Marketing für Ökologie Instrumente der Umweltpolitik (z.B. Verbote, Steuern, Abgaben)

*» Abbau von . - - ,, Wettbewerbsnachtgilen

®

=> Wertewandel und Verhaltensvorschriften

®

Erfolgsvoraussetzungen und Ansatzpunkte eines Öko-Marketing zur Überführung von Umweltvorteilen in Wettbewerbsvorteile

In der Realität steht das Öko-Marketing häufig vor der Situation, daß umweltgerechte Produkte teurer sind und zusätzliche Opportunitätskosten beim Konsumenten verursachen (Feld III). Beispielhaft seien hier teureres Umweltpapier oder Nahrungsmittel aus ökologischem Anbau genannt. Sofern Konsumenten hierbei mit umweltgerechten Produkten einen Individualnutzen verbinden, sind preisbezogene Wettbewerbsnachteile - sofern sie nicht durch Rationalisierungen zu reduzieren sind - durch andere Instrumente des Öko-Marketing zu kompensieren (Hüser 1993). In dieser Ausgangssituation sind mögliche Verhaltensbarrieren für eine fehlende umweltorientierte Kaufbereitschaft sorgfaltig zu analysieren. Durch die Hervorhebung des Umweltnutzens in der Kommunikationspolitik (z.B. Öko-Label, vgl. Hansen/ Kuli 1995) und eine differenzierte Marktbearbeitung von Konsumenten nach unterschiedlichen

umweltorientierten

Wissens-,

Einstellungs-

und

Verhaltensmerkmalen

sowie

Zahlungsbereitschaften lassen sich erste Ansatzpunkte einer erfolgreichen Marktbehauptung finden. Allerdings haben die oben skizzierten Ergebnisse der bestehenden Untersuchungen

Ökologieorientiertes Konsumentenverhalten

237

zum Umweltbewußtsein und -verhalten aufgezeigt, daß die Segmentierung von Konsumenten hinsichtlich ihres umweltorientierten Verhaltens kaum auf klar abgrenzbare sozio-demographische Kundengruppierungen zurückgreifen kann. Vielmehr sind Konstrukte, wie z.B. die persönliche ökologische Betroffenheit eines Konsumenten (z.B. Allergien durch bestimmte Stoffe; besondere Umweltprobleme im regionalen Umfeld, welche die Lebensqualität einschränken u.a.m.), im spezifischen Leistungsumfeld für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu erfassen, um neben Anregungen für die umweltverträgliche Produktgestaltung auch Ansatzpunkte

für eine

zielgruppengerechte

Leistungsbegründung

in

der

Kommuni-

kationspolitik und im persönlichen Verkauf am Point of Sale zu identifizieren. Die Grenzen des Öko-Marketing werden im Feld IV aufgezeigt. Wenn umweltgerechte Produkte weder einen zusätzlichen Individualnutzen noch einen ökonomischen Anreiz bieten, dann stellt sich ein klassisches Marktversagen ein. Traditionelle Produkte werden gegenüber den umweltverträglicheren Alternativen bevorzugt. In dieser Situation kann durch staatliches Eingreifen und Umweltschutzgesetze ein umweltorientiertes Verhalten vorgeschrieben oder durch steuerliche Anreize begünstigt (z.B. Abgaskatalysatoren) werden. Es ist auch möglich, durch Konzepte eines Marketing für Ökologie (z.B. durch branchenbezogene Kampagnen, Aktivitäten von Umweltschutzverbänden) einen Bewußtseinswandel bei den Konsumenten herbeizuführen, um über Erkenntnis und Einsicht umweltorientiertes Verhalten zu fordern. Das Öko-Marketing eines einzelnen Unternehmens kann diese Überzeugungsarbeit vielfach nicht leisten. In jenen Entscheidungssituationen, in denen sich Ansatzpunkte zur Bewährung von ÖkoMarketing-Konzepten zeigen, ist neben der konkreten Ausgestaltung produkt-, preis-, distributions- und kommunikationspolitischer Instrumente eine enge Einbindung des Marketing in ein Gesamtkonzept einer umweltorientierten Untemehmensfuhrung sicherzustellen, denn nur so kann ökologieorientiertes Marketing zu einem von der gesamten Unternehmung getragenen Vertrauensmarketing ausgebaut werden. Der hiermit häufig unweigerlich einhergehende Werte- und Kulturwandel über alle Unternehmensfimktionen hinweg ist im Alltag mit einer Vielzahl von Anpassungsprozessen verbunden. Als besonders wichtig wird es hierbei angesehen, durch eine Verknüpfung des top-down-Ansatzes mit einem bottom-upAnsatz eine große Akzeptanz und Breitenwirkung zu erzielen. Aufgrund der Sensibilisierung aller Mitarbeiter für das Thema Umweltschutz wird beim Aufgreifen dieses Problemfeldes im Unternehmen ein hohes Motivations- und Kreativitätspotential freigesetzt, das häufig unzureichend genutzt wird. Vieles spricht deshalb dafür, daß der Prozeß des geplanten Wandels durch ein innengerichtetes Marketing begleitet werden sollte.

238

Kapitel 11

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Die

Ökologieorientiertes

Konsumentenverhalten

239

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Kapitel 12 Umweltschutz in der schlanken Produktion von Jürgen Fleig

1. Schlanke Produktion als Leitbild der Produktionsorganisation

242

2. Umweltschutz in der Produktion

242

3. Ansätze zur Integration von schlanker Produktion und betrieblichem Umweltschutz

244

3.1 Fertigungssegmentierung

244

3.2 Vorbeugende Instandhaltung

245

3.3 Reduktion des Materialbestands durch Kanban-Steuerung

245

3.4 Gruppenarbeit und Integration von Aufgaben

246

3.5 Systeme zur Qualitätssicherung

246

3.6 Kontinuierliche Verbesserung von Produkten und Prozessen

247

4. Beispiele zur Integration von schlanker Produktion und betrieblichem Umweltschutz

248

4.1 Fallbeispiel A: Werkzeugmaschinen

248

4.2 Fallbeispiel B: Pumpen

249

5. Umwelt- und Qualitätsmanagement im Unternehmen

250

6. Ergebnisse: Umweltschutz und modernes Produktionsmanagement

251

Literatur

252

242

1.

Kapitel 12

Schlanke Produktion als Leitbild der Produktionsorganisation

Der Begriff "schlanke Produktion" (Lean Production) ist seit dem Erscheinen der Ergebnisse einer Studie über die Automobilindustrie (Womack/ Jones/ Roos 1992) zu einem Synonym für erfolgreiche Produktion geworden. Er wird als Schlagwort für eine Vielzahl technischer und/ oder organisatorischer Gestaltungselemente in der Produktion, aber auch in den angrenzenden Bereichen Produktentwicklung, Zulieferung, Marketing und Untemehmensfiihrung genutzt. In ihrem Kern sind diese Gestaltungseiemente nicht neu, sie greifen vor allem zentrale Elemente der japanischen Produktionsorganisation auf (insbesondere von Toyota). Für viele Unternehmen spielten sie aber viele Jahre keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle, bestimmend waren Fragen der technischen Automatisierung oder des Computer Integrated Manufacturing (CIM). Erst mit Beginn der 90er Jahre scheint hier bei den Unternehmen ein Umdenken stattzufinden. Mit der "Lean-Production-Studie" rückten zunehmend auch organisatorische Gestaltungselemente und die Mitarbeiter in das Blickfeld der Unternehmen (Dreher et al. 1995). Schlanke Produktion kann als neues Leitbild der Produktionsorganisation interpretiert werden. Letztlich geht es den Unternehmen darum, nach dem Vorbild japanischer Unternehmen ihre Effizienz zu verbessern, das heißt gleichzeitig die Kosten zu senken, die Produktions- und Produktentwicklungszeiten zu verringern und die Qualität der Produkte zu verbessern. Zahlreiche Autoren (beispielsweise Ohno 1993, Shingo 1993, Suzaki 1989, Hayes/ Wheelwright/ Clark 1988, Wildemann 1988 sowie 1993) haben dargestellt, durch welche organisatorischen Maßnahmen dies erreicht werden könnte. In ihrem Kern zielen diese Vorschläge auf mehr Dezentralisierung und eine stärkere Prozeß- bzw. Objektorientierung (statt Funktionsorientierung). Im Bereich der Produktion spielen danach die folgenden Gestaltungselemente eine zentrale Rolle: Fertigungssegmentierung, vorbeugende Instandhaltung, Kanban-Steuerung, Aufgabenintegration beim Werker, Gruppenarbeit, Qualitätssicherung und das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung.

2.

Umweltschutz in der Produktion

Umweltschutz ist in der Produktion in den meisten Unternehmen (zunächst und vornehmlich) eine technische Aufgabe (FUUF 1991, S. 216). Es wird in additive (vor- oder nachgeschaltete) Umweltschutzanlagen investiert, zum Beispiel zur Reinigung von Abluft oder Abwasser, zur Trennung von Abfällen (Späne und Öle); oder es werden Maßnahmen zum produktionsin-

Umweltschutz in der schlanken Produktion

243

tegrierten Umweltschutz ergriffen, zum Beispiel energieeffizientere Maschinen, längere Standzeiten von Behandlungsbädern, Einsatz wasserlöslicher oder lösemittelarmer Lacke oder internes Stoffrecycling (Kunststoffgranulate) (vgl. die Beispiele bei Bauer 1994). Auslöser für diese Umweltschutzmaßnahmen sind meist gesetzliche Anforderungen, teilweise entdecken Unternehmen aber auch die Kosteneinsparpotentiale einzelner Maßnahmen, oder externe Anspruchsgruppen (Kunden, Banken, Versicherungen, Umweltschutzorganisationen) verlangen Verbesserungen im Umweltschutz. Bei der Modernisierung von Produktionsanlagen werden in vielen Fällen inzwischen verfügbare umweltverträglichere Verfahren eingesetzt (Faber/ Jost/ Müller-Fürstenberger 1994), die zur Einsparung von Roh- oder Betriebsstoffen oder zur Reduzierung von Abfallen (und damit von Entsorgungskosten) beitragen. Insofern werden umweltschutzbezogene Verbesserungspotentiale durch viele Unternehmen bereits genutzt. Organisatorische und personalbezogene Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes in der Produktion werden weitaus weniger oder nur selektiv von Unternehmen genutzt (Dyckhoffy Jacobs 1994, S. 732; Burschel 1996), meist werden die Umweltschutzaufgaben besonderen Stellen (zum Beispiel dem Umweltschutzbeauftragten) zugeordnet. Für das Unternehmen können organisatorische Fragestellungen vor allem dann an Bedeutung gewinnen, wenn ein Umweltmanagementsystem eingeführt werden soll - zum Beispiel im Rahmen eines Öko-Audits oder nach ISO 14001 (Öko-Audit Verordnung, 1993; Vornorm ISO 14001, 1995). Zahlreiche Autoren zeigen dafür Möglichkeiten zur organisatorischen Integration des Umweltschutzes auf (Steger 1993, Steger 1994, Nitze 1991), speziell im Bereich Produktion und Materialwirtschaft (Stahlmann 1988). In jüngster Zeit werden darüber hinaus verstärkt Aspekte der "Öko-Effizienz durch Personalmanagement" (Kuhn/ Wittmann 1995) und der "Organisation ökologischer Lernprozesse" (Kreikebaum 1996) diskutiert. Diese Darstellungen haben dabei das gesamte Unternehmen im Fokus, sie beschränken sich nicht auf den Funktionsbereich Produktion. Diese an organisatorischen Fragestellungen orientierten betrieblichen Umweltschutzkonzepte können in der Produktion gemeinsam mit den Gestaltungselementen der Lean Production relevant werden. Es stellt sich dann die Frage, welche Zusammenhänge bestehen und wie beide Aspekte gegebenenfalls verknüpft werden können. Im folgenden geht es deshalb darum, die möglichen Verbindungen in der Produktion zu analysieren und aufzuzeigen, ob und inwiefern organisatorische Maßnahmen zur Verbesserung der ökonomischen Effizienz mit solchen zur Verbesserung der ökologischen Effizienz verknüpft werden können. Es ist nach wie vor umstritten, ob die schlanke Produktion positive oder negative Effekte auf den betrieblichen Umweltschutz hat (Kleiner 1992, Steven 1994, Schwarz 1993). Technische Maßnahmen zur

244

Kapitel 12

Verbesserung des Umweltschutzes in der Produktion sollen in den folgenden Kapiteln demgegenüber in den Hintergrund treten, ohne daß ihre (nach wie vor) große Bedeutung verkannt wird (Burschel 1996).

3.

Ansätze zur Integration von schlanker Produktion und betrieblichem Umweltschutz

3.1

Fertigimgssegmentierung

Im Rahmen der Fertigungssegmentierung werden die Betriebsmittel (Maschinen) nicht mehr funktionsorientiert, sondern prozeß- und (möglichst) markt- oder kundenorientiert angeordnet; die Fabrik wird modularisiert und überschaubar (Wildemann 1988). Alle Betriebsmittel, die für die Herstellung eines Produkts oder einer abgegrenzten Baugruppe benötigt werden, werden zusammengefaßt und räumlich konzentriert. Die Segmente werden wiederum in einzelne Fertigungsinseln unterteilt, in denen Betriebsmittel zur Bearbeitung eines Bauteils meist Uformig angeordnet sind. Die Betriebsmittel sind in ihrer Leistung (Arbeitsgeschwindigkeit) möglichst optimal aufeinander abgestimmt (Suzaki 1989, S. 43ff., sowie S. 66ff.). Diese Neustrukturierung der Produktionsmittel ist sehr häufig mit einer Reduzierung des Produktionsflächenbedarfes und mit geringerem innerbetrieblichen Materialfluß und Transportaufwand verknüpft (Harmon/ Peterson 1990, S. 68). Dies kann Vorteile für den Umweltschutz haben, wenn es dem Unternehmen gelingt, die frei gewordenen Flächen einer alternativen Nutzung zuzuführen oder eine Produktionsausweitung nicht durch zusätzliche Flächeninanspruchnahme zu realisieren. Beim Neubau "auf der grünen Wiese" sollte dieser geringere Flächenbedarf unmittelbar zum Tragen kommen und den Landschaftsverbrauch verringern helfen. Die Zuordnung der Betriebsmittel zu einzelnen Produktionssegmenten kann bedeuten, daß statt einer großen Maschine mehrere kleinere Maschinen eingesetzt werden (Shingo 1993, S. 42). Da es nicht Ziel ist, diese optimal auszulasten, würde es einen Mehreinsatz von Betriebsmitteln bedeuten. Da die Maschinen aber im allgemeinen kleiner sind, muß der Ressourcenverbrauch (in Maschinen gebundenes Material und benötigte Betriebsstoffe) dadurch nicht ansteigen. Dennoch sollte es ökonomisches und ökologisches Ziel sein, die Betriebsmittel zu verkleinern, zu vereinfachen und in ihrem Leistungsvermögen so zu flexibilisieren, daß der Materialbedarf und die Menge der benötigten Betriebsstoffe sinkt.

Umweltschutz in der schlanken Produktion

3.2

245

Vorbeugende Instandhaltung

Um Störungen im Materialfluß und Zeitverluste durch Maschinenausfall zu vermeiden, legen schlanke Unternehmen einen besonderen Wert auf eine umfassende und vorbeugende Instandhaltung (Suzaki 1989, S. 109ff.). Der Maschinenbediener soll "seine" Maschine regelmäßig überprüfen, reinigen, warten und gegebenenfalls instandsetzen (mit Unterstützung von Spezialisten). Durch möglichst einfache Mechanismen soll eine Fehlbedienung weitgehend ausgeschlossen bleiben. Mit Hilfe produktbegleitender Informationssysteme in der Maschine ist eine (ab-)nutzungsgerechte Wartung möglich (Böhm/ Hiessl 1997, Kapitel 6 in diesem Band). Dies hat zur Folge, daß das Störfallrisiko reduziert werden kann. Leckagen werden verhindert oder schnell entdeckt und beseitigt. Damit wird verhindert, daß Abfälle (Öle) oder Emissionen (Stäube) in die natürliche Umwelt gelangen. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, daß die Maschine in ihrem optimalen Betriebspunkt genutzt wird und damit möglichst geringe Betriebsstoffinengen (Energie, Kühlmittel etc.) verbraucht werden.

3.3

Reduktion des Materialbestands durch Kanban-Steuerung

Im Rahmen der Kanban-Steuerung werden nur noch die Güter und Mengen produziert, die der nachfolgende Prozeß anfordert. Die Produktion wird damit erst von der Kundenbestellung ausgelöst und zieht sich dann in einem selbst steuernden Regelkreis bis zur ersten Produktionsstufe nach dem Pull-Prinzip durch. Zwischen den einzelnen Produktionsstufen bestehen (möglichst geringe) Pufferlager; es gibt keine weiteren zentralen Lager (Wildemann 1984). Das Prinzip der Kanban-Steuerung soll dazu beitragen, daß die Materialbestände im Unternehmen drastisch reduziert werden. Damit werden vor allem Lagerflächen und Lagereinrichtungen und die dafür notwendigen Betriebsmittel und Betriebsstoffe eingespart. Es können darüber hinaus auch Abfalle vermieden werden. In Unternehmen, in denen Baugruppen oder Produkte kundenneutral auf Lager hergestellt werden, können diese veralten oder verderben, noch bevor sie an die Kunden verkauft werden. Sie werden dann nicht selten als Neuware verschrottet. Es werden nicht nur Abfallmengen verringert, sondern auch hochwertige Ressourcen eingespart (Schreiner 1988, S. 120f.). Mit der Auflösung von zentralen Lagern können auch die Bestände an Gefahrstoffen reduziert oder abgeschafft werden.

246

3.4

Kapitel 12

Gruppenarbeit und Integration von Aufgaben

In der schlanken Produktion übernehmen die Mitarbeiter in der Produktion im Rahmen der Dezentralisierung von Funktionen zusätzliche Aufgaben, die über das eigentliche Produzieren hinausgehen (Suzaki 1989, S. 210ff.). Dazu gehören insbesondere Planung, Materialbereitstellung, Transport, Maschinenrüstung, Qualitätsüberprüfimg, Wartung, (einfache) Instandsetzung und die Einbringung von Verbesserungsvorschlägen für Produkte und Prozesse. Für diese Aufgaben werden die Mitarbeiter umfassend qualifiziert. Die Mitarbeiter selbst sind dabei in Gruppen organisiert (Stürzl 1993). Damit sollen die Aufgaben und die Verantwortung den Mitarbeitern gemeinsam übertragen werden, wobei die Gruppe über eine innere Autonomie der Aufgaben- und Arbeitsverteilung verfügt. Innerhalb der Gruppe wird eine wechselseitige Ersetzbarkeit der Mitarbeiter sichergestellt. Diese organisatorischen Elemente können dazu führen, daß das Engagement, das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter verbessert und genutzt werden, um innerhalb der technisch bedingten Grenzen einen ressourcenschonenden Umgang mit Rohstoffen, Materialien und Betriebsstoffen zu erreichen (insbesondere dann, wenn die Gruppe eine Kostenverantwortimg für entsprechende Ressourcen hat). Der Verbrauch an Hilfsstoffen (Klebstoffen, Schrauben) kann durch sensibleres und umweltbewußteres Arbeiten verringert, und das Trennen und Sortieren von Abfallen verbessert werden (Schreiner 1988, S. 300). Das Arbeiten in der Gruppe kann einen positiven Einfluß auf das Einhalten von Umweltschutznormen haben (Matzel 1994, S. 214ff.). Hier muß das Unternehmen vor allem Freiräume für die Entfaltung des umweltverträglichen Verhaltens schaffen und das Wissen der Mitarbeiter in bezug auf Fragen des Umweltschutzes verbessern (Kuhn/ Wittmann 1995).

3.5

Systeme zur Qualitätssicherung

Um eine möglichst hohe Qualität der hergestellten Produkte auf jeder Stufe des Produktionsprozesses zu gewährleisten, erfolgt in schlanken Unternehmen eine vorbeugende Qualitätssicherung, so daß Fehler möglichst gar nicht entstehen (Suzaki 1989, S. 96ffi). Dazu ist es erforderlich, daß in allen Funktionsbereichen des Unternehmens (Marketing, Produktentwicklung, Logistik, Produktion etc.) Aspekte der Qualität berücksichtigt werden. Im Rahmen von Qualitätszirkeln haben alle Mitarbeiter die Aufgabe, Schwachstellen und Fehlerquellen, die zu Qualitätsmängeln führen, im Unternehmen aufzuspüren und zu beseitigen. Jeder Mitarbeiter ist für die von ihm produzierte Qualität verantwortlich (prozeßsynchrone Qualitätssicherung).

Umweltschutz in der schlanken Produktion

247

Durch diese vorbeugende Qualitätssicherung können zusätzliche Räume und Flächen für Qualitätskontrolle und Nacharbeit eingespart werden (Womack/ Jones/ Roos 1992, S. 97). Wenn Ausschuß von vorneherein vermieden wird (also nicht nur "herauskontrolliert" wird), bedeutet dies ein geringeres Abfallaufkommen. Gleichzeitig sind weniger Rohstoffe oder Materialien für den Produktionsprozeß notwendig, da schadhafte Teile nicht durch neue ersetzt, und keine besonderen Zuschläge für Ausschußmengen eingeplant werden müssen. Durch die vorbeugende Qualitätssicherung wird also unmittelbar ressourcenschonender und abfallärmer produziert.

3.6

Kontinuierliche Verbesserung von Produkten und Prozessen

Das schlanke Unternehmen will sich mit der einmal erreichten Effektivität und Effizienz nicht zufrieden geben. Alle Mitarbeiter sind angehalten, ständig nach Verbesserungsmöglichkeiten zur Reduzierung von Kosten, zur Verbesserung der Qualität oder zur Beschleunigung der Produktion zu suchen und diese rasch umzusetzen. Dabei sollen vor allem Details verbessert und Prozeßparameter optimiert werden (Imai 1992). Die ausgeprägte Orientierung der kontinuierlichen Verbesserung auf eine Kostenreduzierung kann dazu beitragen, den Bedarf an Rohstoffen, Materialien und Betriebsstoffen, wenn immer dies möglich erscheint, zu senken und Verschwendimg zu vermeiden (Nakane 1993). Damit ist unmittelbar eine Einsparung von ökonomisch und ökologisch knappen Ressourcen verbunden. In dem Maße, in dem Abfälle teuer entsorgt werden müssen, lohnen sich auch hier Maßnahmen der kontinuierlichen Verbesserung zur Reduzierung von Abfallmengen. Denn Abfall bedeutet, daß Rohstoffe nicht in das Produkt eingehen, sondern verschwendet werden. Das Unternehmen sollte die Bemühungen zur kontinuierlichen Verbesserung deshalb verstärkt auf Aspekte des Umweltschutzes ausrichten (z.B. durch eine entsprechende Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiter).

248

4.

Kapitel 12

Beispiele zur Integration von schlanker Produktion und betrieblichem Umweltschutz

Im folgenden sollen zwei Untemehmensbeispiele deutlich machen, wie Aufgaben des Umweltschutzes in der schlanken Produktion wahrgenommen werden können (die Ergebnisse stammen aus einer eigenen Untersuchung in diesen und anderen Unternehmen, Fleig 1997). Die konkrete Umsetzung hängt dabei immer auch von der allgemeinen Bedeutung ab, die das jeweilige Unternehmen dem Umweltschutz per se zumißt. Deshalb wurden zwei Unternehmen ausgewählt, die zwar beide zahlreiche Elemente der schlanken Produktion realisiert haben, in denen der Umweltschutz aber einen sehr unterschiedlichen Stellenwert hat.

4.1

Fallbeispiel A: Werkzeugmaschinen

Unternehmen A stellt Systeme für die Blechbearbeitung her (insbesondere Stanzmaschinen, Laserschneidemaschinen). In den letzten Jahren wurden zahlreiche Maßnahmen zur Reorganisation der Produktion realisiert. Die Produktion wurde segmentiert, Gruppenarbeit wurde eingeführt, den Mitarbeitern wurden zahlreiche zusätzliche Aufgaben übertragen, es wurden Maßnahmen zur Dezentralisierung der Qualitätssicherung und der Instandhaltung durchgeführt, und die zentrale Lagerhaltung wurde abgeschafft, es gibt nur noch Zwischenlager in der Produktion (aber keine Kanban-Steuerung im strengen Sinn). Von besonderer Bedeutung für das Unternehmen sind der breit angelegte Prozeß zur kontinuierlichen Verbesserung und die umfassende Schulung der Mitarbeiter. Der Umweltschutz spielte für das Unternehmen bislang eine eher untergeordnete Rolle. Als Maschinenbauunternehmen stand man nicht im Blickfeld der Öffentlichkeit, so daß lediglich die gesetzlich vorgeschriebenen Auflagen zum Umweltschutz durchgeführt wurden. Erst in jüngster Zeit wurde ein Umweltstrategiekreis im Unternehmen eingerichtet, der sich mit Möglichkeiten zur systematischen Verbesserung des Umweltschutzes befassen soll. Obwohl der Umweltschutz im Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle spielt, haben sich mit der Reorganisation der Produktion auch zahlreiche positive Effekte auf die natürliche Umwelt ergeben. Es hat sich gezeigt, daß die Mitarbeiter in der Produktion dabei die zentrale Rolle einnehmen. Viele ihrer Vorschläge zur kontinuierlichen Verbesserung bezogen sich auf den "praktischen Umweltschutz vor Ort". So wurden beispielsweise zahlreiche Maßnahmen zur Vermeidung von Abfällen oder zu ihrer sortenreinen Trennung realisiert, so daß die Ent-

Umweltschutz in der schlanken Produktion

249

sorgungskosten erheblich reduziert wurden, und Kosten für notwendige (Ersatz-)Materialien eingespart werden konnten. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Qualitätssicherung haben ebenfalls zu einer Verringerung des Ausschusses geführt. Dadurch sank auch der Bedarf an (zugekauften) Materialien und Rohstoffen; Ressourcen werden eingespart. Je größer die Handlungsautonomie der Mitarbeiter ist, desto mehr Möglichkeiten zur Verbesserung des Umweltschutzes werden gesehen. Das Unternehmen vermutet, daß durch Vorschriften, Arbeitsanweisungen etc. dieses Potential eher geringer wird. Umso wichtiger sind für die Zukunft die Schulung und eine "ökologische Sensibilisierung" der Mitarbeiter, um ihr Engagement für den Umweltschutz weiter zu fördern.

4.2

Fallbeispiel B: Pumpen

Das zweite Unternehmen stellt Pumpen für Heizungsanlagen und zur Wasserversorgung in Gebäuden her. Auch in diesem Unternehmen wurden zahlreiche Maßnahmen zur Reorganisation der Produktion durchgeführt: die Produktion wurde in Segmente unterteilt, die Mitarbeiter sind in Gruppen mit hoher Autonomie organisiert, sie haben zusätzliche Aufgaben, auch der Instandhaltung und der Qualitätssicherung übernommen, es wurde ein Kanban-System eingeführt, und die Mitarbeiter sind in einen Prozeß der kontinuierlichen Verbesserung eingebunden. Das Unternehmen ist darüber hinaus auch im Umweltschutz sehr aktiv. Ein sehr engagierter Umweltschutzbeauftragter sorgt mit Unterstützung der Geschäftsleitung für die Realisierung zahlreicher Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes. So werden Kühlmittel vollständig in einem internen Kreislauf geführt, es wurde eine Lackieranlage ohne Abfälle und Emissionen (mit Unterstützung eines Herstellers von Lackieranlagen und eines Farbenherstellers) entwickelt. Es werden ständig Möglichkeiten zur Einsparung oder zur Weiterverwendung von Verpackungsmaterial gesucht (dies sind nur Beispiele für zahlreiche andere Maßnahmen zum Umweltschutz). Die wesentlichen Verbesserungen im Bereich Umweltschutz ergeben sich durch die Maßnahmen, die aus der offensiven und chancenorientierten Umweltstrategie des Unternehmens resultieren. Diese werden durch die Maßnahmen zur Reorganisation der Produktion zusätzlich flankiert. In ihrer Kombination gehen die umweltrelevanten Effekte damit über die von Unternehmen A hinaus.

250

Kapitel ¡2

Durch die Fertigungssegmentierung konnten erhebliche Flächen im Betrieb eingespart werden. Allerdings können diese nur sehr schwer einer alternativen Nutzung (etwa durch Fremdfirmen) zugeführt werden, sie bleiben bislang ungenutzt. Es hat sich wiederum die besondere Bedeutung der Mitarbeiter in der Produktion gezeigt. Dem Umweltschutzbeauftragten ist es gelungen, durch eine Sensibilisierung und Beratung der Mitarbeiter deren Verhalten in bezug auf den Umweltschutz zu verbessern. Auch hier zielen viele Vorschläge der kontinuierlichen Verbesserung auf eine Einsparung von Ressourcen und auf eine Reduktion der Abfallmengen. Durch die dezentrale Qualitätssicherung und Instandhaltung konnten die Ausschußraten drastisch gesenkt werden. Die Mitarbeiter fühlen sich für ihren Arbeitsplatz und für die Sauberkeit im Betrieb verantwortlich. Auch in diesem Unternehmen ist man davon überzeugt, daß sich diese Effekte nicht durch formale Regeln und Anweisungen erzielen lassen.

5.

Umwelt- und Qualitätsmanagement im Unternehmen

Neben den Maßnahmen zur Realisierung schlanker Produktion hat das Qualitätsmanagement nach DIN ISO 9000ff. für Unternehmen (insbesondere Zulieferunternehmen) in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Dabei geht es um die Einführung eines zertifizierten bzw. zertifizierbaren Managementsystems zur Sicherung und Verbesserung der Produktund Prozeßqualität. Einige Autoren haben aufgezeigt, welche Zusammenhänge mit einem (ebenfalls zertifizierten bzw. zertifizierbaren) Umweltmanagementsystem (Öko-Audit oder ISO 14001) bestehen und wie diese gegebenenfalls miteinander verknüpft werden können (Brunner 1996, Tette 1996, Petrick 1995, der die Systematik der Normen ausführlich und synoptisch darstellt). Nach Brunner (1996, S. 135) "sind etwa 40 bis 60% gleichartige oder ähnliche Fragen" in den Regelwerken des Qualitäts- und des Umweltmanagements zu beantworten. Bei einer Integration beider Systeme lassen sich also Synergien nutzen. Weitere Parallelen ergeben sich beim Ziel der Ressourceneinsparung, bei der Motivierung der Mitarbeiter für Qualität und Umwelt und bei der Information von Lieferanten. Beide Systeme betonen die Notwendigkeit von präventivem Handeln und frühzeitigem Erkennen von Schwachstellen und Fehlem, und schließlich arbeiten beide Systeme mit Handbüchern, Verfahrensanweisungen, kontinuierlichen Verbesserungsprogrammen (eine Anknüpfung an die Maßnahmen der schlanken Produktion), Audits und Reviews (Brunner 1996, S. 136).

Umweltschutz in der schlanken Produktion

251

Eine Verknüpfung von Umwelt- und Qualitätsmanagement wird auch dadurch interessant, daß sich zahlreiche Qualitätstechniken für Aufgaben des Umweltschutzes nutzen lassen. Viele Techniken setzen dabei - im Sinne eines vorbeugenden Qualitätsmanagementsystems - bereits in der Produkt- und Produktionsplanung an; im Bereich der Produktion geht es vor allem um eine Beobachtung und Verbesserung qualitätsbezogener und umweltrelevanter Prozeßparameter (Butterbrodt/ Gogoll/ Tammler 1995, S. 107). In der Produktion können beispielsweise das Qua'ity Function Deployment (QFD) und Qualitätszirkel auch für umweltbezogene Aufgabenstellungen genutzt werden. Dabei müssen (etwa beim Quality Function Deployment) umweltbezogene Kriterien wie Einsparung von Betriebsstoffen, Reduzierung des Materialaufwands oder Vermeidung von Abfallen als kritische Prozeßmerkmale aufgenommen und den (vorhandenen oder möglichen) Produktionsmerkmalen gegenübergestellt werden (Stomebel/ Tammler 1995). In Qualitätszirkeln können Themen behandelt werden wie "die Substitution gesundheits- und umweltgefährdender Stoffe durch Verfahrensumstellung, die Senkung des Energie-, Wasser-, Material- und Hilfsstofiverbrauchs und der Emissionen durch verbesserte Einstellung der Prozeßparameter, die Reduzierung des Abfalls sowie die Einrichtung von Stoffkreisläufen" (Butterbrodt/ Gogoll/ Tammler 1995, S. 125). Grundsätzlich bleibt aber auch eine Ambivalenz zwischen "normierten" Verfahren des Qualitäts- und Umweltmanagements und den Aussagen der untersuchten Unternehmen, wonach Regelungen die Flexibilität der Organisation und das Engagement der Mitarbeiter zur Verbesserung des Umweltschutzes eher einschränken würden. Laubscher (1995, S. 299) vermutet aufgrund mehrerer Fallstudien, daß der Zusammenhang zwischen Qualitäts- und Umweltmanagement zwar immer wieder betont wird, eine systematische Integration von Unternehmen aber noch nicht konkretisiert wurde. Es bleiben trotz der zahlreichen Verbindungen immer noch Unterschiede bestehen, die es zu beachten gilt (Koch 1994, S. 43).

6.

Ergebnisse: Umweltschutz und modernes Produktionsmanagement

Die Analyse der Möglichkeiten, wie "modernes Produktionsmanagement" im Sinne schlanker Produktion mit den Anforderungen und den betrieblichen Aufgaben des Umweltschutzes verknüpft werden kann, hat vor allem gezeigt, daß nach einer - langen und noch nicht beendeten Phase des "technisch orientierten" Umweltschutzes nun auch organisatorische Maßnahmen ins Blickfeld der Unternehmen rücken. Gerade hierin liegen weitergehende Potentiale, die nicht nur die ökologische, sondern auch die ökonomische Effizienz verbessern helfen. Und dies ist

252

Kapitel 12

ihr Reiz: nachdem der technische Umweltschutz häufig mit hohen Investitionen und Kosten (teilweise auch mit Einsparungen) verbunden war, zielen die organisatorischen Maßnahmen auf - ökonomische und ökologische - Effizienzverbesserungen ohne hohe Investitionen - und dies mit Hilfe von vielfaltigen, die Kreativität und das Engagement der Mitarbeiter anregenden "Techniken" der Dezentralisierung und der Prozeßorientierung (so auch die Forderung von Hummel/ Schneidewind 1994). Die technischen Maßnahmen des Umweltschutzes und mögliche Weiterentwicklungen entfalten ihr (zusätzliches) Potential durch organisatorische und personalbezogene Maßnahmen der schlanken Produktion - das haben die Untemehmensbeispiele gezeigt. Wesentliche Voraussetzung und Möglichkeiten zur Realisierung weiterer Umweltschutzpotentiale in der Produktion werden aber bei der Produktgestaltung und -entwicklung geschaffen. Der Mitarbeiter mit seinem Wissen, seiner Erfahrung, seiner Kreativität und mit seinem Engagement wird zu einem entscheidenden Faktor der (weiteren) Verbesserung des Umweltschutzes in der Produktion (und natürlich auch in anderen Unternehmensbereichen, insbesondere der Produktplanung). Es ist die Aufgabe des Managements, dieses Potential zu fördern (durch Schulung, geeignete Informations- bzw. sonstige Unterstützungsinstrumente) und Rahmenbedingungen für die Motivation zu schaffen (Adams 1995, S. 84f.). In einem solchen Umfeld kann es gelingen, "ökologische Lernprozesse" in den Unternehmen zu forcieren. Die hier dargestellten Untemehmensbeispiele zeigen auf, daß zuviel formale Vorschriften und Dokumentation, wie Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme dies nahezulegen scheinen, diesen Prozeß eher behindern.

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Umweltschutz in der schlanken Produktion

253

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254

Kapitel 12

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Kapitel 13 Management geschlossener Kreisläufe von Hans-Christian Pfohl und Christian Schäfer

1. Schließung von Stoffkreisläufen 1.1 Einleitung

256 256

1.2 Kreislaufgedanke im ökonomischen System

257

1.3 Differenzierungskriterien von Kreisläufen

259

1.4 Begriff des Kreislaufwirtschaftssystems

261

1.5 Notwendigkeit des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen

262

2. Einflußfaktoren des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen

264

2.1 Unternehmensexteme Einflußfaktoren

264

2.2 Untemehmensinterne Einflußfaktoren

267

3. Funktionen des Managements von Kreislauiwirtschaftssystemen 3.1 Berücksichtigung des Kreislaufgedankens in der Unternehmenspolitik

269 271

3.2 Planung von Kreislaufwirtschaftssystemen

272

3.3 Kontrolle von Kreislaufwirtschaftssystemen

275

3.4 Organisation von Kreislaufwirtschaftssystemen

276

3.5 Führung in Kreislaufwirtschaftssystemen

278

3.6 Managemententwicklung in Kreislaufwirtschaftssystemen

279

4. Konzepte des Managements von Kreislauiwirtschaftssystemen

280

Literatur

281

Kapitel 13

256

1.

Schließung von Stoffkreisläufen

1.1

Einleitung

Aus ökonomischer Sicht erfüllt die natürliche Umwelt im wesentlichen zwei Funktionen. Einerseits stellt sie emeuerbare und nicht-erneuerbare Ressourcen für Prozesse der Produktion und der Konsumtion bereit. Sie dient andererseits aber auch zur Aufnahme von Abfallen und Emissionen aus diesen Prozessen. Allerdings sind die Grenzen der Ressourcenvetfiigbarkeit sowie der Assimilationsfähigkeit der Umwelt in den letzten Jahren immer deutlicher geworden. Offensichtlich wird dies in der zunehmenden Knappheit natürlicher Rohstoffe, aber auch in der wachsenden Belastung der Umwelt und in schrumpfenden Kapazitäten von Abfallbehandlungsanlagen und -deponien (Pfohl/ Schäfer 1996, S. 110). Unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussionen verstärkt sich somit der Handlungsdruck zur Lösung der ökologischen Probleme. Angeregt durch die Veröffentlichung zu den Grenzen des Wachstums (Meadows u.a. 1972) und durch die Versorgungskrisen der siebziger Jahre mit einhergehenden Steigerungen der Rohstoffpreise steht die Rohstoffverknappung - gefördert durch die Abnahme abbauwürdiger, nicht reproduzierbarer natürlicher Ressourcen sowie die immer noch steigenden Wachstumsraten des Verbrauchs - schon geraume Zeit im Mittelpunkt des Interesses. Ebenso findet auch die Knappheit der Senken für Produktions- und Konsumtionsabfälle aufgrund der Erschöpfung der Aufnahmefähigkeit der natürlichen Umwelt zunehmend Beachtung (Berg 1979, S. 203). Betroffen von diesen Diskussionen sind zunächst einmal alle Abfallerzeuger, vor allem aber produzierende Unternehmen. Sie werden - aufgrund der Gestaltung ihrer Produktions- und Distributionsprozesse - nicht nur als Verursacher einer Vielzahl von Umweltbelastungen, sondern in zunehmenden Maße auch in der Verantwortung der von ihnen hergestellten Produkte über deren gesamten Lebenszyklus gesehen. Eine Möglichkeit zur Lösung dieser Probleme stellt die Verringerung des Ressourcenbedarfes und die Reduzierung von Umweltbelastungen durch Vermeidung und Verwertung von Abfallen und Emissionen dar. Voraussetzung dafür ist eine Schließung von Stofifkreisläufen durch die Rückführung und das Recycling von prozeß- und produktinduzierten Abfällen sowie durch den Wiedereinsatz zurückgewonnener Sekundärrohstoffe in Produktions- und Konsumtionsprozessen. Um dabei eine sowohl ökologisch als auch ökonomisch effiziente Kreislaufführung zu erreichen, ist ein alle Lebenszyklusphasen - von der Entwicklung eines Produktes

Management geschlossener

Kreisläufe

257

bis zu seiner endgültigen Beseitigung - umfassendes, kreislauforientiertes Management erforderlich (Pfohl 1993, S. 250f.). Der vorliegende Beitrag befaßt sich mit den Aspekten des Managements geschlossener Kreisläufe. Dazu werden neben den Grundlagen der Schließung von StofiEkreisläufen die Rahmenbedingungen des kreislauforientierten Managements herausgearbeitet. Anschließend werden die in der betriebswirtschaftlichen Forschung unterschiedenen Funktionen des Managements auf das Management von Kreislaufwirtschaftssystemen übertragen. Den Abschluß des Beitrages bildet der Entwurf eines Konzeptes fur ein solches Management.

1.2

Kreislaufgedanke im ökonomischen System

Zur Erleichterung des Verständnisses von Stoffkreisläufen im ökonomischen System ist es angebracht, die Analogien zu den Kreisläufen in der natürlichen Umwelt zu betrachten. Kreisläufe in der natürlichen Umwelt finden in Ökosystemen statt, die sich als Gesamtheit biotischer (z.B. Tiere, Pflanzen, Bakterien) und abiotischer Elemente (z.B. Sonnenenergie, einzelne chemische Stoffe) sowie den zwischen diesen Elementen bestehenden Beziehungen beschreiben lassen. Damit werden Funktionseinheiten der hochkomplexen realen Umwelt gebildet, die sich als ein selbstregulierendes Wirkungsgefüge darstellen, dessen stets offenes stoffliches und energetisches System sich in einem dynamischen Gleichgewicht befindet. Natürliche Ökosysteme weisen in der Regel vier Hauptkomponenten auf, die hinsichtlich der Schließung von Stoffkreisläufen spezialisierte Aufgaben wahrnehmen. Dazu gehören abiotische Elemente, autotrophe Produzenten (z.B. chlorophyllhaltige Pflanzen), heterotrophe Konsumenten (z.B. Fische, Menschen) und heterotrophe Destruenten (z.B. Bakterien, Pilze). Austauschprozesse des Ökosystems mit der Umwelt finden in Form von Stoff- und Energietransfers statt. Letztere bewirken, daß die miteinander verknüpften Prozesse des Stoffaufbaus, der -Umwandlung und des -abbaus in Gang gesetzt und aufrechterhalten werden. Diese Prozesse ermöglichen im Idealfall eine ständige Wiederverwendung der dem Ökosystem insgesamt zur Verfügung stehenden Substanzen und führen zu einem vollständigen biogeochemischen Stoffkreislauf (Kreibich 1994, S. 15f.). Die Erhaltung dieser Versorgungs-, Aufnahme- und Regenerationsfunktionen von ökologischen Systemen ist Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit ökonomischer Systeme. Unter Bezugnahme auf die thermodynamischen Grundsätze ist deshalb auf die Problematik der Beeinträchtigung der Funktionen durch Produktions- und Konsumtionsprozesse hinzuweisen.

Kapitel 13

258

Jede Nutzung limitierter natürlicher Ressourcen beeinflußt die ökologischen Systeme letztlich in ihrer Aufnahmefunktion bezüglich Schadstoffemissionen und Abfällen sowie der Verwertungsmöglichkeiten der Ressourcen (Meffert/ Kirchgeorg 1993a, S. 26ff.; siehe dazu auch die Ausführungen zum Entropiegesetz bei Georgescu-Roegen, 1971). Wird die Entropieveränderung, d.h. die Zunahme von gebundener, für den Menschen nicht mehr nutzbarer Energie als Ökologiemaßstab eines Prozesses angesehen, so übersteigen die ökologischen Schäden von Produktions- und Konsumtionsprozessen im Sinne einer Entropiezunahme stets deren ökologischen Nutzen. Eine Entropiesenkung und damit eine Aufrechterhaltung der Stoffkreisläufe ist folglich nur durch Zugabe von Energie von außerhalb des Systems zu erreichen (Souren 1996, S. 37f.). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen lassen sich für die Bildung von Stoffkreisläufen im ökonomischen System folgende wesentlichen Aspekte ableiten: - Stoffkreisläufe müssen immer dann gebildet werden, wenn z.B. durch Produktions- oder Konsumtionsprozesse stoffliche oder energetische Veränderungen an Produkten vorgenommen werden, die eine direkte Weiterverwendung des Produktes im selben Prozeß unmöglich machen. - Stoffkreisläufe können nur dann geschlossen werden, wenn verschiedene Akteure beteiligt werden. Diese haben die Funktionen der Produzenten (z.B. produzierende Unternehmen), der Konsumenten (z.B. Endverbraucher) und der Destruenten (z.B. Recyclingunternehmen) wahrzunehmen. - Eine vollkommene Schließung von Stoffkreisläufen im ökonomischen System ist weder möglich noch erwünscht. Stoffkreisläufe stellen immer ein Subsystem der sie umgebenden ökologischen Umwelt dar. Somit sind stoffliche und energetische Austauschbeziehungen unvermeidbar (siehe Fischer 1995, S. 104, der von einer Wirtschaftszentrifuge anstelle einer Kreislaufwirtschaft spricht). Die natürliche Umwelt ist deshalb nicht nur als schützenswertes Gut, sondern auch als integraler Bestandteil der Stoffkeisläufe aufzufassen. Um diese Funktion zu gewährleisten, sind jedoch entsprechend des Gedankens der „Bioeconomics" bestimmte Bedingungen für eine dauerhafte Erhaltung des Ökosystems einzuhalten (Pearce/ Turner 1990). - Die Offenheit ökonomischer Stoffkreisläufe bedingt, daß Stoffe und Energien in allen Phasen des Lebenszyklusses eines Produktes mit der Umwelt ausgetauscht werden. Aus diesem Grund entstehen im Verlauf des Produktlebenszyklusses eine Vielzahl unterschiedlicher Stoffkreisläufe. Diese sind bereits in den frühesten Phasen der Produktentstehung zu berücksichtigen und müssen in späteren Lebenszyklusphasen regelmäßig überprüft werden.

Management geschlossener Kreisläufe

259

Der Kreislaufgedanke ist Bestandteil des Konzeptes einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung („Sustainable Development"). Dessen Leitbild umfaßt neben dem Kreislaufprinzip, das dem Gedanken einer „Circular Economy" entspricht, durch Ressourcenschonung und Abfallvermeidung eine dauerhafte Entwicklung sicherzustellen, das Verantwortungs- und das Kooperationsprinzip (Meffert/ Kirchgeorg 1993b, S. 34f.). Beim Verantwortungsprinzip sind mehrere Ebenen zu unterscheiden: der Abbau des Wohlstandsgefälles zwischen Industrie- und Entwicklungsnationen, die Verantwortung gegenüber den Bedürfnissen zukünftiger Generationen sowie die Verantwortung des Verursachers von Umweltbelastungen. In diesem letzten Punkt kann - unter Einbeziehung des Kreislaufgedankens - die Verpflichtung zu geschlossenen Stoff- und Verantwortungskreisläufen gesehen werden, die als Grundvoraussetzung nachhaltigen Wirtschaftens gilt (Schmid 1996, S. 136). Das Kooperationsprinzip verdeutlicht, daß es zur Erhaltung der natürlichen Umwelt einer Abstimmung des Verhaltens aller Beteiligten bedarf: ökologische Probleme lassen sich nicht im, Alleingang" bewältigen.

1.3

Differenzierungskriterien von Kreisläufen

Kreisläufe, in denen Stoffe geführt werden, weisen vielfältige Formen auf. Dabei ist im Rahmen der Bildung eines geschlossenen Kreislaufes das Ziel einer ökonomisch und ökologisch effizienten Gestaltung zu beachten, da durch die Ausführung kreislaufspezifischer Prozesse zusätzliche Kosten und Umweltbelastungen entstehen können. Um eine umfassende Beschreibung der einzelnen Kreislaufarten zu ermöglichen, sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen (Pfeiffer/ Schultheiß/ Staudt 1976, Sp. 4457f.; Kleinaltenkamp 1985, S. 49ff.; Meffert/ Kirchgeorg 1993a, S. 264ff.; Schmid 1996, S. 172ff.). Dazu können z.B. auch die Recyclingformen bzw. -arten gerechnet werden. Hierbei sollte Recycling jedoch nicht mit Kreislaufführung gleichgesetzt werden, da unter dem Begriff Recycling in der Regel nur die unterschiedlichen Formen der stofflichen und energetischen Verwertung verstanden werden (Kreibich 1994, S. 14). Folgende Differenzierungskriterien können - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zur Beschreibung von Kreislaufarten herangezogen werden: - Objekte-, die Kreislaufobjekte bzw. Stoffe können danach unterschieden werden, ob sie prozeßinduziert - z.B. Anfall von Abfällen im Rahmen eines Produktionsprozesses oder produktinduziert sind.

Kapitel 13

260

-

Wertschöpfungsstufe: zu den Rreislaufobjekten zählen - in der Reihenfolge abnehmender Wertschöpfungsstufen - komplette Produkte, Baugruppen, Bauteile, Werk- oder Rohstoffe.

- Herkunft: Stoffe entstehen in allen Phasen des Produktlebenszyklusses (Beschaffung, Produktion, Distribution, Konsumtion, Redistribution, Recycling, Beseitigimg, Wiedereinsatz) und erfordern somit spezifische Stoffkreisläufe. Hierbei können die bei den Objekten angeführten produkt- und prozeßinduzierten Abfälle entstehen. So können z.B. im Rahmen der Produktion produktionsprozeßinduzierte Abfalle, etwa verunreinigte Kühlmittel, entstehen, die entweder beseitigt oder nach entsprechender Aufbereitung nochmals verwendet werden. Distributionsprozesse fuhren nicht selten zum Anfall verbrauchter Verpackungen. Und selbst bei der Beseitigung bestimmter Produkte fallen Stoffe an, die in anderen Stoffkreisläufcn noch Verwendung finden können. Als Beispiel hierfür ist u.a. der Rückbau früherer Abfalldeponien zu nennen. - Aufbereitungsaktivität: je nach Stoffart sind zur Gewinnung der wiedereinsetzbaren Sekundärrohstoffe aufbereitende Tätigkeiten, z.B. die Demontage oder der Austausch von Bauteilen, erforderlich. -

Wiedereinsatz: Sekundärrohstoffe können im gleichen Unternehmen wie die ursprünglichen Primärstoffe oder aber in anderen Unternehmen eingesetzt werden.

- Anwendungsbereich: Sekundärrohstoffe werden im gleichen Anwendungsbereich oder in einem neuen Anwendungsbereich eingesetzt. - Zusammensetzung: Stoffe können in homogener oder heterogener Zusammensetzung in Kreisläufen geführt werden. Heterogene Stoffkreisläufe beruhen auf der Tatsache, daß mehrere Stoffe den Stoffkreislauf durchlaufen. Hierbei kommt es zur Zusammenführung (synthetischer Stoffkreislauf) oder Auflösung (analytischer Stoffkreislauf) des Stoffflusses. -

Unternehmensgrenze: Stoffkreisläufe lassen sich innerhalb eines Unternehmens oder zwischen mehreren Unternehmen bilden.

- Geographische Ausdehnung: Stoffkreisläufe können unterschiedliche geographische Ausdehnung haben. Somit lassen sich lokale, nationale, regionale (siehe zu regionalen Verwertungsnetzwerken: Strebel 1995), internationale oder globale Stoffkreisläufe unterscheiden. - Zahl der Unternehmen: produktinduzierte Stoffkreisläufe können entweder herstellerspezifisch ausgelegt sein und nur ein Unternehmen umfassen oder eine Kooperation bzw. ein Netzwerk aufweisen (Dombrowski 1994, Schwarz 1994, Hansen/ Raabe/

Management geschlossener Kreisläufe

261

Dombrowski 1995). Dann sind in den Stoffkreislauf mehrere Unternehmen, eine ganze Branche (branchenspezifisch) oder mehrere Branchen eingebunden. - Kooperationsrichtung: Kooperationen in Stoffkreisläufen können horizontaler, vertikaler, diagonaler und lateraler Art sein. - Arbeitsteilung: Kreislaufspezifische Funktionen werden entweder von einem Unternehmen oder von unterschiedlichen Unternehmen, z.B. durch Integration von Recyclingund Beseitigungsspezialisten, wahrgenommen. - Steuerung und Koordination: die Steuerung und Koordination des Stoffkreislaufes kann bei einem Unternehmen, z.B. einem Hersteller, liegen oder durch eine gemeinsame Einrichtung mehrerer Unternehmen oder eines Verbandes (Fondslösung) geregelt sein.

1.4

Begriff des Kreislaufwirtschaftssystems

Systeme, in denen Prozesse zur Schließung von Stoffkreisläufen ablaufen, können als Kreislaufwirtschaftssysteme bezeichnet werden. Sie verbinden die Phasen der Produktentwicklung, der Beschaffung, der Produktion, der Distribution und der Konsumtion mit denen der Redistribution, des Recyclings und des Wiedereinsatzes (Pfohl/ Stölzle 1995a, Sp. 2238f.; Pfohl/ Schäfer 1996, S. 110f.). Damit wird einer gegenüber der Definition nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) erweiterten Begriffsauffassung gefolgt (zu anderslautenden Definitionen siehe z.B. Püchert 1996, S. 22f.; Püchert/ Spengler/ Rentz 1996, S. 27ff.), indem auch die produktions-, versorgungs- und konsumtionsbezogenen Phasen in die Systemgestaltung miteinbezogen werden. Dadurch lassen sich auch Vermeidungsprozesse berücksichtigen. Wird aufgrund der beschriebenen thermodynamischen Zusammenhänge das Kreislaufwirtschaftssystem nicht als geschlossenes, sondern als offenes System definiert, so können die bei Entsorgungsprozessen neben der Verwertung unvermeidbaren Beseitigungsprozesse ebenfalls in die ökologisch und ökonomisch effiziente Systemgestaltung aufgenommen werden. Objekte in Kreislaufwirtschaftssystemen sind zum einen die Produkte und Primärstoffe, zum anderen Abfälle. Diese werden entweder zu Sekundärrohstoffen aufbereitet und dann als Substitute der PrimärstofFe in der Produktion eingesetzt, oder sie werden einer endgültigen Beseitigung zugeführt. Abbildung 1 zeigt das Grundprinzip eines Kreislaufwirtschaftssystems.

Kapitel 13

262

Beschaffung

Primärstoffe/

Sekundärrohstoffe

K

| Produktion/ Wiedereinsatz ~|

Sekundärrohstoffe Recycling/ Demontage

Produkte

Abb. 1:

1.5

Grundprinzip eines Kreislaufwirtschaftssystems

Notwendigkeit des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen

Ökologische Systeme wie auch Kreislaufwirtschaftssysteme zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus. Diese Komplexität macht sich bei Kreislaufwirtschaftssystemen u.a. durch das Vorhandensein verschiedener Produkte, die wiederum zu unterschiedlichen Stoffkreisläufen führen können, sowie die Notwendigkeit, die Aktivitäten mehrerer Unternehmen miteinander abzustimmen, bemerkbar. Während in Ökosystemen Mechanismen zur Selbstkoordination wirksam sind, ist in Kreislaufwirtschaftssystemen die Koordinationsfunktion nur durch ein umfassendes Management zu erfüllen. Daraus erwächst die Notwendigkeit, im Rahmen der Anwendung des Managementansatzes auf umweltschutzbezogene Fragestellungen auch kreislaufspezifische Aspekte zu berücksichtigen, etwa durch die Zusammenfassung von Entsorgungsaktivitäten zu einem eigenständigen betrieblichen Funktionsbereich (Stölzle 1996, S. 1). Damit verbunden ist eine Ausweitung der güterwirtschaftlichen Grundfunktionen Beschaffung, Produktion und Absatz um die Funktion der Entsorgung (Matschke/ Lemser 1992, S. 89). Kreislaufspezifische Aspekte müssen aber auch in den übrigen betrieblichen Funktionen berücksichtigt werden (Meffert/ Kirchgeorg

Management geschlossener Kreisläufe

263

1996, S. 7). Erst dadurch werden die Voraussetzungen geschaffen, durch die Umwandlung des linearen Stoffflusses einen geschlossenen Stoffkreislauf zu bilden bzw. - aus Unternehmenssicht - die klassische lineare Wertschöpfiingskette eines Unternehmens zu einem Wertschöpfungskreislauf bzw. -ring zu schließen (Meffert/ Kirchgeorg 1993b, S. 39; Stölzle/ Jung 1996, S. 31; zum Wertschöpfungsring und seinen Ausprägungsformen siehe Zahn/ Schmid 1992, S. 75f.; Dutz/ Femerling 1994, S. 224ff.; Kaluza/ Pasckert 1994, S. 117f.; Kirchgeorg 1995, S. 234f.; Schmid 1996, S. 170ff.). Mit dieser Erweiterung der Wertschöpfiingskette zu einem Wertschöpfungskreislauf sind drei wesentliche Sichtweisen verbunden (Kaluza/ Pasckert 1994, S. 117f.): - Denken in Systemzusammenhängen: nur die ganzheitliche Betrachtung der vernetzten ökonomischen und ökologischen Systeme ermöglicht die Berücksichtigung der vielfältigen Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen Produktions- und Konsumtionsprozessen und den dadurch verursachten Schadstoffemissionen und Abfällen. - Denken in Kreisläufen: die Erweiterung der traditionellen Wertschöpfiingskette um Aktivitäten der Redistribution, des Recyclings und des Wiedereinsatzes sowie die Berücksichtigung des Kreislaufgedankens in den übrigen Wertschöpfiingsprozessen ermöglicht einen weitgehenden Wiedereinsatz von Sekundärrohstoffen. Damit können Ressourcen geschont und Abfälle vermieden werden. - Betrachtung des ökologischen Produktlebenszyklusses: Prozessen der Produktion, der Konsumtion, aber auch der Distribution und des Recyclings ist inhärent, daß in ihrem Verlauf oder an ihrem Ende Energien und Stoffe in Form von Kuppelprodukten anfallen bzw. freigesetzt werden, die im Hinblick auf den eigentlichen Prozeßzweck unerwünscht sind (Kleinaltenkamp 1985, S. 23f.). Diese Kuppelprodukte sind in der Regel mit Auswirkungen auf die natürliche Umwelt verbunden (Dyckhoff 1996, S. 173). Analog zum Begriff der Wertschöpfiingskette läßt sich somit auch eine Schadschöpfungskette definieren, die alle während eines Produktlebens verursachten Umweltbelastungen erfaßt (Schaltegger/ Stuim 195G, S. 279f.). Ein ganzheitliches Konzept muß deshalb den gesamten Produktlebenszyklus umfassen. Diese Denkweisen muß das Management von Kreislaufwirtschaftssystemen aufgreifen. Dabei sind allerdings verschiedene Einflußfaktoren zu berücksichtigen, auf die im folgenden eingegangen werden soll.

264

2.

Kapitel 13

Einflußfaktoren des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen

Das Management von Kreislaufwirtschaftssystemen unterliegt einer Vielzahl von Faktoren, die Einfluß auf die ökonomische und ökologische Effizienz der Schließung von Stoffkreisläufen haben können. Je nach Betrachtungsweise lassen sich externe und interne Einflußfaktoren unterscheiden. Da Prozesse des Managements unternehmensinterner Stoffkreisläufe immer auf Unternehmensebene ablaufen, sollen hier aus Sicht eines produzierenden Unternehmens unternehmensexterne und -interne Einflußfaktoren differenziert werden.

2.1

Unternehmensexterne Einflußfaktoren

Die untemehmensexternen Einflußfaktoren werden der Umwelt des Unternehmens zugeordnet. Diese weist ökonomische, politisch-rechtliche, technologisch-infrastrukturelle, ökologische sowie sozio-kulturelle Dimensionen auf. Die ökonomische Umwelt wird dadurch geprägt, daß das Unternehmen aufgrund seiner kreislaufwirtschaftsspezifischen Aktivitäten zum Anbieter auf drei unterschiedlichen Märkten wird. Diese sind - neben dem Absatzmarkt für seine Produkte - der Entsorgungsmarkt für Abfalle, die innerhalb des Kreislaufwirtschaftssystems nicht mehr verwertet werden können, sowie der Beschaffungsmarkt für Primär- und Sekundärrohstoffe (Stockinger 1991, S. 47). Der Absatzmarkt wird durch die Gesamtheit der Wettbewerber und Kunden geprägt, wodurch das für eine Kreislaufführung produktinduzierter Abfälle wesentliche Mengengerüst - technische Ausführungen, Einsatz- und Anfallorte bzw. -mengen - ebenso vorgegeben wird wie die Haltung der Marktteilnehmer gegenüber ökologischen Neuerungen. Handlungsbedarf für das Management ergibt sich vor allem dann, wenn aufgrund des Kreislaufkonzeptes die Wettbewerbsfähigkeit des Herstellers wesentlich beeinflußt wird (Diller 1990, S. 10). Auf dem Entsorgungsmarkt tritt das Unternehmen in Konkurrenz zu gewerblichen und kommunalen Entsorgungsunternehmen. Diese haben aufgrund ihres Entsorgungs-Know-hows und der räumlichen Nähe zum Kunden vor allem Kostenvorteile, während der Hersteller in der Regel die besseren Produktkenntnisse aufweisen kann, die eine Gewinnung von Sekundärrohstoffen auf höherer Wertschöpfimgsstufe ermöglichen (Hecht 1991, S. 64f.). Davon werden wiederum die Kunden beeinflußt, deren Erreichbarkeit und Motivation für einen funktionierenden Stoffkreislauf unabdingbar sind. Das gilt auch für die am Kreislaufwirtschaftssy-

Management geschlossener Kreisläufe

265

stem zu beteiligenden Institutionen (z.B. Handelsunternehmen, Recyclingspezialisten, logistische Dienstleister). Bei diesen ist die Motivation der Geschäftsführung und der Mitarbeiter ein entscheidender Faktor, den es durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen gilt. Auf dem Beschaffungsmarkt schließlich erfüllt der Hersteller eine Doppelrolle: erstens als Abnehmer von Primärstoffen, zweitens als Anbieter von Sekundärrohstoffen, die sowohl im eigenen als auch in anderen Unternehmen eingesetzt werden können. Das fuhrt zu Substitutions-effekten zwischen den gewonnenen Sekundärrohstoffen und den Primärstoffen, wobei Preis- und Qualitätsunterschieden eine entscheidende Rolle zukommt (Kleinaltenkamp 1985, S. lOOf.). Da das Unternehmen damit in Konkurrenz zu seinen eigenen Lieferanten tritt, sind durch das Management z.B. geeignete Vereinbarungen mit den Lieferanten zu treffen. Die rechtlich-politische Umwelt wird - neben einer in den achtziger Jahren zu beobachtenden Tendenz zu „grünen" politischen Positionen - in erster Linie durch sehr restriktive Gesetze gekennzeichnet, die den Umwelt- und Abfallbereich betreffen. Ausschlaggebend ist hierfür die Verlagerung vom ursprünglich vorherrschenden Gemeinlastprinzip hin zum Verursacherprinzip (Kirchgäßner 1995, S. 41 f.). Damit soll u.a. erreicht werden, daß sich sowohl Hersteller als auch Vertreiber von Produkten und Verpackungen für deren Redistribution und Recycling verantwortlich zeichnen. Betroffen sind davon aber auch Prozesse des Wiedereinsatzes von Sekundärrohstoffen, für die ebenfalls behördliche Zulassungen und Genehmigungen erforderlich werden können. Einschlägig hierfür ist das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG), das 1996 in Kraft getreten ist. Dessen Ziel ist die Förderung einer Kreislaufwirtschaft, worunter in erster Linie die Vermeidung und Verwertung von Abfällen verstanden wird. Neben dem KrW-/AbfG sind eine Vielzahl weiterer gesetzlicher Normen zu beachten (Pfohl/ Stölzle 1995a, Sp. 2236ff.). Hierzu sind zunächst einmal die zum Abfallrecht gehörenden Verordnungen zu rechnen, z.B. Überwachungsverordnungen oder produktspezifische Rücknahmeverordnungen, die sich zum Teil jedoch noch in der Vorbereitung befinden und somit für die betroffenen Unternehmen einen erheblichen Unsicherheitsfaktor darstellen. Des weiteren sind u.a. Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes, des Gefahrgutgesetzes, des Güterkraftverkehrsgesetzes, des Umwelthaftungsgesetzes, des Chemikaliengesetzes, der Gewerbeordnung und der entsprechenden Verordnungen sowie der landesund kommunalspezifischen Abfallnormen zu berücksichtigen. Um zu gewährleisten, daß diesen vielfältigen Regelungen Rechnung getragen werden kann, empfiehlt sich die Einrichtung eines umweltspezifischen Rechtsmanagements (Adams 1994, S. 40ff.). Damit soll eine systematische Aufarbeitung und Weitergabe relevanter Informatio-

266

Kapitel 13

nen zu kreislaufwirtschaftsspezifischen Rechtsfragen an die Betroffenen erreicht werden. Unter strategischen Gesichtspunkten ist durch das Management zu entscheiden, ob mit der Einfuhrung von Kreislaufwirtschaftssystemen einschlägige Verordnungen abgewartet werden sollen oder stattdessen im Vorgriff auf entsprechende Regelungen bereits ein Kreislaufwirtschaftssystem konzipiert wird. Dies ist z.B. in einzelnen Branchen in Form freiwilliger Selbstverpflichtungen geschehen (siehe den Überblick bei Ihde/ Dutz 1996, S. 134). Verbunden ist damit auch die Nutzung vermehrter Freiheitsgrade bei der Ausgestaltung eines solchen Systems, da Ausführungsverordnungen noch in weitem Umfang fehlen (Donner/ Meyerholt 1995, S. 91). In der technologisch-infrastrukturellen Umwelt sind verschiedene Einflußfaktoren zu beachten. Erstens erlauben Neuentwicklungen, z.B. verbesserter Korrossionsschutz oder die Austauschbarkeit von Modulen, gerade komplexe technische Produkte für eine längere Lebensdauer zu nutzen (Garbe 1992, S. 16). Zweitens ermöglichen technologische Verbesserungen die Anwendung material- und energiesparender Produktionsprozeßtechniken. Drittens determiniert die Verkehrswege- und Kommunikationsinfrastruktur vor allem die logistischen Prozesse der Redistribution. Diese sind aufgrund der durch den geringen Wert von Abfallen hohen Transportkostenempfindlichkeit in erster Linie nach Gesichtspunkten der Nutzung von Größenvorteilen im Transportprozeß auszurichten. Viertens sind Verbesserungen technischer Möglichkeiten des Recyclings, des Wiedereinsatzes und der Beseitigung zu beachten. Dies ist angesichts der wachsenden Zahl von Unternehmen, die im Bereich der Umweltschutzindustrie tätig sind, eine relativ komplexe Aufgabe. Für das Management erwächst hieraus die Anforderung, zukünftige Veränderungen der technologisch-infrastrukturellen Umwelt abzuschätzen und technologische Verbesserungen für die eigenen kreislaufspezifischen Prozesse zu prüfen. Die ökologische Umwelt wird aus den Umweltmedien Wasser, Luft und Boden sowie der Vielzahl von Lebewesen und ihrer Lebensräume gebildet. Sie dient einerseits zur Versorgung des Unternehmens mit natürlichen Ressourcen, andererseits zur Aufnahme von Abfällen und Emissionen. Wesentliche Aufgabe des Managements ist die Überprüfung der Umweltbelastung durch kreislaufspezifische Prozesse, aber auch der übrigen Prozesse (siehe z.B. zu den Umwelteinwirkungen logistischer Prozesse: Engelke 1997, S. 124ff.). Damit soll verhindert werden, daß die durch Kreislauffuhrung erreichten Umweltentlastungen durch überproportionale Umweltbelastungen - z.B. beim Transport von Abfällen - wieder zunichte gemacht werden. Mit der sozio-kulturellen Umwelt ist die ökologische Grundhaltung der verschiedenen Anspruchsgruppen des Unternehmens angesprochen, deren ökologische Betroffenheit unterschiedlich starke Ausprägungen aufweist (Dyllick/ Beiz 1995, S. 56ff.). Zu den Anspruchs-

Management geschlossener

Kreisläufe

267

gruppen gehören z.B. Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, aber auch die Gesellschaft und der Staat. Probleme für das Management ergeben sich vor allem daraus, daß erstens umweltbezogene Forderungen nicht direkt an das Unternehmen gerichtet werden, sondern häufig auf der Mobilisierung öffentlichen Drucks beruhen. Zweitens existieren zahlreiche unterschiedliche Gruppen, die zudem einer großen Dynamik bezüglich ihrer Zusammensetzung und Zielsetzung unterliegen (Halfmann 1996, S. 80f.). Schließlich spielt das Umweltbewußtsein der Kunden eine wichtige Rolle. Zwar besteht zwischen ökologischem Bewußtsein und tatsächlichem Verhalten ein Zusammenhang. Es sind aber dennoch häufig Inkonsistenzen festzustellen (Meffert/ Bruhn 1996, S. 633), die sich auch im Verhalten der Mitarbeiter niederschlagen können.

2.2

Unternehmensinterne Einflußfaktoren

Bei den unternehmensinternen Einflußfaktoren des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen lassen sich die Organisation des Unternehmens, die Unternehmenspolitik, die Untemehmensgröße, die Unternehmensstandorte, das Produktionsprogramm, die verfügbare Produktionstechnik sowie die Mitarbeiter unterscheiden. Die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens bestimmt, wie ein Kreislaufwirtschaftssystem im Unternehmen integriert werden kann. Grundsätzlich können kreislaufspezifische Aufgaben entweder auf bereits bestehende funktionale Subsysteme des Unternehmens verteilt oder aber ein neues Subsystem zur Wahrnehmung der kreislaufspezifischen Aufgaben gebildet werden. So können z.B. Aufgaben der Redistribution auch im Rahmen von Distributionsprozessen wahrgenommen werden. Da Kreislaufwirtschaftssysteme in der Regel sehr komplex sind, ist eine Koordination der Aufgaben unabdingbar, wodurch auch dem Systemcharakter besser entsprochen werden kann. Den mit der Verteilung der neuen kreislaufspezifischen Aufgaben einhergehenden Konflikten aufgrund von Macht- und Kompetenzverschiebungen ist durch geeignete Managementmaßnahmen zu begegnen, etwa durch eine Institutionalisierung von Konflikten (Ulrich/ Fluri 1995, S. 247f.).

268

Kapitel 13

Im Rahmen der Untemehmenspolitik kann eine Ausrichtung auf ökologische Ziele sowie die Verankerung des Kreislaufgedankens positive Einflüsse auf die Akzeptanz dieser Aktivitäten auf dem Markt haben. Gelingt es dem Management nicht, diese Ziele in der Unternehmenspolitik zu verankern, so lassen sich Kreislaufwirtschaftssysteme nur mit Schwierigkeiten im Unternehmen implementieren (Meffert/ Kirchgeorg/ Ostmeier 1990, S. 48), weil deren Umweltausrichtung in der Regel mit den herkömmlichen Aufgaben oder auch den individuellen Zielen der Mitarbeiter konfligiert. Durch die Größe eines Unternehmens werden die finanziellen, materiellen und personellen Ressourcen bestimmt, die für die Durchführung von Kreislaufwirtschaftsprozessen aufgebracht werden können. Dadurch haben vor allem größere Unternehmen einen erweiterten Gestaltungsspielraum, der aber mit erheblichen Flexibilitätsnachteilen gegenüber kleineren Unternehmen verbunden sein kann. Nachteile ergeben sich auch dann, wenn Unternehmen aufgrund ihrer Größe stärker im öffentlichen Interesse stehen und deshalb unter stärkerem Handlungsdruck stehen. Dadurch können die Alternativen zur Gestaltung von Kreislaufwirtschaftssystemen beschränkt werden. Allerdings besitzen Kreislaufwirtschaftssysteme großer Unternehmen häufig Signalcharakter und werden damit maßgebend für die Gestaltung von Kreislaufwirtschaftssystemen anderer Unternehmen. Schließlich kommt bei untemehmensübergreifenden Kreislaufwirtschaftssystemen den Großunternehmen in der Regel eine führende Rolle im Management des Kreislaufwirtschaftssystems zu. Dadurch werden im Rahmen von Kooperationen gerade kleinere Unternehmen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Die Standorte eines Unternehmens spielen eine Rolle, wenn produktinduzierte Abfälle von Kunden, vor allem Endverbrauchern, zurückgenommen werden sollen. Hier können durch eine große Zahl eigener Unternehmensstandorte eine gute Flächendeckung erreicht und damit Redistributionsprozesse vereinfacht werden. Dadurch lassen sich z.B. auch die aufgrund der hohen Transportkostenempfindlichkeit von Abfällen in der Regel hohen Logistikkosten reduzieren. Mit der Festlegung des Produktionsprogrammes wird in der Regel der Stoffeinsatz determiniert. Dadurch wird u.a. bedingt, inwieweit Sekundärrohstoffe entweder im eigenen Unternehmen wiedereingesetzt werden können oder an andere Unternehmen weitergegeben werden müssen. Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn nur PrimärstofTe die geforderten Qualitätsanforderungen erfüllen. Das Management hat deshalb zu überprüfen, wie durch eine Umgestaltung der einzelnen Lebenszyklusphasen eines Produktes die Qualität der einzusetzenden Stoffe erhalten und somit ein Wiedereinsatz im eigenen Produktionsprozeß erreicht werden kann (Bönker u.a. 1995, S. 1147f.).

Management geschlossener Kreisläufe

269

Durch die im Unternehmen verfügbare Produktionstechnik wird die Recyclingfähigkeit der eingesetzten Stoffe bestimmt. Außerdem hängt von der Produktionstechnik ab, in welchem Maße Sekundärrohstoffe bislang eingesetzte Primärstoffe substituieren können, wenn z.B. aufgrund qualitativer Einbußen Anpassungen des Produktionsverfahrens vorgenommen werden müssen. Einen wesentlichen Einflußfaktor der Gestaltung kreislaufspezifischer Prozesse stellen die Mitarbeiter dar. Von ihrem Wissen über die Problematik der Kreislaufführung hängt die Ausgestaltung der einzelnen Teilsysteme ab. Das Management hat hierfür vor allem das Wissen bezüglich der systemübergreifenden Zusammenhänge zu fördern. Auch der Motivation der Mitarbeiter kommt eine entscheidende Rolle zu (Emmermann 1994, S. 111). Das gilt nicht nur für die Aufgabenausführung im Unternehmen selbst, sondern auch im Rahmen von Akquisitionsmaßnahmen und Kooperationsverhandlungen mit anderen Unternehmen bei der Bildung unternehmensübergreifender Kreislaufwirtschaftssysteme.

3.

Funktionen des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen

Der Begriff des Managements bzw. der Unternehmensführung kann als die Leitung soziotechnischer Systeme in personen- und sachbezogener Hinsicht verstanden werden. Die sachbezogene Dimension umfaßt die Bewältigimg der Aufgaben, die sich aus den obersten Unternehmenszielen ableiten. In der personenbezogenen Dimension geht es um den Umgang mit allen Menschen, auf deren Kooperation das Management zur Aufgabenerfullung angewiesen ist (Ulrich/ Fluri 1995, S. 13f.). Besteht der Zweck - wie bei industriellen Unternehmen - in der wirtschaftlichen Wertschöpfung, so erstreckt sich die Koordination neben den Menschen auch auf die im Wertschöpfungsprozeß eingesetzten Sachmittel und auf immaterielle Güter wie Infomiationen, Werte, Rechte und Pflichten (Macharzina 1995, S. 34). In institutioneller Hinsicht umfaßt Management alle Instanzen eines Unternehmens, die über die Kompetenz verfugen, Aktivitäten untergeordneter Stellen festzulegen, zu steuern und zu koordinieren. Hingegen gehören zum Management als Funktion alle Aufgaben nicht ausführender Art, die zur Bestimmung der Ziele, der Struktur und der Handlungsweisen erforderlich sind (Ulrich/ Fluri 1995, S. 13f.). Um den Interdependenzen zwischen den einzelnen Managementaufgaben Rechnung zu tragen, ist eine Beschreibung des Managements nach dem Konzept der Funktionsgliederung am besten geeignet (Steinmann/ Schreyögg 1993).

Kapitel 13

270

In Anlehnung an verschiedene Systematisierungen der Managementfunktionen (siehe z.B. Fayol 1916, Gulick 1937, Koontz/ O'Donnell 1955) werden im folgenden sechs Funktionen (Pfohl/ Stölzle 1997, S. 8ff.) unter dem Aspekt des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen betrachtet: Unternehmenspolitik, Planung, Kontrolle, Organisation, Führung sowie Managemententwicklung. Abbildung 2 zeigt den Bezugsrahmen dieser Betrachtung, der sich am gesamten Produktlebenszyklus sowie dem für Kreislaufwirtschaftssysteme wesentlichen Kooperationsaspekt orientiert.

Abb. 2:

Bezugsrahmen des Managements vor. Kreislaufwirtschaftssystemen

Management geschlossener Kreisläufe

3.1

271

Berücksichtigung des Kreislaufgedankens in der Unternehmenspolitik

Die Unternehmenspolitik dient der Konkretisierung der Unternehmensphilosophie, die das Wertesystem der Mitglieder der Unternehmensleitung beschreibt. Bei der Festlegung dieses Wertesystems sind Wertesysteme anderer Anspruchsgruppen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens zu berücksichtigen. Im einzelnen gehören zu einer schriftlich fixierten Unternehmenspolitik Aussagen zu den Funktionen des Unternehmens in der Gesellschaft, zu den langfristigen Untemehmenszielen sowie zu den Leitungsprinzipien und Verhaltens-prinzipien gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen. Als Bestandteil einer ökologieorientierten Unternehmensführung sind die Leitgedanken der Kreislaufführung in die Unternehmenspolitik aufzunehmen. Erst dadurch wird die grundlegende Voraussetzung geschaffen, daß Unternehmen die Verantwortung für direkt oder indirekt verursachte Umweltbelastungen übernehmen können. Dazu ist die Betrachtung auf alle Produktlebenszyklusphasen, beginnend bei der Produktentwicklung und endend bei Wiedereinsatz oder Beseitigung, auszudehnen. Um diese Leitgedanken im Unternehmen umsetzen zu können, sind zwei Bedingungen zu erfüllen. Erstens sind die kreislaufspezifischen Ziele in das unternehmerische Zielsystem zu integrieren, d.h. die spezifischen Zwischen- und Unterziele für die einzelnen Untemehmensbereiche sind zu bestimmen, und zweitens müssen die kreislaufspezifischen Funktionen in allen betrieblichen Funktionen berücksichtigt werden (Kirschten/ Stitzel 1995, S. 313f.). Hinsichtlich der Leitungsprinzipien ist zu beachten, daß sich die Aspekte der Kreislaufwirtschaft z.B. auch in der Umsetzung der Controlling-, Marketing- und Logistikkonzeption niederschlagen müssen. Im Rahmen der Controllingkonzeption kann dem etwa durch die Implementierung einer Lebenszyklusrechnung entsprochen werden. Damit einher geht die Neuformulierung der Beziehungen zwischen Unternehmen, Anspruchsgruppen und ökologischem System. In diesem Sinne versteht sich das Unternehmen als ökologieorientierter Problemloser, der sich zu einem kooperativen und verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und zur Vermeidung von Umweltbelastungen durch Einsatz des vorhandenen Wissens- und Innovationspotentials in allen Unternehmensbereichen verpflichtet. Ein wesentliches Risiko besteht für den Fall, daß diese Leitsätze nicht umgesetzt werden können und z.B. bei Kreislaufführung produktinduzierter Abfälle aus Konsumtionsprozessen, die häufig

durch

eine

starke

Einbeziehung

der

Kunden

gekennzeichnet

ist,

als

„Lippenbekenntnisse mit PR-Charakter" identifiziert werden (Steinle/ Lawa/ Schollenberg 1994, S. 416f.).

Kapitel 13

272

3.2

Planung von Kreislaufwirtschaftssystemen

Die Planving knüpft an die Grundsätze der Untemehmenspolitik an. Unter Bezugnahme auf die Stärken und Schwächen eines Unternehmens sowie die Chancen und Risiken werden strategische Ziele definiert. Im Anschluß daran werden Untemehmensstrategien geplant, mit deren Hilfe Markterfolgs- und Leistungspotentiale realisiert werden können. Schließlich sind auf Basis operationalisierbarer Ziele Gestaltungsmaßnahmen in Verbindung mit dem dafür notwendigen Ressourceneinsatz aufzuzeigen (Pfohl/ Stölzle 1997, S. 11 f.). Bei der Bestimmung der kreislaufspezifischen Ziele ist eine Orientierung an der implizit mit dem Kreislaufgedanken verbundenen, dauerhaft umweltgerechten Wertschöpfung erforderlich. Deren Leitziele umfassen neben der Forderung nach Realisierung möglichst niedriger zirkulärer Stoff- und Energiedurchsätze die Nutzung regenerativer Energiequellen und die Vermeidung irreversibler Umweltschädigungen (Schmid 1996, S. 137f.). Daraus lassen sich zwei grundsätzliche, nicht konkurrierende Strategien ableiten: die Strategie der Langlebigkeit, d.h. Produkte sollen ihre nutzungsbezogenen Funktionen über vergleichsweise lange Zeiträume wirtschaftlich erfüllen, sowie die Strategie der RreislauffÜhrung. Hieraus können jedoch noch keine Zielvorgaben bestimmt werden, und auch das KrW-/AbfG liefert keine operationalisierbaren Ziele (Brenck 1996, S. 40). Somit ist das Unternehmen auf die Entwicklung eigener kreislaufwirtschaftsspezifischer Ziele angewiesen. Diese können sowohl inputorientiert (Ressourcenschonung) als auch outputorientiert (Abfallverringerung, dadurch auch Schonung von Rohstoffen) sein. Im Rahmen der weiteren Differenzierung dieser Ziele lassen sich Mengen-, Zeit- und Wertziele unterscheiden (Corsten/ Reiss 1991, S. 618). Bei den Mengenzielen geht es vor allem um die Reduzierung der Rohstoffverbrauchsmengen, aber auch um eine Verminderung der aufwendige Aufbereitungsverfahren erfordernden Produkte und der endgültig zu beseitigenden Abfallstoffe. Werden diese Ziele weiter konkretisiert, so können in Anlehnung an Distributionsziele im Vertrieb Erfassungsziele vorgegeben werden, die sich z.B. in Form von Erfassungsquoten operationalisieren lassen. Außerdem können Verwendungsziele definiert werden, die auf die Wieder- oder Weiterverwendung von kompletten Produkten, Baugruppen oder Bauteilen abzielen und somit ein Recycling auf höchster Wertschöpfungsstufe erlauben. Bezüglich der Wertschöpfungsstufe niedriger angesiedelt sind die an der rohstofflichen und materialbezogenen Ebene orientierten Verwertungsziele (Meffert/ Kirchgeorg 1996, S. 7).

Management geschlossener

Kreisläufe

273

Zeitziele spielen eine wichtige Rolle, da vornehmlich durch eine Verlängerung der Verweildauer von aufzubereitenden Abfällen Unsicherheiten aufgrund des zeitlich schwankenden Anfalls dieser Abfälle absorbiert werden können. Allerdings steigt damit auch die Gefahr des Veraltens der ursprünglich eingesetzten Materialien und behindert dadurch u.U. deren Wiedereinsatz. So kann sich gerade bei technischen Produkten, für die Kreislaufwirtschaftsprozesse zum Teil erst nach mehreren Jahren durchzuführen sind, erst spät herausstellen, ob bei der Produktentwicklung zukünftige Möglichkeiten der Redistribution, des Recyclings und des Wiedereinsatzes genügend berücksichtigt worden sind. Legt man den Begriff des Wertschöpfimgskreislaufes zugrunde, so sind auch Wertziele von Interesse. Sie sind insofern wichtig, als zum einen die Kosten der kreislaufspezifischen Aktivitäten minimiert werden sollen, zum anderen gegebenenfalls Erlöse durch den Verkauf aufbereiteter Sekundärrohstoffe erzielt werden können. Zieht man empirische Untersuchungen heran, so ist beim Vergleich ökologischer Zielsetzungen mit den ökonomischen Zielsetzungen in Kreislaufwirtschaftssystemen festzustellen, daß erstgenannte durch Ziele wie Kostenreduzierung, Imageverbesserung oder Wettbewerbsprofilierung bei weitem in ihrer Wichtigkeit übertreffen werden (Meffert/ Kirchgeorg 1996, S. 8). Bei der strategischen Planung von Kreislaufwirtschaftssystemen ist von einer zyklusorientierten Strategie auszugehen, die am zentralen Planungsobjekt Produktlebenszyklus ansetzt und die sich in einer Totalbetrachtung der ökonomischen Prozesse und ihrer Konsequenzen niederschlägt. Neben den direkten kreislaufspezifischen Aktivitäten sind durch Einbeziehung der aus Unternehmensperspektive vor- und nachgelagerten Phasen des Produktlebenszyklusses auch indirekte Maßnahmen zu ergreifen (Jacobs 1994, S. 84). Damit kann der Tatsache Rechnung getragen werden, daß ökologische Probleme in den verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklusses, z.B. im Beschaffungsprozeß des Lieferanten, im Konsumtionsprozeß des Kunden oder auch bei der Demontage im Recyclingunternehmen, oft in einem kausalen Zusammenhang stehen. Deshalb sind kreislaufspezifische Maßnahmen für alle Lebenszyklusphasen zu planen und auf ihre Wirkungen im gesamten Kreislaufwirtschaftssystem zu überprüfen. So können z.B. Konstruktionsänderungen zugunsten einer Verlängerung der Produktlebensdauer dazu führen, daß spätere Recyclingprozesse erschwert oder bestimmte Stoffe sogar als Sonderabfall beseitigt werden müssen. Die Planung von Kreislaufwirtschaftssystemen ist bereits bei der Produktentwicklung durchzuführen. Während die traditionellen Wertschöpfungsprozesse in der Regel anzupassen sind, müssen die kreislaufspezifischen Prozesse der Redistribution, des Recyclings und des Wiedereinsatzes vollkommen neu gestaltet werden und stellen für die betroffenen Unternehmen in der Regel völlig neue Aufgabengebiete dar. Das bedeutet unter anderem, zukünftige Möglich-

274

Kapitel 13

keiten der Sammlung und des Transportes von Abfällen sowie der technischen Aufbereitungsalternativen zu antizipieren und potentielle Abnehmer für Sekundärrohstoffe zu ermitteln. Verbunden sind damit auch - angesichts teilweiser langer Produktlebensdauem - langfristige vertragliche Bindungen, um die Funktionen des Stoffkreislaufes sicherzustellen. Maßgebend für die Redistribution ist die Gestaltung des entsorgungslogistischen Systems sowie dessen Abstimmung mit den übrigen versorgungsorientierten Logistikprozessen (Pfohl/ Stölzle 1995b, S. 8). Zu den Grundsätzen der Systemgestaltung zählen die Vereinfachung von Strukturen und Abläufen, die Synchronisation von Abfall- und Informationsflüssen, die Automatisierung des Informationsaustausches, die Modularisierung des Logistiksystems sowie die Einbeziehung der Abfallbesitzer. Bei der Konfiguration des Systems sind die räumlichen, zeitlichen, art- und mengenmäßigen Ausprägungsformen der Abfallentstehung zu berücksichtigen. Außerdem ist eine Orientierung an Größe und Lage der einzubeziehenden Recycling-, Wiedereinsatz- und Beseitigungsanlagen erforderlich (Stölzle/ Jung 1996, S. 34), deren maximale Auslastung anzustreben ist. Planungsprobleme und Unsicherheiten können bei der Systemgestaltung dadurch entstehen, daß - Abfallströme häufig sehr inhomogen zusammengesetzt sind, - das Abfallaufkommen starken Schwankungen unterliegt, - die Quellen der Abfallströme bei den Abfallerzeugem, also auch bei Endverbrauchern liegen, - die Größe des Einzugsbereiches wesentlichen Einfluß auf die Auslastung der Anlagen und den Anteil der Logistikkosten hat, - verstärkter Einsatz von Instandhaltungs- und Wieder- bzw. Weiterverwertungsstrategien für unbrauchbar gewordene Bauteile und -gruppen über die Verlängerung der Produktnutzungsdauer zu einer Entlastung der Stoffkreisläufe führt und damit u.U. die Anlagenauslastung gefährdet, und - Planungs- und Gestaltungsinhalte auch andere Institutionen betreffen, auf die kein direkter Einfluß genommen werden kann.

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Für eine Strukturierung des Ablaufes bei der Planung von Systemen der Redistribution, des Recyclings und des Wiedereinsatzes können folgende Planungsebenen unterschieden werden (Ihde/ Dutz 1993, S. 202ff.): - vertikale Struktur. Stufigkeit der Zerlegung des Produktes und damit verbunden die Aufteilung in verschiedene Stoffkreisläufe; - horizontale Struktur. Zahl, Größe und räumliche Lage von Recycling-, Wiedereinsatzund Beseitigungsanlagen; - Sammelstrategie-. Hol- bzw. Bringprinzip, Sammelgebiet und -frequenzen; - Trenngrad: Umfang der Zerlegung des Produktes; - Bereitstellungstrategie: Abholmenge und -Zeitpunkte; - Transportsystem-. Verkehrsträger und Transporteinsatzplanung; - Lagersystem-. Behälter- und Lagertechnik; - Informationssystem: Datenerfassung und -Verarbeitung, Informationstechnik. In den Produktionsbetrieben selbst sind hinsichtlich der Schließung von Stoffkreisläufen verschiedene Anpassungen vorzunehmen (Ahrend/ Wagenhaus 1996). Dazu zählen z.B. die Umstellung von Produktionsverfahren zur Ermöglichung interner Stoffkreisläufe sowie die Vorbereitungen für den Einsatz extern beschaffter Sekundärrohstoffe. Auch bei der Standortwahl von Produktionsstätten erwächst durch die Anwendung des Kreislaufprinzips ein neues Kriterium (Matten 1995, S. 339), z.B. durch die Ansiedlung in räumlicher Nähe der Abfallbesitzer oder großer Recyclinganlagen.

3.3

Kontrolle von Kreislaufwirtschaftssystemen

Die Kontrolle soll sicherstellen, daß neben den Zielen auch die in der Planimg festgelegten Maßnahmen und Ressourcennutzungen realisiert werden. Im Grunde zielt die Kontrolle auf die Durchführung eines Vergleichs ab, wobei festgestellte Abweichungen ihre Ursache sowohl im Bereich der Planung als auch im Bereich der Realisation haben können. Die Kontrolle in Kreislaufwirtschaftssystemen kann extern und intern begründet sein (Matschke 1996, S. 143). Externe Gründe sind z.B. die Dokumentation der ordnungsgemäßen Einhaltung kreislaufwirtschaftsbezogener Vorschriften gegenüber den Anspruchsgruppen des Unternehmens oder die Unterstützung bei behördlichen Anfragen. Interne Gründe sind z.B.

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die Überprüfung der Zielerreichung der einzelnen beteiligten Institutionen oder die Sensibilisierung aller Subsysteme für die kausalen Zusammenhänge zwischen Problemen in Teilbereichen des Kreislaufwirtschaftssystems. In den Bereich der Kontrolle fallen somit die Überprüfung von Erfassungs-, Verwertungs- und Verwendungsquoten, die Höhe der durch kreislaufspezifische Aktivitäten verursachten Kosten sowie der Beitrag der beteiligten Institutionen zur Erreichung des Ziels der Kreislaufführung. Das ist vor allem dann von Interesse, wenn z.B. durch den Verkauf zurückgewonnener Sekundärrohstoffe Gewinne erzielt werden können oder zusätzliche Kosten entstehen, die auf die Beteiligten verrechnet werden müssen. Eine weitere Möglichkeit der Kontrolle orientiert sich am Stoffkreislauf. Damit können Lükken, die zu ungeplanten Senken oder zur Einschleusung anderer Stoffe aus weiteren Quellen fuhren, aufgedeckt werden. So ist z.B. zu überprüfen, ob sich der Umgang der Endverbraucher mit bereitgestellten Sammelsystemen im Zeitablauf ändert oder ob systemexterne Institutionen den Kreislauf für eigene Zwecke zu nutzen versuchen.

3.4

Organisation von Kreislaufwirtschaftssystemen

Durch die Organisation werden formale Regelungen fixiert, die das Gesamtgefüge des Kreislaufwirtschaftssystems (Aufbauorganisation) und die im System ablaufenden Prozesse (Ablauforganisation) betreffen. Die Strukturierung des Kreislaufwirtschaftssystems basiert auf einer Analyse der Aufgaben und Teilaufgaben, die zur Erfüllung der Kreislauffunktionen notwendig sind. Diese Aufgaben werden dann wieder zu Aufgabenbündeln zusammengefaßt und Aufgabenträgern, z.B. verschiedenen Unternehmen, zugeordnet. Die Verfolgung der zyklusorientierten Strategie impliziert, daß Prozesse der Kreislaufwirtschaft in allen Funktionen eines Unternehmens wahrzunehmen und zu berücksichtigen sind. Dadurch wird die Schließung von Stoffkreisläufen durch Kreislaufwirtschaftssysteme zu einer echten Querschnittsfunktion (Jacobs 1994, S. 192ff.). Nur die einzelnen Unternehmensbereiche verfügen über die notwendigen Fachkenntnisse, die im Zusammenhang mit den kreislaufspezifischen Anforderungen die angestrebte Schließung von Stoffkreisläufen erst ermöglicht. So ist z.B. nur die Beschaffungsabteilung aufgrund langfristig entwickelter Kontakte in der Lage, Probleme der Rücknahme von Einsatzstoffen oder die Substitution von Sekundärrohstoffen mit den Lieferanten abzustimmen.

Management geschlossener Kreisläufe

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Die einzelnen Unternehmensbereiche sind jedoch hinsichtlich ihrer kreislaufwirtschaftlichen Aktivitäten zu koordinieren. Dem kann durch die Schaffung einer zentralen Organisationseinheit Rechnung getragen werden, der die Koordinationsfunktion sowie Richtlinienkompetenzen bezüglich der Gestaltung des Kreislaufwirtschaftssystems zu übertragen sind. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Aufsplitterung der Prozesse auf die einzelnen Untemehmensbereiche. Damit wird eine Koordination erforderlich, die auf das gesamte Kreislaufwirtschaftssystem auszudehnen ist. Diese hat auch dafür Sorge zu tragen, daß neu erworbenes Wissen oder Erkenntnisse gesammelt werden, damit Abwanderungen einzelner, hochspezialisierter Mitarbeiter nicht zum Know-how-Verlust in einzelnen Subsystemen des Kreislaufwirtschaftssystems fuhren und damit die Schließung des Stoffkreislaufes gefährden. Durch die Zuordnung der kreislaufspezifischen Prozesse auf die traditionellen Untemehmensbereiche lassen sich zugleich auch Schnittstellenprobleme vermeiden. Allerdings ist damit eine Höher- oder Weiterqualifizierung der Mitarbeiter erforderlich, welche die zusätzlichen Aufgaben wahrnehmen sollen. Dabei ist auch zu beachten, daß entsprechende Anreize gegeben werden, um die kreislaufspezifischen Aufgaben nicht als lästige Nebenaufgaben hinter die traditionellen Aufgaben zurückzustellen. Rreislaufwirtschaftssysteme zeichnen sich in der Regel durch die konsequente Anwendung des unternehmensübergreifenden Kooperationsprinzips aus. Das bietet sich allein aufgrund der in der Regel begrenzten finanziellen, technisch-organisatorischen und personellen Ressourcen eines Unternehmens an. Eine Kooperation ist aber auch wegen der Erreichung einer höheren Netzdichte, der Nutzung von Bündelungsmöglichkeiten, der Verknüpfung von Abfallströmen und der daraus resultierenden Verstetigung des Stoffstromes anzustreben. Schließlich macht die hohe Spezialisierung, die für die Durchfuhrung einzelner kreislaufwirtschaftlicher Prozesse erforderlich ist und zu einer Aufgabenteilung zwischen den beteiligten Institutionen führt, eine Kooperation zur Schließung von Stoffkreisläufen unerläßlich (Matten 1995, S. 343). So sieht auch das KrW-/AbfG ausdrücklich vor, daß Dritte mit Aufgaben der ordnungsgemäßen Verwertung oder Beseitigung betraut werden dürfen. Ebenso sind Kooperationen mit anderen Unternehmen möglich, z.B. mit Handelsunternehmen oder mit logistischen Dienstleistungsunternehmen, etwa zur Durchführung von Redistributionsprozessen. Kooperationen können auch zu Netzwerken ausgeweitet werden, wobei für Kreislaufwirtschaftssysteme vor allem drei Netzwerktypen von Bedeutung sind: das strategische Netzwerk, das operative Netzwerk und das regionale Netzwerk (zu Netzwerktypen siehe Sydow 1992, Buseu.a. 1996, S. 16ff.). Strategische Netzwerke zeichnen sich durch die Führung seitens eines fokalen Unternehmens aus, das z.B. als entsorgungspflichtiges Unternehmen ein Netz von Redistributions-, Recycling- und Beseitigungsspezialisten in ganz Deutschland unterhält.

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Operative Netzwerke haben den Zweck, daß die Netzwerkpartner kurzfristig auf gemeinsame Kapazitäten zugreifen können. Das sind z.B. in einem Pool gehaltene Logistikkapazitäten wie Transportmittel und Verpackungen oder gemeinsam genutzte Recyclinganlagen. Regionale Netzwerke, die den wesentlichen Vorteil kurzer Transportstrecken aufweisen, entstehen häufig durch die Agglomeration zumeist kleinerer und mittlerer Unternehmen. Diese können durchaus auch unterschiedlichen Branchen angehören und bieten damit die Möglichkeit, kaskadierende Stoffkreisläufe zu bilden. Sowohl in Kooperationen als auch in Netzwerken sind verschiedene Instrumente zur Sicherstellung der Funktionen des Stoffkreislaufes erforderlich. Dazu sind standardisierte Informationssysteme, die Institutionalisierung von Konflikten, Sanktionsmechanismen sowie Kostenverrechnungs- und -Verteilungssysteme zu zählen (Hansen/ Raabe/ Dombrowski 1995, S. 68).

3.5

Führung in Kreislaufwirtschaftssystemen

Im Gegensatz zur Organisation stellt die Führung auf die persönliche Beeinflussung der Institutionen und Mitarbeiter im Kreislaufwirtschaftssystem ab. Es lassen sich die Einwirkung im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele sowie die Einwirkung zur Sicherung des langfristigen Systemerhaltes unterscheiden. Als Grundlage dieser Verhaltensbeeinflussung dienen Autoritäts- und Machtbeziehungen. Für das Management von Kreislaufwirtschaftssystemen ist zu untersuchen, wie Anreize geschaffen werden können, die zur Freisetzung von Mitarbeiterpotentialen und zur Verinnerlichung des Kreislaufgedankens führen können. Grundsätzlich lassen sich Ansatzpunkte für eine kreislaufwirtschaftsorientierte Motivation der Mitarbeiter anhand der Maslow'schen Bedürfnispyramide identifizieren (Steinle/ Lawa/ Schollenberg 1994, S. 423f.). Diese unterscheidet zwischen materiellen, Sicherheits-, Sozialkontakt-, Anerkennungs- und Selbstverwirklichungsbedürfnissen. So kann z.B. als materieller Anreiz eine spezifische Ausgestaltung des Vergütungs- oder Bonussystems dienen, das die Erfüllung kreislaufspezifischer Ziele wie Verwertungsquoten zur Grundlage nimmt und nicht durch eine Übererfüllung ökonomischer Ziele überkompensiert werden kann. Bedürfnisse nach Anerkennung lassen sich nutzen, indem Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben wird, frühzeitig ihre Fachkompetenz in die Gestaltung kreislaufwirtschaftlicher Subsysteme einzubringen. Schließlich können auch Selbstverwirklichungsbedürfnisse befriedigt werden, wenn Mitarbeitern eine entsprechende Aus- und Weiterbildung gewährt wird oder ihre Aufgaben um herausfordernde und kreativitätsfördernde Inhalte ergänzt werden.

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Prinzipiell lassen sich diese Erkenntnisse auch auf die Führung mehrerer Unternehmen in Kreislaufwirtschaftssystemen übertragen. Es ist jedoch zu beachten, daß Netzwerke häufig ein fokales Unternehmen aufweisen, das die Führung im Kreislaufwirtschaftssystem übernimmt. Dazu sind z.B. große Energieversorgungsunternehmen zu rechnen, die in den letzten Jahren verstärkt in den Entsorgungsmarkt eingetreten sind. Wenn kein fokales Unternehmen existiert, dann müssen Selbststeuerungsmechanismen eingesetzt werden, die das Verhalten der einzelnen Institutionen überwachen. In diesem Zusammenhang kann eine gegenseitige Abhängigkeit einen wirksamen Schutz gegen opportunistisches Verhalten bieten, z.B. durch die gegenseitige Abnahme von Abfallstoffen (Kaluza/ Blecker 1996, S. 398).

3.6

Managemententwicklung in Kreislaufwirtschaftssystemen

Mit der Managemententwicklung wird das Ziel verfolgt, die Kontinuität des Managements sicherzustellen. Dazu gehören die Entdeckung eines potentiellen, qualifizierten Managementnachwuchses sowie die Auswahl und Förderung von Mitarbeitern bei ihrer Laufbahnplanung. Für Kreislaufwirtschaftssysteme ist die Heranbildung eines Führungspersonals anzustreben, das den system- und produktlebenszyklusübergreifenden Denkweisen gerecht wird. Dabei sind aufgrund der technischen und ökonomischen Zusammenhänge in Kreislaufwirtschaftssystemen sowohl technisches als kaufmännisches Verständnis der Mitarbeiter erforderlich. Zur Entwicklung des Managementnachwuchses kann auf das Instrument des organisationalen Lernens verwiesen werden. Damit wird ein Wissenstransfer von der Organisationsebene auf die Individualebene und umgekehrt ermöglicht, was als Teil der Managemententwicklung aufgefaßt werden kann (Müller-Christ/ Remer 1995, S. 203f.). Organisatorisch kann dem durch die Einrichtung von „Ecology-Circles" - ein Pendant zu den Qualitätszirkeln - entsprochen werden (Matzel 1994, S. 218ff.). Mit Hilfe des vorhandenen Wissens und der Erfahrungen sowie des direkten Kontaktes der einzelnen Gruppenmitglieder mit dem Management des Kreislaufwirtschaftssystems können so innovative Lösungen zur Verbesserung der ökologischen und ökonomischen Effizienz des Kreislaufwirtschaftssystems entwickelt werden. Ein weiterer Aspekt ist im Austausch von Mitgliedern des Managements zwischen den einzelnen am Kreislaufwirtschaftssystem beteiligten Unternehmen zu sehen. Dadurch wird nicht nur das Verständnis für die systemübergreifenden Zusammenhänge und die Probleme anderer Institutionen im Stoffkreislauf gefordert, sondern die Einbringung „betriebsfremden" Knowhows kann auch zu neuen kreislaufspezifischen Lösungsmöglichkeiten genutzt werden.

Kapitel 13

280

4.

Konzepte des Managements von Kreislaufwirtschaftssystemen

Das Management von Kreislaufwirtschaftssystemen kann mit Hilfe verschiedener Konzepte umgesetzt werden. Eines davon ist das Konzept des product Stewardship" (Dillon/ Baram 1993, S. 330ff.). Dieses Konzept orientiert sich am Produktlebenszyklus und dient der Reduzierung von Umweltbelastungen in allen Lebenszyklusphasen eines Produktes von der Beschaffung der Primärstoffe bis zur endgültigen Beseitigung der Abfälle. Dabei sollen schon im Zuge der Produktentwicklung Maßnahmen für ein umweltverträgliches Produkt- und Verpakkungsdesign ergriffen werden. Dazu zählen etwa eine entsprechende Materialauswahl, ein demontagefreundliches Produktdesign und die Verlängerung der Produktlebensdauer. In späteren Phasen des Produktlebenszyklusses hat der Hersteller den sicheren Umgang bei Konsumtion, Recycling und Beseitigung durch geeignete Instrumente zu unterstützen. Diese Unterstützung kann z.B. in Form technischer Anleitungen oder eines speziellen Serviceangebotes für Handelsunternehmen und Endverbraucher gewährt werden. Als problematisch am Konzept des „Product Stewardship" ist die Tatsache zu sehen, daß Produkte u.U. eine Vielzahl unterschiedlichster Stoffe enthalten und demzufolge hohe Anforderungen aufgrund verschiedener Stoffkreisläufe an das Management gestellt werden. Eine Abwandlung dieses Konzeptes kann insoweit vorgenommen werden, daß nicht das Produkt, sondern einzelne Stoffe in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden. In Form eines „Cycle Management" orientiert sich dieses Konzept an den spezifischen Stoffkreisläufen. Es weist den Vorteil auf, daß gerade stoffspezifische Eigenschaften von Kreisläufen besser erfaßt und auch Stoffe berücksichtigt werden können, die nicht direkt in Produkte eingehen, aber in Produktionsprozessen verwendet werden. Diese Stoffkreisläufe können dann durch Spezialisten betreut werden. Auch hier treten Schwierigkeiten durch Zuordnungsprobleme auf, wenn Unternehmen eine große Produktvielfalt aufweisen und zugleich eine große Zahl unterschiedlicher Stoffe einsetzen. Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems kann darin gesehen werden, daß das Management von Kreislaufwirtschaftssystemen sowohl produkt- als auch stofforientiert aufgebaut wird. Dafür ist z.B. dem Verantwortlichen eines Lebenszyklusses eines Produktes zugleich das Management der Stoffkreisläufe der wesentlichen Produktbestandteile zuzuordnen. Dies macht allerdings Regelungen an den Schnittstellen zwischen verschiedenen Kreislaufmanagern erforderlich. Die organisatorische Einordnung des Kreislaufmanagers kann ähnlich zu den Ansätzen des „Channel-Managements" im Marketing vorgenommen werden (Specht 1992, S. 217ff.). Dem

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Channel-Manager obliegt die kreislaufspezifische und untemehmensübergreifende Koordination der einzelnen Lebenszyklusphasen eines Produktes bzw. Stoffes. Voraussetzung dafür ist die Übertragung von Kompetenzen, da zur Durchsetzung kreislaufspezifischer Maßnahmen Eingriffe in bereits bestehende Wertschöpfungsprozesse und eine Abstimmung z.B. mit dem Produktions- oder dem Marketingbereich erforderlich werden. Ein Instrument, mit dessen Hilfe der Kreislaufinanager die ökonomisch und ökologisch effiziente Gestaltung von Kreislaufwirtschaftssystemen bzw. die Anpassimg bestehender Wertschöpfungsprozesse vornehmen kann, stellt das Konzept der Lebenszykluskosten

dar

(Homeber 1995, S. 212ff.; Pfohl/ Schäfer 1996, S. 115fT.). Grundlage dieses Ansatzes ist die auf den gesamten Lebenszyklus fokussierte Betrachtung von Stoffkreisläufen zur Abschätzimg der - in bezug auf Produkte aller Art - relevanten Lebenszykluskosten. Gelingt hier eine monetäre Bewertung von Umweltbelastungen und deren Gewichtung gegenüber wirtschaftlichen Zielgrößen, so können die Systemgestaltung anhand einer einheitlichen Zielgröße vorgenommen und die effizienteste Systemalternative ausgewählt werden.

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Gießler, Tom, Jg. 1968, Dipl.-Ing., Dipl.-Kfin., Wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für Unternehmenstheorie, insbesondere Umweltökonomie und industrielles Controlling, an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Gttldenberg, Stefan, Dipl.-Math. oec., Dr. rer. soc. oec., Universitätsassistent am Institut für Unternehmensführung (Prof. Dr. R. Eschenbach) der Wirtschaftsuniversität Wien. Hansen, Ursula, Dr. rer. pol., Prof., Inhaberin des Lehrstuhls Marketing I: Markt und Konsum der Universität Hannover und wissenschaftlicher Vorstand des Instituts für Markt-Umwelt-Gesellschaft (imug) e.V.; Arbeitsschweipunkte: Handelsmarketing, Marketingethik, Marketinggeschichte, Nachkaufmarketing, Ökologisches Marketing, Produktgestaltung, Verbraucherpolitik. Hiessl, Harald, Dr.-Ing., Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter beim Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Hummel, Johannes, Dipl.-Kfm., Dr. lic. oec., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen (IWÖ-HSG). Jöst, Frank, M.A., Assistent am Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie an der Universität Heidelberg, AlfredWeber-Institut für Sozial- und Staatswissenschaften. Kirchgeorg, Manfred, Dr., Akademischer Rat am Institut für Marketing an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Kirschten, Uta, Dipl.-Kffr., Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Umweltmanagement, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft an der Freien Universität Berlin.

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Mailstetten, Reiner, M.A. (Germanistik und Philosophie), Assistent am Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie an der Universität Heidelberg, AlfredWeber-Institut für Sozial- und Staatswissenschaften. Meffert, Heribert, Dr. Dr. h.c., Prof., Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; Direktor des Instituts für Marketing. Pfohl, Hans-Christian, Dr. Dr. h.c., Prof., Leiter des Fachgebietes Unternehmensführung im Institut für Betriebswirtschaftslehre der Technischen Hochschule Darmstadt; Hauptforschungsgebiet: Logistik; Leiter des Instituts für Logistik (IfL) der Deutschen Gesellschaft für Logistik e.V. (DGfL) sowie Vorsitzender der Kommission „Logistik" des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. Schäfer, Christian, Dipl.-Wirtschaftsingenieur, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Unternehmensführung im Institut für Betriebswirtschaftslehre der Technischen Hochschule Darmstadt. Arbeitsschwerpunkte: Beschaffungslogistik und Kreislaufwirtschaft. Schneidewind, Uwe, Dr. oec., Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen (IWÖ-HSG), Vorstandsmitglied der Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW); Arbeitsschwerpunkte: ökologisch orientierte Untemehmenskooperationen, strategisches Umweltmanagement Schräder, Ulf, Dipl.-Ök., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Marketing I: Markt und Konsum an der Universität Hannover; Arbeitsschwerpunkte: Ökologisches Marketing und MarketingEthik. Steger, Ulrich, Dr. rer. pol., Prof., Inhaber der Alcan-Chair for Environmental Management am International Institute for Management Development (IMD), Lausanne; Leiter des Institutes für Ökologie und Unternehmensfuhrung an der European Business School e.V., Oestrich-Winkel.

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Stitzel, Michael, Dr. rer. pol., Prof., Leiter des Arbeitsbereiches Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Umweltmanagement, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft an der Freien Universität Berlin.