Biologie des Alterns: Ein Handbuch 9783110884791, 9783110121698


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Table of contents :
Geleitwort
Vorwort
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Historischer Abriß
1.2 Alternstheorien
2. Zellen und Interzellularsubstanz
2.1 Zellkern und Zellorganellen
2.2 General Aspects of Fibroblast Cell Culture
2.3 Fibroblastenstoffwechsel
2.4 Erythrozyten
2.5 Leukozyten
2.6 Thrombozyten
2.7 Struktur, Eigenschaften und Biosynthese von Kollagenen
2.8 Biomechanik des Bindegewebes
2.9 Proteoglycane
3. Stoffwechsel
3.1 Proteinstoffwechsel
3.2 Kohlenhydratstoffwechsel
3.3 Lipidstoffwechsel
3.4 Vitaminstoffwechsel
4. Organe und Gewebe
4.1 Auge
4.2 Gehirn
4.3 Geruchs- und Geschmacksorgane
4.4 Haare
4.5 Herz
4.6 Knochen
4.7 Leber
4.8 Lunge
4.9 Milz
4.10 Ohr
4.11 Skelettmuskulatur
5. Gerinnung, Fibrinolyse
5.1 Funktion und Aufbau des Haemostasesystems
6. Pharmaka im Alter
6.1 Pharmakokinetik und -Dynamik
Sachverzeichnis
Mitarbeiterverzeichnis (Erstautoren)
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Biologie des Alterns: Ein Handbuch
 9783110884791, 9783110121698

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Biologie des Alterns

Biologie des Alterns Ein Handbuch Herausgegeben von Dieter Platt Mit einem Geleitwort von H.-E. Bock

w DE

G

Walter de Gruyter Berlin • New York 1991

Herausgeber Professor Dr. med. D. Platt Lehrstuhl Innere Medizin — Gerontologie Universität Erlangen-Nürnberg Heimerichstr. 58 8500 Nürnberg

Mit einem Geleitwort von Professor Dr. Dr. h. c. mult. H.-E. Bock Dieses Buch enthält 75 Abbildungen und 27 Tabellen.

CIP-Titelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Biologie des Alterns / hrsg. von Dieter Platt. Mit einem Geleitw. von H.-E. Bock. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1991 ISBN 3-11-012169-7 NE: Platt, Dieter [Hrsg.]

© Copyright 1991 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Satz: Arthur Collignon GmbH, Berlin. Druck: Gerike GmbH, Berlin. Bindung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin. Einbandentwurf: Rudolf Hübler, Berlin

Geleitwort

Altern ist der physiologische Weg zum Tode, der — nach Johann Wolfgang von Goethe — ein Kunstgriff der Natur ist, um viel Leben zu haben. Altern ist Schicksal von Menschen, Tieren und Pflanzen. Natürlich ist menschliches Altern ein anthropologisches Ganzheitsgeschehen. Dem wissenden Menschen ist es als Bewältigungsaufgabe gestellt. Tatsächlich sind alte Menschen oft nicht nur mißgestimmt, sondern oft auch multimorbide mit Restzuständen früher durchgemachter Krankheiten, oder chronisch an mancherlei Primäroder Sedkundärsymptomen leidend. Seltsamerweise unterscheidet mancher Betroffene sehr wohl zwischen verschiedenen Schauplätzen seiner Multimorbidität oder individuell differenzierten, nicht ganzheitlichen Altersmorosität, und er sucht auch von sich aus die verschiedenen Spezialisten auf. Das ist nur zweckmäßig, wenn alle Behandler von allen Behandlungen wissen und sich abstimmen können, um sinnlose, ja gefährliche Polypragmasie zu vermeiden. Internist oder Allgemeinarzt werden hier die zweckmäßigste und bedeutungsgerechte Integrationsarbeit leisten können, doch sind auch andere Gruppierungen um einen zentral verantwortlichen Arzt möglich. Spezialisierung ist für die naturwissenschaftlich forschenden Mediziner die notwendige Voraussetzung des Fortschritts. Zu sehr hat sich das medizinische Blickfeld erweitert und vertieft, zu differenziert und kompliziert sind die Methoden der Diagnostik wie der Therapie geworden, als daß ein Generalist stets allein den kranken Alternden gerecht werden könnte. — Längst ist die Krankheitslehre wie die Aiternsforschung von der Morphe zur Funktion, von da zur Ordnung der Regulationen und zur Frage nach Zweck und Ziel, beim Menschen auch zur Frage nach dem Sinn fortgeschritten. Als Grundlage muß auch der Aiternsforscher den naturwissenschaftlichen Erfolgsweg beschreiten. Er ist solide fundiert durch Untersuchungen auf molekularbiologischer, auf zellulärer, auf System- und Organstufe und schließlich am Gesamtorganismus. — Unvermeidlich sind auch in der Aiternsforschung Reduktionismus, Modell, Experiment (auch Tierversuch) und Arten vergleich bis zur höchsten Evolutionsstufe. Psycho-Endokrinologie, Immunologie und Pharmakologie sind in der nächsten Zukunft am meisten gefordert. Altern ist ein Urphänomen, ist Idee und Erfahrung. Daher ist es zu begrüßen, daß in dem von Professor Dieter Platt herausgegebenen Werk „Biologie des Alterns" auch die Theorien des Alterns neben dem heutigen Wissensstand auf den verschiedenen Ebenen dargestellt werden. Gerontologie ist ein — ständi-

VI

Geleitwort

ger Fortbildung bedürftiges — Querfeldeinfach. Bei der zunehmenden Zahl älter werdender Zeitgenossen mit Hirnleistungsschwäche und bei der zu erwartenden steigenden Flut von Alzheimer Kranken muß jeder Arzt sein allgemeines und sein spezielles Wissen vom Altern des Menschen vermehren, um den besten Beistand und die bestmögliche Prävention anbieten zu können. Dieses Buch wird dabei helfen. Ich wünsche ihm angeregte Leser. Tübingen, im Januar 1991

Hans-Erhard Bock

Vorwort

Im Jahre 1976 veröffentlichte der Herausgeber dieses Buches ein Taschenbuch mit demselben Titel. Es war die erste Zusammenstellung von Ergebnissen biologischer Aiternsveränderungen eines deutschen Autors. Die sprunghafte Entwicklung der experimentellen Aiternsforschung auf internationaler Ebene und die damit verbundene Literaturflut waren der Grund, ein neues Buch „Biologie des Alterns" herauszugeben. Die Gerontologie hat keine eigenen Methoden. Sie bedient sich der Methodik der verschiedenen theoretischen Fachgebiete, wie Biochemie, Physiologie, Pathologie, um nur einige zu nennen. Um neueste Erkenntnisse optimal präsentieren zu können, war es nötig, für die einzelnen Kapitel Spezialisten zu gewinnen, die über ihr eigenes Gebiet der experimentellen Gerontologie schreiben. Trotzdem können in dem vorgegebenen Rahmen des Buches nur Schwerpunkte gesetzt und durch weiterführende Literatur ergänzt werden. Der Aufbau des Buches orientiert sich an Altersveränderungen auf molekularer-, zellulärer- und Organebene. Es ist für den Herausgeber und die Mitarbeiter des Buches eine große Ehre den international führenden experimentellen Gerontologen auf zellulärer Ebene, Herrn Prof. Dr. Leonard Hayflick, als Mitarbeiter gewonnen zu haben. Um die Originalität seines Kapitels zu bewahren, wurde die Arbeit in Englisch veröffentlicht und — im Gegensatz zu den anderen Kapiteln — wurden die Literaturangaben im Text beibehalten. Sicherlich werden durch zukünftige Forschungsergebnisse manche im vorliegenden Buch vorgestellten Theorien oder Daten auf molekularer-, zellulärerund Organebene geändert werden müssen. Das Buch erhebt auch in der vorliegenden Form keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Mitarbeiter des Buches haben sich bemüht, experimentell arbeitenden Gerontologen, Naturwissenschaftlern und Studenten der Biologie, Biochemie, Physiologie und Medizin ein aktuelles Nachschlagewerk an die Hand zu geben. Welche Bedeutung der interdisziplinären Forschung im Bereich der Naturwissenschaft und Medizin zukommt, geht u. a. daraus hervor, daß Anfang des Jahres 1990 die „Deutsche Gesellschaft für Aiternsforschung" gegründet wurde. Im Januar 1991

Dieter

Platt

Inhalt

1.

Einleitung

1

1.1

Historischer Abriß D. Platt

3

Aiternstheorien D. Platt

7

1.2

2.

Zellen und Interzellularsubstanz

23

2.1

Zellkern und Zellorganellen H. C. Schröder, W. E. G. Müller

25

General Aspects of Fibroblast Cell Culture L. Hayflick

54

Fibroblastenstoffwechsel D. O. Schachtschabel

73

Erythrozyten T. Vömel

85

Leukozyten T. Vömel

91

Thrombozyten K. Hager

94

Struktur, Eigenschaften und Biosynthese von Kollagenen J. Rauterberg

98

2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

Biomechanik des Bindegewebes H. G. Vogel

111

Proteoglycane H. Greiling, H. D. Haubeck

123

3.

Stoffwechsel

135

3.1

Proteinstoffwechsel A. M. Gressner

137

2.9

X

Inhalt

3.2

Kohlenhydratstoffwechsel H. Laube

154

Lipidstoffwechsel T. Brosche

169

Vitaminstoffwechsel W. Kühler

185

4.

Organe und Gewebe

195

4.1

Auge C. Ohrloff

3.3 3.4

4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9

,

Gehirn D. Platt Geruchs- und K.-H. Plattig

206 Geschmacksorgane 215

Haare D. Platt

220

Herz H. Frenzel, B. Schwartzkopff

223

Knochen H.-J. Pesch

236

Leber J. Zeeh

246

Lunge W. T. Ulmer

255

Milz T. Vömel

268

4.10 Ohr C. T. Haid 4.11

197

Skelettmuskulatur H. Dorner

270 280

Inhalt

XI

5.

Gerinnung, Fibrinolyse

291

5.1

Funktion und Aufbau des Haemostasesystems K. Hager

293

6.

Pharmaka im Alter

303

6.1

Pharmakokinetik und -Dynamik D. Platt

305

Sachverzeichnis

315

Mitarbeiterverzeichnis

329

1. Einleitung

1.1 D.

Historischer Abriß Platt

Antike: Den Aphorismen von Hippokrates sind bereits exakte Angaben über ältere Menschen zu entnehmen: Der Nahrungsbedarf bei Älteren ist geringer als bei Jungen. Alte Menschen leiden unter Atembeschwerden, Hustenanfallen, Gliederschmerzen, Nierenkrankheiten, Harnzwang, Schlaganfallen und Kräfteverfall. Sie haben oft grauen Star und sind kurzsichtig, sie hören schlecht. In den Schriften des Corpus hippocraticum ist weiterhin zu lesen: „Haut und Muskulatur zeigen Veränderungen, das Fleisch umgibt lose die Knochen, das Blut wird dünn und wäßrig". Spannkraft und Festigkeit gehen mit zunehmendem Alter verloren. Aristoteles bezeichnet das Alter als eine natürliche Krankheit. Er hielt die innere Wärme für eine Voraussetzung des Lebens und setzte das Altern mit einem Erkalten gleich. Galen sah die Leistungsabnahme im höheren Alter nicht als eine Krankheit an. Er fand Altern und Tod als natürliche und notwendige Vorgänge. Für Galen stellt der Alterungsprozeß eine Verschiebung des Gleichgewichtes der vier Elemente dar: warm, kalt, trocken und feucht. So nimmt nach Galen im Alter das Warme und Feuchte ab, das Kalte und Trockene zu. Bereits Galen erkannte, daß Knochen, Muskeln, Bänder und Gefäße mit zunehmendem Alter ihre Feuchtigkeit verlieren und trocken werden — ein Befund, der durch moderne Untersuchungen bestätigt werden kann. Jahrhundertelang wurde an die Angaben von Galen angeknüpft. Mittelalter: Im 13. Jahrhundert wurde von Bacon für Papst Innozenz IV eine „Gesundheitslehre des Alters" verfaßt, in der er das Alter als eine Krankheit bezeichnet. Im Jahre 1489 wurde von Zerbi eine Monographie „Gerontocomia" publiziert, die sich mit der Pathologie des Alters befaßte. Paracelsus stellte verschiedene Theorien auf, nach denen der Mensch eine „chemische Verbindung" ist und das Alter auf einer „Selbstvergiftung" beruht. Pomis, der sich im 16. Jahrhundert erstmals mit diagnostischen und therapeutischen Problemen befaßte, gibt sehr deutliche Beschreibungen über Erkran-

4

D. Platt

kungen des hohen Alters, vor allem über die sog. Altershypertonie, die er auch als Vorläufer der Apoplexie ansieht. 18. Jahrhundert: Van Swieten beschreibt im 18. Jahrhundert Altersveränderungen an den Gefäßen sowie das Schrumpfen der Zwischenwirbelscheiben, sucht jedoch die Ursache dieser Erkrankungen in der bereits von Galen aufgestellten Säftelehre. In dem von B. Fischer im 18. Jahrhundert publizierten Werk stehen die morphologischen und funktionellen Veränderungen im Alter sowie Krankheiten und ihre Behandlung im Mittelpunkt. Bereits in diesem Werk wurde auf die Notwendigkeit von Sektionen hingewiesen, um durch morphologische Untersuchungen von verstorbenen Greisen exakte Angaben über physiologische Altersveränderungen zu erhalten. Von großer Bedeutung war auch das im Jahre 1761 erschienene Werk des Italieners Morgagni, der erstmals zwischen klinischen Symptomen und pathologisch-anatomischen Befunden eine Beziehung herstellte und sich speziell mit Befunden im höheren Lebensalter befaßte. Haller beschreibt in seinem 1766 erschienenen Buch „Elementa physiologiae corporis humani": Das Alter ist durch ein Härterwerden von Muskulatur und Organen gekennzeichnet, man findet eine Abnahme der Schärfe der Sinne, eine Verengung der Arterienlumina, vorwiegend der Arteriolen, sowie eine Verhärtung der Gefaßwand. Bereits in diesem Werk finden sich vergleichende Untersuchungen zwischen Tier und Mensch. So wird beschrieben, daß die Aorta eines jungen Ebers ein größeres Lumen hat als die eines alten. Diese Schilderungen weisen darauf hin, wie groß die Bemühungen sind, naturwissenschafltich exakte Angaben zu erbringen. Dies wird besonders deutlich in dem 1799 erschienenen Werk von Seiler: „Anatomia corporis humani senilis". 1796 erschien das Buch von Christoph Wilhelm Hufeland: „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern", in dem Faktoren besprochen werden, die das Leben verkürzen, sowie Mittel, die es zu verlängern suchen. Die Entwicklung einer speziellen Geriatrie — der Lehre von den Alterskrankheiten — wurde vor allem in Frankreich durch die Gründung großer Krankenhäuser begünstigt. So entstand in paris durch den U m b a u einer Salpeterfabrik das „Hospice de la salpeteriere", ein Altersheim und Pflegehaus. Die darin untergebrachten rund 5000 älteren Menschen boten für interessierte Wissenschaftler ausgezeichnete Forschungsmöglichkeiten. 19. Jahrhundert: Die ersten Vorlesungen über das Alter wurden in der Salpeteriere von Charcot im Jahre 1886 gehalten. In Deutschland wurde von Karl Cannstatt anfangs des 19. Jahrhunderts (1839) ein zweibändiges Lehrbuch der „Krankheiten des höheren Alters" publiziert. Etwa 15 Jahre später erschien eine umfangreiche Darstellung über „Greisenkrankheiten" von Du-

Historischer Abriß

5

rand-Fardel. Er stützt seine Angaben auf seine langjährige Tätigkeit in der Salpéterière und im Bicêtre. Mitte des 19. Jahrhunderts erschien das bekannte Werk von Lorenz Geist, in dem erstmals das Material eines Altershospizes wissenschaftlich ausgewertet wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurde von einigen Wissenschaftlern die Ansicht vertreten, daß Altern auf einer Rückbildung der Geschlechtsdrüsen beruhe. Aus dieser Vorstellung heraus sind die Experimente von Brown-Séquard, Voronoff und Bogomoletz verständlich. So injizierte sich Brown-Séquard im Alter von 72 Jahren einen Extrakt aus Hoden von Meerschweinchen und Hunden, Voronoff entwickelte eine Methode, bei der er alten Männern Affendrüsen überpflanzte. Bogomoletz versuchte, ein Verjüngungsserum auf der Basis von Hormonen zu entwickeln. Nach Metschnikoff stellt das Altern eine Selbstvergiftung dar. Cazalis stellte die auch heute noch oft zitierte These auf: „Man ist so alt wie seine Arterien". Während sich das Fachgebiet der Geriatrie — vor allem durch die Initiative von Nascher — sehr schnell entwickelte, trugen u. a. die Mißerfolge von Brown-Séquard, Bogomoletz und Meschnikoff sowie die spekulativen und philosophischen Betrachtungsweisen über biologische Vorgänge des Alterungsprozesses sicherlich mit dazu bei, daß das Interesse an der Grundlagenforschung des Alterns erlahmte. Einen erneuten Aufschwung erlebte die Grundlagenforschung des Alterns, die „Experimentelle Gerontologie", in den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts. In Deutschland ist vor allem Max Bürger (1960) zu nennen, der die große Bedeutung der theoretischen Grundlagenforschung herausstellte, um klinische Veränderungen beim Altern zu verstehen. 1938 wurde von ihm und dem Physiologen E. Abderhalden die erste Zeitschrift über dieses Gebiet „Zeitschrift für Altersforschung" herausgegeben. 1947 erschien das auch heute noch hoch aktuelle Buch Max Bürgers „Altern und Krankheit". Analog zu Bürgers Werk erschien 1955 in Paris das „Précis de gerontologie" von L. Binet und F. Bourliere. In den USA wurde das Interesse für biologische Vorgänge des Alterns vor allem durch das 1938 von Cowdry publizierte Buch über „Problems of Ageing" geweckt. Noch wichtiger war jedoch, daß N. W. Schock 1951 eine Bibliographie der bis dahin existierenden gerontologischen Literatur (etwa 18.000 Titel) zusammenstellte und publizierte. Gegenwart: Es wäre unverzeihlich, von Grundlagenforschung des Alterns zu reden, ohne den Namen des Physiologen Fritz Verzàr zu nennen, der durch grundlegende Arbeiten einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der experimentellen Gerontologie geliefert hat. Ein 1954 in Basel gehaltenes internationales europäisches Symposion über „Experimentelle Aiternsforschung" führte

6

D. Platt

zur Gründung der Zeitschrift „Gerontologia" für experimentelle, biologische und medizinische Aiternsforschung. Während in der damaligen Zeit die Pathologie und Physiologie im Zentrum der Aiternsforschung standen, liegt heute der Schwerpunkt der Grundlagenforschung über biologische Aiternsvorgänge auf dem Gebiet der MolekularBiologie und der Genetik. Diesen Schwerpunkten wurde eine von D. Platt 1971 erstmals an der Universität in Gießen gestaltete Serie internationaler Symposien gerecht. Bis heute fanden zehn dieser internationalen Treffen experimentell arbeitender Wissenschaftler verschiedenster Fachgebiete (Biochemiker, Pathologen, Anatomen, Physiologen, Immunologen, Pharmakologen, experimentell arbeitende Kliniker) statt. Dabei wurden schwerpunktmäßig folgende Themen behandelt: Molekulare und zelluläre Aspekte des Alterns, Alterungsvorgänge auf Organebene (Leber, Herz, Gehirn), Einfluß von Ernährung und Pharmaka auf Aiternsprozesse, aiternsbedingte Änderungen von Erythrozyten und Leukozyten sowie der Einfluß des Alters auf rheologische Parameter. Das letzte internationale Symposion in dieser Reihe wurde von D. Platt an der Universität Erlangen-Nürnberg im Herbst 1988 im Auftrag des Bundesministeriums für Forschung und Technologie durchgeführt. Mit dem Thema „Gegenwärtiger Stand und Forschungsperspektiven in der experimentellen und klinischen Gerontologie" sollte es als Basis für weitere Forschungsschwerpunkte dienen. Dies ist insofern dringend notwendig, als der 1974 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gegründete Schwerpunkt „Biologie des Alterns" bereits fünf Jahre später wieder eingestellt wurde. Zwischenzeitlich hatte die Stiftung Volkswagenwerk einige experimentell klinische Forschungsschwerpunkte gefördert.

Literatur Bürger, M.: Altern und Krankheit. Thieme, Leipzig 1960. Hufeland, C. W.: Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern. Reclam, Leipzig 1906. Platt, D.: Gerontology — Present State and Research Perspectives in the Experimental and Clinical Gerontology. Springer, Berlin — Heidelberg — New York 1989.

1.2

Aiternstheorien

D. Platt

Die Vielzahl der Aiternstheorien ist vielleicht dadurch zu erklären, daß biologische Aiternsphänomene auf verschiedenen Ebenen ablaufen: vom Molekül über Zellen und Organe bis zum Organismus. Es gibt sicherlich nicht die „einzige Theorie", die alle Aiternsphänomene erklärt, vergleichbar mit der Karzinogenese. Mit großer Wahrscheinlichkeit spielt für die Prozesse des Alterns eine Vielzahl unterschiedlicher Gene eine Rolle. So sollen über 100 Gene an der Evolution der Langlebigkeit beteiligt sein. Die individuelle Lebensdauer ist in jeder Spezies relativ konstant und Speziesspezifisch. Es gibt eine Ausnahme im Bereich der Insekten, nämlich die Lebensdauer der Honigbiene. Während die Arbeiterinnen der Bienen eine Lebensdauer von 3 — 6 Monaten haben, kann die Lebensdauer der Königin — durch Fütterung während des Larvenstadiums mit Gelee-Royal — 6 Jahre betragen. Alle Lebensprozesse werden genetisch gesteuert. So ist es verständlich, daß im Zentrum der Aiternstheorien die „DNA" steht. Für die Bedeutung der Erbanlage sprechen u. a. Zwillingsuntersuchungen. So konnte gezeigt werden, daß der mittlere Unterschied in der gesamten Lebensdauer zwischen zweieiigen Zwillingen zweimal so groß ist wie bei eineiigen Zwillingen. Auch haben die Nachkommen hochbetagter Menschen (90jährige und 100jährige) eine signifikant höhere Lebenserwartung als die Nachkommen von Personen mit normaler Lebenserwartung. Die Kenntnis von Absterberaten bzw. Überlebensraten ist eine wichtige Voraussetzung für die Beurteilung von Aiternsvorgängen (Abb. 1). 1825 wurde von Gompertz die Korrelation zwischen Mortalitätsrate und Alter gefunden und in Form einer logarithmischen Darstellung festgehalten: R m = R 0 • e • at R0 e a t

= = = =

extrapolierter Wert der Todesrate bei t = O Basis des natürlichen Logarithmus Richtungskoeffizient Alter in Jahren

8

D. Platt

(a)

Abb. 1

Zeit

(b)

Zeit

a) Überlebenskurve bei einer konstanten Absterberate von 50% pro Zeiteinheit. b) Überlebenskurve einer alternden Bevölkerung (nach A. Comfort, the Biology of Senescence, Routledge and Kegan Paul, London, 1964).

Im Gegensatz zur absoluten Sterblichkeit steigt die altersspezifische Sterblichkeit (auf gleiche Anzahl Lebende bezogene Sterblichkeitsrate) Rt mit steigendem kalendarischen Alter exponentiell an (Abb. 2). Bei Ausschaltung altersunabhängiger Sterblichkeitsursachen kann man auch bei Tieren aller Arten eine altersspezifische Sterblichkeit nach Gompertz nachweisen. Auf diese Interpretationen haben sich dann u. a. mathematische Aiternstheorien (B. L. Strehler) gestützt. Da eine endgültige Klärung der Alterungsvorgänge noch aussteht, wird man zunächst noch auf Hypothesen verweisen müssen. Im Laufe der Jahrhunderte, in denen sich Menschen mit Problemen des Alterns auseinandergesetzt haben, vor allem aber in den letzten 40 Jahren, wurde eine Vielzahl von Theorien des Alterns aufgestellt (Tabelle 1). Tabelle 1

Theorien des Alterns

Theorie

Wissenschaftler

Jahr

Abnützungstheorie

Pearl

1924

Theorie der freien Radikale

Harman

1954

„Kollagentheorie"

Verzàr

1957

Somatische Mutationstheorie

Failla Szilard

1958 1959

Katastrophen-Theorie

Orgel

1963

Programmtheorie des Alterns

Hayflick

1968

Immuntheorie des Alterns

Walford

1969

Aiternstheorien

9

Tote pro Jahr pro 100000

Abb. 2

Absolute und altersspezifische Sterblichkeit von Männern in der Schweiz (1921-1930), nach H. P. von Hahn, 1979.

Biologische Aiternsveränderungen, die im Laufe des Lebens in allen Organen ablaufen, wenn auch nicht zu gleicher Zeit und gleich intensiv, sind auf molekularer, supramolekularer, auf Organebene und am gesamten Organismus nachweisbar.

1.2.1

Abnützungstheorie

Die Anhäufung von pigmentierten Einschlüssen in Neuronen, Herz- und Skelettmuskulatur nehmen mit dem Alter zu. Es handelt sich dabei um sogenannte „residual bodies", von denen man annahm, daß sie bei Überschrei-

10

D. Platt

ten einer gewissen Menge Zellfunktionen stören und damit zum Altern der Zellen beitragen. Hamperl beschrieb 1934 ein Pigment, das gelb-grün bis orange fluoresziert, und unter dem N a m e n Lipofuszin — Alterspigment — gut bekannt ist. Diese Ablagerungen sind wahrscheinlich das Ergebnis autooxidativer Reaktionen, da sich bekanntlich fluoreszierendes Material besonders gut bildet, wenn Aminosäuren „in vitro" mit Malondialdehyd (ein Produkt der Lipid-Autoxidation) reagieren. In tierexperimentellen Untersuchungen konnte m a n zeigen, d a ß Mangel an Vitamin E die Ablagerung von Lipofuszin steigert, daß aber eine zusätzliche Gabe von Vitamin E nicht die A n h ä u f u n g von Lipofuszingranula verhindert. Die Lipofuszingranula lagern sich vorwiegend in der N ä h e des Zellkerns ab, vor allem in den Organen Gehirn, Herz und Leber. Nach Strehler beträgt die mittlere Zuwachsrate pro Dekade 0,3% des Herzvolumens, bzw. 0,6% des Volumens der Herzmuskelzellen. Somit würde bei einem 90jährigen Menschen der mittlere Lipofuszingehalt etwa 6 — 7% des Volumens der Herzmuskelzellen ausmachen (Abb. 3). Neben dem intrakardialen Zuwachs findet m a n vor allem eine altersabhängige intraneuronale Zunahme des Lipofuszins. Mit Hilfe moderner biochemisch-analytischer Methoden war es möglich, aus verschiedenen Organen isolierte Lipofuszingranula zu gewinnen. Dabei zeigte sich, daß isolierte Granula verschiedener Organe unterschiedliche Aminosäurenspektren aufweisen. Besonders hohe Konzentrationen wurden in den Granula des Herzens für die Aminosäuren Glyzin und Alanin, in isolierten Lipofuszingranula der Leber für Glutaminsäure und Glyzin gefunden. 20% des Lipofuszinkörpers besteht aus Lipiden, der Rest setzt sich aus Stickstoff, Phosphor, Schwefel, z. T. zyklischen Aminosäuren oder anderen stickstoffhaltigen Basen zusammen. Unter den

Abb. 3

Lipofuszingranula in der Herzmuskulatur (P. E. Spoerri et al, Mech. Age. Dev. 3 (1974), 311.

Aiternstheorien

11

anorganischen Bestandteilen läßt sich Magnesium und Aluminium nachweisen. Darüberhinaus wurden im Lipofuszinpigment Oxidations- und Polymerisationsprodukte ungesättigter Fettsäuren, die normalerweise im Fettstoffwechsel nicht vorkommen, nachgewiesen. Die Mehrzahl der Publikationen stimmt darin überein, daß die Lipofuszingranula Endprodukte der lysosomalen Verdauung darstellen: residual bodies. Die lysosomale Genese wird in erster Linie durch den Nachweis von Enzymen, die jedoch überwiegend in geringer Aktivität vorkommen, gestützt. Die Anhäufung von Abnützungsprodukten in alternden Zellen als Ursache für die Aiternsveränderungen anzusehen, findet wenig Unterstützung. So kommt es zwar unter Vitamin E-Mangel im Tierversuch zu einer Zunahme von Lipofuszingranula — andere Aiternsveränderungen nehmen jedoch nicht zu. Umgekehrt kann nicht gezeigt werden, daß die Gabe von Vitamin E zu einer Verlängerung der Lebensdauer oder einer signifikanten Abnahme der Lipofuszingranula führt. Es ist auch nicht gesichert, daß die Ablagerung der Lipofuszingranula in der Zelle während des Alterns Stoffwechselvorgänge nachteilig beeinflußt.

1.2.2

Theorie der freien Radikale

Freie Radikale, hochreaktionsfahige Zwischenprodukte, besitzen ihre chemische Reaktionsfähigkeit durch die Anwesenheit eines freien Elektrons (Abb. 4). Wegen der hohen chemischen Reaktionsfähigkeit der Intermediärprodukte entstehen bei den Reaktionen freier Radikale, die fast immer irreversibel sind, vielerlei Substanzen. Bekannt ist die Bildung der freien Radikale z. B. bei der Reaktion von Sauerstoff mit Benzin, beim Trocknen von Leinölanstrichen sowie bei der Entwicklung des ranzigen Geruchs der Butter. Die Geschwindigkeit der Reaktionen freier Radikale, an denen molekularer Sauerstoff beteiligt ist, wird durch Katalysatoren (Kupfer, Eisen, Mangan) gesteigert, jedoch durch Antioxidantien (Vitamin E, 2-Mercaptoaethylamin, Butylhydroxytoluol, Ätoxychin u. a.) verlangsamt. Im Organismus laufen ständig Peroxidationen von Lipiden innerhalb von Zellmembranen ab. Einige peroxidierte Lipide können wieder verstoffwechselt werden, andere — möglicherweise durch die Ausbildung von cross-links an andere Lipide und Lipoproteine gebunden — akkumulieren in der Zelle. Die Bildung und Anhäufung solcher Ol + H+ ->HO; OJ + H202 -> 02 + OH" + -OH Abb. 4

Freie Radikale.

12

D. Platt

Substanzen innerhalb von äußeren und inneren Membranen (Golgi-Apparat, endoplasmatisches Retikulum, Zellkernmembran und Lysosomenmembran) könnte für die normale Membranfunktion schädlich sein und womöglich zum Altern oder Tod der Zelle führen. Die Rolle der freien Radikale in der Genese von Aiternsprozessen wurde sehr intensiv von Harman und Mitarbeiter untersucht. Nach Harman reagieren die freien Radikale in erster Linie am Ort ihrer Entstehung. Da der Hauptanteil der Sauerstoffutilisation in den Mitochondrien abläuft, würde man erwarten, daß die Radikale ihre Wirkung bei Oxidations- und Polymerisationsreaktionen beginnen und damit die mitochondrialen Lipide einbeziehen. Darüberhinaus werden freie Radikale auch mit den leicht oxidierbaren Verbindungen wie DPNH sowie mit Verbindungen, die reich an SH-Gruppen sind, reagieren. Schädigungen der DNA werden sich natürlich besonders nachteilig auswirken, da die Veränderungen bei den anschließenden Schritten (Transkription, Translation) weitergetragen werden können. Obgleich die aktiven freien Radikale in erster Linie, wie oben angeführt, in der Nähe ihrer Bildungsstelle wirken, können sie trotzdem in größerer Entfernung für eine Diffusionssteigerung oder aber durch weniger reaktive Hydroperoxide (ROOH) und Peroxide (ROOR-), deren Bildung sie begünstigen, Reaktionen bewirken, so z. B. durch Bildung von Hydroperoxiden von Aminosäuren und Peptiden. Die Aminosäuren unterscheiden sich nun hinsichtlich ihrer Bereitschaft an Reaktionen mit freien Radikalen teilzunehmen. So konnte in Tierexperimenten nachgewiesen werden, daß die Lebensspanne von mit Lysin und Histidin ernährten Tieren reduziert wurde, während in den mit Sojabohnenproteinen ernährten Gruppen eine geringe Verlängerung nachweisbar war. Die Zugabe geeigneter Hemmstoffe von freien Radikalen zu der natürlichen Nahrung könnte also zu einer Verlängerung der Lebensspanne führen. Diese Vorstellung wird bestärkt durch die Ergebnisse von Harman, der zeigen konnte, daß die Verabreichung von Antioxidantien, wie 2-Mercaptoethylamin, Butyl-hydroxytoluol und Ätoxychin zu einer Verlängerung der mittleren Lebenserwartung von Mäusen um 25 — 40% — je nach Futter und verwendeter Substanz — führte. Die maximale Lebensspanne, die bisher durch Antioxidantiengabe erreicht wurde, liegt noch innerhalb der natürlichen der untersuchten Stämme. Nach Comfort gibt es neben der Theorie des molekularen Schutzes jedoch weitere Erklärungen für diesen Effekt, die mindestens ebenso plausibel sind: 1. Die Wirkung der Antioxidantien könnte sehr leicht auf einer Einschränkung der Kalorienzufuhr beruhen, da große Mengen von Chemikalien entweder die Assimilisation verhindern oder aber den Appetit der Tiere verderben können. 2. Bei Mäusen oder Hühnern können Antioxidantien im Überschuß lediglich die Toxizität einer Standardlaboratoriumsdiät herabsetzen. Es gibt auch

Aiternstheorien

13

Hinweise dafür, daß Butyl-Hydroxytoluol eher äußere Faktoren beeinflußt als die Alterungsrate an sich. 3. Zahlreiche verwendete Antioxidantien, besonders Butylhydroxytoluol, wirken als Enzym-Induktoren. Wie bereits erwähnt, sind freie Radikale hochreaktive Substanzen, die praktisch in allen Zellen bzw. Zellprodukten auftreten können (Tabelle 2). Tabelle 2 Reaktionen freier Radikale RH

R• ROO-

R- + 02 ROO- + RH

>•

ROOH + R •

R- + ROO-



ROOR

2R00

ROOR + O2

Untersuchungen an Insekten haben gezeigt, daß die Lebensspanne eine Funktion des Gesamt-Sauerstoffverbrauchs ist. Wurde z. B. der Sauerstoffverbrauch durch Senkung der Temperatur, durch Einschränkung körperlicher Aktivität oder durch Bestrahlung mit subletalen Dosen herabgesetzt, so konnte eine Verlängerung der Lebensdauer erzielt werden. Da jedoch gerade der Sauerstoff für die Entstehung freier Radikale von großer Bedeutung ist, sind solche Experimente eine Stütze der Theorie, die freie Radikale besonders herausstellt. Es muß aber betont werden, daß Faktoren, die die Lebenserwartung steigern, nicht automatisch Aiternsprozesse beeinflussen müssen. So wurde z. B. durch eine perinatale Reduktion der Sterblichkeit, aufgrund verbesserter hygienischer Bedingungen sowie durch die Anwendung von Antibiotika und verbesserter Ernährungsbedingungen die Lebenserwartung verlängert, die Lebensspanne dagegen nicht beeinflußt. Somit ist die Theorie, die den freien Radikalen eine große Bedeutung für Aiternsphänomene zumißt, interessant, wobei offensichtlich der Einfluß auf Krankheiten und Lebenserwartung größer ist als die ursächliche Bedeutung für Aiternsveränderungen.

1.2.3

„Kollagentheorie"

Grundlegende Untersuchungen über Aiternsvorgänge am Kollagen wurden von Fritz Verzär und Mitarbeitern durchgeführt. Aus den Ergebnissen jedoch eine Theorie mit der Bezeichnung Kollagentheorie abzuleiten hat Fritz Verzär

14

D. Platt

selbst immer intensiv widersprochen, da die Veränderungen an den M a k r o m o lekülen Folge und nicht Ursache von Aiternsveränderungen sind. Diese aiternsbedingten Strukturänderungen werden in dem Kapitel 2.7 eingehend besprochen. Anstelle der Bezeichnung Kollagentheorie ist die Quervernetzungstheorie des Alterns treffender. In dieser Theorie werden die molekularen Veränderungen an intrazellulären und extrazellulären Makromolekülen herausgestellt, wie Kollagen, D N A und R N A . Durch die Quervernetzung im Kollagen kommt es zu einer Abnahme der Löslichkeit und Elastizität sowie einer Verminderung der Permeabilität der Transitstrecke von Geweben. Zu einem vergleichbaren Anstieg von Quervernetzungen mit zunehmendem Alter kommt es auch in anderen Proteinen sowie in der D N A . Zahlreiche Substanzen können im Laufe des Lebens zu einer gesteigerten Quervernetzung der genannten Makromoleküle führen (Tabelle 3). Tabelle 3 Quervernetzungen fördernde Substanzen Aldehyde Quinone Freie Radikale Antikörper Schwefel-Quervernetzung acylierende und alkylierende Substanzen Zitronensäure Polyvalente Metalle Polybasische Säuren und ihre Ester

D a die Quervernetzungen auch in Nukleinsäuren vorkommen, treten sie praktisch in allen Organen auf. Trotzdem gibt es bisher keinen Beweis dafür, daß die vermehrten Quervernetzungen ursächlich mit Aiternsphänomenen von Zellen und Geweben in Zusammenhang stehen. Vor allem geben sie keine Erklärung für die unterschiedliche Lebensdauer verschiedener Tierspezies.

1.2.4

Mutationstheorie

Mutationen, erbliche Änderungen der D N A , können entweder spontan auftreten, oder durch verschiedene Mechanismen bedingt sein (Tabelle 4). Eines der wesentlichsten Argumente für die Theorie des Alterns durch somatische Mutationen war die Entdeckung von Henshaw, daß Tiere, die ionisierenden

Aiternstheorien Tabelle 4

15

Mutagene Faktoren

Freie Radikale Einbau von Nucleotid-Analogen Strahlen DNA-Viren Lysosomale Desoxyribonucleasen Veränderte Repressoren Veränderte Depressoren Fehler durch veränderte Polymerasen nach Z. Medvedev

Strahlen ausgesetzt waren, schneller alterten und eine kürzere Lebenserwartung hatten als Kontrolltiere. Zugunsten der somatischen Mutationstheorie sprachen auch die Untersuchungen von Curtis, aus denen hervorgeht, daß die Zahl der Chromosomenaberrationen in der Leber alter Mäuse, Meerschweinchen und Hunden steigt. Vergleiche zwischen langlebigen und kurzlebigen Stämmen stimmten jedoch mit diesen Ergebnissen nicht überein, ebenso sprachen die Hybriden zwischen lang- und kurzlebigen Stämmen nicht dafür. Seit langer Zeit ist bekannt, daß Röntgen- und Gamma-Strahlen, in fraktionierten Dosen verabreicht, in Bezug auf die Lebenserwartung nur etwa 25% der Wirkung haben, wie eine gleichgroße einmalige Dosis. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß eine Verkürzung der normalen Lebenserwartung durch mutagene Agenzien Dosen erforderlich machen, die 12 —20mal mehr Mutationen erzeugen als die, die während des normalen Lebens ablaufen. Es scheint daher unwahrscheinlich, daß die Art der genetischen Störung, die durch gewöhnliche Mutagene erzeugt wird, die primäre Rolle für Aiternsveränderungen spielt.

1.2.5

Katastrophentheorie

Die „error theory", die eine gewisse Beziehung zu der somatischen Mutationstheorie hat, wurde ursprünglich von Medvedev in einer russischen Zeitschrift publiziert, später von Orgel weiter ausgearbeitet. Medvedev schlägt vor, daß die selektiven Wiederholungen einiger bestimmter Gene, Zistrone und anderer linearer Strukturen der DNA, von denen der größte Teil reprimiert ist, sich wie überflüssige Informationen verhalten, die dann in Aktion treten, wenn aktive Genom-Informationen fehlerhaft werden.

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D. Platt

So ist das gesamte Genom von Säugern aus etwa 105 Strukturgenen oder Zistronen aufgebaut. Lediglich etwa 0,3% werden während Entwicklung und Reifung exprimiert. Unter der Voraussetzung, daß mutagene Faktoren gleichermaßen auf aktive und reprimierte Zistrone einwirken, muß nach Medvedev die Mutationsrate in reprimierten Genen höher sein als in aktiven Genen. Treten nun Fehler in aktiven Genen auf, so können aus den überflüssigen gleichen Informationen die Funktionen übernommen werden. Sind auch diese Reserven aufgebraucht, dann kommt es zum biologischen Altern. Störungen in der Proteinsynthese als Ursache für eine aiternsbedingte Abnahme von Zellfunktionen stehen im Mittelpunkt der Fehlertheorie von Orgel. Physiologischerweise findet man in verschiedenen Zellen Fehler in der ProteinBiosynthese. Für die meisten Proteine gilt jedoch, daß fehlerhafte Moleküle durch Verdünnungen oder durch die Anwesenheit unveränderter Proteine an einer schädlichen Wirkung für die betreffende Zelle gehindert werden. Betrifft jedoch die fehlerhafte Proteinsynthese Enzyme, die selbst in den Prozeß der Transkription oder Translation (DNA-abhängige RNA-Polymerase, Aminoacyl-Transfer-RNA-Synthetasen und Enzyme, die die Transfer-RNA modifizieren) eingreifen, so ist verständlicherweise durch einne erneute Fehlsynthese von Proteinmolekülen das Leben der Zelle gefährdet. Überschreitet diese Fehlsynthese einen gewissen Spiegel, so kann schließlich durch die Anwesenheit defekter Enzymmoleküle ein exponentieller Anstieg in der Frequenz von Fehlern folgen. Dies wäre ein irreversibler Prozeß, der schließlich zur „Errorkatastrophe" in der Protein-Biosynthese und damit zum Tod der Zelle führen könnte. Einige Arbeitsgruppen bringen das Auftreten von fehlerhaften Proteinen mit dem Abfall spezifischer Enzymaktivitäten in alten Zellen in Verbindung. Trotz dieser Veränderungen ist die Theorie in Ungnade gefallen. Die Zunahme von Veränderungen an der D N A (Tabelle 5) stellt die Bedeutung der Reparatur-Systeme heraus. Die Reparatur läuft dann normal ab, wenn die Stränge symmetrisch angeordnet sind, kann jedoch dann nicht erfolgen, wenn durch eine Zerstörung eine unpaare Einzelstrang-DNA-Schleife entstanden ist. Ausgelöst wird die Reparatur durch „Beulen" z. B. an den Stellen, an

Tabelle 5

Aiternsveränderungen der D N A

Anhäufung von Einzelstrang- und Doppelstrangbrüchen Quervernetzungen DNA/Histon-Änderungen DNA/Nicht-Histon-Proteinänderungen Änderungen in der DNA-Template-Aktivität Partielle Denaturierung nach Z. Medvedev

Aiternstheorien

17

denen gegenüberliegende Basen nicht mehr komplementär sind. DNAsen, die in der Nachbarschaft der Strang-Deformität eine Strangtrennung herbeiführen, bewirken, daß eine Lücke entsteht, die wieder als spezifisches Substrat für DNA-abhängige DNA-Polymerasen dient. An der defekten Stelle des Stranges wird eine Analog-Synthese vollzogen und durch eine Ligase die fehlende Hauptvalenzbindung geschlossen. Bekanntlich kommt es im Bereich der DNA ständig zu Brüchen von Einzelsträngen, die durch die ReparaturSysteme der Zelle sehr schnell beseitigt werden. Hart und Setlow fanden eine direkte Korrelation zwischen der maximalen Lebensspanne einer Spezies und der Reparaturkapazität. Drei Krankheitsbilder sollen angeführt werden, die auf einer gestörten Reparatur beruhen: 1. Hutchinson-Gilford-Syndrom (Progerie) 2. Werner-Syndrom 3. Xeroderma pigmentosum Das Krankheitsbild der Progerie weist klinisch in der ersten Dekade Veränderungen auf, die üblicherweise im hohen Lebensalter festgestellt werden können. Probanden mit dieser Erkrankung sterben zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, meist an den Folgen erheblicher Gefäßwandumbauvorgänge. Fibroblasten, die aus der Haut von Progerie-Patienten in Kultur gegeben werden, weisen eine stark verminderte Fähigkeit auf, durch Röntgenstrahlen induzuierte DNA-Strangbrüche zu reparieren. Das Werner-Syndrom, auch als jugendliche Form der Progerie bezeichnet, beginnt gewöhnlich zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr. Nach Epstein beträgt die mittlere Lebenserwartung 46 Jahre. Patienten mit einem WernerSyndrom sind minderwüchsig, mit schlanken Gliedern und einem gut ausgebildeten Rumpf. Schon sehr früh kommt es zu einem Ergrauen der Haare und einer vorzeitigen Glatzenbildung. Früh entwickeln sich auch arteriosklerotische Veränderungen mit Verkalkungen vom Mönckeberg-Typ. In etwa 40% der Fälle kann die Erkrankung mit einem Diabetes mellitus kombiniert sein. Besonders auffällig ist auch die erhöhte Disposition für maligne Tumoren, vorwiegend Sarkome. Martin und Mitarbeiter fanden in Haut-Fibroblastenkulturen von vier Patienten mit einem Werner-Syndrom, daß die Fibroblasten lediglich 4- bis 11 mal subkultiviert werden konnten im Vergleich zu gleichaltrigen Kontrollen mit 32 Subkulturen. Auch die Reparaturkapazität gegenüber Röntgenstrahlen ist herabgesetzt. Im Gegensatz dazu ist die Haut der Patienten mit einem Xeroderma pigmentosum gegenüber ultraviolettem Licht extrem überempfindlich. Während Fibroblasten dieser Patienten durchaus in der Lage sind, durch Röntgenstrahlen geschädigte DNA reparieren zu können, findet man einen Reparatur-Defekt gegenüber UV-Strahlen.

18

D. Platt

1.2.6 Programmtheorie des Alterns Alle Entwicklungsphasen des Organismus werden nach Paul Weiss durch spezifische Programme kontrolliert, die durch eine gesteuerte Gen-Aktivität reguliert werden. Der Zellkern steht in Wechselwirkungen mit dem Zytoplasma (innere Umgebung), das seinerseits mit anderen Zellen (äußere Umgebung) in Verbindung steht. Diese Art der Entwicklung bietet eine Menge Störanfälligkeiten. Tritt z. B. im Genom (G) eine Mutation (G') ein, so wird sich dies auf die folgende Zellgeneration auswirken (Abb. 5). Das Programm der verschiedenen Verläufe der Differenzierung führt zu der Vielzahl unterschiedlicher Gewebe mit völlig verschiedenen Eigenschaften und Funktionen: Zellen mit einer Lebenserwartung von einigen Tagen (Mucosazellen), Wochen (Epidermis-, Blutzellen) u n d Jahren (Knochenzellen). G Ii

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Abb. 5

Zelldifferenzierung (modif. nach P. Weiss, in: Perspectives in Experimental Gerontology, ed by N. W. Shock, Ch. C. Thomas-Publisher, Springfield (III.), 1966, pp. 311).

Ein Programm setzt eine Folge von Ereignissen voraus, die wenig gestört werden, sagt jedoch nichts über mechanistische Details. F ü r die Programmtheorie sprechen die bahnbrechenden Arbeiten von Hayflick und M o o r h e a d (1961). Sie konnten zeigen, daß normale menschliche Zellen in vitro eine begrenzte Fähigkeit der Proliferation haben. So beträgt die Populationsverdopplungszahl für Fibroblasten normaler menschlicher fetaler Lungen 50 + / —10. Weitere Untersuchungen ergaben eine umgekehrte Korrelation zwischen Populationsverdopplungspotential kultivierter Zellen und Spenderalter, Hinweise auf eine mögliche direkte Korrelation zwischen dem durchschnittlichen Höchstalter der Spezies und der in vz'iro-Proliferationskapazität, eine Begrenzung der proliferativen Kapazität normaler Zellen, die wiederholt in vivo in syngenische Wirte verpflanzt wurden. Gleichzeitig konnten Hayflick und Moorhead zeigen, daß funktionelle Einschränkungen, wie sie normalerweise in der Zellkultur vor dem Verlust der Proliferationsfahigkeit nachweisbar

Aiternstheorien

19

sind, in alten Tieren auftreten. Andererseits wird diskutiert, daß Vorgänge, die sich zwischen der Konzeption und dem Erwachsensein abspielen, durchaus programmiert sein können, während die sich dann anschließenden Vorgänge im Rahmen der Aiternsprozesse unabhängig vom Genom sind. Sacher beschränkt programmiertes Altern auf die Fälle, bei denen eine spezifische Kontrolle des Anfangs, sei es durch interne oder externe Signale, existiert, auf bestimmte spezifische Enzym-Mechanismen sowie auf die Bedeutung des Alterns und/oder Todes auf spezifische zeitlich dazu in Beziehung stehende andere Lebensprozesse. Als typisches Beispiel führt er das schnelle Altern und den Tod des pazifischen Salms nach dem Laichen an. Nach Hayflick ist das lange Leben von Säugetieren das Ergebnis einer Selektion für eine verlängerte Periode sicherer physiologischer Leistung. Sacher betont mehr die evolutionäre logische Bedeutung des genetischen Apparates Leben zu erhalten als die Vorstellung zu unterstützen, daß die Systeme Aiternsveränderungen programmieren.

1.2.7 Immuntheorie des Alterns Unter den Organtheorien des Alterns wird dem Immunsystem die größte Bedeutung beigemessen. Die Theorie basiert auf zwei wesentlichen Erkenntnissen. So nimmt mit zunehmendem Alter die Fähigkeit des Immunsystems Antikörper gegen Fremdkörper zu bilden ab, während im höheren Alter Autoimmunvorgänge zunehmen. Somit nimmt u. a. auch die Fähigkeit des Organismus ab, sich gegenüber Infektionen zu wehren. Eine Zunahme von Autoimmunvorgängen würde zwangsläufig in einer Zunahme chronischer Autoimmunerkrankungen resultieren. Das Immunsystem wird durch eine Vielzahl von Genen reguliert, die auf einem einzigen Chromosom liegen und als größerer Histokompatibilitätskomplex (major histocompatibility complex, MHC) bezeichnet werden. Walford fand eine direkte Beziehung zwischen dem MHC und der maximalen Lebensdauer von Mäusen. Der MHC liegt beim Menschen auf Chromosom 6, bei Mäusen auf Chromosom 17. Vergleicht man Inzuchtmäuse, d. h. Mäuse, die über mehrere Generationen durch Geschwisterpaarungen gezüchtet wurden, so unterscheiden sich nur die Gene, die um den MHC liegen, sodaß Unterschiede in der Lebensspanne nur auf Änderungen im MHC beruhen. Interessanterweise gehören dem MHC auch Enzyme an (Superoxiddismutase und Katalase), die als körpereigene Abwehr bei der Beseitigung freier Radikale eine zentrale Rolle spielen. Es gibt Hinweise dafür, daß in erster Linie der thymusabhängige Teil des Immunsystems während der Aiternsprozesse betroffen

20

D. Platt

ist, d. h. die T-Zellen. Etwa zum Zeitpunkt der Pubertät beginnen morphologische und funktionelle Veränderungen des Thymus, die entweder auf einer klonalen Erschöpfung der Thymuszellen, einem übergeordneten neuroendokrinen Kontrollmechanismus beruhen oder aber durch wachstumslimitierende Faktoren bedingt sind. Letztendlich sind die Gründe hierfür noch unbekannt. Mit der Abnahme der Lymphozyten in der Thymusrinde findet sich parallel dazu eine Verminderung der T-Lymphozyten im Thymus und im peripheren Blut. Etwa mit dem 30. Lebensjahr läßt sich auch eine Abnahme der Serumspiegel der Thymushormone nachweisen. Durch die altersbedingte Abnahme immunologischer Funktionen kommt es zu einer Verschlechterung der Adaptationsfähigkeit gegenüber unterschiedlichen Umwelteinflüssen, zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten, zum Auftreten vom Autoimmunphänomenen und Autoimmun-Krankheiten und zu einer erhöhten Inzidenz von bösartigen Geschwülsten. Eine wesentliche Bedeutung während der Aiternsvorgänge kommt dem TZellsystem zu, das sich in eine Anzahl unterschiedlicher Subpopulationen gliedert. Mit der Abnahme der Helferzell-Funktion kommt es zu einer verminderten Ausdifferenzierung von B-Lymphozyten zu antikörperproduzierenden Plasmazellen. Dadurch wird die Abwehr gegenüber bakteriellen und viralen Antigenen herabgesetzt. Auch scheint es, daß mit zunehmendem Alter spezifische Suppressor-Effekte der T-Lymphozyten nicht mehr auf Zielzellen übermittelt werden können und daß es — experimentell nachgewiesen — zu einer vermehrten B-Zell-Differenzierung und Immunglobulinproduktion kommt. Möglicherweise spielen diese Phänomene für eine gesteigerte Autoantikörperbildung im Alter eine Rolle. So können in etwa 50% der Seren älterer Frauen antinukleäre Faktoren nachgewiesen werden. Darüberhinaus treten jedoch unabhängig vom Alter des Gesamtorganismus bei alternden Zellen Veränderungen auf, die als neue Antigendeterminanten erscheinen. So wurde ein Zellalter-spezifisches Antigen auf Erythrozyten, Thrombozyten und Granulozyten beschrieben. Auch lassen sich im Serum älterer Patienten Paraproteine nachweisen, deren Inzidenz von etwa 1% bei 40jährigen bis auf etwa 20% bei 95jährigen Probanden ansteigt. Dabei handelt es sich um idiopathische Paraproteinämien bzw. benigne monoklonale Gammopathien. In in vitro Systemen zeigt sich bei alten Probanden eine Aktivitätseinschränkung des T-Zellsystems, in dem die Stimulierbarkeit von Lymphozyten durch verschiedene Mitogene (PHA, Concanavallin A) und Antigene (Candidin, Tuberkulin) beobachtet wird. Möglicherweise besteht eine kausale Beziehung zwischen der Funktion des Immunsystems und der Anfälligkeit gegenüber bestimmten bösartigen Geschwülsten. Ursächlich hierfür wird eine über viele Jahre andauernde Anhäufung von Karzinogenen in Geweben diskutiert. Neben den Beziehungen zwi-

Aiternstheorien

21

sehen dem Immunsystem und dem Auftreten maligner Geschwülste werden auch Beziehungen gesehen zu der senilen Demenz und verschiedenen Gefäßerkrankungen. So soll auch HLA Antigen B7 und Cw3 etwa zweimal häufiger bei der senilen Demenz vom Alzheimer Typ gefunden worden sein als in einer normalen Bevölkerung. Es ist sicher, daß Funktionen des Immunsystems mit zunehmendem Alter abnehmen. Da jedoch Aiternsveränderungen auch in vielen Organismen auftreten, die kein Immunsystem besitzen und darüberhinaus das Immunsystem durch übergeordnete hormonelle Regulationen kontrolliert wird, ist die grundsätzliche ursächliche Bedeutung des Immunsystems für den Aiternsprozeß umstritten.

Literatur Finch, S. E., L. Hayflick (Eds.): Handbook of the Biology of Aging. Van Nostrand Reinhold Company, New York 1977. Kay, M. B., J. Galpin, T. Makinodan (Eds.): Aging, Immunity, and Arthritic Disease, Vol. 11. Raven Press, New York 1980. Platt, D. (Hrsg.): Aiternstheorien. Schattauer Verlag, Stuttgart, New York 1976. Thorbecke, G. J. (Ed.): Biology of Aging and Development. Plenum Press, New York and London 1975.

2. Zellen und Interzellularsubstanz

2.1

Zellkern und Zellorganellen

H. C. Schröder und W. E. G. Müller

2.1.1

Zellkern

Der Zellkern als oberste Steuerzentrale der eukaryotischen Zelle enthält die chromosomale DNA mit der in ihr gespeicherten genetischen Information. Zusammen mit den Histonen bildet die DNA die Chromatin-Fibrillen. Zwei Klassen von Chromatin werden unterschieden: das kondensierte, transkriptions-inaktive Heterochromatin und das weniger kondensierte, transkriptionsaktive Euchromatin. Der Durchmesser der Zellkerne liegt zwischen 3 und 10 um. Abgegrenzt wird der Zellkern vom Zytoplasma durch die Kernhülle, die aus zwei Membranen, der inneren und der äußeren Kernmembran, besteht. Dadurch werden die beiden Grundprozesse der Genexpression, die Transkription und die Translation der RNA, räumlich (und auch zeitlich) voneinander getrennt. Die Transkription läuft, ebenso wie die DNA-Replikation, im Zellkern ab, während die Translation im Zytoplasma stattfindet. Dies ist zugleich ein wesentlicher Unterschied zu den Prokaryonten, bei denen beide Prozesse durch Ausbildung eines Transkriptions-Translations-Komplexes gleichzeitig ablaufen können. Der Kerninnenraum steht mit dem Zytosol lediglich über die Kernporen (3.000 bis 4.000 Poren pro Säugerzelle) in Verbindung. Dort gehen auch die sonst durch einen Zwischenraum (perinukleärer Spalt) voneinander getrennte innere und äußere Kernmembran ineinander über. An der Kerninnenseite der inneren Kernmembran befindet sich die ungefähr 40 nm dicke Kernfaserschicht (nukleäre Lamina), die aus drei Proteinen (Lamin A, B und C) aufgebaut ist und die fest mit den Kernporenkomplexen verknüpft ist. Scheinbar abgegrenzte Strukturen sind die Nucleoli, die aus den NucleolusOrganisator-Regionen derjenigen Chromosomen gebildet werden, die die 45S rRNA-Gene enthalten. In den Nucleoli findet die Reifung des 45S rRNAPräkursors zu den 18S, 28S und 5,5S rRNAs sowie der Zusammenbau der Vorstufen der kleinen und der großen Ribosomenkomplexe statt.

2.1.1.1 Morphologische Veränderungen Aiternsabhängige Veränderungen von Zellkernen können sowohl in Parenchymzellen als auch in Mesenchymzellen gefunden werden. Es konnte gezeigt werden, daß es zu einem aiternsabhängigen Anstieg der Durchschnittsgröße

26

H. C. Schröder und W. E. G. Müller

der Leberzellkerne in 24- und 30 Monate alten Ratten verglichen mit 8 Monate alten Tieren kommt. In menschlichen Pinealozyten wurde dagegen eine Abnahme der Zellkerngröße von 92 um2 bei 30- bis 40jährigen auf 75 p.m2 bei über 70jährigen sowie eine Abnahme der Größe der Nucleoli von 10,1 um2 auf 7,8 |a.m2 gefunden. Die Zellgröße der Pinealozyten zeigte keine aiternsabhängigen Änderungen, sodaß die Kern-Plasma-Relation von 1 : 1,77 auf 1 : 2,13 abnahm. Untersuchungen von Tauchi zeigten lediglich einen Anstieg der relativen Streubreite der Größe von Zellkern und Zytoplasma während des Alterns (Abb. 1). In Leberzellen werden im Verlauf des Alterns vermehrt Invaginationen und Septenbildung der Kernmembran gefunden. Häufig sind die Nucleoli vergrößert. Dramatische morphologische Veränderungen mit zunehmendem Alter wurden bei Zellkernen im Achillessehnengewebe von Kaninchen beobachtet. In jungen Kaninchen hat der Zellkern eine ovale Gestalt. Dagegen zeigen Kernanschnittsbilder der Sehnenzellen alter Kaninchen eine annähernd dreieckige Form. Diese besteht aus einem spitzförmigen, heteropyknotischen, seitlich auslaufenden Anteil, der dem isopyknotischen Kernanteil aufsitzt. 2.1.1.2 Veränderungen des Chromatins Aiternsabhängig findet man eine zunehmende Verdichtung des Chromatins von Leberparenchymzellkernen. Elektronenmikroskopische Studien des Chromatins in Rattenleberzellkernen zeigten eine alternskorrelierte Abnahme der relativen Länge der Grenze zwischen dem Perimembran-Chromatin und dem Nucleoplasma, der relativen Länge der Kernmembran ohne kondensiertes Chromatin und der mittleren Größe des Nucleolus. Somit entspricht der im Alter herabgesetzten RNA-Syntheseleistung morphologisch eine Margination des kondensierten Chromatins und eine Glättung seiner Oberfläche, wo die hnRNA-Synthese abläuft, sowie eine Verkleinerung des Nucleolus, in dem die rRNA-Synthese stattfindet. Es konnte gezeigt werden, daß sowohl die Größe als auch der Chromatingehalt von Purkinjezellkernen von Chinchillas mit dem Alter abnimmt. Trotz der relativ wenigen beobachtbaren alternskorrelierten Änderungen der Struktur des Chromatins finden sich markante Unterschiede in der Funktion der DNA im Chromatinkomplex aus Tieren unterschiedlichen Alters. So konnte gezeigt werden, daß die Template-Aktivität der DNA im Chromatin aus Wachtelovidukt für exogene RNA-Polymerase aiternsabhängig stark abfällt. Eine aiternsabhängige Abnahme des Kern-DNA-Gehaltes in verschiedenen Geweben (wie Aorta und Knorpel) wurde von einer Reihe von Arbeitsgruppen nachgewiesen. Weiterhin ist bekannt, daß die Kerne von Leberzellen unterschiedliche Mengen an DNA enthalten können. So findet man Leberzellkerne

Zellkern und Zellorganellen

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30 nmol/1 > 75 pmol/1 >15 nmol/1 >0,70 >10,0 nmol/1 >430 nmol/1 >1,33 mmol/mol Kreatinin >1,0 24 |i.mol/mol Kreatinin 28 umol/mol Kreatinin 13 (imol/mol Kreatinin >0,22 nmol/1 >17 nmol/1

Vitamin A Provitamin-ACarotinoide Provitamin-ACarotinoide Vitamin D Vitamin D Vitamin D Vitamin E Vitamin K Folsäure Folsäure Niacin Niacin Riboflavin Riboflavin Thiamin Thiamin Vitamin Bö Vitamin B6 Vitamin B12 Vitamin C

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Harn-Riboflavin a

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Harn-Thiamin ÖEAST 6 ^

Harn-Pyridoxinsäure Plasma-Vitamin B12 Plasma-Ascorbinsäure 1) T> 3) 4) 5) 6)

25-Hydroxy-Cholecalciferol 1,25-Dibydroxy-Cholecalciferol Ni-Methyl-Pyridon/Ni-Methyl-Nicotinamid Erythrocyten-Glutathionreduktase, Aktivierung durch Zusatz von FAD in vitro Erythrocyten-Transketolase, Aktivierung durch TPP in vitro Erythrocyten-Aspartat-Aminotransferase, Aktivierung durch PALP in vitro

190

W. Kübler

Wie bei Thiamin kann eine unzureichende Versorgung auch bei anderen Vitaminen durch biochemische Methoden schon in den Frühstadien nachgewiesen werden (Tabelle 2). Auf derartige Untersuchungen stützen sich die unten dargelegten Ergebnisse über die Vitaminversorgung von Senioren. Weniger zuverlässig sind Vergleiche zwischen der Vitaminzufuhr und den Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr: — Die Empfehlungen gelten nur für gesunde Menschen, berücksichtigen also nicht einen erhöhten Bedarf durch Erkrankungen, Arzneimitteleinnahme oder Alkoholmißbrauch. — Sie enthalten Sicherheitszuschläge um den Bedarf für nahezu alle Personen zu gewährleisten. Der Individualbedarf streut erheblich und ist nur unter großem experimentellem Aufwand zu bestimmen. — Sie können die unterschiedliche Bioverfügbarkeit aus verschiedenen Lebensmitteln und Lebensmittelkombinationen nur pauschal berücksichtigen. — Sie müssen die unterschiedliche Fähigkeit zur Retention der verschiedenen Vitamine außeracht lassen.

3.4.2

Die Vitaminversorgung im Seniorenalter

Mit den in Tabelle 2 dargestellten Untersuchungsmethoden wurden in der Bundesrepublik Deutschland zwei größere regionale Untersuchungen bei Senioren durchgeführt. Sie sind, zusammen mit ähnlichen Studien in anderen Altersklassen, in Abb. 3 zusammengefaßt. In beiden Untersuchungen ergab sich übereinstimmend, daß im Seniorenalter typische Versorgungsengpässe mit Vitaminen zu beobachten sind, die in anderen Altersgruppen nicht oder weniger ausgeprägt auftreten. Als „kritische" Vitamine sind, wie in anderen Altersgruppen Vitamin Bi, Vitamin BÖ und vor allem Folsäure zu betrachten. Wesentlich häufiger als in anderen Altersgruppen findet man bei Senioren eine unsichere Versorgung mit Vitamin A, Riboflavin und Vitamin C. Dabei fällt auf, daß Männer deutlich häufiger betroffen sind als Frauen. Beide Untersuchungsserien wurden an klinisch gesunden, gehfähigen Senioren durchgeführt. Bei bettlägerigen, meist hochbetagten Senioren findet man in bis zu 30% der Fälle Retinolund Vitamin-C-Konzentrationen im kritischen Bereich. Im Hinblick auf die Häufung von Fällen von Altersosteoporose ist die Beobachtung bedeutsam, daß vor allem in den Frühjahrsmonaten gehäuft (Männer: 23%, Frauen: 38%) eine Senkung der 25-OH-Vitamin-D-Konzen-

Vitaminstoffwechsel

191

30 % der Meßwerte

im kritischen Bereich

20

10

Vit. A

Abb. 3

Vit. E

Thiamin Ribofl.

Vit. B 6 Folat

Vit.B12Vit.C

Häufigkeit einer unsicheren Bedarfsdeckung in verschiedenen Altersgruppen E = Erwartungswert (2,5%) = 1 8 - 2 4 Jahre

| = 2 0 - 4 5 Jahre

=

> 65 Jahre

*) Signifikant über Erwartungswert.

trationen im Blutserum vorkommt, die auf eine unzureichende Vitamin-DVersorgung schließen läßt. Im Herbst waren diese Befunde (Männer: 8%, Frauen: 11%) erheblich seltener. Die Ursachen für diese Zunahme einer unsicheren Vitaminversorgung im Seniorenalter sind vielfältig: 1. Der verminderte Energiebedarf führt bei ungünstiger Nahrungswahl leichter zu Versorgungslücken als in jüngeren Jahren. Dies wird besonders deutlich beim Vergleich der empfohlenen Nährstoffdichte (Tabelle 3). Eine Analyse der Ernährungsgewohnheiten von älteren Menschen, die höhere Frequenz bei männlichen Senioren und eine deutliche Beziehung zwischen Schulbildung und Häufigkeit von Bedarfsdeckungslücken bestätigen dies. 2. Eine gewichtige Rolle spielt sicher auch die zunehmende Häufigkeit chronischer Erkrankungen mit zunehmendem Alter. Für die Vitaminversorgung wesentlich sind dabei Malabsorptionssyndrome, Leberparenchymerkrankungen und chronischer Arzneimittelgebrauch. 3. Nicht zu vernachlässigen ist eine Zunahme von Nahrungsmittelunverträglichkeiten im höheren Alter. Sie betreffen besonders häufig Kuhmilch (und damit die Riboflavinversorgung), rohes Obst und Gemüse (und damit die Folsäure- und Vitamin-C-Versorgung) und Vollkornprodukte (Thiaminund Folsäure-Versorgung).

192

W. Kübler

Tabelle 3

Empfohlene Nährstoffdichte für Vitamine*' Männer 1 9 - 3 5 J.

Vitamin A (mg Retinol-Äquiv. 1, /MJ) Vitamin E (mg a-Tocoph.-Äquiv. 2) /MJ) Thiamin (mg/MJ) Riboflavin (mg/MJ) Niacin (mg Niacin-Äquiv. 3) /MJ) Vitamin Ü6 (mg/MJ) Folsäure ((ig freie Folat-Äquiv.4VMJ) Pantothensäure (mg/MJ) Vitamin B12 (n/gMJ) Vitamin C (mg/MJ)

0,09 1,1 0,13 0,15 1,6 0,16 15 0,7 0,45 7

Frauen > 6 5 J. 0,13 1,5 0,16 0,21 2,3 0,23 20 1,0 0,63 9

1 9 - 3 5 J. 0,09 1,3 0,13 0,17 1,7 0,18

18 0,9 0,56

> 6 5 J. 0,12 1,7 0,16 0,21 0,23 23

1,1 0,71 11

8

Berechnet für Personen mit überwiegend sitzender Beschäftigung '' 1 mg Retinol-Äquivlent = 6 mg all-trans-ß-Carotin = 12 g andere Provitamin ACarotinoide 2) 1 mg D-a-Tocopherol-Äquivalent = 1,1 mg D-a-Tocopherylacetat = 2,0 mg D-ß-Tocopherol = 4,0 mg D-y-Tocopherol = 100 mg D-5-Tocopherol = 3,3 mg D-a-Tocotrienol = 1,49 D,L-a-Tocopherylacetat 3) 1 mg Niacin-Äquivalent = 60 mg Tryptophan 4) 1 (ig freies Folatäquivalent = 2,5 (ig Gesamt-Folat

Daß bei gesunden Senioren nicht mit Abweichungen im Vitaminstoffwechsel gerechnet werden muß, zeigt ein Substitutionsversuch mit einem normal dosierten Multivitaminpräparat, der in allen Fällen zu einer Normalisierung des Vitaminstatus geführt hat. Faßt man die aufgeführten Befunde zusammen, wird deutlich, daß auch Seniorenalter eine befriedigende Vitaminversorgung weit häufiger ist als unsicherer Vitaminstatus. Eine ausgeglichene, abwechslungsreiche Kost danach, zumindest bei klinisch gesunden alten Menschen, durchaus in Lage, die Vitaminversorgung zu gewährleisten.

im ein ist der

Bei Erkrankungen, einseitiger Ernährung, hohem Genußmittelverbrauch und langfristiger Arzneimitteleinnahme können Vitaminzulagen — kurzfristig (!) bis zum 5fachen der empfohlenen Tageszufuhr (Tabelle 4) — indiziert sein. Für eine langfristige Vitamin-Substitution sollte die zweifache empfohlene Tageszufuhr ohne regelmäßige Kontrollen der Vitamin-D-Konzentrationen

Vitaminstoffwechsel Tabelle 4

193

Pro Tag empfohlene Vitaminzufuhr im Seniorenalter Männer

Vitamin A Vitamin D Vitamin E Thiamin Riboflavin Niacin Vitamin Bö Folsäure Pantothensäure Vitamin B12 Vitamin C

1,0

5 12 1,3 1,7 18 1,8 160 8 5 75

Frauen 0,8 5 12 1,1 1,5 15 1,6 160 8 5 75

mg Retinol-Äquival.1' Hg mg a-Tocopherol-Äquival. 21 mg mg mg Niacin-Äquival. 3 ' mg Hg freie Folat-Äquival. 4 ' mg Hg mg

!) 4

- > Fußnoten s. Tab. 3

Der Bedarf an Vitamin K und Biotin kann nicht zuverlässig angegeben werden, weil mit einer Resorption der durch die Dickdarmflora synthetisierten Substanzen zu rechnen ist.

im Blutplasma nicht überschritten werden. Die Bioverfügbarkeit der potentiell toxischen fettlöslichen Vitamine D und A ist in Arzneimittelzubereitungen auch bei Malabsorptionssyndromen durch den Einsatz wassermischbarer Feindispersionen gewährleistet. Ob durch hochdosierte Vitaminzulagen (z. B. Gramm-Dosen der Vitamine C, E oder Bö) Alterserscheinungen verzögert oder gar rückgängig gemacht werden können, ist nicht weniger fraglich als die Wirksamkeit anderer Substanzen — z.B. Gelee royale, Pollen, Ginseng, „Vitamin H3" (Gerovital) —, denen derartige Wirkungen immer wieder zugeschrieben werden. Nebenwirkungen hochdosierter Vitamingaben sind vor allem bei längerfristiger Zufuhr zu befürchten. Die Folgen einer Überdosierung von Vitamin A (akute Liquordrucksteigerung, periostale Hyperostosen, lamelläre Hautabschilferungen) und Vitamin D (Hypercalcämie, Nephrocalcinose, Bluthochdruck, Niereninsuffizienz) sind hinreichend bekannt. Bei Vitamin C beschränken sich die Überdosierungserscheinungen auf kurzfristige Durchfälle und Übelkeit unmittelbar nach Einzeldosen von 6 g und mehr. Bei Vitamin E kann es zu Gerinnungsstörungen, insbesondere unter gleichzeitiger Antikoagulantientherapie, kommen. Unter chronisch hochdosierten Gaben von Vitamin Bö können sensible Neuropathien auftreten.

194

W. Kübler

Dennoch ist unter dem Eindruck neuerer Ergebnisse über den Einfluß aggressiver Oxidantien (Sauerstoffradikale, Peroxide) auf biologische Systeme zu prüfen, ob antioxidativ wirksame Substanzen, wie Ascorbinsäure, Tocopherole, Carotinoide nicht über ihre Wirksamkeit als Vitamine hinaus, Schutzfunktionen ausüben können. Dies gilt insbesondere für die im Plasma stark kumulierenden Carotinoide und Tocopherole. Wegen dieser Kumulation und einer bei Hochdosierung rasch abfallenden Bioverfügbarkeit ist jedoch eine Extremdosierung sinnlos. Die Vitaminversorgung im Seniorenalter verdient also besondere Aufmerksamkeit — besonders, wenn man berücksichtigt, daß Störungen des psychischen Gleichgewichtes, wie sie nicht selten unter Vitaminmangel auftreten, verhängnisvolle Folgen haben können. Wenn der Verdacht auf eine unausgewogene Ernährung besteht, kann eine Substitution durch ein Multivitaminpräparat in üblicher Dosierung nützlich sein. Bei chronischen Erkrankungen, insbesondere bei langfristigen Arzneimittelgaben, ist eine Zulage von Vitaminen häufig indiziert. Hochdosierte Vitamingaben sind nur bei speziellen Indikationen sinnvoll und sollten, wegen der Gefahr von Nebenwirkungen, nur unter sorgfaltiger ärztlicher Überwachung verabfolgt werden.

Literatur Arab, L.: Ernährungszustand von Senioren — Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsuntersuchung. Emährungs-Umschau 32 (1985) 67 — 71. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (D. G. E.; Hrsg.): Ernährungsbericht 1988, S. 26-29. D. G. E., Frankfurt a. Main 1988. Friedrich, W.: Handbuch der Vitamine. Urban u. Schwarzenberg, München—Wien—Baltimore 1987. Heseker, H., W. Kübler: Die Bedarfsdeckung älterer Menschen mit Vitaminen. Ernährungs-Umschau 30 (1983) 366-369. Heseker, H., W. Kübler, J. Westernhöfer et al.: Psychische Veränderungen als Frühzeichen einer suboptimalen Vitaminversorgung. Ernährungs-Umschau 37 (1990) 87-94. Kübler, W.: Vitamin deficiencies and public interventions in the Federal Republic of Germany. Bibl. Nutr. Dieta, Basel 44 (1989) 76-84. Schlierf, G. (Hrsg.): Ernährung und Alter. WVG, Stuttgart 1986.

4. Organe und Gewebe

4.1

Auge

C. Ohrloff

4.1.1

Einleitung

Auffallend viele Augenerkrankungen zeigen mit zunehmenden Alter eine ansteigende Häufigkeit. Auch ist unverkennbar, daß das optische Organ gerade für den alternden Menschen einen besonders hohen Wert besitzt, da es kompensatorisch für andere allmählich verlorengehende Fähigkeiten — etwa schnelle motorische Reaktionsfähigkeit einspringen muß. Daher hat die Augenheilkunde mit dem Organ Auge intensive wie auch älteste Beziehungen zur Altersforschung aufzuweisen: — Sie ist als erstes Fach der Medizin mit Untersuchungen über die Akkommodationsbreite durch Donders vor etwa 100 Jahren der gesetzmäßigen Abhängigkeit zwischen Gewebestruktur, Organleistung und Lebensalter wissenschaftlich nachgegangen und hat damit älteste Beispiele exakter Gerontologie geliefert; — sie fand in der Lesebrille die erste ausreichende Kompensation eines typischen Alterssymptoms, der Presbyopie — der Altersweitsichtigkeit — und entwickelte mit der Linsenextraktion die erste erfolgreiche Operation gegen eine Alterserkrankung, die Cataracta senilis; — im Rahmen der Linsen und Altersforschung erkannten H. K. Müller und Otto Hockwin in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der biochemischen Fragen und führten erste experimentelle und klinische Untersuchungen zur Genese der senilen Linsentrübung durch und — schließlich können von der Beurteilung des Augenhintergrundes wesentliche Impulse zur Behandlung allgemeiner Alterskrankheiten, etwa des Altersdiabetes, der Arteriosklerose und der Hypertonie ausgehen.

4.1.2

Sehen im Alter

Das Phänomen des Alterns wird vielen Menschen zuerst durch bestimmte Veränderungen der Sinnesfunktionen bewußt. Bekannteste Erscheinung beim Sehvorgang ist die Altersweitsichtigkeit, die Presbyopie. Sie macht es dem

198

C. Ohrloff

Auge unmöglich scharfe Bilder von Gegenständen, die in geringer Entfernung (weniger als 5 m) sind, auf die Netzhaut zu projizieren. Dies bedeutet, daß der Akkommodationsmechanismus gewissen Altersprozessen unterliegt. Bei den Bemühungen — besonders von Lebensversicherungen — Parameter für das biologische Altern eines Menschen zu finden, war die Altersweitsichtigkeit von besonderem Interesse. Man versuchte anhand der Zunahme der Presbyopie das biologische Altern zu ermitteln, um dadurch Rückschlüsse auf die zu erwartende Lebensdauer ziehen zu können. Die Akkommodationsbreite aber nimmt mit dem Alter bis zum 60. Lebensjahr fast linear ab, dann ist sie praktisch Null, so daß gerade sie als Index für das kalendarische Alter und nicht das biologische Alter angesehen werden kann. Die Abnahme der Akkommodationsbreite ist die einzige Altersveränderung überhaupt, die unabhängig von Herkunft und Milieu ganz gesetzmäßig auftritt. Damit unterscheidet sie sich von allen anderen Altersveränderungen, die zum Teil zwar oft, aber durchaus nicht bei allen Menschen im gleichen Alter und mit gleicher Ausprägung zu finden sind. Die altersabhängige Reduktion der Akkommodationsbreite wurde lange auf die Annahme zurückgeführt, daß der Linsenkern durch Wasserverlust härter und somit weniger elastisch werde. Diese inzwischen widerlegte Hypothese führte dann zur irrigen Schlußfolgerung einer „Sklerosierung" des Linsenkerns als physiologisches Korrelat der normalen Alterungsvorgänge in der Linse und der außerordentlich häufig auftretenden kataraktogenen Veränderungen. Dieser Zusammenhang findet sich in der älteren ophthalmologischen Literatur häufig beschrieben und ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Befund außerordentlich harter Linsenkerne in Tierlinsen mit ausgeprägten Kernkatarakten zurückzuführen. Neuere Studien können jedoch nachweisen, daß der Protein- und Wassergehalt in der menschlichen Linse in Linsenkern und Linsenrinde altersunabhängig quantitativ konstant bleibt. Potentielle Veränderungen der Linsenkapselmembran und der Zellmembranen müssen in das Erklärungsmodell einer durch verminderte Elastizität bedingten Akkommodationseinschränkung einbezogen werden. So können zum Beispiel Vernetzungen von Linsenfaserzellen sowie ein Verlust derer strengen räumlichen Anordnung einen solchen Elastizitätsverlust bewirken.

4.1.2.1 D i e Linse Die Augenlinse, ein gefäß- und nervenloses Organ, bildet zusammen mit Hornhaut, Kammerwasser und Glaskörper den optischen Apparat des Auges. Sie zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus (Tabelle 1), die sie wie kaum

Auge Tabelle 1 — — — — — — — — — — — — — —

199

Besondere Eigenschaften der Linse

Proteinreichstes Organ (35%), dennoch transparent Avaskuläres Organ, keine direkte Verbindung mit Blutgefäßen Zunahme von Volumen und Masse während des gesamten Lebens Kein Zellverlust Appositionelles Wachstum Differenzierung der anterioren Epithelzellen zu Linsenzellfasern Hochsymmetrische Anordnung der hexagonalen Linsenfasern (frei von Zellkern und Mitochondrien) Altes Gewebe findet sich im Linsenkern (Nukleus), junges Gewebe in der Linsenrinde (Cortex) Synthese linsenspezifischer Proteine (Kristalline) Kein Proteinverlust, keine Proteolyse Stoffwechsel ähnelt dem der Erythrozyten Proteine werden postsynthetisch (posttranslational) modifiziert und ändern ihre Eigenschaften Proteine aggregieren zu hochmolekularen Produkten und werden schließlich wasserunlöslich (harnstofflöslich) Häufig Transparenzminderung, Trübungs- und Kataraktbildungen in höherem Lebensalter

ein anderes Organ zu einem Indikator für das Altern eines Individuums werden läßt. Sie wird in einem frühen embryonalem Stadium von einer durchsichtigen strukturlosen Kapsel umschlossen und so von der direkten Blutzufuhr abgeschnitten. Die Epithelzellen, die einschichtig hinter der Capsula lentis anterior die Linsenvorderflächen bedecken, sind die allein teilungsfähigen Zellen. Im Bereich der Äquatorialzone differenzieren sich die Epithelzellen zu Faserzellen. Diese bilden die Linsenrinde und drücken die älteren Zellen immer mehr nach innen, so daß die im embryonalen Entwicklungsstadium gebildeten Zellen bzw. Fasern im Linsenkern zu finden sind. Während der gesamten Lebensspanne bilden sich vom Linsenäquator ausgehend neue Zellen, welche als Linsenzellfasern sowohl in Richtung des vorderen als auch zum hinteren Linsenpol elongieren, und sich wie Jahresringe eines Baumes auf die bereits vorhandenen Fasern auflegen (appositionelles Wachstum, Abb. 1). Da die Linse normalerweise alle die im Verlauf eines Lebens gebildeten Zellen behält, entspricht das Alter des Linsenkerns dem Lebensalter des Individuums. Die Untersuchung zur Linsenbiochemie hat deshalb nicht nur einen konkreten Bezug zur klinischen Ophthalmologie (Mechanismen der Kataraktgenese), sondern sie leistet auch wichtige Beiträge zu allgemeinen gerontologischen Problemen (Biochemie und Biologie des Alterns). Bei Be-

Die Jahresringe der Linsen Linsen fasern (kernlos) vordere Rinde

Zellteilung Zone

hintere Rinde

Elongation der Zellen zu Fasern

Fasern

elastische Membran Abb. 1

Die Linse besteht überwiegend aus kernlosen langen und dünnen Zellen (Fasern). Sie besitzt auf der Vorderfläche ein einschichtiges Epithel und wird von einer Kapsel umgeben. Sie wächst während des ganzen Lebens, indem neue Zellen in der germinativen Zone gebildet werden. Diese differenzieren zu Linsenfasern, verlieren ihren Zellkern und legen sich — wie die Jahresringe eines Baumes — auf alte Fasern. Der innere Teil der Linse, der Linsenkern, besteht infolgedessen aus altem Gewebe, und sein Alter entspricht dem Alter des Individuums; der äußere Teil — die Rinde — repräsentiert junges Gewebe.

Auge

201

trachtung der alternden Linse treten zwei Merkmale besonders auffällig in den Vordergrund: 1. Die Linse nimmt, durch das appositioneile Wachstum bedingt, während der gesamten Lebensspanne eines Individuums an Masse und Volumen zu. Die Korrelation zwischen dem Linsenfrischgewicht und dem Alter eines Individuums einer bestimmten Art ist so gut, daß mit der Bestimmung des Linsenfrischgewichtes Schätzungen des Alters möglich werden. 2. Mit zunehmenden Alter verliert die Linse häufig ihre anfänglich gute Transparenz, nimmt eine gelbliche bis dunkelbraune Färbung an (Linsenkern) und trübt sich ganz allgemein ein. Solche Trübungen der Augenlinse (Katarakt) führen jährlich und weltweit zur Erblindung von etwa 2 Mill. Menschen. Biochemie der Linse

Überwiegend besteht die Linse aus kernlosen Linsenzellfasern, deren Stoffwechsel, besonders der Energiestoffwechsel, mit dem der ebenfalls kernlosen Erythrozyten verglichen werden kann, deren Lebensdauer allerdings nur maximal 120 Tage beträgt. Wie in den Erythrozyten ist für den Energiestoffwechsel der Linse ganz besonders der anaerobe Zuckerabbau, die Glykolyse, von großer Bedeutung. Wesentliche Leistungen des Linsenstoffwechsels zeigen sich im Wachstum der Linse während des ganzen Lebens und in der Erhaltung der Transparenz, die nur dann gewährleistet wird, wenn in der Linse eine geordnete Eiweiß- und Fasterstruktur besteht. Dieses wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, daß eine 35%ige Eiweißlösung — dies ist der Proteinanteil der Linse — völlig trüb ist. Die Zellen der meisten Gewebe sind kernhaltig und synthetisieren auch noch im hohen Alter Proteine. Es ist dann sehr schwer zu unterscheiden, ob die Ansammlung von veränderten Proteinmolekülen im Alter etwa durch fehlerhafte Synthese oder durch posttranslationale Veränderungen bedingt ist. Dies ist in der Linse anders, da die Proteinsynthese nur während der Zelldifferenzierung, der Elongation der Linsenzellfasern, erfolgt, so daß das Eiweiß dann während des Lebens nicht erneuert wird. Es wird auch in der normalen Linse nicht proteolytisch abgebaut. Infolgedessen spielen posttranslationale Proteinveränderungen während des Alterns der Linse eine große Rolle (Tabelle 2) und sie betreffen überwiegend die Strukturproteine (Kristalline). Aber auch die Enzymproteine der Linse sind während des Alterungsprozesses funktionellen und strukturellen Veränderungen unterworfen:

202

C. Ohrloff

Tabelle 2

Posttranslationale Veränderungen von Linsenproteinen

Deamidierung (Asparagin und Glutamin) Partielle Degradierung Abnahme freier SH-Gruppen Zunahme von Disulfidbindungen Zunahme kovalenter Bindungen (crosslinks) Bildung von Isopeptidbindungen (Transglutaminase) Phosphorylierung/Dephosphorylierung Alkylierung Azetylierung Carbamylierung Glykosylierung (nicht enzymatisch) Anlagerung von Aldehyden (Schiff-Reaktion) Razemisierung (Asparaginsäure) Photooxidation von Tryptophan und Methionin Oxidativer Angriff ( OH, 0 2 -, H0 2 -, H 2 0 2 ) Aggregation Übergang in den unlöslichen Zustand

1. Fast alle Enzyme weisen eine Abnahme ihrer spezifischen Aktivität auf, d. h. die Geschwindigkeit der biochemischen Reaktionen ist verlangsamt. 2. Bei einzelnen Enzymen kommt es außerdem zu einer Verminderung ihrer Substrat-Affinität. Dies bedeutet, daß die Bereitschaft, eine biochemische Reaktion überhaupt einzugehen, ebenfalls verringert ist. 3. Mit dem Älterwerden nimmt auch die Denaturierbarkeit durch Hitze, die Hitzelabilität der Enzyme zu. 4. Es lassen sich für einzelne Enzyme Veränderungen ihres Molekulargewichtes und ihrer elektrophoretischen Beweglichkeit feststellen. Diese Befunde besagen, daß im höheren Lebensalter die Struktur der Enzymmoleküle modifiziert ist und die Konformation an Stabilität verliert. 5. Schließlich konnten mit Hilfe der immunologischen Praezipitation inaktive Enzymmoleküle (cross reactive material) nachgewiesen werden. Diese Veränderungen betreffen die Enzyme des Energiestoffwechsels, der Glykolyse, ganz genauso wie die Enzyme des oxidativen Schutzsystems etwa Glutathionreduktase, Glutathionperoxydase oder Superoxiddismutase. Die Altersveränderungen allerdings alleine führen nicht zwangsläufig zu pathologischen Erscheinungen — also zur Trübung der Linse. Dazu tragen weitere Risikofaktoren bei (Abb. 2). Gegen diese ist das Linsengewebe infolge der beschriebenen posttranslationalen Veränderungen mit zunehmenden Alter weniger gut geschützt. Exemplarisch sei auf den „oxydativen Stress" — etwa

Auge

203

ERNÄHRUNGSSTÖRUNGEN

AMINOSÄUREMANGEL

VITAMINMANGEL

POSTSYNTH

VERÄNDERUNGEN

KAMMERWASSERZUSAMMENSETZUNG

ENDOKRINE

STÖRUNGEN

CHEMISCHE

EINFLUSSE

PHYSIKALISCHE

ÄNDERUNGEN

ANHÄUFUNG

ENZYMPROTEIN STRUKTURPROTEIN

EINFLUSSE

DES

ENZYMMUSTERS

TOXISCHER

PRODUKTE INAKTIVES ENZYM

Abb. 2

WASSERRUNL PROTEIN

Durch den Einfluß einer Vielzahl potentiell schädigender Faktoren wird die Disposition der Linse zur Kataraktentstehung mit zunehmendem Lebensalter erhöht.

durch UV-Strahlen — und die Freisetzung zerstörerischer freier Radikale hingewiesen, die dann nicht mehr ausreichend abgefangen und entgiftet werden können.

4.1.2.2 Der Glaskörper Bemerkenswert sind auch Glaskörperveränderungen während des Alterungsprozesses. Der Glaskörper ist als Gel anzusehen und besteht aus einem dreidimensionalen Netzwerk von Kollagenfibrillen, deren Maschen von Hyaluronsäuremolekülen gefüllt sind, und hat einen Wassergehalt von 99%. Die

204

C. Ohrloff

Kollagenfibrillen lagern sich zu biomikroskopisch sichtbaren Fibrillen und Segeln zusammen, das Volumen des Gels im Glaskörper sinkt, während der flüssige Glaskörper zunehmend größere Lakunen und Taschen bildet. Bei älteren Menschen sind mehr als 50% verflüssigt. Diese Veränderungen führen auch zur hinteren Glaskörperabhebung, wodurch die Gefahr einer Netzhautabhebung heraufbeschworen wird, die besonders nach dem 60. Lebensjahr einen erheblichen Frequenzanstieg aufweist. Die Beobachtungen dieser Altersveränderungen im Glaskörper hatten Mitte des letzten Jahrhunderts, als in der Chemie die Kolloidforschung begann, zur Formulierung einer Kolloidtheorie des Alterns geführt, die heute keine Gültigkeit mehr besitzt. Stattdessen wissen wir, daß die Degeneration des Glaskörpers und die Depolimerisation der Hyaluronsäure durch freie Radikale gefördert wird. 4.1.2.3 N e t z h a u t Die menschliche Retina ist der einzigste Teil des Nervensystems der während des ganzen Lebens fortwährend optischer Bestrahlung zwischen 400 und 1400 nm ausgesetzt ist. Die Physiologie der alternden Retina und die Abnahme der Sehleistung während des Alterns m u ß daher im Zusammenhang mit möglichen kumulativen Effekten von Strahleneinflüssen betrachtet werden. Die senile Makuladegeneration ist in westlichen Ländern bei der Hälfte der Erblindeten über dem 70. Lebensjahr der G r u n d für das stark reduzierte Sehvermögen. Dabei kommt es zu einer erhöhten (abnormen) Ansammlung von zellulären Abbauprodukten zwischen Pigmentepithel und chorioidaler Blutversorgung. Auffällig ist dabei, d a ß mit zunehmenden Alter das schützende Melanin in den retinalen Pigmentepithelzellen erheblich abnimmt und parallel dazu die Lipofuszinkonzentration steigt. Die Pathogenese dieser Mechanismen ist bisher ungeklärt; allerdings deuten experimentelle Untersuchungen darauf hin, daß Störungen im antioxidativen Schutzsystem der Retina d a f ü r verantwortlich sein können. So konnte kürzlich gezeigt werden, daß Vitamin E Mangel bei Affen zu zentralen retinalen Degenerationen führt. Es bestehen auch Hinweise dafür, daß Selenmangel und damit verbunden eine verminderte Aktivität der Selen abhängigen Glutathionperoxydase die Entwicklung der senilen Makuladegeneration fördert. Es bestehen nur wenig Zweifel, daß der tägliche oxydative Stress für die beiden häufigsten Augenerkrankungen des Alters — die senile Linsentrübung und die senile Makuladegeneration — mit verantwortlich ist, da die Kapazität des antioxydativen Schutzsystems abnimmt.

Auge

205

Literatur Hockwin, O., C. Ohrloff: The eye in the elderly: Lens. In: D. Platt (Ed.): Geriatrics 3, pp. 373-424. Springer Verlag Berlin-Heidelberg-New York 1984. Mester, U.: Netzhaut. In: D. Platt (Hrsg.): Handbuch der Gerontologie, Bd. Augenheilkunde, S. 170-208. Fischer Verlag, Stuttgart 1989. Ohrloff, C., U. Eckerskorn: Linse: physiologische Altersveränderungen, Kataraktentstehung und Katarakttherapie. In: D. Platt (Hrsg.): Handbuch der Gerontologie, Bd. 3 Augenheilkunde, S. 117-152. Fischer Verlag, Stuttgart 1989. Rink, H.: Linse — biochemische Veränderungen. In: D. Platt (Hrsg.): Handbuch der Gerontologie, Bd. 3 Augenheilkunde, S. 92-111. Fischer Verlag, Stuttgart 1989. Weale, R. A.: Sehen im Alter. In: D. Platt (Hrsg.): Handbuch der Gerontologie, Bd. 3 Augenheilkunde, S. 1 - 1 8 . Fischer Verlag, Stuttgart 1989. Weiter, J.: Phototoxic Changes in the Retina. In: D. Miller (Ed.): Clinical light damage to the eye, pp. 79 ff. Springer Verlag, New York 1987.

4.2

Gehirn

D. Platt

4.2.1

Gewicht

Eine charakteristische Veränderung des Gehirns ist die im höheren Alter nachweisbare Gewichtsabnahme. Diese Abnahme kann sowohl durch Veränderungen der grauen Substanz als auch der weißen Marksubstanzen bedingt sein. Parallel zur zerebralen Gewichtsabnahme nimmt der Zwischenraum zwischen Gehirnvolumen und Schädelkalotte zu. Nach Haug und Rebhahn muß bei Fragen, die Änderungen des Gehirngewichts betreffen, auf die Akzeleration geachtet werden. Aufgrund der Beziehungen zwischen Körperlänge und Gehirngewicht besitzen die jüngeren Individuen einer Untersuchungsreihe ein höheres Maximalgewicht des Gehirns als es die älteren während ihrer Jugend hatten. Darüberhinaus sollten auch die von Max Bürger erhobenen Befunde am Gehirn (Verschiebung des Gel-Sol-Zustandes) Beachtung finden. Unter der Annahme einer zweiprozentigen Gel-Sol-Änderung und einer Akzeleration von 4 cm muß die Abnahme des Gehirngewichts beim Mann bis zum 55. Lebensjahr, bei der Frau bis zum 65. Lebensjahr nicht durch eine Verminderung der Struktur bedingt sein. Unterstellt man maximale Änderungen der Akzeleration um 8 cm und des Gel-Sol-Zustandes um 4%, so liegen die Grenzen für Männer und Frauen sogar jenseits des 75. Lebensjahres. Eine echte Substanzabnahme — nach Abzug einer Gel-Sol-Verschiebung und der Akzeleration — ist erst jenseits des 65. Lebensjahres sicher vorhanden. Untersuchungen von Zilles, der verschiedene graue und weiße Anteile an 78 menschlichen Gehirnen untersuchte, ergaben, daß die weißen Marksubstanzen im Alter etwa doppelt so stark schrumpfen wie die grauen Substanzen. Somit ist die Abnahme des Gehirngewichts im Alter zum größeren Teil durch einen Substanzverlust der weißen Leitungsbahnen bedinigt und lediglich geringgradig durch eine Abnahme grauer Substanzen zu erklären. Mit 47,5% macht die Hirnrinde einen hohen Anteil des gesamten Hirngewichts aus. Im Neuropil mit den Endbäumen der Axone und Dendriten sind Dendriten und Axone über Synapsen untereinander verbunden. Eine Hauptaufgabe des zentralen Nervensystems ist die Speicherung von Informa-

Gehirn

207

tionen. Sie erfolgt sowohl über die Synthese informationstragender Ribonukleinsäuren (Transkription, Translation) als auch über die erwähnten synaptischen Verschaltungen. Da die Ganglienzellen zu den postmitotischen Zellen zählen, sind sie durch den irreversiblen Verlust der Teilungsfähigkeit charakterisiert. Untergegangene Zellen können nicht wieder ersetzt werden!

4.2.2

Zellzahl

Zur Annahme eines mit zunehmendem Alter nachweisbaren Ganglienzellschwundes nahm Haug bereits vor 15 Jahren eingehend Stellung. Er wies darauf hin, daß die Befunde, die sich auf eine Arbeit von Brody stützen, an vier Gehirnen erhoben worden waren, von je einem Neugeborenen, einem 18-, 45- und einem 95jährigen. Neueste Untersuchungen von Haug aufgrund der Fortentwicklung der Morphometrie, deren Daten mit Hilfe der Stereologie in räumliche Werte umgerechnet werden konnten, führten zu überraschenden Ergebnissen. An insgesamt 120 menschlichen Gehirnen waren etwa 230 areale Einzelauswertungen durchgeführt worden. Jeder dieser Einzelauswertungen enthielt die Messungen von etwa 1500 bis 2000 Nervenzellen aus allen Schichten der Hirnrinde. Die Bedeutung des unterschiedlichen Wassergehaltes für das junge und alte Gehirn geht unter anderem daraus hervor, daß die Einbettung über Methylbenzoat altersabhängig ist. Die stärkere Schrumpfung der jüngeren Gehirne bewirkt, daß die Nervenzellen im Gewebe stärker zusammenrücken, so daß der Eindruck einer höheren Zellzahl im Vergleich zu älteren Gehirnen entsteht. Die Altersunterschiede zwischen dem 20. und 75. Lebensjahr betragen nach den Untersuchungen von Haug etwa 15%. Mittels moderner morphometrischer Methoden konnten Eggers et al. zentrale Ganglien sowie die Leitungsbahnen des Gehirns ausmessen. Aus den Ergebnissen ist zu entnehmen, daß das gesamte Gehirn bis zum 75. Lebensjahr um etwa 6% kleiner wird. Hierbei ist der frontale Hirnrindenanteil mit etwa 13% überproportional beteiligt. Die einzelnen Anteile des Gehirns altern in makroskopischer Hinsicht unterschiedlich. Besonders deutlich ist die Erhöhung der Zelldichte in der extrapyramidalen Rinde. Im Gegensatz dazu weisen Größenänderungen der Nervenzellen andere Ergebnisse auf. So zeigt zum Beispiel die extrapyramidale Rinde eine statistisch hochsignifikante Verkleinerung der Zellgröße, die Sehrinde hingegen bis ins hohe Alter lediglich eine geringgradige Zellverkleinerung. Während der Alterung des menschlichen Gehirns bleibt die Anzahl von Nervenzellen in den untersuchten Arealen der Hirnrinde nahezu unverändert. Ein weiterer interessanter Befund dieser Untersuchungen ist die altersabhängige Abnahme der Synapsenzahl.

208

4.2.3

D. Platt

Intra- und interzelluläre Ablagerungen

Zu den bekanntesten subzellulären Altersveränderungen zählt die Ablagerung des sogenannten „Alterspigmentes" Lipofuszin. Die Ablagerungen sind im Großhirn unterschiedlich verteilt. Die Lipofuszingranula sind vorwiegend in den Nervenzellen, aber auch im Zytoplasma von Astrozyten und Oligodendrozyten nachzuweisen. Bei der Entstehung der Lipofuszingranula spielen freie Radikale eine Rolle. Senile Drusen kommen vorwiegend in der grauen Substanz vor. Lichtmikroskopisch stellen sie sich gewöhnlich rund dar. In erster Linie sind die Synapsen der Neuronen in die senilen Plaques einbezogen. Das klassische morphologische lichtmikroskopische Bild eines senilen Plaque besteht aus einem zentralen amyloidhaltigen Kern, der von pathologisch veränderten Neuriten, einem Ring von Granula und Stäbchen sowie in der Peripherie von Astrozyten und Mikrogliazellen umgeben ist. Lichtmikroskopisch unterscheidet man grundsätzlich drei verschiedene Arten von senilen Plaques: die klassische Form mit einem amorphen Kern, Plaques ohne amorphes Material (primitiver Typ) und Plaques mit fast ausschließlich amorphem Material. Ultrastrukturelle Untersuchungen ergaben eine Vielzahl unterschiedlicher Plaques, die aus pathologisch veränderten Neuriten, Amyloid und Zellen zusammengesetzt sind. Eine bestimmte Menge der senilen Plaques entwickelt sich in Verbindung mit einer Amyloidinfiltration intrakortikaler Arteriolen und Kapillaren. In diesen Fällen wird das Amyloid auch in dem umgebenden Hirngewebe nachgewiesen. Diese Veränderungen werden vorwiegend im Hippokampus und Neokortex gefunden. Timlinson et al. fanden bei über 70jährigen in etwa 65% senile Plaques. Alzheimersche Fibrillen — ein charakteristisches morphologisches Kennzeichen des Gehirns von Alzheimer-Patienten — konnten auch im Gehirn gesunder alter Menschen nachgewiesen werden. Lichtmikroskopisch bestehen diese Veränderungen aus Bündeln abnormaler Fasern, die sich durch das Zytoplasma ziehen und bis in die neuronalen Fortsätze reichen. Ultrastrukturelle Untersuchungen ergaben, daß diese Fasern aus paarigen schraubenförmigen Filamenten (PHF) bestehen, die etwa 10Ä dick sind, wobei die paarigen Fasern sich in einem Intervall von etwa 80 Ä drehen. Immunologisch sind deren Proteine normalen Eiweißkörpern zuzuordnen. Eine Sonderform der Aiternsveränderungen stellt die granulovakuoläre Degeneration dar. Diese Veränderungen sind — ebenso wie die Hirano-Körper — weniger deutlich ausgeprägt und vorwiegend auf den medialen temporalen Lappen beschränkt. Es zeigen sich neuronale, zytoplasmatische, membran-

Gehirn

209

gebundene Vesikel mit einem Durchmesser von 3 — 5 um und mit einem zentralen, 1 um dicken, elektronendichten, argyrophilen Granulum. HiranoKörper sind eosinophile Stäbchen, etwa 15 |xm breit und 30 um lang. Sie zeigen eine parakristalline Struktur, sind hauptsächlich extrazellulär nachzuweisen und liegen vorwiegend in der Nähe von Neuronen. Grundsätzlich kann gesagt werden, daß alle genannten morphologischen Veränderungen in geringem Maße im Rahmen physiologischer Altersveränderungen nachweisbar sind, jedoch beim Morbus Alzheimer wesentlich ausgeprägter auftreten. Gehen wir nun zur Funktion des alternden Gehirns über.

4.2.4

Durchblutung

Das Gehirn zählt zu den Organen mit einem hohen Energieverbrauch. Dies ist sowohl an der starken Durchblutung als auch an dem hohen Sauerstoffbedarf zu erkennen. Die einzelnen Abschnitte des zentralen Nervensystems zeigen jedoch erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Durchblutungsgröße. Unter physiologischen Bedingungen wird die Durchblutung autoregulativ gesteuert. Änderungen von pC>2 und pCCh im Blut und im Gehirngewebe beeinflussen die Autoregulation der Gehirngefäße. Eine Senkung des pChoder eine Zunahme von pCC>2 im Blut führt zu einer deutlichen Abnahme der Autoregulation. Voraussetzung für eine ungestörte Gehirndurchblutung ist die Aufrechterhaltung eines normalen Blutdrucks. Die Gehirndurchblutung steigt mit zunehmendem und sinkt mit fallendem Blutdruck. Zwischen Herz- und Gehirnfunktion findet sich eine enge Korrelation. So konnte Gottstein unter etwa 2200 Patienten mit einer Herzinsuffizienz bei den über 65jährigen Patienten in etwa 40% reversible Hirnleistungsinsuffizienzen beobachten. Von diesen Patienten zeigte sich bei circa 75% eine absolute Arrhythmie, die sich in der Regel ungünstig auf die zerebrale Zirkulation auswirkt. Eine Herzinsuffizienz, die zu einer chronischen Lungenstauung führt, kann durch eine reaktive Polyglobulie — Hämatokrit über 45% — die Blutviskosität stark erhöhen und damit die Hirnzirkulation ungünstig beeinflussen. Das Gehirn verfügt als eines der stoffwechselaktivsten Organe des menschlichen Organismus über keine Energiereserven, die es gestatten, eine vorübergehende Störung in der Substratzufuhr zu überbrücken; es ist daher auf eine ständige Energiezufuhr angewiesen. Bilanzmäßig wird diese Energie in erster Linie durch den oxydativen Abbau von Glukose gewonnen. Ein Teil der vom Gehirn aufgenommenen Glukose wird nicht oxydativ metabolisiert, sondern nach dem glykolytischen Abbau in Form von Milchsäure an das venöse Blut

210

D. Platt

des Gehirnkreislaufs abgegeben. Bernsmeier und Gottstein konnten zeigen, daß die Durchblutung nach dem 50. Lebensjahr abnimmt, während der Gefäßwiderstand im gleichen Zeitraum ansteigt. Gleichzeitig fanden sie eine Abnahme des Glukose- und Sauerstoffverbrauches. Diese Autoren wiesen ebenso wie Bodechtel darauf hin, daß sich Durchblutungsgröße und Sauerstoffverbrauch des Gehirns — bezogen auf 100 g Gehirngewebe — unter physiologischen Bedingungen altersabhängig kaum verändern, während vor allem zerebralsklerotische, also krankhafte Prozesse bei einem unausgewählten Probandengut eine altersabhängige stärkere Verminderung vortäuschen.

4.2.5

Stoffwechsel — Neurotransmitter

Im Rahmen der Besprechung morphologischer Aiternsveränderungen wurde auf Unterschiede zwischen den Ganglienzellen und den Nervenbahnen hingewiesen. Selbstverständlich unterscheiden sich graue und weiße Substanz auch in der chemischen Zusammensetzung. Ganglienzellen besitzen einen sehr aktiven Ribonucleinsäurestoffwechsel. Im Aminosäurestoffwechsel nehmen Glutamin und Glutaminsäure eine besondere Stellung ein — die Konzentration beträgt das Zwei- bis Dreifache des Glukosegehaltes. Die chemische Zusammensetzung des Nervengewebes unterscheidet sich deutlich von anderen Organen, wobei der hohe Lipidgehalt (60% in der weißen Substanz, 40% in der grauen Substanz) das charakteristische Merkmal ist. Phosphatidylinosit und Phosphatidylcholin weisen einen sehr intensiven Stoffwechsel auf, der jedoch eine altersabhängige Abnahme erkennen läßt. Während das Gewicht des menschlichen Gehirns beim Erwachsenen etwa 2% des Körpergewichts beträgt, werden im Ruhezustand 20% des aufgenommenen Sauerstoffs dem Organ zugeführt. Diese Energie ist notwendig, um an den Nervenmembranen ein Ionenkonzentrationsgefalle zu gewährleisten. Änderungen des Ruhepotentials der Nervenzellmembranen werden registriert. Bei Überschreiten eines bestimmten Schwellenwertes wird in der Ganglienzelle ein Aktionspotential ausgelöst und über die Nervenfaser bis an die Synapse weitergeleitet. Die Ankunft eines Nervensignals bewirkt die Freisetzung von Transmittermolekülen aus dem Ende der Nervenfaser; sie diffundieren durch den Spalt und reagieren mit Rezeptoren in der Membran der Nervenzellen. Man unterscheidet erregende und hemmende Neurotransmitter, die in den einzelnen Gehirn-Arealen unterschiedlich verteilt sind. Es soll im folgenden kurz auf jene Neurotransmitter eingegangen werden, bei denen aiternsabhängige Untersuchungen am Menschen oder an verschiedenen Tierspezies durchgeführt wurden. Es handelt sich um Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin und Gamma-Aminobuttersäure.

Gehirn

4.2.6

211

Acetylcholin

Acetylcholin wird in der Nervenzelle aus Cholin — an den präsynaptischen Endplatten aufgenommen — und Acetyl-Coenzym A mit Hilfe des Enzyms Cholin-Acetyl-Transferase synthetisiert. Der den Umsatz begrenzende Faktor scheint die Aufnahme von Cholin in die präsynaptischen Endplatten zu sein. Altersabhängige Aktivitätsmessungen der Cholin-Acetyl-Transferase zeigen je nach Lokalisation im Gehirn oder je nach Spezies (Mensch, Nagetiere) unterschiedliche Ergebnisse. Insgesamt ist mit zunehmendem Alter eine geringe Verminderung der Cholin-Acetyl-Transferase-Aktivität nachweisbar. Dieses Enzym ist jedoch nicht der begrenzende Faktor bei der Biosynthese von Acetylcholin. Die nachgewiesene verminderte, aiternsabhängige AcetylcholinSynthese muß daher durch eine Verringerung der Cholinaufnahme während des Alterns bedingt sein. Die Wirkung von Acetylcholin an den Synapsen, die eng mit Permeabilitätsänderungen der Axonmembran gekoppelt ist, wird durch die Acetylcholinesterase terminiert. Dieses Enzym hydrolysiert und inaktiviert Acetylcholin innerhalb von 0,1 ms. Wie bei den Aktivitätsmessungen der Cholin-Acetyl-Transferase zeigen auch die Ergebnisse hinsichtlich der Acetylcholinesterase keine einheitlichen Daten in verschiedenen Studien. So wurden zum Beispiel in senilen Plaques des menschlichen Gehirns erhöhte Acetylcholinesterase-Aktivitäten gefunden. Die cholinerge Rezeptorbindung wird mit zunehmendem Alter geringer, wobei die Änderung primär die Zahl der Bindungsstellen und weniger die Affinität des Rezeptors für den Liganden betrifft. Das cholinerge System wird mit Gedächtnisfunktionen in Zusammenhang gebracht. So ergaben sich in Ernährungsstudien, wo man über lange Zeit Cholin zugeführt hatte, eindeutige Verbesserungen der Gedächtnisleistungen. Erfolglose therapeutische Maßnahmen beim Menschen können nach Bartus vielleicht dadurch erklärt werden, daß die Therapie erst zu einem Zeitpunkt begonnen hatte, an dem bereits irreparable Schäden am cholinergen System aufgrund des fortgeschrittenen Alters bestanden.

4.2.7

Noradrenalin

Noradrenalin, in den noradrenergen Synapsen in kleinen Granula strukturgebunden gespeichert, hat mit dem Neurotransmitter Dopamin mehrere Enzyme bei Synthese und Abbau gemeinsam. Es ist daher verständlich, daß eine Abnahme der Tyrosinhydroxylase-Aktivitäten zu verminderter NoradrenalinSynthese führt. Noradrenalin stimuliert am Rezeptor die membrangebundene

212

D. Platt

Adenyl-Zyklase der Effektorzelle. Adrenerge Beta-Rezeptoren nehmen im Kleinhirn altersabhängig ab. Ebenso wurden altersabhängige Veränderungen der Noradrenalin-Spiegel im Gehirn nachgewiesen.

4.2.8

Dopamin

Dopamin (3,4-Dihydroxyphenylethylamin) ist im ZNS weit verbreitet. Die Synthese erfolgt über die Aufnahme von Tyrosin, das durch DOPA-Dekarboxylase zu Dopamin umgewandelt wird. Eine DOPA-Dekarboxylase dekarboxyliert DOPA zu Dopamin. Aiternsabhängige Aktivitätsmessungen der Tyrosinhydroxylase zeigen in zahlreichen Untersuchungen eine Abnahme; ebenso finden sich aber auch Publikationen, in denen Aktivitätssteigerungen gefunden wurden. Diese unterschiedlichen Ergebnisse sind zum größten Teil dadurch zu erklären, daß verschiedene Methoden für die Aktivitätsbestimmungen angewandt wurden. Aktivitätsänderungen der Tyrosinhydroxylase sind offensichtlich wichtiger als die der DOPA-Dekarboxylase. Den limitierenden Faktor in der DopaminSynthese stellt die Tyrosinhydroxylase dar, die etwa 20% der Konzentration der DOPA-Dekarboxylase im Gehirn stellt. Über die physiologischen aiternsabhängigen Änderungen des Neurotransmitters Dopamin hinaus findet sich ein starker Abfall von Dopamin beim Morbus Parkinson, vor allem in der Substantia nigra und im Corpus striatum. Die MonoaminooxydaseAktivität steigt mit zunehmendem Alter im Gehirn, im Serum und in den Thrombozyten des Menschen an. Wie der Neurotransmitter Noradrenalin ist auch der Dopamin-Rezeptor mit cAMP gekoppelt. Aiternsabhängig finden sich bei verschiedenen Nagern Verminderungen von cAMP im Nucleus caudatus, in der Substantia nigra und im Corpus striatum. Die Stimulierung der Adenylat-Zyklase durch Dopamin zeigt aiternsabhängig eine Abnahme.

4.2.9

Serotonin

Serotonin wird im Gehirn in gebundener Form gespeichert. Diejenigen Zellen, die Serotonin (5-Hydroxytryptamin) enthalten, sind weit über das Nervensystem verstreut. Serotonin wird im Gehirn aus Tryptophan synthetisiert, wobei der Hydroxylierungsschritt durch die Tryptophanhydroxylase der geschwindigkeitsbegrenzende Faktor zu sein scheint. Untersuchungen an menschlichen Gehirnen ergaben eine signifikant negative Korrelation zwi-

Gehirn

213

sehen dem Alter der Patienten und der Serotonin-Konzentration in der Pons, dem Hypothalamus, der Substantia nigra und den Corpora amygdalae. Man unterscheidet zwei Rezeptortypen, und zwar 5-Hydroxytryptamin und 5-Hydroxytryptamin2, die im zentralen Nervensystem eine unterschiedliche Verteilung aufweisen und auch eine differente Spezifität für Ligenden haben. Aiternsabhängige Studien ergaben eine herabgesetzte Bindung von 5-Hydroxytryptamin an Rezeptoren von Rindenschnitten alter Menschen.

4.2.10 Gamma-Aminobuttersäure Die Gamma-Aminobuttersäure ist das biogene Amin der Glutaminsäure. Glutamat wird durch das Enzym Glutaminsäure-Dekarboxylase, das sich ausschließlich im Nervensystem befindet, in Gamma-Aminobuttersäure (GABA) übergeführt. Aktivitätsänderungen der Glutamat-Dekarboxylase in Abhängigkeit vom Alter wurden in verschiedenen Arealen des Gehirns nachgewiesen. Ein aiternsabhängiger Enzymaktivitätsabfall wurde im Corpus striatum und in den Basalganglien des Menschen, nicht dagegen im Putamen nachgewiesen. Untersuchungen der GABA-Konzentration im Liquor von Patienten mit Multiinfarktdemenz ergaben erhöhte Werte. Im Gegensatz dazu zeigte sich bei Patienten mit Alzheimerscher Krankheit keine Änderung der GABA-Konzentration. Die GABA ist ein inhibitorischer Transmitter des zentralen Nervensystems; hingegen wirkt Glutamat, aus dem die GABA durch Dekarboxylierung entsteht, an der Nervenzelle exzitatorisch. Eine Verminderung der Gamma-Aminobuttersäure-Konzentration führt daher zu erhöhter Erregbarkeit des Nervensystems. Die synaptische Inaktivierung der GammaAminobuttersäure erfolgt durch Wiederaufnahme. Aiternsabhängige Untersuchungen am Kleinhirn, an der Hirnrinde, am Corpus striatum und am Hirnstamm zeigten keine Änderung der GABA-Rezeptorbindung, während sie in der Substantia nigra und im Hypothalamus signifikant abgenommen hatte. Gamma-Aminobuttersäure fördert die Benzodiazepin-Bindung.

Literatur Bernsmeier, A., H. Gottstein: Verh. dtsch. Ges. Kreisl.-Forsch. 24 (1958) 248-253. Gibson, G. W., C. Peterson, D. J. Jenden: Science 213 (1981) 674-676. Haug, H.: Nervenheilkunde 4 (1985) 103-109. Platt, D.: Altern — Zentralnervensystem, Pharmaka, Stoffwechsel. F. K. Schattauer, Stuttgart, New York 1974.

214

D. Platt

Platt, D.: Gerontology — Present State and Research Perspectives in the Experimental and Clinical Gerontology. Springer, Berlin —Heidelberg —New York —London—Paris—Tokyo—Hongkong 1989. Samuel, D., S. Gershon, V. E. Grimm, G. Toffano: Aging of the brain, Vol. 22, Raven Press, New York 1983. Tallis, R.: The Clinical Neurology of old age. John Wiley & Sons, Chichester —New York — Toronto — Brisbane — Singapore 1989.

4.3

Geruchs- und Geschmacksorgane

K.-H.

Plattig

4.3.1

Einleitung

Geruch und Geschmack gelten für den Menschen als nicht lebensnotwendig — allerdings zu Unrecht! Werden diese chemischen Sinnesmodalitäten oder auch nur eine von beiden durch Unfall oder berufliche Schädigung in ihrer Funktion beschnitten, erhält der Betroffene meist keine und wenn, dann nur eine geringe Entschädigung: die Minderung der Erwerbsfähigkeit MdE wird zu Rentenberechnungen selten über 10% eingeschätzt; nur Meisterköche, Parfumeure, Weinprüfer und ähnliche Berufsgruppen erhalten mehr. Mit ein Grund für die Geringschätzung dieser aus anderen Gründen, nämlich wegen ihrer Beeinflussung tieferer, weit unten in der Seele angesiedelter Personalitätsstrukturen, so genannten „Niederen Sinne" ist die geringe sensorische Klarheit der durch sie vermittelten Empfindungen und Wahrnehmungen. Vergleicht man sie mit denen, die uns über Gesicht und Gehör erreichen, kann ein Patient oder eine Versuchsperson oft gar nicht recht sagen, ob er etwas riecht oder aber schmeckt, und „Anosmiker", die den Geruch verloren haben, klagen nur, daß ihnen das Essen nicht mehr „schmeckt". Dennoch sind Geruch und Geschmack auch für den Menschen wichtig: für die Kontrolle der Nahrungsaufnahme, für Sexualkontakte und somit für die Fortpflanzung und für eine Kontrolle der Umwelt und ihrer stofflichen Belastung allgemein. Die wichtigste Rolle dabei spielt der Geruch, der im Ganzen komplexer und auch empfindlicher ist als der von Struktur und Funktion her einfachere Geschmack. Das Alter reduziert alle Funktionen, und es verlieren alle Sinne an Schärfe, diese Aussage erscheint fast zu alltäglich. Zwar spielt für die Einschränkung der Umweltbeziehung alter Menschen die Minderung des Hörvermögens und danach erst des Sehens die größte Rolle, aber eine Verschlechterung von Geruch und Geschmack mindert nicht nur die Lebensqualität fast ebenso wie Taubheit oder Blindheit, sie führt sogar nicht selten zu Fehlernährung, die andere Altersreduktionen wieder verschlimmert. Morley und Silver postulieren eine richtiggehende „Alters-Anorexie", die sich aus dem im Alter nicht seltenen Gewichtsverlust entwickeln soll. Sie stützen sich dabei auf den mit

216

K.-H. Plattig

zunehmendem Alter stärkeren Sättigungseffekt des postprandial ausgeschütteten Cholecystokinins, wie aus Versuchen an Ratten und Mäusen bekannt, diskutieren aber auch eine veränderte Endorphinfreisetzung, Minderung der Neurotransmitter Noradrenalin oder/und Neuropeptid Y'(v. a. bei M. Alzheimer) oder Überschuß an CTRH (Corticotropin Releasing Hormone), letzteres v. a. bei altersdepressiven Menschen. Hinsichtlich der Beteiligung an dieser gravierenden Fehlernährung ist der in der Funktion einfachere Geschmack wesentlich besser gerontologisch und geriatrisch durchuntersucht als der Geruch, wie ein Blick in das (keineswegs vollständige) Literaturverzeichnis zeigt: quantitative Funktionsprüfungen sind in der Praxis mit gasförmigen Odorantien schwieriger als mit Geschmackslösungen!

4.3.2

Altersveränderungen der Geschmacksempfindung

1981 referieren Chauncey und Wayler den „modifizierenden Einfluß des Alters auf die Geschmacksempfindung" (mit 110 Literaturangaben), ohne aber Quantitatives anzugeben. Weiffenbach berichtet über Untersuchungen von Baum (1981), wonach 5% junger Menschen, aber 11,6 — 12,5% der älteren und alten über subjektive Minderung der „Geschmacksschärfe" klagen. Viel untersucht sind Veränderungen des Appetits auf Salz und der Kochsalzaufnahme, einmal im Laufe des Lebens, zum anderen in Abhängigkeit vom mit dem Alter meist ansteigenden Blutdruck. Die Ergebnisse sind z. T. noch widersprüchlich, deuten aber an, daß Salzpräferenzen im Alter ansteigen, was aber nicht durch übermäßige Salzaufnahme in der Jugend verursacht ist. Für süß fanden Michels et al. am Pinseläffchen dagegen keine Altersabhängigkeit. Für den Menschen haben Susan Schiffman und ihre Mitarbeiter seit den siebziger Jahren viele präzise Befunde zur Abnahme der Freude am Essen, des Erkennungsvermögens für Speisen und zum Schwellenanstieg für viele Geschmacks- (und Geruchs-)Reize erhoben, die dort nachgelesen werden können. Plattig et al. und Thumfarth et al. zeigten 1978/80 elektrogustometrisch den Schwellenanstieg vom 10. zum 70. Lebensjahr an 79 bzw. 148 Probanden. Kurzum, die Verschlechterung der Schwellen und des Erkennungsvermögens für Geschmacksstoffe ist vielfach gesichert, doch betonen Grzegorczyk et al. aufgrund von Forced-choice-Versuchen an 76 23- bis 92jährigen schon 1979, daß die altersbedingte Abnahme des Erkennungsvermögens für salzig in manchen Berichten übertrieben erscheint — wohl adaptationsbedingter Ungenauigkeiten bei der experimentellen Prüfung wegen. Die Ungereimtheiten in den skizzierten Ergebnissen veranlaßten Linda M. Bartoshuk unlängst provokativ zu fragen: Ist der Geschmack nicht robust über das ganze Leben?

Geruchs- und Geschmacksorgane

217

Offen bleibt aus den psychophysischen Versuchen am Menschen und den Konditionierungen am Tier, ob die Verhaltensänderungen, wenn sie bestätigt werden, auf Störungen der zentralnervösen Verarbeitung, auf Verlusten an den Strukturen der Geschmacksverarbeitung oder auf beiden beruhen.

4.3.3

Altersveränderungen an den Strukturen der Geschmacksverarbeitung

Schon lange bekannt ist, daß die menschlichen Geschmackszellen im Laufe des Lebens von 8 — 12000 auf 2 — 3000 abnehmen und daß die Zahl der Geschmacksknospen auf den Wallpapillen (zu je 10 — 70 auf der Einzelpapille) von 245 in den ersten beiden Lebensdekaden bis zum 65. Lebensjahr nur leicht auf 208, dann aber bis zum 85. auf 88 abnimmt. Da die Geschmackszellen einer lebhaften Mauserung (Halbwertszeit bei Ratten ca. 250 Stunden) unterliegen, klingt das auch sehr plausibel, da die entsprechenden Zellteilungen der Basalzellen in den Geschmacksknospen im Alter langsamer ablaufen. 1984 hat aber Charlotte Mistretta gestützt auf Versuche an Affe und Mensch die anatomischen und neurophysiologischen Altersveränderungen für Geruch und Geschmack zusammengestellt, und ihre Arbeitsgruppe hat seither zahlreiche weitere Befunde erhoben. Wichtig ist darunter besonders, daß alte Frösche (23 — 24 Monate) gegenüber 5 — 7 Monate jungen keinen Unterschied in Anzahl und Form der Geschmacksknospen zeigten, und daß an 344 jungen und alten Fischer-Ratten die Pilzpapillen im Alter von 4 — 6 Monaten 99,6% Geschmacksknospen aufwiesen; mit 20 — 24 Monaten waren es 99,3 und mit 30 — 37 Monaten nur noch 94,7%. Letzteres paßt, aber ersteres steht im strikten Gegensatz zur oben reportierten Abnahme beim Menschen. Tatsächlich hat Kristina Arvidson schon 1979/80 auf die beim Menschen besonders starke Streuung der Geschmackszell- und -knospenzahlen hingewiesen, was von Inglis Miller 1989 bekräftigt wurde. Betrachtet man die rezeptiven Felder einzelner Fasern der Chorda tympani beim Schaf, dann sinken darin die Anzahlen der Pilzpapillen mit dem Alter. Demnach sind also alle diese bisherigen Aussagen unter strengen experimentellen Kriterien zu überprüfen.

4.3.4

Alters Veränderungen der Geruchsempfindung

Beim Geruch sind präzise Daten zur Altersabhängigkeit von Schwellenverhalten und Empfindung seltener und z. T. noch widersprüchlicher als beim Geschmack. Plattig et al. und Thumfart et al. stellten 1980, Weiss 1959

218

K.-H. Plattig

Literaturangaben zusammen, die ziemlich einhellig, allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß, eine Geruchsminderung mit dem Alter feststellen. Schiffman et al. finden für unterschiedliche Riechstoffe und Nahrungsmittel wie auch Pyrazine Anstieg der Schwellen auf das 2,5- bis 11 fache (8 20- bis 26jährige Studierende, von denen 2 gelegentlich rauchten, verglichen mit 20 78- bis 90jährigen Nichtrauchern). Sie betonen dazu die Verschiedenheit der Schwellensteigerungen für unterschiedliche Riechstoffe, die z. T. sehr ähnlich riechen, aber dagegen steht das Postulat anderer Untersucher einer Riechminderung im Alter — ein weiterer Hinweis auf das dringende Bedürfnis, die molekularen Vorgänge bei der Riechzellenerregung zu klären! Interessant sind auch weitere Befunde, daß der Geruch im Alter schneller adaptiert bzw. habituiert, aber langsamer deadaptiert bzw. dishabituiert.

4.3.5

Altersveränderungen an den Strukturen der Geruchsverarbeitung

Auch die Riechzellen in der Nase zeigen eine gewisse „Mauserung", die aber meist nur nach Schäden reparativ eingesetzt wird. Auszählungen der menschlichen oder auch tierischer Riechzellen über die Spanne des Lebens scheinen aber nicht vorzuliegen. Doch konnte ermittelt, aber nicht statistisch gesichert werden, daß die Länge des Bulbus olfactorius bei 8 obduzierten Frauen (25 — 102 Jahre alt) von 14,5 auf 7,9 —12,8 mm abnimmt und daß sich die Mitralzellenzahl (hochgerechnet aus Einzelschnittauszählungen) hochsignifikant von 50.935 (25j.) über 32.718 (60j.) auf 14.501 (95j.) verringert. Schlimmere Veränderungen sind — ohne Altersabhängigkeit — an AlzheimerKranken für Bulbus olfactorius und Nucleus olfactorius ant. beschrieben. Doty geht nicht nur auf Alzheimer-, sondern auch auf Parkinson- und Huntington-Patienten ein, bei denen immer wieder Riechschäden auftreten. Für M. Alzheimer wird ja sogar eine Beteiligung des Riechsystems nicht nur im Sinne einer Schädigung, sondern als Eintrittspforte in den Organismus diskutiert, was möglicherweise mit den raschen Zellteilungen im olfaktorischen Sinnesepithel und den zugehörigen intensiven Transportprozessen zusammenhängt.

4.3.6

Ausblick

Auf die Bedeutung der Sinnesmodalitäten Geruch und Geschmack v. a. für die Regulation der Nahrungsaufnahme im Alter wurde eingangs schon hingewiesen; der von Murphy et al. herausgegebene Tagungsband vermittelt dazu

Geruchs- und Geschmacksorgane

219

viele weitere Informationen. Daß die „korrekte" (gemessen an den Verhältnissen im Jugend- und Erwachsenenalter) sensorische Verarbeitung von Sättigungs- und/oder Hungersignalen im Alter Fehlinformationen und Fehlverhalten nach sich ziehen und zu Dehydration oder Mangelernährung führen kann, wurde ebenfalls erwähnt. Interessant sind dazu Rattenversuche von Messier und White, die von Gonder-Frederick vielversprechend auf ältere Menschen übertragen wurden: im Überschuß — über das physiologische Sättigungsgefühl hinaus, sozusagen zwangsweise — zugeführte Glukose mit hyperglykämischen Blutzuckerwerten verbesserte beim Tier erlerntes Schock-Vermeidungsverhalten (conditioned avoidance of electric shock) und bei 9 von 11 Menschen das Erinnerungsvermögen in verschiedenen psychologischen Tests (Wechsler Memory Scale, Paired Associate Word List, Nacherzählung, Behalten von Finger-Abständen, visuelles Gedächtnis) deutlich. Ob eine zeitweilige oder längerdauernde Überfütterung mit Glukose auf Dauer praktikabel sein kann und damit etwa die allgemein bekannte, aber auch vielfach belegte Gedächtnisverschlechterung im Alter hintanhalten kann, oder zu Schäden (z. B. Übergewicht und Hyperglykämie mit allen bekannten Konsequenzen) führt, muß noch gesichert werden. Das Beispiel zeigt aber, daß die oft vernachlässigten chemischen Sinne Geruch und Geschmack in ihrer Kooperation mit den Allgemeingefühlen Hunger und Durst gerade für Ältere ebenso wichtig sein können wie die höheren Fernsinne Gesicht und Gehör.

Literatur Morley, J. E., A. J. Silver: Anorexia in the elderly. Neurobiol. Aging 9 (1988) 9 — 16. Murphy, C.: Taste and smell in the elderly. In: H. L. Meiselman, R. S. Rivlin (Eds.): Clinical Measurement of Taste and Smell, pp. 343 — 371. Macmillan, New York, N. Y. 1986. Murphy, C., W. S. Cain, D. M. Hegsted (Eds.): Nutrition and the Chemical Senses in Aging: Recent Advances and Current Research Needs. Ann. N.Y. Acad. Sci. 561 (1989). 338 pp. Plattig, K.-H.: Electrophysiology of taste and smell. Clin. Physics Physiol. Meas. 10 (1989) 9 1 - 1 2 6 . Schiffman, S. S.: Changes in Taste and Smell with Age: Psychophysical Aspects. In: J. M. Ordy and K. Brizzee (Eds.): Sensory Systems and Communication in the Elderly (Aging, Vol. 10), pp. 2 2 7 - 2 4 6 . Raven Press, New York 1979.

4.4 D.

Haare Platt

Als Hauptprotein enthalten die Haare das Keratin, das einen hohen Gehalt (etwa 15%) an Cystin aufweist. Diese Aminosäure ist für die Konstanz der Form sowie die mechanischen Eigenschaften verantwortlich. Die fibrillären Keratine sind in wässrigen und organischen Lösungsmitteln unlöslich. Man unterscheidet in den Haaren 3 Hauptgruppen von Proteinen: 1. Schwefelarme Proteine, mit einem relativ geringen Cystingehalt (Mikroflbrillen innerhalb des Haares), 2. schwefelreiche Proteine, mit hohem Cystingehalt und 3. Tyrosin- und Glycin-reiche Proteine. Die beiden letzten Proteine werden vorwiegend in der Haarmatrix nachgewiesen. Darüber hinaus findet man in den Haaren noch Spurenelemente sowie Cholesterine.

Abb. 1 Durchmesser von Rattenhaaren unterschiedlichen Alters. A: 50 |im distal der Haarwurzel; B: 2 mm distal der Haarwurzel.

Haare

221

Abb. 2 a

Abb. 2 b Abb. 2

Rasterelektronenmikroskopie von Rattenhaaren a) 6 Monate, männlich, 50 um distal der Haarwurzel; b) 36 Monate, männlich, 50 |im distal der Haarwurzel. Unebene Oberfläche (Pfeil).

222

D. Platt

Aiternsabhängige Untersuchungen an Haaren sind relativ spärlich. Das „Ergrauen der Haare" ist kein Zeichen des kalendarischen Alters, da es auch bereits — genetisch bedingt — im mittleren Lebensalter auftreten kann. Die Haardichte nimmt mit zunehmendem Alter ab — der Durchmesser der Haare wird geringer (Abb. 1), ebenfalls nimmt die Haarwachstumsgeschwindigkeit ab. Der Anteil, der sich in der telogenen Wachstumsphase befindlichen Haarfollikel nimmt zu. Die Haare sind mit zunehmendem Alter weniger dehnbar und weniger reißfest. In neuesten Untersuchungen mit Hilfe der RasterElektronen-Mikroskopie konnten an Rattenhaaren deutliche Änderungen der Oberfläche nachgewiesen werden. So zeigte sich bei alten Ratten eine deutliche Abnahme der Schuppenlänge sowie eine unregelmäßige Randkontur und ein unebenes Oberflächenrelief (Abb. 2) mit zahlreichen Einschlüssen von Luftvakuolen. Letztere werden im Zusammenhang mit einem herabgesetzten Melaningehalt ursächlich für das Ergrauen der Haare verantwortlich gemacht. Neueste chemisch-analytische Untersuchungen über Veränderungen der strukturgebenden Haarproteine weisen für einzelne Aminosäuren eine signifikante aiternsabhängige Konzentrationsänderung auf. Aus acht Altersgruppen zwischen einem Monat und drei Jahre alten Sprague-Dawley-Ratten wurde die Aminosäurenzusammensetzung der Haare untersucht. Die Ergebnisse zeigen, daß zwischen den drei Monate alten und den l/2jährigen Tieren die Konzentrationen von Isoleucin und Valin hochsignifikant ansteigen, während die übrigen Aminosäuren gleichbleibende oder rückläufige Konzentrationswerte aufweisen. In den mittleren Altersgruppen zwischen 12 und 24 Monaten findet man bei fast allen Aminosäuren verminderte Konzentrationen, während im Alter von 30 Monaten erneut Konzentrationsanstiege nachweisbar sind, die in etwa den primären Konzentrationsmaxima der jeweiligen Aminosäure entsprechen. Unter Berücksichtigung von Ernährung, Umweltfaktoren und Stoffwechselerkrankungen können Haare bedingt als Indikator biologischer Aiternsphänomene herangezogen werden.

Literatur Funk, R., D. Platt, A. Vogel: REM studies on age related changes in the surface structures of rat hairs. Arch. Gerontol. Geriatr., 9 (1989) 2 7 1 - 2 7 6 . Krause, C., M. Chutsch: Haaranalyse in Medizin und Umwelt. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart-New York 1987.

4.5

Herz

H. Frenzel und B.

Schwartzkopff

Altern ist ein dynamischer Prozeß, dessen Ablauf durch genetische Faktoren, individuelles Verhalten und Umwelteinflüsse bestimmt wird. Altersassoziierte Veränderungen des Herzens haben für die Lebensqualität und für die Lebenserwartung große Bedeutung. Die meisten alten Menschen versterben am Herzversagen. Es gibt daher umfangreiche morphologische Untersuchungen an den Herzen alter Menschen. Eine Veränderung, die beweisend und damit spezifisch für hohes Alter wäre und das Versagen des Herzens alter Menschen verständlich machen würde, ist bisher nicht bekannt. Altersforscher wie Linzbach und Pomerance haben vielmehr gefunden, daß die Häufigkeit, mit der pathologische Veränderungen am Herzen auftreten und die Anzahl krankhafter Prozesse pro Herz mit zunehmendem Alter ansteigen. Sie entwickelten aus dieser Erkenntnis das Konzept der Polypathie des Herzens alter Menschen. Nicht ein altersspezifischer Prozeß, sondern die Vielzahl krankhafter Veränderungen an einem Herzen limitiert das Leben der meisten alten Menschen. Das Altern des Herzens ist damit phänotypisch ein Vorgang, der mehr mit quantitativen als mit qualitativen Veränderungen einhergeht. Unter Aiternsveränderungen des Herzens verstehen wir nicht nur die wenigen Veränderungen, die nahezu ausschließlich im hohen Alter vorkommen, sondern auch jene, die gelegentlich schon im jüngeren Alter auftreten können, bei alten Menschen hingegen mit großer Regelmäßigkeit angetroffen werden. Nicht die krankhafte Veränderung selbst, sondern die Zunahme ihrer Zahl pro Herz ist charakteristisch für das Alter.

4.5.1

Herzgewicht

Untersuchungen von Linzbach haben ergeben, daß das Herz im Alter nicht atrophisch wird, sondern an Gewicht zunimmt. Aus den Gewichten der Herzen von 3951 Männern und 3161 Frauen zwischen dem 1. und dem 109. Lebensjahr in einem nicht selektionierten Sektionsgut wurde eine Gewichtszunahme pro Jahr von 1 g bei Männern und 1,4 g bei Frauen zwischen dem 30. und 80. Lebensjahr ermittelt. Erst in der 10. und 11. Lebensdekade nahmen die Herzgewichte wieder ab, lagen aber auch dann immer noch über dem Gewicht bei 30jährigen. Die gleichmäßige Zunahme des Herzgewichts vom 30. Lebensjahr an geht parallel mit einer kontinuierlichen Erhöhung des arteriellen Blutdruckes.

224

H. Frenzel und B. Schwartzkopff

Daraus wurde geschlossen, daß die Zunahme des Herzgewichts im Alter eine Anpassung an einen erhöhten Blutdruck darstellt. In echokardiografischen Untersuchungen wurde eine Zunahme der diastolischen linksventrikulären Wanddicke gefunden. Im Myokardbiopsien korrelierte der Durchmesser der Herzmuskelzellen direkt mit dem Alter und dem Blutdruck. Auch in Nachbarschaft von Myokardinfarkten, die erst im hohen Alter auftraten, sind häufig deutlich verdickte Muskelfasern zu beobachten. Daraus wird deutlich, daß auch im hohen Alter ein Hypertrophiewachstum des Herzens noch möglich ist. Hierbei sind jedoch Spezies-Unterschiede zu berücksichtigen. Nach einer experimentellen Aortenkonstriktion bei alten Ratten war das Hypertrophiewachstum der linken Herzkammer im Vergleich zu jüngeren Tieren reduziert. Andere Autoren begründen die Zunahme des Herzgewichts im Alter weniger durch eine Muskelfaserhypertrophie als durch eine Zunahme des subepikardialen Fettgewebes und eine Vermehrung von Bindegewebe, Lipiden und Kalk in den Herzklappen und Klappenringen. Die nur selten vorkommende sog. senile Altersatrophie des Herzens ist wohl eher eine sekundäre Atrophie im Rahmen einer Kachexie.

4.5.2

Herzkonfiguration

Das Herz alter Menschen zeigt eine Tendenz, an der Basis breiter zu werden bei gleichzeitiger Verkürzung der Herzachse. In echokardiografischen Untersuchungen wurde beim Vergleich von 18- bis 23jährigen mit 43- bis 93jährigen eine Vergrößerung des linken Vorhofes um 20% ermittelt. Die Verbreiterung an der Herzbasis wird mit einer Zunahme des Umfanges der Klappenringe in Verbindung gebracht. Das Kammerseptum zeigt in den Herzen alter Menschen nicht selten eine S-förmige Umformung, die mit einer Prominenz unterhalb der Aortenklappe einhergehen kann. Dadurch entsteht eine Verwechslungsmöglichkeit mit einer hypertrophisch obstruktiven Kardiomyopathie.

4.5.3

Herzklappen

An den Herzklappen treten mit zunehmendem Alter eine Verdickung und Versteifung des Klappengewebes auf, die sich ungünstig auf die Funktion der Klappen auswirken können. Für die pathogenetische Bedeutung der Druckbelastung spricht der ganz überwiegende Befall von Aorten- und Mitralklappen. Man findet eine diffuse, am Schließungsrand auch noduläre Fibrose und herdförmige Lipideinlagerungen bei fast allen Menschen oberhalb des 55. Lebensjahres. Die Ablagerung der Lipide beginnt in den Endothelzellen durch Insudation aus dem Blut und greift später auch auf tiefere Schichten

Herz

225

Abb. 1 Kalzifikation des Anulus fibrosus der Mitralklappe.

der Klappe über, der Gehalt an Lipiden kann nahezu verdoppelt werden. Die Zahl mesenchymaler Zellen im Klappengewebe nimmt dabei ab. Eine typische Veränderung an den Herzklappen alter Menschen ist eine Kalzifikation von Mitralklappenring und Aortenklappen. Zusammen mit einer Kalzifikation der Kranzarterien werden sie als sog. seniles kardiales Kalzifikationssyndrom bezeichnet. Eine Verkalkung des Anulus fibrosus der Mitralklappe fand Pomerance bei 52% der sehr alten Menschen, bei Frauen zweimal so häufig wie bei Männern. Dadurch kann es zu einer Raffung des hinteren Mitralklappensegels kommen, die Folge sind Herzgeräusche, gelegentlich Reizleitungsstörungen, nur in sehr schweren Fällen resultiert eine funktionelle Störung der Mitralis mit vorwiegender Insuffizienz. Eine Aortenklappensklerose sieht man bei etwa 30% der über 80jährigen Menschen. Die Verkalkung beginnt am Ansatzring der Klappe, eine Verwachsung der starren Klappen bleibt aus. Etwa einem Drittel der Aortenklappenstenosen im Alter liegt eine senile degenerative Verkalkung zugrunde. Die Ätiologie der Verkalkung ist unbekannt, meist besteht eine Korrelation mit dem Schweregrad der verkalkenden Arteriosklerose der Aorta.

4.5.4

Gefäßsystem

4.5.4.1 Epikardiale Kranzarterien Die Struktur der großen epikardialen Kranzarterien zeigt eine ausgeprägte Altersabhängigkeit. Bei 30jährigen hat die Intima bereits die gleiche Breite

226

H. Frenzel und B. Schwartzkopff

wie die Media. Fast alle alten Menschen haben eine Koronarsklerose, bei über 80jährigen wurde sie von Linzbach etwa in der Hälfte der Fälle als mittelgradig bis schwer beurteilt. Bei über 100jährigen liegt eine Koronarsklerose sogar in 80% vor. Der Grad der Obstruktion der epikardialen Kranzarterienäste steigt mit dem Lebensalter an. In einer Obduktionsstudie wurden bei 70% der 90jährigen oder älteren ein oder mehrere Kranzarterienäste zu 75 — 100% eingeengt gefunden. Die koronare Herzerkrankung gilt daher als wichtigste Ursache für eine erhöhte Morbidität und Mortalität im hohen Lebensalter. Entsprechend haben Infarktnarben ihr Maximum in der 10. Lebensdekade. Bei sehr alten Menschen kann die verkalkende Koronarsklerose gelegentlich mit einer Gefäßektasie einhergehen. 4.5.4.2 Intramurale Arterien Bei den intramyokardialen Arterien werden Arterien vom Ventrikelwandtyp und vom Papillarmuskeltyp unterschieden. Beide Arterientypen zeigen bei alten Menschen degenerative Veränderungen in Form Elasticareicher Intimapolster in den Arterien vom Ventrikelwandtyp und einer Fibrohyperelastose in den Arterien vom Papillarmuskeltyp. Häufigkeit und Schweregrad der degenerativen Veränderungen korrelieren mit dem Alter. Sie beginnen bereits bei 30jährigen und sind in der 7 . - 9 . Lebensdekade in 35% nachzuweisen. In quantitativen Untersuchungen wurde eine höhere Wandlumenrelation der

Abb. 2

Kleine intramyokardiale Arterie vom Trabekeltyp mit einer Wandverdickung und Lumeneinengung infolge einer Fibrohyperelastose (Elastica van GiesonFärbung).

Herz

227

intramuralen Arterien bei alten im Vergleich zu jungen Menschen ohne Hypertonus oder stenosierende Koronarsklerose ermittelt, d.h. Arterien mit gleichem Außendurchmesser haben im Alter eine engere Lichtung. Einige Untersuchungen weisen darauf hin, daß der Schweregrad der Veränderungen an den kleinen intramuralen Arterien umgekehrt proportional zum Schweregrad der Arteriosklerose der großen epikardialen Kranzarterienäste ist. Über die funktionelle Bedeutung der Veränderungen an den kleinen intramuralen Blutgefäßen des Herzens gehen die Meinungen auseinander. Da bei Hypertonikern mit eingeschränkter Koronarreserve bei nicht stenosierten epikardialen Kranzarterienästen häufig Wandverdickungen der kleinen Arterien im Myokard nachweisbar sind, ist wahrscheinlich, daß die degenerativen Arterienveränderungen im Alter regionale Perfusionsstörungen verursachen können. 4.5.4.3 Kapillaren Die Kapillaren im Myokard werden von einer kontinuierlichen einschichtigen Endothelzellage ausgekleidet, an ihrer Basalmembran sind Lamina rara und Lamina densa abgrenzbar. Gelegentlich sind außen Perizyten angelagert. Die Endothelzellen haben eine leicht prominente Kernregion, die den Nukleus, einige Mitochondrien und geringe Mengen von endoplasmatischem Retikulum enthält, selten kommen auch Fetttropfen vor. Im Bereich der Zellgrenzen sind benachbarte Endothelzellen überlappt und stehen durch spezielle Haftstrukturen in Verbindung. Qualitativ fallen in den Kapillaren des Myokards junger und alter Menschen oder Tiere keine Strukturunterschiede auf. Quantitativ wurde eine Zunahme der Basalmembranbreite ermittelt, während die Endothelhöhe konstant blieb. Die Verbreiterung der Basalmembran entspricht dabei dem diffusen Typ, eine Lamellierung wird im Myokard nicht beobachtet. Eine diffuse Verbreiterung der kapillären Basalmembran wird in einigen Organen auch beim Diabetes mellitus beobachtet. Möglicherweise könnte eine Stabilisierung des Typ IV-Kollagens durch nicht enzymatische Glykosylierung nicht nur beim Diabetes sondern auch beim Altern von Bedeutung sein. Eine ungestörte Funktion des Herzens setzt eine ausreichende Substratversorgung voraus. Beim physiologischen und pathologischen Wachstum des Herzens kommt es zu einer Erweiterung der epikardialen Kranzarterienäste. Der Durchmesser der Kranzarterien korreliert gut mit dem Herzgewicht. Die Zahl der kleinen intramuralen Arterienäste bleibt bei einer Vergrößerung des Herzens unter physiologischen und pathologischen Bedingungen konstant. Die Beziehung von Kranzarterienweite und Herzgewicht und auch die Dichte des intramuralen Arteriennetzes sind am Herzen von sehr alten Menschen bisher nicht systematisch untersucht. Auch ist nichts über die Gesamtlänge der intramuralen Arterien in verschiedenen Altersstufen bekannt. Genauere Vorstellungen hat man hingegen von der Kapiiiarisierung im Myokard bei

a)

Herz

229

alten Tieren. Die Kapillaren dienen im wesentlichen dem Substrataustausch im Gewebe. Untersuchungen am Skelettmuskel haben gezeigt, daß eine Beziehung zwischen Kapiiiarisierung und oxydativer Kapazität besteht. Die Kapiiiarisierung eines Gewebes wird durch verschiedene Parameter charakterisiert: die Kapillardichte gibt die Anzahl der Kapillaranschnitte pro Gewebsfläche an, die Volumendichte der Kapillaren korrespondiert mit der Flußkapazität, die Oberflächendichte mit der Möglichkeit des Substrataustausches. Ein Vergleich des linksventrikulären Myokards von erwachsenen und alten Ratten ergab eine konstante Kapillardichte, jedoch eine signifikante Abnahme der Volumendichte und der Oberflächendichte wohl als Folge einer Verkleinerung des Kapillardurchmessers im Alter. In älteren Untersuchungen wird hingegen auch von einer Abnahme der Kapillardichte im Myokard infolge einer Obliteration von Kapillaren mit einer Reduktion der Kapillarmuskelfaserrelation berichtet.

4.5.5

Interstitium

4.5.5.1 Kollagen Das Myokard besteht aus Myozyten und Interstitium. Das Interstitium faßt alle Strukturen zusammen, die zwischen den Myozyten gelegen sind: Grundsubstanz, mesenchymale Zellen, kollagene Fasern, Kapillaren, Nerven. Größe und Komposition des Interstitiums beeinflussen den Substrataustausch zwischen Kapillaren und Myozyten und die mechanischen Eigenschaften des Myokards. Die strukturelle Komposition des Myokards im Alter ist am besten an Tieren untersucht. Die Myozytendicke nimmt bei Ratten während des Wachstumsprozesses, nicht jedoch während der Alterung zu. Das Interstitium nimmt bei alten Ratten einen größeren Anteil vom Myokard ein als bei jungen und erwachsenen Tieren, der Gehalt an kollagenen Fasern ist ebenfalls vermehrt. Im Herzen alter Ratten besteht somit eine leichte interstitielle Fibrose. Bei alten Menschen konnte hingegen ein vermehrter Bindegewebsgehalt im Myokard nicht nachgewiesen werden, wenn keine nennenswerte stenosierende Koronarsklerose

Abb. 3

Seniles Vorhofamyloid des Herzens a) Die Amyloidablagerungen bilden eine leicht promimente netzförmige Riffelung im Endokard des linken Vorhofes oberhalb des hinteren Mitraisegels. b) Histologisches Schnittpräparat vom Vorhofendokard mit kongophilen Amyloidablagerungen (Kongorotfarbung). c) Die Amyloidablagerungen im Vorhofendokard zeigen eine anomale Grünpolarisation nach Kongorotfarbung.

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H. Frenzel und B. Schwartzkopff

vorlag, auch blieb der Hydroxyprolingehalt des Myokards alter Menschen bei Fehlen einer Koronarsklerose unverändert. Der Alterungsprozeß des Interstitiums ist somit bei verschiedenen Spezies unterschiedlich. Die mechanischen Eigenschaften des Kollagens dürften im Herzen wie auch in anderen Organan durch altersabhängige Vernetzungsprozesse im Rahmen einer nichtenzymatischen Glykosylierung verändert werden und damit zu einer vermehrten Steifigkeit der Ventrikel beitragen. Dem erhöhten Kollagengehalt im Myokard alter Ratten könnte eine alterskorrelierte Veränderung der Degradation des Kollagens zugrunde liegen. Das oft fleckförmige Fibrosemuster spricht zum anderen für eine Neubildung von kollagenen Fasern in Form einer sog. Replacement-Fibrose bei Myozytenverlust. In den Herzen alter Ratten hat die Zahl der Myozyten zwischen 10 und 20% abgenommen. Bisher gibt es keinen Anhalt dafür, daß der Aiternsprozeß des Herzens auch bei Menschen mit einer generellen Abnahme der Myozytenzahl einhergeht.

4.5.5.2 Seniles kardiales Amyloid Im Interstitium des Herzens kommen im Alter nicht selten Amyloidablagerungen vor. Amyloid besteht aus ca. 10 nm breiten unverzweigten Fibrillen und läßt sich polarisationsoptisch nach Kongorotfarbung durch anomale Grünpolarisation identifizieren. Über 90% der Menschen in der 9. Lebensdekade haben isolierte Amyloidablagerungen im Vorhof, die mit Vorhofflimmern korrelieren sollen. Dieses isolierte Vorhofamyloid leitet sich wahrscheinlich vom atrialen natriuretischen Polypetid (ANF) her, das in den Vorhofmyozyten synthetisiert und bei Dehnung der Vorhöfe durch Exocytose freigesetzt wid. Das sog. senile Amyloid des Herzens (AScl) entsteht aus Präalbumin und unterscheidet sich somit biochemisch vom isolierten Vorhofamyloid. Ganz überwiegend ist die Ablagerung des senilen Amyloids auf die Vorhöfe beschränkt. Bei 50% der über 90jährigen konnte es von Pomerance nachgewiesen werden. Charakteristisch sind streifige Ablagerungen im Endokard, im Interstitium sind die Amyloidfibrillen meist an die Basalmembran der Herzmuskelzellen angelagert. Die funktionelle Bedeutung des senilen Amyloids in den Vorhöfen ist noch unklar. Bei der systemischen senilen Amyloidose des Herzens finden sich Amyloidfibrillen vom Typ AScl auch im Ventrikelmyokard. Bei diesen alten Menschen besteht meist eine Herzinsuffizienz mit schlechter Prognose.

Abb. 4

Ultrastruktur von Lipofuscinpigmentpartikeln in Herzmuskelzellen. Bei jungen Menschen überwiegen Lipofuscinpartikel aus feingranulärem elektronendichtem Material (A), bei alten Menschen ist das Lipofuscinpigment grobkörniger und enthält Lipidtropfen (B).

232

4.5.6

H. Frenzel und B. Schwartzkopff

Myozyten

Wachstumsprozesse werden vom Kern reguliert. Beim Menschen k o m m t es dabei in den Herzmuskelzellen zu einer Vervielfachung des DNS-Gehaltes im Kern. Beim jüngeren Erwachsenen korrelieren Ploidiegrad und Herzgewicht gut, bei alten Menschen kann jedoch das Herzgewicht niedriger sein, als der Ploidiegrad der Kerne erwarten ließe, da zwar die Myozytenmasse, nicht jedoch die einmal gebildete D N S nennenswert rückbildungsfähig ist, wenn die Herzbelastung reduziert wird. Eine Zunahme der Ploidiegrades des Herzens bei alten Menschen ist somit nicht ein Aiternsvorgang, sondern abhängig von der Belastung des Myokards. Auch besteht beim Menschen keine Korrelation zwischen Zellzahl des Herzens und dem Alter. Schon lange sind Ablagerungen in den Myozyten bekannt, deren Häufigkeit und Menge mit dem Lebensalter zunehmen. Als basophile Degeneration wird ein feingranuläres, in der Hämatoxylin-Eosin-Färbung basophiles Material bezeichnet, das elektronenmikroskopisch fibrilläre Strukturen mit einem Durchmesser von 70 — 100 Ä aufweist. Biochemisch handelt es sich wahrscheinlich um ein komplexes Glucosepolymer. Die basophile Degeneration wird funktionell als bedeutungslos angesehen. Lipofuscin wird als Alterspigment bezeichnet, kommt jedoch auch schon in den Myozyten von Foeten vor. Seine Menge nimmt kontinuierlich mit dem Alter zu. Das braune granuläre Pigment liegt an den Kernpolen. Elektronenmikroskopisch sind die Partikel unterschiedlich elektronendicht und enthalten granuläre Anteile und auch Lipidtropfen. Die Komposition ist abhängig vom Lebensalter: granuläre Partikel findet man vorwiegend in den Myozyten von jüngeren, homogene Partikel mit Lipidtropfen in denen der alten Menschen. Lipofuscinpigment ist biochemisch ein Residualkörper, es ist das Ergebnis einer Lipidperoxydation ungesättigter Fettsäuren, wodurch freie Radikale entstehen. Durch Antoxydantien, wie z. B. das Vitamin E, kann die Peroxydation ungesättigter Fettsäuren und damit die Lipofuscinbildung gehemmt werden. In den Myozyten werden vorwiegend Mitochondrien lysosomal abgebaut. Gelegentlich sind kontinuierliche Übergänge von degenerativ veränderten Mitochondrien in Lipofuscinpartikel auszumachen. Es gibt Hinweise, d a ß die Komposition des Lipofuscins organspezifisch ist. Eine Beeinträchtigung der Zellfunktion wird im allgemeinen nicht für wahrscheinlich gehalten, die Vorstellung einer Beeinträchtigung der Proteinsynthese infolge einer DNS-Schädigung ist hypothetisch. Weiterhin wurden in den Myozyten alter Tiere vermehrt Fetttropfen gesehen, der Lipidgehalt der Myozyten kann jedoch kurzfristig deutlich schwanken. Zudem kommen etwas vermehrt Myelinfiguren vor, auch wurden ein erhöhter Glykogengehalt, eine verminderte Zahl von Ribosomen und ein

Herz

233

reduziertes oder auch ein normales endoplasmatisches Retikulum beschrieben. Die Zahl primärer Lysosomen und die Kathepsin-D-Aktivität wurden erhöht gefunden, die Aktivität der sauren Phosphatase blieb bei alten Ratten konstant. In normalen Myozyten nehmen die Myofibrillen mit 60% quantitativ den Hauptanteil vom Zellvolumen ein. Qualitativ sind an den Myofibrillen im Alter keine Strukturanomalien nachweisbar. Die Myofibrillen sind in der Längsachse der Myozyten parallel angeordnet, sie sind in Sarkomeren gegliedert, die durch gehörig breite Z-Streifen unterteilt werden. Aktin- und Myosinfilamente bilden auf Querschnitten ein hexagonales Muster, das sich im Alter nicht ändern soll. Quantitative Untersuchungen haben bei Tieren eine gleichbleibende Volumendichte der Myofibrillen oder einen geringen Anstieg ergeben. Eine deutliche Reduktion des kontraktilen Apparates, wie man ihn in hypertrophierten Herzen mit eingeschränkter Kontraktionsleistung beobachten kann, wird nicht mitgeteilt. Biochemische Untersuchungen ergaben ein geändertes Verteilungsmuster von Myosinisoenzymen mit einer Vermehrung von V 3-Isoenzym. Die Mitochondrien nehmen in den Myozyten etwa 25 — 30% vom Zellvolumen ein, die Myozyten enthalten damit im Vergleich zu anderen Organen sehr zahlreiche Mitochondrien. Qualitative Untersuchungen ergaben etwas vermehrt intramitochondriale Myelinfiguren und Lipidkomplexe im Alter. Ob diese strukturellen Veränderungen an den Mitochondrien mit einer altersabhängigen Abnahme der respiratorischen Aktivität kausal in Verbindung stehen, ist noch unklar. Kürzlich konnte in menschlichen Herzen gezeigt werden, daß die Zahl der Myozyten mit einem Mangel an Cytochrom-COxydase, dem terminalen Enzym der mitochondrialen Atmungskette, unabhängig von gleichzeitigen Herzerkrankungen mit dem Alter ansteigt. Hierbei müssen jedoch möglicherweise Speziesunterschiede beachtet werden. Bei Ratten wurde die respiratorische Aktivität der Mitochondrien im Alter normal, teils auch reduziert gefunden. Veränderungen am Cytochromgehalt wurden nicht beobachtet. Unterschiedliche Ergebnisse ergaben auch quantitative Untersuchungen an den Mitochondrien. Sowohl für die Volumendichte wie auch für die Größe der Mitochondrien wurden eine Zunahme, Abnahme oder kleine Veränderungen mitgeteilt, mehrheitlich jedoch eine Abnahme der Mitochondriengröße bei Zunahme ihrer Zahl angegeben. Unterschiedlich sind auch die Angaben über die Oberflächendichte der cristae mitochondriales. Auch diese Diskrepanzen lassen sich am ehesten durch Unterschiede in Spezies, Alter, Geschlecht und Untersuchungsmethode erklären. Mitochondrien finden sich in den Myozyten perinukleär, zwischen den Myofibrillen und unter dem Sarkolemm angeordnet. Abhängig von ihrer Lokalisation haben sie unterschiedliche biochemische Eigenschaften. Die Verteilung der Mito-

234

H. Frenzel und B. Schwartzkopff

chondrien in den Myozyten zeigt eine Abhängigkeit vom Lebensalter. Bei erwachsenen Tieren kommt es bei gleichzeitiger Zunahme der interkapillären Distanz zu einer stärkeren Ansammlung von Mitochondrien im subsarkolemmalen Zellkompartiment, weitere signifikante topografische Verschiebungen von Mitochondrien innerhalb der Myozyten treten bei fortschreitendem Alter nicht auf.

4.5.7

Reizleitungssystem

Über Veränderungen des Reizuleistungssystems mit zunehmendem Alter ist relativ wenig bekannt. Im Sinusknoten, AV-Knoten und im His-Bündel wurden eine Abnahme der spezifischen Zellen mit einer Zunahme des Zelldurchmesser und eine vermehrte interstitielle Fibrose beschrieben. Die Angaben über die Anzahl von Fettzellen im Reizleitungssystem alter Menschen sind widersprüchlich.

4.5.8

Bedeutung der altersassoziierten Veränderungen für die Herzfunktion

Im Alter ist die Herzfunktion eingeschränkt. Während die Herzarbeit bei alten Menschen unter Ruhebedingungen noch normal sein kann, zeigt sich bei akuter körperlicher oder emotionaler Belastung eine reduzierte Anpassungsfähigkeit. Es ist jedoch nicht nur die Adaptation bei akuter Belastung verringert, sondern auch eine chronische manifeste Herzinsuffizienz ist im Alter häufiger. Die Einschränkung der Herzfunktion im Alter hat in der Regel nicht eine einzige Ursache, sondern ist das Ergebnis der Polypathie. Eine größere Zahl von pathologischen Veränderungen pro Herz wurde insbesondere dann gefunden, wenn bei alten Menschen eine Herzinsuffizienz vorlag. Dabei haben die einzelnen Veränderungen einen recht unterschiedlichen Stellenwert für die Herzfunktion. Die Einschränkung der Herzfunktion im Alter läßt sich im wesentlichen auf zwei pathogenetische Mechanismen zurückführen, denen die morphologischen Veränderungen zugeordnet werden können: Substratmangel und gestörte Entsorgung. Nach heutiger Kenntnis kommt den Gefäßveränderungen für einen Substratmangel die größte Bedeutung zu, der Stellenwert einer reduzierten Aktivität der Cytochrom-C-Oxydase bleibt zu prüfen. Als eine Störung der Entsorgung kann die Anreicherung von Degradationsprodukten und anderer Stoffwechselprodukte in den Myozyten

Herz

235

und im Interstitium gedeutet werden. Hierbei könnten sowohl die Zellfunktion (intrazelluläre Ablagerungen) wie auch die mechanischen Eigenschaften von Myokard und Klappen (Ablagerung von Kalk, Kollagen oder Amyloid) betroffen sein. Bei schwerer Ausprägung drohen Myozytenverlust und eine adaptive Hypertrophie des Restmyokards.

Literatur Adler, C. P., H. Friedburg: Myocardial DNA content, ploidy level and cell number in geriatric hearts: post-mortem examinations of human myocardium in old age. J Mol Cell Cardiol 18, (1986) 3 9 - 5 3 . Frenzel, H., R. Zweihoff, B. Schwartzkopff et al.: Changes of myocardial structure with aging. In: Piatt, D. (ed): Gerontology, pp. 93 — 106. Springer Verlag, Berlin — Heidelberg 1989. Linzbach, A. J.: Das Altern des menschlichen Herzens. In: Altmann, H. W., F. Büchner, H. Cottier (eds): Handbuch allg. Path. Bd. VI/4, S. 3 6 9 - 4 2 8 . Springer Verlag, B e r l i n - H e i d e l b e r g - N e w York 1972. Pomerance, A.: Age-related cardiovascular changes and mechanically induced endocardial pathology. In: Silver, M. D. (ed): Cardiovascular Pathology, pp. 87 — 124. Churchill Livingstone, New York —Edinburgh—London —Melbourne 1983. Rahlf, G.: Intramyocardial microarteriopathy. Virchows Arch A Path Anat and Histol 388 (1980) 2 8 9 - 3 1 1 .

4.6

Knochen

H.-J. Pesch

4.6.1

Morphologische Befunde

Physiologisches Schicksal eines jeden Organismus und seiner Organsysteme ist das Altern, das — landläufiger Meinung gemäß — im menschlichen Skelettsystem zu einem Verlust der Knochenmasse nach dem 50. Lebensjahr führen soll (Abb. l a und b). Dieser Prozeß wird als physiologische Osteoporose bezeichnet. Obwohl die eigentliche Ursache nicht bekannt ist, wird weithin die Ansicht akzeptiert, daß dieser Knochenabbau auf einem altersbedingten Nachlassen der Osteoblastenaktivität, der sog. Osteoblasteninsuffizienz, beruhen soll. Unter funktionellen Gesichtspunkten ist es jedoch wenig wahrscheinlich, daß die Knochenmasse altersabhängig in allen Skelettabschnitten gleichmäßig

Knochen

237

abnimmt. Dagegen spricht auch die radiologisch-klinische Erfahrung. So sind die einzelnen Knochen des alten Menschen nicht nur unterschiedlich strahlentransparent, sondern besitzen auch in bestimmten Skelettregionen eine erhöhte Frakturbereitschaft, die sich in einer Häufung der Frakturen der Lendenwirbelkörper und des Schenkelhalses im Alter äußert. Dieser Vorgang wird als senile Osteoporose, bei Frauen auch als postmenopausale Osteoporose bezeichnet. Eine frühzeitige Erfassung der hierbei ursächlich bestehenden Osteopenie ist mit konventionellen Röntgenverfahren prinzipiell nicht möglich. Wegen des methodisch bedingten Summationseffektes kann erst ein Verlust von mehr als 30 bis 50% Knochenmasse erfaßt werden. Mittlerweile erlauben — im Gegensatz zu diesen konventionellen Röntgenverfahren — subtile radiologische Untersuchungsmethoden, wie z. B. die Osteo-CT (Computertomographie) u. a., nicht nur minimale Veränderungen des Mineralsalzgehaltes zu quantifizieren, sondern auch, diese Untersuchungen beliebig oft und zu jeder Zeit zu reproduzieren. Damit sind die wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, die individuellen spongiösen Strukturen eines jeden einzelnen Knochens diagnostisch zu berücksichtigen und in Relation zu denen von Gleichgeschlechtlichen und Gleichaltrigen zu setzen.

4.6.2

Differentialdiagnose: Altersknochen, Osteopenie und Osteoporose

Unter diesen Voraussetzungen läßt sich der Altersknochen als die volumetrische Dichte eines gesunden spongiösen Knochens definieren, die — unter Berücksichtigung der physiologischen Schwankungsbreite — für diesen Knochen bei Gleichaltrigen des eigenen Geschlechts typisch ist. Die Osteopenie dagegen entspricht einem präklinischen, weil symptomlosen Knochenverlust, der sich morphometrisch-statistisch jenseits dieser alters- und geschlechtsbezogenen physiologischen Schwankungsbreite der volumetrischen Dichte der Spongiosa befindet.

Abb. la und b Mazerationspräparate einer jeweils etwa 2 mm dicken Knochenscheibe des 3. LWK eines a. 39- bzw. b. 72jährigen Mannes mit — da vorwiegend auf Druck beansprucht — senkrecht verlaufenden, a. dichtstehenden bzw. b. zahlenmäßig reduzierten und verdünnerten Spongiosabälkchen.

238

H.-J. Pesch

Die Osteoporose jedoch ist eine manifeste Knochenerkrankung mit klinischen Symptomen, bei der es auf dem Boden einer Osteopenie zu Frakturen bzw. Spontanverformungen kommt.

4.6.3

Postmortale Untersuchungen

Postmortal lassen sich quantitative Strukturanalysen an Röntgenbildern 100 |im dicker Knochengroßflächenschnitte ebenfalls mit der erforderlichen Reproduzierbarkeit durchführen, wobei als morphometrisch wichtigster Parameter die volumetrische Dichte (Vv) bestimmt werden kann. Diese entspricht dem Verhältnis von Spongiosaeigenvolumen zum Gesamtvolumen (Trabekel- und Knochenmarkvolumen) des Knochens in Prozent (%) unabhängig von der Größe des Knochens. Sie ist damit ein M a ß für die im Knochen vorhandene Spongiosamenge. Untersucht wurden bei über 100 — 500 Verstorbenen beiderlei Geschlechts im Alter von 18 bis 93 Jahren nach Ausschluß klinisch manifester Knochenerkrankungen die Spongiosa von Kalotte (Os occipitale), 3. und 5. Lendenwir-

Abb. 2a und b

Monitorbild des Leitz-Textur-Analyse-Systems vom 3. LWK: a. markierte Spongiosa mit größter ein-schreibbarer Rechteckmaske b. markierte Spongiosa in den äußeren und im inneren Fünftel.

Knochen

239

belkörper (LWK) sowie Beckenkamm, F e m u r k o p f und Femurhals jeweils rechts. Dabei wurden von ca. 0,5 cm dicken Knochenscheiben nach Fixierung und Einbettung in Methacrylat (Kunstharz) 100 um dicke Großflächenschnitte auf planparallelen Plexiglasobjektträgern angefertigt, von denen kontrastreiche Röntgenbilder hergestellt wurden. Diese wurden zur quantitativen Auswertung mittels der Makroeinrichtung des Leitz-Textur-Analyse-Systems durch eine Schwarz-Weiß-Fernsehkamera auf einen M o n i t o r übertragen. Bei den Wirbelkörpern wurde die Spongiosastruktur zuerst im gesamten Wirbelkörper und d a n n in seinen horizontalen Fünfteln erfaßt. Hierzu wurde die Spongiosa mit der gerade noch unter Ausschluß der Kortikalis einschreibbaren Rechteckmaske (Abb. 2a) bzw. deren horizontalen Fünfteln (Abb. 2b) markiert und mit Hilfe eines elektronischen Rechners die volumetrische Dichte (Vv) berechnet. Die Ergebnisse wurden statistisch ausgewertet. Dabei ergab sich keine statistisch signifikante Abhängigkeit vom Geschlecht. F ü r die weitere Auswertung wurden deshalb die beiden Geschlechter zusammengefaßt und in sechs Altersgruppen (Abb. 3) unterteilt.

Abb. 3

Mittelwerte und Standardabweichung der Mittelwerte sowie Altersverhalten mit punktförmig markiertem 50. Lebensjahr (Abb. oben) der Volumetrischen Dichte (Vv) der Spongiosa von Kalotte, Femurkopf, Beckenkamm, Femurhals and LWK III in Abhängigkeit vom Lebensalter.

240

4.6.4

H.-J. Pesch

Ergebnisse

Die volumetrische Dichte aller untersuchten Knochen ist bereits in der Altersklasse bis 29 Jahren verschieden (Abb. 3): die Kalotte hat mit 65% die weitaus größte Spongiosamasse. Die Vv-Werte der anderen Knochen nehmen vom Femurkopf mit 32.6% über Beckenkamm mit 30,4%, Femurhals mit 27,8%, LWK III mit 23,1% und LWK V mit 22,9% gleichmäßig ab. Die Spongiosamasse der Kalotte verändert sich während des Lebens nicht. Die volumetrische Dichte des Femurkopfes reduziert sich insgesamt um etwa ein Fünftel ihres Ausgangswertes, wobei die Abnahme nach dem 50. Lebensjahr fast viermal so stark ist wie in den vorausgegangenen Jahren. Die Spongiosadichte des Beckenkamms bleibt bis zum 50. Lebensjahr konstant, verringert sich jedoch in den folgenden Jahren um etwas über ein Viertel ihres Anfangswertes. Der Femurhals verliert als einziger Knochen schon vor dem 50. Lebensjahr über ein Fünftel seiner Spongiosamasse, die in den folgenden Jahren nochmals um mehr als ein Fünftel reduziert wird. Die LWK III und V verlieren bis zum 50. Lebensjahr nur wenig von ihrer Knochenmasse. In den folgenden Jahren wird ihre volumetrische Dichte um knapp ein Drittel ihres Ausgangswertes reduziert. In den einzelnen Fünfteln zeigt sich beim 3. (Abb. 4a) bzw. 5. LWK regelmäßig eine typische treppenförmige Verteilung. In den endplattennahen äußeren Fünfteln sind die Werte am höchsten und nehmen zur Mitte hin beim 3. LWK um etwa ein Fünftel bzw. beim 5. LWK um etwa ein Zehntel ab. Die altersassoziierte Dichteminderung beträgt in den äußeren und mittleren Fünfteln des 3. LWK etwa 30 (Abb. 4b) bzw. des 5. LWK etwa 22% und in den inneren Fünfteln etwa 26 bzw. 22%. Durch diese Abnahme besteht in der Altersgruppe 70 Jahre und älter in beiden LWK kein Dichteunterschied mehr zwischen den inneren und den angrenzenden mittleren Fünfteln. Die statistische Auswertung zeigt zudem, daß die volumetrische Dichte in den beiden LWK untereinander ebenso wie in den einzelnen Fünfteln der LWK untereinander gleichsinnig hoch miteinander korreliert (weshalb auf die graphische Darstellung der Werte des 5. LWK verzichtet wurde). Die vorliegenden, aber auch andere morphometrisch-statistische Untersuchungen haben gezeigt, daß bestimmte Skelettabschnitte im jungen Erwachsenenalter schon unterschiedlich viel Knochenmasse aufweisen. Dabei scheinen die ursächlich dafür zugrundeliegenden Faktoren bei den benachbarten — 3. und 5. — LWK lebenslang gleichsinnig zu wirken. Die Wirbelkörper des Menschen sind durch den aufrechten Gang ganz überwiegend auf Druck belastet, wobei die Kraftübertragung unter Zwischenschal-

Knochen

241

ÜÜ äußere m

mittlere

[ ' *] inneres Fünftel

D IU D ¿v 25 V [ % ] Strukturanalytische Röntgenbilder und Volumetrische Dichte (Vv) der Spongiosa der zugehörigen Fünftel des 3. LWK. v

Abb. 4

a. einer 39jährigen Frau und b. eines 66jährigen Mannes.

tung der druckelastischen Bandscheiben in Form einer Flächenpressung über die dünnen Wirbelkörperendplatten erfolgt. Deshalb ist in den äußeren Fünfteln eine hohe Spongiosadichte notwendig, damit es unter der einwirkenden Druckbelastung zu keinen Frakturen kommt. Gesichert werden diese vertikal verlaufenden Bälkchen durch eine große Anzahl von Querverstrebungen, die der drohenden Knickbelastung entgegenwirken und die senkrecht zum Druck entstehende Querkraft aufnehmen. Eine weitere Verstärkung erfahren die Bälkchen durch die flüssigkeitshaltigen Zellen des blutbildenden bzw. Fettmarks, die ebenfalls Kräfte aufnehmen und in alle Richtungen gleichmäßig abgeben können. Die in den Spongiosabälkchen wirkende Spannung wird mit zunehmender Entfernung von den Deckplatten mehr und mehr auf die intra- und extrazelluläre Flüssigkeit des Markraumes übertragen, wobei die konkav gekrümmten Seitenwände des Wirbels dem im Inneren entstehenden hydrostatischen Druck — analog einer Staumauer — entgegenwirken. Die senkrecht von den Deckplatten ins innere Fünftel gelangenden Druckspannungen werden von relativ wenigen dicken Bälkchen aufgenommen, bei denen aufgrund ihres größeren Durchmessers auch die Gefahr eines Ausknickens geringer ist. In diesem in sich abgeschlossenen Verbundsystem aus Spongiosa und Kortikalis einerseits und zellgebundener Flüssigkeit des Markraums andererseits zeigt auch der ab dem 50. Lebensjahr einsetzende Knochenabbau regionale Unterschiede. Die Vv nimmt in den

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äußeren und mittleren Fünfteln gleichsinnig und deutlich mehr ab als im inneren Fünftel. Ursache dieser regionalen Unterschiede muß bei dem funktionsorientierten und belastungsabhängigen Aufbau der Spongiosa eine geringere Gesamtbeanspruchung sein, die primär zu dem Verlust der kleineren außerhalb der Druck- und Zuglinien liegenden, querverlaufenden Bälkchen führt. Aufgrund der in den einzelnen Fünfteln unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Spongiosaverteilung ist der abbaubedingte Verlust an den in den äußeren und mittleren Fünfteln zahlreicheren Querverstrebungen höher. Während in der im Alter gelichteten Gesamtstruktur des Wirbels inneres und mittleres Fünftel keine signifikanten Dichteunterschiede mehr zeigen, weisen die äußeren Fünftel eine vergleichsweise dichte und verzweigte Spongiosastruktur auf. Die nahe den Endplatten höhere Dichte stellt die funktionelle Notwendigkeit dar, auch im Alter die Kontinuität der Endplatten zu erhalten. Dabei darf wegen der auftretenden Biegespannungen der Abstand zwischen zwei Bälkchen einen bestimmten kritischen Betrag nicht überschreiten, da sonst bei zu kleiner Bälkchenzahl ein Deckplatteneinbruch droht. Obwohl die Wirbelsäule (WS) anatomisch als Einheit beschrieben wird, bestehen zwischen den einzelnen Abschnitten nicht nur erhebliche morphologischfunktionelle, sondern auch klinisch-pathologische Unterschiede. Der bewegliche Teil der WS besteht aus 24 Wirbeln und 23 Zwischenwirbelscheiben, wobei die einzelnen Wirbel außen von Kortikalis begrenzt und innen aus Spongiosa mit einer quasi trajektoriellen Anordnung aufgebaut werden. Obwohl der — in der Technik als Stahlbeton bewährte — verbundartige Materialaufbau der Spongiosa aus zugfesten Kollagenfasern (ä la Stahl) und aus druckfesten Kristalliten (ä la Beton) allen Wirbeln gemeinsam ist, kommt es im Alter bevorzugt, gehäuft und unvermittelt zu Frakturen der unteren LWK, jedoch nicht der Halswirbelkörper (HWK). Diese haben gegenüber den LWK außerdem schon beim jungen Erwachsenen 1/4 mehr Spongiosamasse, die sich zudem mit dem Alter nur unwesentlich vermindert. Aufgrund der komplizierteren anatomischen Konstruktion der HWS erfolgt die Kraftübertragung zwischen den einzelnen H W K nicht in der für alle LWK so charakteristischen vertikalen Richtung, sondern in den drei funktionell verschiedenen Abschnitten der HWS auch in unterschiedlicher Weise. Dabei sind die Bewegungsmöglichkeiten in der unteren HWS (5. bis 7. H W K ) am größten. So werden hier neben Ventral- bzw. Dorsalflexion und Seitwärtsneigung insbesondere auch Torsionsbewegungen durchgeführt. Somit wird die HWS vorwiegend dynamisch beansprucht, während statische Belastungen eine untergeordnete Rolle spielen. Femurkopf und Femurhals sind Teil des Konstruktionsprinzips der unteren Extremität. Da das Schwerelot des Körpers während keiner Phase des Stehens

Knochen

243

oder Gehens mit der mechanischen Achse des Beines zusammenfällt, wirkt die Kraft des Körpergewichtes unter einem Hebelarm (Abstand der mechanischen Achse des Beines zum Schwerpunktslot) biegend auf die Knochen des Beines ein. Aus Gleichgewichtsgründen muß die resultierende Druckkraft aus der Körpergewichtskraft und der Muskelkraft der Abduktoren durch das Drehzentrum des Femurkopfes verlaufen, wobei sie wegen seiner kugelförmigen Gestalt immer senkrecht auf seiner Peripherie steht. Entsprechend werden die auftretenden Druckspannungen von radiär verlaufenden, engstehenden Trabekeln aufgenommen, die im gesamten Femurkopf gleichmäßig querverstrebt sind. Eine Verdichtung der Spongiosastruktur unter der Kortikalis, wie man sie bei den Lendenwirbelkörpern findet, ist hier wegen der geringen Querkräfte nicht nötig. Vom Krafteinleitungsbezirk unter dem Pfannendach des Hüftgelenks zieht ein breites Band deutlich dickerer Bälkchen durch die Mitte des Femurkopfes zum Adambogen des Femurhalses, das die Druckkraft in den Femurhals überleitet. Diese resultierende Druckkraft steht schräg zur Schwerachse des Femurhalses und beansprucht ihn so auf Biegung. Mit zunehmendem Abstand vom Femurkopf wird der Hebelarm und damit die biegende Wirkung der Resultierenden größer. Aus dem Entgegenwirken der Druckkraft der Körperlast und der Zugkraft der Muskeln resultiert eine Verminderung der Beanspruchungsgröße des Knochens, die bis in das höchste Lebensalter fortbesteht. Hierdurch findet eine gleichsinnige Verdünnerung aller Spongiosabälkchen und nicht der Verlust ganzer Spongiosaareale wie beim Wirbelkörper statt. Eine übermäßige körperliche Belastung trifft im Femurhals auf einen gleichsam „unvorbereiteten" Knochen, so daß es zum akuten Ereignis des Schenkelhalsbruches kommen muß. Die Spongiosa des Beckenkammes ist Teil der Darmbeinschaufeln, die Rahmenkonstruktionen mit verstärkten Rändern und verdünnter Mitte für die Ansatzstellen der großen Muskelmassen darstellen, die ihrerseits für den aufrechten Gang erforderlich sind. Der untersuchte Ausschnitt stammt aus der vorderen Tragsäule des Rahmens und liegt im weitgehend konstanten Zugspannungsfeld der umgebenden Muskulatur. Hier verlaufen die Spongiosabälkchen spitzbogenartig und schneiden sich unter einem rechten Winkel. Dieses Spongiosamuster ist für eine Biegebeanspruchung durch eine außerhalb des Säulenkerns gelegene Kraft mit Querschubkomponente charakteristisch und kann dem vielseitigen Kräftespiel der am Becken ansetzenden Muskelgruppen während des Stehens und Gehens Widerstand leisten. Die Spongiosa des Beckenkammes weist damit keine ausgesprochenen Sicherungsstrukturen auf und wird mit zunehmendem Alter gleichmäßig ausgelichtet. Das untersuchte Os occipitale der Kalotte ist Teil des Hirnschädels, der als einzige knöcherne Konstruktion des menschlichen Skelettes kapseiförmig einen Hohlraum umschließt. Er erhält dadurch die mechanischen Eigenschaf-

244

H.-J. Pesch

ten einer biegesteifen Schale, die sich wegen der damit verbundenen Membraneigenschaft von allen übrigen Knochen unterscheidet. Hier treten alle Kräfte in erster Linie als Zug- oder Druckkräfte innerhalb der Schalenwand, in zweiter Linie als verformende Biegemomente und Querkräfte auf. Damit wird der vorgekrümmte Knochen der Schädelwand auf Biegung beansprucht und besitzt — ähnlich den Rippen — deshalb einen dreischichtigen Aufbau mit zwei dünnen, etwa 0,5 mm starken kompakten Deckschichten und einer wechselnd dicken spongiösen Füllschicht, ein Konstruktionsprinzip, das in der Technik in Form der sog. Sandwichbauweise Anwendung findet. Während die kortikalen Deckschichten mit ihrer hohen Festigkeit Zug- und Druckspannungen aufnehmen, wirkt die spongiöse Füllung als Verschiebeschicht, die einerseits zum Spannungsausgleich geringe Verschiebungen der Deckschichten zuläßt, andererseits durch ihre Druckfestigkeit eine Knickung, d. h. dem Kollabieren der nach innen in Richtung Neutralfaser strebenden Außenfasern entgegenwirkt. Dieses Konstruktionsprinzip wird lebenslang in gleicher Weise durch Halteund Kaukräfte beansprucht, die die wesentlichen den Schädel angreifenden Momente sind. Jeder Organismus altert: biologisch und kalendarisch. Altern stellt damit einen durch eigene Gesetze und Regeln gekennzeichneten physiologischen Vorgang dar. Ein alternder oder alter Mensch ist deshalb nicht zwangsläufig ein kranker Mensch, sondern anders gesund als ein Kind, Jugendlicher oder nicht-alter Erwachsener. Auch das Skeletsystem altert — damit zwangsläufig — lebenslang. Dieser komplexe Vorgang beinhaltet gleichzeitig nicht nur An-, Ab- und Strukturumbau der Spongiosa, sondern ist zudem lokal verschieden. So verlieren die unteren LWK nach dem 50. Lebensjahr über lA, die unteren H W K höchstens Vw ihrer ursprünglichen Knochenmasse. Die Spongiosamasse der Kalotte dagegen bleibt während des Lebens konstant. Aufgrund der altersbedingten Reduktion des Bewegungsumfanges und der körperlichen Aktivität resultiert in der durch axiale Druckkräfte vorwiegend statisch beanspruchten LWS insgesamt nur ein geringer Erhaltungsreiz für die Spongiosa. Im Gegensatz dazu wirkt die auch im Alter weitgehend konstante, der Orientierung im Raum dienende dynamische Beanspruchung der HWS über die aus verschiedenen Richtungen auftretenden Zug- und Schubspannungen als starker Erhaltungsreiz für die Spongiosabälkchen, eine Situation, die noch mehr für die Kalotte zutrifft. Sie ist das biomechanische Einflußgebiet aller Kräfte, die den Kopf lebenslang im Gleichgewicht zu halten haben. Unter funktionellen Gesichtspunkten ist damit die sog. physiologische Altersosteoporose eines Knochens Ausdruck eines der körperlichen Aktivität angepaßten Altersknochens, der — ebenso wie der Knochen des nicht-alten

Knochen

245

Erwachsenen — lediglich Spiegelbild der aktuellen Beanspruchung der Spongiosa durch den Bewegungsapparat ist und damit die funktionelle Einheit von Knochen und Skelettmuskulatur dokumentiert. An-, Ab- und Umbau von Knochen stellen damit reaktiv-adaptive Vorgänge dar und sind Ergebnis der selbstgesteuerten Anpassung des Binde-/Stützgewebes an mechanische Beanspruchungen. Große individuelle Schwankungen sind deshalb durchaus möglich. Morphometrisch-vergleichende Untersuchungen zur Diagnose der Osteopenie sind nur an funktionell ähnlich beanspruchten Knochen sinnvoll.

Literatur Kummer, B.: Funktioneller Bau und funktionelle Anpassung des Knochens. Anat. Anz. 111 (1962) 261-293. Lauer, G.: Zur mechanisch orientierten Elastizität spongiöser Knochen. Eine vergleichende Strukturanalyse. Dissertation, Friedrich-Alexander-Univers. Erlangen, 1980. Pauwels, F.: Gesammelte Abhandlungen zur funktionellen Anatomie des Bewegungsapparates. Springer, Berlin — Heidelberg — New York 1965. Pesch, H.-J., F. Henschke, H. Seibold: Einfluß von Mechanik und Alter auf den Spongiosaumbau in den Lendenwirbelkörpern und im Schenkelhals. Eine Strukturanalyse. Virchows Arch. A Path. Anat. and Histol. 377 (1977) 2 7 - 4 2 . Pesch, H.-J., H.-P. Scharf, G. Lauer et al.: Der altersabhängige Verbundbau der Lendenwirbelkörper. Eine Struktur- und Formanalyse. Virchows Arch. A Path. Anat. and Hist. 386 (1980) 2 1 - 4 1 . Pesch, H.-J., W. Bischoff, Th. Becker et al.: On the Pathogenesis of Spondylosis Deformans and Arthrosis Uncovertebralis: Comparative Form-Analytical Radiological and Statistical Studies on Lumbar and Cervical Vertebral Bodies. Arch. Orthop. Trauma. Surg. 103 (1984) 201-211.

4.7

Leber

J. Zeeh

4.7.1

Morphologische Aiternsveränderungen der Leber

4.7.1.1 Lebergewicht, Organvolumen Aus Autopsie-Studien ist bekannt, daß das Gewicht der Leber, beginnend im 5. Lebensjahrzehnt, parallel zur fettfreien Körpermasse, mit zunehmendem Alter langsam abnimmt (sog.,braune Atrophie'). Es kann beim lebergesunden Hochbetagten Minimalwerte bis 550 g erreichen (ca. 30 — 50% des Normalgewichts beim Erwachsenen). Das relative Lebergewicht nimmt im Alter ebenfalls ab. Es beträgt beim Neugeborenen etwa 4%, beim 50jährigen etwa 2.5% und beim 90jährigen nur noch ca. 1.6% des Körpergewichts. Sonographische Messungen zeigen eine — bei Frauen etwas stärker ausgeprägte — Volumenabnahme von ca. 40% zwischen der zweiten und der neunten Lebensdekade (von 1500 auf 900 cm3 bzw. von 24 auf 14 cm 3 /kg Körpergewicht). Man beobachtet eine beträchtliche interindividuelle Streuung, zu der Faktoren wie ethnische Herkunft, Ernährungsgewohnheiten, Geschlecht und Spezies beitragen. Befunde bei Versuchstieren sind teilweise im Widerspruch zu diesen Beobachtungen und können nur sehr beschränkt auf die Verhältnisse beim Menschen übertragen werden.

4.7.1.2 Mikroskopische Veränderungen Histologische Aiternsveränderungen sind nur in geringem Maße nachweisbar und sind nicht spezifisch für die „alte" Leber. Das interstitielle kollagene Bindegewebe zeigt eine leichte Zunahme im Sinne einer portalen Fibrose. Die Größe der Hepatozyten nimmt zu, ihre Zahl dagegen nimmt ab (im Gegensatz dazu nehmen die Leberzellen bei einer Atrophie des Organs aufgrund von Mangelernährung in ihrer Größe ab). Es kommt zum Auftreten von Riesenzellen mit vergrößerten Kernen und mehreren Nukleolen, der Anteil zweikerniger und höhergradig polyploider Zellen steigt an. Die Zahl der Mitochondrien nimmt ab, ihre Größe und die Dichte ihrer Cristae nehmen zu. Es kommt zu einer Zunahme der Zahl der Lysosomen. Die Größe des Golgi-Apparates nimmt ab. Die Lipofuszingranula in den Hepatozyten sind vermehrt („braune" Atrophie). Diese Befunde entsprechen dem Bild eines Organs,

Leber

247

dessen Zellteilungsaktivität abgenommen hat. Vereinbar damit ist auch die Beobachtung einer eingeschränkten Regenerationskapazität der alten Leber, z. B. nach einer partiellen Hepatektomie.

4.7.2

Veränderungen der Leberfunktion im Alter

4.7.2.1 Funktionen der Leber im Organismus Als zentrales Stoffwechselorgan nimmt die Leber zahlreiche Funktionen im Organismus wahr, u. a. die Bildung und Sekretion der Galle und Plasmaproteine (Albumin, Gerinnungsfaktoren etc.), die Speicherung und Verstoffwechselung von Kohlehydraten, die Bildung von Ketonkörpern, die Reduktion und Konjugation von Steroidhormonen, die Umwandlung von Hormonvorstufen in aktive Hormone (z. B. Thyroxin in Trijodthyronin), die Inaktivierung von Peptidhormonen (z. B. Insulin) sowie die Biotransformation, die Entgiftung und die Ausscheidung (Clearance) von Fremdstoffen (z. B. Medikamente, Toxine). Die von Kupffer'schen Sternzellen erfüllen eine wichtige Funktion bei der Phagozytose. Die Leber ist ferner beteiligt an der pH-Regulation (Harnstoff-Synthese) und dient als Blutspeicher. Ein normales Funktionieren der Leber bei der Elimination von körpereigenen und körperfremden Substanzen resultiert aus einem ungestörten Antransport der Substrate, der komplexen Interaktion von Substraten mit Akzeptorproteinen des Hepatozyten, der Aufnahme in die Leberzelle, der metabolischen Umwandlung und der anschließenden Sekretion in die Galle oder das Lebervenenblut. Die Bildung, Speicherung, Umwandlung und Ausscheidung von körpereigenen Produkten und Substraten, d.h. die physiologischen' Funktionen der Leber, sind bis ins hohe Alter gut erhalten. Die routinemäßig durchgeführten Lebertests (Bilirubin, Transaminasen, gamma-Glutamyltransferase, alkalische Phosphatase, Quick-Wert etc.) zeigen keine statistisch signifikanten aiternsbedingten Veränderungen. Diese Parameter sind zur Untersuchung von aiternsbedingten Funktionsänderungen der Leber offensichtlich zu wenig sensitiv. Wie bei der Prüfung der Funktion anderer Organe ist zu erwarten, daß auch bei der Leber Funktionseinschränkungen am ehesten unter Belastungssituationen zum Vorschein kommen. Die in der Praxis wichtigste Belastung der Leber ist die Zufuhr von Fremdstoffen, die hepatisch eliminiert werden müssen (z. B. Medikamente, Toxine).

4.7.2.2 Konzept der Leber-Clearance Die Gesamtkörperclearance einer Substanz kann man als Summe der Einzelclearances der beteiligten Organe ansehen: Clgesamt

Clrena] + Cl^pa^sch + Clan(jere

(1)

248

J. Zeeh

Aus diesem Prinzip der Addition der Teilclearances folgt, daß die Bedeutung der Leber für die Elimination einer Substanz davon abhängt, welchen Anteil sie an der Gesamtclearance der betreffenden Substanz übernimmt. Die Medikamente, die hauptsächlich hepatisch eliminiert werden, sind in erster Linie lipophile Pharmaka, die entweder in die Galle ausgeschieden, oder vor der renalen Elimination in der Leber entsprechend umgebaut und wasserlöslicher gemacht werden. Die hepatische Clearance (Clhep) ist das Produkt aus der Leberdurchblutung Q und der Extraktion E, also dem Anteil der auszuscheidenden Substanz, der bei der Passage durch die Leber aus dem Blut herausgefiltert wird: Clhep =

Q * E

(2)

Daraus geht hervor, daß die Clearanceleistung der Leber abhängt von der Durchblutung des Organs und seiner Fähigkeit, die betreffende Substanz effektiv aus dem die Leber durchströmenden Blut zu extrahieren. Die Extraktion einer Substanz steht im engen Zusammenhang mit der durchblutungsunabhängigen, maximalen enzymatischen Leistungsfähigkeit der beteiligten Enzymsysteme. Zur Beschreibung dieser Größe wurde der Begriff der ,intrinsischen Clearance (Clj)' eingeführt: C1 Clhep = hep

Q *

V

!

Q + Cli

(3)

Aufgrund dieser Zusammenhänge können Fremdstoffe in zwei Hauptgruppen unterteilt werden: — Substanzen mit perfusionslimitierter hepatischer Clearance: für solche Substanzen ist Clj Q, die Gleichung (3) vereinfacht sich also zu Clhep = Q- Die Leber hat eine sehr hohe Kapazität, diese Stoffe zu verarbeiten, sie werden annähernd so rasch aus dem Blut geklärt, wie sie antransportiert werden, limitierender Faktor ist die Leberdurchblutung. Beispiele sind Aldosteron, Propranolol, Morphin, Pentazocin, Nortryptilin, Nifedipin, Verapamil, Indocyaningrün (ICG), Sorbit etc. — Substanzen mit extraktionslimitierter hepatischer Clearance: für solche Substanzen ist Clj Q, die Gleichung (3) vereinfacht sich zu Clhep = Cl;. Die Leber hat eine geringe Kapazität, diese Stoffe zu verarbeiten. Ihre Clearance ist daher weitgehend unabhängig von der Anlieferung, der limitierende Faktor ist die enzymvermittelte metabolische Kapazität (intrinische Clearance). Beispiele sind Cumarine, Diazepam, Digitoxin, Procainamid, Phenytoin, Theophyllin, Coffein, Antipyrin etc. Die hepatische Clearancefunktion hängt damit von den folgenden Parametern ab (Abb. 1): von der Leberdurchblutung und der intrinsischen Clearance.

Leber

249

Letztere ist zusammengesetzt aus der Aktivität der beteiligten Enzymsysteme und der absoluten Menge an vorhandenem Enzym, d. h. der funktionsfähigen Leberzellmasse' bzw. dem Lebervolumen.

Konzept der

Leberclearance

Leberzellmasse Lebervolumen Leberenzymaktivität Durchblutung

^

metab. Kapazität

^

(„intrinsische Clearance") >

l

Clearance

Abb. 1 Konzept der Leber-Clearance (Erläuterungen siehe Text).

Aiternsveränderungen der hepatischen Fremdstoff-Clearance können also prinzipiell über folgende Mechanismen zustande kommen: — Änderung der Leberdurchblutung (z. B. durch Abnahme der Herzzeitvolumens über eine koronare Herzerkrankung, Therapie mit Betarezeptorenblockern etc., durch eine Atherosklerose der Mesenterialarterien oder durch eine Fibrose der Leber mit erhöhtem Durchflußwiderstand etc.). — Änderung der metabolischen Kapazität (Menge oder Aktivität der fremdstoffmetabolisierenden Enzymsysteme). — Änderung des Lebervolumens bzw. der funktionsfähigen Leberzellmasse.

4.7.2.3 Methoden zur Messung der Leberdurchblutung, der metabolischen Kapazität und der funktionsfähigen Leberzellmasse. Alters Veränderungen dieser Partialfunktionen. Konsequenzen der veränderten Organfunktion Leberdurchblutung Die Leber zählt zu den gut durchbluteten Organen und erhält beim lebergesunden Erwachsenen im mittleren Lebensalter in Ruhe ca. 25% des Herzminutenvolumens, also etwa 1300 — 1500 ml/min. Über die Pfortader, in der sich die parallel geschalteten mesenterialen Stromgebiete vereinigen, gelangen etwa 70 — 75% des Blutstroms zur Leber, der Rest fließt über die A. hepatica. Wegen der schlechten Zugänglichkeit der Pfortader und der Lebervenen im

250

J. Zeeh

Organismus erfolgt die Messung der Leberdurchblutung in der Regel indirekt. Aus Gleichung (2) geht hervor, daß die hepatische Clearance einer Substanz, die bei der Passage durch die Leber vollständig aus dem Blut extrahiert wird (E = 1), der Leberdurchblutung entspricht. Für Substanzen, die ausschließlich in der Leber verstoffwechselt werden, sind Gesamtkörperclearance und hepatische Clearance identisch und ihre (einfach zu messende) Gesamtkörperclearance ist ein M a ß für die Leberdurchblutung. Solche Testsubstanzen sind z. B. Sorbit (E = 0.96) oder I C G ( E = ca. 0.7). 1400 p 1200 -

Alter (Jahre)

Abb. 2

Alter und Leberdurchblutung Leberdurchblutung (extrarenale Sorbit-Clearance, ER-S-Cl) gegen das Lebensalter aufgetragen. 95%-Konfidenzintervall für den Mittelwert von ER-S-Cl (b) und 95%-Vorhersageintervall für die Ermittlung der Leberdurchblutung aus dem Lebensalter (a). (Zeeh et al., 1989).

Die Leberdurchblutung nimmt zwischen dem 2. und dem 9. Lebensjahrzehnt um ca. 30 — 5 0 % ab (Abb. 2), die Abnahme wird besonders deutlich nach dem 60. Lebensjahr und ist bei Frauen etwas stärker ausgeprägt. Man beobachtet eine beträchtliche interindividuelle Streuung. Vorhersagen der Leberdurchblutung aus dem Alter sind daher nicht genau. Die Abhängigkeit der Lidocainclearance von der Leberdurchblutung bei Patienten mit Herzinsuffizienz unterschiedlichen Schweregrades zeigt Abb. 3. Es wird deutlich, daß unter einer i.V. —Gabe des Antiarrhythmikums Lidocain dessen Clearance eng mit der Leberdurchblutung korreliert ist und die Kenntnis der Leberdurchblutung eine Hilfe bei der Dosierung des Medikaments sein kann. Metabolische

Kapazität

Die Reaktionen des Fremdstoff-Metabolismus umfassen sog. Phase I-Biotransformationen (Oxidation, Reduktion, Hydroxylierung) und Phase II-Re-

Leber

251

20 n =26

• = keine Herzinsuffizienz Herzinsuffizienz Stad. I * = Herzinsuffizienz Stad. I K - I f f

0 0 Abb. 3

12 8 ICG-Clearance ( m l / m i n / k g )

16

20

Lidocain-Clearance und Leberdurchblutung bei Patienten mit unterschiedlich schwerer Herzinsuffizienz (Leberdurchblutung gemessen als IndocyaninGrün (ICG)-Clearance. Zito, R. A, Reid, P. R., 1978)

aktionen (Konjugation mit Glucuronsäure, Glycin, Taurin, Glutathion, Schwefelsäure etc.). Das wichtigste Enzymsystem für die Phase I-Reaktionen ist das mikrosomale Cytochrom P450, das jedoch eine heterogene Gruppe von Enzymen darstellt und mit einer einzigen Testsubstanz nicht vollständig erfaßt werden kann. Gebräuchliche Testsubstanzen sind Antipyrin, Coffein, Theophyllin u.a. Von der Clearance dieser Substanzen lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die Aktivität des betreffenden Enzymsystems und auf die Eliminationsgeschwindigkeit von anderen Substanzen, die ebenfalls von Enzymen dieser Gruppe verstoffwechselt werden. Die Theophyllin-Clearance nimmt im Alter ab und liegt bei 75jährigen um ca. 30% niedriger als bei 25jährigen. Unter einer Behandlung mit Phenytoin, einer enzyminduzierenden antiepileptisch wirksamen Substanz, nimmt die Theophyllinclearance jedoch in beiden Altersgruppen um einen vergleichbaren prozentualen Betrag zu. Dies spricht dafür, daß die Kapazität der mikrosomalen Leberenzyme im Alter verringert ist, die Induzierbarkeit der Enzyme aber auch beim alten Menschen erhalten bleibt. Die Antipyrinclearance nimmt zwischen der dritten und der achten Lebensdekade ebenfalls um ca. 20 — 40% ab. Eine starke Streuung der Clearance-Werte, die die Vorhersagbarkeit der mikrosomalen Enzymkapazität erschwert, kommt dadurch zustande, daß neben dem Alter Faktoren wie Geschlecht, Ernährungs- und Rauchgewohnheiten sowie eine gleichzeitige Einnahme von Medikamenten Einfluß auf die Clearance der Testsubstanzen haben können.

252

J. Zeeh

Funktionsfähige

Leberzellmasse

Als Maß für die funktionsfähige Leberzellmasse dient die Galaktose-Eliminationskapazität. Zur Messung dieser Größe wird eine Sättigungsdosis Galaktose (0.5 g/kg Körpergewicht) intravenös injiziert. Die Elimination erfolgt nach einer Kinetik O. Ordnung, die Eliminationsgeschwindigkeit richtet sich nach der Zahl der funktionstüchtigen, ,mitarbeitenden' Leberzellen. Die Galaktose-Eliminationskapazität hängt bei der gesunden Leber eng mit dem Lebervolumen zusammen. Das Lebervolumen nimmt ziwschen der 2. und der 9. Lebensdekade um ca. 40% ab (Abb. 4). Parallel dazu verringert sich die Galaktose-Eliminationskapazität um rd. 20% von einem Wert von 7.5 mg/min/kg Körpergewicht auf 6.1 mg/min/kg. 30 -Frauen -Männer

_

1500

.

'20

» f

6 5 J.

bei Pat > 6 5 J.

an Pat > 65 J.

% Verschreib, an > 6 5 J.

Sulindac Nitrofurantoin Cotrimoxazol Hydralazin Naproxen Cimetidin Piroxicam Chlorpromazin Carbamazepin Phenytoin

50% 43% 40% 37% 37% 32% 20% 20% 18% 12%

37% 30% 34% 55% 37% 27% 44% 32% 17% 23%

1.35 1.43 1.18 0.67 1.00 1.18 0.45 0.63 1.06 0.52

gesamt

30%

32%

0.94

Medikament

254

J. Zeeh

Arzneimittelwirkungen, die über einen Zeitraum von fünf Jahren an die schwedischen Gesundheitsbehörden gemeldet worden waren, genauer untersucht. Es wurde nicht nur die Häufigkeit ermittelt, mit der die hepatotoxische Nebenwirkung unter einem bestimmten Medikament bei alten Patienten aufgetreten war, sondern auch die Häufigkeit, mit der das betreffende Medikament an alte Patienten verschrieben wurde. 32% aller Medikamente wurden an ältere Patienten verschrieben. Sie erlitten darunter 30% aller hepatotoxischen Nebenwirkungen. Ein sicherer Alterseffekt kann damit nicht nachgewiesen werden, wenn auch die Nitrofurantoinhepatitis beim Alten etwas häufiger und die Piroxicam- und Phenytoinhepatitis im Alter etwas seltener aufzutreten scheinen (Tab. 1). Insgesamt wird die Annahme, daß das Alter ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer hepatotoxischen Medikamentenwirkung ist, durch diese Untersuchung nicht bestätigt.

Literatur Bianchi, L., P. Holt, O. F. W. James et al.: Aging in liver and gastrointestinal tract. MTP Press Ltd., Lancaster 1988. Posner, J., M. Danhof, M. W. E. Teunissen et al.: The disposition of antipyrine and its metabolites in young and elderly healthy volunteers. Br J Clin Pharmacol 24 (1987) 5 1 - 5 5 . Schnegg, M., B. Lauterburg: Quantitative liver function in the elderly assessed by galactose elimination capacity, aminopyrine demethylation and caffeine clearance. J Hepatology 3 (1986) 164-171. Shamburek, R. D., J. T. Farrar: Disorders of the digestive system in the elderly. N Engl J Med 322 (1990) 438-443. Wynne, H., L. H. Cope, E. Mutch et al.: The effect of age upon liver volume and apparent liver blood flow in healthy man. Hepatology 9 (1989) 297 — 301. Zeeh, J., J. L. C. Dall, A. C. A. Glen et al.: Effect of age upon steady-state sorbitol clearance. Eur J Clin Pharmacol 36 (1989) A 218. Zito, R. A., P. R. Reid: Lidocaine clearance predicted by indocyanine green clearance. N Engl J Med 298 (1978) 1160-1163.

4.8

Lunge

W. T. Ulmer

4.8.1

Einleitung: Das Altern der Lunge

Die Lunge ist in Hinsicht funktioneller Veränderungen in Abhängigkeit vom Lebensalter besonders gut untersucht. Neben dem grundsätzlichen Interesse, welches Alterungsprozesse an verschiedenen Organsystemen beanspruchen müssen, liegen für die Lunge besonders umfangreiche Daten vor, da sich die Lungenfunktionsuntersuchungen praktisch ausnahmslos auf Erwartungswerte (Sollwerte) beziehen. Hierbei wurde immer deutlich, daß diese Sollwerte „altersabhängig" sind. Schon sehr frühzeitig hat sich an den spirometrischen Meßgrößen, wie die Vitalkapazität (VC) oder dem 1-Sekundenwert (FEVj = bei forcierter Exspiration in der 1. Sekunde vom Niveau der totalen Lungenkapazität (TLC) ausatembares Volumen) diese deutliche Altersabhängigkeit gezeigt. Diese Sollwerte, die heute bei Lungenfunktionsuntersuchungen eingesetzt werden, zeigten mit weiterreichenden Untersuchungen Abhängigkeiten von der Körpergröße, vom Geschlecht und vom Broca-Index, und schließlich zeigen auch Raucher bei vielen Meßgrößen im Mittel etwas schlechtere Sollwerte als Nichtraucher. Hiermit wird schon deutlich, daß die Abnahme von Lungenfunktionsgrößen mit zunehmendem Alter nicht nur der Ausdruck eines unspezifischen, dem System inhaerenten, Alterungsprozesses ist, sondern daß sich auch in den Altersveränderungen kleinere und größere Noxen, welche das System immer wieder treffen, summieren. Als solche Noxen kommen in Frage: Bronchitiden, Bronchopneumonien, Pneumonien, viraler oder bakterieller Natur, aber auch Residuen nach Lungenembolien oder Pleuritiden; aber auch Alveolitiden, die wieder zur Ruhe kommen oder die nie klinische Relevanz erfuhren, um nur die wesentlichen Einflußgrößen zu nennen, die die Lungenfunktionsparameter zunehmend reduzieren. Ein zweites Problem taucht bei dieser Betrachtung ebenso auf: Mit zunehmendem Lebensalter werden diese Funktionseinbußen immer deutlicher. Die Streuung um den Sollwert wird aber auch immer größer. Da wir aus statistischen Ableitungen definitiv krankhafte Veränderungen aus Mittelwertbetrachtungen mit ihren Streuungen ausgrenzen, wird mit solchen Mittelwerten eine Verschiebung zu günstigeren Werten vorgenommen, die — auch wenn wir

256

W. T. Ulmer

uns dieser Problematik bewußt sind — letztlich sinnvoll ist, da eine Grenze zwischen regelhaften Veränderungen ohne besonderen Krankheitswert und eindeutig krankhaften Befunden gezogen werden muß.

4.8.2

Strukturelle Besonderheiten des broncho-pulmonalen Systems

Die Lunge verfügt mit ihrer inneren Oberfläche von 70 — 80 m 2 über die bei weitem größte Obefläche, die das Milieu exterieur vom Milieu interieur trennt. Die extrem dünne Grenzschicht zwischen diesen beiden Bereichen im Alveolarbereich macht unseren Organismus hier besonders verwundbar. Diese Alveolar-Kapillarmembran muß so dünn sein, da der Gasaustausch nur durch Diffusion — ohne aktive Transportmechanismen — erfolgt. Der Gasaustausch ist hiermit proportional der Schichtdicke und proportional der Fläche der Alveolar-Kapillarmembran. Um diesen Bereich besonders zu schützen, sind zahlreiche Abwehrmechanismen vorgeschaltet, die sich in den 23 „Generationen" von Bronchien abspielen. Dieses die Atemluft zu- und abführende System hat die Aufgabe, die Atemluft für den Alveolarbereich optimal aufzubereiten. Die Bronchialschleimhaut, als selbständiges Organ, bewältigt diese enorme Leistung mit vielfältigen Teilfunktionen. Die mit zunehmendem Lebensalter einsetzenden Veränderungen des bronchopulmonalen Systems treffen alle Teilfunktionen, die in vieler Hinsicht gut meßbar sind, aber nur in vieler Hinsicht. Wir wissen wenig über die Abnahme des Reinigungsmechanismus des broncho-pulmonalen Systems mit dem Lebensalter, wir wissen wenig über die Veränderungen der immunologischen Abwehrleistungen mit zunehmendem Lebensalter, obwohl kein Zweifel daran bestehen kann, daß auch hier funktionelle Einbußen eintreten.

4.8.3

Das Bronchialsystem

Im Bronchialsystem lassen sich makroskopisch bei Bronchoskopien Atrophien, Metaplasien und Schleimhautdefekte mit zunehmendem Lebensalter immer häufiger nachweisen. Aber auch das Bild der trockenen Schleimhaut (Hypokrinie) wie das Gegenteil, die Hyperkrinien, bestimmen das Angehen und den Verlauf der Altersbronchitiden. Diese einfachen Bronchitiden treten mit zunehmendem Lebensalter immer häufiger auf. Tabakraucher sind ungleich häufiger betroffen als Nichtraucher, aber auch bei den Nichtrauchern nimmt die Prävalenz dieser „harmlosen" Störung erheblich zu. Diese

Lunge

257

Altersbronchitiden werden häufig als so selbstverständlich hingenommen, daß Patienten, nach Husten befragt, diesen verneinen, obwohl der Anhusteversuch ein eindeutig positives Ergebnis bringt.

4.8.4

Biochemie des Alterns im broncho-pulmonalen System

Im immunologischen System gibt es erhebliche Veränderungen im Ablauf des Lebens. So wissen wir ziemlich sicher, daß Hyposensibilisierungsbehandlungen gegen Pollenallergien bei Kindern wesentlich erfolgreicher verlaufen als bei Erwachsenen. Etwas mehr wissen wir über Änderungen der kollagenen und elastischen Elemente in der Lunge mit zunehmendem Alter. Die Beschaffenheit dieser Elemente ist weitgehend verantwortlich für die atemmechanischen Grundlagen des broncho-pulmonalen Systems. Die Atemmechanik bestimmt weitgehend die Ventilierbarkeit der Lunge, wobei verminderte Dehnbarkeit als restriktive Funktionsstörung bezeichnet, gesteigerte Atemarbeit bedeutet. Gesteigete Atemarbeit bedeutet ab einem bestimmten Wert auch Atemnot. Umgekehrt verursacht gesteigerte Dehnbarkeit eine Vergrößerung des Lungenvolumens. Bei stärkerem Ausmaß dieser gesteigerten Dehnbarkeit werden dann als Entspannungsobstruktion die Bronchien enger gestellt. Enggestellte Bronchien bedeuten auch erschwerter Reinigungsmechanismus der Lunge. Hiermit wird wieder die Basis für das Angehen einer Bronchitis gelegt. Derartige Prozesse laufen nicht gleichmäßig in allen Lungenbezirken ab. Spielen sich derartige, die elastischen und kollagenen Fasern zerstörenden Prozesse in den Bronchialwandungen ab, so können hieraus Bronchiektasen entstehen. Von den elastischen Fasern, die nur im Grenzbereich der Dehnbarkeit eine Haltefunktion erfüllen, sind bislang keine besonderen biochemischen Alterungsprozesse bekannt. Mit zunehmendem Alter ändert sich der Kollagengehalt der Lunge nicht. Dennoch wurde im Verhältnis zu Jugendlichen der Durchmesser der einzelnen Kollagenfasern im inter-alveolären System immer größer gefunden, und er kann im höheren Lebensalter das Doppelte des Normalwertes erreichen. So treten Änderungen der Lagerung dieser Fasern mit zunehmendem Lebensalter auf. Da anzunehmen ist, daß das Freiwerden proteolytischer Enzyme bei nicht genügender inhibitorischer Aktivität entscheidend für die „altersabhängigen" Strukturveränderungen verantwortlich ist, sollen einige hierfür arbeitende Mechanismen erwähnt werden. Elastin- wie Papainexposition der Lunge verändern die elastische Retraktionskraft signifikant. Hierbei kommt es auch zu einer entscheidenden Änderung

258

W. T. Ulmer

der Geometrie der Alveolen. Hierauf beruhen auch die durch Enzyme experimentell erzeugbaren Lungenemphyseme. Die Elastinstruktur wird nach morphologischen Untersuchungen durch derartige Enzymeinwirkungen sicher verändert. Die Destruktion der inter-alveolären Septen durch Proteasen zeigt an, daß es zu lokalen Veränderungen der Lungenstruktur an entscheidenden Stellen mit massiveren funktionellen Folgen kommen kann, obwohl die Menge des Bindegewebes, welches verändert wurde, sehr gering ist. Die Synthese von Glykosaminglykan, als Grundsubstanz für elastische Fasern, nimmt in der Lunge mit zunehmendem Alter ab. Tiere, die unter pathogenfreien Bedingungen aufwachsen, bilden viel weniger Glykosaminglykan, besonders Hyaluronsäure und Heparinsulfat, als Tiere, die unter normalen Bedingungen großgezogen werden. Somit ist ein rechtes Maß an Auseinandersetzung des broncho-pulmonalan Systems mit inhalierten Bakterien ein wichtiger Faktor für die Reaktionen im broncho-pulmonalen System. Enzyme aus polymorphkernigen Leukozyten wie von Alveolarmakrophagen wie Bakterienproteasen können die elastischen Fasern in der Lunge zerstören. Wenn auch die Gesamtmenge des Elastins nicht oder kaum durch derartige proteolytische Einwirkungen verändert wird, so sind doch typische Aufbauänderungen in solchen Lungen nachweisbar. Die amorphe Elastinkomponente nimmt ab, während die mikrofibrilläre Elastinkomponente erhalten bleibt. Bei Patienten mit alpha^Antitrypsindefizit scheint aber auch der Elastingehalt mit zunehmendem Alter in der Lunge geringer zu werden. Die nachlassende Funktion des broncho-pulmonalen Systems, insbesondere im höheren Alter, findet in derartigen Veränderungen der Strukturelemente der Lunge, die auf biochemische Veränderungen zurückzuführen sind, eine befriedigende Erklärung.

4.8.5

Änderung der Lungenfunktion mit zunehmendem Alter

Als orientierende Meßgrößen für die Einschränkung der Lungenfunktion, werden häufig noch die VC wie der FEV r Wert als spirometrische Meßgrößen gebraucht. Die Formel für die VC-Sollwerte, getrennt für Frauen und Männer, lassen eindeutig die Altersabhängigkeit erkennen: Frauen: VC E (1) = - 4 , 4 1 2 3 - 0,0199 x A + 5,247 x H - 0,4 x BI Männer: VC E (1) = - 7 , 7 6 9 5 - 0,0217 x A + 7,758 x H - 0,15 x BI A = Alter in Jahren, H = Körpergröße in m, BI = Broca-Index Dies bedeutet eine Abnahme der VC von etwa 200 ml/Jahrzehnt. Ein 20jähriger, Normalgewichtiger mit einer Körpergröße von 1,8 m hat hiernach eine

Lunge

259

Vitalkapazität von 5,641, ein gleichgebauter 70jähriger eine von 4,541, was einer Abnahme im Laufe dieser 50 Jahre von 20% entspricht. Diese Abnahme erfolgt weithin linear mit dem Alter. Für den häufig für die Diagnostik benutzten FEV]-Wert zeigen die Sollwertformeln ebenso eine altersentsprechende Abnahme: Frauen: FEV! (1 • s " 1 ) = - 0 , 6 4 2 - 0,021 x A + 2,393 x H + 0,209 x BI Männer: FEVi (1 • s " 1 ) = - 4 , 2 3 4 - 0,026 x A + 5,321 x H - 0,072 x BI A = Alter in Jahren, H = Körpergröße in m, BI = Broca-Index Pro 10 Jahre Alterung bedeutet dies eine Abnahme der FEVi-Werte von ca. 240 ml. Der 1-Sekundenwert nimmt hiermit innerhalb von 5 Jahrzehnten um ca. 28% ab. Das am Ende einer normalen Ausatmung in der Lunge verbleibende Gasvolumen wird, ganzkörperplethysmographisch gemessen, intrathorakales Gasvolumen (IGV) genannt. Dieses in der Lunge verbleibende Gasvolumen nimmt ebenfalls in Abhängigkeit vom Lebensalter linear zu, und zwar bei Männern deutlich stärker als bei Frauen, pro Jahrzehnt um 170 ml bzw. 30 ml (Abb. 1). JGV ml

4000 3800 3600 3400 3200 3000 2800 2600 2400 2200 200

°15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

Lebensalter in Jahren

Abb. 1

IGV in Abhängigkeit vom Lebensalter und Broca-Index bei gesunden Männern.

260

W. T. Ulmer

Eine Zunahme des Broca-Index um 20 im Laufe des Lebens macht zwar diese IGV-Zunahme wieder wett, was aber natürlich keiner Verbesserung der Lungenfunktion entspricht, da die VC und der FEV] um so mehr abnehmen. Worauf beruhen diese funktionellen Änderungen? Atemmechanische Messungen, wie sie heute mit Hilfe des Ganzkörperplethysmographen, als Messungen der Strömungswiderstände oder mit Hilfe der Ösophagusdruckmethode als Messungen der Dehnbarkeit = Compliance der Lunge, möglich sind, geben hier differenzierteren Einblick.

4.8.6

Änderungen der Atemmechanik mit zunehmendem Alter

Die Strömungswiderstände in den Atemwegen nehmen zwar im Mittel im Laufe des Lebens etwas zu. Diese Zunahme ist aber klinisch ohne Bedeutung, d. h., daß mit zunehmendem Lebensalter das Atemzugvolumen zwar in erhöhte Lungenvolumina verschoben wird, daß aber die hier gegen die Strömungswiderstände aufzubringende Atemarbeit nur mäßig ansteigt. Der Anstieg von einem R r Wert von 1,8 l s _ 1 auf 2,2 bei über 60jährigen bedeutet zwar auch einen Anstieg der Atemarbeit um 20%, aber gemessen an dem, was an Strömungswiderstandsanstiegen bei entsprechenden Erkrankungen passiert, ist dies sehr wenig.

4.8.7

Einfluß des Alters auf die Lungendehnbarkeit

Die Lungendehnbarkeit läßt sich mit der Ösophagusdruckmethode gut messen. Die Drucke im Ösophagus entsprechen den Drucken im Intrapleuralraum. Wird gleichzeitig das inspirierte Volumen statisch gemessen, so erhalten wir die statische Compliance mit der Größenordnung 1 /cm H 2 0. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die statische Compliance signifikant ab. Diese Abnahme der Dehnbarkeit (Abb. 2) beträgt 35% bei einem 70jährigen im Verhältnis zu den Werten eines 20jährigen. Auch dies bedeutet im Mittel, daß die für einen Atemzug zu leistende Atemarbeit um 35% höher liegen muß als beim Jugendlichen. Die Ursachen dieser Dehnbarkeitsabnahme sind nicht sicher bekannt. Anzunehmen ist, daß auch in der Lunge Sklerosierungsprozesse neben Residuen entzündlicher Prozesse ablaufen, die mit Vernarbungen enden.

Lunge

Abb. 2

261

Mittleres Dehnbarkeitsverhalten (CLstat) in Abhängigkeit vom Lebensalter. Die mittlere Dehnbarkeit nimmt um 35% zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr ab.

4.8.8 Änderungen der Yentilierbarkeit der Lunge mit zunehmendem Lebensalter Abbildung 3 zeigt zusammengefaßt die wesentlichen Änderungen der Ventilierbarkeit der Lunge, die zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr eintreten. In diese Abbildung sind in der Abszisse die Lungenvolumina, wobei das maximal in die Lunge aufnehmbare Volumen der totalen Lungenkapazität (TLC) entspricht, eingetragen. Die Ordinate gibt die Strömungswiderstände (R t ) an. Die totale Lungenkapazität nimmt mit zunehmendem Alter leicht zu. In anderer Terminologie würde diese Zunahme um ca. 7,5% dem „Altersemphysem" entsprechen. In der Abbildung ist aber auch eingetragen, was diese totale Lungenkapazität in Prozent des IGV bedeutet. Bei einem 20jährigen entspricht die TLC genau der Verdoppelung des Soll-IGV ( = 200% IGV). Bei einem 70jährigen bedeutet diese TLC 175,5% IGV. Da bei schwereren Emphysembildungen sowie bei schwereren Atemwegsobstruktionen der Luftgehalt der Lunge erheblich zunimmt, können diese TLC-Werte bei 175,5% bzw. 200% erreicht werden. Damit sind die realistischen Grenzen der Ventilierbarkeit der Lunge jeweils erreicht. Während der Ausatmung, beginnend von der TLC, bleiben die Strömungswiderstände beim Jugendlichen lange Zeit niedrig. Auch im Bereich eines IGV liegen noch niedrige Strömungswider-

262

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Sollwerte: männlich 20- bzw.70jährig, 1,8m, Bl. 1 lem HjO/l s"1)

7 20 Jahre

70Jahre

6-

5TLC ( 70 Jahre)

IIGV (70 Jahre)

4

TLC (20 Jahre)

3

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I

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2000

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W

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6000

7000

200% IGV

8000

175,5% IGV

l

M3354/90

Abb. 3

Sollwerte der Strömungswiderstand-(Rt)Volumenkurve bei einem männlichen 20- bzw. 70jährigen Probanden mit einer jeweiligen Körpergröße von 1,8 m bei Broca-Index 1 Abszisse: Lungenvolumina Ordinate: Strömungswiderstand (Rt) (TLC = totale Lungenkapazität; StaC = Strömungswiderstandsanstiegskapazität, IGV = intrathorakales Gasvolumen).

stände vor. Erst deutlich, nach weiterer Ausatmung über das Ende der normalen Ausatmung hinaus, steigen dann die Strömungswiderstände an. Diese Strömungswiderstandsanstiegskapazität (STaC) liegt bei etwa 37% seiner TLC. Bei einem 70jährigen steigen die Strömungswiderstände in den Atemwegen schon deutlich oberhalb des Endes einer normalen Ausatmung an. Dieser leichte Anstieg bedingt, daß R t bei einem älteren Probanden etwas höher liegt als beim Jugendlichen. Der STaC-Wert liegt beim 70jährigen bei ca. 62% seiner TLC. Nach maximaler Ausatmung verbleiben in der Lunge des Jugendlichen ca. 31% des gesamten in der Lunge aufnehmbaren Volumens, beim 70jährigen ca. 54%. Diese erheblichen funktionellen Einbußen, die abhängig vom Lebensalter sind, bedeuten nicht nur, daß die Leistungsfähigkeit des Ventilations- und Gasaustauschsystems abnimmt, sie bedeuten auch, daß mit dieser Reduktion der Funktion auch leichter Krankheiten, wie chronische

Lunge

263

Bronchitis und obstruktive Atemwegserkrankungen, angehen. Daß dann auch emphysematöse Veränderungen schlechter toleriert werden, darauf wurde schon hingewiesen.

4.8.9

Veränderungen der arteriellen Blutgase in Abhängigkeit vom Lebensalter

Die beschriebenen Funktionseinbußen der Atemmechanik treten offensichtlich nicht gleichmäßig in allen Lungenarealen auf. Es kommt zu mechanischen Inhomogenitäten der Lunge. Aus diesen mechanischen Inhomogenitäten resultieren auch Inhomogenitäten des Ventilations-/Perfusionsquotienten (V/0)Hierdurch kommt es zu einer Abnahme des arteriellen Sauerstoffdruckes in Abhängigkeit vom Lebensalter (Abb. 4), so daß innerhalb von 55 Lebensjahren der arterielle Sauerstoffdruck um ca. 44 mm Hg abnimmt. Diese in Abbildung 4 wiedergegebenen Kurvenverläufe stammen von männlichen Probanden. Bei Frauen liegt der arterielle Stauerstoffdruck im Mittel PoZa

Abb. 4

Altersabhängigkeit des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes für verschiedene Broca-Indices.

264

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um 2 mm Hg höher als bei gleichaltrigen Männern. Zumindest zum Teil sind hieran die unterschiedlichen Rauchgewohnheiten abzulesen, da Raucher durchschnittlich um 3 — 6 mm Hg niedrigere Sauerstoffdrucke im arteriellen Blut zeigen als Nichtraucher. Diese Abnahme des arteriellen Sauerstoffdruckes ist aber auch noch deutlich abhängig vom Broca-Index. So wie erhöhte Broca-Indices die Vitalkapazität wie auch das IGV und den 1-Sekundenwert beeinflussen, so tun sie dies auch für den Gasaustausch. Ein Proband mit einem Broca-Index von 145 hat gegenüber einem leicht Untergewichtigen mit einem Broca-Index von 85 einen um 6 mm Hg niedrigeren Sauerstoffdruck im arteriellen Blut. Wenn wir uns auch mit den Sauerstoffdruckwerten immer noch im für die Sauerstoffversorgung im Organismus unproblematischen Bereich befinden, so sind doch für Belastungssituationen die Reserven beim älteren Probanden deutlich eingeschränkt, wobei das Übergewicht hier an den Funktionseinbußen des broncho-pulmonalen Systems sehr deutliche Zeichen setzt. Die gesamtalveoläre Ventilation bleibt beim älteren Probanden unverändert, so daß das Säure-Basen-Gleichgewicht mit normalem pH-Wert und normalem pCCVWert bestehen bleibt.

4.8.10 Altersabhängigkeit der Strömungswiderstände im Lungenkreislauf Obwohl im Niederdrucksystem der A. pulmonalis arteriosklerotische Veränderungen vergleichbaren Ausmaßes wie im Systemkreislauf mit zunehmendem Lebensalter nicht auftreten, kommt es doch im Lungenkreislauf mit zunehmendem Lebensalter zu Veränderungen, die am ehesten als Elastizitätsverlust zu deuten sind. Der systolische Blutdruck steigt schon bei geringer körperlicher Belastung mit zunehmendem Lebensalter bei gleichbleibendem diastolischen Wert deutlich an. Während beim 18 —29jährigen der systolische Druck in der A. pulmonalis bei 27 mm Hg liegt, liegt er beim 50 — 70jährigen bei 34 mm Hg. Die entsprechenden Mittelwerte für die A. pulmonalis lauten bei leichter körperlicher Arbeit 21 mm Hg bzw. 25 mm Hg, was immerhin auch einem Druckanstieg von ca. 20% entspricht.

4.8.11 Folgen der funktionellen Altersveränderungen Emphysematöse Veränderungen, die schon naturgemäß erst mit höherem Lebensalter auftreten, werden durch die physiologischen Alterungsprozesse auch noch deutlich schlechter toleriert als bei Jugendlichen. Dies wird beson-

Lunge

265

ders deutlich bei den Probanden mit alpha r Antitrypsinmangelemphysem, die schon im jugendlichen Alter ihre schweren emphysematösen Veränderungen aquirieren können. Obwohl u.U. bei entsprechender Therapie der weitere emphysematöse Umbau nicht mehr wesentlich fortschreitet, werden doch die stattgehabten Einbußen dann im Lebensalter über 50 Jahre immer deutlich schlechter quoad vitam toleriert. Aber auch die einfache Bronchitis (Husten und Auswurf) tritt mit zunehmendem Lebensalter immer häufiger auf, wobei natürlich jeweils zu fragen ist, welche Ursachen hinter einer derartigen, dann auch leichter zur Chronifizierung neigenden Bronchitis stehen. Bei 60jährigen ist mit Bronchitiden bei ca. 30% der Probanden zu rechnen. Diese Bronchitiden werden mit zunehmendem Lebensalter auch immer häufiger obstruktiv. Es soll hier nicht auf die Differentialdiagnose der obstruktiven Bronchitiden eingegangen werden, aber die Diagnostik sollte doch so weit vorangetrieben werden, daß prinzipielle Einteilungen in Emphysembronchitis, obstruktive Bronchitis und atopische Atemwegsobstruktion dann auch mit allen Kombinationsmöglichkeiten versucht wird. Während bei den 10 — 30jährigen obstruktive Atemwegserkrankungen bei knapp 5% gefunden werden, steigt dieser Prozentwert bei den 30 — 50jährigen auf ca. 8% an, um bei den 50 —70jährigen Werte um 20% zu erreichen. Sowohl bakterielle wie auch Viruspneumonien kommen im höheren Lebensalter häufiger vor, und sie erreichen rascher die funktionellen Grenzen des Organs. Immer muß berücksichtigt werden, daß auch bei Lungenerkrankungen das Krankheitsgeschehen im Gesamtorganismus berücksichtigt werden muß. Pneumonien können wegen der insgesamt herabgesetzten Abwehrlage bei älteren Patienten wegen fehlender Leukozytose oder auch nicht eindeutigem Temperaturanstieg leicht übersehen werden. Auch daß bei älteren Patienten das Abhustevermögen deutlich eingeschränkt ist, zwingt hier zur besonderen Aufmerksamkeit. Im allgemeinen ist es nicht schwierig, auf Grund unserer heute gegebenen Funktionsmeßmöglichkeiten Normalverhältnisse von pathologischen eindeutig abzugrenzen. Aber gerade die Notwendigkeit einer früh einsetzenden Therapie bis hin zur Präventivmedizin machen es erforderlich, differenzierte Funktionsanalytik zu betreiben, um präventive Behandlungsmöglichkeiten einzusetzen, die es verhindern, daß die typischen Alterserkrankungen, wie Atemwegsobstruktion, Emphysem und obstruktive Emphysembronchitis, rechtzeitig beherrscht werden. Hier stehen uns heute neben den guten diagnostischen Möglichkeiten auch wirksame therapeutische Ansätze zur Verfügung.

266

W. T. Ulmer

4.8.12 Altersveränderungen und das Bronchialkarzinom Immer ist in der Geriatrie an ein Bronchialkarzinom zu denken, wenn ein hartnäckiger Husten vorliegt, wenn Blut im Auswurf beobachtet wird. Auch eine Bronchopneumonie kann das erste Zeichen eines Bronchialkarzinoms sein. Nicht selten verbirgt sich hinter einer Segment- oder Lappenatelektase ein opturierendes Bronchialkarzinom. Karzinome in den großen Bronchien bis hin zur Trachea werden oft lange Zeit nicht erkannt und dann zunächst auch noch als Atemwegsobstruktion gedeutet. Bronchialkarzinome sind bei unter 40jährigen sehr selten. Bei den Rauchern steigt ab dem 40. Lebensjahr die Häufigkeitskurve deutlich an. 7,5% der Raucher sterben am Bronchialkarzinom. Dies bedeutet eine Überhäufigkeit der Raucher gegenüber den Nichtrauchern von 1:12,7 nach einer eigenen mehrjährigen Studie in Nordrhein-Westfalen. Das mittlere Sterbealter der Nichtraucher am Bronchialkarzinom liegt bei 70,6 Jahren und liegt somit um 4,4 Jahre unter der normalen Lebenserwartung. Raucher sterben im Mittel um 7 Jahre früher am Bronchialkarzinom als Nichtraucher. Im höheren Lebensalter schreitet ein Bronchialkarzinom auf Grund der geringeren Wachstumpotenz häufig relativ langsam voran. Lebenserwartungen nach Diagnosestellung bis zu 4 Jahren und länger wurden beobachtet. Im Mittel liegt allerdings die verbleibende Lebenserwartung nach Diagnosestellung wesentlich niedriger.

4.8.13 Die Alterstuberkulose Eine weitgehend stabilisierte Tuberkulose kann mit der Abnahme der Abwehrkräfte wieder an Aktivität gewinnen, wobei die typische Tuberkulosesymptomatik kaschiert sein kann. Ältere Tuberkulosepatienten bedürfen deshalb der besonderen Überwachung und Betreuung. Die relativ guten Behandlungsmöglichkeiten haben die Lebenserwartung der Tuberkulosekranken zu wesentlich höheren Lebensaltern verschoben als noch vor ca. 30 Jahren. Eine mit Residuen, d. h. Vernarbungen, abgeheilte Tuberkulose, kann aber relativ leicht die Ursache einer chronisch unspezifischen Bronchitis und auch die Ursache einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (chronisch obstruktive Bronchitis) werden. Bei älteren Patienten mit herabgesetzter Abwehrlage muß aber immer bedacht werden, daß alle Formen der Lungentuberkulose bis zur Miliartuberkulose mit relativer Symptomarmut vorkommen können. Insbesondere muß die Differentialdiagnose zur unspezifischen Bronchitis abgeklärt werden.

Lunge

267

4.8.14 Die Lungenembolie Die Lungenembolie ist auch eine typische Erkrankung des höheren Lebensalters und ist aus nachlassender kardiozirkulatorischer Qualität und nachlassender körperlicher Aktivität zu verstehen. Die klinische Symptomatik kann oft relativ spärlich sein, umgekehrt kann auch eine dramatische Symptomatik mit den üblichen klinischen Untersuchungsverfahren wenig typische Befunde erheben lassen. Für die Lungenembolien generell, aber besonders im höheren Lebensalter gilt: Immer daran denken.

Literatur Islam, M. S., W. T. Ulmer: Referenzwerte der ventilatorischen Lungenfunktion. Prax. Klin. Pneumol. 37 (1983) 9 - 1 4 . Kirkpatrick, Ch., H. Y. Reynolds: Immunologie and infections reactions in the lung. Vol. 1., Marcel Dekker, Inc., New York -Basel 1976. Ulmer, W. T.: Lungenembolie: Das akute Ereignis und Langzeitergebnisse. Lebensversicherungsmedizin 33 (1981) 62 — 65. Ulmer, W. T.: Das Bronchialkarzinom im Stadt/Landfaktor. Stuttgart, Thieme 1982. Ulmer, W. T., G. Reichel: Untersuchungen über die Altersabhängigkeit der alveolären und arteriellen Sauerstoff- und Kohlensäuredrucke. Klin. Wschr. 41 (1963) 1.

4.9

Milz

T. Vömel

Die Rolle der Milz in Bezug auf die Erythrozytenalterung und Elimination ist oben angesprochen. In der Milz werden nach übereinstimmender Meinung in der Literatur pathologisch alterierte Erythrozyten eliminiert (z. B. bei Sichelzellanämie ATPdepletierte Erythrozyten, durch Hitze alterierte Zellen, etc). Wahrscheinlich werden aber nur die leicht bis mittelgradig geschädigten roten Blutzellen in der Milz phagozytiert, die schwer geschädigten Zellen aber im übrigen Retikulohistiozytären System (RHS). Hinsichtlich der physiologisch gealterten Erythrozyten wird die Eliminationsrate mit ca. 2 — 3% für die Milz angegeben. Über die Funktion der Milz im Alter im Hinblick auf die genannten Funktionen der Erythrozytenelimination existieren derzeit keine sicheren Daten. Hinsichtlich der Milzgröße läßt sich mit zunehmendem Lebensalter ab der 3. Dekade bei Männern und der 4. Dekade bei Frauen eine Reduktion des Milzgewichtes und auch des Milzvolumens nachweisen. Vor allem die Milzpulpa zeigt eine erhebliche Reduktion, die bis zu 90% des Volumens ausmacht. Darüberhinaus läßt sich eine zunehmende erhebliche Fibrose sowie eine Hyalinose der vaskulären Komponente nachweisen. Die Reduktion der Milzpulpa fangt schon ab der 2. Lebensdekade an und entwickelt sich somit zwar parallel zur Involution des Thymus, zeitlich aber erheblich früher als die Verkleinerung der Gesamtmilz. Die Aufenthaltsdauer von Erythrozyten erhöht sich mit zunehmendem Lebensalter, ohne daß damit eine wesentliche Erhöhung der Eliminationsrate in der Milz nachweisbar wäre. Als Reaktion des Organismus auf Milzextirpation wird die mit zunehmendem Lebensalter deutliche Verminderung der Infektionsgefahr, wie z. B. der Gefahr einer Pneumokokkensepsis, gewertet. Die regelmäßig nach Milzextirpation über Jahre andauernde Erhöhung der Lymphozytenzahl im peripheren Blut läßt sich beim alten Menschen nicht mehr nachweisen. Allerdings werden die Funktionen der extirpierten Milz im Alter von der Leber, den Lymphknoten und dem Knochenmark gut übernommen, sodaß die im Alter nicht mehr nachweisbare Lymphozytenvermehrung offensichtlich Ausdruck einer gelungenen Kompensation des Organismus ist.

Milz

269

Die Lebensdauer der Milzmakrophagen zeigt mit zunehmendem Organismusalter keine wesentliche Veränderung. Sie beträgt beim Menschen ca. 45 Tage. Die Milzmakrophagen zeigen im Gegensatz zu denen der Leber keine Abwanderung ins Peritoneum oder in andere Organe.

Literatur Begemann, H., J. Rastetter: Klinische Hämatologie. Thieme, Stuttgart — Berlin — New York 1986. Flindt, R.: Biologie in Zahlen. Gustav Fischer, Stuttgart —New York 1985. Platt, D.: Geriatrics. Springer, Heidelberg —Berlin —New York 21983.

4.10 Ohr C. T. Haid

4.10.1 Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) Unter einer Presbyakusis versteht man eine symmetrische, sensoneurale Schwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit, bzw. Schallempfindungsschwerhörigkeit) auf beiden Ohren im Hochtonbereich, die bei älteren Personen (jenseits des 60. Lebensjahres) auftreten, nach dem Ausschluß anderer Hörerkrankungen (Tab. 1). Schon ab dem 40. bzw. 50. Lebensjahr kann ein degenerativer Hörverlust beginnen. Tabelle 1 Ursachen einer sensoneuralen Hörstörung und dazugehörige Erkrankungen Trauma:

Knalltrauma, Felsenbeinquerfraktur, Commotio labyrinthi, sensoneuraler Hörverlust im Rahmen einer Commotio cerebri Akuter Hörsturz, cochleo-vestibuläre Insuffizienz, Vaskuläre Störung: sensoneurale Hörstörung im Rahmen einer Vertebralis-Basilarisinsuffizienz Presbyakusis, Lärmschwerhörigkeit, sensoneurale Degeneration: Hörstörung im Rahmen einer Encephalomyelitis disseminata Infektion: Sensoneurale Hörstörung als Folge von Grippe, Masern, Mumps, Zoster oticus, Meningitis M. Menière, sensoneurale Hörstörung infolge Stoffwechselstörung: Diabetes mellitus Kleinhirnbrückenwinkeltumor Raumfordernder Prozeß (Akustikusneurinom, Meningiom, Epidermoid, genuines Cholesteatom, Aneurysma, Arachnoidalzyste, Metastase) Ototoxische Medikamente (Streptomycin, Toxische Schädigung: Kanamycin, Gentamycin, Neomycin) Alport-Syndrom, Usher-Syndrom, RefsumMißbildung: Syndrom, Pendred-Syndrom Immunologische Ursache einer sensoneuralen Hörstörung Idiopathische Ursache einer sensoneuralen Hörstörung

Ohr

271

4.10.1.1 Symptome Als Symptome imponieren bei Personen mit einer Presbyakusis ein Hörverlust auf beiden Ohren, insbesondere für hohe Töne (z. B. Vogelsingen, Pfeifton). Die Betroffenen haben Schwierigkeiten beim Verstehen der Sprache, insbesondere wenn mehrere Leute zur gleichen Zeit reden (Cocktailpartyeffekt). In fortgeschrittenen Fällen kann auch das Verstehen einer normalen Konversation erschwert sein und zu Verständigungsschwierigkeiten führen. Sie hören, daß irgend etwas gesprochen wird, verstehen aber meist den Zusammenhang nicht infolge einer Reduzierung des Unterscheidungsvermögens von Worten und Sätzen. Hinzu treten nicht selten im höheren Alter ein Kurzzeitgedächtnis und eine Wortfindungsstörung auf. Viele Patienten mit einer Presbyakusis klagen über ein Ohrensausen, meist auf beiden Ohren. Der Tinnitus kann eine unterschiedliche Intensität aufweisen. Im allgemeinen wird er als ein permanent hoher Ton nachgewiesen. Die Schwerhörigkeit und die daraus resultierenden Verständigungsschwierigkeiten, insbesondere wenn vergesellschaftet mit einem lästigen Tinnitus, kann zusätzliche Symptome wie Depressionen und Verwirrtheit auslösen. Zahlreiche Personen verspüren mit zunehmendem Alter ein Schwindelgefühl unterschiedlichen Charakters. Zur Presbyakusis gehört dieses Symptom nicht. Jedoch auch das Vestibularissystem und das vertebro-basiläre System sind Alterungsprozessen unterworfen, wodurch zur gleichen Zeit wie die Altersschwerhörigkeit, Vertigo bis hin zu Gleichgewichtsstörungen verursacht werden können. Diese Symptomatik kann auch entstehen im Rahmen von kardio-vaskulären Erkrankungen, infolge von zentralen Integrationsstörungen von zusammenfließenden vestibulären, okulären und propriozeptiven Impulsen, d. h. die in sich übereinstimmenden Impulse werden vom Zentralnervensystem nicht richtig miteinander koordiniert, obwohl das vestibuläre System als Ganzes intakt ist.

4.10.1.2 Ätiologie und Pathogenese Bei der Altersschwerhörigkeit spielen interne und externe Presbyakusis-Faktoren eine Rolle. Zu den internen Faktoren gehört erstens der allgemeine biologische Alterungsprozeß (Verminderung der elastischen Fasern, Ablagerung von Hyalin- und Kalziumverbindungen mit Änderungen der physikalischen Eigenschaften des Mittelohres und des Innenohres), vaskuläre Veränderungen (Störungen der Mikrozirkulation und daraus resultierende Störungen der Sauerstoffversorgung und metabolische Veränderungen der Zelle) und Verlust von Sinneszellen und Neuronen. Desweiteren verursachen Pigmentablagerungen (Lipofuszin),

272

C. T. Haid

extrazelluläre Ablagerung von Cholesterin, Lipiden, Um- und Abbau von Kollagensubstanzen, Verlust von interzellulärer Flüssigkeit und DNS-Synthesestörungen degenerative Vorgänge. Zweitens erbliche bzw. genetisch verankerte Faktoren begünstigen oder verzögern interindividuell den Alterungsprozeß. Bei den externen Presbyakusisvorgängen spielt in erster Linie Lärm eine große Rolle. Langjährige Exposition von beruflichem Lärm (z. B. Sägewerk, Arbeiten in der Spinnerei oder Weberei) aber auch von Milieulärm (z. B. Verkehrslärm, Discothekenmusik) wirken sich äußerst nachteilig auf den Vorgang der Presbyakusis aus. Das gleiche gilt für frühkindliche oder später erworbene Ohrkrankheiten. Allgemeine vaskuläre Veränderungen im Gefaßsystem (z. B. durch Hypertonie, Arteriosklerose, Atherosklerose, Arteriolosklerose), kardiale Erkrankungen, Grundkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus, Hyperlipidämie), sowie gewisse Lebensbedingungen (Alkohol, Nikotin, Medikamente) beeinflußen den Stoffwechsel des Innenohres nachteilig, und stellen wichtige Faktoren für den Alterungsprozeß dar. Demgegenüber berichtet Lehnhardt über eine Fragwürdigkeit des Begriffs „Altersschwerhörigkeit". Es gibt 80jährige Personen, die ein noch erstaunlich gutes Hörvermögen besitzen. Anhand einer Studie stellte er fest, daß ältere Patienten weniger an einer neuralen Hörstörung, als vielmehr an einer sensorischen Hörstörung leiden. Diese peripheren Hörverluste im Innenohr sind angeblich Folgen früherer altersunabhängiger Schädigungen (durch endogene oder exogene Faktoren), die die sog. Altersschwerhörigkeit einleiten oder begünstigen können. Nach Lehnhardt ist die Schwerhörigkeit im höheren Lebensalter eine Überlagerung altersbedingter zentraler Handicaps mit weitgehend alterungsunabhängigen sensorisch-degenerativen Veränderungen. Eine Studie über die Presbyakusis in verschiedenen Bevölkerungen hat ergeben, daß der altersbedingte Abbau des Gehörs innerafrikanischer Ureinwohner geringer ist, als der der Industriebevölkerung. Andere Studien konnten diese Beobachtung nicht bestätigen, sondern ergaben die mit unserer Gesellschaft vergleichbaren Werte. Bei der Presbyakusis kommt es im ganzen Hörabschnitt zu pathologischen Veränderungen, d.h. sowohl im äußeren Ohr, Mittelohr, Innenohr (Abb. 1), als auch in der zentralen Hörbahn. Am äußeren Ohr entstehen altersbedingte Veränderungen in der Haut und im Knorpel der Ohrmuschel und des äußeren Gehörganges, jedoch in der Regel ohne das Hörvermögen zu verändern. Im Mittelohr findet man eine Zunahme des Fasermaterials und eine Hyalindegeneration und Kalziumdegeneration. Insgesamt kann eine Versteifung bzw. Reduktion der Elastizität der Ossikeln und des Trommelfells entstehen, wodurch ein Hörverlust durchaus resultieren kann.

Ohr

273

Abb. 1 Aufbau des menschlichen Innenohres (Cortisches Organ mit Basilarmembran, äußere und innere Haarzellen, Tectorialmembran sowie Scala media = Ductus cochlearis, Scala vestibuli und Scala tympani) (aus Ritter K. und Bräuer H., Exempla otologica. Eine Albert-Roussel-Edition für Ärzte 1987, Medical Service München).

Bei der Altersschwerhörigkeit spielen sich zahlreiche Veränderungen im Innenohr ab. An der Basilarmembran kommt es zur Verdickung und zur Kalzifikation, wodurch das Massenverhältnis und das Elastizitätsverhalten sich so ändern können, daß eine Innenohrschwerhörigkeit resultiert. Es kann eine Hyalinisation und Kalziumablagerungen am basalen Ende der Kochlea auftreten. Besonders in dieser Region kommt es zunächst zu einem allmählichen Untergang der äußeren Haarzellen und später auch der inneren Haarzellen. Es resultiert bei der Presbyakusis außerdem eine Atrophie der Stria vascularis. Das kann zu Störungen in der Produktion und Sekretion von Endolymphe verursachen, wodurch Veränderungen des Energiehaushaltes in den Haarzellen entstehen können. Es kommt zusätzlich zu einer Atrophie der Spiralganglienzellen. In Verbindung mit Spiralganglienverlust kommt es auch zu einer Verminderung der Nervenfasern im Hörnerven selbst. Dies kann auch mitverursacht werden durch knöcherne Umbauvorgänge im Bereich der Area cribrosa im Fundus vom inneren Gehörgang, wo Kanälchen für Nervenfasern

274

C. T. Haid

und Gefäße hindurchgehen. Überhaupt kommt es zu Veränderungen des Gefaßsystems im Innenohr bei älteren Personen. Es entsteht eine Reduzierung von Kapillaren und radiären Arteriolen sowie eine Atrophie von Spiralgefaßen. Schließlich resultiert bei der Altersschwerhörigkeit auch ein Neuronenverlust in den zentralen Hörbahnabschnitten. Es kann eine Atrophie und Degeneration von Ganglienzellen im Nucleus cochlearis und im medialen Corpus geniculatum oder in anderen Abschnitten der zentralen Hörbahn kommen. Eine andere mögliche Ursache für die Altersschwerhörigkeit kann in einer verminderten Funktion der Enzyme in den Zellen herrühren. Dieser Vorgang kann mitverantwortlich sein für den Untergang von Sinneszellen. Zusammenfassend kann zur Ätiologie folgendes festgehalten werden: Es handelt sich bei der Presbyakusis um multifaktorielle Faktoren (endogene und exogene), die früher oder später (interindividuell unterschiedlich) zu degenerativen Veränderungen in den peripheren und zentralen Abschnitten des auditiven Systems führen. Nach Schuknecht kann man nach der Lokalisation degenerativer Prozesse vier Formen einer Altersschwerhörigkeit unterscheiden, die einzeln oder kombiniert vorkommen und auch im Audiogramm unterschiedliche Hörkurven verursachen können: a) sensorischer Typ (Veränderungen in der basalen Schneckenwindung; Atrophie des Cortischen Organs und Verlust von Haarzellen und Stützzellen) b) neuraler Typ (Neuronenverlust im auditiven System inklusive Kochlea) c) Stria-Typ (Atrophie der Stria vascularis mit metabolischen Veränderungen im Innenohr, das zur Qualitätsänderung der Endolymphe und damit des Energiehaushaltes führt) d) Kochleärer Typ (Veränderungen innerhalb des Ductus cochlearis und im Ligamentum spirale = Basilarmembran). 4.10.1.3 Klinische Untersuchungsverfahren Nach der Anamnese soll grundsätzlich bei Personen mit einer Schwerhörigkeit, somit auch bei Erkrankten mit einer Presbyakusis zunächst die Inspektion der Ohren (Mikroskop, Otoskop) erfolgen zum Ausschluß von Erkrankungen des äußeren Ohres und des Mittelohres als mögliche Ursachen für einen Hörverlust. Die beiden Trommelfelle sind bei Patienten mit einer Altersschwerhörigkeit in der Regel reizlos und intakt d. h. ohne pathologischen Befund. Ebenso sind die Röntgenaufnahmen der Felsenbeine nach Stenvers zur Darstellung und Feststellung von Anomalien im Bereich der Felsenbeinpyramide und der inneren Gehörgänge unauffällig. Eine Indikation zur Vestibularisprüfung ist in erster Linie nur erforderlich, wenn der Patient gleichzeitig über einen charakteristischen bzw. systematischen Schwindel oder über

Ohr

275

Gleichgewichtsstörungen klagt. In besonderen Fällen wird eine kraniale Computertomographie (CT) oder Kernspintomographie (NMI) für die Diagnostik einer Schwerhörigkeit notwendig. Audiometrische Messungen sind die wichtigsten Untersuchungsmethoden zum Nachweis der Presbyakusis. Zunächst sollte eine Stimmgabelprüfung (a1 = 440 Hz) nach Weber und Rinne vollzogen werden, die Auskunft geben, ob eine Innenohrschwerhörigkeit oder eine Schalleitungsschwerhörigkeit vorliegt. Der Weber-Versuch dient zum binauralen Vergleich der Knochenleitung. Bei diesem Versuch entsteht bei der Presbyakusis (aber auch beim Normalhörenden) infolge des in der Regel vorliegenden symmetrischen Hörverlustes keine Latéralisation des Tones. Es wird in der Scheitelmitte bzw. gleich in beiden Ohren wahrgenommen. Der Rinne-Versuch ist positiv d.h. die Luftleitung ist besser als die Knochenleitung. Das bedeutet, daß der Ton der Stimmgabel vor dem Ohr lauter und länger gehört wird als beim Aufsetzen am Mastoid. Das Tonschwellenaudiogramm weist in der Regel einen recht typischen Hörkurvenverlauf auf (Abb. 2). Es zeigt zu Beginn zunächst eine Innenohrschwerhörigkeit (sensoneurale Schwerhörigkeit) auf beiden Ohren in den höheren Frequenzen. Mit zunehmendem Alter kann die Innenohrschwerhörigkeit allmählich zunehmen und sich auch auf andere Frequenzen ausdehnen. Die Altersschwerhörigkeit scheint bei den Männern etwas ausgeprägter zu sein als bei den Frauen (Abb.: 3a, b). Zu erwähnen ist, daß es in manchen Fällen zu unterschiedlichen Hörkurvenverläufen kommen kann. Insbesondere bei Schädigung der zentralen Hörbahnabschnitte können mehr die tiefen Frequenzen betroffen werden oder auch sämtliche Frequenzen. Das Richtungshören kann sich progredient mit zunehmendem Alter verschlechtern, vermutlich infolge degenerativer Prozesse in den zentralen Hörabschnitten. Mit Hilfe der Sprachaudiometrie (z. B. Verstehen von Konsonanten wie P. B.-Wörtern) wird bei Patienten mit einer Presbyakusis häufig eine eingeschränkte Sprachdiskrimination nachgewiesen, selbst im Falle eines geringen Hörverlustes. Die verminderte Sprachdiskrimination ist die Folge einer reduzierten Fähigkeit einer Sprachanalysierung und Sprachinterpretation. Die Ursachen hierfür liegen in einer Degeneration von zentralen Hörbahnen. Bei speziellen sprachaudiometrischen Testverfahren (z. B. binauraler Hörtest unter erschwerten Hörbedingungen mit verzerrter Sprache) kommt die reduzierte Diskriminationsfähigkeit noch mehr zum Vorschein. In der überschwelligen Audiometrie (z. B. SISI-Test) resultiert überwiegend ein positives Rekruitment als Zeichen einer Läsion im Innenohr. Manchmal bei Schädigung der mehr zentral gelegenen Hörabschnitte, kann eine retrocochleäre Läsion zum Vorschein kommen. In der Hirnstammaudiometrie (Ableitung von Hirnstammpotentialen durch elektrisch erzeugte akustische Impulse) imponiert in

276

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