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German Pages 408 [402] Year 2011
Wolfgang Wohlmayr Die römische Kunst
Sogenanntes Tellus-Relief von der Ara Pacis in Rom, Detail.
Wolfgang Wohlmayr
Die römische Kunst Ein Handbuch
Für Maria-Luise, Michael und Sophia – in Erinnerung an einen schönen Romaufenthalt
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71994-5 (für Mitglieder der WBG) eBook (epub): 978-3-534-71995-2 (für Mitglieder der WBG) eBook (PDF): 978-3-8053-4335-0 (Buchhandel) eBook (epub): 978-3-8053-4334-3 (Buchhandel)
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Kapitel: Der lange Weg Roms
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2. Kapitel: Zeugnisse der frühen römischen Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel: Einflüsse und Stabilisierungsprozesse
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4. Kapitel: Wendepunkte der römischen Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Kapitel: Die Zeit der späten Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Kapitel: Augustus und sein Erbe
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7. Kapitel: Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Kapitel: Die erstarkte Weltmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9. Kapitel: Zeit der Fülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290
10. Kapitel: Die Umformung der römischen Kunst
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11. Kapitel: Auftakt zu einem neuen Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12. Kapitel: Späte Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Roma Aeterna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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ANHANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Glossar
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Aquädukte
Vorwort Die Idee zu dem vorliegenden Buch ist im Zusammenhang einführender Vorlesungen zum Thema „Römische Kunst“ an den Universitäten Salzburg und Innsbruck entstanden. Mein Dank für viele Anregungen zum Aufbau dieser Kunstgeschichte des Alten Rom gilt daher den Studierenden und im gleichen Maße der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt namens ihres stellvertretenden Programmleiters Dr. Harald Baulig, die mir mit Rat und Hilfe zur Seite standen. Dank sagen möchte ich weiterhin all denen, die Korrektur- und Lektoratsarbeiten übernommen und damit zum Gelingen des Bandes beigetragen haben: dem Lektorat der WBG sowie Mag. Birgit Gembinsky, Mag. Magdalena Stütz und Mag. Felix Lang (Salzburg). Bei mehreren Bildvorlagen konnte ich auf das fotografische Geschick von Mag. Monika Hinterhöller und Mag. Manuel Schwembacher zurückgreifen – ihnen gilt gleichfalls mein herzlicher Dank. Handbücher wie dieses stehen zunächst einmal vor dem Problem der Auswahl geeigneter Bildbeispiele. Natürlich gibt es neben den unverzichtbaren Denkmälern eine große Anzahl weiterer Werke, die man zeigen möchte. Aus Platzgründen muss es jedoch – wie auch im vorliegenden Handbuch – bei einer begrenzten Auswahl bleiben und, daraus folgernd, einem sehr persönlichen Leitfaden für Bild wie auch Text. Die hier ausgewählten und in den einzelnen Abschnitten des Buches beschriebenen Beispiele sollen in erster Linie den breiten Gestaltungsmöglichkeiten einer Kunst in Rom und seinen Provinzen Raum geben. Auf dem Weg dorthin ist das Konzept des Handbuches aus Abwägungen und Zwischenschritten heraus immer wieder neu entwickelt worden. Stets sollten dabei die Zusammenhän-
ge und das Grundprinzip einer römischen Kunst sichtbar werden. Die ausgewählten Denkmäler werden im Handbuch daher nicht isoliert – als „Topics“ – beschrieben, sondern entsprechend ihrer chronologischen und inhaltlichen Verbindungslinien. Die Zugänge zu den Römern in Geschichte, Literatur und Kunst sind nicht mehr dieselben wie noch vor Jahren: Als „Bildungsgut“ hat die Antike insgesamt zwar lange Zeit gegolten, doch derzeit scheint diese Grundlage abgegriffen zu sein. Es versteht sich daher von selbst, dass ein Basiswissen zu antiken Zeugnissen immer wieder neu gebildet, wesentlicher noch: aus den heutigen Gegebenheiten heraus positioniert werden muss. Dabei spricht einiges für die Kultur Roms und seiner Provinzen: Die Bauten und Bilder der römischen Antike sind nach wie vor präsent – sie begegnen uns auf Reisen und in vielen Museen. Das Imperium Romanum gilt gleichfalls bis heute als Modellfall der Geschichte – und selbst der Bau einer modernen europäischen Ordnung bedient sich seiner Konzeption. Rom hat also innerhalb der gesellschaftlichen Einschätzung kaum etwas von seiner Faszination eingebüßt. Unser Zugang zu den Römern kann vielleicht mit einer Spurensuche verglichen werden, die über eine Zeitspanne von 2000 Jahren hinweg auch greift. Den vielfach erst zu erwerbenden Kenntnissen auf den Gebieten der Sprache und Literatur, der Geschichte der römischen Antike, ebenso jener der Denkmäler, stehen heutzutage Erfahrungen auf dem Gebiet des Reisens gegenüber. Vielen Leserinnen und Lesern wird bereits der Besuch von Museen und Ausstellungen eine Anregung zur weiteren Beschäftigung mit der römischen Antike geboten haben. Es gilt daher, zeitgemäße Informationen zur
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Vorwort
Kunstgeschichte Roms aufzubauen, um so die Zugänge zur Welt der römischen Antike zu vertiefen. Dabei stehen Lesbarkeit und Benutzerfreundlichkeit im Vordergrund; eine umfangreiche Auflistung der relevanten Forschungs- und Spezialliteratur bietet Hilfe zur vertiefenden Beschäftigung mit dem Thema. Welche Beispiele der römischen Kunst sollen in diesem Band vorgestellt werden? Welche Ausgangsfragen stellen sich dabei den Benutzern des Handbuches? Nach welchen Kriterien lassen sich die ausgewählten Kunstwerke lesen? • Denkmäler und Gattungen: Welche Kategorien und Gruppen bildet die römische Kunst in ihrem historischen Verlauf heraus? • Darstellungsformen und Inhalte: Was und mit welchen Mitteln wird dargestellt? • Ikonographie und Vermittlung: Wie und in welcher Zeichensprache wird erzählt? • Politischer und sozialer Hintergrund: Für wen und aus welchen Beweggründen heraus kommen die Künste zum Einsatz, wird dargestellt und vermittelt?
Salzburg, 6. Dezember 2010
Es soll also insgesamt um die Bildersprache Roms gehen, aber auch um das „Bedeutungsmuster“ von Kunstdenkmälern, die sich aus den jeweiligen Zeitabschnitten erhalten haben. Das Handbuch bietet dazu eine knappe, jedoch prägnante Auswahl. Den Leitfaden bilden insbesondere jene Bildbeispiele, die einen Bezug zum gesamten System der römischen Kunst aufweisen. Die Verknüpfung der Denkmäler untereinander bildete ein weiteres Kriterium für den vorliegenden Band. Weitgehend musste jedoch auf Werke der Kleinkunst und auf Beispiele der dekorativen Kunst verzichtet werden. Insgesamt zwölf Kapitel dieses Buches – gegliedert nach den chronologischen Abschnitten des rund tausendjährigen Bestehens Roms – sollen die Kunst des Imperium Romanum näherbringen. Ein Ausblick soll schließlich zeigen, dass die römische Kunst mit den Übergängen zur Spätantike und zum Mittelalter keineswegs ihre Wesenszüge verliert.
Wolfgang Wohlmayr
Tu regere imperio populos, Romane, memento: hae tibi erunt artes – pacique imponere morem, parcere subiectis et debellare superbos Du, Römer, denke daran, durch deine Herrschaft die Völker zu lenken – dies werden deine Fähigkeiten sein – und dem Frieden Gesittung aufzuerlegen, die Unterworfenen zu schonen und die Hochmütigen niederzukämpfen. (Vergil, Aeneis 6,851–853)
Einleitung Lassen wir zunächst einzelne Bildbeispiele auf uns wirken! Wir werden dadurch auf Fragen stoßen, die uns Bauten, Bildwerke und Malereien der römischen Antike in ihrer historischen Dimension, wahrscheinlich aber auch durch ihren aktuellen Bezug faszinierend erscheinen lassen. Ein römischer Durchgangsbogen – an sich schon ein verbindendes Element – leitet unser Handbuch ein: der Sergier-Bogen in Pula (Abb. 1). 1 Dieser Bogen erzählt von der reichen und über zweitausendjährigen Geschichte der bedeutenden Hafenstadt Pula (Pola) in Istrien. Als Bogenmonument vertritt er zugleich eine der wichtigsten Grundformen der römischen Architektur. Der Sergier-Bogen war ursprünglich mit dem wichtigsten Eingangstor in die Stadt, der Porta Aurea, verbunden. In der Antike besaß der aus weißem istrischem Kalkstein gemeißelte Durchgangsbogen zudem die Funktion eines Ehrenmonumentes für eine der bedeutendsten Familien der Stadt. Das Bemerkenswerte an diesem Bogen aus heutiger Sicht ist, dass man frei durch ihn spazieren kann und ihn so gewissermaßen als Bestandteil der jetzigen Fußgängerzone wahrnimmt. Wir verdanken diese Tatsache der ursprünglichen Verbindung des Ehrenbogens mit der antiken wie später auch mittelalterlichen Wehrarchitektur, die so die wesentlichen Bestandteile des Bogens schützte. Als man im frühen 19. Jahrhundert Teile der Toranlagen Pulas abriss, wäre der Ser-
gier-Bogen dieser Zerstörung beinahe zum Opfer gefallen. In ihren Anfängen wurden römische Städte und Koloniegründungen von einflussreichen Familien angeführt, die ihrerseits bei der Gestaltung und Finanzierung von öffentlichen Bauten mitwirkten. In augusteischer Zeit etwa ist ein besonderer Ausbau der Städte Oberitaliens zu vermerken. Pula zählte damals zur italischen Region Venetia et Histria. Das bedeutende Geschlecht der Sergier 2 war seinerseits mit dem Kaiserhaus eng verbunden und ließ in Pula ein Bogenmonument errichten, das die wesentlichen Aspekte der Monumentalkunst der Zeit, nicht zuletzt aber auch den eigenen Ruhm verkörpern sollte. Der Sergier-Bogen stand in römischer Zeit – wie erwähnt – in unmittelbarer Verbindung zum Haupttor der Stadt, der Porta Aurea. Bei diesem Tor erreichte die Staatsstraße der Via Flavia – von Aquileia und Triest (Tergeste) kommend – die Stadt. Das an glanzvolle Marmorarchitektur erinnernde Monument bot so eine eindrucksvolle Empfangssituation. Es misst mit seiner Höhe von 10,62 m exakt 36 römische Fuß; seine Breite beträgt 30 Fuß oder 8,85 m. Stets wurde die klare Proportionierung im Aufbau des Bogens bewundert. Das Bogenmonument als Ganzes wird durch die Bogenpfeiler (Pylone) und den inneren Bogengang, schließlich durch die Gebälkzone und eine darüber befindliche Attika charakterisiert. Seitlich des von Rankenpilastern flankierten Bo-
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Einleitung
gendurchgangs befinden sich die jeweils durch Halbsäulen hervorgehobenen Bogenpfeiler. Diese ruhen auf vorspringenden, gegliederten Sockeln, die ihrerseits die Pfeiler mit den jeweils zwei nebeneinandergestellten korinthischen Halb- beziehungsweise Dreiviertelsäulen tragen. In den Zwickeln des Bogens befinden sich Reliefs mit fliegenden Siegesgöttinnen (Victoriae). Dieser Bildschmuck sollte durchaus an gleichartig gestaltete Triumphbögen in der Hauptstadt Rom erinnern. Darüber umzieht ein faszierter Architrav das Bogenmonument. Eine Frieszone sowie ein Kranzgesims schließen sich an. Nach oben zu wird der Sergier-Bogen – wie andere römische Triumphbögen und Ehrenbögen auch – von der sogenannten Attikazone abgeschlossen. Die drei vorspringenden Postamente der Attika zeigen mit ihren Inschriften, dass sich darüber einst Statuen von Familienmitgliedern der Sergier befanden. Über die Siegessymbolik des Bogens und der heute nicht mehr erhaltenen Statuen ist viel gerätselt worden. Einer der am Bogen inschriftlich Genannten, L. Sergius Lepidus, hat immerhin an der Seite des Augustus an der Entscheidungsschlacht von Actium gegen Marcus Antonius 31 v. Chr. teilgenommen. Als Befehlshaber der 29. Legion, die allerdings bald nach diesem Ereignis aufgelöst worden sein dürfte, hat diese Persönlichkeit, wie auch seine mitangeführten Familienangehörigen, später wichtige zivile Ämter in Pula bekleidet. Als Stifterin des Bogens fungierte Salvia Postuma, die ebenfalls statuarisch oberhalb der Attika des Ehrenbogens dargestellt war. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, den Bogen näher datieren zu wollen. Auch Fachleute sind sich darin nicht einig geworden. Anhand der epigraphischen Hinweise denken einige Forscher noch an die mittelaugusteische Zeit, andere, aufgrund ihrer Beobachtungen zur Bauornamentik des Bogens, bereits an die nachaugusteische Periode. Fest steht, dass die qualitätvolle Ausführung des Sergier-Bogens sowie die hervorragende Durchbildung seiner Schmuckelemente eng mit den Strömungen der Kunst
in der Hauptstadt Rom zu tun haben. Der Sergier-Bogen kann so insgesamt als ein Zeugnis für das Aufblühen der Städte in der frühen Kaiserzeit gelten. Damit stellt sich gleich die Frage nach den Gattungen der Kunst in Rom und Italien: In der Regel verbinden wir „Römische Kunst“ mit Zeugnissen einer Architektur, deren erstaunlich hoher technischer Perfektionsgrad auffällt. Häufig angeführt werden auch die Gattungen der Plastik und Skulptur wie etwa das römische Porträt oder das Staatsrelief. Aber auch Beispiele der Kleinkunst, von Bronzestatuetten über Keramik oder Glas und nicht zuletzt die Münzprägungen gelten zu Recht als Leitformen für die künstlerische Produktion im gesamten Imperium Romanum. Kaum einmal macht man sich dabei jedoch klar, dass dieses Bild der häufigsten römischen Kunstformen zwar für die einzelnen Epochen der römischen Kaiserzeit und – mit Einschränkungen – auch für jene der vorangehenden römischen Republik gilt, nicht jedoch für die „Anfänge“ einer römischen Kunst. Viele dieser Kunstgattungen hat es zu den Anfangszeiten Roms noch nicht gegeben oder aber sie stellten sich zum damaligen Zeitpunkt in anderem Kontext dar. Eine der wichtigsten Fragen lautet daher: Wann beginnt eigentlich römische Kunst? Wir werden dabei beobachten, dass es zwar künstlerische Zeugnisse seit den ersten Siedlungen in Rom gibt, dass dieses Faktum jedoch unsere eigentliche Frage nach einer für Rom charakteristischen Kunst nicht lösen wird. Was anfangs fehlt, sind nämlich verbindliche Komponenten einer Kunstentwicklung in Rom und Italien.
Die Herausbildung der römischen Kunst Römische Kunst im eigentlichen Sinn setzt spät an. Die Gründung Roms in archaischer Zeit, die Herausbildung der lateinischen Sprache und eines gemeinsamen religiös-kulturellen Kontextes für Mittelitalien stehen in einem
Einleitung
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Abb. 1: Sergier-Bogen in Pula/Kroatien.
merkwürdigen Gegensatz zum verspäteten Auftreten von Leitformen einer römischen Kunst. Das ist umso erstaunlicher, als die Kunst in Rom zu Beginn ja auf der künstlerischen Erfahrung der Etrusker und mindestens ebenso jener der Griechen aufbaut. Die Frage lautet jedoch: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den
frühen Artefakten aus Rom und seiner Umgebung und den sich erst entwickelnden Gattungen einer späteren römischen Kunst? Unser Augenmerk richtet sich dabei in erster Linie auf gleichbleibende Merkmale der Kunstentwicklung, aber auch auf die Frage erkennbarer Aufgaben einer Kunst in und für Rom. Eine
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Einleitung
wie immer auch geartete römische Kunst musste offenkundig erst eigene Voraussetzungen entwickeln, um den weiteren Weg ihrer Möglichkeiten sichtbar werden zu lassen. Nach Meinung vieler Fachleute liegt ein Ansatzpunkt für die besondere Note der späteren römischen Kunst im politischen Entwicklungsmodell des Stadtstaates Rom und dessen geografischer Lage im Zentrum Italiens. Die Stadt Rom bildet eine ursprünglich auf dörfliche Siedlungen des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. zurückgehende, gewachsene urbane Einheit. Diese urbs Roma lag inmitten ethnisch wie religiös unterschiedlich geformter Gebiete, deren Traditionen weit zurückreichten. Das frühe Rom bildete sich im Einflussbereich verschiedener Völker heraus, unter denen die Latiner eine herausragende Rolle spielten. Während einer langen Zeitspanne formt sich eine „römische Komponente“ zwischen den Kulturkreisen der Etrusker, der mittelitalischen Bergvölker und jenen der griechischen Kolonisten heraus. Von den Anfängen der Stadt erzählen Darstellungen aus viel späterer Zeit anhand mythischer Bilder und Vergleiche. Auch von der Bedeutung Roms zur Zeit seiner Könige sowie der darauf folgenden Gründung der Republik erfahren wir hauptsächlich erst durch spätere Berichte. Die Anzahl der erhaltenen Kunstwerke aus diesen frühen Epochen hält sich in bescheidenem Rahmen. Allerdings gibt es bereits Zeugnisse von Tempelbauten sowie Hinweise auf umfangreiche Baumaßnahmen in Rom selbst (Abb. 730 1339 1541 1642 2053). Von einer Herausformung charakteristischer künstlerischer Gattungen im Sinne der späteren Kunst kann jedoch noch nicht die Rede sein. Die Grundlagen des frührömischen Staates, dessen historischer wie politischer Werdeprozess, führten offenkundig nicht unmittelbar auf eine eigenständige Kunstproduktion zu. In Rom angetroffene Bauten der Frühzeit sowie deren künstlerischer Schmuck folgen ganz offensichtlich Vorbildern aus Etrurien und teilweise jenen der Griechenstädte im Süden der ita-
lischen Halbinsel. Um es noch einmal zu unterstreichen: Erst verhältnismäßig spät entsteht das, was man als eigenständige Linie der Kunst in Rom und zugleich als Zukunftslinie der Künste für Italien und die Provinzen wird ansehen können. Die Gründe für einen solchen verzögerten Ansatz könnten in der strengen Bindung der künstlerischen Produktion an vorgegebene Zwecke liegen. Religiöse Vorgaben, rituelle Abläufe sowie Äußerungen der staatlichen Gewalt bildeten – soweit erkennbar – den Hintergrund für erste Auftragswerke in Rom. Viele der in der Frühzeit des 6. bis 4. Jhs. v. Chr. in Rom arbeitenden Künstler und Werkstätten kamen der literarischen Überlieferung nach aus Etrurien oder Unteritalien. Diese Gebiete verfügten über länger zurückreichende Erfahrungen im Bauwesen und im Bildschmuck. Der Formenapparat der meisten Artefakte aus römischem Umfeld scheint daher durch Beispiele der Reliefkunst, der Malerei und auch des Tempelschmuckes in Italien bereits vorgeprägt (Abb. 1848 1949 2358). Auch anhand der ersten Bauten in Rom sowie bedeutender dort angetroffener Bodenfunde, welche die Archäologie gerade der letzten Jahrzehnte bergen konnte, lässt sich ein enger Anschluss Roms an Vorgaben und Erfahrungswerte der Etrusker wie auch ihrer griechischen Nachbarn entnehmen. Erst allmählich kam es auf diesen Gebieten zu Anpassungen und schließlich einem eigenständigen Formenapparat. Eine ausgeprägte Wohnkultur konnte für das frühe Rom bislang nicht nachgewiesen werden. Zeugen etwa Grabkomplexe und darin enthaltene Luxusgegenstände in Etrurien indirekt von einem üppigen Zivilisationsmuster, so können wir in Latium und Rom – zumindest anhand der bisherigen Befundlage – von einer wesentlich nüchterneren Lebenswelt sprechen. Gehen wir historisch nun einen Schritt weiter und fassen damit die Zeitspanne der frühen und mittleren Republik ins Auge. Vereinzelt im 4. Jh. v. Chr. und deutlicher dann im 3. und 2. Jh. v. Chr. finden sich Zeugnisse einer spezi-
Einleitung
fischen Architektursprache sowie formal ausgeprägte Beispiele der Bildkunst, die den Bedeutungsgrad Roms als dem führenden Zentrum Italiens erkennen lassen. Ausdruck dieser Entwicklung sind zunächst die vielen Koloniegründungen Roms. Die dort anzutreffenden Baulösungen wirken ausgesprochen zukunftsorientiert wie auch technisch innovativ (Abb. 3682 –4087). Erstmals in diesem Zeitraum lassen sich auch Einzelbeispiele für Reliefs, für Statuenformen, für Grabausstattungen sowie für die Anfänge der Malkunst anführen (Abb. 3074 –3480). Doch lassen sich damit auch Kriterien für eine spezifisch römische Kunst aufstellen? Allgemeine Kennzeichnungen und Charakteristika für „das Römische“ gibt es ab diesem Zeitraum zweifelsfrei. Gerade der Formenapparat der Architektur sowie generell die neuartigen Aufgabengebiete der Baukunst lassen sich stellvertretend anführen. Römische Koloniestädte in Italien erhalten allein durch ihr klares Anlageprinzip Modellcharakter wie auch durch den Einsatz spezifischer Bautechniken ihr eigenes Gepräge. Die von Rom unterworfenen Gebiete Italiens werden durch Straßenbauten erschlossen und zentral an die Hauptstadt angebunden. Der Funktionsrahmen der römischen Stadt und ihrer öffentlichen Gebäude erweitert sich und führt schließlich zu eigenen Baulösungen wie jener der Basiliken (Abb. 62125 –64129) oder der Thermenanlagen (Abb. 88169 89171). Die Städtebaukunst bietet so den wichtigsten Anhaltspunkt für den Entwicklungsstand der Architektur. Aber auch die Weiterentwicklung der Nutzarchitektur sowie neuartige technische Konstruktionen wie jene von Brückenbauten, Aquädukten oder Substruktionen betonen die innovative Note der römischen Baukunst im Rahmen der Mittelmeerwelt (Abb. 76151 87168). Auf dem Gebiet der Sakralarchitektur fallen unter die Neuerungen dieses Zeitraumes differenzierte Typenbildungen bei Tempeln und Heiligtümern (Abb. 4188 4289). Schwieriger wird es, gilt es die übrigen Kunstgattungen der römischen Kunst zu bewerten. Innerhalb
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der Gattungen der Reliefs und der – allerdings kaum mehr greifbaren – Gemälde dieses Zeitraumes lassen sich nur gelegentlich historische oder aber mythologische Begebenheiten ablesen (Abb. 3176 63127). Allerdings, die „Bildersprache“ dieser Zeit verrät erstmals römische Muster: Einzeln komponierte Szenen, Namensbeischriften, Attribute und penible Kennzeichnungen von Personen bildeten für die Erzählkunst offenbar einen wichtigen Bestandteil. Für Ehrenstatuen und öffentliche Monumente der frühen Epochen gibt es mehr literarische Nachweise als tatsächlich erhaltene Beispiele. Folgt man den Schriftquellen, so dürfte sich das republikanische Rom – und mit ihm viele Bündnisstädte in Italien – jedoch durch umfangreichen Statuenschmuck ausgezeichnet haben. Auch für die spezifische Gattung des römischen „Ahnenporträts“ gibt es entschiedene Anhaltspunkte (Abb. 93175 94176). Diese Bildnisgattung entstand offenkundig im Umfeld der Ehrung verstorbener Angehöriger der Oberschicht und damit verbundener ausgeprägter Begräbnisriten, bei denen die Zurschaustellung der Gesichtszüge von Verstorbenen in Form von Wachsmasken eine Rolle spielte. Der Übergang zu echten Porträtformen lässt sich allerdings schwer nachzeichnen. Aus verschiedenen Steinmaterialien gearbeitete Bildnisköpfe aus der Zeit der späten Republik geben durchaus unterschiedliche Qualitätsmuster wieder. Viele Porträts der republikanischen Zeit bringen größte Naturnähe zum Ausdruck, ein Merkmal, das auf den „Abbildcharakter“ von Porträts im römischen Umfeld schließen lässt. Bei anderen Porträts dieses Zeitraumes übten auch Vorbilder der hellenistischen Bildniskunst ihren Einfluss aus, sodass die Bildniskunst in Rom merklich in verschiedene Richtungen zerfällt (Abb. 100182). Diese unterschiedlichen Kunstauffassungen hängen grundlegend mit den verschiedenen Gesellschaftsklassen in Rom, deren Aufgabenstellung und deren Repräsentationsbedürfnis im öffentlichen oder privaten Rahmen zusammen. Nach wie vor bilden die aufkommenden Gattungen einer römi-
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Einleitung
schen Kunst allerdings recht unterschiedlich diskutierte Fragen innerhalb der Forschung. Rein quantitativ, so wird man festhalten müssen, tauchen erst in spätrepublikanischer Zeit wirkliche Leitgattungen der Plastik und Skulptur auf, welche sich schließlich kontinuierlich bis in die Kaiserzeit hinein verfolgen lassen. Es gibt jedoch, und das macht die Betrachtung so spannend, überlieferungsbezogen deutlich frühere Ansätze für eine römische Bildkunst während der ersten Jahrhunderte. Römische Kunst unterliegt – so kann man häufig lesen – realen Gestaltungsmustern: Es geht ihr vorwiegend um das Faktische und Greifbare. Die Wiedergabe von historischen oder aus dem gegenwärtigen Leben gegriffenen Vorgängen, die Bildung eines Realraumes innerhalb der Landschaftsdarstellungen, schließlich Inschriften und Attribute als Veranschaulichungsmomente kennzeichneten die Werke der Malerei und Skulptur. Dabei sollte man nicht übersehen, dass sich die Kunst im öffentlichen Raum häufig einer Symbolsprache bedient, welche sich auf einfache Chiffren beschränkt. Beides: Reale Wiedergabemomente und abstrakt zu Lesendes bilden keinen unmittelbaren Widerspruch innerhalb der römischen Bildersprache. Bleiben wir bei diesen gängigen Charakterisierungen, so müssen wir weiterhin nach Ursachen fragen. Das historische Verständnis für die Gesellschaft der römischen Antike hilft uns dabei entschieden weiter. Die Vorgabe der Maßstäbe für eine Kunst im öffentlichen Raum, man kann auch sagen für eine römische Staatskunst, blieb stets in der Hand der Oberschicht. Es war nicht zuletzt Aufgabe der Magistrate und der höchsten Ämter in Rom und den Städten, Tempel und öffentliche Gebäude, Straßen sowie Nutzbauten zu errichten und für deren Erhalt zu sorgen. Neben den Leitformen einer vom Gemeinwesen getragenen, jedoch von „oben“ her dirigierten Kunst gilt es in Rom zusätztlich den Strang einer „Volkskunst“ zu beobachten. Nach Meinung eines Teiles der Forscher entwickelte sich diese zweite Linie der Kunst entsprechend einer
Mehrheit der einfacheren Bevölkerungsschichten (plebs). Darunter fallen etwa Darstellungen aus der „Lebenswelt“ ebenso wie bestimmte Bildnisreliefs der Grabkunst, bei denen deutlich veristische Porträtformen hervorstechen (Abb. 93175 94176). Letztere tauchen am Ende der römischen Republik auf und lassen sich bis hinein in die frühe Kaiserzeit als eine Kunst der „Freigelassenen“ verfolgen (Abb. 96178). Die Nachkommen der ehemaligen Sklaven bildeten während der Kaiserzeit gemeinsam mit den Handwerkern und den Händlern in den Städten eine Art Mittelstand. Die Kunstproduktion dieser Schicht ist deutlich konservativer gehalten als jene der oberen Stände. Das Problem bei diesen Parallelströmungen der römischen Kunst bleibt jedoch, dass sie keinen wirklichen Entwicklungsverlauf zu erkennen geben. Bis zu einem gewissen Punkt vollzieht die sogenannte Volkskunst während der Kaiserzeit eine Reaktion auf offizielle Strömungen der Kunst. Es kommt aber auch vor, dass sich die Strömungen einer „offiziellen“ sowie einer „populären“ Kunstrichtung in Rom in gewissem Maße ablösen beziehungsweise dass eine dieser beiden Richtungen die Oberhand gewinnt. Auch hinsichtlich der gesellschaftlichen Leitformen und Normen macht es uns römische Kunst demnach nicht allzu leicht: insgesamt komplizierte Voraussetzungen also, die uns den Blick auf die Wesenszüge der Kunst eingangs erschweren. Kommen wir damit zurück zum Entwicklungsverlauf der römischen Kunst: In den Phasen der Ausbreitung des römischen Einflusses auf ganz Italien hatte sich das römische Staatswesen neuen Aufgaben zu stellen. Eine der Folgen dieser Expansion bildete der erneut wachsende Einfluss griechischer Kunstformen auf Rom ab dem 3. Jh. v. Chr. Diese Vorgänge erreichten in der Folgezeit – mit der Einrichtung römischer Provinzen in Griechenland und Kleinasien – ihren Höhepunkt. In Rom arbeitende, namhafte griechische Künstler und deren Werkstätten befruchteten die römische Anschauung enorm. Ganze Gattungen der Bild-
Einleitung
kunst wie jene der Kultbilder, jene der sogenannten Idealplastik (Kopien und Nachbildungen von Statuen) für den öffentlichen und privaten Bereich und schließlich jene der Schmuckreliefs wurden durch die griechische Kunst angeregt beziehungsweise von dieser teilweise detailgetreu übernommen (Abb. 61123 70143 71144 74148 75150 84160). Es wird daher bereits jetzt wichtig festzuhalten, dass einzelne Kunstgattungen und Stile, denen wir während der Kaiserzeit begegnen werden, nicht in Rom selbst entstanden sind. Aber selbst die Kopistenkunst in Italien entwickelte ihre eigenen Gesetze und wird nicht zuletzt durch römische Anschauungsmomente bestimmt. Jene „klassizistischen“ Kunstrichtungen, die zunächst durch römische Auftraggeber und in Rom ansässige Künstler formal und inhaltlich aufgenommen wurden, verbreiteten sich im gesamten Imperium Romanum, wurden dort weiterentwickelt und verselbständigt. Wie auch auf anderen Gebieten – etwa der Literatur oder der Philosophie – bildet der Gesichtspunkt der „Übersetzung“ und Adaptierung von Vorbildern einen wichtigen Bestandteil der römischen Anschauung. Die Kunst Roms zeigt bei der Übersetzung fremden Formguts naturgemäß Brüche und Veränderungen. Innerhalb der bildenden Künste ist eine Neuaufnahme von künstlerischen Formen ebenso zu erkennen wie andererseits die Weitergabe tradierter Formen. Römische Kunst ist in diesem Sinne diskontinuierlich, wie sie umgekehrt an Konstanten festhält. Man könnte es vielleicht auch so formulieren: Der formale und stilistische Ansatzpunkt der römischen Kunst wechselt mehrfach, die inhaltlichen Aussagewerte bleiben hingegen unverkennbar römisch. Ziehen wir ein Fazit zu diesen mitunter komplizierten, jedoch notwendigen Vorüberlegungen: Römische Kunst zeigt, und daran führt kein Weg vorbei, keinen einheitlichen Entwicklungsgang. Und – die Kunst Roms zu umreißen bedeutet auch, Traditionen und Vorgaben, Moden und gesellschaftliche Muster für die jeweilige Denkmälergattung freizulegen.
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Bei dieser Ausgangsbasis kann jedoch eines als gesichert gelten: Die uns in Form von Bauten, Bildwerken und Gemälden bekannte Kunst Roms und seiner Provinzen sollte sich spätestens während der Kaiserzeit deutlich von jener der übrigen Völker und Kulturen der Mittelmeerwelt unterscheiden. Das Bild der römischen Kunst selbst bleibt damit letztlich unverkennbar.
Bilder des Mythos und der Geschichte Mit einer weiteren wichtigen Fragestellung zur römischen Kunstgeschichte wollen wir uns im Folgenden beschäftigen: mit Bildern des Mythos und der Geschichte. Dabei geht es naturgemäß um die Anfänge Roms. Bildliche Darstellungen in Rom konnten sich – so viel wurde ja bereits klar – auf jeweils reiche Erfahrungen der eigenen „Historienkunst“ als auch auf formale Vorbilder der älteren griechischen Kunst berufen. Den Römern, als entwicklungsgeschichtlich jüngstem Glied der antiken Mittelmeerkulturen, stand so ein reiches Repertoire an Vorgaben und Möglichkeiten zur Verfügung. Je nachdem, was es zu erzählen galt, wurden daher reale Szenen wiedergegeben oder aber Bilder mythischen Inhalts entworfen. Gelegentlich wurde auch die Kombination beider Sinnebenen versucht. Für das Spektrum an Themen galt es jeweils auch unterschiedliche Stile und Ausdrucksformen einzusetzen. Der Inhalt, so wird man behaupten können, legt die Erzählsprache und die Stilmittel der römischen Gemälde und Reliefs entschieden fest. Auch die räumlichen Darstellungsmittel oder das Bewegungsmuster von Figuren werden von solchen inhaltlichen Komponenten mitbestimmt. Römische Bildkunst greift also entweder auf reale Bezugsmomente zurück oder setzt – ganz im Sinne der griechischen Vorbilder – auf eine Einbeziehung allegorischer und mythischer Gestalten. Im Gegensatz zur griechischen Kunst und ihrer reichen mythischen
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Erzählweise ist die römische Bildkunst jedoch nicht aus den Vorstellungen und Traditionen dieser Mythenbilder erwachsen: Die Römer sind, im Gegensatz zu ihren östlichen Nachbarn, nicht mit den Mythen groß geworden. Daher neigt römische Kunst in ihrer Darstellungsabsicht zu stärkerer Abstraktion. Römische Friese und Wandgemälde zeigen beispielsweise ein Geschehen der Frühzeit in real historischer Gewandung. Dabei verzichtet man nicht auf Momente einer Überhöhung. Das Auftreten von Göttern oder allegorischen Gestalten findet deshalb auf einer innerhalb des Bildganzen nicht unterschiedenen Ebene statt: Damit soll letztlich eine geschlossene Wirklichkeitsebene der Erzählung unterstrichen werden. Mit anderen Worten ausgedrückt, besaßen die Römer eine andere Anschauung von Realität als ihre griechischen Lehrmeister. Der Redner, Politiker und Philosoph M. Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) bringt es für uns auf den Punkt: „Lassen wir Mythen und Ereignisse fremder (gemeint griechischer) Geschichte beiseite: Kommen wir zu den Tatsachen (ad rem factam) unserer Geschichte!“ (De officiis 3, 99). Mithilfe eines konkreten Beispieles lässt sich dieser besondere Ansatzpunkt der römischen Kunst besser nachzeichnen: Wir werden anhand der Darstellung, um die es im Folgenden geht, zudem einiges über römische Gründungssagen erfahren. Auf dem Ausschnitt eines römischen Wandgemäldes sehen wir das Ende einer Schlacht: Äneas wird von Victoria bekränzt (Abb. 2). 3 Aufgefunden wurde das Fresko in einer Grabkammer am römischen Esquilin, die mit der Familie des Statilius Taurus, eines bedeutenden Militärs und Politikers im Umfeld des Kaisers Augustus, in Zusammenhang gebracht wurde. 4 Die Grabkammer war im Inneren durch einen umlaufenden Fries mit Darstellungen der römischen Gründungssagen verziert. Der hier abgebildete Friesstreifen zeigt eine Kampfszene: Links befindet sich eine Gruppe gewappneter beziehungsweise halb-
nackter Krieger. In der Mitte der Szene erkennt man den siegreich vorstürmenden Anführer der „regulären Einheiten“, der rechts von der herbeieilenden Siegesgöttin bekränzt wird. Die Kämpfe spielen, wie den weiteren Szenen, aber auch den inzwischen unlesbar gewordenen Namensbeischriften des Frieses zu entnehmen war, in mythischer Vorzeit. Sie handeln von der Ankunft des trojanischen Fürsten Äneas in Italien. Äneas flieht – der Sage nach – mit seinem greisen Vater Anchises und dem Sohn Ascanius (Iulus) aus dem brennenden Troja. Nach langen Irrfahrten erhält er, während seines Aufenthaltes bei Königin Dido in Karthago, einen göttlichen Auftrag: Er soll in Italien eine neue Stadt gründen, aus der schließlich Rom hervorgehen wird. Wir begegnen hier einem Grundmuster römischen Selbstverständnisses: Die Gründung der Stadt wird in mythische Zeit vorverlegt beziehungsweise erhält ihre Einbindung in den Rahmen der griechischen Überlieferung. Als Äneas mit den ihm verbliebenen Seinen die Küste Latiums erreicht hatte, fand er dort beileibe nicht nur eine ländliche Idylle vor, sondern er musste Kämpfe und Auseinandersetzungen mit den einheimischen Stämmen bestreiten. Auch dieses Grundmuster der Sage sollte für das römische Selbstverständnis prägend bleiben: Es ist die sowohl bäuerliche als auch soldatische Bestimmung des Siedlers (colonus), welche auf diese Weise zum Ausdruck gebracht wird. Äneas ist dem Mythos nach ein Sohn der Venus. Er und sein Sohn Iulus werden in Italien zu den Begründern von Städten (Alba Longa, Lavinium) und damit zu Ahnherren eines königlichen Geschlechtes, dem auch die Gründungsväter des späteren Rom, Romulus und Remus, angehören werden. Doch auch die römische Aristokratie beruft sich vielfach auf solche göttlichen Ahnherren. Die Vorfahren C. Iulius Caesars, auch Caesar selbst sowie schließlich dessen Adoptivsohn und Nachfolger Kaiser Augustus sollten sich in viel späterer Zeit auf die vornehme Herkunft durch Äneas berufen. 5 Wir müssen uns die Bedeutung die-
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Abb. 2: Fresko vom Esquilin: Äneas wird von Victoria bekränzt.
ses Mythenbildes also erst einmal vor Augen halten, finden wir dadurch doch einen Anschlusspunkt zur römischen Geschichte. Freilich müssen wir in diesem Zusammenhang noch weiter ausholen: Für den Römer der beginnenden Kaiserzeit galt es, die ältesten Gründungslegenden der Stadt und jene des eigenen Volkes in eine Verbindungslinie zu stellen. Die literarischen Belege für die Beziehungen Äneas’ zu Rom reichen dabei weit zurück. 6 Hellanikos, ein vielseitiger griechischer Historiker des 5. Jhs. v. Chr., schlägt die weiteste Brücke: Er führt Äneas an, der angeblich aus dem Land der Molosser kam und Rom gemeinsam mit Odysseus gegründet haben soll (FGrHist 4, Frgm. 80). Dahinter steht das weite Gesichtsfeld der griechischen Kolonisation im Westen. Rom ist in den Augen der Griechen zunächst „eine griechische Stadt im Westen“, wie es etwa bei Herakleides Pontikus im 4. Jh. v. Chr. heißt. Rom galt zu dieser Zeit bereits als Machtfaktor der Mittelmeerwelt und wurde – so würden wir es heute lesen – in ein vorgefasstes historisches Gesichtsfeld, jenes der Griechen, eingebunden. 7 Griechische Historiker der spätklassischen und hellenistischen Zeit, so
auch Timaios von Tauromenion (4./3. Jh. v. Chr.), sahen bereits die Notwendigkeit einer historischen Anbindung der wichtigen Völker der Mittelmeerwelt, indem sie die Gründung Karthagos und Roms zusammenstellten (FGrHist 566). Die Verbindungen zwischen der Äneassage und Rom erweisen sich so wahrscheinlich als „Erfindungen“ des 4. Jhs. v. Chr. An diesem Punkt setzt auch die eigentlich römische Geschichtsschreibung an. In einem der ältesten Geschichtswerke Roms, es stammt aus dem 3. Jh. v. Chr. und wird dem legendären Historiker Q. Fabius Pictor verdankt, finden sich die Äneassage und die Romuluslegende erstmals nebeneinandergestellt. Als Bindeglied fungiert dabei die Reihe der Könige von Alba Longa, also die Nachkommen des Iulus. 8 Ein weiterer römischer Epiker dieses Zeitraumes, Gn. Naevius, verbindet in seiner Schilderung des Ersten Punischen Krieges (Bellum Poenicum) ebenfalls die Ankunft der „Äneaden“ in Latium mit dem weiteren Geschick der römischen Geschichte, die so zu Romulus und Remus führt. 9 In viel späterer augusteischer Zeit nun nimmt der Dichter Vergil in seinem monumentalen Epos, der Äneis (Aeneis), den gängigen Grün-
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dungsmythos zum Ausgangspunkt einer RomVision 10: In der Rede der Göttin an den Heros lenkt der Dichter die Bestimmung des Äneas, „über die Völker zu gebieten“, auf das gesamte römische Staatswesen: „Dein sei, Römer, das Amt, als Herrscher die Völker zu regieren.“ Das Wandgemälde vom Esquilin stammt aus frühaugusteischer Zeit. Es schmückte den Grabbezirk einer bedeutenden römischen Familie, die mit der Person des Kaisers Augustus und der Ideologie seiner Zeit in enger Verbindung gestanden haben dürfte. Gezeigt wird der Moment des Triumphes für den Feldherrn Äneas, der so zu einem Sinnbild für den Siegeswillen des römischen Volkes wird. Die römische Kunst jener Zeit projiziert das Geschehen in die mythische Vorzeit. In Wirklichkeit jedoch wurde die Sage – wie wir sehen konnten – erst relativ spät in Rom aufgegriffen und so in das Geschichtsbild der Bevölkerung integriert. Rom „erfindet“ sich gewissermaßen selbst erst relativ spät. Im frühkaiserzeitlichen Fresko erscheinen die Vorgänge wie eine Vorhersage künftigen Geschehens; sie gleichen einer Prophezeiung. Das Gemälde ist zugleich auch Zeuge der Verbindungswege der Künste zwischen Griechenland und Rom. Der Bildfries mit seinen aktionsgeladenen Figuren und seiner pastosen Raumauffassung ist teilweise hellenistischen Vorbildern verpflichtet. Ein – wie allgemein angenommen wird – vorbildliches „Originalgemälde“ bildete den Hintergrund für diesen Freskenzyklus. Im erhaltenen Freskenausschnitt kommen jedoch durch das Thema und die handelnden Figuren primär römische Gesichtspunkte zum Tragen. Was an dieser Szene eindeutig römisch wirkt, ist die Erzählweise: Dazu gehört der faktische Ablauf von Handlungsmomenten und, nicht minder, die plakative Aussage der Figurenschilderung. Die Kämpfe wirken real, mit dem Auftreten der Siegesgöttin wird jedoch eine Zielebene markiert: Äneas ist der göttliche Ahnherr des römischen Volkes, sein Sieg bedeutet die Aufbereitung des Bodens für die römische Zivilisation.
Das Gemälde wird so zu einem Zeugen der vorherrschenden Ideologie, aber auch der künstlerischen Erfahrungen in Rom an der Wende von der Republik zur Kaiserzeit. Welche Zugänge zur römischen Kunst erhalten wir aus dem vorliegenden Beispiel? • Im alten Rom besaßen Herkunft und Tradition der Familien innerhalb des Staatswesens einen hohen Stellenwert. Mythischhistorische Darstellungen innerhalb der Kunst trugen dazu bei, den Rang einer Familie zu erhöhen. • Innerhalb der römischen Grabkunst wurden unter anderem Themen aufgegriffen, die eine politische wie auch gesellschaftliche Aussagekraft besaßen. • Es gab für den Ausstattungsschmuck privater Grabbezirke ganz offenkundig Vorgaben und Muster der „großen Kunst“ (Gemäldevorlagen). • Diese Vorgaben wurden in die jeweilige Anschauungsform übersetzt und künstlerisch umgedeutet.
Ergebnisse Im Einführungsteil dieses Handbuches sollte anhand ausgewählter Beispiele der allgemeine „kulturelle Habitus“ (Henner von Hesberg) der römischen Kunst angesprochen und hinsichtlich seiner Muster und Vorgaben hinterfragt werden. Es konnte dabei festgestellt werden, dass sich die Bestandteile der römischen Kunst aus verschiedenen Traditionen und Einflusssphären herausbildeten. Verhältnismäßig spät erst kommen eigenständige Ausdrucksformen zum Tragen – eine römische Eigenkonzeption wird demnach nicht von Anfang an greifbar. Befragen wir noch einmal die wichtigsten historischen Stationen: Nach Meinung vieler Forscher gibt es zumindest ab dem späten 4. Jh. v. Chr. Anzeichen für eine römisch geprägte Formensprache und somit eine römische Kunst. Grund dafür könnte die bedeutende Stellung
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des Stadtstaates in Mittelitalien sein. In der Folgezeit bildeten die Auseinandersetzungen Roms mit den Karthagern eine tiefe Zäsur für das künstlerische Selbstbewusstsein. Im 2. Jh. v. Chr. jedoch, dem Jahrhundert triumphalen Ausgreifens Roms nach dem griechischen Osten und – parallel dazu – dem endgültigen Sieg Roms über Karthago, ist eine ausgesprochene Befruchtung der römischen Kunst durch Vorbilder in Griechenland und Leistungen griechischer Werkstätten in Italien festzustellen. Der sich verändernden Aufgabenstellung eines nun bis Spanien und Nordafrika reichenden Imperiums entsprechend, entwickelt Rom nunmehr seine unverkennbare wie auch eigenständige Formensprache in den Künsten. Eine tragende Säule der Entwicklung bilden dabei die Baukunst und ihre Techniken. Erst zur Zeit der späten Republik stellen sich endgültig Leitgattungen wie das Porträt, das historische Relief oder römische Malstile und Dekorationsformen heraus. Auch der technisch bestimmte Formenapparat der Architektur und ihrer einzelnen Bautypen sind im Wesentlichen ein Produkt dieser späteren Entwicklung. Die Abschnitte der Kaiserzeit, begonnen mit der Zeit des Kaisers Augustus, setzten für die Künste jeweils entschieden neue Akzente. Tragende Kunstformen können nun als Ausdruck einer „Staatskunst“ begriffen werden. Die Kunst der römischen Kaiserzeit wird daher zu Recht nach den Regierungsabschnitten ihrer Regenten untergliedert. Das Imperium Romanum sollte sich in der mittleren Kaiserzeit zu einem der größten, jemals existierenden staatlichen Gebilde festi-
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gen. Es verband zahlreiche Völkerschaften, deren Traditionen und Fähigkeiten, unter- und miteinander. Damit einhergehend, erreichten die wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten des Imperium Romanum einen Standard, der – und auch dieses Faktum sollte man sich vor Augen halten – erst wieder in der Frühen Neuzeit erreicht werden konnte. Das römische Herrschafts- und Zivilisationsmuster hat die nachfolgenden Jahrhunderte somit nachhaltig beeinflusst. Rom – so könnte man behaupten – blieb über einen längeren Zeitraum hindurch Vorbild, als es je selbst als Staatsgebilde existierte. Mit einer gleichfalls gegebenen Pluralität der Völker und Provinzen innerhalb des Imperium Romanum können unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten in Europa konstatiert werden. So wie im Staatsgebilde der Zusammenhalt durch die an Rom orientierten und geschulten Völkerschaften gewährleistet wurde, bildete sich umgekehrt durch die unterschiedliche Bevölkerung eine jeweils eigene Kultur der Provinzen heraus. Die Besonderheit dieser Bedingungen innerhalb der Provinzen führte ganz offenkundig zu eigenständigen Formbildungen der Kunst. Man wird darüber hinaus festhalten können: All diese Prägungen wie auch Vorgaben innerhalb der römischen Provinzen überlebten teilweise die Geschichte des Imperium Romanum und trugen wesentlich zur Kunst des Mittelalters und der nachfolgenden Jahrhunderte bei. 11 Auch dadurch erweist sich die europäische Dimension der römischen Kunst in ihren Grundmustern und Konstanten.
tantae molis erat Romanam condere gentem Solcher Mühen bedurfte die Gründung des römischen Volkes. (Vergil, Aeneis 1,33)
1. Kapitel Der lange Weg Roms In diesem ersten Kapitel soll es um die Anfänge Roms sowie um jene Einflüsse gehen, denen Rom in seiner Frühzeit ausgesetzt war und aus denen heraus es sich entwickelt hat. Für die ersten Jahrhunderte bleiben die Hintergründe der Kunstentwicklung rätselhaft, selbst wenn die Archäologie der letzten Jahrzehnte erstaunlich reichhaltige Fundkomplexe freilegen und dokumentieren konnte. Ein kontinuierliches Bild bietet hingegen die Stadt- und Siedlungsgeschichte Roms: Die nachweisbaren Bauten der Frühzeit sollten sich als Maßnahmen für die Zukunft der Stadt erweisen. Diesen frühen Abschnitten soll unser besonderes Augenmerk gelten, weil spätere Entwicklungen der Kunst nur aus der besonderen Disposition der Stadt heraus verständlich werden.
Historischer Hintergrund Die Anfänge: Die historische Überlieferungslage zu Rom und Etrurien bleibt bis zum 5. Jh. v. Chr. äußerst unsicher. 1 Unsere Vorstellung von der frühen kulturellen Entwicklung in Mittelitalien orientiert sich daher im Wesentlichen an archäologischen Periodisierungen. Die einzelnen Abschnitte Roms zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. gliedern sich allgemein nach den Phasen der eisenzeitlichen Kulturen Italiens. Für das späte 7. und das 6. Jh. v. Chr. gibt es erste historisch nachvollziehbare Überlieferungen zur sogenannten Königszeit Roms. Der erste Abschnitt der römischen Republik, das 5. Jh. v. Chr., kann noch der ersten Entwicklungsperiode der Stadt zugerechnet werden. Früheisenzeit (ca. 1050–620 v. Chr.): Rom ist Teil einer eisenzeitlichen Kultur in Latium parallel zur „Villanovakultur“ in Oberitalien (sog. Latialstufen). 2 Der Siedlungsraum der Stadt bildet noch keinen urbanen Mittelpunkt. Eine kontinuierliche Besiedlung auf einzelnen Stadthügeln wird jedoch fassbar. Jeder der sieben Hügel spielt eine weitere große Rolle innerhalb der Baugeschichte des antiken Rom: Palatin, Kapitol, Quirinal, Aventin, Coelius, Esquilin, Viminal. Das überlieferte Gründungs-
datum, 753 v. Chr., erweist sich als fiktive Berechnung der späteren Zeit. Entscheidend für die Herausbildung der Stadt wird ein Zusammenschluss der Hügelsiedlungen um ein gemeinsames Zentrum im Bereich des Forum Romanum. Ein solcher Zusammenschluss dörflicher Siedlungen wird in der griechischen Wortbildung als „Synoikismos“ bezeichnet. Der Überlieferung nach regieren in Rom nach dem mythischen Gründungsvater Romulus bis zum Ende des 6. Jhs. v. Chr. mehrere Könige (sieben Könige Roms einschließlich Romulus). – Zeit der etruskischen Könige (ca. 620–509 v. Chr.): Die letzten drei der Könige Roms sind gemäß der historischen Überlieferung Etrusker: Lucius Tarquinius Priscus (616–578 v. Chr.), Servius Tullius (578–534 v. Chr.), Lucius Tarquinius Superbus, d. h. der „Hochmütige“ (534– 509 v. Chr.). In diesen Zeitraum fallen bedeutende städtebauliche Maßnahmen. Rom bildet ab dem 6. Jh. v. Chr. bereits den Mittelpunkt einer „latinisch-etruskisch-griechischen Kulturkoine“ (Gemeinschaft). – v. Chr.): Eine eigenFrühe Republik (509–367 ständige politische Entwicklung in Rom und Latium wird in Stufen nachvollziehbar. Die Vorgänge können auch als Prozess der „Staatsbildung“ verstanden werden. Fassbar wird
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gleichfalls ein allmählicher Rückgang der Einflussnahme auf Rom von außen. Eine teilweise Isolierung des Stadtstaates sowie deutliche Gefahrenmomente von außen kennzeichnen jedoch abschnittsweise die Lage. Die Adelsherrschaft, verteilt auf wenige führende Familien (d. h. Oligarchie; patres als Oberhäupter/Patrizier), erfährt mit dem Übergang von der Monarchie zur Republik eine Umformung. Das in Schritten eingeführte „republikanische System“ zeichnet sich durch klare Ämterbefugnisse sowie eine Weitergabe der Ämter aus. Für die Zukunft Roms entscheidend werden sollte schließlich die Herausformung selbständiger wie auch sozial abgestufter politischer und rechtlicher Strukturen. Es ging in dieser Frühphase um eine Teilhabe an der Macht auch für die einfacheren Bevölkerungsschichten (res publica = Sache des Volkes). Der im 5. und 4. Jh. v. Chr. um Grundrechte geführte Ständekampf endet mit dem Ergebnis tragfähiger politischer Grundkonstellationen und verfassungsmäßiger Strukturen. In Folge dieser Umbildung der Machtverhältnisse entsteht ein staatliches Selbst- und Sendungsbewusstsein Roms: Angestrebt wird die Vorherrschaft in Latium sowie die Einnahme benachbarter Etruskerstädte. Durch die Eroberung Vejis im Jahre 396 v. Chr. vergrößert das frühe Rom sein Territorium um mehr als die Hälfte. Bis zum Jahr des Galliersturms (387 v. Chr.) bleibt Rom jedoch äußeren Gefahren und Kriegseinflüssen ausgesetzt. Der erste Abschnitt der römischen Republik findet mit dem Ständeausgleich 367 v. Chr. seinen Abschluss.
Ausgangslage der Kunst Die frühen Anfänge der Stadt und ihrer Bevölkerungseinheiten werden einerseits durch eine Gemeinsamkeit der Sprache, der religiösen Einrichtungen und des politischen Eigenweges gekennzeichnet. 3 Andererseits zeigt sich ein disparater Charakter der Kunstdenkmäler aus Rom und Latium: So werden etwa Vorprägun-
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gen benachbarter Kulturen je nach Bedarf eingesetzt. Während der späten Königszeit wird diese kulturelle Überlagerung durch Einflüsse aus Etrurien sichtbar. Kontinuitäten und Diskontinuitäten sind damit für die spätere Entwicklung angelegt. In Rom selbst entstehen ab dem 6. Jh. v. Chr. Befestigungsanlagen 4 sowie wichtige öffentliche Zonen und Bauwerke. Bemerkenswert darunter sind frühe Tempelanlagen, welche offenkundig von der königlichen Gewalt gefördert werden 5 (Abb. 1541 1743). Parallel zu diesen Baumaßnahmen gibt es archäologische Hinweise auf planmäßig angelegte Wohnviertel mit großzügigen Hofhäusern etwa im Bereich des Palatin. Von den einfacheren Wohnvierteln der Stadt in ihrer Frühphase wissen wir hingegen praktisch nichts. Nach dem Wechsel der politischen Führung in Rom setzt auch die junge Republik ein Bauprogramm fort, das hautpsächlich in Form überlieferter Gründungsdaten zu Tempeln sichtbar wird. Archäologische Untersuchungen an einzelnen dieser Tempel (z. B. Saturn-Tempel, Castor-Tempel) bestätigen das hohe Alter dieser Sakralbauten (Abb. 730 1236 1339). Auch die frühe Republik nimmt auf dem Gebiet der Künste unterschiedliche Einflüsse von außen auf, jetzt aber vor allem aus Unteritalien. Die Stadt- und Koloniegründungen in Latium und im Zuge dessen die Errichtung von Befestigungsanlagen sowie von Tempeln und öffentlichen Bauten führen zur Festigung des römischen Eigenweges auf dem Gebiet der Baukunst und der Urbanistik (Abb. 2668 2769 3885). Eigenständige Formbildungen auf dem Gebiet der Kunst in Rom geben sich jedoch noch kaum zu erkennen. Das hat vielleicht seinen Grund darin, dass sich erste öffentliche Ehrenstatuen sowie Gemälde und Reliefgattungen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht erhalten haben. Den späteren literarischen Zeugnissen zufolge liegen jedoch die Anfänge dieser Kunstgattungen, die deutlicher erst in der Zeit der mittleren und späten Republik hervortreten, allesamt in der Frühzeit
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1. Kapitel
Roms. Die Kunstformen im frühen Rom standen, auch nach der späteren Beurteilung römischer Kunstschriftsteller, im Dienste des Staatswesens.
Die Stadtgründung – Legende und Wirklichkeit Nach römischer Zählung feiern wir im Jahr 2011 den 2764. Geburtstag der Stadt Rom. Nähern wir uns versuchsweise einmal dieser unglaublichen Jahreszahl und der damit verbundenen Überlieferung. Wir erfahren in diesem Zusammenhang von Gründungslegenden und verfolgen parallel dazu archäologische Zeugnisse, die uns die Vorgänge interpretieren helfen. Von dem mit prachtvollen Reliefs geschmückten Opferaltar des Gottes Mars aus Ostia (Abb. 3) kennen wir das Datum seiner Neueinweihung: Es handelt sich um das Jahr 124 n. Chr. 6 Geschildert wird auf der Rückseite dieses Altars die in der mittleren Kaiserzeit beliebte Darstellung der Gründungssage Roms mit dem Zwillingspaar Romulus und Remus. Die Söhne des Gottes Mars und der Königstochter Rhea Silvia wurden der Sage nach von ihrem Großonkel ausgesetzt und konnten, von der Wölfin (lupa Romana) gesäugt, nur so überleben (Abb. 4). Nach dem Glauben der Römer wurden Romulus und sein Zwillingsbruder, als sie zu Männern gereift waren, die Gründer der Stadt. Die Sage nimmt auch Bezug auf Alba Longa, jene Siedlung, die einst Iulus, der Sohn des Äneas, gegründet hatte. Numitor, der Vater der Rhea Silvia, herrschte dort als König, ehe ihn sein Verwandter Amulius entthronte. Dieser wollte nun Rhea Silvia dazu zwingen, eine jungfräuliche Vestalin zu werden. Mars jedoch schwängerte die Königstochter, und sie gebar die Zwillinge Romulus und Remus. 7 Von diesen legendären Vorgängen lesen wir bei Titus Livius (59 v. Chr.–17 n. Chr.), jenem großen Historiker aus Padua, der selbst von Kaiser Augustus geschätzt wurde. Von der
Gründung der Stadt an, Ab urbe condita libri, so lautet der Titel dieses Geschichtswerkes. Ab urbe condita (seit Gründung der Stadt) bezeichnete für jeden Römer aber auch den Beginn der eigenen Geschichte und damit jenen der römischen Jahreszählung ab dem Jahr 753 v. Chr. So gibt auch die Reliefszene des Altars quasi die Geburtsstunde Roms im Gefolge der Rettung der Zwillinge wieder. Links oben wird die Gestalt des Palatin sichtbar, also des Gründungshügels der Stadt, rechts unten ist es die Personifikation des Flusses Tiber. Hirten treten auf und sind vom wundersamen Geschehen ergriffen. Auch ein Adler, Symbol des Gottes Jupiter, des Beschützers der Zwillinge, breitet seine Schwingen aus. Der Altar selbst ist reich ornamentiert und an seinen Ecken mit Fruchtgirlanden und Widderköpfen geschmückt. Als der Opferaltar am Ende des 19. Jahrhunderts im Theaterbezirk von Ostia gefunden wurde, konnte seiner Inschrift – es handelt sich um einen Ratsbeschluss des städtischen Senates – die Jahreszahl 124 n. Chr. entnommen werden. Dem üppigen Ausführungsstil der Ornamente, aber auch der stark räumlich bestimmten Komposition der Reliefs nach, dürfte der Altar aber bereits eine Generation zuvor, also am Ende des 1. Jhs. n. Chr. für ein städtisches Kollegium geschaffen worden sein. Die Romulus-Remus-Sage und auch ihr bekannt tragischer Ausgang, der im Brudermord endet, bildet ein Synonym für die römische Geschichte insgesamt. 8 Im Ringen um die legitime Zuteilung der Macht wird, so wird man es ausdrücken müssen, brutale Härte selbst den Nächsten gegenüber zum Ausdruck gebracht. Auch bei diesem mythischen Geschehen handelt es sich um eine offenkundig erst spät herausgebildete Sage, die auf die legendären Anfänge der Stadt Rom rückprojiziert wurde. 9 Der Palatin bildet in der Sage den eigentlichen Gründungshügel der Stadt. Von hier aus soll Romulus die Umrisse der Stadt festgelegt haben. Einen festen Bestandteil der Kulte am Palatin spielen die ‚Lupercalia‘, die auf die legendäre Höhle der Wölfin (Lupercal) verweisen.
Der lange Weg Roms
Archaisch anmutende, in Ziegenfelle gehüllte und mit Wolfskappen vermummte Priester zogen bei diesem Fest – selbst noch in der römischen Kaiserzeit – von der „Geburtsgrotte“ unterhalb des Palatin zum Tiber und um den Hügel. Außerordentlich bemerkenswert ist, dass – dem Anschein nach – diese Grotte vor kurzem von Archäologen wiederentdeckt wurde. Erstaunlich aus heutiger Sicht bleibt aber vor allem die Festlegung des Gründungsjahres der Stadt auf das Jahr 753 v. Chr. M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.) war einer der Antiquare der späteren Zeit, die in ihren Schriften über solche Traditionen, aber auch über frühe Bräuche und Sitten der Römer berichteten: Der Überlieferung nach wurde die Stadt Rom in diesem Jahr von den Brüdern Romulus und Remus gegründet. Der Brudermord des Romulus an Remus aus Eifersucht beendet dieses gemeinsame Unternehmen und macht Romulus zum ersten König Roms. Da die beiden Stadtgründer aus Alba Longa gestammt haben sollen, führten die Adeligen (patricii) Roms ihre Herkunft zugleich auf die Nachkommenschaft des trojanischen Helden Äneas zurück. Wie wir gesehen haben, handelt es sich bei der Erzählung um den Versuch, die römische Geschichte an die griechische Überlieferung anzubinden. Die Erzählungen um Äneas führen sogar zum Trojanischen Krieg zurück, welcher – der Überlieferung nach – 1180 v. Chr. stattgefunden haben soll. Wahrer Kern dieser Überlieferung könnte sein, dass bereits am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. Handelskontakte zwischen der östlichen Mittelmeerwelt und den Siedlungen in Latium bestanden haben. 10 Doch von diesen späteren historischen Konstruktionen weiß die römische Überlieferung natürlich noch nichts. Ebenfalls bereits früh hat sich der 21. April als das angebliche Datum der Stadtgründung durchgesetzt. Die Gründungsvorgänge der Stadt spielen auf dem palatinischen Hügel, wo auch eine Göttin namens Palas verehrt wurde. Dieselbe Wortwurzel zeigt auch das Fest der
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Abb. 3: Altarrelief mit Darstellung der Gründungslegende Roms: Die Zwillinge Romulus und Remus werden von der Wölfin gesäugt.
Göttin, die „Parilia“ oder „Palilia“, die als Gründungsfest der Stadt gelten. 11 Es ist auffällig, dass selbst kritische Historiker späterer Perioden diesen mythischen Gründungsakt gelten ließen und ihn an den Beginn der römischen Geschichte stellten: Titus Livius (59 v. Chr.–17 n. Chr.), der schon genannte Geschichtsschreiber aus Oberitalien, schreibt im Vorwort seines Werkes Ab urbe condita: „Man sieht es der alten Zeit nach, dass sie den Anbeginn der Städte verklärt, indem sie das Menschliche mit dem Göttlichen vermischt“ (praefatio 6). Solche Annalen (Jahrbücher) hielten sich an früheste priesterliche Aufzeichnungen, die sich in Rom erhalten hatten. Spätere Jahresangaben gliedern sich nach den Amtszeiten der Konsuln. Die frühesten Annalen enthielten jedoch selbst für die Historiker der frühen Kaiserzeit nur dürftige Mitteilungen beziehungsweise schwer entschlüsselbare Angaben, so etwa zu Deutungen aus der Vogelschau (Auspizien) oder Berichten über Sonnen- oder Mondfinsternisse. Daraus lässt sich ersehen,
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1. Kapitel
Abb. 4: Die sogenannte Kapitolinische Wölfin. Die lebensgroße Bronzefigur galt bisher als etruskisch (6. Jh. v. Chr.). In jüngster Zeit sind jedoch Zweifel an dieser Datierung geäußert worden. Ob sie möglicherweise erst im Mittelalter (9.–13. Jh.) gefertigt wurde, ist nicht abschließend geklärt.
dass der Einfluss der etruskischen Religion, nämlich den göttlichen Willen aus Vorzeichen zu erkennen, in der frühen Zeit Roms vorherrschend war. Von M. Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), dem streitbaren Politiker und Redner der späten Republik, erfahren wir, dass sich solche frühesten Aufzeichnungen über Rom bis in seine Zeit im Hause des Pontifex Maximus 12 am Forum Romanum erhalten hatten: „Um die Erinnerung an die öffentlichen Geschehnisse festzuhalten, legte der Pontifex Maximus vom Anfang der römischen Geschichte an bis auf die Zeit des Pontifex Maximus P. Mucius Scaevola (133 v. Chr.) alles, was in den einzelnen Jahren geschehen war, schriftlich nieder und trug es auf einer weißen Tafel ein, die er in seinem Hause aufstellte, um dem Volk die Mög-
lichkeit zu geben, sie einzusehen.“ (De oratore 2, 52) Für die Frühzeit Roms gilt es daher umso mehr, Bezüge zwischen der mythenhaften, nachträglich jedoch geradezu faktengleich ausgebildeten Anfangsgeschichte der Stadt und der tatsächlichen archäologischen Evidenz herzustellen. Unbestritten dürften zumindest mehrere Phasen eines solchen „Gründungsaktes“ sein. Darunter kann man sich den allmählich erfolgten Zusammenschluss jener dörflichen Siedlungen vorstellen, die auf dem Palatin – seit der frühen Eisenzeit – und etwas später auch auf dem Esquilin und Quirinal bestanden hatten. Diese dörflichen Siedlungen wurden ursprünglich von verschiedenen Völkerschaften bewohnt. Eine mögliche Spiege-
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lung dieser historischen Vorgänge bietet etwa die Sage vom „Raub der Sabinerinnen“. 13 Romulus, der innerhalb „seiner Stadt“ Flüchtlinge, hauptsächlich jedoch Männer, darunter auch lichtscheue Gestalten aufnahm, erkannte den drohenden Männerüberschuss. Verständlicherweise wollte aus den umliegenden Siedlungen niemand freiwillig seine Töchter an die Römer vergeben. Bei einem Fest, zu dem die Römer die Sabiner einluden, bemächtigten sich die Römer der Frauen. Als die Sabiner schließlich mit Heeresmacht nach Rom zurückkehrten, hatten die sabinischen Frauen die Männer von Rom jedoch lieb gewonnen, und so wurde aus beiden Völkerschaften ein Volk. Natürlich bilden solche Erzählungen eine beliebte Vorgabe für die Künste. Man denke nur an das große Kapitel der europäischen Malerei oder an die Bildhauerkunst in Renaissance und Barock. Äußerst beliebt waren diese Raubszenen (raptus-Gruppen) alleine schon wegen der Möglichkeit, weibliche Körperformen zu verherrlichen beziehungsweise männliche Kraft zu demonstrieren (Abb. 5). Doch damit zurück zur Sage. Erzählungen wie jene vom „Raub der Sabinerinnen“ enthalten möglicherweise auch ein Substrat der wirklichen Vorgänge im frühen Rom. In ihnen steckt ein Körnchen Wahrheit. Im frühen Rom ging es entschieden um Zuzug und Integration. Eines bleibt wiederum auffällig: Im Zusammenhang mit der römischen Kunst tauchen Darstellungen aus der frührömischen Sage erst am Ende der Republik auf. Was den möglichen historischen Kern der Sage vom „Raub der Sabinerinnen“ angeht, so drückt sich dieser in der Herkunft des vierten Königs von Rom aus: Ancus Martius soll ein Herrscher aus dem Sabinergebiet gewesen sein. Die Sabinersiedlung Roms soll sich im Übrigen auf dem Quirinalshügel befunden haben.
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Von den Mythen zur Archäologie der Stadt Rom Am Fuße der Hügel Roms, darunter in der einst versumpften Talsenke des späteren Forum Romanum, befanden sich die zu den Siedlungen gehörenden Grablegen (Abb. 6, 48102). In Rom haben sich aus dieser Epoche fast ausschließlich Brandgräber erhalten. Funde aus diesen Gräbern bieten den Archäologen nicht nur keramisches Material und die üblichen Grabbeigaben; die Grablegen geben vor allem eine zeitliche Abfolge zu erkennen. Für die Entwicklung der Stadt ist von Bedeutung, dass der Gräberbezirk (die Nekropole) am Forum Romanum gegen Ende der Latialzeit sukzessive aufgegeben wird. Bis zum späten 8. Jh. v. Chr. geht die Anzahl der Bestattungen zurück, enthält dann noch vereinzelt Kindergräber, um schließlich gänzlich aufzuhören. Das Gebiet der Forumssenke sollte – und das ist die eigentliche Bedeutung dieses Vorgangs – zum künftigen Kern der Stadt werden. 14 Es wird daher vermutet, dass sich die dörflichen Siedlungen auf den Hügeln Roms gewissermaßen auf ein gemeinsames Zentrum einigten. Dieses Zusammengehen (ethnisch) getrennter Siedlungen, die sich künftighin um ein politisches wie religiöses Zentrum herum scharten, mag als der eigentliche Gründungsvorgang der „ewigen Stadt“ angesehen werden. 15 Archäologisch freilich lassen sich für diese Vorgänge, bis etwa zum 8. Jh. v. Chr., im Wesentlichen nur keramische Phasen abheben. Diese stehen durchaus im „Mainstream“ der italischen Kulturen (Latialstufen I–IV) in Mittelitalien. 16 Bei den Artefakten aus den Gräbern handelt es sich hauptsächlich um Gefäße aus dunkelbraun gebranntem Ton mit Ritzverzierungen (Impasto). Aschenurnen aus den Nekropolen zeigen gelegentlich Hausmodelle aus gebranntem Ton in Form von Rundhütten. Dank dieser Funde kann eine Parallele zur zeitgleichen Wohnkultur gezogen werden. Auch die frühen Hügelsiedlungen Roms bestanden aus solchen Einzelhütten. Dieses Bild stimmt mit anderen
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Abb. 5: Der Raub der Sabinerinnen. Gemälde von Nicolas Poussin, ca. 1635. Paris, Louvre.
Siedlungen in Italien überein. Lose innerhalb einer Siedlungsfläche gruppierte Ovalhütten, gelegentlich auch Rechteckhütten, charakterisieren das Siedlungsbild der meisten Kulturen in Latium und Etrurien. Auf dem römischen Palatin konnten bei archäologischen Grabungen Pfostenlöcher von Hütten im Boden festgestellt werden. Diese Pfostenlöcher markieren den Umriss der Behausungen. Die Wände dieser Ovalhütten bestanden aus Flechtwerk und besaßen Lehmverstrich. Die Anordnung der Hütten folgt keinem festen Muster. Eine derartige dörfliche Siedlung dürfte durch einfache Erdwälle befestigt gewesen sein. Spuren solcher Ovalhütten haben sich vor allem auf dem „Gründungshügel der Stadt“ gefunden, ein Faktum, das die Rolle des legendären Stadtgründers Romulus indirekt zu bestätigen scheint. Die Überlie-
ferung geht jedoch noch einen Schritt weiter: Der Sage nach soll Romulus bereits der Begründer einer urbs quadrata, also einer geordnet nach Himmelsrichtungen angelegten Stadt gewesen sein. Die Vorgänge beziehen sich auf einen Gründungsritus. Heute ist man der Meinung, dass der Historiker P. Cornelius Tacitus (ca. 58–ca. 120 n. Chr.), der uns von diesen imaginären Stadtgrenzen Roms berichtet, 17 indirekt Anhaltspunkte für einen etruskisch geprägten Ritus der Stadtgründung liefert. 18 Welche Verbindungslinien zwischen den mythischen Anfängen Roms und einer Auswertung der archäologischen Evidenz lassen sich demnach herstellen? Am deutlichsten für den künftigen Entwicklungsgang der Stadt werden Siedlungsspuren auf dem Palatin, dem Kapitolinischen Hügel und dem Esquilin. Dem Palatin kommt dabei aufgrund dort angetrof-
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Abb. 6: Rom, Forum Romanum und Kapitolinischer Hügel.
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fener Siedlungsreste in Form von Ovalhütten eine tragende Rolle zu. Die größte der Behausungen aus dem 9. Jh. v. Chr. misst immerhin 4,90 3,60 m. 19 Die Erinnerung an den Gründungsakt der Stadt wurde nun – und dieses Faktum scheint besonders bemerkenswert – noch in viel späterer Zeit bewahrt. Der literarischen Überlieferung zufolge wurde eine sogenannte „Hütte des Romulus“ während der römischen Kaiserzeit immer wieder erneuert, um so Besucher des Hügels an die Stadtgründung zu erinnern. 20 Davon berichtet etwa Dionysios von Halikarnass, ein aus Kleinasien stammender griechischer Historiker der augusteischen Zeit. 21 Plutarch bildet eine weitere aufschlussreiche Quelle für die Anfänge der Stadt. Jener Q. Mestrius Plutarchus, ein Grieche aus Boiotien, verfasste an der Wende zum 2. Jh. n. Chr. bedeutende Parallel-Biographien von Griechen und Römern, welche die römische Frühzeit mit umfassen. Romulus bildet bei ihm gemeinsam mit Theseus, dem Gründungsheros von Athen, ein historisches Gegenüber. Beiden Schriftstellern verdanken wir wertvolle Angaben zur Frühgeschichte der Stadt. Aus dem Bisherigen wird jedoch hauptsächlich die Ebene der literarischen Konstruktion, den angeblichen Gründungsakt Roms betreffend, deutlich. Dessen ungeachtet lässt sich aus den archäologischen Befunden tatsächlich eine lange Siedlungskontinuität Roms herleiten, nicht jedoch eine Gründung der Stadt zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die italienische Forschung hat in jüngster Zeit darauf hingewiesen, dass sich noch vor der Mitte des 8. Jhs., gemessen am Gräberbefund, eine deutliche soziale Differenzierung innerhalb der Bevölkerung Roms ableiten lasse. Die Hirtensiedlungen verlieren gewissermaßen ihren einfachen gesellschaftlichen Status. Diese Beobachtung markiert jedoch nicht ursächlich den Gründungshorizont einer Stadt. Und – es bleibt nicht auszuschließen, dass selbst die moderne Archäologie dem tradierten Gründungsjahr Roms hinterherläuft. Das Gros der heutigen
Forschung betont die langsame Genese der Hügelsiedlungen Roms hin zur urbs (Stadt) und bezeichnet diese als „Prozess der Stadtwerdung“ (Frank Kolb). 22 Für die Geschichtsschreibung der römischen Kaiserzeit blieb der Gründungsakt der Hauptstadt durch Romulus und Remus hingegen ein Faktum.
Ein Zentrum entsteht Was machte das Rom der Frühzeit schließlich zu einem führenden Zentrum Mittelitaliens? Bereits vor der Nennung etruskischer Könige ab dem späten 7. Jh. v. Chr. lässt sich für Rom und ganz Latium das Erstarken einer Adelskultur in Form von Tumuli- und Kammergräbern nachweisen. Es hat den Anschein, als würden in dieser Zeit führende Familien das Ruder der Macht übernehmen. Wirtschaftliche Prosperität sowie die Einführung neuer Techniken der Metallverarbeitung bilden den möglichen Hintergrund für diese Entwicklung. Rom wie auch die benachbarte Städtekultur Etruriens stehen im 7. Jh. v. Chr. unter dem Einfluss sogenannter „orientalisierender“ Strömungen der Kunst und eines damit einhergehenden Warenimports aus der östlichen Mittelmeerwelt. Mit anderen Worten öffnet sich auch Latium zu dieser Zeit gegenüber den führenden Handelszentren. Der erste aus Etrurien stammende König Roms, Tarquinius Priscus, ist – der Überlieferung nach – Sohn einer etruskischen Mutter und eines dorthin verbannten griechischen Vaters. Kern dieser Überlieferung ist die nach beiden Kulturen hin ausgerichtete Stellung des Handels und der Kultur Roms während der Frühzeit. 23 Ab ca. 600 v. Chr. setzen auf dem Forumsplatz mit einer ersten Pflasterung und der Entwässerung (cloaca maxima) dieses Bereiches endgültig die ersten öffentlichen Bauten ein (Abb. 1848 48102). Die sogenannte Regia (d. h. das Königshaus; später das Amtslokal für den Rex Sacrorum/Pontifex) sowie der Vesta-Tempel zählen zu den frühesten Anlagen dieses zentra-
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len Platzes. Wissenschaftliche Grabungen im Bereich der Regia bestätigten die frühen Phasen dieses Hofhauses, ausgedrückt etwa durch den keramischen Befund sowie durch Fragmente ältesten Bauschmuckes. 24 Auch der – in severischer Zeit letztmalig erneuerte – benachbarte Tempel der Vesta, in dem seit ältesten Zeiten das heilige Herdfeuer bewahrt wurde, erinnert alleine schon durch seine Rundform an die ersten Hüttensiedlungen Roms. Er bildet ein „sprechendes Relikt“ der Anfangszeiten Roms. Grundsätzlich gilt es demnach festzuhalten: Mit dem Beginn der architektonischen Tätigkeit in der Senke des Forums beginnt für Rom die Phase einer gezielten Stadtplanung. Die Spuren der ersten Pflasterung aus dieser Zeit sowie das dort angelegte und bis weit in die Zeit der Republik hinein erneuerte Kanalsystem (cloaca maxima) bildeten den Grundstock für das Entstehen eines Zentrums. Die Baureste dieses Entwässerungskanals sind Zeugen früher architektonischer Brillanz. Das dort eingesetzte sogenannte falsche Gewölbe wird durch vorkragende, das heißt übereinander geschobene und gestufte Steinplatten gebildet. Auch die frühesten Sakralbauten am Forum waren kostbar ausgestattet. Tönerne Schmuckplatten, die der frühen Regia zugewiesen werden können, bestätigen wiederum die Beziehungen Roms zu Werkstätten aus Etrurien. 25 Die königliche Residenz bildete offenbar einen Mittelpunkt der frühen Anlagen am Forum. Auch ein politischer Versammlungsplatz (Comitium) bestand bereits. Im frühen 6. Jh. erreicht Rom durch den Bau einer ersten durchgehenden Stadtbefestigung endgültig den Status einer bedeutenden städtischen Siedlung. Nachgewiesene Reste einer solchen Befestigungsmauer aus Tuffstein folgen über weite Strecken bereits der späteren republikanischen (oder „Servianischen“) Stadtmauer (Abb. 2972). Wir dürfen angesichts dieser Entwicklung jedoch nicht vergessen, dass die benachbarten Städte der Etrusker Rom an Bedeutung übertrafen. Sollte der archäologische Befund nicht
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eines Tages gänzlich andere Ergebnisse erbringen, so streuten die Leitformen von Produktion und Handel in archaischer Zeit eindeutig von den etruskischen Zentren aus. Die historische Disposition Roms als führendes Zentrum zwischen den Kulturkreisen der Etrusker und Griechen sollte sich erst zu einem späteren Zeitpunkt entfalten. Die Gründungsvorgänge der Stadt wurden hier ausführlicher dargestellt, um so die Grundlagen Roms besser verstehen zu lernen. Dabei wird für die Anfänge der „Stadt der sieben Hügel“ eine recht eigenwillige historische Ausgangslage ersichtlich. Die Phase vor der Stadtgründung wird durch ethnisch unterschiedliche Dorfsiedlungen und möglicherweise einen Zustrom von „Asylanten“ geprägt. Das spätere Machtzentrum Rom bildet sich im Zwischenraum verschiedener Kulturkreise: jenem der Etrusker, jenem der Griechen und jenem der mittelitalischen Bergvölker. Für spätere Historiker ist Rom so einerseits eine griechische, andererseits eine etruskische Stadt. 26 Die günstige Platzwahl Roms, welche von späteren Schriftstellern mehrheitlich hervorgehoben wird, 27 klingt jedoch bei weitem nicht so überzeugend wie jene Konstellation aus historischen Umständen und ethnischen Prägungen, die zum Prozess der Stadtbildung führten. 28 Dabei kann freilich nicht übersehen werden, dass Rom tatsächlich an der Schnittstelle verschiedener Handelswege angelegt wurde. Rom liegt ca. 20 km von der Meeresmündung des Flusses Tiber entfernt. Ein alter Handelsweg (die via Salaria, d. h. Salzstraße) querte an der Stelle der Tiberinsel den Fluss. Wer hier siedelte, kontrollierte den Handel. Es kann daher nicht verwundern, dass griechische Händler den Handelsplatz am Tiber nicht erst in der „archaischen Periode“ besuchten, sondern bereits Jahrhunderte zuvor, also während der späten Bronze- und frühen Eisenzeit.
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Abb. 7: Blick auf das Forum Romanum.
Das Forum Romanum und seine frühen Bauten Um das Grundmuster der Stadt am Beispiel des frühen Forum Romanum soll es im Folgenden gehen. 29 Es gibt wohl kaum ein tragfähigeres „Symbol historischer Kontinuität“ als jenes des Forum Romanum (Abb. 7). Kaum ein Blick auf ein historisches Zentrum wird je so viele Assoziationen hervorrufen wie jener auf die gewaltigen Baureste der Tempel, Basiliken und Triumphbögen innerhalb dieser Platzanlage. Wie an kaum einem anderen Ort der Geschichte haben Reisende an diesem Ort eine „Präsenz der Geschichte“ verspürt und so das ewige Bild Roms in ihr Gedächtnis eingegraben. Unter den Bewunderern dieses Platzes fanden sich Künstler und Gelehrte ebenso wie die unzähligen Romreisenden, denen sich das Bild des „Alten Rom“ unvergesslich einprägte. Es bedarf aber gar nicht der Pathetik des Erlebens, um das Forum Romanum in sich aufzunehmen: Der Platz war und ist schlichtweg einer der wichtigsten der Weltgeschichte: Er verkörpert das führende Machtzentrum der Antike. Das Forum Romanum verfiel am Ende seiner mehr
als tausendjährigen Geschichte, nachdem es am Ausgang der Antike seiner Funktionen entkleidet wurde. Seine baulichen Reste kamen jedoch nie vollständig unter die Erde und ließen auch den Reisenden der frühen Neuzeit noch das Maß seiner imperialen Größe erkennen. 30 Seit den Anfängen seiner „Ergrabung“ und wissenschaftlichen Erforschung, das heißt ab dem frühen 19. Jahrhundert, zeigt das Forum seine freigelegten Baureste aus der Zeit der Republik sowie jener der Kaiserzeit. Freilich bildet das heute Erhaltene nur einen Abglanz der einstigen Pracht der Bauten. Man wird sich in den ausgegrabenen und zum Teil wieder aufgerichteten architektonischen Resten auch erst mithilfe eines Planes zurechtfinden. Das Gelände des Forums bildet eine Senke zwischen den Hügeln Kapitol, Palatin, Quirinal und Esquilin. Dem heutigen Besucher bietet sich das Forum Romanum als langgestrecktes Ruinenfeld dar. Besucher Roms betrachten das Forum vorzugsweise vom Kapitolinischen Hügel aus, um einen Überblick zu erhalten. Gegen Osten, am hinteren Ende des Areals, werden der Titusbogen und das Kolosseum (Abb. 8, 150259) sichtbar. Dieser Blickrichtung folgt
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Abb. 8: Forum Romanum, hinten links das Kolosseum, rechts der Titus-Bogen.
auch unsere Abbildung. Zur Rechten befinden sich die Abhänge des Palatinischen Hügels mit den gewaltigen Unterbauten der Kaiserpaläste. Teile dieser Baustrukturen wurden in der frühen Neuzeit in die „Farnesischen Gärten“, benannt nach dem bedeutenden italienischen Fürstengeschlecht der Farnese, integriert. Zur Linken erheben sich der spätantike Kurienbau (curia senatus) sowie die gut erhaltene Vorhalle des Antoninus-Pius- und Faustina-Tempels (Abb. 181302). Dazwischen werden die Pflasterung sowie einige Säulenstümpfe der Basilika Aemilia erkennbar. Im Vordergrund erblickt der heutige Besucher den Triumphbogen des Septimius Severus (Abb. 9), die Säulen des Vespasians-Tempels (Bildmitte) sowie (rechts im Bild) die Vorhalle des Saturn-Tempels. Das
mittlere Areal des Forums wird von den Resten der Basilika Iulia, den drei erhaltenen Säulen des Castor-Tempels sowie dem Rundtempel der Vesta und dem angrenzenden „Haus der Vestalinnen“ eingenommen. Im Rücken des Betrachters befindet sich der Kapitolinische Hügel. Der Kapitolinische Bezirk mit dem Haupttempel der Stadt war im Altertum dem Forum zugewandt und bekrönte gewissermaßen das öffentliche Zentrum. Eine Abzweigung der „Heiligen Straße“ Via Sacra am Forum führte, vorbei an dem in den Hang gebauten Staatsarchiv (Tabularium), den Kapitolinischen Hügel hinauf. Dort befand sich der mächtige Iuppiter-Capitolinus-Tempel, der der Kapitolinischen Göttertrias (Iuppiter, Iuno, Minerva) geweiht war (Abb. 2154 2257).
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Abb. 9: Septimius-Severus-Bogen.
Die Schaufassade des Tabulariums, des Staatsarchivs, verbirgt sich heute noch in den unteren Geschossen des Senatorenpalastes am Kapitol, der Teile des Kapitolinischen Museums sowie den Sitz des Bürgermeisters von Rom beherbergt (Abb. 85166). Das römische Staatsarchiv entstand im letzten Jahrhundert der Republik und bildete den markanten Abschluss des Forumsplatzes auf seiner NW-Seite. Unterhalb des weitläufigen Geländes der heutigen Kapitolinischen Museen konnten die Fundamentreste des Iuppiter-Tempels sowie weiterer Tempelanlagen, Altäre und Fundamentbasen dieses antiken Sakralbezirkes eruiert werden. Um sich die topographische Situation von Forum und Kapitol während der römischen Antike besser vorstellen können, wird der durch die Planbezeichnung wiederhergestellte Bezug zwischen Forumsgelände und Kapitolinischem Bezirk wichtig. Das Haupthei-
ligtum und zugleich „Hoheitszeichen“ Roms bildete so während der Phasen der römischen Geschichte einen optischen Bezugspunkt zum Forum Romanum. Die Anfänge des Platzes und seiner Bauten liegen – wie bereits beschrieben – im Zeitraum um ca. 600 v. Chr. Damals begannen die Gründungsväter der Stadt mit einer Entwässerung des sumpfigen Geländes und ersten Pflasterungen. Vor dem Tempel des Antoninus Pius und der Faustina konnten Archäologen noch Reste älterer Nekropolen der Villanova-Periode, die der Phase vor der eigentlichen Stadtgründung angehören, freilegen. Nach antiker Überlieferung nahm Tarquinius Priscus (626–578 v. Chr.), der erste König etruskischer Herkunft, die Pläne für ein Forum in Angriff. Die ersten archäologisch fassbaren Baumaßnahmen auf dem Forum Romanum stimmen auffällig mit den literarischen Angaben zur Chronologie
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Abb. 10: Der Bezirk unter dem Lapis niger.
der etruskischen Könige überein. Dem Forum Romanum sollten in den folgenden Jahrhunderten religiöse wie auch verwaltungsmäßige und handelsspezifische Funktionen übertragen werden. Es bildete so für lange Zeit den religiösen, politischen und merkantilen Mittelpunkt der Stadt. Wie die archäologischen Ausgrabungen unter den sichtbaren Gebäuderesten zu erkennen gaben, begannen sich bereits in der Königszeit Roms einige Bereiche des religiösen und politischen Lebens herauszubilden: Hauptzonen dieser Funktionen finden sich im Bereich des Vesta-Bezirkes und der Regia sowie um den späteren Versammlungsplatz im Norden, dem Comitium, konzentriert (Abb. 48102 49103).
Ein Heroon für den Stadtgründer? Zu Beginn der wissenschaftlichen Ausgrabungen auf dem Forumsgelände am Ende des 19. Jahrhunderts fand man unterhalb des Comitiums einen heiligen Bezirk, der als Erinnerungsstätte an einen Gründungsheros (Heroon) gedeutet wurde. 31 Der Ausgräber dieses Bezirkes, Giacomo Boni, verdient es aufgrund seiner für damalige Verhältnisse genauen Aufzeichnungen und folgereichen Schlüsse er-
wähnt zu werden. 32 Jener rätselhafte Bau der römischen Frühzeit, von dem nun die Rede sein soll, liegt unter dem sogenannten Lapis niger (d. h. dem schwarzen Stein) in unmittelbarer Nähe von Comitium und Kurie verborgen (Abb. 10). Der Lapis niger bildete eine deutlich dunkel markierte Ausnehmung innerhalb der frühkaiserzeitlich hellgrauen Travertinpflasterung des Forums. Schriftsteller wie Festus vermerken einen lapis niger in Comitio, der möglicherweise ein darunter befindliches „Gründergrab“ anzeigen sollte. 33 Sextus Pompeius Festus, der um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. wirkte, verfasste ein „Lexikon“, das reiches antiquarisches Material über Sprache, Bräuche und Religion des frühen Rom enthält. Die Verbindung mit einem Heroengrab des legendären Stadtgründers Romulus an dieser Stelle ergibt sich wiederum durch eine andere Textnotiz: Dionysios von Halikarnass, wir haben ihn bereits als wichtige Geschichtsquelle kennengelernt, erwähnt eine Statue des Romulus mit einer archaischen Inschrift ganz in der Nähe des Platzes. Die Ausgrabungen des Jahres 1899 haben unter dem Lapis niger einen Altar, einen Statuensockel (?) und einen Inschriftenstein freige-
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Abb. 11: Lapis niger: Inschriftenstein mit einer Inschrift in ältestem Latein.
legt. Das Ensemble ist nicht gleichzeitig zu datieren, sondern entstand wohl im Lauf von zwei Jahrhunderten. Der „archaischen“ Periode des 6. Jhs. v. Chr. scheint der Inschriftenstein anzugehören (Abb. 11). Dieser Inschriftenstein ist mit einer (verstümmelten) Inschrift in ältestem Latein versehen. 34 Es handelt sich dabei um eine lex sacra, ein Kultgesetz, dessen Buchstaben in chalkidischem Alphabet gesetzt sind. Diese Schriftform war in archaischer Zeit bei griechischen Kolonisten in Unteritalien in Gebrauch. Die Deutung dieser Inschrift besagt, dass derjenigen Person harte Strafen angedroht werden sollen, die eine Schändung des Heiligtums beabsichtige. Die Inschrift bezieht sich auf mächtige Amtsträger, darunter einen König: REK(CC)EI … (d. h. dem Könige), einen Herold: K(C)ALATOR und eine Volksversammlung: COMITIA. Auch spricht der Text von göttlichem Recht: FAS. 35 Eine der möglichen Übersetzungen der Kultinschrift lautet: „Der Ort ist heilig und wer ihn schändet, wird
mit schrecklichen Strafen bedroht; jemanden den unterirdischen Gottheiten zu weihen, kommt einem Todesurteil gleich“ (nach Freyberger 2009). Die Anlage diente nach Meinung vieler Forscher der kultischen Verehrung einer Persönlichkeit in der Nähe des Versammlungsplatzes am Forum. Der Inschriftenstein wird jedoch sehr unterschiedlich, nämlich vom Beginn des 6. Jhs. bis ins 4. Jh. v. Chr. datiert. Für beide Eckdaten können allerdings weder korinthische Keramikscherben des 6. Jhs., die in der Verfüllung gefunden wurden, noch die Herkunft des Steinmaterials aus Veji (?) als endgültiger Beweis herhalten. Die Verwendung von Steinmaterial aus dem von den Römern erst zu Beginn des 4. Jhs. v. Chr. eroberten Veji datiert schon gar nicht die Schriftform und den Inhalt der lex sacra. Für eine Datierung in die archaische Periode sprechen die in der Inschrift angeführten Begriffe sowie die Ausstattungsform dieses Heroons, das freilich nachträglich mehrere
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Veränderungen erfahren haben konnte. Die Lage der hier vermuteten Kultstätte für den vergöttlichten Stadtgründer Romulus am Rande des Forumsplatzes entspricht durchaus vergleichbaren Heroa für Stadtgründer im griechischen Siedlungsgebiet Unteritaliens und Siziliens. Ein Beispiel dafür liefert das ebenfalls frühe Heroon von Megara Hyblaia an der Ostküste Siziliens. 36 Auch wäre mit einem vergleichbaren Monument am Forum bereits für das Rom der Königszeit die Tradition der Verehrung einer Gründungspersönlichkeit im Herzen der Stadt nahegelegt. 37 Die einzelnen Stufen des Gründungsmythos der Stadt dürften sich dann in den späteren Jahrhunderten gebildet haben. Widmen wir uns in unserem ersten Überblick nun den weiteren, gut sichtbaren Bauresten am Forum Romanum (Abb. 627 730). Zwei Tempel mit frühen Gründungsdaten können uns Auskunft über die Frühgeschichte Roms und seiner Bauten liefern. Laut schriftlicher Überlieferung wurden am Beginn der römischen Republik auf dem Forumsgelände zwei Tempel errichtet: der Saturn-Tempel (497 v. Chr.) und der Castor-Tempel (484 v. Chr.). Beide Traditionsbauten mussten nach Bränden mehrfach erneuert beziehungsweise in neuer Gestalt aufgebaut werden. Zum letzen Mal war dies beim Saturn-Tempel in diokletianischer Zeit (283 n. Chr.) der Fall, sodass dieser Sakralbau beinahe die gesamte Zeitspanne der Bautätigkeit am Forum vertritt. 38
Der Saturn-Tempel Der Saturn-Tempel (Abb. 730 rechts im Bild) beherrscht die SW-Ecke des Forum Romanum. Er ist einer der ältesten Gottheiten der italischen Religion geweiht, 39 dem Göttervater und zugleich Garanten der Fruchtbarkeit des Landes: Saturn. Der Tempel beherbergte in seinem mächtigen Podiumsunterbau auch das Aerarium, einen Tresorraum für den Staatsschatz. Der Tempel steht so in einem wichtigen Bezug
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zu den staatlichen Einrichtungen Roms. Doch welche Gottheit ist zunächst Saturn, dass ihr eine so hohe Bedeutung am Forum Romanum zukam? Saturn entspricht weitgehend dem Göttervater Kronos der griechischen Mythologie. 40 Dieser steht dort an der Spitze des Göttergeschlechts, bevor er von einem der Kinder, seinem Sohn Zeus, mit einer Sichel entmannt wurde. Diese nicht ungewöhnliche „Ablöse“ von Göttergenerationen spiegelt sich auch in der altitalischen Religion wider, wenn auch nicht von Beginn an. Wie Kronos auch, verschlingt Saturn alle seine Kinder – bis auf Iuppiter, den Ops, seine Gattin, auf Kreta versteckt hält. Saturn wird gemäß einer Prophezeiung durch Iuppiter entmachtet und flieht gemeinsam mit Ops nach Latium. Dankbar für seine Aufnahme bringt er der dortigen Bevölkerung die Kunst des Ackerbaus bei. Saturn wurde somit zur Gottheit des italischen Landes und steht für dessen Fruchtbarkeit. Er vertritt für den Römer der Kaiserzeit auch die Anfänge der Zeit, als einem noch „unschuldigen Zeitalter“ (Saturnia regna). Die Hofdichtung der augusteischen Periode, so vor allem Vergil (Aeneis, 8. Buch), bezeichnet Italien wörtlich als Saturnisches Land. In der frühen Kaiserzeit wird die Regentschaft Saturns auf allegorische Weise mit den Neuanfängen unter Kaiser Augustus und seinem „Goldenen Zeitalter“ (aurea aetas) gleichgesetzt. Und – Gott Saturn blieb für die Römer eine der wichtigsten Göttergestalten im Jahreskreis. Die „Saturnalien“, welche in Rom alljährlich vom 17. Dezember an gefeiert wurden, zählten zu den wichtigsten, aber auch fröhlichsten Festen des Jahres. Auch unser Fasching / Karneval leitet sich noch von den römischen Saturnalien ab. Der Saturn-Tempel, ein riesiger Bau ionischer Ordnung, thront förmlich auf seinem hohen Podium am Fuße des Kapitolinischen Hügels. 41 Einige Säulen der mächtigen Vorhalle haben sich bis in unsere Zeit erhalten. Sie stammen von der letzten Erneuerung des Tempels
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Abb. 12: Ansicht des Castor-Tempels auf dem Forum Romanum.
am Beginn der Spätantike. Doch die Bauphasen dieses Tempels reichen sehr viel weiter zurück. Der älteste Tempel des 5. Jhs. v. Chr. musste spätestens im Jahre 42 v. Chr. nach einem Brand vollständig neu aufgebaut werden. Zum damaligen Zeitpunkt macht sich Munatius Plancus, ein ehemaliger Parteigänger Caesars, um Neubauten auf dem Forum Romanum verdient. Unter anderem ließ er den Saturn-Tempel völlig neu errichten: Im Neubau drückt sich noch immer die Grundausrichtung des VorgängerTempels aus. Der gesamte Unterbau, das Podium, nimmt die Orientierung und auch die Größenordnung der früheren Anlage auf. Diese „Ummantelung“ von vorgegebenen Baustrukturen stellt eine Besonderheit der römischen Sakralarchitektur dar. Bis in die späten Tage Roms stellt sich die Tempelbaukunst als äußert konservativ heraus. Eine weitere Erklärung für die Bauphasen
römischer Tempel liefert uns die Abfolge der Baumaterialien: Tempelbauten vom Ende der Republik und aus der frühen Kaiserzeit werden durch Materialien wie grauen Kalkstein (Travertin) oder leuchtend weißen Marmor aus Luni (Carrara) bestimmt. Das Säulenmaterial der Vorgängerbauten solcher Tempel bestand hingegen in der Regel aus weichem bräunlichem Tuffstein, der durch Stucküberzug kostbarem Marmor angeglichen wurde. Die ältesten Tempel in Rom und Etrurien standen überhaupt nur auf Steinfundamenten und wurden aus Lehmziegeln errichtet. Holzsäulen und hölzerne Dachkonstruktionen, die mit bunten Tonplatten und aufgenagelten Zierleisten aus gebranntem Ton verkleidet wurden, bildeten den Tempelschmuck (Abb. 1848). Erst ab der Zeit der mittleren Republik setzt sich bei Tempelkonstruktionen in Latium und in Rom endgültig das Steinmaterial durch. Teile des prächtigen, aus Travertinblöcken gefugten Podiums des Saturn-Tempels stammen noch aus der Bauphase des Munatius Plancus. Die aufrecht stehenden Säulen des Tempels und der Giebelansatz wurden hingegen in der späten Kaiserzeit vollständig erneuert. Als der Traditionsbau im Jahre 283 n. Chr. bei einem weiteren Großbrand demoliert wurde, hat der römische Senat seine Wiedererrichtung initiiert. Eine Inschrift auf dem Fries des SaturnTempels erinnert daran: Senatus populusque romanus incedio consumptum restituit. „Der Senat und das Volk von Rom hat den von einer Feuersbrunst verzehrten (Tempel) wiederhergestellt.“ Diese Neueinweihung am Beginn der Spätantike beschloss die beinahe achthundertjährige Baugeschichte des Saturn-Tempels auf dem Forum Romanum.
Der Castor-Tempel Von nicht minderer Bedeutung ist der sogenannte Castor-Tempel (aedes Castoris) oder auch Dioskuren-Tempel auf dem Forum Romanum (Abb. 12). 42
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An dessen Beginn steht wiederum eine Gründungslegende: Als die Latiner gemeinsam mit Verbänden des vertriebenen Königs Tarquinius Superbus Rom zurückerobern wollten, stellten sich die Römer am See Regillus der Schlacht (499 v. Chr.). Der Überlieferung nach sind an diesem Ort beziehungsweise auf dem Forum Romanum den Römern zwei geheimnisvolle Reiter erschienen, die ihr Heer zum Sieg führten. Man hat in ihnen das göttliche Brüderpaar Castor und Pollux (d. h. die Dioskuren) erkannt und ihnen einen Tempel am Forum Romanum gelobt. Auch die Platzwahl des Tempels am Forum war durch das geheimnisvolle Vorzeichen bestimmt. Die Dioskurenreiter sollen ihre Pferde bei der nahe gelegenen Iuturna-Quelle getränkt haben und so den Platz des Tempels vorherbestimmt haben. In den – historisch allerdings kaum einschätzbaren – Anfangsjahren der römischen Republik soll der Diktator Aulus Postumius Albinus beziehungsweise dessen Sohn – überlieferungsgemäß im Jahre 484 v. Chr. – den ersten CastorTempel eingeweiht haben (Livius 2,42.5). Aus der Erzählung wird deutlich, dass Tempelgründungen in Rom auf das Engste mit der Deutung himmlischer Zeichen verbunden sind und – wie wir später noch sehen werden – häufig aus einem Gelübde (votum) von Heerführern hervorgehen. Bemerkenswert ist aber auch, dass sich ganz offenkundig fremdländisch-griechische Kulte, wie jener der Dioskuren, in dieser Zeit in Rom eingenistet haben. 43 Ausgrabungen im Inneren des Tempelpodiums des Castor-Tempels konnten vor wenigen Jahrzehnten das erstaunlich hohe Alter des Baues bestätigen. Die Grundform des ersten Tempels, bestehend aus Blöcken (opus quadratum) aus Cappellaccio-Tuff, steckt nämlich gewissermaßen noch im bestehenden Tempelpodium (Abb. 13). Der Tempel hatte im 5. Jh. v. Chr. die Form eines sogenannten Tuskanischen Tempels, eines Bautypus, der uns im folgenden Abschnitt ausführlicher begegnen wird (Abb. 1848). 44 Auf eine tiefe Vorhalle, bestehend aus Säulenstüt-
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zen, folgen bei diesem drei Räume für das Kultbild beziehungsweise für die Tempel-Gerätschaften (cellae). Der Aufbau des ältesten Castor-Tempels und seine Dachkonstruktion bestanden größtenteils aus Holz. Auch eine weitere, schriftlich überlieferte Erneuerungsphase dieses Tempels konnte bei den Ausgrabungen bestätigt werden. Der älteste Tempel hatte nachweislich einen steinernen Nachfolgebau. Die römischen Quellen führen an, dass der zweite Castor-Tempel im Jahre 117 v. Chr. von L. Caecilius Metellus Dalmaticus wiederaufgebaut wurde. 45 Zu dieser Zeit arbeitete man in Rom bereits des Längeren mit Mörtelbautechniken (Anhang A). Reste von opus caementicium im angetroffenen Tempelpodium belegen die Umgestaltung der Tempelanlage am Ende des 2. Jhs. v. Chr. Man hat damals die tiefe Vorhalle des Tempels ein wenig verkürzt und die Säulenstellung an drei Seiten bis zur Rückseite des Tempels durchlaufen lassen. Auch dieser Bautypus, ein sogenannter peripteros sine postico, ein Ringhallentempel mit geschlossener Rückwand also, entsprach der Traditionsform römischer Tempelbaukunst, wie wir später noch beim Iuppiter-Tempel am Kapitol sehen werden (Abb. 2053). Doch damit zurück zu den heute sichtbaren Bauresten des Castor-Tempels. Nach einem weiteren Brand des Jahres 14 v. Chr. haben der spätere Kaiser Tiberius sowie sein Bruder Drusus den Tempel völlig neu errichten und prächtig ausgestalten lassen. Zwei neue „Dioskuren“ sollten, wenn wir die augusteische Staatsideologie richtig lesen, diesen Tempel in seiner Tradition und Würde (auctoritas) wieder herstellen. Davon zeugen heute noch die drei erhaltenen korinthischen Säulen auf ihrem hohen Unterbau. Die schriftlichen Quellen besagen, dass die Einweihung dieses Tempels in den letzten Regierungsjahren des Kaisers Augustus (6 n. Chr.) erfolgte. Damals war Drusus bereits verstorben und Tiberius konnte – als der künftige Thronerbe – der Bevölkerung Roms einen prunkvollen Marmortempel außerordentlicher Größendimension präsentieren (Sueton, Tiberi-
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us 20). Die erhaltenen Teile dieses Baues, vor allem die drei Säulen korinthischer Ordnung mit den Teilen des Gebälks, ringen auch heute noch Respekt ab. Strahlend weiß entfaltet sich an ihnen die Pracht lunensischen Marmors. Der frühkaiserzeitliche Castor-Tempel thronte förmlich auf einem ca. 7 m hohen Podium und beherrschte mit seiner Front den mittleren Abschnitt des Forum Romanum. Der kaiserzeitliche Ringhallentempel erhob sich auf der gewaltigen Grundfläche von ca. 50 30,50 m. Die korinthische Bauordnung und die Höhenentfaltung dieses Sakralbaus mit etwa 18 m hohen Säulen stellten jedoch alles andere als die Wiederholung griechischer Maßstäbe dar. Vielmehr erstrebten die in Rom beheimateten Tempelbauhütten der augusteischen Periode eine Wiederbelebung der alten Tempelbaukunst nach zeitgenössischen und damit römisch geprägten Kriterien. Anhand der Bauweise des Castor-Tempels wollen wir die Grundform und den Aufbau römischer Tempelanlagen näher kennenlernen. Ein römischer Marmortempel der frühen Kaiserzeit wirkt in unseren Augen grundsätzlich und wohl auch zu Recht als Musterbau der römischen Tempelbaukunst (Anhang F). Man sollte sich dabei vergegenwärtigen, dass sich die Prinzipien solcher Bauten über den Zeitraum von gut 500 Jahren in Italien und dabei maßgeblich gespeist durch griechische Einflüsse herausgebildet hatten. Was am CastorTempel neu und tatsächlich bestechend wirkt, sind der Glanz des Marmors sowie die grandiose Beherrschung der Bauornamentik. Vieles von dem, was auch heute noch an reicher Ausgestaltung und Detailfreudigkeit dieses Tempels auffällt, ist an den Renommee-Projekten der augusteischen Epoche (Abb. 110203 125222) entwickelt worden.
Grundform eines römischen Tempels Der Castor-Tempel zeigt uns also den grundsätzlichen Aufbau eines römischen Tempels:
Die Anlageform dieses Sakralbaues mit seinem hohen Podium, den korinthischen Säulen der Tempelvorhalle sowie der seitlichen Hallen dominiert den gesamten Platz. Ein römischer Tempel wird grundsätzlich raumbeherrschend eingesetzt; er kontrolliert seine Umgebung. Der Besucher wird auf die Frontseite des Tempelbaues zu geleitet, die ihn mit ihrer seitlich geführten Treppe in den Hallenvorbau aufnimmt. Wie wir zuvor erfahren haben, erhebt sich der Tempelneubau der augusteischen Periode auf einem gewaltigen Podium, das gewissermaßen die älteren Tempelunterbauten verpackt. Dieses etwa 30,50 50 m messende Tempelfundament der frühen Kaiserzeit war über seitliche Treppen vor der eigentlichen Tempelfront erreichbar. Der Tempelneubau selbst wird nunmehr als Ringhallentempel (Peripteros) gebildet. Ein Säulenkranz von 8 11 korinthischen Säulen aus lunensischem Marmor umschließt Tempelcella und Vorhalle. Damit wird die alte Abfolge beziehungsweise Stufung von Vorhalle und Tempelcella, wie sie die Vorgängerbauten hatten, bis zu einem gewissen Punkt aufgehoben. Der Tempel hat nach außen hin ein griechisches Gepräge angenommen. Doch auch die Vorhalle des jetzigen Tempels bleibt, der altrömischen Tradition folgend, vertieft gebildet. Die drei aufrecht stehenden Säulen und der darüber gelegte Architrav vermitteln den Reichtum frühkaiserzeitlicher Architekturformen. Das bedeutet vor allem, dass Säulenbasen, Kapitelle, aber auch die Architravblöcke durch besondere Ornamentformen bereichert wurden. So stehen die kannelierten Säulen auf Doppel-Basen. Die durch Akanthusblätter gekennzeichneten korinthischen Normalkapitelle des Tempels werden durch Verschlingungen der Blattstengel (Helices) nochmals bereichert. Der darüber folgende Architrav gliedert sich in drei Faszien. Die Abschnitte des Gebälks werden wiederum durch Perlstäbe getrennt. Die Soffitten (Unteransichten) des Architravs sind überdies mit Ranken und Rosetten reich verziert.
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Abb. 13: Grundrisslösungen: Bauphasen des Castor-Tempels.
Der darüber befindliche Tempelfries war hingegen schmucklos und trug nur an der Stirnseite des Tempels eine Inschrift. Von der darüber befindlichen Anordnung des augusteischen Baues wird noch ein vorkragendes Konsolgeison mit den die Blöcke unterfangenden Volutenkonsolen sichtbar. Die Dachkonstruktion des Tempels und auch der Aufbau des Giebelfeldes haben sich nicht erhalten. Über den möglichen Skulpturenschmuck im Giebelfeld des Tempels wissen wir somit nichts. Römische Tempel dieser Zeit enthielten jedoch häufig Giebelskulpturen (Apollo-Sosianus-Tempel, Mars-UltorTempel). Dieser Skulpturenschmuck konnte dem Zeitgeschmack entsprechend auch älteren griechischen Tempeln entnommen worden sein (Apollo-Sosianus-Tempel), was wiederum bedeutet, dass Beutekunst aus Griechenland an römischen Tempelbauten neu und demonstrativ eingesetzt wurde. Griechische Kunstkom-
ponenten der Klassik und römische Repräsentationskunst haben sich einander im Zeitalter des Augustus damit bewusst angeglichen. Welche Einschätzung gewinnen wir durch dieses Beispiel der Tempelbaukunst für die römische Architekturgeschichte insgesamt? Die am Castor-Tempel zum Ausdruck gebrachte Grundordnung des römischen Tempels fußt einerseits auf der langen Tradition der Vorgängerbauten. Selbst die prächtige Marmorausführung der frühen Kaiserzeit hält sich bis zu einem gewissen Grad noch an das Grundmuster italischer Podiumstempel mit tiefer Vorhalle. Auch der das Gebälk betonende und im Bereich der corona vorkragende Dachaufbau des Tempels entspricht einer Tradition der in Italien vorherrschenden Bauformen. Andererseits drückt sich in der Tempelbaukunst der augusteischen Zeit eindeutig die klassische Schulung und technische Brillanz der neuen Bauhütten
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1. Kapitel
Abb. 14: Rom, Forum Boarium und Forum Holitorium.
aus. Säulenordnungen griechischer Prägung werden in einen römischen Musterkanon übernommen und so auf einen römischen Tempelbau übertragen. Dieser erneuerte Formenkanon soll nun die Überlegenheit und Macht Roms demonstrieren. Ein Musterbeispiel für diese Gesinnung bietet die zeitgleiche Architekturtheorie Vitruvs, die sich intensiv mit der Tempelbaukunst in Rom auseinandersetzt und deren Vorläuferformen interpretiert. Ein Grundlagenkapitel bildet bei Vitruv die Herkunft des Korinthischen Kapitells, dessen Bedeutung und dessen Verwendungsmöglichkeiten (Vitruv, De architectura 4,1). Mit diesem ersten Rundgang durch das Rom der Antike am Beispiel noch aufrecht stehender Tempelbauten am Forum Romanum wurden wir auf den langen Entwicklungsgang der Baukunst aufmerksam. Das Forum wird uns in diesem Handbuch immer wieder beschäftigen. In republikanischer Zeit sollte sich
das Forum Romanum zum Mittelpunkt des politischen, merkantilen und sozialen Lebens in Rom herausbilden. Während der unterschiedlichen Perioden der Kaiserzeit wird der Platz mit immer neuen und aufwendigeren Bauten bereichert, die das neue Gefüge des Staates und die Macht seiner Herrscher demonstrieren sollten. Wir werden die einzelnen Stationen des Ausbaues am Forum Romanum in den Abschnitten unseres Handbuches weiter verfolgen.
Zeugen der ältesten Kunstentwicklung Der älteste Verbindungsweg vom Forum zur Tiberbrücke und dem dort gelegenen Handelsplatz führte über einen kleinen Sattel am Fuße des Kapitolinischen Hügels (vicus Iugarius). Gleich dem Forum Romanum musste auch dieses Gelände im Zuge der ersten Baumaßnah-
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Abb. 15: Rom: Längsschnitt der Grabungen bei S. Omobono.
men erst einmal trocken gelegt und für Baumaßnahmen aufbereitet werden (Abb. 14). Mit dem nun entstehenden Handelsplatz am Tiber (Forum Boarium = Rindermarkt; Forum Holitorium = Gemüsemarkt) entstanden auch Kultanlagen, die auf deutliche Kontakte Roms mit der Mittelmeerwelt hinweisen. Die sogenannte Ara Maxima war etwa dem Hercules oder Herakles geweiht. 46 Sie bildete eine auf die Königszeit Roms zurückreichende Einrichtung, die den griechischen Heros in Rom „verkörperte“. Hercules erhielt bei den Römern durchaus göttlichen Status, eine Stellung, die er bei den Griechen nicht innehatte. 47 Auch einen mythischen Ortsbezug zu Hercules gab es am Forum Boarium. Der Sage nach soll Hercules, der mit den Rindern des Geryoneus unterwegs war, an diesem Ort den Rinderräuber Cacus erschlagen haben. Beim Altar des Hercules (Ara Maxima) auf dem Rindermarkt konnten, wie spätere Quellen es verbürgen, fremdländische Händler Rechtsschutz suchen. Das Marktgelände am Tiber bildete demnach eine Art internationale Zone im frühen Rom. Das vielleicht spannendste Kapitel römischer Frühgeschichte konnte ebenfalls auf dem Rindermarkt aufgedeckt werden, nämlich unterhalb der dort gelegenen Kirche von S. Omobono (Abb. 15). Die Schichtengrabun-
gen in diesem Bezirk begannen bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die ersten Untersuchungen förderten erstaunliche Zeugnisse über ältere Tempelanlagen zutage. Neuere Grabungen, wiederum seit 1959, sowie Folgeuntersuchungen bis in die jüngste Zeit zeichnen ein faszinierendes Bild der Kultkontinuität an diesem Ort. Die Archäologie stieß mit der area sacra von S. Omobono auf insgesamt reichhaltigen Boden: Eine Auswertung und Interpretation der Befunde ergibt eine Art Breitenspektrum der römischen Frühgeschichte. 48
Die Tempel von S. Omobono Die Grabungen bei der Kirche von S. Omobono am Fuße des Kapitolinischen Hügels förderten in den oberen Schichten einen Heiligtumsbezirk zutage, der aus einer Doppeltempelanlage mit zugehörigen Altären besteht (Phasen IV–VII). Die erhaltenen Baureste und das Fundmaterial weisen die Tempel in die Zeit der mittleren Republik. Doch um welche Tempel handelt es sich? Durch Hinweise bei römischen Schriftstellern darf man annehmen, dass es sich um Kultstätten der Fortuna, der Glücksund Schicksalsgöttin, sowie der Mater Matuta, der Göttin der Morgenröte und der Geburt,
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1. Kapitel
Abb. 16: Rom: Giebel und Akrotergruppe des Tempels von S. Omobono.
handelte. 49 Doch damit nicht genug! Die eigentliche Überraschung bot ein bei weitem älterer Tempelbau, der sich weit unter dem Niveau der republikanischen Tempelanlage befand (Phasen II–III). Die älteren Schichtungen unterhalb der Doppeltempelanlage zeigten nämlich, dass bereits am Ende des 7. Jhs. v. Chr. zunächst ein Kultplatz mit einem Altar eingerichtet wurde. Aufsetzend auf diesem frühen Horizont, dürfte dann noch während der ersten Hälfte des 6. Jhs. ein Tempelgebäude errichtet worden sein. Dieser erste archaische Tempel Roms besitzt die Maße von ca. 13 13 m und befand sich auf einem annähernd quadratischen Podium. Allem Anschein nach wurde er wenige Jahrzehnte später an seiner Front erweitert und mit Architekturverkleidungen und Akroterfiguren aus Ton neu ausgestattet (Abb. 16). 50 Der bei S. Omobono angetroffene archaische Tempelschmuck bildet das bedeu-
tendste Anschauungsmaterial für die Kunst der Königszeit in Rom. Der zweite archaische Tempel war nur geringfügig größer als sein Vorgänger. Es handelte sich dabei um einen Tempel etruskischer Prägung, der sich auf einem gestuften Unterbau erhob. Die Säulen und Cellawände des Baues wurden auf einem profilierten Podium aus Tuff errichtet. Bei seinem annähernd quadratischen Grundriss war dieser Bau mit in antis gesetzten Frontsäulen ausgestattet. Er besaß wahrscheinlich drei Cellen, einen mittleren Kultraum für das Kultbild der Gottheit und zwei seitlich anliegende schmale Räume, die von den äußeren Begrenzungswänden des Tempels eingefasst waren. Die Säulenstützen waren am ehesten aus Holz gebildet; zugehörige Kapitell- und Basisverkleidungen aus Ton haben sich gefunden. Der einfache tektonische Aufbau dieses archaischen Gebäudes wurde
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durch seinen Dachaufbau gesteigert, der reich mit farbigen Terrakotta-Schmuckplatten verziert war. Die erhaltenen Schmuckplatten der Giebelschräge zeigen eine lange Prozession mit Gespannen und Götterfiguren. Der Tempel besaß außerdem – was eine Seltenheit im etruskischen Einflussgebiet darstellt – Figurenschmuck in seinem Giebelfeld. Zwei antithetisch gebildete Panther beherrschten die Giebelhälften. Dies ist insofern eine Besonderheit, als auch der Giebelschmuck archaischer Tempel in Griechenland häufig von Löwen oder anderen furchterregenden Wesen beherrscht wird. Die Bekrönung des archaischen Tempels von S. Omobono bildete schließlich eine Figurengruppe auf dem Dachfirst, von der an späterer Stelle noch die Rede sein wird (Abb. 1743). Der gut erhaltene, heute im Konservatorenpalast in Rom ausgestellte Tonschmuck von S. Omobono wird von der Forschung zumeist gegen 540/530 v. Chr. datiert. 51 Kommen wird zuvor noch einmal auf Überlegungen zur Geschichte dieser Tempelanlage zurück. Natürlich hat sich die Forschung in erster Linie mit den in Frage kommenden Gottheiten dieses Tempels sowie den zugehörigen literarischen Überlieferungen beschäftigt. In diese Überlegungen mit hineingespielt hat dabei die Beobachtung, dass der Kultbezirk offenbar am Ende der Königszeit gewaltsam zerstört und erst in mittelrepublikanischer Zeit „reaktiviert“ wurde. Zu diesem viel späteren Zeitpunkt entstand die Doppeltempelanlage für Fortuna und Mater Matuta, welche oberhalb des archaischen Sakralbezirks angelegt wurde. Die Tempelweihung an die Göttin Fortuna hat damit auch zu einer Reihe quellenbezogener Rückschlüsse zum älteren Bau geführt. Der literarischen Überlieferung zufolge könnte nämlich die Gründung der ersten Tempelanlage mit keinem Geringeren als Servius Tullius (578–534 v. Chr.) und damit mit den allerersten königlichen Großbauten in Rom zu tun haben. 52 Eine Rolle bei dieser Deutung spielt – für mehrere Forscher – auch die Ikonographie der Akrotergruppe dieses archaischen Tempels.
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Abb. 17: Giebel des Tempels von S. Omobono: Minerva und Hercules.
Dabei sollte man freilich betonen, dass sich für die „Königszeit“ – zumindest aus heutiger Sicht – weder ein zweiter Tempel noch ein eindeutiger Kultbezug zu Fortuna nachweisen lässt. 53 Wie immer man daher zur Benennung dieses ältesten Tempels steht, maßgeblich bleiben in jedem Fall dessen stattliche Maße und dessen qualitätvolle Ausstattung. Gerade durch seine reichen Schmuckelemente erhielt der frühe Tempel ein dominantes, um nicht zu sagen überladenes Gepräge. Wie die Forschung der letzten Jahre zeigen konnte, kamen bei der Ausstattung des Tempels Vorgaben aus der etruskischen wie auch der zeitgleichen griechischen Tempelbaukunst zum Tragen. Letzteres wird durch die Besetzung der Giebelfelder mit Pantherfiguren deutlich. Die erhaltenen
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Dachterrakotten und Simafriese mit GötterGespannen sind hingegen weitgehend identisch mit jenen des etruskischen Tempels von Velletri. 54 Für die Ausstattung der Tempelanlagen in Süd-Etrurien und im frühen Rom waren demnach gemeinsame Werkstätten zuständig. Kommen wir damit auf den übrigen Figurenschmuck des Tempels zu sprechen: Die Giebelund Akrotergruppen des archaischen Tempels von S. Omobono weisen nämlich durchaus Besonderheiten auf, welche die herausragende topographische Stellung Roms beleuchten. Eine inhaltliche Diskussion entspann sich dabei um die Deutung der Mittelakrotergruppe, welche der zweiten Phase des Tempels und damit der Zeit gegen 540/530 v. Chr. angehört.
Die rätselhafte Figurengruppe von S. Omobono Erkennbar wird ein muskulöser männlicher Torso mit knapp geschnürtem Umhang sowie über die Schulter gelegtem Tierfell, dessen Tatzenverknotung vorne sichtbar wird. Die deutlich kleinere und zierlichere weibliche Gestalt neben ihm ist gewappnet. Sie trägt einen korinthischen Helm auf dem Kopf und hielt in der rechten Hand ursprünglich wohl eine Lanze (Abb. 17). Das einmütige Einherschreiten der beiden Figuren besagt, dass diese in einem Bündnis- oder Schutzverhältnis zueinander stehen. 55 Deutlich erkennbar ist durch diese besondere Ikonographie der Figuren ein Zusammenhang mit der griechischen Mythologie hergestellt worden. Der mit Löwenfell ausgestattete Kraftprotz wird demnach Herakles sein, die kriegerische Göttin Minerva (Athena). Diese ist die Beschützerin des Helden, ja, sie erwirkt sogar dem Mythos nach dessen Aufnahme in den Olymp. Allerdings befinden wir uns mit dieser Darstellung in Rom und können nicht unbedingt davon ausgehen, dass mythologische Vorstellungen der Griechen in Mittelitalien auch gleichlautend interpretiert wur-
den. 56 Für die Figurengruppe wurden daher im Wesentlichen zwei unterschiedliche Interpretationen vorgeschlagen. Das gemeinsame Auftreten der Göttin und des Heros, so der erste Vorschlag, entspräche einer beliebten Darstellungsform der griechischen Kunst. Herakles wird nach griechischer Vorstellung von seiner Schutzgöttin in den Götterolymp eingeführt (Einführungsgiebel Akropolis, Athen). Auffällig bleibt jedoch bei der Figurengruppe in Rom, dass die Göttin Minerva kleiner dargestellt wird als Hercules. Nach Erika Simon hatte Hercules in Rom auch keine „Apotheose“ in den Olymp nötig. Eine weitgehend historisch-spekulative Interpretation der Figurengruppe schlägt hingegen Filippo Coarelli vor. 57 Der literarischen Überlieferung nach soll nämlich die Glücksgöttin Fortuna König Servius Tullius als dessen Geliebte besucht haben. 58 Es geht bei dieser Version der Sage um Götterbeistand an einen mächtigen König. In der Vorstellung der frühen Periode sind das Königtum und seine Wirkkräfte noch stark an die göttliche Aura gebunden. Die Göttin, um die es hier geht, nimmt in Italien verschiedene Gestalten an: Sie ist einmal Fortuna, einmal bewaffnete Aphrodite und entspricht so in ihrer Erscheinungsform zugleich der phönikischen Astarte. Solche Angleichungen von Göttervorstellungen sind während der archaischen Periode, die durch reiche Handelskontakte in der Mittelmeerwelt geprägt war, durchaus üblich. Auch in den Nachbarheiligtümern Roms (Abb. 1848 1949) begegnen wir phönikischem Einfluss in Form der dort erfolgten Verehrung der Astarte. Wenn nun diese vielgestaltige Göttin einem Heros oder König begegnet, so wird es dabei auch um die Verdeutlichung der monarchischen Macht gehen. Der Herrscher würde wie Hercules auftreten, er wird so zu dessen „Doppelgänger“. Wenn wir uns bei dieser rätselhaften Figurengruppe etwas länger aufgehalten haben, so auch deshalb, weil wir es hier mit besonders eindrucksstarken Bildwerken zu tun haben. Die weiche Umrissbildung und der dezente
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Formenduktus dieser Tonfiguren weist auf eine ionisch geprägte Werkstätte hin. Griechenland stand auch in diesem Fall wieder einmal Pate. Das heißt nun nicht, dass tatsächlich Meister aus Ionien daran arbeiteten, sondern dass dieses „Stilklima“ im südlichen Etrurien zu dieser Zeit vorherrschend war. Bleiben wir bei den ausführenden Werkstätten: Bereits jetzt gilt es auf die Rolle der Koroplasten (eigentlich: Dachgestalter) aufmerksam zu machen, deren plastische Erzeugnisse einen wichtigen Bestandteil der Kunstproduktion im frühen Italien ausmachen. Das Vorherrschen von Ton gegenüber Stein innerhalb der Plastik gilt in Rom nicht nur für das Kapitel der Frühzeit, sondern auch für die ersten Jahrhunderte der Republik. In Rom blieb, nicht zuletzt aufgrund der lange vorherrschenden konservativen Strömungen in der Kunst, der Tempelschmuck aus Ton (Abb. 2459 69142) lange Zeit üblich. 59 Wie immer man die Interpretation der Figurengruppe von S. Omobono also beurteilt, der archaische Tempelbau und sein Schmuck verkörpern neben ähnlichen Fundkomplexen vom Kapitolinischen Bezirk, vom Palatin und vom Forum Romanum eine der bedeutendsten Anlagen der Königszeit in Rom. Auch seine Zerstörung am Ende dieser Periode zeigt, dass es sich um ein mächtiges „staatliches Heiligtum“ gehandelt haben muss. Als nämlich der Tempel am Ende der Königszeit mutmaßlich abbrannte, hat man ein Depot, eine „Sammelgrube“ mit erhalten gebliebenen Tempelweihgaben angelegt. Eine solche Hinterlegung bildet ein kostbares Archiv für die Nachwelt und auch für die heutige Interpretation. Die Beziehungen des frühen Rom zu seiner Umgebung werden daraus ersichtlich. Spannend in der Aussage dieses Depots sind Bezugspunkte zu Familien aus Tarquinia, der Herkunftsstadt der Dynastie der Tarquinier also, die es gegeben hat: So findet sich unter den Votivgaben eine elfenbeinerne Freundschaftsmarke (tessera hospitalis) eines Arath Spurianas aus eben dieser Stadt in Form eines Löwen. Dieser Fami-
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lienname kommt auch in einem bedeutenden Grabbezirk Tarquinias, der Tomba dei Tori vor. 60 Die Blüte dieses Heiligtums erfuhr gegen Ende des 6. Jhs. v. Chr. ein jähes Ende: Es wurde dem Erdboden gleichgemacht. Die historische Interpretation geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass mit dem Ende der etruskischen Königsherrschaft in Rom auch die Bauten der Herrscher zerstört werden sollten. Rom tritt damit in eine Phase der Instabilität ein. Was vom Kult der Fortuna und seiner ursprünglichen Verbindung zu König Servius Tullius in Rom jedoch bleiben sollte, darüber berichtet Plinius der Ältere. Dieser Gelehrte des 1. Jhs. n. Chr. (23/24–79 n. Chr.) bleibt einer unserer wichtigsten Gewährsmänner für Kunstanglegenheiten. Er erwähnt ein uraltes Kultbild der Göttin Fortuna, das mit den Gewändern dieses Königs angetan war und welches man noch zur Zeit des Seian (ca. 30 n. Chr.) bewundern konnte (Plinius, Naturalis historiae 8,8.197). Besonders bemerkenswert erschien dem Naturwissenschafter Plinius, dass sich die Gewänder über einen so langen Zeitraum hinweg in gutem Zustand erhalten hatten.
Kontinuität der Tempel bei S. Omobono? Verfolgen wir die Geschichte dieses Heiligtums weiter, so stoßen wir auf die Phasen seiner Wiederbegründung und damit einer neuen Bedeutung, die der Sakralbezirk in republikanischer Zeit hinzugewann (Abb. 1440 1541). Die Tempelzone von S. Omobono dürfte nach den angenommenen Ereignissen am Ende der Königszeit nicht überbaut worden sein und konnte so, in historischem Abstand, erneut für Staatsbauten eingesetzt werden. Ein sakralrechtlicher Schutz für eine solche Tempelzone liegt durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen (templum bedeutet: Heiligtumsbezirk). Einem der markantesten (und langlebigsten) Politiker der frühen römischen Republik, Marcus Furius Camillus, fiel aller Wahrscheinlich-
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keit nach die Rolle des Erneuerers des Tempelbezirkes zu. Der legendäre Politiker und Feldherr wirkte in der Zeit um 400 v. Chr. und soll allein fünfmal Diktator in Rom gewesen sein. Mit diesen Sondervollmachten stattete die römische Rechtsordnung führende Politiker in Zeiten der äußeren Bedrängnis aus. Camillus kämpfte erfolgreich gegen Städte der Etrusker und war noch Diktator, als die Gallier gegen Rom zogen (387 v. Chr.). Die literarische Überlieferung spricht nun davon, dass Camillus nach der Eroberung Vejis (396 v. Chr.), dem erfolgreichen Wendepunkt der Geschichte der frühen Republik, die Tempelanlage von S. Omobono neu anlegen ließ. Mit diesem Ereignis kann nun die Abfolge der jüngeren Bauschichten bei S. Omobono, darunter eine umfassende Pflasterung des Bezirkes, verbunden werden (Phase IV). Diese aus Cappellaccioplatten errichtete Terrasse befindet sich 6 m oberhalb der archaischen Tempel. Der auf diese Weise wieder eingesetzte Heiligtumsbezirk wurde in der Folge erweitert und mit Tempelbauten ausgestattet. Bereits am Ende des 4. Jhs. v. Chr. erfolgte die Errichtung der Doppeltempelanlage für Fortuna und Mater Matuta. Gerade von diesen Tempeln haben sich die Grundstrukturen erhalten. Eine nochmals erneuerte Pflasterung des Bezirks aus Monteverde- und Aniennetuff trug die Sakralbauten. Diese republikanischen Tempel werden in ihrer Grundrissbildung durch kleine Cellae gekennzeichnet; vor diesen finden sich die Säulenbasen einer tiefen Vorhalle. Die besonders altertümliche Formgebung dieser wiedererrichteten Tempel entspricht einem nicht abgebrochenen Beziehungsrahmen Roms zu Etrurien, der gerade zu dieser Zeit auch historisch nachvollziehbar scheint. Lediglich die vor den Tempeln errichteten Altäre wurden, im Gegensatz zur Nordausrichtung der Tempel selbst, nach Osten hin orientiert. Zwischen den Altären befindet sich ein riesiges Donarium (Aufstellungsfläche für Weihegaben), auf dem – den Standspuren nach – Statuen aufgestellt waren. 61 Der Tempelbezirk
diente somit der Präsentation von Weihegaben verschiedener Art. Ein Gutteil davon dürfte aus der Kriegsbeute des römischen Heeres gestammt haben. Die entscheidende historische Überlieferung zu diesen Vorgängen findet sich auf einer Inschrift, die bei den Grabungen (zur Phase V) angetroffen wurde: M. Fol(vios) Q. f. coso(l) d(edet) V(olsinio) cap(to) Der Konsul Marcus Fulvius, der Sohn des Quintus, weihte nach der Eroberung von Volsinii [264 v. Chr. Gemeint sind damit die Standbilder, die der Feldherr aus der Kriegsbeute nach Rom bringen ließ.] 62
In diesem für Rom wiederum wichtigen Jahr seiner Geschichte wurde das Fanum Voltumnae, das Bundesheiligtum der Etrusker am Bolsenersee, von den Römern eingenommen und gebrandschatzt. Damals sollen an die 2000 Bronzestatuen als Kriegsbeute weggeschafft worden sein. 63 Ein Teil der Beute ist offenkundig auch beim Doppeltempel am Forum Boarium wiederaufgestellt worden. Die lange Geschichte des Heiligtumsbezirkes von S. Omobono war damit natürlich noch nicht beendet. Doch die nun anschließenden Baufolgen im Heiligtum beleuchten Ereignisse, die mit durchaus gesicherten Überlieferungen in Übereinstimmung gebracht werden können (Phasen VI– VII). Auf diese Weise wird im Verlauf der bedeutenden und langen Baugeschichte des Sakralbezirkes auch noch die Erneuerungsphase des späten 3. Jhs. v. Chr. und eine weitere der mittleren Kaiserzeit kenntlich. Anhand der bisher vorliegenden Grabungsergebnisse vertritt der Tempelbezirk von S. Omobono die gesamte Zeitspanne der Tempelbaukunst in Rom. Sichtbar wurden dabei jeweils die „Stifter“ der Tempelanlagen. Für die Königszeit ist die Verbindungslinie zu Servius Tullius durchaus ernst zu nehmen. Für die Zeit der römischen Republik waren dies hingegen jene Feldherren und Politiker, die Kunstwerke aus Kriegsbeute im Heiligtumsbezirk aufstellen ließen. Tempel und Kult sind so in Rom als Ausdruck einer staatlichen Gewalt zu verste-
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hen, die sich im wechselvollen Rahmen der römischen Geschichte präsentieren.
Ein Tempelbau in der Umgebung Roms Wir wählen nunmehr das Modell eines weiteren Tempels der Frühzeit, um eine Vorstellung vom Aussehen der Bauten jener Zeit zu erhalten (Abb. 18). Die Tempelanlagen des antiken Pyrgi gehören freilich nur in das Umfeld des frühen Rom. 64 Pyrgi war der zentrale Hafen und ein wichtiger Umschlagplatz (Emporion) für das nördlich von Rom gelegene etruskische Caere. Durch den Beziehungsrahmen der Kunst während der archaischen und frühklassischen Periode (d. h. 6. bis frühes 5. Jh. v. Chr.) zwischen Etrurien und Rom können wir durch diesen Vergleich jedoch eine Vorstellung von der Monumentalarchitektur der frühen Periode gewinnen. Das Ausgrabungsgebiet der Tempelanlagen liegt auf dem Gebiet des heutigen Ortes Santa Marinella. Die in sumpfigem Gelände stattfindenden Grabungen erfolgten seit dem Jahr 1957 südlich der mittelalterlichen Küstenfestung von Santa Severa. Im Zuge der Untersuchungen kam ein spätarchaischer Tempel B und ein frühklassischer Tempel A zum Vorschein. Das Heiligtum der Hafenstadt Pyrgi war vermutlich der Leukothea (etrusk. Uni, phöniz. Astarte) geweiht und besaß während der Blütephase der etruskischen Städte überregionale Bedeutung. 1983 kam südlich des Tempels ein weiterer Baukomplex zutage, der hauptsächlich aus Altären bestand. Der Heiligtumsbezirk von Pyrgi wird durch zwei unterschiedliche Tempelfomen beziehungsweise Tempelgrundrisse gekennzeichnet. Der zeitlich ältere Tempel B stammt dabei aus dem späten 6. Jh. v. Chr. Dieser wurde in Gestalt eines griechischen Peripteros (Ringhallentempel) gebildet. Der jüngere Tempel A um 480 v. Chr. entspricht hingegen eher dem etruskischen Tempeltypus mit tiefer Vorhalle und rückwärts gelagerten Tempelkammern. Zwischen beiden Tempelanlagen liegt der Altar C.
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Der hier abgebildete, im Modell nachgebaute Tempel A besitzt eine rückwärtige Cella mit Nebenräumen, die sogenannten Alae, und eine vorgelagerte Säulenvorhalle. Die seitlichen Wände des Tempels werden vorgezogen und befinden sich in lediglich einem halben Jochabstand zu den Frontsäulen. Der hintere Teil des Tempels, die pars postica, nimmt etwa die Hälfte des Grundrisses ein, der vordere Teil, die pars antica, wird durch ihre offene Anlageform mit Säulenstützen bestimmt. Dieses Einteilungsschema und die hierfür verwendeten Benennungen entsprechen weitgehend den Kriterien eines Tuskanischen Tempels, wie sie der römische Architekt und Bautheoretiker Vitruv in augusteischer Zeit schildert. Die Materialien des Tempels bestanden aus Tuff im Unterbau sowie aus Holz und aus Ton gebrannten Verkleidungselementen und Dachziegeln im Aufbau. Lediglich die Fundamente und Verkleidungselemente solcher frühen Tempel konnten daher erhalten bleiben.
Bauschmuck der etruskischen Periode Vom tönernen Schmuck des Tempels A haben sich vor allem Antefixe und das Antepagament (Firstplatte) von der Rückseite des Tempels erhalten (Abb. 19). 65 Diese ursprünglich in einem Stück gebrannte vielfigurige Platte zählt zu den besonders ausdrucksstarken Bildwerken der 1. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. Zwei ausgesprochen seltene mythologische Erzählungen werden darauf wiedergegeben. Beide Male handelt es sich um die Vernichtung von Frevlern und damit um besonders blutrünstige Themen der griechischen Sage, nämlich Tydeus-Melanippos sowie Zeus-Kapaneus. Die zuerst herausgegriffene Darstellung bringt das unrühmliche Ende des Tydeus: Tydeus war einer der Feldherren im mythischen Krieg gegen Theben. Bevor die Stadt angegriffen wurde, sollte Tydeus dort die freiwillige Übergabe Thebens fordern. Doch diese Forderung wurde von Eteokles, dem Sohn des Ödipus und dessen Nachfolger
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Abb. 18: Pyrgi/Santa Severa, Modell des Tempels A: Heiligtum der Leukothea, 1. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr.
als König von Theben, abgelehnt. Tydeus forderte nunmehr verschiedene Thebaner zum Kampf auf, besiegte und tötete diese, bevor er zum Heer zurückkehrte. Im nun folgenden Kampf stand Tydeus dem Melanippos gegenüber, und beide Krieger verwundeten sich gegenseitig schwer. Athene, die Schutzgöttin des Tydeus, wollte diesen retten und erbat von Zeus ein Heilmittel, das ihm Unsterblichkeit verleihen sollte. Doch Amphiaraos, der Tydeus hasste, hieb dem Melanippos den Kopf ab und brachte dieses grausige „Geschenk“ zu Tydeus. In seiner Raserei schlürfte dieser das Hirn aus dem Schädel. Als Athene das sah, war sie angewidert und ließ von ihrem Vorhaben ab. So starb Tydeus. Die zweite Figurengruppe zeigt das Ende des Kapaneus, der beim Ersteigen der Mauern Thebens Zeus herausfordert und von dessen Blitzstrahl getroffen wird. Beide Themen erzählen demnach von Selbstüberschätzung und maßlosem Verhalten gegenüber göttlichem Recht (Hybris). Innerhalb des etruskischen Tempelschmuckes bildeten solche reichen Figurenbilder durchaus eine Besonderheit. Szenen wie diese wurden wahrscheinlich von Darstellungen der Vasenmalerei aus Griechenland, die in großen Mengen vom etruskischen Markt angekauft wurden, angeregt. Auch Grabmalereien in Etrurien enthalten zum Teil grausame Begebenheiten, die auf die Unerbittlichkeit des Todes hinweisen sollten. In Mittelitalien haben sich schließlich eigene Werkstätten herausgebildet, die geeignete Themen des Mythos
für den Tempelschmuck verarbeiteten. Viele dieser griechischen Mythen wurden dabei verfremdet, oder aber die Zusammenhänge der Handlung wurden drastisch gesteigert. Auch die Formbildung der Figuren und deren Farbwahl wirken greller gegenüber dem, was wir aus der gleichzeitigen griechischen Kunst kennen (etwa Giebelterrakotten von Olympia). So lässt sich einerseits festhalten, dass die Herausbildung des Tempelschmuckes in Mittelitalien ohne die Vorbilder der griechischen Kunst nicht denkbar ist, andererseits, dass auf italischem Boden eigene Formgesetze vorherrschen. Vergleichbar ausführliche Erzählungen innerhalb des Tempelschmuckes aus Rom haben sich nach bisherigem Wissensstand nicht erhalten. Gleich Pyrgi mit seinen Heiligtumsanlagen stand aber auch Rom im beginnenden 5. Jh. v. Chr. im Einflussbereich führender Werkstättenbetriebe Südetruriens, die für die Ausstattung der Tempel zuständig waren. Die Koroplastik bildet dabei nur einen bezeichnenden Produktionszweig der Etrusker. Verschiedene Techniken der Metallverarbeitung und des Bronzegusses bildeten weitere, herausragende Komponenten der Kunst.
Die prachtvolle Wirkung der etruskischen Tempelanlagen Die außerordentlichen Giebelplatten des Tempels A von Pyrgi sind, wie wir beobachten konnten, ohne detaillierte Kenntnis griechischer Mythen, aber auch der aktuellen Kunstströmungen auf griechischem Boden undenkbar. Dennoch bilden die Platten in stilistischer Hinsicht unverkennbar Zeugnisse etruskischer Tonwerkstätten, die sich auf die Ausschmückung monumentaler Tempelbauten spezialisiert hatten. Für das 6. und 5. Jh. v. Chr. finden sich auch in Rom Bildwerke aus Ton. Verstreut im Stadtgebiet aufgefundene Fragmente von Schmuckplatten und Antefixen belegen, dass es mehrere bedeutende Tempelanlagen der Frühzeit gegeben haben muss. Auch
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Abb. 19: Pyrgi/Santa Severa: Giebelplatte mit einer Darstellung des Kampfes um Theben.
profane Gebäudeformen bleiben bei solchen Schmuckelementen im Bereich der Möglichkeiten. Die fortschreitende Urbanisierung Roms zur Zeit seiner Könige und der nachfolgenden Periode wird daraus ersichtlich. 66
Was ist ein „Tuskanischer Tempel“? Wenn der Bauplatz, auf dem der Tempel errichtet wird, in der Länge 6 Teile hat, soll man, nachdem man einen Teil weggenommen hat, den Rest der Breite geben, die Länge aber soll in 2 Teile geteilt werden. Der hintere Teil soll für die Räume der Cellen abgezeichnet werden, der, der der Stirnseite am nächsten ist, soll für
die Anordnung der Säulen übrig bleiben. Ferner soll die Breite in 10 Teile geteilt werden. Von diesen sollen je 3 rechts und links der kleineren Cellen oder etwaigen Seitenräume gegeben werden. Die übrigen 4 mittleren Teile teile man dem Mitteltempel zu. Der Raum, der sich vor den Cellen im Pronaon ergeben wird, soll so für die Säulen abgezeichnet werden, dass die Ecksäulen gegenüber den Anten in der Flucht der Außenwände aufgestellt werden; zwei mittlere Säulen sollen in der Flucht der Wände, die sich zwischen den Anten und der Tempelmitte befinden, aufgestellt werden; und zwischen den Anten und den Frontsäulen sollen in der Mitte in denselben Fluchtlinien andere angeordnet werden. Und diese sollen ganz unten eine Dicke von ein
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Siebtel Höhe haben. Die Höhe soll ein Drittel der Tempelbreite betragen. (…) Über die Säulen sollen dicht zusammengekämmte Holzbalken gelegt werden mit einer Höhe von soviel Grundmaßen, wie sie durch die Höhe des Bauwerkes erfordert werden. Und diese zusammengekämmten Balken sollen so dick sein, wie der Säulenhals oben an der Säule ist. (Vitruv, De architectura 4,7; Übersetzung Fensterbusch)
Der etruskische oder Tempel tuskanischer Ordnung (templum tuscanum), wie er Jahrhunderte später vom augusteischen Architekturtheoretiker Vitruv (1. Jh. v. Chr.) genannt werden sollte, zählte auch noch in der beginnenden Kaiserzeit zum bekannten Repertoire der römischen Architektur. 67 Vitruv kannte offenkundig zu seiner Zeit noch einige aufrecht stehende Tempel der etruskischen Periode und konnte so eigene Beobachtungen zur Tempelbauweise dieser Jahrhunderte einbringen. Einer dieser gut erhaltenen Tempel der älteren Zeit könnte der Ceres-Tempel am Fuß des Aventin gewesen sein, der sich im Bereich der altehrwürdigen Kirche von S. Maria in Cosmedin befunden hat (Abb. 1440). Der erste Ceres-Tempel wurde bereits in den Jahren 496–493 v. Chr. errichtet und enthielt, wie wiederum Plinius der Ältere schreibt, wertvolle Gemälde der älteren Zeit. Wie sehr gerade dieser Tempel unter dem Einfluss auswärtiger Künstler stand, verrät die Notiz bei Plinius: Ein gewisser Damophilos sowie ein Gorgias werden dort als griechische Künstler, die für den Ceres-Tempel die Gemälde ausführten, angeführt (Plinius, Naturalis historiae 35,154). Die etwas standardisierten Angaben Vitruvs zum tuskanischen Tempelbau mahnen hingegen zur Vorsicht. Grabungen in Etrurien konnten den Nachweis erbringen, dass die Tempel und Heiligtümer dieses Gebietes ein durchaus unterschiedliches Formenrepertoire aufzuweisen haben. 68 Vitruv wollte die proportionalen Verhältnisse der frühen Sakralbauten in Mittelitalien möglicherweise systematisieren und in eine Linie mit jener der hochentwickelten griechischen Tempelbaukunst stellen. Grie-
chenland und das frühe Rom sollten dadurch gleichrangig werden. Eine Vergleichbarkeit der griechischen Steinarchitektur mit entsprechenden Bauten in Rom ist jedoch erst in den späteren Jahrhunderten gegeben. Das Grundlagenprinzip der Holzarchitektur und das Verhältnis von Stütze und Last sind nämlich beim griechischen und tuskanischen Tempelbau gänzlich anders. Kommt es beim griechischen Tempel bereits früh auf die Proportionierung aller Bauglieder und ein dem Tempel anhaftendes Grundmaß an, so scheint dieses Verhältnis in Etrurien und in Rom ursprünglich beliebiger aufgefasst worden zu sein. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal das hier als Beispiel herangezogene Tempelmodell von Pyrgi, so erkennen wir, dass dem tuskanischen Tempel kein großer Spielraum für eine architektonische Weiterentwicklung blieb. Die deutliche Frontbezogenheit solcher Tempel, deren einfache Proportionsmaße sowie das Baumaterial Holz verhinderten weitere Verfeinerungen. Die Wirkung des frühen tuskanischen Holztempels entfaltete sich in Form seiner reichen Schmuckelemente und einer in unseren Augen wohl eher grellen Buntheit und spröden Eleganz. In gewissem Sinne lassen sich die Anfänge der Tempelbaukunst in Italien deshalb vielleicht mit der Wirkung von Holztempel und Pagoden (d. h. „Heiliges Haus“) innerhalb der asiatischen Kulturen vergleichen. Dem Aufbau der frühen Tempel in Etrurien und Rom ist zu entnehmen, dass sie über eine ausgeprägte Frontseite verfügten. Sie entsprachen den Gesetzen einer axialen Ausrichtung gegenüber markanten Punkten ihrer Umgebung. Hinter dieser Norm stehen im Wesentlichen Vorstellungen einer etruskischen wie auch römischen Religion, die der Orientierung im Gelände große Bedeutung zumaß. Tempelvorhallen spielten so auch in der Deutung des Vogelfluges (Auspizien) eine wesentliche Rolle. Der Augur (priesterlicher Wahrsager) konnte sich von der „gerichteten“ Tempelvorhalle aus in eine bestimmte Position begeben, welche ihm eine Schau der Vorgänge
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am Himmel wie etwa die Beobachtung des Vogelfluges gewährleistete. Aus den Beobachtungen heraus konnte der Wille der Götter vorhergesehen werden. Wesentlich für den rituellen Ablauf wird so auch die vielfach erhöhte Position des Tempels. Auch der römische Tempel sollte noch in der Folgezeit sein Podium beibehalten. Der tuskanische wie auch später der italisch-römische Tempel unterscheiden sich damit wesentlich von der Allansichtigkeit des griechischen Ringhallentempels. Dem Sakralbau unter römischem Einfluss bleiben die Betonung der Frontseite und die dortige Konzentration des Figurenschmuckes auch in der Folgezeit ein Anliegen. Für die Beurteilung der Tempel und Heiligtumsanlagen in Italien bleibt zudem der gesamte Tempelbezirk wesentlich. Das templum bezeichnet so den abgegrenzten Bezirk einer Tempelanlage, wohingegen der Tempelbau selbst aedes genannt wird. Für die Entwicklung der späteren römischen Architektur wurden so an ihrem historischen Beginn Voraussetzungen geschaffen, die nicht nur die Formbildung künftiger Tempel, sondern auch jene der Platzanlagen mit beeinflussen sollte.
Vermittlerrolle der Etrusker Der Zusammenhalt zwischen etruskischer und archaisch-römischer Kultur war anfangs ein besonders enger. 69 Hervorzuheben bleibt die Herausbildung der Baukunst. Auch die Vorliebe für reiche Zierelemente finden wir zunächst bei den Etruskern. Darüber hinaus stammen viele Gegenstände des täglichen Gebrauches, die sich in Rom gefunden haben, von den Produktionsstätten in Etrurien. Als eigentlich bleibende Komponenten müssen aber jene Einrichtungen angesehen werden, die einer etruskischen Gesellschaftsvorstellung oder einer entsprechenden religiösen Norm entspringen. Bekanntes Beispiel hierfür bilden die Liktoren mit ihren Rutenbündeln (fasces), Träger
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von Statussymbolen also, die selbst noch während der Kaiserzeit den Kaiser bei feierlichen Aufzügen begleiteten (Abb. 139237 160278). In verminderter Anzahl waren solche Liktoren auch den ranghohen Beamten in Rom und in den Städten zugeteilt. In ältester Zeit verkörperten solche mit den Ruten einer Birke oder Ulme umkleideten Beile die Gewalt der Väter, der patres. Aus der Verkörperung solcher Rangzeichen wie dem Stab oder den Rutenbündeln entwickelte sich die exekutive Gewalt der höchsten Beamten der römischen Republik (das imperium). Viele der während der Zeit der Republik und der Kaiserzeit ausgeübten staatlichen und religiösen Zeremonien leiten sich von den Gebräuchen und Überlieferungen der ältesten Zeit ab – so auch die Tradition des Triumphzuges, bei dem der siegreiche Feldherr samt dem Beutegut und den mitgeführten Gefangenen in Rom Einzug hielt und schließlich vor dem Tempel des Iuppiter Capitolinus ein Abschlussopfer darbrachte. Auch dieser, aus den Ereignissen der römischen Kaiserzeit weithin bekannte Vorgang, leitet sich im Kern aus etruskischen Traditionen ab (Abb. 144251). Mehrfach überliefert wird auch der mutmaßlich aus Etrurien stammende Brauch blutiger Gladiatorenkämpfe, welcher ursprünglich auf Kämpfe und Opferriten anlässlich der Begräbnisse von Adeligen zurückgehen soll (Abb. 91173). Als Rom zu einer selbständigen Macht heranwuchs, hatten die Gebräuche der etruskischen Lehrmeister innerhalb des „Stadtstaates“ jedoch bereits eigene Gestalt und Bedeutung angenommen.
Die Gründung der römischen Republik Über den Auslöser einer Revolte gegen das Königtum in Rom sind wir mehr oder minder nur durch spätere Legenden unterrichtet. Die grausame „Geschichte der Lucretia“ ist eine davon (Livius 1,57–59). Im Kern glaubt man heute, dass es sich damals um eine Revolte gegen die etruskische Handelsoligarchie im frühen Rom
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1. Kapitel
handelte. Der uns in der Lucretia-Geschichte genannte erste Konsul der Republik, Lucius Iunius Brutus, dient – selbst wenn es ihn hypothetisch gegeben haben mag – wahrscheinlich lediglich als Synonym für eine neue Gesellschaftsordnung, die sich in Rom mit der Wende zum 5. Jh. v. Chr. anbahnte. Bereits der letzte der Könige Roms (Tarquinius Superbus) soll seinen Vorgänger Servius Tullius ermordet haben. Seine Herrschaft wurde daher mit Unrecht und Gewalt begründet. Der Sohn dieses Tarquinius, Sextus, soll nun Lucretia, die Gattin eines römischen Patriziers, vergewaltigt haben. Lucretia erzählt den Männern ihrer Familie vom Geschehen und lässt sie, der Überlieferung nach, Rache schwören. Darauf verübt sie Selbstmord. Lucius Iunius Brutus nimmt der Überlieferung nach Rache, vertreibt den Tarquinier und wird so zum Begründer der römischen Republik (Abb. 4599). Iunius Brutus wird einer der ersten beiden römischen Konsuln, und er sollte die neue Regierungsform bis zum Äußersten verteidigen: Die „römische Bürgertugend“ manifestiert sich dabei von Anfang an durch äußerste Härte. Brutus gibt dafür ein Beispiel (Livius 2,4). Nachdem eine Verschwörung zur Wiedereinführung der Monarchie aufgedeckt wurde, an der auch die Söhne des Brutus beteiligt gewesen sein sollten, verurteilte er selbst diese zum Tode. Die Vorgänge einer „Machtübernahme“ in Rom könnten sich in Wahrheit bis ins frühe 5. Jh. v. Chr. hingezogen haben. Es ist sogar möglich, dass nach den Tarquiniern ein weiterer König, nämlich Porsenna aus Chiusi, die Geschicke Roms lenkte. Im Jahre 474 v. Chr. jedoch besiegte eine Allianz von unteritalischen und sizilischen Griechen die Etrusker in der Seeschlacht vor Kyme. Damals wurde die etruskische Dominanz in Mittelitalien durch den Seesieg der Griechen nachhaltig gebrochen. Die adeligen Oberhäupter (patricii) in Rom dürften in dieser Phase endgültig an die Macht gekommen sein. Doch durch den „Sturz des Königs“ vertiefte sich innenpolitisch auch der Konflikt zwischen der Oberschicht und der
breiten plebs, also der einfachen Bevölkerung, bestehend aus Bauern, Handwerkern und Bediensteten (Klientel), die innerhalb der alten Ordnung eher geschützt war. Die Begriffe „patrizisch“, entsprechend einer Senatorenklasse, und „plebejisch“, bleiben in der römischen Gesellschaftsordnung auch für die späteren Jahrhunderte bestehen. Die Zeit der frühen Republik in Rom ist geprägt durch Ständekämpfe, also Auseinandersetzungen zwischen den höheren und niederen Volksgruppen. In der Folge sollte die Macht sukzessive an Komitien (comitia; d. h. Comitium als Versammlungsplatz), also Volksversammlungen übertragen werden. Ein vorläufiges Ende dieser Auseinandersetzungen bildet das Jahr 367 v. Chr., in dem das höchste Staatsamt (Konsulat) auch den plebejischen Schichten zugänglich gemacht wurde. Auf dem Forum Romanum wurde damals der Göttin Concordia (Eintracht) ein staatlicher Tempel eingerichtet. Dieser in der frühen Kaiserzeit prachtvoll und neu aufgebaute Tempel sollte für alle Zeiten auf den Interessensausgleich und damit auf die „Grundfesten“ des römischen Staates verweisen. Mit der Einrichtung einer Republik (res publica = „Sache des Volkes“) verlagern sich auch die außenpolitischen Interessen und Bündnissysteme Roms. Ein Ergebnis dessen ist, dass sich Rom in der Folgezeit als ein Kolonisten- und Bauernstaat präsentiert, der versuchen musste, Bündnissysteme innerhalb Mittelitaliens aufzubauen. Seit 470 v. Chr. ist Rom Zentrum dieses Bundes, der sich erfolgreich gegen die an die Küste vordringenden oskisch-sabellischen Stämme zu wehren weiß. Hauptintention des Latinerbundes ist jedoch die Gründung neuer Koloniestädte. Mit diesem Kapitel der Städteplanung betritt Rom Neuland und äußert damit eigenständigen Gestaltungswillen. Das frühe Rom zeigt auch darüber hinaus deutlichen Expansionswillen. Nach der erfolgreichen Einnahme von Fidenae (426 v. Chr.) und Veji (396 v. Chr.) kann Rom sein Territorium auf Kosten der Etrusker deutlich vergrößern. Diese Kriege drücken jedoch auch der eigenen Bevölkerung
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hohe Kriegslasten auf. Rom muss im Jahre 387 v. Chr., als keltische Krieger die Stadt einnehmen und verwüsten, einen herben Rückschlag einstecken. Die Stadt erholt sich allem Anschein nach jedoch rasch von dieser Katastrophe. In der Folge wird ein gewaltiger Befestigungsring um das städtische Siedlungsgebiet angelegt, der Rom als führendes Zentrum Mittelitaliens ausweist.
Iuppiter-Capitolinus-Tempel Um den Bau des archaischen Kapitolinischen Tempels in Rom ranken sich unzählige Legenden. Diese mythisch angehauchte Ausgangslage ist für einen römischen Bau an sich nichts Ungewöhnliches. Aber selbst nach der Auswertung archäologischer Befunde wird man feststellen müssen, dass nur teilweise Licht auf die Anfänge am Kapitol fällt. Man wird dabei auch feststellen, dass Planung und Anspruch, den dieser Sakralbau über Jahrhunderte einnimmt, selbst schon einen Abschnitt römischer Frühgeschichte bilden. 70 Der Haupttempel in Rom zeigt vor allem die Besonderheit, dass drei Gottheiten nebeneinander verehrt wurden. Schon allein dadurch drücken sich Größenordnung und Dominanz dieses Tempels aus (Abb. 20). Der literarischen Überlieferung nach wurde der erste Tempel der Kapitolinischen Trias beziehungsweise des Iuppiter Optimus Maximus nach Brandzerstörungen immer wieder neu aufgebaut. Bei diesen Gelegenheiten musste auch die Göttertrias im Inneren des Tempels neu geschaffen werden: Das geschah einmal in der Zeit der späten Republik, 83 v. Chr., und ein zweites Mal nach dem Brand im Vierkaiserjahr 69 n. Chr. (Sueton, Vespasian 8; Domitian 5). Der Staatstempel wurde nach diesen Katastrophen jeweils in seiner Traditionsform, das heißt in seinen Grundmaßen wiederhergestellt. 71 Die Baumaterialien für diesen Zweck hatten sich freilich im Laufe der Jahrhunderte
Abb. 20: Rom, Iuppiter-Capitolinus-Tempel: Grundriss.
verändert. Der Diktator Sulla soll etwa für den Tempelneubau zu Beginn des 1. Jhs. v. Chr. Säulen und Bauglieder des unvollendeten Olympieions in Athen angefordert haben (Plinius, Naturalis historiae 36,5.45).
Rätselhafte Anfänge am Kapitol Die schriftlichen Quellen berichten einmütig davon, dass der gewaltige Tempel für die römische Göttertrias (Iuppiter – Iuno – Minerva) am Ende der Königszeit begonnen und entsprechend von etruskischen Künstlern ausgestaltet wurde. 72 Marcus Horatius soll nach der politischen Wende vom Königtum zur Republik, ja sogar noch im ersten Jahr der Republik, diesen Bau übernommen und eingeweiht haben. 73 So will es zumindest die Überlieferung. Über die Form dieses ersten Tempels wird bis heute gerätselt. Der Grund dafür liegt im mangelhaften Erhaltungszustand der Tempelfundamente. Die beeindruckenden Quadermauern des Tempelunterbaus bilden heute einen wesentlichen Bestandteil des Museumskonzepts im Konservatorenpalast. Seit dem 19. Jahrhundert konnten unterhalb der Kapitolinischen Museen und des sogenannten Giardino Romano am Kapitolinischen
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1. Kapitel
Abb. 21: Das Podium des Iuppiter-Capitolinus-Tempels.
Hügel Teile eines riesigen Podiums aufgedeckt werden (Abb. 21). Auch mangelt es nicht an Belegen für Tempelschmuck aus der archaischen Periode, der aus der Umgebung des Iuppiter-Tempels stammt. 74 Jedoch haben sich die gewaltigen Unterbauten des Tempels nur in Teilen bis zu einer gewissen Höhe erhalten, sodass Stellung der Säulen und der Cellawände des Baues nur unzureichend erschlossen werden können. Der Grundriss des Iuppiter-Capitolinus-Tempels bietet somit viel Interpretationsspielraum für die Bauforschung. Leider verhält es sich auch so, betrachtet man die überlieferten Gründungsdaten dieses Tempels. Das Einweihungsdatum des Tempels, der 13. September 509 v. Chr., zählt traditionell zu den ersten Ereignissen der jungen römischen Republik. Doch ausgerechnet solche „Fixdaten“ im frühen Rom liegen möglicherweise auf der Ebene der Konstruktion: Offenkundig sollte am hohen Alter des Baues in späterer Zeit nicht gezweifelt werden. Dafür sollte folgender Brauch herhalten: Die dokumentierte „Jahres„ zählung“, zu der jährlich am rechten Seitenpfosten des Tempels ein Nagel eingeschlagen wurde, sollte das Alter des Tempels festhalten. 75 So wollen es uns jedenfalls die literarischen Quellen glauben machen. Nun fehlen
aber ausgerechnet die historischen Belege für jenen M. Horatius, der als Amtsträger der Republik den Tempel eingeweiht haben soll. Forscher, die den ersten Kapitolstempel ohnehin lieber ins 4. Jh. v. Chr. und damit nach den Galliersturm setzen wollen, argumentieren daher mit einem viel späteren M. Horatius, der – wie sein Namensvetter – aus derselben bedeutenden Familie stammte. Dieser Horazier bekleidete im Jahre 387 v. Chr. das Konsulat. 76 Die Form des ersten Tempels der Kapitolinischen Trias und ebenso seine riesigen Grundmaße werden uns allerdings literarisch verbürgt. 77 Auch die Darstellungen des Tempels auf späteren Münzbildern zeigen einen auffällig breit gelagerten Bau mit tiefer Vorhalle und drei dahinter liegenden Cellae. Wir kommen jedoch mit dem angetroffenen Fundament am Kapitol auf Größendimensionen, die für ein Tempelgebäude insgesamt schwer vorstellbar werden: Das Fundament des Sakralbaues am Kapitol erreicht die Maße 62,25 53,50 m. Es handelt sich dabei um ein massives Podium aus Quadersteinen mit einer Höhe von bis zu 6 m. Diese enormen Maße scheinen zunächst die archaische Konzeption des Tempels zu bestätigen. 78 Dennoch weisen die aufgedeckten Fundamentreste einige nicht unwesentliche
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Problempunkte auf. Zum einen werden die riesigen Ausmaße des Podiums und seiner technischen Ausführung in Quadertechnik von einigen Forschern erst dem 4. Jh. v. Chr., also der Zeit nach dem Galliereinfall, zugerechnet. Zum anderen besitzt man nur wenige Schmuckelemente von der ersten Tempelanlage. Es ist also durchaus möglich, dass die gewaltige Plattform einen Tempel in den gesamten Umrissen trug oder aber, dass ein deutlich kleinerer Bau auf diesem Podium aufgestellt war. Rekonstruktionen der jüngsten Zeit tragen dieser Idee Rechnung und rekonstruieren eine verkleinerte Ausführung des Kapitolinischen Tempels auf dem mächtigen Podium. Die erhaltenen Fundamentreste dieses Tempels sowie Fragmente seines Tempelschmuckes bieten somit nach wie vor ein weites Feld für Interpretationsmöglichkeiten. 79 Kehren wir damit noch einmal zum Anlageprinzip des Kapitolstempels zurück: Die Grundbestandteile des Tempels waren sein hohes Podium und eine tiefe, von Holzsäulen getragene Vorhalle. Die dahinter liegenden Kammern (cellae) beherbergten die Kultbilder. Der weit vorkragende Giebel war figural, die Gebälks- und Dachzone reich mit Verkleidungen, Zierleisten und ornamentalen Stirnziegeln (Antefixen) geschmückt. Auf dem Dach befand sich, den Schilderungen nach, eine figürliche Quadriga aus Ton. Die bunte Farbenpracht, ausgedrückt durch die lebhafte Bemalung solchen Tonschmuckes, muss dem Tempel ein absolut einzigartiges Aussehen verschafft haben. Doch auch die Grundform dieses Tempels wird wichtig für die spätere Entwicklung der Tempelbaukunst in Rom. Es lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass sich die Form der Capitolia in den römischen Koloniestädten teilweise an die Vorgaben des Haupttempels halten wird. Vor allem die Grundrissbildung des Tempels hat einige Besonderheiten aufzuweisen: Drei unterschiedlich breite Tempelcellae liegen in der hinteren Hälfte des Podiums (pars postica). Im Bereich der Vorhalle (pars antica) befand sich eine dreifach gestufte Säulenreihe.
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Die mittleren Säulen korrespondierten mit den Cellawänden. Um ein Joch erweitert, setzten sich seitliche Säulenreihen bis zur geschlossenen Rückwand des Tempels fort. Vitruv benennt diese Form des Tempels peripteros sine postico (sinngemäß: Ringhallentempel mit geschlossener Rückwand). Dieses Anlageprinzip weist sowohl Bezüge zur etruskischen als auch zur griechischen Sakralarchitektur auf. So nehmen die seitlichen Säulenhallen (Ptera) einen wichtigen Gestaltungszug der griechischen Tempelarchitektur auf. Die eigenwillig breit gelagerten Proportionen des Kapitolstempels und seine tiefe Vorhalle heben ihn jedoch von Tempelbauten des griechischen Kulturkreises ab.
Ein archaischer Bau Der Haupttempel Roms besteht aus zusammengesetzten, gewissermaßen für sich dimensionierten Bauteilen, die an Etruskisches wie auch Griechisches erinnern. Doch ist der Kapitolstempel in seiner Grundrissbildung weder rein etruskisch noch griechisch; er spielt eine Sonderrolle, schließt selektiv an frühere Entwicklungen und Maßstäbe an. Auffallend bleibt gerade der Unterschied in Material und Technik gegenüber der Ausführung griechischer Steintempel in Unteritalien und auf Sizilen (Paestum, Selinunt). Wesentlich für die Bauforschung bleibt immer noch die tatsächliche Zeitstellung des Baues. 80 Am treffendsten erscheint mir in diesem Zusammenhang die Deutung Heinrich Drerups: „Der Kapitolstempel ist bautyplogisch ein archaischer Bau, nur in seiner archaischen Umgebung, welche die griechische wie etruskische Archaik mit umfasst, voll verständlich. Das gilt für seine Riesenhaftigkeit wie für seine Plangestaltung. (…) Wir werden ihn zu verstehen haben als eine Demonstration politischen Geltungsanspruchs auf die Zukunft hin, die Auskunft gibt über den Machtwillen eines noch bescheidenen Stadtwesens zu Beginn sei-
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ner geschichtlichen Laufbahn“. 81 Aus dieser Interpretation heraus wird ersichtlich, dass der Tempel in seiner Gründungsphase wahrscheinlich ein weiteres „dynastisches Heiligtum“ der Tarquinier darstellte, welches in seiner Grundform den Maßstab für eine künftige Entwicklung bildete. 82 Die buchstäbliche Machtdemonstration dieses Tempels blieb nicht ohne Auswirkung auf die Gestaltungsmöglichkeiten der römischen Republik und der von ihr aus gegründeten Städte. Im Dreicellentempel mit Vor- und Seitenhallen ist der Urtypus des altitalischen Tempels zu sehen, der seine große Wirkungsgeschichte erst zeigen sollte. 83 Seine Vorbildwirkung auf spätere Generationen kann gerade an diesem Hauptmerkmal abgelesen werden. Längst ist archäologisch erwiesen, dass die von Vitruv postulierte Dreicelligkeit des tuskanischen Tempels nicht exklusiv als Norm etruskischer Tempelbauten angesehen werden kann. Nur in Rom wird eine Form der neuen Trias verehrt: Iuppiter Optimus Maximus – Iuno – Minerva. Diese Form verdrängt die Vorherrschaft des Mars, des Jupiter und des Quirinus und nimmt nun den wichtigsten Platz im religiösen Leben der Stadt ein. Diese Göttertrias stellt – gleich dem Prozess der Stadtwerdung – einen Synoikismos der Götter, eine „Götter-Tribus“ dar, die als Bestandteile die Hauptgottheiten der in Rom ansässigen Völkerschaften einschließt. 84
Bauschmuck Die ursprüngliche Ausstattung des Kapitolinischen Tempels in Rom wurde – der Überlieferung nach – etruskischen Werkstätten übertragen. Hinweise beziehen sich auf die simulacra (den Tempelschmuck), der von einem gewissen Vulca aus Veji ausgeführt worden sein soll. 85 Genannt wird insbesondere eine tönerne Quadriga, die äußerst diffizil zu arbeiten war (Plinius, Naturalis historiae 35,157). Von der Quadriga heißt es noch einmal (Plinius, Naturalis historiae 28,16), dass das Werk von etruski-
schen Künstlern aus Veji geschaffen wurde. Vulca schuf im Auftrag des Tarquiniers auch das tönerne Kultbild des kapitolinischen Jupiters. Das Kultbild der obersten Gottheit war mit Zepter ausgestattet und mit einer besonderen Form der palmengeschmückten Tunica (palmata) bekleidet. Diese Schilderung ist wichtig, weil menschengestaltige Götter in Rom ursprünglich fremd waren. Die römischen Götter wurden in der ältesten Zeit noch nicht in Bildform dargestellt. Vielmehr waren es ihre von den Menschen empfundenen „Wirkkräfte“ (numina) sowie äußere Zeichen, durch die sich die Götter äußerten. Über die Vermittlung von Etruskern und Griechen kamen gegen Ende der archaischen Periode auch in Rom Götterbilder auf. „Wenn der Römer Jupiter sagte, tauchte fortan vor seinen Augen nicht mehr der Himmel oder der Blitz auf, sondern das Bild, das er im Tempel gesehen hatte“. 86 Von diesen frühen Kultbildern blieb natürlich nichts erhalten. Es zeichnet sich wieder einmal ab, dass wir bei den Anfängen bildlicher Darstellung in Rom ziemlich im Dunkeln tappen. Lediglich spätere, vor allem hellenistisch beeinflusste Werke bieten eine Vorstellung von den ersten Götterbildern der Römer. Die Anfänge der Religionsausübung bei den Römern sind generell schwer nachzuzeichnen. Vor allem besaß dieses Volk ursprünglich keine ausgeprägten Vorstellungen vom Beziehungsgeflecht der Götter untereinander. Sie dachten an die „Wirkungsweise“ des Göttlichen und weniger an einen „Götterkanon“. Die Krise des Zweiten Punischen Krieges brachte hier, nachdem insgesamt auch griechische Vorstellungen vorherrschend wurden, eine seltsame Wende: Nach der fürchterlichen Niederlage des römischen Heeres am Trasimener See (217 v. Chr.) erfuhren Bildwerke der olympischen Gottheiten auf Geheiß der Wahrsager eine seltsam anmutende „Götterbewirtung“ (lectisternium). Bilder der zwölf Hauptgötter wurden auf Liegen gebettet und symbolisch bewirtet. Dadurch erhoffte man
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Abb. 22: Palästrina: Gruppe der Kapitolinischen Trias.
sich den Beistand der Olympier. Dieser Brauch kann als eine der wichtigsten Neueinführungen und zugleich als endgültiger Bruch mit der alten „Bildlosigkeit“ verstanden werden.
Kapitolinische Trias Die Marmor-Gruppe der Kapitolinischen Trias aus Palästrina stammt aus der mittleren Kaiserzeit (Abb. 22). 87 Sie vertritt wahrscheinlich jene Darstellungsform, die uns die 69 beziehungsweise 80 n. Chr. erneuerte Kultbildgruppe im Iuppiter-Capitolinus-Tempel wiedergibt. Nachbildungen der Kapitolinischen Trias haben sich in unterschiedlichem Größenmaßstab und in unterschiedlichem Material erhalten. So besaßen die Haupttempel römischer Städte überlebensgroße Wiederholungen der Götterbilder. Einige der bis heute erhaltenen Beispiele werden durch Tempelkultbilder aus Cumae, Pompeji, Otricoli, aber auch Thugga (Dougga) in Nordafrika oder Szombathely
(Steinamanger) in Ungarn verkörpert. Die hier wiedergegebene vollplastische Göttergruppe stammt allerdings aus einer römischen Prunkvilla und damit aus privatem Kontext. Das Aussehen der Göttertrias in Rom geben auch Beispiele der Kleinkunst, vor allem Münzbilder, sowie Kleinbronzen aus den Lararien der Häuser wieder. Da die originalen Kultbilder nicht erhalten geblieben sind, müssen wir uns eben an der reichen Überlieferungslage dieser Bildwerke orientieren. 88 Die hier abgebildete Göttergruppe vertritt die kolossal gestalteten Kultbilder im Iuppiter-Tempel auf dem Kapitol nach Meinung vieler Forscher recht genau. Die Marmorgruppe zeigt den Göttervater sowie Iuno und Minerva nämlich in Einzelheiten und mit Attributen: Jupiter thront in der Mitte und hält ein Blitzbündel in seinen Händen. Zu seinen Füßen wird das Attribut des Adlers sichtbar. Iuno wird mit dem Pfau dargestellt, Minerva mit Helm und Eule, wie es in der griechischen Darstellungsform auch geschieht.
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Kultbildgruppe dürfte der nochmals erneuerten Kapitolinischen Trias in Rom nachgearbeitet worden sein.
Ältere Darstellungen von Kultbildern
Abb. 23: Civita Castellana/Falerii: Bemalter Iuppiterkopf vom Tempel von Lo Scasato.
Halten wir uns noch einmal die Überlieferungslage vor Augen. Im Jahre 83 v. Chr. ist das alte Kultbild aus Ton, wohl noch immer jenes des Vulca, gemeinsam mit dem Kapitolstempel verbrannt. Das Material der neuen Kultbildgruppe bestand aus Gold-Elfenbein. Lange Zeit hindurch war man auch zuversichtlich, den Künstler dieser Kultbildgruppe benennen zu können. Nach einem spätantiken Kommentar eines gewissen Chalcidius (4. Jh. n. Chr.) handelt es sich dabei um den Bildhauer Apollonios, der die erneuerte Kultbildgruppe geschaffen haben soll. Dieser Apollonios war möglicherweise auch jener Künstler, der den bekannten Torso vom Belvedere in den Vatikanischen Museen geschaffen hat. Allerdings müsste die späte Schriftquelle eher jene Kultbildgruppe im Kapitolinischen Tempel erwähnen, die nach dem nochmaligen Brand des Tempels im Jahre 80 aufgestellt wurde. Auch die hier wiedergegebene Marmorkopie der
Das Aussehen älterer Bildwerke in Rom lässt uns dennoch keine Ruhe, und so wollen wir uns noch einmal auf Spurensuche begeben: Der kleine Iuppiterkopf aus der Umgebung Roms (Abb. 23 und 24) führt uns direkt zur Frage früher Götterbilder in Etrurien und in Latium zurück. 89 Vielleicht dürfen wir uns vom Aussehen der ersten Kultbilder in Rom ganz ähnliche Vorstellungen machen. Auch dieses Tonköpfchen ist ohne die Vorbildwirkung griechischer Werke nicht denkbar. Übereinstimmend wird betont, dass Ausdruck und Formgebung dieses Kopfes auf klassische Typen zurückzuführen seien. Man denkt dabei an die Wirkung, welche der von Phidias geschaffene Zeus von Olympia auf die Besucher dieses Heiligtums ausübte. Diese klassischen Vorbilder gewinnen jedoch in Italien ein gänzlich anderes Aussehen. Die starre Form des Gesichtsschnittes wird durch rahmende Elemente wie die Lockenbildung des Bartes belebt. Es bleibt ein Kennzeichen der etruskischen Kunstkomponente, dass selbst die plastische Verfeinerung wie angehängt und ornamental verselbständigt erscheint. Eine wirkliche Durchformung bleibt den ausführenden Künstlern fremd. Der Kopf ist mit roter Farbe überzogen. Dadurch wirkt sein Erscheinungsbild auch ein wenig grell. Die Überzugsfarbe kontrastiert mit den ausdrucksstarken, weißen Augäpfeln des Kopfes und formt dessen strenges Aussehen. Iuppiter ist nach römischer Vorstellung unter anderem die Gottheit des Sieges und Triumphes. So wurde auch der römische Triumphator mit blutroter Farbe geschminkt, ehe er seinen Triumphwagen bestieg. Der Triumphzug in Rom endete auf dem Kapitol, wo der siegreiche Feldherr dem obersten Gott opferte. 90
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In gewissem Sinne bietet das bescheidene Bildwerk eine Vorstellung von der möglichen Wirkung des ersten Iuppiter-Kultbildes im Kapitolinischen Tempel. Man rufe sich noch einmal die Überlieferung bei Plinius dem Älteren in Erinnerung: „Vulca sei aus Veji herbeigerufen worden, damit Tarquinius (Priscus) bei ihm das Bild Iuppiters in Auftrag gebe, das für das Kapitol geweiht werden sollte; dieser Iuppiter sei aus Ton gewesen, und man habe ihn deswegen regelmäßig mit Zinnober bestrichen (…).“ Und Plinius fügt hinzu: „Dies waren damals die edelsten Götterstatuen, und wir wollen uns nicht jener schämen, die solche Götter verehrt haben“ (Plinius, Naturalis historiae 35,157).
Die lange Tradition der Werkstätten Schauen wir uns, was die Entwicklung der Bildwerke in Rom angeht, noch ein wenig weiter um: Diesmal ist es ein zeitlich jüngeres Werk, das von einem stadtrömischen Tempel stammt. Der farbig gebrannte Kopf hat wiederum eine eigene Geschichte zu erzählen. Rom hat sich auch im 3. Jh. v. Chr. noch nicht zur Gänze vom Werkstättenprinzip und auch den Vorgaben der etruskischen Kunst gelöst und behält während seiner „hellenistischen Phase“ noch Figurengiebel aus Ton bei (Abb. 69142 72145). Aber unter den erhaltenen Tonbildwerken stellt der Neufund dieses Kopfes auf dem Palatin etwas ganz Besonderes dar. Das kleinformatige Werk zählt gewiss zu den bedeutendsten Entdeckungen der letzten Jahre aus Rom. Der in kunstvoller Technik gebrannte, farbige Götterkopf entstammt dem Schmuck des Victoria-Tempels auf dem Palatin, welcher im frühen 3. Jh. errichtet wurde. 91 Die Gesichtsfarbe des Werkes ist rötlichbraun gehalten, dunkelbraun sind die Bartlocken. Das Götterantlitz wirkt gegenüber dem älteren Kopf aus Falerii weicher und eleganter modelliert. Es zeigt grundsätzlich jenen Ausdruck und jene Formensprache, die man auch einem Kultbild der
Abb. 24: Rom: Bemalter Iuppiterkopf vom VictoriaTempel am Palatin.
frühhellenistisch-griechischen Kunst zuweisen möchte. Der Tempel der Victoria lag neben einem etwas jüngeren Tempel der Göttermutter Magna Mater (Kybele) im Südwest-Areal des Palatin. 92 Auch die sogenannte „Hütte des Romulus“ befand sich in unmittelbarer Nähe dieses Tempels der Siegesgöttin, so wie das spätere Haus des Kaisers Augustus auch. Der Kultbau wurde aus öffentlichen Mitteln errichtet und im Jahre 294 v. Chr. eingeweiht, wie Livius (10,33) berichtet. Der hier abgebildete Kopf Iuppiters gehörte mit einiger Gewissheit zum Bildschmuck des ersten Tempels. Zu stark fragmentierten Reliefplatten dieses Baues zählen Darstellungen von Göttern und – nach neuer Deutung – Verkörperungen der Romulus-Sage. Der Tempel selbst befand sich – wie üblich – auf einem mächtigen Unterbau und wurde in der Form eines Peripteros sine postico errichtet (Länge ca. 33 m). Dem erhaltenen Iuppiterkopf nach zu urteilen, stand der Bildschmuck des Tempels stilistisch auf der Höhe seiner Zeit. Die damaligen
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Tonbildner orientierten sich an Vorgaben der griechischen Kunst und übersetzten diese für die Bedürfnisse ihrer Auftraggeber in Italien. Die Ausführung des Bildschmuckes dieses Tempels – wie jene des Iuppiterkopfes – erinnert Forscher an die „Werkstatt von Lo Scassa-
to“ in Falerii. 93 Damit wird für die römische Kunst weiterhin ein Bezugsrahmen zu Etrurien abgesteckt, auch wenn sich Rom auf anderen Gebieten längst von seinen frühen Lehrmeistern gelöst hatte.
Ergebnisse Viele Zeugnisse aus der Frühzeit Roms wirken zu disparat, um sich eine klare Vorstellung von den örtlichen Gegebenheiten machen zu können. Dennoch kann an der Bedeutung Roms in dieser Zeit nicht gezweifelt werden. Kunst fällt nach dem Urteil Mauro Cristofanis noch unter die Praxis einer Beauftragung an Fremde. 94 Die Impulse dazu wurden jedoch von der staatlichen Gewalt vorgegeben. Was innerhalb der ersten Jahrhunderte hervorsticht, ist die Herausbildung eines städtischen Bauprogramms für Rom. Für die bildende Kunst bleiben Kontakte und Erfahrungen mit dem etruskisch geprägten Umfeld maßgeblich. Die junge Republik erweitert diesen Beziehungsrahmen hin zu Unteritalien. Die integrative Kraft Roms in seiner Frühzeit wird zugleich unübersehbar. Zunächst bildet die Stadt das führende Zentrum in Latium. Schon von daher wird auch die Gründung von zentralen Heiligtümern verständlich. Eine dieser Heiligtumsanlagen befand sich auf dem römischen Aventin und war der Göttin Diana geweiht. Dieses überregionale Heiligtum band die Städte Latiums gewissermaßen an Rom. Der Heiligtumsbezirk soll bereits von Servius Tullius außerhalb des Pomeriums (d. h. der geheiligten Stadtgrenze) angelegt worden sein und orientierte sich am Artemisheiligtum von Ephesos. 95 Die kulturelle Prägung Roms gleicht in den Anfangsjahrhunderten noch deutlich jener der Städte Etruriens (etwa die Anlage von Vulci). Neuartig innerhalb Roms ist jedoch die Konzentration auf ein städtisches Zentrum, das mit religiösen und verwaltungsspezifischen Aufgaben ausgestattet wird (siehe Forum Romanum). Ob nämlich die Etruskerstädte ein gegliedertes Forum besaßen, ist nicht gesichert. Die Wohnkultur war nach neueren Erkenntnissen im archaischen Rom durchaus weit entwickelt. Größere „Atriumhäuser“ konnten etwa am Fuß des Palatin nachgewiesen werden. Das Erscheinungsbild der Städte in Latium wirkt dann während des 5./4. Jh. v. Chr. deutlich bescheidener. Die Baukunst und die Gestaltung des öffentlichen Raumes hatten jedoch für Rom und für ein römisches Umfeld ihre Aufgabenbereiche gefunden.
Moribus antiquis res stat Romana virisque Auf den Sitten, den alten, steht fest gegründet der römische Staat – und auf seinen Männern. (Ennius, Fragment 156)
2. Kapitel Zeugnisse der frühen römischen Kunst Auch der folgende Abschnitt der Kunst des alten Rom gibt sich keineswegs geradlinig zu erkennen. Einen Grund für diese Einschätzung bildet die lückenhafte Überlieferung von Bauten und Bildwerken aus den Anfangszeiten der Republik. Es gilt zunächst zu beobachten, welche Denkmäler sich überhaupt erhalten haben. Gleichermaßen wichtig werden die literarischen Quellen zu diesen frühen Jahrhunderten. Aussagen der Schriftsteller sollen hinsichtlich einzelner Staatsdenkmäler, der Statuenaufstellungen und der Gemälde überprüft werden. Für die Architektur dieser Epoche zeichnet sich folgendes Bild ab: Wurden bereits in den Anfangszeiten Roms öffentliche Bauten geschaffen, die eine Zukunftslinie für die Stadt aufwiesen, so wurde es in der Folge zur Aufgabe Roms, Modelle städtischen Lebens für Italien zu entwickeln. Die Kunst und ihre Gattungen standen dabei zur Gänze unter den Vorgaben des „Gemeinwesens“. Ein deutlicheres Bild der Überlieferung zeichnet die römische Geschichte. Diese handelt von der Herausbildung eines römischen Staates, einer damit verbundenen spezifisch römischen Anschauung und schließlich vom selbstbewussten Auftreten der Römer in Mittelitalien und auf der gesamten italischen Halbinsel. Am Beginn der uns bekannten Geschichtsschreibung stehen Überlieferungen zur Stadt Rom sowie zu herausragenden Persönlichkeiten der römischen Geschichte. Erzählungen über heldenhafte Taten und Leistungen in der Frühzeit bildeten einen Nährboden für die spätere römische Anschauung. Auch die spätere Kunst Roms wird im Umfeld dieser Überlieferungen, etwa in Form von Historiengemälden oder Ehrenstatuen von Persönlichkeiten des Staatswesens, angesiedelt. Rom zeigt sich als ein aus eigener Leistung heraus geschaffener Bürgerstaat. Wer die Besonderheiten einer späteren römischen Kunst begreifen will, sollte sich daher die Geschichten und Überlieferungen zur frühen Republik vor Augen halten.
Historischer Hintergrund Die Untergliederung der ersten beiden Abschnitte der Republik erfolgt nach den Phasen: Frühe Republik (509–367 v. Chr.) und Mittlere Republik (367–202 v. Chr.)
Innere Ereignisse: Die politische Geschichte Roms beginnt mit der Bildung der res publica und ihrer Institutionen. Seit dem Sturz der Könige ist Rom mit der Aufgabe des Interessensausgleichs im Inneren befasst. Zwei Mal, so heißt es, zog die Plebs aus Rom aus und brachte damit das öffentliche Le-
ben zum Stillstand. Durch die Gesetzgebung der volksfreundlichen Konsuln L. Valerius und M. Horatius erfolgte während des mittleren 5. Jhs. eine Beruhigung der Situation. Eine dieser Maßnahmen bildete die Stärkung des Volkstribunates (Livius 3, 30.7). Das bekannte, aus dieser Zeit stammende Zwölf-Tafel-Gesetz enthält als Gewohnheitsrecht in erster Linie rigide Standesvorschriften. So wurde weiterhin um eine Aufhebung des Heiratsverbotes zwischen Patriziern und Plebejern gerungen, was schließlich durch die lex Cornelia erreicht wurde. Auch Grundzüge des Wahlrechts bilden sich in der frühen Periode der Republik heraus.
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2. Kapitel
Das Stimmrecht wurde nun nach Hundertschaften der Bevölkerung (centuriae; comitia centuriata) geregelt. Nach einem neuerlichen Aufstand der Plebejer im Jahre 439 v. Chr. erreichen die Folgegenerationen Zugeständnisse vom Adel, die das Zusammenleben der Bevölkerungsklassen endlich verbessern: • 367 v. Chr.: Das höchste Staatsamt (Konsulat) wird auch Plebejern zugänglich. • 300 v. Chr.: Die lex Valeria de provocatione ermöglicht die Anrufung der Volksversammlungen als Gerichtshof. • 287 v. Chr.: Die lex Hortensia führt zur Anerkennung der Beschlüsse der Plebejerversammlung (plebiscita) als bindend für den Gesamtstaat. Der lange währende Ständekampf in Rom endete so mit dem Ergebnis tragfähiger politischer Grundkonstellationen und verfassungsmäßiger Einheiten. Ein äußeres Zeichen bildete 367 v. Chr. die Errichtung des ersten Concordia-Tempels (d. h. eines Tempels der „Eintracht“) auf dem Forum Romanum (Abb. 627 48102).
Äußere Ereignisse:
• 496 v. Chr.: Schlacht am See Regillus (Dioskuren-Tempel, Juturna-Quelle) • 495 v. Chr.: Das foedus Cassianum (d. h. „Bündnisvertrag“) mit den latinischen Städten sichert Rom eine Vorrangstellung in Latium. • 474 v. Chr.: Sieg der Griechen bei Cumae über den etruskischen Flottenverband. In der Folge Niedergang der etruskischen Vormachtstellung in Mittelitalien. Rom beginnt daraufhin mit seiner eigenen Expansionsspolitik und erobert im Zuge dessen etruskische Zentren (z. B. Fidenae im Jahre 426 v. Chr.). Nach mehrjährigem Krieg nimmt Camillus die Stadt Veji (396 v. Chr.) ein. Rom verdoppelt damit sein Territorium. Kunstwerke aus der Kriegsbeute gelangen nun erstmals verbürgt nach Rom. Um die Eroberung Vejis durch Camillus ranken sich zahlreiche Legenden (Livius
5, 19). So wurde vor den Kriegshandlungen auch das Orakel von Delphi befragt; ein Faktum, das uns die Einbindung Roms in den religiös-kulturellen Kontext der Mittelmeerwelt vermittelt. Mit der Zerstörung Vejis und der Schleifung seiner Stadtmauern betrat die römische Politik Neuland. Römische Siedler übernahmen nämlich das staatliche Territorium der unterlegenen Stadt. Nach Livius (5,30) erhielten frei geborene Plebejer Parzellen von je sieben iugera (ca. 2 ha). Rom greift aber auch weiterhin ins etruskische Kernland ein. 351 v. Chr. fällt das etruskische Caere, die wohl bedeutendste Handelsmetropole nördlich von Rom. Auseinandersetzungen mit den Bündnisstädten in Latium führen während der zweiten Hälfte des 4. Jhs. zur Übernahme weiterer Territorien und damit zur endgültigen Überlegenheit Roms. 338 v. Chr. kommt es zur berühmten Seeschlacht von Antium gegen die Latiner (Schiffsschnäbel bei den Rednertribünen am Forum Romanum). Zu Beginn des 4. Jhs. v. Chr. erfolgen gallische (d. h. keltische) Invasionen in Italien. Nach der Brandschatzung Roms (387 v. Chr.) gewinnt die Stadt jedoch rasch neuen Aufschwung. Der damals errichtete Befestigungsring von 11 km Umfang (Servianische Stadtmauer) stellt die bedeutendste Wehranlage außerhalb der griechischen Kolonisationsgebiete dar. Die Wiedererrichtung von Wohnsiedlungen innerhalb der Befestigungsmauern Roms erfolgt nach Livius „ohne ordnende Vorgaben“ (Livius 5,55.2–5). Rom ist daher, im Gegensatz zu römischen Koloniestädten, keine Planstadt mit rechtwinkligem Straßennetz und einer klaren Aufteilung seiner Wohnbezirke. Der Stadtstaat wird somit zum Territorialstaat. Die Stellung Roms innerhalb Italiens trägt bereits den künftigen Konflikt mit Karthago mit sich. Zwischen 326 und 290 v. Chr. werden in mehreren Einzelkriegen die Samniten in Mittel- und Unteritalien unterworfen. Mit einzelnen samnitischen Stämmen können
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
Föderalverträge (Bundesgenossenschaftsverträge) abgeschlossen werden. Neu angelegte latinische Kolonien im Gebiet sichern den römischen Herrschaftsanspruch. Bestehende Städte in Kampanien werden zu Munizipien. Durch die Vermehrung des Staatslandes und dessen Verteilung an Kolonisten (colonus = Wehrbauer, Kolonist), wird die soziale Not im Inneren gemildert. Seit dem Ende des 4. Jhs. (312 v. Chr.) erschließt die Via Appia wesentliche Teile Italiens von Rom aus in den Süden.
Ein heroisches Zeitalter Wie soll man einen Zeitabschnitt charakterisieren, den die Römer selbst wohl als ihr heroisches Zeitalter eingestuft hätten, aus dem sich jedoch fast keine kulturellen Hinterlassenschaften erhalten haben? Die Erringung der Vorrangstellung in Latium sowie die Auseinandersetzung mit den etruskischen Nachbarn kennzeichnen außenpolitisch den ersten Abschnitt der Republik. Nach dem Ständeausgleich im Inneren (367 v. Chr.), erfolgt die erste Phase der Expansion in Mittelitalien. Das späte 4. Jh. v. Chr. wird durch eine Reihe von Kriegen mit den Samniten beherrscht (Abb. 3176). Am Ende dieses Abschnitts, also im frühen 3. Jh. v. Chr., gerät Rom in Konflikt mit der griechischen Stadt Tarent, die wiederum König Pyrrhos von Epirus zu Hilfe ruft. Dieser erste „internationale Konflikt“ Roms bewirkt eine innerstaatliche Auseinandersetzung über die Grundlagen des Gemeinwesens, seine Gesellschaft und seine kulturellen Normen. Die Ereignisse der römischen Frühgeschichte wurden unlösbar mit heldenhaften Entscheidungen und dem Mut einzelner „Protagonisten“ verbunden. Die Erzählungen davon haben das Bild der römischen Republik im Sinne eines kompromisslosen Einsatzes herausragender Gestalten um das Gemeinwohl geprägt. Ein Beispiel dafür bieten etwa die Geschichten um Cincinnatus oder um Coriolan, die hier herausgegriffen werden sollen. Die Co-
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riolan-Begebenheit wurde Jahrhunderte später von keinem Geringerem als William Shakespeare dramatisiert. Unser Bild vom römischen „Heldenzeitalter“ wird damit nicht zuletzt durch neuzeitliche Gedankengänge bestimmt. Barocke Gemäldezyklen werden, um weitere Beispiele zu nennen, förmlich von Themen der römischen Frühzeit beherrscht, welche die Tugenden der führenden Gestalten Roms preisen. Die römische Republik wird in der Folge sogar zum „Leitbild“ für die Kunst um 1800. Der französische Klassizismus und die Vertreter einer „Revolutionsmalerei“ (etwa JacquesLouis David) erheben, deutlicher noch, als man es zuvor versucht hatte, „Persönlichkeiten“ der römischen Frühzeit zu Vorbildern eines erneuerten Staatswesens. So kommt es, dass wir Bilder und Vorstellungen aus den Anfangszeiten Roms in uns tragen, obwohl es keine zeitgenössischen Illustrationen aus dieser Periode gibt (und auch geben kann). Vergeblich sucht man selbst unter den erhaltenen Zeugnissen der frühen römischen Kunst nach konkreten historischen Verbindungslinien. Bleiben wir bei einem konkreten Beispiel. Ganz im Sinne unserer Spurensuche nähern wir uns einer der markantesten Persönlichkeiten des frühen Rom: L. Quinctius Cincinnatus (Abb. 25). Dieser bekleidete im Jahr 460 v. Chr. das Konsulat. Seine erste Diktatur übernahm er zwei Jahre später auf Senatsbeschluss, als Rom von den Bergvölkern seiner Umgebung (d. h. von den Sabinern, Volskern, Aequern) bedroht wurde. Die Überlieferung erzählt, dass die Gesandten des Senates Cincinnatus just bei der Bestellung seiner Felder antrafen. Die Übernahme der Kriegsleitung gegen die Feinde Roms verlangte Cincinnatus somit eine schwere Entscheidung ab. Sie bedeutete die Vernachlässigung seines Besitzes sowie seiner Familie. Ohne Zögern erfüllte er dennoch seine Pflicht dem Staat gegenüber und besiegte die Feinde innerhalb von 16 Tagen. Dann gab er die Macht (das imperium) unverzüglich an die Volksvertreter zurück. Dieses Verhalten wurde stets als Musterbeispiel römischer Tugend weiter über-
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2. Kapitel
liefert (z. B. Livius 3,26; Cato 56; Columella, De re rustica 1, praefatio 13). Durch die Vermittlung der lateinischen Literatur erhielten solche exempla des alten Rom im Zeitalter der Aufklärung natürlich hohen Bekanntheitsgrad. Im Zuge der amerikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen etwa, als die leuchtenden Vorbilder einer altrömischen Gesinnung begeistert aufgegriffen wurden, verwendete man Cincinnatus für die Namensgebung einer Stadt: Cincinnati (Ohio). Bei der Coriolan-Geschichte aus den Anfangsjahren der Republik hingegen geht es um die Rolle der römischen Bündnisstädte. Bald nach der Vertreibung der Tarquinier hatte die Republik politische Rückschläge sowie Gebietsverluste hinzunehmen. Eine ernsthafte Bedrohung kam vom Bergvolk der Volsker, das im Süden Roms beheimatet war. Dieses trieb einen Keil zwischen die Latiner und die Bevölkerung der römischen Campagna. So hatten sich die Volsker laut Livius (2,22) bald in Terracina oder in Städten wie Cora und Pometia breit gemacht. Einem römischen Kriegshelden mit Namen Cn. Marcius Coriolanus gelang es, Cori wiederum für die Römer einzunehmen. Für seinen Einsatz wurde er jedoch in Rom nicht geehrt. In seinem Ehrgeiz gekränkt, lief er zu den Feinden über und führte die Soldaten bis vor die Mauern Roms. Nur durch die Bitte seiner Mutter ließ er sich von der Eroberung der Heimatstadt abhalten. Die Episode spiegelt die gefährdete Lage Roms in den ersten Jahrzehnten seines unabhängigen Bestehens. Rom musste in der Folge bemüht sein, einen „Kranz von Städten“ unter seiner Herrschaft zu bilden. Damit wird – bei historischer Betrachtung der Coriolan-Begebenheit – auch das Kapitel eigenständiger römischer Muster für seine Eroberungspolitik aufgeschlagen. Das wichtigste Kapital der Bündnispolitik Roms bildeten zunächst die Territorien und Städte der Latiner. Die Latiner stellten bis zum römisch-latinischen Vertrag des Jahres 495 v. Chr. (foedus Cassianum) die bei weitem größte Bedrohung dar. Auszüge aus diesem ersten
Föderalvertrag Roms finden sich bei Dionysios von Halikarnassos (6,95). Die Auseinandersetzungen innerhalb des mächtigen Städtebundes dauerten jedoch noch für etwa eineinhalb Jahrhunderte an. Erst mit dem Latinischen Krieg (340–338 v. Chr.) wurde der Bund aufgelöst und ein nicht unbeträchtlicher Teil des Gebietes durch Rom annektiert. Latinische Kolonien behielten formell und juristisch jedoch ihre Unabhängigkeit („Latinisches Recht“). Wichtig für diesen Abschnitt des 5./4. Jhs. v. Chr. wird die Herausbildung der latinischen Städtekultur und die Entwicklung eines Musters der römischen Koloniestadt. Dieses sollte am Ende des 4. Jhs. bei Küstenstädten wie Ostia oder Terracina (coloniae maritimae) zum Einsatz kommen. 1 Der folgende Abschnitt einer militärischen Expansion sollte jedoch nicht ausschließlich als Unterwerfungsakt anderer Völkerschaften unter die römische Staatsgewalt verstanden werden. Rom entwirft vielmehr im Zuge seiner Ausdehnung eine Rechtsordnung, welche die Bürger der eroberten Städte zu römischen Bürgern, andere zu Bundesgenossen (socii) macht. Das verbriefte Recht bildet den Hintergrund und die Erfolgsgarantie für das spätere Auftreten Roms in Italien.
Die republikanischen Ämter „Von den Taten des freien Römervolkes in Frieden und Krieg, von seinen jährlich wechselnden Beamten und der Herrschaft der Gesetze … will ich nun berichten.“ So lässt Titus Livius seine Darstellung der Geschichte der römischen res publica beginnen. Doch wovon römische Historiker felsenfest überzeugt waren, nämlich den tragenden Säulen des eigenen Staatswesens und dem Ordnungsmuster seiner Gesellschaft, lässt sich für die Anfangszeit noch wenig Konkretes festhalten. Der Aufbau der römischen Republik erfolgt in mehreren Stufen und ist zugleich als Ergebnis lange anhaltender, gesellschaftlicher Konflikte zu sehen. Für die Betrachtung wird zunächst die Einteilung der Be-
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Abb. 25: Cincinnatus und die Gesandten des Senates. Gemälde von Juan Antonio Ribera y Fernández, ca. 1804. Madrid, Museo Nacional del Prado.
völkerung wichtig: Das Stadtgebiet Roms wurde räumlich in 21 (später 35) tribus-Einheiten („Volksabteilungen“) unterteilt. Aus der Versammlung der Tribus erfolgte auch die Heeresaufstellung (insgesamt 193 centuriae). Diese nach Vermögensklassen erfolgte Gliederung des Heeres wurde durch 18 Reiterstaffeln, die der Adel stellte, sowie 80 Hoplitenzenturien, die von den Großgrundbesitzern ausgestattet wurden, ergänzt. Die Republik wurde von den Konsuln (consules) geführt. Diese erhielten die Befehlsgewalt (imperium) auf ein Jahr. Der ihnen zur Seite stehende Senat, der sich aus den „Häuptern“ der alten Familien, den ehemaligen Konsuln und schließlich den Vertretern der Plebejer zusammensetzte, umfasste 300 Mitglieder. Der Senat erteilte (später) dem römischen Magistrat alle Weisungen. Die Beamtenschaft
wurde aus den jeweiligen Volksversammlungen (comitia) heraus gewählt. Diese wiederum setzten sich nach Kurien, Tribus und Zenturien zusammen (Kurienkomitien, Tributkomitien, Zenturiatkomitien). Zusätzlich gab es eine eigene plebejische Standesversammlung. Die Konsuln erhielten die Befehlsgewalt über Heer, Gerichtsbarkeit und Staatsfinanzen. Für die Rechtsprechung zwischen den Bürgern zeichnen Prätoren (Richter) verantwortlich. Die Ädilen waren für die Bauten, die Aufsicht der Märkte und die Ausrichtung der Spiele verantwortlich. Quästoren beaufsichtigten die Staatskasse. Historiker, die uns über diese frühe Periode berichten, sind Q. Fabius Pictor und Cn. Naevius in Rom. Der Grieche Timaios von Tauromenion (Taormina) interpretiert ebenfalls die Geschehnisse in Rom. Nach den Ereignissen des
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2. Kapitel
Jahres 275 v. Chr. (Pyrrhoskrise) werden die Römer verstärkt von den Griechen als die aufkommende Zentralmacht Italiens wahrgenommen. Der nach Rom als Geisel gelangte griechische Historiker Polybios sollte Mitte des 2. Jhs. v. Chr. das Wesen der römischen Republik durch folgende Eigenschaften hervorkehren (Historien 6,52.5): „Deshalb muss man auch in dieser Beziehung die römische Verfassung mehr bejahen (…). Für die Römer (im Gegensatz zu den Karthagern) hängt die Freiheit immer von der eigenen Tapferkeit und von der Unterstützung durch die Bundesgenossen ab.“ An anderer Stelle lobt dieser zum Römer „bekehrte“ Grieche gleichfalls die Vorteile der römischen Verfassung, da diese gewaltenmäßig ein Mittelding zwischen „Königtum“ (Konsuln), „Oligarchie“ (Senat) und „Demokratie“ (Volk) bilde.
Ausgangslage der Kunst Unterschiedliche Einflüsse bestimmen die Bauvorhaben der jungen römischen Republik. Der Ceres-Tempel des Jahres 485 v. Chr. wird von den wahrscheinlich aus Syrakus stammenden Künstlern Damophilos und Gorgasos mit Gemälden ausgestattet. Für diesen Tempel wird auch eines der ersten uns überlieferten Kultbilder aus Bronze geschaffen. Für den politischen Charakter einer solchen Tempel-Stiftung sprechen die diesbezüglichen Angaben bei Plinius (Naturalis historiae 34,15): „Hierauf verlegte sich die Kunst allgemein und überall auf Götterbilder. Ich finde, dass in Rom die erste Bronzestatue für Ceres angefertigt wurde, und zwar aus dem Vermögen des Spurius Cassius, den sein eigener Vater aus dem Wege räumen ließ, weil er nach der Königswürde strebte.“ Ceres oder Demeter, die für Fruchtbarkeit und damit die ausreichende Ernährung der Bevölkerung angerufen wurde, wandelt sich in Rom zugleich zur Walterin republikanischer Gerechtigkeit. Die Wurzeln des Ceres-Kultes lagen dabei selbstverständlich in Unteritalien und vor allem auf Sizilien, das zur ersten römischen Provinz werden sollte.
Griechischer Einfluss zeigt sich in Rom immer wieder, so als gegen Ende des 4. Jhs. v. Chr. beim Comitium am Forum Statuen des Pythagoras und des Alkibiades, des „weisesten und des tapfersten aller Griechen“, aufgestellt werden (Plinius, Naturalis historiae 34,26). Der Grund dafür dürfte wohl in den diplomatischen Gepflogenheiten Roms zu suchen sein. Von einer erhöhten Plattform – der sogenannten Graecostasis – aus konnten ausländische Gesandtschaften am Comitium die Verhandlungen des römischen Senates mitverfolgen. Eine Festigung des römischen Eigenweges zeigt sich insbesondere in der Vergabe der Statuenehrungen sowie in der Praxis der Triumphalgemälde, die nach einem errungenen Sieg an öffentlichen Gebäuden angebracht wurden. 2 Eine von Dionysios von Halikarnass erwähnte Bronzestatue des Horatius Cocles (d. h. der „Einäugige“) am Forum (5,25.2), kann wahrscheinlich mit dessen von Livius angeführter Statue beim Comitium (2,10.12) gleichgesetzt werden. Dieser Volksheld soll in den Anfangsjahren der Republik alleine die Tiberbrücke gegen die nach Rom vorrückenden Etrusker verteidigt haben. Bereits für das Jahr 439 v. Chr. wird die Statue des Getreideaufsehers L. Minucius Augurinus (Plinius, Naturalis historiae 18,15; 34,21–23) erwähnt. Im Jahr darauf erhalten die sogenannten „fidenischen Gesandten“ Ehrenstatuen bei den Rostra (d. h. der Rednertribüne). 3 Dabei handelte es sich um in Ausübung ihrer Mission in Fidenae ermordete Gesandte des römischen Senates. Vielfältig in ihrer Formgebung, boten sich mehrere Anlässe für staatliche Triumphalmonumente: „C. Duilius, der als erster einen Seetriumph über die Punier feierte (260 v. Chr.), wurde eine noch jetzt auf dem ‚Marktplatz‘ stehende Säule gewidmet“ (Plinius, Naturalis historiae 34,20–21). Und weiter: „Der Zweck der Säulen bestand darin, dass man über die übrigen Sterblichen erhoben wurde, was nach einer neuerlichen Erfindung auch die Triumphbögen verkünden“ (Plinius, Naturalis historiae 34,27). Von der berühmten Duilius-Säule und den Tempelstiftungen dieses
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
Mannes in Rom wird an anderer Stelle noch einmal die Rede sein (siehe 3. Kapitel). Die Aussagen des Plinius bestätigen solche Neueinführungen von öffentlichen Denkmälern in Rom, welche dann noch in der Kaiserzeit zum Grundrepertoire der Kunst zählen sollten (Triumphsäulen des Trajan und Marcus Aurelius, Abb. 187315) sowie die Triumph- und Ehrenbögen der Kaiserzeit, Abb. 159277). Noch vom Ende des 4. Jhs. v. Chr. stammen auch die angeblich ersten bronzenen Reiterstatuen auf dem Forumsplatz, jene des F. Camillus und des C. Maenius. Prägend für die Aufstellungspraxis von statuarischen Denkmälern in Rom wird auch das von den Feldzügen mitgebrachte und bei den Triumphzügen vorgezeigte Beutegut. Dem kapitolinischen Iuppiter werden so Kunstwerke aus Kriegsbeute dargebracht. Erwähnt wird etwa eine Heraklesstatue, die im Samnitenkrieg des Jahres 305 v. Chr. auf das Kapitol gebracht wurde (Livius 9,44.16). Die 264 v. Chr., nach der Einnahme von Volsinii, nach Rom abtransportierten Statuen (Plinius, Naturalis historiae 34, 34) gingen bereits in die Hunderte. An der Curia Hostilia, dem ältesten Senatsgebäude in Rom (Abb. 48102), wurden einzelne Schlachtengemälde angebracht, die der Bevölkerung die Erfolge des Heeres und Einzelleistungen seiner Heerführer erläutern sollten (Plinius, Naturalis historiae 35,22–25). Berühmt darunter war ein Gemälde des Messala, das den Krieg gegen Karthago minutiös schilderte. Wahrscheinlich wird man dahinter die Anfänge eines römischen Erzählstils sehen können. Es ist durchaus plausibel, dass wir anhand der Wiedergabe solcher Kriegshandlungen in Grabanlagen der römischen Aristokratie in Form von Malereien eine Vorstellung von den verlorenen Schlachtengemälden gewinnen können (Abb. 3176).
Beispiele frührömischer Bautechnik Segni (Signia) bildet eines der frühen Zentren der römischen Machtentfaltung. 4 Es handelt
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sich dabei um eine Bergstadt mit markanten Überresten republikanischer Architektur (Abb. 26). Segni ist im Bereich der Lepini-Berge gelegen, die das Sacco-Tal (in der Antike hieß der Fluss Tolerus) überblicken. Damit beherrschte dieser Ort auch die Via Latina und bildete so eine Schlüsselposition für das Territorium des frühen Rom. Den antiken Quellen nach (Livius 1,56.3; Dionysios von Halikarnassos 4,63) soll bereits Tarquinius Superbus die Stadt unter römische Kontrolle gebracht haben. Vergleicht man solche Angaben mit einer Reihe von weiteren Städten im Latiner-, Sabinerund Volskergebiet (Gabii, Tusculum, Pometia) bis hin zum 110 km von Rom entfernten Circeii, so werden die Konturen jenes Einflussgebietes sichtbar, das sich Rom eventuell noch zur Zeit des letzten Tarquiniers geschaffen hatte. Es gibt weiterhin eine, allerdings nicht unumstrittene Angabe des griechischen Historikers Polybios zu einem Vertrag zwischen Rom und Karthago, geschlossen in den Anfangsjahren der Republik, in dem offenbar das Abhängigkeitsverhältnis von Städten in Latium zu Rom festgeschrieben wurde. Vom Anlageprinzip solcher frühen Städte in der Nähe Roms wissen wir anhand von Bauuntersuchungen leider noch zu wenig. 5 Das, was wir innerhalb der Baugeschichte der mittleren Republik beobachten können, mag in gewissem Maß jedoch auch schon in Zeit vorher gegolten haben. 6 Zu den frühesten Koloniegründungen der Römer mit teilweise erhaltenen Befestigungsanlagen zählen: Alatri, AnxurTarracina/Terracina, Circei/Circeo, Cora/Cori, Norma/Norba, Signia/Segni, Ferentinum/Ferentino, Alba Fucens (302 v. Chr.) und Cosa (273 v. Chr.). Das Schema von Küstenkolonien (coloniae maritimae) vertreten Ostia (330 v. Chr.) und Minturnae/Minturno. 7 Ausschlaggebend für das Erscheinungsbild solcher Gründungen sind erhaltene Abschnitte von Stadtmauern, die aus verschiedenen Zeiten stammen. 8 Stadtanlagen der frühen Periode wurden durch gewaltige Befestigungsmauern, die größtenteils in der sogenannten Polygonaltechnik errichtet wurden,
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2. Kapitel
Abb. 26: Segni, Kirche und Tempelstrukturen nach einem Stich des frühen 19. Jahrhunderts.
gesichert (Abb. 3682). Es handelt sich dabei um eine Form der Mauertechnik, die sowohl im griechischen Raum als auch bei den Städten der Etrusker ihre Anwendung fand. In der fortgeschrittenen Ausprägung dieser Technik bedeutete dies, Polygonalblöcke aus Kalkstein möglichst so aneinander zu fügen, dass kaum mehr Zwischenräume entstanden. Eine weitere, nicht minder aufwändige Technik der Mauerführung bildete das sogenannte opus quadratum. Dabei wurden regelmäßige Quader in horizontaler Schichtung übereinander getürmt und zum Teil verklammert. Die regelmäßige Bildung eines doppelschaligen Mauerwerkes erfolgt nach dem System von Läufern und Bindern. Die erste durchgehende Stadtbefestigung Roms, die nach dem Galliersturm des Jahres 387 v. Chr. errichtete sogenannte Servianische Stadtmauer, wurde in eben dieser Bauweise gestaltet (Abb. 2972). Der Baufortschritt in Rom, der sich gerade durch dieses gewaltige Befestigungs-
werk zeigt, hatte auch Auswirkungen auf die Bauhütten in den römischen Koloniestädten. Der Unterbau und die Cellawände des hier gezeigten Tempels von Segni zeigen beide Formen der Mauertechnik. Baumaterialien für diese aufwendigen Techniken wurden an mehreren Orten gewonnen. In Rom beziehungsweise in den vulkanisch geformten Gebieten Latiums gab es reiche Vorkommen an weichem Steinmaterial. Dieser Tuff ließ sich leicht zu quaderförmigen Blöcken behauen. Die aus regelmäßigen Quadersteinen gebildete Mauerform (opus quadratum) stellt – wie betont – eine der Grundtechniken der frühen römischen Architektur dar. Auch Bauglieder wie Säulenschäfte und Kapitelle ließen sich ohne größeren Aufwand aus dem Tuffmaterial herausmeißeln. Damit konnte Rom auch den Formenkanon der griechischen Architektur übernehmen. Das bereits vorgegebene Repertoire an Bauordnungen, ermöglichte die künftige Formenvielfalt der Bau-
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
kunst in Rom. Jene Nutzung von Steinbrüchen in der Umgebung Roms gemäß ihrer zeitlichen Abfolge bildet weiterhin eine wichtige Quelle für die Geschichte der Baukunst. In anderen Gebieten des römischen Einflussbereiches bot die Natur hauptsächlich Kalkstein, der sich in unregelmäßige Blöcke spalten ließ. Das weit verbreitete Polygonalmauerwerk der frühen Städte ist Zeuge für diese Form der Materialgewinnung. Allgemein lässt sich anhand erhaltener Architekturreste der frühen Periode festhalten, dass die Bautechniken und Bauformen im römischen Einflussbereich vielfältig waren. Rom sollte sich in der Folge an der Weiterentwicklung dieser Techniken beteiligen und seine eigene Architektursprache entwickeln.
Das Beispiel eines frührömischen Tempels Der Tempel von Segni (Abb. 27) verkörpert in gewisser Weise die Fortsetzung jenes Weges, den Rom mit dem Kapitolinischen Tempel begonnen hatte. Der Grundriss vertritt ein römisches Anlageprinzip, ohne die extreme Monumentalität des Haupttempels in Rom zu erreichen. 9 Das Podium in Segni erreicht immerhin die stattlichen Maße von 40,3 auf 23,9 m. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat ein Wegbereiter der archäologischen Bauforschung in Italien, Richard Delbrück, den Tempel untersucht und die Bedeutung dieses Sakralbaues für die frühe Baukunst in Italien herausgestellt. Neuere Untersuchungen zu diesem Bau wurden vor wenigen Jahren vorgelegt. Der Tempel der Iuno Moneta stammt demnach aus dem 3. Jh. v. Chr. Es handelt sich um einen Bau mit dreifacher Cella, ein Charakteristikum, das in Etrurien und Latium nunmehr häufiger zu fassen ist, jedoch keinesfalls eine verbindliche Norm im Tempelbau darstellt. Sakralanlagen jener Zeit konnten in den alae (Flügeln) der Hauptcella etwa Kultgerät aufbewahren und mussten nicht zwingend einer Göttertrias Platz bieten. Der Tempel von Segni wirkt auf überraschende Weise gestreckt und
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Abb. 27: Segni: Grundriss des Tempels der Iuno Moneta.
vermittelt dabei klar die von Vitruv geforderte Zweiteilung des Fundamentes in eine pars antica und eine pars postica. Den Aufbau des Tempels dürfen wir uns, bedingt durch Säulen nicht allzu großer Höhe, gestreckt, mit einem breit vorkragenden Dach vorstellen. Verzierungselemente aus Ton bildeten den Schmuck des Tempels. Die Buntheit des Tempelschmuckes blieb Norm. Die im Aufbau der Kirche von Segni sichtbaren Quader der antiken Tempelanlage verweisen auf den technischen Fortschritt, der mit der Architektur dieser Periode einsetzt. Tempel dieser Art setzen auf eigenständige Weise jenen Weg fort, den Rom über seine etruskischen Nachbarn vermittelt bekommen hatte. Die Verbindungen zu Werkstättenkreisen in Etrurien blieben sicher bestehen, auch wenn sich allmählich eine eigene Note der Koroplastik in Latium herauszubilden beginnt. Die architektonische Gesamtanlage von Segni verkörpert dabei insgesamt die Grundanlage einer frühen Bergsiedlung und zugleich das selbstbewusste Auftreten latinischer Städte.
Die Konturen der Stadt Rom Auch in Rom erfahren seit dem Beginn der Republik die Tempel und Heiligtümer eine grundlegende Neuordnung. 10 Von den ersten Tempelbauten am Forum Romanum haben wir bereits gehört (siehe 1. Kapitel). Für die
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2. Kapitel
einfache Bevölkerung Roms (die Plebejer), sollte sich das Ceres-Heiligtum am Fuß des Aventin als religiöses Zentrum herausbilden. Ceres, der griechischen Demeter gleichgesetzt, stellte hinsichtlich der Getreideversorgung der städtischen Bevölkerung eine wichtige Gottheit dar. Der Diktator Postumius Albinus, der den für die Aristokratie wichtigen Castor-Tempel gelobte, soll 493 v. Chr. auch den Ceres-Tempel initiiert haben. Der Aventin wird in dieser Epoche immer mehr zum Wohngebiet für die einfacheren Bevölkerungsschichten. Außerhalb des Pomeriums lag hingegen das DianaHeiligtum, welches ein wichtiges Bundesheiligtum der Latiner darstellte (1. Kapitel). Auch das Gelände des Marsfeldes wird während der frühen Republik sukzessive für öffentliche Bauten erschlossen. Das Gebiet stand einst im Besitz der etruskischen Könige, die angeblich am Marsfeld auch ihre Grablegen besaßen (später die Kaiser-Mausoleen). Für das Marsfeld wird der dort gelegene Altar des Mars namensgebend (Livius 35,10.12). Die auf dem Marsfeld abgehaltenen Volksversammlungen (Centuriatscomitien, Census), machten die gesamte Zone zu einem wichtigen politischen Austragungsort. Vom Circus Flaminius am Marsfeld aus bewegten sich die Triumphzüge der siegreichen römischen Heere durch die Stadt. Auf dem südlichen Marsfeld wurde nach einer Pestepidemie und auf Geheiß der Sibyllinischen Bücher das Heiligtum des Apollo Medicus begründet (431–429 v. Chr.: Livius 4,25.3). Dieses Heiligtum wurde im Jahre 179 v. Chr. durch einen Neubau ersetzt um noch einmal in frühaugusteischer Zeit (siehe Apollo-SosianusTempel, Abb. 110203) als strahlender Marmortempel neu zu entstehen. 11 Bei diesem ApolloHeiligtum fanden wichtige Theateraufführungen und Spiele statt, für die während der ersten Jahrhunderte der Stadt einfache Holzaufbauten und Zuschauertribünen gezimmert wurden. Die Grundzüge der Bebauung Roms (Abb. 28) waren schon am Ende der Königszeit festgelegt worden. Neuere Ausgrabungen gaben archaische Großhäuser zwischen Palatin
und Forum frei, einem Gebiet, das selbst noch als „Prominentenviertel“ der Zeit der Republik gelten durfte. Vom vicus Iugarius führte die Straße zum Forum Boarium, der Handelszone der Stadt. Das Pomerium als ideale Stadtgrenze spielt für die Bebauung des Zentrums weiterhin eine maßgebliche Rolle. Die Errichtung der Servianischen Stadtmauer war die Konsequenz einer Katastrophe, welche Rom im frühen 4. Jh. heimsuchte: dem Galliersturm. Nach der Brandschatzung der Stadt durch kriegerische Kelten wurden die Stadtviertel neu, der Aussage des Livius zufolge, jedoch wenig planmäßig eingerichtet (Livius 5,55.3): Die Wiedererrichtung der Wohnsiedlungen innerhalb der Befestigung erfolgte angeblich „ohne ordnende Vorgaben“ (Livius 5,55.2–5). Die Servianische Stadtmauer fasst ein riesiges Gebiet ein, das auch erst gegen Ende der Republik zu klein für den Bevölkerungszuwachs Roms wurde. Der vorliegende Plan zeigt die wesentlichen Siedlungszonen hin zu den Hügeln der Stadt. Größere Flächen im Bereich von Esquilin und Caelius blieben innerhalb dieser Bebauung ausgespart. Während der Spätphase der Republik entstanden dort ausgedehnte Gartenanlagen und Stadtpaläste einzelner Aristokraten. Der Mons Palatinus bildete die vornehmste Wohngegend Roms. Die „Subura“ nordöstlich des Forumsplatzes und die dort angrenzenden Marktflächen bildeten hingegen eine Wohngegend der einfachen Leute. Auffällig ist, dass auch das Gebiet jenseits des Tiber (trans Tiberum, d. h. heute Trastevere) noch nicht als Wohngebiet ausgewiesen ist. Auch der Bereich des Marsfeldes liegt außerhalb der Siedlungsgrenze. Erst Kaiser Claudius ließ das Pomerium weit nach Norden, etwa bis zum Gürtel der späteren Aurelianischen Mauer, vergrößern. Außerhalb der Stadtmauern, im Bereich der großen Ausfallsstraßen (Via Appia, Via Latina, Via Labicana, Via Flaminia) befanden sich die Gräberbezirke der Stadt. Im Herzen der Stadt liegen die großen öffentlichen Plätze wie das Forum Romanum, das Forum Boarium (Rindermarkt) sowie das
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
Abb. 28: Rom, Plan der Stadt in republikanischer Zeit (nach Kähler).
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2. Kapitel
Abb. 29: Rom, Reste der »Servianischen Stadtmauer«.
Forum Holitorium (Gemüsemarkt). Von den Bauten innerhalb dieser Bezirke sowie jener am Marsfeld wird im Folgenden die Rede sein. Dieses bemerkenswerte Zeugnis einer Befestigungsmauer aus der römischen Frühzeit ist heute noch an mehreren Stellen der Stadt zu sehen (Abb. 29). Reste der Mauer erwarten den Besucher Roms gleich bei der Stazione Termini, dem römischen Zentralbahnhof, oder – wie in unserer Abbildung – auf dem Aventin. Es handelt sich dabei um einen Befestigungszug, der ein Areal von 426 ha einschloss. 12 Die gesamte Länge der Befestigung beträgt 11 km. Das übertrifft sogar die Größenordnung der meisten griechischen Stadtanlagen. Es gibt diverse Berechnungen zur Einwohnerzahl des frühen Rom, welche sich an der Größenordnung des von der Mauer eingefassten Areals orientieren. 13 Bei dichter Bebauung könnten dies an die 80 000 Einwohner gewesen sein. Anhand der zur Verfügung stehenden historischen Quellen (Centuriatslisten), ist man heute jedoch bedeutend vorsichtiger. Die Größenordnung der römischen Bevölkerung zu Beginn der Republik, ausgedrückt durch die Mannzahlen seines Heeres (Livius), wird ebenfalls als
übertrieben eingeschätzt. Man wird bei antiken Großstädten berücksichtigen, dass nicht die gesamte Fläche des zur Verfügung stehenden Baulandes durch Wohnviertel eingenommen wurde. Auch andere, archäologisch erfasste „Neugründungen“ des 4. Jhs. (z. B. Pompeji) wurden nicht vollständig bebaut, sondern es wurden beispielsweise Grünflächen als kommunales Areal ausgespart. Rom greift am Beispiel seines Mauerbaues ganz offenkundig auf die Erfahrungen des griechischen Städtewesens und der dort üblichen Befestigungstechniken zurück. Vermutet wird dies anhand der Verwendung griechischer Buchstaben-Marken bei der Verlegung der Mauerblöcke. Griechische Werkmeister könnten sogar bei der Errichtung des Mauerzuges mitgewirkt haben. Livius berichtet von staatlicher Beauftragung zu diesem Befestigungswerk seitens der Zensoren (1,26). Nach seinen Angaben waren für die zügige Ausführung des gesamten Mauerzuges innerhalb von 20 Jahren (bis 357 v. Chr.) Einheiten des Heeres und in organisatorischer Hinsicht sogenannte Staatspächter zuständig. Mit Staatspächtern könnten wir heute Baufirmen vergleichen, die zwar im Auftrag des Staates, aber mit eigener Kapitalabdeckung handeln. Für die Errichtung der Befestigungsanlage in Rom wurden übrigens die Steuern erhöht. Der Verlauf dieser Mauer folgt in weiten Teilen einer älteren Mauer aus CappellaccioTuff. Es handelt sich dabei um ein in Rom anstehendes, sehr grobkörniges Material, das bei Bauten der Königszeit, etwa dem Iuppiter-Tempel, zum Einsatz kam. Die nach dem Galliereinfall geschaffene Mauer besteht hingegen aus Grotta-Oscura-Tuff, einem graugelben, sehr porösen Material. Die entsprechenden Steinbrüche konnten erst nach der Eroberung Vejis ausgebeutet werden. Generell wird angenommen, dass die bereits vor dem Galliersturm erfolgte Eroberung Vejis und eine damit verbundene Ausbeutung der dortigen Salinen zu einem „Kapitalzuwachs“ in Rom führten. Als Baumaterialien dieser Zeit kamen im allgemeinen Tuff aus Fidenae und jener von den Grotte
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
Oscure bei Veji zum Einsatz. Die Steinbrüche liegen nördlich von Rom, nicht weit vom Tiber entfernt. Das Material konnte demnach auf dem Flussweg transportiert werden. Die Mauerabschnitte der Servianischen Stadtmauer wurden im sogenannten „AggerSystem“ geschaffen, was bedeutet, dass der Aushub des Erdmaterials aus dem Wehrgraben vor der Mauer (agger) als Hinterfüllung der eigentlichen Mauer benutzt wurde. Die Mauerblöcke der Befestigung wurden so angeordnet, dass Läufer- und Binderschichten im Aufbau wechseln. Die Blöcke selbst sind etwa 60 cm hoch. Die Mauer erreichte abschnittsweise eine Höhe vom 10 m und eine Stärke von 4 m. Untersuchungen haben ergeben, dass einzelne Bauhütten für bestimmte Mauerabschnitte zuständig waren. Die Blöcke erhielten, wie bereits angemerkt, Werkzeichen und Buchstaben, die als Versatz- und Kontrollmarken dienten. Die Mauer musste im Laufe der wechselvollen Geschichte Roms mehrfach ausgebessert werden, umschloss jedoch bis zur Errichtung der Aurelianischen Mauer (Abb. 211341) die Kernzone der Stadt. Der auf Abb. 1541 sichtbare, der Mauer aufgesetzte Rundbogen bezeichnet eine „Schießkammer“ der spätrepublikanischen Zeit. Die gewaltige Anstrengung, welche die Politik nach der Brandschatzung Roms mit dem Mauerbau unternahm, zeigt, dass das Gemeinwesen durchaus intakt war. Es mussten erhebliche Mittel vorhanden gewesen sein, um dieses Meisterwerk der Urbanistik baulich umzusetzen. Rom strebte danach, ein führendes und vor allem unabhängiges Zentrum mit eigenem Staatsland zu bilden. Schon bald nach den Ereignissen des Galliereinfalles wurde ein Bündnisvertrag mit den Samniten im Süden angestrebt (354 v. Chr.), der jedoch kurz darauf in einen langwierigen Krieg einmündete. Ein weiterer Bündnisvertrag mit den Karthagern (348 v. Chr.) hatte ursprünglich das Ziel, die Interessenssphären in Italien großzügig abzustecken. Der Konflikt mit Karthago war jedoch auf die Dauer unausweichlich.
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Nach dem Galliersturm wurden in Rom weitere Tempelanlagen errichtet. Auch der in Mitleidenschaft gezogene Kapitolstempel musste erneuert werden. Einer der wichtigsten Neubauten, von dem wir bereits gehört haben, war der Tempel der Concordia am Forum Romanum (Abb. 627 48102). Dieser wurde nach der Beendigung des Ständekampfes durch die sogenannten Licinisch-Sextischen Gesetze im Jahre 367/366 v. Chr. errichtet. Er entstand im Auftrag eines gewissen L. Furius Camillus. Von der ersten Phase des Tempels haben sich Blöcke aus Grotta-Oscura-Tuff erhalten. Diese wurden – wie üblich – im Podium des Tempelneubaus des Jahres 121 v. Chr. wiederverwendet. Auch dieser Tempel wurde zu einem späteren Zeitpunkt durch Tiberius vollständig durch einen Marmortempel ersetzt. Auf dem Burghügel Roms, der Arx, wurde im Jahr 345/344 v. Chr. der Tempel der Iuno Moneta (Mahnerin) errichtet. Das Tempelareal befand sich auf den niedergerissenen Mauern eines Privathauses des Politikers Manlius Capitolinus. Dieser leistete große Dienste für Rom während der Zeit des Galliersturms. Er wurde jedoch später wegen angeblicher Vergehen gegen den Staat zum Tode verurteilt. (Frank Kolb nimmt an, dass dies die Phase des Rückzugs der Aristokratie von der Wohnfläche am Kapitol bedeutet.) Der Tempel der Iuno Moneta erhielt insofern weitere Bedeutung, als sich in seiner Nähe die Prägestätte römischer Münzen befand. Wenn wir heute noch von „Moneten“ sprechen, so hat dies seinen Grund in der Benennung des Tempels. Auch das Comitium, der Versammlungsplatz am Forum Romanum, wurde nach dem Galliersturm vergrößert, behielt jedoch wahrscheinlich seine rechteckige Form bei (Abb. 49103). 14 Auf dem Forumsplatz wurde nun ebenfalls eine Rednertribüne errichtet. Diese wurde nach dem Sieg der Römer bei Antium (338 v. Chr.) durch C. Maenius mit den Schiffsschnäbeln (rostra) der erbeuteten Schiffe verziert und erhielt danach auch ihren Namen (d. h. Rostra). Derselben Persönlichkeit,
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C. Maenius, wurde die sogenannte nte columna l Einfache Gestaltungsmittel Maenia, die erste uns überlieferte Triumphalder Kunst säule Roms, gewidmet. Von dieseen Denkmälern hat sich allerdings außer DarstelDas lebensgroße Standbild einer Göttin lungen auf Münzen nichts mehr mag zu unächst aufgrund seiner ungelenerhalten. 15 Umstritten bleiben auch ken Prooportionen und Ausdrucksformen h die weiüberrasschen (Abb. 30). Es als primitiv teren Umbauten des Comitium. 16 In unmittelbarer Nähe dieses Platzes für einzustufen, wäre jedoch ebenso n die Volksversammlungen befanden verfrüht, wie aus solchen vereinsich die Curia und das Senaculum: zelt erhalten gebliebenen Werken Orte, an denen sich die Senader Koroplastik Rückschlüsse auf die gesamte Kunstentwicklung toren zu ihren Beratungen einfanden. Die Griechenstädte im LLatiums im 4. Jh. v. Chr. zu zieSüden besaßen kreisrunde sogenan nnte h 19 Die leicht überlebensgroße hen. Ekklesiasteria (z. B. Metapont). Filip ppo Statue der Göttin stammt aus Coarelli nimmt an, dass erst mit der dem Minervaheiligtum von Lavid Einführung einer Sonnenuhr (263 nium bei Rom. Es handelt sich dan v. Chr.) unmittelbar beim Comitiium bei um die Darstellung einer beb in Rom, welche den früheren „A Auswaffneten Athena, also der römischen Minerva. Furchteinrufer der Stunden“ ersetzte, der Platz nach Vorbild der Griechenstädte kreisflößende Attribute wie die vielen rund gestaltet wurde. Diese Sonnen nuhr Schlangen winden sich um den stammte aus dem sizilischen Messina gesamten Körper der Figur. Die und ist mithin Zeuge für die ÜberrnahSchlangen nehmen ihren Ausme griechischer Gepflogenheiten n in gangspunkt von der Aegis, dem Rom. Dagegen wendet Frank Kolb b ein, ggeschuppten Ziegenfell der Götdass zwar römische Neugründun ngen tin. Ungewöhnlich genug, bildet wie Cosa ein kreisrundes Comitiu um ein Triton mit Fischleib die Stütze einführten, Rom jedoch bei seinem m des Standbildes. Der Archäologe rechteckigen Muster des VersammmRoss Holloway verweist auf ein lungsplatzes blieb. 17 spezielles Deutungsmuster dieAbb. 30: Lavinium/Practica di Mare: Minerva aus Lavinium. ser Figur hinsichtlich einer VerDie Entwicklung am Forum gilstelle (Aeneis 11,483), in der Romanum zeigt insgesamt, dass in diesem Zeitraum Ehrendenkmäler in größe- von der „bewaffneten Führerin im Kampfe, rem Stil einsetzen. Vor allem nach dem Sieg der tritonischen Jungfrau von Lavinium“ die über den Latinischen Bund (338 v. Chr.) wurden Rede ist. Verweist diese in unseren Augen hölan zentraler Stelle Reiterstatuen der Sieger Fu- zern und zugleich überladen wirkende Verkörrius Camillus und Gaius Maenius aufgestellt perung der Gottheit damit ausschließlich auf (Livius 8,13.9). Solche öffentlichen Ehrenstatu- eine lokale Kulttradition? Überraschend ist, dass die in ihren Ausen dienten in erster Linie der Verherrlichung individuellen Ruhmes. 18 Selbst die zahlreichen drucksmöglichkeiten sicher bescheidene WerkEhrendenkmäler der späten Republik und der statt, die für die Figur angenommen wird, BeKaiserzeit lassen sich auf solch frühe Muster züge zu bekannten griechischen Götterbildern einarbeitet. Selbst prominente Vorbilder könund Vorbilder zurückführen. nen in diesem Zusammenhang genannt werden. Eine dermaßen reiche Bestückung der
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
Göttin ist etwa ab der hochklassischen Athena Parthenos des Künstlers Phidias (438 v. Chr.) in Athen üblich. Auch weitere Athenadarstellungen innerhalb der griechischen Kulttradition erhielten zum Beispiel tritonische Attribute. 20 Gewisse Zusammenhänge zwischen der Bildhauertradition in Griechenland und ihren schlichten Nachklängen in Italien werden so ersichtlich. Ross Holloway datiert die Figur von Lavinium an das Ende des 5. Jhs. oder in das frühe 4. Jh. v. Chr. Das Heiligtum von Practica di Mare, dem antiken Lavinium, war von großer Bedeutung für Rom. 21 Die sensationellen Funde aus diesem Ort belegen die Kontinuität der Verehrung griechischer Gottheiten, aber auch des römischen Gründungsheros Äneas. Die antike Tradition sah nämlich die Landestelle des Äneas in diesem Küstenabschnitt. 22 (Auch der Bildschmuck der Ara Pacis aus augusteischer Zeit zeigt das Opfes des Äneas auf einer seiner Reliefplatten; vgl. Abb. 119214) Das Heiligtum von Lavinium erfuhr während zweier markanter historischer Phasen seinen Ausbau: Ende des 6. Jhs., als 13 mächtige Altäre errichtet werden, und im 4. Jh. v. Chr., als der Äneas-Kult durch ein eigenes Heroon fassbar wird. Der letztgenannte Bau markiert die stadtrömische Ausrichtung eines hier praktizierten Kultes. Griechischer Einfluss wird in Lavinium außerdem durch die Verehrung der Dioskuren sichtbar. Andreas Alföldy möchte die Präsenz der Dioskuren außerdem mit dem römischen Penatenkult in Verbindung bringen und so die doppelte Wurzel – stadtrömisch und griechisch – der Verehrungsstätte in Lavinium aufzeigen. 23
„Die Wölfin erwacht“ – das 3. Jahrhundert v. Chr. Das älteste erhaltene und mit Fresken ausgestattete Familiengrab, jenes der Fabier, befand sich in der Nähe der Porta Esquilina in Rom. 24 Von den Malereien blieb nur ein Frag-
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ment von etwa 90 cm Höhe, heute im Konservatorenpalast, erhalten: Dieses miniaturhafte und zudem schlecht erhaltene Gemälde verkörpert eines der bedeutendsten Dokumente der Kunstentwicklung im republikanischen Rom (Abb. 31). Wir wollen uns im Folgenden seiner Erzählweise widmen und uns anschließend fragen, welche Botschaft die Einzelszenen enthalten. Auf dem Gemäldeausschnitt sind in vier übereinanderliegenden Bilderreihen Szenen einer Stadtbelagerung, Verhandlungen vor der Stadtmauer und erneute Kämpfe dargestellt, die glaubhaft auf die Samnitenkriege am Ende des 4. Jhs. v. Chr. bezogen werden können. Greifbar sind nämlich die Namen der führenden Personen, die in szenischer Wiederholung und größenmäßig hervorgehoben die Bildmitte beherrschen. Man liest die Namen des Quintus Fabius und (in Ergänzung) eines Marcus Fannius. Bei ersterem – so die gängige Meinung – ist an jenen Quintus Fabius Rullianus zu denken, der fünfmal Konsul und (nämlich im Jahre 322 v. Chr.) Triumphator im Krieg gegen die Samniten war. Sein Gegenüber, Bündnispartner und Kontrahent zugleich, wie uns die Fortführung der Kämpfe glauben machen will, ist demnach der Anführer der feindlichen Partei, also der Samniten. Die Handlungsfolge bezieht sich auf ein Treffen vor der befestigten Stadt, deren Bürger sich frei zwischen den Zinnen der Stadtmauer zeigen. Ihr Anführer Fannius streckt die Rechte vor, Quintus Fabius hingegen umklammert in überlegener Position die Lanze. Die Fortführung dieser Szene im Beisein von Soldaten deutet auf den Abschluss von Verhandlungen hin; erneute Kämpfe des untersten Bildstreifens lassen umgekehrt an eine Fortsetzung des Krieges denken. Die Ereignisse selbst tauchen in den historischen Quellen (etwa bei Titus Livius) nicht konkret auf, werden jedoch als Handlungsmomente inerhalb der Bildstreifen sichtbar. So zeigt die zentrale Szene des dritten Streifens eine sogenannte pactio, die das foedus (Bündnisübereinkommen) zwischen den Kriegsparteien herstellen soll. Marcus Fannius ist auf bei-
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Abb. 31: Rom: Wandgemälde aus dem Grab der Fabier am Esquilin.
den mittleren Streifen in samnitischer Rüstung, mit Beinschienen, dem knappen Lenden-
schurz (sublicaculum) und Flügelhelm, dazu einem Ovalschild charakterisiert. Er ist also
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
nicht der halbnackte Wilde, wie der jetzige Erhaltungszustand des Gemäldes suggeriert. Der römische Konsul Fabius wird hingegen beide Male in knapper weißer Toga geschildert, der die Lanze aus seinem imperium (d. h. Machtbefugnis) heraus hält. Seine Begleiter, römische Soldaten in kurzer Tunika und mit Lanzen, sind so betrachtet nur Statisten; sie bilden ein Kürzel für den Handlungsschwerpunkt. Die hier herausgenommene Paktszene bildet ein Hauptmoment innerhalb eines szenischen Frieses, der uns über mehrere Ereignisse, aber offenbar deren Anlass, Folge und Wirkung berichtet. Die Schilderung vollzieht sich (wie wir beobachten konnten) innerhalb mehrerer Bildstreifen, die – Zeitungskolumnen gleich – zugleich kommentieren und einen Bedeutungsmaßstab setzen. So wird, unter Missachtung natürlicher räumlicher Gegebenheiten, eine Figurenstaffelung durchgeführt, welche die Hauptfiguren demonstrativ hervorkehrt und deren Handlung als wiederkehrendes Aktionsmoment einsetzt. Die zentrale Aussage heißt Pakt (pactio), deren Verkörperung bedeutet dem Römer eine verbindliche rechtliche Norm. Das Esquilingemälde zeigt – vergleichbar der römischen Geschichtsschreibung (Annalistik) – Hauptmomente eines historischen Geschehens, verkörpert durch namentlich verDiese bürgte Führungspersönlichkeiten. Malerei illustriert die siegreichen Momente des Krieges, und man darf annehmen, dass die fabulae triumphales, die Holztafeln, die beim Umzug eines siegreichen Generals gezeigt wurden, dabei Pate gestanden haben. Das Auftreten von Hauptfiguren, deren gewissermaßen sich wiederholende Handlungsmomente führen zu einer Bildformel, an deren lesbarem Charakter nicht gezweifelt werden kann. Darin könnte nunmehr das Typisierende in der frührömischen Ausdrucksform liegen: In einer Bindung an das Aktionsmotiv, die gestische Handlung, bei gleichzeitiger Verpflichtung dem historischen Kontext gegenüber. Einzelszenen
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bilden „statische Einheiten“ innerhalb der unterschiedlichen Teile eines Bildganzen – der Betrachter wird zu einer Interpretation der Bildfolge gezwungen. Das Wandgemälde vom Esquilin stellt in meinen Augen eines der ersten eigenständigen römischen Kunstwerke dar. Die frühe Datierung des Fragmentes ist sowohl der historischen Überlieferung nach, als auch seiner historischen Disposition im Grabbau nach nicht auszuschließen. Über Fabius Pictor schreibt Plinius (Naturalis historiae 35,19): „(…) wie denn die Fabier, eine der berühmten Familien, ihren Beinamen ‚Pictor‘ (Maler) davon bekommen haben, und der erste von ihnen, der diesen Namen trug, den Tempel der Salus im Jahre 304 v. Chr. selbst ausmalte“. Von Gaius Fabius Pictor stammte demnach ein Gemäldezyklus im frühen Tempel der Salus. Wie bereits erwähnt, wissen wir auch, dass fabulae triumphales, also mitgeführte Tafelbilder, zum Bestandteil eines Triumphzuges gehörten. Gemälde dieser Art wurden später an öffentlichen Gebäuden angebracht: M. Valerius Messala ließ seinen Sieg über die Karthager (264 v. Chr.) minutiös darstellen. Das Gemälde befand sich an der Außenseite des republikanischen Curiengebäudes. Zwei Generationen später ließ L. Scipio Asiaticus seinen Sieg bei Magnesia gegen die Seleukiden (190 v. Chr.) in Form eines Gemäldezyklus am Kapitol verherrlichen.
Ein patrizischer Grabbezirk Bereits im 18. Jahrhundert wurde in einer zum damaligen Zeitpunkt landwirtschaftlich genutzten Zone innerhalb der Aurelianischen Mauer der Grabbau der Scipionen freigelegt. In dieser sogenannten Scipionengruft wurde im Jahre 1782 auch der Sarkophag des „Gründers“ der Anlage, L. Cornelius Scipio Barbatus, entdeckt. 25 Das Familiengrab der Scipionen befand sich zur Zeit seiner Errichtung an einem Seitenstrang der Via Appia (Gabelung von Via Appia und Via Latina). Dieses Gebiet hat wei-
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Abb. 32: Rekonstruktion der Grablege der Scipionen.
tere prominente Grabbauten aufzuweisen. Für das republikanische Rom lag der Bezirk außerhalb der Servianischen Mauer, in der Nähe der Porta Latina. Außerhalb der Stadtmauern und längs der Ausfallstraßen jeder antiken Stadt befanden sich die Grablegen der Bewohner. Architektonisch ragten in den frühen Jahrhunderten nur einzelne Grabanlagen von bedeutenden Familien heraus. Während der Kaiserzeit bildeten hingegen zahllose Grabmonumente unterschiedlicher Ausführung und Größenordnung ein Abbild römischer Gesellschaftsklassen und der damaligen Vermögensverhältnisse (Abb. 95177). Der mächtige Grabbau der Scipionen besaß (nach außen zu) eine Art Schaufassade. Die nur mehr im Unterbau erhaltene Geschossordnung mit Halbsäulen und dazwischen angebrachten Wandnischen kann hypothetisch ergänzt werden (Abb. 32). 26 Die innere Grabkammer wurde aus dem lokal anstehenden Tuff herausgeschlagen und war in mehrere „Schiffe“ unterteilt. Diese enthielt eine große Anzahl an Grablegen. Dabei handelte es sich – außergewöhnlich genug – um freistehende Sarkophage, die in Nischen aufgestellt waren. Den Brauch der Körperbestattung übten im alten Rom nur wenige Familien aus. Daran kann man eventuell Verbindungslinien zur etruskischen Herkunft dieser
gens ablesen oder aber einen besonderen „Bedeutungsgrad“, den sich dieses Geschlecht selbst beimaß. Das Grabmonument mit seiner Fassadengliederung erzählt von den Neuerungen innerhalb der Architektur Roms. Halbsäulen flankierten Wandnischen, die wiederum Statuen enthielten. Auch Reste einer Fassadenmalerei mit wahrscheinlich historischen Themen waren an der Sockelzone angebracht. Sie schmückten den Eingangsbereich der Grablege. 27 Der Außenbau ruht, wie die meisten römischen Bauten, auf einem Sockel (Sockelbau), der wiederum durch Bögen untergliedert war. Die Erstbelegung der Gruft nach 300 v. Chr. wird durch den hier abgebildeten Sarkophag des L. Cornelius Scipio Barbatus nahegelegt (Abb. 33). Damals entstand gewissermaßen die Grundform der späteren Grabkammer. Die entscheidenden Ausbauten erfolgten bis zur Mitte des 2. Jhs. v. Chr. Der repräsentative Fassadenaufbau des Familiengrabes wurde noch im frühen 2. Jh. v. Chr. hinzugefügt. Eine weitere kleinere Nebengruft zur mittleren Grabkammer wurde gegen 140 v. Chr. angeschlossen. Die Fassade des Scipionengrabes weist architektonische wie motivische Einmaligkeit auf. Bautypologische Untersuchungen legen für Fachleute sogar Anlehnungen an einen
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Abb. 33: Rom, Sarkophag des L. Cornelius Scipio Barbatus.
„Grabtyp des griechischen Ostens“ nahe. Dieses architektonische Grundmuster wurde allerdings variiert durch lokale Gepflogenheiten und den Einfluss von Grabbauten im südlichen Etrurien (etwa Tomba Ildebrandina). Der Säulenprospekt bildet dabei ein wichtiges, weil neues Element. Es handelt sich beim Scipionengrab insgesamt also um eines der ersten Monumente in Rom, die eine deutlich „hellenistische Ausrichtung“ vertreten. Im Inneren der Grabkammer wurden – wie angeführt – mehrere Sarkophage von Mitgliedern dieser bedeutenden Familie gefunden. 28 Die zugehörigen Inschriften können in ihrer historischen Abfolge gelesen werden und geben so die Geschichte der Familie und zugleich des Grabbaues wieder. Nach einer Notiz bei Cicero kann man darauf schließen, dass im frühen 1. Jh. v. Chr. die Beisetzungen eingestellt wurden (De legibus 2, 56). Mit dem Erlöschen dieses Zweiges der Scipionen hat die Familie der Cornelii Lentuli den Grabbezirk übernommen. Eine der Grabinschriften aus dem Scipionengrab lautet: Cornelius Lucius Scipio Barbatus Gnaivod patre prognatus, fortis vir sapiensque, quoius forma virtutei parisuma fuit, consol, censor, aidilis, quei fuit apud vos,
Taurasia, Cisauna Samnio cepit, subigit omne Loucanam opsidesque abdoucit. Cornelius Lucius Scipio Barbatus,/Sohn des Vaters Cnaeus, ein Mann, tapfer und klug,/dessen Gestalt ganz gleich seiner Tugend war,/Konsul, Zensor (und) Ädil bei euch gewesen ist,/Taurasia (und) Cisauna in Samnium erobert,/ganz Lukanien unterworfen und Geiseln weggeführt hat. 29
Das Elogium (Preisgedicht) auf L. Cornelius Scipio ist in saturnischen Versen gehalten. Besungen werden aristokratische Werte sowie die Ämter des Mannes und dessen militärischer Ruhm. Die angesprochene Wertehaltung entsprach voll und ganz den mores maiorum, das heißt den Überzeugungen und Sitten der Vorfahren. 30 Ganz entscheidend ist, dass die hier angeführten Leistungen des Toten zu einer Verpflichtung für die Nachfahren werden sollten. Auch die jüngeren Elogien innerhalb der Scipionengruft geben das Verhältnis zu den Taten und Leistungen der Verstorbenen im Sinne eines Standesbewusstseins wieder. Zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt sollte Kaiser Augustus Preisgedichte auf berühmte Männer der römischen Republik verfassen, welche die dafür geschaffenen Statuen am Forum Augus-
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Abb. 34: Bronzekopf aus Mittelitalien (Fiesole?).
tum kennzeichnen sollten. Eine solche Ehrung der summi viri (wörtlich der „höchsten Männer“) am Kaiserforum entsprach der Traditionslinie einer römischen Republik und ihrer berühmtesten Vertreter. L. Cornelius Scipio Barbatus war (vermutlich) der Begründer dieser Familiengrablege. Seinem Sarkophag, verbunden mit der späteren Ehrung durch ein Epigramm, kam somit ein Ehrenplatz zu. Scipio Barbatus, zugleich Konsul des Jahres 298 v. Chr., war ein maßgeblicher Vertreter der letzten Phase der Kämpfe gegen die Samniten. Rom nahm in dieser Epoche, und auch dieses Faktum erscheint nicht unwichtig, seine Eroberungen in Unteritalien auf. Der Sarkophag zeigt – und dies überrascht nun doch – eine Art Altarform, wie sie auch in Unteritalien vorkommt. Sichtbar werden eine mit Rosetten geschmückte Triglyphen-Metopen-Folge oberhalb der Inschrift, ein Zahnschnitt und weiterhin der Sarkophagdeckel mit Polster und seitlichen Voluten, welche wiederum aus Akanthusstengeln herauswachsen. Die Durchmischung dorischer und ionischer Stilelemente entsprach offenbar der Neigung
eines unteritalischen Künstlers, wohingegen das graue Tuffmaterial des Sarkophages aus dem Etruskergebiet stammt. Der weitere Ausbau der „Scipionengruft“ spiegelt gleichermaßen Bezugspunkte zur etruskischen wie auch zur griechischen Welt wider: Neu für römische Verhältnisse war, dass auch die Fassade dieses Grabbaues ein Figurenund Bildprogramm aufnahm. Wir erfahren in diesem Zusammenhang von Livius (38,54.4), dass an der Außenfassade Publius und Lucius Scipio sowie der Dichter Ennius dargestellt waren. Damit wollte man demonstrativ die Bedeutung, aber auch die Politik der Scipiones gegenüber der Bevölkerung hervorkehren. Das Scipionengrab ist somit als „Gesamtmonument“ zu betrachten, das eindrucksstark Verhältnisse und Einstellungen der Aristokratie widerspiegelt. Es galt als würdige Grablege einer bedeutenden Familie und bildete zugleich ein Zeugnis des Ahnenstolzes und der historischen Repräsentation.
Die Kunstwelt zeigt „Konstanten“ Ein einprägsames und doch auch wieder schwer einzuordnendes Bronzebildnis im Louvre führt uns zurück zur Problematik der Kunst in Italien zur Zeit der mittleren Republik (Abb. 34). 31 Der Kopf gehörte sicher zu einer Ganzstatue. Ob diese Ehrenstatue in einem Heiligtum stand oder eher auf einem öffentlichen Platz, ist unbekannt; nicht einmal der genaue Fundort ist gesichert. Etrurien, die Kunstlandschaft, um die es hier noch einmal geht, besaß freilich eine ausgeprägte Tradition des Bronzegusses. So gab es auch in den Städten Etruriens den Brauch der Ehrung verdienter Persönlichkeiten durch Statuen: Männern, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht hatten, wurden auf öffentlichen Plätzen oder in Heiligtümern entsprechende Ehrenstatuen aufgestellt. Eine zugehörige Bronzeinschrift oder auch die Namensnennung des Dargestellten auf der Statue selbst, so wie beim berühm-
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
ten L’Arringatore ’ in Florenz (Abb. 35), konnten den Namen und die Verdienste der jeweiligen Persönlichkeit angeben. 32 Etrurien und damit auch Rom standen ab einem gewissen Zeitpunkt in gegenseitigem Wettbewerb, was die Produktion und Darstellungsform von Ehrenstatuen betraf. Für Rom berichten Schriftquellen von den verschiedenen Statuenformen und den Anlässen für solche Bildnisstatuen. 33 Das Forum in Rom dürfte demzufolge reichlich mit Statuen aus unterschiedlichem Material und in unterschiedlicher Größenordnung bestückt gewesen sein. Dann, im Jahr 158 v. Chr., wird uns für das Forum Romanum eine „Abräumaktion“ überliefert, der die meisten der alten Statuen zum Opfer gefallen sein dürften. 34 Grund dafür dürfte nicht nur Platzmangel gewesen sein. Die römische Politik dieses Zeitraumes setzte erkennbar auf neue, sprich hellenistisch geprägte Formen der Repräsentation. Ältere Bildwerke könnten dabei als zu dürftig oder zu schlicht für die sich erneuernde Hauptstadt angesehen worden sein. In diesem Zusammenhang wird die Betrachtung eines Bronzebildnisses der älteren Periode wichtig. Der hier abgebildete Kopf aus Etrurien bildet jedoch nur vergleichsweise einen Ersatz für die vielen Ehrenstatuen, die ursprünglich in Rom vorhanden waren. Die Ausführung des Bronzehohlgusses ist technisch von hoher Qualität. Eingelegte Augäpfel verliehen diesem Männerkopf ursprünglich ein lebendigeres Aussehen. Der Kopf weist bei näherer Betrachtung durchaus charakteristische Bildniszüge auf, etwa breite Nasenflügel, breite Mundform oder scharf gezogene Stirnfurchen. Insgesamt wirkt er jedoch völlig unbestimmt in seinem Ausdruck. Wahrscheinlich wird man eher von einer allgemeinen Alterskennzeichnung dieses Mannes sprechen können als von einem „Individualtypus“. Die besonders weiche Formgestaltung des Gesichts lässt vorweg an die lange Tradition der Tonbildnerei in Etrurien denken. Kennzeichnend für frühe Ehrenstatuen auch in Rom könnte damit eine recht allgemein gehaltene Bildnis-
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Abb. 35: Der sogenannte Arringatore. Florenz, Museo Archeologico.
form gewesen sein. Durch Handhaltung, Gesten oder zusätzliche Attribute der Ganzstatuen konnten solche Verkörperungen, so weit die Annahme, ein „sprechendes Aussehen“ gewinnen. Besondere Kennzeichungen von „Porträts“ haben von jeher zu Vergleichen innerhalb der wenigen Originalwerke des Zeitraumes geführt. Bemerkenswert darunter ist der Versuch, jeweils Landschaftsstile für solche Bildnisse herauszuschälen. Ältere Forschungsansätze versuchten sogar, verschiedene „Konstanten“ der Porträtplastik innerhalb einzelner Produktionszentren zu bestimmen: Die wenigen erhal-
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Abb. 36: Cosa: Die Stadtmauern des 3. Jhs. v. Chr.
tenen Bronzeporträts lassen dahingehend jedoch kaum Schlüsse zu. Ob die „stadtrömische Variante der Kunst“ (sogenannter Brutus, Abb. 4599) tatsächlich prägnanter arbeitete als jene ihres etruskischen Umfeldes, ist daher aus heutiger Sicht schwer zu entscheiden. 35
Das erstarkte Rom und eine ‚kritische Wende‘ Im Jahre 273 v. Chr. wurde am Golf von Orbetello, an der Küste Etruriens, Cosa als römische Koloniestadt angelegt. Im selben Jahr siedelten sich römische Kolonisten auch im alten Paestum an, jener griechischen Gründung also, die bis heute durch ihre Tempelruinen beeindruckt. Nicht nur in geografischer Hinsicht wird daraus der Bedeutungsradius Roms zu dieser Zeit ersichtlich. Rom entwickelt im 3. Jh. vor allem neue städtebauliche Vorgaben. In Co-
sa entsteht so im Laufe der folgenden Jahrhunderte eine charakteristische Stadtanlage nach römischem Muster. Auch im zur selben Zeit kolonisierten Paestum äußert sich der römische „Stempel“ in Form neuer, charakteristischer Bauten: Dort waren es vor allem ein römischer Tempel und neue bauliche Gestaltungsmuster am Forum, die den veränderten rechtlichen Status von Paestum markierten. Die stolzen Mauern dieser römischen Kolonie-Stadt in Etrurien sind Ausdruck jener römischen Machtausdehnung, die bis zum frühen 3. Jh. weite Teile Italiens erfasst hatte (Abb. 36). 36 Gleichzeitig mit Cosa werden weitere Städte bis etwa zur Linie des Flusses Po in Oberitalien angelegt. Cosa selbst liegt im Gebiet des einst mächtigen Vulci, wird jedoch nicht im Landesinneren, sondern auf einer Bergkuppe des Thyrrenischen Küstenabschnittes bei Ansedonia (am heutigen Golf von Orbetello) gegründet. Zu Füßen der Stadt baute Rom die Via Aurelia aus, die längs der Küste des Tyrrhenischen Meeres nach Norden führt. Cosa wird so als stark befestigte Bergstadt zum Befestigungsglied und zum Strategiepunkt römischer Machtentfaltung. Durch solche Neugründungen wurde zugleich den etruskischen Territorien in wirtschaftlicher Hinsicht „das Wasser abgegraben“. Über die Anzahl der bei Livius angeführten Kolonisten ist vielfach diskutiert worden. Glaubhaft werden in jedem Fall mehrere tausend neuer Bürger, die für die Vorgänge einer Stadtgründung notwendig wurden. Die Bereitstellung baulicher Stukturen erforderte erheblichen materiellen Aufwand und zugleich hohes bautechnisches Können der Konstrukteure und Werkleute. Die Anforderung immer neuer Familien aus der Hauptstadt, wie sie für Cosa noch zu Beginn des 2. Jhs. v. Chr. belegt wird, spricht allerdings vom Erfolgsmodell der neuen Städte. Rom entwickelte für seine Neugründungen wie auch für die übernommenen alten Städte bekanntermaßen verschiedene Formen eines verbindlichen Rechtsstatus. Die noch im frühen 3. Jh. v. Chr. angelegte
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
Abb. 37: Rekonstruktionszeichnung des Capitoliums von Cosa.
Stadtmauer von Cosa besteht aus polygonalen Kalksteinblöcken. Diese bewährte Mauertechnik (siehe Anhang: Schema Polygonaltechnik) findet sich sowohl bei den ältesten Stadtgründungen in Latium als auch noch immer im 3. Jh. v. Chr. Die aufwendige Technik der Fugenschichtung bot gerade durch ihre Verzahnung hohen Schutz vor dem Ausbrechen von Mauerteilen. Der Podiumstempel der Stadt Cosa (Abb. 37) kann immer noch als ein Vertreter der tuskanischen Bautradition gelten und rangiert zugleich als Hoheitszeichen Roms in einer seiner Koloniestädte. 37 Vergleichbar den Tempelanlagen auf dem Burghügel Roms, der Arx, thront der Haupttempel von Cosa auf dem höchsten Geländepunkt der Stadt. Einen eigenen Kapitolstempel am Forum, so wie ihn spätere Römerstädte kennen, besitzt Cosa dagegen nicht. Lediglich ein kleiner Tempel neben dem lokalen Comitium und dem Curienbau vertritt auf dem Hauptplatz der Stadt die sakrale Komponente. Der mächtige Iuppiter-Tempel von Cosa kann insgesamt noch als ein Vertreter der älteren Bauordnung angesprochen werden.
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Hervorzuheben sind seine besonders ausladenden Grundmaße (Podium ca. 50 26 m). Auf einem in Polygonalmauerwerk errichteten Unterbau (Podium) wurde bald nach der Stadtgründung in Holz- und Lehmkonstruktion ein erster Tempel errichtet. Das Mauerwerk der Cella dieses Tempels wurde schließlich (in seiner dritten Phase) durch gewaltige Mörtelmauern ersetzt. Dieses neue Konstruktionsprinzip der in Verschalungstechnik gegossenen Mörtel-Bruchstein-Mauern hatte sich in Italien im Laufe des 2. Jhs. v. Chr. vollends durchgesetzt. Das nach den Ausgräbern im Zeitraum 170 bis 150 v. Chr. vollständig erneuerte Kapitol von Cosa verdrängte jedoch nicht die althergebrachte Formgebung des Tempels. Der Haupttempel der Stadt kann daher auch noch später als archaisch wirkender Bau bezeichnet werden. Er wird bestimmt durch seine dominierende Frontansicht und seine überladene Dachkonstruktion.
Städte nach römischem Muster Das Anlageschema von Cosa entspricht generell einem Muster römischer Stadtplanung (Abb. 38). 38 Zum einen wurde bei Anlage der Stadt Rücksicht auf die topographische Situation genommen. Der Verlauf der Mauern und der Befestigungstürme folgt vorgegebenen Geländestufen, jene der Eingangstore legt bereits das innere Einteilungsmuster der Straßen fest. Das Straßennetz von Cosa offenbart dabei ein streng orthogonales Prinzip, welches man bei einer Bergstadt nicht unbedingt erwarten würde. Demnach wurde die Stadt nach innen zu strategisch entwickelt und gegliedert. Innerhalb der griechischen Stadtplanung hatte sich diese Form eines idealen Musters bereits lange zuvor herausgebildet. Auch ältere etruskische Koloniestädte (wie etwa Marzabotto) nutzten bereits die Vorteile einer klaren Ausrichtung der Straßenzüge. Dieses Prinzip wurde in den Phasen der römischen Kolonisation aufgegriffen und weiterentwickelt. „Römische Architek-
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2. Kapitel
tur geht einher mit einer neuen Bedeutung der Stadt als Lebensform.“ (Henner von Hesberg). Es gibt daher eine ganze Reihe von Gebäudeformen, die innerhalb der Stadtanlage von Cosa ihren Platz finden mussten: Dazu gehören Tempel ebenso wie kommunale und merkantile Einrichtungen, die der Stadt ihren Funktionsrahmen verliehen. Am wichtigsten war jedoch die Anlageform des größten Platzes, des Forums also, an dem sich die wichtigsten Straßenzüge der Stadt (nämlich Cardo und Decumanus) kreuzten. Die Römer entwickelten im Laufe der Zeit ein städtisches Muster, das wir heute noch mit der Vorstellung von „auf dem Reißbrett entworfenen“ Straßenzügen und Wohnvierteln verbinden. Tatsächlich geht von der Rechtwinkligkeit (Orthogonalität) der Straßenzüge das Einteilungsprinzip der Stadt, ihrer öffentlichen Gebäude und der Siedlungsgevierte (insulae) mit ihren privaten Wohnhäusern aus. Dieser Wille zu Klarheit und Überschaubarkeit reicht sogar noch weit über das städtische Areal hinaus: Wie Umgebungskarten und Luftbilder noch heute zu erkennen geben, haben römische Landvermesser (agrimensores) das Umland der Stadt von den Achsen der Hauptstraßenzüge aus vermessen. Die rationale Durchdringung der Landschaft ging bei den Römern demnach vom Ordnungsprinzip einer Stadt aus. Bei all diesen ausgesprochen rationalen Vorgaben für die Stadtplanung kann man jedoch feststellen, dass kaum eine römische Stadt der anderen glich. Ziviltechniker, Bauleute sowie ihre städtischen Auftraggeber waren sehr wohl in der Lage, auf die jeweilige Geländesituation und die natürlichen Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. Dies drückt sich bei vielen Städten in der Planung des Befestigungswerkes, der Lage der Haupttore oder – in der Ebene – der gelegentlichen Einbeziehung eines Flussverlaufes aus. Durch die rechtwinklige Führung der Straßen im Stadtgebiet eröffnet sich nach innen ein rationales Verteilungsmuster öffentlicher Bauten sowie der Wohnhäuser. Gerade die Einteilung der
Wohnparzellen folgte in den Anfangszeiten der Städte einem „demokratischen Prinzip“, das zugleich dem gesellschaftspolitisch egalitären Ansatzpunkt Roms entsprach. Im Gegensatz zu späteren Zeiten belegen diese Wohnhäuser der früheren Perioden eine einfache und normierte Gestaltungsweise. Das wesentliche Prinzip der Stadt äußert sich jedoch in der Lage der wichtigsten öffentlichen Gebäude am Forum, der Arx (Burgberg) und den Durchgangsbereichen in der Nähe der Stadttore. Allein dadurch wird auch Cosa zur Stadt nach römischem Muster. Ein eigenes Kapitel städtischer Bebauung bilden die Sakralbauten. In Cosa liegt der Haupttempel wie beschrieben auf der Arx. Dieses Faktum spiegelt in gewisser Weise noch jenes Verhältnis wider, das griechische und etruskische Städte zwischen Tempelbezirk und Stadt aufzuweisen hatten, das aber auch noch in Rom (Kapitol, Arx) vorgegeben war. Die archäologisch erschlossenen Tempelanlagen von Cosa weisen Bezüge zur etruskischen Tempelbauweise auf, was ebenfalls nicht verwundern darf: Wir befinden uns im Kernland der alten Etrusker. Zu einer Stadt latinischen Rechts gehörten weiterhin Versammlungsbauten am Forum. Eine Basilika wurde erst gegen Ende des 2. Jhs. v. Chr. errichtet. Auch Speicherbauten und andere städtische Funktionsbauten bezeugen die wirtschaftliche Prosperität der Stadt. Die Wohnhäuser in den einzelnen Stadtvierteln vertreten anfangs normierte Einheiten, die erst zu einem späteren Zeitpunkt vergrößert und verschönert werden konnten. Auch an ihnen drücken sich die Veränderungsprozesse der fortgeschrittenen Städtekultur in Italien aus. Über die Anlageform der öffentlichen Bauten und deren Errichtung entschied der Rechtsstatus der jeweiligen Stadt. Als ursprüngliches Modell kamen quadratische Planstädte (z. B. coloniae maritimae, Parma, Luni etc.) in Frage, die dem militärischen Lagerbau nachempfunden scheinen. „Polybios (Historien 6,42) vergleicht in diesem Zusammenhang das
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Abb. 38: Cosa, Stadtplan (nach Brown).
griechische und römische Militärlager und erkennt darin die Vorteile, dass sich in ihnen jeder Soldat zurechtfindet.“ (Henner von Hesberg) Entscheidend jedoch ist, dass die Organisation einer solchen frühen römischen Kolonie an die Hauptstadt gebunden bleibt. Durch die politische Rückbindung an den römischen Senat fehlen den Koloniestädten eigenständige Bauten für städtische Versammlungen (Comitien und Kuriengebäude). Anders sah es in den Städten latinischen Rechts wie eben in Cosa aus. Hier begegnen wir seit der Phase der Gründung bis hin zum Ausbau der Stadt, der sich freilich über Generationen hinzog, einer Fülle öffentlicher Bauten. Auch sogenannte municipia (Landstädte) müssten in diesem Zusammenhang noch angeführt werden. Solche Munizipien waren übernommene, baulich bereits
vorgeprägte Städte, die ihren römischen Rechtsstatus erst zu einem späteren Zeitpunkt erhielten. Auch diese geben urbane Muster zu erkennen, die von den verschiedenen Phasen des Ausbaus römischer Städte in den Provinzen zeugen. Ein wesentliches Prinzip bei römischen Planstädten bildete – wie bereits oben angemerkt – die Centuriation (Flureinteilung) des Territoriums. Weit ins Land hinein gezogene Vermessungslinien nahmen ihren Ausgangspunkt beim städtischen Straßennetz. Eine Stadt bildete somit den Bezugspunkt für die Gliederung des Nutzlandes. Der Landwirtschaft kam in der Versorgung der Städte große Bedeutung zu. Römische Kolonisten (colonus = Wehrbauer) erhielten einen begrenzten Anteil Staatslandes zur Versorgung ihrer Familie und
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2. Kapitel
Abb. 39: Villa von Settefinestre bei Cosa.
zum Erreichen einer Überschussproduktion in bescheidenem Ausmaß. Waren es zu Beginn annähernd autarke Strukturen, die so das Leben auf dem Lande sicherten, so verändert sich dieses Bild im 2. Jh. v. Chr. durch die entstehende Latifundienwirtschaft. Der Großgrundbesitz neuen Stils förderte zwar die Produktionsformen der Landwirtschaft in den verschiedensten Sparten, entzog jedoch den Kleinbauern durch Preisdruck zunehmend ihre Existenzgrundlage. Dieses grundlegende Problem der römischen Gesellschaftsordnung konnte auch durch die Reformen der Gracchen am Ende dieses Jahrhunderts nicht aus der Welt geschafft werden. Die Lage der Villen in der Umgebung von
Cosa fügt sich dem Planschema der Landvermessung. Die späteren villae rusticae besaßen eine erstaunliche Arealgröße und ebenso riesige Anbau- und Nutzflächen. Die bis in die Kaiserzeit hinein ausgebaute Villa von Settefinestre (Abb. 39) versammelt so eine Anzahl von Speicher- und Stallbauten sowie Werkstätten. 39 Auch ein Ergastulum, das heißt eine stallähnliche Schlafkammer für die zwangsweise Unterbringung von Sklaven, durfte bei der Größenordnung dieses Betriebes nicht fehlen. Im Gegensatz zur überschaubaren Landwirtschaft der römischen Kolonisten in den Anfangsjahrhunderten hatten sich die Villen der senatorischen Besitzer allmählich zu Großbetrieben gesteigert, welche ohne
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Abb. 40: Cosa, Modell des Forums.
menschliches Arbeitskapital nicht mehr zu führen waren. Zu den Arbeitskräften zählten Heere von Sklaven ebenso wie einfache Erntearbeiter. Auch einstmals freie Bauern, die durch Kriegseinsatz oder Missernten in Abhängigkeit oder Ruin getrieben worden waren, zählten nun zum traurigen Bestand einer solchen spezialisierten Landwirtschaft. Settefinestre als Musterbetrieb zeigt verschiedene Formen der landwirtschaftlichen Produktion, von der Schweinezucht bis hin zu den Tennen für die Gewinnung des Weizenkorns, aber auch den Öl- und Weinpressen. In der ersten Phase besaß die Villa noch eine Umzäunung mit einer steinernen Schutzmauer; vielleicht Ausdruck oder Reminiszenz der frühen unsicheren Verhältnisse. Das Modell der Stadt Cosa (Abb. 40) entspricht dem Bebauungszustand des späteren 2. Jhs. Für einige Bauten wie etwa die Basilika, welche erst gegen 130/120 v. Chr. errichtet wurde, hatte man zuvor Bauareal freigehalten. Von den hauptsächlichen Funktionen einer solchen Basilika wird an späterer Stelle noch die Rede sein. Ursprünglich befanden sich auf der Ostseite des Platzes von Cosa nur ein kreisrundes
Comitium (Comitium Rom Abb. 49103), dahinter das Gebäude für den lokalen Senat sowie ein kleinerer Tempel. Das Gefüge der Bauten spiegelt die wichtigsten Verwaltungsstrukturen und verkörpert zugleich die Präsenz einer römischen Zentralmacht. Ein solches Comitium hat uns im Zusammenhang mit den Bauten auf dem Forum Romanum bereits beschäftigt. Widmen wir uns den übrigen im Modell dargestellten Bauten: Die verhältnismäßig großen Atriumhäuser am Forum von Cosa wiesen mit ihren Verkaufsläden auf die Platzseite. Auf der Rückseite der Häuser bot ein gedeckter Gang, der sich an der Straßenseite entlang zog, Schutz vor jeglicher Witterung. Das „Italische Haus“, wie man es bezeichnet hat, ist in gewissem Sinne das Produkt der Wohntraditionen in Etrurien und anderer Gebiete Italiens. Die Grundform des Hauses stellt zugleich das Ergebnis des Bauens innerhalb normierter Parzellen dar. Aus dem ursprünglich überdachten Hofhaus bildeten sich in mehreren Etappen Formen des Atriums, also einer teilweise überdachten inneren Halle. Um diese waren Seitengänge oder Alae (Flügel), ein Tablinum (Speiseraum) sowie die Cubicula (Schlafräume)
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2. Kapitel
Tempelbezirke
Abb. 41: Rom, Grundrisse der Tempel am Largo Argentina.
gruppiert. Varianten solcher Häuser begegnen uns hauptsächlich in Kampanien (Abb. 58118). Die in Cosa erschlossenen Hausgrundrisse zeigen verschiedene Varianten der Atrien. Peristyle (Säulenhöfe), wie insgesamt die Öffnung zu luxuriöser Ausstattung der Häuser, zeigen sich jedoch an diesem Ort eher zögerlich. Damit verkörpert Cosa eine den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung angepasste Form der Wohnarchitektur.
Unser Ausflug in das im Etruskergebiet gelegene Cosa führt uns zurück nach Rom, wo uns ein bemerkenswerter Tempelkomplex der mittleren beziehungsweise späten Republik erwartet. Bauarbeiten der Jahre 1926–1928 führten zur Entdeckung eines republikanischen Tempelbezirkes am Largo Argentina (Abb. 41), welcher im Mittelalter das Viertel der Silberhändler in Rom bezeichnete. Die Untersuchungen zu diesem Bezirk und zu den anschließenden Hallenbauten sind bis heute noch nicht abgeschlossen. Die angesprochene Tempelgruppe befand sich in römischer Zeit inmitten des Marsfeldes (sog. Area sacra am Largo Argentina). 40 Im Gefüge des antiken Stadtbildes befanden sich diese Tempel damit exakt zwischen dem Hekatostylum (d. h. der hundertsäuligen Halle) im Norden und den Bauten am Circus Flaminius im Süden. Im Osten befand sich eine weitere Halle, die Porticus Minucia Frumentaria. Mitte des 1. Jhs. v. Chr. wurde im Westen das Pompejus-Theater mit seiner Theaterporticus angebaut (Romplan und Abb. 99181). Die Tempelfamilie am Largo Argentina befand sich inmitten des „politischen Nabels“ der Stadt am Marsfeld. Dementsprechend waren die Tempel traditionellen Gottheiten geweiht. Wie bei anderen Tempelbezirken auch, führten Brände im Laufe der langen Geschichte zu Veränderungen und Erneuerungen der alten Bausubstanz: Das war bei den Tempeln am Largo Argentina bereits 111 v. Chr. und noch einmal 80 n. Chr., d. h. in domitianischer Zeit, der Fall. Diese Tempelgruppe und ihre Entdeckung stellen einen ausgesprochenen Glücksfall im Erscheinungsbild des heutigen Rom dar. 41 Selbst in ihrem heutigen Zustand zeigt sie die Vielfalt der Ausdrucksformen früher römischer Sakralarchitektur, ihre Techniken und Entwicklungsphasen. Bezeichnend ist, dass die Tempel sehr unterschiedliche Grundrisslösungen vertreten. Probleme für die Forschung stellen jedoch nach wie vor die unsichere Benen-
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Abb. 42: Rom, Tempel am Largo Argentina.
nung und Datierung dieser Bauten dar. Die Archäologie arbeitet mit eigenen Methoden der Schichtenuntersuchungen und der Zuweisung von Befundgruppen an verwandte Komplexe. Die Bauforschung orientiert sich an den Bauformen und dokumentiert Erneuerungsphasen der einzelnen Tempel. Durch zusätzliche literarische Belege und Beschreibungen erweitert sich das Bild der Tempelgruppe in ihrem möglichen historischen wie kulturspezifischen Kontext, ohne jedoch letztlich endgültige Beweise für entsprechende Benennungen der Kultbauten zu liefern. Von den Tempeln existieren heute mehr oder minder nur die Fundamente, einige Säulenstümpfe aus Tuff sowie Teile der Cellamauern (Abb. 42). Das ursprüngliche „Bild“ dieser Tempelgruppe müssen wir uns jedoch bunt und bestimmt durch vielfältigen Tempelschmuck vorstellen. Zugleich boten die Tempel ein wenig homoges äußeres Erscheinungsbild. Das Tuffmaterial der Säulen der älteren Tempel wurde mit weißem Stuck überzogen und so ge-
wissermaßen nobilitiert. Stellen wir uns zusätzlich den bunten Tonschmuck der ersten Tempel vor, so können wir uns ein sehr lebendiges Bild vom Aussehen dieser Anlage machen. Die jüngeren Bauten verwenden bereits hellgrauen Travertin, jenes für Rom so typische Kalksteinmaterial, das aus den Brüchen bei Tivoli stammt. Der älteste Bau, der sogenannte Tempel C, wurde am Ende des 4. oder zu Beginn des 3. Jhs. v. Chr. angelegt. Erhalten hat sich ein frühes Tuffpodium. Die sichtbaren Aufbauten des Tempels, vor allem die aus Ziegelsteinen errichtete Cella und der schwarzweiße Mosaikboden, stammen hingegen von seiner letzten Erneuerungsphase in domitianischer Zeit. Vor dem Tempel befand sich ein Altar: Eine Inschrift nennt A. Postumius Albinus cos., das heißt den Konsul des Jahres 180 v. Chr., als Stifter. Der Altar wird von der Tuffpflasterung, die erst nach dem Brand im Jahre 111 v. Chr. verlegt wurde, überdeckt. Leider nennt uns die Altarinschrift aber keine zugehörige Tempelgott-
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heit. Welcher Gottheit war der Tempel demnach geweiht? Ein Teil der Forscher stellt den Bezug zur Gottheit Feronia her und beruft sich dabei auf Livius (22,1.18). Feronia war eine italische Agrar- und Wassergöttin, deren Tempel an dieser Stelle Sinn machen würde. Auch über die Entstehungszeit des Tempels wurde natürlich nachgedacht. Für Tempelgründungen in Rom werden Stifterpersönlichkeiten beziehungsweise historische Anlässe wichtig. Der sogenannte Tempel C könnte so entweder im Zusammenhang mit der Eroberung größerer Teile des Sabinerlandes durch Manlius Curius Dentatus (290 v. Chr.) oder im Kontext keltisch-römischer Konflikte (zwischen 230 und 220 v. Chr.) entstanden sein. Wichtiger als diese recht unsicheren Überlegungen wird jedoch das Anlageprinzip des ersten Tempels. Wie beim Kapitolstempel handelt es sich dabei um einen peripteros sine postico, demnach um eine Grundform römischer Tempelbauweise. Der sogenannte Tempel D stammt vom Beginn des 2. Jhs. Es handelt sich dabei um einen Sakralbau mit tiefer Vorhalle. Seine Bauglieder bestehen aus Travertin. Der für den Tempel vorgeschlagene Kult der Lares Permarini darf als wahrscheinlich gelten. Der sogenannte Kalender von Praeneste (Fasti Praenestini, 179 v. Chr.) erwähnt einen solchen Tempel bei der Porticus Minucia in Rom. Der Tempel D liegt unmittelbar im Anschluss an diese Halle. Der Rundtempel B bildet ein besonderes, weil ergänzendes Element dieser Tempelgruppe. Die griechische Form der Tholos wurde gerne von siegreichen Feldherren in Rom verwendet. Die Säulen dieses Tempels sind noch aus Tuff, die Kapitelle wurden hingegen aus härterem Travertin gebildet. Dieser Tempel war der „Glücksgöttin des heutigen Tages“, der Fortuna huiusce diei geweiht. Q. Lutatius Catulus, der 101 v. Chr. gemeinsam mit Marius das Konsulat bekleidete, hat ihn nach dem Sieg über die Kimbern bei Vercellae (Oberitalien) gestiftet. Der Sieg über diese fremden, von den Römern besonders gefürchteten Völkerschaften stellte ein außerordentliches Ereignis dar, bildeten doch
Kimbern und Teutonen eine ernsthafte Bedrohung für Oberitalien und die noch junge Provinz Narbonensis (Südfrankreich). Sogar vom kolossalen Kultbild der Göttin in ihrem Tempel am Largo Argentina hat sich ein 1,46 m hoher Akrolithkopf erhalten. 42 So viel also zu einer ersten Einordnung dieser Tempel. Beim Tempel A an der Nordseite des Sakralbezirkes (Abb. 4289) handelt es sich um einen Ringhallentempel. Die 6 9 stuckverkleideten Säulenschäfte bestehen wiederum aus Tuff, die Kapitelle wurden aus Travertin gemeißelt. In dieser Ausführungsform stammt der Tempel vom Ende der Republik. 43 Der Vorgängerbau geht jedoch auf die Mitte des 3. Jhs. v. Chr. zurück. Zwei unterschiedliche Quellen werden für die Tempelstiftung herangezogen: Ein gewisser Q. Lutatius Catulus hat, 241 v. Chr. und nach seinem Sieg über Karthager, der Iuturna einen Tempel geweiht. Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.) berichtet davon, dass ein Tempel dieser Gottheit in unmittelbarer Nähe der Aqua Virgo bei den Agrippa-Thermen existiere. Die topographische Nähe zu unserem Bau spräche für diese Benennung. Schließlich wird aber auch ein Tempel der Iuno Curritis mit ins Spiel gebracht. Q. Lutatius Cerco feierte, ebenfalls im Jahre 241 v. Chr., einen Sieg über die Falerier und ließ der Iuno einen Tempel errichten. Für dieser Benennung spräche, dass damit die Familie der Lutatier in mehrfacher Weise etwas mit dem Tempelbezirk zu tun hätte (siehe Tempel A und B); ein für römische Verhältnisse nicht unwesentliches Argument. Es gilt an dieser Stelle noch einmal festzuhalten, um welch bemerkenswert gewachsene Einheit es sich im Falle des Largo Argentina handelt. Die Geschichte der republikanischen Tempelbaukunst lässt sich anhand dieser Tempelgruppe gut nachzeichnen, selbst wenn die meisten der Benennungen unsicher bleiben müssen. Aussagekräftig sind in jedem Fall die unterschiedlichen Gestaltungsmuster der Tempel. Diese Grundrisslösungen entwickelten sich nicht unabhängig von ihrer Umgebung und ihrem historischen Bezug. Römisch-italische
Zeugnisse der frühen römischen Kunst
Grundmuster der Tempelbaukunst wurden ganz offenkundig im Laufe der Zeit durch unteritalisch-griechisch geprägte Ringhallenund Vorhallen-Tempel abgelöst. Der Rundtempel am Largo Argentina vertritt schließlich die reifste Form der Übernahme hellenistischer Gepflogenheiten. Aus den Beweggründen und historischen Anlässen für Tempelstiftungen lässt sich ein nicht unwesentlicher Teil der römischen Geschichte und der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse nachzeichnen.
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Maßgeblich waren in republikanischer Zeit Feldherren und höchste Beamte, die mehrfach ein öffentliches Amt übernahmen, für den architektonischen Ausbau der Stadt verantwortlich. Ihrem Votum entsprechend, übernahmen sie die Gründung oder die Verschönerung von Tempelanlagen. Nicht ohne innere Logik, schloss an den Tempelbezirk am Largo Argentina zur Zeit der Machtkämpfe der späten Republik die Halle des Pompejus-Theaters an (Abb. 99181).
Ergebnisse Fassen wir die Zeitspanne der frühen und mittleren Republik ins Auge, so finden wir ausreichend Zeugnisse einer Architektur sowie Bildwerke, die den eigenständigen Charakter der römischen Kunst zu erkennen geben. Ausdruck dieser Entwicklung sind zunächst Bauten in Rom und den Koloniegründungen. Dort angetroffene Strukturen der Baukunst vermitteln den Charakter zukunftsweisender Techniken und Bautypologien. Der Formenapparat der römischen Baukunst bildet sich innerhalb seiner Aufgabengebiete heraus: Innerhalb der Sakralarchitektur sind dies bestimmte Grundrisslösungen für Tempel und Heiligtümer. Der Einsatz von Steinmaterial verleiht diesen Bauten ein neuartiges Aussehen. Innerhalb des städtischen Gefüges bildet sich ein immer größerer Typenvorrat an Einzelbauten heraus: Versammlungsbauten, Hallen und Verkaufsläden spiegeln die gesellschaftspolitische und merkantile Komponente der römischen Architektur. Eine private Wohnkultur „nistet“ sich innerhalb der Vorgaben von Parzellierung und generellem städtischem Verteilungsmuster ein. Erstmals lassen sich in diesem Zeitraum auch Beispiele für Reliefgattungen und Statuenformen, für Grabausstattungen sowie für einzelne Gemälde anführen. Das Übergewicht der etruskischen Kultur erlischt. Rom knüpft sichtlich neue Verbindungen im Rahmen seiner Expansionsbestrebungen in Italien. Nach wie vor bilden diese aufkommenden „Gattungen“ einer römischen Kunst allerdings recht unterschiedlich diskutierte Fragen innerhalb der Forschung. Rein quantitativ, so wird man festhalten müssen, tauchen erst in spätrepublikanischer Zeit wirkliche Leitgattungen der Plastik und Skulptur auf, welche sich schließlich kontinuierlich bis in die Kaiserzeit hinein verfolgen lassen.
Martei / M(arcus) Claudius M(arci) f(ilius) / consol dedit Dem Mars hat Marcus Claudius, Sohn des Marcus, (dies) als Konsul geweiht. 44
3. Kapitel Einflüsse und Stabilisierungsprozesse Dieser historische Abschnitt handelt von der Größenentwicklung des römischen Staates vor und nach der Krisenzeit der Punischen Kriege. Gewaltige Veränderungen politischer Natur und, damit einhergehend, Lernprozesse, bestimmen diesen Zeitraum. Diese spiegeln sich auch in der Kunstwelt wider. Rom ist ab dem 3. Jh. v. Chr. nicht nur das führende Zentrum Italiens, sondern wird zu einem bestimmenden Machtfaktor der Mittelmeerwelt. Der Erfahrungsaustausch Roms mit hellenistisch geprägten Staaten beginnt, und zugleich die Rivalität um die Machtsphären. Im 2. Jh. v. Chr. erobert Rom in rascher Folge Teile der griechischen Welt und macht diese zu seinen Provinzen. Die Machtposition der Punier wird zurückgedrängt, Karthago wird zerstört. Die Republik durchbricht damit bisher geltende Allianzen und hebt das labile Gefüge der hellenistischen Staatenwelt schließlich auf. Die Folge der historischen Ereignisse und zugleich jene Vorgaben, die Rom für die einverleibten Gebiete entwickelte, bewirkten einen der bedeutendsten Umformungsprozesse der Weltgeschichte. Es verwundert nicht, dass auch dieser Abschnitt ihrer Geschichte von den Römern späterer Generationen heroisiert wurde. Eines hielt mit der Entwicklung freilich nicht Schritt: der Interessensausgleich innerhalb der römischen Gesellschaft. Die Erweiterung des Imperium Romanum brachte zwar viele Gewinner hervor, ein nicht unbeträchtlicher Teil der römischen Bevölkerung Italiens jedoch verarmte. Ursache dafür bildeten große wirtschaftliche Umwälzungen dieses Zeitraumes, hauptsächlich aber eine Verlagerung und Spezialisierung der landwirtschaftlichen Produktion hin zum Großgrundbesitz. Das bisherige soziale Muster hatte sein Ende gefunden.
Historischer Hintergrund Äußere Ereignisse:
• 282–270 v. Chr.: Krieg mit Tarent, auf dessen Seite König Pyrrhos von Epirus eingreift. Auseinandersetzungen Roms mit weiteren unteritalischen Städten. • 272 v. Chr.: Fall von Tarent; 270 v. Chr. Einnahme von Rhegion. Durch das von den Römern beanspruchte Beutegut ergeben sich folgenreiche Berührungspunkte mit griechischer Kunst. Bedeutende, aus Tarent abtransportierte Bildwerke werden in Rom aufgestellt, so ein vom Künstler Lysipp geschaffenes Sitzbild des Hercules, das auf dem römischen Kapitol gezeigt wird. • 264–241 v. Chr.: Erster Punischer Krieg. Zunächst gelingt die Vertreibung der Karthager aus Sizilien. Die Karthager (Dynastie
der Barkiden) erobern daraufhin Spanien bis zum Ebro. • 260 v. Chr.: Seesieg der Römer bei Mylae an der Nordküste Siziliens durch den Konsul C. Duilius gegen die karthagische Flotte. Erster triumphus navalis (Triumph zur See) in Rom; C. Duilius erhält eine columna rostrata, eine mit den erbeuteten Schiffsschnäbeln verzierte Ehrensäule am Forum (Plinius, Naturalis historiae 34,11). Konsul Duilius lässt den Tempel des Janus am Forum Holitorium errichten (Tacitus, Annales 2, 49.1). Der Tempel kann wahrscheinlich mit auf der Nordseite in den Kirchenbau von S. Nicola in Carcere integrierten Tempelresten identifiziert werden. • 254 v. Chr.: A. Atilius Calatinus lässt anlässlich eines Sieges der Römer den Tempel der Spes (Hoffnung) errichten. Dieser Bau
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kann wahrscheinlich mit den erhaltenen Resten eines dorischen Ringhallentempels im Süden von S. Nicola in Carcere identifiziert werden. 227/225 v. Chr.: Sizilien, Sardinien und Korsika werden als erste Provinzen eingerichtet. Ab 229 v. Chr.: Engagement im griechischen Osten (sog. Illyrischer Krieg). Beginn der Kriege gegen Philipp V. von Makedonien. 211 v. Chr.: Die Kunstbeute aus Syrakus (Plutarch, Marcellus 21; Livius 25,40.1–3) sowie die Beschäftigung mit griechischer Zivilisation auf Sizilien sind mit Auslöser für einen allmählichen Wandel in den Kunstformen in Rom. 218–201 v. Chr.: Zweiter Punischer Krieg. Hannibal überquert mit seiner Armee die Alpen und erreicht Italien. Größtes Gefahrenmoment für Rom und das gesamte römische Bündnissystem durch die römische Niederlage am Trasimener See (217 v. Chr.). Abfall von mit Rom verbündeten Städten. Sieg Hannibals bei Cannae (216 v. Chr.). Letztlich strategisch glänzend errungener Sieg Roms bei Zama in Nordafrika (202 v. Chr.) durch Publius Cornelius Scipio Africanus. 197 v. Chr.: Der östliche Teil Spaniens wird als Provinz eingerichtet.Im selben Jahr: Niederlage Philipps V. von Makedonien bei Kynoskephalai (d. h. bei den „Hundsköpfen“ in Mittelgriechenland. T. Quinctius Flamininus garantiert den Griechenstädten die „Freiheit“.
Innere Ereignisse: Die nach Beendigung der Punischen Kriege wieder eingeleitete Organisation der Herrschaft über Italien führt zu neuen Koloniegründungen. Der Ausbau einer Stadtkultur, eines für Italien entwickelten Straßennetzes sowie weitere infrastrukturelle Maßnahmen lassen erstmals den „Prägestempel“ römischer Architektur erkennen. • Koloniegründungen in Italien: Bürgerkolonien: Antium, Ostia (338), Terra-
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cina (329), Minturnae (295), Cosa (273), Parma, Mutina (183), Luna (177) Latinische Kolonien: Paestum (273), Beneventum (268), Brundisium (244), Cremona, Placentia (218), Aquileia (181) Straßen: Via Appia (312), Via Aurelia (241), Via Flaminia (220), Via Aemilia (187) siehe Straßenkarte (Abb. 53111) Die römische Ordnung Italiens: Das Bundesgenossensystem besteht aus drei Gruppen: Cives Romani (Römer), nomen Latinum (Latiner), socii (Bundesgenossen) Das Verwaltungszentrum für das römische Bürgergebiet (ager Romanus) bleibt Rom. 269 v. Chr.: Der römische Staat lässt erstmals Silbergeld prägen 241 und 218 v. Chr.: Reform der Centuriatskomitien 225 v. Chr.: Die Vorbereitung auf einen Krieg gegen die in Mittelitalien eingefallenen Kelten erfasst die gesamte wehrfähige Bevölkerung Italiens. 225 v. Chr.: Die (lex Claudia) sieht den Ausschluss der Senatoren vom Seehandel vor. Dadurch konzentriert sich die Senatsaristokratie auf die Vermehrung ihres Landbesitzes sowie auf gesteigerte Produktion landwirtschaftlicher Güter und entzieht in der Folge dem römischen Bauernstand seine Existenzgrundlage. Aufstieg des Ritterstandes Seit 212 v. Chr.: Die abgefallenen Städte und deren Territorien werden konfisziert (ager publicus). 195 v. Chr.: Cato der Ältere wird Konsul. Während seiner Amtszeit erfolgt eine Gegenreaktion auf den griechischen Einfluss, den ein Teil der römischen Gesellschaft bereits angenommen hatte. 194 v. Chr.: Gründung der ludi Megalenes auf dem Palatin in Rom durch Scipio Africanus den Älteren. Diese ersten „Festspiele“ in Rom können als Ausdruck einer „Graecisierung“ der römischen Oberschicht gewertet werden. Der Sieger über Karthago, Pu-
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3. Kapitel
blius Cornelius Scipio Africanus, unternimmt absolutistische Versuche und scheitert an den Traditionalisten im Senat (Cato der Ältere). Scipio muss daraufhin ins Exil.
Ausgangslage der Kunst Der Rahmen des römischen Staates und seine Aufgabenstellung für die Gesellschaft erweitern sich. Rom wird zur bestimmenden Territorialmacht der italischen Halbinsel und fasst auch innerhalb anderer Gebiete der Mittelmeerwelt Fuß. Beginnend mit dem 3. Jh. v. Chr., setzt die „Hellenisierung“ Italiens, wie man es genannt hat, ein. 1 Durch Kenntnis der von den Griechen zur Blüte gebrachten Baukunst beginnt während dieses Zeitraumes ein Prozess der „Monumentalisierung“ römischer Bauformen. Aus verschiedenen Vorgaben heraus entwickelt Rom seine technisch bestimmte Formensprache: Der Einsatz des Mörtelmauerwerkes, eine damit einhergehende neue „Ästhetik“, schließlich die Tendenz zu landschaftsbeherrschenden Bauten können als typisch römisch angesprochen werden. Innerhalb der Städte entstehen neue Bautypen wie jene der Basiliken, welche den verschiedenen Formen des Handels, aber auch der städtischen Repräsentation dienen. Nutzbauten wie Lagerhallen und Verkaufsmärkte werden angelegt und stehen im Dienst einer zunehmend pluralen Handelsgemeinschaft. Ein verzweigtes Straßennetz verbindet die römischen Zentren Italiens. Die Ingenieurkunst in Form von Brückenbauten, Substruktionen (Unterbauten), Aquädukten nimmt in diesem Zeitraum ihren Ausgang. Auch für die Kunst des Tempelbaues beginnt ein neuer Abschnitt: Siegreiche Generäle initiieren in Rom Sakralbauten, die den Gottheiten des Staates geweiht werden. Diese Tempelbauten aus Stein variieren einen Architekturkanon, der innerhalb der unteritalischgriechischen Tempelarchitektur bereits vorgeprägt war. Die Tempel behalten jedoch ihr römisches Aussehen in Form eines hohen Podi-
ums und ihrer Frontorientierung bei. Bauten in Rom und den Städten aus der Zeit der Punischen Kriege haben sich allerdings nur in Resten erhalten. Anders in der nachfolgenden Phase: Konstruktionen aus Stein und die Übergänge zur Mörteltechnik sollten ab dem beginnenden 2. Jh. v. Chr. die Architekturgeschichte nachhaltig verändern. Die in Italien entstehenden Heiligtümer, aber auch die öffentlichen Gebäude in den Städten können sich erstmals mit hellenistischer Architektur messen. Statuen und Ehrendenkmäler dieser Periode, die es der Überlieferung nach in großer Zahl gegeben hat, dienten der Verherrlichung des politischen Ruhmes Einzelner und standen zugleich unter den Vorgaben des Staates. Wir verfügen wiederum nur über vereinzelte Zeugnisse einer frühen Statuenkunst. Die Ausdrucksmittel römischer Plastik und Skulptur lassen sich dahingehend charakterisieren, dass einfache, vielfach stereotype Muster eingesetzt wurden. Reliefs aus dem mittleren Abschnitt der Republik sind überhaupt rar. Auch die Porträtplastik, zumindest jene aus unvergänglichen Materialien, setzt spät ein. Bekannt ist die Reihe jener „Republikanerköpfe“, welche detailgetreu das Aussehen älterer Männer wiedergeben. Dieser „veristische Zug“ der Porträtplastik wird vielfach mit den in Rom heimischen Gebräuchen von Totenmasken in Verbindung gebracht. Führende Männer erhielten bei Leichenbegängnissen besondere Ehrungen: Wie Polybios berichtet (siehe 4. Kapitel), wurden die Verstorbenen mittels Totenmasken von Schauspielern verkörpert, um so noch einmal „leibhaftig“ vor dem Volk zu erscheinen. Entsprechende „Ahnenporträts“ soll es in den Häusern der Vornehmen gegeben haben. Die Suche nach solchen „Patrizierporträts“, wie man sie genannt hat, erweist sich jedoch als schwierig, weil wir entsprechende Richtungen der Porträtkunst erst ab der Zeit der späten Republik verfolgen können. 2 Die inhaltlichen Umwälzungen und Neuerungen, welche sich für die römische Kunst in der Zeit der mittleren Republik ergaben, soll-
Einflüsse und Stabilisierungsprozesse
ten nicht ohne Folgen für die Zukunft bleiben. Parallel zur Einführung neuer Bauformen, aufwendigerer Materialien und einem größeren Repräsentationsbedürfnis entwickelte sich eine ideologische Auseinandersetzung um die Kunst: Bedeutende Familien in Rom wie jene der Scipionen führten dabei die Gruppe der „Erneuerer“ an, konservative Bewahrer, wie Cato der Ältere (Censorius) vertraten hingegen vehement die Vorzüge des Althergebrachten. Eine Diskussion entwickelte sich dabei um den Begriff der luxuria, das heißt des Überflusses. Sowohl außerordentliche Ausstattungsformen der Wohnhäuser als auch neuartige Gelageformen mit Prunkgeschirr gerieten ins Visier der Traditionalisten. Folgendes Beispiel kann dies verdeutlichen: Dem bedeutenden Feldherrn P. Cornelius Rufinus – er hatte sich in den Samnitenkriegen ausgezeichnet – ist im Jahre 275 v. Chr. das Folgende widerfahren: Er wurde nach kurzer Beratung aus dem Senat ausgeschlossen und damit politisch ins Abseits geschickt. Doch was war der Anlass für einen solchen außerordentlichen Vorgang? Die Zensoren warfen ihm vor, innerhalb seines Haushalts zehn Pfund Tafelsilber zu besitzen! Ob luxuriae notam, wegen der Schande der Luxuria also, waren die Zensoren dermaßen rigoros gegen den Politiker eingeschritten. Betrachten wir das Luxusverhalten späterer Generationen, so scheint diese Vorgehensweise geradezu lächerlich. Doch der römische Staat brüstete sich zum damaligen Zeitpunkt geradezu mit strengen Vorgaben, die es dem Einzelnen nicht erlaubten, „fürstliche Gewohnheiten“ anzunehmen. Bis in die Zeit der späteren Republik sollte es anhaltende Auseinandersetzungen um das Regelverhalten im privaten Umfeld geben. Auch bezüglich des Umgangs mit Marmorluxus können wir in den ersten Abschnitten bei Plinius Erstaunliches lesen (Plinius, Naturalis historiae 36,1–8): Demnach wurde in der Zeit, in der ein gewisser Gaius Claudius Pulcher Zensor in Rom war (169 v. Chr.), die Notwenigkeit gesehen, Gesetze gegen privaten Bauaufwand und die private Verwendung von
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Marmor zu erlassen. Tadelnd erwähnt wird kurz später der Redner L. Crassus (140–91 v. Chr.), der Säulen aus hymettischem Marmor (vom Hymettos, östlich von Athen) in sein Privathaus auf den Palatin bringen ließ. Ungewöhnlich wirkt diese Zurechtweisung freilich gegenüber all dem, was sich seit den späten Jahren der Republik und dann während der Kaiserzeit innerhalb der römischen Kultur an Bauaufwand und an Ausstattungsluxus zeigen sollte.
Der altertümliche Rahmen Roms Dieser Abschnitt soll bewusst mit einem rätselhaften Kunstwerk einsetzen, einem Götterbild, das den älteren Rahmen der Kunst in Rom vertritt (Abb. 43). Es ist wahrscheinlich jedoch nicht ein Original dieser frühen Zeit, sondern lediglich eine Kopie. Die Statue nimmt damit Bezug auf ein Bildwerk, das im Herzen des alten Rom zu sehen war. Auffallend steif, ja archaisierend und stilistisch rückwärtsgewandt wirkt diese mannshohe Statue aus grauem Stein, die vom Forum Romanum stammt. 3 Sie stellt den Heilgott Apollo dar. Die Statue wurde beim Quellbezirk der Iuturna hinter dem Castor-Tempel angetroffen und war dort wahrscheinlich Bestandteil einer Figurengruppe mit Reiterbildern der Dioskuren. 4 Auf die bekannte Sage mit den Pferde tränkenden Dioskuren wurde schon am Beispiel des Castor-Tempels aufmerksam gemacht. Das Brüderpaar wurde von den Römern als Heilgottheiten verehrt und war vor allem für die römische Ritterschaft von hoher Bedeutung. Eine vergleichbare Funktion erfüllte Apollo, dessen Kult ursprünglich von den Griechen übernommen wurde. Fragen wir uns nach dem Alter dieser Kulteinrichtung am Forum Romanum, so geben uns die archäologischen und epigraphischen Hinweise leider nur teilweise Auskunft. Die Quelle der Iuturna wurde bereits in republikanischer Zeit von einem Marmorbecken einge-
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Abb. 43: Rom, Apollo-Statue vom Forum Romanum.
fasst. Der Bezirk musste dann allerdings in trajanischer Zeit noch einmal grundlegend erneuert werden. Es gibt nun entsprechende Überlegungen, die Statue Apollos entweder in die Zeit der Republik oder in die Erneuerungsphase des Quellbezirkes zu datieren. Der Ausführung und dem Kopistenstil nach, welcher sich an mehreren Details der Bearbeitung ablesen lässt, wurde die Statue einem älteren Vorbild
nachempfunden. 5 Doch damit beginnt für uns erst die Frage nach dem ursprünglichen Aussehen solcher Kultbilder. Der Castor-Tempel selbst wurde im 5. Jh. v. Chr. begründet und im Jahre 117 v. Chr. vollständig erneuert. Diese Angaben sind für ein hypothetisches älteres Vorbild dieser Statue durchaus nützlich. Die Details der Ausführung der Statue zeigen nämlich, dass mit ihr möglicherweise ein Bronzeoriginal imitiert wurde. Auch die dazugehörenden Reiterstandbilder der Dioskuren wurden in der Antike mehrfach ausgebessert. 6 Sie besaßen demnach ein so hohes Ansehen, dass ihre alte Form bewahrt wurde. Hansgünter Martin möchte die Dioskuren-Standbilder aus diesen Gründen noch ans Ende des 2. Jhs. v. Chr. datieren. Kommen wir noch einmal auf das grundsätzliche Phänomen zu sprechen: Die Überlieferung älterer Bildwerke spielt innerhalb der römischen Kunst eine wichtige Rolle. Rom achtet, so wird man festhalten können, insgesamt auf Traditionen, die das hohe Alter der Kulteinrichtungen betonen sollten. Das ist eine Beobachtung, die sich auch bei Betrachtung dieser Statue stellt. Selbst in den Perioden der späteren Republik und vor allem jener des Augustus und Hadrian begegnen wir „archaistisch“ geprägten Werken der Bildkunst, die bewusst auf vorklassische Stufen der Bildhauerei zurückgreifen. Römische Kunst bringt dabei einerseits zum Ausdruck, dass sie das Repertoire vorbildlicher älterer Stilstufen beherrscht. Andererseits sollten Würdeform der Ausdrucksmittel und der Rückgriff auf überlieferte Bildwerke die Bedeutung Roms unterstreichen. Meist werden dabei solche archaische Werke nicht wörtlich zitiert, sondern mit Stilmitteln anderer Perioden durchmischt. Die eklektische Note (der Eklektizismus) bildet ein kennzeichnendes Element der römischen Bildhauerkunst. Wie aus den bisherigen Beurteilungen hervorgeht, gibt auch die Apollo-Statue von der Iuturna-Quelle nicht die echt archaische Stilstufe wieder, sondern es wurde einem (Bron-
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ze-) Werk der griechischen Kunst nachempfunden. Dieses Beispiel einer „Rückprojektion“ konnte ebenso gut in der mittleren Republik als auch in trajanischer Zeit stattgefunden haben.
Rom und die Mittelmeerwelt Die römische Republik verzichtete anfangs auf die Prägung eigener Münzen. 7 Ab einer gewissen Stufe seiner wirtschaftlichen Entwicklung und der daraus resultierenden Notwendigkeit, am Geldumlauf teilzunehmen, setzte Rom griechische Städte in Unteritalien für die Prägung seiner Münzen ein. Reiche Erfahrungen dieser Zentren auf dem Gebiet des Münzwesens sowie die hohe Qualität der Prägungen dürften dafür ausschlaggebend gewesen sein. Auch diverse innenpolitische Überlegungen Roms wurden immer wieder für dieses erstaunliche Faktum der „Fremdprägungen“ herangezogen. Daraus lässt sich aber auch ablesen, dass Rom im späten 4. und frühen 3. Jh. v. Chr. noch keine nennenswerten künstlerischen Traditionen einbringen konnte. 8 Rom wollte sich, so die Vermutung, auf qualitative Standards andernorts verlassen. Doch gerade durch die Bildwahl der ersten römischen Münzen kommen wir auch den Leitmotiven des römischen Staates näher. Münzprägungen nehmen durchaus Einfluss auf die Vorstellungskraft der Menschen. Durch staatlich geprägtes Geld konnten Bezüge zum Staatswesen sowie zu dessen Wertvorstellungen hergestellt werden. Die vermittelten Bilder zeigten zentrale Gottheiten, Personifikationen oder staatliche Symbole Roms. 9 Die griechischen Stilformen der Münzen brachten insgesamt aber auch die Bildsprache Roms auf ein höheres Niveau. Im frühen 3. Jh. v. Chr. gab es drei römische Münzsorten: Aes Signatum (gegossene Bronzebarren als Traditionsform), geprägte Silberund Bronzemünzen nach campanischem Vorbild sowie Aes Grave (gegossene Rundbronzemünzen). Die erste Gruppe der Silberprägun-
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gen trägt die Beischrift ROMA(NOM). Silber wurde zunächst ausschließlich für Didrachmen, ca. 7,25 g schwer, verwendet. Später verringerte man deren Gewicht etwas. Wahrscheinlich im Jahre 268 v. Chr. setzt die eigenständige römische Münzprägung unter der Regie von „Münzmeistern“ ein. Plinius (Naturalis historiae 33,44) berichtet vom Einsetzen der Silbermünzen in Rom. Bis zum Ende des Zweiten Punischen Krieges entwickelt Rom ein trimetallisches Münzsystem (Gold, Silber, Kupfer). Ein staatliches Kollegium (tresviri monetales) zeichnete für die Herausgabe der Münzen verantwortlich. Durch den Münzumlauf wurde der Warenverkehr im römischen Wirtschaftssystem entsprechend flexibler. Die neue Dimension der Geldwirtschaft spiegelt sich auch in der Häufung von Kapital. Das Anwachsen des Warenverkehrs führte auch zunehmend zu Spekulationsgeschäften, welche sich etwa im Bereich der Getreideversorgung negativ auf die städtische Bevölkerung auswirken konnten. Die sogenannte lex Claudia des Jahres (218/217 v. Chr.) beschränkte nunmehr – davon war bereits die Rede – die Handelsmöglichkeiten der senatorischen Schichten auf ein Minimum. Der Aristokratie blieb damit lediglich der Grundbesitz und dessen Ausweitung, was schon im Verlauf des 2. Jhs. zur Entwicklung der Latifundienwirtschaft führte. Die Umstellungen förderten einerseits spezifische Agrarsysteme, schwächten andererseits aber den römischen Bürger und die Kleinbauern. Diese Vorgänge, verbunden mit dem Ausbluten der Bevölkerung durch die Punischen Kriege und einer einseitigen Umverteilung des Wohlstandes im Zeitalter der Eroberungen, führten ab der Mitte des 2. Jhs. zu einer großen sozialen Krise in Italien. Die hier abgebildete Silbermünze (Abb. 44) zeigt den lorbeerbekränzten Kopf des jugendlichen (Gottes) Apollo, die Rückseite ein nach links aufstehendes Pferd, darüber die Aufschrift ROMA. Die Didrachme kann um 250 v. Chr. datiert werden und entstammt der Münzstätte Rom. Das Münzbild zeigt eine
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Abb. 44: Rom, Didrachme: Apollo und ein sich aufbäumendes Pferd.
durchaus aktuelle Form des Götterbildes, wie sie innerhalb der griechischen Kunst verbreitet wurde. Beim hier dargestellten Münzbild wirken noch die großflächigen und zugleich einprägsam-klassizierenden Formen der Kunst Unteritaliens durch. Wie wir dem Auftreten griechischer Bildhauer in Rom im folgenden Abschnitt entnehmen können, sollten sich bei römischen Kultbildern bald die Normen der griechischen Kunst durchsetzen (Abb. 70143). Die Gottheit Apollo wurde in Rom seit einer verheerenden Pestepidemie im 5. Jh. v. Chr. als fremde Heilgottheit verehrt. Der Tempel befand sich daher noch außerhalb des Pomeriums am Marsfeld. Dieser sogenannte Tempel des Apollo medicus wurde in seiner dritten Bauphase als prachtvoller augusteischer Marmortempel wiedererrichtet (Abb. 110203). Auch auf dem Forum Romanum (siehe Iuturna-Quelle) wurde, wie wir gesehen haben, Apollo verehrt. Für die Darstellung dieser Gottheit kopierten die Römer ursprünglich griechische Vorbilder. Auch das Münzbild ist so letztlich nur Zeuge für römische Auftragskunst. Der Einfluss der frühen Münzprägung auf die Vorstellung und das Kunsturteil der Zeitgenossen ist jedoch nicht zu unterschätzen.
Ein Bronzeporträt und die Ehrenstatuen der Republik Zu den „Mirabilien“ der Kapitolinischen Sammlungen in Rom zählt von jeher ein antiker Bronzekopf, der in eine neuzeitliche Büste eingearbeitet wurde (Abb. 45). Das strenge Männerantlitz mit dem stechenden Blick zeigt eine Persönlichkeit des alten Rom. 10 Die Herkunft des Kopfes ist leider unbestimmt, sie ist jedoch im Zusammenhang mit der Aufstellung von Statuendenkmälern auf öffentlichen Plätzen im frühen Rom zu sehen. Aufgrund des Erhaltungszustandes des originalen Bronzehohlgusses, vor allem aber seiner abgetrennten Halsränder wird klar, dass der Kopf ursprünglich zu einer Statue gehörte. Eine Togastatue oder eher doch ein Reiterstandbild kommen dafür in Frage. 11 Das Bildnis besitzt durch seine in unterschiedlichen Materialien eingelegten Augäpfel stark sprechende, den Betrachter in seinen Bann ziehende Züge. Bereits frühe Beschreibungen der Antiken Roms vermerken diesen Porträtkopf unter „Brutus Capitolinus“. 12 Doch woher kommt diese Bezeichnung? Schon früh erkannte man Ähnlichkeiten in der Profilansicht des Kopfes mit Münzbildern, die den legendären „Gründer“ der römischen Republik, M. Iunius Brutus, zeigen (Abb. 46). Wie die späte Einführung des Münzwesens in Rom uns lehrte, können diese Münzen aller-
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Abb. 45: Rom, Bronzekopf des sogenannten Brutus Capitolinus.
dings nicht aus den Anfangszeiten der Republik stammen. Münzbilder, die Persönlichkeiten der Anfangsepoche Roms wiedergeben, sind vielmehr Ausdruck der spätrepublikanischen Zeit. Damals beriefen sich einzelne Münzmeister auf berühmte Vorfahren: Bereits im Jahre 54 v. Chr. hatte sich ein gewisser M. Iunius Brutus (bzw. Q. Caepio Brutus) mit seinem legendären Ahnen identifiziert, indem er dessen Porträt für die Prägung von Münzen
heranzog. Wir kennen diesen Mann besser als den Mörder Gaius Iulius Caesars im Jahre 44 v. Chr. 13 Das Münzbild beruft sich daher nur ideell, jedoch verbunden mit einer direkten politischen Botschaft, auf die Anfänge Roms. Es zeigt auch deutlich keinen „Zeitgenossen“ aus den Tagen Caesars, sondern beruft sich auf ein Vorbild der älteren Zeit: Der Männerkopf trägt Bart, eine Mode, die in Rom bereits Anfang des 3. Jhs. v. Chr. nicht mehr zeitgemäß war. Das
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Abb. 46: Münzporträt des M. Iunius Brutus.
Bildnis auf der Münze ist somit deutlich rückstilisiert und sollte eine Persönlichkeit aus den Anfangszeiten Roms wiedergeben. Durchaus plausibel erscheint auch die Annahme, dass es für solche Persönlichkeiten der Republik auch entsprechende Statuen in Rom gegeben hat, auf die sich die Münzmeister berufen konnten. Um genau dieses Problem der Überlieferung geht es im Folgenden. Die mögliche Einordnung und Benennung des Kopfes erschließt sich also nicht primär nach physiognomischen, stilistischen oder historischen Kriterien, sondern maßgeblich durch die Tatsache seiner Ähnlichkeit mit Münzbildern. Das kann nun aber bedeuten, dass entweder die Münzen rückstilisiert sind, oder auch, dass der Bronzekopf selbst ältere Stilmuster wiederholt. 14 Jüngste technische Untersuchungen bestärken durchaus wieder die ursprüngliche Annahme, es handle sich beim „Brutus“ um eines der wenigen erhaltenen Originalwerke früher Ehrenstatuen in Rom. Götz Lahusen und Edilberto Formigli denken zwar an keinen so Prominenten wie Iunius Brutus, sehr wohl aber an eine der anonymen Persönlichkeiten der fühen Republik, die in Form von Ehrenstatuen aufgestellt waren. Viele dieser älteren Statuen wurden im Jahre 158 v. Chr., wie wir bei Plinius lesen (Naturalis historiae 34,30),
vom Forum entfernt. Es gab jedoch nachweisbar auch eine Statue des Gründers der römischen Republik, nämlich auf dem Kapitol. Diese war neben der Statuenreihe der Könige Roms unmittelbar vor dem Iuppiter-Capitolinus-Tempel zu sehen. 15 Zu einem späteren Zeitpunkt kam noch ein Bildnis Caesars in Form einer 46 v. Chr. vom Senat beschlossenen Bronzestatue (Cicero, De officiis 3,83) zu dieser historischen Figurengruppe hinzu. Es handelte sich demnach um eines der wichtigsten staatlichen Monumente in Rom. Ich persönlich bleibe aus den genannten Gründen weiterhin beim Versuch, den Brutus vom Kapitol als Zeugnis der frühen römischen Kunst zu verstehen. Dessen betont eigenständige römische Formensprache zeigt sich etwa im Vergleich mit dem etwas jüngeren Fiesole-Kopf (Abb. 3480). Ein wesentliches Kriterium für eine Frühdatierung bildet die knappe, auf einprägsame Grundzüge reduzierte Anlage des sogenannten Brutus. Beachtenswert dabei wird auch der Ausdruck des Kopfes, dessen starr gehaltene Gesichtszüge. Mit der späteren plastischen Entwicklung in Rom hat dieser Kopf offenkundig nichts zu tun. Man wird daher auch weniger von einer Wiedergabeformel sprechen können, als von einem inneren Konstruktionsprinzip. Die flach aufgelegten Strähnen der Mittelscheitelfrisur, ebenso auch der streng gestutze Bart wirken so kaum organisch mit den Gesichtspartien verbunden. Bereits Forscher wie Guido Kaschnitz von Weinberg betonten eine „raumbegrenzende Stereometrie“ sowie „harte stereometrische Begrenzungsflächen“, die den sogenannten Brutus von Köpfen in Etrurien unterscheiden. 16 Sichtbar wird bei diesem außerordentlichen Porträtkopf das Prinzip einer auferlegten Ordnung, die sowohl die Züge einer Persönlichkeit, als auch die „eingeschmiedete Wertehaltung“ dieses Mannes zum Ausdruck bringen soll. Solche Aussagen einer „Strukturanalyse“ bleiben zwar innerhalb der heutigen Forschung heftig unumstritten, sie stellen jedoch meines Erachtens den legitimen Versuch dar, Einzelwerke in eine
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bestimmte Zeit und in eine bestimmte Landschaft zu stellen. Im Zusammenhang dieser Überlegungen wird es daher wichtig, noch einen weiteren Stilvergleich mit dem Kopf des sogenannten Brutus anzustellen. Bereits innerhalb des Forschungsansatzes von Kaschnitz begegnen wir dem Vergleich des „Brutus“ mit einem gut datierten Bildwerk aus Athen. Es handelt sich dabei um die Bildnisstatue des Redners Demosthenes, welche 290 v. Chr. auf der Agora von Athen aufgestellt wurde (Abb. 47). 17 Mit diesem Vergleich sollte der gleichzeitige Entstehungsrahmen beider Werke eingegrenzt werden. Die für Athen bezeichnende Statuenstiftung wurde 40 Jahre nach dem „Freitod“ des Redners, der sich gegen die Makedonenpartei gewandt hatte, vom Demos (Volk) gestiftet. Der Bildhauer Polyeuktos ist für die Fertigung der originalen Bildnisstatue überliefert, ebenso das genaue Jahr der Statuenaufstellung. Zahlreiche spätere römische Kopien wiederholen das Bildnis des Demosthenes. Für die Athener der frühhellenistischen Periode hatte die Statue des Demosthenes eine ebenso hohe politische Bedeutung wie jene der ersten öffentlichen Ehrenstatuen, die in Rom zu dieser Zeit existierten. Wir erfahren etwa, dass es auch im Bereich des Comitiums am Forum Romanum solche Bildnisse „berühmter Griechen“ gegeben hat. Das erklärt sich daraus, dass beim Versammlungsplatz in Rom auch ausländische Gesandtschaften empfangen wurden. Eine Beziehung zwischen griechischen und römischen Bildwerken scheint demnach in dieser Zeit gegeben zu sein. Von Interesse ist durchaus auch ein formaler Vergleich zwischen den Bildnisköpfen des „Brutus“ und des Demosthenes. Gravierende Unterschiede werden daraus ersichtlich. Das Bildnis des Demosthenes ist grundlegend aus einer anschaulich „analytischen“ Grundform heraus entwickelt worden. 18 Die Gestaltung scheint von innen heraus gebildet zu sein; sie wirkt plastisch differenziert. Aufgabe dieses Bildnisses war es ja, der Redehaltung des berühmten Politikers, seiner Verzweiflung im Widerstand gegen die
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Abb. 47: Demosthenes. Römische Marmorkopie nach der Ehrenstatue des Demosthenes von Polyeuktos, 294 v. Chr. Athen, Akropolismuseum.
Makedonenpartei Ausdruck zu verleihen. Dies spiegelt sich in Mimik und innerer Haltung des berühmten Redners. Der Kopf des sogenannten Brutus wirkt hingegen plastisch reduziert, beziehungsweise aus einer „stereometrischen Grundform“ (G. Kaschnitz von Weinberg) heraus gebildet. Ihm haftet ein abstrakt überpersönlicher Zug an. Der Strenge der äußeren Formgebung folgen die in den Kopf eingearbeiteten Züge, welche den Charakter einer bestimmten Persönlichkeit nachzeichnen wollen. Derartige Differenzierungen belegen vor allem die Unterschiede zwischen griechischer und römischer Kunst. Ein rein äußerlicher Vergleich beider Köpfe zeigt aber auch, dass beide Werke der Zeit gegen 300 v. Chr. entstammen. In gewissem Maße finden sich nämlich zeitgenössische „Formeln“ der griechischen Porträt-
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Abb. 48: Das Forum Romanum in republikanischer Zeit (nach Kolb).
kunst in den sogenannten Brutus eingearbeitet. Dies scheint für unsere Betrachtung ein aufschlussreicher Ansatzpunkt für die integrative Kraft der römischen Kunst zu sein.
Das Forum Romanum und der öffentliche Raum Wir kommen noch einmal auf das Forum Romanum zurück und beschäftigen uns damit mit dem Kernbereich von Kult, Politik und Wirtschaft im alten Rom (Abb. 48). Das Forum Romanum bildete bekanntermaßen den Mittelpunkt des städtischen Lebens und war Schauplatz für große Politik. Das Gelände für die Volksversammlungen, das Comitium, lag dabei im Nordwesten, unmittelbar neben dem Senatsgebäude (Curia Senatus/Curia Hostilia, Abb. 49). Vom alten „politischen Nabel“ der Stadt sind allerdings nach den bereits in der frühen Kaiserzeit erfolgten Umgestaltungen keine Reste mehr zu sehen.
Die ersten Phasen des Comitiums wurden bereits zuvor erörtert. 19 Bauliche Adaptierungen auf dieser politischen Arena sind nun gerade auch für das 3. Jh. v. Chr. festzustellen. 20 Die ständigen Umgestaltungen am Forum Romanum nahmen einen wichtigen Faktor im Leben der Stadt ein. Wie wir bereits gehört haben, wurden vor allem nach dem Sieg über die Latiner (338 v. Chr.) Staatsmonumente von Rang für das Forum geschaffen. An der Rednertribüne beim Comitium werden so etwa die Schiffsschnäbel (Rostra) der bei Antium gekaperten Schiffe angebracht. Der Redeplatz sollte fortan diesen Namen tragen. Die Sieger von Antium, Furius Camillus und Gaius Maenius erhielten in der Nähe bronzene Reiterstatuen (Livius 8, 13.9). Ein Zensor namens Gnaius (Gnaeus) Maenius wiederum ließ an den Längsseiten des Forums steinerne Läden errichten, welche die alten hölzernen Verkaufsbuden ersetzten. Diese mit einem Obergeschoss und mit vorkragenden Balkonen versehenen Geschäfte werden dem neuen Bauprinzip nach
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Abb. 49: Rom, Zone um das Comitium am Forum Romanum.
als Maeniana bezeichnet. Von den Tribünen aus konnte man den auf dem Forum stattfindenden Gladiatorenspielen und Prozessionen zusehen. Vom Forumsplatz verschwand in diesem Zeitraum allmählich auch der Agrarhandel: Anstelle der tabernae Ianienae (Fleischläden) entstanden die tabernae argentariae (Wechselstuben) der Bankiers. Das Macellum (Lebensmittelhalle) als eigener Bautypus grie-
chischer Prägung (Makellon) wird in der Zone nördlich des Forums angesiedelt. Schon mehrfach war von solchen Versammlungsplätzen innerhalb Roms die Rede. Die architektonisch ausgestalteten Zonen auf dem Marsfeld und am Forum bildeten für die staatlichen Körperschaften gewissermaßen den Mittelpunkt. 21 Das Comitium am Forum erhielt zur Zeit des Ersten Punischen Krieges
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seine kreisrunde Gestalt. Ende des 3. Jhs. v. Chr. und zur Zeit Sullas, Anfang des 1. Jhs. v. Chr., musste die Anlage nochmals erneuert werden. Erst mit den generellen Umbauten unter Caesar nach dem Brand der Curia verschwand die Platzanlage. Der Versammlungsplatz hatte seine politische Funktion abgegeben. Rund um das Comitium liegen das Curiengebäude, der Carcer und die ersten Basiliken republikanischer Zeit. Auch der Lapis Niger befindet sich in unmittelbarer Nähe. Zu den interessantesten Überlieferungen zählt, dass von den Stufen des Comitiums aus die Stunden des Tages von einem Herold ausgerufen wurden. Nach der Eroberung von Catania/Katane auf Sizilien (263 v. Chr.) wurde am römischen Forum eine von dort stammende Sonnenuhr (Analemma) aufgestellt, deren Funktion jedoch zu wünschen übrig ließ: Die Einstellung dieses Gerätes erfolgte nämlich nach einem südlicheren Breitengrad und nicht nach jenem Roms, wie Plinius in späteren Jahren spöttisch bemerkt. 22 Erst im Jahre 164 v. Chr. ließ der Censor Marcius Philippus eine Sonnenuhr herstellen, die für Rom geeignet war. Der Bereich um das Comitium sollte ursprünglich die „Internationalität“ Roms unterstreichen: Ausländische Gesandte wurden etwa hier empfangen. So überrascht es auch nicht, dass Statuen der griechischen Welt an dieser Stelle Eindruck machen sollten (Pythagoras, Alkibiades …). Rom imitiert so in gewissem Sinn eine Agora, den Marktplatz einer griechischen Stadt. Rom verhält sich bei den meisten seiner Einrichtungen jedoch durchaus konservativ. Architektonisch betrachtet, verkörpert das Forum Romanum etwas völlig anderes als die durch Hallenbauten gegliederten Marktplätze der Griechen: Das Forum Romanum wird von Sakralbauten beherrscht, denen sich die politische und merkantile „Kulisse“ gewissermaßen unterordnet. Für die großen staatlichen Ereignisse wie für zentrale Opferhandlungen bleibt in Rom nach wie vor die Zone des Kapitolinischen Heiligtums ausschlaggebend (auch
den dort befindlichen Fides-Tempel, der den „Treueakt“ gegenüber Rom symbolisierte). 23 Andere staatliche Handlungen spielten sich innerhalb des Marsfeldes ab (z. B. Census, d. h. Steuereinteilung, Rekrutierung). Was in Rom markant zu fehlen scheint, ist die Funktion des Theaterbaues, auch wenn es einfache und abbaubare Holzkonstruktionen für Spiele in Rom gegeben hat. Für die ersten in Rom überlieferten Gladiatorenspiele mussten ebenfalls einfache Holztribünen am Forum Romanum herhalten. Jede römische Koloniestadt (mit eigenem Rechtsstatus) besaß ebenfalls ein Comitium (Abb. 4087). In Alba Fucens datiert die Anlage wahrscheinlich ans Ende des 3. Jhs. v. Chr. In Paestum wird eine solche Platzanlage wahrscheinlich nach Übernahme der lukanischgriechischen Stadt durch die Römer im Jahre 273 v. Chr. angelegt. Auch die ursprünglich griechischen Koloniestädte auf Sizilien besaßen vergleichbare Einrichtungen (z. B. Ekklesiasterion von Agrigent).
Der Sakralbereich am römischen Gemüsemarkt Von den drei Tempeln am Forum Holitorium nimmt man, da diese von der Kirche S. Nicola in Carcere verbaut wurden, heute nur mehr einzelne Säulenordnungen wahr. Freilegungen dieser Säulen- und Gebälkreste, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, sowie Grabungen im Untergrund der Kirche belegen jedoch die markanten Überreste dreier Tempel der republikanischen Zeit. Wer als Besucher Roms diese Tempelanlage näher kennenlernen möchte, dem sei eine Sonderführung im Untergrund der Kirche von S. Nicola in Carcere empfohlen: Eine „spannende Spurensuche“ zum frühen Rom bietet sich an diesem Ort an. Eine nicht weniger grandiose „Freilegung“ dieser Tempel mit den Mitteln der Phantasie und zugleich mit bautechnischem Spürsinn
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Abb. 50: Die Tempel am Forum Holitorium in Rom. Kupferstich von Giambattista Piranesi.
hat bereits vor 250 Jahren Giambattista Piranesi (1720–1778) versucht. Dieser berühmte Antiquar und Kupferstecher hat insoferne einen genialen Blick erwiesen, als er die drei Tempel am Forum Holitorium quasi freigestellt wiedergibt (Abb. 50). 24 Die Geschichte dieser teilweise erhaltenen Tempel – ursprünglich gehörte noch ein vierter ins Ensemble (Tempel der Bellona) – spielt im zeitlichen Rahmen der Punischen Kriege. Zwar erweist sich auch bei diesem Sakralbezirk, dass die Tempelanlagen im Laufe der Jahrhunderte immer wieder erneuert werden mussten. Doch haben diese allem Anschein nach ihre ursprüngliche Konzeption und ihr Aussehen im Wesentlichen bewahrt. So sind die erhaltenen Tempelreste am Forum Holitorium zu Zeugnissen für die Architektur Roms in seinen „hellenistischen Jahrhunderten“ geworden. Wenn wir von einer erneuerten Architektur dieser Zeit sprechen, so sollten wir uns zugleich mit
der unterschiedlichen Formgebung dieser Tempel beschäftigen (Abb. 51). Die drei Tempel am Forum Holitorium werden – wie betont – bis heute durch den Kirchenbau von S. Nicola in Carcere eingefasst. Die Fundamente der römischen Kultbauten liegen dabei unter dem Bodenniveau der Kirche. 25 Bei früheren Grabungen wurden Teile der Tempelpodien freigelegt, sodass die unterschiedlichen Grundrisslösungen erkennbar wurden und die Anlageform der Tempel geklärt werden konnte. Die Tempel am römischen Gemüsemarkt lagen bereits außerhalb des Pomeriums. Wiederum sind uns zu ihrer Geschichte mehrere literarische Nachrichten überliefert. Diese berichten vom frühen Entstehungsdatum der Tempel in mittelrepublikanischer Zeit und belegen mehrere Restaurierungsmaßnahmen im frühen 1. Jh. v. Chr. und nochmals zu Beginn der Kaiserzeit. Auch wenn diese Tempel – um es noch einmal zu betonen
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Abb. 51: Rekonstruierte Frontansicht der Tempel am Forum Holitorium in Rom.
– nicht als stilreine Bauwerke der mittleren und späten Republik anzusprechen sind, so vertreten sie doch insgesamt einen geschlossenen Architekturkomplex dieser Zeit. Vor allem aber können wir aus der Anlageform dieser Tempel ersehen, dass sich die Kulisse Roms im 3. und 2. Jh. v. Chr. deutlich zu wandeln beginnt. Bei den Tempelanlagen handelt es sich der Überlieferung nach um die Tempel des Ianus (im Norden), der Spes (im Süden) und der Iuno Sospita in der Mitte. Der Ianus-Tempel befand sich nicht weit vom späteren MarcellusTheater entfernt. Sein Podium besteht aus opus caementicium und ist mit einer Travertinverkleidung versehen. Der Grundform nach handelt es sich um einen 26 m langen und 15 m breiten Ringhallentempel ohne die rückwärtige Säulenstellung (peripteros sine postico): An einer Seite der Kirchenaußenwand von S. Nico-
la kann man noch acht freigelegte ionische Säulen dieses Tempels wahrnehmen. Die Säulen selbst sind aus Peperin-Material, das Gebälk aus Travertinstein. Der Ianus-Tempel wurde ursprünglich von C. Duilius während des Ersten Punischen Krieges (260 v. Chr.) erbaut und später von Kaiser Tiberius (17 n. Chr.) grundlegend restauriert. Der Tempel der Iuno Sospita (Iuno, der Retterin) in der Mitte der Anlage wurde von C. Cornelius Cethegus (197–194 v. Chr.) errichtet. Es handelt sich dabei um einen mit seiner Treppe 34 m langen ionischen Peripteros. Die ursprünglich sechs ionischen Säulen waren an der Stirnseite dreifach gestaffelt, sodass sich eine tiefe Vorhalle ergab, an der Rückseite des Tempels waren sie in doppelter Reihung angebracht. Es handelt sich beim Tempel der Iuno Sospita mit Sicherheit um den am deutlichsten
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durch die griechische Tradition beeinflussten Bau. Nun zum dritten Tempel dieser Tempelgruppe bei S. Nicola, den Tempel der Spes (Hoffnung). Es handelt sich dabei um den zweitältesten Kultbau nach dem Ianus-Tempel. Errichtet wurde dieser Tempel während des Ersten Punischen Krieges (254 v. Chr.) durch einen A. Atilius Calatinus (Tacitus, Annales 2,49.2). Der Vorgängerbau des jetzigen Tempels ist allerdings bereits im Jahre 213 v. Chr. (gleichzeitig mit S. Omobono) abgebrannt. Er musste daher bereits am Ende des 3. Jhs. v. Chr. erneuert werden. Der jetzige Baubestand zeigt einen dorischen Peripteros von 6 11 Säulen. Der Säulenkranz wird durch (stuckierte) Travertinsäulen gebildet und besitzt eine Länge von ca. 25 m und eine Breite von etwa 11 m. Wie die eingesetzten Materialien zeigen, muss auch das zweite Tempelgebäude grundlegend erneuert worden sein. Wahrscheinlich gehört ein Teil des Baubestandes in das Jahr 17 n. Chr., als Germanicus den Tempel neu einweihen konnte. „Der jetzt sichtbare Baubestand stammt wie auch bei den anderen Tempeln vom Anfang des 1. Jhs. n. Chr.“ (Filippo Coarelli). Die unterschiedliche Überlieferung und der unterschiedliche Formenbestand dieser Tempel liefern uns aufschlussreiche Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang sollten wir uns die Frontwirkung dieser „Tempelfamilie“ vor jenem Straßenzug vorstellen, an dem sich auch die römischen Triumphzüge vorbeibewegten. Es handelt sich bei den Tempeln am römischen „Gemüsemarkt“ um eine verhältnismäßig eng gesetzte Baugruppe, deren wesentliches Charakteristikum die Ansichtsseite der Tempel war, die sich auf ihren Podien präsentierten. Neben den zweifelsfrei beharrenden Elementen der römischen Sakralarchitektur, man denke an einzelne Grundrisslösungen dieser Tempel, wird jedoch auch die vordringende griechische Bauordnung in Rom deutlich erkennbar. Die Frontseite der Tempel bot sich dabei wenig homogen dar. Auch schien es nicht zu stören, dass an den Tempelbauten völlig un-
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terschiedliche Bauordnungen zum Einsatz kamen. Es ging offenbar darum, die Siegestempel in Rom zunehmend nach dem Muster griechischer Sakralbauten zu gestalten. Bereits in der Zeit der mittleren Republik wählt Rom somit eine Art „internationalen Rahmen“ für seine Künste. Für diesen langanhaltenden Prozess der Graecisierung römischer Bauformen und Künste gilt das bekannte Wort des Horaz (Epistulae 2,1): Graecia capta ferum victorem cepit et artes intulit agresti Latio … – „Das eroberte Griechenland erobert den wilden Sieger und bringt Künste dem ländlichen Latium.“ Dieser Prozess kann an den Tempelresten vom Forum Holitorium durchaus nachvollzogen werden. Damit wird nicht zuletzt auch ein neues Kapitel der Kunstgeschichte des alten Rom aufgeschlagen. Entstehung und Ausbau dieser Tempelanlage spiegeln nämlich durchaus die gesamten Möglichkeiten der Sakralkunst ihrer Zeit. Es handelt sich, historisch betrachtet, um Tempelbauten siegreicher Generäle, die individuellen Staatsgottheiten (Ianus, Spes, Iuno Sospita) geweiht wurden: Die Tempelgruppe ist somit Ausdruck militärischer Erfolge und zugleich Wahrzeichen einer neuen Baugesinnung in Rom.
Baupolitik in Rom Wir haben im vorigen Abschnitt von einzelnen Tempelstiftungen als Ausdruck der römischen Krisenpolitik während der Punischen Kriege gehört. Baupolitik und der Ereignislauf der Geschichte bilden für Rom eine Einheit. Lassen wir daher einige der Fakten noch einmal Revue passieren: So unsicher die Zuschreibung einzelner Tempelbezeichnungen auf dem Marsfeld auch immer noch sein mag, der historische Entstehungsrahmen dieser Tempel wird durchaus sichtbar (Abb. 4188 4289). So wurde – wie wir erfahren haben – der älteste der vier erhaltenen Tempel am Largo Argentina (Tempel C) wahrscheinlich von Q. Lutatius Catulus, dem
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Konsul des Jahres 242 v. Chr., nach seinem Seesieg über die Karthager geweiht. Der Bau war höchstwahrscheinlich der Iuturna geweiht und verkörpert einen traditionell italisch-römischen Typus (peripteros sine postico). Das Baumaterial des Tempels besteht noch aus GrottaOscura-Tuff. Ähnlich altehrwürdig, zumindest in seiner Fundamentlage, dürfte der Tempel A sein. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um den Tempel der Feronia, dessen erneuerte Gestalt allerdings aus dem 1. Jh. v. Chr. stammt. Er verkörpert die griechische Form des Ringhallentempels. Bereits die Vorgängerbauten dieses Feronia-Tempels erhoben sich auf einem relativ kleinen Podium (9,30 16 m). Für diesen ersten Tempel (der Feronia) gibt es zwei historische Zuordnungsmöglichkeiten: Entweder hat ein Manlius Curius Dentatus im Jahr 272 v. Chr. den Vorgängerbau gestiftet oder L. Aemilius Papus zwischen 230 und 220 v. Chr. Zu Beginn des 3. Jhs. hatte Curius Dentatus große Gebiete der Sabiner dem römischen Territorium einverleibt. Seine Zensorentätigkeit in Rom (272 v. Chr.) könnte den Tempelbau markieren. L. Aemilius hingegen war ein Sieger im Kampf gegen keltische Verbände; auch er wird als Stifter der Anlage ins Spiel gebracht. Die Faszination dieser historischen Konstruktion besteht darin, innerhalb der Tempelzone auch den Wettbewerb bedeutender Familien Roms zu rekonstruieren: den der Lutatier und der Aemilier. Auch der viel spätere Rundtempel am Largo Argentina (Tempel B) wurde von einem Lutatier, nämlich Lutatius Catulus, gemeinsam mit Marius gestiftet (101 v. Chr.) Blicken wir zurück auf die Kulisse des Forum Holitorium (Abb. 51106): Während des Ersten Punischen Krieges hatte C. Duilius (260) den Ianus-Tempel auf dem Forum Holitorium geweiht. Den Hintergrund bildete sein Seesieg über die Karthager bei Mylae. Dieser Erfolg Roms stellt eine Zäsur innerhalb der Ereignisse des Ersten Punischen Krieges dar: Damals wurde in Rom der erste Seetriumph (triumphus navalis) gefeiert und Duilius erhielt eine Siegessäule am Forum. 26 Alle diese Tempel, sowohl
jene auf dem Marsfeld als auch jene am Forum Holitorium und am Forum Boarium. lagen – wie bereits betont – an jener Straße, an der auch die Triumphzüge vorbeiführten. Im Zeitalter der Neuorientierung Roms gelangen neben den traditionellen italischen Göttern auch abstrakte Ideen und „Kräfte“ zur Verehrung: Gottheiten wie Fides, Spes und andere. Die Römer erweisen sich allein dadurch als „Kinder“ des hellenistischen Zeitalters, indem abstrakte Schutzgottheiten für die Stadt und den Staat gewählt wurden. Der Fides-Tempel auf dem Kapitol besaß große Bedeutung, hatten hier doch ausländische Gesandte ihren Treueid auf Rom abzulegen. 27 Der Bau wurde in den Jahren 258–244 v. Chr., als A. Atilius Caiatinus Konsul war, errichtet. Der Kopf des wahrscheinlichen Kultbildes dieses Tempels hat sich erhalten. Er war nach griechischen Vorbildern konzipiert. Konsul Atilius hat ebenfalls, wie wir erfahren haben, einen der Tempel auf dem Forum Holitorium erbauen lassen.
Rom und Italien Die Via Appia, „Mutter aller von Rom aus geführten Straßen“ (regina viarum: Statius, Silvae 2,2.12), wurde in Kriegszeiten vom Zensor Appius Claudius Caecus angelegt (Abb. 52). Im Jahre 312 v. Chr. befand sich Rom inmitten von Auseinandersetzungen mit den Samniten. Die nach Süden führende Staatsstraße ist daher unter einem strategischen Blickwinkel und unter dem Gesichtspunkt des römischen Machtanspruches zu sehen. 28 An jedem Teilstück der Via Appia liegen weitere wichtige Städtegründungen Roms. Die Straße führt durch diese Städte hindurch und bildet dort den Hauptstrang der Straße/Decumanus (z. B. Minturnae). Neben seiner Kontrollfunktion wollte Rom somit einen für Handel, Militär und Personenverkehr offenen Verbindungsweg zu den wichtigsten Regionen des Landes sicherstellen. Appius ließ die Bruchsteine zunächst glatt und gleichmäßig zurichten sowie rechteckig behauen, dann wur-
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Abb. 52: Die Via Appia bei Rom.
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den sie so dicht gesetzt, dass kein Bindemittel oder dergleichen nötig war, so fest sind die Steine zusammengefügt und verbunden, dass sie beim Betrachter den Eindruck erwecken, nicht miteinander verfugt, sondern verwachsen zu sein. Und obschon lange Zeit Tag für Tag darüber viele Lastwagen fuhren und alle möglichen Lebewesen auf ihnen gingen, haben sich weder die Steine aus ihrer Verfugung irgendwie gelöst, noch ist einer von ihnen zerbrochen oder kleiner geworden; nicht einmal an Glanz büßten sie ein. (Prokop v. Caesarea, 6. Jh. n. Chr., Bellum Gothicum 1,14)
Die Via Appia wurde im ersten Abschnitt bis nach Capua gebaut. Ein weiterer Abschnitt dieser zugleich wichtigen Heeresstraße wurde in trajanischer Zeit zwischen Benevent und der Hafenstadt Brindisi/Brundisium angeschlossen. Damit erreichte die älteste und bedeutendste der Straßenverbindungen Roms insgesamt eine Länge von 540 km. Ähnlich bedeutende Straßenverbindungen bildeten die Via Flaminia, die nach Norden führte und im Jahre 220 v. Chr. Rimini / Ariminum erreichte. Die Via Aurelia folgt der Küstenlinie des Thyrrenischen Meeres im Westen der Italischen Halbinsel und führte im Jahre 241 v. Chr. bis Lucca / Luca. Die Regionen Oberitaliens wurden seit dem Jahr 187 v. Chr. durch die Via Aemilia erschlossen (Ariminum–Aquileia). Damit verbunden waren jeweils Koloniegründungen von Städten, die den Anspruch Roms auf das gesamte Territorium des Landes begründeten. Erst in augusteischer Zeit wurde durch die Einteilung des Landes nach Regionen das vollzogen, was an städtebaulicher Pionierleistung, Zenturiation (Flureinteilung) von Nutzflächen des Landes und staatsrechtlichem Engagement zuvor geleistet worden war. Die ersten Meilen der Via Appia (zwischen Rom und Terracina sind dies etwa 100 km) zeugen bereits vom technischen Können der römischen Bauherren 29. Soweit möglich, verläuft der Straßenzug in einer unbeirrbaren Geraden. Für die Anlage scheute man selbst große Erdbewegungen nicht. Der Verlauf vieler Römerstraßen zeigt, dass man auch die Grabung von
Tunnels und die Errichtung von Viadukten in Kauf nahm, um eine möglichst geradlinige Führung der Straßen zu ermöglichen. Bezeichnend für die Römer wird so die Geländebeherrschung. Die technischen Konstruktionen werden in gewisser Weise auch der Natur aufgezwungen, ohne dabei den Maßstab natürlicher Proportion zu verlieren. Ein dichtes Netz von Straßen, ausgehend vom Zentrum Rom, erschließt ganz Italien (Abb. 53). 30 Einige der wichtigsten Straßenzüge wurden bereits angeführt. Für den Ausbau eines dermaßen dichten Straßennetzes waren wirtschaftliche und strategische Gründe gleichermaßen maßgebend. Auch das spätere, die gesamte Mittelmeerwelt und große Teile Europas einbegreifende römische Imperium ist ohne ein entsprechendes Straßennetz nicht denkbar (siehe Karte Imperium Romanum). Als Folge dieser regen Bautätigkeit, deren strategische Komponenten anfangs im Vordergrund stehen, bildet Rom nunmehr endgültig den Mittelpunkt Italiens (caput mundi / caput orbis).
Der mächtige Arm römischer Baupolitik Alba Fucens ist eine von hohen Bergen (Monte Velino) umgebene, oberhalb des Fuciner Sees gelegene Stadtanlage im Abruzzengebiet (beim heutigen Avezzano, östlich von Rom). 31 Für die römische Stadtgründung wird die besonders hohe Anzahl von 6000 Kolonisten überliefert. Rom wollte nach der Besiegung der Marser in diesem Gebiet (304 v. Chr.) oberhalb der Stadt eine mächtige Bastion ausbauen. Beeindruckend sind gut erhaltene Teile einer Befestigungsmauer aus Polygonalblöcken (in einer Länge von ca. 3 km). Alba Fucens konnte damit sogar den Angriff Hannibals im Jahre 211 v. Chr. abwehren. Die Stadt unterstand der latinischen Rechtsordnung. Eine architektonische Neuordnung der Stadt und ihrer wichtigsten öffentlichen Gebäude erfolgte in sullanischer Zeit. Die Stadtfläche von Alba Fucens ist durch
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Abb. 53: Römische Straßenverbindungen in Italien (nach O'Connor).
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Abb. 54: Ansicht von Alba Fucens.
belgische Forscher während der vergangenen 50 Jahre ergraben worden. Die Stadt selbst liegt als Hügelsiedlung oberhalb der Via Valeria, die über Tivoli hinausführt. Die Stadtanlage und die Grundeinteilung ihrer Straßen wurden nach einem rechtwinkeligen Ordnungsprinzip angelegt (Abb. 54). Die Lage des öffentlichen Zentrums und seiner Bauten sowie die Wohnviertel der Stadt standen so in einem klaren Bezug zueinander. Zu den ersten Gebäuden der Stadt zählten die Sakralbauten sowie einzelne öffentliche Gebäude des sogenannten Doppelforums der Stadt: Dazu zählen ein Hercules-Tempel, ein Comitium, eine Basilika, ein Macellum sowie Teile der Säulenhallen (Portiken). Thermenanlagen sind in Alba Fucens ebenso bezeugt wie ein Amphitheater, das allerdings erst in claudischer Zeit errichtet wurde. Auf dem Hügel oberhalb der Stadtanlage befand sich der militärische Stützpunkt Roms in Form einer
gut gesicherten Kaserne. In einem Verlies dieser Festung wurde der gefangen genommene König Perseus der Makedonen nach der Schlacht von Pydna (168 v. Chr.) interniert. Aber auch für Bituitus, König der Averner, wurde der Kerker der Stadt zum Verbannungsort. Bei den Ausgrabungen in Alba Fucens ist man auf großzügig anglegte Bauten auf dem Forumsgelände der Stadt gestoßen (Abb. 55). Die weit gefasste Platzanlage wird von Säulenhallen umgeben. In die Marktzone eingebunden ist ein Tempel des Hercules. Mit dem Kultbild aus dieser Tempelanlage wollen wir uns später noch beschäftigen (Abb. 61123). Ausgerechnet hinter diesem Sakralbau befindet sich die öffentliche Latrine des Marktes. Wir treffen vor Ort auf eine Basilika sowie auf ein Macellum (Markthalle). 32 Auch mit dem Bautypus einer Basilika wollen wir uns in der Folge noch näher beschäftigen (Abb. 62125 64129). Man sollte sich mit Blick auf den Forumsplan
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Abb. 55: Plan des Forums von Alba Fucens (nach Mertens).
von Alba Fucens jedoch darüber klar werden, dass solche Hallenbauten, die während der Kaiserzeit zu den Standards der römischen Städtebaukunst zählten, innerhalb der frühen Stadtanlagen vorentwickelt werden mussten. Das Prinzip der Marktbasilika als überdachter Hallenbau mit Innenstützen und Umgangsschiffen setzt selbst auf dem Forum Romanum nicht vor dem 2. Jh. v. Chr. an. Für die Überdachung solcher Basiliken kamen verschiedene Lösungen in Frage: Bei der Marktbasilika von Pompeji umspannt ein Satteldach die mehrgeschossige Innenordnung der Umgangshalle. Das Licht drang durch Lichtschranken im Obergeschoss der Umfassungsmauer dieses Baus in den Innenraum ein (Abb. 64129). Für die Basilika Aemilia am Forum Romanum wird eine Inneneinteilung nach Mittel- und Seitenschiffen mittels Säulenstützen erkennbar. Innerhalb des erhöhten Mittelschiffes konnte mittels einzelner Lichtgaden das Licht in den Hallenbau geführt werden. Diesem Prinzip folgen später auch christliche Basiliken. Doch zurück zum Marktplatz von Alba Fucens: Auch für die ersten Verkaufshallen für Lebensmittel (macella) in den Städten Italiens wurden Prototypen entwickelt, die sich, erwei-
tert und variiert, später in den meisten Städten finden. 33 Solche Markt- und Fleischhallen waren als geschlossene Hofanlagen meist um ein kreisrundes oder polygonal gebildetes Zentralgebäude gruppiert. Auch das Forum von Pompeji verfügt über ein – in der Kaiserzeit erweitertes – prächtig ausgestattetes Macellum (Abb. 136234), dessen Anfänge wiederum auf das späte 2. Jh. v. Chr. zurückgehen. Für Alba Fucens können wir festhalten, dass sich die Bautypologie des öffentlichen Raumes bereits deutlich herausgebildet hat. Marktflächen und Versammlungsplätze, sakrale Bereiche und die Gebäude mit politischen Funktionen bildeten den inneren Zusammenhalt für das Leben in der Stadt. Die Grundform dieser Gebäude brauchte während der späteren Jahrhunderte nur ausgebaut und erweitert zu werden. Auch politische Ehrendenkmäler wurden im Rahmen der Plätze und Hallenanlagen integriert. Vor der Kulisse täglicher Betriebsamkeit und des Marktgeschehens zeigten sich Statuen der Magistrate und Patrone (Förderer) der Stadt. Während der römischen Kaiserzeit hat so auf vielen Forumsanlagen und in öffentlichen Gebäuden auch der Kaiserkult seinen Platz gefunden.
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Maßgeblich für frühe römische Stadtgründungen wird noch einmal die Einbeziehung des Umlandes. Die Flureinteilung des Ackerlandes von Alba Fucens konnte im Zuge der Forschungsarbeiten abschnittsweise ermittelt werden. Sie bezeugt die Verteilung des Landes an die Kolonisten und bildete auch weiterhin die Grundlage für die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Lebensmitteln.
Ausstattung und Wohnkultur Die antike Stadt Solunt liegt an der Nordküste Siziliens in geringer Entfernung zu Palermo. Die Stadtanlage wurde von der zunächst phönikischen Bevölkerung der Insel und später von griechischen Siedlern am Osthang des Monte Catalfano angelegt. 34 Die Anfänge der Stadt sind demnach punisch. 397 v. Chr. zerstörte der Tyrann Dionysios I. von Syrakus die Siedlung, welche jedoch im Laufe des 4. Jhs. wieder aufgebaut wurde. Bereits 254 v. Chr. wurde Solunt römisch. Das Übergangsprinzip von einer griechisch geformten Stadtanlage zu weiteren römischen Adaptionen kann an diesem Ort nachvollzogen werden. Es sei bei dieser Gelegenheit daran erinnert, dass mehrere Städte Unteritaliens wie etwa Paestum (römische Kolonie 273 v. Chr.), Siziliens, aber auch der Provinz Narbonensis in Südfrankreich (z. B. Glanum) griechisch geprägt waren, bevor die Römer sie übernahmen und im eigenen Sinne ausbauen konnten. Auf ein ähnliches Verhältnis von griechischer Bautradition und modifiziertem römischem Baumuster stoßen wir zu einem späteren Zeitpunkt in den Städten Griechenlands und Kleinasiens (Athen, Ephesos). Solunt besitzt eine (griechische) Agora mit einem bouleuterion (Rathaus), das noch in römischer Zeit erneuert wurde. Kennzeichnend für die griechisch geprägte Wohnkultur ist ein frühes Theater. Die Stadtanlage und die Wohnviertel sind nach den Erfahrungen der griechischen Stadtplanung schachbrettartig angelegt worden. Das Breitenmaß der Haupt-
straßen beträgt ca. 6 m, jenes der Nebenstraßen 3 m. Die Insulae besitzen eine Größe von ca. 40 80 m. Die erhaltenen Häuser aus der frühen Periode Solunts sind insofern von Bedeutung, als sich an ihnen und ihrer Ausschmückung die Durchmischung der Wohnkulturen zwischen griechischer Prägung und römischer Weiterentwicklung zeigt. Städte im Schnittpunkt der Kulturen vermochten auf besondere Weise der Bevölkerung die Gesichtspunkte einer Wohnkultur zu vermitteln (Abb. 56). Einige der Häuser tragen noch Reste von farbigem Wandstuck und einfachen SchwarzWeiß-Mosaiken. 35 Andere Funde der Grabungen seit dem 19. Jahrhundert wurden ins Museum von Palermo verbracht. Die Wanddekorationen in Solunt zeigen große mehrfarbige Feldereinteilungen. Auf Sockelstreifen folgen großzügige Mittelfelder, die zusätzlich mit Girlanden oder Theatermasken verziert sein konnten. Bei diesen frühen Formen einer illusionistischen Malweise fühlen wir uns an Wanddekorationen erinnert, wie sie in den Häusern Roms und Kampaniens ab dem früheren 1. Jh. v. Chr. üblich wurden. Es ist gut möglich, dass vor allem die Wanddekorationen des sogenannten Zweiten pompejanischen Stils (ca. 100–10 v. Chr.) Anregungen aus dem Wandschmuck hellenistischer Häuser erhalten haben. Die Bezugsquellen dafür liegen freilich nicht nur auf Sizilien, sondern etwa bei Häusern auf Delos, deren besondere Ausstattungsformen die Römer früh kennengelernt hatten. Delos bildete ab dem Jahr 166 v. Chr. eine „Freihandelszone“, die viele Händler aus Italien und der gesamten Mittelmeerwelt anzog. Generell in ihrer Vorbildwirkung auf die gehobene römische Wohnkultur nicht zu unterschätzen sind jedoch die Städte Siziliens, der ersten von Rom eingerichteten Provinz. Neben den Möglichkeiten der Wanddekoration in farbigem Stuck zählen Pavimente (Steinverkleidungen) zu den wichtigsten Errungenschaften des Wohnschmuckes. Die Techniken der frühen Mosaiken sind vielfältig,
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Abb. 56: Solunt/Soluntum auf Sizilien: Reste antiker Häuser.
ebenso wie deren Herkunft und Erprobung innerhalb der hellenistischen Kultur. Zu den ältesten in Italien angewandten Techniken zählt das opus signinum. Es besteht aus einer Mörtelverbindung mit zerstampften Ziegeln und Amphorenfragmenten, die mit Mustern und Reihen aus weißen Tesserae bestückt sind. Bei Tessellae oder Tesserae handelt es sich um kleine Mosaiksteinchen. Mehrfarbige Mosaiken in
hellenistisch-griechischer Tradition sind in der kampanischen Kultur des 2. Jhs. v. Chr. anzutreffen (Casa del Fauno). Dazu zählen auch figürliche Bildmosaiken. Für das spätrepublikanische Italien geradezu typisch sind jedoch figürliche Schwarz-Weiß-Mosaiken. Erst während der Kaiserzeit erobern die farbigen Mosaikbilder ihr Terrain zurück.
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Der Schmuck der Häuser Der Begriff „pompejanischer Stil“ wurde Ende des 19. Jahrhunderts von August Mau geprägt. Die Beobachtung der ergrabenen Häuser in Pompeji ließen ihn die Verbindung zwischen den Mauertechniken und dem Wandschmuck der Bauten erkennen. 36 Die Abfolge von Mauertechniken, verbunden mit einer Stil- und Strukturanalyse zu den Wanddekorationen, führten ihn zu einer relativen Abfolge der vier pompejanischen Stile, die bis heute gültig ist und lediglich durch weitere Datierungsansätze ergänzt werden konnte. 37 Bereits Mau beruft sich dabei auf Beschreibungen der antiken Wandmalerei und deren Abfolge, etwa beim Architekurtheoretiker Vitruv (De architectura 7,5.1–3). Der sogenannte Erste Stil zeichnet sich durch seinen Aufbau mit farbigen Stuckplatten aus. Dabei wird ein tatsächlicher (tektonischer) Wandaufbau imitiert, wie er bei hellenistischen Palästen und Häusern vorgegeben war. Der Erste Stil war daher auch in der gesamten hellenistischen Welt zu Hause und kann heute in mehrere lokale Varianten unterteilt werden. Seine Blütezeit reicht vom 3. Jh. bis an den Beginn des 1. Jhs. v. Chr. Wichtig wird die Beobachtung, dass Kampanien eine eigenständige Ausprägung dieses „imitierten Wandaufbaues“ aufzuweisen hat. Beim sogenannten Haus des Sallust in Pompeji folgen auf eine Sockelzone gerahmte Orthostaten (Platten) und darüber Quaderzonen in roter, ockergelber und grüner Farbe (Abb. 57). Durch Einfügung von Ritzlinien und Randleisten wird weiterhin die Form eines Quaders betont. Die Ecken des hier gezeigten Tablinums werden durch plastische Pfeiler aus Stuck hervorgehoben. Der Erste Stil wird in den Vesuvstädten nach ca. 80 v. Chr. von einem gemalten, das heißt nicht mehr stuckierten „Architekturstil“ abgelöst, dem sogenannten Zweiten pompejanischen Stil (Abb. 98180). Auch wenn die Entwicklungsmuster dieses Stils und auch deren Herkunft immer noch heftig diskutiert wer-
den, so kann doch festgehalten werden, dass ein wesentlicher Anteil der Herausbildung dieses nunmehr illusionistischen Stils in Rom selbst liegt. Schon der fortgeschrittene Erste Stil versucht über den Eindruck einer lediglich gebauten Wand hinauszugehen, indem mittels Malerei Schmuckleisten, Friese oder Raumschatten für die Quaderfolge eingefügt werden. Der Zweite Stil löst nun mit den Mitteln der Malerei die Stuckwände ab: Die freskierten Wände zeigen weiterhin gemalte Quaderaufbauten, legen jedoch Architekturbestandteile wie Säulenarchitekturen und Gebälke vor diese Wandzone. Kennzeichnend für diese Form der Wanddekoration wird somit eine malerisch vorgespiegelte Mehrschichtigkeit der Wand. Hinzu kommt verstärkt der Einsatz perspektivischer Darstellungsmittel, zur Differenzierung verschiedener Tiefenzonen in den Architekturszenerien. In Rom finden sich die ältesten Beispiele für den Zweiten Stil der Wandmalerei am Beginn des 1. Jhs. v. Chr. (etwa Casa dei Grifi). In Pompeji kann die Herausbildung dieses Zweiten Stils hingegen erst nach der sullanischen Einnahme der Stadt (80 v. Chr.) verfolgt werden. Während des 1. Jhs. v. Chr. finden sich die markantesten Beispiele dieses Dekorationsstils zunächst in den Villenbauten der römischen Oberschicht am Golf von Neapel sowie sukzessive in den vornehmeren Häusern Pompejis. Der Zweite Stil wird in augusteischer Zeit vom wiederum flächig angelegten und größtenteils einfarbig gehaltenen Dritten pompejanischen Stil (Abb. 132231) abgelöst. Die Initiativen für die Kreation dieser Dekorationsweise sind in Rom, im Umfeld des kaiserlichen Hofes, zu suchen. Neben neuen Grundformen der Tempel und jener der Hallenbauten / Basiliken und Badegebäude zählt das Atriumhaus zu den „Erfindungen“ der italisch-römischen Architektur. 38 Es ging beim Atriumhaus – innerhalb eines längeren Entwicklungsprozesses – darum, ursprünglich offene Hofeinheiten von Normhäusern immer weiter einzudachen. Als Dachöffnung sollte schließlich eine rechteckige
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Abb. 57: Pompeji: Die Wanddekorationen im sogenannten Haus des Sallust.
Luke (compluvium) übrig bleiben, durch die das Regenwasser eindringen und in einem Becken (impluvium) aufgefangen werden konnte. Als typisch italisch-römisch stellt sich eine Art Fluchtung der Raumeinheiten des Hauses, begonnen beim Eingangsbereich, über Atrium, Tablinum (Speiseraum) und Hortus (Garten) heraus. Das italisch-römische Haus wirkt nach außen hin abgeschlossen und entfaltet sich nach innen zu. Hier besticht es durch seine klare Abstufung der Wohneinheiten. Die Herausbildung des „altitalischen Hauses“ lässt sich schon an den Hofhäusern Etruriens (z. B. Marzabotto) bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Cosa, im 3. und 2. Jh. v. Chr., scheint einen Mischtypus unterschiedlich geschlossener Hofformen der Häuser aufzuweisen (Abb. 3885 4087). In Pompeji kann man etwa ab dem 3. Jh. v. Chr. eine Genese dieses Haustypus verfolgen (Abb. 79155). Der entscheidende Vorgang hat auch in Kampanien
darin bestanden, dem Atrium als überdachtem Hof eine bestimmte Formgebung zu verleihen. Die Form des älteren Atriumhauses wird uns von Vitruv geschildert: Die Hofräume sind in fünf Arten unterschieden, die nach ihrer Gestalt tuskanisch, korinthisch, viersäulig, trauflos und überdeckt genannt werden. Tuskanisch sind diejenigen Höfe, bei denen die in der Breite des Atriums gelegenen Balken Zwischenbalken und schräge, von den Ecken der Wände an die Ecken der Unterbalken laufende Kehlrinnen halten und ferner durch Sparren der Abfluss des Regenwassers nach dem Compluvium in der Mitte erfolgt. Bei den korinthischen Höfen werden die Balken und die Dachöffnung in der gleichen Weise hergerichtet, aber die von den Wänden herkommenden Balken werden ringsum auf Säulen gelegt. Viersäulige sind die, die durch an den Ecken unter den Balken gestellte Säulen den Balken Vorteil und Festigkeit bieten (…). (Vitruv, De architectura 6,3.1. – nach Fensterbusch)
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Abb. 58: Axonometrie und Schnitt eines Atriumhauses.
In Pompeji wird seit 250 Jahren gegraben. Als ergiebigster Schatz dieser tradtionsreichen Forschungstätigkeit können die Erkenntnisse zur antiken Wohnkultur in Form der Häuser, deren Wanddekorationen und deren plastischem Schmuck eingestuft werden. Die Herausbildung des großen städtischen Areals von Pompeji (ca. 62 ha) reicht bereits in das 4. Jh. v. Chr. zurück. Damals siedelten sich samnitische Bergstämme innerhalb der griechischen Gründung von Pompeji an. Doch erst ab dem späteren 3. Jh. kann man von einem genaueren Kenntnisstand zu den Häusern der Stadt sprechen. 39 Unter den frühesten Vorgängen in der Trennung der Funktionsbereiche des Hauses finden wir die Herausbildung des Atriums, also des bis auf die Dachluke (compluvium) geschlossenen Hofes. Über diese Öffnung konnte Regenwasser im Becken (impluvium) dieses
Zentralraumes gesammelt werden. Das frühe Haus konnte von der Straße her über einen Gang (fauces) betreten werden. Weitere seitliche Eingänge führten nicht selten in Läden (tabernae), die als Verkaufs- und Handwerksbuden eingerichtet waren. Im Atrium des Hauses finden sich seitlich des Impluviums Schlafräume (cubicula) und in der Achse der Fauces der Hauptraum der Familie, das Tablinum. Die Wohnform in den Häusern und die Funktionen des Hauses bilden ein weiteres wichtiges Thema der Überlieferung: 40 Man kann bereits bei den frühen Atriumhäusern von einer Art Übergang zwischen öffentlich bestimmtem und privatem Anteil des Hauses sprechen. Das Atrium selbst dient dem Empfang von Gästen und, bei vornehmeren Häusern, der Aufwartung des Hausherren (pater familias) durch seine Klientel. Die vorderen Flügel des überdachten Hofraumes (alae) dienten, der Überlieferung nach, auch dem Hauskult und teilweise der Aufbewahrung von Ahnenbildnissen. Im Tablinum wurde gespeist und in ältester Zeit wohl auch gekocht. Die Bezeichnung Atrium könnte auch von (atra = schwarz, geschwärzt) herrühren (also „Rauchkuchl“). Hinter dem Tablinum befand sich in der älteren Periode der Hausgarten (hortus). Für die wichtigsten Teile des altrömischen Hauses betrachten wir noch einmal die hier vorgestellte Raumeinteilung (Abb. 58): Vestibulum (Nische vor der Haustür), Fauces (Korridor), Atrium (Halle). Vitruv schildert allein fünf Arten der Atrien oder Lichthöfe (cava aedium): (De architectura 6,3.1). Entwicklungsgeschichtlich die ältere Form bildet darunter das Atrium tuscanicum mit seiner Dachkonstruktion ohne Stützen. Das Atrium tetrastylum (d. h. viersäulig) oder das vornehme Atrium corinthium (mehrsäulig) gehören einer jüngeren Phase des Wohnbaues an. Im Atrium wurde – wie gesagt – repräsentiert, aufgewartet, wurden Kinder unterrichtet. Gleich nebenan wurde gegessen und man konnte seinen Schlafraum aufsuchen. Viele Passagen bei römischen
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Autoren erzählen von der Multifunktionalität dieser Wohnhalle. Nicht selten finden sich im Atrium die traditionsgebundenen älteren Formen einer Wanddekoration. Auf dem cartibulum (Tischchen) vor dem Impluvium konnten kostbare Gefäße oder Statuetten aufgestellt werden. Daraus werden in der römischen Kaiserzeit vielfältige Formen der skulpturalen Ausstattung. Auch die arca (Geldtruhe) des pater familias fand sich nicht selten in dieser Halle. Seit dem 2. Jh. v. Chr. kann man in den Vesuvstädten eine ständige Erweiterung und Bereicherung dieser ursprünglichen Hauseinteilung beobachten: Anstelle der Hausgärten und häufig verbunden mit Grundstückserweiterungen treten später Säulenhöfe (Peristylien). Diese zählten bereits längst zum Bestand einer griechisch-hellenistischen Wohnkultur und wurden nun innerhalb einzelner Formtypen in Italien adaptiert (Abb. 79155). Selbstverständlich finden wir in den Abhandlungen Vitruvs auch eine Aufzählung verschiedener Peristylformen, die in jener Zeit geschätzt wurden. Mit der Übernahme griechischer Bestandteile des Hauses und einhergehend mit einer allgemeinen Hellenisierung der Wohnkultur, finden wir in den vornehmeren Häusern Kampaniens auch Speisesalons, Empfangsräume (oeci) sowie verstärkt Hinweise auf eine Gartenbaukunst (ars topiaria). Zu den Bestandteilen einer römischen Wohnkultur zählen teilweise auch Baderäume, deren Ausbau und Verschönerung sich in Italien gut verfolgen lässt. Auch können Terrassenhöfe, halb unterirdisch verlegte Gänge (Kryptoportiken) wie umgekehrt der Ausbau von Hanghäusern geradezu aus den Bedürfnissen einer römischen Stadtarchitektur heraus erklärt werden. Gänzlich anders stellt sich jedoch die Wohnsituation im republikanischen Rom dar: Die Wohnsituation in der Subura dürfte angesichts dichtgedrängter Fachwerkshäuser, unsicherer Stockwerksbauten und zahlreicher überlieferter Brände in der Stadt alles andere als komfortabel gewesen sein. 41
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Provinzen – Provinciae Was bedeutet Provinz? Die Bildung von Provinzen „war ein Ergebnis der Punischen Kriege“. 42 Nach diesem markanten Einschnitt innerhalb der römischen Geschichte musste der „Stadtstaat“ darum bemüht sein, das Verhältnis zu den eroberten, nicht-römischen Gebieten zu definieren. Die römische Staatsgewalt fügte diese Gebiete nur langsam und vorsichtig dem Staatsverband ein. „Provincia“ bedeutet dabei sowohl einen Verwaltungsbezirk als auch den Tätigkeitsbereich eines obersten Beamten. Zu den ältesten Provinzen zählen Sicilia (241/ 227 v. Chr.), Sardinia et Corsica (238 v. Chr.), Hispania (201/197 v. Chr.) und die Gallia Narbonensis (121 v. Chr.). Eine entscheidende Bedeutung in der Ausweitung römischer Machtinteressen nach dem Sieg über die Karthager kam Spanien zu. Hispania zählte dabei durch den Widerstand einheimischer, keltiberischer Völkerschaften zu den am längsten umkämpften Gebieten. Die Herausbildung der Narbonensis kann schließlich als Versuch angesehen werden, eine gesicherte Landverbindung im Westen der Mittelmeerwelt herzustellen. Die Eroberung griechischer Gebiete im Osten sollte sich aus gänzlich anderen politischen Gesichtpunkten heraus ergeben. Verfolgen wir zunächst einmal das eigentliche Kapitel der römischen Geschichte: Die Eroberung zunächst von Teilen der hispanischen Halbinsel bedeutete für Rom die Beanspruchung punischen Territoriums und die Sicherstellung der eigenen Vorherrschaft. Das Gebiet der späteren spanischen Provinzen wurde von Rom – in Teilen seit 218 v. Chr. – unterworfen. Unermesslich waren die Metallvorkommen, aber auch die Ausbaumöglichkeiten der Landwirtschaft auf der Iberischen Halbinsel. Für Rom beginnt, zuerst mit Sizilien und dann mit Spanien, die eigentliche Provinzbildung als Weg der Entdeckung eigener Ressourcen. Mochten der griechisch geprägte Osten, der ebenfalls dem Imperium einverleibt werden sollte, oder die Landnahme in Afrika
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Abb. 59: Évora, Spanien: Reliefdarstellung kämpfender Krieger.
noch größere wirtschaftliche Möglichkeiten versprechen: Mit der Hispania beginnt sich Rom – allerdings ohne die Vorprägungen durch andere Völker – so zu verwirklichen, wie es sich selbst in Italien zuvor entwickelt hatte. Doch die Provinz musste erst einmal erobert werden – und zwar bis zum Ebro. Die Kämpfe mit der keltiberischen Bevölkerung waren kräfteraubend und schrecklich: Es war ein „Krieg wie Feuer“ (Polybios, Historien 35,1), der zwischen den Römern und Keltiberern entbrannte. Zwischen 154 und 133 v. Chr. wurden die brutalsten Einzelaktionen durchgeführt. Diese führten am Ende zur Unterwerfung des Gegners. Scipio Aemilianus, dem Bezwinger
Karthagos, gelang es, die Stadt Numantia nach mehrmonatiger Belagerung einzunehmen und den Widerstand des Gegners zu brechen. Die realistische Darstellung zweier „Krieger“, welche Schulter an Schulter kämpfen, gibt zu durchaus verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten Anlass (Abb. 59). 43 Eine genauere Datierung solcher einfacher, ja klobiger Reliefs muss angesichts mangelnder Vergleichsmöglichkeiten ohnehin offen bleiben. Man wird zunächst feststellen, dass die Männer unterschiedlich ausgerüstet und bewaffnet sind. Weniger die unterschiedliche Schildform (scutum) als vielmehr der Kettenpanzer des Einen und der Lederpanzer des Anderen lässt darauf schließen, dass es sich nicht um reguläre Einheiten handeln wird. Das römische Heer hat erst während der Heeresreform des Marius (113 v. Chr.) weitgehend uniforme Truppeneinheiten erhalten. Zuvor musste der zum Wehrdienst verpflichtete römische Bürger seine Ausrüstung und seine Waffen selbst mitbringen. Die Darstellung der Domitius-Ara (Abb. 83160) verkörpert in etwa die Ausrüstungsbestandteile seit dieser Heeresreform. Die Kampfdarstellung aus Spanien könnte sich demnach ganz allgemein auf Kämpfe dieser älteren Zeit beziehen. Diese Beobachtung steht aber in einem merkwürdigen Widerspruch zur ansonsten durchaus realistischen Ausführung römischer Reliefs. Ein Detail, wie die völlig aus der Mode gekommene attische Helmform beider Krieger, lässt daher auch an Gladiatorenspiele oder an kriegerische Schaukämpfe denken. Hier wären diese Requisiten des Kampfes viel eher unterzubringen. Von den monumentalen Grabbauten in Italien kennen wir mehrere solcher Darstellungen von kriegerischen Aufzügen und Gladiatorenspielen. Diese Reliefs dienten der Repräsentation und Würde eines Grabinhabers, der zugleich der Stifter oder Finanzier solcher Gladiatorenkämpfe (munera) war. Der Reliefblock in Spanien kann durchaus einem solchen Grabbau angehört haben.
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Abb. 60: Cori: Sogenannter Hercules-Tempel.
Das römische Italien Die latinische Kleinstadt Cori hat im späteren 2. und frühen 1. Jh. v. Chr. allein drei Tempelneubauten erhalten. 44 Der Hercules-Tempel (Abb. 60) wurde in dorischer Ordnung ausgeführt und zeigt dabei eine Bauordnung, die selbst innerhalb der griechischen Welt schon
aus der Mode gekommen war. Auf mächtigen Podiumsunterbauten erheben sich die rückwärtige Cella und die dorische Säulenvorhalle des Tempels. Seltsam „unmotiviert“ wirken die schlanken Säulenschäfte und die beinahe auf den Abakus (Deckplatte) reduzierten Kapitelle dieser Säulenordnung. Das technisch betonte Konstruktionsprinzip der römischen Baukunst
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und die abgeleitete, auf die äußere Form reduzierte griechische Bauordnung treffen hier aufeinander. Der Tempel, der nach vorne hin eine Freitreppe besaß, ist deutlich auf Frontbezug und damit auf Dominanz innerhalb seiner Umgebung angelegt worden. Durch die einfache Teilung des Tempelgrundrisses in eine pars antica und eine pars postica drückt sich ein altes Prinzip der Tempelbaukunst in Italien aus. Auch ein weiterer Tempel in Cori wurde innerhalb der letzten Jahre bautechnisch näher untersucht: Das Heiligtum der Dioskuren erhebt sich auf einer Terrasse, die nach vorne zu durch eine Stützmauer in Polygonaltechnik betont wurde. Der Tempel selbst ruht auf einem mächtigen Podium, das in Mörteltechnik gefertigt wurde. Offenkundig hat dieser Tempel von seinem Vorgängerbau den altertümlich anmutenden quadratischen Grundriss übernommen. Als man den Neubau zu Beginn des 1. Jhs. v. Chr. in korinthischer Säulenordnung erstellte, musste die Cella mit ihren Nebenräumen nach vorne zu mit einer prostyl vorgelagerten Säulenvorhalle eingefasst werden (2 6 Säulen). Geradezu mondän wirkt nun die reiche Innenausstattung der Tempelcella, deren Bestandteile vor kurzem rekonstruiert wurden. Auch das Kultbild der Dioskuren konnte aus wenigen Bruchstücken erschlossen und in seiner Darstellungsform rekonstruiert werden (Domenico Palombi). Im Zusammenhang mit dem Konstruktionsprinzip römischer Tempel, das nach außen hin griechische Bauordnungen übernimmt, diese jedoch neuen optischen Kriterien unterwirft, kann an eine von Vitruv (De architectura 7, praefatio 15–17) überlieferte Begebenheit in Athen erinnert werden. Einem als civis romanus, das heißt als römischer Bürger bezeichneten Architekten namens Cossutius wurde dort die Aufgabe übertragen, den Riesentempel des Olympieions zu vollenden. Dieser bereits in spätarchaischer Zeit in der dorischen Ordnung begonnene und unfertig liegen gebliebene Dipteros (Doppelringhallentempel)
wurde demnach von einem Römer fortgeführt, dessen technischem Können und dessen „Bauhütte“ man die Vollendung des Baues zutraute. Cossutius hat das Olympieion von Athen in der korinthischen Ordnung und nach einer neuen Symmetrie anlegen lassen. Die Begebenheit spielt bereits während der Regierungszeit Antiochos IV. (176–164 v. Chr.), eines syrischen Herrschers, der sich um den Ausbau Athens bemühte. Vollendet wurde das Olympieion allerdings erst unter der Herrrschaft Kaiser Hadrians (117–138 n. Chr.).
Das neue Bild der Gottheiten Eine großformatig gebildete Sitzstatue des römischen Hercules prägt sich uns stellvertretend für diese Umbruchsphase der römischen Kunst ein (Abb. 61). Es war als Kultbild in seinem Tempel in Alba Fucens aufgestellt worden. 45 Als Zeitstellung für die Kolossalstatue wird man das ausgehende 2. Jh. v. Chr. oder das frühe 1. Jh. v. Chr. annehmen dürfen. Hercules ist vollkommen nackt, mit vorgestreckten Armen gebildet und wird thronend dargestellt. Umarbeitungen erfolgten offenkundig in der Körpermitte der Statue, wo sich ursprünglich ein Schurz (?) befunden haben dürfte. Kräftige Körperformen zeichnen dieses Kolossalbild aus. In der Rechten hielt der Gott eine noch im Ansatz erkennbare Keule, in der linken Hand befand sich ein Trinkgefäß. Der markante Kopf des Gottes ist durch einen Vollbart gerahmt. Das Haupt trug einen Lorbeerkranz. Die Ausführung des Sitzbildes folgt mit Sicherheit einem griechischen Muster. Auch die technische Perfektion in der Behandlung des Marmors spricht für eine führende Werkstätte und ein Auftragswerk. Ein Auftragswerk also an eine in Italien beheimatete Werkstätte von marmorarii aus Griechenland? Lebhaft diskutiert wurden mehrere griechische Statuenvorbilder, die für das Tempelkultbild in Alba Fucens Pate gestanden haben könnten. Aufgrund seiner Formgebung wird
Einflüsse und Stabilisierungsprozesse
dem Hercules eine Nähe zu Werken Lysipps nachgesagt. Dieser führende Meister der Zeit Alexanders des Großen hatte mehrere Heraklesdarstellungen geschaffen, von denen wir allerdings nur Beschreibungen, einige Kopien und Wiederholungen späterer Zeit sowie Münzdarstellungen besitzen. Allerdings befand sich ein Kolossalbild des lysippischen Herakles auch in Tarent. Von diesem wird berichtet, dass es nach der Eroberung Tarents (272 v. Chr.) nach Rom verbracht wurde und im Kapitolinischen Heiligtum aufgestellt wurde. 46 Neben dieser historischen Affinität zu Rom gibt es auch Überlieferungen zu einem Herakles Epitrapezios, der den Gott als Beschützer einer Tafelgesellschaft (wörtlich: auf dem Tisch aufgestellt) ausweist. Dieses Bronzewerk des Lysipp wurde im späteren Kaiserpalast der Flavier in Rom aufbewahrt und von den Dichtern Martial (9,43–44) und Statius (Silvae 4,6) gerühmt. Der kopienkritische Zusammenhang mit Originalwerken des Lysipp und dem Marmorbildwerk aus Alba Fucens ist nicht leicht herzustellen. Auch wenn man – aus ikonographischen Gründen – davon überzeugt war, dass der Hercules von Alba Fucens sich in die Replikenreihe des berühmten lysippischen Werkes einordnen ließe, so gibt man sich derzeit eher von einer allgemeinen formalen Abhängigkeit vom lysppischen Vorbild überzeugt. 47 Die Aufbewahrung des Kolossalbildes in Alba Fucens erfolgte in einer auffällig langgestreckten, dafür jedoch nur 5 m breiten Tempelcella. Die ursprüngliche Tempelanlage wird in das frühe 1. Jh. v. Chr. datiert. 48 Wohl gleichzeitig mit dem neuen Tempel entsteht die Kolossalstatue des Hercules. Hercules und sein Heiligtum in Alba Fucens gehören zu einer größeren Platzanlage, wohl einem Marktgebiet der Stadt mit Hallenbauten und Verkaufsläden (Abb. 55113). Der Gott übte dort seinen Schutz über die Händler und den Verkauf der Güter aus. Was sich den damaligen Besuchern einprägen sollte, ist die nach damaligen Kriterien „mondäne Ausgestaltung“ einer römischen Stadt und ihres Handelsplatzes. Doch nicht alle
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Abb. 61: Alba Fucens: Sitzbild des Hercules.
gesellschaftlichen Kreise in Rom waren mit solchen Neuerungen einverstanden. Dicam de istis Graecis suo loco, … „Ich werde dir über diese Griechen an der rechten Stelle sagen, mein Sohn Marcus, was ich in Athen erkundet habe, und dass es gut ist, ihre Schriften anzusehen, aber nicht auswendig zu lernen. Ich werde erhärten, dass ihre Art nichtsnutzig und unbelehrbar ist. Und dies, glaube, habe ein Seher gesagt, wenn einmal dies Volk uns seine Schriften gibt, wird es alles verderben; dann aber noch mehr, wenn es seine Ärzte hierher schickt.“ (M. Porcius Cato Maior Censorius, Ad Marcum filium, fr. 1; Fragment bei Plinius, Naturalis historiae 29,7.14–15)
M. Porcius Cato (234–149 v. Chr.) ist Synonym für den Ideologiestreit im alten Rom. Als Staatsmann und Redner wendet er sich entschieden gegen die Hellenisierung Roms. Er opponiert vehement gegen griechenfreundliche Kreise wie jene der Scipionen. Im Jahre
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184 v. Chr. bekleidet Cato das Zensorenamt – daher der Beiname Censorius. Damals initiiert er am Forum Romanum den Bau einer ersten Basilika: der Basilica Porcia. Allein aus dieser Tatsache heraus wird klar, dass Cato sehr wohl Mittel einer Modernisierung der Hauptstadt einzusetzen wusste. Das uns erhaltene Hauptwerk Catos gilt der Kunst der Landwirtschaft. Cato ist in allem auf der Höhe seiner Zeit, und er ist Kenner der Verhältnisse in Griechenland. Seinen politischen Auftrag versteht er als Besinnung auf die althergebrachten Werte, welche die „Stärke“ Roms ausmachen. Seinen glänzenden Reden verdanken wir noch heute mehrere „Geflügelte Worte“, zum Beispiel rem tene, verba sequentur, wörtl. „Nimm die Sache her, die Worte werden folgen“. Die Anwesenheit griechischer Künstler in Rom ist früh verbürgt. Ihr Einfluss auf die Formensprache wird zunehmend erkennbar – ebenso heftige Gegenreaktionen traditionell denkender Gesellschaftskreise darauf. Römische Kunst bleibt also auch in diesem Sinn ein „Spielball“ der Politik. Natürlich würden sich die „fortschrittlichen Kräfte“ durchsetzen, doch dieser Durchbruch sollte erst auf Grund der außenpolitischen Erfolge Roms und einer Welle der „Internationalisierung“ erfolgen. Das Bild der Hauptstadt sollte sich so ab dem mittleren 2. Jh. v. Chr. entscheidend verändern. Auf andere Art musste Rom sein Auftreten in den hinzugewonnenen Provinzen regeln: Die Bildersprache Roms sollte sich dadurch festigen. Doch die Erneuerungswelle, welche die römische Kunst erfassen sollte, stand erst an ihrem Beginn.
Neues am Forum Romanum Wir kennen von der Basilika Aemilia am Forum Romanum heute mehr oder minder nur Säulenstümpfe sowie einen prachtvollen marmornen Fußbodenbelag, der sich über die Jahrhunderte erhalten hat. Die Basilika Aemilia hat während der frühen Kaiserzeit ihr grundsätz-
lich neues Aussehen erhalten. Die Anfänge dieses Traditionsbaues gehen jedoch auf das Jahr 179 v. Chr. zurück, als der Zensor Aemilius Lepidus, gemeinsam mit M. Fulvius Nobilior, einen Marktbau errichten ließ. 49 Auch die Maße dieser ersten Basilica Aemilia-Fulvia lassen sich durchaus mit den späteren Um- und Neubauten vergleichen, sodass wir uns mit grundsätzlichen Fragen zum Typus einer „Basilika“ bereits an dieser Stelle beschäftigen sollten. Es gibt auch kaum einen anderen Bautypus, der so eng mit dem Aufkommen der römischen Architektursprache und den Funktionen des öffentlichen Raumes zu verbinden ist wie die „Basilika“. 50 Gleich mehrere solcher Hallenbauten wurden zu Beginn des 2. Jhs. v. Chr. in Rom geschaffen und verbreiteten sich als Bauform innerhalb weniger Generationen über die Städte Italiens und jener der römischen Provinzen. Dem Gedanken einer Basilika liegen Bauaufgaben und Funktionen zu Grunde, die spezifisch römisch waren. Dazu zählten die Schaffung von überdachten Räumen für den Verkauf und den Handel von Waren, aber auch die Gründung von Amtslokalen für Magistrate und Gerichte. Abgesehen davon, dass sich solche Aufgaben ohnehin auf den Plätzen der Städte, deren Säulenhallen und Verkaufsbuden abspielten, konnten durch die Bildung größerer Hallen gleich mehrere Funktionen unter einem Dach vereinigt werden. Durch die Errichtung basilikaler Bauten und deren Eingangsfronten wurden zusätzlich Begrenzungen für die Plätze geschaffen. So spezifisch römisch alle diese Aufgaben waren, die einer Basilika zukamen, so hellenistisch kann ihre Ursprungsform aus dem Gedanken des griechischen Hallenbaues angesehen werden. Die zum Teil mehrschiffigen oder mit Risaliten (Eckbauten) versehenen griechischen Hallen (Stoa / stoai) bildeten einen festen Bestandteil der griechischen Heiligtumsund Platzarchitektur. Diese „Herleitung“ aus dem griechischen Raum beginnt bereits bei der umstrittenen Herkunftsform des Namens „Basilika“ (basilica). Die Bezeichnung leitet sich
Einflüsse und Stabilisierungsprozesse
(zumindest nach Meinung einiger Forscher) von der königlichen Halle (basilike stoa) der Athener Agora (d. h. des dortigen Marktplatzes) ab. Der solchermaßen angesprochene Bau des 5. Jhs. v. Chr. konnte bei den Ausgrabungen auf der Athener Agora in seinen Fundamenten aufgedeckt werden. Als einschiffige Halle konnte dieser Bau jedoch kaum als Vorbild für römische Umgangshallen gedient haben; eher schon könnte man an eine Etymologie des Wortes „königlich“ denken. Da sich an der Stelle der späteren Basilika Aemilia in Rom wahrscheinlich das Atrium regium (Livius, De architectura 26,37) befunden hatte, wäre auch eine Übertragung dieses Namens auf die Basiliken in Rom denkbar. Als Vorbilder für Basiliken können ganz allgemein auch Markthallen der hellenistischen Zeit angesprochen werden, wie sie sich vor allem in Kleinasien den römischen Eroberern und Händlern zeigten (etwa Alinda 51). Dennoch bleibt die Einführung und Ausgestaltung von Basiliken auf dem Forum Romanum eine Erfindung eigener Art, die den Gestaltungswillen römischer Architektur auf die Zukunft hin aufzeigt. Auf dem Forum Romanum entstanden noch in der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. folgende Basiliken: • Basilika Porcia (nach M. Porcius Cato, 184 v. Chr.; Livius 39,44.7) • Basilika Aemilia (179 v. Chr.) • Basilika Sempronia (169 v. Chr.), in augusteischer Zeit in Basilica Iulia umbenannt • Basilika Opimia (121 v. Chr.) Zu Beginn des 2. Jhs. v. Chr. hatte die Machtfülle Roms bereits beträchtliche Ausmaße erreicht: Die Stadt und ihr öffentliches Zentrum hatten sich einer international (d. h. mittelmeerisch) agierenden Gesellschaft zu stellen. Nicht nur der Handel mit besonderen Gütern, der sich immer noch im Zentrum der Stadt abspielte, auch die politische Repräsentation hatte sich in einem zeitgemäßen Rahmen zu präsentieren. Waren auch einige der alten Tempel in neuer Gestalt wiedererrichtet worden, der Platz mit seinen einfachen Standbildern aus Ton und Erz konnte auf Besucher wie auch auf
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Abb. 62: Münzbild mit Darstellung der Basilica Aemilia in Rom, 65 v. Chr.
hochrangige Gesandte aus Griechenland schwerlich Eindruck ausüben. Führende Politiker ihrer Zeit wie die Zensoren Aemilius Lepidus und M. Fulvius Nobilior waren sich ihrer repräsentativen Aufgaben wohl bewusst. Im Jahre 179 v. Chr. stifteten sie einen Bau an der Nordostseite des Forumsplatzes, der trotz vielfacher Erneuerungen im Laufe der Geschichte den Namen Basilica Aemilia beibehalten sollte (Livius 40,51.5). Diese erste Basilica Aemilia kann anhand von Ausgrabungen und Abbildungen auf späteren Münzen annähernd erschlossen werden (Abb. 62). Sie bildete eine dreischiffige, zweigeschossige Halle, die höchstwahrscheinlich mit einem Pultdach abschloss. Auch die ursprüngliche Länge des Baues betrug, so wie die der Nachfolgebauten, ca. 90 m. Das Mittelschiff dürfte bereits die stolze Breite von 10 m erreicht haben. Die Beleuchtung im Inneren der Halle konnte über Fensteröffnungen erfolgen. Dem Forumsplatz zugewandt war eine ganze Reihe von Verkaufsläden (tabernae vetere), die auch als zusätzliches Schiff der Basilika verstanden werden können. Die ältesten Tabernen bestanden jedoch schon vor Errichtung der Basilica Aemilia.
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Im Jahre 78 v. Chr. und dann noch einmal 34 v. Chr. wurde die Basilica Aemilia von Mitgliedern eben dieser Familie erneuert. Hinter der zweiten Bauphase steht M. Aemilius Lepidus, der Konsul des Jahres 78 v. Chr. Der restaurativen Stimmung nach den sullanischen Wirren entsprechend, setzte dieser auf die Größe und Bedeutung seiner Familie, als er den Bau ausstatten ließ. Auf diese Erneuerung der Basilika verweist unser Münzbild des Jahres 65 v. Chr. Es zeigt die offenen Fronten des zweigeschossigen Hallenbaues und trägt die Aufschrift AIMILIA. Bei den an der Vorderseite des Baus angebrachten Schilden handelt es sich um „Ehrenschilde“ (clupea / clipea), auf denen besondere Ereignisse und Persönlichkeiten der ruhmreichen römischen Geschichte verzeichnet waren. Nach der Aussage des Plinius (Naturalis historiae 35,4) ließ der Vater des M. Aemilius Lepidus diese Schilde im Inneren der Basilika anbringen. Die auf den Ehrenschilden der „Balustrade“ dargestellten Porträts verherrlichten höchstwahrscheinlich Familienmitglieder und Vorfahren der Aemilier. Gerade an dieser Stelle des alten Forum Romanum, in der Nähe von Rostra und Curia, befanden sich weitere Triumphaldenkmäler der republikanischen Zeit. Die Basilica Aemila diente so auf vergleichbare Weise als „Aushängeschild“ staatspolitischer Ereignisse wie eben der benachbarte Kurienbau mit seinen literarisch überlieferten Triumphalgemälden. Ehrenschilde und imagines clipeatae gehörten zu den bedeutenden „Standeszeichen“ einer Senatsaristokratie. Sie zeugen von Ahnenstolz und sollten auf die Leistungen bedeutender Männer aufmerksam machen. Auch spätere Wandmalereien in den Häusern und Villen der römischen Aristokratie zeugen von einem solchen „Sendungsbewusstsein“ der Aristokratie (Abb. 105187). Eine Markthalle am Forum war also längst mehr als ein bloßer Nutzbau. Es ging dezidiert um das politische Machtbewusstsein und ein Repräsentationsbedürfnis bedeutender Familien. Aus den bildlichen Darstellungen in Form uns längst nicht mehr er-
haltener Schlachtengemälde sowie dem Schmuck von Ehrenschilden scheint sich jedoch in Rom eine eigene Form der Historienkunst und der späteren Staatsreliefs entwickelt zu haben. Letztlich bilden noch die Relieftafeln am Bogen des Septimius Severus (203 n. Chr.) am Forum Romanum (Abb. 196325) Zeugen einer solchen Gesinnung. Doch damit noch einmal zurück zur bewegten Baugeschichte der Basilica Aemilia in Rom. Als der Bau während der frühen Kaiserzeit nach einem Brandereignis wiederum zu erneuern war, wusste Kaiser Augustus dem namengebenden Geschlecht der Aemilier finanziell unter die Arme zu greifen. Sein „Neubau“ gehört, wie es bis heute erhaltene Schmuckglieder eindrucksvoll präsentieren, zu den prächtigsten Marmorbauten der Stadt. Die Gestalt der älteren Basilika Aemilia wurde in den Tagen des Kaisers Augustus komplett erneuert und verschönert. Im Zeitraum nach 14 v. Chr. erfolgte die grundlegende Erneuerung der „Aula“ dieser Basilika sowie der äußeren Portiken und Tabernen. Diese Neuausstattung der inneren Schiffe der Basilika Aemilia durch Marmordekor beeindruckte die Zeitgenossen und selbst noch spätere Generationen. Aufschlussreich darunter wird die Aussage des älteren Plinius, „die durch ihre phrygischen Säulen bewundernswerte Basilika des Paulus (d. h. die Basilica Aemilia), das Forum des vergöttlichten Augustus und der Tempel des Friedens des Kaisers Vespasianus (Templum Pacis)“ zählten zu „den schönsten Werken, welche die Welt je gesehen hat“ (Plinius, Naturalis historiae 36,102). Die Basilica Aemilia verkörperte nach neueren Überlegungen während der Kaiserzeit sowohl ein repräsentatives Bankgebäude, war Verkaufsstätte von Luxusgegenständen, bildete aber auch einen Schauplatz für politische Veranstaltungen. 52 Die Basilica Aemilia hat im Jahre 410 n. Chr. die Brandschatzung Roms durch die Truppen der Westgoten nicht überstanden. Als der Bau ausgegraben wurde, fanden sich von der Gluthitze eingeschmolzene Münzen im prachtvollen Marmorpflaster der Basilika.
Einflüsse und Stabilisierungsprozesse
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Abb. 63: Fries der Basilica Aemilia: Kampfszene.
Mit der Errichtung von Basiliken in Rom, die sich als zeitgenössische Adaptierungen an verschiedene Funktionen, aber auch an zeitgenössische Baumuster erweisen, zeigt die römische Gesellschaft ihr neues Gesicht. Nicht zuletzt bewiesen zukunftsorientierte Bauherren, dass sie dem Gedanken des Handels und repräsentativen Auftretens im öffentlichen Raum große Bedeutung zumaßen. Eine prosperierende Gesellschaft wie jene Roms konnte so mit einem selbstgeschaffenen Bautypus auch den Provinzen aufwarten und somit direkt durch eigene Gestaltungsmuster der Architektur glänzen. Von der Würde des Forums (forensis dignitas) spricht Varro. Vom Inneren der Basilika Aemilia stammt ein ursprünglich über 100 m langer Fries, welcher die Leistungen der
römischen Vorzeit und die Gründungslegenden der Stadt schilderte (Abb. 63). Ein Ausschnitt aus dem ursprünglichen Innenfries der Basilika Aemilia schildert eine Kampfszene. 53 Nach neueren Überlegungen wurde dieser Fries nicht durchlaufend, sondern innerhalb getrennter Abschnitte im Inneren der Halle gezeigt. Ein großes Problem stellt allerdings nach wie vor die Datierung dieses Frieses dar. Anhand stilistischer Einzelheiten kommt nach neuerer Ansicht die augusteische Erneuerungsphase der Basilika Aemilia als Entstehungszeit in Betracht. 54 Andererseits sind dieser Fries und seine Erzählweise noch deutlich späthellenistisch beeinflusst, sodass auch die Umbauphasen der Basilica Aemilia im 1. Jh. v. Chr. dafür in Frage kommen.
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Die vorliegende Platte zeigt einen Kampf zweier Männer in heroischer Vorzeit. Ein vollständig gewappneter Krieger kämpft mit seinem Schwert von links gegen seinen nur mit einem Mantelüberwurf bekleideten Gegner. Peter Kränzle denkt bei dieser Szene an eine der legendären Entscheidungen der Landnahme in Latium. 55 Was besonders auffällt, ist die aktionsgeladene Überbetonung der Körperpartien und der Schutzwaffen dieser Helden, die zu einer solchen Zentralszene zusammengefasst werden. Zugleich haftet diese kraftstrotzende Form der Plastizität nicht wirklich an den Figuren, sondern die Kämpfer wirken insgesamt wie modellhaft eingesetzt. Ob dies noch Unsicherheiten eines frühen römischen Gestaltungsstils sind oder umgekehrt Eigenheiten einer griechischen Bildhauerwerkstätte, die in römischem Auftrag arbeitete, lässt sich freilich schwer entscheiden. Wenn wir eine Vorstellung von frühen historischen Reliefs erhalten wollen, dann liegen wir freilich beim Fries aus der Basilica Aemilia richtig. Bei der hier gezeigten Szene handelt es sich möglicherweise um Kampfbegegnungen bei der Verteilung des latinischen Landes, also vielleicht um Kämpfe zwischen Latinern und Rutulern. Ähnliches zeigte uns ja bereits das Wandgemälde aus der Statilier-Gruft (Abb. 217). Die Kämpfe werden hier insofern mythisch überhöht dargestellt, als der mit Schwert von links kämpfende Krieger eine Panzeruniform trägt, dazu einen attischen Helm, während der rechts in die Knie gerungene Gegner in heroischer Nacktheit gebildet ist. Die Gestalten werden nicht historisch real eingesetzt, sondern agieren in unbestimmter früher Zeit. Entscheidend wird das Aktionsmotiv solcher heroischer Gestalten, die als „Einzelkämpfer“ zum Ausgang des Geschickes beitragen. Letztlich aber dient die Wiedergabe solcher Ereignisse der Verherrlichung großer patrizischer Geschlechter Roms, die als die Akteure des Staates bewundert werden sollen. Auch Kaiser Augustus sollte mit dem Figurenprogramm seines Forums die Linie solcher staatstragenden Erzählungen fortsetzen.
Wie aus den übrigen Erzählungen des aus kostbarem Material gemeißelten Figurenfrieses erschlossen werden kann, handelte es sich dabei um Begebenheiten aus der Frühzeit Roms. Dies ist umso bemerkenswerter, als wir solchen Sagenbildern innerhalb der römischen Kunst in der Regel ja erst spät begegnen. Vielleicht hatte jedoch der Victoria-Tempel auf dem Palatin bereits im 3. Jh. v. Chr. einen Tonfries mit Szenen der Romulussage. Die Untersuchungen an den in viele Fragmente zerbrochenen Friesteilen der Basilica Aemilia erbrachten, dass herausgegriffene Gründungslegenden der Stadt sowie Szenen aus der Königszeit Roms im Inneren der Halle zyklisch verteilt waren. Umstritten bleibt – wie betont – nach wie vor die zeitliche Datierung des Frieses. In Frage kommen die Jahre 78 v. Chr., 53 v. Chr., 34 v. Chr. beziehungsweise die Jahre der augusteischen Erneuerung der Basilika. In caesarischer Zeit war ein weiteres Mitglied der Familie, wiederum mit dem Namen M. Aemilius Lepidus, Ädil: Dieser könnte den Fries in Auftrag gegeben haben. In jüngster Zeit wird anhand einiger Details der Friesausführung jedoch eine augusteische Datierung bevorzugt. Immerhin könnte aber auch ein ledigliches Überarbeiten eines älteren Frieses in Betracht gezogen werden. In meinen Augen sprechen viele expressive Züge innerhalb dieses Frieses für dessen Entwurf und Gestaltung in spätrepublikanischer Zeit. Die Didaktik dieses Frieses mit seinen „prägnanten Einzelszenen“ scheint durchaus in der voraugusteischen Zeit angesiedelt zu sein. Das Problem bildet, wie zumeist in der frühen Kunst Roms, das Fehlen direkter Vergleiche.
Die neue Qualität des Bauens Die Basilika von Pompeji zählt zu den bedeutendsten antiken Baudenkmälern in Kampanien (Abb. 64). 56 Bedauern mag man nur, dass sie zu früh – und zwar bereits vor ca. 200 Jahren – im Zuge einer „militärischen Operation“
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Abb. 64: Pompeji: Basilika.
ausgegraben wurde. Dieses Ereignis, wie auch die gesamte Forumsgrabung in Pompeji, fand in der Zeit der „Parthenopeischen Republik“ Neapels statt und wurde von napoleonischen Soldaten durchgeführt. Ausgestattet mit neuen baugeschichtlichen Ergebnissen, konnte erst vor wenigen Jahren eine neue Dokumentation zur Basilika von Pompeji vorgelegt werden (Karlfriedrich Ohr). Die Rekonstruktion der Eindachung dieser Basilika zählte zuvor zu den ungelösten Fragen einer Entwicklungsgeschichte dieses Bautypus. Man hatte auf Grund der gewaltigen Dimensionen dieser „Markthalle“ am Forum von Pompeji an einen im Inneren offenen (hypaithralen) Hof gedacht, aber auch verschiedene Möglichkeiten der Überdachung dieses Baues wurden kontrovers diskutiert. Die noch dem späten 2. Jh. v. Chr. angehörende Basilika von Pompeji zeigt einen Bestand unterschiedlicher Baumaterialien und Techniken, die in dieser Zeit neuartig waren. Sie verkörpert Konstruktionslösungen, die sie als einen der innovativsten Bauten dieser Zeit erweisen. Im Falle Pompejis muss man sich vor Augen halten, dass die Stadt am Ende des 2. Jhs. v. Chr. zwar zu den Bündnisstädten Roms zählte, nicht
jedoch als römische Stadt bezeichnet werden kann. Erst die Einnahme Pompejis durch sullanische Truppen im Zuge der Bürgerkriege führten zu einer massiven Romanisierung der Stadt; politisch wie auch auf dem Gebiet der Künste. Die Basilika in Pompeji wird anhand der dort verwendeten Baumaterialien und -techniken jedoch bereits in die Jahre 130/120 v. Chr. datiert. Auftraggeber war zum damaligen Zeitpunkt eine der führenden oskischen Familien der Stadt, die auch die höchsten Ämter bekleidete; mutmaßlich die Popidier. Der Bautypus einer Basilika hatte sich zu dieser Zeit also bereits in Italien durchgesetzt: Die Bautechniken und Materialien der Basilika von Pompeji sprechen jedoch eine eigene, kampanisch geprägte Formensprache. „Die pompejanische Basilika besitzt Abmessungen wie vor ihr wohl kaum ein überdachtes Gebäude in der kampanischen Stadt. Mit rund 67 m Länge und 25 m Breite nimmt sie etwa die Größe von zwei insulae der Altstadt ein.“ (K. Ohr) Der Bau wurde im Inneren als Umgangshalle gebildet. Es handelt sich dabei um eine langgestreckte, „mehrschiffige“ Halle, die in eine innere „Aula“ und einen Säulenumgang unterteilt werden kann. Die Basilika darf also
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nicht – wie spätere christliche Basiliken – in Form einer Einteilung in mittlere und seitliche Schiffe verstanden werden. Eingänge von den Straßenseiten her ließen den Bau als neutral gerichtete Umganghalle erscheinen. Ein über die ganze Hallenbreite angelegter Vorbau (das sog. Chalkidikum) verband die Basilika mit dem Forumsplatz von Pompeji und den dort errichteten Portiken (Abb. 136234). Die innere Halle der Basilika von Pompeji muss durch ihre hoch aufragenden korinthischen Säulenstützen einen gewaltigen Eindruck gemacht haben. Auch die Umgangsschiffe mit ihrer zweigeschossigen Säulenordnung und den mehrfarbigen Quaderfeldern ließen an Pracht nichts zu wünschen übrig. Auch wenn die Raumfolge im Inneren der Basilika keine besondere Dynamik erzielte, so fand der Bau nach vorne zu, durch das sogenannte Tribunal, einen besonders wirkungsvollen Abschluss. Dieses Tribunal dominiert durch seine tempelartige Fassade. Über seitliche Treppen konnte man das säulenflankierte Podium betreten, das für sich wiederum eine Art „Amtslokal“ innerhalb der Basilika bildete. Die Basilika von Pompeji wirkt auch heute und trotz ihres runinösen Zustandes aufgrund der Vielfalt und Opulenz ihrer Innenraumgestaltung. Mächtige, erstaunlicherweise aus Formziegeln gebildete Säulenschäfte mit korinthischen Kapitellen aus Tuffmaterial bildeten den inneren Umgangskranz. Die Verwendung von Formziegeln in dieser frühen Periode bildet eine Besonderheit kampanischer Bautechnik. Durch den Einsatz des günstigeren Materials konnte der Aufwand des Herausmeißelns von Säulentrommeln aus Stein oder gar Marmor vermieden werden. Die Ziegelschäfte wurden dann ohnehin stuckiert und erhielten so marmorähnliches Gepräge. Auch der Aufbau der Außenwände wurde durch Säulenordnungen gebildet. Ionische Halbsäulen im Untergeschoss und korinthische Halb- und Ganzsäulen im Obergeschoss bildeten die Wandvorlage. Die Zwischenfelder waren prachtvoll bunt stuckiert, ähnlich wie beim Ersten pompejanischen Stil. Auch an den Wänden selbst wird
der Einsatz des Baumaterials noch einmal wichtig. Die Wände waren aus Bruchsteinen und mit gehärtetem Mörtel in Verschalungstechnik aufgemauert worden (opus incertum). Die Gliederung der Halbsäulen und Kapitelle bestand aus Tuffmaterial, das – um Marmorwirkung zu erzielen – ebenfalls stuckiert und bemalt wurde. Die Scheingliederung der Wände bestand, wie bereits betont, aus stuckierten und rot, ocker und grün bemalten Quaderfeldern. Der Aufbau und die durchgehende Überdachung der Basilika konnten nach der Auswertung der erhaltenen Bauglieder rekonstruiert werden. Demnach besaß die Basilika ein Pultdach und kein erhöhtes Mittelschiff. Eine über hölzerne Treppen erreichbare Empore umzog den Hallenbau in seinem oberen Geschoss. Durch das Fehlen eines Lichtgadens musste das Licht über seitliche Fensterkorridore in das Innere der Halle geführt werden. Entsprechende Säulenbildungen, die etwa bis zur Hälfte durch Mauerbrüstungen geschlossen und dann nach oben zu offen gebildet waren, konnten bei den jüngsten Untersuchungen nachgewiesen werden. Das Licht drang so in den äußeren oberen Umgang und von dort in das Innere der Halle. Die Basilika von Pompeji bildete einen Brennpunkt im öffentlichen Leben der Stadt. Zahlreiche Grafitti auch noch aus der Kaiserzeit zeugen vom Leben und von der Tätigkeit der Händler und Kaufleute innerhalb dieses „überdachten Forums“. Selbst Porträts und kleine Reiterstandbilder berühmter Pompejaner hat man im 19. Jahrhundert in der Basilika gefunden. Damit ist dieser Prachtbau einem Handelsplatz, einem Gerichtstribunal und einem Aufenthaltsraum gerecht geworden. Die Planung der – ausgerechnet mit ihrer Schmalseite an das Forum der Stadt angrenzenden – Basilika gibt eine Norm zu erkennen, welche mit der Konzeption des Platzes am Ende des 2. Jhs. zusammenhängt. Damals wurden im Norden des Forums Planungen für das Kapitol begonnen, im Süden sollten magistratische Ge-
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Abb. 65: Rom: Grundriss der Porticus Aemilia und anderer Lagerhallen (nach Gros-Torelli).
bäude entstehen. Der Westen des Platzes wurde vom altehrwürdigen Apollo-Bezirk eingenommen: Die Basilika konnte also nur mit ihrer Schmalseite an den Platz angrenzen. Die Ostseite des Forums von Pompeji wurde zum damaligen Zeitpunkt noch von Privathäusern mit ihren vorgelagerten Verkaufsläden eingenommen. Im Nordosten wurde mit den Arbeiten an einer offenen Markt- und Fleischhalle (macellum) begonnen. Damit aber waren die
Grundkonturen für das spätere „Normforum“ von Pompeji (Abb. 136234) bereits ausgelegt (Abb. 65). Bereits im 2. Jh. v. Chr. entstanden am Flusshafen (Emporium) des Tiber in Rom mächtige Speicherbauten (emporia), die in Rom ebenso als Portiken bezeichnet wurden. M. Aemilius Lepidus und L. Aemilius Paullus legten bereits im Jahr ihrer Ädilität (193 v. Chr.) den Grundstein zu dieser Anlage. 57 Die schon von den
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Zeitgenossen so benannte Porticus Aemilia wurde 174 v. Chr., als Aemlius Sprecher des Senates war, unter den Zensoren Q. Fulvius und Aulus Postumius errichtet (Livius 35,10). Die mächtige Lagerhalle, die eine Länge von 487 m erreichte (1650 röm. Fuß), gehört zu den wirklichen Großbauten der römischen Antike. Man wird sie bereits als eine Art Industriebau einstufen können. Es handelt sich dabei um eine langgestreckte Halle mit einem rückwärtigen Kammersystem. Ein Teil dieser ursprünglich 50 parallel angeordneten Kammern kann heute noch besichtigt werden. Die Dimension des Baues ringt Bewunderung ab. Die Errichtung der Kammern wurde den Geländestufen und Terrassen am Flussufer angepasst. Die unglaublich lange Reihe solcher Lager diente dazu, die nach Rom einlangenden Waren aller Art zu stapeln. Diese Kammern konnten gewissermaßen im Schnellverfahren mittels der neuen Mauertechnik des Bruchsteinmauerwerkes aus Zement (opus caementicium) hochgezogen werden. Das technisierte Verfahren drückt sich auch dadurch aus, dass die Holzverschalungen für diese Kammern jeweils für die nächstfolgende Kammer wieder eingesetzt werden konnten. Die Porticus Aemilia entstand in den Jahren 193 und 174 v. Chr. Ädilen dieser mächtigen Familie initiierten den Bau, ein Zensor derselben Familie ließ diesen vorbildhaften Versammlungsbau zu einem späteren Zeitpunkt erneuern. Auf Aemilius Lepidus gehen Bauinitiativen zurück, die sensationell in ihrer Zeit waren; darunter Steinbauten und Brückenanlagen in Rom (Livius 41,27) sowie eine Mole in Tarracina / Terracina (Livius 40,51). In derselben Passage bei Livius werden uns als Initiativen dieses Mannes ein (hölzerner) Theater- und Bühnenbau beim Apollo-Tempel am Marsfeld und die Stuckierung der alten Säulenschäfte des Iuppiter-Capitolinus-Tempels genannt. Zu erinnern ist an die Via Aemilia, welche in Oberitalien die römischen Koloniestädte in ost-westlicher Richtung verband. Davon leitet sich auch der Regionenname Emilia ab.
Zu den maßgeblichen Bauprojekten dieser Persönlichkeit zählte nun auch die große Lagerhalle am Tiberufer: Man sollte sich diese Porticus vielleicht als den ersten groß dimensionierten „Zementbau“ Europas einprägen. Auch wenn es Lagerhallen, Emporia, natürlich auch schon in der hellenistischen Welt gab, so ist die Konsequenz strukturierten Bauens wie in Rom unerreicht geblieben. Ende des 3. und zu Beginn des 2. Jhs. v. Chr. erreichen Rom auch neue Materialien und Techniken. Als Steinsorte kommt der dunkle Peperin aus den Albanerbergen auf, später der hellbeige, sehr beständige Travertin aus Tivoli. Entscheidend jedoch wird der Umstieg zur Verschalungstechnik, die nunmehr aus Bruchsteinen gebildete und mit beständigem Mörtel verbundene Mauerkonstruktionen ermöglichte (opus incertum, später opus reticulatum). Es konnten damit neue Geschosshöhen erreicht werden, vor allem aber steigerte sich dadurch die Möglichkeit zum Wölbungsbau in seinen verschiedenen Varianten, was eine Vergrößerung der Baukonzepte nach sich zog. Innerhalb der römischen Baukunst werden von nun an Bogenkonstruktionen, Unterbauten (Substruktionen), Wasserleitungen und Brückenbauten in bisher nicht dagewesenem Ausmaß vorangetrieben.
Einflüsse und Stabilisierungsprozesse
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Ergebnisse Sowohl die intellektuelle Auseinandersetzung Roms mit der griechischen Welt als auch ein spürbarer Zusammenschluss hellenisierter Kunstgattungen in Italien selbst führen zur Weiterentwicklung der Künste. Für die römische Architektur stellt sich immer deutlicher deren verändertes optisches Erscheinungsbild heraus. Die Fähigkeit römischer Bauhütten, spezifische Bautypen zu entwerfen, bildet eine der herausragenden Leistungen der Architekturgeschichte insgesamt. Die Zeit der späteren Republik kann so im Ganzen als Epoche bautechnischer Innovationen betrachtet werden. Doch auch die Schmuck- und Dekorformen wandeln sich mit dem wachsenden „Repräsentationsbedürfnis“ von Bauherren im und für den öffentlichen Raum. Auch innerhalb der plastischen Ausstattungsformen entstehen neue Bildgenres: Siegesdenkmäler, Ehrenstatuen und Reliefs verschiedener Prägung zieren öffentliche Gebäude und Plätze. Hauptzweck der Bildwerke für Plätze und Versammlungsbauten bleibt es, das Andenken an Persönlichkeiten und an bestimmte Ereignisse zu wahren. In gleichem Maße bildet Rom seine eigenen Gesetze für eine Porträtplastik heraus. Bildnisse der frühen Zeit konnten in unterschiedlichen „Realismusstufen“, aber auch unterschiedlichen Materialien ausgeführt, sowohl für die Öffentlichkeit als auch für das private Umfeld bestimmt sein. Mit den Formen des republikanischen Porträts bringt Rom seine eigene Gedankenwelt sowie sein Verhältnis zum Aufbau und zur Wertehaltung der Gesellschaft zum Ausdruck. Als Rom sich anschickt, Staaten mit „griechischer Kulturprägung“ zu unterwerfen, werden Auseinandersetzungsprozesse um die eigene kulturelle Identität unvermeidlich. Spätestens ab der Eroberung von Syrakus im Jahre 212 v. Chr. durch Claudius Marcellus wird Rom mit einer Fülle geraubter Kunstschätze überschwemmt. Der in hadrianischer Zeit wirkende Geschichtsschreiber Plutarch (Marcellus 21) schildert rund 300 Jahre nach den Ereignissen das Aufsehen und die unerhörte Wirkung, die von den Statuen und Gemälden aus Syrakus ausging: „Rom besaß und kannte bis dahin nichts von jenen zierlichen und herrlichen Kunstwerken. Hier war von der Eleganz und Feinheit, an der man jetzt so viel Geschmack gewonnen hat, nichts zu finden … Marcellus rühmte sich sogar vor den Griechen, dass er die Römer gelehrt habe, die wunderbaren Werke griechischer Kunst, die sie zuvor nicht kannten, zu schätzen und zu bewundern.“
Das Volk errichtete in den Pferderennbahnen, die Circus genannt werden, und um das Forum hölzerne Gerüste (Tribünen) und besetzte die anderen Stadtteile, wo jeweils ein Blick auf den Zug möglich war, und man schaute in Festgewändern zu. Alle Tempel waren geöffnet und voller Girlandenschmuck und Weihrauchduft; viele Zugordner und Liktoren hielten die immer nach vorne drängende Menge zurück und sorgten dafür, dass die Straßen frei und sauber blieben. Drei Tage waren für den Triumph veranschlagt, und der erste reichte kaum aus, all die geraubten Statuen, Gemälde und Kolossalfiguren vorzuführen, die auf 250 Wagen gezeigt wurden. 58
4. Kapitel Wendepunkte der römischen Kunst Das Engagement Roms innerhalb der griechischen Staatenwelt beginnt bereits mehrere Jahre vor der Niederwerfung der Karthager bei Zama (202 v. Chr.). In einem Wechselspiel zwischen dem Werben um die Sympathie und roher militärischer Gewalt erringt Rom während der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. die Oberhoheit über Makedonien und die alten Staatenbünde des griechischen Mutterlandes. Weitere Erfolge zeigen sich in Kleinasien, wo Rom das Erbe des pergamenischen Königreiches antritt. Die Übernahme der punischen Gebiete auf der Iberischen Halbinsel macht Rom endgültig zur Beherrscherin der Mittelmeerwelt. Nach dem doppelten Wendejahr (146 v. Chr.) – dem Fall von Karthago und von Korinth – sollte jedoch die innere Befindlichkeit der Republik auf eine harte Probe gestellt werden: Der äußere Erfolg Roms diente nur wenigen „Gewinnern“ und förderte den Aufstieg jener aristokratischer Familien, die bis zum Ende der Republik alle Fäden in den Händen halten sollten. Das soziale und wirtschaftliche Gefüge des Staates geriet hingegen aus dem Lot. Im 2. Jh. v. Chr. vollzieht sich der Umbau Roms vom Territorialstaat zum Imperium. Dieser „neue Charakter der römischen Herrschaft“ (Werner Dahlheim) blieb jedoch nicht ohne Auswirkungen auf die politische Moral und stellte Römer und Bewohner der Provinzen oftmals in Gegensatz zueinander. Viele Neuansätze auf dem Gebiet der Kunst in diesen wechselvollen Jahrzehnten Roms ha-
ben uns bisher beschäftigt. In diesem Kapitel sollen exemplarisch Beispiele der Baukunst und der dekorativen Künste herausgestellt werden, welche ohne Kontakt mit griechischen Vorbildern nicht denkbar wären. Die ausgewählten Beispiele sollen uns dabei den Umformungsprozess innerhalb einer römischen Kunstlandschaft verdeutlichen. Es geht dabei auch um eine inhaltliche Neuorientierung, der sich Rom im Zeitalter der Eroberungen zu stellen hatte. Die Einbeziehung griechischer Kunst und griechischer Künstler in das Formenrepertoire der römischen Kunst bewirkt zunächst noch keine Synthese der Stile. Einzelne „Wendepunkte“ der Baukunst wie auch der Ausstattung öffentlicher Bauten gaben jedoch den künftigen Weg der Kunst in Rom vor. Es geht in diesem Kapitel somit um „Spannungsfelder“ und um Auseinandersetzungen, die einen Neuansatz der römischen Kunst bewirkten.
Historischer Hintergrund Äußere Ereignisse: Das Auftreten der Römer östlich des Adriatischen Meeres setzt mit dem 1. Illyrischen Krieg (229 v. Chr.) ein. Die Zeit des 2. Punischen Krieges (218–201 v. Chr., siehe 3. Kapitel) bildet anschließend eine Zäsur. Der Einfall Hannibals und seiner Truppen in Italien bindet sämtliche Kräfte der Republik. Nach katastrophalen Rückschlägen geht Rom jedoch als Sieger her-
Wendepunkte der römischen Kunst
vor. 202 v. Chr. besiegt Scipio Africanus bei Zama die Karthager auf dem Boden Nordafrikas. Bereits 197 v. Chr. beginnt das Engagement Roms auf der Iberischen Halbinsel, in der Nachfolge der dortigen punischen Handelspräsenz. Auch die Einrichtung von Koloniestädten in Oberitalien wird fortgesetzt. Eine direkte Bedrohung erfährt Rom durch Philipp V. von Makedonien. 200–194 v. Chr. führt Rom den 2. Makedonischen Krieg gegen ihn („Philippskrieg“). T. Quinctius Flamininus greift in die politische Ordnung Griechenlands ein. Sein Sieg bei Kynoskephalai (197 v. Chr.) führt zur Ausrufung der sogenannten „Griechischen Freiheit“. Das politische Kalkül dieses Manifestes ist die Werbung Roms um die Sympathie der griechischen Welt. Weitere Ereignisse dieser Zeit: • 197 v. Chr.: Einrichtung der Provinzen Hispania Citerior und Ulterior • 191–188 v. Chr.: Krieg gegen das Seleukidenreich (Antiochos III.). Sieg Roms bei Magnesia (191 v. Chr.). In der Folge Eingriff in die kleinasiatische Staatenwelt zugunsten von Pergamon und Rhodos. • 171–168 v. Chr.: 3. Makedonischer Krieg gegen König Perseus („Perseuskrieg“). Makedonien wird aufgeteilt. Schlacht von Pydna (168 v. Chr.). Sieg des Aemilius Paullus. Dessen Triumphzug in Rom erregt Aufsehen. • 154–133 v. Chr.: Aufstände in Spanien. Schließliche Einnahme von Numantia durch Scipio Aemilianus, den Sieger über Karthago. • 151–145 v. Chr.: Aufstände in Griechenland. Zerstörung Korinths (146 v. Chr.) durch L. Mummius. Einrichtung der Provinz Achaia. • 149–146 v. Chr.: Krieg gegen Karthago und Zerstörung der Stadt nach mehrjähriger Belagerung durch Scipio Africanus (P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus). Einrichtung der Provinz Africa. • 149 v. Chr.: Lex Calpurnia de repetundis richtet sich gegen die Bereicherung der Statthalter in den Provinzen.
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• 133 v. Chr.: Pergamenisches Erbe des Königs Attalos III. Einrichtung der Provinz Asia. • 121 v. Chr: Provinz Gallia Norbonensis (Postumius Albinus). Via Domitia bis nach Spanien wird gebaut. • 111–105 v. Chr.: Aufstand des Jugurtha (Numidien) • 113–101 v. Chr.: Einfälle der Kimbern/Teutonen. Römische Niederlagen bei Noreia und Arausio; schließlich Sieg über diese Wandervölker bei Aquae Sextiae (102) und Vercellae (101 Marius/Catullus)
Innere Ereignisse: Die Ausdehnung des Imperium Romanum und die damit verbundenen Kriege führen zu einer Ausblutung der wehrpflichtigen römischen Bürger in Italien bis hin zu einer Verarmung des Bauernstandes. Römische Senatorenkreise, denen das Gesetz die Betätigung im Handel verbietet, konzentrieren ihre Besitztümer und Güter auf dem Land. Im Zuge einer von Griechenland her beeinflussten Spezialisierung der Landwirtschaft entstehen Latifundien. Der Einsatz von Sklaven in großem Stil ermöglicht diese Form der Bewirtschaftung und Produktion. Neben den wenigen Gewinnern dieser Entwicklung stehen in Rom die niederen Stände, die zunehmend als Verlierer dastehen. • 136–132 v. Chr.: Erster Sklavenaufstand auf Sizilien • 133 v. Chr.: Versuche der Durchsetzung von Agrarreformen durch Tiberius Gracchus scheitern. Fortsetzung der Reformversuche durch Gaius Gracchus. Die senatorische Oberschicht dehnt den Großgrundbesitz aus, der Ritterstand wird durch Handel reich und beutet die Provinzen aus; der verarmte Bauernstand hingegen gerät in immer größere Abhängigkeit. Die Verleihung des Bürgerrechts an Italiker kann schließlich nur einen Teil der Probleme lösen. • Das Ende des inneren Friedens: Erster sizilischer Sklavenkrieg (136–132 v. Chr.); 133 Volkstribunat des Tiberius Sempronius Gracchus (Ackergesetz; Einspruch des Sena-
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4. Kapitel
tes); 123/122 Volkstribunat des Gaius Gracchus (Sozialgesetzgebung). • 104–100 v. Chr.: Konsulate des Marius (Reform des Heerwesens) • 91–88 v. Chr.: Aufstand der italischen Bundesgenossen • 90 v. Chr.: Lex Iulia de civitate (Bürgerrecht)
Ausgangslage der Kunst Der Umwandlungsprozess der römischen Kunst wäre nicht in Gang gekommen ohne eine Neueinstellung führender römischer Kreise gegenüber der griechischen Kultur. Tragisch dabei ist, dass sich diese Kenntnisse über die Welt der Griechen durch das militärische und politische Engagement Roms im Osten bildeten. Hellenistisches Gedankengut, literarische Strömungen und philosophische Haltungen der Griechen fanden in Rom durch den Zuzug von Griechen Verbreitung. Für Rom selbst ist die Anwesenheit griechischer Künstler und Gelehrter früh bezeugt. Auch die Auftragslage der Künste orientiert sich an den neuen Standards. 1 Vitruv berichtet davon, dass in der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. in Rom ein erster Marmortempel entsteht und dafür eine griechische Bauhütte verantwortlich zeichnet. In Italien ansässige griechische Bildhauerwerkstätten erhalten staatliche Aufträge für die Schaffung von Tempelkultbildern. Vor allem Timarchos, Timarchides, Polykles und seine Schule wirken während des gesamten 2. Jhs. v. Chr. in Rom. Angehörige dieser Künstlerfamilie sind zugleich in Griechenland nachweisbar, sodass offenkundig ein enger Zusammenhang mit hellenistischen Ausdrucksformen bestehen blieb. Auch der von Plinius erwähnte Skopas der Jüngere, dessen Namensähnlichkeit mit dem berühmten Bildhauer des 4. Jhs. schon während der Antike zu Verwechslungen führte, hat wohl am Ende des 2. Jhs. in Rom gewirkt. Auf ihn geht die Ausschmückung des Mars- und Neptun-Tempels am römischen Marsfeld zurück. Mitte des 2. Jhs. erreicht eine Abordnung
aus Alexandria in Ägypten, der vertriebene Künstler, Handwerker und Gelehrte angehören, Rom. Politische Rivalitäten zwischen den Ptolemäerherrschern und Brüdern Ptolemaios VI. (VII.) und Ptolemaios VIII. hatten zu deren Vertreibung geführt (Athenaeus 4,184c). Darunter befanden sich Mathematiker und Geographen ebenso wie Musiker, Maler und Mosaikkünstler. Erwähnt wird etwa ein Demetrios, der Topograph, dem die römische Kunst vielleicht Kenntnisse auf dem Gebiet der Landschaftsmalerei verdankt. In Rom gab es jedoch auch gewichtige Gegenströmungen gegenüber neueren Formen der Kunstausübung. Bekannt ist die Skepsis des älteren Cato gegenüber dem Griechentum: Cato verfasste – erstmals nach Fabius Pictor – ein Geschichtswerk über Rom mit dem Titel Origines. Es handelt sich dabei um eine Schilderung römischer Institutionen und deren Entwicklung. Das Gedankengut Catos ist durchaus von der Kenntnis griechischer Einrichtungen her geprägt. Sein Modell von Rom bildet eine Art Replik auf die Welt der Griechen. Nicht die Ablehnung des Griechentums per se ist seine Absicht, sondern der Hinweis auf die Gefährdungen des römischen Staates und seiner Traditionen. Cato, der die neue Prunksucht verurteilt, nimmt auch gegenüber den Statuen und Denkmälern der Politiker Stellung. Er rühmt sich, dass von ihm kein Ehrendenkmal existiere (Plutarch, Cato 19). 155 v. Chr. erfolgt eine Ausweisung griechischer „Gesandter“ (Philosophen) aus Rom. Scipio Aemilianus und der „Scipionenkreis“ fördern jedoch den Einfluss griechischer Kunst und Kultur. Beispiele dafür sind der griechische Historiker Polybios, der 168 v. Chr. als Geisel nach Rom gelangte, der Jurist Laelius, Q. Mucius Scaevola und Panaitios, ein Philosoph der stoischen Schule. Durch das in Folge der Eroberungen nach Rom verbrachte Beutegut wurden neue künstlerische Leitformen wirksam. Die Feldherren und Politiker der Zeit begannen damit, griechische Kunstwerke bewusst zu präsentieren.
Wendepunkte der römischen Kunst
Dadurch wurde ein neuer Kanon der Künste vorbereitet. Partielle Widerstände und ideologisch gefärbte Auseinandersetzungen gegen diese Strömungen blieben jedoch auf der Tagesordnung. Die Steuerung dieses „Kulturkampfes“ war demnach abhängig von den jeweiligen gesellschaftlichen Positionierungen. Die Oberschicht Roms fühlte sich verständlicherweise eher zur materiellen Kultur des Hellenismus und deren Luxusdenken hingezogen. Ausdruck für den entstehenden Wohnluxus sind prachtvolle Mosaiken und Wanddekorationen in Häusern und Villen. Auch ganze Skulpturenserien und Architekturteile wurden auf dem griechischen Kunstmarkt gekauft, wie ein ca. 100 v. Chr. vor der Küste Tunesiens, bei Mahdia, gesunkenes Schiff mit seiner von Tauchern geborgenen Ladung verrät. 2 Die verschiedenen Gattungen und Einzelwerke dieser Epoche bilden jedoch noch keine erkennbare stilistische Linie untereinander. Die Werke dienten unterschiedlichen Repräsentationszwecken und Aufgaben innerhalb einer im Grunde „konservativ“ verbliebenen römischen Gesellschaft.
Die Kunst der Sieger Wer heute durch das jüdische Viertel Roms, das im südlichen Teil des antiken Marsfeldes gelegen ist, schlendert, stößt dort auf eine Eingangshalle der römischen Zeit (Abb. 66). Dieses Eingangstor (Propylon) führte einst in einen Tempelbezirk im Herzen des alten Rom. Dort, wo sich im dichten Gassengewühl mittelalterlicher und neuzeitlicher Verbauung die Kirche von Sant’ Angelo in Pescaria befindet, standen einst Sakralbauten des 2. Jhs. v. Chr. 3 Davor steht jener Torbau, der quasi in den gewaltigen Hallenbezirk der Porticus Metelli hineingeleitete (Abb. 67). Neuere Grabungen führen im Bereich des Eingangstores auf das antike Straßenniveau hinunter. Der Straßenzug leitet zum Marcellus-Theater und zum Apollo-Sosianus-Tempel hin (Abb. 110203).
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Durch eine von Gebäudefronten geschaffene Verengung dieser Straße hindurch bewegten sich in römischer Zeit die Menschenströme vom Marsfeld hin zu den Märkten am Tiber. Längs dieses Straßenzuges führten aber auch die unzähligen Triumphzüge des römischen Heeres, die um den palatinischen Hügel herum, durch den Circus Maximus, schließlich zum Forum und auf das Kapitol zielten. Der heutige Rombesucher ist vielleicht versucht, an der noch erhaltenen Eingangsfront dieses Hallenbezirkes am Marsfeld einfach vorbeizugehen: Zu wenig bietet sich ihm nach außen hin dar. Ein solches Verhalten wäre durchaus verständlich, lässt sich doch über die Bedeutung dieses Bauensembles nur mittels römischer Zeitzeugen reflektieren. Lassen wir einen davon sprechen: Hic est Metellus Macedonicus, qui porticus, quae fuerunt circumdatae duabus aedibus sine inscriptione positis, quae nunc Octaviae porticibus ambiuntur, fecerat, quique hanc turmam statuarum equestrium, quae frontem aedium spectant, hodieque maximum ornamentum eius loci, ex Macedonia detulit. Es ist der Metellus Macedonicus, der die Säulenhallen um die ohne Inschrift geweihten Tempel herum gebaut hat, die nun von der Porticus Octavia umgeben werden. Und er hatte aus Makedonien auch die Gruppe von Reiterstatuen mitgebracht, die vor den Tempeln steht und noch heute die größte Zierde dieses Platzes bildet. (Velleius Peterculus, Historia Romana 1,11.3. Übersetzung Marion Giebel)
Es handelt sich bei der Porticus Metelli also um nichts weniger als um ein „Kunstforum“, das bereits im republikanischen Rom Berühmtheit erlangte. Q. Caecilius Metellus Macedonicus war einer jener siegreichen Feldherren, die das makedonische Königreich bezwangen und mit reicher Beute nach Rom zurückkehrten. Im Jahre 146 v. Chr. konnten er und seine Soldaten in Rom einen Triumphzug durchführen. Der aus der Siegesbeute (ex manubiis) bald nach diesem Ereignis errichtete Tempel des Iuppiter
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4. Kapitel
Abb. 66: Rom: Eingangsfront der Porticus Octaviae/Metelli.
Stator soll nach der Aussage Vitruvs der erste Marmortempel Roms gewesen sein (De architectura 3,2.5). Wir erfahren von ihm außerdem, dass ein griechischer Architekt, nämlich Hermodoros aus Salamis beziehungsweise seine Bauhütte, für diesen Tempel verantwortlich waren. Metellus ließ seinen Siegestempel neben dem älteren Tempel der Iuno Regina ausführen und er ließ den so entstehenden Tempelbezirk von weit gefassten Hallenanlagen umgeben. In ihnen fanden bedeutende Kunstwerke ihre Aufstellung, von deren Anzahl und Schönheit uns gleich mehrere römische Schriftsteller berichten. Die Porticus Metelli findet sich auch auf dem severischen Marmorplan Roms, der Forma Urbis, so detailliert eingetragen, dass wir über die Größenordnung der Bauten grundsätzlich Bescheid wissen. Heute ist von der Pracht der Hallenbauten
am römischen Marsfeld kaum etwas übrig geblieben. Geringe architektonische Reste zeugen von einer weiteren Porticus des Octavius oder jener des Phlippus, alle nördlich des Circus Flaminius gelegen. Im Jahre 80 wütete ein Brand in diesem Gebiet, der auch den Hallen Schäden zufügte. Eine weitere grundlegende Erneuerung fällt in die severische Zeit. Ein Großteil der heute noch sichtbaren Bauteile der Porticus Metelli stammt aus dieser Periode. Eine Inschrift auf dem Architrav des Propylons nennt das Jahr der Abschlussarbeiten (203 n. Chr.). Nur vom Podium des älteren Iuno-Tempels finden sich Reste im Keller eines anliegenden Hauses. Porticus Metelli – diese Bezeichnung war schon für einen Römer der Kaiserzeit kaum mehr verständlich: Der erste Kaiser Roms, Augustus, hat den Hallenbezirk nämlich im Jahre
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Abb. 67: Rom: Rekonstruktion der Porticus Metelli.
23 v. Chr. auf den Namen seiner Schwester in Porticus Octaviae umbenennen lassen. Der Bau des „Makedonenbezwingers“ Metellus wurde damals schon gründlich erneuert. Er beherbergte während der Kaiserzeit Versammlungsräume, Bibliotheken und weiterhin eine der wichtigsten Kunstsammlungen Roms. Wie der severische Stadtplan zeigt, wurde hinter den Tempelbauten eine geschwungene Curia Octaviae eingefügt und auch neue Bibliotheksräume wurden in den Komplex integriert. Man könnte, gemessen an heutigen Vorstellungen, daher von einem „Kulturzentrum“ im Herzen Roms sprechen. Dabei müssen wir noch einmal auf die Anfänge des gesamten Baukomplexes zurückgehen: Wie berichtet, ließ der Sieger über Achaia, Quintus Caecilius Metellus einen Tempel und Hallen am Marsfeld errichten. Der Neubau war dem Iuppiter Stator geweiht. Neben diesem befand sich bereits seit einer Generation ein Tempel der Iuno Regina. Bei diesem Sakralbau begegnen wir erneut dem Zensor M. Aemilius Lepidus (179 v. Chr.) als maßgeblichem Bauherrn. Der Iuno-Tempel war ein prostyler Tempel mit sechs Frontsäulen, während der „modernere“ Iuppiter-Tempel mit Säulenreihen an drei Seiten ausgestattet wurde. Die Ausführung der Kultbilder beider Tempel wurde den aus Griechenland stammenden
Bildhauern Polykles und Dionysios übertragen (Plinius, Naturalis historiae 36,35). Und – es gibt sogar gute Gründe, ein Meisterwerk der Kapitolinischen Sammlungen mit einem dieser frühen Kultbilder in Verbindung zu bringen: den Kopf der sogenannten Iuno (Regina) (Abb. 71144). Der Baukomplex der Porticus Metelli hat durch seine neuartige Ausführung, die Opulenz verwendeter Materialien sowie die offenkundig zur Schau gestellte Pracht von Bildwerken nicht nur zu seiner Zeit Aufsehen erregt. Die Aufstellung der makedonischen Beute kann für die republikanische Zeit sogar als sensationell eingestuft werden. Der gesamte Bezirk hatte die Maße von ca. 120 130 m. Dabei werden Ähnlichkeiten mit griechischen Tempel- und Hallenanlagen offenkundig. Die Porticus Metelli war dem ergänzten Grundriss nach nämlich ein Platz mit axialsymmetrischen Hallen und zwei zentralen Tempeln, vergleichbar dem sogenannten Asklepios-Heiligtum von Messene. Das, wovon der Rekonstruktionsvorschlag noch erzählt, ist die in Rom erstmals verwirklichte Idee eines „Staatsforums“. Entscheidend dabei ist, dass sakrale und profane Funktionen von Bauten zusammengeführt wurden. Ein Leitgedanke bildete für Metellus Macedonicus möglicherweise die Umsetzung moderner Architekturformen, die
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4. Kapitel
der gestiegenen Bedeutung Roms gerecht werden sollten.
Ausstattungsluxus in Rom Metellus lässt nach seinem Triumphzug einen Teil der makedonische Kriegsbeute im Tempelbezirk aufstellen: Es handelte sich dabei in erster Linie um 34 bronzene Reiterstatuen des Bildhauers Lysipp. Diese stellten König Alexander und seine bei der Schlacht am Granikos gefallenen Offiziere dar (Plinius, Naturalis historiae 34,64). Die antike Bezeichnung dieser plastischen Gruppe lautete „das Reitergeschwader Alexanders“ (turma Alexandri). Mit einer Ausnahme vielleicht, besitzen wir jedoch kein Original aus dieser vielfigurigen Gruppe. Es gibt allerdings Nachbildungen dieser Reiter innerhalb der römischen Bildkunst. Eine Reitergruppe aus dem Heiligtum von Lavinium wurde von einem späteren Feldherrn gestiftet und war ganz offenkundig der turma nachgebildet. Und auch eine kleinformatige Bronze aus Herculaneum zeigt Alexander den Großen kämpfend, in einem Stil, der jenem des Lysipp nahekommt. Ob ein originales Bronzepferd aus dem Tiber in Rom Bestandteil der Gruppe war, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Das prachtvolle Bronzepferd kann jedenfalls mit dem Œuvre des Lysipp in Zusammenhang gebracht werden. 4 In den Hallen befanden sich weitere bedeutende Kunstwerke, darunter die kauernde Aphrodite des Doidalses.
Planstädte Luni/Luna liegt an der Grenze zwischen Etrurien und Ligurien, einem Landstrich, in dem Rom während der mittleren Republik seine Position gegenüber feindlich gesinnten ligurischen Stämmen erst ausbauen wollte. Ab 177 v. Chr. werden die Grundzüge der Stadt und ihres Umlandes festgelegt. Die Stadt bildet geradezu ein Muster früher römischer Stadtgrün-
dungen in Oberitalien. 5 Auch fallen an diesem Ort die militärisch-strategischen Gesichtspunkte der römischen Bauordnung besonders ins Gewicht. Der Stadtplan von Luni (Abb. 68) wird geradezu von einer betonten Orthogonalität beherrscht. 6 Sein Richtmuster ist das eines Militärlagers. Tatsächlich enthalten die schriftlichen Angaben zu den Principia, dem Anlageschema der Militärlager, einige Vergleichsmomente zu den Städteneugründungen. Im Mittelpunkt einer Zivilstadt wie jener von Luni stand jedoch das Forum und mit ihm die Errichtung der wichtigsten öffentlichen Bauten. Der Durchzug der Hauptstraße (decumanus) in Ost-West-Richtung und der wichtigsten NordSüd-Straßen (cardines) bilden ein Gitternetz für die einzelnen Wohnviertel. Auch die Einteilung des städtischen Territoriums, vor allem die Einteilung und Vergabe des anliegenden Nutzlandes erfolgt nach Planschema. Wie wir es am Beispiel von Cosa bereits verfolgen konnten, legten auch hier Landvermesser (agrimensores) ein Schachbrettmuster gleich großer Ackerparzellen um den Kern der Stadt. Luni sollte während der frühen Kaiserzeit durch die nahegelegenen Marmorbrüche von Carrara Bedeutung und großen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren. Die damals neu entstandenen prunkvollen öffentlichen Gebäude setzen dabei das alte urbanistische Muster der „Gründerstadt“ fort.
Künstler, Auftraggeber und Hypothesen Vom Diana-Heiligtum im Herzen der Stadt Luni stammt ein Terrakotta-Giebel (Abb. 69). 7 Er enthält eine Götterversammlung. Obwohl die Giebelfiguren die für Italien typische altertümliche Technik verraten, ist deren Formbildung überraschend elegant. Auch die Anordnung der Figuren wirkt – trotz der Gliederung des Giebels in Reliefabschnitte – belebt und neuartig. Man glaubt vor Modellfiguren aus dem Repertoire eines griechischen Künstlers zu stehen.
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Abb. 68: Luni, Stadtplan.
Die Tonfiguren des Giebels zeichnen sich durch ihre betont lässige Haltung und durch differenzierten Faltenschwung ihrer Gewänder aus. Dies schafft einen merklichen Unterschied zu jenen Giebelkompositionen aus Ton, die in der älteren Periode vorherrschend waren. Auch fehlt der Giebelkomposition aus Luni der vielfach starre und grelle Zug etruskischer Erzeugnisse. Die Götter Diana, Apollo und Latona/Leto stehen jedoch wie in einem Musterbuch
geordnet nebeneinander, ohne eigentlich plastische Qualität zu erreichen. In welche Zeit gehört dieser Giebel? M. Aemilius Lepidus hat sich nicht nur in Rom selbst, sondern unter anderem um die Stadt Luna in deren Gründungsphase verdient gemacht. Der Heiligtumsbezirk der Göttin Diana inmitten der Stadt wurde noch in der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. angelegt und mit einem Tempel und Bildschmuck ausgestattet. Es ist daher an-
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4. Kapitel
Abb. 69: Luni: Götterfiguren vom Giebel des Diana-Tempels.
zunehmen, die Ausstattung der Tempelbauten in dieser frühen Phase habe mit römischen Mustern und Vorbildern zu tun (Hansgünther Martin). Darauf führt auch der folgende Bildvergleich hin. Es gibt nämlich eine formale Parallele zwischen den Tonfiguren des Giebels und einer Marmorskulptur, die im Umfeld früher Kultbilder aus Rom zu sehen ist: dem sogenannten Apollo des Timarchides (Abb. 70). Statuen wie diese zeigen selbst noch als spätere Wiederholungen – oder gerade dadurch –, welchen Eindruck die neuesten Kreationen der Bildhauer auf die Römer der Republik machten. Der sogenannte Apollo von Kyrene reflektiert wahrscheinlich jenes Kultbild, das ein
Künstler namens Timarchides für den ApolloTempel auf dem Marsfeld in Rom geschaffen hatte. 8 Die Beweisführung dazu ist, wie meist bei früheren römischen Werken, kompliziert. Richten wir unser Augenmerk daher zunächst auf die Statue selbst. Der Eindruck eines unbeholfenen Stils, wie ihn italische Werke der früheren Periode vermittelten, ist bei dieser Statue gewichen. Was offenkundig wird, sind griechische Gestaltungselemente, die das Kultbild auszeichnen: Apollo lehnt und steht zugleich. Förmlich sich räkelnd, in eine elegante Spiraldrehung eingebunden, wendet sich der Gott seinen Attributen, der Kithara und der sich emporwindenden
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Heilschlange zu. Es ist eine gesteigerte göttliche Sphäre, von welcher der Betrachter etwas wahrnehmen soll. Ganz ähnliche Körperbilder hat auch schon die griechische Spätklassik gekannt. Die Haltung des Bildwerkes in Rom greift sogar deutlich auf den Apollon Lykeios („Wolfsgott“) in Athen aus dem Umkreis des Bildhauers Praxiteles zurück. Doch auch die Übersteigerung solcher maßgeblicher Vorbilder wird nun offensichtlich. Das Götterbild ist von beinahe üppiger Anmut. Von idealer Schönheit sind Oberkörper, Armhaltung und das Haupt Apollos. Feminin wirken die langen Locken und die zart abgestuften Züge des Hauptes. Diese Form einer „plakativen Ästhetik“ ist es auch, die uns den Kyrene-Apoll heute wahrscheinlich fremd und unnatürlich erscheinen lässt. Das eklektisch „Zusammengewürfelte“ des Marmorwerkes bedeutete in jener Phase römischer Kunsterneuerung jedoch höchsten Anspruch. Nur Bildhauer aus Griechenland, die eine solche römische Sichtweise auch beherrschten, wurden für Aufträge in der neuen Kunstmetropole herangezogen. Wie es zu einer dermaßen veränderten Kunsthaltung in Rom kommen konnte, kann man vielleicht an einigen historischen Begleitumständen ersehen: Späteren römischen Kunsttheoretikern wie Plinius dem Älteren zufolge ging die Bedeutung der bildenden Kunst in Griechenland ab dem frühen 3. Jh. v. Chr. zurück (konkret ab der 121. Olympiade, d. h. 296– 293 v. Chr.). Plinius schreibt in seiner Geschichte der Bildhauerei (Naturalis historiae 34,52) den oftmals zitierten Satz: cessavit deinde ars ac rursus olympiade CLVI revixit … Das heißt soviel wie: „Hierauf ging die Kunst zurück, blühte aber in der 156. Olympiade (d. h. 156– 153 v. Chr.) wieder auf.“ Zweifelsfrei bringt er damit eine Missbilligung des frühen und entwickelten hellenistischen Stils innerhalb der griechischen Staatenwelt zum Ausdruck. Die Kunst des 3. und der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. war zudem eng mit dem hellenistischen Herrschertum verflochten; eine Ideologie, die sich per se gegen römische Interessen richtete.
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Abb. 70: Kyrene, Statue des Apollo Citharoedus.
Mochte dem römischen Empfinden vielleicht auch die Pathetik hellenistischer Werke fremd sein, ihre Auftraggeber (Diadochen) und deren Verwendungszwecke waren es allemal. Während der Mitte des 2. Jhs. v. Chr., dem Zeitalter römischer Eroberungen in Griechenland, vollzog sich auch in Griechenland eine Stilwende. Immer deutlichere Rückgriffe auf die Kunst der Klassik kamen zum Durchbruch und führten zu einer Veränderung der Ausdrucksmittel. Wir sprechen von „neuattischen“ und ebenso auch von „archaistischen“ Richtungen der Bildhauerei, welche verstärkt in den dekorativen Künsten zum Einsatz kamen. Deutlich verändert erweist sich auch die Auffassung der Götterbilder dieser Zeit (Damophon, Euboulides). So kann man erstmals in diesem Zeitraum
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4. Kapitel
von bewussten Rückgriffen auf Mu useen. Dabei handelt es sich Vorbilder der klassischen Periode miit einiger Gewissheit um sprechen, von „Klassizismen“ aleines jener frühen Bildwerke, so. Dies sollte in der Folge ein n die als Auftragswerke in Rom d Leitbild für die römisch he eentstanden sind (Abb. 71). Kunstanschauung werden. JeSein Material ist griene Kunstrichtungen, die sich chischer Marmor, und inab der Mitte des 2. Jhs. in nerhalb einer Reihe von Griechenland neu herausbil-Götterbildern der hellenistideten, entstanden gleichzeitig mit scheen Periode finden sich auch dem Machtzuwachs Roms. Es war aldie nächsten Verwandten des so eine Kunst im und mit dem m EntKopfees. 9 Seiner traditionellen Bewicklungsgang Roms und es wurde nennun ng nach, wird der besonders zu einer Kunst für die neue „M Metroqualitätvvoll gearbeitete Kopf als Iuno pole“. Als – nach der MeiRegina oder o Iuno Metelli bezeichnet; woomit wir auch gleich beim nung des Plinius – die Kunst wieder an Ansehen gewann, Th hema der möglichen Zuordstellten römische Feldherren nung dieses qualitätvollen n und Politiker bereits grieWerkes wären. W chische Künstler in ihre Dienste. Es handelt sich bei diesem Der Apoll von Kyrene bleiibt Koopf um den erhaltenen Teil in gewissem Sinne ein zwieeines Kultbildes, das in spältiges Werk: Zwar steht einem der römischen TemAbb. 71: Rom: Kopf eines Kultbildes der Iuno Regina. er schön und elegant vor pel aufgestellt war. Kultuns, in geschmeidiger Gebilder wurden zur damalibärde. Eingespannt in ein „Korsett“ der Attri- gen Zeit größtenteils als Akrolithe gearbeitet. bute, erhält diese Bewegung jedoch einen Ab- Das bedeutet, dass Köpfe und Gliedmaßen aus bruch; sie stockt. Wahrscheinlich muss man es Marmor in ein Holzgestell eingearbeitet waren dem Marmorkopisten der antoninischen Peri- und die Gewandpartien des Kultbildes aus Meode, der das ältere Kultbild wiederholte, anlas- tall gefertigt sein konnten. Dafür sprechen die ten, dass die Gebärde dabei noch starrer und Randpartien des Oberkörpers und die alllebloser geraten ist. Die Skulptur des Apollo gemeine technische Ausführung unserer Iuno. ist eklektisch an sich. Das bedeutet, dass unter- Dass es sich um die Göttermutter handelt, wirkt schiedliche Vorbildstufen zueinander gebracht auch durch das Diadem sowie durch den maund miteinander kombiniert wurden. Die neu- tronenhaften Zug dieses Kopfes durchaus plauen Werke für Rom wollten jedoch nicht primär sibel. Nun wüsste man natürlich allzu gerne, wo zitieren, sondern in dieser Kombination etwas genau dieser Kopf in Rom gefunden wurde. Neues in ihrer Zeit verkörpern. Das gehört Sollte das in der Nähe der Portikus Metelli gezum Wesen der römischen Idealplastik. wesen sein – was einige Forscher vermuten –, so käme der dortige Tempel der Iuno Regina als Aufstellungsort in Frage. Mehr noch, die Datierung und auch der wahrscheinliche KünstDie Schule des Timarchides in Rom lerkreis des Kopfes wären damit klar angesproDer leicht überlebensgroße Kopf einer Göttin chen. Nach der Aussage des Plinius wurde bildet heute keinen besonderen Blickfang in nämlich das dortige Kultbild von Dionysios, der sogenannten Galerie der Kapitolinischen dem Sohn des Timarchides, ausgeführt.
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Abb. 72: Rom: Giebel von der Via S. Gregorio.
Mit Hilfe komplizierter Zuordnungswege also versucht die Plastikforschung Anhaltspunkte für die Anwesenheit griechischer Künstler und griechischer Kunst in Rom zu gewinnen. Vielfach sind es posteriore Argumente, die uns in die Nähe solcher Werke führen. Dennoch wird am Beispiel der Iuno Metelli eines ersichtlich: Man gewinnt den Eindruck, dass bei diesem Auftragswerk ein neuer Formenapparat in Rom einzieht. Die Bildung des Kopfes im Ganzen sowie seiner Einzelheiten verraten Stilsicherheit und Eleganz. Die Partien des Gesichtes wirken großflächig; der Ausdruck des Kopfes ist von hoheitsvoller Würde bestimmt. Bemerkenswert wird die Strähnenbildung des Haares, das in Einzelflechten zurückgebunden und doch wie von einem Luftzug bewegt wirkt. Das ausklingende Pathos hellenistischer Skulpturen wirkt auch bei diesem Kopf nach. Kaum einmal ein Kunstwerk steht dermaßen im „Übersetzungsverhältnis“ unterschiedlicher Stile und Formbildungen: Es ist sowohl einem griechischen Vorbilderkreis als auch den neuen Aufgaben der Kunst in Rom verpflichtet. Die Zeitstellung des weiblichen Götterbildes kann nur in Parallele zu griechischen Werken ersehen werden: Der Kopf wurde demnach gegen die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. geschaffen. Damit sind weiteren historischen Hypothesen natürlich Tür und Tor geöffnet. Selbst wenn man die Zuordnung des Kopfes an den IunoTempel am römischen Marsfeld als reine Spekulation abtun möchte, so bleibt doch ein Ein-
druck vom Aussehen der ersten griechischen Kunst in Rom bestehen.
Altes und Neues kommen zusammen Zieht man verschiedene Werke dieses Zeitraumes heran, so kommt man zu einem erstaunlichen Schluss: Es scheint keinen einheitlichen Stil innerhalb der bildenden Kunst Roms zu geben. Der vielfigurige und in seiner stilistischen Komplexität oftmals unterschätzte Giebel eines Tempels der Via S. Gregorio (Abb. 72) besteht aus tönernen Halbfiguren, die an das rückwärtige Giebeldreieck geheftet waren. 10 Göttliche, allegorische und reale menschliche Figuren bildeten im Giebelgeschehen eine Handlungseinheit. Das ist an sich schon eine ungewöhnliche Aussage, denn die Ebenen der Götter und jene der Opfernden werden nur in der römischen Vorstellung kombiniert. Auffällig ist auch die Anordnung des Giebels. Die Figuren bilden Appliken unterschiedlicher Größe. Die Schrägstellung einzelner Figuren möchte die Beherrschung des Raumes anzeigen. Ganz will das nicht gelingen, vergegenwärtigt man sich das Ineinanderspiel der Handlungsträger. Die Vermengung von göttlichen Personen und realen menschlichen Figuren scheint ein typisch römisches Phänomen zu sein (Abb. 83160). Ebenen der Handlung und Ebenen der Idealität werden – so wie später dann beim römischen Staatsrelief (Titus-Bogen) – vermengt.
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4. Kapitel
Abb. 73: Rom: Tempel am Forum Boarium.
Damit weist die römische Kunst einen hohen Abstraktionsgrad auf: Göttliche Gestalten wie Personifikationen bilden den Hintergrund für die Werte des Staates. Innerhalb der römischen Kunst wird zugleich dokumentiert als auch auf höhere Sinnebenen hingewiesen.
Die Eroberung Griechenlands und die römischen Feldherren Der Aspekt der Landnahme spielt innerhalb der römischen Geschichte eine entscheidende Rolle. Groß war entsprechend die Wirkung, welche die Städte und Heiligtümer Griechenlands auf die römischen Eroberer ausübten. 11 Siegreiche Feldherren wie Aemilius Paullus oder Lucius Mummius übernahmen sogar die Gebräuche hellenistischer Herrscher, indem sie in Delphi und Olympia Siegesmonumente aufstellen ließen (z. B. Pfeilermonument des Aemilius Paullus, goldene Schilde am Zeus-Tempel von Olympia). Das Auftreten der Feldherren in Griechenland wurde in Rom nicht zuletzt wegen des Abtransportes bedeutender Kunst-
werke frenetisch gefeiert, später jedoch durchaus auch kritisch betrachtet, etwa von Cicero (De officiis 1,35; 2,76) Einige Zeugen der Architektur und Plastik für diese Epoche im Umbruch lassen sich auch in Rom finden. Beinahe vollständig erhebt sich ein prachtvoller marmorner Rundtempel in der Nähe des Tibers (Abb. 73). Lediglich seine neuzeitliche, zu niedrig ausgefallene Kegelbedachung und das Fehlen des Gebälks machen sich dem heutigen Betrachter störend bemerkbar. Der Sakralbau stand – zurückversetzt in die Zeit der Antike – inmitten der Marktzone am Forum Boarium. 12 Die Tholos war eine von mehreren Sakralbauten in diesem Gebiet, von denen auf unserer Abbildung auch der Tempel des Portunus sichtbar wird (Abb. 86167). Die Zeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit haben beide Tempelbauten überdauert, indem sie in Kirchen umgewandelt wurden. Zur Benennung dieses Rundtempels gibt es verschiedene Meinungen, über die hohe Qualität der Ausführung und insgesamt den historischen Stellenwert des Baues ist man sich hingegen einig. Beginnen wir daher mit einer Betrachtung
Wendepunkte der römischen Kunst
des erhaltenen Rundtempels: Der Form nach handelt es sich um eine peripterale (d. h. mit Säulenkranz versehene) Tholos, wie sie in griechischen Heiligtümern der spätklassischen und hellenistischen Periode mehrfach vorkommt. Die Herkunft des Bautypus aus Griechenland kann daher als unbestritten gelten. Teile der Rundcella einschließlich des Eingangs und der Fenster unseres Baues entsprechen ganz dieser ursprünglichen Formbildung. Auch der Säulenkranz ist grundsätzlich richtig positioniert, selbst wenn Teile der Säulen und Kapitelle – wie wir sehen werden – im Verlauf der Antike erneuert werden mussten: Innerhalb der baugeschichtlichen Untersuchungen von Friedrich Rakob und Wolf-Dieter Heilmeyer am Tempel erbrachten diese Restaurierungsphasen aufschlussreiche Folgerungen. Der Säulenkranz des Rundtempels steht mit seinen 20 Säulen korinthischer Ordnung auf einem gestuften Unterbau (Stylobat), dessen Durchmesser 16,50 m beträgt. Die Säulenschäfte sind besonders schlank und hoch gebildet. Der enge Abstand der Säulen zueinander wird innerhalb der Architekturtheorie als pyknostyl, das heißt engsäulig, (Vitruv, De architectura 3,3.2) bezeichnet. Dieses Prinzip unterstreicht die elegante und aufstrebende Form des ursprünglichen Tempeläußeren. Der innere Durchmesser der Cella beträgt 8,5 m bei einer gedachten Höhe des Innenraumes von 11,50 m. Der Tempel ist nach Osten zu orientiert, wo sich auch die stattliche, 8 m hohe Türöffnung befindet. Der Kultraum mit seinem ursprünglichen Kultbild wurde mittels zweier hoher Fenster beiderseits der Eingangsfront ausgeleuchtet. Diese „Inszenierung“ galt im ursprünglichen Zusammenhang dem Kultbild, das mit einiger Wahrscheinlichkeit eines der „neuen Kunstwerke“ in Rom verkörperte. Dank baugeschichtlicher Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Höhe der Säulen dieses Tempels beträchtlich divergiert (zwischen 10,40 m und 10,60 m). Die Einzelbeobachtungen an den Kapitellen und Säulenschäften haben dazu ergeben, dass diese aus
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zwei Serien bestehen: Ein älterer Teil der Kapitelle aus pentelisch-griechischem Marmor gehörten dem ursprünglichen Bau an. Die jüngere Serie aus lunenser Marmor wurde hingegen für die Erneuerung des Tempels gefertigt. Teile des Unterbaues dieses Tempels hatten sich im Laufe der Zeit gesenkt, sodass bei der Restaurierung des Tempels neue Säulenmaße angesetzt werden mussten. Entscheidend dabei war, dass für den erneuerten Gebälkaufbau, von dem sich nichts mehr erhalten hat, die gleiche Auflagehöhe geschaffen wurde. Diese Teile des Tempels mussten mutmaßlich nach einer Tiber-Überschwemmung im Jahre 15 v. Chr. erneuert werden. Anfänglich wurden für diesen Tempel also Bauglieder aus Griechenland herbeigeschafft, eine Beobachtung, die uns für Rom kaum mehr irritieren wird. Die Schiffsladung von Mahdia mit den dort geborgenen Baugliedern ist für vergleichbare Vorgänge ebenso Zeuge wie das Auftreten griechischer Architekten in Rom (Iuppiter-Stator-Tempel: Vitruv, De architectura 3,2.5; Velleius Peterculus 1,11.5). Die Kapitelle des Rundtempels am Tiber sind aus pentelischem Marmor und wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits in Athen vorgefertigt. Die Serie der jüngeren Kapitelle ist hingegen aus Mamor von Luni. Die dortigen Steinbrüche wurden etwa ab caesarischer Zeit genutzt und stellten den etwas günstigeren Ersatz für griechischen Marmor dar. Die Form einer Tholos stellte im republikanischen Rom etwas grundlegend Neues dar. Solche Rundtempel wurden innerhalb der griechischen Heiligtumsarchitektur für außerordentliche Stiftungen wie etwa für Bauten des Herrscherkultes verwendet (Olypmpia, Philippeion). 13 Auch in Rom könnte damit der besondere Anspruch einer solchen Stiftung abgeleitet werden. Der Tempel des Hercules Victor, den der Sieger über Korinth, Lucius Mummius, errichten ließ, zählte etwa zu den neuen Prachtbauten der Stadt. Aufgrund seiner militärischen Erfolge weihte dieser Feldherr – entsprechend seinem abgelegten Gelübde – ein
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Hercules Olivarius diesen Rundtempel geweiht, skeptisch gegenüber. Gemessen an den Zeitverhältnissen, kommt an diesem prominenten Platz Roms wohl nur eine tragende Persönichkeit des Staatswesens für eine solche Tempelstiftung in Frage. 14 L(ucius) Mummi(us) L(uci) f(ilius co(n)s(ul). Duct(u) auspicio imperioque eius Achaia capt(a). Corinto deleto Romam redieit triumhans. Ob hasce res bene gestas, quod in bello voverat hanc aedem et signu(m) Herculis Victoris imperator dedicat. Lucius Mummius, Sohn des Lucius, Konsul. Unter seiner Führung, seinen Auszipien und seinem Oberbefehl wurde Achaia unterworfen. Nach der Zerstörung Korinths kehrte er im Triumph nach Rom zurück. Auf Grund dieser Erfolge weiht er als siegreicher Feldherr, entsprechend seinem Gelübte während des Krieges, dieses Heiligtum und das Standbild des siegreichen Hercules. (Inscriptiones Selectae 6081, 142 v. Chr. – CIL I 626).
Abb. 74: Rom: Sogenannter Hercules Aemilianus.
Ein Kultbild der neuen Art
Heiligtum und das Standbild des siegreichen Hercules. Der Tempel, den Mummius errichten ließ, enthielt auch einen Teil der beträchtlichen Kunstbeute aus der Provinz Achaia. Die Frage ist, ob der „Siegestempel“ des Mummius auf dem Caelius-Hügel in Rom gestanden hat, wo man die unten angeführte Inschrift gefunden hat, oder eher in der Nähe jenes Straßenzuges, an dem sich die Triumphzüge vorbeibewegten. Dies betrifft noch einmal die offene Frage der Benennung und damit des „Stifters“ des erhaltenen Rundtempels am Forum Boarium. Im Zusammenhang damit stehe ich der vorgebrachten These, ein wohlhabender Ölhändler namens M. Herennius aus Tivoli habe dem
Wer sich bei einem Besuch des neu gestalteten Konservatorenpalastes in Rom in die Mittelhalle begibt, wird reichlich belohnt. Er trifft dort auf bekannte Bronzewerke wie die Reiterstatue des Marcus Aurelius oder den kolossalen Bildniskopf Konstantins des Großen aus den späten Tagen Roms. Nicht gerade bescheiden präsentiert sich innerhalb dieses Ensembles auch eine vergoldete Statue des Hercules, die wahrscheinlich als Kultbild des zweiten Rundtempels am Rindermarkt anzusprechen ist (Abb. 74). 15 Dieser zweite Rundtempel tuskanischer Bauordnung am römischen Rindermarkt wurde erst Ende des 15. Jahrhunderts abgerissen, als nämlich Papst Sixtus IV. in der Nähe des Tibers eine neue Straße anlegen ließ. Baldassare Pe-
Wendepunkte der römischen Kunst
ruzzi hat die Umrisse dieses – bedauerlicherweise abgetragenen – Baues in Form einer Federzeichnung eingefangen. In der Fundamentierungslage dieses Tempels stieß man zum damaligen Zeitpunkt auf ein vollständiges, während der Antike offenbar bewusst deponiertes Bronzewerk: Es verkörperte den Gott Hercules. Durch die besonderen Fundumstände wird es heute möglich, diese Bronzestatue des Hercules als das wahrscheinliche Tempelkultbild anzusprechen. Der zweite Rundtempel am Forum Boarium kann außerdem mit der Bautätigkeit eines weiteren „Triumphators“ in Rom in Verbindung gebracht werden: mit Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus, den Sieger über Karthago. Eine ausführliche stilistische Würdigung dieser Großbronze hat unlängst ergeben, dass der sogenannte Hercules Aemilianus zu den wenigen kostbaren Originalwerken zählt, welche authentisch über die Möglichkeiten der Kunst im frühen Rom Auskunft geben. Die Statue hält sich in wesentlichen Zügen an ein Vorbild des griechischen Künstlers Lysipp oder seiner Schule, enthält jedoch auch Elemente eines „Herakles“ des spätklassischen Bildhauers Skopas. 16 Das Bronzebild in Rom ist also wieder einmal ein eklektisches, ein auf ausgewählten Vorbildern aufgebautes Werk. Der Hercules vom Rundtempel am Rindermarkt ist vor allem aber als römisches Auftragswerk zu verstehen. Dabei sollten entsprechende „Vorbilder der Klassik“ wirkungsvoll in Erscheinung treten. Allgemein setzt dieses Bronzewerk die spätklassische Kunst voraus: Das bedeutet, dass bestimmte Figurenhaltungen und ein bestimmter Kanon übersetzt werden sollten. Eigenartig ist nur, auf welche Weise die Raumhaltigkeit und Plastizität einer griechischen Skulptur hier aufgefasst wurden. Die Figur des Hercules wird durch ihre gespreizte Körperhaltung, ihre betonte Wendung nach rechts und schließlich durch die Keule – die in eine Stütze eingesetzt war – förmlich zur Frontalität gezwungen. Anhand dieser Keule – mit möglicher Rinderschädel-Verankerung – macht
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Hansgünther Martin auf eine mögliche Verbindung zum Cacus-Abenteuer des Helden und damit auf das Forum Boarium aufmerksam. Anhand der Hesperidenäpfel und des Kranzes des Hercules ergibt sich zudem eine mögliche Verbindungslinie zum Stifter der Tempelanlage: Scipio Aemilianus. Dessen politische Großtat, die Eroberung punischer Gebiete, lag ja bei den Säulen des Herkules, das heißt im Atlasgebirge. Diese Argumentation mag spitzfindig klingen, sie liegt aber durchaus im Bereich römischer Anschauung und einer römisch empfundenen Bildersprache. Mehr noch als die vorangehende Beschreibung, soll eine weitere Statue auf das reiche Kapitel der Kopistentätigkeit in Rom hinweisen. Die Skulptur, um die es geht, ist freilich mit dem Hercules Aemilianus verwandt – sie bildet ihn spiegelverkehrt ab (Abb. 75). Wieder einmal geht es um die Frage nach den Meisterwerken (opera nobilia), die zu allen Zeitstufen in Rom kopiert wurden. Die Bestimmung von Meisterwerken der griechischen Plastik unterliegt ähnlich komplizierten Schlussfolgerungen wie jene der römischen Plastik. Da die meisten griechischen Originalwerke verloren gingen oder zerstört wurden, sind wir auf Schriftquellen und Kombinationen stilistischer Art angewiesen, die sich auf Nachfolgewerke (Kopien und Umbildungen) beziehen. Der nach seiner ursprünglichen Aufstellung in der herrschaftlichen englischen Sammlung Lansdowne so benannte Hercules wurde ursprünglich in der Villa Hadriana bei Tivoli ausgegraben. 17 Er stellt demnach die hadrianische Kopie eines Meisterwerkes der Spätklassik dar. Die Forschung weist das – nicht mehr erhaltene – Vorbild dieser Statue dem peloponnesischen Meister Skopas zu. Nachbildungen dieses Meisterwerkes gibt es innerhalb römischer Kopien zwar nicht allzu viele, doch diese bilden eine in sich aussagekräftige Reihe. Man kann also davon ausgehen, dass ein berühmtes statuarisches Vorbild bewusst wiederholt werden sollte. In gewissem Sinne verkörpert aber auch bereits der bronzene Hercules Aemilianus
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Aemilianus, auch in seinem Imponiergehabe und den Übertreibungen der Muskulatur, den römischen Zugang zur Plastik. Die Statue des „Herakles Lansdowne“ stammt hingegen aus der römischen Kaiserzeit. Viele der Marmorstatuen, die in der Zeit Kaiser Hadrians geschaffen wurden, verkörpern getreue, beinahe wörtliche Zitate kostbarer Originalwerke. Zum damaligen Zeitpunkt war das Bedürfnis, über ein großes Spektrum griechischer Statuenbildungen zu verfügen, deutlich gewachsen. Öffentliche Anlagen in den Städten wie Thermen, Theater oder Wettkampfstätten verlangten nach geeigneten Genres innerhalb der Plastik und Skulptur. Aus der Villenanlage Kaiser Hadrians vor den Toren Roms stammen berühmte Bildwerke, die auch unser Bild von einer römischen „Klassik“ bis zum heutigen Tage maßgeblich prägen. 18
Rom in republikanischer Zeit
Abb. 75: Sogenannter Herakles Lansdowne aus Tivoli. Malibu, Getty Museum.
vom Forum Boarium eine sehr eigenständige Variante dieses berühmten Vorbildes. Um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. sollte ganz offenkundig mehr die äußere Erscheinung griechischer Bildwerke zur Geltung gebracht werden. Strukturell aber verkörpert der sogenannte Hercules
Palästrina, das alte Praeneste, etwa 40 km östlich von Rom gelegen, bietet dem Besucher ein architektonisches Schauspiel, das seinesgleichen sucht. Oberhalb der Stadt, auf dem mächtigen Hang des Monte Ginestro, erheben sich die Unterbauten des Fortunaheiligtums. Es gehört zu den ältesten und bedeutendsten Orakelheiligtümern in Italien. 19 Die Geschichte der Stadt Praeneste reicht weit zurück. Das Gebiet wurde von den Etruskern beherrscht, eine Tatsache, die sich in bedeutenden Grabfunden aus der Umgebung Praenestes manifestiert. Die baulichen Anfänge der Stadt lassen sich etwa ins 4. Jh. v. Chr. zurückverfolgen. Das Anlageprinzip des römischen Praeneste ist an einem Geviert der Befestigungsmauern erkennbar. Auch die Lage des Forums ist anhand der Achsenbildung der Straßen noch erkennbar. Von dort, von Forum und Basilika der Stadt, führen Stufenwege und Rampen hinauf zum Fortuna-Heiligtum (Abb. 76). Das Heiligtum, seine aufsteigenden Ram-
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Abb. 76: Praeneste/Palästrina: Fortunaheiligtum.
pen und Stützbauten wurden aus opus incertum errichtet. Diese Mauertechnik weist auf das 2. Jh. v. Chr. Die Polygonalblöcke der unteren Stützmauern verraten eine andere Technik und wurden gleichzeitig mit dem Ausbau des Heiligtums von Praeneste angelegt. Der untere Sockel des Orakelheiligtums weist eine Höhe von 7,5 m auf und ist allein 150 m lang. 20 Im Bild sichtbar wird ein nach Norden zu ansteigender, mehrteilig gestufter Baukomplex. Mehrere Terrassen werden durch Mauern und Aufstiegsrampen nach vorne zu abgestützt und miteinander verbunden. Der Höhenunterschied der gesamten Anlage beträgt 90 m. Oberhalb jeder der Bogenkonstruktionen liegen Terrassen. Die oberste dieser Terrassen ist
als hallenumsäumter Platz zu denken. Als Abschluss dieser wie Stockwerksbauten ausgeführten, jedoch hintereinander versetzten Terrassenunterbauten können Halbsäulenund Nischenfassaden rekonstruiert werden (Abb. 77). Der gesamte Heiligtumsbezirk besaß so eine ausgeprägte Frontbetonung. Oberhalb der freigelegten Mauern republikanischer Zeit erkennt man die Fassade des Palazzo Colonna, der sich in viel späterer Zeit im Heiligtum von Praeneste „eingenistet“ hat. Der halbrunde Vorhof dieses Palastes nimmt die Form der oberen Heiligtums-Exedra auf. Das Heiligtum von Praeneste wurde nach oben zu von einem Rundtempel bekrönt. Dieser Bau zeigte sich dem Besucher jedoch erst,
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Abb. 77: Praeneste: Axonometrie des Fortunaheiligtums (nach Kähler).
nachdem der die obersten Stufen des Baues erklommen hatte. Die hier vorgestellte Axonometrie nach Heinz Kähler gibt den unerhörten Planungsund Konstruktionszusammenhalt des Baukomplexes wieder. 21 Beginnen wir am Besten beim ursprünglichen Besucherweg, der so die Teile des Heiligtums erschließt: Wie Straßen geführte Rampenwege führten in gemäßigtem
Anstieg von der Stadt auf einen mittleren Treppenlauf der Heiligtumsanlage zu. Diese Rampenwege waren überdacht und boten dem Besucher erst vor der großen Treppe Gelegenheit, sowohl auf die Stadt als auch auf den steilen Anstieg zum Heiligtumsbezirk zu blicken. Eine erste, relativ schmal vorgelagerte Zwischenterrasse entfaltete sich mit ihrer prachvollen Fassadenarchitektur. Die Rück-
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Abb. 78: Praeneste: Exedra der mittleren Terrasse.
wand, zugleich Stützmauer für die nächstfolgende Terrasse, gibt eine Halbsäulengliederung und eine aufgesetzte Attikazone zu erkennen. Zwei zurückspringende Exedren mit dort angetroffenen Altären spielten im Heiligtumsbetrieb antiker Zeit eine Rolle (Abb. 78). Von dieser „Schauterrasse“ aus lässt sich der Weg über die Mitteltreppe auf eine weitere Zwischenterrasse verfolgen. Die Fassade der Rückwand gibt eine Bogen- und Nischenarchitektur zu erkennen. Nach dem Erklimmen des vorläufig letzten Treppenabschnittes gelangt der Besucher zum großen, an drei Seiten von Hallenbauten eingefassten Platz. Der Ausblick von dort aus ist auch für heutige Besucher geradezu überwältigend. Was wir an dieser Stelle des Heiligtums allerdings vermissen, ist ein Tempelbau. Der Bergseite zugewandt, befand sich an Stelle dessen eine in Stufen ansteigende, gewissermaßen als „Schautheater“ eingesetzte Exedrenarchitektur. Der Rundtempel mit Kuppelabschluss (Friedrich Rakob), welcher das Kultbild der Tyche-Fortuna aufnahm, befand sich als letzter, gewissermaßen krönen-
der Abschluss hinter der halbrunden Exedrenhalle. Die „Psychologie“ dieses Heiligtums wirkt ausgesprochen komplex. Als einzigartiger römischer Charakterzug wurde von jeher die Vielfalt aufeinander bezogener Architektureinheiten betrachtet. Auch der Beziehungsreichtum und zugleich die „Auflösung“ von Blickachsen – je nachdem, auf welcher Stufe des Heiligtums man sich befindet – können als römische Erfindung eingestuft werden. Im Falle von Praeneste handelt es sich um einen auf mehreren Terrassen angelegten, jedoch in sich geschlossenen Baukomplex, der unterschiedliche Architekturzonen auf die Landschaft zu öffnet. Dies äußert sich auch in einer unerhört differenziert zu denkenden Wirkung der hier gebotenen Fassadengliederungen. Praeneste ist jedoch nicht nur ein Bau römischer Prägung. Das Konzept solcher Anlagen geht auf hellenistische Heiligtumskomplexe zurück. Man hat dabei an Terrassenanlagen wie in Kos oder an das Heiligtum der Athena Lindia auf Rhodos gedacht. Die Kombination
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4. Kapitel
architektonischer Elemente sowie die Betonung des Konstruktionsprinzips können jedoch als römisch eingestuft werden. Eine solche „Inszenierung“ der Architektur sowie das Bestreben, die umgebende Landschaft zu beherrschen, fallen unter die Vorstellungswelt Roms. Nicht zur Gänze geklärt ist freilich die Datierungsfolge dieser Anlage. Das Orakelheiligtum von Praeneste war schon lange vor der Errichtung des eben beschriebenen Baukomplexes berühmt. Grundlage des Kultes bildeten Lose (sortes), die in einer Höhle des Berghanges angetroffen worden sind. Zahlreiche Inschriften des späteren 2. Jhs. v. Chr., die im Bereich des Heiligtums gefunden wurden, legen es nahe, dass auch die Errichtung des Heiligtums in dieser Zeit stattfand. Auch die noch in der Stadt angesiedelte „Basilika“ dürfte zum Heiligtumsbetrieb gehört haben. Im Zuge des Bundesgenossenkrieges, der Belagerung und schließlichen Einnahme von Praeneste am Beginn des 1. Jhs. v. Chr. gab es gewaltige Zerstörungen in der Stadt. Praeneste selbst wurde, wie Pompeji und andere Städte Italiens auch, zur sullanischen Koloniestadt (Cicero, In Catilinam 1,8). Sulla selbst dürfte für den Wiederaufbau des Heiligtums eingetreten sein (Plinius, Naturalis historiae 36,189). Teile des Heiligtums und die Erneuerung des Kultes der Fortuna Primigenia gehen auf diese Periode zurück. Wenn etwas an der Architektur Praenestes als völlig neuartig eingestuft werden kann, dann ist es die Kombination von technisch bestimmtem Bauaufwand und architektonischem Dekor. Durch den heutigen ruinösen Zustand der Mauern wird dabei erst sichtbar, was in antiker Zeit stuckiert und somit „verkleidet“ war. Vor allem ist es die Mauertechnik selbst, die nun wieder zu Tage tritt: Der Aufbau der Wand zeigt kleinteiliges opus incertum, also unregelmäßiges Bruchsteinmauerwerk (siehe Anhang A). Die aufwendige Technik dieses Rohbaues, der Einsatz verschiedener Materialien etwa bei den Zwischenstreifen der Wand sowie der rohe „Wandcharakter“ treten so in den Vordergrund. Dort, wo es ursprünglich um eine
Säulenarchitektur und um die Fassadenwirkung der Wände ging, kamen jedoch ganz andere Materialien zum Einsatz: Die Säulen der Exedren waren aus Kalkstein gemeißelt, für die Halbsäulen der oberen Attikazone und das vorkragende Gesims wurde Tuffstein verwendet. Die Zwischenfelder der Attika, aber auch des halbrunden Bogenganges waren mehrfarbig stuckiert. Diese Schmuckzonen geben sich noch an den Mauerzwischenstreifen zu erkennen. Insgesamt besaß dieser Mauerabschnitt während der Benutzungszeit des Heiligtums also eine völlig andere Wirkung. Dem technisch nüchternen Konstrukt wurde „als zweite Haut“ eine Blendarchitektur übergestülpt. Die mehrzonige Gestaltung solcher Fassaden zählt zu den größten Neuerungen der spätrepublikanischen Architektur.
Luxus und Wohnkultur Um die Ausstattungselemente späterer römischer Häuser und Villen zu begreifen, muss man zunächst deren „hellenistische Vorgänger“ in Kampanien studieren. Kampanien gab als alte Kulturlandschaft inmitten der Siedlungsgebiete von Griechen, Samniten und Römern den geografischen Rahmen für solche Erfahrungen innerhalb der Wohnkultur ab. Kampanische Städte wie Pompeji oder Herculaneum blieben poltisch bis in die Zeit Sullas weitgehend unabhängig. Handel und Güteraustausch mit dem griechischen Raum blühten hier früher und intensiver als in Rom, das sich durch Einschränkungen politischer Art – etwa Gesetze gegen Luxus – zurückhaltender verhielt. Viele Römer der Oberschicht wichen vielleicht auch aus diesen Gründen in die Gegend um den Golf von Neapel aus, um dort ihre Vorstellungen von Villenkultur und „uneingesehenem Luxus“ zu verwirklichen. Beim sogenannten Haus des Fauns in Pompeji (Abb. 79) handelt es sich eigentlich um einen Palast inmitten der älteren samnitischen Wohnviertel dieser kampanischen Handels-
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Abb. 79: Pompeji: Sogenannte Casa del Fauno. Blick vom Atrium in das Peristyl.
stadt. 22 Bereits am Ende des 2. Jhs. v. Chr. nahm diese, mehrfach um Gartenhöfe (Peristyle) erweiterte „Familienresidenz“ eine ganze Wohninsula (von ca. 3000 m2) ein. Früh hatten sich die Handelsherren und Agrarproduzenten dieser bevorzugten Gegend in der griechischen Welt umgesehen und waren so zu Reichtum gelangt. Uns interessieren daher in erster Linie die Aspekte des Wohnluxus und die damit verbundenen Vorstellungswelten, welche inner-
halb dieses Gebäudekomplexes zur Geltung kamen. Fausto Zevi hat in einer vor wenigen Jahren vorgelegten Detailstudie zur Casa del Fauno nachgewiesen, dass die Gesamtausstattung des Hauses mit seinen Wanddekorationen und Mosaiken praktisch bis zum Untergang Pompejis im Jahre 79 n. Chr. bestehen blieb. Die dahinter stehende, stark konservative Haltung einer gens ist für ihn Ausdruck jener Gesellschaftsschicht, die ihre Werteordnung auch
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nach der römischen Machtübernahme in Pompeji aufrecht erhielt. 23 Die Casa del Fauno besteht im Grunde aus zwei aneinander gebauten Haushälften, deren Funktionen auch unterschiedlich anzusehen sind. Neben einem repräsentativen Trakt im Anschluss an das westliche Atrium wird man gleich daneben von eher privaten Wohnräumen sprechen können. Von der Straße aus gelangte man in eine Empfangshalle (Atrium), an die Speise- und Schlafräume mit prachtvollen, heute im Museum von Neapel befindlichen Mosaiken anschlossen. Dem Eingang gegenüber befand sich das Tablinum, über dessen Trennwand man in den ersten Gartenhof blicken konnte. Der heutige Zustand des Hauses vermittelt – deutlich verfremdet gegenüber der ursprünglichen Anlage – eine Art durchgehender Gartenzone. Die hier verwendete Ansicht zeigt die bekannte hellenistische Bronzestatuette des „Tanzenden Fauns“ im Vordergrund. Die hintereinander liegenden Peristylhöfe der Casa del Fauno kamen im Laufe des 2. Jhs. v. Chr. in Form von Anbauten und Erweiterungen hinzu und ergaben ursprünglich eine reizvolle Auffädelung von Raumzonen. Der in einer Achse versammelte Blick von Raumeinheiten bildete dabei einen wichtigen Aspekt. Im linken Flügel des Hauses befanden sich die wichtigsten Repräsentationsräume: Eine Exedra des ersten Peristylhofes barg – bis zu seiner Auffindung im Jahre 1830 – das berühmte Alexandermosaik. Der rechte Flügel des Hauses war einem „privaten“ Atrium, weiteren Schlafräumen und in der Folge der Küche, den Wirtschaftstrakten und einem eigenen Bad vorbehalten. Die Casa del Fauno ist ihrer Größenordnung wegen mehrfach mit hellenistischen Palästen verglichen worden. 24 Dabei sollte auch gesehen werden, dass das Anordnungsprinzip der Wohn- und mehrheitlich repräsentativen Hofeinheiten dieser Domus den für Italien üblichen Gesetzmäßigkeiten entspricht. Die riesigen Persitylhöfe lassen sich, übrigens auch bis
hin zu den Einzelheiten der Tuffsäulen und Kapitelle, mit den zeitgleichen Bauvorhaben in Pompeji vergleichen (z. B. der Basilika Abb. 64129). Im Ausstattungsschmuck des Hauses, darunter vor allem den prachtvollen Bildmosaiken, kommt hingegen eine Hinwendung zur Kunst des griechischen Raumes zum Ausdruck, die ihresgleichen sucht. Das prächtig-bunte Motiv des dionysischen Reiters wirkt zugleich besonders phantasievoll (Abb. 80): 25 Eigentlich handelt es sich beim Reiter um einen geflügelten und mit den Attributen des Gottes Dionysos/Bacchus versehenen Eros. Er reitet auf einem Tiger, der allerdings mit Löwenmähne ausgestattet ist. Der Inhalt des Bildes, das aus einem der Speiseräume der Casa del Fauna stammt, kann mit „Lebensgenuss“ und dem Vollzug üppiger Riten etwa bei den Abendgesellschaften überschrieben werden: Die vornehme samnitische Gesellschaft der Zeit um 100 v. Chr. war hinsichtlich öffentlich zelebrierter luxuria den Römern sicher um Einiges voraus. Überlegungen, nicht nur im Falle dieses Mosaiks stünden „Musterbücher“ und naturwissenschaftliche Abhandlungen aus den Bibliotheken hellenistischer Königsstädte im Hintergrund, treffen wahrscheinlich das Richtige. Vor allem lassen sich ganz ähnliche „Emblemata“ an anderen Orten fassen, sodass von einzelnen Urbildern für diese Mosaike ausgegangen werden kann. Kleine Tesserae (Mosaiksteinchen) zeichnen das farbenreiche, stark tiefenräumlich gestaltete Bild aus. Die Werkstätte, die für den Besitzer der Casa del Fauno zu arbeiten wusste, stammte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem der Kunstzentren der hellenistischen Welt. Ähnliche Bildthemen gab es sowohl im Bereich der alexandrinischen als auch der makedonischen Kunst. Dionysos als Pantherreiter wird bereits im Fürstenpalast von Pella in Form eines Kieselmosaiks verkörpert. Ein delisches Privathaus zeigt ebenfalls ein Mosaik mit dem Tigerreiter. Die übrigen Mosaiken der Casa del Fauno zeigen deutlich unterschiedliche, dem Tafelgenuss, der Erotik
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Abb. 80: Pompeji: Dionysisches Mosaik der Casa del Fauno (sogenannter Tigerreiter).
und dem Theaterwesen zugewandte Themen. Am bekanntesten bleibt freilich das Alexandermosaik (Abb. 81).
Die Zeit Sullas Die Statue des sogenannten Feldherrn von Tivoli erzählt von sehr unterschiedlichen Aspekten seines Wirkens (Abb. 82). Sie stammt aus dem Hercules-Heiligtum von Tivoli und stellt
eine bedeutende Ehrenstatue der Zeit um 80/ 70 v. Chr. dar. Die in Form eines Panzers gebildete Statuenstütze lässt auf den militärischen Hintergrund der Statuenstiftung schließen. Hinsichtlich ihrer Benennung hat die leicht überlebensgroße Bildnisstatue freilich viele Fragen aufgeworfen. 26 Widmen wir uns daher erst einmal ganz allgemein der Funktion öffentlicher Ehrenstatuen in Rom. Bei Statuenstiftungen im öffentlichen Raum war die Art der Darstellung, aber auch
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Abb. 81: Pompeji: Casa del Fauno, Alexandermosaik.
eine ursprünglich beigegebene Inschrift von Bedeutung. Letztere konnte den Namen und die Funktionen des Dargestellten, aber auch den Anlass der Aufstellung angeben. Wir müssen uns im Falle des Tivoli-Feldherrn also auf das beschränken, was wir sehen und was uns an Bildinhalten in Form der Statuenbildung mitgeteilt wurde. Wie schon ersichtlich wurde, handelt es sich um die Statue eines Feldherrn, denn die Statuenstütze zeigt einen hellenistischen Röhrenpanzer. Die Bekleidung dieser Persönlichkeit wirkt dabei wenig standesgemäß: Die im Oberkörper nackt gebildete Statue trägt einen Mantel, der in der Art heroischer Standbilder um die Hüfte und an den Enden um die Schulter und um den linken Arm geschwungen wird. Ein solcher „Schulterbausch-Typus“ verrät, dass es sich um eine standesmäßig erhöhte Form der Darstellung handelt, um eine Ehrenformel gewissermaßen. Statuenbildungen dieser Art kommen innerhalb der spätklassischen und hellenistischen griechischen Kunst häufig vor, sei es für Hero-
enbilder oder auch für Grabstatuen. Für den Zeitraum, in dem die Statue aus Tivoli anzusetzen ist, waren solche „Idealtypen“ jedoch nicht mehr „en vogue“. Umso mehr fällt auf, dass Bildnisstatuen von Römern in Griechenland diese Statuenschemata neu aufgreifen und für ihre eigenen Zwecke einsetzen. Zumeist sitzt dem Idealtypus einer solchen Statue ein unverkennbarer „Römerkopf“ auf, dessen unverblümt veristische Bildniszüge nicht recht zur Aussage der Statue zu passen scheinen. Der Kopf des Tivoli-Feldherrn reiht sich ebenfalls in das Schema römischer Bildnisse. Zwar verfügte der hervorragende Bildhauer dieser Statue, möglicherweise ein in Rom arbeitender Grieche, über differenziertes plastisches Empfinden, die Kernaussage des Porträts mit seiner „konkreten“ Wiedergabe der Züge dieses Mannes bleibt aber eine römische. Die Ehrenstatue öffnet sich damit verschiedenen Gesichtspunkten einer „Botschaft“ (Luca Giuliani). 27 Die Römer jener Zeit waren es allem Anschein nach gewohnt, mit sehr unter-
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schiedlichen Bildnisformeln konfrontiert zu werden. Dadurch sollte eine Differenzierung im Rang des Dargestellten zum Ausdruck gebracht werden. Es zeigt jedoch auch, dass eine einheitliche Bildersprache in Rom noch nicht gefunden war. Das Heiligtum von Tivoli zählte im 1. Jh. v. Chr., vergleichbar Praeneste, zu den bedeutendsten seiner Art. Der Kultbezirk war dem Gott Hercules geweiht und stellte ein bedeutendes Terrassenheiligtum mit Hofbezirk, Tempel und Zuschauertribüne dar. Neben den kultischen Aspekten wird man von einem politischen Forum vor der Kulisse dieses Tempels sprechen können. Mehrere der ursprünglich hier aufgestellten Statuen vermittelten den Eindruck historischer Repräsentanz, etwa das Alexanderbildnis „Typus Schwarzenberg“. Nach Sueton (Augustus, 34) soll sich noch Kaiser Augustus während der Sommermonate gerne im Heiligtumsbezirk von Tivoli aufgehalten haben, um hier Gericht abzuhalten. In mehrerer Hinsicht zeigen sich an diesem Ort Vorbildfunktionen für das Augustus-Forum in Rom (Abb. 125222).
Ein Monument vom Marsfeld Eines der ältesten und zugleich bedeutendsten Werke der Reliefkunst aus Rom vermittelt uns den nach wie vor zusammengesetzt-eklektischen Charakter der Kunst um 100 v. Chr. Innerhalb der Forschungsliteratur werden diese Reliefplatten, die zu einem zusammengehörigen Sockelmonument vom Marsfeld ergänzt werden können, zumeist als Domitius-Ara bezeichnet. 28 Diese Benennung bezieht sich auf eine im Grunde mögliche, jedoch schwer zu beweisende Stifterschaft des Gn. Domitius Ahenobarbus oder eines anderen Mitglieds der Domitier-Familie. Man wird auch heute kaum mehr von einem Altarmonument als vielmehr von einer stattlichen Weihgeschenkbasis sprechen. Diese stand mit Sicherheit in der Nähe des Neptun-Tempels am Marsfeld, wo sie im
Abb. 82: Rom: Ehrenstatue des sogenannten Tivolifeldherrn.
17. Jahrhundert aufgefunden und nach dem Aufenthalt in mehreren Sammlungen schließlich auf zwei der bedeutendsten Museen verteilt wurde. 29 Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der Friesplatten geriet dabei in Vergessenheit und wäre anhand der sehr unterschiedlichen Themen wohl auch nicht unbedingt anzunehmen gewesen (Abb. 83 und 84). Die beiden Relieffriese, die dem Monument zugeordnet werden können, zeigen einmal einen Seethiasos (d. h. ein Gefolge von Seegottheiten
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4. Kapitel
Abb. 83: Rom: Sogenannte Domitius-Ara. Census und Opfer.
Abb. 84: Rom: Sogenannte Domitius-Ara. Seethiasos.
und Mischwesen) anlässlich der Hochzeit von Poseidon und Amphitrite und schließlich eine römische Opferhandlung im Zusammenhang mit dem Zensus am Marsfeld. Das erste Thema kann demnach dem griechischen Mythos zugeordnet werden und bleibt auch formal ganz im Zeichen einer hellenistischen Bildersprache. Der römische Staatsakt hingegen zeigt jene Möglichkeiten auf, die Rom in seiner eigenen Reliefkunst entwickelt hatte. Widmen wir uns einmal der Erzählung des aus mehreren Platten bestehenden Monuments: Das in Rom angesiedelte „historische“ Geschehen zeigt die Einhebung des Zensus sowie das abschließende Reinigungsopfer (lustrum), das vom Zensor in der Friesmitte vollzogen wird. Mit einem Lustrum als Reinigung des Bürgerheeres wurde ein Zensus, der im Regelfall alle fünf Jahre stattzufinden hatte, abgeschlossen. Dazu zählte die Opferung von Stier, Schwein und Schaf (suovetaurilia), die von Opferdienern (victimarii) vollzogen wurde (Dionysios von Halikarnass 4,22; Livius 1, 44). Dem Opfer folgte das Gelöbnis eines neuen Opfers als Gegenleistung für den göttlichen Schutz (Sueton, Augustus 97). Die periodisch stattfindende Neukonstituierung des Bürgerheeres bildete während der Zeit der Republik
einen wesentlichen Vorgang für den Staat. Der Zensus wurde hauptsächlich jedoch abgehalten, um den finanziellen Status der Bürger zu bestimmen und jeden Einzelnen in eine der damaligen fünf Steuerklassen aufzunehmen. Die Volkszählung wurde auch durchgeführt, um zu ermitteln, welche Teile der Bevölkerung (Bürgerbezirke: tribus) entsprechende Leistungen für den Staat zu erbringen hatten. Zentrale Vorgänge dieses Zensus sind rechts und links der Opferhandlung am Relief dargestellt. Wir erkennen am Relief unterschiedliche Stationen des Vorgangs eines Zensus. Diese Szenen sind insofern repräsentativ für die historischen Abläufe, als sie die jeweils zentralen Handlungsvorgänge und auch Handlungsträger zeigen. Die Abschnitte werden so auf ein Ganzes bezogen. Die Handlung mündet in das Abschlussopfer ein. Jede dargestellte Person ist von Bedeutung: Ein sitzender Beamter schreibt auf eine tabula die Informationen, die ihm von dem vor ihm stehenden Mann gegeben werden. Dieser hat seine eigenen Unterlagen mitgebracht. Ein anderer, sitzender Mann, wohl der leitende Beamte, überprüft die Aussagen des Mannes neben ihm. Zwei Soldaten mit ovalen Schilden dienen als Bindeglied zwischen der Zensus-Szene und jener des Lustrums. Das
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Opfer an Mars, das die Reinigung der Bevölkerung und der Soldaten Roms beinhaltete, wird zentral positioniert. Im Zentrum des Reliefs steht ein großer Altar. An seiner Linken ist wahrscheinlich der Empfänger des Opfers, Gott Mars, verkörpert. Er ist größer als die übrigen Figuren der Szene, trägt Rüstung und Helm und hält eine Lanze in der Hand. Er blickt zum Altar und auf die sich den Altar zu bewegende Prozession. Zwei Musiker flankieren Gott Mars und zwei Ministranten (camilli) stehen hinter dem Altar. Einer schüttet eine Flüssigkeit aus einem Krug in eine Schale, welche die Persönlichkeit an der rechten Seite des Altars hält. Gezeigt werden dabei die Vorgänge eines Voropfers. Der Opfernde selbst, ein Römer in offizieller Kleidung, hat das Tuch seiner Toga während der feierlichen Handlung über den Kopf gezogen. Es handelt sich um den Zensor eines ganz bestimmten Jahres. In der uns nicht mehr erhaltenen inschriftlichen Nennung dieses Monuments wurde mit Sicherheit der Name dieses Amtsinhabers, der zugleich der Stifter der Platten gewesen sein könnte, angeführt. Durch das Fehlen dieser Angaben tappen wir jedoch bei dieser Persönlichkeit, die im Relief sogar durch bestimmte Bildniszüge ausgezeichnet war, im Dunkeln. Nach der Darstellung des Voropfers folgt die Prozession der Opfertiere. Stier, Schwein und Schaf sind übergroß dargestellt, um die Bedeutung des Hauptopfers zu unterstreichen. Die Opferdiener, die mit einer Art Lendenschurz bekleidet sind, begleiten die Tiere. In der letzten Szene folgen zwei römische Soldaten mit ovalen Schilden sowie ein Offizier mit Pferd. Der Schwanz des Pferdes überlappt den tuskanischen Pilaster, welcher die Relieffolge rahmt. Die Soldaten zeigen möglicherweise den Aufbruch der neuen Rekruten. Bei den Zensus-Platten in Paris werden verschiedene Phasen der Amtshandlung übergreifend zusammengestellt. Die Vorschläge, welche zur Datierung dieses Staatsmonumentes gemacht wurden, gehen einerseits von den Eigentümlichkeiten des Stils und den Einzelheiten
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von Tracht und Bewaffnung aus. Allgemeine Stilvergleiche der Reliefs sowie deren insgesamt weiche Durchbildung legen einen Rahmen zwischen dem späten 2. Jh. v. Chr. und der ersten Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. nahe. Es gibt jedoch auch Stimmen, die eine spätere Datierung für denkbar halten. Möglichkeiten ergeben sich aus der weitgehend uniformen Darstellung der Soldaten: Man hat daraus Argumente für eine Entstehung des Frieses nach der Heeresreform des Marius (107 v. Chr.) oder aber vor dieser Reform gesammelt (Helga von Heintze, Mario Torelli). Eine grundlegende Schwierigkeit bereiten dabei die konkret überlieferten Jahreszahlen für einen historischen Zensus. Zwischen den Jahren 70 und 28 v. Chr. ist es in Rom aufgrund der politischen Zustände zu keinem Zensus gekommen. Vor dem Jahr 70 v. Chr. fand lediglich im Jahre 86 v. Chr. ein solches Ereignis statt, und schließlich gibt es noch eine Reihe von Jahresangaben vom Ende des 2. Jhs. v. Chr. (115 v. Chr.). Hauptsächlich werden anhand des Fundortes der Platten Verbindungslinien zum Neptun-Tempel am Marsfeld sichtbar, der vor allem von der Familie der Domitier ausgebaut wurde. Zensoren aus dieser Gens der Domitii Ahenobarbi, in Relation zur Ikonographie der Reliefplatten und dem zeitlichen Rahmen, spielen somit in der Beurteilung dieser bedeutenden Staatsreliefs eine zentrale Rolle. So würdig und repräsentativ die vorderen Szenen aufgebaut waren, so göttlich-heiter geht es beim folgenden Seethiasos zu (Abb. 84). 30 Die Hauptpersonen des Hochzeitszuges sind Neptun und dessen Gemahlin, die Nereide Amphitrite. Sie sitzen in einem Wagen, dessen Vorderrad den Reliefrahmen überlappt. Das Gespann wird von zwei Tritonen gezogen. Der eine von ihnen bläst in ein Muschelhorn, der andere spielt die Kithara. Beide haben zerzaustes Haar; ihr muskulöser Oberkörper endet in einem Fischschwanz. Auf der ersten Platte reitet eine weibliche Gottheit auf einem mächtigen Seestier. Sie schmiegt sich an ihn und bleibt dabei völlig gelassen. Die Nereide trägt ein Kästchen mit
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4. Kapitel
Hochzeitsgaben in ihren Händen. Auf der zweiten Platte reitet ebenfalls eine weibliche Gestalt auf einem Hippokampen. Diese hält eine Hochzeitsfackel in ihren Händen. Überall schwirren Eroten umher, welche die Zügel des Gespanns mit Leichtigkeit halten. Der griechische Charakter der Darstellung ergibt sich aus dem gesamten Darstellungszug des Thiasos. Vergleichsbeispiele der Zeit um 150 v. Chr. und danach lassen sich sowohl innerhalb der Kunst Kleinasiens, aber auch in unteritalischen Kunstzentren anführen. Im Zusammenhang mit einem römischen Staatsmonument kann eine solche „Huldigung an Neptun“ jedoch nichts anderes bedeuten als die nunmehr gesicherte Macht über das Meer, also einen römischen Seesieg zu feiern. Aus dieser Überlegung heraus ergibt sich ein eingeengter Anwärterkreis für den „Stifter“ dieses Monumentes: Die gesuchte Persönlichkeit sollte sowohl einen Seesieg errungen als auch das Amt eines Zensors in Rom bekleidet haben. Als man die Platten im 17. Jahrhundert beim Palazzo Santa Croce fand, wurde gerade die benachbarte Kirche von S. Salvatore in Campo neu errichtet. Bei den Erdarbeiten stieß man auf die Überreste eines römischen Tempels, der heute als Neptun-Tempel identifiziert
wird. Ein gewisser Cn. Domitius Ahenobarbus, der Zensor des Jahres 109 v. Chr., hat sich um diesen Tempel verdient gemacht. Und selbst noch in den 40er Jahren des 1. Jhs. v. Chr. wurde von den Domitiern der Neptun-Tempel am Marsfeld neu ausgestattet, wie ein Münzbild dokumentiert. Plinius nennt auch den Künstler Skopas (wohl den Jüngeren), der einen Neptun und verwandte Werke geschaffen haben soll (Naturalis historiae 36,26). Der Stil des Seethiasos entspricht jedoch nicht unbedingt diesem Überlieferungsstrang. Einen Ausweg hat vor einigen Jahren Filippo Coarelli gefunden, der weitere Skulpturen in das Monument der Domitier einbezieht. Dieses Staatsdenkmal des späten 2. Jhs. v. Chr. bot in reichem Maße Gelegenheit, die divergierenden Tendenzen der Kunst zur Zeit der späten Republik zu studieren. Als Schlussfolgerung bleibt, dass das Nebeneinander zweier völlig unterschiedlicher Stilrichtungen zum damaligen Zeitpunkt keineswegs als störend empfunden wurde: Wirkung und Charakter der Domitius-Ara resultieren aus dem Anspruch einer sowohl staaatstragend agierenden als auch dem hellenistischen Kulturkreis gegenüber offenen Persönlichkeit.
Ergebnisse Die Fülle des Beutegutes sowie bedeutende Kunstwerke, die innerhalb weniger Generationen nach Rom gebracht wurden, bildeten wohl den Auslöser für eine veränderte Kunstanschauung sowie generell für neue Antriebskräfte innerhalb der republikanischen Kunstrichtungen. Von Plutarch erfahren wir vom Triumphzug des Aemilius Paullus nach der Schlacht von Pydna (168 v. Chr.): In diesem Bericht wird auch erwähnt, dass der Sieger über das makedonische Königreich einen Künstler und Gelehrten namens Metrodoros mit nach Rom brachte, der „historische Gemälde“ der Etappen dieses Sieges anzufertigen hatte. Metrodorus wurde nach den Ereignissen als Philosoph und Hauslehrer in die Familie des Paullus aufgenommen. Mir der Einverleibung des Königreichs Pergamon (133 v. Chr.) rückt eines der bedeutendsten Kunstzentren Kleinasiens in den Nahbereich römischer Erfahrung. Im Gegensatz zu früheren Plünderungswellen blieb es diesmal bei einem „kulturellen Austausch“, der es Römern von Stand auch erlaubte, die Vorzüge griechischer Zivilisation sowie die Bauten und Kunstwerke dieses hochentwickelten städtischen Zentrums in Form von Reisen persönlich kennenzulernen.
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Zur Frage des privaten Luxus gab es in der römischen Gesellschaft einen heftigen Diskurs, der jedoch mehr auf der Ebene der Politik geführt wurde und an dessen strenge Normen sich die führenden Familien selten zu halten wussten. Die aufkommende Villenkultur löste auf ihre Weise das Problem: Der Widerstreit zwischen den Pflichten und Aufgaben eines Staatsbürgers (negotium) und gepflegter Muße (otium), die mit philosophischer und literarischer Tätigkeit verbunden war, verlor innerhalb der vorstädtischen Villen der römischen Aristokratie an Schärfe. Einen Reflex dazu liefern die zahreichen Briefe des Politikers, Redners und Philosophen M. Tullius Cicero aus dem zweiten Viertel des 1. Jhs. v. Chr. Darin wird häufig auf Kunstwerke Bezug genommen, die innerhalb der Villen „exemplarisch“ aufgestellt wurden. Tatsache ist, dass seit dem späteren 2. Jh. v. Chr. zahlreiche private Handels- und Kulturgüter nach Italien gelangten, die das „hellenistische Lebensgefühl“ führender Kreise in Rom trefflich veranschaulichen. Mit den nach Italien verbrachten Architekturteilen, Statuen und Reliefs aus Griechenland und Kleinasien wurde auch eine spezifische Form des Kopistenwesens im Land selbst gefördert. Zahlreiche griechische Werkstätten in Unteritalien, Kampanien und Rom entwickelten nunmehr dem römischen Geschmack angepasste Formen der Plastik und Skulptur. Wie sich rasch zeigen sollte, wurden für den Ausstattungsluxus der Häuser und Villen auch neue Themen der Mosaikkunst, der figürlichen Reliefs sowie neue Dekorationsstile für die Wände entworfen. Dieser „selektive Rahmen“ der römischen Kunst führt spätestens im 1. Jh. v. Chr. zu eigenen römischen Bildgattungen und Genres. Die Schärfe der Auseinandersetzung zwischen den „Ideologien“, aber auch der Aufeinanderprall zweier völlig unterschiedlicher Kulturen hatte damit vorläufig sein Ende gefunden.
Deshalb, weil heutzutage innerhalb der Stadtmauer so ziemlich alle Familienväter zusammengekrochen sind, nachdem sie Sichel und Pflug verlassen haben, und lieber die Hände im Theater und Zirkus regen wollen als auf den Saatfeldern und Weingärten, müssen wir die Getreidezufuhr, damit wir satt werden, aus Afrika und Sardinien kommen lassen, und die Weinlese bringen wir mit Schiffen von den Inseln Kos und Chios ein. (M. Terentius Varro, De re rustica 1,3) 31
5. Kapitel Die Zeit der späten Republik Der folgende Abschnitt möchte unterschiedliche Entwicklungslinien der römischen Kunst am Ende der römischen Republik voneinander abheben. Nach Krisen und Wendepunkten der Politik zur Zeit Sullas steigert sich die öffentlichkeitsorientierte Wirkung einzelner Kunstgattungen. Vor allem die großen Bauvorhaben in der Hauptstadt können als Machtdemonstrationen damaliger Persönlichkeiten eingestuft werden. Die Bildnispropopaganda der Machtträger vermittelt differenzierte „Botschaften“. Triumphaldenkmäler und Reliefdarstellungen kommen verstärkt zum Einsatz: Es ist der Beginn der Entwicklung zur Staatskunst, so wie sie sich während der Kaiserzeit fortsetzen sollte. Daneben entwickeln sich die Gattungen einer Privatkunst, die sich anhand der Ausstattung von Häusern und Villen, nicht zuletzt aber in der Formenvielfalt und den „Übertreibungen“ einer römischen Grabkunst äußert.
Historischer Hintergrund Ereignisse:
• 88 v. Chr.: Staatsstreich Sullas nach außenpolitischen Erfolgen: Sieg über Jugurtha mit Hilfe des Bocchus; erster Sieg über Mithridates VI. • 82–79 v. Chr.: Sulla dictator rei publicae constituendae • 73–71 v. Chr.: Sklavenaufstand des Spartacus • 66 v. Chr.: Verschwörung des Catilina • 63 v. Chr.: Pompeius besiegt Mithridates; außerordentliche Vollmachten (lex Manilia), Ende des Seleukidenreiches durch den Sieg des Pompeius • 60–59 v. Chr.: 1. Triumvirat des Pompeius, Licinius Crassus und Caesar (59 Konsul) • 58–50 v. Chr.: Caesar erobert Gallien • 49–45 v. Chr.: Bürgerkrieg: Caesar besiegt Pompeius sowie die Anhänger des Senates bei Pharsalos (48 v. Chr.) • 46–44 v. Chr.: Caesar als Diktator
• 43 v. Chr.: 2. Triumvirat des Marcus Antonius, Lepidus und Octavianus • 42 v. Chr.: Schlacht bei Philippi; Sieg über die Caesarmörder Cassius und Brutus
Ausgangslage der Kunst Für den gesamten Abschnitt des 1. Jhs. v. Chr. werden große Bauaufträge kennzeichnend. So entstehen im Auftrag des Q. Lutatius Catulus, eines Parteigängers Sullas, das Staatsarchiv (Tabularium), eine Pflasterung am Forum und der Rundtempel am Largo Argentina. Der KapitolsTempel muss nach einem Brand grundlegend erneuert werden. Die Machthaber des 1. Triumvirats initiieren erstmals große Baukomplexe, die das Konzept ihrer Politik verdeutlichen sollen: Beim Pompeiustheater mit seinen anschließenden Hallen handelt es sich um das erste in Rom verwirklichte Steintheater. Der Baukomplex enthielt aber auch eine Curia, die als Ersatz für das am Forum niedergebrannte Curien-
Die Zeit der späten Republik
gebäude diente. Das Caesarforum (Forum Iulium) verkörperte einen multifunktionalen Komplex aus Hallen- und Versammlungsbauten, Läden, Bibliotheken und einem „Staatstempel“ der Venus Genetrix. Der Tempel sollte wirkungsvoll auf die Herkunft des römischen Volkes, im Konkreten jedoch auf die mythische Stammmutter des julischen Geschlechts verweisen. Das künstlerische Ausstattungsprogramm des Pompeiustheaters und des Caesarforums sprengte den bisher üblichen Rahmen. Ziel der Bauvorhaben war nicht zuletzt eine Bindung der Anhänger und Parteigänger an die ersten Männer im Staate. Auch die Bautätigkeit der Ädilen in Rom setzte auf neue Maßstäbe etwa im Theaterbau: Zu nennen sind etwa die gemalte Bühne des Appius Claudius Pulcher oder die Bühne des Scaurus (58 v. Chr.). Beachtenswert innerhalb des Zeitraumes ist auch die Bautätigkeit in den Städten Italiens und jener der Provinzen. Vor allem Kampanien erweist sich in der Weiterentwicklung der Techniken und dem Ausbau von Bauformen als führend. Pompeji erhält, nachdem es 80 v. Chr. sullanische Koloniestadt geworden war, ein Amphitheater, eine Versammlungshalle (theatrum tectum), Neubauten am Forum und neue Thermenanlagen. Auch die Anzahl und Größe von Grabdenkmälern vor den Toren der Stadt steigert sich. Vor allem ist es jedoch die sich entwickelnde Villenkultur, die geradezu zum Synonym für die gehobene Gesellschaft der späten Republik wird. Römische Aristokraten schufen sich im Wechselspiel damaliger Politik sowie zunehmender gesellschaftlicher Spannungen eine „Scheinwelt“ innerhalb ihrer Sommersitze. Mit dem Aufenthalt auf dem Lande waren philosophische oder literarische Tätigkeiten, häufig verstanden als „Gegenkultur“ zu altrömischen Gepflogenheiten und Normen, verbunden (otium versus negotium). Luxusvillen in der Umgebung der Städte enthalten häufig kostbare Wandmalereien und Formen der Skulpturenausstattung, die auf den Beziehungsrahmen zur griechischen Kultur und
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Weltanschaung hindeuten. Es ist vor allem der Reichtum der Kunstgattungen im privaten Umfeld und der damit verbundene Transport von „Inhalten“, der den erweiterten Blick auf die geistigen Strömungen dieser Epoche erlaubt.
Architektur und Technik Das mehrgeschossige Gebäude mit seiner die gesamte Westseite des Forum Romanum beherrschenden Fassade kann als einer der wichtigsten Bauten am Beginn des 1. Jhs. v. Chr. verstanden werden (Abb. 85). Rom stand damals am Beginn des Zeitalters der Diktaturen. Der Bau entstand, nicht unwesentlich, im Auftrag eines Parteigängers Sullas. Es handelt sich dabei um das römische Staatsarchiv, das Tabularium. 1 Dieser gewaltige Baukomplex vermochte erstmals dem Forum Romanum eine Ausrichtung zu geben. Das Staatsarchiv konnte im Jahre 78 v. Chr., dem Konsulatsjahr des Q. Lutatius Catulus, fertiggestellt werden. Bekrönt wurde die Aussicht in damaliger Zeit vom ebenfalls neu errichteten Tempel des Iuppiter Capitolinus. Nach seiner Einäscherung im Jahre 83 v. Chr., ließ der Diktator Sulla den Haupttempel Roms wiederherstellen. Dieser konnte im Jahre 69 v. Chr., ebenfalls durch Q. Lutatius Catulus, neu eingeweiht werden (Tacitus, Historien 3,72). Q(uintus) lutatius Q(uinti) f(ilius) Q(uinti) (n(epos)) Catulus Co(nsul) substructionem et tabularium de s(enatus) s(ententia) faciundum coeravit (ei)demque pro(bavit) Quintus Lutatius Catulus, Sohn des Quintus, Enkel des Quintus, hat als Konsul den Unterbau und das Archiv nach Weisung des Senates errichten lassen und gleichermaßen abgenommen. (CIL I 737)
Der Unterbau des Tabulariums misst allein 73,60 m in seiner Länge. Die Blöcke bestehen
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5. Kapitel
Abb. 85: Rom: Das Forum Romanum mit dem Tabularium im Hintergrund, rechts der Septimius-Severus-Bogen.
aus Aniene-Tuff und Peperin. Darüber wurden zwei Geschosse einer Fassadenarchitektur errichtet: Diese Teile des antiken Tabulariums sind mittelalterlich verbaut worden. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat man jedoch die Bogenstellung des mittleren Geschosses sowie das Innere der Arkadenhalle teilweise freigelegt. Das halboffene Mittelgeschoss mit seinen Bogenstellungen ist für den ursprünglichen Eindruck des Gebäudes maßgeblich: Die römische Bogenordnung wird von Halbsäulen griechisch-dorischer Ordnung flankiert und von einer durchgehenden Architravzone abgeschlossen. Dadurch wird die weit gestreckte Fassade in ihren Bogenabschnitten zusammengespannt und gegenüber dem nun folgenden Geschoss abgeschlossen. Darüber befand sich ein – mittelalterlich zugemauertes – Geschoss, das als halboffene Halle konzipiert war. Die Architekturordnung dieses Obergeschosses bestand aus korinthischen Travertin-Säulen. Der Unterbau des Tabulariums und die dort be-
findlichen Zugänge wurden zu einem späteren Zeitpunkt durch den Vespasian-Tempel verstellt. Das Tabularium in Rom entspricht gänzlich der Tradition der mächtigen Heiligtumsbauten mit ihren Substruktionen. Vor allem das Hercules-Heiligtum in Tivoli weist so enge architektonische Übereinstimmungen mit dem Tabularium auf, dass sogar von derselben Bauhütte ausgegangen werden kann. Für die ursprüngliche Wirkung des Tabulariums können vor allem seine gestufte Blendarchitektur und der damit verbundene Einsatz übereinander gestellter Bauordnungen angeführt werden. Die Außenfassaden der ersten Steintheater in Rom zeigen das Prinzip dreifach gestufter Säulenordnungen kurze Zeit später in entwickelter Form (Abb. 110203). Der mittelgroße und wunderbar erhaltene Portunus-Tempel am Rindermarkt wurde in früheren Zeiten als Tempel der Fortuna Virilis angesprochen (Abb. 86 und Anhang H). Er
Die Zeit der späten Republik
war jedoch dem Hafengott Portunus geweiht. Einen dermaßen gut erhaltenen Tempel der republikanischen Zeit auch heute noch bewundern zu können, bedeutet freilich einen besonderen Glücksfall. Bei dem aus Tuffstein errichteten Tempelgebäude handelt es sich um einen Pseudo-Ringhallentempel von 4 7 Säulen beziehungsweise Halbsäulen. 2 Der fachliche Terminus für eine solche Tempelbildung lautet: „Pseudoperipteros“. Gleich mehrere Marmortempel der augusteischen Periode sollten das Prinzip eines pseudoperiteralen Tempelgebäudes fortsetzen (Abb. 121216). Der bedeutend schlichtere Bau am Forum Boarium ist an der Wende vom 2. zum 1. Jh. v. Chr. zu datieren. Freilich geht uns heute die Vorstellung von der einstigen Stuckverkleidung und den zusätzlich bunt gehaltenen Teilen dieses Tempels ab. Umso besser können wir im heutigen Zustand jedoch die unterschiedlichen Materialien und Techniken des Kernbaues dieses Tempelgebäudes studieren. Das Tempelpodium besteht aus Gussmauerwerk, die Cellamauern und Halbsäulen aus Aniene-Tuff, die Vollsäulen und Kapitelle sind aus Travertin. Ursprünglich war am Tempel ein Stuckfries mit Kandelabern und Girlanden angebracht. Der Portunus-Tempel gibt ein exzellentes Beispiel für die Verbindung griechischer und römischer Traditionen im Tempelbau ab. Die griechische Säulenordnung wird nur mehr teilweise, nämlich an der Tempelfront, freistehend eingesetzt. Die Halbsäulen der Seiten- und Rückwände „verschmelzen“ mit den Blöcken der Cella. Nicht zuletzt durch diese Grundrisslösung entsteht ein besonders kompakter und geschlossener Eindruck des Sakralbaues. Der Tempel befand sich in der Nähe des antiken Tiberhafens: Lagerhäuser trajanischer Zeit haben sich in der Umgebung gefunden. Vor der Tempelfront führte eine Straße auf den Pons Aemilius zu. Im 2. Jh. v. Chr. wurde im Zuge der Anlage einer großen, heute nicht mehr sichtbaren Terrasse der Tempel auf seinem mächtigen Unterbau errichtet.
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Abb. 86: Rom: Der Portunus-Tempel am Forum Boarium.
Nicht minder als Glücksfall der Erhaltung kann jener Brückenbau eingestuft werden, der noch heute die Tiberinsel mit dem rechts gelegenen Marsfeld verbindet (Abb. 87). Der Pons Fabricius liegt etwa auf der Höhe des Marcellus-Theaters. 3 Die Bauinschrift nennt einen Lucius Fabricius als Curator viarum (Straßeninspektor). Die gleichlautende Überlieferung des Baujahres dieser Brücke durch Cassius Dio (62 v. Chr. als Konsulatsjahr Ciceros) bestätigt diese epigraphischen Angaben. Die Länge der Brücke beträgt 62 m, sie ist dabei immerhin 5,50 m breit. Tuff- und Peperinblöcke bildeten das für die Bogenbrücke eingesetze Baumaterial. Die heute sichtbaren Ziegelausbesserungen entstanden erst während des Pontifikates Innozenz XI. (1679). Der Pons Fabricius in Rom ist aus vollen Kreisbögen gebildet, was bedeutet, dass die sichtbaren Bogenstützen unter der Fließlinie des Tibers fortgeführt wurden. Eine im Brückenbereich sorgfältig ausgemauerte sogenannte Erdbrücke läuft unter dem Flussbett weiter. Die Hauptlast der Brücke wurde auf den Strompfeiler und
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5. Kapitel
Abb. 87: Rom: Pons Fabricius.
auf die Widerlager am Ufer verteilt. Die leicht eingedrückten Kreisbögen der Brücke haben einen Durchmesser von 24,50 m. Der tragende Mittelpfeiler wurde mit einem Entlastungsbogen ausgestattet. Die Konstruktionsprinzipien dieser Brücke können hinsichtlich ihrer technischen Standards als führend eingestuft werden. Bezogen auf Baumaterial und statisches Vermögen sollten erst wieder Bogenkonstruktionen des 19. Jahrhunderts die Leistungen der römischen Nutzarchitektur überflügeln. Bezeichnend wird auch die lange Haltbarkeit solcher römischen Brücken: Das Brückenpendant des Pons Fabricius nach Trastevere (restauriert unter Kaiser Valentinian, 370 n. Chr.) wurde erst im Jahr 1888 abgerissen; der Ponte Fabricio, wie die Italiener dazu sagen, blieb bis zum heutigen Tage intakt. Bäder verkörpern ein weiteres bedeutendes Kapitel römischer Architekturgeschichte. Wir wissen, dass es schon sehr früh nicht nur Bäder in den Häusern wohlhabender Bürger geben hat, sondern dass auch die Städte Italiens über
öffentliche „Badestuben“ verfügten. In Rom befanden sich, wie einem Verzeichnis der frühen Kaiserzeit zu entnehmen ist, ca. 200 öffentliche Bäder unterschiedlicher Größenordnung und sicher auch unterschiedlicher Standards. Im Stadtplan Pompejis stechen drei größere Thermenanlagen hervor, die größtenteils älteren Ursprungs sind und die während der letzten Lebensjahrzehnte der Stadt immer wieder erneuert und verschönert wurden. Als älteste Badeanlage der Stadt können die Stabianer Thermen eingestuft werden. 4 Diese sogenannten Stabianer-Thermen von Pompeji spiegeln in gewisser Weise die Geschichte der Badehäuser in Italien wider (Abb. 88). Entscheidend wird am Ende der Entwicklung, dass sich aus einem Konglomerat verschiedener Baueinheiten ein sinnvolles Reihenprinzip herausstellt. Die Einzelformen der Räume und ihre unterschiedliche Überdachung spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Thermenbau als Ganzes. Einige Bestandteile der technischen Ausstattung solcher römischer „Badestuben“ soll-
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Abb. 88: Pompeji: Grundriss der sogenannten Stabianer-Thermen. A = Eingang, B = Palästra, C = Schwimmbecken (natatio); im Frauentrakt der Bäder (arabische Ziffern) finden sich unter 1 und 5 der Eingang, 2 der Umkleideraum (Apodyterium), 3 das Tepidarium, 4 das Caldarium und 6 ein Zwischengang.
ten bereits an dieser Stelle angeführt werden. Eine Hypokaustenheizung (griech. „von unten geheizt“) bedeutet zunächst, dass Räume über von heißer Abluft durchströmten Unterflurräumen und Hohlziegeln in der Wand beheizt werden konnten. Die Grundlagen eines solchen Heizungssystems wurden bereits in Griechenland entwickelt und schließlich in Italien perfektioniert. Ähnlich verhält es sich auch bei der Trennung und Aufteilung verschieden stark beheizter Räume, die es grundsätzlich bereits im Hellenismus gegeben hatte (z. B. Badeanlage von Gortys, 3. Jh. v. Chr.) und die nun im rö-
mischen Badebetrieb systematisiert wurden. Hypokaustenheizungen sind so aufgebaut, dass der Boden der Warmbaderäume auf Ziegelpfeilern (pilae) beziehungsweise deren Abdeckplatten aufruht. Den unteren Hohlraum durchströmte jene heiße Abluft, die im Heizraum (praefurnium) des Badetraktes gebildet und weitergeleitet wurde. Wandheizungen in Form von Hohlziegeln (tubuli) kamen schließlich hinzu. Mit einem hypocaustum wurden Caldarien (caldaria, d. h. Hitzeräume), Tepidarien (tepidaria, d. h. mäßig beheizte Räume) und Sudatorien (sudatoria bzw. laconica, d. h.
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Schwitzräume) beheizt. In den Sudatorien lag die Hitze bei ca. 60 oC – ein Raumklima, das durchaus jenem in unseren Saunen vergleichbar ist. Welches sind nun die wichtigsten Räume im Badebetrieb? • Apodyterium/Apodyteria: Umkleideräume mit an der Wand verlaufenden Sitzbänken und Wandnischen (loculi) für die Kleiderablage • Frigidarium: unbeheizte Räume mit Kaltwasserbecken; zumeist die größeren Aufenthaltsräume späterer Thermen • Tepidarium: lauwarm beheizbarer Durchgangs- und Anpassungsraum • Caldarium: Hitzeraum, mit möglicher Raumtemperatur zwischen 50 und 60 Grad • Laconicum: separates Schwitzbad, Mit möglicher Raumtemeperatur von 60–70 Grad; vergleichbar einer Sauna Die privaten Bäder im spätrepublikanischen und frühkaiserzeitlichen Rom und in Italien befanden sich somit bereits auf einer hohen Komfortstufe. Doch wie sah es in den früheren Zeiten aus? In Pompeji hat sich gleichfalls eines der ältesten öffentlichen Bäder erhalten. Es besitzt auch den Vorzug, archäologisch und bautechnisch genau untersucht worden zu sein und kann uns daher die Geschichte dieses Bautypus besonders gut nacherzählen: 5 Die Thermenanlage („Thermen“ von griech. therma loutra, „Warmbäder“) beim ursprünglichen Stabianer-Tor Pompejis geht bereits auf ein Badehaus der spätklassischen Zeit zurück. Damals war der Umfang der Stadtmauern Pompejis noch bedeutend kleiner und man hatte beim Eintritt in die Stadt von Osten her eine Sportanlage griechischer Prägung angelegt. Diese verfügte bereits über einige Kammern eines Badehauses mit Sitzwannen. Daraus sollte sich in den folgenden Jahrhunderten eine öffentliche Thermenanlage mit einer klaren, nach Funktionen getrennten Raumfolge entwickeln. Der Grundriss der Stabianer Thermen gibt
im Wesentlichen den Stand des 1. Jhs. v. Chr. wieder. Im östlichen Teil der um einen Säulenhof gruppierten Badeanlage gibt sich eine Folge von Auskleide- und Baderäumen zu erkennen, die jeweils auf einen in der Mitte gelegenen Hitzeraum zusteuern. Diese Anlage wurde geschaffen, als Gaius Uulius sowie Publius Aninius Bürgermeister (duumviri) der Stadt waren. Einer Inschrift zufolge veranlassten sie den Bau des Laconicums (des Schwitzbades) sowie des Destrictariums (des Reinigungsraumes) und ließen die Palästra (den Übungshof) der Badeanlage wiederherstellen. Ein solcher Reinigungsraum innerhalb der Badeanlage erinnert uns daran, dass man während der römischen Antike noch keine Seife in unserem Sinne zur Verfügung hatte, sondern den Körper mit Ölen einrieb, um so Staub und Verschmutzung mithilfe des Öls und eines Schabeisens vom Körper abzustreifen. Man hat beim schlichten Anlageschema der Thermen wie jenen von Pompeji auch vom Reihentypus der Bäder gesprochen. Der Badende vollzog seine Badeprozedur, indem er Räume unterschiedlichen Wärmegrades und unterschiedlicher Wasservorrichtungen der Reihe nach durchschritt und – logischerweise in umgekehrter Folge – wiederum dem Umkleideraum zustrebte. Ein männlicher Besucher der Stabianer Thermen gelangte so zunächst in den prachtvoll verzierten Auskleideraum (VI) und begab sich anschließend in den mäßig beheizten Raum (VII). Hier konnte er sich auf den Hitzeraum (VIII) vorbereiten, in dem auch eine große Wanne (alveus) sowie ein Kaltwasserbecken (labrum) stand. Um in den Kälteraum (V) zu gelangen, musste er noch einmal den mäßig beheizten Raum durchschreiten. Im sogenannten Frauentrakt der Thermen (2–4) ergibt sich eine vergleichbare Raumfolge, nur dass hier ein Frigidarium (Kälteraum) fehlt. Neben dem Reihentypus solcher Thermen gab es an anderen Orten auch sogenannte Ringtypen, also kreisförmig angelegte Bäder. Insgesamt dürfte es einen großen Variantenreichtum in der Anlageform römischer Badehäuser
Die Zeit der späten Republik
gegeben haben. Die Stabianer Thermen von Pompeji wurden auch noch während der römischen Kaiserzeit immer wieder verschönert und mussten nach dem Erbeben des Jahres 62 n. Chr. noch einmal erneuert werden. Reihenbäder wie jene der Stabianer Thermen von Pompeji waren in zwei Bereiche geteilt: einen größeren für die Männer und einen kleineren für die Frauen. Durch die Möglichkeit, hier einen eigenen Männer- wie auch Frauentrakt zu unterscheiden, lässt sich zudem eine Differenzierung im Badebetrieb ablesen, die sich auch in den Aussagen der römischen Schriftsteller wiederfindet. Die römische Architektur kennt einen ausgesprochenen Zug zur Gestaltung von Innenräumen. Einfache, schlichte Grundmuster kommen dabei ebenso zum Tragen, wie der Einzug des Wölbungsbaues. Das technische Prinzip der Mauerstruktur wird dabei wirkungsvoll und vornehm verkleidet (Stuckwände). Von den Forumsthermen in Pompeji hat sich eine der geschlossenen Raumeinheiten erhalten, die einen Eindruck von solchen Innenräumen geben können (Abb. 89). 6 Die gewölbte Decke wurde mit geriffeltem Stuck ausgekleidet. Die sparsame Beleuchtung erfolgte über Fensterluken der Decke und ein Rundfenster in der Apsidenwölbung. Die Anfänge des römischen Amphitheaters sind dank der historischen Angaben zur „Kampfarena“ von Pompeji gut nachzuzeichnen. 7 Trotz des angeblich hohen Alters von Amphitheatern in Italien als Bauform und der tatsächlich weit zurückreichenden Tradition der Abhaltung solcher Spiele in Etrurien, gibt es kein älteres Amphitheater als jenes von Pompeji (Abb. 90). Knapp nach der sullanischen Eroberung der Stadt ließen die römischen Bürgermeister (duumviri) der Stadt für die Schaulust der neu zugezogenen Veteranenfamilien ein steinernes Amphitheater anlegen. Neben dem neuen Capitolium der Stadt, einem überdachten Versammlungsbau (theatrum tectum) und neuen Thermenanlagen bildete das Amphitheater am östlichen Stadtrand das größte
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Abb. 89: Pompeji: Thermen am Forum. Caldarium.
öffentliche Bauvorhaben der Kolonistenzeit im nunmehr römischen Pompeji. Die Bauinschrift lautet: C. Quinctius C. f. Valgus M Porcius M. f. duovir. quinq. coloniai honoris caussa (!) spectacula de sua peq. fac. coer. et coloneis locum in perpetuom (!) deder. (CIL X 852)
Die mit beträchtlichen sprachlichen Archaismen versehene Inschrift nennt die Bewohner Pompejis als Nutznießer der Schaukämpfe und Tierhatzen (spectacula), die im neuen Amphitheater abgehalten werden sollten. Q. Valgus und M. Porcius, die beiden amtsführenden Bürgermeister der Stadt, errichteten den Bau ausdrücklich aus eigenen Mitteln (de sua pecunia). Insbesondere im Falle des Quinctius Valgus hat man erschlossen, dass dieser ein Gefolgsmann Sullas war und offenkundig an Konfiszierungen dieser unrühmlichen Periode beteiligt war: Das für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Geld stammte so doch nicht ausschließlich aus der eigenen Tasche.
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5. Kapitel
Abb. 90: Pompeji: Amphitheater. Rampe.
Was das frühe Amphitheater von Pompeji vor allem zu erkennen gibt, ist seine noch einfache technische Ausführung. Wie beim Bau einer Befestigungsmauer und dem damit verbundenen Aushub eines Walls, diente das Aushubmaterial der Arena zur Aufschüttung des Ovals für die Sitzstufen. Diese mussten durch einen äußeren Mauerring befestigt werden. Die Aufstiegsrampe wurde gewissermaßen angehängt. Besonders gut zu sehen sind der Blockverband der Mauer für die Tonnen und Wölbungen dieser Rampe. Die Zwischenfüllungen der Mauer bestehen aus opus incertum. Das Amphitheater von Pompeji besitzt die beträchtlichen Maße von etwa 140 105 m. Durch die bewusst gewählte Lage am Rande der Stadt konnte die Stadtmauer zusätzlich als Auflager für Stützmauern und Fundamente des Baues mitbenutzt werden. Der Versammlungsbau für die von Spielgebern ausgerichteten Gladiatorenkämpfe (munera) und Tierhatzen in der kampanischen Koloniestadt war für
etwa 20 000 Zuschauer ausgelegt. Bei der Beliebtheit solcher blutigen Spiele vor allem bei einfacheren Bevölkerungsschichten zogen Amphitheater natürlich auch Besucher aus den Nachbarstädten an. Im Jahre 59 n. Chr. entzündete sich im Amphitheater von Pompeji eine Massenschlägerei mit Besuchern aus Nocera. Dieser auch in einem Wandgemälde festgehaltene „Aufstand“ zog daraufhin ein Spieleverbot für mehrere Jahre nach sich. Sogar der Historiker Tacitus berichtet von diesem außerordentlichen Ereignis, das ein entsprechendes kaiserliches Strafgericht nach sich zog (Annales 14,17). Gladiatorenkämpfe und Tierhatzen steigerten sich während der Zeit der späten Republik und der frühen Kaiserzeit zur Unterhaltung für die Volksmassen. 8 Begüterte Bürger konnten hingegen ihre Freigiebigkeit (publica munificentia) erweisen, indem sie solche Schauspiele (munera) finanzierten. Auch sehr anschaulich gehaltene Reliefdarstellungen mit Gladiatorenkämpfen und Tierhatzen, die von pri-
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Abb. 91: Pompeji: Relief mit Gladiatorenszenen.
vaten Grabdenkmälern stammen (Abb. 91), zeugen so von den Leistungen und der Spendenfreudigkeit der städtischen Patrone. In Rom selbst wurde erst knapp nach der Machtübernahme Octavians ein erstes steinernes Amphitheater errichtet: jenes des Statilius Taurus (Sueton, Augustus 29).
Die Reliefs und Porträts Gladiatorenspiele und blutige Schaukämpfe beflügelten, auch wenn das heutzutage schwer nachvollziehbar ist, die Herzen und die Phantasie der Menschen der antiken Welt. Auf Schautafeln und Reliefs wurden Stationen solcher blutiger Schauspiele sowie der zuvor abgehaltenen Umzüge gezeigt. Die Bildstreifen des der „Volkskunst“ zuzurechnenden Reliefs aus Pompeji zeigen Umzüge, Gladiatorenkämpfe und Tierhatzen (venationes). 9 Dem besonderen Erzählstil eigen ist die Lust an Verdeutlichung und drastischer Steigerung (Akkuranz). Weniger wichtig sind die räumliche Durchbildung des Frieses sowie eine künstlerisch ansprechende Figurenkomposition. Wie viele Beispiele dieser römischen „Verdeutlichungskunst“ stammt auch die hier gezeigte Platte von einem Grabbau. Für die be-
deutenderen Familien in den Städten war es eminent wichtig, sich geeignet zu präsentieren – und sei es im Grabbau. Durch Darstellungen von festlichen Umzügen sowie aufwendigen und im gleichen Maße teuren Veranstaltungen in den Amphitheatern wurde auf die Verdienste des Grabeigentümers für die städtische Bevölkerung aufmerksam gemacht. Die Darstellung eines prunkvollen Leichenbegängnisses wirkt noch einmal um Grade plakativer und zugleich summarischer in seiner Aussage. 10 Das aus dem Gebirgsteil Italiens stammende Grabrelief (Abb. 92) wirkt, was die Figurenbildung angeht, deutlich roh und ungelenk. Ein Datierungskriterium im Sinne von „älter“ ist dies jedoch nicht. Das Relief zeichnet sich außerdem durch eine Vernachlässigung der üblichen räumlichen Tiefenwirkung aus. Solche aus den ländlich geprägten Teilen Italiens stammenden Denkmäler bilden durchaus Zeugen für eine autochthone, von hellenistischen Einflüssen kaum berührte Kunstauffassung. Seit Ranuccio Bianchi Bandinelli erkennt man eine solche Linie volkstümlich geprägter Reliefs. Sie wurden von diesem maßgeblichen Forscher einer „plebejischen Kunstrichtung“ zugeordnet. Diese bestimmte nicht nur die Ausführung der Reliefs, sondern auch deren Inhalte. Erst die Aufwertung durch neue Mate-
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5. Kapitel
Abb. 92: Amiternum: Relief mit der Darstellung eines Leichenbegängnisses.
rialien und der Aufstieg einer plebejischen Führungsschicht in den Städten erbrachten die uns auch noch heute erhaltenen Beispiele. Die durchweg von Grabbauten stammenden Beispiele gehören dem Zeitraum der späten Republik und der frühen Kaiserzeit an. Wenn vom Verhältnis der Römer zu ihren Vorfahren die Rede ist, so kommt zumeist die altbekannte Statue eines vornehmen Römers ins Spiel (Abb. 93). Der sogenannte Togatus Barberini, benannt nach seiner Erstaufstellung in einer römischen Sammlung, ist geradezu eine Paradebeispiel für römisches „Erzählen“: Nicht um die schlichte Verkörperung einer Person geht es nämlich, sondern um die Zurschaustellung des Ahnenstolzes einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Dieser Römer in offizieller Tracht könnte somit auch als Verkörperung seines eigenen Stammbaumes gesehen werden: Er trägt nämlich die Büsten seiner Vorfahren in Händen. 11 Ein „heraldisch“ rückwärts gewandter Zug kommt damit zum Tragen. Was hat es mit dieser eigentümlichen Vorstellung auf sich? Für Familien mit Tradition hatte der „Ahnenkult“ eine enorme Bedeutung. Für jedwede Verankerung innerhalb einer höheren Gesellschaftsschicht Roms spielten Herkunft, Besitz und die Berufung auf die Leistun-
gen der Vorfahren eine große Rolle. Daraus wird auch verständlich, dass schon während der mittleren Republik enormer Wert auf Grabmonumente und deren Statuen- und Bildschmuck gelegt wird. Nach außen hin, und damit wird ein politisches Rollenspiel ersichtlich, konnten die „Leistungsträger der Republik“ ja lediglich mit Funeralmonumenten sowie mit öffentlichen Ehrenstatuen auftrumpfen. Luxuria war – zumindest nach rechtlichen Vorgaben – verpönt. Für einen Römer von Stand spielte auch ein prunkvolles Begräbnis (pompa funebris) eine herausragende Rolle. Wir erfahren vom griechischen Historiker Polybios, der im Jahre 166 v. Chr. nach Rom kam, einiges von den Sitten und Gebräuchen der damaligen Zeit. Auch die Herkunft der Ahnenbildnisse kann durch die Schilderung des Polybios in einem größeren Kontext betrachtet werden: Wenn in Rom ein angesehener Mann stirbt, wird er im Leichenzug in seinem ganzen Schmuck nach dem Markt zu der sogenannten Rostra, der Rednertribüne, geführt, meist stehend, so dass ihn alle sehen können, nur selten sitzend. Während das ganze Volk ringsum steht, betritt, entweder wenn ein erwachsener Sohn vorhanden und anwesend ist, dieser, sonst ein anderer aus dem Geschlecht die Rednertribüne und hält eine Rede über die Tugenden des Verstorbenen und über die
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Taten, die er während seines Lebens vollbracht hat. Diese Rede weckt in der Menge, die durch sie an die Ereignisse erinnert wird und sie wieder vor Augen gestellt bekommt, und zwar nicht nur bei Mitkämpfern, sondern auch bei den nicht unmittelbar Beteiligten, ein solches Mitgefühl, dass der Todesfall nicht als ein persönlicher Verlust für die Leidtragenden, sondern als ein Verlust für das Volk im Ganzen erscheint. Wenn sie ihn dann begraben und ihm die letzten Ehren erwiesen haben, stellen sie das Bild des Verstorbenen an der Stelle des Hauses, wo es am besten zu sehen ist, in einem hölzernen Schrein auf. Das Bild ist eine „Maske“, die mit erstaunlicher Treue die Bildung des Gesichtes und seine Züge widergibt. (Polybios, Historien 6,54)
Hat es solche Ahnenbildnisse tatsächlich gegeben? Durch die Funde in der Vatikanischen Nekropole wird klar, dass Gipsmasken noch in der frühen und mittleren Kaiserzeit als „Totenmasken“ abgenommen wurden. 12 Solche für die Grabhäuser und den häuslichen „Ahnenschrein“ gleichermaßen verwendeten Abzüge bildeten wahrscheinlich auch eine Grundlage bei der künstlerischen Übersetzung in die Porträtform. Bis zu einem gewissen Punkt kann damit die Neigung des republikanischen Porträts zur Wiedergabe aller Einzelheiten des Aussehens und der Altersstufe von Honoratioren erklärt werden. Ausgesprochen „veristisch“ sind auch die Ahnenbüsten, die der Togatus Barberini in seinen Händen hält. Detailaufnahmen der Gesichter der Vorfahren dieses Mannes zeigen, dass zusammengepresste Hautfalten im Profil und an den Ohren Hinweise auf vorgenommene Übersetzung nach Totenmasken ergeben könnten. Ein wenig mag bei dieser Statue irritieren, dass sich das Bildnis des Mannes selbst, in seinem streng gehaltenen republikanischen Duktus, nicht wesentlich von den Büsten der Vorfahren unterscheidet. Die Erklärung dafür ist einfach gefunden: Die Statue selbst stammt, wie die Formbildung der Toga belegt, bereits aus der frühen Kaiserzeit. Man hat ihr für die Zusammenhänge der Sammlung Barberini in der frühen Neuzeit lediglich einen „Republika-
Abb. 93: Rom: Der sogenannte Togatus Barberini.
nerkopf“ aufgesetzt; eine für damalige Verhältnisse der Antikenrekonstruktion sogar erstaunlich gute Lösung. Das Gegenüber dieses Kopfes mag abstoßen und faszinieren zugleich (Abb. 94): 13 Der Porträtkopf bringt nämlich ganz unverblümt Ein-
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vorragendes Zeugnis für das Standesbewusstsein einer bestimmten römischen Gesellschaftsklasse. Der Dargestellte wird gänzlich in seinem faktischen „Sein“ geschildert: Brutal in seiner menschlichen Vergänglichkeit, in Härte und Selbstdisziplin aufgegangen, so schildert das Porträt diesen Mann. Zum Ausdruck kommt damit eine bestimmte Wertehaltung. Der alte Mann wollte Vorbild für die Seinen und für nachfolgende Generationen sein. Anhand solcher Beispiele hat die römische Kunst zu sich selbst und zu den eigenen Wurzeln gefunden.
Gesellschaft
Abb. 94: Rom: Marmorbildnis aus republikanischer Zeit.
zelheiten des Aussehens dieses Mannes zur Geltung. Auch Unschönes und die Härten des Alters werden mit sichtlichem Können nachgezeichnet. Damit dringt der Kopf bis zu einem Kern menschlicher Existenz vor. Man wird dieses Porträt daher so betrachten und aufnehmen wie die „Lebensspuren“, die es kennzeichnen. Und man wird einmal mehr die Züge des Alters, aber auch solche von Krankheiten an ihm sehen. Überhaupt stellt sich die Frage, ob nicht eine „Totenmaske“ hier Pate gestanden haben könnte und damit ein hervorragender Marmorbildhauer noch einmal dokumentarisch alles zusammengetragen hat, was von der Lebenswirklichkeit dieses Mannes Zeugnis ablegen konnte. Das Porträt in Dresden ist zugleich ein her-
Römische Gräberstraßen wie die von der Porta di Nocera in Pompeji (Abb. 95), sind primär Ausdruck einer städtischen Gesellschaft und ihrer Ständeordnung. 14 Die Bauten und Einzelmonumente selbst werden nicht minder zu wichtigen Zeugen für die Selbstdarstellung der Familien in den Städten. An den Ausfallstraßen einer Stadt befanden sich die Nekropolen, deren Reihen von Grabbezirken und Einzelmonumenten den Reisenden begleiteten. Ab dem 2. Jh. v. Chr. entstehen fast überall in Italien repräsentative turmartige Grabmonumente, die sich als Derivate hellenistischer Architekturbildungen erweisen (Abb. 103185): Grabmonumente mit Sockelaufbau, Bogenstellungen und tempelartigen Bekrönungen können als „Mausoleumstypus“ mit weit in die fürstlichen Grabbauten Griechenlands und Kleinasiens zurückreichenden Wurzeln eingestuft werden. Aber auch Grabhäuser mit ihren Schmuckfassaden, tempelartige Architekturen oder auf Ädikulen reduzierte Grabaufbauten zählen zum Formenspektrum dieser wichtigen Gattung der römischen Privatkunst. Wesentlich ist, dass die Grabarchitektur in Rom und in den Städten nach unterschiedlichen Bedeutungsmaßstäben und Ausdrucksformen greift. Wenn es einen römischen Mittelstand gab – ein nach damaligen Verhält-
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Abb. 95: Pompeji: Gräberstraße.
nissen schwer fassbarer Begriff –, so legt das Grabrelief einer Ärztefamilie (Abb. 96) Zeugnis davon ab: 15 Clodius Tertius medicus A. Clodius Metrodorus medicus Clodia A. Hilaria
Ein gewisser Clodius Metrodorus hat eine Freigelassene namens Clodia Hilaria geheiratet; deren Sohn ist Clodius Tertius. Der Vater bildet die Mitte der Gruppenkomposition. Beide Männer haben eine streng drapierte Toga angelegt. Der Sohn, der ebenfalls den Ärzteberuf des Vaters ausübt, weist diesem ähnliche, durchaus realistisch aufgefasste Bildniszüge auf. Mehr dem „Zeitgesicht“ verhaftet ist hingegen die Darstellung der Mutter, deren strenge Nodusfrisur die Gruppe in das ausgehende 1. Jh. v. Chr. weist. Es handelt sich um ein Grup-
penbildnis von schlichter, vielleicht ein wenig spröder Eleganz. Der Fokus liegt auf den Gesichtern, und diese Tatsache macht uns die römische Porträtkunst auch menschlich näher.
Die Zeit des Pompeius Die sogenannte Villa dei Misteri wurde im Jahre 1910 an der Gräberstraße vor dem Herculaner-Tor von Pompeji entdeckt, jedoch erst 1931 durch Amadeo Maiuri vollständig ausgegraben (Abb. 97). 16 Ihren Namen hat sie von einem prachtvollen und nicht minder rätselhaften Figurenfries in einem Prunkraum ihres Villenensembles erhalten. Bis in das 2. Jh. v. Chr. reicht die Entstehungszeit dieser vorstädtischen Villa zurück. Kennzeichnend für die villa suburbana (Vitruv, De architecutura 6,5.3) ist das Bestreben nach einer blockartigen Zusammenfassung der Architektur und nach innerer axialer
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Abb. 96: Rom: Grabrelief der Clodii.
Gliederung: Eine Abfolge von Peristyl zu Tablinum und Atrium wird ebenfalls bei Vitruv hervorgehoben. Der Baukörper wird einerseits durch eine Substruktion (basis villae) von seiner Umgebung abgehoben. Umgekehrt öffnet sich die Mysterienvilla durch ihre Aussichtsterrasse (ambulatio). Die Blickrichtung der Aussichtsterrasse dieser Villa wies auf den in antiker Zeit nahe gelegenen Küstensaum zu. Sämtliche in der Nähe der Vesuvstädte angetroffenen „Aussichtsvillen“ wählen Bezugspunkte, die ihren Besitzern den Ausblick (prospectus) auf reizvolle Punkte der Umgebung gestatteten. Die Villa wurde in der ersten Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. fast durchgehend mit Wanddekorationen des frühen Zweiten Stils ausgeschmückt. Ihre Anfänge als Villenbau sind jedoch noch älter. Somit ist die Mysterienvilla eine der ersten uns bekannten suburbanen Villen. Sie vertritt damit einen neu aufkommenden Bautypus und damit auch jenes neue Lebensgefühl, das sich mit der „Villegiatur“
bildete. Die Villenkultur und deren Anfänge in Kampanien beleuchteten bereits das den römischen Oberschichten eigene Verhältnis zu Freizeit und Bildung (otium). Der Wandausschnitt eines Schlafraumes der Mysterienvilla (Abb. 98) bildet nur eines von mehreren Beispielen für die Dekorationsweise der Zeit um 70/60 v. Chr. innerhalb der Villa. 17 Die Anfänge dieses sogenannten Zweiten Stils der Wanddekoration haben uns bereits an einem früheren Punkt beschäftigt (Abb. 57117). Der vielschichtige Charakter dieser Malereien äußert sich an den unterschiedlichen Architekturszenerien und deren räumlicher Verschränkung. So wird auch bei diesem Wandausschnitt eine Säulenarchitektur vor die gemalte Wand mit ihren Plattenverkleidungen gestellt. Eine weitere, schräg nach hinten geführte Säulenarchitektur zwängt sich „illusionistisch“ zwischen Bogenstellung und Wandaufbau. Doch mit noch einer weiteren Überraschung hat diese frühe Spielart des Zweiten Stils aufzuwarten: Die gemalte Wand
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Abb. 97: Pompeji: Axonometrie der Villa dei Misteri.
wird für den Blick des Betrachters geöffnet, indem sich eine kreisrunde Öffnung zeigt, die einen gemalten Rundtempel hinter der „Wand“ freigibt. Wie sehr musste die luxuriöse Ausgestaltung von Bauten auf die Phantasie der Betrachter gewirkt haben, um solche Beispiele der Wandmalerei hervorzubringen! Man wird den Vorgang der Herausbildung römischer Malstile und Wanddekorationen aber auch so sehen können, dass sich Vorstellungen hier gegenseitig durchdringen, die Wandmalerei jedoch von Anfang an nicht Abbild von Wirklichkeiten sondern von Vorstellungen der Phantasie ist.
Das Pompeius-Theater Eines der gewaltigsten Bauprojekte im spätrepublikanischen Rom verkörperte das steinerne Theater des Pompeius (Abb. 99) mit seinen angrenzenden Hallenanbauten. 18 Von den Strukturen dieses gewaltigen Baues haben sich im Bild des heutigen Rom bestenfalls Umrisse erhalten, und dennoch wissen wir vom Pompeius-Theater durch zeitgenössische Lobreden und durch die Überlieferung der Forma Urbis deutlich mehr: Der Gebäudekomplex kann nach heutigem Kenntnisstand zumindest im Modell vorgestellt werden. Dieses Theater des Pompeius ist für die Baugeschichte Roms außer-
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Abb. 98: Pompeji: Wandgemälde der Villa dei Misteri. Cubiculum.
ordentlich wichtig, sodass man auch auf seine Entstehungsgeschichte eingehen sollte. Das Pompeius-Theater konnte eigentlich nur durch einen Trick dieses Politikers und Machthabers der späten Republik verwirklicht werden. Man fürchtete im Rom der damaligen Zeit große Massenbauten, welche die Menschenmengen förmlich anzogen und in denen es zu Ausschreitungen und Tumulten kommen
konnte. Die Verwirklichung eines dauerhaften Theaterkomplexes – des ersten Steintheaters in Rom überhaupt – konnte die Hürde im Senat nur überspringen, indem Pompeius den an das Theaterrund angebauten Tempel der Göttin Venus als Bauprojekt voranstellte. Man mag diese Überlieferung für bare Münze nehmen oder aber den gekonnten politischen Schachzug des Mannes bewundern. Tatsache aber ist,
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Abb. 99: Rom: Modell des Pompeius-Theaters.
dass das Pompeius-Theater im Jahre 55 v. Chr. nach wenigen Jahren Bauzeit eröffnet werden konnte. Die Komplexität der Anlage und zugleich ihre Größendimension machen das Wesentliche aus: Das Pompeius-Theater mit seinen ansteigenden Sitzreihen wurde nicht an einen der Hügel Roms angelehnt, sondern als freistehender Baukörper entwickelt. Die steinerne Masse des ursprünglichen Außenbaues mit seiner bekrönenden Tempelanlage mochte so wie ein Terrassenheiligtum innerhalb des römischen Marsfeldes gewirkt haben. Durch die halbkreisförmige Bildung des Zuschauerraumes und der direkt anschließenden Bühnenfront (scenae frons) formt sich das römische
Theater als einheitlicher Baukörper heraus. Literarische Zeugnisse wie auch mehrere monumentale Statuen, die vom Pompeius-Bezirk stammen, belegen, dass das Theater mit einem prachtvollen Figurenprogramm ausgestattet war. Hinter dem Theatergebäude lag ein weit gefasster Hallenbezirk, der dem Aufenthalt und der Muße der Bevölkerung diente. Aber auch ein Versammlungsbau für den Senat (Curia) wurde als Abschluss dieses „Forums“ errichtet, nachdem die Curia am Forum Romanum zuvor durch eine Brandkatastrophe zerstört wurde. Pompeius wusste durch sein großzügiges Bauprogramm für Rom daher in erster Linie politisch die Fäden zu ziehen: Die späteren römischen Kaiser sollten es ihm durch
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Abb. 100: Porträt des Pompeius aus der Liciniergruft in Rom. Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek.
die Errichtung und Ausgestaltung ihrer Fora in gewissem Sinne nachahmen. Der Porträtkopf des Pompeius (Abb. 100) stammt aus der Familiengruft einer berühmten römischen Adelsfamilie: der Licinier. 19 Aufgrund eines Vergleichs dieses Kopfes mit Münzbildnissen sowie einer Kombination von Familien- und Verwandtschaftsverhältnissen innerhalb der Liciniergruft kann man sicher gehen, dass es sich hierbei um Pompeius Magnus handelt. Der Kopf ist aller Wahrscheinlichkeit nach sogar seiner Bildnisstatue nachgearbeitet, die im Pompeius-Theater aufgestellt war. Das Bildnis des Politikers war den Menschen seiner Zeit somit vor Augen; es sollte von der Bedeutung des Mannes erzählen. Luca Giuliani hat sich vor einigen Jahren mit den „Botschaften“ solcher republikanischer Porträts auseinandergesetzt. 20 Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass eine sorgfältig gewählte „Rhetorik“ gerade das Bildnis des Politikers Pompeius kennzeichnen sollte. Die Abstufung der Mimik
dieses Porträts, die nicht am Aussehen des Pompeius allein, sondern an dessen Eigenschaften gemessen werden sollte, gibt dieser Einschätzung wahrscheinlich recht. Dem verbindlichen Ausdruck und den entspannten Zügen dieses „Machtmenschen“ gegenübergestellt werden kann jedoch die wie eine Perücke aufsitzende Frisur, die sich am aufstrebenden Haar Alexanders des Großen orientiert: Das Bildnis des Pompeius bleibt somit widersprüchlich in seinem Charakter. Es ist weder hellenistisch noch römisch einzustufen, sondern hält sich selektiv an Bildformeln, die in der damaligen Zeit inhaltlich aufgefasst wurden. Beim Marmorkopf aus der Liciniergruft handelt es sich um ein in der römischen Kaiserzeit nachgearbeitetes Porträt, das jedoch noch alle Merkmale des zeitgenössischen Porträts des Pompeius, also eines „Urbildes“, verrät. Das Regelwerk der Mimik und die Kunst plastischer Durchformung haben an ihm seinen Ausdruck gefunden.
Die Zeit Caesars Caesar als Politiker und Mensch bildet in jedem Fall eine Kategorie für sich; die Übergangsperiode am Ende der römischen Republik tut dies ebenso. Sich mit Zeugnissen aus dieser Zeit zu beschäftigen bedeutet, individuelle Maßstäbe und zugleich den breiten Entfaltungsrahmen der Künste zu berücksichtigen. Um die Mitte des 1. Jhs. v. Chr. standen viele Gattungen eines römischen Kunstbetriebes in voller Blüte. 21 Viele der Zeitgenossen Caesars, und selbstredend handelt es sich dabei um Angehörige der höheren Gesellschaftsschichten, pflegten in besonderem Maß ihren individuellen Lebenstil und handelten nach den Maximen und Möglichkeiten einer gehobenen Standesordnung. Daher wird auch die Beobachtung der Villenbauten und ihrer Ausstattungen in dieser Zeit so wichtig, weil dadurch für uns Zusammenhänge mit der römischen Geisteshaltung sichtbar werden. Dem
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Abb. 101: Rom: Ansicht des Caesarforums.
Ausleben der Stile und ästhetisch gesteigerter Reize im privaten Rahmen standen politische Zwänge und Einschränkungen im politischen Leben gegenüber. Im Rahmen der Staatskunst geben sich bereits Normierungen zu erkennen, die in der Periode des Augustus dann vollends zum Tragen kommen sollten. Äußerungen der Künste im privaten Rahmen pflegen jedoch einen Individualismus sondergleichen. In den Tagen des Augustus sollte auch diese Entfaltungsmöglichkeit eingeschränkt beziehungsweise auf verbindliche Wertehaltungen eingeschworen werden. In der Epoche eines Pompeius und Caesar beginnen die großen Bauprogramme für Rom, die den Ruhm der Stadt auch auf die künftigen Jahrhunderte ausdehnen sollten. 22
Bauprogramme in Rom zwischen Caesar und Augustus Das Caesarform in Rom (Abb. 101) bildete den ersten konsequenten Fortsetzungsweg zu einem neuen Staatsforum und damit zu einer Ergänzung des alten Forum Romanum. 23 Zwar gilt es auch im Falle dieses Forum Iulium einige Bezüge zu den Hallenbauten früherer Triumphatoren herzustellen, doch der Grundgedanke dieses stattlichen Gebäudekomplexes liegt auf der Ebene einer Neuordnung der römischen Republik. Auch Pompeius hat mit seinem Theaterbezirk am Marsfeld letztlich bereits den Zuschnitt für seine Persönlichkeit und Machtfülle aufgezeigt: Caesar tat dies im Herzen der Stadt. Sein gewaltiger Forumskomplex (75 160 m) mit seinen begleitenden Hallenbauten und Tabernae war direkt auf einen
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Tempelbau ausgerichtet. Das Caesarrs einprägen möchte, sollte sich alllerdings dessen bewusst sein, Forum Iulium zeigt damit die Grundidee künftiger Kaiser-dass es sich um ein genormtes Porfora auf. trätt handelt; 24 und noch dazu eiDas Zentrum des neuen ness, das postum, jedoch nach der Forums bildet der Tempel Vorrlage damals bekannter Caeder Stammmutter Venus (Vesarrporträts geschaffen wurde. nus Genetrix) (Abb. 124221). Kon nzeption und Charakter dieses Caesarbildnisses bleiben auf Caesar hatte diesen Tempel weniige kennzeichnende Formeln 48 v. Chr., vor der Schlacht beei beschräänkt: Der besonders gefasste Pharsalos gegen Pompeius, geAusdru uck dieses Kopfes, seine Klarlobt (Appian, Bellum Civile 2,668). heit im Blick sollen den Staatslenker Damit hatte der Feldherr zuund FFeldherrn verdeutlichen. Die gleich seine persönliche Herrkunft gleichzeitige Auflockerung programmatisch in den Mittelder Mimik soll die sprichpunkt erhoben. Der Tempel wörtliche clementia Caesaris, entstand nach dem Grund ddie Milde und Menschlichtypus eines Peripteros sine posskeit Caesars zum Ausdruck tico auf 5 m hohem Podium m. briingen, gerade weil Caesar hier Die Marmorpracht dieses Kulttschoon aus dem Blickwinkel einer baues und seiner 11 m hoheen späteren Generation aufkorinthischen Säulen wurde noch später von Dichgefasst wurde. Vom tatAbb. 102: Rom: Porträt C. Iulius Caesars. sächlichen Aussehen, etwa tern gerühmt (Ovid, Ars amatoria 1,181). Das Innere der Tempelcella war seiner ausgeprägten Stirnglatze, zeugen Münzmit einem Tonnengewölbe ausgestattet und bildnisse und ein älterer, noch zu Lebzeiten endete in einer vorderen Apside. Dort befand entstandener Bildnistypus. Der Kopf in den Vasich das Kultbild der Venus Genetrix, ein Werk tikanischen Sammlungen stilisiert und idealides Bildhauers Arkesilas (Plinius, Naturalis his- siert hingegen diese Einzelheiten. Dabei wird toriae 35,156). Das neue Forum Iulium zählte der Ausdruck einer Einzelpersönlichkeit und mit Sicherheit zu jenen Baukomplexen in Rom, ihres gezügelten politischen Machtwillens dessen Bedeutung in einer gezielt-programma- trefflich eingefangen. tischen Ausstattung durch Kunstwerke bestand. So fanden sich dort etwa Gemälde des (zeitgenössischen?) Malers Timomachos von Neue Provinzen Byzanz angebracht (Plinius, Naturalis historiae 35,26). In der Tempelcella selbst konnte man Vor den Toren der römischen Siedlung von eine vergoldete Statue der Kleopatra bewun- Glanum in Südfrankreich befindet sich ein dern (Plinius, Naturalis historiae 35,136). turmartiges Monument, das bewusst an GrabAuch eine von den Zeitgenossen als groß- bauten erinnern soll. Es handelt sich dabei jeartig eingestufte Brunnenanlage befand sich doch um ein „Scheingrab“ (Kenotaph), das auf auf dem Forumsplatz, ebenso ein Reiterstand- die Verdienste einer bedeutenden lokalen Fabild Caesars. milie verweist. Der Bau verfügt über einen auf Einen ganz Großen seiner Zeit porträtiert allen vier Seiten mit Reliefs geschmückten Soein Kopf in den Vatikanischen Sammlungen ckel, darüber ein viertoriges Bogenmonument in Rom (Abb. 102). Wer sich die Bildniszüge (Quadrifrons) und wiederum darüber einen
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Abb. 103: Glanum/St-Remy-de-Provence: Sogenanntes Iuliermonument.
Rundtempel (Monopteros). In diesem bekrönenden Rundtempel befinden sich zwei Ehrenstatuen von Familienmitgliedern der Iulii (Abb. 103). Auch auf der Bauinschrift findet sich der Name von Iuliern: In ihr wird der Verdienste der Eltern und Vorfahren (parentes) gedacht. 25 Wie können wir diesen berühmten Namen interpretieren, an einem Monument, das noch dazu weder Grabbau noch Siegesdenkmal ist? Gaius Iulius Caesar war während seiner Aufenthalte in der Provinz Narbonensis sehr darum bemüht, lokale Eliten für die römische Sache zu gewinnen. Seine militärische Klientel konnte in den römischen Bürgerstand aufgenommen werden, sie wurde gewissermaßen in die familia Caesaris überführt. Das erklärt auch das häufige Vorkommen von Iuliern, die tatkräftig am weiteren Aufbau der Provinz mitwirkten. Das ganz im Sinne der römischen Bildsprache entstandene Iuliermonument von Glanum verherrlicht also mit Großvater und
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Vater des späteren „Stifters“ deren Pioniergeist und deren Einsatz für die römische Sache. Mit diesem Memorialbau und seinen bedeutenden Reliefdarstellungen, die mythische und reale Kämpfe verkörpern, werden erste Akzente einer provinzialrömischen Kunst gesetzt. Das Iuliermonument wird anhand von Stilvergleichen vor allem der Bauglieder in die Zeit um 30/20 v. Chr. gesetzt. Wir können nicht genau sagen, wann der phantastische Innenraum geschaffen wurde, der wahrscheinlich Teil einer großen Nymphäumsanlage von Nemausus war (Abb. 104). 26 In der Nähe angetroffene Inschriften weisen jedoch auf den Zeitraum gegen 25 v. Chr. und damit auf die frühe Kaiserzeit. Der von einem Tonnengewölbe überdachte Innenraum wird nach wie vor von einigen Forschern als „Tempel der Diana“ angesprochen, und tatsächlich hat sich darin ein Altar befunden. Die Gesamtanlage des römischen Quellbezirks von Nîmes zeigt eine Kombination von Bauten sowohl eines Heil- als auch eines Heiligtumsbetriebes. Deutlich bei dem hier gezeigten Gebäudekörper wird, dass sich an der Stirnwand „Ädikulen“ für Brunnenanlagen befanden, sodass von einem monumentalen Nymphäum, eventuell im Dienste einer Gottheit ausgegangen werden kann. Der entscheidende Beitrag der römischen Baukunst, gemessen allein an diesem Beispiel, ist jener der Ausgestaltung und Gliederung von Innenräumen. Der überdachte Saal wird an den Langswänden durch Wandnischen charakterisiert. Diese Wandädikulen werden jeweils durch Rund- und Dreiecksgiebel abgeschlossen. Vor die Wand gestellte Säulen stukturieren die einzelnen Abschnitte und verleihen der Wandzone einen mehrschichtigen Charakter. Ein Vergleich mit gleichzeitigen „Errungenschaften“ der Wandmalerei ist anhand dieses gut erhaltenen Beispiels gebauter Architektur sicherlich angebracht.
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5. Kapitel
Abb. 104: Nîmes/Nemausus: Nymphäum.
Aristokratie und Wohnluxus Der Empfangsraum, das Atrium einer großen Villa bei Pompeji öffnet uns ihre Tore: die Villa von Oplontis, dem heutigen Torre Annunziata (Abb. 105). 27 Dieser weitläufige Villenkomplex wurde in spätrepublikanischer Zeit begonnen und noch einmal gegen die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. beträchtlich um Parkanlagen und weitere Höfe erweitert. Der Ausschnitt der hier vorgestellten Wandmalereien stammt noch aus der ersten Bauphase der Villa, also aus der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. Es handelt sich dabei um ein signifikantes Beispiel des Zweiten Stils der Wandmalerei: Wir blicken auf die Schaufassade eines Palastes oder einer Bühnenkonstruktion. Mit Schmuckrauten und Bändern überzogene Säulen befinden sich vor einer Eingangsfront. Diese hat eine prächtig verzierte Scheintür als Mittelpunkt. Cisten und Räucherständer, wie in
einem Heiligtum, verleihen dem „Architekturzitat“ sakralen Charakter. Von Ahnenstolz und Bildungsbewusstsein künden des Weiteren Bildnisse innerhalb aufgehängter Rundschilde (imagines clipeatae) sowie kleine gemalte Friese. Das Atrium dieser Villa war als Empfangsraum für vornehme Gäste bestimmt. Zur Zeit Caesars entfaltete die römische Aristokratie ihre Wohnkultur auf höchst anspruchsvolle Weise. Große Villenanlagen und deren Ausstattungsschmuck in Wandmalerei und Skulptur bilden Zeugnisse dieses verfeinerten Geschmacks. Ein Beweggrund für diese Entwicklung bildete die Imitation griechischer Stile und der Zeugnisse einer herrschaftlichen Wohnkultur unter den Nachfolgern Alexanders. Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese „Villenwelten“ jedoch als sorgfältige Adaptionen der Architektur, der Malstile und der Skulpturengattungen nach römischem
Die Zeit der späten Republik
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Abb. 105: Oplontis/Torre Annunziata: Wandgemälde in der Villa von Oplontis.
Muster. Diese privaten Kunstrichtungen des 1. Jhs. v. Chr. hatten auf mehrfache Weise Auswirkungen auf das gesamte Entwicklungsbild der römischen Kunst: Durch die in der Welt des otium gepflogenen Denkrichtungen und die Beschäftigung mit dem Wertekanon der Künste, wurden Kopien und Variationen vorbildlicher Werke angefertigt, die so das Kopistenwesen in Italien förderten. Die innerhalb der Kunsttheorien der spätrepublikanischen Zeit betrachteten Strömungen wurden auf diese Weise zu einem bestimmenden Faktor der (rezeptiven) Kunst. Plastische Ausdrucksmittel, die sich durch führende Meister (wie etwa Pasiteles und seine Bildhauerschule) in Italien durchgesetzt hatten, geben einen eigenständigen Entwicklungsgang vor. Auch die Malerei im Zweiten Stil entwickelt sich in Italien zu einer unabhängigen Kunstgattung, die ältere Dekorationsweisen weit hinter sich lässt. Die Villenkultur blieb auf einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung beschränkt. Durch
das Aufblühen mehrerer Werkstätten und deren Produktion, durch steigende Nachfrage, durch die Kontaktnahme eines römischen Mittelstandes mit der vorbildlichen Welt der Reichen konnten sich die dekorativen Künste jedoch auf bisher noch nie dagewesene Weise durchsetzen und verbreiten. Ein Vergleich der Qualitätsstufen innerhalb von Malerei und Plastik zeigt über weite Bereiche Übereinstimmungen zwischen Kunst aus der Umgebung der Hochkultur und jener eines gehobenen Bürgertums. Dies sollte bereits ein Erbe der ausgehenden republikanischen Zeit an die Kultur der Kaiserzeit sein. Die Machtträger der späten Republik und die alten senatorischen Schichten konnten ihren Reichtum vor allem im privaten Ambiente zur Schau stellen. Zwar blieb ihnen die bedeutende Rolle des Mäzenatentums für die Städte, und nicht wenige Bauten in Italien gehen auf die Initiative und Finanzkraft dieser Bevölkerungsklasse zurück. Als eigentliche Ge-
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5. Kapitel
stalter des Staates blieben jedoch nur wenige zurück. Man kann daher festhalten, dass bei zukunftsweisenden Schritten der Kunstentwicklung sich ein Konsens des Geschmacks herausstellte, der auch die alte Gegnerschaft zum griechischen Luxus (endgültig) überwand. Für Staatsmonumente blieben jedoch nur mehr wenige Persönlichleiten zuständig. Diese Rolle eines „Gestalters“ der Kunstwelt sollte schließlich dem Kaiser zufallen. Augustus hatte mit Beendigung der Bürgerkriege auch die Rivalität der Plutokratie und ihrer Vertreter zu überwinden. Anstelle protzenden und immer mehr „fürstlichen“ Geschmacks sollte Bürgersinn treten. Die Aufgabe der augusteischen Kunst musste es daher sein, die Pathetik des fürstlichen Stils einzudämmen. Nicht das, was wir
unter hellenistischer Kunst verstehen, sondern die erhabene Ausdrucksform der ferneren Klassik sollte fortan zum Vorbild erklärt werden. Der Weg der augusteischen Kunstentwicklung, den wir zwischen 31 v. Chr. und 14 n. Chr. zu verfolgen haben und die sich auch während der Regierung des Tiberius (14–37 n. Chr.) hindurch fortsetzt, zeigt somit über zwei Generationen den wahrscheinlich wichtigsten Prozess einer Symbiose der Kunstformen und Stilmittel auf. War römische Kunst von Beginn an eine Kunst der „Übersetzung“ und „Vermittlung“ im Sinne des Staatswesens, so setzt sich dieser Weg unter Augustus mit dem größeren Hintergrund des Imperium Romanum und der fernen Größe Griechenlands im Zeitalter seiner Klassik fort.
Ergebnisse Erst im Zeitraum der späten Republik stellen sich jene Kunstgattungen heraus, die primär römische Eigenart und römisches Geltungsbewusstsein zum Ausdruck bringen. Zu Beginn des 1. Jhs. v. Chr., der Zeit Sullas, zeigt sich die konservative Haltung der römischen Kunst in besonderem Maß. Zugleich bildet sich eine ausgesprochene Pluralität der Stilrichtungen, betrachtet man etwa diverse Gattungen der Reliefs, die unterschiedlichen Ausdrucksformen innerhalb der Porträtkunst sowie den differenzierten Formenapparat der Baukunst als zeitgleiches Phänomen. Innerhalb der Baukunst, wofür monumentale Heiligtumsbauten ebenso stehen wie Zeugnisse der Nutzarchitektur, erreicht die römische Kunst dieser Zeit ihre dynamischsten und tiefgreifendsten Schöpfungen. Der Ausbau technischer Möglichkeiten und die Verfeinerung des Formenapparates der Architektur setzen sich kontinuierlich in die Kaiserzeit hinein fort. Das Sendungsbewusstsein von Machtträgern der Republik führt dazu, dass diese als „Bauherren“ das Programm von Bauvorhaben bestimmen. So nimmt der Bezirk des Pompeiustheaters auf dem Marsfeld in seiner Gesamtheit bereits Züge der späteren Kaiserfora an: Durchaus unterschiedliche Bautypen wie Theater, Tempel, Hallenbauten und Curia werden bei diesem „Publikumsbau“ zu einem Monumentalkomplex zusammengeführt, welcher die Leitgedanken staatlicher Führung demonstrativ zum Ausdruck bringen soll. Einen anderen Weg verfolgt die Architektur im privaten Umfeld: Die Errichtung von Vorstadtvillen sowie die Vergrößerung einzelner Stadthäuser um Peristylhöfe und Speisesalons belegen ein gesteigertes Anspruchsdenken von Teilen der römischen Gesellschaft. Solche offen zur Schau gestellten Anlehnungen an das griechische Palastleben dokumentieren, dass sich die höheren Gesellschaftsschichten Roms als Beherrscher der „Oikumene“ empfinden. Die Integration von Bildthemen, Dekorationsformen und Skulpturen aus dem griechischen Kulturkreis im römischen Wohnbereich sollte jedoch nicht nur als Ausdruck einer Siegermacht (oder als plumpe Übernahme) gewertet werden, sondern diente insgesamt der Erneuerung der Künste und der römischen Zivilisation insgesamt. Die Wanddekorationen des sogenannten Zweiten Stils, der in Rom entschieden weiterentwickelt und um die Elemente der Tiefenwirkung und der räumlichen Illusion bereichert wurde, belegen dies auf eindrucksvolle Weise.
Dann aber gab es nichts, was Menschen von den Göttern erflehen noch die Götter den Menschen gewähren können, nichts, was sich durch Gelübde erreichen noch vom Glück erlangen lässt, was Augustus nicht nach seiner Rückkehr nach Rom dem Staat, dem römischen Volk und der Welt geschenkt hätte. (Velleius Paterculus, Historia Romana 2,89.2)
6. Kapitel Augustus und sein Erbe Nicht nur die Kunst, sondern sämtliche Formen des politischen, gesellschaftlichen und geistig-kulturellen Lebens treten mit dem Zeitalter des Kaisers Augustus in einen neuen Abschnitt ein. Bleiben wir beim Charakteristikum einer so bezeichneten „Kunst um Augustus“ (Gerhard Rodenwaldt), so verstehen wir darunter sämtliche Leitgattungen der Architektur, der Relief- und Porträtkunst sowie der malerischen und dekorativen Künste, die sich mittels charakteristischer Stilformen und einer sie kennzeichnenden Bildersprache markant von Denkmälern der späten Republik abheben. Die Kunst der augusteischen Zeit setzt nach einer zuvor erfolgten politischen Zäsur inhaltlich und programmatisch neu an, sucht ihre Anknüpfungspunkte jedoch gleichermaßen in den Vorgaben der römischen Republik und einer sich erneuernden hellenistischen Koiné (Zivilisationsgemeinschaft). Nicht die auftrumpfenden Monumente der Machthaber der späten Republik, nicht die Prunkentfaltungen hellenistischer Fürsten, sondern der zeitlose Glanz klassischer Bauten und Bildwerke sollten so zum Vorbild der Staatskunst erhoben werden. In den Bauprogrammen und Vorgaben für den öffentlichen Raum entfaltet die augusteische Kunst daher zunächst ihren Ausdruck und ihre Wirkung: Ein neuer Kanon der Architektur, die Qualität der zum Einsatz kommenden Baumaterialien sowie eine für die augusteische Gesellschaft allgemein verständliche „Bildersprache“ (Paul Zanker) sollten kennzeichnend für diese Epoche werden. Wie der Entwicklung einzelner Gattungen abzulesen ist, drücken diese Leitformen der Staatskunst auch der Privatkunst ihren Stempel auf. Auf unverkennbare Weise setzen die Künste des augusteischen Zeitalters auch bei jenen Erfahrungen und technischen Möglichkeiten an, die bereits zuvor prägend waren. Man versteht unter augusteischer Kunst daher grundsätzlich auch eine Synthese von altem und neuem Formengut. Die eigentliche Leistung der augusteischen Staatskunst besteht jedoch darin, homogene Muster für neue Bauten sowie für den Relief- und Dekorationsstil zu entwickeln. Neu formuliert werden auch die inhaltlichen Aspekte der Kunst unter dem ersten Kaiser Roms: Diese stehen unter den Leitgedanken eines sich erneuernden Staatswesens sowie einer monarchischen Fortschrittsidee. 1 Der Weg der augusteischen Kunstentwicklung, den wir zwischen 31 v. Chr. und 14 n. Chr. zu verfolgen haben und welcher sich auch während der Regierung des Tiberius (14–37 n. Chr.) weitgehend fortsetzt, zeigt somit den Prozess einer Synthese von Kunstformen auf. War römische Kunst von Beginn an eine Kunst der „Übersetzung“ und „Vermittlung“ im Sinne des Staatswesens gewesen, so setzt sich dieser Weg unter Augustus vor dem größeren Hintergrund des Imperium Romanum und der Idee eines Goldenen Zeitalters (aurea aetas) fort.
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6. Kapitel
Historischer Hintergrund Frühe Kaiserzeit (31 v.–69 n. Chr.)
• 44–31 v. Chr.: Wirren nach der Ermordung Caesars • 42 v. Chr.: Schlacht von Philippi (Nordgriechenland) und Tod der Caesarmörder; 2. Triumvirat zwischen Octavian, Marcus Antonius und Lepidus. Der 40 v. Chr. geschlossene Vertrag von Brundisium (Brindisi) regelt die Machtbereiche Octavians im Westen, des Marcus Antonius im Osten und des Lepidus in den afrikanischen Provinzen. Das Triumvirat wird im Jahre 37 v. Chr. noch einmal auf insgesamt fünf Jahre verlängert. • 36 v. Chr.: Seesieg Octavians bei Naulochos über Sextus Pompeius; Marcus Antonius ehelicht die ägyptische Königin Kleopatra VII. • 31 v. Chr. (2. September): Seeschlacht von Aktium (Ambrakischer Golf/Mittelgriechenland). Sieg des Octavian und seines Feldherrn Marcus Vipsanius Agrippa über Marcus Antonius. • 30 v. Chr. Einnahme Alexandrias. Nach dem Selbstmord des Marcus Antonius und der Kleopatra Einbeziehung Ägyptens in das Imperium Romanum als kaiserliche Provinz • 29 v. Chr.: Dreifacher Triumph Octavians über Kleopatra, Ägypten und Dalmatien in Rom. Einsetzen des augusteischen Bauprogramms in Rom. • 27 v. Chr.: Octavian legt offiziell die ihm übertragenen Gewalten nieder und stellt die republikanische Verfassung wieder her: res publica restituta. Neuer Ehrenname Augustus. Begründung des Prinzipats durch Augustus (d. h. Übernahme einer umfassenden Verantwortung für den Staat). Der Senat und die staatlichen Ämter werden beibehalten. Neueinteilung der Provinzverwaltung: Die kaiserliche Verwaltung übernimmt die Grenzprovinzen, jene der befriedeten Provinzen, der Senat.
• 17 v. Chr.: Säkularfeier Roms; zugleich erster Höhepunkt der neuen „Bildersprache“ in der bildenden Kunst sowie der höfischen Dichtung in Rom (Horaz, Vergil) • 13–9 v. Chr.: Errichtung der Ara Pacis • 16–9 v. Chr.: Einverleibung der Alpenregionen. Feldzüge an Donau und Rhein. Pannonien und Dalmatien werden als neue Provinzen hinzugewonnen. Rückschläge in der Regelung der Nachfolge (2/4 n. Chr.: Tod der Thronerben Gaius und Lucius Caesar). Tiberius wird zum Thronerben ernannt. • Bis 16 n. Chr.: Der Vorstoß in Germanien bis zur Elbe scheitert (9 n. Chr. Varusschlacht) • 14 n. Chr.: Tod des Augustus • 14–37 n. Chr.: Herrschaft des Tiberius • 26 n. Chr.: Tiberius zieht sich auf die Insel Capri zurück (Villa Iovis) • 37–41 n. Chr.: Herrschaft des Caligula; Ausbau der kaiserlichen Zentralverwaltung Die unmittelbaren Nachfolger des Augustus übernehmen für die Staatskunst weitgehend die Stile und inhaltlichen Muster der augusteischen Periode. Veränderungen beginnen sich erst unter Kaiser Claudius abzuzeichnen.
Ausgangslage der Kunst Dem Großneffen und politischen Erben Iulius Caesars, Octavian, dem späteren Kaiser Augustus, war es durch seine lange Regierungsdauer vergönnt, den römischen Staat und seine gesellschaftlichen Ordnungen nachhaltig zu prägen und zu festigen, in gleichem Maße aber auch das Erscheinungsbild der Künste zu beeinflussen. Der augusteischen Kunst scheint, stärker als es jemals zuvor der Fall war, ein politisches Programm zugrunde zu liegen. Daher kommt auch der Selbsteinschätzung dieses ersten Mannes im Staate (princeps) eine entscheidende Bedeutung zu. Augustus ließ beim Eingang zu seinem schon zu Lebzeiten errichteten Mausoleum am Marsfeld Inschriftentafeln aufstellen, die seinen Tatenbericht enthielten (sog.
Augustus und sein Erbe
Res gestae). Der Kaiser formuliert darin das Verhältnis zwischen seiner Person und dem römischen Staat folgendermaßen: In meinem sechsten und siebten Konsulat (27 v. Chr.) habe ich, nachdem ich die Flammen der Bürgerkriege gelöscht hatte und mit der einmütigen Zustimmung der gesamten Bevölkerung in den Besitz der staatlichen Allgewalt gelangt war, das Gemeinwesen aus meiner Machtbefugnis wieder der Ermessensfreiheit des Senates und des römischen Volkes überantwortet. Für dieses mein Verdienst wurde mir auf Beschluss des Senates der Name Augustus gegeben. Die Türpfosten meines Hauses wurden auf staatlichen Beschluss mit Lorbeer geschmückt, und ein Bürgerkranz (corona civica) wurde über meinem Tor angebracht. Ein goldener Schild (clipeus aureus) wurde in der Curia Iulia aufgestellt, den mir der Senat und das römische Volk geweiht haben wegen meiner Tapferkeit (virtus) und Milde (clementia), meiner Gerechtigkeit (iustitia) und Hingabe (pietas), wie es die Aufschrift auf diesem Schild bezeugt. Seit dieser Zeit überragte ich alle übrigen an Autorität (auctoritas), an Amtsgewalt (potestas) aber besaß ich nicht mehr als die anderen, die auch ich im Amt zu Kollegen hatte. (Tatenbericht / Res gestae 34. Übersetzung Marion Giebel)
Dieses – die angebliche oder auch tatsächliche – Wertehaltung des Kaisers beinhaltende „Programm“ seiner Regierungstätigkeit belegt zugleich eindrucksvoll das Verhältnis zwischen einem offen propagierten Tugendenkatalog und ersten (Ehren-)Denkmälern, die in Rom zu Ehren des Kaisers aufgestellt wurden. Lorbeerzweige als Zeichen des sühnenden Gottes Apollo, den sich der Kaiser als Schutzgottheit erwählt hatte, sollten in der Bildersprache der Zeit ebenso häufig vorkommen wie Verkörperungen der Bürgerkrone oder seines Ehrenschildes. Die inhaltlichen Aussagen solcher staatlichen Monumente belegen ein bewusstes Kalkül, das durchaus mit einer aufkommenden Ideologie in Verbindung gebracht werden kann. Doch damit war nur ein Anfang gesetzt. Durch die Verwirklichung außerordentlicher Baumaßnahmen in der Hauptstadt konnte Augustus weitere inhaltliche Schwerpunkte
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für Bau- und Ausstattungsprogramme in den Städten des Reiches vorgeben. Die Wirkung der augusteischen Bildsprache und der dahinter stehenden Inhalte sollten sich rasch entfalten: Der marmorne Bildschmuck in den aufblühenden Provinzstädten wiederholt nicht selten ganze Bildprogramme der kaiserlichen Bauten Roms in Form von Reliefplatten und Statuenreihen. Damit sollte ein Zeugnis von der Einheit und Verbundenheit aller Bürger abgegeben werden. Von auctoritas und dignitas künden auch die Tempel, Altäre und Ehrendenkmäler, welche in Rom und den Städten des Reiches errichtet wurden. Es ist vor allem eine „Würdeform“, wie Vitruv es im Vorwort seiner an Kaiser Augustus gerichteten Architekturabhandlung (De architectura decem libri, 1,0.2) formuliert, die mittels der Bauformen selbst, eines bewusst gewählten Architekturkanons, und nicht zuletzt durch den Glanz kostbaren Marmors erreicht werden sollte. Zunächst sollte die Hauptstadt Rom völlig umgestaltet werden: Die Planungen bezogen sich auf Bauten am Forum Romanum, auf ein neues Kaiserforum (Forum Augustum) sowie zahlreiche weitere Baumaßnahmen am Marsfeld und den Regionen der Stadt. Gerne zitiert wird in diesem Zusammenhang auch der bei Sueton zu findende Satz, der Kaiser „habe eine Stadt aus Lehmziegeln angetroffen und eine solche aus Marmor hinterlassen“ (Augustus 5,1). Bei einigen der öffentlichen Bauten schickt der Kaiser aus bewusstem Kalkül andere Bauherren vor: Marcus Agrippa (Marsfeld), L. Munatius Plancus (Saturntempel), Cn. Domitius Calvinus (Regia). Auch im Namen der Thronerben Gaius und Lucius Caesar sowie später des Prinzen Tiberius werden zahlreiche Glanzbauten in Rom verwirklicht, etwa der Castor-Tempel. Neben den Nutzbauten für die Bevölkerung, unter denen neue Konzepte wie jene für öffentliche Thermenanlagen (thermae Agrippae) oder Parkanlagen (villae publicae) auffallen, wurde größter Wert auf die Erneuerung von Sakralbauten gelegt: Der Tatenbericht des Kai-
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6. Kapitel
sers benennt allein 82 Tempel, die während seiner Regierungszeit vollständig erneuert beziehungsweise als Marmortempel neu errichtet wurden. Alle diese Maßnahmen fielen unter die Wertehaltung einer pietas, welche die Frömmigkeit gegenüber den Göttern, aber auch die Förderung der menschlichen Gemeinschaft zum Ausdruck bringen sollte (pietas erga deos et erga homines). Deutlich kommen dadurch aber auch die politischen Zielsetzungen und der Konservativismus des Kaisers zum Ausdruck, welcher sowohl eine Erneuerung der altrömischen Religion als auch der gesellschaftlichen Ordnung anstrebte. Die persönliche Handschrift des Kaisers am Beispiel von Bauten tragen sein Mausoleum im nördlichen Teil des Marsfeldes sowie seine Residenz beziehungsweise die angrenzenden Tempelbezirke am Palatin, die bereits während der frühen Regierungsperiode errichtet wurden. Sowohl das „Haus des Princeps“ (Sueton) als auch dessen Memorialbau sollten den neuen Abschnitt der römischen Geschichte auf besondere Weise kennzeichnen. Darüber hinaus sollte das wirkungsvoll von den Dichtern propagierte augusteische „Zeitalter des Friedens“ durch einen außerordentlichen Sakralbau verkörpert werden: der Ara Pacis Augustae. Bei diesem Friedensaltar handelt es sich um einen der bedeutendsten senatorischen Bauaufträge im Sinne der nunmehr geltenden Staatsideologie (Abb. 119214). Anhand der Fülle der in Rom ausgeführten Bauvorhaben augusteischer Zeit fällt es schwer, die reiche Bautätigkeit in Italien und in den städtischen Zentren der römischen Provinzen gleichermaßen zu würdigen. Man wird nämlich nicht nur von einem enormen Nachziehen der Städte in Italien und in den Provinzen sprechen können, sondern auch von jeweils sehr individuellen Baulösungen für die öffentlichen Bezirke dieser Zentren. Das urbanistische Konzept der augusteischen Epoche sollte zudem für viele dieser Städte prägend bleiben. Grundlage für diese Erfolgsgeschichte der „augusteischen Gründerzeit“, bildete das Gedeihen von Wirt-
schaft, Technik und Handwerk nach der Phase der Bürgerkriege. Innerhalb der einzelnen Gattungen von Plastik und Skulptur sollen zunächst die Bildnisse der augusteischen Zeit charakterisiert werden. Eines der zentralen Phänomene innerhalb der Bildniskunst bildet die Herausstellung von kennzeichnenden Formeln. Den offiziellen Porträts kam dabei eine besondere Rolle zu. Darunter fallen in erster Linie Bildnisse des Kaisers und seiner Familienangehörigen, die in Form von Bildnisstatuen überall im Reich verbreitet und nach vorgegebenen Richtlinien kopiert wurden (Abb. 122218). Die nach Regierungsanlässen gestaltete Typik dieser Bildnisköpfe zeigt, vergleichbar den Münzdarstellungen der Zeit, den „Prägestempel“ einer politisch gelenkten Kunstform. Auch die gerade für die Zeit der späten Republik so charakteristischen, individuellen Ausdrucksformen bei Ehrenstatuen und Porträts treten nun deutlich zurück. Die Botschaft der augusteischen Bildnisstatuen zielt unverkennbar auf eine angemessene und somit den Grundlagen des Gemeinwesens entsprechende Haltung. Ziel war es offenkundig, die erneuerte Klassenordnung Roms hervorzukehren sowie die Verdienste des Einzelnen im Sinne der Staatsideologie zu beleuchten. Auch die Honoratioren einer Stadt hatten sich den Idealen der Reformpolitik zu stellen: Die Bildnisstatuen und Porträts der frühen Kaiserzeit geben so einen Teil ihrer persönlichen Haltung ab. Ein überwiegender Teil nachfolgender privater Porträts aus der frühen Kaiserzeit wird von einem gleichförmig wirkenden Stilmodus bestimmt. Man spricht allgemein von „Zeitgesichtern“ beziehungsweise von dem Phänomen einer „Bildnisangleichung“ (Anne K. Massner). Durch diese Vereinheitlichung im Ausdruck von Gesichtern wird auch die Neuformierung der augusteischen Gesellschaftsordnung bis zu einem gewissen Punkt festgehalten. Eine Ausnahme innerhalb dieser Entwicklung bilden die Grabreliefs und Bildnisse von Freigelassenen und einfachen Bürgern, welche den „Verismus“
Augustus und sein Erbe
der vorangehenden republikanischen Periode aufgreifen und damit ältere Standesformeln des römischen Porträts weitertragen. Eine Hauptgattung der augusteischen Kunst bilden Staatsreliefs, wie sie für Triumphalmonumente und Opferaltäre verwendet wurden. Gerade bei diesen erzählenden Reliefs sollte die wiedergefundene Einheit des Staates sowie eine Akzeptanz der von Augustus propagierten Ordnungsprinzipien zum Ausdruck gebracht werden. Die Ara Pacis Augustae enthält Prozessionsfriese der höchsten Repräsentanten des Staates, aber auch kleinere Opferfriese sowie große mythologische Relieftafeln mit allegorischen und göttlichen Gestalten (Abb. 120215 121216). Die Bildersprache dieser Reliefs wirkt – obwohl „Zeitgenossen“ zur Darstellung gelangten – nicht realistisch-zeitnah, sondern klassizierend-überzeitlich. An den Friesplatten der Ara Pacis kommt die rückwärts gewandte Formensprache der augusteischen Staatskunst insofern zentral zum Ausdruck, als qualitativ hochrangige Bildhauerwerkstätten dafür eingesetzt wurden, einen eigenen Reliefstil zu kreieren: Dieser bildet auf der Basis klassisch-griechischer Friese sowie zurückhaltend eingesetzter hellenistischer Raummuster eine neue Erzählsprache mit römischen Handlungsträgern. Auch die präzise festgelegte Ornamentik des Friedensaltares in Rom sollte zum Leitbild für den Bau- und Reliefschmuck der Zeit werden. Die eleganten floralen Muster waren als Symbole eines neuen blühenden Zeitalters gedacht. Gerade diese Ausdrucks- und Stilmittel der augusteischen Staatskunst fanden in rascher Folge Verbreitung und führten in der Folge dazu, dass selbst einfachere Denkmälergruppen in Rom und den Provinzen ähnliche „Muster“ annahmen. Die außerordentliche Qualität der Ornamentik sollte insgesamt zu einem Synonym für die erneuerte Kunst unter dem ersten Kaiser Roms werden. Die Dominanz neu errichteter öffentlicher Bauten und Denkmäler in den Städten führte dazu, dass sich die Gesellschaft der frühen Kaiserzeit rasch auf veränderte Möglichkeiten und
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Ausdrucksformen im Apparat der Künste besann. Für den römischen Bürger außerhalb seiner politischen Kompetenz bot vor allem die Wohnwelt solche Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Ein wesentliches Kapitel der Kunst der frühen Kaiserzeit bilden daher die Formen des Wohnens sowie der Ausstattung von Häusern und Villenanlagen: Auch innerhalb der Wohnkultur scheinen die Vorgaben des neuen Zeitgeschmackes deutlicher durchzugreifen als in der vorangehenden Periode. Ein Wandel zeigt sich in den Dekorationsformen. Der nun aufkommende Stil der Wandmalerei (sog. Dritter pompejanischer Stil) betont figürliche mythologische Darstellungen. Die Vorbilder dieser Gemälde, die als Mittelbilder die Wände zieren, sind größtenteils klassischen griechischen Vorbildern entliehen. Die Bildthemen wurden jedoch auf ein privates Umfeld hin übersetzt und zugleich den Vorstellungen der augusteischen Gesellschaft und ihres Ordnungsmusters unterstellt. Der Dekorationsstil der Wände insgesamt trägt Züge der Vereinfachung in sich, indem auf tiefenräumliche Komponenten sowie Architekturverschränkungen weitgehend verzichtet wird. Bei diesem Dritten Stil der Wanddekoration von einem höfisch geprägten Stil zu sprechen, scheint insofern berechtigt, als sich die inhaltlichen Aspekte der Wanddekoration weitgehend mit den Konzepten der augusteischen Ideologie zu decken scheinen. Wie bereits mehrfach betont, kann in augusteischer Zeit grundsätzlich eine Umorientierung der Kunstformen im Sinne formaler und inhaltlicher Vorgaben beobachtet werden. Den Ausgangspunkt dazu liefert der augusteische Staat selbst, der im Zuge politischer, rechtlicher und sozialer Umwälzungen solche Bildthemen und Symbole bis zu einem gewissen Punkt vorgibt.
Wohnkultur In der Zeit Caesars entfaltete die römische Aristokratie ihre Wohnkultur auf höchst an-
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6. Kapitel
spruchsvolle Weise. 2 Weitläufige Villenanlagen und deren Ausstattungsschmuck in Form von Wandmalerei und Skulptur bilden Zeugnisse dieses verfeinerten Geschmacks. Ein Beweggrund für diese Entwicklung bildete die Imitation griechischer Stile sowie der Zeugnisse einer herrschaftlichen Palastkultur und der damals blühenden hellenistischen Städte. Die Römer der Oberschicht konnten sich ja zu Recht als die Beherrscher Griechenlands und nicht zuletzt als Erben der hellenistischen Zivilisation rühmen. Bei näherer Betrachtung erweisen sich die römischen „Villenwelten“ demnach als sorgfältige Adaptionen hellenistischer Vorbilder. Die römische Villenarchitektur bildet dabei durchaus eigenständige Raumfolgen sowie spezifische „Funktionsmuster“ im Inneren der Gebäude heraus. Ähnlich verhält es sich auch bei den Ausstattungs- und Dekorationsstilen im römischen Umfeld: Die Formen der Malerei sowie die verschiedenen Skulpturengattungen wurden von römischen Auftraggebern ausgewählt und nach neuen Sinnmustern zusammengestellt. Gerade diese „privaten“ Kunstrichtungen der Periode der späten Republik und der frühen Kaiserzeit hatten ihre Auswirkung auf das weitere Entwicklungskonzept der römischen Kunst. Vielfältig waren auch die Denkrichtungen und Haltungen, denen in dieser Welt des otium (frei übersetzt: der Freizeitkultur) von den Römern der Oberschicht nachgegangen wurde. Im genannten Zeitraum wird die Kunst zu einem Bestandteil der Lebensphilosophie, also der Lebensführung. Den führenden Köpfen dieser Gesellschaft eignet, wie M. Tullius Cicero es am deutlichsten vorführt (Epistulae ad Atticum), die Beschäftigung mit einem erweiterten Wertekanon der Künste an. Werke der griechischen Kunst werden als vorbildlich angesehen und innerhalb bestimmter Kategorien betrachtet. Erstmals wurden damals auch für den Privatgebrauch Kopien und Variationen plastischer sowie malerischer Werke angefertigt; eine Mode, die so das Kopistenwesen in Italien erheblich förderte. Die Villenkultur bleibt al-
lerdings auf einen sehr kleinen Teil der römischen Bevölkerung beschränkt. Durch steigende Nachfrage, bedingt durch das Nacheifern des römischen Mittelstandes gegenüber der vorbildlichen Welt der Reichen, konnten sich die dekorativen Künste jedoch zu einem späteren Zeitpunkt auf bisher noch nie dagewesene Weise durchsetzen. Die Villa wird so zum „Vorbild des römischen Wohngeschmacks“ (Paul Zanker). 3 Ein Qualitätsvergleich der Wandgemälde zeigt während der Kaiserzeit sogar über weite Strecken Übereinstimmungen zwischen der Kunst aus der Umgebung der Aristokratie und jener eines gehobenen Bürgertums. Die Häuser Pompejis aus dieser Periode zeigen sogar vielfach Ausstattungselemente und Skulpturen, die den Vergleich mit solchen aus Villen nicht zu scheuen brauchen. Die Machtträger der Republik, darunter vor allem die senatorischen Kreise, durften ihren Reichtum ursprünglich nur in privater Umgebung zur Schau stellen. Eine römische Villenkultur in Form von Luxusvillen, welche nicht der landwirtschaftlichen Produktion dienten, setzt daher nicht von ungefähr erst während der späteren Republik ein. Man wird dabei festhalten, dass sich mit dem Ausstattungsschmuck dieser Villen ein „Konsens des Geschmacks“ herausstellte, welcher die alte Gegnerschaft Roms gegenüber dem griechischen Kultureinfluss überwand. Die Villenkultur der republikanischen Zeit wird geprägt durch Persönlichkeiten, die ganz offenkundig ihren unabhängigen Lebensstil zur Geltung bringen wollten. Individualismus und Zurschaustellung des Reichtums können als Kennzeichen dieses „Standes“, aber auch der Kunst der spätrepublikanischen Zeit gewertet werden. Dieses Rollenbild der römischen Aristokratie sollte sich während der Kaiserzeit zwangsläufig noch einmal ändern. Als eigentliche Gestalter des römischen Staatswesens hatten die senatorischen Schichten zunehmend ausgedient. Was ihnen blieb, war der unerhörte private Reichtum und damit auch die Rolle des Mäzenatentums für die Städte. Nicht weni-
Augustus und sein Erbe
ge Bauten gehen so auf die Initiative und Finanzkraft der römischen Oberschicht zurück. Die Rolle des eigentlichen Gestalters einer Kunstwelt sollte schließlich dem Kaiser zufallen. Augustus hatte mit Beendigung der Bürgerkriege auch die Rivalität der Aristokratie und ihrer Vertreter zu überwinden. Anstelle eines protzenden und immer fürstlicheren Geschmackes sollte daher ein neuer „Bürgersinn“ treten. Die erhabene Ausdrucksform der fernen griechischen Klassik sollte fortan zum Vorbild erklärt werden. Man sollte zunächst die Villenanlagen der römischen Aristokratie betrachten, um den Wandel der Künste während der langen Regierungszeit des Augustus zu begreifen. Außerhalb der vom Vesuv im Jahre 79 n. Chr. verschütteten Stadt Herculaneum wurde bereits während der Mitte des 18. Jahrhunderts ein solcher ausgedehnter antiker Villenkomplex, technisch in Form einer unterirdischen Stollengrabung, erschlossen. 4 Diese Villenanlage liegt bis zu 11 m unter den Lavaschichten des Vulkanausbruchs begraben. Mit den Mitteln der damaligen Zeit tasteten sich Arbeiter der bourbonischen Krone unter Anleitung eines Schweizer Zivilingenieurs namens Carlo Weber in Bergwerkstechnik an die innerhalb der Mauern der Villa verborgenen Kunstwerke heran. An die 70 Bronzewerke und Marmorskulpturen, darunter zahlreiche Hermenbildnisse wurden damals ans Tageslicht gefördert. Dazu gesellten sich Fragmente von Wandmalereien, die man nach damaligem Brauch aus den freskierten Wänden herausschnitt. Als eigentliche Kostbarkeit erachtete man jedoch die verkohlten Papyrusrollen einer innerhalb der Villa angetroffenen Bibliothek: Die villa suburbana von Herculaneum trägt daher noch heute den Namen Villa dei Papiri, „Papyrus-Villa“. Eine größere Anzahl dieser Schriften konnte dank eines „Aufrollungsgerätes“, das ein gelehrter Padre namens Antonio Piaggio ersann, bereits im 18. Jahrhundert, im Zeitalter der Aufklärung, übersetzt werden. Nicht die großen Werke antiker Tragödien-
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dichtung, wie man vielleicht meinen könnte, sondern Schriften eines epikuräischen Philosophen bildeten den Hauptbestand der Bibliothek. Einige, erst vor wenigen Jahren neu entschlüsselte Schriftrollen haben allerdings gezeigt, dass in der Villa dei Papiri nicht nur griechische Literatur gesammelt wurde, sondern durchaus auch Werke römischer Historiker zu den Beständen der Privatbibliothek zählten. Die vollständige Entrollung der griechisch verfassten Schriften eines für den Villenbesitzer tätigen Philosophen namens Philodem von Gadara (ca. 110–35 v. Chr.) stößt allerdings bis zum heutigen Tag an die Grenzen technischer Machbarkeit. Es sind die plastischen Bildwerke dieser herrschaftlichen Villa, welche noch 250 Jahre nach ihrer Auffindung eine Hauptattraktion des Nationalmuseums von Neapel bilden. Ein Gesichtspunkt heutiger Betrachtung bildet dabei die Rekonstruktion der ursprünglichen Fundgegebenheiten und damit jenes Standortes, den die Kunstwerke innerhalb des Villenkomplexes einnahmen. Der bereits im Jahre 1756 angefertigte Grundriss der Villa mit Einträgen der vor Ort angetroffenen Bildwerke besitzt insofern größten Wert, als durch ihn das Aufstellungsprogramm der Skulpturen erschlossen werden kann. Die Villa hat auf mehrfache Weise die Phantasie nachfolgender Generationen beschäftigt. In den 1970er Jahren wurde auf spektakuläre Weise ein Nachbau der Villa dei Papiri versucht. Diese moderne Adaption steht in Malibu (Kalifornien) und beherbergt die Antikensammlung des damaligen Ölmilliardärs J. Paul Getty (Abb. 106). Moderne Nachgrabungen an den Rändern der Villa dei Papiri in Herculaneum haben erst in den letzten Jahren Kenntnis von weiteren kostbaren Skulpturen erbracht. Die Villa ist an der „Anschlussstelle“ dieser modernen Grabung hin zur Stollengrabung des 18. Jahrhunderts heute teilweise wieder zu besichtigen. Geländeuntersuchungen haben dabei erbracht, dass das Areal der Villa ursprünglich wesentlich größer war, als der frühe Grabungsplan zeigt, und dass
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Abb. 106: Malibu/Kalifornien: Zeitgenössischer Nachbau der sogenannten Villa dei Papiri von Herculaneum.
der gesamte Villenkomplex auf mehreren Terrassen angelegt war. Durch diese neuesten Forschungen scheint auch festzustehen, dass die Villa ursprünglich an die 100 Skulpturen beinhaltete. Zuzüglich der noch nicht geborgenen Mosaiken und eines Großteils der Wanddekorationen dürfte die Villa dei Papiri damit eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen der römischen Antike beherbergt haben. Kommen wir zunächst einmal auf die Gedankenwelt des einstigen Villenbesitzers zu sprechen, die sich uns durch den Besitz und Inhalt von Schriften mitteilt. Dabei zeigt sich: Die epikuräische Lehre bildete für diesen eine Art geistigen Leitfaden. Der griechische Philosoph Epikur lehrte zu Beginn des 3. Jhs. v. Chr.
Eines der höchsten Ziele im Leben, so verkündet Epikur, sei die Befreiung des Menschen von Schmerz und Todesfurcht. Zahlreiche Schüler des Epikur haben diese Lehre bereichert und verbreitet, sodass ein nicht unwesentlicher Teil der hellenistischen und später der römischen Gesellschaft von der epikuräischen Lehre beeinflusst wurde. Durch mehrere Quellen wissen wir, dass die Praxisbezogenheit der epikuräischen Lehre offenkundig der Befindlichkeit einer römischen Gesellschaft entgegenkam. Aus den Worten des Epikur ließ sich sowohl das Pflichtbewusstsein des Staatsbürgers als auch die Sorge um persönliches Wohlergehen sowie eine gewisse Nüchternheit den Dingen gegenüber ableiten (Lukrez, Lehrgedicht über
Augustus und sein Erbe
die Natur). Philodem aus Gadara, dessen Schriften sich in der Papyrus-Villa erhalten haben, war kein Unbekannter. Einer Notiz Ciceros kann man entnehmen, dass Philodem sich für längere Zeit auf dem Landsitz des L. Calpurnius Piso aufgehalten hatte (Ad familiares 9,15–26). Offenbar war der Gelehrte sogar Pisos „Hausphilosoph“. Seit langem wird daher auch vermutet, L. Calpurnius Piso sei der Besitzer der Villa dei Papiri vor den Toren Neapels gewesen. Wer aber war nun wiederum diese Persönlichkeit aus den Tagen der späten Republik? Beim Träger dieses Namens handelt es sich um keinen Geringeren als den Schwiegervater Caesars, der – wie vielleicht eher bekannt – eine Calpurnia heiratete. Calpurnius Piso der Ältere bekleidete im Jahre 58 v. Chr. das Amt des Konsuls. Er war übrigens ein erbitterter politischer Gegner Ciceros. Auch der gleichnamige Sohn dieses Mannes war kein Unbekannter in der römisch politischen Szene: Der jüngere Calpurnius Piso bekleidete unter Kaiser Augustus das Konsulat und stellte eine der markantesten Persönlichkeiten der Aristokratie dieser Zeit dar. Calpurnius Piso der Jüngere verstarb in hohem Lebensalter erst während der 30er Jahre des 1. Jhs. n. Chr. Auch wenn der großzügige Villenbesitz bei Neapel nicht ganz zweifelsfrei diesen beiden Persönlichkeiten zugewiesen werden kann, so sprechen doch mehrere Indizien dafür. Eine inschriftlich ausgewiesene Statue des jüngeren Piso kennen wir aus Oberitalien, wo er für die Stadt Velleia als Patron auftrat (Statuenzyklus in Parma). Eine Bronzebüste mit Porträtzügen exakt dieses Mannes hat sich wiederum in der Villa dei Papiri gefunden. Auch die stilistischen Anhaltspunkte der Skulpturenausstattung dieser Villa sprechen ganz allgemein für die spätrepublikanische und frühaugusteische Zeit und somit vielleicht für die angesprochenen Villenbesitzer. Die so bezeichnete „Pisonenvilla“ oder Villa dei Papiri erstreckte sich mit ihrem gewaltigen Gartenperistyl über eine Länge von 250 m zwischen den Stadtmauern Herculaneums
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und dem damaligen Küstenstreifen. Das auf einem quadratischen Unterbau (basis villae) errichtete „Herrenhaus“ der Villenanlage hat einen älteren Kern, wahrscheinlich des ausgehenden 2. Jhs. v. Chr. aufzuweisen. Die prächtige Anlage wurde demnach ursprünglich als vorstädtische Aussichtsvilla, vergleichbar der Mysterien-Villa von Pompeji errichtet (Abb. 101183). Das an den Blockbau anschließende riesige Gartenperistyl (hier im Nachbau der Villa) entstand wohl gleichzeitig mit der Aufwertung der Villa zur „Kunstsammlung“. Heutige Nachforschungen haben ergeben, dass sich dieses Gartenperistyl auf hohen Substruktionen erhob und dass im Gelände zum Meer hin mit weiteren Villenanbauten zu rechnen ist. Die Gartenanlage der Pisonenvilla gruppierte sich um ein großes Wasserbecken, das ursprünglich von Hermen und Skulpturen eingefasst war. Rabatten und Ziersträucher bildeten, nimmt man heutige Erkenntnisse römischer Villenforschungen zum Maßstab, einen Bestandteil der künstlerischen Ausgestaltung dieses Villenparks. Das sich weit erstreckende Gartenperistyl wurde durch seitliche Hallen und Wandelgänge bestimmt, die der Anlage die Grundform eines griechischen Gymnasiums verliehen. Aus den annähernd zeitgleichen Briefen Ciceros wissen wir, dass die Gelehrten und Kunstfreunde der Zeit der späten Republik gerne griechische Bezeichnungen für ihre Villenentwürfe, wie Gymnasium oder Palästra, verwendeten. Auch der Skulpturenschmuck sollte dem eines griechischen Gymnasiums angepasst werden (Cicero, Ad Atticum 1,6.2; 1,9: ornamentum gymnasiode). Auf diese Weise konnte der Anspruch auf „Welthaltigkeit“ und geistige Weite eines römischen Villenbesitzers wirkungsvoll demonstriert werden. Sowohl aus dem Kernbau als auch dem Gartenteil der Pisonenvilla stammen lebensgroße Plastiken und Skulpturen, die größtenteils Nachbildungen klassischer und hellenistischer Werke verkörpern. Die Bibliothek enthielt zudem kleine Bronzebüsten griechischer Philoso-
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Abb. 107: Pompeji: Bronzener Leuchterträger der sogenannten Casa del Efebo.
phen. Aus dem Atrium wiederum stammen mittelformatige Bronzen von Silenen, die um das Impluvium (Wasserbecken) gruppiert waren. Der Hauptteil der Bronze- und Marmorwerke stammt jedoch vom kleineren Peristyl, einer an das Haupthaus anschließenden Säulenveranda und den Flächen des großen Gartenperistyls. Innerhalb dieser zahlreichen Bildwerke heben sich nun mehrere Themengruppen voneinander ab. Zum einen fallen Dutzende marmorne und bronzene „BildnisHermen“ von Persönlichkeiten der griechischen Welt auf. Dichter, Redner und Philosophen der älteren Zeit finden sich ebenso darunter wie Herrscherpersönlichkeiten der hellenistischen Epoche. Eine weitere Gruppe
lebensgroßer Bronzeplastiken verkörpert Meisterwerke (opera nobilia) der klassischen Plastik. Darunter finden sich sowohl exakt kopierte als auch freiere Nachbildungen von Werken Polyklets oder Lysipps, deren „Erkennungsgrad“ für die gelehrte Gesellschaft Roms offenbar eine wesentliche Rolle spielte. Nur wenige Statuen und Bildnisse der Pisonenvilla vertreten hingegen römische Bildwerke oder Persönlichkeiten. Doch welche Ziele standen hinter dem „Figurenprogramm“? Die Darstellungen hellenistischer Herrscher, welche mehrfach vorkommen, bringen vielleicht die Anwartschaft Roms auf die Nachfolge des Alexanderreiches zum Ausdruck. Meisterwerke der klassischen Periode Griechenlands bekunden die Kennerschaft des Villenbesitzers in künstlerischen Angelegenheiten. Einen weiteren Themenkreis innerhalb der Großbronzen bildet die Welt des Gottes Dionysos / Bacchus und seines Gefolges. Satyrn verkörperten für den Römer die Sphäre der Natur und boten gleichzeitig einen Bezug zu Lebensgenuss und Fülle. Der Skulpturenbestand der Pisonenvilla wirkt stilistisch weitgehend homogen. Die Mehrzahl der Werkstätten, welche die Statuenkopien fertigten, dürften in frühaugusteischer Zeit gearbeitet haben. Nachzügler innerhalb des Skulpturenbestandes werden für die claudisch-neronische Zeit wahrscheinlich. Eine Bronzeherme, welche den Kopf des polykletischen Lanzenträgers (Doryphoros) formgetreu nachbildet, ist mit dem Namen des ausführenden Künstlers signiert worden: Apollonios, Sohn des Archias aus Athen. Neben solchen „internationalen“ Werkstätten wurden dem Anschein nach mehrheitlich kampanische Werkstätten mit der Ausstattung der Villa beauftragt. Solche reproduzierenden Kunstbetriebe sollten in Italien während der frühen Kaiserzeit eine führende Rolle bei Villenausstattungen spielen. Kunstwerke im griechischen Stil sollten bald darauf auch in den Häusern wohlhabender Bürger auftauchen. So stammt die annähernd lebensgroße Bronzefigur des sogenannten vergoldeten
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Leuchterträgers (Abb. 107) auch nicht aus einer Aristokratenvilla, sondern aus einem pompejanischen Bürgerhaus. 5 Die qualitätvolle Statue kann uns somit die Vermittlung der Stile von der „Welt der Großen“ hin zum bürgerlichen Ambiente aufzeigen: Die Statue klassischen Zuschnitts entstammt dem Sommertriclinium, das heißt dem offenen Speiseraum des nach dieser Figur benannten „Epheben-Hauses“ von Pompeji. In diesem Teil des Gartens wurden Feste des Hausherrn (pater familias) und seiner Familienangehörigen im Kreise Gleichgesinnter gefeiert: Noble Gesinnung sowie Anspruch auf Bildung, und sei es in Form dieses „Statuenzitates“, durften dabei nicht fehlen. Betrachten wir die Figur des Leuchterträgers hinsichtlich ihrer Formgebung: Auf den ersten Blick hin gibt sie sich so, wie klassische Athletenbilder eben aussehen. Durch ihren Aufbau und ihre Standhaltung (Kontrapost) kommt sie sogar ziemlich genau an polykletische Epheben heran. Doch woher wissen heutige Archäologen das eigentlich? Auch von den maßgeblichen Vorbildern des Bildhauers Polyklet aus dem 5. Jh. v. Chr. haben wir nur durch römische Kopien Kenntnis. Die Originalwerke Polyklets, etwa aus Olympia, haben sich dagegen nicht erhalten. Wenn wir spätere Kopien und Wiederholungen griechischer Werke untereinander vergleichen, so kommen wir bestenfalls auf stilistische Annäherungswerte. Bei römischen Auftraggebern müssen wir uns zudem fragen, für welchen Zweck die Statuenkopien eingesetzt werden sollten. Unsere Bronzestatue eines Epheben, der zusätzlich Leuchter in den Händen hielt, verkörpert zwar das Ideal schöner Begleiter beim Mahl, er vertritt die Welt des griechischen Symposions, er erhebt jedoch keinen Anspruch auf Kopiengenauigkeit: Es handelt sich in Wahrheit um einen „stummen Diener“. Nicht zufällig wirkt die Wiedergabe dieses Athletenbildes daher auch allgemein und sentimental. Von puristischen Statuennachbildungen ist dieses „Klassikzitat“ demnach weit entfernt. In der Kultur der Griechen bildeten solche Darstellungen die Sieger-
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statuen in den Heiligtümern und Wettkampfstätten. Dieses (hehre) Vorbild ist am Beispiel des Leuchterträgers aus Pompeji in den Dienst Roms getreten. Auch weitere Beobachtungen an der Figur irritieren: Dem Athleten wurde von der ausführenden Werkstatt ein weiblicher Kopf nach einem Vorbild aus dem frühen 5. Jh. v. Chr. aufgesetzt. Solche Kontaminierungen oder Zusammenstellungen (aemulationes) des „Schönen“ zählten zu den Spezialitäten römischer Werkstätten (Auctor ad Herennium). Selbstverständlich wurden entsprechende Spezialaufträge nicht für einen römischen Kunstliebhaber allein, wie etwa unseren pompejanischen Hausherrn, geschaffen. Man hat solche und ähnliche Ephebenstatuen an mehreren Orten des Imperium Romanum gefunden. Leuchterträger bilden sogar eine eigene Gattung des römischen Kunstbetriebes. Die archäologische Kunstforschung war über solche Umbildungen klassischer Statuen zunächst zutiefst befremdet. Im Museum von Neapel wird der Leuchterträger beispielsweise auch heute noch ohne seine zugehörigen Ranken gezeigt. Sicher jedoch können wir solche Statuen zu den bedeutenderen Luxusgegenständen der privaten Kunstanschauung zählen. Sie vermitteln uns – mit anderen Worten – einen unverfälschten Zugang zum römischen Geschmack.
Augustus und seine Epoche Als der Sieger von Actium seine Herrschaft in Rom auszubauen begann, sollte auch den ersten Staatsaufträgen eine besondere Bedeutung zukommen. Octavian, der ursprünglich nur einen Anteil der politischen Macht im Westen des Imperiums in Händen gehalten hatte, konnte nunmehr das Erbe Caesars im gesamten Imperium antreten. Jahre blutiger Auseinandersetzungen und des Bürgerkrieges galt es daraufhin aufzuarbeiten und zu tilgen. Auch sollte der Schatten einstiger Widersacher, vor allem jener des Marcus Antonius, verblassen. Octavian trachtete deshalb danach, sich als Sie-
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ger zu positionieren und das Gesicht der Hauptstadt nachhaltig zu verändern. Die Zielsetzungen Octavians auf dem Gebiet der Baukunst lassen sich für Rom (vielleicht) in jene individueller Maßnahmen und in jene allgemeiner Verschönerungen und Erneuerungen untergliedern. Der Euergetismus, das heißt die „Wohltäterpolitik“ Octavians bildete von Beginn an einen Eckpfeiler seiner Regierungspolitik. Für jedes dieser neuen Bauprogramme lieferte Augustus zugleich auch Vorgaben gesellschaftspolitischer oder religiöser Natur. Der Kaiser initiierte auf geschickte Weise neue Bauvorhaben, ließ jedoch auch seinen persönlichen Umkreis, vor allem seinen Freund, Berater und Feldherrn M. Vipsanius Agrippa bei vielen Bauaufträgen zu Werke gehen. Octavian wählte ein großes Gelände am palatinischen Hügel für seine künftige Residenz. Auch wenn der spätere Biograph Sueton in diesem Fall von einem „Haus des Augustus“ (Domus Augusti) spricht, so stellt dies wohl nur eine geschickt gewählte Untertreibung dar, welche die Bescheidenheit des Kaisers hervorkehren sollte. Auf dem Gelände des späteren Augustushauses befanden sich bereits vornehme Wohnbauten, welche der künftige Kaiser zunächst den Vorbesitzern abzulösen hatte (Sueton, Augustus 72). Wesentlicher noch, befanden sich Tempelbezirke der Kybele und der Victoria sowie die angebliche „Hütte des Romulus“, des einstigen Stadtgründers, in der Umgebung des Areals. Unmittelbar nach seinem Sieg über Sextus Pompeius (36 v. Chr.) sowie nach einem „göttlichen Zeichen“, wie es die Überlieferung haben möchte, beauftragte Octavian die Errichtung eines Apollo-Tempels auf eigenem Baugrund (Velleius Paterculus, Historia Romana 2,81.3; Sueton, Augustus 29.3). Dieser neue Tempel des Schutzgottes Octavians konnte im Jahre 28 v. Chr. eingeweiht werden; mit ihm waren wohl auch wesentliche Teile des Augustushauses bereits vollendet worden. Der neue Herrscher Roms residierte also inmitten der Götter und in der Nähe des „Gründungsnabels“ der Stadt.
Grabungen auf dem Gelände des Augustushauses während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und seit den 1980er Jahren erbrachten sensationelle Ergebnisse: Im Wesentlichen konnten mehrere Trakte eines Wohnbezirkes, das benachbarte Apollo-Heiligtum sowie die vorgelagerten Säulenhallen und -höfe freigelegt werden. 6 Neben den ganz offensichtlich zum Einsatz gelangten exquisiten Mauertechniken, unter anderem archaisierenden Quadermauern im Repräsentationstrakt des Hauses, kamen kostbare Marmorausstattungen zum Vorschein. Überraschend vollständig konnten große Partien freskierter Wanddekorationen in mehreren Räumen des Augustushauses freigelegt werden. Auch gelang es in den vergangenen Jahren, aus vielen Einzelfragmenten Teile der Deckenmalereien zusammenzusetzen. Diese „Malereien“ im Haus des Augustus bilden ein wichtiges Pendant zu jenen Gemälden, die bereits im 19. Jahrhundert in der oberhalb gelegenen Casa di Livia entdeckt wurden. 7 Die Arbeiten im Augustusbezirk am Palatin sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Wie die Gesamtrekonstruktion des Bezirkes und die mit ihm verbundenen inhaltlichen Fragen stellt das Augustushaus in Rom somit weiterhin ein spannendes Aufgabengebiet archäologischer Forschung dar. Der Raum mit den Piniengirlanden des Augustushauses (Abb. 108) zeigt eine schlichte Feldereinteilung, welche durch aufgemalte Holzpfeiler hervorgerufen wird. Diese befinden sich vor einer sogenannten Scherwand. Im oberen Drittel der aufgemalten Wandzonen bemerkt man, dass sich noch eine Hintergrundebene mit Säulenhallen auftut. Die Säulen und Gebälke dieser Portikus werfen starke Schlagschatten und werden perspektivisch verkürzt gezeigt. Es entsteht insgesamt der Eindruck sorgfältiger räumlicher Schichtung sowie der Verlagerung von Außenarchitektur in das Innere eines Hauses. Zwischen den Holzpfeilern des Vordergrundes befinden sich elegante, aus Pinienzweigen gebildete Girlanden. Selbst diesen Schmuckelementen dürfte eine
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Abb. 108: Rom: Haus des Augustus am Palatin. Sogenanntes Pinienzimmer.
inhaltliche Note zugekommen sein, bilden Pinienzweige doch eine Bedeutung im Kult der Kybele und des Attis. Die Malereien im Haus des Augustus können dem sogenannten Zweiten pompejanischen Stil zugerechnet werden. Doch dieser sogenannte Zweite Stil der Wanddekoration und mit ihm dessen überladener architektonischer Aufwand neigt sich zugleich auch seinem Ende zu. Vor allem die Räume der Casa di Livia sowie einige der neu zusammengesetzten Malereien des Augustushauses zeigen Mythenbilder, die als Mittelbilder in Architekturdraperien eingefügt wurden (Abb. 130229). Die Übergangsstufe zum sogenannten Dritten Stil wird aus diesen Beispielen bereits ersichtlich. Solche Wandgemälde der augusteischen Periode wurden auch neuen Inhalten unterstellt. Mit der aufkommenden Mythenmalerei und ihren Sinnbezügen sollten verstärkt Wer-
tevorstellungen aufgegriffen werden, die der neuen politischen Ordnung entsprachen. Damit kündigt sich auch im Haus des Augustus bereits an, was zu einer Hauptaufgabe der Malerei des 1. Jhs. n. Chr. werden sollte: der Mythos und seine Gestalten im Blickfeld der römischen Gesellschaft. Die Augustus-Residenz war förmlich in einen Heiligtumsbezirk eingebunden. 8 Der vom Kaiser gestiftete Apollo-Tempel am Palatin bildete mit seinem „Gegenstück“, dem erneuerten Apollo-Tempel am Marsfeld, zugleich einen wichtigen Ausgangspunkt für die augusteische Religionspolitik. Mehrere Schriftquellen sprechen von der besonderen Schönheit des Apolloheiligtums am Palatin (Ovid, Tristia 3,1.31–59; Properz 2,31; Cassius Dio 53,1.3). Im Hallenbezirk vor dem Tempel wurden altehrwürdige Kunstwerke, wie etwa die „Kuh
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Abb. 109: Sorrent: Reliefbasis mit der Darstellung der Apollinischen Trias.
Myrons“ aufgestellt, die nicht zuletzt den friedfertigen Aspekt des Platzes betonen sollten. Auf den Gesichtspunkt der Sühne und zugleich der Reinigung von der Blutschuld der Bürgerkriege konnten hingegen die Darstellungen der Danaiden verweisen, die der Portikus ihren Namen verliehen. Die Töchter des Danaos hatten in Ägypten ihre Männer in der Hochzeitsnacht ermordet und mussten daraufhin in der Unterwelt zur Strafe Wasser aus löchrigen Krügen schöpfen. Man glaubt in jüngster Zeit, die Darstellungen der Danaiden anhand einiger Basalthermen im Antiquarium des Palatin nachweisen zu können. 9 Andere Kunstwerke legen indirekt Zeugnis vom Skulpturenprogramm im Apolloheiligtum ab. Eine Reliefbasis aus Sorrent zeigt auf ihrer Schmalseite jene Trias (Abb. 109), die im Apollo-Tempel auf dem Palatin verehrt wurde. 10 Zu sehen sind Diana, Apollo sowie Latona / Leto, die Mutter des göttlichen Geschwister-
paares. Nach literarischem Zeugnis handelte es sich dabei um spätklassische Kultbilder, die nach Rom transferiert wurden. Auch die Namen der Bildhauer Skopas, Kephisodot und Timotheos werden in diesem Zusammenhang genannt. Augustus hat also seinen Marmortempel auf dem Palatin durch ältere Kultbilder nobilitiert. Es ist geradezu bezeichnend, dass im Falle dieser Tempelneugründung ältere, aus Griechenland nach Rom verbrachte Götterbilder dessen besonderen Status hervorkehren sollten. Im Vordergrund des Reliefs kauert Sibylle. Über diese wichtige Quelle der Weissagung berichtet wiederum Sueton (Augustus 31), dass die Sibyllinischen Bücher durch Augustus vom Tempel des Iuppiter Capitolinus in den neuen Apollo-Tempel am Palatin transferiert wurden. Zu den wichtigsten und gleichzeitig beliebtesten Bauten für die städtische Bevölkerung zählten während der Kaiserzeit die Theater. Diese konnten in Rom in baulicher Hinsicht jedoch erst spät Gestalt annehmen; zu sehr vermied man während der Republik feste Einrichtungen für Massenveranstaltungen. Lange Zeit hindurch hatte man für die Theateraufführungen und Spiele wieder abtragbare, hölzerne Tribünen für die Zuschauer verwendet: Erst Pompeius konnte schließlich mit seinem Steintheater für Rom neue Maßstäbe setzen (Abb. 99181). Beim Pompeius-Theater wurde der Konstruktion des ansteigenden Zuschauerraumes und seiner inneren Tonnengewölbe erstmals ein massiver, halbrunder Außenbau vorgebildet. Dies spiegelt ausdrucksvoll den damaligen Entwicklungstand der Architektur wider. Die römische Bautechnik war im Falle künftiger Theater nicht mehr darauf angewiesen, den Zuschauerraum auf das Gefälle eines Hügels zu verlegen. Zukunftsweisend wurde damit ein neuer Bautypus geschaffen, dessen äußere Schauseite aus übereinandergestellten Bogenstellungen zwischen Halbsäulenordnungen bestand. Rom war am Beginn der augusteischen Zeit noch nicht gerade reich bestückt mit Spiel-
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Abb. 110: Rom: Marcellus-Theater und sogenannter Apollo-Sosianus-Tempel am Marsfeld.
stätten. Es ist bezeichnend, dass bereits Caesar mit den Vorarbeiten zu jenem Bau begonnen hatte, der uns heute als Marcellus-Theater (Abb. 110) bekannt ist und den Augustus unter dem Namen seines früh verstorbenen Neffen Marcellus vollenden ließ (Res gestae 21). Bei den Saecularspielen des Jahres 17 v. Chr. kam dem eben fertig gestellten Marcellus-Theater bereits eine wichtige Rolle zu. Mit der uns erhaltenen Außenfassade des Marcellus-Theaters in Rom wird die Erfahrung römischer Bautechnik und der neuen Konstruktionsformen eindrucksvoll zur Geltung gebracht. 11 Die einzelnen Bogenstellungen, ein römisches Architekturmotiv also, und deren Rahmung durch Halbsäulen werden nun in eine Geschossordnung gestellt. Dabei hielt man sich an einen Architekturkanon, indem man dorische, ionische und korinthische Halbsäulen beziehungsweise Pilaster übereinander stellte. Die oberste Etage des ursprünglich über 32 m hohen Fassadenaufbaues des MarcellusTheaters ist lediglich durch die Fenstergliederung des (neuzeitlich) im Theater eingenisteten Palazzo verändert worden. Im antiken Zustand ist an deren Stelle an eine Attikazone
zu denken, deren Wandfläche Pilaster korinthischer Ordnung vorgeblendet waren. Das Prinzip der römischen Geschossordnung wurde nicht erst am Marcellus-Theater entwickelt; es findet sich bei diesem jedoch mustergültig vorgeführt. Die massiven Travertinblöcke der halbrunden Außenfassade des Theaterbaus wurden nach einem genau kalkulierten Bausatzprinzip vorgefertigt. Vertikal übereinandergeschichtet lagern die Blöcke für Pfeiler und Halbsäulen, Keilsteine spannen sich radial zu den Bögen, (isodome) Quader bilden die Gebälksordnung für die Zwischengeschosse. Die Feinarbeiten des Steinschnitts wurden an der bereits aufgebauten Fassade vollzogen. Durch dieses aufwendige Konstruktionsprinzip wird das dahinterliegende Gussmauerwerk für die nach innen führenden Tonnengewölbe quasi verdeckt. Die römische Baukunst unterscheidet somit zwischen der technischen Ausführung eines Gebäudekörpers und der äußeren Ästhetik einer Fassade. Bei der konstruktiven Logik, die auch heute noch von diesem Theaterbau ausgeht, ist es umso bedauerlicher, dass uns die innere Bühnenwand (scenae frons) des Marcellus-Theaters
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Abb. 111: Rom: Fries des Apollo-Sosianus-Tempels. Ausschnitt mit der Darstellung eines Triumphzuges.
nicht erhalten geblieben ist. Die Wirkung der mehrgeschossigen, sicher durch Buntmarmor gesteigerten Säulenfront, wird überwältigend gewesen sein. Gleich gegenüber dem Marcellus-Theater befinden sich das Podium sowie drei wieder aufgerichtete Marmorsäulen des Apollo-in-circo beziehungsweise Apollo-Sosianus-Tempels, dessen weit zurückreichende Geschichte uns bereits beschäftigt hat (Abb. 110203 rechts). Die Säulen und die Gebälkordnung dieses aus strahlend weißem lunensischem Marmor errichteten Sakralbaus legen auch heute noch Zeugnis von seiner ursprünglichen Wirkung ab. Der Apollo-Tempel auf dem Marsfeld gibt einen wichtigen Abschnitt für die Kunsterneuerung sowie der Religionspolitik des Augustus wieder. 12 Die Anfänge der Erneuerung dieses Marmortempels führen uns auf die bewegten Jahre vor der Schlacht von Actium (31 v. Chr.) zurück, als der damalige Konsul Gaius Sosius die Arbeiten zu diesem Tempel in Auftrag gab. Sosius, der im Jahre 32 v. Chr. seinen Sieg über Judäa feiern konnte, geriet jedoch als erklärter Anhänger des Marcus Antonius in Gegnerschaft zu Octavian. Dieser hatte ihm zwar nach der „Wende von Actium“ formell verziehen, die Ausführung des Apollo-Tempels und seiner prachtvollen Innenausstattung unterstanden von nun an jedoch den Vorgaben des neuen Machthabers. Der Fries vom Inneren der Tempelcella
stellt einen römischen Triumphzug dar (Abb. 111). 13 Am linken Rand des Friesblockes erkennt man ein Tragegerüst (ferculum), auf dem zwei gefesselte Barbaren kauern. Zwischen den Kriegsgefangenen befindet sich ein Siegesmal, ein Tropaion (tropaeum). Staatsdiener schicken sich an, das Tragegerüst für den weiteren Verlauf des Triumphzuges aufzuheben. Ein Trompetenbläser gibt Signale zur Fortführung des Zuges. Rechts im Fries folgen festlich mit Binden geschmückte Opferstiere, die von Opferdienern (victimarii) geführt werden. Diese tragen, recht anschaulich, Opfermesser und -beile für das blutige Tieropfer mit sich. Nach unten zu wird das Triumphalrelief von einem wohlgeordneten Akanthusfries samt Perlstab abgeschlossen. Die Kennzeichnung der hier dargestellten Barbaren hat dazu geführt, an Völkerschaften an der Donau oder im illyrischen Raum zu denken. Octavian konnte im Jahre 29 v. Chr. seinen dreifachen Triumph gegen Marcus Antonius, über Ägypten sowie gegen Dalmatien und Pannonien feiern. Diesem Ereignis folgen die Friesdarstellungen vom Apollo-Tempel am Marsfeld ganz offenkundig. Der Aufbau des Zuges erfolgt innerhalb einer flachen Raumbühne. Der Figurenstil ist dabei durchaus plastisch und schwankt zwischen strenger Kompositionsvorgabe und lebendigen Einzelszenen. Man gewinnt den Eindruck etwas disparater Erzählmittel. Vergleicht man damit den wahrscheinlich etwas älteren Figurenfries von der Basilica Aemilia (Abb. 63127)
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Abb. 112: Mallorca: Porträt des Octavian.
und weiterhin die jüngeren, durchkomponierten Reliefs der Ara Pacis (Abb. 121216), so nimmt dieser Fries vom Apollo-Tempel am Marsfeld eine zeitliche wie auch stilistische Zwischenstellung ein. Über die weitere Ausstattung des ApolloTempels mit älteren Skulpturen aus Griechenland ließe sich noch mehr erzählen: Sogar die Giebelgruppe dieses augusteischen Sakralbaus, welche die Darstellung eines Amazonenkampfes zeigt, wurde einem klassischen griechischen Tempel entnommen. 14 Ganz im Sinne traditioneller römischer Triumphalkunst präsentierte sich der Apollobezirk am Marsfeld nach seiner frühaugusteischen Erneuerung geradezu als Aufbewahrungsstätte für gefeierte Werke der Plastik. Für Octavian, den späteren Kaiser Augustus, bildeten solche exempla jedoch vorwiegend Symbole einer sich erneuernden Staatskunst. Das „Goldene Zeitalter“ (aurea aetas),
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wie es kurz darauf von der höfischen Dichtung propagiert werden sollte, konnte sich im Nebeneinander alter glanzvoller Werke der Bildkunst und der überragenden Wirkung seiner zeitgenössischen Marmortempel widerspiegeln. Bevor der Kaiser zum „Erhabenen“ wurde und sein Porträt zeitlose Züge annehmen sollte, gilt es für die Entwicklung der Kunstformen im Römischen Reich eine interessante Zwischenperiode zu berücksichtigen. Nicht nur innerhalb der Bildnisgattungen, sondern auch innerhalb der Reliefdarstellungen hatte nämlich die römische Auftragskunst noch allzu enge Anlehnungen an den hellenistischen Geschmack abzustreifen. Die Forschung der letzten Jahrzehnte betont zu Recht, dass dieser Stilwandel nicht zuletzt aus politischem Kalkül vollzogen wurde. Für die Festigung der von Augustus geschaffenen Ordnung war es durchaus logisch, die „Gewänder“ der krisengeschüttelten Vorperiode abzulegen: Die Zeugnisse der Zeit Octavians (44–27 v. Chr.) stellen sich daher in anderem Licht dar als jene der Prinzipatszeit des Augstus (27 v. Chr.–14 n. Chr.). Octavian hatte nicht zuletzt seine eigene gewalttätige Vergangenheit aufzuarbeiten. Die Veränderungen, welche die Bildnisse des Octavian hin zu Augustus auszeichnen sollten, sprechen diesbezüglich eine beredte Sprache. So überraschen die Jugendbildnisse Octavians durch ihren lebendigen und forschen Ausdruck. Octavian hatte sich zu jener Zeit als Erbe Caesars und als Befehlshaber der römischen Westprovinzen mehreren Konkurrenten zu stellen. Er tut dies in auftrumpfender Gebärde. Davon erzählen nicht zuletzt seine offiziellen Porträts und Münzdarstellungen. Wahrscheinlich bereits Ende des 17. Jahrhunderts wurde in Alcudia, dem antiken Pollentia auf Mallorca, ein ungewöhnlicher Bildniskopf gefunden (Abb. 112). 15 Dieser Kopf war ursprünglich als Einsatzkopf für eine Togastatue vorgesehen. Das belegt auch der Zipfel der Toga, der über das Haupt gezogen ist (capite velato) und der den hier dargestellten jugendlichen Mann als
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Abb. 113: Arles: Modell der römischen Stadtanlage.
Opfernden darstellte. Die Verbindung dieses Kopfes mit Octavian belegen frühe Münzprägungen, die dessen auffälligen Frisurenschnitt wiedergeben. Die aufgebauschte Form des vorderen Haarschopfes, der aus seiner Kopfneigung wie herausfordernd geformte Blick orientieren sich deutlich an pathetischen Formeln der späten Republik. Auch der plastisch bestimmte, zugleich vordrängende Modus des Kopfes schließt nahtlos an die Traditionen hellenistischer Herrscherbildnisse an. Dennoch ist der sogenannte Mallorca-Kopf weniger individuell, als man vielleicht meinen möchte: Er ist, nimmt man die Bildnisse Octavians von anderen Fundorten hinzu, nach äußeren Gesichtspunkten zu Zwecken politischer Repräsentation gearbeitet worden. Selbst in der frühen Periode Octavians glaubt man also, bestimmte Porträttypen des jugendlichen Herrschers fest-
halten zu können, die wahrscheinlich nach maßgeblichen Ehrenstatuen in Rom gefertigt wurden.
Provinzen Das Römische Reich bildete eine Zentralmacht, die von der Vielfalt und Prosperität seiner Städte und ihres Umlandes lebte. Ein Blick auf den bereits in republikanischer Zeit römisch geprägten Westen und hier auf das Gebiet der Narbonensis (größtenteils heutige Provence) mag dies erklären. Viele Städte der Westprovinzen wurden in augusteischer Zeit neu gegründet und erhielten ab diesem Zeitpunkt ihr urbanes Grundmuster sowie ihre wichtigsten öffentlichen Gebäude. Der monumentale Ausbau der Städte im Westen des Reiches er-
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Abb. 114: Nîmes: Die sogenannte Maison Carrée, der Tempel am Forum.
folgte dann während der frühen und mittleren Kaiserzeit. Im Gegensatz zu einigen Gebieten etwa Nordafrikas, in denen wirtschaftliche Einbrüche vor allem während des 3. Jhs. n. Chr. spürbar werden, hält der Zustand einer wirtschaftlichen Entfaltung in den Westprovinzen zumindest bis ins 4. Jh. n. Chr. an. Das Modell von Arleate (Arles) bewahrt so die Größenordnung eines gewachsenen urbanen Zentrums am Fluss der Rhône (Abb. 113). 16 Die günstige Flussverbindung und die traditionsreiche Ansiedlung als bedeutender Umschlagplatz der Waren, sichtbar gemacht im Modell durch die der Altstadt gegenüber liegenden Hafendocks, bildeten das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt. Bereits in der Regierungszeit des Augustus wurde eine systematische Anlage des städtischen Zentrums geschaffen, die sich durch ein regelmäßiges Straßennetz ausdrückt. Sichtbar am unteren Rand des Modells wird eine Stadtbefestigung mit mächtiger Toranlage im Osten (Porte d’Au’ guste). Ein einmal geknickter Hauptstraßenzug (Decumanus) führt zwischen Amphitheater
und Theateranlage direkt auf das Forum und den Bezirk des Haupttempels zu. Die meisten Städte Oberitaliens, Südfrankreichs und Spaniens wurden nach einem vergleichbaren Planschema angelegt, das im Zentrum alle wesentlichen Markt-, Verwaltungsund Sakralbauten vereinigt. Kennzeichnend ist, dass nach diesem Anlageschema des Forums der Tempelbezirk (Capitolium) und die Basilika (Verwaltungs- und Marktbau) einander gegenüberliegen. Von den Tempelanlagen der augusteischen Epoche hat sich der Forums-Tempel in Nîmes (Nemausus) am besten über die Jahrhunderte erhalten. 17 Einer alten Bezeichnung nach ist er besser als Maison Carrée bekannt (Abb. 114). Der Haupttempel von Nîmes orientiert sich deutlich an Vorgaben, die in Rom für die Sakralkunst entwickelt wurden. Daher werden an diesem Sakralbau nicht nur allgemeine Bauordnungen und Proportionsmuster sichtbar, der Tempel ist vielmehr zugleich Zeugnis für die Bemühungen jener Zeit, neue Prinzipien der Baukunst in die Provinzen zu tragen. So
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wie die augusteischen Tempelanlagen in Rom verkörpert die Maison Carrée einen Pseudoperipteros. Das bedeutet, dass die Ringhalle (Peristase) des Tempels direkt mit den Cellawänden verbunden wird und die Säulen nur im Bereich der Vorhalle freigestellt sind. Das Prinzip eines solchen Tempels stellt zwar keine rein römische Erfindung dar, die Grundform wird jedoch ab der Kaiserzeit bei vielen Tempelanlagen zur Anwendung gebracht. Aus spätrepublikanischer Zeit steht uns der Portunus-Tempel am Rindermarkt vor Augen, der bereits dieses Prinzip vertritt (Abb. 86167). Die Unterschiede der Materialien und Größenordnungen beider Tempel führen uns jedoch umso deutlicher die qualitative Steigerung der Baukunst in augusteischer Zeit vor Augen. Die Säulenreihen der Maison Carrée legen sich wie beim griechischen Tempel quasi als „Kranz“ um die Cella, wobei der Hauptraum des Tempels wie ein kostbares Gehäuse festgehalten wird. Eine Kombination von römischem Tempelgrundriss mit tiefer Vorhalle und griechisch empfundener Architekturordnung wird sichtlich angestrebt. Rein römisch wirkt hingegen die Durchbildung der krautig wuchernden korinthischen Akanthuskapitelle und des darüber gelagerten Akanthusfrieses. Für einzelne Bauglieder dieses Tempels wurden Modellformen aus Rom herbeigeschafft. Vorgaben wie jene der „Musterkapitelle“ aus der Hauptstadt und die Möglichkeiten der ortsansässigen Bauhütten kommen bei diesem Bau zusammen. Der Tempel in Nîmes entstand im Zusammenhang jener Initiativen, die Marcus Agrippa für die Provinz geplant hatte (ca. 20 v. Chr.). Davon spricht auch eine erste Bauinschrift dieses Forums-Tempels, die später gelöscht wurde. Die Stiftlöcher für die Bronzebuchstaben der ersten Inschrift haben sich allerdings erhalten, sodass deren Inhalt entschlüsselt werden konnte. Der Bau wurde nach einer erneuerten Inschrift zu Ehren der Thronerben Gaius und Lucius Caesar, der Söhne des Agrippa, nach dem Tode des Vaters neu eingeweiht. Der Haupt-
tempel von Nîmes war also zugleich für den aufkommenden Herrscherkult bestimmt. Das antike Nemausus bildete am Ende des 1. Jhs. v. Chr. eine bereits romanisierte gallische Siedlung, welcher – wie mehreren anderen Städten auch – im Jahre 28 v. Chr. der Status einer römischen Kolonie verliehen wurde. Die Städte wuchsen zu ihrer Anfangszeit durch die gezielte Ansiedlung von Kriegsveteranen und deren Familien. Augustus und Marcus Agrippa förderten auf diese Weise die Romanisierung der Provinz und erwiesen sich so als Erben Caesars. Als Maßstab für den Ausbau der Provinz können jene Bauwerke gelten, welche die langen Jahrhunderte beinahe unbeschadet überstanden haben. Es sind zugleich jene Bauwerke, die uns den technischen Perfektionsgrad römischer Architektur vorführen: Die Bogenkonstruktion für die Wasserleitung nach Nemausus ist besser als Pont du Gard bekannt (Abb. 115). Der Pont du Gard gehört zu jenen Bauwerken, die Jedermann bekannt sein dürften: Als Synonym jener Leistungen einer römischen Ingenieurskunst findet sich der sogenannte Pont du Gard heute sogar auf dem Fünf-Euro-Schein. Um die Stadt Nîmes ausreichend mit Wasser zu versorgen, musste der 50 km lange Verlauf einer Wasserleitung eingeplant werden. Diese führte von Uzès (Luftlinie Uzès–Nîmes lediglich 20 km) über größtenteils gebirgiges Gelände. Ein Gutteil der Wasserrinne wurde unterirdisch in den Felsen gehauen. Flusstäler wie jenes des Gardon (Vardo fluvius) mussten hingegen mit einer Brückenkonstruktion überspannt werden. 18 Die mächtige Bogenkonstruktion erfüllte dabei mehrere Aufgaben. Offensichtlich ist der Nutzwert einer solchen Konstruktion, aber auch das Muster einer römischen Bauordnung und die ihr innewohnende Ästhetik konnten so zum Ausdruck gebracht werden. Die Bogenkonstruktion ist 49 m hoch und umfasst drei unterschiedlich gestufte Etagen. Die unteren und mittleren Bogenstellungen erreichen eine Höhe von 22 beziehungsweise 20 m mit sechs beziehungsweise elf
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Abb. 115: Der »Pont du Gard«, die römische Wasserleitung nach Nîmes/Nemausus.
Bögen. Die obere Ebene ist lediglich 7 m hoch und bildet auf einer Länge von 275 m 35 Bögen aus: Oberhalb verläuft das Gerinne der Wasserleitung. Das gesamte Gefälle zwischen der Quelle und dem Wasserverteiler der Stadt beträgt lediglich 12 m. Das bedeutet, dass ein durchschnittliches Gefälle von lediglich 24 cm pro km eingehalten werden musste! Auf welche
Weise römische Zivilingenieure diese hochkomplizierte Berechnung anstellten, bleibt bis heute ungeklärt. Für eine Stadt wie Nîmes flossen täglich etwa 20 000 Kubikmeter Wasser in ein Wasserreservoir: bei ca. 20 000 Einwohnern der Stadt ein wahrhaft stolzer Wasserverbrauch, der deutlich an moderne Kapazitäten heranreicht. Der Aquädukt bildet eine technische Leis-
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Abb. 116: La Turbie: Siegesmonument des Augustus.
tung der besonderen Art. Die Brücke ist in Quaderbauweise errichtet worden. Lokal anstehender Muschelkalk diente als Material für die unzähligen Blöcke, die ohne Klammerverbindung, nur durch den Druck der Reibkräfte übereinander gehalten werden. Die Technik der Bogenkonstruktion in ästhetisch ansprechender Stufung ist innerhalb der römischen Baukunst lange erprobt worden. Überall an den Bogenkonstruktionen ragen unregelmäßige Steine hervor (Kragebossen), an denen während der Konstruktion die Baugerüste verankert waren. Lange hat gegolten, dass der Pont du Gard zu jenen Konstruktionen zählt, die bereits in die Zeit des Marcus Agrippa und seiner Tätigkeit für die Narbonensis fallen (19 v. Chr.). Neuere Überlegungen halten eine Ausführung des Baues während des 1. Jhs. n. Chr. für wahrscheinlicher. Mit einem weithin sichtbaren Siegesmonument des Augustus an der „Pforte“ zur (Pro-
vinz) Narbonensis kehren wir wiederum in die entscheidende Phase des Ausbaues der Westprovinzen zurück. Die architektonischen Reste dieses gewaltigen Rundbaues liegen im Gebiet der Seealpen oberhalb von Monaco. Das Tropaeum Alpium wurde nach der Unterwerfung zahlreicher keltischer Stämme während der Alpenfeldzüge des Tiberius und Drusus in den Jahren 16/15 v. Chr. errichtet (Abb. 116). 19 Die Ausführung dieses Siegesmonumentes zu Ehren des Kaisers Augustus zog sich bis 7/6 v. Chr. hin. Die Inschrift nennt namentlich jene Gallierstämme, welche vom römischen Heer besiegt wurden. Die Inschriftentafel blieb am Siegesmonument in Bruchstücken erhalten und konnte rekonstruiert werden, weil Plinius der Ältere sie in seiner Naturgeschichte (Naturalis historiae 3,133) vollständig wiedergibt. 20 Das in seinem antiken Zustand 50 m hohe Siegesmonument (heute ca. 35 m) besteht aus einem Sockelbau (Seitenlänge 38 m) und einem darüber gesetzten zylinderförmigen Rundbau, der von einem Säulenkranz umzogen ist. In den Nischen des Rundbaues befanden sich einst Statuen der an den Alpenfeldzügen beteiligten Kommandanten. Das nach oben hin mit einem Metopen-Triglyphen-Fries abgeschlossene Gebälk der 24 massiven dorischen Säulen setzte sich in einer Überkuppelung des Siegesmonumentes fort. Diese Abdeckung verjüngte sich stufenförmig nach oben zu und bildete so einen gestuften Kegel. Eine monumentale Statue des Imperators bekrönte einst dieses Staatsmonument. Die massive Baukonstruktion diente in den nachantiken Jahrhunderten mehrfach als Grenzfestung und später auch als Steinbruch. Vermutlich im Jahre 1680 wurde das Monument einer Sprengung ausgesetzt. Die in den 1930er Jahren ausgeführten Teilrekonstruktionen und Sicherungen konnten die äußere Form des augusteischen Siegesmonumentes bewahren, sodass die Wirkung des Tropaeum Alpium größtenteils erhalten blieb. Bis zu einem gewissen Punkt eigenwillig
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präsentieren sich die architektonischen Bestandteile dieses Baues: Assoziationen mit einem Grabtumulus oder gar dem berühmten Mausoleum von Halikarnass, einem der antiken Weltwunder, stellen sich ein. Zumindest bietet die Schilderung dieses kleinasiatischen Fürstengrabes durch den augusteischen Architekten Vitruv den zeitgleichen Rahmen für solche Vorstellungen. Zu erinnern ist schließlich auch an jenen Grabbau, den Octavian bereits zu Beginn seiner Herrschaft für sich und seine Familienangehörigen am römischen Marsfeld errichten ließ. Der mit einem Memorialbau vergleichbare Charakter des Tropaeum Alpium lässt dieses als Monument der Zeitgeschichte und ihrer Heroen erscheinen. Bei diesem Vergleich ist daran zu erinnern, dass sich auch die Größen der römischen Republik mehrfach gewaltige Grabmonumente errichten ließen (z. B. Munatius Plancus in Gaeta, Caecilia Metella in Rom), die den römischen Bürgern einen Bedeutungsmaßstab vorhalten sollten. Für einen Bau in der Provinz ist es jedoch das „Hoheitszeichen“ Roms und seines Kaisers, das der gesamten Gegend seinen Stempel aufdrücken sollte.
Augustus und die Hauptstadt Der Bebauung und zugleich Erneuerung der Hauptstadt Rom ließ Augustus sein besonderes Augenmerk gelten. 21 Die vom Kaiser in seiner Hauptstadt geförderten neuen Bauten hatten unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen: Kündeten die erneuerten Tempelanlagen von der auctoritas der Götter, dem von ihnen ausgehenden Schutz, so bezeugten die neu gestalteten Plätze und Versammlungsbauten die Weltläufigkeit und Eleganz Roms. Beträchtlich war entsprechend auch die Anzahl politischer Denkmäler, welche auf dem Gelände des Forum Romanum, des Augustusforums und auf dem Marsfeld entstanden. Eine „Stadt aus Marmor“ (Sueton, Augustus) sollte es nach dem Willen des Augustus werden. Mehr noch: Für
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die Staatsbauten wurden neue „Zonen“ erschlossen, die über die Einteilung des alten republikanischen Rom hinausgingen. Durch die Vielfalt und Großzügigkeit dieser Baumaßnahmen sollte zugleich ein Interessensausgleich der Gesellschaft vorgeführt werden. Nicht privater Luxus, sondern öffentliche Pracht bildete das unausgesprochene Motto dieses Zeitalters. Man wird aus heutiger Sicht auch festhalten, dass sich der Typenvorrat der römischen Architektur in augusteischer Zeit vergrößerte. Natürlich wurden einzelne Gebäude dieses augusteischen Zeitalters an Größe und hinsichtlich ihrer Funktionalität später übertroffen. Dennoch gaben viele der augusteischen Bauten einen Maßstab für künftige Entwicklungen auf dem Gebiet der Architektur ab. Der Formenvielfalt der Architektur entsprach ein klares Konzept des Bauschmucks sowie der statuarischen und malerischen Ausstattung der Gebäude. Die Forschung betont zu Recht die „Programmatik“ der augusteischen Bildkunst (Tonio Hölscher). Diese bedient sich einer neuen Symbolsprache und in gleicher Weise zentraler Gestalten des Mythos und der römischen Geschichte. Als Personifikationen des augusteischen Zeitalters können etwa Pax (Friede), Concordia (Eintracht), Fortuna (Glück) oder Salus (Heil) gelten. Mit Hilfe dieser staatlichen Kulte konnten ohne Weiteres Bedeutungsmaßstäbe für die Gesellschaft vorgegeben und insgesamt ein Wandel der politischen Gesinnung zum Ausdruck gebracht werden. Gesellschaftliches Kalkül kann ebenso hinter den meisten Baumaßnahmen augusteischer Zeit angenommen werden. Ob Kaiserforum, Theater oder Thermenanlage: Alle diese Bauten schufen der Bevölkerung Orte der Begegnung und des öffentlichen Diskurses. Gerade Versammlungsbauten wie die Amphitheater ließen Freiräume zu und konnten darüber hinaus ein Ventil für aufgestauten sozialen Unmut abgeben. Die Wasserbauten für Rom und die Städte des Reiches belegen bis heute enormes technisches Können der römischen Zivilingenieure. Aquädukte bil-
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Abb. 117: Rom, Marsfeld: Obelisk (Gnomon), Ara Pacis und Mausoleum.
deten in der damaligen Zeit die Voraussetzung für ausreichende Wasserversorgung, wohnlichen Komfort sowie für die Wasserkünste in den Gärten der Reichen und den Parks der Städte. Eine besondere Note kam dabei jenen Bauten zu, die der Kaiser im eigenen Namen oder über den Umweg senatorischer Zweckwidmungen errichten ließ. Die große Fläche des nördlichen Marsfeldes mit dem Mausoleum Augusti, dem Horologium Solarium Augusti (Sonnenuhr) und der Ara Pacis ist dafür Zeuge (Abb. 117). Jene an die 10 000 qm einnehmende, gepflasterte Fläche, die sich einst zwischen dem Grabbau des Augustus und dem vom Senat initiierten Friedensaltar erstreckte, diente der Konstruktion einer Sonnenuhr. Ein aus dem Ägypten der Pharaonen nach Rom verbrachter Obelisk warf als Zeiger (Gnomon) seinen Schlagschatten auf Liniennetze, die aus Metall geformt in die Bodenpflasterung eingelassen waren. Der Systematik dieser Linien und Ziffern konnte der Betrachter den Stundenverlauf des Tages und darüber hinaus Angaben zum Jahresverlauf entnehmen. Der Nachweis dieser Anlage ist Forschern des Deutschen Archäologischen Instituts vor zirka 30 Jahren gelungen. Nach der Aufdeckung von Metallstegen in Teilen der antiken Pflasterung sowie der Zuordnung des Obelisken an seinen ursprünglichen Standort konnten die Besonderheiten dieser spektakulären Anlage ausgelotet werden. 22 Dabei wurde auch ersichtlich, dass selbst der Standort des Augustus-Mausoleums sowie jener der Ara Pacis in bewusst gewähltem Bezug zur monumentalen Sonnenuhr standen.
Octavian beauftragte die Errichtung seines eigenen Grabbaues bereits zu Beginn seines Herrschaftsantrittes, nämlich im Jahr 29 v. Chr. Dieser Grabbau bildet, in der Nähe des Tiber gelegen, ein auch heute noch weithin sichtbares Monument. Die ursprüngliche Anlage bildete oberhalb der zylindrisch angelegten Umfassungsmauern einen kegelförmigen Abschluss, der als Erdaufschüttung zu denken ist. 23 Der Grabbezirk erreichte ursprünglich die stattliche Höhe von 30 m. Ein Vergleich mit den Heroengräbern der Vorzeit, die als Tumulusgräber gebildet waren, lässt sich auf diese Weise herstellen. Auf dem Marsfeld hatten sich der Überlieferung nach die Gräber der etruskischen Könige befunden. Es ist durchaus denkbar, dass der Grabbau des Augustus darauf Bezug nimmt. Nach Meinung der meisten Forscher bildet jedoch die Grablege Alexanders des Großen in Alexandria einen Bezugspunkt zum Mausoleum des ersten römischen Kaisers. Vor dem Eingang in den Grabbezirk ließ Augustus jene bronzenen Inschriftentafeln aufstellen, die als sein persönlicher Rechenschaftsbericht gelten können: die Res Gestae. Das für das augusteische Staatswesen bedeutendste Monument im nördlichen Teil des Marsfeldes bildete freilich die Ara Pacis Augustae (Abb. 119214). Der Friedensaltar verkörpert einen von Schranken eingefassten Bezirk mit innen befindlicher Altaranlage (templum) für die Friedensgöttin Pax, jedoch ohne zugehörigen Tempelbau. Auf diesen reich mit Reliefs ausgestatteten Altarbezirk warf der Obelisk als Zeiger der Sonnenuhr an bestimmten Tagen seine Schattenspur (Abb. 118). Einzelne in das
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Pflaster eingelassene Metalllinien der Sonnenuhr stellten eine Verbindung mit der Ara Pacis her: die Äquinoktienlinie, die durch die Mitte des Friedensaltares lief, und die Linie der Wintersonnenwende. An den Herbstäquinoktien, dem Beginn des Sternzeichens der Waage, wurde der Geburtstag des Kaisers gefeiert und neun Monate vorher der Tag seiner Empfängnis. Damit sollte ein astronomischer Bezug zum Festkalender des Kaisershauses hergestellt werden. Die Anlage fungiert in ihrer Gesamtausrichtung gewissermaßen als Horoskop einer Zeitenwende. Die Bestandteile, die Eduard Buchner für das Horologium Solarium Augusti nachweisen konnte, zählen 30 Jahre nach deren Wiederentdeckung noch immer zu den wichtigsten Ergebnissen topographischer Forschung in Rom. 24 Hinweise auf das Horologium erbrachten schon vorher Aussagen wie jene bei Plinius (Naturalis historiae 36,72), die einen gewaltigen, aus Ägypten herbeigeschafften Obelisken als Besonderheit anführen. Im Jahre 1748 konnte der Obelisk bei Ausschachtungsarbeiten in Rom an seinem ursprünglichen Standort angetroffen werden. Er wurde Jahrzehnte später, nämlich 1792 – allerdings örtlich versetzt – vor dem Palazzo Montecitorio, dem heutigen italienischen Parlamentsgebäude, wieder aufgestellt. Der ca. 22 m hohe Obelisk stammt aus der Regierungszeit des Pharao Psammetich II. (6. Jh. v. Chr.), demnach also aus der Spätzeit des alten Ägypten. Ursprünglich dürfte der Obelisk in Rom mit seinem Sockelunterbau und seiner vergoldeten Spitze (Kugel) 29,40 m erreicht haben; er entsprach somit 100 römischen Fuß. Die Inschrift auf dem Sockel des Obelisken nennt die Ämter des Augustus in der Zeit zwischen 10 und 9 v. Chr. (CIL VI 702), wodurch auch die Vollendung der Sonnenuhr auf diesen Zeitraum einzugrenzen ist. Im Jahre 9 v. Chr. konnte die Ara Pacis ebenfalls vollendet werden. Der Obelisk als ein monumentales Beutestück aus dem eroberten Ägypten diente der Zeitmessung im „Friedenszeitalter“ des Augustus. Gemeinsam mit der Ara Pacis und dem
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Abb. 118: Rom, Marsfeld: Obelisk auf der Piazza Montecitorio.
Grabbau des Kaisers bildete die Sonnenuhr einen kosmischen Bezugspunkt inmitten dieses Festplatzes. Selten ist ein neues Zeitalter dermaßen inszeniert worden. Seit wenigen Jahren steht die Ara Pacis Augustae auf einem neuen Platz: Sie befindet sich in einem von der Bevölkerung kontrovers aufgenommenen Museumsbau des Schweizer Architekten Richard Meier unmittelbar am Tiberufer (Lungotevere / Ecke Via Tomacelli) in Rom (Abb. 119). Unmittelbar daneben liegt der Rundbau des Augustus-Mausoleums. Der Altar beziehungsweise das Museo dell’Ara ’ Pacis wurden auf diese Weise in eine optische Verbin-
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Abb. 119: Rom: Ara Pacis.
dung zum Mausoleum des Kaisers gestellt, was zwar nicht den antiken Verhältnissen entspricht, jedoch eine logische Brücke innerhalb der heutigen Topografie der Stadt Rom darstellt. Zuvor befand sich der in großen Teilen rekonstruierte Friedensaltar etwas versetzt in einem umstrittenen Schutzbau, der 1938 in Anwesenheit Mussolinis im Rahmen eines Staatsaktes eröffnet worden war. Erste Teile der Ara Pacis wurden im Jahre 1568 angetroffen. Weitere Friesfragmente wurden stückweise in den folgenden Jahrhunderten geborgen und auf verschiedene Sammlungen verteilt, damals jedoch noch nicht dem augusteischen Friedensaltar zugeordnet. Erst 1879 gelang es dem deutschen Archäologen Friedrich Carl von Duhn, die Reliefplatten in den verschiedenen Museen miteinander in Verbindung zu bringen und der aus antiken Schriftquellen bekannten Ara Pacis zuzuordnen. Ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ausgelöst durch systematische Grabungen unter dem Palazzo Fiano (Via in Lucina), dem ur-
sprünglichen Standort der Ara Pacis, wurden erste wissenschaftliche Überlegungen zum Aufbau des Friedensaltares angestellt. Wesentliche Bestandteile dieser Altaranlage konnten durch die Grabungen 1937/38 dokumentiert werden und führten zu deren Wiederaufbau unter der Ägide des damaligen faschistischen italienischen Staates. Der Ara Pacis, ihren figürlichen Friesen und Schmuckplatten widmet sich eine große Anzahl an Einzelpublikationen. 25 Ein Gutteil dieser Beobachtungen und Überlegungen zielt auf die Inhalte sowie den besonderen Stil der Relief- und Schmuckplatten, die als grundsätzlich neuartig und von allerhöchster Qualität eingestuft werden können. Die Ausführung der Bildthemen verrät einerseits Bezüge zu klassisch-griechischen Kompositionen, bleibt jedoch in ihrer Ausdrucksform zeitlos distanziert. Auch der Rankenfries der Ara Pacis erklärt sich teilweise über die Vermittlung der pergamenischen Kunst, wirkt jedoch als Entwurf neuartig und unverwechselbar eigenstän-
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Abb. 120: Rom: Ara Pacis. Das sogenannte Tellusrelief.
dig. Sowohl der überhöht vornehme Figurenfries als auch die sublime Ornamentik des Friedensaltares finden sich auf eine gleichmäßige Stilebene gebracht. Diese kennzeichnende Handschrift einer führenden Bildhauerwerkstätte macht die Ara Pacis zum Synonym für die Kunst des augusteischen Zeitalters. Zeitpunkt und Anlass der Errichtung des Friedensaltares sind uns in mehreren Quellen, unter anderem durch Augustus selbst (Res gestae 12,2), überliefert. Nach der Rückkehr des Kaisers aus Spanien und Gallien im Jahre 13 v. Chr. wollte der Senat dem Kaiser einen Altar in der Kurie errichten. Augustus wies diese Ehrung jedoch zurück. Daraufhin veranlasste der Senat die Errichtung der Ara Pacis Augustae auf dem Marsfeld. Sowohl das Datum der Beschlussfassung (constitutio), der 4. Juli 13 v. Chr., als auch der Tag der Weihung (dedicatio), der 30. Januar 9 v. Chr. werden uns überliefert. Die Ara Pacis wurde im Nordosten des Marsfeldes, ausgerichtet auf die östlich vorbei-
führende Via Lata, erbaut. Der Altar steht im Zentrum eines annähernd quadratisch gebildeten Heiligtumsbezirkes (11,60 10,60 m), dessen Außenmauern an die 5 m hoch sind. Die gesamte Ausführung des Altarbaues ist aus lunensischem Marmor und war ursprünglich reich bemalt. Die Innenwände der Umgrenzungsschranken (Temene) werden durch lattenartige Lisenen vertikal unterteilt. Im oberen Bereich befinden sich üppige Girlanden, die an Rinderschädeln (Bukranien) aufgehängt sind. Die Außenwände sind umlaufend verziert, wobei eine vertikale Gliederung durch Rankenpilaster an den Ecken der Türen im Osten und Westen erfolgt, eine horizontale Gliederung durch ein Mäanderband. Den unteren Teil der Außenseite bedeckt ein Rankenfries, der sich symmetrisch über die gesamte Fläche entwickelt und durch seinen Naturalismus auffällt. Oberhalb des Rankenfrieses zeigen sich an der Ost- und Westseite Mythendarstellungen sowie Gottheiten (Abb. 120), an der Nord-
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Abb. 121: Rom, Ara Pacis: Ausschnitt vom Nordfries.
und Südseite der Ara Pacis werden hingegen Prozessionsfriese dargestellt (Abb. 121). Der eigentliche Opferaltar befindet sich im Inneren des Bezirkes und war mit eigenen kleinen Opferfriesen sowie Schmuckplatten ausgestattet. Die westlichen und östlichen Umfassungsmauern der Ara Pacis weisen Darstellungen mythologischen Inhalts auf. Die Westseite zeigt links des Eingangs Gott Mars und die Zwillinge Romulus und Remus, rechts wird der opfernde Äneas nach seiner Landung in Latium dargestellt. Die Ostseite bringt links des Eingangs das sogenannte Tellus-Relief (siehe Abb. Seite 2), rechts davon, jedoch im heutigen Zustand weitgehend zerstört, befindet sich die Verkörperung der Göttin Roma. Welche Gottheit oder Allegorie mag auf der hier abgebildeten Reliefplatte dargestellt sein? In unnachahmlicher Würde und zugleich sanfter Grazilität sitzt diese weibliche Gestalt auf ihrem Felsthron und hält zwei Kinder in
ihren Armen. 26 Die Darstellung vermittelt ein Bild des Friedens und der Fruchtbarkeit: In der Bildmitte hält die von Feldfrüchten und Blumen umgebene Frauengestalt die Knaben. Zu ihren Füßen weidet ein Schaf, ein ruhendes Rind daneben verkörpert ein Bild satter Ruhe. Zwei Frauengestalten, rechts und links im Reliefgrund, reiten einmal auf einer Seeschlange, während sich die andere auf dem Rücken eines Schwans in die Lüfte erhebt. Die Gewänder beider blähen sich wie Segel im Wind, ihre Oberkörper sind anmutig entblößt. Beide Gestalten verkörpern wohl Auren (Lüfte), die sich über Land und Meer erheben. Das Zentrum dieser visionären Schau bildet jedoch jene mütterlich-nährende Gestalt, mit Feldfrüchten auf ihrem Schoß und bräutlichem Schleier über ihrem Haupt. Die Verkörperung dieser „Göttin eines neuen Zeitalters“ wurde verschieden interpretiert: Tellus, Italia, Terra Mater, Pax, ja selbst Venus. Angesichts der Vielschichtigkeit
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und Komplexität der Bezüge, welche innerhalb des Friedenaltares zum Ausdruck kommen, bleiben diese verschiedenen Benennungsformen durchaus möglich. Paul Zanker, der das Programm der Ara Pacis von einer Senatskommission in Auftrag gestellt sieht, betont die „kumulativen Beschwörungen“, welche man damals den Ideen des „Friedens“ und der „Fruchtbarkeit“ entgegenbrachte. Angelehnt an die Bilder der augusteischen Hofdichtung, dürfen wir uns daher Gottheiten in metamorphen Abwandlungen vorstellen. Die komplexe Ikonographie der Reliefdarstellungen am Friedensaltar ist Ausdruck einer religiösen Haltung, welche sich auf die Erinnerung an das Göttliche beruft, ohne jedoch einem wirklichen Götterbild Raum zu geben. Tellus, reich an Früchten und Vieh, beschenke Mit der Ährenkrone die Göttin Ceres, Reine Wasser, Iuppiters Lüfte mögen Nähren die Saaten. Horaz, Carmen Saeculare für die Säkularfeier Roms (17 v. Chr.)
Die Prozessionsfriese der Ara Pacis bewegen sich auf den Haupteingang des Altarhofes im Westen zu. 27 Im südlichen Prozessionsfries wird Kaiser Augustus, begleitet von Liktoren und den höchsten Priestern des römischen Staates, dargestellt. Ihm folgen die engsten Familienangehörigen, darunter auch Marcus Vipsanius Agrippa, Schwiegersohn und engster Vertrauter des Kaisers, sowie Livia, die Gattin, und weiterhin deren Sohn aus erster Ehe, Tiberius, der spätere Nachfolger im Kaiseramt. Die Benennung einzelner Personen auf der Nordseite ist wesentlich problematischer, nicht nur weil Teile des Frieses stark zerstört sind. Auch hier befanden sich am Beginn des Zuges Liktoren, auf die eine Reihe vornehmer Römer in Togatracht folgt. Das hier gezeigte Fragment vom großen Festzug der Ara Pacis befindet sich im Pariser Louvre: 28 Den Anfang macht eine verschleierte Frau, in der einige Forscher Iulia, die leibliche Tochter des Augustus, sehen, andere halten sie
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auch für die Virgo Vestalis Maxima. Es folgt ein junger Camillus (Opferdiener), der möglicherweise als Gaius Caesar angesprochen werden kann. Bei der nun folgenden vornehmen Frauengestalt, deren Kopf zerstört ist, könnte es sich um Octavia, die Schwester des Augustus, handeln. Sie wird von einem Togatus und einem kleinen Mädchen begleitet; ebenfalls Verwandten des Kaiserhauses. Der Prozessionsfries der Ara Pacis verwirklicht unabhängig von der vorgezeigten, quasi historischen „Momentaufnahme“, ein allgemeines politisches Programm. Die symbolischen Themen der Eingangsseiten werden durch den Zug der „Zeitgenossen“ durchbrochen, die dem Altarmonument eine aktuelle Dimension verleihen. Gekonnt werden jedoch auch Verbindungen zwischen der mythischen Vorzeit Roms und der erneuerten Gegenwart hergestellt, indem etwa die Darstellung des Augustus in ihrer Gestik an jene des opfernden Äneas erinnert. Die Ara Pacis ist umso mehr ein Denkmal für Augustus, da er derjenige war, der nach Jahrzehnten des Krieges und der inneren Unruhen Frieden geschaffen hat. Eine Pax Romana, so lautet eine mögliche Botschaft der Altarreliefs an die Zeitgenossen und an künftige Generationen, wäre ohne Kaiser Augustus nicht denkbar. In der frühen Kaiserzeit erfährt das römische Verständnis für Frieden eine wesentliche Wandlung. Während „Pax“ zuvor als Zustand des „Nicht-Krieges“ angesehen wurde und keineswegs nur positiv besetzt war, wird nun darunter Entspannung, Rechtssicherheit und Eintracht verstanden. Besser als der gesamte Personenfries zeigt das Friesfragment im Pariser Louvre auch den besonderen Stil der augusteischen Hofkunst. 29 Auf flacher Raumbühne zeigen sich Figuren, präzise gereiht, zugleich in zarter, plastischer Abstufung. Vornehm, so wird man die Grundhaltung dieser Personen einstufen, eingebunden in eine unwirkliche Bewegung, die wie erstarrt wirkt. Oft genug ist ein Vergleich mit den Friesen des Parthenon in Athen gezogen worden, der die Prozession des Panathenäen-
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Abb. 122: Korinth: Togastatue des Augustus.
festes zeigt. Doch der augusteische Hofstil bedient sich nicht nur der Ausdrucksformen einer griechischen Klassik, er bindet diese zeit-
los-sublimen Muster auf seine Weise. 30 Man mag diese Kunstform als kalt und unpersönlich einstufen. Erst bei genauerer Betrachtung erschließt sich vielleicht die transponierte Ästhetik der Friese. Der Stil der Ara Pacis hat größten Einfluss auf die künftige Kunstentwicklung in Rom genommen. Dieser am Prozessionsfries der Ara Pacis glanzvoll vorgeführte Figurenstil zeigt sich auch an übrigen Werken der Bildkunst. Vor allem Statuen des Kaisers und seiner Familienangehörigen sollten weite Verbreitung finden – ein Beispiel für eine solche Bildnisstatue soll im Anschluss besprochen werden. Benötigt wurden solche lebensgroßen Statuen für Plätze, Innenräume und Tempel, in denen die Bildnisstatuen der Kaiser auf besondere Weise zur Schau gestellt beziehungsweise im Rahmen des Kaiserkultes verehrt wurden. Korinth, das Mitte des 2. Jhs. v. Chr. von den Römern gebrandschatzte alte Handelszentrum Achaias, erfuhr ab der Zeit Caesars einen merklichen Aufschwung. Der in augusteischer Zeit vorangetriebene Ausbau Korinths äußert sich in der Neugestaltung der Agora und ihrer Bauten. Von der Basilika der Stadt Korinth stammt eine Bildnisstatue des Kaisers Augustus (Abb. 122). 31 Dieser ist mit der Toga bekleidet und wird mit verhülltem Hinterhaupt (capite velato) wie bei einer Opferhandlung gezeigt. Daneben befanden sich die im Heroenschema gebildeten Statuen der Enkel und Thronerben Gaius und Lucius Caesar. Die Familiengruppe aus der Basilika von Korinth wird aufgrund der Vermutung, Gaius und Lucius seien bereits nach ihrem Tod dargestellt worden, bald nach 4 n. Chr. gearbeitet worden sein. Die Ausführung der Statuen aus pentelischem Marmor oblag höchstwahrscheinlich einer erfahrenen attischen Bildhauerwerkstatt. Griechisches Formempfinden und römische Auftragslage kommen bei der Augustusstatue aus Korinth gleichermaßen zum Tragen. Dies macht auch den besonderen Reiz dieser Darstellung aus. Die gekonnten Abstufungen der Faltenschwünge der Toga, der insgesamt plastische
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Abb. 123: Statue des sogenannten Augustus von Primaporta.
Rückhalt dieser Statue, gehen wohl auf das Konto eines griechischen Meisters. Zugleich kam bei der Statue der häufigste Bildnistypus des Kaisers – benannt nach dem Standbild von Primaporta (Abb. 123) – zum Einsatz, dessen Einzelzüge und Frisurenvorgabe penibel im ge-
samten Römischen Reich kopiert wurden. Die Augustusstatue ist so konzipiert, dass sich ihre Wirkung hauptsächlich in der Vorderansicht entfaltet. Auch werden dabei ein „Einfrieren“ der Bewegung und das Verharren in zeitloser Eleganz spürbar, wie es auf ähnliche Weise
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der Prozessionsfries der Ara Pacis zeigt. Man gewinnt bei dieser Statue aus Korinth zudem den Eindruck, dass der Bildhauer durch sein formales Können sowohl die griechische Tradition der Statuenkunst weiterführt als auch den Vorgaben einer römischen Auftragskunst entgegenkommt. In augusteischer Zeit erreichen Plastik und Skulptur eine bisher noch nie dagewesene Synthese dieser Anschauungen. Auf der formalen Grundlage dieser Kunst konnten daher die bildenden Künste der römischen Kaiserzeit weiter aufbauen.
Kaiserforum Die Kaiserfora in Rom zeichnet ein langer Weg ihrer Entwicklung aus. 32 So wird man bereits vom Forum Iulium als einem ersten Kaiserforum sprechen können (Abb. 101183): Die vor dem Marmortempel der Venus Genetrix prunkvoll gestaltete Platzanlage Caesars vereinigt auf exemplarische Weise Hallenbauten, Tabernae (Läden) und Bibliotheken. Die Multifunktionalität dieser Anlage im Rahmen eines regelmäßig angelegten und zugleich hierarchisch aufgebauten „Staatsforums“, macht das Forum Iulium bereits zum Gradmesser für künftige Kaiserfora. 33 Octavian ließ, bevor die Arbeiten an seinem eigenen Forum in Angriff genommen werden konnten, zunächst den westlichen Teil des Forum Romanum völlig umgestalten. 34 Zu den wichtigsten Neubauten zählte der Tempel des Divus Iulius, dessen Podium wirkungsvoll eine neue Rednertribüne vorgeblendet bekam. Die politische Zone des alten Forum Romanum erhielt damit eine völlig neue Ausrichtung auf die Frontseite dieses dem Diktator Caesar geweihten Tempels hin. Konsequenterweise schloss der Triumphbogen Octavians, dessen Machtlegitimation ja darauf aufbaute, Sohn des vergöttlichten Caesar zu sein, an diesen Tempel seitlich an. Das Bogenmonument für den dreifachen Triumph Octavians im Jahre 29 v. Chr. war nach Ausweis der Münzbilder eintorig. 19 v. Chr., nach dem Par-
thererfolg des Augustus, wurde der Bogen dreitorig erneuert. Gleichzeitig mit der Vollendung des Forum Iulium konnte Octavian im Jahre 29 v. Chr. auch das Kuriengebäude am Forum (Curia Senatus) einweihen. Es erhielt als Zeichen des unverrückbaren Sieges Octavians ein Kultbild der Göttin Victoria, das der Prinzeps von Tarent nach Rom bringen ließ. Die Victoria Senatus sollte, als Ausdruck des Bestandes des Imperium Romanum, bis in die Spätantike hinein eine wichtige Rolle spielen. An ihrer Entfernung nach dem Verbot der Götterkulte in Rom entzündet sich ein heftiger Diskurs zwischen dem Kirchenvater Ambrosius von Mailand und Vertretern der heidnischen Senatsaristokratie, als deren Wortführer ein gewisser Symmachus fungierte. Kaiser Augustus, der zugleich als Vollender des Caesarforums und Erneuerer des Forum Romanum gelten darf, schloss mit den Planungen zu seinem Forum Augustum unmittelbar an das Forum Iulium an. Um 90 Grad nach Nordosten gewandt, sollte sich die neue Platzanlage zu der Frontseite des auf einem Podium gelagerten Mars-Ultor-Tempels öffnen. Die Ausstattungskriterien für dieses Augustusforum, von denen noch ausführlich die Rede sein wird, sollten bisher gewohnte Maßstäbe bei weitem übertreffen. Vor allem die zum Einsatz gelangten kostbaren Baumaterialien und die Raffinesse seiner architektonischen Durchführung verliehen dem Augustusforum unerhörte Wirkung. Es wird von hier aus verständlich, dass die Idee der Kaiserfora nicht auf Caesar und Augustus allein beschränkt bleiben sollte: Ohne bereits an dieser Stelle auf die Baugeschichte der flavischen und trajanischen Periode vorgreifen zu wollen, macht der Gesamtplan der Foren (Abb. 124) doch deutlich, welche Größendimensionen die Anlagen Vespasians (Templum Pacis) und Trajans (Forum Traiani) schließlich erreichen sollten. Vom Forum Trajans (Abb. 158275) kann überdies behauptet werden, dass es nicht nur hinsichtlich seines Größenmaßstabes, sondern auch hinsichtlich seiner baulichen Komplexität den Ab-
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Abb. 124: Rom: Plan der Kaiserfora.
schluss innerhalb der politisch-sakralen Zonen im Zentrum des alten Rom bildet. Als Kaiser Trajan den letzten dieser großen Baukomplexe vollenden konnte, bedeutete dies jedoch nicht die Vollendung einer Architekturidee. Der Ausstattungsschmuck dieses Forums wurde, wie wir heute wissen, bis in die Spätantike hinein ergänzt. Noch im 4. Jh. wurde die unübertreffliche Größe und Eleganz dieses Forums gewürdigt (Ammianus Marcellinus) Aber gerade weil anderen Kaisern des 2. und 3. Jhs. kein Bauplatz im Herzen der Stadt mehr blieb, um ein eigenes Forum zu errichten, wird man doch von „Ersatzzonen“ kaiserlichen Bauwillens in Rom sprechen können (z. B. Hadrian: Venus-Roma-Tempel, Pantheon mit vorgelagerter Hallenanlage; Severer: Ergänzungen im Forum Pacis). Den späteren Nachfolgern der ersten Kaiser blieben im Rom des 3. Jhs. zudem massive Thermalkomplexe als Ausdruck kaiserlicher Großzügigkeit, die vielleicht besser noch als die historischen Kaiserfora die Bedürfnisse des Volkes befriedigen konnten. Das heutige Gelände des Augustusforums (Abb. 125) kennzeichnen das mächtige Tempelpodium sowie einige wiederaufgerichtete
Säulen des dort gelegenen Mars-Ultor-Tempels. Auch die Grundstrukturen begleitender Hallenbauten sowie spärliche Reste von Marmorplatten vermag der Besucher heutiger Tage noch zu erkennen. 35 Auch aus dem heutigen Blickwinkel zeigt sich, wie streng geplant, ja eingeschnürt das Kaiserforum innerhalb seiner einstigen Umgebung erscheinen musste. Bis zu 30 m hohe, aus massiven Blöcken gebildete Brandmauern grenzten die Rückseite des Tempels und der beidseits liegenden, halbkreisförmig gebildeten Exedren vom dahinter liegenden Wohnviertel, der römischen Subura, ab. Augustus, so liest man es im Tatenbericht des Kaisers, hatte die Eingebung zur Errichtung eines Mars-Tempels vor der Entscheidungsschlacht bei Philippi (42 v. Chr.) gegen die Caesarmörder erhalten. Es handelt sich dabei um die plakativ vorgetragene Version seines Gelöbnisses als Feldherr, das er gegenüber dem rächenden Mars (Mars Ultor) abgelegt haben soll. Augustus sollte sein Gelübde erst 40 Jahre nach diesem denkwürdigen Ereignis in Form seines Forum Augustum mit dem Mars-Tempel an der Stirnseite verwirklichen können. Für die Umsetzung dieses Bauprojek-
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Abb. 125: Rom: Ansicht des Augustusforums.
tes in Rom musste vorerst ein ausreichend großes Areal angekauft werden. Die Grundstücksablöse innerhalb dieser neuralgischen Zone in unmittelbarer Nähe des Wohnviertels zog sich, folgt man den Quellen, lange und mühevoll hin. Augustus hatte nämlich nichts Geringeres geplant, als dem alten Forum Romanum und dem ebenfalls durch ihn im Jahre 29 v. Chr. vollendeten Forum Iulium ein repräsentatives Staatsforum gegenüberzustellen. Auf Grund der nicht einfachen Grenzziehung gegenüber den Wohnvierteln erhielt der Grundriss des Augustusforums eine größere Breitenausdehnung, die jedoch geschickt für großzügige Exedrenanlagen hinter den seitlichen Portiken des Platzes genutzt wurden. Im Ostteil des Geländes kann man durch den gestuften Verlauf der hohen Brandschutzmauer noch die Kompromisse beim Erwerb der Bauparzelle nachvollziehen. Nach innen zu wahren jedoch Tempelanlage und Hallenbauten ihr symmetrisches
Anlageprinzip, das sich dem von vorne eintretenden Besucher eröffnen sollte. Der gerade Abschluss in der vorliegenden Planergänzung stellt dabei freilich einen ungenügenden Versuch dar, weil dieser Teil des Augustusforums noch nicht ergraben werden konnte. Wahrscheinlich wird man sich gleich dem späteren Trajansforum eine geschwungene Säulenfront als Entree vorstellen können. Die architektonische Ausgestaltung des Augustusforums enthielt gleich mehrere Höhepunkte, die sich jedoch nicht alle geradlinig von der Eingangsseite des Platzes her erschlossen. Platzbeherrschend vor der Tempelfront war eine bronzene Quadriga aufgestellt, die den Kaiser als Triumphator und zugleich als Gestalter der Gesamtanlage zeigte. Der Tempel des Mars Ultor mit seinen acht korinthischen Frontsäulen und dem über der Gebälkordnung aufgebauten Figurengiebel vermittelte dem einstigen Besucher die göttlichen Beistands-
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Abb. 126: Rom: Opferszene vom Mars-Ultor-Tempel.
kräfte des augusteischen Zeitalters. Innerhalb des Giebelfeldes waren einmal die Gottheiten Mars und Venus dargestellt, sodann die Fortuna Augusta und weiter die liegenden Gestalten des Palatin und des Flußgottes Tiber. Dadurch wurde der Gründungsakt Roms, indirekt aber auch der Herrschersitz des Kaisers auf dem Palatin noch einmal wirkungsvoll angesprochen. Wir erhalten Kenntnis vom Aussehen dieser Tempelfront durch ein claudisches Staatsrelief, das vollständig die Front des Mars-Ultor-Tempels sowie eine Opferhandlung beidseitig dieses Tempels wiedergibt (Abb. 126). 36 Der Mars-Tempel auf dem Augustusforum nimmt in seiner Grundform zwar das altertümliche Prinzip eines Peripteros sine postico auf, ist jedoch in der Ausführung seiner Teile und dem an ihm zum Einsatz gebrachten Architekturkanon alles andere als rückwärtsgewandt. Sein bis auf die Rückwand geschlossener Säulenkranz ließ ihn als neu gestalteten griechischen Tempel erscheinen. Die Präzision der aus lunensischem Marmor gemeißelten Ar-
chitekturglieder, vor allem aber die hoheitsvoll aufstrebende Größenwirkung dieses Götterbaues übertrafen die Ausführung bisheriger Tempel bei weitem. Hinter der tiefen Vorhalle des Tempels verbarg sich die mit mehrfarbigen Marmorplatten und Säulen ausgestattete Cella, die unter anderem die Kultstatue der namensgebenden Gottheit enthielt (Abb. 127). Der Tempel des Mars-Ultor war gleich dem VenusGenetrix-Tempel am Forum Iulium mit einer Apside ausgestattet, in welcher Feldzeichen sowie eine vergoldete Statuette des Prinzeps aufbewahrt wurden. Nach der Vorstellung des Kaisers sollte der plastische Ausstattungsschmuck seines Forums Grundzüge der Geschichte des römischen Volkes wiedergeben und zugleich deutliche Anspielungen auf Glanzpunkte der griechischen Welt beinhalten. Gefundenen Statuenfragmenten nach zu schließen, befanden sich in Wandnischen hinter den seitlichen Portiken des Forums Bildnisstatuen, welche die „höchsten Männer im Staate“ (summi viri) verkörper-
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Abb. 127: Rom: Statue des Mars Ultor.
ten. Augustus soll der Überlieferung nach eigenhändig Preisgedichte (Elogien) für diese Staatsgrößen der Republik verfasst haben. Es gibt tatsächlich einige Inschriftenfragmente vom Augustusforum, die den Nachweis für einst vorhandene Ehreninschriften erbringen:
Die Inschriften enthielten Ämter und Leistungen der in Statuenform wiedergegebenen Persönlichkeiten. Den Ausgangspunkt für eine solche „Historiengalerie“ innerhalb der Hallenanlagen des Augustusforums bildeten die mythischen Gründungspersönlichkeiten Romulus und Äneas, welche in den Zentralnischen der seitlichen Exedren dargestellt waren. Diese Exedrenbauten, welche in jüngster Zeit Anlass für eine Rekonstruktion ihrer Überdachung und der damit verbundenen Erkenntnis ihrer indirekten Beleuchtung lieferten, müssen ein wahrer Höhepunkt der Ausgestaltung des Augustusforums gewesen sein. Wahrscheinlich kann man die Effekte des Buntmarmors innerhalb der halbkreisförmig gebildeten Innenhöfe, deren Lichtspiegelungen und -reflexe mit der Wirkung heute noch zugänglicher Galerien des 19. Jahrhunderts vergleichen, etwa der Galleria Umberto in Mailand. Eine neue Sichtweise auf die Rekonstruktion der Hallen des Augustusforums lieferten zeitgenössische Nachbauten, wie sie etwa im frühkaiserzeitichen Mérida (Spanien) verwirklicht wurden (Abb. 128). Diese Architekturzitate enthielten nicht nur Teile der Statuenreihe der summi viri oder – in Mérida weitgehend erhalten – die Gruppe mit Äneas und Ascanius/ Iulus, sondern auch offenkundig exakt kopierte Schmuckglieder von der Attikazone der Portiken im Augustusforum. Dieser Attikafries zeigte marmorne Prunkschilde mit Götterdarstellungen. Interessanterweise waren diese Schilde, von denen sich entsprechende Fragmente auch am Augustusforum gefunden haben, zwischen weiblichen Trägerfiguren angeordnet, welche – deutlich verkleinert – die Karyatiden des Erechtheions von Athen wiedergeben. Neben anderen klassischen, aber selbst spätarchaischen Adaptionen von Bauschmuck vollzog die Ausstattung des augusteischen Staatsforums, wie Paul Zanker darlegen konnte, eine Hinwendung zur vorbildlichen Welt Griechenlands. 37 Wie den historischen Quellen entnommen werden kann, wurden Versammlungen sowie
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Abb. 128: Mérida, Spanien: Rekonstruktionszeichnung der Forumshallen (nach Trillmich).
wichtige Staatsakte auf das neugeschaffene Forum verlegt. Durch die Aufbewahrung der Legionsstandarten im dortigen Mars-Tempel er-
hielt das Augustusforum hohen Symbolwert hinsichtlich der Friedenspolitik des Kaisers. Offen propagiert wurden vor allem aber die Bezü-
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ge zur Geschichte Roms, welche nunmehr, nach Aussage der Dichter, in ein „Goldenes Zeitalter“ (aurea aetas) einmündete. Das Figurenprogramm des Forums stellte, soweit rekonstruierbar, umfassende und komplexe Bezüge zur augusteischen Staatsideologie her. Die Arbeiten am Forum Augustum zogen sich – wie betont – auffällig lang hin. Als der Baukomplex im Jahre 2 v. Chr. im Beisein des Kaisers und der Thronerben Gaius und Lucius Caesar eingeweiht werden konnte, befand sich der augusteische Staat auf seinem Höhepunkt. Das Areal dieses Forums wurde durch die Willkür der Grabungen während der 20er Jahre zerstückelt und der Idee einer über die alten Kaiserfora hinweg geführten Via dei Fori Imperiali geopfert. Andererseits war diese Zone seit den Tagen des Frühmittelalters einer Veränderung sowie der Preisgabe seines Skulpturenund Ausstattungsschmuckes ausgeliefert. Umso wichtiger erscheinen die Forschungen der vergangenen Jahrzehnte, welche die ursprüngliche Gestalt dieses Prunkforums neu herauszustellen vermochten. Die überlebensgroße Statuenkopie des rächenden Mars (Abb. 127224) stammt aus der flavischen Periode. 38 Dennoch hat sie den Kern des Aussehens des früheren Götterbildes vom Mars-Ultor-Tempel bewahrt. Die Gottheit Mars wird mit einem stark überladenen Schmuckpanzer dargestellt, der von zwei gegenübergestellten Greifen verziert wird. Diese verkörpern Symbole der kaiserlichen Macht. Auch die Laschen des Panzers sind durchgehend mit symbolischen Götterdarstellungen geschmückt. Das gleich einem Kriegsherrn ausgestattete Götterbild verleugnet durch seine Fellstiefel und das bärtige Götterantlitz, insgesamt aber durch sein hoheitsvolles Erscheinungsbild jedoch nicht den Götterimpetus. Zugleich ist das Kultbild eine im römischen Sinn gesteigerte, mit Insignien überladene Darstellung. Unverrückbar, wie in einer Paradehaltung, so möchte man den Gott des Krieges charakterisieren. Wie sehr sich die Idee und Konzeption der großen Staatsmärkte auch auf andere Städte
übertrug, belegen Grabungsergebnisse etwa aus dem spanischen Mérida. Die Rekonstruktionszeichnung orientiert sich an den dort gemachten Einzelfunden und lehnt sich zugleich an das an, was auch in Rom auf dem Augustusforum einst zu bewundern war. 39
Der Osten Bevor wir eine weitere Übersicht zu den Bauten augusteischer Zeit in Rom gewinnen wollen, lohnt sich ein Blick in die östlichen Provinzen: Augustus hat während seiner langen Regierungszeit nicht nur Einfluss auf den Ausbau der Hauptstadt genommen, sondern sich auf besondere Weise um das Wohlergehen der Provinzen gekümmert. Galt die kluge Vorsorge (providentia) gleichermaßen dem gesamten Imperium, so kann doch festgehalten werden, dass eine besondere Zuwendung Griechenland und dort dem alten Zentrum der Politik und der Künste, der Stadt Athen, galt. Von der eminent politischen Rolle, die Marcus Agrippa in Rom und in den Provinzen eingenommen hatte, war bereits die Rede. 40 Auch die Bedeutung, die Athen in der Zeit des Augustus wiederum angenommen hatte, wurde bereits kurz angeschnitten. Im Auftrag des Kaisers wurde auf einem Gelände nördlich des Burgberges, das bereits von Gebäuden der späteren hellenistischen Periode umgegrenzt wurde (Agoranomion, Turm der Winde), eine neue römische Agora aufgebaut. Dieser rechtwinklig angelegte, von Hallenbauten eingefasste Platz erhielt ein heute noch gut erhaltenes Propylon, welches Ehreninschriften und Statuen des Gaius und Lucius Caesar aufnahm. Neben diesem in römischer Tradition deutlich abgegrenzt wirkenden Platz ließ gut hundert Jahre später Kaiser Hadrian seine Bibliothek errichten. Neue Bedeutung erhielt auch die alte Agora Athens, die während der hellenistischen Periode sukzessive mit Hallenbauten (stoai), größtenteils Geschenken auswärtiger Herrscher,
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Abb. 129: Athen, Modell des Odeion des Agrippa.
ausgestattet worden war. Der trapezförmig gegliederte Platz der Athener Agora zeigte auf seiner Westseite und vor dem Gelände des alten Hephaisteions eine Reihe von Kult- und Verwaltungsbauten, die dem 4. Jh. v. Chr., der Spätphase der territorialen Eigenständigkeit Athens entstammten. Die Ostseite des Platzes, an der auch die ehrwürdige Panathenäenstraße vorbeiführte, wurde wirkungsvoll von der Stoa des Königs Attalos von Pergamon gerahmt. Königlich ist auch die Absicht des Augustus zu bezeichnen, für die alte Agora Athens einen Tempel wiederaufzustellen, der in der ländlichen Umgebung der Stadt längst seine Rolle ausgespielt hatte: den Ares-Tempel. 41 Augustus ließ das Bauwerk des 5. Jhs. v. Chr. Stück für Stück abtragen und in Athen neu aufstellen. Dieser Akt einer restaurativen Politik ist freilich auch dadurch zu erklären, dass der Kaiser Anknüpfungspunkte an die „Goldene Zeit“ Athens suchte, zugleich aber mit der Botschaft des Kriegsgottes zu verbinden wusste. Im Süden des Geländes der Agora befanden sich eine weitere langgestreckte Stoa sowie die Heliaia (die Münzstätte). Eine mittlere Stoa
strukturierte die riesige Fläche dieses Zentrums der griechischen Welt. Genau an diese Säulenhalle schloss nunmehr ein riesiger Saalbau an, den die Athener nach ihrem Auftraggeber auch Agrippeion nannten. Der Neubau hatte eine demonstrativ musische Funktion auf der alten Agora Athens zu erfüllen. 42 Der Bau ist im heutigen Gelände selbst in seinen Grundrissen schwer auszumachen, verdient jedoch durch seine vorzügliche Baudokumentation durch die amerikanische Archäologische Schule in Athen näher beschrieben zu werden. Als Grundlage dient ein Modell, das den Aufbau des in seinen Grundmaßen 51,40 43,20 m messenden Gebäudes zeigt (Abb. 129). Bei dem in den Jahren um 15 v. Chr. errichteten Bau des Agrippa handelt es sich um ein Odeion, also einen überdachten Theaterund Konzertsaal. Trotz der griechischen Bezeichnung dieses Bautypus dürfte es sich dabei um das erste Odeion in Athen gehandelt haben. Das Modell zeigt dementsprechend einen Konzertsaal, der im Inneren halbkreisförmig angeordnete, ansteigende Sitzreihen für Besucher, einen Bühnenraum und wohl einen Re-
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quisitenraum enthielt. Dieses überdachte Theater wurde außerhalb an drei Seiten von einem zweigeschossigen Hallenbau eingerahmt. Der etwas höher gelegene Platz im Süden blieb frei und bildete einen Übergang zur Mittelstoa der Agora. Der Eingang in das Odeion des Agrippa befand sich im Norden, wo ein elegantes Propylon in die unteren Gänge und über Treppen in die ambulatio des Theaters führen. Der Anspruch dieses Kulturgebäudes für Athen war wohl ein mehrfacher. Zwar verfügte auch das klassische Athen bereits über Pfeilersäle und Hallenbauten (Eleusinion, Pfeilerhalle beim Dionysostheater), jedoch nicht im kombinierten Inneneinbau eines Theaters. Der ca. 25 qm messende innere Baukörper dieses Theaters wurde allem Anschein nach ohne Stützen ausgestattet. Die Dachkonstruktion des über 20 m hohen Versammlungsraumes musste über die gesamte Breite durchgezogen werden. Anleihen bei griechischen Bouleuterien (Rathäusern) wie jenen uns bekannten von Priene oder Athen selbst sind sehr wahrscheinlich. Aber in gleichem Maß kommt auch das Konstruktionsprinzip eines römischen Marktbaues (Basilika) mit erhöhtem Mittelschiff zum Tragen. Auch die Zusammenstellung von teils verschatteten, teils durch Pfeilerstellungen erhellten Umgängen erscheint typisch römisch. Die Wirkung dieses zentralen Baukörpers im Herzen der Athener Agora zielte demnach auf Steigerung und Zurschaustellung jener Konstruktionsprinzipien, welche die römische Baukunst herausgebildet hatte. Auch die Ausstattung des Odeions im Inneren durch Buntmarmor und reichen Statuenschmuck ließ keinen Zweifel an dieser Steigerungskomponente römischer Bauten. Soweit wir die Rolle des Agrippa für die Baukunst heute einschätzen können, ist ihm die Entwicklung grundlegend neuer Konzepte mit zu verdanken. Auf dem Marsfeld in Rom ließ Agrippa den Vorgängerbau für das hadrianische Pantheon anlegen, der ursprünglich als Tempel für Augustus konzipiert war (Augusteum). Daneben ließ Agrippa die ersten Thermenanlagen Roms errichten. 43
Das Bild der Künste Der hier abgebildete Wandausschnitt einer Villa unter der sogenannten Farnesina zeigt eine Art römischer Salonmalerei (Abb. 130). Mehrere gerahmte Bilder werden dabei illusionistisch auf eine Schauwand aufgemalt. Die Bildvorlagen selbst entstammen dabei dem Umfeld der griechischen Kunst. Ein in seinen Anfängen kaum freigelegtes Phänomen stellt daher die Übertragung griechischer Bildmotive in die römische Privatsphäre dar. Immerhin handelt es sich um die Aneignung bildlicher Darstellungen aus Pinakotheken für den privaten Gebrauch. Gehen wir dabei in der Geschichte der Malerei ein wenig zurück: Darstellungen, wie Plinius schreibt, „im Dienst der Städte“ (Naturalis historiae 35,118) werden zu einem späteren Zeitpunkt für das private Umfeld aufbereitet. Mit dem Aufblühen einer bürgerlichen Wohnkultur während der hellenistischen Jahrhunderte wurde auch die Ausschmückung des Hauses mit Mosaiken, Friesen und Bildern zum Thema. Innerhalb der augusteischen Malkunst (dem späten Zweiten Stil) entwickelten sich regelrechte Schauwände. Ein Beispiel dafür bietet die Anlage unterhalb der Villa Farnesina am Tiber, die reiche Freskenmalereien enthielt. 44 Auf dem Gelände der bekannten Farnesina aus der Epoche der Renaissance wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts ein bedeutender antiker Stadtpalast aufgedeckt, der sich höchstwahrscheinlich im Besitz des Marcus Agrippa befand. Die damals ausgeschnittenen Wandmalereien befinden sich heute im Römischen Nationalmuseum (Palazzo Massimo alle Terme) und zählen zu den qualitätvollsten Beispielen des späten Zweiten Stils. Ein Bildbeispiel bietet geradezu das Muster einer kunstvoll verschränkten, in Freskentechnik übersetzten Pinakothek. Die Malereien der sogenannten Farnesina sind nicht nur von höchster künstlerischer Ausdruckskraft, sie bieten auch einen möglichen zeitlichen Ansatzpunkt. Nach gängiger Forschungsmeinung
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Abb. 130: Rom: Römische Villa unter der Farnesina (sogenanntes Rotes Cubiculum).
wurden die Wandgemälde vor dem Ableben des Besitzers, also 12 v. Chr., angefertigt. Die hier gezeigte Hauptwand im roten Cubiculum wird durch die Form eines Ädikulabildes gekennzeichnet. Seitliche Wandfelder mit Einzelgemälden sowie ein filigraner architektonischer Aufsatz bestimmen die Wandaufteilung. Das Mittelbild zeigt die Betreuung des Dionysosknaben durch die Nymphen von Nysa. Durch seinen Aufbau und die Farbwirkung dürfte es stark an ein hellenistisches Gemälde angelehnt sein. Beobachterfiguren kommen hinzu. Auffällig werden zwei offenkundig zeitgenössische Gestalten, welche die Pforte des
heiligen Bezirkes durchschreiten. Im Innern des Bezirkes sieht man die Nymphe, die den göttlichen Knaben auf dem Schoß hält. Dionysos ist aber nicht nur „des Nysa Kind“, wie Ovid in den Metamorphosen schreibt (4,13), das Geschehen wird durch die Zeugenschaft der Betrachter dokumentiert. Darin äußert sich die römische Zutat, der römische Beitrag. Es wird an dieser Stelle notwendig, auf den Aufbau und die mehrschichtige Gestaltungsweise der Wandzone hinzuweisen. Sowohl die architektonische Rahmung als auch der grundsätzlich räumlich-illusionistische Charakter dieser Malerei bietet die Möglichkeit zur Um-
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Abb. 131: Rom: Stuckdekoration der Villa unter der Farnesina.
wandlung und Verfremdung von Themen. Zum einen konnte der Durchblickscharakter der Wand Neugierde beim Betrachter hervorrufen, zum anderen waren es die quasi an der Wand befestigten Gemälde, die eine weitere Stufe zwischen real und nicht-real vertreten. Die innerhalb der Wand gezeigten Gemälde betonen die Kennerschaft des Betrachters. Besonders aufschlussreich hinsichtlich einer Imitation werden die Gemälde auf weißem Grund (Pinakes) mit musischen Szenen, die eindeutig Gemäldevorlagen der griechischen Klassik wiedergeben. Besonders reichhaltig und zugleich tiefsinnig zeigen sich Stuckreliefs aus eben derselben Villa (Abb. 131). 45 Die Zierfelder der gewölbten Decken wurden mit Darstellungen von „sakral-bukolischen Landschaften“ verziert. Grundthematik dieses auch in Form von Male-
reien beliebten Genres bilden ländliche Gegenden, die durch tempelartige Gebäude sowie durch Bäume, kleine Wasserläufe und Brücken gekennzeichnet werden. Hermen und Götterstandbilder stehen an den Eckpunkten der Heiligtumsumgrenzungen oder in freier Landschaft. Zu ihnen ziehen feierlich gekleidete Gestalten und verrichten vor ihnen Opferhandlungen. Diese Bilder finden im irrealen Raum zwischen Wirklichkeit und ferner Vergangenheit, zwischen bukolischem Idyll und sakralen Motiven ihren Platz. Die wie schwimmend in den Raum hinein gestellten Architekturen vertreten in gleichem Maß jedoch Prinzipien einer perspektivischen Raumerfassung. Hinter solchen Bildern steht aber auch die Botschaft eines Zeitalters des Friedens, gegründet auf ehrlicher Arbeit und den ländlichen Wurzeln Roms. Auch Vergils Georgica vermitteln
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Abb. 132: Boscotrecase: Wandgemälde.
solche Bilder ländlichen Idylls, gedacht als Rückbesinnung und zugleich Ansporn für eine neue Generation. Relativ rasch innerhalb der augusteischen Zeit wandelt sich der Charakter der Wandmalerei in den Häusern und Villen. Bereits vor der Zeitenwende hatte sich der Überschwang der Architekturmalerei gedämpft und hin zu einem Felderstil gewandelt. Grundfarben wie rot und schwarz werden vorherrschend. An den Einteilungen der Wand in Mittel- und Seitenfelder sowie in eine Sockel- und Oberzone hat sich nichts geändert. Feine Bänder (und Li-
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senen) gliedern nun dieser Wandfelder. Nach den häufig verwendeten Kandelabern, die die Säulenvorlagen des Zweiten Stils ersetzen, hat man diesen Dritten Stil auch Kandelaberstil genannt. Von den ausgeschnittenen Gemälden einer der Vesuvvillen finden sich Teile in Neapel und New York (Abb. 132). Man hat vermutet, dass sich die Villa im Besitz des Agrippa Postumus, des (wörtlich) nachgeborenen Sohnes des Agrippa, befand. 46 Die Feldermalereien mit ihren fragilen Architekturbaldachinen und den zarten Mittelbildern wurden um die Zeitenwende geschaffen. Beim Motiv des Mittelfeldes handelt es sich wiederum um eine sakral-idyllische Landschaft, die der kräftigen Grundfarbe der Wand wie ein Traumbild aufgesetzt wurde. Bei näherem Hinsehen erkennt man einen Tempelhain mit vergoldeten Götterbildern und Besuchern des Heiligtums. Die fragile architektonische Rahmung des Bildfeldes weist Besonderheiten der Ornamentik auf: So tragen die aus Papierrollen gebildeten Säulchen ägyptisierende Motive, ebenso das als Wandfries aufgemalte, knapp zurückspringende Friesband mit seinen Lotospalmetten. Die gemmenartigen imagines oberhalb der Zierkapitälchen erinnern an ebensolche Bildnisse der Hofkunst. Die subtile Zusammenstellung verschiedener Schmuckeinheiten sowie der offenbar in Mode stehende ägyptisierende Stil verraten einen engen Bezug dieser Werkstatt zu den in der Hauptstadt Rom vorherrschenden Tendenzen. Die Anbringung von Gartenmalereien wie allgemein die Ausgestaltung von Gärten selbst dürften zu den großen Freuden einer gehobenen wie auch der einfacheren römischen Gesellschaft gezählt haben. 47 Im Haus der Venus in Pompeji galt es, die hohen Abschlusswände eines größeren Gartengrundstücks illusionistisch zu erweitern (Abb. 133). Der hier gezeigte Ausschnitt dieser Rückwand betont den Ausblick auf die freie Natur. Der Zone des tiefblauen Tiefenraumes werden Oleander- und Myrtenbüsche vorgesetzt. Dem Auge wird vor
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Abb. 133: Pompeji: Haus der Venus Marina, Gartengemälde.
aufgemalten Holzschranken auch ein prächtiges Wasserbecken vorgegaukelt. Große Reiher und ebenso kleinere Singvögel wie Pirole und Drosseln beleben die Szenerie. Das Bild erhält seine Abgrenzung vom natürlichen Gartenraum durch eine oben aufgemalte Girlande, die in der Mitte von einer Theatermaske gehalten wird. Der Hof dieses pompejanischen Hauses war architektonisch nicht eben überwältigend ausgestattet. Als Ersatz für die Architektur bot sich die Gartenmalerei an. Dadurch lassen sich aber die Täuschungseffekte an den Umfassungswänden nicht allein erklären. Waren es in der kunstvollen Ausstattung der Villen der späten Republik eher figürliche Bodenmosaiken, die Naturszenerien und ebensolche, den Musterbüchern entstammende Tier- und Pflanzenschilderungen brachten, so werden nun
ganze Naturräume für das römische Auge nachgebildet. Ausgerechnet das Original eines prachtvoll verzierten Silberkraters im Berliner Antikenmuseum ging gegen Kriegsende verloren (Abb. 134). 48 Das Metallgefäß wurde in einer Silberschmiede aus den Tagen des Augustus gefertigt. Der Krater bildet einen der Höhepunkte eines ca. 70 Inventare umfassenden Silberschatzes, den man 1868 in Hildesheim entdeckt hatte. Die zusammengetragenen Stücke gelangten (wahrscheinlich) als Raubgut ins Gebiet der „Barbaren“, wo sie – zu einem unbekannten Zeitpunkt – sorgfältig in einer Erdgrube verborgen wurden. Durch die Zusammensetzung des Silberschatzes – Teile von Schalen und Kantharoi gehören noch dem 1. Jh. v. Chr. an, jüngere Gefäße und Tafelgeschirr lassen sich mit Silbergeschirr aus Pom-
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peji vergleichen – kommt man auf einen frühen Zeitpunkt für dieses zusammengetragene Raubgut. Auch die Niederlage der Römer in der Varus-Schlacht des Jahres 9 n. Chr. wurde für den offenkundig germanischen Besitzer des Hildesheimer Silberschatzes in Betracht gezogen. Es bleibt jedenfalls auffällig, dass sich Qualitätsstücke dieser Art, die den Mittelpunkt römischer Esskultur bildeten, rund 300 km von der Rheingrenze des Römerreiches entfernt fanden.
Abb. 135: Pompeji: Haus der Eumachia, Rankenpilaster.
Abb. 134: Hildesheim, Silberschatz: Prunkgefäß (Glockenkrater).
Der Prunkkrater zeigt an seiner Oberfläche kunstvoll verschlungene Ranken, die aus Adler- und Löwengreifen wachsen. Der Phantasie nicht genug, sitzen in den feinen Ranken Eroten, die Meerestiere jagen. Die präzise klassizistische Eleganz solcher Prunkgefäße ist kennzeichnend für den aristokratischen Geschmack der damaligen Zeit.
Der „internationale Stil“ Auch die marmornen Rankenpilaster beim Eingang in ein öffentliches Gebäude am Forum von Pompeji verraten den augusteischen Zeitstil (Abb. 135). Der Ausschnitt zeigt zu-
dem, in welch hohem Maß die Qualität der Hofwerkstätten in Rom übernommen wurde. Der Akanthusfries mit seinem Getier ist auch in zeitlicher Hinsicht in die Nähe der Ara Pacis zu stellen. Die Städte Italiens und der Provinzen nahmen in hohem Maß Anteil an der Entwicklung der Künste in der Hauptstadt. Zwar hatten die meisten von ihnen hervorragende eigene Werkstätten und Künstler zur Verfügung, auch an eigenen Erfahrungen mangelte es nicht, doch gingen wichtige Impulse von der Staatskunst aus. Eine Besonderheit bildet darunter das Gebäude der Eumachia in Pompeji (Abb. 136). 49 Es handelt sich dabei um eine von der Priesterin Eumachia namens ihres Sohnes M. Numistrius Fronto, dem Duumvir der Jahre 2/3 n. Chr., gestiftete „Produkt(en)börse“ (CIL X 808–810). Inwieweit dem Gebäude auch ein öffentlicher Charakter im Sinne eines Schauforums zukam, bleibt unklar. Es gibt beim Eumachiabau sowohl Anhaltspunkte für die
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Abb. 136: Pompeji: Plan des Forums.
Typologie eines Vereinshauses als auch solche, die für eine öffentliche Portikus sprechen. Ersichtlich wird allerdings, wie sehr sich diese Portikusanlage an stadtrömische Vorbilder anschließt und in Form ihrer Ausstattung dem Konzept des ersten Kaisers verpflichtet ist. Das Gebäude kann als Hofbezirk mit apsidialem Frontabschluss der Säulehallen und zusätzlich gedeckten Umgängen beschrieben werden. Die Teile des Baues werden in der Bauinschrift chalkidikum, crypta und porticus genannt. Eine allgemeine bautypologische Nähe zum Augustusforum ist unverkennbar.
Die Städte und der Kaiserkult Das Forum der Stadt Pompeji wurde ab dem späteren 2. Jh. v. Chr. umgestaltet und erhielt dabei grundlegend neue Gebäudeformen. Von der Basilika und den sie umgebenden Hallen war bereits die Rede (Abb. 64129). Pompeji zählte zum damaligen Zeitpunkt gleich anderen Städten in Kampanien zu den hellenistisch geprägten Handelsstädten der Mittelmeerwelt. Erst im Gefolge der sullanischen Belagerung und Einnahme der Stadt wird Pompeji zur römischen Kolonie: Colonia Cornelia Veneria Pom-
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peianorum. Zu Beginn des 1. Jhs. v. Chr. wurde auch das Forum und einige Gebäude des Forum umgestaltet. Im Norden des Forumsplatzes erhob sich nunmehr der Iuppiter-Tempel der Stadt. Dieser der Kapitolinischen Trias geweihte römische Haupttempel löste das ältere Apollo-Heiligtum im Westen der Platzanlage bedeutungsmäßig ab. Im Süden des Forums entstanden neue Bauten für die Magistrate der Stadt. Im Osten des Platzes, wo sich ganz im Nordosten der umgrenzte Bezirk für Marktund Verkaufshallen abzeichnet (macellum), wurden in der frühen Kaiserzeit neue Prunkbauten angelegt, die teils sakrale, teils profane Funktion besaßen. Was sich mit dem Beginn der Kaiserzeit grundlegend veränderte, war das Verhältnis zum öffentlichen Raum und zur Bedeutung der dort aufgestellten Monumente. Pompeji greift im Zug einer kaiserzeitlichen Erneuerung des gewachsenen Forumsplatzes aktuelle Formen des Kaiserkults auf. So steht die gesamte Ostseite des Forums unter dem Aspekt öffentlicher und privater Stiftungen; Bauten, die teilweise oder zur Gänze der Verherrlichung der Monarchie dienten. So etwa das Macellum mit Kultsaal und Bankettraum, das sogenannte Heiligtum der Laren, der sogenannte Vespasian-Tempel und schließlich das Eumachiagebäude. In all diesen Bauten nahm der Kaiserkult einen wichtigen Platz ein. Auch außerhalb des Forumsplatzes, an dessen nördlicher Eingangseite gelegen, zählt der Tempel der Fortuna Augusta zu den ältesten und wichtigsten Heiligtümern seiner Art. Der Altar vom sogenannten VespasianTempel (Abb. 137) gehört, wie die Anlage des Hoftempels auch, in die augusteische Periode. 50 Als Abschluss eines durch flache Nischenwände gegliederten Hofbezirkes im Osten des Forumsplatzes (ca. 24 30 m) erhebt sich auf hohem Podium dieser Tempel des Kaiserkultes. Der bescheiden kleine Tempel verfügt über eine quadratische Cella (opus latericium), besaß ursprünglich vier prostyle Marmorsäulen und konnte nur über seitliche Treppen betreten
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Abb. 137: Pompeji: Altar vom sogenannten VespasianTempel.
werden. Dieser Kultbau entfaltete sich, vergleichbar einer zentralen Ädikula inmitten eines gestalteten Hofbezirkes. Die Marmorteile des Tempels und dessen Innenausstattung blieben nicht erhalten Die beim Untergang der Stadt noch nicht abgeschlossene, vollständige Erneuerung dieses Hoftempels nach dem Erdbeben führte zur traditionellen Benennung Vespasian-Tempel, die heute auch baugeschichtlich nicht mehr gehalten werden kann. Teile des Tempelunterbaues, der (restaurierte) Altar inmitten des Hofes, wahrscheinlich sogar die Abschlussmauern des Bezirkes stammen aus der frühen Kaiserzeit. Die Gründungsphase dieses Kultbezirkes in augusteischer Zeit kann – wie von mehreren Forschern betont wurde – möglicherweise durch die Inschrift (CIL X 816) erschlossen werden: M(a)MMIA P F SACERDOS PVBLIC(a) GENI/O AVG (usti)S / OLO T PEC(unia sua)
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Abb. 138: Rusellae/Roselle (Etrurien): Sitzbild der Kaiserin Livia.
Weiterhin könnte es sich durch Erwähnung des M. Holconius Rufus in der Inschrift (CIL X 832) aus dem Jahre 3/2 v. Chr. um den frühesten Beleg für den Kaiserkult an diesem Ort handeln. Dieser bekannte Förderer der Stadt, unter anderem als Erneuerer des Theaters, ist zugleich Priester des Kaiserkultes der Stadt: … Augusti Caesaris Sacerd(os) / Patrono Coloniae. Für die Forschung hat hingegen lange festgestanden, dass der Kultbezirk nach dem Erd-
beben des Jahres 62/63 neu geschaffen wurde und seine Widmung an Kaiser Vespasian gerichtet war. Ausgangspunkt für diese Überlegungen bildete der hier abgebildete marmorverkleidete Altar: Ein Togatus vollzieht im Beisein von Liktoren und Musikern das Voropfer; Opferdiener führen von rechts einen Stier herbei. Im Hintergrund des Reliefs wird ein Tempel gezeigt, dessen Giebel einen clipeus virtutis aufnimmt. Der Darstellungshintergrund zeigt eine mögliche Nähe zum Kultbezirk von Pompeji selbst. Zu den Bildmotiven der seitlichen Reliefs zählen Opfergeräte (patera, simpulum, acerra, lituus). Der Opfernde könnte sowohl ein städtischer Beamter als auch ein Augustale sein. Die ursprüngliche Lesung der Altarreliefs als Zeugnisse der flavischen Kunst hat inzwischen eine neue zeitliche wie stilistische Interpretation erfahren. Die versuchsweise Datierung der Altarreliefs in die augusteische Periode erfolgte durch den amerikanischen Archäologen J. J. Dobbins. Nicht prachtvoll genug kann man sich den Ausstattungsschmuck der neu geschaffenen Kulträume und Vereinsgebäude vorstellen, die vor allem zur Zeit der Iulier und Claudier angelegt wurden und die selbst noch bis in die Zeit der Spätantike als kostbare Zeugen des frühen Kaisertums in Rom geschätzt und erneuert wurden. Einer dieser Bauten gehört das Sitzbild der Kaiserin Livia im Göttinnenschema an (Abb. 138). 51 Das Forum von Roselle wird von einer terrassierten Stützmauer begrenzt. Dort erhob sich eine Portikus, ihr gegenüber, im Westen des Platzes, stand die Basilika der augusteischen Periode mit einem Tribunal. Im Süden des Platzes und nur durch die Portikus betretbar schließen kleinere Saalbauten an. Einer dieser Saalbauten besitzt eine Apside und kann aufgrund der darin angetroffenen Statuen- und Inschriftenfunde sowie seiner reichen Dekoration als Kaisersaal bezeichnet werden. Da einige darin gemachte Inschriftenfunde auf die städtischen Augustalen und Seviri
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Abb. 139: Rom: Lustrumrelief (sogenanntes Grimanirelief).
verweisen, ist eine Verbindung dieses Gebäudes mit dem Augustalium der Stadt zumindest naheliegend: Der Apsidensaal (ca. 11,60 8,20 m) zeigt allein durch die Reihe der Wandnischen an den Seitenwänden, dass er einen repräsentativen Statuenzyklus aufzunehmen hatte. Ergänzt man die fünf Nischen der Südwand mit weiteren fünf der schlecht erhaltenen Nordwand, so kommt man auf zehn Statuen an den Längswänden. Den Raumcharakter bestimmen reiche Verkleidungselemente aus bunten Marmorplatten und die Marmor imitierende Wandmalerei sowie Stuckreste, wie sie für Kaisersäle typisch scheinen. Die Bodenpflasterung ist nur teilweise homogen: Wiederverwendete Inschriftenplatten aus dem mittleren Raumteil verraten möglicherweise eine erste Ausstattungsphase. Vor den Nischen der Längswände wurden zahlreiche, in Teile zerbrochene Statuen von Mitgliedern des Kaiserhauses angetroffen. Von der Stirnwand beiderseits der Apside stammen die Sitzstatuen des Augustus (?) und der Livia; ein Einsatzkopf des Claudius stammt ebenfalls aus diesem Bereich. Der Skulpturenbestand dieses Raumes wurde nach seiner Restaurierung im Museum von Grosseto ausgestellt. Livia ist mit einem Ärmelchiton sowie
einem Peplos mit Kolpos bekleidet; darüber liegt ein Mantel, der über Hinterkopf und Rücken nach vorne über die Beine geführt wird. Das Sitzbild ist etwas kleiner als jenes des Kaisers, das am selben Ort angetroffen wurde. Nicht nur dekorative Künste und Reliefgattungen, auch die Kunst der Bildnisstatuen erreicht in dieser Zeit eine noch nie dagewesene Verfeinerung. Davon zehrt die Kunst der Kaiserzeit bis hin zur Spätantike.
Die Nachfolge des Augustus Der Einfluss augusteischer Stilmittel reicht weit in die Periode der Nachfolger hinein. Es ist vor allem der unter Augustus kreierte klassizistische Stil, der noch etwa ein halbes Jahrhundert lang bei offiziellen Denkmälern vorherrscht. Ein Beispiel dafür bietet das folgende Staatsrelief: Auf dem Reliefausschnitt, der sich heute im Louvre befindet, wird eine Opferhandlung vorgeführt, die wir anhand der Opfertiere benennen können (Abb. 139). 52 Es handelt sich demnach um ein Suovetaurilienrelief. Ähnliches haben wir bereits auf der Domitius-Ara der republikanischen Zeit gesehen (Abb. 83160). Auf der rechten Reliefhälfte op-
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6. Kapitel
Abb. 140: Porträt des Kaisers Tiberius.
fert ein Togatus in Begleitung von Opferdienern. Der Hintergrund der Reliefdarstellung wird von Liktoren besetzt. Die Opferszene muss genau die Mitte der ursprünglichen Reliefdarstellung eingenommen haben, denn rechts von dem girlandengeschmückten Altar und dem dort wiedergegebenen Lorbeerbaum finden sich spiegelsymmetrisch ein zweiter Opferaltar und ebenfalls ein Lorbeerbaum. Im Falle der Opferhandlung denkt man an ein Reinigungsopfer (lustrum), das in diesem Fall von zwei Zensoren vollzogen worden war. Sowohl die stark an den augusteischen Reliefstil angelehnte Wiedergabe des Figurenfrieses als auch die prominente Plazierung der „Lorbeerbäume“ des Augustus lassen an diesen Kaiser und
seinen Nachfolger Tiberius als dargestellte Opferpriester denken. Eine Jahreszahl für dieses denkwürdige Lustrum zweier Kaiser lässt sich dadurch wahrscheinlich festmachen: Es handelt sich um ein Ereignis, das im Jahre 14 n. Chr., dem Todesjahr des Augustus, stattfand. Selbst wenn die konkreten Datierungsvorschläge noch gegeneinander abgewogen werden müssen, leuchtet doch die allgemeine Zeitstellung in tiberischer Zeit ein. Kaiser Tiberius vertritt durch die Eckdaten seiner Regierungszeit (14–37 n. Chr.) einen langen Zeitraum für die Gestaltungsmöglichkeiten der Kunst. Dennoch lassen sich nicht besonders viele aussagekräftige tiberische Denkmäler fassen. Zwar war dieser „ewige Erbprinz“ auf seine Ämter lange und gründlich vorbereitet, doch konnte er später die natürliche Autorität des Augustus nicht ersetzen. So bleibt die tiberische Regierungsperiode hinsichtlich großer öffentlicher Aufträge weitgehend akzentfrei. Tiberius hat noch als Thronprätendent mehrere große Marmortempel in Rom wie den Castor-Tempel oder den Concordia-Tempel vollenden lassen (Sueton, Tiberius, 20). 53 Für seine erste Regierungszeit wird uns der Ausbau der Residenz am Palatin (Domus Tiberiana) überliefert. In diese Periode fällt auch die Ausschmückung der kaiserlichen Villa von Sperlonga mit mythologischen Skulpturengruppen rhodischer Künstler, die in einer Naturgrotte geborgen werden konnten. 54 Die gewaltigen Marmorgruppen, die Szenen aus der Odyssee wie die „Weinreichung an Polyphem“ und die „Skylla“ verkörpern, bildeten in dieser als Speisetriklinium fungierenden Grotte den plastischen Bildschmuck für die kaiserliche Hofgesellschaft. Eben in dieser Grotte entging Kaiser Tiberius im Jahre 26 n. Chr. nur knapp einem Felssturz. Durch politische Intrigen enttäuscht und wohl auch verbittert über den Tod des einzigen Sohnes, zog sich dieser Kaiser bald darauf auf die Insel Capri zurück, wo er sich einen gewaltigen Kaiserpalast, die berühmte Villa Iovis, errichten ließ. 55 Damit aber wurde in Rom eine neuerli-
Augustus und sein Erbe
che politische Wende vollzogen, indem sich der Kaiser zunehmend von den Bürgern entfernte und sich seine eigene Umgebung schuf. Dieses abgesonderte, gottgleiche Dasein des Herrschers bedeutete nicht nur Distanz gegenüber der Bevölkerung, es förderte auch eine Form der monarchischen Selbstauffassung, der mehrere, persönlich labile Nachfolger des Augustus nicht gewachsen waren. Der „Atem“ des augusteischen Kaisertums wirkt dabei in der Periode seines mürrischen Nachfolgers Tiberius nach. Das erstaunlichste Faktum ist vielleicht, dass das Kaisertum in dieser Form beibehalten werden konnte. Dazu waren der Senat und das Militär zu gefangen in den vorgegebenen Verhältnissen. Die späteren Krisen und die Damnatio memoriae einzelner Kaiser zeichneten sich als Systemkrise noch keineswegs ab. Und so bleibt es beim Ehrgeiz Einzelner – wie etwa des Sejan –, welche die
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Macht für sich beanspruchen wollten. Für Tiberius war diese Krise endgültig der Anlass, sich auf seine Insel Capri zurückzuziehen. (Die Villenarchitektur dieser Insel bildet ein Kapitel der Betrachtung für sich.) Das Bildnis des Kaisers, er war zum Zeitpunkt der Skulptur bereits über 50 Jahre alt, lässt festgelegten Formwillen erkennen (Abb. 140). 56 Wie bei allen offiziellen Porträts sollten wir uns davor hüten, allzu Persönliches in den Bildniszügen zu lesen. Antike Autoren beschreiben Tiberius als gut aussehenden und kräftig gebauten Mann (Sueton, Tiberius 68). Das Bildnis aus Marmor hat jedoch vor allem die Botschaft der Augustusnachfolge zu vertreten. Es handelt sich dabei um den vierten Bildnistypus des Prinzen: Typus „Berlin–Neapel– Sorrent“. Dieser dürfte anlässlich der Adoption des Tiberius durch Augustus geschaffen worden sein.
Ergebnisse Die Kunst um Augustus erweist sich als größte „formbildende Periode“ der römischen Kunst, vor allem im Sinne ihrer bewusst gewählten neuen Gestaltungsprinzipien. Diese fußen auf sehr unterschiedlichen Erfahrungen und Vorbildern. Eine Fortsetzungslinie von den Gattungen der Republik bleibt anfangs gegeben. Die Inhalte der spätrepublikanischen Kunst und ihre Nähe zum Individualismus der hellenistischen Periode werden jedoch abgelehnt. Entscheidend für die Neubildung der augusteischen Kunst wird so die Distanzierung von der vorangehenden Epoche. Die Jahre der späten Republik waren auf dem Gebiet der Künste durch auftrumpfende Monumente sowie durch übermäßige Luxushaltung einzelner Politiker gekennzeichnet. Als vorbildlich für diesen Personenkreis galten jene Kunstformen, die sich innerhalb der Paläste der hellenistischen Herrscher herausgestellt hatten: Bestimmte Genres der Skulptur, Dekorationsweisen der Malerei und Werke der Toreutik hatten auch in den Häusern und Villen der Reichen Italiens ihren Platz gefunden. Gravierender wirkte sich noch aus, dass das Auftreten einzelner Machtträger der Republik, ausgedrückt etwa im Porträtgedanken und mehr noch in großzügigen Bauprogrammen, sich immer weiter diesen Herrscherattitüden anschloss. Man sollte dabei auch nicht vergessen, dass die Folgen der politischen Haltung dieser Personen in Rom mit Blutvergießen endeten. Octavian musste also allein aus Gründen eines wirksamen politischen Programms neue Anschlusspunkte für die Kunst im öffentlichen, aber auch im privaten Raum suchen: Seine inhaltlichen Vorgaben bestanden in einer gezielten „Mäßigung“, die nun propagiert wurde. Einfachheit und zugleich Würde (auctoritas) bestimmten das Leitbild der Künste. Von hier aus wird man auch die gewollte Suche nach einem neuen Stil eher verstehen. Die Botschaft des augusteischen Zeitalters ließ sich mit jener der vorangehenden griechischen Klassik und nicht mit jener des Hellenismus verbinden. Der bevorzugte Klassizismus steht daher für eine allgemein gültige Norm, durch die das Kaisertum immer wieder erneuert werden konnte.
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6. Kapitel
Ein weiterer Aspekt der augusteischen Hofkunst stellt die „sakrale Weihe der Macht“ (Werner Dahlheim) dar, welche mittels eines erneuerten Götterglaubens und der Vorstellung zentraler religiöser Motive erreicht werden sollte. Bereits die augusteische Zeit vollzieht die Wende hin zum Kaiserkult, indem Trägerorganisationen innerhalb der Bevölkerung etabliert wurden (Vicomagistri, Seviri et Augustales), welche die Verehrung der Laren des Kaisers beziehungsweise nach dessen Ableben und der damit erfolgten Konsekration (Vergöttlichung) seine ständige Verehrung übernahmen. Entscheidend für die Breitenwirkung der augusteischen Kunst wird schließlich deren konsequente Vermittlung zunächst über Bauprogramme im öffentlichen Raum. Mit Hilfe des erneuerten Architekturkanons, einer verständlichen Symbolsprache und nicht zuletzt dem äußeren Glanz der Materialien werden die Belange des Staates nach außen hin sichtbar gemacht. 57 Man hat, nach der glücklichen Wortwahl von Paul Zanker, von der „Macht der Bilder“ innerhalb einer Kunst um Augustus gesprochen. Wahrscheinlich ist es der durchgehende und auf einer verständlichen Ebene angesiedelte Charakter dieser Bildwelten, welcher das Erfolgskonzept dieser Epoche am Deutlichsten zum Ausdruck bringt.
Das Amphitheater ist also das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe, und so gut erhalten! Als ich hinein trat, mehr noch aber, als ich oben auf dem Rande umher ging, schien es mir seltsam, etwas Großes und doch eigentlich nichts zu sehen. Auch will es leer nicht gesehen sein, sondern ganz voll von Menschen. (…) Doch nur in der frühesten Zeit tat es seine ganze Wirkung, da das Volk noch mehr Volk war, als es jetzt ist. Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren, das Volk mit sich selbst zum Besten zu haben. (Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise, Verona, den 16. September 1786)
7. Kapitel Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser Dieses Kapitel versucht, die Kunst Roms in der Nachfolge des Augustus zu charakterisieren. Für die Epoche der iulisch-claudischen Dynastie (14–68 n. Chr.) gilt grundsätzlich eine Kontinuität von Kunstformen und inhaltlichen Mustern. Dabei zeigt sich noch während der Regierungszeit des Claudius (41–54 n. Chr.) ein erster Stilwandel hin zu kräftigen und betonten Formen in Architektur und Plastik. Die augusteischen Ausdrucksmittel hatten sich allmählich überlebt und dort, wo die Tradition gewahrt werden sollte, zeigen sich Manierismen. Auch die Wanddekorationen der claudischen Periode wirken raumhaltiger als jene des frühen Dritten Stils. Sie greifen in gewisser Weise auf den Zweiten Stil zurück. Die Bildzonen der Wände erfahren zusätzlich phantasievolle Bereicherungen, die so den unter Kaiser Nero (54–68 n. Chr.) einsetzenden Vierten Stil vorbereiten. Die Zeit Neros kann generell als neuer Abschnitt der römischen Kunstentwicklung gewertet werden. Nicht zuletzt durch den künstlerischen Gestaltungswillen dieses Kaisers gelangen überaus individuelle Muster in den Künsten zum Durchbruch. Welche Rolle kommt dem römischen Kaiser in den Künsten zu? Zwar ist die römische Kunst nicht primär eine Kunst der Kaiser, doch können die künstlerischen Abschnitte durchaus mit Berechtigung nach den Regierungsperioden einzelner Kaiser unterteilt werden. Mittels prestigeträchtiger Bauprogramme und einer einprägsamen Bildersprache greifen römische Herrscherpersönlichkeiten nämlich weit in die Belange der Kunst ein. Innerhalb der Staatskunst werden deshalb bestimmte Gestaltungsmuster forciert, welche konkrete „Botschaften“ an das Publikum vermitteln sollten. Wieder einmal wird die Porträtkunst dieser Zeit stark von höfischen Mustern geprägt. Neben solchen durchaus nachvollziehbaren Vorgaben für offizielle Kunstgattungen unterliegt jede Kunst aber auch einem unbewussten Stilwandel. Dieser äußert sich etwa durch neue Formen der Raumvermittlung sowie durch plastisch-dynamische Prozesse, welche die subtile, beruhigte Oberflächenbehandlung der frühen Kaiserzeit abzulösen beginnen. Man könnte auch behaupten: Die augusteische Hülle fällt. Davon zeugt dieser Abschnitt der römischen Kunst in besonderem Maße. Bereits viele der plastischen Werke der neronischen Zeit zeichnen sich durch lebendig gestaltete Oberflächenmomente aus. Die Durchdringung des Raumes, seiner Schichtungen und Lichtreflexe werden erneut zu einem Thema für Architektur wie auch Malerei. Einen noch deutlicheren Wandel bringen die Bauten und Bildwerke aus der Zeit der Kaiser Vespasian und seiner Söhne Titus und Domitian (69–96 n. Chr.). Die flavische Dynastie musste sich zunächst innerhalb der veränderten politischen Kulisse Roms und seines Imperiums durchsetzen. Die Staatskunst unterliegt daher auch hier einem deutlichen Kalkül. Rückgriffe auf den Formenapparat der römischen Republik sowie der Traditionen ihrer Bildniskunst werden nach dem Ende der iulisch-claudischen Dynastie wiederum spürbar. Vor allem sind es die Staatsbauten der flavischen Kaiser, die auf
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7. Kapitel
markante Weise das Zentrum Roms besetzen. Dabei bilden das flavische Amphitheater (Kolosseum) und der Friedenstempel (Templum Pacis) demonstrativ Gegenpole zum einstigen Stadtpalast Neros, dessen Areal durch Neubauten wieder an die Bevölkerung zurückgegeben wird. Der unter Domitian errichtete Kaiserpalast auf dem Palatin bezeichnet schließlich den unumschränkten Machtwillen des römischen Herrschertums, indem eine Art „Göttersitz“ inmitten Roms eingerichtet wird. Die bildenden Künste der flavischen Periode werden durch raumhaltige und verlebendigte Formen gekennzeichnet. Dabei bildet das sogenannte flavische Barock auch einen inhaltlich-thematischen Gegenpol zur klassischen Kunstnorm der augusteischen Periode.
Historischer Hintergrund • 9 n. Chr. Varusschlacht im „Teutoburger Wald“ (Kalkriese) • 14–37 Tiberius • 14–16 Germanenfeldzug des Germanicus. Befehl zum Rückzug • 37–41 Caligula • 41–54 Claudius • 43 Eroberung eines Teiles von Britannien • 46 Provinz Thrakia • 54–68 Nero • 65 Pisonische Verschwörung; Tod des Seneca • 68/69 Vierkaiserjahr: Galba, Vitellius, Otho und Vespasian • 69 Brand des Kapitols, Flavische Dynastie • 69–79 Vespasian • 70 Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch Titus • 71 Feier des Triumphes über das unterworfene Judäa • 74 Unterwerfung von Teilen Süddeutschlands • 75 Einweihung des Friedensforums (Forum Pacis) • 77–88 Feldzüge des Agricola in Britannien • 79–81 Titus • 79 Ausbruch des Vesuv • 80 Einweihung des Kolosseums • 81–96 Domitian • 83–85 Feldzüge gegen die Chatten; Obergermanischer Limes • 87 Fehlgeschlagene Verschwörung gegen Domitian
• 89 Doppeltriumph für den Sieg über die Daker und Chatten • 93 Beginn der Schreckensherrschaft des Domitian • 96 Ermordung Domitians in seiner Residenz, anschließend damnatio memoriae • 96–98 Nerva, Beginn des Adoptivkaisertums
Ausgangslage der Kunst Das Gesicht der Hauptstadt verändert sich bereits unter den ersten Nachfolgern des Augustus nachhaltig. Kaiser Tiberius vollendet mehrere Tempelanlagen Roms, durchaus noch im Sinne der augusteischen Religionspolitik, und lässt unter anderem einen monumentalen Triumphbogen am Forum errichten. Zum Anderen beginnt er damit, die Zone des Kaiserpalastes auf dem Palatin deutlich zu vergrößern. Jedoch erst unter dem „Regierungsintermezzo“ des Caligula (37–41 n. Chr.) wird die Schaufassade dieses Kaiserpalastes erstmals auf das Forum Romanum bezogen, indem der Kaiser eine Aufstiegsrampe hinter dem Dioskuren-Tempel auf den palatinschen Hügel anlegen lässt. In diesen Jahren wird auch der erste Kaisertempel Roms vollendet, womit die sakrale Würde des römischen Herrschertums endgültig herausgestellt wird. Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.), wird von Zeitzeugen keine entschiedene Baupolitik nachgesagt, aber nach den archäologischen Zeugnissen veränderte er Rom auf durchaus charakteristische Weise. In erster Li-
Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser
nie sind es Nutzbauten wie Aquädukte (Aqua Claudia) beziehungsweise die von Claudius durchgeführte Erweiterung des Pomeriums, die den Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung trugen. Claudius stellt sich jedoch auch mittels monumentaler Altarbauten (Ara gentis Iuliae, sogenannte Ara Pietatis) sowie eines prachtvollen Triumphbogens anlässlich seines Sieges über Britannien wirkungsvoll in die Nachfolge des Augustus. Sein Stiefsohn und Nachfolger Nero (54–68 n. Chr.) war in den Jahren seiner Herrschaft danach bestrebt, die bisherigen Maßstäbe kaiserlicher Präsenz in der Hauptstadt zu übertreffen. In einer ersten Etappe (bis 64 n. Chr.) ging es ihm darum, die Teile der kaiserlichen Residenz auf dem Palatin mit Villen und Parks auf dem Esquilin (etwa den Gärten des Maecenas) zu verbinden. Die Verbindungstrakte sowie die unterirdisch verlegten Gänge und Prunknymphäen dieser sogenannten Domus Transitoria kamen beim Brand Roms im Jahre 64 n. Chr. ebenso zu Schaden wie ganze Wohnviertel Roms. Kaiser Nero okkupierte zwischen 64 und 68 n. Chr. das Gebiet des Opiushügels und der Talsenke zwischen Palatin, Esquilin und Aventin, um sich seinen goldenen Palast (Domus Aurea) sowie ausgedehnte Parkanlagen mit einem künstlichen See gestalten zu lassen. Von diesem Palastbau hat sich ein ca. 200 m langer Gebäudeteil unter den späteren Trajansthermen erhalten. Dieser Tabubruch Neros gegenüber der bislang gegenüber der Bevölkerung ausgeübten kaiserlichen Förderungspolitik führte schließlich zum Sturz des Kaisers und damit zum Ende der iulisch-claudischen Dynastie. Zwistigkeiten und Kämpfe um die Nachfolge bescherten Rom das sogenannte Vierkaiserjahr, aus dem Vespasian (69–79 n. Chr.), der Begründer der flavischen Dynastie, siegreich hervorgehen sollte. Die von ihm eingeleitete Restitutionspolitik bewirkte, dass Teile der neronischen Parkanlagen an die Bevölkerung Roms zurückgegeben wurden. An Stelle des nunmehr zugeschütteten künstlichen Sees wurde das Flavische Amphitheater (Kolosseum) er-
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baut, das der Sohn und Nachfolger Vespasians, Titus (79–81 n. Chr.), einweihen konnte. Vespasian und sein Sohn Titus, welcher als Sieger aus den Kämpfen in Judäa hervorgegangen war und Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. einnehmen konnte, gaben einen Teil des Beutegutes aus diesem Feldzug in Form von Bauvorhaben an Rom zurück. Der von Vespasian errichtete Bezirk des Friedenstempels (Forum Pacis) vertritt mit seinen Hallen, Versammlungsräumen und kunstvollen Gartenanlagen das Prinzip eines „Schauforums“, in dem zahlreiche Kunstwerke, unter anderem solche aus dem einstigen Besitz Neros, aufgestellt wurden. Plinius der Ältere berichtet davon, dass bedeutende Werke Myrons, Polyklets, eines Leochares und Naukydes, aber auch die Galatergruppe aus Pergamon dort zu bewundern waren (Naturalis historiae 34,84). Der beim Eingang zum Forum Romanum errichtete Titusbogen erinnert an den jüdischen Triumph des Titus (und Vespasians) im Jahre 71 n. Chr., stammt jedoch erst aus den Anfangsjahren der Regierung des Domitian (81– 96 n. Chr.). Domitians Bestreben war es, den bestehenden Kaiserfora einen weiteren baulichen Akzent hinzuzufügen. Er begann mit der Anlage des sogenannten Forum Transitorium, einer prunkvollen Durchgangsstraße zwischen dem Forum Romanum und den im Norden gelegenen Markt- und Wohnvierteln Roms. Dieser Bezirk enthielt, obwohl nur wenig Platz zwischen den Umfassungsmauern des Augustusforums und des Forum Pacis bestand, einen eigenen Tempel der Minerva. Bekannt sind die bis heute erhaltenen Säulenkolonnaden des Forum Transitorium, deren korinthische Säulen und deren Fries mit der dahinter gelegenen Abschlusswand verkröpft sind. Berühmtheit erlangt haben vor allem die flavischen Kaiserpaläste auf dem Palatin, die im Wesentlichen der Regierungszeit des Domitian entstammen. Sie gelten als Prototyp mehrgeschossiger römischer Architektur, welche sich jeweils wirkungsvoll um große Innenhöfe gruppiert. Die gänzlich aus Ziegel errichteten Wände dieser Kaiserpaläste waren ursprünglich mit Marmor-
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7. Kapitel
platten und reichem architektonischem Schmuck ausgestattet. Die Innenhöfe, Säle, Nymphäen und vor allem die große Palastaula können als Maßstab für jede weitere Entwicklung römischer Prunkarchitektur gelten. Seit tiberischer Zeit hatte sich die Massivbauweise aus gebrannten Ziegelsteinen (opus testaceum) in Rom durchgesetzt. Das auf Kaiser Tiberius zurückgehende Prätorianerlager Roms ist gänzlich aus Ziegelmauern (opus caementicium mit Ziegelschalen) errichtet. Auch die erhaltenen Teile der Domus Aurea bestehen durchgehend aus Ziegelmauern, welche verkleidet beziehungsweise verputzt und mit Malereien versehen waren. Die für den Palastbau verbürgten Architekten Severus und Celer nützten zudem die technischen Möglichkeiten des Gießbetons, um neue Gewölbeformen zu erproben. Ein bis heute erhaltenes Kuppeloktogon dieses „goldenen Hauses“ bildete den Mittelpunkt einer phantastischen Innenwelt aus Speisetriklinien, Nymphäen und Apsidenräumen, die den Weg einer neuen römischen Architektur vorzeichnen. Doch auch die nach dem Brand Roms auf Befehl Neros angelegte neue Wohnstadt (urbs nova) dürfte den modernsten Kriterien des damaligen Wohnbaues entsprochen haben. Eine Vorstellung davon geben allerdings nur noch Fragmente der Forma Urbis, die regelmäßig angelegte Stadtviertel mit mehrgeschossigen Wohnbauten zeigen. Selbst die jüngeren städtischen Wohnviertel Ostias aus dem 2. und 3. Jh. verkörpern Prinzipien, die wahrscheinlich im Wohnbau zur Zeit Neros entwickelt wurden. Die nunmehr zum Einsatz gebrachte Ziegelbauweise eröffnete gänzlich neue Möglichkeiten des Bauens. Mit Hilfe des Gussmauerwerkes, bei dem Mörtel hinter Vormauerungen aus Steinen, Ziegeln oder Verschalungen gegossen wurde, konnten erweiterte Gewölbeformen eingesetzt werden und größere Kuppeln entstehen. Das in der Fachliteratur mehrfach verwendete Bild einer „architektonischen Revolution“ (John WardPerkins) findet daher für diese Phase seine volle Berechtigung.
Vergleichbar dem zügigen Ausbau der Hauptstadt, haben auch die zahlreichen Städte Italiens und der Provinzen mehrheitlich öffentliche Bauten aus dem 1. und 2. Jh. n. Chr. aufzuweisen. Als Grundmuster kann dabei gelten, dass das Anlageprinzip vieler Städte zwar auf die augusteische Periode zurückgeht, der Ausbau des öffentlichen Zentrums sich jedoch erst während der Nachfolgegenerationen vollzieht. Viele jener Städte, die bereits über ein Kapitol, eine Basilika, Magistratsbauten oder ein Theater verfügten, erhielten so erst im Laufe des 1. und frühen 2. Jhs. ein Amphitheater, Thermenanlagen oder andere öffentliche Nutzbauten. Die meisten der Städte zeichnen zudem ein Bild blühender Wohnarchitektur zunächst in Form von Einfamilienhäusern (domus), die, entsprechend dem Besitzstand des Eigentümers, mit Malereien und mit plastischem Schmuck ausgestattet werden. Mit der Wende zum 2. Jh. beginnen sich in Großstädten auch Mietwohnungen in mehrgeschossigen Wohnblöcken (insulae) durchzusetzen. Die bildende Kunst hält sich in der Zeit der Nachfolger des Augustus noch weitgehend an die vorgegebenen „klassizistischen Muster“. Erst unter Kaiser Claudius wird eine Änderung der „Geschmacksrichtung“ erkennbar, welche den plastischen Ausdrucksformen weiteren Raum lässt. Einzelne Reliefs der Staatskunst dieser Zeit haben sich erhalten. Es geht in der aktuellen Forschung darum, mehrere Reliefserien aus claudisch-neronischer Zeit zu unterscheiden, die dem Schmuck von Opferaltären und Triumphbögen entstammen. Die Ablösung des verhaltenen augusteischen Stilmusters durch flach im Profil gehaltene Figuren gibt sich an den meisten dieser Reliefs zu erkennen. Die uns bekannten Staatsreliefs öffnen sich in ihrem Raumbezug und dem Bestreben, wiederum nachvollziehbare Handlungsmotive vorzuzeigen. Die Skulpturenproduktion des 1. Jhs. kann insgesamt als sehr hoch eingestuft werden. Kennzeichnend für die claudisch-neronische Periode werden vor allem Statuengruppen von Mitgliedern des Kaiserhauses, die im
Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser
gesamten Imperium in Basiliken, Ehrensälen oder Heiligtümern der Kaiserpriesterschaften aufgestellt wurden. In das 1. Jh. n. Chr. fällt auch eine Blütephase der Kopistenkunst und der Weiterbildung spezifisch römischer Muster für Skulpturen im öffentlichen Raum. Die Ausschmückung der Plätze, Theater und Bäder erforderte zahlreiche Bildgenres, nicht nur der Idealplastik sondern auch des dekorativen Reliefs. Gilt es also einerseits Grundlinien und Konstanten festzuhalten, so tauchen doch wie Blitzlichter neue Gestaltungsformen auf, die das Bild der römischen Kunst nachhaltig verändern sollten. Eines davon ist das Durchbrechen kräftiger und massiver Formen, die aus dem Repertoire der republikanischen Kunst stammen könnten. Auch die Hinwendung zu barocken, ja hellenistisch beeinflussten Vorbildern wird wiederum bewusst aufgenommen. Die grandiose Kunstauffassung neronischer Zeit führt somit endgültig zum Durchbruch neuer Gestaltungsmittel. Vor allem die Oberflächengestaltung von Reliefs, Bildnissen und Idealplastiken verändert sich hinsichtlich ihrer Lebendigkeit und der Öffnung gegenüber dem Raum. Überragend sind die Malereien und Wanddekorationen dieser Periode einzustufen: Die Dekorationsform der Wände öffnet sich erneut einem Architekturstil. Die in der Domus Aurea erhalten gebliebenen Dekorationen vertreten eine Steigerungsstufe der Malerei hinsichtlich ihrer üppig wuchernden Dekorationen und ihrer phantasievollen Motive (sogenannte Groteskenmalerei). Wenngleich in claudischer Zeit vorbereitet, erfahren auch die Dekorationen der gut erhaltenen Häuser und Villen Pompejis sowie Herculaneums und Stabiaes von neronischer Zeit an eine weitere phantasievolle Steigerung im sogenannten Vierten Stil. Auch nach dem Übergang zur flavischen Dynastie und der damit verbundenen politischen Zäsur setzt sich dieser üppige, raumhaltige Stil in der Malerei und den dekorativen Künsten fort.
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Die iulisch-claudische Dynastie Ein großer Prunkkameo bringt den Zusammenhalt der iulisch-claudischen Dynastie ideell zum Ausdruck (Abb. 141). 1 Der „Grand Camée de France“ entstammt dem Staatsschatz der Könige Frankreichs und gelangte, wie andere große Kameen aus Kirchenschätzen oder königlichen Inventaren auch, nie unter die Erde. Ludwig IX. der Heilige, König von Frankreich, hat dieses Prunkstück wahrscheinlich aus Konstantinopel nach Paris mitgebracht und im Schatz der Sainte Chapelle aufbewahren lassen. Eine vergleichbare „Zimelie“ ist etwa die Gemma Augustea, die aus dem Familienbesitz der Habsburger stammte und heute im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird. Seit der Zeit der Spätantike wurden solche kostbaren Prunkstücke in Kirchenschätzen verwahrt – oder in neue Kunstgegenstände eingearbeitet. Meist wurden die antiken Darstellungen auch christlich umgedeutet. So wurde auch der „Grand Camée de France“ im Mittelalter biblisch gedeutet, nämlich als Erhebung Josephs zum Stellvertreter des ägyptischen Pharao (Genesis 41). Im Jahre 1619 erkannte der Gelehrte Nicolas-Claude Fabri de Peiresc, dass es sich bei dem Kaiserpaar in der mittleren Zone des Steins um Tiberius und seine Mutter Livia handeln müsse, eine These übrigens, die bis zum heutigen Tag von den meisten Forschern vertreten wird. Die Darstellung des Kameo besteht aus drei Figurenzonen. Ein Zwischensteg trennt dabei die Hauptzone vom unteren Fries der Kriegsgefangenen, die dort eng aneinandergedrängt lagern. Die mittlere Zone wird von einem thronenden Kaiserpaar eingenommen. Vor diesem erstattet ein militärisch gekleideter Mann, der von einer bekränzten Gestalt unterstützt wird, Bericht. Bei der Figurengruppe links davon handelt es sich um einen Knaben im Panzer sowie eine weitere weibliche Gestalt. Der Vorstellungs- und Begrüßungsgestus gegenüber dem Kaiserpaar wird dabei offensichtlich. Hinter dem thronenden Paar kehrt sich das gestische
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Schema um. Hier ist es eine vornehm gelagerte weibliche Gestalt, welche von einem Gepanzerten auf die Szene am oberen Bildfeld aufmerksam gemacht wird: Es handelt sich dabei um eine Apotheose, das heißt um die Aufnahme einer Person in göttliche Sphären. Eine mit Strahlenkranz und Schleier ausgestattete Gestalt wird von der Verkörperung Aions, dem Symbol der Ewigkeit, in die Lüfte gehoben. Als Begleiter dieser Himmelserscheinung fungieren zwei weitere bekränzte Figuren, die einmal von einem Pegasos getragen, einmal frei auf die Zentralgestalt zuschweben. Der in himmlische Sphären entrückte Kaiser muss der Aussage des Porträts nach Kaiser Augustus sein. Wären alle übrigen Figuren entsprechend sicher zu bestimmen, so gäbe es beim großen Pariser Kameo kaum Deutungsprobleme. Das Gegenteil ist allerdings der Fall, und so haben Generationen von Forschern in penibler Analyse zum Teil recht spitzfindige Lösungen für die Deutung der Personengruppen gefunden. Ziel war es jeweils, jede der dargestellten Personen zu benennen und darüber hinaus in ihrer Funktion zu bestimmen. Aus dem Beziehungsgeflecht der Figuren, so die legitime Annahme, ließe sich die genaue Entstehungszeit des Kameo und darüber hinaus seine Funktion im höfischen Kontext bestimmen. Aus der Tatsache, dass die Datierungsvorschläge zum Kameo dennoch grob mehrere Jahrzehnte nach dem Tod des Augustus bis in neronische Zeit abdecken, lässt sich ersehen, dass die heutigen Bestimmungsmethoden Unschärfen enthalten, die wahrscheinlich mit der ursprünglichen Auftragslage zu tun haben. Ein Problem liegt eben im Versuch der exakten Porträtbestimmung, wobei erschwerend hinzu kommt, dass einige der Köpfe am Kameo in späteren Jahrhunderten umgedeutet, sprich umgraviert wurden. Ein weiteres Problem könnte darin liegen, dass der uns heute zur Verfügung stehende Apparat einer „Porträtanalyse“ sowie einer „Kohärenz der Bildebenen“ am Kameo zu spitzfindig angewendet wurde. In seiner jüngst erschienen Monogra-
phie zum Pariser Kameo schreibt Luca Giuliani zum Problem der iulisch-claudischen Ikonographie: „Wir haben es sehr oft mit Bildnissen zu tun, die eher eine allgemeine Familienzugehörigkeit als eine prägnante individuelle Kennzeichnung betreiben.“ 2 Damit bliebe uns tatsächlich ein allgemeiner Zeitrahmen innerhalb der iulisch-claudischen Periode zur Verfügung, auf die sich das Himmelsbild des Augustus beziehen müsste. Die von mehreren Forschern vorgeschlagene Deutung läuft darauf hinaus, dass der Nachfolger des Augustus, Tiberius, sowie seine betagte Mutter, Kaiserin Livia, im Zentrum des Programms stehen. Wie Augustus in den Götterhimmel entrückt wären dann – und hier beginnen die Annahmen – Germanicus, der im Jahre 19 n. Chr. früh verstorbene Mitregent des Tiberius sowie Großneffe des Augustus und wahrscheinlich Drusus, der ebenfalls früh verstorbene leibliche Sohn des Tiberius. Demnach müsste der Prunkkameo zwischen dem Tod des Drusus (23 n. Chr.) und dem Tod der Kaisermutter (29 n. Chr.) geschaffen worden sein. Unter den ansonsten noch dargestellten Familienmitgliedern des iulischen wie des claudischen Hauses, den Nachkommen der Livia also, befänden sich ganz am linken Rand auch der kleine Prinz Caligula vor seiner Mutter Agrippina. Auf diese Weise böte der „Grand Camée de France“ eine einzigartige Familiengruppe der Iulier und Claudier, die symbolisch vereint den Siegesmythos des römischen Kaisertums vortragen. In jüngster Zeit hat Hugo Meyer eine neue Deutung des Kameo in Paris, nämlich für den Aufstieg und die Verheißung des Herrschertums an Nero vorgelegt. Diese Umdeutung basiert nicht zuletzt darauf, dass der Kameo bereits in der Spätantike verändert wurde und eine teilweise Umarbeitung der Köpfe erfahren hat. Aus dieser Tatsache heraus ist es noch komplizierter, eine exakte Benennung der Hauptfiguren nachzuweisen. Die dem Anschein nach so sichere zeitliche Eingrenzung des Prunkkameo gerät endgültig ins Wanken. Um den gro-
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Abb. 141: Der Grand Camée de France stellt im Zentrum Tiberius und seine Mutter Livia dar. Oben in der Mitte der vergöttlichte Augustus.
ßen Pariser Kameo zu würdigen, bedarf es allerdings nicht einer Jahreszahl. Auch einen stilistischen Fixpunkt anhand des „Grand Camée de France“ festlegen zu wollen, stellt meines Erachtens nicht die wichtigste Aufgabe dar. Der augusteische „Hofstil“ wurde bei solchen Preziosen ohnehin über mehrere Generationen hinweg beibehalten. Dass sich die Stilbildung innerhalb der Freiplastik zwischen den späten 30er Jahren und dem Tod Neros im Jahre 68 hingegen stärker wandelt, davon werden wir gleich erfahren. Von Kaiser Claudius haben sich verhältnismäßig viele Bildnisstatuen erhalten. Einige von ihnen stammen von „Porträtgalerien“, die den Kaiser, seine Vorgänger und die nächsten Ver-
wandten zeigen. Die Aufstellung dieser während der frühen Kaiserzeit beliebten Familiengruppen erfolgte in Basiliken, neu angelegten Prunksälen am Forum oder in den Vereinsheiligtümern der Kaiserpriesterschaften. Häufig wird der Kaiser thronend, im sogenannten Iuppiterschema verkörpert. Weniger bekannt ist eine Panzerstatue des Kaisers in Turin, welche den fortgeschrittenen sogenannten dritten Porträttypus des Kaisers wiedergibt (Abb. 142). 3 Die Ausführung der Statue kann somit in die Jahre um 50 n. Chr. datiert werden. Das Panzerrelief dieser Ehrenstatue zeigt Victorien, die ein Tropaion schmücken. Gerade diese kompakt gebaute, überlebensgroße Figur verrät deutlich jene Veränderungsprozesse, die sich
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in der plastischen Anschauung der Zeit anbahnen. Im Erscheinungsbild der Statue drängt alles nach vorne hin. Die massige Körperlichkeit des Kaisers, seine militärische Bekleidung, wird durch eine unruhige, wie durchgeknetete Plastizität zum Ausdruck gebracht. Gegenüber der feinsinnigen Togastatue des Augustus aus Korinth (Abb. 122218) lassen sich ausführungstechnische und wirkungsbezogene Unterschiede ausmachen. In claudischer Zeit erlahmen jene ästhetischen Konzepte, die Augustus einst vorgegeben hatte. Auch das Porträt des Claudius wirkt bodenständig und nimmt eine deutlich derbere Note als jene des Augustusporträts an. Auch die Baukunst claudischer Zeit übernimmt zum Teil wieder Mittel, die bereits für die Architektur der späten Republik ausschlaggebend waren. Dazu zählt die Technik der Rustizierung (zu latein. rusticus: ländlich, bäuerlich), das die Oberfläche der Baublöcke nicht glättet, sondern roh belässt. Dieses Mauerwerk aus nur grob behauenen Steinquadern gewinnt eine eigene ästhetische Wirkung.
Bauten und Programme
Abb. 142: Panzerstatue des Claudius.
Die Porta Maggiore claudischer Zeit zeigt auf bemerkenswerte Weise solche robusten Gestaltungsformen und hebt sich allein dadurch von den eleganten Baulösungen der augusteischen Zeit ab (Abb. 143). 4 Freilich handelt es sich dabei um einen Nutzbau, an dem die besonderen Konstruktionsprinzipien zur Geltung kommen sollten. Die 52 n. Chr. errichtete Porta Maggiore war ursprünglich kein in einen Mauerverband integriertes Stadttor, sondern führte die Wasserleitungen der Aqua Claudia und des Anio Novus über die Via Praenestina in die Stadt. Der zweitorige Durchgang ist in seinem unteren Teil gänzlich aus sogenananten rustizierten Blöcken gebildet. Das bedeutet, dass die Blöcke quasi roh belassen wurden, was jedoch nicht auf mangelnde Fertigstellung, sondern auf eine bewusste Ästhetik des Außenbaues hinweist (Bossenstil).
Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser
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Abb. 143: Rom: Porta Maggiore.
Die Bogenpfeiler der Porta Maggiore werden jeweils von Entlastungsbögen durchbrochen und erhalten als weitere, geschickt eingesetzte Gliederungselemente Ädikulen, die ebenfalls aus roh belassenen Halbsäulen gebildet werden. Gebälk, Fries und vorgeblendete Dreiecksgiebel dieser Ädikulen wurden hingegen geglättet. Die Attikazone des Prunktores nimmt nun jene Wasserleitungen der Aqua Claudia beziehungsweise des Anio Novus auf, welche große Wassermengen in die Stadt lieferten. Die sogenannte Porta Maggiore kann somit sowohl als Nutzbau wie auch als bewusster Ausdruck kaiserlicher Förderungspolitik gelten. Aus einigen Städten Oberitaliens (Verona, Ravenna) werden ebenfalls claudische Prunktore überliefert, die als Ausdruck des Schmuckbedürfnisses, aber auch als politische
Denkmäler gewertet werden können. Wie uns Sueton (Claudius 20) berichtet, „waren die Bauten, die der Kaiser errichten ließ, groß und nützlich, aber nicht sehr zahlreich“. Gestützt auf solche und durchaus gleichlautende Urteile anderer Historiker, fanden die Bauprogramme des Kaisers mit Ausnahme der Wasserleitungen und Bögen keinen rechten Platz in den Augen der Nachwelt. Kaiser Claudius ließ die Stadt Rom jedoch an mehreren Punkten verschönern und erweitern. Welche Veränderungen zeigen sich noch in claudischer Zeit? Antike Quellen berichten vom teils recht unbeholfenen, teils unkonventionellen Auftreten des Kaisers Claudius auf dem Feld der Politik. Einige der Schilderungen bedienen sich dabei eines ungewohnten Zynismus. Die Regentschaft des Kaisers erscheint so
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späteren Historikern als schwer festlegbare Zwischenepoche. 5 Claudius wird aber nicht zuletzt durch die gegebene Überlieferungslage zu einem Kaiser Roms, dessen Intentionen nicht klar werden und dessen Tätigkeit im Allgemeinen unterschätzt wird. Diesem recht allgemein gehaltenen Bild widerspricht zumindest aus archäologischer Sicht die hohe Zahl claudischer Denkmäler. Wenden wir uns daher noch einmal den sichtbaren Zeugen dieser Periode zu. Auf dem Gebiet der Bauten lassen sich nämlich durchaus innovativ geprägte Maßnahmen claudischer Zeit hervorheben, welche – grosso modo – der Wohlfahrt des Staates und seiner Bevölkerung dienten: Um etwa die Reihe der Nutzbauten und technischen Konstruktionen anzuführen, die während der vierzehnjährigen Regierungsperiode (ab dem Jahr 41) des Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus errichtet wurden. Gerade diese legen ein beredtes Zeugnis vom Aufschwung der claudischen Zeit ab. Zu nennen sind neben der Aqua Claudia der Ausbau des Hafens von Ostia oder die Trockenlegung des Fuciner Sees. 6 Zu den Staatsmonumenten claudischer Zeit zählen ein nach dem Sieg über die Britannier errichteter Triumphbogen sowie mindestens ein Opferaltar, der in inhaltlichem Bezug zum Friedensaltar des Augustus auf dem Marsfeld gestanden haben dürfte (Ara Pietatis Augustae). 7 Eine Ara gentis Iuliae befand sich nach Ausweis der antiken Schriftquellen im Heiligtumsbezirk am Kapitol. Diesen Prestigeprojekten claudischer Politik ist gemeinsam, dass trotz des Nachweises zahlreicher zusammengehöriger Fragmente eine abschließende archäologische Dokumentation kaum mehr zu gewinnen sein wird: Die seit der frühen Neuzeit im Verlauf der Via Lata (Via del Corso) geborgenen Bauglieder und Reliefteile der claudischen Staatsmonumente waren teilweise im spätantiken Arcus Novus verbaut beziehungsweise an den vermuteten Standorten des Bogenmonumentes und des Altares angetroffen
worden (Abb. 126223). Dabei gestaltet sich die Suche nach einer Ara Pietatis, allein ihrer Bezeichnung wegen, zu einem nahezu unlösbaren Problem archäologischer Interpretation. Ein weiteres großes römisches Staatsrelief im Pariser Louvre entstammt der claudischen oder vielleicht doch bereits der neronischen Epoche (Abb. 144). 8 Es könnte einem großen Altar, eventuell aber auch einem Bogenmonument angehört haben. Das Relief zeigt den Ausschnitt einer Opferhandlung vor der Kulisse eines viersäuligen Tempels korinthischer Ordnung und einem weiteren Bau, dessen Eingang von Säulen und Kapitellen der seltenen „äolischen Ordnung“ flankiert wird. Der Ausschnitt der Opferhandlung, die sich im Relief ursprünglich nach links fortsetzte, zeigt einen bekränzten Togatus, einen Kultmusiker (tibicen), sowie Opferdiener (victimarius und popa). Die zentrale Handlung dieses Opferreliefs dürfte, verglichen mit anderen römischen Staatsreliefs, das unblutige Voropfer des Kaisers beinhaltet haben. Mit kräftigen Bewegungen führt der Opferdiener den reich geschmückten Opferstier vor. Auch die übrigen handelnden Personen treten aus dem Reliefgrund hervor und sind doch in eine gemeinsame Schaukulisse einbezogen. Unterschiede zu älteren Staatsreliefs werden deutlich. So wird der getragen-feierliche Stil der Ara Pacis bei diesem Relief zu Gunsten einer aktiven Anteilnahme am Geschehen aufgegeben. In gewisser Weise bildet dieses Relieffragment unbekannter Funktion eine Fortsetzungslinie zu jener Serie claudischer Opferreliefs, die auch als Della-ValleMedici-Reliefs bekannt geworden sind (Abb. 126223). Auch wenn die Opferhandlung vor der Kulisse augusteischer Staatsbauten spielt, die Raum- und Figurenauffassung ist unübersehbar eine andere geworden. Es zeigen sich deutlich die Risse innerhalb der klassizistischen Prägung. Die Bildwerke der Staatskunst aus der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. spiegeln jedoch immer noch den Rahmen der augusteischen „Gründerzeit“. Die handelnden Figuren verkör-
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Abb. 144: Rom: Das sogenannte Opferrelief Mattei.
pern dabei Dramatik und spürbare Anteilnahme am Geschehen. Man wird das Relief daher in die spätclaudische oder neronische Zeit datieren.
Der „Sonderfall Nero“ Stellt Kaiser Nero bereits als Persönlichkeit einen Sonderfall dar, so bildet umgekehrt die Regentschaft Neros ein Ausnahmekapitel für die Entwicklung der Künste. Immerhin werden ihm vom eigenen Lehrer, dem Philosophen Seneca, folgende Worte in den Mund gelegt: „Ich wurde erwählt, um die Rolle des Stellvertreters der Götter auf Erden auszüben“ (Seneca, De clementia 1,1.2). Nero, dessen Knabenbildnis in vie-
len Familiengalerien des Kaiserhauses gezeigt wurde, um den durch seine Mutter Agrippina in die Ehe mit Kaiser Claudius eingebrachten „Thronerben“ zu positionieren, wurde somit frühzeitig zum Herrscher stilisiert. Seine wahren Begabungen hätte der Mensch Nero jedoch wahrscheinlich in den Künsten und im künstlerischen Wettbewerb gesehen. Wie die spätere Biographie Suetons herausstellt, schien dabei der erste Abschnitt der Herrschaft Neros durchaus unter einem glücklichen Stern zu stehen. Einen Wendepunkt bildete schließlich die tragische Verstrickung Neros in den Mord an der eigenen Mutter sowie seine Abkoppelung von den verbleibenden „stabilen Kräften“ am Kaiserhof. Das „freiwillige“ Exil des Lehrers Seneca, eines führenden Kopfes im Rom dieser
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Abb. 145: Rom: Marmorporträt des Nero.
Tage, sowie dessen herbeigeführter Selbstmord werfen einen dunklen Schatten auf diesen Regierungsabschnitt. Ein unglücklicher Trieb zu Selbstdarstellung und Hedonismus führten im letzen Regierungsabschnitt Kaiser Neros zu seltsamen Blüten und auch tragischen Einschnitten für die Geschichte Roms. Jener Prinz Nero, welcher nach dem rätselhaften Ableben seines Stiefvaters Claudius im Jahre 54 n. Chr. die Herrschaft antrat, übte sein Kaisertum zunächst im Schatten seiner Mutter aus. Die ersten zehn Regierungsjahre des Kaisers sollten sich für Rom und die Provinzen als durchaus fruchtbare Periode erweisen: Nero initiierte Bauvorhaben und ließ ebenso mehrere Bauten wiederherstellen. Sein Drang nach Größe führte aber dazu, die Anlagen seiner Residenz auf mehrere Hügel Roms auszudehnen und durch Verbindungstrakte untereinander zu verbinden (Domus Transitoria). Dies wurde dadurch möglich, dass die meisten Stadtpaläste
und Gärten römischer Adeliger am Esquilin bereits zuvor in kaiserlichen Besitz übergegangen waren. Auch das Bedürfnis Neros, sich mit erlesenen Kunstwerken zu umgeben, führte dazu, dass er eine große Anzahl an Originalwerken aus Griechenland, so etwa dem Heiligtum von Olympia, nach Rom abtransportieren ließ. Dieser Kaiser dürfte der letzte Machthaber Roms gewesen sein, der diese „Siegerattitüde“ in großem Stil ausübte. Das Porträt Neros im Museo Nazionale Romano vertritt den Haupttypus (oder dritten Bildnistypus), der in den Jahren 59–64 n. Chr. häufig wiederholt wurde (Abb. 145). 9 Grundlage für solche Datierungen bilden Münzbildnisse, die Jahresangaben enthalten und deren Profilansichten innerhalb der Regierungsabschnitte unterschiedliche Porträtformen aufweisen. Die Bildnisvorlage für diesen Kopf wurde wahrscheinlich anlässlich des fünfjährigen Thronjubiläums geschaffen. Das hier gezeigte, aus Rom stammende Marmorporträt dürfte dem Original ziemlich getreu nachgebildet worden sein. Die Bildniszüge Neros wirken besonders fleischig und direkt zugleich. Dadurch unterscheidet sich die neronische Bildnisauffassung auch von jener der zurückhaltend-höfischen Bildnisse am Beginn der Kaiserzeit. Dennoch dürfen wir nicht einfach eine Rückkehr zu veristischen Porträtdarstellungen, wie sie in Rom lange vorherrschend waren, vermuten. Der Nerokopf wirkt absolut stilisiert und verbirgt sich auch hinter einer künstlichen Schale. Die Bildmittel und die Bildauffassung haben sich dabei seit augusteischer Zeit deutlich verändert: Differenzierung und Formenreichtum, Einbeziehung des Lichtund Schattenspiels sind Kennzeichen einer sich wandelnden Plastizität. Die Domus Transitoria gehört zu jenen „Gesamtkunstwerken“, die zwar auf höchstem Niveau ausgeführt wurden, jedoch keine praktische Nutzung fanden. Ihre Entstehungszeit reicht in die Jahre zwischen 54 und 64 n. Chr. Zu kurz blieb der Zeitraum zwischen der Ausführung der Palastteile und dem verheerenden
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Abb. 146: Rom: Deckenmalerei der Domus Transitoria.
fünftägigen Brand Roms, der am 18. Juli 64 n. Chr. ausbrach (Tacitus, Annalen 15,38–40). Die Gemälde der Domus Transitoria wurden unterhalb der Flavischen Kaiserpaläste angetroffen. Der Ausschnitt einer Deckenmalerei zeigt vergoldete Stuckleisten und fragiles pflanzliches Rahmenwerk um eine gemalte Personengruppe (Abb. 146). Die Darstellung verkörpert eine Szene aus der Ilias, in der homerische Helden in der Unterwelt nach dem Ausgang des Krieges um Troja befragt werden. Nicht nur diesen mythischen Zusammenhängen nach werden die Körper der Helden wie in einem Schattenreich dargestellt. Die bildliche Darstellung verliert sich in einer unbestimmten räumlichen Zone. Für einzelne Figurenmotive des Gemäldes dürfen Vorbilder in der griechischen Monumentalmalerei gesucht werden, deren
Originale zur Zeit Neros noch existierten und vielleicht sogar in Rom zu bewundern waren. Der römische Maler verwendet für seine Wiedergaben einen schmissigen, pastosen Stil, der vor allem Eigenständigkeit und Virtuosität zum Ausdruck bringen möchte. Die mit Fresken und Stuck üppig verzierten Wand- und Deckenflächen der einstigen neronischen Paläste beschreiten insgesamt neue Wege der Kunstauffassung. Auch die extravaganten Gemälde dieser kaiserlichen Prunkanlage vertreten eine neue Variante des Wanddekors. 10 Vor allem die fragilen Ranken des Bilderrahmens scheinen wichtiger als das Gemälde selbst. Einzelne Blüten dieses Rankenwerkes wurden mit Glasflusskugeln besetzt, sodass die Decke bei künstlicher Beleuchtung wie von Edelsteinen besetzt funkelte. Dieser deutlich manierierte Zug bildet nur eine Kom-
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Abb. 147: Herculaneum: Augustalenheiligtum.
ponente des neronischen Malstils. Eine Steigerung zeigt sich in den ab 64 n. Chr. geschaffenen Wand- und Deckenmalereien der Domus Aurea am Opiushügel. 11 Diese wurden, wie Plinius schreibt, von einem gewissen Famulus ausgeführt, der auch einen eigenen Stil kreiert haben soll (Naturalis historiae 35,120). Als man im 16. Jahrhundert Teile der Domus Aurea in unterirdischen Grotten wiederentdeckte, sprach man bald von einer „Groteskenmalerei“. Diese sollte als eigene Gattung in den Palästen und Villen der Fürsten der frühen Neuzeit ihre Wiederaufnahme und Bewunderung finden. Ein Glanzlicht der neronischen Periode bietet auch das Augustalium von Herculaneum (Abb. 147). Bereits im 18. Jahrhundert unterirdisch angeschnitten, ist es seit den Grabungen 1960 und der damals erfolgten Freilegung ein fester Bestandteil des Rundganges durch
die Häuser und die Gebäude am Decumanus der Stadt. 12 Der aus opus reticulatum gefertigte Bau stellt eine rechteckige, überdachte Aula mit eingefügtem Sacellum und einem Nebenraum seitlich des Haupteinganges dar. Die Grundmaße der Anlage betragen (ca. 13,50 15,70 m). Die ursprüngliche Konzeption des Baues entsprach der eines Atriums, wodurch noch die Situierung innerhalb eines Wohnviertels mit benachbarten Wohnhäusern deutlich zum Tragen kommt. Der Saal verfügt im Zentrum über vier tuskanische Säulenstützen, die eine Art Laterne mit compluvium, über das die Lichtführung erfolgte, tragen. Entscheidend für jegliche weitere Interpretation sind die den Hauptraum betreffenden baulichen Veränderungen in einer zweiten Bauphase: Durch Einfügen von Innenwänden zwischen den zwei
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südlichen Zentralstützen und der südlichen Abschlusswand entstand eine Kultnische (Sacellum), die, nunmehr richtungsbezogen, die sakrale Funktion des Saales unterstreicht. In einer weiteren Ausstattungsphase wurde in diesem Raumteil ein Paviment aus opus sectile verlegt. Die Wände der Kultnische wurden mit einem Marmorsockel und darüber Malereien im Vierten Stil verziert. Das Sacellum selbst, ein Kultraum mit gestufter Zentralnische und vorgestelltem Säulenbaldachin (aus der zweiten Bauphase), besaß eine Holzbalkenauflage und eine Aufmauerung zum Obergeschoss. Die Innenwände weisen reiche Bemalung mit szenischen Mittelbildern im Vierten Stil auf. In der Kultnische befindet sich eine Statuenbasis oder ein Altar. Statuenbasen für den Divus Iulius und den Divus Augustus befanden sich zwischen den vorderen (nördlichen) Baldachinsäulen. Im Gegensatz zu den übrigen dem Gebäude zugewiesenen Inschriften, die teilweise in den Lavamassen und nicht in situ angetroffen wurden, geben die Statuenbasen als einzige einen Hinweis auf die Funktion des Gebäudes als Kaiserkultraum: In gewünschter Deutlichkeit geben sie an, dass die Augustalen als Stifter der beiden Statuen fungierten (CIL X 1411 und 1412): DIVO IVLIO / AVGVSTALES DIVO AVGVSTO / AVGVSTALES
Von den Statuen haben sich keine Fragmente erhalten. Die Wandgemälde des Vierten Stils zeigen Hercules, den Gründungsvater der Stadt Herculaneum, in einzelnen mythischen Szenen. Auf der östlichen Zwischenwand wird er in Begleitung von Hera und Athena (Einführung in den Olymp?) und gegenüber nach neuer Deutung mit Deianeira und Acheloos gezeigt. 13 Für diese Ausgestaltungsphase des gesamten Augustalenheiligtums wird eine Datierung der Gemälde in die neronische Zeit ausschlaggebend. Umberto Pappalardo betont zu Recht die imperiale Ikonographie und römisch geprägte Sichtweise des griechischen Herakles-
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mythos etwa in Form des Göttinnenbildes, in dem die Apotheose des Gründungsheros der Stadt unterstrichen wird. In die römische Sichtweise und den Triumphalgestus fügen sich auch die oberen Bilder der Wandzone, die Victorien auf Bigen zeigen.
Die Zeit der Flavier Die Dynastie der Flavier wird durch einen nach außen hin markanten väterlichen Begründer und zwei charakterlich sehr unterschiedlich geratene Söhne und Nachfolger markiert. Wiederum zeichnet eine Umbruchsphase den Beginn und das Ende der Dynastie. T. Flavius Vespasianus gelangte nach einem Jahr der Unruhen, in dem mehrere Thronbewerber ausgerufen und kurz darauf ausgelöscht wurden (sogenanntes Vierkaiserjahr), auf den römischen Kaiserthron. Vespasian kann vor allem auf Grund seiner persönlichen Prägung als Gegenpol zum verschwenderischen und zügellosen Kaiser Nero gesehen werden. Er stammte aus einer bescheidenen ritterlichen Familie und wurde in einer rückständigen Gebirgsregion Italiens geboren. Vielleicht führte dies zu jener Nüchternheit und realistischen Haltung, welche die Regierungsperiode des Vespasian nach Aussage der Biographen kennzeichnet. Nicht von ungefähr feiern auch „altrömische“ Züge im Porträt dieses Kaisers ihre Wiederkehr, um die Persönlichkeit dieses Kaisers wirkungsvoll von jener seines Vorgängers Nero abzugrenzen. Auch die ambitionierten Bauprogramme des ersten Flaviers in Rom bedeuteten ein Ende der Enteignungsmaßnahmen Neros, indem auf dem Gelände des neronischen Palastes das flavische Amphitheater (Kolosseum) errichtet und somit die Fläche an die Bevölkerung der Stadt zurückgegeben wurde. Der überwältigende Sieg des älteren Sohnes Vespasians, Titus, über Jerusalem und die aus Judäa mitgebrachte Beute ermöglichten Bauten wie jene des großflächigen Forum Pacis (Friedensforums, zwischen 71 und 75 n. Chr. er-
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Abb. 148: Rom: Titus-Bogen. Er wurde 1822 durch den Restaurator Valadier (im Auftrag des Papstes) wieder hergestellt.
richtet), das als ein Kaiserforum eigener Kategorie angesprochen werden kann (Abb. 124221). Plinius der Ältere lobt diesen Gebäudekomplex, der Räume für öffentliche und religiöse Angelegenheiten sowie Bibliotheken und Kunstausstellungen enthielt, in den höchsten Tönen. Unter Vespasian wurde auch der im Unruhejahr 68/69 n. Chr. durch eine Feuersbrunst in Mitleidenschaft gezogene IuppiterCapitolinus-Tempel restauriert. Nach einem kurzen Regierungsintermezzo des Titus bestieg der jüngere Sohn Vespasians, Domitian, den Kaiserthron. Gerade auf diese, durch Selbstüberschätzung und Größenwahn gekennzeich-
nete Persönlichkeit gehen wesentliche Bauprogramme in der Hauptstadt zurück. Domitian initiierte mehrere Bauvorhaben in Rom wie den nach einer verheerenden Feuersbrunst im Jahre 80 n. Chr. notwenigen nochmaligen Wiederaufbau des Kapitolinischen Tempels oder die Errichtung des Titusbogens und den Bau des Forum Transitorium. Mehrere Bauten auf dem Marsfeld wie das Marcellus-Theater oder das Pantheon des Agrippa mussten nach der Brandkatastrophe ebenfalls erneuert werden. Die Errichtung der flavischen Kaiserpaläste auf dem Palatin, welche Empfangshallen, Gartenanlagen, Repräsentations- und Wohnräume
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Abb. 149: Rom: Titus-Bogen. Durchgangsrelief mit der Darstellung des Beutegutes aus dem Triumph über Judäa.
unerhörten Ausmaßes umfassten, bildete den Höhepunkt des architektonischen Könnens dieser Epoche. Domitian, der den Titel Dominus et Deus angenommen hatte, zog sich in die Höhe dieser göttlichen Scheinwelt zurück und führte zugleich durch den Jähzorn und die Unberechenbarkeit seines Wesens die Monarchie in die nächste Katastrophe. Vor allem aber ist es eine barock-schwülstige Ausdrucksform, die nun in Plastik und Malerei wiederum die Oberhand gewinnt. Der Überschwang, der in den Künsten seit der Zeit Neros präsent blieb, sollte in der flavischen Kunst deutlicher denn je zum Durchbruch gelangen. Was sich ebenfalls in der Zeit der Flavier deutlich ausprägt, ist eine Reifestufe der römischen Bautechnik und Dekoration, die das Bild der gesamten römischen Kunst mitprägen sollte. Viele Bauten der flavischen Periode sind etwa auch in Oberitalien oder den östlichen Provinzen zu finden. Wenn in der nachfolgenden Zeit eines Trajan und Hadrian das gesamte Imperium Romanum im Mittelpunkt steht, so bilden die letzten 30 Jahre des 1. Jhs. einen wirkungsvollen Auftakt dazu. Ein Triumphbogen zeitloser Schönheit bil-
det den Abschluss des Forum Romanum in seinem südöstlichen Teil (Abb. 148). Der aus lunensischem Marmor geschaffene Bogen erhebt sich auf einer natürlichen Kuppe (der Velia), überspannt die Via Sacra und überblickt gewissermaßen Forumssenke und Kolosseumstal. Dieses antike Monument wurde bereits im 19. Jahrhundert seiner mittelalterlichen Einkleidungen entrissen und in seiner antiken Form wiederhergestellt. 14 Der Bogen war im Mittelalter nämlich in die Stadtburg des bedeutenden Geschlechtes der Frangipani eingebunden und wurde erst 1822 von dem Architekten Giuseppe Valadier im Auftrag von Papst Pius VII. erneuert. Dabei musste zunächst der gesamte Bogen abgetragen und fehlende Teile aus Travertin ergänzt werden. Laut der erhaltenen Inschrift auf der Ostseite wurde der Triumphbogen offiziell im Auftrag des Senates dem vergöttlichten Titus geweiht: SENATUS POPULUSQUE ROMANUS DIVO TITO DIVI VESPASIANI F(ILIO) VESPASIANO AUGUSTO
Bei der Kaiserproklamation Vespasians im Juli 69 n. Chr. wurde sein Sohn Titus zum Caesar
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7. Kapitel
ernannt und führte in eigener Verantwortung die Kämpfe in Judäa fort. Im September des Jahres 70 gelang es Titus nach zäher Belagerung Jerusalems, die Stadt einzunehmen. Teile des salomonischen Tempels wurden von den Römern bewusst zerstört. Titus kehrte im Juni 71 nach Rom zurück und konnte dort, gemeinsam mit seinem Vater, den Triumph durchführen. (Flavius Josephus, Bellum Iudaicum 7). Die szenischen Darstellungen des Bogens erinnern an die Niederschlagung des jüdischen Aufstandes in Judäa und an die Eroberung Jerusalems durch Titus und seinen Vater Vespasian im Jahre 71 n. Chr. Im Fries der Gebälkszone war der Triumphzug beider Herrscher dargestellt (Abb. 149). Auf den großen Reliefs im Bogendurchgang werden ebenfalls markante Szenen dieses jüdischen Triumphes verewigt. Hier ist Kaiser Titus die Hauptperson. Der Bogen wurde allerdings erst nach dem plötzlichen Ableben des beim Volk beliebten Herrschers geschaffen. Im Scheitel der Halbtonne des Bogendurchganges befindet sich ein Relief, das die Apotheose des Titus zeigt. Der Bogen kann daher und auch nach Aussage der Bogeninschrift erst nach der im Jahre 81 erfolgten Divinisierung des Titus angesetzt werden. Der damals regierende Domitian konnte so umso mehr auf dem Ruhm seiner Familienmitglieder und Vorgänger auf dem Thron aufbauen. Das eintorige Bogenmonument besitzt einen überwältigend formschönen Aufbau. Bereits die Maße (Breite 14 m, Höhe 14,50 m) sprechen von der Klarheit der Proportion, die in allen Teilungsverhältnissen dieses Monumentes zum Ausdruck gebracht wird. Die Pfeiler des Bogens werden durch Halb- und Dreiviertelsäulen mit korinthischen Kompositkapitellen strukturiert. In den Bogenzwickeln tragen Siegesgöttinnen die Feldzeichen. Beide Pylone werden durch den umlaufenden Fries mit Trimphalszenen und durch die Gebälksordnung zusammengespannt. Die Attikazone, welche die Widmungsinschriften oberhalb des Bogendurchganges aufnimmt, befindet sich – durch die schlichtere Pfeilerordnung gekenn-
zeichnet –darüber. Die Tonne des Bogendurchganges ist reich mit Kassetten geschmückt. Der untere Teil der Marmorverkleidung des Bogens besteht aus pentelischem, der obere aus lunensischem Marmor. Der Kernaufbau des Bogens wurde in lokalem Travertin geschaffen; ebenso die Ergänzungen durch die Restaurierung des 19. Jahrhunderts. Die beiden Durchgangsreliefs nehmen die Eroberung Jerusalems durch Titus zum Ausgangspunkt und zeigen den ein Jahr später erfolgten Triumphzug des Kaisers in Rom. Die Südseite fokussiert einen Höhepunkt dieses Ereignisses, indem die prächtigsten Beutestücke aus dem Tempel von Jerusalem vorgeführt werden. In drängender Dichte ziehen die Legionäre mit ihrem Beutegut quasi vor dem Auge des Betrachters vorbei. Die Teilnehmer des Zuges haben Tragebahren auf ihre Schultern gewuchtet, auf denen sich jene großartigen Sakralgegenstände aus dem Tempel von Jerusalem befinden: der siebenarmige Leuchter (Menorah), der Tisch für die Schaubrote und die berühmten silbernen Trompeten. Große Schrifttafeln erklären dem Zuschauer die Bedeutung des Beutegutes. Wie ein Ausschnitt des lauten und dröhnenden Geschehens von damals zieht der Zug auch am heutigen Betrachter vorbei. Durch die Porta Triumphalis zieht der Zug weiter, hinein in eine Raumbühne, die wie ein Ausschnitt damaligen Geschehens weiterwirkt. Auf der gegenüberliegenden Seite kann man den wichtigsten Moment des Triumphalgeschehens betrachten. Dort wird Kaiser Titus, begleitet von seinen Amtsdienern, den Liktoren, im Triumphalgespann dargestellt. Die Siegesgöttin Victoria (und nicht der Staatssklave) bekränzt den Kaiser und Göttin Roma führt die Quadriga an. Personifikationen wie Virtus, die militärische Tüchtigkeit, sowie die Verkörperungen von Senat und Volk von Rom begleiten den Kaiser. Die römische Kunst vollzieht bei solchen offiziellen Reliefs häufig einen Schwenk von der wirklichkeitsnahen Darstellung hin zu überhöhenden Momenten, die eine „Gesamtwirklichkeit“ schaffen sollten.
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Abb. 150: Rom: Kolosseum.
Die Darstellung wirkt einerseits also besonders zeitnah und realistisch, andererseits deutlich überhöht. Grundsätzlich entsprechen die Darstellungen einem Muster, das man der Tradition der Historienmalerei in Rom zuordnen wird, welche jeweils das Charakteristische einer Situation festhielt. Es gibt aber auch Überlegungen, diesen lebendig packenden Stil mit hellenistischen Vorbildern zu verbinden. Der Reliefstil unterscheidet sich jedenfalls deutlich von jenem der augusteischen Staatsreliefs. Es wäre nur falsch anzunehmen, die Tiefenräumlichkeit und die kompakten Figurengruppen dieser Darstellung verträten generell einen „Zeitstil“. Das sogenannte flavische Barock bildet nur eine Komponente innerhalb mehrerer Ausdrucksformen dieser Zeit. Bei anderen bekannten Staatsreliefs wird durchaus noch dem tragenden Klassizismus Rechnung getragen (Cancelleria-Reliefs) 15. „Solange das Kolosseum steht, wird Rom stehen; wenn das Kolosseum fällt, fällt auch Rom, wenn Rom untergeht, vergeht auch die Welt“. Diese düstere Prophezeiung des angelsächsi-
schen Mönchs Beda Venerabilis wird angesichts der gewaltigen, der Vergänglichkeit trotzenden Baumasse des Flavischen Amphitheaters verständlich. Das Kolosseum, wie es seit dem Mittelalter genannt wurde, bildet quasi den Mittelpunkt antiker Baustrukturen, den Nabel der Stadt (Abb. 150). Vom großen flavischen Amphitheater in Rom besitzen wir mehr als seine bloße Bauform. 16 Das Kolosseum ist zum Synonym für die Topographie der Stadt, zum „Zentrum“ der antiken Baudenkmäler geworden. Die Geschichte dieses Baues lässt sich als Machtdemonstration der flavischen Kaiser zugunsten des römischen Volkes lesen, dem ein großes Areal der Stadt zurückgegeben und ein gewaltiger Nutzbau geschenkt wurde. Vespasian beauftragte im Jahre 72 n. Chr. den Bau dieses größten Amphitheaters der Antike. Geschaffen aus den Mitteln der Kriegsbeute, wurde der Bau in wenigen Jahren verwirklicht, sodass Titus den Bau im Jahre 80 einweihen konnte. Das damals abgehaltene hunderttägige Fest war eines der größten jemals durchgeführten Spek-
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Abb. 151: Rom: Kolosseum, Blick in die Innenkonstruktion.
takel und erfüllte die Wünsche einer durchaus blutrünstigen Gesellschaft: An die 5000 Tiere sollen allein damals getötet worden sein. Der Bau war zu diesem Zeitpunkt erst bis zum dritten Geschoss gediehen. Die obere Abschlusszone konnte nach dem Zeugnis von Münzprägungen, die den Baufortschritt festhalten, im Jahre 90 n. Chr. eingeweiht werden. Mehr als 70 000 Menschen konnten wahrscheinlich in diesem Bau Platz finden. Bis zum endgültigen Verbot der blutigen Schauspiele (523 n. Chr.) fanden auf der Arena dieses Schautheaters Gladiatorenspiele, Tierhatzen und Naumachien (Schiffskämpfe) statt. Den späteren Namen erhielt das Amphitheatrum Flavium vom kolossalen Standbild Kaiser Neros, das beim Vestibül zu seinem Kaiserpalast aufgestellt wurde. Es wurde von dem griechischen Bildhauer Zeuodoros in der Art
des Kolosses von Rhodos, einem der Sieben Weltwunder, geschaffen. 17 Nach dem Tod des Despoten ließ Kaiser Vespasian die 120 Fuß (d. h. 35 m) hohe Statue in eine Darstellung des Helios umwandeln. Diese Statue stand, nur einmal unter Hadrian um wenige Meter verrückt, als eherner Koloss neben dem Amphitheater und brachte diesem im Mittelalter seinen Namen ein. Die elliptisch gebildete Anlage misst insgesamt 188 m in seiner Länge und 156 m in seiner Breite. Der nach außen durch seine Geschoss- oder Kompositordnung gekennzeichnete Bau erreichte ursprünglich eine Höhe von 50 m. Der Außenring des Kolosseums ist gänzlich aus Travertinsteinen gebildet. Das Kolosseum entfaltet eine viergeschossige Ordnung und besteht in seinen drei unteren Stockwerken aus je 80 Arkaden. Die den Bögen
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beigestellten Halbsäulen vertreten die dorische, ionische und korinthische Ordnung. Das vierte Geschoss ist gleich einer Attika gebildet und wird durch korinthische Pilaster gegliedert. Im Mauerring dieser Attika stecken vorkragende Konsolen, welche die Masten für die Sonnensegel, die vom oberen Abschlussring heruntergeführt wurden, aufnahmen. Der Außenbau des Kolosseums vertritt in unseren Augen die klassische Kolossalordnung. Wir haben das Prinzip dieser Fassadengliederung bereits beim Marcellustheater kennengelernt. Dem Skelettbau im Inneren und den dort vorgesehenen zahlreichen Treppenhäusern und Zwischengängen wird eine Blendfassade aus hellem Travertin vorgesetzt. Der Zugang zum Flavischen Amphitheater wurde durch ein glänzend durchdachtes System geregelt. So trugen die Arkadenbögen des Erdgeschosses Ziffern. Diese entsprachen den Nummern auf den Eintrittsmarken (tesserae) der Besucher. Auf diese Weise konnten die Besucher leicht ihre Plätze innerhalb der einzelnen Ränge finden. Selbst der Skelettbau im Inneren des Kolosseums ringt heutigen Besuchern mit Recht Bewunderung ab (Abb. 151). Von hier aus erschließt sich auch das eigentliche Verständnis für die Baukonstruktion. Das Oval der Arena (Sandplatz) war bei Nutzung in antiker Zeit mit Verschalungen abgedeckt. Darunter befanden sich die heute frei sichtbaren Verbindungsgänge, Pferche und Käfige für den Spielbetrieb. Die ansteigenden Ränge und Sitzplätze für die zahlreichen Zuschauer sind heute nur in ihrer Rohform erhalten. Man erkennt die radial nach außen geführten Stützmauern, auf denen die Überdachungen für die Sitzstufen aufsaßen. Die radial geführten Gänge führten von den Zugängen der Ränge wieder hinaus zu den 80 Bogeneingängen des Kolosseums. Das raffinierte System der im Inneren umlaufenden Gänge sowie der Treppenläufe ermöglichten sowohl einen raschen Zugang zur entsprechenden Sitzreihe als auch eine nötigenfalls rasche Evakuierung der Besucher.
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Auch technisch verrät dieser Skelettbau noch die Raffinesse seiner Konstrukteure. Die ansteigenden Ränge innerhalb des Maueraußenringes wurden durch unterschiedlich hohe Travertinpfeiler vorgebildet. Dieses vertikale Stützsystem des Amphitheaters konnte nun durch die Überwölbung der Umgangstonnen beziehungsweise der Zugangskorridore und Treppenhäuser sukzessive vervollständigt werden. In letzter Zeit haben sich neue Erkenntnisse zum Zweck und zur Funktion der Innenbauten herausgestellt. 18 Der Zuschauerraum war in fünf übereinander angeordnete Ränge, die auch den Rangeinteilungen der römischen Gesellschaft entsprachen, eingeteilt. Grundsätzlich wurden die Tesserae gratis ausgegeben, jedoch waren die Ränge verschiedenen Gesellschaftsklassen zugewiesen. Auf den hölzernen Tribünen im obersten Geschoss konnten übrigens die Frauen ihren Platz einnehmen. Der näher am Geschehen liegende zweite Rang war den Rittern zugeordnet, der dritte und vierte Männern der übrigen Gesellschaftsschichten. In den Achsen des Baues befanden sich Ehrentribünen für den Kaiser und seine Familie, für Staatsbeamte und hohe Priesterschaften. Die Arena für den Spielbetrieb misst 78 46 m. Unterhalb der hier angebrachten Bretterverschalung befanden sich die Käfige für die Tiere und die Aufenthalts- und Ankleideräume der Gladiatoren. Waffenräume und andere für die Spiele benötigte Einrichtungen befanden sich allesamt innerhalb dieses Labyrinths. Bei einzelnen der unterirdischen Kammern waren in Nischen Flaschenzüge angebracht, welche die wilden Bestien und auch deren Gegner, die Gladiatoren, in die Arena beförderten. Dadurch waren Überraschungseffekte möglich, die das grausame und blutige Spiel zur Freude seiner Besucher anzuheizen vermochten. Das Kolosseum erfuhr im Mittelalter das Geschick, in eine Festung der Familie der Frangipani umgewandelt zu werden. Bereits vorher diente es als Steinbruch, und dabei wurden auch die Metallklammern der Travertinblöcke
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7. Kapitel
Abb. 152: Rom: Sogenanntes Hateriergrab. Reliefschmuck mit Grabtempel und Baukran.
herausgelöst, sodass der größere Teil der Außenordnung verloren ging. 1744 wurde das Kolosseum erstmals als Gedenkstätte für christliche Märtyrer erklärt und damit vor weiterem Steinraub bewahrt. Das Hateriergrab (Abb. 152) ist zu einem Synonym für den Bauschmuck der flavischen Periode geworden. 19 Gefunden wurden die Reliefteile dieses Grabbaues 1848 an der Via Casilina. Der Grabbau selbst wurde für eine wohlhabende Familie des alten Rom geschaffen,
deren Familienoberhaupt zu den Bauträgern in flavischer Zeit zählte. Das bekannte Reliefbeispiel mit der Darstellung eines römischen Grabtempels wurde vermutlich als Wandschmuck des Haterierbaues verwendet. Die detailreiche Schilderung zeigt ein in Tempelform errichtetes Grabhaus mit vier prostylen Säulen und einem Giebel, in dem die Porträtbüste einer Frau erscheint. Einer im Grabbau verwendeten Porträtbüste nach ist diese Darstellung mit der Patrona des Hauses
Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser
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Abb. 153: Rom: Kaiserpaläste am Palatin, Peristyl.
gleichzusetzen. An den Längsseiten des Grabtempels erkennt man zwischen Pilastern Medaillons mit Kinderbüsten. Die unteren Felder bringen Darstellungen von Schicksalsgöttinnen, die auf das tragische Geschick dieser früh verstorbenen Kinder verweisen. Oberhalb des Tempeldaches beginnt eine zweite Ebene der Darstellung, die freilich mit der realen Raumdarstellung wenig zu tun hat. Die Verstorbene wird dort auf ihrem Totenbett (lectus) dargestellt. Weitere Szenen zeigen die Kinder beim Spiel sowie eine Altarszene mit einer gebeugten alten Frau. Innerhalb einer Figurennische erscheint die Frau in Gestalt der Göttin Venus: Schönheit und Götterangleichung, blühendes Leben und Gram des Alters werden so zu Sinnebenen, die innerhalb der durchaus realistisch aufgebauten Szenerie ineinander fließen. Begeisterung hat von Anfang an die Darstellung eines Baukrans hervorgerufen. Einleuchtend erscheint immer noch die Erklärung,
dieses Baugerät verweise nicht ohne Stolz auf den Beruf des Mannes. Da auf einem weiteren Relief offizielle Bauten aus der Zeit der flavischen Dynastie dargestellt werden, könnte dies auch einen Bezug des pater familias zu solchen Staatsaufträgen nahelegen. Die Darstellungen solcher Grabhäuser gehen sowohl auf einen allgemeinen Fundus der Werkstätten (marmorarii) zurück, konnten jedoch auch einige spezielle Wunschdarstellungen der Grabinhaber aufgenommen haben. Auch in der Darstellung des Grabtempels dieser Familie fließen Realität und gehobene Wunschvorstellung ineinander (Henner von Hesberg).
Die Zentrale der Macht Die neuen Möglichkeiten des Bauens am Ende des 1. Jhs. äußern sich machtvoll an den Kaiserpalästen am Palatin. 20 Noch heute vermitteln
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7. Kapitel
die gewaltig hoch anstehenden Mauern der einzelnen Palastbezirke den Eindruck einer ungeheuren Weitläufigkeit. Was weitgehend verloren ist, sind jedoch die Bestandteile einer prachtvollen Marmorausstattung, welche vor allem noch am Beginn der Neuzeit entwendet wurde. Sowohl das Haus Farnese als auch die ersten systematischen Grabungen unter Franz I. von Parma haben sich an den verbleibenden Beständen der einstigen kaiserlichen Pracht bedient. Die unter Domitian von seinem Architekten Rabirius geschaffene Anlage vereinigt zwei riesige Baukomplexe, die jeweils um quadratische Innenhöfe angelegt wurden: Die Domus Augustana und die Domus Flavia. Dazu schließt im Osten ein Gartenstadion an, das als prunkvoller Schaugarten verstanden werden kann. Unter dem Flavierpalast befinden sich noch Teile der neronischen Plastanlage sowie einzelne republikanische Häuser (Casa dei Grifi), die überbaut wurden. Die Domus Flavia stellte den eigentlichen Regierungssitz dar. Das Zentrum der Anlage bildete ein großes Peristyl mit einem achteckigen Brunnen sowie begleitenden Räumen, die teilweise phantastisch geschwungene Grundrissbildungen aufweisen. In der Mitte der Nordseite schließt die Audienzhalle des Kaisers an, die Aula Regia. Schriftliche Quellen, aber auch vereinzelte Münzdarstellungen sprechen von der Bedeutung dieses Regierungssitzes: Die Palastaula (Aula Regia) bildete den Mittelpunkt der Audienz- und Beratungsvorgänge am Kaiserhof. Diese 30 m breite und ebenso hohe Halle besaß nach oben hin einen Lichtgaden, der von einem Säulenkranz (Peristase) gebildet wurde: Es war also eine Götterhalle, ein Sternenzelt (Statius). Vom Inneren dieser Audienzhalle stammen kolossale Basaltstatuen von Göttern, die den Kaiser in dieser Umgebung mehr als überhöht erscheinen lassen. Überhaupt setzt der letzte der Flavier hinsichtlich der monarchischen Überhöhung neue Akzente. Während der Herrschaft Domitians war aus dem Prinzipat des ersten Kaisers endgültig eine absolute Monarchie geworden.
Beiderseits dieser Aula befanden sich eine Basilika sowie ein Aufenthaltsraum für die Wachtruppen. Dieser dem Forum Romanum zugewandte und mit diesem über eine Rampe verbundene Regierungskomplex bildete ein weithin sichtbares Symbol der kaiserlichen Macht. Innerhalb des mittleren Plateaus am Palatin bildete die Domus Flavia jedoch einen dreiteiligen, in sich geschlossenen und um einen mittleren Säulenhof gruppierten Komplex, der bis zum augusteischen Apollo-Heiligtum und den Bibliotheken im Süden reichte. Die unerhörte Prachtentfaltung und der architektonische Formenreichtum des Speisesaales mit begleitenden Nymphäen (cenatio Iovis), welche an den Säulenhof anschlossen, bildeten einen Topos der Hofdichtung dieser Zeit (Martial, Statius). Vom Reichtum der Marmorausstattung ist heute freilich wenig zu bemerken. Es waren weniger die Barbarenstürme der Spätantike, welche auch die Kaiserpaläste heimsuchten, als jene Fürsten und Päpste der frühen Neuzeit, welche die Kaiserpaläste als Lagerstätte wertvollen Bauschmuckes betrachteten und entsprechend ausrauben ließen. Unter Francesco I. Farnese, Herzog von Parma, wurden 1760 erste reguläre Grabungen durchgeführt, wobei die wertvollsten Funde ebenfalls nach Parma verbracht wurden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch der anschließende Palastkomplex am Palatin, die Domus Augustana im Grunde heute wie ein Rohbau wirkt (Abb. 153). Handelte es sich bei dem einen um den Regierungspalast, so stellte die Domus Augustana den großzügigen Wohnbezirk der Herrscherfamilie und des Hofstaates dar. Den Gegebenheiten des Geländes entsprechend, wurde diese Anlage auf zwei Ebenen angelegt. Die mächtigen Ziegelmauern, welche mehrgeschossig anstehen, geben noch gut das Prinzip geschlossener und halboffener Raumfolgen sowie erhöhter Umgangsveranden, die den Blick auf versenkte Binnenhöfe eröffnen, zu erkennen. Das Zentrum der nördlichen Räume bildete wiederum ein Säulenhof mit einem Wasser-
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Abb. 154: Misenum: Überarbeitete Bronze-Reiterstatue des Domitian-Nerva.
becken. Der tiefer gelegene südliche Teil dieser Residenz gruppierte sich um ein weiteres Peristyl. Der versenkte Gartenhof dieses kaiserlichen Wohntrakts war mit gemauerten Rabatten in Peltenform (Amazonenschilden) ausgestattet, die für Wasserspiele und aufwendige Bepflanzung dienten. So wie die benachbarte Domus Flavia war der Wohnbezirk der Kaiser dreiteilig gegliedert. Auf eine mehrgeschossige Domus folgte der eben beschriebene Binnenhof und im Süden schließlich ein Raumkompartiment, welchem eine Aussichtsloggia auf den Circus Maximus angeschlossen war. Diese Tribüne für den kaiserlichen Hofstaat bewirkte nicht zuletzt, dass der Palast an zwei markanten Punkten architektonisch nach außen agierte: gegenüber der politischen Zone am Forum Romanum und gegenüber dem
Volk, das den Wagenrennen am Circus mit Begeisterung folgte. Im Osten der Palastanlage erstreckte sich das sogenannte Hippodrom oder Gartenstadion, welches jedoch mit einem Rennbetrieb nichts zu tun hatte. Die lediglich wie ein Circus geformte Anlage war ursprünglich umlaufend von einer zweigeschossigen Portikus gerahmt. Vergleichbar wird ein späteres Gartenstadion der Villa Hadriana bei Tivoli. Der flavische Palastbau blieb bis in die späte Kaiserzeit die Residenz der römischen Kaiser. Mit ihm wurde ein neuer Architekturtypus geschaffen, der seine Nachfolge nicht zuletzt im Wortgebrauch „Palazzo“ oder „Palace“ findet. Am Ende des 2. Jhs. erweiterte Kaiser Septimius Severus den Baukomplex zum Circus Maximus hin (Domus Severiana)
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7. Kapitel
Abb. 155: Rom: Nervaforum.
Vom Ende einer Dynastie Im Augustalengebäude der Hafenstadt Misenum in Kampanien konnte vor einigen Jahren ein bedeutender Fund getätigt werden. 21 Inmitten eines älteren Hoftempels, der vom Kultverein der Augustalen für Vespasian und Titus erneuert worden war, fanden sich die Reste einer bronzenen Reiterstatue (Abb. 154). Diese
stellt einen Kaiser in siegreicher Pose dar, welcher mit seiner – heute zu ergänzenden – Lanze einen wahrscheinlich am Boden liegenden Feind bekämpft. Gestus und Ausführung dieses Reiterstandbildes übernehmen durchaus ein altes Muster, nämlich jenes des Makedonenkönigs Alexander, wie es dessen Hofkünstler Lysipp vorbildlich geschaffen hatte. Aber auch römische Münzprägungen zeigen häufig
Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser
dieses Bild des siegreichen Kaisers mit aufgebäumtem Pferd und dem Aktionsmotiv der Lanze. Aus den Zusammenhängen der flavischen Kunst kann auch an jenes gewaltige Reiterstandbild erinnert werden, das Kaiser Domitian auf dem Forum für seine Siege gegen die Chatten aufstellen ließ und das aufgrund seiner Größe beinahe den nördlichen Strang der Via Sacra verbaute. Nach dem Sturz Domitians wurde auch dessen protziges Siegesmonument umgestürzt. Das Kopfbild der Reiterstatue von Misenum wurde, wie sich bei den Restaurierungsmaßnahmen herausstellte, noch in antiker Zeit verändert. Die Bronzemaske, welche das ursprüngliche Gesichtsfeld ersetzen sollte und die neu aufgelötet wurde, zeigt das Porträt des Kaisers Nerva. Dieser betagte Senator wurde nach den Unruhen im Gefolge der Ermordung Domitians auf den Kaiserthron erhoben. Mit Billigung des Senates legte er noch zu Lebzeiten seinen eigenen Nachfolger fest, der als Kaiser Trajan eine tragende Rolle innerhalb der römischen Geschichte spielen sollte. Nerva (96– 98 n. Chr.) steht damit am Beginn des Adoptivkaisertums, das einen soliden Gegenpol zum dynastischen Kaisertum des 1. Jhs. liefern sollte. Mit dem zunächst erfolgten gewaltsamen Sturz des Domitian stoßen wir aber auch auf das Phänomen der damnatio memoriae. Alle Erinnerungen an diesen kaiserlichen Despoten sollten gelöscht werden und das bedeutete vor allem auch die Zerstörung des Antlitzes eines solchen Kaisers auf Statuen und Reliefs im öffentlichen Raum. Die Reiterstatue aus Misenum stellte mit Sicherheit zuvor Domitian dar, wie die Haarbildung des Kopfes eindeutig verrät, und wurde nach dem Jahr 96 in einen Nerva umgewandelt. Für die späteren Besucher des Augustalenheiligtums von Misenum blieben auch im Falle dieses Reiterstandbildes die Ansprüche und die sichtbaren Gesten des Kaisertums gewahrt. Auch eine weitere Hinterlassenschaft Domitians in Rom sollte durch seinen Nachfolger ergänzt und im gewissen Sinne auch uminter-
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pretiert werden: das Forum Transitorium oder Forum Nervae (Abb. 155 und Abb. 124221). Domitian zählte zu jenen Kaisern, die das Bild der Hauptstadt entscheidend prägen wollten. 22 Wie schon beim Überblick zu den Kaiserfora geschildert, blieb zwischen den Umfassungsmauern des Augustusforums und des Vespasiansforums (Templum Pacis) ein Straßenzug erhalten (Argiletum), der das Forum Romanum mit den nach Norden hin angrenzenden Markt- und Wohnvierteln verband. Dieses „Foyer zum Forum Romanum“ an seiner Nordseite ließ Kaiser Domitian in eine Kolonnadenstraße umwandeln. Die Fläche für dieses Forum war mit 120 45 m äußerst begrenzt. In jüngster Zeit haben Nachgrabungen unterhalb der Via dei Fori Imperiali den exedrenförmigen Abschluss dieses Forums erbracht. Das Forum Transitorium konnte erst im Jahre 98 n. Chr. vom Nachfolger Domitians, Kaiser Nerva, eingeweiht werden und erhielt entsprechend den Namen Forum Nervae (Sueton, Domitian 5.1) Zu beiden Seiten der Straßenführung wurden korinthische Säulen aus Pavonazzetto-Marmor und eine darüber angeordnete Fries- und Attikazone den Außenmauern der älteren Kaiserfora vorgelagert. Der Abstand der ca. 10 m hohen Säulen zur Wand war nur gering, um der Straße mehr Raum zu geben. Diese verkröpfte Säulenstellung wurde in gewisser Weise der Innenordnung von Tempelräumen nachempfunden. Der im Verhältnis schmale Schlauch dieser Prunkstraße wurde durch die knapp vor die Wände gestellten Säulenreihen geschickt genützt. Zugleich nobilitierte die sakrale Anlehnung dieser Architekturform das Forum Transitorium. Domitian ließ an einer Stelle des Straßenzuges, der diese Zusatzplanung zuließ, zusätzlich einen Tempel für Minerva, seine persönliche Schutzgöttin, errichten. Er gestaltete daher diese Durchzugsstraße zu einem Forum eigener Prägung. Der prachtvolle, umziehende Fries dieses Forums bringt Szenen und Tätigkeiten aus dem häuslichen Leben von Frauen. Eingebunden in mythologische Verknüpfungen, offen-
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7. Kapitel
bart dieser Fries einen Teil des durchaus konservativen Regierungsprogramms des Kaisers. Auch die Formgebung dieses Frieses hält sich vorwiegend an das klassizistische Konzept. Götterreliefs in der Attikazone verliehen dem Forum Transitorium ein würdiges Gepräge und näherten es den Leitgedanken des benachbarten Augustusforums an. In architektonischräumlicher Hinsicht erreicht jedoch die verkröpfte Säulenordnung dieses Forums eine neue Qualität: Diese trägt vor allem dem Charakter einer differenzierten Lichtführung und dem Spiel mit Verkürzungen Rechnung. Der
Ausschnitt der im heutigen Zustand wiederhergestellten Säulenordnung am Nerva-Forum kann dem Vergleich zu den nicht mehr erhaltenen Wänden einiger Prunksäle des Kaiserpalastes am Palatin dienen. Zum anderen kann auch noch darauf hingewiesen werden, dass selbst die Außenmauern der hadrianischen Bibliothek in Athen dem Prinzip einer verkröpften Säulenstellung folgen. Das Forum Transitorium stellt demnach einen in die Zukunft der römischen Baukunst weisenden Bau dar. Kaiser Nerva konnte ihm nicht mehr als seinen Namen verleihen.
Ergebnisse Die Epoche der „Augustusnachfolge“ ging mit dem gewaltsamen Sturz der Flavier noch nicht zu Ende. Auch die bedeutenden Nachfolger des 2. Jhs., Trajan und Hadrian, beriefen sich stets auf den ersten Kaiser Roms. Dennoch folgt auf die Periode der Flavier ein neuer politischer Abschnitt: das Adoptivkaisertum. Domitians maßloser Charakter gewährte ihm keinen Schutz vor Verschwörungen. Im Jahre 96 wurde er in seinem Palast von seiner eigenen Palastwache umgebracht. Der römische Senat fand einen neuen Weg, um Despoten vom Zuschnitt eines Domitian künftig möglichst zu verhindern, und wählte eines seiner ältesten und angesehensten Mitglieder zum Kaiser: M. Cocceius Nerva. Der 66jährige kinderlose Nerva bestimmte, nicht ohne Rückhalt des Senates, bald darauf den erprobten Militär M. Ulpius Traianus zu seinem Nachfolger. Damit sollte sich das absolutistische Modell der römischen Monarchie in ein maßvoll-konstitutionelles verwandeln. Das hier angesprochene Modell des Adoptivkaisertums sollte immerhin für fast ein Jahrhundert hindurch bestimmend bleiben. Auffällig bei den politischen Diskontinuitäten des 1. Jhs. im Wechsel von der iulisch-claudischen zur flavischen Dynastie bleibt die relative Stilkontinuität. Die Opulenz der Formen und der Ausbau reicher Dekorationsmittel setzen sich von der Zeit Neros in jene der Flavier fort. Vor allem die Wanddekorationen erfahren in ihrer flavischen Ausprägung noch einmal phantastische Steigerungen. Die Bilderwände werden durch zahlreiche mythologische Szenen bereichert. Davon zeugen die Häuser der Vesuvstädte in ihrer letzten Phase. Unbedingt galt jedoch der politische Bruch, den Kaiser Vespasian gegenüber Nero zu demonstrieren hatte. Die Staatskunst der flavischen Zeit folgt daher anfangs republikanischen Mustern. Die offizielle Politik des Vespasian und des Titus war entsprechend maßvoll und sollte erst wieder unter Domitian ausufern. Entsprechend wechselhaft gestaltet sich auch die Konzeption der Stile in der Staatskunst. Es gilt, zwischen der aufgezeigten Programmatik und einem allgemeinen Stilverlauf innerhalb dieses Zeitraums zu unterscheiden. So kommt es vor, dass im Staatsrelief sowohl die Mittel des augusteischen Klassizismus als auch eines zeitgenössischen Barock zum Einsatz gelangen. Mit der Präsenz verschiedener Stilsprachen erfährt die Normierung der römischen Kunst, so wie Augustus sie eingeführt hatte, zugleich ihr Ende.
SENATUS POPULUSQUE ROMANUS IMP(eratori) CAESARI DIVI NERVAE F(ilio) NERVAE TRAIANO AUG(usto) GERM(anico) DACIO PONTIF(ici) MAXIMO TRIB(unicia) POT(estate) XVII IMP(eratori) VI CO(n)S(uli) VI P(atri) P(atriae) AD DECLARANDUM QUANTAE ALTITUDINIS MONS ET LOCUS TAN[tis oper]IBUS SIT EGESTUS Der Senat und das Volk von Rom Dem Imperator Caesar, dem Sohn des vergöttlichten Nerva, dem Nerva Trajan Augustus Germanicus Dacicus, Pontifex Maximus, Träger der tribuzinischen Gewalt zum 17., Imperator zum 6., Konsul zum 6. Mal, Vater des Vaterlandes (112/113 n. Chr.), um deutlich zu machen, bis zu welcher Höhe der Hügel und der Bauplatz durch so große Arbeiten abgetragen wurde. (Inschrift am Sockel der Trajanssäule)
8. Kapitel Die erstarkte Weltmacht Dieses Kapitel stellt charakteristische Beispiele der imperialen Kunstentfaltung aus der Epoche der Kaiser Trajan (98–117) und Hadrian (117–138) vor. Bauten, Bilder und Auftragswerke dieser Zeit tragen nicht nur den Stempel eigenen Selbstverständnisses, sondern sie sind auch Zeugen der damaligen Weltordnung. Im Mittelpunkt der Bauprogramme trajanischer Zeit steht das Forum dieses Kaisers in Rom, das aus dem Beutegut der siegreich abgeschlossenen Dakerfeldzüge errichtet wurde. Neben der Größenordnung dieses Bauensembles, seiner baulichen Opulenz, entfaltet sich ein klar gefasstes Bildprogramm, welches die Taten und Leistungen des römischen Heeres und seines Oberbefehlshabers in eine optisch-anschauliche Form bringt. Diesem in die Architektur- und Bildersprache übertragenen Leistungsbericht Kaisers Trajans stehen die Welthaltigkeit und der Ideenreichtum hadrianischer Bauprojekte in Rom gegenüber. Das Pantheon als bauliche Demonstration einer göttlichen Weltordnung, welche die Allgewalt des Kaisers mit einschließen sollte, eröffnet der römischen Architektur insgesamt eine neue Dimension. Vor den Toren Roms ließ sich dieser Kaiser einen Residenzbezirk in Form einer ausgedehnten Landschaftsvilla errichten: die Villa Hadriana von Tivoli. In den Einzelgebäuden dieser kaiserlichen Villa manifestieren sich unerhört kühne Baukonzepte, die zum damaligen Zeitpunkt an die Grenzen technischer Durchführbarkeit gelangten. Der Ausstattungsschmuck dieser Villa in Form von Statuen oder Mosaiken zählt zum erlesenen Bestand einer „Bildungswelt“, in die sich Kaiser Hadrian hineinzuversetzen wusste und zu deren Garanten er innerhalb des Imperium Romanum auch wurde. Für die Regierungszeit Trajans und Hadrians gilt es für beinahe alle Städte Italiens und der Provinzen wesentliche Impulse zu vermerken. Man könnte von einem Bauboom in dieser Zeit sprechen, der sich nicht zuletzt aus der ausgezeichneten wirtschaftlichen Ausgangslage ableiten lässt. Die urbanistischen Konzepte dieser Periode bilden keine bloße Ergänzung zum vorangehenden Baubestand. Gerade eine Kombination bereits bisher erprobter Baumaterialien und Techniken mit neuen Raumkonzepten zeichnet die Architektur im 2. Jhs. aus. Wir werden unseren Rundgang durch die Provinzen allerdings erst im Folgekapitel antreten, sodass zunächst einmal Bauten aus Rom im Vordergrund
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8. Kapitel
stehen sollen. Auch die Zeugnisse der privaten Lebenswelt sollen erst im Folgenden besprochen werden.
Historischer Hintergrund • 98–117 Trajan • 101–102 Erster Dakerkrieg • 102 Friedensschluss und Schleifung der dakischen Hauptstadt Sarmizegetusa, Anlage einer Donaubrücke bei Drobeta durch Apollodoros von Damaskus • 102 Erster Triumph über die Daker • 105–106 Zweiter Dakerkrieg, Selbstmord des Dakerkönigs Decabalus, Einrichtung der Provinz Dacia • 106 Adventus und zweiter Triumph Trajans in Rom, Beschluss zur Errichtung der Trajanssäule, Einrichtung der Provinz Arabia • 109 Fertigstellung der Trajansthermen in Rom • 112 Fertigstellung des Forum Traiani und der Basilica Ulpia • 113 Weihung der Trajanssäule sowie des restaurierten Venus-Tempels am Forum Iulium • 114–117 Krieg gegen die Parther, Hadrian begleitet Trajan als comes; Einrichtung der Provinzen Armenia, Mesopotamia und Assyria, Einsetzung des Partherkönigs Pathamaspates, Erkrankung des Kaisers, Trajan stirbt auf dem Rückweg nach Rom in Kilikien • 117–138 Hadrian • 117 Hadrian wird zum Kaiser proklamiert; Übereinkommen mit den Parthern, der Euphrat bildet nunmehr die Grenze zwischen den Reichen • 118 Hadrian zieht als neuer Kaiser in Rom ein • 121–125 Hadrians erste Reise in die Provinzen Gallia, Germania Superior, Raetia, Noricum, Germania Inferior, Britannia, Hispania, Syria, Asia, Achaia, Sicilia • 128–132 Hadrians zweite Reise nach Afrika, Griechenland, Kleinasien, Syrien, Arabien, Judäa, Ägypten
• 130 Antinoos, der Gefährte des Kaisers ertrinkt im Nil • 132–135 Jüdischer Aufstand unter Bar Kochba • 136 Hadrian empfängt nach seinem Sieg über die Juden die Akklamation zum Imperator • 137 Sabina, Hadrians Frau stirbt und wird vergöttlicht (Tempel in Rom) • 138 (25. Januar) Hadrian adoptiert den künftigen Kaiser Antoninus Pius. Dieser muss seinerseits Marcus Aurelius und Lucius Verus adoptieren • 138 (10. Juli) Hadrian stirbt in Baiae • 138–168 Antoninus Pius
Ausgangslage der Kunst Seine bisher erbrachten militärischen Leistungen ließen M. Ulpius Traianus, den entfernten Verwandten des M. Cocceius Nerva, als dessen am besten geeigneten Nachfolger erscheinen. Trajan, dessen militärische Zielsetzungen weit über eine Grenzsicherung des Imperium Romanum hinausgingen, erreichte durch seine Eroberungsfeldzüge gegen die Daker und später gegen die Parther hohen Ruhm. Durch die Einverleibung der Provinzen Dakien – das heutige Rumänien – sowie Mesopotamien, Armenien und Assyrien erreichte das Imperium Romanum seine größte Ausdehnung. Trajan war jedoch nicht nur ein begabter Feldherr. Dank seiner natürlichen Autorität verschaffte er sich auch zu jenen senatorischen Kreisen Zugang, die der Monarchie skeptisch gegenüber standen. Trajan ist vor allem als ein Kaiser anzusprechen, der sich einer konstitutionellen Form des Prinzipats verpflichtet fühlte. Seine durch Menschlichkeit, Mildtätigkeit und Höflichkeit gekennzeichnete Haltung gegenüber der Bevölkerung lassen ihn in den Augen der Mit-
Die erstarkte Weltmacht
menschen und des Senates als optimus princeps, als bestmöglichen Herrscher erscheinen. Die Bauprogramme trajanischer Zeit spiegeln in gewisser Weise jene Stabilität wider, die das Imperium zur Zeit seiner höchsten Ausdehnung erreicht hatte. Das Trajansforum in Rom kann so als eine Verwirklichung des Herrschaftsgedankens aufgefasst werden, bei dem sowohl die Aspekte der militärischen Überlegenheit Roms als auch jene seiner zivilisatorischen Entfaltung zur Geltung gebracht werden sollten. Errichtet aus dem Beutegut der Dakerkriege, entfaltet sich das trajanische Forum zunächst als riesig dimensionierte Platzanlage mit dem Reiterstandbild des Kaisers in ihrer Mitte. Die geschwungenen Exedren dieses Forumsplatzes enthielten Skulpturen- und Bildnisaufstellungen, die nicht nur die Vorgänger des Kaisers, sondern auch die siegreichen Generäle der Dakerfeldzüge zeigten. Der gewaltig breite Platz wurde an seiner Stirnseite nicht von einem Tempel, sondern von einem Versammlungsbau abgeschlossen, der nach dem Gentilnamen des Kaisers benannten Basilica Ulpia. Eingeleitet von einem vielfigurigen Kampffries und den Statuen gefesselter Daker, öffnete sich die gewaltige Umgangshalle dieser Basilika in der Pracht bunten Marmors und gewaltiger Säulenstützen im Inneren. Die Basilika diente den Versammlungen römischer Gerichte sowie weiterer staatlicher Gremien. An die Basilika Ulpia schloss ein Bezirk mit der Triumphsäule des Kaisers an. Der als Innenhof gebildete Raum um die Trajanssäule wurde an zwei Seiten von der griechischen und römischen Bibliothek eingefasst. Die Trajanssäule selbst, minutiös-detailfreudiger wie zugleich auch propagandistisch-überhöhter Bericht zu den Dakerfeldzügen, enthielt in ihrem Sockel die Grablege des Kaisers. Ältere Rekonstruktionspläne zeigen als Abschluss des Trajansforums den Tempel des vergöttlichten Kaisers. Durch neuere Grabungen steht jedoch fest, dass sich dieser Tempel an anderer Stelle befunden haben muss. Das trajanische Forum bildet nicht nur in architektonischer Hinsicht,
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sondern auch am Beispiel seiner Figuren- und Friesdarstellungen den Höhepunkt dieses Bautypus. Kein weiterer Kaiser sollte in Rom ein neues Kaiserforum errichten, und so bildete das um einzelne Skulpturenprogramme erweiterte Trajansforum bis zur Zeit der Spätantike einen unübersehbaren Mittelpunkt kaiserlicher Prunkentfaltung im Herzen der Stadt. Einzelne Platten des trajanischen Kampffrieses und der Statuen gefesselter Daker wurden am Beginn des 4. Jhs. von Kaiser Konstantin „entliehen“ und auf dem Konstantins-Bogen wiederverwendet: Die Darstellungen aus der Zeit Trajans waren damals längst zum Synonym für militärischen Erfolg geworden und wurden so von einem Nachfolger beansprucht. Kaiser Trajan konnte mit der Vollendung seines Kaiserforums auch das vollständig erneuerte Forum Iulium (Caesarforum) neu einweihen. Auch er stellte sich damit in die bewusste Nachfolge dieses bedeutenden Staatsmannes vom Ende der römischen Republik. Nicht eigentlicher Bestandteil des Trajansforums, jedoch Bauprogramm eines zivilen Rom bildeten die trajanischen Märkte oberhalb des Kaiserforums. Während der Regierung Trajans konnten auch jene Thermenanlagen auf dem Opiushügel an die Bevölkerung übergeben werden, die erstmals den Bautypus der „Kaiserthermen“ vertreten. Auch die Bildwerke aus trajanischer Zeit sind durch eine unverkennbar eigenständige Note gekennzeichnet. Statuen, Bildnisse und Reliefs aus trajanischer Zeit schöpfen dabei gezielt aus den Möglichkeiten bisheriger Repräsentationskunst. Wohl als Zeichen größtmöglicher Ausgewogenheit werden dabei Stile und Ausdrucksmöglichkeiten harmonisiert. Die Bildnisse des Kaisers verraten einen Zug zur Nüchternheit, greifen aber zugleich auf das bekannte Muster des augusteischen Klassizismus zurück. Trajanische Reliefs verraten sowohl ein Fortlaufen jener Tiefenräumlichkeit als auch jenes erzählerischen Reichtums, der im 1. Jh. üblich wurde, besinnen sich dabei jedoch auf knappe und präzise Handlungsmomente.
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8. Kapitel
Das Bestreben der trajanischen Kunst richtete sich offenkundig danach, möglichst unverkennbare und zugleich zeitnahe Ausdrucksformen zu gewinnen, die so eine „Gegenwart“ wiedergeben konnten. Umgekehrt belegen die zahlreichen stilistischen Rückgriffe der trajanischen Zeit auch jene bewusste Auswahl von Vorbildern, welche der Staatskunst dienlich sein konnten. 1
Das Trajansforum Auf der Abbildung des Trajansforums werden einige Säulen vom Innenraum der Basilika Ulpia sowie, dahinter stehend, die gewaltige Trajanssäule sichtbar (Abb. 156). Von diesen baulichen Bestandteilen des Trajansforums war bereits die Rede. Auch der Gesamtplan der Kaiserforen in Rom, unter denen das Trajansforum das größenbezogen bedeutendste war, hat uns bereits einmal beschäftigt (Abb. 124221). Bislang nicht erwähnt wurde jedoch der Architekt dieser Anlage: Das trajanische Forum in Rom zählt zu den von Apollodoros von Damaskus geplanten und durchgeführten Projekten. Dieser geniale und, wie sein Name sagt, aus dem Osten stammende Militäringenieur und Architekt hatte sich bereits während der Dakerfeldzüge verdient gemacht und zählte zu den engsten Beratern des Kaisers. Seine Schiffsbrücke über die Donau (bei Dobreta) zählte zu den schriftlich erwähnten, herausragenden Leistungen damaliger Militärarchitektur. Mit den Arbeiten am neuen Kaiserforum in Rom konnte unmittelbar nach der Beendigung des ersten Dakerfeldzuges begonnen werden (102 n. Chr.). Man verwendete dafür Mittel aus der Kriegsbeute, vor allem die reichen Goldschätze der neu einverleibten Provinz Dacia. Das Trajansforum zählt in der Gesamtheit seiner Bauten zu den gewaltigsten Leistungen der römischen Architektur. 2 Der Anspruch dieses außerordentlichen Staatsforums wird allein dadurch sichtbar, dass ein Bergsattel zwischen Kapitol und Quirinal für seine Errichtung ab-
getragen werden musste. Parallel zu den Bauarbeiten am Forum erfolgte die Errichtung der Trajansmärkte, welche sich in mehreren Etagen an den Quirinalshügel anlehnen. Von den Bauten des Trajansforums stammen Architekturteile höchster Qualität sowie Statuen und Reste des ursprünglichen Bauschmucks, die schon während der vergangenen Jahrhunderte entdeckt oder bei den Grabungen der Jahre 1924 bis 1934 freigelegt, jedoch nicht systematisch publiziert wurden. Das ursprüngliche Aussehen sowie bislang noch nicht bekannte Bauabschnitte des Trajansforums konnten durch jüngste Grabungen erschlossen werden. 3 Das wahrscheinlich überraschendste Ergebnis dabei war, dass der ursprünglich angenommene Tempel des vergöttlichten Trajan, der sich im Anschluss an die Trajanssäule befinden sollte, zu fehlen scheint. Der Eingang ins Trajansforum erfolgte über die westliche Flanke des Augustusforums. Nicht ein Propylon in Form eines Ehrenbogens, wie ursprünglich angenommen, sondern ein prächtiger säulenbestandener Binnenhof bildete das Foyer der Platzanlage. Über einen in Segmenten gestuften Saal gelangte man auf den Forumsplatz, der von einem gewaltigen Reiterstandbild des Kaisers beherrscht wurde (Roberto Menichetti). An der Stirnseite des Platzes befand sich die Eingangsfront in die Basilika Ulpia. Seitlich wurde der Platz von langgezogenen Säulenhallen, die in ihrer Mitte über zusätzliche ausbuchtende Exedrenhöfe verfügten, begleitet. Das trajanische Forum führt dabei den Typenvorrat und nicht zuletzt die Erfahrungen an den Vorgänger-Foren in Rom weiter. Deutlich wird dies etwa durch die Aufnahme des Exedrengedankens vom Augustusforum. Die Hemizyklen des Trajansforums schwingen nun räumlich deutlich weiter aus (und nehmen Jahrhunderte später noch Einfluss auf Berninis Kolonnaden des Petersplatzes). Auch die Apsiden der Basilika Ulpia führen den Gedanken bogenförmig gespannter Baukörper weiter. Die Gerichtsbasilika fungiert im Gesamtplan
Die erstarkte Weltmacht
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Abb. 156: Rom: Trajansforum.
des Trajansforums zugleich als mächtiger Querriegel und trennt die Repräsentationsarchitektur des Versammlungsplatzes von jener der Triumphsäule und der Bibliotheken. Man hat im Anlageschema des Trajansforums Anlehnungen an die Militärarchitektur sehen wollen, deren Zentrum ein sogenanntes Fahnenheiligtum bildete (Gerhard Rodenwaldt). 4 Tatsächlich könnte der breit angelegte Platz in gewisser Weise als Prätorium eines Militärlagers gelesen werden. Die principia eines solchen Lagers, in denen Recht gesprochen wurde, wären sinnfällig durch die Basilika Ulpia vertreten. Im römischen Heerlager anschließend befanden sich die Archive und das Heeresheiligtum, in denen die vexilla (Fahnen) aufbewahrt wurden. An der Stelle dieses ideellen Mittelpunktes eines Militärlagers befände sich am Trajansforum – so die aufgezeigte Analogie – die Triumphsäule. Selbst die Archive
eines Heerlagers wären konzeptionell durch die Bibliotheken des Trajansforums fortgeführt worden. Vielleicht sollte man jedoch das Baukonzept eines „steinernen Heerlagers“ inmitten der Stadt nicht allzu wörtlich nehmen. 5 Sehr wohl sollte durch den statuarischen Schmuck ein steter Hinweis auf die überragenden militärischen Erfolge des römischen Heeres, seiner Befehlshaber und des Kaisers vermittelt werden, die Bauten dienten jedoch primär profanen Zwecken und lassen sich nicht ausschließlich auf militärische Leitgedanken zurückführen. Die Trajanssäule befindet sich zwischen den beiden Bibliotheken nördlich der Basilica Ulpia. Eine Betrachtung der Friesdarstellungen dieser Triumphsäule war aus den beiden Bibliotheken, aus der Basilika oder vom Innenhof her möglich (Abb. 157). Die 113 n. Chr. geweihte, aus lunensischem Marmor bestehende Säule misst eine
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8. Kapitel
Abb. 157: Rom: Ausschnitt von der Trajanssäule.
Gesamthöhe von 100 Fuß (29,78 m). Von unten nach oben setzt sie sich aus einem Postament, dem reliefierten Schaft und einem Kapitell zusammen, dessen Deckplatte (Abakus) ursprünglich die Bronzestatue des Kaisers trug. Der Sockel der Triumphsäule selbst ist mit Waffenreliefs verziert. Durch eine Eingangstüre mit einer von Victorien getragenen Inschriftentafel gelangt man in die Innenkammer, worin eine Wendeltreppe bis zur Spitze der Säule führt. Der Sockel diente zugleich als Grabkammer und soll nach Cassius Dio (69,2.3) die goldene Aschenurne des Divus Traianus aufgenommen haben. Das ursprünglich bemalte Reliefband, welches spiralförmig den Schaft in 23 Windungen umschließt, hat eine Länge von 200 m und zeigt insgesamt 155 Einzelszenen. Analog einer Kriegsberichterstattung, werden Szenen, wel-
che die römische Armee bei ihren Einsätzen zeigen, so aneinandergereiht, dass eine kontinuierliche Erzählweise erreicht wird. Die Erzählungen der Triumphsäule des Kaisers Trajan geben ein klares Bild von der Selbsteinschätzung der römischen Zentralmacht, den Aufgaben und Leistungen des Heeres und seines Befehlshabers, des Kaisers. 6 Erzählt werden herausragende Begebenheiten und gezielte strategische Maßnahmen aus den beiden Dakerfeldzügen ebenso wie die üblichen Tätigkeiten der Soldaten. Immer wieder ist es die Gestalt des Kaisers, die innerhalb gekennzeichneter Friesabschnitte Maßnahmen setzt und somit die führende Rolle im Geschehen übernimmt. Der Kaiser wird in seinen verschiedenen Rollen verkörpert, dabei stets dem Wohle Roms dienend und als integrative Persönlichkeit herausgestellt. Es ist demnach ein hohes
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Abb. 158: Rom: Trajansmärkte.
Maß „Selbstlob“, welches die Erzählsprache der Trajanssäule kennzeichnet, und nicht alleine eine objektive Wiedergabe von Ereignissen. Auch der in vielen Einzelszenen demonstrierte Respekt vor dem Feind, entspricht eher einem „Topos“ der Erzählkunst als tatsächlicher politischer Haltung (Tonio Hölscher). Die Bildkunst der Trajanssäule wurzelt tief in den Bildmitteln und Traditionen der republikanisch-römischen Kunst. Dabei wird hier ein Reliefstil zur Geltung gebracht, der einerseits räumlich realistische Darstellungsformen forciert, andererseits bewusst symbolisch räumliche Verkürzungen und einen Wechsel der Perspektiven einbaut. Auch dieses uneinheitliche Raumkonzept kann als ein Erbe der älteren römischen Kunst angesehen werden. Das Trajansforum wäre ohne seine großen Märkte unvollständig (Abb. 158). 7 Doch bilden diese übereinander gelagerten Marktstraßen mit ihren Läden einen vom Prunkforum abgesetzten, unabhängigen Teil. Dem Ausweis der
verwendeten Ziegelstempel nach waren die Märkte bereits vor dem Forumsbau fertiggestellt. Die trajanischen Märkte führen die Errungenschaften der Ziegelbauweise der flavischen Zeit eindrucksvoll weiter. Sie bilden mit ihren Backsteinfassaden auch einen wirkungsvollen Gegensatz zum unterhalb gelegenen „Marmorforum“. Mehrere Marktebenen mit Tabernae (Läden), diese mit schönen Bogenfenstern und Gewölbedecken ausgestattet, bildeten den Stolz der stadtrömischen Bevölkerung. Eine steile Rampe führte auf eine große Markthalle, die den oberen Abschluss der Anlage bildete. Märkte dienen dem Gemeinwohl, und so sollte auch diese Anlage Kaiser Trajans bisherige Größenordnungen und Standards übertreffen. Die trajanischen Märkte in Rom bilden zugleich ein Zeugnis für die monumentale Ziegelbauweise, wie sie sich an Nutz- und Wohnbauten vor allem im westlichen Teil des Imperium Romanum bereits durchgesetzt hatte. Am 22. Juni des Jahres 109 kann Kaiser Tra-
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jan die riesigen Thermen auf dem Opiushügel einweihen, die er über den Ruinen der Domus Aurea errichten ließ. Diese führen ein Anordnungsprinzip axialsymmetrisch gegliederter Räume fort, welches sich bei den älteren Thermen Neros und jenen des Titus bereits ankündigte. Kennzeichnend für öffentliche Bäder wird eine Raumfolge, die von den Auskleideräumen zu den zentralen Aufenthalts- und Baderäumen führt. In der Hauptachse solcher Thermen liegen das Frigidarium und die Natatio, das Schwimmbecken, sowie das mäßig beheizte Tepidarium und der Wärmeraum oder Caldarium. In der Querachse finden sich Durchgangsräume zu den seitlichen Höfen, welche als Palästren genutzt werden konnten. Die trajanischen Thermen bilden dabei den Prototyp für römische Kaiserthermen. Auch andere zivile Bauten dieses Kaisers, vor allem eine neue Hafenanlage in Ostia, aber auch die Hafenbauten für Centumcellae und Terracina verdienen erwähnt zu werden. Viele der ergrabenen Gebäude (Forum, Speicherbauten) Ostias tragen Ziegelstempel der trajanischen Zeit. Auch Pozzuoli, eines der neuen Handelszentren Italiens, erfährt in trajanischer Zeit neue bauliche Impulse, ebenso Brindisi, Ancona und Aquileia. Nicht zu vergessen sind auch jene Städteneugründungen wie etwa Timgad (heute Algerien), die als Veteranenkolonien angelegt wurden. Zwischen Benevent und dem Hafen von Brindisi lässt Trajan einen neuen Strang der Via Appia errichten, welcher ihm als Heeresstraße für die Feldzüge im Osten dienen soll.
Ein Bogen erzählt seine Geschichte Der Traians-Bogen am Stadtrand des süditalienischen Benevent zählt zu den bedeutendsten Zeitzeugen der trajanischen Epoche (Abb. 159). 8 Der Bogen wurde vom römischen Senat als Ehrung für Kaiser Trajan in Auftrag gegeben. Er befindet sich am Beginn der vom Kaiser aus eigenen Mitteln in Auftrag gegebenen Via Traiana, die vom kampanischen Bene-
ventum zur apulischen Hafenstadt Brundisium / Brindisi führte. Für die Datierung wichtig ist die an beiden Frontseiten angebrachte, gleichlautende Inschrift: IMP(eratori) CAESARI DIVI NERVAE FILIO NERVAE TRAIANO OPTIMO AUG(usto) GERMANICO DACICO PONT(ifici) MAX(imo) TRIB(unicia) POTEST(ate) XVIII IMP(eratori) VII CO(n)S(uli) VI P(atri) P(atriae) FORTISSIMO PRINCIPI SENATUS P(opulus)Q(ue) R(omanus)
Die Inschrift führt den Kaiser mit sämtlichen Titeln an, darunter Germanicus, was sich auf die Sicherung der Reichsgrenze gegen die Germanen noch zu Beginn seiner Regierung bezieht, sowie Dacicus, ein Titel, den der Kaiser nach den Dakerkriegen und der Errichtung der Provinz Dacia im Jahre 107 erhielt. Aus der Beifügung des Ehrentitels Optimus und der Erwähnung der 18. tribunizischen Gewalt lässt sich der Zeitraum der Fertigstellung des Bogens während der zweiten Jahreshälfte des Jahres 114 ermitteln. Der Bogen von Benevent folgt in seinem Aufbau der klassischen Form eintoriger Triumphbögen. Die beiden Pylone befinden sich auf profilierten Sockeln und werden von korinthischen Halbsäulen eingefasst. Die Pylone nehmen auf der Stadt- und Landseite des Bogens insgesamt acht große Reliefs und acht kleinere Zwischenreliefs auf (Pfeilerreliefs). Die Säulen tragen einen Dreifaszienarchitrav, darüber folgt ein umlaufender Fries. Auf das vorkragende Gebälk folgt die Attika mit der Inschriftenplatte und seitlichen Reliefs (Attikareliefs). An den Seiten wird die Attikazone von Halbpilastern und nach oben zu von einem Kranzgesims eingefasst. Das ausgedehnte Bildprogramm dieses Ehrenbogens stellt die Tätigkeit und Fürsorge des Kaisers für Italien in den Mittelpunkt. Die Reliefs der hier abgebildeten Stadtseite des Bogens zeigen in der unteren Zone Vertreter des römischen Senates und des römischen Volkes,
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Abb. 159: Benevent: Trajans-Bogen.
die dem Kaiser eine Weltkugel als Symbol der Herrschaft überreichen. Das rechte untere Relief zeigt den Kaiser in Begleitung der Liktoren sowie des Stadtpräfekten von Rom bei seinem Einzug in die Stadt. Im linken Relief der Mittelzone empfängt der Kaiser Vertreter der Veteranen, rechts davon sind es Angehörige von Kaufmannsgilden, denen die Fürsorge des Kaisers gilt. Darstellungen verschiedener Gotthei-
ten innerhalb der Reliefs bringen dabei eine höhere Sinnebene zum Ausdruck. Im Aufbau der Reliefs ist nach oben zu eine Steigerung der bildlichen Schwerpunkte zu beobachten. In der Attikazone des Bogens wird die Götternähe des Kaisers betont. Als bekannte Erzählmittel solcher Staatsreliefs treten neben realen Personen immer wieder Personifikationen und Götter auf.
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Abb. 160: Benevent: Trajans-Bogen. Durchgangsrelief mit Verteilungsszene.
Die einzelnen Reliefdarstellungen boten in ihrer Mehrdeutigkeit immer wieder den Anreiz zu unterschiedlichen Interpretationsversuchen. 1966 wurde eine Monographie von Franz Josef Hassel vorgelegt, der die einzelnen Reliefs vorwiegend historisch zu deuten suchte. Sie stellen nach Hassels Auffassung fest datierbare historische Ereignisse dar, die in den Zeitraum vom Regierungsantritt Trajans (98) bis ins Jahr (109), dem Jahr der Vollendung der Via Traiana fallen. Kurz darauf erschien ein Beitrag von Klaus Fittschen, der den Reliefs eine übergeordnet allegorische Bedeutung, losgelöst von konkret historischen Ereignissen, beimaß. Begiffe und Wertehaltungen kaiserlicher Politik wie Fürsorge (providentia) und Sicherheit (securitas) bildeten den Hintergrund der Darstellungen. Als unbestritten kann gelten, dass die Aufeinanderfolge der Reliefs sowie die Darstellungen auf Stadt- und Landseite des Bogens in einem inhaltlichen Bezug zueinander stehen und eine politisch-ideologische Aussage beinhalten. Das ausgedehnte Bildprogramm dieses Ehrenbogens stellt gewiss die Tätigkeit und
Fürsorge des Kaisers für Italien in den Mittelpunkt: Darauf verweist auch das hier abgebildete Durchgangsrelief des Bogens (Abb. 160). Dargestellt wird die Verteilung von Alimenta als Unterstützung hilfsbedürftiger Familien innerhalb der römischen Bürgerschaft. Anwesend bei dieser Szene ist der Kaiser selbst im Kreise seiner zwölf Liktoren sowie einzelner Städtepersonifikationen im Hintergrund. Auf dem Tisch in der Mitte befinden sich Geldsäcke, die von einem hohen Beamten an Väter und Kinder verteilt werden. Rechts im Bild eilt ein Vater, der seinen Sohn auf die Schulter genommen hat, dankbar davon. Die Darstellung erinnert nicht von ungefähr an die bildlichen Verkörperungen des Gründungsvaters Äneas und seines Sohnes Ascanius innerhalb der römischen Kunst. Die Szene erhält somit eine allgemeine Bedeutung für das römische Staatswesen, genauso wie die Stadtgöttinnen verschiedene Städte Italiens verkörpern. Die Fixierung auf ein konkretes Datum der Vergabe dieser Mittel lässt sich dem Relief nicht entnehmen. Daher wird auch die von Klaus Fittschen vorgeschlagene Alimentatio Italiae als
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Ausdruck der Frömmigkeit des Herrschers gegenüber seinem Volk (pietas erga homines) als Deutungsmuster sehr wahrscheinlich. Das Relief vertritt einen kompakten Figurenstil bei deutlicher Betonung einer räumlichen Tiefenschichtung. Es sind auch die Handlungsmomente der einzelnen Personen, welche den Aufbau des Reliefs bestimmen und in seiner Tiefenräumlichkeit definieren.
Hadrian Der Tod erreichte Trajan auf dem Heimweg von einem mühsamen Feldzug gegen die Parther. Als sein designierter Nachfolger, die Quellenlage ist hier nicht ganz eindeutig, bestieg nunmehr sein entfernter Verwandter, P. Aelius Hadrianus, den Thron. Hadrian wurde zwar in Rom geboren, doch seine Familie stammte aus der spanischen Provinz Baetica. Sein Vater war ein Cousin Trajans, und dieser war es auch, der nach dem Tode des Vaters die Vormundschaft über Hadrian führte. Hadrian erwarb sich im zweiten Dakerkrieg beachtliche militärische Verdienste und strebte eine weitere politische Laufbahn an. Von politischer Vernunft bestimmt war seine Ehe mit Sabina, der Großnichte Kaiser Trajans. Hadrian sollte sich in seiner neuen Rolle als Persönlichkeit eigenen Schlages erweisen. Mit diesem Kaiser vollzieht sich in Rom nicht nur ein Stilwechsel innerhalb der Politik, sondern auch die Ausdrucksformen der Kunst ändern sich. Er verzichtete zunächst auf die weitere Expansion des Reiches, was ihm innerhalb mächtiger römischer Kreise auch Kritik einbrachte. Hadrian legte jedoch größten Wert auf die Sicherung der Grenzen. Auch eine Reform des Staates in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht sowie eine Verbesserung der Provinzverwaltung lassen sich für die Periode Hadrians festhalten. Kaiser Hadrian stellt eine kosmopolitische Gestalt unter den römischen Herrschern dar. Er verbrachte lange Jahre auf Reisen, die ihn in fast alle Teile seines Reiches führten. Diese Rei-
Abb. 161: Rom: Porträt des Hadrian.
sen sind jedoch kaum als „Vergnügungsreisen“ einzustufen, dienten sie doch vor allem der Kontrolle der Provinzverwaltung und des militärischen Apparates. Hadrian förderte im Zuge seiner Reisen Bauvorhaben in Städten und Heiligtümern. Die zeitweilige Anwesenheit des Kaisers förderte jedoch auch den Zusammenhalt des Reiches und förderte ein neues Selbstbewusstsein unter den Bürgern in den Provinzen. 9 Mit diesem römischen Herrscher beginnt zugleich einer der kreativsten Abschnitte der römischen Kunstentwicklung. Vom Aussehen des Kaisers berichtet die Historia Augusta, eine Sammlung von Kaiserbiographien, Folgendes: „Er war hochgewachsen und eine stattliche Erscheinung, sein Haar pflegte er in Locken zu kämmen, und er trug einen Bart, um die angeborenen Gesichtsmale zu verbergen; er hatte eine kräftige Konstitu-
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Abb. 162: Rom: Porträt der Sabina.
tion“ (Historia Augusta, Hadrianus 26). Hinter dieser, nur auf den ersten Blick hin plausiblen Begründung für die Barttracht des Kaisers dürfte jedoch mehr stehen: Hadrian ließ sich als erster römischer Kaiser mit lockigem Haar und kurzem Bart darstellen. Er greift damit jene Barttracht auf, die griechische Staatsmänner, aber auch Philosophen kennzeichnete. Der Kaiser stellt sich so in eine fiktive historische Linie, die er jedoch durch seine Lebensführung glaubhaft zu verkörpern wusste. Hadrian hat zeitlebens auch als Grieche gedacht und gehandelt. So hat er zur Zeit seines Athenaufenthaltes im Jahre 112 unter anderem das ehrwürdige Amt eines Archonten bekleidet. Das hier abgebildete Porträt Hadrians (Abb. 161) 10 wurde aus Anlass seines Regierungsantrittes geschaffen. Der Porträttypus selbst hatte nur eine kurze offizielle Geltungsdauer. Der Bildniskopf zeigt jedoch bereits alle Züge des hadrianischen Zeitstils in Form einer
verhärteten, glänzend aufpolierten Oberflächenstruktur. Auch bei den „Folgetypen“ des Kaiserporträts gelangt eine penible Kennzeichnung der jeweiligen Frisur zum Einsatz. Die langen Locken werden dabei weit nach vorne gekämmt und ringeln sich zu einer „Rolllockenfrisur“ ein. Während der hadrianischen Periode gelangen bei Skulpturen zunehmend weitere technische Hilfsmittel zum Einsatz. Seit den 30er Jahren kommt der Bohrer zum Einsatz: Bei Bildnissen wird so die AugenPupille gebohrt und die Iris geritzt, um eine Festigung des Blickcharakters zu erreichen. Die Punktbohrungen an Skulpturen, vor allem bei Frisuren, sollten während der antoninischen Periode einen Höhepunkt erreichen. Das Porträt der Kaiserin Sabina (Abb. 162) wirkt übereinstimmend in seiner Aussage zu jenem des Kaisers. 11 Die präzise Meißelarbeit und feine Politur des Porträtkopfes sollten den Zügen der Kaiserin eine überzeitliche Schönheit verleihen, vergleichbar jener der klassischen Bildwerke Griechenlands. Zugleich erhalten die Bildnisse dieser Zeit durch sorgfältige Abstufung der Gesichtszüge und den „sinnlichen Kompakt“ in der Oberflächenbehandlung eine durchaus konkrete Note. Gegenwärtige Existenz und doch die Vermittlung höherer Sinnebenen des Menschlichen bilden so keinen Widerspruch. Als Marguerite Yourcenar 1951 ihre berühmt gewordenen „Erinnerungen Hadrians“ („Ich zähmte die Wölfin“) verfasste, stellte sie dem Nachwort ihres Buches einen Satz von Gustave Flaubert voran. Dessen Gedankengang vermag die Ausrichtung der hadrianischen Kunst insgesamt glänzend zu umreißen: „Als es die Götter nicht mehr gab und Christus noch nicht, war zwischen Cicero und Marc Aurel ein einmaliger Augenblick entstanden, in dem der Mensch für sich existierte“. 12 Werke der Bildhauerkunst des 2. Jhs. sind Zeugen einer solchen leiblichen Existenz und tragen eine unerhörte Nähe des Ausdrucks in sich, die sinnfällig mit den Mitteln der Kunst transponiert wurde.
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Abb. 163: Rom: Pantheon.
Dem Pantheon (Abb. 163) gelten unzählige Beschreibungen und mehr wohl noch Eindrücke, die Reisende über Jahrhunderte an diesem Ort gesammelt haben. 13 Das Pantheon in Rom bildet dabei den vollständigen Neubau jenes Tempels, den Marcus Agrippa zu Ehren der göttlichen Allmacht errichten ließ. Dieser kanonische Tempelbau wurde unter Domitian noch einmal erneuert, im Auftrag Hadrians jedoch völlig niedergelegt. Gegenüber dem Vorgängerbau wurde das hadrianische Pantheon um 90 Grad gewendet und besitzt nur noch durch seine Vorhalle mit mächtigen Granitsäulen das Aussehen einer Tempelfront. Als Bauinschrift findet sich jedoch auch beim Tempelneubau noch pietätvoll die Namensnennung des ursprünglichen Stifters am Frontgebälk: M(arcus) AGRIPPA L(ucii) F(ilius) CO(n)S(ul) TERTIUM FECIT
Kaiser Hadrian ließ das Pantheon im Jahre 118 vollenden. Von außen wird die gewaltige Kuppel auch heute nur knapp sichtbar. Ursprünglich befand sich vor dem Kultbau eine weit gefasste Hallenanlage, die deutlich unter dem Niveau des heutigen Platzes lag. Dadurch steuerte der antike Betrachter auf eine erhöhte Tempelvorhalle zu, ohne die dahinter liegende Konstruktion vorerst wahrzunehmen. Kaiser Hadrian schuf sich mit dem Tempelneubau und dem vorgelagerten Platz gewissermaßen ein eigenes Kaiserforum. Wie der Interpretation der Funktion des Innenraumes zu entnehmen sein wird, bildete das Pantheon auch keine zentrale Verehrungsstätte für alle Götter Roms, sonders es bildete den Rahmen für einen Thronsaal des Kaisers. Die Konstruktion des Kuppelraumes wird durch den äußeren Mauermantel des Pantheons nicht sichtbar.
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Abb. 164: Rom: Pantheon. Blick in den Kuppelraum.
Die Stufung dieses gewaltigen Zylinders, seine Innenkonstruktion ermöglichte erst die Auflage einer gegossenen Kuppel (Abb. 164 und Anhang F). Dahinter befindet sich der größte überkuppelte Innenraum der römischen Antike, der erst später von der Hagia Sophia übertroffen wird. Dieser Zentralraum kann als Halbkugel-
kalotte auf einem zylindrischen Unterbau beschrieben werden. Die Grundidee der Konstruktion bildet tatsächlich eine Kugel, denn eine solche von exakt 43,30 m Durchmesser ist dem Innenraum dieses Tempels auch eingeschrieben. Die Idee der Kugel, zugleich als Ausdruck ewig gültiger, kosmischer Gesetze entfaltet in diesem Innenraum ihre Wirkung, indem
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Abb. 165: Tivoli: Villa Hadriani. Sogenanntes Teatro Marittimo.
sie die natürliche Statik in gewissem Sinne verändert. Auch der heutige Besucher des Pantheon weiß sich unbewusst in einem „Allraum“, dem das Gesetz einer vollendeten Kugel als auch jenes des Kreises im Umschreiten des Innenraumes eingeschrieben sind. Der ausführende Architekt Apollodor von Damaskus (60–125 n. Chr.) konnte an diesem Bau sein gesamtes, an vielen Bauwerken erprobtes Können ausspielen. Doch wie konnten die gewaltigen Schubkräfte einer solchen Kuppel aufgefangen werden? Die Konstruktion der Innenkuppel ist in den vergangenen Jahren hinterfragt und neuen Erkenntnissen zugeführt worden (Anhang F). 14 Entscheidend für die Stabilität dieser Kuppel auch noch nach ca. 1900 Jahren ihres Bestehens sind nicht nur die inneren Bogenkonstruktionen und Streben des Umfassungszylinders, sondern dessen Höhe. Mit einer Höhe von 49,50 m geht er über die Spannweite des Innenraumes hinaus und ist auch einige Meter über die Kuppelbasis hinaus gebaut worden. Der äußere Zylinder ist, mit anderen Worten, höher als das Auflager der Kuppel. Durch Höhe und Gewicht diente diese aufgezogene Außenmauer als Auflast für die Rotunde. Auch konnten damit die auf die Ringe des Zylinders wirkenden Schubkräfte, die sich in einer Tangentialen nach außen entfalten, abgeschwächt werden. Wesentlich bei der Konstruktion der
Kuppel war auch, dass deren Baumaterialien nach oben zu stets leichter wurden. Die oberen Ringe sind entsprechend mit Ziegelbruch und Pozzolanen (Bimsgestein) durchsetzt. Die gegossene Kuppel konnte jedoch nicht vollständig geschlossen werden. Am Zenit der Kuppel wird eine kreisrunde Öffnung, ein Opeion, mit einem Durchmesser von 9 m sichtbar. Das Pantheon in Rom bildete nicht ausschließlich eine zentrale Verehrungsstätte für die Gottheiten, sondern es bildete einen neuen Mittelpunkt des Kaiserkultes und war zugleich Thronhalle des Kaisers. 15 Wie Wolfram Martini vor kurzem zeigen konnte, stellt sich das Pantheon in Rom damit in die Traditionslinie älterer Kaiserfora, die auf den „Kaiser und nicht auf Gottheiten fokussiert“ waren.
Eine Weltlandschaft vor den Toren Roms Vor den Toren Roms öffnet sich mit der Hadriansvilla (Abb. 165) eine eigene Welt. 16 Kaiser Hadrian ließ auf dem ausgebreitet welligen Gelände unterhalb des alten Tibur Bauten einer weitläufigen Landvilla errichten, die der Überlieferung zufolge den Charakter einer Residenz besaß. Tivoli liegt ungefähr 30 km östlich von Rom. Der Ort hat ein altes Heiligtum des Herkules aufzuweisen, das früh überregionale Berühmtheit erlangte. Dort besaßen
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Abb. 166: Tivoli: Villa Hadriani. Rundtempel.
auch Angehörige der römischen Aristokratie seit den Tagen Caesars prächtige Landvillen, eingebettet in die Lage um die Tiburtinischen Berge und die reizvolle Flusslandschaft des Aniene. Kaiser Hadrian ließ seinen luxuriösen Landsitz in mehreren Einzeletappen, zumeist während seiner langen Reiseaufenthalte, anlegen. Mit einer Grundfläche von ca. 120 ha bildet die Villa Hadriana die größte kaiserzeitliche Villenanlage. Um den Kern einer älteren republikanischen Villa errichtet, wurden sukzessive weitere Einzelanlagen und Bauten hinzugestellt. Zum Ensemble dieser Villa zählen geschlossene Gartenbezirke und „Stadien“, Speisetriklinien und Prunkhöfe ebenso wie Bibliotheken, Thermen, Wasserläufe, Hallen und ein eigenes
Theater. Die Biographie des Kaisers überliefert uns zudem Bauwerke, die im Villengelände offenkundig als „Architekturzitate“ nachgebaut wurden (Vita Hadriani, 26). Einzelne Namen dieser Bauten, die an berühmte Bauwerke in Griechenland oder Ägypten erinnern sollten, werden dort angegeben und können wahrscheinlich mit den vor Ort ergrabenen Bauten identifiziert werden (z. B. die Stoa Poikile in Athen, das Canopus-Tal in Alexandria). Das sogenannte Teatro Marittimo (Seetheater) bildet einen von einem Wasserkanal umschlossenen Rundbau in der Nähe der Bibliothek der Hadriansvilla. 17 Die Anlage zählt gewiss zu den originellsten Baulösungen innerhalb dieses insgesamt phantasievollen Bauensembles. Über eine kleine Brücke konnte der Kern dieser künstlichen Insel, bestehend
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aus vor- und zurückspringenden Hallen und Kammern, erreicht werden. Der Ausblick von dort bot sich wiederum auf den kreisförmig geschlossenen Umgang mit seiner ionischen Säulenhalle und dem dahinter liegenden gedeckten Gang (Ringmauer). Vornehm abgehoben, so mutet diese Miniaturvilla innerhalb der größeren Villa an. Man verwendet daher heute auch den Begriff einer Inselvilla, die Kaiser Hadrian für seine Mußestunden zu nutzen wusste. Neben solchen Privat- wie auch mehreren phantasievollen Repräsentationsbauten verfügte die Villa Hadriana über Gäste- und Bedienstetenquartiere, Wirtschaftsgebäude und sonstige Einrichtungen für den „Hofstaat“. Von den Thermen und einem eigenen Theater war bereits die Rede, doch auch eine eigene Kaserne für die Schutztruppe des Kaisers konnte nachgewiesen werden. Ein nachvollziehbares Beispiel innerhalb dieser wie nachgebauten „Bildungslandschaft“ bietet der dorische Rundtempel auf einer Anhöhe des Villengeländes (Abb. 166). Er findet sein Vorbild im berühmten Rundtempel der Knidier, in dem das Götterbild der nackten Aphrodite des Praxiteles zu bewundern war. Der Tempelbezirk innerhalb der Villa Hadriana wurde erst im Jahre 1958 vollständig ausgegraben. Dabei wurde tatsächlich auch eine Statuenkopie der Knidischen Aphrodite entdeckt. 18 Der Rundtempel in Tivoli befindet sich auf einem architektonischen Unterbau und war von einer halbrunden Säulen-Exedra eingefasst. Solche Anlagen sprechen mehr für die Traditionen der römischen Baukunst und geben auch kaum das Vorbild auf Knidos wider. Der Rundtempel ist daher weniger wörtliches „Architekturzitat“ als geistige Anspielung auf das weltberühmte Heiligtum. Die architektonischen Bestandteile der Villa Hadriana finden sich insgesamt in gedankliche Zusammenhänge gestellt, die mehr der eigenen Zeit und nicht per se einer fernen Vergangenheit galten. Innerhalb der hadrianischen Kunst finden sich sogar häufig
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Abb. 167: Tivoli: Villa Hadriani. Kentaur der Künstler aus Aphrodisias.
alternative Positionierungen zu den „Vorbildern“. Die intellektuelle Grundnote solcher hadrianischer Werke wirkt dabei niemals zwanghaft, sondern erfrischend. In Architektur, Plastik und Malerei sollte auf ein Gleichmaß der griechischen wie auch römischen Kultur verwiesen werden. Hadrian, der „Philhellene“, nahm selbst in der Ausrichtung der Künste eine Vorreiterposition ein, die auf einen „Gleichklang“ des Zivilisationsmusters abzielte. Diese Gedankengänge waren nicht nur für eine Führungselite im Imperium bestimmt und verwiesen nicht allein auf die römische virtus, sondern auf nobilitas und amicitia. Die Skulpturen aus der Villa Hadriana vertreten eine erlesene Auswahl. 19 Der hier gezeigte jugendliche Kentaur verkörpert geradezu die Freuden der Jugend. Ausgelassen, mit seiner Jagdwaffe (dem Pedum) ausgestattet, begegnet er uns als Naturwesen, das mehr einer ur-
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Abb. 168: Tivoli. Villa Hadriani. Ehemaliges Speisetriklinium. Mosaik mit Kentauren.
sprünglichen, paradiesischen Landschaft anzugehören scheint als der Realwelt (Abb. 167). Mischwesen wie die Kentauren, halb Mensch und halb Tier, vermochten die Triebkräfte menschlichen Daseins besonders zu symbolisieren. Ein zweiter, älterer Kentaur, dem jugendlichen gegenübergestellt, erscheint hingegen gequält und gefesselt. Ihn binden die Gesetze des Alters und der Entsagung von den Freuden der Liebe. Meister aus Aphrodisias, Aristes und Papias, haben diese beiden Kunstwerke geschaffen und signiert. Die Villa Hadriana und ihre Einzelbauten wurden vor allem seit dem 17. Jahrhundert von Ausgräbern mehr oder minder systematisch ergraben. In der Phase herrschaftlicher Besitzer sowie mehrerer Architekten und Antikenliebhaber in deren Gefolge bedeutete dies in erster Linie das Schürfen nach Skulpturen und Bildmosaiken. Vieles ist damals verkauft worden
und in königliche und fürstliche Sammlungen innerhalb ganz Europas gelangt. Das eindrucksvolle Ensemble der Villenanlage von Tivoli ist damals bis auf wenige Reste seines Bildund Figurenschmucks beraubt worden. Man mag solche Eingriffe heute bedauern, gehörten die Marmor- und Stuckverkleidungen sowie die polychromen Fußböden in opus sectile doch wesentlich zum Bestand und damit zur Wirkung dieser Räume. Im Jahre 1779 wurde im Bereich der Villa Hadriana ein Speisetriklinium mit wertvollen figürlichen Mosaiken freigelegt. Zu den damals gehobenen und aus Tivoli entfernten Kunstwerken zählt dieses gefeierte, schließlich nach Berlin gelangte Bildmosaik: 20 Es zeigt Kämpfe zwischen Kentauren und verschiedenen Raubtieren (Abb. 168). Eine Kentaurin wurde dabei bereits getötet und liegt ausgestreckt auf dem Boden. Machtvoll steht ein
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Abb. 169: Rom: Reliefplatten vom Hadrianeum im Hof der Kapitolinischen Museen.
Kentaur auf und wird einen Felsbrocken auf den mit dem Opfer beschäftigten Tiger werfen. Die packenden Einzelszenen finden sich effektvoll auf eine Felsformation verteilt. Der Tiefenraum und die Durchbildung der landschaftlichen Elemente dieses Mosaiks erinnern bewusst an ältere Gemälde. Wahrscheinlich bezieht sich auch dieses Bildmosaik der Villa Hadriana auf ein berühmtes Vorbild der hellenistischen Periode.
Nachruf auf einen Kaiser Die Reliefplatten vom Tempel des vergöttlichen Hadrian in Rom bieten eine Bestandsaufnahme jener Erfolge, mit denen sich das Imperium Romanum schmücken konnte (Abb. 169). 21 Sie zeigen weibliche Gestalten zwischen Waffenreliefs, welche die einzelnen Provinzen des Reiches verkörpern. Dank des subtilen und in wesentlichen Entscheidungen dennoch bestimmten Regierungsprogramms dieses Kaisers konnten neue Wege zur Festigung des Imperiums beschritten werden. Diese Charakterisierung des Imperium Romanum bildet den Hintergrund für eine Reichskunst, in deren Mittelpunkt die Tätig-
keit des Kaisers und der politischen Hierarchie steht. Praktisch an allen Hauptorten des Reiches entfalten wohlhabende Bürger und Patrone eine Stiftungs- und Förderungspolitik, die öffentlichen Bauten, Statuenstiftungen und Monumenten aller Art gilt. Neben diesen Äußerungen einer Kunst für den öffentlichen Raum gibt es eine reiche private Kunstentfaltung, die nicht nur im Bereich des Wohnens zu einer hohen Blüte gelangt, sondern sich auch in Form des Kunsthandwerkes oder bedeutender Grabmonumente äußert. Ein besonders glanzvoller Bau befindet sich in der Marmorstadt Aphrodisias in Kleinasien. 22 Dieser bildet eine auf Säulen ruhende „Toranlage“ (Tetrapylon), die wahrscheinlich als Ehrenmonument innerhalb der riesigen Stadtanlage, etwa 100 m östlich des Aphroditeheiligtums, anzusprechen ist (Abb. 170). In eleganter Ausführung ranken sich die bunten Marmorschäfte der Säulen nach oben. Die aufruhende Gebälkzone wird vorn in ihrer Mitte durchbrochen und lässt so nach oben zu einen „gesprengten Giebel“ frei. Oberhalb der Mittelsäulen werden die Giebel hingegen als halbrunde Lünetten gebildet. Diesem Kunstgriff und der Verdoppelung der Säulen ist es zu verdanken, dass sich an den Ecken des Torbogens
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Abb. 170: Aphrodisias: Tetrapylon.
quasi Pylone bilden. Die Gebälk- und Giebelzone dieses grazil gebildeten Monumentes entfaltet eine wahre Pracht an vegetabilen Bauornamenten. Die Bauhütten im Osten des Reiches konnten sich auf eine lange Erfahrung in Fragen der Baukunst und des Dekors berufen. Mit der Epoche Hadrians und der Antonine ver-
schmelzen diese weitergereichten Traditionen mit jenen Anforderungen, die römische Bauherren an Architekten und Steinmetzen stellten. Das Tetrapylon von Aphrodisias kann anhand der Beobachtungen an seiner Bauornamentik gegen Ende des 2. Jhs. datiert werden.
Ergebnisse Es wäre lohnenswert, für die Anfangsjahrzehnte des 2. Jhs. n. Chr. allein jene Initiativen aufzuzählen, welche dem Ausbau der Städte im Römischen Reich, aber auch den zahlreichen technischen Errungenschaften wie Brücken- und Aquäduktbauten oder – um ein Beispiel zu nennen – dem Ausbau des Hafens von Ostia galten. Diesen im Zeichen der allgemeinen wirtschaftlichen Prosperität stehenden Bemühungen könnten die Neuerungen auf dem Gebiet des Wohnbaues und auch die Qualität der Wandmalereien und dekorativen Werke dieser Zeit gegenübergestellt werden. Auch bleibt zu ver-
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muten, dass hinter diesen Standards einer reichen materiellen Hinterlassenschaft nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch das Lebensgefühl einer breiten Bevölkerungsschicht in Rom und seinen Provinzen stand. Dennoch wäre es vermessen zu glauben, dass die uns erhalten gebliebenen Zeugnisse von Technik, Architektur und Bildkunst direkte Spiegelung eines „Lebensgefühls“ damaliger Menschen wären oder auch nur annähernd die realen Lebensformen einer Bevölkerungsmehrheit wiedergeben würden. Hinter den umfassenden Bauprogrammen dieser Zeit standen Hundertschaften von Sklaven, Arbeitern und einfachen Handwerkern, welchen wohl die eigene Existenz näher stand als der Prunk des Imperiums und seiner höchsten Repräsentanten. Ähnliches gilt wohl auch für die Rezeption der vor den Bewohnern der Städte ausgebreiteten Staatskunst. Es mag wohl sein, dass nicht nur die Bürger Roms mehr als einmal in ihrem Leben einen römischen Triumphzuges erlebten oder aber jene allerorts abgehaltenen Kaiserfeste, welche neben den zahlreichen religiösen Begehungen den Festkalender eines jeden Jahres prägten. Viele dieser Rituale und Stationen eines staatlichen Kultus finden sich auf Reliefs wiedergegeben und sind wohl nur plakative Wiedergabeformel für ein Geschehen, das in den Köpfen und der Phantasie der Zeitgenossen ohnehin existierte. Gerade die Epoche Trajans und Hadrians war durch solche überreiche Äußerungen einer Staatskunst geprägt, welche auf die Wahrnehmung der Bürger ausgerichtet war. Die auf Bogenmonumenten, Altären und Triumphaldenkmälern vorgeführten Ereignisse waren gleichsam durch die Präsenz des Kaisers sowie göttlicher Gestalten in eine höhere Ordnung eingebunden, welche auch jedem Individuum Sicherheit garantieren sollte.
Hüte dich, dass du nicht ein tyrannischer Kaiser wirst! Nimm einen solchen Charakter nicht an, denn es geschieht so leicht. Erhalte dich also einfach, gut, lauter, ernsthaft, prunklos, gerechtigkeitsliebend, gottesfürchtig, wohlwollend, liebreich und standhaft in Erfüllung deiner Pflichten. Ringe danach, dass du der Mann bleibst, zu dem dich die Philosophie bilden wollte. Ehre die Götter, fördere das Heil der Menschen! Kurz ist das Leben, und es gibt nur eine Frucht des irdischen Daseins: eine unsträfliche Gesinnung und gemeinnützige Werke. (Marc Aurel, Selbstbetrachtungen 6,30)
9. Kapitel Zeit der Fülle Vom Zeitalter der Antonine (138–193 n. Chr.) wird häufig von einem saeculum aureum, einem Goldenen, ja glücklichen Zeitalter gesprochen. Es handelt sich dabei um die Vorstellung von einem in sich gefestigten Zeitalter, so wie es schon die Zeitgenossen empfunden haben mochten: Im Jahre 143 weilte der aus Kleinasien stammende Redner Aelius Aristides in Rom. In seiner „Lobrede“ versucht er das Verständnis der römischen Herrschaft aus griechischer Sicht darzulegen, indem er in mehreren Linien den Aufbau der römischen Administration und das Prinzip einer leistungsorientierten Vergabe des römischen Bürgerrechts hervorkehrt. „Rom sei nicht mehr nur die Stadt oder Italien, sondern überall da, wo römische Verwaltung praktiziert, römisches Recht gesprochen und römische Münze getauscht werden.“ Viele Jahrhunderte später, im Zeitalter der europäischen Aufklärung, versuchte man, Anschluss an diese Zeit des „humanitären Kaisertums“ zu finden. Bei dem englischen Historiker Edward Gibbon (1737–1794) findet sich das Zitat: „„Wenn jemand aufgefordert werden sollte, die Periode in der Weltgeschichte anzugeben, während welcher die Lage des Menschengeschlechtes die beste und glücklichste war, so würde er ohne Zögern diejenige nennen, welche zwischen dem Tode des Domitian und der Thronbesteigung des Commodus verfloss (d. h. zwischen 96 und 180 n. Chr.).“ Wahrer Kern dieser Projektion ist eine an der vorbildlichen Antike erkannte zivilisatorische Höhe, wie sie die westliche Welt – nimmt man Faktoren wie hohen Lebensstandard, Sicherheit und kulturelle Entfaltung – wahrscheinlich erst wieder Ende des 19. Jahrhunderts erreichen konnte. Unbestreitbar ist auch, dass mit den technischen Aufschwüngen seit etwa 150 Jahren dieses Bild einer vorbildlichen, weil unerreichten römischen Zivilisation sukzessive verblasst. Unsere heutige Einstellung gegenüber den „Alten Sprachen“ und den „Bildungsgütern der Antike“ ist davon geprägt, ohne dass Rom und sein Imperium jedoch an äußerer Faszination verloren hätten.
Historischer Hintergrund • • • •
138–161 Antoninus Pius 161–180 Marc Aurel 162–166 Krieg gegen die Parther 167–175 Erster Markomannenkrieg zur Sicherung der Donaugrenze • 169 Tod des Mitregenten Lucius Verus • 177–180 Zweiter Markomannenkrieg
• 180–192 Commodus • 192 Ermordung des C. und Erhebung des Pertinax zum Kaiser • 193 Zweites „Vierkaiserjahr“: Didius Iulianus, Clodius Albinus, Pescennius Niger, Septimius Severus
Zeit der Fülle
Ausgangslage der Kunst Welches waren die entscheidenden Indikatoren eines solchen „Goldenen Zeitalters“? Bereits Plinius der Ältere, der berühmte, im Jahre 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch umgekommene Forscher, spricht im 27. Buch seiner Naturalis historiae von der „unermesslichen Majestät des römischen Friedens“. Der Friede an den Reichsgrenzen sowie ein Bündnissystem gegenüber Völkerschaften jenseits der Grenzen bot eine Garantie für die Entfaltung im Inneren (pax romana). Immer wieder mussten darum Sicherungskämpfe an den Grenzen des Imperium Romanum geführt werden. Rom, die Schaltstelle der kaiserlichen Macht, betrieb wie in den Jahrhunderten der Republik zuvor, eine taktisch ausgeklügelte Expansionspolitik, die dem Reich zur Zeit Trajans zu seiner größten Ausdehnung verhalf. Diese Größenordnung und auch die Kaiser als Garanten des Friedens schufen eine Weltordnung, die jede bisherige historisch-geographische Dimension übertraf. Was sich unserem Blick nunmehr öffnen wird, sind die Inhalte, aber auch Qualitätsmerkmale einer Kunst dieser Epoche vor dem Hintergrund und der Größenordnung des Reiches und seiner unterschiedlichen Provinzen.
Die Antonine Die Garanten des Friedens: Am 25. Februar des Jahres 138 unserer Zeitrechnung wurden die Weichen für gleich mehrere Generationen eines römischen Herrschertums und damit der gesamten Reichsbevölkerung gestellt: Kaiser Hadrian, in dessen Regierungszeit eine unerhörte kulturelle Synthese zwischen Römertum und Griechentum fällt, die das Fundament einer gesamt-antiken Anschauung bilden konnte, dieser – zum damaligen Zeitpunkt bereits dem Tod geweihte – Herrscher bestimmt Antoninus Pius und in der Folge den erst siebzehnjährigen Marcus Aurelius sowie den noch
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minderjährigen Lucius Verus zu seinen Nachfolgern. Das Prinzip des römischen Adoptivkaisertums, das die durch ihre Leistungen ausgewiesenen bestmöglichen Nachfolger (optimus princeps) und nicht in erster Linie leibliche Nachkommen für die Thronkandidatur vorsah, war eine Folge des tragischen Abgesangs zweier Dynastien, die im 1. Jh. n. Chr. geherrscht hatten, des iulisch-claudischen beziehungsweise des flavischen Hauses: Deren jeweils letzte Vertreter, Nero († 68) und Domitian († 96), hatten die Monarchie in den Abgrund geführt und wurden der Bevölkerung zur Tilgung ihres Andenkens (damnatio memoriae) freigegeben. Die neue Regelung eines Adoptivkaisertums setzt die Einflussnahme des römischen Senats – also der mächtigsten römischen Gesellschaftskreise – auf die Politik voraus. Ein Gegengewicht bildet das Heer, dessen Oberbefehlshaber der Kaiser ist. Für lange Zeit garantieren diese Kräfte die notwendige innere Stabilität. Die römische Gesellschaftsordnung war eine strikt hierarchische, gewiss auch besitzorientierte, die nicht mit den Maßstäben einer heutigen Wertegemeinschaft gemessen werden kann; aber es war eine Gesellschaftsordnung, die Rechtssicherheit, wirtschaftliche Prosperität für einen zumindest großen Teil der Bevölkerung und Aufstiegschancen für viele ermöglichte. Was in heutigen Augen unvorstellbar scheint, die strenge Klassenteilung zwischen freien Reichsbürgern, Abhängigen und Sklaven, sollte dennoch deutlich angesprochen werden. Es kann nicht schaden, wenn angesichts der Bestrebungen globaler Wirtschaftsstrategien dies auch als düsterer Hintergrund für unsere künftige Weltordnung verstanden werden kann. Im Ephesosmuseum der Neuen Hofburg in Wien befinden sich Reliefplatten eines großes Siegesmonumentes, das für Lucius Verus, den Besieger der Parther, in dieser Provinzhauptstadt von Asia in Auftrag gegeben wurde (Abb. 171). Der Mitregent des Marcus Aurelius hatte sich während der Kampfhandlungen ge-
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Abb. 171: Ephesos: Parthermonument.
gen dieses kriegerische Reitervolk, das im Jahre 162 römische Verteidigungslinien in Syrien überrannt hatte, in sein Hauptquartier Ephesos zurückgezogen. Dort heiratete er auch Annia Lucilla, die Tochter des Marcus Aurelius. Im Jahre 166 n. Chr., nach Jahren der Kriegshandlungen, konnte der nominelle Sieg gefeiert werden: Lucius Verus geht nach Italien zurück, wo er allerdings bereits 169 n. Chr. stirbt. Ob man damals schon erahnen konnte, dass mit dem Auftauchen der Pest, die militärische Truppen aus dem Osten eingeschleppt hatten und mit ihrer Verlagerung an die Donau im Reich verbreiteten, eine Zäsur im Zeitalter des Glücks aufschien? Das wahre Schockerlebnis
für die an Frieden und Sicherheit gewöhnte Bevölkerung in Italien dürften bereits zuvor germanische Völkerbewegungen wie jene der Markomannen, Quaden und Jazygen an der Donau gebildet haben. Im Jahre 166 waren plündernde Germanentrupps bis Aquileia, dem bedeutendsten städtischen Zentrum Oberitaliens, vorgedrungen: eine Zeit der Sicherheit neigte sich dem Ende zu. Die Reliefplatten des Parthermonumentes aus Ephesos erzählen in mehreren Einzelszenen von der Legitimation des Herrschertums. 1 Die einzelnen Platten bringen Kampfhandlungen mit den Parthern, führen aber auch die Provinzen des Reiches in Form schöngestaltiger weib-
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licher Personifizierungen an und münden schließlich in der Apotheose des Lucius Verus, sodass der Fries erst nach 169 n. Chr. ausgeführt worden sein kann. Eine der ersten Platten schildert, eingebunden in die ideale Sphäre eines Opfervorganges und bestimmt von der feierlichen Sprache eines Staatsreliefs, die Vorgänge der Doppel-Adoption im Jahre 138. Antoninus Pius, im Porträt neben jenem – an der Oberfläche zerstörten – Porträt seines Vorgängers Hadrian gut kenntlich, legt die Hand auf die Schulter des noch kindlichen Lucius Verus. Links im Hintergrund erkennt man die jugendlichen Züge des zum damaligen Zeitpunkt erst siebzehnjährigen Marcus Aurelius. Die Beteiligten an dieser feierlichen Handlung tragen die Toga, deren Zipfel die Regenten zum Zeichen des Opfers über das Haupt gezogen haben. Geste und Auftreten der Kaiser und Thronprätendenten symbolisieren Frömmigkeit gegenüber Göttern und Menschen (pietas erga deos et erga homines) sowie Eintracht (concordia) zum Wohle des Reiches. Der etwas steife Ausdruck dieses Staatsaktes ist als Deutungsmuster künftiger Ereignisse, als „Repräsentationsbild“ legitimierten Herrschertums zu verstehen. Die hervorragende kleinasiatische Werkstatt, die an dieser Platte gearbeitet hat, verbindet die lange Tradition griechischer, körperdurchwirkter Darstellungsform mit der spezifisch römischen Erzählweise eines „Historienbildes“.
Das Kunstschaffen einer Epoche Eindringlich und klar arbeiteten auch die zahlreichen Werkstätten im Römischen Reich, welche mit der Herstellung und Verbreitung der Kaiserbildnisse beschäftigt waren. Eine solche, auf die wesentlichen Kennzeichen beschränkte Oberarmbüste des Kaisers Antoninus Pius in den Münchener Sammlungen ist wegen ihres vorzüglichen Erhaltungszustandes von besonderer Bedeutung (Abb. 172). 2 Der Regent wird in militärischer Bekleidung mit Feldherrenmantel (paludamentum) und darunter angeleg-
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Abb. 172: Rom: Büste des Antoninus Pius.
ter Tunika dargestellt; ursprünglich waren alle diese Bildwerke auch farbig gefasst, sodass eine Differenzierung der Merkmale deutlicher erscheinen musste als innerhalb der heutigen Marmoroberfläche. Der entscheidende Punkt einer Kenntlichmachung entsteht jedoch mit Haar- und Barttracht des Herrschers, deren typengerechte Kennzeichnung oberste Aufgabe der Bildhauer war. Mehr noch als die Profilbildnisse des Kaisers, die jedermann im Römischen Reich mittels der Münzbilder bekannt waren, vermittelten die offiziell im Imperium Romanum verbreiteten Statuen und Büsten ein exakt wiederholtes Repräsentationsbild. Die hier verwendete Büstenform, bereits eine Reduktion jener Ganzstatuen, die den römischen Herrscher in der Toga, als Gepanzerten, selbst in nackter Idealität darzustellen wussten, stellt
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Abb. 173: Rom: Kopf des jugendlichen Marcus Aurelius vom Forum Romanum.
eine beliebte Kunstform der antoninischen Zeit dar. Solche Büsten kann man sich in glanzvoll ausgestatteten Innenräumen jener Zeit, sei es für den privaten Gebrauch der römischen Oberschicht, aber auch in den offiziellen Kaisersälen, in denen die Göttlichkeit der Herrschers eine Rolle spielte, vorstellen. Die Paludamentbüste des Antoninus in München vertritt einen bestimmten, den zweiten Bildnistypus, der bereits mit dem Adoptionsjahr in Verbindung zu bringen ist und der die langen Regierungsjahre hindurch seine Gültigkeit beibehielt. Die Ausführung der Büste ist um die Mitte des 2. Jhs. anzusetzen. Antoninus Pius vertritt im Grunde dieselbe Bildnisauffassung wie sein Vorgänger mit gepflegtem Bart und wellig vorgekämmtem Haar. Dadurch werden Kontinuität und Stabilität sowie Festigkeit und Gesinnung dieses obersten Heerführers zum Ausdruck gebracht (virtus). Aus der langen Regierungszeit dieses Kaisers haben
sich daher – nicht unerwartet – jene Preisgedichte erhalten, die mit ein Ausdruck des Selbstverständnisses jener Epoche und ihrer Zeitgenossen waren (Aelius Aristides). Nichts sollte sich verändern im Reiche, in seiner Wohlfahrt, das verkünden die Bildnisse seiner Herrscher, denn die Vorsorge (providentia) des Kaisers bildet einen Wesensbestandteil der Politik. Ob sich im sensibel gestalteten Bildnis des jugendlichen Marcus Aurelius (Abb. 173), das vom Forum Romanum stammt und dem auch künstlerisch ein Vorrang eingeräumt werden muss, tatsächlich die Wesenszüge jenes besonderen, künftigen Philosophenherrschers spiegeln? Im Jahre 147 wurde Marcus Aurelius zum Mitherrscher, ernannt und aus diesem Zeitraum stammt auch das vorliegende Porträt. Eine außerordentlich feinsinnig gestaltete Büste seiner – zwei Jahre zuvor geehelichten – Gemahlin Faustina Minor, die aus der kaiserlichen Villa Hadriana in Tivoli stammt, kann danebengestellt werden (Abb. 174). Die erst siebzehnjährige Augusta hatte dem Kaiser das erste Kind, ein Mädchen namens Domitia Faustina, geboren; ihr Bildnis erscheint nun gleich jenem des Thronerben auf Münzbildnissen. Was sich uns einprägt, ist die hohe Konzentration und Schönheit jener offiziellen Bildnisse. Künstler der Epoche kontrastieren bereits die porzellanene Glätte der Hautpartien mit einer durch den Bohrer aufgerauhten Oberfläche der Haarmasse. Aus diesem Spannungsverhältnis heraus entstehen außerordentlich einprägsame, ja „nahe“ Porträts. Von hier aus wird auch verständlich, dass man den Bildnissen der antoninischen Zeit von jeher Interesse entgegenbrachte: Es sind – über den offiziellen Charakter hinaus – Bilder hoher Menschlichkeit, die faszinieren konnten und können. Eine besondere Eigenart jener Kunstepoche weist eine Figurengruppe aus Ostia auf, die eigenartigerweise aus einem Grabbezirk stammt. 3 Zunächst nimmt man die Verbindung zweier göttlicher Gestalten, des Mars und der Venus wahr: Solche ideale wie mythische Verbindungen, noch dazu geschaffen
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nach klassischen Vorbildern, waren in der römischen Plastik besonders häufig (Abb. 175). Das römische Kunstverständnis orientiert sich häufig an ausgewählten Hauptwerken (opera nobilia) der griechischen Klassik des 5. und 4. Jhs. v. Chr., die, leicht variiert, in einen neuen Sinnzusammenhang gebracht werden. Anhand dieses Beispiels zeigt sich die mythische Verbindung des Götterpaares durch ein ursprünglich vom Künstler Alkamenes um 420 v. Chr. geschaffenes Kultbild des Ares (Mars) in Athen und eine um drei Generationen jüngere, mutmaßlich für Korinth geschaffene Aphrodite (Venus) des Statuentypus Capua. Erst auf den zweiten Blick erkannte man innerhalb der Forschung die für die Götterstatuen eingetragenen Bildniszüge des Marcus Aurelius und der jüngeren Faustina. Die Köpfe entsprechen durchaus den auch hier gezeigten Bildnistypen der offiziellen Porträts. Nun könnte man von einer eher beliebigen allegorischen Anspielung sprechen, wäre nicht der römische Gedankengang einer besonderen Eintracht (concordia) des jungen Paares mit im Spiel, die als Garant für eine künftige günstige Entwicklung im Reiche dienen mochte. Und auch die Verwendung solcher Gruppen – es haben sich gleich mehrere ähnliche gefunden – lassen von einer gezielten Verbreitung dieser gelehrten Bilderfindung sprechen. Eine solche Gruppe im Grabbezirk bekundet nicht nur die gleichfalls große Verbundenheit zweier hier Bestatteter zum Kaiserhaus (zur domus imperatoriae), sondern gerät zum Symbol für eine ganze Epoche. Kunst wird in dieser Epoche zu einem gelehrten, ambivalenten Spiel: Eleganz und doch römischer Ernst gehören untrennbar zum Zeitalter der Antonine.
Reichskunst – Kunst der Provinzen Die Ausdehnung des Reiches: Von welchen Ausdehnungen eines Reiches spricht man, wenn man den Begriff Imperium Romanum auch heute noch häufig verwendet? Es handel-
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Abb. 174: Rom: Porträtbüste der Faustina Minor aus Tivoli.
te sich um ein Reich, das im Gegensatz zur jetzt entstehenden Europäischen Gemeinschaft von einem anderen Zentralraum, nämlich jenem des Mittelmeerbeckens ausging und aus diesem heraus geschaffen wurde. Es war ein Reich, das nach außen von ca. 300 000 Mann verschiedener Legionseinheiten beschützt und nach innen durch seine Institutionen und seine Rechtsordnung zusammengehalten wurde. Behielt das Römische Reich in seinen verschiedenen Provinzen einen jeweils anderen Verwaltungsstatus bei (kaiserliche und senatorische Provinzen), so wurde es von der Zentralmacht Rom in Gestalt des Kaisers und des Senates zusammengehalten. Erstaunlich ist gerade in heutigen Augen die geringe Aufblähung eines Verwaltungsapparates, der, wie der Althistoriker Géza Alföldy aufzeigte, im Kern nicht mehr als 200 „Spitzenbeamte“ umfasste. Was auffällt, ist die Unterschiedlichkeit und Buntheit der Provinzen, die jeweils unter
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Abb. 175: Ostia: Mars-Venus-Gruppe.
anderen historischen Umständen einverleibt, einen Spiegel für Rom, aber auch die ursprünglichen Völkerschaften und deren wirtschaftliche und kulturelle Leistungen abgaben. Die blühende Wirtschaft in der Zeit der Antonine drückt sich vor allem im Bauwesen und in der Belebung der Kunstformen aus. Entscheidend hierbei – wie bereits erwähnt – ist die Rolle von ‚Sponsoren‘, die eine entscheidende Rolle beim Ausbau der Städte und der Gründung öffentlicher Einrichtungen spielten. Vieles in der Baukunst, aber auch in der Weitergabe der Kunstformen bleibt dabei eine Spiegelung der Zentrale, also Roms, ihrer Leistungen und der Macht des dort präsenten Kaisertums. Ein viertoriger Ehrenbogen in Tripolis (Libyen), einer der zentralen Städte der römischen Tripolitana, wurde zum Ruhme des
Marcus Aurelius und Lucius Verus an der Kreuzung der Hauptstraßen der Stadt errichtet (Abb. 176). 4 Die Bogenstellungen dieses quadratischen Baues mit seinen mächtigen Außenpfeilern und der Attikazone, die an allen vier Seiten eine Inschrift trug, wurden im Inneren von einer kassettierten Kuppel überspannt. Dieses gänzlich aus Marmorblöcken gebildete Durchgangsmonument vermag bis zum heutigen Tag durch die Eleganz seiner Architekturund Schmuckformen zu beeindrucken: hier abgebildet die am Decumanus gelegene und dadurch hervorgehobene nordöstliche Fassade, deren mit vorgelegten Säulen und Rankenpfeilern gerahmte Nischen für die ursprünglich am Bogen aufgestellten Kaiserstatuen enthalten. Darüber schlecht erhaltene Bildnisbüsten auf Ehrenschilden (imagines clipeata) und in den Bogenzwickeln fliegende Siegesgöttinnen (Victorien). Ein Pfeiler der Nordseite dieses Monumentes zeigt zwischen seinen prächtigen Rankenpfeilern eine gefangengenommene Barbarenfamilie (Abb. 177) und darüber eine Kriegstrophäe (tropaion). Nicht mehr sichtbar darüber befinden sich Schutzgötter der Stadt Tripolis im Wagengespann. Auf einfache und jedermann einleuchtende Weise wird im Bildprogramm dieses Bogens auf die Fundamente Roms und seines zentralen Kaisertums verwiesen, das die unterworfenen Völkerschaften in seine Dienste spannt. Selbst die überreichen Weinranken- und sonstigen vegetabilischen Ornamente dieses Bogenmonumentes, die eine Art internationalen Stil der Kunst vertreten und selbst an privaten Grabmonumenten häufig auftreten, verkörpern so die überregionale Einheit und Größe des Imperiums. Das kostspielige Bogenmonument aus importiertem Marmor wurde von einem reichen Magistrat, C. Calpurnius Celsus (er bekleidete die Ämter eines curator, duumvir, flamen perpetuus), errichtet und im Jahre 163 n. Chr. eingeweiht. In der Stadt Thugga (Dougga) der Provinz Africa proconsularis (etwa das heutige Tunesien), erhebt sich bis zum heutigen Tag ein ein-
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Abb. 176: Tripolis: Ehrenbogen des Marcus Aurelius und des Lucius Verus.
drucksvoller Kapitolsbezirk mit seinem der Kapitolinischen Trias und den Kaisern geweihten Tempel (Abb. 178). 5 Wiederum sind es zwei Brüder der städtischen Aristokratie, die laut erhalten gebliebener Inschrift zwischen 166 und 169 als Stifter fungierten und den korinthischen Podiumstempel als Akt der Frömmigkeit errichten ließen. Der Bau erhebt sich in einem eigenen Bezirk und besticht durch seine elegante Proportion und die Klarheit der Ausführung seiner Bauglieder – ein Ergebnis langer Erfahrungswerte, aber auch der Vorgaben und Bauhüttentraditionen im gesamten Römischen Reich. Der Haupttempel dieser afrikanischen Stadt (das Capitolium) wird so zum Hoheitszeichen Roms und der römischen Religion selbst. Dabei hatte die einst punische Stadt, ca. 100 km südwestlich von Karthago gelegen und bis in die Zeit Caesars Bestandteil des Numiderreiches, einen eigenen Götterhimmel anzubieten, der aber hier, im Mittelpunkt der Stadt, zugunsten der Reichsreligion zurücktritt.
Ein Zugeständnis an die heimische Bautradition bildet lediglich das klar gefugte, durch Vertikalstreifen gegliederte Mauerwerk der Cellawände dieses Tempels; das sogenannte opus africanum. Auch andere Städte dieser von einem Vertreter des römischen Senates verwalteten Provinz wie Hippo Regius, Bulla Regia oder Thysdrus (El Djem) erlebten in diesem Jahrhundert die Zeit ihrer Entfaltung und wirtschaftlichen Blüte, die wiederum als ein Produkt des reichen Ertrages der Landwirtschaft dieser Gebiete – aber auch einer ausgewogenen römischen Verwaltung – zu sehen ist. Im Gegensatz zu den stark romanisierten städtischen Zentren Nordafrikas hatten die Städte Kleinasiens und der östlichen Gebiete eine von Rom weitgehend unabhängige Geschichte und kulturelle Tradition: Diese Zentren besaßen ein hohes Maß an Autonomie; ihre Sprache und kulturelle Zugehörigkeit war griechisch. Das Zuschauerhalbrund (cavea) des Theaters der Stadt Aspendos in Pamphylien
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datierung wird man den Bau des Theaters daher bereits zwischen 161 und 168 n. Chr. ansetzen können. Als am Ende des 19. Jahrhunderts eine österreichische Expedition unter der Leitung des Grafen Karl Lanckoronski dieses Gebäude vermaß, wurde der Bauforschung einer der am besten erhaltenen römischen Theaterbauten zurückgegeben.
Städte und Wohnkultur
Abb. 177: Tripolis: Ehrenbogen. Ausschnitt mit Gefangenen.
wurde nicht ohne diese griechischen Erfahrungen an den Akropolishang gelehnt (Abb. 179). 6 Die radial geführten, durch Ränge gekennzeichneten Sitzreihen dieses musischen Versammlungsplatzes, vor allem jedoch der konsequente architektonische Frontabschluss dieses Baues durch eine Bühnenfront (scenae frons), entsprechen jedoch römischen Gegebenheiten. Etwa 7000 Zuschauer, auf insgesamt 40 Sitzreihen verteilt, fasste die monumentale Schaubühne allein für diese allenfalls mittelgroße Stadt des Imperium Romanum. Den Theaterbau hat ein heimischer Architekt namens Zenon, Sohn des Theodoros, geschaffen. Auch dieses Theater stammt nicht von öffentlicher Hand: Eine zweisprachige Inschrift spricht vom Testament eines A. Curtius Crispinus, dessen Erben den Bau zu Ehren der Regenten, Domui Augustorum (d. h. des Marcus Aurelius und Lucius Verus), in Auftrag gaben. Im Gegensatz zur oftmals vorgeschlagenen Spät-
Das Römische Reich bildete eine Zentralmacht, die jedoch von der Vielfalt und Prosperität seiner Städte und ihres Umlandes lebte. Ein Blick auf den bereits in republikanischer Zeit römisch geprägten Westen mag dies erklären. Auch diese – im Gegensatz zum griechischen Osten – „neuen Städte“ werden noch einmal umgeformt und erhalten in der mittleren Kaiserzeit neue Glanzpunkte im Bauprogramm der Fora sowie eine beachtliche Zahl an Thermen und Sportstätten. Im Gegensatz zu einigen Gebieten etwa Nordafrikas, in denen wirtschaftliche Einbrüche vor allem während des 3. Jhs. n. Chr. spürbar werden, hält der Zustand einer wirtschaftlichen Entfaltung hier jedoch zumindest bis ins 4. Jh. n. Chr. an. Die meisten Städte Oberitaliens, Südfrankreichs oder Spaniens wurden nach einem Planschema angelegt, das im Zentrum alle wesentlichen Markt-, Verwaltungs- und Sakralbauten vereinigt. Soweit sich zum heutigen Zeitpunkt überhaupt großflächige Grabungsergebnisse abzeichnen, lässt sich auch feststellen, dass die Wohnkultur und der Wohnkomfort in den meisten Städten konservativ blieben. Größere Hofhäuser in der Nähe der öffentlichen Plätze belegen, dass zumindest die städtische Oberschicht am traditionellen Einfamilienhaus italischer Prägung festhielt. Ganz anders stellt sich freilich die Situation in den Handels- und Hafenstädten des Reiches dar, deren Bevölkerungsmehrheit der Arbeiterund Händlerschicht angehörte. Entsprechend
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Abb. 178: Dougga: Kapitolstempel.
dem steigenden Bedarf nach Wohnraum, wurden hier die Wohnbauten einer frei werdenden oder neu zugewiesenen insula innerhalb des städtischen Areals in die Höhe gebaut. Rom hatte nach dem verheerenden Brand zu Zeiten Neros bereits eine urbs nova vorzuweisen, die vorwiegend aus Wohnblocks nach den neuesten Kriterien der Baukunst bestand. Leider belegen dieses Faktum nur einzelne Fragmente der Forma urbis, des Marmorplans von Rom aus severischer Zeit, kaum jedoch zugänglich gemachte Grabungsergebnisse in Rom selbst. Einen besonderen Schwerpunkt innerhalb der Baukunst bildet daher die mehrgeschossige Wohnarchitektur in Ostia, von der sich gut erhaltene Beispiele erhalten haben (Abb. 180). 7 Die Hafenstadt Roms, Ostia, wurde vor allem seit trajanischer Zeit großzügig ausgebaut. Zahlreiche mehrgeschossige Wohnblocks (insulae) und Handelshäuser beziehungsweise Warenlager (horrea) legen bis heute Zeugnis da-
von ab. Über die Errichtungszeit der Bauten wissen wir durch Ziegelstempel Bescheid, die den Zeitraum des 2. und frühen 3. Jhs. abdecken. Die Wohnblocks waren in der Regel um einen Lichthof im Kern der Anlage gruppiert, von dem aus auch die Treppenhäuser zu den verschieden großen Wohnungen in den einzelnen Geschossen erreicht werden konnten. Die Außenfassaden dieser „Mietskasernen“, von denen einige durchaus komfortable Wohneinheiten enthielten, waren meist mit vorkragenden Balkonen bestückt. Von der Straße her konnte man in die Geschäftsläden und Werkstätten eintreten, deren Türöffnungen sich nach außen wandten.
Divinisierung Zurückgekehrt in die Hauptstadt Rom, erwartet den Besucher bis zum heutigen Tag ein
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Abb. 179: Aspendos: Theater.
Sakralbau, der als Inbegriff der Baukunst in der Zeit der Antonine gilt und so auch in seiner Signifikanz für das Zentrum des Römischen Reiches spricht: das Templum Antonini et Faustinae (Abb. 181). Dieser mächtige Vorhallentempel, dessen eindrucksvolle monolithe Säulen von 17 m Höhe aus Marmor von Euböa (Cipollino) stammen, wurde, wie die Inschrift es audrückt, nach dem Tode der Kaiserin Faustina der Älteren im Jahre 141 n. Chr. angelegt
und nach dem Tode des Antoninus Pius im Jahre 161 n. Chr. vom Senat dem konsekrierten Kaiser geweiht. 8 Der Tempel erwartet den Besucher an der Nordseite des Forum Romanum, östlich der altehrwürdigen Basilika Aemilia und am Rande der Via Sacra, dem Triumphalweg römischer Feldherren und Kaiser. Mächtig erhebt sich dieser Tempel über dem Bodenniveau. Da ein Gutteil seiner Cellamauern für den Neubau
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Abb. 180: Ostia: Haus der Wagenlenker.
des Lateranpalastes unter Papst Urban V. (1362–1370) verwendet wurden, muss die erst 1602 geschaffene Barockfassade der Kirche S. Lorenzo in Miranda den ursprünglichen Eindruck des Sakralbaues ersetzen. Kurz zuvor ließ Papst Paul III. Farnese die Tempelvorhalle anlässlich des triumphalen Einzugs Karls V. in Rom erstmals von ihren mittelalterlichen Zubauten befreien; zu diesem Zweck hatte er auch das Forumsgelände tiefer planieren lassen. Die Projektion auf die Antike wurde zu einem wichtigen Bestandteil neuzeitlichen Herrschertums! Von besonderer Symbolkraft sind die Greifenfriese der seitlichen Vorhalle dieses Kaisertempels: Die Tiere vertreten eine imperiale Zeichensprache, dazwischen finden sich Kratere, Ausdruck dionysischer Jenseitserwartung, und Kandelaber mit Akanthuskelchen. Selbstverständlich folgen auch solche Friese einem vorentwickelten Schema, wie es etwa bei Bauglie-
dern des Trajansforums zum Ausdruck kommt, doch setzt jede Regierungsepoche Roms ihre eigenen Stilmittel ein. Gemessen am Beispiel dieser Bildfriese fällt die klare, nüchterne Bildsprache auf. Eine Zeit des Wandels: Nichts sollte nach dem Ableben des Antoninus Pius und mit dem Regierungsantritt der designierten Nachfolger Marcus Aurelius und Lucius Verus auf einen Wandel der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse hindeuten, und doch markierten der wieder aufgeflammte Konflikt im Osten und die bedrohlichen Völkerbewegungen im Norden letztlich ein Mehr an Veränderungen, als es die Grundhaltung der Zeitgenossen gestattete. Wir besitzen ein Zeugnis der Kunst aus diesem Umbruchsjahr, nämlich den mit großformatigen Reliefs ausgestatteten Sockel eines Säulenmonumentes für Antoninus Pius, der an der Stelle seiner Einäscherung auf dem Mars-
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Abb. 181: Rom: Tempel des Antoninus Pius und der Faustina.
feld in Rom (dem ustrinum) errichtet wurde. 9 In der Nähe dieses Platzes und ebenfalls am Verbrennungsplatz jenes Kaisers aufgestellt, befindet sich auch die nach 180 n. Chr. geschaffene Marcus-Aurelius-Säule. Das Säulenmonument für Antoninus Pius wurde abgetragen. Lediglich der mächtige Sockel des antoninischen Säulenmonumentes, aus lunensischem Marmor gemeißelt, gelangte in die Vatikanischen Sammlungen. In einprägsamer, wenn auch in akademisch unterkühlter Formensprache, schildert das Hauptfeld die Apotheose des Kaiserpaares Antoninus Pius und der älteren Faustina, die auf den Schwingen eines schönen Jünglings, vielmehr jedoch gezogen von den Reichsadlern, in die Sphäre der Götter getragen werden (Abb. 182). Es darf dabei nicht vergessen werden, dass selbst unter dem disziplinierten Kaisertum der Antonine
der Kaiser eine göttliche Person war. Das Ableben dieser „lebenden Gottheit“ (deus praesens) führt zu seiner Konsekration (er wird zum divus), die man sich als Apotheose oder Himmelfahrt vorstellte. Die Idealgestalt des langlockigen jungen Mannes verkörpert Aion, das Sinnbild der Ewigkeit, der auch den mit Zeichen verzierten Globus und die ewig sich windende Schlange trägt. Unten, auf der Erde, thront die Göttin Roma: Sie stützt sich auf einen Schild mit der Darstellung der Gründungssage mit dem von der Wölfin gesäugten Brüderpaar Romulus und Remus (lupa romana). Mit der Geste der rechten Hand nimmt Roma Abschied vom kaiserlichen Paar. Der Jüngling zu ihrer Linken verkörpert das Marsfeld und trägt als sein Zeichen jenen Obelisken, den Kaiser Augustus im Jahre 10 v. Chr. aus Heliopolis in Ägypten bringen ließ und der den
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Abb. 182: Rom: Relief vom Sockel der Antoninussäule.
Zeiger (gnomon) einer gigantischen Sonnenuhr auf dem Marsfeld bildete (Abb. 118213). Heute steht dieser Obelisk auf der Piazza Montecitorio, vor dem römischen Parlament. Auch wir können den hohen Symbolwert einer solchen Bilderzählung besser würdigen und damit verstehen, mit welchen Personifikationen und Zeichen der Beständigkeit sich die römische Reichskunst auszustatten wusste. Der groß gewählte Stil dieses Figurenreliefs sollte daher auch weniger seiner übernommenen Elemente wegen beurteilt, als vielmehr in seiner emblematischen Ausdruckskraft geschätzt werden. In welchem Maß die römische Kunst dazu befähigt war, gänzlich andere Stilmittel anzuwenden, sobald es um ein anderes Thema ging, zeigt eines der beiden seitlichen Reliefs dieses Sockelmonumentes mit seiner Reiterparade (Abb. 183). Diese nimmt historischen Bezug
zum Geschehen, nämlich der militärischen Reiterparade der Eliteeinheiten anlässlich der Leichenfeier des Kaisers auf (sog. decursio). Es ist aber nicht dieser Ritt einer Kavallerieeinheit gewissermaßen um die Prätoritanergarde herum, der hier ungewöhnlich wirkt, es ist vielmehr die Art der Darstellung, die losgelöst von einer wirklichen räumlichen Logik, als Perpetuum erfolgt. Auffällig ist darüber hinaus der vom Idealrelief der Vorderseite unterschiedene Stil, der sich vor allem in der naturalistischen Wiedergabe der Reiter beziehungsweise ihrer porträthaften Züge äußert. Die Unterschiede können weder durch eine andere Werkstatt allein, noch durch einen „Rückgriff auf Elemente der Volkskunst“ (Bianchi Bandinelli), was immer das bei einem offiziellen Denkmal bedeuten sollte, erklärt werden, als vielmehr durch die jeweils eigene wirksame Note und didaktische Anlageform zweier The-
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Abb. 183: Rom: Relief vom Sockel der Antoninussäule. Reiterumzug.
men, die beide stark abstrakt und zeichenhaft besetzt erscheinen. Von einem Zug hin zu symbolischer Verkürzung zu reden, ist daher keineswegs verkehrt, wie umgekehrt zu betonen ist, dass die Reiterparade in ihrer vordergrün-
digen wie realistischen Knappheit bereits auf Grundzüge der Marcus-Säule vorausweist. Die Reiterparade wurde daher stets auch unter dem Aspekt eines allgemeinen Stilwandels gesehen. 10
Ergebnisse Für die Epoche der Antonine gilt es einmal mehr festzuhalten, dass sich zu deren Beginn nur geringfügige Veränderungsprozesse in kultureller und auch gestalterischer Hinsicht abzeichnen. Das Kapitel der Baukunst setzt jenen Formenapparat, aber auch jene technischen Standards fort, die sich bereits seit dem 1. Jh. n. Chr. herausgestellt hatten. Im Gegensatz zur Fülle der baulichen Aktivitäten in den Provinzen des Reiches, werden in Rom selbst jedoch nur wenige neue Akzente gesetzt, ebenso gehen die Bauprogramme in den Städten Italiens merklich zurück. Hinter der Fassade äußeren Glanzes, so könnte man anmerken, zeichnet sich hinsichtlich der Produktivität zumindest für Italien eine leichte Stagnation ab. Gerade auch in den plastischen Gattungen behaupten sich anfangs die Vorgaben der hadrianischen Zeit. Man wird bei den offiziellen Porträts einen Zug zur Verhärtung der Oberfläche sowie zu künstlicher Übersteigerung der Haar- und Barttracht festhalten. Abseits dieser modischen Tendenzen
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kündigen sich jedoch sichtlich auch stilistische Umbrüche an. So erfährt die Wiedergabe der Oberfläche solcher Marmorporträts nach der Mitte des Jahrhunderts eine merkliche Einbuße an stofflicher Qualität. Damit verändert sich jene beinahe „sinnenhafte Freude“ an einer natürlichen Wiedergabeform, welche bisher vorherrschte und welche zugleich das Material und mehr noch den inneren Gehalt eines Porträts bestimmte. Auf vergleichbare Weise sind auch die Zeugnisse der Staatskunst heranzuziehen, welche sich als Gradmesser für die formalen Veränderungsprozesse der Zeitstufe bestens eignen. Für Reliefs aus der Zeit Trajans und Hadrians galt es, eine ebenso belehrende wie auch einleuchtende Klarheit der dort geschilderten Handlungszusammenhänge festzuhalten. Diese inhaltliche und formale Transparenz äußerte sich sowohl in der Anordnung der Figuren, als auch in deren Verankerung innerhalb eines jeweils klar definierten Raummusters. Diese Grundmuster der Komposition und der „Perspektivität“ des Raumes verändern sich jedoch tendenziell in antoninischer Zeit. Die Relieffiguren als konstante Handlungsträger besetzen nunmehr sämtliche Einzelzonen der Reliefs und geben so beherrschend das Raumkonzept vor. Die hier noch einmal angesprochenen formalen Veränderungsprozesse, welche sämtliche Kunstrichtungen Roms während der zweiten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. durchlaufen, boten vielfach Anlass zu Überlegungen und Spekulationen über deren Ursachen. Man gewinnt nämlich den Eindruck, dass die diversen Stilmodi nicht in der uns bereits gewohnten Weise festgelegt wurden, sondern dass sich die Wahrnehmungsgewohnheiten der Zeit und der Menschen grundlegend änderten. Fest steht, dass der „Stil“ auch außerhalb seiner gesellschaftlichen oder politischen Diktion einem konstanten Wandel unterworfen ist. Der Begriff des „Kunstwollens“ (Alois Riegl) umschreibt jedoch nur unzureichend dieses Phänomen.
DIVO VESPASIANO AUGUSTO S(enatus) P(opulus)Q(ue) R(omanus) IMPP(eratores) CAESS(ares) SEVERUS ET ANTONINUS PII FELIC(es) AUGG(usti) RESTITUER(unt) Dem vergöttlichen Vespasian Augustus der Senat und das Volk von Rom. Die Imperatoren Caesaren Severus [Septimius Severus] und Antoninus [Marcus Aurelius Antoninus, genannt Caracalla] Pius Felix Augustus haben [den Tempel] wiederhergestellt. (Forum Romanum, Inschrift auf dem Architrav des Vespasian-Tempels)
10. Kapitel Die Umformung der römischen Kunst Die als glücklich bezeichnete Epoche der Herrschaft der Antoninen erhält an ihrem Ende gleich mehrfach einen bitteren Beigeschmack. Zum einen gerät die Sicherheit des Reiches sowohl durch den massiven Druck von Völkerschaften an der Donaugrenze als auch durch die anhaltende Feindschaft Roms mit den Parthern im Osten ins Wanken. Hohe Ausgaben des Staates und eine damit verbundene Schwächung der Wirtschaft mindern die Zukunftserwartung der Bevölkerung ebenso wie die aus dem Osten eingeschleppte Pest und eine schleichende Destabilisierung der Verhältnisse. Auch der monarchische Herrschaftsanspruch verändert sich: Auf den einer zutiefst humanen Form des Herrschertums verpflichteten Kaiser Marc Aurel folgt sein Sohn Commodus, dessen prunkhafte Allüren die Monarchie weit von den Bedürfnissen der Bevölkerung wegführt. Als nach dem Sturz des Commodus ein aus dem nordafrikanischen Leptis Magna stammender Militär zum römischen Kaiser ausgerufen wird, hat sich auch die Hauptstadt Rom bereits als die eigentliche Zentrale der Macht verabschiedet. Rom sollte in Zukunft eher die symbolische Einheit des Reiches verkörpern und wird zur urbs sacra. Septimius Severus, der erste Afrikaner auf dem Herrscherthron, betont durch seine Vermählung mit der Syrerin Iulia Domna auf seine Weise die Einheit des Römischen Reiches. Die Hauptstadt bot für den ersten Severer nach vorangehenden Bränden und Vernachlässigungen vielfachen Anlass für Baumaßnahmen. Zeugnis für solche Erneuerungen der Severerzeit bieten Bauten auf dem Forum Romanum, etwa der dort neu errichtete Vesta-Tempel oder das erneuerte Propylon der Porticus Octaviae auf dem Marsfeld. Bedarf für ein neues Kaiserforum bestand in Rom ganz offenkundig nicht mehr, doch ließ Septimius Severus im Friedensforum bezeichnenderweise einen riesigen marmornen Stadtplan (Forma Urbis) anbringen, der das Bild der Stadt ein für alle Mal festhalten sollte. Der Prunk des severischen Kaisertums sollte sich vor allem durch eine neue Schaufassade an der Südseite der Kaiserpaläste ausdrücken. Dort wurde ein weithin sichtbares, mehrgeschossiges Nymphäum (das sogenannte Septizodium) an den Hügel angelehnt. Vergleichbar der prunkvollen Erneuerung der Hauptstadt lassen sich in mehreren Städten des Imperiums severische Baumaßnahmen festhalten. Eminente Förderung im Sinne eines neuen Zentrums erhielt jedoch die Geburtsstadt des Kaisers, Leptis Magna in Libyen. Die dort errichteten Bauten des severischen Forums (Forum novum Severianum) zeigen das eigentliche Größenmaß und die Qualität damaliger Baukunst auf (Abb. 192321). Der sichtliche Aufwand an Baudekor in Leptis, ausgeführt von Werkstätten aus dem kleinasiatischen Aphrodisias, lässt sich nur mit dem besonderen Anspruch des severischen Hauses erklären. Die Architektur und Reliefkunst der severischen Periode, so viel lässt sich sagen, vereint noch einmal sämtliche Möglichkeiten und Strömungen der vorangehenden Reichskunst. Der Nachfolger des Septimius Severus, dessen ältester Sohn Caracalla, lässt wenige Jahre später in Rom überragend große Ther-
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menanlagen errichten, die geradezu als Machtdemonstration seines Herrschertums dienen sollten (Abb. 198327). Die Caracallathermen können unter Berücksichtigung ihrer erhalten gebliebenen Ausstattungselemente, darunter zahlreichen Mosaiken, Statuen und dem opulenten Baudekor als ein „Gesamtkunstwerk“ dieser Periode angesehen werden. Noch einmal äußert sich anhand dieser „Kaiserthermen“ ein klar konzipiertes Bauvorhaben eines römischen Herrschers, wie es in den anschließenden unsteten Jahrzehnten römischer Soldatenkaiser nicht mehr zustande kommen sollte. Dabei liefert bereits die Regierungspraxis des Caracalla, seine de facto Abhängigkeit von militärischen Eliten, den Auftakt für eine Form des Herrschertums, die das 3. Jh. kennzeichnen sollte. Caracalla erlässt, als Reaktion auf das ohnehin gegebene Nebeneinander von Reichsbürgern und Einheimischen in Italien und den Provinzen, die sogenannte Constitutio Antoniniana, die Verleihung des Bürgerrechtes an alle freien Reichsbewohner. So dringend und nachvollziehbar diese Maßnahme im Sinne des Fiskus auch erscheinen mag, sie entzog den einstigen Eliten des Reiches in gewissem Sinne ihr Standesbewusstsein und förderte umgekehrt Divergenz und Provinzialisierung der römischen Gesellschaftsordnung. Kommen wir noch einmal zu den Charakteristika der Entwicklung auf künstlerischem Gebiet zurück: Während der Periode der Severer äußert sich in vielen Städten noch ein merklicher Erneuerungswille. Dieser Aufschwung kommt in den darauffolgenden Jahrzehnten, zwar nicht in allen Provinzen gleich stark, doch allgemein fassbar, zum Erliegen. Das Bauwesen in Rom selbst wird während der Periode der Soldatenkaiser lediglich durch punktuelle Eingriffe und Einzelmaßnahmen charakterisiert. Konnten noch unter den späten Severern, Elagabal und Alexander Severus, Teile der Caracallathermen fertiggestellt oder die alten Themen des Agrippa auf dem Marsfeld vollständig erneuert werden, so vermissen wir vergleichbare Programme in der Folgezeit. Einer der markantesten Neubauten betrifft die Errichtung eines Sol-Tempels durch Elagabal auf dem Palatin. Der aus Syrien stammende Kult des Sonnengottes (Heliopolitanus) wurde von diesem Kaiser zu Zwecken der Erneuerung der Staatsreligion eingesetzt, ein religionspolitischer Neuansatz, der zum damaligen Zeitpunkt noch zum Scheitern verurteilt war. 50 Jahre später sollte Kaiser Aurelian mit seiner Einführung des Solinvictus-Kultes und eines entsprechenden Tempels auf dem Quirinal (273 n. Chr.) den Auftakt für die eigentliche religiöse Wende in Rom liefern. 1 Die nach dem Ende der severischen Dynastie anbrechende Zeit der Senats- und Soldatenkaiser kann für die Baukunst im Allgemeinen als Periode der Stagnation eingestuft werden. Zu kurzfristig und konzeptlos blieben die Ansätze einzelner Herrscher, welche zudem nur kurz Gelegenheit hatten, als Bauherren aufzutreten. Ein bezeichnender Zug dieser Zeit etwa ist, dass die zentrale Ziegelproduktion in Rom eingestellt wurde und man sich bei der Beschaffung von Baumaterialien mit wiederverwendetem Material begnügte. Es wäre jedoch unangebracht, dieses vor allem für Rom und Italien geltende Bild einer allgemeinen Erlahmung der öffentlichen Aufträge generell auch auf die Provinzen zu übertragen. Vor allem an den Rändern des Reiches kommt es zur Zeit der Soldatenkaiser, bedingt durch die wirtschaftliche Prosperität der Heeresangehörigen, noch einmal zu einem merklichen Aufschwung in der Güterproduktion und sogar zu einem Ausbau der Siedlungen. Wäre es nun auch lohnenswert, diesen Zeugnissen einer breiten Kunstproduktion und des Güterbedarfs im Imperium Romanum nachzugehen, so müssen wir uns doch an die offiziellen Strömungen innerhalb der Kunst des 3. Jhs. halten. Ihre für uns markantesten Ausdrucksformen zeigt die Kunst der späten Kaiserzeit dabei auf den Gebieten der Porträt- und Grabkunst aus. Diese bilden eine Art Leitfaden über mehrere Generationen hinweg: So gelangen etwa in den Bildnissen der Herrscher die unterschiedlichsten Traditionalismen und Rückgriffe zur Anwendung. Umgekehrt bilden sich in der Porträtkunst des 3. Jhs. neue Formgesetze einer „symbolistischen Vereinfachung“ heraus, die bereits die Brücke zur Kunst der Spätantike legen. Bezeichnend werden auch die Formen der Grabkunst in diesem Zeitalter des Wandels. Die unterschiedlichsten Bildthemen der Sarkophage vermitteln etwa
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10. Kapitel
Vorstellungen von Leben und Tod, wie sie für die damalige Gesellschaft manifest wurden. Die Grabkunst übertrifft zwar an Größe und Aufwand nicht die vorangehenden Epochen, sie gewinnt jedoch inhaltlich an Bedeutung. Durch sie äußert sich ein Wandel der Wertigkeiten im sozialen und geistigen Gefüge jener Zeit.
Historischer Hintergrund • • • • •
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161–180: Regierungszeit des Marcus Aurelius 161–169: Mitregentschaft des Lucius Verus 162–166: Partherkrieg 167–180: Markomannenkriege zur Sicherung der Donaugrenze 176: Kaiser Marcus Aurelius kann nach seinem Sieg gegen die Barbaren gemeinsam mit seinem Sohn Commodus in Rom einen Triumphzug durchführen. 180: Kaiser Marcus Aurelius stirbt in Vindobona (Wien) an der Pest 180–192: Regierungszeit des Commodus 193: Pertinax Zweites Vierkaiserjahr bzw. Fünfkaiserjahr: Didius Iulianus, Pescennius Niger, Clodius Albinus, Septimius Severus 193–235: Dynastie der Severer 193–211: Septimius Severus, aus romanisierter numidischer Familie in Leptis Magna (Libyen) stammend. Verheiratet mit Julia Domna, Tochter des Sonnenpriesters Bassianus aus Emesa (Syrien), Söhne Caracalla und Geta 194: Strafexpedition des Septimius Severus gegen Städte im Osten 194–199: Partherkriege, Wiedereinrichtung der Provinz Mesopotamia 208–211: Auseinandersetzungen in Britannien 211–217: Regierung des Caracalla 212: Constitutio Antoniniana: Verleihung des Bürgerrechtes an alle freien Reichsbewohner, Ziel ist die Erhöhung des Steuereinkommens für den Staat 216: Partherkrieg 217–218: Macrinus 218–222: Elagabal, Großneffe des Septimius Severus, Einführung des Sonnenkultes (Iuppiter Helipolitanus) in Rom scheitert
• 222–235: Severus Alexander, Großneffe des Septimius Severus • 226: Die Dynastie der Sassaniden gründet das „Neupersische Reich“ • 230–232: Feldzug gegen das neu gebildete „Neupersische Reich“ der Sassaniden • 235–284: Zeit der Soldatenkaiser (insgesamt über 40 Kaiser). Anhaltender Druck auf die Grenzen des Imperium Romanum durch germanische Stammesverbände (Franken, Alemannen) sowie Quaden und Goten an der Donau • 235–238: Maximinus Thrax (d. h. „der Thraker“) • 238: Beginn von Barbareneinfällen im Balkanraum • 238: Gordian I., Gordian II., Balbinus, Pupienus • 238–244: Gordian III. • 244: Einfall der Perser unter Shapur I. in Mesopotamien; Sieg Gordians bei der Schlacht bei Resaina; jedoch Tributzahlungen Roms. Der Prätorianerpräfekt Philippus lässt Gordian III. ermorden und besteigt daraufhin den Thron • 244–249: Philippus Arabs (d. h. „der Araber“, Sohn eines Scheichs) • 248: Jahrtausendfeier Roms, Kosten- und Steuerdruck auf die Bevölkerung sowie laufende Münzverschlechterung • 249–251: Decius. Decius, der erste Herrscher aus dem illyrischen Raum (Balkan) erringt bei Verona einen Sieg über Philippus Arabs und wird von seinen Soldaten zum Kaiser ausgerufen. Decius fördert die altrömischen Grundlagen des Staates und seiner Gesellschaft. Beginn der großen Christenverfolgung. Neuerliche Pestepidemie. • Niederlage und Tod des Decius und seines Sohnes Herennius in einer Schlacht gegen
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die Goten an der Donau. Der zweite Sohn des Kaisers, Hostilian, wird von Trebonianus Gallus als Mitregent anerkannt, stirbt jedoch kurz darauf an der Pest. 251–253: Trebonianus Gallus (d. h. „der Gallier“) 253: Volusianus Aemilianus 253–261: Valerian 259: Perserfeldzug: Gefangennahme Valerians durch Shapur I. Größte Demütigung Roms und seines Heeres. 261–268: Gallienus, Sohn des Valerian, wird Kaiser. Gallienus, dem sog. „Philosophenfreund“, gelingt kurzfristig eine Stabilisierung der Verhältnisse. Die Kunst der „gallienischen“ Epoche vertritt eine eigene Note. Sonderreiche in Gallien (Regent Postumus) und in Palmyra (Königin Zenobia) entstehen
Ausgangslage der Kunst Im Zeitalter der Severer werden für die römische Gesellschaft die Faktoren eines immer deutlicheren Wandels bestimmbar. Finanzierungsprobleme des Staates führen in mehreren Ansätzen zu Währungs- und Verwaltungsreformen. Die notwendigen Umstrukturierungen bringen in der Folgezeit auch einen neuen Typus des Verwaltungsbeamten hervor, der vor allem aus dem Ritterstand rekrutiert wird. Der alte Senatsadel hatte damit weitere Machtbefugnisse abzugeben. Ähnlich die Entwicklung beim Heer, dessen Ausstattung immer größere Summen verschlang und dessen Loyalität an einzelne Heerführer gebunden war. Allgemeine Rekrutierungsprobleme und zugleich die Umorganisation der Heeresspitze, deren hohe Offiziere ebenfalls aus dem Ritterstand stammten, führten zu einem Umbau des sozialen Gefüges. Während weniger Generationen kann man daher eine Verlagerung der politischen Antriebskräfte beobachten. War es ursprünglich der Kaiser, der ausgehend von der Hauptstadt Rom den Mittelpunkt der politi-
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schen und kulturellen Impulse bildete, so verlagern sich diese Interessen nunmehr auf mehrere Standorte. So wie der römische Senat nunmehr von Persönlichkeiten aus den Randgebieten des Imperiums dominiert wird, nimmt Italien zunehmend den Status einer Provinz ein. Schon während der Zeit der Severer kann man beobachten, dass auch die künstlerischen Initiativen zunehmend von den Provinzen ausgehen. In den Perioden eines kulturellen Vakuums, während der Überlebenskämpfe einzelner Soldatenkaiser, die von ihren Standlagern aus agierten, verstärkten sich diese divergenten Linien. Für die Auftragslage der Künste bedeutete dies, dass alte Patronagen zunehmend ausfielen und mit Ausnahme der Militärarchitektur keine nennenswerten Bauprogramme in den Städten verwirklicht wurden. Umso deutlicher finden sich jedoch Spuren eines ausgeprägten Lebens auf dem Lande, wo wir den Zeugnissen einer Villenkultur der Wohlhabenden ebenso begegnen wie den dort florierenden Gütern für die landwirtschaftliche Produktion (villae rusticae). Ein weiteres Phänomen können wir beobachten: Dort, wo der Anreiz zu öffentlichen Baumaßnahmen und Statuenstiftungen abzunehmen beginnt, tauchen verstärkt private Impulse für die Künstler und Werkstätten auf. Die Mosaikkunst und der Ausstattungsschmuck der Häuser und Villen blühen so in mehreren Provinzen (Nordafrika, Spanien, NordwestProvinzen). In ähnlichem Maß sind es die Zeugnisse der Grabkunst und hier vor allem die Sarkophage, deren Bildthemen sich wie ein Faden durch die Kunstgeschichte des 3. Jhs. ziehen.
Ein goldenes Zeitalter oder sein Abgesang? Eine Welt, die dermaßen bestrebt sein musste, auf gesicherten Ordnungen aufzubauen, verlangte auch nach der Erlösergestalt des Kaisers. Bereits unter den Antoninen können wir eine starke Bindung der Staatskunst an die Gestalt des Kaisers beobachten. Dafür liefert gerade der „Philosophenkaiser“ Marcus Aurelius einen
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Ausgangspunkt. Es ist unverkennbar so, dass neben dem sachlich nüchternen Kalkül, das die Handlungsweise des Kaisers im Staatsrelief einnimmt und der persönlich philosophischen Grundhaltung des Regenten Marcus Aurelius, sein Bildnis in der Öffentlichkeit eine gänzlich andere Bedeutung annehmen konnte. Hier ist es das sakrale Bildnis, das im Kultbezirk aufbewahrt, in Form goldener oder silberner Büsten verehrt wurde. Solche Büsten wurden im Kaiserkult auch für Umzüge und zur Schaustellung vor Altären eingesetzt. Neben dem „Philosophenkaiser“ und seiner ethisch-nüchternen Einschätzung der eigenen Befugnisse gab es auch jenen Kaiser, vor dessen goldenem Kultbild im Tempel der Venus und Roma in der Hauptstadt alle Jungvermählten ein Treuegelöbnis ablegen mussten. Während der Krise des Reiches im 3. Jh. haben sich die Tendenzen, im Kaiser eine Erlösergestalt zu sehen, verstärkt. Diesen Zwecken dienten Angleichungen und persönliche Identifizierungen der Herrscher mit Gottheiten, wie sie etwa Commodus und Caracalla mit Hercules, Elagabal mit Iuppiter Heliopolitanus und Aurelian mit Sol Invictus vollzogen. Am Ende dieses Abschnittes, vor der Schlacht an der Milvischen Brücke (312), soll – der Überlieferung nach – Kaiser Konstantin seine persönliche Hinwendung zum Christengott vollzogen haben.
Der fürsorgliche Kaiser Ein großes Relief im Konservatorenpalast in Rom stammt von einem Triumphbogen des Marcus Aurelius (Abb. 184), wahrscheinlich jenem des Jahres 176 n. Chr. 2 Das Bogenrelief wird dort seit 1572 ausgestellt und befand sich zuvor eingemauert in der Kirche von S. Martina neben dem Kuriengebäude am Forum. In unmittelbarer Nähe wird sich auch der Triumphbogen befunden haben. Drei Reliefplatten derselben Serie in Rom und ein viertes Fragment in Kopenhagen sind aufs engste mit dem Triumphalgeschehen verbunden. Eine
zweite Reliefserie von acht Platten zeigt die Ankunft des Kaisers sowie Handlungsmomente seines Wirkens; diese Serie wurde zu einem späteren Zeitpunkt in den Konstantins-Bogen in Rom verbaut (Abb. 220353). Man geht daher innerhalb der Forschung entweder von zwei Bogenmonumenten oder von einem einzigen aus. Die Beurteilung ist deshalb so schwierig, weil sich sowohl die inhaltlichen als auch die stilistischen Gesichtspunkte dieser Reliefs nicht unmittelbar zu decken scheinen. In jüngster Zeit hat Elizabeth Angelicoussis ein viertoriges Bogenmonument (Tetrapylon) vorgeschlagen, das sämtliche erhaltene Reliefs innerhalb der Attikazone zur Schau stellte. Die typologischen Voraussetzungen für einen solchen Triumphbogen in Rom sind jedoch nicht eben wahrscheinlich. Mario Torelli hält hingegen an zwei verschiedenen Bogenmonumenten fest, wofür es tatsächlich historische Anlässe zu geben scheint. 173 n. Chr. hielt sich der Kaiser kurzfristig in der Hauptstadt auf, im Dezember des Jahres 176 konnte er hingegen seinen Triumph feiern. Beim hier abgebildeten Relief wird die Unterwerfung (submissio) von Barbaren gezeigt, ausgedrückt durch die Kapitulation zweier Barbarenfürsten. Marcus Aurelius werden die unterlegenen und vor ihm hingeworfenen Gegner vorgeführt. Er selbst ist zu Pferde dargestellt, in einer dem erhaltenen Reiterdenkmal vom Kapitol durchaus vergleichbaren Form. Die Szene wird in ein ausschließlich militärisches Ambiente eingebunden, was durch eine Auswahl militärischer Handlungsträger zum Ausdruck gebracht wird. Vor allem ist es die mächtige Gestalt eines Offiziers im Vordergrund, in dem man auch den praefectus praetorio, den Obersten der kaiserlichen Leibgarde namens M. Macrinius Vindex, gesehen hat. Rechts vom Kaiser steht ein persönlicher Vertrauter, der wahrscheinlich als Ti. Claudius Pompeianus, Statthalter von Pannonien, Konsul und bedeutender Feldherr dieser Krisenjahre anzusprechen ist. Pompeianus war überdies mit dem Kaiserhaus durch Heirat mit Annia
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Abb. 184: Rom: Relief eines nicht mehr erhaltenen Triumphbogens des Marc Aurel.
Lucilla – in zweiter Ehe – verbunden. Die Szene findet im freien Felde statt, wie uns Baumstämme und aufgepflanzte Fahnen (vexilla) vermitteln. In ihrer Idealgestik ist die Begegnung des Kaisers mit unterworfenen Barbarenfürsten zweifelsfrei als Unterwerfungsszene zu verstehen, die auf einen Triumph vorausweist. Verdeutlicht werden so die Geste des Kaisers und die Befugnisse des römischen Militärs. Die unterworfenen Barbarenfürsten symbolisieren den Sieg Roms, der zur Befriedung dieser Völ-
ker und einer – von Marcus Aurelius ja geplanten – Gründung einer neuen Provinz führen sollte. In dieser Deutung verkörpert der Sieg jedoch nicht eine Demütigung der Barbaren, sondern auch Milde (clementia) im Sinne angestrebter rechtlicher Bedingungen. Die Ausführung dieses Reliefs vermittelt eine ausgesprochen dicht gedrängte Figurengruppe, die in einem malerisch aufgefassten Naturraum mit Bäumen agiert. Die Hauptgestalten des Geschehens werden in der vor-
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Abb. 185: Rom: Reiterstatue des Marcus Aurelius vom Kapitolsplatz.
deren Reliefebene voluminös gekennzeichnet, während die Nebenakteure sich im Tiefenraum verlieren. Dieses „Herausschneiden der Figuren“ und deren besondere Kennzeichnung durch Aktion und Gebärde besitzen hohen Anschaulichkeitsgrad. Es geht diesem Relief offenkundig um besondere Wirkung und nicht in erster Linie um real plastische Wiedergabemomente. In dieser Hinsicht hat sich die Reliefkunst der spätantoninischen Zeit wiederum
deutlich vom figürlichen Konzept und der Raumauffassung der vorangehenden Periode entfernt. Kein anderes Reiterstandbild ist mehr zum Synonym für die Kontinuität antiker Denkmäler in Rom geworden als der Reiter auf dem Kapitol (Abb. 185). 3 Das deutlich überlebensgroße Reiterstandbild ist selbst während der langen Periode des Mittelalters nicht unter die Erde gelangt. Es wurde lange Zeit als die Dar-
Die Umformung der römischen Kunst
stellung Kaiser Konstantins des Großen angesehen und war beim Lateranspalast in Rom aufgestellt. In der Nähe dieses päpstlichen Palastes, an der Stelle einer antiken Reiterkaserne, vermutet man auch den ursprünglichen Aufstellungsort dieses berühmten Reiterdenkmals. Schließlich, im Jahre 1537, ließ Michelangelo Buonarotti im Auftrag von Papst Paul III. das von den Humanisten bereits richtigerweise als Marcus Aurelius eingestufte Reiterstandbild auf dem Kapitolsplatz aufstellen. Das Standbild bildet auf dem Kapitol innerhalb einer deutlich gewölbten Pflasterung den optischen Mittelpunkt des Platzes vor der Kulisse des Senatorenpalastes und der Kapitolinischen Museen. Seit 1990 ist das Originalstandbild nach seiner qualitätvollen Restaurierung aus Sicherheitsgründen im Museumsbau zu bewundern, während sich auf dem Platz eine – allerdings weniger ansprechende – Bronzekopie befindet. Das antike Reiterstandbild verkörpert den Kaiser in derselben Haltung wie auf dem eben betrachteten Relief. Spannung und Dynamik kennzeichnen die Ausführung des herrlichen Pferdeleibes. Herrscherlich breit, in souveräner Haltung erscheint der Kaiser auf seinem Ross. Marc Aurel trägt die Tunica und einen schweren Militärmantel. Er vollführt die Geste einer submissio, wobei im ursprünglichen Zustand des Denkmals ein hingeworfener Barbar unter dem rechten Vorderhuf des Pferdes durchaus denkbar wäre. Ähnliche Darstellungen finden sich zumindest auf Münzbildern. Auch die den Sieg verheißende Grußgeste des Kaisers wird vom Betrachter als Ausdruck kaiserlicher Präsenz und Allmacht gewertet. Abgehoben von seiner Umgebung wirkt die Statue nach außen hin durch ihre ursprüngliche Vergoldung, von der sich beachtliche Reste erhalten haben. Das Reiterstandbild des Marcus Aurelius symbolisiert demonstrativ die Überlegenheit eines römischen Kaisers. Für einen solchen Auftrag kommen die Beendigung der Kämpfe gegen die Parther (166) oder aber der Triumph gegen die Markomannen (176) in Frage. Schwierigkeiten bereitet allerdings der am Reiterstandbild
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Abb. 186: Porträt des Marcus Aurelius mit Punktiermessgerät.
verwendete Porträttypus: Er zeigt nämlich eine Durchmischung von Charakteristika, die sowohl dem dritten als auch dem vierten Bildnistypus dieses Kaisers anhaften. Da der vierte Bildnistypus nicht vor dem Jahr 176 auftaucht, kommt auch für das Reiterstandbild eine frühere Datierung schwerlich in Frage. 4 Der Reiter vom Kapitol verkörpert einen Typus des Ehrendenkmals, wie er auch in den Provinzen und hier in den Legionskastellen zu sehen war. Zumindest gibt es Zeugnisse für mehrere monumentale Reiterstandbilder aus römischen Heerlagern. Für die Bewohner der Provinzen bildete der Siegestypus des Kaisers eine Form der Präsenz kaiserlicher Zentralmacht. Auch die zumeist kurzlebigen Soldatenkaiser ließen sich im darauffolgenden Jahrhundert in den Kastellen durch monumentale Standbilder und Porträtbüsten verkörpern, um sich der Loyalität ihrer Soldaten zu versichern (Abb. 207335). Das Bildnis des alternden Kaisers Marcus Aurelius wird durch einen Einsatzkopf in Frankfurt vorgestellt (Abb. 186) 5. Bei Betrachtung der individuellen Züge wird man zwei-
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felsfrei auf ein Bild zugeführt, das mit der buchstäblichen Zurückhaltung und Milde, der Wahrhaftigkeit dieses Herrschers zu tun hat. Die Historia Augusta (Marc Aurel 1) nennt ihn auch den „Wahrhaftigsten“ (verissimus), und Cassius Dio (71,30) schreibt über ihn: „nichts vermochte ihn seinen Grundsätzen untreu zu machen“. Bei all dieser gedanklichen Tiefe, die neben den unverkennbaren Zügen des Alters und einem Ausdruck menschlichen Leides über diesem Bildnis lastet, bleiben es doch die Ausdruckswerte eines Regenten, der, wie wiederum Herodian (I 4,4) schreibt, zugleich „Vater, Feldherr, Herrscher und Philosoph“ war. Das vorliegende Bildnis wurde wie die übrigen, im ganzen Römischen Reich verbreiteten Bildnistypen nach einem peniblen Verfahren hergestellt. Ein Punktiermessgerät legt nach einem Vorbild, das auch ein Gipsabdruck des in Rom gefertigten Urbildes sein konnte, die entscheidenden Punkte im Gesichtsfeld, an Bart und Haarkranz fest. Solche Fixierpunkte können beim vorliegenden Bildniskopf etwa an Stirne und Bart (italien. puntelli) beobachtet werden; sie wurden vom ausführenden Kunsthandwerker nicht entfernt. Der Frankfurter Kopf entspricht dem vierten und letzten Bildnistypus des Kaisers, der nach den beiden Jugendbildnissen und einem beim Regierungsantritt geschaffenen, maßgeblichen dritten Bildnistypus entstand. Dieser letzte Bildnistypus liegt in zwei Fassungen vor, einer in Kleinasien verbreiteten Variante ohne den geteilten Bart und einer für Italien bestimmten Variante mit geteiltem Bart, wie hier beim Frankfurter Kopf. Zur reichen Verbreitung solcher Kaiserbildnisse im Imperium Romanum findet sich eine bezeichnende schriftliche Passage. Fronto, ein Vertrauter des Marcus Aurelius, schreibt an den späteren Kaiser: „Du weißt ja, wie in allen Wechselstuben, Verkaufsständen, Buden und Läden, Eingängen und Fenstern, ja überhaupt überall eure Bildnisse zur Schau stehen, und zwar meist schlecht gemalt … ; und doch streift unterwegs mein Blick kein Bildnis von Dir, und mag es
noch so unähnlich sein, ohne dass ich mit einem Lächeln an Dich denken muss.“ Ein solches gemaltes Rundbildnis der Severerfamilie hat sich in Ägypten erhalten und bildet heute eine Kostbarkeit der Berliner Museen (Abb. 189318).
Wendezeiten Die Marcussäule in Rom, historisches wie künstlerisches Hauptzeugnis für die Vorgänge an der Donau, soll an dieser Stelle lediglich durch einen Ausschnitt präsent gemacht werden (Abb. 187). Gezeigt werden Kämpfe und Truppenverlagerungen, besser Etappen und Abschnitte dieser Feldzüge gegen die Germanenstämme der Markomannen, Quaden und Jazygen sowie gegen die Sarmaten an der unteren Donau. 6 Wir erleben diese Szenen, anders als der Betrachter in Rom, in Nahaufnahme, gewissermaßen grell herausgepickt. Vieles von diesem Geschehen erscheint daher packender, auch grausamer in der Drastik des Einzelmomentes: Die Figuren der Vordergrundebene erfahren eine tragische Verwicklung in ein Geschehen, das von der Notwendigkeit der militärischen Auseinandersetzung, der unbedingten Notwendigkeit zum römischen Sieg, getragen ist. Es ist eine ausschließlich römische Sichtweise, der wir begegnen und dennoch werden die germanischen Gegner als tragische Helden erlebt, deren Einsatz – man möchte meinen – denselben menschlichen Impulsen entspringt. Es ist anhand dieser Darstellungen viel von Mitleid und aufkeimender Ethik gesprochen worden, und dennoch sollten diese Begriffe am Beispiel der Marcussäule vorsichtig verwendet werden, entsprechen sie doch nicht dem hier ausgeleuchteten Rechtsverhältnis. Die Germanen galten als Usurpatoren und mussten zurückgetrieben werden. Unterwerfung und Besiegung bilden die moralische Aufgabe der römischen Militärmacht. Ob das ergreifende Wort des Kaisers in seinen Selbstbetrachtungen (Buch 9), „„jedes Unrecht einem vernünftigen Wesen gegenüber sei Frevel an den
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Abb. 187: Rom: Piazza Colonna, Relief von der Marcussäule. Ausschnitt mit Kämpfen und Truppenbewegungen.
Göttern“, hier anwendbar ist, können wir schwer beurteilen. Was wir anhand der Darstellungen erleben, ist vielmehr eine Vermittlung von den Vorgängen, ist das grundsätzlich Grausame des Krieges in seinen Einzelerscheinungen. In Typus, Größe und in ihrer Gestaltungs-
weise nimmt die Marcussäule auf die Triumphsäulen des alten Rom, direkt jedoch auf die Trajanssäule Bezug. Allerdings ist zwischen den szenischen Darstellungen beider Säulen ein Wechsel in der pädagogischen Absicht zu vermerken. Die Episoden der Trajanssäule wirken sachlich-nüchtern, zugleich bieten sie eine
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gewisse Überinformation in den Details und einen gleichmäßigen Verlauf der Ereignisse. Einzelne, packende Szenen der Marcussäule wirken hingegen greller beleuchtet und werden durch den tiefen Bohrerschnitt dramatischer erfasst. Sowohl durch Licht- und Schattenwirkung als auch durch größere Figurenabstände werden die Szenen der Markomannenkriege für den Besucher eindringlich hervorgehoben. Dies gilt auch für die Gestalt und damit die Wirkungsweise des Kaisers im Reliefgeschehen. Marcus Aurelius wird als überragende Einzelfigur vorgestellt, welche die Dramaturgie des Geschehens fest im Griff hält. Mehr noch als der sichtbare Stilwandel ist es ein Wandel der politischen Überzeugungskunst, der an der Marcussäule sichtbar wird. Davon ist die „pädagogische Wirkung“ dieser Szenen getragen und auch ihr Stil, der eine Vereinfachung und Drastik der Kämpfe, freilich im Sinne Roms bringt. Die Einzelszenen erfahren tiefe Einschnitte, wirken durch den Einsatz des laufenden Bohrers aufgefranst und rauh. Klassizistische Vereinfachung und mythisch-epische Erzählung greifen hier nicht, und so dringt die römisch-historische Erzählkunst gestalterisch zu gänzlich eigenen Erfahrungen vor. Wichtig wird noch einmal eine Unterscheidung zwischen den Reliefdarstellungen der Trajanssäule (Abb. 157274) und jenen der Marcussäule. Der „Tatenbericht“ zu den Ereignissen der Dakerkriege folgt einem klaren Erzählfluss, dem auch die räumliche Darstellungsweise des Frieses und mehr noch die Auswahl geeigneter Figurengruppierungen zu folgen scheint. Die Ereignisse an der Donau wirken hingegen selektiert und auf bedeutungsvolle Vorgänge konzentriert. Dies wird auch durch den größeren Proportionsmaßstab der Handlungsträger unterstrichen. Die Marcussäule verfügt gegenüber der Trajanssäule über einen ca. 3 m höheren Schaft, jedoch über zwei Windungen weniger. Auch wenn die Triumphalkunst in Rom über Jahrhunderte hinweg vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, bleiben doch die historischen Konstellationen
jeweils andere. Der – sei es bewusst oder auch unbewusst herbeigeführte – Stilwandel an der Marcussäule öffnet einen Blick auf künftige Gesetze der Raumdarstellung und Gruppenkomposition: 7 Die Raumebene wird in der Kunst der späten Kaiserzeit grundsätzlich illusionistisch aufgefasst und damit entkörperlicht. Der entscheidende Unterschied zu früheren Reliefdarstellungen besteht auch darin, dass die Figuren nicht mehr eigentliche Träger einer Handlung sind. Den von außen stark bearbeiteten, wie „ausgefransten“ Figuren werden gewissermaßen unverbunden räumliche Folien hinterlegt. Die Marcussäule in Rom wurde auf dem Ustrinum (dem Verbrennungsplatz) des Kaisers auf dem Marsfeld in Rom in den Jahren nach dem Tod des Kaisers (bis 193) geschaffen. Sie konnte nach einer erhaltenen Inschrift (CIL VI, 1585), die den Abtransport des für die Fertigstellung der Säule benötigten Holzgerüstes erwähnt, also erst ein Jahr nach dem Tod des Commodus vollendet werden. 8 Die Marcussäule steht heute im Mittelpunkt der Piazza Colonna. Ihren heutigen Zustand verdankt sie einer Restaurierung durch Domenico Fontana im Jahre 1589. Damals wurden bedauerlicherweise die Reliefs am Sockel der Säule abgearbeitet und dieser mit Marmorplatten verkleidet. Auch die Bronzestatue des Heiligen Paulus gelangte auf Veranlassung des Papstes auf die Deckplatte der Marcussäule. Sie ersetzte die freilich schon im Mittelalter verloren gegangene Bronzestatue des Kaisers Marcus Aurelius.
Umformungsprozesse der römischen Kunst Eines der erschütternden Zeugnisse dieser Epoche bildet ein bedeutender Sarkophag aus Portonaccio im Römischen Nationalmuseum, der offenkundig für einen römischen Feldherrn im Umkreis der Germanenkämpfe bestimmt war (Abb. 188). 9 Das Hauptthema der Kämpfe und des Niederringens dieser Barbaren wird von mächtigen Gestalten fürstlicher Germa-
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Abb. 188: Portonaccio: Schlachtensarkophag.
nenpaare an den Ecken flankiert, die als Gefangene vor Siegestrophäen geschildert werden. Der Kampf bildet ein unlösbares, wie aus der Tiefe der Erinnerung kommendes Geschehen. Nur die genaue Beobachtung lehrt, dass auch hier Grundtypen des Einzelkampfes in Erscheinung treten, die Szenerie gewiss streng römisch komponiert ist. Dennoch gestaltet sich nicht alles fernab einer Idealtypik, etwa wenn wir die Unterwerfungsszene auf dem Sarkophagdeckel verfolgen. Diese wird gleichsam im Figurenschema der Erzählung vom Bittgang des trojanischen Königs Priamos vorgeführt. So wie Priamos vor dem thronenden Achilleus, ist es bei dieser Szene ein Barbarenfürst: Die Realität der Kämpfe, ihr Zeitwert und auch die Verzweiflung und „Brüchigkeit der menschlichen Existenz“ (Bernard Andreae) bleiben das Hauptmerkmal solcher Werke der Sarkophagkunst. Die weiteren Szenen auf dem Sarkophagdeckel zeigen Abschnitte aus dem Privatleben.
Wir erkennen eine Vermählungsszene in der Mitte sowie eine häusliche Szene im linken Teil. Die vita privata gibt Stationen im Leben einer Persönlichkeit von Rang wieder. Eine Kulmination kriegerischer Ereignisse führt hingegen das Schlachtenbild auf der Vorderseite des Sarkophages vor. Dieses ist nach der Dramaturgie der Staatsreliefs konzipiert und zeigt die überlegene Position des römischen Heeres, das aus der Stoßrichtung der Sieger, von links her, agiert. Mit den Markomannenkriegen beginnt auch die Serie römischer Schlachtensarkophage, die während des 3. Jhs. ganz bestimmte Formtypen ausprägen. Gemeinsam ist diesen außerordentlichen Darstellungen, dass höhere Militärs und vereinzelt auch Kaiser in solchen Prunksarkophagen bestattet wurden. Anhand dieser besonderen Sarkophaggruppe kann man der privaten Auftragslage in Rom sowie versuchsweise persönlichen Vorstellungen der Grabeigentümer nachspüren.
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10. Kapitel
Die Severer Als Marcus Aurelius, ernüchtert vom Wiederaufflammen der Kämpfe im Norden, enttäuscht vom zuvor erfolgten Aufstand des C. Avidius Cassius in Syrien, 180 n. Chr. wahrscheinlich in Vindobona (Wien) verstarb, konnte er seinem Sohn und Nachfolger kein gesichertes Reich übergeben. Commodus, der erste „wieder in Purpur geborene Herrscher“, vermochte auch nicht auf dem Werk seines Vaters aufzubauen. Es bedurfte einer neuen Dynastie, die auf neue Weise auf der Programmatik der Antonine ansetzen sollte: Der Kunst der Severer soll daher unser Augenmerk gelten.
Abb. 189: Ägypten: Porträt-Medaillon der Severerfamilie.
Das Familienbildnis des Septimius Severus mit Iulia Domna und den Söhnen Caracalla und – gelöscht – Geta, eine kostbare Temperamalerei auf Holz in den Berliner Museen, ist berührendes Zeitdokument und Ausdrucksform überirdischer Hoffnungsträger zugleich (Abb. 189). 10 Dieser Tondo stellt das bislang einzig erhaltene gemalte antike Kaiserbildnis dar. Im Gegensatz zu den Bildnissen aus Marmor und Bronze, die in verhältnismäßig repräsentativer Anzahl erhalten geblieben sind, wa-
ren solche Gemälde Ausdruck der Loyalität jeglichen Standes und jeglichen Milieus im Römischen Reich. Kaiser Septimius Severus musste danach bestrebt sein, für klare Machtverhältnisse im Reich zu sorgen und auch die eigene Nachfolge zu Lebzeiten zu ordnen. Den Ausgangspunkt dazu lieferte das unrühmliche Ende der Antonine: Als Commodus am 1. Januar des Jahres 193 auf Betreiben seiner engsten Umgebung ermordet wurde, folgte für Rom ein Fünfkaiserjahr, in welchem der Senat noch einmal kräftig seine Fäden hinsichtlich geeigneter kaiserlicher Kandidaten zog. Septimius Severus, der von seinen Soldaten in Pannonien zum neuen Kaiser ausgerufen wurde, stützte daraufhin seine Macht vorwiegend auf das Militär und nicht auf die alten Senatskreise in Rom. Der Afrikaner auf dem Kaiserthron änderte auch rasch die Bedingungen seiner Macht zugunsten einer „Militärmonarchie“, so wie sie während des gesamten 3. Jhs. fortgeführt werden sollte. Bezeichnend bleibt der Ausspruch des Kaisers gegenüber seinen Söhnen: „Seid einig, macht die Soldaten reich und verachtet alles andere“ (Cassius Dio 76,15). Der Argentarierbogen (oder sog. Wechslerbogen) in Rom bildet ein einzigartiges Zeugnis öffentlicher Stiftertätigkeit reicher Händler zu Ehren des severischen Kaiserhauses (Abb. 190). 11 Der Bogen befindet sich auf dem vicus Iugarius, jener Verbindungsstraße zwischen dem Forum Romanum und dem Handelsforum (Forum Boarium). Dort haben nach der Bogeninschrift die Geldwechsler und Bankiers einen niedrigen viertorigen Bogen aufstellen lassen, dessen Pylone flächendeckend mit Reliefs und Zierpilastern geschmückt sind. Die Mitglieder der kaiserlichen Familie im mittleren Relief bieten sich dem Betrachter frontal dar. Dargestellt werden Septimius Severus und Iulia Domna bei der Libation (Trankopfer), wobei die Weinspende auf die Flammen eines kleinen Tragealtars vergossen wird. Der innerhalb der Opferhandlung ursprüng-
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lich am rechten Bildrand dargestellte Sohn Geta fehlt. Das Bildnis wurde nach dessen Ermordung getilgt (damnatio memoriae). Beim unteren Relief des Bogendurchganges handelt es sich um die Darstellung eines Stieropfers. Die Reliefs des Bogenmonumentes nähern sich inhaltlich der Staatskunst an. Sie zeigen „Repräsentationsbilder“ des Kaiserhauses (Ludwig Budde) und bringen in kleineren Ausschnitten Opferreliefs, wie sie auch auf Altären angebracht waren. Die Pilaster des Bogendurchganges stechen durch ihr üppiges Rankenwerk ins Auge. Diese „Rankenpilaster“ sind nicht nur Ausdruck der damals vorherrschenden Vorliebe bei Ornamenten; sie werden förmlich von einem horror vacui beherrscht. Üppigkeit und Brillanz dieser Darstellungen lassen jedoch zugleich erahnen, dass die Inhalte solcher Darstellungen sowie deren Glaubwürdigkeit dünn geworden waren. Abb. 190: Rom: Argentarierbogen. Ausschnitt.
Provinzen Bereits an dieser Stelle auf das Eigenleben der Kunstentfaltung in den nördlichen Provinzen hinzuweisen, scheint insofern angebracht, als sich auch dort die eigenständigen und jeweils auf das Thema bezogenen Darstellungsmöglichkeiten zeigen. Als ausgesprochen ergiebig erweist sich die Produktion römischer Grabdenkmäler in den Provinzen der Germania superior und inferior bereits ab dem 1. Jh. Die Steinmaterialien bearbeitenden Werkstätten in den Provinzen Noricum und Pannonien starten, mit Ausnahme der Produktion für Soldatengrabsteine, durchweg erst im 2. Jh. n. Chr., und ihre eigentliche Blüte liegt an vielen Orten erst nach dem Zeitalter des Krieges mit den Markomannen und den damit verbundenen Unruhen. Bedarf an marmornen Baugliedern, Schmuckelementen, Inschriften und plastischer Ausstattung gab es ohnehin erst im Gefolge einer Ausbauphase der Städte im gesicherten Hinterland, und in diesen Gebieten entwickelte sich entsprechend auch eine monu-
mentale Grabkunst, die den Brauch der Gräberstraßen Italiens mit ihren reichen Familienmonumenten aufnahm. Zu den vielbewunderten Teilen solcher Grabmonumente zählen Relief- und Ornamentplatten, die nach ihrer Auffindung oftmals in Kirchenwände vermauert wurden und heute zu den kostbarsten Zeugnissen des römischen Österreich oder Süddeutschlands zählen. Viele dieser Reliefs zeigen in mythischer Angleichung Szenen aus dem Leben griechischer Heroen, die so ein Zeugnis für das tugendhafte, oftmals auch tragische Leben der Grabeigentümer ausdrücken konnten. Andere Szenen sind statusbetont und bringen Darstellungen von Magistraten, aber auch Dienerinnen und Diener, oftmals in heimischer Tracht, die so auf den Wohlstand und die Bedeutung der hier Beigesetzten verweisen sollten. Im Rheinland sind es hingegen häufig Darstellungen aus dem realen Leben, die so darüber hinaus Vorstellungen von Berufen, Waren und Gütern, aber auch den Transportmöglichkeiten
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rungsfähigkeit und auch der Versuch einer Verlebendigung der Porträts. Dennoch bleiben diese Zeugnisse einer Privatkunst im Rahmen eines vorgeprägten Formates und auch an die modischen Vorgaben von „Zeitgesichtern“ gebunden. Große Grabmonumente treten im Donauraum nicht ganz so häufig auf wie im Süden der Provinz Noricum. Der römische Grabinhaber hat sein Familienmonument zum Zeichen seiner Verankerung in der Provinz entsprechend ausstatten lassen.
Rom bekommt Konkurrenz
Abb. 191: Enns: Grabnischenporträts.
bieten und damit auf die Ansprüche ihrer Zeit verweisen können. Eine Identität eigener Art bildeten die an der Donaugrenze stationierten militärischen Einheiten, deren Statussymbole die Ausrüstungsgegenstände ihrer jeweiligen Truppeneinheit bildeten und die einen eigenen Kodex des Auftretens und der Entfaltung in den Grenzregionen bildeten. Gewiss, die Werkmeister solcher militärischer Prunkgegenstände waren ebenso international wie die Herkunft der Truppenverbände an der Donaugrenze. Merkmal dieser Handwerkskunst ist die Übernahme bedeutender Bildformeln, die in einen symbolischen Bezug zum Soldatentum gesetzt werden. Ein prachtvoller Familiengrabstein findet sich im oberösterreichischen Enns, dem antiken Lauriacum: Diese Grabnischenporträts eines größeren Grabmonumentes dürften bereits dem frühen 3. Jh. n. Chr. angehören (Abb. 191). 12 Die Darstellung zeigt einen Mann in militärischer Tracht (sagum) sowie dessen Frau und zwei Kinder. Eine Besonderheit dieses der „Ennser Werkstatt“ zugeschriebenen Römersteines ist die Charakterisie-
In Leptis Magna (Tripolitanien, heute Libyen) findet sich jenes großzügige Bauprogramm der Severer verwirklicht, welches in Rom zumindest in dieser Ausdehnung nicht mehr möglich war. 13 Septimius Severus ehrte, als er 203 mit den Arbeiten zu einem forum novum Severianum ansetzen ließ, damit gewissermaßen die eigene Geburtsstadt. Das dortige Forum wird von einem mächtigen Podiumstempel auf beinahe quadratischem Grundriss beherrscht, der dem Kult der Kapitolinischen Trias und jenem des Kaiserhauses geweiht war. Die Portiken des weitgefassten Platzes werden interessanterweise nicht mit waagrechten Architravblöcken, sondern großzügig von Bögen (Arkaden) abgeschlossen. Die Basilica Severiana schließt das neu geschaffene Staatsforum am gegenüber liegenden Ende des Platzes ab (Abb. 192). Dieser Bau konnte im Jahre 216 gemeinsam mit der Forumsanlage durch Caracalla eingeweiht werden. Im Innenraum der Basilika entfaltet sich das in beachtlicher Höhe anstehende Quadermauerwerk. Vor allem die Innenstützen der Säulen und die erhaltenen Wandpfeiler vermögen eine enorme Wirkung auch auf heutige Besucher auszuüben. Die Basilika von Leptis Magna erinnert in ihrer Grundkonzeption an die Basilica Ulpia des Trajansforums und wird auch eine ähnliche offizielle Funktion im Leben der Stadt eingenommen haben. Vergleich-
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Abb. 192: Leptis Magna: Ansicht der Basilica Severiana.
bar werden vor allem die beiden gegenüberliegenden Apsiden im Inneren der Halle. Sind diese bei der trajanischen Basilika vom Mittelraum noch durch Säulenstellungen abgeschnürt, so wird am Beispiel der Basilika von Leptis Magna eine durchgehende Mittelhalle gebildet. In gewisser Weise nimmt dieses Raumkonzept Lösungen späterer christlicher Basiliken vorweg, auch wenn diese grundsätzlich auf eine einzige Apside ausgerichtet werden. Es ist darüber spekuliert worden, ob die Basilika von Leptis Magna vorwiegend als Gerichtsbasilika einzustufen ist oder ob sie eventuell als Kaiser- oder Thronsaal diente. Diese rein überhöhte Bedeutung der Halle kann jedoch für Leptis Magna kaum angenommen werden. Da eine bildliche Präsenz der kaiserlichen Förderer dieses Baues ohnehin durch den Statuen- und Bildschmuck gegeben war, wird man eher von einer Multifunktionalität dieses Hallenbaues sprechen. In der Linie solcher repräsentativer Basiliken steht auch die spätere Maxentiusbasilika in Rom (Abb. 218350).
Der Ausschnitt dieses Rankenpilasters aus der Basilika von Leptis Magna enthält förmlich eine eigene Erzählung (Abb. 193). 14 Eingefasst in einem eleganten Rahmen von Kymatien und Perlstäben wächst ein Rebstock aus einem Kantharos. Dass dieses Prunkgefäß zugleich jenes ist, aus dem Gott Dionysos den Panther tränkte, wird uns durch die Gestalt des Weingottes vermittelt, der von den Zweigen des Rebstockes umfangen wird. Dionysos/Bacchus war zugleich eine der Schutzgottheiten der Stadt, die so auf elegante Weise eine weitere Darstellung erhielt. Bacchus war jedoch auch in der Vorstellung damaliger Menschen von überragender Bedeutung: Er verkörperte eine Gottheit, die Glückseligkeit versprach. Ähnliche Anspielungen auf Kantharos und Rebstock enthalten unzählige Grabdenkmäler in den römischen Provinzen. Der Gott bot Aussicht auf selige Gefilde im Jenseits. Ein weiteres Bogenmonument findet sich im römischen Afrika, in Leptis Magna, der Geburtsstadt des Septimius Severus (193–211
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sondern in ihrer Formensprache linear verkürzt sowie symbolhaft verfestigt. An den Leitideen eines Kaisertums wie Eintracht (concordia), Frömmigkeit (pietas) und Anleitung zum Sieg (victoria) wird unverbrüchlich festgehalten, und dennoch wird der Durchbruch eines auf Dauer sieghaften Kaisertums wenig spürbar. Die Severer bauen auf Traditionen, vor allem in ihrer Staatskunst, auf – und dennoch werden die Brüche innerhalb der Bildersprache bereits sichtbar. Ein entscheidender Aspekt sollte bei Betrachtung dieser Reliefs mit berücksichtigt werden: Es handelt sich um keine stadtrömischen Werke. Die führenden Bildhauer, welche in Leptis Magna arbeiteten, gingen in ihrer Formbildung radikaler und zukunftsorientierter zu Werke als jene der Hauptstadt. Vom Severer-Bogen in Rom werden wir gleich etwas mehr erfahren.
Rom und der ewige Triumph
Abb. 193: Leptis Magna: Basilica Severiana. Rankenpfeiler.
n. Chr.). 15 Der Aufbau dieses Tetrapylon ist grundsätzlich dem Bogen im benachbarten Tripolis verwandt (Abb. 176297). Der Bogen beziehungsweise seine Attikareliefs wurden mit Szenen des triumphalen Einzuges des Herrscherhauses und solchen einer Opferhandlung sowie Schaubildern einer demonstrativ vorgezeigten Einigkeit des Septimius Severus mit seinen Söhnen Caracalla und Geta geschmückt (Abb. 194), ähnlich wie es in früherer Zeit die Adoptionsplatte des Parthermonumentes schilderte (Abb. 171292). Die Reliefplatten verkörpern qualitätvolle Ausführungen einer Werkstatt aus dem kleinasiatischen Aphrodisias. Gleich älteren Staatsreliefs, waren sie politischen Leitgedanken und nicht konkreten historischen Ereignissen unterstellt. Dennoch wirken die Darstellungen nicht mehr in gewohnter Weise kraftvoll und körperbezogen,
Der Triumphbogen des Septimius Severus am Forum Romanum (Abb. 932) verkörpert bis in die heutige Zeit das bekannteste Denkmal der Severer in Rom. 16 Der Bogen konnte laut Inschrift im Jahre 203 anlässlich des gemeinsamen Triumphes des Septimius Severus und des Caracalla über die Parther eingeweiht werden. Das dreitorige Bogenmonument befindet sich vor dem Anstieg der Via sacra auf den Kapitolinischen Hügel und bildete daher eine monumentale „Siegespforte“ vor dem Zielpunkt der römischen Triumphzüge. Der architektonische Aufbau des Bogens wird durch die drei unterschiedlich hohen Bogendurchgänge sowie durch die übliche vorgeblendete Säulenordnung charakterisiert. Durch ein Gesimsband auf allen vier Seiten umspannt, nimmt das Bogenmonument nach oben hin die Attika auf, welche zur Gänze von der Bogenwidmung (Inschriftenplatte) eingenommen wird. Der Aufbau des Severerbogens wird beim Konstantins-Bogen in Rom wiederholt (Abb. 220353). Dem architektonischen Aufbau quasi
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Abb. 194: Leptis Magna: Ehrenbogen.
gleichgestellt, finden sich am Bogen verteilt erzählende Reliefs und Friese sowie Schmuckplatten und -bänder. Die Postamente der Säulen werden etwa von Einzelreliefs eingefasst, welche den Abtransport von Gefangenen durch Soldaten zeigen. Die Bogenzwickel zeigen Victorien mit Tropaia und darunter Genien als Personifikationen von Jahreszeiten (Abb. 195). Im Gegensatz zu den historischen Reliefplatten dieses Triumphbogens, welche oberhalb der seitlichen Durchgänge angebracht sind, vertreten die Stützreliefs des Bogens eine klassizierende Formensprache, welche sich aus den Traditionen der übrigen Triumphbögen am Forum ableiten lässt. Nicht unwesentlich wird dabei die Tatsache, dass sich der Severer-Bogen in einer direkten Blickachse zum Partherbogen des Kaisers Augustus am Forum befand, von dem heute freilich keine sichtbaren Reste mehr erhalten sind. Das Relief von der Westseite des Bogens (Abb. 196) zeigt in mehreren Bildstreifen in seiner unteren Hälfte die Belagerung einer östlichen Stadt und deren Einnahme, verbunden mit der Flucht feindlicher Parther, sowie oben den Einzug des römischen Heeres in eine weitere Stadt. 17 Die drei chronologisch aufeinan-
der folgenden Szenen sind dabei von unten nach oben zu lesen. Die Bildstreifen folgen dabei einem Prinzip, das auch auf den Triumphsäulen in Rom zu finden ist (Abb. 187315). Der dokumentarische Charakter einer solchen Erzählung aus den Begebenheiten der Feldzüge wird dadurch ersichtlich. Altertumswissenschaftler ziehen daher auch zeitgenössische Berichte zu den Kriegsschauplätzen, etwa Cassius Dio, zu Rate. Dabei bleiben mehrere Bezüge offen. So klar die auf den Relieftafeln enthaltenen Bildtopoi auch sind, die Schlüsse hinsichtlich der genauen Wiedergabe von historischen Einzelheiten bleiben dennoch unscharf. Nach der These von Richard Brilliant handelt es sich bei der vorliegenden Reliefplatte um die Belagerung von Edessa, nach dem Vorschlag von Gerhard Koeppel handelt es sich um die Einnahme von Arche. Heinz Kähler hält hingegen fest, dass es sich um den Kampf um Seleukia sowie die Einnahme von Ktesiphon handle. Der auffälligste Charakter dieser „Historientafeln“ bleibt, dass die dort dargestellten Truppenbewegungen, die Belagerungsszene, die Flucht der Perser aus ihrer Stadt, schließlich der feierliche Einzug des römischen Heeres in eine weitere Stadt und das Repräsentationsbild
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Abb. 195: Rom: Septimius-Severus-Bogen am Forum Romanum. Ausschnitt: Victoria mit Tropaion und Personifikation des Herbstes.
mit dem Kaiser jeweils eigenen Raumgesetzen und Bedeutungsmaßstäben unterstellt werden. Das Bild kann also jeweils nach Einzelszenen, umgekehrt aber auch als großes Historiengemälde gelesen werden, die ihre Mitte in der Belagerungsszene der Stadt findet. Vorbilder einer solchen gedrängt-additiven Anordnung finden sich unschwer bei den älteren Historiengemälden in Rom (Abb. 3176) sowie den Bilderstreifen der Historiensäulen. Dabei tritt der Bezug zur Marcussäule ganz offensichtlich zu Tage. Auch dort finden sich markante Einzelszenen jeweils auf der, der Via Lata zugewandten Schauseite dieses Triumphalmonuments (Abb. 187315). Was sich am SevererBogen spürbar verfestigte, ist der illusionistisch-irrationale Rahmen der Reliefkomposition sowie die mehr vom Bildraum als aus eige-
nem Impuls getragenen Handlungen und Aktionsmotive der dargestellten Personen.
Größenwahn und Endzeitstimmung Die Büste des Kaisers Caracalla in seinem „Alleinherrschertypus“ ist hervorragend gearbeitet (Abb. 197). 18 Am Bildniskopf selbst stören auch die neuzeitlichen Ergänzungen wenig. Die Oberarmbüste wurde aus Porphyr gemeißelt, jenem harten, schwer zu bearbeitenden Material, das während der späten Kaiserzeit zum Symbol für kaiserliche Darstellungen wurde. Seit der mittleren Kaiserzeit war dieses Material den Kaisern vorbehalten. Der Einsatzkopf des Kaisers besteht aus lunensischem Marmor und zeigt jene Ausdrucksgebärde, die Caracalla
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Abb. 196: Rom: Septimius-Severus-Bogen. Ausschnitt: Belagerungsszene.
nach außen hin sichtbar machen wollte. Kräftig und dynamisch, von unumstößlichen Willen bestimmt, so sollte sich das Erscheinungsbild des Gewaltherrschers nach außen hin darstellen. So wie Herkules selbst, der die Schutzgottheit des Kaisers verkörperte, ist es das herkulische Prinzip, welches die Formbildung des Kopfes beherrscht. All diese nach außen getragenen Formeln lassen Zweifel an der physiognomischen Authentiziät des Caracallabildnisses aufkommen. In der angespannten Mimik der Gesichtszüge Anzeichen des Gewaltherrschers sehen zu wollen, ist demnach wahrscheinlich ebenso verfehlt wie eine neuzeitlich-psychologische Sicht auf dieses „Bildnis“. Deutlich wird in jedem Fall der radikale Bruch, den das Caracallaporträt gegenüber
den vorangehenden Kaiserbildnissen vollzieht (Abb. 172293 186313). Der kürzere Bart und die kräftigen Locken des Hauptes lassen an das Vorbild Alexanders des Großen, aber auch an griechische Standbilder des Herkules denken. Doch neben solchen Vorbildern kommt auch eine Eigendynamik der römischen Formgebung mit ins Spiel. Die Kernform des Kopfes sowie die plastische Betonung seiner Einzelzüge kommt im frühen 3. Jh. wiederum auf und löst den vorangehenden Illusionismus innerhalb der Porträtkunst ab. Die Thermen Caracallas bilden eine Welt inmitten von Rom (Abb. 198). 19 Allein die Umfassungsmauern der Anlage besitzen eine Länge von 328 m und eine Breite von 337 m, jene des Kernbaues 220 114 m. Caracalla ließ seine Thermen ab dem Jahr 212 n. Chr. anlegen,
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Abb. 197: Rom: Büste des Caracalla.
wobei das Thermengebäude bereits 216 fertig gestellt werden konnte. Die Vollendung der gesamten Anlage zog sich bis zum Jahre 235, dem Ende der Regierung des Severus Alexander, hin. Aurelian, Diokletian und selbst noch Theoderich ließen die Thermen restaurieren. Nach der teilweisen Zerstörung der Aquädukte im 6. Jh. wurde dem Badebetrieb endgültig ein Ende bereitet – die Anlagen verfielen. Der Kernbau der Caracallathermen folgt dem Prinzip der sogenannten „Kaiserthermen“, wie es bereits unter Trajan mustergültig ausgeprägt worden war. Die Anlage folgt dabei einer strengen Axialsymmetrie, wobei die großen Durchgangssäle für den Badebetrieb längs der Mittelachse gruppiert sind: Auf den gewaltigen Kuppelraum des Caldariums folgen ein Tepidarium und schließlich, als größter überdachter Saal, das Frigidarium. Dieses war durch Kreuzgewölbe überwölbt, welche ihr Widerlager in den Tonnen der Nebenräume fanden. Halb offen war die riesige natatio (Schwimmbecken) im Anschluss, deren Schauwand gleich einer Theaterfront durch eine Geschossordnung mit vorgelagerten Säulen und Statuennischen geschmückt war. In den seitlichen Raumfluchten der Thermenanlage befan-
den sich spiegelsymmetrisch die Apodyterien (Auskleideräume), die Palästren (Sporthöfe) sowie weitere Schwitz- und Salbräume. Die Flachdächer der Anlage konnten als Sonnenterrassen genutzt werden. Die an die äußeren Umfassungsmauern der Thermenanlage angelehnten Säle beinhalteten Bibliotheks- und Aufenthaltsräume, welche die Caracallathermen gewissermaßen als „Freizeitzentrum“ nach heutigen Maßstäben erscheinen lassen. An die Stufenanlage im rückwärtigen Teil der Anlage angebaut war die für den Badebetrieb notwenige Zisterne. Diese konnte 80 000 Liter Wasser fassen. Unterirdische Versorgungsschächte sowie die dort angesiedelte Beheizungsanlage lassen auf ein riesiges Heer an Sklaven schließen, welche für diesen Staatsbetrieb im Einsatz waren. Es stellte eine Begünstigung der besonderen Art dar, dass die Kaiserthermen in Rom der bürgerlichen Bevölkerung frei zur Verfügung standen. Welches politische Kalkül dahinter stand, kann man allein der Tatsache entnehmen, dass der Bildschmuck der Thermen zwar zur Ergötzung seiner Besucher, aber mit stetem Verweis auf die Tatkraft des Kaisers angebracht wurde. Jene Kunstwerke aus den Caracallathermen, aber auch ein Großteil der Säulen und Marmorplatten, die nicht bereits am Ende der Antike und während des Mittelalters in die Kalköfen wanderten, wurden unter Paul III. Farnese (bis 1549) ergraben und den Sammlungen Farnese einverleibt. Bedeutende Statuen wie jene des Farnesischen Stiers, des Hercules Farnese oder der Flora befinden sich heute im Nationalmuseum von Neapel. Mosaikzyklen wie jene der Athletenbilder, die erst im 19. Jahrhundert entdeckt wurden, befinden sich heute in den Vatikanischen Museen.
Einschub zur Kunst der Provinzen Diese – punktuell gewählten Zeugnisse aus dem nördlichen Raum – bieten einen ersten Hinweis auf die unterschiedliche Entfaltungs-
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Abb. 198: Rom: Modell der Caracallathermen.
möglichkeit der Kunst. Ist es an der Grenze die Dominanz des Heeres, die entscheidend wirkt, so ist es im Raum südlich der Alpen eine Kunst der Städte und ihrer Bürger. Auch die Grenzfestungen am Limes besaßen ihre frühen Zivilsiedlungen und – für das gut bezahlte Heer arbeitende – Händleransiedlungen (canabae legionis). Diese garantierten jene Vielfalt der für den persönlichen Bedarf bestimmten Waren und Güter. Den eigentlichen Ausbau dieser Zivilsiedlungen und Lagerstädte erlebte die Bevölkerung nach dem Abflauen der Kämpfe gegen die Germanen. Zumindest weist Vieles innerhalb der archäologischen Evidenz auf eine Blütezeit der Provinzen gerade im 3. Jh. hin, ein Befund, der sich etwa für die Provinz Rä-
tien durch die Einfälle der Alamannen oder für die untere Donau durch die Gotengefahr rasch ändern sollte. Was sich nach den Markomannenkriegen tatsächlich verändern sollte, war das Aufblühen der Grenzregionen. Zeugnisse aus den bedeutendsten Lagerstädten in Noricum und Pannonien, aus Enns (Lauriacum) und Carnuntum wie aus den vielen Kastellen machen diese Vorgänge für die heutige Forschung ebenso spannend wie ertragreich. Am Beispiel von Enns in der Provinz Noricum entstand das Legionslager im Zusammenhang mit der Stationierung der legio II Italica. Diese von Marcus Aurelius ab 165 n. Chr. in Italien ausgehobene Legion bezog ihr Standlager zunächst in der Nähe von Celeia (Cilli/Slowe-
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Abb. 199: Salzburg: Athletenmosaik.
nien) und wurde 171 n. Chr. an die Donau gerufen. Die fest ummauerte Legionsfestung dieser in Enns stationierten Einheit entstand erst gegen 200 n. Chr. und erreichte ihre Blüte während der Severerzeit. Parallel dazu wurde eine Zivilstadt von bedeutender Ausdehnung und wirtschaftlicher Bedeutung ausgebaut. Selbstverständlich hatte es bereits zuvor in der Nähe des späteren Legionslagers Lauriacum militärische Posten gegeben, und selbst eine Händlersiedlung ist für Enns bereits ab flavischer Zeit anzunehmen. Auch in diesem Fall sind Wanderwerkstätten wahrscheinlich, die in der Lage waren, überall im Römischen Reich Freskenmalereien hoher Qualität auszuführen. Eine ebenso wesentliche wie kennzeichnende Erscheinungsform der Privatkunst in diesem Raum bilden Porträtmedaillons wie jenes von Ovilava (Wels), das in ein Bürgerhaus am Stadtplatz eingemauert wurde. Die Frau trägt die sogenannte norische Haube, der Mann ist traditionell mit römischer Toga bekleidet; beide werden in Halbbüstenform dargestellt. Die
Farbgebung dieses Doppelporträts ist zwar neuzeitlich, jedoch waren in der Antike die Bildnisse wie auch die meisten Reliefs farbig und äußerst bunt gefasst. Solche Rundmedaillons wurden als freistehende Grabmonumente auf einem Pfeilerunterbau präsentiert und standen in den Grabbezirken. Zu Beginn des 3. Jhs. erlebte auch die Mosaikkunst im gesamten Römischen Reich eine Blütephase. So wie im Mosaikschmuck der Caracallathermen finden sich selbst in den Provinzen Darstellungen von Athleten in überzeichneten Körperhaltungen. Aus einem römischen Gebäude in Iuvavum (Salzburg) stammt die Darstellung zweier Faustkämpfer (Abb. 199). 20 Die beiden Kontrahenten werden muskelstrotzend, einander durch ihren Körperbau geradezu überbietend, geschildert. Beide Athleten sind schlagkräftig in Aktion, der Linke von ihnen scheint jedoch bereits zurückzuweichen. Vielleicht verband der römische Betrachter herausragende Sportler seiner Tage mit diesen Darstellungen, oder seine Freude
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Abb. 200: Mithrasrelief aus Tulln (Niederösterreich).
galt ganz allgemein der Sportart und ihren spannendsten Momenten. Die verhältnismäßig grob ausgeführten Körperbilder und der Versuch einer Wiedergabe von Lichtreflexen an den gebräunten Körpern stehen in einem merkwürdigen Widerspruch zueinander. Ein Sonderkapitel der Entwicklung in den Provinzen bilden die religiösen Zeugnisse. Bei Soldaten und deren Familien waren von weither gebrachte Kulte wie solche aus Ägypten oder der aus Syrien stammende Kult des Iuppiter Dolichenus durchaus geläufig, und diese Verehrungsformen hielten sich auch bis zu ihrer Verdrängung ihrerseits durch das Christentum. Eine elitäre Sonderform bildet darunter der Mithraskult, dessen Mitgliedschaft ausschließlich Männern von einem gewissen Rang vorbehalten war. Der Mithraskult besitzt iranische Wurzeln und erhielt seine entscheidende Umformung durch ein astronomisches System, das im späten Hellenismus entwickelt worden war. David Ulansey hat vor einigen Jahren den Nachweis versucht, dass die Ent-
deckung der Kreiselbewegung der Erde (Präzession) dabei eine entscheidende Rolle spielt und das Erlösungswerk des Mithras als Art astronomischer Code zu sehen sei, mit der man eine gewaltige, vom Gott Mithras im Kosmos gesteuerte Bewegung verschlüsselte. Reliefplatten aus den in den Nordprovinzen nicht seltenen unterirdischen Mithräen zeigen immer wieder dieselben Vorgänge der Opferung des Stieres durch Mithras, zumeist unter geringer Variation der künstlerischen Mittel (Abb. 200). Die Stiertötung ist meist in Verbindung mit einer Gruppe von Tieren zu sehen, die mit Sternbildern identifiziert werden. Der Kult basierte auf einem System von sieben Weihegraden, welche durch die um Mithras gruppierten Figuren repräsentiert werden: Rabe, Schlange, Skorpion, Löwe, Cautopates, Cautes, (beide mit Fackeln), Panther. Ein gemeinsamer Zug dieser Religionen ist ihr Versuch, die Welt unter ein neues Erlösungswerk zu stellen: Auf Inschriften wird so auch Iuppiter Dolichenus häufig als conservator totius populi oder totius mundi genannt
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Abb. 201: Rom: Sogenannter Sarkophag Rinuccini mit Darstellungen aus dem Leben eines Feldherrn.
und damit neben den Staatskult und den Kaiser gestellt.
Die Welt der Sarkophage Bereits im frühen 2. Jh. gilt es einen deutlichen Anstieg der Sarkophagproduktion festzuhalten. Vornehme Familien ließen ihre Verstorbenen teilweise nicht mehr verbrennen, sondern ließen sie in Steinsärgen beisetzen. Die Dekoration der Sarkophage bedient sich vorwiegend figürlicher Motive. Neben mythologischen Themen konnten auch Szenen aus dem privaten und öffentlichen Leben herausgegriffen werden. Die Berliner Museen bewahren ein einzigartiges Zeugnis der Grabkunst, das vom Leben und Wirken eines römischen Feldherrn erzählt (Abb. 201). 21 Die einzelnen Lebensstationen des Sarkophagreliefs schildern Hochzeit, Opfer sowie öffentliches Auftreten einer bedeutenden Persönlichkeit der Severerzeit. Diese dem römischen Amtsverständnis entsprechenden Themen werden mit einer Jagdszene, die ein mächtiger Eber und sich in ihn verbeißende Jagdhunde dominieren, verknüpft. Vergleich-
bar den zahlreichen Mythensarkophagen dieser Zeit, in denen der griechische Mythos als Folie für römische Geisteshaltung dient, bedient sich auch dieser Sarkophag mythischer Anspielungen. So taucht die Jagdszene in die Erzählung vom Tod des jugendlichen Adonis ein, der bei einem Jagdausflug ums Leben kam. Der schöne Jäger, in den selbst die Göttin Aphrodite in Liebe entbrannte, zog sich daraufhin die Feindschaft des (Göttergatten) Ares zu. Dieser hetzte einen mächtigen Eber auf seinen Nebenbuhler, der Adonis tötete. Die grausame Realität des Todes wird so mit einem großen Bild des Mythos hinterlegt und gemildert. Im Vordergrund der Hauptseite des Sarkophages stehen jedoch zentrale Lebensstationen eines römischen Feldherrn, der, zweimal dargestellt, links bei seiner Vermählung (dextrarum iunctio), und in der Mitte des Sarkophages, bei einer Opferhandlung dargestellt wird. Die Komposition dieser Szenen wirkt klar und wurde dennoch nach zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten hin angelegt: Treten bei den Szenen aus dem Leben des Feldherrn statuarische Einzelgestalten in den Vordergrund, so wird das Adonisbild von einem Bewegungsablauf er-
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Abb. 202: Bordeaux: Mythologischer Sarkophag.
füllt, denn die Jagdgesellschaft umkreist gewissermaßen den die Szene beherrschenden Eber. Wahrscheinlich schätzten sowohl die römischen Auftraggeber als auch die ausführenden Meister solche Unterschiede als Ausdruck besonderen Könnens. Die sogenannten Feldherren-Hochzeits-Sarkophage setzen um 160 n. Chr. ein und sind Teil einer größeren Gruppe von Vita-Romana- Sarkophagen. Die Bildthemen erzählen primär von römischer Wertehaltung wie Treue, Pietas und Virtus, sind jedoch nicht als Biographie eines Sarkophaginhabers zu verstehen. Der Sarkophag stammt aus Empoli in der Toscana und wurde nach seiner Auffindung bereits in Form einer Renaissancezeichnung festgehalten. Am Beginn des 18. Jahrhunderts gelangte er in den Besitz der Familie Rinuccini und von dort über Umwege erst 1987 in die Berliner Museen.
Späte Entfaltung Der eigenen Mythenwelt von Sarkophagen hat Paul Zanker vor kurzem eine umfangreiche Abhandlung gewidmet. 22 Darin wird der Versuch unternommen, die Bildthemen der Sarko-
phage aus dem römischen Zeitverständnis heraus zu interpretieren. Mythologische Erzählungen von Schlaf und Erweckung spielen bei einer großen Anzahl solcher Prunksarkophage eine wichtige Rolle, ebenso wie die elysisch abgehobene Welt des Dionysos und seines Gefolges. In Bordeaux fanden sich zwei prachtvoll verzierte Sarkophage, die von einer römischen Werkstatt als Gegenstücke gefertigt wurden. Den Fundberichten zufolge fanden sich darin Skelette einer Frau und eines Mannes. Der eine der Sarkophage bringt die Erzählung vom schlafenden Endymion und der Mondgöttin Selene, der andere die Auffindung der von Theseus verlassenen Ariadne durch Dionysos (Abb. 202). Ariadne lagert mit entblößtem Oberkörper am rechten Bildrand, während sich ihr Dionysos mit Entzücken nähert. Der Gott wird dabei von seinem Gefolge der Satyrn und Mänaden umschwärmt, die in dichtem und buntem Treiben musizieren und tanzen. Das Gespann des Gottes wird erstaunlicherweise von einem Kentaurenpaar gebildet. Die gelagerte Kentaurin nimmt dabei ihr Kind zu sich und verkörpert gewissermaßen ein Familienidyll inmitten der bewegten Szene. Die zahlreichen Satyrn und Mänaden des Sarkophagreliefs finden sich variiert auch auf anderen
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10. Kapitel
Abb. 203: Rom: Löwenjagdsarkophag.
Sarkophagen. Musterbücher, Skizzen und Gipsabdrücke zählten zum Ausstattungsrepertoire der Sarkophagmeister, die dennoch im Einzelnen darum bemüht waren, jeweils eigene und köstliche Erfindungen einzusetzen. Zu den zeitlich gebunden Ausdrucksformen dieses Sarkophages zählen seine optisch-malerischen Qualitäten, die ihn in die Zeit um 240 n. Chr. datieren. Der Sarkophag wurde gemeinsam mit dem zweiten Exemplar, das die Geschichte von Endymion erzählt, angetroffen. Die Porträtbüste des Sarkophaginhabers, der auf dem Sarkophagdeckel dargestellt werden sollte, wurde nicht ausgearbeitet: Die Darstellung oberhalb der Dionysos-Ariadne-Gruppe verkörpert einen Römer in der toga contabulata, jedoch ohne seine Gesichtszüge. Angeblich fanden sich auch die Gebeine der Frau in diesem Sarkophag. Man sollte sich also davor hüten, allzu enge persönliche Verbindungslinien zwischen den Sarkophaginhabern und den Bildthemen der Sarkophage zu ziehen. Allerdings wurden für viele der Verstorbenen Bilder seligen Fortbestandes und des Glückszustandes gewählt, während andere Sarkophage von tragischer Verstrickung und der Unausweichlichkeit des Geschickes erzählen.
Bilder von Kämpfen, der Unerbittlichkeit des Gegners und natürlich von größter Tapferkeit beherrschen die Vorstellung der Menschen zur Zeit der Soldatenkaiser. Der Löwenkampf bietet ein altes Paradethema der Kunst, das nun verstärkt aufgegriffen wird. 23 Der nach Kopenhagen gelangte stadtrömische Sarkophag war einer bedeutenden Persönlichkeit gewidmet (Abb. 203). Das verrät der Kopf des Reiters mit seinen porträthaften Zügen, seiner Kurzhaarfrisur und dem Stoppelbart. Das Bildnis des Reiters, der sich machtvoll gegen eine wahre Bestie von Löwen stemmt, erinnert an einen Zeitgenossen des Kaisers Balbinus. Man wird den Sarkophag daher in die Zeit gegen 240 n. Chr. datieren. Die Jagdbegleiter des Mannes verkörpern mit ihren aufgelösten Haaren nicht nur „wilde Gesellen“, sondern stellen beinahe Furien dar, die der Dramatik des Ereignisses entsprechen. Eine hilfreiche Gestalt mit Lanze hinter dem Pferdeleib verkörpert virtus, die als Haupttugend des Sarkophageigentümers aufzufassen ist. Nicht unbemerkt bei all der Dramatik dieser Szene soll auch die Formentwicklung des Sarkophages im Ganzen bleiben: Die schon unter den Severern einsetzende Tendenz zur Auffräsung der plastischen Substanz (und zur Verästelung der Bewegungs-
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motive) ist bei diesen Figuren nun weiter fortgeschritten. Mit anderen Worten: Die reale Wiedergabe der Oberfläche von Figuren oder Gegenständen wird immer weiter aufgelöst, dafür aber mittels harter Kerben oder Bohrungen expressiv gesteigert. Das dramatische Geschehen wirkt dadurch hohl. Die Figuren vermitteln Bewegung, tragen zu dieser jedoch nicht innerlich bei. Die Reliefkunst in Rom sollte in der Folge den Versuch unternehmen, diese „plastische Hülle“ vollends abzustreifen und die Darstellungsformen auf ihren Kern hin zu reduzieren.
Späte Severer und Soldatenkaiser Severus Alexander, der jugendliche Herrscher, war mit Hilfe seiner Mutter Iulia Mamaea, einer Schwester der Iulia Soaemias, auf den Thron gelangt. Bis er die Nachfolge Elagabals, die im Verwandtenkreis blutig ausgetragen wurde, antreten konnte, war er Priester des Sonnengottes in Emesa. Nach seiner Thronbesteigung hielt er sich jedoch für mehrere Jahre an der Macht. Alexander Severus konnte auf einige Erfolge gegen die Perser zurückblicken. Mit ihm endet schließlich die Dynastie der Severer. 24 Die Bildnisbüste des jugendlichen Kaisers ist von geglättet-höfischer Eleganz (Abb. 204). Eine Zeitmode innerhalb der Gewandung bildet die sogenannte contabulatio, jener gefaltete und brettartig versteifte Teil der Toga, die sich wie eine Schärpe über die Brust zieht. Im Ausdruck des Bildnisses wird jedwede persönliche Charakterisierung vermieden. Betont werden lediglich die Jugendlichkeit und Schönheit des jungen Mannes (Historia Augusta, Severus 4). Von größerer Aussagekraft ist der Zeitstil des Bildnisses, der die einfache Grundform des Kopfes aufnimmt und fest umreißt. Dabei geraten Details wie die Haare oder der Bartflaum des Knaben zu Nebensächlichkeiten. Im Mittelpunkt steht der überpersönliche, wie von der
Abb. 204: Rom: Büste des Severus Alexander (Abguss).
Realwelt abgehobene Charakter dieses Herrscherporträts. Die äußerst sensible Oberflächenbehandlung dieser Porträtbüste schließt eine Datierung um die Mitte des 3. Jhs., wie sie einige Forscher vorgeschlagen haben, aus. Der Kopf entspricht, wie Klaus Fittschen zeigen konnte, der spätseverischen Stilstufe und zeigt noch einmal die Überhöhung und höfische Glätte. Die Porträtkunst des fortgeschrittenen 3. Jhs. wirkt in allem derber und verzichtet auf eine Abstimmung von Hauptpartien und eingetragenen Ritzlinien (Abb. 206334). Bei Iulia Mamaea handelt es sich um die Mutter des jugendlichen Kaisers Alexander Severus. Ihre bedeutende Stellung bei Hof und ihr großer politischer Einfluss bewirkten, dass sich viele Bildnisse dieser mächtigen Dame erhalten haben (Abb. 205). Dies auch der Tatsache zum Trotz, dass sowohl Alexander Severus als auch Iulia Mamaea (in Mainz) ermordet
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10. Kapitel
Ausdruck einer ganzen Zeithaltung, so möchte man jenes hervorragende Bildnis eines Mannes charakterisieren, das heute in der Münchener Glyptothek aufbewahrt wird (Abb. 206). 26 Leider ist uns nicht bekannt, um welche Persönlichkeit der Zeit um 240 es sich dabei handelte. Bei diesem Kopf scheint bereits jedes unnötige Detail weggelassen zu sein: Ernst und gefasst, und dies aus einer inneren Haltung heraus gewählt, so vermittelt uns dieser Mann seine einstige „Existenz“. Die Einzelformen des Kopfes und der Kurzhaarfrisur wurden vom Bildhauer weder wörtlich wiedergegeben noch ver-lebendigt. Sie wurden auf eine Weise „übersetzt“, die auch dem Material, der Härte des Marmors, entsprach. Plastisch deutlich und doch reduziert, so lesen wir die
Abb. 205: Rom: Büste der Iulia Mamaea.
wurden, ihr Bildnisse jedoch nicht einer vollständigen damnatio memoriae ausgesetzt wurden. Bildnisse der Iulia Mamaea können aufgrund ihrer individuellen Merkmale in der Gesichtsbildung und den leichten Asymmetrien der Gesichtshälften leicht erkannt werden. Wie bei älteren Kaiserinnenbildnissen verrät das Porträt eine zeitgebundene Mittelscheitelfrisur mit sorgfältig gebrannten Haarwellen und hinter die Ohren gelegten Haarsträhnen. Das Bildnis der Iulia Mamaea gibt ein Zeugnis für weitere Übergänge in der Porträtkunst ab. 25 Im Bildnischarakter schwankt die Darstellung zwischen realen Wiedergabeformen und unkörperlich abstrakten Verkürzungen. Dies äußert sich etwa in den Fleischpartien des Gesichtes, die sowohl weich durchgearbeitet als auch verhärtet wirken. Auch die Wellenfrisur sitzt, bei genauer Eintragung der Haare, dem Kopf ähnlich einer Puppe auf. Porzellanhafte Härte, Reste lebendiger Substanz und doch Verzerrung in den Proportionen lassen auf neue Tendenzen in der Porträtkunst schließen.
Abb. 206: Rom: Bildnis eines Mannes.
Einzelheiten des Gesichtes. Die expressive Note im Ausdruck dieses Kopfes nimmt deutlich überhand. Wenn wir einen Ansatz für den Beginn der spätantiken Kunsthaltung suchen, so wahrscheinlich anhand dieses Männerporträts.
Die Umformung der römischen Kunst
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ren Stützen getragen, demonstriert diese überlebensgroße Bronzestatue eine Körperlichkeit, die doch keine mehr ist. Schwer und doch innerlich hohl, so zeigen sich die Gliedmaßen sowie der massige Leib dieses Repräsentationsbildnisses. Die Zusammenhänge der Körperhaltung- und Wiedergabe offenbaren eine monströs verzerrte Plastizität, eine Art Umkehrhaltung zu organischem Aufbau. Nichts am Körperbau noch am Standmotiv wirkt real. Das Kaiserbild vertritt zwar einen Typus, der für Jedermann erkennbar war, es findet jedoch keine Verbindung hin zum Bildniskopf statt. Der kugelige, brutal wirkende Kopf des Trebonianus Gallus ist dem hohlen Unterbau der Statue denkbar unorganisch aufgesetzt.
Städte und Provinzen
Abb. 207: Rom: Bronzestatue des Trebonianus Gallus.
Der Trebonian in New York steht stellvertretend für die überlebensgroßen Kaiserstatuen der Krisenperiode (Abb. 207). 27 Die Statue soll in der Nähe der Lateranbasilika in Rom gefunden worden sein. Teile des Bronzebildes, vor allem die linke Schulter mit dem Gewandbausch, wurden ergänzt. Das Vorbild der Statue wurde nach dem Bildnis Alexanders mit der Lanze gewählt. Dieser Darstellungstypus ist jedoch zu einem reinen Schema erstarrt. Wie von inne-
In den Städten Nordafrikas entstanden eine Reihe hervorragender Mosaiken. 28 Zu den bekanntesten Themen zählen wiederum jene, die vom Wirken des Gottes Dionysos erzählen (Abb. 208). In den reichlich bunt ausgestatteten Bildfeldern tummeln sich Satyrn und Mänaden aus dem Gefolge dieser Gottheit. Der untere Rand dieses wie ein Teppich wirkenden Gemäldes wird von Fächer- und Lotusmotiven beherrscht. Im Blütenkranz der Bildmitte erscheint Bacchus auf einem Tiger, so wie er uns schon auf den späthellenistischen Mosaiken begegnet ist (Abb. 80157). Der Aufbau dieser Bodenmosaiken folgt einem strukturierten Plan, der auf den Blickpunkt des Betrachters Rücksicht nimmt. Die Mosaikkünstler dieser Gegend wählen auch einen hellen Grund für ihre Figuren und Rahmenornamente, um so die Farbwirkung der Motive zu erhöhen.
Existenz Der große Ludovisische Schlachtensarkophag bildet eines der prächtigsten und figurenreichsten Grabdenkmäler seiner Zeit (Abb. 209). 29
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10. Kapitel
Abb. 208: Dougga: Dionysosmosaik.
Der Sarkophag erzählt von einer grausamen Schlacht gegen die Goten. Abgehoben von diesem Gewoge, siegerhaft herausgestellt, schwebt eine Reitergestalt inmitten des Geschehens. Mit beherrschender Gebärde, unangefochten in seiner Erscheinung, hält dieser Reiter in seiner eigenen Sphäre inne. Dieser triumphale Gestus gebührt natürlich einem Grabinhaber höchsten Ranges. Man hat vermutet, dass Hostilian, der Sohn des Decius, auf diesem Sarkophag dargestellt ist. Nachdem Decius und sein
älterer Sohn Herennius in einer Entscheidungsschlacht gegen die Goten gefallen waren, wurde Hostilian zum „Mit-Augustus“ berufen. Er starb jedoch wenige Monate später in Rom an der Pest. Helga von Heintze, die den Sarkophag auf Hostilianus bezieht, hat auch erkannt, dass der „tragische Sieger“ dieses Schlachtengetümmels ein Siegeszeichen auf seiner Stirne trägt. Es handelt sich um ein X, eine sphragis (Schutzzeichen) der Gottheit Mithras. Hostilian, sollte diese Deutung das Richtige treffen, wäre somit
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Abb. 209: Rom: Sogenannter Großer Ludovisischer Schlachtensarkophag.
eigentlich unbesiegbar, ein INVICTUS inmitten des tobenden Geschehens. Die Durchbildung der Kämpfenden und Unterlegenen auf der Vorderseite des Sarkophages ringt Bewunderung ab. So deutlich und überlegen die Formation römischer Reiter und Fußtruppen wirkt, desto qualvoller lagern verwundete und tödlich hinabgesunkene Goten in der unteren Zone des Reliefs. Bei größter Verdichtung des Kampfgeschehens quellen die Figuren der Barbaren wie aus einem menschlichen Knäuel hervor und erleben Tod und Vernichtung. Die beinahe vollplastische Durchbildung einzelner Figuren, der Reichtum an Motiven innerhalb der Kampfhandlungen belegen für diesen Sarkophag ein Repertoire an Vorbildern und ein „Sich-Messen“ an der älteren Kunst. Wiederum wird eine Stilkongruenz spürbar. Wirken die Köpfe und einzelne Körperdurchbildungen dieses Sarkophages wie der antoninischen Kunst entnommen, so er-
fährt die Figurenstaffelung insgesamt expressive Züge. Neben betonter Plastizität überwiegt doch der irrationale Charakter dieser Darstellung. Die Sarkophagkunst dieser unruhigen Periode Roms ersetzt bis zu einem gewissen Punkt das Staatsrelief, für das es keine öffentlichen Aufträge mehr geben konnte. Das hohe technische Können führender Werkstätten hält jedoch auch in dieser Zeit an. Hintergründig waren die Zeitverhältnisse und auch die beherrschenden Themen auf weiteren Sarkophagen. 30 Der Sarkophag aus Acilia war der Persönlichkeit eines römischen Konsuls gewidmet, dessen Haltung als Staatsmann und Philosoph zum Ausdruck gebracht werden sollte (Abb. 210). Die Darstellungen dieser auf wenige Exemplare beschränkten Konsularsarkophage lassen sich letztlich von den VitaRomana-Sarkophagen der vorangehenden Periode ableiten. Bedeutende Stationen des Lebens und Wirkens wie die konsularische Prozession
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10. Kapitel
Abb. 210: Acilia: Wannensarkophag mit Processus Consularis.
oder die Eheschließung werden vor dem Hintergrund von Virtus und Concordia erzählt. Zugleich tritt jedoch immer mehr die innere philosophische Haltung einer solchen Persönlichkeit in den Vordergrund. Der Konsul ist von einer Reihe von Philosophen umgeben, und auch er ist durch seine Bart- und Gewandtracht einer von ihnen. Auf dem gewählten
Ausschnitt schmelzen die Figuren zu einer einzigen Gruppe zusammen und verbinden sich durch ihre Gebärdensprache. Statuarisch hervortretend und doch in einem Gewoge an Gewändern und sich überschneidenden Faltenlinien untereinander verbunden, macht sich eine Steigerung der Expressivität bemerkbar.
Die Umformung der römischen Kunst
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Ergebnisse Gewiss böten die umfassenden Leistungen der severischen Dynastie ein eigenes Kapitel der Architekturgeschichte. Die Macht der Kaiser wird sowohl in Rom als auch in Leptis Magna oder den östlichen Provinzen in besonderer Weise zur Schau gestellt. Caracalla sollte dabei nicht der letzte Herrscher sein, der Rom allein durch seine Thermenanlagen einen unverkennbaren Stempel aufdrückte. Selbst noch Severus Alexander suchte mit einem baulichen Erneuerungsprogramm auf dem Marsfeld Anschluss an seine Vorgänger. Mit der Zeit der Soldatenkaiser beginnt jedoch eine Phase deutlicher baulicher Stagnation. Auch in den Gattungen der Bildkunst wird ein Erlahmen jener Kräfte sichtbar, welche einst Repräsentanten und Symbole des Staates in einen unverrückbaren Glanz gehoben hatten. Die sich häufenden politischen Krisen des 3. Jhs. boten zudem kaum äußere Anlässe für eine Staatskunst, welche die Gesetze der Kontinuität und Stabilität weiter verfolgte. Man wird zugleich argumentieren, dass der lange vorherrschende Wechsellauf zwischen idealistischen und realistischen Strömungen in Rom bereits zuvor in eine Sinnkrise geraten war. Ausgangspunkt dafür bilden in gewisser Hinsicht bereits die Darstellungen der Marcussäule. Gerade die Drastik der Kämpfe, welche – um ein Beispiel zu nehmen – sich auf den Reliefs dieser Triumphsäule darbieten, sind weit entfernt von einer reinen Didaktik zwischen Siegern und Besiegten. Es ist zugleich die „innere Existenz“, welcher hier mit den Mitteln der Bildkunst zum Durchbruch verholfen wird. Andererseits wird auch der persönliche Anteil der Handlungsträger, also des römischen Heeres, des Kaisers und der unterlegenen Barbaren überdeutlich herausgestellt. Deren Aktivität wird überhöht. Aus dem Bemühen, das Handlungskonzept der Reliefdarstellungen zu festigen, entsteht jedoch eine nicht zu übersehende Formelhaftigkeit, welche bereits auf die Kunstformen des 3. Jhs. voraus weist. Einige Beispiele der Sarkophagkunst haben uns in diesem Kapitel auf besondere Weise beschäftigt. An ihnen zeigt sich die bedeutendste Nebenlinie zur Kunst im öffentlichen Raum. Die inhaltlichen Bezüge der Sarkophage und ihrer Themen eröffnen ein neues Feld römischer Anschauung. Festgelegt innerhalb der Sarkophagkunst werden so vor allem gesellschaftliche Handlungsmomente in ihrem Bezug zu mythologischen Geschehnissen. Dabei wird eine Hinwendung zu transzendenten Figuren und Themen unübersehbar. Die Wahrnehmungsgewohnheiten der römischen Gesellschaft, so lässt sich einmal mehr festhalten, hatten sich innerhalb weniger Generationen verändert. Irrationale Anklänge und eine Abkehr von bisher gültigen Maßstäben sind dabei nicht zu übersehen.
IMP(eratori) CAES(ari) F(lavio) CONSTANTINO MAXIMO P(io) F(elici) AUGUSTO S(enatus) P(opulus)Q(ue) R(omanus) QUOD INSTINCTU DIVINITATIS MENTIS MAGNITUDINE CUM EXERCITU SUO TAM DE TYRANNO QUAM DE OMNI EIUS FACTIONE UNO TEMPORE IUSTIS REMPUBLICAM ULTUS EST ARMIS ARCUM TRIUMPHIS ISIGNEM DICAVIT (intra fornicem) LIBERATORI URBIS – FUNDATORI QUIETIS Für Kaiser Flavius Constantinus, den größten, frommen (und) glückhaften Augustus, haben Senat und Volk von Rom, weil er auf Eingebung der Gottheit mit tiefster Einsicht zusammen mit seinem Heer das Gemeinwesen gleichzeitig sowohl vom Tyrannen als auch von dessen gesamter Herrschaftsclique in einem gerechten Waffengang befreit hat, diesen Bogen, geschmückt mit Triumphdarstellungen, geweiht. Dem Befreier der Stadt – Dem Begründer der (inneren) Sicherheit. (Inschrift vom Konstantins-Bogen in Rom, 315 n. Chr.)
11. Kapitel Auftakt zu einem neuen Zeitalter Bauliche Veränderungen in Rom und den Städten des Reiches zur Zeit der Soldatenkaiser anzuführen, fällt nicht leicht. Der zumeist recht kurze Regierungszeitraum dieser Militärs erlaubte keine längerfristigen Planungen und ebensowenig die Durchführung gezielter Bauprogramme. Selbst die Ziegelproduktion für Rom kommt nach der Epoche der Severer für etwa 50 Jahre zum Erliegen. Während dieser Zeit fallen hingegen Sicherungsmaßnahmen und Kastellbauten an den Grenzen des Reiches ins Gewicht. Und auch Rom erhält unter Kaiser Aurelian (270–275) jenen gewaltigen, ca. 20 Kilometer messenden Mauerring, der bis heute in großen Teilen als „Aurelianische Mauer“ erhalten blieb (Abb. 211). Dieses Befestigungswerk ist Ausdruck jenes Gefährdungsszenarios, dem sich Rom bereits ausgesetzt sah. Auch mehrere Städte in Oberitalien (Verona, Aquileia) werden während dieses Jahrhunderts mit Befestigungsanlagen bewehrt. Zugleich bildete die Regierungszeit Aurelians einen gewissen Lichtblick nach vorangehenden Perioden der Schmach und innerer Zerreissproben. Aurelian gelang es nämlich als einem der wenigen Herrscher der Periode der Soldatenkaiser, militärische Erfolge gegen die nördlichen Barbaren zu erringen.
Das neue Kaisertum Im November des Jahres 284 wurde der aus Dalmatien stammende Diokletian zum Kaiser erhoben. Niemand konnte zum damaligen Zeitpunkt ahnen, dass die weitreichenden Reformbestrebungen dieses Mannes von Erfolg gekrönt sein würden und mit ihm ein neues Regierungssystem – die „Viererherrschaft“
oder „Tetrarchie“ – anbrechen würde, dem freilich die Generation der Söhne jener Augusti bereits wieder ein Ende setzen sollte. Neben der weitblickenden Neueinteilung der Provinzen zählt die grundlegende Steuerreform dieses Kaisers, die nach neuen Bemessungseinheiten der Haushalte erfolgte (indictio), zu den erfolgreichsten politischen Lösungen für den römischen Staat am Beginn der Spätantike. Ins-
Auftakt zu einem neuen Zeitalter
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Abb. 211: Rom: Aurelianische Mauer.
gesamt markiert die Zeit der Tetrarchie auch einen Aufbruch für die Gattungen der Kunst. Unter Diokletian (284–305) werden nach einer Brandkatastrophe mehrere Bauten am Forum neu aufgebaut (Vesta-Tempel, Curia, SaturnTempel). Auch das „Fünfsäulendenkmal“ als Ausdruck der Regierungsgewalt schmückt nunmehr das Forum. Selbst ein Ehrenbogen von der Via Lata ist uns überliefert (Arcus novus). Dieser war als Ausdruck einer „Rückbindung“ der Tetrarchen mit Reliefplatten füherer Triumphalmonumente und Altäre ausgestattet worden. Wenige Jahre später sollte der Konstantins-Bogen ebenfalls „Spolien“ aus der Zeit Trajans und der Antonine verwenden. Während der langen Regierungsperiode Diokletians kann erneut von einem gezielten Ausbau der Hauptstadt gesprochen werden. Zeichen seiner Fürsorge für die Bevölkerung sind die
riesigen Diokletiansthermen, welche beinahe die Größe eines Stadtviertels einnehmen (Abb. 212). Die neuen Bauaufträge bleiben nicht auf Rom beschränkt. Bedingt durch die Teilung der kaiserlichen Machtbefugnisse entstehen nunmehr Regierungssitze in Thessalonike (Saloniki), Nikomedia, Trier und Mailand, welche mit Bauten und öffentlichen Denkmälern ausgestattet werden. Der Periode anhaltender Rivalität zwischen Maxentius (305–312) und dem schließlichen Sieger Konstantin (312–337) hat Rom die gewaltige basilica nova oder Maxentiusbasilika und auch deren Ausbau am Forum Romanum zu verdanken (Abb. 218350). Diese Gerichtsbasilika bildete zum Zeitpunkt ihrer Vollendung den größten Hallenbau der römischen Architektur und verkörpert zugleich den Ausdruck eines neu erwachten Repräsentationsbedürf-
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11. Kapitel
Abb. 212: Rom: Diokletiansthermen.
nisses. Zugleich wird von Maxentius am Eingang zum Forum Romanum der hadrianische Venus-Roma-Tempel erneuert. Maxentius, Vertreter eines monarchischen Sendungsbewusstseins, lässt sich vor den Toren der Stadt eine Villenanlage errichten, die mit einem eigenen Circus, Zeichen der kaiserlichen Residenz, ausgestattet ist. Während der Zeit der Tetrarchen entstehen gleich mehrere solcher repräsentativen Villenanlagen (etwa Piazza Armerina auf
Sizilien), die als Domizile der Machträger sowie der senatorischen Oberschicht anzusprechen sind. Im Jahre 306 wurde Konstantin von Teilen des Heeres gegen die Regeln des tetrarchischen Systems zum Augustus erhoben. 312 zog er mit seinen Truppen über die Alpen und nahm mehrere Städte in Oberitalien ein. Am 28. Oktober 312 kam es vor den Toren Roms zur berühmt gewordenen Begegnung mit den Trup-
Auftakt zu einem neuen Zeitalter
pen des Maxentius. Bei dieser „Schlacht an der Milvischen Brücke“ fanden der Konkurrent Maxentius sowie Hunderte seiner Soldaten den Tod. Kaiser Konstantin vollendete nach diesem Ereignis in Rom die von Maxentius begonnenen Bauten und beanspruchte diese im eigenen Namen. Ein entweder von seinem fernen Vorgänger im Amt des Kaisers, Hadrian, begonnener oder eher doch unter Konstantin neu errichteter Bogen in Rom markiert die „Siegerschwelle“ des neuen Alleinherrschers. Der Konstantins-Bogen wird an seinen Schauseiten mit Triumphalreliefs der mittleren Kaiserzeit ausgestattet. Der durchlaufende zeitgenössische Fries dieses Bogens schildert hingegen die Stationen der Machtergreifung des Kaisers und erzählt von dessen öffentlichem Auftreten in Rom (Abb. 220353). Bekanntermaßen führte Kaiser Konstantin einen grundsätzlichen Wandel der römischen Religionspolitik herbei, indem er endgültig den christlichen Gemeinden die Ausübung ihrer religiösen Praxis gestattete. Dabei wird ersichtlich, dass der Kaiser, dessen persönlich Hinwendung zum Christentum durchaus ambivalent gesehen werden kann, bereits wenige Monate nach seinem Sieg über Maxentius die Stellung des Bischofs von Rom herausstellt und die Errichtung von Basiliken an den Rändern der Stadt fördert (Lateranbasilika, Alt-St.Peter). Damit beginnt ein neuer Abschnitt der römischen Architekturgeschichte für die Formen christlicher Versammlungs- und Memorialbauten sowie der zugehörigen Bischofssitze. Die Praxis der christlichen Kunstausübung stellt dabei kein neues Phänomen dar. Die Inhalte der christlichen Kunst konnten sich allerdings nur im Geheimen, am Beispiel der Grabund Memorialbauten sowie kryptischer Versammlungsbauten entwickeln. Diokletian hatte als letzter versucht, das Christentum auszulöschen. Die 303 angeordnete Christenverfolgung, der viele Menschen vor allem im Osten gezielt zum Opfer fielen, endete 311, als Galerius das Scheitern dieser Verfolgungen eingeste-
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hen musste. Galerius blieb schließlich nichts anderes übrig, als das Christentum als erlaubte Religion (religio licata) anzuerkennen. Die tatsächliche Zuwendung Konstantins zum Christentum in Gestalt einer „Kreuzeserscheinung“ (in hoc signo vinces), die er vor der Schlacht an der Milvischen Brücke gehabt haben soll, bleibt freilich rätselhaft. Konstantin fördert jedoch, und dies bleibt der sichtbare Ausdruck jenes Wendepunktes, den Bau christlicher Basiliken. Bei einem Treffen mit Licinius, dem Kaiser des Ostens, in Mailand im Jahr 313 suchte Konstantin diesen für eine christenfreundliche Politik zu gewinnen (sogenanntes Mailänder Toleranzedikt).
Historischer Hintergrund • 268–270: Claudius Gothicus • 270–275: Quintilius Aurelian. Sicherung der Donaugrenze, Rückzug aus Dakien, Befestigung der Hauptstadt (Aurelianische Mauer) • 275–276: Tacitus, Florianus • 276–282: Probus • 283–284: Carus, Carinus, Numerian. Perserfeldzug des Carus, Eroberung Ktesiphons • 284–313/324: Tetrarchie. Einrichtung einer „Viererherrschaft“, Teilung des Reiches, Kaiserresidenzen in Mailand, Trier, Thessalonike, Nikomedia • 284–305: Diokletian Augustus • 286: Erhebung Maximinians zum Mit-Augustus • 286–305: Maximinian • 293: Constantius Chlorus und Galerius warden zu Caesaren erhoben • 293/305–311: Galerius • 293/305–306: Constantius Chlorus. Große Währungsreformen unter Diokletian; letzte große Christenverfolgung • 305: Constantius Chlorus und Galerius Augusti • 306: Konstantin und Maxentius zu Kaisern ausgerufen
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• 306–337: Konstantin der Große • 306–312: Maxentius • 311: Toleranzedikt des Galerius: Das Christentum wird zur geduldeten Religion • 308–324: Licinius (Nachfolger des Galerius)
Übergang zum Zeitalter der Spätantike • 306–337: Konstantin der Große • 312: Sieg Konstantins gegen Maxentius an der Milvischen Brücke • 313: Toleranzedikt von Mailand • 324: Alleinherrschaft Konstantins nach dem Sieg über Licinius • 325: Erstes Ökumenisches Konzil von Nicaea. Verlegung der Hauptstadt nach Byzanz/Konstantinopel
„Neue Rom“ offiziell eingeweiht werden. Konstantinopel wird der alten Hauptstadt nicht nur gleichgestellt, indem dort ein eigener Senat eingesetzt wird – die neue Hauptstadt erhält prächtige Repräsentationsbauten und Kirchen. Mit der Abgabe von Macht und Bedeutung durch das „alte Rom“ beginnt sich auch jene kulturelle Spaltung abzuzeichnen, die für den letzten Abschnitt der römischen Kunst kennzeichnend wird. Die Konkurrenz zwischen den verwaltungsmäßigen und statusbezogenen Institutionen in Rom und Konstantinopel steigert sich während des 4. Jhs. Auch der Streit um die Führungsstellung der Kirchen und die Vorrangstellung der Bischöfe konnte niemals beigelegt werden. Auf dem Zweiten Ökumenischen Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 erhielt das religiöse Oberhaupt des „Neuen Rom“ sogar einen Ehrenvorrang gegenüber dem „Nachfolger Petri“ in Rom.
Ausgangslage der Kunst Schreckensszenarien und Alltagskultur Die politischen und verwaltungsbezogenen „Grenzziehungen“ zur Zeit der Tetrarchie fördern die kulturellen und sprachlichen Differenzierungen im Römischen Reich. Neben der sprachlich ohnehin vorgezeichneten Ost- und Westhälfte des Imperiums bilden sich vier übergeordnete Verwaltungsbereiche mit jeweils eigenständigen Regierungssitzen heraus. 100 kleinere Diözesen, die nun im Rahmen der ursprünglichen Provinzen eingerichtet werden, erleichtern nicht nur die Verwaltungsabläufe sowie die Einnahme von Steuern, die Diözesaneinteilung Diokletians schafft umgekehrt kleinteilige kulturelle Identitäten, welche den Rahmen einer spätantiken Kultur vorzeichnen. Von größter Auswirkung für den nächsten Abschnitt der Kunstgeschichte ist der Beschluss Konstantins, eine neue (gemeinsame) Hauptstadt zu begründen. Nach der Erlangung seiner Alleinherrschaft im Jahre 324 beginnt Konstantin damit, Byzanz zur Hauptstadt des Reiches auszubauen. Im Mai des Jahres 330 konnte das
Die Aurelianische Stadtmauer Roms (Abb. 211341) bildet ein weithin sichtbares, „unverrückbares Zeugnis“ aus den späten Tagen des Imperium Romanum. 1 Die Angreifbarkeit Roms an seinen Grenzen machten Kaiser Aurelian (270–275) bewusst, dass die Hauptstadt mit einem neuen Mauerring geschützt werden musste. Für die Errichtung der ca. 6 m hohen Mauern zeichneten mehrere Bautrupps verantwortlich, die ihre Arbeiten im Jahre 271 begannen und weitgehend noch unter Aurelian, in der Endausführung schließlich während der Regierung des Probus (276–282) beenden konnten. Die Mauer folgt einer klar erkennbaren strategischen Linie außerhalb der Siedlungszonen Roms. Die Gesamtlänge des Befestigungswerkes beträgt ca. 19 km. Die gänzlich aus Ziegelsteinen errichtete Mauer weist im Abstand von jeweils 100 Fuß (29,60 m) einen vorspringenden Turm auf quadratischem Grundriss und mit einer Schießkammer im oberen Geschoss auf. In den Mauerring wur-
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Abb. 213: Split/Spalatum: Diokletianspalast.
den, um Zeit und Material zu sparen, mehrere bestehende Bauten einbezogen. C. Aurelius Valerius Diocletianus, der große Reformkaiser am Beginn der Spätantike, war demonstrativ bestrebt, die öffentliche Wohlfahrt zu fördern. Ausdruck seiner Bemühungen um die Hauptstadt bleiben jene erhaltengebliebenen Teile seiner Thermenanlage, die sich über große Flächen des Viminal und Quirinal erstrecken. Von der menschlichen Kehrseite dieser Bestrebungen berichtet ebenfalls die Überlieferung: Mehrere tausend Christen waren neben einem Heer von Sklaven innerhalb der einzelnen Bautrupps dazu zwangsverpflichtet, die Thermenanlage innerhalb von acht Jahren (298–306) zu errichten. Wie eine Stadt in der Stadt, so präsentieren sich die baulichen Überreste der Diokletiansthermen selbst noch heute. 2 Vom Areal des Bahnhofvorplatzes (Stazione Termini) über die Piazza della Repubblica und dem Komplex des heutigen Thermenmuseums bis hin zur Via XX. Settembre erstrecken sich erhaltene Gebäudeteile dieser mit
380 370 m größten Thermenanlage des alten Rom. Das Hauptgebäude dieser Thermen von immerhin 250 180 m bot bis zu 30 000 Badegästen Platz. Der Grundriss der Anlage folgt grundsätzlich jenem Schema, das wir bereits bei den Caracallathermen verfolgt haben (Abb. 198327). An der Stelle des heutigen römischen Hauptbahnhofes befanden sich die Zisternenanlagen dieser Themenanlage (Botte di Termini), die von der Aqua Marcia gespeist wurde. Von diesen Gebäuden der äußeren Einfassung der Diokletiansthermen haben sich jedoch nur einzelne Kuppelsäle erhalten, die in späteren Jahrhunderten unter anderem in Kirchenbauten umgewandelt wurden (S. Bernardo). Markante Teile des Hauptgebäudes der Diokletiansthermen blieben hingegen als Ruinen erhalten. Jene Baukörper, in denen sich die Umkleideräume und die Palästren befanden, werden heute vom römischen Thermenmuseum eingenommen, das 1889 eingerichtet wurde. Zuvor befanden sich, eingenistet in den heutigen Museumsbau, dort die Zellen
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11. Kapitel
Abb. 214: Split: Peristyl des Diokletianspalastes.
eines Karthäuserklosters mit seinem berühmten Kreuzgang (Chiostro Michelangesco). Ein Gewölbebau der Diokletiansthermen hat sich auf besonders ungewöhnliche Weise erhalten. Das Frigidarium dieser Anlage wurde bereits im 16. Jahrhundert im Auftrag des Papstes von Michelangolo Buonarotti in die Kirche S. Maria degli Angeli umgewandelt. Der Innenraum dieses Sakralbaues behält trotz seiner neuzeitlichen Ausstattung den grundlegenden Charakter einer römischen Thermenanlage bei. Mächtige Granitsäulen und Pfeilerbündel stützen das weitgespannte Kreuzgratgewölbe jenes Innenraumes, welcher einst dem Badevergnügen diente. Selbst die großen Bogenfenster oberhalb der Gebälkordnung im „antiken Prachtraum“ folgen weitgehend der antiken Vorgabe. In kongenialer Weiterbildung eines vorgegebenen Raumgefüges hat Michelangelo
so die Raumkonzeption der römischen Architektur fortgeführt und zugleich das Maß antiker Größe überliefert. Der Diokletianspalast in Split, Rückzugsort dieses Kaisers, wirkt nach außen hin wie eine Festung (Abb. 213). 3 Im Jahre 305 dankte Diokletian ab und setzte sich in seiner Heimatprovinz Dalmatien zur Ruhe. Der Alterssitz des Kaisers bildet einen dem Meer zugewandten Palast, dessen innere Anordnung in vier gleichmäßige Rechtecke zerfällt. Schon dadurch, und wie auch an den sich kreuzenden Durchfahrten ersichtlich, verband der Kaiser die Grundkonzeption seines Palastes mit einem Militärlager oder castrum. An den drei Landseiten wurde der Palast von ca. 13 m hohen Mauern, Türmen und Torwerken eingefasst, während die Meerseite eine Prunkfassade aus Bogenstellungen aufzuweisen hatte. Im Inneren der Anlage, von
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Abb. 215: Rom: Decennalienbasis am Forum Romanum.
der sich wesentliche Teile im mittelalterlichen Spalato/Split erhalten haben, wird man sich erst der Raffinesse der Planungen und ihrer funktionalen Zusammenhänge gewahr. Die Repräsentationsräume des Kaisers befanden sich auf der dem Meer zugewandten Seite, während die nördlichen Binnenhöfe und die sie umgebenden Wohnquartiere dem Hofstaat und den Gästen vorbehalten waren. Am Kreuzungspunkt der Kolonnaden befand sich im Süden ein säulenbestandener Eingangshof in den kaiserlichen Bezirk (Abb. 214). Von diesem Peristyl aus gelangte man zunächst in einen Tempelhof im Westen beziehungsweise einen Hof im Osten des Palastes, der das Oktogon des kaiserlichen Mausoleums aufnahm. Der nach Süden zu anschließende Wohnbezirk des Kaisers enthielt eine zentrale Halle, die wiederum von einer Folge von Aufenthalts- und Speiseräumen flankiert wurde. Markanter Bestandteil selbst dieser Palastanlage fernab der Hauptstadt bildete ein dreischiffiger Audienzsaal. Die elegante Peristylanlage inmitten des Diokletianspalastes fungierte – wie beschrie-
ben – als Verteiler hin zu den seitlichen Höfen mit dem Iuppiter-Tempel und dem Mausoleum des Kaisers. Diokletian, dessen Beiname IOVIUS ja auf eine Schutzbeziehung hin zur obersten Gottheit Roms verweist, amtierte in seinen späten Jahren zugleich in einem Heiligtumsbezirk. Den kaiserlichen Gemächern zugewandt, öffnet sich nach Süden zu eine tempelartige, mit Giebel ausgestattete Vorhalle. Wahrscheinlich diente dieses Entree den Empfängen, bei denen sich der Kaiser seinem Publikum zeigen konnte. Diese Architektur für das erschlossene Hofzeremoniell bildet einen Auftakt für die Repräsentationsarchitektur der Spätantike.
Die Tetrarchie Auf dem Forum Romanum befindet sich ein Denkmal aus den Tagen der Tetrarchie. 4 Im Jahre 303 n. Chr. konnten die beiden Augusti Diokletian und Maximian ihr bevorstehendes zwanzigjähriges Regierungsjubiläum, die beiden Caesares Constantius Chlorus und Galerius
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11. Kapitel
Abb. 216: Rom: Pfeilerrelief vom Diokletians-Bogen, Florenz, Boboligärten.
ihr zehnjähriges Regierungsjubiläum (Decennalia) begehen. Man stellte aus Anlass dieses feierlichen Ereignisses auf dem Forum Romanum hinter den Rostra (Rednertribüne) vier Ehrensäulen auf, die oberhalb ihrer Deckplatte Bildnisstatuen der Tetrarchen trugen. Eine fünfte Säule wurde dem obersten Gott Iuppiter geweiht, dessen Kult von Diokletian besonders gefördert wurde. In seiner herrscherlichen Ausdrucksgewalt verkörperte er, wie wir erfahren haben, ja diese Gottheit selbst (IOVIUS). Jene Bauglieder der Decennalienbasis, die sich erhalten haben, bildeten den reliefgeschmückten Sockel einer der vier Ehrensäulen für die Tetrarchen (Abb. 215). Die Reliefs zeigen auf ihrer Vorderseite einen der Kaiser (Constantius
Chlorus), der das Trankopfer an einem foculus (Dreifußaltar) vollzieht, so wie es schon oftmals als Geste der Frömmigkeit auf Staatsreliefs zu beobachten war. Eine Victoria fliegt auf den Kaiser zu und hält, gemeinsam mit dem hinter ihm stehenden Würdenträger, einen Kranz über sein Haupt. Die Darstellung dieses kaiserlichen Voropfers ist insofern bezeichnend, als auch der Kriegsgott Mars mit dargestellt wird, welcher das Opfer entgegennimmt. Die rechts thronende Göttin Roma zieht ein velum über ihren Kopf, hinter dem interessanterweise das Strahlenhaupt des Sonnengottes erscheint. Sol invictus spielt eine bedeutende Rolle innerhalb der religiösen Vorstellung dieser Zeit. Seine Verkörperung auf einem traditionellen Staatsrelief bleibt dennoch ungewöhnlich. Auf den Nebenseiten der Decennalienbasis finden sich die drei Opfertiere Schwein, Schaf und Stier, welche auf die suovetaurilien verweisen. Die Tiere werden von Opferdienern herangeführt. Formal und stilistisch hebt sich die Decennalienbasis nicht allzu sehr von älteren Denkmälern auf dem Forum ab. Allenfalls wird man die ausgemergelt nüchterne Figurenzeichnung und die flache Raumtiefe dieses Reliefs bemängeln. Wäre nicht die stereotype Wiedergabe dieses Staatsaktes so überdeutlich vorgeführt, so fühlte man sich in die Tage früherer Kaiser zurückversetzt. Eine entsprechend konservative Haltung bildet jedoch den geistigen Hintergrund für dieses Monument. Das Pfeilerrelief (Abb. 216) bildete den Bauschmuck eines Bogens, den der Senat zu Ehren Diokletians über die K, den heutigen Kspannen ließ. 5 Auch dieser Bogen entstand anlässlich des zwanzigjährigen Regierungsjubiläums beider Augusti. Der Bogen nahm Figurenreliefs älterer Triumphalmonumente und Altäre auf, welche den Bogen verschönerten und durch ihre Bedeutung nobilitierten. Als man den Arcus Novus im 16. Jahrhundert demolierte, gelangten die meisten dieser frühkaiserzeitlichen Reliefs in den Besitz römischer Adelsfamilien. Von den danach benannten
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Abb. 217: Rom: Wandgemälde der sogenannten Dea Barberini.
Della-Valle-Medici-Platten war bereits die Rede (Abb. 126223). Einige der Pfeilerreliefs von der zeitgenössischen Ausstattung des Bogens gelangten hingegen nach Florenz. Sie finden sich dort im Eingangsbereich der Boboligärten aufgestellt. Die diokletianischen Pfeilerreliefs, halten sich ebenfalls an klassisch-römische Vorgaben, wie sie etwa zu Zeiten Trajans oder Hadrians üblich waren (Abb. 169287). Die Göttin Victoria mit Siegespalme auf unserer Abbildung schmückt geziert schüchtern ein Tropaion, unter dem ein besiegter Barbar kniet. Geschwungen elegant und zugleich durch präzise Faltenschwünge gekennzeichnet, so erscheint die Siegesgöttin im Relief. Hinter dieser kalten und schönlinigen Eleganz der Gewandzeichnung verspürt man jedoch keinen Körper mehr. Waren es in der mittleren Kaiserzeit reale Ausdrucksformen und die Mittel plastischer Finesse, so handelt es sich hier wie um ein fernes Abbild. Auch der grandiose Meißelschnitt und die Klarheit der Oberflächenwiedergabe können nicht verbergen, dass der
römischen Skulptur die plastische Substanz abhanden gekommen ist. Auch für die spätere Monumentalmalerei in Rom hat sich ein glänzendes Beispiel gefunden. 6 Das Gemäldefragment zeigt die Verkörperung der Göttin Roma und stammt aus dem Lateranspalast der Fausta, der Gemahlin Kaiser Konstantins (Abb. 217). Die Darstellung der thronenden Göttin, die mit einem golddurchwirkten und purpurverbrämten Gewand angetan ist, spielt eine bedeutende Rolle innerhalb der Kunst des frühen 4. Jhs. Cagiano de Avezano hat die Darstellung so gedeutet, dass die Göttin Merkmale der Roma und der Stammmutter Venus in sich vereine. Er interpretiert diese monumentale Darstellung als eine Wiedergabe des Kultbildes im Venus-Roma-Tempel in Rom. Die Malerei wurde im Palast der Fausta im Lateran angebracht, der jedoch bereits im Jahre 314 n. Chr. von Kaiser Konstantin an den römischen Episkopat verschenkt wurde. Die paganen Malereien müssen daher der unmittelbar vorangehenden Zeit angehören.
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Abb. 218: Rom: Rekonstruktion der Maxentiusbasilika.
Der imperiale Rahmen Am Forum Romanum erheben sich die gewaltigen Baureste der Maxentiusbasilika oder basilica nova (Abb. 218). 7 Benannt ist sie nach ihrem ursprünglichen Auftraggeber Kaiser Maxentius. Es ist jener Augustus des Westens, dessen Heer an der Milvischen Brücke vom Mitregenten und Kontrahenten Konstantin besiegt wurde. Maxentius, Sohn des Maximinian, wurde im Jahre 306 n. Chr. von den Prätorianern zum Augustus ausgerufen. Während seiner bis 312 n. Chr. währenden Regierungszeit ließ Maxentius in Rom mehrere Bauten erneuern (Venus-Roma-Tempel), förderte
maßgeblich die Zirkusspiele und ließ sich vor den Toren der Stadt eine herrschaftliche Villa errichten. Das bedeutendste Bauwerk, das er der Nachwelt hinterließ, war jedoch eine große Hallenbasilika im Einzugsbereich des Forum Romanum. Die Maxentiusbasilika besitzt gewaltige Ausmaße (100 65 m) und unterscheidet sich allein dadurch von den älteren Markt- und Gerichtsbasiliken. Das Mittelschiff der Anlage war mit drei Kreuzgewölben eingedeckt, deren Last von jeweils drei quer gelagerten Tonnenräumen auf der Nord- und Südseite aufgefangen wurde. Den Zwischenmauern dieser abgetrennten Seitenschiffe waren acht Säulen aus
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prokonnesischem Marmor vorgespannt, welche einen Teil der Gewölbelast der Mittelhalle aufnahmen. Die letzte der erhalten gebliebenen Säulen, welche ursprünglich die stattliche Höhe von 14,50 m besaßen, wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts entfernt und ist heute auf dem Platz vor S. Maria Maggiore zu bewundern. Die Maxentiusbasilika besaß ihren Eingang ursprünglich im Osten, wo man über einen Narthex in die gewaltige Halle eintreten konnte. Dem Eingang gegenüber befand sich ein Apsidenraum, der das Tribunal der Basilika aufnahm. Kaiser Konstantin ließ die Basilika seines erbitterten und verhassten Konkurrenten grundlegend verändern. Er verlegte deren Eingangsbereich auf die Südseite, indem er dort eine Vorhalle aus Porphyrsäulen anlegen ließ. An den mittleren Tonnenraum der Nordseite, dem neugeschaffenen Eingang gegenüber, ließ er eine Apside anbauen, die nun die Funktion des Tribunals übernehmen sollte. In diesen Versammlungsbau für die Bevölkerung Roms zog bald nach den Ereignissen des Jahres 311/ 312 die Statue des Siegers Konstantin ein. Die Kolossalstatue des Kaisers nahm nun den Platz des alten Tribunals im Westen der Basilika ein.
Konstantin der Große Der Imperator als Bindeglied zur Welt des Göttlichen markiert den Beginn und das Ende des römischen Kaisertums. Augustus war es, der diese Neuorientierung innerhalb der religiösen Praxis bewusst förderte. Für mehrere Jahrhunderte der römischen Antike stellte die Vergöttlichung des Herrschers zugleich die Allmacht der Staatsgewalt her. Der römische Kaiserkult erfährt seine Umdeutung unter Konstantin dem Großen, der mit der Billigung der christlichen Werteordnung für das Imperium zugleich eine „Gewaltentrennung“ der göttlichen und der weltlichen Instanzen vollzieht. Die Stellung des Kaisertums, auch das sollte mitberücksichtigt werden, bleibt jedoch durch
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alle Stufen des europäischen Mittelalters hindurch eine sakrale. Auch die Würde des „Römisch-deutschen Kaisers“ äußert sich – in der Vorstellung der damaligen Menschen – als Ausfluss göttlichen Gnadenerweises. Setzen wir jedoch mit einem Bild aus den Tagen der Spätantike an: In die Maxentiusbasilika, den Versammlungs- und Gerichtsbau Roms, zieht bald nach den Ereignissen an der Milvischen Brücke die Statue des Siegers ein. 8 Es handelt sich dabei um jenes kolossale Sitzbild, das Kaiser Konstantin im Schema des Iuppiter und ausgestattet mit einem siegbringenden Zeichen zeigte. Teile der Kolossalstatue Konstantins wurden bereits 1486 in der westlichen Apside der Basilika angetroffen. Sie werden seit dieser Zeit im Hof des Konservatorenpalastes auf dem römischen Kapitol aufbewahrt (Abb. 219). Ein neuer Rekonstruktionsvorschlag der Forschung auf der Grundlage der erhaltenen Teile dieser Statue zeigt Konstantin als „weit über die Menschen erhobene Gestalt“, als lebende Gottheit (Iovius). Bemerkenswert bei dieser Rekonstruktion des etwa 12 m hohen Sitzbildes sind Ergänzungen an den Händen, die in ihrer ursprünglichen Herrichtung Iuppiterszepter und Globus getragen haben dürften. Einlassungsspuren (zwei Zapflöcher) an den Handflächen lassen an eine Ergänzung dieser Attribute denken, wie es uns Eusebios von Caesarea, der Biograph Konstantins, in seiner Kirchengeschichte (10,4) berichtet. Das Standbild des Kaisers hätte, für Christen erkennbar, „„jenes heilbringende Zeichen erhalten, welches der wahrhafte Beweis der Virtus ist“. Konstantin, der nachweislich erst auf dem Totenbett die christliche Taufe empfangen hat, bleibt in all seinen Handlungen ambivalent. Er wurde auch, so wie seine Vorgänger auf dem Thron, konsekriert, das heißt, er wurde zum Divus, zum Staatsgott erklärt. Münzbilder zeigen ihn, gleich dem Sonnengott Sol, bei seiner Auffahrt in die Sphäre des Göttlichen, wobei sich ihm – als Symbol wiederum ambivalent – eine Hand entgegenstreckt. Die ersten hier vor-
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Abb. 219: Rom: Kolossalbildnis des Konstantin.
gestellten Bilder markieren in gewissem Sinne jenen Rollentausch, der sich am Ende der heidnisch-römischen Antike vollzogen hat. Der Kaiser als Träger staatlicher Gewalt, er selbst in der Gewandung eines Gottes, vermittelt hin zur über ihm stehenden Gottheit. Der Konstantins-Bogen stellt das bedeutendste Zeugnis der römischen Kunstgeschichte am Beginn der Spätantike dar (Abb. 220). 9 Der Aufbau des Bogens entspricht jenem Schema, das wir auch beim Triumphbogen des Septimius Severus kennengelernt haben (Abb. 195324). Der Ehrenbogen des Konstantin wurde im Jahre 315 n. Chr. anlässlich des zehnjährigen Regierungsjubiläums des Kaisers eingeweiht. In jüngster Zeit wurde mehrfach die Vermutung geäußert, der Bogen entstamme in Teilen bereits der hadrianischen Epoche und Kaiser Konstantin habe diesem Bogenmonu-
ment lediglich Schmuckreliefs aus der Zeit der Adoptivkaiser sowie zeitgenössische Reliefs, die seine Militäroperationen in Italien sowie seinen Sieg über Maxentius zeigen, einfügen lassen. Hinter dieser Kombination verschiedener Bestandteile verbergen sich jedenfalls die Inhalte und die Kernaussage des Konstantins-Bogens, sodass dabei selbst die Frage eines möglichen Vorgängerbogens in den Hintergrund tritt. Wie die Dedikationsinschrift des Bogens ausrückt, wurde das Bogenmonument von Senat und Volk von Rom zum Dank dafür errichtet, dass Konstantin den „Tyrannen“ Maxentius besiegt und so die res publica gerächt hat: Konstantin wird so zum liberator urbis und zum fundator quietis. Der Konstantins-Bogen stellt keinen Triumphbogen im eigentlich Sinne dar, zum einen, weil der Kaiser eine ihm verfeindete, je-
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Abb. 220: Rom: Konstantins-Bogen.
doch römische Heeresformation besiegt hatte, zum anderen, weil Konstantin bei seinem Einzug in Rom die Opferhandlung vor dem Kapitolstempel verweigerte. Die auf dem Konstantins-Bogen dargestellte Ansprache des Kaisers an die Bevölkerung auf den Rostra des Forums bildete den politischen Abschluss seines siegreichen Einzuges in der Hauptstadt (Abb. 221). Rätsel wirft von jeher eine Passage der Inschrift auf, die besagt, Konstantin habe seinen Sieg auf Eingebung einer Gottheit (instinctu divinitatis) errungen. Dies ist von Vielen auf den Christengott bezogen worden, jedoch stellt diese Formulierung keinen klaren Beleg für die religiöse Beziehung Konstantins her. Der Konstantins-Bogen vereint Reliefdar-
stellungen verschiedener Epochen, die von Triumphalmonumenten bedeutender kaiserlicher Vorgänger stammen. Auf der Südseite des Bogenmonumentes werden vier Rundreliefs (Tondi) zwischen der Säulenordnung erkennbar. Diese Rundreliefs zeigen Opferhandlungen an römische Götter sowie Jagdszenen, welche von Kaiser Hadrian und seinem engsten Gefolge durchgeführt werden. Die Attikazone des Bogens ist mit jeweils vier Reliefs geschmückt, welche von einem Triumphbogen des Marc Aurel in Rom stammen. Die auf Postamenten stehenden Statuen gefangener Daker stammen hingegen vom Trajansforum, wo sie den Eingang in die Basilika Ulpia zierten. Die Darstellungen des Konstantinbogens
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11. Kapitel
Abb. 221: Rom: Ausschnitt vom Konstantins-Bogen.
entsprechen einem neuen Verständnis der Wirklichkeit. 10 Zu den konstantinischen Reliefs am Bogen gehören die Friese über den seitlichen Durchgängen, die sich allerdings auch weiter um das gesamte Bogenmonument herumziehen. Auf dem hier gezeigten Friesausschnitt wird die Ansprache (adlocutio) dargestellt, die Konstantin unmittelbar nach seinem Einzug in Rom (312) auf der Rednertribüne des Forums gehalten hatte. Die Rostra bilden dabei einen hieratischen Mittelblock innerhalb der übrigen Gebäudedarstellungen am Forum. Die Rednertribüne selbst wird von Sitzbildern zweier Kaiser, wahrscheinlich Hadrians und Marc Aurels gerahmt. Im Hintergrund sieht
man das tetrarchische Fünfsäulendenkmal. Im Zentrum des Staatsaktes steht der von Senatoren und Gardesoldaten umgebene Kaiser. Das in Wirklichkeit vor der Rednertribüne stehende Volk wird im Relief parataktisch neben der Haupthandlung gezeigt. Obgleich die konstantinischen Friese sich ausdrücklich auf Traditionen berufen, kommen an ihnen die neuen Gesetze der Frontalität und der hierarchischen Anordnung voll zum Tragen. So wird bei der Szene der Ansprache zwar versuchsweise die topographische Situation am Forum wiedergegeben, die Zuhörer der Rede werden jedoch, wie betont, neben den Hauptgeschehen aufgereiht. Damit wird die ursprüngliche Raum-
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tiefe größtenteils durch Flächenschichtungen ersetzt. Ziel ist es offenkundig, ein statusbedingtes Anordnungsprinzip deutlicher zur Anwendung zu bringen. Weitere Beobachtungen gelten dem Figurenstil selbst: Es zeigen sich abwechselnd Figuren, die in den Grund hinein konturiert sind und solche, die sich klar umrissen vom Grund abheben. H. P. L’ L Orange hat bezeichnenderweise von einem „Silhouettenstil“ gesprochen. Es scheint eine weitere Eigenart des Figurenstils zu sein, dass einzelne Körperteile der Figuren in Vorderansicht wiedergegeben werden, obwohl sie eine Seitenansicht verlangen. So werden einzelne Hände „sprechend“ nach vorne zu gezeigt. Ein wesentliches Merkmal bildet das übergangslose Verhältnis zwischen Figur und Grund. Die Figuren werden rechtwinklig dem Grund aufgesetzt, ohne dass etwa die Gewandfalten in die Tiefe hin fortgesetzt werden. Die Figuren haben, überzeichnet formuliert, ihre organische Bindung verloren und stehen wie Marionetten nebeneinander. Diese Mechanismen bringen jedoch weniger ein „mangelndes Können“ der ausführenden Werkstatt zum Ausdruck, wie man angesichts der kurzen Herstellungszeit des Bogens auch postuliert hat, als das Aufkommen neuer gesellschaftlicher Ordnungsprinzipien, die den Beginn einer spätantiken Kunst bezeichnen können (Hans-Peter L’ L Orange). Die neuartige Anbringung des Frieses verbessert zugleich seine Lesbarkeit für den Betrachter. Der entscheidende Schritt, den die konstantinischen Reliefs vollziehen, ist damit jener einer veränderten Bedeutungsperspektive. Anstelle Vorgänge in einem geschlossenen Aktionsraum wiederzugeben – wie frühere Reliefs es tun –, geht es nunmehr um einen Bedeutungsrahmen, den sich die Vorgänge selbst schaffen. Das Spezifische und zugleich Zusammenhängende von Vorgängen ist einer typisierten, von Gesten getragenen Darstellungsformel gewichen. Anstelle eines Bewegungsraumes begegnen uns statische Einheiten.
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Späte Blüte Die Entfaltung der dekorativen Künste hat gerade im 4. Jh. Höhepunkte erfahren, wovon der vereinzelt erhalten gebliebene Ausstattungsschmuck aus Gebäudestiftungen und privaten Villen erzählt. 11 Die aus großteiligen farbigen Marmorplatten gebildete Darstellung zeigt den Konsul Iunius Bassus auf seiner Biga mit den Vorreitern der vier Zirkusfaktionen (Abb. 222). Das Gespann des Konsuls mit seinen prächtigen Schimmeln sprengt nach vorne und reißt den Bildraum expressiv nach vorne zu auf. Spätestens bei diesem enthusiastischen Auftakt bemerkt der Betrachter jedoch, dass nicht die Räumlichkeit an sich oder gar die Bewegung das eigentliche Thema der Darstellung bilden. Es geht um die Bedeutungsperspektive eines Vorganges. Die Eröffnung von Zirkusspielen bildete jeweils ein Großereignis für die Bevölkerung Roms. Für einen römischen Konsul bedeutete der Auftritt im Circus Maximus einen nach außen hin sichtbaren Höhepunkt seiner Amtsführung wie auch Amtsgewalt. Das Marmorgemälde führt nun eine beinahe bizarr übersetzte Einzelaktion solcher Ereignisse vor. Die Erzählung bleibt dabei in ihrer symbolhaften Wirkung stecken, ist von Grund auf statisch. Anstelle übersetzter Naturformen an Pferdekörpern und Gewändern tritt bereits das Ornament. Es ist der Rahmen einer von Grund auf neu erfassten „Wirklichkeit“, welcher uns hier begegnet. Das Repräsentationsbild entstammt den Jahren nach 331 n. Chr. und wurde in der Basilika des Iunius Bassus in Rom gefunden. Der hier Dargestellte war Konsul und wahrscheinlich der Vater des gleichnamigen Stadtpräfekten von Rom. Wir werden dessen Sarkophag an späterer Stelle noch betrachten (Abb. 227363). Reich ist auch die Bildwelt der Mosaiken, die sich zur Zeit der beginnenden Spätantike noch einmal auftut. 12 Dabei bedienen sich die Mosaikkünstler der Provinzen jeweils eigener, lokaler Stile, die sich im wesentlich seit dem 2. Jh. herausgebildet hatten. Das Bad der Villa
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Abb. 222: Rom: Marmorverkleidung aus der Basilika des Konsuls Iunius Bassus. Zirkusspiele.
von Low Ham in Südengland (Abb. 223) wurde, um ein Beispiel zu nehmen, mit Szenen des Liebesabenteuers und dessen schließlich tragischen Ausgangs zwischen Dido und Äneas geschmückt (Vergil, Äneis 1,4). Die Geschichte wird in fünf Szenen unterschiedlichen Formats nacherzählt. Die Bildabschnitte werden dabei sowohl einem zentralen Ansichtspunkt als auch einer umlaufenden Bildfolge unterworfen. Im Mittelpunkt des Geschehens und auch des Mosaikbodens steht die Anstifterin dieses kurzen
Liebesglücks, Göttin Venus, welche vor dem Betrachter durch die Öffnung ihres Mantels ihre erotische Wirkung entfaltet. Das untere Bild des mittleren Bildstreifens bringt den Höhepunkt der Erzählung, den Liebesakt von Dido und Äneas, welcher eigentlich in einer Höhle spielt, in welcher die beiden Liebenden vor einem Sturm Zuflucht suchten. Der rechte Längsstreifen zeigt die durch göttlichen Willen bestimmte Flucht des Helden auf Schiffen in Richtung Italien, wobei sich die Königin Di-
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Abb. 223: Villa von Low Ham (Südengland): Äneasmosaik.
do am Felsufer ihres Heimatlandes in tödlichem Entsetzen noch einmal an einen kranzförmigen Gegenstand krallt, der ihr von Äneas entgegengestreckt wird. Die Darstellung mag in seiner Ausführung, gemessen an jenen Vorlagen, welche dem lokalen Meister zu Verfügung standen, naiv und unbeholfen wirken, sie bringt jedoch die statische Leere des spätantiken Bildraumes glänzend zum Ausdruck. Weniger als ein harmonisches Zusammenspiel der Raumebenen wird hier der innere Vorgang der Geschehnisse bloßgelegt. Die Mosaikkunst in Nordafrika kann ebenfalls auf eine lange Tradition zurückblicken. Dabei zeigt sich schon früh eine Abkehr von den bisher vorherrschenden mythologischen Motiven. Auffällig wird auch, dass die Bild-
erzählungen großflächiger Mosaiken nach einem neuartigen Anlageschema komponiert werden. Ein mehrfarbiges Mosaik aus dem römischen Karthago widmet sich gänzlich der Lebenswelt außerhalb einer römischen villa rustica, verbunden mit den Tätigkeiten des Landlebens, der Einbringung der Ernte oder aber dem Aufbruch zur Jagd (Abb. 224). 13 Im zentralen Blickfeld des Mosaikbodens steht die Darstellung einer Risalitvilla mit eleganter Arkadenloggia und den Kuppelgewölben des Badehauses im Hintergrund. Die Bildfolge im Gesamten wird in Streifen gegliedert, welche jedoch keine eigentliche Handlungsabfolge zu erkennen geben. Durch die nach innen zu gekehrten Figuren jedes einzelnen Bildstreifens werden in sich abgeschlossene Erzähleinheiten
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Abb. 224: Karthago: Mosaik des Dominus Iulius.
aufgebaut. Die Aufwartungsszenen der Bediensteten gelten dabei dem Besitzer dieses großen Landgutes, Dominus Iulius und seiner Gemahlin. Die vornehme Dame wird sogar als Venus präsentiert, eine Bildformel, die jedoch weniger als faktische Überhöhung gedacht ist, sondern ein Sinnbild der Schönheit der Herrin darstellen soll. Sämtliche Figurengruppen, welche die Tätigkeiten auf dem Land repräsentieren, wirken vor einem neutralen hellen Grund
und geben erstaunlich reichhaltige Handlungsmotive wieder. Dennoch bleiben die Gruppen, bei größten Bemühen um Beweglichkeit und gestischen Ausdruck, statisch und wie in Einzelszenen gefangen. Die Mosaikkünstler arbeiten gewissermaßen nach den Kartons eines Monatskalenders, und ihr größtes Verdienst ist es, der Komposition dieses „Teppichs“ einen farbenfrohen und lebhaften Anstrich zu verleihen.
Ergebnisse Die Zeit der Soldatenkaiser markiert für die Kunstproduktion allein in quantitativer Hinsicht einen Einschnitt. Der rasche Wechsel von Kaisern, welche sich in erster Linie um die Belange des Heeres und
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dessen Einsatzfähigkeit an den Grenzen des Reiches zu kümmern hatten, brachte naturgemäß keine überzeugenden Ansätze für die Kunst in der Hauptstadt hervor. Jedoch ist nicht für alle Teile des Reiches ein Rückgang der Produktion von Statuen und Reliefs sowie einzelner Bauaufträge zu vermerken. Handel und Handwerk blühten vor allem in jenen Gebieten, in denen Soldaten ihren Sold in Umlauf brachten. Von einer durchgehenden Krise kann daher auch während des 3. Jhs. kaum gesprochen werden, von einem Rückgang der städtischen Kultur und einem weitgehenden Rückzug der dort ansässigen Eliten jedoch schon. Wir begegnen auch in dieser Periode der vertrauten Schwierigkeit, tragende Stilmerkmale auszumachen. Die stilistische Flexibilität war für die Künste längst zu einer Notwendigkeit geworden. Einzig die Abfolge der Porträts dieser Zeit ist – neben jener der Sarkophage – kontinuierlich und spiegelt auf zugleich berührende Weise die Unsicherheit der Verhältnisse. Der qualitative Wert dieser Bildnisse von Soldatenkaisern und ihres persönlichen Umfeldes liegt dabei auch in den Übergängen, welche ihre plastische Formgebung auszeichnet. Zum einen könnte man von einem beinahe beliebigen Wechsel des Ausdrucks sprechen, welcher sich an den Köpfen dieser kurzlebigen Herrscher ablesen lässt: Energische, vitale Muster wechseln so mit klassizistisch reduzierten Formen und ebenso veristischen Konzepten. Es wäre jedoch verkehrt, darin reine Beliebigkeit zu sehen. Die Soldatenkaiser maßen sich an mehreren Vorbildern und zugleich an einem Bild altrömischer Virtus. Die meisten dieser Bildnisse erreichen dabei keine intellektuellen Horizonte. Wie an anderen Porträts der Zeit auch, ist an ihnen eine „Gemütsverfassung“ der Ungewissheit festzuhalten, welche rein äußerlich übertüncht wird. Erst das von Kaiser Diokletian geschaffene System der Tetrarchie leitete eine neue Periode größter Umstrukturierung ein. Unter Diokletian erfährt nicht nur das Forum Romanum seine letzte grundlegende Erneuerung, auch der Ausbau der neuen Residenzstädte für die Mitkaiser und Caesaren verrät den deutlichen Erneuerungswillen der Zeit. Damit wird auch das Zeitalter der Übergänge in den Kunstformen abgelöst, auch wenn dafür die Machtstellung Diokletians und seiner Mitregenten nicht ausschließlich herangezogen werden darf. Deutlich kommt jedoch gegen 300 n. Chr. eine Änderung des bisher rein heterogenen Konzepts in den Kunstformen zum Tragen – ein grundlegender Orientierungswandel tritt ein. In der Zeit der Tetrarchie begegnet uns, gemessen an den erhaltenen Reliefs, ein gewaltsamer Eklektizismus. Die etablierten Muster spiegeln dabei nur mehr eine Oberfläche der Handlung wider. Wie in der Anfangsphase der römischen Kunst auch, sollte diese Übergangsphase jedoch rasch von weiteren Ausdruckstendenzen überlagert werden, die sich am deutlichsten am Konstantins-Bogen zeigen. Das Prinzip der Überlegenheit wird nun nach außen gespielt. Die Figurenanordnung erhält eine hierarchische Ausrichtung und wird zugleich auf eine symbolhafte Form reduziert. Bereits in der Zeit der Tetrarchie erfährt die Darstellung des Kaiserporträts grundsätzlich neue Züge. Bedingt durch ein neues höfisches Zeremoniell, verändern sich die Formen der Amtstracht und der Insignien. Die Porträtwiedergaben wirken „blockhaft“ und auf ihre physiognomischen Grundformen reduziert. Mit dem Kolossalbildnis Kaiser Konstantins aus der Basilica Nova am Forum hat das Kaiserbildnis der beginnenden Spätantike seine Ausprägung und zugleich gültige Form gefunden.
Dann kam der Kaiser zum Trajansforum. Nach unserer Meinung lässt es sich mit keinem anderen Bauwerk unter dem Himmel vergleichen und verdient sogar nach der Meinung der Gottheiten Bewunderung. Da blieb er wie vom Donner gerührt stehen, und seine Gedanken schweiften um die gigantischen Konstruktionen, die Worte nicht schildern können und die von Menschen nicht noch einmal erreicht werden. Ihm schwand die Hoffung, einen ähnlichen Versuch zu wagen; nur das Pferd Trajans im Mittelpunkt des Atriums, das den Kaiser selbst trägt, wolle und könne er nachbilden, sagte er. Nahe bei ihm stand der Königssohn Hormisdas (…). Mit angeborener Gewandtheit erwiderte er: „Vorher, mein Kaiser, lass einen solchen Stall bauen, wenn du dazu imstande bist! (Ammianus Marcellinus, Res gestae 16,10.15)
12. Kapitel Späte Entfaltung Das neue Kaisertum konstantinischer Prägung markiert eine Bruchstelle zwischen den Ereignissen der späten Kaiserzeit und dem eigentlichen politischen Auftakt zur Spätantike, verbunden mit seinem gesellschaftlichen und religiösen Wandel. Bereits seit der diokletianischen Reichsreform begannen sich die Interessenslagen zwischen den einzelnen kaiserlichen Zentralen und – mehr noch – einer östlichen wie westlichen Prägung der Reichsgebiete insgesamt zu verschieben. Spätestens mit der Einweihung Konstantinopels im Jahre 330 n. Chr. als Roma Nova waren die politischen Akzente neu gesetzt worden. Die Neugründung am Bosporus sollte Rom als Zentrale der Macht ablösen und nicht etwa der Mittelpunkt einer östlichen Reichshälfte werden. Dass sich dieser Schritt im weiteren Verlauf dann doch in Form der 395 n. Chr. endgültig vollzogenen Reichsteilung herausstellte, liegt daran, dass Italien und die westlichen Provinzen deutlich weniger imstande waren, der anhaltenden Bedrohung durch fremde Völkerschaften Einhalt zu gebieten als der Osten. Auf dem Boden Afrikas, Spaniens und schließlich Italiens etablierte sich im Laufe des 5. Jhs. die Herrschaft der Vandalen sowie der Westund Ostgoten. Das Weströmische Reich sollte am Ende des 5. Jhs. institutionell zusammenbrechen, wohingegen das Oströmische noch über ein Jahrtausend fortbestand.
Historischer Hintergrund • 337: Tod Konstantins des Großen, Blutbad in Konstantinopel • 337–361: Konstantin II., Konstans und Konstantius II. neue Augusti • 361–363: Julian Apostata, seit 355 Caesar im Westen, wird Augustus. Kurzfristige Restauration der heidnischen Kulte, Perserkrieg und Tod Julians • 364–375: Valentinian I. • 375: Auftauchen der Hunnen in Europa • 375–392: Valentinians Sohn Valentinian II. wird Augustus; 392 ermordet • 378: Theodosius wird zweiter Augustus; er
• • • • • • •
übernimmt nicht mehr das Amt des Pontifex Maximus 379–395: Theodosius I. 381: Zweites Ökumenisches Konzil von Konstantinopel 391: Endgültiges Verbot der heidnischen Kultpraxis 394: Stilicho führender Heermeister im Westen (ermordet 408) 395: Nach dem Tod Theodosius I. wird Arcadius Kaiser im Osten, Honorius im Westen 401: Aufbruch der Westgoten unter Alarich nach Italien 406: Einfall der Vandalen und Hunnen in Gallien
Späte Entfaltung
• 410: Eroberung Roms durch die Westgoten, Einfall der Sachsen in Britannien • 429: Die Vandalen unter Geiserich setzen nach Nordafrika über • 440–461: Papst Leo I. der Große • 451: Schlacht zwischen einem römisch-germanischen Heerverband und den Hunnen auf den Katalaunischen Feldern • 452: Einfall der Hunnen unter Attila in Italien • 455: Plünderung Roms durch die Vandalen • 476: Romulus Augustulus wird von Odoaker abgesetzt; Ende des Weströmischen Reiches • 488: Die Ostgoten ziehen nach Italien • 490: Sogenannte Rabenschlacht um Ravenna zwischen Theoderich und Odoaker (Odoaker wird 493 ermordet) • 497: Der Kaiser des Oströmischen Reiches, Anastasius; erkennt Theoderich als Herrscher in Italien an • 526 Tod Theoderichs • 527–567: Justinian I. Kaiser im Oströmischen Reich • 1453: Ende des Oströmischen Reiches nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen
Der Sieg des Christentums Es sind neue Baustiftungen, welche das Bild Roms zur Zeit Konstantins und seiner Nachfolger prägen. 1 Die Mosaiken von S. Costanza zählen zu den ältesten erhaltenen Mosaiken aus diesem Zeitalter (Abb. 225). Constanza war die älteste Tochter Konstantins, die der Überlieferung nach in diesem Rundbau beigesetzt wurde. Die Bilder des Umganges sind auf tiefblauem Grund gehalten. Sie zeigen Rankenwerk mit Vögeln und weinlesenden Knäblein, die man als die Nachfolger der Eroten bezeichnen kann. Eine unterhalb angebrachte Szene zeigt die Vorgänge der Weinernte, wobei ein Fuhrgespann die geernteten Trauben zur Kelter bringt. Der dionysische In-
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Abb. 225: Rom: S. Costanza.
halt dieser Darstellungen lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass die Gewölbemosaiken die Grablege einer Christin zierten. Doch der dionysische Inhalt der Sepulkralsymbolik war für Heiden und Christen gleichermaßen verständlich und konnte in späterer Zeit auch neue Bedeutungen annehmen, welche dem christlichen Verständnis eher entsprachen. Der Rundbau von S. Costanza (Abb. 226) vertritt den Typus einer Verehrungsstätte, wie er sich im Zeitalter der Tetrarchen bereits herausgebildet hatte. 2 An der Via Nomentana, außerhalb der Stadtmauern angelegt, wurde der Bau wahrscheinlich bereits als Grablege der Constantia († 354) sowie der Gemahlin des Kaisers, Fausta, angelegt. Das Mausoleum liegt neben der Märtyrerbasilika der heiligen Agnes. Es lag im Bestreben prominenter Grabeigen-
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12. Kapitel
Abb. 226: Rom: S. Costanza.
tümer, auf diese Weise die Fürsprache der Heiligen zu erlangen. Von der ursprünglichen Mosaikdekoration hat sich jene des Tonnengewölbes im Umgang erhalten. Die Mosaikbilder in den Nischen der Querachsen wurden im späteren 4. Jh. hinzugefügt und enthalten nunmehr christliche Bildthemen. Iunius Bassus – sein gleichnamiger Vater ist uns bereits einmal begegnet 3 – war römischer Stadtpräfekt und starb 359 im Alter von 42 Jahren (Abb. 227). Diese Angaben können der Inschrift des Sarkophages entnommen werden.
Er wird dort auch als neugetaufter Christ (neofitus) bezeichnet. Wir dürfen uns die Annäherung oberster römischer Beamter an die neue Staatsreligion eher abwägend vorstellen. Iunius Bassus wurde, vergleichbar Kaiser Konstantin, erst auf dem Totenbett getauft. Die Bildinhalte seines Sarkophages entsprechen jedoch dem christlichen Motivschatz. Die Vorderseite des Sarkophags besteht aus zwei Geschossen einer Säulennischenarchitektur. Die Personengruppen innerhalb der Ädikulen vertreten Szenen des Alten und des Neu-
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Abb. 227: Rom: Sarkophag des Iunius Bassus.
en Testamentes. Wir erkennen in der oberen Reihe das Opfer Abrahams, die Gefangennahme Petri, Christus zwischen Petrus und Paulus und schließlich Jesus als Gefangenen vor dem Richterstuhl des Pilatus. In der unteren Reihe sind wiederum von links beginnend Hiob, Adam und Eva, der Einzug Jesu in Jerusalem, Daniel in der Löwengrube sowie der Apostel Paulus auf seinem Weg zum Martyrium dargestellt. Von den meisten dieser Darstellungen ist zu sagen, dass sie bereits ihre bildliche Ausdeutung in der Katakombenmalerei – also in den „Untergrundjahren“ des Christentums – erfahren hatten. Bei der Übersetzung in die Bildkunst eines Sarkophages erhalten die Szenen nun einen klassisch-römischen Zug – sie werden aus den Traditionen der römischen Bildkunst heraus neu gebildet. Vor allem Gestus und Symbolik der Gegenstände entsprechen den traditionellen römischen Lesegewohnheiten. Sichtbar wird das an der Szene
der traditio legis an Petrus und Paulus. Petrus erhält vom jugendlich thronenden Herrn eine Schriftrolle, die ihm, dem Stellvertreter Christi, in der Tradition der römischen Herrschergeste übergeben wird. Petrus und der ebenfalls mit Schriftrolle ausgestattete Paulus stehen wie zwei würdige römische Konsuln neben ihrem Herrscher. Jesus, der Himmelskönig, thront auf einem durch Löwenstützen gebildeten Thron, dessen Unterbau überhaupt von der Personifikation des Himmelsgewölbes gebildet wird. Der ausführende Meister hat dabei keine Bedenken, den struppigen heidnischen Caelus, der ein velum als Symbol des Himmelsgewölbes über sein Haupt hält, darzustellen. Verfolgen wir weitere Darstellungen wie etwa die Gefangennahme Petri, so kommen Erinnerungen an römische Philosophensarkophage (Acilia) auf. Die christliche Kunst, nunmehr im „offiziellen Gewand“, schließt sich demnach in Themenwahl und Ausführung an die traditionelle
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Abb. 228: Rom: Statue eines Konsulars.
Komponente der römischen Sarkophagkunst an und verbrüdert sich damit mit den Traditionen Roms. In der Qualität seiner Figurencharakterisierung, wenn auch bei deutlich „teigigerer“ Körperbildung, kann es der BassusSarkophag mit den Sarkophagen des 3. Jhs. aufnehmen.
Hauptstadt des Reiches geworden war (Abb. 228). 4 Von dieser Togastatue eines Amtsträgers ist bekannt, dass sie im sogenannten Tempel der Minerva Medica gefunden wurde. Im offiziellen modischen „Outfit“ des Mannes erkennen wir die lange Ärmeltunika und die kunstvoll darüber gelegte Toga der Zeit des späteren 4. Jhs. Der Formbildung dieser Toga und den Stiefeln nach zu schließen, handelt es sich um die Darstellung eines höheren Magistrats, vielleicht sogar eines Konsuls. Der Beamte hält in seiner erhobenen Rechten ein „Signaltuch“ (mappa), wie es für die Eröffnung der Zirkusspiele in Rom Verwendung fand. Vergleichbares können wir auch am TheodosiusObelisken in Istanbul studieren (Abb. 229). Auch die Zeitstufe der Ganzstatue aus Rom entspricht somit ungefähr der dort festgehaltenen Szene. Das mit Sicherheit als Ehrenstatue aufgestellte Standbild wurde von einer erfahrenen Bildhauerwerkstatt, die auf der Höhe ihrer Zeit stand, hergestellt. Die größte Sorgfalt in der Ausführung des Gewandes kann jedoch nicht verbergen, dass die Figur „ent-körperlicht“ wirkt und dementsprechend wie eine Schaufensterpuppe vor uns steht. Die Pracht der Gewänder gibt den Status des Mannes wieder, der Arm öffnet sich zu einer bezeichnenden Geste, doch die römische Plastik hat ihren inneren organischen Zusammenhalt verloren. Das größte Augenmerk galt dem Porträt des Mannes, welches in die Statue eingelassen wurde. Der unnahbare Ausdruck und die statusbezogene Würde dieses Kopfes lassen gerade noch einige persönliche Kennzeichnungen im Gesichtsfeld zu. Trotz alledem müssen wir festhalten, dass das Bildnis dieses Mannes wie erstarrt, auf eine neue symbolhafte Ordnung der Welt hin ausgerichtet wirkt.
Konstantinopel Imperium sine fine Die sogenannte „Konsularstatue“ stammt aus einer Zeit, da Konstantinopel längst die neue
In einem nur sechsjährigen gewaltigen Bauprogramm wurden von Konstantin dem Großen die Grundzüge einer neuen Hauptstadt fest-
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Abb. 229: Istanbul: Sockel des Theodosius-Obelisks.
gelegt. 5 Das neue Rom erhielt gewaltige Stadtmauern, ein neues kreisrundes Forum, das die Porphyrsäule mit dem Standbild des Stadtgründers in seine Mitte nahm sowie ein Hippodrom. Prachtvolle Peristylanlagen und weitere, dem Marmarameer zugewandte Prunkfassaden eines ausgedehnten Kaiserpalastes sollten mit dem Glanz der Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom konkurrieren. Für eine Gleichstellung mit Rom sorgte die Etablierung eines eigenen Senates in Konstantinopel, der sich aus dem Landadel der Umgebung rekrutierte. Auch christliche Versammlungsbauten wie die Apostelkirche, die Irenen-Kirche sowie das für den Kaiser geschaffene Mausoleum gingen auf die Initiative Konstantins, der in dieser Stadt seine letzten Lebensjahre verbrachte, zurück.
Inmitten des Hippodroms von Istanbul erhebt sich ein Obeliskdenkmal auf hohem Reliefsockel (Abb. 229). 6 Die Rennbahn oder der Zirkus der Stadt waren im 4. Jh. zu einem der bedeutendsten Plätze innerhalb der neuen Hauptstadt geworden. Im Jahre 390 ließ Theodosius einen aus dem Tempel von Karnak in Ägypten stammenden Obelisken im Hippodrom von Konstantinopel aufstellen. Der Obelisk war unter Thutmosis’ III. angefertigt worden und dokumentierte dessen Überquerung des Euphrat im Jahre 1471 v. Chr. Das nunmehr für Konstantinopel wiederverwendete Monument bildete die „Mittelinsel“ (spina) der Rennbahn. Ein weiteres denkwürdiges Siegesmal, das die spätantike Rennbahn von Konstantinopel bis zum heutigen Tage ziert, ist die
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bronzene Schlangensäule aus dem Heiligtum von Delphi. Diese wurde im Apollonheiligtum von den verbündeten griechischen Stadtstaaten anlässlich ihres Sieges bei Plataiai (479 v. Chr.) über die Perser gestiftet. Das Hippodrom in Konstantinopel bildete demnach eine Schaubühne für poltische Denkmäler, aber auch für Kunstwerke – erwähnt wird etwa eine bronzene Skylla-Gruppe –, welche aus berühmten Heiligtümern herbeigeschafft wurden. Auch die „Pferde von San Marco“ in Venedig standen mutmaßlich an dieser Stelle und wurden von den christlichen Rittern des vierten Kreuzzuges, welche im Jahre 1204 einen schändlichen Beitrag zur Einnahme und Plünderung der Stadt geliefert hatten, fortgeschafft. Doch zurück zum erhaltenen TheodosiusMonument. Das Postament des wiederverwendeten Obelisken wurde mit Reliefs, die Repräsentationsszenen enthalten, verziert. Der untere Teil des Blocks enthielt eine lateinische und eine griechische Inschrift. Die Reliefdarstellungen auf dem unteren Block zeigen die Aufstellung des Obelisken sowie ein Wagenrennen im Hippodrom. Das Relief oberhalb der lateinischen Inschrift zeigt in einer Mittelloge der Rennbahn Kaiser Theodosius, der einen Kranz
für den Sieger des Wagenrennens bereit hält. Flankiert wird der Kaiser von den obersten Beamten des Reiches. Die untere Zone bringt die Zuschauer des Geschehens in interessanter Anordnung: Gaffer, Tänzerinnen und Musikanten sowie am Rand jeweils zwei Orgelspieler. Das Relief bringt demnach die Vielfalt der Volksbelustigungen zur Anschauung. Die prinzipielle Gliederung des Frieses erinnert noch an die konstantinischen Reliefs in Rom (Abb. 221354). Allerdings schafft die östliche Tradition der Bildhauer auch hier noch größeren Spielraum für die Figurenreihung und die plastischen Übergänge. Die Ereignisse werden nur gemäß ihrer hierarchischen Ordnung dargestellt. Sämtliche Figuren sind dem Kaiser untergeordnet und werden entsprechend ihrem gesellschaftlichen Rang gruppiert. Durch das Prinzip der Frontalität werden zugleich die Verbindungslinien zwischen den Figuren aufgegeben. Die Oberflächenbehandlung der Gewänder erscheint weicher und harmonischer als jene auf römischen Reliefs. Auch die Ausformung einzelner Porträts wird bewusster angegangen, was auf die östliche Bildhauertradition zurückzuführen ist.
Ergebnisse Unsere knappe Auswahl von Zeugnissen der spätantiken Kunstrichtung zeigte, dass sich wesentliche Gesichtspunkte der römischen Kunst bis ins 4. Jh. weiter verfolgen lassen. Trotz der Tendenzen zur Aufteilung eines Westens und Ostens in politischer und kultureller Hinsicht, lebte so etwas wie eine gemeinsame Formensprache in den offiziellen Denkmälern weiter. „Römisch“ innerhalb dieser staatlichen Kunst bleiben vor allem deren repräsentative Auslegung sowie die Leseart der Bilder selbst. Als kontinuierlicher Zweig einer Kunstentwicklung kann auch angesehen werden, dass sich die Tradition etwa der Bildhauerwerkstätten oder Mosaikkünstler ungebrochen fortsetzte. Ähnliches – wenn auch in diesem Band aus Platzgründen nicht ausgeführt – kann für die Weiterentwicklung architektonischer Prinzipien und deren Fortführung technischer und ästhetischer Kriterien konstatiert werden. Ein neuer, ganz wesentlicher Akzent kommt freilich hinzu: jener der christlichen Kunst. Neben den Versammlungsbauten für die Gemeinden entwickelten sich in reicher Zahl Memorialbauten, deren Ausstattung und deren figürliche Themen sich dem Vergleich mit den „heidnischen“ (paganen) Bauten zu stellen hatten. Die seit konstantinischer Zeit geförderte christliche Kunst lebt von der Aufgabe und dem ihr zukommenden Bedeutungsmuster, in öffentlicher Wahrnehmung für möglichst breite Gesellschaftsschichten zu agieren. Für diese Aufgabe waren die Ausdrucksform und Ikonographie der
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bisher im Verborgenen wirkenden „Katakombenkunst“ kaum geeignet. In kurzer Zeit entwickelte sich daher eine Bildkunst für Klerus und Gemeinde, welche zunehmend die Topoi der paganen römischen Bildkunst aufzunehmen bereit war. Damit bildet sich am Ausgang der römischen Antike eine weitere Synthese der Formen und Erzählmuster heraus, welcher eine große Zukunft – jene der christlichen Bildkunst – beschieden sein sollte. Das Verhältnis zwischen Auftraggeber, staatlicher Ordnung und Künstler wird in der Spätantike grundsätzlich neu definiert. Sowohl die Ausdrucksform, der stilistische Duktus, als auch die Bildthemen selbst dürften bis zu einem gewissen Punkt festgelegt worden sein. Diesen Anforderungen hatten sich vor allem jene Denkmalgruppen zu stellen, welche in Rom, Konstantinopel und anderen führenden Zentren des Reiches in durchaus reicher Zahl ausgeführt wurden. Die allgemein hierarchische Vorgabe, welche im politischen System begründet lag, sowie die Tendenz zur „Kanonisierung der Inhalte“ förderten ein verändertes Stilmuster. Trotz der Spannungen zwischen alten und neuen Ausdrucksformen lassen sich anhaltende Traditionen der römischen Staatskunst ausmachen. Dies bildet zugleich einen wesentlichen Punkt jener Kreativität, welcher in der Entwicklungslinie der spätantiken Kunst durchaus festzuhalten ist. Wodurch, so wird man sich abschließend fragen, wird dieser neue Abschnitt hin zur Spätantike definiert? Die Form eines neuen Kaisertums offenbart sich bereits unter Konstantin dem Großen beziehungsweise seinen Söhnen und in noch deutlicherer Stringenz unter Theodosius dem Großen. Dabei bildete das Zeitalter Konstantins nicht nur eine Zäsur in der Ausübung der Herrschaftsform. Es bedeutete auch eine Grenzziehung gegenüber der bisherigen Wahrnehmung und Äußerung der Reichsagenden. Die Regierungsäußerungen Konstantins waren in Wesentlichen durch eine unsentimentale Entschlossenheit gekennzeichnet. Sofort nach seinem entscheidenden Sieg über Licinius im Jahre 324 n. Chr. begann er mit der Errichtung der neuen Hauptstadt. Damit wurden dem alten Rom und seiner konservativ verharrenden Senatsaristokratie wesentliche Grundlagen entzogen. Der seit längerem schwelende Streit einzelner christlicher Gemeinden und deren theologischer Wortführer zwangen ihn zum Eingreifen in dieser heiklen Angelegenheit. Im Jahre 325 n. Chr. wurde in Nicäa das erste Ökumenische Konzil abgehalten, welches die Wesenseinheit des Sohnes mit dem Vater (Homousie) festlegte. Das unter dem Vorsitz des Kaisers agierende Bischofskollegium verstand sich somit in gewissem Sinne als Kirche des Imperiums. Der Kaiser selbst fungierte als Bindeglied zur Welt des Göttlichen. Das Orthodoxiedekret Theodosius’ I. legte schließlich aus „Machtvollkommenheit“ des Kaisers fest, was der rechte Glaube ist. Die heidnischen Kulte wurden formell eingestellt. Rom und die Gesellschaft des Imperium Romanum waren damit unter neuen göttlichen Schutz gestellt. Eine Kunst der Spätantike beruht dabei im Wesentlichen nicht auf dem Rückzug, sondern wagt den Aufbruch in neue Gedankenwelten und einen neuen Formenkanon. Damit wurde sie einer im Umbruch befindlichen Gesellschaft gerecht. Unsere Aufgabe war es, den Weg der römischen Kunst bis hierher zu verfolgen. Seit dem 3. Jh. lösen gewaltige Migrationsbewegungen barbarischer Völker soziale und kulturelle Umwälzungen größten Ausmaßes aus. Innerhalb dieses jahrzehntelangen Vorganges der Neuverteilung von Völkerschaften über ganz Europa blieb auch das Imperium Romanum nicht verschont. Tief greifende soziale und geistige Veränderungen bestimmen die spätantike Welt. Die in mehreren Schüben und Etappen verlaufende Völkerwanderung besiegelt schließlich den Zusammenbruch des Weströmischen Reiches. 7
Quamdiu stabit Colyseus stabit et Roma. Quam cadet Colyseus cadet et Roma. Quam cadet Roma cadet et mundus. (Beda Venerabilis, 7. Jh.)
Roma Aeterna Die Kolossalfiguren der römischen Dioskuren als „Rossebändiger“ beherrschen seit dem Jahr 1589 den Platz vor dem Quirinalspalast in Rom (Abb. 230). 1 Die Standbilder stammen aus den Thermen Kaiser Konstantins und vertreten dabei Schöpfungen der mittleren Kaiserzeit, welche sich wiederum an griechische Vorbilder verschiedener Zeitstufen anlehnen. Zwischen dem als Brunnenanlage gestalteten Monument befindet sich einer jener Obelisken, die ursprünglich vor dem Mausoleum des Kaisers Augustus am Marsfeld aufgestellt waren. Dieses im heutigen Bild der Stadt Rom weithin sichtbare Monument bildet für uns eine Brücke hin zu abschließenden Überlegungen, welche das Bild der römischen Kunst abrunden sollen. Rom und die noch junge Republik betrieben in mehreren Anläufen eine Politik, welche ihr die Vorrangstellung innerhalb Italiens sichern sollte. Im Verlauf der Auseinandersetzungen mit den Handelsmächten der Griechen und Karthager gewann Rom die Oberhand. Schließlich gelang es dem Imperium dank kluger politischer Einschätzung und natürlich der Strategie und Kampfkraft seiner Truppen, das Erbe der hellenistischen Reiche anzutreten. Damit war auch rein äußerlich für Rom der Anlass gegeben, sich die Kultur des Hellenismus in einem umfassenden Sinn anzueignen und sich deren Erfahrungen auf dem Gebiet der Künste zu Eigen zu machen. Römische Kunst kann so über weite Teile als Kunst der Übersetzung begriffen werden. Diese Phase unmittelbarer Rückgriffe und Aufnahmestufen eines „Hellenismus in Italien“ endet zwar beileibe nicht mit dem Ende der republikanischen Periode, gewinnt jedoch mit der „Kunst um Augustus“ eine neue Qualität. Aus der Synthese ver-
schiedener Vorbildstufen entsteht eine neue Formensprache der römischen Kunst, welche aus dem staatlichen Kontext heraus wirkt und die privaten Kunstäußerungen mit beeinflusst. Wir haben uns im vorliegenden Band vorwiegend mit den Besonderheiten der Kunstentwicklung auseinandergesetzt. Eine solche – kunstwissenschaftliche Betrachtungsweise – misst die Kunst Roms hauptsächlich anhand bestimmter Formkonstanten sowie ästhetischer Kriterien. Dabei war unübersehbar, dass der Auftakt hin zu einer erkennbar eigenständigen Note der Kunst erst spät erfolgte. Historisch betrachtet, setzen die Äußerungen der Kunst in Rom jedoch bedeutend früher ein. Rom bildete dabei ursprünglich einen Strang jener vielteiligen „mittelmeerischen Kunst“ (Guido Kaschnitz von Weinberg), deren führende Träger die Griechen und Etrusker waren. Diese Fragen nach dem formalen, aber selbst nach dem faktischen Beginn von Kunstäußerungen treten heutzutage zunehmend in den Hintergrund. Die Publikationen der letzten Jahre werfen primär Fragen zum funktionalen Rahmen der römischen Kunst auf. Damit steht nicht die Ästhetik der Kunstwerke im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern deren Einbindung in das Bedeutungsdreieck von Auftraggeber, Funktion und Aufstellung. Kunstwerke und Denkmäler werden so als Dokumente historischer Menschen und ihrer Lebenswelt begriffen. Gewiss lässt sich römische Kunst nicht ohne ihren gesellschaftlichen Auftrag verstehen. Jede Kunst wirkt auf ein Publikum hin und erfüllt so seine Aufgabe. Dennoch entfaltet jedes autonome Kunstwerk eine eigenständige formale und ästhetische Note, welche den Betrachter unabhängig von solchen „Botschaften“ (Tonio
Romana Aeterna
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Abb. 230: Rom: Dioskurenstatue vom Quirinal.
Hölscher) anzusprechen sucht. Römische Kunstwerke nehmen in ihrer Konzentration auf Status, politische Bedeutung und gesellschaftliche Reichweite in mancherlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Rom hat es vom Beginn der Entwicklung an verstanden, das Regelwerk der Architektur und die „Macht der Bilder“ (Paul Zanker) für die Belange des Staatswesens einzusetzen. Vor dem Hintergrund dieser normbildenden Komponente wird es verständlich, die Römer als Lehrmeister für die abendländische Kunst zu sehen. Ein weiterer, wie es scheint diametraler Gesichtspunkt sollte ebenso beachtet werden: jener der Vielfalt der Kulturen im Imperium Romanum. Die von Rom einverleibten Provinzen boten
auf Grund ihrer einheimischen Bevölkerung und deren Traditionen von sich aus ein buntes Bild. Diese eigenständige Note wurde von Rom auch nicht grundsätzlich unterdrückt, sondern in ihrer Vielfalt genutzt. Vereinheitlichung wurde nur in zentralen religiösen und rechtlichen Fragen, den Belangen des Staates oder in Fragen des Kaiserkultes angestrebt. Die Möglichkeiten zu eigenständigen Entwürfen der Lebenshaltung blieben so für weite Teile der Bevölkerung gewahrt, wovon auch Gegenstände privaten Lebens sowie zahlreiche Zeugnisse der Grabkunst sprechen. Auf diese Weise bildete Rom den ersten multikulturellen Vielvölkerstaat und bereitete so den Nährboden für die künftige europäische Staatenwelt.
Anhang
A: Mauertechniken
C: Röm. Amphitheater
B: Bogenkonstruktion
E: Gewölbeformen
D: Röm. Kolossalordnung
Anhang
F: Rom: Pantheon
H: Röm. Ehrenbogen
G: Röm. Tempel
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Anmerkungen Einleitung Zum Sergier-Bogen: Traversari 1971; De Maria 1988, 251–252; Fischer 1996, bes. 58–62; Letzner 2005, 25–32. – Allgemein zur Bedeutung der Ehrenbögen: Roehmer 1997; Fähndrich 2005. 2 A. Degrassi, in: Traversari 1971, 39–44. 3 Rom, Museo Nazionale in Palazzo Massimo alle Terme, Inv. 1286–1288, augusteische Zeit. – Helbig III Nr. 2489 (B. Andreae); Hölscher 1967, 135; Aichholzer 1983, 57 Kat. 118; R. Capelli, Il fregio dipinto dell’Esquilino e la propaganda augustea del mito delle origini, in: La Regina 1988, 51–58; Carandini-Cappelli 2000, 216–217. 4 Ricci 1999. 5 Zum archäologischen Hintergrund: Ausstellungskatalog Enea nel Lazio 1981. 6 K. Schauenburg, Äneas und Rom, Gymnasium 1960, 176–190. 7 Gleichfalls gilt es aber historisch als erwiesen, dass am Werden der Stadt am Tiber schon im 6. Jh. v. Chr. griechische Händler mit ihren Anteil hatten. 8 D. Timpe, Fabius Pictor und die Anfänge der römischen Historiographie, in: ANRW 1.2, 1972, 928–969. 9 Naevius, Bellum Poenicum (ca. 249 v. Chr.) RL 1, 53. 10 Vor allem W. Suerbaum, Vergils „Aeneis“. Epos zwischen Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 1999. 11 Einen aktuellen Überblick zu den Provinzen des Imperium Romanum bietet: Bechert 1999. 1
1. Kapitel Der lange Weg Roms 1 Zur Chronologie im Überblick: Bengtson 1982; H.-J. Gehrke – H. Schneider (Hg.), Geschichte der Antike. Ein Studienbuch, Stuttgart/Weimar 2000. 2 Einen anschaulichen Überblick zu „Italien vor der Römerzeit“ bietet Pallottino 1987. Zur Periodisierung der Frühzeit: G. Bartoloni, Roma e Lazio archaico, Rom 1987, bes. 44 (Tabelle); allgemein Holloway 1994. 3 Mit der Frage der Anfänge der Kunst in Rom beschäftigt sich: Cristofani 1992. 4 Vgl. Cifani 1998. 5 Der bahnbrechende Ausstellungskatalog: Rom 1990 „La grande Roma dei Tarquini“ bietet eine Zusammenstellung der wichtigsten archäologischen Ergebnisse der letzten Jahrzehnte und zeigt die wichtigsten Bauten und Artefakte aus der Frühzeit Roms und der umgebenden Siedlungen. Eine differenzierte Betrachtung der Früh-
zeit Roms sowie der architektonischen Leistungen dieser Periode bietet: Kolb 2002. 6 Rom, Museo Nazionale Romano in Palazzo Massimo alle Terme, Inv. 324, H 1,1 m, 124 n. Chr. – Helbig III Nr. 2306 (E. Simon); Aichholzer 1983, 76–88 Nr. 198; LIMC VI,1 (1992) s. ‚Lupa Romana‘ 294 Nr. 15 (R. Weigel); La Regina 1998, 59–60; Carandini-Cappelli 2000, 236 mit Abb. 7 Titus Livius, Ab urbe condita, 1,3.10–1, 6.2; Plutarch, Romulus 2–8. 8 Romulus tötet Remus im Streit um die erste kümmerliche Befestigungsmauer: Titus Livius, Ab urbe condita, 1,6.3–1, 7.3. 9 Allgemein J. Scheid, Romulus et ses Frères, Paris 1990. 10 Ausführlich: Enea nel Lazio 1981. 11 Lupercalia, 15. Februar: Wettlauf der nur mit einem Lendenschurz bekleideten jungen römischen Adeligen durch Rom. Schläge mit Fellstreifen an Mädchen, als Ritual der Fruchtbarkeit. Vgl. Rüpke 2006, 176. 12 d. h. „oberster Brückenbauer“, höchstes Priesteramt in Rom; noch heute Ehrentitel des Papstes. 13 Titus Livius 1,8.5–1, 13.5; Ovid, Fasti 3, 109–228. 14 Ergebnisse bei: Gjerstad 1953–1973; Müller-Karpe 1959; ders., Zur Stadtwerdung Roms, Heidelberg 1962; Massimo Pallottino, Le origini di Roma, ANRW I 1 (1972) 22–46; A. Grandazzi, La fondazione di Roma, Rom 1993. Den aktuellen Forschungsstand bietet: Holloway 1994. 15 Kolb 1984, 141–146; ders. 2002, bes. 54–69: Stadtgründung oder Stadtwerdung? 16 Ch. J. Smith, Review of Archaeological Studies on Iron-Age and Archaic Latium, JRA 7, 1994, 285–302; ders. Early Rome and Latium, POD 1996. 17 Tacitus, Annalen 15, 43. 18 Zur Stadtgründung: Carandini-Cappelli 2000, 119–134 (Roma quadrata); ebd. P. Pensabene, Le reliquie dell’età Romulea e i culti del Palatino, 74–84. 19 St. M. Puglisi u. a., Gli abitatori primitivi del Palatino attraverso le testimonianze archeologiche, in: Monumenti antichi dei Lincei 41, 1951, 3–146; A. Balland, La casa Romuli au Palatin et au Capitole, REL 62, 1984, 57– 80. 20 Dionysios von Halikarnass, Antiquitates Romanae 1,79.11; Plutarch, Romulus 20, 4. 21 Dieser schrieb eine Geschichte Roms (bis zum Jahre 264 v. Chr.), in der er viele frühere Zeugnisse und Schriftquellen verarbeitete. 22 Vgl. auch C. Ampolo, Die endgültige Stadtwerdung Roms im 7. und 6. Jh. v. Chr., in: D. Papenfuss – V. M. Strocka (Hg.), Palast und Hütte, Mainz 1982, 319–324.
Anmerkungen Allgemein: Der Orient und Etrurien. Zum Phänomen des Orientalisierens im westlichen Mittelmeerraum. Akten des Kolloquiums Tübingen 1997, Pisa 2000; Principi etruschi tra mediterraneo ed Europa. Ausstellungskatalog Bologna 2000, Bologna 2000. 24 Einen Überblick zu den Grabungsergebnissen der „Regia“ bietet Holloway 1994, 51–67. 25 S. B. Downey, Architectural Terracottas from the Regia, Princeton University Press 1994. 26 Dionysios von Halikarnass, Antiquitates Romanae 1,5.1; 29.2. 27 Cicero, De re publica 2, 10. 28 Zum historischen Deutungsmuster der Bedeutung Roms bei Strabon 5,3: vgl. Kolb 2002, 13–18 bes. 17. 29 Überblicksliteratur zum Forum Romanum: Grant 1970; Zanker 1972; Coarelli 1983/1985; Freyberger 2009. 30 In der Barockzeit wurde freilich die von Gras überwucherte Fläche des Forums mit seinen dazwischen herausragenden Säulenstümpfen nutzungsbedingt als campo vaccino (Kuhweide) bezeichnet. 31 Zusammenfassend: Holloway 1994, 81–88; Kolb 2002, 79–81 mit einer differenzierten Interpretation der Befunde im Lapis-niger-Bezirk. 32 G. Boni, Stele con iscrizione latina arcaica scoperta nel Foro romano. Roma, Tipografia della R. Accademia dei lincei, 1899; ders., NSc 1901, 151. 33 Festus, 184L. Zur Begräbnisstätte des Romulus: Dionysios von Halikarnass, Antiquitates Romanae 1,87.2; Horaz, Epistulae 16, 13–14. 34 CIL I 4.1. Maße: 47 52 cm. Das aus Veji stammende Material (Tuffstein) des Inschriftenblocks bereitet der Forschung Probleme, weil die Steinbrüche von Veji von den Römern wahrscheinlich erst nach der Eroberung von Veji (396 v. Chr.) genutzt wurden. 35 Zur Inschrift des Lapis niger: Coarelli 1975, 63–65; Aigner-Foresti 2003, 95. 36 G. Vallet u. a. (Hg.), Mégara Hyblaea, Rom 1983, 61– 63. 37 Zur Datierung des Heroons (6.–4. Jh.): F. Ammannato, Appunti di Giacomo Boni sul Lapis niger, BCom 89, 1984, 245–248. 38 Zur Baugeschichte und Bedeutung des Saturn-Tempels: L. Richardson, AJA 84, 1980, 51–62; Pensabene 1984; Simon 1990, 193–195; Schollmeyer 2008, bes. 79–83. 39 Dazu Simon 1990, 193–199 (von Satres zu Kronos). 40 B. H. Krause, Iuppiter Optimus Maximus Saturnus. Ein Beitrag zur ikonographischen Darstellung Saturns, 5. TrWPr, Mainz 1983. 41 Zu den Ergebnissen der Bauforschung: Pensabene 1984. 42 Zum Castor-Tempel: Nash I, 210–213; Heilmeyer 1970, 123; S. Sande, J. Zahle, in: Hofter 1988, 213–224; I. Nielsen, J. Zahle, ActaArch 59, 1988, 1–14; S. Sande, Archeologia 23
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Laziale 10, 1990, 38; Slej–Cullhed 2008; Nilson-PersonSande-Zahle 2008. 43 Vgl. „Castorei-Inschrift“ aus Lavinium, ca. 500 v. Chr.: R I 109. 44 Zu den Tempelformen: weiterhin v. Hesberg 2005, 80–84, Abb. 22; Schollmeyer 2008, 106–107. 45 Dieser Politiker aus alter und bedeutender Familie konnte im genannten Jahr in Rom seinen Triumph über die Dalmater (d. h. Bevölkerung Dalmatiens) feiern. 46 Zum Forum Boarium: Coarelli 1988, bes. 61–77. 47 Ritter 1995, bes. 18–20 (Ara Maxima). Allgemein zu den religiösen Aspekten: Rüpke 2001. 48 Vom Verfüllmaterial der archaischen Kultanlage stammen unter anderem Gefäße, die auf das 14./13. Jh. v. Chr. zurückreichen (sog. ‚Apennin-Ware‘). Diese stammt von einer höher gelegenen Siedlung am Kapitolinischen Hügel, deren Teile auf das erste Heiligtum von S. Omobono herabgestürzt sein dürften. Auch griechische Importkeramik der spätgeometrischen und früharchaischen Periode, die auf die Handelsbeziehungen Roms zur Zeit seiner Gründungsphase schließen lässt, wurde im Bereich dieser Grabungen gefunden. Zusammenfassend: Holloway 1994, 68–80. 49 H. Lyngby, Beiträge zur Topographie des Forum Boarium (Lund 1954); Paolo Somella, Area Sacra di S. Omobono. Contributo per una datazione della platea delle templi gemelli, Quaderni dell’Istituto di Topografia 5, 1968, 63; Kat. Roma repubblicana (Coarelli 1975) 100–105; Enea nel Lazio 1981, 115–149; Cristofani 1990, 115–141. 50 In letzter Zeit ist man jedoch über die klare Phasentrennung dieser Tempel in der Bauforschung wieder uneins, und es ist durchaus möglich, dass es sich lediglich um einen einzelnen Tempelbau der Zeit um 540/530 v. Chr. handelt. Zur Diskussion s. Colonna 1991. 51 Der Bau und sein Schmuck bilden nach Meinung der meisten Forscher (etwa Cristofani) einen Anfangspunkt für künstlerische Zeugnisse aus Rom. Es handelt sich um ein Kultgebäude mit reicher Ausstattung, das von den Kulturkontakten Roms und seiner „Internationalität“ am Ende der Königszeit zeugt. 52 Varro, De lingua Latina 6,17; Ovid, Fasti 6,771–784. 53 Von einer „vorgeblich annalistischen Überlieferung“ spricht Kolb 2002, 89. 54 Simon 1990, zu Abb. 77. 55 Rom, Konservatorenpalast, Ant. Com., Inv. 14914, H 1,4 m, ca. 540/30 v. Chr. Zur Rekonstruktion der Gruppe: Anna Sommella Mura, BCom 23, 1977 (Datierung 3. Viertel 6. Jh. v. Chr.); Kat. Enea nel Lazio 1981, bes. 121–122; LIMC II (1984) 1101 Nr. 386; Cristofani 1990, 119– 120; Ritter 1995 (Hercules) 21–22. 56 Simon 1990, bes. 60–61. 57 Coarelli 1988 (Foro Boario), 205. 230–234. 58 Ovid, Fasti 6, 573; Varro vgl. Anm. 63.
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Anmerkungen
Allgemein zu Terrakottagiebeln: Andren 1940; Felletti Maj 1977. Zusammenfassend zum Bauschmuck: Schollmeyer 2008, 50–54. 60 Mario Moretti, Etruskische Malerei in Tarquinia, Köln 1974, 22–34. 61 Allgemein Aberson 1994. – Zum Siegesmonument des Feldherren: Mario Torelli, Il donario di M. Fulvio Flacco nell’area di S. Omobono, Quaderni dell’Istituto di Topografia 5, 1968, 71. 62 Coarelli 1975, 103; Abb. EAA IV Suppl. (1994) 827 Abb. 1063. 63 Plinius, Naturalis historiae 34, 34. Nach neueren Überlegungen lag das Fanum Voltumnae unmittelbar bei Orvieto. 64 Aufnahme nach G. Pugliese Carratelli (Hg.), Rasenna, Storia e civiltà degli Etruschi (1986) Abb. 342: Modell Rom, Università La Sapienza. M. Verzár Bass, Zur Datierung des Tempels A in Pyrgi (S. Severa), AA 1982, 89–111; Rowe 1989, 49–58; Cristofani 1990, 194; Simon 1990, 94 ebd. zur Rolle der Gottheiten von Pyrgi: Uni-Astarte/ Mater Matuta-Leukothea. 65 Rom, Villa Giulia, H 1,32 B 1,37 m. – Die Figuren ragen bis zu 40 cm aus der Friesplatte heraus, ca. 480 v. Chr. 66 Die reiche Tradition der Koroplastik in Etrurien wird bereits früher durch die Demaratos-Geschichte zum Ausdruck gebracht. Ein reicher Adeliger aus Korinth soll demnach um die Mitte des 7. Jhs. nach Tarquinia ausgewandert sein: Es ist dieser Mann niemand geringerer als der Vater des Tarquinius Priscus. Demaratos, der Tonmodellierer und Maler mitnimmt, wird so zum Begründer einer Tradition im an Marmor armen Etrurien. 67 Vgl. H. Knell, Der tuskanische Tempel nach Vitruv, RM 90, 1983/1, 91–101. 68 Allgemein Andrén 1940; Rowe 1989; Giovanni Colonna (Hg.), Santuari d’Etruria, Katalog der Ausstellung Arezzo, Mailand 1985. 69 In Auswahl: B. Andreae, A. Hoffmann, C. WeberLehmann, Die Etrusker. Luxus für das Jenseits. Ausstellungskatalog Hamburg 2004, München 2004; S. Scheffler, Die Geburtshelfer Roms, AW 2/2008, 8–16. 70 Neuere Überlegungen zum Kapitolinischen Tempel finden sich bei: Stamper 2005, 19–33. 71 Der 69 v. Chr. eingeweihte Nachfolgebau war höher als der ursprüngliche Tempel: vgl. Münzbild, geprägt 78 v. Chr., zur Zeit der Baumaßnahmen (Simon, Götter 112). Im Jahre 69 n. Chr. (Vierkaiserjahr) brannte auch dieser Tempel völlig ab. Kaiser Vespasian begann im Folgejahr mit den Baumaßnahmen für den Neubau. Dem Bericht des Tacitus zufolge (Historien 4, 53) wurde der Tempelneubau auf dieselben Fundamente gestellt, „denn die Götter wollten keine Veränderung der alten Form“. 59
Plinius, Naturalis historiae 33,16.111; Polybios 3, 22; Dionysios v. Halikarnass 4, 61.3; Ovid, Fasti 1, 201. 73 Zur römischen Annalistik: Livius 1, 37.7; 1,53.3; 1,55–56. 74 Eine aktuelle Zusammenstellung archäologischer Forschungen bietet der Katalog: „Tempio di Giove“, s. Albertoni-Damiani 2008; ebd. zum archaischen Tempelschmuck: 17. 75 Livius 7,3.5: Im Jahre 304 v. Chr. zählte man angeblich 204 solcher Nägel! 76 Kolb 2002, 95. 77 Vgl. Gjerstad 1953. Dionysios v. Halikarnass überliefert die Riesenmaße des Tempels (4,61.3). 78 Etwa Albertoni-Damiani 2008: Man kehrt wieder zur ursprünglichen Frühdatierung zurück. 79 Vgl. v. Hesberg 2005, 85: „In jüngster Zeit hat John W. Stamper anhand der Fundamentreste einen neuen Rekonstruktionsvorschlag vorgelegt, der von der Bauforschung noch weiter zu diskutieren sein wird“. 80 Grundlegend: Drerup 1974. Zur Zeitstellung des Kapitolstempels in Rom vgl. ebenfalls Ferdinando Prayon, Zur Baupolitik im archaischen Rom, in: Bathron, Festschrift Heinrich Drerup (1988) 331–342. 81 Drerup 1974, 11. 82 Gerade die letzte Beurteilung muss wahrscheinlich noch erweitert werden. Der Kapitolstempel weist seiner Zeit weit voraus. Er übersteigt die Grundfläche der gleichzeitigen Tempel in Etrurien und Latium um das vier- bis fünffache. 83 Ferdiando Castagnoli, Sul tempio italico, RM 73/74, 1966/67, 10–14; ders., Peripteros sine postico, RM 62, 1955, 139–143. 84 Ambros J. Pfiffig, Religio Etrusca (1975); ders., Einführung in die Etruskologie (1984) 67. 85 Andere Quellen beziehen sich ebenfalls auf Meister aus Veji, die mit den Arbeiten am Tempel beauftragt wurden (z. B. Festus 342). 86 K. Latte, Römische Religionsgeschichte, München 1960, 150. 87 Museo di Praeneste Inv. 80546, lunensischer Marmor, H 0,9 B ca. 1,2 m, mittlere Kaiserzeit. LIMC VIII Zeus/Iuppiter Nr. 479 (A. Constantini); N. Agnoli, Museo Archeologico Nazionale di Palestrina. Le sculture (2202) Nr. I.31, 118–127; Rüpke 2006, 78 Abb. 6. 88 Helbig I, Nr 176 Jupiter Verospi (v. Steuben); Martin 1987, 131–144. 89 Rom, Villa Giulia, H 16 cm, Anfang 4. Jh. v. Chr. Helbig III Nr. 2813; M. Moretti, Il Museo Nazionale di Villa Giulia, Rom 1967, 198 Abb. 153. Aufnahme nach M. Sprenger, G. Bartoloni, Die Etrusker. Kunst und Geschichten, München 1977, 141 f. Taf. 203; Mansuelli 1979, 128 (faliskischer Kulturkreis); M. Cristofani, Die Etrusker, Stuttgart 2006, 198 (dort ans Ende des 5. Jhs. v. Chr. datiert). 72
Anmerkungen Allgemein zum römischen Triumph: Künzl 1988. Antiquarium am Palatin, erh. H 14 cm, Anfang 3. Jh. v. Chr. EAA Suppl. IV (1994) 831 Abb. 1064. – Aufnahme nach: Hoffmann-Wulf 2004, 20 ff. Abb. 34. 92 Bildet der Victoria-Tempel am Palatin eine Art Antwort auf die Siege und Eroberungen Roms in Samnium zu Beginn des 3. vorchristlichen Jahrhunderts, so spiegelt der jüngere Magna-Mater-Tempel eine andere Phase der religiösen wie politischen Entwicklung wider: Er wurde auf „Geheiß“ der Sibyllinischen Bücher gegen Ende der Punischen Kriege in Rom angelegt. Eine Gesandtschaft der Römer musste damals die Reise nach Kleinasien antreten, um dort, in Pessinus, einen schwarzen Kultstein der Göttin zu erbitten und nach Rom zu bringen (Livius 29, 11). Mit diesem Ereignis wird die bewusste Einführung griechischer Gottheiten in Rom bezeichnet. 93 Etwa der „Apollo“ vom dortigen Tempelgiebel: Sprenger-Bartoloni 1977 a. a. O., zu Taf. 240–241. 94 Cristofani 1992, 123–138 Taf. 31–33: Großbauten stehen für ihn am Beginn einer fassbaren Geschichte, die von der politischen Macht getragen wird. 95 Der Aventin wird später von den Plebejern in Beschlag genommen. 495 v. Chr. wird ein Tempel für Ceres, Liber und Libera errichtet. Darin befand sich das Bronzebild der Ceres vom Vater des Spurius Cassius: Plinius, Naturalis historiae 34, 15–16; Livius 2, 42.10. 90 91
2. Kapitel Zeugnisse der frühen römischen Kunst 1 Zu den frühen Koloniestädten: v. Hesberg 1985; Lorenz 1987. 2 Allgemein zur frühen Staatskunst in Rom: Hölscher 1978; Lahusen 1983, bes. 18–22 (Forum Romanum); Torelli 1997. 3 rostrum = Schiffsschnabel (pl. rostra). Die römische Rednertribüne am Forum Romanum war als Symbol des Sieges mit den bei der Schlacht von Antium (338 v. Chr.) erbeuteten Schiffsschnäbeln geschmückt. 4 G. M. De Rossi, Segni, Rom1982; Lorenz, 1987, 84. 5 Zusammenfassende Untersuchungen zu einzelnen Städten enthalten die Bände der Reihe „Forma Italiae“. Etwa zu Cori: Paola Brandizzi Vittucci, Cora, FI I.5, Rom 1968. 6 Lorenz 1987, bes. 84–122. 7 Zu den Coloniae maritimae: v. Hesberg 1985 8 Allgemein G. Lugli, La tecnica edilizia romana, 2 Bde., Rom 1957; Adam 1994. – Befestigungsanlagen in Italien: Miller 1995, ebd. zu Segni 388–389. 9 R. Delbrueck, Das Kapitolium von Signia, Rom 1903; Cifarelli 2003. 10 Kolb 2002, 119–130; Schollmeyer 2008, 79–92. 11 E. Simon, Apollo in Rom, JdI 93, 1978, 202–227. Zu-
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sammenfassend zum Apollo-Sosianus-Tempel: Schollmeyer 2008, 103–105. 12 Säflund 1932; Coarelli 1975, 18–22; ders., Kat. Roma repubblicana 1975, 7–31; Todd 1978; Miller 1995, 106–116. 13 Kolb 2002, 141, 684 Anm. 16; P. A. Brunt, Italian Manpower 225 B.C.–A.D. 14, Oxford 1971. 14 Kolb 2002, 146–148. 15 Schmuhl 2006 bes. 291–300; König 2009, 55. 16 C. Krause, Die bauliche Gestalt des Comitiums, RM, 83, 1976, 31–69 (= Krause 1976); Carafa 1998. 17 Zu Wirtschaft und Stadtbild im Rom des 4./3. Jhs. weiterhin: Kolb 2002, 148 ff. mit Planskizze der Tempel S. 152. 18 Generell: Lahusen 1983. 19 Tönernes Standbild der Minerva, H 1,96 m, Deposita Soprintendenza Archeologica Lavinio. – Kat. Enea nel Lazio, 187 ff. D 61. – Zum Heiligtum ebd. 187 ff. 223 ff.; M. Torelli, Lavinio e Roma, Rom 1984; Simon 1990, 170 Abb. 219; Ausstellungskatalog ‚The Western Greeks‘, (Hg.) G. Pugliese Carratelli, London 1996, 610–611 Nr. 402; E. Simon, Römische Wassergottheiten, AW 2000/3, 247–260, bes. 259 Abb. 20. 20 z. B. Athena Rospigliosi, Florenz Uffizien. A. Borbein, MarbWPr 1970. 21 Zusammenfassend: Holloway 1994, 128–141. 22 Sommella 1974. 23 A. Alföldy, Das frühe Rom und die Latiner, Darmstadt 1977, 241. 24 Original, Rom, Konservatorenpalast, Braccio Nuovo Inv. 1025 – derzeit Centrale Montemartini, H 87,5 cm. Coarelli 1975, 200–208; Hölscher 1978, 346–348; E. La Rocca, „Fabio o Fannio“. L’ L affresco medio-repubblicana dell’Esquilino come riflesso dell’arte ‚rappresentative‘ e come espressione di mobilita sociale, DArch ser. 3, 2.1, 1984, 31–53; Verfasser, Bezugsfelder römischer Mythendarstellungen, in: Festschrift G. Petersmann, Graz 2007, 52–69. 25 Vatikanische Museen, Atrio del Torso, Inv. 1191, Grautuff sog. Nenfro, L 2,77 m, H 1,42 m, 280/260 v. Chr., ergänztes Epigramm gegen 200 v. Chr. 26 Lauter-Bufe 1982 bes. 35–38. 27 Dazu: Coarelli 1972; ders., Il sepolcro degli Scipioni a Roma, Rom 1988, 26–32 Taf. 4. 28 Saladino 1970; Coarelli 1972 und 1988. 29 Elogium auf L. Cornelius Scipio Barbatus, cos. 298 v. Chr.; aus der Zeit nach 200 v. Chr. auf seinem Sarkophag. CIL I 7; RL 1 29 f. 30 Entsprechende Lobreden zu Familiengrabdenkmälern: Cicero (Brutus 62). 31 Paris Louvre MNE 817, H 27,5 cm, erste Hälfte 3. Jh. v. Chr. – Lahusen-Formigli 2001, Kat.-Nr. 1, 18–19. 337. 32 Zum L’Arringatore: ’ Bronzestatue eines Römers etruskischer Herkunft namens Aulus Metellus, Florenz Museo
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Anmerkungen
Archeologico, Anfang 1. Jh. v. Chr. – T. Dohrn, BdA 49, 1964, 97–114; Lahusen-Formigli 2001, Kat. Nr. 5, 26–30. 33 Lahusen 1983, bes. 7–17. 34 Zum Senatsbeschluss in Rom: Plinius Naturalis historiae 34, 30. 35 G. Kaschnitz von Weinberg, Mittelmeerische Kunst III, Berlin 1965, 392 Taf. 106.1: „Man vermisst das strengstereometrische der räumlichen Begrenzung“; „Formen weich, fast schwammig“; „Erbteil der Etrusker“. 36 Zu Cosa: Brown 1980; Lorenz 1987, 92–94; Frank E. Brown, E. Richardson, L. Richardson, Cosa III. The Buildings of the Forum, American Academy in Rome 1993. – Zu den Befestigungsanlagen von Cosa: Miller 1995, bes. 351–353. 37 Frank E. Brown, E. Richardson, L. Richardson, Cosa II: The Temples of the Arx, American Academy in Rome 1960; v. Hesberg 2005, 102; Schollmeyer 2008, 140–142. 38 Kähler 1958/1973, 59 und Taf. 27.28; Brown 1980: mit Übersichtsplan; Lorenz 1987, 92–97; v. Hesberg 2005, 64– 66. 39 A. Carandini (Hg.), Settefinestre – Una villa schiavistica 2, Modena 1985. 40 Allgemein zu den Bauten am Marsfeld: Coarelli 1987. Zu den angeführten Tempelanlagen: Ziolkowski 1992; v. Hesberg 2005, 83–91; Stamper 2005, 44–46; Schollmeyer 2008: frühe Tempel als „Spiegel gesamtrömischer Interessen“ 84–89, bes. 89: Largo Argentina. 41 Marchetti-Longhi 1930; Coarelli-Kajanto et.al. 1981; Ziolkowski, Les temples A et C du Largo Argentina: quelques considérations, MEFRA 98, 1986, 623–641 (= Ziolkowski 1986). 42 Martin 1987, 213–215 Taf. 13–14. 43 Zu den Datierungen: Ziolkowski 1986; ders. 1992, 187– 189. Zusammenfassend: Schollmeyer 2008, 89–91. 44 Votivinschrift eines Kunstwerkes aus Kriegsbeute im Mars-Tempel an der Via Appia, das M. Claudius Marcellus im Jahre 210 v. Chr. nach der Eroberung von Syrakus gestiftet hat. (RI 112; Pape 1975, 81–96)
3. Kapitel Einflüsse und Stabilisierungsprozesse 1 Zum Begriff „Hellenismus in Mittelitalien“ vgl. die Bände des Forschungskolloquiums Göttingen (HiM). 2 Zu den Anfängen der Repräsentationskunst: Hölscher 1978, 315–357. Allgemein zum Ausstattungsluxus: Drerup 1981. Zu den Statuenbildungen: Lahusen 1983, 45–50 (Typen der Statuen); M. Hofter, Untersuchungen zu Stil und Chronologie der mittelitalischen Terrakotta-Votivköpfe, Bonn 1985. 3 Antiquarium Forense Inv. 3147, griechischer Marmor, H 1,86 m, frühes 2. Jh. v. Chr. oder trajanische Kopie. Gefunden im Jahre 1900 bei der Quelle der Iuturna: Helbig
II Nr. 2068 (v. Heintze); E. Simon, JdI 93, 1978, 211; dies. Götter 36 (trajanisch); Zur Quelle der Iuturna: Steinby 1989. 4 Apollostatue nach einem Vorbild des frühen strengen Stils: Eine Deutung ist durch Lorbeerzweige an der Baumstütze gegeben; in der Linken der Figur ist wahrscheinlich ein Bogen zu ergänzen, in der rechten Hand befanden sich eine Spendeschale, ein Zweig oder ein Hirsch. 5 Dazu neuerdings J. Meischner, Späte Archaik und früher strenger Stil. Der Apollon Philesios des Kanachos Typus I und II, Bremen 2009, 75 Taf. 25. Meischner hält die Statue von der Iuturna-Quelle nach der Vorlage des Kanachos-Apollon geschaffen. 6 Martin 1987, 241–243 Taf. 11–12. Datierung 117 v. Chr.: nach Martin ist einer der Dioskuren augusteisch ergänzt. 7 Silberprägung (Diadrachme), Münzstätte Rom, nach kampanischem Vorbild, München, Staatliche Münzsammlung, um 250 v. Chr. Kent-Overbeck 1973, 80, Taf. 5.10. Allgemein: Crawford 1974 und 1985. 8 Generelle Entwicklung der Münzprägung nach KentOverbeck: Am Ende des 4. Jhs. v. Chr. unternimmt Rom erste zögerliche Schritte zur eigenen Münzprägung, wie sie die süditalischen Städte schon lange zuvor besaßen. Durch den 3. Samnitenkrieg (beendet 290 v. Chr.) steigt Roms Vormachtstellung in Mittelitalien; daher stellt sich die Notwendigkeit einer eigenen Währung. Wahrscheinlich ist Neapel als erste Münzstätte Roms anzusprechen. 9 z. B. Marskopf/Pferdekopf (nach 290 v. Chr.), Apollokopf/Pferd (um 275 v. Chr.) Herculeskopf/Wölfin, Romakopf/Victoria (ca. 260 v. Chr.). 10 Kapitolinische Museen Inv. 1183, H 32 cm mit Büste 69 cm, Anfang 3. Jh. v. Chr. Hiesinger 1974, 814 (3. Jh. v. Chr.); G. Lahusen, E. Formigli, Römische Bildnisse aus Bronze. Kunst und Technik, München 2001, Nr. 3, 21–24; neuerdings: Ausstellungskatalog ‚Der Brutus vom Kapitol‘. Ein Porträt macht Weltgeschichte, Berlin 2010. 11 W.-H. Gross, Zum sogenannten Brutus, in: HiM 2 (1974) 564–580. Gross bringt den Hinweis, dass der Kopf einer Statue ursprünglich nicht frontal, wie bei der Renaissancebüste, aufsaß, da er leichte Asymmetrien besitzt. Er schlägt ein ursprüngliches Reiterstandbild vor. Die Vergleiche mit den Münzbildern des Brutus sind ihm zu vage, um eine Bildnisevidenz herzustellen. Gross hält den sog. Brutus daher für die „Kopie oder Umbildung eines älteren Bildnisses“, eventuell im Zusammenhang mit den summi viri vom Augustusforum; diesem Ansatz folgt J-C. Balty 1991. 12 Gesichert seit der Mitte des 16. Jhs. im Besitz des Kardinals Rodolfo Pio da Capri, der sie 1564 dem Magistrat Roms vermacht. 13 M. Crawford, Roman Republican Coin Hoards, Lon-
Anmerkungen don 1969. Zum Münzbild ebenfalls: Hölscher 1978, Taf. 130.3. 14 Wie alle frühen italischen Bronzen wird der „Brutus“ kontrovers diskutiert und unterschiedlich datiert: Die Vorschläge reichen vom 4. Jh. bis in augusteische Zeit. Ausgelöst durch Gross („Kopie oder Umbildung eines älteren Bildnisses“ s. o.). wird argumentiert, dass die führende Schicht Roms auch noch im 2. Jh. an der mittelitalischen Formenstruktur festhält. Die unterschiedlichen Datierungsvorschläge zum Kopf reichen – wie angeführt – bis hin zu den summi viri am Augustusforum. Auch im aktuellen Austellungskatalog zum „Brutus“ (Berlin 2010) wird die angebliche Verbindung des Kopfes zum augusteischen Klassizismus in den Mittelpunkt gerückt. 15 Hölscher 1978 bes. 324–328. 16 G. Kaschnitz von Weinberg, Mittelmeerische Kunst III, Berlin 1965, 390–392 Taf. 105.1. 17 Athen, Akropolismuseum. G. M. A. Richter, Portraits of the Greeks, Bd. 2, London 1965, 215 ff.; K. Fittschen, Griechische Porträts, Darmstadt 1988, zu Taf. 112 (Typus Oxford). 18 Zur Begriffsbildung bereits: C. Michalowski, Les portraits hellénistiques et romains, Délos Bd. XIII 1932. 19 Coarelli, Foro romano 1985, bes. 120 Abb. 21. Das Komitium auf dem Forum durchlebte verschiedene Phasen, ehe es im 3. Jh. v. Chr. eine markante Neugestaltung erfuhr. Die Untersuchungen der Pflasterungen (Krause 1976; Coarelli 1977; Carafa 1998) ergaben, dass ein erstes Komitium bereits Mitte des 5. Jhs. v. Chr. angelegt wurde, eine zweite Platzeinfasung entstand dann wahrscheinlich nach der Gallierkatastrophe (387 v. Chr.). Mitte des 3. Jhs., also während des Ersten Punischen Krieges, wurde das Komitium wahrscheinlich in seiner Rundform, als „Ekklesiasterion“ griechischer Prägung eingerichtet. 20 Vgl. Kolb 2002, 188. 204 Abb. 26: Planbezeichnung des frühen Forum Romanum. 21 C. Krause, Zur baulichen Gestalt des republikanischen Komitiums, RM 83, 1976/1, 31–69; Coarelli 1977; ders., Foro romano 1985, 11–123. 22 Plinius, Naturalis historiae 7,212. 23 Zu Bedeutung und architektonischer Gestalt des Fides-Tempels auf dem Kapitol: Reusser 1993. 24 G. B. Piranesi, Il Campo Marzio dell’antica Roma, Rom 1762, tav. XV. 25 Abb. nach Crozzoli Aite 1981, 46. Literatur zu den Tempeln am Forum Holitorium: Delbrueck 1903; Coarelli 1975, 285–286; Crozzoli Aite 1981; Ziolkowski 1992; Stamper 2005, 59–62; Schollmeyer 2008, 87–89. Allgemein: M. Sordi (Hg.), I santuari e la guerra nel mondo, Mailand 1984. 26 Schmuhl 2006, 84–87.
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Vgl. Reusser 1993. Zur Liste der Tempelweihungen: Ziolkowski 1992, 187–189; Schollmeyer 2008, 90–92. 28 Esch 1997, 3–25; Allgemein: Della Portella 2003. 29 Zur Bautechnik: L. Quilici-St.Quilici-Gigli (Hg.), Tecnica stradale romana, Rom 1992. 30 Esch 1997. 31 Mertens 1981; Gros 1987, 153–157; Lorenz 1987, 89–91; Catalli 1992. Allgemein E. T. Salmon, Roman Colonisation under the Republic, London1969. 32 Andreae AA 1959, 206–218; H. Lauter, Heiligtum oder Markt? AA 1971, 55–62 (zur Basilika). 33 C. De Ruyt, Macellum, Louvain-La-Neuve 1983. 34 F. Coarelli, M. Torelli, Solunto, in: Sicilia. Guida archeologica Laterza 13, 1984, 31–44; R. J. A. Wilson, Sicily under the Roman Empire, 1990 bes. 156–162. 35 Markus Wolf, Die Häuser von Solunt und die hellenistische Wohnarchitektur, Mainz 2003. 36 A. Mau, Geschichte der dekorativen Wanddekoration in Pompeji, Leipzig 1882. 37 Laidlaw 1985; dies., Der Erste Stil, in: Cerulli Irelli 1990, 205–212; Mielsch 2001, 21–27. 38 Zu den Haus- und Wohnformen in Italien: De Albentiis 1990; Clarke 1991; v. Hesberg 2005, 191–203. Zu den Wohn- und Lebenswelten: W. Hoepfner (Hg.), Geschichte des Wohnens, Bd. 1, Ludwigsburg 1999; Ch. Kunst, Römische Wohn- und Lebenswelten, Darmstadt 2000. 39 Zusammenfassend: Jens A. Dickmann, Der Fall Pompeji. Wohnen in einer Kleinstadt, in: Hoepfner 1999, 609–678. 40 Zur Wohnkultur der römischen Antike: Brödner 1993; Kunst 2000. 41 A. Boethius, Das Stadtbild im spätrepublikanischen Rom, OpArch I, 1935, 164–195. Zu mehrgeschossigen Wohneinheiten im kaiserzeitlichen Rom: Priester 2002. 42 Zu den römischen Provinzen im Überblick: Bechert 1999. 43 Sevilla, Archäologisches Museum Inv. 642, Kalkstein, H 1,1 m, Anfang 1. Jh. v. Chr. Trillmich 1993, zu Taf. 31. 44 Zum Hercules-Tempel von Cori: Kähler 1970, zu Taf. 9; F. Coarelli, Lazio. Guide archeologiche Laterza, 262–264; Hesberg, 2005, 43; Stamper 2005, 65. Zur Cella des Dioskuren-Tempels: Altenhöfer 2007; weiterhin Palombi 2007: zu den Dioskurenstatuen dieses Tempels. 45 Chieti, Museo Nazionale di Antichità degli Abruzzi e del Molise Inv. 4742, H 2,7 m, pentelischer Marmor; DAIR 62.1059. Martin 1987, 225–227 Taf. 23; Ritter 1995, 90–92 Taf. 6,2. 46 Herakles des Lysipp aus Tarent in Rom: Bronze Kolossalstatue aus der Kriegsbeute von Tarent. Der Stifter war Q. Fabius Maximus (Plutarch, Fabius 22, 6); neben diesem erbeuteten Kunstwerk stand eine Bronzestatue des Fabius selbst. 27
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Anmerkungen
Vgl. H. Lauter, AM 92, 1977, 163 „lysippisches Formengepräge“. 48 F. De Visscher, J. Mertens, J.-C.Balty, MonAnt 46, 1963, 361. 49 H. Bauer, Basilica Aemilia, in: Hofter 1988, 200–212; Freyberger 2007. 50 G. Fuchs, Die Funktion der frühen römischen Marktbasilika, BJb 61, 1961, 39.; Ohr 1991; Nünnerich-Asmus 2002; v. Hesberg 2005, 130–141; M. Thomas, Funktionen republikanischer und frühkaiserzeitlicher Basiliken, Dissertation Mainz 2007. Zu weiteren Veränderungen am Forum Romanum: Kolb 2002, 206–208. 51 Hans Lauter, Die Architekten des Hellenismus, Darmstadt 1986, 122, Taf. 4. 52 Freyberger 207, 523. 53 Antiquarium Forense Inv. 3178, schmale Platten pentelischen Marmors, Ausschnitt: L 1,76 m. – Kränzle 1991; ders., Der Fries der Basilica Aemilia, APl 23, 1994, 93–130 (= Kränzle 1991). 54 Freyberger 2007 bes. 502 ff. (Ch. Ertel). 55 Zu den Historienbildern allgemein: Hölscher 1979 und 1980. Zu Bauschmuck und Ornamentik allgemein: Schörner 1995; Freyberger 2007. 56 Grundlegend: Ohr 1991. 57 Rodriquez, Forma Urbis 1981; Gros 1987,15–20 mit Liste der Censoren in Rom; v. Hesberg 2005, 21.123. Zum Einsatz des opus caementicium: Lamprecht 1984/1993; Adam 1984, bes. 79–84. 58 Der Triumphzug des Aemilius Paullus 167 v. Chr. in Rom (Plutarch, Aemilius 32. Übers. Künzl 143). 47
4. Kapitel Wendepunkte der römischen Kunst 1 Bereits 173 v. Chr. lässt der Ritter Quintus Flavius Flaccus den Tempel der Fortuna Equestris mit Marmorziegeln eindecken, welche er zuvor in Unteritalien in einem Heiligtum der Iuno Lacinia geraubt hatte. 2 Das Wrack. Der antike Schiffsfund von Mahdia, (Hg.) G. Hellenkemper-Salies. Ausstellungskatalog Bonn, 2 Bde., Köln 1994. 3 Rodriquez 1981; Calcani 1989, bes. 21–42; Coarelli 1997, 515–538; v. Hesberg 2005, 87–90; Stamper 2005, 121–125. Zu den Schriftquellen: Pape 1975, bes. 183. 4 Zum Bronzepferd aus Trastevere: Claudio Parisi Presicce, Un cavallo di bronzo per piú cavalieri. La riscoperta di un originale greco a Roma. BCom 108, 2007, 33–54. 5 Rossignani, Luni, Genua 1985; Lorenz 1987, bes. 109– 112. 6 Ferdinando Castagnoli, Orthogonal Town Planning in Antiquity, Rom 1971. 7 Luni, Archäologisches Museum. Andren 1940, 282;
Martin 1987, 87 Abb. 21; Ausstellungskatalog Rom 2005: ‚Musa‘, 119. 8 London, British Museum, Inv. 1380, parischer Marmor, H 2,3 m, Kopie spätes 2. Jh. wahrscheinlich nach dem Kultbild des Apollo-in-circo-Tempels in Rom vom Bildhauer Timarchides. Martin 1987, 60–64 Taf. 2a; ebd. mit einem Werkverzeichnis der Schule des Timarchides. 9 Kapitolinisches Museum, Inv. 253, pentelischer Marmor, H 74 cm; DAIR 32.250. Helbig II Nr. 1235 (H. v. Steuben); Martin 1987, 88–90, 209 Taf. 6; B. Andreae, Skulptur des Hellenismus, München 2001, 171–175 Taf. 159. 10 Rom, Konservatorenpalast, Terrakotta, 2. Hälfte 2. Jh. v. Chr., gefunden 1878 bei S. Gregorio auf dem Caelius. I. S. Ryberg, Rites of the State Religion in Rome, 1955; Felleti Maj 1977, 139. 173 zu Fig. 41; Kleiner 1992, 54–57. 11 Dazu v. a. Alcock 1993. 12 Heilmeyer 1970, 33–35; Rakob-Heilmeyer 1973. Zusammenfassend: Knell 2004, 14–16; Stamper 2005, 68– 74; Schollmeyer 2008, 95–97. 13 F. Seiler, Die griechische Tholos, Mainz 1986. Neuerdings: A. Bratengeier, Die peripterale Tholos in der Geschichte der römischen Architeltur, Hamburg 2010. 14 Zusammenfassend: Kolb 2002, 247–249; abweichend zur These eines Hercules-Olivarius-Tempels: Wohlmayr, Mummius in Olympia und Rom, in: Temenos. Festschrift Felten, Wien 2002, 141–147. 15 Rom, Konservatorenpalast Inv. 1265, vergoldete Bronze, H 2,41 m. Martin 1994, 90–98; Ritter 1995, 38–40. 16 A. F. Stewart, Skopas, New Jersey1976, 90–92. Taf. 42a. 17 Malibu, Getty Museum Inv. 70.AA.109, Marmor H 193 cm. Seit 1791 in der Sammlung Lansdowne/England befindlich, 1951 vom Getty-Museum erworben. 18 Raeder 1983, ebd. zum Herakles Lansdowne 53–54. 19 R. Delbrueck, Hellenistische Bauten in Latium, 1907/ 1912; Fasolo-Gullini 1953; Kähler 1958; H. Rakob, in: HiM 366–386; Gullini 1973; Coarelli, Santuari 1987, 35–84; Knell 2004, 12–14; v. Hesberg 2005, 22. 43–46. Zum Rundtempel: H. Rakob, Die Rotunde in Palästrina, RM 97, 1990, 61–92. 20 Spezifisch zu den Konstruktionsformen der Zeitstufe: F. Rakob, in: HiM Bd. 2, 366–386; Gros 1987; Coarelli, Santuari 1987; Adam 1994A; Taylor 2003, s. Roman Builders. 21 Axonometrie nach Kähler 1958. 22 Zanker 1995, 39–49; Zevi 1998. Zur Übernahme von Peristylformen in die städtische Domus: Dickmann 1999 bes. 127–135. 23 Zevi 1998 v. a. 59–64. 24 H. Lauter, in: Neue Forschungen, 148. Dort findet sich auch der Vergleich mit dem Palast von Pella in Makedonien (5240 m2) und Ptolemais in Libyen. 25 Neapel Nationalmuseum Inv. 9991, 1,65 1,65 m.
Anmerkungen Kraus-v. Matt 1973, zu Abb. 103; Andreae 2003, Bildmosaiken: 185–217 bes. 201–203. 26 Rom, NM Inv. 106513, griechischer Marmor? H 1,94 m. – Kat. NM I 1, Rom 1979, 267 Nr. 164. In Auswahl: Kähler 1958/1973, zu Taf. 61; Bianchi Bandinelli 1970, 85–87 Abb. 93; Katalog ‚Herrscher und Athlet‘, 218–221 Nr. 12 (Himmelmann 1989); Megow 2003, bes. 17–20; C. F. Giuliani, Tivoli. Il santuario di Ercole Vincitore, Rom 2004, 79. Zu Statuenformen, Gesellschaft und Repräsentation generell: A. Stewart, Statues in Roman Society, 2003; zu den Tropaia: Tedechi Grisanti, „Trofei di Mario“, 1977. 27 Zum Begriff: Giuliani 1986. 28 Paris, Louvre MA 975. Die Vorderseite der „Domitiusara“ besteht aus drei Platten, die 1,2 m, 2,6 m und 2,2 m lang sind. In Auswahl: Kähler 1966; F. Coarelli, LL’’Ara di Domizio Enobarbo, DArch 2, 1968, 302–368; ders., Campo Marzio, Rom 1997, 397–446; Torelli 1982; Fless 1995, bes. 31–37 zu Kat. 2. Eine Neudeutung des Opfervorganges erfolgte durch H. Meyer, Denkmal eines ‚Consensus Civium‘, BCom 1993. 29 Die Reliefplatten tauchten Ende des 17. Jhs. beim Palazzo Santa Croce in Rom auf. 1811 wurden die Platten von Kardinal Fesch, dem Bruder der Letitia Buonaparte und somit dem Onkel Napoleons I. erworben. Als dieser in finanzielle Schwierigkeiten geriet, bot er die Platten 1816 zum Verkauf an. Die Friesteile wurden jedoch, da sie zusammen für den Louvre zu teuer waren, getrennt und der längere Fries mit der Hochzeit des Neptun wurde von Ludwig v. Klenze für die im Entstehen begriffene Münchener Glyptothek erworben. Erst am Ende des 19. Jhs. erkannte Adolf Furtwängler, der Münchener Ordinarius und Direktor der Glyptothek, erneut die Zusammengehörigkeit beider Friese. 30 München, Glyptothek. Vier Platten von 1,64 m, 1,68 m, 1,53 m und 1,32 m bilden die Langseite eines Sockelmonumentes; je eine Platte von 1,5 m dessen Nebenseite. Lit. a. a. O. Zu Neuaufnahmen des Frieses: R. Wünsche, Glyptothek München. Meisterwerke griechischer und römischer Skulptur, München 2005, 120–123. 31 M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.) ist neben dem mit ihm befreundeten Cicero wohl der gelehrteste Mann seines Jahrhunderts. Er erschließt den Römern die alte Zeit als Patriot; hauptsächlich bekannt ist Varro als Verfasser von drei Büchern über die Landwirtschaft.
5. Kapitel Die Zeit der späten Republik 1 Delbrueck 1907/1912, 23–54 Taf. II; A. Somella Mura, Archeologia Laziale 4, 1981, 126–145; Gros 1987; v. Hesberg 2005, bes. 44–46. Zum Vespasianstempel vor dem Tabularium: Degli Angeli 1992. 2 Grundlegend zum Portunus-Tempel: Adam 1994.
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Kähler 1958/1973, zu Taf. 55; Gazzola, Ponti Romani 1964; Coarelli 1975, 311–314; dtv-Atlas zur Architektur I, 1974, 27; O’Connor 1983. Zur Inschrift am Pons Fabricius: CIL I 751 (RI S. 144). 4 Eschebach 1979; ders. RM 80, 1973, 235; Heinz 1983, bes. 52–56. Allgemein zu republikanischen Thermenanlagen: Knell 2004, 9–12. Zu den Begriffen des Badewesens: I. Nielsen, Thermae et Balneae, Aarhus 1990; M. Weber, Antike Badekultur, München 1996. 5 Eschebach 1979. 6 Kraus-v. Matt 1973, zu Abb. 63; Heinz 1983, 63; Zanker 1995, 124–128. 7 Overbeck-Mau, Pompeji (1884) 176–181; R. Graeve, Vela erunt, Mainz 1976, bes. 67–73; Zanker 1995, 74–80; Knell 2004, 20–24. Generell: Hönle-Henze 1981; Golvin 1988. 8 Eine neue Studie bietet: D. L. Bomgardner, The Story of Roman Amphitheatre, London 2000. 9 Zu vergleichbaren Darstellungen: Budde ANRW I.4 1973; Hönle-Henze 1981. 10 L’ L’Aquila, Museo Nazionale d’’Abruzzo, Kalkstein, L 1,64 m, 1. Jh. v. Chr. Bianchi Bandinelli 1970, 57 ff. Abb. 60; Felleti Maj 1977, Fig. 34. Allgemein J. M. C. Toynbee, Death and Burial in the Roman World, Baltimore/London 1996. 11 Rom, Konservatorenpalast, Braccio nuovo, Inv. 2392, lokaler Marmor, H 1,64 m, Kopf nicht zugehörig. Schweitzer 1948, bes. 34–38 Abb. 15–19; Helbig II, Nr. 1615 (v. Heintze); Bianchi Bandinelli 1970, 78–80 Abb. 85–87; G. Lahusen, Zur Funktion und Rezeption des römischen Ahnenbildnisses, RM 92, 1985, bes. 281; Goette 1990, 31. 115 Ba 35; Balty 1991, bes. 7–9; Megow 2003, 20. 12 Drerup 1980. 13 Dresden, Albertinum 329, Marmor, H 35 cm, ca. 40 v. Chr. K. Knoll (Hg.), Die Antiken im Albertinum. Katalog Dresden, Köln 1993, 53 Nr. 29. Generell: Hiesinger ANRW I.4 1973; Balty 1991. 14 Zu Formen der Grabbauten: Kovacsovics 1983; Kockel 1983; v. Hesberg 1992. 15 Paris, Louvre MA 3493, Travertin, L 1,2 m, Ende 1. Jh. v. Chr. – Kockel, Porträtreliefs 1993, 139–140 Taf. 48 c. 16 Zur Myterienvilla: Maiuri 1931; Drerup 1959; Mielsch 1987. Zu den Wandgemälden: H. G. Beyen, Die pompejanische Wanddekoration vom zweiten bis zum vierten Stil, Bd. I (1938), Bd. II (1960). Zum großen Fries: Sauron 1998. 17 Zu den Architekturdarstellungen der Mysterienvilla: J. Engemann, Architekturdarstellungen des frühen zweiten Stils, 12. ErgH RM, Heidelberg 1967, 68–82. Allgemein zum Zweiten Stil: Cerulli Irelli 1990; Mielsch 2001, 29–66. 18 Hanson 1959, bes. 43–55; Coarelli 1997, 538–580; Knell 2004, 25–28. Zur Situation des Theaterwesens in Rom: 3
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Anmerkungen
Hülsemann 1987; Sear 2006. Zur Ausstattung der Theater: Fuchs 1987; dies., Eine Musengruppe aus dem Pompeiustheater, RM 89, 1982, 69–80. 19 Kopenhagen NYC 733, Marmor, H 26 cm. – Poulsen I Nr. 1; Giuliani 1986; Hofter 1988, 316–323 (Das Grab der Licinier); Megow 2005. Mimetik: Junker 2007. Zur Imitation des Alexanderbildnisses: Michels 1967. 20 Giuliani 1986, bes. 25–32. 56. 21 Vgl. die Charakterisierung dieser Epoche durch: Schefold 1973. 22 Einen Überblick bieten: F. Coarelli, Die Stadtplanung von Caesar bis Augustus, in: Hofter 1988, 68–80; Knell 2004, 25–35. 23 Zum Caesarforum: Amici 1991; Ulrich 1993; Westall 1996. Zusammenfassend: Schollmeyer 2008, 109–111. 24 Vatikanische Museen, Sala dei Busti 713, Marmor, H 52 cm (Kopf 26 cm). Simon 1986 61 Abb. 69; Johansen 1987; Hofter 1988, 314 Nr. 151; Megow 2005. 25 Zum „Mausoleum“ von Glanum: Rolland 1969. Zusammenfassend: Chevallier 1982; Hatt 1986; KüpperBöhm 1996; Gros 2008, 26–29. 26 U.-W. Gans, Der Quellbezirk von Nimes, RM 97, 1990, 93–125 (Datierungsvorschlag in die augusteische Epoiche). Allg. Letzner 1989; Gros 2008, 65–67. 27 A. De Franciscis, in: Neue Forschungen in Pompeji, Recklinghausen 1975, 9–38; Guzzo 2000; Mielsch 2001, 38–40.
6. Kapitel Augustus und sein Erbe 1 Grundlegend innerhalb der kaum mehr übersehbaren Literatur zur Kunst des augusteischen Zeitalters: Simon 1986; Zanker 1987; Binder 1991 (Kunst und Bildersprache); Favro 1996; Galinsky 1996 (Augustan Culture). Zum politischen Hintergrund: K. Bringmann, Th. Schäfer, Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, Berlin 2002. 2 Zum Kunstbegriff in cäsarischer Zeit: Schefold 1973. Grundlegend zur statuarischen Ausstattung der Villen in Italien: Neudecker 1988. 3 Unter diesem Titel: Zanker 1979. 4 Wichtigste Literatur zur Pisonenvilla: Pandermalis 1971; Wojcik 1986; Mielsch 1987; Neudecker 1988, bes. 105–114; Adamo Muscettola 2000; J. MühlenbrockD. Richter (Hg.), Die letzten Stunden von Herculaneum, Ausstellungskatalog München 2008, bes. 95–109. 5 Neapel, Nationalmuseum 143753, H 1,49 m, augusteische Periode. – Zanker 1974, 31.87–89 Taf. 68,1; Heilmeyer 1986, 50–54; Simon 1986, 116; Verfasser 1991, 36–42. Spezifisch zum Kopistenwesen in Italien: Fuchs 1999. 6 Zu den neueren Grabungsergebnissen im Haus des Augustus: Tomei 2000; dies., Die Residenz des ersten Kai-
sers, in: Hoffmann-Wulf 2004, 6–17; Iacopi-Tedone 2005/ 2006. 7 Carettoni 1983, ebd. zum Raum mit den Piniengirlanden 27–30, Farbtafel L; Mielsch 2001, 54–60 (zu den Gemälden der Augustusresidenz). 8 Zum Programm des Augustus-Bezirks am Palatin: Levèfre 1989. Zur Bibliothek: L. Balensiefen, in: Hoepfner, Bibliotheken 2000, 97–116. 9 L. Balensiefen, Überlegungen zu Aufbau und Lage der Danaidenhalle auf dem Palatin, RM 102, 1995, 189–209; M. A. Tomei, RM 112, 2005/2006, 379–384. 10 Sorrent, Museo Correale di Terranova, lunensischer Marmor, H 1,17 m; DAIR 65.1255. G. E. Rizzo, La base di Augusto, BCom 60, 1932, 7–109; Cecamore 2004; Großmann, Akten des 11. ÖAT Innsbruck 2008, 93–98. Zu den antiken Schriftquellen: Properz 2, 31.1–16; Horaz, Carmina 1, 31. 11 P. Fidenzoni, Il teatro di Marcello, Rom 1970 (= Fidenzoni 1970); P. Ciancio Rossetto, Theatrum Marcelli, in: E. M. Steinby (Hg.), Lexicon Topographicum Urbis Romae, V, Rom 1999, 31–35; Knell 2004, 61–63. 12 Grundlegend: Viscogliosi 1996, ebd. zum Fries vom Inneren der Cella: 75–86, bes. 76 Abb. 87. 13 Rom, Kapitolinische Museen, Centrale Montemartini Inv. 2777, lunensischer Marmor, L 3, 25 m, gegen 20 v. Chr. Hofter 1988, 144 Nr. 41 (M. Bertoletti). Zur Organisation der Triumphzüge in Rom: Künzl 1988, 65–84. 14 Dazu: Hofter 1988, 121–136 (E. La Rocca). 15 La Alcuida, Privatbesitz, Marmor, H 37 cm, Octavianszeit; DAIMadrid R1–71–9. Zum Mallorca-Kopf: Zanker 1973A, bes. 13–14 Nr. 1, Taf. 1–3; Hofter 1988, 309 Nr. 146; Boschung 1993, 11–22. 110 Kat.-Nr. 6. 16 Einen Überblick zu Arles bieten: Meike Droste, Arles. Gallula Roma-Das Rom Galliens, Mainz 2003 (= Droste 2003); Gros 2008 bes. 39–50. 17 Zur Maison Carrée: Gros 1976, bes. 119–122; Amy-Gros 1979; Knell 2004, 87–89; v. Hesberg 2005, 92–94. Allgemein zum Kaiserkult im Westen: Zanker 1987, 304–311. 18 Grundlegend: Fabre 1991; Fabre-Fiches-Leveau 1993; C. Larnac-F. Garrigue, L’ L aqueduc du pont du Gard, Presses du Languedoc 1999. Allgemein zu Aquädukten: Kek 1996. 19 Formigé 1949; Lamboglia 1964. Zusammenfassend: Knell 2004, 86–88. 20 Zur Inschrift: CIL V 7817. 21 Zum „Bauprogramm“ des Kaisers Augustus in Rom spezifisch: Gros 1976; Favro 1996. Zusammenfassend: v. Hesberg, in: Hofter 1988, 93–115; Kolb 2002, bes. 330–369; Knell 2004, 36–85. 22 Grundlegend: Buchner 1982. 23 Zum Mausoleumsbau und seinen Inschriften: v. Hesberg-S. Panciera 1994.
Anmerkungen Spezifisch zum Obelisken: Buchner 1982, 42–51; Batta 1986, 163–177. 25 Grundlegende Literatur zur Ara Pacis in Auswahl: Moretti 1948; Simon 1967; A. H. Borbein, Die Ara Pacis, JdI 90, 1975, 242–266; Torelli 1982, 27–61; La Rocca 1983; R. Förtsch, Ein aurea-aetas-Schema, RM 96, 1989, 333– 345; R. Billows, The Religious Procession of the Ara Pacis, JRA 6, 1993, 80–92; D. Castriota, The Ara Pacis, 1995; Rhodes-Talbert 1997. – Eben erschienen: A. Mlasowsky, Ara Pacis, Mainz 2010. 26 Deutungsvorschläge zum „Tellusrelief“ vgl.: E. Simon, Ara Pacis Augustae, Tübingen 1967; dies. 1986, 36– 39 („Saturnia tellus“ = Italia); H. Kenner, Das Tellusrelief der Ara Pacis, ÖJh 53, 1981/82, 31–42 („Venus-Pax“); Zanker 1987, 177–182 (eklektischer Beziehungsrahmen von Pax, Tellus und auch Venus); Galinsky 1996, 148–151 („Pax-Venus“). 27 Neben der bisher angeführten Literatur: Torelli 1982, ebd. S. 49 mit einem Schema der Prozessionsfriese; S. Settis, in: Hofter 1988, 400–426. 28 Zum hier gezeigten Friesausschnitt: Paris, Louvre, lunensischer Marmor, L des gesamten Figurenfrieses im N 10,65 m. 29 Zu Fragen des Stils und der „Bildhauerwerkstatt“ v. a. Conlin 1997; Rhodes-Talbert 1997. 30 Chr. Börker, Neuattisches und Pergamenisches an den Ara Pacis Ranken, JdI 88, 1973, 283–317. 31 Korinth, Archäologisches Museum Inv. S 1116, pentelischer Marmor, H 2,05 m, Anfang 1. Jh.; Institutsphoto Marburg 135185. F. P. Johanson, Corinth IX (1931) 70 zu Nr. 134; Amedick 1987, 58 Nr. 1; Goette 1990, Ba 34; Boschung 1993, 157 zu Nr. 114 Taf. 178; Havè-Nikolas 1998, 67–72 Nr. 2 Taf. 1,2. 32 Grundlegend zu den Kaiserfora: Anderson 1984. Zu deren Funktion und Nutzung: Köb 2000. Eine Zusammenstellung der neuen Grabungsergebnisse bietet: S. Rizzo, Idagini nei Fori imperiali, RM 108, 2001, 224– 244; Meneghini 2008. 33 Amici 1991; Westall 1996. 34 Zanker 1968; ders. 1987, 85–87; v. Hesberg, in: Hofter 1988, 93–115; Knell 2004, 36–50. Zu den augusteischen Triumphbögen am Forum: E. Needergard, ebd. 224–239. 35 Grundlegende Literatur zum Augustusforum: Zanker 1970; Gros 1976, bes. 92–95; V. Kockel, Beobachtungen zum Tempel des Mars-Ultor und zum Forum Augustum, RM 90, 1983, 422–448; Ganzert 1996; Spannagel 1999. 36 Rom, Kapitolinische Museen, Inv. 1881 und 2830, gefunden bei S. Maria in Lata, H 85 cm. – Simon 1986, 20; Zanker 1987, 111; E. La Rocca, in: Strocka 1994, 267–293; Schollmeyer 2005, 74 Abb. 46. 37 Grundlegend zum Programm des Augustusforums: Zanker 1973. 38 Kapitolinische Museen, Atrium Inv. 58, parischer 24
381
Marmor, H 3,6 m. Helbig II Nr. 1198 (E. Simon); Th. Kraus, Mars-Ultor, Münzbild und Kultbild, in: Festschrift für Eugen v. Mercklin, Waldsassen 1964, 66–75; Zanker 1973, 18 Abb. 48–49. 39 Zum ‚Marmorforum‘ von Mérida: W. Trillmich, Colonia Augusta Emerita, in: Stadtbild und Ideologie, München 1990, 299–318;. Trillmich-Th. Hausschild u. a., Hispania Antiqua, Zabern 1993, bes. 50–69; J. L. De La Barrera-W. Trillmich, Eine Wiederholung der Äneasgruppe vom Forum Augustum samt ihrer Inschrift in Mérida, RM 103, 1996, 119–138 (= Barrera-Trillmich 1996). 40 Allgemein Jean Michel Roddaz, Marcus Agrippa, Rom 1984; W. Eck, Marcus Agrippa, in: E. Stein-Hölkeskamp, Von Romulus zu Augustus, München 2000, 352– 364. 41 M. Holland McAllister, Temple of Ares at Athens, Hesperia 28, 1959, 1–64; B. Freyer, Zum Kultbild des Ares-Tempels, JdI 77, 1962, 211–226. 42 Thompson 1950; R. Meinel, Das Odeion, Frankfurt 1980; Camp 1989, 206–211; Knell 2004, 98–101. Zur „Ideologie“ der Bauprogramme: M. Torelli, Ostraka 4, 1995, 9. 43 Zur Entstehung des Bautypus der Kaiserthermen: Rasch1996. 44 Museo Massimo alle Terme. I. Bragantini-M. De Vos, Le decorazioni della villa romana della Farnesina, Museo Nazionale Romano. Le pitture II.1, Rom 1982. Zusammenfassend: Simon 1986, zu Taf. 30; Mielsch 2001, 60–66. 45 Rom, Palazzo Massimo alle Terme; Anderson 2508. – Mielsch 1975, 20–24; Simon 1986, 130–136. 46 New York, Metropolitan Museum 20.192.1; Museumsphoto 241545B.ßblockß v. Blanckenhagen-Alexander 1990, bes. 50–55 Taf. 5, Mielsch 2001, bes. 70–73. 47 Jashemski 1979, 63–66; Farrar 1998, 113; Baldassare 2002. Allgemein über Gärten: Andreae 1996; Settis, Giardino 2002. 48 Berlin, Archäologisches Museum, Silber H 36 cm (Kopie, Original Kriegsverlust). U. Gehrig, Hildesheimer Silberfund, Berlin 1967; ders. 1980, 14 Abb. 2–5; Simon 1986, 148–150 Abb. 195.196; Boetzkes-Stein 1997. 49 Zum Bau der Eumachia: V. Kockel, AA 1986, 457–458; Zanker 1995, 99–110. Zum Bauornament der frühen Kaiserzeit in Pompeji: Heinrich 2003, 73–74 (Ranken, Eumachiabau). 50 Der Altar befindet sich in situ: DAIR 31.2518. W. Herrmann, Römische Götteraltäre, Kallmünz 1961, 102–104.; Scott-Ryberg, Rites 81.; Felletti Maj, Tradizione 337–346.; Kraus-Matt 1973, zu Abb. 181; J. J. Dobbins, The Altar in the Sanctuary of the Genius of Augustus in the Forum at Pompeii, RM 99, 1992, 251–263; Fless 1995, 16. 41. 97 Taf. 19,2. 51 Grosseto, Museo Civico 97738 und 97772, Marmor. H ca. 2 m; DAIR 81.1796. Kreikenbom 182 III 42; Bartman
382
Anmerkungen
1999, 158 Cat. 29 Abb. 103; Meyer 2000, 121–124 Abb. 226; Alexandridis 2004, 120 Nr. 13. – Zum Kultgebäude in Roselle: Boschung 2002, 69–76; Verfasser 2004, 187–193. 52 Paris, Louvre Inv. Ma 1096 und Ma 1907, Marmor, H 86 cm B 1, 98 m und 89 cm. G. M. Koeppel, Die historischen Reliefs der römischen Kaiserzeit, BJb 183, 1983, 124–129 Nr. 30; St. Tortorella, I rilievi del Louvre con suovetaurile, Ostraka 1, 1992, 81; Fless 1995, 105 Kat. 17; Meyer 2000, 105–113. 53 G. Gasparri, Aedes Concordiae, Rom 1979; Kunze 1996 (mit früh-augusteischer Datierung der Gruppe). 54 V. a. B. Andreae, Praetorium Speluncae. Tiberius und Ovid in Sperlonga, Mainz 1994. 55 Dazu: Krause 2003. 56 Hannover, Privatsammlung, Marmor, H 38 cm. Mlasowsky 1982, 50–63 Nr. 4. Zum Typus „Berlin–Neapel– Sorrent“: Fittschen-Zanker I 1985, 14; Kreilinger 2003, 39–46; J. Pollini, A New Marble Head of Tiberius. Portrait Typology and Ideology, Antike Kunst 48, 2005, 55– 72. 57 Einen grundlegenden Beitrag zur umfassenden Symbolik und Reichskultur in augusteischer Zeit bietet: Schäfer 1998.
7. Kapitel Kunst des Imperiums – Kunst der Kaiser 1 Paris, Bibliothèque Nationale, Sardonyx, H 31 cm, wohl tiberische Zeit. In Auswahl: H. Jucker, der große Pariser Kameo. Eine Huldigung an Agrippina, Claudius und Nero, JdI 91, 1976, 211–250; Megow 1987, 202–206; Bergmann 1998, 108–110; Andreae 2000, 132–135 Taf. 54; Meyer 2000, 11–28. Eben erschienen: Giuliani 2010. 2 Giuliani 2010, 56. 3 Turin, Museo di Antichità, Inv. 312, Marmor, H 2 m. – Fittschen-Zanker I, 16–17; C. Maderna, in: Strocka 1994, 171–172 Abb. 20 (Bildniskopf). 4 Aicher 1995, Aquaeducts. Zu den Wasserbauten vgl. Frontinus Gesellschaft (Hg.), Wasserversorgung im antiken Rom, München/Wien 1989. 5 Vgl. D. Timpe, Claudius und die kaiserliche Rolle, in: Strocka 1994, 35–43. 6 M. K. und R. L. Thornton, Julio-Claudian Building Programs: A Quantitative Study in Political Management, Wauconda 1989, bes. 93–96, 116–119. 7 E. La Rocca, Arcus et Arae Claudii, in: Strocka 1994, 267–294. 8 Paris, Louvre Ma 992, Marmor, H 1,65 m. Koeppel I, 1983, 84. 140–141 Kat. 37 Abb. 46. Zum Triumphbogen des Nero in Rom: Kleiner 1985 9 Rom, Museo Nazionale Romano Inv. 618, Marmor, H 31 cm. Helbig III Nr. 3202 (v. Heintze); Hiesinger 1975, 119; Museo Nazionale Romano I; Rom 1979 272 Nr. 168. –
Zu den Bildnistypen Neros: Born-Stemmer 1996, 70–92 Abb. 55.56; Kreilinger 2003, 57–61. Zur Aussage neronischer Bildnis- und Kolossalstatuen: Bergmann 1994; dies. 1998, bes. 148. 10 Antiquarium am Palatin, gesamte Länge des Abschnittes 4,2 m. Bastet 1971, 144; ders. 1972, 61; Andreae 2000, zu Taf. 70. Alllgemein: Mielsch 2001, 81–86. 11 Zur Domus Aurea: Boethius 1960; Iacopi 2002; Ball 2003. 12 U. Pappalardo, Spazio sacro e spazio profano: il Collegio degli Augustali ad Ercolano, in: E. M. Moormann (Hg.), Functional and Spatial Analysis of Wall Painting, Amsterdam 1993, 90–95. Zu Vereinshäusern der Kultvereinigungen: Bollmann 1998, bes. 348 ff. A 47; Verfasser 2004, 61–87 (Herculaneum). 13 E. M. Moormann, Sulle pitture dell’Herculanensium Augustalium Aedes, CrErc 13, 1983, 175; Pappalardo 1993 (a. a. O.), 90–95. 14 Zum Durchgangsrelief des Titusbogens: in situ, lunensischer Marmor, H 2 m, B 3,9 m. Grundlegend: Pfanner 1983, 44–81; Koeppel VI, 1989, 25. 52–54 Nr. 10 Abb. 15. Zur Bedeutung des Titusbogens im Bauprogramm des Domitian: Knell 2004, 137–143. Zur maßgeblichen Charakterisierung des Stilgehalts der Reliefs des Titusbogens bereits: Wickhoff 1912 (Wiener Genesis). 15 Magi 1945; Oppermann 1985, 40–71; Meyer 2000, 125– 140. 16 Cozzo 1971; Pearson 1975; Golvin 1988; Gabucci 1999. Zusammenfassend: Knell 2004, 129–136; v. Hesberg 2005, 165–168. Als äußerst lesenswert aufgrund der Schilderung der Vorgänge im Kolosseum erweist sich: K. Hopkins, M. Beard, Das Kolosseum, Stuttgart 2010. 17 Zum Koloss Neros: Bergmann 1994. 18 D. Mertens u. a., Il colosseo. Lo studio degli ‚ipogei‘, RM 195, 1998, 67–105; H.-J. Beste, Neue Forschungsergebnisse zu einem Aufzugssystem im Untergeschoss des Kolosseums, RM 106, 1999, 249 ff. 19 Vatikanische Museen, Museo Gregoriano Profano Inv. 9998, Marmor B 1,41 m. Kähler 1958/1973, 245–252 Taf. 157.158; F. Sinn, K. S. Freyberger, Vatikanische Museen. Katalog der Skulpturen I,2: Die Grabdenkmäler 2, Die Ausstattung des Hateriergrabes, Mainz 1996, 51–59 Nr. 6 Taf. 11–16. 20 Grundlegend: Finsen 1962; Tamm 1963; Isler 1978; Royo 1999; P. Zanker, in: Hoffmann-Wulf 2004, 86–99. Zur Entstehung des Bautypus der Kaiserpaläste: Isler 1978. 21 Baia Castello Inv. 155743, Reitertorso erh. H 78 cm. Domiziano-Nerva 1987; Bergemann 1990, 82–86 Kat. P31; Adamo Muscettola, RM 107, 2000, 79–108, bes. 88–90. 22 Wichtigste Literatur: v. Blanckenhagen 1940; Bauer 1988; D’Ambra ’ 1993; Menghini 1991; Freyberger 1990; La Rocca 1998.
Anmerkungen 8. Kapitel Die erstarkte Weltmacht 1 Zur trajanischen Epoche und ihren Kunstformen im Überblick: Nünnerich-Asmus 2002. 2 Wichtigste Literatur in Auswahl: Leon 1971; Anderson 1984; Packer 1997; La Rocca 1998, ders. 2001 und 2004; Trunk 1993; Menghini 1998; Meneghini-Valenzani, I Fori Imperiali. Gli scavi del Comune di Roma 2007. – Zu Bildschmuck und Programm des Trajansforums: P. Zanker, Das Trajansforum in Rom, AA 1970, 499–544 (= Zanker 1970). 3 Vor allem Meneghini 1998; La Rocca 2001; ders. 2004. Zusammenfassend: Meneghini-Valenzani 2007, 83–114 mit neuem Gesamtplan Fig. 76. 4 G. Rodenwaldt, Gnomon 2, 1926, 338–339. Dieser Ansatz wurde fortgeführt von P. Zanker: Zanker 1970 bes. 503–505. 5 Grundlegende Kritik am Konzept einer Militärarchitektur wird etwa von M. Trunk geäußert: Trunk 1993. 6 Wichtigste Literatur in Auswahl: Lehmann-Hartleben 1926; Becatti 1960; Zanker 1970, 529 ff.; Gauer 1977; Baumer 1991; Lancaster 1998; Settis 1988; Lepper 1988; La Rocca 1996; Coarelli 1999; T. Hölscher, in: Nünnerich-Asmus 2002. Weiterhin: M. Jordan-Ruwe, Das Säulenmonument, Bonn 1995; R. Bode, Der Bilderfries der Trajanssäule. Ein Interpretationsversuch, BJb 192, 1992, 123–174. 7 Coarelli 1975, 128–133; Lancaster 1988. 8 Hassel 1966; Fittschen 1972. 9 Allgemein zur hadrianischen Bautätigkeit in Rom: Cozza 1982; Boatwright 1987; Altobelli 1987. Griechenland: Willers 1990; ders. 1996. Allgemein: S. Mortensen, Hadrian. Eine Deutungsgeschichte, Bonn 2003; R. Turcan, Hadrien. Souverain de la romanité, 2008. 10 Rom, Palazzo Massimo alle Terme Inv. 2004344; Marmor, H 42 cm, Typus „Stazione Termini“. Wegner 1956; Kleiner 1992, 238–241 Abb. 202; Evers 1994, 165; Serafin, Adriano 2002; Kreilinger 2003, 91–96. 11 Rom, Palazzo Massimo alle Terme, Inv. 629, Marmor, H 36 cm. – Helbig III Nr. 2312 (v. Heintze); Kleiner 1992, 242 Abb. 206; Lazio e Sabina, Kolloquium Rom 2003; Alexandridis 2004, 182 Kat. 177 Taf. 38,4. 12 Zitiert nach M. Yourcenar, Ich zähmte die Wölfin, nach der Erstausgabe 1951, Zürich 1999, 353. 13 Wichtigste Literatur: De Fine Licht 1968, Heene 2004; Martini 2006. Zusammenfassend: Stamper 2005, 182–205; Schollmeyer 2008, bes. 125–127. 14 De Fine Licht 1968. – Zu technischen Studien am Pantheon: Heene 2004. 15 Martini 2007, bes. 42. 16 Allgemein: Macdonald 1995; Aurigemma 1996; Einzelbauten: Hoffmann 1980; Ueblacker 1985. 17 Ueblacker 1985; Lafon 2001.
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Vgl. K. Schefold, Aphrodite von Knidos, Isis und Serapis, AntK 7, 1964, 56 Taf. 15,2. 19 Kapitolinische Museen, Inv. 656, dunkelgrauer Marmor, H 1,56 m. – Raeder 1983, 63–65 Kat.-Nr. I 46, ebd. zu den Bildhauern aus Aphrodisias 236–242; G. Marawietz, Der gezähmte Kentaur, München 2000. 20 Berlin, Pergamonmuseum Inv. Mos.1, H 58 cm B 92 cm. Zum Triklinium der Hadriansvilla und seinen Mosaiken: Andreae 2003, 279–294. Zur Bedeutung der Musterbücher: M. Donderer, in: AW 34/2, 2003, 65. 21 Zu den Provinzdarstellungen: A. M. Pais, Il „podium“ del tempio del Divo Adriano a Piazzo di Pietra in Roma, Rom 1979. Zum Tempel des vergöttlichten Hadrian (Hadrianeum) in Rom: Altobelli 1987; Cozza 1987. Schollmeyer 2008, 128–129. 22 Erim 1986, 60–61; Mühlenbrock 2001, 261–264. 18
9. Kapitel Zeit der Fülle 1 Wien, Ephesosmuseum Inv. I 864, Marmor, H 206 cm. Vermeule 1968, 11; Oberleitner 1978, bes. 78 Abb. 58; Albertson 1980; T. Ganschow, Überlegungen zum Partherdenkmal von Ephesos, AA 1986, 209–221; Ramage 1991, 200; Kleiner 1992, 309–312 Abb. 279; Andreae 2000, 242 Abb. 532. 2 München Glyptothek Inv. 337. Wegner 1939, 134 Taf. 2; Fittschen-Zanker I 1985, 63 ff. (zum Typus); Stemmer 1988, 5 A5; Katalog Wünsche 2005, 142–143. 3 Rom, Kapitolinisches Museum, Salone 34. Helbig II Nr. 1394 (v. Heintze); E. E. Schmidt APl 1968, 85–94; Fittschen-Zanker I 1985, 69–70 Nr. 64. 4 Kraus 1967, 176 zu Taf. 64; Aurigemma 1969; Gros-Torelli I, 1996, 9 Taf. VII. 5 Poinssot 1958, 34; Kraus 1967, 161 zu Taf. 21; Lepelley 1981, 218 ff. Zur imperialen Symbolik anhand des Kapitols von Dougga: Dohna 1997, 465–476. 6 Bernardi-Ferrero III 1970, 159 ff.; Sear 2006. 7 Zur Situation in Rom: Kolb 2002, 400–447. Zu Ostia: Parker 1971; Meiggs 1960/1971; J. E. Packer, The Insulae of Imperial Ostia, Rom 1971; C. Liedtke, Rom und Ostia: Eine Hauptstadt und ihr Hafen, in: Hoepfner 1999, 679– 736. Zur Wohnsituation generell: K. W. Weeber, Alltag im Alten Rom, Zürich 1995. 8 Nash I, 1961, 26 ff.; Richardson 1992, 11–12; Stamper 2005, 216–218; Schollmeyer 2008, 130–132. 9 Vogel 1973; Oppermann 1985, 146–151; Kleiner 1992, 285–288; Alexandridis 2004, 190 Kat. 196. Zur Konsekration des Kaisers: Davies 2000; Zanker 2004. 10 Zum Stil: Rodenwaldt 1935; Kähler 1958/1973, 299–300 Taf. 197.198; Andreae 2000. 216 Taf. 111.112. Zur Reiterparade: Zanker 2004, bes. 44–56.
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Anmerkungen
10. Kapitel Die Umformung der römischen Kunst 1 Zu den Bauten des Sol- und Helipolitanus-Kultes in Rom: Belleli-Bianchi 1996. 2 Rom, Konservatorenpalast, Inv. 809, Marmor, in Teilen ergänzt, H 3,12 m B 2,2 m, 173 oder 176 n. Chr. Scott Ryberg 1967; E. Angelicoussis, The Panel Reliefs of Marcus Aurelius, RM 91, 1984, 141–205; Oppermann 1985, 152–175 bes. 154–156 Abb. 35; Koeppel IV, 1986, 47–75; E. La Rocca, Rilievi storici capitolini, Rom 1986. 3 Kapitolinische Museen, Aula, vergoldete Bronze, Gesamthöhe 4,24 m. Zusammenfassend: Marc Aurel. Der Reiter auf dem Kapitol, München 1999. Zur Wirkungsgeschichte vgl. Stemmer 1988, 243–251. 4 M. Bergmann, Marc Aurel, Liebieghaus Monographie 2, Frankfurt a. M. 1978. 5 Aufnahme nach dem Porträt Frankfurt, Liebieghaus P 392, sog. Zwischentypus oder Variante des vierten Bildnistypus, wahrscheinlich 176 n. Chr. Bergmann 1978; Bol, Führer Liebieghaus, Frankfurt 1997, 229 Abb. 150. – Zu den Porträts des Lucius Verus und Marcus Aurelius: Albertson 1980; Fittschen-Zanker I, 1985, 67–81; Kreilinger 2003, 104–114. Zur Herstellung der Porträts: Pfanner 1989. 6 Zur Marcussäule in Auswahl: Wegner 1931; Rodenwaldt 1935; J. Morris, The Dating of the Column of Marcus Aurelius, JWarb 15, 1952, 33–43; Caprino 1955; Becatti 1957; Bianchi Bandinelli 1970, 316–327; Stemmer 1988, 108–121; Melucco Vaccaro 1989. 7 A. Riegl, Spätrömische Kunstindustrie, Wien 1911/ 1923; Wegner 1931. 8 Martina Jordan-Ruwe, Zur Rekonstruktion und Datierung der Marcussäule, Boreas 13, 1990, 53–69. 9 Rom, Palazzo Massimo alle Terme, Inv. 112327, L 2,39 m, ca. 190 n. Chr.- Bianchi Bandinelli 1970, 305 f. Abb. 345; A. Giuliani (Hg.) Museo Nazionale Romano. Le sculture I,8, Rom 1985, 177–193 (L. Musso); Andreae 2000, 239. 433 Abb. 528. 10 Berlin, Staatliche Museen, Inv. 31329, hölzerner bemalter Tondo (Rundbildnis), Dm 30,5 cm, ca. 200 n. Chr. Mc Cann 1968; Soechting 1972; L. Giuliani, in: Bilder vom Menschen, Ausstellungskatalog Berlin 1980, 81 Nr. 55; Andreae 2000, 264 Abb. 564; Baratte 1996, 180– 181. 11 M. Pallottino, L’ L arco degli Argentari, Rom 1946; Budde 1957, 6–8 Taf. 5–7; Kähler 1958/1973, 334–336 Taf. 232; Bonanno 1976, 147–149; De Maria 1988, 307 Nr. 90; Alexandridis 2004, 202 Nr. 224. 12 Stadtmuseum Enns I/27. H. Ubl, Katalog Museum Lauriacum (1997) 36; Verfasser, Celje, Enns und Werkstättenfragen, Akten des IX. Int. Kolloquiums über Probleme des Provinzialrömischen Kunstschaffens (2007) 367–375.
Allgemein zu Leptis Magna: Ward Perkins 1993; De Vita 1999. 14 Squarciapino, Leptis Magna 1966, 104 ff.; Mattea Förtsch 1999, 196. 15 Grundlegend zu den Attikareliefs: Strocka 1972.- Gute Abb. finden sich bei: Andreae 2000, 444 Abb. 581–584. Zu den Porträtdarstellungen der Attikareliefs: Bonanno 1976, 150–155; R. Schlüter, Die Bildnisse der Kaiserin Julia Domna, Münster 1977. 16 Brilliant 1967; Bonanno 1976, 143–146; Kleiner 2002, 329–332; Andreae 2000, 268–271 Abb. 576.577. Eine Zusammenstellung verschiedener Aspekte des Severer-Bogens findet sich bei: Hinterhöller 2008. Bauornamentik: Mattern 2001. 17 Brilliant 1967, 188–195; Kähler 1958/1973 zu Taf. 234; Koeppel 1990, 15–21; Hinterhöller 2008, 28. 18 Kapitolinische Museen, Stanza degli Imperatori 40, Marmor auf roter Porphyrbüste, H 57 cm. H. v. Heintze 1961, 13; Wegner 1971; Fittschen-Zanker I, Nr. 92 Taf. 113. Allgemein: Fittschen-Zanker I, 1985, 102–112; Kreilinger 2003, 126–132. 19 Allgemein: Krencker-Krüger 1929; Brödner 1992; Lombardi Gorazza 1995; Rasch 1996. Zum Bauschmuck: Jenewein 2009. 20 Salzburg Museum. 21 Berlin, Staatliche Museen, Antikensammlung, Inv. 1987.2, Marmor, L 2,12 m. Zanker-Ewald 2004, 50 Abb. 35; Carola Reinsberg, Die antiken Sarkophagreliefs I: Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben. Via Romana, Berlin 2006 (= Reinsberg 2006), 26. 192 Nr. 6. 22 Paris, Louvre um 240. Himmelmann 1972; ZankerEwald 2004, 109 Abb. 92 Anm. 76; Junker 2005/06; ders. 2006. Zur Entstehung des Denkmaltypus: Koch 1993. (Zur Stilbildung zwischen 220 und 270: Rodenwaldt 1936.) 23 Kopenhagen NYC 786, sog. Balbinussarkophag, Marmor, L 2,1 m, um 240 n. Chr. B. Andreae, Die römischen Jagdsarkophage, ASR I,2, Berlin 1980, 48–52. Kat. 41. Zur Symbolik der Löwenjagd, Andreae 1985, ebd. zum Kopenhagener Sarkophag 23, Taf. 26. 24 Rom, Kapitolinische Museen, Stanza degli Imperatori 51, Marmor H 76 cm, 222–224 n. Chr. Felletti Maj, Iconografia, Rom 1958; Calza 1972; Fittschen-Zanker I Nr. 99 Taf. 123. Allgemein: Kreilinger 2003, 137–139. 25 Rom, Kapitolinische Museen, Stanza degli Imperatori 34, Marmor, H des Kopfes 24 cm, 222–235 n. Chr. H. v. Heintze, Studien zu den Porträts des 3. Jhs., RM 73/74, 1966/1967, 190–231; Bergmann 1977, 30 Taf. 7,2; Wood 1979; Fittschen-Zanker III, 1983, 30–32 Nr. 33 Taf. 41.42. 26 München Glyptothek 362, Marmor H 41 cm, gegen 240 n. Chr. D. Ohly, Glyptothek München, München 1972, 76, Taf. 44. 13
Anmerkungen
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New York, Metropolitan Museum 1905.05.30, Bronze H 242 cm, 251–253 n. Chr. Buschor 1982, 30 Abb. 27; C. A. Picón u. a. (Hg.), Art of the Classical World of the Metropolitan Museum of Art (2007) 497–498 Nr. 471. 28 Tunis. Musée Bardo. Steiner 2002. 29 Palazzo Altemps, 251 n. Chr. G. Rodenwaldt, Der große Schlachtsarkophag Ludovisi, Berlin 1929; Andreae 1956; Helga v. Heintze, Studien zu den Porträts des 3. Jahrhunderts n. Chr. Der Feldherr des großen Ludovisischen Schlachtensarkophags, RM 64, 1957, 69–91; Bergmann 1977, 44 Nr. 138; Koch-Sichtermann 1982; A. Giuliano (Hg.), Museo Nazionale Romano: Le sculture I,5, Rom 1983, 56–67 Nr. 25 (L. de Lachenal); Katalog Palazzo Altemps. 30 Rom, Palazzo Massimo alle Terme, Marmor H 1,49 m, um 270 n. Chr. Zum Acilia-Sarkophag: Andreae, 1969; ders. 2000, 300 Taf. 166; A. Giuliano (Hg.), Museo Nazionale Romano: Le sculture I,1, Rom 1979, 298–304 (M. Sapelli).
From the Culture of Spolia to the Cult of Relicts -The Arch of Constantine and the Genesis of Late Antique Forms. PSBR 68, 2000, 149–184; J. Engemann, in: Demandt-Engemann 2007, 85–89. Zur hadrianischen Datierung des Bogens: Mellucco Vaccaro-Ferroni 1994. 10 Allg. zum geistesgeschichtlichen Hintergrund: P. Brown, Macht und Rhetorik in der Spätantike. Der Weg zu einem „christlichen Imperium“, München 1995; M. Clauss, Konstantin der Große und seine Zeit, München 2007. 11 Rom, Palazzo Massimo alle Terme. Bianchi Bandinelli 1971, 88–100, Abb. 88. Generell zu den Bauten in Rom: M. Fuhrmann, Rom in der Spätantike, Zürich 1994. 12 Taunton, Villa von Low Ham, Somerset, 3,9 3,9 m, gegen 350 n. Chr. J. M. C. Toynbee, Art in Roman Britain, 203–207; Kraus 1967 zu Taf. 357. 13 Tunis, Musée Bardo. Dunbabin 1978, 119; D. Parrish, The Season Mosaics of Roman North Africa, Rom 1984, Nr. 9; Warland 1994, bes. 189–192 Taf. 75,1.
11. Kapitel Auftakt zu einem neuen Zeitalter
12. Kapitel Späte Entfaltung
J. Richmond, The City Wall of Imperial Rome, Oxford 1930; Coarelli 1975, 23–32; Todd 1978, 21; Cozza 1987. 2 Soprintendenza Archeologica di Roma (Hg), Terme die Diocleziano (1998). 3 J. und T. Marasovic, Der Palast des Diocletian, Zagreb 1969; fußend auf den Untersuchungen G. Niemanns, Der Palast des Diocletian in Spalato (1910). 4 Kähler 1964; H. Wrede, Der Genius Populi Romani und das Fünfsäulendenkmal der Tetrarchen, BJb 181, 1981, 121–142; L’ L Orange 1984. 5 Kähler 1936; J. Sieveking, Zu den beiden Triumphbogen-Sockeln im Boboligarten, RM 52, 1937, 74–82; H. Laubscher, Arcus Novus und Arcus Claudii, Göttingen 1976; De Maria 1988, 197–203; Kleiner 1992, 409–413. 6 Rom, Palazzo Massimo alle Terme, Fragment einer Wandmalerei H 1,7 m, 307–314 n. Chr. Cagiano de Avezano 1954; Mielsch 1978; Andreae 2000, 329 Taf. 171. 7 Coarelli 1975, 94–96; Kultermann 1996. 8 Rom, Hof des Konservatorenpalastes, Inv. 1622, Marmor, H 2,9 m. L’ L Orange 1984, 70; Fittschen-Zanker I, 1985, 147–152 Nr. 122; J. Deckers, Der Koloss des Konstantin, in: L. Giuliani (Hg.), Meisterwerke der antiken Kunst, München 2005, 159–177; C. Parisi Presici, Konstantin als Iuppiter, in: Demandt-Engemann 2007, 117–131; Ruck 2007. 9 In Auswahl: L’ L Orange-v.Gerkan 1939; J. Rohmann, Die spätantiken Kaiserporträts am Konstantinsbogen in Rom, RM 105, 1998, 259–282; Pensabene 1999; J. Elsner,
Schuhmacher 2006. Schuhmacher 2006. 3 Rom, Grotten von St. Peter. 4 Rom, Konservatorenpalast, Inv. 909, sog. älterer Magistrat von zwei Beamtenstatuen, die am selben Ort gefunden wurden, H 2,36 m, gegen 400. Helbig II Nr. 1491 (v. Heintze); Sydow 1969, 93. 5 Zu Konstantinopel zusammenfassend: Franz Alto Bauer, Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike, Mainz 1996, bes. 143–186. 6 Istanbul. G. Bruns, Der Obelisk und seine Basis auf dem Hippodrom zu Konstantinopel, Istanbuler Forschungen VII, Istanbul 1935. A. Lippold, Theodosius der Große und seine Zeit, München 1980; H. Leppin, Theodosius der Große. Auf dem Weg zum christlichen Imperium, Darmstadt 2003. 7 Stellvertretend innerhalb der Theorienbildung zum Untergang der römischen Zivilisation: Alexander Demandt, Die Spätantike, München 1989.
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Roma Aeterna 1 Rom, vor dem Quirinalspalast, aus den Thermen des Konstantin, H 5, 6 m, gegen 330. – Kraus 1967, zu Taf. 275; Bartels 2001, 167–170.
Glossar Abakus Deckplatte eines Kapitells, auf welcher der Architrav aufliegt Ädikula (lat.; wörtl. „kleiner Tempel“) Kultschrein oder architektonisch gerahmte Nische Adventus (lat. „Ankunft“) In der Bildkunst dargestellter siegreicher Einzug eines Kaisers oder Triumphators in der Stadt Aedes (lat. „Wohnung“) Tempelgebäude Akroter Figürliche oder pflanzliche Aufsätze eines Giebels Alae (lat. „Flügel“) Seitliche Räume einer Tempelcella bzw. des Atriums römischer Wohnhäuser Allegorie (griech. „etwas anderes sagen“) Bildliche Veranschaulichung abstrakter Wesenheiten, Inhalte oder Begriffe Amphitheater (wörtl. „auf beiden Seiten herum“, zweifaches Theater) Oval gebildete Anlage für Schaukämpfe mit an allen Seiten ansteigenden Zuschauerreihen Anienetuff Rötlicher, fester Tuff, seit der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. verwendet Ante Frei stehende Wandstirn (vgl. templum in antis: Tempel mit einer zur Front hin offenen Vorhalle und in der Regel zwei Säulen zwischen den Anten) Antefix Stirnziegel Apodyterium (griech./lat.) Umkleideraum in einem Bad oder Gymnasium Apotheose (griech. „vergöttern“) Aufnahme eines Sterblichen in die Welt des Göttlichen Apsis (griech. „Verbindung, Wölbung“) Halbkreisförmige oder polygonale Ausbuchtung bzw. Nische in Versammlungsbauten und Tempelanlagen Aquädukt (lat.) Über größere Strecken geführte Wasserleitung bzw. Bogenbrücke, die eine Wasserrinne trägt Arena (lat. „Sandplatz“) In der Regel oval gebildete Kampffläche im Zentrum eines Amphitheaters Architrav Horizontaler Tragebalken oberhalb der Säulenordung, zugleich unterer Teil der Gebälkkonstruktion (auch Epistyl) Archivolte Im Regelfall profilierte Stirnseite eines Bogens bzw. dessen Laibung Arkade Abfolge von Bögen, welche von Säulen oder Pfeilern getragen werden As Standardgewicht von Bronze, Münzeinheit Atrium (lat.) Zentraler, nach oben hin offener Hauptraum eines römischen Hauses Attika Oberhalb des Gebälks einer Säulenarchitektur gebildete Wandzone eines Fassaden- oder Bogenaufbaus
Augur (lat.) Priester, der durch die Beobachtung des Vogelfluges (Auspizien) oder der Tiereingeweide (Haruspizien) Prophezeiungen erstellte Aula Repräsentativer Empfangsaal Backstein Gebrannter Ziegel, im hellenistischen Bauwesen verwendet, innerhalb der römischen Architektur seit dem 1. Jh. durchgehend verbreitet Basilika (lat.) Rechteckiger Hallenbau mit Innenstützen, mehrschiffig oder mit Umgangshallen, als Markt- oder Gerichtsgebäude verwendet Basis (griech. „Schritt, Grundlage“) Bauglied unterhalb des Säulenschaftes bzw. architektonischer Aufbau einer Statuenaufstellung Bukranion Dekorelement, das eine Abfolge von Stierschädeln und Girlanden zeigt Bosse (bewusst) nicht abgearbeitete Teile eines Baugliedes aus Stein oder Marmor Caldarium (lat.) Heißwasserbad der römischen Thermen Caementicium (lat.) Betonartiges Baumaterial für den Mauerverband, bestehend aus Mörtel und beigemischten Steinmaterialien bzw. Zusätzen (etwa Pozzulanerde) Cappellaccio Tuffstein von grauer Farbe, der in Rom selbst gebrochen und hauptsächlich in der Frühzeit verwendet wurde Cavea (lat.) Zuschauerraum des Theaters und Amphitheaters Cella (lat.) Hauptraum der Tempelanlage zur Aufbewahrung des Götterbildes Cipollino Heller, tw. dunkelgrün gestreifter Marmor aus Euböa Collegium (lat. „Zunft“) Öffentlicher oder privater Zusammenschluss bzw. Verein Columbarium (lat. „Taubenschlag“) Nischen für die Aufnahme von Aschenurnen in Grabkammern Comitia (lat.) Volksversammlungen mit beschließendem Charakter; der Versammlungsplatz (Comitium) Compluvium (lat.) Dachluke des Atriums Corona (lat. „Mauerkrone“) Das Kranzgesims (Geison) in der Tempelbaukunst Cubiculum (lat.) Schlafraum Curia (lat.) Versammlungsort des Senates, Rathaus Cursus honorum (lat. „Karriereleiter“) Ämterlaufbahn römischer Würdenträger Damnatio memoriae (lat. „Tilgung aus der Erinnerung“) Postum verhängte Strafe für Staatsfeinde, verbunden u. a. mit der Vernichtung bildlicher Darstellungen der jeweiligen Person
Glossar Denar Römische Silbermünze Dorische Ordnung Antike Säulenordnung mit kannelierten Säulen und schlicht geformten runden Kapitellen, bestehend auch Echinus und Abakus (Deckplatte), daraufruhend der Architrav sowie eine rhythmisierte Abfolge von Triglyphen und Metopen Eklektizismus (griech. „auswählen“) Übernahme von vorhandenen Darstellungsweisen Exedra (griech. „Außensitz“) Raumnische oder allgemein halbrunde Nische Fasces (lat.) Mit Lederriemen umschnürte Rutenbündel mit Beilen der Liktoren als Zeichen ihrer Amtsgewalt Faszien Gegeneinander versetzte horizontale Streifen des Gebälks (Architravs) oder eines Steinblocks Forum (lat.) (Markt)Platz und Mittelpunkt der römischen Stadt mit Tempel-, Regierungs- und Marktgebäuden Frigidarium (lat.) Kaltraum in einem öffentlichen Bad Genius (lat. „Schutzgeist“) Menschengestaltige, zumeist jugendlich verkörperte Schutzgestalt für Familie, Ort (Genius loci), Senat (Genius Senatus) oder Staat (Genius Populi Romani) Gens (lat. „Geschlecht“) Im Sinne von Familie und Familienverband Geison Das über das Gebälk vorragende Dachgesims (Corona) Giallo Antico Aus Chemto (Tunensien) stammender gelblicher Marmor Gussmauerwerk Zwischen Verschalungen gegossenes Mauerwerk aus Bruchsteinen und Caementicium Gymnasium Innerhalb der griechischen Kultur Ausbildungsstätte der männlichen Jugend verbunden mit sportlichem Training Heroon (griech.) Verehrungsstätte eines Helden Hypokausten Unter dem Fußboden stehende Pfeiler, die bei Heizungen den Zwischenraum für den Durchzug der erwärmten Luft bildeten Impluvium (lat.) Becken im Atrium zum Auffangen des Regenwassers aus der Dachluke (vgl. Compluvium) Interkolumnium Der äußere Abstand zwischen den Säulen Ionische Ordnung Gekennzeichnet durch schlanke Säulen auf einer Basis und Volutenkapitelle Joch Der Achsabstand zwischen der Säulen- bzw. Pfeilermitte Kalathos (griech. „Korb“) Bestandteil des korinthischen Kapitells Kapitell (lat. „Köpfchen“) Kopfstück einer Säule oder eines Pfeilers in unterschiedlicher Ausprägung (Kapitellformen)
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Karyatide (griech.) Weibliche Gewand- und Stützfigur der Baukunst Kline (griech.) Speisesofa Kompositkapitell Typus eines zusammengesetzten, aus ursprünglich nicht zusammengehörigen Schmuckformen bestehenden römischen Kapitells Konsole Kragstein als Auflager eines Architekturglieds Konsolgeison Weit vorkragendes Geison der Tempelbaukunst mit unterlegten (Voluten)konsolen Korinthische Ordnung Bauordnung, deren Kapitelle um den kelchartigen Kalathos herum Voluten mit Akanthusblättern und Blattstengeln (Helices) kombinieren Koroplasten (wörtl. „Dachgestalter“) Künstler, die Werke aus Ton herstellen Kryptoportikus Unterirdisch oder teilweise unterirdisch geführter Korridor Latifundium (lat.) Großgrundbesitz in Verbindung mit Agrar- und Gewerbetätigkeit Lararium (lat. von Lar, „Schutzgottheit“) Schrein für die Hausgötter Libertus (lat.) Freigelassener Sklave Liktoren (lat.) Amtsdiener römischer Magistrate bzw. des Kaisers, die Fasces trugen Ludi (lat.) Öffentliche Spiele, etwa in Form von Tierhatzen (venationes) oder Gladiatorenkämpfen Lunensischer Marmor Seit dem 1. Jh. v. Chr. gewonnener weißer Marmor aus Luni, heute Carrara Macellum (lat.) Markt, Fleischmarkt, Lebensmittelhalle Monolith (griech.) Aus einem Stein bestehendes Bauglied, v. a. Säulenschaft Monopteros Von Säulen getragenes Gebäude ohne innere Cella Mos maiorum (lat.) Nach der Sitte der Vorfahren Municipium (lat.) Stadt mit eigenem Rechtsstatut Munera (lat. munus, munera) „Geschenk“ römischer Bürger an die Bevölkerung, auch im Sinne von Spielen und Gladiatorenkämpfen Natatio (lat.) Wasser-Schwimmbecken Nekropole (griech.) „Totenstadt“, Gräberstraße Nymphäum Quellhaus oder Brunnenanlage mit statuarischem Schmuck Obelisk Aus einem Stück hergestellter, oben spitzer Steinbalken aus dem Kontext der ägyptischen Kultur Odeion (griech.) Konzert- oder Vortragssaal Oecus Repräsentativer Empfangsraum Opaion Öffnung in der Decke eines Raumes Opera nobilia (lat.) Begriff für besonders herausragende Kunstwerke Opus (lat. „Werk“) Auch verwendet für die Techniken des Mauerbaues
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Glossar
Opus sectile Wand- oder Fußbodenbelag bestehend aus Marmorplatten Orchestra Runder oder halbrunder Mittelpunkt des Theaters Orthostaten (griech. „der aufrecht Stehende“) Untere Pfeiler- oder Plattenlage eines Mauerwerks Palladion (griech. „Mädchen“) Altes, „hölzernes“ Kultbild der Pallas Athene Palästra (griech.) „Ringerschule“ im Bereich einer Sportkampfstätte oder eines Gymnasiums Patera (lat.) Flache Opferschale Pavimentum (lat.) Fußbodenbelag Pavonazetto Violett-weiß gesprenkelte marmorartige Steinsorte aus Kleinasien Pendentif (frz.) Vom Unterbau zur Kuppel überleitender Teil eines Bauwerkes in Form eines sphärischen Dreiecks (Zwickel) Peperin Grauer, fester Tuffstein Peripteral Bezeichnung eines Bauwerkes mit Außensäulen, die das Dach von allen Seiten tragen Peripteros sine postico (lat.) Tempelgebäude mit vorderen und seitlichen Außensäulen bei geschlossener Rückwand Peristyl (griech.) Ein von Säulen gerahmter Innenhof vornehmlich in Häusern und Villen Pilaster (lat. „Pfeiler“) Rechteckig vorspringender Wandpfeiler mit Basis und Kapitell Plebs (lat. „das Volk“) Die einfacheren Bevölkerungsschichten der römischen Gesellschaft Plinthe (griech.) „Platte“ als Unterlage eines Baugliedes oder eines Standbildes Podium (lat.) Erhöhter Unterbau eines Bauwerkes Polychromie (griech.) Farbfassung von Bauwerken und Skulpturen Polygonalmauerwerk Mauerwerk, bestehend aus vieleckig zugeschnittenen Steinblöcken Pomerium (lat.) Als „heilig“ geltender städtischer Bereich Pontifex (lat.) Priester der römischen Staatsreligion (vgl. pontifex maximus) Porphyr Rötlich-violetter oder grünlicher, sehr harter Stein aus Ägypten Portikus (lat.) Säulengang Propylon (griech.) Torbau, architektonisch hervorgehobener Eingangsbereich Prostylos (griech.) Tempelform, die durch eine über die gesamte Breite der Cella reichende Säulenvorhalle gekennzeichnet ist Pseudoperipteros Sonderform des Tempels, dessen Cellawände außen mit Halb- und Dreiviertelsäulen ausgestattet sind Pylon (griech. „Toranlage“) Stütze, Pfeiler eines Bogenmonuments
Quadrifrons (lat. „vierstirnig“) Vierteiliges Bogenmonument; entsprechend dem Tetrapylon Quadriga (lat.) Vierergespann Quadriportikus Von Säulenhallen gefasste Hofanlage Rustika (lat. „ländlich, bäuerlich“) Mauerwerk mit an der Außenseite roh belassenen Steinquadern Saecularfeier Offizielle Feier zu Beginn eines neuen Zeitabschnitts Sesterz Münze im Wert von zweieinhalb Assen Sikeliotisch Unteritalische Sonderform des korinthischen Kapitels Sima Dachrinne, oft mit Schmuckelementen verziert Spolien (lat. „Beute“) Wieder verwendete Teile eines Kunst- oder Bauwerkes Skene (griech.) Bühnengebäude, beim römischen Theater (scenae frons) Soffitten Die ornamentierte Unteransicht eines Bogens oder einer Hängeplatte Spina Mittelstreifen in der Längsachse eines Circus Substruktion Architektonisch aufwendiger Unterbau Summi viri (lat.) Hoch stehende Persönlichkeiten der römischen Geschichte Tabernae (lat.) Läden Tablinum (lat.) Haupt- und Speiseraum des römischen Hauses Temenos (griech. „abgeschnitten“) Eingefasster, heiliger Bezirk eines Tempels oder Heiligtums Tepidarium (lat.) Mäßig warmer Raumteil der römischen Badeanlage Tessera Winziges Werkstück aus Stein oder anderem Material, vornehmlich in der Mosaikkunst; auch Eintrittskarte in ein Theater, Bad Tetrapylon (griech. „viertorig“) Vierteiliges (Bogen) monument; entsprechend dem Quadrifrons Thermen (griech.) Öffentliche Badeanlage in der römischen Antike Tholos (griech.) Die Tholos verkörpert ein kreisrundes Bauwerk Travertin Kalkstein, der in der Nähe von Tivoli abgebaut wird Tribunal (lat.) Amtssitz innerhalb der römischen Basilika Triclinium Speiseraum eines römischen Hauses mit an drei Seiten aufgestellten Liegen (Klinen) Tropaion (griech.) Siegeszeichen, Gerüst behängt mit Beutewaffen Tubuli (lat.) Hohlziegel der Wandheizung Tumulusgrab Archaische Grabform mit einem über dem Grab aufgehäuften Erdhügel Verkröpfung Herumführung eines Gebälkes, eines Gesimses um vorstehende Bauteile Vestibül (lat. „Vorhof“) Vorraum oder -halle eines Gebäudes
Bibliographie RdA RE
Abkürzungen AA AJA AM ANRW APl ArchCl ASR AW BaBesch BCom BEFAR BJb BSR BWPr CIL DArch DNP EAA Ergh Helbig HiM JdI JRA JRS LIMC MAAR MEFRA MemAmAc MemLincei MM MWPr Nash I–II NSc ÖJh OpRom PBSR PP
Archäologischer Anzeiger American Journal of Archaeology Athener Mitteilungen Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt Antike Plastik Archeologia Classica Die antiken Sarkophagreliefs Antike Welt Bulletin van de Antieke Beschaving Bolletino Communale Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes ’ et de Rome Bonner Jahrbücher Papers of the British School at Rome Berliner Winckelmannsprogramm Corpus Inscriptionum Latinarum Dialoghi di Archeologia Der Neue Pauly Enciclopedia dell’arte antica Ergänzungsheft Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom Hellenismus in Mittelitalien. Kolloquium Göttingen Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts Journal of Roman Archaeology The Journal of Roman Studies Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae Memoirs of the American Academy in Rome Mélanges de l’École Française de Rome. Antiquité Memoirs of the American Academy in Rome Atti della Romana Accademia dei Lincei Madrider Mitteilungen Marburger Winckelmannsprogramm Bildlexikon zur Topographie des antiken Rom Notizie degli Scavi Österreichische Jahreshefte Opuscula Romana Papers of the British School at Rome La parola del passato
RIA RM TrWPr Suppl.
Rivista di Archeologia Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Rivista di Archeologia Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung Trierer Winckelmannsprogramm Supplement
Literatur Aberson, Michel, Temples votives et butin de guerre dans la Rome républicaine, Rom 1994 Adam, Jean-Pierre, Roman Building. Materials and Techniques, London 1994A. Adam, Jean-Pierre, Le temple de Portunus au Forum Boarium, Rom 1994 Aicher, Peter J., Guide to the Aqueducts of Ancient Rome, Wauconda/Illinois 1995 Aichholzer, Peter, Darstellungen römischer Sagen, Diss. Wien 1983 Aigner-Foresti, Luciana, Die Etrusker und das frühe Rom, Darmstadt 2003 Akurgal, Ekrem (Hg.), Griechische und römische Kunst in der Türkei, München 1987 Albertoni, Margherita/Damiani, Isabella, Il tempio di Giove e le origini del colle Capitolino, Rom 2008 Albertson, Frederick C., The Sculptured Portraits of Lucius Verus and Marcus Aurelius, Ann Arbor 1980 Alcock, Susan E., Graecia Capta. The Landscapes of Roman Greece, Cambridge 1993 Alexandridis, Annetta, Die Frauen des römischen Kaiserhauses, Mainz 2004 Alföldy, Andreas, Das frühe Rom und die Latiner, Rom 1977 Alföldy, Andreas, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreich, Darmstadt 1980 Alföldy, Andreas, Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3. Jhs. n. Chr., Darmstadt 1980 Alföldy, Geza, Römische Heeresgeschichte, Amsterdam 1987 Altenhöfer, Erich, Die Cella des Dioskurentempels in Cori, RM 113, 2007, 373–397 Altobelli, Cecilia/Crisanna, Simonetta, Il Palazzo di Piazza di Pietra, Rom 1987 Amedick, Rita, Frühkaiserzeitliche Bildhauerstile im alten Rom, Rheinzabern 1987
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Abbildungsnachweis Seite 2, Abb. 5, 9, 11, 12, 42, 45, 80, 81, 93, 100, 102, 104, 106, 120, 123, 141, 184, 189, 220 akg-images; Seite 6 Peter Palm, Berlin; Abb. 1, 4, 52, 119 picture-alliance; Abb. 2, 16, 17,19, 74, 78, 79, 95, 98, 99, 101, 105, 108, 127, 133, 145, 146, 147, 157, 161, 162, 169, 185, 188, 190, 197, 198, 205, 206, 209, 210, 217, 219 Monika Hinterhöller; Abb. 3, 30, 51 nach A. Carandini / R. Cappelli (2000); Abb. 6 nach Lexikon der Alten Welt (1965); Abb. 7, 66, 72, 73, 85, 86, 87, 110, 118, 125, 143, 148, 150, 151, 153, 155, 156, 158, 163, 164, 165, 166, 167, 181, 182, 183, 187, 211, 212, 215, 230 Manuel Schwembacher; Abb. 8 IFA Bilderteam; Abb. 10, 28, 31, 36, 38, 60, 77, 90 nach H. Kähler (1958/1973); Abb. 13 nach H. v. Hesberg (2005); Abb. 14, 48 nach F. Kolb (2002); Abb. 15, 29, 32 nach F. Coarelli (1975); Abb. 18 nach M. Pallottino (1986); Abb. 20, 41 nach J. W. Stamper (2005); Abb. 21, 34, 47, 96, 103, 115, 116, 121, 139, 144, 193, 202, 204, 214, 216 Wolfgang Wohlmayr; Abb. 22 nach N. Agnoli (2002); Abb. 23 nach G. Camporeale (1990); Abb. 24 nach A. Hoffmann / U. Wulff (2004); Abb. 25 Museo Nacional del Prado, Madrid; Abb. 26 nach F. Cimarelli (2003); Abb. 27 nach R. Delbrück (1907); Abb. 33 nach B. Andreae (1973); Abb. 35, 175 nach G. Lahusen (2010); Abb. 37, 39, 40 nach F. E. Brown (1980); Abb. 43, 61, 71, 107, 109, 112, 114, 122, 131, 132, 137, 138, 140, 142, 154, 169, 173, 174, 176, 178, 180, 186, 195, 196, 203, 207, 221, 226, 228 Fotosammlung Universität Salzburg; Abb. 44 nach J. P. Kent / B. Overbeck (1973); Abb. 46 nach T. Hölscher (1978); Abb. 49 nach F. Coarelli (1983); Abb. 50 nach L. Crozzoli Aite (1988); Abb. 53 nach C. O’Connor (1993); Abb. 54, 64, 76, 82, 83, 84, 111, 160, 192, 213, 218, 225 nach J. Martin (1994); Abb. 55 nach J. Mertens (1981); Abb. 56 nach G. Pugliese Caratelli (1985); Abb. 57, 91 nach T. Kraus / L. v. Matt (1977); Abb. 58, 62, 129, 149 nach H. Knell (2004); Abb. 59 nach W. Trillmich (1993); Abb. 63, 179, 194, 222, 223, 224 nach T. Kraus (1967); Abb. 65 nach P. Gros / M. Torelli (1988); Abb. 67 nach G. Calcani (1989); Abb. 68 nach T. Lorenz (1987); Abb. 69 Museo archeologico nazionale, Luni; Abb. 70 British Museum, London; Abb. 75 nach P. Stewart (2003); Abb. 88, 89 nach W. Heinz (1983); Abb. 92, 159 nach R. Bianchi Bandinelli (1971); Abb. 94 nach K. Knoll (1993); Abb. 113 nach M. Droste (2003); Abb. 117 nach E. Buchner (1982); Abb. 124 nach P. Zanker (1973); Abb. 126 nach P. C. Bol (2010); Abb. 128 nach D. Favro (1996); Abb. 130, 134 nach E. Simon (1986); Abb. 135, 136 nach P. Zanker (1995); Abb. 152 nach M. Bussagli (1999); Abb. 168, 201 bpk; Abb. 171 Ephesos Museum, Wien; Abb. 172 Glyptothek, München; Abb. 191 Christian Hemmers / Stefan Traxler; Abb. 199 Salzburg Museum / Wolfgang Wohlmayr; Abb. 200 Römermuseum Tulln / Stefan Traxler; Abb. 208 nach H. Steiner (2002); Abb. 225, 227 nach W. Volbach (1958).