Grundlagen der Organischen Chemie [Reprint 2020 ed.] 9783112315842, 9783112304570


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German Pages 861 [872] Year 1990

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Table of contents :
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur ersten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Kapitel I. Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen
1. Einleitung
2. Ionische und kovalente Bildung
3. Elektronenpaarabstoßung und Stereochemie
4. Atomorbitale
5. Molekülorbitale und chemische Bindung
6. Bindungsenergie
7. Polarität und Polarisierbarkeit
8. Induktiver und mesomerer Effekt
9. Zum Ablauf chemischer Reaktionen
Kapitel II. Strukturaufklärung durch Spektroskopie
1. Massenspektrometrie
2. Ultraviolettspektroskopie
3. Infrarotspektroskopie
4. Kernmagnetische Resonanzspektroskopie
Kapitel III. Alkane
1. Einteilung der Kohlenwasserstoffe
2. Konstitutionsisomerie
3. Nomenklatur
4. Homologe Reihe
5. Physikalische Eigenschaften
6. Vorkommen
7. Darstellung
8. Reaktionen
Kapitel IV. Stereoisomerie
1. Übersicht
2. Enantiomere mit einem einzigen chiralen Zentrum
3. Enantiomere mit mehreren chiralen Zentren
4. Symmetrieeigenschaften von chiralen Molekülen
5. Enantiomere ohne chirales Zentrum
6. Enantiomerentrennung (Racematspaltung)
7. Chemisches und biochemisches Verhalten von Enantiomeren
8. Prostereoisomerie
Kapitel V. Alkene
1. Übersicht
2. Nomenklatur
3. Physikalische Eigenschaften
4. Darstellung
5. Reaktionen
Kapitel VI. Alkine
1. Übersicht und Nomenklatur
2. Physikalische Eigenschaften
3. Darstellung
4. Reaktionen
5. Acetylen
6. Mehrstufensynthese: ein Insekten-Sexuallockstoff
Kapitel VII. Mehrfach ungesättigte Kohlenwasserstoffe
1. Übersicht
2. Konjugierte Diene
3. Kumulene
4. Mehrstufensynthese: ein Polyen
Kapitel VIII. Polymere
1. Übersicht
2. Polymerisation von Alkenen
3. Polymerisation von konjugierten Dienen
4. Eigenschaften und Verwendung von Olefinpolymeren
Kapitel IX. Pericyclische Reaktionen
1. Definition
2. Elektrocyclische Reaktionen
3. Konzertierte Cycloadditionen
4. Konzertierte und stufenweise Cycloadditionen
5. Sigmatrope Umlagerungen
6. Pericyclische Reaktionen in der Biochemie
Kapitel X. Cycloalkane
1. Monocyclische Alkane
2. Spirocyclische und polycyclische Alkane
Kapitel XI. Benzoide Aromaten
1. Einleitung
2. Übersicht und Nomenklatur
3. Physikalische Eigenschaften
4. Physiologische Eigenschaften: Carcinogenität
5. Gewinnung aromatischer Verbindungen
6. Einteilung der Reaktionen aromatischer Verbindungen
7. Zum Ablauf elektrophiler Substitutionen
8. Elektrophile Substitution an Benzol
9. Elektrophile Zweitsubstitution
10. Elektrophile Substitution an mehrkernigen Aromaten
11. Addition an Aromaten
12. Reaktionen der Seitenketten von Alkylbenzolen
13. Mehrstufensynthese: das Gewürz Vanillin
Kapitel XII. Nichtbenzoide Aromaten
1. Benzoide und nichtbenzoide Aromaten. Hückel-Regel
2. Weitere ungesättigte Verbindungen
3. Ringgröße, Ringwinkel und Planarität
4. Kernresonanzspektren
5. Darstellung
6. Reaktionen
7. Vergleich aromatischer, antiaromatischer und olefinischer Verbindungen
Kapitel XIII. Nucleophile Substitutionen
1. Übersicht
2. Das Nucleophil
3. Die Austrittsgruppe
4. Zum Ablauf nucleophiler Substitutionen
5. Einfluß gesättigter Alkylreste auf den Ablauf der Substitution
6. Einfluß von Benzyl- und Allylresten auf den Ablauf der Substitution
7. Gegenüberstellung: radikalische, elektrophile und nucleophile Substitution
Kapitel XIV. Eliminierungen
1. Definition
2. ß-Eliminierungen
Kapitel XV. Organische Halogenverbindungen
1. Übersicht und Nomenklatur
2. Physikalische Eigenschaften
3. Darstellung
4. Reaktionen
5. Polyhalogenverbindungen und ihre technische Bedeutung
Kapitel XVI. Metallorganische Verbindungen
1. Einleitung
2. Bindungstypen
3. Physikalische Eigenschaften
4. Darstellung
5. Reaktionen
Kapitel XVII. Alkohole und Phenole
1. Übersicht und Nomenklatur
2. Physikalische Eigenschaften
3. Physiologische Eigenschaften und Verwendung
4. Darstellung von Alkoholen
5. Darstellung von Phenolen
6. Reaktionen
7. Mehrwertige Alkohole
8. Mehrstufensynthese: der Aromastoff Menthol
Kapitel XVIII. Ether
1. Übersicht und Nomenklatur
2. Physikalische Eigenschaften
3. Verwendung
4. Darstellung
5. Reaktionen
6. Epoxide
7. Thioalkohole, Thioether und weitere organische Schwefelverbindungen
8. Mehrstufensynthese: Kronenether
Kapitel XIX. Aldehyde und Ketone
1. Übersicht und Nomenklatur
2. Eigenschaften, Vorkommen, Verwendung
3. Darstellung
4. Reaktionen
5. Mehrstufensynthese: Vitamin A
Kapitel XX. α, β -ungesättigte Carbonylverbindungen
1. Übersicht und Darstellung
2. Reaktionen
Kapitel XXI. Kohlenhydrate
1. Einleitung
2. Monosaccharide
3. Oligo- und Polysaccharide
4. Die wichtigsten Kohlenhydrate und ihr Vorkommen
5. Reaktionen
6. Mehrstufensynthese: Ascorbinsäure
Kapitel XXII. Carbonsäuren
1. Übersicht und Nomenklatur
2. Physikalische Eigenschaften
3. Physiologische Eigenschaften
4. Vorkommen
5. Darstellung
6. Reaktionen
7. Peroxycarbonsäuren
8. Dicarbonsäuren
9. Mehrstufensynthese: der Konservierungsstoff Sorbinsäure
Kapitel XXIII. Funktionelle Derivate von Carbonsäuren
1. Übersicht
2. Allgemeines chemisches Verhalten
3. Carbonsäurechloride
4. Carbonsäureanhydride
5. Carbonsäureamide
6. Nitrile
7. Carbonsäure-ester
8. Fette, Öle, Wachse
9. Lactone und Lactame
10. Polyester und Polyamide
11. Thiocarbonsäuren und ihre Ester
12. Kohlensäurederivate
13. Reaktivitätsvergleich: Acyl- und Alkylverbindungen
14. Mehrstufensynthese: der Süßstoff Saccharin
Kapitel XXIV. Amine
1. Übersicht und Nomenklatur
2. Physikalische Eigenschaften
3. Physiologische Eigenschaften
4. Darstellung
5. Reaktionen
6. Aromatische Diazoniumsalze
7. Enamine
8. Übersicht über organische Stickstoffverbindungen
9. Mehrstufensynthese: der ß-Blocker Propanolol
Kapitel XXV. Aminosäuren, Peptide, Proteine
1. Aminosäuren
2. Peptide
3. Proteine
Kapitel XXVI. Heterocyclische Verbindungen
1. Übersicht
2. Furan, Thiophen und Pyrrol
3. Pyridin
4. Mehrstufensynthese: der Farbstoff Indigo
Kapitel XXVII. Naturstoffe
1. Einteilung der Naturstoffe
2. Terpene
3. Steroide
4. Hormone
5. Pheromone
6. Stickstoffheterocyclen
7. Vitamine
8. Antibiotika
Anhang
Lösung der Aufgaben
Sachregister
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Grundlagen der Organischen Chemie [Reprint 2020 ed.]
 9783112315842, 9783112304570

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Buddrus, Grundlagen der Organischen Chemie, 2. Auflage

Joachim Buddrus

Grundlagen der Organischen Chemie 2., verbesserte und erweiterte Auflage

W Walter de Gruyter G Berlin • New York 1990 DE

Professor Dr. Joachim Buddrus Institut für Spektrochemie und angewandte Spektroskopie Bunsen-KirchhofF-Straße 11 4600 Dortmund Das Buch enthält zahlreiche Abbildungen und Tabellen.

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Buddrus, Joachim: Grundlagen der organischen Chemie / Joachim Buddrus. - 2., verb. u. erw. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1990 ISBN 3-11-011642-1

© Copyright 1990 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. - Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz und Druck: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. Bindung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin. Einbandgestaltung: Thomas Bonnie, Hamburg.

Vorwort zur zweiten Auflage

Die zweite Auflage ist gegenüber der ersten in einigen Kapiteln geändert worden, teilweise aus didaktischen Gründen, teilweise um neuere Entwicklungen zu berücksichtigen. Die spektroskopischen Methoden erscheinen nunmehr in einem gesonderten Kapitel. Das Kapitel über Stereoisomerie ist vorgezogen, umgestellt und um den Abschnitt Prostereoisomerie erweitert worden. Dabei werden die für Chemie und Biochemie gleichermaßen wichtigen Begriffe wie Enantiotopie, Diastereotopie und Prochiralität erläutert. Ebenfalls erweitert sind das Kapitel über benzoide Aromaten - neu sind hier die Abschnitte über Carcinogenität, ferner über Geschwindigkeit der Zweitsubstitution - und das Kapitel über funktionelle Derivate von Carbonsäuren. Kohlenhydrate erscheinen - wie zuvor schon Aminosäuren - in einem gesonderten Kapitel. Auch in der zweiten Auflage enden die meisten Kapitel mit der Mehrstufensynthese einer relevanten Verbindung. Neu aufgenommen sind die Mehrstufensynthesen von Menthol, Kronenethern, Ascorbinsäure, Sorbinsäure und dem ß-Blocker Propanolol. Erneut danke ich dem Verlag de Gruyter für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Dortmund, Herbst 1989

Joachim Buddrus

Vorwort zur ersten Auflage

Das vorliegende Lehrbuch soll in die Grundlagen der Organischen Chemie einführen. Das erste Kapitel gibt nach einem Überblick über gängige Bindungsvorstellungen eine kurze Einführung in die Molekülspektroskopie (UV, IR, MS, NMR). Besonders die Kernresonanzspektroskopie (NMR) verhilft zum Verständnis wichtiger Erscheinungen in der Organischen Chemie, wie zum Beispiel Konformationsgleichgewicht, Tautomerie, Aromatizität, Antiaromatizität und andere. Die weiteren Kapitel behandeln in der Mehrzahl Stoffklassen der Organischen Chemie. Dazwischen findet der Leser Kapitel, in denen bestimmte Reaktionstypen im Vordergrund stehen: Polymerisationen, pericyclische Reaktionen, nucleophile Reaktionen, Eliminierungen, Enantiomerie. Im letzten Kapitel wird ein Überblick über Naturstoffe gegeben, soweit diese in vorangegangenen Kapiteln noch nicht behandelt worden sind. Die einzelnen Kapitel enden vielfach mit einem Abschnitt „Mehrstufensynthese", in welchem zuvor behandelte Reaktionen anhand einer mehrstufigen Synthese einer bestimmten Verbindung angewendet werden. Das Lehrbuch enthält 450 Aufgaben. Damit der Leser seinen Wissensstand unmittelbar überprüfen kann, sind die Lösungen sämtlicher Aufgaben im Anhang angegeben. Herr Privatdozent Dr.H. Kneifel, Dortmund, Mitautor des Kapitels „Naturstoffe", und viele andere Kollegen haben Teile des Buches kritisch gelesen. Frau L. Völkel, Dortmund, hat mit Geduld und Geschick das Manuskript in eine klare und ansprechende Form gebracht. Ihnen allen sei gedankt. Dem Verlag de Gruyter danke ich für die außerordentlich gute Zusammenarbeit. Dortmund, Februar 1980

Joachim

Buddrus

Inhaltsverzeichnis

Kapitell Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen 1 Einleitung 1.1 Bedeutung der Organischen Chemie 1.2 Entwicklung der Organischen Chemie 1.3 Sonderstellung des Kohlenstoffs gegenüber anderen Elementen

1 1 1 2

2 Ionische und kovalente Bildung

2

3 Elektronenpaarabstoßung und Stereochemie 3.1 Einfachbindungen 3.2 Mehrfachbindungen

4 4 7

4 Atomorbitale 4.1 Einfache Atomorbitale 4.2 Hybridorbitale

8 8 8

5 Molekülorbitale und chemische Bindung 5.1 Lokalisierte Molekülorbitale 5.1.1 Einfachbindungen 5.1.2 Mehrfachbindungen 5.2 Delokalisierte Molekülorbitale

10 10 10 13 15

6 Bindungsenergie

19

7 Polarität und Polarisierbarkeit

21

8 Induktiver und mesomerer Effekt 8.1 Induktiver Effekt 8.2 Mesomerer Effekt

25 25 26

9 Zum Ablauf chemischer Reaktionen

27

Kapitelll Strukturaufklärung durch Spektroskopie 1 Massenspektrometrie 1.1 Grundlagen 1.2 Massenspektren einfacher Verbindungen

32 32 34

2 Ultraviolettspektroskopie 2.1 Grundlagen

38 38

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.2 UV-Spektren von Olefinen

39

3 Infrarotspektroskopie 3.1 Grundlagen 3.2 Interpretation von IR-Spektren

42 42 45

4 Kernmagnetische Resonanzspektroskopie 4.1 Grundlagen 4.2 Chemische Verschiebung 4.3 Kopplung 4.4 Kernresonanzspektroskopie von Kohlenstoff.

47 48 50 52 54

Kapitel III Alkane 1 Einteilung der Kohlenwasserstoffe

59

2 Konstitutionsisomerie

60

3 Nomenklatur

61

4 Homologe Reihe

65

5 Physikalische Eigenschaften 5.1 Konformation 5.2 Löslichkeit, Siedepunkte 5.3 Molekülspektren

65 65 68 70

6 Vorkommen

71

7 Darstellung

71

8 Reaktionen 8.1 Halogenierung 8.1.1 Mechanismus der Halogenierung 8.1.2 Orientierung bei der Halogenierung 8.1.3 Reaktivität und Selektivität der Halogene 8.2 Sulfochlorierung 8.3 Oxidation mit Sauerstoff 8.3.1 Autoxidation 8.3.2 Verbrennung 8.4 Pyrolyse. Steam cracking

73 73 75 76 77 80 81 81 82 84

Inhaltsverzeichnis

IX

Kapitel IV Stereoisomerie 1 Übersicht

87

2 Enantiomere mit einem einzigen chiralen Zentrum

89

3 Enantiomere mit mehreren chiralen Zentren

93

3.1 meso-Verbindungen 4 Symmetrieeigenschaften von chiralen Molekülen

95 97

5 Enantiomere ohne chirales Zentrum 5.1 Kumulene 5.2 Biphenylverbindungen 5.3 Helicene

99 99 100 101

6 Enantiomerentrennung (Racematspaltung)

103

7 Chemisches und biochemisches Verhalten von Enantiomeren

105

8 Prostereoisomerie 106 8.1 Homotope, enantiotope und diastereotope Substituenten oder Flächen 107 8.2 Prochirale Zentren 112

Kapitel V Alkene 1 Übersicht

115

2 Nomenklatur

115

3 Physikalische Eigenschaften 3.1 m-ira«j-Isomerie

117 117

3.2 Molekülspektren

119

4 Darstellung

122

5 Reaktionen 5.1 Zur Reaktivität von Alkenen 5.2 Hydrierung 5.2.1 Zum Ablauf der Hydrierung 5.2.2 Hydrierungswärme 5.3 Elektrophile Additionen 5.3.1 Addition von Halogenen 5.3.2 Addition von unterhalogeniger Säure 5.3.3 Addition von Säuren 5.3.3.1 Addition von Halogenwasserstoff

124 124 127 128 129 131 131 133 133 134

X

Inhaltsverzeichnis 5.3.3.2 Addition von Schwefelsäure 5.3.3.3 Addition von Wasser 5.3.4 Hydroborierung 5.3.5 Addition von Carbenen 5.3.5.1 Was sind Carbene? 5.3.5.2 Erzeugung und Addition von Carbenen 5.3.6 Elektrophile Additionen - ein Vergleich 5.4 Radikalische Additionen 5.4.1 Radikalische Addition von Brom 5.4.2 Radikalische Addition von Bromwasserstoff 5.4.3 Radikalische Addition weiterer Verbindungen 5.5 Nucleophile Additionen 5.6 Oxidation an der Doppelbindung 5.7 Substitution in Allylstellung 5.7.1 Autoxidation in Allylstellung 5.7.2 Halogenierung in Allylstellung

138 139 140 144 144 146 149 150 151 151 152 153 155 159 159 159

Kapitel VI Alkine 1 Übersicht und Nomenklatur

163

2 Physikalische Eigenschaften 2.1 Geometrie 2.2 Molekülspektren

164 164 165

3 Darstellung

166

4 Reaktionen 4.1 Addition von Wasserstoff 4.2 Elektrophile Addition 4.2.1 Addition von Halogen 4.2.2 Addition von Wasser. Tautomerie 4.3 Nucleophile Addition 4.4 Zusammenfassung der Additionsreaktionen 4.5 Substitution des Wasserstoffs in 1-Alkinen durch Metalle 4.5.1 Reaktion von Acetyliden 4.6 Oxidative Verknüpfung von 1-Alkinen

168 168 170 170 171 172 173 174 175 176

5 Acetylen

177

6 Mehrstufensynthese: ein Insekten-Sexuallockstoff

179

Inhaltsverzeichnis

XI

Kapitel VII Mehrfach ungesättigte Kohlenwasserstoffe 1 Übersicht

181

2 Konjugierte Diene 2.1 Bindung 2.2 Konformation 2.3 Ultraviolettspektren 2.3.1 Konstitution und Farbe 2.4 Bedeutung 2.5 Darstellung 2.6 Reaktionen 2.6.1 Addition von Bromwasserstoif 2.6.2 Weitere Additionen 2.6.3 Diels-Alder-Reaktion 3 Kumulene 3.1 Struktur und Bindung 3.2 Darstellung

182 182 183 184 184 186 187 188 188 192 193 199 199 200

4 Mehrstufensynthese: ein Polyen

201

Kapitel VIII Polymere 1 Übersicht

205

2 Polymerisation von Alkenen 2.1 Reaktionsmechanismen der Polymerisation 2.1.1 Kationische Polymerisation 2.1.2 Anionische Polymerisation 2.1.3 Radikalische Polymerisation 2.1.4 Koordinative Polymerisation

206 207 209 210 211 212

3 Polymerisation von konjugierten Dienen

213

4 Eigenschaften und Verwendung von Olefinpolymeren

215

Kapitel IX Pericyclische Reaktionen 1 Definition

217

2 Elektrocyclische Reaktionen 2.1 Stereochemie

218 219

XII

Inhaltsverzeichnis

2.2 Orbitalsymmetrie und Drehrichtung 2.2.1 Ringschluß 2.2.2 Ringöffnung 2.3 Regeln

220 220 222 223

3 Konzertierte Cycloadditionen 3.1 Stereochemie 3.2 Orbitalsymmetrie bei Cycloadditionen 3.3 Regeln

224 225 227 230

4 Konzertierte und stufenweise Cycloadditionen

230

5 Sigmatrope Umlagerungen 5.1 Stereochemie 5.2 Orbitalsymmetrie bei Umlagerungen 5.3 Regeln

232 232 233 236

6 Pericyclische Reaktionen in der Biochemie

236

Kapitel X Cycloalkane 1 Monocyclische Alkane 1.1 Übersicht 1.2 Physikalische Eigenschaften 1.2.1 Konformation der Cycloalkane 1.2.2 Konformation des Cyclohexans 1.3 Ringspannung und Verbrennungswärme 1.4 Darstellung von Cycloalkanverbindungen 1.4.1 Cyclopropan- und Cyclobutanverbindungen 1.4.2 Cyclohexanverbindungen 1.4.3 Cyclooctan-und Cyclododecanverbindungen 1.4.4 Mittlere und große Ringe 1.5 Reaktion der Cycloalkane

239 239 242 242 244 248 250 250 251 252 253 254

2 Spirocyclische und polycyclische Alkane

254

Kapitel XI Benzoide Aromaten 1 Einleitung

259

2 Übersicht und Nomenklatur

260

3 Physikalische Eigenschaften

263

Inhaltsverzeichnis 3.1 3.2 3.3 3.4

Elektronen Verteilung im Benzol Bindungsabstände Delokalisierungsenergie Kernresonanzspektren

XIII 263 264 264 265

4 Physiologische Eigenschaften: Carcinogenität

266

5 Gewinnung aromatischer Verbindungen

267

6 Einteilung der Reaktionen aromatischer Verbindungen

268

7 Zum Ablauf elektrophiler Substitutionen

269

8 Elektrophile Substitution an Benzol 8.1 Nitrierung 8.2 Halogenierung 8.3 Sulfonierung 8.4 Friedel-Crafts-Reaktionen 8.4.1 Friedel-Crafts-Alkylierung 8.4.2 Friedel-Crafts-Acylierung 8.5 Zusammenfassung

272 272 273 274 275 276 281 286

9 Elektrophile Zweitsubstitution 9.1 Mechanismus der Zweitsubstitution 9.2 Geschwindigkeit der Zweitsubstitution

287 290 293

10 Elektrophile Substitution an mehrkernigen Aromaten

294

11 Addition an Aromaten 11.1 Lichtinduzierte Halogenierung 11.2 Birch-Reduktion 11.3 Katalytische Hydrierung

298 298 300 301

12 Reaktionen der Seitenketten von Alkylbenzolen

302

13 Mehrstufensynthese: das Gewürz Vanillin

305

Kapitel XII Nichtbenzoide Aromaten 1 Benzoide und nichtbenzoide Aromaten. Hückel-Regel

309

2 Weitere ungesättigte Verbindungen

312

3 Ringgröße, Ringwinkel und Planarität

314

4 Kernresonanzspektren

315

5 Darstellung

317

XIV

Inhaltsverzeichnis

6 Reaktionen

322

7 Vergleich aromatischer, antiaromatischer und olefinischer Verbindungen . . . 323

Kapitel XIII Nucleophile Substitutionen 1 Übersicht

327

2 Das Nucleophil

328

3 Die Austrittsgruppe

331

4 Zum Ablauf nucleophiler Substitutionen

332

4.1 Die S N 2-Reaktion 4.1.1 Stereochemie der S N 2-Reaktion. Inversion 4.2 Die S N 1-Reaktion 4.2.1 Stereochemie der S N l-Reaktion. Racemisierung

332 333 334 336

5 Einfluß gesättigter Alkylreste auf den Ablauf der Substitution

338

6 Einfluß von Benzyl- und Allylresten auf den Ablauf der Substitution

340

7 Gegenüberstellung: radikalische, elektrophile und nucleophile Substitution. 342

Kapitel XIV Eliminierungen 1 Definition

345

2 ß-Eliminierungen 2.1 Synchrone ß-Eliminierungen (E2-Reaktionen) 2.1.1 Richtung der synchronen ß-Eliminierung 2.1.2 Stereochemie der synchronen jS-Eliminierung 2.2 Stufenweise /J-Eliminierungen über Carbenium-Ionen (El-Reaktionen). 2.3 Stufenweise ß - E l i m i n i e r u n g e n über Carbanionen (ElcB-Reaktionen) . . 2.4 Kinetische Isotopeneffekte bei ß-Eliminierungen

346 347 347 350 353 354 355

Kapitel XV Organische Halogenverbindungen 1 Übersicht und Nomenklatur

357

2 Physikalische Eigenschaften

359

3 Darstellung

360

Inhaltsverzeichnis

XV

4 Reaktionen 4.1 Reaktionen von Alkyl- und Allylhalogeniden 4.1.1 Reduktion durch komplexe Hydride 4.1.2 Reaktion mit Carbanionen: Knüpfung neuer C — C-Bindungen 4.2 Reaktionen von Vinyl- und Phenylhalogeniden 4.2.1 Substitution 4.2.2 Eliminierung. Arine 4.3 Reaktion mit Metallen. Grignard-Verbindungen 4.4 Reaktion mit metallorganischen Verbindungen

362 363 363 363 365 365 368 370 372

5 Polyhalogenverbindungen und ihre technische Bedeutung

373

Kapitel XVI Metallorganische Verbindungen 1 Einleitung

379

2 Bindungstypen 2.1 Die kovalente Bindung 2.2 Die ionische Bindung 2.3 Die Mehrzentrenbindung 2.4 Die Bindung in 7t-Komplexen 3 Physikalische Eigenschaften

379 380 380 381 383 384

4 Darstellung 4.1 Aus C—H-aciden Kohlenwasserstoffen 4.2 Aus organischen Halogenverbindungen 4.3 Aus Alkenen und Metallhydriden 4.4 Aus Metallhalogeniden 4.5 Aus Olefinen und Metall(verbindungen)

385 385 386 388 388 389

5 Reaktionen 5.1 Allgemeines chemisches Verhalten 5.2 Lithium-und magnesiumorganische Verbindungen 5.3 Bororganische Verbindungen 5.4 Aluminiumorganische Verbindungen 5.5 Übergangsmetallverbindungen als Katalysatoren 5.5.1 Oligo- und Polymerisation von Olefinen 5.5.2 Homogene Hydrierung von Alkenen 5.5.3 Hydroformylierung von Alkenen 5.5.4 Reduktion von molekularem Stickstoff

390 390 391 398 399 400 401 402 403 405

XVI

Inhaltsverzeichnis

Kapitel XVII Alkohole und Phenole 1 Übersicht und Nomenklatur

407

2 Physikalische Eigenschaften 2.1 Wasserstoffbrücken 2.2 Kernresonanzspektren

411 411 413

3 Physiologische Eigenschaften und Verwendung

413

4 Darstellung von Alkoholen 4.1 Darstellung in großtechnischem Maßstab

415 416

5 Darstellung von Phenolen 5.1 Direkte Hydroxylierung von Aromaten 5.2 Aus Arylverbindungen durch Substitution 5.3 Vergleich der Darstellungsmethoden von Phenolen

419 419 420 422

6 Reaktionen 6.1 Acidität und Basizität von Alkoholen und Phenolen 6.2 Nucleophiles Verhalten von Alkoholen, Phenolen und deren Salzen . . . 6.3 Reaktionen von Alkoholen 6.3.1 Reduktion und Oxidation 6.3.2 Austausch der Hydroxylgruppe gegen Halogen 6.3.3 Dehydratisierung zu Alkenen 6.3.4 Dehydratisierung zu Ethern 6.3.5 Reaktion zwischen Alkoholen und Säuren: Ester 6.4 Reaktionen von Phenolen 6.4.1 Oxidation 6.4.2 Elektrophile Substitution von Phenolverbindungen

423 423 426 427 427 431 433 434 436 436 438 441

7 Mehrwertige Alkohole 7.1 Darstellung 7.2 Dynamit und die Nobelstiftung 7.3 Reaktionen

444 444 446 446

8 Mehrstufensynthese: der Aromastoff Menthol

449

Kapitel XVin Ether 1 Übersicht und Nomenklatur

453

2 Physikalische Eigenschaften

455

3 Verwendung

455

Inhaltsverzeichnis

XYII

4 Darstellung 4.1 Herstellung einiger Ether in technischem Maßstab

455 456

5 Reaktionen 5.1 Reaktion mit Sauerstoff (Autoxidation) 5.2 Bildung von Oxoniumsalzen 5.3 Etherspaltung

458 458 459 459

6 Epoxide 6.1 Darstellung 6.1.1 Technische Herstellung einiger Epoxide 6.2 Reaktionen

461 461 463 464

7 Thioalkohole, Thioether und weitere organische Schwefelverbindungen.... 467 8 Mehrstufensynthese: Kronenether

470

Kapitel XIX Aldehyde und Ketone 1 Übersicht und Nomenklatur

475

2 Eigenschaften, Vorkommen, Verwendung

480

3 Darstellung 3.1 Spezielle Verfahren

481 484

4 Reaktionen 4.1 Übersicht 4.2 Additionen an die Carbonylgruppe 4.2.1 Addition von Wasser 4.2.2 Addition von Alkoholen. Acetale 4.2.3 Addition von Aminen 4.2.4 Addition von Carbanionen 4.3 Substitution des a-Wasserstoffs 4.3.1 Keto-Enol-Tautomerie 4.3.2 Aldol-Reaktion 4.3.3 Halogenierung 4.4 Oxidation 4.5 Reduktion 4.5.1 Reduktion zu Alkoholen 4.5.2 Reduktion zu Kohlenwasserstoffen 4.6 Oligomerisation und Polymerisation

486 486 486 488 490 492 494 500 500 504 506 510 512 513 514 516

5 Mehrstufensynthese: Vitamin A

517

XVIII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel XX a,^-ungesättigte Carbonylverbindungen 1 Übersicht und Darstellung

523

2 Reaktionen 2.1 Elektrophile Additionen 2.2 Nucleophile Additionen 2.2.1 Michael-Addition 2.2.2 Addition metallorganischer Verbindungen 2.2.3 Addition von Aminen, Thiolen, Alkoholen etc

525 525 527 527 530 531

Kapitel XXI Kohlenhydrate 1 Einleitung

535

2 Monosaccharide 2.1 Ring-Kettentautomerie. Mutarotation 2.2 Glykoside

535 538 543

3 Oligo- und Polysaccharide

543

4 Die wichtigsten Kohlenhydrate und ihr Vorkommen

545

5 Reaktionen

550

6 Mehrstufensynthese: Ascorbinsäure

551

Kapitel XXII Carbonsäuren 1 Übersicht und Nomenklatur

553

2 Physikalische Eigenschaften

556

3 Physiologische Eigenschaften

556

4 Vorkommen

556

5 Darstellung

557

6 Reaktionen 6.1 Übersicht 6.2 Acidität 6.2.1 Ursache der Acidität 6.2.2 Einfluß von Substituenten auf die Acidität 6.3 Salze von Carbonsäuren. Seifen

560 560 561 561 562 563

Inhaltsverzeichnis 6.3.1 Seifenlösungen und Waschvorgang 6.3.2 Weitere Detergentien 6.4 Veresterung mit Alkohol 6.5 Umwandlung in Säurehalogenide 6.6 Reduktion zu primären Alkoholen 6.7 Decarboxylierung 6.8 Halogenierung in a-Stellung

XIX 564 565 567 568 569 570 572

7 Peroxycarbonsäuren

573

8 Dicarbonsäuren 8.1 Darstellung 8.2 Reaktionen

574 575 577

9 Mehrstufensynthese: der Konservierungsstoff Sorbinsäure

580

Kapitel X X i n Funktionelle Derivate von Carbonsäuren 1 Übersicht

583

2 Allgemeines chemisches Verhalten

586

3 Carbonsäurechloride 3.1 Darstellung 3.2 Reaktionen 3.2.1 Ersatz des Chlors durch andere Substituenten 3.2.2 Reaktion mit Aromaten 3.2.3 Reaktion mit metallorganischen Verbindungen 3.2.4 Reduktion

588 588 589 589 592 592 593

4 Carbonsäureanhydride 4.1 Darstellung 4.2 Reaktionen

594 596 598

5 Carbonsäureamide 5.1 Physikalische Eigenschaften 5.2 Vorkommen 5.3 Darstellung 5.4 Reaktionen 5.4.1 Basizität und Acidität 5.4.2 Hydrolyse 5.4.3 Ketten Verkürzung von Carbonsäurederivaten 5.4.4 Reduktion von Carbonsäureamiden

599 600 603 603 605 605 606 607 609

XX

Inhaltsverzeichnis

6 Nitrile 6.1 Darstellung 6.2 Reaktionen

611 611 612

7 Carbonsäure-ester 7.1 Vorkommen 7.2 Darstellung 7.3 Reaktionen 7.3.1 Reaktionen an der Estergruppe 7.3.2 Reaktionen am a-Kohlenstoffatom 7.3.2.1 Claisen-Kondensation 7.3.2.2 Malonester-und Acetessigestersynthesen

614 615 616 616 616 622 624 627

8 Fette, Öle, Wachse 8.1 Fette und Öle 8.1.1 Reaktionen an der Estergruppe 8.1.2 Reaktionen an der Seitenkette. Fetthärtung. Trocknende Öle 8.2 Wachse

631 631 633 634 635

9 Lactone und Lactame 9.1 Lactone 9.2 Lactame

636 637 638

10 Polyester und Polyamide 10.1 Polyester 10.2 Polyamide 10.3 Ausgangsverbindungen für Polyester und Polyamide

639 639 640 642

11 Thiocarbonsäuren und ihre Ester

644

12 Kohlensäurederivate

645

13 Reaktivitätsvergleich: Acyl- und Alkylverbindungen

647

14 Mehrstufensynthese: der Süßstoff Saccharin

648

Kapitel XXIV Amine 1 Übersicht und Nomenklatur

653

2 Physikalische Eigenschaften 2.1 Geometrie und Inversion 2.2 Wasserstoffbrücken

655 655 657

3 Physiologische Eigenschaften

658

4 Darstellung

659

Inhaltsverzeichnis

XXI

5 Reaktionen 5.1 Basizität von Aminen 5.2 Alkylierung von Aminen 5.3 Reaktion zwischen Aminen und Säurechloriden 5.3.1 Sulfonamide 5.3.2 Isocyanate 5.4 Elektrophile Substitution an aromatischen Aminen 5.5 Reaktionen von Aminen mit salpetriger Säure

666 666 668 671 671 673 674 676

6 Aromatische Diazoniumsalze 6.1 Reduktion der Diazoniumgruppe 6.2 Substitution der Diazoniumgruppe. Sandmeyer-Reaktion 6.3 Azofarbstoffe

679 679 680 683

7 Enamine

686

8 Übersicht über organische Stickstoffverbindungen

688

9 Mehrstufensynthese: der ß-Blocker Propanolol

691

Kapitel XXV Aminosäuren, Peptide, Proteine 1 Aminosäuren 1.1 Übersicht 1.2 Konfiguration von Aminosäuren 1.3 Vorkommen von Aminosäuren 1.4 Verwendung von Aminosäuren 1.5 Darstellung von Aminosäuren 1.5.1 Darstellung von D,L-Aminosäuren 1.5.2 Darstellung von enantiomerenreinen Aminosäuren 1.6 Reaktionen 1.6.1 Aminosäuren als Zwitterionen 1.6.2 Veresterung und Acetylierung von Aminosäuren 1.7 Nachweis von Aminosäuren: Ninhydrin-Reaktion

693 693 694 697 697 697 697 700 702 702 704 704

2 Peptide 2.1 Übersicht und Nomenklatur 2.2 Darstellung von Peptiden 2.2.1 Übersicht 2.2.2 Schutz der funktionellen Gruppe 2.2.3 Knüpfung der Peptidbindung: zum Ablauf 2.2.4 Entfernung der Schutzgruppen 2.3 Sequenzanalyse von Peptiden

705 705 708 708 710 711 712 714

XXII

Inhaltsverzeichnis

3 Proteine 3.1 Struktur der Proteine 3.2 Proteine mit einer prosthetischen Gruppe

716 716 718

Kapitel XXVI Heterocyclische Verbindungen 1 Übersicht

721

2 Furan, Thiophen und Pyrrol 722 2.1 Bindung 722 2.2 Darstellung 723 2.2.1 Darstellung von Furanverbindungen 723 2.2.2 Darstellung von Thiophenverbindungen 724 2.2.3 Darstellung von Pyrrolverbindungen 724 2.2.4 Vergleich der Darstellung von Furanen, Thiophenen und Pyrrolen... 725 2.3 Reaktionen 726 2.3.1 Zur Reaktivität von Furan, Thiophen und Pyrrol 726 2.3.2 Reaktionen des Furans 730 2.3.3 Reaktionen des Thiophens 730 2.3.4 Reaktionen des Pyrrols 731 3 Pyridin 3.1 Bindung 3.2 Darstellung 3.3 Reaktionen 3.3.1 Basisches und nucleophiles Verhalten 3.3.2 Aromatisches Verhalten 3.3.3 Oxidation substituierter Pyridinverbindungen

732 732 732 735 735 735 738

4 Mehrstufensynthese: der Farbstoff Indigo

741

Kapitel XXVII Naturstoffe 1 Einteilung der Naturstoffe

743

2 Terpene 2.1 Monoterpene 2.2 Sesquiterpene 2.3 Diterpene 2.4 Triterpene 2.5 Tetraterpene 2.6 Polyterpene

744 744 745 745 746 747 747

Inhaltsverzeichnis

XXIII

3 Steroide

748

4 Hormone 4.1 Steroidhormone 4.1.1 Sexualhormone 4.1.2 Nebennierenrindenhormone (Corticosteroide) 4.2 Prostaglandine 4.3 Weitere Hormone

750 750 751 752 753 753

5 Pheromone

754

6 Stickstoffheterocyclen 6.1 Alkaloide 6.2 Porphyrinfarbstoffe

755 755 758

7 Vitamine

761

8 Antibiotika

765

Anhang Lösung der Aufgaben Sachregister

767 809

Kapitel I Einführung Bindung in Kohlenstoffverbindungen 1 Einleitung 1.1 Bedeutung der Organischen Chemie Unter Organischer Chemie versteht man die Chemie der Kohlenstoffverbindungen. Die Zahl dieser Verbindungen und deren Bedeutung ist so groß, daß eine von den übrigen Elementen gesonderte Behandlung gerechtfertigt erscheint. Es sind gegenwärtig etwa neun Millionen Kohlenstoffverbindungen bekannt (täglich kommen etwa einhundert hinzu!) gegenüber etwa 400000 Verbindungen der übrigen Elemente. Sie nehmen in der Biologie, Medizin und Technik einen hervorragenden Platz ein. Alle Lebensvorgänge beruhen auf Auf- und Abbau solcher Verbindungen. In der Medizin werden natürliche und künstliche Kohlenstoffverbindungen zur Heilung herangezogen. Schließlich prägen sie unsere technische Welt durch Farbstoffe, Kunststoffe usw.

1.2 Entwicklung der Organischen Chemie Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts glaubte man, daß organische Verbindungen nur von der Pflanze oder von Lebewesen, nicht aber künstlich im Reagenzglas erzeugt werden können. Sie sollten sich damit von anorganischen Verbindungen unterscheiden, die sowohl in der (unbelebten) Natur als auch im Reagenzglas entstehen. 1828 zeigte F.Wöhler (geb. 1800 in Eschersheim/Frankfurt, gest. 1882), daß organische Verbindungen auch in der Retorte gebildet werden können. Er erhitzte eine wäßrige Lösung von Ammoniumcyanat und erhielt beim Eindampfen Harnstoff, eine Verbindung, die im Urin vorkommt. NH 2 NH4® e O — C = N

0 = C

\ NH 2

Ammoniumcyanat

Harnstoff

Heute ist die Herstellung von organischen Verbindungen auf „künstliche" Weise kein Geheimnis mehr, sie ist lediglich eine Frage der Erfahrung und des Geschicks.

2

I Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen

1.3 Sonderstellung des Kohlenstoffs gegenüber anderen Elementen Kohlenstoff nimmt gegenüber den anderen Elementen eine Sonderstellung ein. 1. Er verbindet sich mit seinesgleichen zu langen beständigen Ketten und Ringen. Zwar bilden auch bestimmte andere Elemente wie Bor, Silizium oder Stickstoff Ketten bzw. Ringe, diese sind aber wenig beständig. Der Unterschied beruht darauf, daß die C-Atome in solchen Ketten nach Absättigung der freien Valenzen mit Wasserstoff koordinativ gesättigt sind, während andere Atome in vergleichbaren Ketten weiterhin bestimmte Angriffszentren wie Elektronenlücken (Bor), freie Elektronenpaare (Stickstoff, Phosphor) oder leere d-Orbitale (Silicium) aufweisen, die alle die Beständigkeit vermindern. H

H

Y

V V

H

Y

A

H-C-C-H

A

u

Elektronenlücke

V V H - N - N - H

H—Si—Si—H

H

koordinative Sättigung

^

freie Elektronenpaare

[eere

¿.Orbitale

2. Der Wasserstoff in den Kohlenwasserstoffketten und -ringen kann durch eine Vielzahl anderer Elemente ersetzt werden, ohne daß dadurch die Stabilität wesentlich herabgesetzt wird. Deshalb ist eine schier unendliche Zahl von Kohlenstoffverbindungen möglich, z. B.:

H

H

H

H

H

H

H

H

H

I I I I I I I I I H—C—C—C—C—C—C—C—C—C—H I I I I I I I I I H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

I

H

I

H

I

CHq

H 0

H

I H Ö H

i T i

I I

-c—c—cI I I I

H—C—C—C—C—C-

I

H

I

H

unsubstituierter Kohlenwasserstoff

I

H

N

I

H

H,

H

O

I

CHo N—CH,

I

-C—H

H

CH-a

vielfach substituierter Kohlenwasserstoff

2 Ionische und kovalente Bindung 1916 stellten W.Kossei (geb. 1888 in Berlin, gest. 1956) und G.N.Lewis (geb. 1875 in Weymouth/Mass., gest. 1946) eine Theorie auf, wonach sich Elemente deshalb zu Molekülen vereinigen, weil sie dadurch Elektronenanordnungen erlangen, die denen der Edelgase ähneln. Hierbei wird die Elektronenanordnung desjenigen Edelgases angestrebt, das dem betreffenden Element am nächsten steht. Auf die zweite Periode des

2 Ionische und kovalente Bindung

3

Periodensystems angewendet, heißt das, die Elemente Lithium bis Fluor streben die Elektronenanordnung des Heliums (ls 2 ) oder Neons (ls 2 2s 2 2p 6 ) an. HLi-

Be-

-B-

C-

-N-

Ö-

:F-

He: :Ne:

Anzahl der Elektronen in der äußeren (oder Valenz-)Schale So gibt Lithium (ls 2 2s 1 ) bei der Reaktion mit geeigneten Reaktionspartnern das Elektron der äußeren Schale (2s1) ab, Li-

• Li® + 1 e

wobei Li® mit der Elektronenanordnung des Heliums entsteht. Umgekehrt nimmt Fluor (ls 2 2s 2 2p 5 ) bei der Reaktion mit geeigneten Reaktionspartnern ein Elektron auf :F- + 1 e

• :F:e

und erlangt die Elektronenanordnung des Neons. Die Reaktion zwischen Lithium und Fluor verläuft dann wie folgt: Li- + :F-

• Li® + :F:e

Kohlenstoff (ls 2 2s 2 2p 2 ) müßte entweder 4 Elektronen abgeben unter Bildung von C4® (Elektronenanordnung des Heliums) oder 4 Elektronen aufnehmen unter Bildung von C 4 0 (Elektronenanordnung des Neons). Beide Vorgänge sind wegen der großen Ladungsanhäufung energetisch ungünstig. Stellen dagegen Kohlenstoff und sein Bindungspartner, z.B. Wasserstoff, ihre äußeren Elektronen gegenseitig zur Verfügung, so erreichen beide ebenfalls Edelgas-ähnliche Elektronenanordnungen.

4H- + C

H • H:C:H H Methan

Kohlenstoff erweitert hierbei seine äußere Schale um 4 Elektronen und besitzt damit wie Neon 8 Elektronen in der äußeren Schale. (Die innere Schale des Kohlenstoffs ist mit 2 Elektronen ohnehin voll besetzt und nimmt an der Bindung nicht teil.) Wasserstoff erweitert seine Elektronenschale um ein Elektron und ist dann wie Helium von 2 Elektronen umgeben. Normalerweise verzichtet man auf die Wiedergabe jedes einzelnen Bindungselektrons und verwendet stattdessen Valenzstriche, wobei ein Valenzstrich zwei Bindungselektronen darstellt.

4

I Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen

«

T

H:C:H

H—C—H

«

i

Lewis-Strukturformel des Methans

Valenzstrich-Strukturformel des Methans

Die Valenzstrich-Strukturformel läßt klar die Vierwertigkeit des Kohlenstoffs erkennen. C 2 H 6 (Ethan), der nächsthöhere Kohlenwasserstoff, ist genauso zu formulieren :

VV

H H H:C:C:H H H

H—C—C—H

Lewis-Strukturformel des Ethans

Valenzstrich-Strukturformel des Ethans

M

Verbindungen mit Doppel- und Dreifachbindungen bilden sich formal wie folgt:

4 H- +

H .

. H

H '

'H

C: :C.

2C-

oder H

2 H- + 2 C

->

H:C:::C:H Lewis-Strukturformel des Acetylens

H

ValenzstrichStrukturformel des Ethylens

Lewis-Strukturformel des Ethylens

oder

H—C=C—H ValenzstrichStrukturformel des Acetylens

Der Leser überzeuge sich, daß im Ethan, Ethylen und Acetylen jedes der beiden CAtome von 8 Elektronen und jedes H-Atom von 2 Elektronen umgeben ist.

3 Elektronenpaarabstoßung und Stereochemie 3.1 Einfachbindungen Die Theorie von Lewis erklärt zwar die Wertigkeit der Elemente, sie besagt aber nichts über die Anordnung der Elemente in Molekülen. Ist das Molekül H 2 0 linear oder gewinkelt? Befinden sich die Atome des Moleküls CH 4 in einer Ebene oder nicht?

3 Elektronenpaarabstoßung und Stereochemie

5

H planar?

tetraedrisch?

Abbildung W i e sind die Wasserstoffatome in C H 4 um den Kohlenstoff angeordnet, planar oder tetraedrisch ?

Es sollen im folgenden zwei Modelle bzw. Theorien behandelt werden, die die beobachtete Anordnung der Atome in Molekülen erklären: das Elektronenpaarabstoßungsmodell (an dieser Stelle) und die Hybridisierungstheorie (dazu siehe weiter unten). Nach R. J. Gillespie (geb. 1924 in London) verhalten sich Elektronenpaare, die von einem Zentralatom ausgehen, so, als würden sie sich abstoßen. Sie nehmen dabei die Lage ein, in der sie möglichst weit voneinander entfernt sind. Diese Abstoßung kann man klassisch physikalisch verstehen: Ladungen gleichen Vorzeichens stoßen sich ab. Gehen von einem Zentralatom A zwei Bindungen aus (Molekül AX2), so nehmen diese eine lineare Anordnung mit einem Bindungswinkel von 180° ein. In jeder anderen Anordnung befanden sich die beiden Bindungen näher zueinander. Ein Zentralatom mit 3 Bindungen (Molekül AX3) besitzt eine trigonale Anordnung mit Bindungswinkeln von 120°, da nur in dieser Anordnung die Bindungen maximal voneinander entfernt sind. Ist das Zentralatom Ausgangspunkt von vier Bindungen (Molekül AX4), so gewährleistet nur die tetraedrische Anordnung (Bindungswinkel 109,5°) und nicht etwa die planare Anordnung (Bindungswinkel 90°) eine maximale Entfernung der Bindungen voneinander. Moleküle vom Typ AX5 bilden eine trigo-

AX2 linear

AX3 trigonal

AX5 trigonal-bipyramidal

AX4 tetraedrisch

AX,6 oktaedrisch

6

I Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen

nal-bipyramidale Anordnung (Bindungswinkel 90° und 120°) und Moleküle vom Typ AX 6 eine oktaedrische Anordnung (Bindungswinkel 90°). Nichtbindende (freie) Elektronenpaare, wie sie z.B. im Ammoniakmolekül :NH 3 oder Wassermolekül H 2 Ö: vorkommen, verhalten sich prinzipiell genau so wie bindende Elektronenpaare. Allerdings ist ihr Raumbedarf größer, da sie nur einem Kern angehören - im Gegensatz zu bindenden Elektronenpaaren, die sich über zwei Kerne erstrecken. Dadurch werden bindende Elektronenpaare, die vom selben Zentralatom wie die nichtbindenden ausgehen, etwas zusammengedrängt. Im Molekül AX 3 E (E gleich nichtbindendes Elektronenpaar) beträgt deshalb der Winkel nicht 109,5° wie bei AX 4 , sondern nimmt einen kleineren Wert an: Im Ammoniak beobachtet man einen Winkel von 107,3°; im Molekül AX 2 E 2 weicht der Bindungswinkel noch stärker vom Tetraederwinkel ab, der Winkel im Wassermolekül beträgt nur noch 104,5°. Tabelle

Geometrie der Moleküle vom Typ AX n und AX n E,

Typ

Geometrie des Moleküls

Beispiele

AX 2

linear

H 3 C—Hg—CH 3

AX 3

trigonal

VF

AX 4

tetraedrisch

AX 5

trigonal-bipyramidal

Cl—Zn—Cl

Cl—Be—Cl H3C

1 F

B 1 CH 3

H

CH 3

C,

H V^H H

H3C

x



CH 3

1 CH 3

/SLV'CH« CH 3

F

AX 6

oktaedrisch

AX 2 E 2

V-förmig

AX 3 E

trigonal-pyramidal

H

H

H

ß-

V'H H

H

.CH3

H3C

V

CH3 CH 3

H3C

:0:

^CH3

3 Elektronenpaarabstoßung und Stereochemie

7

N. H

H Methan (Typ A X 4 )

Ammoniak (Typ A X 3 E )

Wasser (Typ A X 2 E 2 )

Abbildung Der Tetraederwinkel von 1 0 9 , 5 ° ( M e t h a n ) wird durch ein nichtbindendes Elektronenpaar auf 1 0 7 , 3 ° (Ammoniak) und durch zwei nichtbindende Elektronenpaare gar auf 1 0 4 , 5 ° (Wasser) zusammengedrängt.

3.2 Mehrfachbindungen Das Elektronenpaarabstoßungsmodell sagt für Verbindungen mit 4-bindigem Kohlenstoff (CX 4 ) tetraedrische Anordnung voraus. Auf ungesättigte Kohlenstoffverbindungen, in denen der Kohlenstoff nur 3-bindig (Beispiel: H 2 C = C H 2 ) oder gar 2bindig (Beispiel: H — C = C — H ) ist, läßt sich dieses Modell nicht ohne weiteres übertragen. Zu einer richtigen Vorhersage der Anordnung der Atome in diesen Verbindungen gelangt man aber dadurch, daß man die Doppelbindung formal in 2 gleichwertige Bindungen und die Dreifachbindung/orma/ in 3 gleichwertige Bindungen aufteilt. Dann ist der Kohlenstoff wie bei den gesättigten Verbindungen von vier Elektronenpaaren umgeben, die sich tetraedrisch um das C-Atom anordnen. Da hier zwei

H—C=C—H Ethylen

Acetylen

8

I Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen

(bzw. drei) Bindungen zum selben Bindungspartner führen, ergeben sich nach dieser Vorstellung gebogene Bindungen. Das Modell gestattet die richtige Vorhersage der räumlichen Anordnung von Atomen in ungesättigten Molekülen. Im Ethylen befinden sich alle 6 Atome in einer Ebene, im Acetylen liegen die 4 Atome auf einer Geraden. Die Wasserstoffatome des Allens befinden sich paarweise in zwei senkrecht zueinander stehenden Ebenen, während die 4 Wasserstoffatome des Butatriens zusammen mit den 4 C-Atomen alle in derselben Ebene angeordnet sind. Aufgabe Welche Vorhersage über die räumliche Anordnung der Atome in nebenstehenden Ionen bzw. Molekülen kann man aufgrund des Elektronenpaarabstoßungs-Modells geben? H3C® Methyl-Kation :SnCI 2

H3C:s Methanid-Ion Pb(CH 3 ) 4

H2C=C=C=C=CH2 Pentatetraen 0=P(C6H5)3

(gasförmig) :SF 4

:P(CH 3 ) 3

4 Atomorbitale 4.1 Einfache Atomorbitale Nach der Quantenmechanik halten sich die Elektronen eines Atoms in bestimmten Räumen, die allerdings keine scharfen Grenzen aufweisen, um den Kern auf. Diese Räume entsprechen Atomorbitalen. Die Gestalt dieser Räume hängt von der Nebenquantenzahl s, p, d ... ab. s-Orbitale besitzen eine kugelförmige Gestalt. p-Orbitale sind hanteiförmig und zudem gerichtet, d.h. sie nehmen eine bestimmte Lage im Raum ein; man unterscheidet zwischen px-, p y -und p z -Orbitalen. Die folgenden Zeichnungen geben die Gestalt von s- und p-Orbitalen wieder. Man beachte, daß es sich hierbei um Räume handelt, in denen das einzelne Elektron nur mit einer bestimmten, wenn auch großen Wahrscheinlichkeit (z. B. mit 90 %iger Wahrscheinlichkeit) anzutreffen ist. Auch außerhalb dieses Raumes kann es sich aufhalten, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dazu sehr gering.

4.2 Hybridorbitale Atomorbitale können sich formal miteinander vermischen, wobei neue Atomorbitale, Hybridorbitale genannt, entstehen (lat. hybrida, Mischling). Diese nehmen eine ganz

4 Atomorbitale

9

z

X

z

z

z

y X

-

Q

/

^

X

*

/

Abbildung Gestalt des s-Orbitals (oben) und der drei p-Orbitale (unten). Der Atomkern befindet sich jeweils im Nullpunkt des Koordinatensystems.

bestimmte Lage zueinander ein und bestimmen damit die Geometrie des Moleküls. Die mathematische Behandlung der Mischung oder Hybridisierung eines s-Orbitals mit einem p-Orbital führt zu zwei neuen Orbitalen, sp-Orbitale genannt. Wie Berechnungen auf quantenmechanischer Grundlage zeigen, bilden sp-Orbitale einen Winkel von 180°.

Hybridisierung

Der Atomkern ist von 2 Atomorbitalen umgeben, einem s- und einem p-Orbital.

Nach dem Hybridisierungsvorgang ist der Atomkern von 2 sp-Orbitalen umgeben, die linear angeordnet sind (Winkel: 180°).

Die Hybridisierung eines s-Orbitals mit zwei p-Orbitalen führt zu drei sp 2 -Hybridorbitalen. Die mathematische Behandlung dieses Mischungsvorganges ergibt eine trigonale Anordnung der Orbitale (Winkel: 120°)

10

I Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen

Hybridisierung ^

Nach der Hybridisierung ist der Atomkern von 3 sp 2 -0rbitalen, die trigona! angeordnet sind (Winkel: 120°) umgeben.

Der Atomkern ist von 3 Atomorbitalen umgeben, einem s-, einem p x - und einem p z -Orbital.

Bei der Hybridisierung eines s-Orbitals und dreier p-Orbitale bilden sich vier sp3Orbitale. Diese sind laut Berechnungen tetraedrisch angeordnet.

Hybridisierung (Draufsicht)

Der Atomkern ist von 4 Atomorbitalen umgeben (s, p„, p v , p z ).

Nach der Hybridisierung ist der Atomkern von vier sp 3 -Orbitalen umgeben, die tetraedrisch angeordnet sind (Winkel: 109,5°).

5 Molekülorbitale und chemische Bindung 5.1 Lokalisierte Molekülorbitale Nähern sich zwei Atome gegenseitig, so tritt eine Überlappung ihrer Atomorbitale ein. Hierbei entstehen Molekülorbitale, die sich über beide Atome erstrecken und die eigentliche Bindung darstellen. Im folgenden wird an Beispielen gezeigt, wie sich dadurch Einfach- und Mehrfachbindungen bilden.

5.1.1 Einfachbindungen Wasserstoff. Bei der Annäherung zweier H-Atome tritt Überlappung der beiden 1 sOrbitale, die mit je einem Elektron besetzt sind, ein. Daraus gehen zwei Molekülorbitale (MO) hervor, ein bindendes und ein antibindendes. Das bindende ist mit den beiden Elektronen besetzt und stellt die eigentliche Bindung (^-Bindung) dar. Das anti-

5 Molekülorbitale und chemische Bindung

11

bindende ist unbesetzt und entspricht (bei Besetzung durch Elektronen) der ^ - B i n dung.

-E

Hj-Molekül, antibindendes M O

H2-Molekül, bindendes M O

Abbildung Bildung des Moleküls H 2 . Schraffierter und weißer Kreis drücken verschiedene Schwingungsphasen aus. H-F-Molekül, antibindendes M O

H-F-Molekül, bindendes M O Abbildung

Bildung des Moleküls H — F .

12

I Einführung. Bindung in Kohlenstoffverbindungen

Fluorwasserstoff. Die Bindung im Fluorwasserstoff entsteht analog durch Überlappung eines ls-Orbitals, herrührend vom H-Atom, mit einem 2p-Orbital des F-Atoms. Auch hierbei entsteht ein bindendes und ein antibindendes Molekülorbital. Das bindende ist mit zwei jeweils vom H-Atom und F-Atom stammenden Valenzelektronen besetzt und stellt die eigentliche Bindung dar. Das antibindende ist unbesetzt. Methan. Im Grundzustand besitzt Kohlenstoff die Elektronenkonfiguration ls 2 2s 2 2p x 1 2p/. Diese Konfiguration befähigt Kohlenstoff jedoch nur zur Ausbildung von 2 Valenzen. Durch Zufuhr von Energie kann aber die Anordnung ls 2 2s1 2 p / 2 p / 2 p / eingenommen werden (Abbildung), in der der Kohlenstoff nunmehr vier Valenzen betätigen kann, die allerdings noch verschieden sind. Hybridisierung des 2s-Zustandes mit den drei 2p-Zuständen führt schließlich zu vier gleichwertigen sp 3 -Orbitalen.

Energie

2px

2Py

2pz

©

©

©

2s

©

1s

©

Abbildung

Elektronenkonfiguration 1 s 2 2 s 1 2 p „ 1 2 p v 1 2 p r 1 des Kohlenstoffs

Die Bildung von Methan kann man sich wie folgt vorstellen. Es nähert sich ein HAtom, umgeben von seinem s-Orbital, einem C-Atom, das formal vier sp3-Orbitale besitzt. Überlappung des s-Orbitals mit einem der vier sp3-Orbitale führt zu zwei Molekülorbitalen: einem bindenden c-Orbital (besetzt mit 2 Elektronen) und einem antibindenden

M+ '

+

2e~

Radikalkation

Man beachte, daß ein Elektron in das Molekül eintritt und zwei dasselbe verlassen. Da das auftreffende Elektron meistens mehr Energie besitzt als zur Ionisierung notwendig ist, wird dem entstehenden Ion zusätzlich zur Ionisierungsenergie auch Anregungsenergie übertragen. (In der Regel beträgt die kinetische Energie des Elektrons 70 eV, die Ionisierungsenergie der meisten organischen Moleküle liegt dagegen deutlich unter lOeV). Diese Anregungsenergie kann zum Bruch einer oder mehrerer Bindungen des Ions führen. In einem solchen Zerfall (auch Fragmentierung genannt) entstehen zwei Bruchstücke, bei denen es sich je nach Verteilung von positiver Ladung und ungepaartem Elektron um ein Kation, um ein Radikalkation, um ein Radikal oder um ein neues Molekül handelt.

1 Massenspektrometrie M+ -

m^

+

Kation

M+ '

33

m2' Radikal

m,+ • Radikalkation

+

m2 Molekül

Bei der zuerstgenannten Fragmentierung sind positive Ladung und ungepaartes Elektron auf beide Bruchstücke verteilt, bei der zuletztgenannten konzentrieren sie sich auf ein einziges Bruchstück. Auch die Bruchstücke können überschüssige Energie besitzen und ihrerseits ebenfalls fragmentieren. Somit entstehen beim Beschuß von Molekülen (a) Molekülionen, (b) eine Vielzahl von Bruchstücken der Moleküle, teils mit positiver Ladung, teils ohne Ladung. Mit Hilfe der Massenspektrometrie kann man von allen Partikeln, die eine Ladung besitzen, die Massen bestimmen. Die Massen der Fragmente enthalten Hinweise auf ihre Zusammensetzung und damit auf die Struktur des Moleküls. Somit stellt die Massenspektrometrie eine Methode zur Strukturaufklärung unbekannter Moleküle dar. Zur Analyse werden nur winzige Mengen ( < 1 mg) benötigt. Zur Massenbestimmung bedient man sich verschiedener Meßanordnungen. Nebenstehend ist ein einfach fokussierendes Massenspektrometer mit magnetischer Ablenkung skizziert.

Ionen-Erzeugung Abbildung

Ionen -Trennung

Ionen-Nachweis

Schematischer A u f b a u eines einfach fokussierenden Massenspektrometers mit

magnetischer A b l e n k u n g

Zunächst wird die Probe verdampft, gewöhnlich bei niedrigem Druck (10 - 6 bis 10~7 Torr). Der niedrige Druck ist erforderlich, um Zusammenstöße zwischen Ionen und neutralen Molekülen zu vermeiden; solche Zusammenstöße würden aus verschiedenen Gründen die Analyse erschweren. Die verdampften Moleküle werden in der Ionisierungskammer a durch Elektronenbeschuß ionisiert und durch eine Spannung V beschleunigt. Sie treten aus dem Spalt b ins Magnetfeld H, in welchem der gebündelte Ionenstrahl derart aufgefächert wird, daß Teilchen gleicher Masse Bahnen mit gleichem Krümmungsradius r durchlaufen. Durch den Spalt c gelangen nur

34

II Strukturaufklärung durch Spektroskopie

solche Ionen, deren Masse-Ladungsverhältnis — folgender Bedingung genügt: m^ e

H 2 - r2 2V

=

Ionen mit zunehmend größerem Masse-Ladungs-Verhältnis werden registriert, indem man die Magnetfeldstärke H erhöht oder die Beschleunigungsspannung V erniedrigt. Schließlich werden die Ionen zu einem meßbaren Strom verstärkt, der das Meßsignal verursacht.

1.2 Massenspektren einfacher Verbindungen In einem Massenspektrum sind auf der horizontalen Achse die Massen (genauer: das Verhältnis m/e) und auf der vertikalen die Signalintensitäten dargestellt, wobei das intensivste Signal (Basispeak) gleich 100% gesetzt wird. Im folgenden werden die Massenspektren zweier einfacher Kohlenwasserstoffe erläutert. Im Massenspektrum von Methan erkennt man Signale bei den Massenzahlen 1,2,12, 13, 14, 15, 16 und 17. £ 100

iS S

80

"c — t>

60

0) > 40 o 2

M'

J -

20 LL

—i

Abbildung

111 JjM+1 r-,ll —•i

10 15 m le

20

Massenspektrum von Methan

Das Signal bei m/e = 16 gibt die Masse des Molekülions an, dieses Signal wird auch Molpeak genannt. Ionisierung: e

+

CHi'

CH,

+

2e

(1)

m/e = 16

Durch überschüssige Energie tritt eine schrittweise Fragmentierung des Molekülions ein, die man sich wie folgt vorstellen kann. Fragmentierungen: CHi-



CH3+

+

H-

(2)

m/e = 15 CHI

CHJ-

+

m/e = 14

(3)

1 Massenspektrometrie

35

CH4

-> CH+ + H' m/e = 13

(4)

CH4

C+' + H' m/e = 12

(5)

CH4 '

^ CH2 CH,'

CHj

+

H2 m/e = 2

(6)

H4 m/e = 1

(7)

Dabei entstehen die Massen i, 14, 13, 12, 2 und 1. Das Fragment bei m/e = 17 ist auf die Anwesenheit des Kohlenstoffisotops 13 C zurückzuführen: Von 100 Methanmolekülen besitzt eines die Zusammensetzung 1 3 CH 4 und damit das Molekulargewicht 17. Es sei wiederholt, daß nur Ionen erkannt werden können. Deshalb wird vom Zerfall gemäß (3) nur die Masse m/e = 14 und vom Zerfall gemäß (6) nur die Masse m/e = 2 registriert, obwohl in beiden Fällen die Masse 14 entsteht.

100

£

991

80

s m c Ol 60 Ol

>

0

CHjCH --^|^H2-CH^CH2-CH3 JV ¿H, 29

40

= C \ HT (Ethylen)

-150

a

n

—N—

Wellenlänge in nm der absorbierten Strahlung

er*

-175

n"

163

TT

TT9

>220

n

TT*

~ 300

n

- >

bis 1 9 5

H

\;=CH—CH=C^ fl,3-Diene)

2.2 UV-Spektren von Olefinen Ethylen wird durch kurzwelliges UV-Licht der Wellenlänge 163nm angeregt, wobei ein TT —• 7c*-Übergang erfolgt. Im Butadien liegen die entsprechenden Energieniveaus näher beieinander, zur n —» jt*-Anregung reicht längerwelliges UV-Licht der Wellenlänge 217 nm.

f .

-

f

•V,

1 6 3 nm

4 Ì -

2 1 7 nm

V2

- t i r *

- H -

Abbildung n'-Elektronenanregung in Ethylen (links) und Butadien (rechts). Zur Bedeutung von qj s. Kap. 1, Abschn. 5.2

40

II Strukturaufklärung durch Spektroskopie

Allgemein gilt: Je größer die Anzahl der konjugierten Doppelbindungen, desto kleiner ist die Anregungsenergie und desto größer ist die Wellenlänge (angegeben mit l m a x ; siehe unten) des absorbierten UV-Lichts. (Konjugiert sind zwei Doppelbindungen, wenn sie nur durch eine Einfachbindung voneinander getrennt sind.) H2C=CH2

H2C=CH—CH=CH2

Ethylen A m a x = 163nm

1,3-Butadien 217nm

H2C=CH—CH=CH—CH=CH2 1,3,5-Hexatrien 268 nm

H2C=CH— CH=CH— CH=CH— CH=CH2 1,3,5,7-Octatetraen 304 nm

Die untenstehende Abbildung gibt das UV-Spektrum von 1,3,5-Hexatrien wieder.

. x(nm) Abbildung

U V - S p e k t r u m von 1,3,5-Hexatrien (in Isooctan)

Bei der Aufnahme eines UV-Spektrums trägt man die Höhe der Absorption einer bestimmten Wellenlänge gegen diese Wellenlänge selbst auf. Als Maß für die Absorption dient der sogenannte Absorptionskoeffizient e, der durch das LambertBeersche Gesetz definiert ist: log

-J- = E

• c • d

(l 0 und I sind die Intensitäten des monochromatischen Lichtstrahls vor und hinter der absorbierenden Probenlösung; d gleich Weglänge des Strahls in der Lösung; c gleich Konzentration der Lösung.)

Häufig beobachtet man statt eines einzigen Absorptionsmaximums deren mehrere. (Das obenstehende UV-Spektrum weist drei Maxima auf.) Die Ursache dafür liegt

2 Ultraviolettspektroskopie

41

in der Aufspaltung eines bestimmten elektronischen Zustandes in mehrere Schwingungsniveaus und Aufspaltung dieser Schwingungsniveaus in mehrere Rotationsniveaus (Abbildung).

t=F Elf 2 b

A b b i l d u n g Zur Elektronenanregung tp, • ip2 w e r d e n die Energiebeträge E,, E 2 , E 3 . . . benötigt, da zu einem Elektronenzustand (z. B. if/ 2 ) mehrere Schwingungszustände ( 1 , 2 , 3 . . . ) und Rotationszustände gehören. ( D i e Aufspaltung der S c h w i n g u n g s n i v e a u s in Rotationsniveaus ist der Übersicht halber nicht eingezeichnet.)

Die zu einem Absorptionsmaximum gehörende Wellenlänge nennt man Amax. Zur Charakterisierung eines Chromophors gibt man häufig nur das längstwellige Maximum an. Im Falle von 1,3,5-Hexatrien liegt das längstwellige Absorptionsmaximum bei 268 nm. Ein UV-Spektrum dient primär zur Beantwortung der Frage, ob konjugierte Doppelbindungen vorhanden sind. So kann man 1,4- von 1,3-Pentadien aufgrund der Lage des längstwelligen Absorptionsmaximums unterscheiden. 1,4-Pentadien enthält 2 isolierte Doppelbindungen, es absorbiert deshalb kaum langwelliger als Ethylen. 1,3-Pentadien besitzt dagegen zwei konjugierte Doppelbindungen, sein UV-Spektrum ist typisch für konjugierte 1,3-Diene, es absorbiert in dem für konjugierte Diene typischer Bereich > 220 nm. H2C=CH—CH2—CH=CH2 1,4-Pentadien Arna* -c-cI I H H

Aus Halogenalkanen und Metallen (s. Kap. XV, Abschn. 4.4). Man unterscheidet zwischen Homoverknüpfung (Verknüpfung gleicher Alkylreste) und Kreuzverknüpfung (Verknüpfung verschiedener Alkylreste). a) Homoverknüpfung mit Natrium {Wurtz-Reaktion).

72

III Alkane 2 R—Cl + 2 Na



R—R + 2NaCI

Beispiel: 2 H 3 C—CH 2 —CH 2 —Cl + — 2 N a

> H 3 C—CH 2 —CH 2 —CH 2 —CH 2 —CH 3

+ 2 NaCI

Zwar gelingt nach dieser Methode auch die Kreuzverknüpfung, aber nur zusammen mit der Homoverknüpfung. Man isoliert deshalb drei Produkte. 3R—Cl + 3R'—Cl + 6 Na



R—R + R—R' + R —R' + 6 NaCI HomoKreuzHomoVerknüpfung

b) Kreuzverknüpfung. Man überführt zunächst das eine Mol Halogenalkan mit Magnesium in die magnesiumorganische Verbindung und verknüpft letztere mit dem anderen Mol Halogenalkan, wobei Kupfer(I)-salze als Katalysatoren dienen. R—Br

+ Mg

> R—Mg—Br

R—Mg—Br + R— Br

> R—R' + MgBr 2

Beispiel: H 2 C=CH—(CH 2 ) 4 —Br

+ Mg



H 2 C = C H — ( C H 2 ) 4 — Mg—Br + Br—CH 2 —CH 3

H 2 C = C H — ( C H 2 ) 4 — Mg—Br

> H 2 C = C H — C 6 H 1 3 + MgBr 2

Aus Natriumcarboxyiaten durch Elektrolyse (Äb/fee-Elektrolyse). Bei der Elektrolyse einer konzentrierten wäßrigen Lösung eines Natriumcarboxylats entwickelt sich an der Kathode Wasserstoff, an der Anode bilden sich Carboxyl-Radikale, die rasch in C 0 2 und R' zerfallen. Letztere dimerisieren. Kathode:



^H2|

Anode: R—CO®

~~e > R—C0 2 -

~

C

°

2

> R-

• R—R

Auf diese Weise können z. B. langkettige Alkane aus den leicht erhältlichen Carboxylaten von Fettsäuren hergestellt werden. 2C15H31—C02Na + 2 H 2 0 Natriumpalmitat

Elektro|

y s e > C 3 0 H 6 2 + 2 C 0 2 + 2NaOH + H 2 Hexacontan

8 Reaktionen

73

Aufgabe Wie stellt man folgende Alkane ausgehend von 1-Halogenalkanen her? H

3

s

C

C H

3

^CH—CH2—CH2—CH

a) H3C

H3C—(CH2)9—CH3

b) CH 3

8 Reaktionen Alkane sind verhältnismäßig reaktionsträge. Deshalb nennt man sie auch Paraffine (parum affinis = wenig reaktionsfreudig). Sie werden bei Raumtemperatur weder von Schwefelsäure, Natronlauge oder Permanganatlösung angegriffen. Zu den Verbindungen, mit denen sie reagieren, gehören Halogene, Salpetersäure und Sauerstoff (bei höherer Temperatur). Hierbei handelt es sich ausschließlich um Reaktionen, bei der Radikale auftreten.

8.1 Halogenierung Vermischt man die Gase Methan und Chlor im Dunkeln miteinander, so beobachtet man keine Reaktion. Diese tritt erst ein, wenn man die Mischung mit UV-Licht bestrahlt. Hierbei wird ein Wasserstoff des Methans durch Chlor ersetzt. H I H—C—H + Cl—Cl I H

nhv v

H I > H—C—Cl + HCl I H Chlormethan

Den Ersatz eines Atoms durch ein anderes nennt man Substitution. Durch Einwirkung von weiterem Chlor lassen sich auch die restlichen Wasserstoffatome substituieren, wobei man zu einem Gemisch chlorierter Methane gelangt. H I H—C—H | H Methan

Cl2a u

hv

H l > H-C—Cl | H

Cl, 2 u

hv

H I > H—C—Cl | Cl

Cl I > H—C—Cl hv J Cl

Cl22

Cl Cl2 2 l . > Cl—C—Cl hv | Cl

Chlormethan

Dichlormethan

Trichlormethan

Tetrachlormethan

Sdp. - 24°

Sdp. 40°

Sdp. 61 °

Sdp. 77°

Die gezielte Darstellung einer bestimmten chlorierten Methanverbindung ist jedoch schwierig, da sich die anderen drei Verbindungen ebenfalls bilden. Jedoch bereitet die

74

III Alkane

Trennung der einzelnen Komponenten dieses Gemisches durch Destillation keine Schwierigkeit, da die Siedepunkte mehr als 15 °C auseinanderliegen. Die Substitution am Ethan liefert zunächst Chlorethan. H H I I H—C—C—H + Cl—Cl I I H H

nhv v

H H I I > H—C—C—Cl + HCl I I H H Chlorethan

Weitere Einwirkung von Chlor führt auch hier zu höherchlorierten Ethanverbindungen, auf die aber nicht näher eingegangen werden soll. Während Methan und Ethan nur eine Monochlorverbindung ergeben, führt die Chlorierung von Propan, Butan und Isobutan bereits zu je zwei isomeren Monochlorverbindungen, da der Angriff des Chlors an zwei verschiedenen Stellen des Alkans erfolgen kann. CH3-CH2-CH3

CH3-CH2-CH2CI

+ c, 2

45 1-Chlorpropan

Propan

+

CH3-CH-CH3 Cl 55 2-Chlorpropan

CH 3 —CH 2 —CH 2 —CH 3 + Cl 2 - i ^ - CH3— CH2— CH 2 —CH 2 CI + CH3— CH2— (j:H—CH3 28 1-Chlorbutan

Butan CH->3 I CH 3 —CH—CH 3

+ Cl 2

hv

CH-a 1 CH 3 —CH—CH 2 CI 64 1-Chlor-2-methylpropan

Isobutan

Cl 72 2-Chlorbutan CHo 1 + CH 3 —C—CH 3 Cl 36 fe/-f-Butylchlorid

Ebenso führt die Bromierung zu zwei Produkten. CH 3 —CH 2 —CH 3 + Br2

CH 3 —CH 2 —CH 2 Br + CH 3 —CH—CH 3 4

CHo I CH 3 —CH—CH 3

+ Br2

CH, hv I ™ > CH 3 —CH—CH 2 Br 1

Br 96 CHi I + CH 3 —C—CH 3 Br 99

Die Zahlen unter den Strukturformeln stellen Prozentzahlen dar, zu denen die beiden Isomeren gebildet werden. Sie werden noch in einem späteren Abschnitt diskutiert.

8 Reaktionen

75

Aufgaben 1) Man gebe die Zahl der primären, sekundären und tertiären C- bzw. H-Atome in folgenden Verbindungen an: Br2 erklärt auch die unterschiedlichen Isomerenverhältnisse. CI „ ' > 25 C

CH-, I ' H3C—CH—CH2—CI

+

CH a

Br. > 130°C

CH-, I ' H3C—C—CH3 I CI

64

30

CH a

CH,

H,C—CH—CH,—Br

+

H3C—C—CH3 Br 99

80

III Alkane

Das reaktionsträgere Brom greift praktisch nur noch die relativ leicht zu lösenden tertiären H-Atome an, Chlor auch die primären H-Atome. Somit reagiert Brom selektiver als Chlor. Allgemein gilt: Je reaktionsträger ein angreifendes Atom, Molekül oder Ion ist, desto selektiver verhält es sich bei Reaktionen. Die folgende Tabelle gibt die relativen Reaktivitäten verschiedener Radikale X' gegenüber Alkanen an. Fluor ist äußerst reaktiv und damit unselektiv: Es reagiert mit CH 3 -, CH 2 - und CH-Gruppen praktisch gleich schnell. Brom ist reaktionsträge, es greift CH-Gruppen 6300mal schneller als CH 3 -Gruppen an. Tabelle len X

Relative Reaktivität primärer, sekundärer und tertiärer C — H - B i n d u n g e n mit Radika-

X"

RCH2—H

F"

1 1 1 1

er

(CH3)3C0CsH5' Br' Cl' (in C S 2 )

8.2

R3C—H

R2CH—H

1,2

1,4 9,8 44 44 6300 225

4,7

10 9,3 250

1

1

Sulfochlorierung

Alkane reagieren mit einem Gemisch aus S0 2 und Cl2 bei Belichtung zu Alkansulfonsäurechloriden und Chlorwasserstoff: RH + S 0 2

+ Cl2

hv

> R—S02—Cl

+

H—Cl

Alkansulfonsäurechlorid

Die Auslösung der Reaktion durch Lichtquanten weist darauf hin, daß es sich hier ebenfalls um eine radikalische Kettenreaktion mit den dafür typischen Schritten Kettenstart, Kettenfortpflanzung und Kettenabbruch handelt. C l — C l - hv

>

2 er

Kettenstart

+ er

> R'

R

+

S02

+

Cl2

> R—S02 > R—so 2 —ci + er

Kettenfortpflanzung

R-— S 0 2

>

Kettenabbruch

R-- H

Radikale -

+

HCl

Neutralmoleküle

Alkansulfonsäurechloride besitzen praktische Bedeutung. Durch die Reaktionsfolge R—S02—Cl

+ H



> R— S02— OH

+ N a 0 H

>

R—S02—OeNa®

werden sie in Natriumsalze von Sulfonsäuren überführt. Die Na-Salze mit langkettigen Alkylresten R finden als Waschmittel Verwendung (Kap.XXII, Abschn. 6.3).

8 Reaktionen

81

Aufgaben 1) Man formuliere alle Reaktionen, die zum Abbruch der Sulfochlorierung führen können. 2) Welche beiden Sulfonsäurechloride entstehen bei der Sulfochlorierung von Propan? In welchem Verhältnis werden sie gebildet?

8.3 Oxidation mit Sauerstoff Man unterscheidet zwei Fälle: Einwirkung von Sauerstoff bei Raumtemperatur oder wenig höher („Autoxidation") und Einwirkung von Sauerstoff bei hoher Temperatur (, .Verbrennung'').

8.3.1 Autoxidation Verbindungen mit besonders reaktionsfähigen Wasserstoffatomen reagieren mit molekularem Sauerstoff zu Hydroperoxiden. Zum Start sind auch hier Radikale Y' erforderlich. R—H

+ 02

— — >

R—0—0—H Hydroperoxid

Dazu leitet man Luft bei Raumtemperatur oder wenig höherer Temperatur durch die zu oxidierende Verbindung. Zu den Verbindungen mit den erforderlichen reaktionsfähigen Wasserstoffatomen gehören: gesättigte Kohlenwasserstoffe mit tertiärem Wasserstoff; ungesättigte Kohlenwasserstoffe mit allylständigem Wasserstoff (s. Kap. III, Abschn. 5.7.1); Ether mit a-ständigem Wasserstoff (s. Kap. XVII, Abschn. 5.1) und andere. H

Beispiele:

0 0 4

H

H 4a-Hydroperoxydecalin

Decalin (gesättigter Kohlenwasserstoff mit 2 tertiären H - A t o m e n )

H.

O—O—H

Y Cyclohexen (ungesättigter Kohlenwasserstoff mit 4 allylständigen H - A t o m e n )

3-Hydroperoxycyclohexen

82

III Alkane O—0—H H 3 C—CH 5 — 0 — C H 2 — C H , + 0 2

Diethylether (Ether mit 4a-ständigen H - A t o m e n )

vermutetes Primärprodukt, instabil

Die zum Start erforderlichen Radikale Y' können u.a. durch Einwirkung von Lichtquanten oder bestimmten Metallsalzen auf organische Moleküle entstehen. Nachfolgend ist der Mechanismus der Autoxidation aufgeführt, der dem bekannten Schema für Radikalreaktionen folgt. r

R—H

R'

0-0-

R—0—0

R—H

Y—H schnell langsam

2 R—0—0-

+ R'

Kettenstart

R—0—0y

R—0—OH

+ R'

R—0—0—0—0—R +

Kettenfortpf la nzu ng

Kettenabbruch

Man beachte, daß das Biradikal O — O nicht imstande ist, mit dem Molekül R — H zu reagieren, wohl aber das Monoradikal R — O — O . Peroxide sind häufig explosiv. Deshalb sollen bestimmte Alkane, Alkene, Ether, Aldehyde u. a. Verbindungen so aufbewahrt werden, daß sie mit Luft und Licht nicht in Berührung kommen können. Aufgabe Welche Hydroperoxide entstehen, wenn man Luft in ein Flüssigkeitsgemisch leitet, das neben einer geringen Menge einer Radikal-erzeugenden Verbindung folgende Komponenten enthält:

O

O"'

9

H 3 C / ^CX C H 3

8.3.2 Verbrennung Während Autoxidation nur bestimmte Kohlenwasserstoffe eingehen, können alle Kohlenwasserstoffe verbrannt werden. Die Verbrennung eines Kohlenwasserstoffs ist eine komplizierte Radikalreaktion, bei der Kohlendioxid und Wasser entstehen, z. B.: C 7 H 16 + 11 0 2

• 7C0 2 + 8H 2 0

AH =-4815kJ/mol

8 Reaktionen

83

Hierbei wird sehr viel Wärme frei. Diese nutzt man in Ölöfen zur Raumbeheizung und in Verbrennungsmotoren zur Expansion eines Gasgemisches und damit zum Antrieb von Automobilen aus. Deshalb sind solche Reaktionen von großer technischer Bedeutung. Bei 02-Unterschuß entsteht zu einem erheblichen Anteil das außerordentlich giftige Kohlenmonoxid CO. Die Giftigkeit beruht darauf, daß Kohlenmonoxid mit dem Eisen im Hämoglobin einen Komplex bildet, wodurch die lebensnotwendige Fixierung des Sauerstoffs an das Eisen unterbunden wird. Klopffestigkeit und Oktanzahl von Kohlenwasserstoffen. Der Wirkungsgrad von Benzinmotoren steigt mit der Verdichtung des Benzin-Luftgemisches. Hohe Verdichtung führt aber leicht zum „Klopfen" des Motors, worunter man Geräusche versteht, die durch spontane und nicht durch den Zündfunken herbeigeführte Entzündung bei der Kompression verursacht werden. Das Klopfen steigert den Benzinverbrauch und setzt außerdem die Lebensdauer des Motors herab. Wenig klopffest sind geradkettige Kohlenwasserstoffe, klopffest dagegen verzweigte und aromatische Kohlenwasserstoffe. Über die Ursache der Klopffestigkeit weiß man noch wenig. Heptan erhält willkürlich die Oktanzahl 0 und 2,2,4-Trimethylpentan (fälschlicherweise „Isooctan" genannt) die Oktanzahl 100.

CH3 CH2 CH2 CH 2 CH 2 CH2—CH3 Heptan (Oktanzahl = 0)

CH 3 CH 3 I I H3C C CH 2 CH CH3 CH 3 2,2,4-Trimethylpentan (Oktanzahl = 100)

Die Oktanzahl einer beliebigen Kohlenwasserstoffmischung (Benzin) gibt dann den Prozentgehalt an „Isooctan" eines Heptan-,,Isooctan"-Gemisches an, das die gleiche Klopffestigkeit besitzt. Die Oktanzahl von Benzin läßt sich durch Zusatz bestimmter Verbindungen erhöhen. So ist Bleitetraethyl Pb(C 2 H 5 ) 4 ein wirksames Antiklopfmittel. Über die Wirkungsweise des Bleitetraethyls gibt es zwei Vorstellungen. Nach der einen zerfallt es in der Hitze in Radikale, die sich mit den bei der spontanen Entzündung ebenfalls gebildeten Radikalen der Alkane vereinigen und damit das Klopfen unterdrücken. Nach der anderen Vorstellung wird es zu Bleioxid verbrannt, das ebenfalls als Radikalfanger dient. Da sowohl Pb(C 2 H 5 ) 4 als auch seine Verbrennungsprodukte giftig sind, verwendet man in zunehmendem Maße rein organische Verbindungen als Antiklopfmittel, z.B.: CH 3 I H 3 C—C—0—CH 3 I CH 3 Methy I (tert- buty I) ether

84

III Alkane

Aufgabe Aus den tabellierten Bindungsenergien ist A H folgender Reaktion abzuschätzen. H

H

H

H

H

H

I I I H—C—C—C—H (g) + 50 2 (g)

25°

> 3C0 2 (g) + 4H 2 0(g)

8.4 Pyrolyse. Steam cracking Unter Pyrolyse versteht man die Zersetzung einer Verbindung durch Erhitzen (pyro = Feuer, lysis = Trennung; vgl. Hydrolyse, Elektro/yse). Erhitzt man Kohlenwasserstoffe auf 500-600°, so werden C— C- und C— H-Bindungen gesprengt, und es bilden sich niedermolekulare Verbindungen. So führt die Pyrolyse von Propan u.a. zu Ethylen und Methan. + CH„ 600°



H3C—CH=CH2 + H2

Auch hier liegen Radikalreaktionen vor, wobei Einzelheiten noch ungeklärt sind. Man stellt sich die Pyrolyse eines Alkans etwa wie folgt vor: R —C H 2—C H 2—R R—CH2- + R—CH2—CH2—R



R—CH2- + CH2—R

• R—CH3 + R—CH2—CH—R

Aus dem Molekül R—CH 2 —CH 2 —R entsteht dabei das Molekül R—CH 3 mit etwa dem halben Molekulargewicht, das seinerseits ebenfalls fragmentieren kann. Die Pyrolyse von Kohlenwasserstoffen wird cracken (to crack = zerlegen) genannt und großtechnisch durchgeführt. Hierbei werden Erdölfraktionen, die hochmolekulare Alkane enthalten, in Fraktionen umgewandelt, die aus niedermolekularen Alkanen und Alkenen bestehen. Dadurch wird ein größerer Teil des Erdöls für die Gewinnung von Benzin (enthält hauptsächlich C 5 bis C12-Kohlenwasserstoffe) ausgenutzt. C15H32, C16H34, C17H36 usw. Alkangemisch, als Kraftstoff wenig geeignet

^ o x | d e ) C 5 H 12 ,C 6 H 14 USW. + C Alkangemisch, als Kraftstoff geeignet

Petrokohle

Man kann die Crackvorgänge und damit die Endprodukte durch geeignete Katalysatoren (Oxide von Si, AI, Cr) beeinflussen. Auf diese Weise lassen sich Alkan-AlkenGemische herstellen, die entweder stark verzweigt sind oder einen Benzolring besitzen (Benzol, Toluol, Naphthalin). Führt man die Pyrolyse von Alkanen bei höherer Temperatur und in Gegenwart von überhitztem Wasserdampf durch, so erhält man hauptsächlich die niedermolekularen

8 Reaktionen

85

Alkene C 2 bis C 4 , d.h. Ethylen, Propen und die Butene. Wasserdampf setzt man deshalb zu, um die Koksbildung, die sich bei solch hohen Temperaturen nicht vermeiden läßt, herabzusetzen. Das Verfahren heißt steam-cracking. R—(CH2)„—H



H2C=CH2

+ +

H 3 C-CH=CH 2 H3C—CH2— CH=CH2

u.a.

Folgender Mechanismus wird angenommen: (R CH2 CH2 CH2 CH2 )2

^ 2R CH2 CH2~~CH2 CH2 ein Alkylradikal

R—CH2—CH2—CH2—CH2 R—CH2—CH2

> R—CH2—CH2— + H2C=CH2 • R- + H2C=CH2

Aufgabe Welche Bindung läßt sich leichter spalten, eine C—C- oder eine C—H-Bindung?

Kapitel IV Stereoisomerie

1

Übersicht

Für viele Studierende stellt die Stereochemie den kompliziertesten Teil der Organischen Chemie dar. Ihnen sei auch an dieser Stelle empfohlen, sich Molekülmodelle zu verschaffen und diese beim Lesen dieses Kapitels, aber auch anderer, zu benutzen. Molekülmodelle sind genau so wichtig wie Lehrbücher über Stereochemie. Zwei Moleküle mit der gleichen Summenformel sind entweder Homomere oder Isomere. Sie sind Homomere, wenn sie in jeder Hinsicht identisch sind, andernfalls Isomere. Isomere unterteilt man in Konstitutionsisomere und Stereoisomere. Konstitutionsisomere unterscheiden sich dadurch, daß die Atome jeweils unterschiedlich miteinander verknüpft sind. In Stereoisomeren ist das Verknüpfungsmuster das gleiche, die räumliche Lage der Atome zueinander aber verschieden. Stereoisomere gliedern sich ebenfalls in zwei Gruppen. Verhalten sich die beiden Stereoisomeren wie Gegenstand und nicht deckungsgleiches Spiegelbild, sind sie Enantiomere, andernfalls Diastereomere. Im folgenden Schema sind die verschiede-

zwei Moleküle der gleichen Summenformel

identisch

nicht identisch

Homomere

Isomere

gleiche Verknüpfung der Atome

Stereoisomere

Spiegelbilder

Enantiomere

unterschiedliche Verknüpfung der Atome

Konstitutionsisomere

keine Spiegelbilder

Diastereomere

88

IV Stereoisomerie

nen Arten von Isomeren und deren Beziehungen zueinander nochmals zusammengefaßt. Die folgenden Beispiele dienen zur Erläuterung der verschiedenen Arten von Isomerie.

Konstitutionsisomere:

H3O CH2 CH2 CH3,

CH3 I HjC *CH CH3

OH

-

OH

Summenformel C 4 H 1 0

OH Summenformel C 6 H 1 2 0 2

Diastereomere

H3C.

\

/ H

C=C

\ H

OH

OH

/CH' / H

c = c

Summenformel C 4 H 8

\

CH3

OH

V

"OH

Summenformel C 6 H 1 2 0 2

Enantiomere: Spiegelebene

CT"

H HO

Summenformel C 6 H 1 2 0 2

Schließlich seien auch die im Zusammenhang mit Isomerie häufig verwendeten Begriffe Konstitution, Konfiguration und Konformation erläutert. Die Konstitution gibt, wie oben definiert, die Verknüpfung der Atome miteinander an, ohne die räumliche Anordnung zu berücksichtigen. Die Konfiguration beschreibt bei vorgegebener Konstitution die räumliche Anordnung der Atome. Die Konformation stellt eine momentane räumliche Anordnung unter vielen anderen Rotationsisomeren dar.

2 Enantiomere mit einem einzigen chiralen Zentrum

89

OH v

~0H

OH

^OH

I ..

s;— ÖH

Konstitution

Konfiguration

Konformationen

von f/-ans-1,2-Dihydroxycyclohexan

2 Enantiomere mit einem einzigen chiralen Zentrum Wie bereits erwähnt, sind zwei Moleküle Enantiomere (griech. enanta, gegenüber, meros, Teil), wenn sie sich wie Gegenstand und nicht deckungsgleiches Spiegelbild verhalten. Sind Gegenstand und sein Spiegelbild deckungsgleich, liegen identische (homomere) Moleküle vor. So gibt es von Bromchlormethan nur identische Moleküle, von Bromchlorfluormethan aber Enantiomere. Spiegelebene

H ^

V

Spiegelebene

Br

er

CI

H

^

Zwei Moleküle Bromchlormethan. Durch geeignete Drehung kann man die beiden Moleküle zur Deckung bringen: Die Moleküle sind identisch.

v

ci

c/

F

Zwei Moleküle Bromchlorfluormethan. Wie immer man die Moleküle dreht, sie können nicht zur Deckung gebracht werden und sind damit nicht identisch.

Die beiden gezeichneten Bromchlormethan-Moleküle kann man durch Drehung ineinander überführen, nicht aber die beiden Bromchlorfluormethan-Moleküle. Der Leser überzeuge sich davon anhand eines Molekülbaukastens oder ersatzweise durch Knetmasse und Streichhölzer. Enantiomere bildet eine Verbindung immer dann, wenn sie ein asymmetrisch substituiertes C-Atom enthält, d. h. ein C-Atom mit vier verschiedenen Liganden. Solche CAtome werden manchmal mit einem Stern (*) gekennzeichnet. Nachstehend sind einige Moleküle mit einem asymmetrisch substituierten C-Atom aufgeführt.

H

I

F—C*—Br

I Cl

Bromchlorfluormethan

COOH

I

H—C*—NH2 CH 3 2-Aminopropionsäure (Alanin)

3- Bromcyclohexanon

90

IV Stereoisomerie

Ein Molekül, das mit seinem Spiegelbild nicht zur Deckung gebracht werden kann, nennt man auch chiral. Mit dem Begriff chiral soll zum Ausdruck gebracht werden, daß ein solches Molekül mit einer Hand (griech. cheir, Hand) vergleichbar ist, da sich rechte und linke Hand ebenfalls spiegelbildlich zueinander verhalten und nicht zur Deckung gebracht werden können. (Man überzeuge sich davon!) Weitere chirale Gegenstände außerhalb der Welt der Moleküle sind: ein Schuh, ein Handschuh, eine Spiralfeder, eine Schere, eine Schraube. Alle diese Gegenstände ergeben jeweils ein Spiegelbild, das mit dem Original nicht deckungsgleich ist. Das Gegenteil von chiral ist achiral. Achirale Gegenstände sind: eine Tasse, ein Löffel, ein Stuhl, eine Lampe (jeweils in Standardausführung). Ein C-Atom mit vier verschiedenen Liganden hat viele Namen: asymmetrisch substituiertes C-Atom, asymmetrisches C-Atom (nicht ganz korrekt), chirales C-Atom, chirales Zentrum. In der Literatur findet man alle Bezeichnungen. Nomenklatur. Die Angabe der Konfiguration am asymmetrischen C-Atom erfolgt nach der i?,S-Nomenklatur von Cahn-Ingold-Prelog. Zunächst ordnet man die Liganden am chiralen C-Atom nach ihrer Priorität. Die Priorität eines Liganden ergibt sich aus der Atomnummer (Ordnungszahl) des aAtoms (Atom, das mit dem chiralen Zentrum verknüpft ist). Die niedrigste Priorität besitzt der Ligand H. Bestehen keine Unterschiede in den Atomnummern der aAtome, vergleicht man die ß-Atome. Dann schaut man auf das chirale C-Atom in der Weise, daß der Ligand mit der niedrigsten Priorität abgewandt ist. Die anderen drei Liganden sind nunmehr mit fallender Priorität entweder im Uhrzeigersinn oder entgegengesetzt dazu angeordnet. Im ersten Fall liegt die Ä-Konfiguration vor (lat. rectus, rechts), im zweiten Fall die ¿'-Konfiguration (lat. sinister, links). Die folgenden beiden Beispiele dienen zur Erläuterung.

Blickrichtung

Br (/?) - Bromchlorfluormethan

Blickrichtung

Cl (S) - Bromchlorfluormethan

Br > Cl > F

2 Enantiomere mit einem einzigen chiralen Zentrum

91

HOOC Blickrichtung

*

- H

H2N

I^N

CH3 (/?) -2-Aminopropionsäure

CH 3

N > C = 0 > CH3

HOOG Blickrichtung

*

H

3

C ^

H

NH2 (S)-2-Aminopropionsäure

Die ^^-Nomenklatur ist eine absolute Konfigurationsbezeichnung. Daneben verwendet man auch noch die relative Konfigurationsbezeichnung D und L. Letztere Bezeichnung bezieht sich auf die Konfiguration einer Bezugs verbindung, wobei deren absolute Konfiguration gar nicht bekannt zu sein braucht. Die D,L-Nomenklatur wurde zu einer Zeit eingeführt, als man die absolute Konfiguration noch nicht direkt messen konnte, und sie wird heute noch vielfach beibehalten (s. Nomenklatur von Zuckern und Aminosäuren). Optische Aktivität. Die physikalischen Eigenschaften von zwei Enantiomeren in achiraler Umgebung sind bis auf einige wenige Ausnahmen identisch. Sie haben gleichen Schmelzpunkt, gleichen Siedepunkt, ergeben die gleichen Spektren usw. Unterschiedliches Verhalten beobachtet man nur gegenüber bestimmten gerichteten physikalischen Phänomenen, z. B. gegenüber linear polarisiertem Licht (d. i. Licht, dessen elektrischer Vektor in einer Ebene schwingt). Das eine Isomer dreht die Ebene solchen Lichtes um einen bestimmten Winkel nach rechts und das andere Isomer um exakt den gleichen Winkel nach links. Spiegelebene

COOH

(S)-Milchsäure Schmp. 53° Sdp. 120°/12 Torr [ a ] D = +3.3° (in Wasser)

COOH

(/?)-Milchsäure Schmp. 53° Sdp. 1 2 0 7 1 2 Torr [ a ] D = - 3 . 3 ° (in Wasser)

Die Bestimmung des Drehwertes erfolgt durch ein Polarimeter, dessen schematischer Aufbau nachfolgend gezeigt ist.

92

IV Stereoisomerie

Abbildung Schematischer Aufbau eines Polarimeters. Die Ebene des linear polarisierten Lichtes wird durch die in der Meßküvette gelöste optisch aktive Verbindung um den Winkel a gedreht.

Wie kommt die Drehung zustande? Man kann sich linear polarisiertes Licht als Resultierende E zweier Lichtstrahlen E s und ER von links- und rechts-zirkular polarisiertem Licht vorstellen, welche zwar gleiche Phase besitzen, aber gegenläufig sind. Trifft nun ein solcher Lichtstrahl auf ein chirales Molekül, so ist die Wechselwirkung des links-zirkular polarisierten Lichts mit diesem anders als die des rechts-zirkular polarisierten Lichts. Die Folge ist eine Phasenverschiebung, so daß die Resultierende beider Lichtanteile um einen bestimmten Drehwinkel a verschoben ist. E

Abbildung Elektrischer Vektor E des linear polarisierten Lichtes als Resultierende der Vektoren von rechts und links zirkulär polarisiertem Licht E R und E s

kül (links) oder chiralen Molekül (rechts), a = Drehwinkel

Die Größe des Drehwinkels hängt nicht nur von der Struktur der chiralen Moleküle ab, sondern auch von der Konzentration derselben, ferner von der Länge der Küvette, von der Temperatur der Meßlösung und von der verwendeten Wellenlänge. Um dennoch Drehwerte vergleichen zu können, gibt man die spezifische Drehung [a] an, die sich aus dem beobachteten Drehwert a wie folgt berechnet.

3 Enantiomere mit mehreren chiralen Zentren

93

A = verwendete Wellenlänge, häufig D-Linie des Natriums; T = Temperatur der Lösung; 1 = Länge der Meßküvette in dm; c = Konzentration des optisch aktiven Stoffes in Gramm pro mL. Zwischen der Konfiguration eines Enantiomers und dem Vorzeichen des Drehwertes gibt es keine allgemeine Beziehung. So liefern Moleküle mit (Ä)-Konfiguration Drehwerte, die manchmal positives, manchmal negatives Vorzeichen aufweisen. Aufgaben 1) Enthalten nebenstehende Verbindungen asymmetrisch substitutierte C-Atome? Wenn ja, markiere man letztere mit Sternen. H2C—OH HC—OH H2C—OH

HC-OH

^^CH(OH)-C2H5

H2C—Cl

„ _ „ Br H

2) Man benenne die chiralen Moleküle a, b und c nach der ^^-Nomenklatur.

V

H I HO/

V CH, '3

C6H5

I

C 0 H H/ \CH 2 0H

HS

/ C V C2H5 CH,

3) Welches Isomer von Pentan liefert bei der Reaktion mit Brom Monobrompentane, unter denen sich zwei chirale Verbindungen befinden? 4) Eine unbekannte Menge Cholesterin, gelöst in 100 mL Chloroform, zeigt bei der polarimetrischen Bestimmung einen Drehwert von a D = — 2,65° (Länge der Meßküvette: 10 cm). Der Literatur entnimmt man für Cholesterin: [a] D = — 39°. Aus wieviel Gramm besteht die unbekannte Menge?

3 Enantiomere mit mehreren chiralen Zentren Enthält ein Molekül mehrere asymmetrische Zentren, so sind auch mehrere Enantiomerenpaare möglich. Bevor wir auf die genaue Anzahl eingehen, soll zunächst eine geeignete Projektionstechnik für solche Moleküle vorgestellt werden. Hat ein Molekül nur ein asymmetrisches C, bereitet die räumliche Darstellung keine

94

IV Stereoisomerie

Schwierigkeit, wie der vorstehende Abschnitt gezeigt hat. Die Bilder sind aber weniger übersichtlich, wenn mehrere asymmetrische C-Atome vorhanden sind. Hier schafft die Projektion nach Emil Fischer Vereinfachung. Man zeichnet zunächst die Kohlenstoffkette als vertikale Linie, wobei die endständigen C-Atome unterhalb der Papierebene zu denken sind. Zu beiden Seiten dieser Linie zieht man horizontale Striche, die die Verknüpfung zwischen der Kohlenstoffkette und den Liganden symbolisieren. Die Liganden muß man sich oberhalb der Papierebene vorstellen. Die Fischer-Projektion für ein Molekül mit nur einem asymmetrischen C-Atom sieht dann wie folgt aus: H

COOH

Cl O O H

OH

l

H — 6—OH H3C

-OH CH„

¿H3

COOH

(/?)-Milchsäure HO

COOH

900 H

H

HO-

HO—6— H l

COOH

-H CH,

¿H,

(S)-Milchsäure

Für eine Verbindung mit zwei chiralen Zentren, z. B. Trihydroxybutanal, lautet die Fischer-Projektion:



Spiegelebene H C

H-

-0H

H0-

H-

-OH

HO-

V

H-

—H

CH,OH Diastereomer 1: erythro-Isomer

Spiegelebene

O

-OH

HO-

VH

HO-

-H M)H

CHoOH

CH,OH

Diastereomer 2: threo-Isomer

Man erkennt, daß hier zwei Diastereomere möglich sind und jedes Diastereomer zwei Enantiomere ergibt. Zur Bezeichnung von Diastereomeren mit zwei chiralen Zentren verwendet man außer der /^-Nomenklatur auch die Präfixe erythro und threo, die sich von den Zuckern Erythrose und Threose herleiten, erythro-Verbindungen sind solche, bei denen gleiche Substituenten oder gleichartige Substituenten (z. B. Chlor und Brom) auf derselben Seite stehen, threo-Verbindungen solche mit gleichen oder gleichartigen Substituenten auf entgegengesetzten Seiten. (Merke: ihreo - irans). Sind die Substituenten an den beiden chiralen Zentren jeweils vollkommen gleich, liegen meso- oder rac-Verbindungen vor (s. nächster Abschnitt).

3 Enantiomere mit mehreren chiralen Zentren

95

Eine Verbindung mit drei asymmetrischen Zentren ergibt bereits 4 Diastereomere. Da von jedem jeweils 2 Enantiomere existieren, sind insgesamt 8 Stereoisomere zu erwarten. Es gilt allgemein, daß von einem Molekül mit n ungleichen asymmetrischen Zentren 2" Stereoisomere existieren, wovon die Hälfte (2 n _ 1 ) Diastereomere sind. Zahl der asymmetrischen Zentren

Zahl der Stereoisomeren

Zahl der Diastereomeren

n

2"

2n_1

Es sei erneut betont, daß Diastereomere unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften besitzen, unbeschadet der Tatsache, daß diese Unterschiede häufig klein sind. Dagegen unterscheiden sich Enantiomere nur in ihrem Verhalten gegenüber linear und zirkulär polarisiertem Licht.

3.1

meso-Verbindungen

Sind an die asymmetrisch substituierten C-Atome jeweils gleiche Substituenten gebunden, so reduziert sich die Zahl der möglichen Stereoisomeren. Zunächst soll ein Molekül mit zwei chiralen Zentren behandelt werden. 2,3-Dibrombutan bildet zwei Diastereomere, meso- und rac-2,3-Dibrombutan. Spiegelebene 1

CH 3

H-

—Br

H-

-Br CH3

2S,3R

Spiegelebene

CH, Br

-H

Br-

-H

CH 3 2fí,3S

meso-2,3-Dibrombutan; Spiegelbilder können durch 1 8 0 ° - D r e h u n g um eine senkrecht zur Papierebene gedachte Achse zur Deckung gebracht werden; achiral

CH 3

CH, H- — B r

Br-

A-H

—H

H-

*-Br

Br-

CH3 2S.3S

CH3 2 R, 3 R

/•ac-2,3-Dibrombutan; Spiegelbilder können nicht zur Deckung gebracht werden; chiral

Das Spiegelbild von meso-2,3-Dibrombutan kann durch einfache Drehung mit dem Bild zur Deckung gebracht werden, mithin tritt hier keine Enantiomerie auf. Im Gegensatz dazu existieren von rac-2,3-Dibrombutan zwei Enantiomere. Allgemein versteht man unter meso- Verbindungen solche, die trotz vorhandener duraler Zentren nicht in Enantiomere aufspaltbar sind. Die bekannteste meso-Verbindung ist die meso-Weinsäure; sie ist im Gegensatz zu ihrem Diastereomer (rac-Weinsäure) nicht in Enantiomere aufspaltbar.

96

IV Stereoisomerie Spiegelebene

Spiegelebene

COOH HH-

COOH

-OH

HO- -—H

-OH

B

HO-

COOH

—H

COOH H-

HO-

-H

HO-

s

-H

H- — O H COOH (S,S)

COOH Iß. R)

COOH

(S, R)

meso-Weinsäure; Spiegelbilder können durch geeignete Drehung zur Deckung gebracht werden; achiral.

COOH

-OH

/•ac-Weinsäure („Traubensäure"); Spiegelbilder können nicht zur Deckung gebracht werden; chiral.

meso-Verbindungen können zwei und mehr chirale Zentren enthalten. Die folgende Verbindung enthält 3 chirale Zentren, es existieren zwei me.50-Verbindungen und eine rac-Verbindung, somit insgesamt 4 Stereoisomere. Spiegelebene COOH COOH

COOH

COOH H-

-OH

HO-

H-

-OH

H-

H-

-OH

HO-

COOH

-H

H-

-OH

HO-

-H

-OH

H-

-OH

HO-

-H

-H

HO-

COOH

COOH

Diastereomer 1

-OH

-H

COOH

Diastereomer 3 (2 Enantiomere)

Diasteromer 2

Aufgaben 1) Welche der folgenden Paare sind Homomere, Konstitutionsisomere, Diastereomere oder Enantiomere? Zur Erleichterung der Beantwortung empfiehlt es sich, gegebenenfalls die /?,S-Nomenklatur anzuwenden. Br

a)

CH, - k CH 2 CH 3 Br

und

CH, - T ^ B r Br

OH

CH,CH

und

b) CH,

-Ah

HO CH

IC)

ch

3

'7^

r c n

und

h

'V^ch3

CN

4 Symmetrieeigenschaften von chiralen Molekülen CH3

CH3

d) OH

I H

97

OH

und

OH

CH,

t H

'C H 3

und

e)

C

2H5

(CH 2

CH3V

CH3

c2H5

,(CH2)3

und

0 OH

C H 3

Cl

O

Br

g)

/

H

H

CH3

\

I

Cl

0H

C H 3

- v^y Br

CH,

I

\

H

2) Unter Zuhilfenahme der Fischer-Projektion zeichne man sämtliche Diastereomere und Enantiomere von (a) 2-Brombutan, (b) 2-Brom-3-methylbutan, (c) 2Brom-3-butanol, (d) l,2-Diphenyl-l,2-ethandiol, (e) 2-Brom-3-chlor-4-fluorpentan.

4 Symmetrieeigenschaften von chiralen Molekülen Wie zuvor erläutert, erkennt man ein chirales Molekül daran, daß es mit seinem Spiegelbild nicht zur Deckung gebracht werden kann. Leichter als über das Spiegelbild erkennt man ein chirales Molekül an bestimmten Symmetriemerkmalen. Vereinfacht gilt: Ein Molekül ist chiral, wenn es weder eine Symmetrieebene a noch ein Symmetriezentrum i (von /nversion) aufweist. So sind Moleküle mit einem asymmetrisch substituierten C-Atom chiral, da sie diese Symmetrieelemente nicht besitzen. H

Bromchlorfluormethan ist chiral, da a und i fehlen

98

IV Stereoisomerie

Von den 5 isomeren Difluorcyclobutanen sind die Verbindungen A, B, D und E achiral, da sie eine Symmetrieebene bzw. ein Symmetriezentrum aufweisen. Lediglich C ist chiral und tritt deshalb in zwei Enantiomeren auf. (Daß das Isomer C eine zweizählige Symmetrieachse C 2 besitzt, ist im Zusammenhang mit der Chiralität definitionsgemäß ohne Belang).

A (enthält a )

(enthält er)

(enthält weder a noch i)

D

E

(enthält a )

(enthält i und a )

Spiegelebene

(S.S)-

(/?,/?)-

fAa/7s-1,2-Difluorcyclobutan (zwei Enantiomere)

Ist ein Molekül konformativ beweglich, existieren in der Regel viele Konformere. Befindet sich unter den Konformeren wenigstens eines, das achiral ist, so ist das Molekül auch achiral. Es empfiehlt sich daher, das Augenmerk auf die symmetrischen Konformeren zu richten. So existiert von cw-1,2-Dimethylcyclopentan ein Konformer mit Spiegelebene: Die Verbindung ist somit achiral. Dagegen weist das symmetrische Konformere der trans-Verbindung weder eine Spiegelebene noch ein Symmetriezentrum auf (lediglich eine C 2 -Achse): Die Verbindung ist chiral.

Spiegelebene — —

— L — — —

V

c/'s-Verbindung: achiral, da a vorhanden

^ c h

3

_

_/_

_

_L _

_

^ C H



Achse

3

frans-Verbindung: chiral, da a und i fehlen

Kehren wir erneut zur Stereochemie von 2,3-Dibrombutan zurück (Abschn. 3.1). Das meso-Isomer ist achiral, weil es eine Spiegelebene besitzt, das rac-Isomer ist chiral (somit in Enantiomere aufspaltbar), da es weder eine Spiegelebene noch ein Symmetriezentrum aufweist.

5 Enantiomere ohne chirales Zentrum CH,

CH, H-

99

-Br

H-

-Br

Br-

-H

Spiegelebene

H-

-Br

CH 3

CH 3 /neso-2,3-Dibrombutan achiral, da a vorhanden

rac-2,3-Dibrombutan (nur ein Enantiomer gezeigt) chiral, da a und i fehlen

Analog sind die Verhältnisse bei der Weinsäure: C02H

C02H HH-

-OH

HSpiegelebene

-OH C02H

meso-Weinsäure achiral, da a vorhanden

-OH

HOC02H rac-Weinsäure (nur ein Enantiomer gezeigt) chiral, da a und i fehlen

Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die umfassende Definition der Chiralität lautet: Chiral ist jedes Molekül ohne Drehspiegelachsen S 1 ; S 2 , S 3 , S 4 ... Da eine S,Achse gleichbedeutend mit einer Symmetrieebene, eine S 2 -Achse gleichbedeutend mit einem Symmetriezentrum ist und Drehspiegelachsen S 3 , S 4 , S 5 . . . äußerst selten anzutreffen sind, ist die zuerst gegebene Definition ausreichend genau und zudem leicht verständlich. Aufgabe Von der Verbindung H 0 2 C — C H O H — C H O H — C H O H — C O z H existieren drei Diastereomere, zwei davon sind meso-Verbindungen (Formeln s. Abschnitt 3.1). Man erkläre diesen Befund mit Hilfe von Symmetriemerkmalen.

5 Enantiomere ohne chirales Zentrum Ein Molekül kann auch Enantiomere bilden, ohne daß chirale Zentren vorhanden sind. Hier liegen andere molekulare Dissymmetrien vor. Ausschlaggebend ist stets das Fehlen von Symmetrieebene und -Zentrum.

5.1 Kumulene Bestimmte Kumulene besitzen weder eine Symmetrieebene noch ein Symmetriezentrum und sind damit chiral. Zu ihnen gehört z.B. 2,3-Pentadien.

100

IV Stereoisomerie

A 2,3-Pentadien, chiral

Man überzeuge sich, daß weder die in das Molekül eingezeichnete noch irgendeine andere Ebene eine Symmetrieebene darstellt, und daß das Molekül auch kein Symmetriezentrum besitzt. 2,3-Pentadien existiert deshalb in zwei Enantiomeren. Spiegelebene

\ / H3C

-CH,

HaC

C=C=C'

CH,

Wie 2,3-Pentadien verhalten sich alle Kumulene, die eine gerade Zahl von kumulierten Doppelbindungen besitzen und die zudem zwei verschiedene Substituenten an den beiden endständigen C-Atomen (z.B. H und CH 3 wie im vorstehenden Beispiel) tragen. Dagegen sind Kumulene mit einer ungeraden Anzahl kumulierter Doppelbindungen stets achiral, da sie eine Symmetrieebene ( = Molekülebene) aufweisen. So ist Butatrien achiral, gleichgültig, mit welchen Substituenten (A, B, C, D) es verknüpft ist.

substituiertes Butatrien, achiral

Man beachte, daß die Substituenten von A in zwei verschiedenen Ebenen angeordnet ist, die von B aber nur in einer Ebene.

5.2 Biphenylverbindungen Ebenes Biphenyl ist achiral, da es sowohl eine Symmetrieebene als auch ein Symmetriezentrum besitzt. Das gleiche gilt für Biphenyl, dessen Phenylringe senkrecht zueinander stehen. Alle anderen Konformationen des Biphenyls (im folgenden „verdrilltes Biphenyl" genannt) sind dagegen chiral.

5 Enantiomere ohne chirales Zentrum

101

Spiegelebene

4

H ebenes Biphenyl; achiral, da a und ¡ vorhanden

H verdrilltes Biphenyl, chiral, da a und i fehlen

Da sich alle Konformationsisomeren rasch ineinander umwandeln, u. a. auch in das achirale ebene Biphenyl, ist Biphenyl nicht in Enantiomere spaltbar. Anders verhält sich ein Biphenylmolekül, dessen o- und o'-Stellung mit geeigneten sperrigen Substituenten besetzt ist. Diese Substituenten verhindern die freie Drehbarkeit um die zentrale C—C-Bindung, weshalb nur verdrillte Konformationen möglich sind. Solche Konformationen sind chiral, wenn die Substituenten in o-Stellung, ferner in o'-Stellung paarweise unterschiedlich sind. Es existieren deshalb Enantiomere, die sich in günstigen Fällen sogar isolieren lassen. Spiegelebene

2'

'2'

Die beiden Enantiomeren von 2,2'-Dicarboxy-6,6'-dinitrobiphenyl

Erhitzt man eines der beiden Enantiomeren auf höhere Temperatur, so entsteht durch Drehung um die zentrale Bindung das andere Enantiomer. Nach genügend lange andauernder Energiezufuhr hat sich ein 1:1-Gemisch der beiden Enantiomeren gebildet. Die Umwandlung eines Enantiomers in ein 1:1-Enantiomerengemisch nennt man

Racemisierung.

5.3 Helicene Helicene bestehen aus mehreren Benzolkernen, die spiralförmig miteinander verknüpft sind. Diese spiralförmige Anordnung ist eine Folge der Behinderung der beiden endständigen Benzolringe. Helicene besitzen weder eine Symmetrieebene noch ein Symmetriezentrum, sind deshalb chiral und in zwei Enantiomeren anzutreffen. Nebenstehend ist die Struktur des Octahelicens wiedergegeben.

102

IV Stereoisomerie Spiegelebene

Abbildung Enantiomere des Octahelicens. Die endständigen Benzolringe liegen teilweise übereinander.

Aufgaben 1) Besitzen die folgenden Moleküle eine Symmetrieebene oder (und) ein Symmetriezentrum? Von welchen Verbindungen existiert ein zweites Enantiomer?

Gr

.OH >H H

\ H

'OH

02N H,C

V

yC2H5

H.

c=c=c=c.

H

C2H5

CH3 c=c=c(

Br

Br

CHo

(Die Benzolringe sind gegeneinander verdrillt!)

2) Welche Konformationen des Butans besitzen die Symmetrieelemente Spiegelebene oder Symmetriezentrum? Welche Konformation ist chiral? Ist Butan chiral?

verdeckt

gauche

anti

6 Enantiomerentrennung (Racematspaltung)

103

6 Enantiomerentrennung (Racematspaltung) Entsteht bei einer unter achiralen Bedingungen durchgeführten Synthese eine Verbindung mit einem asymmetrischen C-Atom, so werden beide Enantiomere in exakt gleicher Menge gebildet. Mit anderen Worten: Bei einer Synthese entsteht stets das racemische Gemisch. Beispiel:

H—C—H

+

Cl 2

C2H5

hv;

-Cl

Cl-

CH3

CH3

(/?)-2-Chlorbutan

CH3 (S)-2-Chlorbutan

Häufig wird nur das eine der beiden Enantiomeren benötigt, etwa in der Pharmazie oder beim Pflanzenschutz. Entweder stellt man das gewünschte Enantiomer durch stereospezifisch verlaufende Reaktionen her oder man synthetisiert das Enantiomerengemisch und trennt daraus das gewünschte Enantiomere ab. Vier Methoden kommen zur Trennung von Enantiomeren in Frage: - mechanische Trennung enantiomerer Kristalle, - Animpfung einer gesättigten Lösung mit einem Enantiomer, - enzymatische Trennung, - Trennung über diastereomere Zwischenprodukte. Die erste Methode, die mechanische Trennung, setzt voraus, daß die beiden Enantiomere in Kristallen von unterscheidbarem Aussehen aus einer Lösung auskristallisieren. Nur wenige Beispiele sind bisher bekannt. Die zweite Methode (Animpfung) ist nur dann durchführbar, wenn das gewünschte Enantiomer bereits in kristalliner Form vorliegt. Die dritte Methode, die enzymatische Trennung, basiert darauf, daß ein lebender Organismus nur eines der beiden Enantiomeren in seinen Stoffwechsel aufnimmt, während das andere übrigbleibt. L. Pasteur (geb. 1822 in Dole, gest. 1895), der grundlegende Untersuchungen auf dem Gebiet der Chemie (optische Aktivität) und Biologie („Pasteurisierung" von Lebensmitteln) durchführte, beobachtete, daß die Enzyme des Schimmelpilzes Penicillium glaucum die natürliche (+)-Weinsäure abbauen, die unnatürliche (-)-Weinsäure jedoch unverändert lassen. Wenn nun Traubensäure (so nennt man das racemische Gemisch der Weinsäure) mit diesem Schimmelpilz geimpft wird, wird das (-f-)-Enantiomer metabolisiert und abgebaut, das ( - ) - E n a n tiomer bleibt erhalten und kann aus dem Fermentationsmedium isoliert werden. ( + )(-)-Weinsäure

Enzyme

>

(-)-Weinsäure

+

Abbauprodukte der ( + )-Weinsäure

Auch diese Methode ist von beschränktem Wert, da nur wenige racemische Gemische zur Verabreichung an einen lebenden Organismus geeignet sind.

104

IV Stereoisomerie

Die vierte Methode, Trennung eines Racemats über geeignete Diastereomere, wird im Laboratorium am häufigsten angewendet. Dazu läßt man zunächst das Racemat, das eine reaktionsfähige Gruppe enthalten muß, mit einer optisch aktiven Verbindung, die ebenfalls über eine reaktionsfähige Gruppe verfügen muß, reagieren. Dabei entstehen zwei Diastereomere, die sich wie andere Diastereomere (z. B. eis- und transAlkene) in ihren physikalischen Eigenschaften unterscheiden. Die Diastereomeren können z.B. durch fraktionierte Kristallisation getrennt und anschließend in die beiden Enantiomeren zerlegt werden. Am Beispiel der Enantiomerentrennung einer Carbonsäure soll diese Methode erläutert werden. Man versetzt zunächst die racemische Mischung, bestehend aus gleichen Teilen (+)-Säure und (—)-Säure, mit einem optisch aktiven Amin, z.B. (+)-Amin. Dabei bilden sich zwei diastereomere Ammoniumsalze, hier (+)(+)-Salz und (—)(+)-Salz genannt. ( + ) ( —)-Säure

+

( + )-Amin

>

racemische Mischung

( + )( + )-Salz Diastereomerl

+

( - ) ( + )-Salz Diastereomer 2

Die diastereomeren Salze werden durch fraktionierte Kristallisation voneinander getrennt und anschließend durch Salzsäure in die Bestandteile zerlegt. Dabei fallen die beiden Enantiomeren, nunmehr getrennt, an. ( + )( + )-Salz

+

H—Cl

( + )-Säure

+

( + ) - A m i n • HCl

+

( + ) - A m i n • HCl

Enantiomer 1 (—) ( + ) - S a l z

+

H—Cl

>

( — )-Säure Enantiomer 2

Ebenfalls auf Bildung von Diastereomeren beruht die Trennung durch Gaschromatographie. Hierbei treibt man (mit Hilfe eines Inertgases) den Dampf eines racemischen Gemisches durch ein Kapillarrohr, dessen Innenwandung mit einer optisch aktiven Verbindung belegt ist. Das eine Enantiomer tritt mit dem Rohrbelag in stärkere Wechselwirkung als das andere und wandert deshalb langsamer. Auf diese Weise gelingt die Racematspaltung vieler Verbindungsklassen. Beispielsweise läßt sich 3Methylcyclopenten in die beiden Enantiomeren aufspalten, wenn man als Rohrbelag eine optisch aktive Rhodiumverbindung verwendet. h3C Spiegelebene I

CF(/?)(S)3-Methylcyclopenten

Dicarbonylrhodium(l)-3-trifluoracetyl(1 /?)-campherat

7 Chemisches und biochemisches Verhalten von Enantiomeren

105

Zur Bildung von ^-Komplexen zwischen Alkenen und Übergangsmetallverbindungen, ein für die Trennung wichtiger Vorgang, siehe Kapitel „Metallorganische Verbindungen". Das nebenstehende Gaschromatogramm gibt den zeitlichen Verlauf der Trennung wieder. Das (Ä)-Enantiomer verläßt die Säule später, da es mit der Rhodiumverbindung in stärkere Wechselwirkung tritt. CH4

SR

t'Ch] Abbildung Gaschromatogramm der Enantiomerentrennung von (S)- und (/?)-3-Methylcyclopenten. Säulentemp. 22°C. (V. Schurig, Angew. Chemie, 1977).

Aufgabe a-Phenylethylamin soll in seine Antipoden gespalten werden. Welcher Hilfsstoff bietet sich an?

7 Chemisches und biochemisches Verhalten von Enantiomeren Die physikalischen Unterschiede zweier Moleküle, die Enantiomere sind, wurde bereits eingangs behandelt. Welche chemischen Unterschiede existieren? Gegenüber einem achiralen Molekül zeigen die beiden Enantiomeren gleiches chemisches Verhalten. Dagegen existieren Unterschiede gegenüber einem chiralen Molekül oder einer chiralen Umgebung. (./^-Phenylalanin schmeckt süß, das Enantiomer bitter. Offensichtlich ist die Wechselwirkung mit dem Geschmacksrezeptor, der ebenfalls chiral ist, unterschiedlich.

(/?) - Phenylalanin, süß

(S) -Phenylalanin, bitter

106

IV Stereoisomerie

Racemisches Dihydroxyphenylalanin (Dopa) wurde als Medikament gegen die Parkinsonsche Krankheit (Zittern und Muskelsteife) eingesetzt. Leider zeigt es toxische Nebenwirkungen. Appliziert man aber das S-Enantiomer, treten die unerwünschten Nebenwirkungen nicht auf.

(S)-Dopa, wirksam gegen die Parkinson-Krankheit, wenig toxisch

(ff)-Dopa, wenig wirksam gegen die Parkinson-Krankheit, toxisch

Das unterschiedliche Verhalten von Enantiomeren gegenüber achiralen und chiralen Molekülen soll schließlich mit Gegenständen aus der makroskopischen Welt verglichen werden. Rechter oder linker Fuß (jeweils chiral) passen in denselben Strumpf (achiral), aber nur in den rechten bzw. linken Schuh (ebenfalls jeweils chiral).

(Nach J. Retey, Chemie in unserer Zeit, 1979)

8

Prostereoisomerie

In den vorangegangenen Abschnitten wurden die räumlichen Unterschiede behandelt, die zwischen zwei Molekülen gleicher Konstitution existieren. In diesem Abschnitt wird das Augenmerk auf ein und dasselbe Molekül gerichtet und gefragt, ob Molekülteile (z.B. zwei H-Atome oder zwei CH 3 -Gruppen) oder Molekülflächen (z. B. oberhalb und unterhalb einer Doppelbindung) äquivalent sind.

8 Prostereoisomerie

107

8.1 Homotope, enantiotope und diastereotope Substituenten oder Flächen Zwei Substituenten gleicher Konstitution sind homotop (griech. topos, Ort), wenn sie durch Drehung ineinander überführt werden können. Sie sind enantiotop, wenn sie nur durch Spiegelung (Spiegelebene; Symmetriezentrum) ineinander überführbar sind. Wenn sie durch keine Symmetrieoperation ineinander überführt werden können, sind sie diastereotop oder konstitutop, je nachdem, ob sie sich an derselben Position (ggf. auch äquivalenten Positionen) befinden oder nicht. Im nebenstehenden Schema sind die verschiedenen Arten identischer Substituenten und deren Beziehungen zueinander zusammengefaßt. Man vergleiche das Schema mit dem, das am Anfang dieses Kapitels steht! identische (homomorphe) Substituenten

durch Drehung gegenseitig überführbar

durch Drehung gegenseitig nicht überführbar

homotope Substituenten

heterotope Substituenten

an derselben Position (oder äquivalenten Positionen) befindlich

stereoheterotope Substituenten

spiegelbildlich

an unterschiedlichen Positionen befindlich

konstitutope Substituenten

nicht spiegelbildlich

enantiotope Substituenten

diastereotope Substituenten

Drei Beispiele sollen die Begriffe erläutern.

Br

H H-Atome homotop, Br-Atome homotop

CI

Br

H

H-Atome enantiotop.

H

CHR, R 2 H

H-Atome an C-1 diastereotop, 1 - H und 2-H konstitutop

Die H-Atome im Dibrommethan sind homotop, da durch Drehung (C2-Achse!) ineinander überführbar. Das gleiche gilt für die beiden Br-Atome. Die H-Atome in

108

IV Stereoisomerie

Bromchlormethan sind dagegen enantiotop, da sie nur durch Spiegelung ineinander überführbar sind. Die H-Atome an C-l im Ethanderivat sind wegen des chiralen Zentrums weder durch Drehung noch durch Spiegelung ineinander überführbar und damit diastereotop. Eine Unterscheidung gelingt außer durch den geschilderten Symmetrietest auch durch einen Substitutionstest. Substituiert man in einem Molekül, das zwei H-Atome (oder andere identische Substituenten) aufweist, das eine oder andere H-Atom durch einen anderen Substituenten (z. B. CH 3 ), so erhält man im Falle homotoper H-Atome identische Moleküle, im Falle enantiotoper H-Atome Enantiomere, im Falle diastereotoper H-Atome Diastereomere und im Falle konstitutoper H-Atome Konstitutionsisomere. Zur Erläuterung dienen die gleichen Beispiele.

H

CH,

H

CH,

Homomere

H - A t o m e homotop

Enantiomere

H - A t o m e enantiotop H,c-

, C H R, R 2

H -> CH,

Diastereomere

-Br

- C H R , R2 Br

H - A t o m e an C-1 diastereotop

H,C

^ \

CHR,R2

H3C—CHBr—CHR,R2

H - • CH,

CH,

Br

H /7 H - A t o m e an C-1 u. C - 2 konstitutop

->

I

Br—CH2—CR,R2

Konstitutionsisomere

8 Prostereoisomerie

109

Wie Substituenten können auch Seiten oder Flächen unterschiedlich sein. Zwei Flächen sind homotop, enantiotop oder diastereotop, wenn sie durch Drehung, Spiegelung bzw. durch keinerlei Symmetrieoperation ineinander überführbar sind. Auch hierzu drei Beispiele. Oberseite

x

Oberseite

Oberseite

H OC

C,-Achse

0—C N

Unterseite

CH3

Unterseite

homotope Seiten

=o

Unterseite

diastereotope Seiten

enantiotope Seiten

Die beiden Seiten des Benzols sind homotop, da sie durch Drehung um eine C 2 -Achse ineinander überführbar sind. Die Seiten des Acetaldehyds sind enantiotop, da sie sich zueinander wie Bild und nicht deckungsgleiches Spiegelbild verhalten: Von oben betrachtet sind die Substituenten gemäß den Cahn-Ingold-Prelog-Regeln entgegen dem Uhrzeigersinn angeordnet, von unten betrachtet im Uhrzeigersinn angeordnet. Die beiden Seiten von 4-Methylcyclohexanon sind diastereotop, da sie durch keine Symmetrieoperation ineinander überführbar sind. Nomenklatur. Enantiotope und diastereotope Substituenten und Flächen werden nach der Cahn-Ingold-Prelog-Nomenklatur benannt. Im Falle der Substituenten erhält der zu bezeichnende Substituent die höhere Priorität gegenüber dem anderen. Substituenten werden durch pro-R und pro-S, Flächen durch re und si (lat. rectus, sinister, rechts, links) unterschieden. Die folgenden Beispiele dienen zur Erläuterung. Blickrichtung 2 Blickrichtung 2

, Blickrichtung 1

ii si-Seite

0



c re-Seite

4 T

^ H

\

CH,

H pro -R Blickrichtung 1

Blickrichtung 1: Die Substituenten Br, Cl, H vorn sind gemäß der Cahn-IngoldPrelog- Regel im Uhrzeigersinn angeordnet. Damit erhält H vorn die Bezeichnung pro-/?. Aus analogen Gründen erhält das andere H-Atom die Bezeichnung pro-S.

Blickrichtung 1: Die Substituenten O, CH 3 , H sind gemäß der Cahn-IngoldPre/og-Regel entgegen dem Uhrzeigersinn angeordnet. Somit ist die Oberseite die si-Seite. Die Unterseite ist aus analogen Gründen die re-Seite.

Aufgaben 1) Welche der markierten Substituenten sind homotop, enantiotop oder diastereotop?

110

IV Stereoisomerie

er CX

H* HHI ,H

^ ^ O H *

OH

OH*

OH*

v

•H02C

CO,H*

CO,H*

H

CO,H*

f 2) Welche stereoisomere bzw. prostereoisomere Beziehung existiert zwischen H j einerseits und H 2 , H 3 , H 4 andererseits? Welche Beziehung besteht zwischen den Molekülteilen a und b?

3) In welcher stereochemischen Beziehung zueinander stehen die geminalen CH 3 Gruppen jeweils in (a) und (b)? H H3C- . H

3

C

" H¿C- ' h¿ of hr 0

| H

3

(a) Menthan

(b) Menthol

4) Bei der durch Enzyme katalysierten Addition von Blausäure an Benzaldehyd entsteht das i?-Enantiomer. Wird dabei Benzaldehyd von der re- oder «'-Seite angegriffen? N

c

H5C6—c

+

H-CEEN

Enz m

v >

,-f I

HO

(/?)-a-Hydroxybenzylnitril

8 Prostereoisomerie

111

Eigenschaften. Homotope Substituenten sind physikalisch und chemisch identisch. Gleiches gilt für zwei homotope Flächen. Enantiotope Substituenten oder Flächen zeigen nur gegenüber achiralen Molekülen gleiches Verhalten, gegenüber chiralen Molekülen, z. B. Enzymen, weisen sie unterschiedliche Reaktivität auf. So wird bei der enzymatischen Verseifung von Dicarbonsäureestern, deren Estergruppen enantiotop sind, meist nur eine bestimmte Estergruppe angegriffen. 0 „

Q

^

O

C

H

0 ,

+

Hj0

^

Q

II 0

^ II o

Dicarbonsäure-diester, Estergruppen enantiotop, optisch inaktiv

Halbester optisch aktiv

Analoges gilt für Flächen. So wird Brenztraubensäure durch den chiralen Wasserstoffüberträger NADH (Nicotinamid-adenin-dinucleotid plus 2H) nur von der reSeite angegriffen, wobei (S)-Milchsäure entsteht. Angriff v o n der re-Seite

H

c=o HO,C Brenztraubensäure, optisch inaktiv

H, (NADH)

H3C

H02C

/

OH

(S)-Milchsäure, rechtsdrehend

Diastereotope Substituenten oder Flächen sind chemisch und physikalisch unterschiedlich. So besitzen die diastereotopen H-Atome der CH 2 -Gruppe in 2,3-Dibrompropionsäure unterschiedliche chemische Verschiebungen im Kernresonanzspektrum, wie die Abbildung zeigt. Es sei vermerkt, daß ohne Kenntnis der Prostereoisomerie die unterschiedlichen chemischen Verschiebungen von H(a) und H(b) nur schwer zu verstehen sind.

112

IV Stereoisomerie

Abbildung 4 0 0 - M Hz- 1 H-Kernresonanzspektrum von 2,3-Dibrompropionsäure in CDCI 3 . Man beachte die unterschiedliche chemische Verschiebung der diastereotopen H - A t o m e H (a) und H (b). T M S = Tetramethylsilan (Referenzverbindung).

8.2 Prochirale Zentren Ein C-Atom ist prochiral, wenn es durch eine an ihm ausgeführte Substitution oder Addition in ein chirales C-Atom überführt werden kann. Solche Voraussetzungen existieren bei sp3-hybridisierten C-Atomen mit enantiotopen Substituenten und bei sp2-hybridisierten C-Atomen mit drei verschiedenen Substituenten. Br Cl

H'

Substiulion

' durch R

Br p i

>

'H

X

0 U

=C

R

? Addition A aa on

/

Cl

V

* chirales Zentrum

H »

oder

H'

prochirales Zentrum

Br

V

'" > von z.B. z. B.Li—R I

CH 3 prochirales Zentrum

/ HO

?

C-.

oder

"CH3

/ HÓ

C-

Y ^

3

"H

* chirales Zentrum

Aufgaben 1) Man erkläre folgende Begriffe: Symmetrieebene, Symmetriezentrum, asymmetrisches C-Atom, chirales Molekül, Enantiomere, Diastereomere, meso-Verbindung,

8 Prostereoisomerie

113

racemische Verbindung, Racemisierung, homotop, enantiotop, diastereotop, prochiral. 2) Man zeichne 2/?,3S-Dichlorpentan. 3) Welche der Verbindungen a oder b liefert bei der enzymatischen Hydrolyse einen Halbester, der optisch aktiv ist? H ; , C

C0,CH3

\^C02CH3 -CO 2 CH 3

H5C2

CO 2 CH 3 a

4) Welche Molekülteile von Ethanol sind homotop, enantiotop, diastereotop oder prochiral? 5) Welche Gegenstände sind chiral, welche achiral: Tasse, Handschuh, Vase, Schnekkengehäuse. 6) Die enzymatische Oxidation von Ölsäure ergibt das folgende optisch aktive Epoxid: H

V/

H 3 C(CH 2 ) 7

/

\

H

[Q] >

(Enzyme) (CH2)7C00H

H C 3U

fCH \

w

H

°

optisch aktiv

Weshalb entsteht kein Racemat?

iCH > - P O H (UH2)7 C°2H

Kapitel V Alkene 1 Übersicht Unter Alkenen oder Olefinen* versteht man Kohlenwasserstoffe, die eine C=C-Bindung enthalten. Sie besitzen die Summenformel C n H 2n . Die einfachsten Alkene sind Ethen und Propen. H H

>

=

C

\

H

H

H

H

Ethen, C 2 H 4

YCH3 )

C

=

< N

H

Propen, C 3 H 6

Es folgen die C4-Alkene, von denen es bereits vier isomere Verbindungen gibt. H2C=C^'

H2C=CH—CH2—CH3

H3C—CH=CH—CH3

1-Buten

2-Buten

CH 3 2-Methylpropen

Die nebenstehende Tabelle enthält die einfachsten Alkene mit den dazu gehörigen Siedepunkten.

2 Nomenklatur Zur Benennung von Alkenen ersetzt man die Endung -an im Namen des entsprechenden gesättigten Kohlenwasserstoffs durch die Endung -en und gibt die Lage der Doppelbindung durch eine vorangestellte Zahl an. H3C—CH2— CH=CH2

H3C—CH—CH—CH3

1-Buten

2-Buten

Verzweigte Alkene werden als Derivate desjenigen Alkens aufgefaßt, das die längste Kette im Molekül darstellt.

* Der Name Olefin rührt von der Eigenschaft des Gases Ethen her, mit Halogenen ölige, wasserunlösliche Flüssigkeiten, z. B. 1,2-Dibromethan, zu bilden (franz. gaz olefiant gleich Ölbildendes Gas).

116

V Alkene

Tabelle (Fortsetzung) Konstitution

\X / H

H. x H H H

/

H

H3Cv /

Siedepunkt (in °C)

Ethen (Ethylen)

-120

Propen

-

1-Buten

-

H

,CH 3

c=c

\

47

H CH2

X /

Name

H

6,5

H

c=c

\

(Z)-2-Buten

3,7

(£)-2-Buten

1

H

M

c=c

\

H

CH 3

H3C

H 2-Methylpropen

-

6,6

H H H

CH2-CH2-CH3 >

H. \ / H H H

=

0 0

\

1 -Penten

30

2-Methyl-1 -buten

31

3-Methyl-1 - buten

20

H ,CH->

c=c / \

X



C

CHo

CH 3 CH(CH 3 ) 2 H Cyclobuten

2

Cyclopenten

44

Cyclohexen

83

3 Physikalische Eigenschaften

117

'CH, Jl CH 3

4CH I 2

4-Ethyl-1 -hepten (nicht: 4-Propyl-1-hexen)

Zur Benennung ungesättigter Kohlen wasserstoffres/e fügt man die Endung -yl an den Namen des zugrunde liegenden Alkens, wobei die Numerierung stets am Kohlenstoffatom mit der freien Valenz beginnt.

2-Butenyl-

3-Butenyl-

Abweichend davon werden bestimmte einfache ungesättigte Kohlenwasserstoffreste mit Trivialnamen bezeichnet. CH, H2C—CH

OH2

Allyl

Vinyl

I

Isopropenyl

Beispiele: H

H \

H

/

=


= (

c

, 0 — C H

h

(a)

H

3

h

3

C

>= \

c

H

o — c h

(b)

H

3

X

h

0 C H

c h

3

3

(c)

4) Die 13 C—NMR-Signale der C-Atome 4 von (Z)- und (£)-Citral unterscheiden sich um 8 ppm. Welches Isomer verursacht das Signal bei höherem Feld?

122

V Alkene

4 Darstellung Alkene stehen hinsichtlich ihrer Oxidationsstufe zwischen Alkanen und Alkinen. Dementsprechend kann man sie aus Alkanen durch Dehydrierung und aus Alkinen durch partielle Hydrierung herstellen. I I —C—C— I I H H

H*

\

/

C=C

/

+ H,

\

—C=C—

Die Dehydrierung (Umwandlung von Alkanen in Alkene) wird im Laboratoriumsmaßstab nur selten durchgeführt, sie ist aber in der Technik wichtig. Dagegen stellt die partielle Hydrierung einer Dreifachbindung eine im Laboratorium und in der Technik gleichermaßen gängige Methode zur Gewinnung von Alkenen dar. Eine weitere Darstellungsmethode von Alkenen beruht auf der 1,2-Eliminierung von H—X aus geeigneten Ausgangsverbindungen. I 1 2 I —C—CH—CH—C—

| | H „ ~ H ~ X > —C—CH=CH—C—

Bei X handelt es sich meistens um elektronenanziehende Substituenten wie:

e

0 :Ö: J J II —OH, —Br, —Cl, —N—CH3, CHL, —0—C—CH3 I I CH, CH 3

CH 3

Schließlich gibt es spezielle Methoden zur Herstellung von Alkenen, unter denen die W^V/ig-Reaktion herausragt. Aus Alkylhalogeniden durch Halogenwasserstoffabspaltung (s. Kap. XIV, Abschn. 2). Beispiele: H3C

H3C

/CH—CH2—CH2— Br + KOH



^CH—CH=CH2 + KBr

+ H20

H3C/

H 3CR

BrH2C—CH—CH2Br Br

+ NaOH

• BrH2C—C=CH2 Br

+ NaBr +

4 Darstellung

123

Aus Alkoholen durch Wasserabspaltung (s. Kap. XVII, Abschn. 6.3.3). Beispiele: +

VH

H=CH 2

H

H—CH3

H30

+

H20

Aus Acetaten durch Pyrolyse (thermische Esterspaltung). Hierbei wird Essigsäure nach einem cyclischen Mechanismus abgespalten. H

4r /

to



^ o *

c

-CH3

erh"zen

Ii

/

Ester der Essigsäure

X

\ /

>

+

o Y

c

\

Alken

\CHs

Essigsäure

Beispiel : h H

3

3

c

h

C—c—CH—CH

1

A r

H3C

3

3 5 0 °C

>

H

3

3

c

C—c—CH=CH

2

+

H—o—c—CH

rU

I

II

0-C—CH3

H3C

0

3

o 2-Acetoxy-3,3-dimethylbutan

3,3-Dimethyl-1 -buten

Aus quartären Ammoniumhydroxiden durch Erhitzen (Hofmann-Eliminierung) (s. Kap. XIV, Abschn. 2) Beispiele: N(CH3)3 0H



Cyclopropyltrimethylammoniumhydroxid -N(CH3)3 0H

+ H20

+

:N(CH3)3

e

Cyclopropen



Q

e

Cyclobutyltrimethylammoniumhydroxid

Cyclobuten

+ H20 +

Trimethylamin

:N(CH3)3

124

V Alkene

Aus Carbonylverbindungen und Yliden (Wittig-Reaktion) (s. Kap. XIX, Abschn. 4.2.4) Beispiel:

R

Aus Alkinen durch Hydrierung (s. Kap.VI, Abschn.4.1) Beispiel:

Aus Alkanen durch Pyrolyse (Kap. III, Abschn. 8.4). Technische Bedeutung besitzt die Pyrolyse in Gegenwart von überhitztem Wasserdampf. R—(CH2)n—H

c f°°' > H2C=CH2 + H3C— CH=CH2 + H3C—CH2—CH=CH2 (H 0) 2

u.a.

5 Reaktionen 5.1 Zur Reaktivität von Alkenen Alkene sind reaktionsfähiger als Alkane. Sie besitzen zwei reaktive Zentren: die Doppelbindung und die allylständigen Wasserstoffe. H2C—H2C—CH=CH—CH2—CH2 b allylständige H-Atome c vinylständige H-Atome An der Doppelbindung beobachtet man Addition, an den allylständigen Wasserstoffen Substitution. (Die vinylständigen Wasserstoffe sind reaktionsträge.) CH3—CH=CH2 + Cl—Cl

20 c

CH3—CH=CH2 + Cl—Cl

500 c

' > CH3—CH—CH2

Addition

Cl Cl ' > CH2—CH=CH2 + H—Cl

Substitution

Cl Die Addition eines Moleküls X— Y an die Doppelbindung eines Alkens verläuft entweder ionisch oder radikalisch. Im ersten Falle addiert sich das Molekül in einer po-

5 Reaktionen

125

h

2

c = c

/

>

h

2

c = c

/

> R

\ H

c = c

/ R

Diese Verlangsamung beruht darauf, daß die Annäherung des Alkens an die Katalysatoroberfläche durch Alkylgruppen sterisch gehindert ist. Wie das folgende Beispiel zeigt, kann man wegen dieser unterschiedlichen Reaktivität selektiv hydrieren.

5 Reaktionen

+ H2

129

_*U

4-Vinylcyclohexen

4- Ethylcyclohexen

Allerdings muß man den Hydrierungsvorgang spätestens nach Aufnahme eines mol Wasserstoff abbrechen, da andernfalls auch die andere Doppelbindung hydriert wird (wenn auch langsamer). 3. Die Hydrierung verläuft reversibel. Die Umkehrung nennt man Dehydrierung. \ r—r / 'K\ /

+4-

u

Hydrierung —c—C— I I H 0—S02—OH Schwefelsäure-monoalkylester

Alken

H20 , i r ^ r

p p LI i i H H

OH

Alkohol

5.3.3.1 Addition von Halogenwasserstoff Addition an symmetrische Alkene. Leitet man gasförmigen Halogenwasserstoff in ein flüssiges Alken oder in eine Lösung, die das Alken enthält, so gelangt man zu Halogenalkanen.

er

H—Br Cyclohexen

Bromwasserstoff (gasförmig)

Bromcyclohexan

H—Cl

Octahydronaphthalin

Chlorwasserstoff (gasförmig)

Cl

Cl

cis-

trans-

4a-Chlorperhydronaphthalin

Die Reaktion wird durch den elektrophilen Angriff des Protons eingeleitet, wobei als Zwischenstufe wahrscheinlich ein Carbenium-Ion auftritt:

5 Reaktionen N.

/

+

i+ 6-

I I —c—cI I

—C—C—H

H—X

135

A;

H



X

Zwischenstufe: ein C a r b e n i u m - S a l z

Carbenium-Ionen sind sehr reaktionsfähig, da die äußere Schale des Kohlenstoffatoms, das die positive Ladung trägt, nur 6 Elektronen enthält. Sie reagieren daher schnell mit dem Nucleophil X e unter Bildung des Endproduktes. Dabei greift das Nucleophil das eben angeordnete Carbenium-Ion sowohl von der Vorderseite als auch von der Rückseite an, so daß ein dj-ira«s-Gemisch entsteht. Die Addition von Halogenwasserstoff verläuft somit im Gegensatz zur Bromaddition nicht stereospezifisch. H

H

H

HBR,

+ Br

Bre

Br c/s-Verbindung

frans-Verbindung

Bre-Angriff von zwei Seiten möglich

Br Br,

J

Br®

Br frans-Verbindung

Bre-Angriff

nur v o n einer Seite möglich

Addition an unsymmetrische Alkene. Anwendung der Markownikoff-Regel. Bei der Addition an unsymmetrisch substituierte Alkene sollten zwei isomere Halogenalkane entstehen. Tatsächlich beobachtet man ganz überwiegend eines. So entsteht bei der Addition an Propen hauptsächlich 2-Brompropan und nur wenig 1-Brompropan. Bre

CH3

CH

CH3

Br Isopropyl-Kation, vergleichsweise stabil

2-Brompropan (Hauptprodukt) Br



CH3

CH2

CH2

Propyl-Kation, weniger stabil

Bre

I

1 -Brompropan (Nebenprodukt)

136

V Alkene

Diese Bevorzugung ist in der sogenannten Markownikoff-Regel festgehalten, die wie folgt lautet: Bei der Addition unsymmetrischer Verbindungen an unsymmetrische Alkene wird der Teil des Moleküls, der eine positive oder partiell positive Ladung trägt, an das C-Atom mit den meisten H-Atomen angelagert. Auf die Addition von Halogenwasserstoff bezogen, bedeutet das: Das Proton wandert an das C-Atom, das ohnehin die meisten H-Atome besitzt. („Wer hat, dem wird gegeben werden".) Welche Ursache hat diese Regioselektivität? Das Proton (oder ein anderes elektrophiles Reagenz) greift bevorzugt das C-Atom 1 in Propen an, weil die erforderliche Aktivierungsenergie Ef vergleichsweise gering ist. Um das wiederum zu verstehen, nehmen wir gemäß dem Hammond-Postulat (s. Kap. I, Abschn. 9) an, daß der Übergangszustand dem als Zwischenstufe auftretenden Carbenium-Ion ähnlich ist. Carbenium-Ionen sind nun um so beständiger, je mehr Alkylgruppen an das C-Atom gebunden sind, das die positive Ladung trägt.

H

\ /H H \ /H H \ /CHs H (j-ffl < c® < c® < H

CH3 primär

CH3 sekundär

3

\

/Ch3 cffl CH3 tertiär

Die Zunahme der Stabilität durch Alkylgruppen wird z.T. auf den ElektronendonorEffekt der Alkylgruppe, hauptsächlich aber auf die Anwesenheit benachbarter C—HBindungen zurückgeführt. Das teri-Butylkation ist am stabilsten, da dessen positiv geladenes C-Atom neun C—H-Bindungen als Nachbarn aufweist. Es wird angenommen, daß das Elektronenpaar einer a-C—H-Bindung mit dem leeren p-Orbital überlappt. Hierbei wird das Elektronenpaar delokalisiert und damit die Energie des Ions erniedrigt. Man nennt diese Erscheinung Hyperkonjugation.

Abbildung Hyperkonjugation im Ethylkation: Überlappung ( (leer) und einer CT-C—H-Bindung (besetzt mit 2 Elektronen)

) zwischen d e m p-Orbital

Somit beruht der bevorzugte Angriff des Protons auf das C-Atom 1 des Propens auf der vergleichsweise großen Stabilität des Isopropylkations. Die folgende Abbildung

5 Reaktionen

137

gibt das Energieprofil der Reaktion Propen plus Bromwasserstoff wieder. Man beachte, daß Ei* kleiner als E 2 * ist.

Reaktionskoordinate Abbildung

Energieprofil der Reaktion Propen plus Bromwasserstoff

Addition an weitere Alkene. Alkene, an deren olefinische C-Atome statt Alkylreste andere Reste gebunden sind, reagieren ebenfalls mit Halogenwasserstoff. Die Richtung der Addition erfolgt auch hier gemäß der Markownikoff-Regel, d. h. der Wasserstoff wird an das Kohlenstoffatom mit den meisten Wasserstoffatomen angelagert.

Phenylethen (Styrol)

1 - Brom-1 -phenylethen

H H2C=CH—o—CH3

+ H—Br

I

• H3C—C—0—CH3 Br

Methyl (vinyl)ether

1 -Bromethyl(methyl)ether

Bei der Addition an Styrol verbindet sich das Proton mit C-2 und nicht mit C-l. Die Anlagerung an C-2 führt zu einem Carbenium-Ion, dessen Ladung sich wie unten gezeigt, über den Phenylkern verteilt. Dieses Carbenium-Ion ist energieärmer als das durch Anlagerung an C-l gebildete, nicht delokalisierte Carbenium-Ion.

138

V Alkene H I CH,

Cr

H CH,

H CH,3 ^

|

„J

CH,

CH, '3

vier mesomere Grenzformen

Ähnliches gilt für die Richtung der Addition von H—X an Vinylether. H®

H,C=CH—0—CH,

H3C—C=0—CH, I H

H

zwei mesomere Grenzformen

5.3.3.2 Addition von Schwefelsäure Bei der Addition von Schwefelsäure an Alkene entstehen Halbester der Schwefelsäure. Diese können anschließend zu Alkohol und Schwefelsäure hydrolysiert werden. H 2 C = C H 2

(96rS)

H

> H3C-CH2

Z° > H 3 C - C H - O H

+ H2S04

?

0=S=0 | 0 H

Ethylen

Ethanol

Ethylhydrogensulfat H3C-CH=CH2

( 8

HQ^

>

H3C-CH-CH2

H 3 C - ( ^ H - C H 3 + H2S04

O H

OH

0=S=0 | OH

Propen

2-Propanol

Isopropylhydrogensulfat

H3

\ - C H

HaC

2-Methylpropen

H,SO a

a

H s C

3

\

r

I 0—SO3H

JI2O

H 3

\ OH

fert-Butylalkohol

5 Reaktionen

139

Dazu leitet man das gasförmige Alken durch Schwefelsäure oder schüttelt das flüssige Alken mit Schwefelsäure. Die Konzentration der verwendeten Schwefelsäure richtet sich nach der Reaktivität des Alkens. Ethylen reagiert nur mit konzentrierter Schwefelsäure, 2-Methylpropen bereits mit 60%iger Schwefelsäure. Im zuletzt genannten Fall bildet sich direkt der Alkohol. Die Richtung der Addition folgt stets der Markownikoff- Regel. Addition und Hydrolyse werden großtechnisch durchgeführt. Ethylen liefert dabei Ethanol, Propen ergibt 2-Propanol (nicht 1-Propanol!) und 2-Methylpropen wird in /m-Butylalkohol überführt.

5.3.3.3 Addition von Wasser Die Addition von Wasser führt zu Alkoholen. Diese Reaktion gelingt nur in Gegenwart starker Säuren. Man verwendet Säuren, deren Anion nur schwach nucleophil ist, um zu verhindern, daß sich in nennenswertem Maße auch die Säure ans Alken addiert.

2-Methyl-2-buten

2-Methyl-2-butanol

Die Addition von Wasser an Alkene verläuft zwar reg/oselektiv (gemäß der Markownikoff-Regel), nicht aber i/ereospezifisch, sie ähnelt damit der Addition von Halogenwasserstoff an Alkene. So liefert 1,2-Dimethylcyclohexen zwei cis-trans-isomere Alkohole.

CH 3 1,2-Dimethyl-1 -cyclohexanol: H und OH frans-ständig

1,2-Dimethylcyclohexen

OH 1,2-Dimethyl-1 -cyclohexanol: H und OH c/s-ständig

140

V Alkene

Aufgaben 1) Was versteht man unter Hydrierung, Hydratisierung, Hydrolyse? 2) Die Addition von Wasser an eine olefinische Doppelbindung verläuft nur in Gegenwart einer starken Mineralsäure wie verd. H N 0 3 oder verd. H 2 S 0 4 . Weshalb werden unter diesen Bedingungen nicht die Säuren selbst addiert? 3) Welcher Alkohol bildet sich aus 2-Methyl-l-buten und verdünnter Schwefelsäure? 4) Was entsteht bei der Einwirkung von Iodchlorid (IC1) auf 1-Methylcyclohexen? 5) Welcher Unterschied besteht zwischen Regioselektivität und Stereoselektivität? 6) Es ist folgende Reaktionsgleichung zu vervollständigen:

5.3.4 Hydroborierung Unter Hydroborierung versteht man die Addition von Borwasserstoff an die Doppelbindung von Alkenen. Es entstehen Trialkylborane, die sehr reaktionsfreudig und deshalb von großem synthetischen Interesse sind. Die Untersuchungen darüber verdanken wir H.C.Brown (geb. 1914 in London), der dafür 1979 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Die Addition an Ethylen verläuft nach folgender Gleichung: CH 2 6H2C=CH2

+ B2H6

>

CH 3

2H3C—CH2—B^ CH2—CH3 Triethylboran, Sdp. 95°C

Höchstwahrscheinlich greift nicht Diboran B 2 H 6 die C=C-Bindung an, sondern dessen Dissoziationsprodukt Boran (BH 3 ), das mit Diboran im Gleichgewicht steht. H

^ H ^ ^B

H DIBORAN

H B'

H « = ±

H

H Y

2

H BORAN

Boran ist reaktiver als Diboran, da es eine Elektronenlücke besitzt. Es koordiniert zunächst mit den 7i-Elektronen eines Alkens, danach erfolgt die Addition von Bor und Wasserstoff, der Hydridcharakter besitzt, an die Doppelbindung des Alkens unter Bildung von Ethylboran. Dieses reagiert ähnlich wie das Boran selbst, da es ebenfalls über eine Elektronenlücke am Bor und über Hydridwasserstoff verfügt. Schließlich entsteht Triethylboran, das zwar auch eine Elektronenlücke besitzt, aber keine B—H-Bindung mehr enthält und somit mit Alken nicht mehr reagieren kann.

5 Reaktionen

V

H

H

+

=1=

\c/H.

BH,

. .H

C

H' NH

*

B—H

H

141

H

[H3C—CH2—BH2]

^ Ethylboran

[H3C—CH2—BH2]

+

H2C=CH2



H3C—CH2—B' CH2—CH3 Diethylboran

.H

CH2

H3C—CH2—B^

+ CH2

H2C=CH2

>

C H3

H3C—CH2—B^

CH3

CH2

CH3

Triethylboran

Die Hydroborierung unsymmetrisch substituierter Alkene erfolgt nach der Markownikoff-Regel: Das Bor als elektrophiles Zentrum tritt fast ausschließlich an das olefinische C-Atom mit den meisten H-Atomen. Der alternative Angriff erfolgt nur zu ca. 5%. CH2 3 H3C—CH=CH2

+

[BH3]

>

CH2

CH3

CH2

CH3

H3C—CH2—CH2—B^ 0 H2

Diese Bevorzugung ist vermutlich darauf zurückzuführen, daß im Übergangszustand die Bindung zwischen Bor und dem Kohlenstoff 1 stärker ausgebildet ist als die zwischen Wasserstoff und dem Kohlenstoff 2, so daß der Übergangszustand durch eine partielle negative Ladung am Bor und eine partielle positive Ladung am Kohlenstoflfatom 2 charakterisiert ist. Die partielle positive Ladung am Kohlenstoffatom 2 wird nun durch Alkylgruppen und andere elektronenabstoßende Gruppen stabilisiert und damit der Angriff des Bors auf das C-Atom 1 erleichtert.

HAC

H

C

H3C

H

H

H

B—H «

/ , X

H

.H

H

H

•H

Abbildung Denkbare Übergangszustände bei der Hydroborierung. Knüpfung der Bindung zwischen Bor und C - 1 (links) verläuft schneller als zwischen Bor und C - 2 (rechts), da ein Carbenium-Ion vom Typ Isopropyl-Kation thermodynamisch stabiler ist als ein solches vom Typ Propyl-Kation.

142

V Alkene

Neben dieser Regioselektivität beobachtet man auch eine Stereoselektivität: Wasserstoff und Bor treten stets von derselben Seite ans Alken. Die Hydroborierung ist ein eis-Additionsvorgang.

Abbildung c/s-Additionsvorgang bei der Hydroborierung: Nach der Addition befinden sich Bor und Wasserstoff auf derselben Seite des Cyclopentanringes.

Oxidation von Alkylboranen. Auf die Reaktionsfreudigkeit von Alkylboranen wurde bereits hingewiesen. Mit H 2 0 2 / N a 0 H entstehen Alkohole. CH,—CH3 H3C—CH2—B'

U N

+ 3 HO—OH

> 3H3C—CH2—OH

+

B(OH)3

CH2—CH3

Die Bedeutung dieser Reaktion liegt darin, daß man Alkene über die entsprechenden Alkylborane in Alkohole umwandeln kann. _ _ H3C-CH2-CH-CH2

1) BH 3 2) H 2 0 2 / 0 H E

*

1-Buten

H3C H3C

C

H 3 C — C H2 — C H2 — C H2 — 0 H 1 -Butanol

YCH3

) =< X

H

H3C

1) BH 3 2) H 2 0 2 / 0 H

(

2-Methyl-2-buten

H

Qr° ' 1 -Methylcyclohexen

CH 3 CH—CH.

V OH

3-Methyl-2-butanol

.CH3 1) BH 3 2) H 2 0 2 / 0 H £

H

"H OH fra/7s-2-Methylcyclohexanol

Zwar gelingt die Umwandlung auch unmittelbar durch säurekatalysierte Wasseraddition, die hieraus hervorgehenden Alkohole sind jedoch isomer zu denen, die aus der Oxidation von Alkylboranen hervorgehen. Beide Methoden ergänzen sich demnach, wie das folgende Beispiel zeigt.

5 Reaktionen H,0G

143

I

OH 2-Propanol

Propen

1) BHr,

CH 3 —CH 2 —CH 2 OH

2) H 2 0 2 / 0 H E

1 -Propanol

Wie verläuft die oxidative Spaltung der C— B-Bindung? Zunächst tritt ein Hydroperoxid-Anion H—O—O: 0 in die Elektronenlücke des Bors. Der hierbei gebildete Boranat-Komplex lagert sich unter gleichzeitiger Abgabe eines Hydroxyl-Ions um. Dieser Vorgang (Addition von H—O—0: 0 und Umlagerung) wiederholt sich noch zweimal, danach liegt ein Borsäure-trialkylester vor, der schließlich mit Wasser zu Alkohol und Borsäure hydrolysiert. -

-

H—0—Olev +

\

)rB

^

/

le

H—0—O—B—R

I

-*

J

H—0:e

/ \

+ R—0—B

Der Alkylrest R wandert mit dem Elektronenpaar R—0—B

/ V

Reaktionen wie zuvor

OR R—0—B.

H,0

\ OR

^

3R—OH + B ( 0 H ) 3

Da der Alkylrest mit dem Elektronenpaar wandert, bleibt die Konfiguration am wandernden C-Atom erhalten, so daß der Sauerstoff und damit die OH-Gruppe genau an die Stelle des Boratoms tritt. CH,

PH3

-H H

(BH„),

H,02/0HE

CH 3 H H

^OH Die OH-Gruppe ist genau an die Stelle des Bors getreten. H3C

H3C 1) B H , 2) H 2 0 2 / 0 H E or-Pinen

3-Hydroxypinan

144

V Alkene

Aufgaben

1) Was bedeuten a) und b) in den folgenden Gleichungen? H3C,

\ i C=CH 2 /

(BH3)2

>

(a)

H3C—H2C

CH3 (BH 3 ) 2

*

(b)

2) Man formuliere die Reaktion von 2-Methyl-2-buten mit a) verdünnter Schwefelsäure, b) (BHJ^/HJOJ. 3) Es sind drei Reaktionen anzugeben, bei denen aus C 4 H 8 2-Butanol entsteht. 4) Wie stellt man aus 1-Phenylcyclohexen nebenstehende Verbindungen her?

OH

(a)

(b)

OH

5) Welches Produkt entsteht bei der Hydroborierung/Oxidation des Naturstoffs Cholesterin? (Hinweis: Die Methylgruppe in 10-Stellung blockiert den vorderseitigen Angriff!)

H Cholesterin

5.3.5 Addition von Carbenen 5.3.5.1 Was sind Carbene? Unter Carbenen versteht man Kohlenstoffverbindungen mit zweibindigem Kohlenstoff. Eine lange bekannte Verbindung mit formal zweiwertigem Kohlenstoff ist das Kohlenmonoxid. Dennoch wird diese Verbindung nicht zu den zweiwertigen Kohlenstoffverbindungen gezählt, da ihre physikalischen Eigenschaften (Bindungslänge,

5 Reaktionen

145

Kraftkonstante) und ihr chemisches Verhalten hauptsächlich durch den Anteil der mesomeren Grenzform l b bestimmt wird. P-

:C=0

«



1a

e ®

:C=0: 1b

Das einfachste Carben ist Methylen :CH 2 . Ersetzt man den Wasserstoff darin durch andere Substituenten, so gelangt man zu weiteren Carbenen, z. B.: :CH2

:CH(C6H5)

:C(C6H5)2

:CHCI

:CCI 2

Methylen

Phenylcarben

Diphenylcarben

Chlorcarben

Dichlorcarben

Wie in Carbenium-Ionen besitzt der Kohlenstoff auch in Carbenen nur sechs Valenzelektronen und somit eine Elektronen/ücfce. Carbene sind deshalb äußerst reaktionsfähig. Beständig sind sie erst, wenn sie an bestimmte Übergangsmetalle gebunden sind. Die Bindung in solchen Komplexen ist vergleichbar mit der in entsprechenden Übergangsmetallcarbonylen.

(C0)5Cr

< — ( C 0 )

5

C r - < — : C = 0

R2 Chrom-Carben-Komplex

Chrom-Carbonyl-Komplex

Elektronenverteilung in Carbenen. Die beiden nichtbindenden Elektronen besetzen entweder gemeinsam ein Orbital oder einzeln zwei verschiedene Orbitale. Im ersten Fall sind ihre Spins gemäß dem Pauli-Prinzip antiparallel angeordnet. Solche Carbene nennt man Singulett-Carbene. Im zweiten Fall sind die Spins parallel gerichtet. Es liegen sogenannte Triplett-Carbene vor, welche Diradikale darstellen. Carbene besitzen fast immer eine gewinkelte Struktur. leeres Orbital

Singulett-Carben, Spins antiparallel

je zur Hälfte besetzte Orbitale

Triplett-Carben, Spins parallel

Die Bezeichnungen geben die Anzahl der Energie-Zustände in einem Magnetfeld wieder: Singulett weist auf einen Zustand hin Qj), Triplett auf drei Zustände (IT;

11).

146

V Alkene

5.3.5.2 Erzeugung und Addition von Carbenen Carbene werden durch Abspaltung geeigneter Substituenten vom selben Kohlenstoffatom erzeugt (a-Eliminierung). Bei den Substituenten handelt es sich häufig um das Paar Wasserstoff/Halogen oder um Stickstoff. Erzeugung von Carbenen durch or-Eliminierung: A



H

A

\c/ B

z.B. Pyrolyse >

V.

X

H

_x

B

X = Halogen

Carben

A / B

+

A C=N2

*

PyrolYSe

oder Bestrahlung



B

+

/

N3

Carben

Da der Kohlenstoff in Carbenen nur von 6 Valenzelektronen umgeben ist, reagieren Carbene elektrophil. Am wichtigsten ist die Reaktion mit Alkenen, bei der Cyclopropane entstehen. Methylen. Methylen wird durch Bestrahlung einer Lösung, die Diazomethan enthält, erzeugt. Hierbei entsteht Singulett-Methylen. Führt man die Bestrahlung in Gegenwart eines Sensibilisators, z. B. Benzophenon (H 5 C 6 —CO—C 6 H 5 ), durch, so bildet sich Triplett-Methylen.

s

©

H—C—N=N|

A Diazomethan

H

h vu

n

^

>

C: +

IN=NI

H Singulett-Methylen

(C6Hh5)2C^O >

> '

+

I N = N I

H Triplett-Methylen

Interessanterweise ist Singulett-Methylen das energiereichere der beiden Carbene. Es wandelt sich, sofern es nicht reagiert, alsbald in Triplett-Methylen um. Methylen (gleichgültig, ob Singulett- oder Triplett-) reagiert in Abwesenheit anderer Verbindungen mit dem Lösungsmittel. Enthält die Lösung aber ein Alken, so addiert sich das elektrophile Methylen an die Doppelbindung, und es entsteht eine Cyclopropanverbindung. Die Gesamtreaktion verläuft nach folgender Gleichung:

5 Reaktionen

H 2 C—NeeN| +

h3Cx

h • v

H3C—CH=CH—CH3

147

CH,

V

+ N3

\

Singulett-Methylen addiert sich in der Weise an die Doppelbindung, daß beide C—CBindungen gleichzeitig geknüpft werden. Es handelt sich um einen stereospezifischen m-Additionsvorgang. H2 C

H\H /C: H

H-.

.H

H-.

..H

H... / \

1

h3c*

SingulettMethylen

c/s-2-Buten

Übergangszustand

je—C'

,-H ch3

c/s-1,2-Dimethylcyclopropan

c2 H

\ti C:

+

SingulettMethylen

H-.

-c=cc

,.CH3

H-.. /

X—

j. ,-CH3

trans-2-Buten

c—c

ch 3

»H

fra/JS-1,2-Dimethylcyclopropan

Anders verhält sich das Diradikal Triplett-Methylen. Hier erfolgt die Addition stufenweise, wobei als Zwischenstufe ein neues Diradikal auftritt. Die ungepaarten Elektronen der Zwischenstufe können sich nicht ohne weiteres zu einem bindenden Elektronenpaar vereinigen, da ihre Spins parallel gerichtet sind. Deshalb hat das Diradikal eine gewisse Lebensdauer, innerhalb welcher zudem Rotation um die C—CBindung eintritt (vgl. den gekrümmten Pfeil in der Abbildung). Durch Zufuhr von Energie tritt Spin-Umkehr ein. Erst danach ist ein Ringschluß möglich, der hier zu einem c/s-irans-Gemisch führt.

H H

>

TriplettMethylen

V - V " H

+

•CH, c/s-2-Buten

H3C

/

CH2

-c+c-

h3c H

CH3

Zwischenstufe

CH-,

c/s-Verb.

S'

H... / \

c—c;

,.CH3

trans-Verb.

Dihalogencarben. Dihalogencarben erzeugt man aus Haloform CHX 3 und einer Base, z.B.: H — C C I , + NaOR

:CCI 2 + H — 0 — R + NaCI

148

V Alkene

Auch hier liegt eine a-Eliminierung vor, da H und C1 vom selben C-Atom herrühren. Wie das folgende Schema zeigt, löst die Base zunächst den durch den — I-Effekt dreier Halogenatome besonders aciden Wasserstoff in CHX 3 ab. Das dabei gebildete Carbanion zerfallt langsam in Dihalogencarben und Halogenid-Ionen. Cl H—CCL

+

R — 0®

*

>

Chloroform

Cl—C:®

I Cl

+

H—0—R

Trichlormethanid-Ion

Cl

Cl

C l — ¿_: ®

-

>

¿1

C:

+

Cl®

Cl Dichlorcarben

Dihalogencarbene sind Singulett-Carbene. Sie reagieren deshalb mit Alkenen unter ds-Addition. Cl / CH 3

/k H

trans-1

-Phenylpropen

5Ce'

Cl

trans-1,1 - D i c h l o r - 2 - m e t h y l - 3 - p h e n y l cyclopropan

Weitere Beispiele: H3Cx H,C

/

c=c

^PH 3 \

CHF2CI

H3C.

CH,

R—0® H H3C

2-Methyl-2-buten

1,1 - D i f l u o r - 2 , 2 , 3 - t r i m e t h y l c y c l o p r o p a n

CL

XI

CHCI R—0 1,4,5,8-Tetra-

11,11 - D i c h l o r - t r i c y c l o [ 4 . 4 . 1 . 0 ]

hydronaphthalin

undeca-2,7-dien

5 Reaktionen

149

Br H2C=CH

0

CH3 Br

Methyl(vinyl) ether

0- CH-

1,1 -Dibrom-2-methoxycyclopropan

Aufgaben 1) Im Gegensatz zu CHC13 erleidet CH2C12 durch Natriumalkanolat keine a-Eliminierung. Man erkläre. 2) Wie stellt man die Verbindungen a, b und c her? H

Cl

H3C

\ZI

H

H

> C

2H5

5.3.6 Elektrophile Additionen - ein Vergleich Elektrophile Additionen an Alkene verlaufen z. T. stereospezifisch, z. T. nicht. Es sind ira«.?-Additionen, m-Additionen und cis,trans-Additionen möglich. Jeder Reaktionstyp sei zur Wiederholung nochmals mit einem Beispiel belegt.

eis- + frans-Addition: H und OH stehen z.T. eis-,

z.T. trans-ständig

150

V Alkene

Alkene reagieren bei elektrophilen Additionen umso schneller, je mehr elektronenabgebende Substituenten an die olefinischen C-Atome gebunden sind. Für die Bromierung gelten folgende relativen Bromierungsgeschwindigkeiten: /

:


OH

yO— M n 0 2 \

H

+

Mn03e

MnO; Mangansäureester (unbeständig)

eis-1,2-Cyclopentandiol

Auch hier handelt es sich um m-Additionsvorgänge. Oxidation mit Ozon. Ozon addiert sich schon bei ca. — 70 °C an die Doppelbindung von Alkenen. Dabei entstehen zunächst sogenannte Primärozonide, die sich rasch in die Endprodukte, Sekundärozonide oder einfach Ozonide genannt, umlagern. In den Sekundärozoniden sind die C-Atome der ursprünglichen Doppelbindung durch Sauerstoffatome voneinander getrennt.

I o

+ 03

0

V° Primärozonid

Sekundärozonid

Die Umwandlung eines Alkens in ein Ozonid verläuft über mehrere Zwischenstufen. Zunächst addiert sich Ozon als 1,3-Dipol (Dipol, dessen Ladungen auf die Atome 1 und 3 verteilt sind) an die Doppelbindung des Alkens, wobei das Primärozonid ent0

• V

-

mesomere Grenzform 1: 1,2-Dipol

0 O,

ö

mesomere Grenzform 2: 1,3-Dipol

5 Reaktionen

157

steht. Primärozonide lassen sich bei ca. —100° nachweisen. Sie zerfallen oberhalb dieser Temperatur in eine Carbonylverbindung und ein peroxides Molekül I, das man als ein Carbonyloxid auffassen kann. Beide Moleküle vereinigen sich nach dem Zerfall erneut, jedoch unter Knüpfung neuer Bindungen. Hierbei entsteht das Endprodukt der Ozonierung, das Ozonid. Wie man am Formelschema erkennt, entsteht das Ozonid über eine Folge von drei 1,3-dipolaren Reaktionen: eine 1,3-dipolare Addition, eine 1,3-dipolare Spaltung und nochmals eine 1,3-dipolare Addition.

6

10k

vP X

%GH

P k

Addition

IOI

|0|

Spaltung ^

J p - f

C o

.0. |

^ / a

Primärozonid (ein 1,2,3-Trioxolan)

Umorientierung

^-

'

s

0

-4? T

\

,Q|

+

\

« * 'Ol 7 \ V e

I

Addition

¿ S

X

N s

n

? V

°

Ozonid (ein 1,2,4-Trioxolan)

Einige Ozonide sind explosiv. Deshalb müssen bei ihrer Herstellung besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden (u.a. Arbeiten hinter explosionssicherem Glas). In der Regel werden Ozonide aber nicht isoliert, sondern unmittelbar nach der Entstehung in andere Verbindungen umgewandelt. Die Hydrolyse durch verdünnte Säure führt zu Aldehyden bzw. Ketonen einerseits und H 2 0 2 andererseits. Da H 2 0 2 einen Teil des gebildeten Aldehyds oxidiert und damit die Produktzusammensetzung verändert, führt man die Hydrolyse entweder in Gegenwart eines Reduktionsmittels durch, welches H 2 0 2 zerstört, oder aber man läßt die Hydrolyse gleich zu Anfang'in einem Überschuß von H 2 0 2 ablaufen, so daß die gesamte Menge an gebildetem Aldehyd zur entsprechenden Carbonsäure oxidiert wird.

158

V Alkene

H30® ^

H,C >

3

CH,

V ~ ~ ^C=O + O=C'

+ H202

H

CH3

Acetaldehyd H,C H

) >

=

C

\

CH,

H3C

.CH 3 / H30®/Zn c c — / \ / \ H 0 CH, \

/

.0—0, \

/TV

Aceton yCH3

h3Cx c=o + o=c

H-aC. )c=o

,CHq +

o=c(

OH

CH3

Essigsäure

Die Bedeutung der Ozonierung liegt darin, daß man die Position einer Doppelbindung in einem Alken anhand der gebildeten Aldehyde und Ketone ermitteln kann. So liefert Penten je nach Lage der Doppelbindung folgende Aldehyde:

CH3—CH2—CH2—CH=CH2

CH3—CH2— CH2— C \ Butanal

1-Penten

CH3— CH2— C H = C H — C H 3 2-Penten



CH3—CH2—c Propanal

+ H n

+

0=CH2 Formaldehyd

c—CH3 Acetaldehyd

Aufgaben 1) Die Ozonolyse von (£)-Stilben C 6 H 5 — C H = C H — C 6 H 5 führt zu einem Gemisch aus eis- und rram-Ozonid. Wie lauten die Strukturformeln? Warum verläuft die Reaktion nicht sterisch einheitlich? 2) Die Ozonolyse eines Alkens liefert ( C H 3 ) 2 C = 0 und (CH 3 ) 3 C—CHO. U m welches Alken handelt es sich? 3) Welche Verbindung wird durch Ozonolyse und anschließende Oxidation mit H 2 0 2 in H O 2 C - ( C H 2 ) 1 0 - C O 2 H überführt? 4) Bei der Oxidation von (Z)-2-Buten mit 0 s 0 4 entsteht ein Diol, das andere physikalische und chemische Eigenschaften besitzt als das aus der Oxidation von (2T)-2-Buten. Warum? 5) Welche eis- und welche irans-Additionen an Alkene kennen Sie?

5 Reaktionen

159

5.7 Substitution in Allylstellung 5.7.1 Autoxidation in Allylstellung Die Autoxidation reaktiver C—H-Gruppen mit Luftsauerstoff zu C—O—O—IiGruppen ist bereits im Kap. III, Abschn. 8.3.1 behandelt worden und soll an dieser Stelle nur mit einem Beispiel belegt werden. 0—0—H

Cyclohexen

3-Hydroperoxycyclohexen

5.7.2 Halogenierung in Allylstellung Bei der radikalischen Halogenierung von Alkenen kann außer Addition auch Substitution eintreten. —> H3C—CH—CH2 I I X X H,C—CH=CH,

+

Addition

X, ->

H2C—CH=CH2

+

HX

Substitution

Ob der eine oder andere Weg beschritten wird, hängt von den Reaktionsbedingungen ab. Addition findet bei hoher Halogenkonzentration statt, Substitution bei geringer Halogenkonzentration und gleichzeitigem Abfangen des gebildeten Halogenwasserstoffs. Bei geringer Halogenkonzentration ist nämlich die Chance der kurzlebigen Zwischenstufe I, mit X 2 zusammenzustoßen, klein, und I zerfällt in die Ausgangskomponenten zurück. Für die Zwischenstufe II sind dagegen die Chancen zum Zusammenstoß mit X2 in derselben geringen Konzentration größer, da II langlebiger ist: Ein Zerfall ist hier nicht möglich, und die Rückreaktion mit Halogen Wasserstoff kann durch dessen fortlaufende Entfernung unterdrückt werden. Bei hoher Temperatur (500°) findet nur noch Substitution statt, gleichgültig wie hoch Halogen- und Halogenwasserstoffkonzentration sind. Je höher nämlich die Temperatur, umso kleiner ist die Konzentration von I (Gleichgewichtsverschiebung nach links).

160

V Alkene

h

3

c—ch—ch X

I

2

+

X'

2

+

X

X

Addition X

+

ch3—

c h = c h

2

HX

h

+

2

c — c h = c h

I

X

Substitution

Die Hochtemperaturhalogenierung ist ein wichtiges technisches Verfahren zur Herstellung von Allylchlorid und -bromid. Im Laboratorium führt man die Bromierung von Alkenen in Allylstellung nicht mit Brom selbst durch, sondern mit N-Bromsuccinimid.

/V-Bromsuccinimid

3-Brom-1cyclohexen

Succinimid

Nach neueren Untersuchungen verläuft die Reaktion in mehreren Schritten. Zunächst reagieren Spuren von H— Br mit N-Bromsuccinimid zu Succinimid und Brom.

\ H

»

C

V II

0

0 II .c N—Br

HBr

I c

N-H

+

Br,

v

II 0

Die Konzentration des so erzeugten Broms ist äußerst gering. Damit ist die Voraussetzung zur Bromierung in Alkylstellung erfüllt, die nur bei niedriger Br-Konzentration gelingt. Aufgaben 1) Man erkläre mit Hilfe der tabellierten Bindungsenergien, weshalb Cyclohexen in 3und nicht in 4-Stellung durch JV-Bromsuccinimid bromiert wird.

5 Reaktionen

161

2) Welche Konstitutionen besitzen die Verbindungen a, b und c? 1 mol

Br 2

1 mol D 4-Vinylcyclohexen (1 mol)

b

1 mohCCI,

3) Quecksilberacetat ist ein elektrophiles Reagenz, das mit Alkenen reagiert. Mit 1Methylcyclopenten tritt folgende Reaktion ein:

Man schlage einen Mechanismus vor.

Kapitel VI Alkine 1 Übersicht und Nomenklatur Alkine sind ungesättigte Kohlenwasserstoffe, die eine Kohlenstoff-KohlenstoffDreifachbindung aufweisen. Sie besitzen die Summenformel C n H 2 n - 2 und enthalten damit 4 Wasserstoffe weniger als Alkane. Das einfachste Alkin ist Acetylen, es folgen Propin, 1-Butin, 2-Butin usw. (Tabelle). H—C=C—H

H3C—C=C—H

H3C—CH2—C=C—H

H3C—C=C—CH3

Acetylen (Ethin)

Propin

1-Butin

2-Butin

Die Benennung der Alkine erfolgt nach zwei verschiedenen Regeln. Nach der ersten Regel (IUPAC-Regel) werden Alkine wie Alkene benannt, nur steht anstelle der Endung -en jetzt die Endung -in. Nach der zweiten Regel betrachtet man Alkine als Derivate des Acetylens, dessen Wasserstoffatome durch Alkylgruppen ersetzt sind.

H3C—CH2—C=C— H

H3CX ^CH—C=C—CH2—CH3 H,

C=C

Reaktivität bei der Hydrierung

Bei der partiellen Hydrierung entstehen m-Alkene, da die beiden Wasserstoffatome an dieselbe Seite des Alkins angelagert werden. Der Hydrierungsablauf entspricht somit dem von Alkenen, wo man ebenfalls cw-Hydrierung beobachtet (s. Kap. III, Abschn. 5.2.1). Eine andere Möglichkeit, Alkine partiell zu Alkenen zu hydrieren, bietet sich durch das Reduktionsmittel Natrium in flüssigem Ammoniak. Interessanterweise entstehen jetzt /rans-Alkene. H H5C2—C=C—C2H5

+

2 Na

+

2NH3



C2H5 C=C

C2H5

+

2 NaNH2

H

(£)-3-Hexen

Die Reduktion wird von solvatisierten Elektronen verursacht, die bei der Auflösung von Natrium in flüssigem Ammoniak entstehen und im übrigen der Lösung eine blaue Farbe verleihen.

Na

NH3"üss

>

Na®(NH 3 ) n solvatisierte Natrium-Ionen,farblos

+

ee(NH3)m solvatisierte Elektronen, blau

Zunächst addiert sich ein Elektron, wobei ein Radikal-Anion entsteht. Letzteres ist eine starke Base und wird durch N H 3 protoniert, woraus ein Vinylradikal hervorgeht. Die weiteren Schritte sind analog.

170

VI Alkine

R—C=C—R

ep®

>

Radikal-Anion

Vinylradikal

e,e H

R

R

H

+ NH - NHf

f/ans-Alken

H

R

Vinyl-Anion

Das Radikal-Anion weist rram-Konfiguration auf, eine Folge der gegenseitigen Abstoßung von R. Die Konfiguration bleibt in den Folgereaktionen erhalten, so d a ß schließlich ein irans-Alken entsteht. Wir fassen zusammen: Alkine kann man zu Alkenen oder gar Alkanen hydrieren. Die Konfiguration des Alkens hängt vom verwendeten Reduktionsmittel ab. Zu cisAlkenen gelangt man durch katalytische Hydrierung, zu irans-Alkenen durch Reduktion mit Natrium in flüssigem Ammoniak. Aufgabe 2-Pentin ist umzuwandeln in (a) 2,3-Dibrompentan, (b) 1-Ethyl-2-methyloxiran (sowohl in der eis- als auch der iraws-Form).

4.2 Elektrophile Addition Ebenso wie an der Doppelbindung von Alkenen beobachtet man auch an der Dreifachbindung von Alkinen elektrophile Additionen. Allerdings verlaufen solche Additionen langsamer als bei Alkenen.

4.2.1 Addition von Halogen Brom addiert sich an die Dreifachbindung von Alkinen, wobei Dibromalkene mit überwiegender iraws-Stellung der Halogenatome entstehen.

.Br Br®

'3

CH3 (f)-2,3-Dibrom-2-buten

4 Reaktionen

171

Die irawj-Addition ist eine Folge der rückwärtigen Öffnung des 7t-Komplexes durch B r e (vgl. Bromierung von Alkenen). Eine Unterscheidung zwischen dem trans- und dem rä-Isomeren gelingt durch das Dipolmoment oder das Infrarotspektrum. Das ira«j-Isomer besitzt ein Symmetriezentrum. Deshalb weist es weder ein Dipolmoment auf noch eine C=C-Valenzbande im IR-Spektrum (s. Kap. II, Abschn. 3). Das cw-Isomer besitzt ein Dipolmoment, im Infrarotspektrum beobachtet man daher eine C=C-Valenzbande. H3C

H3C

Br / C=C

Br

\ n

Br

CH3

MP = 0

X

yCH3

Br

/jb = 2,5 Debye v r = r = 1633 c m - 1

v c = c : im IR-Spektrum nicht beobachtbar

Einwirkung von weiterem Brom führt zur Addition eines zweiten mol Brom. H3C H,C— C=C—CH,

B 2

'

>

Br

fr B 2

„f/

\

B

'

r u

CH 3

>

Br

H33 C — C - C — C H 33

I

I

ßr Br 2,2,3,3 -Tetrabrombutan

Das zweite mol Brom wird allerdings langsamer als das erste addiert, was man auf den elektronischen und sterischen Einfluß der Bromatome im Dibrombuten zurückführt. Diese setzen zum einen durch ihren —/-Effekt die Elektronendichte der Doppelbindung herab und verlangsamen damit die elektrophile Addition des zweiten mol Brom; zum anderen schirmen sie durch ihren vergleichsweise großen Raumbedarf die Doppelbindung vor einem weiteren Angriff ab.

4.2.2 Addition von Wasser. Tautomerie Läßt man Wasser auf Alkine in Gegenwart von Säuren einwirken, so stellt man keine Reaktion fest, obwohl die Bedingungen die gleichen wie bei der Wasseranlagerung an Alkene sind. Erst bei zusätzlicher Anwesenheit katalytischer Mengen von Schwermetall-Ionen (Hg®®, Cu®, Ni®®) tritt die gewünschte Reaktion ein. Es entstehen Enole (Wort gebildet aus Alken und Alkoho/), wobei die Richtung der Anlagerung gemäß der Markownikoff-Regel erfolgt. Enole sind unbeständig, sie lagern sich unter Protonenwanderung in Aldehyde bzw. Ketone um. H

H—C=C—H

Acetylen

HgS04

X

H

ein Enol

H

/H

H3C-C; \ >

OH

Acetaldehyd

(1)

172

VI Alkine

H3C—C=C—H

+

H3C

H 2 S0 4 HgS04

H20

/ HO

Propin

/H

c=c

H,C—C—CH3 3 H 0 Aceton

\ H

ein Enol

1-Ethinylcyclohexanol

ein Enol

(2)

1-Acetylcyclohexanol

Alkine mit einer endständigen Dreifachbindung ergeben Methylketone, solche mit einer Dreifachbindung im Inneren der Kette Ketone. Die reversible Umlagerung eines Enols in eine Carbonylverbindung ist ein Beispiel für Tautomeric, worunter man die reversible Wanderung eines Substi tuen ten (hier: H) versteht (s. Kap. XIX, Abschn. 4.3.1). Aufgabe Die Addition von 1 mol HCl an Propin verläuft nach der Markownikoff-Regel. ches Produkt entsteht?

Wel-

4.3 Nucleophile Addition Während Alkene mit nucleophilen Verbindungen nur dann reagieren, wenn elektronenanziehende Substituenten an die olefinischen C-Atome gebunden sind (Beispiele: F 2 C = C F 2 , H 2 C = C H — C N ) , gelingt die entspr. Reaktion mit Alkinen auch ohne solche Substituenten. So lagern sich Thiole R—S—H in Gegenwart ihrer korrespondierenden Base R—S: 8 irans-ständig an die Dreifachbindung an.

H3C—C=C—CH3

+

H3C—S—H

u3 c

H3C \ H3C—s

2-Butin

/

C = C

m / \ CH3

(Z) -2- Methylthio-2-buten

Die Reaktion wird durch den nucleophilen Angriff von H 3 C — S : e eingeleitet. Hierbei entsteht als Zwischenstufe ein Carbanion, das durch Aufnahme eines Protons ins Endprodukt übergeht.

H3C—C=C—CH3 1 H3C—S:

H3C

c=c

• •/

H 3 C—S

D

\ CH-

H3CX + H3C—S—H c=c e -R—S: H 3 c—S'

4 Reaktionen

173

Besonders leicht erfolgen nucleophile Additionen, wenn das Alkin konjugierte Dreifachbindungen enthält (s. Aufgabe). Aufgaben

1) Es ist der Ablauf folgender Reaktion zu erklären: CH 3 -(CEiC) 4 -CH 3

+

Na2S

CH3OH '

CH3-(C=C)2^^y-CH3

2) Welcher Substituent muß an die olefinischen C-Atome eines Alkens gebunden sein, damit sich daran nucleophile Verbindungen wie R—S—H (Katalysator: R—S e ) addieren?

4.4 Zusammenfassung der Additionsreaktionen Die Additionsreaktionen an Alkine sind im nebenstehenden Schema zusammengefaßt. Als Endprodukte erhält man substituierte Alkene, Alkane oder Ketone. H,

(Pd-Chinolin)

\ H/

/ = C

H2/Pd

\ H Alkan

c/'s-Alken Na/NH3

\

/

H

H

R

frans-Alken

R—C=C—R

Br,

R

Br

Br

R

fAans-Alken (Hauptprodukt) H20 (H®, Hg®®)

R—CH,—C—R II O Keton

R—S—H (R—Se)

\ RS

R

Alkylthioalken

Br, Tetrabromalkan

174

VI Alkine

Vergleicht man die Additionsgeschwindigkeit an Alkine mit der an Alkene, so stellt man fest: 1. Wasserstoff (durch Metalle aktiviert) wird an Alkine schneller addiert als an Alkene. 2. Elektrophile Verbindungen (HBr, Br 2 u.a.) reagieren mit Alkinen langsamer als mit Alkenen. 3. Nucleophile Verbindungen vereinigen sich mit Alkinen schneller als mit Alkenen. Eine (teilweise) Erklärung für dieses unterschiedliche Verhalten wird im folgenden Abschnitt gegeben.

4 . 5 Substitution des Wasserstoffs in 1 -Alkinen durch Metalle Der Wasserstoff von Alkinen mit endständiger Dreifachbindung (1-Alkine) besitzt sauren Charakter. Er läßt sich durch Natrium oder starke Basen substituieren, wobei die präparativ wertvollen Acetylide entstehen. R—C=C—H

+

Na

*

1 -Alkin

R—C=C: e

Na®

+

£ h/

+

NH3

ein Na-Acetylid

R—C=(? 1 -H'^T^NHf

Na®



R—C=C: e

Na®

Natriumamid R—C=C—H

+

C4H9—Li



R—C=C: e Li®

+

C4H10

Butyllithium Neben den Alkalisalzen von Acetylenverbindungen besitzen noch die Silbersalze eine gewisse (analytische) Bedeutung. Sie sind in Alkohol unlöslich, worauf die Unterscheidung zwischen endständigen und nicht endständigen Acetylenen beruht. R—C=C—H

+

AgN0 3

C 2 H5 OH

> R—C=C—Ag j

+

HN0 3

ein Silberacetylid, unlöslich und explosiv Woher rührt die gegenüber Alkanen und Alkenen höhere C—H-Acidität von Acetylen und 1-Alkinen? Die Acidität einer C—H-Bindung wird u. a. von der Elektronegativität des betreffenden Kohlenstoffatoms bestimmt. Diese ist umso größer, je größer der s-Anteil der Bindung ist (Tabelle). Da der s-Anteil eines acetylenischen C-Atoms den maximalen Wert von 50 % besitzt, ist der Wasserstoff in H — C = C — R unter den verglichenen H—C-Verbindungen am stärksten sauer.

4 Reaktionen Tabelle

175

Hybridisierung, Elektronegativität und Dissoziationskonstante in Ethan, Ethylen und Acetylen H3C-CH3

H—C=C—H

H2C=CH2

Hybridisierung des Ko h I e nstoff ato m s

SP3

SP2

sp

s-Anteil

25%

33%

50%

Elektronegativität des Kohlenstoffatoms (Fluor = 4.0)

2.5

2.75

3.1

Dissoziationskonstante K (bezogen auf Wasser)

10'44

10-4O

10"22

Die größere Elektronegativität des acetylenischen C-Atoms ist auch der Schlüssel zum Verständnis der unterschiedlichen Reaktivität von Alkinen und Alkenen bei Additionen: Die 7i-Elektronen werden vom acetylenischen Kohlenstoffso stark angezogen, daß der Angriff von Elektrophilen wie [Br®] erschwert, der von Nucleophilen wie O H e aber erleichtert ist. 4.5.1

Reaktion von Acetyliden

Acetylide enthalten Carbanionen und reagieren deshalb mit Verbindungen, die ein Carbenium-Ion oder ein Kohlenstoffatom mit einer partiellen positiven Ladung aufweisen; hierbei entstehen neue Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindungen. Wichtig sind die Reaktionen mit Carbonylverbindungen und Halogenalkanen. Die zuerst genannte Reaktion wird im Kap. XIX, Abschn. 4.2.4 behandelt, die mit Halogenalkanen an dieser Stelle. R—C=C:eNa®

+

R'—CH2—X



R—C=C—CH2—R'

+

NaX

Hierbei verdrängt der Kohlenstoff mit der negativen Ladung das Halogen. Mit primären Halogeniden erzielt man die höchsten Ausbeuten, während sekundäre und tertiäre Halogenide Eliminierungen zu Alkenen erleiden, s. Kap. XIV. Vorstehende Reaktion gestattet die Darstellung von Alkinen mit endständiger Dreifachbindung, wenn man von Acetylen ausgeht, und von Alkinen mit einer Dreifachbindung im Inneren der Kette, wenn man 1-Alkine einsetzt. Beispiele: H-CEEC-H

H

-C=C:eNa®

H3C—CHa—Br —NaBr

H

_

C

=

C

_

C H

C H 3

1-Butin

176

VI Alkine Na

H85C2—C=C—H *

> H,C2—C=C:eNa®

HaC

' > H,C—CH2—C=C—CH, —Nal 3 2 3 2-Pentin

4 . 6 Oxidative Verknüpfung von 1 -Alkinen Die Oxidation von 1-Alkinen führt zur Verknüpfung zweier Moleküle: R—C=C—H

+

H—C=C—R

CuCI > R—C=C—C=C—R ein 1,3-Diin

Als Oxidationsmittel haben sich Sauerstoff in Gegenwart von Kupfer-I-chlorid oder Kupfer-II-acetat bewährt. Genaues über den Ablauf der Reaktion weiß man noch nicht. Die Verknüpfung führt zu Ketten, wenn man von 1-Alkinen ausgeht (vorstehende Gleichung) oder zu Ringen, wenn man a,o>Diine, d. h. Moleküle mit 2 endständigen Dreifachverbindungen oxidiert.

3 c

(CH2)n C=C—H

/

N

+

H—C=C

a,(t/-Diin

CuCI >

(CH2)n

^~C=C—C=C

1,3-Cycloalkadiin

Nachstehend ist je ein Beispiel für eine oxidative Verknüpfung zu einer Kette und zu einem Ring angegeben. 2H2C=CH—(CH2)2— C=C—H

c°c!

> H2C=CH—(CH2)2—CEEC—C=C— (CH2)2—CH 1,11 -Dodecadien-5,7-dün H^C-C^

c

i

H

3^ H2C.

r

Cu (ll)-acetat 6% Ausbeute %c ^H

1,5-Hexadiin

J/ /

\

\

%

\ H^ CH2 HjC—C=C-CSC-CH2 1,3,7,9,13,15-Cyclooctadecahexain. Daneben entstehen die C24~, C30-, C36- und C42-Ringe.

1,3-Diine und erst recht solche mit zusätzlichen Doppelbindungen sind auf andere Weise nur schwer zugänglich. Sie dienen als Ausgangsverbindungen zur Darstellung von Polyenen und Annulenen (s. Kap. VII, Abschn. 4 und Kap. XII, Abschn. 6).

5 Acetylen

177

Aufgaben 1) Warum ist H — C = N saurer als H — C = C — H ? 2) Durch welche einfachen Reaktionen kann man folgende Verbindungen voneinander unterscheiden? H3C— ch 2 —ch 2 — ch 3 , h 3 c — c h 2 — c h = c h 2 , H3C—CH2—C=CH, h 3 c — c = c — c h 3 3) Ausgehend von 1-Butin sind folgende Verbindungen herzustellen: Butan, 1-Buten, 1,1,2,2-Tetrachlorbutan, 2-Butanon, 2-Pentin. Wie lauten die Reaktionsgleichungen? 4) Warum entsteht bei der oxidativen Dimerisierung von 1,5-Hexadiin keine C 1 2 Verbindung?

5 Acetylen Der Grundkörper der Alkine, das Acetylen, unterscheidet sich hinsichtlich Darstellung, Reaktivität und Bedeutung von den übrigen. Eine gesonderte Beschreibung erscheint deshalb sinnvoll. Die Chemie des Acetylens ist insbesondere von W. Reppe (geb. 1892 in Göringen, gest. 1969) bei der I. G. Farbenindustrie, Ludwigshafen, mit großem Erfolg untersucht worden. Acetylen stellt man großtechnisch entweder aus Kohlenwasserstoffen durch Pyrolyse her 2CH4

1250

° > H—C=C—H

+

3H 2

Acetylen (Hauptprodukt) oder aus Calciumcarbid und Wasser (früher ausschließlich): Ca®®:C=C:ee

+

2H 2 0



Calciumcarbid

H—C=C—H

+

Ca(0H) 2

Acetylen

Acetylen ist eine thermodynamisch sehr instabile Verbindung. Durch hohen Druck oder katalytische Mengen Kupfer zerfallt es explosionsartig in Wasserstoff und Kohlenstoff. Dabei werden 228 kJ/mol Wärme frei. H—C=C—H



H2

+

C2

AH = - 2 2 8 kJ/mol

Zur Stabilisierung und Lagerung wird Acetylen in Aceton gelöst, die Lösung durch Kieselgur aufgesaugt unä der getränkte Kieselgur in eine Stahlflasche überführt. Acetylen ist ein farbloses Gas von etherischem Geruch. Wenn das im Handel befind-

178

VI Alkine

liehe Gas dennoch einen unangenehmen Geruch aufweist, so deshalb, weil es durch geringe Mengen H 2 S, PH 3 u.a. Verbindungen verunreinigt ist. Acetylen wird als Schweißgas und zur Herstellung von Grundchemikalien verwendet. Die Verwendung als Schweißgas beruht darauf, daß die bei der Verbrennung mit Sauerstoff gebildete Flamme heißer ist (2800°) als die von vergleichbaren Gasen wie Ethylen und Ethan. Die folgenden Verbrennungswärmen beziehen sich auf gasförmige Ausgangs* und Endprodukte. C2H2

102

>

2C02

+

H20

AH = - 1 2 5 4 k J / m o l

+

302

>

2C02

+

2 H20

AH = - 1 3 1 7 kJ/mol

+

102

>

2C02

+

3 H20

AH = - 1 4 2 1 kJ/mol

+

Acetylen C2H4 Ethylen

C2H6 Ethan

Zwar ist die Verbrennungswärme AH mit 1254 kJ/mol am kleinsten, ebenso aber auch die Wärmekapazität der Endprodukte, da bei der Verbrennung von Acetylen nur ein mol Wasser entsteht. Acetylen läßt sich durch geeignete Katalysatoren dimerisieren, trimerisieren und tetramerisieren. Dabei entstehen Vinylacetylen, Benzol bzw. Cyclooctatetraen, s. Kap. XVI, Abschn. 5.5.1. Ebenso wie an substituierten Alkinen beobachtet man auch an Acetylen selbst zahlreiche elektrophile Additionen. Bei der Addition von H—X entstehen Verbindungen mit der Vinylgruppe C H 2 = C H - , Man spricht von Vinylierung. Die folgenden Reaktionen sind von z.T. großer technischer Bedeutung. Man beachte, daß die Addition von Ethanol eine nucleophile Reaktion darstellt. H20 (H® Hg 2

H,C—C

/ V

o

Acetaldehyd HCl Vinylchlorid

H—C=C—H H—C=N (H^/Cu®)

H2C=CH—CN Acrylnitril

H—0—C2H5 (ROe)

H2C=CH—0—C2H5 Ethyl (vinyl) ether

6 Mehrstufensynthese: ein Insekten-Sexuallockstoff

179

6 Mehrstufensynthese: ein Insekten-Sexuallockstoff Insekten sondern Geruchsstoffe ab, durch die sie das andere Geschlecht anlocken. Solche Geruchsstoffe gehören zu den Pheromonen (Kap. XXVII, Abschn. 5). Der Sexuallockstoff des weiblichen Schwammspinners besitzt folgende Konstitution: H

3

C - ( C H

2

)

8

- H

2

r

r

H

2

— ( C H

2

)

3

— C H

c/s-7,8- Epoxy-2-methyloctadecan

Stellt man einen Behälter mit einer winzigen Menge dieser Verbindung ins Freiland, so sammeln sich darin die männlichen Schwammspinner. Auf diese Weise könnte man gezielt Schädlinge bekämpfen, ohne die Umwelt durch Insektizide wie D D T zu belasten, von denen man weitaus größere Mengen einsetzen muß. Die Synthese verläuft so: CH3—(CH2)8—CH2Br

y

+

Na—C=C—H

-

NaBr

CH3—(CH2)8—CH2—C=C—H

C H

3

— ( C H

2

)

b

+

/7-C 4 H 9 -IJ

-

/?-C 4 H 10

— C H

2

— C = C — L i

+

(CH 3 ) 2 CH

-

Li Br

(CH 2 ) 3

CH 2

Br

C H 3 — ( C H 2 ) 8 — C H 2 — C = C - C H 2 — ( C H 2 ) 3 — CH(CH33 )' 2 H 2 /Pd-Bleiacetat CH3-(CH2)8-H2n

, C H 2 - ( C H 2 ) 3 - C H ( C H 33/2 )

+ CH3-(CH2)8-H2r

0 II

R—C—0—0—H,

»CH2

(CH 2 ) 3

0 II

-R—C—0—H

CH(CH 3 )

180

VI Alkine

Aufgaben 1) Welche Verbindung entsteht, wenn man Brom auf l-Penten-4-in (molares Verhältnis 1:1) einwirken läßt? 2) Ausgehend von Acetylen sollen hergestellt werden: Br

0

I

H

3

C — C H

2

II

— C — C H

H

3

5

C

— C I

2

Cl (a)

2

— C

3

H

7

( n )

H

3

C — ( C H

(b)

2

)

3

— C — ( C H

2

)

4

— C H

3

(c)

3) Der Sexuallockstoff Muscalur der gemeinen Hausfliege besitzt die unten stehende Struktur. Man schlage eine von Acetylen ausgehende Synthese vor.

/H

\ / / 7 - C

1 3

H

=

c

\ C

2 7

8

H I

7

- / 7

Muscalur

4) Wie stellt man rr 7i*-Übergänge statt.

Anthracen, farblos /lma„ bei 380 nm

Naphthacen, orange A m a x bei 444 u. 474 nm

Pentacen, blau A m a , bei 533, 574 u. 580 nm

Azofarbstoffe besitzen die Konstitution R — N = N — R . Hier beruht die Farbe nicht wie oben auf einem n —• 7t*-Übergang, sondern auf einem n —• 7i*-Übergang. Offenbar ist die Energiedifferenz zwischen n (Orbital mit freiem Elektronenpaar am Stickstoff) und n* (unbesetztes 7t-Orbital) besonders gering (Kap. II). Azomethan ist farbig, obwohl es nur eine Doppelbindung besitzt. Zu den organischen Verbindungen, die gar keine Doppelbindungen besitzen und trotzdem farbig sind, gehört Iodoform. Vermutlich kommt hier die Farbigkeit durch einen n -• = c = c ^ / H H

H

Allen

Pentatetraen

/

;c=c=c=c=c;

-H

In Kumulenen mit ungerader Anzahl von Doppelbindungen liegen die Wasserstoffatome wie bei Ethylen in derselben Ebene.

\ r=r /

Hx Ethylen

\

\)c=c=c=c. H

H Butatrien

H

H H ^C=C=C=C=C=C^ x H l-r Hexapentaen

200

VII Mehrfach ungesättigte Kohlenwasserstoffe

Die unterschiedliche Geometrie ist eine Folge der paarweisen Anordnung der p-Orbitale. Im Allen entsprechen die von den C-Atomen 1 und 3 ausgehenden Bindungen denen im Ethylen: je 3 sp 2 -Orbitale und 1 p-Orbital. Das C-Atom 2 besitzt die gleiche Hybridisierung wie die C-Atome im Acetylen: 2 sp-Orbitale und 2 p-Orbitale. Von den insgesamt 4p-Orbitalen stellen sich je zwei parallel und bestimmen damit die Geometrie des Allens. Die 4 Wasserstoffatome sind in je 2 senkrecht zueinander stehenden Ebenen angeordnet, so wie es beim Methan der Fall ist. Im Butatrien, einem Kumulen mit einer weiteren Doppelbindung, führt die paarweise Überlappung benachbarter p-Orbitale zu einer Anordnung der Wasserstoffatome wie im Ethylen.

Abbildung Lage der Wasserstoffatome im Allen und im Butatrien. Links: Strukturformeln mit paarweise überlappenden p-Orbitalen. Rechts: Strukturformeln mit gebogenen Bindungen (s. Kap. I).

Aufgabe Bei welchen der folgenden Kumulene kann bei teilweiser Substitution von H durch R cis-trans-Isomerie auftreten? Man gebe ein Beispiel an.

)c=c=c( H

H

V=C=C=C' H

H

(a)

H

\

H

H

(c)

(b)

3.2 Darstellung Aus ungesättigten Dihalogenverbindungen und Zink H2C=C—CH2

+

Zn



H2C=C=CH2

Cl Cl 2,3-Dichlorpropen

Allen, Sdp. -34°

+

ZnCI 2

4 Mehrstufensynthese: ein Polyen H,C—C=C—CH, I

I

Br

Br

+

Zn

>

I,4-Dibrom-2-butin

H2C=C=C=CH2

2

+

201

ZnBr,

2

Butatrien, polymerisiert bei 0 ° C

Triebkraft beider Reaktionen ist die Bildung von Zinkhalogenid.

4 Mehrstufensynthese: ein Polyen Moleküle mit mehreren konjugierten Doppelbindungen, z.B. Dodecahexaen, H2C=CH—CH=CH—CH=CH—CH=CH—CH==CH—CH=CH2 1,3,5,7,9,11 - Dodecahexaen

sind in verschiedener Hinsicht von Interesse. Wieviel Doppelbindungen müssen vorhanden sein, damit sie farbig sind? Weisen sie große Werte für Brechungsindex und elektrische Leitfähigkeit auf? Sind sie besonders reaktionsfähig? Um diese und weitere Fragen beantworten zu können, ist es zunächst erforderlich, einige Vertreter zu synthetisieren. F.Sondheimer stellte 1961 zahlreiche konjugierte Polyene her, wobei er sich ein und derselben Methode bediente. Diese soll am Beispiel der Synthese des 1,3,5,7,9,11-Dodecahexaens erläutert werden. Die Synthese geht von den beiden C 3 -Verbindungen Allylmagnesiumbromid und Allylbromid aus, die nach Wurtz verknüpft werden (Kap. XIV, Abschn. 4.4). Das dabei gebildete 1,5-Hexadien wird in l-Hexen-5-in umgewandelt, dessen oxidative Dimerisierung eine C 12 -Verbindung ergibt. Letztere besitzt bereits die gewünschte Summenformel, aber noch eine andere Anordnung der Wasserstoffe. Durch Einwirkung von starken Basen B e tritt eine Folge von Allylverschiebungen ein, wobei schließlich das gewünschte konjugierte Polyen entsteht.

150000

u 100 0 00

r

50 000

250

Abbildung

300

350 >X(nm)

400

450

Ultraviolettspektrum von 1,3,5,7,9,11 -Dodecahexaen

202

VII Mehrfach ungesättigte Kohlenwasserstoffe H 2 C = C H — C H 2 — Mg—Br —MgBr2

+

Br—CH2— C H = C H 2 Verknüpfung einer metallorganischen Verbindung und eines Halogenalkans (Wurtz-Reaktion)

H2C=CH—CH2—CH2— CH=CH2 1,5-Hexadien U m w a n d l u n g einer Doppelbindung in eine Dreifachbindung durch Bromaddition (1 mol!) und HBr-Abspaltung

1 -Hexen-5-in oxidative Dimerisierung durch 02/Cu2CI2 H2C=CH—CH2—CH2—C=C—C=C—CH2—CH2—CH=CH2 Wasserstoff versc hiebung durch ( H 3 C ) 3 C — O e K ® H2C=CH—CH=CH—CH=CH—CH=CH—CH=CH—CH=CH2 1,3,5,7,9,11-Dodecahexaen,

= 3 6 4 nm

Die Wasserstoffverschiebung verläuft nach folgendem Schema (siehe auch Aufgabe): •a1T



H2C=CH—CH2—CH=C=CH2 IT



Das vorstehende Gleichgewicht liegt ganz auf der Seite des 1,3,5-Triens, weil es als einzige der 3 ungesättigten Verbindungen konjugierte Doppelbindungen und somit die größte thermodynamische Beständigkeit aufweist. 1,3,5,7,9,11-Dodecahexaen ist wie andere hoch ungesättigte Kohlenwasserstoffe sehr reaktionsfähig und polymerisiert bereits bei leichtem Erwärmen. Aufgaben 1) Man formuliere alle Schritte bei der basenkatalysierten Umwandlung eines Alkins R — C H 2 — C = C — C H 2 — R in ein konjugiertes Dien. 2) Ausgehend von l-Hexen-5-in und einer ungesättigten C 1 0 H 1 2 -Verbindung soll das Polyen H ( C H = C H ) 8 H hergestellt werden.

4 Mehrstufensynthese: ein Polyen

203

3) 1,3,5,7,9,11-Dodecahexaen weist einen Amax-Wert von 364 nm auf. Welchen Wert ergibt die Berechnung mit Inkrementen? 4) Man vervollständige:

5) Wie lautet die räumliche Struktur von (a) und (b)?

6) Welche Addukte entstehen, wenn man p-Chinon (a) mit 2-Methyl-l,3-butadien, (b) mit Cyclopentadien umsetzt?

Kapitel VIII Polymere 1 Übersicht Polymere sind hochmolekulare Verbindungen, die in der Regel aus nur wenigen Bausteinen (oft nur einem einzigen) bestehen. Ihre Erforschung verdanken wir u. a. Hermann Staudinger (geb. 1881 in Worms, gest. 1965), der dafür 1953 mit dem Nobelpreis für Chemie belohnt wurde. Man unterscheidet zwischen synthetischen und natürlichen Polymeren. Synthetische Polymere unterteilt man je nach Art der Herstellung in Additionspolymere und Kondensationspolymere. Erstere entstehen durch Addition meist einer einzigen Molekülsorte, letztere durch Kondensation von meist zwei Molekülsorten, wobei kleine Moleküle (H 2 0, CH 3 —OH etc.) abgespalten werden. Bildung eines Additionspolymers: +

CH2=CH2

+

CH2=CH2

+

CH2=CH2

+

Initiator

ch2

ch2

ch2

CH2

ch2

c h2

(•

Polyesterkette (Ausschnitt)

Zu den natürlichen Polymeren gehören Kautschuk, Cellulose, Wolle, Seide, Nukleinsäuren u. a.

206

VIII Polymere CHoOH

CH20H

CH,OH

CH20H

OH OH

OH OH - Baustein

OH OH

OH OH

O

Cellulosekette (Ausschnitt) In diesem Kapitel werden ausschließlich Additionspolymere aus olefinischen Bausteinen behandelt. Kondensationspolymere findet der Leser in späteren Kapiteln, hauptsächlich in Kap. XXIII, Abschn. 10. Aufgabe Handelt es sich bei den Polymeren a und b um Additions- oder Kondensationspolymere? OH

OH

OH

/

... + H 0 H 2 C - ^ ^ ^ C H 2 0 H + H 0 H 2 C ^ i i ^ 1 ^ C H 2 0 H + H0H2C~

CH20H ...

H® ,- H20 OH -0—H2C

OH

OH

CH2—O—H2C

—O—CH^rfSr- CH2—O Polymer a

V +V

+

V

—o—CH2—CH2—O—CH2—CH2—o—CH2—CH2—0 Polymer b (Polyethylenoxid)

2 Polymerisation von Alkenen Die Polymerisation von Ethylen, dem einfachsten Monomer, führt zu einem Polymer, genannt Polyethylen. Polyethylen besteht aus mehreren tausend Ethylenbausteinen. Substituierte Ethylene liefern entsprechend substituiertes Polyethylen. Alle

2 Polymerisation von Alkenen

207

Polymerisationsreaktionen benötigen einen Initiator (s. nächster Abschnitt). Im nebenstehenden Schema sind die Strukturen einiger polymerer Verbindungen angegeben. Man beachte, daß es sich stets um Ausschnitte aus sehr langen Ketten handelt. n H2C=CH2

Initiator

-C H 2— C H 2 C H 2 C H 2 C H 2 C H 2 Polyethylen

Ethylen

n H2C=CH—CH3

Initiator

CH, CH, CH, I CH2—CH—CH2—CH—CH2—CH— • Polypropylen

Propen (Propylen)

/CH3 n H2C=C^

CH,3 I -C—I I CH3

Initiator

CH, Isobuten (Isobutylen)

CH-,

CH,

CH,

CH,

Polyisobutylen

.CI n H2C=C^

Cl

Initiator

Cl Cl I —CH,—CH—CH2—CH—CH,—CH— •

H Vinylchlorid

^C0 2 R

Polyvinylchlorid (PVC)

CO 2 R

Initiator

\ H ,

CO 2 R

Polymethacrylsäure-ester

Methacrylsäure-ester

Initiator 1,3-Butadien

CO 2 R

I I 2 I -c H ,—C—C H 2— C—c H 2— c CH, CH, CH,

->

CH=CH, CH=CH, CH=CH2 J,,, „ , , i CH2—CH—CH2—CH—CH2—CH-

„..

1,2-Polybutadien

2.1 Reaktionsmechanismen der Polymerisation Zur Polymerisation ist entweder ein Katalysator oder ein Initiator erforderlich. Unter Initiatoren versteht man Verbindungen, die den Polymerisationsvorgang einleiten und dabei verbraucht werden. (Dadurch, daß sie verbraucht werden, unterscheiden sie sich von Katalysatoren.) Die Wahl des Katalysators oder Initiators hängt von den Substituenten ab, die an die olefinischen C-Atome des Alkens gebunden sind.

208

VIII Polymere

Alkene mit elektronenabstoßenden Substituenten werden durch elektrophile Initiatoren polymerisiert. Solche Substituenten stabilisieren die positive Ladung, die bei der Addition des Initiators an das Monomer auftritt. Polymerisationen, die durch einen solchen Schritt eingeleitet werden, nennt man kationische Polymerisationen. Kettenstart der kationischen Polymerisation:



+

.CH, h 2 C=C(^ CH,

Xs Initiator, elektrophil

Monomer (Isobuten)

CH,

h3C-~x Xs

CH,

Zwischenstufe, positive Ladung wird durch 3CH 3 -Gruppen stabilisiert

Alkene mit elektronenanziehenden Substituenten werden dementsprechend durch Initiatoren polymerisiert, die nucleophil reagieren. Man spricht von anionischer Polymerisation. Kettenstart der anionischen Polymerisation:

R—O e K®

+

H2C=C^

R—0—CH2—C'

~ K® H

Initiator, nucleophil

Monomer (Styrol)

Zwischenstufe, Delokalisierung der negativen Ladung durch Phenyl

Sind an die olefinischen C-Atome des Alkens Radikal-stabilisierende Substituenten gebunden, so kann eine radikalische Polymerisation eintreten. Kettenstart der radikalischen Polymerisation:

R—0®

Radikal

+

H,C=C

\

Monomer (Styrol)

R—0—CH2—C^ H Zwischenstufe, Delokalisierung des ungepaarten Elektrons durch Phenyl

Schließlich werden einige Alkene wie Ethylen und Propen an den unbesetzten Koordinationsstellen von Übergangsmetallen polymerisiert. Diese Polymerisation nennt man koordinative Polymerisation.

2 Polymerisation von Alkenen

209

2.1.1 Kationische Polymerisation Die kationische Polymerisation beobachtet man bei alkylsubstituierten Ethylenen wie Propen oder Isobuten. Wie auch bei anderen Polymerisationen liegt hier eine Kettenreaktion vor, die aus Kettenstart, Kettenfortpflanzung und Kettenabbruch besteht. Kettenstart: CH, H

2

CH,

C = C

H , C — C

I

CH,

CH,

Kettenfortpflanzung: CH 3 CH, H

3

H2C=C

I

CH,

C — C ®

*

H

I

3

C — C — C H

CH,

I CH,

I I CH,

CH,

CH, 2

H 2 c=c

— C

I CH, CH, H

3

C — C —

CH, C H

2

I CH3

— C — C H

CH, 2

— C ®

I CH3

USW.

I CH3

Kettenabbruch: CH,

I ' I

CH,

3

CH,

yCH 3 CH2—C^

H , C — C —

CH,

CH,

CH, -H®

CH,

I

C H CH,

2

3

— C — CH,

/ CH,—C.

V

CH,

CH,

Polyisobuten

Die Kettenreaktion wird mit der Addition des elektrophilen Katalysators (Proton) an die Doppelbindung gestartet. Hierbei entsteht ein Carbenium-Ion, das ein zweites Molekül Isobuten addiert usw. (Kettenwachstum). Der Abbruch erfolgt durch Abgabe eines Protons aus dem Carbenium-Ion an einen Protonenakzeptor (z.B. H 2 0). Wann dieser Abbruch eintritt, hängt von der Konzentration des Protonenakzeptors (H z O) ab. Ist die Konzentration des Wassers klein, so kann die Kette ungestört wachsen; n beträgt mehrere Tausend. Ist die Konzentration dagegen groß, so kommt es schon gleich zu Anfang zum Abbruch. Auf diese Weise läßt sich das aus nur 2 Isomeren bestehende Dimerengemisch herstellen, dessen Hydrierung 2,2,4-Trimethylpentan (inkorrekte Bezeichnung: Isooctan) ergibt, einen begehrten klopffesten Treibstoff.

210

VIII Polymere

CH 3 CH 3 I ® / C H 33 — C — C H 2 — C ; L \ H CH 3 3

CH 3 CH 3 +H,0 I / — C H 3 — C —3 C H 2 — C ; -H3O* I V CH 3 2

Vorstufe des Dimeren

CH 3 CH 3 I / C H3 3 — C — C H = C ; I \ CH 3 CH 3

+

2,4,4-Trimethyl1-penten

2,4,4-Trimethyl2-penten

+ H2

| CH3— C—CH2—CH;

I

CH 3

\

CH 3

2,2,4-Trimethylpentan („Isoöctan")

Aufgabe Bei der Polymerisation von Isobuten tritt die CH 2 -Gruppe des einen Moleküls an die C(CH 3 ) 2 -Gruppe des anderen Moleküls. Diesen Vorgang nennt man auch „KopfSchwanz-Addition". Warum tritt keine „Kopf-Kopf-Addition" ein? CH3

CH 3

II I

'KT

C|CH2-- c — CH 3

CH2—C4C—CH2

CH 3

H3C Kopf-Schwanz-Addition

CH 3

Kopf-Kopf-Addition

2.1.2 Anionische Polymerisation Die anionische Polymerisation gehen vergleichsweise wenige Alkene wie Styrol (C 6 H 5 —CH=CH 2 ) oder Methacrylsäure-methylester ein. Auch hier liegt eine Kettenreaktion vor, die aus Kettenstart, Kettenfortpflanzung und Kettenabbruch besteht. Kettenstart: -H3 HO® +

H2C=C,C

HO—CH2—C:F

0

HO—H2C^


Methacrylsäuremethylester

^CH3

> II C

Enolat-Ion (zwei mesomere Grenzformen)

V

OCH3

2 Polymerisation von Alkenen

211

Kettenfortpflanzung:

CH, CHq I e I HO—CH,—C: + H2C=C I I c—och 3 c—och3

CHq CH, I I «e HO—CH2—C—CH2—C: usw. I I c—och3 c—och3

0

0

A

Enolat-Ion des Oligomeren

Kettenabbruch:

CHq CH, CH, I I I A ——* H—0—CH2—C— (CH2—C)n—CH2—C—H c—o3h3 c—och3 c—och3 II II II 0 0 0 u©

Polymethacrylsäure- methylester

Aufgabe Isobuten kann man kationisch, nicht aber anionisch polymerisieren. Man begründe.

2.1.3 Radikalische Polymerisation Unter radikalischen Bedingungen wird eine große Anzahl von Alkenen polymerisiert: Ethylen (H 2 C=CH 2 ), Vinylchlorid (CH 2 =CH—Cl), Tetrafluorethylen (F 2 C=CF 2 ), Vinylacetat (H 2 C=CH—O—CO—CH 3 ), Styrol (H 5 C 6 —CH=CH 2 ) und Methacrylsäure-methylester, um nur einige zu nennen. Die beiden zuletzt genannten Verbindungen werden demnach sowohl nach dem anionischen als auch nach dem radikalischen Mechanismus polymerisiert. Als Initiator verwendet man Sauerstoff, Peroxide und andere Radikalbildner. Sehr langsam verläuft die Polymerisation von Ethylen, wahrscheinlich weil hier Substituenten fehlen, die ungepaarte Elektronen stabilisieren. Man muß schon auf ca. 200° bei 1000 bar in Gegenwart von ca. 0,1 % Sauerstoff erhitzen, um ein Polymer zu erhalten. Man nennt das Polymer Hochdruckpolyethylen. Kettenstart:

R® + H2C=CH2

R—CH2—CH®

Kettenfortpflanzung:

R—CH2—CH2® + H2C=CH2

• R—CH2— CH2— CH2— CH2® USW.

212

VIII Polymere

Kettenabbruch: Vereini9Ung

2R'—CH2—CH2°

R'—CH2—CH2°

+

>

R"—CH2—CH®

R'-CH2-CH2-CH2-CH2-R' D Spr

' °p0r" > R—CH2—CH, tionierung

+

R"—CH=CH2

Aufgaben 1) Stellt die Polymerisation von Alkenen (gleichgültig, ob ionisch oder radikalisch) deshalb eine ÄTei/enreaktion dar, weil lange Molekültore« gebildet werden? 2) Worin unterscheidet sich der Kettenwachstumsschritt einer radikalischen Polymerisation von dem einer anderen Radikalreaktion (z.B. von der radikalischen Bromierung von Alkenen)?

2.1.4 Koordinative Polymerisation Olefine wie Ethen, Propen, Phenylethen (Styrol) u. a. polymerisieren an unbesetzten Koordinationsstellen von Übergangsmetallverbindungen zu sehr langen Ketten. Als Katalysator dient in der Technik eine Titanverbindung, welche sich aus Titantetrachlorid TiCl4 durch Alkylierung mit Triethylaluminium A1(C2H5)3 bildet. Das Titan darin enthält eine leere Koordinationsstelle, an der die Polymerisation erfolgt, näheres hierzu siehe im Kapitel ,Metallorganische Verbindungen'. Die Reaktion wurde

Niederdruckpolyethylen: unverzweigt, höhere Dichte, härter, Schmelztemperatur

130-135°.

Hochdruckpolyethylen: verzweigt, niedrigere Dichte, weicher, Schmelztemperatur ca. 110°.

von K. Ziegler (geb. 1898 in Helsa/Kassel, gest. 1973) beobachtet und stereochemisch von G. Natta (geb. 1903 in Imperia/Ligurien, gest. 1979) aufgeklärt. Beide Forscher erhielten dafür 1963 den Nobelpreis für Chemie. Ethylen wird in Polyethylen überführt. Da die Polymerisation bei Normaldruck durchgeführt wird, heißt das Produkt auch Niederdruckpolyethylen. Niederdruckpolyethylen und das bei der radikalischen Polymerisation entstehende Hochdruck-

3 Polymerisation von konjugierten Dienen

213

Polyethylen (vorstehender Abschnitt) unterscheiden sich in Struktur und physikalischen Eigenschaften. Die Niederdruckpolymerisation von Propen führt je nach Art des Metallkatalysators zu sterisch verschiedenen Polymeren. Man kennt drei Arten von Polymeren, die sich nur durch die Stellung der Methylgruppen voneinander unterscheiden: isotaktisches, syndiotaktisches und ataktisches Polypropylen. H CH3TH CH 3 H CH3 H CH3 ••

) /



)/

)/ a

Isotaktisches Polypropylen. u

f

C H 3 - G r u p p e n stehen derselben Seite. Syndiotaktisches Polypropylen. Die C H 3 - G r u p p e n stehen abwechselnd auf beiden Seiten.

Ataktisches Polypropylen. Die C H 3 - G r u p p e n stehen wahllos auf beiden Seiten.

Isotaktisches Polypropylen zeichnet sich durch eine regelmäßige Anordnung seiner Methylgruppen aus. Außerdem ist - abgesehen von der Kettenlänge - jede Kette identisch mit einer anderen. Das gleiche gilt für syndiotaktisches Polypropylen. Im ataktischen Polypropylen sind dagegen die Methylgruppen unregelmäßig angeordnet, und die einzelnen Ketten sind selbst bei gleicher Kettenlänge nicht identisch. Damit wird verständlich, weshalb isotaktisches Polypropylen kristallin ist und vergleichsweise hoch schmilzt (Schmp. 165°C) und ataktisches Polypropylen eine amorphe Masse darstellt. Aufgabe Man zeichne eine Polypropylenkette, die noch ungeordneter als das ataktische Polypropylen ist.

3 Polymerisation von konjugierten D i e n e n Ebenso wie Alkene lassen sich auch konjugierte Diene polymerisieren. Dabei handelt es sich im wesentlichen um folgende Diene: CH2=CH—CH=CH2

CH2=C—CH=CH2 CI

1,3-Butadien

2-Chlor-1,3-butadien (Chloropren)

CH2=C—CH=CH2 CH3 2-Methyl-1,3-butadien (Isopren)

214

VIII Polymere

Während aber Alkene nur eine 1,2-Polymerisation eingehen können, beobachtet man bei 1,3-Dienen sowohl eine 1,2- als auch eine 1,4-Polymerisation. Auch hier unterscheidet man zwischen kationischer, anionischer, radikalischer und koordinativer Polymerisation. Das folgende Beispiel gibt die koordinative Polymerisation des 1,3-Butadiens wieder. I

I

I

CH

CH

CH

CH,

CH,

CH,

II

II

II

1,2-Polybutadien a) isotaktisch ( C r ( C = N — C 6 H 5 ) 6 + AIR 3 ) b) syndiotaktisch (CoCI 2 • 2 Pyridin + AIR 3 ) H

H

CH2=CH—CH=CH2

C = C

/ CH2

1,3-Butadien

\

\

C

/

C = C

/H \ CH,

eis-1,4- Polybutadien (Til 4 + AIR 3 )

H

H, / -> • • •

C

\

r

H

u

I

H2

/ \ C

C

/ \ C

r

H,

H

7

r

/ \ C

H

r

/ ' c H3

trans-1,4- Polybutadien (VCI 3 + AIR3)

Man erkennt, daß durch Variation des Übergangsmetalls die Polymerisation in (fast) jede sterische Richtung gelenkt werden kann. Die so gebildeten Stereoisomeren unterscheiden sich teilweise erheblich in ihren physikalischen Eigenschaften. Deshalb sind solche sterisch gezielten Polymerisationen von großer technischer Bedeutung. Ebenso wie Butadien läßt sich auch Isopren in verschiedenartige Polymere überführen. cw-l,4-Polyisopren besitzt folgende Struktur: H -CH

V /

/ C = C

\

C H

*

H

\ = C /CH3 / \

Ausschnitt aus einer eis-1,4-Polyisopren-Kette

H \ / 2

C

=

C

/

r

\

C

H

3

CH,-

(Naturkautschuk)

Dieses Polymer kommt auch in der Natur vor und trägt den Namen Naturkautschuk. Naturkautschuk ist als Emulsion im Milchsaft (Latex) verschiedener tropischer Bäume enthalten. Beim Ansäuren des Milchsaftes fällt er in koagulierter Form

4 Eigenschaften und Verwendung von Olefinpolymeren

215

aus. Das Koagulat wird durch erwärmte Pressen gedrückt und in Form von Fellen in den Handel gebracht. Durch Vulkanisierung (Erhitzen mit Schwefel, wobei Vernetzung der einzelnen Polymerenketten erfolgt) wird dieses zunächst noch plastische Material in elastisches überführt, welches vielfaltige technische Verwendung findet.

Aufgabe Welche Konfiguration besitzt isotaktisches, syndiotaktisches bzw. ataktisches 1,2Polybutadien?

4 Eigenschaften und Verwendung von Olefinpolymeren Polymere werden zu Kunststoffen verarbeitet, aus denen man eine Vielzahl von Gegenständen herstellt. Diese prägen die heutige Zeit in einer Weise, daß man gelegentlich auch vom Kunststoffzeitalter spricht. Niederdruckpolyethylen ist der wichtigste Kunststoff, aus dem man u. a. Eimer und Rohre herstellt. Hochdruckpolyethylen ist stärker verzweigt, dadurch weniger kristallin und weicher. Man stellt daraus u. a. Folienbeutel her, bei denen es ja auf die Weichheit ankommt. Isotaktisches Polypropylen dient u. a. zur Herstellung von Laborgeräten, ataktisches Polypropylen ist klebrig und weist nur eine begrenzte technische Bedeutung auf. Polyisobuten dient zur Herstellung von Klebstoffen, ferner von Autoschläuchen. Polystyrol ist ein harter, glasklarer Stoff, aus dem u. a. Spielzeug und Haushaltsartikel produziert werden. Polystyrol-Schaum wird hergestellt, indem man z. B. Luft in flüssiges Polystyrol einleitet und dabei erkalten läßt. Es dient zur Wärmeisolierung. Polyvinylchlorid („PVC") dient zur Herstellung von Eimern, Schüsseln, Rohren usw. Setzt man Weichmacher hinzu (zum Beispiel Phthalsäureester), so erhält man „Weich-PVC", woraus Regenmäntel, Fußbodenbeläge u. a. hergestellt werden. Polytetrafluorethylen („Teflon") ist sehr hitze- und chemikalienbeständig. Außerdem haften andere Stoffe daran nur sehr schlecht. Man verwendet es deshalb als Radlagermaterial (keine Schmiermittel erforderlich), als Bratpfannenbelag usw. Polymethacrylsäure-methylester stellt eine harte, biegsame, glasklare Masse dar, die als splitterfreies „organisches Glas" („Plexiglas") dient. Polyacrylnitril-¥&sern besitzen eine hohe Festigkeit und wollähnlichen Charakter; man stellt daraus u.a. Pullover her. Polybutadien hat keine besonders günstigen Eigenschaften. Anders verhält es sich mit dem Mischpolymerisat aus 1,3-Butadien und Styrol (Buna S; S von Styrol). Buna S ist der wichtigste synthetische Kautschuk und dient u. a. zur Herstellung von Autoreifen, cis-1,4-Polyisopren (Naturkautschuk) wird mit Schwefel vernetzt und dient ebenfalls zur Herstellung von Autoreifen. Polymere mit konjugierten 7t-Systemen werden in neuerer Zeit zur Herstellung von metallisch leitenden Polymeren verwendet. Typische Vertreter sind:

216

VIII Polymere

frans-Polyacetylen (aus Acetylen durch Polymerisation mit Ziegler-Katalysatoren)

H

H

Poly-para-phenylen (aus Benzol durch Oxidation mit CuCI 2 /AICI 3 )

H

Polypyrrol (aus Pyrrol durch anodische Oxidation)

In reinem Zustand sind diese Verbindungen wie andere organische Verbindungen mehr oder weniger Isolatoren. Durch Einwirkung eines Oxidations- oder Reduktionsmittels erlangen sie jedoch metallische Leitfähigkeit. Bei der Oxidation werden Elektronen aus dem vollen Valenzband entfernt und bei der Reduktion in das leere Leitungsband eingeschleust. Aufgaben 1) Im Gegensatz zu fast allen anderen Kunststoffen ist Teflon gegen oxidierende Chemikalien resistent. Warum? 2) Polystyrol kann man von anderen Kunststoffen durch die Art der Verbrennung unterscheiden: Es brennt ähnlich wie Benzol mit rußender Flamme. Man erkläre.

Kapitel IX Pericyclische Reaktionen 1 Definition Die meisten Reaktionen in der organischen Chemie verlaufen über Zwischenstufen, die teils ionischen, teils radikalischen Charakter besitzen. So bildet sich bei der Bromierung von Alkenen zunächst eine Zwischenstufe mit Bromoniumstruktur, aus der erst in einem zweiten Reaktionsschritt das Endprodukt hervorgeht.

\ /

C=C

/ \

\ c—c f7| / \®/ Br

+ Br

\

Br

- U I I Br

I

e

Br

Br Zwischenstufe

In diesem Kapitel werden Reaktionen vorgestellt, bei denen keine Zwischenstufen auftreten. Alle an der Reaktion beteiligten Bindungen werden gleichzeitig (synchron) und formal kreisförmig verschoben. Man spricht deshalb von pericyclischen Reaktionen (griech. peri gleich herum, cyclus gleich Kreis). Es handelt sich hauptsächlich um elektrocyclische Reaktionen, Cycloadditionen und sigmatrope Wanderungen. Alle drei Reaktionstypen sollen zunächst mit je einem Beispiel vorgestellt werden.

•CH, VCH3 ,

cyclischer Übergangszustand Cycloaddition:

erhitzen^

cyclischer Übergangszustand

H H

218

XIX Pericyclische Reaktionen

Sigmatrope Wanderung:

Die Gesetzmäßigkeiten dieser Reaktionen wurden von K. Fukui, R. B. Woodward und R. Hoffmann erkannt und in Regeln zusammengefaßt (Woodward-HoffmannRegeln). K. Fukui und R. Hoffmann* erhielten dafür 1981 den Nobelpreis für Chemie. Aufgabe Wie lang ist die Lebensdauer (a) einer Zwischenstufe, (b) eines Übergangszustandes?

2 Elektrocyclische Reaktionen Unter einer elektrocyclischen Reaktion versteht man die Knüpfung einer cr-Bindung zwischen den Enden eines konjugierten 7i-Systems oder die Lösung eben dieser Bindung. Bei den konjugierten 7t-Systemen handelt es sich um Verbindungen vom Typ 1,3-Butadien, 1,3,5-Hexatrien, 1,3,5,7-Octatetraen usw.

J

r

Cyclobuten

1,3,5-Hexatrien

1,3-Cyclohexadien

1,3,5,7-Octatetraen

1,3,5-Cyclooctatrien

Abbildung

Beispiele für elektrocyclische Reaktionen

* K. Fukui, geb. 1918 in Nara/Japan, R. Hoffmann, geb. 1937 in Zloczow/Polen.

2 Elektrocyclische Reaktionen

219

Wie andere Reaktionen benötigen auch elektrocyclische Reaktionen eine bestimmte Aktivierungsenergie, die man in Form von Wärmeenergie oder in Form von Lichtquanten zuführt. Dementsprechend unterscheidet man zwischen thermisch und photochemisch verlaufenden Reaktionen. Interessanterweise verlaufen manche Reaktionen nur nach Zufuhr einer bestimmten Energieart. Man spricht dann von thermisch erlaubten oder photochemisch erlaubten Reaktionen. Wie vorstehende Formeln zeigen, liegen in allen Fällen Gleichgewichte vor. Oft befindet sich das Gleichgewicht ganz auf der einen oder anderen Seite, so daß es als solches nicht ohne weiteres zu erkennen ist. Elektrocyclische Reaktionen werden auch Valenzisomerisierungen genannt, da sich hierbei Valenzen (?H a H H

konrot'atorisch

c/'s-3,4-Dimethylcyclobuten

h• v,

IvV

-f-

>H-

disrotatorisch

-Hch H c/'s-3,4-Dimethylcyclobuten

(E),(E)-2,4-Hexadien

Führt man die gleichen Überlegungen an Hexatrien durch, so gelangt man zu entgegengesetzten Drehrichtungen: Die thermische Anregung führt zum disrotatorischen, die photochemische zum konrotatorischen Ringschluß. 130JC,

(£),(£)-2,4,6-Octatrien

disrotatorisch

c/'s-5,6-Dimethyl-1,3-cyclohexadien

'CH, ,h• v h• v (£),(£)-2,4,6-Octatrien

konrotatorisch

i/wis-5,6-DimethyM ,3-cyclohexadien

2.2.2 Ringöffnung Auf die Rmgöffnung läßt sich das HO MO-Konzept nicht direkt anwenden (höchstens unter Hinzuziehung des LUMO, darauf soll aber nicht eingegangen werden). Hier hilft uns das Prinzip der mikroskopischen Reversibilität weiter: Stehen zwei Verbindungen A und B im Gleichgewicht miteinander, so ist der Übergangszustand der Reaktion A —• B identisch mit dem Übergangszustand der Reaktion B —• A. Zur Erläuterung sei ein Beispiel aus dem Alltag angeführt. Hat jemand den niedrigsten Paß beim Überqueren eines Gebirges in Nord-Süd-Richtung gefunden, kennt er damit auch den niedrigsten Paß in Süd-Nord-Richtung. Wendet man dieses Prinzip auf elektrocyclische Reaktionen an, so gilt: Die Rmgöffnung hat den gleichen Übergangszustand und damit den gleichen Drehsinn wie der dazu gehörige RingSchluß.

2 Elektrocyclische Reaktionen

223

Damit wird verständlich, weshalb die Ringöffnung der Cyclobutenverbindung I (s. oben) nur zu einem Dien führt: An der Ringöffnung sind insgesamt 4 Elektronen beteiligt (27t- und 2 _

_

I ,

V H

4>
H ,C—C H 2—C H , •> H3C—CH2—CH2—CH3

Ni 300°

H3C—CH2—CH2—CH2 CH3

In ähnlicher Weise werden Verbindungen wie Br2, HBr, H 2 S0 4 u.a. unter Ringöffnung addiert. Br, -> Br—H2C—CH2—CH2—Br H2

HBr

H 2 SO

H—C H 2—C H ~C H 2—B r

">

O II H—C H 2—C H 2—C H 2—0—!jj—0 H 0

Cyclopropan verhält sich demnach ähnlich wie ein ungesättigter Kohlenwasserstoff, obwohl es keine Doppelbildung besitzt. Aufgabe Welches ist das Hauptprodukt bei der Chlorierung von Methylcyclohexan in Gegenwart von Licht?

2 Spirocyclische und polycyclische Alkane Besteht ein Kohlenwasserstoff aus mehreren Ringen, die mindestens 1 C-Atom gemeinsam haben, so liegt ein spirocyclischer (ein gemeinsames C-Atom) oder polycyclischer Kohlenwasserstoff (mehrere gemeinsame C-Atome) vor.

2 Spirocyclische und polycyclische Alkane

255

Die einfachste spirocyclische Verbindung ist das Spiro[2.2]pentan. H

1x1 2

H.

H

Spiro[2.2]pentan. Das C-Atom 3 gehört beiden Ringen an.

Zur Benennung von Spiroverbindungen setzt man die Silbe Spiro- (lat. spira gleich Windung) vor den Namen desjenigen Alkans, das die gleiche Zahl von Kohlenstoffatomen besitzt; die Zahlen in der Klammer geben die Anzahl der C-Atome in den Ringen an, wobei das quartäre C-Atom nicht gezählt wird. Spiropentane stellt man durch Addition von Carbenen an Allen her, z. B. : Cl CL

.Cl

2

^ Cl

C CI 1,1,4,4 -Tetrachlorspiro [2.2] pentan

Allen

Der einfachste 6/cyclische Kohlenwasserstoff ist Bicyclo[1.1.0]butan. H 1 «

o 3

Bicyclo[1.1.0]butan. Die C-Atome 1 und 3 gehören beiden Ringen an.

Bicyclo besagt, daß zwei C—C-Bindungen gesprengt werden müßten, um zu einer offenkettigen Verbindung zu gelangen. Tricyclo besagt, daß drei C—C-Bindungen gesprengt werden müßten. Die Zahlen in der Klammer geben die Anzahl der C-Atome an, die zwischen denjenigen beiden C-Atomen liegen, die zu allen Ringen gehören: 0 (sprich null) bedeutet demnach, daß kein C-Atom sondern eine direkte Bindung zwischen diesen beiden C-Atomen vorhanden ist. Bicyclo[1.1.0]butan gewinnt man wie folgt: Br +

Cl

2 Na

+

NaBr

Bicylo[1.1.0]butan, 90% Ausbeute

+

NaCI

256

X Cycloalkane

Von den polycyclischen Alkanen sollen zunächst drei genannt werden, die durch ihre Symmetrie beeindrucken: Tetrahedran, eine tricyclische Verbindung, Prisman, eine tetracyclische Verbindung, Cuban, eine pentacyclische Verbindung, und Dodecahedran, eine oligocyclische Verbindung.

Tetrahedran, C 4 H 4 (noch unbekannt)

Prisman, C 6 H 6

@

Cuban, C 8 H 8 Schmp. 130°C

Dodecahedran, Schmp. 430°C

Die Verbindungen sind teils in unsubstituierter Form, teils mit Substituenten versehen, dargestellt worden. Die Synthese eines substituierten Tetrahedrans gelang auf folgende Weise: h-v

h-v -CO T e t ra - tert- butyltetrahedran, Schmp. 1 3 5 ° C

Viele polycyclische Kohlenwasserstoffe enthalten sesselförmige Cyclohexanringe. Decalin besteht aus zwei Cyclohexanringen, die entweder eis- oder /rans-verknüpft sein können. Beide entstehen bei der Hydrierung von Naphthalin. Die biologisch wichtigen Steroide sind aus drei Cyclohexanringen und einem Cyclopentanring zusammengesetzt. H

A n d r o s t a n , d a s G r u n d g e r ü s t vieler S t e r o i d e

2 Spirocyclische und polycyclische Alkane

257

Diamant, neben Graphit die zweite Modifikation des Kohlenstoffs, besteht aus unendlich vielen Cyclohexanringen, die alle die Sesselkonformation einnehmen.

Wegen der Starrheit polycyclischer Kohlenwasserstoffe trifft man dort auch auf Anordnungen, die bei monocyclischen Kohlenwasserstoffen unbeständig sind: im Falle von Cyclohexanringen auf Wannen oder verdrillte Wannen. Während Adamantan nur aus Cyclohexanringen in der Sesselform besteht, trifft man bei Norbornan bereits eine Wanne und bei Twistan gar 5 verdrillte Wannen an.

oo Sessel

Adamantan (4 Sessel)

Wanne

Norbornan (eine W a n n e )

verdrillte Wanne

Twistan ( 5 verdrillte W a n n e n )

Adamantan stellt einen Ausschnitt aus dem Diamantgitter dar. Es ist unter allen denkbaren Kohlenwasserstoffen der Summenformel C 1 0 H 1 6 die thermodynamisch beständigste Verbindung. Die Verbindung entsteht, indem man einen beliebigen Kohlenwasserstoff obiger Zusammensetzung mit Aluminiumchlorid erhitzt. Die Lewis-Säure bewirkt eine Vielzahl von Umlagerungen, aus denen schließlich Ada-

258

X Cycloalkane

mantan hervorgeht. Das nebenstehende Formelschema zeigt die durch A1C13 verursachte Umwandlung von Tetrahydro-dicyclopentadien in Adamantan.

Dicyclopentadien, C 1 0 H 1 2 (entsteht aus 2 mol Cyclopentadien)

Tetrahydro-dicyclopentadien, C 10 H., I a I C I 3 , 150°

Adamantan, C 1 0 H 1 6 , 1 5 % Ausbeute

Aufgaben 1) Welchen systematischen Namen besitzt Norbornan? 2) Weshalb ist Cuban eine joentacyclische Verbindung? 3) Auf der Basis von Sesselkonformeren zeichne man alle möglichen Konformeren von Cyclohexylcyclohexan. 4) Das 1 3 C—NMR-Spektrum von Chlorcyclohexan zeigt bei - 8 0 ° C 8 Signale (s. Abb. im Text), bei Raumtemperatur aber nur 4 Signale. Man erkläre.

Kapitel XI Benzoide Aromaten

1 Einleitung Bisher haben wir zwei Typen ungesättigter Kohlenwasserstoffe kennengelernt, die Alkene und die Alkine. Wir wollen uns nun solchen ungesättigten Kohlenwasserstoffen zuwenden, die drei Doppelbindungen in einem Sechsring aufweisen. Diese Kohlenwasserstoffe zeichnen sich durch ungewöhnliche Eigenschaften aus. Denkt man sich Cyclohexan stufenweise dehydriert, so gelangt man über Cyclohexen und Cyclohexadien zu Benzol.

Cyclohexen

Benzol

1,3-Cyclohexadien

Benzol enthält 3 Doppelbindungen und sollte deshalb eine ähnliche Reaktionsfreudigkeit zeigen, wie sie Cyclohexen oder 1,3-Cyclohexadien zu eigen ist. Genau das Gegenteil ist der Fall. Während Cyclohexen und 1,3-Cyclohexadien rasch Brom addieren, setzt sich Benzol damit überhaupt nicht um. Erst in Gegenwart eines Katalysators wie FeBr 3 tritt eine Reaktion ein. Jedoch addiert sich hierbei Brom nicht an eine Doppelbindung des Benzols, sondern substituiert ein Wasserstoffatom. Br Addition

Br

Br

Addition

Br

+

HBr

Substitution

260

XI Benzoide Aromaten

Substitution statt Addition ist eine typische Eigenschaft von Benzol und Verbindungen mit einem Benzolring.

2 Übersicht und Nomenklatur Unter benzoiden Aromaten versteht man Verbindungen, die einen oder mehrere Benzolkerne enthalten. Sind mehrere Benzolkerne vorhanden, können diese über eine Einfachbindung verknüpft oder aber anneliiert sein, d. h. eine gemeinsame Seite aufweisen.

Benzol

Diphenyl (Benzolkerne über eine Einfachbindung verknüpft)

Naphthalin (Benzolkerne annelliert)

Es sei schon hier darauf hingewiesen, daß es außer den benzoiden Aromaten auch nichtbenzoide Aromaten gibt. Diese werden im nächsten Kapitel behandelt. Die folgenden Formeln geben typische Vertreter benzoider Aromaten wieder. Die Benennung erfolgt meistens mit Trivialnamen.

4

Benzol

CH 3

Phenyl (nicht Benzyl!) CH 3

CH 3

CH 3

CH 3

CH 3 Toluol (Methylbenzol)

Benzyl

o-Xylol (1,2-Dimethylbenzol)

m-Xylol (1,3-Dimethylbenzol)

p-Xylol (1,4-Dimethylbenzol)

1,2-ständige Anordnungen werden auch mit der Abkürzung o (von ortho), 1,3-ständige mit m (meta) und 1,4-ständige mit p (para) gekennzeichnet.

2 Übersicht und Nomenklatur

261

Durch Aneinanderreihung mehrerer Sechsringe gelangt man zu mehrkernigen aromatische Verbindungen. Die C-Atome werden mit Zahlen, die Bindungen mit Buchstaben bezeichnet.

Naphthalin, Schmp. 80°C

Phenanthren, Schmp. 101 °C

Anthracen, Schmp. 216°C

Chrysen, Schmp. 255°C

Naphthacen, Schmp. 335°C

Triphenylen Schmp. 195°C

Bei der Benennung substituierter Aromaten verfährt man wie bei aliphatischen Verbindungen : Man setzt die Reste in alphabetischer Reihenfolge mit möglichst kleinen Zahlen vor den Stamm.

Mehrkernige Aromaten denkt man sich aus einfacheren Aromaten zusammengesetzt. Ein angelagerter Benzolring wird mit Benzo-, ein angelagerter Naphthalinring mit Naphtho- usw. bezeichnet.

Dibenzo[c,g] phenanthren

262

XI Benzoide Aromaten

Durch Aneinanderreihung unendlich vieler Benzolkerne gelangt man schließlich zu einer Bienenwaben-ähnlichen Anordnung. Solche Anordnung findet man in einer Graphitschicht.

Ausschnitt aus einer Graphitschicht

Graphit setzt sich aus sehr vielen derartigen Schichten zusammen, die parallel zueinander angeordnet sind. Die Schichten werden nur durch schwache van-der-WaalsKräfte zusammengehalten und sind leicht gegeneinander verschiebbar. Wegen dieser leichten Verschiebbarkeit wird Graphit als (trockenes!) Schmiermittel und zur Herstellung von Bleistiften verwendet. Ersetzt man die dreiwertige CH-Gruppe durch dreiwertige Atome wie N, P, As, so gelangt man zu heterocyclischen Aromaten (griech. hetero, anders). 4

Benzol

Pyridin

Chinolin

Phosphabenzol

Arsabenzol

Isochinolin

Aufgaben 1) Man benenne folgende Verbindungen: Cl

CH

2) Aus welchem Grundbaustein besteht a) Graphit, b) Diamant?

3 Physikalische Eigenschaften

263

3 Physikalische Eigenschaften 3.1 Elektronenverteilung im Benzol Ähnlich wie beim Ethylen (Kap. I, Abschn. 5.1.2) gehen auch beim Benzol von jedem einzelnen C-Atom drei sp2-Bindungen (^-Bindungen) und eine pz-Bindung aus. Die c-Bindungen bilden einen Winkel von 120° und bestimmen damit die Geometrie des gesamten Benzolkerns: Benzol stellt ein regelmäßiges Sechseck dar. Senkrecht zu den drei sp2-Bindungen ist das p z -Orbital angeordnet.

a-Gerüst des Benzols mit 6 p 2 -0rbitalen

a-Gerüst des Benzols. Alle Winkel a betragen 120°.

Durch Überlappung der 6p z -Orbitale entstehen Molekülorbitale, die sich über alle CAtome erstrecken, näheres s. Kap. I. Die Bindung im Benzol läßt sich auch durch die beiden mesomeren Grenzformen Ia und Ib beschreiben, wodurch zum Ausdruck gebracht werden soll, daß sich die 3 Doppelbindungen gleichmäßig auf alle 6 Kohlenstoff-Kohlenstoffbindungen erstrecken.

0 - 0 - 0 la

Ib

II

Beschreibung des Bindungszustandes von Benzol durch die beiden mesomeren Grenzformen la und I b oder durch II.

Es sei betont, daß der tatsächliche Zustand weder durch die mesomere Grenzform Ia noch durch Ib, sondern allein durch eine Überlagerung beider Grenzformen wie etwa durch II ausgedrückt werden muß. Das gleiche gilt für substituierte Benzole. o-Xylol wird weder durch die mesomere Grenzform lila (Doppelbindung zwischen den beiden CH 3 -Gruppen) noch durch die mesomere Grenzform Illb (Einfachbindung zwischen den beiden CH 3 -Gruppen), sondern allein durch die Überlagerung von lila und Illb oder aber durch IV richtig beschrieben.

264

XI Benzoide Aromaten

CO • oc

CH3

CH3

CH3

VC Hu 3

v

lila

v

III b

ch

3

IV

mesomere Grenzformen des o-Xylols

3.2

Bindungsabstände

Bindungsabstände in Kristallen bestimmt man aus der Röntgen- oder NeutronenStrahlbeugung, solche in Flüssigkeiten aus der Elektronenstrahlbeugung. Die folgende Tabelle enthält einige der auf diese Weise ermittelten Abstände pm). c—c

C=C

C=C

C—F

C—CI

C—Br

C—J

C—H

154

134

120

139

178

194

215

109

139

139

Benzol

140

142

135

140

Naphthalin

Man erkennt, daß eine Bindung umso kürzer ist, je mehr Elektronen daran beteiligt sind. So sinkt der Wert von 154 pm für Ethan über 134 pm für Ethen auf 120 pm für Ethin. Im Benzol sind alle Bindungen gleich lang; mit 139 pm liegt die Bindungslänge zwischen der einer Einfach- und einer Doppelbindung. Auch im Naphthalingerüst beobachtet man eine Angleichung der Längen von Einfach- und Doppelbindung, allerdings nicht bis zu völligen Gleichheit.

3.3

Delokalisierungsenergie

Die Delokalisierung der p 2 -Orbitale über alle 6 C-Atome führt zu einer bemerkenswerten Stabilisierung, bei der 151 kJ/mol als Delokalisierungsenergie oder Resonanzenergie frei werden. Um diesen Energiebetrag unterscheiden sich Benzol und hypothetisches Cyclohexatrien. Das folgende Gedankenexperiment soll diese energetische Beziehung wiedergeben. Ein Gedankenexperiment ist es insofern, als es kein Cyclohexatrien, sondern eben nur Benzol gibt.

A H = - 1 5 1 kJ/mol Cyclohexatrien (hypothetisch I)

Benzol

3 Physikalische Eigenschaften

265

Wie gelangt man zu dem Wert von 151 kJ/mol? Dazu vergleicht man die Hydrierungswärmen des Cyclohexens und Benzols. +

H,

A H = - 1 2 0 kJ/mol

Cyclohexen

Cyclohexan

+ 3H,

A H = - 2 0 9 kJ/mol

Benzol

Cyclohexan

Die Differenz 3 • 120 — 209 = 151 (kJ/mol) ergibt direkt die Delokalisierungsenergie des Benzols. Aufgabe Wird die Bindung in o-Dichlorbenzol durch I oder II richtig wiedergegeben?

3.4

Kernresonanzspektren

Die Signale aromatischer Protonen erscheinen bei größeren ¿-Werten als die olefinischer Protonen. Ursache dafür ist der Ringstromeffekt (s. nächstes Kapitel). ^olefinische Protonen*

®

^ a r o m a t i s c h e Protonen' ®

®

Den Unterschied entnimmt man anschaulich nebenstehendem Spektrum, das von 2-Phenylpropen stammt, einer Verbindung, die aromatische, olefinische und aliphatische Protonen gleichzeitig enthält. aliph.

6,0

Abbildung

4.0

30

Protonen-Kernresonanzspektrum von 2-Phenylpropen

1J0

=k 06(

266

XI Benzoide Aromaten

4 Physiologische Eigenschaften: Carcinogenität Einige mehrkernige aromatische Kohlenwasserstoffe besitzen gefahrliche Eigenschaften: Sie wirken krebserregend (carcinogen). Meistens handelt es sich um Verbindungen mit dem Benz [a]anthracengerüst:

Benz[a]anthracen, carcinogen

Pyren, carcinogen

Methylcholanthren, sehr carcinogen

Benzo[a]pyren, carcinogen

Bestreicht man die Haut einer Maus mehrmals mit einer Lösung von Methylcholanthren in Benzol, so entsteht nach einiger Zeit Hautkrebs. Angehörige bestimmter Berufe, die Steinkohlenteerprodukten ausgesetzt sind, werden eher von Hautkrebs befallen als andere. Tabakraucher erkranken eher an Lungenkrebs als andere. Die Carcinogenität bestimmter Aromaten wird darauf zurückgeführt, daß sie im Organismus zu reaktiven Epoxiden oxidiert werden, die mit den Aminogruppen der Desoxyribonucleinsäure („DNA-NH 2 ") reagieren und damit das Erbmaterial verändern. Folgender Ablauf wird angenommen:

5 Gewinnung aromatischer Verbindungen

267

Benzo[a]pyren Enzyme

DNA—NH,

HO-, HO-

HO'

mehrkerniger Aromat, verknüpft mit D N A

5 Gewinnung aromatischer Verbindungen Aus Erdöl. Erdöl besteht hauptsächlich aus aliphatischen Verbindungen; der Anteil aromatischer Verbindungen ist in der Regel klein. Dennoch gewinnt man größere Mengen an aromatischen Verbindungen aus Erdöl. Dazu leitet man aliphatische Verbindungen bei 500-600° über einen Platinkontakt, wobei Dehydrierungen stattfinden. Hexan liefert dabei Benzol, Heptan, Toluol usw. Das Verfahren trägt den Namen Reformierungsverfahren. Aus Steinkohlenteer. Erhitzt man Kohle unter Ausschluß von Luft in geschlossenen Gefäßen, so zersetzt sie sich in feste, flüssige und gasförmige Produkte. 1000°

Steinkohle

> Koks + Teer + Ammoniakwasser + Leuchtgas 80% 5% 5% 10%

Koks dient hauptsächlich zur Reduktion von Erzen. Leuchtgas besitzt die Zusammensetzung: 50% H 2 , 30% CH 4 , 7% CO, 5% N r Es dient u.a. für Heizzwecke. Aus Ammoniakwasser gewinnt man Ammoniak. Der Steinkohlenteer besteht aus mehreren tausend aromatischen Verbindungen. Es handelt sich um aromatische Kohlenwasserstoffe, Stickstoff-haltige Basen und Phenole. Die Auftrennung erfolgt hauptsächlich durch fraktionierte Destillation oder Kristallisation. Dadurch hat man einige hundert Verbindungen isoliert. Fast alle Verbindungen, die zu Anfang im Abschnitt „Übersicht und Nomenklatur" aufgeführt sind, lassen sich aus Teer gewinnen. In großer Menge isoliert man Naphthalin, Anthracen, Phenol und

268

XI Benzoide Aromaten

Homologe, Pyridin und Homologe, Chinolin und Pyren. Außerdem gewinnt man daraus Cyclopentadien. OH

f \ ^ ^ Phenol

Pyridin

N"

Chinolin

Cyclopentadien

Aufgabestammt der Wasserstoff bei der Verkokung? Woher

6 Einteilung der Reaktionen aromatischer Verbindungen Man kennt hauptsächlich 4 Arten von Reaktionen an aromatischen Verbindungen, die elektrophile Substitution, die nucleophile Substitution, die Addition und die Eliminierung.

+ X®



+ H

Elektrophile Substitution. H wird durch das elektrophile Reagenz X® substituiert.

Nucleophile Substitution. X wird durch das nucleophile Reagenz Y e substituiert. X + 3X,

H

H v ^ V H xT Tx X

H

Addition

+ Eliminierung

X—Y

7 Zum Ablauf elektrophiler Substitutionen

269

Die weitaus wichtigste Reaktion ist die elektrophile Substitution, die - ebenso wie die Addition - in diesem Kapitel beschrieben wird. Die nucleophile Substitution und die Eliminierungsreaktion werden im Kap. 14 behandelt.

7 Zum Ablauf elektrophiler Substitutionen Elektrophile Verbindungen substituieren den Wasserstoff des Benzolkerns nach folgendem Schema:

n- Komplex 1

er-Zwischenstufe (eine von drei mesomeren Grenzformen)

n-Komplex 2

Hierbei werden drei Zwischenstufen durchlaufen. Zunächst bildet sich zwischen dem elektrophilen Reagenz E® und den 7i-Bindungen des Benzols der ir-Komplex 1. In diesem it-Komplex ist der aromatische Zustand noch vorhanden. Der Komplex wandelt sich in eine a-Zwischenstufe um. a soll besagen, daß eine kovalente Bindung geknüpft ist. In der a-Zwischenstufe ist der aromatische Zustand aufgehoben. Die aZwischenstufe geht in den rc-Komplex 2 über, jetzt mit einem Proton als Komplexpartner. Dieser 7t-Komplex gibt schließlich das Proton an eine Base ab. Die Lebensdauer der drei Zwischenstufen ist bei Raumtemperatur sehr klein. Deshalb gelingt ihre Isolierung bei dieser Temperatur nicht. Erniedrigt man dagegen die Temperatur, so lassen sich in einigen günstigen Fällen die Zwischenstufen isolieren. Das zeigt die folgende Reaktion, bei der NOz® als elektrophiles Reagenz dient.

Trifluormethylbenzol

a-Zwischenstufe. Fällt bei - 8 0 ° kristallin aus und geht oberhalb — 1 5 ° ins Endprodukt über.

m-Nitro-trifluormethylbenzol

Elektrophile Reaktionen verlaufen somit in vier Schritten. Welcher Reaktionsschritt der langsamste ist, hängt vom Elektrophil und vom Aromaten ab. In einigen Fällen

270

XI Benzoide Aromaten

ist die Bildung des 7t-Komplexes 1, in anderen Fällen die Bildung der ^-Zwischenstufe der langsamste Schritt. Dementsprechend sind zwei Typen von Energieprofilen zu unterscheiden, wie die beiden folgenden Abbildungen verdeutlichen. Der letzte Schritt, die Übernahme des Protons durch einen in der Lösung vorhandenen Protonenakzeptor :B erfolgt in der Regel rasch. Deshalb ist es für die Geschwindigkeit der Reaktion ohne Bedeutung, ob anstelle dieses Wasserstoffs das reaktionsträge Deuterium (oder gar Tritium) steht: Benzol C 6 H 6 und Hexadeuteriobenzol C 6 D 6 werden gleich schnell nitriert. Man beobachtet keinen kinetischen Isotopeneffekt. In bestimmten Fällen reagiert aber C 6 H 6 schneller als C 6 D 6 . Dazu gehören solche elektrophile Reaktionen, die merklich reversibel verlaufen (z. B. Sulfonierung). Hier kehrt ein Teil der cr-Zwischenstufe „unverrichteter Dinge" in die Ausgangsstoffe zurück, besonders leicht dann, wenn statt der C— H-Bindung die trägere C—D-Bindung gespalten wird (Ea C _ H < E a C _ D ; vgl. gestrichelte Kurve in der Abb.). Deshalb zeigen reversible Reaktionen häufig einen kinetischen Isotopeneffekt. Näheres zum kinetischen Isotopeneffekt findet der Leser im Kap. 13. Im folgenden wird bei der Formulierung elektrophiler Substitutionen auf die Wiedergabe der drei Zwischenstufen verzichtet und statt dessen nur die CT-Zwischenstufe angegeben.

Epot A

Reaktionskoordinate Abbildung Energieprofil einer aromatischen Substitution, bei der die B i l d u n g des 77-Komplexes 1 g e s c h w i n d i g k e i t s b e s t i m m e n d ist. E a ist die Aktivierungsenergie der Substitution. :B bedeutet Base. Dieses Energieprofil liegt z . B . der Nitrierung v o n Benzol mit NO® B F f zugrunde.

7 Zum Ablauf elektrophiler Substitutionen

271

Epot

fr

a.C-H

Reaktionskoordinate Abbildung Energieprofil einer aromatischen Substitution, bei der die Bildung der cr-Zwischenstufe geschwindigkeitsbestimmend ist. Dieses Energieprofil liegt z. B. der Bromierung von Benzol mit Brom in Essigsäure zugrunde. Zur gestrichelten Kurve siehe Text.

Aufgaben 1) Wie lauten die drei mesomeren Grenzformen einer a-Zwischenstufe? 2) Die Nitrierung von 2-Deuteriotoluol liefert (neben dem p-Isomeren) die beiden nebenstehenden o-Nitrotoluole in gleicher Menge. Dagegen führt die Sulfonierung zu einem Überschuß an Deuterium-haltiger Verbindung. Welche Reaktion zeigt einen kinetischen Isotopeneffekt?

272

XI Benzoide Aromaten

8 Elektrophile Substitution an Benzol 8.1

Nitrierung

Läßt man Nitroniumsalze, z.B. NOf B F j , auf Benzol einwirken, entsteht Nitrobenzol.

U U +

N® BF?

Nitroniumtetrafluoroborat

Nitrobenzol

Statt der Nitroniumsalze kann man auch die billigere Nitriersäure verwenden, ein Gemisch aus jeweils konzentrierter Salpeter- und Schwefelsäure. NO, HNO,

H2S04

H,0® + HSO®

Das elektrophile Reagenz ist auch hier ein Nitroniumsalz, welches sich aus der Nitriersäure in einer Gleichgewichtsreaktion bildet.

H I H—0—N02 ^

H20

+

® 0=N=0

Aufgabe NO® ist linear, R — N 0 2 trigonal angeordnet. Man erkläre die Geometrie mit Hilfe des Elektronenpaarabstoßungsmodells.

0=N=0

R—N X

Ö|®

8 Elektrophile Substitution an Benzol

273

8.2 Halogenierung Benzol reagiert mit Fluor bereits bei — 35° zu Fluorbenzol. Mit Chlor, Brom und Iod tritt dagegen keine Reaktion ein. Erst in Anwesenheit von Lewissäuren setzen sich Chlor und Brom mit Benzol um. Br

Brombenzol

Die Rolle der Lewissäure, meistens FeX 3 , besteht darin, das unpolare Halogen zu polarisieren. Hierbei erhält ein Bromatom eine S + -Ladung, wodurch es zu elektrophilen Reaktionen befähigt ist.

Entsteht nicht!

Bei der Reaktion bildet sich nur Brombenzol, kein Dibromcyclohexadien, da die

®s

Die Sulfonierung verläuft über folgende Zwischenstufen (ji-Komplexe sind nicht aufgeführt): H SO®

+

H—Bä

+

B

SO„H

Wie im Formelschema gezeigt, verläuft die Sulfonierung reversibel. Bei großem Überschuß an S 0 3 liegt das Gleichgewicht auf der Seite der Benzolsulfonsäure. Bei großem Überschuß an verdünnter Schwefelsäure/Wasser wird Benzolsulfonsäure in Benzol zurückverwandelt, da das gleichzeitig gebildete S 0 3 mit Wasser exotherm zu Schwefelsäure reagiert.

8 Elektrophile Substitution an Benzol Ar—SO3H

+

H20

— erhitzenmit

verd. H 2 S 0 4

>

Ar—H

+

275

H 2 S0 4

Aromatische Sulfonsäuren sind außer in Wasser auch in organischen Lösungsmitteln löslich. Durch Sulfonierung ist es damit möglich, wasserunlösliche Aromaten in wasserlösliche Produkte zu überführen. Auf diese Weise werden Farbstoffe, Pharmazeutica und andere Verbindungen mit einem Benzolkern wasserlöslich gemacht. Sulfonsäuren dienen u. a. zur Herstellung von Phenol. Dazu erhitzt man die Sulfonsäure mit festen NaOH auf ca. 300° („Alkalischmelze", Kap. XVII, Abschn. 5.2).

Natriumphenolat

Phenol

Aufgabe p-Toluolsulfonsäure wird oft als H®-Katalysator bei organisch-chemischen Reaktionen verwendet. Warum?

8.4 Friedel-Crafts-Reaktionen Carbenium-Ionen reagieren mit Benzol unter Substitution des Wasserstoffs.

+

H—X

Auch Verbindungen, die statt der positiven Ladung nur ein partiell positives C-Atom besitzen (z. B. in R—Br), reagieren nach obigem Schema. Voraussetzung ist allerdings die Anwesenheit einer Lewis-Säure (H®; A1C13), welche mit der Verbindung komplexiert und damit die Elektrophilie des betreffenden C-Atoms erhöht. Bildung der elektrophilen Verbindung: i+ 6 R—CH2—CI + A I C I 3

stark elektrophil

w e n i g elektrophil

+ AICI'3 w e n i g elektrophil

R—CH2—Cl . . . AICI'3

®

stark elektrophil

276

XI Benzoide Aromaten

A n g r i f f auf den Benzolkern:

H

I

H +

CH,R

CH,R +

R — C H — C l . . . AICI3

HCl +

AICI,

AICI® (7-Zwischenstufe

AICI®

AICI®

Isopropylbenzol

8 Elektrophile Substitution an Benzol

277

Hierbei wird zunächst das Alken protoniert, z. B.: CH2=CH—CH3

+

[H®]



CH3—CH—CH3 Isopropylkation

Die Protonierung verläuft im Sinne der Markownikoff-Regel, d.h. Propen wird zum Isopropyl-Kation und nicht zum Propyl-Kation (CH 3 —CH 2 —CH 2 ®) protoniert. Im darauffolgenden Schritt substituiert das Carbenium-Ion einen aromatischen Wasserstoff. x®\ H3c^ ^ch3 CH(CH3)2 CH +

CH3—CH—CH3

Ethylbenzol

Styrol

( CH CH2 )n Radikale

>

Polystyrol

278

XI Benzoide Aromaten

Alkylierung mit Carbonylverbindungen. Carbonylverbindungen, deren C = 0 - G r u p p e durch H®-Addition aktiviert ist, ^C=0|

+

[H®]

^C=0—H


^C—0—H

mesomere Grenzformen

reagieren ebenfalls mit aromatischen Verbindungen. So setzt sich Trichloracetaldehyd mit Chlorbenzol in Anwesenheit von Schwefelsäure zum bekannten Kontaktinsektizid D D T um.

+

/ / ° [H®] CCL—cf -—^ \ H Dichlor-aíiphenyl-írichlorethan (DDT)

Daneben tritt auch Substitution in 2- und 6-Stellung, nicht aber in 3- und 5-Stellung ein. Eine Erklärung wird im Abschnitt „Deutung der Orientierung" (s.u.) gegeben. D D T ist ein unspezifisches, aber höchst wirksames Insektenbekämpfungsmittel. Es tötet Mücken (auch solche, die Malaria, Fleckfieber und Schlafkrankheit übertragen), Fliegen, Wanzen, Läuse usw.. Diese Entdeckung machte Paul Müller (geb. 1889 in Olten/Schweiz, gest. 1965). Er erhielt dafür 1948 den Nobelpreis. Leider ist D D T sehr beständig. Man nimmt an, daß von den ca. \ l ¡ 2 Millionen Tonnen, die in den letzten 25 Jahren versprüht worden sind, noch ca. 1 Million Tonnen unverändert existieren - also biologisch nicht abgebaut worden sind. Es gelangt in Seen und Flüsse und stellt u. a. ein Fischgift dar. Mit Formaldehyd und Chlorwasserstoff erreicht man die Einführung einer Chlormethylgruppe —CH 2 —Cl. Die Reaktion heißt nach dem Entdecker Blancsche Chlormethylierung und dient zur Synthese von Verbindungen vom Typ Benzylchlorid. Cl +

H20

Benzylc

Zunächst wird Chlorwasserstoff durch ZnCl 2 in eine starke Säure überführt, die anschließend Formaldehyd protoniert. Die weiteren Schritte gehen aus dem Reaktionsschema hervor. 2 H 2 C=Ö T

+

w e n i g elektrophil

2 HCl

+

ZnCI2



2H2C—Ö—H t "

+

ausreichend elektrophil

ZnClf 3

8 Elektrophile Substitution an Benzol

279

+ HCI -H®

-

H,0

Alkylierung mit Halogenalkanen. Die Reaktion verläuft nach folgendem Schema: HR

R + HCl + AICL

AlClf

+ R—Cl + AICI3

Als Katalysatoren verwendet man folgende Lewis-Säuren (geordnet nach abnehmender Wirksamkeit): AICI3 > SbCI5 > FeCI3 > SnCI4 > TiCI4 > ZnCI2 Meistens wählt man Aluminiumchlorid. Auch diese Reaktion verläuft in mehreren Schritten. Zunächst dissoziiert das dimere Aluminiumchlorid. Cl I

Cl .Cl. Cl ^Ai; ;AI: Cl Cl" \ Cl

!

Cl

Cl

Das monomere A1C13 besitzt wie BF 3 eine Elektronenlücke, die durch Koordination mit dem Chlor des Alkylhalogenids geschlossen wird. Hierbei wird die C—Cl-Bindung zusätzlich polarisiert, im Falle tertiärer Halogenide sogar ionisiert (warum gerade hier?). CH3—CH2—Cl

+

AICL

(CH3)3 C — Cl

+ AICI3

CH3—CH,— Cl • (CH3)3c®

:

AICL

AICH

Der aktivierte Kohlenstoff vermag nunmehr den Benzolkern elektrophil anzugreifen. AICI?^ CH H CH, + CH3—CH2— Cl •• • AICI3

+ HCl + AICL

280

XI Benzoide Aromaten

Friedel-Crafts-Alkylierungen sind aus zwei Gründen von meist nur begrenztem synthetischen Wert. Erstens: Es tritt neben Monosubstitution auch Mehrfachsubstitution ein. Zweitens: Es treten Isomerisierungen der Seitenkette auf.

R MonoDiSubstitution

40 n-Propylbenzol

60 Isopropylbenzol

So liefert n-Propylchlorid neben dem erwarteten n-Propylbenzol auch das unerwartete Isopropylbenzol. Die Isomerisierung des Propylrestes erfolgt vor der eigentlichen Reaktion: H

H

I I

H3C-£L—Ç—CI

• AlCU

H )H

H3C—C—CH3

H 3 C — C H — CH 3

Cl CI—AICI® AICI 3

Propylchlorid + AICI 3

sekundäres Carbenium-Ion

Isopropylchlorid

-I- AICI3

Hierbei wandert ein Hydrid-Ion H e . Treibende Kraft der Isomerisierung ist die Bildung eines sekundären Carbenium-Ions. Aufgaben 1) Als Katalysatoren bei der Alkylierung von Benzol mit Alkenen verwendet man Säuren H—X, deren Anion X e nur schwach nucleophil ist (H 3 P0 4 , H 2 S 0 4 , H F / BF 3 ). Warum? 2) Man formuliere die Reaktion zwischen 2-Methyl-2-buten und Benzol in Gegenwart von H 3 P 0 4 .

8 Elektrophile Substitution an Benzol

281

3) Weshalb verläuft die Dehydrierung von Ethylbenzol zu Styrol erst bei hoher Temperatur? 4) Bei der Hydroborierung ist nur das Monomere des Diborans B 2 H 6 und bei der Friedel-Crafts-Reaktion nur das Monomere von AljCl^ wirksam. Warum? 5) Handelt es sich bei der vorstehend beschriebenen Hydridwanderung um eine Tautomerie? 6) Man formuliere die Friedel-Crafts-Reaktion zwischen Benzol und a) n-Butylchlorid, b) im-Butylchlorid. 7) Man erkläre den Reaktionsablauf folgender Reaktion: CH3

CH 3

8) Über welche Zwischenstufe verläuft die DDT-Synthese?

8.4.2 Friedel-Crafts-Acylierung Carbonsäurechloride und Carbonsäureanhydride setzen sich in Gegenwart von Aluminiumchlorid mit aromatischen Verbindungen zu Ketonen um. R

c=o + Carbonsäurechlorid

0 II

HCl

Alkylphenylketon

I

C=0

0

,C—R

C—R II 0 offenes Carbonsäureanhydrid

\

OH

282

XI Benzoide Aromaten

Cyclische Carbonsäureanhydride vom Typ Bernsteinsäureanhydrid reagieren analog. Dabei entstehen Ketone mit einer Carboxylgruppe.

CH.

AICI.

\

COOH

/?-Benzoyl-propionsäure

cyclisches Carbonsäureanhydrid (Bernsteinsäureanhydrid)

O In allen Fällen tritt eine Acylgruppe (R—C— = Acyl) an den aromatischen Ring. Deshalb nennt man die Reaktion FnedeX-Cr&ils-Acylierung. Eine Zweitsubstitution bleibt aus, da der Erstsubstituent den Benzolring desaktiviert (s. Abschn. 9). Der erste Schritt besteht in der Bildung eines Acylium-Ions. AICI3

0

R—C=0

AICI3

->

Säurechlorid

R—C=Ö

+

0 II ^

AICI3Xe

Acylium-Ion (X = Cl; Carboxylat)

Ó ) 11^

R—C—0—C—R Säureanhydrid

Im zweiten Schritt substituiert das Acylium-Ion ein aromatisches Proton, z.B.:

+

R—C=0 AICI®

Bei der ¥nedc\-Crdks-Alkylierung benötigt man nur katalytische Mengen von Aluminiumchlorid, bei der Acylierung dagegen größere Mengen, da die gebildeten Ketone und Carbonsäuren mit Aluminiumchlorid Komplexe bilden.

R—C

S X

, 0 • • • AICI, 3

OH

Koordination zwischen AICI 3 (Lewis-Säure) und der Carbonylgruppe (Lewis-Base)

8 Elektrophile Substitution an Benzol

283

Die Acylierung mit einem mol Carbonsäurechlorid erfordert etwa 1,1 mol A1C13 und die mit einem mol Carbonsäureanhydrid etwa 2,1 mol A1C13 (s. Aufgabe). Friedel-Crafts-Acylierungen sind aus zwei Gründen von präparativem Interesse. Einmal lassen sich auf diese Weise eine Vielzahl von aromatischen Ketonen (Ar-COAlkyl) herstellen, zum anderen kann man diese Ketone mit Zink in Salzsäure (Clemmensen-Reduktion, Kap. XIX) in Alkylbenzole überführen. Man umgeht so die direkte Alkylierung, die ja durch Mehrfachsubstitution und Umlagerung beeinträchtigt ist.

Es entsteht nur ein Produkt.

Die Bedeutung der Reaktion mit cyclischen Carbonsäureanhydriden liegt darin, daß man die entstehenden Ketocarbonsäuren zu Carbonsäuren reduzieren und letztere mit konzentrierter Schwefelsäure zu Ketonen cyclisieren kann (Mechanismus s. Aufgabe). O Zn/HCI ,

H,0 (konz. H 2 S 0 4

HO

0

HO

0 af-Tetralon

O II Verwendet man statt der Carbonsäurederivate der Konstitution R—C—X solche der Konstitution H—CO—X (d. h. Derivate der Ameisensäure H—CO—OH), so erhält

284

XI Benzoide Aromaten

man nicht Ketone sondern Aldehyde. Geeignete Ameisensäurederivate sind:

„ -


(H 3 C) 3 C—0H 2

(H 3 C) 3 C—OH

Zunächst dissoziieren unter den /m-Butylbromid-Molekülen diejenigen mit ausreichender Energie in Bromid-Ionen und fer/-Butylkationen. Dieser Dissoziationsvorgang verläuft langsam und stellt den „Engpaß" der Reaktion dar. Er wird erst dadurch ermöglicht, daß polare Lösungsmittelmoleküle die auftretende positive und negative Ladung durch sogenannte Ion-Dipol-Wechselwirkung stabilisieren.

©

©

I © © — ©

( + )

© i ©

I ©

© — ©

© — ©

(£)

© — ©

© i ©

Stabilisierung eines Ions durch Lösungsmittelmoleküle ( © — S

Fehlt diese Stabilisierung wie etwa in der Gasphase, so ist auch die ionische Dissoziation erschwert. Die Carbenium-Ionen reagieren anschließend in einer schnell verlaufenden Reaktion mit Hydroxid-Ionen oder mit den im Überschuß vorhandenen Lösungsmittel-Molekülen zum Endprodukt, dem ierz-Butylalkohol. Das folgende Energieprofil gibt den Ablauf einer S N 1-Reaktion wieder. Die S N l-Reaktion ist durch einen geschwindigkeitsbestimmenden Schritt charakterisiert, an dem nur ein Molekül beteiligt ist. Auch bezüglich der Zwischenstufe existiert ein grundsätzlicher Unterschied zur S N 2-Reaktion. Die S N l-Reaktion verläuft über eine Zwischenstufe, bei der S N 2-Reaktion tritt keine Zwischenstufe auf.

336

XIII Nucleophile Substitutionen

C(CH3)3+eOH

Br

Br

+(CH3)3C

OH

B r — C ( C H 3 ) 3 + eOH

B r e + (CH 3 ) 3 COH

Reaktionskoordinate Abbildung

Energieprofil einer S N 1-Reaktion. Zur Bezeichnung a - d siehe Aufgabe im fol-

genden Abschnitt

4.2.1 Stereochemie der S N 1-Reaktion. Racemisierung Der Angriff des Nucleophils (z. B. H 2 0 ) auf das freie Carbenium-Ion erfolgt von beiden Seiten mit gleicher Wahrscheinlichkeit. Geht man von einem tertiären Alkylhalogenid definierter Konfiguration aus (R oder S), erhält man zu gleichen Teilen Rund S1-Alkohol. Man nennt diese unspezifische Reaktionsweise Racemisierung.

r: T

v

R'.Vi

C—Br

R:

Bre

R-

9 R

C—OH

Retention

50% + H2O -H®

R' C—OH

Inversion

50%

Analog liefert das cyclische Bromid A die beiden diastereomeren Alkohole II und III, die sich voneinander dadurch unterscheiden, daß einmal die OH-Gruppe eis-, einmal ira/u-ständig zum Bezugspunkt 3-CH 3 angeordnet ist.

4 Zum Ablauf nucleophiler Substitutionen

337

OH und 3-CH3 frans-ständig

Manchmal beobachtet man, daß eine C—X-Bindung nur bis zur Stufe des Ionenpaares und nicht zu voneinander unabhängigen Ionen dissoziiert. In diesem Falle blockiert die Austrittsgruppe diejenige Seite, an der sie entstand. Das nucleophile Reagenz greift jetzt bevorzugt die andere Seite des Carbenium-Ions an. Die Folge ist eine Inversion, obwohl die Reaktion über Carbenium-Ionen verläuft. X©

Carbenium-Ion und Austrittsgruppe X® bilden ein lonenpaar. Angriff des Nucleophils Y e erfolgt bevorzugt von der Unterseite, da die Oberseite von X® blockiert ist.

Aufgaben 1) Wenn man 2-Iod-3-methylbutan in H 2 0-haltigem Aceton erwärmt, entsteht ein Alkohol. Welcher? 2) Die Reaktion (C6H5)3C—Br

+

CH3—0®Na®



(C6H5)3C—0CH3

+

NaBr

verläuft mit einer Geschwindigkeit, die unabhängig von der Konzentration an Natriummethylat ist. Man gebe den Mechanismus und die Geschwindigkeitsgleichung an.

338

XIII Nucleophile Substitutionen

3) Es ist die Bedeutung der Energiegrößen a + b, b, a, d, d + a + c, a + c und c, eingezeichnet in das Energieprofil der S N 1-Reaktion (siehe Abbildung in Abschn. 4.2) anzugeben. 4) Was bedeuten Retention, Inversion und Racemisierung?

5 Einfluß gesättigter Alkylreste auf den Ablauf der Substitution Wie vorstehend dargelegt, wird Methylbromid nach dem bimolekularen und tertButylbromid nach dem monomolekularen Mechanismus substituiert. Wie verhalten sich andere gesättigte Alkylverbindungen? Reaktionskinetische Untersuchungen haben gezeigt, daß in der Reihe H

I

CH3

I

H—C—X

H—C—X

H

H

I

I

CH,

I

H—C—X

I

CH3

I

H3C—C—X

CH3

I

CH3

die Geschwindigkeit der Substitution nach dem bimolekularen Mechanismus von links nach rechts abnimmt und die Geschwindigkeit der Substitution nach dem monomolekularen Mechanismus von links nach rechts zunimmt. Die Abnahme der Substitutionsgeschwindigkeit nach dem bimolekularen Mechanismus von links nach rechts wird hauptsächlich auf zunehmende sterische Hinderung zurückgeführt: Je mehr Alkylreste an das Kohlenstoffatom mit der Gruppe X gebunden sind, desto langsamer verläuft die Substitution nach S N 2.

Bimolekulare Verdrängung erfolgt schnell.

Bimolekulare Verdrängung erfolgt w e g e n sterischer Hinderung sehr langsam.

Bei Verbindungen mit einem tertiären C-Atom ist diese Hinderung bereits so groß, daß eine Substitution nach dem bimolekularen Mechanismus kaum noch erfolgt. Die Zunahme der Substitutionsgeschwindigkeit nach dem monomolekularen Mechanismus von links nach rechts beruht dagegen hauptsächlich auf einem elektronischen

5 Einfluß gesättigter Alkylreste auf den Ablauf der Substitution

339

Effekt. Die Ionisierung einer C—X-Bindung (X = Halogen, — O — S 0 2 — R u.a.) in ein Carbenium-Ion und in X® erfolgt nämlich umso leichter, je stärker die im Übergangszustand gebildete partielle positive Ladung stabilisiert werden kann. Wie im Kap. 5, Abschn. 5.3.3.1 ausgeführt, wird ein Carbenium-Ion umso besser stabilisiert, je mehr Alkylgruppen daran gebunden sind. H H \® /

CH3—CH2—X

C

+



Ionisierung erschwert

+

Xe

Ionisierung erleichtert

CH 3

H

(CH3)3C—X

3

C

V

e

/

C

H

3

C CH,

Somit ist verständlich, daß Verbindungen von Typ ( C H 3 ) 3 C — X rasch nach dem monomolekularen Mechanismus substituiert werden. Wir fassen zusammen: Substitutionen am primären Kohlenstoffatom (einschließlich C H 3 — X ) verlaufen fast immer nach dem bimolekularen Mechanismus und außerdem schnell, Substitutionen am tertiären Kohlenstoffatom verlaufen nach dem monomolekularen Mechanismus und ebenfalls schnell. Substitutionen am sekundären Kohlenstoffatom erfolgen nach beiden Mechanismen (siehe Aufgabe), jedoch langsam, da die Voraussetzungen für den einen oder anderen Ablauf nur ungenügend erfüllt sind. Die folgende Abbildung zeigt den quantitativen Zusammenhang zwischen Struktur und Reaktionsgeschwindigkeit.

log k

H3C

H

3

C-ch

2

HC(CH3)2

C(CH3)3

Abbildung Beziehung zwischen der Geschwindigkeitskonstanten k und der Struktur des Alkylrestes bei der Reaktion Y e + Alkyl—X Y—Alkyl + Xe. Die logarithmische Skala wurde gewählt, da sich die Geschwindigkeitskonstanten k um mehrere Zehnerpotenzen ( I ) unterscheiden. (Aus: C.K. Ingold, „Structure and Mechanism in Organic Chemistry", Cornell University Press, 1969. Copyright)

340

XIII Nucleophile Substitutionen

6 Einfluß von Benzyl- und Allylresten auf den Ablauf der Substitution Trägt das Kohlenstoffatom, an dem die Substitution erfolgt, eine Phenylgruppe wie in Benzylverbindungen oder eine Vinylgruppe wie in Allylverbindungen, so erfolgt die

Benzylbromid

Allylbromid

Substitution ebenfalls rasch. Anders ausgedrückt: Verbindungen vom Typ Benzylbromid oder Allylbromid sind sehr reaktionsfähig. Ob dabei der monomolekulare oder der bimolekulare Mechanismus durchlaufen wird, hängt vom nucleophilen Reagenz, von der Austrittsgruppe und vom Lösungsmittel ab. Die für den monomolekularen Substitutionsvorgang erforderliche Dissoziation wird dadurch gefördert, daß die entstehende positive Ladung delokalisiert werden kann.

Benzyl-Kation, durch Delokalisierung stabilisiert

CH2=CH—CH2—Br

CH2=CH—CHf

B

CH,—CH=CH,

Br®

Allyl-Kation, durch Delokalisierung stabilisiert

Besonders leicht ionisiert Triphenylmethylchlorid. Löst man diese farblose Verbindung in ebenfalls farblosem flüssigem Schwefeldioxid, so erhält man eine gelbe Lösung, deren Farbe von (C 6 H 5 ) 3 C®-Kationen herrührt. Die Carbenium-Ionen darin liegen teilweise als Ionenpaare vor (die den elektrischen Strom nicht leiten) und teilweise als freie Ionen (die den elektrischen Strom leiten).

6 Einfluß von Benzyl- und Allylresten auf den Ablauf der Substitution (C6H5)3C-CI

t

fluss

-

S0

',

(C6H5)3C®CI®

&

lonenpaar, nicht leitend

(C6H5)3C®

341

+ Cl®

freie Ionen, leitend

Auch der bimolekulare Substitutionsvorgang verläuft bei Benzyl- und Allylverbindungen oft rascher als bei Alkylverbindungen. Verantwortlich dafür ist u. a. die Delokalisierung der im Übergangszustand auftretenden partiellen Ladung durch den Phenylkern. Aufgaben 1) Man gebe vom Benzylkation alle mesomeren Grenzformen an. 2) Die Reaktion zwischen Isopropylbromid und Natriumhydroxid gemäß (CH3)2CHBr

+

OH®



(CH3)2CH0H

+ Br®

verläuft nach der Geschwindigkeitsgleichung d[(CH,),CHOH] dt

[(CH3)2CHBr][0H®]

+

k2 • [(CH3)2CHBr].

Welcher Mechanismus liegt vor? 3) a-Halogenether und a-Halogenthioether besitzen ein leicht substituierbares Halogenatom. Warum? H,C—0—CH2 I Cl

H33C—S—CH,2 I Cl

Chlormethyl-methylether

Chlormethyl-methylthioether

4) Azid-Ionen N® gehören zu den stärksten Nucleophilen. So wird Brom in Methylbromid durch N® lOOOOmal schneller substituiert als durch H z O. Existiert dieser Reaktivitätsunterschied auch gegenüber te/7-Butylbromid? 5) Man vervollständige: a) (CH3)2CH—CH2— Br

+

b) C6H5—CH2—CH2—Br c) (CH3)2CH—Cl

+

+

KOH NH4I

H2 /R0H

°

>

H2 /R0H

°

NaOCH3 — H3C ~ 0H >

>

342

XIII Nucleophile Substitutionen

7 Gegenüberstellung: radikalische, elektrophile und nucleophile Substitution Abschließend sollen SN1- und S N 2-Reaktionen tabellarisch gegenübergestellt werden.

Reaktionskinetik Zahl der an der Reaktion beteiligten M o l e k ü l e Zahl der M o l e k ü l e im geschwindigkeitsbestimm e n d e n Schritt Mechanismus Stereochemie G e s c h w i n d i g k e i t der Substitution bei: R—CH2—X R2CH—X R3C—X Einfluß steigender Lösungsmittel Polarität

SN2

SN1

v = k[RX][Ye] ( R e a k t i o n 2. O r d n u n g )

v = k[RX] (Reaktion I . O r d n u n g )

2

2

2 synchron Inversion

1 stufenweise (Carbeniumion) Racemisierung

schnell m ä ß i g schnell sehr langsam

langsam m ä ß i g schnell schnell

v verlangsamt

v stark beschleunigt

Nunmehr hat der Leser die wichtigsten Substitutionsreaktionen in der organischen Chemie kennengelernt, die radikalische Substitution, die elektrophile Substitution, die nucleophile Substitution. Die radikalische Substitution beobachtet man häufig beim Ersatz eines Wasserstoffs in einem Alkan, die elektrophile Substitution beim Ersatz eines Wasserstoffs in einer aromatischen Verbindung und die nucleophile Substitution beim Ersatz eines polaren Restes X in einem substituierten Alkan R—X. Jede dieser Substitutionsarten sei abschließend mit einem Beispiel belegt.

>

CL

radikalische Substitution

elektrophile Substitution

IX

a

HCl

SO 3 H

7 Gegenüberstellung: radikalische, elektrophile und nucleophile Substitution CH3-CH2-Br

• e :S-CH2-CH3 Na®

+

nucleophile | • > CH3-CH2-S-CH2-CH3

Sub

343

+ NaBr

Aufgaben 1) Man gebe die Mechanismen der drei vorstehenden Reaktionen an. Welche Reaktion verläuft über eine Zwischenstufe? 2) Wie muß eine Austrittsgruppe beschaffen sein, damit sie nach dem Austritt als Neutralmolekül vorliegt? 3) Welche der folgenden Verbindungen sind protisch, welche aprotisch?

0

II

H—C—N

/

CH 3

\ CH3

a

b

c Dimethylsulfoxid

d Dimethylformamid

4) Folgende Reaktion verläuft in der Gasphase, d. h. ohne Lösungsmittelbeteiligung, 3 • 10 9 mal schneller als in Aceton und 10 15 mal schneller als in Wasser. Man erkläre. Cle

+ CH 3 —Br

Cl—CH3

+

Br®

Kapitel XIV Eliminierungen 1 Definition Unter Eliminierung versteht man die Entfernung meist zweier Substituenten aus einem Molekül. Man spricht von a-, ß- oder y-Eliminierung, je nachdem, ob die Substituenten vom selben Atom, von zwei benachbarten Atomen oder von zwei 1,3-ständigen Atomen abgespalten werden. Im folgenden ist je ein typisches Beispiel angegeben. a-Eliminierung: Cl

>

H C

c /

Cl e

+

H3C—O Na®

+

H3C—OH

+

NaCI

Cl

\ ,

Dichlorcarben /?-Eliminierung: Cl H ß'

H—C—C—H I I H Cl

+

H,C—OeNa® H

Cl

+ +

H3C—OH NaCI

Vinylchlorid y-Eliminierung: H H2C Cl

Br

CH2

+ ZnCIBr

Cyclopropan

Die a-Eliminierung ist bereits im Kap.V, Abschn. 5.3.5.2 behandelt worden. In diesem Kapitel soll nur die durch Basen verursachte /?-Eliminierung erörtert werden. Dabei stehen mechanistische Betrachtungen im Vordergrund. Aufgabe Handelt es sich bei den folgenden Reaktionen um eine a-, ß- oder y-Eliminierung? a)

Br H5C6—Hg—C—Br Br

erhitzen ->

H5C6—Hg—Br

+

[:CBr2]

346

XIV Eliminierungen

b)

^—CHBr—CH2Br

c)

NaNHz>

H5C6—CH=N—0—C-CH3

^

erh'tZen

y~C=C-H

>

H5C6—C=N

+

0

HO—C—CH3 0

2 /?-Eliminierungen ß-Eliminierungen spielen bei der Herstellung von Alkenen eine wichtige Rolle (s. Kap. V, Abschn. 4). Man setzt Verbindungen mit einer geeigneten Austrittsgruppe (Halogen, Tosylgruppe) ein und spaltet mittels Basen ein mol Säure ab. Oder man eliminiert aus Alkoholen Wasser, wobei Protonen als Katalysator dienen. Schließlich besitzt die Eliminierung (von Amin und Wasser) aus quartären Ammoniumhydroxiden noch eine gewisse Bedeutung. Beispiele für /J-Eliminierungen: h

h

3

3

c

c

ß « ^CH—CH2—CH2—Br + KOH /

h



u

3

c .

\ )CH—CH=CH2 + KBr + H20

3-Methyl-1 -buten -CH3 OH

Hffi .

jCH 3

1 -Methylcyclohexen

N(CH3)4 OH® H



:N(CH3)3

+

H20

Cyclobuten Die ß-Eliminierung von H—X kann auf dreifache Weise erfolgen. Fall 1: H und X werden gleichzeitig eliminiert; Zwischenstufen treten nicht auf. Man nennt diese Reaktion eine synchrone jß-Eliminierung (E2-Reaktion). Fall 2: Zuerst tritt die Austrittsgruppe X aus. Es hinterbleibt ein Carbenium-Ion, das anschließend das Proton an eine Base abgibt. Diese Reaktion verläuft im Gegensatz zur erstgenannten über eine Zwischenstufe und wird ß-Eliminierung über ein Carbenium-Ion (El-Reaktion) genannt. Fall 3: Zuerst wird das Proton an eine Base übertragen. Das zurückbleibende Carbanion verliert danach die Austrittsgruppe X. Auch diese Reaktion verläuft über eine Zwischenstufe. Sie wird /i-Eliminierung über ein Carbanion (ElcB-Reaktion) genannt.

2 ß-Eliminierungen

347

Man kann die unterschiedlichen Vorgänge, die alle zur ß-Eliminierung führen, auch mit einem Satz ausdrücken: Entweder wird die C—H-Bindung gleichzeitig mit der C—X-Bindung gespalten (E2) oder danach ( E l ) oder davor ( E l c B ) . Diese drei Reaktionstypen werden im folgenden behandelt.

2.1 Synchroneyff-Eliminierungen ( E 2 - R e a k t i o n e n ) Die meisten ß-Eliminierungen verlaufen nach dem Synchron-Mechanismus. R—0 e

+

•H—C—C—X • •



R—0

H

I I C—C

>

+

Übergangszustand; die Bindungen H—C und C—X sind gelockert.

R—0—H

+

+ X®

In dem Maße, wie die angreifende Base die H—C-Bindung lockert, wird auch die C—X-Bindung gedehnt. Diese Vorstellung basiert u.a. auf reaktionskinetischen Untersuchungen, die folgende Gleichung für die Reaktionsgeschwindigkeit ergeben: d [A

^en]

= k • [R0 e ] • [ H - C - C - X ]

Die Reaktion verläuft insgesamt nach der zweiten Ordnung: Sie ist erster Ordnung bezüglich der Konzentration des Alkylhalogenids und erster Ordnung bezüglich der Konzentration des Alkoholats. Die Bezeichnung E 2 drückt aus, daß eine Eliminierung vorliegt, bei der zwei Moleküle am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt beteiligt sind.

2.1.1 Richtung der synchronen

ß-Eliminierung

Ist die Austrittsgruppe X ans Ende der Kohlenwasserstoffkette gebunden, so liefert die durch Basen verursachte /?-Eliminierung zwangsläufig nur ein Alken, nämlich das 1-Alken. Daneben beobachtet man in einer Parallelreaktion die Substitution der Austrittsgruppe.

R—CH2—CHj—X

+

e



R—CH=CH2

+

HÖR

>

R—C H 2—C H 2 —0 R

+

0R + X®

Xe

348

XIV Eliminierungen

Ist die Austrittsgruppe mit einem im Inneren einer Kette befindlichen C-Atom verknüpft, so entstehen mehrere Alkene. h3Cx H3C

:CH—CH=CH,

/

+

HÖR

+

X€

Hofmann-Produkt

h3Cx

H3C

/X

,CH—CH—CH,

I

H3C

+

ROE-

/ H3C

K

:C=CH—CH,

+

HÖR

+

XE

Saytzeff-Produkt H3C —• H3C

/X

,CH—CH—CH,

I

+



OR

Substitutionsprodukt

Je nach der Natur der Austrittsgruppe X bildet sich entweder hauptsächlich das Alken, dessen Ethylenteil möglichst wenig Alkylreste trägt, genannt Hofmann-Produkt, oder hauptsächlich das Alken, dessen Ethylenteil mit möglichst vielen Alkylresten verknüpft ist, genannt Saytzeff-Produkt. Das Saytzeff-Produkt ist gegenüber dem Hofmann-Produkt thermodynamisch begünstigt, weil an die olefinischen CAtome mehr Alkylreste gebunden sind. Hofmann-Produkte entstehen immer dann, wenn X eine austrittsträge Gruppe darstellt, und Saytzeff-Produkte bilden sich, wenn es sich bei X um austrittsfreudige Gruppen handelt. austrittsträge Substituenten: CH, — N — CH,

I

—S—CH,

I

CH,

CH,

quartäre Oniumgruppen austrittsfreudige Substituenten:

—Cl,

-Br,

-I,

—0—C—R,

neutrale Austrittsgruppen und — Ö H 2

0 II - 0 — S- -C6H4-CH3(P), II 0

—O—H H

Zwei Beispiele sollen diese Abhängigkeit von der Austrittsgruppe X verdeutlichen. Die quartäre Ammonium Verbindung I liefert als Hauptprodukt 3-Methylen-l-buten und nur als Nebenprodukt das isomere 2-Methyl-2-buten. Bei der entsprechenden Bromverbindung II liegen die Verhältnisse genau umgekehrt.

2 ß-Eliminierungen

I

r\

H , C — C — C H — C H ,

I

H

3

C

N ( C H

3

)

+

\ e

H

0 H

3

C — C — C H = C H h

3

+

2

H

0

2

+

349

: N ( C H

3

)

3

c

3

I 3-Methyl-1 -buten (Hauptprodukt)

3-Methyl-2-trimethylammoniobutan-bromid

H C

3 v

H

3

i

C

^H3

\

h

Br

+

HÖR

Bre

+

H

2-Methyl-2-buten (Hauptprodukt)

2-Brom-3-methylbutan

Man erklärt die Abhängigkeit der Eliminierungsrichtung von der Austrittsgruppe X wie folgt. Bei Molekülen mit einer sehr trägen Austrittsgruppe X ist die Trennung der C—H-Bindung im Übergangszustand stärker vorangeschritten als die der C—XBindung. Es wird bevorzugt H ( 11 eliminiert, da das entstehende ö~—C-Atom weniger als das alternative ö~—C-Atom destabilisiert ist (Methylgruppen stabilisieren zwar ein Carbenium-Ion, destabilisieren aber ein Carbanion). Als Folge erhält man das Hofmann-Produkt mit endständiger Doppelbindung: H—O6 H

H

I

H

3

C — C" H

3

C

( , )

H

I

C H — C H ,

I

N ( C H

3

)

H—0

I

H—0£~

3

I

H

H

I

H 33 C — C — C H — C H , ( H

3

C

H

N ( C H , )

3

H

3

C — C — C H = C H h

3

2

c N ( C H

3

)

3

Übergangszustand, C—H-Bindung stärker gedehnt als C — N - B i n d u n g

Dagegen ist bei Molekülen mit einer austrittsfreudigen Gruppe X die Trennung sowohl der C—H- als auch der C—X-Bindung beträchtlich vorangeschritten. Im Übergangszustand ist deshalb die Doppelbindung bereits vorgebildet. Von zwei Wasserstoffen wird dann bevorzugt derjenige abgespalten, der zum thermodynamisch stabileren, nämlich höher substituierten Alken führt (Saytzeff-Regel). Bei der folgenden Verbindung führt die Eliminierung von H (3) zu einem Alken mit drei Alkylresten, die von H ( 1 ) aber zu einem Alken mit nur einem Alkylrest an der Doppelbindung. Neben diesen elektronischen Faktoren spielen auch sterische eine Rolle. Man beobachtet, daß der Wasserstoff am weniger substituierten Kohlenstoff (in der folgenden Verbindung H (1) ) umso bevorzugter eliminiert wird, je voluminöser die angreifende Base und die Abgangsgruppe X sind.

350

XIV Eliminierungen H3C

i

Br

CH3 3

:

H 3 C — C — C H — C H2, I H H

h

R—Öe

I I

H3C—C—CH—CH2

e

+

h

(i)

c — c = c h — c h

R—0

C H , Br

I

OR

H3C—C

I

-*

I

H3 3 C —| C — c h = C H

H R— Ö

h

+

e

Übergangszustand 2. Nur 1 Alkylrest stabilisiert die sich bildende Doppelbindung.

2 . 1 . 2 Stereochemie der synchronen

Br e

CH3 3

CH—CH2

H

+

3

Saytzeff-Produkt (Hauptprodukt)

Übergangszustand 1. 3 Alkylreste stabilisieren die sich bildende Doppelbindung.

C H , Br

h(3)

+

I

3

2

h

R — 0 + Bre

Hofmann-Produkt (Nebenprodukt)

ß-Eliminierung

Synchrone jS-Eliminierungen verlaufen über einen Übergangszustand, in dem die C—H- und die C—X-Bindung entweder anii-coplanar oder sjn-coplanar angeordnet sind. X

ani/'-coplanarer Übergangszustand

syn-coplanarer Übergangszustand

Nur diese beiden Konformationen gestatten den glatten Übergang der «r-Elektronen in 7i-Elektronen. Man beobachtet vorwiegend anti-coplanare Eliminierungen, die offensichtlich deshalb bevorzugt sind, weil im Übergangszustand die restlichen Substi-

2 jß-Eliminierungen

351

tuenten gestaffelt angeordnet sind. Sjn-coplanare Eliminierungen treten nur bei ganz bestimmten Verbindungen auf (z. B. bei bicyclischen Verbindungen). Die folgenden Beispiele geben zwei aniz'-Eliminierungen bei offenkettigen Verbindungen wieder. erj'iAro-l-Brom-1,2-diphenylpropan liefert nur das eis-Alken, während das threo-Isomer nur in das irans-Alken überführt wird. H C

5 6

H

+ ROH + Br

5 H

H~s R-0

H

e'

R-0

*) Q>

erythros-Brom-1,2-diphenylpropan

(Z)-a- Methylstilben

P H

5

C

6

V^CH

=

3

"CH,,

sV

A

U

H

5C6\^CH3

onti C

C

+ ROH + Br

H C

R-0®

6H5

R-0

threoA -Brom-1,2-diphenylpropan

(£)-a-Methylstilben

Die Stereospezifität der ß-Eliminierung offenbart sich auch bei cyclischen Verbindungen. So liefert irans-2-Methylcyclohexyltosylat ausschließlich 3-Methylcyclohexen, während die isomere eis-Verbindung ein Gemisch aus 3- und 1-Methylcyclohexen ergibt. H

OTs

CH-i

NQQCH^

OTs

^

CH,

»3

3- Methylcyclohexen

f/-3A?s-2-Methylcyclohexyltosylat

OTs

CH, CH 3 NQOCH3

CH_, c/s-2-Methylcyclohexyltosylat

3-Methyl- und 1-Methylcyclohexen

352

XIV Eliminierungen

Von den beiden Konformationsisomeren A und B der trans- Verbindung reagiert nur B, da allein in diesem Konformeren die zu eliminierenden Substituenten die notwendige anti-coplanare Anordnung einnehmen. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß B in geringerer Menge als A vorkommt. (In B besetzt nämlich die sperrige Tosylatgruppe die ungünstige axiale Position). Von den beiden Konformationsisomeren der eis-Verbindung reagiert nur D, diesmal aber zu zwei Produkten, da auch zwei axiale Wasserstoffe (gekennzeichnet mit (H)) zur Auswahl stehen. Wir fassen zusammen: Die /¡-Eliminierung von H—X erfolgt fast immer aus einer Konformation heraus, in der H und X anti-ständig angeordnet sind. Dabei ist es ohne Belang, ob das betreffende Konformer energetisch begünstigt ist. Gelingt eine antiAnordnung von H und X nur mit beträchtlichem Energieaufwand (bei kleinen, ferner gespannten Ringen), tritt als Alternative sjyz-Eliminierung ein. ^«//-Eliminierungen werden auch irans-Eliminierungen, ^«-Eliminierungen auch cw-Eliminierungen genannt. Aufgaben 1) Welche Substituenten X in R—X führen hauptsächlich zu Hofmann-Produkten? 2) Die Verbindungen a bis c ergeben beim Erhitzen bzw. bei der Einwirkung von Natriumethanolat Alkene. Welches Alken überwiegt jeweils? CH 3 CH 3 —CH 2 —N—CH 2 —CH 2 —CH 3 ¿H 3

OH®

a

UCH3 ^ ^ C I b

CH 3 —CH—CH 2 —CH 2 —CH 3 LR c

3) Cyclohexylbromid wird mit KOH in Cyclohexen überführt. Welche Lage muß das Brom im Cyclohexylbromid einnehmen, damit eine anfr'-Eliminierung stattfinden kann? Ist auch eine yyn-Eliminierung möglich? 4) Bei der alkalischen Dehydrochlorierung von Hexachlorcyclohexan reagiert das Isomer a etwa lOOOOmal langsamer als sämtliche anderen Diastereomere. Man erkläre. Cl Cl—7——ICl Cl—i-y—X-CCl Cl (a)

+ B>

- cc

5) Man gebe an, welche der folgenden Reaktionen Synchron-Additionen sind.

H3C

H3C

\=CH2

H3C

+

BH3



\ : - C

H , ^

BH 2

2 /J-Eliminierungen

353

2.2 Stufenweise ß-Eliminierungen über Carbenium-Ionen ( E l -Reaktionen) Ist die Abgangsgruppe X an ein tertiäres C-Atom gebunden, so verläuft die ßEliminierung stufenweise. Zuerst tritt die Abgangsgruppe X aus dem Molekül, wobei ein tertiäres Carbenium-Ion zurückbleibt. Dieses gibt anschließend an eine Base wie O H e oder H z O ein Proton ab. Das Carbenium-Ion kann sich aber auch mit einem Nucleophil, z.B. H 2 0 , vereinigen. Das Ergebnis ist dann eine nucleophile Substitution. Dissoziation: ch3

ch3 l a n g s a m

h3c—c—x

I

k,

ch3

>

H 3 C—C® 3

+

I



ch3

Eliminierung: CH 3 H 3 C—C®

h

~HX-i-H h n

+

CH 3 SChne

>

\

" >

H 3 C—C

H

H3Oa

+

CH 2

Substitution: 9H3 H,C—C® 3

H +

I V >

ch3

\

H

schnell

,, „ 3

'

ch3 I $

T

2

ch3

Sofern eine Eliminierung nach mehreren Seiten hin möglich ist, bildet sich gemäß der Saytzeff-Regel vorzugsweise das höher substituierte Alken. /CH3 (El)

H3C—ch=C;

\

ch3

I

+ H 3 C — C H 2 — C = C H 2 + H 3 O® + X® CH,

Hauptprodukt

Nebenprodukt

C H 33

I

H3C—CH,—C—X

I



CH,

CH 3 + 2 H 2

°(SJ)

H3C—CH,—C—OH + H,Oa CH,

354

XIV Eliminierungen

Das Verhältnis Eliminierung/Substitution hängt von der Basizität/Nucleophilie des Reaktionsmediums ab. Basen wie Pyridin begünstigen die Eliminierung (Abstraktion eines Protons!), starke Nucleophile wie Azid N f begünstigen die Substitution. Den langsamsten Schritt bei dieser stufenweisen Eliminierung stellt die Dissoziation der C—X-Bindung dar (Geschwindigkeitskonstante kj). Die anschließende Abgabe des Protons (bzw. die Substitution) erfolgt schnell. Für den Fall, daß die Substitution keine Rolle spielt, gilt: CHa I d[(H3C)3CX] d[(H3C)2C=CH2] H3C—c—X dt dt ¿H, Die Eliminierung verläuft nach der ersten Ordnung. Da am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt nur ein Molekül beteiligt ist, liegt eine El-Eliminierung vor. El-Reaktionen gehen alle Verbindungen ein, an denen man auch S N 1-Reaktionen beobachtet. 2.3 Stufenweise ß-Eliminierungen (E1cB-Reaktionen)

über Carbanionen

Einige der zur ß-Eliminierung befähigten Verbindungen reagieren mit Basen in der Weise, daß zuerst das betreffende Proton übertragen wird. Als Zwischenstufe tritt hierbei ein Carbanion auf, das anschließend die Austrittsgruppe X entläßt. Beispiel 1: Cl F Cl F I I R—0 + H—C—C—F R—OH + I I I I Cl F Cl F Cl F.

langsam

I I ^ Cl F

C

'\ / X

Cl

+ F6

F

1,1 -Dichlordifluorethen Beispiel 2: R—Oe

H2C—CH2—C—CH3

R—O—H

?CH,

+

H,C—CH—C—CH, I CH, langsam

H3C—0

e

O + H2C=CH— C—CH3 Methylvinylketon

2 ß-Eliminierungen

355

Dehydrobenzol, sehr reaktionsfreudig In allen Fällen erfolgt die Bildung des Carbanions schnell und reversibel (Gleichgewichtskonstante K) und der Zerfall des Carbanions langsam (mit der Geschwindigkeitskonstanten k). Die Geschwindigkeitsgleichung für die Entstehung von C1 2 C=CF 2 lautet: "[CCIa=CFa] _ k . [:cci22—CF3] = k • K • [ R 0 9 ] • [CHC,a-CF,] dt [ROH] Diese Gleichung vereinfacht sich, wenn ROH nicht nur Reaktionspartner, sondern auch Lösungsmittel ist: [ROH] = konstant. d[CCIa=CF2] dt

= k.

[RQe] [CHC|

Unter diesen Bedingungen verläuft die Eliminierung nach der zweiten Ordnung. Da am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt nur ein Molekül beteiligt ist, bei dem es sich um die correspondierende i?ase der Ausgangsverbindung handelt, liegt eine ElcB-Reaktion vor. Die Beispiele vorstehender Abschnitte zeigen, daß Ordnung und Molekularität einer Reaktion verschiedene Zahlenwerte haben können. Die Ordnung bezieht sich auf die Summe der Exponenten derjenigen Konzentrationen, die in einfachen Geschwindigkeitsgleichungen auftreten. Dagegen bezieht sich die Molekularität auf die Anzahl der Moleküle im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt. Bei SN1, SN2, E l und E2 Reaktionen stimmen die Zahlenwerte überein, bei der ElcB-Reaktion nicht!

2.4 Kinetische Isotopeneffekte bei

ß-Eliminierungen

Vorstehend haben wir 3 Mechanismen kennengelernt, nach denen ß-Eliminierungen ablaufen können. Sie wurden hauptsächlich aufgrund kinetischer und sterischer Untersuchungen aufgestellt. Führt man die kinetischen Untersuchungen nicht nur mit den Wasserstoff-haltigen Verbindungen I sondern auch mit der entsprechenden Deuterium-haltigen Verbindung II durch, I I H—C—C—X I I I

I I D—C—C—X I I II

356

XIV Eliminierungen

so beobachtet man zwar die gleiche Reaktionsordnung, aber in einigen Fällen kleinere Geschwindigkeitskonstanten, die wir mit k D bezeichnen wollen. In diesen Fällen liegt ein kinetischer Isotopeneffekt vor, der folgendermaßen definiert ist: L

kinetischer Isotopeneffekt = -j-ü-

Bindungen mit einem schweren Isotop reagieren langsamer als solche mit einem leichten Isotop, da sie aufgrund der größeren Masse m nach der Frequenzgleichung v =

/k

— ! — ( k = Kraftkonstante oder „Feder"-Konstante der Schwingung)

2n

m

langsamer schwingen und deshalb nach E = 1/2 • h • v eine geringere Schwingungsenergie besitzen. Mehr Aktivierungsenergie ist dann erforderlich, um die Bindung zu lösen. Einen kinetischen Isotopeneffekt beobachtet man immer dann, wenn die Isotopensubstituierte Verbindung im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt gelöst wird. Der Effekt ist bei Wasserstoff vergleichsweise groß, k H /k D liegt je nach Austrittsgruppe X zwischen 2 und 8, d. h. eine C—H-Bindung reagiert maximal 8mal schneller als eine C—D-Bindung. Ferner beobachtet man einen kinetischen Isotopeneffekt, wenn die isotopensubstituierte Bindung in einer Gleichgewichtsreaktion gelöst wird, die vor dem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt liegt. Der Wert k H /k D ist dann allerdings klein, er liegt zwischen 1-2. Welche Werte besitzt der kinetische Isotopeneffekt bei den verschiedenen Eliminierungen? Bei der synchronen /?-Eliminierung geht die C—H-Bindung in den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt ein, deshalb beobachtet man hier einen großen kinetischen Isotopeneffekt (s. Tabelle). Beim zweistufigen Carbenium-Ion-Mechanismus erfolgt die Lösung der C—H-Bindung nach dem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt. Deshalb verläuft die Reaktion mit der C—D-Bindung genau so schnell, k H /k D = 1. Die Eliminierung nach dem zweistufigen Carbanion-Mechanismus zeigt nur einen kleinen Isotopeneffekt, da die Lösung der C—H-Bindung nicht im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt, sondern in einem vorgelagerten Gleichgewicht erfolgt. Tabelle

Kinetische Isotopeneffekte bei

ß-Eliminierungen

Reaktion

Symbol

kH/kD

Synchron-Mechanismus

E2

2-8

Carbanion-Mechanismus

E1 cB

1-2

Carbenium-Ion-Mechanismus

E1

1

Kapitel XV Organische Halogenverbindungen 1 Übersicht und Nomenklatur Organische Halogenverbindungen enthalten eine Kohlenstoff-Halogenbindung. Zur Bezeichnung setzt man den Namen des Halogenatoms entweder an den Anfang (vor den Namen des Kohlenwasserstoffs) oder ans Ende (nach dem Namen jetzt des Alkylrestes). H3C—CH2—CH2—CH2—Cl 1 -Chlorbutan oder Butylchlorid

Cl I H3C—CH2—CH-CH3 2-Chlorbutan oder 1 -Methylpropylchlorid

In den nebenstehenden Tabellen sind einige niedermolekulare Halogenverbindungen zusammen mit den Siedepunkten und Dichten aufgeführt. Die erste Tabelle enthält die gesättigten Vertreter, d.h. Verbindungen ohne Doppelbindungen, die zweite Tabelle ungesättigte. Tabelle

Gesättigte Halogenverbindungen

Konstitution

Name

Siedepunkt in °C

H3C-F

Methylfluorid

-78

H3C—Cl

Methylchlorid

-24

H3C—Br

Methylbromid

H3C-I

Methyliodid

H3C—CH2—Cl

Ethylchlorid

12

H3C—CH2—Br

Ethylbromid

38

H3C—CH2—I

Ethyliodid

72

H3C—CH2—CH2—Cl

Propylchlorid

47

Isopropylchlorid

36.5

Butylchlorid

78.5

Dichte bei 20 °C in g/ml

5 43

H3C

^CH—Cl H3C

X

H3C-(CH2)3-CI H3C

(CH2)4

Cl

H3C-(CH2)5-CI

Pentylchlorid

108

Hexylchlorid

134

0.880

CH2CI2

Dichlormethan

40

1.336

CH 2 Br 2

Dibrommethan

99

2.501

358

XV Organische Halogenverbindungen

CH 2 I 2

Diiodmethan

CHCIg

Chloroform

62

1.488

CHBr 3

Bromoform

151

2.891

CHI3

1 odoform

subì.

4.008

CCI 4

Tetrachlormethan

77

1.595

CBr 4

Tetrabrommethan

CU

Tetraiodmethan

Tabelle

180 (Zers.)

189

3.421

subì.

4.322

Ungesättigte Halogenverbindungen

Konstitution

Name

Siedepunkt in °C

H2C=CH—CI

Vinylchlorid

-14

Vinylbromid

16

Fluorbenzol

85

Chlorbenzol

132

Brombenzol

156

lodbenzol

189

1,2-Dichlorbenzol

180

1,3-Dichlorbenzol

173

1,4-Dichlorbenzol

175

a er u O" 0° tJL 0

H2C=CH—Br

CI I

N/ CI 1

CI A

T CI

3.326

2 Physikalische Eigenschaften

359

2 Physikalische Eigenschaften Die Dichten von Halogenalkanen erstrecken sich über den weiten Bereich von ca. 0,9 g/ml (Chloralkan) bis hin zu dem für organische Stoffe ungewöhnlichen Wert von 4,32 (Tetraiodmethan). Unter den Siedepunkten sorgen die von Fluoralkanen für eine Überraschung: Fluoralkane sieden in der Regel tiefer als die entsprechenden Kohlenwasserstoffe, obwohl die Molekulargewichte viel höher liegen (s. Abbildung).

s

A kant \

/ f 1

// /

/



s

s

/

>

y

•I

/ /

Perl luor alkar e

/

/

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Zahl der C-Atome Abbildung

Siedepunkte von geradkettigen Alkanen und geradkettigen Perfluoralkanen

Das ungewöhnliche Siedeverhalten der fluorierten Kohlenwasserstoffe wird unterschiedlich gedeutet. Nach T.M. Reed verhalten sich Perfluorkohlenwasserstoffe normal, nicht aber die Kohlenwasserstoffe, deren Moleküle sich wegen des geringen Wasserstoffradius anziehen und daher nur mit größerem Energieaufwand in die Gasphase überführt werden können.

Aufgabe Man vergleiche Molekulargewichte und Siedepunkte von Decan und Perfluordecan. Was überrascht?

360

XV Organische Halogenverbindungen

3 Darstellung Aus Alkanen und Halogen (Kap. III, Abschn. 8.1). Hierbei fallen Isomerengemische an, in denen sekundäre (bzw. tertiäre) Alkylhalogenide vorherrschen. Br, h • v; 130°

n-C5H12

H3C—(CH,)2/3 3—CH | 22 +

H,C—(CH )2—CH—CH, 3 V 22/2 | 3 Br Br + H5C2 CH C2H5 Br Gemisch aus 1-,2- und 3-Brompentan

Einheitlich verläuft die Halogenierung nur dann, wenn der Kohlenwasserstoff eine C—H-Gruppe besitzt, deren Reaktivität die anderer übertrifft. Hierzu zählen Verbindungen mit tertiären, allylständigen und benzylständigen C—H-Gruppen. CH 33

I H3C—C—H I

+

Br,

CH 3

hv 130°

Isobutan

CH, H3C—C—Br

+

HBr

¿H 3

fert-Butylbromid

h

'%

80°

Isopropylbenzol

Br H,C—C—CH,

+

HBr

2-Brom-2-phenylpropan

Aus Aromaten und Halogen (Kap. XI, Abschn. 8.2 und 12). Unter ionischen Bedingungen wird der aromatische Wasserstoff substituiert, unter radikalischen der benzylische Wasserstoff. -Cl Cl, FeCI,

Cl, h• v

Aus Alkenen und Halogenwasserstoff (s. Kap. V, Abschn. 5.3.3). Beispiel: H3C—CH=CH2

+ H—X

H3C—CH—CH3 X

Propen

2-Halogenpropan

(X= F, Cl, Br)

3 Darstellung

361

Oft erhält man Isomerengemische.

H3C—CH=CH—C2H5

H

X>

H3C—CH—CH2—C2H5

+

H3C—CH2—CH—C2H5

X 2-Periten

X

2-Halogenpentan

3-Halogenpentan

Aus Alkoholen und Halogenwasserstoff oder Säurehalogenid (s. Kapitel X V I I , Abschn. 6.3.2). Diese Reaktion besitzt eine große Anwendungsbreite. Beispiele:

.OH -H

+

Br H

H—Br(Gas)

Cyclohexanol

HaCv

\ /

H3C

Bromcyclohexan

OH

H 3 C. +

SOCI 2

H

H3C

Isopropylalkohol

,CI

\ /



+

S02

+

HCl

H

2-Chlorpropan

Aus Alkylderivaten und Alkalihalogeniden. Bei der Einwirkung von Alkalihalogeniden auf Verbindungen vom Typ R — X (X bedeutet eine Austrittsgruppe wie Cl, Br, I, O — S 0 2 — R ) tritt eine nucleophile Substitution ein, wobei das Halogenid-Ion den Platz des Substituenten X einnimmt. Fluorid-Ionen, in Gegenwart von Kronenethern nucleophiler als die anderen Halogenid-Ionen, verdrängen die anderen Halogenid-Ionen, so daß man auf diese Weise bequem Fluoralkane herstellen kann. Die anderen Halogenalkane gewinnt man häufig aus Sulfonsäureestern.

K®F e

+

H3C—(CH2)6— CH2^Br

Kronenether 92%

1 -Bromoctan

K®Br e +

:

H3C

(CH2)6

CH2

KBr

1 -Fluoroctan

H3C—(CH2)5—CH—CH3

S 0 22— C H 3

Kronenether 67%

H3C—(CH2)5—CH—CH

I

Br +

Methansulfonsäure-2-octylester

2-Bromoctan

CH3—SO3K

362

XV Organische Halogenverbindungen

Aufgaben 1) Wie stellt man Bromcyclohexan, 1,2-Dibromcyclohexan und 1,2,3-Tribromcyclohexan her? 2) Ausgehend von Brombenzol bzw. Nitrobenzol sind folgende Verbindungen herzustellen :

Br

3) Wie kann man 3-Methyl-l-buten in Isopentylchlorid umwandeln?

4 Reaktionen Halogen Verbindungen gehen hauptsächlich drei Reaktionsarten ein: Substitution durch ein nucleophiles Reagenz, Eliminierung durch eine Base und Reaktion mit einem unedlen Metall. H -C—C-

I I

+



+

HY

Substitution

Y

H

I I I I

-C—C-

+

Ye

X

\/ = c / \ R—X

+

Mg

R—Mg—X

+



Eliminierung Reaktion mit einem Metall

Die Reaktivität einer Halogenverbindung hängt häufig davon ab, ob das Halogenatom mit einem aliphatischen oder mit einem olefinischen Kohlenstoffatom verknüpft ist. Im ersten Fall handelt es sich um reaktionsfähige Verbindungen, besonders wenn das Halogenatom allylständig ist. Im zweiten Fall liegen wenig reaktive Verbindungen vor. Die folgende Reihe enthält die wichtigsten Typen organischer Halogenverbindungen, geordnet nach abfallender Reaktivität. Die Reaktivitätsreihe gilt allerdings nur für Substitutionen und Eliminierungen.

4 Reaktionen X

363

X CH,

X

X

R

R

Alkylhalogenid

Vinylhalogenid

X

II

CH R Allylhalogenid, reaktiv

Benzylhalogenid

Phenylhalogenid, reaktionsträge

4.1 Reaktionen von Alkyl- und Allylhalogeniden Die meisten der in den beiden vorangehenden Kapiteln behandelten Substitutionsund Eliminierungsreaktionen lassen sich auch mit Alkyl- und Allylhalogeniden durchführen. Hierbei geht man häufig von Iod- oder Bromalkanen aus, da diese besonders reaktionsfähig sind: R—I

>

R—Br

>

R — Cl

>

R—F

Von den vielen möglichen Substitutionsreaktionen seien im folgenden die Reaktionen mit komplexen Hydriden und mit Carbanionen behandelt.

4.1.1 Reduktion durch komplexe Hydride Komplexe Hydride wie LiAlH 4 reduzieren Halogenalkane zu Alkanen. R—CH2—X Halogenalkan

+

Li®[AIH4]e

>

R—CH3

+

Li®[AIH3X]e

Alkan

Das nucleophile Zentrum ist hier ausnahmsweise kein freies Elektronenpaar, sondern eine (Hydrid)Bindung : H

H

Primäre Alkylhalogenide werden schnell, sekundäre langsam und tertiäre sehr langsam reduziert.

4 . 1 . 2 Reaktion mit Carbanionen: Knüpfung neuer C — C Bindungen Carbanionen substituieren das Halogenatom in Halogenalkanen, wobei eine neue C—C-Bindung gebildet wird.

364

XV Organische Halogenverbindungen J

—C:e I

Na a

-c—c—

-C—X

NaX

I I

Die Knüpfung von C—C-Bindungen gehört zu den wichtigsten Syntheseschritten in der organischen Chemie, gestattet sie doch die Darstellung größerer Kohlenstoffketten aus kleineren. Zu den Carbanionen, die am häufigsten verwendet werden, zählen:

e

e

:C=C—H

:C=N:




H3C—CHj—C=C—CH3

+

NaCI

Nal

2-Pentin

H5C2-O-C^

H5C2-O-C

H 5 C 2 —O—C

H 5 C 2 —O—C

0

+

/

r

H

\CH 2 —CH 2 —CH 3

Na® Propylmalonsäurediethylester

Natriumsalz von Malonsäure-diethylester

Die Umsetzung mit Acetyliden ist im Kap. VI, Abschn. 4.5.1 und die mit dem Natriumsalz von Malonsäure-diethylester im Kap. XXIII, Abschn. 7.3.2.2 näher beschrieben. In allen Fällen verläuft die Substitution am besten mit primären Alkylhalogeniden. Tertiäre Alkylhalogenide gehen keine Substitution ein, sondern erleiden eine /ß-Eliminierung, da Carbanionen neben nucleophilen auch basische Eigenschaften besitzen. CH, H , C — ¿ — IBr CH,

Na® :C=C—H

/

CH, H—C=C—H CH,

+

Na®Br e

4 Reaktionen

365

Aufgaben 1) Ausgehend von Acetylen und anorganischen Stoffen ist 1-Butin herzustellen. 2) Es sind zwei Substitutionsreaktionen anzugeben, die zu H 3 C — C H 2 — C H 2 — O — C H2 — C H 2 — C H 2 — C H 3

führen. 3) Wie überführt man 1-Buten in folgende Verbindungen? O C H ,3

I

CH3— CH2—CH2— CH2—O—CH3

CH3—CH2—CH—CH3

4.2 Reaktionen von Vinyl- und Phenylhalogeniden Ist das Halogenatom an ein Kohlenstoffatom gebunden, von dem eine Doppelbindung ausgeht, so reagiert es entweder langsam oder gar nicht. Es soll zunächst das Verhalten bei Substitutionsreaktionen, danach bei Eliminierungen beschrieben werden.

4.2.1 Substitution Substitutionen treten nicht oder erst bei hoher Temperatur ein. So verläuft die Substitution des Broms in C H 2 = C H — B r durch Iodid-Ionen erst oberhalb 150° und selbst nach mehrtägigem Erhitzen zu weniger als 5 Prozent. Auch das Chloratom in Chlorbenzol wird erst oberhalb 350 °C durch Hydroxid-Ionen substituiert. CL

OH

Die Trägheit von einfachen Vinyl- und Phenylhalogeniden bei Substitutionen wird hauptsächlich auf zwei Ursachen zurückgeführt. Erstens besitzt die Bindung zwischen einem Halogen und einem olefinischen C-Atom partiellen Doppelbindungscharakter, eine Folge der Delokalisierung eines Elektronenpaars am Chlor. 6 +

s

~

H2C=CH^CI:

I

«



e

®

H2C—CH=CI:

II

mesomere Grenzformen des Vinylchlorids

Zur Trennung der Kohlenstoff-Halogenbindung ist daher mehr Energie aufzuwenden als bei gesättigten Halogenalkanen. Der partielle Doppelbindungscharakter geht sowohl aus den gemessenen Bindungslängen als auch aus den Dipolmomenten hervor.

366

XV Organische Halogenverbindungen

In der folgenden Tabelle sind diese Werte denen gesättigter Halogenalkane gegenübergestellt. Wie erwartet, verursacht die partielle Doppelbindung eine Abstandsverkürzung und Dipolmomentserniedrigung. Tabelle

Bindungslängen und Dipolmomente einiger Halogenverbindungen

Halogenverbindung

Abstand Kohlenstoff-Halogen

Dipolmoment in Debye

C2H5-CI C2H5-Br CH2=CH—CI CH2=CH—Br C6H5-CI C 6 H 5 Br

1.77 1.91 1.70 1.86 1.69 1.86

2.05 2.02 1.44 1.44 1.73 1.71

Zweitens erschwert die negative Ladungswolke der ir-Bindung des Ethylenteils den Angriff des Nucleophils: Beide sind elektronenreich und stoßen sich damit ab. Eine wesentliche Beschleunigung der Substitution tritt erst ein, wenn in ^-Stellung O ,0 elektronenanziehende Gruppen wie —C , —N , — C = N u.a. vorhanden X X OR 0 sind. So wird das Chlor in jS-Chloracrylsäure-methylester bereits bei 0 °C und das in oNitrochlorbenzol bei 160° substituiert. (Man vergleiche diese Temperaturen mit denen bei den unsubstituierten Verbindungen Vinylchlorid und Chlorbenzol!)

H3C—O—C—CH=CH—CI

+

H3C—Oe

°'C>

/?-Chloracrylsäure-methylester

CI

H 3 C — O — C — C H = C H — 0 — C H 3 + Cle /?-Methoxyacrylsäure-methylester

OH +

o-Nitrochlorbenzol

OH®

±60^

NO,

+ CI® o-Nitrophenol

Wie verläuft die nucleophile Substitution eines Halogens, gebunden an ein olefinisches C-Atom? Zunächst addiert sich das Nucleophil an das olefinische C-Atom mit dem Substituenten. Hierbei entsteht eine carbanionische Zwischenstufe, aus der sich schließlich das Halogenid-Ion abspaltet.

4 Reaktionen CI

OH

H3C—O—C—CH=CH—OR

+

Cle

4) Die Hydrolyse von Chlorbenzol, dessen C—1-Atom mit 14 C markiert ist, führt mit 4-normaler Natronlauge bei 340° zu Phenol, das folgende 14C-Verteilung aufweist.

58

42

Wieviel Prozent des Phenols entsteht nach dem Additions-Eliminierungs- und wieviel Prozent nach dem Eliminierungs-Additions-Vorgang (Arin-Mechanismus)? 5) Welches Bromtoluol liefert mit Natriumamid alle drei möglichen Toluidine? 6) Folgende Verbindung ist herzustellen:

4.3 Reaktion mit Metallen. Grignard-Verbindungen Halogenalkane reagieren mit unedlen Metallen wie Li, Na, Mg, Zn u. a., wobei metallorganische Verbindungen, das sind Verbindungen mit einer Kohlenstoff-Metall-Bindung, entstehen. R—CH2—Br

+ 2 Li



R—CH2—Li

+ LiBr

Alkyllithium Bei dieser Reaktion geht die Hälfte der Metallatome eine kovalente und die andere Hälfte eine ionische Bindung ein. Triebkraft der Reaktion ist die stark exotherme

4 Reaktionen

371

Bildung des ionischen Anteils (im vorstehenden Beispiel LiBr). Die meisten Lithiumund Magnesium-organischen Verbindungen werden nach dieser Reaktion hergestellt. Magnesium-organische Verbindungen nennt man nach ihrem Entdecker auch Grignard- Verbindungen. H3C—CH2— CH2—CH2—Br

+

2Li

Ethef

>

H3C—CH2—CH2—CH2—Li

Butylbromid

+

LiBr

Butyllithium

H5C2K

/C 2 H 5 Ö

H3C—CH2— I

+

Ethpr

Mg

>

^

H3C—CH2— Mg—I

1 Ethyliodid

H5C2

C2H5

Ethylmagnesiumiodid-etherat, eine Grignard-Verbindung

Häufig führt man solche Reaktionen in einem Ether, z. B. Diethylether, durch. Dieser dient nicht nur als Lösungsmittel, sondern auch als Komplexpartner. Da die maximale Koordinationszahl von Magnesium vier beträgt, lagern sich zwei mol Ether an die metallorganische Verbindung. Ungesättigte Halogenide wie Vinylbromid oder Chlorbenzol reagieren ebenfalls mit Magnesium, allerdings nur, wenn man den stärker basischen Ether Tetrahydrofuran als Lösungsmittel und Komplexpartner verwendet.

CH2=CH—Br

+

Mg

'" ™

F

>

9 ö

C H 2 = C H — M g — Br

Die Umsetzung von organischen Halogenverbindungen mit Metallen gelingt verständlicherweise nicht mit den edleren Metallen wie Hg, Tl, Pb, Bi. Erst Legierung mit Natrium führt zur gewünschten Reaktion. Triebkraft ist auch hier die stark exotherme Bildung von Natriumhalogenid. 4C2H5CI Ethylchlorid

+

4 PbNa



(C2H5)4Pb Bleitetraethyl

+

4NaCI

+

3Pb

372

XV Organische Halogenverbindungen 3ArX

+

Na3Bi



Ar3Bi

+ 3NaX

(Ar = Aryl)

Auf diese Weise stellt man das als Benzinzusatz verwendete Antiklopfmittel Bleitetraethyl her, welches allerdings die Umwelt belastet und deshalb zunehmend durch andere Verbindungen ersetzt wird. 4.4 Reaktion mit metallorganischen Verbindungen Halogenverbindungen reagieren nicht nur mit Metallen, sondern auch mit metallorganischen Verbindungen. Hierbei entsteht eine neue C—C-Bindung. Substituti0n

> R_CH 2 -CH 2 -CH 2 -R- + MX

R—CH2—CH2—X + R—CH2—M — y?-Eliminierung Daneben tritt ß-Eliminierung ein: Der Kohlenstoff, an welches das Metallatom gebunden ist, trägt eine partielle negative Ladung und stellt somit einen starken Protonenakzeptor dar. Die Substitutionsreaktion ähnelt der Wurtz-Reaktion (s.Kap.II,Abschn. 7). Sie tritt nur dann ein, wenn einer der beiden Reaktanden genügend reaktionsfähig ist, entweder die Halogenverbindung (CH 2 =CH—CH 2 —Br, C 6 H 5 —CH 2 —Br) oder die metallorganische Verbindung (Natrium- oder Kalium-organische Verbindungen). CHfNa®

+ CH3—Cl 6+



S-

CH3—CH3 S-

+ NaCI

6+

CH2=CH— CH2—Br + CH2=CH—CH2—MgBrl r

-

-MgBr2

CH2=CH—CH2—CH2—CH=CH2 1,5-Hexadien

Ist weder die Halogenverbindung noch die metallorganische Verbindung besonders reaktiv, so muß man eine Cu-I-Verbindung als Katalysator hinzufügen, um eine Substitution zu erreichen. C 6 H 13 -Mg-Br

+

n-C4H9-Br

Cu-I-Verb. > C10H22

Aromatisch gebundenes Halogen wird nicht substituiert. Stattdessen beobachtet man einen Austausch, bei dem Halogen und Metall ihre Plätze wechseln (Metall-HalogenAustausch). Br. * T ^ l N

+

n-C4H9-Br

5 Polyhalogenverbindungen und ihre technische Bedeutung

373

Hierbei verbindet sich das Metall vorzugsweise mit dem elektronegativeren Kohlenstoffatom, d. h. mit dem Kohlenstoffatom, welches das stabilere Anion bildet. Das vorstehende Gleichgewicht liegt auf der rechten Seite, da die CH-Acidität des Pyridins größer als die des Butans ist. Aufgaben 1) Weshalb tritt bei der Reaktion CH3—CH2—CH2—Br

+

Mg



CH3—CH2—CH2—Mg—Br

praktisch kein Hexan als Nebenprodukt auf? 2) Welche Verbindungen entstehen bei der Einwirkung von Mg auf Benzylbromid? 3) Ausgehend von (H 3 C) 3 CBr ist folgende Verbindung herzustellen: H ; r r-H H3C

H3C/\H3

5 Polyhalogenverbindungen und ihre technische Bedeutung Organische Monohalogenverbindungen lassen sich bequem herstellen und leicht in andere Verbindungen umwandeln. Sie nehmen deshalb eine zentrale Stellung bei der Synthese organischer Moleküle ein. Ebenso wichtig sind Verbindungen mit mehreren Halogenatomen, auch Polyhalogenverbindungen genannt (korrekter wäre die Bezeichnung Oligohalogenverbindungen). Ihre Bedeutung liegt mehr auf dem Gebiet der technischen Verwendung. Chlorierte Kohlenwasserstoffe sind hervorragende Lösungsmittel. Besonders häufig werden Dichlormethan (CH2C12), Chloroform (CHC13), Tetrachlormethan („Tetrachlorkohlenstoff", CCU) und Trichlorethylen verwendet. Trichlorethylen und Tetrachlorethylen dienen zur „Trockenreinigung" (Reinigung von Kleidungsstücken in chlorierten Kohlenwasserstoffen). Chlorierte Methane wie CH 2 C1 2 , CHC13 und CC14 erhält man durch Chlorierung von Methan (s. Kap. III, Abschn. 8). CHC13 reagiert schon beim Aufbewahren in Flaschen mit Sauerstoff, wobei das giftige Phosgen entsteht. Cl H—CCI3

° 2 / h ' v > H— 0—0—C—Cl I Cl

,CI 'Cl Phosgen, sehr giftig

374

XV Organische Halogenverbindungen

Zur Zerstörung des Phosgens versetzt man Chloroform mit 1 % Ethanol, welches Phosgen in den unschädlichen Kohlensäurediethylester umwandelt. Cl 0=C, \

.0-C2H5 +

2C,H5OH



0=cf

Cl

\

+

2 HCl

0—C2H5

Kohlensäure-diethylester

Zur Herstellung chlorierter Ethylene geht man von Ethylen bzw. Acetylen aus. Es wird zunächst Chlor addiert, danach durch Pyrolyse oder mit einer Base Chlorwasserstoff abgespalten. Gegebenenfalls wiederholt man diese Reaktionsfolge bis zum gewünschten Chlorierungsgrad. -HCl Ca(OH) 2

\

/

H

H

Cl

Vinylchlorid

Cl, H

>

= C

\

H

CH2CI—CH2CI

-

1,2-Dichlorethan H

-HCl 500°

H

> HX

= C

H

H-C=C-H

C'2/N2>>

CHCI,—CHCI2 2

2



C a ( 0 H ) 22

CL

Cl

/Cl

\

\ = c { / \

— " > C av( 0 H ) 22 H C I

'

Pentachlorethan

ci

Trichlorethylen CL

CHCI2-CCI3

Cl

Cl

er

1,1,2,2-Tetrachlorethan H

\

Cl

/

CL \ = C { \

Cl

Tetrachlorethylen

Stickstoff dient zur Verdünnung des explosiven Gemisches Acetylen/Chlor.

Einige Fluorkohlenwasserstoffe der Methan- und Ethanreihe werden wegen ihrer niedrigen Siedepunkte, chemischen Trägheit und der Tatsache, daß sie nicht giftig sind, als Kältemittel für Haushaltskühlschränke, Klimaanlagen und als Treibmittel in Sprühdosen verwendet. Hierzu zählen Dichlorfluormethan (CHC12F), Dichlordifluormethan (CC12F2), Trichlorfluormethan (CC13F), 1,2-Dichlortetrafluorethan

5 Polyhaligenverbindungen und ihre technische Bedeutung Tabelle

375

Siedepunkte einiger technisch interessanter Polyhalogenkohlenwasserstoffe

Name

Formel

Chlordifluormethan

CHCIF2

Dichlorfluormethan

CHCI 2 F

Trichlormethan (Chloroform)

CHCI3

Dichlordifluormethan

CCI 2 F 2 CCI3F

Trichlorfluormethan Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff)

Siedepunkt ( ° C ) -41 9 61

-30 24

CCI 4

77

CI

CI

>=< er

Trichlorethylen

87

H

C, Tetrachlorethylen CI

CI

X

121 CI

(CF2C1—CF2C1) u.a. Man nennt diese Verbindungen auch Frigene. Die obenstehende Tabelle gibt die Siedepunkte einiger Frigene und weiterer Polyhalogenverbindungen an. Bei der Darstellung der Frigene geht man von den entsprechenden Polychlorkohlenwasserstoffen aus und ersetzt Chlor teilweise durch Fluor. Als Fluorid-IonenSpender dienen hauptsächlich wasserfreie Flußsäure (HF), SbF 3 oder HgF 2 , z.B.: CHCU

+

2 HF



CCI 4

+

HF



als Katalysator

als Katalysator



CHCIF,

+

2HCI

CCI,F

+

CCI2F2

+

HCl

Der Gebrauch niedermolekularer Frigene ist nicht ungefährlich. Sie entweichen in die obere Atmosphäre und bewirken dort den Abbau von Ozon. CF2CI2

• CF2CI'

+

Cr + 0 3 CIO' + 0 ' )

> Cl—O'

+ 02 02

>C\-

+

er

Kettenstart

Es besteht daher die Gefahr, daß die Schutzwirkung der Ozonschicht gegenüber harter UV-Strahlung verringert wird. ') Aus: 0 2

hv

• 20

376

XV Organische Halogenverbindungen

Polymere Ketten mit Halogenatomen als Liganden haben günstige Eigenschaften: Sie werden von Chemikalien nicht angegriffen und sind nur schwer entzündbar. Die bekanntesten Halogen-haltigen Kunststoffe sind Polyvinylchlorid („PVC") und Polytetrafluorethylen („Teflon"). • —C F , — C F , — C F , — C F , — •

I CI

CI

Teflon (Ausschnitt)

PVC (Ausschnitt)

Beide polymeren Ketten stellt man durch radikalische Polymerisation von Vinylchlorid bzw. Tetrafluorethylen her. Vinylchlorid entsteht - wie oben formuliert - aus 1,2Dichlorethan durch Chlorwasserstoffabspaltung (mittels einer Base oder pyrolytisch). Tetrafluorethylen gewinnt man durch Pyrolyse von Chlordifluormethan bei 700 °C. 700°

2CHCIF2

>

F

\ /C=

C

\

+

2 H C I

F F Tetrafluorethylen

Höherchlorierte cyclische Verbindungen zeichnen sich in einigen Fällen durch insektizide Eigenschaften aus. Bekannte Insektizide dieser Art sind DDT, Chlordan, Aldrin und Dieldrin. CI CI c - ^ y ^ H - / " cci3

DDT

Aldrin

Cl

Chlordan

Dieldrin

Synthese und Eigenschaften des DDT sind bereits in Kap. IX, Abschn. 8.4.1 behandelt worden. Die anderen drei Verbindungen werden mit Hilfe der Diels-AlderReaktion hergestellt, wobei Perchlorcyclopentadien als Dien dient. Zur Benennung

5 Polyhaligenverbindungen und ihre technische Bedeutung

377

wählte man einfach die Namen der Entdecker der Reaktion, da eine rationelle Bezeichnung umständlich ist.

CU

CL Perchlorcyclopentadien (aus Cyclopentadien und Chlor in alkalischem M e d i u m )

Chlordan

CI

H

RCO3H

, ,.

2—> Dieldrin

Aldrin

Aufgaben 1) Wie lautet die exakte Bezeichnung für Tetrachlorkohlenstoff? 2) Warum bewahrt man Chloroform in dunklen Flaschen auf? 3) Sprühdosen enthalten meistens Dichlorfluormethan. Warum gerade dieses Treibgas? 4) Wie gewinnt man Cyclopentadien und Norbornadien?

Norbornadien

5) Weshalb reagiert Chlor bevorzugt mit der unsubstituierten Doppelbindung von A (Formel s. oben)? 6) Statt der umweltschädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe verwendet man für Spraydosen in zunehmendem Maße Fluorkohlenwasserstoffe, z. B. CF 2 H—CH 3 , Sdp. — 25 °C. Weshalb sind letztere weniger umweltschädlich? 7) Bei der Umsetzung von Tetrachlorbenzol (I) mit NaOH in Ethylenglykol entsteht II und daraus, sofern die Reaktionstemperatur oberhalb 180°C liegt, das äußerst giftige 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin III, auch Seveso-Gift genannt (nach der Katastrophe bei der Produktion von II im Ort Seveso). Welche Reaktionstypen liegen bei der Bildung der Verbindungen I—III vor?

Kapitel XVI Metallorganische Verbindungen 1 Einleitung Metallorganische Verbindungen sind wichtige Verbindungen sowohl in theoretischer als auch in präparativer Hinsicht. Im Labor sind es vor allem Verbindungen, die sich von Lithium oder Magnesium (Grignard-Verbindungen) herleiten, in der Technik sind es vielfach Übergangsmetallverbindungen. Katalytische Mengen letzterer reichen, um Alkene in Polymere wie Polyethylen, Polypropylen etc. umzuwandeln. Darüber hinaus werden siliciumorganische Verbindungen als Kunststoffe (Silicone), zinnorganische Verbindungen als Stabilisatoren für einige Kunststoffe verwendet.

2 Bindungstypen Eine metallorganische Verbindung enthält eine Bindung zwischen einem Metall und einem Kohlenstoffatom. Diese Bindung kann verschiedener Natur sein. Man kennt vier Typen: 1. kovalente Bindung

M

2. ionische Bindung



C—

I e

:C—

I

CH3.

3. Mehrzentrenbindung

4. /7-Bindung

: M :"

M-

M:

---II'

Die Bindungstypen 1, 2 und 3 beobachtet man vorwiegend bei Hauptgruppenmetallen, seltener bei Übergangsmetallen, den Bindungstyp 4 fast ausschließlich bei Übergangsmetallen. In den folgenden Abschnitten werden die verschiedenen Typen getrennt beschrieben. Aufgabe Ist Quecksilber-II-acetat eine metallorganische Verbindung?

380

XVI Metallorganische Verbindungen

2.1 Die kovalente Bindung Ist das Metallatom über eine «r-Bindung an ein Kohlenstoffatom gebunden, so spricht man von einer kovalenten Metall-Kohlenstoff-Bindung. Diese Bindung besitzt im allgemeinen einen beträchtlichen ionischen Anteil - entsprechend der unterschiedlichen Elektronegativität eines Kohlenstoffatoms und eines Metallatoms. (Man vergleiche hierzu die Elektronegativitätsskala im ersten Kapitel.)

6 s+ r X ..M -?~

?H3 ' 6-/B\6o' H 3 3

H,C 6- \S+ 6H 3 C-Si-CH 3 l

I —C—Li I

>

I —C—Mg— I

Aufgabe Man vergleiche die Richtung der Polarität einer metallorganischen Bindung mit der einer Kohlenstoff-Halogen-Bindung. Was fallt auf?

2 . 2 Die ionische Bindung Früher nahm man an, daß die meisten metallorganischen Verbindungen ähnlich den Metallsalzen ionischen Aufbau besitzen. Heute weiß man, daß ein solcher Aufbau selten ist. Die ionische Bindung tritt nur bei solchen Verbindungen auf, die entweder ein stark elektropositives Metall enthalten oder deren Anion eine große Bildungstendenz aufweist. So besitzt Methylkalium sehr wahrscheinlich eine ionische Metall-Kohlenstoffbindung, da Kalium zu den elektropositivsten Metallen gehört. Methyllithium ist dagegen schon nicht mehr ionisch aufgebaut, es enthält nichtionische Mehrzentrenbindungen (siehe unten). Lithium-acetylid und Magnesium-cyclopentadienid sind ionisch aufgebaut, da deren Anionen eine große Bildungstendenz aufweisen.

2 Bindungstypen

381

H H — C : e K®

H—C=C:€

H

Methylkalium

Lithiumacetylid

Magnesium-cyclopentadienid

Aufgabe Worauf beruht die große Bildungstendenz des Cyclopentadienid-Anions?

2.3 Die Mehrzentrenbindung Einige metallorganische Verbindungen „assoziieren" sowohl in Lösung als auch in festem Zustand zu Dimeren, Trimeren usw. [AI(CHa),]a

[AI(CHR2)3]3

[LiCH3]4

[Be(CH3)2]n

Trimethylaluminium, dimer

trimer

Methyllithium, tetramer

Dimethylberyllium polymer

Die Ursache der Assoziation soll am einfachsten der genannten Beispiele, am Trimethylaluminium erläutert werden. In der monomeren Form besitzt das Aluminium eine Elektronenlücke. Diese wird aufgefüllt, indem zwei Moleküle A1(CH 3 ) 3 assoziieren. ^unbesetzt

H

C ) ^ C 'AI r "

R

Ü C H

H

,

H3 V

3

H

3

3

/

C

C ^

CH3 > H

H

MONOMER

\

3

3

H3C

oder H

3

^CH V,

C ^

3

^ C H

3

H3

DIMER

Die Bindung in der Brücke kommt durch Überlappung von jeweils drei Orbitalen zustande.

AI C H

3

C

R X I

Im A1 2 (CH 3 ) 6 begegnen wir einer Mehrzentrenbindung, genauer ausgedrückt einer Dreizentren-Zweielektronen-Bindung. Solche Bindungen werden auch Elektronen-

382

XVI Metallorganische Verbindungen

mangelbindungen genannt, da mehr Bindungen gebildet werden als Elektronenpaare vorhanden sind. Die folgenden Beispiele zeigen den Unterschied zwischen einer normalen Bindung (Zweizentren-Zweielektronen-Bindung) und einer Elektronenmangelbindung.

y X H,

[H—H]®

H—H

I / —c—Ar I \

ZweizentrenEinelektronenBindung

Zweizentren ZweielektronenBindung

ZweizentrenZweielektronenBindung

DreizentrenZweielektronenBindung. (Die zweite Dreizentren-Zweielektronen-Bindung ist weggelassen.)

Aufgaben i) Dimethylberyllium ist im festen Zustand polymer und im gasförmigen Zustand dimer. CH 3

,'C\3

H3C—Be/

^Be/

'.Be—CH 3

^Be"'

VCH h 33

CH„ dimer

CH 3

Je/ *CH3

polymer

Welche Bindungstypen kommen in der dimeren und polymeren Struktur vor? 2) Das 1 H-NMR-Spektrum des dimeren Trimethylaluminiums weist unterhalb — 45 °C, wie zu erwarten, zwei Singuletts im Intensitätsverhältnis 2 : 1 auf, bei Raumtemperatur dagegen nur ein Singulett. Warum?

-1 1

1 0

1 -1

1— -2 cftppml

Abbildung Temperaturabhängigkeit des thylaluminium

1

H-Kernresonanzspektrums vom dimeren Trime-

2 Bindungstypen

383

2.4 Die Bindung in n-Komplexen Übergangsmetalle besitzen innere Elektronenschalen, die nur teilweise mit Elektronen besetzt sind. Sie reagieren daher mit Molekülen, welche rc-Elektronen oder freie Elektronenpaare besitzen. Diese füllen die Elektronenlücken des Übergangsmetalls auf. So reagiert Platin-II-chlorid mit Ethylen zum sogenannten Zeise-Salz:

H / C=C H / | \ H H

\

C I — P t — C I Ka

I CI

Zeise-Salz

o M

|1

CS &

2

IM:

besetzte Orbitale: schraffiert unbesetzte Orbitale: weiß

Die Jt-Bindung darin besteht aus zwei Anteilen. Anteil 1: Es überlappt das mit 2 Elektronen besetzte 7t-Orbital des Ethylens mit einem leeren Orbital des Metalls. Anteil 2: Es überlappt ein mit 2 Elektronen besetztes Orbital des Metalls mit dem unbesetzten 7i*-Orbital des Ethylens (sogenannte Rückbindung). In beiden Anteilen überlappen somit besetzte Orbitale des einen Bindungspartners mit unbesetzten Orbitalen des anderen Partners. Im folgenden sind einige typische Metall-Alken-Komplexe aufgeführt. Das Übergangsmetall kann darin entweder null- oder höherwertig sein. Die olefinische Komponente ist mit einer oder gar mehreren Doppelbindungen an das Metall gebunden. Wieviel Doppelbindungen beteiligt sind, hängt von der Anzahl freier Plätze in der Elektronenschale des Metallatoms ab. In der Regel werden soviel Alkene (aber auch andere Lewis-Basen wie CO, Halogenid etc.) addiert, bis das Übergangsmetall die Elektronenschale des im Periodensystem folgenden Edelgases (18 Elektronen in der äußersten Schale) erlangt hat (Edelgasregel). So benötigt nullwertiges Fe zur Erlangung der Elektronenschale des Kryptons 10 Elektronen oder 5 Elektronenpaare. Diese werden im Cyclooctatetraen-Eisentricarbonyl von drei Kohlenoxidmolekülen und zwei (nicht etwa vier) Doppelbindungen des Cyclooctatetraens zur Verfügung gestellt. Hingegen benötigt zweiwertiges Eisen (Fe®®) 12 Elektronen oder 6 Elektronenpaare. Genau soviel besitzen 2 Cyclopentadienid-Ionen. Deshalb besitzt Eisen auch im Ferrocen Edelgaskonfiguration. Nachfolgend sind einige typische Tt-Komplexe aufgeführt. Die Zahlen geben die Bindungselektronen am Übergangsmetall an. Ferrocen und Bis(benzol)chrom gehören zu den sogenannten „sandwich"-Verbindungen (sandwich = belegtes Brot), bei denen sich ein Übergangsmetall zwischen zwei Ringen befindet. Bis(benzol)chrom wurde von E.O.Fischer (geb. 1918 in München) dargestellt, der dafür und für die Herstellung anderer ungewöhnlicher metallorganischer Verbindungen 1973 den Nobelpreis erhielt.

384

XVI Metallorganische Verbindungen

\ hv/

/ C = C

j

n

\H

C l — p f — Cl K®

I Cl

Zeise-Salz 2 8 (Ptt 2e ®) + 8 (Liganden) = 16

1,5,9-Cyclododecatriennickel 1 0 ( N i ° ) + 6 (Liganden) = 1 6

1,2,3,4-/7-Cyclooctatetraen-eisentricarbonyl 8 (Fe 0 ) + 1 0 (Liganden) = 1 8

£J V V

oc

i

> i * »i /

I

\ '1 ' > '

%

Fe

"fco

/

CO

\ Cyclobutadieneisentricarbonyl 8 (Fe 0 ) + 10 (Liganden) = 1 8

Ferrocen 6 (Fe 2 ®) + 12 (Liganden) = 1 8

I\

^

Di(f; 6 -benzol)chrom 6 (Cr 0 ) + 12 (Liganden) = 18

Nomenklatur. Das Beispiel Cyclooctatetraen-eisentricarbonyl zeigt, daß nicht alle Doppelbindungen eines komplexierten Olefins an das Übergangsmetall gebunden sein müssen. Zur Unterscheidung bedient man sich des griechischen Buchstabens r\. Beispiele s. vorstehend. Aufgabe Unter den 6 vorstehend aufgeführten Metall-Alken-Komplexen zeichnet sich 1,5,9Cyclododecatrien-nickel durch besondere Reaktivität aus (es oligomerisiert z. B. 1,3Diene). Worauf beruht die Reaktivität?

3 Physikalische Eigenschaften Die physikalischen Eigenschaften metallorganischer Verbindungen hängen von der Art der Bindung ab. Das ionische Methylkalium besitzt die Eigenschaften eines Salzes: Es ist nicht flüchtig und unlöslich in organischen Lösungsmitteln. Die meisten anderen metallorg. Verbindungen sind aber nicht ionisch und ähneln deshalb in ihren physikalischen Eigenschaften denen organischer Verbindungen. Sie sind häufig flüchtig und lösen sich vielfach in organischen Lösungsmitteln. So kann man die Eisen

4 Darstellung

385

enthaltende Verbindung Ferrocen schon bei 100° im Vakuum sublimieren, bei 173° schmelzen und in Benzol, nicht dagegen in Wasser, lösen. Dieses Verhalten steht im krassen Gegensatz zu einer typischen anorganischen Eisen Verbindung, etwa FeBr2. -Fe •

FeBr,

4

Eisen-ll-bromid

Ferrocen

Schmp. 6 8 4 ° (Zersetzung), in Wasser löslich, in Benzol schwer löslich

Schmp. 1 7 3 ° , in Wasser schwer löslich, in Benzol leicht löslich

Darstellung

4.1 Aus C—H-aciden Kohlenwasserstoffen C—H-acide Verbindungen reagieren mit Metallen oder metallorganischen Verbindungen nach folgendem Schema: R—H

+

M

R—H

+

R'—M




R—M

+

R'—H

Je geringer die C—H-Acidität ist, um so schwieriger erfolgt die Substitution des Wasserstoffs durch ein Metall. So gelingt die Substitution des CH3-Wasserstoffs in Toluol nur durch besonders elektropositive Metalle wie Caesium. R—C=C—H

Toluol

+

Na



R — C = C : e Na®

+

Benzylcaesium

Leichter treten solche Substitutionen ein, wenn man statt des Metalls eine geeignete metallorganische Verbindung wählt. Hierbei nimmt das Metall vorzugsweise die Position des am stärksten aciden Wasserstoffs ein. So kann man mit n-Butyllithium (einem häufig verwendeten Metallierungsreagenz) alle Verbindungen metallieren, die eine größere C—H-Acidität als Butan besitzen.

386

XVI Metallorganische Verbindungen Li

40

Trifluormethylbenzol

Li 1

8

Trifluormethylbenzol wird vorwiegend in o-Stellung metalliert, da hier aufgrund des — I-Effekts der CF 3 -Gruppe (s. Kap. IX, Abschn. 6.2) die C—H-Acidität am größten ist. Der Wasserstoff-Lithium-Austausch ist bei der Herstellung reaktiver Zwischenstufen wie Dehydrobenzole, Carbene und Phosphorane von Bedeutung: F

F

Chlorcarben

(C6H5)3P-CH3Xe

n

"C4H9

U

>

(C6H5)3P-dH2

+

LiX

Methylentriphenylphosphoran (Phosphoran selbst besitzt die S u m m e n f o r m e l P H 5 )

4.2 Aus organischen Halogenverbindungen Häufig stellt man metallorganische Verbindungen aus einer organischen Halogenverbindung her.

4 Darstellung CH3—CH2—I

+

Mg



387

CH3—CH2—Mg—I Ethylmagnesiumiodid

3-Pyridyllithium Die beiden, durch vorstehende Formeln ausgedrückten Reaktionstypen sind bereits im vorangegangenen Kapitel näher behandelt worden. Zur Wiederholung seien nochmals die Triebkräfte dieser Reaktionen genannt. Die Grignardverbindung bildet sich, weil hierbei eine Metallhalogenidbindung entsteht, deren Bildung stark exotherm verläuft. Der Metall-Halogen-Austausch tritt ein, weil das Metallatom bestrebt ist, sich mit demjenigen C-Atom zu verbinden, das die höhere C—H-Acidität besitzt. Magnesiumorganische Moleküle besitzen nicht die einfache Zusammensetzung „R—Mg—X", sondern sind entweder mit Ethermolekülen komplexiert oder aber mit sich selbst assoziiert. Bei der Assoziierung mit sich selbst werden Elektronenmangelbindungen gebildet. Eine Lösung von Alkylmagnesiumhalogenid in Ether enthält deshalb folgende Verbindungen, die alle im Gleichgewicht miteinander stehen (OR 2 bedeutet H 5 C 2 —O—C 2 H 5 ), s. auch Kap. XV, Abschn. 4.3. OR2 l

R—Mg—R t

OR2 1 2 R—Mg—X T OR,

OR 2

+

OR 3

1 X—Mg—X «= t OR,

Schlenck-Gleichgewicht

Grignard -Verbindung

R20 Oligomere

\

/ R

X Mg

Mg

X Dimeres

/

OR2

\ R

Danach steht die Grignard-Verbindung R—Mg—X- (R 2 0) 2 im Gleichgewicht einerseits mit Dialkylmagnesium R — M g — R ( R 2 0 ) 2 und Magnesiumhalogenid MgX2- (R 2 0) 2 (ScWewcfc-Gleichgewicht), andererseits mit Dimeren und Oligomeren. In allen Verbindungen besitzt Magnesium die Koordinationszahl

vier. Die A n o r d n u n g

um das Mg ist tetraedrisch, wie die Röntgenstrukturanalyse des kristallinen H 5 C 2 —Mg—Br (R 2 (X 2 gezeigt hat. Wenn magnesiumorganische Verbindungen trotzdem mit „R—Mg—X" bezeichnet werden, so allein deshalb, um Reaktionsgleichungen übersichtlich zu gestalten.

388

XVI Metallorganische Verbindungen

Methyllithium ist sowohl in reinem als auch in gelöstem Zustand tetramer. Es liegen komplizierte Mehrzentrenbindungen vor.

Abbildung Tetrameres Methyllithium. Die 4Li-Atome bilden ein Tetraeder, über dessen Seiten die 4 C H 3 - G r u p p e n angeordnet sind.

4.3 Aus Alkenen und Metallhydriden Metallhydride des Bors und Aluminiums lagern sich an die Doppelbindung von Alkenen an, z.B.: 3 H3C—CH=CH2

+

BH 3

>

(H3C— CH2—CH2)3B

Die Reaktion ist im Kapitel, Alkene" näher beschrieben.

4.4 Aus Metallhalogeniden Metallhalogenide können mit metallorganischen Verbindungen in der Weise reagieren, daß die Metalle die „Plätze" vertauschen. CdCI 2

+

2R—Mg—Cl



R2Cd

+

2MgCI2

Vorstehende Reaktionen treten deshalb ein, weil Magnesium und Lithium elektropositiver als Cadmium und Zirconium sind und damit letztere aus ihren Halogeniden verdrängen. Als metallorganische Verbindungen verwendet man meistens magnesiumorganische oder lithiumorganische Verbindungen, wobei letztere in der Regel reaktiver sind:

4 Darstellung (C2H5)3TI

tici,

C 2 H 5 -Mg-CI

^

>

Triethylthallium

389

^

Diethylthalliumchlorid

4.5 Aus Olefinen und Metall(verbindungen) Metall-Alken-Komplexe werden in einfachen Fällen direkt aus Metallatomen bzw. Metallsalzen und ungesättigten Verbindungen hergestellt, wie die folgenden Beispiele zeigen: Cr

+ 2

---Cr

(atomarer Dampf)

Bis(benzol)chrom, 60 % Ausbeute •

o

K®[PtCI3 • C 2 H 4 ) e

+ KCl

Zeise-Salz + Fe



I

R—C—0—Mg—X

i

H

H2°

>

I

R —C—OH

i

sekundärer Alkohol

5 Reaktionen R

R

X— Mg—R'

+

\:=0

—•

R

I

R—C—0—Mg—X

R•

393

h2

° >

I

R —C—OH

R"

R"

Keton

tertiärer Alkohol

Bei der Darstellung eines sekundären Alkohols RR'CH(OH) oder eines tertiären Alkohols RR'R"C(OH) nach der Grignard-Methode gibt es mehrere Möglichkeiten, da der Alkylrest R entweder von der Grignard-Verbindung oder von der Carbonylverbindung stammen kann. Ein sekundärer Alkohol kann durch zwei verschiedene Grignard-Reaktionen, ein tertiärer Alkohol gar durch drei verschiedene GrignardReaktionen hergestellt werden, wie im folgenden durch je ein Beispiel belegt ist. Synthese eines sekundären Alkohols durch zwei verschiedene Grignard-Reaktionen:

MgB

;

+

HC H3C-C

„• f V C - c^ h -

X H

r


-Mg-^Mg

X +

U .
H

r /

+ 0

Alkan

H

sekundärer Alkohol




>

R—er

^

0

\

OH Carbonsäure

R ^

R

0

H Aldehyd

OH

V

2

- H2, # < > R—er + H2 \

> = °

R/ Keton

VH ^ Rv0H R

/

\

Alkan a)

^

R

/ X

R

tertiärer Alkohol

Die Entfernung des Sauerstoffs gelingt nicht direkt, sondern nur auf Umwegen.

Die Reduktion eines Alkohols zu einem Alkan gelingt nicht direkt, sondern erst nach Umwandlung der Hydroxylgruppe in eine bessere Austrittsgruppe, z. B. eine Sulfonsäureestergruppe. Die Sulfonsäureestergruppe ist im Gegensatz zur OH-Gruppe eine ausgezeichnete Austrittsgruppe und läßt sich durch die nucleophilen Hydrid-Ionen (in Li® A l H f ) verdrängen. Schritt 1 : Herstellung des Esters

Alkohol

p-Toluoisulfonsäurechlorid

Ester der p-Toluolsulfonsäure

6 Reaktionen

429

Schritt 2: Reduktion des Esters

CH33 Li®

i) • R—CH3 + Li—0—S—(\ -[AIH3] II \ 0 Kohlenwasserstoff

/-CH3 /

Die Oxidation von primären und sekundären Alkoholen zu Aldehyden bzw. Ketonen gelingt mit Oxidationsmitteln wie K M n 0 4 , K 2 C r 2 0 7 , C r 0 3 , M n 0 2 , A g 2 0 , A g 2 C 0 3 u.a. Mechanistisch verläuft sie nach folgendem Schema: H

R

R—C—OH

> HxCxO^X

A

> R—C=0

Y

+

H—X

A

X bedeutet eine Gruppe, welche bestrebt ist, die Elektronen in O—X gemäß O - Q i aufzunehmen. Häufig handelt es sich bei X um ein Metall in höherwertigem Zustand. Die Oxidation von Alkoholen mit Kaliumbichromat verläuft nach folgender Gleichung: H3C

H

3 H3C

+

K2Cr207

+

Cr 2 (S0 4 ) 3

+

4 H 2 S0 4

>

OH

Isopropylalkohol H3C

3

\=0 H3CX

+

K2S04 + 7H 2 0

Aceton Es werden 3 mol Alkohol zu 3 mol Aceton oxidiert (das entspricht 3 x 2 = 6 Oxidationsstufen), gleichzeitig wird ein mol K 2 C r 2 0 7 zu einem mol Cr 2 (S0 4 ) 3 reduziert (das entspricht ebenfalls 6 Oxidationsstufen). Die Reaktion verläuft über einen Chromsäureester, der zum Keton und zu einer Chrom-IV-Verbindung fragmentiert. H3C I H—C—OH T H3C

+

H3C

H 2 0:

+

0 Jl H—0—Cr—OH Ii 0 0

* I ril H^ÇT-O—Cr—OH T II H3C



H3C 0 I II H—C—0—Cr—OH i ii H3C 0

0

H,0® +

H3CV

h3C /

+

,C=0

H20

+

0 II :Cr :Cr—OH II 0

e

430

XVII Alkohole und Phenole 0 H30®

+

e

:Cr—OH

>

H20

+

H2Cr03

0 H 2 C r 0 3 ist nicht beständig, es wird durch Chromat zu Cr-V oxidiert, welches ebenso wie Cr-VI - Alkohol zu oxidieren vermag. Während die Oxidation sekundärer Alkohole auf der Stufe der Ketone stehen bleibt, wie am Beispiel des Isopropylalkohols gezeigt, werden primäre Alkohole z. T. zu Aldehyden, z. T. zu Carbonsäuren oxidiert.

R

_CH2-0H

"

.

«

W

,

R - c ( °

" W V " '

,

R - c ( °

H

primärer Alkohol

OH

Aldehyd

Carbonsäure

Wünscht man allein die Oxidation zum Aldehyd, so verwendet man als Oxidationsmittel einen Komplex aus Chromtrioxid und Pyridin, CrO a -2C 5 H 5 N. 0 C H33 - (v C H2,) )5 5 - C H22 - O H 1-Heptanol

Cr03-2CBH5N in C H 22C L ,2 ' 25°

Q H3

2 5

// \

Heptanal

Bei der Oxidation mit Kaliumbichromat erfolgt ein Farbumschlag von gelb (Cr-VI) nach grün (Cr-III). Man nutzt diesen Umschlag zur Erkennung von „Alkohol" in der Atemluft. Dazu bläst die Prüfperson (z. B. bei einer Verkehrskontrolle) in ein Prüfröhrchen, welches Kieselgel, getränkt mit einer schwefelsauren Chromatlösung, enthält. Tritt hierbei ein grüner Ring auf, besteht Verdacht auf Alkohol. (Der Alkohol gelangt über Magen und Blutkreis in die Lunge und von dort in die Atemluft.) Aufgaben 1) Man nenne zwei Möglichkeiten, Cyclohexanol in Cyclohexan zu überführen. 2) Welche Verbindung entsteht bei der Reduktion von

mit LiAlD 4 ?

6 Reaktionen

431

3) Ausgehend von C 4 -Alkenen sind folgende Verbindungen herzustellen: H3C—CH2—c—CH3 0

0 H3C—CH2—CH2—C^ H

0 H3C—CH2—CH2—C^ OH

(a)

(b)

(c)

6.3.2 Austausch der Hydroxylgruppe gegen Halogen Austausch durch HalogenwasserstofF. Alkohole reagieren mit Halogenwasserstoff zu Halogenalkanen. R—OH

+

H—X



R—X

+

H-OH

Da Alkohole leicht zugänglich sind, kann man auf diese Weise bequem Halogenverbindungen herstellen. Auf die umgekehrte Reaktion, nämlich die Überführung von Halogenalkanen in Alkohole, ist bereits im Kap. 13, Abschn. 1 hingewiesen worden. Alkohole und Halogenverbindungen sind demnach gegenseitig umwandelbar. Die folgenden Beispiele sollen die Anwendungsbreite dieser Reaktion demonstrieren: CH,—CH 22—CH22—CH,—CH 2—OH 3 2 2

HC

'",GaS > CH33—CH22—CH22—CH22—CH2CI + H22 0 2

Z n C

2

1-Pentanol

1-Chlorpentan

CH H3C C—OH I CH3

i d l Ä r

tert- Butylalkohol : OH

Cyclohexanol

H

CH3 3 ^?- C I CH, '3 C

+

iert-Butylchlorid HBr-Ga S)

/ ^ g r

Cyclohexylbromid

Tertiäre Alkohole sind besonders reaktionsfähig und reagieren sogar mit einer wäßrigen Lösung von HalogenwasserstofT. Die Reaktion wird durch die Addition eines Protons an die OH-Gruppe eingeleitet. Hierbei geht die als Austrittsgruppe ungeeignete OH-Gruppe in die wirksame AusH trittsgruppe — O—H über. Letztere weicht einem nucleophilen Angriff des Halogenid-Ions, der entweder nach dem S N 2- oder S N 1 -Mechanismus erfolgt.

432

XVII Alkohole und Phenole

R—0—H

+ H—X

R—0—H

+

S 2

X® + R-^D—H H I ® R—0—H

H—X

" > X—R

SJ

+

+

xQ

H20

+

H2O

R—X Methanol und primäre Alkohole werden nach dem SN2-Mechanismus substituiert, tertiäre Alkohole nach dem S N i-Mechanismus. Die Substitution sekundärer Alkohole verläuft je nach den Reaktionsbedingungen (Lösungsmittel, Temperatur, Konzentration) nach dem einen oder anderen Mechanismus. Damit liegen die gleichen Reaktionsabläufe vor, die man auch bei der Substitution primärer, sekundärer und tertiärer Halogenalkane und anderer Verbindungen vom Typ R—X beobachtet (Kapitel „Substitution"). Die Reaktion zwischen Alkohol und Halogenwasserstoff verläuft umso schneller, je höher die Ordnungszahl des Halogens ist. H—Cl


H,C—CH,—0—H

> H 3 C—C H 2 —0—C H 2 —C H 3

H W i e bei der Reaktion R — O H —• R — H a i (Abschn. 6.3.2.1) besteht auch hier der entscheidende Vorgang in der nucleophilen Substitution der protonierten Gruppe. Aufgaben 1) Es ist folgender Reaktionsablauf zu erklären: H,C H I I H3C-^-C-CH3 H

CH,

OH

(CH 3 ) 2 CH—CH=CH 2 (a)



+

(CH 3 ) 2 C=CH—CH 3 (b)

+

CH 2 =C—CH 2 —CH 3 (c)

OH-

436

XVII Alkohole und Phenole

2) Bereits 1827 beobachtete Zeise, daß beim Erhitzen einer Lösung von PtCl 2 und KCl in Salzsäure/ Ethanol das nach ihm benannte Salz K® [PtCl 3 • C 2 H 4 ] e ausfällt. Man formuliere die Reaktionsgleichung. 3) Ausgehend von Ethylen ist folgender Ether herzustellen: CI—C H 2—C H 2— 0—C H 2—C H 2—CI

6.3.5 Reaktion zwischen Alkoholen und Säuren: Ester Alkohole reagieren mit Säuren unter Wasserabspaltung zu Estern.

R—0—H

+

0 II

H—0—C—CH 3

>

0 II

R—0—C—CH 3

Essigsäure

+

H20

Essigsäure-alkylester

Ester stellen Verbindungen dar, die sich von Säuren dadurch ableiten, daß der acide Wasserstoff durch einen Älkyl- oder Arylrest ersetzt ist. Bei den Säuren handelt es sich um anorganische Säuren wie Salpetersäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure und andere oder um organische Säuren wie Ameisensäure, Essigsäure usw. Die folgende Tabelle enthält einige typische Säuren und davon sich ableitende Ester. Zum Mechanismus der Esterbildung mit Carbonsäuren siehe Kap. XXII. Aufgabe Welche der folgenden Verbindungen ist ein Ester? CH 3

0—CH 3

H3c-lj>=0

0

h3c—o—P=0

ch3

H5C6—o—ü—ch3

o—ch3

(1)

(2)

9

"•Of ' \ = /

l

(3)

0 3

(4)

—OCH 3

(5)

6.4 Reaktionen von Phenolen Die Reaktionen von Alkoholen lassen sich teilweise auch auf Phenole übertragen. So kann man Phenole mit Carbonsäuren verestern und mit bestimmten Säurehalogeniden in Arylhalogenide überführen. Die zuletzt genannte Reaktion bedarf aber einer

6 Reaktionen Tabelle

437

Säure, Alkohol und der daraus entstehende Ester

Säure

Alkohol oder Phenol

Ester o—CH 33

OH |

H— 0—B—OH

|

H3C—OH

H 3 C—o—B—0—CH 3 Borsäure-trimethylester

H—0—N0 2

H3C—CH2—OH

H 3 C—CH 2 —0—N0 2 Salpetersäure-ethylester 0

0

II H—0—S—OH II II

II

H3C—OH

H3C—o—S—OH IIII

0

0

Schwefelsäure-monomethylester 0

II

H 3 C—0 —S—0—C H 3 IIII

0

Schwefelsäure-dimethylester 0

0

II

II

H—0—P—OH |

H3C—OH

H3C—0—p—OH OH

OH

Phosphorsäure-monomethylester 0

II

H 3 C—o—P—o—CH 3 OH Phosphorsäure-dimethylester 0

II

H 3 C—o—P—0CH 3 OCH 3

Phosphorsäure-trimethylester 0

CH 3

II

H—0—C—CH3

1 H—C—OH | CH 3

CH3 0 1 II H—C—0—C—CH3 1 CH 3

Essigsäure-isopropylester 0

IIIL

0

0

IIII

HO—C—C—OH

C6H5-OH

II

0

II

C 6 H 5 —o—c—c—o—C 6 H 5 Oxalsäure-diphenylester

438

XVII Alkohole und Phenole

höheren Reaktionstemperatur, da die Spaltung einer y4ry/-0-Bindung langsamer als die einer ^/fe^Z-O-Bindung erfolgt: CH 3 I H3C—c—CH2—OH

+ (H5C6)3PBr2

50°

CH3 I H3C—C—CH2—Br

CH 3

CH3

Neopentylalkohol

Neopentylbromid OH +

oorjo (H5C6)3PBr2 - 5 Ü +

2-Naphthol

+ HBr +

(H5C6)3P=0

+ HBr +

(H5C6)3P=0

2-Bromnaphthalin

Andererseits kann man die säurekatalysierte Wasserabspaltung aus Alkoholen, bei der Alkene entstehen, auf Phenole nicht übertragen. Im folgenden sind einige typische Phenolreaktionen beschrieben.

6.4.1 Oxidation Phenole mit nur einer OH-Gruppe werden zunächst zu Phenoxyl-Radikalen oxidiert. Diese Radikale sind in bestimmten Fällen beständig, z.B.:

PbO, in C 6 H 6

2,4,6 -Tri (iert-butyl) phenol

2,4,6 -Tri (fert-butyl) phenoxyl- Radikal (2 mesomere Grenzformen von 4 möglichen gezeigt); beständig; tiefblau

Die Stabilität des vorstehenden Radikals beruht darauf, daß die sperrigen tert-Butylgruppen die reaktiven o- und p-Positionen sterisch abschirmen. Fehlt diese Abschirmung wie im Phenoxyl-Radikal selbst, so erfolgt Dimerisierung. Dimere können weiter reagieren, wobei höhermolekulare Verbindungen entstehen. So ergibt die Oxidation von p-Kresol folgende Verbindungen:

K 3 Fe(CN) 6 ^

p-Kresol

6 Reaktionen

439

Die Reaktion verläuft wie folgt: H

I 1 0:

:Ö:

|

s

J

rS I

-H'

>

T

1

CH 3

CH,

CH 3

p-Methylphenoxy-Radikal (4 mesomere Grenzformen), unbeständig

Enolisie-^ rung

Die Schritte, welche zur Bildung der Verbindung mit drei p-Kresol-Bausteinen führen, möge der Leser selbst formulieren. Phenoloxidationen dieser Art werden nicht nur im Reagenzglas (in vitro), sondern auch in der Natur (in vivo) beobachtet. Phenole mit zwei OH-Gruppen werden zu Chinonen oxidiert, sofern die beiden OHGruppen ortho- oder para-ständig zueinander angeordnet sind. OH + Ag20 OH 1,2-Dihydroxybenzol (Brenzcatechin)

C^o

+ 2Ag + H 2 0

o-Benzochinon

OH 3

+ Na 2 Cr 2 0 7 + 4 H 2 S 0 4

-> 3

+ C r 2 ( S 0 4 ) 3 + Na 2 S0 4 + 7 H 2 0

OH 1,4-Dihydroxybenzol (Hydrochinon)

p-Benzochinon

Dagegen läßt sich 1,3-Dihydroxybenzol (Resorcin) auf ähnliche Weise nicht oxidieren. Der Leser überzeuge sich, daß eine derartige Oxidation (Resorcin minus 2 H) kein plausibel erscheinendes Molekül liefern kann.

440

XVII Alkohole und Phenole

Phenole als Radikalfänger. Reaktionen, die über Radikale verlaufen, werden durch Zugabe eines Radikalfangers gestoppt. Zu den geeigneten Radikalfangern gehören u. a. Phenole. Die Wirkungsweise soll am Beispiel der Fettkonservierung erläutert werden. Eßbare Fette werden bei unsachgemäßer Lagerung ranzig. Die Veränderung beruht entweder auf Hydrolyse der Esterbindungen oder auf Autoxidation solcher Fette, die ungesättigte Carbonsäuren, z. B. Ölsäure, enthalten. H

I

/

o

H

I

H3C—(CH2)6— C—CH=CH—(CH2)7— C ^ H

Luft>

C—CH=CH • • • 0—0—H

R

Ölsäure-ester

partiell oxidierter Ölsäure-ester (Strukturformel nur teilweise wiedergegeben)

Zur Verhinderung dieser Oxidation setzt man Fetten geeignete Antioxidantien zu, wie z.B.:

CH 2,6-Di(fert-butyl)p-kresol

CH, or-Tocopherol (Vitamin E), ein natürlich vorkommendes Antioxidans

Die Wirkung der Phenole als Radikalfanger beruht darauf, daß der phenolische Wasserstoff leicht auf Radikale übertragen werden kann. Dadurch werden letztere neutralisiert, was zur Folge hat, daß die radikalische Kettenreaktion gestoppt wird.

+

reaktiv

R—H

wenig reaktiv

Zwar entsteht bei der Absättigung des reaktiven Radikals R' das Phenoxy-Radikal, dieses ist aber aufgrund der Delokalisierung des ungepaarten Elektrons wenig reaktiv und damit nicht imstande, die Kettenreaktion aufrecht zu erhalten.

6 Reaktionen

441

Aufgaben 1) a-Tocophenol ist als Antioxidans weniger wirksam als 2,6-Di(teri-butyl)p-kresol. Warum? 2) Wie lautet die Struktur der Oxidationsprodukte folgender Reaktionen? wäßr. FeCI3

Phenol 2-Naphthol

waßr. FeCI3 >

drei Hauptprodukte ejp

Produkt

6.4.2 Elektrophile Substitution von Phenolverbindungen Sauerstoff am Benzolring beschleunigt die elektrophile Substitution. Die Beschleunigung steigt in der Reihenfolge —O—Alk < —O—H < — O e und beruht auf mesomeren und induktiven Effekten (Kap. XI, Abschn. 9). Phenolate gehören zu den reaktivsten Aromaten! OH

Substituent besitzt + M - Effekt und - I-Effekt.

|Ö|9

Substituent besitzt + M - Effekt und+l-Effekt.

Die Steigerung gemäß obiger Reihenfolge erkennt man an folgender Gegenüberstellung. Bei der Bromierung von Anisol in Schwefelkohlenstoff wird ein einziger Wasserstoff substituiert, bei der Bromierung von Phenol in Wasser werden dagegen drei H-Atome ersetzt. (Ein Katalysator ist in beiden Fällen nicht erforderlich.) CH 3

CH 3

O

O + Br

Anisol

OH

Phenol

p-Bromanisol (Hauptprodukt) OH

Br 2,4,6 -Tribromphenol

HBr

442

XVII Alkohole und Phenole

Die Steigerung im Falle des Phenols beruht darauf, daß in Wasser eine geringe Konzentration an Phenolat-Ionen vorhanden ist (C 6 H 5 —OH + H 2 0 C6H5—Oe + H 3 0®), welche rasch reagieren. Analoges gilt für Bromphenol, das sogar noch acider ist als Phenol. Setzt man direkt Natriumphenolat ein, reagieren auch so schwach elektrophile Verbindungen wie Kohlendioxid.

Enolisierung Hauptprodukt

06II C6+ II 06-

Natriumsalz der o-Hydroxybenzoesäure (Salicylsäure)

125°C

Enolisierung

Na® Nebenprodukt

Natriumsalz der p-Hydroxybenzoesäure

Statt der normalerweise bei elektrophilen Substitutionen zu erwartenden cr-Zwischenstufe entsteht hier wegen der im Aromaten bereits vorhandenen negativen Ladung ein Cyclohexadienon, das sich unter Rearomatisierung in die dazugehörige Enol-Form umwandelt. Die Reaktion zwischen Alkaliphenolat und Kohlendioxid heißt Kolbe-Reaktion und besitzt wegen der vielfältigen Verwendung von Salicylsäure (so ist Natriumsa\icylat ein Konservierungsmittel) technische Bedeutung. Das Verhältnis o- zu p-Hydroxybenzoesäure läßt sich durch das Kation steuern. Natriumphenolat ergibt bevorzugt o-Produkt, Kaliumphenol dagegen hauptsächlich /^-Produkt. Das kleinere NatriumIon vermag offensichtlich das o-Produkt besser zu komplexieren und damit zu stabilisieren als das größere Kalium-Ion.

6 Reaktionen

443

Aufgaben 1) Warum liegt das Keto-Enol-Gleichgewicht zwischen Phenol und Cyclohexadienon praktisch ganz auf der Seite des Phenols? 2) Wie müssen zwei OH-Gruppen an einem Naphthalinring angeordnet sein, damit bei der Oxidation (unter milden Bedingungen) Chinone entstehen? 3) Folgende Verbindung ist aus Benzol darzustellen.

Br

Claisen-Umlagerung von Allylethern. Erhitzt man Allylphenylether auf ca. 200 °C, so tritt eine Umlagerung ein (nach dem Entdecker Claisen-Umlagerung benannt), bei welcher die Allylgruppe vom Sauerstoff zur o-Position wandert. Claisen-Umlagerung:

H

0 200°C

Allylphenylether

H-Wanderung

Cyclohexadienon-Derivat

o-Allylphenol

Als Zwischenstufe tritt ein Cyclohexadienon-Derivat auf, das unter H-Wanderung rasch aromatisiert. Die Claisen-Umlagerung ist ein Spezialfall einer sigmatropen Umlagerung, die immer dann eintreten kann, wenn sich zwischen zwei Doppelbindungen drei Einfachbindungen befinden.

CAE

I

Die Buchstaben A bis F bedeuten Kohlenstoff, Stickstoff und ggfs. Sauerstoff.

Die folgenden Beispiele beziehen sich auf eine Claisen-Umlagerung in der aliphatischen Reihe, ferner auf eine Umlagerung, an der nur C-Atome beteiligt sind (CopeUmlagerung).

444

X V I I Alkohole und Phenole

Claisen-Umlagerung in der Aliphatenreihe:

Allylvinylether

4-Pentenal

Cope-Umlagerung:

7 Mehrwertige Alkohole Die bisher behandelten Alkohole enthielten nur eine OH-Gruppe pro Molekül. In diesem Abschnitt wollen wir unser Augenmerk auf Alkohole richten, die mehr als eine OH-Gruppe besitzen. Solche Alkohole nennt man auch mehrwertige Alkohole. Zu den wichtigsten mehrwertigen Alkoholen gehören Glykole (2 OH-Gruppen), Glycerin (3 OH-Gruppen) und die Zucker (mehrere OH-Gruppen). Einfache Zucker enthalten außer den OH-Gruppen noch eine Aldehyd- oder Keto-Gruppe. H H

H H H

H

H

H

H

H

0

I I H—C—C—H I I 0 0 HH

I I I H—C—C—C—H I I I 0 0 0 HHH

I I I I I ^ H—C—C—C—C—C—Cv l I I I l V 0 0 0 0 0 H H H H H H

1,2-Ethandiol (Ethylenglykol)

1,2,3-Propantriol (Glycerin)

Glucose (ein Zucker)

Wie zu erwarten Sind die typischen physikalischen Merkmale der Alkohole (Wasserstoffbrücken, Wasserlöslichkeit) bei den mehrwertigen Alkoholen noch ausgeprägter. So nimmt die Wasserlöslichkeit beträchtlich zu. Der Leser kennt diese Eigenschaft aus der alltäglichen Erfahrung: Man kann Getränke mit Zucker, z. B. Glucose, stark süßen. Glycerin ist Bestandteil der Nahrungsfette. Einfache Zucker wie Glucose kommen in Früchten vor. Darüber hinaus ist Glucose der Baustein für Stärke und Zellulose. 7.1 Darstellung Ethylenglykol stellt man aus Oxiran (Ethylenoxid) und Wasser her (s. Kap. XVIII, Abschn. 6.2).

7 Mehrwertige Alkohole H

H

x

| >

445

H +

H2O

h

QT

- ? - °

h

H—C—OH

H^^H

Ä

Ethylenoxid

Ethylenglykol

Es mischt sich in jedem Verhältnis mit Wasser und wird u.a. als Frostschutz bei wassergekühlten Automobilen verwendet. Glycerin gewinnt man nach folgendem Reaktionsschema:

H 3, C — C H = C H ,2

C ' 2 ' 5 °°°

6-

CIH2C—ch=ch2

>

C I H2, C — C H = C H ,2

H

6+

HO—Cl (2) :

H

H

c i h 2 c —¿—C—H

I

HO

CIH2C—C—C—H

I

I

Cl

Cl

(3) I

H

H + 2 H 2 0 (NaOH)

I I 0 0 I I

(4)

H—C—C—C—H

I 0 I

H

H

I I

H

Glycerin

I

OH

70

30

H

H

I I

—HCl (NaOH-Zugabe) H

I I

CIH2C—C—C—H

V

H Chlormethyloxiran (Epichlorhydrin)

Zunächst tritt eine radikalische Allylsubstitution ein (1). Es folgt eine elektrophile Addition (2) unter Bildung von zwei isomeren Dichlorpropanolen. (Wir erinnern uns, daß die Addition an Propylen entsprechend der Markownikoff-Regel nur ein einziges Produkt liefert). Die Reaktionsschritte 3 und 4 (Bildung des Epoxidringes und Aufspaltung desselben) werden später im Zusammenhang mit Epoxidreaktionen näher behandelt (s.Kap. XVIII, Abschn. 6). Glycerin dient u. a. zu Herstellung von Salben und Z^ihncremes und zum Feuchthalten fertiger Tabakware. Der größte Teil wird aber zur Herstellung des Sprengstoffs „Nitroglycerin" verwendet, bei dem es sich in Wirklichkeit um den dreifachen Ester aus Salpetersäure und Glycerin handelt.

446

XVII Alkohole und Phenole H I H—C—OH I H—C—OH I H—C—OH I H

+

Glycerin

H I H—C—0—NO, I H—C—0—N02 I H—C—O— N02 I H

3 H—O—N02

Salpetersäure

+

3 H20

Nitroglycerin, Ester aus dem Alkohol Glycerin und der Salpetersäure

7.2 Dynamit und die Nobelstiftung Nitroglycerin ist ein farbloses Öl, das bei Schlag oder Stoß heftig explodiert, wobei nur gasförmige Produkte entstehen. H I H—C— 0— N02 I H—C—O—N02 H—C—O—N02 I H



3C0 2

+

2,5 H20

+

1,5 N2

+

0,25 0 2

Es ist deshalb für den Transport ungeeignet. 1886 fand Alfred Nobel (geb. 1833 in Stockholm), daß man Nitroglycerin dennoch transportieren kann, sofern es in Kieselgur (feinkörnige, amorphe Kieselsäure) aufgesaugt ist. Zur Explosion läßt sich dieses Gemenge ebenfalls bringen, aber erst durch eine Initialzündung. Diese Beobachtung brachte ihm ein großes Vermögen ein. Nobel legte testamentarisch fest, daß nach seinem Tode die Zinsen dieses Vermögens zu fünf gleichen Teilen denen zugute kommen sollen, „die im verflossenen Jahre der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben". Diese Teile werden seit 1901 jährlich als Preise für Chemie, Physik, Medizin und Literatur (in Stockholm) und als Preis für den Frieden (in Oslo) verliehen.

7.3 Reaktionen Bevor wir uns den Reaktionen von mehrwertigen Alkoholen zuwenden, soll zunächst auf die Stabilität eingegangen werden. Mehrwertige Alkohole sind stabil, sofern die einzelnen OH-Gruppen an verschiedene Kohlenstoffatome gebunden sind, aber instabil, wenn sich 2 OH-Gruppen am selben C-Atom befinden. Solche geminalen Diole zerfallen in Wasser und Carbonylverbindungen. Genauer gesagt liegt ein Gleichgewicht vor, das sich in der Regel auf der Seite der Carbonylverbindung befindet.

7 Mehrwertige Alkohole H 0 1 R—C—R

A H

0 II ^ R—C—R

geminales Diol, wenig stabil

^

+

447

H20

Carbonylverbindung, stabil

Die Instabilität gewöhnlicher geminaler Diole läßt sich durch die sogenannte Erlenmeyer-Regel verallgemeinern: Sind an dasselbe C-Atom zwei Reste gebunden, aus denen sich H—X abspalten kann, so beobachtet man eine Reaktion, bei welcher sich H—X und eine Kohlenstoff-Heteroatom-Doppelbindung bilden. (Unter einem Heteroatom versteht man ein von Kohlenstoff oder Wasserstoff verschiedenes Atom.) Die beiden folgenden Beispiele dienen zur weiteren Erläuterung der Regel. P1 H R—C—OR

R ->

i

V )C=0

+

H—0—R

R /

Halbacetal OH R—CI R




H—0

3 Verwendung Ether, insbesondere Diethylether und Tetrahydrofuran, werden häufig als Lösungsmittel für chemische Reaktionen verwendet, da sie organische Verbindungen gut lösen und zudem verhältnismäßig reaktionsträge sind. Diethylether dient außerdem als Anästheticum (schmerzstillendes Mittel). Die Wirkung beruht darauf, daß die Verbindung aufgrund ihrer Fettlöslichkeit physikalische Veränderungen in den Lipoiden der Nervenzellen herbeiführt. Die gleiche Wirkung haben auch bestimmte andere organische Verbindungen wie Ethylen, Cyclopropan und Chloroform, die daher ebenfalls als Anästhetica verwendet werden. Epoxide (Oxirane) dienen hauptsächlich als Monomere zur Herstellung polymerer Verbindungen.

4 Darstellung Aus Alkoholen und Schwefelsäure (Kap. XVII, Abschn. 6.3.4). Beispiele: H3C

H3C CH-CH

2

-OH

H3C 2 CL

H 2 S 0

CH2—CH2—OH

>

U

*

UK0"^

H2S04

H3C >

CH3 V H - C H

2

- O - C H

2

- C I


H3C—Ö—CH2—CH2—CH3 + NaBr Methyl(propyl)ether

Die Reaktion verläuft glatt, wenn primäre Alkylhalogenide eingesetzt werden. Sekundäre und tertiäre Halogenide ergeben vorzugsweise Alkene. Dennoch kann man nach dieser Methode auch Ether herstellen, an deren O-Atom ein sekundäres oder tertiäres C-Atom gebunden ist, sofern man von sekundären oder tertiären Alkoholaten (und nicht Halogeniden) ausgeht. So gelingt die Synthese des Ethyl(ierf-butyl)ethers, wenn man ierf-Butylalkoholat einsetzt. Etherbildung: 0Ho 1 H3C—C—OeNa®

+

H3C—CH2—Br

CH-i I H3C—C—0—CH2—CH3



+

NaBr

CH3 Ethyl(ferf-butyl)ether

Alkenbildung (statt Etherbildung): CH, H3C—C—Br + HJ3C—CH2—OeNa® T " I CH,

H3CX



h aC'r' H

/ C=CH 2

/

+ H3C—CH2—OH + NaBr

Nach dem Schwefelsäureverfahren lassen sich nur Ether herstellen, die - gleiche Seitenketten besitzen und - sich von primären Alkoholen ableiten. Dagegen ermöglicht die Ethersynthese nach Williamson die. Herstellung von Ethern, - die sowohl gleiche als auch verschiedene Seitenketten tragen und - sich auch von sekundären oder tertiären Alkoholen, ferner Phenolen ableiten. Die Ethersynthese nach Williamson ist somit universeller.

4.1 Herstellung einiger Ether in technischem Maßstab Diethylether. Diethylether wird in großtechnischem Maßstab nur noch selten nach dem Schwefelsäureverfahren hergestellt Der Grund liegt nicht in der Unzulänglichkeit des Verfahrens, sondern darin, daß dieser Ether auch als Nebenprodukt bei der Hydratisierung von Ethylen zu Ethanol anfällt. Zwar werden dabei nur 2% des Ethylens in Diethylether überführt, die anfallende Menge deckt aber voll und ganz den Bedarf an Diethylether.

4 Darstellung

457

H3C—CH2—OH Ethanol (Hauptprodukt) H2C—C H 2 H3C—CH2—0—CH2- - C H o Diethylether (Nebenprodukt) Tetrahydrofuran. Tetrahydrofuran wird großtechnisch nach mehreren Verfahren hergestellt, von denen im folgenden zwei beschrieben werden. Es dient als Lösungsmittel und Ausgangsverbindung zur Herstellung weiterer Verbindungen (1,4-Dichlorbutan u. a.). a) aus Furan durch Hydrierung: /

\

,

,

u

2 H s

Raney-Ni 120°

Furan

Tetrahydrofuran

b) aus Acetylen und Formaldehyd: H—C=C—H

+

2 H,C=0

HO—CH2—C=C—CH ,—0 H

Cu2C2 90" 2 H2/Ni 160°

HO—C H 2—C =C—CH2—OH 2-Butin-1,4-diol HO—(CH2)4—OH 1,4-Butandiol

- H20) 100°'

Zunächst addiert sich das Acetylid-Ion (gebildet aus Acetylen und dem basischen Katalysator) an das Formaldehydmolekül, näheres s. Kap. 18, Abschn. 6.2.4.2. Es entsteht 2-Butin-l,4-diol, welches zum 1,4-Butandiol hydriert wird. Letzteres spaltet beim Erhitzen ein mol Wasser unter Bildung von Tetrahydrofuran ab. Die Etherbildung erfolgt hier ohne Schwefelsäure, da es sich um einen innermolekularen Vorgang handelt, der zudem zu einem spannungsarmen Fünfring führt. Aufgaben 1) Man gebe je ein Beispiel für einen (a) aliphatischen, (b) aromatischen, (c) symmetrischen, (d) unsymmetrischen, (e) offenkettigen und (f) cyclischen Ether an. 2) Folgende Verbindungen sollen dargestellt werden: (a) Isobutyl(phenyl)ether, (b) Isobutyl(isopropyl)ether, (c) Bis(2-bromethyl)ether und (d) Methyl(/?-naphthyl)-ether.

458

XVIII Ether

5 Reaktionen Ether sind gegenüber Basen (NaOH, NaOR) beständig und auch sonst nicht besonders reaktionsfähig. Zu den wenigen Reaktionen gehört die Substitution des a-Wasserstoffs (die anderen Wasserstoffatome lassen sich nicht substituieren) und die Komplexbildung zwischen dem Ethersauerstoff und Lewis-Säuren. Substitution,

-Komplexbildung

H H H / H H H I I I 1 I I I R—C—C—C—0—C—C—C—R I I I " I I I H H H H H H Ether

5.1 Reaktion mit Sauerstoff (Autoxidation) Bereits im Kap. III, Abschn. 8.3.1 wurde die Autoxidation reaktiver C—H-Bindungen, wozu auch die a-C—H-Bindung von Ethern gehört, behandelt. Bei der Einwirkung von Sauerstoff auf Ether wird der a-Wasserstoff durch die Hydroperoxygruppe H—O—O— ersetzt. Das hierbei entstehende Hydroperoxid reagiert nach einem komplizierten Mechanismus zum polymeren, äußerst explosiven Etherperoxid.

H ,C—C H 2—0—C H ,—C H 3

H3C—CH— 0—CH2—CH3 00H

Etherperoxid, explosiv

Hydroperoxid, explosiv Diese Reaktionen treten bereits mit Ethern ein, die sich in ungenügend verschlossenen Gefäßen befinden. Beim Eindampfen werden die Etherperoxide konzentriert, wobei Explosionen eintreten können. Peroxide in Ethern weist man mit angesäuerter wäßriger KJ-Lösung nach (Oxidation zu Iod). Zur Entfernung von Peroxiden schickt man Ether durch eine mit A1 2 0 3 gefüllte Glassäule (Peroxide sind polar und werden adsorbiert), oder man reduziert mit einer wäßrigen Lösung eines Fe(II)- oder Ti(III)Salzes. Aufgabe Unter allen Ethern bildet Diisopropylether besonders leicht Peroxide (von denen bekanntlich große Gefahr ausgehen kann). Man erkläre.

5 Reaktionen

459

5.2 Bildung von Oxoniumsalzen Die freien Elektronenpaare am Sauerstoff im Ethermolekül befähigen Ether zur Komplexbildung mit Lewis-Säuren. Dabei bilden sich Verbindungen mit 3-bindigem Sauerstoff, die man Oxoniumverbindungen nennt. Beispiele:

H3C—CH2—0—CH2—CH,

+

F F-B^F I H3C—C H 2—0 C H 2 C H 3

BF3

®

Ether-Bortrifluorid-Komplex H3C /CH 3 ^CH—Ö—CH^ + (n + 1 )H—Cl H3C CH3



H3C H CH3 ^CH—0—CH^ Cle • (HCI)n H3C CH3 Diisopropyloxoniumsalz H3C^

H 3 C^ CH 3 y C H — Ö — +

H3C

CH 3

HsC

\ l h / /CH3 ^CH-O—CH^ BF® H3C CH3

^C—IH BFi

Triisopropyloxoniumtetrafluoroborat

Die Fähigkeit des Ethersauerstoffs, mit Säure zu reagieren, nutzt man zur Unterscheidung zwischen Ethern und Alkanen aus. So löst sich Diethylether in konzentrierter Schwefelsäure, während das im Molekulargewicht ähnliche Pentan darin unlöslich ist. H5C2—0—C2H5

+

H2S04 < (konz.)

>

®

H5C2—Ö—C2H5 ^

HSOde

Diethyloxoniumbisulfat, löslich in konz. Schwefelsäure H3C—CH2—GH2—CH2—CH3

+

H2S04 (konz.)

> keine Reaktionen

5.3 Etherspaltung Halogenwasserstoffsäuren spalten die C—O-Bindung in Ethern. Aromatisch-aliphatische Ether ergeben ein Phenol und Halogenalkan. Aliphatische Ether sollten analog zu einem Alkohol und einem Halogenalkan führen. Da sich der Alkohol aber unter den Reaktionsbedingungen in ein Halogenalkan umwandelt (siehe Kap. XVII, Abschn. 6.3.2), erhält man nur Halogenalkan, insgesamt zwei mol.

460

XVIII Ether

+

H _,

f

konz. wässr. lodwasserstoffsäure

Anisol

CH— CH2—O—CH2—CH3

Y

H3C-I

+

Phenol

+

2 Hl (konz.)

H3C 130

°

^CH—CH2—I h3c

+

H 3 C—CH 2 — I

+

H20

/

Die Reaktion wird durch Protonierung des Ethersauerstoffs eingeleitet. Es schließt sich eine nucleophile Substitution an, bei welcher das Halogenid an die Stelle des Sauerstoffs tritt. Die Substitution erfolgt entweder nach dem SNI-Mechanismus, wenn das an den Sauerstoff gebundene C-Atom leicht ein Carbenium-Ion bildet (z. B. bei ieri-Butylethern), andernfalls nach dem SN2-Mechanismus. H R—Ö—R'

+

H—I

Pr0t nierUng

°

>

H

R-Cf-R



H

R—¿-^-Fr" 1®

Sw2-Subst. >

R—0:

SJ

R—0: • +

H

+

R'—I

H

R—CP-R'



-SübSt-

>

®R'

+



R—I Voraussetzung für die Etherspaltung ist eine vorangegangene Protonierung des Sauerstoffs. Natriumiodid spaltet Ether nicht! H I® H 3 C—CH 2 —(fc-CH 2 —CH 3 ^ I® H3C—CH2—Ö—CH2—CH3

"

Na®

1



-*

#

>

H I H 3 C—CH 2 —0: "

+

CH 2 —CH 3 I I

keine Spaltung R

I Man kann diesen Sachverhalt auch anders ausdrücken: Die Gruppe — O ® — R ist eine gute Abgangsgruppe, die Gruppe — Ö — R eine schlechte.

6 Epoxide

461

Aufgaben 1) Welcher Ether wird durch Erhitzen mit HBr in 1,4-Dibrombutan überführt? 2) Die Spaltung eines Ethers mit Bromwasserstoff liefert Isobutylbromid und Phenol. Um welchen Ether handelt es sich? Tritt eine SN1- oder eine SN2-Reaktion ein?

6 Epoxide Unter Epoxiden versteht man cyclische Ether, deren Ring aus 2 Kohlenstoffatomen und einem Sauerstoffatom besteht. Epoxide stellen (ähnlich wie Cyclopropane) gespannte Moleküle und damit besonders reaktive Moleküle dar. Eine von den übrigen Ethern getrennte Behandlung erscheint deshalb sinnvoll. Zur Benennung substituierter Epoxide geht man vom Oxiranring oder vom entsprechenden Kohlenwasserstoff als Grundgerüst aus. Bei der zuletzt genannten Benennungsweise setzt man die Vorsilbe Epoxy- vor den Kohlenwasserstoff und gibt mit Zahlen die C-Atome an, an die der Sauerstoff gebunden ist. Schließlich kann man Epoxide als Derivate von Alkenen auffassen und entsprechend benennen, z. B. Ethylenoxid, Propylenoxid etc. H3C^2

1

i

CIH2C\2

3

xr 1,2-Epoxypropan (Propylenoxid)

6.1

1 -Chlor-2,3-epoxypropan

1,2-Epoxycyclohexan

Darstellung

Aus Alkenen und Peroxycarbonsäuren (Kap. V, Abschn. 5.6). Beispiele: H3C

CH3 +

c=c(

H

0 H3C—C—O—O—H

\

H3C

^CHA

>

JE—C

H

(Z)-2-Buten

Peroxyessigsäure

X

\ /

X

H

eis-2,3-Epoxybutan

-0—H

Cl Cyclohexen

m-Chlorperoxybenzoesäure

Cl 1,2-Epoxycyclohexan

m-Chlorbenzoesäure

462

XVIII Ether

Aus ungesättigten Carbonylverbindungen und H 2 0 2 (Kap. XX, Abschn. 2.2.3). C,CDoppelbindungen, die in Konjugation zu einer Carbonylgruppe stehen, werden durch Peroxycarbonsäuren nur schwer angegriffen. Hier gelingt die Epoxidierung mit alkalischem Wasserstoffperoxid. Beispiel: o H2C=CH—c

\

+

OH®

H2O2





CH—c

y0 //

\

+

H20

H

2,3- Epoxypropanal Aus 2-Halogenalkoholen und Basen. Alkohole mit einem Halogenatom oder einer anderen geeigneten Austrittsgruppe in 2-Stellung werden durch Basen in Epoxide überführt. OH 1 H2C—CH 2 ¿1

o

+

NaOH



H2C

/

X

CH2

+

NaCI

+

H20

Hierbei wird der Halogenwasserstoff nicht wie üblich von benachbarten Atomen abgespalten, sondern von Atomen, die 1,3-ständig zueinander angeordnet sind. Wie verläuft die 1,3-Eliminierung von Halogenwasserstoff? Im ersten Schritt bildet sich aus dem Alkohol die konjugate Base, das Alkoholat-Ion. Dieser Schritt verläuft schnell, da das alkoholische Proton ähnlich wie das Proton im Wassermolekül eine große Beweglichkeit besitzt. Im zweiten, langsamen Schritt verdrängt das AlkoholatIon das eigene Halogen. Dabei erfolgt der Angriff des negativ geladenen Sauerstoffatoms stets von der Seite, welche der Kohlenstoff-Halogenbindung abgewandt ist (wie bei einer SN2-Substitution). Man kann diese Epoxidbildung als eine Ethersynthese nach Williamson auffassen, die innermolekular verläuft, da das reagierende Molekül sowohl das erforderliche Alkoholat-Ion als auch die Austrittsgruppe (Halogen) enthält. O e Na®

OH H2C—¿H2 | Cl

+

O e Na® H2(i—¿H (t

NaOH

schne

" (kl)> schnell (k2)

langsam ^ (k3

H2C—¿H2 \ Cl o u C^>CHa

+

H20

+ NaCI

Der Wert dieser Darstellungsmethode besteht u.a. darin, daß die erforderlichen 2-Halogenalkohole aus Alken und unterhalogeniger Säure leicht zugänglich sind.

6 Epoxide

O

Br—OH

463

KOH H 1,2-Epoxycyclohexan OH -Br

NaOH 1,2-Epoxyindan

Aufgabe Man gebe das Geschwindigkeitsgesetz an, nach welchem sich Ethylenoxid aus 2-Chlorethanol und Natronlauge bildet.

6.1.1 Technische Herstellung einiger Epoxide Ethylenoxid. Aus Ethylen und Luft in Gegenwart von fein verteiltem Silber. H22C=CH92

+

Ag

0?2

' ^ 2 2 > HoC CHo Ethylenoxid

Propylenoxid. Die Oxidation mit Luft liefert neben dem erwarteten Epoxid noch weitere Verbindungen. Deshalb geht man hier den Weg über den entsprechenden Chloralkohol. H3C—CH=CH2

+ HO—Cl

Cl H3C—CH—CH2 I OH

+

NaOH

H,C—CH

\

/

CH,

+

NaCI

+

H220

Propylenoxid Epichlorhydrin. Aus Allylchlorid und unterchloriger Säure. r—> H2C=CH— CH2—Cl u m

CH2—CH—CH2—Cl — OH

—•

ci

CH2—CH—CH2—Cl — I I Cl OH

NaOH > CH —CH—CH —Cl 2 2 Epichlorhydrin

464

XVIII Ether

6.2 Reaktionen Addition von H—X. Ein Oxiranring ist sehr gespannt und läßt sich deshalb leicht öffnen. Die Ringöffnung erfolgt durch eine Vielzahl von Verbindungen vom Typ H—X. Hierbei entstehen ^-substituierte Alkohole.

CH,

+ H—X

OH I H2C- -CH, X jff-substituierter Alkohol

Die Palette der Moleküle vom Typ H—X erstreckt sich von den starken Säuren H—Cl, H—Br und H—I über die schwachen Säuren H—OH, H—OR bis hin zu den sehr schwach sauren (aber stark basischen) Aminen. H—Br

OH I HoC—CH2 i Br 2-Bromethanol

H,C-

H—OH/Hä

CH,

OH I H oC—0 H o i OH 1,2-Ethandiol (Ethylenglykol)

NH,

OH I HoC—CHo i NH2

2-Aminoethanol Technisch wichtig ist die Addition von Wasser an Ethylenoxid, bei der Ethylenglykol entsteht. Ethylenglykol wird u. a. in großer Menge als Frostschutzmittel bei wassergekühlten Automobilen verwendet. Wie verläuft die Öffnung des Oxiranringes? Bei der Addition starker Säuren wird zunächst der Sauerstoff des Oxirans protoniert. Anschließend erfolgt nucleophile Substitution durch die konjugierte Base. H H2C

1

CHj

+

H—Br

Co® / \ =* H,C -——CH, Br1

?



-> H2C—CH, "I Br

6 Epoxide

465

Schwache Säuren werden nach dem gleichen Mechanismus addiert. Die Geschwindigkeit der Ringöffnung ist allerdings klein, da hier nur wenige Oxiranmoleküle protoniert sind. Zur Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit setzt man deshalb als Katalysator eine starke Säure zu (Erhöhung der Konzentration an protonierten Oxiranen). H

Ö H2C

CH2


H2C-



\ -CH2

:0H I

H2C-CH2 I H—0—H

OH -H® +M

I

H2C-CH2 I HO

®

Ethylenglykol

Amine, obwohl noch weniger sauer, bedürfen keiner Katalyse, da sie so nucleophil sind, daß selbst unprotonierte Oxiranringe geöffnet werden.

Ethylamin

1,2-Epoxycyclohexan

f/-ans-2-Ethylaminocyclohexanol

Der Angriff des Nucleophils auf den Oxiranring (gleichgültig, ob dieser protoniert ist oder nicht) verläuft stets von der Seite, die der C—O-Bindung abgewandt ist. Deshalb erhält man nur irans-Produkte, wenn man von geeignet substituierten Epoxiden ausgeht (s. Beispiel). Polymerisation. Ethylenoxid und andere Epoxide werden durch saure oder basische Katalysatoren zu langen Ketten polymerisiert. C H2 — C H2 — 0 — C H 2 — C H2 — 0 — C H2 — C H2 — 0 Polyethylenoxid (Teilstruktur) Polymerisation durch Basen:

R—OE

+ PB

O—CH2—CH2—O^T^PB



R—0—CH2—CH2—OS

»

R—0—CH2—CH2—0—CH2—CH2—0€

466

XVIII Ether

Polymerisation durch Säuren: H - ^ J ^ ^ Ö ^

H-Ö-CH

2

-CH

2

-Ö^|

H - Ö - C H

+



H - Ö - C H

2

2

- C H

- C H

2

2

- Ö ^

- Ö - C H

2

- C H

2

- Ö ^ ]

USW.

Polyethylenoxid besitzt eine für organische Polymere bemerkenswerte Eigenschaft: Es ist wasserlöslich. Die Wasserlöslichkeit beruht auf der Bildung von Wasserstoffbrücken zwischen Sauerstoffatomen der Kette und Wasser.

/H f H |

„/" 0

I ]

C H 2 — C H2 — O — C H 2 — C H2 — 0 — C H 2 — C H2 — 0 Polyethylenoxid: löslich in Wasser

• Polyethylen: unlöslich in Wasser

Oligomere von Ethylenoxid mit bestimmten Endgruppen R (Formel s. oben) haben große technische Bedeutung. Sie dienen als nichtionogenes Detergens (s. dort), als polarer Säulenbelag in der Gaschromatographie, als Papierkleber etc.

Aufgaben 1) Es sollen zwei Wege für die Darstellung von 2-Bromcyclopentanol aus Cyclopenten angegeben werden. 2) Ausgehend von einem Vinylether sollen a und b dargestellt werden.

a

b

7 Thioalkohole, Thioether und weitere organische Schwefelverbindungen 467

7 Thioalkohole, Thioether und weitere organische Schwefelverbindungen Schwefel steht im Periodensystem in der gleichen Hauptgruppe wie Sauerstoff, ähnliches chemisches Verhalten überrascht daher nicht. Nachfolgend sind einige Schwefelanaloga organischer Sauerstoffverbindungen aufgeführt. H3C—CH2—O— H

H3C CH2 S H

Ethanol

Ethanthiol

Diethylether

Diethylsulfid

H3C CH2 S

CH2 CH3

R—0—0—R

R—S—S—R

organisches Peroxid

organisches Disulfid

CHo

CH3 H

3

C-O^

BF|

Br e

H,C—S

ch 3

CH3

Trimethyloxoniumtetrafluoroborat

C6H5

Trimethylsulfoniumbromid

C C6H5 Diphenylthioketon

Diphenylketon

S

\

O—R

.0

S

h3c—c

\

SR

Ester

Thioester

SR Dithioester

Andererseits existieren erhebliche Unterschiede gegenüber Sauerstoff. Sauerstoff besitzt die Wertigkeit 2, Schwefel die Wertigkeiten 2, 4 und 6:

H3C—s—ch3

0 —-—^

Dimethylsulfid: 2

O II H3c—S—CH 3

o —-—^

Dimethylsulfoxid: 4

0 I I—CH3 H3C—S Dimethylsulfon: 6

Nomenklatur. Zur Benennung von Thiolen verwendet man entweder die Nachsilbe -thiol oder die Vorsilbe Mercapto-.

468

XVIII Ether SH

C6H5 SH Benzolthiol

4-Mercapto-2-pyridincarbonsäure

Zur Benennung von Sulfiden bedient man sich der Nachsilbe -sulfid oder der Vorsilbe Alkylthio-. H3C S C H 2 OH2 OH2 Methyl (propyl)sulfid oder: 1-(Methylthio)propan Thiole R—SH werden auch Mercaptane, Sulfide R—S—R' auch Thioether genannt. Eigenschaften. Die niedermolekularen Schwefelverbindungen besitzen ähnlich wie H 2 S einen unangenehmen Geruch. Es überrascht daher nicht, daß sie z. B. in den Verteidigungssekreten von Stinktieren auftreten. Darstellung. Thiole stellt man aus Alkylhalogenid und Kaliumhydrogensulfid her, Disulfide analog aus Alkylhalogenid und Thiolat. Darstellung von Thiolen: / H—s(:eK®

+

\ H3C—CHj^Br

*

H3C—CH2-S—H Ethanthiol

+

KBr

Darstellung von Disulfiden: H3C—CH2—S—H

H3C—CH2—S:eK®

+

+

KOH




H3C—CH2—S:eK® Kaliumthiolat

+

H20 | Säure-BaseJ Reaktion

H3C—CH2^Br H3C—CH2—S—CH2—CH3 Diethylsulfid

+

KBr

Inucleophile

/Substitution

Sulfoxide und Sulfone gewinnt man durch Oxidation von Sulfiden mit einem bzw. zwei mol Wasserstoffperoxid. 0 R-S-R Sulfid

>

R-S-R Sulfoxid

0 >

R-S-R 0 Sulfon

7 Thioalkohole, Thioether und weitere organische Schwefelverbindungen

469

Das wichtigste Sulfoxid ist Dimethylsulfoxid, Sdp. 189°C. Die Verbindung findet als aprotisches Lösungsmittel vielfache Verwendung. Reaktionen. Thiolate und Sulfide sind stärkere Nucleophile als die analogen Sauerstoffverbindungen. Diese Eigenschaft ist eine Folge des größeren Volumens und der leichteren Deformierbarkeit des Schwefels. Die folgende Gegenüberstellung verdeutlicht den Unterschied. CH,

H3C—S—CH,

h

3



c — s — c h

l

3

e

Trimethylsulfoniumiodid H3C—Ö—CH3

+

H3C—I

// >

keine Reaktion

Auch in der Natur treten Reaktionen dieser Art auf. So substituiert der Schwefel der Aminosäure Methionin die Triphosphatgruppe des Adenosintriphosphats: NHf I « H3C—S—CH2—CH2—CH—COf Methionin

NHf I H33C—s—CH22—CH22—CH—

0II 0 0 IIII IIII II P—0—P—0--p—1 1 0® 0® A® (Adenosintriphosphat)

R Xe S-Adenosyl-methionin (R = Adenosyl) HO

OH

Hierbei entsteht S-Adenosylmethionin, eine Verbindung, die in der Natur als Methylgruppen-Überträger fungiert. Aufgabe Ausgehend von NaHS sollen folgende Verbindungen hergestellt werden: a) n-C4H9—SH CH3 Ifc d) /7-C3H7-S—CH2—CH3 I®

b) HO— (CH2)2—S—C2H5

"

r r

C

H

-

c)

470

XVIII Ether

8 Mehrstufensynthese: Kronenether Unter Kronenethern versteht man Ringe, die aus mehreren —CH 2 —CH 2 —O— Bausteinen bestehen. Die einfachsten Kronenether besitzen folgende Konstitution:

O G [12] Krone-4 (1,4,7,10-Tetraoxacyclododecan)

[15]Krone-5

tr ^ [18] Krone-6

Zur Benennung bedient man sich entweder des Stammwortes Krone und gibt mit Zahlen davor bzw. dahinter die Anzahl der Ringatome bzw. Sauerstoffatome an, oder man verwendet eine systematische Nomenklatur mit dem Namen des zugrundeliegenden Carbocyclus. Kronenether besitzen eine interessante Eigenschaft: Sie können in ihr „Inneres" Metallionen geeigneter Größe aufnehmen. Kleinere Kronenether komplexieren bevorzugt kleinere Kationen und größere Kronenether größere Kationen.

Der kleinere Kronenether [15]Krone-5 komplexiert bevorzugt Na-Ionen

Der größere Kronenether [18] Krone-6 komplexiert bevorzugt K-Ionen

Die Komplexe aus Kronenethern und Metallsalzen sind in organischen Lösungsmitteln löslich, ein bemerkenswerter Befund, denkt man an die geringe Löslichkeit von Metallsalzen in organischen Lösungsmitteln. So löst sich Kochsalz in Benzol oder Kaliumhydroxid in Toluol, wenn ein geeigneter Kronenether anwesend ist! Kronenether erhöhen nicht nur die Löslichkeit eines anorganischen Salzes in einem organischen Lösungsmittel, sondern steigern auch die Reaktivität des betreffenden Anions. Der Komplex enthält ein komplexiertes Kation, aber ein freies („nacktes") Anion. Solche Anionen sind reaktionsfähiger als durch Gegen-Ionen komplexierte und reagieren schneller, z. B. bei nucleophilen Substitutionen (Beispiel: Kap. XIII, Abschn. 2). Zur Darstellung des häufig verwendeten Kronenethers [18] Krone-6 geht man von

8 Mehrstufensynthese: Kronenether

471

Triethylenglykol aus. Der Versuch, zwei Moleküle dieses Glykols mit Hilfe der Schwefelsäure-Methode miteinander zu verknüpfen, scheitert, da die Reaktion nicht miramolekular, sondern /«/ermolekular verläuft: Statt des gewünschten Kronenethers entsteht das polymere Polyethylenglykol. (Die ¿wiramolekulare Reaktion bleibt aus, weil die beiden OH-Gruppen der Zwischenstufe Hexaethylenglykol im zeitlichen Mittel zu weit voneinander entfernt sind.)

[18] Krone-6

Zum Ziel gelangt man, indem man das eine Mol Triethylenglykol ins Dikaliumalkoholat überführt (mit Hilfe von Kalium-ieri-butylalkoholat) und das andere Mol Triethylenglykol ins entsprechende Dichlorid umwandelt. Dikaliumalkoholat und Dichlorid reagieren nach einer S N -Reaktion zum gewünschten Kronenether. Hier gelingt die m/ramolekulare Reaktion, weil durch die Komplexierung zwischen dem Kalium-Ion und der Zwischenstufe Z die Endgruppen letzterer in unmittelbare Nähe zueinander gebracht werden. HO-^

OH

^

Ethylenglykol D O , Katalysator: H® HO

O

OH

Diethylenglykol P D , Katalysator: H®

Triethylenglykol + 2 HCl - 2H20

Triethylenglykol-dichlorid (1,8-Dichlor-3,6-dioxaoctan)

Z u m Mechanismus siehe Aufgabe

472

XVIII Ether

Dikaliumsalz v o n Triethylenglykol (links) Triethylenglykol-dichlorid (rechts) -KCl

Intermolekulare S u b stitution ( S n 2 )

Das Kalium-Ion komplexiert mit den O - A t o m e n und bringt dadurch die reaktiven Endgruppen in eine für die Reaktion günstige N ä h e zueinander.

Zwischenstufe Z

-KCl

Intramolekulare S u b stitution

[ 1 8 ] Krone-6

Weitere Liganden. Antibiotika. Außer Kronenethern kennt man weitere organische Ringe, die mit Metall-Ionen komplexieren. Dazu zählen vor allem Ringe mit Stickstoffatomen. Man unterscheidet hier zwischen mono- und bicyclischen Verbindungen. Im folgenden sind zwei bicyclische Verbindungen aufgeführt. (Die Zahlen hinter der Bezeichnung Kryptat geben die Anzahl der Sauerstoffatome zwischen den beiden N-Atomen an.)

Kryptat [1.1.1 ]

Kryptat [ 2 . 2 . 2 ]

8 Mehrstufensynthese: Kronenether

473

Interessanterweise verfügt auch die belebte Natur über Verbindungen mit ähnlichen komplexbildenden Eigenschaften. Einige davon sind am Transport von Ionen durch biologische Membranen beteiligt. Ein Beispiel ist das Makrolid Nonactin. Dieses Antibiotikum komplexiert Natrium-Ionen und transportiert dieselben durch die lipophilen Zellwände von Bakterien, bis schließlich die Zellwände durch den zunehmenden osmotischen Druck platzen.

Nonactin, komplexiert Na-Ionen Die Untersuchungen zur Synthese und zum Komplexierungsverhalten von Kronenethern, Kryptaten etc. verdanken wir C. J. Pedersen (geb. 1904 in Korea), D. J. Cram (geb. 1919 in ehester, USA) und J.M. Lehn (geb. 1939 in Rosheim/Bas-Rhin). Sie erhielten dafür 1987 den Nobelpreis für Chemie. Aufgaben 1) Glyme, Diglyme, Triglyme usw. sind Ether, die man häufig als Lösungsmittel bei Reaktionen, an denen anorganische Salze beteiligt sind, verwendet. Man erkläre. HqC CHo I I

H-sC I

I I H2C CH2

I H2C CH2 0

0 0

0

Glyme (G/ykoldimethylether) H-aC I 0 I H2C CH2 0 OH2 CH2 0 Triglyme

CH-s I

o

I CH2 CH2

Diglyme

CHq I 0 I CH2 CH2

2) Nach welchem Mechanismus verläuft die säurekatalysierte Addition von Ethylenglykol an Ethylenoxid? 3) [18]Krone-6 wurde außer aus Triethylenglykol auch aus Tetraethylenglykol hergestellt. Man gebe die Reaktionsgleichungen für letztere Herstellung an.

Kapitel XIX Aldehyde und Ketone 1 Übersicht und Nomenklatur II

Unter Aldehyden versteht man Verbindungen der Konstitution R—C—H.Man unterscheidet zwischen aliphatischen Aldehyden (R gleich H oder Alkyl) und aromatischen Aldehyden (R gleich Aryl). Die einfachsten aliphatischen und aromatischen Aldehyde besitzen die nebenstehende Konstitution.

H3C—(T H Formaldehyd (aliphatischer Aldehyd)

Acetaldehyd (aliphatischer Aldehyd)

O1" Benzaldehyd (aromatischer Aldehyd)

O II Ketone besitzen die Konstitution R—C—R. Auch hier unterscheidet man zwischen aliphatischen Ketonen (R gleich Alkyl) und aromatischen (R gleich Aryl). Die einfachsten Ketone haben folgende Konstitution:

H3C

A,

CH,

Aceton (aliphatisches Keton)

Benzophenon (aromatisches Keton)

Acetophenon (aliphatischaromatisches Keton)

Die nachfolgenden Tabellen enthalten die Anfangsglieder der Aldehyde bzw. Ketone.

476

XIX Aldehyde und Ketone

Tabelle

Aldehyde

Konstitution

H-c( H 0 h 3 c—

\

H

H3C—CH2—c. H H 3 C—C H 2—C H 2—C h3C h3c

H

H

> -
H2C—CH—CH3

Substitution: H2C=CH— CH3

°C>

H2C=CH— CH2CI

+ HCl

Es gilt allgemein: An Verbindungen mit Mehrfachbindungen beobachtet man Addition an die Mehrfachbindung und Substitution des a-ständigen Wasserstoffs. Allerdings sind die Ursachen der Addition und Substitution an Carbonylverbindungen völlig anders als die bei Alkenen, wie im folgenden noch ausführlich dargelegt wird. Es wird zunächst die Addition, danach die Substitution behandelt. Anschließend folgen Oxidation und Reduktion, ferner Oligomerisation. 4.2 Additionen an die Carbonylgruppe Bestimmte Verbindungen vom Typ H—X addieren sich an die C=0-Doppelbindung. Dazu gehören H—OH, H—OR, H—NH 2 , H—NHR, H—SR u.a. Im folgenden wird der Additionsvorgang mit der nucleophilen Verbindung Wasser beschrieben, es sei aber betont, daß die anderen Nucleophile nach dem gleichen Mechanismus reagieren. Zunächst greift das nucleophile Zentrum des Moleküls H—X den positiv polarisierten Kohlenstoff der Carbonylgruppe an, wobei ein Zwitterion entsteht. Ein Zwitterion (auch Betain genannt), ist ein Molekül mit einer positiven und einer negativen

4 Reaktionen

487

Elementarladung. Durch Wanderung eines Protons im Zwitterion bildet sich schließlich das Endprodukt. 6+

6+

C - A t o m sp 2 -hybridisiert

C - A t o m sp 3 hybridisiert

C - A t o m sp 3 hybridisiert

Bei der Addition ändert sich die Hybridisierung des Kohlenstoffs der Carbonylgruppe und damit der Bindungswinkel am Kohlenstoffatom. In der Carbonylgruppe besitzt der Kohlenstoff die Hybridisierung sp2, im Additionsprodukt dagegen die Hybridisierung sp3. Dadurch verkleinert sich der Bindungswinkel von ca. 120° auf ca. 109°. Ist das angreifende Reagenz nur schwach nucleophil, so muß die C = 0 - G r u p p e aktiviert werden. Das geschieht durch Addition eines Protons, wodurch die partielle positive Ladung des Kohlenstoffs beträchtlich erhöht wird. \i+ t

^C=0

+

m






partielle positive Ladung am C - A t o m klein

\

®

C=0—H

«



\® —

^C—0—H

partielle positive Ladung am C - A t o m vergleichsweise groß

Der genannten Aktivierung steht die Desaktivierung des Nucleophils entgegen (Nu: + H® ?± Nu—H®), deshalb führt man protonenaktivierte Additionen an Carbonylverbindungen in nur schwach saurem Medium durch. Die Reaktivität einer Carbonylgruppe bei Additionen wird von den Substituenten bestimmt, die an die Carbonylgruppe gebunden sind. Man beobachtet folgenden Reaktivitätsabfall : F 3 C — C H = 0 > H 2 C = 0 > Alk—CH=0 > A r — C H = 0 > Alk2C=0 > Ar2C=0 Aldehyde

Ketone

1. Aldehyde sind reaktionsfähiger als Ketone. Dieser Unterschied beruht u. a. auf einem sterischen Effekt. Im Übergangszustand stehen die Substituenten näher zueinander als im Ausgangszustand und stoßen sich demzufolge stärker ab.

488

XIX Aldehyde und Ketone 6 -

Be

B

//

R

>

£c=o

ciC—0

R' Ausgangszustand, a x 120°

Übergangszustand, er < 1 2 0 °

>

\

Endzustand, a»109°

Diese Abstoßung ist zwischen den beiden Alkylgruppen im Keton größer als zwischen der Alkylgruppe und dem kleinen Wasserstoffatom im Aldehyd. Deshalb reagieren Ketone langsamer. 2. Aldehyde und Ketone mit aliphatischen Substituenten sind reaktionsfähiger als solche mit aromatischen Substituenten. In aromatischen Aldehyden und Ketonen steht die C = 0 - G r u p p e in Konjugation mit dem aromatischen Ring. Beim Additionsvorgang wird diese Konjugation teilweise unterbrochen, wozu Energie erforderlich ist. Dieser zusätzliche Energieaufwand entfällt beim Angriff auf eine aliphatische Carbonylverbindung.

cA B®

Ausgangszustand, Konjugation vorhanden

Übergangszustand, Konjugation teilweise aufgehoben

Endzustand, Konjugation aufgehoben

3. Elektronenanziehende Substituenten erhöhen die Reaktivität einer Carbonylgruppe, und elektronenabstoßende Substituenten erniedrigen dieselbe. Der elektronenanziehende Substituent (Beispiel: CF 3 ) erhöht die positive Ladung des Kohlenstoffs der Carbonylgruppe und erhöht damit zugleich die Reaktivität der Carbonylgruppe gegenüber einer nucleophilen Verbindung. Elektronenabstoßende Gruppen (Beispiel: CH 3 ) verhalten sich umgekehrt. Nach diesen Regeln ist der Leser nunmehr imstande, die oben aufgeführte Reihenfolge der Reaktivität verschiedener Carbonylverbindungen zu verstehen.

4.2.1 Addition von Wasser Aldehyde und Ketone addieren Wasser. Dabei entstehen Verbindungen, die man „Hydrate" oder (genauer) gern-Diole nennt (gern von geminal).

4 Reaktionen R

489

OH

C \>h gern-Diol

Es liegt ein Gleichgewicht vor, dessen Lage von den Substituenten R abhängt. Handelt es sich bei R um Alkyl oder Aryl, so liegt das Gleichgewicht in der Regel auf der Seite der Carbonylverbindung. Nebenstehend ist der Prozentsatz an gem-Diol einiger Carbonylverbindungen aufgeführt. HSC. C=0

+

H3C /

H20

H 3 C'

H,C

>99

99,5 %) in der Halbacetalstruktur vor. Acetale sind gegen Alkalien beständig. Dagegen werden sie leicht durch verdünnte Säuren hydrolysiert (Umkehrung der Gleichung 2). Dieses chemische Verhalten erinnert an das der Ether, mit denen sie auch konstitutionell verwandt sind. Acetalbildung und Hydrolyse verlaufen nach dem gleichen Mechanismus. Die Reaktionen, die zum Acetal führen, sind mit gekennzeichnet, und die Hydrolysereaktionen des Acetals durch den Pfeil —.

4 Reaktionen

491

H . OH JX + OR

®0—H

K



^c'

.OR

+ H20 I Carbenium-Ion I

OR

OR +

x

^

OR

OR

¿ÖR I H

OR

R—OH

+

I



Man erkennt, daß beide Reaktionen über das Carbenium-Ion I verlaufen, dessen Ladungsverteilung wie folgt beschrieben werden kann. v

£0R

«

>

x

J>R V"

mesomere GrenzformendesCarbenium-lons I Die Umwandlung eines Aldehyds oder Ketons in das entsprechende Acetal dient gelegentlich zum vorübergehenden Schutz einer Carbonylgruppe. Das soll am Beispiel der Umwandlung von 4-Brombutanal in 4-Methoxybutanal erläutert Direkte Einwirkung von Natriummethanolat führt nicht zum Ziel, da neben Substitution auch Aldolkondensation eintritt (s. Abschn.4.3.2). Schützt man dagegen die Aldehydgruppe durch Acetalisierung (als Alkohol verwendet man hier wie auch in anderen Fällen 1,2-Ethandiol), so bereitet die Substitution keinerlei Schwierigkeit. Nach erfolgter Substitution wird das Acetal zum gewünschten 4-Methoxybutanal hydrolysiert. ,0 // Br—CH2—CH2—CH2—C' H

.0—CH2 2 / » Br—CH2—CH2—CH2—C H 0— CH 2

HO—CH,— CH,—OH/H®

_H;0 2

4-Brombutanal

2- (3- Brompropyl) -1,3-dioxolan CH3—ONa SN2

H 3C—0—C H 2—C H 2—C H2—C^ H

4-Methoxybutanal

< + "H^-oh ch2—OH

H3C-0-CH2-CH2-CH2-C^ H 0—CH2 2-(3-Methoxypropyl)-1,3-dioxolan

492

XIX Aldehyde und Ketone

4.2.3 Addition von Aminen Bei der Addition von Ammoniak bzw. Aminen an Carbonylverbindungen bilden sich zunächst unbeständige gem-Aminoalkohole. Diese spalten in Gegenwart von Protonenspendern Wasser ab, wobei Imine entstehen.

R—NH,

,1/

C=0

V0H R

/ 1

R

\ NHR

\

R, 11 /

flwn-Aminoalkohol, unbeständig

C=N

H,0

\c

ein Imin

R—NH 2 in vorstehender Gleichung bedeutet eine Palette verschiedenartiger Verbindungen, die vom Ammoniak bis hin zu 2,4-Dinitrophenylhydrazin reicht. Die zuletzt genannte Verbindung liefert Hydrazone, die aufgrund ihrer Schwerlöslichkeit in organischen Lösungsmitteln häufig als Nachweisreagenzien für Aldehyde und Ketone verwendet werden.

02N—^

\ — N H—NH

2,4-Dinitrophenylhydraz/>7, löslich in organischen Lösungsmitteln

-

Aldehyd oder Keton, löslich in organischen Lösungsmitteln

0

2

/-C

N — N H — N — C ^

+ H20

2,4-Dinitrophenylhydrazon der Carbonylverbindung R 1 R 2 C = 0 , schwer löslich in organischen Lösungsmitteln

Weitere Reaktionen sind in nebenstehender Tabelle zusammengefaßt. Imine. Die Geometrie von Iminen entspricht der von Alkenen, mit dem Unterschied, daß an die Gruppe C = N nur 3 Liganden gebunden sein können, da Stickstoff im ungeladenen Zustand dreibindig ist.

- W

Wie bei den Alkenen beobachtet man auch bei Iminen cis-trans-lsomere. So kennt man vom Acetaldehyd-oxim ein Z- und ein ¿'-Isomeres. O H

3

C — + \ H

H H2N—OH

-H,0 2

• H3C

OH /

,C=N

£-Acetaldehydoxim

H + H3C

^C=N. / \ T>H

Z-Acetaldehydoxim

4 Reaktionen Tabelle

493

Reaktionen zwischen Aminen R — N H 2 und Carbonylverbindungen

\ c=0 /

+

JÜH.

H2N—R

LI®

+

/

+

H20

ein Imin

primäres Amin

\C = 0

) C = N

\

/

H,N—OH ——>

yC=N

+

H20

Hydroxylamin

\/

ein Oxim \ /

u® c = o

+

h

3

n — n h

3

— — ^ C = N

+

H20

Hydrazin ein Hydrazon u e

\/

C=0

+

H2N—NH—CbH5

\ •

C=0

H

5

+

H

2

0

NH—C—NH,

II H2N—NH—C—NH2

+

6

X

ein Phenylhydrazon

Phenylhydrazin

\

/ N H - C

p C = N

H

Semicarbazid

® >•

V , C = Nk

/

+

H20

ein Semicarbazon

Während einfache Aldehyde und Ketone beständige Substanzen darstellen, sind einfache Imine wenig beständig. Erst Substituenten wie Aryl erhöhen die Beständigkeit. H

H )

c

H

H5C6

= 0

/

H

H

H

Formaldehyd, beständig

Methanimin, unbeständig

X

C = N

\ X

C6H5

N-Benzalanilin, beständig

Bei der Reaktion zwischen Formaldehyd und Ammoniak entsteht nicht das zunächst erwartete Methanimin, sondern Hexamethylentetramin (Urotropin), eine symmetrische, tricyclische Verbindung.

Hexamethylentetramin (Urotropin)

494

XIX Aldehyde und Ketone

Urotropin besitzt die gleiche ringförmige Anordnung wie Adamantan. Es dient zur Bekämpfung von Infektionen der Harn- und Gallenwege. Aufgaben 1) Wie kann man spektroskopisch zeigen, daß das Oxim des Acetons nicht die lineare Struktur I sondern die gewinkelte Struktur II besitzt? H3C

OH

\:=N—OH H3c

I 2) Wie verläuft die säurekatalysierte Abspaltung von Wasser aus 1-Aminoalkoholen?

4.2.4 Addition von Carbanionen Bei der Addition eines Carbanions an die Carbonylgruppe entsteht eine neue C—CBindung. I —C:e I"

+

\ rv ic^O: V ••



I I . . « —C—C—0: I I "

Solche Reaktionen sind von erheblichem präparativem Wert, da sie den Aufbau größerer Kohlenstoffverbindungen aus kleineren gestatten. Es kommen nicht nur Carbanionen in Frage, sondern auch Verbindungen mit einem nur partiell negativen Kohlenstoffatom. Die wichtigsten Verbindungen sind folgende: |N=C: e Na®

R—C=C:eNa®

-4-C:

Cyanide

Acetylide

Ylide

e

R—CH2—Li metallorganische Verbindungen

Die Reaktionen werden in den nächsten vier Abschnitten näher behandelt. Addition von Cyanwasserstoff. Cyanwasserstoff addiert sich an die C = 0 - G r u p p e unter Bildung von Cyanhydrinen. Als Katalysator dienen Cyanid-Ionen.

c=o

H—C=N

CN €

\ /°H

X

R

C=N

ein a-Hydroxynitril oder Cyanhydrin

4 Reaktionen

495

Die Reaktion wird durch den nucleophilen Angriff der Cyanid-Ionen eingeleitet. Anschließend erfolgt Protonenübertragung vom Cyanwasserstoff auf das Alkanolat-Ion I. Hierbei wird der Katalysator wieder frei gesetzt.

i R

" 0"

R

^C'

R

+

H—CN

OH ^C'

C=N

R

+

N=C:e

^C=N

I Statt des Cyanwasserstoffs, der wegen seiner Flüchtigkeit (Sdp. 26 °C) und Giftigkeit nicht leicht zu handhaben ist, kann man auch Alkalicyanide verwenden, sofern man eine Mineralsäure hinzufügt. R

R

^C=0

+

NaCN

+

HCl



OH

^C'

R

R

+

NaCI

C=N

Cyanhydrine stellen nützliche Ausgangsverbindungen für weitere Synthesen dar, da sowohl die OH-Gruppe als auch die Nitril-Gruppe modifiziert werden können, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen. Wasserabspaltung: H3CV \

X

/

,0H



HoC^ NÎN

CH 3 >

[

H2C=C—CN

+

H20

2- Methylpropennitril (Methacrylnitril)

Hydrolyse: H 5 C 6 x ^OH C + 2H 2 0 H CN

H< H

' > H5C6—C—C—OH + [NH3] ^ Phenyl-hydroxyessigsäure (Mandelsäure)

Addition von 1-Alkinen. Die Addition von 1-Alkinen an Aldehyde oder Ketone führt zu a-Hydroxyalkinen. R—C=C—H

+

R ^C=0 R

R

e

:NH;

x

PH

> R C=C—R a-Hydroxy-alkin

496

XIX Aldehyde und Ketone

Die Rolle des Katalysators (z.B. Amid-Ionen) besteht darin, aus dem 1-Alkin die konjugierte Base zu erzeugen, die als nucleophile Verbindung die Carbonylgruppe angreift. Die einzelnen Schritte möge der Leser selbst formulieren. Wendet man diese Reaktion auf das Steroidketon Östron an, so erhält man 17aEthinyl-östradiol, ein therapeutisch wertvolles Östrogen, das u.a. Bestandteil der empfängnisverhütenden Pille ist.

H3C

Östron

,C=C-H

17 a- Ethi nylöstrad iol

Reaktion mit Yliden. Wittig-Reaktion. Unter einem Ylid versteht man eine Verbindung, in der ein Carbanion direkt an ein Heteroatom X® gebunden ist. © es X—C^ Ylid Bei X handelt es sich in der Regel um Elemente wie Stickstoff, Phosphor oder Schwefel. ®l e —N—C— I I Ammonium-Ylid

J P. — P—C— I I Phosphonium-Ylid

S e —S—C— I I Sulfonium-Ylid

Phosphonium- und Sulfonium-Ylide kann man durch folgende mesomere Grenzformen beschreiben. ® r®/ Ylid

/ Ylen ^

Der Name Ylid bringt zum Ausdruck, daß die Bindung zwischen Kohlenstoff und Heteroatom sowohl kovalent (wie in Methj/bromid) als auch salzartig (wie in Natriumacetyh'J) ist. Ylide sind Spezialfälle von Zwitterionen oder Betainen. Phosphonium-Ylide stellt man aus Phophinen durch Alkylierung und anschließende Deprotonierung her.

4 Reaktionen

497

1. Herstellung des Phosphoniumsalzes: R. R^P: R

+

Phosphin (R meist

R'—C H 2—C H 2-Q(

R-^P—CH2—CH2—R' + X® R

Halogenalkan

quartäres Phosphoniumhalogenid

2. Deprotonierung des Phosphoniumsalzes Rv H H \® I I R-^P—C—C—R' Xe p/ I I R H H

+

:B e

Phosphoniumhalogenid

?

»

R H \® S I R-^P—C—C—R' p/ I I R H H

+

H—B

+

Xs

Ylid

Es werden nur cc-ständige Wasserstoffe angegriffen, da allein hierbei ein Carbanion entsteht, dessen negative Ladung delokalisiert werden kann. Ylide sind wie andere Carbanionen feuchtigkeits- und luftempfindlich. Mit Wasser reagieren sie im Sinne der Umkehr des vorstehenden Gleichgewichtes. Wittig-Reaktion. Ylide enthalten Carbanionen und reagieren deshalb nucleophil. Mit Aldehyden bzw. Ketonen entstehen Alkene und Phosphinoxide.

(H5C6)3P=CHR

+

+

(H 5 C 6 ) 3 P=0

Cyclohexanon Triebkraft dieser Reaktion ist die große Affinität des Phosphors zum Sauerstoff, die u. a. auch für die Umwandlung von Alkoholen in Halogenalkane mit Phosphortrihalogenid verantwortlich ist (s.Kap. XVI, Abschn. 6.3.2.2). OH 3R—OH

+

PCI,

-> 3 R—Cl +

HO—p: OH

Die Wittig-Reaktion verläuft wahrscheinlich über ein Betain und über einen Vierring (Oxaphosphetan). Dieser läßt sich in einigen Fällen bei tiefer Temperatur ( — 70 °C) nachweisen.

498

XIX Aldehyde und Ketone

(H5C6)3P-CRR-

R

R"

(H 5 C 6 ) 3 P

:0:

I I R—C—C—R' I I

;c=o

+

® e ein Betain

R / R'

R

R" C = C

\

+

R"

I I

0=P(C6H5

R—C^C—R'"

R'"

(H5C6)3P^Q ein Oxaphosphetan, unterhalb - 7 0 °C in einigen Fällen beständig

Die Reaktion wurde 1953 von G. Wittig (geb. 1897 in Berlin) beobachtet*. Ihre Bedeutung liegt darin, daß man eine Vielzahl von Alkenen, ausgehend von Carbonylverbindungen, herstellen kann. Dabei gelingt die Synthese eines bestimmten Alkens auf zweierlei Weise, wie anhand der Darstellung von 4-Methyl-2-penten gezeigt ist. ,CHa H3C—CH=PR3 + 0 = H C — CH 3 R 3 P0 H 3 C — C H = C H — C H /\ 4-Methyl-2-penten

CH, CH,

-R3PO CH 3 HOC—CH=0 +

ROP=CH—CH CH,

Weitere Beispiele: H3C—CH=CH— 3

er

\

+ R3P=CH— H

\

OR

-R3P=0

- H n3,v.C — C H = C H — C H = C H — C 2,4-Hexadiensäure-ester

-a

+

R3P=O

Benzalcyclohexan

* Für die Entdeckung dieser Reaktion und weiterer erhielt G. Wittig 1979 den Nobelpreis für Chemie.

\ OR

4 Reaktionen

499

Addition von metallorganischen Verbindungen. Die Addition metallorganischer Verbindungen an Carbonylverbindungen ist bereits in Kap. XVI, Abschn. 5.2 eingehend behandelt worden. An dieser Stelle sei lediglich daraufhingewiesen, daß auch hier ein nucleophiler Angriff auf die Carbonylgruppe vorliegt. ^

J!|+~

R

O-Mg-Br

— LJ

R

OH

LJ

Die Bedeutung der Grignard-Synthese liegt darin, daß man neue C—C-Bindungen knüpfen und somit aus kleineren Molekülen größere herstellen kann. Aufgaben 1) Welche Konstitution besitzen ein Arsonium-, ferner ein Iodonium-ylid? 2) Beim Angriff einer Base auf ein quartäres Phosphoniumsalz wird nur ein aständiges Proton abstrahiert. Warum? 3) Es ist die Synthese von Benzalcyclohexan, ausgehend von 2 verschiedenen Phosphonium-yliden, anzugeben. 4) Ausgehend von Naphthalin und einer C 2 -Verbindung ist die folgende Verbindung herzustellen.

5) Wie kann man einen Alkohol R—OH in den homologen Alkohol R—CH 2 —OH überführen? 6) Ausgehend von Aceton und 4-Brombutanal soll folgende Verbindung hergestellt werden: H3C

\

/ H3C

OH

C \

/

0 # C H 2 C H 2—C H 2—C. H

7) Folgende Verbindungen sind mit Hilfe der Grignard-Reaktion darzustellen: OH CH2—OH (2 Wege angeben!) a

b

8) Wie stellt man 1-Vinylcyclohexanol her?

c

500

XIX Aldehyde und Ketone

4.3 Substitution des «-Wasserstoffs 4.3.1

Keto-Enol-Tautomerie

Das Gleichgewicht. Der Wasserstoff a-ständig zur Carbonylgruppe ist schwach acide und kann deshalb von einer angreifenden Base als Proton abgelöst werden (Gleichgewichtsreaktion).

H—0| e

H—0—H

H3C—C—C I H ein Enolat-Ion

Der Grund für die C—H-Acidität des a-ständigen Wasserstoffs liegt in der Stabilisierung des entsprechenden Carbanions durch Delokalisierung der negativen Ladung. ö-

e

H3C—C—cf I \ u H

«



H33 C—C=C I \

H

H

u

H

HoC—C—C' I \u H

H

mesomere Grenzformen des Enolat-Ions Diese Stabilisierungsmöglichkeit entfallt für Carbanionen, deren Ladung sich am ß-, y- usw. C-Atom befindet. Deshalb besitzen ß-, y- usw. ständige Wasserstoffe keine erhöhte Acidität mehr, sondern nur die normale C—H-Acidität von Alkanen. Bei der Reprotonierung kann sich das Proton entweder an den Kohlenstoff oder Sauerstoff anlagern. Im ersten Fall bildet sich die eingesetzte Carbonylverbindung zurück, im zweiten Fall entsteht das Enol. M o I /r H® H3C-C-C' «-ÜH H

>Ol s ~ H3C—C—C^ H H

Keton

Enolat-Ion



,OH / H3C-C=(/ H H Enol

Bei der Reprotonierung entsteht demnach ein Gemisch aus Carbonylverbindung und Enol, wobei erstere in der Regel überwiegt. Damit ist es möglich, mit einer Base und deren konjugierter Säure (z. B. 0 H e / H 2 0 oder R O e / R O H ) ein Gleichgewicht zwischen Keto- und Enolform herzustellen. 0

0He/H20 .

OH 1 R—C=CH—R

D

4 Reaktionen

501

Zum gleichen Ergebnis gelangt man mittels eines Protonendonators und dessen konjugierter Base. O

O H

R — C — C H

2

— R

.

H

3 0

e

/

H

2 p

,

R

_ i

=

C

H

_

R

Hierbei treten folgende Protonierungs- und Deprotonierungsvorgänge ein:

H3C—C~C^ I \ H

+

I H^

H

3






H 3

H H

3

C

l



C

\

H

H

H

S^M

|0—H

+

H

2

O

10—H

I I

I



u H

-H

+

H

3

0

a

H

Selbst einfaches Aufbewahren eines Ketons in einer Glasflasche führt zur Einstellung des Gleichgewichtes. Glas enthält nämlich Spuren an Protonendonatoren und -akzeptoren, so daß sich nach kurzer Zeit die ursprünglich reine Ketoform oder Enolform in ein Gemisch umgewandelt hat, das die Keto- und die Enolform enthält. Man nennt das Gleichgewicht auch Keto-Enol- Tautomerie, da ein Wasserstoffatom reversibel seinen Bindungspartner wechselt. Keto- und Enolform eines Moleküls stellen zwei verschiedene Verbindungen dar, mit unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften. So kann man die Keto- und Enolform des Acetessigsäure-ethylesters durch Destillation voneinander trennen. 0

0

II

H

3

C — C — C H

O H

II

2

I

— C — 0 — C

2

H

&

5

Acetessigsäure-ethylester, Ketoform

H

3

0

II

C — C = c h — c — o — C

2

H

5

Acetessigsäure-ethylester, Enolform

Bei der Aufbewahrung der Keto- oder Enolform ist auf den strengen Ausschluß von Substanzen zu achten, die die gegenseitige Umwandlung katalysieren (Basen und Säuren in der Flüssigkeit oder in der Wand des Aufbewahrungsgefäßes). Die Lage des Gleichgewichtes. Die Lage des Keto-Enol-Gleichgewichtes hängt vom Substituenten R, vom Lösungsmittel und von der Temperatur ab. 0

H

II ' —C—i

HO, \ = c / / \

R

502

XIX Aldehyde und Ketone

Bedeutet R Wasserstoff oder Alkyl, handelt es sich also um einfache Carbonylverbindungen, so liegt das Gleichgewicht auf der linken Seite. Aceton existiert praktisch ausschließlich in der Ketoform, die Enolform kommt darin nur zu 0,0002 % vor. Bedeutet R eine weitere Carbonylgruppe, so liegen beträchtliche Mengen an Enol vor. 2,4-Pentandion existiert bereits zu 80 % als Enol. Diese und weitere Beispiele sind in der folgenden Tabelle zusammengefaßt. Tabelle

Enolgehalt einiger Carbonylverbindungen(25°C, ohne Lösungsmittel)

Verbindung

% Enol

O

||

H

3

C — c — C H

0,0002

3

O H

0

II

3

C — C — C H

II

2

— C — 0 — C

O

II

5

7 , 5

5

30

II

H 3 C — C — C

I

c

H — C — O — C

6

h

II II C

2

H

5

O

H 3C

H

2

0

CH2

0 II II

C

CH3

80

Die Bestimmung der Lage des Gleichgewichts ist mit Hilfe der Protonen-Kernresonanzspektroskopie möglich, sofern beide Isomeren in genügender Menge vorhanden sind. So entnimmt man dem unten stehenden Protonenresonanzspektrum des 2,4-Pentandions, daß die Ketoform (Signale a und b) und die Enolform (Signale c, d und e) im Verhältnis Fa : Fc = 20 : 80

vorliegen.

0 0 CH—C— CH—C—CH3

C H

c

3"VC-CH3 C

Ad

b

JL 16

Abbildung

U 1

12

10

8

H-Kernresonanzspektrum von 2,4-Pentandion

4 0 6(ppm)

4 Reaktionen

503

Worauf beruht der hohe Prozentsatz an Enol im 2,4-Pentandion? Zwei Gründe sind dafür verantwortlich. Erstens: Die Doppelbindung des Enols wird durch die zweite C=0-Doppelbindung stabilisiert, da beide Doppelbindungen in Konjugation zueinander stehen. Zweitens: In der Enolform kann sich eine Wasserstoffbrücke ausbilden, wobei etwa 20 kJ/mol frei werden. 0

0 CH3

(

Ketoform von 2,4-Pentadion

>

H3C

CH3 Enolform

Auch innerhalb der Enolform wechselt der Wasserstoff seinen Bindungspartner, er springt von einem Sauerstoff zum anderen. (Deshalb sind die beiden Methylgruppen äquivalent, siehe NMR-Spektrum). Zudem ist er beträchtlich acide und kann durch Metalle ersetzt werden, wobei sich sogenannte Chelate (griech. chele, Schere) bilden. H

3

C

\

\ 0 0 11 2 H — (y/ / i H + C u ( 0 — C — C H 3 ) 2 >=Ö h

3

c

/

2,4-Pentandion, Enolform

y^p-c wU

HoC\

-> H — ( '

H3c7

/CHo

Cu

/)—H x

ch

+

» 2 HO—C—CHa

3

Kupferacetylacetonat

Chelate besitzen physikalische Eigenschaften, die eher denen organischer Moleküle als denen normaler Metallsalze ähneln. Sie lösen sich häufig in organischen Lösungsmitteln und können sogar unzersetzt destilliert werden. Einige von ihnen sind in Wasser schwer löslich und farbig und dienen deshalb zum Nachweis bestimmter Metall-Ionen. Zu den Enolen gehören auch die Phenole. Das Gleichgewicht zwischen Phenol und dem dazu tautomeren Cyclohexadienon liegt ganz auf der Seite des Phenols, da im Cyclohexadienon die stabilisierende Aromatisierung fehlt.

Phenol (Enol)

2,4-Cyclohexadienon (Keton)

Aufgaben 1) Handelt es sich bei der Keto- und Enolform von Aceton um Konstitutionsisomere ? 2) Warum ist der Enolgehalt in II größer als in I?

504

XIX Aldehyde und Ketone 0 II

0 II

H3 C — C — C H2 — C — 0 — C 2 H

0 II

0 II

H3 C — C — C H — C — 0 — C 2 H5

5

c6h5

I

II

7,5% Enolgehalt

30% Enolgehalt

3) Warum kann man den Enolgehalt von Aceton nicht kernresonanzspektroskopisch bestimmen?

4.3.2 Aldol-Reaktion Läßt man auf einen Aldehyd oder ein Keton eine Base einwirken, so beobachtet man Verknüpfung zweier Moleküle. 0 II

H 0 H—C—C^ H

HO H o H3C-C-C-C(

verdNa0H

H

H

H

H

3-Hydroxybutanal

HO I II H—C—C—CH3 I H

HO H 0 I I H H3C-C-C-C-CH3 I I H3C H

festes BaiOHK saiimh^

4-Hydroxy-4-methyl2-pentanon

Hierbei addiert sich formal die a—CH-Bindung des einen Moleküls an die Carbonylgruppe des anderen Moleküls. Die entstandenen Verbindungen nennt man Aldole oder Ketole, da sie sowohl eine Alkoho/gruppe als auch eine ,4/dehyd- bzw. A'etoGruppe enthalten. Carbonylgruppe und Hydroxylgruppe stehen ß-ständig zueinander. Die Aufgabe des Katalysators (Base) besteht darin, ein Enolat-Ion zu erzeugen. Dieses greift als nucleophile Verbindung ein Molekül Aldehyd oder Keton an, wobei eine neue C—C-Bindung geknüpft wird. Im letzten Schritt findet die Übertragung eines Protons auf das Alkanolat-Ion des Aldols statt. 0

%

y H

H I .C—C—H

+

^C—C: H

/

O % uH

0—H




1 H

/

I

H

Oj e

"

r - C - C H

I

H

H

I

H2, 0

+

h

0 3




H

Ö I

1 1 H

H

n

+

H20




H

Öe

^C—C—C—CH

u

e

,C—C—C—CH3 H

O-rH r R'—c—o—R

+

Oe I 0=C—R

0 R'—C—O—R Ester

o +

H—O—C—R

Von den zwei Substituenten wandert bevorzugt derjenige, der stärker nucleophil reagiert. Aufgaben 1) Welche Ester (Lactone) entstehen bei der Einwirkung von Peroxyessigsäure auf folgende Verbindungen? CH, H3C—CH2—c—c (01^)3 (a)

CH

(b)

(c)

2) Eine unbekannte Verbindung der Zusammensetzung C 4 H 1 0 O liefert mit dem Oxidationsmittel C r 0 3 • 2 Pyridin die Verbindung C 4 H g O, welche mit dem TollensReagenz nicht reagiert. Welche Konstitution besitzt die unbekannte Verbindung?

4.5 Reduktion Die Reduktion von Aldehyden und Ketonen führt je nach Reduktionsmittel zu Alkoholen oder gar Kohlenwasserstoffen (vgl. das Reduktions-Oxidations-Schema im Kap. XVII, Abschn. 6.3.1).

4 Reaktionen

513

4.5.1 Reduktion zu Alkoholen Mit molekularem Wasserstoff. Die Reduktion gelingt in Gegenwart eines metallischen Katalysators (Ni, Pd, Pt). H^/OH +

H—H



Aldehyde werden im allgemeinen rascher als Ketone hydriert, wie der folgende Reaktivitätsvergleich zeigt, in den auch Alkine, Alkene und Aromaten einbezogen sind.

R—C=C—R

>

R—C^

>

R—CH=CH—R > R—C'

H

>

Aromaten

R

Die Hydrierung mit molekularem Wasserstoff wird vielfach in großtechnischem Maßstab durchgeführt. Dabei geht man in der Regel von Aldehyden aus, die aus der Oxosynthese oder Aldolreaktion hervorgehen. H2 +

C0

> (Oxosynthese)

R—CH2—CH2—C/ \

0

H

R—CH2—CH2—CH2—0 OH

0 2R-CH2-Cf \H H

1-Aldol-R 2. - H 2 0

0 _ C H C H = C C f R 22 I \H R H

CH2 R - C H 2 - C H22 - C H I r

Mit komplexen Hydriden. Komplexe Hydride wie LiAlH 4 , LiAlH(OR) 3 , NaBH 4 u. a. reduzieren Carbonylverbindungen zu Alkoholen. Dabei entstehen zunächst Alkanolate, aus denen die Alkohole durch Hydrolyse in Freiheit gesetzt werden. 0 4R—C^

+

LiAIH4



(R—CH2—0)4AleLi® +

4 H20

(R—CH2—0)4AleLi®

H •

4R—CH2—OH

+

[LiAI(0H)4]

Die Reaktion wird durch den nucleophilen Angriff des Hydrids auf die Carbonylgruppe eingeleitet, wobei ein Alkoxyaluminat-Ion entsteht. Dieses enthält noch Hydridbindungen und wirkt deshalb ebenfalls reduzierend. Insgesamt werden pro Mol Lithiumaluminiumhydrid (Lithiumtetrahydridoaluminat) vier Mol Aldehyd oder Keton reduziert.

514

XIX Aldehyde und Ketone H H I I e Li® R—C—0—AI—H I I H H

->

7"ef/"ahydridoaluminat H H R - CI - OI- A® K H « Li® + I I H H

Alkoxyf/y'hydridoaluminat r>o R—C* H

H 1 |H e 1H * R—C—0—AI—0—C—R Li® usw. I I I H H H Dialkoxyty/hydridoaluminat

Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen werden hierbei nicht angegriffen, so daß man eine Carbonylgruppe neben einer Doppelbindung selektiv reduzieren kann. 0 L|AIH4

H2C=CH—CH=CH—C^

>

H2C=CH—CH=CH—CH2—OH

H 4.5.2 Reduktion zu Kohlenwasserstoffen Clemmensen-Reduktion. Die Carbonylgruppe von Aldehyden und Ketonen läßt sich mit Zink (amalgamiert) und Chlorwasserstoff zur Methylengruppe reduzieren. Man nennt die Reduktion nach dem Entdecker Clemmensen-Reduktion.

R—CH2—C—R'

Zn-Hg * HCl

R—C H 3—C H 2—R'

Der Mechanismus dieser bemerkenswerten Reduktion ist noch unklar. Im folgenden ist die Reduktion je eines aliphatischen und eines aliphatisch-aromatischen Ketons formuliert. CH2—R

Zn—HCl (in Ether)

3-Cholestanon (R = Isohexyl)

H Cholestan

4 Reaktionen

515

Die zuerst genannte Reaktion ist von großem Wert für die Herstellung von alkylierten Aromaten gemäß der Reaktionsfolge: CH2—R

4H Näheres hierzu findet der Leser im Kap. XI, Abschn. 8.4.2.

Wolff-Kishner-Reduktion. L.Wolff und N.M.Kishner beobachteten unabhängig voneinander, daß man Aldehyde und Ketone mit Hydrazin zu den entsprechenden Kohlenwasserstoffen reduzieren kann, wobei Hydrazin zu Stickstoff oxidiert wird. Die Reaktion verläuft in 2 Schritten: Herstellung des Hydrazons und Eliminierung von Stickstoff aus dem Hydrazon. Treibende Kraft der Eliminierung ist die Bildung des thermodynamisch sehr stabilen Stickstoffmoleküls.

O"-

Hydrazon

Hydrazin R-0e

>=N—NH

N=NT

Die Funktion der Base besteht darin, das Hydrazon in die Azoverbindung umzuwandeln (AllylverSchiebung des Wasserstoffs) und letztere zu fragmentieren. —C=N—NH 2 I Hydrazon

ä

O—R

H I .. .. ®0—R —C—N=N—H —— I Azoverbindung

H I .. r>. e —C^N=N: C I

H -¿-H I H

cH~°R

—C:e

Clemmensen-Reduktion und Wolff-Kishner-Reduktion ergänzen sich: Basenempfindliche Ketone reduziert man nach der Clemmensen-Methode,die unter sauren Bedingungen verläuft, und säureempfindliche nach der Wolff-Kishner-Methode, die im basischen Medium stattfindet. Aufgaben 1) Wie stellt man ausgehend von Propen und einer C t -Verbindung 2-Ethyl-l-hexanol her?

516

XIX Aldehyde und Ketone

2) Welche Produkte entstehen bei der Reduktion nebenstehender Verbindungen mit molekularem Wasserstoff oder mit LiAlH 4 ? 0

CH3 (a)

(b)

3) Warum verläuft die Herstellung von Propylbenzol aus Benzol und Propylbromid unbefriedigend?

4.6 Oligomerisation und Polymerisation Einige niedermolekulare Aldehyde (nicht Ketone) oligomerisieren zu Ringen und Ketten. Als Katalysator dient in der Regel eine Mineralsäure. Formaldehyd wird trimerisiert, wenn man eine wäßrige Lösung mit Mineralsäure versetzt, und polymerisiert, wenn man eine wäßrige Lösung einfach eindampft. Die Endgruppen der polymeren Kette bestehen aus OH-Gruppen. /CHo O^ 0 H2C^Q



O

0

CH 2

Formaldehyd (Sdp. -21°) (n + 2) H 2 C = 0

1,3,5-Trioxan (Sdp. 114°) +

H20



H—0—CH2—0—(CH2—0)n—CH2—OH Paraformaldehyd

Acetaldehyd wird durch Säuren tri- und tetramerisiert. O

h3C-
B?

2.2.2 Addition metallorganischer Verbindungen Metallorganische Verbindungen können sowohl mit der Carbonylgruppe als auch mit der olefinischen Doppelbindung reagieren. Welche Reaktion eintritt, hängt von der metallorganischen Verbindung ab. Grignard-Verbindungen treten an beide funktionellen Gruppen, Lithium-organische Verbindungen reagieren vorwiegend mit der Carbonylgruppe und Ä"w/?/er-organische Verbindungen nur mit der olefinischen Doppelbindung. Addition teils an die olefinische Doppelbindung, teils an die Carbonylgruppe: H3C

h/

,H

\0

C H

H

3

3

0

H3C

M

¿2H5

X HO 1

C,H5

2 Reaktion

531

Addition an die Carbonylgruppe:

0 2. H ,

Addition an die olefinische Doppelbindung: 2 R—Li

+

CuBr

R—Cu—R

Li®

+

LiBr

ein Cuprat

+

R—Cu—R

- CuR

Li®

So überraschend das unterschiedliche Verhalten der metallorganischen Verbindungen auch sein mag, es versetzt den präparativ arbeitenden Chemiker in die Lage, die Addition in die eine oder andere Richtung zu lenken! 2.2.3 Addition von Aminen, Thiolen, Alkoholen etc. Die Addition von Verbindungen vom Typ H—X (Amine, Thiole, Alkohole u. a.) erfolgt an die olefinische Doppelbindung. Wie bei der Michael-Addition entstehen auch hier /¡-substituierte Carbonylverbindungen. Die alternative Addition an die Carbonylgruppe würde 1-substituierte Alkohole ergeben, welche aber nach der ErlenmeyerRegel unbeständig sind (Kap. XVII, Abschn. 7.3). I

I

I

—c—C—C=0 r

I I

2

n



I

^

I

I

—C=C—C=0

+

.

H—NR2

I

I I

—C=C—C—OH

I

h

beständig

nr

2

unbeständig (Erlenmeyer- Regel)

Auch diese Addition bedarf eines in der Regel basischen Katalysators, es sei denn, die zu addierende Verbindung ist - wie Amine - selbst basisch. Die folgenden Beispiele zeigen die Addition verschiedenartiger nucleophiler Verbindungen an a,^-ungesättigte Carbonylverbindungen. C2H5

I

H5C2—N:

Diethylamin

0

+

H

2

II

C=CH—C—C.H

Phenylvinylketon

C2H5 5

>

h

5

c

O

I

2

—n—ch

2

—ch

II

2

—c— c6h5

A/,/V-Diethyl-3-amino-1 -phenyl-1 propanon

532

XX a,^-Ungesättigte Carbonylverbindungen 0

0

Ö

NaOC2H5

Ethanthiol



H H 5C2—s3-Ethylthiocyclohexanon

2-Cyclohexen-1-on

H—0—0—H

+

H2C=CH—C

NaOH

*

\

H

. . / V > H 2 C—CH—C^ \ H

(PH=8)

Acrolein

+ H2Q

2,3-Epoxypropanal

Die Reaktionen verlaufen über das entsprechende Enolat-Ion, dessen Protonierung zu dem Endprodukt führt. Im Falle der Reaktion mit Wasserstoffperoxid erleidet das Enolat-Ion eine innermolekulare nucleophile Substitution unter Bildung eines Epoxids. H—0—0—H

+

NaOH

> H—0—Oe Na®


H2C—CH—C^ H Auf diese Weise sind Epoxide, deren Dreiring mit einem Carbonylsubstituenten oder einer anderen ungesättigten Gruppe verknüpft ist, leicht erhältlich. Aufgaben 1) Ausgehend von C6-01efinen sollen die Epoxide a, b und c dargestellt werden. 0

Br

"o

Br

i

a

b

i:o c

2) Man vervollständige: H3C a)

M C=C

+

H 3 C^

CH3 0

A

»-

H3C—C—CH2—C CH3 H3C—NH

0

2 Reaktion CN CH3 I I ROOC—CH—H,C—CH—

COOR b)

B

+

CH2 CN

c)

Benzalacetophenon

+

3) Mit Hilfe der Michael-Addition

Acetophenon

sollen dargestellt werden:

CH,


—OH

OH

Maltose, ein or-Glykosid

Cellobiose, ein ^ - G l y k o s i d

Rohrzucker (Saccharose) besteht aus zwei verschiedenen Monosacchariden, aus DGlucose und D-Fructose. Die Bausteine sind hier 1,2'-verknüpft, dadurch besitzt das Molekül zwei glykosidische Bindungen. CH20H

CH2—OH

Rohrzucker. Die beiden Zuckerbausteine D-Glucose und D-Fructose sind 1,2'-verknüpft. Der DGlucoserest besitzt die or-, der D-Fructoserest die ^-Konfiguration.

Rorhzucker ist der wichtigste Nahrungszucker (,'Tafelzucker'). Man gewinnt ihn aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr, wozu allerdings mehrere Reinigungsschritte erforderlich sind. Die technische Reinigung von Zucker (aber auch anderer Naturprodukte wie Erdöl oder Metalle) nennt man Raffination (franz. raffiner gleich verfeinern), die dazu erforderliche Anlage heißt Zuckerraffinerie. Rohrzucker bildet monokline Prismen, die in Wasser leicht, in hochprozentigem Ethanol schwer löslich sind. Durch verdünnte Mineralsäuren wird der Rohrzucker in je 1 Molekül D-Glucose und D-Fructose gespalten. C12H22O,, Saccharose M D = +66°

+

H2O

H

C6H1206

+

D-Glucose [«] D = + 52°

C6H1206 D-Fructose [or]„ = — 9 2 °

Da die Fructose stärker nach links als die Glucose nach rechts dreht, geht die Rechtsdrehung der Saccharose bei der Hydrolyse in eine Linksdrehung über. Daher bezeichnet man diese Spaltung als Inversion des Rohrzuckers und das entstehende Zuckergemisch als Invertzucker.

548

XXI Kohlenhydrate

Polysaccharide. Zu den wichtigsten Polysacchariden gehören Stärke, Glykogen und Cellulose. Baustein ist in allen drei Fällen D-Glucose. Polysaccharide zeigen ganz andere physikalische und chemische Eigenschaften als Mono- oder Oligosaccharide. So sind die meisten Polysaccharide im Wasser gar nicht löslich (Cellulose) oder nur kolloidal löslich (Stärke), obwohl zahlreiche OH-Gruppen vorhanden sind. Stärke ist ein Gemisch zweier verschiedener Polysaccharide, der Amylose und des Amylopektins. Amylose besteht aus 100 bis 1500 Glucosebausteinen, die über 1,4'Etherbrücken a-glykosidisch verknüpft sind. Amylopektin enthält das gleiche Grundgerüst, allerdings sind die 6-Positionen Ausgangspunkt von Verzweigungen. Die Verknüpfung an der Verzweigung erfolgt ebenfalls a-glykosidisch.

ch

2

oh

HO

0-

Amylose, ein Polysaccharid aus vielen hintereinander angeordneten D-Glucose-Bausteinen, die «(1,4')glykosidisch verknüpft sind.

C^OH

Amylopektin, ein Polysaccharid aus vielen z.T. verzweigt angeordneten D-Glucose-Bausteinen, die ar(1,4')- oder cr(1,6')glykosidisch verknüpft sind.

Stärke ist der Hauptbestandteil von Reis, Getreide, Kartoffeln u.a. und ein wichtiges Nahrungsmittel. Die Vergärung von Stärke führt über Maltose und Glucose zu Ethanol und damit zu alkoholischen Getränken.

4 Die wichtigsten Kohlenhydrate und ihr Vorkommen (C6H1005)n Stärke

Diastase

. > C12H220,, Maltose

mh,2°

. Maltase

> C6H1206 D-Glucose

549

C2H50H + C02 Ethanol

* Fermente, die die Hydrolyse katalysieren

Glykogen ähnelt chemisch dem Amylopektin, nur sind die Ketten noch stärker verzweigt. Die Verbindung stellt das „Reservekohlenhydrat" des tierischen Organismus dar. Glykogen wird nach Umformung eines Teils der Kohlenhydratnahrung z. T. in der Leber (bis zu 18% des Lebergewichts), z.T. in den Muskeln gespeichert. Cellulose besitzt den gleichen Aufbau wie der Stärkebestandteil Amylose, allerdings sind die D-Glucose-Bausteine ß-glykosidisch über 1,4'-Etherbindungen verknüpft.

Cellulose, ein Polysaccharid aus vielen hintereinander angeordneten D-Glucose-Bausteinen, die /J(1,4')glykosidisch verknüpft sind.

Cellulose ist das am häufigsten vorkommende Kohlenhydrat. Es ist wichtigster Bestandteil der Zellwände von Pflanzen und übt in den Wänden eine Stützfunktion aus. Holz besteht zu ca. 50%, Baumwolle zu mehr als 95% aus Cellulose. Hemicellulosen sind Gemische verschiedener Polysaccharide. Bausteine sind hier nicht Glucosemoleküle, sondern D-Xylose, D-Mannose, D-Galactose und D-Glucuronsäure (d. i. in 6-Stellung zu Carboxyl oxidierte Glucose). So besteht die Hemicellulose Xylan aus D-Xyloseresten, die ß(l ,4')-glykosidisch miteinander verknüpft sind.

Xylan, ein Polysaccharid aus vielen hintereinander angeordneten D-Xylose-Bausteinen, die /?(1,4')glykosidisch verknüpft sind.

Hemicellulose treten stets vergesellschaftet mit Cellulose, z. B. in den Zellwänden, auf. Holz steht in enger Beziehung zu Polysacchariden. Es besteht zu ca. 50 % aus Cellulose, zu ca. 25 % aus Hemicellulose und zu ca. 25 % aus Lignin. Die genaue Struktur des Lignins ist noch unbekannt, man weiß aber, daß es durch Oxidation von Coniferylalkohol entstehen kann, somit Strukturmerkmale des letzteren enthalten muß.

550

XXI Kohlenhydrate CH 2 OH Oxidation

>

Lignin

HO' Coniferylalkohol

Abschließend sei noch auf die Sekundärstruktur einiger Polysaccharide eingegangen, die angibt, welche Form die Ketten annehmen (vgl. auch „Struktur der Proteine"). Amyloseketten sind spiralförmig, Cellulosemoleküle geradkettig und zudem bündeiförmig angeordnet.

Amylose

Cellulose

Der Hohlraum eines Amylosenmoleküls vermag bestimmte Verbindungen aufzunehmen. Eingelagerte Iod-Moleküle verursachen die typische blaue Farbe, die zum Nachweis sowohl von Iod als auch Stärke dient {Iod-Stärke-Reaktion; Iodometrie). Die Anordnung der Cellulosemoleküle zu Bündeln führt dazu, daß Cellulose Fasern (z. B. Baumwollfasern) bildet.

5

Reaktionen

Monosaccharide enthalten eine Carbonylgruppe und mehrere OH-Gruppen. Sie gehen deshalb Reaktionen ein, die für diese funktionelle Gruppe typisch sind. So kann man die Aldehydgruppe von D-Glucose zur OH-Gruppe reduzieren oder zur Carboxylgruppe oxidieren. H

OH

-OH HO-

2H

HO-

-OH

-OH

-OH

-OH

CH,OH D-Sorbit

CH,OH

CH20H D-Glucose

D-Gluconsäure¿-lacton

6 Mehrstufensynthese: Ascorbinsäure

551

Die Reduktion erfolgt am offenkettigen Isomeren, obwohl der Anteil desselben unter 1 % liegt. Die Oxidation könnte an beiden Tautomeren einsetzen, reaktionskinetische Untersuchungen haben aber gezeigt, daß nur das Ringtautomere oxidiert wird. Ein ähnliches Reaktionsverhalten zeigen Disaccharide, sofern sie eine Halbacetalgruppe aufweisen. So kann man Maltose reduzieren, nicht jedoch Rohrzucker, da hier keine Halbacetalgruppe vorhanden ist. Aufgaben 1) Was sind Diastereomere, Epimere und Anomere? 2) Wieviel stereoisomeren Ketopentosen gibt es? 3) Man nenne sämtliche Epimeren von D-Glucose. 4) Es soll die pyranoide Form der D-Fructose gezeichnet werden. 5) Man zeichne //jreo-2-Acetoxy-3-bromhexan in der Fischer-Projektion. 6) Aus wieviel Signalen bestünde das (protonenentkoppelte) 13 C-Kernresonanzspektrum einer wäßrigen Lösung von D-Glucose, wenn alle 5 Ring-Ketten-Tautomeren in vergleichbarer Menge vorhanden wären? 7) Warum verläuft die Vergärung von Getreide, Kartoffeln usw. zu Ethanol über das Disaccharid Maltose und nicht über das Disaccharid Cellobiose? 8) Warum reagiert Rohrzucker nicht mit typischen Aldehydreagenzien wie z. B. Phenylhydrazin? 9) Was bedeuten die Begriffe Mutarotation und Inversion in der Zuckerchemie? 10) D-Glycerinaldehyd wird auch /?-Glycerinaldehyd genannt. Ist das zwangsläufig? 11) Welche der optisch aktiven Tetrosen, Pentosen oder Hexosen ergeben nach der Reduktion mehrwertige Alkohole, die die Ebene des polarisierten Lichts nicht drehen?

6 Mehrstufensynthese: Ascorbinsäure Auf die Bedeutung von Vitaminen wurde bereits im vorstehenden Kapitel hingewiesen. An dieser Stelle sollen Eigenschaften und Synthese von Ascorbinsäure, auch Vitamin C genannt, beschrieben werden. Ascorbinsäure tritt u.a. in Hagebutten, schwarzen Johannesbeeren, Spinat und Petersilie auf. Mangel führt zum Krankheitsbild des Skorbuts (Hautkrankheit, Zahnfleischbluten). Die Struktur von Ascorbinsäure steht in enger Beziehung zu der von Monosacchariden. Sie lautet:

IT

L-Ascorbinsäure (Seitenkette: Fischer-Projektion)

552

XXI Kohlenhydrate

Ascorbinsäure besitzt chemisch betrachtet drei herausragende Eigenschaften: Sie wirkt sauer, reduzierend und Metall-komplexierend. Die Acidität rührt von der ßOH-Gruppe her, die leicht ein Proton abgibt, wobei ein delokalisiertes Alkoholat-Ion entsteht. Die reduzierende Wirkung beruht auf dem Endiol-Baustein: Abgabe der beiden Wasserstoffatome führt zu einer Diketoverbindung. Auf demselben Baustein beruht auch die Fähigkeit, mit Metall-Ionen zu komplexieren. Die Synthese geht von D-Glucose aus. Durch katalytische Hydrierung entsteht zunächst D-Sorbit. Diese Verbindung wird mittels Acetobacter xylinum dehydriert, wobei nur die 5-Stellung angegriffen wird. Es entsteht L-Sorbose, ein Ketozucker, der bereits die richtige Konfiguration der natürlichen Ascorbinsäure besitzt. L-Sorbose läßt sich mit molekularem Sauerstoff am Platinkontakt zu einer Ketocarbonsäure oxidieren, welche darüber hinaus drei OH-Gruppen enthält. Enolisierung (der Ketogruppe) und protonenkatalysierte Lactonisierung (Esterbildung zwischen Carboxyl und OH) führen schließlich zur Ascorbinsäure.

HHO-

-OH

-OH -H

CH 2 OH

CH 2 0H

ÇHO

+ 2H• HO-

H-

-H

HO-

H-

-OH

H-

-OH - 2 H

H-

-OH

H-

-OH

H-

CH 2 OH

I

c=o

-OH

HO-

-H -OH

H-

C =0 I

HO-

CH 2 OH D-Glucose

-H -OH -H CHoOH

L-Sorbose

D-Sorbit

COOH

I

o=c + 0 , HOHHO-

HO -H

"OH -H CH,OH

— H,0.

\

i^fl HO / HO-

^CH -H

CH 2 0H L-Ascorbinsäure

Auf diese oder ähnliche Weise werden weltweit jährlich 400001 hergestellt. Ascorbinsäure dient u. a. als Antioxidans in der Lebensmitteltechnologie und gegen Erkältungskrankheiten. Aufgaben 1) Die Ascorbinsäure-Synthese beginnt mit D-Glucose. Welcher andere Zucker käme auch in Frage? 2) Weshalb führt die Dehydrierung von D-Sorbit zu L-Sorbose nicht zu D-Sorbose? 3) Führt die Lactonisierung zwangsläufig zum 5-Ring?

Kapitel XXII Carbonsäuren 1 Übersicht und Nomenklatur Carbonsäuren enthalten als gemeinsames Strukturmerkmal die Carboxylgruppe. > o '

- < ° 0—H

Carbonylgruppe

Carboxylgruppe

Ist die Gruppe an einen Wasserstoff oder eine Alkylgruppe gebunden, liegt eine aliphatische Carbonsäure vor. Ist sie mit einem Arylrest verknüpft, handelt es sich um eine aromatische Carbonsäure. 0 0

0

H - c f

\

H

3

c - c f

0—H

aliphatische Carbonsäuren

\ 0—H

^

ü

r

r "

^ o - H

aromatische Carbonsäure

Zur Benennung fügt man entweder die Nachsilbe -säure an den Namen des zugrunde liegenden Kohlenwasserstoffs oder verknüpft die Nachsilbe -carbonsäure mit dem Namen des Kohlenwasserstoffs, an den die Carboxylgruppe gebunden ist. Daneben verwendet man Trivialnamen. 0

H

H

CJ^°

'C-CH'" H 3 C—(OH;,),,,—N—CH 2 —C 6 H 5 CI®

¿H3 /V,/V-Dimethyloctadecylamin

hydrophil

CH 3 Benzyldimethyloctadecylammoniumchlorid

Benzylchlorid

Nichtionogenes Detergens:

0

H37C,8-0H Octadecylalkohol

+

/ \ n H2C—CH, Oxiran (Ethylenoxid)

OH®

hydrophob

:

H37C18 —(0—CH2

hydrophil

CH2)n—OH

ein Polyether (n = 11 bis 15)

Anionenaktive Detergentien werden am häufigsten verwendet. Unter diesen besitzen solche mit Sulfat- oder Sulfonatgruppen besonders günstige Wascheigenschaften. Die Verwendung von Seifen (Salzen von Fettsäuren) ist begrenzt. Sie bilden mit Erdalkali-

6 Reaktionen

567

Ionen schwerlösliche Salze, was bei hartem Wasser zu unerwünschten Niederschlägen („Kalkseifen") auf das Gewebe führt. Aufgabe Welche der folgenden Verbindungen zählt definitionsgemäß zu den Detergentien? // H

3

C — C H

2

- C H

2

O

C H

I

— C '

(a)

X

H

0*

3

C — ( C H

2

) i 3 — N — ( C H

Na®

3

C — ( C H

2

)

1 5

3

B r

H

e

3

C - ( C H

3

C — 0 — C

H

2

2

)

1

5

1 3

— C H

3

- S - O

e

O

3

(d)

(c) H

)

N

— N — C H C H

2

(b)

f"3 H

3

— C H

2

— 0 — C H

2

— C H

2

— O — C

H

3

(e)

6.4 Veresterung mit Alkohol Im Kap. XVII, Abschn. 6.3.5 wurden die verschiedenen Typen von Estern vorgestellt. An dieser Stelle soll die Esterbildung zwischen Carbonsäure und Alkohol eingehender behandelt werden. Erhitzt man eine Carbonsäure mit einem Alkohol, so bilden sich ein Ester und Wasser, z.B.: 0 II H

3

C — C — 0 — H

Essigsäure

0 II

Hs , +

H — 0 — C H

Methanol

3

H

3

C — C — 0 — C H

3

+

H

2

0

Essigsäure-methylester

Es stellt sich ein bestimmtes Gleichgewicht ein, zu dem man ebenso gelangt, wenn man Ester und Wasser erhitzt. Wünscht man die vollständige Umwandlung einer Carbonsäure in einen Ester, so verwendet man einen großen Überschuß von Alkohol oder entfernt das Wasser in dem Maße, wie es entsteht. In beiden Fällen wird das vorstehende Gleichgewicht nach rechts verschoben. Die Entfernung des Wassers geschieht durch Zusatz einer chemisch indifferenten Flüssigkeit, z. B. Benzol oder Toluol, die mit Wasser und Alkohol ein ternäres Gemisch bildet. Führt man die Veresterung wenig oberhalb des Siedepunktes des azeotropen Gemisches durch, so wird Wasser (zusammen mit den beiden anderen Komponenten) bei relativ niedriger Temperatur abdestilliert. Die Einstellung des Gleichgewichtes erfolgt sehr langsam. Sind aber geringe Mengen einer starken Säure (HC1,H 2 S0 4 ) anwesend, stellt sich das Gleichgewicht rasch ein. Deshalb wird eine Veresterung stets in Gegenwart einer Säure durchgeführt.

568

XXII Carbonsäuren

Die Reaktion verläuft über mehrere Zwischenstufen. Zunächst wird die Carbonsäure protoniert, wobei ein Kation entsteht, das durch drei mesomere Grenzformen beschrieben werden kann. ®

.0—H

Ö—H

Ö—H R—Cr ® \ Ö—H Ö—H Ö—H 0—H Mesomere Grenzformen eines Kations, gebildet aus einer Carbonsäure und einem Proton R—C \

«

> R—C

.0—H


R—c' \

=

Dieses Kation reagiert mit einem Alkoholmolekül unter Bildung eines Orthocarbonsäurederivates R—C(OR) 3 , siehe Formelschema. Die weiteren Reaktionsschritte sind aus dem nebenstehenden Reaktionsschema ersichtlich. Man beachte, daß die langsam austretende Gruppe —OH in die rasch austretende Gruppe —OH2® überführt werden muß, ähnlich wie das bei der nucleophilen Substitution der OH-Gruppe in Alkoholen (s. Kap. XVII, Abschn. 6.3.2) geschieht. ®/ R-C

+

H—O—R




OH Alkohol HO R—C—0—R I„ H20® HO R—C—0—R




Orthocarbonsäurederivat


R—C—0—R

+

H20

+

[H®]

Ester

Aufgabe Welche Verbindung entsteht beim Erhitzen von Valeriansäure mit 2-Butanol (a) in Abwesenheit von Schwefelsäure, (b) in Gegenwart von Schwefelsäure?

6.5 Umwandlung in Säurehalogenide Bei der Einwirkung von Thionylchlorid auf Carbonsäuren findet ein Austausch der OH-Gruppe gegen Chlor statt, wobei Carbonsäurechloride entstehen. +

S0CI2

0—H Carbonsäure

Thionylchlorid



0 R—C^ XI

+

CarbonsäureChlorid

S0 2

+ HCl

6 Reaktionen

569

Die Reaktion verläuft über ein gemischtes Anhydrid. Dieses ist unbeständig und zerfällt alsbald in die Endprodukte, wobei wahrscheinlich Chlorid-Ionen als Katalysator dienen. In der Literatur findet man folgenden Vorschlag für den Ablauf der Reaktion: 0 0 II II R—C—0—S—Cl

r—c:

+

HCl

gemischtes Anhydrid aus einer Carbonsäure und der hypothetischen Chlorsulfinsäure HO—SO—Cl.

R—C?

+

S0 2

+

Cl €

XI Fragmentierung

Statt Thionylchlorid kann man auch andere anorganische Säurechloride (PC13, PC15) verwenden. 3R—C^

+

PCI 3



3R—C^

OH

+

H3PO3

Cl

Thionylchlorid wird aber im allgemeinen bevorzugt, da außer dem gewünschten Carbonsäurechlorid nur gasförmige Produkte (S0 2 und HCl) entstehen. Aufgabe Mit welcher anderen Reaktion ist die Reaktion zwischen Carbonsäure und Thionylchlorid formal verwandt ?

6.6 Reduktion zu primären Alkoholen Carbonsäuren werden durch Lithiumaluminiumhydrid zu primären Alkoholen reduziert. H2— C

/CH2—CH2—OH

OH

+

UAIH4

!, e ; hi '^ n in

>

2. Zugabe von H 3 0®

2-Phenylethanol, ein primärer Alkohol

570

XXII Carbonsäuren

Die Reaktion verläuft in mehreren Schritten. Der erste Schritt ist eine Säure-BaseReaktion: ö + -Wasserstoff reagiert mit ¿"-Wasserstoff zu molekularem Wasserstoff, wobei Lithiumcarboxylat und Aluminiumhydrid entstehen.

# R—C \

6

+

IJAIH4

• R—C

//

H3C—C—CH3 II 0 Aceton

+

C0 2 /

O

X

C—CH3 / HO Essigsäure

+

CO/

6 Reaktionen

571

Die Bedeutung dieser Reaktion liegt darin, daß man ausgehend von den bequem zugänglichen substituierten Acetessigsäuren und Malonsäuren durch bloßes Erhitzen Methylketone bzw. substituierte Essigsäuren erhält. Näheres siehe Kap. XXIII, Abschn. 7.3.2.2. Die Decarboxylierungen gelingen teils mit der freien Säure (wie vorstehend formuliert), teils mit dem Salz. Im Falle der Acetessigsäure werden beide Wege beschritten, wobei die Säure nach einem cyclischen und das Salz nach einem offenkettigen Mechanismus decarboxyliert. H

0/H>0

-CO,

H3c

0

CH, Enolform

Acetessigsäure

CH,

H3C

Ketoform

des Acetons H H 3 C — C — ( i i ^ - C ^ O |0

II

-CO,

h3c-

II - 1

0

H,0

-C:e

-CH,

0

H Na 9

0 Na®

Aceton

Natrium-Salz der Acetessigsäure

Die untere Reaktionsgleichung läßt klar erkennen, weshalb elektronenanziehende Substituenten in a-Stellung die Decarboxylierung beschleunigen: Sie delokalisieren die beim Decarboxylierungsvorgang am a-C-Atom auftretende negative Ladung. Carbonsäuren, die keinen elektronenanziehenden Substituenten besitzen, werden erst bei hoher Temperatur decarboxyliert. Da hierbei gleichzeitig teilweise Zersetzung eintritt (Homolyse von C—C-Bindungen), ist die Decarboxylierung solcher Carbonsäuren, z. B. von Decansäure, ohne präparative Bedeutung. Aufgabe Welche der nebenstehenden Carbonsäuren läßt sich leicht decarboxylieren? CH 3

I

H 3 C — C H 2—C H — C ,

h,c—c:

\ OH

(a) O

(b) CH 3

I // H3C—c—C—C I \ II

ch3

o

HO

oh

92tHs I # (e)

,0

HO

OH (d)

z—c—c'

CH3

O. yQ>—C H 2—C H 2—C H 2—C

(C)

o. %

\ OH

0-C6H5

572

XXII Carbonsäuren

6.8 Halogenierung in er-Stellung Der Wasserstoff neben der Carboxylgruppe ist weniger reaktionsfähig als der entsprechende in Aldehyden, Ketonen und Estern. Will man ihn durch Brom substituieren, so reicht nicht allein Vermischen der Reaktionspartner, sondern es ist die Anwesenheit des Katalysators Phosphortribromid erforderlich.

1

H3C—C—C

I

\

H

+

H3C-i-cf

Br 2

X

ir

OH

Propionsäure

0H

2-Brompropionsäure

H3C

H3C ^CH-(CH2)2-CX

PBr3

+ ßr 2

OH

-

, 0-

y

,CH— C H 2 — C — C / H3C/ ¿r \>

>

H B r

H

2-Brom-4-methylvaleriansäure

4- Methylvaleriansäure

Durch das Phosphortribromid wird die Carbonsäure in das reaktionsfähigere Carbonsäurebromid umgewandelt. Letzteres tautomerisiert durch Spuren von Protonen rasch zum entsprechenden Enol (die Enolisierung der Carbonsäure selbst verläuft langsamer), welches Brom addiert. Schließlich setzt sich das gebildete Bromcarbonsäurebromid in einer Gleichgewichtsreaktion zum Endprodukt um. 2P

3 Br 2

t

PBr,

R—C—C

i

2 PBr,

X

R—C—C.

0H

i

Br

Carbonsäurebromid

,0H

V



H

^Br

R—C—C.

R—CH=C:

Enol des Carbonsäurebromids 0 S R—C—C H

OH +

R—CH=C:

/ \ Br

I

Br 2

I

Br

Br

\

+

HBr

Br

a- Bromcarbonsäurebromid

I /> R—C—C Br

X

Br

R — C — C :// \

v /> >• R—c—er OH

Br

+

OH

a- Bromcarbonsäure

R—c—er A

X

Br

7 Peroxycarbonsäuren

573

Die Reaktion wird Hell- Volhard-Zelinski-Reaküon genannt. Ihre Bedeutung liegt darin, daß die Reaktionsprodukte in eine Vielzahl anderer Verbindungen überführt werden können, z.B.: R—CH—C02H I Br

+

2 NaOH

>• R—CH—C02Na + NaCI I OH Natriumsalz einer ar-Hydroxycarbonsäure

+

H20

7 Peroxycarbonsäuren Peroxycarbonsäuren unterscheiden sich von Carbonsäuren durch ein zusätzliches OAtom in der Carboxylgruppe.

R—C^

R _

OH Carbonsäure

0—OH Peroxycarbonsäure

Peroxycarbonsäuren sind schwächere Säuren als die entsprechenden Carbonsäuren, da in der konjugierten Base keine Stabilisierung der Ladung durch Delokalisierung möglich ist. # R—C^

0 +

H20




R—Cv \

o t.

/ R—iC^



e

OH Carbonsäure

*

S R—C^

O Ladung delokalisiert

O +

O—OH Peroxycarbonsäure

H20




R—C

// \

o® +

H30®

0

0 +

H30®

0—0® Ladung lokalisiert

Die Darstellung von Peroxycarbonsäuren erfolgt durch protonenkatalysierte Umsetzung von Carbonsäuren mit Wasserstoffperoxid (30-90%ig). Als Katalysator hat sich Methylsulfonsäure bewährt.

574

XXII Carbonsäuren

Eingeleitet wird die Reaktion durch den nucleophilen Angriff von H 2 0 2 auf die protonierte Carbonsäure. :0—H

|

1

:0—H |

H—0-

R—C—OH | OH

1

0—OH

IIIt OH 1 1 0 H

OH 1 1 0 < -H20

R—C

%

-

0^-H

0

R—C^)-H 1 OH

Peroxycarbonsäuren neigen wie andere Peroxyverbindungen zur Zersetzung (Vorsicht ist demnach geboten) und werden deshalb meist nur in Lösung verwendet. Ausnahme ist 3-Chlorperoxybenzoesäure, welche in festem Zustand begrenzt haltbar ist und deshalb für viele Oxidationen (Epoxidierung; Baeyer-Villiger-Oxidation) verwendet wird. O II

Cl 3-Chlorperoxybenzoesäure, Schmp. 88°C Aufgabe Käufliche 3-Chlorperoxybenzoesäure ist oft durch 3-Chlorbenzoesäure verunreinigt. Die Entfernung der Verunreinigung gelingt durch Auswaschen mit einer Pufferlösung des pH-Werts 7.5. Man erkläre.

8 Dicarbonsäuren Dicarbonsäuren enthalten zwei Carboxylgruppen, die benachbart oder durch mehrere C-Atome voneinander getrennt sein können. 0 II 0 o 0X O ^ C - O H

>"
NC—CH2—CH2—CN

V C H

2

H Q

- < ° OH

Malonsäure, Schmp. 1 3 5 ° C (Oberhalb des Schmp. tritt Decarboxylierung ein.)

H 3 n®

>

HOOC—CH2—CH2—COOH Bernsteinsäure

576

XXII Carbonsäuren

Tabelle

Dicarbonsäuren

Konstitution

Schmp. in °C

Name

K

(1° Stufe)

(H3C—COOH)

(Essigsäure)

HOOC—COOH

Oxalsäure (Ethandisäure)

189

(1.7 -10" 5 ) 5,4 • IO"2

H O O C — C H 2 — COOH

Malonsäure (Propandisäure)

136

1.4 -10" 3

HOOC—CH2—CH2—COOH

Bernsteinsäure (Butandisäure)

185

6,6 -10" 5

HOOC—(CH2)3—COOH

Glutarsäure (Pentandisäure)

98

4,6 -10" 5

XOOH

H

COOH

H

COOH

• 10"2

Maleinsäure ((Z)-Butend ¡säure)

130

Fumarsäure ((£)-Butendisäure)

302

9.5 -10" 4

Phthalsäure

231

1,1 -10-"3

Isophthalsäure

348

0,24 - 10" 3

Terephthalsäure

300

0,29- 10"

1,2

HOOC ,COOH COOH COOH

COOH COOH

COOH

Synthesen in technischem Maßstab. Oxalsäure: Aus Natriumformiat durch Erhitzen auf 360°, am besten in Gegenwart von Ätznatron, wobei unter Wasserstoffentwicklung Natriumoxalat entsteht. H—COONa

360°

COONa

|

+

H

H—COONa

COONa

Natriumformiat

Dinatriumoxalat

2

Die Säure wird aus dem Ca-Salz und Schwefelsäure gewonnen.

8 Dicarbonsäuren

577

Maleinsäure, Phthalsäure: Die Anhydride entstehen durch Oxidation von Benzol bzw. o-Xylol mit Luft bei 400-500°C. Katalysator ist V 2 0 5 .

+

4j02

V,O R

0

+

2C03

+

2H,0

0 Maleinsäureanhydrid

Durch Wasseranlagerung entstehen Maleinsäure bzw. Phthalsäure. Maleinsäure lagert sich bei 150° in die thermodynamisch stabilere Fumarsäure um. COOH

H^

^COOH

150° , H

COOH

Maleinsäure

HOOC

^H

Fumarsäure

Aufgaben 1) Ausgehend von 1,3-Butadien soll Hexandisäure (Adipinsäure) synthetisiert werden. 2) Wie stellt man die Dicarbonsäuren Phthalsäure, Isophthalsäure und Terephthalsäure im Laboratoriumsmaßstab her? 8.2

Reaktionen

Erhitzt man Dicarbonsäuren auf höhere Temperatur, so können Kohlendioxid oder Wasser, in manchen Fällen beide Moleküle, abgespalten werden. Oxalsäure, die einfachste Dicarbonsäure, verliert beim Schmelzen (189 °C) Kohlendioxid und geht in Ameisensäure über. Ov „0 > - c ( HO Oxalsäure

OH

yO H-c(

+

OH Ameisensäure

578

XXII Carbonsäuren

Malonsäure und substituierte Malonsäuren geben beim Erwärmen ebenfalls Kohlendioxid ab, wobei Carbonsäuren entstehen. Diese Reaktion wurde bereits im Abschnitt 6.5 behandelt. 0 V - C H

2

- C (

HO

.0 C A 1 5 0

%

H-CH

2

-C(

+

C02

OH

OH

Malonsäure

Essigsäure CH3

% ?HV° ^c—c—c

I

ca. 200°

^

O

H—C—C^ CH3

HO CH3 OH Dimethylmalonsäure

+

CO,

OH

Isobuttersäure

Aus Bernsteinsäure und Glutarsäure, an deren a—C-Atome keine elektronenanziehende Substituenten gebunden sind und die somit nur schwer decarboxylieren, spaltet sich beim Erhitzen Wasser ab, wobei cyclische Anhydride entstehen. 0 /C—OH

H2C

>235°

I

H2C

I

o

H3O

^C—OH Bernsteinsäure-anhydrid

Bernsteinsäure

0 II u /

0H

erhitzen im Vakuum

\ C H 2 — C /,0H

/ C

H

2

-C

h2Cx CH2—C

/

0

II 0

Glutarsäureanhydrid

Glutarsäure

Wie für andere Ringschlüsse so gilt auch hier: Besonders leicht bilden sich Fünfringe und Sechsringe. Hexandisäure (Adipinsäure), Heptandisäure usw. bringen die Voraussetzung dafür nicht mehr mit, beim Erhitzen entstehen hier Polymere. O

%

(CH2)4—C—0—C-

C-(CH2)*-C'

HO Adipinsäure (Hexandisäure)

0

OH

N

(CH2)4-G

HO

\

OH

polymeres Anhydrid der Adipinsäure

Einen anderen Verlauf nimmt die Thermolyse bestimmter Dicarbonsäuren, wenn Spuren von Basen zugegen sind: Unter Austritt von C 0 2 und H 2 0 entstehen cyclische Ketone.

8 Dicarbonsäuren CH,

I

H2C

Ba(OH)2 COOH

/

C H

H2C

H2C

579

\ /

CH2 Adipinsäure (Hexandisäure)

Cyclopentanon

CH 2

CH2—CH2—COOH

CH 2

u C

^C=0

+

C02

+

H20

CH2—CH

CH2—CH2—COOH

Cyclohexanon

Heptandisäure

Die besten Ausbeuten an Cycloalkanonen erhält man, wenn sich diese vom Cyclopentan oder Cyclohexan herleiten. Wahrscheinlich verläuft die Reaktion wie folgt: Die Base übernimmt ein Wasserstoffatom aus der reaktiven a-Stellung der Dicarbonsäure, wobei ein Enolat-Ion entsteht. Dieses greift intramolekular die andere Carboxylatgruppe an. Es bildet sich dabei eine ß-Ketocarbonsäure, die leicht in ein Cycloalkanon und Kohlendioxid zerfällt. Aufgaben 1) Welche Dicarbonsäure liefert beim Erhitzen 2-Methylpentansäure? 2) Es sind die Reaktionsgleichungen zu formulieren, nach denen Cyclopentanon aus Adipinsäure entsteht. 3) Man vergleiche den Siedepunkt von Essigsäure mit dem eines Alkohols und eines Alkans von ähnlichem Molekulargewicht. Worauf beruht der große Unterschied? 4) Eine etherische Lösung enthält Propanol, Propionsäure und 1-Naphthol. Sie wird mit einer etherischen Lösung von Diazomethan versetzt. Welche Verbindungen sind nach Beendigung der Reaktion vorhanden? 5) Man stelle eine Reihenfolge abnehmender Acidität auf: /?-Methoxybuttersäure (a), a-Brompropionsäure (b), Oxalsäure (c), Essigsäure (d). 6) Carbonsäuren reagieren in Gegenwart von Peroxiden mit 1-Alkenen zu höhermolekularen Carbonsäuren. 0 II

H3C—CH2—C—OH

+

C3H7—CH=CH2



R'



0 II

H3C—CH—C—OH CH2

Propionsäure

1-Penten

CH2

C3H7

2-Methylheptansäure

Man stelle einen Reaktionsmechanismus auf. 7) Ausgehend von 4-Bromtoluol ist (4-Bromphenyl)essigsäure darzustellen. 8) Während der Aufbewahrung einer Chemikalie, bei der es sich nur um Methoxyoder Ethoxyessigsäure handeln konnte, ging das Etikett verloren. Deshalb wurde

580

XXII Carbonsäuren

eine Neutralisationstitration durchgeführt. 0,187 g Säure verbrauchten 18,7 mL 0,0972 mol/1 NaOH. Um welche Säure handelt es sich? 9) Bei den folgenden Reaktionen entstehen die Verbindungen A pus B, ferner C. Welche Konfigurationen besitzen die Verbindungen? rac-3-Brombuttersäure + Br2 Fumarsäure + HC0 3 H

+

PBr3

H20

> A

+

B

• C

+

+

HBr

HC0 2 H

9 Mehrstufensynthese: der Konservierungsstoff Sorbinsäure Zur chemischen Konservierung von Lebensmitteln setzt man Verbindungen ein, die das Wachstum von Schimmelpilzen, Hefen, Bakterien u.a. herabsetzen. Früher wandte man dabei Verfahren wie Salzen, Pökeln, Einzuckern, Einsäuern und Räuchern an. Diese Verfahren führen aber teilweise zu einer Geschmacksbeeinträchtigung. Deshalb greift man in neuerer Zeit zunehmend zu anderen Konservierungsstoffen. Fast alle heute gebräuchlichen Konservierungsstoffe sind Carbonsäuren.

H3C/ ^ ^ ^ Sorbinsäure

0 II

Benzoesäure

^OH

H—C—OH Ameisensäure

0

p - H y d roxy be n zoesä u re ethylester

Das wichtigste Konservierungsmittel ist Sorbinsäure. Die Säure kommt im Saft von Vogelbeeren (Sorbus aucuparid) vor, ferner in bestimmten Nahrungsfetten (Butter, Margarine, Kokosfett). Synthetisch gewinnt man die Verbindung wie folgt:

9 Mehrstufensynthese: der Konservierungsstoff Sorbinsäure

581

H2C—CH2 +

H3C—C

02

(Wacker-Verfahren)

f \

H

0He

(Aldol-Reaktion)

H

I

H-jC

0

1

CHo

C

s

OH

0

\ H

-H20 H H 3 C — C H = C H — CI = O Crotonaldehyd + H2C=C=0 (Keten) [2 + 2]-Cycloaddition H

*

I

H3C—CH=CH—C—0

I I

H2C—C=O

3-Hydroxy-4-hexensäurelacton, ein ß-Lacton H2S0d H3C—CH=CH—CH=CH—COOH Sorbinsäure

Die ersten beiden Reaktionen sind bereits in früheren Kapiteln behandelt worden. Zur [2 + 2]-Cycloaddition s. Abschnitt „Lactone". Die vorstehend aufgeführte Reaktionsfolge wird auch großtechnisch durchgeführt. Dabei läßt man die Reaktion zwischen Crotonaldehyd und Keten in Gegenwart von Zn-Salzen ablaufen. Es entsteht nicht das ^-Lacton, sondern ein Polymer desselben (langkettiger Ester aus 3Hydroxy-3-hexensäure). Weltweit werden auf diese Weise jährlich ca. 20000 Tonnen Sorbinsäure produziert.

Kapitel XXIII Funktionelle Derivate von Carbonsäuren 1 Übersicht Unter funktionellen Derivaten von Carbonsäuren versteht man Verbindungen, die sich von Carbonsäuren durch Modifizierung der funktionellen Gruppe Carboxyl ableiten. Es kann bzw. können ersetzt sein: a) der acide Wasserstoff durch einen Alkyl-, Aryl- oder Acylrest

\>—H

\>—CH 2 —CH 3

b) die Hydroxygruppe durch ein Heteroatom .0

R-

C

(

.0



R-

C

(

0—H

Br

c) beide Sauerstoffatome durch andere Heteroatome

R—C^

> OH

R—C

\ S—CH,

Da es mehrere geeignete Heteroatome gibt (F, Cl, Br, I, S, N u. a.) sind eine große Anzahl funktioneller Derivate möglich. Die wichtigsten davon sind in nebenstehender Tabelle aufgeführt.

584

XXIII Funktionelle Derivate von Carbonsäuren

Tabelle

Funktionelle Derivate von Carbonsäuren

Konstitution

Bezeichnung

Beispiel

Ester

H3C—

.0 R -

C

0

( 0—R

\ 0-CH3

Essigsäure-methylester H .

2

cyclischer Ester oder Lacton

C—C 1

,

/ 0

H2C—C H 2 C — C >H 2 y-Butyrolacton

>

Carbonsäureanhydrid

H3C-C^ ' >

\ Essigsäure-anhydrid

cr° 0 II

Carbonsäurehalogenid

Hai

Benzoylchlorid Carbonsäureamid

H3C-C'

NH 2

NH 2

1

Acetamid 0

0

H2c-c(

(H2C)-CH2

/

N H

cyclisches Carbonsäureamid (Lactam)

H2C—C

/

H 2 C — NH /8-Propiolactam

.0

R-c( \LH R

" \

0 Carbonsäure-imid

II

H2C^c\ I NH

II

0

Bernsteinsäure-imid

1 Übersicht Tabelle

Funktionelle Derivate von Carbonsäuren

Konstitution

Bezeichnung

R—C:

Carbonsäurehydrazid

\

585

NH—NH,

Beispiel

-NH—NH, "N Isonicotinsäurehydrazid 0

R—C

\

Hydroxamsäure

H3C-C^

NH—OH

NH—OH Acetohydroxamsäure

Y R—C

0

y \

Acylazid

N, Benzoylazid NH R—C:

NH Amidin

H3 C — C H2—C.

NH,

NH, Propionamidin OH I C—C=N

R—C=N

Nitrii 1 -Hydroxy-1 -phenylacetonitril CH 3 I . N — C — C H 33 I

N—CH R—C:

Oxazolin 0—CH,

H3C—ER \ i

I 0—CH2

2,4,4-Trimethyl-2-oxazolin

R—C.

Thiocarbonsäure SH

H3C—C

\ s—CoA

Acetyl-Coenzym A

y

R—C

Dithiocarbonsäure SH

y

S

H 3 C - CX s—CH3 Dithioessigsäuremethylester

586

XXIII Funktionelle Derivate von Carbonsäuren

Allen funktionellen Derivaten von Carbonsäuren ist gemeinsam, daß sie bei der Hydrolyse Carbonsäuren ergeben.

H3C—C

\ 0—CH3

Essigsäure-methylester H,0

0 H3C—C^

H,C—C

\ CI

+

H3C-C F \

OH

Acetylchlorid

NH,

Acetamid

Essigsäure

H20 H3C—C=N Acetonitril

Auch die in der Tabelle aufgeführten Oxazoline sind Carbonsäurederivate, da sie bei der Hydrolyse Carbonsäuren liefern: /CH3 H3 C

CH2

/f

C^

.CH3

I\ 1

uffi CH 3

+

H2O

>

/f

CH 3

H3C—CH2—C'

O—CH2 2-Ethyl-4,4-dimethyl-2-oxazolin

H2N-C^

OH Propionsäure

HO—CH2 2-Amino-2methyl-1 propanol

2 Allgemeines chemisches Verhalten Viele Reaktionen der funktionellen Derivate von Carbonsäuren lassen sich auf 2 Typen zurückführen: auf die Substitution des Heteroatoms X in R—CO—X durch Y e und auf die Substitution des reaktiven Wasserstoffs in a-Stellung.

2 Allgemeines chemisches Verhalten Ye

R—C—C i

\

H

0

587

Xs

Substitution des Heteroatoms

H—Br

Substitution des a-Wasserstoffs

x

H

Carbonsäurederivat

Br,

R-Lcf

+

1

x\

Br

Zum zuerst genannten Reaktionstyp gehört z. B. die eingangs angesprochene Hydrolyse. Substitutionen dieses Typs verlaufen nicht direkt wie S N 2-Reaktionen, sondern über eine Zwischenstufe mit tetraedrisch koordiniertem Kohlenstoff.

Ye

£ V

+

R—C

Addition

Eliminierung

R—C—0e

f R—C \

.Ci

+ X®

Zwischenstufe Es liegt ein Additions-Eliminierungs-Mechanismus vor. Erinnert sei daran, daß auch die nucleophile aromatische Substitution über einen solchen Mechanismus abläuft (siehe dort). In der Reaktivität unterscheiden sich die Derivate von Carbonsäuren erheblich voneinander. Am reaktionsfähigsten sind Carbonsäurechloride. Sie reagieren rasch mit Wasser unter Bildung der entsprechenden Carbonsäure und ebenfalls rasch mit Brom unter Bildung des entsprechenden a-Bromcarbonsäurechlorids. Ziemlich reaktionsträge verhalten sich Amide. Hydrolyse und a-Substitution verlaufen hier langsam bzw. gar nicht. Die Reaktivität von Carbonsäurederivaten fallt im allgemeinen in dieser Reihenfolge: 0 II R—C—CI

0 0 II II R—C—0—C—R

>

>

0 II R—C—0—R'

>

0 II R—C—NH,

>

R—C—0e

Der Reaktivitätsabfall ist eine Folge des zunehmenden Gewichts der mesomeren Grenzform 3, welche die Reaktivität des Carbonyl-C-Atoms herabsetzt: #

.0

R—C

x 1

© / R—C

0.

Vx 2

•«-• R—C

A %

= X®

3

Mesomere Grenzformen eines Carbonsäurederivats

//•

R—C;

X.

X ä+ Ä

+

588

XXIII Funktionelle Derivate von Carbonsäuren

Aufgabe Welche der folgenden Verbindungen sind funktionelle Derivate von Carbonsäuren? 0 R—c;

* .N—CH2

^o—CH2

R—C:

R—CH:

v

R—C:

\)—CH

^N—CH2

I

H

3 Carbonsäurechloride Carbonsäurehalogenide sind Verbindungen der Formel R—C

S

(Hai: F, Cl, Br, I) Hai

Die größte Bedeutung besitzen Carbonsäurechloride, die deshalb im folgenden auch im Vordergrund stehen. In der nebenstehenden Tabelle sind einige Carbonsäurechloride (zusammen mit anderen Carbonsäurehalogeniden) aufgeführt. Die niedermolekularen Carbonsäurechloride stellen Flüssigkeiten dar, die einen stechenden, tränenreizenden Geruch besitzen. Dieser rührt teilweise von Chlorwasserstoff her, welcher bei der Hydrolyse der Carbonsäurechloride in den Schleimhäuten von Nase und Augen entsteht. 3.1

Darstellung

Aus Carbonsäuren und anorganischen Säurechloriden (Kap. XXII, Abschn. 6.6).

Benzoesäure

Thionylchlorid

Benzoylchlorid

Aufgabe Folgende Verbindungen sind darzustellen:

N02 (aus Propen)

(aus Benzol)

(aus Toluol)

3 Carbonsäurechloride Tabelle

589

Carbonsäurehalogenide

Konstitution

Name

Siedepunkt in °C

0 h3c—

\

Acetylfluorid

20,5

Acetylchlorid

52

Acetylbromid

70,5

Propionylchlorid

80

0 h3c—

\

CI 0

h

3

c-c^

Br

H3C—ch2—c.

CI

Butyrylchlorid

H 3 C — 0 H 2—C H 2—C.

102

CI h3C H3C

>-


C.

V

Isobuttersäurepropionsäureanhydrid

4 Carbonsäureanhydride

597

Essigsäureanhydrid. Unter allen Carbonsäureanhydriden wird Essigsäureanhydrid am häufigsten verwendet. Man stellt es technisch aus Essigsäure oder Acetaldehyd her. 1. Aus Essigsäure (Keten- Verfahren). Essigsäure spaltet bei 700° und in Gegenwart geeigneter Katalysatoren (z. B. Triethylphosphat) Wasser ab und bildet Keten. Dieses reagiert mit überschüssiger Essigsäure, wobei Essigsäureanhydrid entsteht.

700"

h,c—c; \ h

"

H

\ :c=c=o I + h2o

H Keten

H 2 C^C=0 O^C.

h3c-c^

H2C^f p




9-Cyanophenanthren

9-Acetylphenanthren

Reduktion. Bei der Reduktion von Nitrilen entstehen primäre Amine. Als Reduktionsmittel dienen molekularer Wasserstoff oder komplexe Hydride. R—CH,—C=N

Ü A I H 4

> primäres A m i n

Aufgaben 1) Man formuliere einige der in diesem Abschnitt behandelten Reaktionen mit Aceton anstelle von Nitril. 2) Gemäß welcher Regel sind Orthocarbonsäuren unbeständig? 3) Wie verläuft die saure Hydrolyse von Orthocarbonsäureestern? 4) Man formuliere den Ablauf der Reaktion Nitril plus Grignardreagenz.

7

Carbonsäure-ester

Wie bereits zuvor dargelegt sind Ester Verbindungen, die sich von Säuren dadurch ableiten, daß deren acider Wasserstoff durch einen Alkyl- oder Arylrest ersetzt ist. Bei den Säuren handelt es sich um anorganische Säuren oder um Carbonsäuren. In diesem Kapitel werden nur Ester behandelt, die sich von Carbonsäuren herleiten. Carbonsäure-ester enthalten die Gruppe —CO—O—C. Zur Benennung verbindet man die Namen der Carbonsäure und des Alkyl- (bzw. Aryl-)restes und fügt die Nachsilbe -ester hinzu. Man kann Ester auch wie Salze von Carbonsäuren bezeichnen, wobei anstelle des Kations das organische Radikal steht.

3

\ OH

Essigsäure

H3C—C

H3C—c O-CH,

Essigsäure-methylester, Methylacetat

0 - -v

y

Essigsäure-phenylester, Phenylacetat

7 Carbonsäure-ester

615

Da es eine große Zahl sowohl von Carbonsäuren als auch von Alkyl- bzw. Arylresten gibt, sind eine sehr große Zahl von Estern möglich. Einige einfache Ester sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Tabelle

Ester

Konstitution

Name

H-C

Ameisensäuremethylester

32

0—CH3

54

O-C2H5

Ameisensäureethylester

Essigsäuremethylester

57

O—CH3

Essigsäureethylester

77

0—C2H5

Essigsäurepentylester

147,5

Banane

0—(CH2)4—CH3

Essigsäureoctylester

210

Apfelsine

0—(CH2)7—CH3

Buttersäureethylester

123

Ananas

0—C2H5

Buttersäurepentylester

186,5

Aprikose

0—(CH4)4—CH3

Glyceryltristearat

71 (Schmp.)

X

H 3 C —er

\

H3C—C.

\

H3C—C'

H3C—C'

H 3 C — C H 2 — C H 2—C.

H3C—C H2

CH

H3C—(CH2)16—CO—O—CH2 H3C—(CH2)16—CO—0—CH

Siedepunkt in °C

Geruchskomponente in

Rum

H3C—(CH2)16—CO—0—CH2

7.1 Vorkommen Carbonsäure-ester sind in der Natur weitverbreitet. Die niedermolekularen kommen in Früchten, Blüten usw. vor und bestimmen zusammen mit anderen Stoffen das

616

XXIII Funktionelle Derivate von Carbonsäuren

Aroma dieser Naturprodukte. In der vorstehenden Tabelle ist angegeben, welcher Ester zum Geruch welcher Frucht beiträgt. Den höhermolekularen Estern begegnet man u.a. als Glycerinester in Fetten und Ölen.

7 . 2 Darstellung Aus Carbonsäuren und Alkoholen (Kap. XXII, Abschn. 6.4). ,0 /y

R—C^

+ R'—OH

(



Z'

o

> R—C^

0—H

+ H20 0—R'

Beispiel :

0.

^ / Ç

OH

0K +

V / 9

ch 3 H—0—CH2—C—H < H

^ ^ h3c

ch 3

p-Methylbenzoesäure

II

CHa 0—CH2—C—H I ch,

|

+ H20

h3c

Isobütylalkohol

p-Methylbenzoesäureisobutylester

Aus Carbonsäurechloriden oder -anhydriden und Alkoholen (Kap. XXIII, Abschn. 3.2.1 und 4.2). R—C^

+

R'—OH

Cl

0

> R—C^ \>-R'

0

II II R—C—0—C—CH3

7.3

(

+

R'—OH

H

e

——•

+ HCl

0

l> R—C—0—R'

0

+

H HO—C—CH3

Reaktionen

7.3.1 Reaktionen an der Estergruppe Hydrolyse (Verseifung). Bei der Hydrolyse eines Esters entstehen eine Carbonsäure und ein Alkohol. Die Hydrolyse stellt die Umkehr der Veresterung dar.

7 Carbonsäure-ester ^

R—C

\

0 +

H20