145 102 16MB
English Pages 382 [375] Year 2006
Relative Atommassen Element
Symbol Ordnungs- Relative zahl Atommasse
Actinium Aluminium Americium Antimon Argon Arsen Astat Barium Berkelium Beryllium Bismut(a) Blei Bohrium Bor Brom Cadmium Caesium Calcium Californium Cer Chlor Chrom Cobalt Curium Darmstadtium Dubnium Dysprosium Einsteinium Eisen Erbium Europium Fermium Fluor Francium Gadolinium Gallium Germanium Gold Hafnium Hassium Helium Holmium Indium Iod Iridium Kalium Kohlenstoff Krypton Kupfer Lanthan Lawrencium Lithium(b) Lutetium Magnesium Mangan Meitnerium Mendelevium Molybdän Natrium
Ac Al Am Sb Ar As At Ba Bk Be Bi Pb Bh B Br Cd Cs Ca Cf Ce Cl Cr Co Cm Ds Db Dy Es Fe Er Eu Fm F Fr Gd Ga Ge Au Hf Hs He Ho In I Ir K C Kr Cu La Lr Li Lu Mg Mn Mt Md Mo Na
89 13 95 51 18 33 85 56 97 4 83 82 107 5 35 48 55 20 98 58 17 24 27 96 110 105 66 99 26 68 63 100 9 87 64 31 32 79 72 108 2 67 49 53 77 19 6 36 29 57 103 3 71 12 25 109 101 42 11
Element
Symbol Ordnungs- Relative zahl Atommasse
[227] Neodym Nd 26.981538(2) Neon Ne [243] Neptunium Np 121.760(1) Nickel Ni 39.948(1) Niob Nb 74.92160(2) Nobelium No [210] Osmium Os 137.327(7) Palladium Pd [247] Phosphor P 9.012182(3) Platin Pt 208.98038(2) Plutonium Pu 207.2(1) Polonium Po [264] Praseodym Pr 10.811(7) Promethium Pm 79.904(1) Protactinium Pa 112.411(8) Quecksilber Hg 132.90545(2) Radium Ra 40.078(4) Radon Rn [251] Rhenium Re 140.116(1) Rhodium Rh 35.453(2) Roentgenium Rg 51.9961(6) Rubidium Rb 58.933200(9) Ruthenium Ru [247] Rutherfordium Rf [281] Samarium Sm [262] Sauerstoff O 162.500(1) Scandium Sc [252] Schwefel S 55.845(2) Seaborgium Sg 167.259(3) Selen Se 151.964(1) Silber Ag [257] Silicium Si 18.9984032(5) Stickstoff N [223] Strontium Sr 157.25(3) Tantal Ta 69.723(1) Technetium Tc 72.64(1) Tellur Te 196.96655(2) Terbium Tb 178.49(2) Thallium Tl [277] Thorium Th 4.002602(2) Thulium Tm 164.93032(2) Titan Ti 114.818(3) Ununbium Uub 126.90447(3) Ununhexium Uuh 192.217(3) Ununoctium Uuo 39.0983(1) Ununpentium Uup 12.0107(8) Ununquadium Uuq 83.798(2) Ununtrium Uut 63.546(3) Uran U 138.9055(2) Vanadium V [262] Wasserstoff H 6.941(2) Wolfram W 174.967(1) Xenon Xe 24.3050(6) Ytterbium Yb 54.938049(9) Yttrium Y [268] Zink Zn [258] Zinn Sn 95.94(2) Zirconium Zr 22.989770(2)
60 10 93 28 41 102 76 46 15 78 94 84 59 61 91 80 88 86 75 45 111 37 44 104 62 8 21 16 106 34 47 14 7 38 73 43 52 65 81 90 69 22 112 116 118 115 114 113 92 23 1 74 54 70 39 30 50 40
144.24(3) 20.1797(6) [237] 58.6934(2) 92.90638(2) [259] 190.23(3) 106.42(1) 30.973761(2) 195.078(2) [244] [209] 140.90765(2) [145] 231.03588(2) 200.59(2) [226] [222] 186.207(1) 102.90550(2) [272] 85.4678(3) 101.07(2) [261] 150.36(3) 15.9994(3) 44.955910(8) 32.065(5) [266] 78.96(3) 107.8682(2) 28.0855(3) 14.0067(2) 87.62(1) 180.9479(1) [98] 127.60(3) 158.92534(2) 204.3833(2) 232.0381(1) 168.93421(2) 47.867(1) [285] (c) (c) (d) [289] (d) 238.02891(3) 50.9415(1) 1.00794(7) 183.84(1) 131.293(6) 173.04(3) 88.90585(2) 65.409(4) 118.710(7) 91.224(2)
(a) auch Bismuth, alter Name Wismut(h). (b) Lithium-Proben haben je nach Herkunft relative Atommassen zwischen 6.94 und 6.99. (c) Die Entdeckung dieser Elemente ist kürzlich widerrufen worden. (d) Über die Entdeckung dieser Elemente wurde 2004 erstmals berichtet, Daten fehlen noch. © 2001 IUPAC (vgl. auch S. 336).
A. Hädener H. Kaufmann
Grundlagen der organischen Chemie 11., überarbeitete und erweiterte Auflage
Birkhäuser Verlag Basel • Boston • Berlin
Autoren Dr. A. Hädener Dr. H. Kaufmann
Dieses Buch wird durch die 14. Auflage des Buches Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie von A. Hädener und H. Kaufmann, Birkhäuser Verlag, Basel, ergänzt (siehe Anzeige am Buchende).
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 3-7643-7040-8 Birkhäuser Verlag, Basel – Boston – Berlin ISBN-13: 978-3-7643-7040-4
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Weg und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbedingungen des Urheberrechts. © 2006 Birkhäuser Verlag, Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff °° Umschlaggestaltung: Micha Lotrovsky, CH-4106 Therwil Printed in Germany ISBN-10: 3-7643-7040-8 ISBN-13: 978-3-7643-7040-4 987654321
e-ISBN-10: 3-7643-7420-9 e-ISBN-13: 978-3-7643-7420-4 http://www.birkhauser.ch
Vorwort
Die bewährte, knappe und anschauliche Einführung in die Grundlagen der organischen Chemie liegt nun in der 11. Auflage vor. Nachdem der Text und die Gestaltung bereits für die 10. Auflage umfassend revidiert worden waren, berücksichtigt die Neuauflage in erster Linie die weiter zunehmende Bedeutung stereochemischer Aspekte. Allen Leserinnen und Lesern, die durch ihre Anregungen zur Verbesserung des Textes und der Abbildungen beigetragen haben, sind wir zu Dank verpflichtet. Die wichtigsten Neuerungen der 11. Auflage sind nachfolgend zusammengefasst. •
Die Kapitel über die Stereoisomerie (Kapitel 3.2) und die stereochemische Nomenklatur (Kapitel 6.5) sind ergänzt, übersichtlicher gestaltet und um ein Unterkapitel über stereoselektive Reaktionen (Kapitel 3.2.10) erweitert worden. Begriffe wie „Enantiomerenüberschuß“, „asymmetrische Synthese“ und „chiral pool“ werden erklärt und mit Beispielen illustriert.
•
Die enantioselektive Hydrierung von Alkenen (vgl. Kapitel 4.4.1), die kinetisch kontrollierte Aldolreaktion (vgl. Kapitel 4.5.2) und die Epoxidierung nach SHARPLESS (vgl. Kapitel 4.8.3) werden als Beispiele wichtiger stereoselektiver Reaktionen beschrieben.
•
Die Bedeutung chiraler Katalysatoren für die organische Synthese wird mit einschlägigen Beispielen illustriert. Ein neues Kapitel über enzymkatalysierte Reaktionen (Kapitel 4.16) fasst die Theorie der enzymatischen Katalyse anhand der MICHAELIS-MENTEN-Gleichung zusammen und dürfte Studierende der Chemie, Biochemie und Biologie gleichermaßen interessieren. V
Inhaltsverzeichnis
•
Die Zahl der Übungsbeispiele, die zur aktiven Mitarbeit und Selbstkontrolle anhalten sollen, ist erhöht worden. Der Index bleibt ausführlich und ist benutzerfreundlich optimiert.
Allen an der Neuauflage beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Birkhäuser-Verlages danken wir für die angenehme Zusammenarbeit. Basel, im Juli 2006
Alfons Hädener Heinz Kaufmann
Aus dem Vorwort zur 10. Auflage Der Text setzt einige Grundkenntnisse der allgemeinen Chemie voraus, etwa im Rahmen der „Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie“, die vom gleichen Autoren-Team ebenfalls beim Birkhäuser Verlag herausgegeben werden. Wie bisher liegt der Schwerpunkt dieser kurzen Einführung in die organische Chemie auf der Behandlung der theoretischen Grundlagen. Nach einer eingehenden Besprechung der Bindungsverhältnisse in organischen Verbindungen werden im Kapitel "Isomerie" die räumlichen Strukturen der Moleküle behandelt. Kapitel 4 fasst die wichtigsten organisch-chemischen Reaktionen auf Grund ihres Mechanismus in verschiedenen Reaktionstypen zusammen. Diese Darstellungsweise erscheint besonders geeignet, das Verständnis für die Grundprinzipien der organischen Chemie zu vermitteln und es dem Leser zu ermöglichen, später in speziellere Gebiete einzudringen oder neue Entwicklungen zu verstehen. Neu aufgenommen wurde das Kapitel „Analytik“, in dem neben der Elementaranalyse nun auch die wichtigsten für die Strukturaufklärung organischer Verbindungen in der täglichen Laborpraxis eingesetzten spektroskopischen Methoden kurz vorgestellt werden. Der bisherige Abschnitt „Systematik und Nomenklatur“ wurde aufgeteilt und stark erweitert. Kapitel 6 behandelt die wichtigsten Grundregeln zur Benennung organischer Verbindungen. In Kapitel 7, „Systematik und spezielle Nomenklatur“ werden für alle Stoffklassen neben Hinweisen auf deren Nomenklatur und spezielle physikalisch-chemische Eigenschaften auch die VI
Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie: Kaufmann/Hädener
wichtigsten synthetischen Zugangswege aufgeführt. Bei den Naturstoffen ist der Teil „Peptide und Proteine“ neu geschrieben und ein neuer Abschnitt über Nucleinsäuren angefügt worden. Damit soll der Zugang zur Biochemie und Molekularbiologie erleichtert werden. Auch bei einem logischen Aufbau des Lehrstoffs läßt es sich nicht vermeiden, daß ab und zu Begriffe vorkommen, die im Buch erst später behandelt werden. Um dem Leser das Nachschlagen derartiger Begriffe, aber auch den Rückgriff auf schon gelesene Abschnitte zu erleichtern, sind im Text zahlreiche Querverweise eingesetzt und am Schluß ein ausführlicher Index angefügt worden. Zahlreiche Übungen ermuntern zur aktiven Mitarbeit und Selbstkontrolle. Hinweise auf ausgewählte weiterführende Literatur sollen Interessierten die Vertiefung von Spezialgebieten erleichtern. Das Buch richtet sich an Studierende der Naturwissenschaften und der Medizin in den ersten Semestern an Universitäten und Fachhochschulen; es dürfte besonders auch bei Examensvorbereitungen gute Dienste leisten. Auch interessierten Gymnasiasten kann es für die Vertiefung des im Unterricht Gehörten von Nutzen sein. Basel, im August 1996
Heinz Kaufmann
VII
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
1
1.1
Definition der organischen Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.2
Unterschiede zwischen anorganischen und organischen Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.3
Sonderstellung des Kohlenstoffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.
Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
5
2.1
Der vierbindige Kohlenstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Atomorbitale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Elektronenpaarbindungen, Molekülorbitale . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Das Methanmolekül, sp3-Hybridisierung . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Ketten und Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Polarisierte Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 5 6 7 10 12
2.2
sp2-hybridisierter Kohlenstoff, Doppelbindungen . . . . . . . . . . 2.2.1 m- und /-Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Mesomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Kohlenstoff-Ionen und Radikale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 13 15 17
2.3
sp-hybridisierter Kohlenstoff, Dreifachbindungen . . . . . . . . . .
19
2.4
Vergleich der Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen . . . . . 2.4.1 Bindungslängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 s- und p-Charakter von Bindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Bindungsstärken, Überlappungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . .
20 20 21 22 IX
2.5
Bindungsverhältnisse bei Stickstoff und Sauerstoff. . . . . . . . .
23
2.6
Moleküle mit mehreren Doppelbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Konjugierte Doppelbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Kumulierte Doppelbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.3 Aromatische Verbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der aromatische Zustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die HÜCKEL-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aromatische Heterocyclen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substituierte aromatische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.4 Weitere Beispiele für mesomeriestabilisierte Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 24 25 25 25 28 30 31 32
2.7
Die Molekülorbital-Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Bindende und antibindende Molekülorbitale . . . . . . . . . . . 2.7.2 Molekülorbitale von 1,3-Butadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.3 Molekülorbitale von Benzol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 36 38 40
3.
Isomerie
43
3.1
Konstitutionsisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3.2
Stereoisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Stereoisomerie an Doppelbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Chiralität und optische Aktivität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Racemate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Moleküle mit mehreren asymmetrischen C-Atomen . . . . . 3.2.5 Änderung der Konfiguration an asymmetrischen C-Atomen bei chemischen Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Relative Konfiguration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Absolute Konfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 Spiegelbildisomerie ohne asymmetrisches C-Atom. . . . . . 3.2.9 Trennung von Racematen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.10 Stereoselektive Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 46 49 51 51 53 54 55 56 57 58
3.3
Konformation aliphatischer Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . .
60
3.4
Stereochemie der alicyclischen Verbindungen . . . . . . . . . . . . .
63
X
Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie: Kaufmann/Hädener
3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5
BAEYER’sche Ringspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die PITZER-Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konformationen von Cyclohexanderivaten . . . . . . . . . . . . cis-trans-Isomerie bei alicyclischen Verbindungen. . . . . . . Polycyclische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63 64 65 67 70
3.5
Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
4.
Reaktionstypen
75
4.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Reaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Formelmäßige Darstellung von Reaktionsmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radikalreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polare Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intramolekulare und intermolekulare Reaktionen . . . . . . . . . 4.1.3 Nucleophile und elektrophile Reagenzien . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Substituenteneinflüsse: Induktive und mesomere Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 75 76 76 77 77 78 79
4.2
Nucleophile Substitutionsreaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.2.1 Kinetik der nucleophilen Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.2.2 Die SN2-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Stereochemie der SN2-Reaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Struktur und Reaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Qualität der nucleofugen Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Qualität des Nucleophils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Qualität des Lösungsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.2.3 Die SN1-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Stereochemie der SN1-Reaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Struktur und Reaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2.4 SN1- und SN2-Reaktionen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 101
4.3
Eliminierungsreaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Die E1-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Die E2-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Eliminierung und Substitution als Konkurrenzreaktionen . . 4.3.4 SAYTZEFF- und HOFMANN-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102 102 103 105 106 XI
Inhaltsverzeichnis
4.4
Additionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Die katalytische Hydrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Elektrophile Additionen an Doppelbindungen . . . . . . . . . . Die Addition von Brom an Doppelbindungen. . . . . . . . . . . . Die Addition von Verbindungen HX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regioselektivität der HX-Addition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Elektrophile Additionen an Dreifachbindungen . . . . . . . . . 4.4.4 Additionen an die Carbonylgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Additionen an die Enolform von Carbonylverbindungen . . 4.4.6 Additionen an CN-Doppel- und C⬅N-Dreifachbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.7 1,2- und 1,4-Additionen bei Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 108 112 112 114 115 116 117 120 120 122
4.5
Additions-Eliminierungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Ester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Aldolreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Esterkondensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124 126 126 131
4.6
Die elektrophile aromatische Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Substitutionsregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Halogenierung von alkylsubstituierten aromatischen Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.3 Verhältnis zwischen ortho- und para-Substitution . . . . . . . 4.6.4 Substitutionsreaktionen an mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.5 Elektrophile Substitution an aromatischen Heterocyclen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134 138 144 145 145 146
4.7
Die nucleophile aromatische Substitution. . . . . . . . . . . . . . . . . 148
4.8
Oxidation und Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.1 Oxidationszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2 Stöchiometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.3 Oxidationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oxidationen mit Chromsäure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epoxidierung von Alkenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hydroxylierung von Alkenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ozonisierung von Alkenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glykolspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XII
151 151 155 156 156 157 160 161 161
Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie: Kaufmann/Hädener
4.8.4
4.9
Reduktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katalytische Hydrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reduktion mit Metallen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reduktion mit komplexen Metallhydriden . . . . . . . . . . . . . . Methoden zur Reduktion von Carbonylgruppen zu Methylgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
162 162 162 162 169
Elektrocyclische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
4.10 Radikalreaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.1 Bildung von Radikalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.2 Kettenreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.3 Stabilität von Radikalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10.4 Nachweis von Radikalreaktionen, Radikalfänger . . . . . . . . 4.10.5 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173 173 174 175 176 177
4.11
Polymerisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.1 Kationische Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.2 Anionische Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.3 Radikalische Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.4 Polymerisation mit ZIEGLER-Katalysatoren . . . . . . . . . . . . . 4.11.5 Kondensationspolymerisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11.6 Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften von Polymeren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180 180 181 182 183 183
4.12 Photochemie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12.1 Durch Licht angeregte Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12.2 Primärprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12.3 Sensibilisatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12.4 Triplettlöscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12.5 Quantenausbeuten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.12.6 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 187 189 191 191 192 192
4.13 Umlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.1 WAGNER-MEERWEIN-Umlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.2 Die Pinakol-Pinakolon-Umlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.3 Die Allyl-Umlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.4 Die WOLFF-Umlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.5 Die Acylnitren-Isocyanat-Umlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.13.6 Die BECKMANN-Umlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195 196 198 199 200 201 203
185
XIII
Inhaltsverzeichnis
4.13.7 Die CRIEGEE-Umlagerung von Hydroperoxiden . . . . . . . . . 204 4.14 Fragmentierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.14.1 Spaltung von 1,3-Diolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.14.2 Fragmentierung von `-Halogenketonen . . . . . . . . . . . . . . 4.14.3 Säurespaltung von `-Diketonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.14.4 Konzertierte und schrittweise Fragmentierung . . . . . . . . .
205 205 206 207 207
4.15 Reaktionen mit metallorganischen Verbindungen . . . . . . . . . . 4.15.1 GRIGNARD-Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ZEREWITINOFF-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung von GRIGNARD-Verbindungen mit Alkylhalogeniden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Addition von GRIGNARD-Verbindungen an polarisierte Doppelbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.15.2 REFORMATZKY-Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.15.3 Cadmiumorganische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.15.4 Lithiumorganische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208 209 210 211 211 214 214 215
4.16 Enzymkatalysierte Reaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4.17 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
5.
Analytik
5.1
Elementaranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
5.2
Spektroskopische Methoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Massenspektrometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 UV/VIS- und IR-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Kernresonanzspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3
Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
6.
Allgemeine Nomenklatur
6.1
Formelsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
XIV
231
233 234 236 239
247
Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie: Kaufmann/Hädener
6.2
Die Nomenklatur nach IUPAC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
6.3
Nomenklatur der Alkane, Alkene, Alkine und Alkylhalogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
6.4
Nomenklatur der Verbindungen mit charakteristischen funktionellen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
6.5
Stereochemische Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Sequenzregeln nach CAHN, INGOLD und PRELOG . . . . . . . . 6.5.2 Konfiguration an Doppelbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Konfiguration an tetraedrisch substituierten Zentren . . . . . Die FISCHER-Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konfigurationsbezeichnung nach dem R-S-System. . . . . . .
258 258 259 260 261 263
7.
Systematik und spezielle Nomenklatur
265
7.1
Alkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
7.2
Alkene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
7.3
Alkine
7.4
Alkylhalogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
7.5
Alkohole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
7.6
Ether
7.7
Aldehyde und Ketone. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
7.8
Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
7.9
Von den Carbonsäuren abgeleitete Verbindungsklassen . . . . . 7.9.1 Säurehalogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.2 Säureanhydride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.3 Ester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.4 Säureamide und Imide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.9.5 Nitrile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
280 280 281 283 284 285 XV
Inhaltsverzeichnis
7.10 Amine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 7.11 Andere stickstoffhaltige Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.11.1 Imine oder SCHIFF’sche Basen, Enamine . . . . . . . . . . . . . 7.11.2 Oxime, Hydrazone und Semicarbazone . . . . . . . . . . . . . . 7.11.3 Nitroso- und Nitroverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.11.4 Azoverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.11.5 Diazoverbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289 289 290 291 292 293
7.12 Schwefelhaltige Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 7.13 Aromatische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 7.14 Naturstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14.1 Fette und Öle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14.2 Peptide und Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14.3 Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14.4 Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14.5 Terpene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14.6 Steroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.14.7 Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299 300 302 304 307 308 309 310
7.15 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
8.
Lösungen zu den Übungen
321
9.
Anhang
333
9.1
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
9.2
Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
Index
XVI
337
1. Einleitung
1.1
Definition der organischen Chemie
Der Begriff „organische Chemie“ wurde erstmals vom schwedischen Chemiker Jöns Berzelius (1779–1848) zu Beginn des 19. Jahrhunderts verwendet. Als „organisch“ bezeichnete er Verbindungen, die aus lebenden Organismen isolierbar waren. Als besondere Eigenschaften solcher Substanzen erkannte man schon bald die Zusammensetzung aus nur wenigen Elementen (vor allem Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff), Brennbarkeit sowie Empfindlichkeit gegen Wärme, Säuren und Basen. Die Theorie, daß nur die lebende Zelle organische Verbindungen aufbauen könne, wurde aber 1828 von Friedrich Wöhler (1800–1882) durch ein einfaches Experiment widerlegt: Beim Erhitzen des Salzes Ammoniumisocyanat entsteht die organische Verbindung Harnstoff:
Das war der Beginn der synthetischen organischen Chemie. Die Zahl der synthetisch hergestellten organischen Verbindungen ist schon seit langer Zeit größer als diejenige der aus natürlichen Quellen isolierten Verbindungen. Geblieben ist der Begriff „organische Verbindung“ für Substanzen, die vorwiegend aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff aufgebaut sind, daneben aber auch noch andere Elemente wie z. B. Halogene, Schwefel, Phosphor, Silicium, Bor usw. enthalten können.
1
1. Einleitung
1.2
Unterschiede zwischen anorganischen und organischen Verbindungen
Tabelle 1.1 zeigt einige der auffälligsten Unterschiede zwischen anorganischen und organischen Verbindungen. Obschon die Aussagen für den größten Teil aller Verbindungen zutreffen, gibt es doch zahlreiche Ausnahmen. So sind Salze organischer Säuren und Basen ebenfalls wasserlöslich und leiten den elektrischen Strom. Manche organische Verbindungen, vor allem solche mit niedrigem Molekulargewicht (z. B. Ethanol) oder einer großen Zahl von polaren Substituenten wie OH-Gruppen (z. B. Glucose), sind in Wasser gut löslich. Tabelle 1.1 Häufig beobachtete Unterschiede zwischen anorganischen und organischen Verbindungen. Anorganische Verbindungen
Organische Verbindungen
Wasserlöslich
In Wasser schwerlöslich
In organischen Lösungsmitteln wie Ether, Alkohol, Aceton usw. unlöslich
In organischen Lösungsmitteln löslich
Hoher Schmelzpunkt
Schmelzpunkt meist < 350 °C
Schmelzen und Lösungen leiten den elektrischen Strom
Schmelzen und Lösungen sind nicht leitend
Ablauf der Reaktionen meist sehr schnell
Ablauf der Reaktionen häufig langsam
Die in der Tabelle beschriebenen Unterschiede lassen sich auf Grund der verschiedenen Bindungsverhältnisse erklären. In den anorganischen Verbindungen überwiegen die Ionenbindungen, während die Atome in organischen Molekülen durch Elektronenpaarbindungen miteinander verbunden sind:
Das in den Salzen als Chlorid-Ion enthaltene Chlor kann als schwerlösliches AgCl ausgefällt werden. Beim kovalent gebundenen Chlor in organischen Verbindungen wie z. B. CH3CH2Cl ist das jedoch nicht möglich.
2
1.3 Sonderstellung des Kohlenstoffs
1.3
Sonderstellung des Kohlenstoffs
Die organische Chemie ist die Chemie des Kohlenstoffs. Die besonderen Eigenschaften dieses Elements, die den Aufbau einer großen Vielfalt von Verbindungen erlauben, lassen sich aus seiner Stellung im Periodensystem ableiten. Beim Vergleich von einfachen Verbindungen des Kohlenstoffs mit solchen der benachbarten Elemente Bor und Stickstoff zeigt sich, daß im Gegensatz zum neutralen Methanmolekül BF3 eine Lewis-Säure (Elektronenlücke) und NH3 eine Lewis-Base (einsames Elektronenpaar) ist (die Striche zwischen den Elementsymbolen in den Formeln bedeuten Elektronenpaarbindungen):
Obschon nach außen neutral, sind diese Moleküle koordinativ nicht abgesättigt und zeigen das Bestreben, ein zusätzliches passendes Teilchen anzulagern. Dabei entstehen Ionen. Stellt man sich zudem Verbindungen vor, in denen die erwähnten Elemente Ketten bilden, so erhält man im Fall von Bor und Stickstoff entweder eine Reihe benachbarter koordinativ ungesättigter Zentren oder aber bei deren Absättigung Ladungsanhäufungen, die aus elektrostatischen Gründen unstabil sind. Die Fähigkeit, stabile Ketten zu bilden, ist eine der wichtigsten Eigenschaften des Kohlenstoffs.
3
1. Einleitung
Auch Silicium unterscheidet sich grundlegend vom maximal vierbindigen Kohlenstoff, da es Verbindungen mit der Koordinationszahl sechs bilden kann. Auf dem äußersten, unvollständig besetzten Elektronenniveau n = 3 des Siliciums stehen neben den s- und p-Orbitalen auch d-Orbitale zur Verfügung, welche Elektronenpaare von weiteren Teilchen (hier z. B. von zwei F –-Ionen) aufnehmen können. Dabei entstehen koordinativ gesättigte, aber elektrisch geladene Komplex-Ionen.
Bei Kohlenstoff, dessen äußerste Elektronen das Energieniveau n = 2 besetzen, gibt es diese Möglichkeit nicht, da dort keine d-Orbitale zur Verfügung stehen. Zudem sind Si–Si-Bindungen schwächer als C–C-Bindungen und Si–O-Bindungen stärker als C–O-Bindungen. Silicium eignet sich daher weniger gut zum Aufbau langer Si-Ketten, sondern bildet Verbindungen, die Si–O–Si–O–Si–. . .-Ketten enthalten (Silicate, Sand).
4
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
2.1
Der vierbindige Kohlenstoff
2.1.1
Atomorbitale
Bei den in organischen Verbindungen am häufigsten vorkommenden Elementen sind nur die Energieniveaus mit den Hauptquantenzahlen n = 1 und n = 2 mit Elektronen besetzt. Die beiden Elektronen des Niveaus n = 1 befinden sich im kugelsymmetrischen 1s-Orbital. Alle vier Orbitale, welche die acht Elektronen des Niveaus n = 2 aufnehmen, sind durch eine Knotenfläche zweigeteilt. Das 2s-Orbital ist wie das 1s-Orbital kugelsymmetrisch, aber durch eine Knotenkugel unterteilt. Die drei 2p-Orbitale sind hantelförmige Gebilde, die entlang der drei Achsen des Koordinatensystems angeordnet sind (Figur 2.1). Jedes dieser Orbitale kann zwei Elektronen mit antiparallelem Spin aufnehmen.
Figur 2.1. Die Atomorbitale des Energieniveaus n = 2. Beim 2px-Orbital ist die Knotenfläche gestrichelt angegeben. Die p-Orbitale werden in Form von zwei Kugeln dargestellt. Eine leicht verzerrte Hantelform wird wegen der übersichtlicheren Darstellung aber oft bevorzugt. Zur Bedeutung dieser Orbitale vgl. Kapitel 2.7.
5
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
2.1.2
Elektronenpaarbindungen, Molekülorbitale
Bei der Bildung eines H2-Moleküls aus zwei Wasserstoffatomen überlappen sich die beiden 1s-Atomorbitale. Es entsteht ein Molekülorbital, das beide Atomkerne umhüllt und energetisch günstiger liegt als die beiden einzelnen 1s-Atomorbitale (vgl. auch Kapitel 2.7.1). Dieses bindende Molekülorbital wird von den beiden Elektronen mit antiparallelem Spin besetzt. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen ist mit dem Quadrat der mathematischen Funktion korreliert, die das Molekülorbital beschreibt, und hat im Raum zwischen den beiden Atomkernen ihre größte Dichte (Figur 2.2).
Figur 2.2. Bildung eines Molekülorbitals aus zwei 1s-Orbitalen.
Die Stärke einer solchen Elektronenpaarbindung hängt vom Grad der Überlappung und damit von der Form der beteiligten Atomorbitale ab. Im Fall der kugelsymmetrischen 1s-Orbitale von H-Atomen ist die Überlappung nicht allzugroß. Stärkere Bindungen entstehen unter Beteiligung von p-Orbitalen (vgl. auch das nächste Kapitel), beispielsweise bei der Bildung eines F2-Moleküls aus zwei Fluoratomen mit der Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2px2 2py2 2pz (Figur 2.3).
Figur 2.3. Bildung von F2 aus zwei Fluoratomen. Die Bindung entsteht durch Überlappung der beiden nur einfach besetzten 2pz -Orbitale (durch Fettdruck hervorgehoben). Die kugelförmigen s-Orbitale sind weggelassen.
6
2.1 Der vierbindige Kohlenstoff
Die p-Orbitale können stärker mit anderen Orbitalen überlappen als die s-Orbitale. Sie haben im Kern eine Knotenebene (Figur 2.1). Deshalb sind die p-Elektronen im Durchschnitt weiter vom Kern entfernt und werden von diesem nicht so stark angezogen wie die s-Elektronen. Das verleiht den p-Orbitalen eine größere Deformierbarkeit. Wichtig ist aber auch, daß im Gegensatz zum kugelsymmetrischen s-Orbital das p-Orbital in der Richtung der zu bildenden Bindung angeordnet ist, hier z. B. entlang der z-Achse.
2.1.3
Das Methanmolekül, sp3-Hybridisierung
Das Kohlenstoffatom weist im Grundzustand zwei 2s- und zwei 2p-Elektronen auf. In dieser Form könnte das über nur zwei ungepaarte Elektronen verfügende Atom (Figur 2.4a) nur zwei Bindungen eingehen. Durch Energiezufuhr ist es aber möglich, eines der 2s-Elektronen in das noch leere 2pz-Orbital zu bringen (Figur 2.4b). In diesem angeregten Zustand stehen nun vier ungepaarte Elektronen für die Ausbildung von Bindungen zur Verfügung.
Figur 2.4. Energiediagramm des Kohlenstoffatoms; a) Grundzustand; b) angeregter Zustand.
Auf Grund von Figur 2.4b müßte man für das Methanmolekül CH4 zwei Typen von Bindungen erwarten: Eine Bindung, entstanden durch Überlappung des 2s-Orbitals des Kohlenstoffs mit dem 1s-Orbital eines Wasserstoffatoms und drei weitere Bindungen, die durch die Kombination von Wasserstoff-1s-Orbitalen mit den drei 2p-Orbitalen des Kohlenstoffs gebildet wurden. Die drei letztgenannten Bindungen wären gleichwertig und senkrecht zueinander angeordnet; die vierte Bindung wäre in ihrer Richtung nicht festgelegt, da sie durch die Überlappung zweier kugelförmiger Orbitale entstünde. Durch verschiedene physikalisch-chemische Messungen kann jedoch gezeigt werden, daß die vier Elektronenpaarbindungen im CH4-Molekül absolut gleichwertig sind und das Molekül vollkommen symmetrisch gebaut ist. Figur 2.4b vermag also die wirklichen Verhältnisse nicht wiederzugeben.
7
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
Zur Erklärung dieses Befundes stellt man sich vor, daß die vier Orbitale mit der Hauptquantenzahl n = 2 hybridisiert (gemischt oder gekreuzt 1) werden (Figur 2.5a A b), wobei vier neue, energiegleiche Orbitale entstehen. Da sie aus einem s- und drei p-Orbitalen gebildet werden, bezeichnet man sie als sp3-Orbitale.
Figur 2.5. Energiediagramm des Kohlenstoffatoms; a) angeregter Zustand; b) sp3hybridisierter Zustand.
Die Form dieser neuen Orbitale läßt sich berechnen (Figur 2.6a). Eine gewisse Ähnlichkeit mit einem p-Orbital besteht, doch sind hier die beiden Lappen des Orbitals verschieden groß. Bindungen werden mit dem größeren Lappen der sp3-Orbitale gebildet. Dabei ist eine stärkere Überlappung möglich (z. B. mit einem 1s-Orbital eines Wasserstoffatoms) als bei der Kombination zwischen einem gewöhnlichen 2p- und einem 1s-Orbital (Figur 2.6b). So entsteht eine starke Bindung, es wird viel Bindungsenergie frei2, und der Energieaufwand für den Übergang vom Grundzustand (Figur 2.4a) zum angeregten, sp3-hybridisierten Zustand (Figur 2.5b) wird mehr als wettgemacht. Mit dem sp3-hybridisierten C-Atom können also mehr und bessere Bindungen gebildet werden als mit dem Kohlenstoffatom im Grundzustand. Für die geometrische Form des symmetrisch gebauten CH4-Moleküls gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: eine quadratisch planare (ebene) Anordnung (Figur 2.6c) oder eine tetraedrische Anordnung (Figur 2.6d). Da sich die in den sp3-Orbitalen des Kohlenstoffatoms enthaltenen Elektronen gegenseitig abstoßen, wird diejenige geometrische Form bevorzugt, bei der die vier sp3-Orbitale so weit wie möglich voneinander entfernt sind. 1
lat. hybrida „Mischling“.
2
Daß die Bindungsenergie außer von der Art der beteiligten Orbitale auch noch von anderen
Faktoren abhängig ist, zeigt der Vergleich der Bindungsenergien von H2 (s–s-Bindung, 435 kJ/mol) und F2 (p–p-Bindung, 155 kJ/mol). Bei der Annäherung der kleinen Fluoratome kommt es wegen der Abstoßung zwischen den Elektronenpaaren in den senkrecht zur Bindungsachse stehenden p-Orbitalen (C in Figur 2.3) nicht zur maximal möglichen Überlappung der beiden bindenden pz-Orbitale. Daher ist die F–F-Bindung relativ schwach (vgl. dazu: HF, s–p-Bindung, 565 kJ/mol).
8
2.1 Der vierbindige Kohlenstoff
a
b
c
d
e
f
Figur 2.6. Die sp3-Hybridisierung und das Tetraedermodell. a) sp3-Hybridorbital; b) Überlappungsgrad zwischen einem s-Orbital und einem p- oder sp3-Orbital; c) hypothetische quadratisch-planare Anordnung und d), e) tatsächliche tetraedrische Anordnung der Atome in CH4; f) Formelbild zur Verdeutlichung der Atomanordnung im Methan-Molekül.
9
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
Die Atomkerne der Wasserstoffatome befinden sich bei dieser Anordnung in den Ecken eines regelmäßigen Tetraeders, während der Atomkern des Kohlenstoffatoms im Zentrum des Tetraeders liegt (Figur 2.6e). Dadurch beträgt der Bindungswinkel 109,5°. Diese Anordnung kann in der chemischen Formelsprache wie in Figur 2.6f gezeigt angedeutet werden. Dabei sind fette, keilförmige Bindungen solche, die aus der Zeichenebene heraus dem Betrachter entgegenragen, gestrichelte Bindungen solche, die vom Betrachter aus gesehen nach hinten gerichtet sind, und die übrigen Bindungen solche, die in der Zeichenebene liegen. Bindungen, die unter Beteiligung von p- oder Hybridorbitalen zustande kommen, sind also gerichtet. Die Art der Orbitale und deren Anordnung im Raum bestimmen die Molekülgeometrie. Einzig bei den kugelsymmetrischen s-Orbitalen ist die Richtung, in der Bindungen gebildet werden, unbestimmt.
2.1.4
Ketten und Ringe
Jede Verbindung, in der Kohlenstoff mit vier anderen Atomen verbunden ist, hat also die Form eines Tetraeders. Deshalb besitzt z. B. Butan C4H10 eine gewinkelte Struktur, die aus vereinfachten Strukturformeln (Figur 2.7a) nicht ersichtlich ist. In der perspektivischen Schreibweise (Figur 2.7b) sieht man leicht, daß die vier Bindungen, die jeweils von einem C-Atom ausgehen, nach den Ecken eines Tetraeders ausgerichtet sind. Das Molekül ist um alle Bindungen frei drehbar. Figur 2.7c und d zeigen zwei verschiedene Konformationen (Kapitel 3.3) von Butan. Die eine Konformation entsteht aus der anderen, wenn die eine Molekülhälfte um 120° gedreht wird. In Wirklichkeit kommt Butan in beiden Konformationen und allen bei der Drehung zu durchlaufenden Zwischenzuständen vor, da das Molekül ständig um alle Einfachbindungen rotiert. Es ist deshalb nicht möglich, die verschiedenen Konformere des Butans voneinander zu trennen. Bei größeren Molekülen nimmt die Zahl der möglichen Konformationen zu. Im gasförmigen Zustand oder in Lösung sind alle möglichen Konformeren vertreten. Im festen Zustand wird jedoch durch regelmäßiges Über- und Nebeneinanderschichten von Molekülen einer bestimmten Konformation ein Molekülgitter aufgebaut. Mit vierbindigen Kohlenstoffatomen kann man auch Ringe aufbauen. Berücksichtigt man, daß im Cyclohexan wieder jedes C-Atom tetraedrisch von anderen Atomen umgeben sein soll, so ergibt sich an Stelle einer ebenen Molekülform eine im Raum gewinkelte Anordnung (hier und in den
10
2.1 Der vierbindige Kohlenstoff
a
b
c
d
Figur 2.7 Butan. a) Vereinfachte Strukturformel; b) perspektivische Strukturformel (gestreckte Konformation); c) Molekülmodell der gestreckten und d) einer abgewinkelten Konformation.
folgenden Formeln werden die C-Atome nicht mehr ausgeschrieben, vgl. Kapitel 6.1):
Fünfgliedrige Ringe (z. B. Cyclopentan) sind fast eben gebaut. Zur Erreichung der Tetraederwinkel von 109,5° genügt eine geringfügige Deformation des regelmäßigen Fünfecks (mit Winkeln von 108°). Dabei entsteht die dargestellte Konformation, die oft mit einem Briefumschlag verglichen wird.
11
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
Kleinere Ringe aus drei oder vier Kohlenstoffatomen lassen sich nur unter beträchtlicher Deformation der Tetraederwinkel bilden. Die Winkel zwischen den C–C-Bindungen in Cyclobutan betragen noch 90° (unter Annahme einer ebenen Form, vgl. aber Kapitel 3.4.1), in Cyclopropan sogar nur noch 60° an Stelle des Tetraederwinkels von 109,5°. Diese Ringe sind gespannt und weniger stabil als bei Cyclohexan oder Cyclopentan, bei denen sich die normalen Tetraederwinkel ausbilden können (vgl. Kapitel 3.4).
2.1.5
Polarisierte Bindungen
Bilden zwei gleiche Atome, z. B. zwei Kohlenstoffatome, durch Überlappung von je einem sp3-Orbital eine Bindung, so entsteht ein symmetrisches Molekülorbital:
Bei Bindungen zwischen Atomen verschiedener Elektronegativität zieht der stärker elektronegative Partner das bindende Elektronenpaar etwas auf seine Seite. Damit wird die Ladungsverteilung über der Bindung asymmetrisch: Beim stärker elektronegativen Atom ist die Elektronendichte größer, es entsteht dort eine partielle negative Ladung δ–. Beim anderen Bindungspartner
12
2.2 sp2-hybridisierter Kohlenstoff, Doppelbindungen
ergibt sich dagegen wegen der geringeren Elektronendichte eine partielle positive Ladung δ+:
2.2
sp2-hybridisierter Kohlenstoff, Doppelbindungen
2.2.1
σ- und π-Bindungen
Bei vielen organischen Verbindungen ist das Kohlenstoffatom nur mit drei weiteren Atomen verknüpft, mit einem davon durch eine Doppelbindung, die in den Strukturformeln durch einen doppelten Bindungsstrich wiedergegeben wird:
Bei diesen C-Atomen ist durch Kombination des 2s-Orbitals und nur zwei der drei vorhandenen 2p-Orbitale eine andere Hybridisierung eingetreten. Dabei entstehen drei neue Orbitale, die als sp2-Orbitale bezeichnet werden. Sie haben eine sehr ähnliche Form wie die sp3-Orbitale (Figur 2.8a). Figur 2.8b zeigt die Geometrie eines sp2-hybridisierten Kohlenstoffatoms: Die drei sp2-Orbitale liegen in einer Ebene, wobei die Achsen der Orbitale Winkel von 120° einschließen. Das übriggebliebene p-Orbital steht senkrecht auf dieser Ebene. Im Ethenmolekül (Figur 2.8c) braucht jedes der beteiligten C-Atome eines der sp2-Orbitale zur Ausbildung der C–C-Bindung und die beiden andern, um durch Überlappung mit den s-Orbitalen von Wasserstoffatomen die C–H-Bindungen zu bilden. Bei allen diesen Bindungen ist die Überlappung zwischen den Orbitalen in Richtung der Symmetrieachse der Orbitale erfolgt. Bindungen, bei denen die Überlappung auf der Verbindungsgeraden zwischen den Kernen stattfindet, werden als σ-Bindungen bezeichnet. Die beiden übriggebliebenen π-Orbitale stehen parallel zueinander und, wenn sich die σ-Bindung zwischen den beiden Kohlenstoffatomen gebil-
13
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
det hat, so nahe nebeneinander, daß sie sich seitlich überlappen können (C in Figur 2.8c). Dadurch entsteht aus den beiden je ein Elektron enthaltenden p-Orbitalen ein neues, doppelt besetztes Molekülorbital. Dieses mit zwei Elektronen besetzte Orbital besteht aus zwei Teilen, von denen der eine über und der andere unter der aus den C- und H-Atomen gebildeten Molekülebene liegt. Eine solche, durch seitliche Überlappung von p-Orbitalen entstandene Bindung wird als π-Bindung bezeichnet (Figur 2.8d). Der Überlappungsgrad zwischen den Orbitalen ist dabei geringer als bei der C–C-σ-Bindung. Deshalb ist eine π-Bindung weniger stabil und reaktionsfähiger als eine σ-Bindung.
a
b
σ
c
d
Figur 2.8. Die sp2-Hybridisierung. a) Ein sp2-Hybridorbital; b) Geometrie eines sp2-hybridisierten C-Atoms; c) und d) σ- und π-Bindungen im Ethenmolekül.
Ein sp2-hybridisiertes C-Atom und die drei damit verbundenen Atome liegen immer in einer Ebene, wobei die drei σ-Bindungen Winkel von 120° einschließen:
14
2.2 sp2-hybridisierter Kohlenstoff, Doppelbindungen
Eine Drehung um die Doppelbindung des Ethenmoleküls könnte nur unter Auflösung der π-Bindung erfolgen. Dieser energetisch sehr ungünstige Vorgang findet nicht statt. Bei polarisierten Doppelbindungen (C=O, C=N), im Gegensatz zu Doppelbindungen zwischen gleichartigen Atomen mit symmetrischer Elektronenverteilung, zieht der stärker elektronegative Bindungspartner neben den Elektronen der σ-Bindung vor allem die leichter beweglichen Elektronen der π-Bindung auf seine Seite. In Formeln können diese polarisierten Doppelbindungen wie folgt symbolisiert werden (vgl. auch das folgende Kapitel und Kapitel 2.1.5):
Die Kenntnis dieser Verhältnisse erlaubt oft Voraussagen über den Verlauf von chemischen Reaktionen (vgl. z. B. Kapitel 4.4.4, 4.4.7, 4.15.1).
2.2.2
Mesomerie
Die Eigenschaften vieler Verbindungen können anhand der bis jetzt behandelten Bindungsarten nicht erklärt werden. Für das Acetat-Anion, das bei der Dissoziation von Essigsäure entsteht, können zwei Strukturformeln geschrieben werden:
Man kann jedoch zeigen, daß die beiden C–O-Bindungen gleichwertig und nicht unterscheidbar sind. Somit beschreibt keine der beiden Formeln das Acetat-Ion korrekt. Der tatsächliche Zustand liegt in der Mitte zwischen den beiden Formen. Diese Erscheinung wird als Mesomerie3 bezeichnet und in 3
grch. mesos „mittel-“, grch. meros „Teil“.
15
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
den Formelbildern durch den Mesomeriepfeil C symbolisiert4. Dieser Doppelpfeil C, der vom Gleichgewichtspfeil (dynamisches Gleichgewicht) zu unterscheiden ist, soll weder eine Reaktion noch einen Gleichgewichtszustand, sondern den besonderen, stationären Zustand des Acetat-Ions beschreiben. Die beiden oben dargestellten Formeln werden als mesomere Grenzformen des Acetat-Ions bezeichnet. Keine der Grenzformen hat für sich allein eine reelle Bedeutung. Ein mesomeres Molekül oder Ion tritt nie in der Form einer seiner Grenzstrukturen auf, sondern in einem Zustand, der zwischen den Grenzformen liegt. Zur Darstellung dieser Verhältnisse kann die abgekürzte Schreibweise
verwendet werden. Darin kommt zum Ausdruck, daß beim Vorliegen von Mesomerie Bindungen und Ladungen delokalisiert, d. h. über mehrere Atome verteilt werden. Damit ist ein Energiegewinn verbunden, durch Mesomerie werden Moleküle oder Ionen stabilisiert. Beim Aufstellen von Grenzformen mesomerer Verbindungen ist darauf zu achten, daß in allen Formeln die Verknüpfung der Atome dieselbe ist. Bei
handelt es sich demnach nicht um mesomere Grenzformen, sondern um die Beschreibung einer Gleichgewichtsreaktion. Ein Proton wechselt seinen Platz und wandert von einem Kohlenstoff- an ein Sauerstoffatom (Tautomerie, Kapitel 7.7). Die Delokalisierung von Elektronen ist nur möglich, wenn alle beteiligten Atome geeignete Orbitale aufweisen, welche die Elektronen aufnehmen können. Besonders wichtig ist es dabei, daß alle diese Orbitale par-
4
Vor allem im englischen Sprachraum ist der Ausdruck Resonanz üblicher. Die Grenzformen
werden als Resonanzstrukturen bezeichnet.
16
2.2 sp2-hybridisierter Kohlenstoff, Doppelbindungen
allel zueinander angeordnet sind. Diese Bedingung kann nur bei eben gebauten Verbindungen erfüllt werden. Das ist z. B. bei Benzol der Fall (Kapitel 2.6.3 und 2.7.3), bei 1,3-Butadien (Kapitel 2.6.1 und 2.7.2) und beim oben erwähnten Acetat-Ion, bei dem sich das p-Orbital des sp2-hybridisierten Kohlenstoffatoms und die p-Orbitale der beiden Sauerstoffatome parallel ausrichten können. Mit der Mesomerie ist ein Energiegewinn verbunden, der durch die Delokalisation von Bindungen und Ladungen zustande kommt. Dieser Energiegewinn wird als Resonanzenergie bezeichnet und kann, wenigstens für einfache Beispiele, abgeschätzt werden (vgl. Kapitel 2.6.3).
2.2.3
Kohlenstoff-Ionen und Radikale
Auch in der organischen Chemie kommen Ionen vor, die jedoch im Gegensatz zu den anorganischen Ionen meist instabil sind. In diesen Molekülionen kann der Kohlenstoff eine positive (Carbokationen) oder eine negative (Carbanionen) Ladung tragen. Carbokationen stellt man sich sp2-hybridisiert vor, wobei das senkrecht auf der Molekülebene stehende p-Orbital leer ist:
Das Trimethylmethylkation ist somit planar gebaut. Das zentrale C-Atom besitzt nur ein Elektronensextett und ist daher sehr reaktionsfähig. Ein solches Carbokation wird rasch mit geeigneten Teilchen reagieren und dabei in ein ungeladenes Molekül übergehen, z. B.
17
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
In der Reihe
nimmt die Stabilität von links nach rechts zu, da die positive Ladung auf dem zentralen C-Atom durch den induktiven Effekt (Kapitel 4.1.4) der Alkylgruppen stabilisiert wird. Die Klassifikation der Carbokationen entspricht derjenigen der Alkohole (Kapitel 7.5). Carbanionen können in sp3-hybridisierter Form auftreten:
In der Tetraederstruktur ist eines der sp3-Orbitale mit dem einsamen Elektronenpaar besetzt. Diese Ionen sind außerordentlich reaktionsfähig und binden sehr rasch positiv oder teilweise positiv geladene Teilchen:
Häufiger kommen Carbanionen vor, die durch Mesomerie (Kapitel 2.2.2) stabilisiert sind. Diese Carbanionen sind eben gebaut, damit das im p-Orbital eines sp2-hybridisierten C-Atoms untergebrachte einsame Elektronenpaar mit den p-Orbitalen direkt benachbarter Doppelbindungen, z. B. mit jenen der Carbonylgruppen im deprotonierten Malonsäuredimethylester, durch Mesomerie in Wechselwirkung treten kann:
18
2.3 sp-hybridisierter Kohlenstoff, Dreifachbindungen
Radikale sind Atome oder Moleküle, die ungepaarte Elektronen besitzen. Sie entstehen fast immer durch Homolyse: Eine Elektronenpaarbindung wird durch Zuführen von Energie (Wärme, Licht) aufgespaltet. Das einzelne Elektron wird in Strukturformeln durch einen Punkt symbolisiert:
Alkylradikale sind eben gebaut. So ist das C-Atom im Methylradikal CH3• sp2hybridisiert, d. h. das ungepaarte Elektron befindet sich in einem p-Orbital.
H H
H
H H
H
Für C-Radikale gilt die gleiche Stabilitätsreihe wie für Carbokationen. Bei der Reaktion mit Wasser entziehen sie dem H2O-Molekül ein H-Atom, wobei ein Hydroxylradikal entsteht:
Weitere für Radikale typische Reaktionen werden in Kapitel 4.10 behandelt.
2.3
sp-hybridisierter Kohlenstoff, Dreifachbindungen
Die Kombination des 2s-Orbitals mit nur einem der 2p-Orbitale zu zwei spOrbitalen ist eine weitere Hybridisierungsmöglichkeit. Figur 2.9a zeigt die Form eines sp-Orbitals. Die beiden sp-Orbitale nehmen voneinander möglichst weit entfernte Stellungen ein (Figur 2.9b): sie sind längs einer Geraden, z. B. der xAchse zu beiden Seiten des Kerns angeordnet. Die beiden unverändert gebliebenen p-Orbitale liegen auf den y- und z-Achsen. Beim Kohlenstoffatom
19
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
ist jedes dieser Orbitale mit einem Elektron besetzt und kann sich an einer Bindung beteiligen. Figur 2.9c zeigt die Bindungsverhältnisse im Ethinmolekül: Die sp-Orbitale von zwei sp-hybridisierten Kohlenstoffatomen bilden die C–C- und die beiden C–H-Bindungen (σ-Bindungen). Die übriggebliebenen p-Orbitale können durch seitliche Überlappung zwei π-Bindungen bilden (C in Figur 2.9c). Man kann sich diese aus vier Elektronenwolken zusammengesetzt vorstellen, die über, unter, vor und hinter der C–C-σ-Bindung angeordnet sind (Figur 2.9d, vgl. auch die Einleitung des Kapitels 2.7). Die Zeichnungen zeigen auch, daß die an einer Dreifachbindung beteiligten Atome und ihre Nachbarn immer auf einer Geraden liegen.
a
c
b
d
Figur 2.9. Die sp-Hybridisierung. a) sp-Orbital; b) Geometrie des sp-hybridisierten CAtoms; c) und d) Geometrie und π-Bindungen in Ethin.
2.4
Vergleich der Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen
2.4.1
Bindungslängen
Für die Bindungslängen von C–C-Bindungen wurden experimentell folgende Werte ermittelt:
20
2.4 Vergleich der Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen
Viele Moleküle enthalten Bindungen, deren Länge von den obigen Werten signifikant abweicht. Bei 1,3-Butadien beispielsweise ist die Einfachbindung zwischen den beiden mittleren C-Atomen verkürzt, während die beiden anderen C–C-Bindungen die für eine Doppelbindung erwartete Länge aufweisen (zur Erklärung dieses Befunds vgl. Kapitel 2.6.1).
2.4.2
s- und p-Charakter von Bindungen
Den aus s- und p-Orbitalen entstandenen Hybridorbitalen kann man einen gewissen Anteil an s- und p-Charakter zuschreiben, der sich danach bemißt, aus wie vielen s- und p-Orbitalen die betreffenden Hybridorbitale entstanden sind (Tabelle 2.1). Als Regel gilt, daß mit zunehmendem s-Charakter die Bindungen kürzer und stärker werden (vgl. dazu den vorhergehenden Abschnitt). Tabelle 2.1. s- und p-Charakteranteile bei Hybridorbitalen. Hybridorbital
s-Charakter
p-Charakter
3
25%
75%
2
sp
33,3 %
66,7%
sp
50%
50%
sp
s-Orbitale sind kugelsymmetrisch, die s-Elektronen befinden sich relativ nahe beim Kern und werden von diesem stark angezogen. Bei Hybridorbitalen werden die Elektronen um so näher beim Kern liegen und von
21
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
diesem um so stärker angezogen werden, je mehr s-Charakter das betreffende Hybridorbital aufweist. Das bedeutet, daß die Elektronegativität hybridisierter Kohlenstoffatome in der Reihenfolge sp3 < sp2 < sp zunimmt. Die Bindungen zwischen C und H werden in der Reihe Ethan (H3C–CH3), Ethen (H2CCH2), Ethin (HC⬅CH) immer stärker, da das bindende Elektronenpaar immer stärker vom C-Atom angezogen wird. Die C–H-Bindung in Ethin ist also am stärksten und läßt sich am schlechtesten homolytisch spalten. Da die Bindungselektronen jedoch vom sp-hybridisierten C-Atom in Ethin so stark angezogen werden, ist es bei dieser Verbindung am leichtesten, den Wasserstoff ohne sein Elektron als H+-Ion aus dem Molekül abzuspalten. Ethin ist daher eine, allerdings sehr schwache, Säure; mit starken Basen wie Natriumamid in flüssigem Ammoniak gelingt es jedoch, das Salz Natriumethid herzustellen:
2.4.3
Bindungsstärken, Überlappungsfähigkeit
Die Stärke einer Bindung hängt sehr davon ab, welche Typen von Atom- oder Hybridorbitalen an ihrer Bildung beteiligt sind. Je größer die Ausdehnung eines Orbitals entlang der Bindungsachse ist, um so wirksamer kann es mit dem Orbital eines Bindungspartners überlappen. Pauling und Slater haben für die Überlappungsfähigkeit der Orbitale auf Grund von Berechnungen eine Skala aufgestellt. Dabei wird der Überlappungsfähigkeit des 2s-Orbitals der Wert 1 zugeordnet:
Aus der Skala geht hervor, daß Bindungen mit Beteiligung von Hybridorbitalen stärker sind als solche, die durch Überlappung mit s- und p-Orbitalen entstehen.
22
2.5 Bindungsverhältnisse bei Stickstoff und Sauerstoff
2.5
Bindungsverhältnisse bei Stickstoff und Sauerstoff
Der Bindungswinkel zwischen den N–H-Bindungen im Ammoniakmolekül NH3 beträgt 106°. Im Wassermolekül H2O schließen die beiden O-H-Bindungen einen Winkel von 104° ein. Auf Grund der Elektronenanordnung in Stickstoff- und Sauerstoffatomen (in den Zeichnungen sind nur die p-Orbitale dargestellt) müßten für die Bindungen zu den Wasserstoffatomen die nur einfach besetzten 2p-Orbitale benützt werden:
Da p-Orbitale senkrecht aufeinander stehen, wären somit für NH3 und H2O Bindungswinkel von 90° zu erwarten. Eine Erklärung für die beobachteten Abweichungen von diesem Wert geht davon aus, daß N–H- und O–H-Bindungen polarisiert sind (Kapitel 2.1.5). Da Stickstoff und Sauerstoff stärker elektronegativ sind als Wasserstoff, tragen in den NH3- und den H2O-Molekülen die H-Atome partielle positive Ladungen. Berechnungen zeigen jedoch, daß die elektrostatische Abstoßung zwischen diesen Teilladungen viel zu schwach ist, um eine Spreizung der Bindungswinkel von 90° auf 106° bzw. 104° zu verursachen. Nimmt man dagegen für N- und O-Atome ebenfalls eine sp3-Hybridisierung an, so ergibt sich eine bessere Erklärung. Von den jeweils vier sp3Orbitalen ist beim Stickstoff (fünf Elektronen mit n = 2) eines doppelt besetzt, beim Sauerstoff (sechs Elektronen mit n = 2) sind es zwei. Die übrigen sp3-Orbitale sind einfach besetzt und werden für die Bindungen zu den Wasserstoffatomen verwendet. Auf Grund dieser Vorstellung wären Bindungswinkel von 109,5° (Tetraederwinkel) zu erwarten. Die tatsächlich gefundenen Bindungswinkel zeigen nur eine geringe Abweichung von diesem Wert. Sie kommt dadurch zustande, daß freie Elektronenpaare mehr Raum beanspruchen und so die bindenden Elektronenpaare etwas zusammengedrängt werden.
23
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
2.6
Moleküle mit mehreren Doppelbindungen
Durch zwei oder mehr C–C-Einfachbindungen voneinander getrennte Doppelbindungen werden als isolierte Doppelbindungen bezeichnet. Sie üben keinerlei Einfluß aufeinander aus und verhalten sich wie gewöhnliche Doppelbindungen. Moleküle mit einer alternierenden Anordnung von Doppelund Einfachbindungen (konjugierte Doppelbindungen) oder einer ununterbrochenen Reihe von zwei oder mehr Doppelbindungen (kumulierte Doppelbindungen) weisen dagegen besondere Eigenschaften auf.
2.6.1
Konjugierte Doppelbindungen
Die einfachste Verbindung mit konjugierten Doppelbindungen ist 1,3-Butadien. Sämtliche Atome des Butadienmoleküls sind durch σ-Bindungen miteinander verbunden und liegen in einer Ebene (Figur 2.10a). Jedes der vier sp2-hybridisierten Kohlenstoffatome besitzt noch ein mit einem Elektron besetztes p-Orbital.
34
1 2
H
a
b
Figur 2.10. a) Bindungsverhältnisse in Butadien; b) Molekülorbital von Butadien.
Diese p-Orbitale, die auf der Molekülebene senkrecht und zueinander parallel stehen, haben zunächst die Möglichkeit, durch seitliche Überlappung zwei π-Bindungen zwischen den C-Atomen 1 und 2 sowie 3 und 4 zu bilden (— in Figur 2.10a). Zusätzlich können nun aber auch noch die p-Orbitale an den CAtomen 2 und 3 seitlich überlappen (- - - - in Figur 2.10a) . Damit können sich die π-Elektronen über das ganze Molekül ausbreiten (Figur 2.10b). Diese Möglichkeit, Elektronen auf einen größeren Raum zu verteilen, ist immer mit einem Energiegewinn verbunden. Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen weisen, im Vergleich zu Analogen mit einer gleichen Anzahl von isolierten Doppelbindungen, eine erhöhte Stabilität und andere Reaktionsmöglichkeiten auf (vgl. die Kapitel 4.4.7 und 4.15.1).
24
2.6 Moleküle mit mehreren Doppelbindungen
Eine genauere Beschreibung der in Figur 2.10b angedeuteten Vorstellung über die Elektronenverteilung wird in Kapitel 2.7 gegeben.
2.6.2
Kumulierte Doppelbindungen
Die einfachste Verbindung mit kumulierten Doppelbindungen ist Allen (Figur 2.11). Das mittlere der drei C-Atome ist nur mit zwei weiteren Atomen verbunden und somit sp-hybridisiert. Es weist also noch zwei zueinander senkrecht stehende p-Orbitale auf. Die beiden äußeren C-Atome sind sp2-hybridisiert, sie bilden mit den zugehörigen H-Atomen je eine Ebene und weisen je ein einfach besetztes p-Orbital auf. Bei der Anordnung von Figur 2.11a bleiben nach der seitlichen Überlappung zwischen zwei p-Orbitalen zwei weitere pOrbitale übrig, die nach der Drehung der Ebene eines der äußeren C-Atome um 90° eine zweite π-Bindung bilden können (Figur 2.11b). Die durch
a
b
Figur 2.11. a) Bindungsverhältnisse in Allen; b) Molekülorbitale von Allen.
die CH2-Gruppen gebildeten Ebenen und damit auch die beiden π-Bindungen stehen senkrecht zueinander (Figur 2.11b). In dieser Anordnung können die beiden p-Orbitale miteinander nicht in Wechselwirkung treten, wie das bei Butadien der Fall war. Diese Überlegungen lassen sich sinngemäß auch auf andere Kumulene mit drei oder mehr benachbarten Doppelbindungen anwenden.
2.6.3
Aromatische Verbindungen
Der aromatische Zustand Eine besondere Gruppe bilden Verbindungen, bei denen konjugierte Doppelbindungen in Ringen so angeordnet sind, daß Systeme mit insgesamt (4n + 2)
25
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
π-Elektronen entstehen. Der wichtigste Vertreter dieser aromatischen Verbindungen ist Benzol (C6H6), für das die beiden Strukturformeln
geschrieben werden können. Daß damit das Benzolmolekül nicht richtig wiedergegeben werden kann, erkennt man an Verbindungen wie o-Xylol, für welche die beiden Molekülsorten
zu erwarten wären. Ein derartiger Unterschied läßt sich jedoch nicht nachweisen, es gibt nur eine Art von ο-Xylolmolekülen. Die Erklärung für diesen Befund ergab sich aus der Messung der Bindungslängen im Benzolmolekül. Wären die Formeln mit alternierenden Einfach- und Doppelbindungen richtig, so müßten C–C-Bindungen von unterschiedlicher Länge (Kapitel 2.4.1) gefunden werden. In Wirklichkeit findet man aber sechs gleichwertige, 1,39 Å lange Bindungen. Auf Grund dieser Erkenntnisse lassen sich die Bindungsverhältnisse in Benzol genauer beschreiben. Alle sechs Kohlenstoffatome sind sp 2-hybridisiert. Da alle Bindungswinkel 120° betragen und alle C–C-Bindungen gleich lang sind (regelmäßiges Sechseck), liegen alle zwölf Atome des Benzolmoleküls in einer Ebene. Jedes C-Atom besitzt nun noch ein einfach besetztes, senkrecht auf der Molekülebene stehendes p-Orbital. Genau wie bei Butadien (Kapitel 2.6.1) darf angenommen werden, daß jedes der sechs p-Orbitale mit beiden benachbarten p-Orbitalen überlappen kann (Figur 2.12a). Damit sind die sechs π-Elektronen nicht mehr auf die π-Orbitale bestimmter Doppelbindungen lokalisiert, sondern können sich über einen größeren Raum verteilen.
26
2.6 Moleküle mit mehreren Doppelbindungen
a
b
Figur 2.12. a) Bindungsverhältnisse in Benzol; b) Molekülorbital von Benzol.
Dieser Raum besteht aus zwei ringförmigen Elektronenwolken, von denen die eine über, die andere unter der Molekülebene liegt (Figur 2.12b). Eine genauere Beschreibung der Verhältnisse wird in Kapitel 2.7 gegeben. Um die für den aromatischen Zustand typische Elektronenverteilung anzudeuten, wird oft der Schreibweise
oder
der Vorzug gegeben, wobei der Kreis die sechs über das ganze Molekül verteilten Elektronen symbolisiert. Dies verdeutlicht, daß der wirkliche Zustand des Benzols zwischen den am Anfang dieses Kapitels gezeigten mesomeren Grenzformen liegt. Die Möglichkeit, Elektronen über ringförmige Molekülorbitale zu verteilen, bringt einen noch größeren Energiegewinn mit sich, als bei den langgestreckten Elektronenwolken in Molekülen mit konjugierten Doppelbindungen (z. B. Figur 2.10b). Deshalb zeichnen sich aromatische Verbindungen durch eine sehr hohe Stabilität aus (vgl. Kapitel 2.2.2). An die isolierte Doppelbindung in Cyclohexen kann man Wasserstoff addieren (Kapitel 4.4.1). Diese Reaktion ist exotherm und liefert eine Energie von 121 kJ/mol. Wäre Benzol eine Verbindung mit drei lokalisierten, voneinander unabhängigen Doppelbindungen, so müßte bei der Addition von Wasserstoff eine Energie von 3 · 121 kJ/mol = 363 kJ/mol frei werden. Die tatsächlich gemessene Reaktionswärme beträgt jedoch nur 209 kJ/mol. Die Resonanzenergie (vgl. Kapitel 2.2.2) entspricht der Differenz zwischen diesen
27
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
beiden Werten. Das bedeutet, daß Benzol dank der Mesomerie um 154 kJ/mol stabiler (energieärmer) ist als die hypothetische Verbindung 1,3,5-Cyclohexatrien mit drei isolierten Doppelbindungen. Die HÜCKEL-Regel Nach der Regel von E. Hückel (1896–1980) ist eine Verbindung aromatisch, wenn sie in einem cyclischen System (4n + 2) π-Elektronen, also 2, 6, 10, 14, … π-Elektronen aufweist. Weitere Beispiele sind neben Benzol Naphthalin mit zehn π-Elektronen, Anthracen und Phenanthren mit je vierzehn π-Elektronen. Dagegen ist Cyclooctatetraen mit acht π-Elektronen keine aromatische Verbindung.
Es ist nicht möglich, acht sp2-hybridisierte, eben gebaute C-Atome ohne starke Deformation der Bindungswinkel zu einem ebenen Ring zusammenzufügen. In der gewinkelten Struktur von Cyclooctatetraen sind nicht mehr alle, sondern nur noch je zwei benachbarte p-Orbitale parallel angeordnet. Damit ist die Ausbildung einer sich über das ganze Molekül erstreckenden Elektronenwolke nicht möglich; in Cyclooctatetraen liegen vier lokalisierte Doppelbindungen vor. Die (4n + 2)-Regel gilt auch für Molekül-Ionen. Bei den folgenden Beispielen handelt es sich um aromatische Systeme:
28
2.6 Moleküle mit mehreren Doppelbindungen
Die nachfolgend angeführten Ionen weisen hingegen 4n π-Elektronen auf, sie sind äußerst instabil und nicht aromatisch:
Eine Ausnahme von der (4n + 2)-Regel bildet Cyclodecapentaen:
Es besitzt zwar 10 π-Elektronen, kann aber nicht in einer ebenen Form vorkommen, da sich dabei die zwei in den zehngliedrigen Ring hineinragenden H-Atome praktisch am gleichen Ort befinden müßten. Daher weicht das Molekül in eine gewinkelte Struktur aus, bei der sich die beiden H-Atome gegenseitig weniger behindern. Deshalb ist Cyclodecapentaen nicht aromatisch.
29
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
Aromatische Heterocyclen Aromatische Verbindungen, deren Ringe neben Kohlenstoffatomen auch andere Atome (N, O, S) enthalten, werden als aromatische Heterocyclen bezeichnet. In Stickstoff enthaltenden Heterocyclen wie z. B. Pyridin und Pyrrol sind die N-Atome sp 2-hybridisiert. In Pyridin sind die fünf Elektronen des Energieniveaus n = 2 wie folgt verteilt: Zwei der sp 2-Orbitale sind einfach besetzt und werden für die Bildung der σ-Bindungen zu den benachbarten C-Atomen verwendet. Das dritte sp 2-Orbital enthält das einsame Elektronenpaar, das für den basischen Charakter des Pyridins verantwortlich ist. Das letzte, fünfte Elektron befindet sich im π-Orbital und nimmt an der Bildung der ringförmigen 6π-Elektronenwolke teil.
In Pyrrol weisen die vier sp 2-hybridisierten C-Atome zusammen nur vier p-Elektronen auf. Ein aromatisches System mit sechs π-Elektronen wird hier nur ermöglicht, weil das Stickstoffatom sein einsames Elektronenpaar beisteuern kann. Dieses Elektronenpaar befindet sich im p-Orbital des sp 2-hybridisierten Stickstoffatoms:
Als Teil des 6π-Elektronensystems steht es nun aber nicht mehr ohne weiteres für die Anlagerung eines Protons zur Verfügung, da bei dieser Reaktion das aromatische System aufgelöst werden müßte. Pyrrol reagiert deshalb praktisch nicht als Base. In Benzol ist die 6π-Elektronenwolke gleichmäßig über das ganze Molekül verteilt. Da die in Heterocyclen enthaltenen Heteroatome alle stärker elektronegativ sind als Kohlenstoff, beanspruchen sie einen größeren Anteil an den sechs π-Elektronen als die Kohlenstoffatome. Wegen der daraus
30
2.6 Moleküle mit mehreren Doppelbindungen
resultierenden unregelmäßigen Elektronenverteilung ist der aromatische Charakter bei den Heterocyclen weniger stark ausgeprägt; sie sind weniger stabil und reaktionsfähiger als Benzol. Substituierte aromatische Verbindungen Bei substituierten aromatischen Verbindungen kann eine funktionelle Gruppe in das mesomere System einbezogen werden. Die Nitrogruppe in Nitrobenzol kann sich so orientieren, daß die p-Orbitale der Stickstoff- und Sauerstoffatome parallel zu denjenigen der Ring-C-Atome stehen.
In der Formel sind nur die an der Mesomerie beteiligten p-Orbitale angegeben. Es ist klar ersichtlich, daß sich die π-Elektronenwolke nicht nur über den Benzolring, sondern auch über die Nitrogruppe erstreckt. Bei 2,6-Dimethylnitrobenzol liegt die Nitrogruppe jedoch in einer Ebene, die senkrecht auf der Benzolringebene steht, da die beiden Methylgruppen eine Anordnung des großen NO2-Substituenten wie in Nitrobenzol verunmöglichen:
Damit stehen aber auch die p-Orbitale an den Stickstoff- und Sauerstoffatomen senkrecht zu den p-Orbitalen der Ring-C-Atome und können mit diesen nicht mehr überlappen. Wenn auch der Benzolkern und die Nitrogruppe jeweils für sich betrachtet ein mesomeres System bilden, kann doch bei 2,6-Di-
31
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
methylnitrobenzol keine sich über das ganze Molekül erstreckende π-Elektronenwolke entstehen. Diese Verbindung ist daher weniger stabil als Nitrobenzol und verhält sich auch chemisch anders.
2.6.4
Weitere Beispiele für mesomeriestabilisierte Verbindungen
Die heterolytische Spaltung von 1-Chlorbutan zu einem Carbokation und einem Cl–-Ion findet praktisch nicht statt, da primäre Carbokationen sehr instabil sind.
Bei der ungesättigten Verbindung 1-Chlor-2-buten entsteht durch Abspaltung des Chlorid-Ions ein Carbokation, das durch Mesomerie stabilisiert werden kann. Die positive Ladung und eine π-Bindung sind über drei Kohlenstoffatome verteilt:
Ein Beweis für die Mesomerie ergibt sich aus der Reaktion des Carbokations mit einem Anion, z. B. OH–, wobei zwei verschiedene Produkte entstehen:
Ohne Mesomerie wäre aus 1-Chlor-2-buten nur das primäre Carbokation a entstanden, und man hätte nur die Verbindung mit der endständigen OHGruppe erhalten. Nimmt eine mesomere Verbindung an einer Reaktion teil, so kann sie sich wie eine ihrer Grenzformen verhalten, obschon sie nie wirk-
32
2.6 Moleküle mit mehreren Doppelbindungen
lich in einer dieser Formen vorliegt. Zur Abschätzung des Verlaufs einer solchen Reaktion ist es daher nötig, die einzelnen Grenzformen gegeneinander abzuwägen. Kann man eine Grenzform, für sich allein betrachtet, als stabiler bezeichnen als eine andere, so wird auch ihr Beitrag an die wirkliche Struktur der betreffenden mesomeren Verbindung größer sein. So sind die beiden Grenzformen a und b des Carbokations nicht gleichwertig: a ist ein primäres Carbokation, b ein sekundäres und damit stabileres Carbokation (Kapitel 2.2.3). Daher wird der wirkliche Zustand des mesomeren Carbokations näher bei b liegen. Von der über die C-Atome 1 und 3 verteilten positiven Ladung befindet sich ein größerer Anteil auf dem Kohlenstoffatom in 3-Stellung als auf dem endständigen C-Atom. Bei der Reaktion mit OH–-Ionen ist daher die stärker positiv geladene 3-Stellung attraktiver, und es wird mehr von dem Alkohol entstehen, der sich von der Grenzform b ableitet. Auch für Aceton lassen sich mesomere Formen schreiben:
Sie kommen so zustande, daß man die π-Elektronen der C–O-Doppelbindung einmal ganz auf das Sauerstoffatom, das andere Mal ganz auf das Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe überträgt. Dabei treten Ladungen auf, es entstehen dipolare Grenzformen. Von den drei Grenzformen ist die mittlere die wichtigste, aber auch diejenige mit dem positiv geladenen C-Atom ist für den wirklichen Zustand und das chemische Verhalten von Aceton von Bedeutung. Die Anordnung mit einem positiv geladenen, also elektronenarmen Sauerstoffatom neben einem negativ geladenen Kohlenstoffatom fällt dagegen in Anbetracht der hohen Elektronegativität des Sauerstoffs kaum in Betracht. Derartige Grenzformen werden daher bei der Formulierung mesomerer Verbindungen normalerweise nicht berücksichtigt. Für Stabilitätsvergleiche zwischen ähnlich gebauten mesomeren Verbindungen gibt es eine nützliche Faustregel: Eine mesomere Verbindung ist um so stabiler, je mehr Grenzformen dafür formuliert werden können. Dabei sollen nur wirklich voneinander verschiedene und sinnvolle Strukturen berücksichtigt werden. Besonders günstig ist es, wenn die Grenzformen wie bei Benzol äquivalent sind. Der Beitrag von dipolaren Grenzformen zur Stabilisierung mesomerer Verbindungen ist geringer als derjenige von ladungsfreien Extremformen. Nitrobenzol mit fünf Grenzformen ist beispielsweise
33
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
stabiler als Nitrocyclohexan, bei dem sich nur zwei Grenzformen formulieren lassen (die kleinen Pfeile in den Formeln deuten an, wie man Elektronenpaare und π-Bindungen zu verschieben hat, um von einer Grenzform zur nächsten zu kommen).
Die Mesomerie hat einen großen Einfluß auf die Eigenschaften und das chemische Verhalten organischer Verbindungen. Die Reaktivität wird dabei weitgehend von denjenigen Grenzformen bestimmt, die, für sich allein betrachtet, am stabilsten sind.
2.7
Die Molekülorbital-Theorie
Die Molekülorbital-Theorie (MO-Theorie) ist für das Verständnis der modernen organischen Chemie von großer Wichtigkeit. Obschon es den Rahmen der vorliegenden Einführung sprengen würde, dieses Gebiet der theore-
34
2.7 Die Molekülorbital-Theorie
tischen organischen Chemie vollständig zu behandeln, sollen doch einige Aspekte kurz dargestellt werden. Auf die Notwendigkeit einer Erweiterung der theoretischen Grundlagen wurde bereits bei der Besprechung der Verbindungen Butadien und Benzol hingewiesen. Zur Erklärung der besonderen Eigenschaften dieser Moleküle wurde angenommen, daß sich die π-Elektronen in einer Elektronenwolke aufhalten, die sich über das ganze Molekül erstreckt. Danach enthält das π-Orbital von Butadien (Kapitel 2.6.1) vier, dasjenige von Benzol (Kapitel 2.6.3) sogar sechs Elektronen. Diese Vorstellung verstößt jedoch gegen das Pauli-Prinzip: Auch solche sich über das ganze Molekül erstreckende πOrbitale dürfen nur mit zwei Elektronen besetzt werden. Die MO-Theorie beschreibt die Eigenschaften dieser π-Elektronen. Dabei gelten weitgehend dieselben Grundgesetze, die das Verhalten von Elektronen in Atomorbitalen bestimmen. Die Molekülorbitale, in denen sich die π-Elektronen aufhalten, sind aber nicht wie die Atomorbitale auf die Umgebung eines Kerns beschränkt, sondern erstrecken sich über ein aus mehreren Atomen aufgebautes, durch σ-Bindungen zusammengehaltenes Gerüst. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, nochmals auf einige Eigenschaften von Elektronen und Orbitalen hinzuweisen. Außer als negativ geladene Teilchen kann man die Elektronen auch als elektromagnetische Schwingungen auffassen, die sich mit stehenden Wellen (z. B. schwingenden Saiten) vergleichen und durch eine Wellenfunktion ψ darstellen lassen. Die Orbitale, wie sie in den vorangehenden Kapiteln für s-, p-, sp3-, sp2- und sp-Elektronen gezeigt wurden, sind keine beobachtbaren Gebilde. Sie sind Darstellungen von ψ2 (Elektronendichtefunktion) und deuten den Raum an, für den die Wahrscheinlichkeit, das Elektron anzutreffen, einen bestimmten Wert (in der Regel 90 %) aufweist. Es muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß die üblichen, auch in diesem Buch verwendeten Darstellungen der Orbitale lediglich als schematische Skizzen aufzufassen sind. Sie geben die räumliche Verteilung der Elektronen im Detail nicht so wieder, wie es aufgrund der Dichtefunktion ψ2 zu erwarten wäre. Die Skizzen dienen in erster Linie einer klaren Vorstellung der Lage der Orbitale im Raum und ihrer Ausrichtung. Aus den Orbitaldarstellungen der /-Bindungen in Ethin (Kapitel 2.3, Figur 2.9c und 2.9d) beispielsweise darf man nicht schließen, daß Ethin entlang der Geraden, auf der die C- und H-Atome liegen, eine vierzählige Drehachse als Symmetrieelement besitzt. Die vier /-Elektronen bilden vielmehr eine rotationssymmetrische, zylinderförmige Elektronenwolke. Es ist üblich, auf verschiedenen Seiten einer Knotenebene liegende Teile eines Orbitals mit verschiedenen Vorzeichen zu bezeichnen. Diese Vor-
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2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
zeichen haben nichts mit Ladungen oder dem Spin der in den Orbitalen enthaltenen Elektronen zu tun. Vielmehr wird damit zwischen einem positiven und einem negativen Teil der Wellenfunktion unterschieden, wie man das auch bei einer Sinusfunktion tun kann:
Bei den Orbitaldarstellungen in den Figuren 2.10b (Kapitel 2.6.1) und 2.12 b (Kapitel 2.6.3) sind die verschiedenen Vorzeichen durch unterschiedlich gefärbte Orbitalteile angedeutet.
2.7.1
Bindende und antibindende Molekülorbitale
Die Darstellung der Elektronenpaarbindung als Resultat der Überlappung von Atomorbitalen, wie sie in den Kapiteln 2.1 bis 2.3 gegeben wurde, ist nicht vollständig. Das in Figur 2.2 (Kapitel 2.1.2) wiedergegebene Molekülorbital entsteht durch Addition von zwei 1s-Orbitalen und ist ein bindendes σ-Orbital. Daneben kann man sich auch noch ein zweites Orbital vorstellen, das durch Subtraktion entsteht. Dieses Orbital weist eine Knotenebene K auf, die senkrecht auf der Verbindungslinie der beiden Atomkerne steht. Ein derartiges Orbital ist antibindend und wird mit einem Stern gekennzeichnet (Figur 2.13a). Dasselbe gilt für σ-Bindungen, die aus p-Orbitalen (Figur 2.13b) oder aus Hybridorbitalen gebildet werden. In gleicher Weise kann auch die Bildung von π-Bindungen durch seitliche Überlappung parallel ausgerichteter p-Orbitale betrachtet werden. Addition der gleichsinnig orientierten p-Orbitale (Figur 2.14a) ergibt das bindende π-Orbital (Figur 2.14b), Subtraktion dagegen das energiereiche, antibindende π*-Orbital mit einer Knotenebene (Figur 2.14c). Im Grundzustand von Ethen ist dieses π*-Orbital nicht besetzt, beide π-Elektronen befinden sich im π-Orbital. Vor allem bei komplizierter gebauten Molekülen mit aus-
36
2.7 Die Molekülorbital-Theorie
Figur 2.13. σ- und σ*-Orbitale aus a) 1s-Orbitalen; b) 2p-Orbitalen.
gedehnten π-Elektronensystemen werden Molekülorbitale (z. B. Figur 2.14b) zur Vereinfachung oft durch die Atomorbitale dargestellt, aus denen sie entstehen (Figur 2.14a).
Figur 2.14. a) π-Orbitale, b) π*-Orbital von Ethen und c) p-Orbitale, aus denen ein πOrbital entstehen kann.
Allgemein kann man aus zwei Atomorbitalen ein bindendes und ein antibindendes Molekülorbital bilden. Das antibindende Molekülorbital liegt dabei um den gleichen Energiebetrag über dem Niveau der einzelnen Atomorbitale, der bei der Bildung des bindenden Orbitals frei wird (Figur 2.15). Im Grundzustand von stabilen Molekülen sind die antibindenden Orbitale nicht besetzt. Müssen aber in einem Molekül Elektronen in einem solchen Orbital untergebracht werden, so wird dadurch die σ-Bindung geschwächt, die Verbindung wird instabil. Dieses Konzept erklärt auch, wieso ein He2-Molekül nicht existiert. Da jedes Heliumatom bereits zwei 1s-Elektronen besitzt, müßten im He2-Molekül das σ- und das σ*-Orbital mit je zwei Elektronen besetzt
37
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
werden (Figur 2.15). Da aber der durch die Bildung der σ-Bindung gewonnene Energiebetrag für die Besetzung des σ*-Orbitals aufgewendet werden müßte, kommt eine derartige Bindung gar nicht zustande.
Figur 2.15. Energieniveauschema für σ- und σ*-Orbitale.
Von großer Wichtigkeit können die antibindenden Orbitale während chemischer Reaktionen sein. Genauso wie durch Energiezufuhr Elektronen in Atomen auf höhere Energieniveaus gehoben werden können, kann man Elektronen aus einem bindenden Orbital in ein energiereiches, antibindendes Orbital befördern. In dieser angeregten Form ist das Molekül sehr reaktionsfähig. Derartige Vorgänge sind vor allem in der Photochemie (Kapitel 4.12) von Bedeutung.
2.7.2
Molekülorbitale von 1,3-Butadien
Das Gerüst von 1,3-Butadien besteht aus einer Kette von vier sp 2-hybridisierten C-Atomen, von denen jedes ein senkrecht auf der Molekülebene stehendes p-Orbital aufweist (Figur 2.10b). Aus diesen vier p-Orbitalen können Molekülorbitale gebildet werden. Die Zahl dieser üblicherweise mit ψ bezeichneten Molekülorbitale entspricht der Zahl der am System beteiligten Atome. Das energieärmste und damit günstigste Orbital ψ1 erstreckt sich über die ganze Länge des Moleküls und entsteht durch Addition aller vier p-Orbitale (Figur 2.16). Es entspricht dem bereits in Figur 2.10b dargestellten Molekülorbital, ist nun aber nur mit zwei Elektronen besetzt und weist, abgesehen von der Molekülebene, keine Knotenebene und drei bindende Beziehungen zwischen benachbarten p-Orbitalen auf. Das auf der Energieskala nächsthöhere Molekülorbital ψ2 weist eine Knotenebene5 auf, hier sind zwei bindende und eine antibindende Beziehung
38
2.7 Die Molekülorbital-Theorie
Figur 2.16. Molekülorbitale von 1,3-Butadien.
festzustellen. Auch dieses Molekülorbital ist mit zwei Elektronen besetzt. Damit sind alle π-Elektronen von 1,3-Butadien untergebracht, die beiden weiteren Molekülorbitale ψ3 und ψ4 mit zwei bzw. drei Knotenebenen sind im Grundzustand nicht besetzt. Um das richtige Bild von Butadien zu erhalten, muß man sich die Molekülorbitale ψ1 bis ψ4 von Figur 2.16 übereinander projiziert vorstellen; alle vier Orbitale nehmen genau denselben Raum ein. Eine analoge Erscheinung läßt sich bei einer Saite beobachten (Figur 2.17), die neben der Grundschwingung (ohne Knoten) gleichzeitig auch noch die den Obertönen entsprechenden kürzerwelligen Schwingungen mit einem bzw. zwei Knoten ausführt. Aus Figur 2.16 lassen sich einige Gesetzmäßigkeiten ableiten, die das Formulieren der ψ-Orbitale auch für andere Moleküle mit π-Elektronensystemen erlauben: • •
5
Die Zahl der ψ-Orbitale entspricht der Zahl der Atome, die das Grundgerüst bilden. Das energieärmste Molekülorbital ist dasjenige, das am wenigsten Knotenebenen aufweist.
Als Faustregel gilt, daß Knotenebenen so angeordnet werden sollen, daß möglichst symme-
trische Molekülorbitale entstehen. Für komplizierte Systeme muß die Lage der Knotenebenen berechnet werden.
39
2. Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen
Figur 2.17. Grund- und Obertonschwingungen einer schwingenden Saite.
• •
2.7.3
Die Anordnung der Molekülorbitale ψ nach steigender Energie erfolgt nach steigender Anzahl der Knotenebenen. Die π-Elektronen halten sich im Grundzustand paarweise in den energieärmsten Orbitalen auf.
Molekülorbitale von Benzol
Das Grundgerüst von Benzol besteht aus sechs sp 2-hybridisierten C-Atomen mit je einem einfach besetzten p-Orbital. Es sind also sechs ψ-Orbitale zu erwarten. Das günstigste Molekülorbital ψ1 entsteht, wenn alle sechs p-Orbitale in gleicher Orientierung kombiniert werden (Figur 2.18a). Es weist sechs bindende Beziehungen auf und hat die bereits im Kapitel 2.6.3, Figur 2.12, dargestellte Form von zwei ringförmigen, über und unter der Molekülebene (Knotenebene) angeordneten Elektronenwolken (Figur 2.18b). Die Molekülorbitale ψ2 und ψ3 erhält man durch Einführen einer zusätzlichen, senkrecht zur Molekülebene stehenden Knotenebene. Das kann auf zwei Arten geschehen: Diese Knotenebene kann durch die Mitten zweier gegenüberliegender C–C-Bindungen (ψ2, nicht dargestellt) oder durch zwei gegenüberliegende C-Atome (ψ3, Figur 2.18c und d) gelegt werden. Das Orbital ψ2 weist vier bindende und zwei antibindende Beziehungen auf. ψ3 zeigt eine neue Situation: Geht in einem Molekül mit einem π-Elektronensystem eine Knotenebene K durch eines der Atome des Gerüsts, so verschwindet das dortige p-Orbital (Figur 2.19). Die Beziehung zu den benachbarten p-Orbitalen ist dann weder bindend noch antibindend und wird als nichtbindende Beziehung bezeichnet 6. Auf der Energieskala liegt die nichtbindende Beziehung zwischen der bindenden und der antibindenden Beziehung, sie hat keinen Einfluß auf die Bindungsstärke. Das zeigt sich z. B.
40
2.7 Die Molekülorbital-Theorie
darin, daß ψ3 mit nur zwei bindenden und vier nichtbindenden Beziehungen auf demselben Energieniveau liegt wie ψ2 mit vier bindenden und zwei antibindenden Beziehungen. Die drei Orbitale ψ1, ψ2 und ψ3 nehmen je zwei Elektronen auf, der Grundzustand des Benzols läßt sich auf diese Weise darstellen. Dabei ist ψ1 energetisch ganz besonders günstig. Der Energiegewinn beim Ausbreiten eines Elektronenpaars in diesem ringförmigen Orbital macht die ganze Resonanzenergie (vgl. Kapitel 2.6.3) von Benzol aus. a
c
b
d
Figur 2.18. Die Molekülorbitale ψ1 und ψ3 von Benzol
Figur 2.19. Nichtbindende Beziehung. 6
Nichtbindende Beziehungen kommen auch bei offenkettigen Verbindungen mit einer ungera-
den Anzahl von Atomen im Grundgerüst vor, z. B. im Allyl-Kation:
41
An Stelle der Darstellungen in Figur 2.18 wird oft eine stark vereinfachte Schreibweise verwendet. Dabei gibt man bei jedem C-Atom nur noch das Vorzeichen des über der Molekülebene liegenden Teils des p-Orbitals an. Außer für die bereits behandelten besetzten Orbitale ψ1, ψ2 und ψ3 sind in Fig. 2.20 auch die drei weiteren, im Grundzustand nicht besetzten Orbitale in dieser Weise wiedergegeben.
Figur 2.20. Molekülorbitale von Benzol in abgekürzter Schreibweise.
Wie ψ2 und ψ3 liegen auch ψ4 und ψ5 auf demselben Energieniveau. Man bezeichnet derartige Orbitale als entartete Zustände. Diese Erscheinung tritt auch bei Atomorbitalen auf, beispielsweise bei den drei energiegleichen 2pOrbitalen oder den fünf 3d-Orbitalen.
42
3. Isomerie
Organische Verbindungen können durch die Summenformel charakterisiert werden. Diese gibt die Zusammensetzung der Verbindung aus den verschiedenen Elementen an, sagt aber nichts darüber aus, wie die einzelnen Atome miteinander verknüpft sind. Summenformeln sind deshalb nicht eindeutig: C2H6O ist die Summenformel von zwei chemisch vollständig verschiedenen Verbindungen, nämlich Ethanol und Dimethylether. Eine Strukturformel7 kann hingegen über die Anordnung der Atome im Molekül, also über die Struktur des Moleküls, Auskunft geben.
Allgemein bezeichnet man Verbindungen, die dieselbe Summenformel besitzen, sich jedoch in ihrer Struktur unterscheiden, als Isomere. Entsprechend der Qualität des Strukturunterschieds sind Isomere entweder Konstitutionsisomere oder Stereoisomere. Konstitutionsisomere, z. B. Ethanol und Dimethylether, unterscheiden sich in ihrer Konstitution, d. h. in der Art beziehungsweise der Reihenfolge der Bindungen, durch welche die Atome im Molekül miteinander verknüpft sind. Stereoisomere besitzen die gleiche Konstitution, unterscheiden sich aber in ihrer Konfiguration, d. h. in der räumlichen Anordnung der Atome oder Atomgruppen. Beispielsweise sind die folgenden drei Formen von 1,3-Dimethylcyclohexan Stereoisomere:
7
Die üblichen Schreibweisen für Strukturformeln werden in Kapitel 6.1 besprochen.
43
3. Isomerie
Entsprechend der Qualität des Strukturunterschieds sind Stereoisomere wiederum entweder Diastereoisomere oder Enantiomere. Die Strukturen von Enantiomeren (b und c im obigen Beispiel) verhalten sich dabei wie Bild und Spiegelbild, was für Diastereoisomere (a und b bzw. a und c) nicht zutrifft. Es ist wesentlich, sich darüber klar zu werden, daß man von „Isomeren“ dann spricht, wenn man eine strukturelle Beziehung zwischen Paaren von Verbindungen charakterisieren will. Die Anwendung der Isomeriebegriffe auf eine einzelne Verbindung, ohne auf eine zu ihr isomere Verbindung Bezug zu nehmen, sollte vermieden werden. Isomere besitzen grundsätzlich verschiedene physikalische und chemische Eigenschaften. Je nach Isomerietyp variieren diese Unterschiede in ihrem Ausmaß beträchtlich.
3.1
Konstitutionsisomerie
Konstitutionsisomere Verbindungen haben dieselbe Summenformel, unterscheiden sich aber in der Art beziehungsweise der Reihenfolge der Bindungen, durch welche die Atome im Molekül miteinander verknüpft sind:
Konstitutionsisomere können sich etwa im Aufbau des Kohlenstoffgerüsts unterscheiden. Mit der Zahl der Kohlenstoffatome wächst die Zahl der möglichen Isomere. So gibt es fünf Verbindungen mit der Summenformel C6H14, neun mit der Formel C7H16, achtzehn mit der Formel C8H18 usw.
44
3.1 Konstitutionsisomerie
Bei Verbindungen, die außer Kohlenstoff und Wasserstoff noch weitere Elemente enthalten, können Konstitutionsisomere formuliert werden, die sich nur in der Stellung von funktionellen Gruppen unterscheiden:
Konstitutionsisomere können aber auch, wie die bereits früher erwähnten Verbindungen Ethanol und Dimethylether mit der Summenformel C2H6O, gänzlich verschiedene funktionelle Gruppen aufweisen und damit zu verschiedenen Verbindungsklassen gehören. Solche Isomere unterscheiden sich in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften zum Teil beträchtlich. Für die Summenformel C4H8O gibt es unter anderen folgende Möglichkeiten:
45
3. Isomerie
3.2
Stereoisomerie
Die Stereochemie befaßt sich mit der genauen Beschreibung des räumlichen Baus, der Konfiguration chemischer Verbindungen. Die dabei benötigten Begriffe, perspektivischen Darstellungen und Projektionen werden in den folgenden Kapiteln behandelt, Einzelheiten zur korrekten Benennung der Verbindungen jedoch im Kapitel 6.5. Die Verwendung von geeigneten Molekülmodellen erleichtert das Verständnis der Stereochemie außerordentlich.
3.2.1
Stereoisomerie an Doppelbindungen
Diese Art der Stereoisomerie, früher geometrische Isomerie genannt, tritt bei starren Systemen auf, z. B. bei substituierten Ethenen:
Eine Drehung um die Doppelbindung bei 2-Buten ist nicht möglich (Kapitel 2.2.1). Daher ist die Verbindung, bei der gleiche Substituenten auf derselben Seite der Doppelbindung liegen, verschieden von der zweiten, isomeren Verbindung, bei der gleiche Substituenten auf entgegengesetzten Seiten der Doppelbindung liegen. Es ist nicht zwingend, daß die doppelt gebundenen Atome zweimal zwei gleiche Substituenten tragen. Auch Verbindungen wie 1-Brom2-chlorethen oder 1-Brom-2-chlorpropen kommen in stereoisomeren Formen vor, die mit den Präfixen „(Z)-“ und „(E)-“ (abgeleitet von zusammen und entgegen) bezeichnet werden:
46
3.2 Stereoisomerie
Derartige Stereoisomere können so, auch wenn sie eine komplexere Struktur aufweisen, eindeutig benannt werden (vgl. Kapitel 6.5.2). Die früher im gleichen Zusammenhang verwendeten Präfixe „cis-“, im allgemeinen entsprechend „(Z)-“, und „trans-“, im allgemeinen entsprechend „(E)-“, sind allerdings noch immer in Gebrauch. Sie werden vor allem dann verwendet, wenn es darum geht, die relative Konfiguration zweier willkürlich betrachteter Substituenten an Doppelbindungen oder alicyclischen Systemen (vgl. Kapitel 3.4.4) zu diskutieren. Entsprechend der eingangs gegebenen Einteilung der Stereoisomere gehören die hier betrachteten Isomere zu den Diastereoisomeren, da sich ihre Strukturen nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten. Wie alle Diastereoisomere unterscheiden sich (Z)- und (E)-Isomere in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften mitunter deutlich. Beispielsweise läßt sich Fumarsäure nur unter Druck bei etwa 300 °C ohne Zersetzung schmelzen, während die entsprechende (Z)-Verbindung Maleinsäure bereits bei 131 °C und Normaldruck schmilzt. Fumarsäure ist außerdem schlechter wasserlöslich und stabiler als Maleinsäure. Die allgemein größere Stabilität der (E)Isomere rührt daher, daß sich in dieser Form große Substituenten weniger behindern. Unter dem Einfluß von Katalysatoren (Säuren oder Radikale) lassen sich die beiden Formen meist ineinander überführen. Dabei wird in einem Übergangszustand die Doppelbindung aufgehoben und so die freie
Drehbarkeit ermöglicht. Die Umwandlung (Z) A (E) gelingt dabei leichter, da sich das Molekül im frei drehbaren Übergangszustand bevorzugt so einstellt, daß große Substituenten möglichst weit voneinander entfernt sind (Figur 3.1). Chemisch unterscheiden sich die beiden Isomere unter anderem dadurch, daß auf Grund der Stellung der beiden Carboxylgruppen nur Maleinsäure ein Anhydrid bildet.
47
3. Isomerie
Figur 3.1. Säurekatalysierte Umwandlung von Maleinsäure in Fumarsäure. Zur Erläuterung der im Formelschema verwendeten Schreibweise siehe Kapitel 4.1.2.
Enthält eine Verbindung mehrere Doppelbindungen, so muß die Stereoisomerie an allen Doppelbindungen berücksichtigt werden. So gibt es drei Stereoisomere von 2, 4-Hexadien:
48
3.2 Stereoisomerie
3.2.2
Chiralität und optische Aktivität
Ist eine Verbindung asymmetrisch gebaut und zwar so, daß durch Spiegelung ihrer Struktur an einer Ebene oder einem Inversionszentrum eine Struktur entsteht, die mit der ursprünglichen Struktur durch Verschieben und Drehen im Raum nicht zur Deckung gebracht werden kann, dann ist die Verbindung chiral8. Nicht chirale Verbindungen bezeichnet man als achiral. Eine chirale Verbindung und ihr (notwendigerweise ebenfalls chirales) Spiegelbild werden als Enantiomere bezeichnet. Die in der obigen Definition geforderte Asymmetrie ist beispielsweise dann gegeben, wenn ein Molekül genau ein C-Atom besitzt, das vier verschiedene Gruppen trägt (asymmetrisches C-Atom, Chiralitätszentrum). Bei Glycerinaldehyd beispielsweise trägt eines der C-Atome ein HAtom, eine OH-Gruppe, eine Hydroxymethylgruppe und eine Formylgruppe. Von Glycerinaldehyd gibt es deshalb zwei Isomere, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten und nicht zur Deckung gebracht werden können. Der deutsche Chemiker Emil Fischer (1852–1919) nannte die beiden Formen d- und l-Glycerinaldehyd (vgl. dazu Kapitel 6.5.2):
Es ist üblich, asymmetrische C-Atome in Strukturformeln durch ein * hervorzuheben.
Die Anwesenheit eines Chiralitätszentrums ist nicht das einzige Strukturmerkmal, das optische Aktivität ermöglicht (vgl. Kapitel 3.2.8). Lösungen von optisch aktiven Verbindungen wie z. B. d-Glycerinaldehyd drehen die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht. Zur Be8
grch. cheir „Hand“. Man kann solchen Verbindungen eine „Händigkeit“ zuschreiben.
49
3. Isomerie
stimmung verwendet man monochromatisches Licht, normalerweise dasjenige einer Natriumdampflampe (D-Linie des Na-Spektrums mit λ = 589 nm). Schickt man dieses Licht durch einen Kalkspatkristall, so wird es polarisiert; alle austretenden Lichtstrahlen schwingen in derselben Ebene. Beim Durchtritt durch eine Lösung der zu charakterisierenden Verbindung wird nun diese Schwingungsebene um einen bestimmten Winkel α gedreht (Figur 3.2). Der Drehsinn wird so definiert, daß eine Drehung der Schwingungsebene im Uhrzeigersinn ein positives, gegen den Uhrzeigersinn ein negatives Vorzeichen erhält, wenn der austretende Strahl auf den Beobachter zukommt.
Figur 3.2. Messung der optischen Aktivität. Eintretendes, linear polarisierteres monochromatisches Licht passiert eine Küvette der Länge l, die eine Lösung der zu charakterisierenden Verbindung enthält. Meßgröße ist der Winkel α, den die Schwingungsebene des austretenden Lichts mit jener des eintretenden Lichts bildet. Die Pfeile markieren die Schwingungsebenen des linear polarisierten Lichts.
Lösungen gleicher Konzentration von Enantiomeren wie d- und l-Glycerinaldehyd, die auch als optische Antipoden bezeichnet werden, zeigen denselben Drehwinkel α, jedoch mit entgegengesetzten Vorzeichen. Zur genaueren Bezeichnung der Enantiomere kann das Vorzeichen des Drehwerts vor den Namen der Verbindung gesetzt werden: (+)-Glycerinaldehyd und (–)Glycerinaldehyd. Von der optischen Drehung abgesehen, weisen Enantiomere dieselben physikalischen Eigenschaften auf. Auch das chemische Verhalten ist genau gleich, es sei denn, es finde eine Reaktion mit einem ebenfalls chiralen Reagens statt. Die im Versuch (vgl. Figur 3.2) gemessene Größe α ist von verschiedenen Faktoren abhängig, so von der Konzentration c des gelösten, optisch aktiven Stoffs (in g/100 mL), von der Länge l des Messrohrs (in dm anzugeben), von der Temperatur T, von der Wellenlänge λ des verwendeten Lichts und vom Lösungsmittel. Die nach der Gleichung 100
50
3.2 Stereoisomerie
berechnete, dimensionslose Größe [α] wird spezifische Drehung genannt und ist eine für jede optisch aktive Verbindung charakteristische Größe. Zusätzlich zu [α] sollen die Temperatur (falls die Messung nicht bei Raumtemperatur durchgeführt wurde) und die Wellenlänge des verwendeten Lichts (D wenn es sich um die D-Linie des Na-Spektrums handelt) als Indizes sowie die Konzentration des gelösten Stoffs und das verwendete Lösungsmittel angegeben werden. 3.2.3
Racemate
Gemische aus exakt gleichen Teilen der (+)- und der (–)-Form einer bestimmten chiralen Verbindung entsprechen der (±)-Form und werden als Racemate bezeichnet. In Lösung zeigen Racemate keine optische Aktivität, da sich die entgegengesetzt gleich großen Drehwerte der beiden Formen kompensieren. Racemate können sich in den physikalischen Eigenschaften (z. B. Schmelzpunkt, Löslichkeit) von jedem der beiden reinen Enantiomere unterscheiden. Racemate entstehen oft bei chemischen Reaktionen, deren stereochemischer Verlauf nicht eindeutig bestimmt ist (vgl. auch die Kapitel 3.2.5 und 4.2.2):
Methoden zur Trennung von Racematen werden im Kapitel 3.2.9 vorgestellt. 3.2.4
Moleküle mit mehreren asymmetrischen C-Atomen
Für Verbindungen mit einem einzigen Chiralitätszentrum gibt es immer ein Paar von Enantiomeren. Bei n asymmetrischen C-Atomen sind 2n Stereoisomere zu erwarten. Diese 2n-Regel gilt jedoch nur, wenn keines der Stereoisomere eine Symmetrieebene aufweist. Das ist bei der Verbindung
51
3. Isomerie
der Fall. Von den hier in der Fischer-Projektion (Kapitel 6.5.2) gezeigten vier Stereoisomeren bilden je zwei, nämlich d-Erythrose und l-Erythrose sowie dThreose und l-Threose, ein Paar von Enantiomeren:
Beim Vergleich von l-Erythrose mit d-Threose zeigt sich, daß diese Moleküle zwar Stereoisomere sind, sich aber nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten. Derartige Isomere werden als Diastereoisomere bezeichnet. Zu einer Verbindung mit zwei verschiedenen asymmetrischen C-Atomen gibt es also zwei diastereoisomere Enantiomerenpaare. Bei Weinsäure kann man hingegen nur drei Stereoisomere aufzeichnen. d-Weinsäure und l-Weinsäure sind ein Enantiomerenpaar.
Die dazu diastereoisomeren Strukturen a und b erweisen sich bei näherem Hinsehen aber als identisch: Nach einer Drehung um 180° in der Papierebene läßt sich b mit a zur Deckung bringen. Diese Form der Weinsäure, die mesoWeinsäure, besitzt eine Symmetrieebene (- - - - - -), ist also nicht chiral und zeigt demzufolge auch keine optische Aktivität. Allgemein wird eine spiegelsymmetrische Verbindung mit zwei oder mehreren gleich substituierten C*-Atomen als meso-Form bezeichnet. d-Glucose weist vier asymmetrische C-Atome auf. Dazu sind 2 4 = 16 Stereoisomere zu erwarten, und zwar acht zueinander diastereoisomere Enantiomerenpaare. Diese sechzehn Verbindungen sind alle bekannt.
52
3.2 Stereoisomerie
3.2.5
Änderung der Konfiguration an asymmetrischen C-Atomen bei chemischen Reaktionen
Ist bei einer chemischen Umsetzung einer chiralen Verbindung das Chiralitätszentrum selbst an der Reaktion nicht beteiligt, so bleibt die Konfiguration an diesem Zentrum selbstverständlich unverändert. Entsteht dabei ein symmetrisch gebautes Molekül, so geht allerdings die Chiralität verloren:
Wird bei einer Reaktion einer der an das Chiralitätszentrum gebundenen Substituenten ersetzt, ohne daß dabei die Konfiguration verändert wird, so verläuft die Reaktion unter Retention der Konfiguration (für eine Erklärung der Bezeichnungen R und S vgl. Kapitel 6.5.2):
Bei vielen Reaktionen wird die Konfiguration am asymmetrischen C-Atom umgekehrt. Dabei klappen die drei im Molekül verbleibenden Substituenten wie ein Schirm um. Eine solche Inversion der Konfiguration wird nach ihrem Entdecker als WALDEN-Umkehrung bezeichnet. Die SN2-Reaktionen (Kapitel 4.2.2) verlaufen in dieser Weise:
53
3. Isomerie
Entstehen bei einer Reaktion beide Enantiomere, so ist sie unter Racemisierung verlaufen. Falls das Produkt aus gleichen Mengen der beiden Enantiomere besteht, so wird eine optische Drehung von 0 gemessen (vgl. Kapitel 3.2.2). Unter Epimerisierung versteht man die Umkehrung der Konfiguration an nur einem asymmetrischen C-Atom in einem Molekül mit mehreren Chiralitätszentren. Ein Beispiel ist die Umwandlung von d-Glucose in d-Mannose.
3.2.6
Relative Konfiguration
Wie das Beispiel von d-(+)-Glycerinaldehyd ([α]D = +8,7) und d-(–)-Milchsäure ([α]D = –2,6) zeigt, besteht zwischen dem Drehsinn und der Stereochemie einer Verbindung kein Zusammenhang.
Deshalb wurde Glycerinaldehyd als Bezugssubstanz gewählt: dem rechtsdrehenden Glycerinaldehyd wurde willkürlich die als d-Form bezeichnete räumliche Anordnung zugeschrieben. Andere optisch aktive Verbindungen werden
54
3.2 Stereoisomerie
nun mit dem Glycerinaldehyd verknüpft, indem man sie entweder durch chemische Reaktionen in Glycerinaldehyd überführt oder von diesem ausgehend synthetisiert. Dabei dürfen keine unter Racemisierung verlaufenden Reaktionen angewendet werden (doppelte Reaktionspfeile deuten an, daß die betreffende Umwandlung in mehreren Reaktionsschritten ausgeführt werden muß):
Die in der Natur vorkommende Glucose läßt sich durch den unten angedeuteten stufenweisen Abbau in d-Glycerinaldehyd überführen. Das bedeutet, daß die Konfiguration an C(5) der Glucose derjenigen des d-Glycerinaldehyds entspricht. Deshalb wird die natürliche Glucose zur d-Reihe gezählt und als d-Glucose bezeichnet.
Durch derartige Untersuchungen sind eine große Anzahl von Verbindungen miteinander in Beziehung gebracht worden. Das erleichtert die Bestimmung der Konfiguration neuer Verbindungen, denn es genügt, eine Verbindung unbekannter Konfiguration in eine Verbindung zu überführen, deren relative Konfiguration man bereits kennt. 3.2.7
Absolute Konfiguration
Die durch Fischer getroffene Zuordnung der hier nochmals in perspektivischer Darstellung und Fischer-Projektion gezeigten d-Form des Glycerinaldehyds zum rechtsdrehenden Isomer dieser Verbindung war rein willkür-
55
3. Isomerie
lich. Erst 1951 konnte anhand einer Röntgenstrukturanalyse an einem Salz der l-Weinsäure (deren Beziehung zum d-Glycerinaldehyd bereits bekannt war) gezeigt werden, dass diese Zuordnung (zufällig) richtig war. Damit ist für d-Glycerinaldehyd die wirkliche, die absolute Konfiguration mit Sicherheit bekannt, und man kann jetzt auch für alle anderen optisch aktiven Verbindungen, deren auf d-Glycerinaldehyd bezogene relative Konfiguration bereits bekannt ist, die absolute Konfiguration angeben.
3.2.8
Spiegelbildisomerie ohne asymmetrisches C-Atom
Für Allene (Kapitel 2.6.2) vom Typ ABC=C=CBA können zwei zueinander spiegelbildliche Formen gezeichnet werden. Diese Allene sind deshalb chiral und zeigen eine optische Drehung.
Beim Biphenylsystem kann Spiegelbildisomerie auftreten, wenn große Substituenten so angeordnet sind, daß die freie Drehbarkeit um die Bindung zwischen den beiden Benzolkernen aufgehoben wird. Eine planare Konformation eines substituierten Biphenylmoleküls ist besonders ungünstig, da sich die großen Substituenten gegenseitig behindern:
56
3.2 Stereoisomerie
Günstiger ist es, wenn sich die beiden Benzolringe senkrecht zueinander einstellen, so daß die COOH- und NO2-Gruppen möglichst weit voneinander entfernt sind. Die beiden möglichen Konformationen sind nicht identisch, sondern verhalten sich wie Bild und Spiegelbild. Da die Umwandlung a A b nicht stattfindet, sind a und b ein Enantiomerenpaar. Dieser Typ der Stereoisomerie wird als Atropisomerie bezeichnet.
3.2.9
Trennung von Racematen
Bei vielen chemischen Reaktionen wird ein neues Chiralitätszentrum gebildet, oder es werden optisch aktive Verbindungen unter Racemisierung umgesetzt. Deshalb stellt sich häufig das Problem, die dabei entstandenen racemischen Produkte in die beiden Enantiomere aufzutrennen. Eine oft angewendete Methode erlaubt es, racemische Säuren (±)-HA durch Salzbildung mit einer chiralen Base, z. B. (+)-B, zu trennen. Dabei entstehen zwei diastereoisomere Salze, die voneinander getrennt werden können. Das geschieht meist durch Kristallisation. Das schlechter lösliche Diastereoisomer kristallisiert zuerst aus, das leichter lösliche reichert sich in der Mutterlauge an und ist meist schwerer zu reinigen. Setzt man mit Hilfe einer starken Säure HX aus den getrennten Salzen die Säure wieder frei, so erhält man die reinen Enantiomere (+)-HA und (–)-HA. In gleicher Weise kann man mit einer chiralen Säure eine racemisch vorliegende Base in die beiden Enantiomere auftrennen. Enthält die racemische Verbindung keine sauren oder basischen Gruppen, so ist es häufig möglich, solche Gruppen vorübergehend einzuführen. Eine attraktive alternative Methode zur Trennung von Enantiomeren stellt die Chromatographie an einer chiralen stationären Phase dar. Sie wird verwendet, wenn kleinere Mengen an Enantiomerengemischen zu trennen sind. Am häufigsten wird sie eingesetzt, wenn es darum geht, den Gehalt der Enantiomere in einem Gemisch festzustellen. Das Trennprinzip beruht darauf, daß Enantiomere beim Passieren einer chiralen stationären Phase mit dieser diastereoisomere Aggregate bil-
57
3. Isomerie
den, die energetisch unterschiedlich stabil sind. Somit werden die Enantiomere im Chromatographieprozeß unterschiedlich schnell transportiert. Durch Wahl einer geeigneten chiralen stationären Phase kann für praktisch jedes Enantiomerengemisch eine passende Trennmethode entwickelt werden. Die Zusammensetzung eines gegebenen Enantiomerengemischs wird quantitativ häufig als sogenannter Enantiomerenüberschuß ee (von engl. enantiomer excess) angegeben. Es gilt: ee =
e1 – e 2 e1 + e 2
In diesem Ausdruck stehen e1 für den Anteil des überwiegenden Enantiomers und e2 für den Anteil des anderen Enantiomers. Die ee-Werte liegen zwischen 0, entsprechend dem Racemat, und 1 bzw. 100 %, entsprechend einer enantiomerenreinen Verbindung. Ist beispielsweise ee = 90 %, dann beträgt der Anteil des Racemats im Gemisch 10 %. Der Rest (90 %) ist der Überschuß eines der Isomere. Der Anteil dieses Isomers beträgt also insgesamt 95 %, derjenige des anderen Isomers 5 %. Der ee-Wert entspricht dem Quotienten aus dem optischen Drehwert (vgl. Kapitel 3.2.2) des Enantiomerengemischs und jenem des überwiegenden Enantiomers, wenn es in reiner Form vorliegt. Der Enantiomerenüberschuß wird deshalb gelegentlich als optische Reinheit bezeichnet. 3.2.10 Stereoselektive Reaktionen Wird bei einer chemischen Reaktion eines von zwei möglichen Stereoisomeren bevorzugt gebildet, so bezeichnet man die Reaktion als stereoselektiv. Handelt es sich bei den Stereoisomeren um Enantiomere, ist die Reaktion enantioselektiv, handelt es sich um Diastereoisomere, ist sie diastereoselektiv. Stereoselektive Reaktionen bilden die Basis für asymmetrische Synthesen, bei denen chirale Zielverbindungen in möglichst enantiomerenreiner Form hergestellt werden sollen. Allgemein gilt dabei, daß aus optisch inaktiven Edukten nur dann optisch aktive Produkte entstehen können, wenn man chirale (d. h. optisch aktive) Reagenzien oder Katalysatoren einsetzt. Somit gleicht die Ausgangslage jener bei der Trennung von Racematen: Racemische Gemische lassen sich nur trennen, indem man sie mit chiralen Reagenzien zu diastereoisomeren Gemischen umsetzt und diese anschließend trennt, oder indem man sie einer chiralen Umgebung aussetzt, z. B. durch Chromatographie (Kapitel 3.2.9). Es stellt sich nun ein fundamentales Problem: Wenn man ausgehend von achiralen Edukten zu einem chiralen Produkt gelangen will, muß man
58
3.2 Stereoisomerie
schon vorher über chirale Reagenzien oder Katalysatoren verfügen. Viele chirale Verbindungen, die als Edukte, Reagenzien oder Katalysatoren genutzt werden können, kommen in der belebten Natur vor. Man bezeichnet den Vorrat an chiralen Verbindungen in der Natur als chiral pool9. Die wichtigsten Vertreter dieses Vorrats sind die Proteine (Kapitel 7.14.2), die sowohl als chirale Katalysatoren (Enzyme) als auch als Rohstoffe zur Gewinnung der LAminosäuren in Frage kommen, und die Kohlenhydrate (Kapitel 7.14.3), unter denen D-Glucose die größte Bedeutung erlangt hat. Die erste enantioselektive Synthese gelang W. MARCKWALD im Jahre 1904. Er stellte fest, daß die Decarboxylierung der achiralen 2-Ethyl-2-methylmalonsäure in Gegenwart von (–)-Brucin, einem chiralen, mit Strychnin verwandten Alkaloid (Kapitel 7.14.4), mehr (R)- als (S)-2-Methylbutansäure liefert:
Die von TADEUS REICHSTEIN (1897–1996) im Jahre 1933 etablierte Methode zur Herstellung enantiomerenreiner L-Ascorbinsäure (Vitamin C) greift gleich zweimal auf den chiral pool zurück. Die Synthese geht von D-Glucose aus. Zwei ihrer vier Chiralitätszentren, nämlich C(2) und C(3), erscheinen im LAscorbinsäuremolekül in unveränderter Konfiguration. CHO HO
2
OH
2
CH2OH
CH2OH
OH
OH
HO
3
HO
OH OH
5
CH2OH *
OH
OH
OH
O
CH2OH
CH2OH
CH2OH
D-Glucose
D-Glucitol (Sorbitol)
L-Sorbose
OH O O
* HO
OH
L-Ascorbinsäure (Vitamin C)
9
Selbstverständlich muß man sich an dieser Stelle fragen, warum im Verlauf der Evolution gewisse chirale Verbindungen ursprünglich gegenüber ihren Enatiomeren bevorzugt gebildet oder angereichert worden sind. Die Frage ist Gegenstand aktueller Forschung und kann derzeit nicht schlüssig beantwortet werden.
59
3. Isomerie
Der Schlüsselschritt der Reaktionssequenz ist die diastereoselektive Oxidation von D-Glucitol (Sorbitol) zu L-Sorbose, die enzymkatalysiert erfolgt10. Als Biokatalysator wird hier nicht ein gereinigtes Enzym eingesetzt, sondern eine Suspension intakter Bakterien des Typs Acetobacter suboxydans. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird die Methodik der stereoselektiven Reaktionen und der asymmetrischen Synthese systematisch erforscht. Inzwischen stehen für viele wichtige Reaktionstypen allgemein anwendbare stereoselektive Varianten zur Verfügung. Typische Beispiele finden sich unter den Hydrierungen (Kapitel 4.4.1), den Epoxidierungen von Alkenen (Kapitel 4.8.3) und den enzymkatalysierten Reaktionen (Kapitel 4.16).
3.3
Konformation aliphatischer Verbindungen
Ein substituiertes Ethan wie 1 ist um die C–C-Bindung frei drehbar. Dabei kann das Molekül in unendlich vielen Formen vorkommen. Bei allen diesen Konformationen des Moleküls sind die Atome miteinander in gleicher Weise verknüpft. Wenn sich an den beiden C-Atomen in 1 verschieden große Sub-
stituenten befinden, sind jedoch nicht alle Konformationen des Moleküls gleichwertig. Unter den unendlich vielen Konformationen, die das in Formel 1 dargestellte Molekül beim Drehen um die C–C-Bindung durchläuft, sind einige besonders günstig oder ungünstig. Neben der perspektivischen Darstellung dieser Konformere (1a–4a) wird oft eine von Newman eingeführte Projektion verwendet. Dafür betrachtet man das Molekül von vorne entlang der C–C-Bindung (Pfeil bei 1a). In den Newman-Projektionsformeln (1b – 4b) sind die Substituenten am vorderen C-Atom dadurch hervorgehoben, daß ihre Bindungen bis zum Zentrum des Hilfskreises durchgezeichnet sind. Unter den Projektionen sind 10
Die Diastereoselektivität dieser Oxidation beruht darauf, daß die OH-Gruppe an C(5) und nicht jene an C(2) von D-Glucitol oxidiert wird. Würde die letztgenannte OH-Gruppe oxidiert, dann wäre das Produkt D-Fructose (vgl. Kapitel 7.14.3), eine zu L-Sorbose diastereoisomere Verbindung.
60
3.3 Konformation aliphatischer Verbindungen
neben den zugehörigen deutschen auch die in der Literatur häufig verwendeten englischen Bezeichnungen angegeben.
Figur 3.3. Typische Konformationen eines substituierten Ethans (oben) und entsprechende Newman-Projektionen (unten). Die Substituentensymbole bedeuten: 앪 = kleiner Substituent (z. B. –H, –F), 앬 = mittelgroßer Substituent (z. B. –OH, –CH3 ), 쎻 = großer Substituent (z. B. –C(CH3 )3 ).
Die Stabilität der Konformationen nimmt in der Reihenfolge 1 A 4 ab. Die gestaffelte Konformation wird bevorzugt, besonders wenn sehr große Substituenten vorhanden sind. Bereits etwas weniger günstig ist eine schief gestaffelte Konformation (2), da sich darin zwei große Substituenten gegenseitig etwas behindern können. Sind nur mittelgroße Substituenten vorhanden, so kann zwischen 1 und 2 nicht mehr unterschieden werden. Dasselbe gilt bei den ekliptischen Konformeren 3 und 4. Besonders bei Anwesenheit großer Substituenten kommt es zu starken Wechselwirkungen (C in 3 und 4) zwischen den gleichständigen Substituenten. Deshalb sind ekliptische Konformationen ungünstig.
61
3. Isomerie
Bei Butan erfordert die Überführung des Moleküls von der stabilsten gestaffelten Konformation 5a in die ungünstigste ekliptische Konformation 5b einen Energiebetrag von ca. 29 kJ/mol. Dieser Energieunterschied ist jedoch nicht ausreichend, um eine Drehung um die C–C-Bindung zu verunmöglichen. Chemische Reaktionen sind daher auch dann durchführbar, wenn sie eine ungünstige Konformation des Moleküls voraussetzen. Beispielsweise läßt sich 2,3-Dimethylbernsteinsäure 6a in das entsprechende Anhydrid überführen, obschon die Reaktion über das ungünstige Konformere 6b verlaufen muß.
Offenkettige Moleküle liegen immer vorwiegend in einer gestaffelten Konformation vor. Bei cyclischen Verbindungen ist jedoch die Beweglichkeit reduziert. Beim Cyclopropan beispielsweise erlaubt es der starre Dreiring höchstens in beschränktem Ausmaß, die Wechselwirkungen zwischen den durchwegs ekliptischen H-Atomen durch Ausweichbewegungen zu reduzieren. Das ist ein weiterer Grund dafür, daß Cyclopropanderivate nicht sehr stabil sind (vgl. auch Kapitel 2.1.4). Besonders gilt dies, wenn der Cyclopropanring große Substituenten trägt:
62
3.4 Stereochemie der alicyclischen Verbindungen
3.4
Stereochemie der alicyclischen Verbindungen
3.4.1
BAEYER’sche Ringspannung
Die Kohlenstoffatome in gesättigten alicyclischen Verbindungen sind sp3hybridisiert. Unter der Annahme, daß die Verbindungen eben gebaut sind, kommen aber zum Teil erheblich vom Tetraederwinkel (109,5°) abweichende Bindungswinkel vor. Besonders klein sind die Bindungswinkel beim Cyclopropan und beim Cyclobutan. Deshalb sind diese Ringe gespannt und viel weniger stabil als das Cyclopentan mit einem vom Tetraederwinkel nur unwesentlich abweichenden Bindungswinkel von 108°. Für größere Ringe wie
Cyclohexan und Cycloheptan müßte man wegen gespreizter Bindungswinkel wieder eine Abnahme der Stabilität erwarten. Das stimmt aber offensichtlich nicht, denn Cyclohexan und Cycloheptan sind genau so stabil wie Cyclopentan. Die Theorie der Ringspannung hat denn auch nur bei den kleinen Ringen ihre Berechtigung. Da alicyclische Verbindungen nicht eben gebaut sind (Kapitel 2.1.4), können sie mit Ausnahme des drei- und des viergliedrigen Rings ohne Deformation der Bindungswinkel aufgebaut werden. Ein Maß für die Ringspannung erhält man aus der Bestimmung der Verbrennungswärmen ∆H. Die Reaktionsgleichung für die Verbrennung von Cyclobutan lautet
Für Vergleichszwecke gibt man die Verbrennungswärmen pro CH2-Gruppe an (Tabelle 3.1).
63
3. Isomerie
Tabelle 3.1. Verbrennungswärmen in kJ/mol pro CH2-Gruppe für einige alicyclische Verbindungen. Verbindung
Verbrennungswärme
Verbindung
Verbrennungswärme
Ethen
712
Cyclopentan
664
Cyclopropan
705
Cyclohexan
659
Cyclobutan
694
Cycloheptan
663
3.4.2
Die PITZER-Spannung
Neben der Ringspannung tragen auch die Wechselwirkungen zwischen den ekliptischen H-Atomen oder Substituenten (vgl. Kapitel 3.3) zur Destabilisierung von kleinen Ringen bei. Diese als Pitzer-Spannung bezeichnete Erscheinung (in den folgenden Formeln nur für die oberhalb der Ringebene liegenden H-Atome durch Doppelpfeile angedeutet) ist besonders stark beim Cyclopropan (1), wo die Abstoßung zwischen den ekliptischen H-Atomen durch Deformation von Bindungswinkeln nur in geringfügigem Maße vermindert werden kann.
Cyclobutan liegt nicht in der ebenen Form 2a mit acht ekliptischen H-Atomen (oder Substituenten) vor, sondern in einer leicht gewinkelten Struktur wie 2b. Obschon dabei die Bindungswinkel noch weiter deformiert werden müssen, ist 2b dank der verminderten Pitzer-Spannung dennoch die günstigere Konformation von Cyclobutan als 2a. In der ebenen Konformation 3a von Cyclopentan sind sämtliche Wasserstoffatome ekliptisch. Die Pitzer-Spannung kann beträchtlich reduziert werden, wenn eines der Ring-C-Atome aus der Molekülebene von 3a herausgehoben wird (3b). Es konnte gezeigt werden, daß Cyclopentan tatsächlich in der sogenannten „Briefumschlag“-Konformation 3b vorliegt.
64
3.4 Stereochemie der alicyclischen Verbindungen
Auch Cyclohexan ist nicht eben gebaut. Drei Konformationen, die nach ihrer Gestalt als Sesselform (4a), als Wannen- oder Bootform (4b) und als Twistform (4c) bezeichnet werden, sollen näher betrachtet werden. Die Sesselform 4a mit durchweg schief gestaffelten H-Atomen ist die günstigste Konformation. In der Bootform 4b sind acht H-Atome in den Stellungen 2, 3, 5 und 6 ekliptisch. Zudem kommen sich die H-Atome in 1- und 4-Stellung so nahe, daß auch hier eine abstoßende Wechselwirkung auftritt. Wegen dieses BugHeck-Effekts (Doppelpfeil in 4b) und der Pitzer-Spannung ist die Bootform von Cyclohexan um ca. 38 kJ/mol weniger stabil als die Sesselform. In der Bootform, die im Gegensatz zu den starren Sesselformen ziemlich flexibel ist, können sowohl die Pitzer-Spannung als auch der Bug-Heck-Effekt durch eine Verdrehung des Moleküls reduziert werden. Dies ergibt die Twistform 4c, die nur um etwa 21 kJ/mol weniger stabil ist als die Sesselform. Die Twistform wird vor allem bei gewissen substituierten Cyclohexanderivaten realisiert (Kapitel 3.4.4).
3.4.3
Konformationen von Cyclohexanderivaten
Zu jedem Cyclohexanderivat lassen sich zwei Sesselformen formulieren. Diese durch Umklappen ineinander überführbaren Konformationen (5c, 5d) stehen miteinander im Gleichgewicht. Bei Cyclohexan selbst sind die beiden Konformere gleichwertig.
65
3. Isomerie
5a
5b
5c
5d
Formel 5a zeigt, daß sich die zwölf Substituenten am Cyclohexanring in zwei Gruppen einteilen lassen. Betrachtet man in 5a den sechsgliedrigen Ring als annähernd ebenes Gebilde, so ragen sechs axiale Substituenten senkrecht nach oben oder unten heraus, während die übrigen sechs äquatorialen Substituenten (farbig) ungefähr in der Ringebene liegen. Beim Umklappen der Sesselform 5a 5b vertauschen alle Substituenten ihre Rollen. In Methylcyclohexan kann die Methylgruppe äquatorial (6a) oder axial (6b) angeordnet sein. Die beiden Konformationen sind hier nicht gleichwertig. Zwar ist die Methylgruppe bei beiden Formen bezüglich der H-Atome in 2- und 6-Stellung in einer schief gestaffelten Anordnung. Bei 6b treten jedoch Wechselwirkungen zwischen der axial stehenden großen Methylgruppe und den ebenfalls axialen H-Atomen in 3- und 5-Stellung auf. Wegen dieser 1,3-Wechselwirkungen ist 6b weniger günstig als die Konformation 6a, bei der die entsprechenden Wechselwirkungen viel schwächer sind.
Der Anteil des Konformers mit äquatorialer Stellung des Substituenten R im Gleichgewichtsgemisch 7a 7b wächst mit zunehmender Größe von R. Durch Einführen eines sehr großen Substituenten kann man einen Cyclohexanring in der einen Sesselform (7a) praktisch vollständig fixieren.
66
3.4 Stereochemie der alicyclischen Verbindungen
Trägt ein Cyclohexanring mehrere Substituenten, so ist diejenige Konformation am stabilsten, bei der möglichst viele, und zwar vor allem große Substituenten eine äquatoriale Lage einnehmen.
3.4.4
cis-trans-Isomerie bei alicyclischen Verbindungen
Trägt eine alicyclische Verbindung zwei Substituenten in verschiedenen Stellungen, so ist eine cis-trans-Isomerie möglich: Die beiden Substituenten können sich auf derselben Seite (cis-Konfiguration) oder auf entgegengesetzten Seiten (trans-Konfiguration) der Ringebene befinden. Ist eines dieser Isomere asymmetrisch gebaut, so ist zusätzlich zur cis-trans-Isomerie auch eine Spiegelbildisomerie möglich. Es gibt beispielsweise drei isomere Cyclopropandicarbonsäuren. Die cis-Form ist spiegelsymmetrisch und daher achiral. Sie wird als meso-Form bezeichnet. Die trans-Formen sind dagegen chiral und daher optisch aktiv. Sie verhalten sich wie Bild und Spiegelbild und bilden ein Enantiomerenpaar.
Außer durch die optische Drehung unterscheiden sich die trans-Formen von der cis-Form auch in anderen physikalischen Daten und bezüglich der chemischen Reaktivität: Beispielsweise haben die trans-Formen einen höheren Schmelzpunkt und sind schlechter wasserlöslich als die cis-Form. Zudem kann nur aus der cis-Form ein Anhydrid gebildet werden, da bei der transForm die beiden Carboxylgruppen zu weit voneinander entfernt sind. Bei
67
3. Isomerie
substituierten Cyclobutanen und Cyclopentanen sind die Verhältnisse dieselben, es sind jedoch mehr Isomere möglich, da zwei Substituenten in diesen Verbindungen in 1,2-Stellung oder in 1,3-Stellung stehen können. Disubstituierte Cyclohexanderivate sind chiral, wenn die Substituenten sich in 1,2-trans- oder in 1,3-trans-Stellung befinden. 1,4-disubstituierte Cyclohexanderivate sind in jedem Fall symmetrisch. In Figur 3.4 sind die Isomere von Dichlorcyclohexan dargestellt (mit Ausnahme des 1,1-Dichlorcyclohexans).
Figur 3.4. Isomere von Dichlorcyclohexan.
Jedes dieser Isomere kann in verschiedenen Konformationen vorkommen. Sind im Molekül voneinander verschiedene Substituenten vorhanden, so sind nicht alle dieser Konformere gleichwertig. Beim 2-Methylcyclohexanol beispielsweise ist die Stabilität der Konformere des trans-Isomers besonders leicht zu beurteilen. Da die äquatoriale Lage der Substituenten günstiger
68
3.4 Stereochemie der alicyclischen Verbindungen
ist, wird das diäquatoriale Konformer überwiegen. Beim cis-Isomer ist dasjenige Konformer bevorzugt, bei dem der größere Substituent (hier die Methylgruppe) eine äquatoriale Lage einnimmt. Dabei steht der kleinere Substituent (hier –OH), der die geringeren 1,3-Wechselwirkungen verursacht, axial.
Sind die Unterschiede zwischen den Substituenten groß genug, so kann man das Molekül in der einen Konformation fixieren. Bei 4-tert.-Butylcyclohexanol liegen beide Isomere praktisch vollständig in der Konformation mit äquatorialer tert.-Butylgruppe vor.
An Verbindungen dieses Typs kann die Abhängigkeit des chemischen Verhaltens einer funktionellen Gruppe von der Stereochemie untersucht werden. So läßt sich an diesen Beispielen zeigen, daß sich axiale OH-Gruppen schlech-
69
3. Isomerie
ter verestern lassen als äquatoriale. Leichter gelingen dagegen die Oxidation zu einem Keton und die Abspaltung von Wasser zu einem Cyclohexenderivat bei der cis-Form mit der axialen OH-Gruppe. Die so gewonnenen Erkenntnisse lassen sich weitgehend auf andere Verbindungen mit fixierter Konformation übertragen, d. h. alle axialen und äquatorialen OH-Gruppen zeigen dieses hier beschriebene chemische Verhalten. Beide Sesselkonformationen von cis-1,4-Di-tert.-butylcyclohexan sind ungünstig, da jedesmal einer der großen tert.-Butylsubstituenten in axialer Position steht. Günstiger ist die Twist-Konformation für Verbindungen dieses Typs, weil dabei sowohl die Pitzer-Spannung als auch der Bug-HeckEffekt weniger stark sind als bei der Bootkonformation.
3.4.5
Polycyclische Systeme
Alicyclische Ringe, z. B. Cyclohexanringe können auf mehrere Arten miteinander verknüpft werden, wobei die beiden Ringe kein, ein oder zwei (evtl. auch mehr) gemeinsame C-Atome aufweisen:
70
3.4 Stereochemie der alicyclischen Verbindungen
Cyclohexylcyclohexan- und Spiro-[5,5]-undecan-Systeme zeigen keine besonderen stereochemischen Probleme. Im ersten Fall sind die beiden Ringe frei gegeneinander drehbar. In Spiro-Verbindungen wie Spiro-[5,5]-undecan stehen die Ringe senkrecht zueinander. Die Verknüpfung von zwei sechsgliedrigen Ringen zu einem Decalin kann auf zwei Arten erfolgen:
Zur Unterscheidung der Decaline wird die Stellung der beiden an die Verknüpfungsstellen gebundenen H-Atome (oder Substituenten) betrachtet. Befinden sich diese beiden Wasserstoffatome auf derselben Seite des Moleküls, wird die Verbindung als cis-Decalin bezeichnet. Bezogen auf jeden der beiden Ringe ist eines der H-Atome an der Verknüpfungsstelle axial, das andere äquatorial angeordnet. Befinden sich die beiden Wasserstoffatome an den Verknüpfungsstellen auf verschiedenen Seiten des Moleküls, wird die Verbindung als trans-Decalin bezeichnet. trans-Decalin ist um etwa 8 kJ/mol stabiler als cis-Decalin. Dieser Unterschied dürfte vor allem auf die Wechselwirkungen zwischen den nahe beieinanderstehenden axialen Wasserstoffatomen in den Stellungen 1, 3, 5 und 7 von cis-Decalin angedeutet sind, zurückzuführen zu sein.
In trans-Decalin fehlen derartige Wechselwirkungen. Das Ringsystem von trans-Decalin ist vollständig starr. Es ist unmöglich, einen oder beide sechsgliedrigen Ringe in die zweite Sesselkonformation umzuklappen. Eine andere denkbare Konformation des trans-Decalins, bei der beide Cyclohexan-
71
3. Isomerie
ringe die Bootform annehmen würden, ist energetisch sehr ungünstig. transDecalin ist daher eine Verbindung mit fixierter Konformation (vgl. 4-tert.-Butylcyclohexanol, Kapitel 3.4.4); jeder einmal in axialer oder äquatorialer Stellung eingeführte Substituent wird diese Position beibehalten. Im Gegensatz dazu stehen dem cis-Decalin zwei Konformationen zur Verfügung. Beim entsprechenden Übergang klappen beide Sechsringe um. Dabei wechseln neben den an den Verknüpfungsstellen 9 und 10 stehenden H-Atomen auch alle vorhandenen Substituenten ihre Stellung von axial nach äquatorial und umgekehrt. Für Formeln von Naturstoffen, die Systeme aus mehreren Ringen enthalten können, wird eine vereinfachte Schreibweise verwendet: Cyclohexanringe werden als ebene Sechsecke dargestellt. Substituenten werden als αständig (β-ständig) bezeichnet und durch punktierte (keilförmig ausgezogene) Bindungsstriche gekennzeichnet, wenn sie nach hinten (vorne) aus der Molekülebene herausragen:
72
3.5 Übungen
3.5
Übungen
3.1
Formulieren Sie sämtliche Konstitutionsisomere mit der Summenformel C3H7N.
3.2
Zeichnen Sie die Strukturformeln aller Isomere mit der Summenformel C4H8.
3.3
Formulieren Sie alle Stereoisomere von a) 1,3-Pentadien (CH2=CH–CH=CH–CH3). b) 1,4-Dibrom-1,3-butadien (CHBr=CH–CH=CHBr). c) 1,2-Cyclobutandiol:
3.4
In den folgenden Strukturformeln sind die Chiralitätszentren zu markieren. Wie viele Stereoisomere sind in jedem Fall möglich?
3.5
Für eine Lösung von 18,51 mg der Verbindung C19H26OF2 in 2 ml Chloroform wurde ein optischer Drehwinkel von + 0,944° gemessen (T = 20 °C, Länge des Meßrohrs 10 cm, Natriumdampflampe). Berechnen Sie [α]20 D.
73
3. Isomerie
3.6
Für eine Lösung von 16,455 mg einer Substanz A in 1,97 ml Ethanol ergab sich ein optischer Drehwinkel von –0,549°. Für eine Substanz B (22,345 mg in 1,97 ml Ethanol) fand man eine Drehung von +0,75°. Beide Messungen wurden bei 20 °C in einem 10 cm langen Rohr ausgeführt. Könnten die Substanzen A und B Enantiomere sein?
3.7
Formulieren Sie sämtliche Stereoisomere der Arabinose (vgl. Kapitel 3.2.2, Abschnitt „Relative Konfiguration“).
3.8
Formulieren Sie sämtliche isomeren Cyclobutandicarbonsäuren. Welche Isomere sind chiral?
3.9
Zeichnen Sie die stabilste Konformation für die folgenden Verbindungen und bezeichnen Sie die Stellung der Substituenten als axial oder äquatorial: a) trans-l,3-Dibromcyclohexan; b) cis-1-Isopropyl-2fluorcyclohexan; c) cis-1,4-Cyclohexandiol.
74
4. Reaktionstypen
4.1
Einleitung
Bei jeder chemischen Reaktion werden bestehende Bindungen gebrochen und neue Bindungen gebildet. Das kann auf mehrere Arten geschehen, womit sich eine erste Klassifizierung der organisch-chemischen Reaktionen ergibt.
4.1.1
Reaktionsmechanismen
Bei der Durchführung einer chemischen Reaktion gilt das Interesse zunächst der Stöchiometrie, den erzielten Ausbeuten und etwaigen Nebenreaktionen. Es ist deshalb nützlich, als erstes die Stöchiometrie einer Reaktion korrekt aufzuschreiben. Daraus ergeben sich meist Fragen zum Ablauf der Reaktion; man möchte möglichst genau wissen, was mit den vorgelegten Verbindungen geschieht. Bei vielen Reaktionen erfolgt die Umsetzung der Edukte A und B zum Produkt C nicht direkt.
Existiert das intermediär gebildete Molekül X nur sehr kurzfristig, so spricht man von einem Übergangszustand. Besitzt X eine längere Lebensdauer, so handelt es sich um ein nachweisbares, manchmal sogar isolierbares Zwischenprodukt. Das Molekül X reagiert dann weiter zum Produkt C. Nebenreaktionen lassen sich meist damit erklären, daß das Zwischenprodukt X mehrere Folgereaktionen eingehen kann, die außer zum Produkt C zu Nebenprodukten D, E usw. führen:
75
4. Reaktionstypen
Für die Untersuchung des Ablaufs oder Mechanismus einer Reaktion sind eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, so vor allem die Kinetik, die Stereochemie, das verwendete Lösungsmittel und die Anwesenheit von Substituenten in den reagierenden Molekülen.
4.1.2
Formelmäßige Darstellung von Reaktionsmechanismen
Radikalreaktionen Die Bindung in einem Molekül A–B kann homolytisch gespalten werden: Die Elektronenpaarbindung wird so aufgelöst, daß je ein Elektron auf die Molekülteile A und B übergeht. Dabei entstehen zwei Teilchen mit je einem ungepaarten Elektron, zwei Radikale (Kapitel 2.2.3):
Die homolytische Spaltung einer Bindung unter Bildung von Radikalen wird durch zwei kleine, gebogene Pfeile dargestellt. Radikale sind sehr reaktionsfähig. Sie können sich in Umkehrung des Homolysevorgangs wieder zu Molekülen A–B, A–A und B–B zusammenfinden, oder, wie im folgenden Beispiel, weiterreagieren:
76
4.1 Einleitung
Schließlich kann man die entstandenen Radikale mit anderen im Reaktionsgemisch enthaltenen Verbindungen reagieren lassen (vgl. Kapitel 4.10). Polare Reaktionen Bei der heterolytischen Spaltung einer Verbindung A–B geht das bindende Elektronenpaar ganz auf einen der beiden Molekülteile über, und es entstehen Ionen:
A
B
A+
A
B
A
+
–
+
B–
B+
Welcher der beiden Vorgänge abläuft, hängt von den Eigenschaften der beiden Molekülteile A und B und von den Reaktionsbedingungen ab. Bei polaren Reaktionen werden immer ganze Elektronenpaare verschoben. Mit den Pfeilen kann man andeuten, ob ein Elektronenpaar auf ein Atom des Moleküls übergeht und dort eine negative Ladung verursacht oder zur Ausbildung einer neuen Bindung verwendet wird:
Intramolekulare und intermolekulare Reaktionen Bei einer intermolekularen Reaktion reagieren zwei oder mehrere Moleküle miteinander. Intramolekulare Reaktionen spielen sich hingegen innerhalb eines Moleküls ab. Ein Beispiel für den letzteren Fall ist die Acetatpyrolyse: Beim Erhitzen von Essigsäureestern erhält man Essigsäure und ein Alken.
77
4. Reaktionstypen
4.1.3
Nucleophile und elektrophile Reagenzien
Die für organisch-chemische Reaktionen verwendeten Reagenzien laßen sich in zwei Gruppen einteilen: Nucleophile Reagenzien geben bei der Reaktion Elektronen ganz oder teilweise ab. Nucleophile müßen daher elektronenreiche Moleküle oder Anionen sein:
Zu den Nucleophilen gehören auch alle Reduktionsmittel. Diese Reagenzien greifen immer an besonders elektronenarmen Stellen des Reaktionspartners an, also an einem Ort, wo sie möglichst nahe an einen Atomkern (daher der Name) herankommen. Elektrophile Reagenzien nehmen bei Reaktionen Elektronen ganz oder teilweise auf. Zu diesen Reagenzien gehören Kationen und elektronenarme Moleküle (Lewis-Säuren):
78
4.1 Einleitung
Hierher gehören neben den Oxidationsmitteln auch alle Verbindungen, in denen Kohlenstoff mit elektronegativeren Elementen verbunden ist, wie z. B.
In diesen Verbindungen weist das Kohlenstoffatom wegen der Polarisierung der Bindungen ein Elektronendefizit auf und trägt deshalb eine positive Teilladung (vgl. Kapitel 2.1.5).
4.1.4
Substituenteneinflüsse: Induktive und mesomere Effekte
Die Stärke von Carbonsäuren (Kapitel 7.8) kann durch die Einführung von Substituenten verändert werden (Figur 4.1).
Figur 4.1. Säuredissoziationskonstanten Ka und pKa-Werte (pKa = –log Ka ) von Chloressigsäure, Essigsäure und Propionsäure.
Das stark elektronegative Chlor zieht die Elektronen der C–Cl-Bindung in der Chloressigsäure an. Diese polarisierte Bindung induziert auch in benachbarten Bindungen einen Dipol. So kann sich die elektronenanziehende Wirkung des Chlors durch alle weiteren Bindungen fortpflanzen, wodurch auch das Elektronenpaar der bereits in Richtung auf den Sauerstoff polarisierten O–HBindung noch mehr vom Wasserstoff weggezogen wird. Deshalb läßt sich nun das Proton leichter vom Molekül ablösen; die Verbindung ist eine stärkere Säure als Essigsäure. Das Carboxylat-Ion XCH2COO – weist eine höhere Stabilität auf, als das unsubstituierte Acetat-Ion CH3COO –. Die negative Ladung der COO –-Gruppe wird stabilisiert, indem sie dank der elektro-
79
4. Reaktionstypen
nenanziehenden Wirkung des Substituenten X teilweise von der COO –Gruppe abgezogen wird und sich damit über eine größere Zahl von Atomen ausbreiten kann.
Diese Erscheinung wird als induktiver Effekt bezeichnet. Elektronenanziehende Substituenten, welche z. B. die Acidität von Carbonsäuren erhöhen, haben einen negativen induktiven Effekt (–I-Effekt; lies: „minus-I-Effekt“). Beispiele:
Es gibt auch Gruppen Y, die entgegengesetzt wirken und so die Elektronendichte über der COO –-Gruppe eines Carboxylat-Ions noch steigern. Damit wird das Anion destabilisiert, die freie Säure Y-CH2-COOH die günstigere Form und die Säure somit schwächer. Positive induktive Effekte (+I-Effekt) werden vor allem von Alkylsubstituenten ausgeübt, wobei die Stärke des +I-Effekts mit zunehmender Verzweigung am α-Kohlenstoffatom ansteigt und die Säurestärke entsprechend abnimmt:
80
4.1 Einleitung
Führt man mehrere elektronenanziehende Substituenten in die α-Stellung einer Carbonsäure ein, so summieren sich die –I-Effekte bei gleichzeitiger Steigerung der Acidität:
Der Einfluß von Substituenten mit –I-Effekt auf die Acidität von Carbonsäuren nimmt mit wachsendem Abstand von der COOH-Gruppe rasch ab:
Bei Molekülen, die ein System von konjugierten Doppelbindungen enthalten oder aromatisch sind, kann das chemische Verhalten ebenfalls durch Substituenten beeinflußt werden. Dieser mesomere Effekt besteht darin, daß die Elektronendichte im π-Elektronensystem verändert wird. Substituenten mit einem positiven mesomeren Effekt (+M-Effekt) weisen immer freie Elektronenpaare auf, die mit dem π-Elektronensystem des Moleküls in Wechselwirkung treten können und dort die Elektronendichte erhöhen. Dazu gehören:
Einen negativen mesomeren Effekt (–M-Effekt) üben alle jene Substituenten aus, welche eine polarisierte Doppelbindung enthalten, die ihrerseits wiederum mit dem π-Elektronensystem des Moleküls in Konjugation steht (Kapitel 2.2.1 und 2.6.1). Das dem Grundgerüst am nächsten stehende Atom, das ein Elektronendefizit aufweist, hat die Tendenz, dem π-Elektronensystem Elektronen zu entziehen:
81
4. Reaktionstypen
Die Auswirkungen des mesomeren Effekts können an folgenden Beispielen demonstriert werden:
Die Basizität von substituierten Anilinen hängt davon ab, in welchem Maß die NH2-Gruppe ihr freies Elektronenpaar für die Anlagerung eines Protons zur Verfügung stellen kann. Als Maß für die Basizität der substituierten Aniline ist hier der pKa-Wert der konjugierten Säure angegeben. Es sei an dieser Stelle an die Beziehung zwischen der Basizität einer Verbindung und der Acidität der entsprechenden konjugierten Säure erinnert: Wenn eine Base schwach ist, dann ist die konjugierte Säure stark und umgekehrt. Ein Substituent mit +M-Effekt in para-Stellung (vgl. Kapitel 7.13) erhöht die Basizität: Die mesomeren Grenzformeln von p-Methoxyanilin (p-Anisidin) zeigen, daß eines der freien Elektronenpaare des Sauerstoffs mit dem 6π-Elektronensystem des Benzolrings in Wechselwirkung tritt. Damit entsteht in ortho- und para-Stellung zur OCH3-Gruppe eine höhere Elektronendichte.
82
4.1 Einleitung
Besonders die Grenzform b zeigt, daß auf Grund dieser Elektronenverteilung das für die Basizität wichtige Elektronenpaar ganz beim Stickstoff bleibt und deshalb p-Anisidin stärker basisch ist als Anilin. Im Anilin selbst wird nämlich das Elektronenpaar des Stickstoffs teilweise durch Mesomerie mit dem aromatischen Kern beansprucht:
Der an diesen Beispielen gezeigte Formalismus zum Verschieben der Elektronenpaare beschreibt jeweils eine von mehreren Möglichkeiten. Um von Anilin zur Grenzformel c zu gelangen, könnte man auch schreiben:
Wesentlich stärker wird das Elektronenpaar der NH2-Gruppe beansprucht, wenn ein Substituent mit –M-Effekt, z. B. die Nitrogruppe im p-Nitroanilin, dem Benzolkern Elektronen entzieht. Insbesondere die Grenzstruktur b zeigt, daß das Elektronenpaar am Stickstoff nicht mehr vollständig für die Bindung von Protonen zur Verfügung steht und daher p-Nitroanilin eine schwächere Base ist als Anilin.
83
4. Reaktionstypen
Viele Substituenten haben sowohl einen induktiven als auch einen mesomeren Effekt, eventuell mit entgegengesetztem Vorzeichen (z. B. OCH3-Gruppe). Bei solchen Substituenten, aber auch bei mehrfach substituierten Verbindungen sind die verschiedenen Effekte gegeneinander abzuwägen. Bei mesomeren Effekten ist zudem zu überprüfen, ob sie sich überhaupt auswirken können. Im p-Anisidin überwiegt der +M-Effekt der OCH3-Gruppe.
Vor allem auf Grund der mesomeren Grenzform b ist p-Anisidin (s. oben) eine stärkere Base als Anilin. Beim m-Anisidin weist keine der Grenzstrukturen eine negative Ladung an dem der NH2-Gruppe benachbarten C-Atom auf.
Daher kann sich der +M-Effekt aus der meta-Stellung heraus nicht auf die NH2-Gruppe auswirken. Dagegen macht sich der –I-Effekt, der ja durch die σ-Bindungen hindurch wirkt, hier bemerkbar: m-Anisidin ist eine etwas schwächere Base als Anilin. Als weiteres Beispiel sollen die Phenole betrachtet werden. Diese Verbindungen sind im Gegensatz zu den aliphatischen Alkoholen schwache Säuren, weil das nach Ablösung des Protons entstehende Phenolat-Ion durch Mesomerie stabilisiert werden kann. Eine Beeinflussung der Acidität durch mesomere Effekte ist hier nur möglich, wenn ortho- oder para-ständige Substituenten eingeführt werden. Wie die mesomeren Grenzformen a–c zeigen, ist in diesen Stellungen die Elektronendichte erhöht. Substituenten mit –M-Effekt in ortho- und para-Stel-
84
4.1 Einleitung
lung stabilisieren das Phenolat-Ion (stärkere Acidität des Phenols), während solche mit +M-Effekt es destabilisieren (schwächere Acidität des Phenols). Im letzteren Fall ist das Phenolat-Ion weniger stabil, da die Verteilung der negativen Ladung auf die ortho- und para-Stellungen durch den Substituenteneinfluß behindert ist. Bei vielen Substituenten treten mesomere Effekte gemeinsam mit induktiven Effekten auf. In solchen Fällen können sich die beiden Effekte gegenseitig verstärken oder abschwächen (Figur 4.2).
Verbindung
Substituenteneffekt(e)
+M > –I
+I
–I > +M
–M, –I
pKa-Werte
9,98 9,65 10,20
10,20 10,01 10,17
8,49 8,85 9,18
7,17 8,28 7,15
orthometapara-
Figur 4.2. Der Einfluß induktiver und mesomerer Effekte von Substituenten auf die Säurestärke substituierter Phenole. Phenole, die Substituenten mit +M-Effekt in ortho- oder para-Stellung tragen, sind schwächer sauer als Phenol (pKa = 9,89). Umgekehrt stabilisieren Substituenten mit –M-Effekt das Phenolat-Ion und erhöhen damit die Acidität. Substituenten mit induktivem Effekt haben dieselbe Wirkung, können die Acidität von Phenolen aber auch beeinflußen, wenn sie meta-ständig sind. Bei Substituenten, die M- und I-Effekte haben, gibt der jeweils stärkere Effekt den Ausschlag.
85
4. Reaktionstypen
4.2
Nucleophile Substitutionsreaktionen
Nucleophile Substitutionsreaktionen verlaufen nach einer der beiden folgenden allgemeinen Gleichungen
Ein Nucleophil X oder X– (Kapitel 4.1.3.) greift eine Verbindung R–Y an und verdrängt daraus den Substituenten Y –. Das Nucleophil muß ein freies Elektronenpaar besitzen, das für die Bildung der neuen R-X-Bindung verwendet werden kann; das Elektronenpaar der R–Y-Bindung geht auf die nucleofuge Gruppe Y über, die das Molekül als Y – verläßt. Man beachte, daß die nucleofuge Gruppe prinzipiell auch ein Nucleophil ist, da sie ein freies Elektronenpaar besitzt. Deshalb kann die nucleophile Substitution als Gleichgewicht formuliert werden. Die Steuerung des Reaktionsverlaufs erfolgt in den meisten Fällen durch geschickte Wahl sowohl des Nucleophils als auch der nucleofugen Gruppe. Die Gleichgewichtskonstante kann auf diese Weise innerhalb weiter Grenzen variiert werden. Darüber hinaus stehen die Standardmethoden zur Beeinflußung von Gleichgewichtsreaktionen zur Verfügung (Überschuß eines der Edukte, meist des Nucleophils, Entfernung eines der Produkte aus dem Reaktionsgemisch, oder beides). Tabelle 4.1 zeigt einige Typen von nucleophilen Substitutionsreaktionen. Weitere Reagenzien vom X –-Typ sind: CH3COO – (Acetat), NH2– (Amid), N3– (Azid), H–C ⬅C – (Acetylid), CH3S – (Thioalkoholat), SCN – (Rhodanid) usw. Zu den Nucleophilen vom X –-Typ gehören auch die EnolatIonen. In diesen mesomeriestabilisierten Anionen ist die negative Ladung über zwei Atome verteilt (vgl. Schema auf S. 88). Eine nucleophile Substitutionsreaktion, z. B. mit Methyliodid, führt zu zwei Produkten, einem Keton (C-Alkylierung) und einem Enolether (O-Alkylierung). Welche der beiden Reaktionen überwiegt, hängt von der Struktur des Ausgangsmaterials, der Reaktionsfähigkeit des Alkylhalogenids und den Reaktionsbedingungen ab.
86
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
Tabelle 4.1. Übersicht über nucleophile Substitutionsreaktionen.
87
4. Reaktionstypen
4.2.1
Kinetik der nucleophilen Substitution
Für den Verlauf von nucleophilen Substitutionsreaktionen gibt es zwei Möglichkeiten. Nach dem Einschrittmechanismus erfolgen der Angriff von X und der Austritt von Y konzertiert, d. h. gleichzeitig. Im Übergangszustand sind X und Y mit R verbunden, wobei die negative Ladung über X und Y verteilt ist.
Bei diesem Mechanismus müssen sich ein Anion X– und ein Molekül R–Y begegnen, damit die Reaktion stattfinden kann. Die Geschwindigkeit v der Reaktion ist deshalb den Konzentrationen beider Edukte direkt proportional, es handelt sich also um eine Reaktion zweiter Ordnung (k = Reaktionsgeschwindigkeitskonstante):
Diese Variante der Verdrängungsreaktion wird als bimolekulare nucleophile Substitution SN2 bezeichnet. Nach dem Zweischrittmechanismus wird zuerst die nucleofuge Gruppe Y in einer langsamen, reversiblen Reaktion aus der Ausgangsverbindung R-Y abgespalten. Die dabei entstehenden Carbokationen werden im zweiten, raschen Schritt vom Nucleophil X – angegriffen:
88
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
Die Reaktionsgeschwindigkeit des Gesamtvorgangs wird von der langsamsten Teilreaktion bestimmt. Deshalb ist sie hier nur von der Konzentration des Ausgangsmaterials R–Y abhängig und ist damit erster Ordnung:
Diese Art der Substitutionsreaktion wird als monomolekulare nucleophile Substitution SN1 bezeichnet.
Zur Unterscheidung zwischen nach dem SN1- und SN2-Mechanismus ablaufenden Reaktionen kann man die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von den Konzentrationen des Nucleophils und der Verbindung R–Y untersuchen. Dabei ist allerdings immer sicherzustellen, daß die Versuche nicht unter Bedingungen durchgeführt werden, die Reaktionen pseudo-erster Ordnung erlauben (vgl. Kapitel 4.2.2). Ferner kann man den Einfluß verschieden starker Nucleophile (Kapitel 4.2.2) auf die Reaktionsgeschwindigkeit feststellen. Bei SN2-Reaktionen ist der Angriff des Nucleophils der entscheidende Vorgang. Starke Nucleophile (z. B. CH3S–, I–) ermöglichen eine raschere Umsetzung als schwache Nucleophile (z. B. H2O, NO3–). Bei SN1-Reaktionen spielt dagegen die Reaktionsfähigkeit des Nucleophils keine Rolle, weil die langsame Bildung des Carbokation-Zwischenprodukts die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt.
89
4. Reaktionstypen
Der Verlauf von chemischen Reaktionen kann in Energiediagrammen graphisch dargestellt werden. Auf der Ordinate wird die Energie aufgetragen, die Reaktionskoordinate symbolisiert den Ablauf der Reaktion. SN2-Reaktionen verlaufen über einen energiereichen Übergangszustand, in dem sowohl das angreifende Nucleophil als auch die nucleofuge Gruppe an R gebunden sind. Bei den SN1-Reaktionen tritt als Zwischenprodukt ein Carbokation auf. Wie tief das Tal zwischen den beiden Energiebergen ist, hängt von der Stabilität des gebildeten Carbokations ab. In vielen Fällen ist das Zwischenprodukt so stabil, daß es leicht nachgewiesen oder sogar isoliert werden kann.
4.2.2
Die SN2-Reaktion
Die nucleophile Substitution SN2 wird vor allem dann verwirklicht, wenn die nucleofuge Gruppe Y an einem primär oder sekundär (vgl. Kapitel 7.5) substituierten C-Atom sitzt:
90
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
Bei vielen SN2-Reaktionen wird das Lösungsmittel (z. B. Methanol) als Nucleophil verwendet:
Die Konzentration des Nucleophils ist in diesem Fall viel größer als diejenige des Ausgangsmaterials R–OSO2CH3 und ändert sich während des Reaktionsablaufs nur so wenig, daß die Methanolkonzentration als konstant angenommen und in die Geschwindigkeitskonstante einbezogen werden kann. Die Gleichung für die Geschwindigkeit dieser als Solvolyse bezeichneten Reaktion,
wird damit zu
und entspricht nun einer Reaktion erster Ordnung. Zur Unterscheidung dieser Spezialfälle von echten Reaktionen erster Ordnung bezeichnet man sie als Reaktionen pseudo-erster Ordnung. Auch andere SN2-Reaktionen wie z. B.
können als Reaktionen pseudo-erster Ordnung durchgeführt werden, wenn ein sehr großer Überschuß des Nucleophils eingesetzt wird, so daß [CH3S –] während der ganzen Reaktion praktisch unverändert bleibt. Stereochemie der SN2-Reaktion Für den Angriff eines Nucleophils X: auf dasjenige C-Atom einer Verbindung, das die nucleofuge Gruppe trägt, sind prinzipiell zwei verschiedene Mechanismen denkbar:
91
4. Reaktionstypen
Das Nucleophil kann entweder von derselben Seite, auf der sich die nucleofuge Gruppe Y befindet (Pfeil a), oder von der entgegengesetzten Seite her (Pfeil b) erfolgen. Experimente zeigen, daß nur die zweite Möglichkeit realisiert wird. Dieses Resultat ist aus stereochemischen Gründen leicht zu verstehen: Das Nucleophil gelangt von der Rückseite her leichter an das zentrale C-Atom heran, besonders, wenn das Molekül eine große nucleofuge Gruppe Y trägt. Zum Beweis kann man SN2-Reaktionen bei chiralen Verbindungen betrachten. Die Umsetzung von (R)-2-Brombutan mit dem Nucleophil OH– führt zu (S)-2-Butanol. Dieser Befund läßt sich damit erklären, daß das Nucleophil OH– das C(2)-Atom des Edukts von der dem Bromatom gegenüberliegenden Seite her angreift, so daß ein Übergangszustand entsteht, in dem sowohl das Nucleophil OH– als auch die nucleofuge Gruppe Br – mit dem C(2)-Atom verbunden sind. Dieses C-Atom ist im Übergangszustand vorübergehend sp 2-hybridisiert.
Die partiellen Bindungen zum Nucleophil und zur nucleofugen Gruppe liegen dabei auf einer Geraden, die senkrecht auf der durch die übrigen drei Substituenten gebildeten Ebene steht. Die Form des Übergangszustandes (Doppelpyramide) entspricht der günstigsten Anordnung mit möglichst großen Abständen für fünf Elektronenpaare in der Umgebung eines Zentralatoms. Nach dem Austritt von Br – entsteht (S)-2-Butanol; die Reaktion ist unter Umkehrung oder Inversion der Konfiguration abgelaufen. Führt man an einer einheitlichen, chiralen Verbindung eine SN2-Reaktion durch, so erhält man ein Produkt, das wieder einheitlich und chiral ist, wegen der Inver-
92
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
sion aber die entgegengesetzte Konfiguration aufweist. Die SN2-Reaktion verläuft also stereospezifisch. Struktur und Reaktivität Die Reaktivität bei der SN2-Reaktion wird zunächst durch die Struktur der Verbindung, an der die Substitution durchgeführt werden soll, bestimmt. Elektronische Substituenteneffekte und sterische Hinderung können den Verlauf der Reaktion beeinflussen. Sowohl Bromethan als auch Neopentylbromid (Brom-2,2-dimethylpropan, vgl. Tabelle 6.2) sind primäre Bromide. Während bei Bromethan der Angriff des Nucleophils nicht behindert wird, versperren die Methylgruppen in Neopentylbromid den OH–-Ionen den Zugang und verunmöglichen die SN2-Reaktion fast vollständig: Neopentylbromid reagiert in SN2-Reaktionen etwa 100 000mal langsamer als Bromethan. Während 2-Iodpropan leicht SN2-Reaktionen eingeht, eignet sich Iodcyclopropan weder für SN2- noch für SN1-Reaktionen. Die schon im Ausgangsmaterial beträchtliche Ringspannung (α = 60° statt 109,5° für ein sp3hybridisiertes C-Atom) würde sich bei der Ausbildung des Übergangszustandes (SN2-Reaktion) oder des Zwischenproduktes (SN1-Reaktion) nochmals stark erhöhen (α = 60° statt 120° für ein sp 2-hybridisiertes CAtom).
Qualität der nucleofugen Gruppe Eine nucleofuge Gruppe Y – ist um so reaktionsfähiger, je stärker die zugehörige konjugierte Säure HY ist. Schwache Basen sind also gute nucleofuge Gruppen:
93
4. Reaktionstypen
Die folgenden nucleofugen Gruppen sind nach absteigender Leichtigkeit des Austritts aus einem Molekül R–Y geordnet:
> I– > Br – > Cl– > H2O > CH3SO3– > F– > CH3COO – > CN– > CH3O – > OH–
Das OH–-Ion ist eine sehr schlechte nucleofuge Gruppe. Nucleophile Substitutionen gelingen dennoch, wenn sie in saurer Lösung ausgeführt werden. Die OH-Gruppe wird dabei protoniert und in die bessere nucleofuge Gruppe –OH2+ übergeführt:
Ist die Anwendung saurer Bedingungen ungünstig, so kann man OH-Gruppen in alkalischer Lösung mit Benzolsulfochlorid verestern (Kapitel 7.9.3). Dank der außerordentlich guten nucleofugen Gruppe C6H5 –SO3– eignen sich die gebildeten Sulfonsäureester sehr gut für nucleophile Substitutionsreaktionen.
94
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
Qualität des Nucleophils Die Qualität eines Nucleophils, die Nucleophilie, wird an seiner Fähigkeit gemessen, seine Elektronen in Substitutionsreaktionen für die neu zu bildende Bindung zur Verfügung zu stellen. Zum Vergleich benötigt man ein Referenzsystem, in dem diese Fähigkeit zum Ausdruck kommt (Tabelle 4.2). Tabelle 4.2. Relative Geschwindigkeit der SN 2-Reaktion verschiedener Nucleophile mit Iodmethan in Methanol. Die Reaktionsgeschwindigkeiten sind relativ zur Geschwindigkeit der Solvolyse in Methanol, in Abwesenheit anderer Nucleophile, angegeben:
Nucleophil
Relative Reaktionsgeschwindigkeit
CH3OH
1
–
F
5 · 102
CH3COO –
2 · 104
Cl–
2 · 104
N3–
6 · 105
Br –
6 · 105
CH3O –
2 · 106
CN–
5 · 106
I–
3 · 107
SH–
108
Anionen (z. B. CH3O –) sind sehr viel stärker nucleophil als die entsprechenden protonierten, d. h. neutralen Moleküle (CH3OH). Innerhalb einer Gruppe des Periodensystems nimmt die Nucleophilie von oben nach unten zu. Bei den Halogenid-Anionen beispielsweise nimmt die Nucleophilie von F – bis I– zu, weil das für die Reaktion benötigte Elektronenpaar bei I– ein höheres Energieniveau besetzt und daher vom Kern weniger stark angezogen wird. Da in der Reihe F –, Cl–, Br –, I– bei gleicher Ladung der Ionenradius zunimmt, ist außerdem die Anziehungskraft zwischen den Halogenid-Ionen und den Lösungsmittelmolekülen beim I– am geringsten. Das I–-Ion kann deshalb am leichtesten desolvatisiert und damit für die
95
4. Reaktionstypen
Beteiligung als Nucleophil an einer nucleophilen Substitutionsreaktion freigesetzt werden (vgl. den folgenden Abschnitt). Aus den gleichen Gründen ist SH– ein deutlich stärkeres Nucleophil als OH–. Innerhalb einer Periode nimmt die Nucleophilie von links nach rechts ab. So ist SH– sehr viel stärker nucleophil als Cl–. Insbesondere ist zu beachten, daß die Nucleophilie, anders als man zunächst erwarten könnte, nicht mit der Basizität korreliert ist. So ist I–, eines der stärkeren Nucleophile, eine außerordentlich schwache Base, während die Base CH3COO – nur zu den mäßig starken Nucleophilen zählt. Der Grund für diese Diskrepanz liegt darin begründet, daß Säuredissoziationskonstanten Gleichgewichtsreaktionen beschreiben, während die Nucleophilie an Reaktionsgeschwindigkeiten gemessen wird. Qualität des Lösungsmittels Ionen treten in Lösung nie als isolierte Partikel auf. Sie stabilisieren sich mit einer Hülle von Lösungsmittelmolekülen. Ist das Lösungsmittel Wasser, so nennt man diesen Vorgang Hydratation, bei anderen heißt er allgemein Solvatation. Sowohl Kationen als auch Anionen werden von jenen Lösungsmitteln gut solvatisiert, deren Moleküle Dipolcharakter haben, z. B. H2O, Alkohole, Carbonsäuren, Ammoniak, Dimethylsulfoxid. Nucleophile, seien es Anionen oder neutrale Moleküle, werden über ihre freien Elektronenpaare durch Lösungsmittel mit H-Atomen, die Wasserstoffbrücken bilden können (Wasser, Alkohole, Ammoniak), besonders gut solvatisiert. Man charakterisiert deshalb die Lösungsmittel nicht nur auf Grund ihrer Dipoleigenschaften (ihrer Polarität), sondern auch auf Grund ihrer Fähigkeit, über H-Atome Wasserstoffbrücken ausbilden zu können (Tabelle 4.3). Die in Tabelle 4.1 erwähnten Typen von nucleophilen Substitutionsreaktionen lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Reaktionen wie (1), die zu Ionen führen, werden durch polare Lösungsmittel (z. B. Alkohole, NH3, DMSO) erleichtert und beschleunigt; apolar-aprotische Lösungsmittel, welche die entstehenden Ionen nicht zu solvatisieren vermö-
96
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
Tabelle 4.3. Einteilung der Lösungsmittel nach dem Dipolcharakter und der Fähigkeit, über H-Atome Wasserstoffbrücken auszubilden. Klassifizierung
Beispiele
apolar, aprotisch
Hexan, Benzol, CCl4
polar, protisch
H2O, CH3OH, CH3COOH Formamid:
N-Methylformamid:
polar, aprotisch
Aceton, Acetonitril N,N-Dimethylformamid (DMF):
Dimethylsulfoxid (DMSO):
Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPA):
gen, sind dagegen ungeeignet. Das umgekehrte gilt für Reaktionen vom Typ (2): Apolare Lösungsmittel solvatisieren die Ausgangsstoffe nicht und begünstigen die Reaktion, bei der die elektrischen Ladungen verschwinden. Reaktionen vom Typ (3) sind weniger vom Dipolcharakter des Lösungsmittels abhängig, da sich die Zahl der geladenen Teilchen während der Reaktion nicht ändert. Wie ein Vergleich der Geschwindigkeiten der Reaktion
in verschiedenen Lösungsmitteln zeigt, nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit aber stark zu, wenn man von protischen zu aprotischen Lösungsmitteln übergeht (Tabelle 4.4). Protische Lösungsmittel reduzieren die Reaktionsgeschwindigkeit, weil die in diesem Fall sehr solide Solvathülle des angreifenden Nucleophils Cl– schwerer abzubauen ist.
97
4. Reaktionstypen
Tabelle 4.4. Relative Geschwindigkeit der SN 2-Reaktion von Cl – mit Iodmethan in verschiedenen Lösungsmitteln. Lösungsmittel
Klassifizierung
Relative Reaktionsgeschwindigkeit
Methanol
polar, protisch
1
Formamid
polar, protisch
13
N-Methylformamid
polar, protisch
45
DMF
polar, aprotisch
106
4.2.3
Die SN1-Reaktion
Reaktionen nach dem SN1-Mechanismus sind nur bei Verbindungen zu erwarten, aus denen relativ stabile Carbokationen entstehen können. Ein Zerfall von Ethylbromid oder Isopropyliodid (siehe oben) in CH3CH2+- und Br – - bzw. (CH3)2CH+- und I–-Ionen findet beispielsweise kaum statt. Dagegen reagieren Verbindungen, bei denen Y an ein tertiär substituiertes C-Atom gebunden ist, bevorzugt nach dem SN1-Mechanismus. Neben der Möglichkeit, stabile Carbokationen auszubilden, ist die Blockierung des nucleophilen Angriffs von der Rückseite des Moleküls her ein Grund dafür, daß tertiäre Alkylhalogenide (z. B. 2,3-Dimethyl-3-brompentan) nur SN1-Reaktionen eingehen. Stereochemie der SN1-Reaktion Die Umsetzung von tertiären Alkylhalogeniden mit starken Nucleophilen ist eine typische SN1-Reaktion. Zur Untersuchung des sterischen Verlaufs wählt man am besten ein chirales Ausgangsmaterial, z. B. R-2,3-Dimethyl-3-brompentan. Der erste Reaktionsschritt führt zu einem planar gebauten Carbokation (Kapitel 2.2.3). Dieses kann vom Nucleophil OH– mit gleicher Wahrscheinlichkeit von oben oder von unten her angegriffen werden. Beide Vorgänge führen zu 2,3-Dimethyl-3-pentanol, je nach Angriffsrichtung entsteht jedoch die R- oder die S-Form (vgl. Kapitel 6.5.2). Die im Verhältnis 1:1 erhaltenen Alkohole sind Enantiomere, das Produkt ist also ein Racemat. Reine SN1-Reaktionen verlaufen immer unter vollständiger Racemisierung, sie sind nicht stereospezifisch. Eine nur teilweise Racemisierung tritt ein, wenn eine Reaktion sowohl nach dem SN1- als auch nach dem SN2-Mechanismus ablaufen kann. In
98
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
OH
OH– Br H 3C H3C
C
a
a – Br
CH3 CH3
(R)-2,3-Dimethyl3-brompentan
–
H 3C H3 C
b
C
CH3
CH3
OH– Carbokation
CH3
(R)-2,3-Dimethyl3-pentanol
CH3
C
H3C H3C
CH3 H3 C
b
H3 C
C
CH3
OH (S)-2,3-Dimethyl3-pentanol
einem solchen Fall ist die Reaktion, entsprechend den relativen Geschwindigkeiten der beiden Reaktionsarten, stereoselektiv. Reine SN1-Reaktionen können aber auch stereoselektiv verlaufen, wenn neben dem Chiralitätszentrum, an dem die nucleophile Substitution stattfindet, noch andere Chiralitätszentren im Molekül vorhanden sind. In solchen Fällen kann der Angriff des Nucleophils auf ein Carbokation durch große Substituenten in der Umgebung des positiv geladenen C-Atoms einseitig behindert werden, und es entsteht bevorzugt oder ausschließlich eines der beiden möglichen Substitutionsprodukte. Struktur und Reaktivität Da die Abspaltung der nucleofugen Gruppe bei der SN1-Reaktion der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist, beschleunigen gute nucleofuge Gruppen (vgl. Kapitel 4.2.2) die SN1-Reaktion. Die Art des Nucleophils hat auf die Reaktionsgeschwindigkeit der SN1-Reaktion keinen Einfluß. Führt man aber die Reaktion in Gegenwart mehrerer Nucleophile durch, so bestimmt deren jeweilige Nucleophilie das Produktverhältnis:
99
4. Reaktionstypen
Da das Carbokation als Zwischenprodukt geladen ist, kann es durch polare Lösungsmittel besser solvatisiert werden als durch apolare Lösungsmittel. Im Gegensatz zur SN2-Reaktion sind hier aber protische Lösungsmittel besser als aprotische, da sie durch H-Brücken-Bildung die Abspaltung der nucleofugen Gruppe beschleunigen:
Die Solvolyse von 2-Brom-2-methylpropan zu tert.-Butanol verläuft beispielsweise in reinem Wasser 4 · 105-mal schneller als in einem Aceton/Wasser (9:1)-Gemisch. Die Stabilität des kationischen Zwischenprodukts kann auch durch die Struktur des Edukts selbst entscheidend beeinflußt werden. Die Verbindung 2-Brom-2,3,3-trimethylbutan reagiert in SN1-Reaktionen besonders rasch, weil beim Übergang zum Zwischenprodukt die Wechselwirkungen zwischen den eng nebeneinander stehenden CH3-Gruppen vermindert werden:
100
4.2 Nucleophile Substitutionsreaktionen
4.2.4
SN1- und SN2-Reaktionen im Vergleich
Neben der Struktur der Verbindung, an der eine nucleophile Substitutionsreaktion durchgeführt werden soll, beeinflussen die Qualitäten des Nucleophils und der nucleofugen Gruppe sowie das Lösungsmittel den Reaktionsmechanismus (Tabelle 4.5). Tabelle 4.5. Mechanismen der nucleophilen Substitution bei der Reaktion eines Nucleophils mit einer Verbindung R –Y (Y = nucleofuge Gruppe) in Abhängigkeit der Struktur von R –Y. R
SN1
SN2
Nicht beobachtet (CH3+ ist zu energiereich)
Stark bevorzugt
Nicht beobachtet (R’–CH2+ ist zu energiereich, Ausnahmen möglich)
Bevorzugt (schlechter bei verzweigtem R’)
Relativ langsam, bevorzugt bei guten nucleofugen Gruppen in polar-protischen Lösungsmitteln
Relativ langsam, bevorzugt bei guten Nucleophilen in polar-aprotischen Lösungsmitteln
Stark bevorzugt, Carbokation wird durch +I-Effekt der
Extrem langsam
Alkylsubstituenten stabilisiert
Während nucleophile Substitutionen an Verbindungen, bei denen die nucleofuge Gruppe an ein primär oder tertiär substituiertes C-Atom gebunden ist, bevorzugt entweder nach dem SN1- oder nach dem SN2-Mechanismus verlaufen, läßt sich der Reaktionsmechanismus bei Verbindungen mit nucleofugen Gruppen an sekundär substituierten C-Atomen durch die Wahl des Nucleophils, der nucleofugen Gruppe und des Lösungsmittels steuern. Bei wenig stabilen Carbokationen greifen vor allem starke Nucleophile bereits an, bevor die nucleofuge Gruppe restlos vom Molekül abgetrennt ist. Reaktionen, die über relativ stabile Carbokationen führen, verlaufen bevorzugt nach dem SN1-Mechanismus, besonders wenn bei guter nucleofuger Gruppe ein schwaches Nucleophil eingesetzt wird.
101
4. Reaktionstypen
4.3
Eliminierungsreaktionen
4.3.1
Die E1-Reaktion
Läßt man 2-Brom-2-methylpropan mit einem Überschuß an Methanol reagieren, so entsteht vorwiegend, aber nicht ausschließlich, das Substitutionsprodukt 2-Methoxy-2-methylpropan:
Die Bildung des Nebenprodukts Methylpropen kann dadurch erklärt werden, daß das im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der SN1-Reaktion gebildete Carbokation von Methanol nicht nur am kationischen Zentrum (Reaktionsweg a), sondern auch an einem der Wasserstoffatome einer benachbarten Methylgruppe angegriffen werden kann:
102
4.3 Eliminierungsreaktionen
Dabei kommt es zur Ausbildung einer Doppelbindung. Diese Reaktion (Reaktionsweg b) bezeichnet man als Eliminierung, da aus dem Ausgangsmaterial formal HBr eliminiert wird. Beim gezeigten Zweischrittmechanismus wird zuerst in einem langsamen, reversiblen Schritt die nucleofuge Gruppe Br – abgespalten. Das Zwischenprodukt ist dasselbe relativ stabile Carbokation, das bei einer SN1-Reaktion an 2-Brom-2-methylpropan auftreten würde. Im zweiten, raschen Schritt erfolgt unter Abstraktion eines Protons die Bildung der Doppelbindung. Diese Reaktion erster Ordnung (ihre Geschwindigkeit ist nur von der Konzentration des Ausgangsmaterials abhängig) wird als monomolekulare Eliminierungsreaktion E1 bezeichnet. Wie das Reaktionsschema zeigt, sind die nucleophile Substitution SN1 und die Eliminierung E1 Konkurrenzreaktionen. Wie SN1-Reaktionen sind auch E1-Reaktionen typisch für tertiäre Alkylhalogenide, werden aber auch bei sekundären Alkylhalogeniden gefunden.
4.3.2
Die E2-Reaktion
Setzt man 2-Chlor-2-methylpropan mit einer starken Base um, so entsteht überwiegend das Alken als Eliminierungsprodukt:
Diese Reaktion ist zweiter Ordnung (ihre Geschwindigkeit ist proportional zu den Konzentrationen von 2-Chlor-2-methylpropan und von OH–) wird als bimolekulare Eliminierungsreaktion E2 bezeichnet. Der Mechanismus der E2-Reaktion ist ein Einschrittmechanismus. Die Abtrennung des Protons, die Bildung der Doppelbindung und der Austritt der nucleofugen Gruppe erfolgen konzertiert:
103
4. Reaktionstypen
Die E2-Eliminierung tritt vor allem bei primären und sekundären Alkylhalogeniden auf, ist also eine Konkurrenzreaktion zur SN2-Reaktion. Wie das obige Beispiel zeigt, sind E2-Reaktionen aber auch bei tertiären Alkylhalogeniden möglich, da im Gegensatz zu den nucleophilen Substitutionen die sterische Hinderung bei Eliminierungen eine weniger bedeutende Rolle spielt. E2-Reaktionen verlaufen am leichtesten, wenn die austretenden Gruppen H und X zueinander anti-ständig sind, d. h. wenn die und H-, Cα-, Cβ- und X-Atome in einer Ebene liegen:
Diese Konformation kann von allen offenkettigen, um die Cα–Cβ-Bindung frei drehbaren Molekülen eingenommen werden. Bei cyclischen Verbindungen kann die anti-Anordnung nur erreicht werden, wenn sowohl das H- als auch das X-Atom axial (Kapitel 3.4.3) stehen. Beim cis-1-Chlor-2-methylcyclohexan sind diese stereochemischen Voraussetzungen für eine anti-Eliminierung erfüllt.
104
4.3 Eliminierungsreaktionen
Beim gezeigten Isomer von 1-Chlor-2,6-dimethylcyclohexan steht kein zum Chloratom anti-ständiges Wasserstoffatom zur Verfügung. Hier wie auch bei Chlorcyclopentan (H und Cl schief gestaffelt) kann die für E2-Eliminierungen notwendige Konformation nicht erreicht werden. Unter drastischen Reaktionsbedingungen kann eine syn-Eliminierung von HCl aus diesen Verbindungen dennoch erreicht werden. Dabei muß sich die Base dem Molekül von derselben Seite nähern, auf der die nucleofuge Gruppe Cl– austritt. Dieser Vorgang ist viel ungünstiger als die anti-Eliminierung.
4.3.3
Eliminierung und Substitution als Konkurrenzreaktionen
Welcher der beiden Vorgänge im Einzelfall dominiert, wird durch die Basizität des Nucleophils und durch sterische Effekte bestimmt. Setzt man Nucleophile ein, die nur schwach basisch sind (z. B. CH3OH), so überwiegt die nucleophile Substitution. Stark basische Nucleophile (z. B. NH2–, OH–, CH3O –) begünstigen die Eliminierung, vor allem bei sterischer Hinderung. Diese kann beispielsweise das Edukt selbst oder das Nucleophil betreffen:
Eine weitere, zur Favorisierung der Eliminierung häufig benutzte sperrige starke Base ist Lithiumdiisopropylamid (LDA), das in Substitutionsreaktionen nicht als Nucleophil auftreten kann:
105
4. Reaktionstypen
Zum Vergleich betrachte man die Reaktion von Brompropan mit Natriumethanolat in Ethanol. Hier entsteht in einer SN2-Reaktion bevorzugt das Substitutionsprodukt:
4.3.4
SAYTZEFF- und HOFMANN-Regeln
Aus dem Dimethylethylmethylkation (z. B. entstanden aus tert. Amylbromid) können durch Abstraktion eines Protons, entweder von einer der am C+ sitzenden Methylgruppen oder von der Methylengruppe, verschiedene Produkte entstehen:
Bei den meisten E1- und E2-Reaktionen entsteht bevorzugt das thermodynamisch stabilere, d. h. das stärker verzweigte Alken. Die Doppelbindung im Hauptprodukt ist also derart angeordnet, daß sie möglichst viele Substituenten trägt (Saytzeff-Regel). Es gibt jedoch auch Reaktionen, die vorwiegend zum weniger verzweigten Alken führen. Weil das beispielsweise bei der Hofmann-Eliminierung der Fall ist, spricht man von der „Hofmann-Orientierung“ des Produkts.
106
4.4 Additionsreaktionen
Beim Dimethylethylpropylammonium-Ion könnte der Angriff der Base OH– bei a oder b erfolgen. Er findet jedoch aus sterischen Gründen überwiegend bei a statt, da an dieser endständigen CH3-Gruppe die H-Atome leichter zugänglich sind als an der β-ständigen Methylengruppe im Propylsubstituenten. Die Bildung des am wenigsten verzweigten Alkens ist auch immer dann bevorzugt, wenn die nucleofuge Gruppe oder die angreifende Base sehr große Partikel sind:
4.4
Additionsreaktionen
Unter einer Additonsreaktion versteht man die Anlagerung einer Verbindung X–Y an eine Doppelbindung oder an eine Dreifachbindung (Figur 4.3). In beiden Fällen werden eine π-Bindung des eines Edukts und eine σ-Bindung des andern Edukts gelöst, und es entstehen zwei neue σ-Bindungen.
107
4. Reaktionstypen
Figur 4.3. Addition einer Verbindung X–Y an eine Doppelbindung oder an eine Dreifachbindung. Man beachte, daß die Addition in beiden Fällen stereochemisch unterschiedlich verlaufen kann. Welche der beiden Möglichkeiten jeweils bevorzugt wird, hängt vom Reaktionsmechanismus ab.
4.4.1
Die katalytische Hydrierung
Wasserstoff kann in Gegenwart eines Katalysators an Doppelbindungen addiert werden:
Als Katalysatoren eignen sich Edelmetalle, die zur Erreichung einer großen Oberfläche fein verteilt oder auf einen sehr feinkörnigen Träger (z. B. Aktivkohle, CaCO3) niedergeschlagen werden, daneben aber auch Raney-Nickel (aus einer Al-Ni-Legierung durch Herauslösen des Aluminiums mit NaOH hergestelltes, fein verteiltes Nickel). Da diese festen Katalysatoren sowohl bei Gasreaktionen als auch bei Reaktionen in Lösung im Reaktionsmedium unlöslich sind, handelt es sich um eine heterogene Katalyse.
108
4.4 Additionsreaktionen
Sowohl Ethen als auch H2 werden auf der Metalloberfläche adsorbiert. Der Wasserstoff verhält sich dabei wie freie auf der Metalloberfläche festgehaltene H-Atome, während Ethen über das π-Elektronenpaar mit der Oberfläche koordiniert. Die π-Bindung des Ethens wird dadurch gelockert. Neue Bindungen können nun gebildet werden, und es entsteht die gesättigte Verbindung Ethan, die an der Metalloberfläche nicht mehr festgehalten wird. Der Katalysator wird damit wieder frei für die Anlagerung weiterer Ethenund H2-Moleküle.
Dieser Mechanismus erklärt, weshalb die katalytische Hydrierung stereospezifisch verläuft: Die beiden H-Atome werden immer von derselben Seite her an die Doppelbindung angelagert. Diese syn-Addition kann bei cyclischen Verbindungen demonstriert werden; man erhält ausschließlich das syn-Additionsprodukt:
In derselben Weise verläuft die Hydrierung von Doppelbindungen zwischen verschiedenen Atomen und von Dreifachbindungen (Figur 4.4).
109
4. Reaktionstypen
Figur 4.4. Katalytische Hydrierung ungesättigter Verbindungen. R bedeutet einen beliebigen organischen Rest wie Alkyl-, Aryl- usw.
Die Verwendung von verschiedenen Edelmetallen sowie Variationen des Trägermaterials erlauben die Herstellung von Katalysatoren verschiedener Aktivität für selektive Hydrierungen:
Edelmetallkatalysatoren sind sehr empfindlich gegen Verunreinigungen. Vor allem Schwefel, Schwermetallsalze und organische Stickstoffbasen vermindern die Aktivität. Ein mit genau dosierten Mengen von Blei(+2)-acetat und Chinolin vergifteter Katalysator (Lindlar-Katalysator) erlaubt es, Alkine selektiv zu Alkenen zu reduzieren. Auch hier erfolgt eine syn-Addition.
110
4.4 Additionsreaktionen
Ein Katalysator aus Pd auf BaSO4, der mit einer Chinolin-Schwefel-Mischung vergiftet ist, wird bei der Rosenmund-Reduktion verwendet:
Mit normal aktiven Katalysatoren würde das Säurechlorid zum gesättigten Alkohol R–CH2OH reduziert. Bei vielen ungesättigten Verbindungen führt die Hydrierung mit den bisher genannten Katalysatoren zu einem Gemisch von Stereoisomeren. Hydriert man etwa einen 2-Oxocarbonsäureethylester mit Platin als Katalysator, erhält man ein racemisches Produkt:
Seit 1980 haben verschiedene Forschungsgruppen chirale Katalysatoren entwickelt, die stereoselektive Hydrierungen von Ketonen, Alkenen und anderen ungesättigen Verbindungen in homogener Lösung erlauben. Katalysatoren dieser Art sind chirale oktaedrische Komplexe von Schwermetallen wie Rhodium und Ruthenium. Setzt man beispielsweise in der obigen Reaktion statt Platin einen von Ryoji Noyori (geb. 1938) entwickelten chiralen Ruthenium(II)-Komplex als Katalysator ein, dann wird eines der beiden enantiomeren Produkte mit ee-Werten von 98 % bis 100% bevorzugt gebildet:
111
4. Reaktionstypen
Der Katalysator (R)-BINAP-Ru(II) kann aus Ru(CH3COO)2 durch Reaktion mit dem chiralen zweizähnigen Liganden (R)-2,2'-Bis(diphenylphosphino)1,1'-binaphthyl (Kurzbezeichnung (R)-BINAP) hergestellt werden:
Den Komplex (S)-BINAP-Ru(II) erhält man analog aus Ru(CH3COO)2 und (S)-BINAP. Der stereochemische Verlauf einer Hydrierung läßt sich also steuern, indem man als Katalysator einen der beiden spiegelbildlichen Komplexe wählt. Die Komplexe lassen sich auch bei der stereoselektiven Hydrierung mehrfach substituierter Alkene als Katalysatoren einsetzen.
4.4.2
Elektrophile Additionen an Doppelbindungen
In Doppelbindungen ist die π-Bindung schwächer als die σ-Bindung. Da die zugehörige Elektronenwolke relativ ausgedehnt ist (Kapitel 2.2.1), sind diese Verbindungen wenig geeignet für Umsetzungen mit nucleophilen Reagenzien. Sie werden aber sehr leicht von Elektrophilen angegriffen. Die Addition von Brom an Doppelbindungen Diese Reaktion führt in zwei Schritten zu vicinalen Dibromiden: Zuerst wird ein Elektrophil, hier ein durch Heterolyse des Brommoleküls gebildetes Br+-Ion, an die Doppelbindung angelagert. Dabei entsteht ein cyclisches Bromonium-Ion. Im zweiten Schritt reagiert dieses mit dem Br –-Ion zur Dibromverbindung.
112
4.4 Additionsreaktionen
Das Br+- und das Br –-Ion treten von entgegengesetzten Seiten in das planare Alkenmolekül ein. Einen Beweis für diesen Zweischrittmechanismus liefern Versuche, bei denen der Reaktionslösung große Mengen von Anionen zugesetzt werden. In Gegenwart von NaOCH3 findet man bei der Addition von Br2 an Propen vorwiegend 1-Brom-2-methoxypropan.
Nach dem ersten Schritt, der Addition von Br+ zum Bromonium-Ion, kann an Stelle eines Br –-Ions auch eines der im Überschuß zugesetzten CH3O –-Ionen koordiniert werden. Auf eine Br2-Addition in einem Schritt hätten dagegen Fremd-Ionen keinen Einfluß. Zur Erklärung der ausschließlichen anti-Addition wird postuliert, daß sich das Br+-Ion im Übergangszustand mit beiden an der Doppelbindung beteiligten C-Atomen verbindet. An der cyclischen Struktur wird der Angriff des Br –-Ions von der freieren gegenüberliegenden Seite erfolgen.
113
4. Reaktionstypen
Damit sind die beiden Brom-Ionen von verschiedenen Seiten her in das planare Molekül eingetreten. Besonders gut kann man die anti-Addition bei cyclischen Alkenen zeigen:
Die Addition von Verbindungen HX HX wird in ähnlicher Weise addiert, wobei zunächst ein Proton an die ungesättigte Verbindung angelagert und im zweiten Schritt das Anion X– durch das Carbokation koordiniert wird. Als HX kommen Halogenwasserstoffsäuren, H2SO4, H2O und unterhalogenige Säuren (HOBr, HOCl) in Frage:
Die Addition von Wasser gelingt nur in Gegenwart einer Säure, welche die für den ersten Schritt notwendigen H+-Ionen liefern kann. Das Carbokation koordiniert nun ein Wassermolekül (Dipol!) zu einem zweiten Ion mit einer positiven Ladung auf dem Sauerstoff, das leicht unter Abspaltung eines Protons in das Endprodukt übergeht.
114
4.4 Additionsreaktionen
Die Säure wirkt in dieser Reaktion als Katalysator: Das im ersten Teilschritt verbrauchte Proton wird im letzten Schritt wieder freigesetzt. Da die Elektronegativitätsdifferenz zwischen O und Br eine Polarisierung der O-Br-Bindung im Sinn von Br+OH– bewirkt, wird HOBr (und HOCl) nicht als H-OBr, sondern als Br-OH an Doppelbindungen addiert. HOBr kann nach
aus Bromwasser erhalten werden. Regioselektivität der HX-Addition Die Addition von HX an ein symmetrisches Alken wie 2-Buten ergibt nur ein einziges Produkt, unabhängig davon, ob das Proton in der 2- oder 3-Stellung von 2-Buten angreift. Bei unsymmetrisch substituierten Alkenen sind jedoch zwei konstitutionsisomere Produkte denkbar: Die Addition von HCl an Propen könnte sowohl 1-Chlorpropan als auch 2-Chlorpropan liefern. Die Umsetzung führt aber praktisch ausschließlich zu 2-Chlorpropan:
Dieser Befund ist allgemein gültig und wurde erstmals 1869 von Vladimir Markownikow (1838–1904) formuliert (Markownikow-Regel): Bei Additionen von Verbindungen HX an unsymmetrisch substituierte Doppelbindungen wird das Proton am bereits wasserstoffreicheren Ende der Doppelbindung gebunden.
Entsteht bei einer Reaktion eines von mehreren möglichen Konstitutionsisomeren bevorzugt, so spricht man von Regioselektivität. Die Regioselektivität der HX-Addition an unsymmetrisch substituierte Alkene kann mit der Stabilität der möglichen Zwischenprodukte erklärt werden: das sekundäre Carbokation b ist stabiler als das primäre Carbokation
115
4. Reaktionstypen
a (Kapitel 2.2.3), so daß die Addition vollständig über das Zwischenprodukt b verläuft.
Die Addition einer Verbindung HX im der Markownikow-Regel entgegengesetzten Sinn (anti-Markownikow-Addition) ist möglich, wenn der Angriff an der Doppelbindung nicht durch ein Ion, sondern durch ein Radikal (Kapitel 4.10.5) erfolgt.
4.4.3
Elektrophile Additionen an Dreifachbindungen
Elektrophile Additionsreaktionen sind auch bei Alkinen möglich. Es können zwei Moleküle Halogen oder Halogenwasserstoff addiert werden:
Erwartungsgemäß erfolgt die erste Addition unter Bildung eines (E)-Produkts. Alkine sind in Additionsreaktionen weniger reaktionsfähig als Alkene. Deshalb gelingt die Addition von Wasser nur in Gegenwart von Katalysatoren:
116
4.4 Additionsreaktionen
Bei Alkinen vom Typ RC>CH erfolgt die Addition von H2O nach der Markownikow-Regel und liefert über ein instabiles Enol (Kapitel 7.7) ein Methylketon. Bei Alkinen vom Typ RC>CR’ erhält man beide möglichen Ketone:
4.4.4
Additionen an die Carbonylgruppe
Der Verlauf von Additionsreaktionen an Carbonylverbindungen wird dadurch bestimmt, daß die C=O-Doppelbindung polarisiert ist (Kapitel 2.2.1). Die Carbonylgruppe ist vor allem nucleophilen Reagenzien zugänglich, die gemäß der Ladungsverteilung am partiell positiv geladenen Kohlenstoffatom angreifen.
In Gegenwart von Säuren verlaufen diese Reaktionen rascher, da nach der Protonierung der Carbonylgruppe der Angriff durch ein Nucleophil an dem nun positiv geladenen Kohlenstoff noch leichter erfolgen kann (die Grenzform b des mesomeren Ions mit der positiven Ladung auf dem Kohlenstoffatom ist stabiler als die Grenzform a und bestimmt deshalb den Verlauf der Reaktion, vgl. Kapitel 2.6.4). Blausäure HCN wird am besten in basischer Lösung addiert, da das Cyanid-Ion CN– das bessere Nucleophil ist als die freie Blausäure. Über die als Cyanhydrine bezeichneten Additionsprodukte kann das Kohlenstoffgerüst von Carbonylverbindungen um ein C-Atom verlängert werden. Durch weitere Additionsreaktionen an die CN-Gruppe (Kapitel 4.4.6) kann man z. B. zu Aminen oder α-Hydroxysäuren gelangen:
117
4. Reaktionstypen
Aldehyde und Ketone mit kleinen Alkylsubstituenten bilden mit Natriumhydrogensulfit wasserlösliche Additionsverbindungen. Formal wird dabei H– SO3– an die C=O-Doppelbindung angelagert. Da es sich um eine Gleichgewichtsreaktion handelt, muß ein großer Überschuß an Hydrogensulfit eingesetzt werden, um die Carbonylverbindung praktisch vollständig in das Addukt zu überführen.
Die Carbonylverbindung kann aus dem isolierten Additionsprodukt wieder freigesetzt werden, indem man aus dem Gleichgewicht das Hydrogensulfit durch Zersetzen mit Säure oder Base entfernt:
Alkohole werden ebenfalls an die Carbonylgruppe addiert. Dabei entstehen Hemiacetale und Acetale. Beide Reaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen.
118
4.4 Additionsreaktionen
Gute Ausbeuten an Acetalen lassen sich erzielen, wenn man das im zweiten Reaktionsschritt gebildete Wasser fortlaufend aus dem Reaktionsgemisch entfernt. Die Hemiacetalbildung wird durch Säuren und Basen katalysiert, der zweite Schritt jedoch nur durch Säuren. Deshalb sind Acetale gegen Basen stabil, nicht aber gegen Säuren. Dieser Umstand läßt sich in Synthesen dazu nutzen, Carbonylgruppen durch Acetalbildung vorübergehend zu maskieren. Die Acetalgruppe spielt dabei die Rolle einer Schutzgruppe für die Carbonylfunktion. An weiteren im Molekül vorhandenen funktionellen Gruppen können dann Reaktionen unter Bedingungen ausgeführt werden, gegen die Acetalgruppen, nicht aber Carbonylgruppen stabil sind. Selbstverständlich darf dabei nicht unter sauren Bedingungen gearbeitet werden. Zum Schluß kann die Carbonylgruppe mit Säure wieder freigesetzt werden. In stark alkalischer Lösung läßt sich Ethin an Carbonylgruppen addieren.
Die starke Base, z. B. Natrium in flüßigem Ammoniak, löst am Ethin ein Proton ab, und das entstehende Nucleophil HC⬅C:– greift an der Carbonylgruppe an. Nach Anlagerung eines Protons entsteht ein Alkohol mit Dreifachbindung in α, β-Position. Die Addition von metallorganischen Verbindungen an Carbonylgruppen wird in Kapitel 4.15 behandelt.
119
4. Reaktionstypen
4.4.5
Additionen an die Enolform von Carbonylverbindungen
Carbonylverbindungen werden bei der Umsetzung mit elementaren Halogenen in α-Stellung halogeniert. Man kann zeigen, daß diese Reaktion über die Enolform (Kapitel 7.7) der Carbonylverbindung verläuft und als elektrophile Addition von Br2 an die C=C-Doppelbindung (Kapitel 4.4.2) formuliert werden kann. Das intermediäre Carbokation könnte ein Br–-Ion koordinieren und in ein instabiles Molekül mit einer OH-Gruppe und einem Br-Substituenten am gleichen C-Atom übergehen (Reaktionsweg a).
Abspaltung von HBr führt zum Endprodukt, einem α-Halogenketon. Wahrscheinlicher ist jedoch der Reaktionsweg b: Durch Beteiligung eines Elektronenpaars des Sauerstoffs entsteht ein Oxonium-Ion; die Abspaltung eines Protons führt zum Produkt. Die Enolisierung von Carbonylverbindungen ist eine langsame Reaktion, die Halogenaddition verläuft dagegen sehr rasch. Deshalb ist es verständlich, daß die Geschwindigkeit der Halogenierung von Carbonylverbindungen von der Art und der Konzentration des Halogens unabhängig ist. Das wäre bei einer direkten Umsetzung zwischen der Carbonylverbindung und dem Halogen nicht der Fall. Die Einführung von Alkylgruppen in die α-Stellung von Carbonylverbindungen verläuft nach einem anderen Reaktionsschema (Kapitel 4.2).
4.4.6
Additionen an C =N-Doppel- und C⬅N-Dreifachbindungen
Am wichtigsten ist die Addition von Wasser, die Hydrolyse von Iminen und Nitrilen:
120
4.4 Additionsreaktionen
Aus den Iminen erhält man die zugrundeliegenden Carbonylverbindungen (Kapitel 7.7). Nitrile lagern zwei Moleküle Wasser an. Der erste Schritt führt zu Säureamiden, die vollständige Hydrolyse liefert Carbonsäuren. Alle diese Reaktionen lassen sich durch Säuren oder Basen katalysieren, z. B.
Die Protonierung des Nitrils zu Beginn der Reaktionssequenz erleichtert den Angriff eines H2O-Moleküls am Kohlenstoffatom. Das Addukt verliert ein Proton, das dabei entstehende Zwischenprodukt (Enolform des Endprodukts) wird erneut protoniert. Dieser Schritt liefert ein mesomeriestabilisiertes Ion. Abspalten eines Protons (formal aus der Grenzstruktur b) führt zum Säureamid.
121
4. Reaktionstypen
4.4.7
1,2- und 1,4-Additionen bei Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen
Die Addition von Br2 an 1,3-Butadien liefert zwei Produkte. Nach der Anlagerung von Br+ entsteht ein mesomeriestabilisiertes Carbokation. Dadurch wird die positive Ladung auf die C-Atome in 2- und 4-Stellung verteilt; die Koordination des Br –-Ions kann in diesen beiden Positionen erfolgen. Ähnliches gilt für die Addition anderer Reagenzien wie Cl2, HCl, HBr, HOBr usw.
Bei α, β-ungesättigten Carbonylverbindungen wird die C=C-Doppelbindung unter dem Einfluß der CO-Gruppe polarisiert, so daß neben der 1,2-Addition an die Carbonylgruppe auch eine 1,4-Addition möglich ist:
Welche der beiden Additionsreaktionen überwiegt, hängt von der Reaktionsfähigkeit der CO-Gruppe und von Substituenteneinflüßen ab. Die Addition von HCN an Carbonylgruppen verläuft bei Aldehyden rascher als bei Ketonen. Deshalb erfolgt bei Crotonaldehyd vor allem eine 1,2-Addition:
122
4.4 Additionsreaktionen
Bei 3-Buten-2-on ist dagegen die Cyanhydrinbildung weniger günstig, weshalb das Cyanid-Ion bevorzugt am β-C-Atom angreift. Das primäre Produkt der 1,4-Addition ist ein Enol, das rasch in 4-Oxopentannitril übergeht:
Der Verlauf von Additionsreaktionen an Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen wird weitgehend durch Substituenteneinflüsse bestimmt. Allgemein kann erwartet werden, daß kleine Substituenten y und große Substituenten X die 1,2-Addition begünstigen, Verbindungen mit kleinen Substituenten x und großen Substituenten Y dagegen vor allem 1,4-Additionsprodukte liefern. Es kommt also darauf an, an welchem der beiden positive Teilladungen tragenden C-Atome das Nucleophil besser angreifen kann (vgl. auch Kapitel 4.15.1).
Wie andere Nucleophile können auch Enolat-Anionen mit α, β-ungesättigten Aldehyden oder Ketonen in einer 1,4-Addition reagieren. Diese Reaktion wird Michael-Addition genannt:
123
4. Reaktionstypen
4.5
Additions-Eliminierungsreaktionen
An viele Additionsreaktionen schließt sich sofort eine Eliminierungsreaktion an. Beispielsweise spaltet das Produkt der Addition von Wasser an ein Keton leicht wieder Wasser ab:
Die entstehenden geminalen Diole, oft auch Hydrate genannt, sind deshalb meistens nicht stabil. Ausnahmen bilden Carbonylverbindungen mit stark elektronenanziehenden Substituenten in α-Stellung:
124
4.5 Additions-Eliminierungsreaktionen
Die Addition von Aminen führt in mehreren Schritten zu Iminen (Schiff’schen Basen). Die Reaktion wird durch Säuren katalysiert. Das Amin greift die am Sauerstoff protonierte Carbonylverbindung an. Das Additionsprodukt spaltet Wasser ab und geht in ein Imin über.
In gleicher Weise werden andere Stickstoffverbindungen addiert. Da die entstehenden Produkte häufig gut kristallisierende Verbindungen sind und sich die Carbonylverbindungen daraus zurückgewinnen lassen, verwendet man sie zur Isolierung und Charakterisierung von Carbonylverbindungen:
125
4. Reaktionstypen
4.5.1
Ester
Bei der Bildung von Estern aus Carbonsäuren und Alkoholen wird zuerst der Alkohol an die Carbonylgruppe der Säure addiert. Anschließend erfolgt eine Wasserabspaltung, die durch die Anwesenheit von Säure (Protonierung einer OH-Gruppe zur besseren nucleofugen Gruppe –OH2+) katalysiert wird.
Das Reaktionsschema zeigt auch, daß der Ester das zum Alkohol gehörende Sauerstoffatom enthält, während eines der beiden aus der Carbonsäure stammenden Sauerstoffatome im zweiten Reaktionsschritt verloren geht. Ähnlich verläuft die Esterbildung aus einem Säurechlorid und einem Alkohol. Hier wird jedoch im zweiten Reaktionsschritt HCl eliminiert:
4.5.2
Aldolreaktion
Bei der Aldolreaktion werden zwei Carbonylverbindungen (Aldehyde, Ketone) kombiniert:
126
4.5 Additions-Eliminierungsreaktionen
Wenigstens eine davon muß ein α-Wasserstoffatom besitzen. Aus dieser Methylenkomponente (Acetaldehyd im obigen Beispiel) wird durch basische Kondensationsmittel (NaOH, NaOC2H5, NaNH2, KOC(CH3)3) ein α-Wasserstoffatom als Proton abgelöst; es entsteht das durch Mesomerie stabilisierte Enolat-Anion:
Die Methylenkomponente in der Carbanionform greift am Carbonyl-Kohlenstoffatom der Carbonylkomponente (im Beispiel ebenfalls Acetaldehyd) an. Das Kondensationsprodukt, 3-Hydroxybutanal, entsteht durch Aufnahme eines Protons aus dem Lösungsmittel. Das basische Kondensationsmittel C2H5O – wird dabei wieder zurückgebildet und hat somit als Katalysator gewirkt.
Diese Reaktion kann auch durch Säuren katalysiert werden. Dabei geht die Methylenkomponente durch Protonierung am Carbonyl-Sauerstoffatom in die Enolform über:
127
4. Reaktionstypen
Die Reaktion mit einem zweiten, protonierten Molekül Acetaldehyd erfolgt dann nach
und liefert dasselbe Produkt wie der unter basischen Bedingungen ablaufende Prozeß. Die Produkte dieser Reaktionen sind β-Hydroxycarbonylverbindungen, die leicht Wasser abspalten und dabei in α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen übergehen. Die Wasserabspaltung findet häufig schon unter den Bedingungen der Aldolreaktion statt oder kann durch Erwärmen in Gegenwart von etwas Säure durchgeführt werden. Ketone können in gleicher Weise umgesetzt werden, wenn besonders starke Basen, z. B. NaNH2, oder starke Säuren als Kondensationsmittel verwendet werden.
Werden Aldolreaktionen zwischen zwei verschiedenen Carbonylverbindungen unter Gleichgewichtsbedingungen durchgeführt, so erhält man meist nicht einheitliche Produkte. Weist die eine Komponente keine α-Wasserstoffatome auf, so kann sie sich nur als Carbonylkomponente an der Reaktion beteiligen:
Als Nebenprodukt ist hier aber auch Crotonaldehyd zu erwarten, der aus Acetaldehyd allein entstehen kann.
128
4.5 Additions-Eliminierungsreaktionen
Weisen beide an der Reaktion beteiligten Carbonylverbindungen α-Wasserstoffatome auf, so wird sich diejenige Verbindung als Carbonylkomponente verhalten, die eine durch elektronenanziehende Substituenten in α-Stellung stärker polarisierte C=O-Doppelbindung (vgl. Claisen’sche Esterkondensation, Kapitel 4.5.3) aufweist oder weniger sterisch gehindert ist. Deshalb wirkt Acetaldehyd bei der Reaktion mit 2-Methylpropanal als Carbonylkomponente.
Der Angriff eines aus Acetaldehyd gebildeten – CH2-CHO-Ions an der Carbonylgruppe von 2-Methylpropanal ist wegen der sterischen Hinderung durch die Methylgruppen ungünstig. Wieder ist Crotonaldehyd als Nebenprodukt zu erwarten. Bei der Reaktion von Acetaldehyd mit 2-Butanon wird Acetaldehyd mit der leichter zugänglichen Carbonylgruppe auf jeden Fall die Rolle der Carbonylkomponente spielen. Da 2-Butanon zwei Enolformen bildet, kann die Reaktion jedoch über die 1- oder die 3-Stellung verlaufen:
Heute werden Aldolreaktionen häufiger unter Bedingungen durchgeführt, die ein Gleichgewicht zwischen Carbonylverbindung und Enolatform unterdrücken oder ganz auf die Seite des Enolats verschieben (tiefe Temperatur; Li+ als Gegenion; starke, sterisch gehinderte Stickstoffbase; Reaktionsführung in zwei Schritten). Damit wird bei zwei verschiedenen Carbonylverbindungen gezielt eines von zwei möglichen Produkten erhalten.
129
4. Reaktionstypen
Als Beispiel einer solchen Aldolreaktion sei die Synthese von 3Hydroxy-2-methylhexanal aus der Methylenkomponente Propanal und der Carbonylkomponente Butanal betrachtet. Im ersten Schritt entsteht aus der Methylenkomponente durch Einwirkung der sterisch gehinderten Base Lithiumdiisopropylamid ein mesomeriestabilisiertes Lithiumenolat als Zwischenprodukt. Diisopropylamin fällt dabei als Nebenprodukt an. Das Lithiumenolat reagiert mit der im zweiten Schritt zugefügten Carbonylkomponente schneller als Nucleophil denn als Base (kinetisch kontrollierte Reaktionsführung):
Weitere Varianten der Aldolreaktion sind in Tabelle 4.6 aufgeführt. Die Retro-Aldolreaktion ist die Umkehrung der Aldolreaktion. Unter sauren oder basischen Bedingungen können β-Hydroxycarbonylverbindungen in zwei Carbonylverbindungen zerlegt werden:
130
4.5 Additions-Eliminierungsreaktionen
Durch Säure wird die Carbonylgruppe des Edukts protoniert und damit stärker elektronenanziehend gemacht. Die Fragmentierung des entstandenen Oxonium-Ions führt zuerst zu einem am Sauerstoff protonierten Keton und zu einem zweiten Keton in der Enolform. Basen hingegen lösen das Proton von der OH-Gruppe des Edukts ab. Das entstandene Alkoholat zerfällt nun leicht in zwei Carbonylverbindungen, von denen wiederum die eine zuerst in der Enolform vorliegt.
4.5.3
Esterkondensation
Als Kondensationen bezeichnet man Reaktionen, bei denen zwei Moleküle unter Abspaltung eines kleinen Moleküls wie H2O oder Ethanol verknüpft werden. Geeignete Reaktionspartner für Kondensationsreaktionen sind vor allem Carbonylverbindungen und Ester, daneben aber auch Säurechloride, Anhydride und Nitrile. Die Kondensation von zwei Molekülen Essigsäureethylester mit Natriumethanolat als Kondensationsmittel (Claisen’sche Esterkondensation) verläuft unter Abspaltung von Ethanol nach
Um eine gute Ausbeute an Kondensationsprodukt zu erhalten, muß dieses System von Gleichgewichtsreaktionen so beeinflußt werden, daß die Bildung des Acetessigsäureethylesters begünstigt wird. Die Rückreaktion zu Essigsäureethylester in Gegenwart von Ethanol kann durch Anwendung eines großen Überschusses an NaOC2H5 verhindert werden. Dadurch wird das Kondensationsprodukt als Enolat-Anion aus dem Gleichgewichtssystem entfernt und am Schluß der Reaktion durch Zugabe von Säure wieder freigesetzt:
131
132
Carbonylkomponente
Methylenkomponente
sek. Amin
Kondensationsmittel
Tabelle 4.6. Varianten der Aldolreaktion und Esterkondensation. Produkte
KNOEVENAGEL-Reaktion. Das zur freien β-Dicarbonsäure hydrolysierte Produkt verliert beim Erwärmen leicht CO2. Es bildet sich eine α,β-ungesättigte Säure.
CLAISEN-Kondensation für aromatische Aldehyde mit Alkyl-, Alkoxy- oder Dialkylamino-Substituenten.
Anhydriden möglich.
PERKIN-Reaktion, nur für aromatische Aldehyde (am besten solche mit elektronenanziehenden Substituenten). Auch mit anderen
Bemerkungen
4. Reaktionstypen
in Toulol
Na-Metall
Das Nitril muß wenigstens ein α-H-Atom aufweisen.
Mit asymmetrischen Ketonen entstehen zwei verschiedene Produkte.
DIECKMANN-Kondensation (intramolekulare Esterkondensation); nur möglich, wenn 5- oder 6-gliedrige Ringe entstehen.
STOBBE-Kondensation.
4.5 Esterkondensation
133
4. Reaktionstypen
Unter Gleichgewichtsbedingungen können Reaktionen zwischen zwei verschiedenen Estern zu einem Gemisch von vier verschiedenen Kondensationsprodukten führen, falls beide Komponenten α-H-Atome aufweisen.
Diejenige Komponente, deren Carbonylgruppe leichter zugänglich ist, wird dann hauptsächlich die Rolle der Carbonylkomponente übernehmen. Wie im Falle der Aldolreaktion mit Lithiumdiisopropylamid (vgl. Kapitel 4.5.2) können bei kinetisch kontrollierter Reaktionsführung aber auch unterschiedliche Ester zu einheitlichen Kondensationsprodukten umgesetzt werden. Weitere Anwendungen und Varianten der Esterkondensation sind in Tabelle 4.6 aufgeführt.
4.6
Die elektrophile aromatische Substitution
Benzol und andere aromatische Verbindungen besitzen ein eben gebautes Kohlenstoffskelett, das durch die über und unter der Molekülebene angeordneten Orbitale des π-Elektronensystems (vgl. Kapitel 2.6.3 und 2.7.3) fast voll-
134
4.6 Die elektrophile aromatische Substitution
ständig von einer Elektronenwolke umgeben ist. Obwohl aromatische Verbindungen zu den ungesättigten Verbindungen gehören, gehen sie nicht wie die Alkene Additionsreaktionen ein:
Aromatische Verbindungen reagieren, gleich wie Alkene, leicht mit elektrophilen Reagenzien X+. Dabei entsteht zuerst ein positiv geladenes, nicht aromatisches, aber mesomeriestabilisiertes Zwischenprodukt (Grenzformen a–c):
Dieses Ion könnte nun im Prinzip ein Teilchen Y– anlagern und in ein Additionsprodukt übergehen. Die Abspaltung eines Protons aus dem nicht aromatischen Zwischenprodukt ist aber energetisch viel günstiger, weil dabei der aromatische Zustand wiederhergestellt wird:
Es entsteht ausschließlich das Substitutionsprodukt. Die Halogenierung, z. B. Chlorierung, von Benzol wird in Gegenwart von Lewis-Säuren wie AlCl3, FeBr3 oder ZnCl2 durchgeführt:
135
4. Reaktionstypen
Das benötigte Elektrophil Cl+ entsteht durch Anlagerung von Cl2 an die Lewis-Säure, welche die Cl–Cl-Bindung zu polarisieren vermag und so den Angriff des aromatischen Systems auf das Elektrophil erleichtert.
Die Nitrierung von Benzol führt zu Nitrobenzol:
Das benötigte Elektrophil NO2+ (Nitronium-Ion) entsteht in geringer Konzentration durch Autoprotolyse der Salpetersäure:
Eine höhere NO2+-Konzentration wird erreicht, wenn man der Salpetersäure eine sehr starke Säure, z. B. Schwefelsäure, zusetzt:
Am besten geeignet ist die Kombination HNO3 mit rauchender Schwefelsäure (H2SO4/SO3, Oleum), weil das Wasser durch die Reaktion mit SO3 zu H2SO4 aus dem Gleichgewicht entfernt wird. Die Sulfonierung führt zu aromatischen Sulfonsäuren:
136
4.6 Die elektrophile aromatische Substitution
Als Elektrophil wirkt das SO3H+-Ion, das in konzentrierter Schwefelsäure durch Autoprotolyse, in Oleum durch die Reaktion zwischen SO3 und H2SO4 entsteht:
Als einzige der hier erwähnten elektrophilen Substitutionsreaktionen ist die Sulfonierung eine reversible Reaktion. Bei Friedel-Crafts-Alkylierungen wie
wird das Elektrophil aus einem Alkylhalogenid und AlCl3 gebildet:
Diese wie ein Alkyl-Kation wirkende Spezies reagiert nun mit dem aromatischen System:
137
4. Reaktionstypen
Alkylierungen können auch mit Alkenen in Gegenwart von starken Säuren ausgeführt werden. Das Elektrophil entsteht dabei durch Protonierung des Alkens:
Ähnlich verlaufen Friedel-Crafts-Acylierungen.
Das elektrophile Reagens entsteht aus einem Säurechlorid und AlCl3:
4.6.1
Substitutionsregeln
Eine Substituenten tragende aromatische Verbindung kann weiteren elektrophilen Substitutionsreaktionen unterworfen werden. Die Art des bereits vorhandenen Substituenten bestimmt dabei den Gang dieser Reaktion, und zwar sowohl deren Geschwindigkeit als auch die Position, die der neu eintretende Substituent einnimmt. Nach diesen Einflüßen werden die Substituenten in drei Gruppen aufgeteilt: 1.
138
Zu den Substituenten, die ortho-para-dirigierend und aktivierend wirken, gehören: Alkylgruppen (z. B. Methyl-, Ethyl-), Arylgruppen (z. B. Phenyl-, Naphthyl-) sowie
4.6 Die elektrophile aromatische Substitution
Phenol beispielsweise wird in ortho- und para-Stellung (dirigierende Wirkung der OH-Gruppe) und viel rascher als Benzol (aktivierende Wirkung der OH-Gruppe) nitriert:
2.
Zu den Substituenten, die ebenfalls ortho-para-dirigierend, aber desaktivierend wirken, zählen:
Chlorbenzol wird also in ortho- und para-Stellung nitriert, aber langsamer als Benzol. 3.
Substituenten, die meta-dirigierend und desaktivierend wirken, sind:
Das gemeinsame Merkmal dieser Gruppe ist eine ganze oder partielle positive Ladung auf dem direkt an den Benzolring gebundenen Atom. Die ortho-para-dirigierenden Substituenten (Gruppen 1 und 2) werden häufig als Substituenten erster Ordnung, die meta-dirigierenden Substituenten (Gruppe 3) als Substituenten zweiter Ordnung bezeichnet.
139
4. Reaktionstypen
Die dirigierenden und aktivierenden Einflüße lassen sich mit Hilfe der induktiven und mesomeren Effekte der betreffenden Substituenten erklären (Kapitel 4.1.4). Substituenten mit –I-Effekt entziehen dem π-Elektronensystem aromatischer Verbindungen Elektronen. Die Elektronendichte wird damit in allen Positionen des Rings kleiner; das Molekül reagiert daher weniger leicht mit Elektrophilen. Substituenten mit +I-Effekt wirken umgekehrt und erleichtern dadurch eine weitere elektrophile Substitution. Bei den Substituenten der ersten Gruppe ist der –I-Effekt mit einem starken +M-Effekt gekoppelt. Im Falle des Phenols bewirkt dieser Effekt eine erhöhte Ladungsdichte in den ortho- und para-Stellungen (Kapitel 4.1.4). Elektrophile greifen daher bevorzugt diese Positionen an.
Die positiv geladenen Zwischenprodukte bei ortho- und para-Substitution können zudem durch die Beteiligung eines Elektronenpaars des Substituenten am mesomeren System wirkungsvoller stabilisiert werden. Im Gegensatz zum Zwischenprodukt bei der Substitution an Benzol mit nur drei Grenzformen lassen sich hier vier Grenzstrukturen formulieren:
Im Fall einer meta-Substitution ist diese Stabilisierung nicht möglich. Zur Formel
140
4.6 Die elektrophile aromatische Substitution
gibt es keine den farbig hervorgehobenen Strukturen entsprechende mesomere Grenzform, in der das Sauerstoffatom die positive Ladung trägt. Daher ist die meta-Substitution viel ungünstiger als eine Substitution in ortho- oder para-Stellung. Alkylgruppen können keinen +M-Effekt ausüben. Im Gegensatz zu den übrigen Substituenten der ersten Gruppe haben sie aber einen +I-Effekt, der ebenfalls eine Stabilisierung der positiven Ladung im Zwischenprodukt erlaubt, falls die zweite Substitution in ortho- oder para-Stellung zum Alkylsubstituenten stattfindet. Nur in diesen Fällen kann die positive Ladung teilweise auf dem die Alkylgruppe tragenden Ring-C-Atom liegen, so daß sich der +I-Effekt der Alkylgruppe auswirken kann (farbig markierte Grenzformen).
Auch die Substituenten der zweiten Gruppe weisen einsame Elektronenpaare und einen +M-Effekt auf, besitzen aber im Gegensatz zu denjenigen der ersten Gruppe einen viel stärkeren –I-Effekt. Dadurch werden alle Stellungen des Ben-
141
4. Reaktionstypen
zolrings desaktiviert, und die weitere Substitution ist wegen der geringeren Elektronendichte erschwert. Neueintretende Substituenten werden unter dem Einfluß des +M-Effekts auch hier in die ortho- und para-Stellungen dirigiert. Die Substituenten der dritten Gruppe, von denen die meisten einen –M-Effekt und alle einen –I-Effekt aufweisen, wirken desaktivierend und erschweren eine weitere Substitution. Substituenten wie –NR3+ haben kein freies Elektronenpaar, das mit dem π-Elektronensystem des Benzolkerns in Wechselwirkung treten könnte; der –I-Effekt ist deshalb allein maßgebend. Beim elektrophilen Angriff von X+ am Trimethylphenylammonium-Ion kommt im Fall von ortho- oder para-Substitution die positive Ladung im Zwischenprodukt zum Teil auf dasjenige C-Atom zu liegen, an dem sich das quaternäre Stickstoffatom befindet (farbig markierte Grenzformen). Eine Struktur mit gleichen Ladungen auf benachbarten Atomen ist energetisch sehr ungünstig. Sie kann nur bei einem Angriff des Elektrophils in der meta-Stellung vermieden werden. Deshalb wird das Trimethylphenylammonium-Ion in meta-Stellung substituiert; die Reaktion verläuft langsam.
Bei den übrigen Substituenten der dritten Gruppe ist zusätzlich der –M-Effekt zu beachten. Aus den mesomeren Grenzformen von Nitrobenzol ist ersichtlich, daß eine elektrophile Substitution in den partielle positive Ladungen tragenden ortho- und para-Stellungen ungünstig ist.
142
4.6 Die elektrophile aromatische Substitution
Zudem treten, ähnlich wie beim Trimethylphenylammonium-Ion, nur im Fall der meta-Substitution keine direkt benachbarten positiven Ladungen auf. Die drei möglichen Zwischenprodukte sind hier in einer abgekürzten Schreibweise wiedergegeben:
Trägt eine aromatische Verbindung bereits zwei oder mehr Substituenten, so summieren sich ihre Einflüße auf den Verlauf weiterer Substitutionsreaktionen. Im einfachsten Fall dirigieren alle schon vorhandenen Gruppen den neueintretenden Substituenten in die gleiche Stellung: Bei 4-Nitrotoluol dirigiert die CH3-Gruppe in die ortho-Stellung (para-Stellung besetzt), die NO2Gruppe in die meta-Stellung.
In anderen Fällen ist der Verlauf derartiger Substitutionsreaktionen allerdings nicht so eindeutig vorauszusehen. Daß man bei der Nitrierung von 3-Nitrotoluol 2,3-, 3,4- und 3,6-Dinitrotoluol als Produkte erhält, bedeutet, daß der Einfluß der CH3-Gruppe (aktivierend, ortho-para-dirigierend) denjenigen der NO2-Gruppe (desaktivierend, meta-dirigierend) übertrifft.
143
4. Reaktionstypen
p-Kresol weist zwei ortho-para-dirigierende und aktivierende Substituenten auf. Die Chlorierung ergibt nur ein Produkt, d. h. die dirigierende Wirkung der OH-Gruppe (–I/+M-Effekt) ist stärker als diejenige der CH3-Gruppe (+I-Effekt).
4.6.2
Halogenierung von alkylsubstituierten aromatischen Verbindungen
Die Chlorierung von Toluol führt je nach den Reaktionsbedingungen zu einer Kernsubstitution oder einer Seitenkettensubstitution.
Unter Licht- und Wärmeeinwirkung erfolgt die Substitution an der Seitenkette (Faustregel: Sonnenlicht–Siedehitze–Seitenkette). Es handelt sich dabei um eine Radikalreaktion (Kapitel 4.10). Chloriert man jedoch in der Kälte in
144
4.6 Die elektrophile aromatische Substitution
Gegenwart von Katalysatoren (z. B. AlCl3), so erfolgt die Substitution am aromatischen Kern (Kälte–Katalysator–Kern). Bei der Seitenkettenchlorierung können alle drei H-Atome des Toluols durch Chloratome ersetzt werden. Es ist deshalb schwer, auf diesem Weg reines Benzylchlorid herzustellen. 4.6.3
Verhältnis zwischen ortho- und para-Substitution
Bei einem mit einem Substituenten erster Ordnung substituierten Benzol stehen einem neueintretenden Elektrophil X+ zwei ortho- und eine para-Stellung offen. Man könnte also ein ortho : para-Produktverhältnis von 2:1 erwarten. Das wird jedoch meist nicht beobachtet:
Je größer der Substituent R ist, um so schlechter wird die ortho-Stellung für das Elektrophil X+ zugänglich; es erfolgt vorwiegend para-Substitution:
Ebenso ist es für große Partikel X+ leichter, in para-Stellung anzugreifen.
4.6.4
Substitutionsreaktionen an mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen
Wie ein Vergleich der mesomeren Grenzformen von Naphthalin zeigt, hat die 1,2-Bindung (erscheint in zwei Grenzformen als Doppelbindung) mehr Dop-
145
4. Reaktionstypen
pelbindungscharakter als die 2,3-Bindung (erscheint in nur einer Grenzform als Doppelbindung).
Es erstaunt deshalb nicht, daß im Gegensatz zum Benzol bei den mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen nicht alle Stellungen gleichwertig sind. Der Verlauf von Substitutionsreaktionen ist oft nicht leicht zu überblicken und hängt stark von den Reaktionsbedingungen ab. Beim Naphthalin ist die 1-Stellung reaktionsfähiger und wird daher rascher substituiert. Die Umsetzung mit H2SO4 bei 120 °C ergibt 1-Naphthalinsulfonsäure (kinetisch kontrollierte Reaktion). Bei 160 °C entsteht jedoch das in 2-Stellung substituierte, stabilere Produkt (thermodynamisch kontrollierte Reaktion). Da zudem die Sulfonierung eine reversible Reaktion ist, kann 1Naphthalinsulfonsäure durch Erhitzen auf 160 °C in das 2-Isomere umgewandelt werden.
4.6.5
Elektrophile Substitution an aromatischen Heterocyclen
Auch heterocyclische aromatische Verbindungen lassen sich mit elektrophilen Reagenzien substituieren. Zur Beurteilung des Reaktionsverlaufs ist der Einfluß des Heteroatoms, das wie ein bereits vorhandener Substituent wirkt, auf die Elektronenverteilung im Molekül zu berücksichtigen. Pyrrol besitzt als aromatische Verbindung sechs π-Elektronen (Kapitel 2.6.3, Abschnitt „Aromatische Heterocyclen“). Denkt man sich diese gleichmäßig auf die fünf Ringglieder verteilt, so erhält jedes 6/5 Elektronen. Wie auch aus den Grenzstrukturen des Pyrrols hervorgeht, entsteht an den C-Atomen, die nur je ein Elektron an das 6π-Elektronensystem beigesteuert haben, eine leicht erhöhte Elektronendichte.
146
4.6 Die elektrophile aromatische Substitution
Deshalb laufen elektrophile Substitutionsreaktionen hier besonders leicht ab. Die erste Substitution erfolgt immer in α-Stellung, denn das dabei gebildete Zwischenprodukt ist stabiler (drei mesomere Grenzformen) als dasjenige bei β-Substitution (nur zwei mesomere Grenzformen).
Die Substituenteneinflüsse sind dieselben wie beim Benzol. Bereits vorhandene Substituenten mit +I- oder +M-Effekt erleichtern, solche mit –I- oder – M-Effekt erschweren die weitere Substitution. In gleicher Weise reagieren Furan und Thiophen. Diese fünfgliedrigen aromatischen Heterocyclen sind wie Pyrrol reaktionsfähiger als Benzol, elektrophile Substitutionsreaktionen können dank der hohen Elektronendichte im Ring unter sehr milden Bedingungen ausgeführt werden. Bei Pyridin steuert das N-Atom wie jedes der C-Atome nur ein Elektron an das π-System bei. Das stark elektronegative Stickstoffatom beansprucht dabei etwas mehr als seinen eigenen Anteil am 6π-Elektronensystem. Damit wirkt das Stickstoffatom auf das aromatische System desaktivierend, etwa wie ein NO2-Substituent auf Benzol.
147
4. Reaktionstypen
Aus den mesomeren Grenzformen von Pyridin ist zudem ersichtlich, daß die Elektronendichte in den ortho- und para-Stellungen zum Stickstoff vermindert ist. Elektrophile Reagenzien werden also langsam und in meta-Stellung zum Stickstoff eintreten.
4.7
Die nucleophile aromatische Substitution
Soll ein Nucleophil Y– an einem C-Atom angreifen, das Teil eines aromatischen Systems ist, so muß es zuerst die π-Elektronenwolke durchdringen, die das Grundgerüst von aromatischen Verbindungen umgibt. Nucleophile Substitutionsreaktionen an aromatischen Verbindungen verlaufen deshalb meist nur langsam und oft nur unter extremen Reaktionsbedingungen.
Am leichtesten werden aromatische Verbindungen mit elektronenanziehenden Substituenten von Nucleophilen angegriffen, und zwar in den eine verminderte Elektronendichte aufweisenden ortho- und para-Stellungen (siehe z. B. Nitrobenzol, Kapitel 4.6.1, und Pyridin, Kapitel 4.6.5). Danach gilt für die Substituenteneinflüße bei nucleophilen aromatischen Substitutionsreaktionen genau das Gegenteil von dem, was bei der elektrophilen Substitution abgeleitet wurde: Substituenten mit –M-Effekt erleichtern die nucleophile aromatische Substitution, sie dirigieren neueintretende Substituenten in die ortho- und para-Stellungen. Das Nucleophil OH– verdrängt bei der Reaktion mit 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol einen Substituenten, hier ein Chlorid-Ion. Dieser Vorgang verläuft, anders als die SN2-Reaktion, in zwei Schritten über einen AdditionsEliminierungsmechanismus:
148
4.7 Die nucleophile aromatische Substitution
Im Zwischenprodukt sind die eintretende und die austretende Gruppe gleichzeitig durch vollständige σ-Bindungen mit dem Reaktionszentrum verknüpft. Das negativ geladene Zwischenprodukt kann nur bei Anwesenheit von Substituenten mit –M-Effekt wirkungsvoll stabilisiert werden:
Fehlen diese elektronenanziehenden Gruppen, so findet auch mit sehr starken Nucleophilen keine Reaktion statt. Der im Zwischenprodukt aufgehobene aromatische Zustand wird durch Ausstoßen eines Chlorid-Ions im zweiten Reaktionsschritt wiederhergestellt. Bei der Tschitschibabin-Reaktion greift das Nucleophil NH2– am Pyridin entsprechend der Elektronenverteilung in ortho- oder para-Stellung an. Im Zwischenprodukt kann die negative Ladung durch Mesomerie stabilisiert werden. Nach dem Austritt von H– entsteht 2-Aminopyridin.
Während beim Dow-Prozeß
149
4. Reaktionstypen
der Austausch von Chlor im Chlorbenzol zu Phenol nur bei sehr hohen Temperaturen durchführbar ist, verläuft der analoge Vorgang bei Anwesenheit elektronenanziehender Gruppen in ortho- oder para-Stellung zum Halogen sehr leicht:
Manche aromatischen Verbindungen, die keine Substituenten mit –M-Effekt aufweisen, können dennoch nucleophilen aromatischen Substitutionsreaktionen unterworfen werden. Für diese Fälle wurde aber ein anderer Reaktionsverlauf nachgewiesen: Als erster Schritt erfolgt eine Reaktion, die der syn-Eliminierung (Kapitel 4.3.2) sehr ähnlich ist und zu einem DehydrobenzolDerivat führt. Dieses außerordentlich reaktionsfähige Zwischenprodukt addiert anschließend sehr rasch und unspezifisch jedes verfügbare Nucleophil:
150
4.8 Oxidation und Reduktion
Die Bildung von Produkten, in denen das eingesetzte Nucleophil einen anderen Platz einnimmt als die verdrängte Gruppe, ist typisch für nach dem Eliminierungs-Additions-Mechanismus ablaufende nucleophile aromatische Substitutionsreaktionen. Der Beweis dafür, daß auch Halogenbenzole nach diesem Mechanismus über Dehydrobenzol reagieren können (z. B. Chlorbenzol A Phenol), gelingt durch Tracermethoden. Als Ausgangsmaterial wählt man z. B. das in 1-Stellung mit 14C markierte Chlorbenzol.
Als Produkt der Umsetzung mit Natriumamid erhält man Anilin, wobei die Aminogruppe zur Hälfte an das 14C-Atom, zur Hälfte an das dazu ortho-ständige C-Atom gebunden ist.
4.8
Oxidation und Reduktion
4.8.1
Oxidationszahlen
Bei Oxidations-Reduktions-Reaktionen werden Elektronen übertragen. Die beiden Vorgänge sind immer miteinander gekoppelt: Der eine Reaktionspartner erreicht unter Elektronenabgabe eine höhere Oxidationsstufe (er wird oxidiert), der andere nimmt diese Elektronen auf und geht dabei auf eine tiefere Oxidationsstufe über (er wird reduziert). Zur Erstellung der Elektronenbilanz und damit einer vollständigen Reaktionsgleichung muß bekannt sein, welche der in den beteiligten Verbindungen enthaltenen Atome ihre Oxidationsstufe geändert haben. Bei allen Molekülen und Ionen kann man jedem darin enthaltenen Atom eine formale, ganzzahlige Oxidationszahl wie folgt zuordnen: 1. 2.
Die Oxidationszahl von Atomen im elementaren Zustand ist null (Beispiele: H2, O2, Na, He, Br2, S8, C60). Die Oxidationszahl eines einatomigen Ions ist gleich seiner elek-
151
4. Reaktionstypen
3.
4.
5.
6. 7.
trischen Ladung, in Anzahl Elementarladungen ausgedrückt (mit Berücksichtigung des Vorzeichens). Na+, Ca2+ und Cl– besitzen beispielsweise die Oxidationszahlen +1, +2 und –1. Für Wasserstoffatome gilt die Oxidationszahl +1. Man beachte aber, daß bei Hydriden wie LiH oder AlH3, in denen Wasserstoff als einatomiges, negativ geladenes Ion H– auftritt, gemäß Regel 2 die Oxidationszahl –1 erhalten wird. Für Nichtmetallatome, die zu anderen Atomen kovalente Bindungen ausbilden, betrachte man die Bindung zu jedem Bindungspartner einzeln: Besteht die Bindung zwischen zwei Atomen des gleichen Elements, so wird die Elektronenpaarbindung aufgeteilt. Besteht die Bindung aber zwischen Atomen verschiedener Elemente, so werden beide Elektronen der Elektronenpaarbindung jeweils ganz dem stärker elektronegativen Atom zugerechnet. Doppel- und Dreifachbindungen werden dabei wie zwei bzw. drei Einfachbindungen behandelt. Die Summe der Ladungen, die ein Atom nach Befolgung dieser Regel erhält, entspricht seiner Oxidationszahl. Ist auf Grund des Elektronegativitätsunterschieds keine Entscheidung möglich, so wird dasjenige Nichtmetall, das im Periodensystem entweder über dem anderen oder rechts von ihm steht, als negativ angesehen. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome in einer Formel für eine neutrale Verbindung muß null sein. Die Summe der Oxidationszahlen aller Atome in einer Formel für ein Ion muß gleich der elektrischen Ladung des Ions sein, ausgedrückt als Anzahl Elementarladungen und unter Berücksichtigung des Vorzeichens.
Sauerstoff tritt meist mit der Oxidationszahl –2 auf, außer in Verbindungen, die eine O–O-Gruppierung enthalten (H2O2, Peroxide, Persäuren). In solchen Fällen hat der Sauerstoff die Oxidationszahl –1. Mit Hilfe dieser Angaben können nun bei organischen Verbindungen die Oxidationszahlen von C- und N-Atomen ermittelt werden.
152
4.8 Oxidation und Reduktion
In Methan sind beispielsweise alle bindenden Elektronenpaare dem elektronegativeren Kohlenstoff zuzuordnen, der somit von acht Elektronen (d. h. von vier Elektronen mehr als elementarer Kohlenstoff) umgeben ist. Die Oxidationszahl von C in Methan ist also –4. Bei Aceton sind die beiden C–C-Bindungen aufzuteilen. Die Elektronen der C=O-Doppelbindung werden ganz dem Sauerstoff zugeteilt. Zum Carbonyl-C-Atom gehören damit nur noch zwei Elektronen (d. h. zwei weniger als bei elementarem Kohlenstoff); seine Oxidationszahl beträgt +2. Für das Carboxyl-C-Atom der Essigsäure ergibt sich die Oxidationszahl +3. Wie aus der folgenden Zusammenstellung hervorgeht, werden alle für den Kohlenstoff möglichen Oxidationszahlen zwischen –4 und +4 verwirklicht:
Obwohl die Oxidationszahl vor allem eine zur Formulierung stöchiometrisch korrekter Reaktionsgleichungen (vgl. Kapitel 4.8.2) nützliche Größe ist, hat sie doch auch eine reelle Bedeutung. Unterwirft man beispielsweise Chlor-, Dichlor- und Trichlortoluol einer Hydrolyse, so stellt man fest, daß der Oxidationszustand des C-Atoms, das die Chlorsubstituenten trägt, durch die Anzahl der gebundenen Chloratome bestimmt wird:
153
4. Reaktionstypen
Der Übergang von einem Alkohol zur entsprechenden Carbonylverbindung läßt die Oxidationszahl jeweils um zwei Einheiten ansteigen (Methanol A Formaldehyd, Benzylalkohol A Benzaldehyd, Isopropanol A Aceton), die Oxidation eines primären Alkohols zu einer Carbonsäure erhöht die Oxidationszahl um vier Einheiten (Methanol A Ameisensäure, Ethanol A Essigsäure). Auch der Stickstoff tritt in organischen Verbindungen mit verschiedenen Oxidationszahlen auf:
Durch Anwendung geeigneter Oxidations- und Reduktionsmittel können die meisten der hier angeführten Kohlenstoff- bzw. Stickstoffverbindungen verschiedener Oxidationszahl ineinander überführt werden.
154
4.8 Oxidation und Reduktion
4.8.2
Stöchiometrie
Jeder Oxidationsvorgang ist mit einer gleichzeitig ablaufenden Reduktionsreaktion gekoppelt: Alle bei der Oxidation freiwerdenden Elektronen müssen durch die Reduktion wieder verbraucht werden. Zur Aufstellung einer vollständigen Reaktionsgleichung muß zunächst festgestellt werden, zu welchen Endprodukten die Reaktanden in den beiden Teilreaktionen oxidiert bzw. reduziert werden. Für gewisse Oxidationsmittel wie MnO4– hängt die Oxidationsstufe des Endprodukts von den Reaktionsbedingungen ab: Unter sauren Bedingungen wird MnO4– zu Mn2+ reduziert, unter alkalischen Bedingungen jedoch zu Mn(+4)-oxid. Sodann formuliert man die beiden Teilreaktionen, z. B. für die Oxidation von Methanol zu Ameisensäure mit Chrom(+6)-oxid:
Dabei stellt man folgende Veränderungen von Oxidationszahlen fest: Kohlenstoff –2 A +2, der Vorgang (a) setzt 4 Elektronen frei. Chrom +6 A +3, der Vorgang (b) verbraucht 3 Elektronen. In (a) bezieht man den nötigen Sauerstoff formal aus H2O, dabei bleiben 4 H+ übrig. In (b) werden formal 3 O2– Ionen frei. Durch Addition von 6 H+ entsteht daraus H2O. Multiplikation von (a) mit 3 und (b) mit 4 sowie Addition der beiden Gleichungen führt zu (c). Soll als Säure H2SO4 verwendet werden, so findet man (d) als vollständige Reaktionsgleichung.
155
4. Reaktionstypen
4.8.3
Oxidationen
Oxidationen mit Chromsäure Durch Oxidation mit Chromsäure lassen sich Carbonylverbindungen und Carbonsäuren aus Alkoholen gewinnen. Wird beispielsweise 2-Propanol mit CrO3 und Schwefelsäure behandelt, so entsteht Aceton:
Der Vorgang läuft in mehreren Schritten ab. Zuerst wird aus 2-Propanol und Chromsäure ein instabiler Chromsäureester gebildet, indem das nach CrO3 + A CrO H+ + HSO – gebildete CrO H+-Ion an einem freien ElektroH2SO4 @ 3 4 3 nenpaar des Alkohol-Sauerstoffatoms angreift. Der Chromsäureester zerfällt anschließend in einer E2-artigen Reaktion, wobei H2O als Base wirkt und an einem α-ständigen H-Atom angreift. Das Produkt ist Aceton.
Die aus dem Oxidationsmittel entstandene chromige Säure disproportioniert nach
In gleicher Weise werden primäre Alkohole zu Aldehyden oxidiert. Um eine weitere Oxidation zu Carbonsäuren zu verhindern, muß man die gebildeten
156
4.8 Oxidation und Reduktion
Aldehyde schützen, z. B. indem man sie fortlaufend durch Destillation aus dem Reaktionsgemisch entfernt. Tertiäre Alkohole werden nicht oxidiert, da kein α-ständiger Wasserstoff verfügbar ist. Fast alle Oxidationen mit CrO3 werden in saurer Lösung ausgeführt. Mit CrO3 in Pyridin können säureempfindliche Alkohole oxidiert werden. Epoxidierung von Alkenen Mit organischen Persäuren (z. B. mit Peressigsäure CH3COOOH, Perbenzoesäure C6H5COOOH) lassen sich Alkene in Epoxide (Oxirane) überführen:
Die Oxirane, die auch in einer E2-Reaktion aus Halogenhydrinen wie trans-2Bromcyclopentanol entstehen können, sind Zwischenprodukte für die Herstellung von trans-1,2-Diolen. Die Öffnung des Epoxidrings kann dabei in saurer oder alkalischer Lösung erfolgen:
157
158
Ausgangsmaterial
Produkt
Tabelle 4.7. Übersicht über wichtige Oxidationsreaktionen.
Möglichkeit zur selektiven Oxidation von allylischen OH-Gruppen.
MnO2/ Chloroform
CF3COOOH
H2O2, Persäuren
CF3COOOH (Trifluorperessigsäure)
CrO3, HNO3
Bei primären und sekundären Aminen entstehen komplizierte Gemische.
Säurespaltung von Ketonen, nur unter drastischen Reaktionsbedingungen möglich.
Hydroxyl- oder Carbonylgruppen verschwinden oder erscheinen im Produkt als phenolische OH-Gruppen. Nützlich zur Ermittlung des Grundgerüsts von Naturstoffen.
Pd/C oder S oder Se bei ca. 300 °C
KMnO4, CrO3
Bemerkungen
Oxidationsmittel
4. Reaktionstypen
H2O2/H2SO4, Na2O2
O2, sämtliche Oxidationsmittel
Phenole und aromatische Amine müssen vor Luftsauerstoff geschützt werden, da sie sehr leicht oxidiert werden.
„Seitenkettenoxidation“, auch längere Seitenketten können zu COOH-Gruppen abgebaut werden.
Na2Cr2O7/H+, KMnO4
O2, V2O5 als Katalysator, 300 °C
Mit starken Oxidationsmitteln erfolgt weitere Oxidation, z. B. zu RSO3H (Sulfonsäure).
O2, H2O2, Halogene
4.8 Oxidation und Reduktion
159
4. Reaktionstypen
Besondere Bedeutung hat die Epoxidierung von Allylalkoholen erlangt. Nach K. Barry Sharpless (*1941) erfolgt diese nämlich asymmetrisch, wenn man als Reagens tert.-Butylhydroperoxid und als Katalysator Titantetraisopropoxid in Kombination mit einem chiralen Weinsäurediethylester einsetzt:
Durch Wahl des passenden Weinsäurediethylesters – beide chiralen Weinsäurediethylester sind leicht zugänglich – läßt sich also die bevorzugte Bildung des gewünschten Epoxids gezielt steuern. Der Enantiomerenüberschuss (vgl. Kapitel 3.2.9) erreicht dabei in der Regel mehr als 90%. Die erhaltenen chiralen Epoxide lassen sich aufgrund ihrer Reaktivität zu Alkoholen, Ethern, Diolen und weiteren Verbindungen umsetzen. So ist es nicht verwunderlich, daß sich die Sharpless-Epoxidierung als Schlüsselschritt in unzähligen asymmetrischen Synthesen bewährt hat (vgl. auch Kapitel 3.2.10). Hydroxylierung von Alkenen Bei der Behandlung von Alkenen mit OsO4 oder KMnO4 erhält man cis-1,2Diole. Der als Zwischenprodukt auftretende stabile Osmatester muß dabei reduktiv mit Natriumsulfit gespalten werden.
160
4.8 Oxidation und Reduktion
Ozonisierung von Alkenen Bei der Ozonisierung von Alkenen erfolgt nach der Addition eines O3-Moleküls an die Doppelbindung eine Umlagerung des instabilen Primärozonids zu einem 1,2,4-Trioxolan (Ozonid). Solche Verbindungen können leicht gespalten werden, und zwar oxidativ (mit H2O2, KMnO4, CrO3) zu zwei Molekülen Säure, oder reduktiv (mit Zn/Essigsäure, H2/Pt) zu zwei Molekülen Aldehyd.
Aus an der Doppelbindung höher substituierten Alkenen entstehen bei der Spaltung der Ozonide Ketone. Mit Hilfe der Ozonisierung kann man die Position von Doppelbindungen in Alkenen anhand der gebildeten Bruchstücke ermitteln:
Glykolspaltung Durch Behandlung mit Bleitetraacetat oder Natriumperiodat werden 1,2Diole oxidativ in zwei Carbonylverbindungen gespalten. Auch diese Reaktion kann zur Strukturaufklärung verwendet werden:
161
4. Reaktionstypen
Weitere Oxidationsreaktionen sind in Tabelle 4.7 (S. 158–159) zusammengestellt. 4.8.4
Reduktionen
Katalytische Hydrierung Die katalytische Hydrierung, eine der wichtigsten Reduktionsmethoden, wurde bereits in Kapitel 4.4.1 behandelt. Reduktion mit Metallen Zur metallischen Reduktion können folgende Reagenzien verwendet werden: Na/Alkohol, Na/flüssiger Ammoniak, Na- oder Al-Amalgam in Alkohol, Sn/HCl, Zn/HCl, Zn/CH3COOH. Diese Reaktionen, bei denen das Metall Elektronen auf die zu reduzierende Verbindung überträgt, müssen in Lösungsmitteln durchgeführt werden, welche die benötigten Protonen leicht abgeben können:
Isolierte C=C-Doppelbindungen werden unter diesen Reaktionsbedingungen nicht angegriffen. Dreifachbindungen werden zu Doppelbindungen reduziert, wobei (E)-Alkene entstehen. Reduktion mit komplexen Metallhydriden Die wichtigsten Reagenzien bei dieser Reduktionsmethode sind LiAlH4 und NaBH4. Diese Verbindungen übertragen Hydridionen auf elektrophile Zentren, z. B. auf das Carbonyl-C-Atom von Carbonylverbindungen. Das entsprechende Additionsprodukt liefert beim Zersetzen mit Wasser, am besten in Gegenwart einer Säure, den entsprechenden Alkohol.
162
4.8 Oxidation und Reduktion
Jedes Molekül LiAlH4 kann vier Moleküle einer Carbonylverbindung reduzieren:
LiAlH4 ist eines der stärksten Reduktionsmittel in dieser Gruppe. Es ist sehr empfindlich gegen Wasser (Zersetzung nach LiAlH4 + 4 H2O A LiOH + Al(OH)3 + 4 H2) und andere protische Lösungsmittel (Kapitel 4.2.2) und wird daher stets in aprotischen Lösungsmitteln wie Ether oder Tetrahydrofuran angewendet. Das etwas schwächere Reduktionsmittel NaBH4 kann dagegen auch in Alkohol und sogar in wäßrigen Lösungsmitteln eingesetzt werden. Die Unterschiede in der Reaktionsfähigkeit verschiedener komplexer Metallhydride kann man für selektive Reduktionen an Verbindungen mit mehreren reduzierbaren Gruppen ausnützen:
163
164
Ausgangsmaterial
Produkt
* für Ketone besser geeignet ** für Aldehyde besser geeignet
H2/Pt, Na/Ethanol* Zn/CH3COOH** LiAlH4, NaBH4
NaBH4, LiAlH4
H2/Pd auf CaCO3 Na(Hg) in Diethylether/H2O
Na/Ethanol H2/Pt
H2/Pt, H2/Pd H2/RANEY-Nickel
Na/Ethanol Na/NH3 (flüssig)
Bemerkungen
Reduktionsmittel
Tabelle 4.8. Übersicht über wichtige Reduktionsreaktionen.
4. Reaktionstypen
Mit NaBH4 keine Reaktion
LiAlH4 Na/Ethanol
H2/Pd auf BaSO4, S
ROSENMUND-Reduktion
Ebenso bei Säureanhydriden
LiAlH4
LiAlH4, NaBH4
Druckhydrierung
LINDLAR-Katalysator
H2/Ni (100 –300 bar) 150 –200 °C
Na/NH3 (flüssig) LiAlH4
H2/Pd auf CaCO3 mit Pb2+, Chinolin
H2/Pt, H2/Pd
4.8 Oxidation und Reduktion
165
Ausgangsmaterial
Produkt
Bemerkungen STEPHEN-Reaktion * Legt man das Nitril vor und gibt die LiAlH4-Lösung zu (Nitril im Überschuß), dann entsteht der Aldehyd, bei umgekehrtem Vorgehen (LiAlH4 im Überschuß) das primäre Amin. Nur bei tertiären Amiden.
Für alle Amide.
*In saurer oder alkalischer Lösung.
Reduktionsmittel SnCl2/HCl, LiAlH4* LiAlH4*, Na/Ethanol, H2/Pt in saurer oder alkalischer Lösung
LiAlH2(OC2H5)2
LiAlH4
LiAlH 4 , H 2 /Katalysator*, Na/Ethanol, Na(Hg)/wäßrige Essigsäure*
4. Reaktionstypen
166
H2/Katalysator
H2/Ni (170 °C)
Zn-Staub
Zn/NH4Cl in H2O
H2/RANEY-Ni, Sn/HCl, Zn/HCl
Zn/Essigsäure
H2/RANEY-Ni, LiAlH4
Zn-Staub-Destillation. Nützlich zur Ermittlung des Grundgerüsts phenolischer Verbindungen (geringe Ausbeuten).
Mit LiAlH4 oder Zn/KOH erhält man
4.8 Oxidation und Reduktion
167
Ausgangsmaterial
Produkt
168 Zur reduktiven Entfernung von OH-Gruppen, die zuerst über p-Toluolsulfonsäureester gegen I ausgetauscht werden. Rückbildung von durch Bromaddition geschützten Doppelbindungen.
Zn/Essigsäure
Bemerkungen
H2/RANEY-Ni, Zn/HCl
Na/Ethanol, LiAlH4, Na(Hg)/Säure
Zn/Säure
Reduktionsmittel
4. Reaktionstypen
4.8 Oxidation und Reduktion
Methoden zur Reduktion von Carbonylgruppen zu Methylengruppen Für Verbindungen, die gegen Säuren beständig sind, eignet sich die Clemmensen-Reduktion mit amalgamiertem Zink und HCl:
Verbindungen, die gegen Säuren empfindlich, gegen Basen aber beständig sind, können nach Wolff-Kishner reduziert werden: Das Hydrazon der Carbonylverbindung (Kapitel 7.11.2) wird in Ethylenglykol mit viel KOH auf 150–200 °C erhitzt (Modifikation der Reaktion nach Huang-Minlon):
Carbonylgruppen, die weder Säuren noch Basen ertragen, können zunächst durch Überführung in Thioacetale geschützt werden. Danach kann mit Raney-Nickel reduziert werden. Dabei genügt der von der Herstellung her am Raney-Nickel adsorbierte Wasserstoff für die Durchführung der Reduktion:
Weitere Reduktionsreaktionen sind in der Tabelle 4.8 (S. 164–168) zusammengefaßt.
169
4. Reaktionstypen
4.9
Elektrocyclische Reaktionen
Erhitzt man ein Gemisch von 1,3-Butadien und Ethen, dann läuft eine bemerkenswerte Reaktion ab, allerdings nur in einer geringen Ausbeute von ca. 20 %:
Diese Reaktion ist das einfachste Beispiel für einen Reaktionstyp, der von Otto Diels (1876–1954) und Kurt Alder (1902–1958) entdeckt wurde und nach ihnen Diels-Alder-Reaktion genannt wird. Es handelt sich dabei um eine konzertiert ablaufende Reaktion, bei der Elektronen so verschoben werden, daß gleichzeitig drei π-Bindungen gelöst und drei neue Bindungen, nämlich zwei σ-Bindungen und eine π-Bindung, gebildet werden:
Entsprechend dem Bild, das man sich von der Elektronenverschiebung macht, heißen solche Reaktionen allgemein elektrocyclische Reaktionen oder Cycloadditionen. Die Diels-Alder-Reaktion im besonderen ist eine [4 + 2]Cycloaddition, da das konjugierte π-System des einen Reaktionspartners, des Diens, vier Elektronen zum Reaktionsgeschehen beisteuert, während der andere Partner, das Dienophil, zwei π-Elektronen zur Verfügung stellt. Leichter als im oben dargestellten Fall verläuft die Diels-AlderReaktion, wenn das Dien elektronenreich und das Dienophil elektronenarm ist. Versieht man 1,3-Butadien beispielsweise mit Substituenten, die einen +I-Effekt aufweisen, Ethen aber mit einem elektronenanziehenden Substituenten, dann verläuft die Diels-Alder-Reaktion glatt bei niedrigerer Temperatur:
170
4.9 Elektrocyclische Reaktionen
Auf Grund des konzertierten Reaktionsmechanismus verläuft die Cycloaddition stereospezifisch. Dies kommt etwa in der folgenden Reaktion zum Ausdruck:
Die (Z)-Konfiguration des Dienophils bestimmt hier die relative Anordnung (cis) der Substituenten im Reaktionsprodukt. Ersetzt man in diesem Beispiel 1,3-Butadien durch 1,3-Cyclopentadien, dann zeigt sich ein weiteres typisches Merkmal der Diels-Alder-Reaktionen:
Es entsteht bevorzugt das endo-konfigurierte Produkt, d. h. jenes Produkt, bei dem die Carbonsäureestergruppen in cis-Stellung zur längeren Brücke des bicyclischen Systems angeordnet sind. Dieser Befund kann damit erklärt werden, daß jener Übergangszustand bevorzugt wird, der eine anziehende Wechselwirkung des π-Systems des Diens mit jenem der ungesättigten Substituenten des Dienophils erlaubt:
171
4. Reaktionstypen
Betrachten wir schließlich noch folgende Diels-Alder-Reaktion und den zugehörigen, durch das Symbol ‡ bezeichneten Übergangszustand, in dem sich die sechs beteiligten Elektronen auf einen sechsgliedrigen Ring in Bootform verteilen:
Bereits 1948 formulierte Pauling eine seither oft bestätigte Theorie, wonach ein Katalysator seine Wirkung deshalb entfaltet, weil er den Übergangszustand einer Reaktion stabilisiert, und nicht etwa die Edukte oder Produkte (vgl. auch Kapitel 4.16). Auf der Grundlage dieser Theorie haben Peter Schultz und seine Mitarbeiter 1989 mit Erfolg einen Katalysator für die gezeigte Reaktion in Form eines Proteins (Kapitel 7.14.2) entwickelt. Als Modell für den
172
4.10 Radikalreaktionen
Übergangszustand benutzten sie das folgende bicyclische System, das – über eine der oben gezeigten Diels-Alder-Reaktion ähnliche Synthesemethode – leicht zugänglich ist (ein Molekülmodell dieser Verbindung ist auf dem Umschlag dieses Buches abgebildet):
Danach erzeugten die Forscher gegen die Verbindung Antikörper. Diese sind spezielle Proteine des Immunsystems, die Fremdverbindungen, in unserem Fall eben das Modell des Übergangszustands, besonders stark zu binden vermögen. In der Tat stellte sich heraus, daß diese Antikörper in der Lage sind, die oben gezeigte Diels-Alder-Reaktion zu katalysieren.
4.10
Radikalreaktionen
4.10.1 Bildung von Radikalen Radikale sind Atome, Moleküle oder Ionen, die ungepaarte Elektronen aufweisen (Kapitel 2.2.3). Sie entstehen durch homolytische Spaltung von Elektronenpaarbindungen unter dem Einfluß von UV-Licht (hν, Kapitel 4.12) oder Wärme (∆): O
O Cl
Cl
hi
2 Cl H3 C
CH3
O O O
6
+
H3C
Aceton
O
Dibenzoylperoxid
hi
Acetylradikal
CH3 Methylradikal
O Benzoylradikal
2 O
Radikale können auch bei Redox-Vorgängen entstehen, wenn dabei Ein-Elektronenübergänge stattfinden.
173
4. Reaktionstypen
4.10.2 Kettenreaktionen Wenn man Alkane in Gegenwart von Chlorgas dem Sonnenlicht aussetzt, entstehen Gemische von chlorierten Alkanen:
Ein durch UV-Bestrahlung entstandenes Cl•-Radikal (d. h. ein Cl-Atom) kann beispielsweise durch homolytische Abspaltung eines H-Atoms aus Ethan in HCl übergehen. Dabei bleibt ein Ethylradikal übrig:
(a)
Das Ethylradikal ist reaktionsfähig genug, um ein Cl 2-Molekül homolytisch zu spalten:
(b)
174
4.10 Radikalreaktionen
Diese Reaktion liefert neben dem Produkt (Chlorethan) ein Cl•-Radikal, das wieder nach (a) mit einem Ethanmolekül reagieren kann. Ist einmal in einer Startreaktion ein Cl•-Radikal gebildet worden, so können die Reaktionen (a) und (b) sehr oft hintereinander ablaufen. Diese Kettenreaktion wird erst unterbrochen, wenn Vorgänge eintreten, die keine Radikale mehr als Produkte liefern. Solche Kettenabbruchreaktionen sind z. B. Rekombinationen von zwei Radikalen. Auch die Bildung von relativ stabilen, wenig reaktionsfähigen Radikalen kann zum Kettenabbruch führen (vgl. Kapitel 4.10.4). Die Chlorierung von Alkanen verläuft also nach folgendem Schema:
Gute Resultate erhält man, wenn die Kettenreaktionen (a) und (b) schnelle Reaktionen sind und die Konzentration der freien Radikale klein gehalten werden kann. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit von Kettenabbruchreaktionen vermindert. Unter optimalen Bedingungen können nach obigem Schema pro gebildetes Cl•-Radikal bis zu 10 000 Alkan-Moleküle chloriert werden, bevor die Kette abbricht.
4.10.3 Stabilität von Radikalen Eine Homolyse verläuft um so leichter, je kleiner die Bindungsenergie der zu brechenden Bindung ist. Da dieser Energiebetrag in der Reihe
175
4. Reaktionstypen
abnimmt, entsteht das tertiäre Radikal am leichtesten und ist auch am stabilsten. Noch wesentlich stabiler sind Radikale, bei denen das ungepaarte Elektron delokalisiert werden kann. Beispiele für solche mesomeriestabilisierten Radikale sind das Allylradikal, das Benzylradikal und vor allem das Triphenylmethylradikal (Kapitel 4.10.1).
Für Radikalreaktionen sind sehr unstabile Radikale häufig ungeeignet. Da sie wahllos mit allen im Reaktionsgemisch vorhandenen Verbindungen reagieren, ist keine selektive Reaktion möglich; man erhält ein Gemisch von Produkten.
4.10.4 Nachweis von Radikalreaktionen, Radikalfänger Radikale können durch relativ komplizierte physikalische Meßungen direkt nachgewiesen werden. Viele der relativ stabilen Radikale (z. B. das gelbe Triphenylmethylradikal) können am Auftreten von Farbe erkannt werden. Typisch für Radikalreaktionen ist auch, daß sie durch Licht oder leicht in Radikale zerfallende Verbindungen (z. B. Peroxide) in Gang gesetzt werden. Andererseits kann man Radikalreaktionen durch Radikalfänger bremsen oder vollständig unterbinden. Dafür eignen sich Verbindungen, die sich mit den an der Kettenreaktion beteiligten Radikalen zu relativ stabilen, weniger reaktionsfähigen Radikalen umsetzen. Dadurch wird die Reaktionskette unterbrochen. Als Radikalfänger können z. B. Iod, Hydrochinon oder Sauerstoff verwendet werden. Setzt man der in Kapitel 4.10.2 beschriebenen Chlorierungsreaktion I2 zu, so entstehen Iodradikale. Die Reaktionskette bricht ab, da die I•-Radikale zu wenig reaktionsfähig sind, um analog zu den Cl•-Radikalen weiter mit Ethan zu reagieren (siehe Schema auf S. 177). Die Chlorierung von Alkanen wird mit Vorteil unter Luftausschluß durchgeführt, da sonst die Bildung von relativ reaktionsträgen Peroxyalkylradikalen, z. B. CH3CH2–O–O•, zu einem Kettenabbruch führt.
176
4.10 Radikalreaktionen
4.10.5 Beispiele Die Chlorierung von Alkanen läßt sich auch mit Sulfurylchlorid SO2Cl2 in Gegenwart von Peroxiden (z. B. Dibenzoylperoxid, vgl. Kapitel 4.10.1) durchführen. Diese Reaktion dürfte nach folgendem Schema ablaufen:
Die Sulfochlorierung von Alkanen ist eine durch Licht katalysierte Radikalreaktion zwischen Alkanen R–H, SO2 und Cl2:
Cl2 Cl R R–SO 2
+ RH + SO 2 + Cl2
hi
2 Cl
Startreaktion
HCl + R R–SO 2
Kettenreaktionen
R–SO 2Cl + Cl
Anti-Markownikow-Additionen von Halogenwasserstoffen an C=C-Doppelbindungen können in Gegenwart von Peroxiden durchgeführt werden.
177
4. Reaktionstypen
Die Addition von HBr an 1-Buten, das man vor der Reaktion der Einwirkung von Sauerstoff ausgesetzt hat, ergibt vorwiegend 1-Brombutan, entsprechend einer anti-Markownikow-Addition:
In Gegenwart von Luftsauerstoff bilden sich in 1-Brombutan geringe Mengen von Peroxiden R–O–O–R, deren O–O-Bindung leicht homolytisch gespalten werden kann. Ein Radikal R–O• vermag dann ein HBr-Molekül homolytisch zu spalten, wobei der Alkohol R–OH und ein Bromatom Br• entstehen. Das Bromatom greift nun die Doppelbindung von 1-Buten an. Als Zwischenprodukte sind zwei verschiedene Radikale denkbar:
Da für C-Radikale und Carbokationen dieselbe Stabilitätsreihe gilt, wird das stabilere sekundäre Radikal b gebildet. Im nächsten Schritt wird ein HBr-Molekül homolytisch gespalten.
Dabei entsteht wieder ein Bromradikal, das mit einem weiteren 1-Butenmolekül reagieren kann. Das Produkt ist 1-Brompropan, während die normale Markownikow-Addition von HBr an 1-Buten 2-Brompropan ergeben hätte (Kapitel 4.4.2). Radikal-Polymerisationen werden im Kapitel 4.11.3 ausführlicher behandelt. Viele Verbindungen (Ether, Aldehyde, aromatische Amine) werden durch Luftsauerstoff oxidiert.
178
4.10 Radikalreaktionen
Bei diesen als Autoxidation bezeichneten Vorgängen handelt es sich um Radikalreaktionen. Das Endprodukt der Autoxidation von Benzaldehyd ist Benzoesäure. Die zuerst entstandene Perbenzoesäure oxidiert Benzaldehyd:
Autoxidationsgefährdete Chemikalien werden zur Lagerung häufig durch Zusatz von Radikalfängern stabilisiert. Radikale können auch durch Elektrolyse gebildet werden. Carboxylat-Ionen wird an der Anode ein Elektron entzogen; dabei entsteht ein elektrisch ungeladenes Radikal. Nach Abspaltung von CO2 bilden sich durch Kombination der Alkylradikale Kohlenwasserstoffe (Kolbe-Synthese):
179
4. Reaktionstypen
4.11
Polymerisationen
Polymere sind Verbindungen, die aus einer großen Zahl von gleichen Strukturelementen aufgebaut sind. Der Grundbaustein, das Monomer, kann dabei auf verschiedene Weise zu langen Ketten kombiniert werden. Polyethylen, das nur aus einer Sorte von Monomeren aufgebaut wird, ist ein Beispiel für ein Homopolymer. Copolymere oder Mischpolymere entstehen dagegen durch Kombination von zwei oder mehreren Sorten von Monomeren (Beispiele siehe Kapitel 4.11.5).
Der Polymerisationsgrad, d. h. die Zahl der Monomere, die zu einer Kette zusammengefügt sind, ist stark von den Reaktionsbedingungen abhängig und kann für ein bestimmtes Polymer innerhalb weiter Grenzen variieren. Polymere sind daher keine einheitlichen Verbindungen.
4.11.1 Kationische Polymerisation Die Polymerisation von Isobuten (2-Methylpropen) zu Polyisobuten kann durch Säuren katalysiert werden. Dabei wird zuerst ein Isobutenmolekül protoniert. Das entstehende Carbokation (daher die Bezeichnung „kationische Polymerisation“) reagiert mit einem weiteren Isobutenmolekül, wobei unter Verlängerung der Kette ein neues Carbokation entsteht. Diese Reaktion, bei der es sich um eine elektrophile Addition an eine Doppelbindung handelt, kann sich wiederholen. Der Abbruch einer Kette erfolgt durch Abspalten eines Protons aus der letzten in der Kette eingebauten Isobuteneinheit. Von den beiden Möglichkeiten wird hier entgegen der Saytzeff-Regel diejenige bevorzugt, die zu einer endständigen Doppelbindung führt.
180
4.11 Polymerisationen
4.11.2 Anionische Polymerisation Dieses Polymerisationsprinzip eignet sich nur für Ethenderivate mit stark elektronenanziehenden Substituenten. Diese werden benötigt, um bei allen Zwischenstufen die negative Ladung am endständigen C-Atom zu stabilisieren. Die Polymerisation wird durch den Angriff eines OH–-Ions auf ein geeignetes Ethenderivat eingeleitet. Zum Kettenabbruch führt hier die Protonierung des endständigen Carbanions.
181
4. Reaktionstypen
Ebenfalls anionisch läßt sich Formaldehyd polymerisieren:
Paraformaldehyd zerfällt beim Erhitzen wieder in einzelne Formaldehydmoleküle. Durch Veresterung der endständigen OH-Gruppen mit Carbonsäuren kann dies weitgehend verhindert werden.
4.11.3 Radikalische Polymerisation Bei diesem wichtigsten Polymerisationsprinzip werden als Starter Radikale (Kapitel 2.2.3 und 4.10.1) verwendet, wie sie z. B. aus Peroxiden entstehen. Beim Angriff des Radikals auf das Monomer wird die π-Bindung des Alkens homolytisch gespalten. Die Reaktionskette kann a) durch die Kombination zweier Radikale oder b) durch Disproportionierung abbrechen.
182
4.11 Polymerisationen
Die radikalische Polymerisation von Ethen gelingt nur bei 100 °C und unter einem Druck von 108 Pa. Leichter erfolgt die Polymerisation von Vinylchlorid zu Polyvinylchlorid (PVC) oder von Chloropren zu Neopren:
4.11.4 Polymerisation mit ZIEGLER-Katalysatoren Die von Ziegler entwickelten, aus Trialkylaluminium (AlR3) und Titantetrachlorid (TiCl4) bestehenden Katalysatoren erlauben die Polymerisation von Ethen unter milden Bedingungen. Eine wichtige Anwendung ist die Polymerisation von Isopren zu einem Produkt mit (Z)-Konfiguration an allen Doppelbindungen, das mit natürlichem Kautschuk identisch ist.
4.11.5 Kondensationspolymerisation Die Kondensation von Formaldehyd mit Phenol in alkalischer Lösung ist mit der Bildung des p-Hydroxymethylphenolat-Anions nicht beendet:
183
4. Reaktionstypen
Es kann über jede der ortho-Stellungen eine weitere Kondensationsreaktion mit Formaldehyd stattfinden:
Außerdem kann das nach Abspaltung von OH– entstehende Zwischenprodukt mit einem weiteren Phenolat-Ion reagieren (siehe das Schema auf der folgenden Seite). Die Kombination beider Reaktionsmöglichkeiten erlaubt den Aufbau eines stark vernetzten, dreidimensionalen Polymerisats. Diese Phenol-Formaldehyd-Harze (Bakelit) sind Mischpolymere. Zur selben Gruppe gehören auch die Polyester und die Polyamide. Dacron ist ein aus Terephthalsäure und Ethylenglykol aufgebauter Polyester:
184
4.11 Polymerisationen
Nylon ist ein Polyamid, dessen Bausteine Adipinsäure HOOC(CH2)4COOH und Hexamethylendiamin H2N(CH2)6NH2 durch Amidbindungen (Kapitel 7.9.4) verknüpft sind:
4.11.6 Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften von Polymeren Für die Herstellung von brauchbaren Polymeren sind die Reaktionsbedingungen außerordentlich wichtig. Es müssen sehr reine Ausgangsmaterialien
185
4. Reaktionstypen
verwendet werden, da Verunreinigungen den Kettenaufbau stören können. Der Polymerisationsgrad ist von den Reaktionsbedingungen abhängig: Zu hohe Temperaturen oder zu hohe Konzentrationen der Radikalstarter führen dazu, daß zu viele Ketten zu wachsen beginnen und man ein Polymerisat mit niedrigem Polymerisationsgrad erhält. Einen großen Einfluß auf die Eigenschaften von Polymeren hat die Zahl der Querverbindungen zwischen den Kettenmolekülen. Diese können häufig nach der Polymerisation noch eingeführt werden. Beim Kautschuk (Polyisopren) geschieht das beim Vulkanisieren. Dabei wird der Kautschuk mit Schwefel in Gegenwart von Katalysatoren erhitzt, wobei zwischen den Ketten Sulfid- und Disulfid-Brücken -S- und -S–S- gebildet werden. Die Polypeptidketten (Kapitel 7.14.2), aus denen das natürliche Polymer Wolle besteht, enthalten Cystein. Bei milder Oxidation, z. B. durch Luftsauerstoff, werden nach
die für Wolle typischen Disulfid-Brücken gebildet:
Besonders viele Querverbindungen enthalten die Phenol-FormaldehydHarze (Kapitel 4.11.5). Kunststoffe, die aus kettenförmigen Molekülen ohne Querverbindungen bestehen, sind sehr elastisch. Bei mechanischer Beanspruchung, z. B. Zug, richten sich die im Ruhezustand stark geknäuelten Ketten annähernd parallel aus. Hört der Zug auf, so geht das Material wieder in den Ausgangszustand mit den geknäuelten Polymerketten zurück.
186
4.12 Photochemie
Die Einführung von Querverbindungen (Vernetzung) zwischen den Polymerketten verändert die Eigenschaften von Kunststoffen. Solange deren Zahl klein ist, bleibt die Elastizität erhalten. Kunststoffe dieser Art werden beim Erwärmen weich und lassen sich dann leicht verarbeiten. Da auch die Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln erhalten bleibt, eignen sich Kunststoffe mit einem geringen Vernetzungsgrad gut zur Herstellung von Kunstfasern: Eine Lösung des Polymer wird durch feine Düsen ausgepreßt und das Lösungsmittel gleichzeitig verdampft. Kunststoffe mit zahlreichen Querverbindungen wie z. B. Bakelit (Kapitel 4.11.5) sind nicht elastisch, schmelzen nicht bei höherer Temperatur und sind in organischen Lösungsmitteln unlöslich. Hier wird die Masse bereits während der Polymerisation in Formen gegossen und der Prozeß anschließend bei erhöhter Temperatur zu Ende geführt.
4.12
Photochemie
Die Photochemie beschäftigt sich mit Reaktionen, die durch Licht ausgelöst werden. Beispiele sind die CO2-Assimilation bei grünen Pflanzen oder das Ausbleichen von Farbstoffen.
4.12.1 Durch Licht angeregte Moleküle Damit eine Verbindung photochemische Reaktionen eingehen kann, muß sie Licht absorbieren können. Farbige Verbindungen absorbieren im sichtbaren Bereich des Spektrums. Für photochemische Reaktionen wird oft das energiereichere ultraviolette Licht verwendet, das von vielen Verbindungen absorbiert wird, die π-Bindungen oder einsame Elektronenpaare (z. B. an Sauerstoff) aufweisen. Die Lichtenergie ist nach Max Planck (1858–1947) gequantelt. Die Energie eines Lichtquants oder Photons ist durch den Ausdruck
bestimmt (h = 6,626 · 10–34 Js (Planck’sche Konstante), ν = Frequenz, λ = Wellenlänge des Lichts, c = 2,998 · 108 m s–1 (Lichtgeschwindigkeit)); sie ist umgekehrt proportional zur Wellenlänge des verwendeten Lichts.
187
4. Reaktionstypen
Führt man Atomen Energie zu, so werden Elektronen des äußersten Energieniveaus auf höhere Energieniveaus angehoben. Kehren diese Elektronen auf ihr ursprüngliche Niveau zurück, so wird die vorher aufgenommene Energie in Form von Licht wieder abgegeben. Auf diese Weise kommen die typischen Flammenfärbungen der Alkali- und Erdalkalimetalle zustande. In ähnlicher Weise können auch die Elektronen in organischen Verbindungen angeregt werden. Durch die Zufuhr von Lichtenergie werden Elektronen, die bindende und nichtbindende Molekülorbitale besetzen, in antibindende Orbitale (Kapitel 2.7.1) promoviert. In der Carbonylgruppe des Formaldehyds ist das σ-Orbital der C=ODoppelbindung das energieärmste Orbital. Eine Überführung von σ-Elektronen in ein antibindendes σ*- oder π*-Orbital, die sehr viel Energie erfordern würde, findet nicht statt. Etwas weniger Energie erfordert die Promotion eines π-Elektrons aus der C=O-Doppelbindung. Für diesen π A π*-Übergang wird sehr energiereiches ultraviolettes Licht mit einer Wellenlänge von ca. 160 nm benötigt. Auch die Elektronen in den beiden einsamen Elektronenpaaren am Sauerstoff lassen sich durch Licht anregen und werden ebenfalls in das antibindende π*-Orbital befördert. Entsprechend der geringeren Energiedifferenz zwischen den n-11 und π-Niveaus erfordert ein n A π*-Übergang weniger Energie als ein π A π*-Übergang und kann mit ultraviolettem Licht der Wellenlänge 280 nm ausgelöst werden (Figur 4.5).
Figur 4.5. Energieniveauschema für die Orbitale der Carbonylgruppe.
11
Die Bezeichnung n deutet an, daß sich diese Elektronen in einem nichtbindenden Orbital be-
finden.
188
4.12 Photochemie
Bei n A π*- und π A π*-Übergängen erfolgt die Promotion eines π- oder n-Elektrons auf das energiereichere π*-Niveau zunächst unter Beibehaltung der Spinrichtung. Dieser angeregte Zustand des Moleküls mit der Multiplizität 1 wird als Singlettzustand bezeichnet. Anschließend kann das Molekül unter Spinumkehr des promovierten Elektrons in den energieärmeren und stabileren Triplettzustand mit der Multiplizität 3 übergehen12.
4.12.2 Primärprozesse Zum Verständnis photochemischer Reaktionen ist es nötig, alle Vorgänge zu untersuchen, die sich an die Absorption eines Photons durch ein Molekül anschließen (Figur 4.6). Der erste Schritt ist die Überführung eines Moleküls aus dem Grundzustand S0 in den Singlettzustand S1. Ist die aufgenommene Energiemenge sehr groß, so kann vorübergehend ein energiereicherer Singlettzustand (S2, S3) besetzt werden. Von dort aus gehen diese stark angeregten Moleküle jedoch rasch auf den S1-Zustand zurück. Die Energiedifferenz wird bei Kollisionen auf andere Moleküle übertragen. Dieser Übergang, der strahlungslos abläuft, wird als interne Konversion bezeichnet.
12
Der Gesamtspin S aller Elektronen in einem Molekül, das nur Elektronen mit paarweise anti-
parallelem Spin enthält (Grundzustand S0 oder Singlettzustand S1) ist null, da jeder Einzelspin den Wert + 1/2 oder – 1/2 hat. Die Multiplizität wird durch den Ausdruck 2S + 1 bestimmt. Für den Singlettzustand ist die Multiplizität 1. Besitzen zwei Elektronen gleichgerichtete Spins (Triplettzustand T1), so wird S = 1 und die Multiplizität somit 3.
189
4. Reaktionstypen
Figur 4.6. Photochemische Primärprozesse. a) Lichtabsorption; b) Interne Konversion; c) intersystem crossing; d) Fluoreszenz; e) Phosphoreszenz.
Vom Singlettzustand S1 aus sind folgende Übergänge möglich: • • •
•
S1 A S0 als interne Konversion, genau wie S2 A S1. S1 A S0 durch Abgabe eines Lichtquants (Fluoreszenz). S1 A T1. Unter Spinumkehr des angeregten Elektrons kann das Molekül in den energieärmeren Triplettzustand T1 übergehen. Dieser Vorgang wird als intersystem crossing bezeichnet. Aus dem S1-Zustand kann das Molekül chemische Reaktionen (Zerfall, Umlagerung, Kettenreaktion) eingehen, die zu den Produkten führen. Da die Lebensdauer des S1-Zustandes kleiner als 10–5 bis 10–7 s ist, kommen nur sehr schnelle Reaktionen in Frage. Deshalb überwiegen meist die drei oben angeführten Übergänge.
Viele Folgereaktionen gehen vom Triplettzustand aus, der viel stabiler ist und eine längere Lebensdauer (meist größer als 10–4 s) besitzt. Außerdem können folgende Übergänge in den Grundzustand erfolgen: • •
T1 A S0, strahlungslos und unter Spinumkehr als intersystem crossing. T1 A S0 unter Abstrahlung von Energie als Licht (Phosphoreszenz).
Außerdem kann die Triplettenergie auch auf ein anderes Molekül übertragen werden, das dabei vom Grundzustand direkt in den Triplettzustand angeregt wird (vgl. Kapitel 4.12.3).
190
4.12 Photochemie
4.12.3 Sensibilisatoren Viele Verbindungen, die selbst kein ultraviolettes Licht absorbieren, können dennoch in photochemischen Reaktionen umgesetzt werden. Da die Energie nicht direkt übertragen werden kann, setzt man einen Hilfsstoff ein. Dieser Sensibilisator soll eine Verbindung sein, die durch Lichtabsorption über den S1, sens-Zustand leicht in den Triplettzustand T1, sens übergeht (z. B. Farbstoff, Benzophenon). Durch direkte Energieübertragung bei einer Kollision kann dieses angeregte Sensibilisatormolekül Energie auf das nichtabsorbierende Molekül x übertragen (Figur 4.7), wobei dieses seinerseits direkt in den Triplettzustand T1, x promoviert wird. Diese Energieübertragung ist nur dann möglich, wenn T1, x energieärmer ist als T1, sens.
Figur 4.7. Schema der Energieübertragung durch Sensibilisatoren.
4.12.4 Triplettlöscher Photoreaktionen, die über einen Triplettzustand ablaufen, können durch sogenannte Triplettlöscher teilweise oder ganz unterbunden werden. Auf diese Substanzen (z. B. Naphthalin) übertragen die sich im T1-Zustand befindenden angeregten Moleküle ihre Energie besonders leicht. Die Löscher verhalten sich also wie die Substanz x in Figur 4.7, reagieren aber nach ihrer Überführung in den T1-Zustand nicht weiter. Damit ist die photochemische Reaktion unterbrochen. Experimente dieser Art kann man zur Untersuchung von Photoreaktionen verwenden: Werden die Reaktionsprodukte vom Singlettzustand S1 aus gebildet (Figur 4.6), so hat ein Triplettlöscher keinen Einfluß. Photoreaktionen, die über den T1-Zustand verlaufen, werden dagegen nach Zugabe eines Triplettlöschers teilweise oder ganz unterbunden.
191
4. Reaktionstypen
4.12.5 Quantenausbeuten Das Verhältnis
Φ =
Anzahl umgesetzte Moleküle Anzahl absorbierte Photonen
wird als Quantenausbeute einer photochemischen Reaktion bezeichnet. Gehen die meisten angeregten Moleküle durch interne Konversion oder Fluoreszenz wieder in den Grundzustand über, so ist Φ < 1. Der Fall Φ = 1 tritt ein, wenn jedes angeregte Molekül vom S1- oder T1-Zustand aus eine Folgereaktion eingeht. Es sind aber auch Werte von Φ > 1 (bis ca. 106) möglich, wenn durch die photochemische Reaktion ein Radikal gebildet wird, das eine Kettenreaktion (Kapitel 4.10.2) auslösen kann. Ein Beispiel ist die photochemische Auslösung der Chlorknallgasreaktion (Gemisch von H2 + Cl2):
4.12.6 Beispiele Folgereaktionen treten ein, wenn die bei der photochemischen Anregung aufgenommene Energie von der gleichen Größenordnung ist wie Bindungsenergien. In diesem Fall kann es im angeregten Molekül zur homolytischen Spaltung einer Bindung kommen. Dabei entstehen aus Halogenmolekülen einzelne Atome:
Bei komplizierter gebauten Molekülen wird bevorzugt die schwächste Bindung gebrochen. Im Aceton beispielsweise ist dies die C–C-Bindung:
192
4.12 Photochemie
Diese Reaktion, bei der die Bindung zwischen dem Carbonyl-C-Atom und dem α-C-Atom gebrochen wird, ist typisch für Carbonylverbindungen und wird als α-Spaltung bezeichnet. Bei Menthon sind die beiden für die α-Spaltung in Frage kommenden Bindungen nicht gleichwertig. Die schwächere Bindung ist diejenige, deren Auflösung zum stabileren Biradikal führt (Kapitel 2.2.3):
Eine der möglichen Folgereaktionen ist hier eine intramolekulare Abstraktion eines H-Atoms, die zu einem Keten führt. Als weitere Folgereaktion kommt die Abspaltung von CO aus den bei der α-Spaltung gebildeten Acylradikalen in Frage:
193
4. Reaktionstypen
Die Photoreduktion von Ketonen kann in Gegenwart von Alkoholen durchgeführt werden. Benzophenon geht bei der Bestrahlung durch einen n A π*Übergang in einen angeregten Zustand über. Man nimmt auf Grund von experimentellen Befunden an, daß es sich dabei um den T1-Zustand handelt. Das angeregte Benzophenonmolekül, das zwei ungepaarte Elektronen und damit die Eigenschaften eines Biradikals hat, abstrahiert ein H-Atom vom zugesetzten Alkohol R–CH2OH. Dabei entstehen zwei Radikale, deren Kombination zu drei verschiedenen Pinakolen führen kann:
Es kann aber auch zwischen dem aus dem Alkohol stammenden Radikal und einem weiteren angeregten Benzophenonmolekül nochmals eine H-Übertragung stattfinden:
Dabei entstehen ein Aldehyd und Benzpinakol als Produkte.
194
4.13 Umlagerungen
Die (Z)-(E)-Isomerisierung von Alkenen (vgl. Kapitel 2.2.1) kann photochemisch durchgeführt werden. Die Reaktion benötigt Sensibilisatoren und dürfte über den T1-Zustand führen. In diesem angeregten Zustand besitzt das Molekül Biradikalcharakter und ist, da die π-Bindung aufgelöst ist, um die C–C-Bindung drehbar. Diese Isomerisierungen sind stark von den Reaktionsbedingungen abhängig. Die Lage des Gleichgewichts kann deshalb durch Variieren der Bedingungen (Temperatur, Lösungsmittel, Sensibilisator) verschoben werden. Damit ist es möglich, ein (Z)-Alken photochemisch mehr oder weniger vollständig in ein (E)-Alken zu überführen und umgekehrt.
4.13
Umlagerungen
Umlagerungen sind Reaktionen, bei denen nicht nur funktionelle Gruppen umgewandelt, eingeführt oder abgespalten werden, sondern auch das Grundgerüst des Moleküls verändert wird. Moleküle, die Umlagerungsreaktionen eingehen, weisen die allgemeine Struktur
auf. Darin bedeuten X eine nucleofuge Gruppe (Kapitel 4.2.2) und A die wandernde Gruppe (Alkyl- oder Arylgruppe). Y und Z sind meist Kohlenstoffatome, Y kann aber auch ein Stickstoffatom (z. B. beim Hofmann-Abbau) oder ein Sauerstoffatom (z. B. bei der Criegee-Umlagerung) sein. Damit während oder nach dem Austritt der nucleofugen Gruppe X die Gruppe A nach Y wandern kann, müssen A und X anti-ständig angeordnet sein. A, X, Y und Z liegen dabei in einer Ebene. Jede Umlagerungsreaktion läßt sich als Folge von Teilschritten auffassen. Die Abspaltung der nucleofugen Gruppe X führt zunächst zu einem Carbokation. Die anschließende oder gleichzeitige Wanderung der Gruppe A
195
4. Reaktionstypen
von Z nach Y, die zu einem weiteren Ion mit der positiven Ladung auf dem Zentrum Z führt, erfolgt nur, wenn dadurch ein stabileres Kation entsteht. Andernfalls kommt es nur zu einer normalen nucleophilen Substitutionsoder Eliminierungsreaktion am Zentrum Y. Das nach der Wanderung der Gruppe A entstandene, umgelagerte Ion geht je nach den Reaktionsbedingungen verschiedene Folgereaktionen ein.
Die Gruppe A wandert mit dem zugehörigen Bindungselektronenpaar. Man nimmt an, daß sie sich nie vollständig vom Molekül löst, die Reaktion also über einen Übergangszustand
intramolekular verläuft. Dafür sprechen zwei experimentelle Befunde: Externe Reagenzien konkurrieren nicht mit der wandernden Gruppe A. Ist A eine Gruppe mit asymmetrischem C-Atom, so ändert sich ihre Konfiguration während der Umlagerung nicht.
4.13.1 WAGNER-MEERWEIN-Umlagerungen Aus der protonierten Form von 3,3-Dimethyl-2-butanol entsteht nach Abspaltung von Wasser zunächst ein sekundäres Carbokation. Die Wanderung einer Methylgruppe von der 3- in die 2-Stellung führt zum stabileren tertiären Carbokation: 4
H 3C 3 2
H3C H 3C
H 1 CH3 OH
3,3-Dimethyl-2-butanol
196
1. H+ 2. – H 2O
H 3C H3 C H 3C
H CH3
H3 C H3 C
CH3 H CH3
4.13 Umlagerungen
In unpolaren Lösungsmitteln ist die Abspaltung eines Protons die bevorzugte Folgereaktion (Reaktionsweg a). Von den zwei möglichen Produkten ist normalerweise das verzweigtere Alken stabiler und wird daher als Hauptprodukt gebildet (Kapitel 4.3.4).
In polaren Lösungsmitteln können die Lösungsmittelmoleküle selbst (z. B. ROH) oder darin enthaltene Nucleophile (z. B. CH3O –, CH3COO –, Cl–) koordiniert werden (Reaktionsweg b). Wegen der freien Drehbarkeit um die C(2)-C(3)-Bindung könnte jede der drei Gruppen am C(3)-Atom von 3-Methyl-3-phenyl-2-pentanol die für die Umlagerung günstige Lage einnehmen. Im Experiment beobachtet man aber, daß bevorzugt die am stärksten nucleophile Gruppe (Kapitel 4.2.2) wandert:
Diese nach Wagner und Meerwein benannten Umlagerungen treten häufig bei der Abspaltung von Wasser oder Halogenwasserstoff aus Alkoholen oder Alkylhalogeniden auf. Wie die Umsetzung von Tetrahydrofurfurylalkohol zu Dihydropyran zeigt, kann die Rolle der wandernden Gruppe bei cyclischen Verbindungen auch von einer der Bindungen im Ring übernommen werden. Die Umlagerung erlaubt hier den Übergang von einem sehr instabilen primären Carbokation in ein sekundäres Carbokation.
197
4. Reaktionstypen
Die Zusammenhänge zwischen der Stereochemie und dem Verlauf von Wagner-Meerwein-Umlagerungen können am Beispiel der Wasserabspaltung aus cis- und trans-2-Methylcyclohexanol veranschaulicht werden. Es wandert immer die zur nucleofugen Gruppe anti-ständige Gruppe. Diese Umlagerungen verlaufen wie die oben erwähnten in mehreren Schritten. Es wird jeweils nur das aus dem umgelagerten Carbokation durch H+-Abspaltung entstehende stabilste Alken angegeben.
4.13.2 Die Pinakol-Pinakolon-Umlagerung Versucht man an 1,2-Diolen eine säurekatalysierte Wasserabspaltung durchzuführen, so erhält man unter Umlagerung ein Keton. Für Pinakol verläuft diese Reaktion über folgende Stufen:
198
4.13 Umlagerungen
Das durch die Wanderung einer Methylgruppe entstehende protonierte Keton (Oxonium-Ion) ist stabiler als das zunächst gebildete Carbokation. Als Endprodukt erhält man Pinakolon. Bei unsymmetrisch substituierten 1,2Diolen kann die Wasserabspaltung zu verschiedenen Produkten führen. Im ersten Schritt wird bevorzugt diejenige OH-Gruppe protoniert, die in der folgenden Reihe weiter rechts steht (R = Alkylgruppe, Ar = Arylgruppe):
4.13.3 Die Allyl-Umlagerung Die Allylumlagerung entspricht nicht der in der Einleitung angegebenen allgemeinen Formulierung. Sie wird häufig bei Substitutionsreaktionen an Allylverbindungen beobachtet. Unter gleichzeitiger Verschiebung der Doppelbindung können allylständige Substituenten eine 1,3-Wanderung erfahren. Das Grundgerüst der Verbindung bleibt dabei unverändert. Als Zwischenprodukt treten mesomeriestabilisierte Allylcarbokationen auf, die Lösungsmittelmoleküle oder Anionen in beiden positiv geladenen Stellungen koordinieren können.
199
4. Reaktionstypen
Deshalb liefern sowohl 3-Chlor-1-buten als auch 1-Chlor-2-buten bei der Hydrolyse ein Gemisch zweier isomerer Butenole. In saurer Lösung entsteht auch aus jedem der reinen Butenole nach Protonierung der OH-Gruppe und Abspaltung von Wasser zum mesomeriestabilisierten Allylcarbokation ein Gemisch der beiden Allylalkohole. Sind die beiden Grenzformen des Allylcarbokations gleichwertig, so ist ein 1:1-Gemisch der beiden möglichen Produkte zu erwarten. Andernfalls wird dasjenige Produkt bevorzugt entstehen, das sich von der Grenzstruktur mit dem stabileren Carbokation ableitet. Deshalb liefert die Hydrolyse der Allylchloride 3-Chlor-1-buten und 1-Chlor-2-buten immer 3-Buten-2-ol, das sich aus dem sekundären Carbokation bildet, als Hauptprodukt.
4.13.4 Die WOLFF-Umlagerung Diazoketone, die bei der Reaktion von Säurechloriden mit Diazomethan nach
entstehen, spalten beim Erhitzen oder bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht Stickstoff ab.
Dabei entsteht ein Carben, d. h. ein Molekül mit einem Kohlenstoffatom, das nur ein Elektronensextett aufweist. Die sehr reaktionsfähigen Carbene kön-
200
4.13 Umlagerungen
nen sich durch Wanderung eines Alkylrests stabilisieren. Diese Umlagerung führt zu einem Keten. Eine der möglichen Folgereaktionen ist die Addition von Wasser, die zu einer Carbonsäure führt. Reaktionen, die unter Abspaltung von molekularem Stickstoff verlaufen, sind energetisch immer sehr günstig, da bei der Bildung des N2-Moleküls viel Energie frei wird.
4.13.5 Die Acylnitren-Isocyanat-Umlagerung Eine ganze Reihe von Abbaureaktionen, die alle von Carbonsäurederivaten zu Aminen oder Aminderivaten mit einer um ein C-Atom verkürzten Kohlenstoffkette führen, verlaufen über Zwischenprodukte des Typs
Weil darin der Stickstoff nur ein Elektronensextett aufweist, werden diese Verbindungen in Analogie zu den Carbenen als Nitrene bezeichnet. Die sehr reaktionsfähigen Acylnitrene stabilisieren sich durch eine Umlagerung unter Wanderung der Alkylgruppe R mit dem Bindungselektronenpaar zu Isocyanaten:
Die Folgereaktionen sind meist Additionen von Lösungsmittelmolekülen an die C=O-Doppelbindung des Isocyanats.
201
4. Reaktionstypen
O H
R N C
N C H
OH
H 2O
O
R
– CO 2
eine Carbaminsäure
R N C O
CH3OH
OH
R
N C H
O CH3
Isocyanat
NH2
ein Amin
O
R
N C
R
O H
O CH3
ein Carbamat CH3NH2
OH
R N C
N CH3 H
O
R N C H
N CH3 H
ein Harnstoffderivat
Die Acylnitrene selbst sind durch verschiedene Reaktionsfolgen zugänglich: Beim Hofmann-Abbau, der von Säureamiden ausgeht, führt Bromierung am Stickstoff und anschließende Abspaltung von HBr in alkalischer Lösung zum Acylnitren:
Für den Schmidt-Abbau wird eine Carbonsäure in stark saurer Lösung mit Stickstoffwasserstoff-Säure (in situ hergestellt nach 2 NaN3 + H2SO4 A 2 HN3 + Na2SO4) zu einem Säureazid umgesetzt. Die Abspaltung von N2 führt zu Acylnitrenen:
202
4.13 Umlagerungen
Auch der Curtius-Abbau verläuft über ein Säureazid, das aber nach
aus einem Säurechlorid mit Natriumazid hergestellt wird.
4.13.6 Die BECKMANN-Umlagerung Diese Reaktion erlaubt die Umwandlung von Oximen in Säureamide. Dazu muß die OH-Gruppe der Oxime in eine bessere nucleofuge Gruppe umgewandelt werden. Am besten eignen sich p-Toluolsulfonsäureester (Tosylester, vgl. Kapitel 4.2.2). Es wandert immer die zur Tosylestergruppe E-ständige Alkylgruppe. Die von einem unsymmetrischen Keton abgeleiteten isomeren (Z)- und (E)-Oxime (Kapitel 7.11.2), die man in vielen Fällen voneinander trennen kann, liefern also bei der Beckmann-Umlagerung verschiedene Produkte:
203
4. Reaktionstypen
4.13.7 Die CRIEGEE-Umlagerung von Hydroperoxiden Hydroperoxide erhält man durch Luftoxidation von Kohlenwasserstoffen (Angriff an tertiär gebundenen H-Atomen) oder durch Addition von H2O2 an Alkene. Die Reaktion besitzt große Ähnlichkeit mit der Wagner-MeerweinUmlagerung. Im Umlagerungsschritt geht ein Sauerstoff-Kation mit Elektronensextett in ein stabileres Carbokation über. Auch hier wandert die am stärksten nucleophile Gruppe.
Bei der Baeyer-Villiger-Oxidation erfolgt eine ähnliche Umlagerung nach der Addition von Persäuren an Carbonylgruppen. Diese Reaktion führt zu Estern oder Lactonen.
204
4.14 Fragmentierungen
4.14
Fragmentierungen
Als Fragmentierungen bezeichnet man chemische Reaktionen, bei denen ein Molekül in mehrere Teile (Fragmente) zerfällt. Dieser vor allem von Cyril A. Grob (1917–2003) untersuchte Reaktionstyp kann allgemein wie folgt formuliert werden:
Dabei bedeuten X eine nucleofuge Gruppe (Kapitel 4.2.2) und A eine funktionelle Gruppe, die leicht Elektronen zur Verfügung stellen kann (z. B. –NR2, –OH, –O –, –SR). Die Stellungen B, C und D können von Kohlenstoff-, Sauerstoff- oder Stickstoffatomen eingenommen werden. Aus dem Reaktionsschema ist die Ähnlichkeit zwischen Fragmentierungs- und Eliminierungsreaktionen ersichtlich. Während die Eliminierung von HBr aus einem Alkylhalogenid durch eine von außen angreifende Base ausgelöst wird, ist diese elektronenliefernde Gruppe bei unter Fragmentierung reagierenden Strukturen ein Teil des Moleküls:
Für den Teil B–C–D–X der Struktur im obigen allgemeinen Reaktionsschema gelten daher die in Kapitel 4.3 dargestellten Überlegungen.
4.14.1 Spaltung von 1,3-Diolen Bei einem 1,3-Diol kann die eine OH-Gruppe durch Protonierung in eine bessere nucleofuge Gruppe umgewandelt werden (R = Alkylgruppen):
205
4. Reaktionstypen
Da die Protonierung im ersten Reaktionsschritt in 1- oder 3-Stellung erfolgen kann, erhält man aus unsymmetrisch substituierten 1,3-Diolen zwei Ketone und zwei Alkene als Produkte.
4.14.2 Fragmentierung von β-Halogenketonen β-Halogenketone fragmentieren in alkalischer Lösung sehr leicht. Im ersten Reaktionsschritt greift die Base am Carbonyl-C-Atom an:
Bei β-Halogenketonen, die ein α-Wasserstoffatom aufweisen, kann die Base außer am Carbonyl-C-Atom auch an diesem Atom angreifen:
Neben der Fragmentierung (Reaktionsweg a) wird in diesem Fall auch die normale Eliminierung von HBr (Reaktionsweg b) ablaufen.
206
4.14 Fragmentierungen
4.14.3 Säurespaltung von β-Diketonen In ähnlicher Weise reagieren β-Diketone in alkalischer Lösung. Als Produkte erhält man eine Carbonylverbindung und eine Säure (daher die Bezeichnung Säurespaltung).
4.14.4 Konzertierte und schrittweise Fragmentierung Fragmentierungsreaktionen können konzertiert (Reaktionsweg a) oder schrittweise (Reaktionsweg b) verlaufen. Die konzertierte Fragmentierung, bei der alle Elektronenverschiebungen gleichzeitig stattfinden, kann vor allem bei starren Molekülen beobachtet werden.
207
4. Reaktionstypen
Bei weniger starren Strukturen überwiegt normalerweise der Reaktionsweg b: Durch Austritt der nucleofugen Gruppe X– entsteht ein Carbokation als Zwischenprodukt, das die verschiedenen im Schema angedeuteten Folgereaktionen eingehen kann. Fragmentierungsreaktionen, die schrittweise verlaufen, sind also daran zu erkennen, daß außer den Fragmentierungsprodukten Nebenprodukte gefunden werden, die sich vom intermediär gebildeten Carbokation durch Eliminierung, Substitution oder Ringschluß ableiten lassen. Im 4-Bromchinuclidin sind alle am Fragmentierungsvorgang beteiligten Atome und Bindungen in einer günstigen Stellung zueinander festgehalten. Das Primärprodukt ist nicht stabil und hydrolysiert rasch zu 4-Methylpiperidin und Formaldehyd:
4.15
Reaktionen mit metallorganischen Verbindungen
Von den meisten Metallen und Halbmetallen sind Verbindungen bekannt, in denen Alkyl- oder Arylgruppen direkt an ein Metallatom gebunden sind. Viele dieser metallorganischen Verbindungen sind wichtige Reagenzien für organische Synthesen. Andere haben praktische Bedeutung erlangt (z. B. Tetraethylblei Pb(C2H5)4, das früher als Antiklopfmittel dem Benzin beigemischt wurde) oder spielen in der Biochemie eine bedeutende Rolle (etwa Methylcobalamin, die methylierte Form des Vitamins B12, ein Reagens zur Übertragung von Methylgruppen im Stoffwechsel). Bindungen zwischen Kohlenstoff und einem Metall M sind immer polarisiert, wobei der Kohlenstoff eine partielle negative Ladung trägt:
208
4.15 Reaktionen mit metallorganischen Verbindungen
Das Ausmaß der Polarisierung hängt von der Elektronegativität des Metalls ab. Bindungen zwischen Alkalimetallen und Kohlenstoff haben weitgehend den Charakter von Ionenbindungen, während diejenigen zwischen Zinn, Blei oder Quecksilber und Kohlenstoff fast reine Elektronenpaarbindungen sind. Die Reaktivität metallorganischer Verbindungen nimmt mit steigender Polarisierung der Kohlenstoff-Metall-Bindung zu. Die gezeigte Polarisierung der Kohlenstoff-Metall-Bindung besitzt in der organischen Synthese deshalb eine so große Bedeutung, weil sie es erlaubt, C-Atome als Nucleophile zur Knüpfung neuer C–C-Bindungen einzusetzen. Bei den meisten in den vorhergehenden Kapiteln behandelten Reaktionstypen treten C-Atome als Elektrophile auf. Dies liegt daran, daß die in den meisten organischen Verbindungen auftretenden Heteroatome (O, N, Halogene) stärker elektronegativ sind als das Kohlenstoffatom und damit C–XBindungen derart polarisiert sind, daß das Kohlenstoffatom jeweils eine positive Partialladung trägt. Prominente Ausnahmen sind die Alkene, die Alkine und die aromatischen Verbindungen. Die π-Elektronen verleihen diesen Verbindungen nucleophilen Charakter, so daß sie von Elektrophilen angegriffen werden können (vgl. etwa die elektrophile Addition an Doppelbindungen, Kapitel 4.4.2, und die elektrophile aromatische Substitution, Kapitel 4.6). Wegen der umgekehrten Polarisierung der C–M-Bindung erschließen metallorganische Verbindungen dem Synthesechemiker vor allem die sp3-hybridisierten C-Atome als Kohlenstoff-Nucleophile.
4.15.1 GRIGNARD-Reaktionen Die Bildung von magnesiumorganischen Verbindungen aus Magnesium und Alkylhalogeniden RX wurde 1900 von François Grignard (1871–1935) entdeckt:
Als Lösungsmittel für diese Reaktion sind Ether geeignet. Das Magnesiumatom kann Ethermoleküle über die einsamen Elektronenpaare am Sauerstoff koordinieren. Die Bildung von Komplexen, für die man Strukturen wie
209
4. Reaktionstypen
annimmt, stabilisiert die Mg-organische Verbindung und ist auch für die Etherlöslichkeit der Grignard-Verbindungen verantwortlich. Unter Ausschluß von Feuchtigkeit und Sauerstoff sind Lösungen von Grignard-Reagenzien lange beständig. Für die Alkylhalogenide R–X nimmt die Reaktivität in der Reihenfolge I > Br > Cl ab. Fluoride reagieren nicht. ZEREWITINOFF-Reaktion Grignard-Reagenzien werden leicht durch protische Lösungsmittel (Wasser, Alkohole) und andere Verbindungen, die „aktiven Wasserstoff“ enthalten (Amine, Säuren, Alkine, leicht enolisierbare Carbonylverbindungen), zersetzt. Als Produkte entstehen der dem Grignard-Reagens entsprechende Kohlenwasserstoff und ein Magnesiumsalz:
Man kann diese Reaktionen zur analytischen Bestimmung der Anzahl aktiver Wasserstoffatome in einer Verbindung benützen, indem man diese mit viel CH3MgBr umsetzt und das Volumen des gebildeten Methans mißt. Oft ermöglicht sie auch die Eliminierung von Halogensubstituenten aus einer Verbindung, wenn andere Methoden versagen: nach Überführung des Alkylhalogenids in eine Grignard-Verbindung wird diese mit Wasser zersetzt. Meist ist jedoch die Zerewitinoff-Reaktion unerwünscht. Sie läßt sich verhindern, indem man aktive Wasserstoffatome aufweisende funktionelle Gruppen vorübergehend schützt (OH-Gruppen z. B. durch Verestern). In anderen Fällen nimmt man sie in Kauf und setzt dem Reaktionsgemisch eine entsprechend größere Menge der Grignard-Verbindung zu.
210
4.15 Reaktionen mit metallorganischen Verbindungen
Umsetzung von GRIGNARD-Verbindungen mit Alkylhalogeniden Diese Reaktion führt nach
zu einer Kupplung der beiden Alkylgruppen R und R’. Die Reaktion entspricht einer nucleophilen Substitution an R’–Br mit R– als Nucleophil. Addition von GRIGNARD-Verbindungen an polarisierte Doppelbindungen Die wichtigste Reaktion der Grignard-Verbindungen führt, entsprechend der Polarisierung der beiden Reaktionspartner, zunächst zu einem Magnesiumsalz:
Die meist mit verdünnter Salzsäure ausgeführte Hydrolyse liefert dann als Produkt einen tertiären Alkohol. In gleicher Weise erhält man sekundäre Alkohole durch Addition einer Grignard-Verbindung an einen Aldehyd und primäre Alkohole, falls Formaldehyd als Carbonylverbindung eingesetzt wird. Bei der Addition von Grignard-Verbindungen an α, β-ungesättigte Carbonylverbindungen konkurrieren die 1,2- und die 1,4-Addition (Kapitel 4.4.7):
211
4. Reaktionstypen
Bei Estern führt die Addition eines Grignard-Reagens zu einem Keton. Es kann sofort ein zweites Mol der Mg-organischen Verbindung addiert werden. Diese Reaktionsfolge eignet sich zur Herstellung von tertiären Alkoholen mit zwei gleichen Alkylgruppen. Symmetrische sekundäre Alkohole entstehen, wenn ein Ester der Ameisensäure als Ausgangsmaterial verwendet wird.
Säurechloride reagieren so schnell mit Grignard-Verbindungen, daß sich das entstehende Keton isolieren läßt, bevor die Reaktion mit einem zweiten Mol R–MgX eintritt. Am besten ist es, ein Äquivalent des Grignard-Reagens zu einer Lösung des Säurechlorids zuzutropfen und so die Konzentration von R–MgX immer klein zu halten.
212
4.15 Reaktionen mit metallorganischen Verbindungen
Die Umsetzung von Grignard-Reagenzien mit CO2 (am besten in der Form von Trockeneis) führt zu Carbonsäuren. Das intermediär gebildete Magnesiumsalz reagiert nur langsam mit einem weiteren Mol R–MgX.
Dieselbe Reaktion kann auch mit CS2 ausgeführt werden, sie liefert dann Dithiosäuren:
Grignard-Reagenzien können in gleicher Weise auch an C–N-Doppel- und Dreifachbindungen addiert werden:
213
4. Reaktionstypen
4.15.2 REFORMATZKY-Reaktionen α-Bromester reagieren mit Zink zu zinkorganischen Verbindungen. Diese können wie Grignard-Verbindungen an Carbonylgruppen addiert werden. Hydrolyse des Zwischenprodukts liefert einen β-Hydroxyester, aus dem mit H2SO4 leicht Wasser abgespalten werden kann:
Zinkorganische Verbindungen sind weniger reaktionsfähig als GrignardVerbindungen. Deshalb reagiert die zinkorganische Verbindung a nicht mit der Estergruppe des α-Bromesters, sondern nur mit Carbonylgruppen von Aldehyden und Ketonen.
4.15.3 Cadmiumorganische Verbindungen Cadmiumorganische Verbindungen werden aus Grignard-Verbindungen und CdCl2 erhalten. Sie eignen sich vor allem für die Synthese von Ketonen aus Säurechloriden. Die geringe Reaktivität der Cd-Alkylverbindungen erlaubt keine weitere Addition von CdR2 an das im ersten Schritt gebildete Keton:
214
4.15 Reaktionen mit metallorganischen Verbindungen
4.15.4 Lithiumorganische Verbindungen Von Li, Na und K sind Alkyl- und Arylverbindungen bekannt. Sie werden aus den Alkyl- und Arylhalogeniden und dem Metall hergestellt:
Praktische Verwendung finden vor allem die leicht zugänglichen Verbindungen Phenyl-Lithium und Butyl-Lithium. Entsprechend der starken Polarisierung der Li–C-Bindung sind lithiumorganische Verbindungen sehr reaktionsfähig. Durch Austauschreaktionen (Metallierung) wie z. B.
können metallorganische Verbindungen erhalten werden, die nach anderen Methoden nicht zugänglich sind. Derartige Austauschreaktionen können auch bei Alkylchloriden durchgeführt werden:
215
4. Reaktionstypen
Lithiumorganische Verbindungen lassen sich an Doppelbindungen addieren. Da die entsprechende Reaktion mit Grignard-Verbindungen einfacher ist, verwendet man R–Li nur für Additionen an sterisch gehinderte Carbonylverbindungen, die sich mit dem voluminöseren Reagens R–MgX nicht umsetzen lassen:
CO2 addiert nur 1 Mol R–MgX (Kapitel 4.15.1.3), setzt sich aber mit zwei Mol der reaktionsfähigeren lithiumorganischen Verbindung zu Ketonen um:
4.16
Enzymkatalysierte Reaktionen
Enzyme, die Katalysatoren des biochemischen Stoffwechsels, sind Makromoleküle, die zur Stoffklasse der Proteine (Kapitel 7.14.2) gehören. Da sie aus chiralen Bausteinen, den L-Aminosäuren, aufgebaut sind, gehören sie zu den chiralen Katalysatoren. Dies erklärt ihre beeindruckende Selektivität: Enzymkatalysierte Reaktionen, bei denen asymmetrische C-Atome entstehen, laufen allgemein so ab, daß von zwei oder mehreren möglichen Stereoisomeren eines bevorzugt gebildet wird. Außerdem vermögen Enzyme meistens zwischen strukturell nahe verwandten Edukten zu unterscheiden und katalysieren die fragliche Reaktion nur für ein Edukt bzw. einen Edukttyp. Schließlich ermöglichen Enzyme Reaktionen, die im Labor nur unter extremen Bedingungen oder gar nicht möglich wären, bei annähernd Raumtemperatur in wäßriger Lösung unter neutralen Bedingungen.
216
4.16 Enzymkatalysierte Reaktionen
Man kann sich die Vorteile der enzymatischen Katalyse zunutze machen und Reaktionen im Reagenzglas in Gegenwart isolierter Enzyme oder geeigneter Mikroorganismen ablaufen lassen (vgl. auch die technisch bedeutende Synthese von Vitamin C aus d-Glucose, Kapitel 3.2.10). Reduziert man substituierte Methylphenylketone klassisch mit achiralen Reagenzien, etwa mit Wasserstoffgas und Platin als Katalysator, so erhält man die entsprechenden sekundären Alkohole als Racemate. Setzt man aber als Reagens lebende Zellen der Bäckerhefe ein, werden die (S)-konfigurierten sekundären Alkohole mit Enantiomerenüberschüssen um 90 % gebildet:
Die Bäckerhefe stellt dabei nicht nur ihre Enzyme – konkret handelt es sich hier um Dehydrogenasen, die zur Gruppe der Oxidoreduktasen gehören – als chirale Katalysatoren zur Verfügung, sondern hält auch gleich das ebenfalls chirale Reduktionsmittel NADH (Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid, reduzierte Form) bereit. Bemerkenswert aber ist, daß substituierte Methylphenylketone und viele andere Ketone, die von Bäckerhefe ebenfalls stereoselektiv reduziert werden, im gewöhnlichen Stoffwechsel der Hefe nicht auftreten. Diese Toleranz gegenüber Variationen der Eduktstruktur, verbunden mit der Selektivität der Katalyse, macht Enzyme als Studienobjekte nicht nur für Biochemiker, sondern auch für potentielle Anwendungen im Syntheselabor besonders attraktiv. Es erstaunt deshalb nicht, daß Enzyme zu den am besten untersuchten Katalysatoren überhaupt gehören. Die Katalysatorfunktion von Enzymen soll darum hier etwas näher betrachtet werden. Grundsätzlich katalysieren Enzyme biochemische Reaktionen des folgenden allgemeinen Typs:
217
4. Reaktionstypen
Die Edukte werden dabei gewöhnlich „Substrate“ genannt. Außerdem pflegt man zu sagen: „Das Enzym X katalysiert die Umsetzung des Substrats A zum Produkt B.“ Die Formulierung unterstellt, daß es sich um eine irreversible Reaktion handelt, was aber in den allerwenigsten Fällen wirklich zutrifft. Zwar wird bei einigen wenigen exergonischen Reaktion (6G < 0) der Betrag der freien Reaktionsenthalpie 6G tatsächlich derart groß und damit für die Gleichgewichtskonstante K >> 1 gelten, daß man von einer quasi-irreversiblen Reaktion sprechen kann. In den meisten anderen Fällen erscheint die Reaktion aber nur deshalb irreversibel, weil für biochemische Gleichgewichtsreaktionen in lebenden Zellen der Gleichgewichtszustand häufig nie erreicht wird. So kann zwar 6G 5 0 gelten, d. h. im Gleichgewichtszustand gilt K 5 1 mit gleichberechtigten Hin- und Rückreaktionen. Die aktuell herrschenden Konzentrationen der Substrate und Produkte können aber Werte aufweisen, die für K Werte sehr viel kleiner als 1 liefern, so daß nach dem Prinzip von Le Chatelier aus den Substraten Produkte gebildet werden müssen, damit K sich dem Wert 1 nähert (vgl. dazu auch den Band „Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie“, Kapitel 3.5 und 3.6.2). Damit scheint die Reaktion bevorzugt in Richtung der Produkte abzulaufen, obwohl es sich um eine reversible Reaktion handelt. Es ist also festzuhalten: Ein Enzym, wie jeder andere Katalysator, katalysiert eine reversible Reaktion prinzipiell in beide Richtungen. Die Anwesenheit eines Katalysators hat keinen Einfluß auf die freie Reaktionsenthalpie 6G und die Gleichgewichtskonstante K. Ein Beispiel soll diesen Sachverhalt illustrieren. In höheren Pflanzen und einigen Mikroorganismen existieren Phenylalanin-Ammoniak-Lyasen (PAL). Solche Enzyme katalysieren die Einstellung des Gleichgewichts zwischen der Aminosäure l-Phenylalanin (Kapitel 7.14.2) einerseits sowie Zimtsäure (Kapitel 7.8) und Ammoniak andererseits:
Das Substrat und die Produkte sind in dieser Reaktionsgleichung so dargestellt, wie sie in wäßriger, annähernd neutraler Lösung vorwiegend vorliegen. In Richtung der Zimtsäure betrachtet, handelt es sich um eine Eliminierungsreaktion (Kapitel 4.3), in umgekehrter Richtung um eine Additionsreaktion (Kapitel 4.4).
218
4.16 Enzymkatalysierte Reaktionen
Die Funktion von PAL im normalen Stoffwechsel der Pflanzen ist es, Zimtsäure für weitere Stoffwechselwege bereitzustellen. Da sie als Edukt in Folgereaktionen verbraucht wird, wird Zimtsäure laufend aus dem obigen Gleichgewicht entfernt, während andererseits l-Phenylalanin durch Biosynthese oder als Abbauprodukt proteinreicher Nährstoffe problemlos nachgeliefert werden kann. Nach dem Prinzip von Le Chatelier wird also letztlich l-Phenylalanin zu Zimtsäure und Ammoniak umgesetzt. Durch Wahl geeigneter Bedingungen kann man PAL jedoch dazu bringen, in umgekehrter Richtung Zimtsäure und Ammoniak zu lPhenylalanin umzusetzen. Mischt man nämlich eine Suspension lebender Zellen einer geeigneten PAL-haltigen Hefe mit Zimtsäure und einem mehr als achtfachen molaren Überschuß an Ammoniak bei pH = 10, dann wird lPhenylalanin mit guter Ausbeute gebildet. Zur Beschreibung der Kinetik enzymkatalysierter Reaktionen kann man sich in den allermeisten Fällen auf folgendes Reaktionsschema stützen:
Darin bedeuten E das Enzym, S das Substrat, ES einen Enzym-Substrat-Komplex, P das Produkt, k1 und k2 die Geschwindigkeitskonstanten der Hinreaktionen und k–1 und k–2 jene der Rückreaktionen. Das zugehörige Geschwindigkeitsgesetz
v
d P dt
k2 E 0 S Km+ S
wurde von Leonor Michaelis, Maud L. Menten, G. E. Briggs und J. B. S. Haldane im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts entwickelt und ist als Michaelis-Menten-Gleichung bekannt. Die Gleichung beschreibt die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit v, d. h. der Rate, mit der die Produktkonzentration [P] pro Zeiteinheit zunimmt, von der Konzentration des Substrats [S] und der Enzymkonzentration E0 = [E] + [ES]. Die Konstante Km heißt Michaelis-Konstante, hat die Dimension einer Konzentration und ist mit den obigen Geschwindigkeitskonstanten gemäß
Km
k–1 + k2 k1
219
4. Reaktionstypen
verknüpft. Die Konzentration des Produkts [P] und die Konstante k–2 tauchen im Geschwindigkeitsgesetz nicht auf, da mit der Reaktionsgeschwindigkeit v vereinbarungsgemäß die Anfangsgeschwindigkeit der Reaktion unmittelbar nach dem Mischen von Enzym und Substrat gemeint ist, d. h. solange [P] noch verschwindend gering ist. Die Michaelis-Menten-Gleichung erlaubt es, Enzyme bezüglich ihrer Effizienz als Katalysatoren zu charakterisieren. Dazu seien drei Fälle besonders betrachtet (vgl. dazu Figur 4.8). Läßt man ein Enzym bei einer sehr hohen Substratkonzentration arbeiten, d. h. [S] >> Km, dann ist die Konstante Km im Nenner der Gleichung gegenüber [S] praktisch vernachläßigbar, und die Gleichung vereinfacht sich zu:
v k2E0
vmax
Die Reaktionsgeschwindigkeit ist dann für eine bestimmte Enzymkonzentration E0 die maximal erreichbare. Sie kann durch Erhöhung der Substratkonzentration nicht erhöht werden und wird deshalb oft als vmax bezeichnet. Die Geschwindigkeitskonstante k2 wird aus demselben Grund oft auch als katalytische Konstante kcat oder als turnover-Konstante bezeichnet. Man kann sie sich anschaulich als die maximal mögliche Anzahl von Substratmolekülen vorstellen, die das aktive Zentrum eines Enzymmoleküls pro Zeiteinheit zu Produktmolekülen umsetzen kann. Zu den Enzymen mit den größten turnover-Konstanten gehören die Katalasen, welche die Disproportionierung von H2O2 zu Sauerstoff und Wasser katalysieren. Sie weisen kcat-Werte um 4 u 107 s–1 auf. Ein einzelnes Katalase-Molekül kann also bis zu 40 Millionen H2O2Moleküle pro Sekunde zersetzen! Im Gegensatz dazu benötigt ein einzelnes Lysozym-Molekül mindestens 2 Sekunden, um eine glykosidische Bindung (vgl. Kapitel 7.14.3) eines Polysaccharids einer Bakterienzellwand zu hydrolysieren (kcat 5 0,5 s–1). Arbeitet ein Enzym bei einer Substratkonzentration, die gerade der Michaelis-Konstante entspricht, also [S] = Km, dann gilt offensichtlich:
v
k2E0 2
1 vmax 2
Die Konstante Km entspricht also jener Substratkonzentration, bei der die Reaktionsgeschwindigkeit gerade die Hälfte der maximal möglichen beträgt. Auch die Km-Werte variieren von Enzym zu Enzym beträchtlich. Für Chymotrypsin, das die Hydrolyse von Peptidbindungen sequenzspezifisch katalysiert, liegen sie bei einigen mM. Lysozym andererseits erzielt bereits bei
220
4.16 Enzymkatalysierte Reaktionen
Figur 4.8. Abhängigkeit der Geschwindigkeit v einer enzymkatalysierten Reaktion von der Substratkonzentration [S] gemäß der MICHAELIS-MENTEN-Gleichung. Die farbigen Linien illustrieren die Bedeutung der Größe vmax und der MICHAELIS-Konstante Km.
einer Substratkonzentration von 0,006 mM die Hälfte der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit. Ist schließlich die Substratkonzentration sehr klein, d. h. [S] > [ES] und damit
221
4. Reaktionstypen
[E] 5 E0. Der Quotient k2E0/Km = vmax/Km entspricht der Steigung der Tangente an die in Figur 4.8 gezeigte Kurve bei [S] = 0. Ein möglichst „effizienter“ Biokatalysator sollte nach diesen Betrachtungen also eine möglichst große turnover-Konstante k2 (= kcat) und gleichzeitig eine möglichst niedrige Michaelis-Konstante Km, insgesamt also eine möglichst große Spezifitätskonstante k2/Km aufweisen. Zu den Spitzenreitern solcher Enzyme gehören neben den bereits erwähnten Katalasen die Acetylcholinesterasen. Sie katalysieren die Hydrolyse des Neurotransmitters Acetylcholin, nachdem dieser seine Wirkung entfaltet hat und nicht mehr benötigt wird:
Die Spezifitätskonstanten der Acetylcholinesterasen betragen mehr als 108 s–1 M–1 und erreichen damit annähernd die Werte von Geschwindigkeitskonstanten diffusionskontrollierter bimolekularer Prozesse. Das bedeutet, daß ein Acetylcholin-Molekül, wenn es durch Diffusion zufälligerweise auf ein Enzymmolekül trifft, fast sicher hydrolysiert wird. Es stellt sich abschliessend die Frage, wie die beeindruckende Selektivität der Enzyme letztlich zustande kommt. Im Jahre 1894 formulierte Emil Fischer sein berühmtes Schlüssel-Schloß-Prinzip der molekularen Erkennung, wonach die Selektivität der Enzyme darauf beruhe, daß die dreidimensionale Struktur eines bestimmten Enzyms zur Struktur seines Substrats paße wie ein Schloß zum passenden Schlüssel. Obwohl auf den ersten Blick einleuchtend, bedarf diese Erklärung aus moderner Sicht einer Modifikation. In der Tat wäre ein Enzym, das zu seinem Substrat paßt wie ein Schloß zu seinem Schlüssel, ein außerordentlich schlechter Katalysator für die Umsetzung des Substrats zum Produkt, ja sogar das Gegenteil eines Katalysators! Durch die gute Paßform würde das Enzym das Substrat nämlich besonders gut binden und es dadurch bezüglich der freien Enthalpie G stabilisieren. Die freie ‡ Aktivierungsenthalpie der Hinreaktion 6G h würde dadurch vergrößert und
222
4.16 Enzymkatalysierte Reaktionen
die freie Reaktionsenthalpie 6G weniger stark negativ oder sogar positiv (vgl. den Band „Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie“, Figur 3.1). Wie man die Erklärung modifizieren muß, hat Linus Pauling (1901– 1994) erstmals klar formuliert: „I think that enzymes are molecules that are complementary in structure to the activated complexes of the reactions that they catalyse, that is, to the molecular configuration that is intermediate between the reacting substances and the products of the reaction for these catalysed processes. The attraction of the enzyme molecule for the activated complex would thus lead to a decrease in its energy, and hence to a decrease in the energy of activation of the reaction, and to an increase in the rate of the reaction.“ L. Pauling (1948) Nature (London) 161: 707–709. Wenn das Enzym das Schloß ist, dann ist der Schlüssel nicht das Substrat, auch nicht das Produkt, sondern der Übergangszustand der Reaktion! Ein Enzym bindet also den Übergangszustand besonders gut und spezifisch und erniedrigt damit die freie Aktivierungsenthalpie der Reaktion. Zur Illustration dieses Prinzips sei die am Ende des Kapitels 4.9 vorgestellte elektrocyclische Reaktion betrachtet. Dabei katalysiert ein maßgeschneidertes Protein, nämlich ein gegen ein Analogon des Übergangszustands der Reaktion gerichteter Antikörper, als künstliches „Enzym“ die entsprechende Diels-Alder-Reaktion.
223
4. Reaktionstypen
4.17
Übungen
4.1
Welche Produkte sind bei den folgenden Additionsreaktionen zu erwarten?
4.2
Kann man durch eine Br2-Addition Maleinsäure und Fumarsäure unterscheiden? Kann die Messung der optischen Drehung zur Unterscheidung zwischen den aus Maleinsäure und Fumarsäure erhaltenen Produkten von Nutzen sein?
224
4.17 Übungen
4.3
Welche der folgenden Verbindungen reagieren bei der Umsetzung mit NaOH nach dem SN1- bzw. nach dem SN2-Mechanismus?
4.4
Die beiden Isomere cis- und trans-1-Iod-2-methylcyclopentan werden mit NaOCH3 umgesetzt. Welches sind die Produkte?
4.5
Welche Produkte entstehen bei den folgenden Umsetzungen?
4.6
Wie verhalten sich cis- und trans-1,2-Dibromcyclohexan bei der Umsetzung mit I–?
4.7
2-Brom-3-methylpentan wird mit NaOH umgesetzt. Kann aus dem erhaltenen Produkt abgeleitet werden, ob eine syn- oder eine anti-Eliminierung stattgefunden hat?
225
4. Reaktionstypen
4.8
Die Abspaltung von HCl aus 2-Chlor-2,4,4-trimethylpentan (Formel siehe oben) liefert bevorzugt das weniger verzweigte Alken. Wie kann dieser Befund erklärt werden?
4.9
Welche Hauptprodukte sind bei den folgenden elektrophilen aromatischen Substitutionsreaktionen zu erwarten?
4.10
In ortho-, meta- und para-Dichlorbenzol wird ein dritter Substituent eingeführt. Wie viele isomere Produkte lassen sich in jedem Fall formulieren?
226
4.17 Übungen
4.11
Erklären Sie den Verlauf der folgenden Substitutionsreaktionen an Anilin und Anilinderivaten:
4.12
Wie kann man zwischen den folgenden Verbindungspaaren mit Hilfe von Oxidations- und Reduktionsreaktionen unterscheiden?
4.13
Mit welchen Reagenzien können die folgenden Reaktionen durchgeführt werden?
227
4. Reaktionstypen
4.14
(1-Propenyl)-benzol kann nach den beiden folgenden Methoden in vicinale Diole überführt werden:
Können die nach a) und b) erhaltenen Produkte voneinander unterschieden werden? Eignet sich die Messung der spezifischen Drehung für diese Untersuchung? 4.15
228
Wie können die folgenden Verbindungen durch Kondensationsreaktionen hergestellt werden? Überlegen Sie jedesmal, ob Nebenprodukte zu erwarten sind.
4.17 Übungen
4.16
a) Alkane (R–H) können mit Phosgen (COCl2) unter Bestrahlung mit ultraviolettem Licht in Säurechloride überführt werden. Formulieren Sie ein Reaktionsschema für diesen als Kettenreaktion ablaufenden Vorgang. b) Welche Hauptprodukte sind bei der Umsetzung von Propan und 2-Methylbutan mit COCl2 zu erwarten?
4.17
Welche Produkte erhält man bei der Umlagerung der folgenden 1,2Diole in saurer Lösung?
4.18
Durch welche Reaktionsfolge könnte 2-Methylpropanal aus Methylpropen hergestellt werden?
4.19
Welche Produkte sind beim Hofmann-Abbau von a) Benzoesäureamid; b) Adipinsäureamid (H2NCO–(CH2)4–CONH2) zu erwarten?
4.20
Formulieren Sie die Beckmann-Umlagerung von Cyclohexanonoxim.
4.21
2,4-Hexandiol fragmentiert in Gegenwart von starken Säuren. Formulieren Sie den Reaktionsablauf und die möglichen Produkte.
4.22
Wie β-Diketone können auch β-Ketoester in alkalischer Lösung fragmentiert werden. Welche Produkte entstehen bei dieser Reaktion aus der untenstehenden Verbindung?
4.23
Formulieren Sie die Diels-Alder-Reaktion, mit der man das am Ende des Kapitels 4.9 gezeigte bicyclische Übergangszustandsmodell synthetisieren kann.
229
4. Reaktionstypen
4.24
230
Berechnen Sie ausgehend von den Angaben in Kapitel 4.16 die Spezifitätskonstante von Lysozym.
5. Analytik
5.1
Elementaranalyse
Eine der wichtigsten Methoden zur Charakterisierung organischer Verbindungen ist die Verbrennungsanalyse. Dabei wird eine gewogene Menge der Substanz vollständig zu CO2 und Wasser verbrannt:
Der gesamte in der Verbindung enthaltene Kohlenstoff kann als CO2, der gesamte Wasserstoff als H2O aufgefangen und gewogen werden. Der Stickstoff aus N-haltigen Verbindungen liegt nach der Verbrennung als NO2 vor, das nach der Absorption von CO2 und H2O über glühendem Kupferdraht reduziert und als N2-Gas gemeßen wird. Auch andere in organischen Verbindungen vorkommende Elemente können durch spezielle Bestimmungsmethoden erfaßt werden. Beispiel 1: 3,921 mg einer Verbindung, die nur C, H und O enthält, lieferte bei der Verbrennung 10,594 mg CO2 und 4,338 mg H2O. Da 44 g CO2 (1 mol) 12 g Kohlenstoff enthalten, entsprechen den 10,594 mg CO2 10,594 mg · 12/44 = 2,899 mg C. Analog folgt für den Gehalt an Wasserstoff (18 g = 1 mol H2O enthalten 2 g H) 4,338 mg · 2/18 = 0,482 mg H. Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß die analysierte Probe von 3,921 mg zu 73,68 % aus Kohlenstoff, zu 12,29 % aus Wasserstoff und folglich zu 100 % – (73,68 + 12,29) % = 14,03 % aus Sauerstoff besteht. Daraus kann die Summenformel berechnet werden, indem man die Gehaltzahlen (%) durch die jeweiligen relativen Atommassen dividiert und die errechneten Werte auf ganzzahlige Verhältnisse zu normieren versucht:
231
5. Analytik
Element C H O
Gehalt 73,68 % 12,29 % 14,03 %
Relative Atommasse 12 1 16
Atomverhältnis 6,14 12,29 0,88
Normiert 6,97 13,97 1
Die erste Rechenoperation liefert das Atomverhältnis: Pro 0,88 Atome Sauerstoff enthält die Verbindung 12,29 Atome H und 6,14 Atome C. Da natürlich nur ganze Atome vorkommen können, werden diese Zahlenwerte durch 0,88 dividiert (als Divisor ist immer das kleinste Atomverhältnis zu wählen) und die Resultate auf ganze Zahlen gerundet (C7H14O). Die geringfügigen Abweichungen von ganzen Zahlen rühren daher, daß die Analysenwerte mit einem experimentellen Fehler behaftet sind13. Erhält man nach obiger Methode Werte, die ziemlich genau auf „‚5“ enden, z. B. C3,5H3O, so ist noch eine Multiplikation mit 2 auszuführen (C7H6O2).
Die so erhaltenen Resultate sind nicht eindeutig, denn außer der in Beispiel 1 gefundenen Formel C7H14O kommen auch ganzzahlige Vielfache (C14H28O2, C21H42O3) als Lösung in Frage. Für die sichere Bestimmung der Summenformel ist daher im Zweifelsfalle die Kenntnis der Molekülmasse notwendig. Beispiel 2: 4,421 mg einer aus C, H, O und N bestehenden Substanz (Mr < 100) lieferten bei der Verbrennungsanalyse 8,940 mg CO2, 4,140 mg H2O und 0,569 mL N2 (0 °C, 760 mm Hg). Durch dieselben Überlegungen wie bei Beispiel 1 findet man, daß die Substanzprobe 2,438 mg oder 55,14 % C sowie 0,460 mg oder 10,41 % H enthält. Für den Stickstoff gilt: 1 mol N2 = 28 g N2 entspricht 22 400 mL N2. Daher entspricht den 0,569 mL N2 (= 0,711 mg) ein Stickstoffgehalt von 16,08 %. Für den Sauerstoffgehalt folgt 100 % — (55,14 + 10,41 + 16,08) % = 18,37 %. Die Summenformel erhält man wieder durch Berechnung der Atomverhältnisse: Element C H O N
Gehalt 55,14 % 10,41 % 18,37 % 16,08 %
Relative Atommasse 12 1 16 14
Atomverhältnis 4,595 10,41 1,148 1,149
Normiert 4 9,07 1 1
Die richtige Formel lautet demnach C4H9ON (Mr 87).
13
Bei Bestimmungen von C, H und N ist in der Praxis auch bei reinsten Substanzen mit
absoluten Fehlern von ± 0,3 % zu rechnen.
232
5.2 Spektroskopische Methoden
5.2
Spektroskopische Methoden
Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Elementaranalyse das Hauptwerkzeug der Chemiker, wenn es darum ging, Strukturen organischer Verbindungen aufzuklären. Der Informationsgehalt einer Elementaranalyse ist, für sich selbst betrachtet, zwar relativ gering und sagt über die Konstitution einer Verbindung praktisch nichts aus. Trotzdem kann man durch geschicktes Kombinieren mit Schlußfolgerungen, die sich aus der Zusammensetzung einer Verbindung, ihren den physikalisch-chemischen Eigenschaften und ihrem Verhalten bei chemischen Reaktionen ergeben, eine beachtliche Menge an Strukturinformation ableiten. So hat die Elementaranalyse bis heute ihren Platz im Arsenal der analytischen Methoden behaupten können. Insbesondere gilt für kristalline Verbindungen, deren Struktur man mit spektroskopischen Methoden aufgeklärt hat, nach wie vor die Forderung, daß eine Elementaranalyse die erwartete prozentuale Zusammensetzung (im Rahmen der Meßgenauigkeit) ergeben soll. Im folgenden sollen nun die wichtigsten der uns heute zur Verfügung stehenden spektroskopischen Methoden vorgestellt werden. Sie bilden, zusammen mit den Methoden zur Messung physikalischer Eigenschaften wie Schmelzpunkt, Siedepunkt, Dichte und Brechungsindex, den Grundstock der chemischen Analytik. Verbindungen, die man durch Synthese oder Reinigung aus natürlichen Quellen gewonnen hat, werden normalerweise mit jeder einzelnen der Methoden sorgfältig charakterisiert. Als Meßobjekt bei der Besprechung der einzelnen Methoden soll uns eine Verbindung dienen, die als Arzneistoff unter dem Namen „Clofibrat“ bekannt ist:
Die aus Clofibrat durch Hydrolyse freigesetzte Carbonsäure senkt den Spiegel der Triglyceride (Kapitel 7.14.1) und des Cholesterins (Kapitel 7.14.6) im Blut vermutlich deshalb, weil sie den Triglycerid-Transport aus der Leber und die Cholesterin-Biosynthese in der Leber hemmt. Die Verbindung besitzt die Summenformel C12H15ClO3 (Mr 242,7), ist bei 20 °C eine Flüssigkeit mit
233
5. Analytik
der Dichte 1,137 g cm–3 und dem Brechungsindex 1,503 (bezogen auf die D-Linie des Na-Spektrums mit λ = 589 nm) und ist nicht chiral.
5.2.1
Massenspektrometrie
Bei der Massenspektrometrie wird eine Verbindung in eine evakuierte Kammer gebracht, wo sie verdampft und auf eine geeignete Art und Weise ionisiert wird. Je nach Ionisierungsmethode wird die Verbindung bei diesem Prozeß außerdem heterolytisch oder homolytisch in Fragmente zerlegt. Dies trifft etwa für die am weitesten verbreitete Elektronenstoß-Ionisierung zu. Bei dieser Methode kommen Ionisierung und Fragmentierung dadurch zustande, daß Elektronen aus einem als Kathode geschalteten Heizdraht, nachdem sie durch eine Spannung zu einer Anode hin auf eine Energie von ca. 70 eV beschleunigt worden sind, mit den Probemolekülen kollidieren und aus diesen ein Elektron herausschlagen oder sie gar in Bruchstücke zerschlagen. Dadurch entstehen Molekül-Ionen, bei denen es sich um Radikal-Kationen M•+ handelt, und Fragment-Ionen. Die Molekül- und Fragment-Ionen werden dann durch ein elektrisches Feld beschleunigt. Man läßt sie anschließend elektrische Felder und Magnetfelder passieren, wodurch sie von ihrer ursprünglichen Bahn abgelenkt werden. Der Grad der Ablenkung ist dabei umso größer, je kleiner die Masse und je größer die Ladung der Teilchen ist. Ein geeignet plazierter elektronischer Detektor registriert schließlich die eintreffenden Ionen und erfaßt dabei als Massenspektrum das Ausmaß der Ablenkung, das mit dem Quotienten m/z aus Masse (m) und Ladung (z) der Teilchen korreliert ist, und die relative Häufigkeit des Eintreffens der Ionen. Das Massenspektrum von Clofibrat ist in Figur 5.1 gezeigt. Um die auftretenden Signale korrekt interpretieren zu können, muß man sich daran erinnern, daß die meisten der in der Natur vorkommenden Elemente als Gemische verschiedener Nuklide auftreten. Kohlenstoff etwa besteht zu 98,9 % aus 12C-Atomen und enthält 1,1 % 13C-Atome. Natürliches Chlor enthält hingegen 75,8 % 35Cl-Atome und 24,2 % 37Cl-Atome. Aus diesem Grund ergibt sich für eine makroskopische Probe einer Verbindung eine durchschnittliche relative Molekülmasse. Die Moleküle einer Probe Clofibrat besitzen im Durchschnitt eine Masse von 242,7 Da. Im Massenspektrometer verhalten sich die Ionen aber entsprechend ihren individuellen Massen. Das statistisch gesehen am häufigsten zu erwartende Molekül-Ion 12C12H1535ClO3•+ hat die Masse 242,0 und tritt bei m/z = 242 auf. Die am zweithäufigsten zu erwartende Spezies 12C12H1537ClO3•+
234
5.2 Spektroskopische Methoden
(C9H10CIO+) 169 (C6H4CIO+ H+) 128 O O H3 C
O
CH3
CH3
Cl
Figur 5.1. Massenspektrum von Clofibrat (Mr = 242,7) nach ElektronenstoßIonisierung. Das Verhältnis m/z von Masse und Ladung der vom Detektor registrierten Ionen, ausgedrückt in Einheiten von Dalton pro Elementarladung, ist gegen die relative Häufigkeit des Eintreffens der Ionen aufgetragen.
führt zum etwas kleineren Signal bei m/z = 244. Das Verhältnis der Intensitäten der Signale bei m/z = 242 und 244 widerspiegelt somit die charakteristische Häufigkeitsverteilung 75,8 : 24,2 der beiden Chlorisotope 35 Cl und 37Cl. Die kleineren Signale bei m/z = 243 und 245 können den beiden selteneren Molekül-Ionen 13 C12 C11H1535 ClO3•+ und 13 C12 C11H1537ClO3•+ zugeordnet werden. Die Fragment-Ionen mit Signalen um m/z = 128 und m/z = 169 treten mit einer ähnlichen Häufigkeitsverteilung auf. Allein auf Grund dieser Tatsache läßt sich vermuten, daß beide Ionen ein Chloratom enthalten. Überprüft man die Strukturformel von Clofibrat auf mögliche Fragmente, die diese Bedingung erfüllen, so findet man ein Bruchstück C9H10ClO+ (Signalgruppe bei m/z = 169) und eines mit der Formel C6H4ClO, von dem man annehmen muß, daß es bei der Fragmentierung ein Proton, H+, anlagert und somit als C6H4ClOH+ registriert wird (Signalgruppe bei m/z = 128). Durch eine sorgfältige Interpretation von Massenspektren ist man also nicht nur in der Lage, Informationen über die Masse von Molekül-Ionen zu gewinnen, sondern auch, mit Hilfe der Massen von Fragment-Ionen, mögliche Fragmentierungsmuster aufzuzeigen.
235
5. Analytik
5.2.2
UV/VIS- und IR-Spektroskopie
Entsprechend den im Kapitel 4.12 besprochenen Prinzipien können Elektronen in einem Molekül durch elektromagnetische Strahlung auf höhere, im Grundzustand des Moleküls nicht besetzte Energieniveaus angehoben werden. Dadurch wird die elektromagnetische Strahlung absorbiert. Für Verbindungen mit π-Elektronen, insbesondere für solche mit ausgedehnten konjugierten π-Systemen, liegt die Wellenlänge der benötigten Strahlung im Bereich des ultravioletten Lichts, (UV-Bereich, λ = 170 bis 400 nm) oder im Bereich des sichtbaren Lichts (VIS-Bereich, λ = 400 bis 800 nm, farbige Verbindungen). Man kann die Absorption messen, indem man eine Probe der zu untersuchenden Verbindung, in einem geeigneten schwach absorbierenden Lösungsmittel (z. B. Wasser, Ethanol, Cyclohexan) gelöst, in einen Lichtstrahl definierter Wellenlänge bringt. Die Intensität des austretenden Lichtstrahls kann mit einer Photozelle gemessen werden. Zum Vergleich wiederholt man die Messung mit der gleichen Anordnung, das Lösungsmittel eingeschlossen, aber ohne die zu untersuchende Verbindung. Nach dem Beer-Lambert’schen Gesetz ist bei einer bestimmten Lichtwellenlänge λ die Extinktion Eλ, d. h. der Logarithmus des Quotienten aus der Intensität des einfallenden Lichts (I0) und der Intensität des austretenden Lichts (I), der Konzentration c der gelösten Verbindung und der Schichtdicke d der Lösung proportional:
Der Proportionalitätsfaktor ελ hat für eine bestimmte Verbindung und Wellenlänge einen charakteristischen Wert und heißt molarer Extinktionskoeffizient. Es ist üblich, c in mol/L und d in cm zu messen. Da die Extinktion eine dimensionslose Größe ist, erhält ελ die Dimension L cm–1 mol–1. Variiert man nun bei gleichbleibender Meßanordnung die Wellenlänge λ und trägt die Extinktion gegen λ auf, so erhält man ein für die vermessene Verbindung und insbesondere für ihr π-Elektronensystem charakteristisches Absorptionsspektrum. Bei bestimmten Wellenlängen wird ελ und damit auch die Extinktion ein (lokales) Maximum erreichen. Solche Wellenlängen werden mit λmax bezeichnet und normalerweise, zusammen mit den zugehörigen ελ-Werten und dem Lösungsmittel, das bei der Messung verwendet wurde, angegeben. Allgemein gilt, daß ausgedehnte konjugierte π-Systeme größere λmax-Werte aufweisen als kleine Systeme.
236
5.2 Spektroskopische Methoden
Für Ethen findet man beispielsweise λmax = 171 nm (ε171 = 1,55 · 104 L cm mol–1), für 1,3-Cyclohexadien λmax = 259 nm (ε259 = 104 L cm–1 mol–1) und für β-Carotin (11 konjugierte Doppelbindungen, vgl. Kapitel 7.14.5) λmax = 497 (orange; ε497 = 1,33 · 105 L cm–1 mol–1). Das mit Clofibrat erhaltene UV-Spektrum (die Verbindung absorbiert kein sichtbares Licht) ist in Figur 5.2 gezeigt. Man erkennt lokale Maxima bei 226 nm (ε226 = 1,08 · 104 L cm–1 mol–1) und 279 nm (ε279 = 1,01 · 103 L cm–1 mol–1). –1
Figur 5.2. UV-Spektrum von Clofibrat (c = 8,41 · 10–5 mol/L in Ethanol, d = 1,00 cm).
237
5. Analytik
Kennt man ελ für eine Verbindung, kann man durch eine Absorptionsmessung und Auswertung mit Hilfe des Beer-Lambert’schen Gesetzes ihre Konzentration in einer Lösung bestimmen. Die IR-Spektroskopie beruht im wesentlichen auf denselben Prinzipien, mit dem Unterschied, daß zur Messung Licht mit Wellenlängen zwischen etwa 2000 und 17 000 nm, d. h. im infraroten Bereich, benutzt wird. Solches Licht vermag keine Elektronenübergänge anzuregen. Es besitzt aber genügend Energie, um kovalente Bindungen zu dehnen und damit in Schwingung zu versetzen (Streckschwingung), oder um Bindungswinkel zu deformieren (Deformationsschwingung). Die entsprechenden Absorptionsbanden treten in scharf begrenzten Wellenlängenbereichen auf, je nach Bindungsstärke und Masse der gebundenen Atome. Die IR-Spektroskopie eignet sich daher vor allem zum Nachweis von Bindungstypen in einem Molekül.
Figur 5.3. IR-Spektrum von Clofibrat (c = 0,2 mol/L in CHCl3, d = 0,1 mm).
Bei IR-Spektren pflegt man die Wellenlänge als Frequenz in Form von Wellenzahlen (Anzahl Wellen pro Zentimeter) anzugeben. Anstelle der Extinktion wird die der Konzentration der untersuchten Verbindung nicht proportionale Transmission I/I0, d. h. der Quotient aus der Intensität des austre-
238
5.2 Spektroskopische Methoden
tenden Lichts (I) und der Intensität des einfallenden Lichts (I0), in Prozent angegeben. Typische Absorptionsbanden erscheinen zwischen 2840 und 3330 cm–1 (C–H-Streckschwingung), zwischen 1600 und 1680 cm–1 (C=C-Streckschwingung bei Alkenen) und zwischen 1650 und 1780 cm–1 (C=O- Streckschwingung bei Aldehyden, Ketonen, Carbonsäuren, Estern). Deformationsschwingungen werden durch Licht niedrigerer Frequenz angeregt. Die entsprechenden Absorptionsbanden erscheinen als kompliziertes Muster in einem großen Bereich zwischen 600 und 1500 cm–1 und können normalerweise nicht einzeln interpretiert werden. Das Muster ist jedoch für eine bestimmte Verbindung charakteristisch. Der Bereich zwischen 600 und 1500 cm–1 heißt deshalb auch „Fingerprint“-Bereich. Figur 5.3 zeigt das IR-Spektrum von Clofibrat. Typisch sind die der C=O-Streckschwingung zuzuordnende starke Absorptionsbande bei 1730 cm–1 und die Banden um 3000 cm–1, die von den C–H-Streckschwingungen verursacht werden. Während solche Banden bei vielen anderen organischen Verbindungen mit Estergruppen ebenfalls beobachtet werden, ist das komplizierte Bandenmuster zwischen 800 und 1500 cm–1 charakteristisch für Clofibrat.
5.2.3
Kernresonanzspektroskopie
Bei der Kernresonanzspektroskopie nützt man den Umstand aus, daß nicht nur Elektronen, sondern auch gewisse Atomkerne einen von Null verschiedenen Spin, den Kernspin, besitzen. Zu diesen gehören die Kerne der Nuklide 1H, 13 C und 15N. Bringt man eine Probe einer Verbindung in ein starkes, homogenes Magnetfeld, dann verhalten sich diese Kerne wie winzige Magnete und richten sich deshalb im Magnetfeld aus. Die Kernspins besetzen dann ein niedriges Energieniveau. Stört man das System der ausgerichteten Kernspins durch Einstrahlung elektromagnetischer Energie im Radiowellenbereich, dann können die Kernspins, etwa durch Umklappen im Magnetfeld, auf ein höheres Energieniveau angehoben werden. Für einen bestimmten Kern hängt die dazu erforderliche Energie im wesentlichen von der Stärke des äußeren Magnetfelds ab. Beträgt die magnetische Flußdichte beispielsweise 4,7 Tesla14, dann muß zur Anregung von 1 H-Kernen elektromagnetische Energie mit einer Frequenz von 200 · 10 6 Hz 14
Die natürliche magnetische Flußdichte auf der Erdoberfläche beträgt, zum Vergleich, etwa
6 · 10–5 Tesla.
239
5. Analytik
(200 MHz) eingestrahlt werden. Für 13 C-Kerne benötigt man bei gleicher magnetischer Flußdichte Strahlung der Frequenz 50,3 MHz. In einem geringeren Maß hängt die erforderliche Energie aber auch von der Umgebung im Molekül ab, in der sich der Kern befindet. Mit Hilfe dieser Abhängigkeit kann man Information über die Struktur der untersuchten Verbindung gewinnen. Man stellt die Abhängigkeit als KernresonanzSpektrum (NMR-Spektrum)15 dar, indem man den Betrag der eingestrahlten elektromagnetischen Energie, die durch die untersuchte Probe aufgenommen wird, gegen die Frequenz der Energie aufträgt. Es ist üblich, die Frequenz der eingestrahlten Energie in ppm (part(s) per million, d. h. Einheiten von 10 –6) des absoluten Betrags aufzutragen. Bei einer Einstrahlfrequenz von 200 MHz entspricht 1 ppm also 200 Hz. Diese Art der Skalierung hat den Vorteil, daß die Zahlenwerte von der Magnetfeldstärke des verwendeten Spektrometers unabhängig werden. Auf dieser Skala wählt man den Nullpunkt willkürlich bei der (relativ hohen) Resonanzfrequenz von Kernen einer Standard-Verbindung (meist Tetramethylsilan, (CH3)4Si), die man der Probe beigemischt hat. Vereinbarungsgemäß setzt man den Nullpunkt am rechten Ende der Skala bei hoher Frequenz. Die Resonanzfrequenz der Kerne der untersuchten Verbindung erscheint dann, als sogenannte chemische Verschiebung in ppm relativ zu Tetramethylsilan, von rechts nach links, obwohl die Frequenz selbst wie üblich von links nach rechts zunimmt. Für den Betrag der eingestrahlten elektromagnetischen Energie, die durch die untersuchte Probe aufgenommen wird, begnügt man sich mit einer relativen Skalierung, d. h. die Ordinate bleibt ohne Bezeichnung. Als Beispiel dieser Darstellung ist in Figur 5.4 das 1H-NMR-Spektrum einer Lösung von Clofibrat in C2HCl3 gezeigt. Bei der Aufnahme von 1HNMR-Spektren ist die Verwendung von Deuterium (2H)-haltigen Lösungsmitteln deshalb angebracht, weil man dadurch intensive Resonanzlinien, die von 1H-haltigen Lösungsmitteln verursacht würden, vermeiden kann. Man erkennt zunächst die Resonanzlinie bei 0,0 ppm, die der Resonanzfrequenz der H-Atome von Tetramethylsilan entspricht. Weitere Signale bzw. Signalgruppen erscheinen bei chemischen Verschiebungen von 1,25, 1,60, 4,25, 6,75 und 7,20 ppm. Zum Vergleich der relativen Signalstärken sind im gezeigten Spektrum die Flächenintegrale der einzelnen Signale dargestellt. Diese Integrale verhalten sich, von rechts nach links gelesen, wie 3 : 6 : 2 : 2 : 2 und sind der Anzahl der 1H-Kerne, die jeweils ein Signal bzw. eine Signalgruppe verursachen, direkt proportional. 15
engl. nuclear magnetic resonance „magnetische Kernresonanz“
240
5.2 Spektroskopische Methoden
O 2'
4'
Cl
O
1'
3'
H3C
6' 5'
1''
2
3
1
O
2''
CH3
CH3 3
Figur 5.4. 1H-NMR-Spektrum (200 MHz) einer Lösung von Clofibrat in C2HCl3. Der Anstieg der farbig gezeichneten Linie über einem Resonanzsignal ist ein Maß für das Flächenintegral des betreffenden Signals und damit für die Anzahl H-Atome, die das Signal verursachen.
Bei der Interpretation von 1H-NMR-Spektren berücksichtigt man im wesentlichen die chemische Verschiebung der Signale, die Signalflächenintegrale und, falls es sich um Signalgruppen handelt, die Art der Aufspaltung in mehrere Linien. Sowohl die chemische Verschiebung als auch die Aufspaltung lassen Rückschlüsse auf die Umgebung im Molekül zu, in der sich ein bestimmter 1H-Kern befindet. Die Größe der chemischen Verschiebung ist vor allem ein Maß für die Art der funktionellen Gruppe, in welcher sich der betreffende Kern befindet. H-Atome in Alkylgruppen wie RCH3, RCH2R’ und R3CH ergeben beispielsweise Signale zwischen etwa 0,8 und 1,7 ppm. Nahegelegene elektronenziehende Substituenten vergrößern im allgemeinen die chemische Verschiebung. So erscheinen die Signale von CH2-Gruppen in Esterfunktionen wie –COOCH2R in einem Bereich zwischen 4,0 und 4,5 ppm. An C-Atome von aromatischen Ringen gebundene H-Atome geraten bei Werten um 7 ppm in Resonanz. Daten für viele weitere funktionelle Gruppen können Tabellenwerken entnommen werden.
241
5. Analytik
Bereits mit den bisher gegebenen Hinweisen lassen sich die Signale im 1H-NMR-Spektrum von Clofibrat den einzelnen H-Atomen im Molekül zuordnen. Die Signalgruppe bei 1,25 ppm muß offensichtlich den H-Atomen der Ethyl-CH3-Gruppe zugeordnet werden (relatives Integral: 3), während die große einzelne Linie bei 1,60 ppm den H-Atomen der beiden anderen, chemisch gleichwertigen CH3-Gruppen entspricht. Die Gruppe bei 4,25 ppm (relatives Integral: 2) ist der Ethyl-CH2-Gruppe und die Signale um 7 ppm den insgesamt vier an den Benzolring gebundenen H-Atomen zuzuschreiben. Die Aufspaltung einzelner Signale in mehrere Linien kommt dadurch zustande, daß die Kernspins nicht nur vom äußeren Magnetfeld beeinflußt werden, sondern sich auch untereinander beeinflussen. Diese gegenseitige Wechselwirkung, die man Spin-Spin-Kopplung nennt, kommt im Spektrum als Linienaufspaltung dann zum Ausdruck, wenn die betreffenden Kerne nur wenige kovalente Bindungen (typisch sind 2 bis 3) voneinander entfernt sind und ihre Resonanzfrequenzen, d. h. auch die chemischen Verschiebungen, sich unterscheiden. Die Art der Aufspaltung hängt von der Anzahl der beteiligten Kerne ab: Ist ein H-Atom n anderen H-Atomen benachbart, dann wird sein Signal in n + 1 Linien aufgespalten. Das Ausmaß der Aufspaltung, d. h. der genaue Abstand der einzelnen Linien in der Signalgruppe, stimmt dabei in den beiden gekoppelten Signalgruppen überein. Man nennt diese Größe die Kopplungskonstante J. Im Spektrum von Clofibrat finden wir zunächst eine Aufspaltung bei den der Ethylgruppe zugeordneten Signalen. Die Resonanz der CH3-Gruppe erscheint als Triplett (drei Linien, deren Flächenintegrale sich auf Grund der möglichen Kombinationen von Ausrichtungen der Spins im Magnetfeld wie 1 : 2 : 1 verhalten), und die Resonanz der CH2-Gruppe als Quartett (vier Linien mit Flächenintegralen im Verhältnis 1 : 3 : 3 : 1). Ferner beobachtet man für die an den aromatischen Ring gebundenen H-Atome zwei Dubletts (d. h. je zwei Linien mit Flächenintegralen im Verhältnis 1 : 1) bei 6,75 und 7,20 ppm. Eines der Dubletts muß den beiden chemisch gleichwertigen H-Atomen H–C(2’) und H–C(6’) zugeordnet werden, während das andere den HAtomen H–C(3’) und H–C(5’) entspricht. Das Signal bei 1,60 ppm erscheint als Singulett, da die H-Atome der entsprechenden CH3-Gruppen zu weit von anderen H-Atomen entfernt sind. Das bei 50,3 MHz aufgenommene 13 C-NMR-Spektrum von Clofibrat, ist in Figur 5.5 abgebildet. Zur Vereinfachung des Erscheinungsbilds wurden die Linienaufspaltungen, die auf Grund von 1H-13 C-Kopplungen zu erwarten wären, durch Einstrahlung elektromagnetischer Energie bei
242
5.2 Spektroskopische Methoden
200 MHz (d. h. bei der Resonanzfrequenz der 1H-Kerne) unterdrückt. Diese sehr häufig benutzte Art der Spektrenvereinfachung heißt 1H-Entkopplung. Da außerdem das Nuklid 13 C in natürlichem Kohlenstoff nur zu 1,1 % enthalten ist, ist die Wahrscheinlichkeit, in einem Molekül zwei benachbarte 13 C-Kerne zu finden, außerordentlich gering. Man beobachtet also in einem 1H-entkoppelten 13 C-NMR-Spektrum weder eine Aufspaltung auf Grund von 1H-13 C-Kopplungen noch eine auf Grund von 13 C-13 C-Kopplungen, so daß das Spektrum für alle Arten von C-Atomen in einem Molekül ein Singulett enthält. Dies erleichtert die Interpretation außerordentlich.
O 2' 3' 4'
Cl
O
1'
H3 C
6' 5'
1''
2
3
1
O
2''
CH3
CH3 3
Figur 5.5. 1H-Entkoppeltes 13C-NMR-Spektrum (50,3 MHz) einer Lösung von Clofibrat in C2HCl3. Die drei Resonanzlinien um 77 ppm werden vom Lösungsmittel verursacht.
Leider ist es in diesem Falle aus technischen Gründen nicht ohne weiteres möglich, die den Signalen zugrundeliegende Anzahl C-Atome durch Integration zuverlässig festzustellen, da die Signalintegrale stark von der Hybridisierung und vom Substitutionsgrad der C-Atome abhängen. Voll substituierte C-Atome und C-Atome von Carbonylgruppen führen zu deutlich schwächeren Signalen als die übrigen C-Atome. Kennt man solche Zusammenhänge, dann können die Signalintensitäten eine Zuordnung oft erleichtern, wie das Beispiel von Clofibrat zeigt: Die beiden im Bereich der chemischen Verschiebung aliphatischer CH3-
243
5. Analytik
Gruppen erscheinenden Signale zwischen 10 und 30 ppm unterscheiden sich bezüglich ihrer Intensität deutlich, so daß die Zuordnung hier keine Schwierigkeiten bereitet. Noch deutlicher fällt der Intensitätsunterschied bei den Signalen der C-Atome im Benzolring aus. Die Signale der voll substituierten Atome C(1’) und C(4’) erreichen kaum die Intensität des Signals des Carbonyl-C-Atoms, während die chemisch jeweils äquivalenten Atome C(2’), C(6’) und C(3’), C(5’) zu markant höheren Signalen führen.
5.3
Übungen
5.1
Berechnen Sie Summenformeln auf Grund der folgenden analytischen Angaben: a) Verbindung mit 72,44 % C, 9,26 % H und Sauerstoff. b) Verbindung mit 68,57 % C, 8,61 % H und Sauerstoff, Mr ca. 340. c) Verbindung mit 77,15 % C, 10,42 % H, 5,81 % N und Sauerstoff.
5.2
Aus den folgenden Ergebnissen von Elementaranalysen sind die Summenformeln zu berechnen: a) Eine Verbindung enthält C, H und O. Die Verbrennung von 4,950 mg Substanz ergibt 14,308 mg CO2 und 4,695 mg H2O; die relative Molekülmasse ist kleiner als 200. b) Eine Verbindung enthält C, H, N und O. Die Verbrennung von 4,021 mg Substanz ergibt 8,945 mg CO2 und 1,253 mg H2O. Eine Probe von 4,311 mg liefert 0,231 mL N2. c) Die Verbrennung von 3,903 mg einer C, H, N und O enthaltenden Verbindung ergab 10,112 mg CO2 und 2,319 mg H2O. Aus 3,178 mg dieser Substanz wurden 0,414 mL N2 erhalten.
5.3
Bei der Verbrennungsanalyse einer Substanz lieferten 3,670 mg der Verbindung 10,684 mg CO2 und 3,377 mg H2O. Als Summenformeln kommen C31H46O3 und C31H48O3 in Frage. Welche Formel ist die richtige?
5.4
Im Massenspektrum von Benzoesäureamid (vgl. Kapitel 7.9.4) treten die drei intensivsten Signale bei m/z = 77, 105 und 121 auf. Ordnen Sie die Signale dem Molekül-Ion bzw. den Fragment-Ionen des Benzoesäureamid-Moleküls zu.
244
5.3 Übungen
5.5
5.6
Eine Verbindung, die Licht im UV/VIS-Bereich absorbiert, wird in verschiedenen molaren Konzentrationen in einem Lösungsmittel gelöst. Die Lichtabsoptionen der Lösungen werden bei einer passenden Wellenlänge mit einem UV/VIS-Spektrophotometer gemessen, das sowohl Extinktions- als auch Transmissionswerte (vgl. im Kapitel 5.2.2 den Abschnitt über die IR-Spektroskopie) anzeigen kann. Skizzieren Sie die graphischen Darstellungen, die man in den folgenden Fällen erhält: a)
Man trägt die gemessenen Extinktionen gegen die Konzentrationen der Verbindung in den Lösungen auf.
b)
Man trägt die gemessenen Transmissionen gegen die Konzentrationen der Verbindung in den Lösungen auf.
Aus den Blüten einer Pflanze wurde ein Duftstoff gewonnen, chromatographisch gereinigt und mittels spektroskopischer Methoden wie folgt charakterisiert: a)
Im Massenspektrum des Duftstoffs erscheint ein Signal bei m/z = 86, das dem Molekül-Ion zugeordnet werden kann.
b)
Das IR-Spektrum der Verbindung zeigt neben Absorptionsbanden im „Fingerprint“-Bereich charakteristische Banden bei etwa 3000 cm–1 und eine einzelne, starke Bande bei etwa 1700 cm–1.
c)
Im 1H-NMR-Spektrum sind nur zwei gekoppelte Signalgruppen zu sehen, nämlich ein Triplett bei etwa 1,2 ppm (relatives Integral: 3) und ein Quartett bei etwa 2,5 ppm (relatives Integral: 2).
Um welche Verbindung handelt es sich? Begründen Sie!
245
6. Allgemeine Nomenklatur
6.1
Formelsprache
Von den zur Beschreibung organischer Verbindungen verwendeten Formeln sind die Summenformeln die einfachsten. Sie geben Art und Zahl der in einem Molekül einer Verbindung enthaltenen Atome an (der Index 1 wird nicht geschrieben). Will man auf die Anwesenheit bestimmter funktioneller Gruppen hinweisen, so können diese separat aufgeführt werden:
Strukturformeln zeigen, wie die einzelnen Atome miteinander verbunden sind. So lassen sich zur Summenformel C3H6O neun verschiedene Strukturformeln aufzeichnen (vgl. auch Kapitel 3):
247
6. Allgemeine Nomenklatur
In den Strukturformeln muß jedes Atom die richtige Anzahl Bindungen aufweisen (Kohlenstoff vier, Stickstoff drei, Sauerstoff zwei, Wasserstoff und Fluor eine), und der Anwesenheit von freien Elektronenpaaren kann durch Setzen entsprechender Symbole (– oder :) Rechnung getragen werden. Man beachte, daß Elemente ab Ordnungszahl 14 (Silicium) gelegentlich eine größere Anzahl Bindungen ausbilden als die in derselben Gruppe über ihnen stehenden Elemente der zweiten Periode. Dies liegt darin begründet, daß ab der dritten Periode jeweils d-Orbitale unbesetzt bleiben. Indem diese durch Elektronenpaare von Bindungspartnern besetzt werden, kommen zusätzliche Bindungen zustande:
Die oben verwendete ausführliche Schreibweise darf entsprechend den folgenden Regeln nach Ermessen vereinfacht werden: • •
Freie Elektronenpaare müssen nicht ausgeschrieben werden. Bei offenkettigen Verbindungen ist es üblich, die Wasserstoffatome direkt neben das zugehörige C-Atom zu setzen:
•
Enthält eine Verbindung mehrere gleiche Atomgruppierungen, so kann man diese in Klammern setzen und die Anzahl mit einem Index angeben:
•
Innerhalb einer Kette brauchen die C- und H-Atome nicht ausgeschrieben zu werden. Jede Ecke im Formelbild stellt dabei ein CAtom dar. Die Anzahl der H-Atome ergibt sich, wenn man überall
248
6.2 Die Nomenklatur nach IUPAC
mit H-Atomen ergänzt, bis alle C-Atome vier Bindungen aufweisen. Bei cyclischen Verbindungen wird diese Vereinfachung besonders häufig angewandt. Sie ist aber auch bei offenkettigen Verbindungen üblich, wobei Kohlenstoffketten gewinkelt dargestellt (vgl. auch Kapitel 2.1.4) werden:
Man beachte, daß in dieser Schreibweise H-Atome, die an Heteroatome gebunden sind, ausgeschrieben werden müssen. •
Will man die Aufmerksamkeit auf bestimmte Teilstrukturen lenken, so können unwichtige Strukturbestandteile durch den Buchstaben R abgekürzt werden. Wenn nichts anderes definiert wird, bedeutet R eine beliebige, eventuell Substituenten tragende Alkyl- oder Arylgruppe.
6.2
Die Nomenklatur nach IUPAC
Die chemische Nomenklatur ist die Lehre von der Benennung chemischer Verbindungen. Sie soll dazu dienen, die in Strukturformeln enthaltene Information sprachlich zu erfassen. Wie alle Sprachen sich verändern, so entwickelte sich auch die chemische Nomenklatur zusammen mit der Wissenschaft der Chemie. Es verwundert deshalb nicht, daß die Namen vieler chemischer Verbindungen mit der Entdeckungsgeschichte, dem Ursprung oder der Verwendung der Verbindungen eng verknüpft sind. Beispiele: Geraniol (Duftstoff aus Geranien), Fulleren (fußballförmiges Molekül aus 60 CAtomen, C60, benannt nach dem Architekten Buckminster Fuller), Penicillin (nach dem Schimmelpilz Penicillium notatum, aus dem es erstmals isoliert wurde).
249
6. Allgemeine Nomenklatur
Solche einfachen, einprägsamen Trivialnamen sind zwar sehr hilfreich, wenn es darum geht, sich über kompliziert gebaute Verbindungen verständlich zu unterhalten. Sie können aber nicht dazu dienen, für neue Verbindungen einheitliche Namen abzuleiten. Es entspricht daher einem alten Bedürfnis der Chemiker, sich auf ein systematisches Regelwerk zu einigen, nach dem die Namen für beliebige (auch bislang unentdeckte) Verbindungen in möglichst eindeutiger Weise gebildet werden können. Das heute existierende und allgemein akzeptierte Regelwerk für die systematische Nomenklatur wird von der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) empfohlen. Es beruht im wesentlichen darauf, daß die Strukturformel einer Verbindung zunächst in Fragmente zerlegt wird. Eines dieser Fragmente ist, entsprechend der Verbindungsklasse, das Stammsystem, und die übrigen werden als Substituenten aufgefaßt. Da eine bestimmte Verbindung die Merkmale mehrerer Verbindungsklassen gleichzeitig aufweisen kann, muß das Stammsystem nach einer Reihe von willkürlich festgelegten Prioritäten bestimmt werden. Die Fragmente werden dann einzeln durch kurze Namen oder Silben benannt. Das Stammsystem erhält dabei den Stammnamen. Schließlich werden der Stammname und die Namen der übrigen Fragmente zu einem ganzen Namen zusammengesetzt. Ein vollständiger Name enthält neben dem Stammnamen, wo nötig, die Namen oder Silben für die übrigen Fragmente als Präfixe (Vorsilben), Infixe (Zwischensilben) oder Suffixe (Nachsilben, Endungen) sowie zur Kennzeichnung von Positionen eine Reihe von Chiffren (Zahlen, Buchstaben) und zur Strukturierung des Namens eine Anzahl von Symbolen (Klammern, Bindestriche). Es sei hier aber festgehalten, daß die systematische Nomenklatur nach IUPAC nicht eineindeutig ist. Sie erlaubt zwar die Konstruktion der
250
6.3 Nomenklatur der Alkane, Alkene, Alkine und Alkylhalogenide
richtigen Strukturformel aus einem gegebenen, korrekt formulierten systematischen Namen, nicht aber das umgekehrte Vorgehen: Zu einer gegebenen Strukturformel können in manchen Fällen mehrere nach den Regeln der IUPAC korrekte Namen konstruiert werden. Ferner sind innerhalb des IUPAC-Regelwerks eine beträchtliche Anzahl häufig gebrauchter Trivialnamen weiterhin zugelassen. Neben althergebrachten Namen wie Essigsäure, Anthracen und Bernsteinsäure sind für spezielle Systeme wie Terpene, Steroide und Penicilline aus den Trivialnamen auch Namen für die entsprechenden Grundgerüste gebildet worden:
6.3
Nomenklatur der Alkane, Alkene, Alkine und Alkylhalogenide
Bei den aliphatischen Kohlenwasserstoffen und Halogenkohlenwasserstoffen wird der systematische Name nach dem folgenden Schema gebildet: 1.
2.
Das Stammsystem wird entweder durch eine Kette oder ein Ringsystem von C-Atomen bestimmt. Maßgebend für die Zuordnung ist die Kette bzw. das Ringsystem mit der größten Anzahl von C-Atomen. Diese Anzahl bestimmt den Stammnamen (Tabelle 6.1). Gibt es mehrere Ketten bzw. Ringe mit der (gleichen) größten Anzahl von C-Atomen, so wird das System mit der größeren Anzahl von Mehrfachbindungen gewählt. Ist wiederum keine Entscheidung möglich, so ist die größere Anzahl der Doppelbindungen maßgebend. Ist auch dann keine Entscheidung möglich, so entscheidet die größere Anzahl der Substituenten. Ist das Stammsystem ein Ring, so wird das Präfix „Cyclo . . . “ dem Stammnamen unmittelbar vorangestellt. Die im Stammsystem enthaltenen Mehrfachbindungen (Doppelund Dreifachbindungen) werden dem Stammnamen als Suffixe
251
6. Allgemeine Nomenklatur
3.
4.
5.
(Endungen) nachgestellt. Dabei gilt für gesättigte Stammsysteme das Suffix „. . . an“, für Doppelbindungen das Suffix „. . . en“ und für Dreifachbindungen das Suffix „. . . in“. Die nicht zum Stammsystem gehörenden Fragmente werden als Substituenten betrachtet. Ihre Namen werden wie die Stammnamen gebildet, mit der Endung „. . . yl“ versehen und dem Stammnamen als Präfixe vorangestellt. Ist ein Substituent ein Halogenatom, so ist das Präfix identisch mit dem Namen des betreffenden Halogens. Zur Kennzeichnung der Positionen von Mehrfachbindungen und Substituenten ermittelt man die Bezifferung des Stammsystems. Dabei wird so beziffert, daß Mehrfachbindungen insgesamt kleinstmögliche Chiffren erhalten. Ist keine Entscheidung möglich, so betrachtet man zunächst Doppelbindungen und erst dann Dreifachbindungen. Läßt auch dies keine Entscheidung zu, so beziffert man so, daß die Substituenten kleinstmögliche Ziffern erhalten. Ist eine Seitenkette selbst wieder verzweigt, so wird sie, ausgehend von dem entsprechenden C-Atom der Hauptkette nach außen hin, ebenfalls beziffert. Zur Angabe der Stellung von Mehrfachbindungen ist von den Chiffren der beteiligten C-Atome die kleinere maßgebend. Schließlich ordnet man Präfixe und Suffixe alphabetisch und bildet den endgültigen Namen durch Hinzufügen der Chiffren, Bindestriche und Klammern (z. B. bei verzweigten Seitenketten). Trägt ein C-Atom des Stammsystems zwei Substituenten, so wird die Chiffre wiederholt. Gleiche Substituenten in verschiedenen Positionen werden zusammengefaßt. In beiden Fällen wird das entsprechende Präfix mit einer Multiplikationsvorsilbe versehen, die auf die alphabetische Ordnung aber keinen Einfluß hat (z. B. „3,3-Dimethyl-“ oder „5,5,7-Triethyl-2-methyl-“).
Figur 6.1 zeigt einige Beispiele zur Bildung von systematischen Namen nach obigem Schema. Präfixe für häufig vorkommende Substituenten sind in Tabelle 6.2 zusammengefaßt. Man beachte, daß bei gesättigten Substituenten die Silbe „an“ weggelassen wird (z. B. Ethyl, nicht Ethanyl), während man bei ungesättigten Substituenten die Silben „en“ bzw. „in“ beibehalten muß (z. B. Ethenyl).
252
6.3 Nomenklatur der Alkane, Alkene, Alkine und Alkylhalogenide
Figur 6.1. Beispiele zur systematischen Benennung von aliphatischen Kohlenwasserstoffen und Halogenkohlenwasserstoffen. Von der IUPAC zugelassene Trivialnamen sind in Klammern beigefügt.
253
6. Allgemeine Nomenklatur
Tabelle 6.1. Stammnamen bei der Nomenklatur der Alkane, Alkene, Alkine und Alkylhalogenide. Die einfachsten Vertreter haben Trivialnamen; für Kohlenwasserstoffe mit fünf und mehr Kohlenstoffatomen werden die Namen systematisch in Anlehnung an griechische oder lateinische Wörter gebildet. Anzahl C-Atome
Stammname
Anzahl C-Atome
Stammname
1
Meth-
7
Hept-
2
Eth-
8
Oct-
3
Prop-
9
Non-
4
But-
10
Dec-
5
Pent-
12
Dodec-
6
Hex-
15
Pentadec-
Tabelle 6.2. Präfixe für einige wichtige Substituenten. Substituent
254
Systematische Bezeichnung
Trivialbezeichnung
Methyl
Methyl
Ethyl
Ethyl
1-Methylethyl
Isopropyl
1,1-Dimethylethyl
tert.-Butyl
2-Methylpropyl
Isobutyl
2,2-Dimethylpropyl
Neopentyl
Ethenyl
Vinyl
2-Propenyl
Allyl
6.4 Nomenklatur von Verbindungen mit charakteristischen funktionellen Gruppen
6.4
Nomenklatur von Verbindungen mit charakteristischen funktionellen Gruppen
Bei der systematischen Benennung dieser Verbindungen nach IUPAC bestimmt die funktionelle Gruppe (Mehrfachbindungen und Halogensubstituenten ausgenommen) den Stammnamen. Sind mehrere funktionelle Gruppen vorhanden, so bestimmt die ranghöchste Gruppe den Namen (Tabelle 6.3). Zur Bildung eines systematischen Namens verfährt man nach dem folgenden Schema: 1.
2. 3.
4.
5.
Das Stammsystem wird entweder durch eine Kette oder ein Ringsystem von C-Atomen bestimmt. Maßgebend für die Zuordnung ist die längste Kette bzw. das Ringsystem mit der ranghöchsten charakteristischen funktionellen Gruppe und möglichst vielen weiteren charakteristischen Gruppen (Tabelle 6.3). Die Anzahl der C-Atome in diesem System bestimmt, unter Berücksichtigung allenfalls vorhandener Mehrfachbindungen (vgl. das vorhergehende Kapitel), den Stammnamen. Die Bezeichnung der ranghöchsten Gruppe wird dem Stammnamen als Suffix nachgestellt. Alle anderen charakteristischen Gruppen und Fragmente werden als Substituenten betrachtet. Ihre Namen werden dem Stammnamen als Präfix vorangestellt. Die Bezifferung des Stammsystems erfolgt so, daß die ranghöchste Gruppe die kleinstmögliche Chiffre erhält. Ist keine Entscheidung möglich, so beziffert man derart, daß auch die anderen charakteristischen Gruppen, zunächst ohne Berücksichtigung der Mehrfachbindungen, möglichst niedrige Chiffren erhalten. Präfixe und Suffixe werden alphabetisch geordnet, und man bildet den endgültigen Namen durch Hinzufügen der Chiffren, Bindestriche und Klammern (vgl. das vorhergehende Kapitel).
Einige Beispiele sollen die systematische Nomenklatur von komplexer gebauten Verbindungen illustrieren (Figur 6.2). Da Ethergruppen –O–R den niedrigsten Rang besitzen, werden sie in den meisten Fällen als Alkoxy-Gruppen (–OCH3 Methoxy-, –OCH2CH3 Ethoxy- usw.) bezeichnet. Damit kann man Ethergruppierungen in komplizierter gebauten Molekülen wie Substituenten behandeln.
255
6. Allgemeine Nomenklatur
Tabelle 6.3. Rangfolge der wichtigsten Verbindungsklassen und ihre Nomenklatur. Von oben nach unten nimmt der Vorrang für die Verwendung als Suffix ab. Verbindungsklasse
Charakteristische Gruppe
Präfix
Suffix
Carbonsäuren
—COOH
Carboxy-
-säure -carbonsäure
Carbonsäurester
—COOR
…oxycarbonyl-
-yl…at -säure…ylester
Carbonsäureamide
—CONH2
…amido-
-säureamid
Nitrile
—CN
Cyan-
-nitril
Aldehyde
—CHO
Formyl-
-al
Thioaldehyde
—CHS
Thioformyl-
-thial
Ketone
—CO—
Oxo-
-on
Thioketone
—CS—
Thioxo-
-thion
Alkohole
—OH
Hydroxy-
-ol
Thiole
—SH
Mercapto-
-thiol
Amine
—NH2
Amino-
-amin
Ether
—O—
…oxy-
-ylether
Thioether
—S—
…ylthio-
-ylsulfid
Bei unsymmetrischen sekundären und tertiären Aminen (vgl. Kapitel 7.10) bestehen die Namen aus den Bezeichnungen für alle an das Stickstoffatom gebundenen Gruppen und dem Wort „-amin“. Der größte Substituent bestimmt dabei den Stammnamen. Man beachte, daß bei Aldehyden, deren Aldehydgruppe die ranghöchste Gruppe ist, die Stellung dieser Gruppe nicht bezeichnet werden muß. Die Aldehydgruppe ist immer endständig, und das C-Atom der Carbonylgruppe erhält die Chiffre 1. Die Namen für verzweigte und substituierte Carbonsäuren können im allgemeinen leicht von denen der einfachen Säuren abgeleitet werden. Es gibt aber Fälle, bei denen COOH-Gruppen als Substituenten aufgefaßt werden müssen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn es bei Anwesenheit mehrerer COOH-Gruppen keine einzelne Kette von C-Atomen gibt, die alle COOHGruppen enthält:
256
6.4 Nomenklatur von Verbindungen mit charakteristischen funktionellen Gruppen
Figur 6.2. Beispiele zur systematischen Benennung von Verbindungen mit funktionellen Gruppen. Von der IUPAC zugelassene Trivialnamen sind in Klammern beigefügt.
257
6. Allgemeine Nomenklatur
Der Name wird dann aus der Bezeichnung für den Kohlenwasserstoff, der die Carboxylgruppen trägt, den Stellungsbezeichnungen und dem Suffix „carbonsäure“ gebildet.
6.5
Stereochemische Nomenklatur
Zur Bezeichnung der Konfiguration an Doppelbindungen standen während langer Zeit nur die Präfixe „cis-“ und „trans-“ zur Verfügung, und zur Benennung chiraler Verbindungen verließ man sich auf die FISCHER-Projektion, die Präfixe „D-“ und „L-“ und charakteristische Stammnamen (vgl. Kapitel 6.5). Diese Bezeichnungsmethoden sind auch heute noch in Gebrauch, stoßen aber bei Molekülen mit mehrfach substituierten Doppelbindungen und chiralen Molekülen, die sich nach FISCHER nicht ohne weiteres projizieren lassen, an ihre Grenzen.
6.5.1
Sequenzregeln nach CAHN, INGOLD und PRELOG
Robert S. Cahn (1899–1981), Christopher K. Ingold (1893–1970) und Vladimir Prelog (1906–1998) publizierten deshalb 1966 eine Reihe von Regeln, die es erlauben, auch kompliziert gebaute Stereoisomere eindeutig zu benennen. Die Regeln sind als CIP-Regeln bekannt und gestatten es, den Substituenten an einer Doppelbindung oder an einem Chiralitätszentrum eine Rangfolge zuzuordnen. Die CIP-Regeln werden im folgenden vereinfacht zusammengefaßt. Als Kriterium für die Ermittlung der Rangfolge dient die Ordnungszahl der Atome, aus denen die Substituenten aufgebaut sind. Um zu einer eindeutigen Rangfolge zu gelangen, werden die Atome der Substituenten in Sphären eingeteilt: Atome der ersten Sphäre sind die direkt an das Chiralitätszentrum bzw. ein Atom der fraglichen Doppelbindung gebundenen
258
6.5 Stereochemische Nomenklatur
Atome. Atome der zweiten Sphäre sind die Atome, die an Atome der ersten Sphäre gebunden sind, und so weiter. Man ordnet die Substituenten in erster Linie bezüglich der Ordnungszahlen der Atome der ersten Sphäre: Der Rang ist abnehmend mit fallender Ordnungszahl (z. B. –OH > –NH2 > CH3 > H). Sind nun zwei oder mehr Substituenten gleich rangiert, so vergleicht man deren Atome der zweiten Sphäre bezüglich der Ordnungszahlen (z. B. –CCl3 > –COOH > CH3). Sind solche Atome bei einem der fraglichen Substituenten nicht vorhanden, so erhält dieser den kleineren Rang (z. B. –ClO3 > –Cl). Ist auch mit Atomen der zweiten Sphäre keine Entscheidung möglich, so betrachtet man der Reihe nach weitere Sphären (z. B. –COOCH3 > –COOH). Bei gleichen Atomen innerhalb einer Sphäre liegt der Vorrang bei der größeren Anzahl (z. B. –NO2 > –NO). Mehrfach gebundene Atome gelten als mehrere einfach gebundene Atome (z. B. –CHO > –CH2OH). Bei Doppelbindungen lassen sich aus der Rangfolge der Substituenten anschließend die Präfixe „(E)-“ und „(Z)-“ (Kapitel 6.5.2), bei Chiralitätszentren die Präfixe „(R)-“ und „(S)-“ (Kapitel 6.5.3) herleiten.
6.5.2
Konfiguration an Doppelbindungen
Als Beispiel seien hier C=C-Doppelbindungen betrachtet. Die an jedem Ende einer Doppelbindung auftretenden Substituenten werden gemäß den CIPRegeln (Kapitel 6.5.1) rangiert. Die Rangierung erfolgt für die beiden Ethenkohlenstoffatome unabhängig, d. h. die Atome der Sphären 1, 2, etc. auf der linken Seite in folgendem Schema werden ohne Rücksicht auf die Atome der Sphären 1', 2', etc. auf der rechten Seite miteinander verglichen und umgekehrt.
Man stelle sich nun eine Ebene entlang der Doppelbindung senkrecht zur Zeichenebene vor. Dem Namen desjenigen Isomers, bei dem sich die beiden
259
6. Allgemeine Nomenklatur
höher eingestuften Substituenten auf derselben Seite dieser Ebene befinden, wird das Präfix „(Z)-“, abgeleitet von zusammen, dem Namen des anderen Isomers das Präfix „(E)-“, abgeleitet von entgegen, vorangestellt. Wendet man diese Regeln auf die beiden möglichen Isomere von 1Brom-2-chlor-1-iodpropen an, so erhält von den Substituenten in der 1-Stellung Iod die höhere Priorität als Brom und in der 2-Stellung Chlor die höhere Priorität als Kohlenstoff. Die Präfixe „(Z)-“ und „(E)-“ richten sich also nach der relativen Lage der Atome Iod und Chlor: 3
Br I
CH3
Br
CI
I
(Z)-1-Brom-2-chlor-1-iodpropen
CI CH3
(E)-1-Brom-2-chlor-1-iodpropen
In der Verbindung CI H CI
1 2
H 3
CH3 4
CH3
(E)-1,3-Dichlor-2-methyl-1-buten
kommt dem mit Cl, C und H substituierten C-Atom in 3-Stellung die höhere Priorität zu als dem ausschließlich Wasserstoffatome tragenden C-Atom auf der gegenüberliegenden Seite.
6.5.3
Konfiguration an tetraedrisch substituierten Zentren
Will man Information über die Konfiguration an tetraedrisch substituierten Zentren im Formelbild ausdrücken, dann kann man die bereits im Kapitel 2.1.3 vorgestellte Schreibweise mit keilförmigen und gestrichelten Bindungen benutzen (vgl. Figur 2.6). Vor allem bei cyclischen Verbindungen sind außerdem perspektivische Darstellungen beliebt, etwa bei der Glucose (vgl. auch Kapitel 7.14.3) die Darstellung der Sesselkonformation oder eine stärker schematische Form (Projektion nach Norman Haworth (1883–1950)):
260
6.5 Stereochemische Nomenklatur
Solche Formeldarstellungen sind zwar sehr anschaulich, es bleibt aber das Problem, Konfigurationsbezeichnungen bei der Benennung chemischer Verbindungen zu berücksichtigen. Die FISCHER-Projektion Die von Emil Fischer (1852–1919) 1891 vorgeschlagene Projektions- und Bezeichnungsmethode bildete während langer Zeit die Grundlage zur Benennung chiraler Verbindungen (vgl. Kapitel 3.2.2). Im Prinzip beruht sie darauf, daß Enantiomere dadurch unterschieden werden, daß man dem Namen der Verbindung das Präfix „d-“ oder „l-“ voranstellt. Welches der beiden Präfixe zu benutzen ist, wird nach dem folgenden Schema ermittelt: 1.
2.
3.
Die Kohlenstoffkette der Verbindung wird in der Senkrechten angeordnet. Die Kette wird dabei so orientiert, daß das endständige C-Atom mit der höheren Oxidationsstufe (vgl. Kapitel 4.8.1) nach oben zu liegen kommt. Man betrachtet dann die Konfiguration an jedem C-Atom einzeln, indem man sich vorstellt, daß das jeweils betrachtete C-Atom in der Zeichenebene liegt und sich die jeweils benachbarten CAtome der Kohlenstoffkette hinter der Zeichenebene befinden. Dadurch ragen die Atome der seitlich angeordneten Substituenten aus der Zeichenebene heraus. In dieser Anordnung wird das Molekül auf die Papierebene projiziert. Um das Präfix zu ermitteln, betrachtet man nun das vom endständigen C-Atom mit der höheren Oxidationsstufe am weitesten entfernte (d. h. das unterste) Chiralitätszentrum. Ist der entsprechende Sustituent (meist eine OH- oder NH2-Gruppe) rechts angeordnet, so wird dem Namen das Präfix „D-“ vorangestellt; ist er links angeordnet, so schreibt man „L-“.
261
6. Allgemeine Nomenklatur
Bei Glycerinaldehyd ergeben sich die Präfixe nach diesen Regeln wie folgt:
Die Bezeichnungen „d-“ und „l-“ stehen in keinem Zusammenhang mit der Richtung der optischen Drehung, sondern beziehen sich lediglich auf die Fischer-Projektionsformeln. Sind in einem Molekül mehrere Chiralitätszentren vorhanden, so kann man aus den Projektionsformeln die Konfiguration eines jeden einzelnen Zentrums ablesen. Diese Konfigurationen kommen bei der Benennung aber nicht in Form von Präfixen zum Ausdruck, sondern sind im Stammnamen der betrachteten Verbindung implizit enthalten:
Zusammenfassend ist festzuhalten: Bei der Projektion und Benennung nach Fischer bezeichnet der Stammname der Verbindung die Konstitution und relative Konfiguration, bezogen auf ein ausgezeichnetes Chiralitätszentrum, während das Präfix die absolute Konfiguration des ausgezeichneten Chiralitätszentrums angibt. Der vollständige Name bestimmt somit die absolute Konfiguration aller Chiralitätszentren.
262
6.5 Stereochemische Nomenklatur
Konfigurationsbezeichnung nach dem R-S-System Die Bezeichnung von Konfigurationen anhand der Fischer-Projektion kann Schwierigkeiten bereiten, wenn man verzweigte oder komplexe cyclische Systeme vor sich hat oder wenn nicht klar ist, auf Grund welches Substituenten am asymmetrischen C-Atom die Unterscheidung getroffen werden soll. Um bei beliebigen Verbindungen mit Chiralitätszentren zu eindeutigen Konfigurationsbezeichnungen zu gelangen, benutzt man die Sequenzregeln nach CAHN, INGOLD und PRELOG (Kapitel 6.5.1). Dabei wird jedes Chiralitätszentrum einzeln betrachtet. Zunächst werden die am Chiralitätszentrum auftretenden Substituenten gemäß den CIP-Regeln rangiert. Man beginnt mit den direkt an das Chiralitätszentrum gebundenen Atomen (Sphäre 1 im folgenden Schema). Sind zwei oder mehr dieser Atome gleichwertig, so betrachtet man die nächstfolgenden Atome der entsprechenden Substituenten in Sphäre 2. Ist wiederum keine Entscheidung möglich, betrachtet man die Atome weiterer Sphären.
In der Verbindung 2-Chlorbutan besitzt Chlor die höchste Ordnungszahl und somit die erste Priorität. Wasserstoff mit der niedrigsten Ordnungszahl nimmt den letzten Platz ein. Die beiden anderen Substituenten sind gleichwertig (C-Atome).
263
6. Allgemeine Nomenklatur
Vergleicht man die an C(1) und C(3) gebundenen weiteren Substituenten, so findet man, daß C(3), das ein C- und zwei H-Atome trägt, in der Rangordnung vor das C(1), das drei H-Atome trägt, zu setzen ist. Die Reihenfolge der Substituenten lautet also: Cl, C(3), C(1), H. Nun wird das Molekül so angeordnet, daß sich der in obiger Reihenfolge letzte Substituent auf der dem Beobachter abgewendeten Seite befindet. Die Zuordnung der Konfiguration erfolgt dann so, daß man sich die übrigen drei Substituenten, nach ihrer Reihenfolge und immer bei jenem mit der höchsten Priorität beginnend, durch einen Bogen verbunden denkt. Bei einem Enantiomer verläuft dieser Bogen im Uhrzeigersinn. Diese Konfiguration wird mit R (von rectus) bezeichnet. Das andere Enantiomer, bei dem der entsprechende Bogen gegen den Uhrzeigersinn verläuft, erhält die Bezeichnung S (von sinister). Die Bezeichnungen werden, in Klammern gesetzt, dem Namen der Verbindung vorangestellt:
Bei Molekülen mit mehreren asymmetrischen C-Atomen wird an jedem Chiralitätszentrum einzeln die Konfiguration bestimmt. Die erhaltenen Bezeichnungen werden, zusammen mit der Nummer des betreffenden C-Atoms, dem Namen vorangestellt:
264
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Chemische Verbindungen, deren Grundgerüste nur H-Atome tragen, sind meist wenig reaktionsfähige Substanzen, besonders wenn das Grundgerüst nur aus C-Atomen aufgebaut ist. Werden einzelne der H-Atome durch andere Atome oder Atomgruppen (z. B. –Cl, –OH, –NH2, –COOH) ersetzt, so sind es diese Substituenten, die funktionellen Gruppen, welche weitgehend die Eigenschaften und das chemische Verhalten der betreffenden Verbindungen bestimmen. Anhand der funktionellen Gruppen, zu denen auch Doppel- und Dreifachbindungen zu zählen sind, erfolgt die weitere Klassifizierung der organischen Verbindungen. Verbindungen, die alle dieselbe funktionelle Gruppe an verschiedenen Grundgerüsten tragen, bilden eine Verbindungsklasse:
Im folgenden werden die einzelnen Verbindungsklassen anhand der typischen Merkmale ihrer Vertreter kurz vorgestellt. Wesentliche chemische wie physikalische Eigenschaften werden dabei zusammengefaßt.
7.1
Alkane
Alkane sind Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen und keine Mehrfachbindungen enthalten. Sie werden auch gesättigte Kohlenwasserstoffe genannt. Die allgemeine Formel derjenigen Alkane, die keine Ringsysteme enthalten, ist CnH2n+2.
265
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Die Alkane sind in Wasser schwerlöslich, haben als Flüßigkeiten eine geringere Dichte als Wasser und weisen einen niedrigeren Siedepunkt auf als die meisten organischen Verbindungen mit vergleichbarer Molmasse. Der Grund dafür liegt in den nur sehr geringen Kräften zwischen den Molekülen, den sogenannten van der Waals’schen-Kräften. Sowohl die Siedepunkte als auch die Schmelzpunkte korrelieren mit der Molekülgröße. So ist Butan (C4H10) bei Raumtemperatur ein Gas (Siedepunkt –0,5 °C), Pentan (C5H12) aber eine Flüssigkeit (Siedepunkt 36 °C). Hauptquellen zur Gewinnung von Alkanen sind Erdgas und Erdöl. Das letztere ist ein sehr komplexes Gemisch aus organischen Verbindungen, enthält aber vorwiegend gesättigte Alkane und Cycloalkane. Wesentliche Schritte bei der Reinigung von Alkanen aus Erdöl sind die Destillation, bei der die Komponenten des Gemischs nach Siedepunkten getrennt werden, und das Cracken16, welches höher siedende Bestandteile durch Erhitzen auf hohe Temperaturen, gegebenenfalls in Gegenwart von Katalysatoren (z. B. Aluminiumoxiden), in kleinere Moleküle zerlegt. Auf Grund der unpolaren C–C- und der nur schwach polaren C–HBindungen sind Alkane relativ reaktionsträge. Sie reagieren im allgemeinen nicht mit Säuren, Basen und Reduktionsmitteln. Auch vielen Oxidationsmitteln gegenüber verhalten sie sich inert. Sie reagieren aber mit Sauerstoff (Verbrennung) und Halogenen:
Die Reaktion mit Halogenen wird durch Licht in Gang gesetzt und verläuft nach dem Mechanismus einer Radikalkettenreaktion (vgl. Kapitel 4.10.2).
16
engl. crack „brechen“.
266
7.2 Alkene
7.2
Alkene
Alkene sind Kohlenwasserstoffe, die C=C-Doppelbindungen enthalten. Verbindungen mit zwei Doppelbindungen werden als Diene, solche mit drei Doppelbindungen als Triene bezeichnet. Alkene werden auch Olefine17 oder ungesättigte Kohlenwasserstoffe genannt, weil sie Additionsreaktionen (Kapitel 4.4) eingehen können, wobei die Doppelbindung abgesättigt wird. Die allgemeine Formel für nicht cyclische Alkene lautet CnH2n+2-2y wobei n die Zahl der Kohlenstoffatome und y die Zahl der Doppelbindungen bedeuten. Ist in einem Alken ein Substituent X direkt an ein C-Atom der Doppelbindung gebunden, so befindet er sich in Vinyl-Stellung. Vinylsubstituenten sind besonders stark gebunden, da die C–X-Bindung von der Seite des C-Atoms her mit einem sp2 -Orbital gebildet wird. Substituenten an einem zur Doppelbindung benachbarten C-Atom werden als Allyl-Substituenten bezeichnet. Sie können leicht samt dem bindenden Elektronenpaar als X– abgespaltet werden. Dabei entsteht ein durch Mesomerie stabilisiertes Allylcarbokation (Kapitel 2.6.4 und 4.13.3).
Alkene entstehen vor allem bei Eliminierungsreaktionen (Kapitel 4.3). Beispielsweise erhält man sie durch Abspaltung von Halogenwasserstoff aus Alkylhalogeniden oder durch Abspaltung von Wasser aus Alkoholen:
17
Von frz. gaz oléfiant, alte Bezeichnung für Ethen.
267
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Im letzteren Fall wird die OH-Gruppe durch Säuren zur besseren nucleofugen Gruppe –OH2+ protoniert. Das Lösungsmittel, z. B. Wasser, übernimmt die Rolle der Base. Die Leichtigkeit der Wasserabspaltung nimmt in der Reihe tert.- > sek.- > prim.-Alkohol stark ab. Die Abspaltung von Halogen aus vicinalen Dihalogeniden, d. h. Verbindungen, die zwei Halogenatome an benachbarten C-Atomen tragen, gelingt mit Iodid-Ionen:
Diese Reaktion kann auch mit Zink ausgeführt werden, wobei das Zink, das leicht Elektronen abgeben kann, als „Nucleophil“ wirkt:
Bei der Hofmann-Eliminierung (Kapitel 4.3.4) erhitzt man quartäre Ammoniumhydroxide in wäßriger Lösung:
268
7.2 Alkene
Schließlich entstehen Alkene bei der Pyrolyse von Estern:
Eine in der organischen Synthese besonders nützliche Reaktion, bei der Alkene gebildet werden, ist eine von Georg Wittig (1897–1987) beschriebene, nach ihm benannte Reaktion, bei der ein Triphenylphosphonium-Ylid mit einem Aldehyd oder einem Keton zu einem Alken und Triphenylphosphinoxid umgesetzt wird:
269
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Das benötigte Ylid erhält man nach
aus der entsprechenden Halogenverbindung in zwei Schritten. Zunächst erfolgt eine nucleophile Substitution (Kapitel 4.2) mit Triphenylphosphin als Nucleophil. Durch die Einwirkung einer starken Base läßt sich anschließend aus dem erhaltenen Alkyltriphenylphosphoniumsalz ein Proton entfernen. Die Wittig-Reaktion selbst führt in einer Additionsreaktion (Kapitel 4.4.4) zunächst zu einem Zwitterion, d. h. zu einer gleichzeitig eine positive und eine negative Ladung tragenden Spezies. Nach einem Ringschluß erfolgt eine elektrocyclische Reaktion (Kapitel 4.9), in der das Alken und Triphenylphosphinoxid freigesetzt werden:
270
7.3 Alkine
7.3
Alkine
Charakteristisch für die Verbindungsklasse der Alkine ist eine C⬅C-Dreifachbindung. Der einfachste Vertreter ist Ethin, H–C⬅C–H. Man kann C⬅CDreifachbindung durch Eliminierungsreaktionen aus vicinalen Dihalogenverbindungen erhalten. Beispielsweise läßt sich 1,2-Dibrompentan, das durch Addition von Brom an 1-Penten leicht zugänglich ist, durch Behandlung mit Natriumamid in flüßigem Ammoniak in 1-Pentin überführen:
Während derartiger Reaktionen, bei denen schrittweise zwei Äquivalente HBr eliminiert werden, treten als Zwischenprodukte Alkene auf, die in Vinylstellung noch ein Bromatom tragen:
Terminale Alkine, R–C⬅C–H, sind relativ sauer (vgl. Kapitel 2.4.2). Nach Deprotonierung mit einer starken Base können können die entsprechenden Alkinyl-Anionen als Nucleophile eingesetzt werden. Durch Umsetzung mit Alkylhalogeniden lassen sich weitere Alkine darstellen:
Wie mit Hilfe der Grignard-Reaktion (Kapitel 4.15.1) läßt sich auf diese Weise das Kohlenstoffgerüst von Verbindungen gezielt erweitern.
271
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Alkine gehen wie Alkene leicht elektrophile Additionsreaktionen ein (Kapitel 4.4.3). Da zwei π-Bindungen zur Verfügung stehen, werden normalerweise zwei Äquivalente der zu addierenden Verbindung umgesetzt:
Werden zwei Äquivalente Halogenwasserstoff an ein Alkin addiert, so erfolgt die Addition des zweiten Äquivalents, wie das obige Beispiel zeigt, entsprechend der Markownikow-Regel (Kapitel 4.4.2). Man erhält das geminale Dihalogenid, d. h. eine Verbindung, in der die beiden Halogenatome an dasselbe C-Atom gebunden sind. Durch katalytische Hydrierung von Alkinen erhält man Alkane. Unvollständige Hydrierung zu Alkenen gelingt mit Hilfe des Lindlar-Katalysators, wobei man zu (Z)-konfigurierten Doppelbindungen gelangt (Kapitel 4.4.1). Man kann Alkine aber auch mit elementarem Natrium in flüßigem Ammoniak reduzieren. In diesem Fall erhält man die entsprechenden (E)konfigurierten Alkene (Kapitel 4.8.4).
7.4
Alkylhalogenide
Ersetzt man bei Kohlenwasserstoffen formal einzelne H-Atome durch Halogenatome, so erhält man die entsprechenden Halogenkohlenwasserstoffe. Obschon solche Verbindungen keinen Salzcharakter haben, hat sich die Bezeichnung „Alkylhalogenide“ für die Verbindungsklasse gehalten. Gruppen von analog gebauten Verbindungen, die sich nur in der Kettenlänge unterscheiden, werden als homologe Reihen bezeichnet. So bilden die Halogenkohlenwasserstoffe Chlormethan, Chlorethan, 1-Chlorpropan, 1-Chlorbutan usw. eine homologe Reihe. Man erhält Halogenverbindungen aus Alkanen und Halogenen durch Radikalkettenreaktionen (Kapitel 4.10.2), aus Alkoholen und Halogen-
272
7.5 Alkohole
wasserstoffsäuren durch nucleophile Substitutionsreaktionen (Kapitel 4.2) oder aus Alkenen, Alkinen bzw. Carbonylverbindungen und Halogenwasserstoffsäuren bzw. Halogenen durch Additionsreaktionen (Kapitel 4.4.2). Halogenverbindungen sind vielseitig verwendbare Zwischenprodukte in der organischen Synthese. Praktisch alle Verbindungsklassen sind über Halogenide zugänglich, insbesondere auch metallorganische Verbindungen (Kapitel 4.15).
7.5
Alkohole
Alkohole weisen als funktionelle Gruppe die Hydroxygruppe –OH auf. Der Substitutionsgrad des Kohlenstoffatoms, das die OH-Gruppe trägt, ist ein Strukturmerkmal, nach dem die Alkohole in drei Gruppen aufgeteilt werden. Je nach dem, ob dieses C-Atom eine, zwei oder drei Alkylgruppen trägt, bezeichnet man die Alkohole als primär, sekundär oder tertiär. Als Beispiele seien die vier möglichen C4-Alkohole erwähnt:
Primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole unterscheiden sich in ihrem chemischen Verhalten, etwa in ihrem Verhalten gegenüber Oxidationsmitteln (Kapitel 4.8.3). Verbindungen, die mehrere OH-Gruppen enthalten, werden als Diole, Triole usw. bezeichnet. Geminale Diole sind nur in Ausnahmefällen stabil (z. B. Chloralhydrat, Kapitel 4.4.4). Liefert eine Reaktion ein geminales
273
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Diol, so geht dieser meist sofort unter Wasserabspaltung in eine Carbonylverbindung (Kapitel 7.7) über.
7.6
Ether
Ether sind Verbindungen der allgemeinen Formel R–O–R. Bei einfachen Ethern sind die beiden Gruppen R gleich, gemischte Ether enthalten zwei verschiedene Alkylgruppen. Man erhält Ether nach Alexander Williamson (1824–1904) aus Alkoholaten und Alkylhalogeniden in einer nucleophilen Substitutionsreaktion (Kapitel 4.2):
Die Grundgerüste cyclischer Ether haben die folgenden Namen:
Makrocyclische Polyether wie [18]Krone-6 haben besondere Bedeutung erlangt, da sie stabile Komplexe mit Metall-Ionen (Na+, K+ usw.) bilden können. Auf Grund der Ringgröße (18 Atome) kann [18]Krone-6 mit seinen sechs Sauerstoffatomen mit K+ einen sehr viel stabileren Komplex bilden als mit den kleineren Na+- oder den größeren Cs+-Ionen. Ether sind aber im übrigen relativ unreaktiv, mit Ausnahme der drei und viergliedrigen cyclischen Vertreter sowie der aromatisch substituierten Ether. Die letzteren lassen sich durch starke Säuren spalten:
274
7.7 Aldehyde und Ketone
Dreigliedrige cyclische Ether, die Oxirane oder Epoxide heißen, gewinnt man durch Oxidation von Alkenen mit Persäuren. Sie lassen sich durch Nucleophile leicht öffnen, etwa durch Wasser in Gegenwart katalytischer Mengen Säure oder Base (Kapitel 4.8.3).
7.7
Aldehyde und Ketone
Die Aldehyden und Ketonen gemeinsame funktionelle Gruppe ist die Carbonylgruppe C=O:
Von der IUPAC zugelassene Trivialnamen für viele einfache Aldehyde können von denjenigen der entsprechenden Carbonsäuren (Kapitel 7.8) abgeleitet werden. Viele einfache Ketone haben ebenfalls zugelassene Trivialnamen (Figur 7.1). Außer der im Kapitel 6.4 beschriebenen Benennungsmethode mit Hilfe des Suffixes „-on“ wird bei Ketonen gelegentlich die (zugelassene) Bezeichnung mit Hilfe der Namen für die beiden an die Carbonylgruppe gebundenen Substituenten und dem Wort „-keton“ bevorzugt:
275
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Figur 7.1. Einige einfache Aldehyde und Ketone.
Verbindungen mit mehreren Carbonylgruppen werden allgemein als Di-, Triketone, usw., bezeichnet. Die chemischen Eigenschaften dieser Verbindungen hängen von der Stellung der CO-Gruppen ab:
Zur Bezeichnung der relativen Stellung von funktionellen Gruppen oder Substituenten, bezogen auf die Carbonylgruppe, werden kleine griechische Buchstaben als Chiffren benutzt. Carbonylverbindungen, die in α-Stellung Wasserstoffatome aufweisen, stehen im Gleichgewicht mit einer Enol-Form („En-“ von der Doppelbindung, „-ol“ von der OH-Gruppe). Sie entsteht durch Verschiebung eines
276
7.7 Aldehyde und Ketone
H-Atoms vom α-C-Atom an den Carbonylsauerstoff und eines Elektronenpaars:
Das Gleichgewicht liegt normalerweise fast ganz auf der Seite der Ketoform. Der Anteil der Enolform wird größer, wenn diese durch die Ausbildung von konjugierten Doppelbindungen begünstigt wird. Kann in einem Molekül ein Atom oder eine Gruppe sehr rasch die Stellung wechseln, so wird diese Erscheinung als Tautomerie bezeichnet. Normalerweise wird dieser Begriff jedoch nur im Fall der Verschiebung von Wasserstoff verwendet:
Die Beweglichkeit der α-Wasserstoffatome erklärt viele für Carbonylverbindungen typische Reaktionen wie z. B. die α-Halogenierung (Kapitel 4.4.5). Wird an die Carbonylgruppe ein Alkohol, z. B. Methanol (CH3OH), addiert (Kapitel 4.4.4), so entsteht ein Hemiacetal. Die OH-Gruppe im Hemiacetal kann bei weiterer Umsetzung durch eine CH3O-Gruppe substituiert werden. Dabei entsteht ein Acetal (vgl. Schema auf der folgenden Seite). Entsprechende Verbindungen können auch aus Ketonen erhalten werden. Man bezeichnet sie ebenfalls als Acetale. Die früher übliche Bezeichnung „Ketal“ sollte nicht mehr verwendet werden. Zur Verwendung der Acetale als Schutzgruppen vgl. Kapitel 4.4.4. Weitere von Carbonylverbindungen abgeleitete Verbindungsklassen werden in Kapitel 7.11 behandelt.
277
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.8
Carbonsäuren
Carbonsäuren tragen als funktionelle Gruppe die Carboxylgruppe –COOH (Figur 7.2). Verbindungen mit zwei, drei oder mehr Carboxylgruppen werden im allgemeinen als Di-, Tri- oder Polycarbonsäuren bezeichnet. Die Gruppe R–CO– wird allgemein als Acylgruppe bezeichnet. Die wichtigsten Acylgruppen sind:
Wie bei Aldehyden und Ketonen wird bei Carbonsäuren die Stellung von Substituenten und funktionellen Gruppen oft durch kleine griechische Buchstaben bezeichnet:
278
7.8 Carbonsäuren
Figur 7.2. Einige wichtige Carbonsäuren. In Klammern sind die Namen der zugehörigen Anionen angegeben, z. B. Na+HCOO– = Natriumformiat.
Die Carbonsäuren sind schwache Säuren:
279
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Die Übertragung eines Protons auf H2O ist bei Carbonsäuren leichter möglich als bei Alkoholen ROH, da das zurückbleibende Anion durch Mesomerie stabilisiert werden kann (Kapitel 2.2.2). Die Säuredissoziationskonstanten von Carbonsäuren liegen meist zwischen etwa 10 –4 und 10 –5 (z. B. pKa = 4,76 für Essigsäure). Bei Dicarbonsäuren ist die erste Protolysekonstante Ka1 größer (d. h. der entsprechende pKa-Wert niedriger), wenn die beiden COOH-Gruppen nahe beieinanderliegen (z. B. pKa1 = 1,23 für Oxalsäure, pKa1 = 4,16 für Bernsteinsäure). Durch elektronenanziehende Substituenten, vor allem solche in α-Stellung, wird die Acidität von Carbonsäuren stark gesteigert (Kapitel 4.1.4).
7.9
Von Carbonsäuren abgeleitete Verbindungsklassen
Verbindungen einiger Klassen lassen sich in einem oder wenigen Schritten aus Carbonsäuren herstellen oder umgekehrt in solche überführen. Figur 7.3 faßt diese Verbindungsklassen zusammen und zeigt eine Übersicht über die entsprechenden Umsetzungen unter Angabe der benötigten Reagenzien. Im folgenden sollen die Klassen der Carbonsäurederivate einzeln kurz besprochen werden.
7.9.1
Säurehalogenide
In den Säurehalogeniden ist die OH-Gruppe der Carbonsäuren durch ein Halogenatom ersetzt. Am wichtigsten sind die Säurechloride:
Praktisch gewinnt man die Säurechloride leicht aus den entsprechenden Carbonsäuren durch Behandlung mit Thionylchlorid SOCl2, dem Säurechlorid der schwefligen Säure, H2SO3:
280
7.9 Von Carbonsäuren abgeleitete Verbindungsklassen
Als gasförmige Nebenprodukte entweichen HCl und SO2 aus dem Reaktionsgemisch. Carbonsäurechloride gehören zu den reaktivsten Carbonsäurederivaten. Sie eignen sich deshalb als Ausgangsmaterial zur Herstellung verschiedener weiterer Verbindungen, die aus den Carbonsäuren selbst nicht ohne weiteres zugänglich sind.
Figur 7.3. Carbonsäurederivate und ihre Umsetzungen.
7.9.2
Säureanhydride
Säureanhydride entstehen formal, wenn man Carbonsäuren Wasser entzieht. Dabei wird aus zwei Carboxylgruppen ein Molekül H2O abgespalten:
281
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Die Namen dieser Verbindungen setzen sich aus dem Namen der Säure und der Endung „-anhydrid“ zusammen. Von einem gemischten Anhydrid spricht man, wenn es sich von zwei verschiedenen Säuren ableitet (R & R’). Anhydride sind im allgemeinen aus den entsprechenden Carbonsäuren nur schwer direkt zugänglich. Man zieht es vor, die eine Carbonsäure oder deren Salz mit dem Halogenid der anderen umzusetzen:
Lediglich Dicarbonsäuren bilden das Anhydrid intramolekular beim Erwärmen leicht, wenn sich dabei fünf- oder sechsgliedrige Ringe ergeben:
282
7.9 Von Carbonsäuren abgeleitete Verbindungsklassen
7.9.3
Ester
Ester entstehen durch eine Additions-Eliminierungsreaktion aus Carbonsäuren und Alkoholen unter Abspaltung von Wasser (Kapitel 4.5.1):
Damit die Esterbildung befriedigend verläuft, muß die Reaktion, vorzugsweise durch Zusatz kleiner Mengen einer starken Säure (z. B. H2SO4 ), katalysiert werden. Die Reaktion in umgekehrter Richtung, die Esterhydrolyse, ist unter den gegebenen Bedingungen ebenfalls möglich; will man die Ausbeute an Ester möglichst groß halten, sind geeignete Maßnahmen zur Verschiebung der Lage des Gleichgewichts zu ergreifen. Man kann etwa Wasser aus dem Reaktionsgemisch entfernen oder mit einem Überschuß einer Ausgangskomponente, meistens des Alkohols, arbeiten. Lactone entstehen aus Hydroxycarbonsäuren durch intramolekulare Abspaltung von Wasser, sind also intramolekulare Ester. Diese Reaktion verläuft am besten, wenn sie zu Verbindungen mit fünf- oder sechsgliedrigen Ringen führt.
283
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.9.4
Säureamide und Imide
In den Säureamiden ist die OH-Gruppe der Carbonsäuren durch eine NH2Gruppe ersetzt:
Die Aminogruppe kann auch alkyliert sein. Die Bezeichnung der Alkylgruppen wird dann dem Namen des Säureamids vorangestellt, und zwar zusammen mit dem Buchstaben N, um zu verdeutlichen, daß diese Alkylgruppen an das Stickstoffatom gebunden sind:
Die Synthese von Säureamiden gelingt leicht, ausgehend von den entsprechenden Säurehalogeniden, Säureanhydriden oder Estern, durch Umsetzung mit Ammoniak; N-substituierte Amide erhält man analog durch Umsetzung mit Aminen. Amide sind gegen Hydrolyse stabiler als Ester. Die Hydrolyse zu den entsprechenden Carbonsäuren gelingt aber durch längeres Erhitzen in Gegenwart von wäßrigen Säuren oder Basen.
284
7.9 Von Carbonsäuren abgeleitete Verbindungsklassen
Die Amidstruktur spielt eine wichtige Rolle in den aus α-Aminosäuren zusammengesetzten Peptiden und Proteinen (Kapitel 7.14.2). Intramolekulare Säureamide, die sich formal von Aminocarbonsäuren ableiten, werden als Lactame bezeichnet:
Die Imide sind mit den Säureamiden verwandt. Die typische Imidgruppierung entsteht bei der Reaktion zwischen zwei Carboxylgruppen und einem prim. Amin oder NH3. In der Praxis sind die wichtigsten Imide jene, die sich von Dicarbonsäuren ableiten lassen:
7.9.5
Nitrile
Nitrile enthalten als funktionelle Gruppe die Cyangruppe –C>N. Ihre Namen werden von denjenigen der Carbonsäuren mit der gleichen Anzahl C-Atome abgeleitet. Die Nitrile können auch als Derivate der Blausäure HCN aufgefaßt und als Cyanide bezeichnet werden.
285
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Das Cyanid-Ion CN– gleicht in seinem chemischen Verhalten stark den Halogenid-Ionen. Es kann deshalb in bimolekularen nucleophilen Substitutionsreaktionen (Kapitel 4.2.2) zur Synthese von Nitrilen aus (vorzugsweise primären) Alkylhalogeniden eingesetzt werden:
Blausäure läßt sich, ähnlich wie Halogenwasserstoffe, als HX an Doppelbindungen addieren (Kapitel 4.4.2). Beide Methoden gestatten die Erweiterung des Kohlenstoffgerüsts einer Verbindung um ein C-Atom; nach der Hydrolyse der Cyanogruppe entsprechend der Gleichung
(vgl. Kapitel 4.4.6) steht das neu eingeführte C-Atom in Form einer Carboxylgruppe für weitere Umsetzungen zur Verfügung. In Umkehrung der Hydrolyse können Nitrile ferner aus den entsprechenden unsubstituierten Carbonsäureamiden durch Einwirkung stark wasserbindender Reagenzien, etwa Phosphorpentoxid, erhalten werden:
Die Reaktion kann als Eliminierung von Wasser (Kapitel 4.3) aus der Enolform des Amids aufgefaßt werden:
286
7.10 Amine
7.10
Amine
Amine sind stickstoffhaltige organische Verbindungen, die als Alkylderivate des Ammoniaks betrachtet werden können. Nach der Zahl der im NH3-Molekül durch Alkylgruppen ersetzten Wasserstoffatome unterscheidet man zwischen primären, sekundären und tertiären Aminen:
Man beachte die unterschiedliche Verwendung dieser Begriffe bei Alkoholen (Kapitel 7.5) und Aminen:
Die Grundgerüste einiger cyclischer Amine haben Trivialnamen:
Wie Ammoniak sind auch die Amine schwache Basen. An das freie Elektronenpaar des Stickstoffs kann ein Proton angelagert werden. Bei der Umsetzung von Aminen mit Säuren entstehen wasserlösliche Salze:
287
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Tertiäre Amine reagieren mit Alkylhalogeniden zu Salzen, deren Stickstoffatom vier Alkylgruppen trägt:
Tauscht man bei diesen quartären Ammoniumsalzen das Halogenid-Ion gegen das OH–-Ion aus, so erhält man quartäre Ammoniumhydroxide.
Wäßrige Lösungen dieser Verbindungen reagieren dank der Anwesenheit der starken Brønsted-Base OH– stark alkalisch. Im Gegensatz dazu sind die Amine schwache Basen:
Die Dissoziationskonstanten vieler protonierter Amine unterscheiden sich von derjenigen des Ammonium-Ions um etwa eine Größenordnung (Tabelle 7.1).
288
7.11 Andere stickstoffhaltige Verbindungen
Tabelle 7.1. Säuredissoziationskonstanten einiger protonierter Amine im Vergleich zu derjenigen des Ammonium-Ions. Verbindung NH4+
9,25
CH3NH3+
7.11
pKa (25 °C)
10,63
Verbindung
pKa (25 °C)
(CH3)2NH2+ (CH3)3NH+
10,68 9,80
Andere stickstoffhaltige Verbindungen
7.11.1 Imine oder SCHIFF’sche Basen, Enamine Imine entstehen bei der Reaktion von Aldehyden oder Ketonen mit primären Aminen. Das nach der Addition des Amins an die CO-Gruppe vorliegende Zwischenprodukt ist instabil (Kapitel 4.4.4) und spaltet Wasser ab:
Bei Reaktionen von Aldehyden und Ketonen mit sek. Aminen kann die Wasserabspaltung aus dem instabilen Zwischenprodukt nicht in der oben gezeigten Weise erfolgen, da der Stickstoff kein Wasserstoffatom mehr trägt. In diesem Fall entstehen als Produkt Enamine:
Die Enamingruppierung eignet sich, ähnlich wie die Acetalgruppierung, sehr gut als Schutzgruppe (Kapitel 4.4.4) für Carbonylgruppen. Die Carbonylverbindung kann aus dem Enamin in saurer wäßriger Lösung leicht wieder freigesetzt werden.
289
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.11.2 Oxime, Hydrazone und Semicarbazone Die Addition von Hydroxylamin H2N–OH an Carbonylgruppen führt unter Wasserabspaltung zu Oximen (Kapitel 4.4.4):
Nach der Art der verwendeten Carbonylverbindung unterscheidet man Aldoxime und Ketoxime:
Bei von unsymmetrischen Carbonylverbindungen abgeleiteten Oximen existieren im allgemeinen zwei Stereoisomere. Sie unterscheiden sich bezüglich der Anordnung der Substituenten an der C=N-Doppelbindung (Kapitel 3.2.1). Dabei spielt das einsame Elektronenpaar am Stickstoffatom die Rolle eines Substituenten:
Die Addition von Hydrazinen, H2N–NHR, bzw. Semicarbazid, H2N–NH– CO–NH2, an Carbonylgruppen führt in analoger Weise zu Hydrazonen bzw. Semicarbazonen (Kapitel 3.2.1).
290
7.11 Andere stickstoffhaltige Verbindungen
7.11.3 Nitroso- und Nitroverbindungen Die funktionellen Gruppen –NO und –NO2 werden bei der Benennung von Nitroso- und Nitroverbindungen gleich behandelt wie Halogensubstituenten:
Primäre und sekundäre Nitrosoverbindungen sind instabil. Sie lagern sich zu Oximen um:
Tertiäre und aromatische (Kapitel 7.13) Nitrosoverbindungen sind hingegen beständig. Die als „Nitroglycerin“ bekannte Verbindung, die unter anderem als Sprengstoff und als Medikament gegen Angina pectoris und Migräne Verwendung findet, gehört nicht zur Klasse der Nitroverbindungen. Sie entsteht bei der Behandlung von Glycerin mit Salpetersäure in Gegenwart von Schwefelsäure und ist ein Ester der Salpetersäure:
291
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.11.4 Azoverbindungen Azoverbindungen enthalten die Azogruppe –N=N–:
Azofarbstoffe beispielsweise, die zur Klasse der Azoverbindungen gehören, entstehen aus Aryldiazoniumsalzen und einer zweiten aromatischen Verbindung:
Die Reaktion ist eine elektrophile aromatische Sustitution (Kapitel 4.6). Die elektrophilen Diazoniumsalze kann man aus den entsprechenden Aminen durch Diazotierung, d. h. Behandlung mit salpetriger Säure, die man in situ aus Natriumnitrit und wäßriger Salzsäure erzeugt, gewinnen:
292
7.11 Andere stickstoffhaltige Verbindungen
Das reaktive elektrophile Teilchen in einer Lösung von salpetriger Säure ist das nach Wasserabspaltung entstehende Nitrosyl-Kation:
7.11.5 Diazoverbindungen Der wichtigste Vertreter dieser Gruppe ist das reaktive Diazomethan CH2N2 mit den folgenden mesomeren Grenzformen (Kapitel 2.2.2):
Man gewinnt es aus N-Methyl-N-nitrosoharnstoff:
Diazomethan findet vor allem bei der Synthese von Methylestern aus Carbonsäuren Verwendung:
293
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.12
Schwefelhaltige Verbindungen
In vielen organischen Verbindungen kann Sauerstoff durch den ebenfalls zur 6. Hauptgruppe gehörenden Schwefel ersetzt werden:
Als Beispiele für weitere Gruppen von organischen Schwefelverbindungen, in denen das Schwefelatom formal vier oder sechs Bindungen eingeht, seien erwähnt:
294
7.13 Aromatische Verbindungen
7.13
Aromatische Verbindungen
Die Stammsysteme der aromatischen Kohlenwasserstoffe und Heterocyclen besitzen von der IUPAC zugelassene Trivialnamen (Figur 7.4). Dasselbe gilt für viele der substituierten aromatischen Verbindungen (Figur 7.5).
Figur 7.4. Grundgerüste und Namen einiger aromatischer Verbindungen. Die Beispiele zeigen auch die übliche Numerierung der Atome. Ringverknüpfungsstellen in aus mehreren Ringen aufgebauten (mehrkernigen) aromatischen Verbindungen, die keine Substituenten tragen, erhalten keine Chiffre. Zur Bezifferung von Heterocyclen werden die Atome so durchnumeriert, daß die Heteroatome möglichst niedrige Chiffren erhalten. Sind mehrere verschiedene Heteroatome anwesend, richtet sich die Reihenfolge nach absteigender Gruppennummer und aufsteigender Ordnungszahl der Heteroatome: O und S kommen also vor N, und O kommt vor S.
295
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Figur 7.5. Systematische Namen und Trivialnamen einiger substituierter aromatischer Verbindungen.
Die systematische Benennung aromatischer Verbindungen ist am einfachsten bei monosubstituierten Benzolderivaten:
Für die Anordnung von zwei funktionellen Gruppen gibt es drei Möglichkeiten. Zu ihrer Kennzeichnung kann man die C-Atome des Benzolrings durchnumerieren oder die Bezeichnungen o- (ortho-), m- (meta-) und p- (para-) verwenden:
296
7.13 Aromatische Verbindungen
Sind mehr als zwei Substituenten vorhanden, so sollte immer anhand der Positionsnummern benannt werden. Dabei werden die Substituenten zusammen mit der Stellungsangabe in alphabetischer Reihenfolge aufgezählt und vor den Namen des Grundgerüsts gesetzt. Für monosubstituierte Naphthalinderivate wird außer der in Figur 7.4 gezeigten Bezifferung auch noch ein zweites System angewendet. Es beruht darauf, daß im Naphthalin jeweils vier der acht substituierbaren Stellungen gleichwertig sind. Zur Unterscheidung werden die Bezeichnungen αund β- verwendet:
Treten Aromaten ihrerseits als Substituenten auf, so werden sie allgemein als Arylgruppen bezeichnet. Wichtige Arylgruppen (mit entsprechenden Beispielen) sind:
297
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Partiell hydrierte Verbindungen werden als Dihydro- bzw. Tetrahydroderivate bezeichnet, wenn sie eine bzw. zwei Doppelbindungen weniger enthalten als die aromatische Verbindung. Durch Zahlen wird angegeben, in welchen Stellungen sich die eingeführten H-Atome befinden.
Die aromatischen Alkohole heißen Phenole und unterscheiden sich in ihren Eigenschaften von den aliphatischen Alkoholen. Sie sind schwache Säuren, da Phenolat-Anionen im Gegensatz zu Alkoholat-Ionen wie CH3O – durch Mesomerie stabilisiert sind (Kapitel 2.2.2). Elektronenanziehende Substituenten mit –M bzw. –I-Effekt verstärken den Säurecharakter:
298
7.14 Naturstoffe
Phenole lassen sich leicht zu Chinonen oxidieren. Diese Verbindungen besitzen eine nicht aromatische (Teil)struktur. Ihren Eigenschaften nach handelt es sich eher um cyclische ungesättigte Ketone. Anhand der Stellung der beiden Sauerstoffunktionen unterscheidet man:
Die Redoxreaktion zwischen Chinonen und Hydrochinonen läuft sehr rasch ab und ist reversibel. Die Lage des Redoxgleichgewichts ist, wie aus der Reaktionsgleichung ersichtlich, pH-abhängig:
7.14
Naturstoffe
Das Gebiet der Naturstoffe umfaßt alle Verbindungen, die zuerst aus Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen isoliert wurden. Diese Stoffe gehören den verschiedensten Verbindungsklassen an, weisen meist ein hohes Molekulargewicht und eine komplexe Struktur auf und sind häufig chiral. Viele von ihnen, vor allem solche mit biologischen Wirkungen, sind auch auf synthetischem Weg zugänglich gemacht worden. Im Rahmen dieser kurzen Einführung können nur die wichtigsten Naturstoffgruppen anhand einiger Beispiele vorgestellt werden.
299
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.14.1 Fette und Öle Fette und Öle sind Fettsäureester des Glycerins. Das Glycerin ist dabei mit drei gleichen oder verschiedenen Fettsäuren verestert:
Man nennt Fette und Öle deshalb auch Triglyceride. Fette enthalten vorwiegend gesättigte Fettsäuren, Öle weisen einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren auf. Häufig vorkommende Fettsäuren sind in Tabelle 7.2 aufgeführt. Die gesättigten Fettsäuren bilden als Carbonsäuren mit unverzweigter Kohlenstoffkette eine homologe Reihe. Tabelle 7.2. Gesättigte und ungesättigte Carbonsäuren aus Fetten und Ölen. Konstitution
300
Trivialname
Anzahl der C-Atome
Laurinsäure
12
Myristinsäure
14
Palmitinsäure
16
Stearinsäure
18
Ölsäure
18
Linolsäure
18
7.14 Naturstoffe
Daß die natürlichen Fettsäuren eine gerade Anzahl von Kohlenstoffatomen aufweisen, hat folgenden Grund: Ihre Biosynthese, d. h. die Reaktionsfolge, durch die sie in lebenden Zellen entstehen, geht von Essigsäure-Bausteinen aus. Die schrittweise Verkettung solcher C2-Bausteine, die als Thioester (Acetyl-Coenzym A) vorliegen, gleicht einer Reihe von Esterkondensationen (Kapitel 4.5.3). Die Rolle der Methylenkomponente wird dabei von einem Malonsäurethioester (Malonyl-Coenzym A), der aus dem Essigsäurethioester durch Addition an CO2 entsteht, wahrgenommen. Bei der Esterkondensation wird CO2 wieder abgespalten. Vor dem nächsten Kondensationsschritt wird der entstandene β-Oxothioester in mehreren Schritten zum gesättigten Thioester reduziert:
Die Isolierung von einzelnen reinen Triglyceriden gelingt meist nicht. Man kann Fette oder Öle aber mit wäßriger NaOH hydrolysieren und danach die Art und Menge der freigesetzten Fettsäuresalze bestimmen. Die letzteren besitzen außerdem eine praktische Bedeutung als Seifen. Als amphiphile Moleküle besitzen sie sowohl – auf Grund ihrer Alkylgruppe – wasserabstoßende (hydrophobe) Eigenschaften, als auch – auf Grund der geladenen Carboxylatgruppe – wasseranziehende (hydrophile) Eigenschaften. Die Wirkung einer Seife besteht darin, daß mehrere Seifenmoleküle die Moleküle wasserunlöslicher Verbindungen mit dem hydrophoben Molekülteil umhüllen; die hydrophilen Molekülteile kommen nach außen zu liegen. Dadurch kommt eine Solubilisierung zustande.
301
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.14.2 Peptide und Proteine Peptide und Proteine sind aus α-Aminosäuren aufgebaut. Die Aminosäuren sind dabei durch Amidbindungen (Kapitel 7.9.4) miteinander verbunden:
Peptide und Proteine gehören somit zu den gemischten Polymeren. Solche mit nur wenigen (bis 30) Aminosäurebausteinen heißen allgemein Peptide (Di-, Tri-, Tetra-, . . . , Polypeptide), die höhermolekularen Proteine. Das Kettenende mit der Aminogruppe heißt N-Terminus, dasjenige mit der Carboxylgruppe C-Terminus. Die meisten natürlichen Proteine und Peptide werden in lebenden Zellen aus 20 α-Aminosäuren, den sogenannten proteinogenen Aminosäuren, aufgebaut. Sie besitzen – das nicht chirale Glycin bleibt dabei unberücksichtigt – in der Fischer-Projektion alle die l-Konfiguration und unterscheiden sich lediglich bezüglich ihrer Seitenketten, d. h. jener Substituenten, die an das α-C-Atom gebunden sind. Man unterscheidet sauer, basisch und neutral reagierende Seitenketten (Figur 7.6). Die verschiedenen Proteine und Peptide unterscheiden sich in der Kettenlänge und der Reihenfolge (Sequenz) der Aminosäuren in der Peptidkette. Beim Aufbau der Proteine in lebenden Zellen wird die Sequenz durch die Reihenfolge der Bausteine in den Nucleinsäuren (DNA, RNA, vgl. Kapitel 7.14.7) codiert. Entsprechend der Kettenlänge und der Sequenz ergibt sich ein bestimmter relativer Gehalt an Aminosäuren. Die Anteile der verschiedenen Aminosäuren lassen sich bestimmen, indem man ein Polypeptid mit 6 M HCl
302
7.14 Naturstoffe
H3C COO
–
H 3C
–
COO
NH3+
COO
H 3C
NH3+
COO –
H3 C
NH3+
L-Alanin (Ala, A)
Glycin (Gly, G)
–
CH3
L-Valin (Val, V)
NH3+
L-Leucin (Leu, L)
H3C
HO
H 3C
COO
–
COO
NH3+
–
COO
HO
NH2+
L-Isoleucin (Ile, I)
R
COO
H3 C
NH3+
–
NH3+
L-Prolin (Pro, P)
L-Serin (Ser, S)
–
H 3C
COO
–
L-Threonin (Thr, T)
S
COO
–
NH3+ NH3
O R = OH:
+
L-Methionin (Met, M)
L-Asparaginsäure (Asp, D, pKa = 3,9)
R = NH2: L-Asparagin (Asn, N)
HS
COO
–
NH3+ O
L-Cystein (Cys, C, pKa = 8,4)
COO
R
– +H
NH3+ R = OH:
3N
COO
L-Glutaminsäure (Glu, E, pKa = 4,1)
NH3+
R = NH2: L-Glutamin (Gln, Q)
COO NH3+
N H
L-Lysin (Lys, K, pKa = 9,2)
NH2+
–
H2 N
L-Tryptophan (Trp, W)
COO
–
–
COO
N H
–
NH3+
L-Arginin (Arg, R, pKa = 9,0)
COO
–
COO
–
+HN
NH3+ L-Phenylalanin (Phe, F)
HO
NH3+
L-Tyrosin (Tyr, Y, pKa = 9,1)
NH
NH3+
L-Histidin (His, H, pKa = 6,0)
Figur 7.6. Die 20 proteinogenen α-Aminosäuren. Gebräuchliche Abkürzungen sowie pKa-Werte einiger Seitenketten sind beigefügt.
303
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
während 24 h bei 110 °C vollständig hydrolysiert und danach den Gehalt jeder einzelnen Aminosäure im Gemisch bestimmt. Zu den Proteinen gehören alle Faserproteine (etwa Actin und Myosin, die die Muskelfasern bilden), das in Bindegeweben enthaltene Kollagen, das in Haaren, Nägeln und Horn vorkommende Keratin, Plasmaproteine wie Hämoglobin und die Immunoglobuline (Antikörper), sowie Enzyme wie das in der Tränenflüßigkeit und in Hühnereiweiß enthaltene Lysozym. Zu den Peptiden gehören viele Verbindungen mit Hormoncharakter, z. B. Oxytocin, Vasopressin, β-ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) und Insulin.
7.14.3 Kohlenhydrate Kohlenhydrate, oft auch „Zucker“ genannt, sind Polyhydroxyaldehyde und -ketone. Der einfachste Vertreter dieser Stoffklasse ist Glycerinaldehyd. Weitere Beispiele sind Threose, Erythrose, Ribose, Glucose und Fructose:
Der Name „Kohlenhydrate“ leitet sich von der Summenformel solcher Verbindungen ab, die als (CH2O)n geschrieben werden kann (für Glycerinaldehyd gilt beispielsweise n = 3). Der wichtigste Vertreter dieser Monosaccharide genannten Gruppe ist die d-Glucose (Traubenzucker). Die Monosaccharide werden allgemein entsprechend der Anzahl ihrer C-Atome als Pentosen, Hexosen, Heptosen, usw. bezeichnet. Solche, bei denen einzelne OH-Gruppen fehlen, werden mit dem Namen der Stammverbindung und dem Präfix „Desoxy-“ bezeichnet:
304
7.14 Naturstoffe
Bei den Aldohexosen, den Monosacchariden mit sechs C-Atomen und einer Aldehydgruppe, zu denen auch die d-Glucose gehört, gibt es acht diastereoisomere Enantiomeren-Paare (Kapitel 3.2.2). Galactose und Mannose (Kapitel 6.5.2) sind weitere Beispiele aus dieser Reihe. Die d-Fructose (Fruchtzucker) ist ein Vertreter der Ketohexosen. Die Monosaccharide liegen normalerweise nicht in der offenkettigen Form vor, sondern als fünf- oder sechsgliedrige Ringe: Zwischen der Aldehydgruppe in 1-Stellung und einer der OH-Gruppen bildet sich intramolekular ein Hemiacetal (Kapitel 4.4.4). In Anlehnung an die Bezeichnung der unsubstituierten cyclischen Ether Tetrahydrofuran und Tetrahydropyran (Kapitel 7.6) nennt man Hemiacetale mit fünfgliedrigem Ring Furanosen oder Furanoside und solche mit sechsgliedrigem Ring Pyranosen oder Pyranoside. Bei der Hemiacetalbildung wird das C-Atom in 1-Stellung asymmetrisch, so daß jeweils zwei diastereoisomere Formen, die α- und die β-Form, entstehen können. In Lösung stehen diese Formen über die offenkettige Form miteinander im Gleichgewicht. Im Falle der d-Glucose bilden sich bevorzugt Pyranoside. Löst man reine α-d-Glucopyranose in Wasser, so ist die optische Drehung zunächst [α]D = + 112, ändert sich dann aber langsam, bis der Gleichgewichtszustand mit ca. 36 % α-d-Glucopyranose und 64 % `-d-Glucopyranose mit einem [α]D-Wert von + 52,7 erreicht wird. Zum gleichen Wert kommt man beim Auflösen reiner `-d-Glucopyranose, ausgehend von zunächst [α]D = + 18,7. Eine Änderung der optischen Drehung als Folge struktureller Veränderung der gelösten Verbindung wird als Mutarotation bezeichnet.
305
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Die Disaccharide sind aus zwei Monosacchariden zusammengesetzt. Dabei wird zwischen der Aldehydgruppe (oder Ketogruppe) eines Zuckermoleküls und einer OH-Gruppe eines anderen Zuckermoleküls ein Acetal gebildet. Eine solche Verknüpfung heißt glykosidische Verknüpfung. So leitet sich Lactose (Milchzucker) aus je einem Molekül d-Glucose und d-Galactose ab. Im Lactosemolekül liegt dabei die Glucose als Hemiacetal, die Galactose hingegen als Acetal vor. Die Saccharose (Rohrzucker) ist aus d-Glucose und dFructose aufgebaut:
306
7.14 Naturstoffe
In ähnlicher Weise können auch mehr als zwei Zuckermoleküle miteinander verknüpft werden. Zu diesen Polysacchariden gehören Stärke und Cellulose, die beide aus d-Glucose aufgebaut sind. Der Unterschied zwischen diesen beiden Stoffen beruht darauf, daß Stärke aus Ketten von α-d-Glucosemolekülen, Cellulose dagegen aus Ketten von β-d-Glucosemolekülen aufgebaut ist:
7.14.4 Alkaloide Zu den Alkaloiden werden organische Verbindungen gezählt, die Stickstoff enthalten, basisch sind und eine starke biologische Wirkung zeigen. Chemisch ist diese Gruppe sehr heterogen. Wie aus den Beispielen ersichtlich ist, leiten sich einige Alkaloide von einfachen Heterocyclen wie Pyridin oder Piperidin ab, andere wie z. B. Morphin sind dagegen komplizierter gebaut.
307
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.14.5 Terpene Viele Terpene sind Duftstoffe und ätherische Öle. Man kann sich diese Verbindungen als aus C5-Einheiten aufgebaut vorstellen, d. h. aus Bausteinen mit einer Struktur ähnlich der des Isoprens (Isoprenregel). Nach der Anzahl der Isopren-Bausteine teilt man die Terpene ein in Monoterpene (C10-Verbindungen), Sesquiterpene (C15-Verbindungen), Diterpene (C20-Verbindungen), Triterpene (C30-Verbindungen) usw. Die Isopreneinheiten können zu offenkettigen oder cyclischen Terpenen zusammengefügt sein. In den Beispielen sind die einzelnen C5-Einheiten farbig hervorgehoben. In der Tat werden diese Verbindungen biosynthetisch, wie gezeigt, aus C5-Bausteinen aufgebaut.
Kautschuk ist ein Gemisch aus Polyterpenen, welche aus 100–500 Isopreneinheiten aufgebaut sind.
308
7.14 Naturstoffe
7.14.6 Steroide Die Steroide leiten sich von den Triterpenen ab. Zu dieser Gruppe von tetracyclischen Verbindungen gehören viele wichtige Hormone. Da gewisse Grundgerüste hier in den natürlichen wie auch in den abgewandelten oder
309
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
synthetisch hergestellten Verbindungen immer wieder vorkommen, hat man sie mit eigenen Namen und einer festgelegten Numerierung versehen. So kann die Benennung anhand der üblichen Regeln erfolgen. Die natürlichen Steroidhormone besitzen alle auch Trivialnamen.
7.14.7 Nucleinsäuren Die Nucleinsäuren verdanken ihren Namen dem Umstand, daß sie erstmals aus Zellkernen (nuclei) isoliert wurden. Die wichtigsten Nucleinsäuren heißen DNA (Desoxyribonucleinsäure) und RNA (Ribonucleinsäure)18 und spielen entscheidende Rollen als Erbsubstanz (überwiegend DNA) und bei der Biosynthese der Proteine (RNA). Wie die Proteine und Peptide sind die Nucleinsäuren gemischte Polymere. DNA und RNA sind nach dem gleichen Muster aus Phosphat, einem Zucker und Basen aufgebaut (Figur 7.7). Bei DNA ist der Zucker 2-Desoxyribose, bei RNA ist er Ribose (Kapitel 7.14.3).
Figur 7.7. Allgemeines Bauprinzip der Nucleinsäuren.
Im Rückgrat der Nucleinsäuren sind die Phosphorsäure- und Ribose- bzw. 2’Desoxyribose-Bausteine so miteinander zu einem Strang verknüpft, daß zwischen der Phosphorsäure und den OH-Gruppen der Ribose bzw. Desoxyribose Ester gebildet werden. Die Ribose-Bausteine tragen ihrerseits, über eine N-glykosidische Bindung verknüpft, jeweils eine von vier möglichen Basen (Figur 7.8). Bei DNA sind dies Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin. Bei RNA sind es Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil:
18
Die Abkürzungen DNA und RNA leiten sich von den englischen Bezeichnungen deoxyribo-
nucleic acid und ribonucleic acid ab.
310
7.14 Naturstoffe
Cytosin, Thymin und Uracil sind Pyrimidine, Adenin und Guanin dagegen Purine (vgl. Kapitel 7.13). In den Nucleinsäuren liegen also die Phosphorsäure-Bausteine als Phosphorsäurediester vor, während die Aldehydgruppen der Zuckerbausteine durch intramolekulare Hemiacetalbildung und N-glykosidische Verknüpfung mit einer Base derivatisiert sind. Vollständige Hydrolyse einer Nucleinsäure unter sauren Bedingungen liefert Phosphorsäure, den freien Zucker und ein Gemisch der protonierten Basen. Partielle Hydrolyse unter basischen Bedingungen, unter denen zwar die glykosidischen Bindungen (Kapitel 7.14.3), nicht aber die Esterbindungen (Kapitel 7.9.3) stabil sind, ergibt die Ribo- bzw. Desoxyribonucleoside und Phosphat. Die Namen der Nucleoside erinnern an diejenigen der Basen, die sie enthalten: Base: entsprechendes Nucleosid:
Adenin
Guanin
Cytosin
Thymin
Uracil
Adenosin
Guanosin
Cytidin
Thymidin
Uridin
311
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Figur 7.8. Ausschnitte aus den Konstitutionen eines DNA- bzw. eines RNA-Strangs.
Hydrolyse mit Hilfe von Enzymen (Nucleasen), die jeweils selektiv eine der Phosphorsäureesterbindungen zu spalten vermögen, liefert Ribo- bzw. Desoxyribonucleotide (vgl. dazu auch Figur 7.7):
312
7.14 Naturstoffe
Die Konstitution und absolute Konfiguration der Nucleinsäuren wurde bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgeklärt. Die Bestimmung der für die biologische Funktion dieser Kettenmoleküle entscheidenden Konformation aber gelang 1953 am Beispiel von DNA durch die berühmten Arbeiten von Rosalind Franklin (1920 –1958), Francis H. Crick (1916–2004) und James D. Watson (geb. 1928). Ihnen zufolge bilden zwei DNA-Stränge gemeinsam eine rechtshändige Doppelhelix. Dies entspricht einer schraubenförmigen Anordnung, bei der sich die beiden DNA-Stränge gemeinsam um die Helixachse winden. Die Zucker-Phosphat-Rückgrate der Stränge befinden sich dabei auf der Außenseite der Doppelhelix, und ihre 3’A 5’-Richtungen (vgl. Figur 7.8) verhalten sich gegenläufig. Diese bemerkenswerte Struktur wird durch die Anordnung der Basen im Innern der Doppelhelix stabilisiert: Jeweils zwei Basen der beiden einander gegenüberliegenden Stränge bilden in einem Vorgang, den man Basenpaarung nennt, spezifische Wasserstoffbrücken aus. Eine gute Paßgenauigkeit ist nur dann gegeben, wenn die Basenpaarung zwischen Adenin und Thymin oder zwischen Guanin und Cytosin erfolgt (Figur 7.9). Der Abstand zwischen den Rückgraten der beiden Stränge ist in beiden Fällen praktisch derselbe, nämlich etwa 11 Å.
313
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Figur 7.9. Basenpaarung in DNA zwischen Adenin und Tymin bzw. zwischen Guanin und Cytosin.
Die Doppelhelix-Struktur der DNA und die Basenpaarung vermögen die Funktion der DNA als Trägerin der Erbinformation befriedigend zu erklären. Die Erbinformation selbst ist durch die Sequenz der Basen entlang eines Strangs gegeben. Ihre Weitergabe an zwei Tochterzellen bei der Zellteilung ist möglich, weil die Sequenz eines Strangs über die Basenpaarung auch die Sequenz des anderen Strangs bestimmt. Trennt man die Stränge also voneinander, so lassen sich im Prinzip, durch Ankondensieren neuer Nucleotide entsprechend den Regeln der Basenpaarung, zwei Kopien der ursprünglichen Doppelhelix erhalten (die Stränge sind nur durch die Basen angegeben, für die der Anfangsbuchstabe als Abkürzung verwendet wird):
In lebenden Zellen werden solche Prozesse von Enzymen katalysiert. Als Kondensationsreagenzien treten dabei nicht die Nucleotide selbst, sondern die entsprechenden Triphosphate auf. Dadurch ist gewährleistet, daß eine neue Phosphatester-Bindung auf Kosten der Spaltung einer (energiereicheren) Phosphorsäureanhydrid-Bindung unter Energiegewinn gebildet werden kann:
314
7.14 Naturstoffe
Bei der Biosynthese der Proteine wird DNA zunächst in einem ähnlich ablaufenden, Transkription genannten Prozeß in eine einzelsträngige, sogenannte messenger-RNA19 (mRNA) kopiert (Uracil übernimmt dabei die Rolle von Thymin). Die mRNA dient anschließend als Matrize für die schrittweise Verknüpfung von Aminosäuren zu einem Polypeptid in einer Sequenz, die durch die Reihenfolge der Basen auf der mRNA gegeben ist. Bei diesem Vorgang, der Translation heißt und von den Ribosomen katalysiert wird, ist die Erkennung der Basensequenz der mRNA mit der Bereitstellung der entsprechenden Aminosäuren durch spezielle Adapter-Moleküle, die transferRNAs20 (tRNAs), gekoppelt. Wiederum treten als Kondensationsreagenzien nicht die Aminosäuren selbst, sondern entsprechende Ester (mit tRNA als Alkoholkomponente) auf. Dadurch ist gewährleistet, daß eine neue Amid-Bindung auf Kosten der Spaltung einer (energiereicheren) Ester-Bindung mit Energiegewinn gebildet werden kann:
19
engl. messenger „Bote“.
20
engl. transfer „Überführung“.
315
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
Bei der Translation codieren jeweils drei aufeinanderfolgende Basen der mRNA eine bestimmte der 20 proteinogenen Aminosäuren (genetischer Code).
7.15
Übungen
7.1
Bezeichnen Sie die folgenden Verbindungen als (E)- oder (Z)-Formen:
7.2
Bezeichnen Sie für folgende Verbindungen die Konfiguration an den asymmetrischen C-Atomen nach dem R-S-System:
316
7.15 Übungen
7.3
Benennen Sie die folgenden Verbindungen:
7.4
Stellen Sie Strukturformeln für folgende Verbindungen auf: a) Butan; b) 2-Methylpropan; c) 2,3,5-Trimethylhexan; d) 2,2-Dimethylpentan; e) 2,3-Dimethyl-3-isopropylheptan; f) 3,5-Dimethyl-2-hexen; g) 2,2Dibrombutan h) 1,1,2-Trimethyl-2-isopropylethen; i) 3-Methyl-1hexen-4-in; k) 5,5-Dimethyl-1,3,7-octatrien; l) 2-Chlor-4-octin.
7.5
Die folgenden Namen entsprechen nicht den Regeln. Warum? Wie lauten die korrekten Namen? a) 5,5-Dimethylheptan; b) 4-Methylhexan; c) 2,2-Diethylpentan; d) 3-Methyl-4-hexen; e) 1-Propyl-2-isopropylethen.
317
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.6
Benennen Sie die folgenden Verbindungen:
7.7
Notieren Sie die Strukturformeln für folgende Verbindungen: a) Iodmethan; b) 2,2-Dimethylpropanol; c) 2-Buten-1,4-diol; d) 1,1-Difluor2-methyl-4-chlor-2-hexen; e) Ethyl-tert.-butylether; f) gem. Dichlorethan; g) Hexachlorethan.
7.8
Benennen Sie die folgenden Verbindungen:
318
7.15 Übungen
7.9
Notieren Sie die Strukturformeln für folgende Verbindungen: a) Methylformiat; b) α-Brompropionsäure; c) Adipinsäureanhydrid; d) Isopropylbutylketon; e) Trifluoressigsäure; f) Acetaldehyddimethylacetal; g) 3-Methyl-2,4-pentandion; h) β-Brompropanal; i) Methylvinylketon; k) δ-Valerolactam; l) Acetondiethylacetal; m) N-Ethyl-Npropylformamid.
7.10
Benennen Sie die folgenden Verbindungen:
7.11
Notieren Sie Strukturformeln für folgende Verbindungen: a) Triethylpropylammoniumiodid; b) 1,2-Cyclopropandiol; c) Thiopropionsäure; d) Tetraethylammoniumhydroxid; e) 1,3,5-Cycloheptatrien, f) 2,6-Dimethylcyclohexanon; g) Propylisopropylamin; h) 1,4-Butandithiol; i) 2-Cyclopentenol; k) Acetonitril; l) 1,4-Dichlor-2-methylcyclohexan; m) Dimethylsulfid.
319
7. Systematik und spezielle Nomenklatur
7.12
Benennen Sie die folgenden Verbindungen:
7.13
Stellen Sie Strukturformeln für die folgenden Verbindungen auf: a) 2Acetylthiophen; b) Naphthalin-β-sulfonsäure; c) m-Nitrobrombenzol; d) o-Aminophenol; e) 3,5-Dimethylpiperidin; f) 2-Formylpyridin; g) 1,5-Dibromanthracen; h) m-Chlorperbenzoesäure; i) 2,3-Dimethyloxiran; k) Isothiazol; l) 4-Nitrophthalsäureanhydrid; m) 4-Methoxypyridin.
320
8. Lösungen zu den Übungen
3.1
Es lassen sich 12 Konstitutionsisomere formulieren:
(zur Schreibweise vgl. Kapitel 6.1) 3.2
Es lassen sich 6 Isomere formulieren:
3.3
321
8. Lösungen zu den Übungen
Die Lösungen zu c) zeigen die meso-Form, cis-1,2-Cyclobutandiol, und eine der beiden möglichen spiegelbildlichen Formen von trans1,2-Cyclobutandiol. 3.4
a) Stellungen 2 und 3; 4 Isomere; b) 2; 2; c) 1, 3, 4; 8; d) 1, 2, 4; 8; e) 1, 4; 2 (Spezialfall, da die beiden Chiralitätszentren starr miteinander verbunden sind); f) 5, 6, 9, 13, 14; 32; g) 8, 9, 13, 14, 17; 32.
3.5
[α]20 D = + 102.
3.6
Ja, die spezifischen Drehungen betragen ± 66.
3.7
Es gibt 4 diastereoisomere Enantiomerenpaare:
3.8
Die Isomere sind 1,1-, 1,2-cis, 1,2-trans, 1,3-cis und 1,3-trans-Cyclobutandicarbonsäure. Chiral ist das 1,2-trans-Isomer.
3.9
a) Beide Bromatome sind äquatorial; b) Die Isopropylgruppe ist äquatorial, das F-Atom axial; c) beide möglichen Sesselkonformationen sind gleichwertig.
322
8. Lösungen zu den Übungen
4.1
4.2
Die Produkte sind (±)-Dibrombernsteinsäure aus Maleinsäure und meso-Dibrombernsteinsäure aus Fumarsäure. Racemate und mesoFormen zeigen keine optische Drehung. Die Racemisierung kommt zustande, weil das Br+-Ion die planar gebaute Maleinsäure mit gleicher Wahrscheinlichkeit von oben oder von unten angreift.
4.3
a) und c) reagieren nach SN2, d) und e) nach SN1; b) geht keine nucleophile Substitution ein; es kann aber Hydrolyse zu Cyclopropanol stattfinden; f) die SN2-Reaktion ist wegen sterischer Hinderung unmöglich; SN1-Reaktionen sind möglich, da der +I-Effekt von zwei tert.-Butylgruppen das sekundäre Carbokation in genügendem Maß zu stabilisieren vermag.
4.4
cis-1-Iod-2-methylcyclopentan A trans-1-Methoxy-2-methylcyclopentan. trans-1-Iod-2-methylcyclopentan A cis-1-Methoxy-2methylcyclopentan.
4.5
323
8. Lösungen zu den Übungen
4.6
Aus der trans-Form entsteht durch Eliminierung Cyclohexen.
4.7
Die Unterscheidung ist möglich, da die syn- und die anti-Eliminierung (die tatsächlich stattfindet) zu verschiedenen Produkten führen:
4.8
Das Produkt mit endständiger Doppelbindung ist günstiger, da die Wechselwirkungen zwischen den Methylgruppen an C(1) und C(3) geringer sind als im Produkt mit der höher substituierten Doppelbindung (vgl. auch Kapitel 4.3.4).
4.9
4.10
324
Bei der Substitution von ortho- und meta-Dichlorbenzol sind 2 bzw. 3 isomere Produkte formulierbar; bei para-Dichlorbenzol gibt es nur ein mögliches Substitutionsprodukt.
8. Lösungen zu den Übungen
4.11
a) NH2 ist ein starker Substituent 1. Ordnung; Substitution ist in ortho- und para-Stellung sehr leicht möglich; b) durch Acetylierung zu –NHCOCH3 wird die aktivierende Wirkung des NH2-Substituenten abgeschwächt, aber er ist immer noch ortho-para-dirigierend; c) in der stark sauren Lösung wird aus der Aminogruppe durch Protonierung eine –NH3+-Gruppe. Diese dirigiert als Substituent 2. Ordnung in die meta-Stellung.
4.12
a) Ozonisierung ergibt CH3–CO–(CH2)4–CHO und OHC(CH2)3– CH(CH3)–CHO; b) mit NaBH4 wird nur das Keton reduziert, der Ester bleibt unverändert; c) nur der ungesättigte Alkohol geht die folgenden Reaktionen ein: Mit H2/Pt findet eine H2-Aufnahme statt, mit MnO2/Chloroform Oxidation zum α, β-ungesättigten Keton, mit Persäuren Oxidation zum Epoxid.
4.13
a) H2/Pd, NaBH4, H2/Pt; b) Lindlar-Katalysator, Na/NH3, H2/Pt; c) H2/Pt oder LiAlH4 oder NaBH4; Clemmensen-Reduktion; Druckhydrierung mit Raney-Nickel/ H2.
4.14
a) liefert ein Diol mit threo-, b) ein Diol mit erythro-Konfiguration (vgl. dazu die relativen Konfigurationen von Erythrose und Threose, Kapitel 7.14.3). Da in beiden Fällen die Reagenzien das ebene Molekül von oben oder von unten angreifen können (und zwar mit gleicher Wahrscheinlichkeit), entstehen Racemate, so daß [α]D = 0.
4.15
a) Claisen-Kondensation mit
325
8. Lösungen zu den Übungen
und Essigsäuremethylester; b) Knoevenagel-Reaktion mit 2-Butanon und Malonsäurediethylester, dann Hydrolyse und CO2-Abspaltung; c) Umsetzen von 2-Butanon und Essigester mit NaOCH3, Nebenprodukt: CH3–CO–CH2–CO–CH2CH3; d) Aldol-Reaktion zwischen (CH3)3C–CHO und CH3CHO, Nebenprodukt: Crotonaldehyd; e) Dieckmann-Kondensation von H5C2O–CO(CH2)5–CO–OC2H5; f) Knoevenagel-Reaktion mit 2-Butanon und Malonsäuredinitril als Methylenkomponente; g) Umsetzen eines Benzoesäureesters C6H5–COOR mit Propionsäuremethylester; es sind Nebenprodukte zu erwarten (vgl. Kapitel 4.5.3); h) Umsetzen von Aceton und Essigester mit NaOCH3. 4.16
4.17
4.18
4.19
326
8. Lösungen zu den Übungen
4.20
4.21
Es entstehen Propionaldehyd/Propen und Acetaldehyd/1-Buten, je nachdem, ob die Protonierung in 2- oder 4-Stellung eintritt.
4.22
Methylpropionsäure und Propionsäure. Außer der Spaltung tritt noch die Hydrolyse des zunächst entstandenen Propionsäuremethylesters in der alkalischen Lösung ein.
4.23
4.24
83’300 s–1 M–1.
5.1
a) C21H32O4 ; b) C20H30O5 ; c) C31H50N2O2 .
5.2
a) C10H16O; b) C11H7NO4 ; c) C15H17N3O.
5.3
Die aus den Verbrennungswerten berechneten Prozentzahlen (C 79,3 %, H 10,22 %) stimmen besser mit dem für C31H48O3 berechneten Prozentgehalt an C und H überein (C31H48O3: C 79,43, H 10,32 %; C31H46O3: C 79,78, H 9,94 %).
327
8. Lösungen zu den Übungen
5.4
Das Signal bei m/z = 121 ist dem Molekül-Ion C7H7NO+ zuzuordnen. Die beiden anderen Signale können als Fragment-Ionen wie folgt interpretiert werden: (C6H5+) 77
O
NH2
(C7H5O+) 105
a)
Man erhält eine Gerade, die durch den Punkt (0, 0) geht und gemäß dem Beer-Lambert’schen Gesetz (Kapitel 5.2.2) die Steigung ¡hd aufweist:
Extinktion E
5.5
0 0
b)
Konzentration c
Gemäß der Definition der Transmission erhält man eine Kurve, die der Funktion T = 10–¡hdc entspricht. Sie geht durch den Punkt (0, 1) und fällt mit steigender Konzentration exponentiell ab:
328
8. Lösungen zu den Übungen
Transmission T
1
0 0
Konzentration c
5.6
Es handelt sich um 3-Pentanon (C5H10O). Das 1H-NMR-Spektrum deutet darauf hin, daß als einzige Molekülgruppen mit H-Atomen Ethylgruppen in Frage kommen. Eine einzige CH3–CH2-Gruppe reicht aber für die im Massenspektrum beobachtete Masse des Molekül-Ions nicht aus. Es ist zu vermuten, daß in einem symmetrisch gebauten Molekül zwei chemisch gleichwertige Ethylgruppen auftreten, da das 1H-NMR-Spektrum nur ein Triplett und ein Quartett zeigt. Zwei Ethylgruppen tragen zur Masse des Molekül-Ions 58 Da bei. Die restlichen 28 Da können einer Carbonylgruppe zugeordnet werden, denn das IR-Spektrum zeigt neben den für C–H-Streckschwingungen typischen Absorptionsbanden um 3000 cm–1 auch die für C=O-Streckschwingungen charakteristische Bande bei etwa 1700 cm–1.
7.1
a) (Z); b) (E); c) (E); d) (Z); e) (Z); f) (Z); g) (E).
7.2
a) R; b) S; c) R; d) R, R.
7.3
a) Octan; b) 2-Methylbutan; c) 2,3-Dimethylpentan; d) 3,3-Dimethylpentan; e) 5-Ethyl-2-methylheptan; f) 3-Ethyl-2-methyl-2-penten; g) (E)-3,4-Dimethyl-3-hexen; h) 6-Methyl-1,5-octadien; i) 5-Methyl-2hexin; k) 1-Hepten-6-in.
329
8. Lösungen zu den Übungen
7.4
7.5
a) 3,3-Dimethylheptan; b) 3-Methylhexan; c) 3-Ethyl-3-methylhexan; d) 4-Methyl-2-hexen; e) 2-Methyl-3-hepten. Fehler: a), b) und d): falsche Numerierung der Hauptkette; c) und e): falsche Hauptkette.
7.6
a) 2-Chlorpropanol; b) Difluordichlormethan; c) 3-Brom-1-propanol; d) Methylisopropylether; e) 1,1,1-Trichlorpropan; f) 3-Methyl-3-hexanol; g) 2-Propen-1-ol (Allylalkohol); h) Chlorethen, (Vinylchlorid); i) 3-Penten-2-ol.
7.7
7.8
330
a) Methylpropansäure; b) 2,6-Octandion; c) Ameisensäurechlorid; d) 2-Hexanon (Methylbutylketon); e) 3-Brombutanal; f) Bernsteinsäureanhydrid; g) N-Isopropylacetamid; h) Propionaldehyd-diethylacetal; i) Ameisensäure-essigsäureanhydrid; k) 3-Brombuttersäure-
8. Lösungen zu den Übungen
ethylester; l) Formaldehyd m) Trichloressigsäurechlorid; n) 2-Chlorbuttersäure; o) 4-Brom-3-methylpentanal. 7.9
7.10
a) Cyclohexanol; b) Methylethylamin; c) 2,4-Dimethylcyclobutanon; d) Cyclopentanthion; e) Tetramethylammoniumiodid; f) 2-Chlor-1methyl-cyclopropan; g) 2-Propanthiol; h) Methylammoniumbromid; i) 1,4-Cyclooctandion; k) Nitroethan; l) Cyclobutan-1,2-dicarbonsäure; m) Ethylmethylpentylamin; n) Ethylmethylsulfoxid.
7.11
331
8. Lösungen zu den Übungen
7.12
7.13
332
a) o-Nitrotoluol; b) 8-Hydroxychinolin; c) 2-Naphthylamin; d) m-Phenylendiamin; e) Methylphenylketon (Acetophenon); f) 3,5Dimethylpyridin; g) 2-Ethyl-3-methylaziridin; h) 4-Amino-2hydroxypyrimidin; i) 2,4,6-Trinitrotoluol; k) p-Toluolsulfonsäure; l) Phenylacetonitril; m) 2-Furancarbonsäure.
9. Anhang
9.1 Weiterführende Literatur und Hilfsmittel Allgemein gehaltene Werke L. PAULING, The Nature of the Chemical Bond and the Structure of Molecules and Crystals, Cornell University Press, Ithaca, 1960, 664 Seiten. M. B. Smith, J. March, March’s Advanced Organic Chemistry, John Wiley & Sons, New York, 2001, 2112 Seiten. K. P. C. Vollhardt, N. Schore (Hrsg.), Organische Chemie, VCH, Weinheim, 2005, 1542 Seiten. A. Streitwieser, C. H. Heathcock, E. M. Kosower, Organische Chemie, VCH, Weinheim, 1994, 1374 Seiten. F. A. Carey, R. J. Sundberg, Organische Chemie, VCH, Weinheim, 1995, 1635 Seiten. G. Quinkert, E. Egert, C. Griesinger, Aspekte der Organischen Chemie, Band 1: Struktur, VCH, Weinheim, 1995, 503 Seiten.
Werke über bestimmte Teilgebiete S. Hauptmann, G. Mann, Stereochemie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1996, 368 Seiten. D. P. Curran, N. Porter, B. Giese, Stereochemistry of Radical Reactions, VCH, Weinheim, 1995, 273 Seiten. I. Fleming, Grenzorbitale und Reaktionen organischer Verbindungen, VCH, Weinheim, 1990, 292 Seiten. A. CORNISH-BOWDEN, Fundamentals of Enzyme Kinetics, Portland Press, London, 2004, 438 Seiten.
333
9. Anhang
K. Drauz, H. Waldmann, Enzyme Catalysis in Organic Synthesis, Wiley-VCH, Weinheim, 2002, 1559 Seiten. M. Klessinger, J. Michl, Lichtabsorption und Photochemie organischer Moleküle, VCH, Weinheim, 1990, 445 Seiten. P. J. Kocienski, Protecting Groups, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005, 680 Seiten. N. Krause, Metallorganische Chemie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1996, 248 Seiten. C. Elschenbroich, Organometallchemie, B. G. Teubner, Wiesbaden, 2005, 764 Seiten. P. R. Jenkins, Metallorganische Reagentien in der Organische Synthese, VCH, Weinheim, 1995, 90 Seiten. L. S. Hegedus, Organische Synthese mit Übergangsmetallen, VCH, Weinheim, 1995, 350 Seiten. P. Sykes, Reaktionsmechanismen der Organischen Chemie, VCH, Weinheim, 1988, 514 Seiten. C. J. Moody, G. H. Whitham, Reaktive Zwischenstufen, VCH, Weinheim, 1995, 90 Seiten. L. M. Harwood, Polare Umlagerungen, VCH, Weinheim, 1995, 90 Seiten. M. Sainsbury, Aromatenchemie, VCH, Weinheim, 1995, 90 Seiten. D. T. Davies, Aromatische Heterocyclen, VCH, Weinheim, 1995, 90 Seiten. H.-G. Elias, Polymere, UTB, Stuttgart, 1996, 402 Seiten. H. Schaumburg, Polymere, B. G. Teubner, Stuttgart, Leipzig, 1997, 755 Seiten. J.-M. Lehn, Supramolecular Chemistry, VCH, Weinheim, 1995, 250 Seiten. M. D. LECHNER, K. GEHRKE, E. H. NORDMEIER, Makromolekulare Chemie, Birkhäuser, 2003, 548 Seiten. G. Habermehl, P. E. Hammann, Naturstoffchemie, Springer-Verlag, Berlin, 2002, 647 Seiten. W. Baltes, Lebensmittelchemie, Springer-Verlag, Berlin, 2000, 470 Seiten. D. Doenecke, J. Koolman, G. Fuchs, W. Gerok u.a., Karlsons Biochemie und Pathobiologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1994, 750 Seiten. D. H. Williams, I. Fleming, Strukturaufklärung in der organischen Chemie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2001, 324 Seiten. M. Hesse, H. Meier, B. Zeeh, Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005, 368 Seiten. H. Günther, NMR-Spektroskopie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1992, 520 Seiten. F. W. McLafferty, F. Turecek, Interpretation von Massenspektren, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1995, 387 Seiten.
334
9.2 Quellennachweis
D. Hellwinkel, Die systematische Nomenklatur der Organischen Chemie, Springer-Verlag, Berlin, 2006, 239 Seiten. P. Fresenius, Organisch-chemische Nomenklatur, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, Stuttgart, 1998, 343 Seiten.
Nachschlagewerke M. J. O’NEIL, A. SMITH, P. E. HECKELMAN (Eds.), The Merck Index, Merck & Co., Whitehouse Station, 2001. B. S. Furniss, A. J. Hannaford, P. W. G. Smith, A. R. Tatchell, Vogel’s Textbook of Practical Organic Chemistry, Longman Scientific & Technical, Essex, 1989. K. Schwetlick und Autorenkollektiv, Organikum, Wiley-VCH, Weinheim, 2004, 852 Seiten. E. PRETSCH, P. BÜHLMANN, C. AFFOLTER, M. BADERTSCHER, Spektroskopische Daten zur Strukturaufklärung organischer Verbindungen, Springer-Verlag, Berlin, 2001, 419 Seiten. H. Günzler, Analytiker-Taschenbuch, Band 14, Springer-Verlag, Berlin, 1995, 225 Seiten. R. Koch, Umweltchemikalien, VCH, Weinheim, 1995, 420 Seiten.
Molekülmodelle und Molecular Modelling Software Dreiding-Stereomodelle, Büchi Laboratoriums-Technik, Flawil, Schweiz. Molecular Model Set for General and Organic Chemistry, Prentice-Hall Inc., New Jersey, USA. Orbit & Molymod Molecular Model Sets, Indigo Instruments, Waterloo, USA. Chem3D, CambridgeSoft, Cambridge, USA. PyMOL, http://pymol.sourceforge.net/
335
9. Anhang
9.2 Quellennachweis Das auf dem Umschlag abgebildete Molekülmodell der Verbindung
(A. C. Braisted und P. G. Schultz (1990), Journal of the American Chemical Society, Band 112, S. 7430; vgl. Kapitel 4.9) wurde von Herrn Dr. Christoph Fahrni mit Hilfe des Programms PoV-Ray, Version 2.2ppcF4 (1993), erstellt. Herrn Dr. Fahrni verdanken wir außerdem die Berechnung der in den Figuren 2.10b, 2.12b, 2.18b und 2.18d dargestellten Molekülorbitale. Das in Figur 5.1 abgebildete Massenspektrum von Clofibrat nach Elektronenstoß-Ionisierung wurde von Herrn Dr. Heinz Nadig aufgenommen. Die in den Figuren 5.2 und 5.3 abgebildeten UV- und IR-Spektren von Clofibrat wurden von Frau Dr. Barbara Buchmann aufgenommen. Die in den Figuren 5.4 und 5.5 abgebildeten NMR-Spektren von Clofibrat wurden von Frau Sigrid Spengel registriert. Die auf der vorderen inneren Umschlagseite gezeigten relativen Atommassen wurden von der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) im Jahr 2001 letztmals überprüft und sind in der Zeitschrift Pure & Applied Chemistry Band 75, S. 1107–1122 (2003) publiziert. Die in Klammern gesetzte Zahl bei den relativen Atommassen ist ein Maß für die Unsicherheit der letzten signifikanten Ziffer der angegebenen Werte. Der für Chlor angegebene Wert 35,453(2) bedeutet beispielsweise, daß die relative Atommasse von Chloratomen, die man auf der Erde finden kann, 35,453 ± 0,002 beträgt. Die Angaben berücksichtigen sowohl die experimentellen Fehler bei den Massenbestimmungen als auch Variationen bezüglich der Isotopenzusammensetzung für Materialien unterschiedlicher Herkunft. Im Periodensystem auf der hinteren inneren Umschlagseite sind die relativen Atommassen für den praktischen Gebrauch – soweit möglich – mit fünf signifikanten Ziffern angegeben. Für radioaktive Elemente mit kleinen Halbwertszeiten ist die Massenzahl des stabilsten Isotops in Klammern angegeben.
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Index
_,`-ungesättigte Ester 214 _,`-ungesättigte Carbonylverbindungen, 1,2- und 1,4-Addition von GrignardVerbindungen 211–212 _,`-ungesättigte Ester 132 _,`-ungesättigte Säuren 132 _-Aminosäuren, Namen und Formeln der biochemisch wichtigsten Aminosäuren 302–303 Abbau Hofmann- 195, 202 nach Curtius 203 _-Brompropionsäuremethylester 214 absolute Konfiguration 55–56, 262 Absorptionsbanden in IR-Spektren 239 Absorptionsspektrum 236–237 _-C-Atom von Carbonylverbindungen 193 Acetal 118–119, 306 Acetaldehyd 118, 127–129, 276 Acetale 277–278 Acetamid 121, 284 Acetanhydrid 132 Acetat-Anion 15–17, 79 als Nucleophil 86, 95 mesomere Grenzformen 16 Acetatpyrolyse 77 Acetessigsäureethylester 131 Aceton 15–16, 33, 88, 118, 120–121, 125, 152, 156, 173, 192–193, 211, 276–277, 290 als Lösungsmittel 97 Acetoncyanhydrin 118 Acetonitril 87, 121, 213, 285 als Lösungsmittel 97 Acetonoxim 290–291 Acetylaceton 276–277 Acetylchlorid 280
Acetylcholin 222 Acetylcholinesterase 222 Acetyl-Coenzym A 301 Acetylgruppe 278 Acetylid-Ion, als Nucleophil 86 Acetyl-Radikal 173 achirale Verbindungen 49 Acidität siehe Säurestärke Acrylsäure 279 Acylgruppen 278 Acylierung, Friedel-Crafts- 138 Acylnitren 202 Acylnitren-Isocyanat-Umlagerung 201 Acyl-Radikal 193 Addition 107–124 1,2- und 1,4- bei Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen 122–124 1,2- und 1,4- von Grignard-Verbindungen an _,`-ungesättigte Carbonylverbindungen 211–212 an C–N-Doppel- und C–N-Dreifachbindungen 120–121 an die Carbonylgruppe 117–119 an die Enolform von Carbonylverbindungen 120 anti- 108, 113–114 anti-MARKOWNIKOW- 177–178 elektrophile, an Doppelbindungen 112–116 elektrophile, an Dreifachbindungen 116–117 Michael- 123–124 syn- 108–110 von Brom an Doppelbindungen 112–114 von Ethin an Carbonylgruppen 119
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Index
von Grignard-Verbindungen an polarisierte Doppelbindungen 211–213 von HX, Regioselektivität 115–116 von Verbindungen HX an Doppelbindungen 114–115 Additions-Eliminierungsreaktionen 124–134 Additionsreaktionen 107–124 Adenin 310–314 Adenosin 311, 313 -5'-monophosphat 313 Adipinsäure 185, 279 _-Halogenierung von Carbonylverbindungen 120 _-Hydroxysäuren 117–118 „aktiver“ Wasserstoff 210 Aktivierungsenthalpie 222 Aktivität, optische 49–50 Aktivkohle 108 Alanin 303 Aldehyde 110 als Elektrophile 79 Nomenklatur 256 Systematik und Nomenklatur 275–278 Alder 170 Aldohexosen 305 Aldolreaktion 126–131 Carbonylkomponente 127–128, 131–133 Methylenkomponente 127–128, 131–133 Retro- 130 alicyclische Verbindungen cis-trans-Isomerie 67–70 Verbrennungswärmen als Mass für die Ringspannung 63–64 Stereochemie 63–72 aliphatische Kohlenwasserstoffe, Nomenklatur 251–254 aliphatische Verbindungen, Konformation 60–62 Alkaloide, Systematik und Nomenklatur 307 Alkane 110 Chlorierung 176–177 Nomenklatur 251–254 Sulfochlorierung 177 Systematik und Nomenklatur 265–266 Alkene 110, 115, 135 als Nucleophile 78 aus 1,3-Diolen 206 aus Essigsäureestern 77–78
338
durch Pyrolyse von Estern 269 durch Wittig-Reaktion 269–270 Epoxidierung 157, 160 Hydroxylierung 160 Nomenklatur 251–254 Ozonisierung 161 Systematik und Nomenklatur 267–270 thermodynamische Stabilität 106 Alkine 110 Nomenklatur 251–254 Systematik und Nomenklatur 271–272 Alkoholate als Nucleophile 78 Alkohole 110, 156, 265 Addition an Carbonylgruppen 118–119 als Lösungsmittel 96 als Nucleophile 78 primäre, sekundäre und tertiäre 268, 273 Systematik und Nomenklatur 273–274 tertiäre, aus Ketonen 211–212 Alkylhalogenide 137 bei Eliminierungen 104 bei nucleophilen Substitutionen 90, 98 Nomenklatur 251–254 Reaktion mit GRIGNARD-Verbindungen 211 Systematik und Nomenklatur 272–273 Alkylierung, Friedel-Crafts- 137 Alkylierung, C- und O- 84 Alkylsubstituenten, + I-Effekt von 80 Allen 25, 56 allgemeine Nomenklatur 247–264 Allylalkohole, Epoxidierung nach Sharpless 160 Allyl-Carbokation 41, 199–200 Allyl-Carbokation, mesomeriestabilisiertes 267 Allyl-Kation siehe Allyl-Carbokation Allyl-Radikal 176 Allyl-Stellung 267 Allyl-Substituent 254 Allyl-Umlagerung 199–200 Ameisensäure 279 Amidbindung 185 Amide siehe auch Säureamide 281 Amid-Ion, NH2–, als Nucleophil 86 Amine 110, 202, 213 als Nucleophile 78
Index
Dissoziationskonstanten protonierter 288–289 Nomenklatur 256 primäre, sekundäre und tertiäre 287 Systematik und Nomenklatur 287–289 2-Aminopyridin 149 Aminosäuren proteinogene 302–303 Sequenz in Peptiden und Proteinen 302 Ammoniak, NH3 3, 22–23 als Lösungsmittel 96 Ammoniumisocyanat 1 Analytik 231–245 angeregter Zustand des Kohlenstoffatoms 7–8 Angina pectoris 279 Anhydride 47, 281 gemischte 282 Anilin 82–84, 151, 296 anionische Polymerisation 181–182 Anisidin siehe Methoxyanilin Anissäure 296 Anlagerung siehe Addition Anregung von Molekülen durch Licht 187–189 Anthracen 28, 295 Anthrachinon 296 anti-Addition 108, 113–114 antibindende Molekülorbitale 36–41, 188 anti-Eliminierung 104–105 Antikörper 173, 304 anti-Markownikow-Addition 177–178 Antipoden, optische 50 Apfelsäure 279 _-Picolin 296 _-Pyridon 150 äquatoriale Substituenten 66–67, 72 Arabinose 55, 74 Arginin 303 aromatische Aldehyde 132 aromatische Heterocyclen 30–31 elektrophile aromatische Substitution 146–148 Stabilität und Reaktionsfähigkeit 30–31 aromatische Substitution elektrophile 134–148 nucleophile 148–151 aromatische Verbindungen 25–32
alkylsubstituierte, Halogenierung 144–145 Halogenierung 135 mehrkernige 295 Nitrierung 136 Stabilität 27 substituierte 31–32 Systematik und Nomenklatur 295–299 aromatischer Zustand 25–28 Arylgruppen 297–298 Ascorbinsäure siehe Vitamin C _-Spaltung 193 Asparagin 302 Asparaginsäure 302–303 Asymmetrie 49 asymmetrische Kohlenstoffatome, Darstellung als C* 49 asymmetrische Synthese 58, 160 asymmetrisches C-Atom Änderung der Konfiguration bei chemischen Reaktionen 53–54 Molekül mit mehreren 51–53 Atomorbitale 5 Atropisomerie 57 Autoxidation 179 _-Wasserstoffatom 128–129, 206 axiale Substituenten 66, 72, 104 Azetidin 287 Azid-Ion, N3–, als Nucleophil 86, 95 Aziridin 287 Azofarbstoffe 292 Azomethan 292 Azoverbindungen, Systematik und Nomenklatur 292–293 Bäckerhefe 217 Baeyer’sche Ringspannung 63 Baeyer-Villiger-Oxidation 204 Bakelit 184–185, 187 Basenpaarung 313–314 Basensequenz in DNA-Strängen 314 Basizität und Nucleophilie 96 und Säurestärke der konjugierten Säure 82 von substituierten Anilinen 82 `-Carotin 308 UV-Absorption 237 `-Dicarbonsäureester 132
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Index
`-Diketone 133 Säurespaltung 207 Beckmann-Umlagerung 203 Beer-Lambert’sches Gesetz 236, 238 Benzaldehyd 179, 276 Benzil 276 Benzin 208 Benzochinone, o- und p- 299 Benzoesäure 279, 296 Benzofuran 295 Benzol 26–27, 35, 134–135, 295 als Lösungsmittel 97 Bindungslängen 26 Molekülorbitale 40–41 Schreibweise 27 Stabilität 27–28 -sulfochlorid 94 -sulfonsäure 137 Benzonitril 285 Benzophenon 191, 194 Benzoylchlorid 280 Benzoylgruppe 278 Benzoyl-Radikal 173 Benzpinakol 194 Benzylalkohol 265 Benzylchlorid 144 Benzyl-Radikal 176 Bernsteinsäure 279 Bernsteinsäurediethylester 133 Berzelius 1 Bezifferung bei aromatischen Verbindungen 295 Bezifferung des Stammsystems von Kohlenwasserstoffen 252 `-Halogenketone, Fragmentierung 206 `-Hydroxyketone 128 Bildung von C–C-Bindungen 209 bimolekulare Eliminierungsreaktion E2 103 bimolekulare nucleophile Substitution, SN2-Reaktion 88 bindende Molekülorbitale 36–41, 188 Bindung Amid- 185 delokalisierte 16–17 heterolytische Spaltung 77 homolytische Spaltung 76 Kohlenstoff-Metall- 209 Länge 20–21 /- 13–15, 107, 112
340
polarisierte 12–13, 79 m- 13–14, 107, 112 s- und p-Charakter 21–22 Stärke 22, 40 Vergleich der Einfach-, Doppel- und Dreifach- 20–22 Bindungsenergie 8 Bindungsverhältnisse bei Stickstoff und Sauerstoff 23 in organischen Molekülen 5–42 in anorganischen und organischen Verbindungen 2 Bindungswinkel 10 in Ammoniak- und Wassermolekülen 23 biochemische Gleichgewichtsreaktion 218 Biokatalysator 60 Biosynthese 301 von Proteinen 310, 315–316 Biphenylensystem 56 Biradikale 193–195 `-Ketoester 133 `-Ketonitrile 133 Blausäure, HCN 117–118, 285–286 Blei(+2)-acetat 110 Bootform von Cyclohexanderivaten 65 Bootkonformation der Cyclohexanringe in Decalin 72 Bootkonformation von Cyclohexanderivaten 70 Bor 1, 3 Bortrifluorid, BF3 3 Brechungsindex 233–234 Brenztraubensäure 279 Briggs 219 Brom, Addition von, an Doppelbindungen 112–114 2-Brom-2-methylpropan 102 1-Brom-2-chlor-1-iodpropan, (Z)- und (E)Form 260 1-Brom-2-chlorethen, (Z)- und (E)-Form 46 1-Brom-2-chlorpropen, (Z)- und (E)-Form 46 Brom-2,2-dimethylpropan 93 1-Brom-2-methoxypropan 113 1-Brom-2-methylpropan 267 2-Brom-2-methylpropan 100, 103 4-Brom-3-methylhexan, (3S,4R)-Form 264 Bromaceton 120 2-Brombutan 54, 92 4-Bromchinuclidin 208
Index
Bromethan 87, 90, 93 Brommethan 87 Bromonium-Ion 112–114 Brompropan 106 3-Brompyridin 148 Bromwasser 115 Buckminster Fuller 249 Buckminsterfulleren 249–250 Bug-Heck-Effekt 70 Bug-Heck-Effekt bei Cyclohexanderivaten 65 1,3-Butadien 24–25, 35, 122, 170–171 Bindungslängen 21 Molekülorbitale 24, 38–39 Butan 4, 10–11, 44, 61–62 Butanal 269–270 Butannitril 257 2-Butanol 51, 53, 92, 110 2-Butanon 45, 51, 88, 110, 116, 129 2-Butanthion 257 2-Buten 46, 268 3-Buten-2-ol 45 3-Buten-2-on 110, 123, 275 2-Butenal 122 1-Butin 116 1-Butinylcyclohexan 271 Buttersäure 279 Buttersäurechlorid 282 4-tert.-Butylcyclohexanol 69 Butyl-Lithium 215 Butyronitril siehe Butannitril cadmiumorganische Verbindungen 214–215 Cahn 258, 263 Campher 73, 308 Capronsäure 279 Carbamate 202 Carbaminsäuren 202 Carbanionen 17–18 als Nucleophil 78 in Polymerisationen 181 Carben 200 Carbokationen 17–19, 32–33, 93, 98–99, 115–116, 195–199, 208 als Elektrophil 78 als Zwischenprodukt 100 als Zwischenprodukt bei SN1Reaktionen 89 in Polymerisationen 180
mesomeriestabilisierte 122 primäre 18, 32–33 sekundäre 18, 33 tertiäre 18 Carbonsäurederivate und ihre Umsetzungen 281 Carbonsäuren 121, 156 abgeleitete Verbindungsklassen 280–286 als Lösungsmittel 96 aus Grignard-Reagenzien 213 Nomenklatur 258 Säuredissoziationskonstanten Ka 79–81, 280 Säurestärke 79–81, 279–280 Systematik und Nomenklatur 278–280 Carbonylgruppe Additionen an die 117, 119 Additionen an die Enolform von 120 Orbitale 188 Reduktion zur Methylengruppe 169 Schutzgruppe für die 119, 289 Carbonylkomponente 127–128, 131–133 Carbonylverbindungen _-Halogenierung von 120 sterisch gehinderte 216 C-Atom, asymmetrisches siehe asymmetrisches C-Atom Cellulose 307 CH4 siehe Methan charakteristische funktionelle Gruppen, Nomenklatur 255–258 chemische Verschiebung 240–243 Chiffren 250 _ und ` bei Aldehyden und Ketonen 276 zur Bezeichnung der Kohlenstoffatome in Kohlenwasserstoffen 252 Chinin 307 Chinolin 110–111, 295 Chinone 159, 299 chiral pool 59 chirale Katalysatoren 58, 111–112, 216–217 chirale Reagenzien 58 Chiralität Definition 49–50 ohne asymmetrisches C-Atom 56–57 und optische Aktivität 49–51 Chiralitätszentrum 50–51, 53, 57, 99, 262–263
341
Index
Chlor, Isotopenzusammensetzung 234 2-Chlor-2-methylpropan 89, 103 2-Chlor-4-methylphenol 144 Chloralhydrat 124, 273 Chlorbenzol 135, 150–151, 296 2-Chlorbutan 53, 263 2-Chlorbutan, (R)- und (S)-Form 264 Chlorbuttersäuren, _-, `- und a- 81 Chlorcyclopentan 104–105 Chloressigsäure 79, 81 Chlorethan 87 Chlorknallgasreaktion 192 Chlormethan, CH3Cl 87, 97, 253 Chloroform siehe Chlormethan Chloropren, radikalische Polymerisation 183 Chlorphenol 85 2-Chlorpropan 116 Chlortoluol, o-, m- und p-Isomere 45, 144 Cholan 251 Cholesterol 309 Chromatographie, Trennung von Racematen durch 57–58 Chromsäure, Oxidationen mit 156–157 Chromsäureester 156 Chymotrypsin 220 CIP-Regeln siehe Sequenzregeln nach Cahn, Ingold und Prelog cis/trans-Nomenklatur 258 cis- und trans-, Präfixe zur Charakterisierung der Stellung von Substituenten an Doppelbindungen 258 cis-trans- 47 cis-trans-Isomerie, bei alicyclischen Verbindungen 67–70 Citronensäure 258, 279 Claisen-Kondensation 132 Claisen’sche Esterkondensation 129, 131 Clemmensen-Reduktion 169 Clofibrat (Lipidsenker) 233–243 IR-Spektrum 238–239 Massenspektrum 234–235 NMR-Spektren 240–244 physikalische Daten 233–234 UV-Spektrum 237 14C-markierte Verbindungen 151 CO2-Assimilation 187 Cocain 307 Codein 307
342
Copolymere 180 Cortison 309 Cracken von Kohlenwasserstoffen 266 Crick 313 Criegee-Umlagerung 195 Criegee-Umlagerung von Hydroperoxiden 204 Crotonaldehyd 122, 127–128, 276 C-Terminus 302 Cumol 204 Curtius-Abbau 203 Cyanessigsäure 257 Cyanhydrine 117-118 Cyanide siehe Nitrile Cyanid-Ion CN– als Nucleophil 95 2-Cyclohexenon 257 Cycloaddition 170 Cyclobutan 12, 63–64 Cyclobutanol 45 Cyclodecan 253 Cyclodecapentaen 29 Cycloheptan 63–64 Cycloheptatrienyl-Anion und -Kation 29 1,3-Cyclohexadien, UV-Absorption 237 Cyclohexadien, 1,3- und 1,4- 253 Cyclohexan 10–11, 63–70 -derivate, Konformation von 65–67 Cyclohexanol 114, 268 Cyclohexanon 118, 125, 204, 289 Cyclohexanoncyanhydrin 118 Cyclohexen 114, 170, 268 Cyclohexylcyclohexan 29, 70 Cyclooctatetraen 253 Cyclooctatrienyl-Dianion 29 Cyclopentadienyl-Anion und -Kation 29 Cyclopentan 11–12, 63–64, 266 Konformation 11–12 Cyclopenten 114, 157, 160, 253 Cyclopropan 12, 62–64, 253 -dicarbonsäure 67 -dicarbonsäure, meso-Form 67 Cyclopropanol 265 Cyclopropenyl-Anion und -Kation 29 Cystein 186 Cytidin 311 Cytosin 310-314 Dacron 184 Darstellung von Orbitalen 35
Index
Decalin 70–72 Deformationsschwingung 238–239 Dehydrobenzol 150–151 delokalisierte Bindung 16–17 delokalisierte Ladung 16–17 Delrin 182 Desoxy-Kohlenhydrate 304–305 Desoxyribonucleinsäure 310–311 2-Desoxyribose 73 Destillation von Kohlenwasserstoffen 266 Diastereoisomere 44, 46, 52, 58 diastereoselektive Reaktionen 58 Diazoketon 200 Diazomethan 200, 293–294 Diazoniumsalze 292 Diazotierung 292 Diazoverbindungen 110 Systematik und Nomenklatur 293–294 Dibenzoylperoxid 76, 173, 177, 224 2,2-Dibrombutan, geminales Dihalogenid 272 1,2-Dibromcyclopentan, trans- 114 1,2-Dibrompentan 271 1,2-Dibrompropan 113, 116 Dichlorbenzol, o-, m- und p- 226, 297 Dichlorcyclohexan 68 Dichloressigsäure 81 Dichte 233–234 Dieckmann-Kondensation 133 Diels-Alder-Reaktion 170–173, 223 Diene 267 Dienophil 170 Diethylether 87 Dihalogenide, vicinale 268 1,4-Dihydronaphthalin 298 Dihydropyran 197–198 Diketone, _-, `- und a- 276 3,3-Dimethyl-2-butanol 196 2,3-Dimethyl-3-brompentan 98–99 2,3-Dimethyl-3-pentanol 98–99 2,2-Dimethylbernsteinsäure 62 1,3-Dimethylcyclohexan 43–44 Dimethylether 43, 45 Dimethylethylamin 107 Dimethylethylmethylkation 106 Dimethylethylpropylammonium-Ion 107 2,6-Dimethylnitrobenzol 31 Dimethylpropan 44 Dimethylpropionsäure 80
Dimethylpropylamin 107 Dimethylsulfat 87 Dimethylsulfid 87, 294 Dimethylsulfon 294 Dimethylsulfoxid (DMSO) 294 als Lösungsmittel 96–97 2,4-Dinitrophenol 298 1,2-Diole 161–162 Pinakol-Pinakolon-Umlagerung 198–199 Spaltung zu Carbonylverbindungen 161–162 1,3-Diole, Spaltung in Alkene und Ketone durch Fragmentierung 205–206 Dioxan 274 Dioxin 296 Dipol 79, 114 dipolare Grenzformen 33 Dipolcharakter von Lösungsmitteln 96–97 Disproportionierung 156 Disproportionierung als Kettenabbruchreaktion 182 Disulfid-Brücken 186 Dithioessigsäure 294 Dithiosäuren 213 DMF siehe N,N-Dimethylformamid DMSO siehe Dimethylsulfoxid DNA siehe Desoxyribonucleinsäure Doppelbindungen 13–22 Addition von Brom an 112–114 Addition von Grignard-Verbindungen an polarisierte 211–213 Addition von Verbindungen HX an 114–115 C-N-, Addition an 120–121 elektrophile Addition an 112–116 isolierte 24 konjugierte 24–25, 277 konjugierte, 1,2- und 1,4-Addition an 122–124 kumulierte 24–25 Moleküle mit mehreren 24–34 polarisierte 15 stereochemische Nomenklatur 259–260 Stereoisomerie an 46–48 Doppelhelix 313–314 Dow-Prozess 149–150 Drehung, optische 262
343
Index
Drehung, spezifische, [ _ ] 51 Drehwinkel _ 50 Dreifachbindungen 19–22 C-N-, Addition an 120–121 elektrophile Additionen an 116 Dublett in NMR-Spektren 242
¡-Caprolactam 204 (E)- und (Z)-, Präfix zur Charakterisierung der Stellung von Substituenten an Doppelbindungen 260 E1-Reaktion 102–103 E2-Reaktion 103–107 Einschrittmechanismus bei E2-Reaktionen 103 Einschrittmechanismus bei nucleophilen Substitutionsreaktionen 88 ekliptische Konformation bei Cyclohexanderivaten 65 elastische Kunststoffe 186–187 elektrisches Feld 234 elektrocyclische Reaktionen 170–173 Elektrolyse 179 elektromagnetische Strahlung 236 elektromagnetische Strahlung, Radiowellen 239 Elektron, ungepaartes 76 Elektronegativität 12, 21, 23, 30, 152, 209 Elektronegativitätsdifferenz zwischen O und Br 115 Elektronen -dichtefunktion s2 35 /- 26, 29, 81 -paarbindung 6–7 -paare 77 -paare, Schreibweise in Strukturformeln 248 -sextett bei Carbenen 200 -sextett, bei Kohlenstoff 17 -stoss-Ionisierung 234–235 -übertragungsreaktionen 151, 162 -wolke bei Ethin 35 elektrophile Addition an Doppelbindungen 112–116 elektrophile Addition an Dreifachbindungen 116–117 elektrophile aromatische Substitution 134–148 an Heterocyclen 146–148
344
an mehrkernigen Systemen 145–146 Substitutionsregeln 138–144 Verhältnis zwischen ortho- und paraSubstitution 145 elektrophile Reagenzien 78–79, 135 Elementaranalyse 231–232 Eliminierung als Konkurrenzreaktion zur Substitution 105–106 anti- 104–105 Hofmann- 106–107, 268–269 syn- 105, 150 Eliminierungsreaktionen 102–107 bimolekulare, E2 103 monomolekulare, E1 103 zur Herstellung von Alkenen 267 Enamine, Systematik und Nomenklatur 289 Enantiomere 44, 50–51, 57–58 enantiomere Synthese 59 Enantiomere, Bezeichnung als d- und l-Formen 261 Enantiomere, Bezeichnung mit (R) und (S) 264 Enantiomerenpaare 52 Enantiomerenüberschuss 58, 217 enantioselektive Reaktionen 58 endo-Produkt bei Diels-Alder-Reaktionen 171 Energiediagramm von SN1- und SN2Reaktionen 90 Enol 116 Enolat-Anion 123–124, 127 als Nucleophil 86 Enolform 123, 129, 277 Enolform von Carbonylverbindungen, Additionen an die 120 entarteter Zustand 42 Enthalpie 222 Entkopplung, 1H- 243 Enzyme als Katalysatoren in asymmetrischen Synthesen 59 Enzymkatalysierte Reaktionen 216–223 Enzym-Substrat-Komplex 219 Epimerisierung 54 Epoxide 275 Öffnung 157 Epoxidierung von Allylalkoholen nach Sharpless 160 Erbinformation 314
Index
Erbsubstanz 310 Erdgas 266 Erdöl 266 Erythrose 55, 304 Erythrose, d- und l-Form 52 Essigester 131 Essigsäure, CH3COOH 15, 77–81, 121, 126, 152, 269, 279 als Lösungsmittel 97 -ester 77 Essigsäureethylester 131 Essigsäuremethylester 128 Ester 126, 133, 281 als Elektrophile 79 der Salpetersäure 179 -hydrolyse 283 inter- und intramolekulare 283 -kondensation 131–134 -kondensation, Claisen’sche 129, 131 Systematik und Nomenklatur 283–284 Estradiol 73 Ethan 21, 108–109 substituiertes 60–61 Ethanol 2, 43, 45, 87, 90, 265 Ethanolat-Ion 87 Ethanthial 294 Ethen 13–14, 21, 64, 107–109, 269 /*-Orbital 37 radikalische Polymerisation 183 UV-Absorption 237 Ether 274-275 als Nucleophile 78 cyclische 274 durch Williamson-Reaktion 274 gemischte 274 Nomenklatur 255 Systematik und Nomenklatur 274–275 Ethin 19–22 Addition an Carbonylgruppen 119 Elektronenwolke 35 Ethinylcyclohexan 271 Ethylamin 87 Ethylenglykol 184 Ethylidencyclopentan 198 Ethylmethylether 87 Ethyloxiran 45 Ethyl-Substituent 254 Ethylvinylether 45 exergonische Reaktion 218
exo-Produkt bei Diels-Alder-Reaktionen 171 experimenteller Fehler 232 Extinktion 236 Extinktionskoeffizient, molarer 236 Faserproteine 304 Fette, Systematik und Nomenklatur 300–301 Fettsäureester 300 Fettsäuren, gesättigte und ungesättigte 300 „Fingerprint“-Bereich 238–239 Fischer 49 Fischer, Schlüssel-Schloss-Prinzip 222 Fischer-Projektion 52, 55–56, 258, 261–263, 302 Flammenfärbung 188 Fluor, F2 6, 12 Bindungsenergie 8 -methan, CH3F 13 -wasserstoff, HF, Bindungsenergie 8 Fluoreszenz 190, 192 Flussdichte, magnetische 239–240 Formaldehyd 13–14, 128, 182–184, 188, 208, 276 Formamid 284 als Lösungsmittel 97–98 Formelsprache chemische 10 in der Nomenklatur 247–249 Formylgruppe 278 Fragmentierung von `-Halogenketonen 206 Fragmentierungen 205–208 konzertierte und schrittweise 207–208 nach Grob 205 Fragment-Ion 234–235 Franklin 313 Friedel-Crafts-Acylierung 138 Friedel-Crafts-Alkylierung 137 Fructose 304–306 Fuller siehe Buckminster Fuller Fulleren siehe Buckminsterfulleren Fumarsäure 46–47, 224, 279 funktionelle Gruppen, Nomenklatur 255– 258 Furan 215, 295 Furanosen 305 Galactose 262, 305–306 a-Butyrolactam 285
345
Index
a-Butyrolacton 284 a-Dicarbonsäureester 133 Gehaltsbestimmung für Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff 231–232 geminale Dihalogenide 272 geminale Diole 124 genetischer Code 316 Geraniol 249–250, 308 Gesetz, Beer-Lambert’sches 236, 238 gestaffelte Konformation bei Cyclohexanderivaten 65 a-Hydroxybuttersäure 284 Gleichgewichtsreaktion, biochemische 218 Glucitol 59 Glucose 2, 53–55, 59, 260–262, 304–307 Glucose, d- und l-Form 262 Glutamin 303 Glutaminsäure 303 Glutarsäure 279 Glutarsäureanhydrid 283 Glycerin 267, 291, 300 -aldehyd 49–50, 53–56, 304 -aldehyd als Bezugssubstanz 54 -aldehyd, d- und l-Form 262 -säure 53, 55 Glycin 302-303 Glykolspaltung 161–162 Glyoxal 276 Glyoxylsäure 279 Grenzformen, dipolare 33 Grenzformen, mesomere 32–33 Grignard-Reagenzien, Umsetzung zu Carbonsäuren 213 Grignard-Reaktion 209–213, 271 Grignard-Verbindungen Addition an polarisierte Doppelbindungen 211–213 Reaktion mit Alkylhalogeniden 211 1,2- und 1,4-Addition an _,`-ungesättigte Carbonylverbindungen 211–212 Grob 205 Grundzustand des Kohlenstoffatoms 7–8 Guanin 310–314 Guanosin 311 Haldane 219 Halogene 1 Halogenhydrine 157
346
Halogenid-Ionen, als Nucleophile 78, 95 Halogenierung von alkylsubstituierten aromatischen Verbindungen 144–145 von Aromaten 135 Halogen-Kationen, als Elektrophile 78 Halogenkohlenwasserstoffe siehe Alkylhalogenide Halogenwasserstoffsäuren 114 Hämoglobin 304 Händigkeit 49 Harnstoff 1, 284 Harnstoffderivate 202 Hauptquantenzahl n 5, 8 Haworth-Projektion 260–261 Helium, He 37 Hemiacetale 118–119, 277–278, 305, 311 Heterocyclen, aromatische 30–31 elektrophile aromatische Substitution 146–148 heterogene Katalyse 108 heterolytische Spaltung von Bindungen 77 2.4-Hexadien, Isomere 48 Hexamethylendiamin 185 Hexamethylphosphorsäuretriamid (HMPA), als Lösungsmittel 97 Hexan, als Lösungsmittel 97 Hexosen 304 HF siehe Fluorwasserstoff Histidin 303 Hofmann -Abbau 195, 202 -Eliminierung 106–107, 268–269 -Orientierung 106–107 -Regel 106–107 homologe Reihen 272 Homolyse 19, 175 homolytische Spaltung 174–175, 192 von Bindungen 76 von Elektronenpaarbindungen 173, 178 Homopolymere 180 Huang-Minlon-Reaktion 169 Hückel-Regel 28–29 HX-Addition an Doppelbindungen 114–115 Regioselektivität 115–116 Hybridisierung 8 sp- 19–20 sp2- 13–19
Index
sp2- und sp3- 92–93 sp3- 7–10 und NMR-Signalintegrale 243 Hybridorbitale 21, 36 Hydrat 124 Hydratation 96 Hydrazin 110 Hydrazine 290 Hydrazone 125, 169, 290 Systematik und Nomenklatur 290 Hydrierung katalytische 108–112, 162 katalytische, sterochemischer Verlauf 111–112 selektive 110 stereospezifischer Verlauf 109 Hydrochinon 299 Hydrolyse von Estern 283 Hydrolyse von Iminen und Nitrilen 120–121 Hydroperoxid 174 Hydroperoxide, Criegee-Umlagerung von 204 hydrophil 301 hydrophob 301 Hydrosulfid-Ion SH- als Nucleophil 95 3_-Hydroxy-5_-etiocholansäure 72 3-Hydroxybutanal 127 Hydroxygruppen (OH-Gruppen), Schutzgruppe für 210 Hydroxylamin, H2N–OH 125, 290 Hydroxylierung von Alkenen 160 2-Hydroxymalonsäure 53 I-Effekt siehe induktiver Effekt Imidazol 295 Imidazolidin 287 Imide, Systematik und Nomenklatur 284– 285 Imine 110, 125, 213 Hydrolyse 120–121 Systematik und Nomenklatur 289 Immunoglobuline 304 Immunsystem 173 Indol 295 induktiver Effekt 140–144 negativer, - I-Effekt 80–81 positiver, + I-Effekt 80, 101 von Substituenten, positiver und negativer 79–85
Infixe 250 Ingold 258, 263 Insulin 304 Integral, Flächen-, in NMR-Spektren 240– 242 intermolekulare Reaktionen 77–78 International Union of Pure and Applied Chemistry siehe IUPAC interne Konversion 192 interne Konversion bei photochemischen Primärprozessen 189–190 intersystem crossing 190 intramolekulare Reaktionen 77–78 Inversion der Konfiguration 53, 92 1-Iod-2-methylpropan 87 Iodcyclopropan 93 Iodethan 87 Iodmethan, CH3I 87, 95, 97 2-Iodpropan 90, 93 Ionen, individuelle Masse 234 Ionenradius und Nucleophilie 95 Ionisierung durch Elektronenstoss 234–235 IR-Spektren, Absorptionsbanden 239 IR-Spektroskopie 236–239 IR-Spektrum von Clofibrat 238–239 Isobutan 253 Isobutyl-Substituent 254 Isocyanat 202 Isoleucin 303 Isomere 43–47 Isomerie 43–74 cis-trans-, bei alicyclischen Verbindungen 67–70 Konstitutions- 43–45 Spiegelbild- siehe Chiralität und Enantiomere Stereo- 43, 46–60 Isomerisierung von Alkenen, photochemische 192 Isopentan 253 Isopren 308 Polymerisation mit ZieglerKatalysatoren 183 Isopropanol siehe 2-Propanol Isopropylbenzol 204 Isopropyl-Substituent 254 Isothiazol 295 Isoxazol 295
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Index
IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) 249–251, 275, 295 Nomenklatur nach 249–251 Katalysator 108–112 chiraler 111 Lindlar- 110–111, 165, 272 Ziegler-, Polymerisation mit 183 Katalyse, heterogene 108 katalytische Hydrierung 108–111, 162 katalytische Hydrierung, stereochemischer Verlauf 111–112 kationische Polymerisation 180–181 Kautschuk 183, 186, 308 Keratin 304 Kernresonanz, siehe auch NMR -spektroskopie 239–244 -spektrum 240–244 Kernsubstitution bei aromatischen Verbindungen (KKK-Regel) 145 Keten 193, 200–201 Ketoform 277 Ketohexosen 305 Ketone 110 als Elektrophile 79 aus 1,3-Diolen 206 aus Säurechloriden 213 Photoreduktion 194 Systematik und Nomenklatur 275–278 Ketoxim 290 Kettenreaktionen mit Radikalen 174–176 Kettenabbruchreaktionen 175 Startreaktion 175, 177, 182 Kinetik bei chemischen Reaktionen 76 der nucleophilen Substitution 88–90 Kinetik enzymkatalysierter Reaktionen 219–223 kinetisch kontrollierte Reaktionsführung 130, 132 Klassifizierung der chemischen Reaktionen 75 Knoevenagel-Reaktion 132 Knotenebene 5, 35–36 von Molekülorbitalen 38–40 von Orbitalen 5, 7, 35–36 Knotenfläche bei kugelförmigen Orbitalen 36
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Kohlenhydrate in asymmetrischen Synthesen 59 Kohlenhydrate, Systematik und Nomenklatur 304-307 Kohlenstoff 1 als Nucleophil 209 -atom 10 -atom, angeregter Zustand 7–8 -atom, Grundzustand 7–8 -ionen 17–18 Isotopenzusammensetzung 234 -Metall-Bindung 209 -radikale 19 -verbindungen, Ketten und Ringe 10–12 Oxidationszahlen 153 Sonderstellung im Periodensystem 3–4 sp-hybridisierter 19–20 sp2-hybridisierter 13–19 sp3-hybridisierter 7–10, 209 Vierbindigkeit 5–13, 248–249 Kohlenwasserstoffe, gesättigte 265 Kolbe-Synthese 179 Komplex-Ionen 4 Kondensation 131, 315 Aldol- siehe Aldolreaktion Claisen- 132 Dieckmann- 133 Ester- 131–134 Stobbe- 133 Kondensationsmittel 128, 131–133 Kondensationspolymerisation 183–185 Konfiguration 43 absolute 55–56 absolute und relative 262 an asymmetrischen C-Atomen, Änderung bei chemischen Reaktionen 53–54 an Doppelbindungen, stereochemische Nomenklatur 259–260 an tetraedrisch substituierten Zentren, stereochemische Nomenklatur 260–264 Bezeichnung nach dem R-S-System 263–264 Inversion der 53, 92 relative 54–55 Retention der 53 Umkehrung der 54
Index
Konformation 1,3-Wechselwirkungen 69 Boot- 65, 70 Boot-, der Cyclohexanringe in Decalin 72 Briefumschlag- 64 Briefumschlag-, von Cyclohexan 11 ekliptische 61–62 ekliptische, bei Cyclohexanderivaten 65 gestaffelte 61–62 gestaffelte, bei Cyclohexanderivaten 65 schief gestaffelte 61 Sessel- 65, 70 Sessel-, der Cyclohexanringe in Decalin 71 Twist- 65, 70 von aliphatischen Verbindungen 60–62 von Butan 10–11 von Cyclohexanderivaten 65–67 von Cyclopentan 11 von substituierten Ethanderivaten 60–61 Wannen- 65 Konformere 60 konjugierte Doppelbindungen 24–25 1,2- und 1,4-Addition an 122–124 Konkurrenzreaktionen, Eliminierung und Substitution 105–106 Konstitution 43 Konstitutionsisomerie 43–45 Konversion, interne 192 Konversion, interne, bei photochemischen Primärprozessen 189–190 konzertierte Reaktion 88, 170 konzertierte und schrittweise Reaktionen, Fragmentierung 207–208 Kopplung von Signalen in NMR-Spektren 242 Kopplung, 1H-13C- 242 Kopplungskonstante in NMR Spektren 242 Kresol 85 Kresol, m- und p- 150 Kristallisation zur Trennung von Racematen 57 Kronenether 274 kumulierte Doppelbindungen 24–25 Kunststoffe, elastische 186
Lactame 285 Lactone 283–284 Lactose 306 Ladung, delokalisierte 16–17 L-Ascorbinsäure siehe Vitamin C Laurinsäure 300 Leucin 303 Lewis-Basen 3 Lewis-Säuren 3, 135 Lewis-Säuren als Elektrophile 78 LiAlH4 siehe Lithiumaluminiumhydrid Licht -absorption 190–191 -geschwindigkeit 187 linear polarisiertes monochromatisches 50 Wellenlänge 187 zur Anregung von Molekülen 187–189 zur Erzeugung von Radikalen 173–174 Limonen 308 Lindlar-Katalysator 110–111, 165, 272 linear polarisiertes monochromatisches Licht 50 Linienaufspaltung, im NMR-Spektrum 241– 242 Linolsäure 300 Lithiumaluminiumhydrid LiAlH4 162–168 Lithiumdiisopropylamid 105 Lithiumdiisopropylamin 130 lithiumorganische Verbindungen 215–216 Löslichkeit 2 Löslichkeit von Enantiomeren 51 Lösungsmittel 76, 100 als Nucleophil 91 apolar-aprotische 96–97 Deuterium-haltige 240 Einteilung nach dem Dipolcharakter (Tabelle) 97 für Grignard-Reaktionen 209 mit Dipolcharakter 96–97 polar-aprotische 97–98, 101 polar-protische 97–98, 101 Qualität bei der SN2-Reaktion 96–98 Lysin 303 Lysozym 220, 304 magnesiumorganische Verbindungen 209–213 Magnetfeld 234, 239–242
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Index
magnetische Flussdichte 239–240 magnetische Kernresonanz siehe Kernresonanzspektroskopie Maleinsäure 47, 224, 279, 282 -anhydrid 48, 282 Malonaldehyd 276 Malononitril 285 Malonsäure 279 Malonsäuredimethylester 18 Malonyl-Coenzym A 301 Mannose 54, 262, 305 Markownikow-Regel 115–116, 272 Markwald 59 Massenspektrometrie 234–235 Massenspektrum 234–235 Massenspektrum von Clofibrat 234–235 M-Effekt siehe mesomerer Effekt mehrkernige aromatische Verbindungen 295 Menten 219 Menthol 73 Menthon 193 2-Mercaptoethanol 257 Mesityloxid 128 meso-Form 52 meso-Form von Cyclopropandicarbonsäure 67 mesomere Grenzformen 16, 32–33 mesomerer Effekt 140–144 negativer, - M-Effekt 81 positiver, + M-Effekt 81 von Substituenten, positiver und negativer 79–85 Mesomerie 15–17, 31, 34 Schreibweise 83 mesomeriestabilisierte Anionen 84 mesomeriestabilisierte Radikale 176 mesomeriestabilisierte Verbindungen 32, 34 mesomeriestabilisiertes Zwischenprodukt bei elektrophilen aromatischen Substitutionen 135 messenger-RNA 315 Mesylat siehe Methansulfonat Metallierung 215 metallorganische Verbindungen 215, 273 metallorganische Verbindungen, Reaktionen mit 208–216 meta-Substitution 142–143 Methacrylsäuremethylester 181
350
Methan, CH4 3, 152 -sulfonsäure 294 tetraedrischer Bau 8 -molekül 7–10 Methanol 87, 91 als Lösungsmittel 97–98 als Nucleophil 95 Methanolat-Ion 87 Methanolat-Ion als Nucleophil 95 Methansulfonat 94 Methanthiol 294 Methionin 302–303 1-Methoxy-2-methylpropan 87 2-Methoxy-1-propen 88 Methoxyanilin, o-, m- und p- 82–84 2-Methoxybutan 54 2-Methoxymethylpropan 102 Methoxyphenol 85 2-Methyl-1-buten 106 2-Methyl-2-buten 106 2-Methyl-2-hexen 269–270 2-Methyl-2-propanol 89 Methylamin 121 Methylbutan 44 Methylcobalamin 208 Methylcyclohexan 66 2-Methylcyclohexanol 68–69 Methylenchlorid 253 Methylengruppen durch Reduktion von Carbonylgruppen 169 Methylenkomponente 128–129, 131–133 Methylisopropylether 90 Methyljodid CH3I, Alkylierungsmittel, am Beispiel einer nucleophilen Substitutionsreaktion 84 Methylorange 292 2-Methyloxetan 45 Methylphenylketon 217 4-Methylpiperidin 208 Methylpropan 44 Methylpropen 102 2-Methylpropen 102, 267 Methylpropionsäure 80 Methylradikal 19, 173 Methyl-Substituent 254 Methylsulfat 87 Methyltriethylammonium-Ion 87 Methylvinylketon 275 Michael-Addition 123–124
Index
Michaelis 219 Michaelis-Konstante 219–222 Michaelis-Menten-Gleichung 219–221 Milchsäure 54–55, 279 Mischpolymere 180 Molekül -geometrie 10 -modelle 46, 173 -orbital-Theorie 34–42 Moleküle durch Licht angeregte 187–189 mit mehreren asymmetrischen C-Atomen 51–53 mit mehreren Doppelbindungen 24–34 Molekül-Ion 234–235 Molekülmasse durchschnittliche relative 234 und Summenformel 232 Molekülorbitale 6–7 bindende und antibindende 36–41, 188 Knotenebene 38–40 nichtbindende 40–41, 188 Schreibweise 42 und Bindungsstärke 40 von Benzol 40–41 von 1,3-Butadien 38–39 Monomer 180 monomolekulare Eliminierungsreaktion E1 103 monomolekulare nucleophile Substitution, SN1-Reaktion 89 Monosaccharide 304–305 Morphin 73, 307 Morpholin 287 MO-Theorie siehe Molekülorbital-Theorie Multiplizität 189 Mutarotation 305 Mutterlauge 57 m-Xylol 296 Myristinsäure 300 N,N-Dimethylformamid (DMF) als Lösungsmittel 97–98 N-Ethyl-2-propanimin 15 N-Formylalanin 257 N-glykosidische Verknüpfung 311 N-Methyl-2-propanimin 13, 121, 125 N-Methylbenzoesäureamid 203 N-Methylcyclohexanimin 289
N-Methylformamid als Lösungsmittel 97–98 N-Methyl-N-nitrosoharnstoff 293 N-Phenylacetamid 203 NaBH4 siehe Natriumborhydrid Naphthalin 28, 145–146, 191, 295 -derivate 297 -sufonsäuren 146 1,4-Naphthochinon 299 1-Naphthol 296 Natrium -acetylid 22 -amid 22 -azid, NaN3 202–203 -borhydrid, NaBH4 162, 164–165 -ethid 22 -hydrogensulfit, NaHSO3 118 -spektrum, D-Linie 50–51 Naturstoffe 72 Systematik und Nomenklatur 299–320 Nebenreaktionen 75 Neopentan 253 Neopentylbromid 93 Neopentyl-Substituent 254 Neopren 183 Newman-Projektion 60–61 nichtbindende Molekülorbitale 40–41, 188 Nicotin 73, 307 Nicotinsäure 279 Nitren 201 Nitrierung von Aromaten 136 Nitrile 110, 133, 281 als Elektrophile 79 Hydrolyse 120–121 Systematik und Nomenklatur 285–286 Nitroanilin, p- 82–83 Nitrobenzol 31, 33–34, 136, 143, 296 Nitrocyclohexan 34 Nitroglycerin 291 Nitrogruppe 31 Nitromethan 291 Nitronium-Ion 136 Nitronium-Ion als Elektrophil 78 Nitrophenol 85 2-Nitrophenol 298 Nitrophenol, o- und p- 138 Nitrophenole, Säurestärke 298 Nitrosobenzol 291 2-Nitrosopropan 291
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Index
Nitrosoverbindungen, Systematik und Nomenklatur 291 Nitrosyl-Kation 293 als Elektrophil 78 Nitrotoluol, Einführung weiterer NitroSubstituenten 143–144 Nitroverbindungen, Systematik und Nomenklatur 291 NMR-Signalintegrale und Hybridisierung 243 NMR-Spektren von Clofibrat 240–244 NMR-Spektroskopie siehe Kernresonanzspektroskopie NMR-Spektrum siehe Kernresonanzspektrum Nomenklatur siehe auch unter den Namen der Verbindungsklassen allgemeine 247–264 der Alkane, Alkene, Alkine und Alkylhalogenide 251–254 Formelsprache 247–249 nach IUPAC 249–251 spezielle 265–320 stereochemische 258–264 von Verbindungen mit charakteristischen funktionellen Gruppen 255–258 Noyori 111 N-Terminus 302, 316 Nucleasen 312–313 Nucleinsäuren 302 enzymatische Hydrolyse 312 Hydrolyse 311 Konstitution 312 Konstitution und Konfiguration 313 Systematik und Nomenklatur 310–316 nucleofuge Gruppe 86, 90–91, 99, 195, 198, 203, 205, 208 Einfluss auf Reaktionsmechanismus 101 Qualität 93–94 und Basizität 93 Nucleophil 86, 211 Einfluss auf Reaktionsgeschwindigkeit von SN2-Reaktionen 89 Einfluss auf Reaktionsmechanismus von SN1- und SN2-Reaktionen 101 Qualität 95–96 nucleophile aromatische Substitution 148–151
352
Substituenteneinflüsse 148 nucleophile Reagenzien 78–79 nucleophile Substitution 86–101 als Gleichgewichtsreaktion 86 bimolekulare, SN2-Reaktion 88 Einschrittmechanismus 88 Kinetik 88–90 Mechanismen 101 monomolekulare, SN1-Reaktion 89 Übergangszustand 88 Nucleophilie 95–96, 99 und Basizität 96 und Ionenradius 95 Nucleosid-5'-triphosphat 314–315 Nucleoside 310, 313 Nucleotide 310, 312–313 Nylon 185 Öffnung von Epoxiden 157 o-Kresol 296 Öle, Systematik und Nomenklatur 300–301 Olefine 267 Oleum 136–137 Ölsäure 300 optische Aktivität und Chiralität 49–51 optische Antipoden 50 optische Drehung 262 Orbitale 1s- 5, 7 2p- 5, 7, 23 2s- 5, 7 Darstellung 5, 35 der Carbonylgruppe 188 Hybrid- 21, 36 Knotenebene 5, 7, 35 Knotenfläche bei kugelförmigen Orbitalen 5 n-, /-, /*-, m- und m*- 188–189 /- 13, 26, 30 s*- und p* 36–37 sp- 19 sp2- 13, 30 sp3- 8 Überlappungsfähigkeit 22 Ordnungszahl 258–259 ortho-, (o-), meta-, (m-) und para-, (p)-, Bezeichnung für die Anordnung von Substituenten in aromatischen Verbindungen 296–297
Index
ortho-Substitution 141–142 Osmatester 160 Oxalsäure 279 Oxazol 295 Oxetan 274 Oxidation, Baeyer-Villiger- 204 Oxidation und Reduktion 151–169 Oxidationen 156–162 durch Luftsauerstoff 204 Epoxidierung von Alkenen 157, 160 Glykolspaltung 161–162 Hydroxylierung von Alkenen 160 mit Chromsäure 156–157 Ozonisierung von Alkenen 161 Oxidationsmittel 158–159 als Elektrophile 79 Oxidationsrektionen, Tabelle 158–159 Oxidationszahl 151–155 Oxime 125 stereoisomere 290 Systematik und Nomenklatur 290 Umwandlung in Säureamide 203 Oxirane 274–275 Oxirane siehe auch Epoxide Oxonium-Ion 120, 131, 199 4-Oxopentannitril 123 o-Xylol 26 Oxytocin 304 Ozonid 161
/- und /*-Orbitale 188–189 /*-Orbital 36–37 PAL siehe Phenylalanin-Ammoniak-Lyasen Palmitinsäure 279, 300 p-Aminobenzolsulfonsäure 293 Paraformaldehyd 182 para-Substitution 141–142 Pauling 22, 172, 223 Pauli-Prinzip 35 /-Bindung 13–15, 24–25, 107, 112 p-Charakter von Bindungen 21–22 /-Elektronen 24, 26, 29 /-Elektronensystem 134 Penam 251 Penicillin 249–251 Penicillin G 285 Pentan 44 Pentanol, Isomere 45 1-Pentin 271
Pentosen 304 Peptide, Systematik und Nomenklatur 302–304 Perbenzoesäure 179 Peressigsäure 204 Perkin-Reaktion 132 Persäuren 157, 159 PET siehe Polyethylen Phenanthren 28, 295 Phenol 138, 140, 150, 183–184, 296, 298 Phenolat-Ion 84–85 Phenole, Acidität 84–85 Phenylalanin 218–219, 302–303 Phenylalanin-Ammoniak-Lyasen (PAL) 219 Phenylcyanid 285 Phenylhydrazin 125 Phenyl-Lithium 215 Phenylradikal 76 Phosgen, COCl2 229 Phosphor 1 Phosphoreszenz 190 Phosphorsäure 313 -diester 311 Photochemie 38, 187–196 Beispiele 192–195 Primärprozesse 189–190 Quantenausbeuten 192 Sensibilisatoren 191 Triplettlöscher 191 photochemische Isomerisierung von Alkenen 195 Photon 187, 189 Photoreduktion von Ketonen 194 Phthalimid 285 Phthalsäure 279, 283, 296 Phthalsäureanhydrid 283 Pikrinsäure 296, 298 Pinakol-Pinakolon-Umlagerung 198–199 Piperazin 287 Piperidin 287 Pitzer-Spannung 64–65, 70 p-Kresol 144 Planck’sche Konstante 187 Plexiglas, Polymethacrylsäuremethylester 181 p-Menthan 251 polare Reaktionen 77 polarisierte Bindungen 12–13, 79 polarisierte Doppelbindungen 15
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Index
Addition von Grignard-Verbindungen an 211–213 Polyamide 184 polycyclische Systeme 70–72 Polyester 184 Polyether, makrocyclische 274 Polyethylen, PET 180 Polyisopren siehe Kautschuk Polymere, Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften 185–187 Polymerisationen 180–187 anionische 181–182 kationische 180–181 Kondensations- 183–185 mit Ziegler-Katalysatoren 183 radikalische 182–183 radikalische, von Ethen, Vinylchlorid und Neopren 183 Polymerisationsgrad 180, 186 Polysaccharide 307 Polyvinylchlorid, PVC 183 /-Orbitale 26 Präfixe 250, 252, 255–256 Präfixe „(E)-“, entgegen und „(Z)-“, zusammen 260 Präfixe cis-, trans-, d- und l- 258 Präfixe d- und l- 261–262 Präfixe für wichtige Substituenten 254 Prelog 258, 263 primäres Carbokation 18, 32 Primärozonid 161 Primärprozesse, photochemische 189–190 Prinzp von Le Chatelier 218 Progesteron 309 Projektion nach Fischer 52, 55–56, 258, 261–263, 302 nach Haworth 260–261 nach Newman 60–61 Prolin 303 Propanal 125 1,3-Propandithiol 257 2-Propanol 265 Propen 107, 113, 115–116 Propenal 128 Propin 116 Propionaldehyd 276 Propionsäure 79–80, 279 Propionsäuremethylester 126 Propionylchlorid 126, 213, 280
354
Propiophenon 276 Proteine 216 in asymmetrischen Synthesen 59 Biosynthese 315–316 Systematik und Nomenklatur 302–304 Proton, H+, als Elektrophil 78 Pteridin 295 p-Toluolsulfonat 94 p-Toluolsulfonsäureester 203 Purine 295, 311 PVC siehe Polyvinylchlorid Pyranosen 305 Pyrazin 295 Pyrazol 295 Pyrazolidin 287 Pyridazin 295 Pyridin 147, 149, 295 basischer Charakter 30 -3-sulfonsäure 148 Pyrimidine 295, 311 Pyrrol 146–147, 295 fehlender basischer Charakter 30 Pyrrolidin 287 Quantenausbeuten bei photochemischen Prozessen 192 quartäre Ammoniumhydroxide 268–269 quartäre Ammoniumverbindungen 288 Quartett in NMR-Spektren 242 Querverbindungen in Polymeren 187 Racemate 51, 98 Trennung durch Chromatographie 57–58 Trennung durch Kristallisation 57 Trennung von 57–58 Racemisierung 54–55, 57, 98 Radikale 17–19 Acyl- 193 Bi- 193–195 Bildung 76, 173–174 Bildung durch Autoxidation 179 Bildung durch Elektrolyse 179 Erzeugung durch Licht 173–174 -fänger 176–177 Kettenreaktionen 174–177 Kohlenstoff- 19 mesomeriestabilisierte 176 Stabilität 175–176
Index
radikalische Polymerisation 182–183 von Ethen, Vinylchlorid und Neopren 183 Radikalreaktionen 76–77, 173–179 Beispiele 177–179 Nachweis von 176–177 Raney-Nickel 108, 169 Reduktion mit 164, 167 Rangfolge der wichtigsten funktionellen Gruppen und deren Praefixe und Suffixe 256 Rangfolge von Substituenten an Chiralitätszentren 258–259 Rangfolge von Substituenten an Doppelbindungen 258–259 Reagenzien, nucleophile und elektrophile 78–79 Reaktion, siehe auch Reaktionen Aldol- 126–131 Diels-Alder- 170–173, 223 E1- 102–103 E2- 103–107 erster Ordnung 89, 91 konzertierte 88, 170 pseudo-erster Ordnung 89, 91 SN1- 89–90, 98–100 SN1-, Stereochemie 98–99 SN1- und SN2- im Vergleich 90, 101 SN2- 90–98 SN2-, bei chiralen Verbindungen 92 SN2-, Stereochemie 91–93 stereospezifische 93 zweiter Ordnung 88 Reaktionen, siehe auch Reaktion Additions- 107–124 Additions-Eliminierungs- 124–134 elektrocyclische 170–173, 270 Eliminierung und Substitution in Konkurrenz 105–106 Eliminierungs- 102–107 enzymkatalysierte 216–223 Grignard- 209–213 intramolekulare und intermolekulare 77–78 Klassifizierung 75 Knoevenagel- 132 mit metallorganischen Verbindungen 208–216 Neben- 75
nucleophile Substitutions- 86–101 Perkin- 132 polare 77 Radikal- 76–77, 173–179 Reformatzky- 214 stereoselektive 58–60 Tschitschibabin- 149 von Grignard-Verbindungen mit Alkylhalogeniden 211 Wittig- 270 Zerewitinoff- 210 Reaktionsenthalpie 218, 223 Reaktionsgeschwindigkeit 88, 91, 95–98 Einfluss von Nucleophilen bei SN2Reaktionen 89 Reaktionsgeschwindigkeitskonstante 88 Reaktionskoordinate 90 Reaktionsmechanismen 75–76 formelmässige Darstellung 76–78 von SN1- und SN2-Reaktionen, Einfluss von Nucleophilen 101 Reaktionstypen 75–230 Reaktivität und Struktur bei der SN1-Reaktion 99–100 bei der SN2-Reaktion 93 Reduktion Clemmensen- 169 nach Huang-Minlon 169 nach Wolff-Kishner 169 Rosenmund- 111, 165 selektive, mit Bäckerhefe 217 Reduktion und Oxidation 151–169 Reduktionsmittel 164–168 Reduktionsmittel als Nucleophile 78 Reduktionsreaktionen 162–169 katalytische Hydrierung 108–112, 162 mit komplexen Metallhydriden 162–163 mit Metallen 162 Tabelle 164–168 von Carbonylgruppen zu Methylengruppen 169 Reformatzky-Reaktionen 214 Regel (4n + 2)- 28–29 2n- 51 für Prioritäten bei der Nomenklatur 250 Hofmann- 106–107 Hückel- 28–29
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Index
KKK-, Kernsubstitution bei aromatischen Verbindungen 145 Markownikow- 115–116, 272 SSS-, Seitenkettensubstitution bei aromatischen Verbindungen 144 Saytzeff- 106–107, 180 Regioselektivität 115 der HX-Addition 115–116 Reichstein 59 relative Konfiguration 54–55, 262 Resonanzenergie 17, 27 von Benzol 40 Resonanzstrukturen 16 Resorcin 296 Retention der Konfiguration 53 Retro-Aldolreaktion 130 Rhamnose 305 Rhodanid-Ion als Nucleophil 86 Ribonucleinsäure 310 Ribose 304, 313 Ribosomen 315 Ringschlussreaktionen bei Fragmentierungen 207 Ringspannung, Baeyer’sche 63–64 RNA siehe Ribonucleinsäure RNA, messenger- 315 Rohrzucker 306 Röntgenstrukturanalyse 56 Rosenmund-Reduktion 111, 165 R-S-System am Beispiel von 4-Brom-3-methylhexan 264 zur Konfigurationsbezeichnung 263–264 Rutheniumverbindungen, chirale Komplexe, als Katalysatoren 111
m-Bindung 13-14, 107, 112 s- und p-Charakter von Bindungen 21–22 m- und m*-Orbitale 188–189 m*-Orbital 36–37 Saccharose 306 Salicylsäure 279, 296 Salpetersäure, HNO3 291 Autoprotolyse 136 salpetrige Säure, HNO2 293 Salze, diastereoisomere, zur Trennung von Racematen 57 Sauerstoff 1, 23, 186
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Säureamide 121, 202–203 Enolform 286 Herstellung aus Oximen 203 inter- und intramolekulare 285 Systematik und Nomenklatur 284–285 Säureanhydride 159 intramolekulare 282–283 Systematik und Nomenklatur 281–283 Säureazide 202–203 Säurechloride 126, 200, 203, 281 Säuredissoziationskonstanten Ka von Carbonsäuren 79–81, 280 Säurehalogenide 111 als Elektrophile 79 Systematik und Nomenklatur 280–281 Säurespaltung von `-Diketonen 207 Säurestärke von Carbonsäuren 79–81, 279– 280 Säurestärke von Nitrophenolen 298 Saytzeff-Regel 106–107, 180 Schiff’sche Basen 125, 213 Systematik und Nomenklatur 289 Schlüssel-Schloss-Prinzip nach Fischer 222 Schmelzpunkt 2, 233 und Löslichkeit von Cyclopropandicarbonsäuren 67 von Enatiomeren 51 von Kohlenwasserstoffen 266 Schultz 172 Schutzgruppe für die Carbonylgruppe 116, 289 für Hydroxygruppen (OH-Gruppen) 210 Schwefel 1, 109–110 schwefelhaltige Verbindungen, Systematik und Nomenklatur 294 Schwefeltrioxid, SO3, als Elektrophil 78 schweflige Säure, H2SO3 280 schwingende Saite 39 Seife 301 Seitenkettenoxidation 159 Seitenkettensubstitution bei aromatischen Verbindungen (SSS-Regel) 144 sekundäres Carbokation 18, 33 Selektivität von enzymkatalysierten Reaktionen 216 Semicarbazid 290 Semicarbazone 125, 290 Systematik und Nomenklatur 290
Index
Sensibilisatoren 195 Sensibilisatoren für photochemische Reaktionen 191 Sequenz der Basen in DNA-Strängen 314 Sequenz von Aminosäuren in Peptiden und Proteinen 302 Sequenzregeln nach Cahn, Ingold und Prelog 258–259 Serin 302–303 Sesselform von Cyclohexanderivaten 65 Sesselkonformation der Cyclohexanringe in Decalin 71 Sesselkonformation von Cyclohexanderivaten 70 Sharpless-Epoxidierung 160 Siedepunkt 233 von Kohlenwasserstoffen 266 Silicate 4 Silicium 1, 4 Singlettzustand S1 189–192 Singulett in NMR-Spektren 242 Skatol 296 Slater 22 SN1- und SN2-Reaktionen im Vergleich 90 SN1-Reaktion 89–90, 98–100 im Vergleich zur SN2-Reaktion 101 Stereochemie 98–99 SN2-Reaktion 88, 90–98 im Vergleich zur SN1-Reaktion 101 Stereochemie 91–93 Übergangszustand 90 Solvatation 96 Solvolyse 91, 100 Sonderstellung des Kohlenstoffs im Periodensystem 3–4 Sorbitol siehe Glucitol Sorbose, l-Form 59 sp-Hybridisierung 19–20 sp2-Hybridisierung 13–19 sp2- und sp3-Hybridisierung 92–93 sp3-Hybridisierung 7–10 Spaltung von 1,3-Diolen in Alkene und Ketone durch Fragmentierung 205–206 Spannung, Pitzer- 64–65, 70 Spektroskopie siehe spektroskopische Methoden spektroskopische Methoden 233–245 spezifische Drehung [ _ ] 51
Spiegelbildisomerie siehe Chiralität und Enantiomere Spiegelbildisomerie ohne asymmetrisches CAtom 56 Spin 189 Spin-Spin-Kopplung in NMR-Spektren 242 Spiro[5,5]-undecan 70–71 Stammname 250–251 und Konstitution bzw. relative Konfiguration 262 bei der Nomenklatur von Kohlenwasserstoffen 254 Stammsystem 250–251, 255 Stärke 307 Stearinsäure 279, 300 Stephen-Reaktion 166 Stereochemie der alicyclischen Verbindungen 63–72 der SN1-Reaktion 98–99 der SN2-Reaktion 91–93 Stereochemie bei chemischen Reaktionen 76 stereochemische Nomenklatur 259–264 Fischer-Projektion 262 Konfiguration an Doppelbindungen 259–260 Konfiguration an tetraedrisch substituierten Zentren 260–264 Konfigurationsbezeichnung nach dem R-S-System 263–264 stereochemische Nomenklatur bei Doppelbindungen 259–260 Stereoisomere 51–52, 58 Stereoisomerie 43, 46–60 an Doppelbindungen 46–48 bei Oximen 290 stereoselektive Reaktionen 58–60 stereoselektive Reduktion mit Bäckerhefe 217 stereospezifischer Verlauf von katalytischen Hydrierungen 109 stereospezifischer Verlauf von SN2Reaktionen 93 sterisch gehinderte Carbonylverbindungen 216 sterische Hinderung 93, 105 Steroide 251 Namen und Strukturformeln 309 Systematik und Nomenklatur 309–310
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Index
Stickstoff 1, 3, 23 Bindungsverhältnisse 23 -haltige Verbindungen, Systematik und Nomenklatur 289–294 Oxidationszahlen 154 -wasserstoffsäure, HN3 202 stickstoffhaltige Verbindungen, Systematik und Nomenklatur 289–294 Stobbe-Kondensation 133 Stöchiometrie 75 bei Redoxreaktionen 155 Strang, DNA- oder RNA- 312 Streckschwingung 238–239 Struktur und Reaktivität bei der SN1-Reaktion 99–100 bei der SN2-Reaktion 93 Strukturformel 43, 247 Strychnin 307 Styrol 296 Substituenten aktivierende 138–144 Allyl- 254 äquatoriale 66–67, 72 axiale 66, 72, 104 Bezeichnung für die Anordnung mit ortho-, (o-), meta-, (m-) und para-, (-p) 296–297 desaktivierende 139–144 -einflüsse bei nucleophilen aromatischen Substitutionen 148 -einflüsse, induktive und mesomere Effekte 79–85 erster und zweiter Ordnung 139 Ethyl- 254 Isobutyl- 254 Isopropyl- 254 meta-dirigierende 139–144 Methyl- 254 Neopentyl- 254 ortho-para-dirigierende 138–144 tert.-Butyl- 254 Vinyl- 254 Substitution als Konkurrenzreaktion zur Eliminierung 105–106 elektrophile aromatische 134–148 nucleophile 86–101 nucleophile aromatische 148–151 nucleophile, Kinetik 88–90
358
Substitutionsregeln für aromatische Substitutionen 138–144 Substrat 217 Succinimid 285 Suffixe 250–252, 256, 258 Sulfonierung von Aromaten 136–137 Sulfonsäure 159 aromatische 136–137 -ester 94 Summenformel 43, 247 und Molekülmasse 232 syn-Addition 108–110 syn-Eliminierung 105, 150 Systematik und Nomenklatur, siehe auch unter den Namen der Verbindungsklassen 265–320 Tautomerie 16, 277 Terephthalsäure 184 Terpene 251 Systematik und Nomenklatur 308 tert.-Amylbromid 106 tert.-Butanol 100 tert.-Butyl-Substituent 254 tertiäres Carbokation 18 Testosteron 309 1,1,2,2-Tetrabrompropan 116 Tetrachlorkohlenstoff, CCl4 253 als Lösungsmittel 97 Tetraeder -modell 9–10 -winkel 10–12, 23, 63 tetraedrisch substituierte Zentren, stereochemische Nomenklatur 260–264 Tetraethylblei, Antiklopfmittel in Benzin 208 Tetrahydrofuran 45, 274 Tetrahydrofurfurylalkohol 197–198 1,2,3,4-Tetrahydronaphthalin 298 Tetrahydropyran 274 Tetramethylammoniumhydoxid 288 Tetramethylammonium-Ion 87 Tetramethylsilan 240 Thiazol 295 Thioacetale 169 Thioalkoholat-Ion als Nucleophil 86 Thioessigsäure 294 Thiole als Nucleophile 78 Thionylchlorid, SOCl2 280
Index
Threonin 73, 303 Threose 304 Threose, d- und l-Form 52 Thymidin 311 Thymin 310–314 Titantetrachlorid, TiCl4 183 Toluol 144 Tosylat siehe p-Toluolsulfonat Tosylester 203 Tracermethoden 151 transfer-RNA 315–316 Transkription 315 Translation 315–316 Transmission 238 Traubenzucker 304 Trennung von Racematen 57–58 Trialkylaluminium 183 Trichloracetaldehyd 124 Trichloressigsäure 81 Triene 267 Triethylamin 87 Triethylmethylammoniumiodid 288 Triflat siehe Trifluormethansulfonat Trifluormethansulfonat 94 Trifluorperessigsäure 158 Triglyceride 300 Trimethylamin 87 Trimethylmethyl-Kation 17 Triphenylmethyl-Radikal 176 Trimethylphenylammonium-Ion 142 Trimethylsulfonium-Ion 87 Triphenylphosphin 270 Triplett in NMR-Spektren 242 Triplettlöscher bei photochemischen Prozessen 191 Triplettzustand T1 189–192 Trivialnamen 249–251, 253, 275, 295–296, 309 Tropylium-Ion siehe CycloheptatrienylKation Tryptophan 303 Tschitschibabin-Reaktion 149 turnover-Konstante 220, 222 Twistform von Cyclohexanderivaten 65 Twistkonformation von Cyclohexanderivaten 70 Tyrosin 303 Übergangszustand 92–93, 172, 223
bei chemischen Reaktionen 75 bei nucleophilen Substitutionsreaktionen 88 bei SN2-Reaktionen 90 bei Umlagerungen 196 endo-, bei Diels-Alder-Reaktionen 171 exo-, bei Diels-Alder-Reaktionen 171 Überlappungsfähigkeit von Orbitalen 22 Übungen zu Kapitel 3 73–74 zu Kapitel 4 224–230 zu Kapitel 5 244–245 zu Kapitel 7 316–320 Lösungen 321–332 Umkehrung der Konfiguration 54 Umlagerungen 195–204 Acylnitren-Isocyanat- 201 Allyl- 199–200 Beckmann- 203 Criegee- 195 Criegee-, von Hydroperoxiden 204 Pinakol-Pinakolon- 198–199 Wagner-Meerwein- 196–198, 204 Wolff- 200–201 unterhalogenige Säuren 114 Unterschiede zwischen anorganischen und organischen Verbindungen 2 Uracil 310–311 Uridin 311 UV / VIS-Spektroskopie 236–239 UV-Spektrum von Clofibrat 237 Valeriansäure 279 Valin 302–303 van der Waals’sche Kräfte 266 Vanillin 296 Vasopressin 304 Verbindungen 14C-markierte 151 anorganische und organische 2 aromatische 25–32 asymmetrische 49 cadmiumorganische 214–215 farbige 236 Grignard- 209–213 lithiumorganische 215–216 magnesiumorganische 209–213 mesomeriestabilisierte 32–34 metallorganische 215, 273
359
Index
metallorganische, Reaktionen mit 208–216 mit charakteristischen funktionellen Gruppen, Nomenklatur 255–258 mit konjugierten Doppelbindungen, 1,2- und 1,4-Additionen 122–124 schwefelhaltige, Systematik und Nomenklatur 294 stickstoffhaltige, Systematik und Nomenklatur 289–294 substituierte aromatische 31–32 synthetische organische 1 Unterschiede zwischen anorganischen und organischen 2 zinkorganische 214 Verbindungsklassen 265 Verbrennungsanalyse 231–232 Verbrennungswärme von alicyclischen Verbindungen als Mass für die Ringspannung 63–64 Vergleich von Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen 20–22 Verhältnis zwischen ortho- und paraSubstitution 145 Vernetzungsgrad 187 vicinale Dihalogenide 268, 271 vicinale Diole 273 vicinale Stellung von Substituenten 112 Vinylchlorid, radikalische Polymerisation 183 Vinyl-Stellung 267, 271 Vinyl-Substituent 254 Vitamin A 308 Vitamin B12 208 Vitamin C, Synthese 59 Vulkanisieren 186 Wagner-Meerwein-Umlagerung 196–198, 204 Walden-Umkehrung 53 Wannenform von Cyclohexanderivaten 65 Wasser, H2O als Lösungsmittel 96–97 als nucleofuge Gruppe 94 als Nucleophil 78 -molekül, Bindungswinkel 23 Wasserstoff, H2 1, 108–109
360
„aktiver“ 210 -atom 7, 10 Bindungsenergie 8 -brücken 96–97, 313 -molekül, H2 6 Watson 313 1,3-Wechselwirkungen zwischen Substituenten in Cyclohexanderivaten 69 Wechselwirkungen zwischen Substituenten von Cyclohexanderivaten 66 Weinsäure 56 Weinsäure, d-, l- und meso-Form 52 Weinsäurediethylester, chirale, als Katalysatoren für die SharplessEpoxidierung 160 Wellenfunktion s 35–36 Wellenzahl 238 Williamson-Reaktion zur Herstellung von Ethern 274 Wittig-Reaktion 269–270 Wöhler 1 Wolff-Kishner-Reduktion 169 Wolff-Umlagerung 200–201 Ylid 269–270 (Z)-(E)-System zur Bezeichnung der Stellung von Substituenten an Doppelbindungen 46–47 (Z)-, Präfix zur Charakterisierung der Stellung von Substituenten an Doppelbindungen 260 Zerewitinoff-Reaktion 210 Ziegler-Katalysatoren, Polymerisation mit 183 Zimtsäure 218, 279 Zink 268 zinkorganische Verbindungen 214 Zinkstaub-Destillation 167 Zweischrittmechanismus bei E1-Reaktionen 103 Zweischrittmechanismus bei nucleophilen Substitutionsreaktionen 88 Zwischenprodukte bei chemischen Reaktionen 75, 90 Zwitterion 270
231.04
238.03
U
92
144.24
Nd
60
[261]
105
[237]
Np
93
[145]
Pm
61
[262]
Db
[244]
Pu
94
150.36
Sm
62
[266]
Sg
106
183.84
W
74
95.94
Mo
42
51.996
Cr
24
26
Mn
Fe
96
157.25
Gd
64
[277]
Hs
108
190.23
Os
76
101.07
Ru
44
55.845
[243]
[247]
Am Cm
95
151.96
Eu
63
[264]
Bh
107
186.21
Re
75
[98]
Tc
43
54.938
[247]
Bk
97
158.93
Tb
65
[268]
Mt
109
192.22
Ir
77
102.91
Rh
45
58.933
Co
27
28
Ni
[251]
Cf
98
162.50
Dy
66
[281]
Ds
110
195.08
Pt
78
106.42
Pd
46
58.693
(c), (d) vgl. Anmerkungen auf der vorderen inneren Umschlagseite und auf S. 336.
232.04
[227]
Pa
91
90
Th
Ce
140.12
La
138.91
89
Pr
140.91
58
57
Ac
59
[226]
[223]
Rf
104
88
Ra Ac-Lr
87
Fr
89-103
Ta
178.49
180.95
Ba La-Lu Hf
137.33
92.906
Cs
91.224
41
Nb
132.91
57-71
88.906
40
Zr
V 50.942
73
56
55
Ti
47.867
23
72
87.62
85.468
Y
39
38
Sr
Ca
40.078
K
39.098
37
Sc
44.956
20
19
Rb
21
24.305
22.990 29
30
Cu
Zn
112
200.59
Hg
80
112.41
Cd
48
65.409
Ga
113
204.38
Ti
81
114.82
In
49
69.723
114
207.2
Pb
82
118.71
Sn
50
72.64
Ge
32
28.086
Si
14
12.011
C
6
14
115
208.98
Bi
83
121.76
Sb
51
74.922
As
33
30.974
P
15
14.007
N
7
15
116
[209]
Po
84
127.6
Te
52
78.96
Se
34
32.065
S
16
15.999
O
8
16
[252]
Es
99
164.93
Ho
67
[272]
[257]
Fm
100
167.26
Er
68
[285]
[258]
Md
101
168.93
Tm
69
(d)
[259]
No
102
173.04
Yb
70
[289]
[262]
Lr
103
174.97
Lu
71
(d)
117
[210]
At
85
126.9
I
53
79.904
Br
35
35.453
Cl
17
18.998
F
9
17
[in Klammern] : Massenzahl des stabilsten Isotops
Ordnungszahl Elementsymbol rel. Atommasse
(c)
Rg Uub Uut Uuq Uup Uuh
111
196.97
Au
79
107.87
Ag
47
63.546
31
26.982
Al
13
12
Mg
11
Na
B 10.811
Be
9.0122
Actiniden
5
13
Li
25
12
6.94
22
11
18
58.933
Co
27
(c)
Uuo
118
[222]
Rd
86
131.29
Xe
54
83.798
Kr
36
39.948
Ar
18
20.180
Ne
10
4.0026
10
Lanthaniden
9
Nebengruppen
8
Hauptgruppen
4
7
3
6
1,0079
5 2
4
H
3
H
2
1
1
Periodensystem der Elemente