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German Pages 187 [208] Year 1924
GRIECHISCHE STÄDTEANLAGEN UNTERSUCHUNGEN ZUR ENTWICKLUNG DES STÄDTEBAUES IM ALTERTUM
VON
ARMIN VON GERKAN
MIT 20 TAFELN
BERLIN UND LEIPZIG 1924
WALTER DE GRUYTER & CO. VORM. G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TRÜBNER - VEIT & COMP.
Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W. 10.
THEODOR WIEGAND DEM NEUBEGRÜNDER DER ANTIKEN STÄDTEFORSCHUNG
Inhalt. Vorwort
Seite IX
Kapitel I. Die Stadt vor dem V. Jahrhundert 1. Die Entstehung Die Polis 2. — Die städtische Siedelung 3. — Allmähliche Entwicklung 4. — Gründungen 4. — Natürliches Wachstum 6. 2. Die Gliederung Die Burg als Mittelpunkt 7. — Die Agora 8. — Das Aufhören der Akropolen 10. — Eretria n. — Palairos 12. —Andere Beispiele 12.— Herakleia am Latmos 14. — Die Überlieferung 16. 3. Die Befestigung Die Entstehung der Stadtmauern in den Kolonien 18. — Samos, Mauer und Hafen 19. — Die Rückständigkeit des Mutterlandes 22. — Athens vorpersische Befestigung 23. — Entfestigungen 27. — Das Fehlen eines feststehenden Typus 27. Kapitel II. Die Entstehung der regelmäßigen Stadt 1. Der regelmäßige Stadtplan Äußere Merkmale 29. — Piraeus, Elis und Milet 29. — Beziehungen zum Orient 30. 2. Die Anlässe zu regelmäßigen Planbildungen Die Kolonisation 31. — Der Zwang der systematischen Gründungen 33.— Die Kolonien des VII. Jahrhunderts 35. — lonien als Hauptzentrum 36. 3. Milet Topographisches 38. — Die ältesten Reste 39. — Der Stadtplan nach 479 v. Chr. 40. 4. Hippodamos von Milet Literatur und Überlieferung 42. — Abstammung 43. — Bisherige Chronologie 43. — Archeptolemos 44. — Hippodamos und Milet 45. — Hippodamos in Athen 46. — Die Gründung von Thurioi 47. — Rhodos 48. — Hippodamos und der regelmäßige Stadtplan 49. — Sein Verhältnis zur Baukunst. 50. — Aristophanes »aves« 52. — Der Piraeus 53. — Topographie 54. — Thurioi 56. — Ergebnisse für die Bautätigkeit des Hippodamos 57. — Seine Schriften 58. — Sein Äußeres 59. — Seine Bedeutung 60.
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Kapitel III. Die Gestalt der regelmäßigen Stadt 62 i. Die Überlieferung 62 Plato 62. — Aristoteles 62. — Pseudo-Dikaearch und Strabo 63. — Die Mediziner 63. — Vitruv 64.
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Inhalt. Seite
2. Die Überreste
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Irrtümliche Verallgemeinerungen 65. — Alexandriens Straßennetz 67. — Seine Gründung 69. — Seine Rolle in der baugeschichtlichen Entwicklung 70. — Alexandrien und der I. Stil 71. — Das Peristylhaus 72. — Die Bautechnik in Alexandrien und der Pharos 73. 3. Die Orientierung des Straßennetzes 74 Nissens Limitationstheorie und die Tempelorientationen 75. — Der Tempel in Didyma 75. — Unbefriedigende Ergebnisse 76. — Die Unmöglichkeit einer kultlichen Orientation der Städte 78. — Topographische Gesichtspunkte 79. — Hygienische Gesichtspunkte 79. — Städte an Berghängen 80. — Städte in Ebenen 81. 4. Die Ausbildung der Straßen 82 Die Straßenbreite 82. — Hauptstraßen 82. — Milet 83. — Das Fehlen des Straßenkreuzes 84. — Priene 85. — Der Mangel einer Pflasterung 86. — Der späte Ursprung der Kanalisation 87. — Die Wasserversorgung 88. — Die Wasserleitung von Priene 88. — Die Druckleitung von Pergamon 89. — Die Bogenleitungen der römischen Zeit 90. 5. Die Häuserviertel 90 Ihre Gleichmäßigkeit 90. — Ihre Größe in Priene und Milet 91. — Andere Beispiele 92. — Das Verhältnis von Länge zu Breite 93. — Die Richtung der Quartiere 93. 6. Die Platzanlagen 94 Unzutreffende Anschaungen 94. — Die Lage des Marktes im Straßennetz 95. — Seine Größe 96. — Die hufeisenförmigen Hallen 97. — Die vierte Marktseite 98. — Der Südmarkt von Milet 99. — Andere Marktanlagen und Pergamon . — Altäre, Brunnen und Tempel 102. — Der Handelsverkehr 103. 7. Einzelgebäude 104 Die Lage der Heiligtümer in der Straßenrichtung 104. — Ihre Lage zu den Zugangsstraßen 105 . — Gymnasien 106. — Stadien 106. — Theater 107. — Herrschersitze 108. — Der Typus der hellenistischen Königsburg 109. 8. Befestigungen und Häfen 110 Geländemauern 110. — Die Entwicklung der Verteidigungsmauer 111. — Hafendämme 112. — Kriegshäfen 113. 9. Unregelmäßige Städte 114 Die Unmöglichkeit einer Rektifikation älterer Stadtpläne 114. — Verlegungen 115. —Athen, Theben und Knidos 116. — Planmäßige Erweiterungen 118. — Pompeji 119. — Verschiedene Orientierung einzelner Stadtviertel 120. — Smyrna 120. — Pergamon 121. — Der künstlerische Wert der regelmäßigen Stadtpläne 121. Kapitel IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes 123 i. Der Typus der italischen Stadt 123 Nissens Anschauung von ihrer Identität mit dem griechischen Typus 123. — Ihre selbständige italische Entstehung 124. — Das Koordinatensystem zweier Hauptstraßen 126. — Umriß und Zentrum 127. — Das Schema der Befestigung 128. — Das Straßennetz 129. — Die fehlende Erweiterungsmöglichkeit 130.
Inhalt.
VII Seite
2. Die Entwickelung der italischen Stadt 131 Italien 131. — Römische Kolonisation 132. — Der Osten 133. — Der Hellenismus in Syrien 134. — Die syrischen Stadtanlagen 135. 3. Die Gebäudetypen 136 Das Forum 136. — Veränderungen der griechischen Agora 137. — Die Basilika 139. — Die Säulenstraße 139. — Falsche Datierungen 140. — Straßen- und Schmucktore 143. — Symmetrische Tempelanlagen 144. — Symmetrische Wohnhäuser 145. — Thermen 145. 4. Künstlerische Prinzipien 146 Axial-symmetrische Kompositionen 146. — El-Hasne in Petra 148. — Amorphe Konstruktionsweise 149. — Der Bogen- und Gewölbebau 151. — Prunkbauten 151. 5. Das Unterliegen des griechischen Typus 152 Die einheitliche Reichskunst 152. — Ihr Gegensatz zum Hellenismus 153. — Die Rolle des Orients 154. — »Römische« Kunst 155. — Großgriechenland und Italien 155. — Die Eigenart der westgriechischen Kunst 156. — Der Hellenismus in Italien 157. — Seine Umprägung zur Reichskunst 158. — DieVeräußerlichungim Kunstschaffen 160.—Luxus- und Kolossalbauten 161. 6. Römer- und Griechentum in der letzten Zeit der antiken Kunst 162 Roms Stellung zur Kunst 162. — Der Niedergang der hellenistischen Baukunst 163. — Die zeitlichen Grenzen des Hellenismus 165. — Das Ende der antiken Baukunst 166. — Nachleben in der byzantinischen Zeit 167. — Byzantinische Städte 167. — Konstantinopel 168. Register
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1. Geographisches Register
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2. Personenregister
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3. Autorenregister
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Verzeichnis der Tafeln. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. ίο. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.
Eretria (i : 15000). Palairos (i : 6000). Die Befestigung der Aspis von Argos mit bersichtsskizze (i : 1500; i : 30000). Herakleia am Latmos (1:15 ooo). Samos (i : 15 ooo). Milet (i : 15000). Richtungen der Hauptstra en. Perge (i : 12 ooo). Priene (i : 7500). Knidos (i : 15000). Die Agora von Priene (i : 1000). Das Marktgebiet von Milet (i : 2500). Die Agora von Assos (i : 1000). Ovalh user von Jassos (ι : ιοο; ι : 500). Pompeji (i : 7500). Veji (i : 15000). Colonia Agrippinensis [K ln] und Nida [Heddernheim] (i : 15000). Calleva [Caerwent] und Venta Silurum [Silchester] (i : 7500). Thamugadi [Timgad] (i : 5000). Bostra [Bosra] und Philippopolis [es-Schuhba] (i : 15000).
Vorwort. Wenn wir nach den Ursachen fragen, weshalb die fachwissenschaitliche Literatur unserer Zeit so arm an großen zusammenfassenden Werken ist, gemessen etwa an der Zeit vor 50 Jahren und länger zurück, so erhalten wir häufig die Antwort, es könne niemand mit Aussicht auf Erfolg eine solche Arbeit beginnen in einer Zeit, wo alles im Flusse sei, wo jeder Tag neue Entdeckungen bringe, welche die bisher als gesichert geltende Vorstellungen umstoßen könnten, kurzum, solch ein Unternehmen sei gegenwärtig ganz entschieden verfrüht. Die Begründung läßt sich nicht bestreiten: seit Beginn der systematischen Ausgrabungen, auf deren Organisation durch W. Dörpfeld Deutschland stolz sein muß, ist die Wissenschaft nicht mehr allein auf zufällige Entdeckungen angewiesen, und das Material hat sich an Zahl und Bedeutung vervielfacht, so daß unser Wissen auf ganz neue Grundlagen gestellt ist; aber ist die angeführte Schlußfolgerung damit genügend gerechtfertigt? Müssen wir deshalb auf eine ordnende und verwertende Sichtung des Materials verzichten, bis die gesamten Überreste aus dem Altertum aufgedeckt und durchforscht sind? — denn das bedeutet schließlich diese Resignation. Selbstverständlich nicht: auch unsere Einzelforschungen leiden in gleichem Maße darunter, daß ihre Resultate nach kurzer Zeit überholt werden können, und wenn wir aus der unberechtigten Scheu, teilweis vergebliche Arbeit zu leisten, Gesamtdarstellungen beständig aus dem Wege gehen, so berauben wir uns selbst der Möglichkeit, ihre wichtigen Ergebnisse für die weitere Forschung zu verwerten. Die Folgen dieser Enthaltsamkeit sind bereits heute spürbar genug. Denn wir begnügen uns mit Darstellungen der Kunst- und Kulturgeschichte, deren Disposition vor ein bis zwei Menschenaltern entworfen sind; sie haben zum Teil bis in die letzte Zeit zahlreiche neue Auflagen erlebt, in denen das neue Material verarbeitet worden ist, ohne daß sie selbst dadurch den heutigen Ansprüchen gerechter geworden wären. Im Gegenteil, das Neue überwiegt, ist aber in den zu engen Rahmen hineingepreßt und verliert dabei an Bedeutung und
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Vorwort.
Wirkung, denn der Aufbau der Werke wird im wesentlichen unverändert beibehalten. So entsteht das Mißverhältnis, daß wir zwar unvergleichlich mehr wissen als unsere Vorgänger, aber nicht den Wagemut haben, dieses Wissen mit der gleichen Tatkraft zu verwerten und anzuwenden, uns vielmehr in den traditionell gewordenen Bahnen weiterbewegen, und zwar wider unsere eigene Überzeugung. Wir laufen Gefahr, die Fähigkeit zu verlieren, unser Forschungsgebiet von einem höheren Standpunkt zu überblicken und müssen es erleben, daß heute bereits Personen, denen die wissenschaftlichen Voraussetzungen dafür abgehen, uns diese Aufgabe aus der Hand nehmen wollen und unsern Irrweg mit einer der Wissenschaft angeblich innewohnenden Unfähigkeit erklären. Aber die Gefahr ist noch größer: wir gewöhnen uns mehr und mehr, unsere Untersuchungen in vertikaler Richtung anzustellen, wir suchen nach Vorstufen und Auswirkungen der Erscheinungen, anstatt sie in ihrer Gesamtheit und in ihren Wechselwirkungen zu erfassen. Das ist allerdings viel bequemer, denn es ist auch bei lückenhaftem Material möglich, eine Entwickelungsreihe aufzustellen und schlimmstenfalls zu konstruieren, aber es führt zu einer Überschätzung des Kausalitätsprinzips und verleitet, historische Zusammenhänge vorauszusetzen, wo möglicherweise nur eine zufällige oder durch verwandte Bedingungen hervorgerufene äußerliche Ähnlichkeit besteht. Der große Nachteil dieser Arbeitsweise ist, daß sie häufig nur Versuche als Ergebnisse bringt und uns die Lücken unseres Wssens leicht verschleiern kann, weil sie ein Mosaikspiel mit bereits vorhandenem Material ist, ferner verleitet sie uns oft, uns mit den Beständen einer viel älteren Forschung zufrieden zu geben, wenn diese sich in die Reihe bequem einordnen lassen. Aber wirklich Neues kann sie in großem Umfange nicht ergeben. Die Wissenschaft hat allerdings nicht die Absicht, sich bei der Resignation zu bescheiden. Sie bezeichnet die geschilderte Arbeitsweise richtig als Vorarbeit und ist daneben bestrebt, die der Zukunft vorbehaltene aufbauende Arbeit durch Sammlungen des Materials zu erleichtern. So sehen wir eine Reihe von großangelegten Sammelwerken entstanden, die zahlreichen Corpora und Enzyklopädien, deren Schaffung eine ungeheure wissenschaftliche Arbeit erfordert, aber schließlich doch auch nur eine Vorarbeit ist. Diese Werke vermögen, wenn überhaupt, nur mit Mühe der Zeit zu folgen und zeigen vielleicht am deutlichsten, wie unmöglich es ist, auf einen Zeitpunkt zu warten, wo alles so weit gesichtet ist, daß eine schöpferische abschließende Arbeit beginnen kann. Eine solche, die Vollständigkeit erstrebende Materialsammlung läßt zwar deutlich die vorhandenen Lücken erkennen, sie zwingt aber ebenfalls nicht, sie zu schließen, weil sie eben
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nur den Stand unseres Wissens wiedergeben will; aus dem gleichen Grunde kann sie das gesteckte Ziel niemals erreichen, denn wir sehen überall, daß, bevor das Werk bis zur Hälfte gediehen ist, die ersten Teile bereits als veraltet und unvollständig gelten müssen. Auch hier werden veraltete Anschauungen naturnotwendig ohne Nachprüfung mit hineingenommen, wenn kein neues Material vorliegt und wenn sie nicht zufällig aus Anlaß einer SpezialUntersuchung eine neue Bearbeitung erfahren haben. Dem Verfasser der vorliegenden Untersuchung liegt das Streben nach enzyklopädischer Vollständigkeit natürlich fern: dazu ist das Material hier ganz besonders viel zu lückenhaft. Erst die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben uns eine Anzahl von einigermaßen abgeschlossenen Städtebildern gebracht, besonders die Unternehmungen der preußischen staatlichen Museen unter Leitung Th. Wiegands, der die Wichtigkeit umfassender Städteforschungen klar erkannte und sie in Priene und Milet mit bestem Erfolg durchgeführt hat. Es handelt sich nun um die Aufgabe, unter strenger Vermeidung der bisher üblichen spekulativen Entwicklungstheorien das wirklich greifbare sachliche und historische Material zu sichten und zu einer Systematik der griechischen Stadtanlagen zu verarbeiten; dadurch wird eine Anzahl von festen Ausgangspunkten und gesicherten Grundlagen gewonnen, die als Anhalt bei zukünftigen Forschungen dienen mögen. Das wichtigste Ziel dieser Arbeit aber ist, einer irrtümlichen Verwertung des Materials vorzubeugen und die reichlich vorhandenen Ansätze dazu, die oben erwähnt worden sind, möglichst vollständig zu beseitigen. Für die Beurteilung von Städteanlagen, besonders auf dem griechischen Festland, aber auch häufig im Innern von Kleinasien und in ändern Gegenden, soweit sie nicht Objekt einer Ausgrabung geworden sind oder etwa den Gegenstand einer Spezialforschung bildeten, sind wir immer noch auf die ersten Aufnahmen angewiesen, die zum größten Teil der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts angehören. Immer noch müssen wir auf die Arbeiten jener Reisenden zurückgreifen, deren Forschungen von dem Bestreben getragen waren, die vorhandenen Reste mit möglichster Vollständigkeit zu verzeichnen. Freilich fehlte damals das Vergleichsmaterial und die Erfahrung der Gegenwart, aber ihre Werke werden dadurch nicht ersetzt, daß wir es besser könnten, es aber nicht machen. Einzelfragen lassen sich an der Hand dieses Materials mit Hilfe unserer kritischen Methoden noch bearbeiten, nicht aber ihre Gesamtresultate, wenn jede Voraussetzung für einen Zusammenhang des Stadtplanes bei der Aufnahme fehlte, wenn jede polygonale Mauerfügung, die zu allen Zeiten vorkommen kann, ohne weiteres als uralt oder gar »pelasgisch« galt, wenn mangels
Vorwort.
bekannter Typen die Gebäudereste nicht erkannt wurden und aus den verzeichneten Resten nicht zu entwickeln sind. Die neueren Forschungen aber verfolgen in der Regel besondere Zwecke, sei es die Klärung der Topographie, sei es die Feststellung begrenzter Kulturperioden; sie geben das Übrige noch summarischer als die altern, und daher mußte, um die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit nicht zu sehr zu verletzen, in den vorliegenden Betrachtungen auf die Entwickelung der archaischen griechischen Stadtanlagen verzichtet werden. Die Stadt des V. Jahrhunderts mußte als bestehend vorausgesetzt werden, denn die Ausgrabungen haben aus dieser Periode nur selten, dazu nie vollständige Bilder ergeben, weil sie immer wichtige, im Laufe der Jahrhunderte sich stark verändernde Zentren betrafen, von denen nur die späteren Perioden Reste von genügender Vollständigkeit hinterlassen haben. Mehr als die Großstädte dürften die kleinen, bescheidenen Gemeinden ihr altes Bild bewahrt haben, und diese gerade sind es, für die unsere heutige Forschung das objektive Material am wenigsten erweitert hat. Trotzdem wäre eine Klärung vieler Fragen unter der Voraussetzung von Zuständen, wie sie vor dem Weltkriege vorlagen, verhältnismäßig leichter zu erzielen, da man sich ohnehin gewöhnt hatte, in allen wichtigen Angelegenheiten das Material an Ort und Stelle zu prüfen; auch in diesem Falle wäre es gelungen, im Laufe einer gewissen Zeit genügend Beobachtungen zu sammeln. Heute ist diese bequeme Arbeitsweise leider so gut wie unmöglich, und das führt zu einem weiteren Fehler unserer Materialbearbeitung: geblendet von den günstigen Verhältnissen, die das Reisen so leicht machten, unterließ man die so wichtige Inventarisationsarbeit der älteren Generationen, die allerdings in gewissem Sinne entsagungsvoll ist, weil sie auf die endgültige Aufklärung verzichten muß, dafür aber wenigstens die Reste für die Wissenschaft rettet, bevor sie möglicherweise der Unkultur oder auch der fortschreitenden Kultur zum Opfer fallen. Solche wissenschaftliche Expeditionen sind nur noch in Syrien fortgesetzt worden, während sie auf griechischem Kulturgebiet mit den österreichischen Unternehmungen im südlichen Kleinasien leider ein Ende gefunden haben, sehr zum Schaden für die Wissenschaft, denn ein jeder weiß, wie unentbehrlich die dort gewonnenen Resultate für jede Untersuchung geworden sind. Es wäre für die Altertumswissenschaft nur zu wünschen, daß neben der Detailuntersuchung die allgemeine Forschung wieder zu ihrem Recht käme. Eine weitere Einschränkung für unser Thema ergibt sich aus dem Dargelegten von selbst. Liegt schon eine Entwickelung der frühgriechischen Städteanlagen außerhalb des Rahmens der Untersuchung, so hat •es erst recht keinen Zweck, bei den entsprechenden Erscheinungen der
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kretisch-mykenischen Periode zu verweilen. Hier verfügen wir dank des Interesses, welches diese Zeit seit über 30 Jahren hervorruft, über zahlreichere Angaben, auch sind auf diesem Gebiet sehr beachtenswerte Arbeiten geleistet worden, aber auf eine Gefahr wäre doch hinzuweisen. Die Mehrzahl der Publikationen dieser Reste — das gilt insbesondere von den kretischen Funden — trägt einen vorläufigen Charakter. In annalistischer Reihenfolge erscheinen Berichte in den wissenschaftlichen Zeitschriften, jeder Jahrgang bringt neuere, vervollständigte Grundrisse und neue Gesichtspunkte; was aber bisher stark vernachlässigt wird, ist eine eingehende Beschreibung des technische Charakters dieser Bauten. Dazu gehören: die Art des Stein Verbandes, die Abmessungen der Steine, die Bearbeitung ihrer Oberflächen, der Stoß- und Lagerfugen, die zur Herrichtung und zum Bau verwendeten Instrumente, die Beschaffenheit des Pflasters, der verschiedenen Arten von Estrich, des Wandputzes, des keramischen Baumaterials, das Hilfsmaterial, wie Bruchstein, Lehm, Kalk und Luftziegel und die Verwendung aller dieser Materialien zu Stadt-, Haus- und Stützmauern in den verschiedenen Perioden. Wo nicht besondere Umstände einen gelegentlichen Hinweis auf diese oder jene Einzelheit notwendig machen, bleiben wir auf sehr allgemein gehaltene und unbestimmte Beschreibungen und auf Grundrisse in sehr kleinem Maßstabe angewiesen, die nur die Mauerkonturen verzeichnen. Gegenüber der genauen Beobachtung der Kunsterzeugnisse ist diese Gruppe der Beobachtungen stark zurückgeblieben, und wir laufen Gefahr, uns auf diese Weise eines wichtigen Hilfsmittels zu begeben, um Gleiches zusammenzuordnen und Verschiedenartiges zu trennen. Die Resultate sind trotzdem noch besser zu übersehen, weil sie einheitlich und mit modernem Rüstzeug gewonnen worden sind. Allein die vormykenische und die kretisch-mykenische Kultur führen nicht in ununterbrochenem Fluß bis in die historisch hellere Zeit: mehrere Jahrhunderte enthalten uns ihre Denkmäler vor und wenn, beispielsweise, das troisch-mykenische Megaron in späterer Zeit in Gestalt des Tempels und des Oikos wiederkehrt, so sind wir zwar berechtigt, in ihnen die gleichen Elemente zu erkennen, doch wir können nicht sagen, daß wir die Entwickelungsreihe vor uns haben. Damit aber ist bereits der Boden für Irrtümer gegeben: nur wer fest an die notwendige Herleitung jeder einzelnen Erscheinungsform von einem älteren ähnlichen Vorbild glaubt und die Möglichkeit der selbständigen Entstehung von ähnlichen Formen aus verwandten Vorbedingungen bestreitet, wird sich in diesen Verhältnissen befriedigt oder sicher fühlen dürfen; wer sich aber scheut, Fakta und Konjekturen als gleichwertig zu behandeln, wird hier die Wahrscheinlichkeit von der Wirklichkeit
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Vorwort.
scharf trennen müssen. In unserm Falle müssen wir von einer Erörterung dieser ganzen Periode und von ihrer Überleitung zum griechischen Städtebau, so sehr sie im allgemeinen eine Bearbeitung verdiente, schon deshalb absehen, weil wir in der älteren Periode der griechischen Zeit ohnedies auf unsicherem Boden stehen. Wir werden bei unserer Betrachtung von der Form der griechischen Stadt ausgehen müssen, wie sie als Ergebnis der Entwicklung im Laufe des VI. Jahrhunderts zur Zeit der Perserkriege vorlag, und nur in vereinzelten Fällen auf eine weiter zurückliegende Entwickelung eingehen, wenn das zum Verständnis der Gestaltung der Anlagen in den späteren Jahrhunderten notwendig wird. Auch die allgemeinen Fragen, welche Eigenschaften für die Wahl der Plätze, an denen Städte angelegt wurden, bestimmend sind, wie z. B. strategische und handelspolitische Vorzüge, sollen hier nicht grundsätzlich erörtert werden, da wir es mit den Grundzügen der Anlagen von Städten zu tun haben, die in jedem Falle Anwendung finden, d. h. den jeweiligen besonderen Umständen immer wieder angepaßt werden und für alle Städte typisch sind. Wir werden uns die Frage vorzulegen haben, wie der regelmäßige griechische Stadtplan entstanden ist und wie er zur allgemeinen Verbreitung gelangte, insbesondere welche Rolle dabei dem Hippodamos von Milet zukommt, ferner in welchem Maße dieser Typus den theoretischen Anforderungen der antiken Wissenschaft in seiner Grundform und in seinen späteren Stadien entspricht. Schließlich müssen wir versuchen, in der Einheitsstadt der Spätzeit die Züge auszusondern, die, obzwar gleichfalls von regelmäßigem Charakter und allgemein verbreitet, ihren Ursprung nicht im hellenistischen Stadtplan haben,, sondern als neue Gedanken, die von auswärts hereingetragen sind, betrachtet werden müssen, um so zu einer Klarheit über griechische Grundprinzipien und römische Elemente zu gelangen, deren Verbindung auch auf ändern Gebieten das Wesen der spätrömischen Universalkultur bildet. Gerade hierin wird noch oft gefehlt, aber eine reinliche Scheidung dürfte bei Stadtanlagen leichter möglich sein als in dem reinen Kunstschaffen, weil die römische Kultur hier nicht nur als der empfangende Teil erscheint, sondern der griechischen Selbständiges entgegenzusetzen vermag. Ich ergreife an dieser Stelle mit Freude die Gelegenheit, um dem Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. E. Pernice für sein immerwährendes reges Interesse, mit dem er die Ausarbeitung meiner Untersuchung verfolgt hat, und für manchen trefflichen Hinweis und Ratschlag meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Greifswald, im Juli 1922.
Armin von Gerkan.
Kapitel I. Die Stadt vor dem V. Jahrhundert. 1. Die Entstehung. Wenn wir von den Neugr ndungen in historischer Zeit, wie die J ngern Kolonien, die neuangelegten Bundesst dte (Messene, Megalopolis, Mantineia u. a.) und die zahlreichen Sch pfungen aus der Zeit der Hellenisierung des Ostens seit Alexander d. Gr. absehen, so gibt es wohl keine noch so kleine griechische Stadt, deren Entstehung nicht an eine Gr ndungssage gekn pft ist und dadurch auf den Willensakt einer mythischen oder g ttlichen Person zur ckgef hrt wird. Solche Legendenbildungen, die dem gr eren Ruhme der Heimatsgemeinde dienen und die Gr ndung gewisserma en legitimieren sollten, sind allgemein recht jungen Ursprunges, und die j ngsten von ihnen, die Gr ndungssagen der olischen, jonischen und dorischen Bundesst dte Kleinasiens, konnten nicht mehr an den lteren Mythenkreis ankn pfen, sondern mu ten sich mit den Nachkommen der homerischen Heroen und mit halbhistorischen Geschlechtern begn gen. Doch ist ein geschichtlicher Kern in den Legenden zu erkennen, um so deutlicher, je j nger die Traditionen sind; und besonders die letztgenannten F lle d rften im Grunde genommen nichts anderes, als eine rationalistische, ins Pers nliche umgesetzte und allerdings vielfach tendenzi s ausgeschm ckte Darstellung des eigentlichen geschichtlichen Vorganges sein. Im Altertum lie man es in der Regel dabei bewenden, die ernsthafte Forschung scheute sich aber keineswegs, sich dar ber hinwegzusetzen, z. B., als Thukydides es versuchte, im i. Buch 5 f. die Entwickelung des staatlichen Lebens in Griechenland zu skizzieren. Er kam zu dem Schlu , da die Griechen urspr nglich in unbefestigten St dten, bezw. D rfern gelebt h tten (I, 5, 3: και μέχρι τούδε πολλά της Ελλάδος τω παλαιψ τρόπψ νέμεται περί τε Λόκρους τους ΌΕόλας και Αιτωλούς και Άκαρνανας και την ταύτη ήπειρον), und lie die griechischen Staaten durch den Zusammenschlu von benachbarten und stammesverwandten Dorfgemeinschaften entstehen, was in der Praxis allerdings oft genug auf Kosten anderer lterer oder benachbarter Bev lkerungsschichten geschah, welche auf den Stand von T. G e r k a n , Griech. St dteanlagen.
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Kapitel I.
Die Stadt vor dem V. Jahrhundert.
Unfreien oder doch nicht vollberechtigten B rgern herabgedr ckt werden. Sein sachlicher Entwicklungsgang hat sich in der Geschichtsforschung bew hrt, und es wird heute allgemein angenommen, da die Staatenbildung ausnahmslos auf dem Wege des Synoikismos geschah, wie auch noch in historischer Zeit mehrfach in Arkadien und Elis x ). Die Polis. Damit ist allerdings die Entstehung des griechischen Staates hergeleitet, nicht aber die der Stadt. Die ττόλις ist zwar im Altertum die synonyme Bezeichnung f r beide Begriffe, welche sich in der Zeit des entwickelten politischen Lebens in der weitaus berwiegenden Mehrzahl der F lle auch deckten, aber es gab immerhin Ausnahmen, sei es, da politisch zur ckgebliebene Gebiete noch nicht bis zum st dtischen Leben vorgedrungen waren oder andere grunds tzlich an der d rflichen Lebensweise festhielten, wie Sparta (Thuk. I, 10,2: ομιυς δε, ούτε Ηυνοικισθείσης (της) πόλεως ούτε ίεροΐς και κατασκευαΐς πολυτελέσι χρησαμένης, κατά κώμας δε τα» παλαιψ της 'Ελλάδος τρόπψ οίκισθείσης, φαίνοιτ' αν υποδεεστέρα), obwohl Lakonien bereits eine gro e Zahl von Perikenst dte besa . Es w re daher nicht richtig, sondern vielmehr eine Verwechselung der beiden dem Begriff πόλις innewohnenden Bedeutungen, wenn wir annehmen wollten, da der Synoikismos gleichzeitig die Gr ndung einer st dtischen Siedelung bedeutete. Dies war allerdings in der Regel, aber schwerlich als unmittelbare Folge, der Fall. H. Francotte z ) unterscheidet daher bei den verschiedenen M glichkeiten des Synoikismos noch weitere Formen in bezug auf die vorhandenen oder neu entstehenden St dte: es konnten vorher St dte bestanden haben, die nun weiterexistieren oder z. T. verschwinden, w hrend eine zur Hauptstadt wird; es konnte auch eine neue Stadt gegr ndet werden, entweder als erste, oder ltere St dte k nnen in der neuen Hauptstadt aufgehen oder weiterbestehen, schlie lich aber kann eine Stadtgr ndung zun chst berhaupt unterbleiben, wie in Sparta. Der Synoikismos ist mithin lediglich die Grundlage, auf der eine Stadt im Sinne der πόλις, als Verk rperung der autonomen Gemeinde, entstehen konnte, er konnte aber auch die Veranlassung bilden, da ltere St dte ihres Charakters als πόλεις entkleidet wurden, jedoch ohne da sie in jedem Falle aufh rten, st dtische Siedelungen zu bleiben — so z. B. alle arkadischen St dte, die sich zu dem Gemeinwesen von Megalopolis zusammenschl ssen. Ist die πόλις darum nicht die einzige Form, in der eine st dtische Siedelung Ausdruck finden konnte, so brauchte sie andrerseits als Zentrum des staatlichen Lebens nicht immer von vorneherein einen st dti') Vgl. dazu: E. Kornemann, Polis und Urbs, in Klio V 1905, 72 f.; derselbe, Stadtstaat und Fl chenstaat, in Neue Jahrb cher XXI1908, 235 f.; H. Francotte, La polis grecque, io6f.
') a. a. 0. 107 f.
i. Die Entstehung.
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sehen Charakter zu tragen. Die homerische ist ja lediglich Herrensitz, im Gegensatz zur Wohnstadt , und wenn bei einem Synoikismos eine der in der Landschaft zum Vorort wird, wie in Attika Athen (Thuk. II, 15), so folgt daraus fürs erste nur, wie E. Kornemann 1 ) mit Recht betont, daß die Verwaltung des Gebietes zentralisiert wurde: Athen ist dadurch für ganz Attika zur geworden, ohne daß damit eine Zusammensiedelung eines Teiles der Bevölkerung verbunden gewesen zu sein brauchte. Davon ist nichts überliefert, und die geschichtlichen Tatsachen lassen nichts davon erkennen, daß Athen jemals eine solche Zentralisation anstrebte. Im Gegenteil, Peisistratos war bemüht, die Landbevölkerung von der Stadt fernzuhalten, und die kleisthenische Phylen- und Demenreform bedeutet eine bewußte Dezentralisierung. Dagegen bestand eine Verpflichtung zum Zusammenwohnen in Sparta, und doch wohnte man gerade dort . Der Verwaltungssitz eines griechischen Staates war in jedem Falle ein sehr geeigneter Ort, an dem städtisches Leben entstehen konnte, und das ist denn auch überall eingetreten, wenn auch vielfach nur ganz allmählich. Wir brauchen daher in keiner Weise die städtische Siedelungsform als Funktion der staatlichen Entwickelung zu betrachten. C. Schuchhardt 2 ) hat für Griechenland einen ähnlichen Verlauf Die städtische der Städtebildung vermutet, wie er sie für Deutschland im frühesten Siedelung. Mittelalter feststellt: den Weg von der Fluchtburg zum dauernd bewohnten Herrensitz, um welchen dann eine bleibende Ansiedlung entsteht. Für die kretisch-mykenische Periode ist ihm D. Fimmen 3) mit guten Gründen entgegengetreten, da ursprünglich unbewohnte Fluchtburgen in dieser Zeit nicht nachzuweisen sind, wohl aber bereits Städte: offene auf Kreta, wie Palaeokastro, Gurnia und Pseira, befestigte außerhalb Kretas, wie Dimini und Sesklo in Thessalien, Chalandriani auf Syros, H. Andreas auf Siphnos und vor allem Phylakopi auf Melos, der einzige Ort dieser Gruppe von wirklich städtischem Charakter, mit Straßen und enger Bebauung 4); als weiteres Beispiel kommt dazu die spätmykenische Ansiedelung von Milet, die gleichfalls Reste von Befestigungen besitzt. — So gering trotz allem die Entwicklung der städtischen Wohnweise in vorhistorischer Zeit und ihre Bedeutung für die spätere war, so gab es doch allenthalben befestigte Herrschersitze, die zum großen Teil bewohnt blieben, und Schuchhardts Hypothese kann für das griechische Mittelalter nur in ihrem zweiten Teil Geltung haben, d. h. für die Bildung von städtischen Zentren im Anschluß an ') *) 3) *)
Klio V, 77; Neue Jahrb. 1908, 235. Neue Jahrbücher 1908, 312 f. D. Fimmen, Die kretisch-mykenische Kultur, 1921, 36 f. Die Literatur bei Fimmen, a. a. 0.
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Kapitel I.
Die Stadt vor dem V. Jahrhundert.
bereits bestehende Burgen. In jedem Fall aber werden wir, mangels einer älteren entwickelten Städtekultur, voraussetzen müssen, daß diese Bildung selbständig erfolgte, ohne daß sie ältere bereits vorhandene Städte weiter fortsetzte. Hier liegen mehrere Möglichkeiten vor, die sich in zwei größere Gruppen scheiden lassen: eine allmähliche Entstehung von Städtesiedlungen dank günstigen natürlichen Bedingungen und eine solche, die auf einen staatsrechtlichen Akt zurückzuführen ist. Beides muß vorgekommen sein, es fragt sich nur, ob die jedesmal erzeugten Siedelungsformen notwendig wesentliche Unterschiede aufweisen mußten. Allmähliche Zur ersten Gruppe gehören einmal alle Städte, welche durch Entwicklung, natürliches Wachstum aus Dorfsiedelungen entstanden sind, ohne daß an diesen Stellen mykenische Wohnstätten nachzuweisen wären. Sie dürften hauptsächlich im Westen von Mittelgriechenland, in Epirus, Arkadien, Elis und Achaia zu suchen sein, wo die Vororte der Gaue sich in verhältnismäßig später Zeit zu Städten entwickelten; ihre Zahl kann aber jederzeit durch die Aufdeckung mykenischer Reste an den Orten eingeschränkt werden. Ferner gehören dazu die Städte, die jedenfalls die große Masse in Griechenland bilden: solche, die eine Fortsetzung mykenischer Ansiedelungen darstellen. Auch hier werden wir eine allmähliche Entwicklung voraussetzen müssen, da eine ausgebildete Städtekultur in mykenischer Zeit auf dem griechischen Festlande nicht festzustellen ist; waren aber die Kulturzentren, welche das griechische Mittelalter vorfand, Herrensitze, vielleicht mit angeschlossenen dörflichen Siedelungen, so konnten sie allerdings als Kristallisationspunkte dienen, weil sie eine günstige Lage hatten und befestigt waren, und weil jedenfalls eine Reihe von weiteren günstigen Bedingungen künstlich geschaffen war, wie Verkehrswege, Wasserversorgung, Gebäudeanlagen. Es fehlten freilich durchgehende Hafenanlagen, aber die griechische Frühzeit hatte danach ebenfalls noch kein Bedürfnis. Beispiele sind sowohl die Hauptstädte Griechenlands, wie Athen, Megara, Argos, Korinth, Theben und Sparta, als auch mittlere und unbedeutende Orte, die später ihre selbständige Bedeutung einbüßten (z. B. in Attika Eleusis, Thorikos, Brauron). Grandungen. In die zweite Gruppe fallen alle die Anlagen, die einem vorher empfundenen Bedürfnis genügen sollten und den Willensakt eines Gründers, einer Gruppe von Gründern oder eines Staatswesens zur Voraussetzung haben. Auch hier müssen wir zwei Fälle unterscheiden. Es konnte sich um einen durch Synoikismos entstehenden oder schon entstandenen Staat handeln, für den ein Vorort erforderlich war: dabei wird in der Regel die Wahl auf eine bereits in Rahmen der ersten Gruppe entstandene und günstig belegene Ortschaft gefallen sein, die sich nun
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besonders rasch entwickeln konnte. Dazu gehören wiederum Athen, wohl auch Sparta, und aus jüngerer Zeit Heraia, Tegea, Elis u. a. Wir pflichten hier Kornemann bei, daß der Synoikismos nicht eine Zusammensiedelung, sondern allein eine Zusammenlegung der Verwaltungen an einen Ort bedeutete, so daß auch hier der Vorort zunächst keinen wesentlichen Bevölkerungszuwachs empfing. Francotte r ) unterscheidet zwar eine jüngere Form des Synoikismos, die mit einer faktischen Vereinigung eines Teiles der Bevölkerung in einer Stadt verbunden war. Wir werden das damit erklären können, daß die späten Vereinigungen gerade die Rückständigkeit des bisherigen Zustandes beseitigen sollten —· dazu gehörte als wesentliches Moment die Schaffung einer bedeutenden und wohleingerichteten Stadt, wie sie ältere griechische Staaten schon lange besaßen —, und hinzufügen, daß diese Gründungen, vielleicht um den teilnehmenden Gruppen keinen Anlaß zu Eifersucht zu geben, vielfach auf neutralem, bisher unbewohntem Gebiete erfolgte (Mantineia, Megalopolis, Rhodos, Kos). Der andere Fall betrifft die Schaffung von Staatengebilden im Auslande, die Kolonisation im weiteren Sinne. Die Altkolonien, wie man die erste Besiedelung der Inseln und des kleinasiatischen Festlandes bezeichnen möchte, haben ihren Ursprung in den politischen Wirren der Wanderungszeit,· die verworrene und sagenhafte Tradition läßt erkennen, daß es sich dabei um die Auswanderung heterogener Bevölkerungsgruppen handelte, welche sich eine neue Heimat suchten: alle Städte enthalten verschiedene Elemente, die sich in räumlich und zeitlich getrennten Etappen ansiedelten, und ihr Zusammenschluß zu Städten, wie Milet, Ephesos und Kolophon, erfolgte allmählich, auch nicht ohne blutige Kämpfe. Wir finden auch hier noch keine planmäßigen Städtegründungen, denn die Auswanderer suchten nach denselben Lebensbedingungen, wie die Heimat sie ihnen geboten hatte, und es wird mehr als ein Jahrhundert gedauert haben, bis aus den Ackerdörfern Städte emporwuchsen. Ein gänzlich anderes Gesicht zeigt die im VIII. Jahrhundert einsetzende eigentliche Kolonisation: hier wanderten nicht mehr ganze Volksstämme aus, sondern es wurden Stadtstaaten gegründet, die im Auslande den griechischen Bevölkerungsüberschuß aufnehmen sollten und gleichzeitig den Handelsinteressen dienten. An einer Planmäßigkeit ist nicht mehr zu zweifeln; wenn nun wiederum besonders die jonischen Städte und unter ihnen vorzugsweise Milet in rascher Folge zahlreiche Kolonien aussenden, so kann dabei nicht allein die Übervölkerung der J
) a. a. O. no f.; dazu lonien: Herod. I, 170; Athen: Thuk. II, 15; Elis: Diod. XI, 54; Rhodos: Diod. XIII, 75, Strabo XIV, 655.
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Metropolen die Ursache gewesen sein, sondern diese müssen die Leitung des Unternehmens in die Hand genommen haben und, ähnlich wie in Deutschland Hamburg und Bremen, den Auswanderern die Ansiede« lungsmöglichkeit vermittelt haben, entweder unmittelbar, oder auf dem Wege einer vorhergehenden Einwanderung in die Mutterstadt. Die Folgen einer systematischen Kolonisationstätigkeit für die Gestaltung einer Stadt werden später zu untersuchen sein; hier müssen wir aber darauf hinweisen, daß gerade die Häufung von Gründungen bei einzelnen Metropolen es unmöglich machte, die Kolonien von Anbeginn als fertige, durchgebildete Städte anzulegen. Die Bevölkerung einer auch nur kleinen Stadt muß mit Weibern und Kindern etwa 2—3000 Seelen umfaßt haben, und daß derartige Massen mit einem Mal an irgendeinen Platz geschafft wurden, um sich dort anzubauen, ist undenkbar. Es müssen an günstig gelegenen Punkten zunächst Siedelungen angelegt worden sein, etwa eine Burg, um den Ort zu sichern, dann Heiligtümer, Markt und Hafen, worauf dann erst die weitere Besiedelung erfolgte, freilich rascher, als sonst auf dem Festlande. Daß man nicht von Anbeginn an geschlossene Städte dachte, zeigt schon der Umstand, daß mehrmals große Heiligtümer außerhalb der Stadt lagen (Syrakus, Selinunt), aber doch so nahe, daß man sie als städtische bezeichnen muß. Auch dürfen wir bei der Gründung noch keinen Mauerring um die anfangs noch völlig unbestimmbare Stadt erwarten, um so weniger, als auch die Metropolen in Kleinasien ihre Befestigungen meist erst im VI. Jahrhundert errichteten (Herod. I, 141, 163). Natürliches Wenn wir hier von den jüngeren Synoikismen und KoloniegrünWachstum. düngen absehen, die uns später zu beschäftigen haben werden, so sehen wir, daß bis ins VI. Jahrhundert die Entstehung aller Städte lediglich durch Verwaltungsmaßregeln gefördert wird, nicht aber durch eigens dazu ins Werk gesetzte Massenbewegungen. Die Bevölkerung wuchs vielmehr allmählich in ungezwungener Weise, langsamer im Mutterlande, rascher in den neu erschlossenen Gebieten, wo sie durch Auswanderung Zuzug erhielt. Eine in dieser Art wachsende Stadt kann aber keine planmäßige Anlage darstellen. Man müßte den Griechen der Zeit vor den Perserkriegen eine reichlich moderne Denkweise zuschreiben, wenn man annehmen wollte, daß sie das Wachstum einer Stadt, das wir auch heute nur mit Hilfe von umfangreichem statistischen Vergleichsmaterial ungefähr vorauszuberechnen vermögen, damals schon in bestimmte Bahnen gelenkt hätten und infolgedessen Stadtteile angelegt, alle die winkligen Straßenzüge abgesteckt und den einzelnen Bürgern ihren Bauplatz angewiesen hätten. Vielmehr können die archaischen Stadtanlagen nur ganz zufällig entstanden sein, wenn auch nicht ohne gelegentliches Eingreifen der Verwaltung. Dieses hat
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aber nur einen vorbeugenden Charakter getragen, indem es die Bebauung gewisser Geländestrecken in der Nähe von Heiligtümern, Befestigungen, Brunnen und Quellenanlagen, sowie von Straßengebiet verbot und allenfalls noch einige Regeln für Mauerstärken, Gebäudehöhen und andere technische Normen aufstellte. Die Straßen behielten daher die zufällige Richtung, die sie vorher als Landstraßen, als Verbindungswege zwischen öfter besuchten Punkten oder als sonstige durch die Gewohnheit entstandene Pfade hatten. Auch die Heiligtümer entstanden nicht willkürlich an dafür vorgesehenen Stellen, sondern an durch die Tradition geheiligten Örtlichkeiten, wie Felsen, Haine, Quellen und Kreuzwege, welche sich in der Umgebung bewohnter Orte stets in großer Menge finden. Außerhalb der bewohnten Gebiete entstehen Nekropolen, und wir sehen in Athen, wie in Rom, daß sie bei der weiteren Ausdehnung von der Stadt verschluckt werden konnten, wenn sie nicht entfernt genug angelegt waren, und wenn der Stadt noch nicht durch einen äußeren Mauerring eine feste Grenze gezogen war.
2. Die Gliederung. Die Stadt besitzt nicht selten zwei Zentren, die in manchen Fällen Dje Burg als miteinander wetteifern konnten: die Burg und den Markt. Die Burg Mittelpunkt, können wir als das historische Zentrum bezeichnen, da sie den Punkt bildet, von welchem die Stadt ihren Ausgang nahm. Aber nur in den seltensten Fällen lag die Burg inmitten des späteren Stadtgebietes derart, daß sie für die Plangestaltung der Stadt störend war. So war es in Athen, auch in Theben, vielleicht in Tiryns und Mykenae, wo wir freilich die Gestalt der Unterstädte nicht kennen. Dagegen konnte sich in Assos die Stadt unbehindert an ihrem Südabhang ausbreiten, wenn auch die Stadtmauer den Hügel ringsum einschloß. Die natürliche Bodengestaltung bringt es mit sich, daß in den meisten Fällen die Burg am Rande der Stadt liegen mußte, entweder als Gipfel oder als vorgeschobener Hügel eines Gebirgszuges, an dessen Abhang oder abfallenden Rücken die Stadt selbst lag, oder aber die Burg lag auf einem isolierten Hügel irgendwo am Rande der Stadt (Argos, Sparta), am Meeresufer (Halikarnassos, Samos), schließlich auch in einer gewissen Entfernung von der Stadt (Korinth, Sikyon). Da diese Burgen, soweit ihr Erhaltungszustand eine Beurteilung zuläßt, in der mykenischen Zeit nicht Zufluchtsstätten für die Bevölkerung in der Stunde der Gefahr, sondern ständig bewohnte Herrschersitze waren, darunter sogar große Anlagen, wie die Kadmeia von Theben und Arne, so müssen wir die gleiche Bestimmung auch für die folgende Epoche voraussetzen, denn bauliche Veränderungen, die den Fassungsraum des befestigten Gebietes erweitern, liegen nicht
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vor. Es waren die festen Schlösser der griechischen Könige, sie enthielten außerdem einige der wichtigsten Heiligtümer und die Verteidigungswerke. Nicht anders sind die Bergkastelle des Peloponnes aufzufassen, die meist erst in dieser Zeit entstanden sind und ähnliche Größenabmessungen haben. Auch sie waren Fürsten- und Adelsburgen, die dank ihrer festen Lage ihren Inhabern nicht allein Schutz vor dem Feinde boten, sondern ebensosehr die Herrschaft über das eigene Gebiet sicherten, aber nicht, wie ihre Bebauung und der geringe Umfang lehrt, Fluchtburgen für die Landbevölkerung. Es ist recht bezeichnend, daß die arkadischen Akropolen häufig so ungünstig in den Gebirgen lagen, daß die spät einsetzende Entwicklung der städtischen Wohnweise sie in keiner Weise ausnutzen konnte, sondern sich ganz unabhängig geeignetere Orte für die Ansiedelung größerer Massen suchen mußte, die dann den gleichen Gaunamen trugen, während die Burg schon verlassen war und verfiel. Solcher alter Ortslagen nennt Pausanias eine große Anzahl, und sie sind auch von der modernen topographischen Forschung seit A, Blouet (Expedition de Moroe) bereits festgestellt worden, so daß sich ein näheres Eingehen erübrigen dürfte. Die Burgen dieser Zeit unterscheiden sich gemeinsam von den mykenischen dadurch, daß die Wohnbauten viel bescheidener sind, entsprechend der vereinfachten Lebensweise, dagegen tritt ein neues Element in den monumental ausgestalteten Heiligtümern in den Vordergrund, welche auch nach dem Verlassen der Burg weiterbestehen, sofern die zugehörige Gemeinde nicht ebenfalls zu existieren aufhört. Die Agora. Die Entstehung der städtischen Ansiedlung fällt in die Königszeit, als von einer autonomen Verwaltung der Gemeinde noch keine Rede sein konnte. Nicht anders, als im Mittelalter, knüpft die Siedelung an die Burg an, einesteils, um deren Schutz zu genießen, dann aber auch, weil schon die Burgen an den geeignetsten Wohnplätzen lagen, und weil die Hofhaltungen mehr, als das flache Land, dem Handwerk und Gewerbe Beschäftigung boten. Außer den Gewerbetreibenden wohnten auch die Familien des Hofgesindes außerhalb der Burg, die entfernteren Anverwandten des Herrscherhauses, für die der Platz im Palast nicht reichte, die Ackerbürger, soweit ihre Landstellen nicht zu weit entfernt lagen, und die gewerbsmäßigen Händler. Es leuchtet ein, daß dieser Bürgerstand sich nur allmählich bilden konnte, und daß die Stadt ebenso allmählich in immer weiter ausgreifenden konzentrischen Ringen anwuchs: sie entstand nach Zufall und Gelegenheit und entbehrte daher einer planmäßigen Anlage. Indessen mußte sie ein Zentrum in Gestalt des Marktplatzes von Anbeginn besessen haben, dessen Lage wir am besten unterhalb des Hauptzuganges der Burg in nicht allzu großer Entfernung suchen müssen. W. Judeich setzt nach Dörpfelds Vorschlag
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den Altmarkt von Athen *) westlich von der Akropolis an, und man kann das nicht bezweifeln, wenn man in dem benachbarten Brunnenhause die Enneakrunos des Peisistratos erkennt und nicht annimmt, daß das Dionysostheater von Anbeginn der ursprüngliche und einzige Ort der Aufführungen war. Ein öffentlicher Platz ist zu allen Zeiten und bei allen Völkern in jeder noch so kleinen Ansiedelung Erfordernis, so daß wir keine Veranlassung haben, in der griechischen Agora ein besonders planbildendes Element zu erblicken oder in ihr schon früh vornehmlich die Stätte der Volksversammlung zu vermuten. Weder die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, noch die etymologische Herleitung des Wortes von = versammeln. Denn ein Versammlungsplatz ist auch der gewöhnliche Dorfplatz, und Anlässe, dort zusammenzukommen, gibt es für die Bewohnerschaft unter allen Umständen: sei es zum Handel, zum Verkauf der landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Bauern, zur Feier von Festen, beim Heeresaufgebot, bei Bekanntgabe von Verfügungen der Regierung, oder auch nur aus bloßer Neugierde zur Besprechung von Tagesfragen, ein Moment, das im Süden von jeher eine sehr große Rolle gespielt hat. Dagegen ist die Bedeutung = Platz der Volksversammlung und dann Volksversammlung schlechthin sekundär, weil solche Versammlungen, sobald sie üblich geworden waren, natürlich auf demselben Marktplatz stattfanden, dann aber wegen ihrer hohen staatsrechtlichen Bedeutung dem Platz ein besonderes, auch kultlich betontes Gepräge verliehen. Daß Athen für die Ekklesia einen besondern Ort, die Pnyx, besaß, ist eine Ausnahme; später dienen auch oftmals die Theatergebäude diesem Zweck. Irgendeine regelmäßige Gestalt für die Agora vorauszusetzen, wäre unangebracht. Sie hing einzig vom Gelände ab, konnte in der Ebene daher sowohl quadratisch, wie rund sein; allein das sind Ausnahmefälle: ein ansteigendes Gelände oder eine Talfurche zwischen zwei Erhebungen schreibt eine längliche Form vor, wenn der Platz einigermaßen eben sein soll. Dazu kommt, daß der Platz beim Anwachsen der Stadt gelegentlich erweitert werden mußte und eine so abenteuerliche langgezogene Gestalt erhalten konnte, wie wir sie in Thera 2 ) kennengelernt haben. An der Agora erhielten die dem öffentlichen Verkehr und der Verwaltung dienenden Gebäude ihren geeigneten Ort, darunter auch die städtischen Heiligtümer, d. h. vornehmlich die jüngeren, soweit sie nicht an bestimmte Kultorte gebunden waren oder sich als Staatsund Geschlechterkulte des Herrscherhauses auf der Burg befanden. Solche Gebäude entstanden ebenfalls nacheinander, in der Nachbar') W. Judeich, Topographie von Athen, 58 f. ) F. Hiller von Gaertringen, Thera, Stadtplan.
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schaft des Marktes, am Platze selbst oder zuweilen sogar auf dem Platz, der auf diese Weise eine gro e Zahl von monumentalen Geb uden u/n sich herum vereinigen konnte und recht eigentlich zum Brennpunkt der Stadt wurde, selbst aber schwerlich an Einheitlichkeit und Monumentalit t gewonnen haben wird. Seitdem die St dte mit den Burgen an Bedeutung wetteifern konnten und mehr als diese den Staat zu repr sentieren begannen, bertrug sich auf sie der Begriff der πόλις, w hrend die Burg die speziellere Bezeichnung der ακρόπολις erhielt. Andererseits erhielt sich f r diese auch die traditionelle Bezeichnung πόλις, besonders in mtlichem Gebrauch, noch jahrhundertelang, was von den Schriftstellern mehrfach hervorgehoben und erkl rt wird (Thuk. II, 15; f r Theben Plut. Pelop. 78). Das Wort ακρόπολις deckt sich jedoch der Bedeutung nach nicht mit πόλις = Burg, sondern wird, z. B. von Pausanias, ganz allgemein f r den h chsten Teil der Stadtbefestigung gebraucht, unabh ngig davon, ob die Stelle einer fr heren Burg entsprach, oder nicht; ebenso allgemein erkl rt das Etym. magn. ακρόπολις -καρόπολίς τις ούσα, ή κεφαλή της πόλεως. Es ist das ohne Zweifel dadurch zu erkl ren, da unter der r mischen Verwaltung die Stadtbefestigungen in Griechenland ihre praktische Bedeutung verloren hatten, und da man daher nicht mehr imstande war, die Bedeutung der einzelnen Teile scharf voneinander zu scheiden. Dieser Sprachgebrauch ist auch in der modernen Literatur blich, und zwar nicht immer in gl cklicher Form: es ist schwerlich richtig, H henz ge, die aus strategischen Gr nden in den Lauf einer Stadtmauer einbezogen werden, als Akropolen zu bezeichnen, wie etwa den Kamm des Pion s dlich von Ephesos, die Berge stlich von Knidos, und an vielen anderen Orten, ebenso in Arkadien (Psophis), in Mittelgriechenland, besonders berzeugend aber auch in Aetolien und Akarnanien x ), deren St dte ihre Mauern ber alle benachbarten H hen auf ungeheuere Gebiete ausdehnen. Solchen hohen Punkten w rde in Athen nicht die Akropolis, sondern der Pnyxh gel entsprechen, und daher m ten wir in Halikarnassos und Samos nicht die H hen n rdlich von den St dten, sondern die am Ufer belegenen Stellen, jetzt dort von der Rhodiserburg und in Samos vom sog. Kastro des Logotheten eingenommen, mit Akropolis bezeichnen. Das Aufh ren Dazu kommt, da wir berhaupt nicht berechtigt sind, die Akroder Akiopo- polis als integrierenden Teil der griechischen Stadtbefestigung zu belen. trachten, seitdem die Ringmauern ganze St dte umschlossen. Bei Homer finden wir das Wort nur an zwei Stellen (Od. VIII 494 und 504) bei der Einbringung des h lzernen Pferdes in Troja erw hnt, F. Noack in Arch. Anz. 1915, 215 f.
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und ohne genötigt zu sein, den Boden der Textkritik zu betreten, dürfen wir auf Grund der Ausgrabungen sagen, daß in diesen Fällen die ummauerte Stadt selbst gemeint sein muß, die nach ihrer Ausdehnung ja nichts weiter als eine Königsburg war, während eine besondere Hochburg nicht bestanden hat. — Solange die Städte von Königen, Oligarchen oder Tyrannen beherrscht wurden, war eine Zwingburg gewiß am Platz; sie genügte aber auch vollständig, um den Herrschern gegen innere und äußere Feinde Schutz zu leisten, und eine Befestigung der Stadt selbst lag gar nicht unmittelbar in ihrem Interesse. Diesen Zustand können wir in aller Deutlichkeit in Athen selbst bis zum Ausgang des VI. Jahrhunderts beobachten: alle Kämpfe und Belagerungen der kylonischen, peisistratischen und noch der kleisthenischen Zeit spielen sich um die Akropolis ab, auch noch die Perserbelagerung 480 v. Chr., dann aber wird die Burg so gründlich entfestigt, daß in allen Kämpfen um die Stadt andere Hügel, wie Munichia und das Museion, als Garnisonorte dienen. Dieser Vorgang ist bedeutsam und kann in mehreren Fällen auch in ändern Städten belegt werden: die Selbstverwaltung der griechischen Stadtstaaten duldete keine Zwingburg in ihrem Gebiet, in der sich die Feinde ihrer Freiheit festsetzen konnten. Sehr bezeichnend ist in dieser Hinsicht die Befestigung von Eretria Eretria. (Abb. i) J ). Der größte Teil der Mauer ist normal, aus regelmäßigen Quadern in 2,60 m Stärke erbaut und bestand im Oberbau vermutlich aus Lehmziegelmauerwerk. Nur der nördlich hoch gelegene Teil, die Akropolis, ist massiv, aber polygonal gebaut und nur 2,10 m stark. Dieses abweichende, ohne Zweifel ältere Mauerwerk beginnt bei den Punkten A und B, aber von einer nach Süden gerichteten Verbindungsmauer zwischen beiden Punkten sind kaum Spuren vorhanden, wohl aber etwas höher eine späte Mörtelmauer, die vom Autor als römisch bezeichnet wird, in Wirklichkeit jedoch eher aus byzantinischer Zeit stammen dürfte, wie die meisten späten Befestigungen in Griechenland. J. Pickards Ausführungen .müssen wir unbedingt beistimmen (S. 119): ,,These indications first suggested the thought that, as in the case of Athens and of most Greek cities before the time of the Persian wars, the citadel of Eretria was first fortified; and only at a period considerably later was the city which had grown up on the plain thus protected. If this was so there must have been a wall across the south slope of the acropolis long before the present late „Roman wall" was thought of." Wir können ergänzend hinzufügen, daß diese Mauer A—B abgetragen werden mußte, als die Stadt ihren vollständigen Mauerring erhielt. Wie in Eretria, haben die meisten Akropolen im Gegensatz zur x
) J. Pickard, Papers of the Am. School of Athens VI 1890—97, 104 f.
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Mauer der Unterstadt, die in der Regel in horizontaler Schichtung erbaut ist, polygonales oder sonstwie unregelmäßigeres Mauerwerk. Das ermöglicht zwar nicht eine absolute Datierung, die Mauern brauchen nicht einmal besonders alt zu sein, wie die ätolisch-akarnanischen An" lagen lehren r ), welche noch Thukydides als kennt; z dort, wie auch in Knidos und Samos ) geht das unregelmäßige Mauerwerk sogar in das gleichmäßige über, welches für wichtige Stellen, wie Tore, Türme und Ecken, bevorzugt wird, aber im allgemeinen kann es doch als das ältere gelten, wenn z. B. Ausbesserungen in Quaderfügung vorgenommen worden sind. Ein solches Bild haben wir in Messene vor uns: die Ithome trug ehemals eine selbständige Burg, deren altertümliche Mauerreste stellenweise erhalten sind. Als jedoch die neue Stadtmauer des IV. Jahrhunderts über den Bergrücken geführt wurde, stellte man nur den östlichen Teil des Burgringes wieder her; an der Stadtseite erhielt die Akropolis keine Mauer, sie wurde also nicht zur Zitadelle. Auch dieser Umstand ist beachtenswert: wir dürfen keineswegs überall dort, wo Mauerreste erhalten sind, Mauern ergänzen, wenn diese Reste einer älteren Periode angehören, sondern müssen die Möglichkeit erwägen, daß es sich um nicht wieder aufgebaute Mauerzüge eines früheren Zustandes handeln kann. Und das wird wohl immer der Fall sein, wo wir es mit Akropolen zu tun haben; hier versagt aber in der Regel die Beobachtung, welche in erster Linie die Anschlußstellen den Stadtmauern an die Burg ins Auge zu fassen haben würde. Paiairos. Ein sehr lehrreiches Beispiel ist die Stadt Palairos in Akarnarien (Abb. 2) 3). Der ursprüngliche, fast noch kyklopische Mauerring wird nach dem Jahre 431 v. Chr. teilweise in vorzüglicher Polygonalfügung erneuert, nach Süden aber beträchtlich erweitert. In hellenistischer Zeit wird diese Erweiterung wieder aufgegeben, und erst jetzt wird die in der Zwischenzeit nicht mehr vorhandene ehemalige Südmauer des älteren Ringes in prächtigem Quadermauerwerk neu errichtet. Man hat also diesen Teil der Mauer seit 431 niedergelegt, zum mindesten aber verfallen lassen, weil eine Sonderbefestigung im Innern der Stadt überflüssig oder schädlich war. — Andere BeiÄhnlich steht es mit Aegae 4), einer immer unbedeutend gebliebenen spiele. Stadt: eine Akropolis hat die Stadt nicht besessen, aber die älteste, noch polygonale Mauer ist sowohl nach Nordosten, wie besonders nach Südwesten in hellenistischer Zeit erweitert worden, wobei die älteren Mauerzüge im Oberbau verschwanden und nur als Terrassenstützmauern *) *) 3) 4)
Noack a. a. 0. Eigene Beobachtungen des Verfassers. Noack a. a. 0. 221, Abb. 2—6. R. Bohn und C. Schuchhardt in Arch. Jahrb., Ergänzungsheft II. 1899.
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bestehen blieben. — Und ebenso liegen die Verhältnisse in Neandreia1), dessen älterer Mauerring bei der Erweiterung teilweise außerhalb der jüngeren liegt. Er ist bis auf geringe Reste niedergelegt worden, denn die vergrößerte Stadt nutzt den Hügel in gleicher Weise als Wohngebiet und nicht nur als Burg aus. Den Felskegel von Assos 2 ), der den archaischen Tempel trägt, hat ausgesprochenen Akropolencharakter, seine Befestigungen stammen jedoch aus byzantinischer Zeit, während die antiken Reste von altertümlicher Technik und sehr geringfügig sind, im Gegensatz zu den vorzüglich erhaltenen Stadtmauern. Das läßt nur den Schluß zu, daß die Burgmauer aus älterer Zeit stammt, jedoch abgetragen und in hellenistischer Zeit nicht wieder aufgebaut worden ist, so daß die byzantinische Burg von Grund aus neu gebaut werden mußte. In gleicher Weise kennen wir antike Mauerreste auf der Larissa von Argos unter der mittelalterlichen Befestigung nur an der südlichen und östlichen Seite, die im Zuge der späteren Stadtmauer lag 3), während sie an der Stadtseite fehlen oder so wenig erhalten sind, daß sie ohne Ausgrabungen nicht zu konstatieren sind: der Aspishügel aber ist zu niedrig, als daß er auch in späterer Zeit als Akropole gedient haben könnte. In einer Zeit, als die Stadt selbst noch nicht geschützt war, mag der Hügel eine zweite Burg vorgestellt haben, die einen selbständigen Mauerring besaß. Die Darlegung W. Vollgraffs 4) ist nicht klar und zweifellos nicht ganz zutreffend (Abb. 3). Von den Anschlußstellen der Stadtmauer an den Burgring ist nur die südwestliche erhalten (Y), aber während hier beide Mauerstücke, übrigens ohne Begründung, als gleichzeitig angegeben werden, ist es doch augenscheinlich, daß der angebaute sechseckige Turm nicht nur jünger, als die Burgmauer ist (a. a. O. S. 152), sondern auch älter als die Stadtmauer X sein muß: diese ist daher ohne Zweifel jünger, als der geschlossene Burgring, und die gleiche Signatur auf Tafel V ist irrtümlich. Dagegen ist die dreieckige Bastion Z, soweit die Abb. 2 ein Urteil gestattet, aus rechteckigen Quadern erbaut, vielleicht also erst hellenistisch, sie liegt aber auch außerhalb des Stadtmauerzuges. Die genannten Beispiele berechtigen uns bereits zur Folgerung, daß in der Zeit der städtischen Selbstverwaltung keine neuen Zitadellen innerhalb der Stadt angelegt und die vorhandenen geschleift wurden. Nicht, weil eine Mauer hier überflüssig war, ist die Teloneia von Priene längs des Südrandes nicht befestigt worden, sondern weil sie keine Burg bilden sollte, wenn auch infolge ihrer Abgelegenheit die Stadtmauer J
) *) 3) «)
R. Koldewey, Neandria 1891, 7 f. Stadtplan: Investigations of Assos I, 13. L. Roß, Erinnerungen aus Griechenland 1863, 207. Fouilles d'Argos, B. C. H. XXXI 1907, 139 f.; Taf. VI, VII.
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in ihrem Bereich eine ständige Besatzung mit einem Kommandanten erhielt *), und ebenso verhält es sich mit den Burgmauern von Ephesos, Samos, Halikarnassos, Knidos, Magnesia und zahlreichen anderen Städten. Darum sehen wir auch, daß man bei den Neugründungen des IV. Jahrhunderts, soweit sie in der Ebene lagen, wie Mantineia und Megalopolis, keinen Versuch machte, in den Mauerzug festere Bollwerke einzuschließen, obwohl sie in diesem Falle noch nötiger wären. Trotzdem läßt sich nicht bestreiten, daß es auch in späterer Zeit in den Städten besondere, durch Quermauern geschützte Teile gab, doch sind das nicht Partien, welche die Stadt überragen und sie bedrohen können, sondern hauptsächlich Hafenbefestigungen (die Eetioneia im Piraeus, das Hafenkastell von Oiniadai 2 ), das sog. Arsenal westlich vom Hafen von Halikarnassos s), wenn diese Anlagen ursprünglich sein sollten. Herakleia am In diesem Zusammenhang erfordert die Stadtmauer von HeraLatmos. kleia am Latmos (Abb. 4) eine eingehendere Betrachtung; sie ist dank den ausführlichen Aufnahmen von F. Krischen 4), mit großer Sicherheit durchführbar. Das Befestigungssystem der Stadt zeigt eine Reihe von Außenwerken und innerhalb des großen Stadtringes mehrere innere Mauerzüge, die nicht alle gleichzeitig bestanden haben können, wie denn auch die Linien 1 — 5 und 2—4 offenbar später abgetragen worden sind. Die Konstruktionsweise der verschiedenen Mauerstrecken ist durchaus gleich und gestattet es nicht, zeitliche Unterschiede zu erkennen, wir sind daher auf die Knotenpunkte der Mauerführung angewiesen. Hier weist Krischen überzeugend nach, daß die Anlage des Eckturmes bei i die äußere Linie 8—1—5 a^s die ältere erkennen läßt, er schließt daraus, daß die Linie 1—2 eine Einengung des Stadtgebietes bedeutet: man ließ die unzugänglicheren Teile 3—6—5 bestehen, vielleicht um einen bequemen Weg zu den oberen Sperrforts C und D zu behalten, errichtete die untere Zitadelle B und trug die obere Mauer bei dem neuerrichteten Eckturm 3 nur so weit ab, daß dieser Rundturm nicht benachteiligt wurde. In einer dritten Periode wurde dann die innere Linie der Zitadelle 2—4 niedergelegt 5). Diesen Anlagen voraus geht eine ältere Stadtlage im Bereich der Forts F und G, das Städtchen Latmos (Strabo XIV, 635) 6). Zeitlich verteilt Krischen 7) die Entwicklung ') Th. Wiegand und H. Schrader, Priene, 37. *) B. Powell, A. J. A. VIII1904, 161, Abb. 12. 3) C. T. Newton, Halicarnassus, Cnidus and Branchidae, Taf. I. 4) F. Krischen in Milet III, Heft 2. 5) a. a. O. 2 f. 6 ) a. a. O. 6 f. ') a. a. 0. 51 f. Die Gründe, welche mit J. Beloch, Gr. Gesch. III, 2, 504 f. für die Gleichsetzung dieser Stadt mit Pleistarcheia, gegenüber Herakleia am Salbakos, sprechen, können hier nicht erörtert werden.
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in der Weise, daß Pleistarchos den ausgedehnten Ring erbaut habe, daß vielleicht Demetrios Poliorketes das Festungsgebiet eingeschränkt habe, da er sich auf seine Flotte stützte, und daß in der folgenden Zeit der städtischen Autonomie die Zitadellenmauer beseitigt worden wäre. — Ich möchte, auch auf Grund eigener Beobachtungen, von dieser Auffassung etwas abweichen und gehe dabei von der Zitadelle B aus. Ihr Eckturm 4 ist, ähnlich wie Turm l, mit der Mauer 4—7 nicht in Einklang zu bringen, da er seine Verteidigungsfront nach Westen richtet und die Mauer hier angebaut ist; dasselbe gilt vom Turm 3 in bezug auf die Mauer 3—6, und in beiden Fällen ist der Turm älter: in seinem Obergeschoß muß beim Anbau der Mauer eine Tür auf den anschließenden Wehrgang angelegt worden sein. Bei 2 steht der Turm im Zuge der Zitadellenmauer, die geradlinig verläuft, und die Stadtmauer 1—2 stößt im spitzen Winkel an, ohne den Turm zu berühren. Die Zitadelle muß daher älter sein, als alle drei anschließenden Mauern. Ähnlich verhält es sich mit dem oberen Fort C: die Quermauer 5—6 hat drei nach Westen gerichtete Türme, die Mauer 3—6 schließt im rechten Winkel an die gerade Mauer 5—6 an, und 1 — 5 an das Untergeschoß des Turmes 5, während die Zitadellenmauern normal in sein Obergeschoß führen. Weniger klar liegen die Verhältnisse bei der Seeburg A, die gleichfalls gegen die Stadt eine Verteidigungsfront hat: bei 8 liegt ein Tor, welches den Anschluß verwischt, nur bei 7 scheint die Stadtmauer nachträglich gegen die Burgmauer gestoßen zu sein. Meine Resultate sind daher folgende: Pleistarchos wählte 301 v. Chr. die Stadt Latmos *) zur Hauptstadt seines karischen Reiches, er sicherte die Stadt durch die Forts E, F und G, befestigte sie vermutlich auch durch einen neuen Mauerring, aber da die Stadt in unübersichtlichem Gelände lag, war er gezwungen, auf den beherrschenden Höhen eine Reihe von Forts B, C, D, vielleicht noch weitere in nördlicher und östlicher Richtung, anzulegen. Möglicherweise gehört dazu auch schon die Seeburg A und die Befestigung der »Insel« H 2). Allem Anschein nach plante er, diese Einzelforts durch Mauerzüge zu verbinden, und dazu würden die beiden in den höchsten *) Einzig Steph. Byz. berichtet, daß die Stadt Herakleia hieß, aber noch für die Mitte des IV. Jahrb.. überliefert Polyaen. VIII, 54 den Namen Latmos. a ) Wenn auch die gegenwärtige Höhe des Seespiegels nicht m über dem Meere beträgt, wie K. Lyncker annimmt (Milet III, Heft 2, Legende zu Plan II; W. v. Mar6es, Milet III, Heft i, 15 f. spricht nur von 2,5—3 m), so ist eine Aufstauung von 2,5—3 m sicher, dazu käme noch eine seit dem Altertum eingetretene Überflutung von etwa i m (Milet I, Heft 6, 84). Diese 3,5—4 m Differenz schließen die Existenz eines Hafens bei H aus (Krischen, a. a. O. 3); der südlich verbindende Mauerzug hat zwei Schalen, war also keine Stützmauer am Kai, sondern wohl auch nur eine Verteidigungsmauer, welche, wie die nördliche, die Befestigung H mit dem Stadtring verband.
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Schluchten erhaltenen Mauerstücke zwischen C und D gehören; das höhere hat nach beiden Seiten eine Epalxis, das untere ist nicht vollendet, ebensowenig wie die Verbindung über die Bergrücken. Meine frühere Vermutung, daß auch die städtische Befestigung in diesen weiten Ring einbezogen werden sollte1), läßt sich aus diesem Grunde nicht erweisen. Diese Pleistarcheia genannte Stadt fiel 295 v. Chr. in die Hände des Demetrios, der sie Herakleia nannte, auf den strategisch günstigeren Bergrücken bei der Zitadelle B verlegte und nun den ausgedehnten Mauerring errichtete, der die Forts B und C mit der Seeburg A verband, die vielleicht erst jetzt entstand J ). Nach seiner kurzen Herrschaft, spätestens seit 285, war die Stadt autonom, sie gab den unverhältnismäßig großen Ring auf, da sie kein Söldnerheer zur Verfügung hatte, und beschränkte sich auf den tatsächlich bewohnten Teil und auf die Zitadelle B, deren Südmauer jedoch ebenso, wie die alte Ringmauer 1 — 5, abgerissen wurde. Die Seeburg scheint bestanden zu haben, da sie die Stadt nicht bedrohte, ebenso die Außenforts C, D, E, F, G und die Mauer 3—6 als Zugangsweg. Wir sehen also, und das liegt auch in der Natur der Dinge, daß Städte, die unter fremder Herrschaft standen, wieder verteidigungsfähige Burgen haben konnten. Solche Zitadellen für die Garnison konnten im Mauerringe liegen, wie es die Neuanlage der Stadt DemetriasS) zeigt, welche die Städte Jolkos und Pagasai ersetzen sollte. Man konnte aber auch auf die ältere Hochstadt zurückgreifen, die vorher unbewohnt war, und so sehen wir, daß Akrokorinth als Festung im hellenistischen Zeitalter eine große Rolle zu spielen beginnt und oft, im Gegensatz zur Wohnstadt, in fremder Gewalt ist, oder aber die ganze Stadt wird an die Stelle der früheren Hochstadt zurückverlegt, so z. B. Sikyon von demselben Demetrios im Jahre 303 v. Chr. Nach wie vor aber suchten die Städte die Gelegenheit, sich von diesen Zwingburgen zu befreien, und daher sind die Ansichten von E. Guillaume und A. de Rochas 4) nicht berechtigt, daß die ursprünglichen Akropolen immer als Zitadellen bestehen blieben, nachdem die Städte ihren äußeren Mauerring erhalten hatten. Die ÜberEs ist auch bedeutsam, daß in der poliorketischen Literatur bei aller lieferung. Ausführlichkeit der Beschreibung eine Akropolis als Bestandteil der Stadtbefestigung keine Rolle spielt. Aeneas der Taktiker erwähnt sie nur dreimal, davon ist eine Stelle (46) verderbt und fraglich, die andere (1329) enthält bloß eine historische Reminiszenz, und nur die dritte J
) dazu Krischen a. a. 0. S. 7. ») Doch ist Demetrios' Tätigkeit nicht gesichert, es wäre zu erwägen, ob die Anlage der Befestigung nicht auch mit Lysimachos in Verbindung gebracht werden könnte. 3) C. Fredrich in Ath. Mitt. XXX 1905, 22if., Taf. IX. 4) Daremberg-Saglio, Dictionnaire 11, 37 f., s. v. Acropolis; III 2, 2052, s. v. Munitio.
3. Die Befestigung.
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Stelle gibt einen interessanten Aufschlu (956): πρ[οτρ]έποι δ'αν το παρασκεύασμα τούτο περί τάς αναβάσεις και εν τυράννου άκροπόλει »diese Einrichtung (gemeint ist eine Erschwerung des inneren Treppenaufganges zum Wehrgang) ist auch f r die Akropolis eines Tyrannen von Nutzen«. Die Akropolis erscheint auch hier lediglich als- Element einer die Stadt beherrschenden Gewalt, und in gleichem Sinne ist die moralisierende Erkl rung bei Suidas (s. v. ακρόπολις) zu verstehen, der darunter allerdings eine Befestigung meint αύται γαρ δοκοΟσι μεν μεγάλα συμβάλλεσθαι προς άσφάλειαν των πόλεων, εν αΐς αν ώσι, και προς την της ελευθερίας φυλακήν' γίνονται δε και πολλάκις αϊτιαι δουλείας και κακών όμολογουμένιυν, ως φησι Πολύβιος. Von gro er Wichtigkeit ist das Zeugnis Pollux IX, 40: τα δε δημόσια ακρόπολις, ην και ακραν αν εΐποις και πόλιν, και τους εν αύτη θεούς ακραίους και πολιεΐς, και το κατόπιν της ακροπόλεως όπισθόδομον. τάχα δε την άκρόπολιν και βασίλειον αν τις εϊποι και τυραννεΐον: er kennt die Akropolis hier zwar als ehemalige K nigs- oder Tyrannenburg, nicht aber als Befestigungswerk, denn diese Teile einer Stadt erw hnt er kurz zuvor (IX, 35), ohne die Akropolis zu nennen, und verweist f r einzelnes auf den Abschnitt στρατιωτικά (I, l6of.), der sehr ausf hrlich ist, aber keine Erw hnung der Akropolis enth lt. Schlie lich best tigt Aristot. pol. VII I 33°b, 77 unsere Auffassung von den Befestigungswerken aufs klarste: περί δε τόπων των έρυμνών ου πάσαις ομοίως έχει το συμφέρον ταΐς πολιτείαις' οίον ακρόπολις όλιγαρχικόν και μοναρχικόν, δημοκρατικόν δ' όμαλότης, άριστοκρατικόν δε ούδέτερον, άλλα μάλλον ισχυροί τόποι πλείους.
3. Die Befestigung. Die Voraussetzung f r alle diese Ver nderungen, welche die Burg erfahren hat, ist das Vorhandensein einer Verteidigungsmauer um das ganze bewohnte Stadtgebiet. Eine Mauer aber verlangt, da die Entwicklung der Stadt schon einen gewissen Abschlu erreicht hat, d. h., da sie bereits vorher existiert hat und ihr Umfang sich in kurzen Zeitr umen nicht mehr wesentlich ver ndert, oder doch nur in den Grenzen bleibt, welche eine ebenfalls erst erworbene Erfahrung zu bersehen gestattet. In der Zeit, als man in Griechenland allm hlich zur st dtischen Wohnweise berging, fehlte die Erfahrung nat rlich vollkommen, und in den Kolonien wuchsen die Siedelungen aus kleinen Anf ngen durch st ndigen Zuzug. Es ist daher gar nicht denkbar, da die πόλεις, die zun chst ja nur die Zentralorgane des staatlichen Verbandes waren, von Anbeginn ummauert gewesen w ren. Daf r bot das Land auch keine Beispiele aus fr heren Kulturperioden, und die M glichkeit und Notwendigkeit einer Befestigung, welche nicht nur auf kleinen T. G e r k a n , Griecli. St dteanlagen.
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festen St tzpunkten basierte, mu te erst allm hlich zum Bewu tsein der B rger kommen. Kornemann hat diese Beziehungen erkannt und klar ausgesprochen, da die Mauer kein urspr nglicher Bestandteil der griechischen Stadt, sondern immer etwas Sekund res war J ), und wenn ihm H. Swoboda 2 ) widerspricht und die Stadt erst durch die gemeinschaftliche Ummauerung der Burg und des offenen άστυ entstehen l t, so verlegt er die Geburtsstunde der πόλις in eine viel zu sp te Zeit, als das Zusammenleben der B rger in st dtischer Weise, st dtischer Handel und Schiffahrt schon seit Jahrhunderten ausge bt wurden. Die Entsteber die Entstehungszeit der Stadtmauern sind wir durch Herod. I, hungderStad 1-141 unterrichtet: als die Verhandlungen mit Kyros nach der Eroberung mauern m den Lydiens zu keinem g nstigen Resultat f hrten, kehrten die jonischen Gesandten in ihre St dte zur ck, τείχεα be περιεβάλλοντο έκαστοι. In dieselbe Zeit, um die Mitte des VI. Jahrhunderts, entstand auch die Mauer von Phokaea (Herod. I, 163). Nat rlich folgt daraus nicht, da erst jetzt Stadtmauern entstehen konnten, vielmehr besagt Herodot, da erst jetzt die Ummauerungen allgemein angelegt wurden, und wir m ssen annehmen, da vereinzelte Stadtmauern schon fr her bestanden haben; den Anla zu ihrer Errichtung werden wir in den langen K mpfen der Griechenst dte mit den Lyderk nigen suchen d rfen. Freilich beweist der Bericht von einer Belagerung nicht immer, da die Stadt ummauert war, denn K mpfe hat es von jeher gegeben, und zur Verteidigung gen gten wie fr her, so vielleicht auch jetzt, die festen Burgen: wenn Herod. V, 26 mit der παλαιά πόλις, welche die Ephesier bei Gelegenheit der Belagerung durch Kroisos der Artemis weihten, indem sie von ihrer Mauer ein sieben Stadien langes Seil zum Tempel spannten, allein die Burg meinte, so w re das viel verst ndlicher, da wir annehmen m ssen, da die offene Stadt sich von dort bis zum Tempel erstreckte (Pausanias VII, 2,8), und Strabo XIV, 640 w rde keine eigentliche Verlegung der Stadt bezeugen, sondern nur ein von Kroisos verf gtes Aufgeben der Festung (ύστερον ί>' από της παρωρείου καταβάντες περί το νΟν ίερόν ώκησαν μέχρι Αλεξάνδρου). Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob die άνω πόλις nach 0. Benndorfa) auf dem Ayasolukh gel oder nach J. Keil 4) auf den Nordh ngen des Panajyrdagh gelegen hat. M glicherweise spielten sich auch die regelm igen Kriegsz ge der Lyderk nige gegen Milet, von denen Herod. II, l f. berichtet, nur vor einer umfangreicheren Burg ab, da es augenscheinlich nicht zu regelrechten Belagerungen kam, sondern nur zu periodischen Ver') Klio V, 78; Neue Jahrb cher 1908, 236. *) H. Swoboda, Gr. Staatsaltert mer 1913, 5 f. 3) Forschungen in Ephesos I, 23 f. 4) sterr. Jahreshefte XIX/XX j919, 96 f.
3. Die Befestigung.
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Wüstungen des Gebietes. Die Topographie des archaischen Milets ist noch lange nicht klargestellt, allein die Reste der archaischen Siedelung auf dem Kalabaktepe x ) bieten ein interessantes monumentales Zeugnis dafür, daß auch hier die Ummauerung nicht ursprünglich war: sie überbaut eine ganze Anzahl von Häusern aus spätgeometrischer Zeit, die z. T. sogar noch vor den Mauern liegen, und läßt erkennen, daß man es bei der Anlage der Befestigung noch nicht für ratsam hielt, mit der Mauer in die Ebene hinabzusteigen, sondern lieber auf einen Teil des Wohngebietes verzichtete. Sie bewahrt noch deutlich den Akropolencharakter, und wir können uns denken, daß im VII. und VI. Jahrhundert nur Bergstädte als verteidigungsfähig galten: daher siedelte Kroisos die Ephesier in der Ebene an; darum wurden Priene, Magnesia und Kolophon ohne Mühe genommen, während noch im V. —IV. Jahrhundert einfache Lehmziegelmauern in Griechenland dem Belagerer in der Regel große Schwierigkeiten bereiteten. Wir dürfen deshalb wohl eine allmähliche und vor allen Dingen bodenständige Entwicklung der Befestigungskunst in lonien annehmen, welche durch den Zwang hervorgerufen wurde, mit eigenen, an Zahl beschränkten Kräften den weit größeren Heeresmassen der Lyder, Kimmerier und Perser Widerstand leisten zu müssen, nicht aber eine Nachahmung vorher im Orient verbreiteter Beispiele. Weder die lydische Heeresverfassung, deren Stärke in der Reiterei lag, läßt vermuten, daß das Festungswesen in jenem Lande entwickelt war, noch die Schicksale der Hauptstadt Sardeis, deren Unterstadt offenbar gar nicht verteidigt wurde: sowohl die Kimmerier, wie die Joner besetzten sie ohne Mühe (Herod. I, 15, 100— ), während die Akropolis widerstand, und die Beschaffenheit der Häuser, die aus Schilf und Lehmziegel erbaut waren, verleiht der Stadt einen dorfähnlichen Charakter, der die Möglichkeit einer Umwallung infolge der dünnen Besiedlung, des großen Umfanges und der verhältnismäßigen Wertlosigkeit der Gebäude nicht eben wahrscheinlich macht. Auch die Belagerung durch Kyros (Herod. I, 80) dreht sich ausschließlich um die Einnahme der Burg. In der zweiten Hälfte des VI. Jahrhunderts werden Stadtmauern s.c.hon häufiger erwähnt, wenngleich sie noch in der Entwicklung begriffen sind. Thasos wird von Histiaios belagert, verstärkt die Mauer später, muß sie aber auf Dareios Befehl niederlegen (Herod. VI, 28, 46, 48). Auch die Mauer von Paros, die 489 von Miltiades belagert wurde (Herod. VI, l) muß in der Zeit vor den Perserkriegen erbaut worden sein. An sich läge auch kein Grund vor, an eine Ummauerung der Stadt Samos, Mauer Samos bereits in der Zeit des Tyrannen Polykrates zu zweifeln, nur und Hafen. ') Wiegand, VI. vorl. Bericht, Abh. Akad. Berlin 1908, Anh. i f.
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m ten wir darauf verzichten, in der erhaltenen Mauer irgend welche Reste dieser alten Befestigung wiedererkennen zu wollen: die vorhandenen polygonalen Strecken sehen durchaus nicht so altert mlich aus, haben die gleiche St rke, wie die isodome Mauer, f gen sich ohne jeden Zwang in ihre Richtung und sind in bedeutender H he erhalten, mit vorgesetzten Quadert rmen, so da sie unm glich einer noch primitiven Periode angeh ren k nnen, wie es die Zeit vor Polykrates notwendigerweise sein m te, sondern fr hestens dem V. Jahrhundert, wie hnliche Bauten in Akarnanien und Aetolien l ) t vermutlich sogar erst der Wiederherstellung nach der Zerst rung durch die Athener im Jahre 439 v. Chr. Denn die Mauer ist bereits mit voller Meisterschaft dem Gel nde angepa t und scheut keine Schwierigkeiten, wie die tiefe Schleife im Tal des Chesios, um dann wieder den strategisch wichtigen Kastellih gel zu umziehen (Abb. 5) 2 ). Eine derart k hne Anlage, die in der sp teren Zeit nicht einmal einer Korrektur bedurft h tte, w re f r das VI. Jahrhundert ein Anachronismus. Die bisher allgemein geteilte Ansicht geht z. T. schon auf L. Ro 3) zur ck, und beruht auf drei Voraussetzungen. Eine davon ist, da das Kastelli die alte Stadt Astypalaia*) w re und zugleich die Tyrannenburg 5), was durchaus willk rlich ist, denn auf dem H gel sind keinerlei Reste einer Bebauung oder archaische Scherbenfunde nachgewiesen, ebensowenig wie die von E. Fabricius angegebene s dliche Quermauer. Es scheint mir vielmehr unzweifelhaft, da beide Stellen auf dem Felsh gel am Hafen gelegen haben (vgl. oben S. 10), wo auch die Sitzfigur des Aiakes gefunden ist 6 ) und eine Reihe von Felskan len dem Gang entsprechen k nnen, durch welchen nach Herod. III, 146 der Tyrann Maiandrios seine Flucht bewerkstelligen konnte. Die zweite Voraussetzung glaubt in dem Felsgraben vor der Westmauer den von Herod. III, 39 erw hnten Graben zu erkennen, bersieht aber, da dieser von einem Graben spricht, der die ganze L nge der Mauer begleitete (οι την τάφρον περί το τείχος το εν Σάμψ πασαν δεδεμένοι ώρυΗαν), w hrend wir es hier mit einem kurzen St ck zu tun haben, welches die leicht angreifbare Mauer sichern sollte, der hier am Berghang ein nat rlicher Schutz fehlte. Den Wallgraben des Polykrates werden wir vor der Burgmauer im Tale des Chesios bis zum Hafen suchen m ssen. Ebensounbegr ndet ist die Voraussetzung, da der ber hmte Eupalinostunnel innerhalb der verteidigten Stadt m nden m sse: nichts zwingt uns dazu, ') ) 3) 4) 5) 6 ) a
F. Noack, a. a. O. E. Fabricius, Ath. Mitt. X 1885, 163 f. u. Taf. VII, dazu Arch. Anz. 1889, 39 f. L. Ro , Inselreisen II, 148. Themistagoras im Etym. magn. s. v. Polyaenus I, 23. L. Curtius in Ath. Mitt. XXXI 1906, 151.
3. Die Befestigung.
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dieser Anlage eine strategische Bedeutung beizumessen, da ja das Quellenhaus, eine lange Strecke der unterirdischen Leitung und die n rdliche M ndung des Tunnels stets ohne Schutz waren, und da auch die s dliche Fortsetzung der Leitung, soweit sie sich verfolgen l t, in gleicher Weise gesichert, d. h. unterirdisch angelegt ist. Mit der gegenw rtigen Stadtmauer l t sich auch der Bericht Herod. III, 54 ber die Belagerung durch die Lakedaemonier im Jahre 524 v. Chr. kaum vereinigen, wenn es hei t: προσβαλόντες δε προς το τείχος τοΟ μεν προς θαλασσή έστεώτος πύργου κατά το προάστειον της πόλεως έπέβησαν. L. B rchner τ ) vermutet hier einen Turm an der Stelle des sp tr mischen Baues »ta dondia«, aber dann m te noch westlich davon eine Vorstadt gelegen haben, die Stadt also noch ausgedehnter gewesen sein, als jemals sp ter. Das ist aber schon deshalb nicht m glich, weil das Gebiet hier bis zur »Glyphada« sumpfig und, soweit geeignet, von Nekropolen eingenommen ist. Der zweite Angriff erfolgt κατά δε τον επάνω πύργον τον επί της βάχιος τοΟ δρεος έπεόντα. Das w rde freilich gut zu einem Turm auf dem Kastelli passen, um aber nicht die oben genannten Unwahrscheinlichkeiten in den Kauf nehmen zu m ssen, k nnen wir ihn mit nicht minderem Recht an die h chste Stelle des Burgh gels, an seinem Westrande ber dem Tal des Chesios ansetzen, w hrend der erste Turm demnach an der entgegengesetzten Seite, in der Hafengegend zu suchen w re, denn die Seeseite einer Stadt ist in erster Linie die dem Hafen benachbarte. Das προάστειον w rde dementsprechend eine Ansiedlung am Nordrande des Hafens sein, welche die Lakedaemonier durchschreiten mu ten, um die Mauer anzugreifen. hnlich irrt mlich ist die Vorstellung, die man sich vom Hafen macht. Es trifft meines Wissens durchaus nicht zu, da die moderne S dmole von Tigani in ihrer ganzen Ausdehnung auf antiken Resten ruht. Die kurze Nordmole bildet genau die Fortsetzung der vom H gel herabsteigenden Stadtmauer und hat daher ohne Zweifel ihr Ende getragen: ihr entspricht aber allein der kurze nach Norden vorspringende Ansatz der S dmole, welcher, wenn ich recht gesehen habe, sich unter Wasser noch ein St ck weiter verfolgen l t, so da die Hafeneinfahrt im Altertum erheblich enger war. Auch diese Mole setzte die s dliche Stadtmauer fort, wie deutliche Felseinarbeitungen am Molenhals und weiter westlich erkennen lassen. Die Kombination von Molen und Stadtmauern ist typisch f r die ausgebildeten Hafenanlagen der klassischen und sp teren Zeit (Piraeus, Mytilene, besonders deutlich Knidos); wir m ssen daher diese Molen gleichzeitig mit den Stadtmauern von Samos 0 Pauly-Wissowa R.E. I, 2, 2189.
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und in Abhängigkeit von ihnen datieren, während die lange Südmole modern ist und von Karl Humann in seinen Jugendjahren begonnen wurde. Das Hafenbecken selbst war geräumiger, da die Reste einer byzantinischen, mit halbrunden Türmen bewehrten Mauer zwischen den Häusern des Dorfes etwa 150 m westlich vom Kai ungefähr den Uferrand der antiken Zeit bezeichnen *). Ein , wie er sich aus den Resten ergibt, ist in der Tyrannenzeit noch nicht zu erwarten, auch widerspricht der Text Herod. III, 60 durchaus der hergebrachten Auffassung, da nicht von einer ins Meer hinausgebauten Mole, sondern von einem ^ die Rede ist, dessen Gesamtlänge über 2 Stadien betrug. Das wäre demnach ein die Hafenbucht umfassender Uferdamm, welcher wir an die Nordostecke der Burgmauer ansetzen und um die Nordseite des Hafens, mit einer kurzen Mole an der Stelle der heutigen Nordmole, herumführen würden, und zwar so, daß er unmittelbar aus dem Wasser aufragte. Schon dieser Umstand, daß der Hafen keinen flachen Strand, sondern eine Art von Kai besaß, ist für Herodots Zeit durchaus ungewöhnlich; auf seine Tiefenangabe von 20 Klaftern ist nichts zu geben, da diese Stelle verderbt ist, seine Zahlen aber überhaupt oft übertrieben sind, wie auch hier, wo die Länge des Eupalinostunnels und die Höhe des Berges die wirklichen Maße etwa um die Hälfte übertreffen. Es wäre auch unbegreiflich, weshalb man eine Mole bis zur Tiefe von etwa 35m ins Meer gebaut hätte, obwohl die Schiffe höchstens l m Tiefgang hatten; da unter Wasser eine Schätzung nicht möglich ist, konnte Herodot die ihm mitgeteilten Maße nicht kontrollieren. Die RuckSind also Stadtmauern in den Koloniestädten, trotz ihrer exponierten st&ndigkeit Lage, verhältnismäßig spät entstanden, so lag im Mutterlande, wo den des Mutter- Gemeinden nur Kleinkriege drohten, erst recht kein Anlaß vor, früher landes. m j t fam Mauerbau zu beginnen 3). Als terminus post quern hat die Entwicklung der Demokratie im VI. Jahrhundert zu gelten und das damit verbundene Erwachen des Bürgersinnes: es galt nicht mehr, einen König oder einen herrschenden Stand zu schützen, die sich in einer Burg sicher fühlen konnten, sondern die Stadt in ihrer Gesamtheit, mit deren Fall auch der demokratische Staat seine Selbständigkeit einbüßen mußte. Trotz allem kennzeichnet nichts so gut die Rückständigkeit des Mutterlandes und die geringen Ausmaße der kriegerischen Unternehmungen, wie der Umstand, daß hier zunächst Lehmziegelmauern genügten und sich dann noch Jahrhunderte hindurch *) Dazu vgl. L. Roß, Inselreisen II, 152. ») Vgl. dazu H.Nissen, Pompejanische Studien, 583; Perrot u. Chipiez, Histoire de l'art. VIII, 6 f.; E. Meyer, Alte Geschichte II, 235 f.; H. Droysen, in Pauly-Wissowa, R.E. III, i. 186 und Heerwesen und Kriegsgeschichte, 234.
3- Die Befestigung.
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hielten, w hrend in Asien in griechischer Zeit Lehmziegelbauten berhaupt nicht nachzuweisen sind. Wir wissen von Sparta, da es mit dem ihm eigenen Konservativismus lange Zeit auf den Schutz durch Mauern verzichtete und nach Thuk. Ι, ίο τω παλαίω της Ελλάδος τρόπω in offener Siedelung lebte: die erst 471 v. Chr. gegr ndete Stadt Elis blieb unter der lteren Burg andauernd ατείχιστος (Xen. Hell. III, 2,27). Mit der Zeit folgten auch oligarchische St dte der neuen Richtung, um strategisch nicht zu sehr im Nachteil zu bleiben. Theben w rde eine der fr hesten nachweisbaren Stadtmauern besessen haben (Thuk. I, 90, 2; Herod. IX, 41, 58, 66, 86), wenn es richtig ist, da den Persern diese und nicht etwa nur die Befestigung der au erordentlich gro en Burg Kadmeia als St tzpunkt diente. Jedenfalls aber hat die Burgbefestigung immerfort bestanden, auch im IV. Jahrhundert, als die Stadt von Alexander d. Gr. erobert wurde, was wohl mit der berwiegend oligarchischen Regierung der Stadt zu erkl ren ist. Wenn die vielen Tore wirklich jemals im u eren Ring gezeigt worden sind *), so ist das eine sp tere bertragung, da in vorhistorischer Zeit nur von der Burg die Rede sein konnte. Die aus Anla des themistokleischen Mauerbaues von Sparta ge- Athens vorstellte Forderung Thuk. I, 90, 2, au erhalb des Peloponnes alle Mauern, persische Beδσοις είστήκει, zu zerst ren, besagt deutlich, da Stadtmauern dort, festlgun*· und um so mehr im gesch tzten Peloponnes, noch verh ltnism ig selten waren; im Zusammenhang dieser Ereignisse bietet die Frage, ob Athen zur Zeit der Perserkriege schon eine Stadtmauer besa , das wichtigste und nach dem Stand der berlieferung wohl ein unl sbares Problem, wenn nicht zuf llige Funde oder Ausgrabungen dereinst eine sichere Aufkl rung bieten sollten. Thukydides gebraucht an den Stellen, wo es sich um die Mauer handelt, den unbestimmten Ausdruck περίβολος, und wenn auch Herodot berall, wo vom Mauerbau die Rede ist, von τείχος περιβάλλεσθαι spricht, so folgt doch daraus noch nicht, da umgekehrt περίβολος = τείχος ist. Allerdings l t die zitierte Stelle Thuk. I, 90, 2 keinen Zweifel zu, da hier das Wort »Mauer« bedeutet, und daher wird auch daran nichts zu ndern sein, da Thuk. I, 89, 3: την πόλιν άνοικοδομεΐν και τα τείχη' του τε γαρ περιβόλου βραχέα είστήκει κτλ. die Worte synonym zu verstehen sind, doch gilt dasselbe nicht f r alle F lle, denn III, 21, i, wo es sich auch um eine Mauer handelt, hei t es: (το τείχος) είχε μεν δύο περιβόλους κτλ., d. h. hier bezeichnet περίβολος die Mauerfront. Daher kann die Stelle I, 93, 2: μείίιυν γαρ ό περίβολος πανταχί) εξήχθη της πόλεως nicht als weiteres Zeugnis f r eine vorpersische Stadtmauer Athens herangezogen werden, denn Thukydides betont hier die Vergr erung des Stadtgebietes, Vgl. dazu U. v. Wilamowitz in Hermes XXV 1891, 191 f.
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nicht aber, da unzureichendes Material und Lage eines lteren engeren Mauerringes zur Erg nzung mit zusammengeschafften Steinen zwangen: και δια τούτο πάντα ομοίως κινοΟντες ήπείγοντο f hrt er fort und erkl rt damit, da allein der Umfang der zu bew ltigenden Arbeit die Eilfertigkeit der Bauausf hrung rechtfertigte. Mit Unrecht wird in der zitierten Stelle I, 89, 3 auf das Wort άνοικοδομείν Gewicht gelegt, da es sich in erster Linie auf die vorher genannte Stadt bezieht und dadurch gerechtfertigt wird, w hrend die Mauern erst erg nzend genannt werden, so da f r sie der Ausdruck nicht unbedingt korrekt zu sein braucht. Dagegen mu es viel st rker auffallen, da weder im Einspruch der Spartaner, noch in den folgenden Verhandlungen der Athener, wo es doch besonders nahe liegen w rde, von einem Wiederaufbau die Rede ist: das erweckt allerdings, wie Kornemann l ] sagt, den Eindruck, als wenn der themistokleische Mauerbau etwas absolut Neues w re. Das ist eigentlich alles, was sich positiv f r eine vorpersische Stadtmauer anf hren l t; alle brigen Zeugnisse beruhen auf Vermutungen, und eine Reihe schlechter Gr nde ersetzen einen guten ebensowenig, wie mehrere Fehlsch sse einen Treffer. Herod. IX, 13 spricht von einer radikalen Zerst rung aller noch aufrecht stehenden Mauerreste durch Mardonios, doch l t sich das in dieser Allgemeinheit ebenso auf Burgmauern, das Pelargikon oder gar St tzmauern beziehen, und die Zeugnisse Andok. I, 108 und Nepos Milt. 4 werden schon von U. v. Wilamowitz z) abgelehnt. Nach Platon Krit. I I 2 A erstreckte sich die Stadt vom Ilissos bis zum Eridanos, und das kann f r die Perserzeit Geltung haben. W. Judeich 3) will hier auch die Stadtmauer ansetzen und noch zwei Punkte feststellen. Der eine w re das Hadrianstor, wie es auch E. Curtius 4) und C. Wachsmuth 5) vermuten. Aber die lamben enthalten doch keine Resultate einer antiquarischen Forschung, sondern eine Schmeichelei an die Adresse des Kaisers Hadrian, der als zweiter κτίστης gepriesen werden soll. Athen galt immer und unabh ngig von seinem Umfang als Theseusstadt. Wenn das Tor tats chlich ein fr heres Stadttor ersetzte oder auch nur auf einen lteren Mauerzug steht, so ist dies ohne Zweifel die themistokleische Mauer: man stelle sich nur die Unwahrscheinlichkeit des Vorganges vor, da Hadrian die weiter stlich belegene Mauer entfernt und dieses St ck Stadtgebiet seinen Novae Athenae einverleibt haben ') Klio V 1905, 83. a
) 3) *) 5)
U. v. Wilamowitz, Aus Kydathen, 97 f. W. Judeich, Topographie von Athen, 58 und 113 f. E. Curtius, Stadtgeschichte von Athefc, 91. C. Wachsmuth, Die Stadt Athen I, 337.
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sollte, blo um seine Erweiterung historisch korrekt zur Theseusstadt in Beziehung setzen zu k nnen. — Nicht besser steht es mit dem zweiten Punkt, dem von Pausanias I, 15, l auf dem Markt erw hnten Tor. Da es als ehemaliges Stadttor die Perserzerst rung berdauert h tte, erkl rt Judeich durch seine gr ere Festigkeit, w hrend man doch denken sollte, da es gerade deshalb nicht verschont worden sein d rfte. Und ein archaisches Festungstor ist kein so monumentaler Bau, da es noch jahrhundertelang einem Markt als Zierde gereichen und sp ter durch Statuenschmuck in ein Triumphtor verwandelt werden k nnte, ganz abgesehen davon, da die Vorstellung zu sehr an modernen Denkmalschutz erinnert. Markttore, die j nger als der Markt selbst sind, kennen wir eine ganze Reihe, darum kann auch Athen eines besessen haben. Seine Annahme st tzt Judeich damit, da es dasjenige Tor gewesen sei, durch welches Harmodios und Aristogeiton von au en eindrangen, um am Leokoreion Hipparchos zu erschlagen, nachdem sie ihren Anschlag an Hippias, der au erhalb den Festzug ordnete, verraten glaubten. Die bez gliche Thukydidesstelle VI, 57, 13 ist aber inhaltlich sehr bedenklich, weil es nicht verst ndlich ist, was Hipparchos im Leokoreion zu schaffen hatte. Sie widerspricht auch dem zweiten Bericht Thuk. I, 20, 2, wo Hipparchos ebenda am Leokoreion den Festzug ordnet, und da diese Version richtiger ist, bezeugt Aristoteles Ath. pol. XVIII, 3, der Hippias mit den Verschworenen den Festzug auf der Burg erwarten l t: καταβάντες . . . . τον μεν Ίππαρχον διάκο σμοΰντα την πομπήν παρά το Λειυκόρειον άπέκτειναν. Wenn dabei berliefert war, da sie ein Tor durchschritten, so wird es kein anderes, als das untere Burgtor gewesen sein, und die Gegend des Leokoreion am Markt mu damals noch au erhalb der bewohnten Stadt, aber nicht au erhalb einer Stadtmauer, gelegen haben, da die πομπή dort geordnet werden konnte; der andere Bericht aber mu von der sp teren Situation beeinflu t worden sein, denn mit der Erweiterung des Stadtgebietes mu te auch der Ausgangspunkt des Panathenaeenzuges weiter bis ans Dipylon verlegt werden. Die strategische Situation in den Perserkriegen ist bei dem Vorhandensein einer Mauer, wie Nissen und v. Wilamowitz betonen, wirklich nicht recht verst ndlich: nicht etwa, weil die Athener sich bei Marathon zu einer off enen Feldschlacht entschlossen oder ι ο Jahre sp ter die Stadt trotzdem aufgaben, sondern weil sie nach der Schlacht bei Marathon in gr ter Eile zum Schutz der Stadt aufbrachen (Herod. VI, 116), und besonders, weil die Stadtmauer in den Vorg ngen um Salamis und in der Verteidigung der Stadt durchaus keine Rolle spielte. Diese auff llige Erscheinung ist verschieden erkl rt worden. Man verlegt die Befestigung bald in die vorsolonische Zeit, bald in die Herrschaft der Peisistratiden,
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Kapitel I.
Die Stadt vor dem V. Jahrhundert.
obwohl der erstgenannte Zeitpunkt fraglos anachronistisch ist und Großbauten in Athen damals noch nicht aufgeführt worden sind, die Tyrannenzeit aber, wie wir sahen, überhaupt für Stadtbefestigungen nicht in Betracht kommt. Daß die kylonischen, peisistratidischen und kleisthenischen Kämpfe sich ebenso ausschließlich, wie die späteren, vor der Burg abspielen, soll beweisen, daß die Mauer nie vollendet war: das ist undenkbar, wenn ein viel weiterer Ring nach der Schlacht bei Salamis in 6 Wochen verteidigungsfähig errichtet werden konnte; mindestens aber müßte gefordert werden, daß die Athener ihn, wenn nicht schon vor 490, in dem Jahrzehnt bis Salamis in aller Ruhe fertiggestellt hätten, da ein feindlicher Angriff ja sicher bevorstand. Daß aber die Mauer damals nicht verteidigungsfähig wäre, weil die Stadt darüber hinausgewachsen wäre, ja sogar sie überbaut hätte, setzt bei den Athenern ein zu starkes Schildbürgertum voraus: sie müßten ihren Verlauf so angelegt haben, daß sie schon in wenigen Jahrzehnten nicht genügte und sie dabei sogar ruhig der Willkür der Anwohner preisgegeben haben. — Aber auch v. Wilamowitz x ) nimmt eine ältere Mauer an, die er in die vorhistorische Zeit datiert, allein mit mythischen Schlachten kann man das nicht beweisen, und wenn zu Kylons Zeit Thukydides I, 126, 6 den Zeusaltar außerhalb der Stadt liegen läßt, so konnte das selbstverständlich auch ohne eine Mauer zutreffen. Darum fehlt uns der Anlaß, mit ihm an eine an sich verständliche Entfestigung durch Peisistratos zu glauben, um die späteren Vorgänge zu erklären, und vollends unglaublich erscheint es, daß nach dem Sturze des Tyrannen der Demos auch die Burg schleifte, ohne eine Stadtmauer zu errichten und somit auf jeglichen Mauerschutz verzichtete: wir haben keine Veranlassung zu bezweifeln, daß die Akropolis der gegebene Stützpunkt auch noch 480 v. Chr. war. Alles in allem — für eine vorpersische Umwallung lassen sich innere Gründe nicht wahrscheinlich machen, und die positive Überlieferung ist dürftig und bereitet Schwierigkeiten. Was wir über die allgemeine Entwicklung solcher Befestigungen feststellen konnten, würde für Athen eine verhältnismäßig junge Mauer ergeben, die unmöglich in Verfall geraten sein konnte. So scheint es, daß der Sachlage noch der geringste Zwang angetan wird, wenn man die Thukydidesnachrichten mit Dörpfeld T ) auf die Befestigung der Burg und das Pelargikon bezieht, um welche sich die offene Stadt konzentrisch ausdehnte, und diese nach ihrer gründlichen Zerstörung durch Mardonios von Themistokles durch das zeitgemäßere System der äußeren Ummauerung ersetzen läßt. ') a. a. 0. 97—107. ») Ath. Mitt. XX 1895, 793; J.Harrison, Ancient Athens 21.
3. Die Befestigung.
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Wir müssen dabei nur annehmen, daß Thukydides dieser die ältere Befestigung nicht nach topographischen Gesichtspunkten, sondern nach ihrer strategischen Bedeutung gegenüberstellt, und daß er den Ausdruck in bezug auf die Stadt und die Verteidigungslinie in verschiedenem Sinne gebraucht, was sich mit der Bedeutung des Wortes ohne 1 weiteres vereinigen läßt. Als weitere Bestätigung der Anschauung, daß eine Stadtbefestigung Entais Kriterium der freien und autonomen Bürgergemeinde zu gelten hat, festigungen. mag auf das Gegenbeispiel hingewiesen werden, daß Städte nach schweren Niederlagen, die ihre Autonomie vernichteten oder stark beeinträchtigten, in der Regel gezwungen wurden, ihren Mauerring ganz oder teilweise niederzulegen. Von diesem Grundsatz haben die Athener bei der Aufrichtung ihrer Seeherrschaft anscheinend den weitgehendsten Gebrauch gemacht, mit dem Resultat, daß zu Beginn des peloponnesischen Krieges die jonischen Städte, im Gegensatz zum früheren, von Herodot bezeugten Zustand (oben S. 18), trotz ihrer exponierten Lage durchweg als mauerlos bezeichnet werden: sagt Thukydides III, 33.2 i), obwohl einzelne Befestigungswerke, deren das attische Reich bedurfte, erhalten blieben oder von den Athenern angelegt worden sind, aber dann nur an der Landseite (Thuk. VIII, 16). Mit der Umwallung hatte die Stadt einen deutlichen festen Umriß erhalten, welcher für eine längere Zeit maßgebend bleiben mußte und nicht überschritten werden konnte, ohne daß umfangreiche Umbauten der Anlage erforderlich waren. Bei zu eng angelegten Mauern siedelte sich der Bevölkerungszuwachs daher in der Regel in offenen Vorstädten außerhalb der Verteidigungslinie an, meist aber, und dies besonders in späterer Zeit, wurden die Befestigungen völlig unabhängig vom Umfang des bewohnten Gebietes nach strategischen Grundsätzen der Gestaltung des umgebenden Geländes angepaßt, so daß sie genügend Raum für eine Vergrößerung der Einwohnerzahl enthielten. Trotz der festen Begrenzung kann von einer typischen Gestaltung der gewordenen Städte eigentlich noch nicht die Rede sein, da die Siedelungen ja nicht als Städte gegründet, sondern zu Städten angewachsen waren. Das Gemeindeleben hatte das Bedürfnis nach einer ganzen Reihe rjas Fehlen von immer wiederkehrenden Behörden geschaffen, und diese erfor- eines feststederten ihrerseits Amtslokale, wie Hallen, Buleuterien, Prytaneien u. a., hendenTypus. aber weder sie, noch andere der Allgemeinheit dienende Anlagen (Märkte, Brunnen, später Theater und Spielplätze) hatten einen bestimmten Platz im Stadtplan, auch ermangelten sie einer monumentalen Ausi) Ferner Thuk, I. 117 (Samos); III, 2—4 (Mytilene); VIII, 31 (Klazomenai); 41 (Kos); 44 (Kameiros); 62 (Lampsakos); 108 (Kyzikos).
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Kapitel II.
Entstehung· der regelmäßigen Stadt.
gestaltung. Die einzigen Prunkbauten einer älteren Griechenstadt sind die Tempel, eigentlich auch von diesen nur ein geringer Teil, während andere Heiligtümer immer unbedeutend blieben. Es wäre vielleicht möglich, besonders wenn das Material reichhaltiger wäre, mit Hilfe der Statistik eine Art von typischer Anordnung aller dieser Gebäude und Plätze zu einem Durchschnittsstadtbild aufzustellen, allein das Resultat würde keinen praktischen Wert haben, da nach allem von einer planmäßigen Anlage bei diesen älteren Städten nicht die Rede sein kann, eine Verbindlichkeit des gewonnenen Bildes daher nicht vorhanden wäre. Es würde sich nur die ganz allgemeine Gepflogenheit herausstellen, daß die öffentlichen Einrichtungen sich in der Umgebung des Marktplatzes anhäufen, die Heiligtümer nur zum Teil, während für das Theater, Stadion usw. die Gestaltung des Geländes den Platz anweist. Künstlich angelegte Häfen lassen sich in dieser Zeit nur erst in ihren ersten Ansätzen feststellen, sie kommen zunächst als planbildendes Element ebenfalls noch nicht in Betracht. Dagegen hat der staatsrechtliche Begriff der schon seine volle Ausbildung erreicht, und der folgende Schritt führte dann auch zu seiner systematischen Ausgestaltung in der Anlage.
Kapitel II. Die Entstehung der regelmäßigen Stadt. 1. Der regelmäßige Stadtplan. Das V. Jahrhundert bedeutet für den griechischen Städtebau einen völligen und grundlegenden Umschwung. Man pflegt, gestützt auf das Zeugnis des Aristoteles, dieses Ereignis an die Persönlichkeit des milesischen Baumeisters und Staatstheoretikers Hippodamos zu knüpfen, mit vollem Recht, soweit es sich um die Verbreitung des neuen Grundsatzes bis zur Allgemein- und Alleingültigkeit handelt. Es sind uns nur spärliche und keineswegs widerspruchsfreie Nachrichten über das Leben und die Wirksamkeit dieses Mannes überliefert; sie sind schon mehrfach Gegenstand der Untersuchung gewesen, aber so wenig geklärt, daß nicht sie uns seine Leistungen verständlich machen, sondern umgekehrt unsere zunehmende Kenntnis der Städteanlagen uns helfen muß, die Überlieferung ins rechte Licht zu rücken. Bevor wir uns der Aufgabe zuwenden können, die bekannten Daten einer erneuten Prüfung zu unterziehen, soweit sie zu unserem Thema gehören, müssen wir es daher
i. Der regelm ige Stadtplan.
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versuchen, an der Hand der reichen Forschert tigkeit der letzten Jahrzehnte die neuen Ergebnisse zu sichten. Als u erliches Merkmal der hippodamischen Anlagen d rfen u ere Merkmale \vir ganz allgemein das System von gradlinigen, parallelen und sich · im rechten Winkel schneidenden Stra en bezeichnen, ohne dabei bertrieben pedantisch sein zu wollen: eine Anzahl von St dten weist schon in diesen Punkten gewisse Abweichungen auf, wie Mantineia, dessen Stra ennetz nicht ganz rechtwinklig angeordnet zu sein scheint l ), und Ephesos, dessen Hauptstra e zum Magnetischen Tor im Tale zwischen den beiden Stadtbergen mehrmals geknickt verl uft 2). Eine solche Regelm igkeit zeigt, da wir es hier mit St dten zu tun haben, die nicht mehr zuf llig entstanden und allm hlich angewachsen, sondern von Anbeginn nach einem einheitlichen Plan angelegt worden sind, nachdem das Gel nde daf r ausgesucht und, soweit erforderlich, vermessen worden war. Als erste Anlage dieser Art galt bisher der Piraeus, und diese Da- Piraeus, Elis tierung d rfte f r das griechische Mutterland zu recht bestehen, nicht, und Mil et. weil damals erst das hippodamische System erfunden worden w re, sondern weil in Altgriechenland bei der F lle von lteren kleinen Ansiedelungen die M glichkeit zu Neugr ndungen sehr beschr nkt war und ein rationelles System sich daher auf diesem Boden nicht entwickeln konnte. Noch wenige Jahre vor dem Bau der athenischen Hafenstadt, im Jahre 471, wurde in Elis die gleichnamige Hauptstadt in alter Weise erbaut: die f rs erste leider unterbrochenen Untersuchungen des sterreichischen arch ologischen Instituts lassen es erkennen, da die sichtbaren Geb udereste zuf llig, jedenfalls aber nicht untereinander parallel gerichtet waren 3). Wenn Pausanias VI, 24, 2 von dieser Stadt berichtet, ihr Marktplatz w re nicht nach jonischer, sondern nach lterer Weise angelegt, στοαΐς τε απ' αλλήλων διεστώσαις και άγυιάΐς δι' αυτών, so werden wir heute nicht mehr in den Irrtum M. Erdmanns 4) verfallen, der die jonische Agora f r eine allseitig geschlossene Anlage mit Toreing ngen hielt und daher auch im Piraeus einen offenen Markt άρχαιοτέρψ τρόπψ vermutete. Auch in die jonisch-hippodamische Agora f hrten offene Stra en, nur m ndeten sie an ihren Ecken und durchschnitten nicht die Hallen, die ihre ganze L nge oder Breite umfa ten, w hrend sp ter erbaute Hallen bei lteren Anlagen an die regellose Stra enverteilung gebunden waren: um die Zug nge nicht zu sperren, konnten sie sich nur von einer Stra e bis zur ndern erstrecken, soweit Platz verf gbar ') Der Plan B. C. H, XIV 1890, Taf. I. ) Zuletzt J. Keil, F hrer durch Ephesos, 1919, Abb. 33 und Taf. I. 3) sterr. Jahresh. XVI 1913, Beibl., 105, Abb. 37. *) Philologus XLII 1884, 217.
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Kapitel II.
Die Entstehung der regelmäßigen Stadt.
war, gerade so, wie es auch in Athen der Fall war. Auch C. F. Hermann 1 ), irregeführt durch die spätrömischen Säulenstraßen mit Verkaufsständen, versteht darunter einen geschlossenen und in der Art der orientalischen Bazare überdeckten Platz und bekämpft daher die vollkommen richtige Anschauung von Ottfried Müller 2 ), der die regelmäßige Bauweise in Jonien schon früh entstanden sein läßt. In der Tat kennen wir gegenwärtig in Kleinasien eine Stadt, welche die folgerichtig regelmäßig durchgeführte Anlage schon beträchtlich früher aufweist, als die hippodamischen Schöpfungen, der Piraeus und Thurioi: es ist keine andere, als Hippodamos Vaterstadt Milet in der Gestalt, wie sie nach der Zerstörung durch die Perser im jonischen Freiheitskampf neu entstanden war. Bevor wir die Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen für diese Frage prüfen, sei es gestattet, das Resultat vorläufig als gesichert anzunehmen und von diesem Gesichtspunkt aus die Entstehungsmöglichkeit solcher Stadtanlagen zu erörtern. Beziehungen Ottfr. Müller und E. Curtius 3) vermuten den Ursprung des neuen zum Orient. Gedankens im Orient, dessen Nachbarschaft die Joner beeinflußt habe, und weisen insbesondere auf Babylon hin. Die gleiche Ableitung aus altorientalischer Tradition haben eine Reihe anderer Gelehrter erwogen, wie G. Hirschfeld 4), M. Erdmann 5), H. Nissen 6), C. Merkel 7) und auch J. Beloch8), doch über Vermutungen ist man nicht hinausgekommen. Sie gehört jener Richtung der Auffassung an, welche um jeden Preis alle Kulturelemente durch irgendwelche Wechselwirkungen und Beeinflussungen bis auf eine der hergebrachten Wiegen der Menschheit zurückführen möchte, und entbehrt in diesem Falle jeder realen Grundlage. Die unmittelbaren Nachbarn der kleinasiatischen Griechen, die Lyder, Phryger, Karer usw. hatten keine entwickelte Städtekultur; regelmäßige Anlagen fehlten auch den alten Hethiterstädten, und ehe man an die Vorbilder überseeischer Länder anknüpft, kommt das nähergelegene Mutterland in Frage. Allein weder Tyros noch Sidon, noch andere phönikisch-syrische Städte sind regelmäßig, und die Ausgrabungen in Mesopotamien lehren, daß auch in Assyrien und Babylonien, die Stadt Babylon selbst nicht ausgenommen, geradlinige und sich rechtwinklig kreuzende Straßen nicht vorhanden waren, die doch gerade J
) ) 3) 4) 5) 6 ) ') *) 2
C. F. Hermann, de Hippodamo Milesio, 1841, 50. 0. Müller, Dörfer II, 255; Handb. der Arch. § in. E. Curtius, Griech. Geschichte6 II, 204. G. Hirschfeld, Die Entwicklung des Städtebaues; a. d. Orient, II, 317 f. M. Erdmann in Philologus XL1I 1884, 206. H. Nissen Pompejanische Studien, 585. C. Merckel, Die Ingenieurtechnik im Altertum, 393. J. Beloch, Griech. Geschichte IP, 209.
i. Der regelmäßige Stadtplan.
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das Grundelement der hippodamischen Stadt bilden. Dasselbe gilt auch von den ägyptischen Städten, wie z. B. Teil el Amarna. Wir finden hier zwar axial angelegte Tempel mit geradlinigen Prozessionsstraßen, doch versagt die Regelmäßigkeit bereits bei Tempelgruppen, ja sogar bei einzelnen Großtempeln, die bisweilen schiefwinklig sind oder geknickte Achsen haben, während die Feststraßen ihre Richtung ebenfalls gelegentlich ändern. Nicht die gleiche Orientierung, sondern das Prinzip der Axialität ist für diese Bauten maßgebend, und dieser Grundsatz liegt den griechischen Städteanlagen, worauf noch zurückzukommen sein wird, durchaus fern. Es ist bezeichnend, daß keine der älteren Städte an der Südküste Kleinasiens, trotz ihrer Nachbarschaft zu diesen Ländern, als planmäßig in diesem Sinne zu bezeichnen ist, nicht einmal die jonische Kolonie Naukratis, die erst um 650 v. Chr. auf ägyptischem Boden entstanden ist 1 ). Auch F. Haverfield glaubt an einen gewissen orientalischen Ursprung des griechischen Stadtplanes, zwar nicht seines regelmäßigen Schemas, das er mit Recht weder in Babylon, noch in Assur findet, wohl aber vermutet er, daß die Griechen hier das Motiv der breiten Prozessionsstraße gefunden hätten, welches eine Vorstufe in der Entwicklung des Stadtplanes sei 2 ). Seine stark theoretische Stellung zu diesen Fragen läßt ihn hier in die Irre gehen: einen älteren Typ, welcher unter Vernachlässigung der Wohnbedürfnisse auf die Wirkung einiger hervorragender Gebäude komponiert war, auf welche bereits Straßen gerichtet waren 3), hat es nie gegeben, solche Achsen fehlen auch der hellenistischen Stadt und treten, wie wir sehen werden, erst später in Erscheinung. Prozessionswege gab es dagegen schon in einer Zeit, als eine Kenntnis der orientalischen Städte noch nicht denkbar ist, doch liegen sie stets außerhalb der Stadt und führen zu entfernteren Heiligtümern (Samos, Milet, Athen, Argos, Kyrene; spätere Beispiele, doch möglicherweise auf älterer Grundlage sind: Epidauros, Ephesos, Kos u. a. m.). Nichts berechtigt uns, die Hauptstraße von Selinunt vom Stadtplan zu trennen und als Prozessionsstraße zu erklären, sowie die ganze Anlage in eine ältere Zeit zu setzen, d. h. vor die bezeugte Neubesiedelung nach der Zerstörung im Jahre 409 4).
2. Die Anlässe zu regelmäßigen Planbildungen. Nissen, der seine Meinung über die Entstehung der Städtetypen Die mehrmals gewechselt hat, betont mit Recht die große Bedeutung, welche Kolonisation. ') *) 3) 4)
H. Prinz, Funde in Naukratis, 11 f., Plan Taf. I. F. Haverfield, Ancient town planning 1913, 27. a. a. 0. 16 f. a. a. 0. 33 f.
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Kapitel II.
Die Entstehung der regelmäßigen Stadt.
die zahlreichen Koloniegründungen der Griechen im VII. und VI. Jahrhundert für diese Frage gehabt haben mußten J ). Er irrt aber in der Annahme, daß es gerade die jüngeren westlichen Kolonien wären, in denen die Theorie sich entwickelt hätte, und von wo aus sie zu den Etruskern übergegangen wäre. Den italisch-sizilischen Gründungen, die von sehr verschiedenen Metropolen ausgingen, steht die umfangreichere und besonders weit einheitlichere ostjonische Kolonisation gegenüber, in welcher wiederum Milet mit seinen So Kolonien die bedeutsamste Rolle spielt. Wenn irgendwo, so war hier der geeignete Boden, auf dem sich feste Regeln für Städteanlagen bilden konnten, und wir können daran nicht zweifeln, wenn wir sehen, daß Milet selbst den Anlaß seiner Zerstörung im Jahre 494 benutzt, um sein eigenes Bild in dieser Richtung umzuformen. Haverfield erkennt die Bedeutung an, welche die Häufigkeit von Neugründungen für die Entwicklung des Stadtplanes hat, doch führt er daneben ziemlich willkürlich ein weiteres, mehr moralisches als praktisches Moment ein, das er mit »Interesse für die Wohlfahrt des gemeinen Mannes« bezeichnet*). Aus diesem Grunde glaubt er, die Entwicklung in die Stadtgründungsperiode verlegen zu müssen, die mit dem Zuge Alexanders d. Gr. einsetzte, und gerät damit in offenen Widerspruch zu den geschichtlichen Tatsachen und den Überresten, ohne ihn lösen zu können. Denn es gab schon ältere regelmäßige Anlagen, von denen er selbst den Piraeus, Thurioi, Rhodos, Selinunt und Kyrene nennt, er muß daher von dem bedenklichen Auswege Gebrauch machen, daß diese Städte vielleicht erst später umgebaut wären, trotzdem aber annehmen, daß Alexander und seine Gefährten das neue Schema nicht erfunden, sondern lediglich konsequent ausgebildet hätten 3). Schon dadurch entzieht er seiner These den Boden, für die er außerdem kein überliefertes Zeugnis anzuführen vermag, und wenn er für die Regelmäßigkeit der makedonischen Gründungen ihren militärischen Charakter geltend machen will, so widerspricht ihm darin das einzige hierauf bezügliche Zeugnis von Alexanders großem Lehrer Aristoteles (pol. VII, 1330 b), das er selbst zitiert, ebenso seine ersten Beispiele Priene und Milet, die beide älter sind und mit den makedonischen Veteranen nicht das Geringste zu tun haben. Hier verfällt Haverfield in einen bösen Anachronismus, denn wenigstens für Priene stand ihm das Material in vollem Umfang zu Gebote — aber offenbar ließ ihn seine Theorie über die Unebenheiten hinwegsehen. Völlig unbe*) Pomp. Studien, 583 f.; Orientationen, 93 f., 104. ») a. a. O. ii f. 3) a. a. O. Kap. IV.
2. Die Anlässe zu regelmäßigen Planbildüngen.
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gründet und unzutreffend ist auch seine Ansicht, daß Alt-Priene ursprünglich auf dem Akropolisfeisen der späteren Stadt gelegen habe T ). Auch seine weiteren Beispiele (Alexandrien, Nikaea, Sikyon usw.) beweisen seine These in keiner Weise, die syrischen Städte Apameia a. 0. und Gerasa gehören jedenfalls überhaupt nicht in diese Periode. Nach dem früher Dargelegten mußten wir uns die Gründung der Der Zwang Koloniestädte nicht wesentlich anders vorstellen, als die Entstehung dersystematider Metropolen: es wurden an geeigneten Plätzen Burgen, Heiligtümer, schen Grun" UD en< Plätze, später auch Stadtmauern angelegt, die Einwohner aber siedelten S sich nach eigenem Ermessen an. Abgesehen von der Schnelligkeit der Entwicklung, unterschied sich das Verfahren nur noch darin, daß man selbstverständlich für die Ansiedlung möglichst geeignete Stellen auswählte. Bei dem ungeheuren Umfang, den die Expansion angenommen hatte — wir müssen uns klar machen, daß im Laufe von zwei Jahrhunderten im Durchschnitt mindestens eine Kolonie wenn nicht mehr, im Jahre ausgesandt wurde — ist es natürlich, daß die Erfahrungen sich ganz von selbst zu einer Theorie verdichten mußten, deren Ergebnisse den jüngeren Gründungen zugute kamen. Diese Folgerung liegt so sehr auf der Hand, daß wir der schöpferischen Kraft der Griechen ein Unrecht tun würden, wenn wir hier noch erwarten wollten, daß sie ohne fremdländischem Einfluß zu keinem Fortschritt hätten gelangen können. Sie mußten bald zu der Einsicht kommen, daß die Besiedelung viel bequemer und reibungsloser erfolgen konnte, wenn man zuerst die Straßenzüge und die Grundstücke, die zur Verteilung gelangten, festlegte; bei dieser vorbereitenden Tätigkeit schärfte sich der Blick für die Eigenschaften des Geländes und seiner möglichst guten Ausnutzung für die Wohn- und Verkehrsbedürfnisse. Wir wollen durchaus nicht voraussetzen, daß dabei eine topographische und zeichnerische Aufnahme des Stadtgebietes vorausging: um einen wirklich brauchbaren Plan anzufertigen, der auch die Höhenverhältnisse wiedergeben müßte, reichten auch in späteren Jahrhunderten weder die Kenntnisse, noch die Meßinstrumente aus, und was wir an Gelände- und Gebäudeplänen aus dem Altertum besitzen, meist auf griechischen Papyri aus Ägypten z ), gibt die Formen mehr durch eingetragene Maße, als durch richtige Umrisse wieder. Wir täten im allgemeinen gut, unsere Anschauung von der technischen Methode jener Zeit auf das denkbar bescheidenste Maß herabzuschrauben, auch für Kunstbauten, wie der Eupalinostunnel auf Samos, zu dessen Absteckung ein Dutzend Fluchtstäbe, ') a. a. O. 43. ») W. Kubitschek in Pauly-Wissowa R. E. X, 2024 f. v. G e r k a n , Qriech. Städteanlagen.
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Kapitel II. Die Entstehung der regelmäßigen Stadt.
eine Meßkette und eine genügend große Grundwage, etwa wie sie Vitruv VIII, 5 beschreibt, ausreichen. Die Vermessung ist mit diesen primitiven Hilfsmitteln zwar umständlich und zeitraubend, aber nicht zu ungenau im Vergleich zu dem Erreichten. Wenn nun Städte mit einem geradlinigen und rechtwinkligen Straßennetz entstehen, so bildet auch dieses nur einen weiteren, aber nicht einmal allzu kühnen Schritt in der angedeuteten Richtung. Es bedeutet, daß man es sich angelegen sein ließ, die Straßen vielleicht schon vorher zeichnerisch auf einer Planskizze, sicher aber im Gelände aufzutragen, wobei die Häuserquartiere, die den Ansiedlern vergeben wurden, eine gleichmäßige Größe erhielten, oder mit ändern Worten, daß man für die Entwicklung der Stadt eine als zweckmäßig erachtete Richtung festlegte und sie nicht dem Zufall überließ. Die verwaltungstechnischen Vorteile dieses Verfahrens brauchten nicht weiter begründet zu werden, und die Praxis der Kolonisationstätigkeit genügte, um sie zum Bewußtsein zu bringen. Hatte man sich aber einmal dazu entschlossen, die Vorarbeiten so weit zu führen, daß man das Straßennetz absteckte, so war eine parallele und rechtwinklige Anordnung der Wege in gleichen Abständen die nächstliegende und einfachste Methode; eine jede Abweichung davon würde die Arbeit ganz bedeutend erschweren und zu unklaren Resultaten führen, ganz besonders, weil wir weder eine genaue Aufnahme, noch eine mehr als skizzenhafte Ausarbeitung des Stadtplanes voraussetzen dürfen. Unsere vollkommenen Meßinstrumente machen es uns leicht, diejenige Straßenführung ausfindig zu machen, deren Durchführung die geringste Arbeitsleistung erfordert, aber heute noch hat der Techniker, zum ständigen Verdruß des Baukünstlers, das Bestreben, die Straßen geradlinig zu ziehen, weil ihm das einfach und natürlich erscheint, zumal da auch die Häuser, wie im Altertum, am zweckmäßigsten rechtwinklig gebaut werden. Dagegen spielte die physische Arbeitsleistung im Altertum bei weitem nicht die ausschlaggebende Rolle, wie in der Gegenwart; eine planmäßige Absteckung von gebrochenen oder gekrümmten Straßenfluchten und von schiefen Winkeln, besonders in der Genauigkeit, daß dabei ein bestimmtes geschlossenes System eingehalten werden konnte, war so gut wie unmöglich und auf felsigem Terrain, wo solche Unregelmäßigkeiten vom rein technischen Gesichtspunkt eher noch berechtigt sind, erst recht schwierig. Der sogenannte hippodamische Stadtplan mit seiner vollendeten Gleichmäßigkeit braucht also nicht einen Markstein der inneren Entwicklung des griechischen Städtebaues zu bedeuten, in welchem sich der Einfluß vollkommenerer Vorbilder oder eine Änderung der bisherigen Anschauungen auf künstlerischer oder wissenschaftlicher Grundlage wiederspiegelt. Sein Auftreten ergibt sich mit zwingender Folge-
2. Die Anlässe zu regelmäßigen Planbildungen.
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richtigkeit allein aus der praktischen Betätigung, und wir dürfen füglich zweifeln, ob er seinen Zeitgenossen von Anbeginn überhaupt als eine grundsätzliche Änderung des bisherigen Verfahrens zum Bewußtsein gekommen ist. Es ist die natürliche Folge dessen, daß man, vielleicht nur dem praktischen Bedürfnis nachgebend, um Streitigkeiten unter den Ansiedlern zu vermeiden, oder um mancherlei Schwierigkeiten vorzubeugen, die ein ungeregeltes rasches Anwachsen der Städte für den Verkehr und für die öffentlichen Bauten gezeitigt hatte, dazu überging, die Fürsorge auch auf diese, früher dem Zufall überlassenen Fragen auszudehnen, d. h. die Städte in weiterem Umfang, als bisher, zu planen. Eine Abweichung vom rechten Winkel und von der geraden Linie war Willkür, wenn sie nicht durch zwingende Umstände begründet war, dagegen blieb es dem Ermessen der Erbauer überlassen, die Breite und die Abstände der Straßen festzustellen, besonders aber die Wahl der Richtung. Mehr als jeder andere Umstand prägte die Orientierung der Straßen der neuen Stadt ihren Charakter auf, und wir würden inkonsequent sein, wenn wir nicht auch dafür Zweckmäßigkeitsgründe, die beste Anpassung an die Geländeverhältnisse, Himmels- und Windrichtung, voraussetzen wollten, wie es die bekannt gewordenen Anlagen uns auch in der Tat vor Augen führen. Es wäre nun außerordentlich interessant, wenn wir imstande Die Kolonien wären, diesen Entwicklungsprozeß an den Städten im einzelnen zu desVH. jahrh. verfolgen. Leider muß das einer noch sehr fernen Zukunft vorbehalten bleiben, denn hierin versagt unser Material gänzlich, sogar mehr, als es trotz des Mangels an Ausgrabungen nötig wäre. In den meisten Fällen dürfte die Beobachtung der noch sichtbaren Ruinen genügen, um festzustellen, ob die betreffende Stadt einheitlich orientiert ist. Es müßte aber jedesmal in Erwägung gezogen werden, ob die Stadtreste noch an ihrem ursprünglichen Platz liegen, oder wie vielleicht bei den meisten Altkolonien, Neugründungen einer späteren Periode angehören. Bei den späteren Kolonien scheinen solche Verlegungen nur selten vorgekommen zu sein, andererseits haben wir bisher kein sicheres Beispiel, daß eine Ansiedelung von irgendwelcher Bedeutung in der Weise modernisiert worden sei, daß an derselben Stelle eine Stadt nach einem neuen Plan errichtet worden ist. Aus Mangel an Material läßt sich also die Entwicklung weder sachlich, noch chronologisch genauer verfolgen. Aus der Zahl der wenigen Städte, deren Plangestaltung Urteile ermöglicht, scheidet Chersonesos Taurica aus, da die erhaltene Stadt zwar regelmäßig, aber spät ist und nach Strabo VII, 308 nicht am ursprünglichen Ort liegt 1 ); Kyzikos, ') E. M. Minns, Scythians und Greeks 1913, 493 f. 3*
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Kapitel II. Die Entstehung der regelm
igen Stadt
aus der Mitte des VII. Jahrhunderts stammend, ist unregelm ig 1 ), Pantikapaeon 3) ebenfalls, und Olbia, das auch um 646/5 gegr ndet ist, hat eine unregelm ige Altstadt, dazu eine anscheinend planm ige Erweiterung nach Norden aus hellenistischer Zeit 3). Auch Naukratis entbehrt, wie schon erw hnt, einer einheitlichen Planung, und wir k nnen daraus feststellen, da bis zur Mitte des VII. Jahrhunderts die neue Form noch nicht in Erscheinung tritt, obwohl der Orient damals den Griechen schon nicht mehr fremd gewesen ist. Diese Zeit hat also als terminus post quern zu gelten. jonien als Vorher ist auch im Westen nichts der Art nachzuweisen, Hauptzentrom. da Neapel erst um 600 gegr ndet ist, Puteoli und Surrentum noch sp ter, dazu ist ein Urteil ber die chronologischen Verh ltnisse ihrer regelm igen Stra ennetze zurzeit nicht m glich. Die beiden sizilischen Gro st dte Selinunt und Akragas entstanden um 625 bzw. 582; ihre Tempel liegen ungef hr parallel 4), doch d rfen wir daraus noch nicht folgern, da sie irgend eine Stra enorientierung einhielten. In Akragas differieren ihre Achsen bis zu 10°, in Selinunt immer noch um 4°, und in beiden St dten handelt es sich auch um solche Tempel, die entweder immer, oder, in Akragas, wenigstens urspr nglich sicher au erhalb der bewohnten Stadt gelegen haben. Es m ssen also andere Gr nde f r ihre ungef hr bereinstimmende Orientation ma gebend gewesen sein. Das regelm ige Stra ensystem auf der Burgfl che von Selinunt hat sich ohne Zweifel nach den vorhandenen Tempeln gerichtet, denn es geh rt nach G. Fougeres und J. Hulot der Neugr ndung nach 409 an, welche das fr here Stadtgebiet im Norden unbewohnt lie 5). In jener Zeit aber war das hippodamische System bereits fest eingeb rgert, wir kennen es schon aus Milet, dem Piraeus, Thurioi, Rhodos und Magnesia a. M.; in Selinunt beruht es auf einer Neueinteilung der vorher vielleicht berhaupt nicht bewohnten Burg 6). *) F. W. Hasluck, Cyzicus 1910. ») Planskizze bei M. Rostowzew, Antike dekorative Malerei in S dru land, 17914. 3) Otcet Imp. Arch. Kommissii, 1906 u. f. passim; Iswestija Imp. Arch. Komm. 1906,
1909. 4) R. Koldewey und 0. Puchstein, Die griechischen Tempel Siziliens und Unteritaliens, Stadtpl ne Taf. 29. 5) G. Fougeres, Congres de Cairo 1909, 212 f.; G. Fougeres und J. Hulot, S61inonte, 1910, 193 f. dagegen ohne Grund Haverfield, a. a. 0. 33 f. 6 ) Wenn demnach eine Entstehung regelm ig angelegter St dte im VI. Jahrhundert nicht weiter auff llig w re, so ist A. Schultens Versuch eine solche in der phok ischen Kolonie Mainake in Spanien nachzuweisen (Tartessos 1922, 46; Arch. Anz. 1922, 36) doch unbegr ndet. Die Gegen berstellung Strabo 156 αλλ' εκείνη μεν άπωτέρω την Κάλπης εστί, κατεσκαμμένη, τα δ'ϊχνη σώζουσα Ελληνικής πόλεως, ή δε Μαλακά πλησίον μαλλον, Φοινικική τφ σχήματι sagt nur, da von der zerst rten griechischen Stadt noch erkennbare Reste erhalten gewesen seien, und da Strabo bezw. sein Gew hrsmann wohl imstande
i. Die Anlässe zu regelmäßigen Planbildungen.
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H. Nissen verlegt die Entstehung des Systems nach Sizilien und Unteritalien l) — er tut es wohl nur deshalb, weil er einen Zusammenhang mit den etruskisch-italischen Stadttypen vermutet, — und nimmt an, daß es vielleicht durch die Vermittlung Karthagos aus dem Orient zu den Westgriechen gelangt sei. Dann aber bleibt es völlig unverständlich, wie dieses System zwar die italischen Völkerschaften schon frühzeitig beeinflußt hätte, seinen Siegeszug aber auf einem merkwürdigen Zickzackweg gegangen wäre, indem es später, unter Überspringung des Mutterlandes, sich in der politisch denkbar ungeeignetsten Zeit in Kleinasien so fest eingebürgert hätte, daß es im V. Jahrhundert durch den Milesier Hippodamos, also wieder von Osten her, auf dem Festlande zur Aufnahme gelangen konnte. Wir haben für die Reform des Städtebaues nicht wissenschaftliche Grundlagen, sondern vorzüglich das praktische Bedürfnis geltend gemacht, den oft geübten Vorgang der Gründung sich zu vereinfachen. Es wäre daher kein überzeugendes Argument mehr, wenn wir uns darauf beschränken wollten, zu Gunsten Joniens den üblichen Hinweis zu machen, daß hier die Heimat der Naturwissenschaft und der Mathematik war, welche erst von hier aus den Weg nach Unteritalien nahmen. Wohl aber dürfen wir es für eine Auswirkung der wissenschaftlichen Betätigung erklären, daß im VI. Jahrhundert Jonien in allen technischen Fertigkeiten an der Spitze stand und Persönlichkeiten hervorbrachte und beschäftigte, wie Rhoikos und Theodoros von Samos, Bathykles aus Magnesia, Glaukos von Chios, Metagenes aus Knossos und manche andere, deren technische Leistungen mit ihren künstlerischen wetteiferten. Entsprechend groß wird die Gewöhnung, mit Meßgeräten und Handwerkzeug umzugehen, gewesen sein, und das erleichterte solche Erscheinungen, wie die Vereinheitlichung von Stadtanlagen. Sie gehört offenbar zu den Errungenschaften aus der Blütezeit, des Jonertums, deren Wachstum durch die Perserkatastrophe an dessen Wurzel für alle Zeiten gebrochen wurde. Doch hatte die jonische Kultur waren, eine griechische von einer phönikischen Anlage zu unterscheiden, nicht aber daß jene regelmäßig zu sein brauchte. Das würde auch im innern Widerspruch zu Schultens weitergehenden Folgerungen stehen, daß es sich um uralte orientalische Typen handele, denn dann müßte ebenfalls das phönikische Schema limitiert sein und ein Unterschied in dieser Beziehung nicht bestanden haben. — Für die Rolle des Hippodamos lassen sich daraus ebensowenig Schlüsse ziehen, wie etwa aus den weiteren Beispielen Schultens: die Altstadt des massaliotJschen Emporion auf der Insel ist völlig unerforscht, während die Regelmäßigkeit der Neapolis zwar möglich, aber doch fraglich und in der Mitte des V. Jahrhunderts schon geläufig ist (zuletzt P. Paris, Revue archool. 1916, 329 f., und zu den sizilischen Städten, vgl. oben S. 36). ') H. Nissen, Pomp. Studien, 583 f., Orientationen, 93 f.
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Kapitel II.
Die Entstehung der regelmäßigen Stadt.
zum Glück für die Menschheit bereits vermocht, weithin Samen auszustreuen, der an anderen Orten und in anderen Formen befruchtend weiter wirkte.
3. Alilet. Milet hatte einen großen Anteil an der Schöpfung von zweckmäßigen Städteanlagen, besaß aber selbst als natürlich angewachsene Stadt keinen Anteil an ihren Vorzügen. Das muß den Bewohnern, nachdem die Neuerungen sich praktisch bewährt hatten, ebenso deutlich zum Bewußtsein gekommen sein, wie später den Athenern die Rückständigkeit ihrer Stadt gegenüber dem Piraeus und den späteren Gründungen: die Mutterstadt war im Vergleich zu den Kolonien unansehnlich, unmodern. Solche Erwägungen müssen im Altertum eine sehr große Rolle gespielt haben, denn sie waren entscheidend für die häufige Erscheinung, daß man freilich zu verschiedener Zeit und aus verschiedenen, für uns im Einzelnen meist nicht mehr feststellbaren äußeren Anlässen, die alten Ortslagen aufgab, um die Städte unter günstigen Bedingungen neu zu erbauen. Milet erlebte im Jahre 494 in der Zerstörung durch die Perser eine Katastrophe, die seine Existenz vernichten sollte, denn nicht nur die Verteidigungswerke, auch die Häuser und Tempel wurden zerstört und die Bewohner nach Persien verschleppt. Jedoch ein Teil der Milesier entging diesem Schicksal, weil sie sich durch die Flucht retten konnten, oder infolge des Krieges in jener Zeit ohnedies abwesend waren; vielleicht wurden auch die Bewohner des flachen Landes vom Sieger verschont. Es mag sein, daß unter der Perserherrschaft bald wieder eine Art Gemeindewesen entstand, dessen Glieder in geringer Zahl an der Befreiungsschlacht an der Mykale teilnahmen und im entscheidenden Augenblick ihre Nationalität nicht verleugneten. Aber erst dies Jahr 479 gab ihnen die Möglichkeit, ihre Stadt neu entstehen zu lassen, und sie gingen frisch an die Arbeit, während ihre Nachbarn aus Priene erst nach mehr als loo Jahren die erforderlichen Kräfte gesammelt hatten. TopoDie Topographie des archaischen Milets kann in keiner Weise als graphisches, geklärt bezeichnet werden. Was die Ausgrabungen für die ältere Zeit an positiven Ergebnissen gebracht haben, ist verhältnismäßig wenig, und dies Wenige ist zum großen Teil vereinzelt und verstreut; ihm fehlt außerdem die Übereinstimmung mit der literarischen Überlieferung, deren Züge durch die Funde nicht geklärt werden. Es wäre unbillig, von der wissenschaftliche Leitung einer Ausgrabung zu verlangen, daß sie vor dem endgültigen Abschluß der Arbeiten, welcher durch die Ungunst der Ereignisse leider in Frage gestellt ist, bindende Folgerungen aus dem Gewonnenen zöge; sie hat nur die Pflicht der fortlaufenden Berichterstattung und wird von der Wissenschaft durch gleichzeitige
3. Milet.
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Versuche unterstützt, die einzelnen Züge zu vereinigen und mit den bekannten historischen Tatsachen und Anschauungen zu vergleichen. Was in dieser Richtung bisher in mündlicher Form oder in Aufsätzen x ) geäußert worden ist, zeugt von ernster und fruchtbarer Arbeit, die der späteren Grabung von größtem Nutzen gewesen ist und ihr in vielen Fragen den Weg gezeigt hat, der zu verfolgen war, allein es waren doch nur Hypothesen, entstanden aus der Vereinigung von Tradition und einem Teil von zufälligen Forschungsresultaten, die im weiteren Verlauf der Untersuchungen teilweise überholt wurden, teilweise aber eine ganz andere Gestalt erhielten. Das ist ein zu natürlicher Verlauf der Dinge, als daß dieser Umstand einen Vorwurf für die beteiligten Forscher enthalten könnte: sie entwarfen ihre Bilder in Abhängigkeit von dem bekannt gewordenen Material und würden sie vermutlich gern abändern, wenn das Material vollständiger vorläge oder ihnen in den kleinsten Einzelheiten bekannt wäre. — Die Lückenhaftigkeit der Reste und ihr mangelhafter Zusammenhang mit der Überlieferung haben es verschuldet, daß bei den Rekonstruktionen von Alt-Milet die wesentlichsten Punkte in Gegenden verlegt worden, wo nicht gegraben oder nichts gefunden worden ist, wie überhaupt der Möglichkeit, daß Reste verschwinden können, ein unzulässig breiter Spielraum eingeräumt wurde. Für unsere Zwecke genügt hier die Betrachtung einiger weniger Fragen. Als Fundorte vorpersischer Reste kommen drei Orte in Betracht: Die ältesten das Delphinion a ), das Gebiet des Athenatempels 3), und, der außerhalb Reste, der späteren Stadt belegene Kalabaktepe mit der Ebene von seinem Fuße bis zur südwestlichen Stadtmauer 4). Dies letztgenannte Gebiet lehrt uns eine bis ans Ende des VI. Jahrhunderts dauernde durchaus unregelmäßig gestaltete Ansiedlung kennen, sowie eine recht kümmerliche, auf »Perserschutt« stehende Siedelung auf dem Hügel. Das Delphinion hingegen fügt sich genau in den späteren Stadtplan, da bereits seine älteste Gestalt einen von vier Straßen umgrenzten Häuserblock einnimmt. Außer drei Altären anderer Gottheiten, die später und vielleicht nur aus Pietät nach der Katastrophe hier aufgestellt worden sind und keinesfalls als ursprüngliches Inventar des Apollonheiligtums zu erweisen sind, enthält es keine vorpersischen Baureste, wohl aber als Baumaterial in der Südwand eine Reihe von ') Aus der großen Zahl von mehr oder weniger ausführlichen Besprechungen seien erwähnt: U. v. Wilamowitz in Gott. gel. Anz. 176, 1914, 68 f.; A. v. Salis in Neue Jahrb. 1910, 103 f.; W. Aly in Klio XI 1911, i f. 2 ) Milet I, Heft 3; Heft 6, 87 f. 3) V. vorl. Bericht, Sitz.-Bericht Akad. Berlin 1905, 13 f. 4) VI. u. VII. vorl. Bericht, Abh. Akad. Berlin 1908, Anh. 3 f. und 1911, Anh. 5 f.
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älteren Marmorquadern; von diesen tragen einige den Text einer Opfervorschrift, welcher nach dem Schriftcharakter ums Jahr 500, also kurz vor dem jonischen Aufstand entstanden ist, aber an sich nichts mit dem Delphinion zu tun zu haben braucht l ). Daraus müssen wir schließen, daß der Bezirk bei der Neugründung an dieser Stelle angelegt worden ist, denn ältere Fundamentreste sind nicht vorhanden, Scherbenfunde fehlen ebenfalls, und wenn der Altar auch etwas schräg orientiert ist, so liegt er doch so genau in der Mitte des Peribolos, daß er von ihm nicht zu trennen ist, höchstens mag er älter sein, als die Umfassungsmauer, und daher ebenso, wie die Verbannungsstele auf dem Nordmarkt 3 ), durch Zufall eine abweichende Richtung erhalten haben. Ebensowenig wie hier, haben wir am Athenatempel einen uralten Kultort vor uns 3). Der bedeutend spätere Tempel richtet sich nach dem Stadtplan und ist verhältnismäßig jung, aber auch der kleine ältere hat die spätere Straßenrichtung, nur ist er gegen den jüngeren um 90° gedreht. Seine noch archaische Mauertechnik verweist ihn in die Zeit des frühen V. Jahrhunderts, und wir müssen ihn als vorläufigen Bau auffassen, der bis zur Errichtung des monumentalen Tempels dienen sollte. Das wird durch seine leichte Bauart bestätigt — es fehlen ihm jegliche Fundamente —, dazu trennt ihn von den sicher archaischen Mauerresten eine erhebliche Erdschicht. Diese archaischen Mauern verlaufen hier wie weiter östlich völlig unabhängig von der späteren Orientierung der Stadt und erstrecken sich noch bis in die Zeit der rotfigurigen Vasenmalerei. Von entscheidender Bedeutung ist, daß gerade unter dem großen Tempel, wie auch unter dem Pronaon des älteren eine bogenförmig verlaufende archaische Straße liegt, die besonders wichtig ist, da sie bereits in spätmykenischer Zeit bestanden hat und, ebenfalls unter dem Tempel, die Mauer dieser ältesten Ansiedelung zwischen zwei Türmen verläßt. Es ist ohne Zweifel ein uralter Verkehrsweg von der Theaterbucht, der auch in mehreren Gräben durch die archaische Siedelung außerhalb der Stadtmauer festgestellt worden ist und weiter durch das Haupttor der Kalabaktepebefestigung ins Freie führte. Der Stadtplan Zusammenfassend dürfen wir feststellen, daß einerseits alle archainach 479. sehen Reste einer einheitlichen Orientierung entbehren, daß aber andererseits die ältesten Heiligtümer der nachpersischen Stadt sich bereits in das Straßensystem einordnen. Da sie außerdem räumlich sehr weit auseinander liegen, ist der Schluß bündig, daß bereits damals, unmittelbar nach dem Jahre 479, die Stadthalbinsel in ihrer vollen Ausdehnung ') Milet I, Heft 3, 134 f., 162 f., 397 f., 401 f. ») Milet I, Heft 6, 89. 3) Ausführlich in Milet L, Heft 8 (in Vorbereitung).
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eingeteilt worden ist, wenn sie auch erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte ganz besiedelt wurde. Am Marktgebiet können wir deutlich erkennen, daß der Ausbau des städtischen Zentrums erst im späten IV. Jahrhundert begonnen wurde. An keiner Stelle der späteren Stadt sehen wir ältere Reste im Konflikt mit dem jüngeren System stehen, und wir sind daher berechtigt, von ihnen abzusehen und das gesamte Stadtgebiet als Neuland für den Entwurf zu betrachten. Für den geübten und scharfen Blick des Baumeisters legt die Wahl der Straßenrichtung das beste Zeugnis ab (Abb. 6). Die Längsstraßen nehmen die Richtung der Halbinsel auf und entsprechen damit der Hauptverkehrsrichtung im allgemeinen; genauer sind sie durch die Bodengestaltung festgelegt, da sie in ihren wichtigsten Teilen jeden Konflikt mit den beiden Hügeln am Nordende vermeiden und es ermöglichen, die Märkte unter voller Ausnutzung der ebenen Fläche am Ostrande der Halbinsel günstig im Mittelpunkt der Stadt anzulegen. Soweit ihre Lage von Bedeutung ist, bilden die Querstraßen dabei die bequemste Verbindung vom Marktgebiet zum Theaterhafen. Das gesamte System hat sich bei der späteren Ausgestaltung aufs beste bewährt und ist keine Erstlingsarbeit, sondern verrät die überlegene Erfahrung eines Meisters. War die Neugründung von Milet auch nicht die erste Anlage in dieser Art, so war sie doch eine baugeschichtliche Großtat ersten Ranges. Wir wissen aus den Tributlisten des attischen Seebundes, daß Milet noch lange eine Kleinstadt blieb, aber was hier angelegt wurde, war nicht lediglich eine Kolonie, von der niemand voraussehen und -sagen konnte, ob sie klein bleiben oder wachsen würde, sondern die Stadt ist von Anbeginn in einem Ausmaße entworfen worden, welche ihre vernichtete Größe ohne Zaudern als Mindestmaßstab für die Zukunft nahm. Nicht nur ein Teil der Halbinsel, etwa bis zum Isthmos zwischen dem Theaterhafen und der flachen Bucht im Osten, wurde vorläufig eingeteilt, sondern sofort das ganze große Gebiet, welches bis in die späteste Zeit der römischen Herrschaft genügend Raum für eine Großstadt von 8o—iOO OOO Einwohnern bot. Ja, der Entwurf ging weiter, als jemals wirklich besiedelt wurde, denn sogar noch im IV. Jahrhundert verband die Stadtmauer das Tor der heiligen Straße mit der alten Kalabaktepemauer. In diesem, nachher nicht bewohnten Teil müssen wir uns die Notwohnungen der Reste der Einwohnerschaft denken, die nach der anscheinend völligen Vernichtung ihrer Vaterstadt mit ungebrochenem Bürgersinn und echt griechischem Vertrauen auf die Unsterblichkeit ihrer Polis zur Wiederbelebung ihrer alten Größe schritten. Ihre Zuversicht war zugleich die beste Gewähr für den Erfolg, denn diese Weiträumigkeit der Anlage mit ihren vier Häfen und den unerhört großen Marktfiächen sicherte ihr eine Entwicklung, die unmittelbar das Wachstum der
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Stadt zur Folge hatte, bis sie den Raum in frühhellenistischer Zeit tatsächlich ausfüllte. Freilich kehrte nur der materielle Wohlstand wieder; die politische Macht, die Zeit der Ausbreitung und der kulturellen Führung der jonischen Metropolen war unwiederbringlich verloren, und die Wiederaufrichtung der Heimatstadt war zugleich der letzte und würdige Abschluß der milesischen Kolonisationstätigkeit.
4. Hippodamos von Milet. Literatur und Rund 40 Jahre, nachdem C. F. Hermann seine Untersuchung über Überlieferung. Hippodamos geschrieben hatte, glaubte M. Erdmann die Zeit für eine Revision der früheren Ergebnisse gekommen *): waren sie doch lediglich ohne Kenntnis von Beispielen solcher Schöpfungen allein auf philologischer Grundlage gewonnen, während nun die ersten regelmäßigen Städteanlagen, der Piraeus, Knidos, Alexandrien und einige andere, eine greifbarere Gestalt anzunehmen begannen. Erdmann glaubte die frühere Untersuchung in allen wesentlichen Teilen bestätigen zu können, und diese Anschauung ist auch seitdem herrschend geblieben, nur E. Curtius blieb bei der älteren Ansicht, daß Hippodamos an der Anlage der Hafenstadt von Athen bereits zu Themistokles Zeit beteiligt war 2), und G. Foucart stützte diese Ansetzung durch die Datierung mehrerer im Piraeus gefundenen Grenzsteine 3). Heute, nach abermals vierzig Jahren, sind unsere Kenntnisse der Denkmäler unendlich reicher, und wir können mit mehr Aussicht auf Erfolg versuchen, die Rolle des milesischen Architekten bei der Umgestaltung des griechischen Städtebaues zu umschreiben, um zugleich sicherere Daten für sein Leben zu gewinnen. Die spärliche Überlieferung ist von Erdmann und von E. Fabricius 4) zusammengestellt, so daß auf diese Arbeiten verwiesen werden kann. Sie ist verhältnismäßig spät und fast durchweg attischen Ursprungs: eine zweimalige Erwähnung bei Aristoteles pol. II, 1267 b, 22 f. und VII, I33ob, 21 f. 2, die mehrfache Nennung des hippodamischen Piraeusmarktes bei einigen attischen Rednern und Historikern und einer Reihe von Lexikographen, dazu ein stark verderbtes Scholion zu Aristophanes equ. 327. Nur indirekt und durch ein unbestimmt lautet der Hinweis Strabo XIV 654, daß Rhodos von demselben Architekten angelegt sei, der auch den Piraeus entworfen habe, und Diodor XII, IO nennt keinen Baumeister bei der Beschreibung von Thurioi. *) C. F. Hermann, de Hippodamo Milesio, Marburg 1843; M. Erdmann, Hippodamos von Milet und die symmetrische Städtebaukunst der Griechen, in Philologus XL II1884, 193 f. 3 ) E. Curtius, Stadtgeschichte von Athen, 109 f. 3) G. Foucart in Journal des Savants, 1907, 177 f. ημος in Milet I, Heft 2, nr. 10, Z. i. Dagegen w re die Form Ίπιτόοομος von ΰέμω abzuleiten. a
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Störung vom Jahre 494 erfahren haben, als Milet nur noch als abstrakter Begriff weiterbestand, und als Siebzigjähriger nach Thurioi ausgewandert sein. Um der geschichtlichen Sachlage gerecht zu werden, müssen wir annehmen, daß der Plan der neuen Stadt das Werk von Männern war, die ihren Bildungsgang bereits vor dem Aufstand zurückgelegt hatten. Hippodamos aber ist etwa um 500 geboren und arbeitete unter ihrer Leitung seit 479, nach einigen Jahren vielleicht schon in selbständigerer Weise, an der Wiederaufrichtung Milets. Das war immerhin etwas anderes, als die Gründung einer beliebigen Kolonie: eine Großstadt sollte angelegt werden, und die ungeheure Arbeit, das moderne Prinzip einmal in solchem Maßstabe durchzuführen, mußte mit den wenigen Kräften bewältigt werden, die der Krieg verschont hatte. Hier hatte er die Gelegenheit, sein Fach gründlich zu erlernen, und weil es ihm an geistiger Regsamkeit nicht fehlte, zu dem Meister zu werden, als welcher er in der Überlieferung erscheint. Hippodamos Wir können nicht entscheiden, ob er seinen Ruhm schon in Milet m Athen. begrün(jet hatte und als Autorität nach Athen berufen wurde, um dort im Hafen seine Kunst zu zeigen. Aber wahrscheinlich ist das nicht: Milet war nicht seine Schöpfung, die Stadt blieb zunächst auch nur Entwurf und trat erst im Laufe des Jahrhunderts in Erscheinung; auch war die systematische Städtebaukunst keine Geheimwissenschaft und hätte von jedem ändern Baumeister mit Erfolg versucht werden können. Ferner wissen wir nichts davon, daß die Initiative zu einem planmäßigen Ausbau der Hafenstadt vom athenischen Staat ausging, und dürfen eher voraussetzen, daß der Piraeus sich langsam und zufällig weiter entwickelt hätte, wenn nicht Hippodamos dort gewesen und mit Vorschlägen hervorgetreten wäre, die den Beifall der Athener gefunden hätten. In jenen Jahren war Jonien ein armes Land, und die Verhältnisse konnten seinen bedeutenderen Söhnen leicht zu eng werden. Wir sehen Philosophen und Gelehrte nach Athen, dem neuen geistigen Zentrum, strömen, und für viele mag auch die politische Überzeugung der Anlaß gewesen sein, die Heimat zu verlassen, denn mit der Freiheit war die Ruhe noch nicht wiedergewonnen: gerade Milet verhielt sich unter dem Regiment der Oligarchen aus dem Geschlechte der Neliden, der Söhne des Nympharetos, Athen gegenüber sehr zurückhaltend, und erst ihr Sturz im Jahre 450/49 brachte die athenerfreundliche Demokratie zur Herrschaft T ). Hippodamos aber war ohne Zweifel ein Anhänger Athens, wie sein Zeitgenosse Herodot, und ist vielleicht schon vor 465 nach Athen ') Vgl. darüber zuletzt A. Rehm in Milet I, Heft 6, 100 f.
4· Hippodamos von Milet.
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ausgewandert. Je früher die Übersiedelung angesetzt werden kann, desto besser entspricht sie der Zeitbestimmung des Aristophanesscholion für die Anlage des Piraeus . Freilich ist der Kalliasfriede erst 448 abgeschlossen worden, aber der Krieg gegen die Perser war schon seit Jahren nicht mehr das wichtigste Moment der attischen Politik, nach dem man Ereignisse datiert hätte. In den sechziger Jahren war das noch anders. In dies Jahrzehnt, jedenfalls aber in die vorperikleische Zeit wird die Anlage auch durch die Schriftform der Grenzsteine aus der Hafenstadt ) gewiesen, während ihr etwas umständlicher Text ganz augenfällig auf den Vorgang der hinweist, als die einzelnen Bezirke eingeteilt wurden, ohne daß die Baulichkeiten bereits aufgeführt gewesen zu sein brauchten. Im Piraeus besaß Hippodamos, dem Scholiasten zufolge, ein Haus, Die Gründung ewai, schwerlich weil es der Straßenführung von url01' im Wege stand und er ein gutes Beispiel geben wollte, indem er es freiwillig opferte, wie Hermann 2 ) vermutet, sondern eher, als er sich den Auswanderern nach Thurioi anschloß. So äußert sich Erdmann 3), nur irrt er in der Annahme, daß man ihm für seine Verdienste eines der Häuser der neuerbauten Stadt zum Nießbrauch eingeräumt habe, welches nun bei seinem Weggang an den Staat zurückfiel: so ist noch nie eine Stadt gegründet worden, daß gleich auch die Privathäuser von Staatswegen gebaut und dann den Bewohnern verkauft oder überlassen worden sind. Es kann sich nur um seinen Privatbesitz handeln, welchen er Athen schenkte, wohl weil er an der Gründung von Thurioi in amtlicher Eigenschaft beteiligt wurde, die sein Opfer rechtfertigte. Vermutlich stand er, wie Herodot, jener Gruppe von hervorragenden Männern nahe, welche für die Wirksamkeit des Perikles einen, wenn nicht glänzenderen, so doch erfreulicheren Hintergrund bildete, als die Politik des Demos mit ihren Kompromissen und Rückschlägen, und der großen Zahl von Künstlern aller Arten, die mit ihren Werken eigentlich die geistige Hegemonie Athens begründeten. Ihr Hauptverdienst war, daß sie für Perikles griechisches Nationalgefühl Verständnis hatten und für die panhellenische Idee kämpften. Eine der Taten, welche die Einheit der gesamten griechischen Welt versinnbildlichen sollte, war die Gründung der hellenischen Idealstadt Thurioi: Griechen aller Stämme wurden eingeladen, unter der Führung Athens dem Rufe der vertriebenen Sybariten Folge zu leisten, Protagoras sollte der Stadt die *) I. G. I, 519, 520, 521, Suppl. 2, 519 a, 521 a, b,c, f,g. Foucart in Journal des Savants 1907, 177 f. möchte sie nach diesem terminus ante quern ohne Grund bereits in die Zeit des Themistokles hinaufrücken. ») a. a. 0. 15. 3) a. a. 0. 20l.
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beste Verfassung geben, der angesehene Exeget Lampon folgte der Schar, dazu eine Reihe bedeutender Männer Athens und anderer Städte. Daß Hippodamos zu ihnen zählte, wird von den genannten Quellen (oben S. 43) ausdrücklich bezeugt, und wenn Diodor XII, 10 die Stadt als regelmäßiges Gebilde mit drei Längs- und vier Querstraßen schildert, so hat man darin wohl mit Recht das Werk des Städtebaureformers erkannt, der für die vollkommenste Stadt auch den besten Plan schaffen sollte. Das läßt sich allerdings nicht unzweifelhaft beweisen, aber wenn irgendwo, so haben wir es hier mit einer überzeugenden Vermutung zu tun. Für Diodor waren solche Stadtanlagen nicht mehr auffällig, deshalb mag er ihren Schöpfer in seiner Darstellung übergangen haben. Thurioi als Musterstadt erwies sich ebenso als Utopie, wie alle in diese Richtung zielenden Bestrebungen des attischen Staatsmannes. Es kam zu Zwistigkeiten zwischen den Bevölkerungsgruppen, der delphische Gott forderte die Kolonie für das Doriertum, und nach wenigen Jahren finden wir die meisten der attisch gesinnten Führer, Lampon, Protagoras, Dionysios, Xenokritos, auch Herodot, wieder in Athen. Von Hippodamos schweigt die Überlieferung; man möchte jedoch vermuten, daß er in Thurioi geblieben ist und dort Fühlung mit der pythagoreischen Schule bekam: das könnte den Anlaß dazu geboten haben, daß die späteren Pythagoreer ihn als einen der Ihrigen in Anspruch nahmen und ihm zwei apokryphe Schriften, und , unterschoben, von denen bei Stobaeus, flor. XLIII, 92—94, XCVIII, 71 und CIII, 26, Bruchstücke erhalten sind, und daß ihm die gleichfalls apokryphe Schrift der Pythagoreerin Theano gewidmet wurde I ). Nur auf diesem, schon von Hermann und Erdmann eingeschlagenen Wege lassen sich die späten Machwerke als Anhaltspunkte zu Vermutungen über sein weiteres Schicksal verwerten und mißliche Konjekturen von einem zweiten Thurier Hippodamos, der sich ebenfalls mit Staatsverfassungen beschäftigt hätte, vermeiden; daß Jamblichos ihn nicht in seiner Liste der Pythagoreer kennt, verschlägt nichts, da dasselbe auch für seinen Doppelgänger gelten muß. Rhodos. Schließlich aber liegt es auf der Hand, daß Hippodamos, wenn er nach unserem Ansatz um 500 geboren wurde, nicht mehr an der Gründung von Rhodos beteiligt sein konnte. Sein Anteil ist durch Strabo XIV, 654 so schlecht bezeugt, daß diese Folgerung kein Bedenken zu erregen braucht. Der Piraeus war dank seinen Beziehungen zu Athen, und ') Über diese aus später Zeit stammenden, im dorischen Dialekt abgefaßten Schriften, die inhaltlich mit den Anschauungen des Hippodamos, wie sie Aristoteles widergibt, im Widerspruch stehen, vgl. Hermann a. a. O. 98 f., Erdmann, a. a. O. 202 f.
4. Hippodamos VOD Milet.
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durch ihn sein Schöpfer berühmt: es lag nahe genug, daß man noch jahrzehntelang, bevor solche Städtegründungen eine gewöhnliche Erscheinung wurden, auf ihn als Muster Bezug nahm, und wenn in den Akten von einem die Rede war, so konnte in später Zeit auch ohne bewußte Absicht die Tradition entstehen, daß beide Orte von demselben Baumeister angelegt worden wären. Solche Zweifel sind schon von früheren Forschern geäußert worden 1 ): wir können noch hinzufügen, daß das Stadtbild des antiken Rhodos uns nach wie vor so gut wie unbekannt geblieben ist, aber daß am Ende des V. Jahrhunderts solche Anlagen schon allgemein üblich geworden sein müssen, denn auch Magnesia a. M. ist 400/399 nach dem gleichen Grundsatze erbaut worden. Dazu ist Rhodos als Bundesstadt unmittelbar nach dem Abfall der Insel vom attischen Seebund, also unter spartanischem Einfluß gegründet worden, wie übrigens auch Magnesia, und es ist nicht wohl anzunehmen, daß Hippodamos, der nach allem als Freund der Athener zu gelten hat, seine Tätigkeit noch während des Krieges ihren Gegnern zugute hätte kommen lassen. Das wäre vielleicht denkbar, wenn die Hypothese, daß Archeptolemos sein Sohn war, noch zu Recht bestände. Wir brauchen uns aber nicht durch unwahrscheinliche Vermutungen in wohlbegründeten Folgerungen irremachen zu lassen und müssen uns damit begnügen, daß wir den Lebensgang des milesischen Architekten nur bis Thurioi verfolgen können, wo er vielleicht noch den Beginn des peloponnesischen Krieges erlebt haben kann. In unseren Tagen ist der Ruhm des Milesiers entschieden viel größer, als jemals im Altertum, obwohl seit dem IV. Jahrhundert schwerlich noch eine Stadt neu angelegt worden ist, die nicht dem an seinen Namen geknüpften Prinzip entsprach. Er ist eben nicht der Erfinder des geradlinigen Straßennetzes, wie das einzig und allein Aristoteles berichtet: solche Reformen werden ebensowenig unabhängig von einer natürlichen Entwicklung und von einzelnen Persönlichkeiten erfunden, wie die Schrift, die Seeschiffahrt, der Ackerbau und manches andere, das die Griechen mit ihrer anthropomorphisierenden Denkweise der Erfindungsgabe bestimmter Individuen zuschreiben. Immerhin werden wir nicht zweifeln, daß Hippodamos das ihm bekannte System theoretisch weiter entwickelte, dem zufällig entstandenen Gebilde feste Regeln gab und diese jedenfalls auch schriftlich niederlegte, da Aristoteles seine schriftstellerische Tätigkeit auf verwandtem Gebiet bezeugt. Dadurch mußte es kommen, daß wenn ein Autor genannt werden sollte, sein Name allein in Betracht kam, zumal ihm die Gelegenheit geboten i) Erdmann, a. a. 0. 202; Fabricius, a. a, 0. 1732; Curtius, Stadtgeschichte von Athen, 109!.; Foucart, a.a.O. 181. v. G e r k a n , Griech. Städteanlagen.
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Hippodamos und der regelmäßige Stadtplan,
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Die Entstehung der regelmäßigen Stadt.
wurde, im Piraeus eine Probe seines Könnens den Athenern vorzuführen. Das ist etwa dasselbe, wie wenn 250 Jahre später Hermogenes als Haupt Vertreter der jonischen Bauweise dem Zuge seiner Zeit folgt und auch theoretisch die Vorzüge des jonischen Stiles vor dem dorischen begründet, ohne doch mit seiner Propaganda das tatsächliche Aufhören des dorischen Stiles an monumentalen Bauten zu verursachen. Eine solche Entwicklung lag in der Zeitströmung begründet, und Hermogenes war nicht ihr Urheber, sondern ihr Produkt. Sein VerDer Vergleich bedarf jedoch einer starken Einschränkung, da hältnis zur Hippodamos dem Hermogenes nicht als Künstler an die Seite gestellt Baukunst. werden darf. Das Wort bedeutet im Altertum ja nur den Baufachmann in leitender Stellung, unabhängig von seinen künstlerischen Qualitäten, und nicht anders verhält es sich mit der antiken Terminologie im allgemeinen, welche für das Baugewerbe, wie für alle ändern Zweige der bildenden Kunst mehr die handwerkliche, als die künstlerische Seite des Schaffens betont. Was den Bildhauern, Malern und Baumeistern nachgerühmt wird, ist Tüchtigkeit; ihre Bedeutung wird durch Beispiele hervorgehoben, die auf der naturalistischen Wirkung, d. h. auf einem hohen Grade des technischen Könnens beruhen, und Worte, wie Symmetrie, Eurythmie u. dgl. setzen ebenfalls nicht die Begabung, sondern die Beobachtung gewisser Regeln der Proportionierung voraus: alles weist darauf, daß der Grieche an seinen Meistern nicht so sehr das Talent, wie sein Wissen bewunderte. Das liegt ohne Zweifel an dem Vollkommenheitsbegriff der alten Welt, für die die Bedeutung der Worte »gut« oder »zweckmäßig« mit »schön« mehr zu einer Einheit zusammenfiel; es verstand sich von selbst, daß ein gutes Werk auch zugleich den Anforderungen der Schönheit entsprach, und umgekehrt mußte für die Alten ein schönes Werk auch gut und nützlich sein. Wir sind gewohnt, diese Begriffe schärfer zu scheiden, und müssen daher stets die Überlieferung in ihrem weiteren Sinne prüfen, wenn wir zu künstlerischen Werturteilen gelangen wollen. Nun hat man allerdings niemals Hippodamos mit den Baukünstlern seiner Zeit, wie Iktinos und Mnesikles, verglichen, doch ist es allgemein üblich, ihn als Künstler zu bezeichnen und seine Leistungen von diesem •Standpunkt einzuschätzen. Verschiedene Momente haben diese Anschauung hervorgerufen, aber wir müssen alle als mehr oder weniger irrtümlich erklären. Einmal bildete sich die Überschätzung des Milesiers in jener unglückseligen Zeit aus, da unsere Großstädte mit den gewiß auch zweckmäßigen schachbrettförmig angelegten Vorstädten bedacht wurden, die dem damaligen Schönheitsbegriff entsprachen, heute jeden fühlenden Menschen, nicht nur den Architekten, mit Abscheu erfüllen. Man glaubte nun im Altertum das Gegenstück gefunden
4· Hippodamos von Milet.
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zu haben. Allein darum brauchen wir noch heute das griechische Stadtschema nicht gleich so hart zu beurteilen, wie es gelegentlich geschieht l ): das meistens bewegte Terrain oder wenigstens die umgebende Landschaft sch tzten das Bild vor der Langenweile; mehr noch wirkten die kleinen Abmessungen und die Anspruchslosigkeit der meisten Bauten, die jede S ule, jeden Laufbrunnen, ja jeden kleinen Altar voll zur Geltung kommen lie , so da die Monumentalbauten, wie es sich geb hrt, den Eindruck beherrschten, w hrend unsere Stra en nur Fassadensammlungen sind, deren Einzelheiten einander zu berschreien versuchen. Andere Irrt mer entstanden aus dem Mangel an Vertrautheit mit den Verh ltnissen, unter denen der Bau einer Stadt vor sich gehen kann. Man hat, im Gegensatz zu der durchaus einwandfreien berlieferung, dem Hippodamos eine viel weitergehende T tigkeit zugeschrieben, als wir annehmen d rfen: die Quellen schreiben ihm berhaupt keine Bauten zu, sondern lediglich den Entwurf des Stadtplanes, die regelm ige Anordnung der Wohnquartiere (ευτομος διάθεο"ις των ιδίων οικήσεων nach Arist. pol. VII, 1330 b, 2l—23), die Einteilung der St dte (διαίρεσις των πόλεων das. Π, 1267 b 22, gew hnlich νέμησις). Entsprechend lauten die Verba: διανέμειν, διαιρεΐν, κατατέμνειν, allgemeiner ποιεΐν, κατασκευάίειν; der gew hnliche technische Ausdruck der sp teren Zeit ist, neben dem allgemeineren κατατέμνειν, den schon Herodot gebraucht, βυμοτομεΐν und f r die regelm ige Einteilung ρυμοτομία. Wenn Harpokration und Suidas das Wort οίκοδομεΐσθαι gebrauchen, so ist das auch nur ein unbestimmter allgemeiner Ausdruck, da er nicht auf einzelne Bauten, sondern auf den ganzen Piraeus angewendet wird. Denn auch diese Stadt ist nicht an einem Tage erbaut: wenn Themistokles den Mauerring anlegte und den Ausbau der H fen mit den Schiffsh usern begann, so war das Notwendigste f r den Flottenst tzpunkt geschaffen; in die sechziger Jahre, vielleicht noch vor die F hrerschaft des Perikles, kann fr hestens der Entwurf des Hippodamos fallen, und man darf daraus entnehmen, da eine geschlossene Besiedelung damals noch nicht bestanden hat. Nun aber mu eine planm ige Entwicklung eingesetzt haben, allein nicht in der Weise, wie Erdmann sich das vorstellte, da die Privath user von Staats wegen gebaut und den Einwohnern berlassen worden w ren J ), denn dazu reichen die Mittel eine Staates nicht aus: wenn schon die Schiffsh user, die doch gewi keine Prachtbauten waren, IOOO Talente gekostet haben (Iso') A. Jardi in Revue de Paris 1909, II, 530 f. *) Erdmann, a.a.O. 201.
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krates III, 66), so hätten die zwar noch einfacheren, dafür aber sehr zahlreichen Wohnhäuser eine mehrfach größere Summe erfordert. Auch wenn die Leistung überhaupt denkbar wäre, so müßten wir mit Fug und Recht erwarten, daß diese Bautätigkeit ebenso, wie die Akropolisbauten, dem Perikles nachgerühmt worden wäre. Statt dessen aber findet sich nur die Erwähnung, daß eine Halle, die Alphitopolis, auf ihn zurückgeht (Schol. Arist. Acharn. 548). Vielleicht entstanden damals auch schon andere Hallen, einzelne Heiligtümer u. dgl., aber es geht doch daraus hervor, daß nicht die ganze Stadt in einem Guß erbaut worden ist. Für eine solche ungeheure Arbeit reichte damals, wie heute, die Arbeitskraft und die Lebensdauer eines Menschen nicht aus; es ist daher eine gewaltige Verkennung der Tatsachen, wenn Erdmann ihn nicht nur diese Stadt, sondern außerdem noch Thurioi und Rhodos erbauen läßt. Der Piraeus galt, ebenso wie Rhodos, im Altertum als eine schöne Stadt: man hat auch dies dem Hippodamos als persönliches Verdienst zugeschrieben. Wir können heute noch nicht feststellen, wie weit landschaftliche Momente oder etwa die Vorzüge der Gebäude diese Wirkung mitbestimmten, dürfen es aber als sicher betrachten, daß in diesem Urteil sich die Freude an der regelmäßigen wohlgeordneten Anlage widerspiegelt, daß mithin wieder eine Verquickung der Begriffe »gut« und »schön« vorliegt; für den Piraeus lag der Vergleich mit Athen auf der Hand, und Pseudo-Dikaearch. (Frg. hist, graec. II, 254: ) bezeugt für die Hauptstadt mit aller Klarheit, daß man ihre Rückständigkeit als unschön auffaßt. Wir brauchen dem Urteil in dieser Begründung jedoch nicht beizutreten, noch weniger aber, wie Erdmann, darüber hinauszugehen und den Gipfelpunkt der Schönheit gerade darin zu erblicken, daß auch alle Wohnhäuser gleichartig erbaut worden wären, und daß die ganze Stadt deshalb wie ein Haus aussähe. Wenn Plato leg. 779 B. eine solche Forderung für seine Idealstadt aufstellt, so ist das eine Folge der Schematisierung seines Musterstaates, während Aristides I, 799 (' ) mit einem ähnlichen Vergleich die Einheitlichkeit und harmonische Gestalt von Rhodos zum Ausdruck bringt, aber nicht wörtlich genommen werden darf. Dazu trägt eine einheitliche Planung allerdings bei, und insofern war Hippodamos an der Wirkung des Piraeus mitbeteiligt, nur dürfen wir dabei keine künstlerische Absicht voraussetzen. Aristophanes Eine merkwürdige und buchstäblich aus der Luft gegriffene Ansicht aves. vom hippodamischen System entwickelte Erdmann x ), und zwar hatte es ihm der viereckige Kreis bei Aristophanes, aves, 1005 angetan; da Erdmann, a. a. 0. 205 f.
4. Hippodamos von MUet
die Erklärung Beifall gefunden hat x ), kann eine Stellungnahme nicht vermieden werden. In der Annahme, daß Hippodamos sein System auf theoretischem Wege erfunden habe, um allen Einwohnern einen möglichst kurzen Weg zur Agora zu schaffen (wozu bekanntlich ein rechtwinkliges Straßennetz ohne Diagonalverbindungen die ungeeignetste Lösung ist), läßt Erdmann ihn eine kreisförmige Stadt anlegen, mit dem Platz im Mittelpunkt, in dem sich zwei Hauptstraßen schneiden, bei Hafenstädten aber das hemikyklische Prinzip anwenden, eine Halbierung der ersteren, wobei die Agora am Ufer zu liegen kommt, wie auch die eine der Hauptstraßen; die vier oder zwei Quadranten werden dann durch parallele Straßenzüge eingeteilt. Es gibt kaum etwas für die Anlage einer Stadt so Unwesentliches, wie ihr äußerer Umriß, und dieser ist von so vielen Zufälligkeiten abhängig, daß die Möglichkeit, ihm eine willkürliche Form zu geben, nur in den seltensten Fällen vorliegt, und schon gar nicht in den Beispielen, die auf Hippodamos zurückzuführen sind; daß aber der Markt am besten eine zentrale Lage erhalten soll, braucht nicht erst von einem gelehrten Theoretiker erfunden zu werden. Es bleibt also als Begründung allein der erwähnte Komödientext v. 995—1009 übrig, in dem Aristophanes Meton seinen windigen Entwurf der Vogelmetropole in der Luft entwickeln läßt. Wir werden dem Dichter nicht die Pedanterie zutrauen, daß er die Gelegenheit benutzt, um seinem Publikum einen ernstgemeinten Vortrag über moderne städtebauliche Grundsätze zu halten, die zudem im Jahre 414 schon längst den Reiz der Neuheit verloren hatten; dazu werden ihm ebenso, wie Erdmann, die Kenntnisse gefehlt haben. Doch wird er wohl gewußt haben, daß man mit Meßkette und Fluchtstäben, nicht aber mit Lineal und Winkel im Gelände arbeitet, so daß er nicht ohne Grund den Mathematiker mit diesem ungeeigneten Gerät in der Luft herumhantieren ließ, um als Resultat einen , nach Erdmann einen vierwinkligen Kreis, mit strahlenförmigen, nicht etwa parallelen Straßen, zu erhalten. Daß er dazu einen bekannten Gelehrten auftreten läßt, ist das Recht des Komödiendichters, der auch nicht gefragt hat, ob er in den »Wolken« dem Sokrates eine ihm zukommende Rolle zuwies. Wir haben auch keinen Grund anzunehmen, daß Hippodamos Der Piraeus, im Altertum einen ähnlichen hohen Ruhm genoß, wie heute. Die Quellen, die seinen Namen nennen, sind alle attischen Ursprungs: sowohl Aristoteles, wie die Lexikographen und der Scholiast schöpften aus den Chroniken der Stadt. Die letztgenannten beziehen daher seine auch ausschließlich auf das einzige Beispiel der Hafenstadt; Aristoteles aber kannte noch seine theoretischen Schriften und nennt ihn daher noch ') Merckel, a. a. 0. 395 f.
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Kapitel II. Die Entstehung der regelm igen Stadt.
allgemeiner den Erfinder der Stadteinteilung. Aber auch f r ihn ist pol. VII, 1330 b. 23 der Ιπποδάμειας τρόπος nicht schlechthin gleichbedeutend mit dem νεώτερος, sondern er verbindet beide Begriffe durch die Partikel καί, und man k nnte das mit »die neuere, auch die hippodamische Art« bersetzen. Mit Ausnahme von Thurioi, das ja eine athenische Gr ndung war, hat Hippodamos au erhalb Attikas nicht gewirkt oder Ansehen genossen, wie schon Erdmann erkannt hat x ), aber in Athen war er volkst mlich: »ην δ'Άθηναίοις τίμιος«, sagt der Scholiast, und f r den Markt im Piraeus, der amtlich ή αγορά ή εν ΤΤειραιεΐ hie , war die Bezeichnung Ίπποδάμεια(ος) αγορά oder einfach 'Ιπποδάμεια so verbreitet, da sie auch die Schriftsteller und Redner gebrauchten. Dieser Platz wird gern als seine bauliche Leistung hingestellt, aber auch das h lt der Kritik nicht stand: der Name erkl rt sich gen gend dadurch, da er den Platz im Stadtplan vorsah und ihm, in Gegensatz zur athenischen Agora, durch Freilassung mehrerer Stra enviertel eine regelm ige Gestalt gab. Nichts aber berechtigt uns, in ihm mit G. Hirschfeld *) einen von Hallen einheitlich umgebenen jonischen Platz zu sehen. Wenn nach Demosth. XL IX, 22 das Haus des Timotheos an diesem Markt gelegen hat, so mu es ein offener Platz ohne Hallen gewesen sein, um so mehr, als er noch gegen 320 v. Chr. ungepflastert war (LG. II p. V, iQ2c) und damals erst eingeebnet wurde. Ob er je mit Hallen ausgestattet worden ist, was seine rechteckige Gestalt erm glicht h tte, k nnen nur Ausgrabungen lehren, einstweilen verm gen wir nicht einmal mit Bestimmtheit seine Lage anzugeben, m ssen uns aber erinnern, da wir auch in Jonien Hallenm rkte vor dem IV. Jahrhundert nicht kennen; fr her gab es nur Hallen als selbst ndige Geb ude, die sowohl am Markt, wie auch an anderen Pl tzen errichtet werden konnten. Topographie. Die neuere Forschung ist mit Recht zu der Einsicht gekommen, da wir zwar viele Einzelheiten der Hafenstadt kennen, von der Gesamtanlage aber nur sehr wenig 3). Dies ist das gef hrlichste Stadium der Forschung, wenn dazu eine reichhaltige berlieferung und ein ausf hrliches Kartenmaterial tritt. Denn nun entstehen leicht Vermutungen, die gar zu willig Glauben finden. Der Plan Judeichs bietet ein viel unvollst ndigeres Bild, als die lteren Arbeiten, aber darum auch ein weit zuverl ssigeres. Wir k nnen nicht entscheiden, ob der hippodamische Plan die ganze Halbinsel umfa te, d. h. ob die in sich rechtwinkligen, aber voneinander und vom Hauptstadtteil abweichend ') a. a. 0. 197. ») G. Hirschfeld in Ber. Sachs. Ges. d. W. XXX 1878, i f. 3) Wachsmuth, Stadt Athen I, 132, Anm. 2; Judeich, Topogr. von Athen, 378 f.
4. Hippodamos von Milet.
ejij
orientierten Viertel am Südrande der Akte und beiderseits vom Zeahafen ursprünglich so angelegt sind, was'bei der konsequenten Art der Durchführung jonischer Stadtpläne nicht sehr wahrscheinlich ist, ob sie älter, oder im Gegenteil jünger sind und spätere Erweiterungen der Stadt vorstellen. — Ganz willkürlich ist die Annahme von zwei Hauptstraßen, deren Kreuzungspunkt den hippodamischen Markt bezeichnen soll: sie beruht auf der irrigen Vorstellung, auf welche später näher einzugehen sein wird, daß griechische Märkte auf Straßenachsen gelegen hätten, während sie in Wirklichkeit nur in der Ecke eines der vier Quadranten liegen könnten. Dazu kommt, daß eine nordsüdliche Hauptstraße garnicht überliefert ist, nur eine westöstliche (Xen. Hell. II, 4, n) von einer Breite, daß etwa 60 Hopliten darin Platz hatten, vielleicht 100 Fuß oder gegen 30 m. Leider läßt sich über diesen Weg nichts ermitteln, da wir weder die Lage des Heiligtums der munichischen Artemis kennen, wohin er führte, noch die Normalbreite der Straßen und Häuserviertel. Da jedoch, wie wir noch sehen werden, breite Hauptstraßen keineswegs ein Charakteristikum der griechischen Stadtpläne waren, ist es durchaus fraglich, ob diese Straße erst von Hippodamos angelegt worden ist, oder ob er nicht nur einen bereits bestehenden Hauptweg vom Kantharoshafen in die Gegend des Zeahafens beibehielt, dessen Breite durch den Transport von Kriegs- und Schiffsmaterial gefordert war. Von den sonstigen Problemen sei hier nur noch die Frage des berührt. Man erkennt diesen Hafen in dem kleinen Becken nördlich vom Kantharoshafen, und Judeich I ) vermutet, daß diese Bucht ursprünglich von der themistokleischen Mauer umgeben, dann aber von Konon ausgeschlossen und durch eine Mauer auf einem Damm quer über ihre Mündung abgeteilt worden sei. Darin liegt aber eine topographische Unmöglichkeit, daß man die Befestigung der Eetioneia nur durch diesen Mauerring mit der Halbinsel verbunden habe, und ebenfalls unwahrscheinlich ist es, daß ein schiffbarer Hafen im Laufe von kaum 80 Jahren so weit versandete, daß er unbrauchbar wurde. Dabei ist nicht in Betracht gezogen, daß die Piraeusküste sich fraglos gesenkt hat, wenn vielleicht auch nicht so stark, wie Ph. Negris 2 ) annimmt, so doch sicher um mindestens l x / 2 m, und es müßte erwogen werden, ob nicht erst dieser Vorgang das flache Gebiet, welches im Altertum noch trocken gelegen haben kann, unter Wasser gesetzt hat, und ob ein Hafenbecken nicht erst durch die moderne Ausbaggerung entstanden ist; die Reste der kononischen Mauer sind bei dieser Gelegen') a. a. 0. 135 f. ») Ph. Nigris, Ath. Mitt. XXIX 1904, 348 f.
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Kapitel II. Die Entstehung der regelm igen Stadt.
heit ebenso, wie weiter n rdlich gelegene Steinsetzungen verschwunden. Dann w re die kononische Mauer nicht auf jungen sumpfigen Schwemmland, sondern auf altem, festem Boden errichtet worden, ebenso wie die perikleische Getreidehalle, und wir w ren der Schwierigkeit enthoben, annehmen zu m ssen, da dieser Hafen die Eetioneia ganz von der Halbinsel trennte. Als eine weitere Best tigung daf r, da Hippodamos pers nlich mit den Bauten im Piraeus nichts zu tun hatte, m ssen die oben (S. 47) erw hnten Grenzsteine gelten. Sie sind so alt, da sie sich mit der bisherigen Ansetzung seiner Wirksamkeit nicht vereinigen lie en, und andererseits so ausf hrlich, da man sie zu einem System erg nzen mu , durch welches die gesamte Stadtanlage in allen Einzelheiten festgelegt wurde. Weil aber der Bau der Stadt in der ersten H lfte des V. Jahrhunderts unm glich schon so weit gediehen sein konnte, m ssen wir in den Steinen die monumentalen Reste der hippodamischen T tigkeit erblicken, mit denen der Baumeister seinen Entwurf im Gel nde festlegte. Thurioi. Einige Worte seien noch dem zweiten Entwurf des Architekten, der Stadt Thurioi, gewidmet. Hier liegen die Verh ltnisse noch ung nstiger, da an der Stelle der Stadt noch keine Untersuchungen stattgefunden haben. H. Nissen *) berichtet aus eigener Anschauung, da die geringen Reste der Stadt einen Raum von 2τ/2 km L nge und l km Breite bedecken, er sagt aber leider nicht, ob das Gel nde zu dieser ungew hnlich langgestreckten Form zwang, und wie die Stadt orientiert war. Obwohl die Reste ohne Zweifel von einer viel sp teren Entwicklung stammen, mu angenommen werden, da die Stadt im allgemeinen die urspr ngliche L ngsrichtung, die Diodor XII, 10 erw hnt, beibehalten hat. In der Deutung dieser Stelle herrscht bei allen Gelehrten der gleiche merkw rdige Irrtum, da die Stadt vier breite Stra en der L nge nach und drei Querstra en gehabt h tte, obwohl das bei Zugrundelegung der am meisten gestreckten H userquartiere, wie sie in Priene vorkommen 2), dazu sogar in der L ngsrichtung, eine quadratische Form f r die Stadt ergibt, wobei von einer L ngenausdehnung nicht die Rede sein kann. Diodor berichtet aber gerade das Gegenteil: την δε πόλιν διελόμενοι κατά μεν μήκος εις τέτταρας πλατείας κατά δε πλάτος διεΐλον εις τρεις πλατείας hei t nat rlich: »man teilte die Stadt ihrer L nge nach in vier (Quer-)Stra en, ihrer Breite nach aber in drei (L ngs-)Stra en«. Man bezeichnet diese Stra en gern auch als Hauptstra en, wohl in der Voraussetzung, da zwischen ihnen noch *) H. Nissen, Italische Landeskunde II, 921. *) Verh ltnis 3:4; Alexandrien zeigt 5:6, w hrend der Milesische Baublock 4:7 ein Doppelblock ist, der noch einmal durch eine Querstra e geteilt ist.
4' Hippodamos von Milet.
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weitere engere Stra en eingeschaltet waren, und da das Wort πλατεία eine besonders breite Stra e bedeutet. Aber wir kennen in keiner Stadt ein derartiges alternierendes Stra ensystem und d rfen Diodor schon deshalb nicht so verstehen, weil er unmittelbar danach fortf hrt: τούτων δε στενωπών πεπληρομένων ταΐς οίκίαις ή πόλις έφαίνετο καλώς κατασκευάσθαι. Das zeigt doch, da f r ihn bereits πλατεία und στενιυπή jeden graduellen Bedeutungsunterschied verloren haben und einfach die st dtische Stra e bedeuten, und, nebenbei bemerkt, da auch hier die Sch nheit der Stadt als die Folge der regelm igen und bersichtlichen Anordnung erscheint. Wir m ssen voraussetzen, da alle Stra en an beiden Seiten mit H usern bebaut waren, denn der offene Streif l ngs der Mauer ist keine Stra e, sondern hei t πάροδος, und so erhalten wir 20 Quartiere, von denen einige f r den Markt, die Tempel und Staatsgeb ude in Abzug zu bringen sind. Etwa 15 k nnen zu Wohnzwecken gedient haben, und wenn sie, entsprechend einer gr eren Stra enbreite, recht ger umig waren, so konnte jeder Baublock, besonders wenn er der L nge nach ungef hr west stlich gerichtet war, leicht acht H user enthalten haben, die damals gewi noch bescheidener waren, als in hellenistischer Zeit. Die Einwohnerzahl war also nicht gro , sie betrug etwa nur die H lfte der von Priene, und die Stadt war wenigstens anf nglich recht unbedeutend, wenn nicht etwa eine starke Landbev lkerung vorhanden war. Bisher hat nur H. Brunn vermutet, da Hippodamos selbst keine Ergebnisse Bauten errichtet habe*), aber er fiel ins entgegengesetzte Extrem, f r die Bauwenn er ihn f r einen Sophisten erkl rte, »der wegen seines von ihm ta £keit des aufgestellten und praktisch durchgef hrten Systems eine Stelle unter lpp den Architekten verdient«. Brunn war sich dessen nicht bewu t, da man ohne Fachkenntnisse zwar theoretische Forderungen erheben, sie aber nicht praktisch und mit Erfolg ausf hren kann, und da zum Entwurf eines Stadtplanes auf gegebenem Terrain mehr geh rt, als nur mathematische Kenntnisse, die h chstens zu akademischen Arbeiten auf dem Rei brett reichen. Da die berlieferung ihn mit Recht als Baumeister bezeichnet, d rfen wir nach seiner T tigkeit nicht bezweifeln, nur war er nach den heutigen Begriffen nicht Bauk nstler, sondern Ingenieur, der die Anlagen im Einklang mit der Bodengestaltung nach ihren praktischen Bed rfnissen ausarbeitet; er geh rt also in eine Reihe etwa mit Eupalinos, Kallikrates und den Ingenieuren der r mischen Zeit. Allerdings war im Altertum die Fachausbildung nicht ann hernd so spezialisiert wie heute, und wie in der Renaissance waren die Architekten gleichzeitig auch Ingenieure, wie denn auch Vitruv einen Unter') H. Brunn, Gesch. d. gr. K nstler II, 362 f.
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Kapitel II.
Die Entstehung der regelm
igen Stadt.
schied nicht kennt, doch haben Begabung und Neigung der T tigkeit wie immer so auch damals die vorherrschende Richtung gewiesen. Seine Auf seine schriftstellerische T tigkeit brauchen wir in diesem ZuSchiiften. sanimenhang nur soweit einzugehen, als sie zur Charakterisierung seiner Pers nlichkeit dient. Es handelt sich dabei um die Frage, ob er zur Gruppe der Sophisten gez hlt werden darf. Jedenfalls hatte er eine starke wissenschaftliche Ader, er wird von Hesych und Photios μετεωρολόγος genannt, war also Gelehrter, nach antiken Begriffen Philosoph, oder erhob wenigstens den Anspruch, es zu sein (Arist. pol. II, 1267 b, 28: λόγιος δε και περί την δλην φύσιν ·ειναι βουλόμενος. Das Wahrscheinlichste ist wohl, da er die mathematischen Kenntnisse, die er als Baufachmann haben mu te, durch weiteres Studium ausbaute und zun chst die in Jonien ge bte Praxis des St dtebaues eingehend begr ndete und vertiefte, ihre Zweckm igkeit erwies und so die Aufmerksamkeit der Athener auf sich lenkte. Obwohl Milet seit dem Jahre 500 nicht mehr als geeigneter Boden f r ein wissenschaftliches Studium gelten kann, m ssen wir doch annehmen, da er seine Kenntnisse schon in der Heimat erworben hat und nicht erst als gereifter Mann in Athen, welches ja erst sp ter, in der perikleischen Zeit, zur Pflanzst tte der Philosophie wurde. Soweit es sich um den St dtebau handelt, verr t seine Richtung jedenfalls den Geist der jonischen Naturphilosophie und ihre theoretisch-deduktive Methode, hat dagegen mit dem Skeptizismus und der umst rzenden Art der Sophistik nichts gemein, da er das System ja, wie wir sahen, nicht im Gegensatz zum Hergebrachten ausgekl gelt hat. Auch seinem Lebensalter nach kann er nicht mehr als Sch ler der gro en Sophisten um Perikles gelten. Er ist etwa ebenso alt, wie ihr ltester Vertreter Anaxagoras, und m te demnach einer ihrer Mitbegr nder sein. Doch ist es denkbar, da er in ihrem Kreise mancherlei Anregung empfangen und unter einem gewissem Einflu der Sophistik gestanden hat; da er aber auf diesem Gebiete Dilettant war, ist er schwerlich zu einer abgeschlossenen Weltanschauung gelangt. Aristoteles jedenfalls schildert ihn geradezu als Dilettanten (πρώτος των μη πολιτευόμενων ένεχείρησέ τι περί πολιτείας ειπείν της αρίστης) und kritisiert seine Arbeit ber die Staatsverfassung mit einer unverkennbaren Sch rfe und Ungeduld, in der man die Mahnung »ne ultra crepidam« zu h ren vermeint. Das mag angesichts des positiven Wertes des Buches, den Aristoteles besser als wir beurteilen konnte, berechtigt gewesen sein, es ist aber keine objektive W rdigung des Verdienstes, das Hippodamos sich mit der Aufrollung mancher Fragen erworben hat. Vermutlich verf gte er ber keinen allzu weiten Horizont, aber ber eine gro e Eitelkeit, die ihn veranla te, nach dem Er-
4· Hippodamos von Milet,
eg
folg auf einem engeren Fachgebiet es seinen Freunden des perikleischen Kreises gleichtun zu wollen, und so wagte er einen Wurf, der ihm weniger Ruhm einbrachte: denn nicht die Verfassung, sondern blo der Stadtplan von Thurioi wurde ihm anvertraut. In mancher Beziehung enth lt seine Idealverfassung gute und geradezu moderne Z ge, wie die Forderung eines Appellationsgerichts und einer motivierten Urteilsf llung, eine Folge seiner n chternen, sachlichen Denkweise; anderes, wie die Forderung einer staatlichen F rderung der n tzlichen Erfindungen, verr t den Techniker, im ganzen aber erweist sich seine Verfassung als eine u erliche, wenig durchdachte Schematisierung, eine deduktive Konstruktion ohne tiefere ethische Begr ndung, die weder bei Aristoteles Beifall finden konnte, noch der scharfen sophistischen Kritik entspricht. Wenn er Beziehungen zur pythagoreischen Schule hatte, so w rde das bedeuten, da er in Thurioi sich dieser Richtung anschlo , die seiner mathematischen Schulung besser entsprach, als die Lehren eines Protagoras und Anaxagoras, zugleich auch beweisen, wie weit er von jeder philosophischen Selbst ndigkeit entfernt war. Seine Ideal Verfassung ist aber schwerlich erst jetzt entstanden, denn ihre starre Dreigliederung hat auch keine u ere hnlichkeit mit der pythagoreischen Zahlensymbolik. Doch kann das in der Sp tzeit als Beweis gedient haben, da die Anh nger der Schule ihn zu einem der Ihren rechnen durften. Von biographischem Interesse ist die Charakterisierung, die Ari- Sein u eres, stoteles einleitend Hippodamos gibt (pol. II, 1267 b, 24—27): γενόμενος και περί τον άλλον βίον περιττότερος δια φιλοτιμίαν ούτως ώστε δοκεΐν ένίοις Ζην περιεργότερος τριχών τε πλήθει καΐ κόσμψ πολυτελεΐ, έτι δε έσθήτος ευτελούς μεν άλεεινής δε ουκ εν τω χειμώνι μόνον άλλα και περί τους θερινούς χρόνους. Diese Schilderung ist ebensowenig freundlich, wie die Kritik seines Werkes, und geeignet, ihn nicht allein als ehrgeizigen Dilettanten, sondern auch als Gecken erscheinen zu lassen, der eine bertriebene Sorgfalt f r sein u eres an den Tag legte. Unter der Voraussetzung, da eine solche unsachliche Herabsetzung seines Gegners Aristoteles nicht w rdig sei, hat nach Congreves Vorgang F. Susemihl *) diese Stelle als sp ter eingeschoben erkl rt und seine Anschauung F. D mmler 2 ) gegen ber aufrechterhalten, der sie als eine scharfe Kritik gelten lie , die die Stellungnahme der Aristoteles zu Hippodamos als einem nicht ernst zu nehmenden Pseudogelehrten lebendig wiedergebe. Allein es ist gewi J J
) F. Susemihl, Arist. Pol. Bd. II, Anm. 250; Jahrb. f. d. kl. Altert. 1893, 192. ) F. D mmler, kl. Schriften 155, Anm. i.
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Kapitel II. Die Entstehung der regelmäßigen Stadt.
nicht zulässig, Texte lediglich nach einem moralisierenden Maßstabe zu reinigen, vielmehr müssen wir uns vor Augen halten, daß man im Altertum bei Kontroversen jeder Art mit allen Mitteln operierte und auch mit persönlichen Angriffen nicht zurückhielt. Glücklicherweise läßt sich in diesem Falle die merkwürdige Stelle sogar sachlich erklären. Aristoteles hat in der Überliefernug über Hippodamos die Beschreibung seines Äußeren vorgefunden und hat sie in seiner Weise, allerdings zuungunsten des Milesiers zu deuten versucht: das folgt schon aus den Worten , welche, wie und Ähnliches, eine gewisse Abschwächung der Behauptung enthalten und zeigen, daß hier subjektive Folgerungen vorliegen, die in der Quelle nicht enthalten waren. Daher müssen wir die Angaben über Kleidung und Haartracht als gesichert betrachten. Man hat ganz allgemein darin einen Beweis zu sehen geglaubt, daß Hippodamos zu den Sophisten gehört habe, von denen verwandte, aber nicht einheitliche Züge überliefert werden: bald sollen sie eine übertriebene Eleganz zur Schau getragen haben, andererseits wieder nachlässig, wenn nicht ganz zerlumpt gekleidet gewesen sein. Alles dies stammt aus einer viel späteren Zeit und will nicht in die erste Hälfte des V. Jahrhunderts passen. Dagegen besitzen wir die oft behandelte Überlieferung von der Tracht, die auch in Athen zur Zeit der Schlacht bei Marathon üblich war, bei Athenaeus XII, 512 B nach Herakl. Pont., bei Aristoph. equ. 1331 und, als locus classicus, bei Thuk. I, 6, 2. Dieser hält die Tracht zwar für einheimisch attisch, welche auch die Joner übernommen hätten, allein es besteht kein Zweifel, daß der Sachverhalt umgekehrt war. Daher werden wir in den langen Haaren mit ihrem kostbaren Schmuck, die Hippodamos trug, den und die goldenen € wiedererkennen müssen, welche als fremdländische Mode in Athen aufgegeben wurden — schon sein Altersgenosse Perikles trug sie nicht mehr —, aber in Jonien kann sie sich länger erhalten haben. Hippodamos war nur wenig jünger, als die Marathonkämpfer, er folgte der jonischen Tracht und behielt sie auch in Athen bei, was seinen Zeitgenossen weit weniger aufgefallen sein wird, als den Nachfahren, die sie nur aus der Überlieferung kannten und sie leicht mißdeuten konnten. Die Kleidung beschreibt Aristoteles nur summarisch als einfach und warm; das spricht allerdings nicht für einen Luxus, der in der langen Kriegszeit abgenommen haben mag, aber es ist erlaubt, sie sich im einzelnen bestehend aus einem leinenen Chiton und wollenem Obergewand vorzustellen, denn Milet war durch seine Wollenindustrie berühmt, und es entspricht der bekannten Verweichlichung der Joner, wenn sie sich im Sommer wie im Winter wärmer kleideten, als es nach attischen Begriffen notwendig war.
4- Hippodamos von Mil et.
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Wenn das Schol. Arist. equ. 327 noch von einer berichtet, die Hippodamos nachgesagt wurde, so steht diese Stelle zu sehr außer jedem Zusammenhang mit dem Übrigen und wird außerdem noch als eine Verleumdung hingestellt, dazu in einer irrtümlichen Verbindung mit Kleon, als daß sie zu irgendwelchen Ergebnissen führen könnte. Wir können zusammenfassen: Die natürliche Entwicklung der Stadtanlagen, die bereits in Milet für uns zuerst in Vollendung vorliegt, zwingt zu einer um etwa zwei bis drei Jahrzehnte früheren Datierung des Geburtsjahres des Hippodamos. Dadurch wird eine Reihe von Schwierigkeiten beseitigt: die Anlage des Piraeus fällt nicht mehr in seine Jugendjahre, wie man bisher annehmen mußte, das höhere Alter der Horossteine aus der Hafenstadt ist verständlich, die Unwahrscheinlichkeit, daß er noch in hohem Alter bei den Gegnern Athens, auf Rhodos, tätig war, wird vollends unmöglich, und auch sein von Aristoteles überliefertes Äußere fügt sich in die bekannte Kulturentwicklung. Dagegen müssen wir darauf verzichten, in ihm den Entdecker eines Systems zu sehen, das zu natürlich war, um je erfunden zu werden, und zugleich auch, für seine Tätigkeit künstlerische Ziele zu suchen, die sich ohnehin aus den alten Quellen nicht belegen lassen. Bei ernsthafter Überlegung verliert Hippodamos dabei nicht allzu viel; sein Wirken ist mit dem eines Historikers zu vergleichen, der die Ereignisse der Vorzeit sammelt und sichtet und sie in einem abgeschlossenen Werk der Nachwelt zum Nutzen und Frommen hinterläßt. Hippodamos hat diese Aufgaben in doppelter Weise gelöst; in einer Zusammenfassung der Grundsätze, die Veranlassung gab, ihm die Erfindung zuzuschreiben, und in zwei glänzenden Beispielen von einheitlichen Anlagen, mit denen er die Lebensfähigkeit der für Griechenland neuen Theorie bewies. Besonders der Piraeus, dessen drei Häfen und Hügel eine verwickelte Aufgabe boten, war eine Leistung ersten Ranges, die als Werk eines einzelnen Mannes für seine Tüchtigkeit das beste Zeugnis ablegt. Daß derselbe Mann nicht Maß zu halten verstand und ohne genügende Vorbereitung auf fremdem Gebiete Erfolgen nachstrebte, braucht seiner Bedeutung als Baumeister nicht Abbruch zu tun; die Athener hatten die erfolgreiche Seite seines Schaffens stets vor Augen und haben ihn nicht vergessen.
Seine &·
ßedeutun
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Kapitel III. Die Gestalt der regelm
igen Stadt.
K a p i t e l ΠΙ.
Die Gestalt der regelm igen Stadt. 1. Die berlieferung. Wir hatten oben (S. 29) als wichtigstes und entscheidendes Merkmal der sp teren griechischen Stadtanlage das rechtwinklige und parallele Stra ennetz hingestellt. Wenn wir allein auf die schriftliche berlieferung angewiesen w ren, so m ten wir uns auch damit allein begn gen. Diese Quellen sind f r die sachliche Seite die Frage recht d rftig: es fehlt vor allem an einer Systematik der neueren Stadt, an einer Aufz hlung der grunds tzlichen Erfordernisse und der Mittel, die ihnen Gen ge leisteten; meist sind es nur beil ufige Erw hnungen, aus denen entnommen werden kann, da die eine oder die andere Stadt, deren Reste uns nicht bekannt sind, zur Kategorie der regelm igen geh rte, oft mit einer lobenden Hervorhebung ihrer Regelm igkeit und Sch nheit. Dann aber finden sich auch einige praktische Angaben ganz allgemeiner Art ber St dteanlagen, aus denen hervorgeht, da der Autor die sp tere Form im Auge hatte; sehr selten wird ein Vergleich zwischen beiden Formen in irgendeiner speziellen Beziehung gezogen. PUto. Wenn Plato, de leg. 779 A, B, von der Disposition einer Stadt vectv και άοίκητον εν τψ πρόσθεν spricht, so bedeutet das im IV. Jahrhundert von selbst das hippodamische System. Was er jedoch anf hrt, die Konzentrierung der Heiligt mer, Verwaltungsgeb ude und Gerichtsh fe um den Markt, die Anlage der Stadt im allgemeinen an Bergh ngen εύερκείας τε και καθαρότητος χάριν, ist kein Charakteristikum daf r, sondern auch bei unregelm igen St dten nach M glichkeit erstrebt worden; eher, wenn auch nicht ausschlie end, spricht daf r die Forderung der Gleichartigkeit aller Privath user. Seine Begr ndung, ίδεϊν τε ουκ αηδές μιας οικίας σχήμα έχούίΓης αυτής, εις τε την της φυλακής ^αστώνην δλψ και παντι προς σωτηρίαν γίγνοιτ' αν διάφορος, ist nicht berzeugend, und der wirkliche Anla zu dieser Forderung ist ohne Zweifel darin zu suchen, da es nur eine ideale Hausform geben k nne, die zu variieren kein Anla denkbar sei. Aristoteles. In einer hnlichen Allgemeinheit bewegen sich die Forderungen des Aristoteles (pol. VII, ίο, l i ) : gute Verbindungen zu Wasser und zu Lande, eine Lage an Ost- oder S dabh ngen, gute Wasserversorgung durch Brunnen mit flie endem Wasser oder im Notfalle durch Zisternen, feste und gut angelegte Mauern, die zugleich eine Zierde der Stadt sein sollen. Die Frage, ob eine Stadt berhaupt Befestigungen haben sollte, wird auch von Plato ber hrt; sie ist anscheinend in dieser Zeit, die sich mit Idealforderungen befa te, stark diskutiert worden, ist jedoch prak-
i. Die
berlieferung.
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tisch nie anders, als positiv beantwortet worden. F r die Verteilung der Pl tze, Heiligt mer und Magistraturen l t auch Aristoteles ein bestimmtes Schema nicht erkennen; er ist ein zu scharfer Beobachter, um sich nicht ber die Zwecklosigkeit eines zu detaillierten Programms f r die praktische Ausf hrbarkeit im klaren zu sein (1330 b, 20): ου γαρ χαλεπόν εστί τα τοιαύτα νοήσαι, άλλα ποιήσαι μάλλον* το μεν γαρ λέγειν ευχής Ιργον εστί, το δε συμβήναι τύχης. — Von Interesse ist die Gegen berstellung der Wohnquartiere in der Einteilung, κατά τον νεώτερον και του Ίπποδάμου τρόπον und κατά τον άρχαιότερον τρόπον 133° b, 21 f.: die neuere Art hat die Sch nheit und die gr ere Zweckm igkeit f r sich, ist aber f r die Verteidigung von Nachteil, weil der eingedrungene Feind sich leichter zurechtfinden kann. Aristoteles empfiehlt daher ein Kompromi in der Art, da die regelm ige Aufteilung sich nur auf den Umfang einzelner Stadtviertel ausdehnen solle, wodurch Sch nheit und Sicherheit vereinigt w ren. Wir werden auch solche St dte kennen lernen, die also tats chlich bestanden haben, nur d rften schwerlich strategische Gr nde f r ihre Plangestalten ma gebend gewesen sein: war der Feind bereits eingedrungen, so wird die Stadt in der Regel auch verloren gewesen sein. Einen gewissen Ausdruck der herrschenden Bewertung bei der ArtPseudo-Dikaevon St dten ist in den Fragmenten des Pseudo-Dikaearch enthalten »«* und (Frg. hist, graec. II, 254 u. 258), der Athen als κακώς έρρυμοτομένη Strabo· δια την αρχαιότητα bezeichnet, und von Theben berichtet: αρχαία μεν οοσα, καινώς δ'έρρυμοτομένη δια το τρις ήδη, ως φασιν αϊ ίστορίαι, κατασκάφθαι. Die Regelm igkeit galt also als unbedingter Vorzug. Auch Rom geh rte zu den schlecht angelegten St dten. Hier kn pft Strabo V, 235 an, der im Gegensatz zu Rom den griechischen Gr ndungen eine berlegene Disposition nachr hmt: δτι καλώς έστοχάΣοντο και έρυμνότητος και λιμένων και χώρας ευφυούς, dagegen aber eine Vernachl ssigung der Wohlfahrtseinrichtungen feststellt: στρώσεως οδών και ύδατος εισαγωγής και υπονόμων των δυναμένων έκκλύίειν τα λύματα. Dieses Zeugnis aus dem Ausgang des Hellenismus im Verh ltnis zu einer noch fr hen Periode der r mischen Entwicklung ist von gro em Wert. Einen auffallend breiten Raum nahmen hygienische Erw gungen Die Mediziner, ein. Hippokrates (de aere, aquis, locis) erkl rt in richtiger W rdigung der Bedeutung von Sonnenlicht und Winden eine nach Sonnenaufgang gerichtete Lage der Stadt f r die ges ndeste, doch handelt es sich bei ihm nicht um Stra enrichtungen, sondern um das Gefalle des Stadtgel ndes. Die gleiche Sch tzung von Luft und Licht bezeugt Oreibasios, vermutlich im Anschlu an Sabinus J ): er verlangt f r eine Stadt gerade, ') Nach R. Schoene, vgl. Th. Wiegand, Priene, 46 f.
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Kapitel III. Die Gestalt der regelmäßigen Stadt.
sich rechtwinklig kreuzende Straßen, die nach den astronomischen Himmelsrichtungen orientiert sind, damit die Sonne schon bei ihrem Aufgang ungehinderten Zutritt habe und die vorherrschenden Winde die Straßen ungestört durchwehen könnten, ohne sich an den Ecken der Häuser zu brechen. Das gilt uneingeschränkt nur von ebenen Städten, während solche auf Berghängen schlechter gestellt seien, weil der Wind sich unter Umständen an dem ansteigenden Gelände bräche. Unregelmäßige Städte ( ), die in der Ebene die ungeeignetsten seien, gewönnen hingegen auf bewegtem Gelände. Vitruv. Die merkwürdige Vorstellung, daß die Winde vorzugsweise den Himmelsrichtungen entsprechen, ist dem gesamten Altertum eigen, und darauf begründet auch Vitruv seine Theorie von den Stadtanlagen I, 6,1, nachdem er vorher (I, 4) im allgemeinen die Wahl gesunder Plätze erörtert hat. Man hat wohl mit Recht auch diesen Abschnitt auf hellenistische Grundlagen zurückgeführt, denn er enthält nichts von den Gebräuchen, die bei italischen Gründungen etrusco ritu üblich wurden, wie die Festlegung eines Pomerium und eine Limitation. Plätze und Straßen sind natürlich rechtwincklig angeordnet zu denken, für ihre Richtung sind wieder die Winde maßgebend, und diese Gelegenheit benutzt der römische Baumeister zu einem breiten Exkurs über die Schädlichkeit der Sonne und der Winde, der im schroffen Gegensatz zu den Grundsätzen der griechischen Mediziner steht. Vitruv ist jedenfalls Vertreter der noch heute blühenden Laienauffassung von der Schädlichkeit des Zugwindes und verlangt daher einen Verlauf der Straßen inter duas ventorum regiones, d. h. nach seiner Auffassung eine Abweichung von 22 1 J2° von der Nordrichtung. Ist das bereits eine irrige Anschauung, so ist seine Motivierung, daß die Winde sich an den Ecken der Häuser brächen und dadurch an Kraft verlören, noch weniger zutreffend und der Erfahrung widersprechend. Wie es sich mit seinem abschreckenden Beispiel von Mytilene tatsächlich verhält, können wir nicht sagen, da die Orientierung der Stadt nicht festgestellt ist, sicher aber gab es eine Reihe von Städten, die ohne Schaden genau orientiert waren. — Auch das folgende 7. Kapitel über die Verteilung der öffentlichen Anlagen kommt sachlich gegenüber den Untersuchungen, welche Heiligtümer innerhalb der Stadt oder außerhalb zu liegen hätten, zu kurz; von Interesse ist eigentlich nur die Angabe, daß in Hafenstädten die Agora am Meer, sonst in der Stadtmitte zu liegen hätte. Freilich entspricht auch hier die Praxis keineswegs immer der Theorie. Die große Reihe der Einzelbeschreibungen mancher Städte wird am geeignetsten im Verlauf der weiteren Untersuchung besprochen werden. Diese Quellen haben in der Forschung zuweilen eine anfechtbare Behandlung erfahren, meistens durch unzulässige Verallgemeinerung,
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zuweilen auch noch durch anachronistische Verwertung. Nach dem Zustand der Überlieferung müssen wir es für durchaus möglich halten, daß eine ins einzelne gehende Systematik der griechischen Stadtanlage im Altertum nicht bestanden hat, wie es auch die Schlußsätze bei Aristoteles (oben S. 63) vermuten lassen. Es mögen wohl Theoretiker, wie Hippodamos, Versuche dieser Art gemacht haben, nur ist nichts davon erhalten, und sie blieben angesichts der Mannigfaltigkeit verschiedener lokaler Bedingungen in den Einzelfällen wirkungslos.
2. Die Überreste. Unsere Hauptquellen sind und bleiben die erhaltenen Reste, mit irrtümliche deren Hilfe wir feststellen können, zwar nicht wie die griechischen VerallgeStädte aussehen sollten, aber doch wie sie tatsächlich ausgesehen haben. memerun£en· Es ist dabei jedoch unbedingt erforderlich, strenger als bisher die Entwicklung der Städte im Laufe der Jahrhunderte in Betracht zu ziehen, um zu vermeiden, daß später entstandene Elemente als ursprüngliche Bestandteile der Anlage bezeichnet werden. Man hat hier in doppelter Beziehung gesündigt. Die erhaltenen Beispiele sind für uns erst in ihrer hellenischen Ausgestaltung greifbar, und daher ist es üblich geworden, von der hellenistischen Stadt zu sprechen, während doch der Plan, die Grundrißanordnung, in der Mehrzahl der Fälle noch in das IV. Jahrhundert hinaufreicht. Auch hier, wie in der bildenden Kunst, hat das IV. Jahrhundert dem hellenistischen Zeitalter die Wege gewiesen und die Typen geschaffen, die nun mit reicheren Mitteln in größerem Umfange, wenn auch oft äußerlich und langsam verflachend, ausgestaltet wurden. Doch wird auch der umgekehrte Fehler, die hellenistische Stadt in ihrer vollen Ausbildung auf Hippodamos zurückzuführen, oft genug begangen. — Andererseits wird gern übersehen, daß eine lebende Stadt niemals ein abgeschlossenes Bild bieten kann, sondern sich in ihren Einzelheiten immer wieder verändert, so daß das Erhaltene zunächst ihr Bild in der Spätzeit wiedergibt. Der gern angeführte Versuch einer Zusammenfassung von Th. Schreiber J ) leidet durch diesen Fehler so sehr, daß er mehr Schaden als Nutzen gebracht hat. Der Verfasser stellte es geradezu als Grundsatz auf, daß aus späten Formen der Baureste nicht auf den späten Ursprung der Anordnung geschlossen werden dürfe, und gibt in der Folge das ziemlich zutreffende Bild einer spätrömisch-syrischen Stadt unter dem Titel einer hellenistischen; auch seine Beispiele sind überwiegend jener Periode entnommen. Das würde heißen, daß eine Zeitspanne von über 500 Jahren blühendsten Lebens ') Th. Schreiber, Vorbemerkungen zu einer Typologie der hellenistischen Städtegründungen, Festschrift für H. Kiepert, 1898, 334 f. v. G e r k a n , Griech. Städteanlag-cn.
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Kapitel III.
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keine neuen Typen hervorzubringen vermochte, sondern nur die feststehenden Anlagen erneuert hätte. Daneben spielen folgende Städte eine große Rolle: Alexandrien, dessen Anlage damals ausschließlich in Resten der spätesten Kaiserzeit bekannt war, welche 4 m oder mehr über dem hellenistischen Niveau liegen; Antiocheia am Orontes nach Beschreibungen der spätesten Zeit (Libanios und Malalas), während die Reste durch eine noch stärkere Verschüttung der Beobachtung entzogen sind '), und Caesarea in Palästina. Wenn diese Stadt, wie viele andere, auch auf den großen Bauherrn Herodes zurückgeht, so dürfte von den Resten aus dieser Zeit so wenig übrig geblieben sein, wie etwa in Rom von der ausgedehnten Bautätigkeit des Augustus. Nach den späten Formen der Bautrümmer muß die überwiegende Mehrzahl der späteren römischen Kaiserzeit angehören, als Palästina nach mehreren verheerenden Aufständen wiederaufgebaut wurde und romanisiert werden sollte. Ganz abgesehen vom Straßenkreuz, nehmen in diesem Stadtbild einen breiten Raum die Säulenstraßen ein, von denen bei ernsthafter Betrachtung auch nicht ein Beispiel aus hellenistischer Zeit angeführt werden kann, auch nicht von Schreiber, dazu runde und ovale Säulenplätze, in denen er den Typus der hellenistischen Agora gefunden zu haben glaubt, im Gegensatz zur rechteckigen Agora, die er für die hellenistische Zeit am liebsten leugnen möchte. Sogar von mehrgeschossigen Säulenarkaden längs der Straßen ist die Rede 2 ). Auch ') R. Förster, Arch. Jahrb. XII 1897, 103 f. *) Es ist eine auffallende und nur psychologisch zu erklärende Erscheinung, daß unsere Gelehrtenwelt mit Vorliebe vereinzelt dastehende Forschungsergebnisse aus der Masse des Typischen, die, weil gewöhnlich, sich nur geringer Beachtung erfreut, herausgreift und in fast hemmungsloser Weise zu verallgemeinern geneigt ist. Besonders die hellenistische Baukunst leidet gegenwärtig schwer darunter, und es gilt schon beinahe als Beweis für eine Rückständigkeit, wenn jemand nicht bereit ist, den gesamten Formenapparat des römischen Barocks in der hellenistischen Zeit für möglich zu halten, sondern in erster Linie die schlichten Formen, wie sie die Ausgrabungen fast ausschließlich lehren, für maßgebend betrachtet. Dabei sind diese »mirabilia«, auf denen sich die weitgehenden Hypothesen, auch in spitzfindigen Folgerungen, aufbauen, oft nichts weiter als fehlerhafte Beobachtungen, die bei genauerem Zusehen in Nichts zerfließen. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß die Bogenkonstruktion in hellenistischer Zeit immer nur sehr vereinzelt angetroffen worden ist, und in Verbindung mit der Säulenarchitektur schon gar nicht. Trotzdem ist es üblich geworden, die Bogenform als griechisches Motiv anzusehen, und man beruft sich dabei auf das Beispiel aus dem unteren Gymnasion von Priene(Priene, 268, Abb. 273). Wir müssen es bedauern, daß die schon vor 12 Jahren von F. Krischen unternommene gründliche Neuaufnahme dieses Gebäudes noch nicht hat veröffentlicht werden können, in welcher neben ändern wichtigen Ergebnissen festgestellt worden ist, daß dieser fatale Bogen nie existiert hat, sondern auf einem Irrtum der ersten Bearbeitung beruht. Dann wäre wenigstens das Unheil, das er im letzten Jahrzehnt angerichtet hat, vermieden worden; es leuchtet ein, daß so manche Beweisführung, die sich allein auf dies Vorbild stützt, dadurch in das Gegenteil verwandelt wird. — Wandgemälde müssen mit größter Vorsicht als Beispiele verwendet werden, da ihre Darstellungen, ohne
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die auf einem Irrtum Mahmud Beys beruhende Baumreihe auf der Hauptquerstraße von Alexandrien, deren angebliche Humusbettung nur durch die Zerstörung eines Teiles des Fahrdammes entstanden ist x ), wird von Schreiber auf die hellenistische Gründungszeit zurückgeführt. Er knüpft daran Folgerungen über das Auftreten von öffentlichen Gartenanlagen innerhalb der Städte. Trotz seiner Kürze hat dieser Aufsatz Schreibers eine fast unübersehbare Verwirrung angerichtet: er führte in der Wissenschaft die anachronistische Beurteilung des griechischen Stadtbildes ein, und seiner Einwirkung dürfte es zuzuschreiben sein, wenn C. Watzinger und K. Wulzinger, trotz der fast durchweg richtigen Datierung der Reste, in Damaskus noch den Typ einer hellenistischen Anlage erkennen wollen 3 ). In einer Zeit, als Material von anderen Stellen noch nicht vorlag, Aleiandriens hat sich Alexandrien dank den Untersuchungen von Mahmud Bey 3) Straßennetz, den Ruhm eines Musterbeispiels für griechische Stadtanlagen erobert, den es heute unberechtigt weiter genießt, auch nachdem F. Noack festgestellt hat, daß alle von ihm gefundenen Straßenzüge der spätesten römischen Kaiserzeit angehören 4). Leider sind diese Untersuchungen zu beschränkt gewesen, um mehr als negative Resultate zu ergeben. Immerhin ist festgestellt worden, daß das hellenistische Niveau sich überall mehrere Meter unter dem bisher bekannten befindet, und Noack unterscheidet im ganzen vier Bebauungsschichten, von denen er nur die zwei ersten der griechischen Zeit zuweist, mit Unrecht, denn wenn auch die Säulentrommel mit dem Sgraffito aus dem I. nachchristl. Jahrhundert möglicherweise erst in der vierten Schicht verbaut ist 5), so gehört sie doch deshalb gerade den Bauten der zweiten Schicht an, die nach Ausweis ihrer Umbauten bis in die Kaiserzeit aufrecht gestanden haben muß. Noack hat auch festgestellt, daß die Straßenkanten sich bei der Aufhöhung ganz wesentlich verschoben haben 6), daher sind auch die gemessenen Straßenbreiten nicht für die Gründungszeit maßgebend, und endlich ist die ganze Einteilung kein Obj ekt für metrologische Untersuchungen. Noack hat, im Gegensatz zu Mahmud Bey, Hemmungen durch Konstruktion und Material, wohl auch aus Kenntnislosigkeit der Stubenmaler, der Wirklichkeit zum mindesten vorauseilen. !) F. Noack in Ath. Mitt. XXV 1900, 235, Abb. 2, 3. ») Wissensch. Veröffentl. des deutsch-türkischen Denkmalschutzkommandos, Heft 4 «3 i3) Mahmud Bey, Momoire sur l'antique Alexandrie, Kopenhagen 1872; dazu H. Kiepert, Zeitschr. für Gesch. d. Erdkunde 1872, 337 f. 4) F. Noack, Neue Untersuchungen in Alexandrien, Ath. Mitt. XXV 1900, 213. l) a. a. 0. 246. «) a. a. 0. 239 f., Abb. 4, Taf. XI. 5*
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die Breite der gewöhnlichen Straße mit 6,65 gegen 7 m, und die der Hauptquerstraße mit 19,85 gegen 14 m ermittelt; wenn er aber darin ein Vielfaches des italisch-makedonischen Fußes erblickt x ), so ist das noch nicht überzeugend, da ihm nur zwei Messungen zur Verfügung stehen, und 6,65 m dem Maß von 15 Ellen zu 0,444 m genau entsprechen, wie denn auch der Pharos nach dem Fußmaß von 0,296 m gebaut ist z ). Die Hauptstraße mit ihren ungleich breiten Seitengängen ist sicher ein Zufallsprodukt, wie auch die ändern Straßen, deren Breiten ja von den darunterliegenden griechischen zufällig abweichen. Wenn so spät überhaupt noch Maße angewendet wurden, so waren es schwerlich altertümliche makedonische, sondern der in der späten Kaiserzeit allgemein verbreitete Fuß von 0,296 m oder ein lokal-ägyptischer. Es ist nicht einmal wahrscheinlich, daß bei der Gründung ein makedonisches Maßsystem Verwendung fand, denn nur die Soldaten, nicht aber alle Architekten und Bauleute waren Makedonen. Aber auch Erdmanns Berechnungen, die denselben Fuß ergeben x ), sind unhaltbar, weil Mahmud Beys insulae in der Längsrichtung 330 m = 1200 Fuß von o, 27 5 m und in der Breite 27801 = lOOoFuß von o, 278 m entsprechen würden. Solche Unterschiede bei hohen Beträgen sind nicht zulässig, auch sind auf Mahmuds Plan diese Maße nicht streng eingehalten und werden schließlich durch die unzuverlässigen Straßenbreiten hinfällig. Endlich aber sind diese insulae selbst durchaus willkürlich und viel zu groß: an vielen Stellen gibt Mahmud noch andere Querstraßen an, die den Baublock auf die Hälfte teilen oder ein Drittel abschneiden, und das bedeutet selbstverständlich, daß das ungefähre Maß von 330 m nicht einen, sondern sechs Häuserblöcke mit fünf Straßenbreiten umfaßt; doch dasselbe möchte man auch für die Querrichtung vermuten, in welcher der Abstand einiger Längsstraßen 177 m beträgt. Hier liegt offenbar ein Vermessungsfehler vor, da der Rest von m, nach Abzug einer Straßenbreite von etwa 6,5 m, gleich 94,5 m ist, und dies Maß entspricht zwei Häuserblöcken mit zwei Straßenbreiten, wenn man die insulae hier ebenfalls in sechs Teile zerlegt: Mahmud hat augenscheinlich übersehen, daß in dem Maß von 94,5 m schon die Straße enthalten war; er erhielt, in dem er sie noch einmal in Rechnung setzte, das Maß von m und auf diesem Wege die 177 m durch Abzug von der Gesamtlänge. Eine genauere Rekonstruktion der Maße ist nicht möglich, vielleicht aber betrugen die Straßenbreite 20 Fuß = 5,92 m ') a. a. 0. 237 f. ») H. Thiersch, Pharos, 8l. 3) M. Erdmann, Zur Kunde der hellenistischen Städtegründungen, Straßburg 1879; seine dortselbst geäußerten Vermutungen über Antiocheia können hier nicht berücksichtigt werden, da für diese Stadt jegliche Überreste aus griechischer Zeit fehlen.
2. Die
berreste.
6p
und die Seiten des H userblocks, der in der Richtung der L ngsstra en lag, 170χ 140 Fu oder 50,32 χ 41,44 m, das Verh ltnis von L nge zu Breite also nur ungef hr 6 : 5 . Das sind Ma e, die den sonst oftmals belegten Zahlen einigerma en entsprechen, der Stadtplan aber erh lt durch eine solche Aufteilung das Gepr ge der hoffnungslosesten Langeweile. In Wirklichkeit waren hier, wie berall, f r die zahlreichen Monumentalanlagen und Pl tze jedesmal mehrere H userquartiere zusammengefa t, aber ebenso sicher k nnen damals wie heute besonders die Wohnviertel der rmeren Bev lkerung einer Riesenstadt nicht sonderlich reich an Abwechselung gewesen sein. Nun brauchen wir nicht zu denken, da Alexanders Baumeister Seine Gr nDeinokrates die Stadt in diesem Umfange entworfen hat, denn so gro e dun£· St dte, wie Alexandrien in der sp teren Zeit, gab es zu Alexanders d. Gr. Zeit in Griechenland berhaupt nicht; daher hat auch weder der K nig, noch sein Baumeister eine solche Entwicklung erwarten und im Plane vorsehen k nnen. Das hinderte nat rlich nicht, da die sp teren Schriftsteller ohne Bedenken die ganze Anlage, wie sie als Residenz des Ptolem erreiches angewachsen war, den Gr ndern der Stadt zuschrieben, w rde aber bedeuten, da ein betr chtlicher Streif im S den, die Judenvorstadt im Osten und jedenfalls auch das Rhakotisdorf im Westen bis zum Pharosdamm mit dem Serapeion au erhalb der Deinokratesstadt lagen, und da diese, ohne die Inseln, vielleicht nur 2T/2 km in der L nge und l km in der Breite ma . Auch dann noch w rde die Stadt zu den gr ten gez hlt haben, aber Diodor XVII, 52 bezeugt ausdr cklich, da erst die sp tere Entwicklung sie zur absolut gr ten machte: καθόλου δ'ή πόλις τοσαύτην έπίδοσιν £λαβεν εν τοις ύστερον χρόνοις, ώστε παρά πολλοίς αυτήν πρώτην άριθμεΐσθαι των κατά την οίκουμένην. Diodor erw hnt auch nur eine πλατεία μέση σχεδόν την πόλιν τέμνουσα von ΙΟΟ Fu Breite in der L ngsrichtung, w hrend Strabo XVII, 793 auch die Hauptquerstra e von der gleichen Breite nennt. Diodors L ngenangabe von 40 Stadien oder 7,5 km ist phantastisch, da auch die 30 Stadien Strabos die wirklich gr te Ausdehnung der Stadt von 5,3 km bertrifft. Wir d rfen vielleicht folgern, da der Gr ndungsbericht, der Diodor vorlag, nur die sog. Kanobische Stra e kannte, w hrend die andere erst sp ter angelegt wurde, als die Stadt nach Osten erweitert wurde. Denn sie liegt in einer deutlichen Talfurche, welche in allen topographischen Untersuchungen eine gro e Rolle spielt x ) und in ihrem s dlichen Teil einstmals sicher eine recht tiefe Bucht des Mareotisees bildete. Es liegt nahe, hier den stlichen Isthmos zu erkennen, der die nat rliche Grenze ') Noack, a. a. 0. 273 f.
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Kapitel III.
Die Gestalt der regelmäßigen Stadt.
der Stadt bildete. Als dann die Erweiterung der Stadt planmäßig durchgeführt wurde, legte man hier den notwendig gewordenen Hauptzugang zur Königsburg an. Da an beiden Hauptstraßen keine Tiefgrabungen vorgenommen worden sind, können wir nicht sagen, ob die Maße von Noack (19,85 m) und Mahmud (14 m) nicht bloß späte Einschränkungen vorstellen, da Diodor und Strabo übereinstimmend etwa 30 m überliefern. Jedenfalls bietet das Straßennetz von Alexandrien nur ein sehr ungefähres und lückenhaftes Bild der ursprünglichen Anlage. Dazu kommt, daß wir von den Gebäuden der Stadt außer den wenigen Resten, die Noack ausgegraben hat, gar nichts besitzen, und auch die berühmten Kanalisationsanlagen gehören der römischen Zeit an, denn sie gehen mit der zweiten Schicht bei Noack *) zusammen. Auch hier rechtfertigt Alexandrien bei schärferem Zusehen seine traditionelle Rolle in keiner Weise, vielmehr müßte die Stadt an der Hand von sicheren Beispielen erklärt werden. Seine Rolle Obwohl von Alexandrien außerordentlich wenig Sicheres erhalten in der bauge- js^ Spielt diese Stadt in der Forschung als Kunstzentrum eine geradezu schic ic enanmaßencje Rolle. Es ist gewiß sehr verlockend, in der Großstadt der Ptolemäer, die hierher den Schwerpunkt der hellenistischen Wissenschaft zu verlegen vermochten, auch eine entsprechend überragende Kunstbetätigung zu vermuten. So hat man unter der Voraussetzung, daß hier die Befruchtung durch orientalische Traditionen stattfand, in Alexandrien die Heimat von allen möglichen neuen Formen gesucht und sie entsprechend datiert, oft im Gegensatz zu bisher gesicherten Monumenten. Aber fast alles, was man über die alexandrinische Kunsttätigkeit zu ermitteln versucht hat, ist Konjektur, und es erscheint nicht ratsam, auf diesem schwankenden Boden weiterzubauen. Es ist daher zu begrüßen, daß R. Pagenstecher2) gegen einen Teil dieser Übertreibungen Stellung genommen und wenigstens die alexandrinische Herkunft des II.—IV. pompejanischen Dekorationsstils bestritten hat. Alexandrien Allein, wenn seine Argumentation richtig ist, so führt sie noch und der erste bedeutend weiter: da auch nach seiner Darlegung die alexandrinischStil hellenistische Dekorationskunst der einheimisch-ägyptischen gegenüber so wenig Widerstandskraft hatte, daß sie bald vor ihr kapitulieren mußte 3), so hätte die übrige griechische Kunst noch viel schwächer sein müssen, wenn ihr aus Alexandrien der überall herrschende erste Stil aufgezwungen worden wäre. Das ist denn auch im Gegensatz zu Pagen») a. a. 0. 248 f., Taf. XI. ») R. Pagenstecher, Nekropolis, Leipzig 1919. 3) a. a. 0. 204.
2. Die Überreste.
n\
Stechers Ansicht l ) durchaus nicht der Fall. Er sucht vergebens, in einen »Zonenstil« der Gräber bei Sidi Gaber und Schatby 2 ) einen Vorläufer des ersten Stiles zu entdecken, denn dieser duldet keine Vorstufe. Auch Pagenstecher übersieht, daß der Quadersockel des ersten Stiles mit einer Inkrustation nichts zu tun hat, wie schon W. Dörpfeld 3) und M. Bulardf), zuletzt aber mit allem Nachdruck M. Rostowzew 5) betont haben, sondern den monumentalen massiven Orthostatensockel der Hausmauern nachahmen. Darauf weist übrigens schon die technisch korrekte Fugenverteilung, während eine Platteninkrustation, von der man überhaupt erst in der Kaiserzeit als von einem verbreiteten Verfahren reden dürfte, stets willkürliche Stoß- und Lagerfugen hat. Er ist also kein Inkrustationsstil, keine Wiedergabe einer in Ägypten üblichen Verkleidung von minderwertigem Mauerwerk 6 ), und ebenso alt, wie die Technik von Steinmauern über einem Sockel aus Orthostaten und Deckschicht. Es stand dem Dekorateur frei, über dem gemalten Sockel eine isodome Quaderwand darzustellen, wie es die Monumentalbauten hatten 7), oder einheitliche Wandflächen, entsprechend den Bruchsteinwänden bei Privatbauten, sogar mit der horizontalen Holzbalkenverstrebung bei Lehmziegelwänden 8), oder aber auch auf den Quadersockel ganz zu verzichten und durchlaufende Wandschichten vom Fußboden beginnen zu lassen, was also dem »Zonenstil« entsprechen würde: eine zeitliche Aufeinanderfolge ist in diesen Möglichkeiten durchaus nicht enthalten. Auch tritt in Priene diese Dekorationsweise keineswegs erst an der Oropherneshalle auf, wie Pagenstecher 9) meint: an diesem Gebäude ist es wichtig, daß dem Stucksockel der Kammerhinterwände ein massiver Mauersockel der Türwand entsprach, und einen gleichen Sockel finden wir an manchen Privathäusern I0 ): gewiß hat man diesen Bauteil nicht verputzt, sondern der farbige Wandstuck bedeckte nur die höher liegende Bruchsteinwand. Damit liegt der erste Stil schon fertig vor, und die Wohnhäuser von Priene gehören bereits der Gründungszeit der Stadt an11), d. h. dem Ausgang des IVJJahrhunderts, als Alexandrien noch im Entstehen begriffen war. Im Anfang des III. Jahrhunderts !) a. a. 0. 177. *) a. a. 0. Kap. IV, A. B) Ath. Mitt. XXXVI 1911, 51, 87. 4) Mon. Piot. XIV, 116. i) M. Rostowzew, Antike dekorative Malerei in Südrußland, 1914, 126 f. 6 ) Pagenstecher, a. a. 0. 177. 7 ) a. a. O. Abb. 109, no. 8 ) Rostowzew, a. a. 0. 127. 9) a. a. 0. 177. 10 ) Priene, 202, 308, Abb. 320 ») Priene, 327 f.
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Kapitel III.
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noch war die Stadt zu klein und zu jung, um die Zeitströmung der griechischen Kunstentwicklung zu diktieren; Wanddekorationen aber sind nicht Schöpfungen von hervorragenden Künstlern, die sich durch ihre Persönlichkeit durchsetzen, sondern Werke von Stubenmalern, die ganz von der herrschenden Geschmacksrichtung der Zeit abhängen. Das PeristylAber noch ein zweites Verdienst, das Pagenstecher Alexandrien haus. zubilligt, die Ausbildung des griechischen Peristylhauses r ), muß fallen. Soweit die Grabanlagen durch Vasen- und Münzfunde datiert werden, ist ihre Zeit allerdings gesichert, im übrigen aber geht sein angenommener Entwicklungsweg in die Irre. Der Vergleich des Schatbygrabes mit dem »Musterhaus« von Priene 2 ) schlägt nicht durch, da die wichtigste Raumgruppe des Megaron im Grabe nicht wiederkehrt, noch weniger in Sidi Gaber oder gar Suk el Wardians): ein Vorraum mit einer winzigen Grabnische ist doch keine Prostas und Oikos. Ganz allgemein genommen, kann für die Spätzeit, die seit langem monumentale Mausoleen und einfache Massengräber kannte, die zähe Übereinstimmung von Grab und Wohnbau nicht mehr angenommen werden; deshalb kann die Entwicklung der Grabbauten in keinem Fall die der bisher fehlenden Wohnhäuser ersetzen. Daher haben auch die Peristylgräber 4) nichts mit einheimischen oder griechischen Peristylhäusern zu tun, sie ergeben sich mit Notwendigkeit aus dem Bedürfnis, für unterirdische Grabanlagen Licht zu schaffen, und aus der künstlerischen Ausgestaltung dieser Höfe. Wir können vorläufig nicht wissen, ob es in Alexandrien hellenistische Peristylhäuser gab; diese dringen in Griechenland jedenfalls nicht von Osten nach Westen vor S), denn in Priene ist das Haus XXXIII an der Theaterstraße erst in römischer Zeit und nicht einmal zu einem Peristylhause umgebaut worden, sondern es erhielt einen Säulenhof mit einer höheren Nordfassade, wie er z. B. in Gymnasien schon lange üblich war. Auf Delos gab es Peristylhäuser schon in hellenistischer Zeit, in Pompeji aber war das Peristyl bereits im III. Jahrhundert verbreitet. Ein Zusammenhang mit vorgriechischen mittelländischen Bauformen fehlt natürlich, aber nach Vorbildern brauchen wir nicht außerhalb des griechischen Kulturkreises zu suchen, seitdem es Marktplätze mit zusammenhängenden Hallen an drei Seiten gab, von denen Priene schwerlich das älteste Beispiel ist. Ihnen folgten zuerst wohl öffentliche Anlagen, wie der kleine Hallenplatz im Nordmarktgebiet von Milet 6 ), *> a. a. 0. 105 f. *) i) 4) i) 6 )
a. a. 0. Abb. 70, 71. a. a. 0. Abb. 72, 73. a. a. 0. 126 f. a. a. 0. 98, 107. Milet I, Heft 6, 20 f., 91.
2 Die Überreste.
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Gymnasien, Palaestren und das Leonidaion in Olympia, und dann das Privathaus, während gerade Ägypten als Ursprungsland fortfällt x ). Pagenstecher datiert auf Grund seiner Vergleiche die Peristylgräber ganz gewiß zu hoch hinauf, da sie ohne Zweifel römisch sind, und besonders gilt das für die große Katakombe 2 ), deren Raumanordnung der unbefangene Beschauer in erster Linie mit den Grundrissen der Kaiserthermen vergleichen wird. Wenn E. Fiechter die Architekturformen für zweifellos hellenistisch erklärt 3), so werden hoffentlich nicht viele das unterschreiben wollen. Seine Motiverung ist unbegründet: Konsolengesimse, besonders am Giebel, kommen allenfalls in späthellenistischer Zeit und nur als Ausnahmen vor, für die römische Zeit sind sie allerdings wichtig, aber keineswegs ein unverstandenes Architekturglied; flache Giebel gibt es auch in römischer Zeit, hier aber ist er durch die beschränkte Höhe geboten, und die Überfülle der Profilierung ist gerade für die römische Bauweise charakteristisch, während die hellenistische sich im Gegenteil durch klare und knappe Formen auszeichnet. Das gleichzeitige Zusammenschrumpfen der Gebälkteile zu schmalen Streifen ist ein sicheres Zeichen für die römische Zeit; das Gesims der Nebentüren, das nicht auf dem Gewände, sondern nur über der Öffnung liegt, ist eine späte, verkommene Form 4). Pagenstecher hätte bessere Ergebnisse erzielt, wenn er bei den Die BauGräbern die Technik der zweifellos oft vorkommenden aufgemauerten technik in Ergänzungsteile der Grabanlagen beobachtet hätte, denn die Verwen- AIexandnen düng von Mörtel — nicht mit Stuck zu verwechseln — ist bisher noch "" ein sicheres Zeichen von nachhellenistischer Zeit. Zwar wollen das heute viele gern nicht mehr beachten: vielleicht infolge der Anschauung, daß die sichtbaren Baureste von Alexandrien hellenistisch seien, hat sich die Meinung eingewurzelt, daß hier von altersher mit Mörtel gebaut worden sei, und in Privatgesprächen kann man hören, daß der Mörtelbau sich gerade von hier aus über Griechenland und Italien verbreitet hätte. Das ist aber nicht der Fall: wenn der Dünensand von Alexandrien die Eigenschaft hat, sich im Laufe der Zeit in einen festen Kalksandstein zu verwandeln und dieser Vorgang auch die Auffüllung der Straßen in eine Art von Beton verwandelt hat 5), so ist das noch kein Mörtelbau. Vielmehr lehren Noacks Untersuchungen 6), daß die Wände der ersten und sogar der beiden folgenden Schicht aus mörtellosem Quadermauerwerk errichtet sind. !) ») 3) 4) 5) n ^.^ j£apij-ei ^n beiden Beispielen finden wir die naheliegende Annahme bestätigt, daß ausgedehnte Erweiterungen nach den Grundsätzen des Städtebaues, also in regelmäßiger Anlage entworfen wurden. Es ist jedoch schwer, hier ganz einwandfreie Belege zu nennen, weil solche Erweiterungen naturgemäß noch viel seltener beobachtet worden sind, als die Stadtanlagen selbst, und weil Vergrößerungen aus römischer Zeit hier nicht in Betracht kommen können. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man hierher den südlichen Teil von Kyrene *} rechnen, ebenso die Unterstadt von Perge (Abb. 8) *). Die Erweiterung ist, nach der Stadtmauer zu urteilen, hellenistisch, und alle Gebäudereste liegen parallel, wie auch die außerhalb im Süden belegene Nekropole, das Stadion und das Theater. Die 29 m breiten Säulenstraßen jedoch weisen starke Unregelmäßigkeiten auf, die sich nur dadurch erklären lassen, daß man in römischer Zeit, als für sie Platz geschaffen wurde, auf bestehende öffentliche Gebäude Rücksicht nehmen mußte, z. T. auch dadurch, daß man sie auf die Haupttore münden lassen wollte. Perge ist darin ein wichtiger Beweis, daß auch in regelmäßigen hellenistischen Städten solche Prachtstraßen kein ursprünglicher Bestandteil waren, daß sie vielmehr in viel späterer Zeit gebaut werden, und daß es dabei nicht ohne schwere Eingriffe in den Stadtplan abging, welche sogar die anfängliche Regelmäßigkeit beeinträchtigen konnten. — Ob Neu-Athen nach einem einheitlichen Plan gebaut wurde, läßt sich nach den bekannt gewordenen Bauresten nicht sagen: es ist nicht wahrscheinlich, weil in der Gegend außer dem Zeustempel sicher manche ältere Gebäude schon gestanden haben werden, es ist aber auch bedeutungslos, da die Erweiterung der Kaiserzeit angehört. Ebensowenig ließ es sich ohne Grabung feststellen, ob in Larissa in der Aiolis die östlich an die Akropole mit dem Tempel anstoßende Stadt des V. Jahrhunderts bereits neuzeitlich entworfen war. Solche kleinen Bergstädte, wie außerdem Aegae, Neandreia und viele arkadische Orte, hatten in J
) F. Studniczka, Kyrene, 107. Annual of the Brit. School 1895/6 Taf. IV. *) Graf Lanckoronski, Städte Pamphyliens und Pisidiens I, 34 f.
9. Unregelmäßige Städte.
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der Regel wohl auch nicht die Mittel, für ihre Wohnquartiere das Gelände herzurichten. Als Erweiterung muß auch der größte Teil von Pompeji gelten, Pompeji, trotz der gegenteiligen Ansicht H. Nissens T). Der Stadtplan (Abb. 15) verrät dem kundigen Blick deutlich, daß die Gegend um den Markt mit ihren engen, winkligen und ungleichmäßigen Straßen, zusammen mit dem Forum trianguläre als Akropolis, ein selbständiges Ganzes bildet, welches auch die Mehrzahl der öffentlichen Gebäude, die größten und wichtigsten Tempel eng zusammengedrängt, enthält; eine Tiefgrabung würde vermutlich auch Reste der ehemaligen engen Stadtmauer ergeben. Die weiträumigen, an gradlinigen Straßen gelegenen Wohnquartiere haben einen ganz anderen Charakter: sie enthalten an öffentlichen Gebäuden eigentlich nur Bäder, dazu einige unbedeutende Heiligtü mer. Aber beide Teile haben mit dem griechischen Planschema nichts zu tun, denn sie sind beide nach dem italischen Grundsatz von zwei Hauptachsen angelegt. Der Cardo der Altstadt verläuft an der Ostseite des Marktes (Strada del Foro — delle Scuole), der Decumanus (Strada della Marina) schneidet den südlichen Teil des Forums zwischen der Basilica und dem Comitium, vielleicht einer späteren Erweiterung, ab. In der vergrößerten Stadt bildet die Altstadt das südöstliche Viertel. Ihre Hauptstraßen werden verlängert, aber nur die Strada den" Abondanza führt als sekundärer Decumanus zu einem Tor, derPorta di Sarno; während der verlängerte Cardo, die Strada di Mercurio, sich gegen die Mauer totläuft. Die neuen Hauptachsen sind die Strada Stabiana vom Stabianer zum Vesuvtor und die Strada Nolana. Wie häufig in italischen Städten, ist das Straßenkreuz nicht rechtwinklig, die Nebenstraßen weder unter sich parallel, noch in gleichmäßigen Abständen; das Straßennetz ist stark von der Geländeformation abhängig, doch ist diese nicht so schwierig, daß ein griechischer Stadtplan sie nicht bezwungen hätte. Wir kennen keine inkonsequente Aufteilung als Vorstufe des regelmäßigen griechischen Stadtplanes und haben kein Recht, sie auf Grund eines ungriechischen Beispieles — wobei Kunstformen an den Gebäuden nicht entscheiden können — einzuführen. Wir müssen daher
') H. Nissen, Pompejanische Studien, passim, und Orientationen, 105 f., glaubt an eine einheitliche Limitation; die entgegengesetzte Ansicht vertraten E. Pernice in mehreren Vorträgen und F. v. Duhn (zuletzt: Pompeji eine hellenistische Stadt3, 25 f.), allerdings in zu •weitgehender Gruppierung, wie auch F. Haverfield, Ancient town planning 1913,63 f. Was A. Mau (Pompeji in Leben und Kunst*, Anh., 9 f.) dagegen einwendet, daß die ältesten Häuser sich überall in der Stadt finden, genügt nicht, da sie frühestens dem V. Jahrhundert angehören können und die Erweiterung daher schon vorher stattgefunden hat. Von Alt-Pompeji werden wir nur durch Tiefgrabungen monumentale Reste finden.
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Kapitel III.
Die Gestalt der regeltnä3igen Stadt.
zu dem Schluß kommen, daß in Pompeji von der Anwendung des hippodamischen Systems nicht die Rede sein kann. Verschiedene Was an der neueren Bauweise das Auge des Griechen erfreute, war Orientierung die Gleichmäßigkeit und die Regelmäßigkeit. Die beiden Eigenschaften einzelner biieben fam Straßenbilde gewahrt, auch wenn sie sich nicht einheitlich Stadtviertel. , , ,. , , , . . ., über das ganze Stadtgebiet erstreckten, daher konnte Aristoteles (oben S. 63) erwägen, ob man nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen die einzelnen Stadtviertel in abweichender Form aneinander schließen solle. Solche Lösungen dürfen also im Altertum erwartet werden, und in der Tat lassen sich auch Beispiele anführen. Schwerlich gehört dazu eine Anzahl von Städten im südwestlichen Kleinasien, wie Aspendos, Side und Kremna x ), da alle diese Städte einer Zeit angehören, als hier noch unregelmäßig gebaut wurde, und andere auch immer unregelmäßig geblieben sind (Sillyon, Termessos *), dann aber stehen ihre Quartiere in so engem Zusammenhang mit den Säulenstraßen, Plätzen und Gebäuden der römischen Umgestaltung, daß wir eher den Eindruck gewinnen, man habe erst diesen Anlagen zuliebe den zufälligen Stadtplan, so gut es ging, geändert. Aber Milet selbst kann als Beispiel dafür dienen (oben S. 8l). Der südliche Teil der Stadt fügt sich nicht in das Straßennetz, wie es sich von der Nordspitze bis zum Südmarkt ergibt. Es scheint eine gewisse, allerdings nur geringe Richtungsänderung von etwa i'/z° vorzuliegen. Schwerer wiegt jedoch der Umstand, daß die hier bekannt gewordenen Straßenzüge sich in keiner Weise mit den Abmessungen der insulae von 100 X 175 Fuß verbinden lassen. Vorläufig, solange hier keine zahlreicheren und vor allen Dingen zusammenhängenden Ausgrabungen vorgenommen sind, können keine genaueren Feststellungen gemacht werden; auch über die Ursachen läßt sich nichts Überzeugendes sagen, da gerade hier der Boden besonders eben ist. Es handelt sich um einen noch wenig erforschten Stadtteil, von dem nicht bekannt ist, ob er irgend welche bedeutenderen öffentlichen Gebäude oder vorzugsweise Wohnquartiere — möglicherweise gerade die größeren und reicheren — enthalten hat. Smyrna. Im Gegensatz dazu sind uns von Smyrna keine Reste, dafür aber die Ursachen bekannt, welche zu Abweichungen vom reinen Schema zwangen. Die umfangreiche Lobrede der Rhetors Aristeides ist für die Topographie der Stadt wenig ergiebig, doch wird ein Satz erst dann verständlich, wenn man voraussetzt, daß Smyrna aus mehreren verschiedenartigen Quartieren bestand (I, 374): ' ') Lankoronski, a. a. 0. I, 84, 125; II, 161. *) Lanckoronski, a. a. 0. I, 64; II, 21.
9. Unregelm
ige St dte.
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πολλάς κατά μικρόν διεσπαρμένας, άλλα μίαν μεν πολλών άντίρροπον, μίαν δ' ουν όμόχροον και σύμφωνον εαυτή, καθάπερ ανθρώπου σώμα συμβαίνοντα τω δλψ τα μέρη παρεχομένην. Bei St dten, wie etwa Priene oder auch Assos, w re eine Betonung der Einheitlichkeit mindestens berfl ssig, eine nachdr ckliche Hervorhebung, da sie nicht Gruppen von benachbarten Orten w re, absurd. Deutlicher ist Strabo XIV, 646: και νΟν εστί καλλίστη των πασών, μέρος μεν τε έχουσα έπ' ορει τετειχισμένον, το δε πλέον εν πεδίψ προς τω λιμένι και προς τω μητρώψ και προς γυμνασίψ, εστί δ' ή ρυμοτομία διάφορος έπ' ευθειών εις δύναμιν. . . . Er unterscheidet also au er dem Burgh gel noch drei Stadtteile, am Hafen, am Metroon und am Gymnasion, und berichtet, da die Stra eneinteilung verschieden sei, aber nach M glichkeit geradlinig, das hei t doch wohl, in den einzelnen Teilen. Die Situation war derart, da die Stadt bogenf rmig den H gel umgab, von Westen bis Nordosten, und auf einem viel schm leren Uferstreifen als gegenw rtig. Ein einheitliches Stra ensystem w rde zur Folge haben, da die L ngsstra en des Westviertels allm hlich zu Diagonalstra en und am ndern Ende zu Querstra en w rden, da der mittlere Teil nur diagonal verlaufende Stra en in zwei Richtungen h tte, in beiden stark ansteigend, und da es berhaupt keine Verkehrslinien g be, welche die ganze Stadt durchziehen. Unter solchen Umst nden verliert das hippodamische System bei strenger Durchf hrung seinen Sinn und seine Berechtigung; eine Abweichung ist geboten, auch wenn die Steilheit des konzentrisch ansteigenden Gel ndes keine Schwierigkeiten bereiten w rde. Was die berlegung f r Smyrna fordert, gilt nat rlich f r jede pergamon. andere Stadt unter hnlichen Bedingungen. Wir k nnen nur zwei berblicken: Assos, das aber als ltere Gr ndung ausscheiden mu , und Pergamon. Wenn hier auch kein Versuch gemacht worden ist, ein regelm iges System durchzuf hren, so liegt das an der v lligen Unm glichkeit, am steilen Hang irgend eine Stra e geradlinig anzulegen: die Stelle ist f r eine Stadt durchaus ungeeignet; ein gr eres Gemeinwesen w re hier auch nie entstanden, wenn nicht die K nigsburg den Kern gebildet h tte. Als der Zwang einer Verteidigungsm glichkeit fiel, stieg die Stadt weiter hinab in die Ebene und gelangte erst dann zu einer gr eren Ausdehnung. Es m gen in der hellenistischen Periode noch manche andere St dte Der in unregelm iger Form entstanden sein, denn nicht alle St dte wurden k nstlerische einheitlich geschaffen: sie konnten sich auch, wie fr her, aus Dorf- Wert der Sch ften entwickeln. Wir k nnen aber Vorg nge der Art nicht ver-r!gedm j. lffen folgen, die in jedem Fall Ausnahmen bilden w rden, und m ssen bei der Feststellung bleiben, da der Typus der griechischen Stadt seit dem IV. Jahrhundert der hippodamische war und blieb. Wenn allm hlich
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Kapitel III.
Die Gestalt der regelmäßigen Stadt
auch neue Gebäudeformen entstanden, wenn nicht nur Tempel, sondern auch andere öffentliche Gebäude immer mehr ein monumentales Äußere zu erhalten begannen und wenn schließlich die Säulenhalle aufhörte, ein Gebäude am Markt zu sein, und statt dessen zur selbstverständlichen Umrahmung der Agora und jedes anderen Platzes wurde, so veränderte alles das zwar das äußere Bild der Stadt sehr bedeutend, nicht aber die Grundgedanken des Entwurfes. Sie sind so einfach und klar, wie sie nur ein natürlicher, nicht durch Willkür einer abstrakten Kunstbetätigung entstellter Entwicklungsgang hervorbringen kann. Dem griechischen Wesen war die Kunst ein so angeborenes Lebensbedürfnis, daß ihre Ausübung sie im Städtebau ebensowenig wie auf ändern Gebieten in einen Gegensatz zur Zweckmäßigkeit bringen konnte. Die Griechen hatten in hohem Maße recht, wenn sie keinen scharfen Unterschied zwischen Gut und Schön, zwischen Meister und Künstler kannten, und dank der innigen Berührung ihrer Kunst mit den Äußerungen des täglichen Lebens erhielten sie sich eine so feste künstlerische Tradition, daß unter ihren Händen auch ohne die Mitwirkung genialer Künstler gediegene Werke entstanden. Wer ein wenig Vorstellungsvermögen besitzt, wird ein Städtchen wie Priene als schön empfinden, trotz der naiven Häufung von Denkmälern an manchen Stellen, und es, ungeachtet der schlichten Straßenwände, nicht anders als unsere ungekünstelten mittelalterlichen Städtchen betrachten. Es bedurfte erst der Reinkultur der Kunstbestrebungen in der Renaissancezeit, welche an die Stelle der inneren Notwendigkeit die Nachahmung von Vorbildern treten ließ, und in der Barockzeit, welche die künstliche Willkür der römischen Kaiserzeit erneuerte, um uns zu verleiten, den griechischen Städtebau in der Gestalt des Hippodamos zu personifizieren und ihm künstlerische Gesichtspunkte zuzumuten, an die er garnicht hat denken und die er noch weniger hätte durchführen können, wie eine künstlerische Reformation des Privatbaues. Freilich, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts fand man auch unsere schnurgeraden Großstadtstraßen mit ihren Sternplätzen schön und triumphierte, weil man glaubte, im Altertum das Gleiche zu finden. Heute hat der Geschmack sich gewandelt, noch nicht aber die Auffassung der hippodamischen Bauweise; man spöttelt gern über die Langweiligkeit des griechischen Stadtplanes, sollte aber einsehen, daß es unzulässig ist, unsere städtebaulichen Mißerfolge mit den griechischen Leistungen zu vergleichen: wir haben zwischen 20 m hohen Steinwänden endlose, lärmerfüllte, trotz ihrer Breite eingeengte Straßen ohne Ausblick, damals hatte man schmale, aber luftige Wege zwischen niedrigen Häusern, mit zahlreichen Querstraßen, überall Terrassenbildungen und überragende öffentliche Gebäude, ringsum die reich gegliederte südliche
i. Der Typus der italischen Stadt.
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Landschaft, welche durch die bescheidenen Bauwerke dem Blicke kaum entzogen wurde. Dort traten nur die Vorzüge des regelmäßigen Straßennetzes in die Erscheinung, für uns sind seine Nachteile zum Fluch geworden.
K a p i t e l IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes. 1. Der Typus der italischen Stadt. In dem Bestreben, den regelmäßigen Städtebau Italiens nach Kissens seinem innern Gehalt und nach seiner Herkunft zu erklären, hat H. Nissen Anschauung den kunstmäßigen griechischen Städteanlegen räumlich und zeitlich von lhrer. einen viel ausgedehnteren Wirkungsbereich zugeschrieben, als sich mit en,1 a ml den Tatsachen, ja nur mit der Wahrscheinlichkeit vereinbaren läßt x ). griechischen Nicht aus dem jonischen Kolonisationsgebiet seien sie gekommen, son- Typus, dem umgekehrt, von Westen nach Osten vorgedrungen, wobei in Sizilien die Griechen durch Karthagos Vermittlung altorientalisches, vermutlich babylonisches Gut empfangen und es gleichzeitig den Völkern Italiens vermittelt hätten. Diese Auffassung ist lediglich eine theoretische Konstruktion des Entwicklungsganges und beruht auf der irrtümlichen Annahme, daß Pompeji einheitlich in seinem späteren Umfange gegründet sei, und zwar gleichzeitig mit dem Mauerring, mithin im Laufe des VI. Jahrhunderts. Nissen verkennt dabei die Existenz einer viel kleineren Altstadt (oben S. 114). Richtig ist allein, daß das hippodamische System in Großgriechenland frühestens um diese Zeit Eingang gefunden haben kann, aber seinen Ursprung im phönikischen Kulturgebiet zu suchen, ist Willkür, und Alt-Pompeji muß wesentlich älter sein, wie denn auch das älteste Rom auf dem Palatin bereits eine regelrechte limitierte Anlage gewesen sein muß. Ohne fürs erste der Frage nach der Herkunft der italischen Limitationskunst nachzugehen, müssen wir feststellen, daß ihre Anwendung auf Städteanlagen nur im nichtgriechischen Italien stattgefunden hat. Nissen hat im Laufe der Zeit seine Anschauungen etwas geändert, insbesondere ist es nicht klar, ob er an einen babylonischen Ursprung der Städtebauprinzipien festgehalten hat, da in seinem letzten Werk Ägypten als Ursprunglsand der Feldmessung zu treten scheint, eine historische Entwicklung aber nicht mehr versucht wird '). Allein auch hier hält «) H. Nissen, Pompejanische Studien, 583 f., Kap. XXIV. 2 ) H. Nissen, Orientationen, 80f., gif.
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Kapitel IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
er an der Identität der griechischen und italischen Städteform fest, obwohl er selbst nur Unterschiede nennen kann: in Italien laufen die Hauptachsen am regelmäßigsten, die Stadtviertel weisen jedoch häufig Abweichungen auf, während nach griechischen Begriffen gerade diese gleichmäßig eingeteilt sein müssen und eher zu einander in zufälliger Verschiebung liegen können. Das Charakteristikum der italischen Feldmessung, die Hauptachsen eines Koordinatensystems, Cardo und Decumanus, in den Städten zugleich die Hauptstraßen, fehlen in Griechenland durchaus, sodaß nicht einmal Bezeichnungen für diese grundlegenden Begriffe vorhanden sind, wie sie auch in der theoretischen wissenschaftlichen Geometrie keine Rolle spielen. Ebenso vollständig fehlt hier die religiöse Weihe des Limitationsvorganges, welche in Italien, soweit wir zurückschauen können, mit ihm verbunden erscheint und ihm seine Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit verleiht. Sie legt ihm aber zugleich auch eine Beschränkung in der Wahl der Richtungen auf, zugunsten der astronomischen Himmelsteilung, jedoch zum Schaden der praktischen Zweckmäßigkeit. Um folgerichtig zu bleiben, muß Nissen auch dieses für den griechischen Städtebau voraussetzen, d. h. mutatis mutandis das ganze starre italische Auspicationsverfahren. Vitruv I, 4—7 und V, i—3, als Niederschlag der griechischen technischen Literatur, soll deshalb nichts darüber aussagen, weil die religiöse Weihung nicht den Baumeister, sondern den Bauherrn und den assistierenden Priester anginge x ). Dann aber hätte Vitruv doch hinzufügen müssen, daß alle seine Ratschläge gegenstandslos seien, weil die Richtung der Straßen in praxi nach der aufgehenden Sonne u. dgl. zu wählen sei. Die umfangreiche lateinische gromatische Literatur predigt in dieser Beziehung das gleiche, wie die Priesterschaft, da auch sie für den Cardo vorzugsweise die Nordsüdrichtung fordert, nun aber soll dieser entscheidende Umstand bei den schreibseligen Griechen gänzlich übergangen worden sein. Mindestens bei Aristophanes (aves 1004 f.), den auch Nissen anführt, müßte man seine Erwähnung in irgend einer Form unbedingt erwarten, da doch Meton beim Entwurf seiner Vogelmetropole durch keinerlei Geländeschwierigkeiten gebunden war. ihre Vom Standpunkt des Historikers hat auch E. Kornemann auf selbständige eine selbständige Entwicklung des italischen Siedelungswesens geschlositalische sen z) ; er unterscheidet, neben der Landgemeinde, dem pagus, zwischen Entstehung. jem Oppidum> der befestigten Gauburg, welche der Autonomie entbehrt, und der urbs, der Stadt, welche im Gegensatz zur griechischen von Anbeginn ummauert ist und etrusco ritu konstituiert wird, also etruskischen Ursprungs sein muß. Der etruskische Ritus bestand im wesent*) a. a. O. 94. *J E. Kornemann, Polis und Urbs, Klio XV 1915, 78 f.
i. Der Typus der italischen Stadt.
lichen in der Absteckung und Weihung eines Geländestreifens um die Stadt, des Pomerium, welches die gleichfalls geheiligte Mauer enthielt. Aber auch die innere Einteilung durch Cardo und Decumanus geschah unter Beobachtung religiöser Zeremonien. Beide, sowohl das Templum wie das Pomerium, sind ohne Zweifel ursprünglich aus rein praktischen Bedürfnissen entstanden, sind aber, soweit unsere Quellen hinaufreichen, bereits den kultlichen Forderungen unterworfen und erlangen dadurch eine Starrheit und Unverletzlichkeit, welche ihre Bedeutung sogar beeinträchtigen konnte. Die Stadt konnte über das Pomerium hinauswachsen, allein die Vorstädte galten rechtlich nicht mehr als Stadtgebiet; der Magistrat durfte die Grenze nicht überschreiten und mußte sich erforderlichen Falles dazu einen religiösen Dispens durch Auspication u. dgl. verschaffen. Solche Auswüchse des religiösen Formalismus sind in Griechenland unbekannt, die Stadtmauer gilt nur als Zweckbau und hat in diesem Sinne mit dem Staatskult nie das Geringste zu tun. Wir können hier der Frage nicht nachgehen, wie die Rollen bei der Entstehung der italischen Städte auf die Urbevölkerung der Terramarekultur, die einheimische und auf die zugewanderte etruskische Bevölkerungsschicht zu verteilen sind, doch scheint es, daß Kornemann die Grenzen der Städtebildung etwas zu eng zieht, wenn er sie auf den etruskischen Ursprung beschränkt. Es gab schließlich auch Gebiete, welche vom politischen Einfluß der Etrusker frei waren, und auch dieser Einfluß tritt in Campanien verhältnismäßig so spät in Erscheinung, daß wir hier schon frühere Städtebildungen annehmen müssen. Das gilt insbesondere von Alt-Pompeji, das bereits ein Templum und jedenfalls auch ein Pomerium in früherer Zeit besaß. Diese Elemente können hier weder griechischen noch etruskischen Ursprungs sein, wenn die Datierung der ältesten Reste, die aber bereits in der erweiterten Stadt liegen, in die Zeit der etruskischen Herrschaft richtig ist. Da andrerseits die Altstädte Etruriens ganz ausgesprochen Kuppenstädte sind, mit Mauerzügen, die sich dem Gelände anschmiegen, und ein Templum nicht ohne weiteres erkennen lassen, müssen wir die Möglichkeit zugeben, daß die Etrusker in Italien die Elemente der Städtebildung bereits vorgefunden und später übernommen haben; deshalb können sie immerhin die religiösen Gebräuche, den etruscus ritus geschaffen haben, auch mag erst den darauf beruhenden Gründungen die Bezeichnung urbs zugekommen sein. Das würde dann bedeuten, daß ursprünglich wenigstens nicht jede Stadt schlechthin mit dem Worte urbs bezeichnet wurde, und deshalb würde darin kein Widerspruch liegen, wenn Kornemann erst die römische Vierregionenstadt als urbs anerkennt 0, wenn x) a. a. O. 89.
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Kapitel IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
aber auch schon das älteste palatinische Rom tatsächlich eine autonome Stadt war; denn schon dieses besaß ein Pomerium, welches kultlich eine bleibende Geltung behielt, und auch ein Straßenkreuz mit einem Arm zur Velia läßt sich ohne Mühe rekonstruieren. Wie dem auch sei, auch ohne Rückführung auf die Terramaresiedelungen ist die italische Stadtanlage mindestens ebenso alt, wie die regelmäßige griechische, selbst wenn diese im VI. Jahrhundert, und nicht erst nach F. Haverfield um die Mitte des IV. ausgebildet worden ist (oben S. 32). Sie ist auch keine Frühform der griechischen, tritt von Anbeginn in einer geschlossenen Gestalt auf und entwickelt sich unabhängig von den Griechen in einer ganz ändern Richtung, da sie gerade solche Elemente betont, wie z. B. das Kreuz zweier Hauptstraßen, die in Griechenland ursprünglich fehlen und erst viel später auftraten, dabei immer nur einen zufälligen Charakter, niemals aber eine ausschlaggebende Bedeutung haben. Dazu ist die Limitation in Italien durchaus nicht religiösen Ursprungs, noch auch für den Städtebau erfunden, wie das auch Haverfield erkannt hat 1 ). Sie gilt zunächst für die Vermessung von Ackergrundstücken, von ganzen Ländergebieten und dann für die Anlage von Militärlagern; sie beruht gewissermaßen auf astronomischer Grundlage, wie auch die Einteilung der Erdoberfläche in Meridiane und Breitengrade das gleiche Prinzip vorstellt. Für einen Stadtplan hat sie innerlich überhaupt keine Bedeutung, ihre durchgehende Anwendung ist bloße Willkür und Verkörperung der schematischen Auffassung, welche dem römischen Wesen immer eigen blieb. Das Dem Koordinatensystem entspricht ein Flächengebilde von gleicher Koordinaten- Länge und Breite, dessen Seiten den Achsen parallel laufen. Daher ersystem zweier gänzt die quadratische Stadtmauer sinngemäß das Straßenkreuz, dessen Hauptstraßen. yier Arme jn y j er Haupttore in der Mitte der Quadratseiten münden. ¥ Die ganze Form ist streng und folgerichtig aufgebaut, aber wiederum nicht eigens für den Stadtplan: jedes oppidum, Standlager, Marschlager, überhaupt jede Befestigung wird nach dem gleichen Schema angelegt; es kehrt sogar als Urzelle im italischen Hause wieder, dessen Decumanus die Achse des Atriums und des Tablinums ist, während der Cardo den alae entspricht und das Atrium die gleiche Rolle spielt, wie das Forum im Lager und in der Stadt. Dabei ist die ausschließliche Anwendung dieses Prinzips, da es rein theoretisch aufgebaut ist und die Geländeverhältnisse gar nicht berücksichtigt, für die Städte und schon für jedes ständige Lager ebenfalls nichts weiter als die gleiche Willkür. Daran ändert wenig, daß es in der Praxis häufig nicht durchgeführt werden konnte, wenn man die Formen den tatsächlichen Verhältnissen anpassen mußte: wir sehen dann anstatt der rechtwinkligen ein schiefes ') Ancient town planning, 70 f.
i. Der Typus der italischen Stadt.
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Straßenkreuz, ein verschobenes Quadrat mit abgestumpften Ecken oder auch gebrochenen Seiten, aber stets besteht eine unmotivierte, durch keinerlei Zweckmäßigkeit gerechtfertigte Beziehung zwischen der Umgrenzung und der inneren Einteilung. Während die regelmäßige griechische Stadt eine bewußte und planmäßige Vervollkommnung der zufällig entstandenen ist, ein Fortschritt, wodurch Mißstände vermieden wurden, aber nicht zweckmäßige Dispositionen, z. B. der Verteidigungsanlagen, behindert, so ist das italisch-römische System von vornherein abgeschlossen und nicht entwicklungsfähig, weder im Einzelfall der erbauten Stadt, die keine Möglichkeit zur Erweiterung hat, noch in der allgemeinen Anwendung, da jede Anpassung an die natürlichen Boden- und Verkehrsverhältnisse zu Kompromissen und damit zu einer Entstellung des Idealschemas führte. Haverfield hat das Charakteristikum der italischen Stadt im Gegensatz zur griechischen, das Straßenkreuz, durchaus richtig erkannt und den Unterschied hervorgehoben *). Leider verwischt er ihn selbst durch die unhaltbare Vermutung, daß dieses Achsensystem ursprünglich, ja sogar noch bis in die Zeit der späten Republik nicht regelmäßig gewesen wäre, daß vielmehr erst unter griechischem Einfluß sowohl Lager, wie Stadt den strengen rechten Winkel übernommen hätten. Das ist natürlich eine unmögliche Voraussetzung: ein Koordinatensystem hat nur dann Sinn, wenn es rechtwinklig ist. Wenn bisweilen schiefe Achsen auftreten, wie in Pompeji, so sind das selbstverständlich Abweichungen von der Regel, hier durch Geländeformen hervorgerufen, an ändern Orten vielleicht durch unvollkommene, irgendwie beeinflußte Himmelsbeobachtungen: etwa durch kultliche Handlungen, wenn z. B. zur feststehenden Nordsüdrichtung des Cardo der Decumanus nach dem Sonnenaufgang an einem willkürlich gewählten Tage bestimmt wurde, oder durch Ungenauigkeit, wenn man von einer genauen astronomischen Orientation absehen mußte. Haverfields Irrtum beruht z. T. auf den gleichen Ursachen, wie bei seiner Beurteilung der griechischen Städte, nämlich daß er dem militärischen Charakter der späteren Kolonien zu viel Bedeutung zumißt und diesen erst ein streng durchgeführtes Straßennetz zuschreibt, außerdem aber auch darauf, daß er die Bedeutung des Achsenkreuzes für das Straßensystem überschätzt und beide ohne weiteres in Abhängigkeit von einander bringt. Der Vergleich der italischen Stadt mit dem Militärlager läßt sich Umriß und sehr weit führen. Kornemann hat durchaus richtig erkannt, daß die Zentrum. Umwallung, im Gegensatz zur griechischen, primär ist; sie hängt durch die Tore untrennbar mit dem Achsensystem zusammen. Ein Unterschied zum Lager ist eigentlich nur in den Größenverhältnissen vorhanden. 1
a. a. O. 72 f., 81.
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Kapitel IV.
Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
Urbs und castrum sind beide Produkte der strengen militärischen und religiösen Disziplin, welche der Bürgerschaft eine Gleichförmigkeit als Schutz gegen jede individuelle Regung aufzwingt und die Organisation der Gemeinde auf der Basis der Heeres Verfassung deutlich wiedergibt. Im Vordergrund stand die Autorität der bürgerlichen oder militärischen Magistrate, der alles andere untergeordnet ist. Ihr Sitz ist der Mittelpunkt der Anlage: im Lager des Praetorium, dabei das Forum, auf welchem der Imperator zum Heere spricht, und das Lagerheiligtum; in der Stadt die Regierungsgebäude, die Curia, Regia, später auch die Basilika, das Forum, wo der Magistrat mit der Bürgerschaft verhandelt, und die Tempel der Stadtgottheiten. Die Hauptstraßen sind nicht in erster Linie Verkehrswege, die für die Einwohner zur unbehinderten Verbindung innerhalb der Stadt dienen, sondern es sind Zugangswege zum Verwaltungszentrum, die ein bestimmtes Ziel haben: innerhalb führen sie zum Sitz des Magistrats oder zum Praetorium und auf das Forum, daher konnten sie sich an diesen Gebäuden totlaufen, außerhalb aber führen sie den Magistrat durch die Tore in die vier Weltrichtungen, um ihm die Ausübung der Herrschaft zu ermöglichen. Denn auch die Landstraßen werden nicht nach Verkehrsbedürfnissen der Bevölkerung gebaut, sondern in willkürlich gewählten Richtungen zu ganz bestimmten Zwecken, die dem Staatsinteresse dienen, und auch die Lagerstraßen nehmen in der Regel die Richtung der Militärstraßen auf, deren Bedeutung als Verkehrswege eine nebensächliche Rolle spielt, Das Schema Wir haben die griechische Stadtmauer als losen Gürtel um das der bewohnte Gebiet kennen gelernt, welcher dem Stadtplan einen freien Befestigung. Spielraum gewährte und oft mit Einschluß ausgedehnter freier Flächen seinen Lauf nach den strategischen Vorteilen des Geländes nahm. Für die italisch-römische Normalstadt ist die Umwallung in erster Linie der Rahmen, der ihr die Gestalt gab und sich mit dem Gelände, so gut es ging, abfinden mußte. Ihre Anlage wird daher hauptsächlich durch die Disposition des eingeschlossenen Wohngebiets bestimmt, und das offenbar zum Nachteil ihrer Verteidigungsfähigkeit; sie besteht in der Regel aus geradlinigen Mauerstrecken, oft mit abgerundeten oder abgeschrägten Ecken, mit Türmen in regelmäßigen Abständen, frontalen Toranlagen in der Richtung der Hauptstraßen und anderer wichtiger Straßen, verzichtet aber meist auf Vorteile, wie z. B. die Flankierungsmöglichkeit der Zugänge durch vorgeschobene Mauerpartien und tangential angelegte Tore, welche schon den mykenischen Burgen bekannt waren. Die Mauern sind keine strategischen Verteidigungslinien, sondern einfache Brustwehren, die, wie im Lager, den Verteidigern Schutz bieten sollen; die Errungenschaften der griechischen Poliorketik gehen an ihr ziemlich spurlos vorbei, und nur in den Verbesserungen an den
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Schießscharten, Wehrgängen, Türmen, Torsicherungen usw., d. h. an Einzelheiten, läßt sich ein Fortschritt erkennen. Dagegen steht das Straßenkreuz wiederum in einer recht lockeren Das und nur äußerlichen Beziehung zum Stadtplan. Das ist eine merk- Straßennetz, würdige Erscheinung, die sich jedoch dadurch erklärt, daß das System von Cardo und Decumanus ja nicht für die Stadt erdacht oder aus ihren Bedürfnissen abgeleitet worden ist, sondern nur, wie bei so vielen ändern Gelegenheiten, auch auf den Entwurf der Stadt Anwendung gefunden hat. Eigentlich planbildend sind diese Straßen nie gewesen; sie sind lediglich zwei Achsen, die durch das Stadtgebiet gelegt wurden. Dieses bleibt im übrigen amorph, ähnlich wie in orientalischen Städten, die nur wenige durchlaufende Straßenzüge als Hauptadern besitzen, sonst aber ein Labyrinth von engen, winkligen Wegen und Sackgassen besitzen. So sahen Alt-Pompeji, besonders im Westen (Abb. 15), und das republikanische Rom aus. Um die Wohnquartiere hat man sich anfangs ebensowenig bekümmert, wie in Griechenland, aber mit der Zeit konnte es nicht ausbleiben, daß auch für sie eine gewisse Regelmäßigkeit gewünscht wurde, jedenfalls als Folge der gleichen Ursachen, wie planmäßige Neugründungen oder Erweiterungen kleiner Städte durch Kolonisationen. Es war am natürlichsten, die Richtungen des Cardo und Decumanus zum Vorbild zu nehmen, aber hier zeigt es sich, daß diese Hauptstraßen ein geradezu störendes Element waren. Außer ihnen gab es oft noch Hauptstraßen zweiter Ordnung, die dem Achsenkreuz durchaus nicht immer parallel verliefen, entweder zwischen zwei ändern sich gegenüber liegenden Toren, oder auch nur in einer Richtung zu einem Tore führend, und diese Straßen zerlegten die Stadt von vornherein in mindestens vier Viertel, welche voneinander unabhängig aufgeteilt werden mußten. Wir sehen z. B. in Neu-Pompeji, aber nicht selten sogar noch in den späteren und spätesten Lagerstädten Afrikas und Britanniens, daß diese Großviertel parallele Straßensysteme enthalten, die jedoch nicht einmal innerhalb desselben Viertels streng durchgeführt sind, sondern daß die eine oder andere Straße eine abweichende Richtung haben oder einen Knick aufweisen kann. Der rechte Winkel stellt kein unbedingtes Erfordernis dar, weil das Querstraßensystem nicht rechtwinklig zu verlaufen braucht oder weil beide schief auf die Hauptstraßen münden, ferner halten die Nebenstraßen weder im selben Viertel die gleichen Abstände ein, noch viel weniger in den verschiedenen Vierteln. Besonders häufig geschieht es, daß diese Nebenstraßen die Hauptstraßen nicht durchqueren, sondern nur in diese münden und in den gegenüberliegenden Vierteln versetzt erscheinen. Alles dies sind ebensoviele grundsätzliche Abweichungen vom hippodamischen System, die es verbieten, von seiner Anwendung im römischen . G e r k a n , Griech. Städteanlagen.
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Kapitel IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
Stadtplan zu sprechen. Wir dürfen darin höchstens Ansätze zu einer Regelmäßigkeit erblicken, dergleichen wir für die griechischen Städte vielleicht schon im VI. Jahrhundert vermuten konnten, die sich aber in Italien zu einer Vollkommenheit nicht durchzusetzen vermochten, weil für die Wahl des Achsensystems nicht die zweckmäßigste Richtung, sondern anderen Überlegungen entscheidend waren, und weil es die Stadt in mehrere getrennte Viertel zerteilte. Wenn aber eine Einheit des ganzen Stadtbildes in der Unterteilung doch nicht erreicht werden konnte, so ist es verständlich, daß diese auch im einzelnen lax durchgeführt wurde und daß die Weiterentwicklung daran scheiterte. Solche Schwierigkeiten waren von den Griechen schon im V. Jahrhundert überwunden worden, weil sie ihre Städte ohne deren Zwang bilden konnten. Die fehlende Auch die griechischen Städte wurden stets für einen bestimmten Erweiterungs-Umfang, ohne Hinblick auf eine künftige Ausdehnung entworfen, mögic «t. prajj.tjscn standen dieser jedoch keine besonderen Schwierigkeiten im Wege, wenn eine Erweiterung, wie z. B. wiederholt in Pergamon, notwendig wurde. Die italische Stadt steht in dieser Beziehung viel ungünstiger, sowohl infolge des räumlich begrenzten Schemas, wie noch mehr durch die sakrale Bindung an das Pomerium, und zwar ist das Hindernis um so stärker, je bedeutender die Stadt und damit auch ihre religiöse Autorität ist. Es ist noch eine günstige Lösung, wenn sie, wie Pompeji, vervierfacht werden könnte: Rom wuchs ganz allmählich durch äußere Vorstädte, die esquiliae, mit der Nachbargemeinde auf dem Quirinal zusammen und geriet daher in einen Zustand, der den Wert der älteren Befestigungen illusorisch machte und gegen den man offenbar machtlos war. Auch der Synoikismos des VI. Jahrhunderts vermochte daran nichts zu ändern; das neue Pomerium war überschritten, ehe eine entsprechende Mauer geschaffen war, und erst die Gallierkatastrophe gab die Möglichkeit, eine einheitliche Verteidigungslinie zu errichten. Dann wiederholte sich der gleiche Vorgang: in der letzten Zeit der Republik war die Stadt größer als ihr offizielles Weichbild, die Mauer war unbrauchbar; erst Caesar nahm die förmliche Eingemeindung der Außenviertel vor und eine Mauer in diesem Umfange entstand unter Aurelian. Dieses immerwährende und zufällige Wachstum verhinderte ein Limitation der Stadt, die nur für die palatinische Ursiedelung Anwendung fand, im Synoikismos aber schon von den gewordenen Verhältnissen überholt war. Eine gleiche Hilflosigkeit und Vernachlässigung der Entwicklung zeigt sich bei den späten Lagerstädten in Afrika (Lambaesis, Thamugadi), wie auch im Norden: um die Militärstadt erwuchs aus den canabae eine regellose Zone, die allmählich ebenfalls ein städtisches Gepräge
2. Die Entwicklung der italischen Stadt.
erhielt, und im Endergebnis entstand eine Stadt, deren Kern regelmäßiger war, als die Umgebung, also das genaue Gegenteil der modernen Städtebildungen. Auch in diesen Fällen bleibt die Verteidigungsmauer oft auf den Kern beschränkt und behält, wenn sie nicht überhaupt aufgegeben wird, einen sehr problematischen Wert.
2. Die Entwicklung der italischen Stadt. Wir müssen stets im Gedächtnis behalten, daß unser Material über die innere Entwicklung der italischen Stadtpläne ganz besonders lückenhaft ist und daß die früheren sowie die folgenden Feststellungen notwendig einen stark theoretischen Zug haben müssen. Die Reste sind durchaus nicht etwa spärlich, aber nicht systematisch durchforscht; brauchbare zuverlässige Aufnahmen werden nicht hergestellt, da die Ausgrabungen meistens nur Einzelfunde erstreben und sie sich deshalb mit Vorliebe den Nekropolen zuwenden. Von unserem Standpunkt sind die Anlagen nur in ganz vereinzelten Fällen betrachtet worden; Vorarbeiten fehlen gänzlich, und man begnügte sich, sobald einigermaßen rechteckige Straßenviertel zu erkennen waren, mit der Feststellung, daß hier das »hippodamische System« Anwendung gefunden habe, stellte also von vornherein das Resultat fest, unter Verzicht auf eine Untersuchung. Vielleicht noch schwieriger ist die Datierung der einzelnen Reste. Früher war man geneigt, alle Überreste ohne weiteres in Beziehung zu der Zeit des Machthöhepunktes der betreffenden Stadt zu setzen und geriet dabei oft in vorrömische, sogar sagenhafte Perioden, allein auch heute noch ist es noch nicht möglich, aus der Grundrißform und der Technik der Gebäude sichere Schlüsse zu ziehen. Daran ist zum großen Teil die mangelhafte literarische Überlieferung schuld, die in Italien erst spät zuverlässig wird, sich dann aber hauptsächlich auf Rom beschränkt und unvergleichlich weniger beschreibt, als die griechische. Es ist infolgedessen vorderhand nicht möglich, den Entwicklungsgang der italischen Städte auch nur in den Grundzügen zusammenhängend zu skizzieren. Wenn die etruskischen Städte meistens keine regelmäßige Einteilung im Innern erkennen lassen, so mag das am Erhaltungszustand liegen; bei einigen recht alten Anlagen, wie Veji (Abb. 16), ist das aber doch möglich. Dagegen haben Großstädte, wie dasselbe Veji, Befestigungen, die sich kaum anders, als bei griechischen Städten, dem Höhenrande anschließen, und auch kleinere Orte lassen den Zusammenhang des Mauerrings mit der Gestalt des Stadthügels erkennen. In den ersten Fällen ist immer eine nachträgliche Erweiterung der Stadt möglich, ähnlich wie in Rom, da die Stadt seit der Gründung bis zu ihrer größten Machtstellung stark gewachsen sein muß, aber es wäre 9*
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Kapitel IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
überhaupt verfehlt, für die Frühzeit eine zu strenge Durchführung der theoretischen und rituellen Regeln zu erwarten: es hat überall eine Zeit gegeben, wo das technische Können und die Erfahrung des Volkes nicht ausreichte, um zufällige Schwierigkeiten zu überwinden, und die Starrheit eines Prinzips wächst mit der Leistungsfähigkeit, es in der Praxis durchzusetzen. Römische Nicht viel später, als zu Beginn der hellenistischen MassengrünKoionisation düngen im Orient, gegen Ende des IV. Jahrhunderts, setzte auch die planmäßige römische Kolonisation ein. Hier wie dort handelte es sich um die militärische und politische Sicherung des unterworfenen Gebietes, und beidemal darf der innere Beweggrund in einem Bevölkerungsüberschuß erkannt werden, der in der Heimat keinen Platz mehr fand. Die römischen Kolonien waren zunächst Bürgerkolonien und wurden in Italien angelegt, dann mit der Ausdehnung des Reiches in den nächsten, später auch in den entfernteren Provinzen, zumeist aber in dem schwächer bevölkerten westlichen Teil. Als das stehende Heer eingerichtet war und die Veteranen versorgt werden mußten, wurden auch Militärkolonien angelegt, und noch später erwuchsen die zum Schütze der keltogermanischen (Abb. 17, 18) und afrikanischen Grenze {Abb. 19) errichteten Standlager, wenn sie günstig lagen, zu Militärstädten, die sich in bedeutende Gemeindewesen verwandeln konnten, ein Vorgang, der sich heute in den nordafrikanischen Kolonien Frankreichs ganz analog wiederholt, z. T. sogar an denselben Stellen. Wie die römischen frühen Kolonien im Allgemeinen beschaffen waren, ist nicht bekannt. Die von H. Nissen als Regel ausgesprochene Vermutung, daß sie nach ihrem dies natalis, dem Gründungsdatum, limitiert wären ), kann nur in den seltenen Fällen zutreffen, wenn sie nicht in bereits bestehende Städte gelegt wurden. Da jedoch die Grenzkolonien der Kaiserzeit ohne Ausnahme noch an den Grundsätzen der italischen Limitation festhalten, so stellt sich der zwingende Schluß ein, daß die Entwickelung auch in der Zwischenzeit ohne Unterbrechung die gleiche Richtung einhielt. Eine Beeinflussung durch den hellenistischen Städtebau ist umso unwahrscheinlicher, als im Westen nach dem V. Jahrhundert überhaupt keine Griechenstädte mehr gegründet wurden; griechische Art wäre auch nur höchstens in der größeren Regelmäßigkeit der Nebenstraßen und der Häuserquartiere zu erkennen, wenn man zunächst von Kunstformen und Gebäudetypen absieht. Allein diese Regelmäßigkeit stellt sich ja ganz von selbst ein, sobald die Ansiedelungen planmäßig und in kurzer Zeit errichtet werden, der Häuserbau also nicht dem Zufall und der Willkür der Einwohner anheimgestellt wird. Daß es sich dabei nicht um die Aufnahme eines neuen *) H. Nissen, Orientationen, 92.
2. Die Entwicklung der italischen Stadt.
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festen Grundsatzes handelt, erhellt daraus, daß trotz des vorherrschenden rechten Winkels auch jetzt noch leichte Abweichungen häufig sind, in Wirklichkeit sogar viel häufiger, als es die summarisch und in kleinen Maßstab wiedergegebenen Stadtpläne zeigen, denn nach den Detailaufnahmen sind sogar die Fora fast ausnahmslos etwas trapezförmig. Außerdem bleiben die Straßenabstände ungleich, und die Straßen selbst werden oft an den Hauptstraßen versetzt: ein Beweis, daß man nicht gleich den ganzen Stadtplan im Gelände absteckte, sondern innerhalb der Umgrenzung je nach Bedarf einen Straßenzug nach dem ändern, vermutlich von den Hauptstraßen ausgehend, anlegte. Dagegen sind die scheinbar außerordentlich regelmäßigen Stadtplane, die aus den mittelalterlichen oder modernen Umgestaltungen durch Rekonstruktion gewonnen sind, sehr unzuverlässig und wenig beweiskräftig J ). Das sind eben Rekonstruktionen nach geringen Anhaltspunkten, welche alle vielleicht vorhanden gewesenen Unregelmäßigkeiten unbewußt beseitigen und die Straßen in ihren Abständen und Richtungen verschieben können. Allerdings wird die Disposition im Laufe der Zeit immer regelmäßiger, erreicht aber nie die Strenge der griechischen Beispiele, im Gegensatz zu F. Haverfields Anschauung 2). In keinem Falle haben die Häuserquartiere eine genaue quadratische Gestalt, so daß wir die Schachbrettform nicht als Ideal hinstellen können; da eine solche Lösung ja kein unerreichbares Problem darstellt, müßte sie, wenn sie erstrebt worden wäre, wenigstens einige Male erhalten sein. Aber nicht die Aufteilung, sondern die Achsenführung war das Ziel der italisch-römischen Städtebaumeister. Haverfield kommt daher zu dem irrigen Schluß, daß auch die römische Stadt keine hervorragenden dekorativen Luxusbauten kannte, sondern daß die öffentlichen Gebäude vor der Masse der Wohnquartiere zurücktraten, weil die Städte besonders unselbständig, ihre Einwohner in erster Linie römische Bürger wären 3). In Wirklichkeit aber beginnt erst in dieser Zeit der Prunkbau um seiner selbst willen, wie weiter unten gezeigt werden soll. Alle diese Stadtpläne spiegeln das Prinzip wieder, welches das Der Osten, private und öffentliche Leben und die Verwaltungsorganisation der italischen Staatengebilde von Anbeginn heherrscht. Sie sind zentral gerichtet, besitzen einen Mittelpunkt; die Richtungen, die zum Zentrum führen, werden zu Achsen, und das Ganze enthält eine zentrale und axiale Gliederung, welche wir mit dem Worte Symmetrie bezeichnen. Wir werden noch näher zu betrachten haben, wie diese hierarchische Ordnung ') F. Haverfield a. a. 0.: Turin, 86 f.; Aosta, 89 f.; Florenz, 91 f.; Lucca, 95 f.; Laibach, 115f.; Autun, 121 f. ») a.a.O. 17, 77, 81. 3) a. a. 0. 17, 78.
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Kapitel IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
alle Einzelheiten der Stadt ergreift und neue Bautypen schafft, welche der hellenistischen Zeit fremd waren, die bestehenden aber dementsprechendumgestaltet. Das Resultat ist die spätantike Stadt des II. und III. nachchristlichen Jahrhunderts, einheitlich über das ganze römische Reich verbreitet. Neben den afrikanischen Provinzen haben die syrischarabischen Wüstengebiete, daneben das früh entvölkerte südliche und östliche Kleinasien uns die deutlichsten Beispiele dieses Stadttypus bewahrt. Der Osten war jedoch nicht, wie die westliche Reichshälfte, Neuland, vielmehr schlössen sich die Städte an bereits in hellenistischer Zeit bestehende oder damals schon einmal veränderte Ansiedelungen an, und manche Züge werden durch diesen Umstand stark beeinflußt: die Mauern von Palmyra, Gerasa, Kanatha und anderen Orten sind richtige Geländemauern nach griechischem Prinzip; aber wichtiger ist, daß die Straßenrichtung nicht auf der römischen Limitation beruhen kann. Man hat nur das daraus hervorgegangene System des Straßenkreuzes äußerlich Übernomen, es aber in großartiger baulicher Ausstattung durchgeführt, nach der Zahl der Säulenstraßen sogar verdoppelt und verdreifacht. Der HelleMan hat dem Umstände, daß die syrischen Städte bereits in der 1 ^Syrien" Diadochenzeit bestanden haben, zu viel Bedeutung beigelegt und in ihnen hellenistische Anlagen erkennen wollen, zuletzt noch in Damaskusx). K. M. Swoboda hat diese Behauptung ausdrücklich verallgemeinert a), indem er diese Städte ohne weiteres als hellenistisch bezeichnet und anstatt eines Beweises die These aufgestellt, daß sie gerade den hellenistischenTyp am längsten behalten hätten; allein auch schon Th. Schreiber ist demselben Irrtum erlegen 3). Es zeigt sich darin eine Verkennung der geschichtlichen Verhältnisse, denn die makedonische Eroberung hatte keine solche Masseneinwanderung zur Folge, daß das griechische Element in allen großen Städten das zahlenmäßige Übergewicht erlangen konnte, umsoweniger hatte es Veranlassung, für die einheimische arabische Bevölkerung griechische Städte zu erbauen und sie ihnen dann zu überlassen. Die Orte können nur schwache griechische Kolonien enthalten haben, die Hauptmasse aber wohnte in ihrer alten Gewohnheit weiter: sie hatte nur ihren Herren gewechselt, nicht aber ihre Kultur. Erst in der Zeit der römischen Herrschaft ist die Hellenisierung so weit fortgeschritten, daß das Land auch auf geistigem Gebiet produktiv tätig wird, aber immer ist der Charakter einer Mischkultur unverkennbar, mit einem starken Anteil von orientalischem Wesen, der bald wieder überwiegt und sich nur des griechischen Rüstzeuges bedient. Einzelne ') C. Watzinger u. K. Wulzinger, Damaskus, Kap. III. ) K.M. Swoboda, Rom. u. rom. Paläste, 2 50 f. 3) In Festschrift für Kiepert, an vielen Stellen.
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2. Die Entwicklung der italischen Stadt.
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Residenzstädte, wie Antiochien, Seleukeia, Laodikeia u. a. waren vermutlich reiner Griechenstädte; wir können das jedoch nicht genauer feststellen, denn was die spätere Überlieferung bei Libanios, Malalas u. a. in Antiochien beschreibt, die Großstadt mit Säulenstraßen, Straßentoren und Palästen, ist keine hellenistische Stadt mehr, sondern der spätrömische Zustand, das Bild derselben einheitliche Reichskunst, die wir an allen Orten wiederfinden. Unter solchen Bedingungen ist es gänzlich undenkbar, daß die Städte in den ersten Jahrhunderten des griechischen Einflusses das hellenistische Wesen sich so zu Eigen gemacht hätten, um es in voller Reinheit weiter fünf Jahrhunderte zu bewahren, ja sogar noch einmal von Neuem erstehen zu lassen. Denn daran ist kein Zweifel, daß alle diese Ruinenstätten kaum einen Stein aus der hellenistischen Zeit aufweisen: alle erhaltenen Gebäudereste sind in der römischen Kaiserzeit entstanden, und man müßte also trotz der fortgeschrittenen Zeit und des eingetretenen Verfalles des früheren ZuStandes das alte Bild wieder hergestellt haben. Davon kann natürlich im Ernst keine Rede sein. Die syrischen Die syrischen Städte bis zur Grenze des Partherreiches und die kleinasiatischen StädteStädteanla£en· im Süden und im Innern bis Hierapolis zeigen gewiß nicht das strenge Schema, aber doch das gleiche Bild, wie die weströmischen, nämlich in einheitlicher Bauweise solche Anlagen, wie sie die Griechenstädte Kleinasiens und des Mutterlandes erst im Laufe eines Jahrhunderte währenden, noch im Einzelnen verfolgbaren Umbaues erhielten: daraus ist nur eine Schlußfolgerung möglich. Sie verkörpern nicht die hellenistische Tradition, sondern die römische, wie wir sie im Westen gefunden haben. Es ist nicht zulässig, von zwei grundverschiedenen Ausgangspunkten, von der griechischen und von der italischen Stadt, zwei natürliche Entwicklungsreihen zu konstruieren, die im II. Jahrhundert nach Chr. zu einem identischen Resultat geführt hätten. Für den italischen Typ haben wir jedoch eine geradlinig verlaufende Entwickelung im Westen feststellen können. Natürlich dürfen wir auch im Osten von einer Entwickelung mindestens im historischen Sinn sprechen, nur verlief sie nicht ungehemmt, sondern enthält einen Bruch der Tradition: es kommen von außen neue Gedanken und Elemente, die die bisherigen zurückdrängen und. im Laufe der Zeit zur unbestrittenen Herrschaft gelangen. Eine ganze Reihe von syrischen Städten hat einen vereinfachten rechteckigen Umriß und geradlinige Mauerstrecken, wie Damaskus und Bostra (Abb. 20) J ), was erklärlich ist, nachdem die militärische Verwaltung in römische Hände übergegangen war. Philippopolis (esThe Princeton expedition to Syria, II, A, 4, 230 f.
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Kapitel IV.
Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
Schuhba) mit seiner quadratischen Gestalt und seinem Straßenkreuz (Abb. 20) ') erinnert besonders stark an die westlic hen Typen, auch darin, daß die Hauptstraßen nicht etwa geradlinig und rechtwinklig verlaufen, und noch weniger der zweite westliche Decumanus. Diese leichte und nicht verständliche Abweichung vom hippodamischen Prinzip, welche beweist, daß dieses Prinzip hier keine Anwendung gefunden hat, ist allen diesen Städten ebenso gemeinsam, wie den weströmischen; sie findet sich in Damaskus, in Gerasa, in Apameia und ändern Städten mehr oder weniger ausgeprägt, wie auch die Ungleichheit der Straßenabstände. Dagegen fehlen positive hellenistische Motive auch in den Einzelanlagen, vor allem in dem Marktkomplex, der im Stammlande noch im I. Jahrhundert vor Chr. seine charakteristische Gestalt als rechteckiger Hallenplatz mit Tangentialstraßen bewahrt hatte.
3. Die Gebäudetypen. Die Einzelanlagen der römischen Stadt weichen in der gleichen Weise von den griechischen Parallelen ab: sie sind ebenfalls zentral und axial komponiert und werden schon dadurch nicht als organisch entstandene, sondern als übernommene und den Verhältnissen angepaßte Gebilde gekennzeichnet. Die noch sehr der Aufklärung bedürftige Entstehungsgeschichte des römischen Monumentalbaues soll hier nicht weiter untersucht werden; wir müssen uns darauf beschränken, die wichtigsten Typen in ihrer Beziehung zum Stadtplan zu nennen. Auch sie fanden allmählich ihren Eingang in die griechische Stadt, nicht auf dem Wege der stetigen Entwicklung, sondern einer von außen kommenden Veränderung, die jedem, der sich mit Ausgrabungen beschäftigt hat, eine geläufige Erscheinung ist. Gerade diese kurz als römische Umbauten bezeichneten Erscheinungen sind es, die das ursprünglich hellenistische Bild, wie z. B. in Ephesos, im Laufe der Zeit bis zur äußer-' liehen Unkenntlichkeit verwischten, es aber zugleich immer mehr dem römischen und dem syrischen Typus anglichen, welcher schon deshalb allein nicht als hellenistisch gelten kann. Das Forum. Das römische Forum, ursprünglich ebenfalls ein offener Platz, aber niemals von der Größe, wie die Agora in Griechenland, übernimmt in recht später Zeit den Säulenschmuck nach griechischem Vorbilde, jedoch nicht die Anordnung der Hallen. Ihnen fehlte die Entstehungsgeschichte, denn man sah nur die Säulenstellung und errichtete sie, unbekümmert um die Straßenzüge, an allen vier Seiten des schon vorhandenen Platzes, höchstens wurde an der einen Seite ein bevorzugtes Gebäude, wie in Pompeji der Juppitertempel, erbaut, aber dann nicht ') R, Brünnow u. A. v. Domaszewski, Provincia Arabia III, 146.
3. Die Gebäudetypen.
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gegenüber dem Platz, von ihm durch eine Straße getrennt, sondern auf dem Platze selbst, während die Halle sich bis zu der gemeinschaftlichen Rückwand fortsetzte. Die Halle entbehrte an vielen Stellen einer eigenen Rückwand, sie maskierte die schon bestehenden älteren Gebäude und die Straßenzugänge und bildete einen recht unorganischen Bauteil. Das römische Forum als allseitig geschlossener Platz ist schon Vitruv geläufig (V, i); unmittelbar darauf beginnt die Reihe der als Kaiserfora bezeichneten Prachtplätze; sie haben mit dem Markt nichts als den Namen gemein und dienen nur noch als Denkmalsplätze und Vorhöfe für Tempel und Basiliken. I. E. Wymer hat eine ganze Reihe von Provinzmärkten zusammengestellt'), welche erkennen läßt, daß die Plätze mäßig groß waren, selten über das lichte Maß von 50 m hinaus, aber stets geschlossen und peristyl, wenn nicht die eine Seite von besonderen Gebäuden, wie Tempeln (Sufetula, Gigthi) oder noch häufiger von der Basilika eingenommen war; stets aber ist die ganze Gruppe einheitlich und zusammenhängend komponiert. Vitruv fordert für die Hallen ein Obergeschoß, und diese Doppelgeschossigkeit ist auch häufig nachzuweisen, aber doch nicht immer vorhanden, vor allem nicht bei den Kaiserfora. Die griechischen Märkte kennen sie nicht, mit Ausnahme von Pergamon, doch werden wir hierbei besser nicht an einen pergamenischen Einfluß denken; die Zweigeschossigkeit war nicht eine spezielle Eigenschaft der Märkte überhaupt, sondern lag in der Entwicklung der Peristylanlagen im allgemeinen, daher wurde sie auch in Hausperistylen häufig, aber nicht zur Regel. Im I. Jahrhundert vor Chr. ist sie schon weit verbreitet, und nach Strabo standen auch in Smyrna (XIV, 646). Die Lage des Forums zu den Straßen beschreibt Wymer zutreffend z ): es Hegt am Kreuzungspunkt der Achsen mit einer Seite an der einen Hauptstraße, während die andere, gewöhnlich der Decumanus, axial auf die Mitte des Platzes gerichtet ist und zu einem monumentalen Tor führt. Daneben können kleinere Zugänge bestehen, niemals aber ist die Straße nach griechischer Art tangential an der einen Seite des Platzes durchgeführt. Man sieht es dem römischen Forum an, daß es nicht mehr der Platz Verandeist, auf dem eine autonome Bürgerschaft über das Geschick der Stadt ™«gen der entschied, sondern nur noch der Repräsentationsplatz des Magistrates, sriechlschen ffora welcher in den anliegenden Gebäuden seines Amtes waltete, etwa wie ' der Platz vor dem Rathause in Milet. Die bequeme Zugänglichkeit war kein Erfordernis mehr, statt dessen überwog das Bedürfnis nach ruhiger Abgeschlossenheit und einheitlichem architektonischem Schmuck. Auch auf griechischem Boden verlor die Agora ihre ursprüngliche Bex
) I. E. Wymer, Marktplatzanlagen, Abb. 10 f. ») A. a. O. 70.
Kapitel IV.
Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
deutung, denn die Vorliebe für einheitliche Plätze setzte sich seit dem I. vorchristlichen Jahrhundert überall durch, und die bestehenden Märkte wurden umgebaut. Der milesische Südmarkt erhält zunächst ein noch einfaches Säulentor im Hauptzugang, später aber, schon in römischer Zeit, wird die zweischiffige Halle des Hufeisens auch an der Ostseite einheitlich herumgeführt und an der Nordseite ziemlich unorganisch das reiche Markttor erbaut x ). Ebenso wird in Magnesia der Markt zum Peristyl umgebaut 2 ); in Ephesos ist der hellenistische Markt noch unklar, doch ist auch er in römischer Zeit verändert worden 3), und nur in römischer Gestalt sind die Märkte von Nysa 4) und Aphrodisias und ein kleinerer Platz in Knidos bekannt 5). Die gleiche Geschmacksrichtung bewirkte m römischer Zeit in Milet die peristyle Umgestaltung des Nordmarktes und des Delphinions 6 ); spätere Plätze werden durchweg einheitlich und geschlossen entworfen (Hof der Faustinathermen und der Thermen am Humeitepe, das römische Ehrengrab 7), ebenso der Hadriansmarkt in Athen und zahlreiche andere Plätze). In Assos war ein Umbau nicht möglich, doch wurde wenigstens an der Westseite ein Prachttor errichtet (Abb. 13). Einheitlich und römisch sind die Marktplätze der süd-kleinasiatischen und, soweit überhaupt vorhanden, der syrisch-arabischen Städte. Das gilt auch für die drei Säulenplätze in Petra 8 ): von äußeren Merkmalen sprechen dafür die Mörteltechnik, die Gewölbesubstruktionen und die Anwendung der korinthischen Ordnung, welche als Reihenarchitektur in hellenistischer Zeit nicht nachzuweisen ist; man hat mit Unrecht diese Anzeichen nicht gelten lassen wollen und Entstehung in hellenistischer Zeit angenommen. Aber die Grundrißdisposition ist so ausgesprochen symmetrisch, mit strengen, durch große Freitreppen betonten Achsen, daß auch sie der römischen Zeit angehören muß. — Die Agora verlor immer mehr ihre Bedeutung: die Verwaltungsbeamten bedurften ihrer nicht, und der Handel verzog sich in die Straßenläden und in die ausgedehnten Säulenstraßen; er ging in die Hände von Berufskaufleuten über, da der Wochenmarkt für die großen Städte nicht genügte. Damit waren Verhältnisse erreicht, die den heutigen entsprechen, und es ist bezeichnend, daß in Gerasa der Markt nur noch am Rande der Stadt in der Form eines mäßig großen elliptischen Säulen>) *) 3) 4) 5) 6 ) ?) 8 )
Milet I, Heft 7, 51 f., Abb. 57. Magnesia, 109 f., Taf. III. Ephesos III, If. Arch. Jahrb., Ergänzungsheft X, Taf. II. Antiquities of Jonia III, Chp. I, Taf. 29. Milet I, Hefts, HI f·, Taf. VII; I.Heft 6, 97 f., Taf. XXVI. VII. vorl. Ber. a. a. 0. 12 f., 30 f., 31 f. Th. Wiegand, Petra, 37 f.
3- Die Gebäudetypen.
platzes erscheint J ), der als Abladeplatz für die Kamelkarawanen anzusprechen ist, in den meisten syrischen Städten aber überhaupt fehlt. Es liegt deshalb auch kein Anlaß vor, den großen Platz in Damaskus, der den engeren Tempelhof enthält, als Markt zu deuten. Die Beobachtungen der Forscher 2) werden viel klarer und einheitlicher, wenn man den doppelten Tempelbezirk als spätrömischen Bau zugleich mit dem Stadtplan entstehen läßt, den Handelsverkehr in die Bazaranlagen des >>Gamma« und in die Säulenstraßen verlegt und keine hellenistischen Spuren sucht, wo keine vorhanden sein können. In steter Verbindung mit dem Forum tritt ein neuer Bautypus in Die Basilika, die Erscheinung, die Basilika. Die Frage nach ihrem Ursprung und die Herkunft ihrer Benennung gehört zu den schwersten Problemen der Baugeschichte und ist einstweilen nicht zu lösen. Im Osten sind solche Gebäude nicht zu finden, außer in den Städten Süd-Kleinasiens (z. B. Kremna), wo sie nach römischem Vorbilde erbaut sind, außerdem wird das Wort als Verlegenheitsbezeichnung für einige große Gewölbebauten gebraucht, deren Bedeutung nicht aufgeklärt ist, wie in Hierapolis. Das spricht gegen eine rein griechische Entstehung: in Griechenland müssen andere Gebäude ihren Funktionen gedient haben und ihre Einführung überflüssig gemacht haben. Einen solchen Ersatz für das Gerichts- und Notariatsgebäude des Altertums können wir in der großen Halle gegenüber der hellenistischen Agora erkennen (Priene, Magnesia, Assos), die auch in ihrer Lage der Basilika entspricht; dem gegenüber ist die Herleitung ihrer Benennung von der athenischen 3) erst recht verfehlt. Daher ist ihre Entstehung in Italien selbst, in den griechischen Kolonien, am wahrscheinlichsten: in Pompeji gehört die Basilika noch der hellenistischen Zeit an, und Vitruv kennt den Typus bereits in voller Ausbildung. Für die pompejanische Basilika läßt sich dieses ohne erneute Untersuchung noch nicht behaupten, denn Verschiedenes, wie die vertiefte Lage des gepflasterten Mittelraumes und die Wasserkanäle, sprechen doch stark dafür, daß sie unbedeckt war; auch die Frühentwicklung der Basilika, für welche weitere Beispiele fehlen, ist daher unsicher. Nicht genug kann der besondere Charakter der römischen StadtDie Straße hervorgehoben werden. Auf die Unterschiede zur hellenistischen Säulenstraße. Straße ist schon mehrmals hingewiesen worden; der wichtigste ist, daß die römische Stadtstraße nicht mehr der ungehinderte Verkehrsweg, die Grundlage der Planeinteilung ist, sondern der Zugangsweg zu bestimmten wichtigen Punkten, an denen sie ihr Ende findet. Das gilt ') G. Schuhmacher in Zeitschr. des Deutschen Palästina-Ver. XXV 1902, Taf. VI. ») C. Watzinger u. K. Wulzinger, Damaskus, 32 f. 3) A. Mau, Pauly-Wissowa R. E. III, i, 83.
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Kapitel IV,
Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
auch von den Hauptstraßen: sie sind eigentlich nur noch große architektonisch ausgebildete Achsen, die zum Haupttempel (Damaskus, Gerasa) oder zum Verwaltungszentrum führen und mit Prachttoren enden; man nimmt deshalb auch keinen Anstand, sie unterwegs durch Bogentore und Denkmäler, die den Verkehr hindern, zu unterbrechen. Am Forum hört die Hauptstraße auf; ihre Fortsetzung beginnt hinter dem Markt ganz selbständig und meist ohne Verbindung mit dem Marktplatz, sie konnte sogar, wenn das Gelände das erforderte, um eine oder mehrere insulae versetzt werden (Thamugudi, Abb. l p). Nachdem die Straße ihrer natürlichen Aufgabe, die anliegenden Gebäude zu bedienen, entfremdet und auf ein Endziel gerichtet war, gab es auch kein Hindernis mehr, ihr eine selbständige monumentale Ausbildung zu geben. Diese besteht in einer fortlaufenden Säulenarchitektur und stellt die denkbar stärkste Betonung der Achsenrichtung vor, nicht, wie Swoboda meint, den gleichen Gedanken, wie der Peristylhof x). Der Ursprung des Motivs, welches in spätantiker Zeit hauptsächlich das Stadtbild beherrscht, ist nicht leicht zu nennen: er ist jedenfalls nicht in der griechischen Stoa zu suchen, die ein selbständiges und räumlich begrenztes Gebäude war und als solches an Plätzen oder Straßen lag. Noch im griechischen Markt ist die Säulenhalle ein Gebäude, aber bereits im peristylen Platz des späteren Hellenismus nimmt sie mehr die untergeordnete Bedeutung eines Fassadenmotivs an; zugleich wird sie in den Marktanlagen zur architektonischen Front der langen Reihen von Kaufläden. Die Vorbedingung für die Säulenstraßen ist daher erstens die allgemeine Verbreitung von Kaufläden in den Häusern, wie sie in Pompeji noch ohne Verbindung mit Laubengängen vorliegt, und zweitens, daß die Säule und die ganze Kolonnade nicht mehr als Gebäudeteil, sondern als Schmuckmotiv empfunden wird, was für die eigentliche hellenistische Zeit im griechischen Osten noch nicht zutrifft. Die langen Säulenstraßen hatten in allen Fällen beträchtliche Höhenunterschiede zu überwinden, welche durch Substruktionen nicht beseitigt werden konnten; infolgedessen mußten an vielen Punkten Kompromißlösungen eingeschaltet werden, die dem ursprünglichen strengen Horizontalbau der griechischen Stoa strikt entgegengesetzt waren und eine weitgehende Entartung des Baugedankens erkennen lassen. Falsche Es ist einer der merkwürdigsten Beweise für die vielfältige VerDatierungen, kehrtheit, die unserer hergebrachten bauhistorischen Beurteilung noch anhaftet, wenn die Säulenstraßen nicht allein a priori und ohne die Spur eines Beweises als hellenistische Erfindung gelten, sondern sogar ') a. a. O. 36.
3· Die Gebaudetypen.
im Gegensatz zu unserer Monumentenkenntnis als positiver Beweis für die hellenistische Entstehung der Anlage dienen, auch wenn die Bauformen dagegen sprechen. Th. Schreiber hat die unmögliche Behauptung aufgestellt, daß aus späten Formen nicht auf späten Ursprung geschlossen werden dürfe, und hält zweischiffige und doppelgeschossige Säulenreihen, ja sogar Säulenarkaden an den Straßen für hellenistisch !), und Swoboda entwickelt den verfehlten Gedanken, daß die langen Stoen »unwillkürlich« zur hellenistischen Säulenstraße führten, diese aber »neutralisierend wirke und alle Bauwerke zu der höheren Einheit des Stadtbildes erhebe, in welcher das einzelne Gebäude keine Rolle spiele *)«. Der zweite Satz ist richtig, bedeutet aber keinen künstlerischen Fortschritt, sondern die rettungslose Vernichtung des Straßenbildes, dessen einförmige Säulenfronten jeden Monumentalbau dem Auge entziehen und in einen abgeschlossenen Binnenhof verweisen. In Konstantinopel und ändern Städten des Orients können wir die vernichtende Wirkung solcher Arkadenreihen an den Bazarstraßen, den unmittelbaren Nachkommen der antiken Säulenstraßen, heute noch beobachten: eine fassadenbildende Kraft wohnt ihnen nicht inne, da jegliche individuelle Gestaltung verhindert und auch der Privatbau unter den Zwang der öffentlichen Architektur gestellt wird. Danach sind Swobodas weitgehende Folgerungen zu beurteilen 3). An derselben Stelle führt er als Beispiele hellenistischer Säulenstraßen die spätantiken Städte Palmyra, Gerasa, Apameia, Philadelphia und Antiocheia in Syrien, Nikodemeia in Bithynien an, diese beiden nach dem Zeugnis von Libanios, der entschieden nicht wissen konnte, wie die Städte vor 500 Jahren ausgesehen hatten, sondern ihren Zustand zu seiner Zeit beschreibt: als Beispiel des hellenistischen Einflusses im .Westen nennt er Rom nach dem neronischen Brande und Timgad, beides bedeutend ältere Anlagen, die für den Unbefangenen umgekehrt den Einfluß des Westens auf den Osten beweisen müssen. Denselben Wert hat seine Behauptung, die Zweigeschossigkeit der Säulenstraßen wäre für die frühe hellenistische Zeit durch Nachrichten, für die spätere durch Beispiele belegt, die er beide leider anzuführen unterläßt. In Timgad (Abb. 19) sehen wir an der Nordhälfte des Decumanus und am Cardo eine Frühform der Säulenstraße, die aus einzelnen Kolonnaden in der Ausdehnung der insulae besteht und von jeder Querstraße unterbrochen wird. Hellenistische Reste von Säulenstraßen gibt es jedoch überhaupt nicht, nicht nur keine Ansätze, sondern die genauer durchforschten jonischen Metropolen haben sie auch in der ') in Festschrift für Kiepert 1897, 337, 346. *) a. a. 0. 36. 3) a. a. 0. 2 50 f.
Kapitel IV. Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
Folgezeit nicht aufgenommen, mit Ausnahme von Ephesos, das erst in halbbyzantinischer Zeit solche Anlagen erhielt1). Im Osten treten die Säulenstraßen gleich in ausgebildeter Gestalt in die Erscheinung, und zwar, seit dem III. Jahrhundert, schon in einer solchen Menge, daß ihre Entstehung nicht hier gesucht werden kann, sondern nur im Westen, von wo sie fertig übernommen sein müssen. Die Breitenmaße dieser Straßen betragen ziemlich gleichmäßig etwa 25m, davon 12—13 m für den Fahrdamm. Straßen von solchen Abmessungen gab es in hellenistischen Städten nicht, sie ließen sich höchstens durch Niederlegung breiter Streifen der benachbarten Häuser schaffen; da sie aber in den syrischen Städten nicht von schmalen insulae begleitet werden und überhaupt keine Unregelmäßigkeit der Stadtpläne verursachen, so müssen alle diese Städte erst damals in der vorliegenden Form entworfen worden sein, wie denn auch ihre Bauformen und die Konstruktion und Technik spät und einheitlich sind. Etwas anders verhält es sich mit den pamphylischen und pisidischen Städten. Das sind durchweg recht alte unregelmäßige Anlagen und blieben es auch in der hellenistischen Zeit. Ihren monumentalen Ausbau haben sie aber erst in der römischen Kaiserzeit erhalten, nach Ausweis der Gebäude, der Inschriften und der Skulpturen. Auch Säulenstraßen entstanden, von gleichem Charakter, wie die übrigen Reste, und wir können doch nicht für sie ausnahmsweise ein höheres Alter in Anspruch nehmen. Wie es scheint, hat der ältere Baubestand in diesen Städten eine einheitliche Straßenrichtung verhindert, man teilte daher das Gebiet in einzelne Gruppen auf und ließ in weitem Umfange Unterbrechungen und Richtungswechsel zu (Kremna, Side»)). Aber Perge (Abb. 8) zeigt, daß in einer, nach den Bauresten zu urteilen, einheitlich gerichteten Stadt die Schaffung von breiten Säulenstraßen sogar Unregelmäßigkeiten hervorrufen konnte, offenbar da jene einzelne Gebäude schonen und das nötige Terrain abwechselnd an verschiedenen Seiten besetzen mußten. Diese Stadt ist ein interessantes, leider nicht ausreichend genau bekanntes Beispiel einer nachträglichen Umgestaltung der Anlage; ein weiteres hätten wir in Ephesos, wenn die hellenistische Einteilung festgestellt worden wäre. Wenn solche Veränderungen vorgenommen werden konnten, haben wir auch keinen Grund zu der Annahme, daß die Prachtstädte Palästinas in den außerordentlich späten Formen ihrer Säulenstraßen und der sonstigen Baureste das Bild bewahrt haben, welches ihnen die Gaufürsten der frühen Kaiserzeit gegeben hatten; wir werden vielmehr annehmen müssen, daß auch sie sich stark verändert und erst in spätantiker Zeit Säulenstraßen erbaut haben. ') J. Keil, Führer, 42. ») Graf Lanckoronski, Städte Pamphyliens und Pisidiens, I, 125; II, 161.
3. Die Gebäudetypen.
Waren die Straßen zu monumentalen Achsen ausgebildet, so ergaben Straßen- und sich an ihren Kreuzungsstellen Nebenzentren, die zu einer besonderen Schmucktore. Betonung aufforderten. Es sind dafür verschiedene Möglichkeiten vorhanden und auf uns gekommen: die Hallen konnten durchlaufen, und die Stellen durch selbständige Monumente, wie die vier Denkmalsäulen auf der ephesischen Arkadiane ), geschmückt werden; Nebenstraßen konnten durch größere Bogentore eintreten; die Säulenstraßen mündeten auf die Plätze in dreiteiligen Straßentoren, die zuweilen auch ohne ersichtlichen Anlaß den Straßenzug überspannen; die reichste Lösung aber ist das monumentale Tetrapylon am Schnittpunkt zweier Säulenstraßen, gewaltige Bauwerke, deren Entwurf schon eine bedeutende Virtuosität im Bogen- und Gewölbebau erfordert. Alle solche Prachttore haben in der griechischen Kunst keine Vorläufer, mit der alleinigen Ausnahme des Marktbogens in Priene aus der zweiten Hälfte des II. Jahrhunderts, der jedoch ganz isoliert steht. Im griechischen Kulturgebiet kannte man zunächst nur das Torgebäude mit einem überdachten Innenraum; später, zu Beginn unserer Zeitrechnung, treten einfache Säulentore auf 2 ), die Prachttore gehören aber sämtlich bereits der römischen Zeit an (oben S 138). Das römische Triumphtor ist von diesen Anlagen nicht zu trennen, es ist eine ausgesprochen westliche Bauform, tritt schon im letzten Jahrhundert der Republik auf und entspricht durchaus schon der axialen Kompositionsweise in der Kunstentwicklung. Entstanden aus der Ehrenpforte für den siegreichen Feldherrn, hat es sein Vorbild für die Form vermutlich im frontalen Festungstor, für seinen Schmuck im architektonischen Markt- oder Tempeltor, und es entwickelt sich unter wechselseitiger Beeinflussung parallel mit diesen beiden. Im griechischen Gebiet ist es nie recht heimisch geworden; es finden sich zwar Torbauten, welche die Ehreninschrift eines Kaisers tragen, aber doch unverhältnismäßig selten, auch im Vergleich mit den Beispielen aus den afrikanischen Provinzen. Die Ehrenbögen sind gleichzeitig ein Beispiel für die römische Auffassung von Denkmalsbauten, die ebenfalls viel umfangreicher sind als die griechischen. Diese bevorzugen auch in hellenistischer Zeit eine recht schlichte Form und mäßige Größen; hochragende Reiterfiguren oder gar Kolossalstatuen auf hohen Denkmalssäulen, für welche eigens ganze Plätze hergerichtet werden, sind ein fragwürdiger Vorzug des römischen Stadtbildes, die sich nur durch das strenge Autoritätsprinzip im römischen Staat verstehen lassen. ') Ephesos I, 32 f. >) Milet I, Heft 6, 96 f.
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Kapitel IV.
Das Vordringen des italischen Stadtplanes.
Symmetrische Wir haben früher gesehen, daß auch den griechischen Bauten Tempel- symmetrische Bildungen nicht fremd waren, wo es sich um einfache anlagen. Baufen un(} Baugruppen handelte, bei welchen eine gleichmäßige Anlage von der Natur geboten war. Das bezieht sich in erster Linie auf den Tempel, aber nicht mehr auf den Tempelbezirk. Er umgibt das Kultgebäude in mannigfacher Gestaltung, ohne dessen Achse zur Grundlage zu nehmen; symmetrische Hallenbildungen kommen nicht vor, denn auch die Hallen auf der oberen Tempelterrasse des Asklepieions von Kos *) wird man in die römische Zeit datieren müssen. Dagegen betont bereits der frühitalische Tempel die frontale Symmetrie so stark, daß die Tempel eigentlich nur die eine Schauseite besitzen; die Nebenseiten sind fast schmucklos und meistens durch die Grenzen des Peribolos eingeengt, die Rückseite aber ist gewöhnlich an die Umfassungsmauer oder an andere Gebäude angelehnt. Eine weitere Steigerung der Achsenrichtung wird durch das Podium mit der frontalen Freitreppe herbeigeführt, und dies Element bleibt dem römischen Tempel eigentümlich, auch wenn er im übrigen griechische Bauformen und die peripterale Säulenstellung annimmt. Der Einfluß der griechischen Kunst bleibt äußerlich, wenn z. B. an die pseudoperipteralen Tempel in Nimes und am Ponte rotto in Rom auch eine griechische Scheinarchitektur an den Nebenseiten angeklebt ist, so kommt trotzdem — oder gerade dadurch — das alte italische Schema mit einer Bevorzugung der Front an ihnen besonders scharf zum Ausdruck. Während der griechische Tempel das festliche Haus der Gottheit ist, stellt sich der römische lediglich als eine repräsentative Schmuckfassade dar, weniger zu Ehren des Gottes erbaut, als um mit der frommen Leistung des Staates zu prunken. Auch die Umgebung ordnet sich der Tempelachse unter: am öffentlichen Platz liegt der Tempel nach Möglichkeit in der Mitte einer seiner Seiten, meist aber umgibt ihn ein eigener axialer Hof mit Säulenhallen, deren Fassaden immer mehr durch Risalite, Exedren usw. gesteigert werden; in der Hauptachse aber liegt der Torbau, der auch immer reicher ausgestattet wird. Wenn diese Bestrebungen sich mit der örtlichen Überlieferung deckten, wie im Orient, so entstanden daraus solche pomphafte Anlagen, wie die Tempelbezirke in Baalbek, Palmyra, Damaskus und in vielen anderen Städten; die Gediegenheit der griechischen Kunst war verloren gegangen, und an ihre Stelle trat der Reichtum durch die Häufung der Form und die Kolossalität der rein materiellen Leistung. Daher konnten diese Gebäude auch beendet werden, wozu bei den griechischen Großtempeln in Samos, Didyma und Sardeis die künstlerisch verarmte Spätzeit doch nicht mehr im Stande war. ') Arch. Anz. 1905, 3.
3. Die Gebäudetypen.
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Noch bedeutender ist der Gegensatz der Auffassungen im Privatbau. Symmetrische Das griechische Wohnhaus, sowohl der Megarontyp, wie das Peristyl- Wohnhäuser, haus der späteren Zeit verzichtet auf jeden Versuch einer symmetrischen Anordnung, ebenso wie die pergamenischen Paläste, obwohl alle diese Gebäudetypen Teile enthalten, die garnicht anders als symmetrisch gebildet werden konnten: der Eingang, der Säulenhof und der Oikos sind von Natur axial, aber ihre axiale Aufreihung hintereinander ist unnötig, ja unzweckmäßig und wurde mit Selbstverständlichkeit vermieden. Ganz anders das italische Haus. Schon die einfachste Form des Atriumhauses folgt den Gesetzen der Symmetrie, die entwickelte Form des pompejanischen Hauses behält sie bei und zwar so streng, daß alle gewiß nicht seltenen Abweichungen stets als Unregelmäßigkeiten empfunden und auf irgend einen Zwang zurückgeführt werden müssen. Dasselbe gilt von den umfangreichsten Villen- und Palastbauten bis in die späteste Zeit hinab, bei denen es sich nicht nur um einzelne Räume, sondern um ganze Raumgruppen handelt. Ein Entwurf, wie der Diokletianspalast in Spalato läuft jedem Wohngedanken zuwider, denn der Inhaber hätte nichts davon gehabt, wenn er vom Vestibulum aus im Spiegelbild rechts die gleichen Wohnräume zu seiner Verfügung gefunden hätte, wie sie auch auf der linken Seite lagen. Eine solche Anlage wäre ja vollkommen sinnlos gewesen, deshalb wurden zwar nicht die Räume in beiden Hälften verdoppelt, trotzdem aber wird der Palast wenigstens im Äußeren axial gebaut und die Fassade wird zu einer ungeheuren unwahren Kulisse. Zu den umfangreichsten und prächtigsten Gebäuden der römischen Thermen. Städte, die heute nach den Ruinen das charakteristische Gepräge aufdrücken, gehören die Thermen. Ebensowenig wie die orientalischen Kulturen I), kennen die griechischen Städte solche Warmbäder. Sie finden sich in keinem Lande und zu keiner Zeit, auch nicht in den heiligen Bezirken, wie Olympia und Epidauros, bei denen das Baden in der Agonistik und im Kurbetrieb eine große Rolle spielte, dagegen haben wir in der oskischen Stadt Pompeji solche Gebäude schon im II. Jahrhundert vor Chr. Ihr italischer Ursprung ist nicht zu bezweifeln, doch gewannen sie mit der Ausbreitung der römischen Herrschaft rasch an Boden und finden sich im II. Jahrhundert der Kaiserzeit schon überall im antiken Kulturgebiet. Die Benutzung der Thermen geschah auf einem ununterbrochenen Weg vom Auskleideraum an durch alle ') Es ist nicht verständlich, womit die Ansicht, daß die Thermen in Petra (Th. Wiegand a. a. 0. 45 f.) hellenistisch sein sollen, ernstlich begründet werden kann. Die Thermen Pompejis fallen nur zeitlich, nicht kulturell in die hellenistische Epoche, und einige ornamentale Details können im Widerspruch zum Typ und zur Technik (Gewölbe, Mörtel, Inkrustation) nicht den Ausschlag geben. v. G e r k a n , Griech. Städteanlagen.
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verschieden erwärmten Baderäume bis zum Frigidarium, einem Kreislauf vergleichbar, der eine symmetrische Anordnung der Räume geradezu ausschloß. Deshalb sind die frühen pompejanischen Bäder dem Zweck entsprechend gruppiert, und auch im griechischen Kulturgebiet des Ostens war, bis auf vereinzelte Ausnahmen, der Grundsatz der Zweckmäßigkeit selbst für die größten und prächtigsten Anlagen maßgebend. Im römischen Westen aber wurde das Widersinnige Tatsache. Sogar die reicheren Thermen in der Provinz wurden um eine Achse gruppiert, die durch den Hof und das Caldarium oder Laconicum verlief, und die übrigen Räume wurden gedankenlos einfach verdoppelt, so daß man den Rundgang in zwei Richtungen machen konnte. Die römischen Kaiserthermen gehören zu den umfangreichsten und prächtigsten Gebäuden, die je geschaffen worden sind, und dabei läßt sich schwer etwas Willkürlicheres denken, als diese schematische und die Benutzung störende Symmetrie des Entwurfes.
4. Künstlerische Prinzipien. Axial-symmeEs ist recht lehrreich, die Auswirkungen des neuen Kompositionstrische Köm- gedankens auf die Formensprache, wie sie vorher in der griechischen Positionen. Baukunst geschaffen war, zu verfolgen. Diese beruht ja vollständig auf der Säulenordnung: sie bildet die Grundlage für alle Schmuckmotive vom einfachsten Profil bis zum reichsten Figurenfries, andererseits verkörpert sie formal und technisch das konstruktive Gefüge jedweden Gebäudes. Wenn ein einfacher Nutzbau reich ausgestattet werden sollte, so erhielt er die Gliederung des Säulenaufbaues, wie z. B. die Rundtürme am Haupttor der Stadtmauer von Pergei), derselbe Aufbau war die monumentale Form von Sarkophagen und Altären, aber es war dabei nicht bloß eine äußerliche Formengebung, sondern stets wurde das Bauwerk auch nach den Forderungen der Säulenarchitektur aus tragenden und lastenden Elementen folgerichtig durchkonstruiert. Die Säule hatte zwar eigentlich schon vor der hellenistischen Zeit ihre ausschließlich konstruktive Bedeutung eingebüßt, sie ist bereits am klassischen Tempel mehr Schmuckform, bleibt aber trotzdem konstruktiv wahr: sie trägt tatsächlich irgendwas, sogar noch dann, wenn sie in Gestalt einer Halbsäulenarchitektur, wie am milesischen Rathaus, auf tritt. Weiter ist auch die hellenistische Architektur nicht gegangen; eine unwahre Verwendung von Säulen unmittelbar vor der Wand oder gar unter Gebälkverkröpfungen kommt nicht vor. — Mit der Einführung des axialen Kompositionsprinzipes in die Baukunst tritt eine ganze neue Notwendigkeit in die Erscheinung: nun wird nicht nur das Gebäude ') Graf Lanckoronski, a. 0. Bd. I, 61.
4. Künstlerische Prinzipien.
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in seiner Gesamtheit geschmückt, sondern es wird nach Gruppen differenziert; der Mittelpunkt muß in seiner Wirkung gesteigert werden, die seitlichen Teile, auch wenn sie nach den Gesetzen der griechischen Formensprache durchgebildet werden, müssen zurücktreten. Die Säulenordnung ist daher nicht mehr das stärkste, nicht zu überbietende Motiv, es kommt eine rhythmische Gliederung hinzu, und die Folge ist, daß die Bauformen ihre selbständige Bedeutung einbüßen und gewissermaßen zu riesigen Ornamenten werden. Die Rolle, welche früher im Gebäude Türen, Nischen und Anten spielten, wird jetzt von ganzen Säulengruppen übernommen; diese sind nicht mehr, wie bisher, raumbildend, sondern nur noch Dekoration. So konnten sie bald ihre zwingende Gestaltung verlieren, sie treten als Wandschmuck auf, in enger Verbindung mit flachen Wandpilastern, mit verkröpftem Gebälk, sogar mehrfach gestaffelt, paarweise zu Aediculen, zusammengefaßt, mit durchbrochenen oder Bogengiebeln als Umrahmung oder innere Gliederung von rechteckigen und halbrunden Nischen, dazu werden sie über den Fußboden auf Sockel gehoben und in mehreren Geschossen übereinander gesetzt — der ganze formale Apparat des römischen Barocks beruht auf diesem Verlust der Selbständigkeit der griechischen Säule. Die hellenistische Halle kennt keine Gliederung in der horizontalen Richtung. Sie bleibt sich gleich, ob sie ganz kurz oder von großer Ausdehnung ist, sie hat keine Mittelachse, höchstens, wenn ihre Abmessungen sonst ungeeignet sind, ein breiteres Mitteljoch als Eingang, welches aber nicht anders ausgebildet wird und deshalb keine besondere Kunstform bedeutet. Die römische Zeit aber setzt an ihre Stelle die räumlich begrenzte Säulenfassade mit strenger Umrahmung und rhythmischer Gliederung; das Proskenion der hellenistischen Zeit wird durch die römische Prachtfassade abgelöst, der säulengetragene Schöpfbrunnen durch das Nymphaeum, die Propylaeenfront durch das dreibogige und oft mehrgeschossige Triumphtor, die Megaronfassade des Wohnhauses und des Grabes durch die peträische Felsfassade. Auch das schönste und reinste Beispiel aus Petra, die el-Hasne-Fassade, könnte deshalb nicht der hellenistischen Periode angehören, selbst wenn sie nicht in einer entlegenen halbbarbarischen Stadt in der Wüste, sondern in einer griechischen Großstadt stehen würde. Neben gewiß sehr zahlreichen Feinheiten, d. h. aber nur Einzelheiten, die Th. Wiegand veranlassen, die voraugustische Zeit als gesichert anzunehmen x), enthält el-Hasne auch im Detail ebensoviel Motive, die wir bisher vergebens in der hellenistischen Formensprache suchen. Wir sind noch nicht so weit, um aus unserem ästhetischen Empfinden heraus Werturteile von objektiver GiltigTh. Wiegand, Petra, 8 f. 10*
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keit fällen zu können, und werden nie soweit gelangen; wir brauchen nur daran zu denken, daß der Triumphbogen von Ancona auch nicht hellenistisch ist, sondern um mehr als 300 Jahre jünger, als der Artemistempel von Magnesia, um uns zu erinnern, innerhalb welcher Grenzen die Güte und Sorgfalt der Ausführung schwanken kann. Die Methode, verschiedene Einzelheiten eines Bauwerks in früheren Perioden nachzuweisen, ist zu unsicher, um bündige Schlüsse für seine Datierung zuzulassen, denn einmal vorhandene Formen können sich immer wiederholen l): es müßte also bewiesen werden, daß ein solches Nachleben im gegebenen Falle nicht möglich ist. Ganz allgemein aber sind nicht die älteren Motive an einem Bauwerk beweiskräftig, sondern, im Gegenteil, die neuen. El-Hasne in Abgesehen von den Einzelformen, enthält el-Hasne im Aufbau Petra. manche groben Kompositionsfehler und ist konstruktiv unmöglich, in seiner Proportionierung finden sich Rohheiten, wie die unverjüngten Säulen, zu massive Akroterien, zu schwere Türgesimse und plumpe Sockelprofile. Das Ganze ist doch eine Prachtfassade, wie sie in hellenistischer Zeit bisher nicht gefunden ist. Man hat zu allen Zeiten sorgfältig und flüchtig arbeiten können: erklären wir diesen Bau für hellenistisch, so müssen wir notgedrungen damals auch schon den gesamten römischen Barock für zulässig halten. Das würde ferner bedeuten, daß der Künstler in dem abgelegenen Petra, seiner Zeit vorauseilend, einen Bau geschaffen hätte, der in Griechenland und Italien erst nach Ablauf von mindestens weiteren loo Jahren möglich wurde, oder aber, daß der Anstoß zu neuen Formen aus Arabien gekommen wäre und unter Umgehung des benachbarten Syriens, das verwandte Bauten erst im II. Jahrhundert aufweist, und Griechenlands erst in Italien gewirkt hätte. In dem gleichen Werk hat K. Wulzinger den Felsfassaden ein Kapitel gewidmet a ); es ist zu begrüßen, daß er der Gefahr, welche der Bauforschung droht, wenn solche Gebilde als hellenistische Fassaden gelten sollen, in klaren Worten Ausdruck verliehen hat 3), aber auch er hält an dieser Datierung fest und versucht, die Fassadenkomposition als eine Art perspektivischer Wiedergabe eines Hofsystems zu erklären, welche den Peträern von Alters her geläufig gewesen sei. Man denke sich dann nur die Lage eines Peträers auf Reisen: mit welchen Augen würde er in Griechenland und Rom ein Nymphaeum betrachten und was müßte er empfinden, wenn er einer Theatervorstellung beiwohnen und die Bühnenfassade vor Augen hätte! Wulzingers Annahme soll aus der Verlegenheit helfen, sie beruht aber z. T. auf dem gewöhnlichen *) Ein schönes Beispiel dafür ist das mittlere Hafentor in Ephesos (Bd. III, ») a. a. 0. 12 f. 3) a. a. 0. 27.
4. Künstlerische Prinzipien.
Fehler, die Darstellungsmängel und Gedankenlosigkeiten der Stubenmaler von Pompeji J ) wörtlich zu nehmen, und wird im allgemeinen schwerlich Anklang finden: wie soll ein Vorgang, der schließlich nur auf einer perspektivischen Verzeichnung beruht, zu einem streng axial gegliederten Fassadensystem führen, welches zu seiner Entstehungszeit eigentlich unmöglich ist, später aber mit unwesentlichen Abänderungen überall verbreitet ist? — Schließlich zwingen auch die Inschriften der Gräber dazu, el-Hasne bei unbefangener Beurteilung in eine sehr viel spätere Zeit zu setzen: wenn die ältesten Grabinschriften nach JaussenSavignac a) aus den letzten Jahren v. Chr. stammen und einem Grabtypus angehören, welcher die Umbildung des Pylonen- und Stufengrabes durch die ersten hellenistischen Motive darstellt, so versagt jede noch so umständliche Interpretationskunst, wenn sie uns davon überzeugen will, daß hier eine folgerichtige Entwicklung vorliegt, ein immer stärker werdendes Eindringen der hellenistischen Formensprache, deren endliche Höhepunkte jedoch, die Felsfassade und der Grabbezirk im Wadi el Farasa Ost 3), in dieselbe oder gar eine noch frühere Zeit fallen sollen. Beide können vielmehr nicht mehr hellenistisch sein, sondern müssen, wie alle peträischen Bauten, der vollentwickelten römischen Kaiserzeit angehören. Alle solche Schauseiten mit einer stark betonten Hauptachse und mehreren symmetrisch angeordneten Nebenachsen sind aus der hellenistischen Baukunst nicht zu entwickeln, zu ihrer Entstehung bedurfte es eines ganz neuen Impulses, eines neuen und starken Gedankens, der genügend Kraft hatte, um die Kunst aus den seit Jahrhunderten eingehaltenen Bahnen zu werfen. Ein solcher lebenskräftiger Gedanke ist aber in dem hierarchischen Zuschnitt der sozialen Gliederung auf italischem Boden verkörpert; er war stark genug, um sich unter der Führung des römischen Staates die damalige Kulturwelt politisch zu unterwerfen, er fand Mittel und Wege, sich auch das Geistesleben der Völker unterzuordnen, und führte die geschilderte Umwälzung aut das Gebiet der Baukunst herbei. Es konnte nicht ausbleiben, daß auch die griechische Baukonstruk- Amorphe tion von diesem Prozeß ergriffen wurde. In Italien war der Mörtel alsKonstruktionsmauerbildendes Material schon seit längerer Zeit üblich, während die weise, griechische Baukunst ihn bis zum Ausgang der hellenistischen Periode, wenn wir von ungesicherten Angaben und daraus abgeleiteten Entwicklungstheorien absehen, nur als Hilfsmaterial verwendete: für inneren ') a. a. 0. Abb. 14, 15. ») Mission arch6ologique en Arabic, Paris 1909. ») a. a. 0. 92 f.
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und äußeren Wandputz, zur wasserdichten Auskleidung von Zisternen, zur Dichtung von Leitungsrohren und als Bettung für Mosaik. Die Großkonstruktion aber war individuell: Wände, Stützen und Gebälk sollten keine homogene Masse bilden, sondern wurden aus einzelnen Bausteinen aufgeschichtet, von denen ein jeder für den ihm zugedachten Platz hergerichtet werden mußte. In den Architekturteilen herrscht eine innerlich begründete und konsequente Übereinstimmung zwischen der formalen Gliederung und der Schichtung; Mauern und Pflasterungen werden nach den Gesetzen des korrekten Steinverbandes gefügt, und das Ganze ist von einer akademischen Regelmäßigkeit durchdrungen. Seitdem aber die Bauformen aufhören, raumbildende Elemente zu sein, und sich in bloße Dekorationen verwandelten, die ohne innere Notwendigkeit nach dem Ermessen des Architekten hier und dort angebracht werden konnten und keine struktiven Funktionen mehr auszuüben brauchten, verlor sich das Gefühl für eine konsequente Konstruktion mehr und mehr. Kann man die ausgebildete Werksteintechnik mit einem kristallinischen Gefüge vergleichen, so entspricht die nunmehr herrschende Mörteltechnik der amorphen Struktur: sie bildet eine einheitliche Baumasse, aus der nach den erforderlichen Bedürfnissen die Räume herausmodelliert werden, die architektonische Gliederung aber wird in äußerlicher Weise vorgeblendet, zuweilen sogar nur aus dünnen Inkrustationsplatten vorgetäuscht, so wie früher die Ornamente aus dem Werkstück modelliert wurden. Amorph ist schließlich auch die Werksteintechnik der holzarmen Gebiete Afrikas und Asiens, wo es an Rüsthölzern und an Brennholz zur Kalkbereitung fehlte und aus diesem äußeren Grunde die Verwendung des Mörtels eingeschränkt blieb. Sie nimmt einen megalithischen Charakter an: man versucht möglichst große Werkstücke zu verwenden, um damit ihre Zahl zu verringern, wobei die Fugenführung willkürlich wird. Man verwischt die früher beobachtete Schichtung der Gesimse, bildet mit Vorliebe den Fries und das Epistyl aus einem Block, verwendet monolithe oder aus wenigen Schaftstücken bestehende Säulen und Wandquadern, welche gleichzeitig glatte Flächen und Wandfriese oder Sockelprofile umfassen, bis zu den kolossalen Abmessungen, welche aus Baalbek allgemein bekannt sind. In der Regel bleiben die Lagerfugen an den Stellen, die sie auch früher inne hatten, weil diese auch technisch die bequemsten waren, doch kommen auch ganz willkürliche Bildungen vor, wie Bogenkeilsteine, die in die Wandquaderung eingreifen, oder Kapitelle, die mit dem Halsstück des Säulenschaftes zusammen gearbeitet sind. In alledem liegt ein unverkennbarer Niedergang der Werksteintechnik, welcher gleichzeitig zu einer Verwilderung der Detailformen führt.
4- Künstlerische Prinzipien.
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Nur in einer Beziehung brachte die Zeit für die Werksteintechnik Der Bogeneinen fraglos bedeutenden Fortschritt: in den Bogenkonstruktionen.undGewölbebau< Er ergab sich aus der Notwendigkeit, für die Ziegel- oder Gußmauergewölbe der Innenräume eine entsprechende Ausdrucksform im Äußeren zu finden, ein Bedürfnis, das der hellenistischen Zeit durchaus fern lag. Sie ist deshalb über vereinzelte Ansätze nicht hinausgekommen, nun aber gewinnt die Bogenform erst eine künstlerische Gestaltung und wird in Verbindung mit der Säulenarchitektur zum stärksten Ausdruck der Formensprache und zum beherrschenden Motiv des Stadtbildes. In Syrien verhinderten die Verhältnisse eine reichliche Anwendung von Ziegel, Mörtel und Holzbalken, statt dessen gelangt das Keilsteingewölbe zur Herrschaft. Es dient auch zur Abdeckung der gewöhnlichsten Räume, in diesem Fall noch häufiger in der weniger monumentalen Form von Bogenrippen, welche Steinplatten tragen *). Alle diese schwerwiegenden Veränderungen, das Verkommen der Prunkbauten. Werksteintechnik eingeschlossen, würden allein keineswegs einen Rückgang des Kunstschaffens bedeuten, gleichgiltig, wie man ihren inneren Wert einschätzen will. Es sind neue Gedanken, die nach neuen Ausdrucksmitteln ringen und die alten zerbrechen. Wenn auch die Gediegenheit der Durchbildung darunter litt — nicht die wirtschaftliche Lage oder der Mangel an Geldmitteln war daran schuld, sondern die Verschiebung der Aufgaben, deren Ausführung im Gegenteil bedeutend höhere Aufwendungen verlangte. Der Umfang der Gebäude wuchs, ihr Maßstab und Reichtum an Formen wurde größer, ihr Streben war nach gesteigertem Prunk gerichtet, wie ihn die hellenistische Zeit nicht kannte. In den Einzelheiten zeigte sich das in der Häufung des Ornaments, welches bald alle Profile und Flächen überzog, und besonders in der Bevorzugung der reichsten, der korinthischen Säulenordnung, neben ') Syrien wird oft als das Land hingestellt, welches den im Orient heimischen Gewölbebau künstlerisch ausgebildet und dem Westen vermittelt hat. Wenn es auch durchaus wahrscheinlich ist, daß der Holzmangel hier immer zur Anwendung des Gewölbes gezwungen hat, so ist seine formale Durchbildung in Syrien entwicklungsgeschichtlich nicht möglich. Monumentalbauten mit Gewölben und Bogenarchitekturen müssen im syrisch-arabischen Gebiet nach wie vor als spät gelten, insbesondere auch der Gurtbogenbau in Verbindung mit Steinplattendecken, wie in Petra an der Flußüberwölbung beim »Gymnasien«, beim »Palast«, (a. a. 0. S. 65, 68), da gerade dieses System in Syrien immer weitere Ausdehnung gewinnt und in byzantinischer Zeit zum herrschenden wird. Der Hinweis, daß schon Philo diese Konstruktionsweise für Getreidespeicher empfiehlt (a. a. 0. 7; Philo V, 87, 9—24) ist nicht entscheidend, da dieser Schriftsteller auch in seiner Befestigungslehre oft Konstruktionen beschreibt, wie Gewölbe, Ziegel- und Mörtelmauern mit Holzbalkeneinlagen u. a., die in hellenistischen Mauern nie vorkommen. Das spricht dafür, daß der Text mit beträchtlichen Zusätzen aus byzantinischer Zeit auf uns gekommen ist, wenn nicht gar in einer byzantinischen Überarbeitung. Er würde das erklären, weshalb manche seiner Anweisungen so entstellt sind. daß sie schlechterdings nicht mehr zu verstehen sind.
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welcher die jonische sich kaum noch halten konnte, während die dorische gänzlich verschwand. — Hand in Hand erfolgt ein bisher unbekannter Ausbau der Wohlfahrtseinrichtungen: ungepflasterte Straßen können zwischen den Säulenreihen nicht mehr geduldet werden und Wasserleitungen und Kanalisationsnetze werden zu unentbehrlichen Einrichtungen einer jeden Stadt. Alles das zeugt von einem ungeheuren Wohlstande äußerlicher Art und von einer technischen Leistungsfähigkeit, die vor keiner Aufgabe mehr zurückschreckt, doch war die etwas trockene, aber immerhin noch harmonische geistige und wissenschaftliche Grundlage der hellenistischen Zeit darüber unwiederbringlich verloren gegangen. Es drängt sich hier der Vergleich unserer modernsten Zustände im Verhältnis zu der überwiegend geistigen Kultur in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts auf.
5. Das Unterliegen des griechischen Typus. Wir haben uns bisher darauf beschränkt, in Italien einen selbständigen, grundsätzlich verschiedenen Städtetypus, der über eigene Gebäudeformen verfügt, festzustellen und nachzuweisen, daß dieser Typus oder einzelne seiner Züge im Laufe der Zeit in allen Gebieten der antiken Welt auftreten und auch vor dem eigentlichen griechischen Kulturgebiet nicht Halt machen, obwohl dieses hierin eine eigene, durch Jahrhunderte erprobte Erfahrung besaß. Wir müssen uns nun der Frage zuwenden, wie dieser auffallende Vorgang zu erklären ist, daß das Griechentum, welches doch im Altertum nicht nur früher, sondern auch nachher in der Wissenschaft und überhaupt auf fast allen geistigen Gebieten, besonders aber in der Kunst, die führende Rolle spielte, in diesem Wettbewerb unterlag und einer von außen herantretenden Anregung nachgeben mußte. Die einheitEs gab eine Zeit, wo man sich das, ohne rechte Übersicht über die liehe Reichs- Leistungen der hellenistischen Epoche und in starker Verkennung der kunstl chronologischen Verhältnisse, sehr einfach erklärte: man hielt die in Rom üblichen Kunst- und Bauformen für bodenständig, und da man sie in der einheitlichen Reichskunst des Imperiums wiederfand, glaubte man, alle diese Bauten auf die Römer zurückführen zu können, die also in der ganzen Welt ihre heimatliche Bauweise durchgesetzt hätten. Wenn man auch die minder künstlerische Befähigung Roms bereits kannte, so glaubte man doch nicht zweifeln zu können, da alle Ingenieurbauten, wie Wasserleitungen, Straßen, sowie der Gewölbebau als sichere römische Erfindungen galten. Unbedingt richtig war die Empfindung, daß die Reichskunst zahlreiche Bestandteile enthalte, die nicht aus der griechischen Kunst hervorgegangen sein könnten, eine Erkenntnis, die sich beim Fortschreiten
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der Forschung leider stark verwischt hat. Zwar führte von der hellenistischen Kunst keine Brücke zur Reichskunst hinüber, aber seitdem die Denkmäler des innern und südlichen Kleinasiens, Syriens und Ägyptens in unsern Gesichtskreis getreten waren, unter ihnen aber keine der bekannten hellenistischen Art zu finden waren, begann die noch heute herrschende Überschätzung des orientalischen Einflusses. Alle diese Gebiete galten ja als unter der Diadochenherrschaft hellenisiert, sie mußten also Zeugnisse der hellenistischen Kultur aufweisen, und diese mußte, da andere Reste fehlen, zum größten Teile mit den Denkmälern der Reichskunst identisch sein. Man ist daher geneigt, um die Lücke zu schließen, alle Überreste, die nicht inschriftlich oder sonst irgendwie datiert sind, einer viel früheren Zeit zuzuschreiben, als es ihr Charakter eigentlich zuläßt; die unbestritten fremden Elemente werden dabei auf die frühere örtliche Kultur zurückgeführt, so die Bogenarchitektur und der Gewölbebau auf altorientalische Traditionen, das Vorherrschen des korinthischen Stiles und die Häufung der Ornamente auf die orientalische Üppigkeit, die Flüchtigkeit der Ausführung auf einen nicht völlig überwundenen Barbarismus. Es beginnt ein emsiges Forschen im hellenistischen Formenschatz nach Analogien zu Gebäudeanlagen und Kunstformen, die natürlich stets gefunden werden können, aber es sind immer nur verstreute Einzelheiten. Nichtsdestoweniger zieht man sie als vollgiltige Beweise heran, weil man am Resultat der Schlußfolgerung von vornherein nicht zweifelt. Hier liegt der wunde Punkt der Theorie. Zwischen dem hellenisti- ihr Gegensatz sehen Ausgangspunkt und der spätrömischen Blütezeit dieser Städte zum Hellewird, hauptsächlich auf deduktivem Wege, eine schmale Brücke konstruiert und mit rationalistischen Argumenten gestützt, wobei bezeichnenderweise Kulturzentren, deren Inhalt selbst noch geklärt werden muß, wie Alexandrien, eine große Rolle spielen, auch Schriftstellernachrichten über Kunstwerke, die natürlich ganz anders aussehen würden, wenn man sie nicht im Sinne des vermeintlichen östlichen Hellenismus rekonstruieren würde. Trotzdem bleibt eine verderbliche Lücke bestehen, und alle Ausgrabungen von zuverlässig hellenistischen Resten zeigen hartnäckig dasselbe Bild, welches aus Griechenland und Kleinasien seit langem bekannt ist. Man übersieht aber auch die Folgen, die sich aus der geschilderten Auffassung mit unerbittlicher Konsequenz ergeben. Der östliche Hellenismus in solchem Umfange ist erdacht worden, weil man von einer weitgehenden Durchdringung der Länder mit griechischer Kultur fest überzeugt war, trotzdem bleibt er Jahrhunderte lang ohne Rückwirkung auf sein Ursprungsgebiet, so daß der pergamenische Königshof den schärfsten Gegensatz zum seleukidischen gebildet haben müßte, und das,
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obwohl die heimische Tradition sehr stark und lebendig gewesen sein müßte, um mit Hilfe der griechischen Anregung eine Kunst zu schaffen, die später die ganze Welt erobert hat. Merkwürdigerweise wäre sie für Griechenland nur ein Becken, das alle von dort kommenden Kulturströme restlos verschluckte, hätte aber gleichzeitig auf das entfernte westliche Mittelmeergebiet einen entscheidenden Einfluß ausüben müssen, auf Italien und Rom sowohl, wie auf Nordafrika, deren Kunstformen eine viel weiter gehende Übereinstimmung mit dem Orient aufweisen. Auch diese Unwahrscheinlichkeit wird gern in den Kauf genommen: man konstruiert Zusammenhänge zwischen Italien und Alexandrien für eine Zeit, da die politischen Beziehungen noch weit lockerer waren, als zu den makedonischen und kleinasiatischen Staaten, und legt der halbhellenistischen Periode der afrikanischen Barbarenstaaten eine unzulässig große Bedeutung und Nachwirkung bei. Die Rolle Ziehen wir aber in Betracht, daß die afrikanischen und asiatischen des Orients Stämme noch bis heute kulturunfähig geblieben sind und im Laufe der Geschichte jede ihnen aufgezwungene Zivilisation immer wieder abgestreift haben, so werden wir ihnen einen solchen entscheidenden Anteil an der Kunstentwicklung im Altertum nicht einräumen können. Die griechische Kultur muß auch in Syrien auf das eingewanderte, zahlenmäßig nicht starke griechische Element beschränkt gewesen sein (oben S. 134) und auf geringe Schichten der einheimischen Bevölkerung, deren große Masse in alter Weise unter den neuen Herrschern weiterlebte. Wenn die bekannt gewordenen Städte so gut wie gar keine hellenistischen Überreste zeigen — die Zentren der hellenistischen Kultur sind der Forschung bisher nicht zugänglich —, so bleibt nur übrig, daß sie damals im Wesentlichen Eingeborenenstädte waren und erst in römischer Zeit den monumentalen Ausbau erfuhren. Es ist nur zu begrüßen, wenn in der ziemlich gleichartigen Masse der Bauten zeitliche Unterschiede festgestellt werden, doch dürfen die Bauten daraufhin nicht über eine ungebührliche lange Zeitspanne verteilt werden. O. Puchstein urteilt mit Recht sehr zurückhaltend über die hellenistischen Bauten jener Gegend J), und wir können hinzufügen, daß die Zeit des beginnenden I. Jahrhunderts der Kaiserzeit nicht als Abschluß der hellenistischen Periode, sondern als Anfang der römischen gelten muß, daß auch nabatäische Bauten mit Inschriften nicht vorrömisch zu sein brauchen, insbesondere das Heiligtum von Sia, daß nach H. C. Butlers Untersuchung derselben Zeit angehört2). — Von den syrischen Städten sind Bostra, Apameia, Gerasa, Damaskus und Philippopolis im Straßennetz einigermaßen regelmäßig, Palmyra, Kanatha und Philadelphia (Amman) nicht, ') In Arch. Jahrb. XVII 1902, 109 f. ) The Princeton expedition, II, A. p. 6, 371 f.
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doch auch sie haben einzelne geradlinige Straßen. Die Gebäude sind überall im Stil einheitlich, daher einander zeitlich nahestehend und gleichzeitig mit dem Straßensystem, welches überhaupt nicht unregelmäßig sein dürfte, wenn es sich um hellenistische Anlagen handeln würde. Bostra ist eine Neugründung Trajans, Palmyra des Kaisers Hadrian; beide Typen stammen somit erst aus der Kaiserzeit, und vorher müssen die Städte in orientalischer Weise leicht gebaut gewesen sein, so daß der Straßeneinteilung keine unüberwindlichen Schwierigkeiten im Wege standen. Es ist bezeichnend, daß die klassischen Detailformen zu Beginn der Kaiserzeit noch mit einheimischen Motiven, wie ägyptisierenden Hohlkehlen und Stufenzinnen, zusammentreffen, und daß eine Hellenisierung der Baukunst daher noch nicht stattgefunden haben kann. Reine klassische Formen können nur einer späteren Periode angehören. Petra liegt noch entfernter; seine Bauten sind sämtlich axial-symmetrisch angelegt und zeigen, abgesehen von den bescheideneren Gräbern, bereits die klassische Formensprache. Daher kommt für ihre Datierung nur die römische Herrschaft, allenfalls noch die letzte Zeit der einheimischen Dynastie, jedoch ebenfalls in nachhellenistischer Zeit, in Betracht. Die Bezeichnung »römisch« ist für die Formensprache der Reichs- »Römische« kunst durchaus berechtigt, nur kann als ihr Träger und Verbreiter nicht Kunst. das römische Volk gelten. Von einem römischen Volk im nationalen Sinne kann man, streng genommen, nur solange reden, als Rom sich mit seinen Nachbarstädten oder allenfalls noch mit den italischen Völkerschaften auseinanderzusetzen hat, später sind die Römer lediglich die Führer und Vorkämpfer der Italiker, in einer Stellung, wie es in Griechenland Athen erstrebt hatte. Die staatsrechtliche Organisation und die Wege, auf denen die römische Bürgerschaft sich weit über das Maß des natürlichen Zuwachses vermehrte, sind dabei nur nebensächliche Fragen. Rom läßt sich darin mit dem türkischen Konstantinopel vergleichen, welches als Sitz der osmanischen herrschenden Aristokratie seine Volkskräfte aus allen Teilen des unterworfenen Gebietes ergänzte und so eine Mischbevölkerung erhielt, in der die türkische Rasse nur noch eine Minderheit bildete. Wie die osmanische Kultur und Kunauf arabischer Grundlage beruhte und in der Folge aus Byzanz neue Anregungen erhielt, so löste in Rom die griechische Kunst das etruskische Vorbild ab, nur mit weit intensiverer Wirkung, weil sie nicht im -Erlöschen begriffen war, wie die byzantinische Kultur. Der Einfluß wirkt zum beträchtlichen Teil unmittelbar durch Großgriechengriechische Gelehrte und Künstler, die in Rom tätig waren, oder auch land und durch geraubte Kunstgegenstände aller Art. Jedoch allein durch künst- Italien· liehen Import ist noch nie eine neue Kultur geschaffen worden. Viel
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wirksamer war die allmähliche Durchdringung Italiens mit griechischer Kultur, die von dem dort ansässigen griechischen Element in den zahllosen Kolonien ausging und sich dem ganzen Lande, die Hauptstadt eingeschlossen, mitteilte. Erst so konnte sie eine rechte Bodenständigkeit erwerben, so daß sie dem Volke als geistiges Eigentum erschien und gleichzeitig mit der großgriechischen Kultur eine Einheit bildete, als welche sie uns in Pompeji entgegentritt. Diese Stadt stand nacheinander unter etruskischer, oskischer und römischer Herrschaft, hatte nie eine griechische Bevölkerung, und doch führt uns die Tuffperiode das beste und vollständigste Bild einer griechischen Kleinstadt jener Zeit vor. Man bezeichnet sie daher als hellenistische Periode Pompejis, im Gegensatz zu den folgenden, in denen das römische Wesen vorherrscht. Das kann aber nur mit gewissen Einschränkungen richtig sein: hellenistisch ist sie der Zeit nach, auch konnte Rom damals noch keine Rolle spielen, aber nach ihrem Inhalt ist sie ebenso italisch, wie die späteren. Denn es ist keine landfremde Kultur, mit der wir es hier zu tun haben, sondern diejenige, die in Italien, in den Eingeborenen- wie in den Griechenstädten, heimisch war; wenn sie sich später änderte, so dürfen wir die gleiche Wandlung auch im hellenisierten Herculaneum und in den ändern rein griechischen Kolonien annehmen, weil das Bestehen der so überwiegend hellenistischen Tuffperiode schon beweist, daß die Kultur einheitlich geworden war. Der Austausch der geistigen Güter ist nicht ohne wechselseitige Wirkung geblieben, da die Italiker ja auch in hohem Grade ein Kulturvolk waren, das den Griechen weit näher stand, als die karthagischen Phöniker. Ihre Eigenart, die z. T. auf etruskischem Wesen beruhen mag — auch dies Volk nahm die griechische Kultur willig auf, ist aber dann von den Italikern aufgesogen worden —, äußerte sich z. B. in Religion, Ritus und Lebensgewohnheiten, in dem Wohnhause und den Thermen, in besonderen Gebäudeformen, wie Tempeln, Basiliken u. a., in den Festen und Spielen, den Tierkämpfen und der italischen Komödie und nach längerem Zusammenleben werden die Griechen manches davon übernommen haben. Die Eigenart Die großgriechische Kunst weist schon früh eigentümliche und der west- selbständige Züge auf, nicht so grundsätzlich vom Mutterland verschiegriechischen dene, wie etwa die jonische Kolonialkunst, sondern eher gewisse Laxunst ' heiten. Bekannt sind diese besonders in der Baukunst: der westgriechische dorische Tempel entfernt sich in der Grundrißbildung, im Aufbau, in der Triglypheneinteilung, auch in den Detailformen viel leichter vom strengen Kanon, er neigt außerdem zur Stilmischung auch im Äußeren, verrät aber, was Zahl und Größe der Bauten angeht, eine große künstlerische Leistungsfähigkeit. Leider fehlt auf italienischem Boden eine systematische Erforschung der griechischen Kultur, darum
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sind wir in diesen Fragen auf zufälliges Material angewiesen und vermögen nicht, eine Wahrscheinlichkeit durch zusammenhängende Belege zur Gewißheit zu erheben. Ob in den Besonderheiten des Tempelbaues bereits die auflockernde Wirkung der italischen Kultur zu erblicken ist, bleibe dahingestellt, aber sicher ist es, daß die großgriechische Eigenart sich im Laufe der Jahrhunderte nicht verwischte, sondern immer kräftiger wurde, daß die Kunsttätigkeit genügend unabhängig geworden war, um beispielsweise die Vasenmalerei, die in Athen im IV. Jahrhundert erschlaffte, selbständig und erfolgreich weiter zu führen — hier gewiß nicht ohne Zusammenhang mit den italischen Stämmen, die für dies Kunstgewerbe immer sehr aufnahmefähig waren. Während der Osten in späthellenistischer Zeit verarmte und seine Kunstproduktion zurückging, genossen die Westgriechen, allerdings unter Verlust der politischen Selbständigkeit, die Vorteile, Einwohner eines aufstrebenden und privilegierten Landes zu sein, das ihnen zum mindesten einen unbegrenzten Absatz sicherte. Ohne materiellen Wohlstand gibt es aber auf die Dauer keine Kunstblüte. Wir kennen einstweilen nur das süditalische Kunstgewerbe in Bronze und Ton, da Ausgrabungen in den Städten nicht gemacht werden; für die Baukunst und Wanddekoration tritt Pompeji in die Lücke, aber alles zusammen ergibt ein Bild des blühendsten Lebens und der reichsten Fülle. Man hat bisher nach der Herkunft dieser Kunst, die ihre Erzeugnisse bis nach Süddeutschland verbreitete, in den verschiedensten Gegenden, in Kleinasien, Syrien und Ägypten gesucht, mit wenig Erfolg, und so wird es vermutlich auch in Zukunft bleiben, denn es liegt auch kein Grund vor, das Zentrum nicht im Lande selbst zu suchen, in Tarent etwa oder später in ändern bedeutenden Städten des Landes. Die äußeren Bedingungen, die in der wirtschaftlich gefestigten Lage bestehen, sind hier günstiger, als anderswo, und die Masse der Funde gibt den statistischen Beweis dafür, daß die Kunst bodenständig ist. Von dieser Eigenart sind wir ausgegangen. Die einheimische Be- Der Heilevölkerung war früh in Abhängigkeit von der griechischen Kunst und nismus in Kultur geraten, sie wurde so von ihnen durchdrungen, daß sie sie nicht Itahen· mehr als fremdländisch empfand. Allein ihre starke zahlenmäßige und noch mehr die politische Überlegenheit, zuletzt unter Roms Hegemonie, bewahrte sie vor der Hellenisierung. Nachdem die griechischen Kolonien in dem italisch-römischen Einheitsstaat aufgegangen waren, wurde die Berührung noch inniger, und die Griechen, als der befähigtere Teil, fuhren fort, den Aufgaben, welche die staatlichen und privaten Verhältnisse des Landes stellte, die künstlerische Form zu geben; die Italiker hatten dabei die Rolle der Auftraggeber und Mäcene. — Rom selbst kam verhältnismäßig spät in den Strom der Kunstentwicklung:
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alle Bau typen, die Tempel, Basiliken, Märkte, Thermen, Theater und Amphitheater, haben bereits früher in Campanien ihre Lösung gefunden, in Rom aber fanden sie erst in ausgebildeter Gestalt Eingang, wenn auch zugleich in größerem Maßstab und reicherer Ausbildung, wie es sich für die Hauptstadt geziemt. Keines von diesen Gebäuden stammt in der Form, wie wir sie in Italien kennen lernen, aus dem Osten, ihre Typen sind ebenso, wie der sie zusammenfassende Rahmen, die Stadtanlage, und wie ihre Technik, der Mörtelbau, einheimisch und aus der italischen Gedankenwelt hervorgegangen. R. Delbrück hat eine Reihe derartiger Frühbauten unter der Bezeichnung »Die hellenistischen Bauten in Latium« behandelt; die Benennung muß gelten, solange für Italien kein entsprechender Ausdruck geprägt und angenommen ist, aber es sind nicht schlechthin hellenistische Bauten, sondern den hellenistischen nur gleichzeitig, sie gehen ihren eigenen Weg und alles Suchen nach Vorbildern im Osten ist müßig. Noch gefährlicher ist das umgekehrte Verfahren, für griechisch-hellenistische Bauten Analogien in Italien zu suchen und sie nach diesen zu ergänzen, in der Annahme, daß in beiden Gebieten zur gleichen Zeit die gleiche Formensprache herrschen müsse; so nimmt man der griechischen Kunst den Inhalt, stellt sie unter Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse in Abhängigkeit von fremdländischen Elementen und verwirrt die mühsam errungenen Ergebnisse oder gelangt zu verkehrten Datierungen, denn eine Übertragung der italischen Motive hat zwar stattgefunden, aber in viel späterer Zeit. Seine UmImmer mehr und mehr wird es augenscheinlich, daß der gesamte prägung zur Formenschatz der römischen Kunst seinen Ursprung in Italien selbst Reichskunst. h at Die notwendigen Einzeluntersuchungen sind bisher kaum jemals in Angriff genommen x), aber die These muß einmal in bestimmter Form ausgesprochen werden, damit sie möglichst allseitig nachgeprüft werden kann. Die tiefere Grundlage ist gewiß die griechische Kunst des Mutterlandes, die Entwicklung aber von ganz ändern Gedanken getragen und selbständig, j edoch immer noch so, daß ihr Resultat später in Griechenland ohne besonderen Widerstand Eingang finden konnte. Als das Stammland dem römischen Staate angegliedert worden und der Gegensatz zwischen Sieger und Besiegten soweit gemildert war, daß die griechischen Gemeinden wieder zu materieller Blüte gelangen konnten, lebte auch ihre *) Ein Beispiel: F. Winter in Bonner Jahrb. 1921, 105 f. Für Tonplastik: L. Frankenstein, Tarentiner Terrakotten, Greifswalder Dissert. 1921 (Arch. Anz. 1921, 170 f.). Die Vorliebe für das korinthische Kapitell ist ebenfalls italischen Ursprunges: im Osten bleibt es während der hellenistischen und frührömischen Zeit immer eine Ausnahme, gleichzeitig aber ist es in Pompeji als Säulen- und besonders Pilasterkapitell weit verbreitet, außerdem aus Paestum, Tarent und aus den Frühbauten in und bei Rom bekannt. Der ebenfalls verbreitete Typ des selbständigen jonischen Diagonalkapitells mit aufrechten Zwickelpalmetten leitet zum Kompositkapitell über.
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Kunsttätigkeit wieder auf, besonders die Baukunst. Der vorhergegangene jahrhundertelange Stillstand hatte die heimische Tradition abgerissen und die Bevölkerung daran gewöhnt, in Italien das Vorbild der Kunstblüte zu sehen, umsomehr als auch dort stammverwandte Griechen die Führung hatten. Wie früher Athen oder Jonien das übrige Griechenland führten, so ging diese Rolle nun auf Großgriechenland über; es war schon früher nicht ohne Einfluß und bewirkte die Verbreitung des Bühnenspiels im Theater l ) , jetzt aber rückte es mehr und mehr in den Mittelpunkt und mit ihm zusammen kamen eine Reihe italischer Gedanken zur Geltung, die wir oben in der Reichskunst feststellen konnten. Dieser Vorgang bedeutet den Beginn einer neuen, der römischen Periode in der antiken Kunst. Die Bezeichnung ist, wie fast alle üblich gewordenen Benennungen, ungenau und irreführend, sie hat mit Rom und römischem Wesen nichts weiter gemein, als daß diese Zeit in untrennbarem und ursächlichem Zusammenhang mit der Ausdehnung der politischen Macht Roms steht. Die hellenistische Kunst wurde nicht verdrängt, sie war vorher verdorrt, aber noch nicht so abgestorben, daß die Vereinigung ohne Wechselwirkung geblieben wäre. Wir erkennen diese in der klassizistischen Reaktion der augustischen Periode, in welcher die engere Fühlung mit Griechenland und seiner strengeren Kunstauffassung in Erscheinung tritt. Der etwas verwilderten italischen Kunst sollten straffere Fesseln angelegt werden, allein der Versuch hatte keinen bleibenden Erfolg, weil ihr im Gegensatz zu Griechenland der Gedanke der künstlerischen Willkür eigentümlich war, daher nahm die Entwicklung nach kurzer Zeit ihren Fortgang zum römischen Barock. Die Veränderung in der Kunst, welche vornehmlich im linearen Gefüge der Baukunst und damit ganz besonders scharf im Städtebau zum Ausdruck kommt, eine förmliche Umwälzung, beruht im Wesentlichen auf den italischen Gedanken der hierarchischen Ordnung (oben S. 128). Er ist nicht der künstlerischen Tätigkeit entsprungen, er hat mit der Kunst überhaupt nichts gemein, sondern ist ein Element der Lebensauffassung und als solches von außen willkürlich hereingetragen. Wie er sich in der Kunst äußerte, haben wir gesehen: es wurde ein System von Achsen und Mittelpunkten gebildet, um welches die Formen gruppiert wurden, die Mitten wurden betont, die verbindenden Teile traten zurück. Die Symmetrie in der Kunst wurde auch früher von einzelnen Völkern, gewöhnlich von solchen mit straffer zentralisierter Staatsverfassung, wie Ägyptern, Babyloniern, Persern, beobachtet, aber nun wurde sie zum ersten Male in der ganzen Kulturwelt zum herrschenden ') A. von Gerkan, Das Theater von Priene, 128 f.
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Prinzip. Sie verschwand im Mittelalter; die altchristlichen Kirchen haben noch das Atrium als Vorhof, aber bei den mittelalterlichen Kirchen liegt der Kreuzgang stets an der Seite, und die Paläste und Burgen enthalten ebensowenig Achsen, wie die Stadtanlagen; in der Renaissancezeit wird sie wieder aus der antiken Kunst übernommen, in der Barockzeit zur höchsten Vollendung ausgebildet, und seither herrscht sie wieder so unbedingt, daß wir unwillkürlich eine Abweichung als Laune empfinden.
Die VeräußerMan kann nicht behaupten, daß der neue Gedanke der Kunst zum lichung im Nutzen und Frommen gereicht hat. Die symmetrische, axiale und rhythKunstschaffen -mische Komposition bedeutet für jeden Kunstgegenstand eine ungemein starke Betonung der Schauseite; er wirkt infolgedessen am meisten durch sein Äußeres, entbehrt jedoch jener innerlichen Geschlossenheit und Harmonie, die wir in gleicher Weise an den griechischen, wie an den mittelalterlichen Bauwerken bewundern dürfen, auch wenn wir nicht gerade romantisch empfinden. Das heißt, es fehlt ihnen die vollendete Übereinstimmung von Zweck und Gestaltung, die vollkommene künstlerische Lösung der gestellten Aufgabe. Gewiß gibt es auch z. B. komplizierte Gebäude von symmetrischer Anlage, deren Grundriß einwandfrei gelöst ist, doch auch bei ihnen wird die Aufmerksamkeit einseitig auf den äußeren Eindruck gelenkt. Die römisch axiale Stadtanlage mit einzelnen breiten Hallenstraßen mußte die gleichmäßige Einteilung der hellenistischen Stadt aufgeben, sowie den Grundsatz der durchlaufenden Straße; sie hatte viel schwerer mit den Geländeverhältnissen zu kämpfen und verzichtete daher auf die Einhaltung des rechten Winkels, der für den äußeren Eindruck allerdings unwesentlich ist. Das waren jedoch gerade diejenigen Elemente der Regelmäßigkeit, welche für die Bewohnbarkeit der Stadt von praktischem Wert waren, es verblieb aber nur die axiale Regelmäßigkeit als Selbstzweck. Die Bedürfnisse der neutralen Hauptmasse der Gebäude, der Wohnhäuser, wurden vernachlässigt und zurückgedrängt zu Gunsten einiger weniger bevorzugter Punkte, denn das sich hinter der aufgezwungenen Fassade einer Säulenstraße nicht bequem wohnen läßt, liegt auf der Hand. Trotzdem fand die neue Bauweise überall Anklang, gerade weil sie eine Verflachung und damit eine Erleichterung der Kunstproduktion bedeutete. Sie wirkte gerade so, wie etwa die Einführung der maschinellen Herstellungsweise an Stelle der Handarbeit. Die symmetrische Komposition ist nichts anderes, als eine Art Schablone, deren schematische Anwendung allein schon eine starke, wenn auch willkürliche künstlerische Wirkung verbürgt, ohne daß der Architekt ein tieferes Verständnis für seine Aufgabe zu entwickeln brauchte, zugleich aber war sie für die Masse der Beschauer verständlicher und erleichterte ein ge-
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wisses Kunsturteil: man konnte ihre Wirkung an der äußeren Anordnung leichter kontrollieren und sich über sein Empfinden ohne Mühe Rechenschaft geben. Auch für den großen Künstler, der ja nicht immer Philosoph zu sein braucht, sondern meist unbewußt schafft, ohne sich über das Wesen aller Fragen klar zu sein, bot sie so viele neue Anregungen und Möglichkeiten, daß auch er sich gern den neuen Aufgaben zuwandte. Man pflegt das heute Reine, durch keinerlei Nützlichkeitenforderungen profanierte Kunst zu nennen, als wenn echte Kunst jemals in einem Gegensatz zur Brauchbarkeit stehen könnte und die eine Seite unbedingt durch die andere benachteiligt und nicht umgekehrt, gefördert würde. Eine solche Veräußerlichung des Schaffens führt unweigerlich zum Luxus- und Prunk, den man wohl als zwecklose Kunstentfaltung bezeichnen darf. KolossaiEr ist die Folge des Ringens um die Schönheit, wenn die Kunst sich bauten auf falschem Wege befindet und nun allen Anstrengungen zum Trotz kein befriedigendes Resultat erreicht: anstatt die Wirkung durch die richtigen Mittel zu erzielen, sucht der Künstler sie durch die gleichen falschen immer mehr zu steigern. Der übermäßige und stetig wachsende Prunk ist für die Bauten der Kaiserzeit charakteristisch und zugleich verderblich, er kennt keine Grenzen, häuft die Einzelheiten, drückt erst die Säule zum Ornament hinab, dann die ganze Säulenfassade, türmt die Fassaden in Stockwerken übereinander und verwendet schließlich ganze Gebäude ornamental zum Schmuck, wie Triumphbögen, Bühnengebäude, Nymphaeen, Straßentore u. dgl., beraubt sich aber damit zugleich nacheinander aller Mittel, die, weise angewendet, eine edle Wirkung bringen würden. Sie alle werden nacheinander zu einer leeren Dekoration entseelt, und was noch verderblicher ist, die griechische Gediegenheit der Ausführung geht unwiederbringlich verloren. War schon der griechische Tempel mit seinen schlichten Formen und seiner maßvollen Dekoration eine Aufgabe, an der sich die besten Künstler Jahre und Jahrzehnte lang mühten, so ist es ganz undenkbar, wie ein überladenes Bauwerk in der Art des großen Tempels zu Baalbek mit den künstlerischen Kräften der Spätzeit in gleicher Formvollendung hätte erbaut werden sollen. Nur weil die Einzelform verwilderte, konnte dieser und die zahlreichen ähnlichen Bauten in überraschend kurzer Zeit bewältigt werden. Die Erschlaffung der Schaffenskraft auf der einen Seite und auf der ändern das unbegrenzte Anwachsen der materiellen Hilfsmittel führte zu einer Steigerung der Leistung ins Kolossale, sowohl nach den Abmessungen der Bauten, wie auch nach ihrer bloßen Zahl. Das ist nur eine andere Folge des gleichen Strebens, ihre Unzulänglichkeit in der Qualität zu beseitigen. Besonders seitdem Rom selbst als größte v. G e r k a n , Griech. Städteanlag-en.
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Bauherrin in den Vordergrund getreten war, also schon zu Beginn der Kaiserzeit, wurde diese Entwickelung schnell erreicht. Den hellenistischen Herrschern, denen es wahrlich an Selbstbewußtsein und an Mitteln nicht mangelte, lagen solche Gedanken durchaus fern; die Stiftungen der pergamenischen und ptolemäischen Könige, auch im Auslande (Athen, Samothrake u. a.), sind an Umfang verhältnismäßig bescheiden, in der Ausführung aber gediegen. Alexander der Große wollte den Tempel der Ephesier weihen, er weihte den Athenatempel in Priene, und nur eine bescheidene Inschrift an einem Antenblock gab davon Kunde. Weder Alexander noch einer von seinen Nachfolgern hätte sich je gerühmt, Dutzende von Heiligtümern gebaut und wieder hergestellt zu haben, in einer Weise, wie das der Kaiser Augustus tat, der in seinem Testament (Monum. Ancyr. 20) nur wenige Tempel mit Namen nennt, alle übrigen nur mit Zahlen aufführt. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß diese Bewegung bereits in der hellenistischen Zeit einsetzt, als notwendige Folge dessen, daß nicht mehr die Staatsgemeinden den Bau errichten, welcher auch ohne Inschrift ihren Ruhm verkündet, sondern der Wille eines Monarchen. Es beginnen die persönlichen Weihinschriften an den Heiligtümern, erst, wie wir sahen, an bescheidener Stelle, dann am Architrav, und in der römischen Zeit ist es allgemein üblich, daß jeder Tempel sein aufdringliches Firmenschild, wie ein Wirtshaus, an der Front trägt.
6. Römer- und Griechentum in der letzten Zeit der antiken Kunst. Roms Stellung Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, die Römer seien gegen Kunst zur Kunst. und Schönheit gleichgiltig gewesen und nur auf nüchterne Zweckmäßigkeit bedacht. Beides ist falsch: die römischen Ingenieurbauten sind den griechischen, was die wissenschaftliche Leistung anbetrifft, kaum an die Seite zu stellen, geschweige denn überlegen, nur ihre Zahl ist unverhältnismäßig größer. Trotzdem ist die Anzahl der Namen römischer Ingenieure gering, und die meisten von ihnen sind jedenfalls nur Verwaltungsbeamte gewesen, in deren Auftrage dem Namen nach meist unbekannte, soweit aber überliefert, hauptsächlich griechische Techniker tätig waren. Die Bauten versinnbildlichen in ihrer Kolossalität nur Eines: den starren römischen Willen, der ungeachtet aller Schwierigkeiten und mit allen Mitteln sich durchsetzt, über alle Hindernisse triumphiert, oft aber auch über Vernunft und Zweckmäßigkeit. Caligulas Schiffsbrücke über die Bucht von Puteoli ist als technische Leistung bewundernswert, als Anlage jedoch töricht; Hadrians Villa bei Tibur technisch ein Meisterwerk, künstlerisch eine Spielerei und als Zweckbau — die Vereinigung der schönsten Stellen der Welt an einem Ort — sinnlos.
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Dabei fehlte den Römern nicht das Streben, Kunst und Schönheit zu besitzen, sie traten nur zu spät in den Wettbewerb und waren selbst von der Natur in dieser Hinsicht mehr als stiefmütterlich bedacht. Um den Vorsprung anderer Völker einzuholen, standen ihnen nur zwei Mittel zur Verfügung: der unbeugsame Wille und die materielle Macht. In Rom wurde die Kunst nicht geschaffen, sondern gesammelt, durch Raub von Kunstgegenständen, durch Massenbauten, durch die Beschäftigung griechischer Künstler und durch private Sammlungen. Das Interesse für Kunst gehörte zum guten Ton und hatte alle Kreise ergriffen, vom Emporkömmling Trimalchio bis zum Philosophen Seneca mit seinen hunderten von Tischplatten, über allem aber waltete der Unstern des schlechten Geschmackes. Was in Rom entstand, war nachgeahmte Kunst und bezahlte Arbeit, von den Händen fremdländischer Meister, die, ohne inneres Verhältnis zur Stadt und selbst bereits der Schematisierung des Schaffens anheimgefallen, nicht mehr im Stande waren, Höchstleistungen in künstlerischer Vollendung hervorzubringen, sondern über einen möglichst großen Effekt nicht hinauskamen. Rom hat trotz der gewaltigen Menge von Arbeiten auf dem Gebiet der Baukunst, neben der Porträtbildnerei der einzigen, die für Roms Kunsttätigkeit überhaupt noch in Betracht kommt, und trotz des Aufwandes, der auf sie verschwendet wurde, nicht ein einziges Vorbild geschaffen, das in aller Leute Mund gewesen wäre, wie fast alle Bauten Athens aus dem V. Jahrhundert; was hier entstand, war, im Gegenteil, nur das Ergebnis der Entwicklung an ändern Orten. Empfunden wurde das nicht, weder von den Römern, noch von den Zeitgenossen anderer Länder, und die Bauwerke galten als »vorbildlich«, weil sie nach den besten Vorbildern errichtet waren und sie an Größe und Pracht übertrafen. Nach dem Maßstabe des Geldbeutels waren sie unübertrefflich, ihre leichenhafte Symmetrie entsprach dem Wesen des Römertums, das ohne den Eingriff hervorragender Persönlichkeiten, wie Caesar und Augustus, fortgefahren hätte, die Welt nach einer für eine mittelgroße Stadt geschaffenen Verfassung zu regieren, und um den Preis der unzulänglichsten Kompromisse an der althergebrachten Ordnung festzuhalten bemüht war. Nach wie vor lag die kulturelle und künstlerische Führung der ßer NiederWeit in den Händen des Griechentums, welches durch die politische g**e && Angliederung an das römische Reich nun erst recht die geistige Über- e enijtlsc legenheit ausübte. Bevor das möglich war, hatte der griechische Osten eine schwere Krise, verbunden mit einem Stillstand der künstlerischen Produktion, durchmachen müssen. Als er durch Roms Gnade zum neuen Leben erwacht war, hatte die Zeit sich geändert, und wenn der Schwerpunkt des Griechentums einst durch die makedonischen ErobeII*
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rer nach Asien verlegt worden war, so lag er nunmehr bei den griechischen Stämmen in Italien, welche die engsten Beziehungen zu den neuen Herren hatten. Der schlechte Geschmack steckt an, wenn er mit Macht und Reichtum gepaart ist, er reizt zur Nachahmung, weil er so viel leichter allein mit äußerlichen Mitteln zu befriedigen ist. So ziehen denn auch die Griechenstädte des Ostens zugleich mit dem Selbst· bewußtsein und dem Bürgerstolz ihr schönes und freies Gewand aus, legen sich die Fesseln der Schablone an und entwickeln sich nach Kräften zu einem Grundrißornament mit kalten und leeren Prachtstraßen und Prachtplätzen mit allen Begleiterscheinungen, zwecklosen Torkulissen und Badepalästen, anstatt der früheren Sportanstalten. Die Bibliotheken werden zu riesigen steinernen und säulenüberladene Bücherschränken, die Skene des Theaters vergißt ihre Aufgabe, Spielhintergrund zu sein und wird zu einer unveränderlichen architektonischen Fanfare, die in einem merkwürdigen Gegensatz zum Inhalt der kleinbürgerlichen Hetärenkomödie steht, ihn übertönt und die Schauspieler auf den Weg der individuellen Virtuosität zwingt. Die gleiche Umwandlung läßt sich bis in alle Einzelheiten verfolgen, in Material und Technik, in Stil und Ornament, bis in den Inhalt und Tonfall der Bau Inschriften. Wir müßten uns die Frage vorlegen, ob eine dermaßen veränderte Baukunst noch als hellenistisch bezeichnet werden dürfte, auch wenn ihr Zusammenhang mit der völlig veränderten politischen Situation, mit der Neuordnung des öffentlichen und privaten Lebens nicht so in die Augen fiele. Die Entwicklung der hellenistischen Kunst geht, soweit wir sie verfolgen können, gleichmäßig von statten, sie fußt auf der Übergangszeit des IV. Jahrhunderts, erstarkt mit dem Aufblühen der hellenistischen Monarchie, verliert ihre schöpferische Kraft in der Zeit, als die Staaten ihren Höhepunkt überschritten haben, und während sie sich zersplittern, zerfällt auch die Kunst in einzelne Schulen, arbeitet mit feststehenden Typen und bringt es nur selten noch zu hervorragenden Leistungen, die jedoch ohne tiefergehende Wirkung bleiben, wie auch die Kleinstaaten gelegentlich schnell vorübergehende Höhepunkte durchleben. Wenn nun die Kunst nach geraumer Zeit zu neuem Leben erwacht und neue Gedanken und Formen aufweist, so ist das nur durch eine von außen kommende Anregung möglich, und nur diese, nicht aber die erschlaffte hellenistische Kunst, konnte ihr Wiederaufleben ermöglichen. Denn die neue Entwicklung bedeutet einen Umbruch der früheren Richtung: die Kunst verläßt die bisher bekannten Wege und nimmt eine Gestalt an, deren Ursprung im großgriechischen und italischen Kulturkreis liegt, wo wir dieselbe Eigenart schon zwei Jahrhunderte früher gefunden haben, als die kühnste Konjektur sie im Osten anzunehmen wagt. Wir können diese italische Sonderkunst
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aber nicht mit dem gleichen Namen »hellenistisch« erschöpfen, denn sie ist verschieden vom östlichen Hellenismus, sie löst ihn ab und führt ihrerseits in gerader Entwicklung zu einer einheitlichen Kunst im ganzen römischen Reiche, die durch lokale Verschiedenheiten nicht beeinträchtigt \vird und sich erst dann in verschiedene Zweige auflöst, als die einheitliche Organisation des Reiches zerfällt. Durch eine unglücklich gewählte Bezeichnung ist zunächst in die Die zeitlichen Terminologie Verwirrung hineingekommen. Als man dem Nachleben der Grenzen des antiken Kunstformen in der byzantinischen, spätorientalischen und islami- Hellenismus, sehen Kunst nachging, wurden diese, in der Erkenntnis, daß es sich um griechische Formen handelt, als hellenistisch bezeichnet. Es lag wohl kaum die Absicht vor, zu behaupten, daß sie in der Periode des Hellenismus entstanden wären, die Zeit des römischen Reiches überdauert hätten und nun in der Folgezeit weiterlebten, vielmehr wollte man sie nicht klassisch nennen, weil diesem Worte ein zu strenger Begriff innewohnt, und noch weniger römisch. Richtiger wäre es gewesen, allgemein von antiker Formensprache zu reden: als hellenistisch sollte im Sinne von J. G. Droysen nur die Zeitspanne von Alexander dem Großen bis zur römischen Herrschaf t bezeichnet werden, nun aber hatte das Wort eine weitere und allgemeinere Bedeutung erhalten; für die engere Zeitspanne galt derselbe Ausdruck weiter, und die Folge war, daß die Verwirrung von der Terminologie auf den Inhalt übergriff: wenn die hellenistische Kunst später weiterlebte, mußte sie auch vorher, in der römischen Kaiserzeit gelebt haben, diese hat sich also der hellenistischen Kunstform bedient, und was damals an Motiven vorhanden war, mußte sich in der griechischhellenistischen Zeit bereits nachweisen lassen. Hier setzte alsbald eine verwüstende Spekulation ein, während die Verhältnisse tatsächlich so liegen, daß nicht hellenistische Formen in der nachantiken Zeit nachleben, sondern gerade diejenigen der einheitlichen Kunst, welche in der Kaiserzeit herrscht. Und dabei läßt sich selten eine Kulturperiode, wie gerade die hellenistische, durch soviel einschneidende Unterschiede innerer und auch ganz äußerlicher Art nach unten abgrenzen. Sie ist mit der griechischen Monarchie entstanden und vergeht mit ihr in einer Zeit, als die Dynastien durch die römische Herrschaft abgelöst werden und diese gleichzeitig zum monarchischen System übergeht. Der Hellenismus erstirbt in einem allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang, welcher immer auf das kulturelle Leben vernichtend wirkt, die neue Zeit aber bricht mit einem neuen Aufstieg an, der der römischen Monarchie verdankt wird. Es verändert sich auch die künstlerische Auffassung von Grund aus, wobei in der Baukunst an die Stelle der Gestaltung von innen heraus die äußerliche Komposition nach Achsen tritt; gleichzeitig ändert sich
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auch die Technik: der Werksteinbau weicht dem Mörtelbau, dazu tritt dann noch die Inkrustationstechnik zur Verhüllung des unansehnlichen Kerns, und dadurch wird das äußere Ansehen der erhaltenen Überreste so verändert, daß man heute noch rein gefühlsmäßig jeden Backsteinoder Mörtelbau als römische Ruine bezeichnet. Die Datierung nach dem wichtigsten Material hat sich bisher im griechischen Osten (in Italien liegen die Verhältnisse anders) so vollkommen bewährt, daß jeder Versuch, diesen terminus ante quern für hellenistische Bauten zu durchbrechen, abgelehnt werden muß. Wenn nun zuguterletzt alle diese Erscheinungen noch mit dem Beginn der christlichen Zeitrechnung zusammenfallen, so ist damit ein natürlicher Einschnitt gegeben, der ohne Not nicht überschritten werden sollte. Will man von einem Hellenismus in Italien reden, so muß man daran festhalten, daß der Ausdruck für ostgriechische Verhältnisse geprägt worden ist, die für Großgriechenland z. T. garnicht, z. T. aber unter bedeutendenVerschiebungen kultureller und chronologischer Art zutreffen, daß es also ein grober historischer Fehler ist, beide Kulturkreise inhaltlich und zeitlich zu identifizieren, um dann, umgekehrt, mit Hilfe des modifizierten Begriffes des Hellenismus seine ursprüngliche Bedeutung zu zerstören und seine Grenzen zu verwischen. Es sind zwei Welten, die sich da gegenüberstehen, die geistige des Griechentums und die reale Roms; keine konnte die andere verdrängen, sie vereinigten sich daher notwendigerweise zu einer fünf Jahrhunderte währenden Mischkultur, deren Beginn der italische Hellenismus ist. Das Ende Das Griechentum hatte im Altertum stets den Zustand des menschder antiken üchen Geistes verkörpert, von der schwungvollen Höhe des VI. und Baukunst, Jahrhunderts durch die wissenschaftlich geniale Zeit des Hellenismus mit ihren Kraftleistungen bis zu der gedankenarmen Veräußerlichung und allmählichen Verflachung der römischen Kaiserzeit. Die Römer standen abseits, sie lebten von fremder Kultur, der sie nur den fest organisierten Willen entgegenzusetzen hatten. Durch ihn machten sie sich die menschliche Kraft, und ebenso den menschlichen Geist dienstbar, zuweilen bis zum Mißbrauch. Sie hatten die Welt geeinigt, anfangs zu deren Nutzen; als aber dann der Niedergang einsetzte, umfaßte er die gesamte Kulturwelt. Es gab keine unverbrauchten Gebiete mehr, von denen neue Anregungen kommen konnten, und als die Gedanken versiegt waren, gab es auch keine Möglichkeit mehr, den Willen in die Tat umzusetzen: die Kultur des Altertums hörte auf. Neue Völker erschienen und durchsetzten gewaltsam den Westen, den Norden und den Süden des Reiches, sie kamen mit rohen Gedanken und eigenem festen Willen, unter dem die alte morsche Form zerbrechen mußte, und begannen die Welt von Neuem aufzubauen.
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Byzanz aber war der Zufluchtsort für die Überreste des Altertums. Nachleben in Hier herrschte der alte Wille fort, er erhielt sich erstaunlich lange, weil der byzantinidie vorhandenen Kräfte von Jahrhundert zu Jahrhundert enger zu- schen Zeit> sammengedrängt wurden und auf diese Weise, ohne neue Gedanken hervorzubringen, der allmählichen Verwässerung auf mechanischem Wege entgegenwirkten. Byzanz war ein äußerlich glanzvoller, zeitweise sogar machtvoller, aber innerlich hilfloser Anachronismus, eine heftig umbrandete und immer mehr abbröckelnde Insel des Altertums in dem so ganz anders gearteten Mittelalter, eine Häufung von Unwahrheiten, ohne eigenes Leben; es war für die Mitwelt gleichgiltig und lästig, für die Nachwelt aber, dank seiner Neigung zum Thesaurieren, von unschätzbarem Wert, denn nur so haben sich die Geistesschätze des Altertums erhalten. Auch die byzantinische Kunstgeschichte bewegt sich in absteigender Richtung. Den Höhepunkt bedeutet die Frühzeit, sie weist noch machtvoll imponierende Leistungen auf, wie die Sophienkirche in Konstantinopel, doch im Laufe der Jahrhunderte werden sie immer weniger umfangreich, immer gleichartiger und unpersönlicher. Man kann zwar verschiedene, einander ablösende Pendelschläge unterscheiden, doch werden die Ausschläge immer schwächer. Die Kunstgeschichte verläuft in mehr und mehr abflachenden Wellenlinien; eigentliche Höhen und Tiefen gibt es nicht mehr. Die Chroniken berichten noch bis in die letzte Zeit von prachtvollen Kirchen und Klöstern, welche von den Kaisern und den Prinzessinnen gestiftet werden; soweit sie aber erhalten sind, stellen sie sich unsern Blicken als kleine und bescheidene Anlagen dar, unsern Dorfkirchen vergleichbar, mit trockener, bis in die Unendlichkeit gleichmäßig wiederholter Ausstattung, obwohl sie doch als künstlerische Höchstleistung für ihre Zeit galten. Vielleicht würde es einer ausdauernden und mühsamen Forschung Byzantinische gelingen, auch für die byzantinische Stadt eine Art Typ festzustellen. Städte. Sein Merkmal würde eine tötliche Einförmigkeit sein müssen: der Beamtenstaat hatte keine Verwendung für die Pracht der öffentlichen Gebäude des Altertums, es gab nur noch Kirchen und Klöster, in den größeren Städten Paläste und Befestigungsanlagen. Das geistige Leben sammelte sich in den Klöstern, das staatliche in Büroräumen, im übrigen überwog die graue, einförmige Masse der Privathäuser. Einer Typenbildung stand die unendliche Menge der schon vorhandenen monumentalen Stadtanlagen aus der römischen Kaiserzeit entgegen, die mehr Raum boten, als die abnehmende Bevölkerungszahl bedurfte. Sie standen halb verlassen und wurden ganz allmählich von innen heraus aufgezehrt. Die überflüssigen Gebäude wurden nach Bedarf abgebrochen, ihr Material zur Reparatur der verfallenden Gebäude und für die we-
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nigen Neubauten verwendet, auch für den neuen und immer enger werdenden Befestigungsring, und so beschränkte man sich auf die Anpassung an die bestehenden Verhältnisse, ohne das Bedürfnis, neue Stadtanlagen zu schaffen. KonstantiKonstantinopel selbst wuchs zur Zeit des Dominate, als es die Aufnopel. merksamkeit der Kaiser auf sich lenkte, auf das Vielfache seines früheren Umfanges an. Es war keine griechische Stadt mehr, hörte auf, eine römische zu sein und wurde keine mittelalterliche, es war eine Häufung kaiserlicher Willkürlichkeiten, ohne organische Entwicklung, welche durch das übermäßig rasche Wachstum der Bevölkerung mehrmals über den Haufen geworfen wurde, ein völlig strukturloses Gebilde ohne Wurzel und ohne innere Entwicklungsmöglichkeit. Trotz seiner in der Welt einzigartigen Lage siechte es am Grundübel des byzantinischen Reiches dahin, es starb, ohne je gelebt zu haben, es starb weiter durch die türkische Zeit bis zum heutigen Tag. Die Türken waren ebensowenig im Stande, die Unmenge von Straßen und Häusern in eine Stadt zu verwandeln; Konstantinopel blieb auch fernerhin nur ein Baugelände, auf welchem viele bedeutende und hervorragend schöne Gebäude und Gebäudegruppen entstanden sind, auch einzelne halbwegs städtische Viertel und in der jüngsten Zeit erschreckend nüchterne und abstoßende Stadtteile, aber nichts von alledem kann beanspruchen, die Stadt selbst zu verkörpern. Konstantinopel wirkt auf uns nicht als schöne Stadt, und doch fügt sich alles zu einem überwältigenden Anblick zusammen; nicht als Werk ordnenden Menschengeistes, sondern innerlich und äußerlich als engbebaute und dicht bevölkerte Landschaft.
Register. Erw hnungen auf aufeinanderfolgenden Seiten sind zusammengezogen (17—21); eingehendere Besprechungen des Stichwortes durch fettgedruckte Zahlen (19) bezeichnet. Abgeleitete Begriffe (attisch, Joner) sind im Hauptstichwort enthalten. Fortgelassen sind Namen, die einzelne Teile eines Ortes bezeichnen (Palatin, Eridanos, Munichia), sowie allgemeine Begriffe von berwiegend kultureller und zeitlicher Bedeutung (Orient, griechisch, r misch, byzantinisch usw.).
1. Geographisches Register. Achaja 4. Aegae 12, 81, ιοί, in, 118. Aegypten 31, 33, 68, 70, 71, 73, 92, 114, 123, 153, 157, 159· Aeolien i, 118. Aetolien i, 10, 12, 20, no. Agryle 44. Afrika 129—131, 134, 143, 150, 154. Aizanoi 107. Akarnanien i, 10, 12, 20, no. Akragas 36. Alexandrien 33, 42, 56, 66, 67, 78, 82, 85, 86, 91, 93. 94, 109, iio, 114, 153, 154. Alinda ιοί. Ancona 147. H. Andreas 3. Antiochien a. 0. 66, 68, 85, 135, 141. Aosta 133. Apameiaa. 0. 33, 95, 136, 141, 154. Aphrodisias 94, 138. Arabien 95, 109, 134, 138, 148. Argos 4, 7, 13, 31. Arkadien 2, 4, 8, 10, 118. Arne 7. Aspendos 9, 120. Assos 7, 13, 81, 86, ιοί — 103, in, 116, 121, 138, Ϊ39Assur 30, 31. Athen 3—5, 7, 9—11, 20, 23, 27, 29—31, 38, 42—50, 52—54, S«, 60, 61, 63, 86, 87, 102, 104, 107, 108, 114, 116, 118, 138, !39, 155, "57, !59, 162, 163.
Attika 3, 4, 42, 45, 47—49, 54, 60. Au tun 133. Baalbek 144, 150, 161. Babylon 30, 31, 123. 159. Bithynien 141. Bostra 135. 154, 155. Brauron 4. Bremen 6. Britannien 129. Byzanz s. Konstantinopel. Caesarea Pal. 66, 114. Campanien 125, 158. Chalandriani 3. Chersonnesos Taur. 35. Chios 37. Damaskus 67, 85, 103, m, 134—136, 139, 140, 144, 154. Delos 72, 102, 105, 116. Delphi 75, 105. Demetrias 16. Deutschland 3, 6, 157. Didyma 75, 83, 105, 144. Dimini 3. Eleasis 4, 105. Elis 2, 4, 5, 22, 29. Emporion 37. Ephesos 5, 10, 14, 18, 19, 29, 31, 81, 85, 88, 91, 92, ιοί, 103, 104, 106, 107, no, 136, 138, 142, 143, 158, 162. Epidauros 31, 105, 106, 145. Epirus 4. Eretria H.
Register. Erythrae 115. Etrurien 32, 37, 64, 75- I24."5, 131, ι$ζ,ι$6. Florenz 133. Frankreich 131. Gallien 130. Gerasa33, 81, 95, 134,136, 138, 140, 141, 154. Germanien 131. Gigthi 137. Gurnia 3. Halikarnassos 7, 10, 14, 92, 108, 117. Hamburg 6. Heraia 5. Herakleia a. L. 14, 80, 96, no, 112. Herakleia a. S. 14. Herculaneum 92—94, 1516. Hierapolis 92, 93, 135, 139. Jassos 115. Jeronda s. Didyma. Jolkos 16. Jonien i, 5, 19, 27, 29, 30, 32, 35, 37, 40, 42, 43. 46, S«. 54, S», 60, 97, 118, 123, 141, 156, 159· Kalpe 36. Kanatha 134, 154. Karien 15, 30, 108, 117. Karthago 37, 123, 156. Klazomenae 27. Kleinasien r, 4, 6, 30, 37, 120, 134, 135, 138, !39, 153, Σ54, Ι57Knidos 10,12, 14^21,42, 79, 82,92, 93, 94, 107, 113, 114, 117, 138. Knossos 37. Kolophon 5, 19. Konstantinopel 95, 141, 155, 167, 168. Kos 5, 27, 31, 92, 105, 144. Korinth 4, 7, 16. Kreta 3. Kroton 116. Kyrene 31, 32, 8l, 118. Kyzikos 27, 35, Laibach 133. Lakonien 2, 21. Lambaesis 130. Lampsakos 27. Laodikeia a. 0. 135. Larissa 118. Latmos s. Herakleia a. L. Lebedos 115. Lokris i. Lokroi 104.
Lucca 133. Lydien 18, 19, 30. Lykien 107. Magnesia a. M., 14, 19, 36, 37, 49, 81—83, 86—88, 92—94, 96—loo, 102—107, 138, 139, 147· Mainake 36. Makedonien 32, 68, 90, 95, no, 134, 154, 163. Mantineia i, 5, 14, 29, 8l, 82, 92, ιοί, 107, no. Marathon 25, 60. Massalia 37. Megalopolis i, 2, 5, 14, 81, 101, 107, in. Megara 4. Melos 3. Messene i, 12, ιοί. Methymna 89. Milet 3, 5, 18, 29, 30—32, 36, 37, 38, 42—46, 49, 5°, 56, S«, 60, 61, 72, 80—82, 83, 86, 87, 89, 91, 93, 94, 97, 98, 99, 102—104, 106, 107, ι ίο—ii2, 114, 115, 120, 137, 138, 143Mykenae 7, 128. Mytilene 21, 27, 64, 113. Naukratis 31, 36. Neandreia 13, in, 118. Neapel 36, 82. Nikaea 33, 84, 90. Nikomedeia 141. Nimes 144. Nysa 138. Olbia 36. Olympia 73, 84, 105, 106, 117, 145· Oiniadai 14. Paestum 77, 158. Pagasae 16. Palaeokastro 3. Palaestina 66, 142. Palairos 12. Palmyra 134, 141, 144, 154, 155. Pamphylien 81, 107, 142. Pantikapaion 35. Paros 19. Patara 89. Peloponnesos 8, 23, 27, 49. Pergamon 81, 82, 86—88, 89, 98, 101, 105, 106, 108, in, 121, 130, 137, 145, ^53, 162. Perge 80, 89, 118, 142, 146. Persien u, 19, 23—26, 30, 37—40, 47, 46, 118, 159,. Pessinus 107.
Register.
ι7ι
Sidon 30. Sillyon 120. Siphnos 3. Sizilien 32, 37, 123. Smyrna 78, 81, 87, 89, 120, 137. Spalato 145. Spanien 36. Sparta 2—5, 7, 23, 24, 43, 45, 49, in. Sufetula 137. Surrentum 36, 92—94. Sybaris 47, 116. Syrakus 6, no. Syrien 30, 65, 92, 95, 105, 107, 109, 134, 135, 136, 138, 139, 141, H2, 148, 151, 153, 154, 157· Syros 3. 100, 102—107, "2, 121, 122, 139, 143, 102, Tarent 157, 158. Tartessos 36. Pseira 3. Tegea 5. Psophis 10. Puteoli 38, 162. Tell el Amarna 31. Teos 115. Rhakotis 114. Rhamnus 104. Termessos 120. Thamugadi 130, 140, 141. Rhodos 5, 32, 36, 42, 43, 48, 52, 61. Rom 7, 63, 86, 109, no, 123, 124, 126, 130, Thasos 19. 131, 141, 144, 148, 152, 154—163, 166. Theben 4, 7, 23, 63, 117, "8. Salamis 25, 26. Thera 9, 86, ιοί, 107. Thessalien 3, 7, ίο. Samaria s. Sebaste. Samos 7, 10, 12, 14, 19, 27, 31, 33, 37, 43, Thorikos 4. 44, 88, 105, 108, 144. Thurioi 30, 32, 36, 42—44, 46, 47, 49, 52, 54, 56, 59, 116. Samothrake 162. Tibur 162. Sardeis 19, 144. Tigani 21, Sebaste 114. Tiryns 7. Seleukeia 135. Troja 10. Selinunt 6, 31, 32, 36, 77, 82, 92. Turin 131. Sesklo 3. Sia 154. Tyros 30. Side 81, 120, 142. Veji 131.
Petra 109, 138, 145, 147, 148, 151, 155. Philadelphia 141, 154. Philippopolis 135, 154. Ph nikien 30, 36, 37, 123, 156. Phokaea 18, 36. Phrygian 30. Phylakopi 3. Piraeus 14, 21, 29, 30, 32, 36, 38, 42—48, 50—52, 53, 61, 82, 83, 85, loo. Pisidien 81, 142. Pleistarcheia s. Herakleia a. L. Pompeji 70, 72, 93, 102, 103, 108, 119, 123, 127, 129, 130, 136, 139, 140, 145, 146, 149, 156—158. Priene 13, 14, 19, 33, 38, 56, 57, 66, 71, 72, 77, 80—82, 85, 86, 87, 88, 91, 93—97, 98.
2. Personenregister. Caesar 130, 163. Aiakes 20. Alexander d. Gr. i, 23, 32, 69, 78, 162, 165. Caligula 162. Dareios 19. Alkibiades 44. Deinokrates 69, 78. Anaxagoras 44, 58, 59. Demetrios Poliorketes 15, 16. Antiochos I. 100. Dionysios 48. Archeptolemos 43, 44, 49. Aristogeiton 25. Eumenes II 108, 109. Eupalinos 20, 33, 57, 88. Aspasia 44. Euryphon 43. Augustus 66, 147, 159, 162, 163. Glaukos 37. Aurelian no, 130. Hadrian 24, 83, 155, 162. Bathykles 37.
172
Register.
Harmodios 25. Hermogenes 50, 104. Herodes d. Gr. 66, 114. Hippodamos 28—30, 34, 37, 42, 62, 65, 121—123, 129, 131, 136. Histiaios 19. Iktinos 50. Justinian 103. Kallias 47. Kallikrates 57. Kleisthenes 3, n, 26. Kleon 43, 61. Konon 55, 56. Kroisos 18, 19. Lampon 47, 48. Laodike 103. Lysandros 116. Lysimachos 16. Maiandrios 20. Mardonios 24, 26. Metagenes 37. Meton 53, 124.
Miltiades 19. Mnesikles 19. Neleus 46. Nympharetos 46. Peisistratos 3, 9, u, 25. Perikles 43, 44, 47, 51, 52, 58—60. Pleistarchos 15. Polykrates 19, 20. Protagoras 44, 47, 48, 59. Pythagoros 48, 59. Rhoikos 37. Seneca 163. Spkrates 53. Sostratos 74. Themistokles 23, 26, 42, 43, 51, 114. Theodoros 37. Theseus 24, 25. Timotheos 54. Trajan 155. Trimalchio 163. Xenokritos 48.
3. Autorenregister. W. Dörpfeld 8, 26, 71, 82. Aeneas Tacticus 16. H. Droysen 72. W. Aly 39. J. G. Droysen 165. Andokides 24. F. v. Duhn 79, 119. Antiphon 43. F. Dummler 59. Aristeides 52, 120. Aristophanes 42, 44, 47, 52, 60, 61, 124. M. Erdmann 29,30,42—44,47—49, S1"54,68. Aristoteles 17, 25, 28, 32, 42, 43, 45, 48, 49, Etymologium magnum , 20, 22. E. Fabricius 20, 42, 45, 49. Si, 53, S», 59, 62, 64, 78, 103, 120. Athenaeus 60. E. Fiechter 73. D. Fimmen 3. O. Benndorf 18. R. Förster 66. J. Beloch 14, 30, 82, 92. G. Foucart 42, 47, 49. A. Blouet 8. G. Fougeres 36. R. Bohn 12. H. Francotte 2, 5. H. Brunn 57. L. Frankenstein 158. R. Brünnow 136. M. Bulard 71. C. Fredrich 16. A. v. Gerkan 89, 159. L. Bürchner 21, 117. C. Giebler 89. H. C. Butler 154. E. Guillaume 16. R. Congreve 59. Harpokration 51. E. Curtius 24, 30. J. Harrison 26. L. Curtius 20, 24, 49. F. W. Hasluck 36. R. Delbrück 158. F. Haverfield 3i,32,36,81,84,90,126,127,133. Demosthenes 54. Herakleides Ponticus 60. Diodor 5, 42, 48, 56, 57, 69, 70, 85, 117. C. F. Hermann 30, 42, 43, 47, 48. W. Dittenberger 87. A. v. Domaszewski 136. Herodot 5, 6, 18—23, 27, 44, 46, 48, 51» "7·
Register. R. Herzog 88, 94. Hesychius 43, 58. F. Hiller v. Gaertringen 9. Hippokrates 63. G. Hirschfeld 30, 54. Homer 3, 10. J. Hulot 36. K. Humann 22. Jamblichus 48. A. Jard6 51. Jaussen-Savignac 149. A. Ippel 109. Isokrates 51. W. Judeich 8, 9, 24, 25, 54, 55, 82, 115. J. Keil 18, 29, 142. O. Kern 92. H. Kiepert 67. J. Kohte 86. W. Kolbe 44. R. Koldewey 13, 36, 92, 113. E. Kornemann 2, 3, 5, 18, 24, 124, 127. F. Krischen 14, 66, 112, 115. W. Kubilschek 33. K. Graf Lanckoronski 80, 118, 130, 146. K. Lehmann-Hartleben 113. Libanios 66, 135, 141. K. Lyncker 15. Mahmud Bey 67, 70, 85, 87. Malalas 66, 135. W. v. Maries 15. A. Mau 92, 119, 139. E. Meier 45. E. Meyer 22. C. Merckel 30, 53, 88. Ottfr. M ller 30. Ph. Nigris 55, 113. Nepos 24. C. T. Newton 14, 92, 94, 117. H.Nissen 22, 25, 30, 31, 37, 56, 74, 104, 118, 123, 132. F. Noack ίο, 12, 67, 73, 79, 86, no. Oreibasios 63. P. Ossi 74. R. Pagenstecher 70. P. Paris 37. Pausanias 8, 10, 18, 25, 26, 29, 84, 87, 103, 116, 117. E. Pernice 119.
173
Perrot u. Chipiez 12. Philo in, 151. Photios 43, 58. J. Pickard n. Plato 24, 52, 62. Plutarch ίο. Pollux 17. Polyaenus 15, 20. Polybios 90. B. Powell 14. H. Prinz 31. Pseudo-Dikaearch 52, 63, 116, 117. 0. Puchstein 36, 92, 154. A. Rehm 46. A. de Rochas 16, 115. M. Rostowzew 36, 71. L. Ro 13, 20, 22. Sabinus 63. A. von Salis 39. R. Schoene 63. H. Schrader 14. Th. Schreiber 65, 95, 114, 134, 141. C. Schuchardt 3, 12. G. Schuhmacher 139. A. Schulten 36, 37. Stephanus Byz. 15. Stobaeus 48. Strabo 5, 14, 18, 35, 36, 42, 48, 63, 69, 7», 78, 84, 85, 87, 113, 117, 121, 137. F. Studniczka 81, 109, 118. Suidas 17, 51. F. Susemihl 59. H. Swoboda 18. K. M. Swoboda 109, 134, 140, 141. Ch. Texier 85. Theano 48. A. Thiersch 74. H. Thiersch 68, 74, 99. Thukydides ι—3, 5, 10, 12, 23, 24—27, 60. Vitruv 34, 57, 64, 79, 80, 124, 137, 139. W. Vollgraff 13. C. Wachsmuth 24, 54. C. Watzinger 67, 85, 103, m, 134, 139. Th. Wiegand 14, 19, 63, 109, 138, 145, 14?· F. Winter 158. K. Wulzinger 67, 85, 103, in, 134, 139, 148. J. C. Wymer 94, 102, 137. Xenophon 23, 55, 80, 85.
/. Gerkan, Griech. Städteanlagen.
Abb. i.
Eretria.
v. Gerkan, Griech. Städteanlagen.
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Abb. 2.
Palairos.
v. Gerkan, Griech. Städteanlagen.
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Abb. 4.
Herakleia am Latmos,
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Abb. 6.
Milet.
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Abb. 8. Perge.
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Abb. 9.
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