'orgolh' - 'umil': Untersuchungen zur lexikalischen Ausprägung des Altokzitanischen im Sinnbereich des Selbstgefühls 9783110941234, 3484522518, 9783484522510


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German Pages 470 [480] Year 1994

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'orgolh' - 'umil': Untersuchungen zur lexikalischen Ausprägung des Altokzitanischen im Sinnbereich des Selbstgefühls
 9783110941234, 3484522518, 9783484522510

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'orgolh' -

'umil'

Untersuchungen zur lexikalischen Ausprägung des Altokzitanischen im Sinnbereich des Selbstgefühls

Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

vorgelegt von Malte-Ludolf Babin

aus Berlin November 1990

Referent: Koreferent:

Professor Dr. Harald Thun Prof. Dr. Karl Peter Linder

Tag der mündlichen Prüfung: 12. 11. 1990

BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR ROMANISCHE PHILOLOGIE BEGRÜNDET VON GUSTAV GRÖBER FORTGEFÜHRT VON WALTHER VON WARTBURG UND KURT BALDINGER HERAUSGEGEBEN VON MAX PFISTER

Band 251

MALTE-LUDOLF BABIN

- Untersuchungen zur lexikalischen Ausprägung des Altokzitanischen im Sinnbereich des Selbstgefühls

MAX NIEMEYER VERLAG T Ü B I N G E N 1993

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Babin, Malte-Ludolf: «Orgolh» - «umil» : Untersuchungen zur lexikalischen Ausprägung des Altokzitanischen im Sinnbereich des Selbstgefühls / Malte-Ludolf Babin. - Tübingen : Niemeyer, 1993 (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie ; Bd. 251) NE: Zeitschrift für Romanische Philologie / Beihefte ISBN 3-484-52251-8

ISSN 0084-5396

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz und Druck: Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten Einband: Heinr. Koch, Tübingen

ΕΙ Δ Ο ΚΑΙΡΟΣ ΗΝ ΣΑΦΗΣ, ΟΥΚ ΑΝ ΔΥ ΗΣΤΗΝ ΤΑΥΤ ΕΧΟΝΤΕ ΓΡΑΜΜΑΤΑ. Euripides, Hippolytos 386—87

Inhalt

Einleitung

1

1. Zur bisherigen Forschung. Textaus wähl und Methodik aus literarhistorischer und ideologiekritischer Perspektive

1

2. Zu den Prämissen der linguistisch ausgerichteten Semantik 2.1 Die sprachliche Basis 2.2 Linguistische vs. ideengeschichtliche Betrachtung 2.3 Die Frage nach Form und Ansatz der Analyse sprachlicher Inhalte

5 6 7 7

.

3. Zu Voraussetzungen und Prinzipien der Wortfeldtheorie 3.1 Reduzierung des Wortschatzes 3.1.1 Unterscheidung von Synchronic und Diachronie 3.1.2 Unterscheidung zwischen «Technik des Sprechens» und «wiederholter Rede» 3.1.3 Unterscheidung zwischen Sprachnorm und Sprachsystem . . 3.1.4 Unterscheidung zwischen «funktioneller Sprache» und «historischer Sprache» 3.1.5 Zusammenfassung 3.2 Aufstellung eines Wortfeldes 3.2.1 Kriterien der Zugehörigkeit 3.2.2 Innere Gliederung der Wortfelder im Sinne eines Sprachsystems 3.3 Sprachsystem und Textebene 3.4 Schlußfolgerungen

8 9 10 10 11 12 12 13 14 15 16 17

4. Fragen der Onomasiologie 4.1 Die Onomasiologie als feldbezogene Methode 4.2 Die Gliederung nach außer(einzel)sprachlichen Begriffen 4.3 Gliederung auf empirischer Grundlage mit Hilfe definierender Umschreibungen

18 18 20 21

5. Kontextdeutung als Grundlage der semantischen Untersuchung . . . . 5.1 Synonymie und Synonymenhäufung 5.1.1 Der synonymische Kontext 5.1.2 Differenzierung von Synonymen als Stilmittel der Trobadordichtung 5.2 Semantische Deutung aus dem weiteren Kontext

25 26 27 28 29

6. Zum Textkorpus 6.1 Die benutzten Quellen 6.2 Zur Präsentation der zitierten Texte

30 31 31

7. Aufbau der Arbeit

31 VII

Systematische Darstellung der lexikalischen Ausprägung des Altokzitanischen im Sinnbereich des Selbstgefühls

33

I. Religiöse Orientierung

35

Α Einstellung des Ich gegenüber Gott und seiner Schöpfung . . . .

35

1. Theologische Beurteilungskriterien: Laster (—)/Tugend (+)

35

2. Persönliches Verhältnis zu Gott 2.1 Ungehorsam gegenüber Gott, Mißachtung Gottes (—) 2.1.1 Selbstüberhebung in mangelndem Vertrauen zu Gott bzw. Glauben an Gott ( - ) 2.1.2 Selbstüberhebung in mangelnder Frömmigkeit (—) . . . . 2.2 Ergebenheit in Gottes Willen, Demut (in religiösem Sinn (+)). . .

42 42 48 48 49

3. Persönliches Verhältnis zur Schöpfung: Vergehen gegen die gottgewollte Ordnung (der Natur) (—)

53

Π. Allgemein-weltliche bzw. moralische Orientierung

55

Β Einstellung des Ich gegenüber einer vorgesetzten Instanz/Institution oder einem Partner

55

1. Abstrakte bzw. gedachte Instanzen 1.1 Verhalten gegenüber allgemeinen sitdichen Maßstäben 1.2 Verhalten gegenüber Recht, Gesetz, verbindlichen gesellschaftlichen Normen 1.2.1 Allgemeine Mißachtung von Recht und Gesetz (—) . . . . 1.2.2 Konkrete Handlungen gegen Recht und Gesetz (—) . . . . 2. Konkrete bzw. persönliche Instanzen 2.1 Verhalten gegenüber einer übergeordneten, nichtgöttlichen Macht . 2.2 Empörung gegen die Obrigkeit (—) 2.3 Verhalten gegenüber einem hohen Herrn, Lehnsherrn 2.3.1 Unbotmäßiges Verhalten des Vasallen gegenüber dem Lehnsherrn (-) 2.3.2 Ergebenheit gegenüber einem großen Herrn oder Lehnsherrn (+) 2.4 Persönliche Einstellung gegenüber der Kirche (+/—) 2.5 Verhalten der Ehefrau gegenüber ihrem Eheherm 2.5.1 Mißachtung des Eheherm durch seine Frau (—) 2.5.2 Ergebenheit der Ehefrau gegenüber ihrem Eheherrn (+) . . 2.6 Fehlverhalten gegenüber dem Dienstherm (—) 2.7 Fehlverhalten gegenüber Untergebenen, Abhängigen, Niedrigstehenden ( - ) C Einstellung des Ich gegenüber der Gesellschaft bzw. den einzelnen im allgemeinen 1. Persönliche 1.1.1 1.1.2 1.2.1 VIII

Stellung Hohe Stellung, Macht, Rang Geringheit, Niedrigkeit Überhebung auf Grund der persönlichen, materiellen und/oder sozialen Stellung (—)

55 55 59 59 63 67 67 68 68 68 72 78 81 82 82 83 84 87 87 88 100 101

1.2.2 Zurückhaltung, Bescheidenheit trotz hoher persönlicher Stellung ( + )

113

2. Persönlicher Charakter 2.1 HeiTsch-, Ehrsucht ( - ) 2.2 Rücksichtslosigkeit, Härte, Aggressivität, Groll (—) 2.2.1 Verhalten des Ritters und Kriegers 2.2.2 Verhalten im allgemein gesellschaftlichen Rahmen . . . . 2.2.3 Härte, abweisende Haltung im physischen Ausdruck (+) . . 2.3 Härte, ablehnende Haltung am rechten Ort, Festigkeit ( + ) . . . . 2.4 Anstand, Güte, Freundlichkeit (+) 2.4.1 . . . als Ideal gesellschaftlichen Verhaltens i n s g e s a m t . . . . 2.4.1.1 Milde im Umgang mit Menschen 2.4.2 . . . als Ideal ritterlich-höfischen Verhaltens 2.4.3 . . . als Ideal des Verhaltens der Dame 2.4.3.1 . . . im physischen Ausdruck

114 114 117 117 126 135 135 141 142 149 150 153 158

D Einstellung des Ich gegenüber der eigenen Person: Selbsteinschätzung und resultierendes Verhalten

161

1. Überschätzung der eigenen Macht, Kraft, Bedeutung (—) 1.1 Torheit 1.2 Vermessenheit 1.3 Übermut 1.4 Hinwendung zur eigenen Person: Eitelkeit, Einbildung etc 1.5 Herausstellen der eigenen Person: Sichrühmen, Prahlen 1.6 Beschränktheit, Selbstzufriedenheit 1.7 Starre, Unbeugsamkeit 2. Bewußtsein der eigenen Vorzüge, Errungenschaften (+) 2.1 Stolz, Selbstbewußtsein, Selbstachtung 2.2 Stolz in einer bestimmten Hinsicht, auf Grund eines Erfolges etc. . . 3. Einsatz der eigenen Person 3.1 Tapferkeit, Verwegenheit, Kampflust ( ± )

161 162 171 181 186 193 217 218 222 222 227 231 232

Ε Einstellung des Ich zu einem allgemeinen Sittlichkeitsbegriff.

241

. .

1. Bosheit, Schlechtigkeit, Veiderbtheit, Unrecht ( - ) 1.1 Drang zum Bösen (als Wahn oder Krankheit) 1.2 Schlechter Ruf, Ruf der Verworfenheit 2. Gewissen-, Bedenkenlosigkeit (—) 3. 'orgolh' als Nationalcharakter (—) 3.1 . . . d e r Heiden 3.2 . . . der Franzosen 3.3 . . . auf andere Nationen bezogen

242 251 252 253 255 256 258 261

F Einstellung des Ich gegenüber dem Partner in der höfischen Liebe bzw. im allgemeinen

263

1. Aus der Sicht des Liebhabers 1.1 Überhebung ( - ) 1.1.1 Überhebung, Anspruchsdenken als Charakterzug (—).

265 265 266

.

. .

IX

1.2

2. Aus 2.1

2.2 2.3

1.1.2 Überhebung im Sinn einer Handlung, einer augenblicklichen Verhaltensweise (—) 1.1.3 Konkreter Ausdruck einer negativen Haltung im Verhältnis zu oder zur : unhöfische, schädliche Worte und Taten ( - ) 1.1.4 Überhebung aus einem positiven Impuls: als Wurzel des Fehlverhaltens des Liebhabers ( ± ) Unterwerfung, Ergebenheit, Demut ( + ) 1.2.1 . . . in allgemeiner Formulierung 1.2.2 . . . in feudaler Metaphorik 1.2.3 . . . in religiöser Metaphorik der Sicht der Dame Überhebung: Härte, Unnachgiebigkeit gegenüber der Liebe/dem Liebhaber ( - ) 2.1.1 . . . als Charaktereigenschaft 2.1.2 . . . als situationsbezogene Verhaltensweise Härte, abweisende Haltung am rechten Ort, zur rechten Zeit (+) . . Sanftmut, Entgegenkommen, Herablassung (+) 2.3.1 Gnade der Dame als verpflichtendes Ideal 2.3.2 Freundliches Entgegenkommen, Herablassung (konkret). . . 2.3.3 Mitleid, Erbarmen 2.3.4 Herablassung, Freundlichkeit als zweckvolle Äußerlichkeit. .

G Resultate

271

276 290 308 308 327 328 329 330 331 342 358 361 361 363 368 369 371

1. Umfang und Beschaffenheit der lexikalischen Ausprägung des Sinnbereichs des Selbstgefühls im Altokzitanischen 2. Zeitgenössische Definitionen des Begriffes 3. Vorschläge für Lexikonartikel eines künftigen aok. Thesaurus: und seine Ableitungen 388; 401; , v.r. 410; , v.r. 412; v.r. 412; , v.r./v.n. 413; , v.r. 414; 414. 4. Lexikalischer Index 5. Stellenregister

415 421

Anhang

425

und synonym verwendete Lexeme bei Peire Cardenal

425

Verzeichnis der zitierten Literatur

443

X

371 376 385

Abkürzungen

Die folgenden Nachschlagewerke und Bibliographien werden im Lauf meiner Untersuchung geläufig in Abkürzung zitiert: LR

Francois Juste Raynouard, Lexique roman, ou dictionnaire de la langue des troubadours, 6 vol., Paris 1836—44.

SW

Emil Levy, Provenzalisches Supplementwörterbuch. Berichtigungen und Ergänzungen zu Raynouards Lexique roman, 8 vol. (vol. 8 fortgeführt von Carl Appel), Leipzig 1894-1924.

PD

Emil Levy, Petit dictionnaire provenfal-fra^ais, Heidelberg 1909.

DAO

Kurt Baldinger, Dictionnaire onomasiologique de l'ancien occitan, Tübingen 1975 ss.

FEW

Walther von Wartburg, Französisches etymologisches Wörterbuch. Bonn, Heidelberg, Leipzig, Berlin, Tübingen, Basel 1922 ss.

P. C.

Alfred Pillet/Henry Carstens, Bibliographie der Troubadours, Halle 1933. (Schriftenreihe der Königsberger gelehrten Gesellschaft, Sonderreihe, 3)

Frank, R6p.

Istvän Frank, Rdpertoire m6trique de la po6sie des troubadours, 2 vol., Paris 1953-57. (Bibliothöque de l'Ecole des hautes 6tudes, 302. 308)

Zuff.

Francois Zufferey, Bibliographie des pontes proven^aux des XIV® et XVe sifccles, Genfcve 1981. (Publications Romanes et Franfaises, 159)

ms. Brunei

Clovis F. Brunei, Bibliographie des manuscrits litt6raires en ancien provenfal, Paris 1935. (Soci6t£ de publications romanes et franfaises, 13)

XI

Einleitung

1.

Zur bisherigen Forschung. Textauswahl und Methodik aus literarhistorischer und ideologiekritischer Perspektive

Im Unterschied zum altfranzösischen Bereich, wo besonders im Lauf der letzten beiden Jahrzehnte zahlreiche Arbeiten zu einzelnen Begriffen bzw. Wortfeldern veröffentlicht wurden, fehlt es auf altokzitanischem Gebiet weitgehend an ausführlicheren semantischen Studien1. 1

Zur Bibliographie cf. GCappabianca, Rassegna degli studi semantici sulprovenzale dal dopoguerra ad oggi, in: AnnFacLett Napoli 9, 1978/79, 111—24. Trotz ihres auf eine semantische Untersuchung hindeutenden Titels gehört nicht hierher die Monographie von Jacques Wettstein: «Mezura». L'id£al des troubadours. Son essence et ses aspects. Zürich 1945. Wettstein geht aus von den Wurzeln des augustinischen Weisheitsbegriffes und sucht dessen Pendant in der Ideologie des «amour courtois», wobei als die irdisch-weltliche Form der dem Menschen verliehenen auf Grund auch späterer, scholastischer Texte definiert wird. Auf dieser Grundlage versucht Wettstein, die verschiedenen Aspekte eines derart abgeleiteten -Begriffes in der Trobadordichtung nachzuweisen, wobei er einen moralischen, einen sozialen und einen ästhetischen Bereich unterscheidet. Ausgangspunkt von W.s Arbeit ist also nicht, wie bei einer semantischen Untersuchung, der Text, dessen weltanschauliche Voraussetzungen zu ermitteln wären; vielmehr versucht er, vorgegebene ideologische Bezugspunkte in aok. Texten wiederzufinden, deren Quellen und Eigenart auf diese Weise unberücksichtigt bleiben: Daude de Pradas' «Kardinaltugenden» oder die aok. Versionen des «Seneca» werden ebenso als authentische Äußerungen des Trobadormilieus in Anspruch genommen wie die überlieferte Lyrik. Wie stark W.s Analyse statt aus den zugrundezulegenden Texten aus von außen herangetragenen Vorstellungen schöpft, ist besonders deutlich ersichtlich, wenn man den gewidmeten Abschnitt vergleicht. Von einem «Seneca»-Zitat (!) ausgehend heißt es vom «orgueilleux»: «Au lieu de conformer son attitude ä la norme, il s'6rige lui-meme en norme et dispose de tout ä sa guise. L'orgueilleux ne saurait done avoir de mesure. L'orgueil est la dimesure proprement dite et l'origine de toutes les fautes.» (p. 36) Diese weitgehend dem theologischen -Begriff entsprechende Definition ist nicht nur ungeeignet, den tatsächlichen Bedeutungsumfang von aok. orgolh zu erfassen; sie deckt auch nicht jenen der wenigen von W. wirklich zitierten Belege ab (cf. seinen Index und speziell pp. 59 und 62, wo W. selbst mit «duret6» wiedergibt). Festzuhalten bleibt daher nur, daß mit W. dem intellektuellen Bereich zuzuordnen sein dürfte wie der ihm zugrundeliegende Begriff der Weisheit, also nicht dem im Folgenden zugrundezulegenden Sinnbereich zuzurechnen ist

1

Größere Monographien, die wie Charles Bruckers «Sage et son rdseau lexical en ancien franfais» 2 die lexikalische Ausprägung eines ganzen Sinnbereichs für eine historische Sprache unter Heranziehung aller Arten literarischer Texte untersuchten und zu einem für die Sprache der Quellen insgesamt verbindlichen Ergebnis zu gelangen strebten, sind für das Altokzitanische in neuerer Zeit nicht erschienen. Diese Diskrepanz erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß die Okzitanistik nach wie vor wesentlich literarkritisch ausgerichtet ist. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht die Trobadordichtung. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß deshalb keinerlei Interesse an Wortuntersuchungen bestünde. Vielmehr hat sich die Forschung im Zusammenhang mit den Bemühungen um die der höfischen Lyrik zugrundeliegende Ideologie, und zwar nicht erst unter dem Einfluß von EKöhlers soziologischem Interpretationsansatz, intensiv mit immer wiederkehrenden Termini befaßt, denen als Schlüsselwörtern eine entscheidende Rolle beim Verständnis der überlieferten Texte zugemessen wird. Auf diesem engeren Gebiet fehlt es also auch im Altokzitanischen nicht an semantischen Untersuchungen, doch resultieren aus der beschriebenen Perspektive einige methodische Probleme. Eine erste Synthese hat GRCropp in ihrem Buch «Le vocabulaire courtois des troubadours de l'dpoque classique» versucht3. Bereits dieser Titel drückt die doppelte Einschränkung des untersuchten Textcorpus aus: 1. es wird (von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen) nur lyrische Dichtung berücksichtigt; 2. von der lyrischen Dichtung wird nur analysiert, was der sogenannten klassischen Epoche (ca. 1100—1175) angehört.

2

3

(cf. auch infr. § 2.2), anders als sein negatives Gegenstück . Diese Annahme wird durch die Tatsache untermauert, daß fast niemals in synonymischer Verbindung mit zentralem aok. Wortgut aus unserem Sinnbereich auftaucht, während sich im umgekehrten Fall befindet. Zu cf. neuerdings Peter F. Dembowski, dans lapodsie lyrique de l'ancien pro verbal, in: Hans- Erich Keller ed., Studia Occitanica in memoriam Paul Remy (Kalamazoo, Michigan 1986) vol. II pp. 268—80, der statt von einem in seiner Ausdehnung kaum zu erfassenden Begriff vom Lexem ausgeht, das er auf Grund von dessen Vorkommen in ca. 65 % der Trobadorlyrik semantisch zu bestimmen sucht. Trotz der durch die selektive Materialbasis eingeschränkten Gültigkeit von D.s Ergebnissen bieten doch erst diese einen soliden Anhalt für weitere Forschungen, die auch andere Bereiche der aok. Literatur einbeziehen sollten. Charles Brucker, et son r6seau lexical en ancien franijais (des origines au XIP sifecle). Etude historique, s£mantique, stylistique et comparative du vocabulaire intellectuel et moral. Th£se present6e devant l'Universiti de Nancy II le 1er juin 1976. 2 vol. Lille/Paris 1979. In gekürzter und überarbeiteter Form neu: et au Moyen Age. Etude historique, s6mantique et stylistique. Genfeve: Droz, 1987. (Publications romanes et franijaises, 175) Genfeve: Droz, 1975. (Publications romanes et fran^aises, 135). Cropps Bibliographie verweist auf die früher erschienenen einschlägigen Arbeiten.

2

Eine derartige Begrenzung ist aber nur sinnvoll, wenn das damit erfaßte sprachliche Material nicht einen bloß willkürlichen Ausschnitt aus der altokzitanischen Literatursprache erkennen läßt, sondern selbst eine Einheit bildet, wie in formaler, so auch in lexikalischer Hinsicht. Es ist also zunächst zu fragen, wie diese Selektivität methodisch gerechtfertigt wird. Viele Einzeluntersuchungen setzen offenbar die in sich geschlossene Einheit des genannten Ausschnitts als selbstverständlich voraus. Das läßt sich allerdings nur aus ihrer Exemplifizierung durch Zitate aus dem Werk von Trobadoren der «klassischen» Epoche entnehmen. Demgegenüber hat MBeretta Spampinato in ihrem programmatischen Aufsatz «Per un esame strutturale della lingua poetica dei trovatori»4 die theoretische Prämisse formuliert, die über ihre eigene Arbeit hinaus den semantischen Untersuchungen zur «Trobadorlyrik» allgemein zugrundeliegt: Fin dai suoi primi rappresentanti la lirica trovatorica έ caratterizzata dal possesso di un linguaggio, distinto dall'uso comune, dotato di un lessico proprio e di formule che si fanno via via piü rigorose. Molte voci ed espressioni non appena entrate nell'uso della scuola poetica trovatorica subiscono un'amplificazione del loro senso ο una specializzazione significativa, si arrichiscono di nuove sfumature percepibili ed identificabili solo da una minoranza di intenditori. [...] non ο'έ dubbio che, grazie alia selezione cui prima si accennava, la lingua della poesia lirica si έ formata come sistema relativamente chiuso.5 Hiernach ist die «lingua della poesia lirica» nicht nur ein abgrenzbarer Teilbereich der altokzitanischen Literatursprache, sie ist mehr: ein «relativ geschlossenes System», das sich nicht innerhalb des «uso comune», sondern neben diesem und über diesen hinaus entwickelt hat. Versucht man nun, dieses System im Rahmen der Literatursprache aufzufinden, erweist sich unmittelbar die Schwäche dieses Konzepts: 1. Zunächst und vor allem macht Beretta Spampinato keine Anstalten, den Begriff «lirica trovatorica» näher zu bestimmen: Ist die gesamte, durch Form und Überlieferung (in Sammelhandschriften) definierte Trobadorlyrik gemeint oder bezieht sich Beretta Spampinato ausschließlich auf die lyrische Dichtung des 12. Jahrhunderts? Aus den im selben Artikel bei der Untersuchung von und beigebrachten Belegen geht eindeutig hervor, daß letzteres der Fall ist. Wie verträgt sich das mit dem behaupteten Systemcharakter der Trobadorsprache? Inwiefern stellt das letzte Viertel des 12. Jahrhunderts eine Epochenscheide dar? Cropp, die ähnlich verfährt, beruft sich auf ein sehr allgemein gehaltenes ästhetisches Urteil von SC Aston, wonach «une certaine uniformite banale rögne dans la po£sie postdrieure au döbat [sc. sur le — ] qui a dü avoir lieu vers 1170»6. Abgesehen davon, daß mir diese These auch vom rein literari4 5 6

Filologia e Letteratura 16, 1970, 39-73. (Wie n. 4) p. 39. Vocabulaire courtois pp. 14—15 und n. 14. 3

sehen Standpunkt sehr anfechtbar erscheint, ist sie linguistisch ohne Relevanz und rechtfertigt nicht Beretta Spampinatos faktische Abgrenzung. 2. Beretta Spampinato stellt das «lessico proprio» der Trobadorlyrik (in ihrem Sinn) einem nicht näher bestimmten «uso comune» gegenüber. Hierbei ist aber nicht zu übersehen, daß die Überlieferung nicht-lyrischer Texte des 12. Jahrhunderts sehr spärlich ist, sieht man von den Urkunden ab. Läßt sich angesichts so wenig umfangreichen Vergleichsmaterials ohne weiteres von Bedeutungserweiterung bzw. -Verengerung sprechen, wie Beretta Spampinato es tut? 3. Wesentlicher ist noch ein Hinweis auf eine heterogene Textgruppe, die erst nach dem von Beretta Spampinato bevorzugten Zeitraum richtig in Erscheinung tritt, ein Hinweis auf die nicht-lyrischen literarischen Texte, seien sie epischer, romanesker, historiographischer oder hagiographischer Natur: Wäre ihnen das «lessico proprio» der «Trobadorlyrik» durchweg fremd? Wie wenig wir berechtigt sind, bei der Betrachtung höfischer Sprachformen die erzählende Literatur beiseitezulassen, hat bereits Guido Favati im Zusammenhang mit der vergleichsweise späten «Flamenca» (etwa Mitte des 13. Jh.s) gesehen7. Die Sprache dieses Romanfragments ist durch und durch, entsprechend seinem Gegenstand, vom «lessico proprio» der Trobadorsprache geprägt, ohne daß deshalb unmittelbare Abhängigkeit von den Lyrikern nachweisbar wäre. Aber selbst wo sich Zitate erhaltener Lyrik in epischen Texten finden, der Einfluß der Trobadorlyrik also unverkennbar ist, scheint es wenig sinnvoll, den Sprachgebrauch der jeweiligen Dichter im übrigen von jenem der Trobadors trennen zu wollen. So hat ESchulze-Busacker in jüngerer Zeit für die kleine «chanson de geste» «Ronsasvals», die wohl auf das Ende des 12. Jahrhunderts zurückgeht8, trobadoreske Einflüsse auch in Stilmustern und Vokabular nachgewiesen9. Die vorgetragenen Einwände besagen nicht, daß die Trobadordichtung das vorgefundene Sprachmaterial unverändert gelassen hätte. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß das altokzitanische Lexikon unter dem Einfluß der Trobadors beträchtliche Wandlungen durchgemacht hat. Nur bleibt das im einzelnen nachzuweisen — Beretta Spampinato setzt diese Annahme bereits als Tatsache voraus. Ferner ist festzuhalten, daß möglicherweise literarische, auf keinen Fall aber sprachliche Gründe bestehen, nur Dichtungen bis zum dritten Viertel des 12. Jahrhunderts bei einer semantischen Untersuchung zu berücksichtigen. 7

8

9

GFavati, Studio su Flamenca, in: StudMedVolg 8, 1960, 6 9 - 1 3 6 , spez. 136: « [ . . . ] come poeta d'amore s'inseri anch' egli [sc. l'autore di «Flamenca»], e sia pure con la possanza che gli abbiamo riconosciuta, nella tradizione trovadorica dei cantori dell'.» Cf. M. de Riquer, La fecha del y del segiin el armamento, in: BRAE 49, 1969, 2 1 1 - 5 1 . ESchulze-Busacker, R6miniscences lyriques dans Γέρορέβ occitane de , in: Charlemagne et Γέρορέε romane. Actes du VIF Congrös de la Sociite Rencesvals, Lifege 1978, 707-18.

4

Schließlich und vor allem berechtigt nichts dazu, neben der lyrischen Dichtung alle übrigen literarischen Gattungen als nicht eigentlich der Trobadorsprache angehörig auszuklammern: Wo wir es nicht mit gleichberechtigtem Sprachgebrauch, ζ. B. durch den Autor von «Flamenca», zu tun haben, kann doch Beeinflussung durch trobadoreske Sprache vorliegen — und derartige zeitgenössische Nachahmung ist gleichermaßen von linguistischem wie literarhistorischem Interesse. Wenn die von Beretta Spampinato formulierten Kategorien also nicht den Gegebenheiten der Sprache entsprechen, ergibt sich daraus die Notwendigkeit, semantische Deutungen auf eine andere, breitere Grundlage zu stellen. Kennzeichnend für den überwiegenden Teil der semantischen Untersuchungen zum Altokzitanischen, das habe ich bereits hervorgehoben, ist das primäre Interesse an nicht-sprachlicher Begrifflichkeit, deren Untersuchung nichtsdestoweniger in linguistische Terminologie gekleidet wird. Das gilt auch für das erwähnte Buch von Cropp, dessen Perspektive schon deshalb von besonderem Interesse ist, weil es allein zum engeren Thema der vorliegenden Arbeit eine systematische Stellungnahme bietet. Zwar erweckt die Autorin im Leser mit der Erwähnung eines «depouillement systdmatique du vocabulaire des troubadours» (p. 3) einerseits die Erwartung einer sprachlich orientierten Untersuchung, andererseits geht bereits aus den ersten Seiten ihrer «introduction» ihr eigentliches Interesse hervor. So heißt es unter anderem: Nous avons tenu ä choisir et ä examiner les termes qui designent en proven^al les aspects essentiels de 1'amour courtois et de la courtoisie.10

Es geht Cropp nicht so sehr um den semantischen Gehalt einer Reihe altokzitanischer Vokabeln, und sei es im oben skizzierten, eingeschränkten Rahmen, sondern um die ideologischen Vorstellungsgehalte, die mit Hilfe dieser Vokabeln zum Ausdruck gebracht werden. Die Belege, die sie für die jeweiligen Wörter beibringt, sind ausgewählt nach ihrer Aussagekraft über ein bestimmtes Verhalten, das das betreffende Wort vorzugsweise bezeichnet, nicht im Hinblick auf eine linguistisch orientierte semantische Analyse. So trägt Cropp zur Kenntnis der Trobadorideologie und -psychologie bei, nicht zu jener eines (von vornherein nach nichtsprachlichen Kriterien umrissenen) Ausschnitts aus dem altokzitanischen Lexikon.

2.

Zu den Prämissen einer linguistisch ausgerichteten Semantik

Aus dem am Beispiel zweier charakteristischer Vertreter der bisherigen Forschung Ausgeführten ergibt sich, daß eine im eigentlichen Sinn semantische Untersuchung zum altokzitanischen Lexikon, wie sie im Folgenden versucht werden soll, 10

(Wie n. 4) p. 14.

5

1. weder literarhistorische noch ästhetische Kriterien zugrundelegen darf, um die Materialbasis zu bestimmen, 2. ihre Aufmerksamkeit auf den Bedeutungsgehalt der untersuchten Wörter selbst zu richten hat, statt die dahinterstehende oder dahinter vermutete ideologische Konzeption zu analysieren. 2.1

Die sprachliche Basis

Um der Forderung nach einer einheitlichen, klar abgrenzbaren sprachlichen Basis für eine solche Untersuchung gerecht zu werden, kommt nur eine möglichst umfassende Berücksichtigung der altokzitanischen Literatursprache vom 11.-15. Jahrhundert in Betracht, und entsprechend bin ich bei meiner Untersuchung vorgegangen. Die trotz dialektaler Anklänge grundsätzliche Einheitlichkeit der Trobadorsprache ist seit Raimon Vidals «Razos de trobar»11 immer wieder betont worden und braucht hier nicht noch einmal erörtert zu werden; daß diese Κοϊηέ als Standard auch von Autoren anderer literarischer Gattungen angestrebt wurde, belegt ζ. B. die Entschuldigung des Raimon Feraut: [ . . . ] car ma lenga non es del drech proenzales.12

Das Eindringen dialektaler, im engeren Sinn provenzalischer Züge in seinen Text wurde von dem aus Nizza gebürtigen Abt als Verstoß empfunden. Diese Standardisierung der Literatursprache erlaubt auch die Einbeziehung der außerhalb von Südfrankreich, d. h. vor allem der in Italien und Katalonien entstandenen lyrischen Texte einerseits und die grundsätzlich synchrone Behandlung der über immerhin gut drei Jahrhunderte verteilten Materialien andererseits. Es ist wohl nicht zu verkennen, daß auch hier bestimmte semantische Entwicklungen beispielsweise erst dem späten 13. bzw. dem 14. Jahrhundert angehören; angesichts der starken Verflechtung der literarischen Tradition und der Unmöglichkeit, eine genügende Zahl von Texten genau zu datieren, ist aber jeder Versuch einer diachronisch orientierten Untersuchung im Rahmen des Altokzitanischen zum Scheitern verurteilt. Die Zugrundelegung der Literatursprache schlechthin bedeutet, daß prinzipiell alle literarischen Texte in eine semantische Untersuchung einzubeziehen sind. Ich habe in meiner Studie diese Bezeichnung weit gefaßt und auch naturwissenschaftliche Texte, Übersetzungen und religiöse Gebrauchsliteratur berücksichtigt. Auf die Zusammensetzung des Textkorpus werde ich im Abschn. 7.1 noch eingehen.

11 12

Ed. Marshall (London 1972) Β 6 2 - 6 4 . Vida de Sant Honorat ed. ISuwe (Upsala 1943) vv. 9 1 - 9 2 .

6

2.2

Linguistische vs. ideengeschichtliche Betrachtung

Eine linguistisch ausgerichtete semantische Untersuchung wird sich, im Gegensatz zur bisherigen Praxis in der Okzitanistik, nicht sprachlich mehr oder minder isolierten Schlüsselwörtern und damit der Erkenntnis außersprachlicher Ideologien zuwenden, sondern die Analyse sprachlicher Inhalte betreiben. Diesen entspricht jeweils eine Serie sprachlicher Zeichen, deren Verwendung sinnvollerweise im Zusammenhang zu betrachten ist. Ausgangspunkt meiner Untersuchung sind die Lexeme und . Während Cropp diese unter einem nicht-linguistischen Gesichtspunkt gesondert analysiert, ergibt sich bei einer sprachlich orientierten Fragestellung das Problem ihres Stellenwertes im aok. Lexikon. Auf welche Weise dieser am sachdienlichsten zu ermitteln ist, wird in den folgenden Abschnitten (§§ 3, 4) zu klären sein. Es sei aber bereits hier darauf hingewiesen, daß wie nach Ausweis der Texte semantisch sehr stark differenziert sind und die Einschätzung ihres lexikalischen Stellenwertes sich entsprechend schwierig gestalten wird. Dazu hat zweifellos die bevorzugte Verwendung beider in verschiedenen ideologischen Kontexten (nicht nur dem höfischen!) beigetragen, wozu im jeweiligen Zusammenhang noch Näheres zu sagen sein wird. Der Schluß liegt nahe, daß eine saubere Trennung von (primärem) Sprachinhalt und Ideologie nicht immer möglich, ja nicht einmal tunlich ist, da beide in Wechselwirkung stehen, also auch eine linguistische Untersuchung nicht ohne einen gelegentlichen Rückgriff auf (literar-)historische Ergebnisse auskommt. Ein systematisches «approfondissement iddologique qui implique le recours ä des disciplines comme l'histoire des mentalis», wie es Payen in seiner Rezension von Cropps Buch zur Sinnbestimmung gefordert hat, kommt hier dagegen nicht in Betracht13. Es gilt zunächst, auf der Ebene einer Sprache Bedeutungsentwicklung und -distribution zu klären; erst die so gewonnenen sprach- bzw. textinternen Fakten können in einem weiteren Schritt aus historischer Sicht interpretiert werden. Andernfalls werden die zu untersuchenden Materialien allzu leicht in Bezüge gesetzt, die ihnen an sich fremd sind. Wie sich im Lauf der Untersuchung zeigen wird, ist das im Fall von schon geschehen14. 2.3

Die Frage nach Form und Ansatz der Analyse sprachlicher Inhalte

Ziel meiner Untersuchung ist die Erschließung und Deutung eines Ausschnitts aus dem aok. Wortschatz primär nach sprachlichen Gesichtspunkten auf der Grundlage der überlieferten Texte. Die Frage, wie dabei im einzelnen vorzugehen ist, soll in § 5 erörtert werden. Vor dem Sammeln und Interpretieren der Belege muß zunächst jedoch geklärt werden, nach welchen Gesichtspunkten das Material am sinnvollsten zu13 14

CCM 21, 1978, 151. Insbesondere hat man die Hauptsünde der immer wieder im Gebrauch von aok. orgolh zu finden gemeint, ohne Rücksicht auf den Kontext. 7

sammengestellt und geordnet werden kann. Zwar stehen und im Mittelpunkt des Interesses, doch gilt es ja gerade, die als «Schlüsselwörter» bislang weitgehend isolierten Lexeme in ihrem sprachlichen Kontext zu betrachten und das semantische Umfeld beider in die Untersuchung einzubeziehen. Dafür stehen in erster Linie zwei Methoden zur Verfügung: Wortfeldtheorie und Onomasiologie, deren Nähe bzw. Ferne zueinander je nach dem Standpunkt des Betrachters ganz unterschiedlich beurteilt worden ist (cf.infra § 4). Die beiden folgenden Abschnitte (§§3,4) wollen nicht so sehr in die allgemeine theoretische Diskussion eingreifen als vielmehr die Kriterien beider Methoden hervorheben, die mir für die Frage ihrer Anwendung im vorliegenden Fall entscheidend scheinen.

Zu Voraussetzungen und Prinzipien der Wortfeldtheorie 15

3.

Sieht man von Vorformen und später nicht weitergeführten Parallelentwicklungen ab, geht die Wortfeldtheorie auf die von JTrier zu Beginn der dreißiger Jahre entwickelte Lehre vom Wortschatz einer bestimmten Sprachstufe als einem nach inhaltlichen Gesichtspunkten in Felder gegliederten Ganzen zurück. Zunächst von Trier selbst, später von Weisgerber und seiner Schule wurde die Wortfeldtheorie ausgebaut, ergänzt, wurde an ihrer methodologischen Absicherung gearbeitet. Trotz Entwicklung einiger Leitlinien16 blieben dabei Bestimmung und Gliederung der Wortfelder weitgehend der Intuition und freien Entscheidung des einzelnen Forschers überlassen (cf. dazu § 3.2). Demgegenüber hat die strukturelle Semantik, die ECoseriu seit den sechziger Jahren in die Wortfeldtheorie einbrachte, durch die Einführung einer Reihe von Begriffsbestimmungen und -differenzierungen einer gewissen methodischen Unsicherheit ein Ende bereitet. Hatte man Trier vorgeworfen, statt am lebendigen Sprachgebrauch des modernen Deutsch seine Theorie am ahd./mhd. Wortschatz vorzuführen17, gilt die Ausrichtung der Wortfeldtheorie in der Gestalt, die Coseriu ihr gegeben hat, vorwiegend zeitgenössischen Sprachzuständen und -strukturen; darüber hinaus hat Coseriu auch die Möglichkeit des Vergleichs semantischer Strukturen verschiedener Epochen aufgezeigt18. Die 15

16

17

18

Für Geschichte und Charakterisierung der verschiedenen Ansätze verweise ich ein für allemal auf: Horst Geckeier, Zur Wortfelddiskussion. München: WFink, 1971. (Internationale Bibliothek für allgemeine Linguistik, 7) Cf. Helmut Gipper/Hans Schwarz, Bibliographisches Handbuch zur Sprachinhaltsforschung. Teil I, Liefer. 7: Einleitung (1966), pp. LXIV-LXVI, mit «Thesen» zur Feldlehre. Wesentlich unter den Systematisierungsbemühungen scheint mir auch der Entwurf einer Ordnung nach Sinnbezirken als Grundlage für die Abstekkung eines feldmäßig zu gliedernden Sinnausschnittes (dazu noch infra § 4.3). Zuerst und vor allem in: Jost Trier, Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Von den Anfängen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Heidelberg: Winter, 1931. ECoseriu, Pour une semantique diachronique structurale, in: TraLiLi 2, 1, 1964,

8

Theorie der semantischen Analyse mittelalterlicher lexikalischer Felder an und für sich ist darüber ins Hintertreffen geraten. Es ist also zu fragen, inwieweit die Hauptkriterien dieser modernsten Form der Wortfeldtheorie wie deren Grundpostulate überhaupt diese auf mittelalterliche Sprachen bzw. Sprachformen im allgemeinen und das Aok. im besonderen anzuwenden erlauben. 3.1

Reduzierung des Wortschatzes

Der Gesamtwortschatz einer historischen Sprache läßt sich ohne eine vorangehende Differenzierung nicht feldmäßig analysieren. Eine entsprechende Einschränkung wird bereits in Arbeiten aus der Weisgerberschen Schule gemacht. Eine der Thesen, die Hans Schwarz zur Sprachinhaltsforschung aufstellt, lautet daher: 5. [...] Nur Sprachmittel mit Stellenwert, also solche, die fest in die [sprachliche] Gliederung eingebaut sind und damit einen Platz im Sprachinhalt haben, unterliegen feldkundlicher Betrachtung, und zwar nach Maßgabe ihres Anteils am Stellenwert. (Gelegenheitsbildungen, bloße Metaphern u. dgl. scheiden aus. Das Hauptaugenmerk gilt dem Grundwortschatz.)19 Über diese Einschränkung, die einer Entscheidung von Fall zu Fall noch relativ viel Spielraum läßt, geht die von Coseriu entwickelte Methodik wesentlich hinaus. Auf dem Weg zu den homogenen sprachlichen Untersuchungsobjekten, die für eine Betrachtung mit Hilfe der nach strukturalistischen Prinzipien systematisierten Wortfeldtheorie geeignet sind, nimmt Coseriu sieben Vorunterscheidungen vor20. Nicht alle diese Vorunterscheidungen sind in Hinblick auf den vorliegenden Zusammenhang relevant21, doch belegen vier darunter

19 20 21

139—86. — Bei den Beispielen, die er gibt, hält Coseriu sich allerdings nicht immer an die von ihm selbst formulierten theoretischen Prämissen. So läßt er das Prinzip der «langue fonctionnelle» beim Vergleich der Verwandtschaftsbezeichnungen im Lateinischen und in den romanischen Sprachen außer acht: «Dans toutes les langues romanes on a abandonnd les distinctions entre et et entre dans la litterature du XIIC siecle. Paris: Klincksieck, 1964, p. 17. Es ist klar, daß damit in der modernen Übersetzung der polyvalente Charakter der Schlüsselwörter verloren geht, doch ist dies immerhin der Festlegung auf ein bestimmtes Äquivalent vorzuziehen, das möglicherweise lediglich aus etymologischen Rücksichten gewählt wird. Die Übersetzung ist, zumal in den Textausgaben, ohnehin als gedacht. Es braucht hier nicht diskutiert zu werden, inwieweit auch im Rahmen modemer Sprachen der Beitrag des Kontextes zum nur virtuellen Gehalt des isolierten Wortes semantisch konstitutiv ist. Cf. dazu die Diskussion bei Hans-Martin Gauger, Zum Problem der Synonymie. Tübingen: Narr, 1972, pp. 66 ss.

25

5.1

Synonymie und Synonymenhäufung

Auch bei der Interpretation des Wortes im Kontext ist eine klare Trennung von Sprachwissenschaft und literaturwissenschaftlichen Methoden (die Textinterpretation betreffend) weder möglich noch zu wünschen. Die Entfremdung der Disziplinen hat sich im hier wesentlichsten Problemzusammenhang bereits ungünstig ausgewirkt: in der Frage nach der Bewertung der Synonymie. In sämtlichen romanischen Literaturen des Mittelalters, und darüber hinaus teilweise bis ins 17. Jahrhundert, ist eine im Rahmen der Literaturwissenschaft seit langem ausgiebig diskutierte rhetorische Technik verbreitet, die sogenannte Synonymendoppelung oder, allgemeiner, Synonymenhäufung72. Sie findet sich ganz besonders häufig in der altokzitanischen Literatur; von der Bewertung des Phänomens hängt daher zum wesentlichen Teil die semantische Analyse der einzelnen Lexeme im Kontext ab. Pellegrini definiert: Chiamo iterazione sinonimica la figura di parole per cui un concetto, anzieht mediante un solo termine, viene espresso in maniera insistent« mediante l'aggruppamento di due ο piü sinonimi, ο di quasi sinonimi, ο di vocaboli non sinonimi di necessity ma come tali adoperati in un contesto.73

Unabhängig davon, wie man diese im wesentlichen auch von Elwert74 übernommene Begriffsbestimmung bewerten mag, ist offensichtlich, daß sie die im Ansatz bereits 1718 von Gabriel Girard in Frage gestellte, heute allgemein abgelehnte Definition der Synonyma als bedeutungsgleicher Wörter voraussetzt75. Diese Bedeutungsgleichheit steht danach grundsätzlich für jeden Text fest; andererseits kann sie aber auch im Einzelfall hergestellt werden («come tali adoperati»). Eine derartige Aufteilung ist kaum zulässig, da Synonyme im angegebenen klassischen Sinn (also auf der Ebene des Sprachsystems) nicht existieren, wohl aber auf der Ebene der «parole» sinnverwandte Lexeme bedeutungsgleich verwendet werden können. So definiert Gauger: La complete identiti de contenu est un ph6nom£ne de la parole (); eile n'est pas un phinomöne de la langue (). Dans la langue il n'y a que la similitude qui peut 8tre plus ou moins grande.76 72

73 74 75

76

Die ältere Bibliographie bei SPellegrini, Iterazioni sinonimiche nella Canzone di Rolando, in: StMedVolg 1, 1953, 155-65; cf. ferner WThElwert, La dittologia sinonimica nella poesia lirica romanza delle origini e nella scuola poetica siciliana, in: BollCentStFilLingSicil 2,1954, 1 5 2 - 7 7 (neu gedruckt in: WThElwert, Studien zu den romanischen Sprachen und Literaturen III (Wiesbaden 1970) pp. 171—96); id., Zur Synonymendoppelung vom Typ , , in: ASNS 193, 1957, 40—42; id., Zur Synonymendoppelung als Interpretationshilfe, in: ASNS 195, 1959, 24—26; GFavati, Nascita e morte dell'iterazione sinonimica come dittologia, in: Omaggio a Camillo Guerrieri-Crocetti (Genova 1971) pp. 2 7 1 - 8 5 . (Wien. 72) p. 155. La dittologia sinonimica (wie n. 72) Ndr. p. 173: «una definizione [ . . . ] ottima». Zur Definitionsgeschichte cf. vor allem HMGauger (wie n. 71) und, knapp zusammenfassend, Geckeier (wie n. 16) pp. 446 ss. (Wie n. 71) p. 133. Gegenüber dem Postulat der Bedeutungsgleichheit auf der Ebe-

26

Pellegrinis «sinonimi», «quasi sinonimi» etc. sind also gleichermaßen als kontextuelle Synonyma in einem allgemeinen Sinn anzusehen. 5.1.1

Der synonymische Kontext

Pellegrini schließt ausdrücklich die Möglichkeit aus, daß innerhalb einer derartigen rhetorischen «iterazione» semantische Differenzen zwischen den einzelnen Gliedern auszumachen wären. Im Gegenteil: Interi lavori di lessicologia sono inficiati dalla mancata conoscenza del procedimento retorico in causa, costruiti come sono sull'erroneopresupposto metodologico che tra le voci di un gruppo debba esistere di necessitä una sostanziale differenza di senso. 77

Hier ergibt sich jedoch eine wesentliche Diskrepanz zur modernen Synonymentheorie. Gauger unterscheidet nicht-synonymische und synonymische Kontexte. Letztere werden dadurch charakterisiert, daß die «Synonyme als Synonyme, d. h. hinsichtlich ihrer Synonymität, thematisiert» werden78. Das ist bei der in Frage stehenden rhetorischen Figur zweifellos der Fall. Doch folgt daraus, daß auch hier die bewußte Zusammenstellung inhaltsähnlicher Wörter Inhaltsverschiedenheit, ein «metasprachliches » impliziert79? Hiergegen scheint entschieden die Formelhaftigkeit immer wiederkehrender Zusammenstellungen zu sprechen80, wo eine semantische Differenzierung der beteiligten «Synonyma» nicht möglich ist. — Wäre es auszuschließen, daß, vor ihrer Erstarrung zur Formel, die zusammengestellten «Synonyma» durchaus semantisch selbständig waren und einander im Rahmen der Zusammenstellung ergänzten bzw. differenzierten, der synonymische Kontext im Sinn von Gauger also bewußt war? Erst später hätte der Einfluß einer starken literarischen Tradition wie der altokzitanischen dieses Bewußtsein verblassen lassen. Allerdings hätte die Berücksichtigung dieses Problems von literaturwissenschaftlicher Seite wohl am uneingeschränkten Postulat der Synonymendoppelung nichts geändert.

77 78 79 80

ne der fragt Geckeier (wie n. 16) p. 449, ob hier nicht vielmehr das Phänomen der «vielfachen Bezeichnung» vorläge. Eine Begründung für diese Annahme gibt er indessen nicht. Pellegrini (wie n. 72) p. 160. Gauger (wie n. 71) p. 71. Gauger (wie n. 71) p. 103. Zahlreiche Beispiele finden sich bei Elwert, Dittologia (wie n. 72) pp. 183-89.

27

5.1.2

Differenzierung von Synonymen als Stilmittel der Trobadordichtung

Eine nähere Betrachtung der altokzitanischen Texte zeigt dagegen immer wieder, daß die schlichte Übertragung des Begriffs «Synonymendoppelung» insbesondere auf die Trobadordichtung in keiner Weise der Möglichkeit Rechnung trägt, daß ein Trobador durch Besinnung auf die Polyvalenz der Bestandteile einer mehr oder minder traditionellen «synonymischen» Formel diese aufs Neue differenziert auffaßt bzw. eine Synonymendoppelung in Wahrheit einen komplexen Sachverhalt ausdrückt, wiederum dank der mangelnden semantischen Fixiertheit der einzelnen Lexeme auf der Ebene des Sprachsystems. Die mechanische Definition der Synonymendoppelung oder -häufung unterschlägt, daß erst die Interpretation eines größeren Zusammenhangs über ihr Vorhandensein entscheidet bzw. sehr oft eine mögliche Differenzierung, vor allem in Synonymenbinomen, offen bleiben muß. Als Beispiel für die letztgenannte Möglichkeit sei eine Stelle aus einem Gedicht von Gauceran de Saint-Didier zitiert: Sobre totas a de beutat l'empier; Re'ina es de joi, ses contensson, Ε duchessa de valen pretz entier Ε comtessa de cors e de faisso.81 Heißt hier «Gestalt», stellt , ici, ne se competent pas85, mais au contraire se contrebalancent. Les deux sentiments de «colöre» et de «douleur» cohabitent chez notre chevalier- moine devenu troubadour. Bastero verweist dazu auf den sarkastisch-aggressiv gehaltenen Ton des ganzen Gedichts, was er durch Zitieren einzelner, auch weit von v. 1 entfernter Passagen belegt. Darüber hinaus ist aber durchaus wahrscheinlich, daß dem Dichter der übliche Charakter der Formel , was schon ed.

43

Da die vv. 33 und 35 in Korrelation zueinander stehen ( — ), dürften sich beide auf das Verhältnis zu Gott beziehen: Rostang verwirft die Möglichkeit, seine Not könnte ihn dazu getrieben haben, so ohne Rücksicht auf mögliche Folgen Gott Vorhaltungen zu machen, ihn und seine Autorität damit überheblich zu mißachten. Von besonderem Interesse ist schließlich folgender Beleg aus einem Kreuzlied des Folquet de Marselha, worin gegen Schluß indirekt der kastilische König angesprochen wird: A

17.

Qu'aissi valra sos rics pretz per un cen si acuelh Dieu hueimais a companho; qu'elh no vol re mas reconoyssemen: sol que vas Dieu no sia ergulhos, mout er sos pretz honratz et enveios.32

Der Sinngehalt von ist hier genau faßbar dank des Gegensatzes, der zu hergestellt wird: ist der feudalrechtliche terminus technicus für die Anerkennung und Respektierung des Lehnsherrn, bezeichnet demgegenüber also die Auflehnung, den Ungehorsam gegen Gott33. Relativ selten findet sich das von abgeleitete Adverb, um die Mißachtung Gottes auszudrücken:

32 33

Suchier unverständlich war, der daher in (2. H. 13. Jh.): A

20.

Can cazero del sei angels . . . ens Que deroquet erguelh et otracujamens.36

und , in diesem Kontext synonym gebraucht, bezeichnen das Verbrechen (bzw. den Ursprung des Verbrechens) der Engel, die sich gegen Gott empörten und in den Abgrund geschleudert wurden. Ausführlicher noch, unter Verwendung genau derselben lexikalischen Elemente, berichtet Peire de Corbian in seinem «Thezaur» davon: A

21.

Criet. X. ordes, d'angels preclars e resplandens, [...] Mais lo sobeirans ordes, que fo plus bels e gens, Celui trobet orgoillz ez enveia noisens,

34 35 36

(Wie n. 22) vv. 202. 205-10. Ms. Brunei 228, ed. Shepard vv. 3 5 - 4 0 . Ms. Brunei 194, ed. Meyer vv. 191-92. 45

Que.s cuget egalar ab Dieu comunalmens; En eis l'ora que.il venc eel outracuidamens, Perdet sa gran beutat e fon del eel chazens, Oribles et escurs e negres e pudens.37 Die Anspielungen auf diese berühmte Episode sind relativ zahlreich, vorwiegend wird in diesem Zusammenhang allerdings von gesprochen38. In ganz ähnlichem Sinn und Zusammenhang findet sich neben einem Beleg für die Partizipialableitung

oltraeuidan im folgenden Textausschnitt auch mein einziger Beleg überhaupt für ein deverbales Nomen:

sobrans39 A 22.

Ben sai c'Amors es tan granz que leu mi pot perdonar s'ieu failli per sobramar ni reingnei com Dedalus, que dis qu'el era Iezus e vole volar al eel outracuidanz, mas Dieus baisset Yorgoill e lo sobranz.40

Die Situation des «Daedalus»41 ist der des Satans vergleichbar: beide glauben, sie seien Gott (, doch fordert die Syntax einen Konjunktiv, cf. Jensen, The Syntax of Medieval Occitan § 838, ferner die La. von ms. f . P. C. 10, 3, ed. Shepard/Chambers, vv. 3 5 - 3 8 . P. C. 30, 8, ed. Johnston, vv. 2 7 - 2 8 .

58

von gebraucht werden kann — muß sich also den Erfordernissen von beugen, soziales Selbstbewußtsein weicht einer ethischen Norm. Der gleiche Sachverhalt wird allgemeiner formuliert in der folgenden Sentenz des Bemart aus einer Tenzone mit Gaucelm Faidit: Β

10.

«Gausselm, e com auzatz dir qu'enjans si'en amor fina, vas cui totz lo mons aclina?»10

An den bisher angeführten Stellen handelt es sich überall um mehr oder weniger verpflichtende, jedenfalls aber nicht formal bindende Wertvorstellungen und Ideale, denen gegenüber das Ich Stellung bezieht. Im Unterschied zu solch eher privaten Maßstäben mißt sich das Ich auch an sozialen, im allgemeinen Bewußtsein verankerten Kriterien, die oft juristisch fixiert sind, es aber nicht sein müssen. 1.2

Verhalten gegenüber Recht, Gesetz, verbindlichen gesellschaftlichen Normen

Die mir bekannten Belege finden sich größtenteils in der epischen Literatur, und sie alle betreffen die Mißachtung dessen, was in den Augen des jeweils Berichtenden oder Stellung Beziehenden als rechtens angesehen wird. Diese Konzentration der Belegstellen ist nicht verwunderlich, da Rechtfertigung und Schuldzuweisung zum Wesen des Rebellenepos («Aigar et Maurin») wie des stark ideologisierten zweiten Teils der «Chanson de la Croisade Albigeoise» gehören, und auch bei den Unternehmungen des «redresseur de torts professionnel» Jaufre spielt die Frage nach Rechtsverletzungen naturgemäß eine große Rolle. (Dagegen rechne ich nicht hierher die Vorwürfe enttäuschter Trobadore an die ihre Liebe verschmähenden Damen, worauf aus praktischen Gründen erst in Abschnitt F eingegangen werden soll.) 1.2.1

Allgemeine Mißachtung von Recht und Gesetz (—)

In den meisten Fällen ist der Sinn des jeweiligen Lexems, dem ich den Sinn der Verachtung, des Sichhinwegsetzens über das Recht überhaupt oder, seltener, eine bestimmte Satzung beimesse, gesichert durch den parallelen Gebrauch von oder antonyme Verwendung zum Beispiel von . Es kommen vor: orgolh Eine Dame gibt Jaufre Auskunft über die Untaten des Ritters Taulat: Β

10

11.

«Motas armas a de cors trachas

P. C. 52, 3 = 165, 2, ed. Mouzat (ed. GFaid, Paris 1965), Nr. 67, vv. 3 7 - 3 9 .

59

A gran erguel e a gran tort, Ε mot cavaler pres e mort.»11

und wenige Verse weiter heißt es vom selben Taulat: Β

12.

«[...] Car sun paire l'ausis a tort Ε a erguel.»12

An beiden Stellen bilden und eine «Synonymendoppelung», kann nichts anderes heißen als, zunächst, «Auflehnung, Verstoß gegen rechtliche Normen», schließlich soviel wie «Unrecht». Das wird auch von folgendem Passus aus der «Chanson de la Croisade Albigeoise» bestätigt, wo Simon von Montfort vom Grafen von Soissons abgekanzelt wird: Β

13.

«Senh'en corns de Montfort, si a Jhesu Crist plagues Que orgolhs fos drechura e pecatz fos merces, Vostra fora la vila e Γ avers e l'arnes.» 13

wird hier unmittelbar entgegengesetzt. Beide Begriffe finden sich, etwas anders formuliert, ein weiteres Mal, in der Fügung eines Gegensatzpaares, im selben Gedicht: Β

14.

De tota aquesta guerra es parvens e semblans Que Dieus renda la terra als seus fizels amans; Car orgulhs e dreitura, lialtatz e engans Son vengut a la soma, car aprosma. 1 demans.14

wobei die benachbarten und , auch sie auf den Umgang mit den Mitmenschen bezogen, meine Deutung stützen. Schließlich bietet auch das «Aigar et Maurin»-Fragment einen Beleg für als einem allgemeinen Rechtsbegriff entgegengesetzt: Β

15.

«Deus,» dis lo reis, «tant vos dei aorar, Don, per los tors que t'ai fet, non laissar L'orguel Maurin ke no.l face abaissar, Ε lo meu dree sabeir e demostrar.»15

wäre hier also etwa zu verstehen im Sinn von «unrechtmäßige, rechtsverachtende Haltung». In etwas loser gefügtem Kontext ist im «Jaufre»-Roman auch das abgeleitete Adjektiv belegt: orgolhos So preist Jaufre König Artus' Hof: Β

11 12 13 14 15

16.

«[...] Ε eil qe sun a tort menat

Ms. Brunei 161 (= ms. Α des «Jaufre»), ed. Brunei (Paris 1943), vv. 4996-98. (Wien. 11) vv. 5025 - 2 6 . (Wie n. 4) 1.202 vv. 7 3 - 7 5 , ed. Martin-Chabot III (Paris 1961). (Wien. 4) 1.160 vv. 1 - 4 . Ms. Brunei 30, ed. Brossmer, vv. 1208-11.

60

Sun per el a dreit mantengut, Ε Ii ergolos cofundut. Car Deus l'a pausat en dreitura.»16

Hier bietet der Kontext sogar eine mehrfache Bestätigung für die Interpretation des in Frage stehenden Lexems: den werden einerseits die ungerecht Behandelten entgegengestellt, andererseits zweifach König Artus' Gerechtigkeit, den Unterdrückten gegenüber () wie ganz allgemein (), formuliert. In den bisher zitierten Beispielen wendet sich stets gegen einen allgemeinen Rechtsbegriff. Wenigstens einmal richtet er sich jedoch auch gegen bestimmte Rechtsnormen und -Satzungen, und zwar in synonymischer Verbindung mit einem weiteren Nomen: sobreira Taulat stellt Jaufre zur Rede, der ohne um Erlaubnis zu fragen in seine Ländereien eingedrungen ist, rein formal und in Taulats Augen also einen Rechtsbruch begeht, Eigentum verletzt: Β

17.

«Cavaler», dis el, «saber voil Cal sobreira ni cal erguil T'a fait e ma terra intrar.»17

Genau entsprechend verwendet findet sich die adjektivische Ableitung: sobrer Hier wird Taulat seinerseits verurteilt: Β

18.

«Tan es ergolos e sobrers Q'en la cort del rei veno l'autrer Ε ausis lai un cavaler Ses nuil forfait qe no l'avia.» 18

Ferner bin ich einmal auch einer weiteren Ableitung in diesem Sinn begegnet, wiederum in der «Chanson de la Croisade Albigeoise»: sobransier Β

16 17 18 19

19.

Ε escridan: «Toloza! oimais siram sobrier Pos Dieus nos a rendut lo senhor dreiturer, Ε si nos son falhidas las armas ni.lh diner Nos cobrarem la terra e.l lial eretier, Car ardimens e astres e coratges enquier Que cascus se defenda del contrast sobrancer.»19

(Wien. (Wien. (Wie n. (Wien.

11) vv. 6094-97. 11) vv. 5869-71. 11) vv. 4754-57. 4) 1.183 vv. 8 - 1 3 61

Gemeint ist auch hier Simon von Montfort (mit Martin-Chabot ed. fasse ich als personal gebraucht im Sinn von «Gegner»): er wird unmißverständlich von den Tolosanern Raymon VII., dem , dem gegenübergestellt; heißt dementsprechend, wer sich über Erb- und, avant la lettre, Völkerrecht hinwegsetzt. oltracujat an der folgenden Stelle ist weniger eindeutig. Hier kann nur dem Zusammenhang entnommen werden, daß Raymon VII. von Simon von Montfort so genannt wird, da er es wagt, ihm, dem mit der kirchlichen Autorität ausgestatteten, aber auch älteren und erfahreneren Feldherrn entgegenzutreten: Β

20.

«Senhor», so ditz lo corns, «entendetz e gardatz Com yeu soi de Proensa issitz desheretatz, Ε vei estar mos homes perdutz e perilhatz; Que.m combat lo corns joves, car es outracujatz, Que pos issit de Roma s'es aitant enansatz Que m'a touta ma terra e.s pren mas eretatz; Ε s'ara.m toi Belcaire, eu soi tant abaichatz Que tota l'autra terra mi sembla paubretatz.» 20

Wie man sieht, trägt der Kontext zur Interpretation wenig bei; allenfalls könnte man sich auf (v. 9 und cf. v. 13) beziehen: allein die Berufung auf ein Erbe, das man ihm geraubt hätte, impliziert einen Rechtsanspruch seitens Simons, gegen den der verstoßen hat. Wahrscheinlich ist, daß hier nicht allein die spezielle in diesem Abschnitt zu analysierende Bedeutung hat; hier wie sonst gilt es aber, soweit möglich den konkret faßbaren Sinn herauszuarbeiten. Was darüber hinaus mitschwingen mag, kann nur die Untersuchung des literarischen Kunstwerks als Ganzen zu deuten unternehmen. oltracujar (subst. Inf.) im folgenden Beleg kann ebenfalls nur mit Hilfe einer ganz allgemeinen Kontextinterpretation erklärt werden, die unmittelbare sprachliche Umgebung hilft hier nicht weiter: Β

21.

On que an, le devis poders Sap cals clercx fay bona via, Ε sap be la tricharia Dels fals pies de totz mals sabers,

Ε sap com per otracujar An portels tras lor repaire, Per on intran li cofraire Vergonhos, can van cofessar. 21

20

21

(Wien. 4) 1.162 ν v. 8 - 1 5 . Ohne ersichtlichen Grund (Druckfehler?) schreibt Martin-Chabot . Bertran Carbonel P. C. 82, 16, ed. Contini, vv. 2 5 - 3 2 .

62

Diez' und Kolsens Übersetzungen: «aus Hochmut» bzw. «dreisterweise», befriedigen nicht22: m.E. meint einen Verstoß gegen die Regel, ein kirchenrechtliches Vergehen — in diesem Fall wohl gegen die Verpflichtung zur öffentlichen Beichte. galhardia/ricor Diese beiden Lexeme kommen im Sinn der hier zu analysierenden Nuance m. W. nur einmal vor, in ein und demselben Vers der «Chanson de la Croisade Albigeoise», dessen Deutung allerdings Schwierigkeiten macht: Β 22.

«No i a baro ni comte, cavalier ni comdor, Que, per sa galhardia ni per autra richor, Fes mal a maio d'orde ni a cami de santor, Que no Tarda ο no.l penda ο no saut de la tor.»23

Der Passus steht in einer Ansprache Raymons VII. an seine Leute, worin er sie ermahnt, sich keine Übergriffe zuschulden kommen zu lassen. wird, m.E. zu Recht, von Levy SW IV 20 s.v., 3 ad loc. als «Übermut, Vermessenheit» gedeutet, wofür das parallel stehende spricht. Beides kann als «Übermut» allgemein gedeutet werden, spezieller als «Bedenkenlosigkeit, Ruchlosigkeit» heiligen Dingen und den entsprechend zu ihrem Schutz aufgestellten Gesetzen gegenüber. Was aber heißt ? Statt mit Paul Meyer ed. deshalb den ganzen Vers vollkommen anders zu interpretieren24 oder als Oberbegriff gegenüber aufzufassen, schlage ich vor, adverbial zu übersetzen und «oder sonst aus Vermessenheit» zu verstehen. 1.2.2

Konkrete Handlungen gegen Recht und Gesetz (—)

Alle bisher besprochenen Textstellen zeigen die Lexeme aus dem Sinnbereich des Selbstgefühls als Bezeichnungen einer (negativ bewerteten) Haltung des Ich, die entsprechende konkrete Handlungen nach sich zieht. Diese Handlungen werden in denselben Texten zum guten Teil mit eben diesen Lexemen bezeichnet, die Bedeutungserweiterung verläuft also von einer vergleichsweise abstrakten Haltung zur unmittelbaren Tat. Daß es sich dabei um konkrete, genau bestimmbare Taten handelt, beweist zur Genüge eine Reihe von Belegen aus dem «Jaufre»-Roman:

22 23 24

Cf. ed. Kolsen, ZFSL 62, 1939, 203-07 zum Vers; dort auch das Diez-Zitat. (Wien. 13) 1. 191 vv. 29-32. Paul Meyer übersetzte: «pour faire un exploit ou pour s'enrichir», womit zwar eine Differenzierung zwischen und erreicht wird, die leichter verständlich erscheinen läßt, aber nicht die von Raymon doch offenbar beabsichtigte negative Nuance wiedergibt («exploit», ganz positiv konnotiert, kann wohl kaum im Emst, wie Meyer vorschlägt, von Überfällen auf Klöster und Pilger gesagt werden).

63

orgolh Β

23.

«Mais ja per so nun remanra [--•] Qe se pusc, ie.l vendrai l'erguel Qe fes en la cort del Carduil.»25

Jaufire bezieht sich hier auf den Mord an einem Ritter, den Taulat bei einem Hoffest in Gegenwart von König Artus begangen hatte, heißt hier also eindeutig soviel wie «Übergriff», wenn nicht «Verbrechen». Ebenso verhält es sich an der folgenden Stelle, die sich auf dieselbe Episode bezieht: Β

24.

Ε det Ii tal per la peitrina Qe denan lo.i abatet mort Ε fes vilania e tort Ε gran erguel e gran folor.26

Parallel gesetzte und zeigen, wie auch hier aufzufassen ist. Auf die häufig sehr negative Bedeutung von bzw. Ableitungen vom selben Stamm, weit über das übliche «Torheit» hinaus, ist bereits hingewiesen worden. Sie findet sich im Verein mit , immer noch im «Jaufre»Roman, auch an folgender Stelle: Β

25.

«Ε s'anc fes ves vos malvestat, Erguil ni gera ni foudat, Tot enaisi s'en tornara Can vostra cort conusera.»27

Es ist allerdings schwer zu entscheiden, ob die vier nebeneinandergeordneten Lexeme als semantisch differenziert zu verstehen sind — sie alle bezeichnen jedenfalls ein bestimmtes mögliches Vergehen, auch , das in diesem Sinn im «Jaufre»-Roman wenigstens zweimal belegt28, sonst aber sehr selten ist. Schließlich wird sogar in «Synonymendoppelung» mit gebraucht: Β 26.

«[...] comtar vos ai Enans l'erguel e.l gran pecat Que fai [.. ,]»29

Die Bedeutungsnuance «Verbrechen» ist hier offensichtlich. Neben dienen weitere Lexeme der Bezeichnung konkreter Missetaten unterschiedlichen Gewichts, und zwar in erster Linie Ableitungen von : 25 26 27 28

29

(Wie n. 11) vv. 47961 . 4797-98. (Wien. 11) vv. 4760 - 6 3 . (wie n. 11) vv. 5883-86. Cf. SWIV s.v. guerra, 4, «Widerwärtigkeit», mit einem Beleg aus der Lyrik (GuilhAugNov 205, 6 v. 11), wozu man außer dem gegenwärtigen Beispiel mit Lewent, ZrP 48, 1928, 634 noch «Jaufre» A 5027 fügen wird. (Wie n. 11) vv. 5018-20.

64

sobrier (fag) Bei Raimon Vidal stellt der König einen Ritter zur Rede, der trotz eines alten Gesetzes eine aufgesetzt hatte, die zu tragen doch nur dem König zusteht. Es handelt sich also um einen bestimmten Bruch gesetzten Rechts: Β 27.

«Vos avetz fag un ergulhos Ε sobrier fag, segon que.m par, Car auzes l'almussa levar Contra.l mandamen que n'es faitz.»30

sobreira Auf Taulats mehrfach erwähnten Mord bezogen und entsprechend als «Verbrechen» zu deuten ist ein erster Beleg: Β 28.

«Si Taulat fes tan de sobreira, Non es jes aiso la primeira, Qe gran re n'aura d'autras fachas.»31

Anders verhält es sich mit einem zweiten: Β 29.

E.l reis, con francz hom debonaire, Lo melhor c'anc nasques de maire, Asauta.s mais de perdonar Totz temz que de sobreiras far, Ez ac mantinen perdonat Tot son maltalent a Taulat.32

Zwar läßt der Plural kaum einen Zweifel daran aufkommen, daß auch hier ein konkretes Vergehen meint, doch der Gegensatz zu höfischen Tugenden, der hier hergestellt wird (cf. , ), zeigt, daß es sich nicht um Rechtsbriiche stricto sensu, sondern um unhöfische Taten, in diesem Sinn also um Verletzungen höfischer Normen handelt. sobransaria Angesichts des höfischen Kontextes wird auch der folgende Beleg wie Nr. 29 zu deuten sein (auch hier ist der Plural zu beachten): Β 30.

30

31 32 33

[...] Ε que sia a totas genz Humils, amoros e plasenz, Per so que tuit en digan ben. Ε gart si, sobre tota ren, D'enueg e de far vilanias, D'erguil e de sobransarias.33

Raimon Vidal de Besalu, «ergebene Grüße» noch mehrfach bei Guiraut Riquier cf. (wie n. 56) dp. III v. 7 und έρ. VIII ν. 31. P. C. 9, 6, ed. Dumitrescu, vv. 4 1 - 4 4 . Cf. Frede Jensen, The Syntax of Medieval Occitan (Tübingen 1986) § 741. (Wien. 4)1. 151 ν. 10. (Wie η. 4) 1. 174 vv. 2 9 - 3 0

76

acli

So heißt es in einer ihren Anspielungen nach im übrigen ganz dunklen Strophe von Bertran de Born: Β

58.

Marinier, ges pels Chanzis, Si.ls alberga.N Malmiros, No.m fassatz mal a rescos. No.us en serai plus aclis Ni pe.N Peiro La Cassaigna.72

Gouiran ed. übersetzt: «[...] je ne vous serai pas non plus davantage soumis ä cause de [...]». Inhaltlich klar, aber grammatisch zweifelhaft (ist zum folgenden zu ziehen oder wie üblich prädikativ aufzufassen und dahinter zu interpungieren?) ist Giraut de Borneils Lobpreisung Alfons' Vm. von Kastilien: Β

59.

Car a valen Ε mante Pretz, mi cove Qu'ieu l'istei aclis Sers outramaris.73

Kolsen übersetzt: «ein ergebener Diener», cap cli

andererseits wird als adverbiale Bestimmung im genannten Sinn verwendet, so bei Guiraut Riquier, und zwar zweimal in synonymischer Verbindung mit . Nachdem Guiraut es gewagt hat, seinem Herrn (wohl dem Vizegrafen von Narbonne) über eine Verfehlung Vorhaltungen zu machen, fährt er fort: Β

60.

Per que lo prec cap cli cum senhor humilmen que del defalhimen sapcha far bon'emenda. 74

Und ganz ähnlich sichert er sich ab gegen mögliche Vorwürfe wegen unangenehmer Dinge, die er etwa zu sagen haben möchte: Β

72 73 74

75

61.

Ad aquest mieu senhor, al quäl port bon'amor, prec humilmen cap cli que no.s garde de mi qui soi ni so que sai, mas so que Ii dirai prenda en bona fe. 75

P. C. 80, 8, ed. Gouiran (wie n. 53) Nr. 35, vv. 4 1 - 4 5 . P. C. 242, 28 ed. Sharman (wie n. 36), Nr. 35, vv. 86 - 9 0 . (Wie n. 56) έρ. VII vv. 316—19. Ganz ähnlich auch, jedoch ohne Doppelung mit , έρ. VIII v. 202. (Wie n. 56) έρ. XV vv. 4 1 - 4 7 .

77

devocio schließlich findet sich einmal zur Benennung der Ergebenheit einem weltlichen Herrn gegenüber; wie so oft bei Guiraut Riquier scheint auch hier religiöser Sprachgebrauch von Einfluß gewesen zu sein: Β

62.

2.4

Mas sa nobleza vera e sa gran conoisensa e sa pur'entendensa m'an fag sieu per razo, per la devocio que tan y ai avuda (qu'el l'a gen conoguda) e ma bon'esperansa.76

Persönliche Einstellung gegenüber der Kirche (+/—)

Beispiele für die persönliche Einstellung gegenüber der Kirche sind im allgemeinen selten. Ich kann nur jeweils einen Beleg für die positive bzw. die negative Variante beibringen. orgolhos Der Papst sagt von Raymon VII., dem jungen Grafen von Toulouse: Β

63.

«[...] Ε si el ama ben Dieu ni la Gleiza sa maire, Qu'el no sia vas lor ergulhos ni bauzaire,»77

Die Bedeutung von steht fest (Levy PD «trompeur», besser hier Martin-Chabot ed., der «ddloyal» übersetzt) und zeigt, wie zu verstehen sein dürfte: es werden Treue und Gehorsam der Kirche gegenüber gefordert. Dieselbe Mahnung, positiv gewendet, spricht der sterbende Robert von Anjou seinem Enkel gegenüber aus: Β

64.

«Es oy feien, vulha.t Dieus amparar. Ben convenra que tu sias suptils. Ε pregue ti vuelhas esser humils al la Gleya: si ο yest, Dieus lo payre en totz destrix ti sera capdellayre.»78

Demgegenüber findet sich eine ganze Serie von Belegen für unserem Sinnbereich zuzuordnende Lexeme im Sirventes der Gormonda von Montpellier, mit dem sie auf Guilhem Figueiras berühmten Rom-Sirventes antwortete. Um nicht durch Aufnahme der verschiedenen Lexeme in die formale Ordnung dieses Abschnitts das Bild der Beleglage insgesamt zu verfälschen, führe ich sie im Folgenden gesondert auf. 76 77 78

(Wie n. 56) έρ. XI vv. 4 2 - 4 9 . (Wie n. 4) ChansCroisAlb 1. 150 vv. 2 4 - 2 5 . P. C. 461, 133b, ed. Pellegrini, vv. 4 9 - 5 3 .

78

orgolh Β

65.

Roma, be.s cofon e val Ii pauc sa forsa, qui contra vos gron ni bast castelh ni forsa, quar en tan aut mon no.s met ni no s'amorsa que Dieus non recort son erguelh e.l fort. 79

Die vv. 124—25 zeigen unzweideutig, wie (wie so oft auch hier mit gekoppelt) zu verstehen ist: Gormonda zeichnet das Bild eines sich gegen seinen Suzerain (Rom) empörenden Vasallen. Weniger eindeutig ist ein zweiter Beleg von , das hier mit verbunden erscheint: Β

66.

Roma, yeu esper que vostra senhoria e Fransa per ver, cuy non platz mala via, fassa dechazer Γ erguelh e Veretgia, fals heretges quetz, que non temon vetz ni crezo.ls secretz, tan son pies de feunia e de mals pessetz.80

Ketzerei und könnten sich gegen den Glauben im allgemeinen richten, doch dem Kontext nach scheint mir auch hier die sündhafte Wendung gegen das Oberhaupt der Kirche bzw. diese selbst näherzuliegen. Ist hier in vorwiegend konkretem Sinn verwendet, beschreibt ein weiteres Lexem im gleichen Zusammenhang eher die überhebliche, ja kriminelle Einstellung gegenüber Rom: ufana Β

79

80

67.

En Roma es complitz totz bes, e qui.ls Ii pana, sos sens Γ es fallitz, quar si meteys enguana: qu'elh n'er sebellitz,

P. C. 177, 1, ed. ARieger (in: Peter T. Ricketts ed., Actes du Premier Congrfcs International de 1'Association Internationale d'Etudes Occitanes, London 1987, pp. 429—39; erneuert, unter Beseitigung der graphischen Normalisierungen, in: Angelica Rieger, Trobairitz (Tübingen 1991) Nr. 46), str. 12, vv. 122-29. Hier wie bei den folgenden Gormonda-Zitaten folge ich nicht Riegers (von Levy übernommener) Verszählung, sondern der vom Reimschema geforderten und entsprechend von Frank, Rdpertoire 273: 2 analysierten Einteilung. (Wie n. 79) str. 14 vv. 144-54.

79

don perdra sa ufana .81

Ich interpretiere: Guilhem Figueiras ehrabschneiderische Reden (denn so «beraubt» er Rom seiner edlen Eigenschaften etc.) treffen nur ihn selbst () und werden letztlich zu seinem Untergang führen (, que tenrie.t ο hom as erguelh,

Ms. Brunei 194, ed. Sansone («Testi didattico-cortesi di Provenza», Bari 1977, IV), vv. 3 2 3 - 4 2 . P. C. 63, 4, ed. Frank, vv. 2 9 - 3 5 . - Frank ed. behandelt die vv. 3 2 - 3 3 zu Unrecht als syntaktischen Einschub und liest in v. 34 entsprechend statt . Richtig dagegen schon Hoepffner ed., und cf. Ruggieri Rez., CN 10, 1950, 246.

128

mas cubri gent si no.t sap bon, digas que tot es bei e bon. 130

wird hier (v. 32) selbst eine heuchlerische Höflichkeit empfehlend gegenübergestellt. Hier möge auch die folgende «Jaufre»-Stelle Platz finden, deren Formulierung mir sonst nicht wieder begegnet ist: C

94.

E.ls cavaliers sun totz pojatz Can Jaufre se fu desliuratz, C'us vas l'autre no ac erguil. 131

Gemeint ist, wie aus dem weiteren Kontext hervorgeht, daß die Parteien einander wohlgesinnt sind. Während die Glossare der Herausgeber Breuer und Brunei auf eine Erklärung verzichten, übersetzen Lavaud/Nelli: «l'un envers l'autre n'eut point de disaccord»132. Die Übersetzung entfernt sich sehr weit von dem, was üblicherweise als Bedeutung von angenommen wird, zeigt aber auch, daß Nelli meinte, damit nicht auszukommen. Dennoch bereitet die Stelle, vergleicht man sie mit den übrigen in diesem Abschnitt zusammengetragenen Belegen, keine weiteren Schwierigkeiten: bezeichnet auch hier die mangelnde Bereitschaft oder das Unvermögen, sein Gegenüber zu akzeptieren. Nellis Übersetzung scheint mir also vollkommen zutreffend. Auf Härte und Rücksichtslosigkeit im gesellschaftlichen Rahmen beziehen sich auch andere Dichter, so Guiraut Riquier in einer Epistel: C

95.

[...] ο qui fa non-devers, ο ditz greus per erguelh a prezent, don recuelh blasme e deshonor.133

Hier äußert sich die Unart, die bezeichnet, in bösen, unhöfischen Reden, und nicht nur hier — wir werden eben dieser Nuance bald wieder begegnen. Nicht immer läßt der Kontext eine exakte Bestimmung des semantischen Gehalts des interessierenden Lexems zu, so in der folgenden Strophe des Berenguier Trobel, die dennoch zitiert zu werden verdient: C

130 131 132 133

96.

Juoc et erguelh et amor, aquest tres An un foil ayp plazen al comensar, Ε ya non er, qui lur vol poder dar, Non dechaya.n sei que n'es plus apres, Car en permier fan semblan de ricor Et en derier tomen lur gaug en plor;

Ms. Brunei 297, ed. Chichmarev, vv. 2 9 - 3 2 . (Wien. 21) vv. 2 0 8 5 - 8 7 . (Wie n. 22) p. 149. «Les ipitres de Guiraut Riquier», ed. Linskill (Association Internationale d'Etudes Occitanes, 1985), έρ. VII, vv. 1 5 4 - 5 7 .

129

Per c'on si deu al comensar gandir De tot afar que trop ven per dezir.134

Es ist schwer zu entscheiden, wieweit die hier vorliegende Verwendung von nicht überhaupt Eigentum des Dichters, Teil seines moralischen Theoretisierens ist. wäre hiernach nicht angeborene Eigenschaft oder doch aus einer charakterlichen Veranlagung erwachsenes Verhalten oder Handeln — wäre vielmehr eine bewußt angenommene Haltung und, mehr als das, etwas Genußversprechendes, eine Verlockung. Wie immer man aber diese Verse interpretieren will (ich kenne keinerlei Parallele), soviel scheint festzustehen, daß auch hier sich auf das Verhalten in der Gesellschaft bezieht, ebeno wie und . Ob die damit gegebene Härte allerdings, wie es scheinen möchte, speziell den Bereich der höfischen Liebe angeht, wo sie oft verurteilt wird, läßt der Zusammenhang nicht erkennen. Neben fehlt es nicht an Belegen der zugehörigen Adjektivableitung im besprochenen Sinn: orgolhos Wie bei Daude de Pradas (Bel. C 89) findet es sich — neben , so etwa bei Palais: C

97.

Pero totz mos enemis non prez lo valen d'un tros; s'il sun brau ni orgoillos, ja non lor serai aclis; totz non los dopt un'aulaigna, mas mezer Ot m'a conqis del Carret, q'es francs e pros, e vol bon prez e gazaigna.135

Allein der Bezug von auf zeigt, daß Ricketts Übersetzung «farouches et orgueilleux» nicht den Kern der Sache trifft: Ein feindliches Auftreten ist gemeint, das mit einem noch so weit gefaßten «orgueil»Begriff nichts zu tun hat. — neben (cf. Bel. C 89, v. 689), so im des Raimon de Castelnou: C

98.

Tant iei obrat ab tortz e fagz tarn fols jornals, qu'ieu iei Dieu offendut en .VII. vizis mortals: qu'eiu son avutz gulozes et adultres venals, envejos, pies d'accidia, ergoilos e cruals, et avars, et iroges, coma fols naturals.136

Es handelt sich im wesentlichen zwar um eine Aufzählung der sieben Hauptsünden, wie ein späterer, systematischerer Abschnitt zeigt (cf. vv. 34—42), 134 135

136

P. C. 50, 1, ed. Meyer, vv. 2 5 - 3 2 . P. C. 315, 2, ed. Ricketts (in: Studia Occitanica in memoriam Paul Remy I, Kalamazoo, Michigan, 1986, pp. 227 - 4 0 ) , vv. 9 - 1 6 . Ms. Brunei 21, ed. Suchier, vv. 13—17. — In v. 15 ist in Anlehnung an ms. Brunei 297, ed. Sutorius, wohl zu korrigieren: . 130

doch ist der Bezug auf die Mitmenschen unbestritten und , soweit ich sehe, Raimons eigene Erläuterung137. Andere Belege sind an sich aussagekräftig genug, da sie moralisierend den unmittelbar zum Gegenstand ihrer Betrachtungen machen. Das ist etwa der Fall beim folgenden Raimbaut de Vaqueiras-Zitat: C

99.

Eu die que ben es estragatz hom rics erguillos descauzitz, que vol ades tener aunitz sos vezis ni apoderatz.138

Die vv. 36—37 besagen deuüich, was hier heißt: niemanden neben sich dulden können, wie bereits aus Daude de Pradas' Darlegungen oben zu entnehmen war (cf. Bel. C 89). Andererseits entspricht dem im gleichen Zusammenhang bei Amanieu verwendeten (Bei. C 91, v. 341); zwar ist bei Raimbaut Kontextsynonym zu , ist deshalb aber wohl nicht unserem Sinnbereich zuzuordnen. Dagegen führt die folgende Gavaudan-Stelle ein weiteres hierhergehöriges Lexem ein: ric wobei der Kontext auch hier dem Verständnis sehr förderlich ist: C

100.

Per aquesta [sc. patz] n'aurem major Patz e vulhatz qu'om vo.n prezic: Ges non es, ni er, ni fon anc En ergulhos cor, fellon, ric; Per qu'ieu sospir soven e plane, Quar non pessam pus abora Q'us a l'altre no fezes tort Ni agues ira ni desconort, Mas fezes l'us a l'auti'amor.'39

Das sinnt also darauf, seinem Nächsten Leid und Unrecht anzutun. , für das ich sonst in dieser Bedeutungsnuance keine Belege kenne, ist Kontextsynonym zu und auch sonst vielfach als Nuancen unseres Sinnbereichs ausdrückend belegt; dagegen, hier in entsprechendem Sinn gebraucht, ist ein stark schwankender Begriff, auf den ich zurückkommen werde140. 137

138

139 140

Die Zusammenstellung / ist sonst sehr selten. Ließe sich ein semantischer Einfluß von in seiner Doppelbedeutung «demütig/gütig» auf die Bedeutungsentwicklung von annehmen, das so erst zum Kontextsynonym von u. ä. geworden wäre? P. C. 392, 19, ed. Linskill (wie n. 67), Nr. 28, vv. 34-37, bereits im Zusammenhang mit Bei. 52 zitiert. P. C. 174, 9, ed. Guida (Modena 1979), Nr. IV, vv. 12-20. Hackett ed. GirRouss (wie n. 31) gloss, s.v. definiert: «qui exprime un mdlange de duretd, de m6chancet6, de cruaut6 et de mauvaise foi dont les proportions varient». Diese Begriffsbestimmung, die nicht nur für den GirRouss zutrifft, läßt, besonders bezüglich «dureti», die semantische Nähe zu , wie ich ihn in Abschn. 2.2 analysiere, erkennen. Eine Stelle aus dem GirRouss zeigt womöglich noch größere

131

Ganz ähnlich formuliert schließlich noch ein Beleg aus dem «Jaufre»Roman den Gegensatz zwischen den und denen, die unter letzteren zu leiden haben: C

101.

Ε eil qe sun a tort menat Sun per el a dreit mantengut, Ε Ii ergolos cofundut, Car Deus Γ a pausat en dreitura.141

Die sind, so läßt sich folgern, jene, die für das verantwortlich sind. Dabei ist klar, daß die drei letztzitierten Stellen in einem weit umfassenderen, ernsteren Sinn zeigen als jene, die sich lediglich auf das höfische Ideal des Auftretens beziehen. Allen ist jedoch gemeinsam, daß heißt, was sich über die Rechte der (nicht spezifizierten) anderen in Rücksicht auf das eigene Interesse oder die eigene Bequemlichkeit hinwegsetzt. Im Vergleich zu / sind weitere Lexeme im Sinn der hier zu besprechenden Nuance seltener. ric cf. supr. Bel. C 100. ricos In einer langen Litanei menschlicher Charaktere kommt Guiraut Riquier in einer seiner Episteln auch auf folgende zu sprechen: C

102.

L'autre son pelegieu e volpil e ricos, Γ autre son coratjos et arditz e suau que ses tot semblan brau 142 passan, tro sazos es.

Die genaue Parallelität der w . 336—37 bzw. 338—39 läßt an der Bedeutung von keinen Zweifel: Es steht in einer Reihe mit («querelleur», PD), wird entgegengesetzt und durch ferner definiert. Es handelt sich um dieselbe soziale Unverträglichkeit, der wir in diesem Abschnitt immer wieder begegnet sind.

141

142

Nähe zum Begriff der rücksichtslosen Durchsetzung des Ich (und cf. dazu supr. Bei. 89 vv. 712-15): Carles a cor valent e euer felon; Ε dist non soufre par en sa reion. w . 647-48 Wenn es denn erlaubt ist, im zweiten Vers die Erläuterung des ersten zu sehen, bezöge sich gerade auf die nicht vorhandene Bereitschaft, jemanden als seinesgleichen zu akzeptieren. PMeyer faßte die Stelle offenbar so auf; er übersetzt: «Charles a corps vaillant et coeur fier». (wie n. 97, p. 20, § 43). (Wie n. 21) vv. 6094—97. Cf. noch denselben Sachverhalt, anders formuliert, ibid. vv. 5069-76. (Wie n. 133) έρ. XII, vv. 336-41. 132

Während hier auf Menschen im allgemeinen geht, bezieht Matfre Ermengau im folgenden Beleg es direkt auf deren Verhalten, wobei der Kontext und das anschließende Zitat aus einer des Raimbaut de Vaqueiras (P. C. 392, 19, vv. 3 4 - 4 4 , cf. supr. Bel. C 99) eine klare semantische Einordnung im Sinn der hier interessierenden Nuance ermöglichen: C

103.

D'erguelh non pot lunhs homs gauzir, quar tota gens ha en azir hom erguolhos otra dever, per que deu quex a som poder fogir ricozas manieiras.

Und im selben Sinn verwendet findet sich einmal auch die bisher nur im «Breviari» belegte Nominalableitung ricozia Im Rahmen seiner Definition zählt Matfre unter die Sünden der : C 104. Dizen, fazen vilania · · 144 Als autres per ricozia. Unverträglichkeit und Streitsucht wie meint auch im folgenden Zitat aus einem Sirventes des Guilhem de Montanhagol autiu C

143 144

145

105.

Qui vol esser agradans e plazens a totz vuelha dire e far honors a cadaun si co.l de vers es lors, e no sia autius ni reprendens, ans ay'ab si mezur'et abstinensa.145

(Wien. 76) vv. 33.707-11. «Breviari d'Amor», ed. Azai's, vv. 16.974—75. — ist im übrigen bei Matfre kein fester Begriff, es wird mehrfach mit synonym gebraucht, und zwar in ganz verschiedenen Bedeutungsschattierungen: Wenn es heißt Ε mou de ricozia gran Qui de bon home fay semblan Per so que la gens ο dia. (vv. 16.986-88, ed. Azais), wird entsprechend der in Abschn. D 1.4 behandelten Sinnvariante gebraucht («(Geltungssucht aus) Eitelkeit»); andererseits steht auch für die Überhebung Liebender gegeneinander (cf. Abschn. F 1.1 bzw. 2.1): Atressi N'Amautz de Maruelh, quar saub be que ricozia az aquest'amor nozia, preguet sidons d'umilitat. (vv. 33.693-96, ed. Ricketts (wie n. 76)) P. C. 225, 13, ed. Ricketts (wie n. 56), Nr. 13, vv. 1 - 5 . - In v. 2 liest Ricketts nach Hs. C , da sonst der Vers hypometrisch wäre (p. 131 n. 2). Ein solcher, obendrein isolierter Solözismus ist jedoch nicht akzeptabel; nach den Hss. DFR ist vielmehr ein Hiat: anzunehmen, wie es schon Coulet ed. zu Recht tat. Cf. hierzu Branciforti, Note al testo di Guilhem de Montanhagol, in: Fil133

ist hier mit gekoppelt, auch hier ist also Aggressivität im gesellschaftlichen Umgang Gegenstand des Tadels, Guiraut Riquiers (cf. supr. Bel. C 95) genau entsprechend.

desmesurat begegnet auch hier wieder, und zwar in der Antwort des Guilhem del Bautz auf einen Sirventes des Gui de Cavaillon: C

106.

«En Gui, a tort mi menassatz Ε faitz hi que desmesuratz, Car m'anatz troban ochaison.»146

Guida übersetzt (p. 252): «Signor Guido, a torto mi minacciate e vi comportate ingiustamente perche andate trovando contro di me motivazioni pretestuose.» Was soll denn aber «trovare m. ρ.» heißen? Vielmehr ist doch im Sinn von «Streit suchen mit» zu verstehen147, wie es allein dem Kontext entspricht: drückt auch hier Aggressivität aus, das zugehörige ist uns bereits mehrfach in entsprechendem Zusammenhang begegnet148.

sobransaria Schließlich möchte ich einen unter Β 35 bereits zitierten Passus aus einer des Folquet de Marselha hier wieder aufnehmen, wobei ich mich auf die spezielle Verwendung von beziehe, obwohl auch der Beleg von sich hierher ziehen ließe:

146 147

148

Lett 14, 1968, 400 und (zur Korrektur von Ricketts' kritischem Apparat) id., La tradizione manoscritta del canzoniere di Guilhem de Montanhagol, ibid. 11, 1965, 389. P. C. 209, 2, ed. Guida (»L'attivitä poetica di Gui de Cavaillon durante la crociata albigese«, in: CN 33, 1973, 251 s.), vv. 2 9 - 3 1 . Zwar setzt Levy SW V 460 s.v. ocaizon, 5 die Bedeutung «Streit» nur mit Fragezeichen an, doch scheint mir dies angesichts der Klarheit der zitierten PCard-Stelle übertriebene Vorsicht. Dort lautet die Wendung allerdings , doch sei immerhin auf die folgende Parallele verwiesen, wo Fortunier einen anderen eindringlich vor einem gewissen En Aimerics warnt: Car compraras la vianda, S'atenz los demas; Qe.t jurara pes e mas Q'abans qe.l soleillz resplanda, Venra lo gatges e.l dos. Puois trobar t'a ochaizos, Ab qe.t partra de si vilanamen Senes ronci et ses tot vistimen. P. C. 158, 1, ed. Kolsen, vv. 9 - 1 6 Kolsen übersetzt: «Alsdann wird er Gründe zum Zank mit dir finden» — und tatsächlich verweist der Plural , auch wenn möglicherweise reimbedingt, auf die Grundbedeutung von , aus der sich erst in Wendungen wie den zitierten die kontextuell bedingte Bedeutung «Streit» entwickelt haben dürfte. Cf. Bel. C 89 v. 690 und n. 127. 134

C

107.

Fels for'ieu ben, mas sui m'en retengutz, car qui ab plus fort de si.s desmesura fai gran foudat; e neis en aventura n'es de son par, qu'esser en pot vencutz; e de plus freul de si es vilania; per q'anc no.m plac ni.m platz sobranssaria.149

Während zunächst und vor allen auf den zu beziehen ist, faßt die aggressive Einstellung gegen Hoch-, Niedrigoder Gleichgestellte unterschiedslos zusammen. 2.2.3

Härte, abweisende Haltung im physischen Ausdruck (+)

Ich habe diese Rubrik nur eingeführt, um anhand eines später noch näher zu besprechenden Textes darzulegen, daß der häufiger begegnenden Übertragung der idealen Eigenschaften der Dame (soweit sie mit den lexikalischen Mitteln unseres Sinnbereichs dargestellt werden) auf ihre Physis (cf. infr. Abschn. 2.4.3.1) eine Parallele auf der anderen Seite der Wertskala zur Seite steht, selbst wenn es nur eine nach Vorschrift gespielte Härte des Ausdrucks ist, die Garin lo Brun in seinem fordert: orgolhos C

108.

2.3

Ε bona domna vueil c'aia un pauc d'orgueil, non per desmesuranza, mas per bella senblanza e per far espaven a IIa malvaza gen; dich e faich amoros ab semblan orgoillos fan a meravillar qui.Is pot ensems trobar.150

Härte, ablehnende Haltung am rechten Ort, Festigkeit (+)

Sooft summarisch für das (nicht nur) höfische Laster in der altokzitanischen Dichtung erklärt wurde, ließ man eine stattliche Reihe von Belegen außer acht, und zwar vornehmlich aus der Trobadordichtung, die besagen, daß orgolh (ein anderes Lexem kommt hier praktisch nicht in Betracht) in seiner ethischen Bewertung ausschließlich davon abhängt, wem gegenüber die damit beschrie149 150

P. C. 155, 21, ed. Stroriski, vv. 2 5 - 3 0 . Ms. Brunei 311, ed. Sansone (wie n. 128), vv. 369-78. - Cf. hierzu infr. Bel. F 277.

135

bene Haltung zur Anwendung kommt. Fast durchweg wird sentenzartig und in antithetischer Form (womit bereits eine Reihe von Belegen für Abschn. 2.4 notwendig vorweggenommen wird) die Ansicht vorgetragen, daß dem Feind, dem Schlechten, wortspielartig: dem gegenüber keine andere Haltung als angebracht, erlaubt, ja rühmenswert ist. Da dieser Aspekt bisher allgemein vernachlässigt wurde, gebe ich eine größere Anzahl von Beispielen (und die Liste ließe sich noch verlängern), auch wenn die Belege untereinander nur wenig variieren. Ich stelle einen Passus aus Sordels «Ensenhamen d'onor» voraus, der die ideologische Grundlage der oben notierten Auffassung erläutert und ethisch zu rechtfertigen sucht. Alle übrigen Beispiele lassen sich von dieser Grundlage gedanklich ableiten: C

109.

[ . . . ] esser deu pels bos fugitz ergoillz, qu'es de totz mals razitz; qu'ergoilz non a mas contra ergoill null loc, qu'autres dregz non l'acoill; e si non [es] dregz segon Dieu, mas segon lo segle.η pari eu: quar s'uns oms autre desmesura per ergoill, non passa dreitura lo desmesuratz, si.s n'ergoilla ni fai tan que l'autres s'en doilla; mas ades lo comenzamenz d'ergoill es mortals faillimenz.151

, Wurzel allen Übels an und für sich (v. 1058), ist doch auf weltlicher Ebene vertretbar, wenn er nur die Reaktion auf fremden darstellt; verwerflich ist es nur, selbst mit zu beginnen. Im übrigen ist die mit bezeichnete Härte, mit der man die eigene, gerechtfertigte Haltung durchsetzt, nicht nur erlaubt — sie ziemt sich geradezu, wie mehrere Trobadore formulieren; so Giraut de Borneil: C

110.

A merceiar Tainh merceiars, Ε franquess'als francs amoros, Ε contra.Is sobriers ergoillos Ergueills e mals.152

wobei die Zusammenstellung auffällt, auf die ich in Zusammenhang mit Bel. C 113 noch einmal zu sprechen kommen werde, und ganz ähnlich Guilhem Magret: C

151 152

111.

Ren al mas merces non crei que.l soffraigna, qe toz aibs i es q'a pro dompna taigna.

Ms. Brunei 311, ed. Boni (Bologna 1954), Nr. XLIII, vv. 1057-68. P. C. 242, 1, ed. Sharmann (wie n. 18), Nr. 18, vv. 6 7 - 7 1 .

136

Humiiitat a et orguoill, lai on taing.I53 Wie man sieht, ist hier in beiden Fällen vom Verhalten der die Rede, doch beweisen zwei weitere Stellen, daß gegenüber den auf Fürstlichkeiten angewandten Formulierungen kein Unterschied besteht. Während Aimeric de Pegulhan in seinem auf Azzo d'Este und Bonifazio di San Bonifazio (gest. 1212) noch explizit ist: C

112.

Qu'elh fon savis, conoyssens, e saup far A mezura, tan qu'era sa valors El plus alt gra pojad'e sos pretz sors, Ε sostener que no.s pogues baissar La saup ab sen, pueys fo lares e cortes, Humils als bos ez als mals d'orguelh ples.154

setzt Guilhem Augier Novella die Kenntnis der Voraussetzungen, unter denen geradezu eine sittliche Pflicht ist, einfach voraus und zählt ohne nähere Erläuterung unter die Tugenden des im Albigenserkrieg umgekommenen Raimon Rogier Trencavel (gest. 1209): C

113.

Ric cavalier de gran linhatge, ric per erguelh, ric per valor, ric per sen, ric per vassallatge, ric per dar e bon servidor, ric d'orguelh, ric d'umilitat, ric de sen e ric de foudat, belhs e bos, complitz de totz bes, anc no fo nulhs horn que.us valgues.155

Während (v. 42) nicht hierher gehört, sondern m.E. als verschieden von (v. 45) zu interpretieren ist, worauf ich in Abschn. D 2.1 noch näher eingehen werde, steht letzteres in einer Reihe mit den bereits zitierten Belegen (Härte, Unnachgiebigkeit gegen persönliche Feinde oder nur moralisch Minderwertige)156. Daß in der Tat in den beiden eben zitierten 153 154 155 156

P. C. 223, 4, ed. Naudieth, vv. 31-36. P. C. 10, 30, ed. Shepard/Chambers, vv. 10-15. P. C. 205, 2, ed. Calzolari (Modena 1986), Nr. II, vv. 41-48. Calzolari (wie n. 155) n. 45 bringt eine längere Anmerkung zur Bedeutung von bzw. und führt eine ganze Serie weiterer, ähnlicher Doppelungen an. Ihre Ausführungen sind jedoch eher irreführend, da nicht nur in herkömmlicher Weise als «la fierezza, qualitä mascolina propria del sovrano» definiert wird, ohne daß mehr als der allgemeinste Kontext ( auf den Tod eines Fürsten) herangezogen würde (ist die gegebene Definition nicht eher das Ergebnis einer traditionsreichen, aber oberflächlichen Interpretation von ?), sondern obendrein die Hg.in mit keinem Wort auf die bemerkenswerte (m.E. scheinbare) Wiederholung von in den vv. 42 und 45 eingeht, auf die bereits der erste Hg. JMüller (ZrP 23, 1899, 60) aufmerksam gemacht hatte. Schließlich sind auch die aufgezählten «Parallelen» nicht sehr hilfreich, da sie aus ganz verschiedenen Sinnbezirken stammen; der der ihrem Liebhaber gegenüber zumal ist mit der hier zu besprechenden Bedeutungsnuance nicht in einen Topf zu werfen. Demgegenüber mag man hier noch die folgenden panegyrischen Zeilen des Gui137

-Belegen nichts mit «Stolz» o.a. zu tun hat, sind zwei Stellen geeignet zu zeigen, die sachlich dieselbe Antithese ( — ) formulieren, sich dabei aber anderer, weniger zweideutiger Worte bedienen. Da ist zum einen Bertolome Zorzi, der in beinahe wörtlicher Nähe zu Aimeric de Pegulhan (Bel. C 112) in seinem auf Konrad von Hohenstaufen und Friedrich von Baden (gest. 1268) von ersterem lobend sagt: C

114.

Que.l reis, en cui non eron anc vint an, amava Deu, dreg, mesur't sienza de que y hanet pauc Salemos enan, e Lamorat vale per armas sens tenza, e lariamenz a poder det e mes tan que.l plus larcs senblav'ab lui mendics, e fon amies als pros et enemies als desplazens ses tort qu'anc lur fezes.157

entspricht genau Aimerics (v. 30) bekräftigen die positive Bewertung eines solchen Verhaltens. Zum anderen stellt auch der Monge de Montaudo im Rahmen einer Serie von fest: C

115.

Mout me platz deportz e guayeza, Condugz e donars e proeza, Ε dona franca e corteza Ε de respondre ben apreza, Ε platz m'a ric ome franqueza Ε vas son enemic maleza.158

entspricht hier dem sonst empfohlenen (cf. auch die Formulierung der folgenden Belege für ), es steht in dieser Funktion nicht isoliert: Wir haben oben (Bel. C 110) Giraut de Borneil nebeneinander, in «Synonymendoppelung» empfehlen sehen. In allen Fällen bleibt jedoch die semantische Nuance, wie ich sie oben versucht habe zu umschreiben, bestehen 159 .

157 158 159

lhem de Saint-Didier vergleichen, wo in einer Reihe mit drei weiteren Gegensatzpaaren steht, der Ton also wohl auf der Einrichtung liegt, wie jedes Ding seine Zeit habe, eher als auf der konkreten Verteilung von Härte und Freundlichkeit an Gerechte und Ungerechte: Francx cavalers, pros e nominatius, Savis e fols, humils et orgoilos, Cars e metens, e creissens e ghastos. P. C. 234, 12a = 15a, ed. Sakari, vv. 22-24. P. C. 74, 16, ed. Schultz-Gora (Provenzalische Studien I, Straßburg 1919, pp. 83-85), vv. 23-30. P. C. 305, 15, ed. Routledge (Montpellier 1977) Nr. 12, vv. 1 - 6 . Es ist davor zu warnen, einfach im Sinn von «Schlechtigkeit, Bosheit» zu begreifen. Schon der doch sehr lückenhafte Artikel des SW () läßt erkennen, wie differenziert das Wort im Aok. gebraucht wird. Daß und seine Ableitungen durchaus auch in positivem Sinn vorkommen, wird in Abschn. D 3.1 noch deutlich werden. 138

Neben dient das zugehörige Adjektiv nicht seltener zum Ausdruck derselben Vorstellung. Die Formulierung wird hier allerdings vielfach zur Formel. orgolhos So heißt es bei Peire Vidal: C

116.

Ε tenc m'a l'us dels Genoes, Qu'am bei semblan gai e cortes Son a lor amies amoros Ε als enemies orgulhos. 160

und ganz gleichlautend charakterisiert der Autor des «Jaufre» den unnötig: Nicht zu , sondern zu ist zu ziehen: In negativer Wendung charakterisiert es, im Verein mit , , dem auf diese Weise höfische Tugend im weitesten Sinn zugesprochen wird211. 207 208 209 210 211

P. C. 461, 214, ed. Kolsen, vv. 7-11. (Wie n. 189) vv. 3500-03. AKolsen, Randnoten zu Emil Levys provenzalischen Wörterbüchern, 6, in: ASNS 139, 1919, 88. «Les troubadours II: Le tresor po6tique de l'Occitanie.» Texte et traduction par Rene Nelli et Ren6 Lavaud. Bruges 1960. p. 488 η. ad loc. . Zur Konstruktion cf. auch Bel. C 53 () und KLewent, Zum Text der Lieder des Giraut de Borneil (Firenze 1938) p. 79: «Es wird [...] + Subst. oft verwendet, um nach einem Substantiv oder Adjektiv 152

2.4.3

. . . als Ideal des Verhaltens der Dame

Während die freundliche, gütige Haltung der speziell gegenüber ihrem Verehrer, oft beschrieben, öfter gefordert, in Abschnitt F dokumentiert werden soll, bleiben doch zahlreiche Belege, die — fast durchweg unter Verwendung des Lexems bzw. seiner Ableitungen — die höchste Tugend einer Dame losgelöst von jedem aktuellen Bezug darstellen. Semantisch sehr ergiebig sind sie freilich nicht, dieselben Formeln tauchen immer wieder auf, darunter nicht an letzter Stelle die stereotype Zusammenstellung mit , auf die ich bereits in Abschn. 2.4.1 hingewiesen habe. Eine knappe Charakterisierung des Gesamtbildes möge daher genügen. umil Ungeachtet der hier herausgestellten Nuance der Güte, Freundlichkeit etc. wird in diesem Abschnitt deutlicher als sonst, wie sehr trotz semantischer Weiterentwicklung immer mit dem fortdauernden Bewußtsein (und damit der semantischen Wirksamkeit) der Grundbedeutung der betreffenden Lexeme zu rechnen ist. Im Fall von ist das besonders deutlich212. Tatsächlich stellt eine Reihe von Texten immer wieder lobend die der Dame ihrer hohen Herkunft gegenüber, beide zusammen ergeben etwas Vollkommenes. Diese vielfach implizite, gelegenüich aber auch ausdrückliche Antonymität schließt ein zufälliges Zusammentreffen aus. Man vergleiche: C

154.

Flors de domnas, cui acli e grazis, Es aicella que tan gen m'a conquis, Dous'e bona, humils, de gran paratge,2'3

C

155.

Qe.l sieus gentils, pros cors cortes, de bort aire, firancs e cars e bos, humils e d'aut afaire.214

Hier wird die hohe Herkunft sogar zweimal zum Ausdruck gebracht.

212

213 214

ein Substantiv mit gegenteiligem Sinn einzuführen, durch dessen Verneinung die vorhergehende Aussage bekräftigt wird.» Lewent führt dazu Beispiele an. Cf. ferner Bell. D 162, 163. Über die im folgenden zitierten Fälle hinaus ist dies spürbar auch, wo mit den verschiedenen Sinnvarianten von bewußt gespielt wird. Hierher gehört eine des Folquet de Lunel, wo nach Art eines Rätselliedes der Trobador seine Geliebte besingt, die in Wahrheit die Jungfrau Maria ist: Midons es tals que franc cor et humil a verayamen a fin aman humil. (P. C. 154, 7, ed. Oroz Arizcuren («La lirica religiosa en la literatura provenzal antigua», Pamplona 1972), Nr. 13, vv. 17—18.) Während die Güte der Dame im Sinne dieses Abschnittes meint, ist in v. 18 gleichzeitig im ursprünglichen, religiösen Sinn: «demütig, ergeben» zu verstehen. Giraut de Borneil P. C. 242, 13, ed. Sharman (wie n. 18), Nr. 13, vv. 1 4 - 1 6 . Gaucelm Faidit P. C. 167, 33, ed. Mouzat (wie n. 6), Nr. 36, vv. 1 4 - 1 7 .

153

C

156.

Pero no.m desesper jes, ni m'es semblans ni vejaire q'en vos non sia merces; qe.l vostre cors ben apres, humil, franc e de bon aire vei.215

C

157.

Mout eron doutz miei cossir e ses tot marrimen, quan la bell'ab lo cors gen, hurnils, franc's de bon aire, me dis de s'amor estraire, don ieu no.m puosc partir.216

Wie man sieht, verträgt sich das Attribut hier sogar mit der abweisenden Haltung der Dame. umilitat wird in ähnlichem Zusammenhang gebraucht in den folgenden Versen des Peire Vidal: C

158.

Qu'en las ricas cortz pietatz Desencolpa.ls plus encolpatz; Per qu'umilitatz ab ricor Don'a totz autres jois sabor.217

Das Bewußtsein, daß zunächst und vor allem das Zurücktreten auch wirklich berechtigter Ansprüche und Prärogativen meint, ist, denke ich, hier überall erkennbar; mit dem Attribut wird die gnädige Herablassung bzw. die Bereitschaft dazu gefeiert, als Qualität an sich, die infolgedessen vielfach als Personifikation dargestellt oder angerufen wird, sei es allein, sei es in Verbindung mit oder , die die angenommene Bedeutung von sichern. Diese wird dabei oft einer mangelnden Bereitschaft zum Nachgeben (aus ganz verschiedenen Motiven) seitens der Dame gegenübergestellt, die in Abschnitt F 2.1 noch ausführlich zur Sprache kommen soll; auch hier findet sich also die oben erwähnte, nunmehr aber negativ gewendete Antinomie von geforderter und Standesbewußtsein. Erstere wird daher mehrfach — sieht man von einfachen Anrufungen ab wie in den folgenden Versen des Giraut de Borneil: C

215 216

217 218

159.

Ε si.m tenetz pres el liam Ε no.m val forsa ni valors, No.m deu valer humilitatz?218

Gaucelm Faidit P. C. 167, 4, ed. Mouzat (wie n. 6), Nr. 38, vv. 27-32. Arnaut de Mareuil P. C. 30, 19, ed. Johnston, vv. 1 - 6 . Auf jeden Fall verfehlt ist Johnstons Übersetzung (ed., p. 150), wo mit «d6bonnaire» wiedergegeben wird. P. C. 364, 31, ed. Avalle (wie n. 19), Nr. 39, vv. 37-40. P. C. 242, 25, ed. Sharman (wie n. 18), Nr. 19, vv. 49-51. 154

oder wie bei Gauceran de Saint-Didier, wo die Personifikation deutlicher hervortritt: C

160.

Garir me pot, franchamen, a sobrier S'Umilitatz m'en vol far tant gen don Qe.m conogues en est'amor parier On eu non vuoill nuill autre compaignon.219

- als aktiv, ja gewaltsam gegen den unberechtigten Widerstand, der ihr entgegengesetzt wird, vorgehend dargestellt. Anhand solcher Belege wird ersichtlich, welch Eigenleben in seiner Eigenschaft als Schlüsselwort der höfischen Ideologie entwickelt, wie trotz Bewahrung des Bewußtseins einer Grundbedeutung das Wort sich davon entfernt und letztlich von der hier angesetzten und im allgemeinen zutreffenden Deutung «freundliches Entgegenkommen» etc. kaum mehr erfaßt wird: C

161.

Si per servir fos tant aventuros C' Umilitatz fraisses tant son paratge Q'us doutz ales del sieu gen ris mi fos Dolsetamen intratz e mon coratge [.. .]220

Mit wendet Guilhem de Saint-Didier auf geradezu ein aggressives Vokabular an, das zur üblichen Vorstellung von «Sanftheit, Güte» schlecht passen will 221 , doch steht er damit nicht allein, denn auch Gaucelm Faidit und Folquet de Marselha verwenden kriegerische Metaphern: C

162.

Pero ben cre qu'il conois mon talan — e cal pro i ai, q'ella non fai vejaire que.m restaure mon mal ni mon afan? c'aissi for'ieu totz temps rics et onratz si.l forses tan son cor homilitatz qe.m des un bais [.. .]222

C

163.

Ai! doussa res covinens, vensa vos humilitatz, pos nuls autre jois no.m platz.223

und auch die folgende Strophe des Giraut de Borneil mag man hierher rechnen: C

219 220 221

222 223

164.

C'anc non fon per lei mantengutz Orgoills ni no.l passet las denz;

P. C. 168, 1, ed. Sakari (NM 64, 1963, 300- 32), vv. 33-36. P. C. 234, 11, ed. Sakari (Helsinki 1956), Nr. 8, vv. 33-36. Daher übersetzt denn auch Sakari ed. statt «briser» «adoucir», doch ist dieses Abrücken vom Wortlaut nicht gerechtfertigt; offenbar ist doch gerade das Gegenteil von bloßem Besänftigen gemeint. Levys Übersetzung von reflexivem (?!) und bietet als Übersetzung einen richtiggehenden Contresens. Ich emendiere nach Kolsens Vorschlag, Rez., SM ser. 2, 13, 1940, 163. P. C. 30, 23, ed. Johnston, vv. 14-16. P. C. 97, 6, ed. Soltau, vv. 37-42. 156

pietat Das einzige Beispiel, das ich für eine Zusammenstellung von mit im hier interessierenden Sinn beibringen kann, wird in seinem Wert geschmälert durch die Einfügung eines semantisch schwer zu beurteilenden , auch wenn für die Zusammengehörigkeit der drei Lexeme die Singularform des von ihnen abhängigen Verbums spricht: C

169.

Ai! Don', humilitatz Ε pretz e pietatz Vos met'entre mos bratz.229

Ich habe zur Umschreibung der in Abschnitt 2.4 insgesamt interessierenden Sinnvariante neben «Güte, Freundlichkeit» auch «Anstand» gewählt, und vielleicht trifft dieser Ausdruck in seiner Allgemeinheit am besten, was mit und seinen Ableitungen in vielfältigen Kombinationen mit Lexemen aus dem höfischen Bereich gemeint ist. Neben die Zusammenstellung mit — zu den bereits zitierten Beispielen lassen sich weitere aus Roman: C

170.

«Ayssi es Brianda gentil Che es francha e humil, Che jou ame de fin corage.»230

wie Lyrik: C

171.

Bona domna, re no.us deman [·.·] ve.us m'al vostre comandamen, francs cors umils, gais e cortes!231

fügen — treten solche mit einer Vielzahl von Lexemen, die höfische Qualitäten durchaus unterschiedlicher Art bezeichnen, wobei in erster Linie mit zweien oder einer Vielzahl derartiger Adjektiva verbunden wird. Hier überall ist offensichtlich keine über eine allgemeine höfische positive Charakteristik hinausgehende semantische Bestimmung mehr möglich: ist dort nurmehr Träger eines Ideals ohne erkennbare Konturen. Einige Beispiele mögen das zum Abschluß belegen. in Verbindung mit zwei Adjektiven C

229 230 231 232

172.

Dona Valens, humils et agradans, vos mi do ab voler tota via de dir, de far totz los vostres comans.232

Peire Vidal P. C. 364, 45, ed. Avalle (wie n. 19), Nr. 30, vv. 6 8 - 7 0 . «Blandin de Cornouailles» (wie n. 186), vv. 2 2 8 3 - 8 5 . Bernart de Ventadorn P. C. 70, 31, ed. Appel, vv. 4 9 . 5 3 - 5 4 . Bertran Carbonel P. C. 82, 3, ed. Appel, vv. 1 7 - 1 9 . 157

in Verbindung mit einer Vielzahl von Adjektiven C

173.

Cum m'auria sobrepres si.l sieus cors humils, cortes francs, ben apres, de joi e de pretz complitz, m'era de perdon aizitz.233

C

174.

Per merce.us prec q'om non puosca mesclar Lo vostre cors fin, leial, vertadier, Humil e firanc, cortes e plazentier, Ab mi, dompna, per messongas comtar.234

oder, besonders ausgeprägt, im Stil der «saluts d'amour»: C

175.

2.4.3.1

Bona dompna, pros ez onrada, humils, franca ez ensegnada, valens e gaia e corte^a, amezurada e ben apre9a, gent parlans, savia e valens, leial, adrecha e conosens, e qu'est de toz bons aips complida e de fina beitat gamida!235

. . . im physischen Ausdruck

umil

wird vielfach nicht auf die ganze Person der Dame bezogen, als ein mehr oder minder unbestimmtes Ideal, sondern speziell (selten) auf ihr Gesicht, meist auf ihr Mienenspiel, ihren Gesichtsausdruck236. Die semantische Einordnung — «freundlich, gütig» — macht in diesem Zusammenhang keinerlei Schwierigkeiten. Die Belege stammen zwar durchweg aus der Liebeslyrik, doch spiegelt auch hier ein Ideal, das von einer bestimmten Situation unabhängig ist. Es wird entweder gerühmt im Rahmen der üblichen panegyrischen Schilderungen: C

176.

Que.l cors a gras, delgat e de bei gran, la car' humil, fresca, ab bei semblan.237

(nur hier habe ich das Gesicht — — selbst als bezeichnet gefunden)

233 234 235 236

237

Gaucelm Faidit P. C. 167, 43, ed. Mouzat (wie n. 6), Nr. 48, vv. 3 9 - 4 4 . Bertran de Born P. C. 80, 15, ed. Gouiran (wie n. 166), Nr. 6, vv. 3 - 6 . , ed. Suchier, vv. 1—8. Ich gebe für die verschiedenen dafür verwendeten Lexeme im folgenden jeweils ein Beispiel. Sordel, P. C. 437, 17, ed. Boni, vv. 2 9 - 3 0 . 158

C

177.

Jovenz e beilas faizos Ε jois e humils semblanza Ε bels core gais amoros Plazens ab dolz'acoindanza.238

C

178.

Sa grans valors e sos humils semblans, son gen parlar e sa belha paria m'an fait ancse voler sa senhoria plus que d'autra qu'ieu vis pueis ni dabans.239

C

179.

Que la humilhs parvensa E.l franca captenensa De lieys, per cui m'a pres Amors, m'a si conques, Que vas on qu'ieu estey τLai· on la 1 vi,· la ι vey.240

oder in Gegensatz zum tatsächlichen Verhalten der gestellt: C

180.

Ε si merces no mi tras de l'afan qu'ieu trac per vos, don ai pieitz de morir, vos falhires, mas non devetz falhir ni desmentir lo vostr'umil semblan.m

und ebenso (wieder ist von die Rede): C

238 239

240 241 242

181.

E.m meravill de dompna d'aut paratge, bell'e gentil, q'es de mal seignoratge; ni cum pot far contra sa valor tan que desmenta son franc humil semblanl242

Jausbert de Poicibot P. C. 173, 12, ed. Shepard, vv. 33-36. Berenguier de Palazol P. C. 47, 11, ed. Beretta Spampinato (Modena 1978), Nr. 8, vv. 8—11. Beretta Spampinato übersetzt «i suoi sguardi indulgenti»; diese Lösung scheint mir wenig glücklich. Aimeric de Belenoi P. C. 9, 7, ed. Dumitrescu, vv. 5 — 10. Bertran Carbonel P. C. 82, 4, ed. Appel, vv. 10-13. Gaucelm Faidit P. C. 167, 59, ed. Mouzat (wie n. 6), Nr. 30, vv. 33-36.

159

D

Einstellung des Ich gegenüber der eigenen Person: Selbsteinschätzung und resultierendes Verhalten

Der im folgenden Abschnitt zu skizzierende Sinnbezirk entspricht im positiven (cf. D 2 und D 3) wie im negativen Sinn (cf. D 1) am ehesten dem, was im Deutschen unter «Stolz» verstanden werden kann. Ich habe daher hier auch weitestgehend darauf verzichtet, dieses so vieldeutige Wort zur Kennzeichnung der semantischen Gruppierungen zu verwenden, die zu unterscheiden ich für zweckmäßig halte. Es ist zu betonen, daß die Rubriken, unter denen ich die Belege einordne, nicht als Übersetzungen der betreffenden Lexeme mißzuverstehen sind, sondern lediglich deren onomasiologischer Einordnung dienen sollen. Die so gekennzeichneten Abschnitte sind wiederum von sehr unterschiedlichem Umfang, da es mir richtig scheint, stark individuell geprägte Belege gesondert herauszustellen, statt sie in Kategorien zu pressen, denen sie vielleicht am nächsten stehen. Begrifflich problematisch ist allenfalls Abschn. 1.3: «Übermut» ist kein fest umrissenes Konzept. Ich habe ihm die Belege zugeordnet, die eine willkürliche Haltung beschreiben, bei Aufnahme in die Rubrik «Vermessenheit» aber überbewertet würden. Bei einzelnen Belegen wird man auch hier darüber streiten können, ob sie nicht besser einem anderen Abschnitt zugeordnet worden wären, doch scheint mir der Kontext in den meisten Fällen eine klare semantische Bestimmung zu ermöglichen.

1.

Überschätzung der eigenen Macht, Kraft, Bedeutung (—)

Ein wesentlicher Teil dessen, was ich unter dieser Rubrik zusammenfasse, wird von dem bereits mehrfach zitierten Anonymus im Rahmen seines Sündenkatalogs unter I Β () 1. definiert als arrogansa Seine Begriffsbestimmung möge als Einleitung dienen: D

1.

REGLA PER CONOYSSER ARROGANSA, QUE ES DELS .XII. DEGRAS DE ERGUELH. Totas ves que ieu per una gran stimaciou que hiey de ma persona deliberadamen mensprezi los autres, ho los fachs, ho los dichs dels autres, ieu pequi mortalmen: coma per exemple me es avist que ieu sabi belcop, ho que ieu soy ben sage, he per so ieu no fau

161

conte de aquo que dizo los autres, mas tot mantenen que los autres parlo ieu meni la testa ho disi: «Apres, apres, avant, avant», ho no denhi pas de anar am los autres, ho dizi alcunas paraulas, coma en dizen: «leu lo ne fariey ben repenti!»1

Verschiedenen der Aspekte, auf die hier angespielt wird, werden wir im Folgenden wiederbegegnen. 1.1

Torheit

Wie immer beruht auch hier ein Teil der Interpretationen auf der Analyse des weiteren Kontextes, doch wird die hier angesetzte Nuance gesichert durch eine ansehnliche Reihe von Belegen, wo unserem Sinnbereich zuzuordnende Lexeme, und in erster Linie wieder und seine Ableitungen, unmittelbar mit , , gekoppelt sind. Daß im übrigen die Vorstellung von dieser Zusammengehörigkeit Gemeingut war, zeigt ein Zitat im «Liber scintillarum»: D

2.

2

orgolh Vorangestellt sei eine Sentenz des Jausbert de Poycibot, die nicht nur den Gedankengang offenlegt, der zur semantischen Annäherung von und Ausdrücken für Torheit geführt haben dürfte, sondern auch ein interessantes Gegenstück zu Bel. Β 34 bietet: D 3.

[...] Car de vos no ve Mas engans ses tota fe Ε mals senes gauzimens Ε senes benfach cozensa. Trop faitz d'autres faillimens; Mas calar m'en fai temors, Qu'orguoills es grans e follors Qui ab plus fort tensa.3

Eine Wendung, wie sie hier Jausbert bietet, kann als Ausgangspunkt für die von Lavaud Peire Cardenal zugeschriebene Formulierung angesehen werden, wo nicht mehr, wie hier, die Überhebung in Verkennung der Kräfteverhältnisse, also aus Unverstand, bezeichnet, sondern die daraus resultierende Aggression selbst. 1

3

Ms. Brunei 157, ed. Brunei, p. 193. — In der Form begegnet das Wort noch ein zweites Mal im 15. Jh., im Mysterienspiel «L'Ascension» ν. 499 (ed. Jeanroy/Teulie, RevPhilFrProv 9, 1895, 81-115), ist sonst m.W. aber nicht beMs. Brunei 39, ed. Wahl («Die altprovenzalische Übersetzung des Liber scintillarum», München 1980), f. 24C, 21-23. P. C. 173, 14, ed. Shepard, vv. 48-55. 162

Ebenso wie bei Jausbert wird vom vergeblich warnenden Olivier in «Ronsasvals» definiert: D

4.

«Non plassa a Dieu, sa dis Rollan l'onrat, Que per pay ans sia mos gray lies cornatz, Com fay venayre que sobre.l senglar glat.» Dis Olivier: «Compans Rollan, aujas: Ausit ay dir ha motz homes sennatz Que erguelh non es mas sobras gran foldat. Ja non vos accorra, cant le dans es passatz.»4

bedeutet Rolands Weigerung, die Gefahr und seine eigene Kraft richtig einzuschätzen, woraus sich die Gleichsetzung mit , hier am ehesten als «Verblendung» zu deuten, ohne weiteres ergibt. Eben diese Nuance wird im «Jaufre»-Roman mehrfach variiert und in aller Deutlichkeit auch am konkreten Beispiel dargelegt. Die ausführlichste hier zu zitierende Textstelle zeigt dabei, daß, wenn mehrfach mit samt Ableitungen und auch mit in Verbindung gebracht wird, er dennoch nicht der in Abschn. C 2.2 näher beleuchteten Konnotation der Aggressivität ermangelt: Wenn bald dieser bald jener Aspekt im Vordergrund steht, ist die zugrundeliegende Vorstellung doch wesentlich eines. D

5.

«Ära sai eu ben veramen Qe mais d'erguil e de nosen A en vos qe no aug retraire. Ε no ο podetz selar gaire, Qe mot m'avet fort menassat, Ε eu ai ο tot escoutat Ε sufert tan can volges dir, C'aisi pot om fol enfolir, Car on om pus fort s'umilia, Ades Ii creis mais sa. folia Ε ades s'en erguela plus.»5

se orgolhar

Neben den oben erwähnten Ausdrücken für «Unsinnigkeit», mit denen hier parallelisiert wird, ist noch besonders auf (v. 5937) hinzuweisen, das wie öfter antonymisch gegenübergestellt wird und am besten mit «sich in Torheit überheben» zu deuten sein dürfte. Daß jedenfalls keineswegs treffend mit dem doch viel zu starken «s'humilier» wiedergegeben werden kann, wie Lavaud/Nelli es tun6, zeigt deutlich der Kontext: Es besteht hier seitens Jaufres in und , gemeint ist also «sich in Geduld fassen» oder besser noch «nachgeben». Es gehört also zu den in Abschn. C 2.4.2 besprochenen Stellen. Jaufres Einschätzung des Taulat wird noch öfter wiederholt, so in ganz ähnlichen Worten von der Königin wenige hundert Verse weiter: D

6.

«An mais, si Dieus ni Fes m'agut», Dis la reina, «non ausi Cavallier renhar enaissi, Ab tant d'erguelh ni d e f o u d a t , A nul home de maire nat.»7

Interessanter ist jedoch die konkrete Beziehung auf eine zusätzliche, wie der Dichter ausdrücklich zu verstehen gibt auf Selbstüberschätzung gegründete Torheit des Taulat, der zum Kampf mit Jaufre nicht einmal seine Rüstung anlegen will: D

7.

«Aiso», dis Jaufre, «es foudatz, Qe tot combatas desgarnitz, Ben par q'erguil as, a tos ditz.»8

und noch einmal, anders gewendet: D

8.

Ε pres l'escut e puis sa lansa, Q'en son erguil a tal fiansa Qe no vol son ausberc vestir.9

Auch der «Girart de Roussillon» kennt die Verbindung von mit , nur sind die Belege wenig aussagekräftig. So kommentiert der Dichter zu Beginn, da es Karl Martell endlich gelungen ist, einen Krieg mit Girart vom Zaun zu brechen: D

9.

Ci commence l'orguels e lafitlie Qui non fera ojan liument fenie. 10

Die Torheit resultiert aus der Überhebung, mit der Karl einen Krieg anzettelt, der ihn fast das Leben kosten wird. Deutlicher wird das ausgesprochen in einem zweiten Beleg: D

10.

«E fon trop granz orguelz que ta genz fes, Quis annet asaillir en fol enses, Per quei fu comenchaz Ii mal desres.»11

Betrafen die bisher zitierten Belege durchweg das Verhalten von Kriegern, fehlt es doch nicht an solchen, die und Ausdrücke für Torheit in rein moralisierendem Zusammenhang nebeneinanderrücken. Hierher gehört Raimon Vidals Klage: 7 8 9 10 11

(Wie n. 5) vv. 6478-82. (Wie n. 5) vv. 5964-66. (Wien. 5) vv. 6031-33. «Girart de Roussillon», ed. Hackett (Paris: SATF, 1953) vv. 720-21. (Wie n. 10) vv. 9337-39. 164

D

11.

Us homes y a nualhos Ε pies d'erguelh e de nosen Que, can ben an, se.n van dizen C'astruc no cal mati levar.12

Überheblichkeit auf Grand vorhandener Güter (wenn denn die Stelle richtig hergestellt ist) und die törichte Annahme, der Wohlstand sei zwangsläufig vorhanden, gehen Hand in Hand. Ähnlich wirft Lanfranc seinem Freund Simon törichte Voreingenommenheit zugunsten von dessen vor, wobei er mit etc. wesentlich entsprechendem zusammenstellt (die verfehlte Selbsteinschätzung betrifft also nur indirekt das Ich): D

12.

Amies Simon, be.m sembla dreigz nientz Vostre parlars et ergoills et errors, Q'anc de beutat non fon domna tan sors Q'en leis regnes tota complidamentz, Estiers midonz, c'ades meillur'e genza.13

orgolhos Wenn auch zögernd stelle ich hierher schließlich eine Strophe des Bernart de Venzac: ist hier eine abstrakte Größe, bei deren Deutung man ausschließlich auf den weiteren Kontext angewiesen ist: D

13.

Ergulhos no ve son trabuc plus que fai son colp la canha qu'enquer qu'om las dens Ii franha, e pueys del fugir non es lens.14

Der entspricht hier ganz den in den vorstehenden Belegen getadelten Rittern, die blind sind für die Gefahr, die sie in maßloser Selbstüberschätzung herausfordern, ganz wie Bernarts in ihrer Torheit. Weitere Beispiele für finden sich im gleichen Zusammenhang und in derselben Bedeutung wie die eingangs analysierten Belege aus «Ronsasvals» und dem «Jaufre»-Roman. Hierher rechne ich aus dem Kontext der als Beleg D 4 zitierten Verse aus «Ronsasvals» die folgende Stelle: 12

13 14

«Abril issi'», ms. Brunei 194, ed. Field (Chapel Hill 1971), vv. 1162-65. In v. 1164 hat die Hs. , was ich nach Bohs ed. emendiere. Demgegenüber bleibt Field bei der handschriftlichen Lesart und übersetzt (p. 78): «There are some idle men, full of pride and nonsense who, because they have no sense, go around saying [...]» Dem ist entgegenzuhalten, daß im Sinn von «idle» nicht belegt ist (die etymologisierende Deutung findet sich allerdings auch schon bei Bohs: «nichtig») und vielmehr in seiner üblichen Bedeutung («indolent, paresseux» PD) von v. 1165 ausgeführt wird; daß (von Field zu Unrecht getrennt geschrieben) auch hier «Torheit» und nicht «nonsense» bedeutet; daß Field's Interpretation von v. 1164 auf keinen Fall sinnvoll ist (, sc. ?). Die Emendation zu ist natürlich etwas willkürlich, doch verhilft sie den Versen ohne größere Eingriffe zu einem sinnvollen Zusammenhang. P. C. 282, 21a, ed. Branciforti, vv. 57-61. P. C. 71, 3, ed. Picchio-Simonelli (Modena 1974) Nr. 2, vv. 33-36.

165

D

14.

Olivier venc suau e amoros: «Bei compans senher, le reprochier es bons Qu'ieu ay ausit comtar mantas sazons Que ren non val cors que sia ergulhos, Que gran erguelh ha mort Fransa e nos, Ε si avem perdutz ayssi mans companhons.»15

Der Ton liegt hier freilich nicht mehr auf Olivers oben zitiertem Verständnis vom Wesen des , sondern auf Rolands sprichwörtlich gewordenem «Stolz». Überzeugender ist eine weitere Stelle aus dem «Jaufre»-Roman, wo die Assoziation mit Torheit vom Text nochmals ausdrücklich bestätigt wird: D

15.

«Oimais nun t'escoutarai plus, Que fols dis et orgoillos as», Dis Jaufre. 16

Schließlich sei hier noch ein Beleg für Torheit auf rein gesellschaftlicher Ebene zitiert. Daude de Pradas mahnt: D

16.

Donar ti deus soin de ton rire. Non sia tals c'om te n'adire. Qui fai gran ris et aut e clar, D'ome foil e d'orgoillos par.17

Hier wie so oft werden und zusammengestellt, wobei der Ton aber auf dem mangelnden Maß liegen dürfte. Das läßt sich überprüfen, da Daude sich hier einmal genau an seine lateinische Vorlage hält, die besagt:

Seltener doch vielfältiger sind Belege anderer unserem Sinnbereich zuzuordnender Lexeme, die in der hier zu besprechenden Bedeutung verwandt werden.

oltracujat ist unter ihnen noch am stärksten vertreten. Es wird seinerseits verbunden mit den geläufigen Ausdrücken für «Torheit, Dummheit», so besonders deutlich in der Warnung des Raimon Vidal: D

17.

Vos die c'ab home pec ni fat Ni otraeujat no vulhatz Aver paria ni solatz Ni ren que torn a bon saber.18

und bei Bertran Carbonel, bei dem sich, sinngemäß angewandt, die als Beleg D 3 zitierte Sentenz des Jausbert wiederfindet:

15 16 17

18

(Wie n. 4) vv. 563-68. (Wie n. 5) vv. 9056-58. «Gedicht über die vier Kardinaltugenden», ms. Brunei 351, ed. Stickney, vv. 1215-18. (Wie n. 12) vv. 1746-49.

166

D

18.

Rocin, el mon non es mager foudatz Que quan lo freuls pren am lo fort conten, Doncs ben ies tu fols ez outracujatz Que tu a mi respondas follamen. 9

Die dreifache Wiederholung des Stammes (, , ) läßt keinen Zweifel an der semantischen Ausrichtung von bestehen: Fehleinschätzung der eigenen Kraft ist hier wie sonst nichts als Torheit. Vereinzelt sind dem gegenüber Belege der folgenden Lexeme, vereinzelt teils in der hier interessierenden Sinnvariante, teils überhaupt: bobancier Den folgenden Text aus der «Chanson de la Croisade Albigeoise» meine ich seiner vollkommenen inhaltlichen Übereinstimmung mit den Belegen D 7, 8 wegen hier einordnen zu dürfen: D

19.

«Yeu conosc las costumas dels Frances bobanciers, Qu'ilh an garnitz lor corses finament a dobliers Ε de jos en las cambas non an mas los cauciers.»20

Wie es der «Jaufre»-Autor Taulat als anrechnet, sich ungerüstet zum Zweikampf zu stellen, so werden die Franzosen ihrer unvollständigen Wappnung wegen genannt: Die ungleichmäßige Rüstung ist Ergebnis ihres törichten Sichhinwegsetzens über die Grenzen ihrer auch durch die Ausrüstung bedingten Kampfkraft. guoguol Klarer ist die Sachlage im Fall des überhaupt einzigen mir bekannten Belegs von das schon PMeyer mit afr.mfr. goguelu verglichen hat21. Peire de Lunel wütet hier, wenn auch nicht ohne Humor (cf. vv. 39—40), gegen den Kleiderluxus, und wenn der allgemeine Zusammenhang auch für auf eine semantische Orientierung zur Eitelkeit weist, scheint mir die parallele Verwendung von und doch die Einordnung des Textes in vorliegender Rubrik nahezulegen: D

19 20 21

20.

Escudiers veg e borzes e sirvens Fatz e guoguols e ples de musardia, C'a lors molhers fan portar paramens, Ε draps pinchatz am fort diversa guia. Be valgra mays c'om des los draps pinchatz Als capelans que Dieus ne fos honratz,

P. C. 82, 14, ed. Contini, vv. 3 7 - 4 0 . Ms. Brunei 200, ed. Martin-Chabot ΠΙ (Paris 1961) 1.205 vv. 2 4 - 2 6 . R 21, 1892, 305. Meyer zitiert Cotgrave, der mit «proud, cocket, scornful, [...] vainglorious» wiedergibt. Cf. dazu FEW 4 (1952) 186-89 s.v. gog-, wo (col. 187a) auch das hier besprochene als Hapax zitiert wird, mit der von PMeyer vorgeschlagenen Übersetzung «prtisomptueux» und der Angabe «Montpellier 14. jh.». Statt «Montpellier» ist natürlich «Montauban» zu lesen.

167

Ho de molhers qu'ordenat aishi fos C'om lor fes dir las messas e.ls sermos. 22 Die Überhebung und somit auch die durch und betonte Torheit betreffen hier die Überschätzung der Wichtigkeit des eigenen irdischen Daseins, doch kommt der zweifellos vorhandene religiöse Aspekt nicht unmittelbar zum Ausdruck. — Wieder ganz anders verhält es sich mit den folgenden Versen des Giraut de Borneil: steht neben einem im Aok. seltenen Lexem, das Selbstüberhebung bezeichnet, ohne daß der Kontext Wesentliches zur näheren semantischen Bestimmung beitrüge: arrogan D

21.

Vers es qu'en mans afars S'aven us dezacortz, Car si valh ni m'esfortz, Eu sui fols, arrogans; Qu'er'es proeza dans Ε vergonha maleus Ε justa treus Ε paubrera folors! 23

Bei der geschilderten Umkehrung der Werte wird also das Streben nach sittlicher Erhebung als törichte Selbstüberhebung verurteilt.

22 23

P. C. 289, la, ed. Forestiö, vv. 3 3 - 4 0 . P. C. 242, 20, ed. Kolsen, vv. 2 7 - 3 4 . Statt (Sg De; ebenso, mit leicht abweichendem Text, C) hat die Mehrheit der Hss. (insgesamt elf) allerdings bzw. . In ihrer neuen Giraut de Borneil-Ausgabe (Cambridge 1989 Nr. 47), setzt Sharman zwar (nach Hs.a) in den Text, macht sich über die Form aber keine Gedanken. Anders Chambon, FEW 25, 1987, col. 332a und 333a n.2 s.v. arrogans, der den GBorn-Beleg notiert und dazu anmerkt: «De nombreux mss presentent les variantes ou (6d. Kolsen 1, 284) qui pourraient faire penser ä un correspondant d'afr.arochier (ici 10,439a [recte 439b], *rocca). L'emploi de GirBorn () rappelle ce passage de BenSMaure H: que TL cite s.v. arochier [und zwar mit der Maßgabe, das part, praes. sei passivisch aufzufassen]. , dans 2 mss de GirBorn [recte 3 mss, Ch. übersieht De], pourrait etre un pis-aller par rdminiscence du latin. II est vrai que Södergard (Gloss de BenSMaur H) comprend comme «arrogant», mais cette interpretation parait difficilement soutenable, en tout cas sur le plan formel.» Eben diesem «plan formel» sollte vielleicht etwas Aufmerksamkeit gewidmet werden, inwiefern nämlich die Formen mit -c-, -ch- erklärbar wären bei Annahme eines Etymons . Bei GBorn wie bei Benoit ist ein semantischer Zusammenhang mit kaum herzustellen und in ersterem Fall um so unwahrscheinlicher, als nach heutigem Wissensstand ein aok. *arrocar nie existiert hat. Zwei abweichende, im übrigen isolierte Graphien dürften für dessen Ansetzung kaum eine ausreichende Grundlage bieten. — SPons v. 3015 [Ende 15. Jh.] findet sich noch die Form . 168

ufanier

Ferner ziehe ich hierher auch eine Stelle aus den Episteln des Guiraut Riquier, wo deutlich und antonymisch gegenübergestellt wird und daher entgegen Linskills Standardübersetzung nicht «presomptueux» heißen kann, sondern semantisch dem ihm so oft verbundenen besonders nahe stehen muß: D

22,

Ε no m'es datz arditz qu'ieu camje ma manieira, c'ab la gent ufaneira me tengues ufanier, c'aisi.m fora mestier, et ab savis senatz.24

vanetat

Wie und , wird schließlich einmal auch dem wir in anderem Zusammenhang noch begegnen werden und dessen Stamm in der lexikalischen Ausprägung unseres Sinnbereichs eine große Rolle spielt, gegenübergestellt, die konkrete Torheit also (so deutete schon Appel s.v. ad loc.) der persönlichen Weisheit. In einer der Episteln des At de Möns heißt es: D

23.

De motas res Autrey que dizetz ver, Mais en vostre saber Mesclatz e prepauzatz Alcunas vanetatz, De que faitz a rependre.25

vaneza

möchte ich dagegen, anders als Appel, nicht hierherstellen, wie es in der zweiten der beiden von Suchier edierten Fassungen einer Beichtformel26 verwendet wird. Dort heißt es: D

24.

En vana gloria ai motas vesfallite pecqui tot jorn, car ieu me ai donat, e.m doni tot jhorn, vana gloria de mon cantar, de mon legir, ο en rieire ο en jogar, dizens esquerns e vanezas, adulacions, detraccions de mos fraires ο d'autres homes, per so que plages a las gens.27

hier steht in der anderen Fassung derselben Beichtformel gegenüber: D

24

25 26 27 28

25.

Per vana gloria ay peccatz e falhitz e pequi tot jorn, car ieu me done vana gloria de mon cantar ο en rire ο en jogar dizen isquern e vanetatz, detractatios d'omes e de femnas.28

Ms. Brunei 194. «Les epitres de Guiraut Riquier», ed. Linskill (Association Internationale d'Etudes Occitanes 1985), έρ. XII vv. 252-57. «Al bon rey», ed. Bernhardt (Heilbronn 1887) Nr. I, vv. 747-52. Bereits zitiert, cf. supr. Bel. A 9. Ms. Brunei 177, ed. Suchier, RF 23, 1907, 433 (Nr. 36). Ms. Brunei 154, ed. Suchier, Denkmälerp. 103 11.187-90.

169

In beiden Fällen stehen die Ableitungen der Grandbedeutung ihrer gemeinsamen Wurzel noch sehr nahe: Nicht «Torheit», wie Appel zögernd ansetzte29, sondern «Eitel-, Nichtigkeit» ist, meine ich, in beiden Fällen zu deuten. Dafür spricht nicht nur die Zusammenstellung in Bel. D 24 von mit , da letzteres doch weltlich-leichtfertige Späße bezeichnet, sondern auch der Vergleich mit Versen aus Folquet de Lunels «Roman de mondana vida», die Appel selbst s.v. vanetat, 2 als Beleg für die Bedeutung «Nichtigkeit, nichtige Dinge» anführt: D

26.

[...] pus pas l'etat meiana non chant huey may de vanetatz, mas laus la filha santana e.l senhor, que de lieys fon natz.30

Hier wie in der Beichtformel ist von (Spielen und) Singen die Rede, von weltlichen Vergnügungen, denen es abzuschwören gilt. So bleibt die Verwendung einer Ableitung vom Stamme zur Bezeichnung törichter Überhebung vereinzelt, wenn auch unverkennbar ist, daß der Begriff weltlicher Nichtigkeit dem der Selbstüberschätzung des Ich nahe verwandt ist31. 29 30 31

SW s.v. vaneza, 3. Ms. Brunei 194, ed. Eichelkraut, vv. 523-26. In diesem Zusammenhang ist nicht nur auf die Stelle bei Daude de Pradas zurückzuverweisen, wo und mehr oder minder miteinander gleichgesetzt werden (cf. Bel. A 8); darüber hinaus erlaubt der Kontext dreier weiterer Texte nicht, auch sonst in Hinblick auf unseren Sinnbereich geläufige Lexeme anders als im Sinn von «Weltlichkeit, Nichtigkeit» zu verstehen. Damit wird der Rahmen unseres Sinnbereichs, wie ich versucht habe, ihn abzugrenzen, gesprengt, doch seien die Belege wenigstens am Rande mitgeteilt. Am ausführlichsten und in ihrer Formulierung am klarsten sind zwei Abschnitte aus dem «Cavalier armat». Geschildert wird die Rüstung dieses allegorischen Ritters: Ad aquest gonio es aiustat un autre gonio, que es humil renegament de tot propri sen e humanal, que totz temps ha en abominatio tot sen e tota paraula ergulhosa e curiosa e vana e presumptuosa, e tota astucia e tota moxardia de cobezesa e de gasanhar e de querre cauzas temporals. (ms. Brunei 283, ed. IArthur, SN 31, 1959, 55 cap. ΠΙ 2) Neben stehen hier synonymisch gebraucht , , , von denen die ersten beiden normalerweise auf unseren Sinnbereich zu beziehen sind. Der Kontext läßt, schon durch den Bezug der Adjektiva auf das unbelebte , die normalerweise eigene Ichbezogenheit zurücktreten zugunsten eines ganz allgemeinen Begriffes von der Nichtigkeit menschlicher Bestrebungen (). Das bestätigt ein zweiter Abschnitt: Ε per lo contrari doncas aquestz dos gonios son fe sobreauta, e mesprezament de ssi meteys sobrealt e menespresament de tota gloria vana et ergulhosa. (1. cit. cap. III 4) Auch hier steht neben , nur ist hier die Bedeutung des ersteren noch klarer ersichtlich durch die Abhängigkeit von : ein persönlicher Bezug ist damit ausgeschlossen. — Leider hat die Herausgeberin versäumt, den m.W. noch immer ungedruckten lateinischen Originaltext zum Vergleich beizugeben, der insbesondere bez. von Interesse sein könnte. 170

1.2

Vermessenheit

Die gewählte Rubrik ist nicht mißzuverstehen im Sinn eines bei deutschen Trobadorübersetzern beliebten Quasisynonyms zu «Stolz, Hochmut» etc., sondern in seiner eigenen ursprünglichen Bedeutung zu begreifen, als die mangelnde Fähigkeit oder der mangelnde Wille, die Grenzen, das Maß der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten und dessen, was dem einzelnen erlaubt ist, richtig einzuschätzen. Im Unterschied zu Abschn. 1.1 steht die mangelnde Bereitschaft im Vordergrund, sich selbst zu erkennen, und es fehlt die dort reich dokumentierte Assoziation mit . Im übrigen sind die Übergänge zwischen beiden Gruppen vielfach fließend. Konkret kann Vermessenheit natürlich in den verschiedensten Formen auftreten und bewertet werden. orgolh In einer metaphysischen Beziehung wird die Verkennung seines Ortes in der Welt durch den Menschen gerügt, so in der späten aok. Übersetzung des «Elucidarium» von Honorius Augustodunensis. Der Beleg hat freilich, eben weil einer Übersetzung entnommen, nur bedingten Wert: D

27.

Mon enfan, Dieu a fait las bonas bestias afin que l'home s'en aiudes & servis a son besong & a faitas las maluadas & maichantas per abatre l'erguelh de l'home, car quant elas y nosen el pot ben pensar que be es petita causa que de sy quan el no les pot resestir.32

doch ist im folgenden Beleg ganz entsprechend gebraucht:

32

«Eitelkeit, Nichtigkeit» (im Sinn von «vergänglicher Ruhm») drückt möglicherweise auch in der folgen den Sentenz aus einem Sirventes des Cadenet aus. Blacatz wird dort empfohlen, rechtzeitig in sich zu gehen und Christus seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, denn: Que l'ufana d'aquest segl'e.l lauzors Es en l'autre marrimenz e dolors. P. C. 106, 24, ed. Zemp (Bern 1978) Nr. 24, vv. 9 - 1 0 Ähnlich hat schließlich bereits Appel die sehr seltene, nur im Reim belegte Ableitung in den folgenden Versen des Bernart Marti verstanden: Ε quan canorgues si mes Pey d'Alvernh'en canongia, a Dieu per que.s prometia entiers que peuys si fraysses? Quar si feys, fols joglar es per que l'entier pretz cambia. Ε cujas qu'a Dieu non pes chans d'aital ufanaria? P. C. 63, 6, ed. Beggiato (Modena 1984) Nr. 5, vv. 31-38 Appel (SW s.v.) kommentiert: « bezeichnet wohl den üppigen, leichtfertigen Sinn, der Peire zum weltlichen Leben getrieben hat.» Demgegenüber scheint mir Beggiatos Übersetzung «arroganza» sinnlos. Gedruckt Toulouse um 1500, neu ediert RLaR 89, 1985, 50. 171

D

28.

Nos no deuriam pas levar erguelh, Quar en una virada de uelh Tota la bobansa d'aquest mon, Coma vesem, en non-res se fon. 33

Es wird also davor gewarnt, die in diesem Leben erworbene Macht, überhaupt alle irdische Pracht () veranschaulicht wird. vaneza vom selben Stamm wie abgeleitet, möchte ich gleichfalls hier einordnen, und zwar vorwiegend gestützt auf einen Beleg aus den von AThomas herausgegebenen «homelies provengales», den bereits Appel im SW s.v. zitierte, als einzigen Beleg für die Bedeutung «Eitelkeit»: D

51.

Nostre S. Deus fez ome a la sua forma et a la sua emagen. No lo fez d' aur ni d'argent, enans lo fez de la plus vil causa que poc trobar, zo [esl del lim de la terra, e per aizo ο fez que non agues en si ergul ni vaneza.

Die inhaltliche Parallele mit dem oben zitierten Beleg aus dem «Elucidarium» (Bel. D 27) ist unverkennbar; die Erläuterung, die dort gegeben wird () zeigt aber, daß die Übersetzung «Eitelkeit» den Kern der Sache nicht trifft (und wohl in erster Linie von der etymologischen Verwandtschaft von lat. vanitas etc. suggeriert wurde): Implizit ist der Vergleich mit Gott, nach dessen Vorbild der Mensch geschaffen wurde ( etc.) und mit dem sich zu vergleichen er sich nicht vermessen soll. Diese Deutung wird ihrerseits bestätigt durch zwei Verse des Guilhem de l'Olivier, die und in Gegensatz zueinander stellen: D

52.

Mal temps fai reconoysser Dieu, e bei temps engenra vaneza.64

se desmezurar schließlich findet sich in einem Beleg, der nur bedingt hierher gerechnet werden kann, da er ein «sich vermessen» ganz spezieller Art beschreibt, das «Sich-finanziell-übernehmen», das laut Guiraut Riquier auch nicht unbedingt negativ zu bewerten ist: 62

63 64

SW s.v. Centura. — Vergleichen ließe sich noch die Mahnung der Benediktinerregel an den Kellermeister (cap. XXXI), die Speisen an die Mönche «sine aliquo tyfo» auszugeben, was (als einzige der aok. Versionen) ms. Brunei 318 wiedergibt: 76). Ferner werden irdische Anmaßung und Übermut in ihrer Hinfälligkeit angesichts des Todes bzw. des Jüngsten Gerichts dargestellt. (ren d')ufanier heißen sie summarisch bei Peire d'Alvernha: D

61.

Per qu'er escur so qu'ar es clar lay on Dieus mostrara.l martir qu'elh sostenc per nos a guarir; on nos sera totz a tremblar lo iom del iutjamen maior, on non aura ren d'ufanier; qu'ab gran ioi et ab non pauc plor eissens desebran duy semdier.

cuidar bei Aimeric de Belenoi: D

62.

Seignier, en vos non perisca vostre prez e non delisca: qe, cant la mortz eis d'agait, tuit Ii cuidar son desfait? 8

Hierher sind auch die Verse zu rechnen, wo Guilhem Figueiras die Ambitionen Kaiser Friedrichs II. verurteilt: penzer und gap D

75 76 77 78

63.

Non traira, per San Johan, ugan tot a cap

P. C. 460, 1, ed. Jeanroy/Salverda de Grave, vv. 1—9. (Wie n. 74) vv. 2 2 - 2 3 . P. C. 323, 14, ed. Del Monte, vv. 5 7 - 6 4 . P. C. 9, 9, ed. Oroz Arizcuren («La lirica religiosa en la literature provenzal antigua», Pamplona 1972) Nr. 1, vv. 65-68.

184

son penzer ni sun gap; aisso.us pliu e vos man. Doncs de qe pessa tan? Q'unz penz' et autre sap, e totz nescis penzaire perchaza leu son dan tro qe ven a mescap, si s'en pot leu estraire.79

darf hier wohl konkret im Sinn von «übermütiges Vorhaben» gedeutet werden (auf dieses Lexem werde ich in § 1.5 noch ausführlich zu sprechen kommen); interessanter ist (v. 63), dessen Deutung «Absicht, Vorhaben» (bereits von Levy, SW s.v. pensier, 3 ad loc. mit Fragezeichen versehen) angesichts der unmittelbaren Zusammenstellung mit problematisch erscheint. Sinnvoller dürfte es sein, eine der von analoge semantische Entwicklung des entsprechenden Verbums anzunehmen: Wie hätte von «denken, gedenken, bedacht sein auf» sich zu «sich in Gedanken, Pläne etc. versteigen» weiterentwickelt (cf. SW s.v. cuidar, 3 und, zu als Nomen gebrauchtem , supr. Bel. D 62), ließe sich hier also als genau entsprechend verstehen. Dieser besondere Gebrauch von , den ich sonst nicht belegen kann und den die Lexika nicht kennen, wird bestätigt durch die folgenden Verse der zitierten Strophe, wo und nicht die Überhebung einer Eigenschaft oder den Subjekt, also dem Ich selbst, unmittelbar was der Welt insgesamt Eigentümliches, mit ren gilt. 94 95 96

gerügt wird, bedeutet in der Tat Sache wegen, die dem handelnzugehört: Es handelt sich um etdem es sich nicht zu identifizie-

(Wie n. 17) vv. 1463-70. (Wie n. 32) p. 47. P. C. 101, 12, ed. Branciforti (Catania 1955), Nr. 16, vv. 37-41. 189

Alle übrigen Lexeme, die speziell die Hinwendung zur eigenen Person in Eitelkeit, Einbildung etc. beschreiben, sind weit schwächer vertreten. oltracujamen ist hier zunächst zu nennen, das ich in zwei verschiedenen Nuancen belegt finde. Zum einen bezeichnet es bei Cadenet die Eitelkeit, die einen Liebhaber dazu verführen kann, die Identität der von ihm verehrten Dame aufzudecken und somit gegen das höfische Gebot des zu verstoßen: D

77.

[...] e no sabretz qui sia, C'a totz ho vueill celar comunalmen. Car trop gran vilania Es qui.s vai vanan Per outracujamen.97

meint hier also das Bedürfnis, sich im Ruhm einer Errungenschaft zu sonnen. Ganz anders bei Raimon Vidal, der im Gegenteil auf die Art der Eitelkeit abzielt, die daran hindert, sein Nichtwissen einzugestehen (cf. supr. Bel. D 74): D

78.

Li auzidor qe ren non intendon, qant auzon un bon chantar, faran semblant qe for[t] ben l'entendon, et ges no l'entendran, qe cuieriant se qe.lz en tengues hom per pecs si diz[i]on qe no l'entendesson. En aisi enganan lor mezeis, qe uns dels maiorfs] sens del mont es qi domanda ni vol apenre so qe non sap. [.. entendre et non , .1 Sill qe .cuion . OR entendon, per otracuiament non aprendon; et en aisi remanon enganat.

Sich den Anschein geben zu verstehen"; schweigen bzw. applaudieren, wenn und obwohl man nicht versteht, ist insofern eitle Überheblichkeit, als man das liebe Ich über die von Raimon Vidal so pointiert hervorgehobene Pflicht () stellt, zu fragen und so sich zu vervollkommnen100. boban nennt Guiraut Riquier als Ursache für den Wunsch eines Herrn, sich lieber Fremden angenehm zu machen statt seine eigenen Leute bevorzugt zu fördern: 97 98

99

100

P. C. 106, 19 (wie n. 31) Nr. 19, vv. 8 - 1 2 . Raimon Vidal, Las razos de trobar, ed. Marshall (London 1972) p. 411.33—37.43 — 44 nach ms. Brunei 290 (B); cf. auch den Wortlaut der hier interessierenden Stelle nach ms. Brunei 37 (H): (ed. cit. p. 5 11.43 -44). So dürfte hier zu deuten sein; die Wörterbücher verzeichnen diesen vom Zusammenhang geforderten Sinn nicht, doch läßt er sich aus der Bedeutung «etre prösomptueux» (PD) herleiten: «se donner par presomption l'apparence de». Raimon Vidal variiert so den verbreiteten Topos vom Wissen, das man nicht verborgen halten dürfe (Gleichnis vom vergrabenen Schatz). Cf. aok. Beispiele bei Boni ed. Sordel, p. CLXX s. n. 228 und, allgemein, ERCurtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter,2 1953, pp. 97ss. 190

D

79.

Ε sa guerra poira leu dechazer Que.l sieu n'auran gaug s'il es pres ο mortz; C'ab genh vol laus dels estrans per boban, Ε sei es pros c'als sieus fay ben, aman.101

Der Kontext ist genügend explizit, um die spezielle Bedeutung «Ruhmsucht (aus Eitelkeit)» zu sichern. se bobansar kennen wir bereits aus Abschn. C (Bel. C 121, q.v.). Der Kontext ist bei der Deutung wenig hilfreich, doch sehe ich keinen Grund, Kolsens Übersetzung «eingebildeten Leuten gegenüber (da, wo man sich brüstet)» nicht zu akzeptieren. Im Sinn von «Bedürfnis nach Selbstdarstellung» findet sich darüber hinaus ufana belegt, so in «Flamenca» bei der Schilderung eines Hoffestes in Nemurs. Der Kontext ist ausreichend explizit: D

80.

Tuit Ii ric home, per ufana, de .VIII. jomadas enviro i vengron, cascuns per tenzo. Tant i ac comtes e comtors e dominis e vavassors e d'autres barons rix e pros, que cascuns es de pres coitos, qu'en la vila non lur aünda.102

wird durch v. 200 definiert als auf gerichtete Begehrlichkeit, estoutich in diesem Zusammenhang ebenfalls nur einmal belegen: kann D

81.

Ε fezetz de l'aigua vi al covit d'archetricli ed autres meravils moutz don hom carnals no sap fi, ni no.us en mostretz estoutz.103

Peire d'Alvernhe unterbricht hier also die Reihe der von Christus gewirkten Wunder, um zu bekräftigen, daß Christus bei all dem niemals seine so oft gerühmte Demut verlassen habe, er seine Taten nicht in Eitelkeit seinem Ich zu101

102

103

P. C. 248, 42, ed. Guida ( poetici alla corte di Enrico II di Rodez, Modena 1983) Nr. 1, vv. 45—48. Guida gloss, übersetzt treffend mit «vanitä, vanagloria». Ms. Brunei 78, ed. Gschwind (Bern 1976), vv. 194-201, von Appel SW s.v. ufana, 1 «Prachtliebe, Prachtentfaltung» eingeordnet, zu Unrecht, wie der Kontext zeigt. P. C. 323, 16, ed. Oroz Arizcuren (wie n. 78) Nr. 41, vv. 5 0 - 5 4 .

191

rechnete. Wie zuerst Zenker ed. und dann Oroz Arizcuren ziehe ich also die Lesart der Hss. BDIK vor, während Del Monte ed. nach Ra für v. 54 den folgenden Wortlaut konstruiert: ni no.s n'entremet'estoutz,

ihn zum vorangehenden Vers zieht und über die Lesart von BDIK anmerkt (p. 190, n. 54): «Ma b possibile che il poeta voglia dire che Dio non s'insuperbi della sua potenza?» Demgegenüber hat bereits Oroz Arizcuren auf Matth. 12, 15-16 verwiesen (p. 345 s., η. 54)104, doch bietet die aok. Dichtung selbst dem Wortlaut nach (abgesehen von den zahlreichen Beteuerungen der Christi, wofür ich bereits in Abschn. Α Belege zitiert habe, cf. Bell. 39, 40) eine Antwort auf Del Montes eher rhetorische Frage. Ein Gebet, das von Hs. R Folquet de Marselha zugeschrieben wird, beginnt: D

82.

Senher Dieu que fezist Adam e assagiest la fe d'Abram e denhest penre earn e sanc per nos, tant fust humils e franc, pueys lieuriest ton cors a martire, don mos cors en pessan m'albire que trop fezist d'umilitat segon ta auta poestat.105

Negativ gewendet unterstreicht der letztzitierte Vers, daß Christus, anders als man hätte erwarten können, eben nicht seine Wunder zum Anlaß nahm, sich einem eitlen Bewußtsein seiner Macht hinzugeben. Eben dieser Aspekt wird durch die gesamte mittelalterliche Christusdichtung hindurch immer wieder hervorgehoben. In seinem Sirventes gegen die Übergriffe der Inquisition wendet sich Guilhem de Montanhagol auch gegen die Eiferer wider die kostbare Kleidung der Damen. Gegen sei nichts einzuwenden, solange sich die Betreffenden nicht überhöben:

104

105

«Iesus autem sciens secessit inde. Et secuti sunt eum multi, et curavit eos omnes et cominatus est eis, ne manifestum eum facerent.» P. C. 156, 12a, ed. Arveiller/Gouiran (Aix-en-Provence 1987), Nr. 17, vv. 1 - 8 . Ein weiterer Text, der Christi Demut feiert, ist insofern von Interesse, als er den einzigen mir bekannten Beleg für die (reimbedingte) Ableitung bietet: Salve Yesus, honras dreig enperaire, Leials et fins, Valens et amoros, Sens tot engan, nostre vers consellaire, Veira vida, veira salvacios, Plen d'umeltag et sens orgoillamen, De mi, que sui eis pecca? tant cogen, Aia? merce per la vostra bontag, Mun grant orgoil en dolgor re tornag. (ms. Brunei 9, ed. Levy, vv. 2174-81, zit. SW s.v.)

192

ricor Der Beleg ist der einzige, den ich für dieses Lexem im hier besprochenen Sinn gefunden habe: D

83.

Enquer dizon mais de folor qu'auifres a dompnas non s'eschai. Pero si dompna piegz no fai, ni.n leva erguelh ni ricor, per gent tener no pert Dieu ni s'amor. 106

Zum Schluß stelle ich die folgenden Verse des Lanfranc Cigala zur Diskussion, die, folgt man der Übersetzung des Herausgebers, zum vorliegenden Abschnitt ein weiteres Lexem beisteuern: anar en broill D

84.

Lantelm, eu.s am, per q'eu no voill Qe foudatz vos venza, Q'anatz ab bonas gens en broill Si chans lor agenza.107

Nach Art des sind wenig hilfreich: «s'anime de fiert6» (Coulet ed.), «s'enorgueillit» (Ricketts ed.) lassen nicht erkennen, worauf denn der «Stolz», den der Krieger angeblich empfindet, sich beziehen soll. Ist es nicht sinnvoll, angesichts der zusammengetrage250 251 252

(Wien. 110) 1.179 vv. 19-23. (Wie n. 128) vv. 435-36. P. C. 225, 3, ed. Ricketts (wie n. 85), Nr. 4, vv. 1 - 9 . 234

nen Belege für im Sinn von «Kampfesmut, Tapferkeit etc.» auch hier «erfüllt sich mit Kampfeslust» o.a. zu verstehen? fer Im Sinn von «verwegen, kühn» wird auch dieses manchmal mit bzw. seinen Ableitungen austauschbar erscheinende Lexem verwendet. Dazu läßt sich auf den folgenden Passus aus «Daurel et Beton» verweisen. Ein Bote von Beton verklagt Kaiser Karl vor dessen Hof und kündigt ihm die Rache seines Herrn an: D

191.

Ε l'emperaire pren l'en a regardier, Pren s'en a rir son cap a crolier: «Amix,» dis el, «mot as corage fier Car tu aisi m'es vengutz menasier.»253

Leider bricht hier die Handschrift ab, doch ist für die Bedeutung «verwegen, keck» durch den Zusammenhang gesichert254. Deutlicher noch bringt, doch wohl ganz in positivem Sinn, dieselbe Nuance eine Ableitung: fertat zum Ausdruck im folgenden Passus aus der «Chanson de la Croisade Albigeoise». Peire Guilhem de Seguret fordert hier die Kreuzfahrer auf, ihre Attakke auf den jungen Grafen Raymon VII. zu konzentrieren als ihren gefährlichsten Gegner: D

192.

«Tug datz, Baros, al comte jove, tot dreg on lo veiatz, Que res no.m fai temensa mas la sua bontatz Ε sa cavalaria e la sua fertatz.» 255

steht hier neben und , mit Levy kann man daher davon ausgehen, daß es auch seinerseits im Sinn von «Tapferkeit, Kühnheit» zu interpretieren ist256. oltracujat Nur einen hierhergehörigen Beleg kann ich für dieses Lexem nachweisen, den ich Sordels «ensenhamen d'onor» entnehme. Hier wird von dem schönen Schein in Wirklichkeit verwerflicher Charaktereigenschaften gewarnt und dabei und in unmißverständlicher Weise zusammengerückt: 253 254

255 256

Ms. Brunei 228, ed. Kimmel (Chapel Hill 1971), vv. 2 1 8 1 - 8 4 . Auch Kimmel ed. ist dieser Auffassung. In seinem «summary» faßt er die Stelle folgendermaßen zusammen: «The Emperor laughs and praises their [gemeint sind Betons Boten] courage in challenging him in such a manner before his court.» — Für einen weiteren Beleg von in diesem Sinn cf. infr. Bei. 198. (Wie n. 20) 1.211 vv. 109-12. Levy SW s.v. fertat, 5 kennt wie ich nur diesen Beleg. 235

D

193.

Pero de tals n'i a, que an de bos aibs qu'a prezar non fan; qu'ardimenz no fai a prezar d'ome oltracuiat, zo.m par, ni deu esser per re prezatz de null om escars lo solatz, ni l'ensegnamenz del coart.257

So zweifelhaft wie die Klugheit des Feiglings (v. 233) ist die Tapferkeit des unbedenklichen Draufgängers: dürfte mit «tollkühn» am treffendsten wiederzugeben sein und ist also eindeutig negativ gefärbt, ganz anders als ein sonst öfter bedeutungsgleich mit ihm verwendetes Wort: sobransier in den folgenden Belegen. Hier ist in erster Linie auf eine Stelle aus dem «Chanson d'Antioche»-Fragment zu verweisen. Arloi'n warnt dort Corbaran vor einer neuen Gruppe fränkischer Krieger in der Parade des christlichen Heeres: D

194.

«De tot chrestianesme so vengut soudadier, Tuih elig e triat e fort bo batalhier. Tan son ric e cortes e ardit sobra[n]sier Que totas nostras armas non prezo un dfenier], Car il no dopto lanza ni sageta d'arquier.»258

Appel, der einen Ausschnitt des Fragments in seine Chrestomathie aufnahm, übersetzt im Glossar ad loc. mit «stolz»259. Levy übernahm den Beleg in sein SW, versah aber Appels Deutung mit einem Fragezeichen: «Oder dürfte man etwa «in hohem Maße, außerordentlich kühn» deuten?»260 Daran läßt in der Tat der Kontext keinen Zweifel (die Übersetzung der «Gran Conquista» ist hier zu frei und erlaubt keine Rückschlüsse261), doch faßte Levy offenbar als zusammengehöriges Ganzes auf, wobei hier eine adverbielle Funktion (im Sinn von «sehr, außerordentlich») erfüllte. Sollte es sich hier nicht um ein Asyndeton handeln, wobei und synonym gebraucht wären? Dafür spricht ein weiterer Beleg von aus einem des Peire Vidal, den Levy offenbar nicht kannte: D

257 258 259 260 261 262

195.

Quant ai vestit mon fort ausberc doblier Ε seint lo bran que.m det En Gui Γ au trier, La terra crolla per aqui on ieu vau; Ε non ai enemic tan sobrancier Que tost no.m lais las vias e.l sentier, Tan mi dupton quan senton mon esclau.262

Ed. Boni vv. 227-33. (Wie n. 128) vv. 166-70. So noch in der 6. Aufl. 1930. SW s.v. sobransier, 4. Cf. Abschn. C n. 29. P. C. 364, 18, ed. Avalle (wie n. 171), Nr. 29, vv. 7 - 1 2 .

236

steht hier allein, und zwar im Sinn von «kühn, verwegen», wie auch (v. 12) zeigt263. sobrier im selben Gedicht scheint auch in diesem Sinn gebraucht zu sein, dem wir bereits mehrfach begegnet sind (cf. den Index): D

196.

Anc en cambra non ac tan plazentier Ni ab arm as tan mal ni tan sobrier, Don m'am'e.m tem tals que no.m ve ni m'au. 264

Für mal im Sinn von «kampflustig, kriegerisch» (aber doch auch «kühn, unerschrokken») hat bereits Levy SW s.v., 4 Belege zusammengetragen. Mit ihm ist hier synonymisch verbunden. Daß letzteres so richtig gedeutet ist, zeigt der folgende «Jaufre»-Beleg, wo in unmittelbarem Zusammenhang mit gebraucht wird. Man warnt dort Brunisen, den ihr noch unbekannten Jaufre nicht zu unterschätzen: D

197.

«No sera, Domna, qe venjansa n'er presa, Mais aqest es d'aital proesa Ε a tan fer cor e sobrier Qe ja sol per un cavalier No er pres.»265

mal im Sinn von «kampflustig, kriegerisch» hat, wie bereits erwähnt, schon Levy im SW ausführlich dokumentiert, wobei er nicht zuletzt auf die «Chanson de la Croisade Albigeoise» zurückgriff. Dieses Gedicht bietet jedoch darüber hinaus eine ganze Reihe von Belegen, wo mit oder zusammengestellt erscheint, und die trotz der bisher üblichen und wohl auch von Levy vorausgesetzten Übersetzung vom Typus «mechant et arrogant» nicht anders zu verstehen sind. Sie finden sich sämtlich in kriegerisch-militärischem Kontext, vielfach bei der Schilderung eines Angriffs oder einer Situation, wo sich ein einzelner Ritter auszeichnet, und wäre es der sonst so oft geschmähte Simon von Montfort. Die Texte bedürfen kaum der Kommentierung: D

263 264 265 266

198.

Senhor, mot fo la osts fera e meravilhosa, Aisela dels crozatz, e mala e urgulhosa. L'aiga passan per forsa e van enves Tholosa. No retnas per paor, ni per neguna coza, Que no la asetgessan de la on es plus clouza.266

Zu cf. im übrigen auch infr. Bel. 201. (Wie η. 262) vv. 2 2 - 2 4 . (Wie n. 5) vv. 3508-13. Ms. Brunei 200, ed. Martin-Chabot I (Paris 1931) 1.79 vv. 1 - 5 .

237

Hinzuweisen wäre hier auf das bemerkenswerte Nebeneinander von (zu cf. supr. Bei. 191) und auf , das , negativ gewendet, wieder aufnimmt. Bildhaft-anschaulich findet sich die Zusammenstellung von und wieder in einer Rede des jungen Raymon VII.: D

199.

«[...] Que non es en est mon nulhs om tan poderos Que mi pogues destruire, si la Glieza no fos. Ε es tant grans mos dreitz e la mia razos Que s'ieu ai enemies ni mals ni orgulhos, Si degus m'es laupart, eu Ii serd leos!»267

Martin-Chabot übersetzt, eben in Hinblick auf , in v. 27 «acharnds et hardis», doch ist durchaus als mit synonym gebraucht zu betrachten. Beide finden sich noch einmal im Rahmen einer Schlachtschilderung: D

200.

Ε lo corns de Montfort, qu'es mals e orgulhos, Feric ins en la preissa si que n'abatec dos.268

Ganz offensichtlich hat der Anonymus die Kampfkraft, die kriegerische Tüchtigkeit des Grafen im Blick. In ganz ähnlicher Situation und wieder auf Simon von Montfort bezogen findet sich mit La terra es lo plus vil de Ii 4 element, De lacal fo fayt Adam, paire de tota gent. Ο sane, ο polver! or te ensuperbis, Ο vaysel de miseria, or te enargolhosis! Horna te ben e quer vana beota: La fin te mostrare qe tu aures obra! La Barca, ms. Geneve 207, ed. Apfelstedt, ZrP 4, 1880, 330-46, vv. 2 5 - 3 0 Etym.: Cf. s.v. orgolh Bibl.: LR IV 385"

orgolhamen, s.m. (hap.) «Prätention (en vue de sa puissance)» Salve Yesus, honra? drei? enperaire,/Leials et fins, valens et amoros,/Sens tot engan, nostre vers consellaire,/Veira vida, veira salvacios,/ Plen d'umelta? et sens orgoilIamen,/De mi, que sui els pecca? tant οοςεη,/Αίας merce. AnonRelig, ms. Brunei 9, vv. 2174-80 Etym.: Cf. s.v. orgolh Bibl.: SW V 520b; PD.

414

4.

Lexikalischer Index

In der folgenden Liste sind grundsätzlich alle Lexeme aufgenommen, die im Text des systematischen Teils meiner Arbeit als möglicherweise oder mit Bestimmtheit eine unserem Sinnbereich zugehörige Nuance bezeichnend hervorgehoben und besprochen werden. Dabei verzeichne ich die Stellen, wo das jeweilige Lexem im Vordergrund steht, vollständig, jene, wo es darüber hinaus vorkommt, in Auswahl. Letzteres betrifft vor allem seltener belegte Lexeme, die andernfalls ungenügend dokumentiert würden. Über die im engeren Sinn der lexikalischen Ausprägung unseres Sinnbereichs zuzurechnenden Lexeme hinaus umfaßt das Register auch in den Anmerkungen aus jeweils gegebenem Anlaß besprochenes Wortgut, das an und für sich nicht hierhergehört, d. h. vor allem Lexeme, die ich zur semantischen Klassifizierung und Einordnung besonders der zentralen Lexeme, in deren näherem Kontext sie stehen, herangezogen habe — so zum Beispiel Ausdrücke für Furcht und Gehorsam in Abschn. F 1.2, die den Gehalt von erschließen helfen. Das Register dient in erster Linie also praktischen Zwecken: einem allgemeinen Überblick über das besprochene Wortmaterial und dem raschen Auffinden bestimmter Lexeme. Die m.E. als zentral zu betrachtenden Lexeme hebe ich durch Fettdruck hervor, die Hapax (eine entsprechende Angabe gilt natürlich nur mit Vorbehalt) und die m.W. nur in einem bestimmten Text vorkommenden Lexeme sind entsprechend (hap.) gekennzeichnet. abaisar, v.r. aclin aclinar, v.a. aclinar, v.n. aclinar, v.r. afortimen afortir, v.r. afrancar, v.a. afrancar, v.r. afranher, v.r. afranquir, v.r. agre de bon aire amezurar, v.r. amoros aparian aplanhar, v.r. ardimen ardit/ardidamen arrogan arrogansa aurat

F 295 Β 9, 58, 59. C 97. F 142-45, 164, 165, 177 F 160, n. 178 Β 10. F η. 178 F 146 D 185 F 51, 251 F 301-02 F 203, 208, 303 (cf. n. 351) A 43. Β 8. F 140, 167, 178, 270, 304 F 251, 300 F 216 C 155-57 F 99, 305 C 116, 117, 131, 132, 137, 142, n. 195 (= F 280) C 133 D 121 Ε 43. F 27, 71, 72, 96, 97 A 23. Β 68. C 80, 81. D 205. F 52, n. 62 D 21 , n. 23 D 1, n. 2 D n . 42

415

d'aut afaire cenher aut, v.r. autiu autos baisar, v.r. barat bas baut bauzaire bauzia befador blandir/ -re, v.r. boban/b urban bobansa/bombansa bobansamen bobansar, v.n. bobansar, v.r. bobansier/beubancer bobenchaire bofei brau anar en broill brun car cauzimen clin cap cli cor cli cointe/conge confes conoisensa de bon cor cor cli ses cor leugier ab umil cor ab cor venal ses cor volatge cortezia cruzel cuidar, v.n. cuidar, subst. deceptio descauzimen descauzit desconoisensa desconoiser, v.r. deslatar desmezura desmezuransa desmezurar, v.a. desmezurar, v.n. desmezurar, v.r. desmezurat

416

C 155 F 98 (hap.) C 27, 105. D. 166. F. 209, 248, 249 C 28 (hap.) Β 8 Ε 11 F 7, 169 D 48 Β 63 Ε6 C 87 (GirRouss) C 142, 147 (= D 157). F 24 D 79, 102, 155. Ε 52. F 53, 205, 206 A 12. C 53. D 60, 103 D 104 (hap.) D 105, 106 C 121 (cf. dazu D 79 Komm.). D 107 C 54, 87. D 19, 59, 101, 108. PCard 35 D 32 (AigMaur) C 61, 86, n. 80 C 91, 97, 125. F 48, 54, 55, 213-15, 252-57 D 84 (hap.) F 273 Β 45. C 121, 135, 137 C 7, 32. F 183, 288, 289 F 163 Β 60, 61 F 147 C 88, n. 123. F 56 F 180 F 102 F 159 cf. clin F n. 220 Β 46, 47 F 156 F 160 F 33 C 89, 98 F 13. PCard 36 D 62. F 28 Ε 12 C 91 C 99 Β 37 D 50. F 29 (cf. desconoicen, G 1 v. 19) Β 69 A 24, 46. Β 6, 7, 32, 8 0 - 8 3 . Ε 26. F 207, 242 Β 33. Ε 22. F 86, 243, 244, 277 Ε 27, η. 29. F 246 F 245 Β 35. D 53 C 106. F 57-59, 75, 76, 85

desrei devocio devotamen doptansa drechurar drechurier dreit dreitura dur eisausar, v.r. elation elevat elevation empenher, v.a. empenher, v.r. enargolhosir, v.r. enaurat cap enclin enclinat encreisser (en orgolh) endenh engan engres ensuperbir, v.r. error escur esdenh eslaisar, v.r./eslaisat eslevat esquiu estout estragat estranh estranhar, v.r. per, ad estru falsia fat feVfelon felnia fenh/fench fenhedor fenher, v.r. fer ferm feror fertat fin fol folatge foldat folesa folia

D 40 (GirRouss) A n. 56. Β 62 A 32 F176 A 30 C 126 Β 15, 16. D 194. F 157 Β 14, 16, 83. C 140. Ε 5 F 202, 203, 210-13, 228, 250, 251, 282 D 136, 141 C 58, 59 A 12, n. 23 A 12 F n. 105 D 112. F 87 A n. 7 Β n. 91 A 39, 45 Β 54, η. 67 D 33 C 56 (cf. auch esdenh) Β 14. C 12. Ε 5. F 40, 41, 161, 162 F 203 A n. 7 D 12 F 273 Β 74, 75 (cf. auch endenh) F n. 96 A n. 23 F 266-69 C 55, 144. D 81, 167 D 41, 42 (GirRouss) F 270-72 F1 G η. 1 F 42 D 20. F 96 C 100, n. 140. D 202. F 274. PCard n.7 D 203. PCard n. 7 D n. 161 D 121 D 4 9 , 112, 120, 121, 130, n. 157 C 79, 124. D 159, 161, 191, 197. Ε 42. F 50, 55, 212, 2 5 8 61, 282 F 25, 93, 161 C 76, 84 D 192 F 136, 137, 139 Β 2. D 10, 15, 16, 18, 21. F 191 F 77 Β 25, 35. D 4, 6, 7, 18. F 90 F 191 D 5, 9. F 89

417

folor forsaic fort franc gabaire/gabador gabar, v.n. gabar, v.r. gabar, subst. gabaria gai gap galauber galaubia galhardia de genolhos gloriar, v.r. gloriejansa gloriejar, v.r. glorifiansa glorifiar, v.r. glorificar, v.r. gram gramor guoguol ira iraisser, v.r. iramen irasable irat/iradamen iritzar, v.r. iror jactacio jactancia jactansa jactar, v.r. leial leialeza leialtat lige mal maleza maligne malvestat mas jointas menasa menasar/menasan merce mercejaire mercejar mesconoisensa mesconoiser mezura

418

Β 24, 37. D 3 G η. 1 F 209 C 126-28, 139, 150, 153, 156, 157, 170, 171, n. 174, n. 205. F 50, 134, 135 D 32, 119, 132-34 D 124, 126, 127 D 128-30 D 135 D 131 D 64, 65. F 276 D 63, 122-25 C 88 (GirRouss) C n. 122. F. 99 var., n. 122 Β 22. D 175 A 27, 28, 45. F 109, 164, 179 D 136 D 139 D 137, 138. G 4 D 142 D 141 D 140 F 265 C 76 D 20 (und cf. Ε η. 60) (hap.) C 76 C 129. F 60, 247 C 81 C 81 C 81, 85. F 257, 265 C 57 C 84 D 149 D 145-47 D 85, 148 D 143—45 Β 19, 54. C 63, 149, 175. F 153-56 C 126 Β 14. Ε 5 F 178 Β 33. D 198-201. F 191, 217, 250, 255 C 126 D 185, n. 245 Β 25. Ε 16, 17 A 45. F 108, 163, 164, 179, 180 F 39, 52 Β 39, 41. C 89, 106. F 59, 204 C 165-68, 180. F 173, 184-86, 207, 229, 288, 290 C 139, 152. F 171 Β 49. F 170, 172, 289 A n. 33 D 75 C 114. D 34, 50. F 94, 102 (u. cf. Einl. η. 1)

mon d'orgolh muzardia nosen obedir/obedien oltracuidamen oltracuidan oltracuidansa oltracuidar, v.n. oltracuidar, subst. oltracuidat oltratge om orgolta

orgolhamen orgolhar, v.r. orgolhos/-amen

orgolhozir, v.r. osat pagat paratge parlar, v.n. parlar, subst. parlier/parler pecat pensaire aut pensamen pensar, v.n. penzer pervai'dor pietat plazen prezomcio prezomtuos reconoisemen reconoiser, v.a. reverensa ric ricaudia ricaut

F 193 D 20 D 5, 11. G 4 Β 37, 54. F 3 2 , 51, 64, 115, 118 A 20, 21. Β 44. D 77, 78, n. 98. F 89 A 22 F n . 83 F n. 129, 104 Β 21 A 25. Β 2 - 5 , 20. C 51, 52. D 17, 18,43-45, 59, 88,193, n. 73. Ε 34. F 12, 45, 61, 79, 87, 88, 103 Ε 9. F 77 F 177 A 5 - 1 0 , 12-14, 2 0 - 2 2 , 26, n. 33, n. 38. Β 11-15, 17, 23 - 2 6 , 30, 34, 3 6 - 4 0 , 65, 66, 73, 7 6 - 7 8 . C 12, 14, 17, 19-25, 3 1 - 4 3 , 59, 65 - 6 7 , 7 0 - 7 7 , 79, 89, 91-96, 10813, 122, 153, n. 122. D 2 - 1 2 , 2 7 - 4 2 , 5 4 - 5 7 , 6 6 - 7 3 , 83, 86, 150-53, 155, 160, 162, 163, 169-79, 183-86, 203, n. 225, n. 229. Ε 1 - 2 0 , 2 8 - 3 0 , 33, 35, 38, 3 9 , 4 1 , 4 5 - 4 9 , 54, 55. F 1 - 7 , 16-26, 32-42, 50, 6 9 - 7 2 , 8 0 - 8 4 , 91, 101, 102, 116, 183-93, 195, 218-33, 277-79, 283 D n. 105 A 19. Β 43. C 109,123, 146, 147 ( = D 157). D 5, 38, 76, 87, 156, 190. F 37, 49, 50, 239-41, n. 285 A 15-18. Β 1, 16, 18, 41, 42, 63, 71, 79. C 13-16, 18, 26, 4 4 - 4 8 , 68, 78, 8 1 - 8 3 , 85, 87, 89, 90, 97-101, 108, 116— 22, n. 37, n. 156. D 13-16, 59, 74, 101, 154, 164, 169, 187-89, 198 - 2 0 0 , 202, n. 31. Ε 2 1 - 2 5 , 32, 34, 36, 37,40, 50, 51, 54, 55. F 8 - 1 1 , 4 3 - 4 8 , 54, 7 3 - 7 5 , 84, 196-200, 232, 234-38, 277, 280-82, 284 C 49, 50. D 75, 136 D 42 C 129 Β 9. C 1 - 3 , 11,29, 32, D 87 D 111 Β 2. D 132 Β 26 D 63 D 182 D 63 D 63 C 88 (GirRouss) C 169. F 216, 285 C 91, 130, 134, 142. F Β η. 85. C 59, η. 77 D n . 31 A 17, n. 33 D 52 F 152 C 100. D 166, 180, 181. F 99 D 48, 91 419

ricor ricos ricozia rictat riqueza salvatge sem d'umilitat ser/servidor sobrans sobransa sobransaria sobransejar sobranser, -ier sobresobrer, -ier a sobrefor sobregabaire sobreira, -iera, -era sobrelaus sobrelauzar, v.r. sobrepensat sobresen sofren sofrensa soplegar sorbr... sotzmes suau subjet superbia superbi temer/temen temensa temor tiran tort trasalhir trop/tropufana ufanaria ufanes ufanier ufec umelios umelir, v.r. umil/umilmen

umiliadamen umilian umiliar, v.a. umiliar, v.n. 420

Β 22, 37. C 1 - 1 0 , 12,40. D 47, 83, 204. F 63, 64, 204, 247 Β 74. C 102, 103. D 90 C 104, n. 144. G 4 C 11 C3 F 50, 211, 2 6 2 - 6 4 F 194 F 148, 149 A 22 (und cf. n. 39) Ε 44 Β 30, 31. C 107. F 30 Ε 53 Β 19. D 108-10, 168, 194, 195, 201. F 14 F 77, 78, 83, 88, 9 1 - 9 4 Β 18, 27. C 60, 79. D 196, 197. F 275 C 69 D 135 Β 17, 28, 29. C n. 107. D 58. Ε 28. F 65 D 89 D 89 Β 38 D 157 F n. 220 F3 A 44 Β n. 45 Β η. 91 C 91, 102 F 165 A 1—4, 12 A3 Β 75. F 174, 175 F 34 F 32 F 66, 67 Β 11, 12, 16, 24. Ε 11, 13, 26 F 100, n. 123 F 91, 92, 95 Β 67. D 46, 80, 9 2 - 9 6 , n. 31. F 31, 68 D n. 31 D 97 D 22, 61, 98-101 F 208 (hap.) F 131 (hap.) F 300 A 27, 28, 30-32, 3 4 - 3 6 , 39, 44. Β 45 - 5 3 , 61, 64, 72. C 29, 30, 62, 63, 126-38, 1 4 8 - 5 2 , 1 5 4 - 5 7 , 1 7 0 - 8 1 , n. 156, n. 212. F 105-14, 134-39, 141, 148, 149, 151-59, 161, 162, 166, 168, 170-72, 174-76, 179-82, 284, 312, n. 169 A 33 Β 55. C 143. F 119-25, 309 C 146 F 115, n. 140

umiliar, v.r. •umilien umilitatMltat

umiliu/-ou vaintador van, n.m. van, adj. vana gloria vanaire van amen vanansa vanar, v.r. vanar, subst. vanetat vaneza vantaire/vantador vantansa vantar, v.r. vantat vencut ventaire/ventador ventar ver verai vilania volontos

5.

A 37, 38. Β 56, 57. C 142 (?). D 154. F 116, 117, 118(?), 126(?), 127(?), 2 9 1 - 9 9 , 310(?), 311 F n. 145 A 1, 5 - 7 , 4 0 - 4 2 , n. 25. Β 54. C 88, 139, 145, 1 5 8 - 6 9 . D 151, 153, 160, 162, 170, n. 105. F 128-30, 2 8 5 - 8 8 , 290, 3 0 6 - 0 8 , n. 155 C 120. F 1 3 2 - 3 3 D n. 155 D 113 D n . 31 A 11 D 116 D 104 D 114, 115 D 46, 92, 93, 107, 112, n. 143 D 97, 111 D 23, 25, 26, 50 D 24, 5 1 , 5 2 C 88. D 99, 118, n. 155 zit. vor D 120 D 117, n. 155 zit. vor D 120 F 166, 167 D 99, 118, n. 155 D n. 155 F157 F 158, 182 Β 24, 30. Ε 8 F 150, 151

Stellenregister

Das folgende Verzeichnis umfaßt alle Stellen, auf deren Textkonstitution oder Deutung im Rahmen dieser Arbeit in kritischer Auseinandersetzung mit Editoren und/oder Kommentatoren ich einzugehen hatte, wobei ich allerdings zitierte Emendationen aus der älteren Forschung nicht berücksichtige. Es verweist jedoch nicht nur auf Texte, die offensichtlich falsch hergestellt und erklärt oder übersetzt worden sind, sondern ebenso auf Stellen, zu denen das letzte Wort noch nicht gesprochen worden ist, wo ich selbst aber keinerlei befriedigende Lösung anzubieten habe bzw. wo es mir notwendig scheint, der Entschiedenheit des jeweiligen Herausgebers einen Hinweis auf die Problematik seiner Lösung entgegenzuhalten. Die Angaben zu Texten der letzteren Kategorie, mit denen eine neuerliche Auseinandersetzung erforderlich sein dürfte, hebe ich durch * hervor.

421

Trobadortexte (Lyrik) AdRoc 5, 1 v. 26 ADan 29, 6 vv. 19-27 AMar 30, 19 v. 4 BMarti 63, 6 v. 38 BBorn 80, 37 v. 28 BCarb 82, 16 v. 18 Blacst 96, 2 v. 9 Blacst 96, 3 vv. 1 - 6 Blacst 96, 10 vv. 1 - 2 , 12 DPrad 124, 11 vv. 3 3 - 3 6 JPoyc 173, 8 vv. 4 6 - 6 7 GPeit 183, 10 v. 34 GCav 209, 2 v. 31 GCab 213, 1 vv. 7 - 8 GCab 213, 5 v. 68 GSDid 234, 6 vv. 3 1 - 3 2 GSDid 234, 7 vv. 4 1 - 4 2 GSDid 234, 11, vv. 11-12 GSDid 234, 11 v. 34 GRos 240, 1 v. 15 GRos 240, 1 v. 45 GRos 240, 6 v. 29 GBorn 242, 6 v. 36 *G Born 242, 29 vv. 3 5 - 3 6 GBorn 242, 36 v. 80 *GBorn 242, 37 vv. 4 4 - 4 5 GBorn 242, 41 v. 27 »GBorn 242, 69, v. 17 *GRiq 248, 33 vv. 15-18 MMont 305, 2 v. 53 •MMont 305, 13, v. 12 Pal 315, 2 v. 11 PAlv 323, 7 v. 9 PAlv 323, 19 v. 68 PCard 335, 14a v. 27 PCard 335, 18 v. 10 PCard 335, 46 vv. 2 6 - 2 8 PCard 335, 65 v. 33 PCard 335, 65 v. 37 PCol 337, 1 vv. 7 - 9 PGuilh 345, 2 v. 26 RCast 396, 1 vv. 20. 23 RVaq 392, 22 v. 68 RMir 406, 6 v. 50 RSal 409, 3 v. 25 RBer 427, 4 v. 5 *P. C. 461, 5 v. 39 P. C. 461,43 vv. 3 3 - 3 6

422

C 5 u. n. 12 F 4 u. n. 11 C 157 u. n. 216 D n. 31 C n. 195 D 118 F 189 u. n. 228 F 107 u. n. 132 D 123 u. n. 163 D 174 u. n. 232 F 122 u. n. 149 C 22 C 106 F 130 u. n. 159 D n. 221 F 310 u. n. 360 F 312 u. n. 363 F 77 u. n. 92 C 161 u. n. 221 C 8 u. n. 17 F 183 u. n. 222 F 290 u. n. 336 C 73 u. n. 74 F 91 u. n. 111 F 59 u. n. 71 F 54 u. n. 64 Ε 43 u. n. 53 F n. 261 Ε 34 u. n. 41 F 73 u. n. 88 F n. 122 C 97 Ε 44 u. n. 56 D n. 161 PCard 32 u. n. 61 Fn. 60 PCard 20 u. n. 39 PCard 12 u. n. 27 PCard 12 u. n. 25 F 7 u. n. 14 D 132 u. n. 173 F 63 u. n. 77 Β 53 u. n. 65 D 65 D 204 u. n. 273 C 42 F 237 u. n. 281 A 16 u. n. 31

Andere Texte GirRouss 0 v. 1436 GirRouss Ο ν. 2966 GirRouss 0 ν. 8289 AigMaur ν. 755 AigMaur vv. 768—71 Flamenca v. 7849 RolSar v. 511 Rons vv. 1 3 8 9 - 9 2 GBrun, Ensenh. v. 274 RVid, So fo vv. 1 7 3 - 7 4 RVid, Abril v. 74 v. 416 vv. 4 3 9 - 4 0 vv. 1 1 6 3 - 6 4 v. 1488 BrevAmor v. 27.780 *CoitAmor vv. 1 6 8 6 - 9 1 RCast, Doctrms. Brunei 21, v. 15 ChCroisAlb 1. 163 v. 39 1. 191 v. 30 LibScintf. 59 Β 9 - 1 1 f. 165 C 16

C 86 C 73 Ε 45 u. n. 59 Ε 30 u. n. 35 Ε 32 u. n. 38 F 269 u. n. 314 D 183 u. n. 242 Ε 29 u. n. 34 C 135 u. n. 183 F 29 u. n. 36 C 144 B n . 30 D 36 u. n. 42 D 11 u. n. 12 C56 C n . 117 D n. 161 C 98 u. n. 136 D 186 u. n. 248 Β 22 u. n. 24 Ε 25 C 58 u. n. 75

423

Anhang

und synonym verwendete Lexeme bei Peire Cardenal1 «Das dichterische Reich Cardinais ist die unsichtbare Welt der sittlichen und religiösen Werte», heißt es in Voßlers Cardenalbuch2. Die Worte und Wendungen, deren sich der Dichter zur Darstellung dieser Werte und der ihnen entgegengesetzten Makel, Sünden und Laster bedient, sind zahlreich und zeichnen sich dabei durch eine beträchtliche semantische Variationsbreite aus. Das erhellt nicht zum wenigsten aus dem Gebrauch von und den diesem — teilweise nur hier! —semantisch verwandten Wörtern. Cardenals vieldiskutierte Vorliebe für das ganz Allgemeine, oft Abstrakte wirkt sich hier auf sprachlicher Ebene aus: in der Neigung, sonst klarer umrissene Begriffe in denkbar weitestem Sinn zu verwenden und so semantisch zu zerdehnen. Nicht immer erlaubt der Kontext, die erweiterte Bedeutungssphäre klar zu bestimmen. Im allgemeinsten, dem Sinn von «Schlechtigkeit, Bosheit», ohne eine spezifisch religiöse Bewertung, kommt meiner Auffassung nach viermal vor: 1.

Si tortz fos dretz ni enjans lealesa, Ni tolres dars ni lagz peccatz merces, ni amt' honors ni cobeitatz largesa, Als crois malvatz for' al segle ben pres;3 Qu'en els a tan de vilania, D'ergueilh, de mal, de felonia, De totz mals aips qe, si mals fosa bes, Part totz agran Ii croi ric pretz conqes.4

und könnten zwar im engeren Sinn von «Hochmut» und 1

2

3

4

Sofem nicht anders angegeben, zitiere ich nach der Ausgabe von Rene Lavaud, Poesies completes du troubadour Peire Cardenal (Toulouse: Privat, 1957). Karl Voßler, Peire Cardinal, ein Satiriker aus dem Zeitalter der Albigenserkriege. Sbb. d. Kgl. Bayer. Akad. d. Wissensch., philosoph.-philolog. u. hist. Kl., Jg. 1916, 6. Abh., München 1916. Zitat p. 57. Ich übernehme die Korrektur (ms. segles) von KLewent, Remarks on the texts of Peire Cardenal's poems, in: NM 62, 1961, 71—94, hier74s., der Lavauds Fehldeutung des Verses (ed. XIII) korrigiert. P. C. 335, 8, ed. Lavaud XIII, vv. 33—40, der Text verglichen mit und korrigiert nach den späteren kritischen Ausgaben von Contini, in: Recueil Brunei (Paris 1955) I 283-84 und FFabre, in: Lettres Romanes 13, 1959, 400-04.

425

«Treulosigkeit» gebraucht sein, besonders wenn man v. 39 als Zusammenfassung der beiden vorangehenden Verse ansieht, doch ist das wenig wahrscheinlich: nicht nur, weil (v. 38) kaum als verstanden werden kann, sondern auch weil (oder ) mehrfach seinerseits in ganz unspezifischer Verwendung bei Cardenal vorkommt, wozu insbesondere folgende Verse zu vergleichen sind: 2.

[· · •] Ε mor amors El mon e nais feunia, Et es lauzors Blasmes e senz folia.5

Wie Camproux nachgewiesen hat, steht bei Cardenal «pour d£signer la quality qui contient en eile toutes les qualitds morales composant la civilisation qu'il defend» 6 . Entsprechend bedeutet das antithetisch verglichene keinen bestimmten Charakterfehler, sondern einen (nicht den einzigen) Inbegriff all dessen, was Cardenal für den von ihm immer wieder geschilderten sittlichen Niedergang verantwortlich macht7. 5 6

7

P. C. 335, 46, ed. Lavaud LXVIII, vv. 53-56. Charles Camproux, Amour chez Peire Cardenal, in: Phon6tique et linguistique romanes. Melanges offerts ä Georges Straka (Lyon/Strasbourg 1970) pp. 395—409, Zitat p. 400. Ferner könnte man P. C. 335, 25, ed. Lavaud XVII, vv. 41—44 heranziehen:

[...] Car de la mar de Baiona Entro a Valensa A grans gens fals'e felona, Laj'en viltenensa. wo das einen Teilaspekt von beschreibende (cf. infr. die Bell. 17—20) ohne erkennbaren konkreten Bezug neben und steht. Der ganz allgemeine, undifferenzierte Gebrauch von stellt im übrigen keine späte Entwicklung dar, sie ist bereits im ältesten aok. Literaturdenkmal, dem «Boeci», anzutreffen. Vergleiche: En(s)anzc en dies foren ome fello; mal ome foren, aora sunt peior. (vv.20—21) und sind offenbar synonym gebraucht; dem entspricht ibid. die Beschreibung der Tugendleiter: Cals es la schala? De que sun Ii degra? Fait sun d'almosna e fe e carität. Contra felnia sunt fait de gran bontat. (vv. 216—18) wo der ganz allgemeine Begriff entgegengestellt wird, genau dem Cardenalschen Gegensatzpaar — entsprechend. Zur Deutung von und seiner semantischen Entwicklung cf. die Interpretation von Christoph Schwarze, Der altprovenzalische , Münster 1963, §§ 73-76 und 277. In Hinblick auf den infr. folgenden Beleg 14 ist hier auch hinzuweisen auf die Bezeichnung des Teufels als im «Leben der Heiligen Enimia», ed. Brunei, v. 178: que [sc. Jesus] la gardes del felo, que non la pogues enganar lo sieus engans, ni baltugar.

426

Kehren wir zum Ausgangspunkt, meinem Beleg 1, zurück, ergibt sich so, daß in einer Reihe mit allgemeinen Ausdrücken für «Schlechtigkeit, Gemeinheit» steht und daher seinerseits kaum anders zu interpretieren ist. Unmittelbar einleuchtender ist ein weiterer Beleg: 3.

Tan son Ii orde envejos, Plen d'erguelh e de mal talan Que, per sert, mais sabon d'engan Que raubadors ni mals cussos.

Bereits Kolsen hat die Notwendigkeit empfunden, differenzierter als durch die übliche Wortgleichung zu übertragen und «Verwegenheit» gedeutet 9 , doch bietet sich für eine derartige Auffassung keinerlei Anhalt: , neben , als Quelle hinterlistigen Verhaltens gleich dem von Räubern kann kaum etwas anderes als «Bosheit» heißen. Das gilt auch für folgende Stelle, wo neben gebraucht wird und beide als ungefähre Synonyma angesehen werden können: 4.

Li plueia sai es cazeguda: Cobeitatz, e si es venguda Us orgolhs et una maleza Que tota la gen a perpreza.10

Das weibliche bezogen auf folgendes ist merkwürdig; es dürfte, reimbedingt, zur Not auf zu beziehen sein. Jedenfalls ist mit Appel11 in v. 59 die Lesart von IKd beizubehalten. Lavaud konjiziert, nur sehr teilweise auf die Lesart von Τ () gestützt, . Dieser Emendationsversuch geht m.E. viel zu weit: als Adjektiv habe ich sonst nirgends als auf oder ein anderes Abstraktum bezogen angetroffen. Im übrigen berechtigt Cardenals Lizenz zu keiner so weit gehenden Änderung. Von Interesse ist schließlich noch folgende Stelle: 5.

Tortz e maleza Ε erguelhs eisamen, Ε cobeeza Ab trastot son coven, Et avareza An fait acordamen Consi franqueza Gieton d'entre la gen [.. .] 12

Zwar folgt auf , so daß man auch hier zunächst Selbständigkeit von im engeren Sinn annehmen könnte. Dagegen spricht je-

8 9 10 11 12

P. C. 335, 54 ed. Lavaud ΧΧΧΠΙ, vv. 9 - 1 2 . AKolsen, Dichtungen der Trobadors (Halle: Niemeyer, 1917) p. 115. , ed. Lavaud L X X X , vv. 5 7 - 6 0 . CAppel, Provenzalische Chrestomathie (Leipzig: Reisland, 6 1930), Nr. 111. P. C. 335, 43, ed. Lavaud LXVI, vv. 3 1 - 3 8 .

427

doch der unten folgende Beleg 6, wo ebenfalls und zusammengestellt sind, wenn auch mit etwas verschiedener Bedeutungsnuance. In beiden Fällen ist die abstrakte Verwendung von festzuhalten: Kein bestimmtes konkretes Unrecht ist gemeint, sondern - das zeigt auch der fehlende Artikel — «Unrecht(-tun)» schlechthin13. Deute ich also an den bisher besprochenen Stellen als «Schlechtigkeit» im Sinn von «Schlechtsein», findet sich doch wenigstens ein Beleg, wo dasselbe Wort das, «was schlecht, unrecht ist» bezeichnet, und zwar in Koppelung mit : 6.

Manta carta vei e mant fueill On trop escrig que si conte: Que hom azir tort e ergueilh Ε laisse.l mal e fassa.l be; Mas trastotz lo mons d'or en or A virat en aire14 son cor: Que hom laisse lo ben e fassa.l mal E.l dreg azir et am lo tort mortal.15

und stehen in v. 27 synonym gebraucht nebeneinander, wie durch die fast wörtliche Wiederaufnahme in v. 32 allein durch bewiesen wird. Nicht auszuschließen ist, daß, im Unterschied zu , hier religiös orientiert ist und in v. 32 dies durch die Anfügung von zum Ausdruck kommt. Bevor ich zur Analyse präziser bestimmbarer Schattierungen von und der von Fall zu Fall verwendeten Synonyma übergehe, sind noch zwei Belege zu erwähnen, wo in einer Reihe steht mit von Cardenal immer wieder gerügten Fehlern oder Sünden, ohne daß mir der Kontext eine exakte Deutung zu gestatten scheint: 7.

Per so es crois homs malvatz apellatz Qar es us vas mals on estai feunia Ε cobeitatz e ergueills e bauzia, Tortz e mentirs e mala voluntatz: Ad aital vas es dicha malvestatz Si con es dich' al valen Ii valors.16

Hier wird demnach als konstituierender Bestandteil von beschrieben. Ganz ähnlich steht im folgenden Passus, mit dem Unterschied, daß die verschiedenen Laster hier personifiziert auftreten:

13

14

15 16

Besonders deutlich in P. C. 335, 13 vv. 12-13 (ed. Lavaud XLVI), wo allegorisiert vorkommt. Diese eher unauffällige Nuance ist bisher von den Wörterbüchern übergangen worden. Daß so bei Lavaud ed. zu lesen ist, zeigt auch das Lemma des Kommentars; v. 30 ist im Text vom Drucker völlig entstellt. P. C. 335, 17, ed. Lavaud L, vv. 2 5 - 3 2 . P. C. 335, 26, ed. Lavaud LIII, vv. 11-16.

428

8.

Ε sainz es Tortz que ab Dreg conten, Et es Mentirs qui sec Tort per l'esclau, Et an Engan e Bauzia e Frau Ε Cobeitat et Ergueilh eissamen: De lor parlamen Sailh us fals prezics Que conorta.ls rics Et enseinha lor Que sian trachor Ε de malvestat tut ple, Tro que la mortz los enme. 1 7

figuriert also schlechthin als Standardlaster neben , doch ist mir auch hier zweifelhaft, ob es erlaubt ist, darin den -Begriff in seiner theologisch definierten Schärfe zu erblicken. Vielmehr weist die ganz allgemeine, unpräzise weil nicht konkrete Verwendung von (v. 20) darauf hin, daß die aneinandergereihten Begriffe hier wie in Beleg 7 nicht bestimmte Anklagen ausdrücken, sondern durch ihre Gruppierung und ständige Wiederholung zu bloßen Formeln verkümmert sind, die nur in ihrer Gesamtheit Cardenals allgemeine Verdammung zum Ausdruck bringen. In diesem Sinn möchte ich auch Voßlers Frage beantworten, ob an der zuletzt angeführten Stelle Begriffe oder Personen gemeint sind18. Den Beispielen für eine Aushöhlung, ja, wenn meine Interpretation richtig ist, teilweise Sinnentleerung stehen eine Reihe anderer gegenüber, die im Gegenteil eine konkrete Verwendung von bzw. seinen Ableitungen aufweisen. Während in Beleg 6 allgemein «das was unrecht ist» heißt, bezieht sich dasselbe Wort auch auf konkrete Missetaten und kann je nachdem mit «(konkretes) Unrecht», «Verbrechen» oder «Sünde» glossiert werden. Noch am wenigsten deutlich ist ein erster Passus aus Cardenals Reimpredigt, wo er an die «baillis» gewandt ausruft: 9.

Pueis que ab enjan baileias, Ab erguelh et ab enveias, Ves enfem ere que sopleias Car fas l'obra falsamen. 19

dürfte als konkretes Unrecht zu verstehen sein, das sich mancher «bailli» zuschulden kommen läßt wie andererseits Habgier oder Neid ()20. Diese Deutung stützt eine weitere Stelle aus demselben Gedicht: 10.

17 18 19 20

Aus tu, que toles ni enblas? Las, con de paor non tremblas? Can prens l'autrui que no.l rendas Mot as malvais ardimen. P. C. 335, 13. ed. Lavaud XLVI, vv. 1 2 - 2 2 . KVoßler, Peire Cardinal (wie n. 2) p. 163. P. C. 335, 27, ed. Lavaud LV, vv. 1 0 1 - 0 4 . Der Plural ist zweifellos reimbedingt; dennoch deutet die Möglichkeit, diesen Plural einzusetzen, auf eine konkrete Bedeutung von (cf. auch v. 104 !), etwa im Sinn von «Gelüste».

429

Car erguelh fas e sobreira Don t'arma sec avol feira E.l cors, si es qui.l n'enqueira, Pot n'esser pendutz al ven.21

Lavaud n. 185 übersetzt mit «insolence, outrecuidance», mit «surabondance, exc£s». Dabei orientiert er sich ohne Rücksicht auf den Kontext ganz offensichtlich an den angenommenen Grundbedeutungen dieser Wörter. Die feste Wendung «se montrer orgueilleux, arrogant» liegt hier ebensowenig vor. Darauf deutet die Doppelung mit . Der Kontext (v. 181: Anklage des Raubes; v. 188: Androhung weltlicher Bestrafung) beweist, daß keine nur moralische Verfehlung meint, die erst von Gott gerächt werden kann22, sondern ein konkretes Unrecht, ein Verbrechen, das auch menschlichen Gesetzen unterliegt. Dies bestätigt die Verwendung von als Synonym zu an folgender Stelle: 11.

leu trazi pietz que si portava chieira Quan vei far mal a la gen ni grevansa Ε non aus dir que tortz es e sobrieira.23

Auch für ist an dieser Stelle also eine bedeutende semantische Dehnbarkeit festzustellen; wenn es hier im Sinn von «Unrecht, Verbrechen» verwendet wird, stellt es darüber hinaus eine genaue Parallele zu dar: für beide setzt Levy PD die Bedeutung «arrogance» an, die semantische Entwicklung ist also vergleichbar. In den bisher besprochenen Belegen ist im allgemein moralischen Sinn verwendet und nicht explizit religiös gefärbt, doch fehlt es an Belegen auch hierfür nicht. Camproux unterscheidet bei Cardenal «trois categories essentielles: lexique courtois, lexique religieux, lexique populaire»24, doch ist diese an sich brauchbare Unterscheidung insofern irreführend, als sie dazu verleiten kann, sich diese «lexiques» als materiell voneinander unterschieden zu denken. Gerade die Verwendung von ist jedoch dazu geeignet, die Überlagerung verschiedener «Register» in ein und demselben Wort zu illustrieren. Meinen ersten Beleg für im Sinn von «Vergehen gegen göttliches (und menschliches) Gesetz» (sieht man von Beleg 6 ab) deute ich so auf Grund des allgemeinen Kontexts, der der angeblichen Bußfertigkeit des Kanonikers Esteve de Belmon dessen tatsächliche Verbrechen gegenüberstellt: 12.

21 22 23 24

Esteves fes l'autrier us ignocens Quan fazia martirs e confessors Az Aenac, e fes enguanadors

(Wie n. 19) vv. 181-88. So in Bei. 33, vv. 6 - 7 . P. C. 335, 24, ed. Lavaud LIV, vv. 1 - 3 . ChCamproux, Pr6sence de Peire Cardenal, in: AIEtOcc s6r. IV, t. II, no. 5, 1970, 2 3 - 4 7 . Zitat p. 44.

430

Ε fes trachors tot ab uns ferramens; Mas aras25 fai hueimais tal penedensa Qu'el fa ergueilz e las guerras comensa, Ε alberga las tozas e.ls lairos Ε embla buous e froment e bacos.26

Korrigiert man Lavauds völlig verfehlte Übersetzung der Strophe27, akzeptiert man ferner in v. 38 die Lesart von Hs. T 28 , ergibt sich für v. 38, daß die beiden ungewöhnlichen Plurale und sich nur auf Konkreta beziehen können, und wirklich übersetzt Lavaud (n. ad. loc.) «rfbellion insolente». Allerdings stützt der Kontext diese Übersetzung nicht im einzelnen: Esteve frevelt gegen göttliches (und wohl auch menschliches) Gesetz, Ergebnis dieses Frevels, der seinerseits heißen könnte, sind konkrete Untaten, die mit eben diesem Wort bezeichnet werden. Wiederum gegen kirchliche Würdenträger, diesmal gegen den Klerus insgesamt, wendet sich Cardenal an folgender Stelle: 13.

Ves clergues deslials me vir, Car an tot l'ergueil ajostat Ε l'engan e la cobeitat, Ε homs mas il no sap traür.29

Zwar folgen und , doch verbinde ich mit dem voranstehenden , deute es also als «Charakter dessen, der gegen menschliches und göttliches Gebot verstößt». Dabei stütze ich mich auf Beleg 31 vv. 36—37, wo, wenn auch in anderem Zusammenhang, ganz ähnlich und in Abhängigkeit zueinander gestellt werden. Schließe ich bei den beiden vorangehenden Belegen nur aus dem Kontext auf einen (auch) religiösen Bezug, ist dieser offensichtlich im dritten Beispiel, das ich anführen kann: 14.

25

26 27

28

29

Cristz mori en la cros per nos Ε destruis nostra mort moren. So Lavaud ed. nach Hs.T; doch scheint mir der übrigen Hss. vorzuziehen, da es beide Teile der Strophe glücklich miteinander verbindet. P. C. 335, 65, ed. Lavaud XXVII, vv. 3 3 - 4 0 . kann nicht «se donna pour inoffensif» heißen. Vielmehr ist zu übersetzen: «EsIÄve fit Γ autre jour quelques innocents quant il faisait des martyrs et confesseurs ä Eynac et il fit des trompeurs et il fit des traitres avec les memes armes.» Das heißt: Esteve richtete ein allgemeines Massaker an und brachte so auf einen Schlag die verschiedenen Arten von Toten (oder Seelen) hervor, die Cardenal aufzählt: kleine Kinder (), gute Christen (), solche, die für die Hölle bestimmt sind (, ). Die mit Lavaud ed. in den Text aufgenommene Lesart findet sich nur in Hs.T; CRIKd bieten für die erste Vershälfte einen ganz anderen Text, der vielleicht als Korrektur anzusehen ist. Immerhin ist von Interesse, daß dort statt steht, was beweist, daß auch die Kopisten, gleichgültig welche die ursprüngliche Lesart ist, weit davon entfernt waren, für die üblicherweise angenommene Bedeutung «Hochmut» etc. anzusetzen. P. C. 335, 47, ed. Lavaud XXXII, vv. 9 - 1 2 .

431

Ε en cros venset l'ergulhos, El leinh on vensia la gen. 30

Zu deuten ist: Am Kreuz besiegte Christus Satan, gerade an dem Holz, wo dieser die Menschheit besiegt, d. h. verführt hatte31. Der ewige Widersacher der göttlichen Ordnung, der Rebell schlechthin, wird hier folgerichtig mit bezeichnet. Satan ist andererseits die personifizierte Bosheit, und möglicherweise darf man hier eine semantische Brücke zwischen den Bedeutungen «Hochfahrenheit» und «Bosheit» sehen. ist als Synonym für sonst nirgends belegt, die Deutung wird außer vom Kontext aber noch von einer Parallele bestätigt. Boutiöre ed.32 vergleicht den «Debat de la vierge et de la croix»33 vv. 187—88, wo das Kreuz spricht: 15.

«Li portec testimoni d'ayso Car sus mi venquet lo demoni.»

Nicht sicher bin ich, ob man semantisch hier auch in folgendem Beleg einordnen darf: 16.

Mot non deu aver hufanier En vers, segon sos nons es. Sitot motz adreitz e cortes Met hom en maint chantar leugier, Bels dictatz fis ab castic si cove Ε vers: qui.l fa ab tant dobla son be, Car per bels motz er sos chantars lauzatz E.l casticx es fondemenz de peccatz. 34

Levys Übersetzung «fanfaron» (PD) paßt offensichtlich nicht, weshalb Lavaud ed. «prdtentieux» übersetzt. Doch auch dies kann nicht befriedigen, da Cardenal als Gegensatz zu «wahr(haftig)» annimmt. Man vergleiche das Wortspiel in v. 10 und auch vv. 7—8: cnuills cantars non tanh si' apel1 atz/Vers, si non es vertadiers ves totz latz>. Ferner wird , die moralische Ermahnung, in v. 13 als Hauptkennzeichen der Gattung in den Vordergrund gestellt. dürfte somit heißen «was der moralischen Wahrheit zuwiderläuft» und in diesem Sinn auch «vermessen». Der Bedeutungsaspekt von , den man mit Camproux einem «lexique courtois» zuweisen könnte, ist im Werk des Peire Cardenal gut dokumentiert. Dabei ist jedoch zu betonen, daß von eigentlicher «Höfischkeit» keine Rede sein kann: gemeint ist ganz allgemein der gesellschaftliche Bezug des

30 31

32 33 34

P. C. 335, 15, ed. Lavaud X X X , vv. 1 5 - 1 8 . Hier liegt eine von Lavaud nicht erkannte Anspielung vor auf die Legende vom Kreuzholz, das vom Baum der Erkenntnis stammen sollte. Melanges d'etudes portugaises offerts ä Georges Le Gentil (Lisboa 1949) p. 126. Bei PMeyer ed. Daurel et Beton (Paris: SATF, 1880) p. LXXXIV. P. C. 335, 3, ed. Lavaud XLIII, vv. 9 - 1 6 . Die Verse 1 1 - 1 4 hat Lavaud falsch verstanden, daher falsch interpungiert; ich folge in der Textherstellung weitgehend Lewent, Remarks (wie n. 3) p. 81.

432

Wortes. Fast einer Definition gleich kommt in seiner Klarheit dabei der folgende Beleg: 17.

D'un sirventes far soi aders Merce Dieu e de mos vezis, Que de Dieu me ven lo sabers E.l razos dels baros meschis, Paures d'amor e de feunia rix, Sors en ergueil, e valor deschazeitz, Amicx de tort e de Dieu enemix.35

Das Bild von der Erhebung in findet sich oft, so auch hier; dennoch ist nicht im engeren Sinn gebraucht: und wohl auch (v. 5) 3 6 entgegengestellt, bezeichnet es den moralischen Unwert, alles was den (ursprünglich) höfischen Idealen widerspricht und steht mit (v. 5) auf einer Stufe. Dieser vielschichtige Begriff widersetzt sich der Übertragung. Man könnte zur Not «Gemeinheit» übersetzen. Diese Vorstellung taucht in aller Allgemeinheit wieder auf in Antithese zu . Es heißt: 18.

Rixc horns que greu dis vertat e leu men Ε greu es francx e leu es erguelhos, Ε greu es larcx e leu toi e greu ren, Deu cazer leu d'aut luoc en bas estatge.37

Eher noch weniger aussagekräftig ist ferner die klassische Antithese , die wegen der starken semantischen Variabilität beider Lexeme an und für sich keine Rückschlüsse gestattet: 19.

Si tolres fos caritatz Ε si messonja fos vers Ε si pezars fos plazers Ε ergueills humilitatz Ε tortz chauzimenz Et enois enseinhamenz Ε malvolers amistatz, Assaz son de pozestatz Que pogran caber Ab Dieu per aital poder.38

Darf man nach dem Gehalt der umgebenden Verse urteilen, ist aber auch hier nicht im engeren, ursprünglichen Sinn zu fassen, sondern bezeichnet eine unfreundliche, gesellschaftlich negative Einstellung. Etwas anschaulicher sind vier weitere Belege, die erkennen lassen, worin diese negative Einstellung gegenüber der Mitwelt zum Ausdruck kommt oder kommen kann. 35 36 37 38

P. C. 335, 20, ed. Lavaud LII, vv. 1 - 7 . Ich verweise hierzu nochmals auf die genannte Arbeit von Camproux zu bei Peire Cardenal (cf. supr. n. 6). P. C. 335, 49, ed. Lavaud LXX, vv. 1 . 6 - 8 P. C. 335, 33, ed. Lavaud LVIII, vv. 11-20. 433

Zum ersten ist von im Zusammenhang mit Heuchelei die Rede: 20.

Grans ergueils es Ε grans desconoissensa Qui.s fenh cortes Ε no.η fai captenensa.39

Lavaud gibt mit «sottise» wieder, doch ist diese Übersetzung im vorliegenden Zusammenhang sinnlos. Nun heißt bei Bonifaci Calvo und Raimon Vidal «die einem zukommende Stellung verkennen»40, eine semantische Affinität zu darf also auch für die Ableitung ohne weiteres angenommen werden, auch über den genannten Berührungspunkt («Selbstüberhebung») hinaus. Wie ist dann aber konkret zu deuten? Der Kontext läßt nur einen impliziten Gegensatz zu (v. 27) erkennen. Hier kommt ein anderer Beleg von zu Hilfe: 21.

Hai! com vi von Tyes et Aleman, s'inz el cor an d'aquest dan sovinenza? Quar tot lur mieill en estz dos perdut an e gazaignat an gran desconoissensa.41

Der Herausgeber Schultz-Gora deutet «Mißachtung, Schmach»42, und so möchte ich auch bei Cardenal verstehen, wo und als synonym angesehen werden dürfen: «es ist schmählich, eine große Mißachtung (nämlich gesellschaftlicher Regeln), wenn sich jemand höfisch gebärdet, aber . . . » . Besser und anschaulicher dokumentiert findet sich bei Cardenal eine andere Äußerungsform des allgemein als «unsoziale Einstellung» zu definierenden : «Streitsucht, Aggressivität» ist zweifellos im folgenden Beleg zu deuten: 22.

Vos ses vaissel Cortes e bei, Que ren no.i cal meillurar: Mas car ses ple De tan vil re Don farias ben a semar, Semar vos voilh De gran orgoilh Que.us fa conbatre e rainar. De cobeitat Don ses enflat Que.us fa mentir e prejurar.43

39 40 41 42

43

P. C. 335, 46, ed. Lavaud LXVIII, vv. 25-28. Lavaud hat v. 28 falsch aufgefaßt; es ist zu übersetzen: «et n'agit pas en sorte (de justifier ces apparences)». So deutet zögernd Levy SW II 129, s.v., 3. Bertolome Zorzi, P. C. 74, 16, vv. 45-48. OSchultz-Gora, Provenzalische Studien I (Straßburg 1919) p. 89 n. 48; dazu verweist er auf bei Zorzi 74, 8 v. 39, wo er «mißachtend» deutet. Μ. E. ist allerdings dort einfach mit Levy PD «ignorant» zu übersetzen. P. C. 335, 42, ed. Lavaud LXV, vv. 61-72. 434

Hier formuliert Peire Cardenal selbst erfreulich klar, in welcher Form zum Ausdruck kommt. Andererseits wird hier auch eine problematische Seite solcher Interpretationen aus dem Kontext sichtbar: Die Verse 70—72 des voranstehenden Zitats sind der gewidmet, ihre Auswirkungen werden parallel zu denen des geschildert — dürfte man deshalb aus v. 72 eine Definition von ableiten? Kaum, allenfalls können und Begleiterscheinungen der genannt werden. Wenn ich trotz solcher Zweifel an der soeben gegebenen Deutung festhalte, so tue ich das auf Grund zweier weiterer Stellen, die einen verwandten Sinn aufzuweisen scheinen, auch wenn sie ihrerseits der Interpretation Spielraum lassen: 23.

Ricx homs quan vai per carreira, El a una companheira: Malvestat que vai premeira Ε mejana e derreira; Ε grantz Cobeitatz enteira Li fai companhia Ε Tortz porta la senheira Et Erguelhs la guia. Ricx homs mals quan vai en plassa, Que cuiatz vos que lai fassa? Quant autr' homs ri e solassa, A l'un mou play, l'autre cassa, L'un maldi, l'autre menassa, Ε Γ autr' afollia; Ε non fai joi ni abrassa Si c o m far deuria. 44

ohne weitere Bestimmung ist schon bei Cardenal zur negativen Charakteristik geworden, worin sich der bereits im Werk der klassischen Trobadors leicht ins Negative abgleitende Wert von widerspiegelt. Das allegorische Bild der Verse 9—16 sagt an sich über den Wert von nichts aus, doch die folgende Schilderung läßt erkennen, daß offenbar Mißgunst ( (vv. 16—17) und (v. 29) einander entsprechen, P. C. 335, 27, ed. Lavaud LV, vv. 309-12. ChCamproux, Amour (wie n. 6) pp. 399s. So wird zum Beispiel auch das gesellschaftliches Fehlverhalten bezeichnende nirgends mehr auf eine Dame bezogen. Aus all dem geht hervor, daß Camproux' Behauptung: «A ces termes [sc. den Bezeichnungen höfischer Tugenden und Laster, wie sie in str. 1 von P. C. 335, 25 stehen] Cardenal donne bien, par ailleurs, le sens qu'ils avaient au Xlle sifccle» (Joy d'amor (wie n. 71) p. 89) eben nicht zutrifft. Ich habe bewußt darauf verzichtet, die Belege chronologisch zu gruppieren und zu versuchen, eine etwaige Entwicklung innerhalb von Cardenals Werk nachzuweisen. Dafür sind die Datierungen des Herausgebers Lavaud — ohnehin meist subjektiv geprägt — zu wenig verläßlich.

442

Verzeichnis der zitierten Literatur

Die folgende systematische Bibliographie stellt die Literatur und insbesondere die Texte zusammen, die im Lauf der vorstehenden Arbeit zitiert werden. Sie bietet also ausschließlich ein Hilfsmittel zum besseren Überblick über meine Untersuchung und deren Grundlagen. Was dabei an Handbüchern und besonders Texten nicht aufgeführt wird, ist mir deshalb nicht unbedingt unbekannt geblieben. So habe ich bewußt darauf verzichtet, auch diejenigen Texte zu nennen, deren Analyse für meine Arbeit keinerlei Resultate erbracht hat. Dem Charakter meiner Untersuchung entsprechend macht die Liste der herangezogenen Texte den größten Teil des Verzeichnisses aus. Die Texte sind bereits auf Grund meiner Angaben in den Anmerkungen problemlos zu ermitteln: Autor, Erscheinungsort und -jähr sowie die jeweiligen Textnummern sind dort zu allen Editionen angegeben, die Clovis Brunei und Istvän Frank noch nicht in ihren Bibliographien verzeichnen; zu den älteren Ausgaben sind die genauen Fundstellen (incl. der Seitenzahl und Textnummer der benutzten Edition) in den genannten Bibliographien zu finden. Darüber hinaus werden im folgenden Verzeichnis alle zitierten Texte, nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet bzw. der Numerierung der Bibliographie von Pillet-Carstens folgend, unter Nennung der benutzten Edition(en) zusammengefaßt. Soweit die Texte im Rahmen eines Sammelbandes veröffentlicht wurden, wird nur letzterer aufgeführt. Den Texten unmittelbar zugeordnet erscheint die etwa zitierte Sekundärliteratur. Auch bei den angeführten Rezensionen wird keinesfalls bibliographische Vollständigkeit angestrebt. Soweit den Texten in den Indices und den Vorschlägen zu Wörterbuchartikeln eine Sigle zugeordnet wurde, erscheint diese in eckigen Klammern im Anschluß an die bibliographischen Daten der benutzten Ausgabe(n); dies gilt auch für die Sammelausgaben, soweit mc/tflyrische Texte betroffen sind. Im übrigen sind alle Siglen auf Grund der beigefügten Ordnungsnummer nach Pillet-Carstens, Zufferey bzw. Brunei auch ohne weitere Hinweise leicht auflösbar.

443

Überblick I II III IV V VI VII

Allgemeine linguistische Literatur (zur Einleitung) Arbeiten zu Lexikon und Grammatik des Altokzitanischen und Altfranzösichen Literaturwissenschaftliche Arbeiten zum Altokzitanischen und Altfranzösischen Literatur zum historischen Hintergrund des Begriffes «Stolz» Bibliographien zu den altokzitanischen Texten Allgemeine Sammlungen altokzitanischer Texte Sammeleditionen altokzitanischer lyrischer Texte, nach regionalen und sachlichen Gesichtspunkten geordnet VIII Trobadortexte IX Altokzitanische nichtlyrische, fiktive Texte X Altokzitanische Texte historischen Inhalts bzw. mit historischem Anspruch XI Altokzitanische didaktische und allegorische Texte XII Altokzitanische religiöse Texte: Gebrauchstexte, Erbauungsschrifttum, Heiligenleben, dramatische Bearbeitungen religiöser Stoffe

I

Allgemeine linguistische Literatur (zur Einleitung)

Kurt Baldinger, Semantique et structure conceptuelle. (Le concept «se souvenir»), in: Cahiers de Lexicologie 8, 1966, 3—46. Eugenio Coseriu, Pour une semantique diachronique, in: Travaux de Linguistique et de Litterature 2,1, 1964, 139-86. — Structure lexicale et enseignement du vocabulaire, in: Actes du Ier Colloque International de Linguistique Appliqu6e (Nancy, 26—31 oct. 1964), Nancy 1966, pp. 175-217. — Lexikalische Solidaritäten, in: Poetica 1, 1967, 293-303. Wilhelm Theodor Elwert, La dittologia sinonimica nella poesia lirica romanza delle origini e nella scuola poetica siciliana, in: Bolletino del Centro di Studi Filologici e Linguistici Siciliani 2, 1954, 152-77. Ndr. in: W. Th. Elwert, Studien zu den romanischen Sprachen und Literaturen III, Wiesbaden 1970, pp. 171—96. — Zur Synonymendoppelung vom Typ , , in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen 193, 1957, 40—42. — Zur Synonymendoppelung als Interpretationshilfe, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen 195, 1959, 2 4 - 2 6 . Guido Favati, Nascita e morte dell'iterazione sinonimica come dittologia, in: Omaggio a Camillo Guerrieri-Crocetti, Genova 1971, pp. 271—85. Hans-Martin Gauger, Zum Problem der Synonymie. Tübingen 1972. Horst Geckeier, Zur Wortfelddiskussion. München 1971. (Internationale Bibliothek für allgemeine Linguistik, 7). Rudolf Hallig fWaiäicT von Wartburg, Begriffssystem als Grundlage für die Lexikographie. Versuch eines Qrdnungsschemas. Zweite, neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin(-Ost) 1963. (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichungen des Institutes für romanische Sprachwissenschaft, 19). Rez. Hans Glinz, in: Zeitschrift für Mundartforschung 22, 1954, 3 4 - 4 5 . Wilhelm von Humboldt, Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und

444

ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, in: W.v.H., Werke in fünf Bänden, herausgegeben von Andreas Flitner und Klaus Giel, Band ΠΙ: Schriften zur Sprachphilosophie, Darmstadt 1963, pp. 368—756. Silvio Pellegrini, Iterazioni sinonimiche nella Canzone di Rolando, in: Studi Mediolatini e Volgari 1, 1953, 155-65. Gilbert Salmon, Les realia πιέάίέvales: synonymie, polys&nie, 616ments d'approche descriptive et s6mantique, in: Annales de la Facultd des Lettres et Sciences Humaines de Nice 48, 1984, 439-53. Felix Scheidweiler, Die Wortfeldtheorie, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 79, 1942, 249-72. Jost Trier, Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Von den Anfängen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Heidelberg 1931. - Sprachliche Felder, in: Zeitschrift für deutsche Bildung 8, 1932, 417-27. — Das sprachliche Feld. Eine Auseinandersetzung, in: Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung 10, 1934, 428 - 4 9 .

Π

Arbeiten zu Lexikon und Grammatik des Altokzitanischen und Altfranzösischen

Α

Lexika

Kurt Baldinger, Dictionnaire onomasiologique de l'ancien occitan. Tübingen 1975 ss. Emil Levy, Provenzalisches Supplementwörterbuch. Berichtigungen und Ergänzungen zu Raynouards Lexique roman, 8 vol. (vol. 8 fortgeführt von Carl Appel). Leipzig 1894-1924. — Petit dictionnaire proveiKjal-fransais. Heidelberg 1909. Francis Juste Raynouard, Lexique roman, ou Dictionnaire de la langue des troubadours, 6 vol. Paris 1836—44. Walther von Wartburg, Französisches etymologisches Wörterbuch. Bonn, Heidelberg, Leipzig, Berlin, Tübingen, Basel 1922 ss. Β

Monographien und Einzeluntersuchungen

Margherita [Beretta] Spampinato, Per un esame strutturale della lingua poetica dei trovatori, in: Filologia e Letteratura 16, 1970, 39—73. Charles Brucker, et son reseau lexical en ancien fran;ais (des origines au XHe sifccle). Etude historique, sdmantique, stylistique et comparative du vocabulaire intellectuel et moral. These prdsentee devant l'Universitd de Nancy Π le 1er juin 1976. 2 vol. Lille/Paris 1979. — Neu bearbeitet als: et au Moyen Age. Etude historique, s£mantique et stylistique. Genöve 1987. (Publications romanes et fra^aises, 175). Giovanna Cappabianca, Rassegna degli studi semantici sul provenzale dal dopoguerra ad oggi, in: Annali della Facoltä delle Lettere e Filosofia dell'Universitä di Napoli 9, 1978 - 7 9 , 111-24. Peter F. Dembowski, «Mezura» dans la poesie lyrique de l'ancien pro venial, in: Hans445

Erich Keller ed., Studia Occitanica in memoriam Paul Remy (Kalamazoo, Michigan 1986), vol. Π pp. 268-80. Frede Jensen, The Syntax of Medieval Occitan. Tübingen 1986. (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, 208). Adolf Kolsen, Randnoten zu Emil Levys provenzalischen Wörterbüchern (Nr. 1-8), in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 139, 1919, 87—89. Hans Rheinfelder, Altfranzösische Grammatik. Erster Teil: Lautlehre. Zweite Auflage München 1952. Zweiter Teil: Formenlehre. München 1967. Karl Stichel, Beiträge zur Lexikographie des altprovenzalischen Verbums. Marburg 1890. (Ausgaben und Abhandlungen aus dem Gebiete der romanischen Philologie, 86).

Helmut Stimm, Etymologisches Wörterbuch des Altprovenzalischen (Dictionnaire 6tymologique de l'ancien proven^al), in: Wörterbücher der deutschen Romanistik. Rundgespräche und Kolloquien der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Weinheim 1984.

ΠΙ

Literaturwissenschaftliche Arbeiten zum Altokzitanischen und Altfranzösischen

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Zusammenfassung Die nach onomasiologischen Gesichtspunkten aufgebaute Untersuchung ist der Erforschung der Ausprägung des altokzitanischen Lexikons im Sinnbereich des Selbstgefühls gewidmet. Im Rahmen des so umschriebenen Wortschatzausschnittes dominieren die Lexeme und , deren Semantik für die Absteckung des Sinnbereichs als bestimmend angesehen wird. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Sammlung und genauen Deutung von ca. 920 Belegen. Das ausgewertete Textkorpus, dem sie entnommen sind, umfaBt sämtliche Gattungen der altokzitanischen Literatur im weitesten Sinn. Besondere Sorgfalt wird dabei auf die Interpretation von Trobadortexten verwendet; im Rahmen des Möglichen wird dabei auch textkritischen Fragen nachgegangen. Die Untersuchung der insgesamt etwa 20 zentralen Lexeme des beschriebenen Wortschatzausschnittes hat die Einheitlichkeit von deren Gebrauch in sämtlichen Quellentexten ergeben, was sich im Fall von anhand der Analyse einer Reihe zeitgenössischer Definitionsversuche überprüfen läßt. Die Annahme der grundsätzlichen Einheitlichkeit der altokzitanischen Literatursprache vom 11.—15. Jahrhundert wird damit weiter erhärtet. Detaillierte Entwürfe für Artikel zu und seinen Ableitungen in Hinblick auf einen künftigen altokzitanischen Thesaurus fassen abschließend einen wesentlichen Teil der Arbeitsergebnisse zusammen.

Lebenslauf Am 8. 3. 1961 bin ich, Malte-Ludolf Babin, evangelischer Konfession, als Sohn des damaligen Studienrates Dr. Gerhard Babin und seiner Ehefrau Helga in Berlin (West) geboren. Nach Absolvierung der Grundschule besuchte ich 1971-79 das Französische Gymnasium/College Franco-Allemand ebendort, das ich nach dem Erwerb des deutschen und des französischen Reifezeugnisses (Abitur, Baccalaureat) verließ. Vom Wintersemester 1979/80 bis zum Wintersemester 1990/91 war ich an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz immatrikuliert und studierte Romanische und Klassische Philologie und Geschichte. Seit dem Sommersemester 1982 regelmäßig Teilnehmer an den Mittelalterseminaren von Prof. Dr. Kurt Ringger, begann ich unter dessen Anleitung im Wintersemester 1983/84 mit den Vorarbeiten zu einer Dissertation über zwei Schlüsselwörter der altokzitanischen Literatursprache: 'orgolh' und 'umiP. Bedingt durch den Umfang der Vorarbeiten und den plötzlichen Tod von Prof. Ringger, konnte die Arbeit erst Ende 1989 mit Hilfe von Prof. Dr. Harald Thun abgeschlossen werden. Die mündliche Prüfung fand am 12.11.1990 statt.