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German Pages 272 [287] Year 2018
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Konrad Schmid (Zürich) · Mark S. Smith (Princeton) Hermann Spieckermann (Göttingen) · Andrew Teeter (Harvard)
119
Christoph Koch
Gottes himmlische Wohnstatt Transformationen im Verhältnis von Gott und Himmel in tempeltheologischen Entwürfen des Alten Testaments in der Exilszeit
Mohr Siebeck
Christoph Koch, geboren 1975; Studium der Ev. Theologie; 2006–2008 Vikariat; 2007 Promotion; 2017 Habilitation; derzeit Gemeindepfarrer in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und Privatdozent für Alttestamentliche Theologie an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
ISBN 978-3-16-155964-8 / eISBN 978-3-16-155965-5 DOI 10.1628/978-3-16-155965-5 ISSN 0940-4155 / eISSN 2568-8359 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von satz&sonders in Dülmen gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Meinen Eltern, Doris und Hans-Jürgen Koch, in Dankbarkeit gewidmet
Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2016/17 von der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Habilitationsschrift angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet. Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle meinem Lehrer, Prof. Dr. Jan Christian Gertz. Er hat die Entstehung der Arbeit durch vielfältige und stets ermutigende und weiterführende Anregungen begleitet und das Erstgutachten erstellt. Prof. Dr. Manfred Oeming bin ich für die Erstellung des Zweitgutachtens zu großem Dank verpflichtet, ebenso den externen Gutachtern, Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan M. Maul und Prof. Dr. Gregor Ahn. Ein treuer Gesprächspartner war mir seit meiner Studienzeit Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otto Kaiser, der am 14. Dezember 2017 verstorben ist und an den ich mich dankbar zurückerinnere. Teile der Habilitation konnte ich den Alttestamentlichen Sozietäten der Theologischen Fakultäten der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Eberhard Karls Universität Tübingen vortragen und zur Diskussion stellen. Für ihre Unterstützung sei ihnen ebenfalls gedankt. Meinen Heidelberger Kolleginnen und Kollegen, Jun.-Prof. Dr. Walter Bührer, Dr. Friedrich-Emanuel Focken, Prof. Dr. Detlef Jericke, Dr. Ann-Kathrin Knittel, Dr. Friederike Schücking-Jungblut, Dr. Dirk Schwiderski, Dr. Joachim Vette und Dr. Carolin Ziethe, danke ich für viele Gespräche, Hinweise und Ermutigungen. Zu danken habe ich außerdem den Herausgebern der Reihe „Forschungen zum Alten Testament“, Prof. Dr. Konrad Schmid, Prof. Dr. Mark S. Smith und Prof. Dr. Dr. h. c. Hermann Spieckermann, für die Aufnahme meiner Arbeit sowie Dr. Henning Ziebritzki, Ilse König, Kendra Mäschke und Elena Müller für die verlegerische Betreuung des Manuskripts. Mein besonderer Dank gilt schließlich meiner Frau Marina Koch und unseren Kindern Anna, Moritz und Emma, die mich in all den Jahren begleitet haben. Langenstein, im September 2018
Christoph Koch
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
1 Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1 Gottes himmlische Wohnstatt im Alten Testament . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Transformationen der Wohnortvorstellung in der Epoche des Exils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Fragestellung und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2 Der Himmel auf Erden: Gott und der Himmel in Texten der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Grundvorstellungen altorientalischer Tempeltheologie . . . . . . . . . . 2.2 Grundvorstellungen der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Tempelthron/Tempelberg/Tempelstadt als Manifestationen des Gottesberges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Der Tempelthron als Gottesberg in Psalm 93* und Jes 6* . . 2.3.2 Der Tempelberg Zion als Gottesberg . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die Tempelstadt Jerusalem als Gottesberg . . . . . . . . . . . . . 2.4 Der Himmelsbezug in der Jerusalemer Tempeltheologie . . . . . . . . . Exkurs: Der Gottesberg in Ugarit, Kleinasien und Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Der Zusammenhang von himmlischem und irdischem Heiligtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 9
15
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16
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17
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20 20 27 28 31
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31
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36 42
3 JHWH auf der Himmelstreppe: Gott und der Himmel in der Erzählung von Jakobs Traum in Bet-El (Gen 28*) . . . . . . . . . .
45
3.1 Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Literarische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Beobachtungen zur Struktur von Gen 28,10–22 . . . . . . . . .
45 46 47 47
. . . .
X
Inhalt
3.3.2 Literarkritik und literarhistorische Verortung . . . . . . . . . . 3.3.3 Gen 28* ein kontextunabhängiger Hieros logos? . . . . . . . . 3.3.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Traditionsgeschichtliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 „Himmelstreppe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 „Boten Gottes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 „Tor des Himmels“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 „Haus Gottes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Gen 28* und die mesopotamische Tempeltheologie . . . . . . 3.4.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
52 64 67 69 69 71 72 73 74 85
4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
4.1 Der lexikalische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Das erste Disputationswort: Jes 40,12–17* . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Das zweite Disputationswort Jes 40,(18)21–26 . . . . . . . . . . 4.3.2.1 Die Erschaffung des Himmels „wie ein Zelt“: Jes 40,22b . . . 4.3.2.2 JHWHs Thronen über dem „Kreis der Erde“ . . . . . . . . . . . Exkurs: Astralisierung und Erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 JHWHs Rückkehr zum Zion: Jes 40,1–5 und 52,7–10 . . . . . . . . . . . 4.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
87 88 92 93 97 98 105 111 118 129
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133
5.1 Der lexikalische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen zum Ezechielbuch . . . 5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Ez 1,4–28 im Kontext des Berufungsberichts Ez 1–3 . . . . . 5.3.2 Entstehungsgeschichtliche Bemerkungen zu 1,4–28 und 3,12f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Traditionsgeschichtliche Aspekte der Himmelsvision in 1,4–28* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.1 JHWHs Kommen als Wettergott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3.2 Ez 1 und die Ikonographie der Flügelsonne . . . . . . . . . . . . 5.3.3.3 Ez 1 und der kosmologische Kommentartext KAR 307 . . . . 5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Ezechiel 8–11: Der Auszug der Herrlichkeit . . . . . . . . . . . . 5.4.1.1 Entstehungsgeschichtliche Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
133 134 137 137
.
140
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148 148 149 156 168 168 168
XI
Inhalt
5.4.1.2 Traditionsgeschichtliche Aspekte der ersten Tempelvision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Ez 40ff: Die Rückkehr der Herrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2.1 Entstehungsgeschichtliche Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2.2 Traditionsgeschichtliche Aspekte in Ez 43,1–9* . . . . . . . . . 5.5 Versuch einer redaktionsgeschichtlichen Einordnung der Visionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
172 175 175 176
. .
184 187
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
6.1 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Der lexikalische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Gen 1,1–2,3: Die Erschaffung des רקיע-Himmels . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“ . . . . . . . . . . . . . Exkurs: ארן העדות. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Die Umdeutung der Tempeltheologie von Gen 28 in Gen 35 . . . . . . 6.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
191 193 195 202 216 220 226
7 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237
Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267
Stichwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
Abkürzungen Die Abkürzungen richten sich grundsätzlich nach S. M. Schwertner, Theologische Realenzyklopädie (TRE), Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21994. Die Abkürzungen der biblischen Bücher orientieren sich in der Regel an den Loccumer Richtlinien. Darüber hinaus und davon abweichend werden die folgenden Abkürzungen gebraucht.
Allgemeine Abkürzungen cs. dtr Hi Inf. abs. Pers. Pl. Rs. Sg. Vs.
Status constructus deuteronomistisch Hiob Infinitivus absolutus Person Plural Rückseite Singular Vorderseite
Bibliographische Abkürzungen AHw AOAT 375 BHS CAD DDD Ges18 HTHKAT KAHAL
LXX
SAA III
Soden, W. von, Akkadisches Handwörterbuch, Wiesbaden 1959 ff. Kämmerer, T. R./Metzler, K. A. (Hg.), Das babylonische Weltschöpfungsepos Enūma elîš, AOAT 375, Münster 2012. Elliger, K./Rudolph, W. (Hgg.), Biblia Hebraica Stuttgartensia, Stuttgart 5 1997 (1977). The Assyrian Dictionary of the Oriental Institute of the University of Chicago, Chicago/Glückstadt 1956ff. Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Leiden u. a. 1999. Donner, H. (Hg.), Gesenius. Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, Berlin/Heidelberg 182013. Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, Freiburg u. a. Dietrich, W./Arnet, S. (Hgg.), Konzise und aktualisierte Ausgabe des Hebräischen und Aramäischen Lexikons zum Alten Testament (KAHAL), Leiden / Boston 2013. Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes edidit Alfred Rahlfs. Editio Altera quam recognovit et emendavit Robert Hanhart. Duo volumina in uno, Stuttgart 2006. Livingstone, A., Court Poetry and Literary Miscellanea, State Archives of Assyria III, Helsinki 1989.
XIV TUAT I–III TUAT 1–4 TUAT 5–8
Abkürzungen
Kaiser, O. (Hg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments, Gütersloh 1978 ff (3 Bände + einem Ergänzungsband). Janowski, B./Wilhelm, G. (Hgg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, Gütersloh 2004ff. Janowski, J./Schwemer, D. (Hgg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, Gütersloh 2009ff.
1 Hinführung „Der Verstand denkt sich Gott wohl allgegenwärtig, aber die Einbildungskraft kann sich darum doch des Bestrebens nicht entschlagen, sich ihn räumlich vorzustellen. Das konnte sie früher ungehindert, als sie noch über einen geeigneten Raum verfügte; jetzt ist es ihr erschwert durch die Einsicht, daß ein solcher Raum nirgends vorhanden ist. Denn diese Einsicht dringt aus dem Verstande unabwendbar auch in die Einbildungskraft hinüber. Wer das Weltsystem nach dem jetzigen Stande der Astronomie in der Vorstellung trägt, kann sich einen thronenden von Engeln umgebenen Gott nicht mehr vorstellen.“ 1
Mit seinem Diktum von der „Wohnungsnot Gottes“ 2 bringt David Friedrich Strauß in seiner 1872 veröffentlichten Bekenntnisschrift „Der alte und der neue Glaube“ den tiefgreifenden Wandel auf den Punkt, den die Vorstellung von Gottes himmlischer Wohnstatt im naturwissenschaftlichen Weltbild in der Konsequenz der kopernikanischen Wende erfahren hat. Galt der Himmel in der antiken Kosmologie noch als realer Raum für den transzendenten Gott, der – durch die Fixsternschale begrenzt – selbst bei Kopernikus, Kepler und Galilei 3 noch als Wohnstatt Gottes fungieren konnte, 4 so führte die in der Folge sich entwickelnde naturwissenschaftliche Kosmologie diese Vorstellung ein für alle Mal an ihr Ende. Das physikalische Weltall zerstörte insbesondere zwei Grundvorstellungen der antiken Kosmologie: Erstens war der Kosmos im antiken Weltbild vor dem Hintergrund der auch „physiologisch bedingten und unsere Lebenswelt bestimmenden Erfahrung von Oben und Unten“ 5 in eine dominante vertikale Achse eingeteilt, in welcher der Himmel das – auch qualitativ höherwertige – obere Ende bildete. 6
1
Strauss, Glaube, 105. „Erst wie in der Folge durch fortgesetzte Beobachtung und Rechnung die Fixsterne als ähnliche Körper wie unsre Sonne, muthmaßlich mit ähnlichen Planetensystemen um sich her, erkannt waren, als die Welt sich in eine Unendlichkeit von Weltkörpern, der Himmel in einen optischen Schein auflöste: da erst trat an den alten persönlichen Gott gleichsam die Wohnungsnoth heran.“ (Strauss, Glaube, 105). 3 Eine allgemeinverständliche Darstellung der von den genannten Astronomen eingeleiteten „Wenden zur Neuzeit“ bietet Fischer, Hintertreppe, 61–111. 4 Vgl. Evers, Raum, 127. 5 Fetz, Himmel, 61. „Diese ist wie jene von Vorn und Hinten, Links und Rechts unmittelbar an unseren Leib gebunden. Die aufrechte Haltung und der aufrechte Gang sowie das im Ohr eingebaute, mit einer fixen Vertikalen arbeitende räumliche Orientierungssystem machen die ‚vertikale Achse‘ vor jeder religiösen Valorisierung schon physiologisch zu einem Konstituens des Menschen.“ (Ebd.). 6 Vgl. Fetz, Himmel, 64f (in Anlehnung an M. Eliade): „Der Symbolismus des Himmels und der Höhe kann ... als die Anschauungsform des mythisch-religiösen Bewusstseins gelten, mittels der es 2
2
1 Hinführung
Zweitens galt der Himmel im antiken Weltbild – der sinnlichen Wahrnehmung gemäß 7 – als „ein reales Gebilde, das den Luftraum über der Erde abschließt“ 8. Beide Grundvorstellungen sind im naturwissenschaftlichen Weltbild obsolet geworden – mit weitreichenden Konsequenzen. Der „bestirnte Himmel über mir“ 9 – einst ein Hinweis auf die göttliche Wohlordnung der Menschenwelt (vgl. etwa Ps 19) – offenbart nun, wie es Kant im Beschluss seiner „Kritik der praktischen Vernunft“ beschreibt, die geradezu beängstigende Bedeutungslosigkeit des menschlichen Daseins angesichts der kosmischen Unendlichkeit. Sein Anblick „vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muß, nachdem es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen“ 10. Der Mensch droht angesichts dieses Himmels in den „Abgrund einer wahren Unermeßlichkeit“ 11 zu stürzen. Der Verlust der kosmischen Oben-Unten-Polarität sowie des Himmels als Realraum hat nicht zuletzt der religiösen Vorstellung einer lokalisierbaren himmlischen Wohnstatt Gottes ihre weltbildhaften Fundamente zerbrochen: „Der ins Unendliche entgrenzte Himmel hat seine Funktion als Verweis auf eine den irdischen Raum übersteigende, doch ihn zugleich auch bergend begrenzende göttliche Sphäre verloren.“ 12 Wo im antiken Denken der symbolische Raum und der reale Raum noch mythisch vereint waren, hat das physikalisch und astronomisch geschärfte moderne Bewusstsein nach dem Verlust des Himmels als Realraum nur
seine fundamentalen positiven Wertungen zum Ausdruck bringt.“ Vgl. hierzu ausführlicher Fetz/ Reich/Valentin, Weltbildentwicklung, 60–65. 7 Das antike Weltbild ist ein „Weltbild der menschlichen Wahrnehmung“ (Gese, Frage, 212), wobei die konkrete und die abstrakt-symbolische Bedeutung des Wahrgenommenen eine Einheit bilden. „Für den AO [= Alten Orient, CK] weist die empirische Welt als Manifestation und Symbol über ihre vordergründige Wirklichkeit hinaus. Es findet eine ständige Osmose zwischen Tatsächlichem und Symbolischem, und umgekehrt auch zwischen Symbolischem und Tatsächlichem statt. Diese Offenheit der alltäglichen, irdischen Welt auf die Sphären göttlich-intensiven Lebens und bodenloser, vernichtender Verlorenheit hin ist wohl der Hauptunterschied zu unserer Vorstellung der Welt als eines praktisch geschlossenen mechanischen Systems.“ (Keel, Welt, 47). 8 Fetz, Himmel, 63. 9 Kant, Werke IV, 300 (Kritik der praktischen Vernunft, Beschluss): „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“ Vgl. zur Interpretation des bekannten Zitats Geier, Welt, 88f. 10 Kant, Werke IV, 300. 11 Kant, Werke I, 267 (Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels). 12 Evers, Chaos, 52. Vgl. zu den wissenschaftsgeschichtlichen Hintergründen dieser „Wohnungsnot Gottes“ Evers, Raum, 125–138. Vgl. zu den weltbildhaften Umbrüchen auch Fetz/Reich/Valentin, Weltbildentwicklung, 65–68, sowie zu der Möglichkeit, diese menschheitsgeschichtlichen Umbrüche auf die individualgeschichtliche Entwicklung zu übertragen, a.a.O., 68–77 und passim.
1.1 Gottes himmlische Wohnstatt im Alten Testament
3
noch die Möglichkeit, denselben als Symbol 13 oder Gleichnis 14 zu verstehen, um seine theologische Relevanz zu bewahren.
1.1 Gottes himmlische Wohnstatt im Alten Testament Das naturwissenschaftlich-physikalische Weltbild markiert ohne Frage die größte und folgenreichste Veränderung in Bezug auf die Vorstellung von Gottes himmlischer Wohnstatt, wie sie u.a. in den biblischen Texten bezeugt ist und sich innerhalb des Christentums in der Anrede des Vaterunsers – wörtlich: „Unser Vater in den Himmeln“ (Mt 6,9) – tief in unser Bewusstsein eingeprägt hat. Gleichwohl ist schon in der Bibel selbst und vor allem im Alten Testament das Weltbild im Allgemeinen und die Vorstellung vom Wohnort Gottes im Besonderen einem stetigen Wandel unterworfen. Dieser Wandel liegt nicht zuletzt darin begründet, dass das Alte Testament das Produkt einer ca. acht Jahrhunderte währenden, komplizierten Entstehungsgeschichte ist. Da Weltbilder per se kultur- und zeitgebunden sind, kann es also „das“ Weltbild des Alten Testaments streng genommen nicht geben. 15 Aus dieser Einsicht heraus hat B. Janowski die Ausarbeitung einer „Historischen Kosmologie“ gefordert: „In diesem Sinn wären die Transformationen der vorexilischen, exilischen und nachexilischen Weltbilder Text für Text zu beschreiben, um ‚das biblische Weltbild‘ in seiner Komplexität und Entwicklung zu rekonstruieren.“ 16
Die Berücksichtigung der einzelnen Texte und Konzeptionen wird freilich neben den augenfälligen Transformationen auch die mitunter weniger deutlichen Konstanten in den Blick nehmen müssen. Kontinuität und Diskontinuität prägen in gleicher Weise die Entwicklung der im Alten Testament bezeugten Vorstellungen von der Welt. Unter dieser Maßgabe sind auch die Vorstellungen vom Himmel zu betrachten und auf Transformationen und Konstanten hin zu untersuchen. 17
13 Vgl. hierzu Fetz, Himmel, bes. 70–82. Fetz spricht in Anlehnung an Bultmann von einer „Entmythisierung“, um den Realitätswert des Himmelssymbols wahren zu können: „Der Himmel hat im Bewusstsein moderner Gläubigen immer noch eine Referenz und damit einen Realitätswert; nur referiert er nicht mehr auf einen Realraum, sondern auf eine Seinsweise von Realwesen.“ (A.a.O., 82). 14 „Der Verweis empor zum offenen Himmel und in die Weite des Alls ist der gleichnishafte Verweis auf den unsichtbaren Schöpfer, dem wir uns verdanken und auf den wir zugehen, und kann als recht verstandene analogia fidei in seiner anschaulichen und lebensweltlich orientierenden Prägnanz durch abstrakte Theoriebildungen wohl kaum ersetzt oder gar überboten werden.“ (Evers, Chaos, 58). 15 Für eine Übersicht über die Komplexität alttestamentlicher Vorstellungen von der Welt vgl. etwa Oeming, Welt. 16 Janowski, Weltbild, 13. 17 Die Vorstellungen vom Himmel entsprechen im Alten Testament in vieler Hinsicht denen anderer altorientalischer, insbesondere der mesopotamischen Kulturen (vgl. zum Himmel im Alten Orient Wright, History, und speziell zu Mesopotamien Horowitz, Cosmic Geography, 223ff). „Der Himmel gilt vor dem Hintergrund eines mehrstöckigen Weltbilds als oberer Teil des Kosmos (vgl. den
4
1 Hinführung
Für die Annahme, dass auch in diesem Bereich ein geschichtlicher Wandel stattgefunden hat, gibt schon die Verteilung der einschlägigen Lexeme für „Himmel“ im Alten Testament einen ersten Anhaltspunkt: Hebräisch שמיםbzw. aramäisch ( שמיאbeides pl. tantum) sind im Alten Testament 420mal bzw. 38mal belegt. 18 Proportional die meisten der insgesamt 458 Belege finden sich in zwei eindeutig spät datierbaren Textbereichen, nämlich im Danielbuch als der jüngsten Schrift des Alten Testaments (33 Belege) sowie in Jes 40–55, dem so genannten Zweiten Jesaja, dessen Anfänge in der Zeit des babylonischen Exils liegen (18 Belege). Auch die folgenden Plätze fügen sich im Wesentlichen in dieses Bild ein: Ps (74 Belege), Dtn (44 Belege), Hi (23 Belege), Esr (10 Belege), Neh (14 Belege), 2 Chr (29 Belege), Gen (vorwiegend P) (41 Belege). R. Bartelmus folgert aus diesem Befund: „In älterer Zeit spielte der Himmel im Denken Israels offenbar nur eine geringe Rolle. Erst mit dem Dtn bzw. der Literatur der Exilszeit (DtJes!) wurde der Himmel zu einem wichtigen Gegenstand des theologischen Interesses; und mit dem letzten Buch des alttestamentlichen Kanons ist er dann quasi in den Mittelpunkt des theologischen Denkens gerückt, wo er – im christlichen Bereich natürlich bestärkt durch den Beginn des Vaterunsers (Mt 6,9) – bis ins 20. Jh. hinein verblieb.“ 19
Enggeführt auf den Himmel als Wohnort Gottes verfestigt sich die Tendenz einer späten Entstehungszeit der Thematik. Schon Stade hielt in seiner „Biblischen Theologie des Alten Testaments“ über die Wohnvorstellungen der „vorprophetischen Religion“ als Fazit fest: „Nur in einem Punkte stimmen die Vorstellungen von Jahves Wohnung überein: davon, dass Jahve im Himmel, d. h. in einem über die irdische Welt erhabenen, von ihr verschiedenen Herrlichkeitsaufenthalte, wohnt, weiss man nichts.“ 20
Auch wenn es von Anfang an nicht an Gegenstimmen gefehlt hat, 21 verschiebt sich vor dem Hintergrund einer veränderten literarhistorischen Theoriebildung Merismus ‚Himmel und Erde‘ [z.B. Gen 1,1] sowie weitere mehrgliedrige Formeln [z.B. Ex 20,4]). Das Wort שמיםverbindet sich einerseits mit Phänomenen des sichtbaren Himmels (englisches ‚sky‘) (z.B. Vögel [Gen 1,26], Sterne [Gen 22,17], Regen [Dtn 11,11]). Andererseits steht das Wort für die unsichtbare Welt Gottes und göttlicher Wesen (englisches ‚heaven‘), die für den Menschen normalerweise unzugänglich ist (Spr 30,4). Nur ausnahmsweise (2 Kön 2,1,11; Gen 5,24; vgl. Ps 73,24) oder durch Vermessenheit (Jes 14,13f; vgl. Gen 11,1–9) gelangen Menschen in den Götterhimmel. Allerdings können Propheten visionär am himmlischen Thronrat partizipieren (1 Kön 22,19–22; Jes 6; Jer 23,18–22; dazu kritisch: Dtn 30,12) oder JHWH schauen (Jes 6,1.5; Ez 1,1.22–28; Dan 7,9f). Zwar wird der Himmel im Alten Testament nirgends vergöttlicht, doch kann von ihm in metaphorischer Personifikation gesprochen werden (der Himmel als Zeuge [z.B. Dtn 4,19] oder als Subjekt des Lobpreises [z.B. Ps 19,2]).“ (Verf., EBR 11, 544 [im Original englisch]). 18 Vgl. zur Verteilung der Belege die Angaben bei Bartelmus, ThWAT VIII, 206–208. 19 Bartelmus, Himmel, 91. 20 Stade, Theologie, 104. Vgl. schon ders., Beiträge. 21 An prominenter Stelle ist hier Gunkel zu nennen, der einerseits Stellen anführt, die seiner Meinung nach JHWHs frühe Verortung im Himmel belegen (u.a. Gen 11,5; 28,12; 1 Kön 22,19) (vgl. ders., Schöpfung, 157), und der andererseits auf den religionsgeschichtlichen Kontext verweist: „Dieser Glaube, daß die Gottheit im Himmel wohne, findet sich, als Teil oder Rest von Astralreligion (oder auch von meteorologischer Religion), bei den Völkern ringsum; in Kanaan gewiß schon längst vor
1.2 Transformationen der Wohnortvorstellung in der Epoche des Exils
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gut hundert Jahre später die Entdeckung des Himmels als Wohnort Gottes noch einmal bis in die Zeit des babylonischen Exils, wo sie mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels in Zusammenhang gebracht wird: „Ein verbreitetes Wissen darum, dass JHWH im Himmel thront, läßt sich für Juda wohl erst nach der Katastrophe von 586 v. Chr. aufzeigen. Das heißt, die Verortung JHWHs im Himmel ist wohl erst eine Reaktion auf die Zerstörung des Tempels, also eine Reaktion auf das Verschwinden der irdischen Wohnstatt JHWHs in Juda.“ 22
1.2 Transformationen der Wohnortvorstellung in der Epoche des Exils Die Annahme, dass sich die Vorstellung von Gottes Wohnort in der Epoche des Exils tiefgreifend gewandelt hat, findet besonders eindrücklich an solchen Textbeispielen eine Bestätigung, in denen ein konzeptioneller Wandel der Wohnvorstellung innerhalb eines zusammenhängenden Textes bzw. einer Buchrolle festzustellen ist. Dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Das erste, in diesem Zusammenhang schon öfter angeführte Beispiel ist das so genannte Tempelweihgebet in 1 Könige 8. 23 In Bezug auf die Frage, wo JHWH wohnt, lassen sich in diesem Text wenigstens drei Konzeptionen rekonstruieren, die z. T. bekannten theologischen Strömungen zugeordnet werden können. 24 Das Hauptaugenmerk soll hier auf einem Vergleich des Tempelweihspruchs V. 12f mit dem Tempelweihgebet in V. 30–53* liegen. 25 Der Tempelweihspruch – vermutlich ein altes Traditionsstück aus der judäischen Königszeit 26 – bezeugt eine Wohnvorstellung, die ganz auf der Linie der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie liegt, indem er den Salomonischen Tempel („ = בית זבלerhabenes Haus“) bzw. die fensterlose Cella („ = ערפלWolkendunkel“) mit der „Stätte deines Thronens“ ( )מכון לשבתךidentifiziert. Wie Hartenstein gezeigt hat, handelt es sich bei dem „Wolkendunkel“ um ein „ambivalentes Phäno-
Israel. Es wäre höchst seltsam, wenn er dem alten Israel nicht bekannt gewesen sein sollte.“ (Ders., Genesis, 95). 22 Niehr, Himmel, 63. Vgl. auch Hartenstein, Wolkendunkel, 126f. 23 Vgl. Metzger, Wohnstatt, 149–151; Janowski, Schekina-Theologie, 130–133; Hartenstein, Unzugänglichkeit, 225f; Schmid, Himmelsgott, 119–122; und ausführlich Rohde, Konzeptionen. 24 Vgl. Rohde, Konzeptionen, 174–180. Eine vierte, tempelkritische Konzeption deutet sich in 1 Kön 8,27 an (vgl. Jes 66,1f sowie Rohde, Konzeptionen, 170f). 25 Unberücksichtigt lasse ich den Abschnitt V. 4a.6–11, der eine priesterliche Bearbeitung aus nachexilischer Zeit darstellt (vgl. etwa Wagner, Herrlichkeit, 382–388), die im Nachhinein die KabodTheologie der Priesterschrift auch in 1 Kön 8 verankert (vgl. auch Rohde, Konzeptionen, 178f). 26 Vgl. etwa Hartenstein, Unzugänglichkeit, 145.
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1 Hinführung
men des atmosphärischen Himmels, das in der Wohnvorstellung von 1Kön 8,12f. JHWHs Thronsphäre umhüllt und so deren Transzendenz markiert“ 27. Das spät-deuteronomistische Tempelweihgebet V. (29)30–53, 28 dessen literarischer Kern schon nicht mehr exilisch, sondern nachexilisch zu datieren ist, 29 greift zwar terminologisch auf den Tempelweihspruch zurück, 30 geht jedoch hinsichtlich der Wohnvorstellung eigene Wege, wie ein Blick auf einen der paradigmatischen Gebetsfälle lehrt: „46Wenn sie sich gegen dich verfehlen ... und du ihnen zürnst und sie dem Feinde preisgibst, so daß ihre Häscher sie gefangen wegführen in das Land des Feindes, es sei fern oder nah, 47 und sie es sich zu Herzen nehmen im Land, da sie gefangen sind, und umkehren und zu dir flehen im Land ihrer ‚Gefangenschaft‘, indem sie sprechen: Wir haben uns verfehlt, wir haben gesündigt, wir haben Unrecht getan, 48und umkehren zu dir von ganzem Herzen und von ganzer Seele in dem Land ihrer ‚Häscher‘, die sie gefangen weggeführt haben, und sie zu dir beten in Richtung ihres Landes, das du ihren Vätern gegeben hast, der Stadt, die du erwählt hast, und des Hauses, das ich deinem Namen gebaut habe ()אשר־בניתי לשמך: 49so mögest du im Himmel ()השמים, der Stätte, da du wohnst ()מכון שבתך, ihr Gebet und ihr Flehen hören und ihre gerechte Sache führen ...“ 31
Der Abschnitt hält fest: JHWHs Name ( )שםist im Tempel gegenwärtig, während JHWH (selbst) im Himmel thront und dort für die Gebete seines Volks empfänglich ist. Die Unterscheidung der JHWH-Präsenz im Tempelweihgebet 1 Kön 8,29ff (JHWHs Name im Tempel – JHWH im Himmel) stellt eine Weiterentwicklung der so genannten Schem- oder Namens-Theologie dar. Diese hat ihren Ursprung im dtr redigierten Deuteronomium 32, wo sie nach 587/6 als „Resultat einer Theologie der Krise“ 33 erstmals in der (zweiten) Langform der Erwählungsformel („die JHWH, dein Gott, erwählen wird, um seinen Namen dort
27 Hartenstein, Wolkendunkel, 128. „So verweist das Wolkendunkel in kosmologischer Hinsicht auf den wie ein Berg in Wolken eingehüllten Thron, was im Heiligtum sehr wahrscheinlich in dem lichtlosen Einbau des Debīr als Tempelcella seine symbolische Entsprechung hatte.“ (Ebd.). Vgl. zur ausführlichen Begründung dieser Deutung ders., Unzugänglichkeit, 147–149. 28 Vgl. zur Analyse Nentel, Trägerschaft, 225–240. Er weist den Abschnitt im Wesentlichen seiner nachexilischen DtrS-Schicht zu. 29 Vgl. zur zeitlichen Ansetzung in die Epoche des Zweiten Tempels Nentel, Trägerschaft, 248f, sowie Gerstenberger, Perserzeit, 222–224. „1 Kön 8,31–53 setzt auf Schritt und Tritt und Abschnitt für Abschnitt die Erfahrung der Gemeinde mit gottesdienstlichen Handlungen am Zweiten Tempel voraus. Wenn der Text dtr. Ursprungs ist, dann stammt dieses Stück des Geschichtswerkes aus dem 5., nicht aus dem 6. Jh. v. Chr.“ (A.a. O., 224). 30 „Während im Tempelweihspruch das Salomonische Heiligtum als mākôn lešibtekā, als Stätte für das Thronen Jahwes, charakterisiert wird (V. 13), bezeichnet der Deuteronomist ausdrücklich und mit Nachdruck den Himmel als mekon šibtekā, als ‚Stätte deines Thronens‘ (V. 30.39.43.49.) Er nimmt damit offensichtlich die Terminologie des Tempelweihspruches auf, um die dort zum Ausdruck gebrachte Wohn- und Thronvorstellung zu korrigieren. Nicht der Tempel, sondern der Himmel ist Wohnstatt und Thronsitz Jahwes.“ (Metzger, Wohnstatt, 150). 31 Übers.: Würthwein, ATD 11,1, 93f. 32 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Deuteronomiums etwa Gertz, Tora, 252–258. 33 Keller, Untersuchungen, 207.
1.2 Transformationen der Wohnortvorstellung in der Epoche des Exils
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wohnen zu lassen [ שכןpi.]“) innerhalb der Zentralisationsgesetze in Dtn 12 begegnet. 34 Die Schem-Theologie greift die Wohnvorstellung der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie auf, 35 spezifiziert diese allerdings durch die Anwesenheit des „Namens“ im Heiligtum, der – einem Kultbild vergleichbar 36 – als „Repräsentationsform“ 37 fungiert und JHWHs kultische Präsenz sicherstellt. Die Differenzierung der JHWH-Präsenz im Tempelweihgebet 1 Kön 8,(29)30– 53 trägt ganz offensichtlich den religiösen Rahmenbedingungen der nachexilischen Zeit Rechnung: Einerseits gilt der 520–515 v. Chr. wiedererrichtete Jerusalemer Tempel – zumindest für die Trägerkreise der biblischen Überlieferung – als einzig legitimer JHWH-Tempel, andererseits befinden sich JHWH-Gläubige in der Diaspora (vgl. 1 Kön 8,46), wo sie keinen unmittelbaren Zugang zum Jerusalemer Tempel haben. Der Tempel ist vor diesem Hintergrund nicht mehr in erster Linie Wohnstätte, sondern Gebetsstätte (vgl. auch Jes 56,7; 64,10), 38 die auch von JHWH-Gläubigen in der Fremde als räumlicher Orientierungspunkt genutzt werden kann, wenn sie ihre Gebete in Richtung Jerusalem sprechen (vgl. 1 Kön 8,48). 39 Die Unterscheidung von irdischer und himmlischer Wohnstatt im Tempelweihgebet mit Hilfe der Namens-Präsenz bleibt jedoch grundsätzlich im Rahmen altorientalischer Tempeltheologie, wie ein Vergleich mit einem Abschnitt aus dem „Gebet Assurbanipals an den Sonnengott Schamasch“ (VAT 8786) exemplarisch vor Augen führt:
34 Zur Genese der Schem-Theologie und der Nomenklatur der unterschiedlichen Erwählungsformeln vgl. zusammenfassend Kaiser, Theologie 2, 198–201. 35 Vgl. Keller, Untersuchungen, 186: „Danach besteht das proprium der dtn/dtr schem-Theologie in der Reformulierung der Jahwepräsenz, die nun betont als schem-Präsenz verstanden wird: Weder die göttliche Proklamation des schem Jahwes noch Jahwes Wohnen auf dem Zion, sondern der am erwählten māqôm gewissermaßen lokalisierte schem selbst verbürgt in exilischer Zeit die Präsenz Jahwes.“ 36 Zur Ähnlichkeit von Bild und Name im Alten Orient vgl. Radner, Macht, 24: „Vergleichbar ist dies mit der Art und Weise, wie sich Gottheiten manifestieren: Deren Eigennamen und Bilder sind dem Menschen die mächtigsten Mittel zur Sicherung ihrer Präsenz, und ihre unbestreitbare Gegenwart beweist diesem die Wirksamkeit der auf dem gesprochenen und verschrifteten Namen und dem Bild beruhenden Existenzsicherung.“ 37 Vgl. zum Namen als Repräsentationsform im Alten Orient Radner, Macht, 19–25. Vgl. zur Gegenwart JHWHs in seinem Namen auch Kaiser, Theologie 2, 201: „Er ist ein übersinnlicher Teil der im Himmel residierenden Gottheit.“ 38 Das ist im Kontext des Alten Orients in der Tat eine Besonderheit (vgl. z.B. Maul, Haus, 311f), die vermutlich durch die Diasporasituation bei gleichzeitiger Alleinstellung des Jerusalemer Tempels bewirkt wurde. 39 Vgl. Metzger, Wohnstatt, 150f: „Daß der Name Jahwes im Tempel anwesend ist, während Jahwe selbst im Himmel thront und von dorther das Gebet erhört, besagt, daß man nicht unbedingt im Jerusalemer Heiligtum zugegen sein muß, um bei Jahwe Gehör und Erhörung zu finden.“
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1 Hinführung
„11Ich, Assurbanipal, ein Sohn seines Gottes, 12rief dich im reinen Himmel an, 13suchte dich in deinem leuchtenden Tempel auf und sprach 14an der Tafel der großen Götter 15deinen Namen aus, 16opferte dir [ein reines Opfer]!“ 40
Das zweite Beispiel betrifft die offensichtlichen Transformationen der Wohnvorstellung innerhalb des Großjesajabuches, wo die literarhistorische Differenzierung – zumindest im Groben – noch unstrittiger ist. 41 Ein Vergleich der vorexilischen 42 Thronvision Jes 6,1–4 mit dem nachexilischen Heilswort Jes 57,14–19 legt den Wandel hinsichtlich der Wohnvorstellung offen. Jes 6,1
Jes 57,15
Im Todesjahr des Königs Ussija sah ich meinen Herrn, sitzend auf einem hohen und erhabenen Thron, und seine Gewandsäume füllten den Tempel/die Tempelhalle.
Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der ewig wohnt und dessen Name Heiliger (ist): In der Höhe und als Heiliger wohne ich, und bei 43 den Zerschlagenen und Gedemütigten, um zu beleben den Geist der Gedemütigten, um zu beleben das Herz der Zerschlagenen.
Die Titulierung JHWHs als „der Hohe und Erhabene“ ( )רם ונשאin Jes 57,15 greift wörtlich auf den Beginn der Thronvision zurück, wobei der in Jes 6,1 im Mittelpunkt stehende Gottesthron keinerlei Rolle mehr spielt. Vielmehr wird „[d]ie Charakterisierung des Thrones in 61 als ‚hoch und erhaben‘ ... nun auf Jahwe selbst bezogen“ 44. Neben dem Thron findet auch der Tempel ()היכל, welchen laut Jes 6,1 JHWHs Gewandsäume füllen, in Jes 57,15 keine Erwähnung mehr. Demgegenüber wird die Wurzel רוםaus Jes 6,1 noch einmal aufgegriffen, um mit dem Wort „ מרוםHöhe“ als Ersatzbegriff für „Himmel“ (vgl. z.B. Jes 24,21; 33,5; Ps 102,20) 45 den neuen Wohnort JHWHs zu bestimmen (vgl. Jes 63,15). Zugleich wird jedoch JHWHs Gegenwart in den Zerschlagenen und Gedemütigten herausgestellt. 46 Noch einen Schritt weiter geht der tempelkritische Abschnitt Jes 66,1ff, der den irdischen Tempel nicht bloß verschweigt, sondern hinsichtlich seiner Funktion als Wohnort Gottes grundsätzlich in Frage stellt. 40 Übers: TUAT II, 773 (Hecker). Vgl. auch Lambert, Myths, 199, in Bezug auf die Wohnvorstellung des Enūma eliš: „The Israelite parallel of Yahweh, who lived in the heavens yet set his name in Jerusalem, is fully valid for Babylonian religion.“ 41 Vgl. hierzu knapp Schmid, Hintere Propheten, 328f, und zur (nachexilischen) Entstehungsgeschichte von Jes 56–66 Zapff, NEB 37, 345–347. 42 Darin besteht ein weitgehender Forschungskonsens; s. u. S. 23. 43 Vgl. zu dieser Deutung Ego, Vorstellung, 565, Anm. 42. 44 Zapff, NEB 37, 366. 45 Vgl. zum Terminus מרוםals Ersatzbegriff für „Himmel“ Bartelmus, ThWAT VIII, 208 f; vgl. auch u. S. 22. 46 „Nicht mehr das Heiligtum, sondern der bedrückte und demütige Mensch – – דכא ושפל רוחerscheint nun als der ‚Ort‘, an dem der im Himmel thronende Königsgott Wohnung nimmt und somit als irdisches Pendant zu Gottes himmlischem Thron.“ (Ego, Vorstellung, 566).
1.3 Fragestellung und Vorgehen
9
(1)
So spricht JHWH: Der Himmel (ist) mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße. Wo (wäre) ein Haus, das ihr mir bauen könntet, und wo ein Ort meiner Ruhe?
Anders als in Jes 6,1–4 und 57,15 – aber durchaus in Anlehnung an die vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie 47 – thront JHWH weder im Tempel noch wohnt er im Himmel, vielmehr thront er auf dem Himmel. 48 Beide Beispiele machen deutlich, dass die Vorstellung vom Wohnort Gottes zwischen den vorexilischen und den nachexilischen Textanteilen einem tiefgreifenden Wandel unterworfen war. Unstrittig ist, dass der Himmel als Wohnort Gottes und Objekt seines Schöpferhandelns in den uns überlieferten Schriften Israels seit der Zeit des Zweiten Tempels fest verankert ist. 49 In Bezug auf Gottes himmlische Wohnstatt sind den genannten Texten aus 1 Kön 8 oder Jes 56–66 eine Reihe von nachexilischen Psalmen an die Seite zu stellen, in denen Gottes Thronen im Himmel mit dem Motiv verbunden ist, dass er von dort auf die Erde herabblickt und zugunsten der Armen und Frommen eingreift (vgl. z.B. Ps 33,13.18; 102,20; 113,6; vgl. Jes 66,1–3). 50 Ein weiterer Indikator für die neue Bedeutung des Himmels seit der Zeit des Zweiten Tempels ist der Titel „Himmelsgott“ (hebr. אלהי השמים, aram. )אלה שמיא, der – einer „interreligiösen Tendenz“ 51 im persischen Großreich folgend – sowohl in nachexilischen Texten des Alten Testaments als auch in Dokumenten aus Elephantine aus dem 5. Jh. v. Chr. in Bezug auf JHWH begegnet. 52 Der Trend setzt sich in der hellenistisch-römischen Zeit fort, wie das Danielbuch und weitere frühjüdische Texte vor Augen führen. 53
1.3 Fragestellung und Vorgehen Vor allem die folgenden drei Punkte sind in der Forschung strittig und sollen in der vorliegenden Arbeit untersucht werden: Erstens: Welche Rolle spielte der Himmel im Rahmen der Wohnvorstellungen in der vorexilischen Zeit, konkret: vor der Zerstörung des ersten Jerusalemer 47
Vgl. zu diesen Bezügen z.B. Zapff, NEB 37, 431. Vgl. Ego, Vorstellung, 567. „Die Jerusalemer Kulttheologie wird damit in eine personal gebundene ent-räumlichte Konzeption transformiert; eine lokale an ein Tempelgebäude gebundene Eingründung Gottes in den irdischen Bereich erscheint dagegen nicht mehr realisierbar.“ 49 Vgl. zu dem zweiten Aspekt Hartenstein, JHWH. 50 „Der räumlichen Ferne Gottes wird somit kontrapunktorisch ein Motiv entgegengesetzt, in dem die Distanz von Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch, überbrückt wird.“ (Ego, Vorstellung, 568). 51 So mit überzeugenden Argumenten Grätz, Erwägungen, 414. 52 Vgl. die Liste der Belege bei Grätz, Erwägungen, 408, Anm. 3 (Altes Testament) und 4 (Elephantine). 53 Vgl. zu Himmelsvorstellungen im antiken Judentum z.B. Ego, Tempeltheologie, sowie dies., Denkbilder. 48
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1 Hinführung
Tempels 587/6 v. Chr.? Damit verbunden ist die Frage nach Kontinuität und Diskontinuität sowie nach Pluriformität und Uniformität in den vorexilischen und exilisch-nachexilischen Vorstellungen von Gottes Wohnort. Dieser Problemkreis ist insbesondere in den Studien von M. Metzger und F. Hartenstein untersucht worden. Metzger hatte sich 1969 in seiner Hamburger Antrittsvorlesung der Frage gewidmet, wie sich die Vorstellung von JHWHs Wohnen im Himmel zu der von seinem Wohnen im irdischen Heiligtum verhält. Nach Metzger sind im Tempel Himmel und Erde vor dem Hintergrund der Gottesbergvorstellung mythisch vereint: „Für das Jerusalemer Heiligtum war die Vorstellung vom Gottesberg maßgebend. Dieser Vorstellung zufolge ist das Heiligtum der Ort, an dem der Unterschied zwischen Himmlisch und Irdisch aufgehoben, die Stätte, an der der Gottesthron fundiert ist und über das Heiligtum hinaus bis in den Himmel aufragt. Himmlisches und Irdisches Heiligtum sind hier nur zwei Aspekte desselben Vorstellungskomplexes.“ 54
Metzgers These ist von Hartenstein in Frage gestellt worden, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen bezweifelt Hartenstein, dass tatsächlich von einer Aufhebung des Unterschieds zwischen Himmlisch und Irdisch gesprochen werden könne und JHWHs jenseitiger Wohnort im Alten Testament ohne Weiteres mit dem kosmischen Bereich des Himmels zu identifizieren sei. Vielmehr stehe das Jerusalemer Heiligtum wie andere altorientalische Tempel „in einem Entsprechungsverhältnis von irdisch-kultischer Realität und der Sphäre des JHWH-Throns, die daneben auch durch meteorologische und kosmische Phänomene eigenständig repräsentiert wurde“ 55. Dabei betont er, dass die Sphäre JHWHs „zwar im Alten Testament bevorzugt mit dem ‚Himmel‘ verbunden wurde, aber dies nicht zu allen Zeiten in der gleichen expliziten Weise“ 56. Der zweite Kritikpunkt betrifft die literarhistorische Verortung der von Metzger angeführten Texte. Metzger geht zwar prinzipiell von einer geschichtlichen Entwicklung der Wohnvorstellung aus, wofür er insbesondere die exilische Schem-Theologie namhaft macht. Er erkennt jedoch eine große Kontinuität zwischen kosmologischen Konzeptionen, die auf das irdische Heiligtum bezogen sind, und solchen, die JHWH im Himmel lokalisieren. Denn vor dem Hintergrund der Gottesbergmotivik „sind es nur verschiedene Aspekte dieser Vorstellung, wenn man davon spricht, daß Jahwe auf dem Zion thront, wenn man das Heiligtum als den Ort seines Thronens bezeichnet oder Jahwe als den, der im Himmel thront, tituliert“ 57. Wo Metzger lediglich zwei Aspekte ein und derselben Vorstellung sieht (vgl. etwa Ps 2,6 [der Zion als Gottesberg] mit Ps 2,4 [JHWH thront im Himmel]), vermutet Hartenstein eher „ein
54
Metzger, Wohnstatt, 154. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 17. 56 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 14. 57 Metzger, Wohnstatt, 149. 55
1.3 Fragestellung und Vorgehen
11
zeitliches Nacheinander“ 58 und plädiert in solchen Fällen für eine literarhistorische bzw. traditionsgeschichtliche Differenzierung. 59 Ausgehend von der Beobachtung, dass die vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie noch keine explizite Verortung der Sphäre des Gottesthrons in der kosmischen Region des Himmels bezeugt, schlägt Hartenstein die Unterscheidung zwischen einer älteren, an der „Symbolik des Zentrums“ (Stadt, Tempel, Gottesthron) 60 orientierten impliziten und einer jüngeren expliziten Kosmologie vor. „Mit letzterer sind solche Aussagen über räumliche und zeitliche Ordnungen gemeint, denen eine eigenständige Bedeutung und theologische Begründungsfunktion zukommt.“ 61 Eine solche begegnet laut Hartenstein ansatzweise erstmals in zwei frühexilischen Texten, Ps 74 und Klgl 5, die auf die Katastrophe der Tempelzerstörung im Jahr 587 reagieren, indem sie kosmologische Begründungsstrukturen anführen, ohne allerdings den Gottesthron schon explizit im Himmel zu lokalisieren. 62 Im Hinblick auf JHWHs Himmelsbezug in vorexilischer Zeit und dem durch das Exil ausgelösten tiefgreifenden Wandel schreibt Hartenstein: „Zwar besaß JHWH immer eine Affinität zum ‚Himmel‘ ‚oben‘ mit seinen Wettererscheinungen. Daß man seinen hintergründigen Wohnort jedoch ausdrücklich (und in Unterscheidung vom irdischen Tempel) ‚im‘ Himmel ( )בשׁמיםlokalisierte ..., scheint in Jerusalem vor allem eine Folge der Krise von Tempelzerstörung und Ende der Staatlichkeit zu Beginn des 6. Jh.s v. Chr. zu sein ...“ 63
Vor dem Hintergrund der genannten Studien von Metzger und Hartenstein, vor allem der m. E. sehr hilfreichen Unterscheidung von impliziter und expliziter Kosmologie, sollen in den Kap. 2 und 3 tempeltheologische Entwürfe aus Juda und Israel aus der staatlichen Zeit untersucht werden, wobei einerseits zu fragen ist, ob und wie diese Texte einen Himmelsbezug zu erkennen geben, und andererseits, wie das Verhältnis von himmlischer und irdischer Wohnstatt zu bestimmen ist. Der zweite strittige Punkt lenkt den Blick auf die Zeit des Exils, in der allem Anschein nach die wesentlichen Transformationen der Vorstellung von Gottes Wohnort anzusetzen sind: Wie sind diese Transformationen näherhin zu beschreiben? Ist etwa eine einheitliche bzw. einlinige Entwicklung von JHWHs irdischer hin zu JHWHs himmlischer Wohnstatt zu konstatieren?
58 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 21: „Möglicherweise zeigen die von Metzger als gleichzeitig namhaft gemachten Aspekte für diesen Traditionsbereich doch eher ein zeitliches Nacheinander an.“ 59 Vgl. für eine Differenzierung von Ps 2,4 und Ps 2,6 Hartenstein, Psalm 2, bes. 173f. 60 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 22f. 61 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 21. Vgl. auch a.a.O., 228, in Bezug auf die implizite Kosmologie: „Der ‚Bau‘ der Welt und sachlich damit verbunden das Zustandekommen dieses ‚Weltgebäudes‘ sind (noch) keine für sich behandelten Gegenstände von Reflexion.“ Positiv aufgenommen wurde die Unterscheidung z.B. von Janowski, Wohnung, 61, und Schmid, Himmelsgott, 115. 62 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 229–250. 63 Hartenstein, Wolkendunkel, 126f.
12
1 Hinführung
Da für die Zeit des Zweiten Tempels eine Vielfalt an Wohnvorstellungen bezeugt ist, scheint bezüglich der These einer Ablösung Gottes vom irdischen Tempel Skepsis geboten. 64 So unterscheidet K. Schmid in der Literatur der Zeit des Zweiten Tempels uranisierende, kosmotheistische und transzendierende Versuche der Verhältnisbestimmung von Gott und Himmel. 65 Ob die dritte, im Wesentlichen die Priesterschrift betreffende Kategorie dem Quellenbefund gerecht wird, wird zu prüfen sein. Neben den drei von Schmid aufgeführten scheinen sich in der Zeit des Zweiten Tempels aber auch ältere Vorstellungen zu behaupten, die mitunter unkommentiert weitertradiert werden und auf eine größere Kontinuität in der Frage nach JHWHs Wohnort hindeuten. Hier ist vor allem die einer kultischen Präsenz Gottes im (Jerualemer) Tempel anzuführen (vgl. etwa Sach 8,3: „So spricht JHWH: Ich kehre zurück nach Zion und wohne inmitten Jerusalems“). 66 Der dritte strittige Punkt betrifft die Ursachen für den Wandel der Wohnvorstellungen in der Zeit des Exils. War die Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Zusammenhang der babylonischen Eroberung Judas im Jahr 587/6 der entscheidende oder gar einzige Faktor? Eine monokausale Ableitung der Transformationen allein von der Tempelzerstörung her ist m. E. kaum überzeugend. Vielmehr dürften weltbildhafte Veränderungen in einem größeren Bereich des Alten Orients eine stärkere Rolle gespielt haben. Dafür spricht schon, dass diejenigen alttestamentlichen Texte, die am pointiertesten und möglicherweise auch zeitlich als erstes den himmlischen Wohnort JHWHs explizieren, in einem größeren traditionsgeschichtlichen Kontext zu sehen sind. Die Himmels-Thron-Vision in Ez 1 beispielsweise ist von mesopotamischen Vorstellungen abhängig, die auch dort eine jüngere Entwicklung darstellen und darüber hinaus bis nach Griechenland ausgestrahlt haben. 67 Auch hat K. Koch in seiner Studie zum Gottesberg Zafon in Bezug auf die syrische Religionsgeschichte im Allgemeinen und den an Bedeutung gewinnenden Himmelsgott Baal-Šamem im Besonderen auf zeitgleiche Vorgänge in Mesopotamien aufmerksam gemacht: „Das lässt vermuten, dass die im ersten vorchristlichen Jahrtausend in Mesopotamien rasant voranschreitende Astralisierung und Astrologisierung der Religion auch auf Syrien abgefärbt und das Weltbild gründlich verändert hat.“ 68 64 Vgl. Schmid, Himmelsgott, 116: „Die Sachlage ist komplexer. Diese Ablösung hat zwar in der Tat stattgefunden, jedoch in sehr unterschiedlicher Weise.“ 65 Vgl. Schmid, Himmelsgott, 116–118. 66 Vgl. etwa Rudnig, Gottes Gegenwart, 283f: „Überblickt man die nachexilischen Diskussionen über die Frage nach Jahwes Gegenwart im Tempel, so zeigt sich ein vielschichtiger Reflexionsprozeß. Neben Texten, die Jahwe als weiterhin am Heiligtum präsent vorstellen, sei es mit oder ohne Bedingungen, gibt es andere, die seine Gegenwart modifizieren oder in Frage stellen. Insgesamt zeigt sich, daß es auch nach der Katastrophe von 587/6 v. Chr. nicht wenige Konzeptionen gibt, nach denen Jahwe im Tempel gegenwärtig bleibt.“ 67 S. u. Kap. 5. 68 Koch, Geschichte, 217.
1.3 Fragestellung und Vorgehen
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Und mit Blick auf das Alte Testament schreibt er: „[D]ie Tendenz nachfolgender Jahrhunderte [Bezugspunkt ist das assyrische Zeitalter, CK], Jahwäs Wohnsitz vom Zion zu lösen und mehr und mehr in den Himmel zu verlagern, erinnert an das Gefälle der syrischen Religionsgeschichte im gleichen Zeitalter.“ 69
Die Explikation der himmlischen Wohnstatt JHWHs seit der Zeit des Exils könnte in einem ähnlichen weltbildhaften Zusammenhang stehen. 70 Ein Aspekt dieser Arbeit ist die Prüfung dieser These an größeren tempeltheologischen Entwürfen in der Übergangszeit von der babylonischen zur persischen Epoche. Kurzum: Die vorliegende Arbeit ist der komplexen Frage verpflichtet, weshalb und mit welchen Mitteln und vor welchem Traditionshintergrund JHWHs Verortung im Himmel in der Exilszeit zu einem wichtigen Gegenstand theologischer Reflexion geworden ist. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung liegt deshalb in den Kap. 4–6 auf (im weitesten Sinne) tempeltheologischen Entwürfen, die vergleichsweise sicher in die Exilszeit datiert werden können, womit näherhin die tempellose Zeit von der Zerstörung des Salomonischen Tempels im Jahr 587/6 v. Chr. bis zum Wiederaufbau des Zweiten Tempels 520–515 v. Chr. 71 gemeint ist. 72 Als drei vergleichsweise gut abgrenzbare Textbereiche sollen der Grundbestand 73 von Deuterojesaja (Jes 40–52*) (Kap. 4), die Himmels- und Tempelvisionen im Ezechielbuch (Ez 1– 3*; 8–11*; 40–48*) (Kap. 5) sowie die Grundschicht der Priesterschrift (Gen 1 – Lev 16*) (Kap. 6) untersucht werden. Die kosmologischen Konzeptionen der genannten Textbereiche aus vorexilischer und exilischer Zeit sollen – im Sinn einer 69 Koch, Geschichte, 217. Das komplette Zitat: „Um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends haben ähnliche Ideen wohl auch Israel erreicht und sein Weltbild verändert. Die astralen Symbole und Riten im Umkreis des Ascherakultes auf dem Zion im ausgehenden assyrischen Zeitalter nach 2.Kön 23 sind freilich Episode geblieben. Doch die Tendenz nachfolgender Jahrhunderte, Jahwäs Wohnsitz vom Zion zu lösen und mehr und mehr in den Himmel zu verlagern, erinnert an das Gefälle der syrischen Religionsgeschichte im gleichen Zeitalter. Die mythologische Verlagerung zeigt sich bereits in der Relativierung der Jerusalemer Tempel-kabod und einer stattdessen behaupteten šemAnwesenheit in deuteronomistischen Kreisen. Sie zeigt sich wohl auch darin, daß die Priesterschrift das allein gültige Heiligtum von seiner Bindung an den Zionsberg löst und zu einer schon durch die Wüste wandernden Stiftshütte werden läßt, was sich bei Ezechiel schon vorbereitet hat. An einem gewissen Endpunkt dieser veränderten Kosmologie steht dann die verbreitete Rede von Jahwä als ‚Gott des Himmels‘ der Perserzeit.“ 70 „Solche Thesen bedürften natürlich einer eingehenden Begründung. Es könnte aber sein, daß die Veränderungen innerhalb der israelitischen Religion mit den Vorgängen im benachbarten syrischen Raum erstaunlich parallel laufen.“ (Koch, Geschichte, 218). 71 Vgl. zum Wiederaufbau des Tempels und den Datierungsfragen auch Frevel, Geschichte, 304– 310. 72 Vgl. zu dieser Abgrenzung nach unten auch Albertz, Exilszeit, 11: „Üblicherweise läßt man die Exilszeit mit der Eroberung Babylons durch den Perserkönig Kyros 539 v. Chr. enden und folgt damit der Sicht des Chronistischen Geschichtswerkes (2.Chr 36,22; Esr 1,1). Da aber größere Rückwanderungen aus dem babylonischen Exil wahrscheinlich erst kurz vor 520 stattfanden und erst der Beginn des Tempelbaus 520 einen klaren Neuanfang markiert, empfiehlt es sich, die untere Grenze erst hier zu ziehen.“ 73 Mit Grundbestand ist näherhin die erste „Buchedition“ von Jes 40–52* gemeint, s. u. Kap. 4.
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1 Hinführung
„Historischen Kosmologie“ 74 – rekonstruiert werden. Insofern versteht sich die vorliegende Arbeit auch als ein Beitrag zur Geschichte der alttestamentlichen Himmelsvorstellungen. In allen Kapiteln liegt ein Schwerpunkt auf der traditions- bzw. religionsgeschichtlichen Frage nach den die biblischen Texte bestimmenden geprägten Vorstellungen, die der Vergleich mit anderen altorientalischen Quellen, insbesondere denen der mesopotamischen Leitkulturen des 8. bis 6. Jh. v. Chr., erschließt. Dabei wird bewusst kein eigenes, von den alttestamentlichen Texten losgelöstes Kap. über „Himmelsvorstellungen im Alten Orient“ vorangestellt. 75 Denn diese Darstellungsweise könnte zu dem Missverständnis führen, dass sich die alttestamentlichen Texte als eigenständiger Bereich von den vermeintlich peripheren Quellen aus der so genannten „Umwelt des Alten Testaments“ 76 abheben ließen. Demgegenüber sollen die biblischen und außerbiblischen Quellen des Alten Orients je an ihrem Ort verglichen werden, mit dem Ziel, das „individuelle[s] religionsgeschichtliche[s] Profil“ 77 der Einzeltexte vor dem Hintergrund gemeinaltorientalischer Vorstellungen herauszuarbeiten.
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Janowski, Weltbild, 13. Vgl. hierzu die ausführlichen Studien von Wright, History, und Hundley, Gods. Vgl. zu dieser Wendung schon die kritischen Anmerkungen in TUAT.NF 1, S. VII, sowie besonders die Kritik bei Gertz, Polemik, 140, Anm. 11, der darauf hinweist, dass mit dieser Begrifflichkeit die Gefahr einer unhistorischen Betrachtungsweise der Texte einhergeht: „Die Gegenüberstellung von ‚Altem Testament‘ und ‚Umwelt‘ löst die alttestamentliche Religion und Literatur aus ihrem zeitgeschichtlichen und kulturellen Umfeld heraus und dient dazu, das ‚Proprium‘ des Alten Testaments herauszustellen. Dabei markiert der Begriff ‚Proprium‘ nicht primär historische Individualitäten, sondern stellt ein (offenbarungs-)theologisches Werturteil dar.“ 77 Hartenstein, Wettergott, 78. Mit Hartenstein, ebd., kann Israel insofern als „individuelle Ausprägung altorientalischer Kultur“ bezeichnet werden. 75 76
2 Der Himmel auf Erden: Gott und der Himmel in Texten der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie Ein Traditionsbereich, in dem eine kosmische Verortung JHWHs wenigstens im Sinne einer „impliziten Kosmologie“ (Hartenstein) vergleichsweise sicher vorexilisch nachweisbar ist, ist die so genannte Jerusalemer Tempeltheologie. Doch bevor zentrale Texte dieser theologischen Strömung hinsichtlich ihrer Wohnvorstellung untersucht werden, soll kurz gefragt werden, was unter Jerusalemer Tempeltheologie eigentlich zu verstehen ist. Die mit dem Ersten bzw. Salomonischen Tempel 1 verbundenen religiösen Vorstellungen werden in der Forschung mit unterschiedlichen Etiketten belegt. Steck hat in seiner grundlegenden Monographie zu den „Friedensvorstellungen im alten Jerusalem“ den Begriff „Jerusalemer Kulttradition“ definiert als „die weltumfassende, reflektiert-geschlossene, theologische Konzeption [...], die den meisten Psalmen zugrundeliegt und sich in wechselseitiger Ergänzung und Bezugnahme vor allem in Zions-Psalmen, Schöpfungs-Psalmen, Jahwe-König- und Königs-Psalmen in wesentlichen Elementen liturgisch artikuliert“ 2.
Nach Steck ist die Vorstellung vom Zion als Gottesberg die „Zentralvorstellung der ganzen Konzeption“ 3. Der Begriff „Jerusalemer Kulttradition“ ist von Hartenstein aufgenommen und inhaltlich präzisiert worden. Statt den Fokus auf die eine Konzeption hinter den Texten zu richten, seien nach Hartenstein zunächst die konkreten Einzeltexte und die in ihnen bezeugten Konzeptionen zu analysieren. „Man wird darin auf in unterschiedlichen Texten wiederkehrende ‚Basis-Aussagen‘ stoßen, die dann weniger Teil eines bewußten ‚theologischen Systems‘ gewesen sind, als vielmehr die grundlegenden Sinn-Elemente, die den hierarchisch strukturierten symbolischen ‚Kosmos‘ der Jerusalemer Kulttradition ausmachen.“ 4
1 Vgl. zum Salomonischen Tempel Zwickel, Tempel, und zum Tempelbaubericht in 1Kön 6,1– 22 Blum, Tempelbaubericht. 2 Steck, Friedensvorstellungen, 9 (vgl. a.a.O., 9–25). 3 Steck, Friedensvorstellungen, 14, Anm. 15. „Zentrum dieser Konzeption ist nicht die Relation Jahwe-Israel, sondern die Verbundenheit Jahwes mit einem Berg und einer Stadt – Zion.“ (A.a.O., 14). Allerdings sind Berg und Stadt (Zion-Jerusalem) nur deshalb von Bedeutung, weil sich auf bzw. in ihnen der Tempel, der irdische Wohnort JHWHs, befindet. Die Gottesbergvorstellung ist mithin eine von der Tempelpräsenz JHWHs abgeleitete Vorstellung. 4 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 9, vgl. a.a.O., 3–11. Seine eigene Definition des Begriffs lautet: „Die ‚Jerusalemer Kulttradition‘ war also der durch den Tempelkult in vorexilischer Zeit gegebene
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2 Himmel auf Erden
Neben dem Wort „Jerusalemer Kulttradition“ wird in der Forschung der auch in der vorliegenden Arbeit bevorzugte Begriff „Jerusalemer Tempeltheologie“ gebraucht. 5 Den Vorteil dieser Bezeichnung sehe ich darin, dass sie deutlicher zum Ausdruck bringt, dass es sich bei dem Phänomen um eine, eben auf die judäische Tempelstadt Jerusalem bezogene Lokalausprägung altorientalischer Tempeltheologie handelt. Dabei darf allerdings nicht mit einer „Einheit der Konzeptionen“ 6 gerechnet werden. Vielmehr ist von – gemeinaltorientalischen – Grundvorstellungen auszugehen, die in den verschiedenen Einzeltexten ein jeweils individuelles Profil gewinnen konnten und die darüber hinaus im Verlauf der (Religions-)Geschichte Jerusalems teils erheblichen Transformationen ausgesetzt waren. 7 Der ebenfalls häufig in grundsätzlicher Weise gebrauchte Begriff „Zionstheologie“ 8 ist demgegenüber zu problematisieren; er bezeichnet lediglich einen „vornehmlich in der Assyrerzeit ausgearbeitete[n] Partikularaspekt Jerusalemer Tempeltheologie, der die Sicherheit der Stadt in Zeiten ihrer Gefährdung theologisch begründet“ 9, und ist von daher kaum geeignet, das Phänomen in seiner ganzen Breite zu erfassen.
2.1 Grundvorstellungen altorientalischer Tempeltheologie Altorientalische und altägyptische Quellen zum Tempel und seiner kosmologischen Bedeutung geben bei allen Unterschieden im Detail eine Reihe von Grundvorstellungen zu erkennen, die im Folgenden knapp benannt werden sollen: 10 1. Der Tempel gilt als irdischer Wohnort (vgl. akk. bītu = „Haus“) der Götter, die darin durch ein Kultbild oder ein Kultsymbol repräsentiert werden. 11 2. Aus der göttlichen Präsenz leitet sich die kosmologische Bedeutung des Tempels ab, die sich vornehmlich in einem zweifachen symbolischen EntsprechungsÜberlieferungszusammenhang für die Texte und Riten des Jerusalemer Heiligtums und die damit verbundenen Bedeutungen.“ (A. a.O., 9). 5 Vgl. z.B. Albertz, Religionsgeschichte 1, 200–212; vgl. für weitere Vertreter Leuenberger, Großkönig, 142, Anm. 1. 6 Darauf weist Hartenstein, Unzugänglichkeit, 4, zu Recht hin. Allerdings ist auch der Begriff der „Kulttradition“ vor dieser Gefahr nicht gefeit, wie Stecks Definition als „weltumfassende, reflektiert-geschlossene, theologische Konzeption“ (Friedensvorstellungen, 9) zeigt (vgl. auch a.a.O., 10, Anm. 9). 7 Einen Überblick über die Religionsgeschichte Jerusalems bietet Keel, Jerusalem, 36–115. 8 In diesem grundsätzlichen Sinn verwenden den Begriff z.B. Paganini/Giercke-Ungermann in ihrem gleichnamigen WiBiLex-Artikel. 9 Otto, ThWAT VI, 1015. Vgl. zu diesem Aspekt der Tempeltheologie unter besonderer Berücksichtigung des so genannten Völkerkampfmotivs Hartenstein, Archiv, 127–174. 10 Vgl. als grundlegende Beiträge Lundquist, Temple; Janowski, Himmel; Hundley, Gods. 11 Vgl. Maul, Überlegungen, 75: „[A]ltorientalische Tempel waren nicht in erster Linie Gebetshäuser, sondern präsentierten sich vielmehr als in das Monumentale gesteigerte Wohnhäuser der stets anthropomorph gedachten Götter, in denen diese inmitten der Stadt – einem Fürsten nicht unähnlich – mit Familie und Hofstaat residierten.“ Vgl. zu Ägypten Janowski, Einwohnung, 248–252.
2.2 Grundvorstellungen der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie
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verhältnis gegenüber der göttlichen Sphäre spiegelt: Der Tempel repräsentiert zeitlich den Uranfang 12 und räumlich die jenseitige Götterwelt 13: Er ist der irdische Himmel, der Himmel auf Erden. 14 3. Als irdischer Wohnort der Götter ist der Tempel zugleich das Zentrum der horizontalen und der vertikalen Raumachse. 15 Die für die vorliegende Arbeit vor allem relevante Verbindung in der Vertikalen kann mit Hilfe verschiedener Symbole veranschaulicht werden: Der Tempel gilt dann etwa als „kosmischer Berg“ oder als Schnittpunkt der „Himmelstreppe“ oder des „kosmischen Bandes“. 16 4. Die kosmologische Bedeutung des Tempels strahlt aus auf die gesamte Tempelstadt, auf welche Vorstellungen und Begrifflichkeiten des Tempels übertragen werden können. 17 Diese Grundvorstellungen altorientalischer Tempeltheologie begegnen in vergleichbarer Form auch in den einschlägigen Texten des Alten Testaments.
2.2 Grundvorstellungen der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie Obgleich die Textbasis für eine Rekonstruktion der Grundvorstellungen der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie im Zuge einer stärkeren literarhistorischen Differenzierung in den letzten Jahrzehnten schmaler geworden ist, können doch einschlägige Texte aus Protojesaja sowie Kernbestände aus einzelnen Psalmen immer noch mit guten Gründen für ein solches Unterfangen herangezogen werden. Folgende Grundvorstellungen können – fokussiert auf die vorliegende Fragestellung – rekonstruiert werden: 1. JHWH wohnt ( )שכןbzw. thront ( )ישבals König 18 im Tempel/auf dem Tempelberg Zion/in der Tempelstadt Jerusalem. Der Jerusalemer Tempel gilt als sein
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Vgl. zum Zusammenhang von Tempel und Schöpfung etwa Janowski, Tempel, 216–221. Vgl. zum Tempel als „Himmel auf Erden“ etwa Janowski, Himmel. Vgl. zu den beiden kosmologischen Dimensionen auch Hundley, Gods, 80: „[T]he temple was of supreme importance; it connected the modern world to its idyllic beginning, the human world to the divine, heaven to earth, thereby making connections that were otherwise unavailable.“ 15 Vgl. zum altorientalischen Raumverständnis Pongratz-Leisten, Programmatik, 13–36, bes. das Modell S. 36. 16 Vgl. zu diesen Symbolen Edzard, Skyscrapers, 14f; Maul, Hauptstadt, 121f. 17 Vgl. zu diesem Phänomen z.B. George, Babylon. 18 Für die Königsvorstellung ist neben der direkten Anrede JHWHs als „König“ (vgl. z.B. Ps 24*), der JHWH-malak-Formel der JHWH-König-Psalmen (vgl. z.B. Ps 93,1) sowie dem weiteren Wortfeld („ כסאThron“, „ ישבsitzen, thronen“ usw.) auf spezifische Vorstellungen (z.B. die eines Thronrats, vgl. Jes 6*) und Epitheta (z.B. „Kerubenthroner“ und „JHWH Zebaoth“) zu verweisen. Einzelne Elemente der Königsvorstellung sind auch epigraphisch für das vorexilische Juda bezeugt (vgl. Renz, Beitrag, 305f; 310f; 317). 13 14
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2 Himmel auf Erden
irdischer Wohnsitz („ ביתHaus“). Die Vorstellung von der Gegenwart des Königsgottes JHWH in seinem Tempel ist – darin stimmen neuere Arbeiten überein 19 – das Basisaxiom der Jerusalemer Tempeltheologie. 2. Vor dem Hintergrund einer „Symbolik des Zentrums“ 20 markiert der Jerusalemer Tempel als JHWHs irdischer Wohnsitz die heilsame Mitte der Welt, wo sich die vertikale (Höhe und Tiefe) und die horizontale (Zentrum und Peripherie) Raumachse treffen. 21 3. Architektur und Ausstattung weisen den Jerusalemer Tempel als Himmel auf Erden aus: Er ist zeitlich mit der Schöpfung und räumlich mit der Götterwelt verbunden. 22 4. Die vertikale Dimension des Jerusalemer Tempels wird in erster Linie mit Hilfe der uranisch konnotierten Bergvorstellung zum Ausdruck gebracht. 23 Der Gottes- bzw. Weltberg als hintergründiger Wohnort Gottes hat im Jerusalemer Tempel/dem Tempelthron (Ps 93*; Jes 6*) bzw. dem Tempelberg Zion (Ps 48,2f; vgl. Ex 15,17 und Jer 17,12) bzw. der Tempelstadt Jerusalem (Ps 46*; 48,2f) einen irdischen Haftpunkt oder eine symbolische „Repräsentation“ bzw. „Entsprechung“ 24. 5. Auch wenn der Tempel/der Tempelberg/die Tempelstadt unter dem besonderen Schutz des darin residierenden Gottes stehen, entspricht diesem partikularen Aspekt ein universaler, insofern sich JHWHs Königsherrschaft über die ganze Erde erstreckt (vgl. Jes 6,3b; Ps 24*; Hirbet Bēt Layy 25). ˘ Hartenstein hat in diesem Zusammenhang auf zwei gewichtige Leerstellen in den Quellen zur vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie aufmerksam ge-
19 Vgl. Janowski, Wohnung, 60; ders., Einwohnung, 254f; Leuenberger, Königtum Gottes (3.2.3.2.); Lichtenstein, Ps 46, 420 u. 425. 20 Vgl. zur „Symbolik des Zentrums“ im Unterschied zu anderen Konzeptionen Hartenstein, Unzugänglichkeit, 22f: „Diesen grundlegenden Orientierungen an den beiden Achsen und ihrem Koinzidenzbereich in der ‚Mitte‘ (von Stadt, Palast, Tempel und Gottesthron) entsprechen zumeist keine ausdrücklichen weltbildhaften Systematisierungen, wie man sie etwa mittels der Metaphorik eines geschichteten ‚Weltgebäudes‘ in wenigen mesopotamischen Texten des 1. Jt.s v. Chr. (bezogen auf das Enūma eliš) findet.“ (A. a.O., 23). 21 Vgl. Janowski, Wohnung, 60f. 22 Vgl. Janowski, Himmel, 85f. 23 Vgl. dazu grundlegend Metzger, Wohnstatt, 146–149. 24 Diese Begriffe sind – wie sich zeigen wird – gegenüber anderen Versuchen, das Phänomen zu beschreiben, nicht zuletzt angesichts der altorientalischen Belege zu bevorzugen. Vgl. schon Janowski, Keruben, 272: „Statt von ‚Aufhebung‘ der Kategorien von Irdisch und Himmlisch sprechen wir lieber von deren ‚Entsprechung‘: Der Präsenz JHWHs im Himmel entspricht seine Gegenwart im irdischen Tempel.“ Vgl. in diesem Sinne auch Hartenstein, Unzugänglichkeit, 17. 25 Inschrift BLay[7]:1: „Jahwe ist der Gott der ganzen Erde. Die Berge Judas sind sein, des Gottes von Jerusalem.“ (Übers. nach Renz/Röllig, HAE I/1, 245); vgl. zur Interpretation Renz, Beitrag, 310f; Hartenstein, Archiv, 127–131; Lichtenstein, Psalm 46, 420.
2.2 Grundvorstellungen der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie
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macht: Die einschlägigen Texte reflektierten weder JHWH als Schöpfer der Welt 26, noch explizierten sie den Himmel als seinen Wohnort. 27 Vielmehr werde die kosmisch-vertikale Dimension mit Hilfe der Gottesbergvorstellung zum Ausdruck gebracht, 28 deren maßgebliche nordsyrisch-ugaritische Variante „nicht mit dem ‚Himmel‘ verbunden“ 29 gewesen sei. Doch stellt sich die Frage, ob und inwiefern durch die Rezeption der Bergvorstellung nicht doch ein Bezug zum Himmel als Wohnort Gottes gegeben ist. Außerdem ist zu fragen, ob dieser Bezug nicht auch durch weitere Darstellungsmittel hergestellt wird, die den Tempel als irdischen Himmel ausweisen. Diesen Fragen möchte ich im Folgenden nachgehen, wobei einschlägige Texte der Jerusalemer Tempeltheologie mit anderen altorientalischen Texten verglichen werden sollen. Dabei beschränkt sich die folgende Untersuchung auf solche mutmaßlich vorexilischen Texte, die im Hinblick auf den Wohnort Gottes die vertikale Raumachse thematisieren. Da zu diesen Texten gründliche jüngere Untersuchungen vorliegen, soll eine eher kursorische und ganz auf die Fragestellung konzentrierte Behandlung erfolgen, wobei konkret zwei Fragen im Mittelpunkt stehen sollen: Erstens: Wie wird in diesen Texten der Bezug zum Himmel zum Ausdruck gebracht? Zweitens: Welcher Traditionshintergrund wird dabei deutlich? Den im Folgenden behandelten Texten ist gemeinsam, dass sie durch das Basisaxiom der Tempeltheologie – die Gegenwart des Königsgottes JHWH in seinem Wohntempel – miteinander verbunden sind. Doch werden dabei unterschiedliche irdische Repräsentationsorte angeführt: Der Gottesthron im Jerusalemer Tempel (Ps 93*; Jes 6*), der Tempelberg Zion (Ps 48,2f; vgl. Ex 15,17 und Jer 17,12) bzw. die Tempelstadt Jerusalem (Ps 46*; 48*).
26 „Der ‚Bau‘ der Welt und sachlich damit verbunden das Zustandekommen dieses ‚Weltgebäudes‘ sind (noch) keine für sich behandelten Gegenstände von Reflexion.“ (Hartenstein, Unzugänglichkeit, 228). Der Frage, ob dies auf ein generelles Fehlen der Schöpfungsthematik in vorexilischer Zeit hindeutet, kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht nachgegangen werden. Vgl. zu dieser Frage etwa Schmid, Schöpfung, 73f. 27 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 228. 28 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 21: „Solange Heiligtum und Gottesthron durch die Bergvorstellung aufs engste aufeinander bezogen waren, bestand in diesem Vorstellungsbereich vielleicht gar kein Anlaß, den Himmel als eigenständigen Wohnort JHWHs zu thematisieren.“ 29 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 56.
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2 Himmel auf Erden
2.3 Tempelthron/Tempelberg/Tempelstadt als Manifestationen des Gottesberges 2.3.1 Der Tempelthron als Gottesberg in Psalm 93* und Jes 6* Ps 93 gilt als „Basis-Mythos“ 30 der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie. 31 Er lautet in Übersetzung: JHWH ist König (geworden) 32. Mit Hoheit hat sich gekleidet, gekleidet hat sich JHWH, mit Macht hat er sich umgürtet: Ja, festgegründet 33 ist die Erdscheibe, sie wankt nicht. (2) Festgegründet (ist) dein Thron seit damals 34/von uran ()מאז, von Urzeit her (( )מעולםbist) du. (3) Es haben erhoben Ströme, JHWH, es haben erhoben Ströme ihre Stimme, es erheben Ströme ihren Schlag. (4) Mehr als die Stimmen großer Wasser, gewaltiger als 35 die Brecher des Meeres, (ist) gewaltig in der Höhe ( )במרוםJHWH. (5) Deine Gesetzesbestimmungen ( )עדתsind sehr verlässlich. Ja, dein Haus ist schön (und) heilig 36, JHWH, für die Dauer der Tage.
Der Psalm weist nur wenige Spuren redaktioneller Bearbeitung auf. 37 Lediglich der Satz „Deine Gesetzesbestimmungen sind sehr verlässlich“ in V. 5 sticht inhaltlich und terminologisch aus dem schöpfungs- und tempeltheologisch geprägten Grundpsalm hervor. Der Gesetzesterminus ( עדתpl. tantum, verwandt mit aramäischem ʿdy „Vertragsbestimmungen“) begegnet in priesterlichen Texten als Ersatzbegriff für „( בריתVertrag, Bund“). 38 In spät-dtr Texten (z.B. 2 Kön 17,15) sowie insbesondere in nachexilischen Tora-Psalmen (vor allem Ps 119) ist er zu einem
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Vgl. etwa Krüger, Psalm 104, 70. Über die vorexilische Datierung der Grundschicht des Psalms herrscht ein weitgehender Konsens; vgl. z.B. Jeremias, Königtum, 26; Hossfeld/Zenger, HThKAT, 646. Vgl. für eine spätere Datierung Oeming, König. 32 Zur ingressiv-durativen Bedeutung der Formel vgl. Müller, Wettergott, 76–80. 33 Vgl. zu diesem Schöpfungsverb Koch, ThWAT IV, 104: „Genaugenommen meint hek̲în nicht einen schöpferischen Akt als solchen, sondern ein Ausstatten und Zurüsten bereits erstellter Größe.“ 34 Vgl. zu dieser Übersetzungsmöglichkeit Koch, ThWAT IV, 107. 35 Vgl. zu dieser verbreiteten Konjektur Jeremias, Königtum, 15, Anm. 2. 36 Vgl. zur Interpretation von V. 5b Spieckermann, Heilsgegenwart, 181, Anm. 4. Demnach ist das לam Satzanfang emphatisch und das נאוהals Adjektiv zu deuten. Vgl. auch ders., Kosmos, 67, mit dem weiteren Übersetzungsvorschlag „ja dein Haus ist ein heiliger Ort“. 37 Vgl. zur Kritik an umfangreicheren literarkritischen Eingriffen Janowski, Ort, 378, Anm. 44. 38 Vgl. dazu unten S. 216–219. 31
2.3 Tempelthron/Tempelberg/Tempelstadt als Manifestationen des Gottesberges
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häufiger verwendeten Begriff für JHWHs Willenskundgabe geworden (oft in Zusammenhang mit weiteren Gesetzesbegriffen). Der Zusatz scheint in Anlehnung an Ps 119,8 formuliert worden zu sein. 39 Psalm 93* ist aus formalen und inhaltlichen Gründen in zwei Strophen zu gliedern – V. 1–2 und V. 3–5* 40 – wobei sich die Formel „ יהוה מלךJHWH ist König (geworden)“ in V. 1 als „Themasatz“ 41 sowie V. 5* als Zielpunkt des ganzen Psalms noch einmal vom Korpus abheben. 42 J. Jeremias hat darauf hingewiesen, dass V. 2 und V. 5* „auffällig parallel gestaltet sind“ 43: Jeweils in diesen Abschlussversen findet ein Wechsel in die direkte Anrede JHWHs statt. Der Ortsangabe „dein Thron“ in V. 2a entspricht „dein Haus“ in V. 5a*. Beide Verse enden mit einer zeitlichen Bestimmung: „seit damals / von uran“ in V. 2b und „für die Dauer der Tage“ in V. 5b. 44 Mit B. Janowski sind Thema und Profil des Psalms mit Hilfe der Stilform der „behobenen Krise“ zu bestimmen: „Thema ist ... nicht der Kampf JHWHs gegen die chaotischen Urgewalten, sondern der Triumph des Königsgottes, der den siegreich überstandenen Kampf gegen die (Chaos-) ‚Fluten‘ zur Voraussetzung hat, ohne daß dieser noch geschildert wird. JHWHs Königtum ist also nicht Folge seines Kampfes gegen das Chaos, sondern Voraussetzung für den Bestand der Welt, die immer wieder vom Chaos bedroht wird (V. 3b).“ 45
Wie wird nun in Ps 93* die kosmische Dimension zum Ausdruck gebracht? Nach dem Vorbild altorientalischer Tempeltheologie sind eine zeitliche und eine räumliche Dimension leitend, die beide auf den Gottesthron bezogen sind: Zeitlich verbindet V. 2 den Thron mit dem Uranfang (JHWHs Thronen „seit damals / von uran“) 46 und räumlich-vertikal verbindet V. 4b den Thron mit der 39 Vgl. auch Kratz, Mythos, 156: „Das Zitat [aus Ps 119,8; CK] unterbricht den sachlichen Zusammenhang von Chaoskampf und Tempel, der sich wie ein roter Faden durch den ganzen Psalm zieht: in V. 1 von der Erde aus, in V. 3–4 aus der Höhe, in V. 5 vom Tempel her betrachtet. Der Zusatz verankert die Festigkeit der Erde, von der V. 1 spricht, statt im Königtum im Willen Gottes, der im Gesetz geschrieben steht.“ Vgl. schon Jeremias, Königtum, 25f, der allerdings mit einer Bedeutungsverschiebung des Begriffs rechnet. Ähnlich Spieckermann, Kosmos, 66, der ein ursprüngliches ʿdk „deine Thronbasis“ postuliert. Andere bestimmen V. 5 in Gänze als Nachtrag, vgl. etwa Hossfeld/ Zenger, HThKAT, 645f. 40 Vgl. zu den formalen und inhaltlichen Argumenten für diese Gliederung u.a. Jeremias, Königtum, 16; Janowski, Königtum, 158f; Müller, Wettergott, 65. 41 Hossfeld/Zenger, HThKAT, 645. 42 Vgl. zur Schlüsselfunktion von V. 5 und zum Aufbau des Psalms Janowski, Königtum, 175, sowie ders., Ort, 377. Vgl. zur poetischen Struktur des Psalms Hossfeld/Zenger, HThKAT, 645. 43 Jeremias, Königtum, 16. 44 Die sekundäre Aussage über die „Verlässlichkeit“ ( אמןni.) der Gesetze in V. 5 verstärkt durch ihre Korrespondenz zur „Festigkeit“ ( כוןni.) des Throns diese Verbindung. Vgl. Jeremias, Königtum, 17: „Die Festigkeit der Königsherrschaft Gottes, der Ort ihrer Ausübung und ihre unendliche Dauer sind also die entscheidenden Themen des Psalms. Der Zeitaspekt, in beiden Strophen betont in Schlußstellung geboten, ist unter ihnen das Wichtigste, weil unabdingbare Voraussetzung für die Festigkeit der Königsherrschaft.“ 45 Janowski, Königtum, 170. 46 Vgl. zum Zeitaspekt in Ps 93 auch Spieckermann, Kosmos, 65f.
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jenseitigen Götterwelt (JHWHs Thronen „in der Höhe“). 47 Auch wenn Ps 93* den Gottesthron nicht explizit im Himmel verortet, sprengt dieser doch zeitlich und räumlich alle irdisch-geschichtlichen Dimensionen. Entscheidend für die räumlich-vertikale Dimension ist der Terminus „( מרוםHöhe“) in V. 4b, der in Ps 93* vor dem Hintergrund der Gottesbergvorstellung zu verstehen ist und – wie sich im religionsgeschichtlichen Vergleich zeigen wird – durchaus uranische Qualitäten aufweist. 48 Im Kontext des Psalms ist er den Ortsangaben in V. 2a („dein Thron“) und V. 5a* („deinem Haus“) zuzuordnen. „Die adverbielle Ortsbestimmung bammārôm ‚in der Höhe‘ ... läßt sich sowohl auf den Thron als auch auf das Heiligtum beziehen (vgl. Jer 17,12) und weist damit zugleich auf das Thema von V. 5 (bajjit ‚Tempel‘) voraus. ‚Thron‘, ‚Höhe‘ und ‚(Tempel-)Haus‘ sind verschiedene Aspekte der einen Grundvorstellung, daß der im Jerusalemer Heiligtum / auf dem Gottesberg fundierte JHWH-Thron bis in den Himmel aufragt.“ 49
Die enge Korrespondenz zwischen V. 2 („dein Thron“) und V. 5* („dein Haus“) macht deutlich, dass die Qualitäten des Gottesthrons auch für das Jerusalemer Heiligtum gelten: Der Tempel ist der irdische Haftpunkt für den überdimensionalen Gottesthron, er ist „schön (und) heilig ... für die Dauer der Tage“ (V. 5*), er ist der Himmel auf Erden. Was den Traditionshintergrund von Ps 93* angeht, so zeigt sich eine besondere Nähe zum syrisch-levantinischen Raum. So sind V. 3f sowohl in formaler 47 Die Darstellung des Thronenden, dessen Königtum nach V. 1 durch „Hoheit“ bzw. „Erhabenheit“ ( גאותvon „ גאהhoch sein“; vgl. Jes 26,10 und Stähli, THAT 1, 382) gekennzeichnet ist (V. 1) und der „gewaltig“ („ )אדירin der Höhe“ allen Bedrohungen der (Chaos-)Ströme enthoben ist, unterstützt die räumlich-vertikale Dimension. 48 Das Nomen ( מרוםWurzel „ רוםhoch sein“) wird mit seinen 54 Belegen „in erster Linie für die räumlich-geographische Höhe ... bis hin zum term. techn. für ‚Himmel‘ verwendet“ (Firmage/Milgrom/Dahmen, ThWAT VII, 430), wobei es beim konkreten Gebrauch meist um die Höhe der Berge geht (2 Kön 19,23 = Jes 37,24a; Jer 31,12; Ez 17,23; 20,40; 34,14). מרוםist im Alten Testament ein vorwiegend theologisch verwendeter Begriff und spielt für die Verortung JHWHs eine wichtige Rolle: „Der mārôm ist der Ort, an dem JHWH wohnt (Jes 33,5; 57,15); von dort schaut er herab (Ps 102,20), um die Gefangenen und Todgeweihten zu befreien, und greift helfend ein (2 Sam 22,17//Ps 18,17; Ps 144,7 ...); dort aber thront er auch als Richter (Ps 7,8 [vgl. v. 7]; Jes 24,21), von dort beginnt er sein Gerichtshandeln an den Völkern und an Jerusalem (Jes 25,30; Klgl 1,13).“ (Ebd.). Die mutmaßlich vorexilischen Belege (z.B. Ps 18,7; 68,19?; 93,4) verschmelzen die konkrete mit einer symbolischen Bedeutung: „ מרוםHöhe“ (verbunden mit dem Jerusalemer Tempelthron bzw. dem Zionsberg) steht im Zusammenhang der Gottesbergvorstellung für die vertikale Raumachse, die Verbindung von irdischem und himmlischem Thron/Heiligtum. Die (jüngeren) Belege, in denen מרוםals terminus technicus für „Himmel“ erscheint (z.B. Ps 102,20), sind von daher zu erklären. – Vgl. auch die ausführliche traditionsgeschichtliche Untersuchung der Wurzel bei Hartenstein, Unzugänglichkeit, 44– 54. 49 Janowski, Königtum, 174. Vgl. schon Jeremias, Königtum, 25: „Kann man in Ps 93,2 noch schwanken, ob mit dem ‚Thron Gottes‘ (V. 2) sein himmlischer oder aber sein irdischer Wohnort im Blick ist, so zeigen doch V. 4 (‚in der Höhe‘) und V. 5 (‚dein Haus‘), daß diese Alternative nicht im Sinne des Psalms ist ... Himmel und Zion sind für den Psalm nicht zwei Orte, sondern der eine Herrschaftsthron des Weltenkönigs, der eine Gottesberg, der Himmel und Erde verbindet und der die kosmische Stabilität garantiert.“ Allerdings ist zu betonen, dass – wie sich zeigen wird – die Lokalitäten bei aller Verbundenheit nicht schlicht identisch sind.
2.3 Tempelthron/Tempelberg/Tempelstadt als Manifestationen des Gottesberges
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(Stufenparallelismus) als auch in inhaltlicher (Chaoskampfmotivik) Hinsicht von syrisch-levantinischen Traditionen gespeist; 50 darüber hinaus ist – wie sich zeigen wird – auch das mythische Raumkonzept des Psalms vor diesem, vor allem in den ugaritischen Texten greifbaren Traditionshintergrund zu verstehen: nämlich der Zusammenhang von überdimensionalem Gottesthron, Bergeshöhe und (irdischem) Heiligtum, wie er in Ps 93* von V. 2 (uranfängliche Gründung des Throns), V. 4 (JHWHs überlegene Position in der Höhe) und V. 5* (seine Gegenwart im Tempelhaus) entwickelt wird. Allerdings – auch das wird deutlich werden – ist nicht zuletzt das Verhältnis von Berg und Tempel noch von anderer Seite mitgeprägt worden. Die kosmologischen Implikationen der Thron- und Gottesbergvorstellung in Ps 93* gewinnen noch an Profil, wenn – vor der Betrachtung der ugaritischen Texte – ein weiterer vorexilischer Zeuge in die Betrachtung mit einbezogen wird: Die Thronvision in Jes 6*. Jes 6,1–13 gehört zu den meistuntersuchten Texten des Jesajabuches. Als Auftakt der so genannten „Denkschrift Jesajas“ in Jes 6,1–9,6 spielt er einerseits für die Rekonstruktion der ursprünglichen Botschaft des Propheten eine wichtige Rolle. 51 Andererseits bereitet der Verstockungsauftrag in 6,9–11 dem Verständnis des Kapitels ganz erhebliche Probleme. 52 Das Kapitel ist im Wesentlichen als einheitlich zu beurteilen. Lediglich an seinem Ende (V. 12–13) und ganz geringfügig innerhalb des zentralen Verstockungsbefehls (V. 10bβ*), der von Anfang an als Ziel- und Höhepunkt der Vision zu betrachten ist, sind Spuren redaktioneller Nacharbeit zu erkennen. 53 Jes 6,1 will die prophetische Vision zwar in das Jahr 736 versetzen, in die Zeit kurz vor dem so genannten syrisch-ephraimitischen Krieg. Doch legen zeitund traditionsgeschichtliche Erwägungen eine spätere, jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vorexilische Entstehung nahe. 54 Möglicherweise gehört der Grundbestand des Kapitels in die zeitliche Nähe des assyrischen Feldzugs gegen
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Vgl. zu den Parallelen Müller, Wettergott, 69–85. Vgl. zur Denkschrift-Hypothese Höffken, Jesaja, 118–123. Vgl. hierzu den Deutungsversuch bei Müller, Einsicht. 53 Bei den V. 12f handelt es sich um einen die Katastrophe des Jahres 587 voraussetzenden Nachtrag, der in V. 13bβ noch einmal heilsgeschichtlich glossiert worden ist; vgl. zu den Argumenten Barthel, Prophetenwort, 76–78, sowie Müller, Einsicht, 4f und 8–10. Ansonsten dürfte der Text lediglich noch in V. 10bβ leicht bearbeitet worden sein, indem durch den Satz ושב ורפא לוsekundär eine Umkehr- und Heilsperspektive eröffnet wird, vgl. Barthel, Prophetenwort, 69; etwas anders Müller, Einsicht, 5–8. Gegen Müllers Rekonstruktionsversuch spricht die chiastische Struktur von V. 10, bei der das Verb ושבüberzählig wäre. 54 Selbst Becker, Jesaja, der den Verstockungsauftrag in 6,9–11 von 6,1–8 abtrennt und später datiert (81–89), rechnet zumindest mit einer vorexilischen Entstehung der Grundschicht in 6,1–8* (121f); zu einer ausführlichen Kritik an Becker vgl. Müller, Einsicht, 18–23. Vgl. zur Kritik an früheren Versuchen einer Spätdatierung Müller, Einsicht, 86, Anm. 1. 51 52
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Juda unter Sanherib im Jahre 701, der dem Propheten den Untergang des eigenen Königreichs als von JHWH bewirkte Strafe vor Augen stellte. 55 „Der paradoxe Befehl וראו ראו ואל תדעו/ „ שמעו שמוע ואל תבינוHört, ja hört und seht nicht ein / und seht, ja seht und versteht nicht!“ (6,9b) blickt offenbar darauf, dass Jesaja mit seinen Warnungen vor dem Aufstand gegen Assur am judäischen Hof auf taube Ohren gestoßen war: Die Führungsschicht um den König hatte bis zuletzt nicht wahrhaben wollen, dass die assyrische Militärmacht unüberwindlich sein sollte. Jesaja wiederum, der sich als Prophet des Jerusalemer Königsgottes verstand, führte die Vergeblichkeit seiner Warnungen auf die paradoxe Botschaft zurück, mit der Jahwe ihn ausgesandt hatte.“ 56
Ob der Prophet die Vision niedergeschrieben hat, um sich nach der Katastrophe an Überlebende des judäischen Hofes zu wenden und ihnen die Ursache des Gerichts zu erklären 57, oder ob es sich nicht doch eher um eine „Umkehrprophetie höherer Ordnung“ 58 handelt, gerichtet an die politisch Verantwortlichen in Jerusalem unter König Hiskija, dürfte letztlich kaum zu entscheiden sein. Der Grundbestand in Jes 6,1–11* kann gattungsmäßig als prophetische Visionsschilderung charakterisiert werden. Der Text gliedert sich grob in zwei Teile 59: In V. 1–7 ist die eigentliche Vision („ ואראהund ich sah“), in V. 8–11* schließt sich eine Audition an („ ואשמעund ich hörte“), die die Beauftragung des Propheten beinhaltet. Beide Teile werden analog und gattungstypisch eingeleitet. Innerhalb des Visionsteils V. 1–7 markiert V. 5 einen weiteren Einschnitt: In V. 1–4 sieht Jesaja den im Tempel thronenden Königsgott, umgeben von seinem Hofstaat. V. 5–7 schildern die Reaktion des Propheten sowie den darin begründeten Entsühnungsakt durch den Serafen. 60 Für den Zusammenhang von Thron und vertikaler Achse konzentriere ich mich im Folgenden im Wesentlichen auf die eigentliche Thronvision in V. 1–4: (1)
Im Todesjahr des Königs Ussija sah ich meinen Herrn 61, sitzend auf einem hohen und erhabenen Thron, und seine Gewandsäume füllten den Tempel/die Tempelhalle. (2) Serafim standen über ihm. Je sechs Flügel (hatte) ein jeder: 55 Vgl. zu dieser Deutung Müller, Einsicht, bes. 85–94. „Es ist religionsgeschichtlich durchaus vorstellbar, dass der judäische Prophet, auf den die Gerichtsvision von Jes 6* zurückgeht, erkannt hat, weshalb seine Hörer zuletzt keine Einsicht in seine Botschaft gezeigt hatten: Der Jerusalemer Königsgott Jahwe hatte das Unheil, das jetzt bevorzustehen schien, längst beschlossen, und zu diesem Zweck hatte Jahwe die Sendung seines Propheten von Anfang an unter das Vorzeichen der ausbleibenden Einsicht gestellt.“ (A. a.O., 94). 56 Müller, Einsicht, 85. 57 Vgl. Müller, Einsicht, 90f. 58 Stipp, Heil, 353. 59 Vgl. zur Gliederung auch Barthel, Prophetenwort, 73. 60 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 39, betont zu Recht die Gelenkfunktion von V. 5 zwischen V. 1–4 und V. 6–7. 61 Vgl. zu dieser Übersetzung Rösel, Adonaj, 91f.
2.3 Tempelthron/Tempelberg/Tempelstadt als Manifestationen des Gottesberges
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mit zweien bedeckte er sein Gesicht und mit zweien bedeckte er seine Füße und mit zweien flog er. (3) Und einer rief dem anderen zu 62 und sprach: Heilig, heilig, heilig (ist) JHWH Zebaoth! Die Fülle der ganzen Erde (ist) seine Herrlichkeit! (4) Da erbebten die Türzapfen in den Schwellen vor der Stimme des Rufenden. Und das Haus füllte sich mit Rauch.
Hartenstein hat gezeigt, dass schon die erste Szene der Vision in V. 1–4 – die Präsenz der geflügelten Serafen (V. 2f), das Beben der Schwellen (V. 4a), die Erfüllung des Hauses mit Rauch (V. 4b) sowie die Verwandlung der göttlichen Herrlichkeitsfülle (V. 1b u. 3b; vgl. V. 4b: )מלאin Ödnis (V. 11: – )שממהauf den paradoxen Verstockungsauftrag in V. 9 und die Unheilsankündigung in V. 11 abzielt. 63 Dabei erweist es sich im religionsgeschichtlichen Vergleich als das entscheidende Spezifikum der Jesajavision, „daß JHWH seinen Tempel gerade nicht verläßt, sondern in ihm unzugänglich wird“ 64. Die Frage nach dem „Ort“ der Thronvision ist von Keel ausführlich untersucht worden, 65 mit dem Ergebnis, dass nicht der himmlische Königspalast 66, sondern der irdische Jerusalemer Tempel der Ort des Geschehens ist. Dafür sprechen terminologische ( הביתin V. 4) und inhaltliche Gründe (vor allem die den Tempel sprengende riesenhafte Gestalt JHWHs). 67 Hartenstein hat darüber hinaus auf die Nähe der Beschreibung in Jes 6,1–4 zur Raumgliederung des Jerusalemer Tempels hingewiesen. „V. 1a: Gottesthron – Cella (Allerheiligstes), V. 1b: – היכלAntecella (Hauptraum), V. 4a: Eingangsbereich (Torschwellen) – Vorhalle. V. 4b (‚das Haus‘) blickt dann auf den gesamten Tempel zurück.“ 68 Die Thronvision ist demnach im Jerusalemer Tempel zu verorten. Allerdings „öffnet“ die spezifische Darstellungsweise den irdischen für den himmlischen Tempel. An Hand von zwei Vorstellungskomplexen möchte ich dies erläutern: a.) Der bergeshohe Gottesthron b.) Die Serafen und der Thronrat des JHWH Zebaoth
62 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 35: „Die Seraphim rufen sich ständig wechselseitig etwas zu und sind dabei wohl in räumlicher Hinsicht symmetrisch auf den beiden Seiten oberhalb des Throns vorzustellen.“ 63 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 221 (im Original kursiv): „Wo die Herrlichkeitsfülle des Tempels und der Welt einander korrespondierten, herrscht die durch den Zornesrauch markierte Unzugänglichkeit Gottes, und die Verödung des Landes und der Welt steht bevor.“ 64 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 165 (im Original kursiv). 65 Vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 47–56. 66 So etwa Wildberger, BK X/1, 246. 67 Vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 50. 68 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 63.
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a.) Der bergeshohe Gottesthron. Schon V. 1 übersteigt mit der Beschreibung des Gottesthrons und des Thronenden die Jerusalemer Tempelarchitektur. Die Explikation des Throns als „hoch und erhaben“ ()רם ונשא, insbesondere die Verwendung der Wurzel „ רוםhoch sein“, verweist, wie Hartenstein herausgearbeitet hat, auf die Gottesbergvorstellung. 69 Der Thron überragt den Tempel wie ein Berg. Der Größe des Throns entspricht die Größe des Thronenden Gottes. Schon seine Gewandsäume ()*שול, die äußerste Peripherie JHWHs, füllen den Tempel. 70 Beide Vorstellungselemente, der bergeshohe Thron und der riesenhaft Thronende, haben, wie sich zeigen wird, traditionsgeschichtliche Parallelen in anderen altorientalischen tempeltheologischen Entwürfen, welche durchaus einen Himmelsbezug zu erkennen geben. b.) Die Serafen und der Thronrat des JHWH Zebaoth. Weitere Elemente verstärken den Bezug zum Himmel. Anders als etwa in 1 Kön 6f ist der Thronende in Jes 6,1–4 nicht von zwei riesenhaften Keruben, sondern von sprechenden Serafen umgeben. Keel hat den Traditionshintergrund dieser Mischwesen ausführlich untersucht. 71 Demnach handelt es sich bei den Serafen um geflügelte Wesen in Schlangen- bzw. Kobragestalt. Solche Uräen sind im alten Ägypten als Schutzgenien seit dem 2. Jt. über die Epochen hinweg breit bezeugt. In Israel/Juda begegnen sie seit dem 9./8. Jh. Für den Vergleich mit den Serafen in Jes 6,1–4 sind vor allem Darstellungen von Kobras mit vier Flügeln auf judäischen Namenssiegeln des 8. Jh. von Bedeutung, welche von den Siegelträgern offenbar als Schutzmacht gebraucht wurden. „Jes 6 nimmt das Motiv auf, steigert die Schutzkraft der Serafim noch, indem er sie mit sechs Flügeln ausgestattet sieht, wertet sie dann in Bezug auf JHWH aber ab, indem sie ihre Flügel brauchen, um angesichts der erschreckenden Heiligkeit JHWHs sich selber zu schützen.“ 72
Im Kontext der gesamten Visionsschilderung Jes 6,1–11* bilden die Serafen den Hofstaat 73 bzw. Thronrat 74 des JHWH Zebaoth 75 (üblicherweise mit ל... )עמד, in den der Prophet durch die Frage in V. 8aβ „Wen soll ich senden und wer wird für uns gehen?“ mit einbezogen wird. Dieses Setting ist ein deutlicher Verweis auf 69
Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 41–56. Vgl. zur Deutung der Säume Keel, Jahwe-Visionen, 69: „Schon das Äußerste, der Rand der Erscheinung Jahwes, füllt den Tempel beziehungsweise seinen größten Raum, oder umgekehrt: Die ganze Herrlichkeit des Tempels läßt nur einen Schimmer seiner Herrlichkeit sichtbar werden.“ 71 Vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 70–115, und – ergänzend – ders., Land. 72 Keel, Land, 253. 73 Eine vergleichbare Funktion erfüllen innerhalb der Traumerzählung Gen 28* die auf der Himmelstreppe auf- und absteigenden „Boten Gottes“ ( ;)מלאכי אלהיםvgl. Kap. 3. 74 Vgl. zur Identifikation eines „Council of Yahweh text“ White, Council, 22: „1) multiple divine beings must be present; 2) it must contain a judgment regarding the fate of a group or an individual; and 3) Yahweh must been seen as the leader of the council.“ Nach White steht Jes 6 am Beginn einer traditionsgeschichtlichen Reihe: Jes 6; 1 Kön 22; Hi 1–2; Sach 3; Dan 7 (vgl. ders., Council, 145–172). 75 Vgl. zu diesem Titel und seinen uranischen Konnotationen Albani, Gott, 186–230. 70
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die himmlische Welt. 76 Der Himmelsbezug entsteht jedoch nicht erst im Zusammenhang von Jes 6*, er ist schon traditionsgeschichtlich vorgegeben. Denn die Uräusschlange besitzt im alten Ägypten uranische Qualität: Sie erscheint zum einen oft verbunden mit der Sonnenscheibe 77 und kann zum anderen auch für sich den Himmel darstellen. 78 Wie in Ps 93* ist in Jes 6* der erhabene Thron JHWHs (Wurzel )רוםim Zusammenhang der Gottesbergvorstellung zu sehen: Er sprengt die irdisch-geschichtlichen Dimensionen und weist darauf hin, dass die irdische Präsenz des Jerusalemer Königsgottes seiner himmlischen entspricht. Neben dem Thron gelten in der Jerusalemer Tempeltheologie auch noch der Berg Zion sowie die Stadt Jerusalem als irdische Haftpunkte des kosmischen Gottesberges, der Himmel und Erde verbindet.
2.3.2 Der Tempelberg Zion als Gottesberg Zahlreiche Texte bezeugen die Vorstellung, dass JHWH auf Zion präsent ist. 79 Einige dieser Belege dürften vorexilisch zu datieren sein oder wenigstens auf vorexilische Traditionen rekurrieren. So wird JHWH etwa in Jes 8,18 – möglicherweise dem Schlussstein der Denkschrift 80 – als „JHWH Zebaoth“ prädiziert, „der auf dem Berg Zion wohnt (“)שכן. Durch das Theologumenon von der Anwesenheit JHWHs auf Zion gewann der Tempelberg Zion Qualitäten des Gottesberges. Dies bezeugt ein in einem jüngeren literarischen Kontext erscheinendes Wort, das – wie Ps 93* – die Gottesbergvorstellung voraussetzt und eine große Nähe zur ugaritischen Tradition zu erkennen gibt. Ex 15,17 ist Teil eines hymnischen Traditionsstücks – möglicherweise aus der Zeit Joschijas –, welches der nachexilische Verfasser des Moseliedes zitiert. 81
76 Vgl. Keel, Geschichte 1, 391: „In Jes 6 wird mit den Serafim und ihren Flügeln, mit denen sie sich selbst schützen, die himmlische Umgebung JHWHs evoziert und gleichzeitig abgewertet. Diese himmlischen Wesen können der überragenden, einzigartigen Stellung JHWHs nicht gefährlich werden.“ 77 Vgl. Keel, Land, 254. 78 Vgl. Martin, LÄ VI, 868. Erwägenswert ist die These, dass die Serafen in Jes 6,1–4 einen Reflex auf architektonische Gegebenheiten im Jerusalemer Tempel darstellen. Zwickel, Tempel, 81f, hat auf phönizische Götterschreine aufmerksam gemacht, die am oberen Rand ein Uräenfries aufweisen. Eine vergleichbare Dekoration läge auch im Salomonischen Tempel, der insgesamt phönizische Einflüsse zu erkennen gibt, im Bereich des Möglichen. Die ungewöhnliche Verortung der Serafen„ ממעל לוüber ihm [sc. JHWH]“ in Jes 6,2 wäre damit verständlicher, denn sie legt nahe, „daß die Serafen auch wirklich ikonographisch im Jerusalemer Tempel abgebildet waren, eben in der Form des Uräenfrieses, der über dem Schrein angebracht war“ (Zwickel, Tempel, 83). Vgl. auch Hartenstein, Angesicht 160f mit Anm. 64 u. 66. 79 Vgl. die Belege bei Otto, ThWAT VI, 1015. 80 Vgl. Hartenstein, Archiv, 24. 81 Vgl. zur literarhistorischen Einordnung Albertz, ZBK 2.1, 252f. Diese Stelle dürfte einen Zusatz in dem im Kern frühexilischen Ps 74 inspiriert haben, wo das Stichwort „Erbbesitz“ (V. 2aβ) in
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„Du wirst sie [sc. das Volk; CK] hineinbringen und einpflanzen auf dem Berg deines Erbes ()בהר נחלתך, an die Stätte deines Thronens, die du dir geschaffen hast, JHWH, am Heiligtum, Herr, das deine Hände gegründet haben.“ 82
Im ugaritischen Baʿal-Zyklus wird der Gottesberg Zafon in ganz ähnlicher Weise qualifiziert (KTU 1.3 III 28–31): „Komm und ich (29)werde es offenbaren Inmitten meines Berges, des göttlichen Ṣaphon, (30) im Heiligtum auf dem Berg meines Erbsitzes, (31) in der Lieblichkeit, auf dem Hügel des Sieges.“ 83
Die kosmische Bedeutung des Zion ist lediglich eine abgeleitete. Er wurde zum Gottesberg, weil er der Berg des Tempels war und dieser als der Wohnort JHWHs galt: „Der Zion wurde nicht deswegen zum Gottesberg, weil er empirisch nachweisbar der höchste Berg der Welt ist; sondern weil Jahwe ihn zum Gottesberg gemacht hat, überragt er alle anderen Berge und reicht bis in Himmelshöhen.“ 84
2.3.3 Die Tempelstadt Jerusalem als Gottesberg Die kosmische Bedeutung des Tempels/Tempelbergs konnte auf die ganze Stadt ausstrahlen. Dies bezeugt sehr deutlich Ps 48. Der Zionspsalm dürfte im 7. Jh. v. Chr. in Auseinandersetzung mit der assyrischen Leitkultur entstanden sein, möglicherweise als Reaktion auf die Rettungserfahrung von 701. Dafür sprechen zum einen die konkrete Ausformulierung des Völkerkampfmotivs, die enge Parallelen zu neuassyrischen Texten aufweist, und zum anderen die Übertragung des von Hause aus assyrischen Titels „Großkönig“ (šarru rabû) auf JHWH, der in V. 2 als מלך רבbezeichnet wird. 85 Für den vorliegenden Zusammenhang genügt ein Blick auf die V. 2–4, die zum Grundbestand des Psalms gehören: 86 (2)
Groß (ist) JHWH und sehr zu loben in der Stadt unseres Gottes. Der Berg seines Heiligtums, (3)schön an Höhe, (ist) die Freude der ganzen Erde.
V. 2b durch einen Hinweis auf JHWHs Gegenwart auf Zion nachträglich präzisiert wird, vgl. Hossfeld/Zenger, HThKAT, 361 (Zenger). 82 Übers.: Albertz, ZBK 2.1, 228. Gemäß der Mosefiktion ist noch nicht vom „Berg Zion“, sondern lediglich von „dem Berg deines Erbbesitzes“ die Rede. Vgl. zum Topos der göttlichen Gründung des Tempels Ambos, Baurituale, 50–52. 83 Übers.: TUAT.NF 8, 205f (Niehr) (vgl. auch KTU 1.3 IV 20). 84 Metzger, Wohnstatt, 148. Vgl. ebd.: „Die Übertragung der Gottesbergvorstellung auf den Zion schloß ein, daß auf den Zion die Qualitäten des Gottesberges übertragen wurden. Auf diesem Hintergrund ist es zu verstehen, wenn an verschiedenen Stellen die außerordentliche Höhe des Zion hervorgehoben wird, obwohl es offensichtlich ist, daß schon der Ölberg und alle umliegenden Berge den Tempelberg an Höhe übertreffen.“ „Der Zion ist deswegen ein bis in den Himmel reichender Berg, weil der auf dem Zion fundierte Jahwethron unsichtbar bis in den Himmel aufragt.“ 85 Vgl. Hartenstein, Archiv, 138–147; Ego, Völkerchaos, 125, sowie Leuenberger, Großkönig. 86 Vgl. zu Text und Entstehungsgeschichte Leuenberger, Großkönig, 144–148.
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Der Berg Zion, der Gipfel des Zafon, (ist) die Stadt des Großkönigs. (4) JHWH 87 (ist) in ihren Palästen, bekannt als Fluchthöhe.
Wie in mesopotamischen Tempel-Stadt-Hymnen (s. u.) wird in V. 2 die Stadt ( )עיר אלהינוmit dem Tempelberg ( )הר־קדשוgleichgesetzt. Sodann werden Stadt bzw. Tempelberg zweimal hinsichtlich ihrer vertikalen Dimension beschrieben: Sie sind „schön an Höhe“ ( )יפה נוףund „der Gipfel des Zafon“ ()ירכתי צפון. Schließlich wird in V. 4 JHWH selbst mit der vertikalen Achse in Verbindung gebracht. Er ist „bekannt als Fluchthöhe“ ()נודע למשגב. Bei dem Wort ( משגבvon „ שגבhoch sein“) ist „[d]er Grundbedeutung des Verbs entsprechend ... eine Anhöhe oder ein Felsen, wo man Zuflucht suchen kann“ 88, gemeint. 89 Vor allem die Prädikation des Tempelbergs bzw. der Stadt als ירכתי צפוןverdient eine nähere Betrachtung. Nach Lipiński dürfte die Wendung dem ugaritischen ṣrrt ṣpn im Baʿal-Zyklus korrespondieren (vgl. KTU I.3 I 21f u.ö.) und von daher am ehesten mit „der Gipfel des Zafon“ zu übersetzen sein. 90 Voraussetzung für die Identifikation des Zion bzw. der Stadt Jerusalem mit dem ugaritischen Gottesberg Zafon ist dessen Loslösung von seinem Ursprungsberg, dem Djebel al-Aqraʿ. Im ersten Jahrtausend galt der Zafon sowohl in der phönizischen (etwa bei Philo Byblios unter dem Namen Kassion) als auch in der aramäischen Tradition (Papyrus Amherst) als Gottesberg schlechthin, wobei sich der Name von seinem real-topographischen Haftpunkt völlig lösen konnte. 91 Diese Entwicklung bezeugt auch Ps 48,3: Der Berg Zion / die Stadt Jerusalem genießen als Wohnort des Königsgottes JHWH den Rang des Gottesberges par excellence. 92 Die (vom Tempel abgeleitete) kosmologische Bedeutung der Tempelstadt zeigt sich für Mesopotamien besonders schön einerseits in den wenigen erhaltenen Preisliedern auf Städte und andererseits in der Liste Tintir = Babylon 93, in denen tempeltheologische Vorstellungen und Epitheta auf die Tempelstadt übertragen werden, wobei jeweils Anleihen bei der mythischen Überlieferung des Enūma eliš gemacht werden. 94 So verleiht die lexikalische Liste Tintir I der babylonischen Hauptstadt eine kosmologische Bedeutung, wie sie sonst nur für den Tempel als
87
Der Gottesname ist durch die elohistische Psalterredaktion durch אלהיםersetzt worden. Ringgren, ThWAT VII, 708. Vgl. Ps 18,3//2 Sam 22,3; Ps 46,8.12 u.ö. (vgl. ebd.). Auch in Ps 46, einem ebenfalls im 7. Jh. entstandenen Zionspsalm, wird die vertikale Dimension angesprochen. JHWHs Präsenz in der Gottesstadt, der heiligsten Wohnung des Höchsten (V. 5), führt zu einem Bekenntnis zu JHWHs weltüberlegener Position: „JHWH Zebaoth (ist) mit uns, eine Fluchthöhe ( )משגבfür uns (ist) der Gott Jakobs.“ (V. 8). Vgl. zu diesem Psalm Lichtenstein, Psalm 46. 90 Vgl. Lipiński, ThWAT VI, 1099: „ṣrrt und jrkt bezeichnen etwas weit Entferntes, Abgelegenes, quasi Unerreichbares. Auf einen Berg bezogen hat man damit den Gipfel im Blick.“ 91 Vgl. Niehr, DDD, 928: „Zaphon stands here for the divine abode par excellence and it is not confined to Jebel al-Aqraʿ.“ 92 Vgl. auch Niehr, DDD, 929. 93 Vgl. dazu George, Babylon. 94 Diese Anleihen sollen in späteren Kapiteln aufgezeigt werden (s. etwa S. 78f). 88 89
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Wohnort der Götter belegt ist. Die Stadt markiert z.B. als „Band des Himmels“ oder „Band von Himmel und Unterwelt“ die Mitte der vertikalen kosmischen Achse. 95 Das erste Beispiel für ein mesopotamisches Preislied auf eine Tempelstadt betrifft die assyrische Stadt Arbela (heute: Erbil), die in neuassyrischer Zeit für den Kult der „Ištar von Arbela“ berühmt war: „1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Arbaʾilu, Arbaʾilu! Himmel ohnegleichen: Arbaʾilu! Stadt der Jubelgesänge: Arbaʾilu! Stadt der Festlichkeiten: Arbaʾilu! Stadt der Häuser voll Freuden: Arbaʾilu! Heiligtum von Arbaʾilu, erhabenes Gasthaus! Geräumiger Tempel, Hochsitz der Lustbarkeiten! Lebendig ist Arbaʾilu, hoch [seine] Kultstätten! Stadt der Prachtentfaltung: Arbaʾilu! Wohnsitz der Freuden: Arbaʾilu! Arbaʾilu, Haus des Verstandes und des Rates! Band (aller) Länder: Arbaʾilu! Die die uralten Riten dauerhaft macht: Arbaʾilu! Wie der Himmel steht Arbaʾilu da, seine Fundamente sind fest wie die [der Erde]! Arbaʾilus Häupter sind hoch, sie kommen dem Himmel gleich, ihr Ebenbild ist Babylon, ihre Entsprechung die Sta[dt Assur]! O erhabene Kultstätte, Hochsitz der Schicksalsbestimmungen, Tor des Himmels!“ 96
Wie der Tempel selbst gilt in diesem Hymnus die Stadt als irdischer Himmel (Z. 1, 16 und 18) und bergesgleiche Verbindung zwischen Himmel und Unterwelt (Z. 14–15). Das zweite Beispiel ist ein von F. Köcher unter dem Titel „Ein spätbabylonischer Hymnus auf den Tempel Ezida in Borsippa“ 97 veröffentlichtes Preislied auf die babylonische Stadt Borsippa, die den berühmten Ezida-Tempel beherbergte, Wohnsitz des Schreibergottes Nabû. Auch hier strahlt der Tempel derart auf seine Umgebung aus, dass wiederum die Tempelstadt selbst als Himmel auf Erden gilt, wenn es gleich zu Beginn heißt: „(1)Wie ist doch die Stadt Borsippa dem Himmel ähn[lich]!“ 98
95
Vgl. George, Babylon, 127 (Einträge 6 und 23). Übers.: TUAT II, 769 (Römer). 97 Köcher, Hymnus. 98 VAT 3847; Übers.: TUAT NF 7, 79f (Hecker). 96
2.4 Der Himmelsbezug in der Jerusalemer Tempeltheologie
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2.4 Der Himmelsbezug in der Jerusalemer Tempeltheologie Die Frage, ob Texte wie Ps 93*, Jes 6* oder Ps 48* vor dem Hintergrund der Gottesbergvorstellung einen Himmelsbezug zu erkennen geben, wird in der Forschung unterschiedlich beantwortet. Metzger sieht diesen Bezug gegeben: „Im Gesamtkomplex der Gottesbergvorstellung besteht kein grundsätzlicher Unterschied zwischen himmlischem und irdischem Heiligtum, zwischen Jahwes Thronen im Heiligtum, auf dem Zion, auf dem Gottesberg oder im Himmel.“ 99
Auf der anderen Seite bestreitet Hartenstein einen Himmelsbezug. Seiner Ansicht nach kennt die in Ps 93* oder Jes 6* begegnende Gottesbergvorstellung „keine vom Tempel unabhängige Verortung des Throns in der kosmischen Region des Himmels“ 100. Auch der ugaritische Zafon sei „nicht mit dem ‚Himmel‘ verbunden“ 101. Beide Thesen, die von Metzger und die von Hartenstein, sind m. E. zu präzisieren: Gegenüber Metzgers These einer weitgehenden Identität zwischen himmlischem und irdischem Heiligtum ist zu betonen, dass die altorientalischen Quellen selbst sehr wohl zwischen dem Himmel als jenseitigem Wohnort der Götter und dem irdischen Wohnort, dem Himmel auf Erden, unterscheiden. Hartensteins These ist in der Hinsicht einzuschränken, dass die Gottesbergvorstellung in den Nachbarkulturen doch mehr oder weniger deutlich auf den Himmel bezogen war, was wiederum Rückschlüsse auf das Alte Testament nach sich zieht. Im Hinblick auf Hartensteins These sollen im Folgenden die Gottesbergvorstellungen in Ugarit, Kleinasien und Griechenland in den Blick genommen werden – unter der Fragestellung: Hat der Gottesberg in diesen Kulturen eine uranische Qualität?
Exkurs: Der Gottesberg in Ugarit, Kleinasien und Griechenland Der ugaritische Baʿal-Zyklus, Hauptquelle für die ugaritische Gottesbergvorstellung, besteht aus drei Teilen – Baʿals Kampf gegen den Meeresgott Yammu (KTU 1.1–2), der Palastbau für Baʿal (KTU 1.3–4+1.8) und Baʿals Sieg über den Todesgott Motu (KTU 1.5–6) –, wobei die Palastbauerzählung als Zentrum des ganzen Zyklus gelten darf. 102 Entstanden ist der Zyklus in der nordsyrischen Hafenstadt Ugarit im 13. Jh. v. Chr. Nicht zuletzt aufgrund der Ausstrahlungskraft der spätbronzezeitlichen Stadt sind die dort entstandenen Traditionen bis ins 1. Jt. in den levantinischen Staaten lebendig geblieben. 103
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Metzger, Wohnstatt, 149. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 56. 101 Ebd. 102 Vgl. die Einführung bei Niehr, TUAT.NF 8, 183–190. 103 Vgl. Niehr, TUAT.NF 8, 184. 100
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Im Baʿal-Zyklus gilt nun als Wohnsitz des Gottes Baal der Berg Zafon (ṣpn), der nach einhelliger Meinung mit dem Djebel al-Aqraʿ (Höhe: 1770 Meter) 40km nördlich von Ugarit zu identifizieren ist. 104 Auf seiner Spitze wird Baals Palast errichtet (KTU 1.3–4). Baal wohnt auf dem Zafon, dort befindet sich der Thron seines Königtums, von dort wirkt er segensreich als Wettergott (KTU 1.3 I:21–22 u.ö.). 105 Auch wenn die ugaritischen Texte den Wettergott Baʿal eindeutig auf dem Berg Zafon – und nicht etwa im Himmel – verorten, ist Hartensteins These einer strikten Trennung von Gottesberg und Himmel dennoch zu streng gefasst. 106 Bereits Eissfeldt hat in Bezug auf den Zafon als Wohnsitz Baʿals darauf hingewiesen, „daß der Gottessitz doch nicht einfach mit diesem Berg zusammenfällt, sondern zugleich mehr und größer ist als er, nämlich ebenfalls in mythische Unbestimmtheit, in den ‚Himmel‘ hineinzuwachsen die Neigung hat ...“ 107
In diesem Zusammenhang ist schon öfter auf Baals Sieges- und Thronbesteigungslied (KTU 1.101,1–8) hingewiesen worden 108: „Baal lag wie ein Berg-šbt, Haddu lag[erte] wie ein Bär inmitten seines göttlichen Berges Ṣapon, inmitten des Berges des Sieges! Sieben Blitze ... Acht Schatzkammern des Donners, das Holz des Blitzes ... Sein Haupt zeichnet Talaya aus, seine Stirn Uzʿrt, sie streichelt seine Beine, seine Hörner an ihm oben! Sein Kopf ist im Schnee, im Himmel des Stieres El.“ 109
An diesem Text wird zum einen die Überdimensionalität des Thronenden deutlich, wie sie auch in Ps 93* und Jes 6* (aber auch auf der babylonischen SipparTafel, s. u.) vorausgesetzt ist. 110 Zum anderen zeigt sich, dass der Gottesberg Zafon durchaus uranische Qualitäten besitzt, die von daher auch für den Wettergott Baal in Anschlag zu bringen sind. 111 104
Vgl. Niehr, DDD, 927. Vgl. die Belege bei Niehr, DDD, 928. Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 52–56. 107 Eissfeldt, Wohnsitze, 503. 108 Vgl. u.a. Irsigler, Rezension, 496; Janowski, Wohnung, 43f. 109 Übers.: Dietrich/Loretz, Thronbesteigungslied, 129. 110 Vgl. Smith, Divine Form, 425 mit Anm. 5 (mit Verweis auf Irwin). 111 Vgl. auch Niehr, Religionen, 75: „Ein Himmelsbezug des Wettergottes Baal ergab sich zum einen über die uranischen Qualitäten des Berges Ṣaphon. Zum andern ist zu sehen, daß Baal selbst auch uranische Qualitäten aufweist. So ist das Haupt des auf dem Ṣaphon thronenden Baal im Himmel 105 106
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Die Überdimensionalität von Thron und Thronendem kommt auch in der Astar-Episode im Baʿal-Zyklus (KTU 1.6 I 56–65) schön zum Ausdruck. 112 „56Da bestieg der gewaltige Astar 57die Höhe des Ṣaphon. 58Er setzte sich auf den Thron des Aliyanu 59Baʿal. Seine Füße erreichten nicht 60den Schemel, sein Haupt erreichte nicht 61sein oberes Ende. Da sagte der gewaltige Astar: 62‚Ich will nicht König sein auf den Höhen des Ṣaphon!‘ 63Es stieg hinab der gewaltige Astar; er stieg hinab 64vom Thron des Aliyanu Baʿal 65und wurde König über die ganze Erde des El.“ 113
Ziel dieser Darstellung des Gottesthrons mit einer überdimensionalen Vertikalen ist es, Himmel und Erde zu verbinden, einen irdischen Ort als Manifestation des Göttlichen, als „Himmel auf Erden“ zu qualifizieren. Im Vergleich zur ugaritischen werden in der hethitischen und griechischen Mythologie Gottesberg und Himmel regelrecht geglichen. So kann der hurritische Gottesberg Kandurna, auf dem sich der Tempelpalast des Götterkönigs Teššop namens Kundari befindet, in der hethitischen Überlieferungen als „Himmel“ bezeichnet werden. 114 „Ich werde in den Himmel hinauf zum Königtum 27gehen und in Kummiya, [der süßen Stadt], die heiligen Tempel und Schreine 28ergreifen und die Götter [vom] H[immel] wie Mehl herabstreuen!“ 115
Gleiches lässt sich in Bezug auf den griechischen Gottesberg aufzeigen. Der Berg Olympos in Thessalien galt aufgrund seiner überragenden Höhe (gut 2900m) 116 ähnlich wie der Berg Zafon in Ugarit als Wohn- und Versammlungsort der „Olympischen“ Götter (z.B. Il XV 193) sowie als Thronsitz des Wettergottes Zeus (z.B. Il I 499). In der griechischen Mythologie transzendiert der Olympos die irdischrealen Gegebenheiten, indem er „im Idealbild eines von Regen und Schnee verschonten, hell überstrahlten Ortes“ 117 dargestellt wird. In den homerischen Epen sind der Gottesberg Olympos und der Himmel (οὐρανός) „als Wohnsitz der Götter beinahe synonym und als dem Menschen entzogene Orte nicht mehr eindeutig zu trennen“ 118.
(KTU 1.101,1–7). Dementsprechend weisen Baals Thron und Palast übermenschliche Dimensionen auf (KTU 1.4 V 56–57; 1.6 I 56–65).“ Vergleichbares dürfte für den Königsgott JHWH in Ps 93* und Jes 6* gelten. 112 Ähnlich: KTU 1.4 VI 56–57 (Maße des Baʿal-Palastes auf dem Zafon); vgl. zu beiden Abschnitten Smith, Divine Form, 424f. 113 Übers.: TUAT.NF 8, 231 (Niehr). 114 Vgl. Haas, Geschichte, 140. Zahlreiche Beispiele finden sich im „Lied von Ullikummi“ (CTH 345) (TUAT III, 830ff [Ünal]). 115 Übers.: TUAT III, 843 (Ünal); vgl. a.a.O., 839 für die Gleichsetzung mit Kundari. 116 Vgl. zu diesem Bergmassiv Kramolisch/Meyer, DNP 8, 1190. 117 Osing, DNP 8, 1191. 118 Osing, DNP 8, 1191. „In the course of time ‚Olympus‘ became more or less equivalent with ‚Heaven‘ in the sense of ‚Zeus‘ or ‚the gods‘.“ (Mussies, DDD, 646).
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So heißt es beispielsweise von Zeus in der Odyssee XX 103: „Gleich ließ er donnern herunter vom glanzumstrahlten Olympos (ἀπ’ αἰγλήεντος ᾿Ολύμπου), Hoch aus den Wolken.“ 119
Und in Od XX 113 wird mit den folgenden Worten darauf Bezug genommen: „Vater Zeus, du Herrscher der Götter und Menschen! soeben Hast du gewaltig gedonnert herab von den Sternen am Himmel (ἀπ’ οὐρανοῦ ἀστερόεντος).“ 120
Der Blick auf die Gottesbergvorstellungen in Ugarit, Kleinasien und Griechenland macht deutlich, dass Berg und Himmel dort teils ineinanderfließen, teils sogar identifiziert werden konnten. Das legt nahe, dass der Himmelsbezug auch für den Berg Zion, den Jerusalemer „Zafon“ (Ps 48,2), die dem Chaos trotzende „Bergeshöhe“ (( )מרוםPs 93,4) vorauszusetzen ist. 121 (Exkursende) Beim Vergleich der ugaritischen, hethitischen und griechischen Gottesbergvorstellungen mit der Gottesbergvorstellung der Jerusalemer Tempeltheologie sticht jedoch auch ein gravierender Unterschied ins Auge: Bei jenen gilt als Gottesberg und Wohnort der Götter ein zwar realexistierender, mächtiger Berg, der aber zugleich die geographischen Gegebenheiten übersteigt und (mehr oder weniger deutlich) mit dem Himmel geglichen wird. Dieser Gottesberg steht mit dem „urbanen“ Tempel in einer mythischen Beziehung. Dies soll am Beispiel der Stadt Ugarit verdeutlicht werden. Der Baʿal-Tempel auf der Akropolis von Ugarit findet im Baʿal-Zyklus keinerlei Erwähnung, die Tempelstadt Ugarit wird lediglich in zwei überlieferten Kolophonen genannt. 122 Im Werk selbst ist nur von Baʿals Heiligtum auf dem Gottesberg Zafon die Rede. Das heißt jedoch nicht, dass die Tempelstadt Ugarit für den Baʿal-Zyklus ohne Bedeutung wäre, wie Smith zu Recht klarstellt: „In 119
Zitiert nach Weiher, Odyssee, 548f. A.a.O., 550f. Vgl. Il I 497 (großer Himmel = Olympos); V 867f (weiter Himmel = Göttersitz des Olympos), VIII 394 (Himmel = Olympos); XIX 128 (Olympos = Sternenhimmel). In Il XV 189–193 werden den Göttern verschiedene Weltteile zugeordnet, wobei Himmel und Olympos unterschieden werden (zitiert nach Rupé, Ilias, 505): „Dreifach geteilt war alles, und jeder gewann seine Herrschaft: Ich erlangte, für immer das schäumende Meer zu bewohnen, Da wir losten, und Hades die düstere Schattenbehausung, Zeus erhielt den geräumigen Himmel in Äther und Wolken. Aber die Erde ist allen gemein und der hohe Olympos.“ 121 Vgl. auch Irsigler, Rezension, 496: „Man darf allerdings fragen, ob etwa die ‚Höhe‘ des Wohnsitzes Gottes in Ps 93,4, die den von Urzeit an feststehenden Gottesthron von V. 2 interpretiert ..., nicht doch schon vorexilisch uranische Qualität konnotiert. Die Vorstellungen von Bergeshöhe und Himmelshöhe werden sich im vorausgesetzten Konzept des Wohnorts der Gottheit in der göttlichen Sphäre nicht ausschließen, sondern konvergieren ...“ 122 Vgl. Smith, Problem, 227. „Indeed, it is striking that the city plays no role in any of the mythology found at Ugarit.“ 120
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this text, Mount Sapun serves as the literary mirror for the city to which it looks to express its understanding of its patron god and thus its religious and political reality.“ 123 Niehr sieht darüber hinaus eine „Korrespondenz“ zwischen der Palastbauerzählung KTU 1.3–4 und der Restaurierung des Baʿal-Tempels in Ugarit, der 1250 v. Chr. in einem Erdbeben zerstört worden war, „welche auf der Entsprechung von mythischem Palast und irdischem Heiligtum des Gottes Baʿal auf der Akropolis beruht“ 124. Zwar nicht im Baʿal-Zyklus, wohl aber in dem ugaritischen Ritualtext „Opfer für El und seine Repräsentanten“ (KTU I.65) werden sodann der irdische Tempel und der (himmlische) Palast auf dem Gottesberg Zafon explizit gleichgesetzt, wenn als Ort für die Opfer bestimmt wird: „10Im Thronsaal des Sapan, (nämlich im) Thronsaal 11von Ugarit ...“ 125
Anders liegen die Dinge in der Jerusalemer Tempeltheologie: Hier wird die Gottesbergvorstellung auf die vergleichsweise unscheinbare Akropolis von Jerusalem, den Berg Zion, übertragen. Dieser gilt als „Gipfel des Zafon“, d. h. als Gottesberg schlechthin (vgl. Ps 48,3). Ein von der Jerusalemer Akropolis zu unterscheidender Gottesberg – vergleichbar dem ugaritischen Zafon oder dem griechischen Olympos – ist nicht bekannt. Die Gottesbergvorstellung der Jerusalemer Tempeltheologie erinnert in dieser Hinsicht viel stärker an mesopotamische (oder ägyptische 126) tempeltheologische Entwürfe: Wie dort gilt der JHWH-Tempel bzw. der darin enthaltene Gottesthron/der Tempelberg Zion/die Tempelstadt Jerusalem als „die kultisch überhöhte Darstellung des Weltberges, der am Anfang der Schöpfung stand“ 127. 128 Mesopotamische Zeugnisse für dieses Verständnis des Tempels können leicht herbeigebracht werden. 129 Schon die sumerischen Prunknamen der Tempel ent-
123 Smith, Problem, 227. Vgl. a.a.O., 227f: „The mountain visible from the city is the site on which the religious and political Ugarit is focus to express its understanding of its religious and political reality, and Baal of Sapun stands at the center of the representation of that reality. Baal of Ugarit, the god of the city, has his identity thanks to the city’s understanding of the Baal that dwells on the highest mountain in the land, Mount Sapun.“ 124 TUAT.NF 8, 186. 125 Übers.: TUAT II, 319 (Dietrich/Loretz). 126 Vgl. dazu Janowski, Himmel, 98–108. 127 Röllig, Turm, 43. 128 Wenn Hartenstein, Unzugänglichkeit, 53f mit Anm. 100, die Vorstellung einer vertikalen Verbindungsachse von Himmel und Erde/Unterwelt mit dem Tempel im Zentrum von der einer Gleichsetzung von Tempel und Himmel unterschieden wissen will, so sind dazu zwei Anmerkungen notwendig: 1. Kann man streng genommen nicht von einer Gleichsetzung sprechen, da der Unterschied zwischen dem eigentlichen Himmel und dem irdischen „Himmel auf Erden“ bestehen bleibt. 2. Bezeugt z.B. schon das Enūma eliš ein Nebeneinander beider Vorstellungen: Der Tempel in Babylon ist als Entsprechung der kosmischen Heiligtümer „Himmel auf Erden“ und zugleich wird die Metaphorik einer Verbindungsachse (durmah) verwendet. 129 ˘ Vgl. auch die Belege bei Janowski, Himmel, 87–98.
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halten oft das Element kur bzw. hur.sag = „Berg“. 130 So hieß etwa Enlils Tempel in ˘ der „assyrische Enlil“, der Gott Aššur, wohnte Nippur é-kur = „Haus – Berg“, und in einem Tempel namens é-hur-sag(-gal)-kur-kur-ra = „Haus – (großer) Berg al˘ ler Länder“. 131 Der babylonische Tempelturm Esangil konnte als duruš šamê šadû kibrāti = „Fundament des Himmels – Berg der Welt“ bezeichnet werden. 132 Der Tempel selbst – nicht wie in Ugarit ein „ausgelagerter“, imposanter Gottesberg! – galt als „architectural embodiment of the cosmic mountain“ 133. Die Vorstellung des Tempels als Weltberg zielt u.a. darauf, den Tempel bzw. die Tempelstadt als den entscheidenden vertikalen Knotenpunkt des Kosmos auszuweisen, als Himmel auf Erden: „As a ‚mountain‘ the temple is a link between heaven and earth.“ 134 Der Jerusalemer Tempel gilt ähnlich wie in Mesopotamien als ein Berg, an dem sich (vergleichbar dem Weltberg/Urhügel) die Raum-Zeit-Koordinaten treffen und der Schöpfungsqualitäten besitzt (Ps 93*; vgl. Ex 15,17). 135 Der Unterschied zu den ugaritischen, hethitischen und griechischen Vorstellungen dürfte damit zusammenhängen, dass in Juda andere altorientalische Traditionen ebenfalls leitend waren (Mesopotamien, Ägypten), in denen der Tempel als kosmischer Berg und zugleich als „Himmel auf Erden“ galt. 136
2.5 Der Zusammenhang von himmlischem und irdischem Heiligtum Metzgers These einer weitgehenden Identität zwischen himmlischem und irdischem Heiligtum ist ebenfalls zu präzisieren. Dazu soll eine mesopotamische Bildund Textquelle betrachtet werden, die oft zur Explikation der kosmologischen Bedeutung des Tempels herangezogen wird und auch für Metzgers Argumentation eine zentrale Rolle spielt: Die so genannte Sonnentafel des babylonischen Königs Nabû-apla-iddina aus dem 9. Jh. v. Chr. (s. Abbildung 1) 137.
130 Vgl. zu den Begriffen Edzard, Skyscrapers, 14f; vgl. zur Sache auch Janowski, Himmel, 93: „Die Namen der mesopotamischen Tempel variieren, sofern sie mythisch-kosmischen Vorstellungsbereichen entnommen sind, immer wieder einen Grundgedanken: Der Tempel ist das Abbild des Weltbergs/Urhügels, der als erster aus der Urflut auftauchte und von dem aus die Schöpfung der Welt erfolgte.“ 131 Vgl. Edzard, Names, 161. 132 Vgl. Pongratz-Leisten, Programmatik, 20, Anm. 133. 133 Lundquist, Temple, 207. Vgl. auch die Namensliste bei Hurowitz, Temple Names, 77–86. 134 Edzard, Skyscrapers, 15. 135 Die kosmologische Bedeutung des Tempels ist beim Jerusalemer Heiligtum bis in die Tempelarchitektur hinein nachzuvollziehen, vgl. zusammenfassend Janowski, Himmel, 85f (mit Lit.), diese Bezüge fehlen jedoch auffälligerweise in der syrisch-ugaritischen Tempelarchitektur, vgl. Hundley, Gods, 125. 136 Vgl. zur Rezeption der Vorstellungen auch Janowski, Schöpfung, 221. 137 King, Boundary Stones, Pl. XCVIII.
2.5 Der Zusammenhang von himmlischem und irdischem Heiligtum
Abb. 1: Sonnengotttafel des Nabû-apla-iddina (9. Jh. v. Chr.)
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Die Tafel zeigt im oberen Bereich ein Relief mit drei kleineren Beischriften, die übrige Tafel ist mit einer Inschrift versehen, die das Schicksal des Sonnengottes Šamaš im Tempel Ebabbar in der Stadt Sippar schildert. Auf dem Bild nähern sich drei Personen von links einem Tisch, auf dem sich eine Sonnenscheibe, das Symbol des Sonnengottes, befindet. Bei den Personen handelt es sich vermutlich um den Priester Nabû-nadin-šumi, der den Tisch mit der Sonnenscheibe ergreift, gefolgt von König Nabû-apla-iddina sowie einem an Hand der Hörnerkrone identifizierbaren göttlichen Wesen. 138 Auf der rechten Bildhälfte thront in einem Schrein oder unter einem Baldachin – weitaus größer als die herantretenden Personen – der Sonnengott Šamaš in Gestalt einer anthropomorphen Götterstatue. Der Sonnengott ist mit einem Fabelgewand und einer Hörnerkrone bekleidet und hält Ring und Stab in seiner rechten Hand. Seine nackten Füße sind sichtbar. Die Darstellung ist an ein Bild des 2. Jahrtausends v. Chr. angelehnt. 139 Oberhalb des Thronenden befinden sich eine Mondsichel, eine Sonne und ein achteckiger Stern als Repräsentanten der drei großen Astralgottheiten Sîn, Šamaš und Ištar. Das Bild zeigt vermutlich den Moment, als die Sonnenscheibe an ihren neuen Ort „vor Šamaš“ aufgestellt worden ist, nachdem sich das verlorene anthropomorphe Kultbild wieder an seinem angestammten Ort befand. 140 Metzger hat in seinem grundlegenden tempeltheologischen Aufsatz eine ausführliche Interpretation des Reliefs vorgelegt. Dabei unterscheidet er zunächst „zwei aufeinander bezogene[n] Bildhälften“ 141: Auf der rechten Bildhälfte eine Thronszene und auf der linken Bildhälfte eine Einführungsszene. Sein Interesse gilt vor allem den kosmischen Phänomenen unterhalb der beiden Szenen: Acht Wellenlinien sowie eine Art Balken oder Platte, auf der vier Sterne ruhen und die das Relief nach unten hin von der Inschrift abgrenzt. Die Kombination von Wellenlinien, Platte und Sternen deutet Metzger wie folgt: „Bei diesen Wellenlinien handelt es sich zweifellos um den himmlischen Ozean. [...] Der schmale Streifen, der den Ozean nach unten hin abschließt, stellt offenbar die Himmelsfeste dar, die den Himmelsozean nach unten hin abgrenzt. Es handelt sich dabei um die gleiche Größe, die in der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung rāḳîaʿ genannt wird.“ 142
138 Vgl. Ambos, Kultbild, 127; anders Seidl, Ringen, 130, die beide menschliche Personen als Priester bestimmt. 139 Vgl. Seidl, Ringen, 128. 140 Vgl. Woods, Sun-God Tablet, 51; vgl. auch Ambos, Kultbild, 127: „Vor dem Sonnengott befindet sich auf einem Tisch die Sonnenscheibe, die von König Simbar-Schipak aufgestellt worden war. Dies ist in Einklang mit der Inschrift auf der Sonnentafel: Die Sonnenscheibe hatte sich fast 200 Jahre lang in der Tempelcella an eben der Stelle befunden, an der das verlorene Kultbild gestanden hatte. Nachdem aber das Kultbild wiederhergestellt worden war, nahm es seinen angestammten Platz in der Cella wieder ein und die Sonnenscheibe wurde nun vor ihm aufgestellt.“ 141 Metzger, Wohnstatt, 142. 142 Metzger, Wohnstatt, 142.
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Für Metzgers Verortung der Gesamtszenerie ist nun die Beobachtung entscheidend, dass die kosmischen Phänomene am unteren Bildende beide Szenen zusammenhalten. „Das Durchlaufen der Wellenlinien auf ganzer Bildbreite bringt zum Ausdruck, daß beide Bildhälften aufeinander bezogen sind und daß sich beide Szenen – Einführungsszene und Thronszene – über dem himmlischen Ozean abspielen. Weist das Vorhandensein eines auf einem Ständer stehenden Göttersymbols (Sonnenscheibe) darauf hin, daß es sich bei der Einführung um einen realen Vorgang im irdischen Heiligtum handelt, so ergibt sich aus der Zuordnung des Einführungsgeschehens zu der über der Flut thronenden Gottheit und aus dem Vorhandensein von Wellenlinien auch unter der Einführungsszene, daß sich nach der Vorstellung des Reliefbildners auch die Einführungsszene über dem himmlischen Ozean, d. h. im himmlischen Bereich abspielt.“ 143
Für Metzger ist die Sonnentafel unter dieser Voraussetzung eine Art Kronzeuge für „ein bestimmtes Verständnis vom Heiligtum“ 144. Dieses ist seiner Meinung nach dadurch charakterisiert, „daß kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem ‚irdischen‘ Heiligtum und der himmlischen Wohnstatt der Gottheit besteht, daß man sich an der Stätte des Heiligtums im himmlischen Bereich befindet. [...] M.a.W.: Das Heiligtum ist der Ort, an dem der Unterschied zwischen Himmel und Erde, zwischen ‚Diesseits‘ und ‚Jenseits‘ aufgehoben ist.“ 145
Diese Deutung des Reliefs ist aufgrund jüngerer Studien zur Sonnentafel in mehrfacher Hinsicht zu präzisieren bzw. zu korrigieren. Leitend ist dabei nicht zuletzt die Einsicht, dass die archaisierende und deshalb schon zur Entstehungszeit schwer zu erschließende Ikonographie stärker durch die drei Beischriften zu interpretieren ist. 146 Beischrift I fungiert als eine Art Überschrift für die gesamte Szene 147: „Bild des Šamaš, des großen Herrn, der im (Tempel) Ebabbar wohnt, der inmitten von Sippar (ist).“
Beischrift II verortet die drei großen astralen Gottheiten im vertikal geschichteten Weltbild: „(Der Mondgott) Sîn, (der Sonnengott) Šamaš und (die Venusgöttin) Ištar, dargestellt gegenüber dem Apsû, zwischen (dem Schlangengott) Nīrah und den Säulen.“ ˘ 143
Metzger, Wohnstatt, 143. Metzger, Wohnstatt, 143. 145 Metzger, Wohnstatt, 143f. Vgl. a.a.O., 145: „Jahwe thront im Himmel und zugleich im Tempel. Mit dem Thron Jahwes ragt die himmlische Welt in das Heiligtum hinein, mit dem im Heiligtum fußenden, in den Himmel aufragenden Gottesthron ist der himmlische Bereich präsent. Wer das Heiligtum betritt, steht vor dem im Himmel thronenden Gott.“ 146 Vgl. in diesem Sinn die Aufsätze von Seidl, Ringen, und Woods, Sun-God Tablet. „The captions serve to identify the image and elucidate its more obscure elements, which, based on arcane and archaic iconography, must have been readily accessible only to the initiate.“ (Woods, Sun-God Tablet, 66). Die in ihrer Deutung umstrittene Beischrift III kann hier ausgeblendet werden; vgl. zu ihr die Interpretation von Woods, Sun-God Tablet, 76–82. 147 Eigene Übersetzungen in Anlehnung an Woods, Sun-God Tablet, 66. 144
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Vor allem zwei Punkte sind gegenüber Metzgers Interpretation geltend zu machen: 1. Beischrift I verortet das gesamte Geschehen im Heiligtum von Sippar, wo der Sonnengott „thront“ bzw. „wohnt“ (akk. [w]ašabu). Eine Unterscheidung von zwei verschiedenen Szenen (Einführungs- und Thronszene) legt sich demnach nicht nahe; es handelt sich vielmehr um eine Einführungsszene, wobei jedoch der Sonnengott in verschiedenen Präsenzgestalten – als Symbol, als anthropomorphes Bild und in seiner astralen Gestalt – gegenwärtig ist. 2. Die Wellenlinien sind durch Beischrift II eindeutig als Darstellung des unterirdischen Süßwasserozeans Apsû gekennzeichnet; es handelt sich demnach nicht um den himmlischen Ozean, der – prominent im Enūma eliš – prinzipiell auch im mesopotamischen Weltbild vorausgesetzt ist. 148 Damit ist auch der Vergleich des das Relief nach unten abschließenden Balkens mit der „Himmelsfeste“ ()רקיע aus Gen 1 hinfällig. Dass in den unterirdischen Apsû vier Sterne eingezeichnet sind, mag auf den ersten Blick verwundern, fügt sich aber, wie Woods gezeigt hat, gut in die mesopotamische Mythentradition ein, nach der die Sterne den Tag im Apsû bzw. in der Unterwelt verbringen konnten, bevor sie den östlichen Horizont passieren und am Nachthimmel erscheinen. 149 Daraus folgt: Der Beter befindet sich nicht eigentlich im Himmel, wie Metzger aufgrund der Wellenlinien des vermeintlichen Himmelsozeans postuliert, sondern – wie die Beischrift lapidar feststellt – „im (Tempel) Ebabbar inmitten von Sippar“. Und dennoch spiegelt das Bild die vertikale Verbindung bzw. Entsprechung der kosmischen Regionen: Der Sonnengott thront im Tempel, zugleich sind Himmel und Apsû auf dem Bild präsent, indem Thron und Tempel einerseits auf dem unterirdischen Süßwasserozean ruhen und andererseits die Gestirngottheiten und weitere Symbole 150 den Tempel als „Himmel auf Erden“ ausweisen. Eine kosmologische Bedeutung könnte auch die auffällige Gestalt der Tafel selbst haben, deren vier Seiten mit kleinen Bögen oder Wellen versehen sind. Wird hier gemäß dem babylonischen Weltbild der den Kosmos umfließende Urozean angedeutet? 151
148 Allerdings begegnet die Vorstellung, die Erde sei vom Wasser des himmlischen Ozeans durch eine Haut bzw. Platte als eine Art Schutzdach geschieden, ausschließlich in Enūma eliš und Gen 1 (s. Kap. 6). 149 Vgl. Woods, Sun-God Tablet, 78: „In the Mesopotamian mythopoeic conception of the cosmos, the stars were believed to reside in the Apsû (or synonymous agrun), or more broadly in the netherworld, during the day, only emerging via the eastern horizon to traverse the heavens at night-fall.“ 150 Auch die Symbolik des Throns mit den beiden Mischwesen, halb Mensch, halb Bison, die gemäß der mesopotamischen Ikonographie am östlichen Horizont die Himmelstüren öffnen, stellen diesen Zusammenhang her. 151 Diesen Hinweis verdanke ich Prof. Maul, Heidelberg. Zum babylonischen Weltbild vgl. etwa die berühmte Weltkarte von Sippar mit dem die Welt umfließenden „Bitterstrom“. Vgl. auch die Erwägungen bei Seidl, Ringen, 131, die im Hinblick auf den Rand der Steintafel fragt: „Ist es die genischte Umfassung des Tempelbezirks oder ein umfließendes Wasser?“
2.5 Der Zusammenhang von himmlischem und irdischem Heiligtum
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Dass der Tempel die irdischen Dimensionen überschreitet, wird auf der Sippar-Tafel nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Größenverhältnisse zwischen der Gottheit und ihren Verehrern zum Ausdruck gebracht. 152 Damit rückt das Relief stärker in die Nähe der vorexilischen Visionsschilderung in Jes 6, in der in ähnlicher Weise dem Visionär das Jerusalemer Heiligtum auf den Himmel hin transparent wird: Wie hier ist der irdische Tempel zwar der Ort des Geschehens, doch markieren die Größe von Thron und Thronendem sowie das mythische Begleitpersonal (Serafim) die Verbindung zum himmlischen Bereich – der irdische Tempel ist der „Himmel auf Erden“. Die Einwände gegen Metzgers Interpretation des Bildes betreffen auch sein Verständnis vom Heiligtum. Seine These, „daß kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem ‚irdischen‘ Heiligtum und der himmlischen Wohnstatt der Gottheit besteht, daß man sich an der Stätte des Heiligtums im himmlischen Bereich befindet“ 153, ist – wie schon länger gesehen worden ist – zu präzisieren. Mit Keel ist zu betonen: „Die Präsenz Gottes im Himmel ist mit der im Tempel nicht schlicht identisch.“ 154 Der Unterschied zwischen dem Götterhimmel und dem irdischen Tempel als „Himmel auf Erden“ ist in den altorientalischen Quellen auch sprachlich markiert. So ist in den mesopotamischen Tempelhymnen der Tempel oder die Tempelstadt stets „wie (Vergleichspartikel kima) der Himmel“ oder „dem Himmel gleich/ähnlich“, oder er wird – wie im Enūma eliš – als dessen „Ebenbild“ (šinnatu 155 oder tamšil 156 Ešarra) oder als „Entsprechung“ (mehret Ešarra) (Ee V 120) ˘ bezeichnet. So lautet etwa der Eingangsvers des „spätbabylonischen Hymnus auf den Tempel Ezida in Borsippa“: „(1)Wie ist doch die Stadt Borsippa dem Himmel ähn[lich]! (2) Ein Ebenbild (šinnatu) von Ešarra ist das hohe Ezida!“ 157
Und im Preislied auf die Stadt Arbela heißt es: „14 Wie der Himmel steht Arbaʾilu da ... 16 Arbaʾilus Häupter sind hoch, sie kommen dem Himmel gleich ...“ 158 152 Vgl. Woods, Sun-God Tablet, 76: „The deity is accessible only in his symbolic form, but even in this more approachable manifestation he overwhelms his worshippers. Nabû-nādin-šumi, the šangû priest, can only grasp the stool; the sun disk is still beyond his reach. Greater yet is the deity himself who looms large over his symbol. In this way the relief expresses its concern for order and hierarchy.“ Diese Hierarchie steht nach Woods im Fokus des Interesses, vgl. a.a.O., 77: „The relief is not so much concerned with the division of the cosmos as it is with the tripartite division of the cult – defining the appropriate distances between man, symbol, and deity.“ – „The setting of this scene, the tripartite division of the cosmos as reflected in the vertical axis of the relief – Apsû, earth, and heaven – serves merely to underscore the profundity of this hierarchy.“ 153 Metzger, Wohnstatt, 143f. 154 Keel, Jahwe-Visionen, 52. Vgl. die Ausführungen a.a.O., 47–56, sowie Hartenstein, Unzugänglichkeit, 11–17. 155 Vgl. CAD Š III, 48 (šinnatu c): „equal, rival“. 156 Vgl. CAD T, 148f (tamšīlu 2a; vgl. auch 1b): „image, resemblance, counterpart, equivalent“. 157 Übers.: TUAT.NF 7, 79 (Hecker). 158 Übers.: TUAT II, 769 (Römer).
42
2 Himmel auf Erden
Der Unterschied zwischen irdischem und himmlischem Heiligtum dürfte in etwa dem zwischen Gottesbild und Gottheit entsprechen: Einerseits repräsentiert das Bild die Gottheit voll und ganz, andererseits sind beide nicht schlicht identisch. 159 Auf das Heiligtum bezogen heißt das: Der Gegenwart im Himmel entspricht die kultische Gegenwart im Tempel; dieser repräsentiert den Götterhimmel, ohne mit ihm identisch zu sein.
2.6 Fazit Die vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie, deren Grundvorstellungen sich an Hand von einigen wenigen Psalmen und prophetischen Texten rekonstruieren lassen, scheint den Himmel als Wohnort JHWHs nicht zu kennen. JHWH wird an keiner Stelle explizit „im Himmel“ ( )בשמיםverortet. Gemäß dem Basisaxiom der Tempeltheologie wohnt bzw. thront JHWH als König im Jerusalemer Tempel / auf dem Tempelberg Zion / in der Tempelstadt Jerusalem. Dementsprechend bezeugen die einschlägigen Texte eine „implizite Kosmologie“ (Hartenstein). Dennoch ist in der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie ein Himmelsbezug erkennbar. Mit dem Mainstream altorientalischer Tempeltheologie gilt der Tempel in seiner Funktion als Wohnort der Gottheit als irdischer Himmel, als „Himmel auf Erden“. Der Himmelsbezug wird in den behandelten Texten vor allem mit Hilfe der Gottesbergvorstellung hergestellt: Eine dominante Vertikale (der aufragende Gottesthron [Jes 6*], die weltüberlegene Bergeshöhe [Ps 93*], der Gipfel des Zafon [Ps 48*]) sprengt die irdisch-geschichtlichen Dimensionen und transzendiert den irdischen Tempel samt dem darin wohnenden Königsgott. Der Vergleich mit den Gottesbergvorstellungen in Ugarit, Kleinasien und Griechenland legt nahe, dass sich Bergeshöhe und Himmelshöhe auch in der Jerusalemer Tempeltheologie weitgehend entsprechen. Die Gottesbergvorstellung der Jerusalemer Tempeltheologie dürfte darüber hinaus von dem in Mesopotamien und Ägypten bezeugten Konzept eines kosmischen Berges (Weltberg, Urhügel), der direkt mit dem urbanen Tempel identifiziert worden ist, mitgeprägt sein; denn die Jerusalemer Tempeltheologie kennt keinen – dem Zafon oder Olymp vergleichbaren – „ausgelagerten“ mythischen Gottesberg. Vielmehr gilt: Der Tempelberg Zion bzw.
159 Im alten Ägypten bringt das die Vorstellung der „Einwohnung“ der Gottheit zum Ausdruck. Vgl. Janowski, Einwohnung, 4: „Die Gottheit steigt als ‚Ba‘ (Verkörperung der vitalen Lebensenergie) vom Himmel, ihrer älteren Heimat, herab, um in Gestalt ihrer Bilder am Kult teilzunehmen. Dabei wird die Unterschiedenheit von Gott und Bild gewahrt: Die Götter/Göttinnen sind als ‚Ba‘ im Himmel und ihre Bilder auf der Erde, aber im Kult ereignet sich täglich ihre ‚Einwohnung‘ oder ‚Einkörperung‘ [...].“ Ähnliches gilt für Mesopotamien, wie Hundley, Gods, 279, herausgearbeitet hat: „While the statue is often identified as the deity, the deity is not coterminous with its statue. In other words, while fully the god, the statue is not the fullness of the god. [...] Rather than being coterminous with the heavenly deity, the statue presences that heavenly deity in the terrestrial sphere.“
2.6 Fazit
43
die Tempelstadt Jerusalem ist der Gipfel des Zafon (Ps 48,2). Diesem kosmischen Berg werden Schöpfungsqualitäten zugesprochen (Ps 93*; vgl. Ex 15,17), er gilt als „Himmel auf Erden“. Dabei ist zu bedenken: Der Tempel ist der irdische Himmel nur insofern, als er als irdischer Wohnort himmlischer Bewohner gilt. Die auf den Götterhimmel verweisende kosmologische Bedeutung des Tempels setzt die himmlische Verortung der Götter bzw. der Gottheit voraus. 160 Andernfalls liefen Verweise wie etwa die Vorstellung eines himmlischen Thronrats in Jes 6* ins Leere. Dem Umstand, dass der Jerusalemer Tempel als irdischer Himmel nicht schlicht mit dem Götterhimmel identisch ist, sondern zu diesem – einem Kultbild vergleichbar – in einem Repräsentations- oder Entsprechungsverhältnis steht, war es mit zu verdanken, dass die Tempeltheologie die Katastrophe von 587 – modifiziert – überstehen konnte.
160
281.
Vgl. für Ägypten Hornung, Der Eine, 223–227, und für Mesopotamien Hundley, Gods, 277–
3 JHWH auf der Himmelstreppe: Gott und der Himmel in der Erzählung von Jakobs Traum in Bet-El (Gen 28*) 3.1 Hinführung Die Erzählung von Jakobs Traum in Bet-El soll im Folgenden als Beispieltext für eine vorexilische israelitische Tempeltheologie dienen. Die tempeltheologische Dimension von Gen 28,10–22 ist unstrittig. Sie zeigt sich nicht zuletzt an der Benennung des Ortes mit dem Heiligtumsbegriff „Haus Gottes“ ( )בית אלהיםin V. 17 (vgl. V.19a) sowie am Aufstellen einer Kultstele ( )מצבהin V. 18. Doch welches Konzept von Tempeltheologie liegt der Erzählung zugrunde, die im Unterschied zu den Texten der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie explizit vom „Himmel“ ( )שמיםspricht (V. 12: die sprichwörtliche „Himmelsleiter“; V. 17: das „Tor des Himmels“)? Und wo liegen die traditionsgeschichtlichen Wurzeln des Konzepts? Handelt es sich bei Gen 28* lediglich um eine „Lokaltradition des Heiligtums von Bethel“ 1, oder fügt sich das Konzept in einen größeren altorientalischen Zusammenhang ein? Was die Entstehungsgeschichte der Erzählung angeht, so galt Gen 28,10–22 lange Zeit als „Mustertext“ für das Quellenmodell 2 mit den Größen J, E und RJE. In jüngerer Zeit dominiert dagegen ein Ergänzungsmodell, das mit einer vorexilischen Grundschicht und jüngeren Fortschreibungen rechnet. 3 Doch neuerdings wird der beide Modelle verbindende Konsens einer vorexilischen Datierung wenigstens eines Erzählungskerns in Zweifel gezogen. 4 Deshalb ist im Folgenden – anders als bei den Texten des vorangehenden Kapitels – eine gründliche literarische Analyse und nicht zuletzt eine literarhistorische Verortung der Grundschicht der Perikope in ihrem Kontext der traditionsgeschichtlichen Analyse voranzu-
1 Metzger, Wohnstatt, 4. Vgl. auch Hartenstein, Wolkendunkel, 160, der „im Vergleich mit den Jerusalemer Traditionen die Andersartigkeit des Heiligtumskonzepts von Bet-El“ betont. 2 Vgl. grundlegend Wellhausen, Composition, 30–32: J: 13–16*.19a; E: 11f.17f.21f; Jehovist: 19b, Zusätze in 14.21. Die entscheidenden Argumente waren für Wellhausen: 1. Der Wechsel zwischen JHWH und Elohim; 2. Die Funktionslosigkeit der Engel bei der Vermittlung der Offenbarung; 3. Das עליוin V. 13, welches sich seiner Ansicht nach auf den schlafenden Jakob bezieht; 4. Sprachliche Eigenheiten. – Steck, Exegese, § 11, hat den Text in seinem Leitfaden der Methodik zum Paradigma erhoben. 3 Am ausführlichsten begründet bei Blum, Komposition, 7ff. 4 Vgl. etwa Wahl, Jakobserzählungen, 267–278; Köhlmoos, Bet-El, 231–250; Becker, Jakob.
46
3 JHWH auf der Himmelstreppe
stellen. Darüber hinaus ist zu eruieren, ob möglicherweise auf überlieferungsoder traditionsgeschichtlichem Weg hinter die Grundschicht zurückgefragt werden kann.
3.2 Übersetzung (27,41–45)
... mache dich auf, flieh zu meinem Bruder Laban nach Haran ... [27,46–28,9 = P] Und Jakob zog aus von Beerscheba und ging nach Haran. (11)Und er traf auf einen (bestimmten) Ort und übernachtete dort; denn die Sonne war (schon) untergegangen. Und er nahm (einen) von den Steinen des Ortes und legte (ihn) an sein Kopfende und legte sich nieder an jenem Ort. (12)Und er träumte: Und siehe, eine Treppe (?) war auf die Erde/erdwärts gestellt, und ihr „Kopf “ reichte an/berührte den Himmel/himmelwärts; und siehe, Boten Gottes stiegen auf und nieder auf ihr; (13)und siehe, JHWH stand auf/über ihr / vor/über ihm. Und er sprach: Ich (bin) JHWH, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks; das Land, auf dem du liegst, dir werde ich es geben und deiner Nachkommenschaft. (14)Und deine Nachkommenschaft wird wie der Staub der Erde werden, und du wirst dich ausbreiten nach Westen und nach Osten und nach Norden und nach Süden; und in dir werden gesegnet werden alle Geschlechter der Erde – und in deiner Nachkommenschaft. (15) Und siehe, ich (bin) mit dir, und ich werde dich behüten überall, wohin du gehst, und dich in dieses Land zurückbringen. Ja, ich werde dich nicht verlassen, bis ich getan haben werde, was ich zu dir geredet habe. (16) Da erwachte Jakob aus seinem Schlaf und sagte: Fürwahr, JHWH (ist) an diesem Ort, und ich habe es nicht erkannt! (17)Und er fürchtete sich und sagte: Wie furchtbar [wörtlich: zu fürchten] (ist) dieser Ort! Dies/hier (ist) nichts anderes als ein Haus Gottes, und dies /hier (ist) das Tor des Himmels. (18) Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er an sein Kopfende gelegt hatte, und stellte ihn auf als Mazzebe und goss Öl auf ihren „Kopf “. (19)Und er gab jenem Ort den Namen Bet-El. Aber früher (war) Lus der Name der Stadt. (20) Und Jakob legte ein Gelübde ab: Wenn Gott mit mir sein wird und mich behüten wird auf diesem Weg, den ich gehe, und mir geben wird Brot zu essen und Kleidung anzuziehen, (21)und ich zurückkehren werde in Frieden zum Haus meines Vaters, und JHWH (also) mir zum Gott sein wird, (22)dann soll dieser Stein, den ich als Mazzebe aufgestellt habe, ein Haus Gottes werden. Und alles, was du mir geben wirst, will ich dir treu verzehnten. (29,1ff) Und Jakob hob seine Füße und ging in das Land der Söhne des Ostens ... 5 (10)
5 Legende zur Übersetzung: Normalschrift: Grundschicht aus dem späten 8. Jh./frühen 7. Jh.; Kursivschrift: Exilische Redaktion (Horizont: Erzelterngeschichte); Kapitälchen: Nachexilische und nachpriesterschriftliche Redaktion (Horizont: Verbindung P und Nicht-P).
3.3 Literarische Analyse
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3.3 Literarische Analyse 3.3.1 Beobachtungen zur Struktur von Gen 28,10–22 Gen 28,10–22 ist in zahlreichen Untersuchungen sprachlich-syntaktisch wie semantisch analysiert worden. Schon Fokkelman 6 hat die wesentlichen Beobachtungen zusammengetragen: Demnach vermittelt ein System von Leitworten das Bild eines durchstrukturierten und kohäsiven Textganzen, von dem sich allein die Gottesrede, V. 13–15, sowie, allerdings weniger deutlich, das Gelübde, V. 20– 22, abheben. 7 Das entscheidende Leitwort ist „ מקוםOrt“. Nimmt man das Demonstrativadverb שםin V. 11 hinzu, erscheint das Wort innerhalb der Perikope sieben Mal (V. 11 [4mal]; 16; 17; 19a). Die kataphorische Determination bei der ersten Erwähnung verstärkt seine Bedeutung. 8 Eine regelrechte Leitwortkette ist zwischen V. 11aβ und V. 18.19a zu beobachten: „ אבןStein“, „ מראשותKopfende“, „ מקוםOrt“. Die Leitworte korrespondieren hier nicht nur grundsätzlich, sondern laufen auch hinsichtlich ihrer Abfolge parallel. 9 Auf zwei weitere Leitworte bzw. -wurzeln, ראשund נצב, ist anschließend näher einzugehen. Den Leitworten können darüber hinaus Antonyme bzw. oppositionelle Wortfelder an die Seite gestellt werden, die aufeinander bezogen sind und mit den Leitworten zwei konzentrische Doppelrahmen schaffen. 10 Der in V. 11 und V. 16f begegnende redundante Stil dürfte daher mit Absicht gewählt sein. Ein erster spiegelbildlich organisierter Doppelrahmen nach dem palindromischen Schema ABB’A’ erschließt sich aus dem Wortfeld „schlafen“. Während „ ליןübernachten“ in V. 11a (A) und „ שכםaufstehen“ in V. 18a (A0 ) als zeitlicher Rahmen fungieren (vgl. V. 11a: כי־בא השמשund V. 18a: )בבקר, „wird mit ‚ שכבsich niederlegen, einschlafen‘ in V. 11f (B) und ‚ יקץerwachen‘ in V. 16a (B0 ) der Schlaf als der physische Rahmen gesetzt“ 11. „So müssen ‚Aufwachen‘ und ‚Aufstehen‘ zu dem ‚Übernachten‘ und ‚sich schlafen Legen‘ in Parallelität gesetzt werden [...].“ 12 Damit erübrigt sich eine diachrone Differenzierung innerhalb von V. 11. 13 Ein zweiter Doppelrahmen nach dem palindromischen Schema ABB’A’ erschließt sich aus den Leitworten „ מקוםOrt“ und „ אבןStein“. Der namenlose „Ort“ (determiniert!) in V. 11 (A) bekommt in V. 19 seinen Namen „Bet-El“ (A0 ); aus 6
Narrative Art, 46–81; vgl. auch Rendtorff, Jakob; Blum, Komposition, 9–25. Vgl. die Tabelle in Fokkelman, Narrative Art, 71, die sich deshalb auf die V. 11–13 und 16–19 beschränkt. 8 Vgl. zur Übersetzung „ein (bestimmter) Ort“ Joüon/Muraoka, Grammar, §137n. Vgl. auch Blum, Komposition, 13, Anm. 17. 9 Vgl. die Tabelle bei Fokkelman, Narrative Art, 71. 10 Ähnlich Rendtorff, Jakob, 512f. 11 Lanckau, Träume, 88. Lanckau verweist für die physische Dimension von יקץu.a. auf Belege wie Gen 9,24 oder Ps 78,65, wo mit dem Verb das „Nüchternwerden (vom Wein)“ ausgedrückt werden kann (vgl. ebd.). 12 Lanckau, Träume, 88. 13 Gegen Fleischer, Jakob, 91f und 94. 7
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3 JHWH auf der Himmelstreppe
Ein erster Doppelrahmen: Wortfeld „schlafen“ A B
Jakobs Präparation (11) ... und er übernachtete dort; denn die Sonne war (schon) untergegangen. ... und er legte sich nieder an jenem Ort.
B0 A0
Jakobs Reaktion (16) Da erwachte Jakob aus seinem Schlaf ... (18) Und Jakob stand früh am Morgen auf ...
dem Stein in V. 11 (B) wird in V. 18 eine Mazzebe (B0 ). Neu sind die Begriffe „Mazzebe“ und „Bet-El“, die Jakob vor dem Hintergrund von Präparation und Traumbild – einer chemischen Reaktion vergleichbar 14 – entwickelt. Das Traumbild, in dem mit ראשund נצבzwei weitere Leitworte bzw. -wurzeln eine wichtige Rolle spielen, verändert die Funktion der irdisch-profanen Dinge: Aus dem „Stein“ wird eine Mazzebe, das „Kopfende“ erlangt über die Verbindung mit dem Wort „( ראשKopf “) in V. 12a und V. 18b eine tiefere Bedeutung, der „Ort“ bekommt seinen Namen: Bet-El (V. 19a). Auch die Wurzel („ נצבsich) hinstellen“ (V. 12f) fungiert mit ihren Ableitungen als Leitwort und dient in V. 18 – wie das Wort – ראש der Neuinterpretation der zuvor irdisch-profanen Dinge vor dem Hintergrund des Traumbilds: „By pouring oil ‚on his top‘ Jacob commemorates the ladder’s reaching to heaven, just as by setting up the massebe he commemorated that this ladder was muṣṣāb on earth.“ 15 Ein zweiter Doppelrahmen: Leitworte „Ort“, „Stein“ und „Kopf(ende)“ A B B0 A0
Jakobs Präparation (11) Und er traf auf einen (bestimmten) Ort ... Und er nahm (einen) von den Steinen des Ortes und legte (ihn) an sein Kopfende Jakobs Reaktion (18) ... und er nahm den Stein, den er an sein Kopfende gelegt hatte, und stellte ihn auf als Mazzebe und goss Öl auf ihren „Kopf “. (19) Und er gab jenem Ort den Namen Bet-El.
Ähnlich redundant wie Jakobs Schlafenlegen und Aufstehen wird in V. 16f seine kognitiv-emotionale Reaktion auf den Traum geschildert. Auf inhaltlicher Ebene beschreiben V. 16f, wie Blum gesehen hat, einen „kognitiven Prozess“, der die Ele-
14 Fokkelman, Narrative Art, 73, spricht von einer „chemical reaction“: Vorbereitung (V. 11) + Traum (V. 12f) = Jakobs Reaktion (V. 16–19a). 15 Fokkelman, Narrative Art, 67.
3.3 Literarische Analyse
49
mente Begreifen (V. 16) und Erschrecken (V. 17) in logischer Abfolge beinhaltet. 16 Auch hier liegt also keine Dublette vor. 17 Die Parallelität bzw. Symmetrie der beiden den Traum rahmenden Abschnitte V. 11 und 16–19a ist für die Intention des Textes von großer Bedeutung: „Profanes ist zu Heiligem geworden.“ 18 Gleichzeitig wird durch die Rahmung der Traum (V. 12–15) eindeutig ins Zentrum der Erzählung gerückt. Schließlich kommt zwischen dem Traum einerseits und der Reaktion Jakobs andererseits eine weitere palindromische Struktur nach dem Schema ABCC’B’A’ zum Vorschein, die JHWH die zentrale Stellung zuweist. 19 Die entscheidenden Begriffe des Traums – „(Treppe zum) Himmel“ (A), „(Boten) Elohim(s)“ (B), „JHWH“ (C) (jeweils eingeleitet und voneinander abgegrenzt durch die Form )והנה20 – werden von Jakob in umgekehrter Reihenfolge aufgegriffen und gedeutet: „JHWH“ (C0 ), „Haus Elohims“ (B0 ), „Tor des Himmels“ (A0 ). Zugleich geben V. 12f ein deutliches Gefälle zu erkennen, das – vorbereitet durch Himmelstreppe und Gottesboten – auf das Erscheinen JHWHs selbst zuläuft und sich auch in der Verkürzung der drei Zeilen 12a, 12b und 13a* und der zunehmenden Qualifizierung der entscheidenden Subjekte spiegelt. 21 Das Erscheinen JHWHs wird, so betont Fokkelman zu Recht, mit Hilfe der beiden vorangehenden Traumszenen vorbereitet: Erstens durch den Gebrauch der Wurzel נצבin V. 12aα ()סלם מצב ארצה, die in V. 13a wiederverwendet wird: יהוה נצב עליב. „The repetition of the radix makes the reader connect the two.“ 22 Zweitens durch die besondere Art und Weise, wie hier die „Gottesboten“ gleichsam in einer Statistenrolle – „mere representatives“ 23 – in Szene gesetzt werden, deren Präsenz aber „at once reminds one of their boss“ 24.
16 Blum, Jakobs Traum, 23: „Jakobs erschrecken resultiert [...] erst aus der Einsicht, dass der Traum nicht nur eine kontingente Gottesbegegnung darstellte, sondern zugleich einen Einblick in die an diesem Ort dauerhaft präsente himmlische Welt gewährte. Dies setzt einen kognitiven Prozess – bei dem Protagonisten und darüber vermittelt bei den Lesern/Hörern – voraus, den unser Text narrativ präzise mit der deutlich profilierten Abfolge von überraschtem Begreifen (‚... und ich wusste es nicht‘, V. 16) und Erschrecken (‚und er fürchtete sich und sprach: Wie furchterregend ist dieser Ort ...‘) abbildet.“ 17 Gegen Graupner, Elohist, 228. 18 Lanckau, Träume, 88. 19 Vgl. Fokkelman, Narrative Art, 72; Rendtorff, Jakob, 513; Blum, Komposition, 11f. 20 Vgl. Gen 37,7 und zur Funktion der Form והנהin Traumerzählungen Lanckau, Träume, 148f. 21 Fokkelman, Narrative Art, 54: „The sentences have become shorter and shorter, more and more concentrated: first two subjects, each with a predicate and sentence-element of its own; then one subject, in the plural, with two verbs which almost make a hendiadys, and the trio concludes with Yaweh himself, one subject, one predicate. [...] Parallel to this concentration the three subjects, too, display an increasing tension and importance: Ladder: grammatically non-qualified; neutral utensil; Messengers of God: grammatically qualified; no more; ʾelōhīm common noun; YHWH: maximally qualified, proper noun.“ – Auch Rendtorff, Jakob, 513, sieht darin „eine deutliche Klimax“, der in V. 16f „die chiastische Widerspiegelung dieser Klimax“ folge; vgl. auch Blum, Komposition, 11. 22 Fokkelman, Narrative Art, 54. 23 Ebd. 24 Ebd.
50
3 JHWH auf der Himmelstreppe
Alles läuft also auf die Erscheinung JHWHs zu, und dieser wird in Jakobs Deutung dann auch zuerst genannt. Was die Annahme einer palindromischen bzw. chiastischen Struktur zwischen Traum und Reaktion angeht, so ist die Korrespondenz beim Tetragramm nicht zu leugnen; dagegen scheint sich die Zusammengehörigkeit von „Treppe (zum Himmel)“ und „Tor des Himmels“ sowie „Gottesboten“ und „Gotteshaus“ nicht unmittelbar aufzudrängen; doch der Vergleich mit religionsgeschichtlichen Parallelen wird zeigen, dass auch in diesen beiden Fällen eine Korrespondenz intendiert sein dürfte. Konzentrische Struktur von Traum und Reaktion A B C C0
B0 A0
V. 12f Jakobs Traum (12) Und siehe, eine Treppe war auf die Erde gestellt, und ihr „Kopf “ reichte an den Himmel; und siehe, Boten Gottes stiegen auf und nieder auf ihr; (13) und siehe, JHWH stand auf/über ihr / vor/über ihm. V. 16f Jakobs Reaktion (16) Da erwachte Jakob aus seinem Schlaf und sagte: Fürwahr, JHWH (ist) an diesem Ort, und ich habe es nicht erkannt! (17)Und er fürchtete sich und sagte: Wie furchtbar [wörtlich: zu fürchten] (ist) dieser Ort! Dies/hier (ist) nichts anderes als ein Haus Gottes, und dies/hier (ist) das Tor des Himmels.
Die Entsprechungen zwischen V. 11 bzw. 12f und V. 16–19a – einerseits die parallel gestaltete Leitwortkette, andererseits die mehrfache (palindromische) Rahmung des Traumbildes sowie die konzentrische Struktur des Traumbildes selbst – befördern auf struktureller Ebene die Intention des Textes, die gleichsam in „zwei Akte“ 25 gegliedert ist: In Bet-El berühren, ja entsprechen sich die beiden kosmischen Bereiche Himmel und Erde. Die am Text gewonnenen Einsichten in die kunstvolle Struktur der V. 11–19a* sind für die entstehungsgeschichtliche Beurteilung der Perikope von entscheidender Bedeutung. Denn die dem Quellenmodell folgenden Rekonstruktionen 26 werden diesem Befund nicht gerecht, und nur der
25 So Bar-Efrat, Bibel, 117f. Einen leicht anderen Akzent setzt die Strukturanalyse von Husser, Songe, 101, wenn er den Beginn von V. 16 stärker heraushebt und als eine Art „Achse“ begreift: „Ce triple cadre est organisé autour d’un axe séparant l’ensemble en deux parties symétriques, et cette articulation du texte intervient précisément au passage entre le rȇve et l’état de veille, balançant ainsi le récit entre un ‚avant‘ et un ‚après‘ de cet axe.“ Allerdings gerät dann aus dem Blick, dass V. 16a in V. 11b eine Entsprechung hat. 26 Vgl. als Vertreter des Quellenmodells grundlegend Wellhausen, Composition, 30–32, sowie – aus jüngerer Zeit – Graupner, Elohist, 225–241
3.3 Literarische Analyse
51
Erweis deutlicher Kohärenzstörungen vermag größere literarkritische Operationen an der markanten Struktur zu rechtfertigen. 27 Gen 28,11–19a*: Konzentrische Struktur Jakobs Traum ַו ִיְּפַ֨גּע ַבָּמֹּ֜קום11 ַו ָ֤יֶּלן ָשׁ֙ם ִכּי־ָ֣בא ַהֶ֔שֶּׁמשׁ ַו ִיַּקּ֙ח ֵמַאְב ֵ֣ני ַהָמֹּ֔קום ַו ָ֖יֶּשׂם ְמ ַֽרֲאֹשָׁ֑תיו ַו ִיְּשַׁ֖כּב ַבָּמֹּ֥קום ַהֽהוּא׃ ַֽו ַיֲּח ֗ ם ְוִה ֵ֤נּה ֻסָלּ֙ם ֻמָ֣צּב ַ֔א ְרָצה ְור ֹאֹ֖שׁו ַמ ִ֣גּיַﬠ ַהָשָּׁ֑מ ְיָמה12 ְוִהֵנּ֙ה ַמְלֲאֵ֣כי ֱא ִ֔הים ֹע ִ֥לים ְו ֹי ְר ִ֖דים ֹֽבּו׃ ְוִהֵ֨נּה ְיהָ֜וה ִנָ֣צּב ָﬠָלי ֮ו13
A B C a b c Jakobs Reaktion C0 a0 b0 c0 B0
ַו ִיּי ַ֣קץ ַיֲﬠֹק֮ב ִמְשָּׁנֹת֒ו16 ַו ֕יּ ֹאֶמר ָאֵכ ֙ן ֵ֣ישׁ ְיהָ֔וה ַבָּמֹּ֖קום ַה ֶ֑זּה ְוָא ֹנ ִ֖כי ֥ל ֹא ָי ָֽדְﬠִתּי׃ ַו ִיּיָר֙א ַויּ ֹאַ֔מר ַמה־ ֹנּו ָ֖רא ַהָמֹּ֣קום ַה ֶ֑זּה ֵ֣אין ֶ֗זה ִ֚כּי ִאם־ֵ֣בּית ֱא ִ֔הים17 ְו ֶ֖זה ַ֥שַׁﬠר ַהָשּׁ ָ ֽמ ִים׃ ַוַיְּשֵׁ֨כּם ַיֲﬠֹ֜קב ַבֹּ֗בֶּקר18 ַו ִיּ ַ֤קּח ֶאת־ָהֶ֨אֶב ֙ן ֲאֶשׁר־ָ֣שׂם ְמ ַֽרֲאֹשָׁ֔תיו ַו ָ֥יֶּשׂם ֹאָ֖תהּ ַמֵצָּ֑בה ַו ִיֹּ֥צק ֶ֖שֶׁמן ַﬠל־ר ֹא ָ ֽשׁהּ׃ ַו ִיְּק ָ֛רא ֶאת־ ֵ ֽשׁם־ַהָמֹּ֥קום ַה֖הוּא ֵ ֽבּית־ֵ֑אל19
A0
Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Zweiteilung der Erzählung, angezeigt durch die parallele und zugleich konzentrische Struktur, gliedert sich die Perikope in sechs Abschnitte bzw. Szenen, so dass sich folgende thematische Gliederung nahelegt: 28
(1) (2) (3)
10–11 12.13aα 13aβ–15
(4)
16–17
(5)
18–19
(6)
20–22
Jakobs Traum Präparation: Ankunft am Ort; Verwendung eines Steins Traumbild: Himmelstreppe – Gottesboten – JHWH Traumrede: Selbstvorstellung und Verheißungen Jakobs Reaktion Erste Reaktion (bezogen auf V. 12f): JHWH am Ort – Haus Gottes und Tor des Himmels Zweite Reaktion (bezogen auf V. 10 f): Stein = Mazzebe; „Kopf “; Ort = Bet-El Dritte Reaktion (bezogen auf V. 15 und V. 18): Gelübde
27 Vgl. schon Volz/Rudolph, Elohist, 75: „Dieser wunderbare, künstlerische und sachlich gleich prachtvolle Zusammenhang wird durch die Quellenscheidung auseinandergerissen und vollständig zerstört.“ 28 Auch Blum, Jakobs Traum, 22, identifiziert sechs Hauptabschnitte.
52
3 JHWH auf der Himmelstreppe
Die Gliederung macht noch einmal deutlich: V. 11 und V. 18.19a einerseits, V. 12.13a* und 16f andererseits sind eng aufeinander bezogen. V. 13f spielen im Rest der Perikope keine Rolle, V. 20–22 haben einerseits Bezüge zu V. 15a, dann zu V. 17–19a. Diesen Bezügen ist später nachzugehen, um zu klären, ob sie tragend sind für eine Zuordnung der Verse zum Grundtext.
3.3.2 Literarkritik und literarhistorische Verortung Wie jede diachrone Verortung der Bet-El-Erzählung in ihrem Kontext, so basiert auch die vorliegende u.a. auf literarhistorischen Grundannahmen, die an dieser Stelle genannt seien: 1.) Innerhalb der Erzelterngeschichte kann grundsätzlich ein priesterschriftliches von einem vor- und nichtpriesterschriftlichen Textstratum unterschieden werden. Für den Nahkontext von Gen 28,10ff folgt daraus die Aussonderung von 27,46–28,9. Dieser Abschnitt liefert im vorliegenden Zusammenhang eine zweite Begründung für die Reise Jakobs zu Laban, der zudem nicht in Haran (27,43 u.ö.) bzw. bei den „Ostleuten“ (29,1), sondern in Paddan-Aram lokalisiert wird: Jakob soll zu seinem Onkel reisen, weil er sich nicht wie Esau eine kanaanäische Frau nehmen soll. Der Abschnitt gehört nach Sprache und Thematik (Gebot der Endogamie) zur Priesterschrift. 29 2.) Der vor- und nichtpriesterschriftlichen Erzelterngeschichte gehen zunächst unabhängig voneinander überlieferte Erzählzyklen voraus, die erst sekundär zu einer die drei Vätergestalten verbindenden Erzelterngeschichte ausgebaut worden sind. Die Entstehung einer übergreifenden Erzelterngeschichte, die von verheißenden Gottesreden zusammengehalten wird, 30 ist am ehesten in die Zeit nach 587 zu datieren. 31 Die einzelnen Erzählzyklen sind ihrerseits aus dem Verschmelzen ursprünglich selbstständiger Erzählungen entstanden. Im Jakobzyklus ist – entweder vor oder nach dem Untergang des Nordreichs 32 – eine (wohl ältere) Jakob-Laban-Erzählung (Gen *29–32) mit einer Jakob-Esau-Erzählung (Gen *25– 27) verbunden worden. Vor dem Hintergrund dieser entstehungsgeschichtlichen Prämissen ist im Folgenden eine diachrone Verortung von Gen 28,10ff im Kontext zu versuchen. Im vorliegenden Textzusammenhang bilden mit Gen 28,10–22 und 35,1–15 zwei – vielfach aufeinander bezogene 33 – Gottesbegegnungen in Bet-El einen Rah-
29
Vgl. z.B. de Pury, Umgang, 41f. Vgl. Köckert, Verheißung, 699–701. 31 Vgl. etwa Schmid, Literaturgeschichte, 124–126. 32 Vgl. Schmid, Literaturgeschichte, 69. 33 Vgl. Klein, Leseprozess, 188–190. 30
3.3 Literarische Analyse
53
men um Jakobs Exil bei seinem Onkel Laban. 34 Voraus geht die Erzählung von der Erschleichung des Erstgeburtssegens (Gen 27), die Jakobs Flucht zu Laban, während der sich die erste Gottesbegegnung ereignet, begründet. Die Itinerarangabe 28,10, die den Anfangs- und Zielpunkt der Reise Jakobs benennt, ist durch den damit angekündigten Ortswechsel sowie durch den Subjektwechsel von Esau zu Jakob deutlich von 28,1–9 abgegrenzt. Die erneute Itinerarnotiz 29,1 sowie der ab 29,2ff erfolgte Ortswechsel grenzen die Perikope nach hinten ab. Die Itinerarangabe 29,1 wiederholt 28,10 mit anderen Worten und erscheint deshalb „weniger als Fortführung denn als Dublette“ 35. Dies legt nahe, dass einer der beiden Verse als ursprüngliches „Scharnier“ 36 zwischen den JakobEsau- und Jakob-Laban-Erzählungen fungierte, 37 während der andere Vers der redaktionellen Einbindung von 28,11ff diente. Die Formulierung von 29,1 spricht für deren Priorität: 38 Nicht nur scheinen die „Ostleute“ besser in den Kontext des noch eigenständigen Jakobzyklus zu passen; 39 auch die bildhafte Formulierung „er hob seine Füße auf ...“ würde gut an 27,41–45 anschließen, wo Esaus Mordabsichten eine rasche Flucht erfordern. Die Bet-El-Geschichte 28,10ff scheint somit an der Schnittstelle der Jakob-Esau- (*25–27) und Jakob-Laban-Erzählung (*29– 32) nachträglich eingeschoben worden zu sein. 40 Der Brückenvers 29,1 schloss im vorpriesterschriftlichen Stadium an 27,41–45 an und wurde erst mit der Einbindung von 28,10ff in 28,10 dupliziert, wobei in Kauf genommen wurde, dass die Konstruktion mit וילךeine inhaltliche Spannung hinterlässt, da das Verb den Eindruck erweckt, Jakob sei bereits bei Laban angekommen. 41 Wann ist diese Einbindung erfolgt? Sie ist in jedem Fall vorpriesterschriftlich, da die priesterschriftliche Erzelterngeschichte die Gottesbegegnung in Bet-El in 35,11–15 bereits voraussetzt und mit eigenen Akzenten neu erzählt. 42 Umstritten ist die Frage, ob die Einbindung auf der Ebene eines noch selbständigen Jakobzyklus Gen 25–33* erfolgt ist oder be-
34 Vgl. Klein, Leseprozess, 190: „Gen 28,10–22, Jakobs erste Begegnung mit dem Gott seiner Väter, und Gen 35,1–15, seine letzte Begegnung mit eben diesem Gott, den er nun zu seinem eigenen macht, weil er seine Mitseinsverheißung an ihm erfüllt hat, umrahmen die Flucht- und gleichzeitig die Segensgeschichte Jakobs.“ 35 Levin, Jahwist, 217. 36 Kratz, Komposition, 272. 37 Zur These einer der Jakoberzählung Gen 25B.*27–33 schon vorausgehenden Jakob-Esau-LabanGeschichte vgl. Blum, Komposition, 173–175. 38 Anders Levin, Jahwist, 217, der 28,10 für älter hält, und Kratz, Komposition, 272, der sich allerdings mit weniger Gewissheit („vermutlich“) für die Priorität von 28,10 vor 29,1 ausspricht. 39 Vgl. Blum, Komposition, 164–167 und 343f, Anm. 11, sowie ders., Jakobs Traum, 39. 40 So auch Levin, Jahwist, 217; Kratz, Komposition, 272f; Schmid, Literaturgeschichte, 68; Gertz, Tora, 275. 41 Der Samaritanus entschärft dieses Problem, indem er den Impf. וילךdurch den Inf. ללכתersetzt: „Jakob zog aus Beerscheba aus, um nach Haran zu gehen.“ 42 S. Kap. 6. S. 220–225.
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3 JHWH auf der Himmelstreppe
reits eine übergreifende Erzelterngeschichte im Blick hat. 43 Viel hängt hier an der Beurteilung der V. 10 und 13f, die diesen übergreifenden Kontext offenbar voraussetzen. Zu V. 10: Die Itinerarnotiz 28,10, die mit dem Narrativ ויצאihrerseits einen vorgegebenen Kontext fortführt, ist von V. 11 literarkritisch nicht abzulösen; denn V. 11 taugt nicht als ursprüngliche Exposition einer Bet-El-Erzählung. „So fehlt die Einführung der Hauptperson Jakob sowie die Schilderung der Umstände, unter denen er an den für die folgende Erzählung wichtigen Ort kam.“ 44 Beides steuert V. 10 bzw. der Vorkontext 27,41–45 bei. V. 10 ist also Teil der Grundschicht. Problematisch ist dann allerdings der Ausgangspunkt der Reise, Beerscheba 45, der zwingend einen entsprechenden Aufenthalt der Familie erfordert (vgl. 26,23.33). Dieser Befund bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass schon die Grundschicht der Bet-El-Erzählung im Kontext einer übergreifenden Erzelterngeschichte (und damit frühestens im Juda des 7. Jh., eher nach 587) zu verorten ist; 46 vielmehr könnte der Ortsname Beerscheba entweder nachträglich geändert worden 47 oder aber – und das ist näherliegend – bereits Bestandteil der Jakob-Esau-Überlieferung gewesen sein, die genealogisch schon mit der Isaak-Gestalt verbunden war. 48 Zu V. 13–15: Was die Verheißungsrede V. 13–15 angeht, so ist im Anschluss an die Textanalyse eine wichtige Feststellung zu machen: Dem Abschnitt fehlen die den Kontext beherrschenden Leitworte, weshalb er sich schlecht in die darauf basierende konzentrische Struktur von V. 11f.16–19 einfügt. Lediglich mit Hilfe eines anaphorischen Relativsatzes in V. 13b („das Land, auf dem du liegst“) ist die Rede vage mit dem Kontext verbunden. Umgekehrt bringt die Gottesrede neue Themen und einen weit über den Kontext hinausführenden Horizont ins Spiel. Steht in 11f.16–19 der „Ort“ im Fokus, so ist es hier das (Verheißungs-)Land bzw. die ganze Erde (vgl. z.B. V. 11b mit V. 13b). 49 Auffällig ist auch, dass Jakob in seiner Reaktion in V. 16–19 mit keinem Wort auf die weitreichenden Verheißungen eingeht (vgl. aber V. 20–22). Die Gottesrede ist aber auch in sich nicht einheitlich. So erfüllen die Verheißungen in V. 13f einerseits und in V. 15 andererseits unterschiedliche Funktio-
43
So die These von Becker, Jakob, 162–169. Otto, Jakob, 172. 45 Vgl. zu dieser Lokalität Jericke, Ortsnamen, 148–150. 46 Diese Konsequenz zieht Van Seters, Bethel, 505f. 47 Vgl. Blum, Jakobs Traum, 39f. 48 Kratz, Komposition, 270–273 geht etwa von der Verbindung einer ehedem selbständigen IsaakEsau- mit einer Jakob-Laban-Erzählung aus. Vgl. auch Köckert, Erzväter, 1540, der auf den bemerkenswerten Befund aufmerksam macht, dass schon die ältesten Texte der einst selbständigen Väterüberlieferung deren genealogische Abfolge vorauszusetzen scheinen. Vgl. auch Blum, Jakobs Traum, 40, Anm. 73. 49 Vgl. auch Lanckau, Träume, 94: „Nun steht die lange Gottesrede ganz im Zentrum, die aber gerade nicht die Gegenwart Gottes am Ort expliziert.“ 44
3.3 Literarische Analyse
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nen. 50 V. 15a, die Zusage des göttlichen Beistands auf dem Weg sowie der Rückkehr ins Land, ist situationsbezogen und findet innerhalb des Jakobzyklus ihre Erfüllung (vgl. 31,11–13*; 33,17 51); demgegenüber sind die Verheißungen von Mehrung, Land und Segensmittlerschaft auf eine unbestimmte Zukunft gerichtet. Hinzu kommt eine Spannung, die für sich genommen nicht überbewertet werden dürfte, die aber an Bedeutung gewinnt, wenn man sie (später) in einem größeren redaktionsgeschichtlichen Zusammenhang betrachtet: In V. 13b wird Jakobs Aufenthaltsland ארץ, in V. 15a dagegen אדמהgenannt. 52 Mit guten Gründen wird daher der situationsbezogene V. 15 bzw. ein Kern des Verses für älter gehalten als die vorangehenden V. 13f. 53 Könnte sich hinter V. 15 eine ursprüngliche Gottesrede verbergen? V. 15b, der die weitreichenden Verheißungen aus den vorangehenden Versen schon mit im Blick zu haben scheint, ist sprachlich und inhaltlich vom Deuteronomismus geprägt. 54 Der Teilvers kommt deshalb als ursprüngliche Gottesrede nicht in Betracht. Eine andere ist die Situation bei V. 15a. 55 Die Zusage von Beistand und Rückkehr liegt inhaltlich auf der Ebene des noch eigenständigen Jakobzyklus, der ohnehin literarkritisch nicht hintergehbar ist (s. u.). Formal fügt sich V. 15a, der wie die drei Traumszenen durch die Form והנהeingeleitet wird, gut zu dem vorangehenden Traumbild. Nach Lanckau dient die Form והנהin Traumerzählungen nicht zuletzt der „Markierung der Traumstruktur“ 56. In Bezug auf Gen 28: „ ְוִהֵנהleitet zunächst in 28,12b ein mit Partizip passiv formuliertes statisches Traumbild ein, welches das Hintergrundbild für die beiden folgenden Szenen bietet. In 12c und 13a werden mit וִהֵנה: jeweils neue Handlungsträger eingeführt.“ 57 Das vierte והנה, das im vorliegenden Text Traumbild und Traumrede „verklammert“ 58, dürfte im Grundtext eine vergleichbare Funktion gehabt haben: Es markierte den Beginn der Gottesrede als viertes und abschließendes Element des Traums. 59 V. 15a als Teil der Grundschicht löst nebenbei das Problem einer bloß wortlosen Epiphanie JHWHs, die im Alten Testament singulär wäre und überdies wenig Sinn ergäbe. 50
Vgl. auch Köckert, Vätergott, 318f. Zu Gen 33,17 als Ende des Jakobzyklus vgl. Blum, Komposition, 147–149. S. u. S. 56. 53 Vgl. z.B. Westermann, Genesis, 551.555, und in jüngerer Zeit Carr, Genesis 28,10–22, 401; Blum, Jakobs Traum, 38. 54 Vgl. für den Nachweis Blum, Komposition, 160f. 55 Vgl. auch Köhlmoos, Bet-El, 235. Blum, Komposition, 158–163, hält V. 15 in Gänze für dtr. Neuerdings geht Blum, Jakobs Traum, 38, von einer „späteren Umformung und Neuakzentuierung einer alten Beistands- und Rückkehrzusage in 28,15“ aus. 56 Lanckau, Träume, 149. 57 Lanckau, Träume, 88. 58 Lanckau, Träume, 89. 59 Als Einleitung einer Gottesrede in einer Traumerzählung begegnet die Form auch andernorts (vgl. Gen 20,3; 1 Sam 3,11; vgl. auch Jes 6,7). 51 52
56 Traumbild
Traumrede
3 JHWH auf der Himmelstreppe (12)
Und siehe, eine Treppe war auf die Erde/erdwärts gestellt, und ihr „Kopf “ reichte an/berührte den Himmel/himmelwärts; und siehe, Boten Gottes stiegen auf und nieder auf ihr; (13) und siehe, JHWH stand auf/über ihr / vor/über ihm. Und er sprach: Ich (bin) JHWH (15) Und siehe, ich (bin) mit dir, und ich werde dich behüten überall, wohin du gehst ...
28,13f, die Verheißung von Land, Mehrung und Segen, wirkt wie ein Summarium der Väterverheißungen. Und in der Tat zeigt ein Vergleich mit 12,1– 3.7; 13,14–17, dass in 28,13f Versatzstücke vorangehender Väterverheißungen wiederholt werden. 60 Köckert hat diese, die übergreifende Erzelterngeschichte voraussetzenden Verheißungen mit überzeugenden Gründen einer jüngeren Entstehungsphase zugewiesen. „Da 12,1–4a.6–8 und 13,14–17 von vornherein aufeinander angelegt konzipiert und 28,13f. mit Elementen aus beiden Stücken gestaltet sind, wird hier eine Bearbeitungsschicht greifbar, die unter anderem mit Hilfe dieser Gottesreden Abraham- und Jakobüberlieferung miteinander verband und einander anglich.“ 61
Das die Erzelterngeschichte strukturierende System von Verheißungsreden ist am ehesten nach 587 zu datieren, als die verheißenen Heilsgüter „durch den Untergang Judas und Jerusalems [...] radikal in Frage gestellt sind“ 62. Dieser Befund wirft noch einmal ein neues Licht auf die oben angesprochene und für sich genommen unbedeutende terminologische Spannung in Bezug auf Jakobs Aufenthaltsland in V. 13b ( )ארץund V. 15a ()אדמה. Die unterschiedliche Begrifflichkeit erklärt sich leicht mit der Annahme, dass die Wortwahl in V. 13b (wie V. 14) der sekundären Einschreibung vorangehender Väterverheißungen geschuldet ist, die z. T. wortgetreu zitiert werden, während V. 15a und damit der Terminus אדמהschon vorgegeben war. U. Becker hat vorgeschlagen, zwar nicht die Verheißungsrede V. 13b–15, wohl aber die Selbstvorstellung JHWHs in V. 13aβ zum Grundbestand zu rechnen. „In ihrem Lichte wird auch die Reaktion in V. 16 verständlich: Jahwe ist an dieser Stätte. Sie besagt, dass Jakob in der Traumoffenbarung die Identifikation des Gottes Abrahams (und Isaaks) 60 Dieser Befund dürfte auch den disparaten Charakter von V. 13f (das „Du“ von V. 13 ist z.B. ein anderes als in V. 14) erklären. 61 Köckert, Vätergott, 264. Nach Köckert handelt es sich bei 12,1–3.7; 13,14–17 und 28,13 f um „eine Schicht“ (a.a.O., 321). Zum kompositionellen Zusammenhang der Verheißungen in der Erzelterngeschichte, in denen Gen 28,13f mit anderen Verheißungsreden als Klammer fungiert, vgl. auch ders., Verheißung, 699–701. 62 Gertz, Tora, 276; vgl. grundlegend Köckert, Vätergott, 250 ff; ders., Verheißung, 701; vgl. auch Blum, Studien, 214, Anm. 35; Schmid, Literaturgeschichte, 125f, der für eine exilische Datierung zudem auf die im Motiv der Segensmittlerschaft vorliegende Rezeption königstheologischer Elemente aufmerksam macht.
3.3 Literarische Analyse
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(v. 13aβ) mit Jahwe ‚erkannt‘ hat (V. 16b), und eben dies ist der Realgrund für die ‚Gründung‘ Bet-Els als Kultstätte Jahwes.“ 63
Becker zieht die entstehungsgeschichtliche Konsequenz seiner redaktionsgeschichtlichen Entscheidung, wenn seiner Meinung nach der Grundbestand von Gen 28,10ff „insgesamt für ihren gegebenen Kontext, mindestens jedenfalls für eine zusammenhängende Vätererzählung“ 64 verfasst worden sei. Aber ist es überzeugend, die Selbstvorstellung als Gott Abrahams und Isaaks (V. 13a) von den nachfolgenden Verheißungen Abrahams und Isaaks (V. 13b.14) zu trennen? Nach der Analyse Köckerts „fungieren die verheißenden Gottesreden als Struktursignale innerhalb der Gesamtkomposition der Vätergeschichte und als Bindeglieder, die die einzelnen Überlieferungsblöcke miteinander verknüpfen“ 65. In diesem kompositionellen Zusammenhang stehen die Gottesbezeichnungen „[g]anz im Dienste der Übertragung der fundamentalen Verheißung von Abraham über Isaak auf Jakob“ 66. Selbstvorstellung und Verheißungen auf unterschiedliche literarische Ebenen aufzuteilen, reißt daher auseinander, was seiner Funktion nach zusammengehört. Das entscheidende Argument gegen Beckers Rekonstruktionsversuch ist jedoch, dass in Gen und Ex an keiner Stelle eine Selbstvorstellung Gottes ohne eine folgende Gottesrede (ein Gebot oder eine Verheißung) belegt ist (vgl. Gen 15,7; 17,1; 26,24; 31,11; 35,11; 46,3; Ex 3,6; 6,2). 67 Deshalb liegt es im Hinblick auf die Gottesrede in 28,13–15 näher, sowohl die Identifikation mit dem Gott Abrahams und Isaaks (V. 13aα) als auch die den Zusammenhang mit diesen Vätern schaffenden Verheißungen in V. 13–14 einer jüngeren Entstehungsstufe zuzurechnen. 68 Die Argumente für eine Entstehung schon der Grundschicht von Gen 28,10– 22 im Kontext einer übergreifenden Erzelterngeschichte sind somit alles in allem nicht stichhaltig. Die unterschiedliche Funktion der Verheißungen V. 13f und V. 15 und der im Kontext der Gottesrede greifbare Fokus der Erzählung auf den „Ort“ sprechen vielmehr für eine Einordnung der Grundschicht im Zusammenhang eines noch selbstständigen Jakobzyklus etwa Gen *25–33, der von Gottesbegegnungen und Träumen theologisch zusammengehalten wird (28,10ff; 31,13* 69; 32,2b.3; 32,22ff). Da Gen 28* schon die Verbindung von Jakob-Laban- und JakobEsau-Erzählungen voraussetzt, in die die Erzählung sekundär eingesetzt worden ist, verbietet sich eine zeitliche Ansetzung in der frühen Königszeit. 70 Eine Datie63
Becker, Jakob, 164. Becker, Jakob, 167. 65 Köckert, Vätergott, 320. 66 Köckert, Verheißung, 699. Das nachklappende „und der Gott Isaaks“ in V. 13a dürfte deshalb als Erweiterung der Formel in 26,24 zu erklären sein. 67 Vgl. zu den Belegen der Selbstvorstellung in Gen und Ex Zimmerli, Jahwe, 24–27. 68 S. o. S. 46 die geschichtete Übersetzung. 69 Zum sekundären Charakter des zweiten אשר-Satzes s. etwa Levin, Jahwist, 242. 70 So Blum, Komposition, 203. 64
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3 JHWH auf der Himmelstreppe
rung der Bet-El-Erzählung im 8. oder 7. Jh. legt sich im übrigen auch von Seiten der archäologischen Evidenz nahe, da nur in diesem Zeitfenster von einem prosperierenden Ort gesprochen werden kann. 71 Die external evidence von Hos 12 könnte für das 8. Jh. sprechen, 72 doch sollte man auf den entstehungsgeschichtlich strittigen Text nicht allzu viel Vertrauen setzen. Eine Ansetzung nach dem Untergang des Nordreichs 722 v. Chr., der den Grenzort Bet-El möglicherweise als Rückzugsgebiet für Flüchtlinge aus dem Norden aufgewertet hat, ist ebenfalls denkbar. 73 Eine Geschichte, die die ins Wanken geratene Identität mit Hilfe von traditionsreichen Orten und Gestalten zu stabilisieren vermochte, ergibt in einer solchen Krisenzeit Sinn. Für diese historische Einordnung könnte überdies die Ortsangabe Haran in 28,10 sprechen. Mit Blum dürfte es sich dabei nämlich um eine sekundäre Verlegung der älteren Jakoberzählungen von der nordarabischen Wüste (29,1: Land der Söhne des Ostens 74) in die nordmesopotamische Stadt handeln. 75 Diese gewann in neuassyrischer Zeit an Bedeutung. Nach Blum ist der Ortsname Haran in den älteren Partien der Jakoberzählungen hinzugefügt bzw. ein älteres Toponym ist durch ihn ersetzt worden. Dies könnte auch in 28,10 der Fall sein. Doch wenn Gen 28,10ff erst in neuassyrischer Zeit in den vorgegebenen Zusammenhang der Jakoberzählungen eingefügt worden ist, spricht nichts gegen die Annahme, dass Haran in 28,10 zum Grundbestand der Traumerzählung gehört. Im Gegenteil würde eine Flucht Jakobs nach Haran und vor allem seine behütete Rückkehr (vgl. 28,15*) nach 722 Sinn ergeben, wenn tatsächlich Nordreichsbewohner in diese Gegend deportiert worden sind. 76 Sollte hinter der Grundschicht von Gen 28 eine ältere Orts- bzw. Tempeltradition stehen (s. u.), so dürfte auch diese aufgrund der traditionsgeschichtlichen Nähe zu mesopotamischen Vorstellungen nicht vor dem frühen 8. Jh. entstanden sein, da sich die kulturellen Kontakte zum neuassyrischen Reich erst in dieser Zeit zu intensivieren begannen.
71 Vgl. Finkelstein/Singer-Avitz, Bethel; vgl. auch Valkama, Judah, 50. Diese jüngsten archäologischen Einsichten sprechen gegen die These einer Blütezeit der Ortschaft in der Exilszeit (so jedoch z.B. Knauf, Israelite Impact). „The only possible period for the supposed strong scribal activity at Bethel is the Iron Age IIB, in the 8th century B. C. E., probably before the fall of the Northern Kingdom.“ (Finkelstein/Singer-Avitz, Bethel, 45). 72 Vgl. Blum, Hosea 12. 73 Vgl. Finkelstein/Singer-Avitz, Bethel, 44: „2 Kgs 17:28 and Papyrus Amherst 63, which mentions deportees brought by the Assyrians, who were probably settled at Bethel, also testify to a post 720 B. C. E. activity at the site.“ Darüber hinaus gilt Bet-El nach 722 als judäische Ortschaft (vgl. Jericke, Ortsnamen, 96). 74 Nach Jericke, Ortsnamen, 188, bezeichnet die Ortsangabe „Nordarabien oder Teile dieser Region“. 75 Vgl. Blum, Komposition, 164–167 und 343f, Anm. 11. Blum rechnet mit einer Bearbeitungsschicht aus dem 7. Jh. Im Hinblick auf Gen 28,10 geht er andernorts von der „Neuformulierung einer älteren Itinerarangabe“ (ders., Jakobs Traum, 39) aus. 76 Vgl. Blum, Komposition, 343f, Anm. 11, mit Verweis auf Blenkinsopp.
3.3 Literarische Analyse
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Neben der Gottesrede in V. 13f erwecken noch zwei weitere Stellen den Eindruck, später ergänzt worden zu sein: Der Erzählerkommentar V. 19b und das Gelübde V. 20–22. V. 19b, die Erklärung, dass vorher Lus der Name der „Stadt“ war, fügt sich nicht in den vorgegebenen Erzählverlauf, nach dem Jakob zufällig auf einen „Ort“ trifft (V. 11), von dem nicht mehr gesagt wird, als dass es dort Steine gibt (V. 11). Es dürfte sich bei V. 19b um einen Zusatz handeln, der die Verbindung der priesterschriftlichen mit der nicht-priesterschriftlichen Jakobsgeschichte voraussetzt und wie die priesterschriftlichen Stellen Gen 35,6* und 48,3 die Tendenz spiegelt, vom Ort Bet-El abzulenken, indem ein zweiter, theologisch harmloser Ortsname, nämlich Lus = „Mandelbaum“ 77, eingeführt wird. Der Nachtrag ist somit wahrscheinlich erst nach-priesterschriftlicher Herkunft. 78 Der zweite Bereich, der wie die Gottesrede weniger gut in das Leitwortsystem integriert ist, ist das Gelübde V. 20–22, das durch eine Renominalisierung (וידר )יעקב נדרvom Vorangehenden leicht abgesetzt ist. Problematisch ist bei dem Gelübde schon die Abgrenzung von Protasis und Apodosis. Die weqatal-x-Formation (als letzte Formation einer Kette, die eine x-yiqtol-Formation in V. 20b fortsetzt) legt nahe, dass V. 21b die Protasis beschließt und V. 22a die Apodosis eröffnet – angezeigt durch die Inversion (w-x-yiqtol). 79 Andererseits zeigt ein Vergleich mit anderen Gelübden (vgl. 1 Sam 1,11), dass V. 21b rein grammatisch auch die Apodosis eröffnen könnte. 80 Das Problem ist m. E. nicht grammatikalisch, sondern nur inhaltlich zu lösen. Was die Formulierung von V. 21b angeht, so ist eine gewisse Nähe zur sogenannten Bundes- oder Zugehörigkeitsformel festzustellen. Die sprachliche Form (Verbum היהmit nachfolgendem doppelten )לist charakteristisch für diese Formel 81, welche im Alten Testament in drei Versionen belegt ist: „1. ‚Ich will euch zum Gott sein‘, 2. ‚Ihr sollt mir zum Volk sein‘, 3. in der Verbindung beider Aus-
77 Mit Jericke, Ortsnamen, 187, dürfte es sich bei dem Namen Lus um „eine aus Gen 30,37 abgeleitete literarische Bildung“ handeln: „Während der historische Ortsname Bet-El ‚Haus Gottes‘ die kultisch vermittelte Präsenz Gottes betont (Gen 28,15–18; 35,13f), steht Lus für den Aspekt der Segenszusage an Jakob/Israel (Gen 28,13f; 35,11f).“ Unter literaturgeschichtlichem Gesichtspunkt geht diese Bildung vermutlich auf das Konto der Priesterschrift (vgl. 35,6* und 48,3; in 28,19 ist Lus ein Zusatz). Im Horizont der bereits erfolgten Verbindung von nicht-priesterschriftlichen und priesterschriftlichen Anteilen der Jakobgeschichte ist Jerickes Urteil uneingeschränkt zu folgen, dass die Gleichsetzung von Bet-El und Lus einer „dezidiert judäischen Interpretation“ entspringt: „Die im Kult vergegenwärtigte Präsenz Gottes (Gen 28,10–22), die mit dem Namen Israel verbundenen Zusagen Gottes (Landbesitz, Nachkommen, Mitsein Gottes; Gen 35,10–12) einschließlich der Verheißung des Königtums (Gen 35,11) realisieren sich in Juda. Juda repräsentiert Israel.“ (ders., Bet-El, 189). 78 Das Phänomen einer nach-priesterschriftlichen Überarbeitung ist im näheren Kontext z.B. auch in Gen 33,18a zu beobachten, vgl. De Pury, Promesse divine, 544. 79 So Fokkelman, Narrative Art, 75; Vgl. auch Seebass, Genesis II, 320 – S. o. die Übersetzung auf S. 46. 80 Vgl. zu den syntaktischen Möglichkeiten Kaiser, ThWAT V, 268. 81 Vgl. zu dieser Form Rendtorff, „Bundesformel“, 18f, sowie die Tabelle 94f.
60
3 JHWH auf der Himmelstreppe
sagen in einer Formel, wobei die Reihenfolge der beiden Elemente wechselt.“ 82 Gen 28,21b kommt der ersten Version am nächsten, die vorwiegend in priester(schrift)licher Literatur begegnet (Gen 17,7b.8b; Ex 29,45; Lev 11,45; 22,33; 25,38; 26,45; Num 15,41; Ez 34,24). Das macht es aber unwahrscheinlich, hier eine „Selbstverpflichtung im Hinblick auf das künftige Gottesverhältnis“ 83 zu sehen. Eher liegt eine Übertragung der priesterschriftlichen Abrahamverheißung vor (vgl. Gen 17,7b.8b), die auch spät-dtr Autoren bezeugen (vgl. Dtn 29,12: והוא „ יהיה־לך לאלהיםund er wird dir zum Gott sein“). Wie in Gen 28,13f grundlegende Verheißungen Abrahams auf Jakob übertragen werden, so wird die Verheißung des Gottseins JHWHs aus Gen 17, die mit dem dort gewährten Bund „einen unlösbaren Zusammenhang“ 84 bildet, auf Jakob übertragen, allerdings nicht in Gestalt einer Gottesrede (wie sonst üblich bei der ersten Version der Bundesformel), sondern als Bitte/Wunsch Jakobs formuliert. V. 21b bildete dann mit V. 20b eine Klammer um die Protasis, indem es „den ersten Teil der Bundesformel zum Wunsch erhebt“ 85. So wird auf eigenwillige Weise in V. 21b nachgetragen, was Jakob trotz der umfangreichen Verheißungsrede gegenüber den Erzvätern noch fehlt: Die Bundesbeziehung. 86 Die Apodosis beginnt demnach erst in V. 22 und gibt mit den beiden Elementen „Haus Gottes“ und Zehnt 87 eindeutig einen Tempelbezug zu erkennen. Im Hinblick auf V. 20–22 hat man zu Recht auf die Bezüge zu V. 15 aufmerksam gemacht. 88 V. 15a
V. 20f
„Und siehe, ich (bin) mit ( )עםdir und ich werde dich behüten (... )שמר ב überall, wohin du gehst und dich in dieses Land zurückbringen ()שוב.“
„Wenn Gott mit ( )עםmir sein wird und mich behüten (... )שמר בwird auf diesem Weg, den ich gehe ... und ich zurückkehren werde ( )שובin Frieden zum Haus meines Vaters ...“
82
Rendtorff, „Bundesformel“, 19. Blum, Komposition, 90. Vgl. auch Levin, Jahwist, 219: „Der Stammvater des Gottesvolkes verpflichtet sich zur (alleinigen) Verehrung Jahwes.“ 84 Rendtorff, „Bundesformel“, 27. 85 Seebass, Genesis II, 320. 86 Auffälligerweise fehlt gerade dieses wichtige Element der Abrahamsverheißung auch in den priesterschriftlichen Verheißungsreden an Jakob in Gen 28,3 f und 35,9–15, die das Thema „Bund“ allerdings prinzipiell ausklammern (vgl. Nihan, Torah, 64, Anm. 236). 87 Otto, Jakob, 170, Anm. 19, hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der Anredewechsel von der 3. Pers. in die 2. Pers. in V. 22b kein hinreichendes Argument für eine weitere literarische Ebene ist, da andere Gelübde diesen Wechsel als ein mögliches Stilmittel bezeugen (vgl. z. B. 1 Sam 1,11). 88 Vgl. z.B. Fokkelman, Narrative Art, 76, und zu der folgenden Tabelle und ihrer Auswertung Rose, Genèse 28,10–22, 83f. 83
3.3 Literarische Analyse
61
Die zentralen Verheißungen aus V. 15a (Mitsein Gottes, Bewahrung und Rückkehr) werden in V. 20f in eben dieser Abfolge und mit den entscheidenden Vokabeln wieder aufgegriffen, aber dabei zugleich konkretisiert: Das Mitsein Gottes wird in V. 15 – immer gültig – mit einem Nominalsatz, in V. 20 dagegen mit einem nachzeitig zu deutenden Verbalsatz (x-yiqtol) ausgesagt. 89 Auch Bewahrung ( בכל אשר־תלךvs. )בדרך הזהund Rückkehr ( אל־האדמה הזאתvs. )אל־בית אביwerden konkreter gefasst. Da die Bezüge von V. 20–22 zur Verheißungsrede einzig zu V. 15a bestehen (dem Versteil, der zum Grundbestand der Erzählung gehört haben dürfte, s. o.), wohingegen Bezüge zu den weiterreichenden und für sekundär erklärten Verheißungsgütern in V. 13f.15b fehlen, könnte das Gelübde in der Tat – wie V. 15a – Bestandteil der Grundschicht gewesen sein. 90 Doch gegen diese Annahme spricht die Auswertung der Querbezüge zwischen dem Gelübde und V. 11 und 17–19a, die u.a. Fokkelman für V. 22 anhand der Klimax „Stein“ → „Mazzebe“ → „Gotteshaus“ pointiert herausgearbeitet hat: „In this one sentence we see the stone grow form ʾeben to massebe, one more, and now also from Massebe to temple.“ 91
V. 11
Jakobs Präparation Und er nahm (einen) von den Steinen des Ortes und legte (ihn) an sein Kopfende ...
V. 18
Jakobs Reaktion 18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er an sein Kopfende gelegt hatte, und stellte ihn auf als Mazzebe und goss Öl auf ihren „Kopf “.
V. 22
Jakobs Gelübde ... dann soll dieser Stein, den ich als Mazzebe aufgestellt habe, ein Haus Gottes werden.
Bei näherem Hinsehen liegt hier allerdings weniger ein logischer Progress als vielmehr eine erhebliche Spannung zu V. 17–19a vor, die einen entstehungsgeschichtlichen Bruch wahrscheinlich macht. Ein Vergleich der V. 17–19a mit V. 22a macht das deutlich:
89 Jedoch sollte dieses Argument nicht überbewertet werden, da der Gebrauch der Impf.-Form nicht zuletzt der Prägung durch die Gattung „Gelübde“ geschuldet ist. 90 So etwa Blum, Jakobs Traum, 27. 91 Fokkelman, Narrative Art, 79.
62
3 JHWH auf der Himmelstreppe
ַו ִיּיָר֙א ַויּ ֹאַ֔מר ַמה־ ֹנּו ָ֖רא ַהָמֹּ֣קום ַה ֶ֑זּה ֵ֣אין ֶ֗זה ִ֚כּי ִאם־ֵ֣בּית ֱא ִ֔הים ְו ֶ֖זה ַ֥שַׁﬠר ַהָשּׁ ָ ֽמ ִים׃ ַוַיְּשֵׁ֨כּם ַיֲﬠֹ֜קב ַבֹּ֗בֶּקר ַו ִיּ ַ֤קּח ֶאת־ָהֶ֨אֶב ֙ן ֲאֶשׁר־ָ֣שׂם ְמ ַֽרֲאֹשָׁ֔תיו ַו ָ֥יֶּשׂם ֹאָ֖תהּ ַמֵצָּ֑בה ַו ִיֹּ֥צק ֶ֖שֶׁמן ַﬠל־ר ֹא ָ ֽשׁהּ׃ ַו ִיְּק ָ֛רא ֶאת־ ֵ ֽשׁם־ַהָמֹּ֥קום ַה֖הוּא ֵ ֽבּית־ֵ֑אל ְוָהֶ֣אֶבן ַה ֗זּ ֹאת ֲאֶשׁר־ַ֨שְׂמִתּ ֙י ַמֵצָּ֔בה ִיְה ֶ֖יה ֵ֣בּית ֱא ִ֑הים
wayyiqtol wayyiqtol NS
(17)
NS wayyiqtol-x wayyiqtol-x x-qatal-x wayyiqtol-x wayyiqtol-x –
Und er fürchtete sich und sagte: Wie furchtbar [wörtl.: zu fürchten] (ist) dieser Ort! Dies/hier (ist) nichts anderes als ein Haus Gottes, und dies/hier (ist) das Tor des Himmels. (18) Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er an sein Kopfende gelegt hatte, und stellte ihn auf als Mazzebe und goss Öl auf seine Spitze. (19) Und er gab diesem Ort den Namen Bet-El.
[w-x-yiqtol-x] x-qatal-x w-x-yiqtol-x
(22) dann soll dieser Stein, den ich als Mazzebe aufgestellt habe, ein Haus Gottes werden;
NS
Die erste Spannung betrifft die Zeit: V. 17b ist ein Nominalsatz, der Gleichzeitigkeit und Dauer anzeigt („Dies/hier [ist] nichts anderes als ein Haus Gottes“); V. 22a dagegen bietet eine w-x-yiqtol-Formation. Die schon grammatisch angezeigte Nachzeitigkeit wird durch die Gattung des Gelübdes auch inhaltlich bestätigt: Der Stein soll erst dann (in Zukunft) ein Haus Gottes werden, wenn die Bedingungen des Gelübdes erfüllt sind. Wie das Mitsein Gottes, das in V. 15a mit einem Nominalsatz formuliert war, in V. 20 (x-yiqtol) an Allgemeingültigkeit eingebüßt hat und auf Jakobs konkrete Reise bezogen wird, so wird in V. 22 der „Ort“ stärker in die Biographie Jakobs integriert, dessen zeitlich entgrenzte kosmologische Bedeutung (angezeigt im Traumbild durch Partizipial- und in der Traumdeutung durch Nominalsätze) an ein künftig einzulösendes Versprechen Jakobs gebunden (x-yiqtol-Formation) und damit ganz erheblich abgeschwächt wird. Die zweite Spannung ist noch evidenter: V. 17 (und 19a) wird der Ort als „Haus Gottes“ identifiziert, in V. 22a der als Mazzebe aufgestellte Stein. 92 Die Modifikationen gegenüber V. 17–19a legen die neue Stoßrichtung der Fortschreibung offen; denn die Funktionsänderung des Steins hebelt ganz offensichtlich die Etymologie von V. 19a aus. Gleichzeitig ändert sich der Fokus vom „Ort“, der in 11– 19a* die kosmologische Bedeutung als „Haus Gottes“ hat, hin zu einem künftigen Heiligtum/Altar (vgl. auch die Zehnt-Thematik V. 22b). Die Mazzebe aus V. 17f
92
Vgl. auch Westermann, BK I/2, 558f.
3.3 Literarische Analyse
63
erscheint hier als eine Art Provisorium, das später zu einem (in vormosaischer Zeit noch legitimen?) Heiligtum (mit Zehntabgabe, womit möglicherweise Interessen der wohl priesterlichen Redaktoren greifbar werden) umgewandelt werden soll. 93 Die Fortschreibung von V. 20–22 dürfte insgesamt die Absicht verfolgen, die Weltenachse vom Ort Bet-El abzurücken. Sie bezeugt damit eine Tendenz, die in der Wirkungsgeschichte der Erzählung, angefangen bei ihrem priesterschriftlichen Seitenstück in Gen 35,11–15, immer wieder zutage tritt. 94 V. 22 als Nachinterpretation von V. 17–19a wirft auch ein neues Licht auf das Verhältnis des Gelübdes zu V. 15a. Da die Verheißungsgüter in V. 13f – wie gesagt – im Gelübde keine Rolle spielen, sah es hier zunächst so aus, als könnte V. 15a als (jüngere) Verallgemeinerung der konkreten Aussagen von V. 20f begriffen werden. Doch könnte folgende Beobachtung dafür sprechen, dass V. 20f nicht nur V. 15a, sondern schon die Gottesrede insgesamt kennen. Gemeint ist die Beobachtung, dass die symmetrische Struktur von Verheißungsrede und Gelübdewunsch (s. o.) eine theologische Rahmung aufweist, in der es um die Beziehung JHWHs zu Abraham, Isaak und Jakob geht. 95
A a b c
Verheißung JHWHs (V. 13–15*) JHWH ist der Gott (elohim) Abrahams und der Gott (elohim) Isaaks Mitsein Gottes Bewahrung Rückkehr
a0 b0 c0 A0
Wunsch Jakobs (V. 20–21) Mitsein Gottes Bewahrung Rückkehr JHWH ist der Gott (elohim) Jakobs
Die Aufnahme der Selbstvorstellung Gottes (in V. 13a) in Gestalt der halben Bundesformel (in V. 21b), mit der Jakob das Gottesverhältnis der Väter Abraham und Isaak auch für sich selbst reklamiert, legt nahe, dass V. 20f als Neuformulierung der Verheißungsrede in der vorliegenden Gestalt V. 13–15 zu sehen ist. Die Form des Gelübdes, das sich noch in der Jakobgeschichte erfüllen soll, bringt es mit
93 „Er [sc. Jakob] bestimmt durch das Mal vorläufig die Stelle, wo später das Haus errichtet werden soll.“ (Wellhausen, Composition, 31). Zu Mazzeben als Bestandteil von Heiligtümern vgl. Schmitt, Mazzebe, 5, der u.a. aufgrund des Befundes in Arad vermutet, „dass die Steine die Funktion eines Gottesbildes hatten“. 94 S. u. S. 225 mit Anm. 217. 95 Diese Beobachtung verdanke ich der Heidelberger Proseminararbeit von Frau Soonbeom Lee; vgl. auch Rose, Genèse 28,10–22, 83f.
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3 JHWH auf der Himmelstreppe
sich, dass diejenigen Verheißungselemente, die über Jakobs Lebenskreis hinausgehen, in V. 20f ausgeklammert werden; mit anderen Worten: die Verheißungen aus V. 13f würden bei einem individuellen Gelübde keinen Sinn ergeben. Eine späte Datierung des Gelübdes legt sich noch von anderer Seite nahe. Während V. 15a sehr allgemein von Jakobs Rückkehr „in dieses Land“ (אל־האדמה )הזאתspricht, erfordert V. 20–22 sehr konkret seine Rückkehr nach Bet-El, um das Gelübde einzulösen und aus der Mazzebe ein Gotteshaus zu machen. Von einer Rückkehr Jakobs nach Bet-El berichtet aber erst das priesterliche Seitenstück Gen 35,6*.9–15 96 sowie das spät-dtr Stück 35,1–7* 97. 98 Alles in allem handelt es sich also bei dem Gelübde V. 20–22 um einen späteren Nachtrag, der aufgrund der Umformulierung der (priesterlichen) Bundesformel am ehesten in nachexilischer Zeit zu datieren ist. Dafür könnte auch die ZehntThematik (V. 22b) sprechen, die in späten Texten virulent ist (vgl. Gen 14,20; Mal 3,10; Tob u.ö.). 99 Wie schon der Zusatz Gen 28,19b, scheint somit auch die Fortschreibung in Gen 28,20–22 die Verbindung mit der priesterschriftlichen Erzelterngeschichte schon vorauszusetzen und – neben der genannten Intention – eine harmonisierende Tendenz zu haben, indem hier begründet wird, warum Jakob in Gen 35 noch einmal nach Bet-El kommt und dort noch einmal kultisch tätig wird. Hätte das Gelübde tatsächlich schon die Priesterschrift im Rücken, dann fände der – für die am sog. Gottesnamenkriterium geschulte Leserschaft – auffällige Gebrauch von אלהיםin V. 20 eine mögliche Erklärung: In der Nach-P-Ära war es kein Problem, אלהיםwie einen Eigennamen 100 promiscue zum Eigennamen JHWH zu gebrauchen (vgl. nur Gen 35,9); V. 21b ( )והיה יהוה לי לאלהיםdagegen ist, wie oben gezeigt, geprägte Formelsprache.
3.3.3 Gen 28* ein kontextunabhängiger Hieros logos? Der Grundbestand in Gen 28,10*.11f.13aα*.15a*.16–19a – auf der Ebene eines noch selbständigen Jakobzyklus – ist der Gattung nach eine Traumerzählung. 101 Während der – in einer möglichen Vorlage bzw. Vorgabe noch dominierende – 96
Vgl. zur priesterschriftlichen Doppelüberlieferung von Gen 28,10–22 in Gen 35 unten S. 220ff. Vgl. dazu Blum, Komposition, 35–45; ders., Knoten, 201f, sowie Becker, Jakob, 169–176. Liegt in der in Gen 35,1–7* berichteten Abrenuntiation in der Nähe von Sichem möglicherweise schon ein Reflex auf eine Distanzierung gegenüber der Gemeinde auf dem Garizim vor (vgl. auch Becker, Jakob, 171, sowie Jericke, Bet-El, 183–190)? Entsprechend spät wäre der Text zu datieren. 98 Zum Zusammenhang zwischen dem Gelübde und Gen 35 (vor allem V. 3b) vgl. Richter, Gelübde, 48. 99 Sollte hier nicht aufgrund des Wechsels in der Anrede Gottes ein noch späterer Zusatz vorliegen. Vgl. aber dagegen Otto, Bethel, 170, Anm. 19; vgl. zur Zehntthematik auch Levin, Jahwist, 220: „Es ist, als gäbe der Stammvater ein Beispiel, die Mahnung Mal 3,10 zu befolgen.“ 100 Vgl. dazu De Pury, Gottesname. 101 Vgl. auch Köhlmoos, Bet-El, 237. 97
3.3 Literarische Analyse
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ätiologische Fokus (der Ortsname Bet-El: V. 19a) durch Gefährdung (Flucht: 27,41–45; 28,10f) und Verheißung (28,15a) des Ahnvaters in den Hintergrund getreten ist, ist die Erzählung in all ihren Szenen ganz auf den Traum bezogen: V. 11 dient der Präparation der Übernachtung (als Voraussetzung für das Träumen); V. 12–15* beinhalten den Traum, bestehend aus drei Traumszenen und einer Traumrede; V. 16–19a beschreiben Jakobs Reaktionen auf den Traum. Lanckau hat Gen 28,10ff näherhin als extrarelationalen Redetraum, der bildhaft und indikativisch sei, klassifiziert. 102 Wie üblich in Traumerzählungen, wird das Traumbild mit der deiktischen Partikel הנהin der Funktion eines „Aufmerksamkeitserregers“ 103 eingeleitet (vgl. Gen 31,10). Gebräuchlich ist in Traumerzählungen auch die Redeeinleitung mit der Partikel ( הנהvgl. Gen 20,3; 1 Sam 3,11) sowie eine göttliche Selbstidentifikation (vgl. Gen 15,7; 26,24; 31,13; 46,3). 104 „Eine Traumerzählung vom Typ extrarelationaler Redetraum bietet [...] eine Möglichkeit, eine göttliche Intervention oder einen Dialog zwischen Gott und Mensch literarisch einzukleiden.“ 105 Die Intention der Traumerzählung Gen 28,10–22* dürfte daher am ehesten in der Traumrede zum Vorschein kommen: 106 JHWH, der Gott Abrahams und Isaaks, bestätigt seine Verheißungen gegenüber Jakob(/Israel). Aber schon in der Grundschicht kommt der Traumrede die wichtige Rolle zu, Jakob/ Israel JHWHs Mitsein und Schutz zuzusprechen (V. 15*). Billigt man sowohl den Resultaten der Textanalyse (Leitworte und palindromische Strukturen) als auch der gattungskritischen Einsicht in die Schlüsselrolle der Traumrede (V. 15a) ihr Recht zu, so gibt schon die literarkritisch nicht weiter hintergehbare Erzählung „gewissermaßen zwei Gesichter“ 107 zu erkennen: Einmal steht der „Ort“ Bet-El im Fokus (V. 11–13a*.16–19a), einmal der geflohene Jakob (V. 10f.15a); einmal wird die Gegenwart Gottes „am Ort“ behauptet (V. 16f), einmal seine Begleitung auf Jakobs Reise (V. 15a); einmal legitimiert das Traumbild den „Ort“ Bet-El, einmal legitimiert der verheißende Gott (JHWH) in der Traumrede Jakobs Weg bzw. Jakob als Ahnherrn Israels (V. 16–19a reagieren nicht auf die Mitsein-Verheißung V. 15a!). Kurzum: „Gen 28* entfaltet zwei theologische Schwerpunkte: JHWHs Anwesenheit in Bet-El und JHWHs Rolle für die Geschichte Jakobs.“ 108
102 Vgl. Lanckau, Träume, 86; zu den textanalytischen Grundbegriffen sowie einer Klassifizierung der alttestamentlichen Traumerzählungen vgl. a.a.O., 49–53. 103 Vetter, THAT I, 505. 104 Vgl. zu den einzelnen Elementen und den Belegen die Tabelle bei Lanckau, Träume, 100f. 105 Lanckau, Träume, 102. 106 Vgl. Lanckau, Träume, 102. „In der Traumrede bzw. dem Traumdialog finden die Autoren und Bearbeiter den literarischen Ort, theologische Lehren oder Reflexionen auszudrücken.“ 107 Westermann, BK I /2, 551. 108 Köhlmoos, Bet-El, 238; vgl. auch ebd.: „Tatsächlich steht der kosmologisch akzentuierte Trauminhalt V. 12 mit seiner überzeitlichen Komponente, der in V. 17 wieder aufgegriffen wird, eher neben der geschichtlich orientierten Verheißung.“
66
3 JHWH auf der Himmelstreppe
Dieser basale Konflikt wurde in der Regel überlieferungsgeschichtlich gelöst, indem in Gen 28* eine (entweder als vorisraelitisch oder als israelitisch zu charakterisierende) selbstständige ätiologische Einzelsage, ein Hieros logos, zu Tage gefördert wurde. Dafür spricht vor allem die Rolle, die der „Ort“ ( )המקוםim Erzählgefälle spielt: Er wird in V. 11 determiniert eingeführt; sechs weitere Male wird auf den Ort anaphorisch verwiesen (dazu dient einmal die Form [ שםV. 11a], zweimal das Personalpronomen [ הואV. 11b und V. 19a] und – im Munde Jakobs – zweimal das Demonstrativpronomen [ הזהV. 16 und V. 17]), bis er in V. 19a seinen Namen Bet-El bekommt. Doch die überlieferungsgeschichtliche Rückfrage ist nicht unproblematisch: Erstens fehlen insbesondere in V. 11 und V. 13a* sichere Anhaltspunkte, eine literarische Vorstufe zu rekonstruieren, die den Kontext der Jakoberzählung noch nicht voraussetzt. V. 11 ist, wie gezeigt, nicht von V. 10 zu lösen. Der Vers spielt zudem möglicherweise schon auf die Flucht an, wenn man bedenkt, dass Jakob an einem zufällig angetroffenen Ort vom Sonnenuntergang überrascht wird, also seine Reise anscheinend nicht sehr sorgfältig planen konnte (vgl. demgegenüber Gen 19,1–3; 24,23–25; Ri 19,11–21). Mit Blick auf V. 13a stellt sich die Frage, welche Funktion ein stummes Stehen JHWHs hätte haben sollen. Der mutmaßlich älteste Bestand der Gottesrede, V. 15a, setzt aber wiederum den Kontext des Jakobzyklus (Flucht und Rückkehr) voraus. Auch V. 16 reagiert wenigstens auf eine Selbstvorstellung JHWHs. Denn wie anders hätte Jakob JHWH nach dem Traum identifizieren können (V. 16). Zweitens sprechen grundsätzliche Bedenken gegen die Möglichkeit, eine vom Kontext losgelöste Einzelsage zu rekonstruieren, die Blum folgendermaßen formuliert hat: „Wie soll man sich die Überlieferung/Rezeption einer einzelnen ätiologischen Sage vorstellen? Im Falle einer mündlichen Überlieferung gehen die Chancen, in irgendeiner Form auf den Wortlaut oder die spezifische Erzählstruktur der rezipierten Sage rekurrieren zu können, gegen Null. Selbst bei einer schriftlichen Überlieferung (wie ist diese aber bei einer kurzen Einzelerzählung konkret zu denken?) wäre eine transformierende Neuerzählung im Blick auf die Großerzählung nicht weniger wahrscheinlich als eine den Wortlaut konservierende Fortschreibung, eher im Gegenteil.“ 109
Drittens sprechen sich neuere Untersuchungen zu den sogenannten ätiologischen Elementen in alttestamentlichen Erzählungen dafür aus, in diesen in den meisten Fällen nurmehr eine rhetorische Funktion zu sehen. 110 Das liegt auch für Gen 28* nahe, wo mehrere ätiologische Elemente nebeneinanderstehen (Ort; Stein) und diese nicht völlig mit dem Plot der Traumerzählung (Jakobs Flucht und verhei109 Blum, Jakobs Traum, 26f. Vgl. zum Problem der mündlichen Überlieferung auch grundsätzlich Wahl, Jakobserzählungen, 7–214. 110 Vgl. Van Dyk, Function. Damit wandelt sich das Ziel der Erzählung: „According to this study the phenomenon legitimises the narrative ...“ (A.a.O., 27). Vgl. auch schon Blum, Komposition, 33.
3.3 Literarische Analyse
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ßene Rückkehr) übereingehen. 111 Für Gen 28* heißt das: Nicht (in erster Linie) Jakob legitimiert den Ort Bet-El, sondern (vor allem) umgekehrt, der den Leserinnen und Lesern bekannte Ort legitimiert Jakob und seine verwickelte Geschichte, die zugleich die Ursprungsgeschichte Israels ist. Die Namensgebung in V. 19a dürfte somit – wie die Stilisierung als Traum – eher einen literarischen Topos als das eigentliche Erzählziel darstellen. Im Jakobzyklus sind in dieser Hinsicht andere Gottesbegegnungen zu vergleichen, wo ebenfalls vordergründig ein Ortsname erklärt wird, tatsächlich aber die Jakobgeschichte im Fokus steht (vgl. z.B. Gen 32,3: Mahanajim; 32,31: Pnuel 112). Schließlich fehlen für das Postulat einer ätiologischen Kultgründungssage – vor dem Hintergrund der gewandelten Forschungslage – geeignete Vergleichstexte im Alten Testament, da für sie in der Regel dieselben Bedenken gelten, die unter den Punkten eins bis drei formuliert worden sind. Das erste der vier Argumente könnte man noch umgehen, indem man die JHWH-Epiphanie (und V. 16) herauslöst. Dann wären ursprünglich nur die Gottesboten Bestandteil des Traumbildes, die – vgl. Gen 32,2f – nicht unbedingt reden brauchen. Damit wäre man wieder näher am alten Quellenmodell – nur eben auf überlieferungsgeschichtlichem Umweg. Aber auch dann blieben V. 11 und die Fluchtthematik, die man nur schwer ausmerzen kann, ein Problem für eine Rekonstruktion. Alles in allem scheint sich somit der Grundbestand von Gen 28 zwar der Aufnahme einer Tradition zu verdanken; diese ist jedoch überlieferungsgeschichtlich nicht mehr rekonstruierbar. Deshalb legt sich eine traditionsgeschichtliche Rückfrage nahe: Nicht eine Ortssage, sondern eine Orts- oder Tempeltradition steht im Hintergrund. 113
3.3.4 Fazit Die Grundschicht von Gen 28 besteht demnach aus V. 10–13a*.15a.16–19a und ist literarhistorisch auf der Ebene des noch selbständigen Jakobzyklus entstanden, vermutlich im ausgehenden 8. oder beginnenden 7. Jh. v. Chr. Möglicherweise lag der Traumerzählung eine Orts- bzw. Tempeltradition zugrunde. 114 Diese war 111
Vgl. Van Dyk, Function, 26f. Vgl. auch Köhlmoos, Bet-El, 235f, nach der die Ätiologie nicht mehr als ein „pragmatischer Rahmen“ ist. 112 Vgl. Köckert, Jakobs Gegner, 176. 113 Vgl. allerdings zu den Problemen, rezipierte Traditionen zu rekonstruieren, die zwischen Redaktions- und Traditionsgeschichte anzusiedeln sind, Blum, Notwendigkeit, 25. 114 S. im Folgenden – Die These einer vorgegebenen Ortstradition gewinnt an Plausibilität vor dem Hintergrund einer vergleichbaren Konzeption in der fünften Vision des Amosbuchs Am 9,1–4* (vgl. dazu Hartenstein, Wolkendunkel, 152–160, der jedoch hinter Gen 28* eine Kultgründungssage vermutet). Der dort bezeugten vertikalen Achse zwischen Unterwelt und Himmel bzw. Karmelgipfel und Meeresgrund mit dem Eingangsbereich des Heiligtums (von Bet-El) als irdischen Haftpunkt entspricht in Gen 28* die Himmel und Erde (= Unterwelt, s. u.) verbindende „Treppe“, die im „Ort“ = Bet-El als „Haus Gottes“ und „Tor des Himmels“ ihren irdischen Haftpunkt hat.
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in jedem Fall mit dem Ort Bet-El fest verbunden; ob sie dagegen schon mit Jakob verbunden war, ist unsicher, da Jakob, sobald er in Erscheinung tritt (V. 11), schon mit der Fluchtthematik des Jakobzyklus verbunden ist. Auch die Gottesrede in V. 15a setzt den Zusammenhang des Jakobzyklus bereits voraus, weshalb eine mögliche Vorgabe bzw. Vorlage noch nicht als Traum stilisiert gewesen wäre. In jedem Fall liegt der Fokus bereits in der Grundschicht auf dem Ort und auf Jakob. Da die Grundschicht für den Kontext des Jakobzyklus geschaffen worden ist (in den man die Erzählung mit Hilfe der Vorwegnahme von 29,1 in 28,10 eingefügt hat), erübrigt sich die Suche nach einem institutionellen „Sitz im Leben“. 115 Dessen ungeachtet könnte sowohl die mutmaßliche Tempeltradition als auch die Überlieferung und Bearbeitung des Jakobzyklus am Heiligtum in Bet-El beheimatet gewesen sein. Die vor allem in V. 15* zum Ausdruck kommende Textpragmatik der Traumerzählung könnte auf eine Entstehung nach der assyrischen Eroberung des Nordreichs 722 v. Chr. schließen lassen. Denn die Bet-El zugeschriebene kosmologische Bedeutung, die – wie sich zeigen wird – der von Babylon und anderen mesopotamischen religiösen Zentren gleichkommt und in der Gegenwart JHWHs am „Ort“ und zugleich im Himmel ihren Höhepunkt hat, legitimiert nicht nur den Ort Bet-El als traditionellen Kultort des Nordreichs, sondern legitimiert im Kontext des Jakobzyklus in erster Linie die Person Jakobs, die für Israel steht (vgl. Gen 32*). Mit der Zusage der Behütung auf allen Wegen und der Rückkehr in „dieses Land“ (V. 15*) können alle deportierten bzw. (nach Juda) geflohenen Israeliten Hoffnung schöpfen. Der Jakobzyklus wäre dann als Ursprungs- und Hoffnungsgeschichte für das in seiner Identität tief bedrohte Nordreich Israel bzw. die im judäischen Grenzgebiet in Bet-El übriggebliebenen Nordreichsbewohner zu verstehen. Die Verknüpfung des Jakobzyklus mit anderen Überlieferungen über die Erzväter (Abraham und Isaak) ist sodann (in exilischer Zeit und jetzt wohl auf genuin judäischem Gebiet) über die Einfügung der Verheißungsrede V. 13f erfolgt. Noch einmal verschiebt sich der Fokus der Erzählung von dem Ort und seiner kosmologischen Bedeutung hin zu Jakob als Träger der Väterverheißungen (vgl. aber schon V. 15a). V. 15b dürfte ein Zusatz dtr Provenienz sein. Schließlich scheinen in Folge der Zusammenstellung von nicht-priesterschriftlicher und priesterschriftlicher Erzelternerzählung in nachexilischer Zeit die V. 19b–22 angefügt worden zu sein. Damit wird die kosmologische Dominanz von Bet-El noch einmal ganz erheblich abgemildert – eine Tendenz, die sich in der Wirkungsgeschichte des Textes weiter fortsetzt.
115 Mit Utzschneider/Nitsche, Arbeitsbuch, 118–125, könnte man somit von einer Gattung der literarischen Kommunikation und einem Sitz im Leben „Literatur“ sprechen.
3.4 Traditionsgeschichtliche Analyse
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3.4 Traditionsgeschichtliche Analyse Die traditionsgeschichtlichen Wurzeln von Gen 28* werden in der Forschung seit langem in der mesopotamischen Tempeltheologie vermutet. Auf den entscheidenden Pfad führte dabei das Hapaxlegomenon סלםin V. 12, welches eine bemerkenswerte Nähe zu dem akkadischen Wort simmiltu „Treppe, Stiege“ zu erkennen gibt. Dieses Wort begegnet einerseits im Kontext der babylonischen Tempeltheologie, wo es die Treppe des Stufentempels bezeichnen kann, und andererseits im Mythos Nergal und Ereškigal, wo es als Verbindungstreppe zwischen den kosmischen Bereichen Himmel und Unterwelt eine wichtige und mit Gen 28* vergleichbare Rolle spielt. 116 Hurowitz hat diesen Zusammenhang in jüngerer Zeit in einem Aufsatz bekräftigt, indem er auf zwei weitere babylonische Vergleichstexte aufmerksam gemacht hat, einen Abschnitt aus Enūma eliš sowie eine Inschrift Nabopolassars. 117 Das neue Vergleichsmaterial macht zugleich deutlich, dass in Gen 28* nicht unbedingt ein bestimmter Text rezipiert worden ist, sondern dass weltbildhafte Vorstellungen aus dem Zusammenhang der mesopotamischen Tempeltheologie, die in unterschiedlichen (babylonischen bzw. assyrischen) Textsorten belegt sind, Eingang in die biblische Tradition gefunden haben. 118 Für die Frage nach der Herkunft der in Gen 28* bezeugten Tradition ist zunächst ein Blick auf die zentralen Begriffe und Wendungen aufschlussreich. Denn hierbei handelt es sich meist um im Alten Testament seltene bzw. einmalige Worte und Wortverbindungen.
3.4.1 „Himmelstreppe“ Das Wort סלםin V. 12 ist ein Hapaxlegomenon. Eine Ableitung von hebr. „ סללhochheben, aufhäufen“ ist unsicher. 119 Meist wird ein Zusammenhang mit akk. simmiltu angenommen. Allerdings wurde Landsbergers These, סלםsei ein akk. Lehnwort, entstanden durch Metathese des zweiten und dritten Konsonanten 120, in jüngerer Zeit in Zweifel gezogen. 121 Eine Verbindung bleibt dennoch wahrscheinlich, 122 zumal die Begriffe in gleicher Weise gebraucht werden, wie ein seit langem bekannter Vergleichstext zeigt. 123 Es handelt sich um den My-
116
Vgl. die entsprechenden Belege in CAD S, 274. Vgl. Hurowitz, Babylon. Anders Hurowitz, Babylon, 444f, der einen spezifisch babylonischen Einfluss postuliert. 119 Vgl. Fabry, ThWAT V, 868. 120 Vgl. Landsberger, Archiv, 230f. 121 Vgl. dazu ausführlich Mankowski, Loanwords, 114–118. 122 Vgl. auch Hurowitz, Babylon, 437, Anm. 4. 123 Vgl. u.a. Millard, Celestial Ladder; Blum, Komposition, 11f, Anm. 13; Hutter, Vorstellungen, 159; Levin, Jahwist, 218; Otto, ThWAT VIII, 373; Lanckau, Träume, 89f; Hartenstein, Wolkendunkel, 157; kritisch sehen den Zusammenhang dagegen Houtman, Jacob, und Uehlinger, Weltreich, 233f. 117 118
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thos Nergal und Ereškigal, in dem erklärt wird, wie der Himmelsgott Nergal zu einem Unterweltsgott wurde. Das Werk ist über einen Zeitraum von ca. 1400 bis 400 v. Chr. an drei verschiedenen Orten bezeugt. Neben einem spätbabylonischen Fragment aus Uruk sind zwei abweichende Versionen in den mesopotamischen Randgebieten Amarna (Ägypten) und Sultantepe (Türkei) gefunden worden, welche die weite Verbreitung des Mythos und der darin enthaltenen Weltbildvorstellungen vor Augen führen. 124 Die am besten erhaltene neuassyrische Version aus Sultantepe kann mit Hilfe anderer Schriftfunde zwischen 718 und 619 v. Chr. datiert werden und entstammt vermutlich einer Schreiberschule, wo der Mythos als Übungstext entstanden sein dürfte. 125 Im Hinblick auf Gen 28* sind vor allem die folgenden beiden Passagen interessant: 126 „Namtar stieg die langen Stufen (simmiltu) zum Himmel hinauf (êlu). Als er das Tor (bābu) von Anu, Enlil und Ea erreichte, sahen ihn Anu, Enlil und Ea: ‚Warum kommst du, Namtar?‘ ...“ (Kol. V 42ff) „Hinab stieg Ner]gal die langen Stufen (simmiltu) [des Him]mels (arādu), (rief), als er das Tor der Ereschkigal erreichte: ‚Pförtner, öff[ne mir] das Tor!‘“ (Kol. VI 18 ff)
Ähnlich wie in Gen 28* ist von einer simmiltu genannten Treppe die Rede, auf der Götterboten (Kakka und Namtar), aber auch ein Gott (Nergal) hinauf- und hinabsteigen (êlu und arādu), allerdings vom Himmel in die Unterwelt und umgekehrt. Der simmiltu grenzt in beiden kosmischen Bereichen jeweils an ein Tor (bābu). Ein irdischer Haftpunkt der Verbindung von Himmel und Unterwelt wird allerdings nicht erwähnt; und auch über die nähere Beschaffenheit der Treppe schweigt der Text sich aus. Hier ist ein weiterer Beleg aus einem altbabylonischen Gebet an den Sonnengott aussagekräftiger: 127 „Shamash, you opened the bolt of the doors of heaven. You ascended the stairway of pure lapis.“
Horowitz beschreibt den Gebetstext und zieht Rückschlüsse für den Mythos: „In the Old Babylonian prayer, it is probable that the simmeltu of pure lapis was a staircase that was paved with blue lapis-colored bricks rather than a lapis lazuli ladder. Thus the simmelat šamāmī in Nergal and Ereškigal is probably also a staircase.“ 128
124
Vgl. Hutter, Vorstellungen, 55–64. Vgl. Hutter, Vorstellungen, 18f. 126 Übers.: TUAT III, 778 und 779 (Müller). 127 Übers.: Horowitz, Cosmic Geography, 66. 128 Horowitz, Cosmic Geography, 66. 125
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Im Hinblick auf Gen 28* ist schließlich auf den Namen des Tempelturms des Sonnengottes in Sippar aufmerksam zu machen: é-kun4-an-kù-ga „Haus, Treppe des glänzenden Himmels“. 129
3.4.2 „Boten Gottes“ Bei der Wortverbindung מלאכי אלהיםist zunächst die Beleglage im Alten Testament beachtenswert: 130 ( מלאכי אלהיםplural, indeterminiert) ist außer in Gen 28,12 noch in Gen 32,2 f belegt, wobei dieser Text in Abhängigkeit von Gen 28* entstanden sein dürfte 131 und damit in die Nachgeschichte der Perikope gehört; einmal erscheint ( מלאכי האלהיםplural, determiniert) (2 Chr 36,16). Häufiger ist der Singular: מלאך האלהים132 (singular, determiniert) ist 11mal bezeugt (Gen 31,11; Ex 14,19; Ri 6,20; 13,6.9; 2 Sam 14,17.20; 19,28); singular indeterminiert dagegen nur Gen 21,17 133 und 1 Sam 29,9 (im Munde eines Philisters). Zur Funktion der Determination schreibt A. de Pury: „Gerade in diesen Fällen zeigt sich, dass die Autoren es nicht bei der Evokation einer anonymen göttlichen Einwirkung belassen wollen, sondern dass ihnen die Identität des göttlichen Schutzherrn wichtig ist.“ 134 Der Gebrauch von מלאכי אלהיםstatt מלאכי יהוהerklärt sich zunächst am einfachsten von der Struktur der Tradition her, in der schlicht und ergreifend der Ortsname Bet-El vorgegeben war, auf den in Jakobs Reaktion mit der Formulierung ( אין זה כי אם־בית אלהיםV. 17) angespielt wird, wofür wiederum die מלאכי אלהיםim Traumbild (V. 12) das entscheidende Stichwort geliefert haben. 135 Welche Funktion haben Gottesboten im Alten Testament? In der Regel wird der Gottesbote seinem Namen gerecht, indem er eine Botschaft Gottes übermittelt. Diese Funktion haben die Boten auch im Mythos Nergal und Ereškigal. Im Hinblick auf Gen 28* ist aber folgender Befund bedeutsam: Der Begriff מלאכיםkann im Alten Testament „in mythisch gefärbten Kontexten das Gefolge Gottes“ bezeichnen, „himmlische Wesen, die ihn begleiten, ihn loben und seinen Hofstaat bilden“ 136 (vgl. Ps 103,20; 148,2; Hi 4,18; vgl. Ps 91, 11f; 104,4), ohne dass eine konkrete Sendung bzw. Botschaft im Blick zu sein braucht. Auch in Gen 28,12 129
Vgl. Edzard, Names, 162. Vgl. zu den Zahlen Ficker, THAT I, 901. So mit guten Gründen Blum, Komposition, 141. 132 „Bote JHWHs“ begegnet 58mal (immer im sg.!). 133 Vgl. zu Gen 21 De Pury, Wie und wann, 132. 134 De Pury, Wie und wann, 130. 135 Vgl. schon Volz/Rudolph, Elohist, 76: „Im übrigen erklärt sich der Gebrauch von Elohim vor allem in v. 17. 22 einfach dadurch, dass hier der Name Betel erklärt werden soll.“ Demgegenüber ist das Argument von Rendtorff, Jakob, 516, im Alten Testament sei der Plural „Boten“ stets mit Elohim verbunden, angesichts von nur drei Belegen weniger überzeugend (Gen 32,2f ist nicht weiterführend, da dieser Text nicht unabhängig von Gen 28,11ff entstanden sein dürfte; 2 Chr 36,16 ist der Ausdruck determiniert und auf Menschen zu beziehen). 136 Freedman-Willoughby, ThWAT IV, 901. Vgl. auch Meier, DDD, 47, sowie die Klassifizierung bei Köckert, Divine Messengers, 53f. 130 131
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(vgl. 32,2) haben die Boten – anders als z.B. in Gen 31,11, wo der „Gottesbote“ (determiniert!) stellvertretend für Gott zu Jakob im Traum spricht – „die traditionelle Begleiter-Rolle des Hofstaats übernommen“ 137. „The heavenly beings are not ‚messengers of God‘ for nothing, even though they do not relay a message: their presence indicates the continuous encounter between YHWH in the heavens and the earth at this special place. Through them the god YHWH is present at Bethel.“ 138
Die Beobachtung, dass das Alte Testament Gottesboten bezeugt, die ihrer genuinen Botenfunktion beraubt sind, ist ein schwerwiegendes traditionsgeschichtliches Gegenargument gegen Wellhausens These von den bloß tanzenden Engeln, die seiner Meinung nach eine literarische Naht zwischen Gen 28,12 und 13 wahrscheinlich machten. 139 Gen 28,12 stellt also, kurz gesagt, eine Epiphanie mit Hofstaat dar. 140 Die „Funktionslosigkeit“ der Gottesboten wird in Gen 28* auch sprachlich betont, indem ihre Bewegung durch Partizipien zum Ausdruck gebracht wird (V. 12: )מלאכי אלהים עלים ויורדים בו. Sie haben die neue Funktion, dauerhaft („with the strength of a durative present“ 141) das Oszillieren zwischen Himmel und Erde – mit dem Ort Bet-El im Zentrum – zu markieren.
3.4.3 „Tor des Himmels“ Die Verbindung שער השמיםist im Alten Testament nur in Gen 28 belegt; es bezeichnet – in Analogie zu den Toren der Unterwelt ( שערי שאלJes 38,10; Sir 51,9; vgl. Ps 9,14; 107,18; Hi 38,17) – „das Himmelstor als Teil eines himmlischen Palastes“ 142. Eine vergleichbare Vorstellung ist in der mesopotamischen Tradition z.B. in den drei Mythen Adapa (Tor des Anu), Etana (Tor des Anu, Enlil und Ea sowie 137 Mach, Entwicklungsstadien, 53. Die Psalmen-Belege zeigen, dass der Boten-Begriff durchaus den Hofstaat bezeichnen kann, weshalb die Annahme einer Überarbeitung nicht notwendig ist (gegen Mach, ebd.). 138 Köckert, Divine Messengers, 57. 139 „Die Engel sollen doch nicht bloß tanzen, sondern die Offenbarung vermitteln – das tun sie aber in v. 13–16 eben nicht.“ (Wellhausen, Composition, 30). 140 „Jahwe erscheint mit seinen Begleitern wie in 181ff. Jes 6 Hi 1 usw., oder wie er in Gen 116f. von einer Dienerschar umgeben gedacht ist.“ (Volz/Rudolph, Elohist, 74) – Dazu fügt sich der leitwortartige Gebrauch der Wurzel נצב, die öfter im Zusammenhang mit dem himmlischen Hofstaat/ Thronrat begegnet (vgl. Sach 6,5; Ps 82,1; Hi 1,6; 2,1). Auch in Gen 11,7 wird vermutlich das Verb ירדauf den Hofstaat JHWHs angewendet, welcher dabei ganz im Hintergrund bleibt. – Die Gottesboten in Gen 28* erinnern im Übrigen an die Belege für den himmlischen Thronrat in den phönizischen Inschriften, die dort als „Hypostasierung der kleinen Götter, die nicht eigens genannt werden“ (Niehr, Gott, 75), begegnen. „Eine aktive Rolle spielt der himmlische Thronrat im Unterschied zur ugaritischen Religion in der phönizischen Religion nicht; er scheint vielmehr nur zur Sphäre des höchsten Gottes dazuzugehören, ohne daß ihm irgendeine Eigenständigkeit zukäme.“ (Ebd.). 141 So beschreibt Fokkelman, Narrative Art, 51, die Funktion der Parizipien. 142 Otto, ThWAT VIII, 373.
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das Tor des Sin, Schamasch, Adad und der Ischtar) und Nergal und Ereškigal (Tor des Anu, Enlil und Ea) anzutreffen. 143 Nach Horowitz sind in der mesopotamischen Literatur drei Möglichkeiten bezeugt, um zum Himmelstor zu gelangen: „First, it is possible to fly to the gates form the earth’s surface, like Etana and the eagle. Second, it is possible to take a road, like Adapa. Third it is possible to climb a stairway like the simmelat šamāmī ‚Stairway to heaven‘ in Nergal and Ereškigal.“ 144
Bezogen auf den Himmel sind im Alten Testament daneben „Himmelstüren“ (( )דלתי השמיםPs 78,23) sowie „Himmelsfenster“ (( )ארבת השמיםGen 7,11; 8,2; 2 Kön 7,2.19; Mal 3,10; vgl. Jes 24,18) bezeugt, die allerdings in erster Linie den meteorologischen Himmel bezeichnen, da sie Regen bzw. die Flut ermöglichen. 145 Im Hinblick auf Gen 28* sind vor allem solche Vergleichstexte von Belang, in denen „Tor des Himmels“ der Bezeichnung einer (irdischen) Tempelstadt dient (so bezeugt für Babylon und Arbela, s. im Folgenden).
3.4.4 „Haus Gottes“ Indeterminiert kommt „ בית אלהיםHaus Gottes“ im Alten Testament nur fünfmal vor: 146 Gen 28,17.22; Ri 17,5; Ps 42,5 (elohistischer Psalter!); 2 Chr 34,9 (Fehlschreibung?). 147 Der Jerusalemer Tempel wird stets determiniert bezeichnet: בית האלהים. Bei dem Beleg in Gen 28,17 ist auffällig und im Alten Testament singulär, dass nicht ein Tempel, sondern ein Ort als Gotteshaus bezeichnet wird. Hier besteht eine große Nähe zum Enūma eliš (s. u.). Die hier kurz vorgestellten zentralen Begriffe und Wendungen haben Parallelen in der mesopotamische Tempeltheologie, die im Enūma eliš grundgelegt ist und sich über die Jahrhunderte (bis hin zu Alexander dem Großen) durchgehalten hat: Die Hauptstadt gilt in den Quellen als Weltenachse, Urhügel, Mitte und Nabel der Welt sowie Himmel auf Erden. 148 Die theologische und kosmologische Bedeutung der mesopotamischen Tempelstadt als Weltenachse soll an dieser Stelle anhand von Enūma eliš und anderen Texten vorgestellt werden.
143
Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 266. Horowitz, Cosmic Geography, 267. Und er fügt hinzu: „The sun may use a similar stairway in an Old Babylonian prayer where Shamash opens the dalāt šamȇ ‚doors of heaven‘ and ascends a lapislazuli stairway ...“ 145 Für den mesopotamischen Hintergrund dieser Vorstellung s. Horowitz, Cosmic Geography, 266. 146 Dem stehen 18 determinierte Belege gegenüber. 147 Vgl. De Pury, Wie und wann, 128, Anm. 31. 148 Vgl. dazu Maul, Hauptstadt. 144
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3.4.5 Gen 28* und die mesopotamische Tempeltheologie Für die Frage nach den Grundvorstellungen mesopotamischer Tempeltheologie spielt das so genannte Weltschöpfungsepos Enūma eliš eine entscheidende Rolle. Ein wesentlicher Bestandteil des Epos ist die Erschaffung der Tempelstadt Babylon. Nachdem die Götter Ea und Marduk die chaotischen Urkräfte Apsȗ und Tiamat samt ihren schrecklichen Monstern besiegt hatten, nachdem Ea im Apsȗ seinen Wohnsitz gegründet und Marduk aus Tiamat Himmel und Erde geschaffen hat, sollen die großen Götter für Marduk, ihren neuen König, sein Heiligtum Esagil und alle anderen Heiligtümer in Babylon errichten. Die universale Funktion Babylons als Wohnsitz der Götter und Zentrum der Weltenachse ergibt sich insbesondere aus folgenden Abschnitten des Epos; im ersten (Ee V 119–125) spricht Marduk von seinem Plan, Babylon zu errichten, im zweiten (Ee VI 61ff) wird die Ausführung durch die Götter geschildert: 149 „Oberhalb des Apsu, der smaragdenen Wohnstatt (šubat hašmāni), 120 gegenüber [mihru, ˘ wörtlich: „Kopie, Entsprechung“] Escharra, das ich für euch˘baute, unterhalb der himmlischen Teile (ašrata, von ašru „Ort“), deren Boden ich stark machte, will ich ein Haus als meine luxuriöse Wohnstatt bauen. Darin will ich sein Heiligtum begründen, mein Gemach anlegen und mein Königtum etablieren. 125 Wenn ihr vom Apsu heraufkommt zur Versammlung, sei dort euer Ruheplatz vor der Versammlung (enūma ultu Apsî tellâ ana puhri). Wenn ihr vom Himmel herabsteigt zur [Versammlung], sei dort euer Ruheplatz vor der˘ Versammlung (enūma ultu šamāmi turrudā ana [puhri]). Ich will seinen Namen Babylon nennen, ‚die Häuser ˘ Bābilī bītāti ilī rabûti) ...“ (Ee V 119 ff) der Großen Götter‘ (lubbīma šumšu „Als das zweite Jahr herankam, errichteten sie den First von Esagil, eine Nachbildung (mihru: ˘ „Kopie, Entsprechung“) des Apsu. Sie erbauten den hohen Tempelturm des Apsu, und richteten sein(en) ... für Anu, Enlil und Ea als Wohnstätte ein. 65 Er saß majestätisch vor ihnen und musterte seine Hörner, die mit der Basis von Escharra eben waren. Nachdem sie die Arbeit an Esagil vollendet hatten, errichteten die Anunnaki alle ihre eigenen Heiligtümer.“ (Ee VI 61ff)
Die kosmische Bedeutung Babylons, vor allem des Marduktempels Esagil, fasst S. Maul folgendermaßen zusammen: „Das Esagil galt sowohl als Ebenbild des Palastes Eas im apsû als auch als Ebenbild des über dem Esagil gedachten himmlischen Palastes Ans. Jeder der drei kosmischen Bereiche, der Himmel, die Erdoberfläche und die Erde, wird dieser Vorstellung zufolge von einem Götterpalast beherrscht. Gemeinsam bilden alle drei Paläste eine vertikale Achse, in deren Zentrum Babylon mit dem Tempel Marduks liegt. Ausdrücklich wird Esagil als Stütze und Verbindung des in der Erde befindlichen Grundwasserhorizontes apsû mit dem Himmel bezeichnet. Das Heiligtum Esagil und die Stadt Babylon liegen also in der Mitte der vertikalen kosmischen Achse, und verbinden diese mit der irdisch-gegenwärtigen Welt. Sie sind (nach Enūma eliš) der Ort, an dem Marduk bei der Formung der Welt aus dem Leibe der toten Tiāmat den Schwanz der drachenartig gedachten erschlagenen Urmutter an der Weltenachse Dur-mah befestigte, um so mit ihrem Unterleib den Himmel festzukeilen und seinem Schöpfungswerk˘
149 Übers.: TUAT III, 590f und 593 (Lambert). Die Übersetzung von Lambert gibt diese Abschnitte m. E. angemessener wieder als die in AOAT 375 gebotene, die in dieser Arbeit ansonsten zitiert wird.
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ewige Dauer zu verleihen. Diese axis mundi nahm für den Besucher des alten Babylon sichtbare Gestalt an in dem siebenstufigen Tempelturm, der den Namen É-temen-an-ki, ‚Haus Fundament von Himmel und Erde‘ trug.“ 150
Babylon als Zentrum der Weltenachse und Wohnsitz der Götter ist daneben noch in der vermutlich zeitgleich (im 12. Jh. v. Chr.) zu Enūma eliš 151 entstandenen Komposition Tintir = Babylon bezeugt, in der die Stadt mit zahlreichen Namen gepriesen wird. Folgende Einträge in dem listenartigen Werk sind für die kosmologische Bedeutung Babylons von Relevanz: 152 „6 Sa-anna Babylon, the bond of the heavens (markas šamȇ); [...] 22 Ka-kingirra Babylon, the entrance (nērebu) of the mustering of the gods; 23 Eškiri-tabba-anki Babylon, which grasps the bridle of heaven and underworld (ṣerret šamê u erṣeti); [...] 29 Dur-Asaralimnunna Babylon, the abode (šubtu) of Anu, Enlil and Ea; [...] 35 Uzsag-ankia Babylon, the bond of heaven [and underworld;] (markas šamȇ u erṣeti)“
Hinzu kommt Eintrag 42, var.: „Babylon, das Haus der Götter“ (bīt ilī). 153 Weshalb die Stadt Babylon in Ee und Tintir ähnlich qualifiziert werden kann wie ein Tempel, erklärt George wie folgt: „To understand how a city can be an aspect of its god, and thus collect epithets which give it a divine personality, one should remember that the numinous power of a god is also invested in his home, i. e., his temple and city. The god is inseparable from all that belongs to him.“ 154
Im Hinblick auf Gen 28* verdienen im Vergleich mit den zitierten Abschnitten aus Enūma eliš und Tintir vor allem fünf Beobachtungen festgehalten zu werden: 155 1. Die babylonische Hauptstadt markiert als Zentrum der vertikalen Weltenachse den Versammlungsort der großen Götter, die vom Apsû heraufsteigen (êlu) bzw. vom Himmel herabsteigen ([w]arādu) (Ee IV 125–128; vgl. Tintir I 22). Die Bewegung der Gottesboten in Gen 28,12 steht dem kosmischen Verkehr in Enūma eliš nahe. 150 Maul, Hauptstadt, 114f. Für eine schematische Darstellung des Kosmos nach Ee vgl. Livingstone, Explanatory Works, 81. 151 Zur zeitgeschichtlichen Verortung von Ee und Tintir vgl. George, BTT, 6f, sowie ders., Babylon, 134: „Since Enūma eliš and Tintir = Babylon glorify Marduk and Babylon respectively, the two texts can be seen as witnesses to this promotion, and both were probably composed amid the flurry of literary activity that was occasioned by Nebuchadnezzar’s reinstallation of Marduk in his temple E-sangil.“ 152 George, BTT, 38–41. 153 Vgl. George, Babylon, 140. 154 George, Babylon, 127. 155 Vgl. auch die Auflistung der Gemeinsamkeiten zwischen Enūma eliš und Gen 28 bei Hurowitz, Babylon, 442f. Seine Beispiele für „demythologization“ (a.a.O., 443) überzeugen indes nicht. Das in Ee mehrfach begegnende Ruhe-Motiv (z.B. VI 51f) mit Jakobs Übernachtung ( )ליןund das Tempelbau-Motiv (Ee V 119–130; VI 51f) mit Jakobs Gelübde zu verbinden, wobei die babylonischen Götter jeweils durch Jakob ersetzt worden seien, überstrapaziert m. E. den Vergleich. Auch ist es zweifelhaft, ob die „Gottesboten“ schon in der Grundschicht von Gen 28 „Engel“ und nicht vielmehr den Hofstaat repräsentierende Götterwesen waren.
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2. Die babylonische Hauptstadt erhält als Zentrum der Weltenachse die kosmologischen Ehrennamen „Tor der Götter“ (Bābilī) 156 (Ee V 129; vgl. Tintir I 22: nērebu „Eingang“) und „Häuser der großen Götter“ (bītāti ilī rabûti) (Ee V 129; vgl. Tintir I 42 var.: bīt ilī „Haus der Götter“). 157 In Gen 28,17 bezeichnen die Epitheta „Haus Gottes“ und „Tor des Himmels“ die israelitische Tempelstadt BetEl. Allen Texten ist somit gemeinsam, dass nicht der Tempel, sondern die Stadt die Ehrennamen erhält (anders in dem nachgetragenen Gelübde Gen 28,22!). Somit bietet der mesopotamische Traditionshintergrund auch eine einleuchtende Antwort auf die Frage, warum die Bezeichnungen „Haus Gottes“ und „Tor des Himmels“ in Gen 28,17 ohne Weiteres mit dem Ort Bet-El verbunden sein konnten. 158 Der traditionsgeschichtliche Kontext der Wendungen „Haus Gottes“ und „Tor des Himmels“ hat Folgen für die Rekonstruktion von Gen 28*: In den mesopotamischen Texten bilden die auf- und absteigenden Götter und deren Versammlungsort („Häuser der großen Götter“) sowie Himmelstreppe und „Tor des Himmels“ einen Vorstellungszusammenhang. Legt man dies auch für Gen 28* zugrunde, so findet die These der literarischen Einheitlichkeit der vorliegenden chiastischen Struktur von Traumbild (V. 12f) und Reaktion Jakobs (V. 16f) noch einmal Bestätigung. 159 3. Im Enūma eliš begegnet zwar keine simmiltu genannte kosmische Treppe. Die verschiedenen kosmischen Bereiche werden laut Enūma eliš durch eine entweder durmāhu („großes Band“, Ee V 59; VII 95) oder markas ilāni („Band der ˘ 95) oder ṣerretu („Leitseil“, Ee V 68) genannte Größe verbunden Götter“, Ee VII (vgl. Tintir I 6,23,35); 160 Doch macht Ee IV 61ff deutlich, dass die (namentlich nicht genannte) babylonische Ziqqurrat die Weltenachse repräsentiert. 161
156 Vgl. zu diesem Ehrennamen Unger, RlA 1, 333, und zum Zusammenhang mit der „Heiligen Pforte“ a.a.O., 366. Vgl. dazu auch George, BTT, 253–256. Dass dieser Prunkname auf andere Städte übertragen werden konnte, belegt das im Folgenden zitierte Preislied auf die Stadt Arbela. 157 Vgl. George, BTT, 255, mit Verweis auf Ee V 125–128: „The allusion in all these later interpretations of Ka-dingirra(k) is to Babylon’s theological status as the place of the divine assembly, where the gods gathered yearly from all over the cosmos to proclaim Marduk’s sovereignty. This is a role set out mythologically for the city in the creation Epic ...“ – Vgl. zum Namen Babylon in Ee auch Gabriel, enūma eliš, 274f. 158 So gesehen ist es nicht unproblematisch, V. 12f und V. 17 in einem Bild zu verbinden, so dass JHWH „aufrecht auf der Himmelstreppe vor dem Himmelstor“ steht (so Hartenstein, Wolkendunkel, 160, der die Verse „im Blick auf die mesopotamischen Parallelen“ verbindet). Für die mesopotamischen Ortstraditionen ist der Tempelort als irdischer Haftpunkt der Weltenachse zugleich „Haus Gottes“ (so Tintir) und „Tor des Himmels“ (so das assyrische Preislied auf Arbela, s. u.), eine „Verlegung“ in den Himmel erübrigt sich damit. Eben deshalb kann Jakob in V. 16 sagen: JHWH ist „an diesem Ort“. 159 Gegen Becker, Jakob, 166, der „Tor des Himmels“ als späteren Zusatz von „Haus Gottes“ abhebt. 160 Zu diesen (synonym gebrauchten) Begriffen vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 119 f.265. 161 Vgl. Maul, Haus, 315: „Von dem Tempel des Stufenturms schritten über die monumentale Treppe die himmlischen Götter herab in das irdische Babylon, während aus dem Tempel der chthonischen Götter die Gottheiten der Erde heraufstiegen, um sich in Bāb-ilī, dem ‚Tor der Götter‘, zu-
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4. Mit Gen 28* zu vergleichen ist auch die Vorstellung, dass die „Hörner“ (qarnu) 162 des babylonischen Tempelturms mit der „Wurzel“ (šuršu) Ešarras, d. h. des (unteren) Himmels, eben sind (Ee VI 65 f). Diese Metapher klingt in Gen 28,12 nach, wo es heißt, der „Kopf “ ( )ראשder Treppe berührte den Himmel (vgl. auch V. 18: Jakob salbt den „Kopf “ der Mazzebe, s. u.). 5. Schließlich führt eine Zusammenschau von Ee IV 145f (die kosmischen Wohnsitze von Anu, Enlil und Ea) und Tintir I 29 („Babylon, der Wohnsitz von Anu, Enlil und Ea“) die für die altorientalische Tempeltheologie typische symbolische Entsprechung von kosmischer und irdischer Verortung der Götter schön vor Augen: Obwohl die Göttertrias ihre Wohnorte in den kosmischen Regionen Himmel, Ešarra und Apsû hat, gilt die Stadt Babylon als ihr irdischer Wohnsitz. Diese Entsprechung ist auch in Gen 28* zu beobachten, wenn JHWH im Traumbild auf/über der kosmischen Himmelstreppe (V. 13*) und in der Traumdeutung „an diesem Ort“ ( = )במקוםBet-El lokalisiert wird (V. 16). Im Hinblick auf die Rezeption der babylonischen Achsenvorstellung in Gen 28* ist die Frage nach ihrer Verbreitung im Alten Orient bzw. in Mesopotamien von Belang. Hier ist zunächst zu konstatieren, dass die Vorstellung noch nicht immer mit der Stadt Babylon verbunden war. „The City’s identification with the cosmic bonds is also taken over from Nippur, which had the name Dur-anki, the Bond of Heaven and Underworld, long before the Akkadian version of the name is found for Babylon.“ 163
Die im Enūma eliš und Tintir bezeugte Vorstellung hatte somit Vorläufer. Sie hatte aber auch Nachahmer im 1. Jt. v. Chr. 164 Enūma eliš und die in diesem Standardwerk bezeugten kosmologischen Vorstellungen sind im 8. Jh. in Assyrien rezipiert worden. 165
sammenzufinden.“ Van Ess, Tempel, 78, erwägt einen Zusammenhang zwischen der zur Ziqqurrat hinaufführenden Haupttreppe (sumerische Bezeichnung: „Schwanz-Haupt“) und dem Enūma eliš (kosmisches Band = Schwanz der Tiamat, Ee V 59). 162 qarnū „Hörner“ als Bezeichnung der Spitze eines Tempelturms ist auch in assyrischen Königsinschriften belegt, vgl. CAD Q, 139 (qarnu 5c). Vgl. des Weiteren die bei Horowitz, Cosmic Geography, 124, genannten Belege und Hinweise. 163 George, Babylon, 128: „The origin of this name is found in the Sumerian Hymn to the Mattock, according to which Nippur was the last point of junction between heaven and underworld at the time of their separation by the god Enlil.“ Vgl. auch Maul, Hauptstadt, 118f, und Hundley, Gods, 80f. 164 In diesem Zusammenhang ist auch auf die große Bedeutung sowohl von Ee als auch der topographischen Serie Tintir im babylonischen Schulbetrieb hinzuweisen, vgl. Gesche, Schulunterricht, 173. 165 Vgl. Hundley, Gods, 82f. Hurowitz, Babylon, 443–445, nennt darüber hinaus als Beispiel den Anu-Tempel in Uruk: „Just as the people of Uruk modeled the Anu temple in their city along the lines of the Marduk temple in Babylon, so the biblical writer transferred to Bethel the theological outline of Babylon, and in particular its role as a lodging place for gods going up and down a staircase between heaven and earth.“
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„Allusions to Enūma eliš in the royal inscriptions of Sargon II (721–705) and Sennacherib (704–681) provide evidence that the Assyrian rulers of this age and their circles of advisors were deeply interested in the Babylonian epic.“ 166
Eine vermutlich unter Sanherib geschaffene assyrische Rezension des Enūma eliš bietet eine interessante Analogie für eine die Achsenvorstellung auf einen anderen Ort übertragende Rezeption. 167 Die Aššur-Version ersetzt Marduk und die Namen seiner Vorfahren durch Anšar bzw. Aššur und die Namen von dessen Vorfahren. 168 Darüber hinaus werden die kosmologischen Vorstellungen, die sich im Enūma eliš mit der babylonischen Hauptstadt verbinden, auf die assyrische Stadt Assur übertragen (vgl. die Belege in Ee V 129 und 137) 169: Nicht mehr Babylon, sondern Assur wird „Häuser der großen Götter“ (V 129) und „Ruheplatz“ der Götter (V 137) genannt. Die assyrische Stadt ist damit Zentrum der Himmel und Erde verbindenden Weltenachse. 170 Die Übertragung von babylonischen Theologumena auf assyrische Städte ist auch für die Tempelstadt Arbela belegt, wie aus einem neuassyrischen Preislied auf die Stadt hervorgeht. 171 „14Wie der Himmel steht Arbaʾilu da, 15 seine Fundamente sind fest wie die [der Erde]! 16 Arbaʾilus Häupter sind hoch, sie kommen dem Himmel gleich, 17 ihr Ebenbild ist Babylon, ihre Entsprechung die Sta[dt Assur]! 18 O erhabene Kultstätte, Hochsitz der Schicksalsbestimmungen, Tor des Himmels!“
Das himmelsgleiche Arbela (Z. 14) repräsentiert wie Babylon die Achse zwischen Himmel und Erde (Z. 15 u. 16), wobei auch hier die „Kopf “-Metaphorik gebraucht wird (Z. 16). Der traditionsgeschichtliche Zusammenhang mit Babylon wird in Z. 17 explizit gemacht („ihr Ebenbild [tamšīlu] ist Babylon“). Wie Babylon erhält Arbela die Epitheta „Hochsitz der Schicksalbestimmungen“ und – im Hinblick auf Gen 28* höchst bemerkenswert – „Tor des Himmels“ (Z. 18) (KÁ.GAL AN-e = bāb šamê; vgl. Tintir I 22: nērebu „Eingang“). Speziell dieser auf die Stadt Arbela bezogene Beleg für „Tor des Himmels“ macht deutlich, dass der Einfluss auf Gen 28* nicht zwingend direkt von der Tempelstadt Babylon ausgegangen sein 166
Frahm, Origins, 349 (vgl. Anm. 1161f für Belege). Vgl. dazu Frahm, Origins, 349–351, ders., Geschichte, 8–13, sowie AOAT 375, 26–33. Vgl. zur weiteren neuassyrischen Rezeption Frahm, Origins, 351–360. 168 Zur Doppeldeutigkeit der kosmischen Größe Ešarra in der Aššur-Version vgl. AOAT 375, 30 mit Anm. 2 (mit Verweis auf George). 169 Vgl. Lambert, Recension, 77. 170 Vgl. AOAT 375, 32: „Die Brachialität der Veränderung zeigt sich auch darin, daß nicht nur babylonischen Lesern die Umschreibung zugemutet wird, sondern auch ein assyrischer Leser zu schlucken gehabt haben dürfte, wenn Anšar/Aššur zwar in Assur seine Wohnstatt hat, diese aber das Epitheton É.MEŠ DINGIR.MEŠ GAL.MEŠ (bītāt ilāni rabȗti) ‚Häuser der großen Götter‘ behält, welches wortspielerisch KÁ.DINGIR.RAki (bāb-ili) ‚Tor-des-Gottes‘ bzw. KÁ.DINGIR. MEŠki (bāb-ilāni) ‚Torder-Götter‘ als logographische Schreibungen für Marduks Stadt Babylon aufnimmt.“ 171 Übers.: TUAT II, 769 (Hecker). Vgl. zum Text SAA III 8. 167
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muss, sondern sich einem breiteren mesopotamischen tempeltheologischen Traditionsstrom verdanken kann. 172 Denn unbeschadet der Tatsache, dass die hier aufgeführten Belege für eine mesopotamische Tempeltheologie im 1. Jt. die Tempelstadt Babylon als Maßstab nehmen, darf dies nicht den Blick dafür verstellen, dass die „Ableger“ der babylonischen Tempeltheologie ihrerseits die einschlägigen Vorstellungen und Motive in andere Tempelstädte vermittelt haben können. Im Enūma eliš als der maßgeblichen Quelle für mesopotamische Vorstellungen vom Aufbau der Welt wird allerdings nicht beschrieben, wie die Götter aus ihrer kosmischen Heimat nach Babylon auf- und absteigen. Von einer „Himmelstreppe“ ist jedenfalls keine Rede. Diese Lücke füllt neuerdings eine babylonische Inschrift aus dem ausgehenden 7. Jh. In der Inschrift beschreibt König Nabopolassar (626–605) die Reparatur von Imgur-Enlil, der inneren Mauer Babylons, die nicht zuletzt den Tempelbezirk mit dem Tempelturm umgab. Der Text wurde 1978 entdeckt und 1985 veröffentlicht. 173 Abschnitt II 6–25 ist eine poetische Beschreibung der Mauer, die ähnlich wie die Stadt Babylon im Enūma eliš und in Tintir in zahlreichen Bildern als Wohnsitz der Götter qualifiziert wird (die Stadtmauer 174 dürfte hier pars pro toto für die ganze Stadt stehen). „At that time, I, Nabopolassar, king of Babylon, who please the heart of Nabu and Marduk – Imgur Enlil (‚Enlil-Has-Granted‘), the great wall of Babylon, the ancient boundary mark which has been famous since the beginning of time, the firm frontier as old as time itself, the lofty eyrie as high as the heavens, the strong shield which blocks the entry of the enemy lands, the wide enclosure of the Igigi, the spacious courtyard of the Anunnaki, the step up to heaven (mēlīt šamāmi), the stairway down to the nether world (simmilat ganzir), the station of Lugalgirra and Meslamta-ea, the sanctuary of Ištar the great lady, the maidan of the warrior Dagan, the courtyard of the Hero Ninurta’s camp, the place of asylum of Anu and Enlil the place of the clever plans of Ea lord of Eridu, a reserved land of the great gods whose foundations were joyfully laid by the Igigi and Anunnaki, which they planned artistically and which they raised on high ... (ullȗ rēšūšu, wörtlich: erhöhten seinen Kopf)“
Entscheidend ist hier die im Zentrum des Abschnitts stehende Aussage, dass die Mauer die Verbindung zwischen Himmel und Unterwelt darstellt, wobei das Wort simmiltu „Treppe“ gebraucht wird. 175 Wie beim Tempelturm Etemenanki heißt es am Ende des Abschnitts, die Götter hätten ihren „Kopf “ erhöht.
172 Gegen Hurowitz, Babylon, 445: „[F]rom among known cities only Babylon is identified as the gate of heaven. If so, we should not say that Bethel is described theologically as a typical capital city, but rather that Bethel is depicted as a reflection of Babylon.“ 173 Vgl. Al-Rawi, Restoration. 174 Vgl. zur theologischen Dimension der Stadtmauern auch Pongratz-Leisten, Programmatik, 30: „Die Stadtmauern von Babylon sind [...] im tākultu-Ritual mit einem DINGIR-Zeichen belegt, also vergöttlicht belegt und empfangen an bestimmten Tagen Opfer und Gebete durch den König.“ 175 Zieht man Tintir V 85f als Parallele heran (vgl. George, BTT, 368f), so wird die Bedeutung der Formulierung dadurch unterstrichen, dass es sich dabei offenbar um „an addition to a traditional literary topos“ (Hurowitz, Babylon, 440, 14) handelt.
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Hurowitz, der die Inschrift jüngst für Gen 28 fruchtbar gemacht hat, sieht darin zu Recht ein entscheidendes Bindeglied zwischen dem Terminus simmiltu und der mesopotamischen Tempeltheologie mit ihrer Achsenvorstellung: „Among the several attested appearances of simmiltu, only here does this word apply specifically to the topography of Babylon. This stairway, which links the Heavens and the Underworld is none other than the stairway mentioned in the ‚Nergal and Ereshkigal‘ myth, and, lo and behold, the stairway stands specifically in Babylon and is part of Babylon herself.“ 176
Alles in allem spricht der Vergleich von Gen 28* mit den mesopotamischen Texten dafür, dass die israelitischen Verfasser Motive und Epitheta der mesopotamischen Tempel- bzw. Stadttheologie sowie die dahinterliegende Achsenkonzeption auf Bet-El übertragen haben. Das aber hat für die Interpretation von Gen 28* noch weitere Konsequenzen. An drei Beispielen möchte ich das zeigen. Das erste betrifft die Funktion der Mazzebe in Gen 28,18. Im Alten Testament begegnen diese religiös besetzten Steine in unterschiedlichen Kontexten. Der gemeinsame Nenner dürfte in deren repräsentativer Funktion liegen: „Grundsätzlich sollen Mazzeben etwas vergegenwärtigen.“ 177 So dienen sie als Kultobjekt – ganz analog zu Kultbildern – im Tempelkontext der Repräsentation der Gottheit 178 oder (seltener) der Repräsentation der Verehrer (Ex 24,4). Als Gedenkstein können sie ein Ereignis vergegenwärtigen (Gen 31,45.51f). Als Grabstele dienen sie der Repräsentation eines verstorbenen Menschen (Gen 35,20). 179 Was ist die repräsentative Funktion in Gen 28*? Häufig wird in diesem Zusammenhang auf die bei Philo von Byblos bezeugte Vorstellung von „beseelten Steinen“ als Gotteshäusern (baitylia) verwiesen. Diese Deutung legt sich vor allem durch V. 22 nahe, wo – im Gegensatz zu V. 17! – die Mazzebe als „Haus Gottes“ bezeichnet wird. Doch ist die Interpretation schon bei dem sekundären Gelübde (V. 22) fraglich (s. u.), so erst recht im Kontext der Grundschicht von Gen 28 (V. 17f). Der besonderen Funktion in Gen 28,18 nähert man sich am besten über das dort mit der Mazzebe in Verbindung gebrachte Leitwort ראש. Die Vokabel ראשist in Gen 28* kaum zufällig gewählt, wie zum einen ihre Verwendung als Leitwort und zum anderen der traditionsgeschichtliche Hintergrund nahelegen. 180 Die „Kopf “-Metaphorik ist im Alten Testament an wenigen Stellen auf Bauwerke
176 Hurowitz, Babylon, 441. Die Identifikation der babylonischen Himmelstreppe mit der in Nergal und Ereškigal hätte ein Assyrer möglicherweise nicht so einfach vorgenommen. 177 Koenen, Bethel, 133. 178 Vgl. Berlejung, Bilder, 74, und Schmitt, Mazzebe. 179 Vgl. zu den syrischen Wurzeln der alttestamentlichen Mazzeben-Vorstellungen Hutter, Kultstelen. 180 Und umgekehrt dürfte das Wort kaum zufällig in der jüngeren priesterschriftlichen Doppelüberlieferung Gen 35,6*.9–15 übergangen worden sein, während die anderen Leitworte – z. T. mit anderen Akzenten – wieder begegnen, s. u. S. 220ff.
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im weitesten Sinn bezogen 181: Gen 11,4 („Kopf “ des Turms); Gen 28,12 („Kopf “ der Himmeltreppe); Ri 6,26 (Altar auf dem „Kopf “ „dieser Bergfeste“ bzw. „Wohnung“[?]); Ps 24,7.9 („Köpfe“ der Tempel- bzw. Stadttore); alle diese Stellen haben einen Tempelbezug. In Gen 11,4 und 28,12 ergibt sich dieser Zusammenhang nicht zuletzt durch die Funktion von Turm ( )מגדלund Treppe ()סלם, Himmel und Erde zu verbinden. Gen 11,4
ַויּ ֹאְמ֞רוּ ָ֣הָבה׀ ִנְבֶנה־ָ֣לּנוּ ִ֗ﬠיר וִּמְגָדּ֙ל ְור ֹאֹ֣שׁו ַבָשַּׁ֔מ ִים Da sagten sie: Wohlan, wir wollen bauen eine Stadt und einen Turm, dessen „Kopf “ bis in den Himmel (reicht).
Gen 28,12
ְוִה ֵ֤נּה ֻסָלּ֙ם ֻמָ֣צּב ַ֔א ְרָצה ְור ֹאֹ֖שׁו ַמ ִ֣גּיַﬠ ַהָשָּׁ֑מ ְיָמה Und siehe, eine Treppe war erdwärts gestellt, und ihr „Kopf “ berührte den Himmel ...
Die Verwendung der Metapher vor allem in den beiden Genesisbelegen, aber auch bei den übrigen aufgeführten Stellen, entspricht ganz derjenigen in der mesopotamischen Literatur, in der die Metapher vom „Erhöhen des Kopfes“ in Bezug auf einen Tempel oder eine Stadt vielfach belegt ist. 182 So ist beim babylonischen Marduktempel E-sagil schon der Name Programm: „Haus, dessen Kopf hoch ist“ (bītu ša rēšāšu šaqâ). 183 Die Metapher ist auch in assyrischen Inschriften belegt. König Asarhaddon sagt etwa in einer Inschrift mit Bezug auf den Bau des Hochtempels Ešarra in Assur: 184 „Ešarras (...) Haupt (rēšu) erhöhte ich zum Himmel. Oben erhöhte ich sein Haupt (rēšu) zum Himmel (ana šamȇ), unten festigte ich sein Fundament in der Erde (Unterwelt?) (ina erṣeti). (V 29–36) ... Hochragend war sein Haupt (rēšu), den Himmel berührte es, unten waren seine ‚Wurzeln‘ bis in den Apsȗ ‚gewachsen‘.“ (VI 20–23)
Kehrt man von hier aus wieder zurück zu Gen 28*, so ist zunächst eine Transformation der Vokabel ראשfestzustellen, die aber in der Folge auch eine Transformation der Mazzebe mit sich bringt. Ausgehend vom zunächst profanen Gebrauch in V. 11 als „Kopfende“, ändert sich die Verwendung durch den Gebrauch von „Kopf “ als Spitze der Treppe im Traumbild (V. 12) bis hin zur Bezeichnung der
181 Vgl. Beuken, ThWAT VII, 279. Theologisch relevant sind daneben die Belege von ראשim Kontext der Gottesbergvorstellung: Ex 17,9f; 19,20; 24,17; Dtn 34,1; Ri 6,26; 2 Sam 15,32; 1 Kön 18,42 (vgl. a. a. O., 281). 182 George, BTT, 294: „The image of the city or temple ‚raising its head‘ or having a ‚raised head‘ is a common one in Sumerian and Babylonian literature ...“ – Für zahlreiche Belege der Metapher s. CAD R, 281f; George, BTT, 294–296; Uehlinger, Weltreich, 378–380. In Uruk ist bīt rēš „Haus Kopf “ als Tempelname belegt (Edzard, Names, 164); vgl. jedoch Ambos, Überlegungen, 63, zu einer alternativen Deutung von bīt rēš im Sinn von „Haus Anfang“. 183 Vgl. für eine andere Übersetzung Edzard, Names, 159. 184 Die Übersetzung folgt Uehlinger, Weltreich, 237; vgl. zum Text Borger, Inschriften, 5.
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Spitze der Mazzebe mit „Kopf “ in V. 18. Fokkelman ist wohl im Recht, wenn er hierzu feststellt: „Symbolically the massebe is the ladder and that is why the oil must be poured on its top.“ 185 Eine Transformation der Mazzebe macht auch deren Salbung ( )יצקmit Öl ( )שמןwahrscheinlich, insofern Jakob damit eine rituelle Handlung vollzieht, die darauf zielt, den applizierten Gegenstand „in einen neuen Status zu versetzen“ 186 (vgl. etwa 1 Sam 10,1). Wenn aber die Mazzebe die Treppe als Verbindung zwischen Himmel und Erde repräsentiert, dann käme der Mazzebe als Repräsentationsobjekt – bei allem quantitativen Unterschied! – eine vergleichbare Rolle zu wie den Tempeltürmen in Mesopotamien. Denn auch diese fungierten als irdisch-materielle Repräsentation der Achse, die Himmel und Erde verbindet. 187 Damit unterscheidet sich die Mazzebe in Gen 28* von den sonstigen Belegen des Lexems in der Jakobgeschichte. 188 Den Erfahrungshintergrund bildet möglicherweise eine im Heiligtum von BetEl vorhandene Mazzebe. 189 Ob diese aber in der für eine Mazzebe eher unüblichen Funktion einer Repräsentanz der Himmelsverbindung verstanden worden ist, erscheint auch aufgrund ihres konstruierten Gebrauchs in Gen 28,18 (die Leitwortbezüge zum Verb נצבin V. 12f; der Bezug zum „Kopf “ der Treppe in V. 12) eher unwahrscheinlich. Eher dürfte sie wie sonst im Alten Orient der symbolischen Repräsentation der Gottheit, also JHWHs, gedient haben. Diese Interpretation der Mazzebe stützt die Entscheidung, das Gelübde von der Grundschicht zu trennen. Denn während die Mazzebe in der Grundschicht (V. 18) vermutlich als symbolische Repräsentation der Treppe ( )סלםzu verstehen ist und dementsprechend nicht als „Gotteshaus“ bezeichnet wird, geschieht gerade dies in V. 22. Dass dort die Baityl-Vorstellung gemeint sei, ist freilich zweifelhaft 190; eher 185
Fokkelman, Narrative Art, 67. Willi-Plein, RGG4 7, 792. 187 Zum Zusammenhang von Himmelstreppe und Ziqqurat-Bau ist auf den Prunknamen der Ziqqurat von Sippar zu verweisen (vgl. Edzard, Names, 162); Walton, Thought, 122, folgert daraus: „As a result of these data, we would conclude that the ziggurat was a structure that was built to support the stairway. This stairway was a visual representation of that which was believed to be used by the gods to travel from one realm to another.“ 188 Die kommemorative Funktion der Grabstele in Gen 35 steht außer Zweifel (vgl. zu Gedenkstelen Hutter, Kultstelen, 103–105); demgegenüber wird die Vertragsstele in Gen 31 oft als „göttlicher Zeuge“ (so auch Hutter, Kultstelen, 100) im engen Sinn einer Behausung durch eine Gottheit (die Mazzebe als baityl) verstanden. Doch diese Deutung ist trotz der Vokabel עדkeinesfalls zwingend. Als „Zeugen“ bei Vertragsabschlüssen konnten z.B. auch Geschenke (vgl. Gen 21,30), ein Steinhaufen (Gen 31,48) oder ein großer Stein (Jos 24,26f) fungieren, die dabei kaum die Gottheit repräsentierten, sondern eher die Vertragspartner an das Abkommen erinnern sollten. Außerdem ist im Alten Testament und in kontemporären außerbiblischen Texten eine „Behausung“ von Mazzeben nicht sicher bezeugt. Der immer wieder genannte Beleg in den Sfire-Inschriften ist sehr wahrscheinlich anders zu verstehen (vgl. z.B. Bonnet/Niehr, Religionen, 265). 189 Vgl. die weitgehenden Erwägungen von Koenen, Bethel, 133–135. In Heiligtümern konnten Mazzeben jedenfalls die Funktion eines Kultbilds haben, vgl. z.B. Berlejung, Bilder, 74. Archäologisch sicher belegt sind Mazzeben für das antike Israel immerhin im Heiligtum von Arad; vgl. BlochSmith, Argument. 190 S. o. Anm. 188. 186
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dürfte hier das historische Wissen um ein Heiligtum eingetragen sein, für das die Mazzebe schlicht als Platzhalter fungiert (vgl. den Altar in Gen 35,3). Eine zweite Konsequenz ist namhaft zu machen: In den mesopotamischen Quellen verbindet die Achse den Himmel mit dem Apsȗ (Enūma eliš) bzw. der Unterwelt (Nergal und Ereškigal). In Gen 28* scheint die Achse dagegen verkürzt: sie reicht „himmelwärts“ (Part. hi. von „ נגעan etwas reichen“; „nahe kommen“; „berühren“) 191 und steht (Part. ho. von „ )נצבerdwärts“ (jeweils mit direktivem )ה, wobei die Reduktion theologischen Überlegungen geschuldet sein könnte. 192 Allerdings könnte auch hier mehr gemeint sein, als der Begriff „ ארץErde“ nahelegt. Das Wort steht im Grundbestand von Gen 28 nicht für die von Menschen bewohnte Erde (V. 15a steht ;אדמהerst die jüngeren V. 13f gebrauchen )ארץ. Umgekehrt wird nicht behauptet, die Treppe stehe auf dem Ort/am Ort, was der Achsenvorstellung ja entsprechen würde. Könnte mit dem Begriff „Erde“ hier (auch) die Unterwelt gemeint sein? Der altorientalische Hintergrund legt das nahe. Dort bezeichnet der Merismus Himmel und Erde, insbesondere in Texten, die die Achsenvorstellung bezeugen, den Himmel und die Unterwelt als die äußersten Grenzen des Kosmos. Neben dem schon genannten Beleg in der Asarhaddon-Inschrift gibt es mehrere Bezeugungen in Tintir, z.B. Tintir 35: „Babylon, das Band von Himmel und Erde = Unterwelt (šamȇ u erṣeti)“. George erläutert den Merismus wie folgt: „Here, and passim, ‚underworld‘ as a translation of ki = erṣetu in the pairing ‚heaven and underworld‘ means that part of the universe below the heavens: not only the flat disc of the earth but all that lay beneath it, including Apsȗ and the realm of Ereškigal.“ 193
Diese Bedeutungsweite legt sich an manchen Stellen auch für den alttestamentlichen Merismus Himmel und Erde nahe (z.B. Jer 31,37). ארץwäre dann ein vergleichbarer Oppositionsbegriff wie ( תהוםPs 148,7) oder ( שאולAm 9,3; Ps 139,8), nur weiter gefasst. 194 Zudem kann auch im Alten Testament bloßes ארץwie akk. erṣetu „die Unterwelt bezeichnen oder jedenfalls eine Verbindung mit Scheol an-
191 Das Wort meint hier und andernorts (vgl. bezogen auf den Himmel: Jer 51,9; Hi 20,6; 2 Chr 28,9; und bezogen auf das Totenreich: Ps 88,4; Ps 107,18) nach Schwienhorst (ThWAT V, 223f) „[n]icht den Vorgang der Berührung als solchen, sondern räumliche Erstreckung ... und räumliche Nähe – vor allem in bildlicher Verwendung“. Dass in Gen 28,12 der Aspekt der Berührung jedoch mitgedacht werden sollte, erscheint mir vor dem skizzierten traditionsgeschichtlichen Hintergrund als wahrscheinlich, da es hier – eben nicht bloß in bildlicher Verwendung – um eine Verbindung der kosmischen Bereiche geht (vgl. auch die eindeutigere Formulierung mit der Präposition בin Gen 11,4 [s. o. S. 81]). – Für irdisch-himmlische Berührungen ( נגעmit בbzw. )אלvgl. Gen 32,26.33; Ri 6,21; 1 Kön 19,5.7; Jes 6,5; Jer 1,9; Am 9,5; Ps 104,32; Ps 144,5 und dazu Schwienhorst, ThWAT V, 221 f. 192 Das vermutet z.B. Hurowitz, Babylon, 437: „One may assume that the biblical author truncated the lower stairs because of theological aversion to Sheol, denying it as a venue of divine-human contact.“ 193 George, BTT, 243. Zu erṣetu in der Bedeutung „Unterwelt“ vgl. auch CAD E, 310. 194 Auffälligerweise wird die Opposition stets mit ארץ, dagegen nie mit אדמהkonstruiert (vgl. Bartelmus, ThWAT VIII, 211).
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deuten“ 195 (vgl. Jes 26,19; Jon 2,7; Ps 22,30) 196. Trifft dies zu, hätten wir eine dem babylonischen Konzept vergleichbare Weltenachse in Gen 28* bezeugt, nur nicht mit Babylon oder Assur, sondern mit Bet-El als Zentrum. Drittens und abschließend möchte ich auf eine crux interpretum eingehen, die vor dem Hintergrund der altorientalischen Tempeltheologie, die den Tempel/die Tempelstadt als Himmel auf Erden versteht, in einem anderen Licht erscheint. Es geht um die Frage, wo JHWH laut Gen 28,13* zu verorten ist. Zwar wird JHWH durch das Part. ni. von נצבmit der für Offenbarungs- oder Theophanieszenen üblichen Terminologie eingeführt (vgl. Ex 34,5; 1 Sam 3,10 u.ö.) 197, wobei das Verb zugleich an das Part. ho. in V. 12, bezogen auf die Treppe, anknüpft. Doch anders als bei den nächsten Parallelen Am 7,7; 9,1, wo Grammatik und Kontext ein Stehen „auf “ der Mauer bzw. dem Altar vorgeben 198, ist die Interpretation des עליוin Gen 28,13 nicht eindeutig. Das Suffix von עליוkann sich rein grammatisch sowohl auf Jakob 199 als auch auf סלםbeziehen. 200 Im ersten Fall stünde JHWH „vor“ Jakob, im zweiten „auf “ bzw. „über“ der „Treppe“. Die Versuche, dieses Problem auf quellenkritischem Weg zu lösen, überzeugen ebenso wenig wie Versuche, die Frage in irgendeiner Weise zu vereindeutigen. Alles spricht hier für eine absichtlich gesetzte Leer- bzw. Unbestimmtheitsstelle. 201 Der Verfasser hätte in beiden Fällen eindeutig formulieren können: Hätte er eindeutig sagen wollen, dass JHWH „vor“ Jakob steht, so hätte er mit לפניformulieren können (vgl. z.B. Dtn 29,9); hätte er eindeutig sagen wollen, dass JHWH „auf “ der Treppe steht, so hätte ihm die Wendung על ראשzur Verfügung gestanden. 202 Es liegt nahe, dass die Uneindeutigkeit bewusst eingesetzt ist, um die symbolische Entsprechung von Himmel und Erde anzudeuten. 203 In V. 16f deutet Jakob das Geträumte zwar eindeutig so, dass JHWH במקום „ הזהan diesem Ort“ gegenwärtig ist, und mit „Ort“ dürfte hier nichts anderes gemeint sein als in V. 11 und 19: JHWH ist an dem „Ort“, an dem sich Jakob am 195
Ottosson, ThWAT I, 430. Schmid, THAT I, 230, nennt ferner Ex 15,12; Jer 17,13; Ps 71,20. 197 Vgl. Reindl, ThWAT V, 564. 198 Vgl. Jeremias, ATD 24,2, 123. 199 So z.B. – vorsichtig abwägend – Fokkelman, Narrative Art, 55, Anm. 24. 200 Das ist die meist vertretene Lösung, vgl. z.B. Hartenstein, Wolkendunkel, 156f. Wellhausen, Composition, 30, löste die Unbestimmtheit, indem er die beiden Möglichkeiten auf J und JE verteilte: In J habe es sich ursprünglich auf Jakob bezogen, nach der Vereinigung mit E dagegen auf סלם. 201 Hierunter verstehe ich mit Utzschneider/Nitsche, Arbeitsbuch, 182 „eine vom realen Autor bewusst in den Text eingebaute Unschärfe oder Lücke im Erzählfluss, die die realen Leser und Leserinnen dazu provozieren soll, diese mit eigenen Vorstellungen zu füllen“. – Auf die Möglichkeit von absichtlichen Leerstellen, die eine literarkritisch nicht auswertbare Inkohärenz hinterlassen, hat Blum, Notwendigkeit, 15, zu Recht hingewiesen. 202 Vgl. Wellhausen, Composition, 30. 203 Der literarische Einsatz von Unbestimmtheit scheint im Alten Testament insbesondere in theologisch problematischen/anstößigen Szenen zu begegnen, vgl. z.B. Gen 18,2 (die drei Männer bzw. JHWH vor/über Abraham) oder Gen 32,23–33 (Jakobs Kampf mit dem „Mann“ am Jabbok) (vgl. zu Gen 32 Utzschneider/Nitsche, Arbeitsbuch, 178–180). 196
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Abend niederlegt und dem er am nächsten Morgen den Namen Bet-El gegeben hat. Doch schon die Vokabel „ מקוםOrt“ 204 deutet vor dem Traditionshintergrund der mesopotamischen Tempeltheologie ein Oszillieren der Bereiche Himmel und Erde an. Auch im Enūma eliš bezeichnet das akkadische Äquivalent ašru „Ort“ vor allem die Stadt Babylon als Versammlungsort der Götter und Wohnsitz Marduks (IV 74; V 126, 128, 138, 142; VI 73; VII 40) 205 und steht damit für ein Ineinanderfließen von realem und mythischem Raum. 206 So hält die Unbestimmtheitsstelle in V. 13 offen, dass JHWH – vergleichbar dem Oszillieren der Gottesboten auf der Treppe – zugleich auf der Treppe und damit im Himmel und am Tempelort Bet-El anwesend, also multipräsent ist, ähnlich wie sich in Jes 6 und anderen Vertretern der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie himmlische und irdische Gegenwart JHWHs entsprechen.
3.4.6 Fazit Alles in allem bezeugt die hinter Gen 28 liegende Tradition mit ihrem spezifischen Vokabular eine ähnliche Tempel/Stadt-Theologie wie sie vor allem im Enūma eliš für die babylonische Hauptstadt belegt ist, von Babylon aber im 1. Jt. auch auf andere kultische Zentren (z.B. Assur oder Arbela) übertragen werden konnte. Auf die konzeptionelle Besonderheit deutet schon das in Gen 28* gebrauchte Vokabular hin: Das Hapaxlegomenon ( סלםV. 12) mit seiner sprachlichen und inhaltlichen Nähe zu akkadisch simmiltu „Treppe“, die im Alten Testament seltenen bzw. singulären Wendungen „Haus Gottes“ und „Tor des Himmels“ (V. 16f), die in mesopotamischen Texten auf die Tempelstädte Babylon, Assur und Arbela bezogen sind, sowie die in mesopotamischen Königsinschriften verbreitete „Kopf “Metaphorik (V. 12). Die Terminologie sowie die damit einhergehende Vorstellung einer Weltenachse mit einem irdischen Haftpunkt am Tempelort machen den babylonisch-mesopotamischen Hintergrund von Gen 28* überdeutlich. Auffällig ist, dass die Rezeption mesopotamischer Tempeltheologie und ihre Übertragung auf die israelitische Tempelstadt Bet-El (noch?) ohne jegliche polemische Spitze geschehen sind. 207 Mit der Rezeption der babylonischen Achsenvorstellung in der neuassyrischen Tempel- und Stadttheologie seit dem späten 8. Jh. ist zugleich ein
204 Der häufig tempeltheologisch verwendete Begriff kann auch den himmlischen Ort JHWHs bezeichnen (vgl. 1 Kön 8,30; Mi 1,3); vgl. zum Bedeutungsspektrum Gamberoni, ThWAT IV, 1113– 1124. 205 Vgl. die Auflistung der Belege in AOAT 375, 393. 206 Horowitz hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Begriff in Ee VII 135 („Weil er die Orte erschaffen, die Unterwelt geformt hat ...“) gemäß einem Kommentar zu Ee mit šamû „Himmel“ zu identifizieren ist (Cosmic Geography, 129). 207 Anders in Gen 11,1–9, wo das gescheiterte Turm-Stadt-Projekt explizit mit der babylonischen Hauptstadt verbunden wird (vgl. zur literarhistorischen Analyse Gertz, Babel, und zum Traditionshintergrund Maul, Babylon).
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möglicher Vermittlungsweg nach Israel angedeutet, der dem oben dargestellten literarhistorischen Befunden entgegenkommt; denn in dieser Epoche ist mit einer verstärkten Ausstrahlung Assyriens gen Westen und einer damit einhergehenden religiös-kulturellen Orientierung der levantinischen Kleinstaaten an mesopotamischen religiösen Vorstellungen zu rechnen. Beispielhaft sei nur auf die in Sultantepe (Türkei) zu Tage beförderte neuassyrische Version des Mythos „Nergal und Ereškigal“ verwiesen, die deutlich macht, dass mesopotamische Himmelsvorstellungen auch in der Peripherie der Großreiche rezipiert worden sind. Das in Gen 28* enthaltene Konzept entspricht in seinen wesentlichen Zügen den Grundvorstellungen altorientalischer Tempeltheologie: Der Tempel gilt als „Himmel auf Erden“, es besteht eine symbolische Entsprechung zwischen dem irdischen Tempelort und der himmlischen Sphäre Gottes. 208 Gen 28* ist deshalb im Horizont altorientalischer Tempeltheologie keineswegs als isolierte „Lokaltradition“ zu verstehen. Dessen ungeachtet besitzt Gen 28* ein individuelles Profil: Der zweiteilige, durch vielfache Rahmungen verdichtete Aufbau von Gen 28,10–19a* (Traum und Reaktion als zwei „Akte“ im Himmel und auf Erden) stützt auf struktureller Ebene die Botschaft: Bet-El ist der irdische Haftpunkt der Himmel und Erde verbindenden Weltenachse. Der סלםsowie die oszillierenden Gottesboten (durative Partizipien) versinnbildlichen die „Kommunikation“ 209 zwischen Himmel und Erde. Durch die Unbestimmtheit der Verortung JHWHs (auf der Treppe bzw. vor Jakob) oszilliert dieser ähnlich wie die Gottesboten zwischen dem Himmel und dem „Ort“ (= Bet-El) als irdischem Haftpunkt der Weltenachse. Die Mazzebe erscheint (auf literarischer Ebene) als symbolische Repräsentation der Himmelstreppe (ähnlich wie die babylonische Ziqqurrat im Enūma eliš oder die babylonische Stadtmauer Imgur Enlil in der Nabopolassar-Inschrift; vgl. auch den Thron des Jerusalemer Tempels als Symbol für den Gottesberg in Jes 6* u.ö.). Alles in allem bietet Gen 28* – aufgrund der Rezeption der Achsenvorstellung der mesopotamischen Tempeltheologie – ein (seltenes) Beispiel für eine explizite Kosmologie in vorexilischer Zeit. Dennoch liegt der Fokus bei diesem Text (noch) ganz auf Gottes irdischer Präsenz am Tempelort Bet-El (vgl. V. 16: „Fürwahr, JHWH ist an diesem Ort“).
208 Gen 28* versteht Himmel und Erde gerade nicht als „getrennte Herrschaftsbereiche“ (so aber Wahl, Jakobserzählungen, 276, der insbesondere deshalb Gen 28,10–22* „in das Ende der kanonisch festgehaltenen Religionsgeschichte Israels“ [ebd.] datieren möchte), sondern als sich in Bet-El symbolisch entsprechende Bereiche: Bet-El ist wie Babylon Ort der kultischen Gottespräsenz und damit der Himmel auf Erden. 209 Hartenstein, Wolkendunkel, 156 (im Original kursiv).
4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja 4.1 Der lexikalische Befund Das Lexem „ שמיםHimmel“ ist in Jes 40–55 18mal belegt (40,12.22; 42,5; 44,23.24; 45,8.12.18; 47,13; 48,13; 49,13; 50,3; 51,6[2mal].13.16; 55,9.10). 1 Hinzu kommt ein Beleg für „ מרוםHöhe“ (40,26), ein Wort, das als Parallelbegriff zu שמיםfungieren kann. Von diesen 18+1 Belegen thematisieren neun die Erschaffung des Himmels (40,22; 42,5; 44,24; 45,12.18; 48,13; 51,13.16 [40,26]). Verwendet werden dafür drei verschiedene Verben für „ausbreiten“ ([ נטה40,22; 42,5; 44,24; 45,12; 48,13; 51,13.16], [ מתח40,22; hapax leg.] und [ טפח48,13; hapax leg.]) sowie je zweimal „ עשהmachen“ (44,24; 45,12) und „ בראschaffen“ (42,5; 45,18; vgl. 40,26). Im Hintergrund der Rede vom „Ausbreiten“ des Himmels dürfte die Metapher des Himmels als „Zelt“ ( )אהלstehen (40,22; vgl. 50,3). Ob auch in 40,12 (den Himmel „mit der Spanne“ [„ ]בזרתmessen“ [ תכןpi.]) eine Schöpfungstätigkeit gemeint ist, wird zu klären sein. Des Weiteren thematisieren drei Belege in doxologischen Abschnitten den himmlischen Lobpreis, wobei der Himmel (jeweils artikelloses – )שמיםz. T. neben anderen kosmischen Größen – personifiziert zum Lobpreis JHWHs aufgefordert wird: 2 44,23: „Jubelt, ihr Himmel“ ( ;)רנו שמים45,8: „Jauchzt, ihr Himmel, oben“ (הריעו שמים ממעל, mit 1QJesa) 3; und 49,13: „Jubelt, ihr Himmel“ ()רנו שמים. Hinzu kommen Einzelbelege, die keinem übergeordneten Thema zugeschlagen werden können: 50,3 („Ich [sc. JHWH] kleide den Himmel in Schwärze [קדרות, hapax leg.], und ein Sackgewand [ ]שקmache ich zu seiner Kleidung [ )“]כסותveranschaulicht im Verbund mit 50,2 JHWHs Macht über die extremen Weltteile Himmel und Meer; 51,6 („Hebt zum Himmel eure Augen“ [vgl. 40,26] und: „Wie Rauch wird der Himmel zerfetzt werden [מלח1 ni.]“) kontrastiert die Vergänglichkeit von Himmel, Erde und Menschen mit der Unvergänglichkeit von JHWHs Heil und Gerechtigkeit. In 47,13 („die den Himmel einteilen [)“]הברי שמים begegnet das Wort im Zusammenhang babylonischer Astrologie. 4 55,9 betont den 1 Damit weisen Jes 40–55 den proportional zweithöchsten Anteil an Belegen im Alten Testament auf (nach Daniel mit 33 Belegen), vgl. Bartelmus, ThWAT VIII, 207f. 2 Zum Traditionshintergrund der Personifikation einer kosmischen Größe vgl. Grund, Psalm 19, 133–160. 3 Vgl. zur Textkritik Berges, HThKAT, 368 z. St. 4 Vgl. Albani, Gott, 107–116.
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
Abstand zwischen Himmel und Erde, 55,10 verweist auf Regen und Schnee „vom Himmel“ als Ort meteorologischer Phänomene. Als Wohnort Gottes kommt der Himmel nur an einer einzigen Stelle in den Blick, und dies nicht eindeutig. Die Frage hängt an der Interpretation von 40,22a („Der thront על חוג הארץ...“) einerseits und 40,22b („... wie ein Zelt zum Wohnen“) andererseits. Die Analyse des Abschnitts 40,21–27 5 soll daher im Zentrum dieses Kapitels stehen. Da das „Ausbreiten“ des Himmels nach 40,22 in den weiteren Belegen nur leicht variiert wiederkehrt und die wesentlichen terminologischen Komponenten vorhanden sind ( צבאfür die Gestirne; Schöpfungsverb [ ברא40,26]), kann auch die Frage, wie die Erschaffung des Himmels in Dtjes gedacht ist, anhand dieses Abschnitts untersucht werden, der – wie sich zeigen wird – zu den ältesten Partien des Buchs gehört. Hinzu kommt der umstrittene Beleg in 40,12, der im Kontext von 40,12–17 6 zu betrachten ist. Der Jerusalemer Tempel spielt in Jes 40–55 auf den ersten Blick nur eine geringe Rolle. Vom „Tempel“ ist lediglich in 44,28 („der Tempel [ ]היכלsei gegründet [ )“]יסדund – indirekt – in 43,28 („Fürsten des Heiligtums/der Heiligkeit [שרי )“]קדשsowie in 52,11 („Geräte JHWHs [ )“]כלי יהוהdie Rede, wobei der einzig sichere Beleg 44,28b meist als später Zusatz gilt. 7 Gleichwohl ist der Jerusalemer Tempel als Wohnort JHWHs an prominenter Stelle implizit bezeugt: nämlich in den Abschnitten 40,1–5(11)* und 52,7–10, die von einer Rückkehr JHWHs nach Zion/Jerusalem handeln und die in der jüngeren Forschung als Prolog und Epilog der Grundschicht bzw. einer ersten Buchedition gedeutet werden.
4.2 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen B. Duhm hat in seinem Jesajakommentar von 1892 die Kap. 40–55 gegenüber dem Vor- und dem Nachkontext als eigenständige Größe ausgegrenzt und einem anonymen Propheten zugesprochen, der in der Zeit des babylonischen Exils gewirkt haben soll und dem er den Kunstnamen „Deuterojesaja“ verliehen hat. 8 Diese Grundthese ist seitdem als Gemeingut der kritischen Jesaja-Forschung zu bezeichnen. Die entscheidenden Modifikationen der Hypothese der vergangenen Jahrzehnte verdanken sich der redaktionskritischen Fragestellung. Wenn auch die Rekonstruktionsversuche z. T. erheblich divergieren, können gleichwohl einige Grundlinien der jüngeren Forschung festgehalten werden: 5
Zur Abgrenzung s. u. Zur Abgrenzung s. u. 7 Vgl. Elliger, BK XI/1, 478f, und Berges, HThKAT, 373.390: „Dieser spätere Zusatz will unterstreichen, dass sowohl die Wiederbesiedlung als auch die Neu-Gründung des Jerusalemer Tempels auf Kyrus zurückgehen.“ (A. a.O., 390). Vgl. 2 Chr 36,23; Esr 1,2; 6,3. 8 Vgl. zur Forschungsgeschichte Kaiser, Grundriß 2, 51–54, sowie Höffken, Jesaja, 101–114, und zu Döderlein und Eichhorn als Vorläufern der Dtjes-Hypothese Berges, HThKAT, 31f. 6
4.2 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen
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1. Jes 40–55 sind das Ergebnis eines komplexen Entstehungsprozesses, wobei zwischen einer Grund- und mehreren Bearbeitungsschichten zu unterscheiden ist. 9 2. Ausgehend von der schlichten Beobachtung, dass in Jes 40–55 inhaltlich zwei Buchteile zu unterscheiden sind (40–48: Jakob/Israel-Teil; 49–55: Zion/Jerusalem-Teil), wird die Grundschicht in der Regel in 40–48* vermutet. 40,1–11* und 52,7–10 gelten als Prolog und Epilog dieser Buchgestalt. 10 3. Was die Datierung der Grundschicht angeht, so ist eine Ansetzung in die Zeit des Perserkönigs Kyros II. (559–530 v. Chr.) 11 – jedenfalls vor dem Bau des Zweiten Tempels seit 520 – Forschungskonsens. 12 4. Auch hinsichtlich der Lokalisierung der ältesten Textschichten zeichnet sich ein Konsens ab, der in der Annahme besteht, „daß die Dtjes-Gruppe ursprünglich in Babylonien wirksam war, woher noch der Großteil des in 41–48 zusammengestellten Überlieferungsmaterials stammt, dann aber nach Jerusalem wanderte und dort ihre Wirksamkeit fortsetzte“ 13.
9
Vgl. Kaiser, Grundriß 2, 52. Vgl. Schmid, Hintere Propheten, 341. Vgl. zu den geschichtlichen Hintergründen Veenhof, Geschichte, 288–291. 12 Für eine exilische Ansetzung der Grundschicht vgl. etwa Kratz, Kyros, 164–168; van Oorschot, Babel, 97.319; Werlitz, Redaktion, 362; vgl. für weitere Verweise Ehring, Rückkehr, 97, Anm. 385. Tendenzkritische Argumente für eine Datierung vor 539 v. Chr. nennt Schmid, Hintere Propheten, 342: „Offenbar ist die Deuterojesajagrundschrift noch vor der kampflosen Einnahme Babylons durch Kyros 539 v. Chr. geschrieben worden. Darauf weisen zunächst die Kap. 46f. hin, die die Vernichtung Babylons erwarten; sie scheinen die tatsächlichen Begebenheiten noch nicht zu kennen: Babylon wurde bei seiner Einnahme nicht zerstört, vielmehr zur Residenzstadt des persischen Großkönigs ausgebaut. Weiter lässt sich in 45,1f. erkennen, dass ein Grundtext, der in V. 2 ebenfalls noch mit einer kriegerischen Aktion gegen Babylon rechnete [...], in V. 1 offenbar historisch korrigiert worden ist [...]. Die entsprechende Aussage in V. 2 ist also noch vor 539 v. Chr. zu datieren.“ Vgl. zum zeitgeschichtlichen Hintergrund auch Berges, HThKAT, 43–45: „Wenn sich die Themen ‚Weissagungsbeweis‘, ‚Fremdgötter/Kultbilder‘, ‚Kyrus‘ und ‚Babel‘ nur in Jes 40–48 finden und danach mit keinem Wort mehr erwähnt sind, spricht das mit großer Wahrscheinlichkeit für eine Abfassungszeit des Großteils von Jes 40–48 in der Zeit zwischen dem Aufkommen des Persers (ca. 550 v. Chr.) und seinem Einzug in Babel im Jahre 539 v. Chr. und der unmittelbaren Zeit danach.“ (A. a.O., 45). 13 Albertz, Exilszeit, 299 mit Anm. 388 (Lit.!). Der vollständige Gedankengang: „Das Problem, daß manches im Deuterojesajabuch auf Babylonien, anderes wieder auf Jerusalem weist, läßt sich heute relativ einfach lösen. Sieht man nämlich genauer hin, so konzentrieren sich die Jerusalem-Bezüge auf den Prolog und den zweiten Buchteil (40,1f.9–11; 49,14f.; 51,17–19; 51,2f.; 52,7–10.11f.), während sich die Zeugnisse für babylonische Herkunft auf den Jakob/Israel-Teil beschränken. Da nun das Buch selber einen Weg der Trostbotschaft von Babylon nach Zion darstellt (48,20–49,14), eröffnet die redaktions- bzw. überlieferungsgeschichtliche Hypothese die Annahme, daß die Dtjes-Gruppe ursprünglich in Babylonien wirksam war, woher noch der Großteil des in 41–48 zusammengestellten Überlieferungsmaterials stammt, dann aber nach Jerusalem wanderte und dort ihre Wirksamkeit fortsetzte. So ist die Dtjes E1 wahrscheinlich in Jerusalem von der heimgekehrten Prophetengruppe verfaßt worden.“ (Ebd.). Vgl. zum Problem der Situierung von Dtjes auch Albani, Gott, 24f, der seine eigene Studie als Stärkung der babylonischen Verortung betrachtet. Die wichtigste Literatur zu dieser Frage nennt Ehring, Rückkehr, 97, Anm. 385. 10 11
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
Strittig sind dagegen folgende Punkte: 1. Welche konkreten Texte beinhaltete die Grundschicht in Jes 40–48*? Damit steht die zweite Frage in Zusammenhang: 2. Welchen literarischen Charakter hatte die Grundschicht? Stand eine regelrechte „Grundschrift“ (Kratz 14) oder einzelne „Teilsammlungen“ (van Oorschot 15) oder ein aus Einzeltexten und kleinen Sammlungen bestehendes „mixtum compositum“ (Werlitz 16) am Anfang der Überlieferung? 3. Ist weiterhin im Anschluss an Duhm von einer konkreten Prophetengestalt „Deuterojesaja“ als Verfasser der Grundschicht auszugehen, oder sollte nicht vielmehr mit einem Verfasserkollektiv (Tempelsänger?) gerechnet werden? 17 Die Sichtung der Belege von שמיםin Jes 40–55 hat ergeben, dass eine Beschränkung der Untersuchung auf die Disputationsworte in 40,12–31* möglich ist, da hier die entscheidenden Aspekte des Themas enthalten sind. Die Zuordnung von 40,12–31* zur ältesten oder wenigstens einer der ältesten literarischen Schichten ist in den verschiedenen Modellen unstrittig. 18 Auf eine über diesen Abschnitt hinausgehende genauere Rekonstruktion der Grundschicht, die ohnehin mit größeren Unsicherheiten behaftet wäre, kann deshalb verzichtet werden. Ein Streitpunkt der Rekonstruktion muss dagegen angesprochen werden, weil er für die Frage nach der Präsenz JHWHs und die Transformation vorexilischer Tempeltheologie von Belang ist: nämlich der einer möglichen Zionsperspektive der Grundschicht, die vor allem in den Rahmentexten 40,1–11* und 52,7–10 zu Tage tritt. In dieser Hinsicht stehen sich gegenwärtig zwei Entstehungsmodelle gegenüber 19: 1. Der zionstheologische Rahmen Jes 40,1–11* und 52,7–10 ist nicht Teil der Grundschicht. Nach van Oorschot besteht die exilische Grundschicht in 40–46* aus vier
14
Vgl. Kratz, Kyros, 168–174. Vgl. van Oorschot, Babel, 93–104. Vgl. Werlitz, Redaktion, 319–323. 17 Vgl. Berges, HThKAT, 36–38 (38–43 die Darstellung seiner Tempelsänger-Hypothese). 18 Kratz, Kyros, 161–168 (der Abschnitt gehört in die Vorgeschichte der Grundschrift, hat „Anspruch auf prophetischen Ursprung“ [161]); van Oorschot, Babel, 93–104 (der Abschnitt ist Teil der ersten Teilsammlung und damit der Grundschicht); Werlitz, Redaktion, 319 (er rechnet den Abschnitt zu den „Vorlagen“ der Buchedition). Etwas später datiert Berges, HThKAT, 128f; er plädiert für 539 als terminus a quo und 521 als terminus ante quem: „Die pessimistische und kritische Stimmung, gegen die sich die Disputation richtet, deutet darauf hin, dass Jes 40,12–31 in eine Zeit nach 539 v. Chr. gehört, in der sich tiefe Enttäuschungen in der Exilsgemeinde breitmachten. [...] Ist der Terminus a quo für Jes 40,12–31 für die ersten Jahre nach 539 richtig bestimmt, so hängt der Terminus ad quem davon ab, ob in diesen Versen schon eine Rückkehrhoffnung oder gar eine Heimkehrsicherheit zu bemerken ist. Dies kann mit einiger Sicherheit verneint werden, gerade mit Blick auf die eindeutige Ankunftsperspektive in 40,1–11. Damit ist diese zweite Ouvertüre zeitlich vor dem Amtsantritt Darius I. im Jahre 522 anzusetzen, eben in den Jahren als sich die Hoffnungen auf Kyrus nicht bewahrheiteten.“ 19 Vgl. das Referat bei Berges, HThKAT, 96f. 15 16
4.2 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen
91
Teilsammlungen mit folgender Zielsetzung: „Angesichts des Exils und auf dem Hintergrund der siegreichen Feldzüge des Perserkönigs Kyros (559–530) ergeht eine radikale Heilsbotschaft an die Exilierten des Südreichs, die Gola: Jahwe, der alleinige Schöpfer und Herr der Geschichte, rettet sein Volk durch Kyros.“ 20 Demgegenüber verdanke sich die Zionsperspektive erst einer späteren Jerusalemer Redaktion, die vornehmlich mit 40,1–5*.9–11 und 52,7–10 den Teilsammlungen durch Prolog und Epilog eine neue Ausrichtung verliehen habe und – anders als die Grundschicht – in Jerusalem entstanden sei. Während van Oorschot die Teilsammlungen der Grundschicht noch vor der Einnahme Babylons 539 v. Chr. ansetzt, votiert er im Hinblick auf diese Redaktionsstufe für eine Ansetzung „in das Umfeld der Jahre 520/521 v. Chr.“ 21. Anders als van Oorschot begrenzt Werlitz den Prolog auf 40,1–5*, 22 geht aber wie dieser davon aus, dass diese „gliedernden Texte“ 23 nicht zur Grundschicht gehören. Für diese These, die modifiziert auch von Albertz vertreten worden ist, 24 hat Berges noch einmal die Argumente gebündelt: „Diese Einschätzung stützt sich besonders auf die Tatsache, dass in diesen Versen auffälligerweise jeder explizite Bezug auf die Gola und ihren babylonischen Aufenthalt fehlt. Auch ist in ihnen keine Rede von den sich abzeichnenden Veränderungen durch den Siegeszug der persischen Großmacht unter Kyrus. Anders als Jerusalem und Zion bleiben Jakob/Israel ungenannt. So geht die Mehrheit der Ausleger davon aus, dass Jes 40,1–5* mit 52,7–10 eine Klammer um die erste Edition von Jes 40–52 bildete [...].“ 25
2. Der zionstheologische Rahmen 40,1–5(11)* und 52,7–10 ist Teil der Grundschicht. Diese Mehrheitsmeinung ist in jüngerer Zeit in Zweifel gezogen worden, wobei vornehmlich traditions- und religionsgeschichtliche Gründe geltend gemacht worden sind. C. Ehring hat in einer Monographie den Nachweis erbracht, dass Jes 40,1–5.9–11 und 52,7–10 vom mesopotamischen Konzept der Rückkehr einer Gottheit zu ihrem Tempel nach einer langen Zeit der Abwesenheit geprägt sind. 26 Darüber hinaus hat sie zu zeigen versucht, dass diese Rahmentexte vor allem aufgrund von traditionsgeschichtlichen Gründen u.a. mit den Kyros-Texten auf einer literarischen Ebene liegen. 27 Doch m. E. sind die genannten Argumente für eine mehrstufige Entstehung von Grundschicht und Rahmen stichhaltig und können durch das Argument eines größeren Vorstellungszusammenhangs, der 20
Van Oorschot, Babel, 97 (vgl. 23–104). Van Oorschot, Babel, 166 (vgl. 103–177). 22 So auch schon Kratz, Kyros, 148–152, der allerdings in 40,1–5 und 52,7–10 den ursprünglichen Rahmen der Grundschrift sieht. 23 Werlitz, Redaktion, 319; vgl. auch die Analyse a.a.O., 260–266. 24 Vgl. Albertz, Exilszeit, 297. 25 Berges, HThKAT, 96f, mit Verweis auf ders., Jesaja, 378; Werlitz, Redaktion, 319; Albertz, Exilszeit, 297. 26 Vgl. Ehring, Rückkehr, 96–163. 27 Vgl. Ehring, Rückkehr, 207–219. Die Kyros-Texte deutet sie dabei als „inhaltliche Ergänzung zu den ‚Rückkehrtexten‘“ (a.a.O., 219). 21
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
ebenso auf der Ebene einer ersten strukturierten Komposition entstanden sein könnte, nicht völlig entkräftet werden. 28 Da für die vorliegende Arbeit jedoch die zeitliche Verortung weit wichtiger ist als die Frage der genauen Schichtung, ist festzuhalten, dass beide Lager den zionstheologischen Rahmen noch vor dem Wiederaufbau des Tempels 520–515 ansetzen. 29 Für diese Datierung spricht nicht zuletzt der Befund, dass der Tempel selbst in den Rückkehrtexten nicht erwähnt wird, 30 wohingegen von den „Trümmern Jerusalems“ die Rede ist (52,9). Dass JHWH nicht zu seinem Heiligtum, sondern zu Zion/Jerusalem zurückkehrt, ist vor dem Hintergrund der altorientalischen Parallelen kaum anders als zeitgeschichtlich auszuwerten: In Jes 40* und 52* fungiert die Tempelstadt Zion-Jerusalem als Platzhalter für den noch nicht errichteten Zweiten Tempel.
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31 In Jes 40,12–31 liegen drei ursprünglich selbstständige Disputationsworte vor, die redaktionell zusammengestellt worden sind: 40,12–17; 18–26; 27–31. 31 Die Abschnitte können daher eigenständig analysiert werden, darüber hinaus ist aber der kompositionelle Zusammenhang zu berücksichtigen, der schon daran ersichtlich ist, dass die Argumentation auf die Trostworte in 40,27–31 zuläuft, um das angesichts der Exilskatastrophe in seinem Glauben angefochtene Israel 32 von JHWHs Macht und Heilswillen zu überzeugen: 28
Vgl. auch die Kritik bei Berges, HThKAT, 97. Diese Jahreszahl, nicht so sehr das Jahr 539, ist für die vorliegende Arbeit die entscheidende Zäsur. 30 Albertz, Exilszeit, 298, datiert seine vergleichsweise umfangreiche erste Edition des DtjesBuchs (s. die Tabelle a.a.O., 297) in das Jahr 521: „Wir kommen damit zur zeitlichen Ansetzung des ersten Deuterojesajabuches in das dramatische Jahr 521 v. Chr., als die Herrschaft des Darius noch keineswegs gefestigt und die Möglichkeit der Rückwanderung noch keineswegs gesichert war.“ Das entscheidende Argument für das Jahr 521 als terminus ad quem ist auch bei ihm der Jerusalemer Tempel: „Der Tempelbau ist anders als in Haggai nicht das zentrale Thema in der Dtjes E1; er wird vom RE1 in Jes 44,28 nur einmal knapp nachgetragen und kommt für ihn, wie die Aufforderung zur Rückführung der Tempelgeräte in 52,11 am Schluß des Buches zeigt, gerade mal als eine Zukunftsoption in den Blick. Sonst steht für ihn allgemeiner der Wiederaufbau Jerusalems und der judäischen Städte (44,26b; 45,13) und die Rückführung und Wiederansiedlung der Gola im Blickfeld (40,10; 42,7; 45,13; 49,8).“ (A.a.O., 297). Vgl. in diesem Sinn auch van Oorschot, Babel, 166 („in das Umfeld der Jahre 520/521 v. Chr.“); Werlitz, Redaktion, 292f („zwischen 539 und 520 v. Chr.“ [293]); Berges, HThKAT, 96f („auf dem Hintergrund der ersten größeren Heimkehrbewegung um das Jahr 520 v. Chr.“ [97]). Vgl. auch Ehring, Rückkehr, 97f mit Anm. 385, und Hartenstein, Archiv, 103. 31 Vgl. van Oorschot, Babel, 93: „Jeder der drei Texte erweist sich durch seine formkritische Geschlossenheit und die wechselnden Adressaten und Sprecher als relativ selbständig. Sie zeigen auch jeweils eigene inhaltliche Schwerpunkte, wobei sich in 40,12–31* nur ein relativer gedanklicher Fortschritt findet.“ Vgl. in diesem Sinn auch Hermisson, Diskussionsworte, 163; Werlitz, Redaktion, 212, der in 40,12–31 „eine kompositionelle, aber keineswegs eine ursprüngliche Einheit“ erkennt. 32 Zum Exil als religiöser Katastrophe vgl. Pohlmann, Religion, bes. 40f. 29
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
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„Als Schöpfer von Welt und Kosmos ist JHWH der alleinige Lenker der Weltgeschichte, nicht Marduk oder sonst eine Gottheit. Alles musste daran gelegen sein, Jakob/Israel davon zu überzeugen, dass sein Recht – trotz mancher gegenläufiger Signale – bei JHWH gut aufgehoben sei und dass diejenigen, die auf JHWH harrten, an seiner unerschöpflichen Kraft teilhaben würden.“ 33
Näher betrachtet werden sollen im Folgenden aber vor allem die einschlägigen Verse in 40,12–17 und 40,18–26.
4.3.1 Das erste Disputationswort: Jes 40,12–17* Das erste Disputationswort V. 12–17* 34 ist zweiteilig. Es besteht aus einer Kette rhetorischer Fragen (V. 12–14) und einer Folgerung (V. 15.17; eingeleitet durch die Aufmerksamkeitspartikel „ הןsiehe“), die als „das Ziel des ganzen Textes“ 35 zu bestimmen ist: Drei Vergleiche (V. 15) stellen klar, dass die Völker vor JHWH „wie nichts“ sind (V. 17). Betrachtet man den ersten Teil näher, so bilden V. 12 mit V. 13f zwei Reihen von rhetorischen Fragen, die aufgrund des Wortfeldes (V. 12: Wortfeld „messen“; V. 13f: Wortfeld „beraten“) und dadurch, dass in V. 13f JHWH als Objekt erscheint, zu differenzieren sind (vgl. auch den Neueinsatz mit der Fragepartikel מיin V. 13). Die erste Reihe, V. 12, benennt mit „Wasser“, „Himmel“, „Staub der Erde“ sowie „Berge“ und „Hügel“ die „Totalität der Schöpfungselemente“ 36, die weder manuell („hohle Hand“ und „Spanne“) noch instrumentell („Dreimaß“, „Waage“ und „Waagschalen“) erfasst werden können. M. Albani hat den Nachweis erbracht, dass beide Fragenreihen, die in V. 12 ebenso wie die in V. 13f, vor dem Hintergrund der babylonischen Marduktheologie zu verstehen sind. 37 Die implizite Antwort auf die rhetorischen Fragen lautet jeweils: „Niemand anderes als JHWH allein!“ 38 Vergleichsgröße wäre dann der babylonische Götterkönig Marduk. 39 Beide Motive, sowohl das Messen und Wägen
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Berges, HThKAT, 129. Mit van Oorschot, Babel, 24f, Anm. 11, dürfte V. 16 als Ergänzung zu beurteilen sein. Nach Werlitz, Redaktion, 213 f, handelt es sich auch bei V. 17 um einen Zusatz. 35 Hermisson, Diskussionsworte, 164. 36 Berges, HThKAT, 131. 37 Vgl. Albani, Gott. Schon Stummer, Parallelen, 173–176, hat die wichtigsten Vergleichstexte aufgeführt. 38 Ähnlich Baltzer, KAT X,2, 102f („Jahwe allein!“). Anders z.B. Elliger, BK XI/1, 47: „Die Antwort auf die Fragen von 12 lautet nicht: ‚Jahwe‘ [...], sondern ‚niemand‘ [...].“ Seiner Ansicht nach werde in 40,12 „menschliches Tun ironisiert“ (ebd.). Vgl. zur Kritik an Elliger Albani, Gott, 130f, Anm. 510: „Welchen Sinn sollte dies im Argumentationszusammenhang haben? Das Problem ist doch nicht, daß sich Menschen mit JHWHs Schöpfertätigkeit messen, sondern daß JHWHs Macht gegenüber der der siegreichen Götter Babylons fraglich geworden ist!“ 39 Die Fragen „bekommen eine religionsgeschichtliche Tiefendimension, wenn man Marduk als göttliche Vergleichsgröße des Propheten ins Auge faßt“ (Albani, Gott, 131). Vgl. zu V. 13f auch Blenkinsopp, AB 19A, 191: „The six questions following affirm the incomparability of Yahveh in im34
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
der Schöpfungswerke durch den Schöpfergott als auch das vorgängige Beratenwerden des Schöpfergottes durch andere Götter, sind u.a. im Enūma eliš für Marduk bezeugt. 40 Der Vergleich von Jes 40,12 mit entsprechenden Aussagen über Marduk macht dies deutlich. Jes 40,12 lautet: Wer hat gemessen das Wasser mit seiner hohlen Hand 41 und den Himmel mit der Spanne ermessen ()תכן und erfasst mit dem Dreimaß den Staub der Erde und gewogen mit der Waage die Berge und die Hügel mit Waagschalen?
Schon Stummer hat auf die Nähe des Verses zu einem Marduk-Hymnus in einem Ritualtext für das Neujahrsfest hingewiesen. 42 Die folgenden Worte sollen am 4. Nisan mit erhobener Hand als Gebet zu Bēl gesprochen werden: 43 „6–7Überlegener Herr der Igigi, erhabener der großen Götter ... 24 Der über den Himmel geht (ebēru), die Erde prüfend überblickt (hâṭu), 25 die Wasser des Meeres auslotet (madādu „messen“, vgl. hebr. ˘מדדin 40,12), sich um die Bebauung des Kulturlandes kümmert, 26 der in Eʾudul 44 wohnt, Herr über Babylon, hehrer Marduk!“
Wie in Jes 40,12 werden in Z. 24f mit Himmel, Erde und Meer alle für die Totalität der Welt stehenden Bereiche genannt (wie im Enūma eliš fehlt die Unterwelt). Z. 24 spielt deutlich auf einen Passus aus dem Enūma eliš an (IV 141), 45 der mit seinem näheren Kontext zitiert sei: „135Der Herr ruhte, um ihren Leichnam zu betrachten, 136 Um den Fötus zu teilen, um Kunstvolles zu schaffen. 137 Er zerbrach sie wie einen Dörrfisch entzwei; 138 Aus ihrer Hälfte setzte er ein (,) den Himmel (,) gestaltete er dann als Dach. 139 Er zog eine Haut ein, er postierte Wächter; 140 Ihr Wasser nicht herausgehen zu lassen, befahl er ihnen dann. 141 Den Himmel durchschritt er (ebēru), Ašratu 46 prüfte er (hâṭu); ˘ 142 Er machte die Gegenstücke zum Apsû dem Wohnsitz Nudimmuds gleich; 143 Der Herr vermaß (mašāhu) die Gestalt des Apsû; ˘ plicit contrast with the Babylonian imperial deity Marduk who, in creating the world, needed the advice of the wise god Ea.“ 40 Vgl. zu den Vergleichstexten Albani, Gott, 130–132. 41 Vgl. zur Ursprünglichkeit von MT Berges, HThKAT, 122 z.St. 42 Vgl. Stummer, Parallelen, 174. 43 Übers.: TUAT II, 216 (Farber). „Die betreffenden Texte wurden zwar erst in der Seleukidenzeit (d. h. nach 281 v. Chr.) aufgezeichnet, spiegeln jedoch Festabläufe wider, die in derselben Form gewiß bereits in der neubabylonischen Epoche zelebriert worden sind.“ (A.a.O., 212). Vgl. zum akkadischen Text die Bearbeitung von Thureau-Dangin, Rituels, 133–146. 44 Der Marduk-Tempel in Babylon (vgl. TUAT II, 213, Anm. 29a). 45 Dieses Zitat aus Ee begegnet in dem Ritualtext wenige Zeilen später auch in Bezug auf Marduks Gemahlin Sarpanitu (Z. 38: „die über den Himmel geht, die Erde prüfend überblickt“ [TUAT II, 216]). 46 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 114: „As Ašrata replaces šamāmū ‚Heavens‘ in Ee V 119– 22, it seems probable that Ašrata is a part of the Heavens, or a second name for the Heavens [...].“
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
95
144
Als Ešgallas Ebenbild errichtete er Ešarra. Ešgalla, Ešarra, das er gebaut hatte, (und) den Himmel – 146 Er ließ Anu, Ellil und Ea ihre Kultstätten bewohnen.“ 47 145
Z. 135–140 schildern zunächst, wie Marduk aus der besiegten Tiamat den Himmel erschafft und den darunterliegenden Bereich vor ihrem Wasser schützt. Die eigentlich interessante Z. 141 leitet von der Erschaffung des Himmels über zur Errichtung der Götterwohnsitze für die Göttertrias Anu, Enlil und Ea, wobei die himmlischen Paläste von Anu (Himmel) und Enlil (Ešarra) als Gegenstücke des Ea-Palastes im Apsû geschaffen werden (Z. 142–146). Z. 141 beschreibt mithin keine Schöpfungstätigkeit im engeren Sinn, 48 sondern ein nachgängiges Prüfen des zuvor geschaffenen Himmels. Der Vergleich mit Jes 40,12 legt nahe, dass das Motiv der maßnehmenden Prüfung des Geschaffenen zum Zweck der Überbietung aufgegriffen worden ist: „Während z.B. Marduk nur die Wasser des Meeres mißt (madādu), tut dies der Gott Israels mit der hohlen Hand ()מי־מדד בשׁעלו. Während Marduk nach der Ausbreitung des Himmels in Ee IV 138ff. den Himmel nur durchschreitet, erfaßt JHWH den Himmel mit der Spanne ()בזרת, also zwischen Daumen und Zeigefinger, usw. JHWH wird hier selbst bei dem ‚Monotheismuspropheten‘ in riesenhaft menschlicher Gestalt vor Augen geführt.“ 49
Elliger hat sich entschieden gegen die „groteske Vorstellung“ 50 ausgesprochen, dass JHWH als riesenhafte anthropomorphe Gestalt teils mit bloßer Hand, teils mit ebenso riesenhaften Instrumenten die Welt erschafft. Doch ist einerseits auf 47
Übers.: AOAT 375, 224–226. Dazu fügt sich die Terminologie: Das Verb hâṭu bedeutet hier „to explore, penetrate into, sur˘ vey, examine, investigate (essentially a divine quality)“ (CAD H, 160f). „The meanings of hâṭu are dominated by the concept of watching carefully (not in order ˘to protect, as naṣāru) with ˘the purpose of understanding and penetrating (detection rather than examination as in barû).“ (A.a.O., 162). Für den Traditionshintergrund des Verbs ebēru „to cross“ (vgl. CAD E, 10–12) ist einerseits Ee VII 128f (Erklärung für den Namen des Marduksterns Nēberu: „der die Mitte Tiamtus immer wieder durchschritten hat“) und andererseits die Beschreibung des Sonnengottes Šamaš als „Überschreiter des Meeres“ (vgl. zu den Belegen CAD E, 11) und Durchwanderer der Weltgegenden (vgl. im großen Šamaš-Hymnus: „(27) Du durchschreitest immer wieder beständig den Himmel, (28) (und) die weite Erde durchwanderst du täglich! (29) Die Flut des Meeres, die Berge, die Erde den Himmel (30) wie ein [...], beständig, durchwanderst du täglich!“ [TUAT.NF 7, 67]) mit zu bedenken. Das Wort scheint demnach vornehmlich in Bezug auf Astralgottheiten Anwendung zu finden (vgl. auch TUAT II, 216: Sarpanitu wird, bevor sie als ebirat šamê bezeichnet wird, „glänzendste der Sterne“ genannt [Z. 36 u. 38]). Vgl. im Alten Testament Hi 22,14 (JHWH durchwandert den Himmelskreis). 49 Albani, Gott, 130. Vgl. schon Stummer, Parallelen, 174: „Jahwe wird hier also Marduk gegenüber als der viel Größere, Gewaltigere dargestellt.“ Vgl. auch Hartenstein, JHWH, 401, der von einer „räumliche[n] Steigerung im Sinn der Gott-Welt-Unterscheidung“ spricht: „Denn Marduk findet sich ja [...] als Schöpfer bereits in einer unfertigen Welt mit einem Vorhimmel (verbunden mit seinem Großvater Anu) vor. JHWH hingegen hat keine Voreltern (vgl. Jes 43,10b–12a); er baut den Himmel auch nicht nur weiter aus, sondern macht ihn mit der Erde zu seinem universalen Thronraum (Jes 40,21f.).“ 50 Elliger, BK XI/1, 48. Für ihn ist es „ein schlechthin unvollziehbarer Gedanke [...], daß Dtjes Jahwe mit Dreiling und Waage hantieren ließe; dagegen verstehen sich diese Meßgeräte wie vollends hohle Hand und Spanne ohne weiteres, wenn damit menschliches Tun ironisiert wird.“ (A.a.O., 47). 48
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
weitere Anthropomorphismen in Dtjes zu verweisen (vgl. etwa 40,22), 51 und andererseits auf die Beschreibung Marduks im Enūma eliš, die ihrerseits mit einer Überbietungsrhetorik gegenüber den übrigen mesopotamischen Göttern operiert. Auch Ee I 92–100 beschreibt Marduks göttliche Überlegenheit, indem seine körperliche Überlegenheit bis ins Groteske gesteigert wird: „92Er war über sie [sc. die Götter, CK] in besonderer Weise erhöht, er war überragend in jeglicher Hinsicht; 93 Unbegreiflich kunstvoll waren seine Gliedmaßen; 94 Zum Verstehen waren sie nicht geeignet, anzuschauen waren sie beschwerlich. 95 Vier waren seine Augen, vier waren seine Ohren; 96 Beim Zusammenpressen seiner Lippen wurde immer wieder Gira [sc. der Feuergott, CK] entfacht; 97 Groß wurden – vier (an der Zahl) – die Ohren; 98 Und die Augen desgleichen, sie sahen alles. 99 Er war erhöht unter den Göttern, überragend war seine Gestalt; 100 Seine Glieder waren lang gewachsen, von Geburt an war er überragend.“ 52
Der Vergleich mit dem Enūma eliš macht deutlich: Die Fragenreihen in V. 12– 14 beschreiben zwar nicht JHWHs Schöpfungstätigkeit selbst, doch ist ihr Thema gleichwohl JHWHs Schöpfungswerk, insofern sie nämlich das Vor und Nach der Schöpfung thematisieren. V. 12 impliziert einen Baumeister, der sein Werk im Nachgang prüft, V 13f einen absolut autonom 53 planenden Architekten. Hier würde ich den Akzent daher anders setzen als Hartenstein, wenn er Jes 40,12 in den Zusammenhang der Erschaffung des Himmels einzuordnen scheint. Dafür hat er über Ee IV 141 hinaus auf Ee V 47–52 54 als Traditionshintergrund des Verses hingewiesen. Dort werde „genau diese Metapher vom in die Hand Nehmen der Wasser und der damit verbundenen Souveränität des Schöpfers als Werk Marduks geschildert“ 55. Unter Einbezug von Ee IV 141 geht Hartenstein davon aus, dass der 51 Vgl. die Kritik an Elliger bei Albani, Gott, 130f, Anm. 510: „Die heute selbstverständlichen theologisch-philosophischen Kategorien wie die ‚Unendlichkeit Gottes‘ haben DtJes im 6. Jh. v. Chr. bestimmt noch nicht daran gehindert, auch in anthropomorpher Weise von JHWH zu sprechen.“ Vgl. zur Vereinbarkeit von Anthropomorphismus und Monotheismus grundsätzlich Wagner, Körper, 186. 52 Übers.: AOAT 375, 133–135. 53 Vgl. Albani, Gott, 132: „Die Betonung der absoluten Autonomie JHWHs wird [...] erst recht verständlich, wenn man im Hintergrund von DtJes’ Argumentation den höchsten Gott der Siegermacht erkennt, der trotz des babylonischen Lobpreises auf seine weise Schöpfermacht und überlegene Gerichtsgewalt aus DtJes’ Perspektive durch die Existenz anderer Götter als in seiner Macht beschränkt angesehen werden muß.“ 54 Der fragmentarische Abschnitt lautet (Übers.: AOAT 375, 234f): (47) „Den Speichel von Tiamtu [...]; (48) [Marduk] schuf dann [...]; (49) Er häufte zu Wolk[en, das Wasser] ließ er wogen. (50) Das Erheben des Windes, das Regnenlassen, das Kaltwerden, (51) Das Rauchenlassen von Nebel, das Aufhäufen ihres Gifts (52) Bestimmte er für sich selbst, ließ er seine Hand ergreifen.“ 55 Hartenstein, JHWH, 401.
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
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Verfasser von Jes 40,12 „das Maßnehmen und das in die Hand Nehmen zu einem einzigen Bild der Größe JHWHs“ 56 verbunden habe. Der nähere Vergleich der beiden Stellen mit der Hand-Metapher weckt indes Zweifel an dieser These. Während die Metapher des Handergreifens in Ee V 52 (ahāzu in idiomatischer Verbindung ˘ mit qātu, vgl. CAD A/1, 179) einen Herrschaftsanspruch signalisiert, was sich gut in den weiteren Gebrauch der Metapher im Enūma eliš fügt, 57 dient die Hand in Jes 40,12 als Messinstrument; sie ist im Zusammenhang mit den übrigen natürlichen (Spanne) und künstlichen (Dreimaß, Waage, Waagschalen) Maßen zu sehen. 58 Zudem erscheint es mir fraglich, ob es in Jes 40,12aα tatsächlich darum geht, „die Wasserversorgung der Welt sicherzustellen und die Chaoswasser aus ihr herauszuhalten (‚mit der hohlen Hand‘)“ 59. Wiederum spricht der Zusammenhang (Wasser neben Himmel, Staub der Erde, Berge, Hügel) eher dafür, dass Wasser hier lediglich für ein wesentliches Element der Schöpfungswirklichkeit in ihrer Totalität steht. Hartensteins Deutung wird m. E. dem Gesamtgefüge des Verses nicht gerecht.
4.3.2 Das zweite Disputationswort Jes 40,(18)21–26 Das zweite Disputationswort beginnt in V. 21 60 wiederum mit rhetorischen Fragen; es folgt in V. 23f eine Partizipienreihe, die auf die Unvergleichlichkeitsfrage mitsamt der schöpfungstheologischen Antwort in V. 25f abzielt. Die hymnischen Partizipien in V. 22 thematisieren JHWHs Verhältnis zum Himmel:
56
Hartenstein, JHWH, 401. Vgl. z.B. den zentralen Abschnitt Ee VII 124–134, wo Marduk-Nēberus Herrschaft und Kontrolle über Himmel und Erde mit dem Wortfeld des „(Hand-)Ergreifens“ zum Ausdruck gebracht wird: Ee VII 124: tamāhu [vgl. CAD T, 107: „to take hold of in order to control“], Ee VII 127: ṣabātu u. Ee ˘ im militärischen Sinn einer Okkupation von Tiamats Mitte verwendet, vgl. CAD VII 129: ahāzu [dort A/1, 177];˘vgl. ferner SAA III 2,8 [wiederum tamāhu]) 58 Vgl. auch Berges, HThKAT, 131, zu den in˘ Jes 40,12 verwendeten Verben: „Das Wortfeld ist das des quantitativen Messens (messen; abmessen; erfassen, wiegen) [...].“ Das in Bezug auf שמיםverwendete Verb תכןpi. bedeutet im qal „prüfen“, im ni. „geprüft werden“. Vgl. auch Mommer, ThWAT VIII, 653: „Fragt man nach einer Grundbedeutung, so wird man zum Begriff der ‚Angemessenheit‘ geführt.“ 59 Hartenstein, JHWH, 401 60 Oft wird die Kultbildpolemik in den V. 18–20 als sekundär beurteilt und einer späten Redaktionsschicht zugeordnet (vgl. z.B. van Oorschot, Babel, 312–318). Doch mahnen jüngere Arbeiten eine Überprüfung dieser These an, vgl. Berges, HThKAT, 54–60. Traditionsgeschichtlich ist zu bedenken, dass Kultbilder und Gestirne in Mesopotamien eine vergleichbare Funktion erfüllten: „[J]ust as the image did, the moon, sun, and planets acted as carriers of signs; as secondary agents, they were part of the distributed agency of the divinity. Both celestial bodies and the image, however, differed in regard to the context of the communication with humankind.“ (Pongratz-Leisten, Divine Agency, 152). Dieser Funktionszusammenhang ist auch für Jes 40,18–26 zu bedenken: Dtjes spricht sowohl den Gestirnen als auch den Bildern die Funktion der Vermittlung göttlicher Kommunikation ab; allein JHWH ist Herr der Zukunft. 57
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
(22)
Der thront über dem Kreis der Erde (dem Horizontkreis) – und ihre Bewohner (sind) wie Heuschrecken. Der ausbreitet wie einen Schleier /wie Flor den Himmel – und ihn spannte wie ein Zelt zum Wohnen.
Die rhetorischen „Unterrichtsfragen“ 61 in V. 21 könnten suggerieren, dass der folgende kleine JHWH-Hymnus nichts anderes als „längst feststehende[n] Glaubensbesitz“ 62 wiedergebe. Doch dieser Annahme hat Hermisson mit Verweis auf die besondere Situation des Exils zu Recht widersprochen. 63 Dafür, dass hier mindestens „neue Akzente“ 64 gesetzt werden, spricht sowohl die singuläre Vorstellung vom Thronen JHWHs „über dem Kreis der Erde“ als auch die von seinem „Ausbreiten“ des Himmels „wie ein Zelt“, die hier ihren literarhistorischen Quellpunkt haben dürfte. Da die letztere Vorstellung m. E. leichter zu verstehen ist, soll sie zuerst behandelt werden. 4.3.2.1 Die Erschaffung des Himmels „wie ein Zelt“: Jes 40,22b Der Überblick über die Belege von שמיםhatte ergeben, dass das Wort in Jes 40– 55 am häufigsten im Kontext der Erschaffung des Himmels erscheint, wobei die allermeisten Stellen konkret vom „Ausbreiten“ ( )נטהdes Himmels handeln. 65 Im Folgenden möchte ich zunächst dieser Schöpfungsvorstellung nachgehen, dann nach deren Herkunft und Funktion fragen. Es ist nämlich durchaus strittig, ob in 40,22b der Himmel als Wohnort JHWHs zu verstehen ist. In 40,22b steht das Verb נטהneben dem ungefähr synonymen Hapaxlegomenon „( מתחausbreiten, ausspannen“ 66). Im Hintergrund der Dtjes-Belege von נטה67
61
Elliger, BK XI/1, 83. Ebd. 63 „Daß für diese im Exil lebenden Zeitgenossen der Glaube an Jahwe als den Weltschöpfer eine (nur in ihren Konsequenzen nicht bedachte) Selbstverständlichkeit war, ist aber schon angesichts ihrer religiösen Umwelt nicht wahrscheinlich. Den Anspruch auf die Weltschöpfung erhob ja auch Marduk, und er konnte das hier in Babylonien weit eindrücklicher und sinnenfälliger als der Jahwe der Israeliten. Waren für die Jerusalemer Tradition Jahwes Heilstaten Manifestationen seiner Schöpfermacht, so mußte mit jenen Heilstaten auch seine Schöpfermacht problematisch werden. Von daher ist also durchaus damit zu rechnen, daß die Rede von Jahwes Schöpfungswerk nicht einfach die allseits akzeptierte Prämisse bildete.“ (Hermisson, Diskussionsworte, 170). 64 Albani, Gott, 137 (im Original kursiv). Nach Albani „wird zwar in 40,22f. im Sinne Elligers auf vorhandene hymnische Überlieferungen des vorexilischen JHWH-Glaubens rekurriert. Doch waren diese offenbar in den Hintergrund getreten, da JHWHs königliche Präsenz in seinem Jerusalemer Heiligtum im Zentrum des hymnischen Gotteslobes stand, demzufolge JHWH Zebaoth vom Zion her die Welt regiert. DtJes setzt dagegen mit der Aussage vom im Himmel thronenden Schöpfergott (על־חוג )הארץ, der vornehmlich von dort her seine königliche Weltherrschaft ausübt, durchaus neue Akzente gegenüber der vorexilischen Zionstradition.“ 65 Vgl. auch die Übersichten bei Krüger, Lob, 108, und Hartenstein, JHWH, 388. 66 Vgl. zur Etymologie Ges18, 763. 67 Ein „Allerweltswort mit vielen Nuancen“ (Ringgren, ThWAT V, 409). 62
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
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steht – das legt nicht zuletzt der Vergleich mit dem Zelt nahe – die Rede vom „Ausspannen des Zelts“ ()נטה אהל, die konkret das Aufschlagen des Lagers (vgl. Gen 12,8; 26,25; 33,19; 35,21; Ri 4,11) oder das Aufschlagen des Zelts für die Lade (2 Sam 6,17; 1 Chr 15,1; 16,1; 2 Chr 1,4) bezeichnen kann. 68 Die bildhafte Rede vom „Ausspannen des Himmels“ begegnet fast ausschließlich und wahrscheinlich literarhistorisch erstmals in Dtjes (40,22; 42,5; 44,24;45,12; 51,13.16 [vgl. App. BHS]; 69 die übrigen, jüngeren Belege: Jer 10,12 = 51,15 70; Sach 12,1; Ps 104,2; Hi 9,8; vgl. noch Hi 26,7: = צפוןHimmel). Ps 104,2 und Jes 40,22b sind die einzigen Belege, die zu נטהeine Materialangabe in Form eines Vergleichs (jeweils „ כwie“) machen („Zelttuch“ [ ]יריעהund „Flor/Schleier“ [)]דק. Zu unterscheiden ist die Wendung נטה שמיםin der Bedeutung „den Himmel neigen“, die auf das Erscheinen des Wettergottes im Wolkenhimmel anspielt (Ps 18,10; Ps 144,5 [hi.]; vgl. Gen 49,15) 71; allerdings trifft die Bedeutung „den Himmel neigen“ nicht für Ps 104,2 zu: 72 Dass das „Zelttuch“ ( )יריעהeinem anderen Traditionshintergrund entstammen soll als der „Flor/Schleier“ ( )דקin Jes 40,22bα, ist nicht plausibel zu machen, da auch in Jes 40,22bβ durch כאהלder Zeltvergleich explizit erfolgt. Was die Herkunft der Vorstellung vom „Ausbreiten“ des Himmels angeht, so zeigt ein religionsgeschichtlicher Vergleich, dass die Vorstellung zwar nicht in Ägypten, sehr wohl aber in Mesopotamien belegt ist, wobei auch hier das Enūma eliš die größte Nähe zu erkennen gibt. 73 Die Erschaffung des Himmels wird am ausführlichsten in Ee IV 135ff beschrieben (vgl. Ee V 62) 74: „135Der Herr ruhte, um ihren Leichnam zu betrachten, 136 Um den Fötus zu teilen, um Kunstvolles zu schaffen. 137 Er zerbrach sie wie einen Dörrfisch entzwei; 138 Aus ihrer Hälfte setzte er ein (,) den Himmel (,) gestaltete er dann als Dach (ṣullulu). 139 Er zog eine Haut (mašku) ein (šadādu), er postierte Wächter; 140 Ihr Wasser nicht herausgehen zu lassen, befahl er ihnen dann.“ 75 68
Vgl. Ringgren, ThWAT V, 410. „Stets steht der massiv gefertigten (רקע, יסד, )עשהErde der mit einem Stoff leicht wie doq (Schleier? Flor? KBL) ausgespannte ( )נטהHimmel gegenüber als Wohnzelt für die Menschheit ...“ (Koch, ThWAT I, 132). 70 Vgl. zur literarhistorischen Verortung Wanke, ZBK 20.1, 113; ZBK 20.2, 450. 71 Vgl. Ringgren, ThWAT V, 411.413, sowie Müller, Wettergott, 31f.; gegen Habel, Heavens, der die beiden Stellen als Deuteschlüssel für die Jesajabelege gebraucht. 72 Gegen Müller, Wettergott, 31.223. Wenn Müller in diesem Zusammenhang auf die dunkle Farbe von Zelten verweist, so hat Houtman, Himmel, 212.219, zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass ein Zelttuch nicht zwingend schwarz sein muss (vgl. z.B. Ex 26,1). Vgl. zu Jes 40,22 und Ps 104,2 Krüger, Lob, 108: „Das Bild ist in beiden Texten das selbe: Sowohl die ‚Zeltdecke‘ ( ) ְי ִריָﬠהals auch ‚Schleier‘ und ‚Zelt‘ ( )ׄאֶהל ;ׄדּקveranschaulichen die Erfahrung des Himmels als luftiges (Wolken-) Gewebe und die Vorstellung eines durch den Himmel wie von einem Zelt umschlossenen Lebensraums.“ 73 Vgl. für eine Sichtung der religionsgeschichtlichen Kontexte Krüger, Lob, 107–110, und Hartenstein, JHWH. 74 Vgl. zur Erschaffung des Himmels im Enūma eliš auch Gabriel, enūma eliš, 150–152. 75 Übers.: AOAT 375, 224–225. 69
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
Der Himmel entsteht hier aus der getöteten und zerteilten Chaosmacht Tiamat. Seine Schutzfunktion ergibt sich aus dem Verb ṣullulu (vgl. CAD Ṣ, 239: „to roof (a building), to put on top“), dem Wort mašku „Haut, Leder“, das die Assoziation an ein vor Regen schützendes Zeltdach aus Tierhaut hervorruft, und schließlich dem eindeutigen Befehl an die Wächter, Tiamats Wasser nicht herausgehen zu lassen: Es geht um den Akt der Trennung der kosmischen Wasser und konkret um die Zurückhaltung des überhimmlischen Ozeans sowie den Schutz des darunter liegenden Lebensraums – eine Vorstellung, die allein hier und in Gen 1 klar zu Tage tritt. 76 Doch ganz ähnlich wie in Jes 40,22b wird die Erschaffung des Himmels als „Ausbreiten eines Himmelsdachs“ (šamāmi uṣṣallil) 77 bzw. „Ausbreiten einer (Tier-)Haut“ (išdud maška) 78 beschrieben. Das Verb ṣullulu begegnet in Ee V 61f ein weiteres Mal: „[Er stellte] ihre beiden Oberschenkel als Befestigungen des Himmels auf; [Ihre eine Hälfte] gestaltete er dann als Dach (ṣullulu), die Erde machte er damit dauerhaft;“
Mit Lambert könnte es sich bei Ee V 62 um das Gegenstück zu IV 138 handeln: War dort vom Ausbreiten des Himmels die Rede, so hier vom Ausbreiten der Erde, wobei beide Male das Verb ṣullulu verwendet wird: „(so) breitete er [die Hälfte von ihr] aus und befestigte sie als Erde“ 79
Der Kontext, in dem von der Wasserversorgung (Ee V 47–58) und der vertikalen Befestigung der Welt (Ee V 59–61) die Rede ist, legt auch hier nahe, dass das „Ausbreiten des Dachs“ eine Schutzfunktion hat. 80 Lediglich angedeutet wird die Vorstellung vom „Ausbreiten des Himmels“ in einem Lobpreis auf Marduk in Ludlul bēl nēmeqi (IV 105–112): „Marduk vermag aus dem Grabe ins Leben zu rufen; Zarpanitu versteht es, vor der Katastrophe zu verschonen. Wo immer die Erde steht (šakanu), der Himmel breit gespannt ist (rapašu) 81, die Sonne aufflammt, Feuer angezündet wurde, Wasser fließen, Winde wehen: (Ihr,) deren Lehm Aruru (einst) abgekniffen hat,
76
Vgl. Lambert, Myths, 171. Vgl. die Übers. von Lambert: „eine Hälfte davon stellt er hin und breitete sie als Himmelsdach aus.“ (TUAT III, 587). 78 Vgl. die Übers. von Lambert: „Er breitete die Haut aus und setzte eine Wache ein ...“ (TUAT III, 587). Vgl. auch Horowitz, Cosmic Geography, 112: „He stretched out a skin and assigned a guard.“ Vgl. zu šadādu in der Bedeutung „to pull taut, stretch“ CAD Š I, 21f. 79 TUAT III, 589. 80 In diesen Kontext gehört ein Beleg aus dem Gilgamesch-Epos, wo es in Tafel XI 31f über das Schiff heißt: „Es selbst versieh, so wie die ‚Unterirdischen Wasser‘, mit einem schützenden Dach.“ (Maul, Gigamesch-Epos, 141; vgl. auch a.a.O., 185 z.St.). 81 Das Verb hat ein breites Bedeutungsspektrum, vgl. CAD R, 153–158: „to become wide, broad, to be enlarged, to be spread out“, dann: „to grow larger, to increase“. 77
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
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lebende Geschöpfe, zu laufen befähigt, [(ihr Um]wölkten, so viele es gibt, preiset Marduk!“ 82
Zwar wird der Schöpfungsvorgang hier nicht explizit einer Gottheit zugesprochen; allerdings dürfte es kein Zufall sein, dass Marduk das Ziel der abschließenden Lobaufforderung ist. Die Metapher des „Himmelszelts“ klingt darüber hinaus in der mesopotamischen Himmelsbezeichnung ermi danim „Decke des (Himmelsgottes) Anu“ an. Der Terminus begegnet einerseits in der Liste Malku II 101 (ermi d anim synonym zu šamû) und andererseits mehrfach in neuassyrischen Königsinschriften. 83 Nach Hartenstein handelt es sich bei dem Theologumenon von der Erschaffung des Himmels um ein „monotheistisches Kernargument“ 84, das „in Auseinandersetzung mit der Marduktheologie Babylons“ 85 erstmals bei Dtjes begegne. Diese These ist überzeugend. Die Vorstellung dürfte in der Tat von der MardukTheologie inspiriert sein, wobei allerdings in Jes 40,22b mit Hilfe der Zeltmetapher der eigenen Erfahrungswelt Rechnung getragen wird. 86 Das einem Chaoskampf folgende Ausspannen der teriomorph gedachten Tiamat (mašku „[Tier-] Haut“) konnte natürlich nicht aufgegriffen werden. Jes 40,22 kennt keinen vorausgehenden Chaoskampf. Es findet auch keine Schlachtszene statt, das Material „Flor“ betont stattdessen „die Leichtigkeit, mit der er den gewaltigen Himmel [...] ausgespannt hat“ 87 (zu beachten ist auch, dass lediglich in Vergleichen [„wie Flor“, „wie ein Zelt“] gesprochen wird, vgl. Kap. 5 zu Ez 1). Schwieriger zu beantworten als die Frage nach der Herkunft der Metapher vom Himmelszelt ist diejenige nach ihrer Funktion: Ist das Zelt als Wohnzelt JHWHs zu verstehen? Das Problem hängt zum einen an der Mehrdeutigkeit des Verbs ישב, das „sitzen, wohnen, thronen“ bedeuten kann. In V. 22a ist vom Kontext her klar, dass 82 Übers. TUAT II 134f (von Soden); Text Annus/Lenzi, Ludlul, 29 (mit abweichender Zeilenzählung: 75–82); zum Verständnis a.a.O., XXV. 83 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 227; CAD E, 302. 84 Hartenstein, JHWH, 408 u.ö. Darauf deutet auch die im Kontext betonte Exkusivität hin (vgl. 44,24 [ ]שמים נטה לבדיund 45,12 [)]שמים נטו ידי אני. Diese spricht auch für eine religionsgeschichtliche Ableitung der Vorstellung: Nicht Marduk, sondern JHWH allein ist Erschaffer des Himmels. 85 Hartenstein, JHWH, 408; vgl. schon Albani, Gott, 249: „Neu ist bei DtJes [...] offenbar die Ausweitung der Schöpfermacht auf den Himmel und die Gestirne, was sich am ehesten auf babylonischen Einfluß zurückführen läßt [...].“ (Im Original kursiv). 86 Vgl. auch Hartenstein, JHWH, 402. Die religionsgeschichtliche und die erfahrungsweltliche Ableitung schließen sich m. E. nicht aus. Die metaphorische Verwendung von אהלin Jes 40,22 u.ö. dürfte sich auf eine runde Zeltform beziehen (Qubba-Typ), die im Alten Testament selbst sowie in altorientalischen Bildquellen bezeugt ist: „Verschiedene bibl. Texte scheinen geschlossene Z.e [Zelte, CK], die rund und gewölbt sind (Ps 19,5 104,2 Jes 40,22), mit einem speziellen Eingang (Gen 9,21 18,1– 15 Ri 4,17–22 7,13) vorauszusetzen. Eine ähnliche Form haben die Z.e der Qedariter auf Reliefs aus dem Palast Assurbanipals (Mitte 7. Jh. vC ...). Das aus Matten und Tierhäuten bestehende Dach wird von der Z.mitte aus mit schrägstehenden Stangen gestützt und am Rande mit Stricken und Pflöcken verankert.“ (Staubli, NBL III, 1198). 87 Elliger, BK XI/1, 83f. Vgl. auch Albani, Gott, 247, Anm. 1063.
102
4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
JHWH „[auf dem Erdkreis] thront“ und die Menschen „[auf der Erde] wohnen“. In V. 22b ist der Sinn offener. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, das „Zelt zum wohnen/thronen“ zu interpretieren. Die erste, mehrheitlich vertretene Lösung erkennt in dem Zelt ein Wohnzelt für Menschen (vgl. auch אהלals menschlicher Wohnbereich in Jes 54,2). 88 Die zweite Lösung sieht in dem Zelt den Wohn- bzw. Thronsitz JHWHs. Vor dem Hintergrund königlicher Thronbaldachine könnte nach Hartenstein „die Metapher vom ‚Himmelszelt‘ in Dtjes am ehesten den sichtbaren Himmel als königlichen Baldachin des ‚über dem Erdkreis‘ thronenden JHWH meinen“ 89. Er übersetzt 40,22b: „Der ausspannte wie Schleierstoff (den) Himmel, ihn ausbreitete wie einen Baldachin zum Thronen.“ 90
Doch gegen eine Übersetzung von ישבmit „thronen“ spricht einerseits der nähere und weitere Kontext. 91 Andererseits steht einer Interpretation des Himmelszelts als Wohnsitz JHWHs der traditionsgeschichtliche und religionsgeschichtliche Hintergrund entgegen. Dafür seien zunächst die beiden übrigen alttestamentlichen Stellen herangezogen, bei denen Zelt-Metapher und göttlicher Wohnort verbunden erscheinen: Ps 19,5 und Ps 104,2b–4b. In Ps 104,2b–4b, einem nachexilischen, weisheitlich geprägten Psalm, 92 ist der Himmel Schöpfungsobjekt und Wohnort JHWHs, wobei zwei unterschiedliche Bilder gebraucht werden. Die Erschaffung des Himmels wird in V. 2b zunächst mit Hilfe der auch in Jes 40,22 begegnenden Metapher vom „Himmelszelt“ ausgedrückt („Der ausspannt [ ]נטהden Himmel wie ein Zelttuch“ [)]יריעה. V. 3a („Der baut im Wasser seine Obergemächer“) beschreibt demgegenüber die Errichtung des himmlischen Wohnorts mit Hilfe einer anderen Metapher (vgl. die Termini 88
So Koch ThWAT I, 132; Elliger, BK XI/1, 84; Görg, ThWAT III, 1030; Hermisson, BK XI/
2, 19. 89
Hartenstein, Angesicht, 164. Vgl. auch ders., JHWH, 401, wo er von einem „universalen Thronraum“ spricht. Hartenstein, Angesicht, 163f, sieht auch in Sir 50,5–7, der Schilderung des Erscheinens des Hohenpriesters Simon vor dem Allerheiligsten („Zelt“), einen Bezug zur Metapher vom „Himmelszelt“. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Reihe der Vergleiche an den Schöpfungswerken in Sir 43,1ff orientiert ist und deshalb ab V. 8 neben Phänomenen der himmlischen Welt auch solche der natürlichen Welt aufgeführt werden. „Blüten wie Lilien und Gewächse wie Zedern werden als Bilder benutzt beim Vergleich für das prächtige Erscheinen des Hohenpriesters.“ (Sauer, ATD.A 1, 339). 90 Hartenstein, Angesicht, 164. Vor anderem Traditionshintergrund gelangt Habel, Heavens, 420, zu einer ähnlichen Übersetzung: „[T]he one who stretches out the heavens like a curtain and spreads them out like a tent to reign there ...“ Positiv aufgenommen bei Podella, Lichtkleid, 236f, Anm. 370. 91 Vgl. Hermisson, BK XI/2, 19. Hermisson argumentiert zum einen mit dem unschönen Hysteron-Proteron „der thront ... der den Himmel ausbreitet ... wie ein Zelt, um zu thronen“, zum anderen mit dem eindeutig auf menschliches Wohnen bezogenen Infinitiv לשבתin Jes 45,18. 92 Vgl. zur Analyse des Abschnitts Krüger, Lob, 107–124.
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
103
קרהpi. „zimmern, mit Balken bauen“ [KAHAL, 513] und „ עליהObergemach, Raum im Oberstock“ [KAHAL, 409]) und unter Verwendung des selten bezeugten Motivs des Himmelsozeans (noch Gen 1,7 und [davon abhängig] Ps 148,4 93). Wichtig ist nun zu erkennen, dass JHWH in V. 2b das „Zelt“ mitnichten als Wohnzelt für sich baut. Dies wäre nicht zuletzt aufgrund der Errichtung des Königspalastes im Himmelsozean (V. 3a: )במיםeine abwegige Vorstellung, da sich der Palast sinnvollerweise nur über dem Zelt befinden kann. 94 Vor dem Hintergrund der Kosmologie von Gen 1 dürfte das Himmelszelt in Ps 104,2b somit als schützendes Zelt für den darunterliegenden irdisch-menschlichen Lebensraum gedacht sein, der ab V. 5 in den Blick kommt. Noch einmal anders liegen die Dinge in dem spätnachexilischen Ps 19. 95 In V. 5b heißt es: „Dem 96 שמשhat er (Gott, V. 2a) in/an ihnen (( )בהםsc. den Himmeln, V. 2a) 97 ein Zelt aufgerichtet“. A. Grund hat sich in Bezug auf das בהםin V. 5b mit überzeugenden Argumenten für ein lokales Verständnis der Präposition בausgesprochen. Es geht um „die Bereitung eines Zeltes im Himmel als Einordnung der Sonne in den Bereich des im Himmel thronenden Königs- und Schöpfergottes“ 98. In Ps 19,5b handelt es sich demnach überhaupt nicht um ein Himmelszelt, sondern lediglich um ein Zelt im Himmel ()בהם. Die Vorstellung ist von der in Jes 40,22 strikt zu unterscheiden. Somit ist weder in Ps 104,2b–4b noch in Ps 19,5 ein Himmelszelt als Wohnsitz JHWHs belegt. Wenn das „Ausbreiten des Himmels“ in Jes 40,22b – wie in dieser Arbeit angenommen – vom Enūma eliš inspiriert sein sollte, ist es nicht ohne Belang, wie der Zusammenhang von Erschaffung des Himmels und göttlichem Wohnsitz in diesem Epos dargestellt ist. Hier ist zunächst festzustellen, dass das schützende Himmelsdach in Ee IV 138–140 in keinem direkten Zusammenhang mit den Götterwohnsitzen 99 steht, von denen erst in Ee IV 142–146 die Rede ist; vielmehr sind 93
Vgl. zur Rezeption von Gen 1 in Ps 148 etwa Hossfeld/Zenger, HThKAT, z.St. (Zenger). Vgl. auch Bartelmus, ThWAT VIII, 222, der in Ps 104,2f „Traditionsmischungen“ erkennt. Der späte Psalm dürfte m. E. sowohl die Metapher vom „Himmelszelt“ in Dtjes als auch das Motiv des Himmelsozeans in Gen 1 kennen; beide Schöpfungstraditionen werden mit der Vorstellung vom himmlischen Königspalast verbunden. 95 Vgl. zur Datierung des Psalms Grund, Psalm 19, 282–293. 96 Grund, Psalm 19, 22f, Anm. 7, übersetzt mit „Sonnenball“, um dem maskulinen Nomen und dem Bild vom „Held“ und „Bräutigam“ gerecht zu werden; dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass der Alte Orient eine Kugelgestalt der Sonne noch nicht kannte. 97 בהםist auf השמיםin V. 2a zu beziehen, vgl. Grund, Psalm 19, 28f. Zur Interpretation der Stelle vgl. a.a.O., 174–176. 98 Grund, Psalm 19, 176. Vgl. zur religionsgeschichtlichen Einordnung der „Zelt“-Metapher a.a.O., 176–191. 99 Ein wichtiges Ziel des Schöpfungswerks Marduks besteht im Enūma eliš darin, dass die Götter ihre Wohnsitze erhalten (das Wort šubtu „Wohnsitz“ ist in Ee 13mal bezeugt! Vgl. AOAT 375, 394); das Wortfeld „Tempel“ ist breit belegt (vgl. ebd.). Der erste Gott, der – schon vor Marduks Auftreten – seinen Wohnsitz erhält, ist Ea, der, nachdem er Apsu getötet hat, den gleichnamigen Weltteil als Wohnsitz bezieht (Ee I 71); die beiden anderen Götter der traditionellen Trias, Anu und Enlil, bekommen ihre Wohnsitze in den von Marduk neu gestalteten Weltteilen Himmel und Ešarra (Ee IV 146). Marduk 94
104
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in Ee IV 127–V 66 zwei gänzlich verschiedene kosmologische Vorstellungen kombiniert worden: „The one is a form of the splitting of heaven and earth, and it differs from the known Sumerian versions in that Tiāmat’s body is the lump of matter, and since Tiāmat is conceived aquatically the upper portion as put in place by Marduk is thus a watery heaven and a skin (mašku: IV 139) is stretched across to hold this water back. [...] The other cosmology in Enūma Eliš is based on the trinity of great gods, Anu, Enlil, and Ea, to which it assigns cosmic locations chiastically in IV 145–146. ‚Heaven‘ of course goes with Anu, Ešarra therefore with Enlil and Ešgalla with Ea.“ 100
Dabei wurde die traditionelle, schon in Atram-hasīs 101 bezeugte Verteilung der ˘ Hauptgötter im Kosmos entscheidend transformiert: Marduk als neuer Königs102 gott tritt an die Stelle Enlils, übernimmt dessen Herrschaftsbereich, die Erde; 103 Enlil wird in einen „Zwischenhimmel“ (Ešarra) befördert, eine Art „Alterssitz“ für emeritierte Götter. Für die vorliegende Frage ist von Bedeutung, dass beide Vorstellungen, die vom Ausbreiten der Haut Tiamats und die von den himmlischen Wohnsitzen der dort platzierten Götter Anu und Enlil, im Enūma eliš völlig unverbunden nebeneinander stehenbleiben. Von den himmlischen Wohnsitzen erfährt man nicht mehr, als dass sie nach dem Maß und als Entsprechungen zum Apsû gestaltet werden (Ee IV 142–144).
selbst lässt sich seinen Wohnsitz im Tempel Esagil in Babylon einrichten (Ee V 122; VI 70; nach Ee VI 72 ist Babylon zugleich Wohnsitz aller Götter; zu Marduks Wohnsitz im DUKU vgl. Ee VII 99), so dass die um ihn erweiterte Trias versorgt ist (Ee VI 64). Nach Ee VI 144 (VI 72) hat Marduk im gesamten Kosmos (Himmel und Erde) die Wohnsitze aller Götter geschaffen. 100 Lambert, RlA 4, 411f. 101 Atr I 11–20: „Das ...(-Gefäß?) hatten sie an seiner Wange ergriffen, Sie hatten das Los geworfen, die Götter hatten geteilt: Anu war hinauf in den Himmel gestiegen, Enlil hatte die Erde als sein Herrschaftsgebiet ergriffen, Riegel und Schlinge des Meeres Waren dem Fürst-Weisen Enki gegeben worden. Des Anu Schar war hinauf in den Himmel gegangen, Des Enki Schar war hinab in den Süßwasserozean gestiegen. Untätig war oben die Schar des Himmels, ließ die Igigū-Götter die Arbeit verrichten (/Die Schar Enlils verrichtete die Arbeit).“ (Übers.: Wilcke, Weltuntergang, 76). 102 Marduk ist der „Enlil der Götter“ (VII 149) oder wird schlicht Enlil genannt (VI 82, Text F); VI 64 nennt die erweiterte Trias: Anu, Enlil, Ea und Marduk. 103 Vgl. dazu Lambert, Myths, 199: „Marduk’s position is on earth in Esagil, and this is probably the most shocking innovation. Quite generally in ancient Mesopotamian religion, the gods were conceived to have an other-worldly home, above or beneath the world of men, and their occupation of temples on the earth did not affect this in any way.“
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
105
Wie in Ee dürfte auch in Jes 40,22 mit der Zeltmetapher nicht der Wohnort des Schöpfergottes, sondern vor allem der Schutzaspekt im Blick sein: Der Himmel dient als Schutzdach für den darunter liegenden Lebensraum. 104 Dass das Himmelszelt Jes 40,22b zugleich JHWHs Wohnort sei, liegt nach alledem nicht nahe. Alles spricht dafür, dass es als Wohnzelt für die Menschen (die „Bewohner der Erde“, 40,22a) dient. Von JHWHs Wohn- bzw. Thronsitz handelt dagegen eindeutig Jes 40,22a. 4.3.2.2 JHWHs Thronen über dem „Kreis der Erde“ Die Formulierung „Der thront “על־חוג הארץin 40,22aα ist im Alten Testament einmalig und eine echte crux interpretum: „Auffälligerweise thront JHWH in Jes 40,22 über dem ‚Rund der Erde‘ und nicht wie sonst üblich in den Himmeln (Ps 2,4; 123,1), in der Höhe (Ps 113,5), in Zion (Ps 9,12), über den Lobgesängen Israels (Ps 22,4), auf seinem heiligen Thron (Ps 47,9; vgl. Klgl 5,19), über der Urflut (Ps 29,10), von alters her (Ps 55,20) oder auf ewig (Ps 102,13). Auch ist er nicht als ֹיֵׁשב ‚ ַהְכֻּרִבםKerubenthroner‘ (1 Sam 4,4; 2 Sam 6,2//1 Chr 13,6; 2 Kön 19,15//Jes 37,16; Ps 80,2; 99,1) dargestellt [...]. Die Kombination des göttlichen Thronens mit dem Element Erde, also nicht Himmel oder kultischem Raum, ist im AT singulär [...].“ 105
ישבmit Präposition עלist in den allermeisten Belegen auf einen Thron ( )כסאals Objekt bezogen (z.B. Jes 6,1; Ps 47,9). In Verbindung mit einer kosmischen Größe begegnet die Formulierung noch in Ez 38,12 („die auf dem Nabel der Erde [= Land Israel] wohnen“) sowie in 1 Kön 8,27 (JHWH wohnt nicht auf der Erde). Am nächsten kommt Jes 40,22 vielleicht Ps 29,10; dort erscheint das Verb allerdings in Verbindung mit der schwer erklärbaren Präposition ל. JHWHs Thronen wird in dem Vers mit der kosmischen Größe מבולin Zusammenhang gebracht. Was mit diesem Begriff in Ps 29,10 gemeint ist, ist allerdings ebenfalls hoch umstritten. Möglich wäre es, den Vers vor dem Hintergrund der Wettergottvorstellung zu deuten, so dass „ מבולoffenbar die bereits gezähmten Fluten“ 106 bezeichnet. Der Konkordanzbefund legt allerdings eine andere Lösung nahe; denn „ מבולist im Alten Testament reserviert für die Sintflut, die Ansammlung der Wasser auf Erden aus den Schleusen des Himmels und den Quellen der Erde in der recht jungen Priesterschrift, und einmal auch für den Regen in den nichtpriesterschriftlichen
104 Mit Houtman, Himmel, 219, könnte beim Zeltvergleich weniger die Gestalt als die Funktion des Himmels intendiert sein: „[W]as die Zeltwohnung für den Menschen, das ist der Himmel für die Erde.“ Und man sollte ergänzen: und für ihre Bewohner. Im Gegensatz zu Ee und Gen 1 verschweigt Jes 40ff jedoch die Existenz von überhimmlischem Wasser. 105 Berges, HThKAT, 149. 106 Müller, Wettergott, 127: „V.10a betont gegenüber V.3, dass Jahwe die chaotische Gewalt der Wasser niedergerungen hat.“ Hartenstein, Unzugänglichkeit, 59, Anm. 117, versteht „ מבולals Bezeichnung für den Bereich der Wasser(tiefen), der in der kosmischen Vertikalen den Gegenpol zur ‚Höhe‘ des Throns bildet“.
106
4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
Fragmenten der Flutgeschichte (Gen 7,10)“ 107. Deshalb dürfte es sich bei V. 10 um eine jüngere Zutat handeln: „JHWHs Königtum [wird] hier aus der biblischen Heilsgeschichte abgeleitet und auf die in Gen 8 und 9 zugesagte Bewahrung vor einer weiteren Flut bezogen.“ 108 Nach Müller sind bei JHWHs Thronen למבולder lokale („auf “) 109 und der direktionale („in Richtung auf “) 110 Sinn der Präposition לzusammenzudenken: „Dass Jahwe ‚in Richtung auf ‘ die Flut thront, lässt sich nicht davon trennen, dass die Flut selbst seinen Thron bildet.“ 111 Vor dem Hintergrund der Wettergottund Chaoskampftradition verdeutlicht JHWHs – ישב למבולähnlich wie in V. 3* JHWHs Präsenz auf/über ( )עלdem (großen) Wasser ( מיםbzw. – )מים רביםseine welterhaltende Kontrolle über die chaotische Flut. Diese Deutung gilt in gleicher Weise, wenn der Begriff konkret auf die nicht minder chaotische Sintflut in Gen 6– 9 anspielt. Im Vergleich mit Jes 40,22 ist allerdings auf einen wesentlichen Unterschied hinzuweisen. Die Verortung JHWHs erfolgt in Ps 29* noch voll und ganz im Rahmen der „impliziten Kosmologie“ der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie (s. Kap. 2). D. h. die reale und die mythische Ebene, JHWHs irdisches und kosmisches Thronen, entsprechen einander. „Der ( היכלV.9aβ*) ist nicht nur Jahwes Königspalast, in dem sich die Götter vor ihm niederwerfen, sondern auch sein irdischer Tempel. Der Kult, in dem Ps 29* gesungen wird, bringt das unsichtbare Geschehen, das sich unter den Göttern abspielt, zur Darstellung. Die huldigende Gemeinde vereint sich mit den Göttern (cf. „ כלוall die seinen“ in V.9b).“ 112
Dieser Tempelbezug fehlt in Jes 40,22a. Doch was meint die Wendung ?על־חוג הארץ Das Wort חוגhat die Bedeutung „Kreis, (mit dem Zirkel gezogene) Kreislinie“ 113. Es ist fünfmal im hebräischen Alten Testament belegt (Jes 40,22; 44,13; Hi 22,14;
107 Kratz, Mythos, 157f. Neben Ps 29,10 existieren 13 weitere Belege: Gen 6,17; 7,6.7.10.17; 9,11 (2mal).15.28; 10,1.32; 11,10; Sir 44,17; Vgl. zu den Belegen Stenmans, ThWAT IV, 634, der allerdings Ps 29,10 als ältesten Beleg wertet und von einer Grundbedeutung „Himmelsozean“ ausgeht (vgl. a.a.O., 637f). 108 Kratz, Mythos, 158. Wenn Müller, Wettergott, 126, dieser Deutung mit dem Argument widerspricht, JHWHs Thronen in V. 10a müsse sich auf V. 3 („Die Stimme JHWHs על־המים... JHWH )“על־מים רביםbeziehen, so spricht dieser Bezug nicht gegen diese heilsgeschichtliche relecture der älteren Chaoskampfmotivik, die – wenngleich nur andeutungsweise – auch in der priesterschriftlichen Deutung der Flut enthalten ist (vgl. Gen 7,11; 8,2 und Gen 1,2.6–8). 109 In Anlehnung an ugaritisches yt̲b li „sich setzen/sitzen auf “; vgl. Müller, Wettergott, 126f. 110 Vgl. zu dieser Interpretation Hartenstein, Unzugänglichkeit, 59f, Anm. 117. 111 Müller, Wettergott, 127: „In jedem Fall erweist sich Ps 29,10a als Herrschaftsaussage.“ Vgl. auch Hartenstein, Unzugänglichkeit, 59, Anm. 117: „JHWH hat ureinst seinen Thron bestiegen und thront seitdem ‚in Richtung auf ‘ die unten befindliche Flut [...], d. h. ‚angesichts‘ der (Ur)flut, über die er so ständig die Kontrolle ausübt [...].“ 112 Müller, Wettergott, 125. Vgl. schon Hartenstein, Unzugänglichkeit, 61. 113 Seybold, ThWAT II, 782. Seybold betrachtet חוגund „מחוגהals erst spät und sekundär unter dem Einfluß babylonischer Technologie und Kosmologie entstandene oder benützte Termini technici“ (a.a. O., 781).
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
107
26,10; Spr 8,27), hinzu kommt ein Beleg in Sir 43,12. Abgesehen von Jes 44,13 (der „Zirkel“ des Zimmermanns) stehen sämtliche Belege in Schöpfungskontexten. Zweimal steht das Wort in einer festen Verbindung mit חוק: In Hi 26,10 beschreibt Hiob Gottes „Einritzen einer Kreislinie“ auf dem Wasser ()חק־חג על־פני־מים, „bis zum Ende des Lichts bei der Finsternis“, also als Trennlinie zwischen Licht und Finsternis. Nach Prov 8,27 war die Weisheit gegenwärtig bei JHWHs „Einritzen einer Kreislinie“ auf dem Urmeer (( )בחוקו חוג על־פני תהוםSpr 8,27). 114 Beide Belege gehen mit einer Grundannahme des altorientalischen Weltbildes davon aus, dass die kreisrunde Erdscheibe von Wasser umgeben ist (vgl. die babylonische SipparTafel 115). Jes 40,22 am nächsten kommt der Beleg in Hi 22,14, wo ebenfalls das Verhältnis zwischen Gott und Mensch im Mittelpunkt steht. In Hi 22,13f legt Elifas Hiob die resignierte Frage in den Mund: „Was weiß Gott? [...] Den Kreis des Himmels durchwandert er ()וחוג שמים יתהלך.“ Abgesehen von dem späten Beleg in Sir 43,12, der auf die runde Form des Regenbogens bezogen ist, 116 ist das Wort חוגim Alten Testament demnach „in der Bedeutung eingeengt auf den Erd-, bzw. Himmelskreis [...], nämlich den Horizont, und zwar in doppeltem Sinn als Küstenlinie auf beiden Seiten des Urstroms, der ringförmig die ganze Erde umgibt und von dem Bereich des Himmels trennt“. 117 Wenn „ חוגKreis“ die Horizontlinie bezeichnet, dürften die Varianten „Erdkreis“ (Jes 40,22) und „Himmelskreis“ (Hi 22,14) schlicht der jeweiligen Perspektive geschuldet sein, 118 die in Jes 40,22a durch die unmittelbar darauf angesprochenen „Erdbewohner“ vorgegeben ist, 119
114
Vgl. Seybold, ThWAT II, 782. Vgl. hierzu die gründliche Analyse bei Horowitz, Cosmic Geography, 20–42; vgl. auch Huxley, Shape, 191: „The circular line at the outer edge of the Salt Sea, I suggest, represents the sky at the horizon, a solid, tangible barrier composed, according to KAR 307, of jasper, which was provided with doors to allow the sun to enter our world each morning.“ – Seybold postuliert gar eine Abhängigkeit der alttestamentlichen חוג-Belege von der in der Weltkarte bezeugten babylonischen Tradition: „Eine Abhängigkeit ist offensichtlich, da die Vorstellung zweier Horizontkreise – vollends im gebirgigen Palästina – nicht der Empirie entstammen wird.“ (ThWAT II, 783). 116 Vgl. Seybold, ThWAT II, 782 u. 784. 117 Seybold, ThWAT II, 782f. 118 So auch Albani, Gott, 142: „In beiden Fällen ist mit חוגwohl das gleiche gemeint, nämlich der Horizont, wo das feste Himmelsgewölbe und der Erdkreis sich berühren. Je nach Perspektive kann man diese irdisch-himmlische Grenzlinie als ‚Erdkreis‘ oder als ‚Himmelskreis‘ bezeichnen [...].“ Vgl. auch Stadelmann, Conception, 42f. – Zu beachten ist, dass dieser Perspektivwechsel eine Analogie in der akkadischen Begrifflichkeit für „Horizont“ hat, wo ebenfalls der Bezug zu „Erde“ oder „Himmel“ vorliegen kann; vgl. die Auflistung der Ausdrücke bei Woods, Edge, 186, Anm. 11. 119 „Kreis der Erde“ für den Horizont dürfte wegen der irdisch-geschichtlichen Perspektive der V. 22–24 gewählt sein. Es geht in V. 22a um JHWHs Macht über die Bewohner der Erde ()ישביה, die angesichts des thronenden Gottes „wie Heuschrecken“ erscheinen. V. 23f streicht deren Vergänglichkeit heraus. Selbst die Schöpfungsaussage in V. 22b zielt auf den irdischen Bereich: JHWH spannt den Himmel aus „wie ein Zelt zum Wohnen“ ()כאהל לשבת, und zwar für die Menschen auf der Erde (Rückbezug auf ישביהin 22a; vgl. auch 45,18). „Jahwes Größe erscheint so nicht nur als Macht, die mit Leichtigkeit schafft, sondern zugleich als Güte, die für die unter ihrem Himmel Lebenden sorgt.“ (Elliger, BK XI/1, 84) 115
108
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so dass „Kreis der Erde“ nichts anderes als den Horizontkreis meint. 120 Dazu fügt sich, dass mit kippat erṣeti „Kreis der Erde“ im Akkadischen ein ganz analoger Begriff für den Horizont belegt ist. 121 Albani hat in seiner Monographie den Monotheismus des Dtjes im Kontext einer Astralisierung des Gottesverständnisses im Alten Orient gedeutet. 122 Er hat – insbesondere anhand von Jes 40,12–26 – überzeugend nachgewiesen, dass Dtjes’ exklusives Gottesverständnis in Auseinandersetzung mit der Marduk-Theologie entstanden ist. 123 M. E. ist auch die Verortung JHWHs „über dem Horizontkreis“ vor diesem Hintergrund zu verstehen. Um dies zu belegen, ist zunächst zu fragen, welche kosmologische Bedeutung der Horizont in Mesopotamien hat. Der Horizont ist nach gemeinaltorientalischer Vorstellung der Übergangsbereich zwischen Himmel und Erde, wo sich – nach nordsyrischer Vorstellung – irdischer und himmlischer Ozean treffen 124 bzw. – nach mesopotamischer Vorstellung – die „Fundamente“ 125 bzw. die „Tore des Himmels“ befinden. 126 Als „Tore/Türen des Himmels“ gelten im Alten Orient und Ägypten in erster Linie die Übergangsbereiche von Himmel und Erde/Unterwelt am östlichen und westlichen Horizont. An diesem mythischen Ort betraten und verließen der Sonnengott und andere astrale Gottheiten den sichtbaren Himmel bei ihrem Lauf, der sie nachts in die Unterwelt (oder in das Himmelsinnere) führte. 127 Insbesondere
120 Die Kommentare gehen unterschiedliche Lösungswege: Westermann, ATD 19, 49, schließt sich der Deutung als „Horizont“ ebenso an wie Elliger, BK XI/1, 83, der diese Deutung allerdings mit der Vorstellung des Himmelsgewölbes verbindet: „[V]ermutlich soll die Vorstellung des über diesem Rande, dem ‚Rund um die Erde‘, sich dehnenden Himmelsgewölbes nicht ausgeschlossen werden, so daß man auch übersetzen könnte: das ‚Rund über der Erde‘.“ Erstaunlich ist jedoch dann die Festlegung: „Jedenfalls thront Jahwe nicht im leeren Luftraum, sondern über dem Himmelsgewölbe.“ Baltzer, KAT X/2, 116f, geht einen ganz eigenen Weg, wenn er JHWHs Thron beim Polarstern verorten will: „‚Der über dem Erdkreis thront‘ hat seinen Ort [...] über dem ruhenden Pol, um den sich die ganze Welt dreht.“ (117) (vgl. dazu die überzeugende Kritik von Albani, Gott, 137, Anm. 535). Berges, HThKAT, 149, deutet die Wendung „Kreis der Erde“ dagegen schlicht als „Erdscheibe“ (doch dies hätte eindeutiger mit hebr. תבלformuliert werden können, vgl. Fabry/van Meeteren, ThWAT VIII, 548). Blenkinsopp, AB 19A, 193, verzichtet schließlich auf eine Erklärung. Vgl. für weitere Lösungsmöglichkeiten Houtman, Himmel, 241f. 121 Vgl. zu diesem und weiteren Begriffen Woods, Edge, 186, Anm. 11. – Vor dem Hintergrund dieser terminologischen Analogie gewinnt die These einer Abhängigkeit des Begriffs חוגvon der babylonischen Tradition (vgl. Seybold, ThWAT II, 781 u. 783) noch größere Plausibilität. 122 Vgl. Albani, Gott. 123 Vgl. die Zusammenfassung a.a.O., 253. 124 Der Wohnsitz Els befindet sich nach KTU 1.2 III „[a]n der Quelle der beiden Flüsse, inmitten des Ursprungs der beiden Ozeane“ (Übers.: Niehr, Wohnsitze, 331). Zur Identifikation mit dem Horizont vgl. Kutter, Sonnengottheiten, 134–141. 125 Zu den „Fundamenten des Himmels“ (išid šamê) vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 234–236 u. 251 und die Grafik 261. 126 Vgl. für weitere akkadische Ausdrücke Woods, Edge, 186, Anm. 11. 127 Vgl. dazu Heimpel, Sun, und Horowitz, Cosmic Geography, 248f,266. Vgl. im Alten Testament Ps 19,5–7 und 65,9.
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
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der Sonnengott Šamaš wird mit dem Horizontkreis (kippat šamê) verbunden, wie zwei Belege aus Šamaš-Hymnen verdeutlichen: 128 „You are their (mankind’s) light in the circle of the distant heavens.“ „[You are the direc]tor of people in the circle of heaven.“
Als Grenzbereich von Licht und Finsternis, Leben und Tod kam dem Bereich eine zentrale Rolle für die Bestimmung des Schicksals und der Möglichkeit ewigen Lebens zu. 129 Vor dem Hintergrund der Marduk-Rezeption in Dtjes ist nun von Bedeutung, dass eben dieser Übergangsbereich im Enūma eliš eine hervorgehobene Rolle spielt und dort fest mit dem babylonischen Götterkönig Marduk in seiner astralen Repräsentationsgestalt als Stern Nēberu 130 verbunden ist, der mit der Herrschaft über eben diesen Bereich betraut ist. Ee V 1ff schildern die Erschaffung bzw. Einrichtung des Sternenhimmels durch Marduk. Über seinen Repräsentanten Nēberu heißt es: „(5) Nachdem er die Tage des Jahres [i]n Zeichnungen gezeich[net hatte], (6) Gründete er den Standort von Nēberu, um ihre Bänder zu bestimmen. (7) Damit niemand Verfehlungen begehe, niemand nachlässig sei, (8) Legte er den Standort von Ellil und Ea mittels seiner fest. (9) Er öffnete Tore in beiden Brustkorbhälften; (10) Dann machte er die Riegel links und rechts stark; (11) In ihren Bauch setzte er dann die Höhen.“ 131
Nachdem Marduk in Ee V 6–8 den Standort seines Sterns festgelegt und diesen wie einen Kommandeur über die übrigen Sterne bestimmt hat, richtet er in Ee V 9–11 die „Tore des Himmels“ ein, die mit dem Horizont zu identifizieren sind. 132 „Aus ihnen zugeordneten ‚Toren‘ des Osthorizonts treten die Gestirne hervor, um ihre Bahn am Firmament zu ziehen. Die ‚Riegel‘ verhindern Fehlstart und Übergriff auf Nachbarbahnen. Auch am Firmament ist der Lauf geregelt: Laut Ee. V 11 ist er an ‚Höhen(-bogen)‘ orientiert, die Marduk im Leib der Tiamat verankerte.“ 133
128
Text und Übers.: Horowitz, Cosmic Geography, 264. Vgl. zur theologischen Bedeutung des Horizonts Woods, Edge. Der Name bedeutet „der (Hin)Überschreitende“ und ist der 49. Name Marduks, vgl. AOAT 375, 387 u. 393. Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 115f.161f. 131 Übers.: AOAT 375, 228–229. 132 Zur Identifikation der „Tore“ mit dem Horizont vgl. Koch, Mardukstern, 55: „Wo sollten die ‚Tore‘, die Marduk öffnete, wo die ‚Riegel‘, die er befestigte, anders gesucht werden als am Horizont?“ Vgl. auch Horowitz, Cosmic Geography, 116: „Lines 9–10 allude to the gates that the stars, Moon, and Sun use when rising and setting.“ 133 Koch, Mardukstern, 55. 129 130
110
4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
Nēberu übt gemäß Ee V 1–22 „ein Kontroll- und Wächteramt“ 134 in Bezug auf den Kalender aus: „Marduk hatte bei Erschaffung von Himmel und Erde die Zeit in Gestalt des Jahres, der Monate, der Tage mit dem stellaren Geschehen an Horizont und Firmament gleichsam verschnürt.“ 135 Eine kalendarische Funktion der Gestirne kommt – anders als in Gen 1,14–19! 136 – in Dtjes nicht in den Blick. Ihre Aufgabe besteht einzig und allein darin, in Reih und Glied vor JHWH anzutreten – ad maiorem Dei gloriam (40,26, vgl. 48,13). Die zweite Stelle, die von Marduks Stern handelt, streicht die Bedeutung dieser kosmologischen Schaltstelle noch deutlicher heraus (Ee VII 124ff): „(124) Nēberu möge die Übergangsstellen von Himmel und Erde (nēberēt šamê u erṣetim) ergriffen halten; (125) Oben und unten sollen sie nicht hinübergehen, sie mögen auf ihn warten; (126) Nēberu ist sein Stern, den er am Himmel hat erscheinen lassen; (127) Er möge die Bahn-Wendepunkte (kunsaggû) 137 ergriffen halten, sie auf ihn, sie mögen auf ihn schauen; (128) Ja, der die Mitte Tiamtus (qerbiš tiamtu) immer wieder durchschritten hat ohne zu ruhen; (129) Sein Name sei Nēberu, der die Mitte davon Einnehmende (ahizu qerbišu); ˘ (130) Die Wege der Sterne des Himmels möge er einhalten. (131) Wie Schafe möge er die Götter, ihre Gesamtheit, beständig weiden. (132) Er möge Tiamtu binden, ihr Leben möge eng und kurz werden; (133) Für die Zukunft der Menschen, für das Altwerden der Tage, (134) Möge sie sich entfernen, möge sie nicht zurückgehalten werden, möge sie für immer verschwinden.“ 138
Nēberu 139 bekommt in diesem Abschnitt die Kontrolle (tamāhu [Ee VII 124] und ˘ zwei kosmische ṣabātu [Ee VII 127]: „ergreifen“ als Herrschaftsmetapher) über Größen: die Übergangsstellen von Himmel und Erde (nēberēt šamê u erṣetim) und die Bahn-Wendepunkte (kunsaggû). Außerdem soll er, Nēberu, der „Tiamats 134 Koch, Mardukstern, 53. „Es ging dabei um die Bewältigung einer Aufgabe, welche die Astronomen des antiken Mesopotamien über Jahrhunderte hinweg nicht voll in den Griff bekamen: die Harmonisierung von Sonnen- und Mondjahr und damit die Schaffung eines dem wahren Sonnenjahr adäquaten Kalenders.“ Vgl. auch Lambert, Myths, 172: „More careful studies shows that the real interest of the author lay in fixing the calendar rather than in astronomy per se. The stars with which he deals fix the year, then he passes to the moon, by which the month is fixed, and he concludes this part of his work by treating the sun, the regulator of the day.“ 135 Koch, Mardukstern, 54. „Daß da der Kalender überhaupt noch handhabbar blieb, deutete der Mythos als göttlich initiierte kosmische Ordnung ...“ 136 Dort wird den Gestirnen immerhin eine wenn auch begrenzte Herrschaft (Wurzel )משלzugestanden. 137 Vgl. dazu Horowitz, Cosmic Geography, 115, Anm. 12. 138 Übers.: AOAT 375, 305–308. 139 Koch, Mardukstern, 56, hat auf das Oszillieren des logischen Subjekts in Ee 124–134 aufmerksam gemacht: Während Ee VII 124–126a.130–134 „dem Handeln des Gottes Nēberu“ Ausdruck verleihen, schildern Ee VII 126b–129 „die stellare Spiegelung dieses Handelns am Himmel“. Daran wird auch noch einmal deutlich, dass sich der Gott Marduk hinter dem Stern Nēberu verbirgt und dieser lediglich ein Deckname für den babylonischen Götterkönig ist.
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
111
Mitte“ (qerbiš tiamtu) immer wieder durchschritten hat (ebēru) (vgl. Ee IV 141: „Den Himmel durchschritt er [sc. Marduk], Ašrata prüfte er“), eben diese Mitte (qirbišu) einnehmen (ahāzu) 140. Bei den genannten kosmischen Größen handelt ˘ es sich wiederum um nichts anderes als den Horizont als Trennlinie von Himmel und Erde. Die welterhaltende Bedeutung der Kontrolle über diese Lokalität fasst Koch wie folgt zusammen: „Auch jetzt hatte Nēberu dem Chaos zu wehren, allerdings nicht jenem Chaos, darin die Zeit zu versinken droht. Das war Thema von Ee. V 1ff. gewesen. Nunmehr ging es um die Abwehr chaotischer Mächte und Gewalten, die überhaupt den Bestand von Welt und Menschheit in Frage stellen: als Übergriffe von Ober- und Unterwelt (Ee. VII 124 f.), als Unordnung am Firmament (Ee. VII 130f.), als Reaktivierung Tiamats (Ee. VII 132–134). Eine Schwachstelle des Weltgebäudes – jedenfalls hielt man sie laut Text dafür – galt dabei für besonders bedroht: die Nahtlinie von Himmel und Erde, die Trennlinie zwischen ‚Oben‘ und ‚Unten‘, somit das, was wir Horizont zu nennen pflegen. Eigentlich ging es sogar nur um eine einzige Stelle dieses Horizonts, die besonders kritisch schien und die der Mythos ‚Furt‘ (Ee. VII 124) und ‚Tiamats Mitte‘ (Ee. VII 128f.) nannte. Daß beide, Furt und Tiamats Mitte, als identisch galten, versteht sich aus der Wächter- und Kontrollfunktion des Nēberu und der ihm jetzt zugewiesenen Schutzfunktionen: Der Gott bringt die Furt des Horizonts in seinen Besitz und gewährleistet so die Harmonie von Himmel und Erde, das ungestörte Miteinander von ‚Oben‘ und ‚Unten‘. Diese Garantie ist so welt- und lebensentscheidend, daß der Gott den Namen Furt (nēberu) annimmt, um zu dokumentieren, daß die Furt des Horizonts letztlich eben keine Schwachstelle des Weltgebäudes, sondern göttliche Zusage für den Erhalt der Welt ist.“ 141
Exkurs: Astralisierung und Erhöhung Im Enūma eliš geht Bēl-Marduks Erhöhung mit seiner Astralisierung bzw. Solarisierung einher: Seinen Status als Götterkönig (Ee IV 27f) erlangt Marduk nicht – wie in der vorgegebenen Ninurta-Mythologie – durch seinen Sieg im Chaoskampf, sondern durch seine Macht über die Gestirne (vgl. Ee IV 19–26): 142
140 Das Verb hat militärische Konnotationen und kann die Okkupation einer Region bezeichnen, vgl. CAD A, 177 (3c: „to take to [a region]“). Auch bei diesem Verb steht die Grundbedeutung „ergreifen“ („seize“, CAD A, 173) im Hintergrund. 141 Koch, Mardukstern, 56. „Tiamat, obwohl besiegt, droht ja weiterhin mit Chaos und Zerstörung. Doch der Mythos lehrt: Nēberu kontrolliert Tiamat, indem er ihre Mitte d. i. ihr Zentrum wieder und wieder überquert (Ee. VII 128), und er ‚bindet‘ sie, indem er sich selbst, die Furt, in ihrer Mitte und damit eben in ihrem Zentrum festsetzt und sich so gleichsam selber zu ‚Tiamats Mitte‘ macht (Ee. VII 129). Als Mitte ist aber die Furt des Horizonts die Mitte des Horizonts selbst. Und diese Mitte des Horizonts fällt nach Ee. VII 127 offensichtlich mit dem ‚Bahn-Wendepunkt‘ des Sterns Nēberu zusammen.“ (A.a.O., 56f). Zum Versuch einer Übersetzung der mythologischen Bilder in astronomische Daten vgl. a.a.O., 57ff. 142 Vgl. Pongratz-Leisten, Divine Agency, 158: „In contrast to earlier combat myths, Marduk achieves supreme status even before he returns victorious from the battle against Tiamat: it is his command over the stars that turns him into the divine leader figure.“ Marduks neues Verständnis steht im Zusammenhang mit politischen und kulturellen Entwicklungen, vor allem der neuen Rolle der Astronomie, vgl. a.a.O., 159. Vgl. zur Astralisierung Marduks auch Rochberg, Perspectives, 58–61.
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
„(19) Sie stellten ein einzelnes Sternbild zwischen sich. (20) Zu Marduk, ihrem Erstgeborenen, sagten sie: (21) ‚Dein Schicksal, Herr, sei den Göttern entsprechend; (22) Zu vernichten und zu erschaffen sprich, es soll dauerhaft Bestand gewinnen! (23) Das Werk deines Mundes möge das Sternbild vernichten; (24) Sprich zu ihm ein zweites Mal, das Sternbild soll (wieder) unversehrt werden!‘ (25) Er sprach mit seinem Mund, das Sternbild wurde vernichtet; (26) Er sprach ein zweites Mal zu ihm, das Sternbild wurde daraufhin (wieder) erschaffen. (27) Als die Götter, seine Väter, die Äußerung seines Mundes gesehen hatten, (28) Freuten sie sich, huldigten sie: ‚Marduk ist König.‘“ 143
B. Pongratz-Leisten hat auf die programmatische Bedeutung dieses Machterweises hingewiesen: „This passage anticipates Marduk’s ordering of the cosmos, his creation of the celestial paths of Enlil, Anu, and Ea to provide a framework for the heliacal rising of the stars in tablet V, and the positioning of his astral secondary agent Neberu in tablet VII.“ 144
Marduk gilt gemäß Ee I 101f als „Māri-Utu, Māri-Utu, Sohn der Sonne, Sonne der Gött[er]“ (vgl. VI 127f), der – wie der Sonnengott Šamaš 145 – den Himmel durchstreift (ebēru: Ee IV 141; VII 128). 146 Albani sieht in mesopotamischen Texten wie dem Enūma eliš „deutliche Anhaltspunkte“ für die These, „daß monotheistische Tendenzen mit einer ‚astronomischen Depotenzierung‘ der astral repräsentierten Götter einhergehen“ 147. Ein Zusammenhang zwischen der Erhöhung Marduks und seiner astralen Herrschaft ist m. E. kaum zu bestreiten. Darüber hinaus ist jedoch auch eine Transformation des göttlichen Wohnortes zu konstatieren. In Ee V 5f begründet Marduk den himmlischen „Standort“ (manzāzu) 148 seines astralen Doppelgängers Nēberu, der sich nach Ee VII 124–134 bei den „Übergangsstellen von Himmel und Erde“ bzw. den „Bahn-Wendepunkten“ (= dem Horizont) befindet. 149 An den NēberuParagraphen klingt ein Abschnitt aus dem sog. akrostichischen Hymnus des Assurbanipal auf Marduk an, wobei die Himmelsherrschaft hier nicht mit Marduks astralem Repräsentanten, sondern mit diesem selbst verbunden ist: 150
143
Übers.: AOAT 375, 203–204. Pongratz-Leisten, Divine Agency, 158. 145 Vgl. im großen Šamaš-Hymnus: „(27) Du durchschreitest immer wieder beständig den Himmel [...]“ (TUAT.NF 7, 67). 146 Die Solarisierung Marduks hat in dem jüngeren assyrischen Kommentartext KAR 307 zu einer entsprechenden Beschreibung von Marduks Thronen im mittleren Himmel geführt (s. u. S. 159). 147 Albani, Gott, 73. Vgl. a.a.O., 68–74. 148 Zur Bedeutung des Begriffs vgl. Rochberg, Marduk, 437. 149 Vgl. zur Relevanz der Stelle bezüglich einer himmlischen Verortung Marduks auch Rochberg, Marduk, 437: „Marduk was the central deity, whose ‚place‘ lay at the central point of the cosmos where one crossed from heaven to earth.“ 150 Übers.: TUAT II, 765 (Hecker); vgl. zum Text SAA III 2. 144
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
113
„7Im Himmel bist du erhaben, auf Erden König, kunstvoller Planer der Gött[er], 8der alle Wohnstätten beständig macht, den Kreis des Firmaments und der E[rde] hält (kippat burūmē u mā[tāti]) 151!“
Im Hinblick auf eine mögliche Rezeption dieser Vorstellungen in Jes 40ff ist es nicht unwichtig, dass die anhand von Enūma eliš aufgezeigten Zusammenhänge auch auf andere Gottheiten übertragen werden konnten. So ist ein vergleichbarer Vorgang – ebenfalls unter babylonischem Einfluss – für den assyrischen Hauptgott Aššur in der Zeit des assyrischen Königs Sanherib zu beobachten, in der das Sîn-Epitheton „Himmelsthroner“ (āšib burūmê ellūti) auf den assyrischen Hauptgott übertragen wird; dabei ist die Neuakzentuierung Aššurs bis in die Architektonik seines Tempels gedrungen. 152 Bemerkenswert ist, dass auch die Erhöhung der Göttin Inanna/Ištar mit ihrer Astralisierung, konkret: ihrer Identifizierung mit dem Venusstern, einhergeht, wobei ihr ebenfalls die Herrschaft über die Gestirne zukommt und ihre Verortung im Himmel betont wird 153, näherhin dem Bereich, der von Mond- und Sonnengott bewacht wird und mit dem Horizont (dalat šamê „Tür des Himmels“) gleichzusetzen ist. 154 Tafel III des spätbabylonischen Lehrgedichts „Inannas Erhöhung“ 155 schildert den Vorgang der Astralisierung: 156 „(47.) Als auf dem ewigen Fundament von Himmel und Erde gemäß der unabänderlichen Ordnungen der Götter (49.) am Anfang An, Enlil und Enki [ihre] Anteile teilten, (51.) da wurden den beiden Göttern, den Wächtern des Himmels und der Erde, die die Tür des Himmels öffnen, (53.) Nanna und Utu Tag und Nacht ... in die Hand gefüllt, (55.) vom Grund bis zur Höhe wurde ihnen ihr täglicher Lauf mitgeteilt. (57.) Wie Saatfurchen sind die Sterne des Himmels allesamt aufgereiht (59.) [und] wie ein [Leit]stier weisen sie den führenden Göttern den rechten Weg. (61.) Dorthin, Inanna, zum Königtum [über] sie alle erhöhe dich! (63.) Innin, ‚die unter ihnen strahlt‘ mögest du sein, Timua möge man dich nennen! (65.) Bezüglich ihrer beiden Seiten [Sonne und Mond] möge deine hervorragende Stellung in ihrer Demut sich verändern, (67.) vom Ort, an dem Suen und Utu wachen, her möge dein Glanz sich üppig entfalten, (69.) deine Fackel, die Schrecken verbreitet, möge inmitten des Himmels entzündet werden! (71.) Wie [du] unter den Göttern einen, der dich prüfen könnte, nicht besitzt, so möge man dich staunend verehren!“
(Exkursende)
151
Zu burūmū als Himmelsname für den Sternenhimmel s. Horowitz, Cosmic Geography, 226f. Zur Astralisierung Aššurs vgl. Pongratz-Leisten, Divine Agency, 175ff (vgl. vor allem die Namen der Tore, a.a.O., 178f). Zur kosmologischen Bedeutung der Tempelarchitektonik des AššurTempels in Assur vgl. auch Huxley, Gates, 134–136. 153 Vgl. auch die Belege zu Ištars himmlischem Thronsitz bei Horowitz, Cosmic Geography, 250– 252. 154 Mond- und Sonnengott haben mithin die Position inne, die das Enūma eliš Marduks Stern Nēberu zuschreibt, vgl. auch Lambert, Myths, 173. 155 Obgleich die überlieferten Fragmente des zweisprachigen Epos aus der neuassyrischen, spätbabylonischen und seleukidischen Epoche stammen, dürften die traditionsgeschichtlichen Wurzeln des Stoffs weiter zurückreichen, vgl. Hruška, Lehrgedicht, 476–479. 156 Übers.: Hruška, Lehrgedicht, 491f. 152
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
Vor diesem Traditionshintergrund erscheint die schwer verständliche Aussage in Jes 40,22a in einem neuen Licht: Der Horizontkreis, die entscheidende Schaltstelle des Kosmos, steht unter JHWHs Kontrolle und Herrschaft. Mit der Formulierung ישב עלknüpft der Verf. an die vertraute vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie an, wie sie beispielhaft in Jes 6,1 157 zum Ausdruck kommt: „Im Todesjahr des Königs Ussija sah ich meinen Herrn, sitzend auf einem hohen und aufragenden Thron ( )ישב על כסא רם ונשא...“
Doch statt auf seinem Thron (der im vorexilischen Jerusalemer Tempel sichtbare Gestalt angenommen hatte) sitzt/thront JHWH jetzt auf/über dem Horizontkreis. Noch einmal sei in diesem Zusammenhang Ps 29* in Erinnerung gerufen: Geht es bei JHWHs Thronen „auf/über der Flut“ ( )למבולin Ps 29,10 um seine welterhaltende Kontrolle über das chaotische Wasser bzw. die Sintflut (vgl. auch Ps 93*), so in Jes 40,22a um seine welterhaltende Kontrolle über den Horizont als „Schwachstelle des Weltgebäudes“ 158. Bei der Wendung ישב עלdürfte demnach – ähnlich wie in Ps 29,10 – weniger eine lokale als eine funktionale Bestimmung in der Bedeutung „(Königs-)Herrschaft ausüben über“ intendiert sein (vgl. 1 Chr 28,5). 159 Was dies konkret beinhaltet, führen Jes 40,23–26 aus. JHWHs Verortung über dem Horizont, dem Grenzbereich von Himmel und Erde, dem „Tor des Himmels“, impliziert nämlich seine Herrschaft über irdische (V. 23f) und himmlische (V. 25f) Mächte und Gewalten. 160 Wie im Enūma eliš sind in Jes 40,22ff mit der Kontrolle des Horizonts Himmel und Erde im Blick. Denn auch bei Nēberus Herrschaft geht es sowohl „um die Ordnung des stellaren Kosmos (Ee. VII 130f.)“ als auch „um die gesicherte Zukunft der Menschheit (Ee. VII 133)“ 161. In der Gegenwart des Verf. der Disputationsworte Jes 40,12ff ist die „Zukunft der Menschen“ (Ee VII 133) durch die politische Elite bedroht. Wie nach mesopotamischer Vorstellung der Horizont für die Schicksalsbestimmung von Bedeutung ist, 162 verbürgt JHWHs Herrschaft über diesen Bereich seine Geschichtsmächtig-
157 Die Kenntnis von Jes 6 setzt nicht zwingend eine Fortschreibungsthese für Dtjes voraus: „Dass der Autor Jes 6 (und anderes) gelesen hat, ist deutlich [...]. Dass er seine Darstellung als Fortführung der Jes-Vision angelegt hat, ist aber zu bezweifeln.“ (Höffken, Jesaja, 112). 158 Koch, Mardukstern, 56. 159 Vgl. zu diesem Aspekt auch Albani, Gott, 137: „Wenn in vorexilischer Zeit der Schwerpunkt der irdisch-himmlischen Thronvorstellung auf dem irdischen Bereich lag (Zion), so streicht DtJes in der veränderten Situation des Exils die himmlische Königsherrschaft JHWHs heraus. Dies war nicht nur deshalb notwendig, weil JHWHs Jerusalemer Tempel in Trümmern lag, sondern vor allem auch deshalb, weil der scheinbar überlegene Marduk-Bel als universaler kosmischer König verehrt wurde, der seine Herrschaft auch vom Himmel her ausübt.“ 160 Vgl. auch Albani, Gott, 153: „Was die Herrscher auf Erden sind, das sind die Gestirne am Himmel, nämlich mächtige Wesen, welche scheinbar den Lauf der Dinge auf Erden bestimmen.“ 161 Koch, Mardukstern, 56. 162 Vgl. Woods, Edge, 213–217.
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
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keit. Es dürfte darüber hinaus kaum ein Zufall sein, dass bei der Beschreibung der irdischen Herrscher in Jes 40,23f deren Vergänglichkeit derart herausgestrichen wird: (23)
Der dahingibt Würdenträger dem Nichts – Richter der Erde wie Nichtiges machte. (24) Kaum sind sie gepflanzt, kaum sind sie gesät, kaum wurzelt in der Erde ihr Reis, da blies er sie an, und sie vertrockneten, und ein Sturmwind trägt sie wie Spreu hinweg.
Albani hat im Zusammenhang seiner Astralisierungsthese auf den Traditionshintergrund der vornehmlich kanaanäisch-syrisch und ägyptisch bezeugten Königstheologie aufmerksam gemacht. „Nach ägyptischer und kanaanäischer Königstheologie geht der König nach seinem Tode in die astrale Himmelswelt ein und partizipiert damit an der Unsterblichkeitsmacht der Gestirne.“ 163 Auch dieser Zusammenhang wird noch klarer, wenn man V. 22a als Herrschaftsaussage über den Horizontbereich deutet. Denn dieser Bereich galt in der von Albani angeführten ägyptischen Königstheologie als der postmortale Zugangsort für den Himmelsaufstieg des verstorbenen Königs und war auch in Mesopotamien mit der Frage nach dem ewigen Leben verbunden. 164 Wie in Ee V 5–8 und VII 124–131 aus Nēberus Kontrolle des Horizonts seine Herrschaft über die Gestirne folgt, so sachgemäß folgt Jes 40,26 auf 40,22a. (25)
„Und mit wem wollt ihr mich vergleichen, dass ich (ihm) gleiche?“, sagt der Heilige. (26) Hebt in die Höhe ( )מרוםeure Augen und seht: Wer hat diese ( )אלהgeschaffen? Der herausführt nach der Zahl ihr Heer ()צבאם, sie alle ( )לכלםmit Namen ruft er. Wegen der Menge an Kraft und der gewaltigen Stärke fehlt keiner.
Die militärischen Konnotationen von V. 26 wie der babylonische Hintergrund sind lange gesehen und eingehend von Albani dargelegt worden. 165 Auch im Enūma eliš werden die Gestirne wie ein Heer geschildert, das Marduk bzw. seinem
163 Albani, Gott, 153. „In Mesopotamien gab es zwar nicht die Vorstellung einer postmortalen astralen Divinisierung des Königs, doch wird DtJes die mesopotamischen Herrscher mit ihren Weltherrschaftsambitionen und die Könige allgemein aus der ihm vertrauten Perspektive der kanaanäisch-syrischen, ägyptischen und israelitischen Königstheologie gesehen haben – genauso wie es in Jes 14,12ff. geschieht, wo mythische Elemente kanaanäischer und israelitischer Königstheologie auf den babylonischen Weltherrscher übertragen werden.“ (A.a.O., 154f). 164 Vgl. zu den so genannten „Türen/Toren des Himmels“ in Ägypten Wright, History, 16–24, und für Mesopotamien Woods, Edge, 200–203. 165 Vgl. Albani, Gott, 184f.230–234.
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
Stern Nēberu wie einem Kommandanten gehorsam folgt, „[d]amit niemand Verfehlungen begehe, niemand nachlässig sei“ (Ee V 7; vgl. Ee V 6–8 und VII 15– 17 [der Marduk-Name „das Leben [seiner] Armee“]). 166 Dem braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Zwei Auffälligkeiten verdienen in diesem Zusammenhang dennoch Beachtung. 1.) Nachdem in Jes 40,22b die Erschaffung des Himmels gepriesen worden ist, betont V. 26 auch den geschöpflichen Charakter der Gestirne (Schöpfungsverb „ בראschaffen“ 167). 168 Dabei sind jedoch zwei unklare Bezüge festzustellen: Erstens ist das Bezugswort des Pronomens אלהin V. 26aα offen. „Wer hat diese da geschaffen?“ Hier dürfte entweder ein Rückverweis auf die Pluralform „ שמיםHimmel“ in V. 22b oder – m. E. wahrscheinlicher – ein absichtlich verschwiegenes „ כוכביםSterne“ gedanklich zu ergänzen sein. Zweitens ist der Bezug des pluralischen Suffixes bei „ צבאםihr Heer“ in V. 26aβ unklar. 169 Der Traditionshintergrund des Begriffs 170 legt hier das Bezugswort „ שמיםHimmel“ nahe (denn מרוםin V. 26aα ist eine Singularform und die Wendung „Heer der Sterne“ ist nicht bezeugt); doch muss dies der mit dem Begriff צבא השמיםvertraute Leser wiederum gedanklich ergänzen (vgl. auch Jes 45,12). Ähnlich wie in Gen 1,14–19 (P) 171 dürfte der Terminus צבא השמיםabsichtsvoll verschwiegen worden sein, um den Unterschied zwischen Schöpfergott und Geschaffenem zu betonen. 172 Im Unterschied zu Ee 166 Lambert hat Ee V 1ff treffend beschrieben: „Die 36 Sterne, die mit ihrem heliakischen Aufgang angeblich jede Zehntagesperiode eines 360-Tagejahrs bezeichneten, marschierten nach babylonischer Vorstellung in strenger Reihenfolge wie Soldaten unter einem Offizier über den Himmel. Die einzige vom Autor von Enuma eliš eingeführte Neuerung ist, daß er Marduks Stern Neberu zum Oberkommandeur beförderte.“ (TUAT III, 588, Anm. 8a). 167 Vgl. zu dem Verb Westermann, BK I/1, 136–139. Es spricht einiges dafür, dass dieses Verb in Dtjes seine ältesten Belege hat, mithin von den dtjes Verfassern zum Ausdruck des „exklusiv-universalen Schöpfungshandelns Jhwhs“ (Leuenberger, Monotheismus, 70) kreiert worden ist (vgl. den Überblick über die Belege ebd., Anm. 186). 168 Vgl. dazu ausführlich Albani, Gott, 239–244. 169 Im Alten Testament sind sechs Belege der suffigierten Form bezeugt: Gen 2,1 (Bezug unklar: ;)השמים והארץJes 34,4 (Bezug auf ;)השמיםPs 33,6 (Bezug auf ;)שמיםNeh 9,6 (Bezug auf ;)שמי השמים Jes 40,26 (Bezug unklar!); Jes 45,12 (Bezug auf )שמים. 170 Das Nomen ( צבאvon der Wurzel „ צבאzu Feld ziehen, kämpfen“) kann in der Verbindung mit שמיםeinerseits Sonne, Mond und Sterne (Dtn 4,19; vgl. Ps 148,2f) bzw. nur die Sterne (Dtn 17,3; 2 Kön 23,5; Jer 8,2; vgl. Dan 8,10f) und andererseits den (allerdings ebenfalls astral konnotierten, vgl. Albani, Gott, 214f) himmlischen Thronrat (2 Kön 22,19 = 2 Chr 18,18; vgl. Ps 103,21) bezeichnen. Die Formulierung „das ganze Heer des Himmels“ ( )כל צבא השמיםbegegnet in astralpolemischen Kontexten dtr Provenienz (Dtn 4,19; 17,3; 2 Kön 17,16; 21,3.5; 23,4.5; 33,3.5; Jer 8,2; 19,13; vgl. auch Zeph 1,5) als „Sammelbegriff für Gestirndienst“. (Ringgren ThWAT VI, 873). Albani, Gott, 186–230, ist in einem materialreichen Exkurs den vorexilischen Wurzeln des „Himmelsheers“ nachgegangen. 171 Weder Sonne noch Mond noch das Himmelsheer werden namentlich genannt. Erst in dem Nachtrag Gen 2,1 (vgl. Witte, Urgeschichte, 120f) wird der Begriff „(ihr) Heer“ eingeführt, aber auch dort bleibt der Bezug uneindeutig. 172 So auch Albani, Gott, 185: „Damit soll offenbar jeglicher Anspruch auf Göttlichkeit abgewiesen werden, denn die Nennung eines Gottesnamens konnte schon als Anerkennung der betreffenden Gottheit gelten.“
4.3 Die Disputationsworte Jes 40,12–31
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V 1–8, wo Marduk die Gestirne nicht ex nihilo schafft, sondern lediglich von einem Zustand des „tōhū wā-bōhū in space“ 173 in den einer kosmischen Ordnung versetzt, 174 streicht Jes 40,26 das Geschaffensein der Gestirne heraus, möglicherweise die älteste Bezeugung der Erschaffung der Gestirne bzw. des „Heers“ ()צבא im Alten Testament. 175 Doch anders als in der Priesterschrift werden die Gestirne in der Auseinandersetzung mit der Marduktheologie in Jes 40,26 nicht mit einer (begrenzten) Herrschaft über die Zeit betraut, sondern zu einem funktionslosen Sternen-„Heer“ degradiert, um in der späteren Wirkungsgeschichte des Verses im Kontext der so genannten Jesaja-Apokalypse in Jes 24,21 zu Völkerengeln umgewidmet zu werden (vgl. auch Jes 34,2.4 und Dan 8,9–13): „Geschehen wird’s an jenem Tage: Jahwe zieht zur Rechenschaft das Heer der Höhe in der Höhe und die Könige des Erdreichs auf dem Erdreich.“ 176
2.) Die Aufforderung „Hebt in die Höhe eure Augen und seht!“ verwendet den Begriff מרום. Dieser dürfte hier jedoch kaum schlicht als Richtungsangabe zu verstehen sein (so z.B. Ges18, 737: „Hebt eure Augen empor!“). Das Wort ist theologisch „vorbelastet“ (vgl. etwa Ps 93,4) und erscheint in diesem astralpolemischen Zusammenhang nicht zufällig (die analoge Formulierung in Jes 51,6 bietet aufgrund des Merismus )שמים. Wenn man bedenkt, dass die Depotenzierung der Gestirne in Dtjes vor babylonischem Traditionshintergrund zu sehen ist, erscheint die Wahl des Begriffs in einem anderen Licht: Auch das Akkadische gebraucht die Stilfigur abstractum pro concreto „Höhe“ als Ersatzbegriff für „Himmel“, nämlich das Wort elâtu. Das akkadische elâtu („Höhen“, pl. tantum; vgl. elû „aufsteigen“) ist häufig verbunden mit astralen Gottheiten. „Moon-god, Sun-god and Ištar (Venus) shine in elâtu.“ 177 In Ee V 11f (vgl. Ee VII 83) gebietet Marduk dem Mondgott Nanna, in den „Himmelshöhen“ (elâtu) zu erscheinen, die er zuvor in Tiamats Bauch errichtet hat:
173
Horowitz, Elements, 42. Vgl. Horowitz, Elements, 41, in Bezug auf Ee V 1–8: „In fact, what is accomplished here, according to my understanding of the passage, is not the creation of the stars at all, since at least one constellation already exists in Tablet IV when Marduk deconstructs and reconstructs a constellation as a test of his powers. Instead, it seems to me that here in Tablet V, Marduk only places the stars and constellations, which already exist, into their set and proper positions in the night sky, before then commanding them to go about their annual tasks.“ 175 Vgl. zur Erschaffung der „Sterne“ im AT: Gen 1,16; Am 5,8 (sek. Doxologie, vgl. Jeremias, ATD 24,2, XXIf und 68f); Hi 9,9; Ps 8,4 und 148,5; Weish 13,2; und zur Erschaffung des „Heers“: Gen 2,1; Jes 40,26; 45,12; Ps 33,6; Neh 9,6; vgl. zu den Sternen allgemein Lelli, DDD, 809–815. 176 Übers.: Kaiser, ATD 18, 155. Zur Völkerengelvorstellung vgl. Mach, Entwicklungsstadien, 257–262 177 Horowitz, Cosmic Geography, 227. Vgl. zu den Belegen auch CAD E, 77. 174
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„In ihren Bauch setzte er dann die Höhen (elâtu). Nanna ließ er immer wieder sichtbar werden, er beauftragte ihn dann mit der Nacht ...“ 178
Auch wenn die Einführung der Himmelsregion elâtu in Ee IV 11 nicht explizit mit der Bestimmung der Standorte der Gestirne in Ee V 1–8 verbunden erscheint, so liegt es mit W. Horowitz doch nahe, elâtu mit dem – in KAR 307 und AO 8196 differenzierten – Sternenhimmel zu identifizieren. „Enuma Elish never explains how the level of the stars in Ee V 1–8 and elâtu fit into the scheme of two heavens and earths that is outlined in Ee IV 137–46 and Ee V 119–22. Nevertheless, it is clear that this portion of the heavens (sky) must be equated with the lower jasper heavens of the stars and constellations in KAR 307 and AO 8196.“ 179
Daher dürfte es kein Zufall sein, dass beim Blick in den Sternenhimmel in Jes 40,26 der Himmelsname „Höhe“ ( )מרוםerscheint, dessen akkadisches Äquivalent mit dem Sternenhimmel verbunden ist. Darüber hinaus hat Horowitz gezeigt, dass elâtu in der Verbindung elât šamê einer der akkadischen Termini für den Himmelszenit ist. 180 Übertragen auf Dtjes wären in Jes 40,22 und 26 die gegensätzlichen Pole der Himmelsgeographie angesprochen: Horizontkreis und Zenit. 181 JHWHs Thronen über dem für die Gestirnsbewegungen entscheidenden „Horizontkreis“ (V. 22) sowie die Erschaffung und betonte Subordination der im Himmelszenit lokalisierten Gestirne (V. 26) sind zwei Seiten ein und derselben Medaille: JHWHs Herrschaft im Himmel (V. 25f) und auf Erden (V. 23f) als Trost für das verzagte Volk Israel (V. 27–31).
4.4 JHWHs Rückkehr zum Zion: Jes 40,1–5 und 52,7–10 In den Disputationsworten Jes 40,12–31* ist eine Transformation der tempeltheologischen Thronvorstellung festzustellen: JHWH thront nicht auf dem himmelhoch aufragenden Thron (vgl. Jes 6,1), sondern – vor dem Hintergrund der im Enūma eliš bezeugten Marduk-Theologie – über dem Horizontkreis (40,22). Dabei betont diese Lokalisierung vor dem babylonischen Traditionshintergrund JHWHs Herrschaft über den himmlischen und irdischen Bereich. Zion/Jerusalem bzw. der Tempel als sein irdischer Wohnsitz spielen in diesen ältesten Worten der dtjes Grundschrift keine Rolle. In Jes 40,1–11* und 52,7–10 ist die Situation 178 Übers.: AOAT 375, 229f. Vgl. zur astrologischen Relevanz der Stelle Maul, Wahrsagekunst, 285f: „Demnach bot der gestirnte Himmel in Wahrheit den Blick in die Eingeweide des uranfänglichen Weltenwesens. Schon aus diesem Grund durfte man getrost annehmen, es bestehe eine Urverwandtschaft zwischen der Astrologie und der Kunst der Opferschauer.“ 179 Horowitz, Cosmic Geography, 125; vgl. auch 127. 180 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 236–238. 181 „In many contexts, an.pa = elât šamê is paired with an.úr = išid šamê, indicating that these two parts of the sky together comprise the entire visible heavens.“ (Horowitz, Cosmic Geography, 237; vgl. auch CAD E, 79)
4.4 JHWHs Rückkehr zum Zion: Jes 40,1–5 und 52,7–10
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eine andere. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei diesen Texten vermutlich um Prolog und Epilog einer ersten Buchedition Jes 40,1–52,10*, die zeitlich jedoch noch vor 520, dem Beginn des Tempelbaus, anzusetzen ist. 182 Schon van Oorschot hat darauf hingewiesen, dass die für diese Rahmentexte verantwortliche Redaktionsschicht eine „Neubelebung Jerusalemer Zionstheologie“ 183 im Sinn hat: „Nach der Katastrophe von 587, die sie als den Weggang Jahwes vom Zion deutet (49,14), kehrt dieser nun zurück und macht ‚seine heilige Stadt‘ (52,1f.) zum Zentrum seiner neuen, weltweiten Herrschaft.“ 184 Die Anknüpfung an die vorexilische Tempeltheologie im Allgemeinen und deren Wohnvorstellung im Besonderen ergibt sich darüber hinaus überdeutlich aus dem traditions- und religionsgeschichtlichen Horizont der Texte, dem neuere Arbeiten nachgegangen sind. 185 Im Hintergrund steht das Konzept der Rückkehr einer Gottheit zu ihrem Heiligtum nach einer Zeit der Abwesenheit. C. Ehring hat in ihrer Monographie das einschlägige altorientalische Quellenmaterial zusammengetragen und traditionsgeschichtlich ausgewertet. 186 Das Konzept begegnet mehr oder weniger ausgeführt in Inschriften Nabonids (Adad-guppi-Stele; Babylon-Stele) 187 (Mitte 6. Jh.), den Babylon-Inschriften Asarhaddons (um 680) 188, dem „Erra-Epos“ (vermutlich ebenfalls 7. Jh.) 189 sowie in späten Kopien von Inschriften Nebukadnezars I. (2. Hälfte 12. Jh.; die Tafeln stammen erst aus neuassyrischer bzw. spätbabylo-
182 Vgl. die eingehende Analyse der beiden Abschnitte bei Ehring, Rückkehr, 19–90. Ehring betrachtet 40,6–8 mit der Mehrzahl der Forscher als spätere Zutat zum Prolog, hält 40,1–5.9–11 aber ansonsten für literarisch einheitlich (vgl. a.a.O., 20–22; vgl. auch Hartenstein, Archiv, 107–112, mit einer methodischen Zwischenbemerkung a.a.O., 103–105); für eine literarische Differenzierung von 40,1–5 + 52,7–11 einerseits und 40,9–11 andererseits sprechen allerdings auch gute Gründe: „1. Während in 52,7–10 der ְמַבֵשּׂרzur Rede an Zion beauftragt wird, wird in 40,9–11 die ְמַבֶשֶּׂרתZion dazu beauftragt, zu den Städten Judas zu reden. 2. Während 52,7–10 explizit nur von der Rückkehr Jahwes zum Zion handelt, läßt 40,9–11 Jahwe zusammen mit seiner פעלה, seinem ‚Verdienst‘, zurückkehren, mit den von ihm Erlösten, den Exilierten oder der Diaspora. Angesichts dessen, daß die Ausrichtung auf die ‚Städte Judas‘ in Jes 40–55 nur noch einmal begegnet, diese einzige Parallele in 44,26bα2aber deutlich als sekundär zu beurteilen ist, dürfte hier eine gegenüber dem ursprünglichen Prolog sekundäre Bearbeitung zum Zuge kommen.“ (Werlitz, Redaktion, 263f). Löst man 40,9–11 aus dem ursprünglichen Zusammenhang heraus, würde sich das Konzept der Rückkehr JHWHs (synthetisch) auf beide Rahmenteile – 40,1–5 (Weg) → 52,7–10 (Rückkehr) – beziehen, wohingegen Ehring von zwei parallelen Texten ausgeht, „die jeweils das vollständige Geschehen der Rückkehr JHWHs zum Zion schildern“ (a.a.O., 94). 183 Van Oorschot, Babel, 167. 184 Van Oorschot, Babel, 167. 185 Nachdem schon Stummer, Parallelen, 172f, im Jahr 1926 auf den babylonischen Traditionshintergrund von Jes 40,3–5 hingewiesen hatte, sind die Parallelen erst in den letzten Jahren in ihrer ganzen Tragweite erkannt worden; vgl. Albani, Gott, 78–90; van Oorschot, Entwicklung; Höffken, Mardukinterpretation; Hartenstein, Archiv, sowie insbesondere die eingehende Monographie von Ehring, Rückkehr. 186 Vgl. Ehring, Rückkehr, 99–156. 187 Vgl. für Text und Übers. Schaudig, Inschriften, 500–529. 188 Vgl. für Text und Übers. Borger, Inschriften. 189 Übers.: TUAT III, 781–801 (Müller).
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
nischer Zeit) 190. Nach ihrer eingehenden Analyse der Texte gelangt Ehring zu dem Ergebnis, dass erstens das Konzept der Rückkehr über große Zeiträume hinweg eine große Konstanz aufweist und dass zweitens Querbezüge zwischen den Texten einen traditionsgeschichtlichen Zusammenhang nahelegen. 191 Abgesehen vom „Erra-Epos“, das bezüglich der Begründung der geschilderten Notzeit eigene Wege geht, bezeugen die Texte folgendes Schema: 192 Erster Teil: A) Zorn und Abwendung der Gottheit von ihrem Wohnsitz B) Negative Folgen für Tempel, Stadt und Land: Eroberung des Landes, Zerstörung der Heiligtümer, Deportation der Kultbilder ... Zweiter Teil: A) (Erbarmen und) Wiederzuwendung der Gottheit zu ihrem Wohnsitz B) Erwählung eines guten Königs und sichtbare Rückkehr der Gottheit in Gestalt des Kultbildes unter dem Jubel der Bevölkerung in das Heiligtum; positive Folgen für Stadt und Land Da das grob zweiteilige Konzept, das deutlich nach der Logik „wie im Himmel also auch auf Erden“ strukturiert ist (1A und 2A: Himmel; 1B und 2B: Erde), am ausführlichsten in den Nebukadnezar-Inschriften bezeugt ist, sei daraus derjenige Abschnitt zitiert, der die Rückkehr Marduks aus seinem Exil in Elam in seine „heilige Stadt“ (Z. 11; vgl. Jes 52,1) Babylon schildert: 193 „12–14) Having made up his mind, when he went out from the wickedness in Elam, going by (way of) city (and) steppe, he took a road of jubilation, a path of rejoicing, a route (indicating his) attention (to) and acceptance (of my prayers), unto Šuanna (Babylon). 15–16) The people of the land regarded his lofty, fitting, majestic, bright (and) joyful appearance; all of them paid attention to him. 17–18) The lord entered and took up his peaceful abode. 19–20) Kasulim (‚Gate of Radiance‘), his lordly shrine, became bright, filled with rejoicing.“
Schema und Textbeispiel machen deutlich, dass bei dem Konzept ein wesentlicher Aspekt altorientalischer Tempeltheologie im Mittelpunkt steht: Die Gegenwart Gottes in seinem Heiligtum und in seiner Stadt, die als „Wohn-/Thronsitz“ (šubtu; von ašābu „wohnen“; vgl. hebr. )ישבder Gottheit gelten und deren kosmologische Bedeutung sich von dieser Präsenz ableitet. Wie rezipiert nun Jes 40–52* dieses Konzept? Und welche Transformationen sind dabei zu beobachten? Zunächst ist festzustellen, dass Jes 40* und 52* das Konzept nur verkürzt zur Darstellung bringen. Dies betrifft vor allem den ersten Teil des Schemas: Zorn und Abwendung der Gottheit von ihrem Wohnsitz. Die innere Abwendung JHWHs 190
Vgl. für Text und (englische) Übers. Frame, RIMB 2. Vgl. Ehring, Rückkehr, 154–156; Hartenstein, Archiv, 112f mit Anm. 31. 192 Im Anschluss an Ehring, Rückkehr, 155f, und Hartenstein, Archiv, 114. 193 Frame, RIMB 2, B.2.4.9. 191
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und die daraus resultierende Notzeit Jerusalems (Punkt 1 des Schemas) werden in 40,2 wenigstens knapp angedeutet, so dass die kommunikative Funktion der Texte, nämlich die Exilskatastrophe zu erklären, gewahrt bleibt: 194 Die Zeit der Not, die Jerusalem getroffen hat, ist JHWHs Strafe („aus der Hand JHWHs“) für „all ihre Sünden“ (V. 2). Das ganze Gewicht liegt schon hier auf der Wiederzuwendung JHWHs (Teil 2 des Schemas): Jerusalems „Frondienst“ („ )צבאהist erfüllt“ ( מלאPerf.), ist die entscheidende Botschaft der Eröffnungsverse, 195 und 40,3–5(.9–11) und 52,7–10 führen die Heilswende aus. Nicht einmal angedeutet wird demgegenüber JHWHs äußerliche Abwendung von seinem irdischen Wohnsitz, d. h. die Frage, wo sich JHWH in der Zeit seiner Abwesenheit befindet und von woher er zurückkehrt. Die antike Leserschaft, die mit dem Interpretationsmuster vertraut gewesen sein dürfte, hat diese Lücke in der Szenerie vermutlich leichter füllen können als wir Nachgeborenen. In dieser Hinsicht können die ausführlicheren mesopotamischen Belege hilfreich sein. Wo in diesen Texten der zwischenzeitliche Aufenthalt der Gottheit erwähnt wird, bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Demnach befindet sich die Gottheit entweder im Götterhimmel oder im fremden Land. 196 Nach Höffken setzen die deuterojesajanischen Rückkehrtexte – vor dem Hintergrund der Mardukprophetie 197 – JHWHs Aufenthalt in Babylon voraus. 198 Dieser These hat Ehring mit überzeugenden Gründen widersprochen: „Dass die deuterojesajanischen Texte die Praxis mesopotamischer Texte, die feindliche Verschleppung eines Kultbildes als freiwilliges Exil des betreffenden Gottes im Ausland zu deuten, aufnehmen und diesen Aufenthaltsort JHWHs konkret in Babylon verorten, ist nicht anzunehmen, denn dieses hätte die Vorstellung eines gemeinsamen Aufenthalts der exilierten Israeliten und JHWHs in Babylon zur Folge. Eine solche Vorstellung liefe jedoch der Vorstellung der absoluten Unzugänglichkeit und Verborgenheit JHWHs während der Zeit der Exilsnot, die in den Texten vorausgesetzt ist, zuwider. Außerdem ist eine solche Vorstellung
194 Hartenstein, Archiv, 119–125, schlägt vor, diese Leerstelle mit der Kenntnis der deuterojesajanischen Verf. von Jes 6 auszufüllen: „Erst mit dem erneuten Redebeginn JHWHs in Jes 40,1 ist demnach die mit Jes 6 eingeleitete unheilvolle Epoche der zornigen Abwendung und Verborgenheit JHWHs wieder aufgehoben.“ (a.a.O., 124) Obwohl Hartenstein nichts zu literarhistorischen Konsequenzen etwa im Sinn einer Fortschreibungshypothese sagt, ist m. E. zu betonen, dass diese Anknüpfung an Jes 6 nicht notwendigerweise einen Buch-, sondern lediglich einen Kenntniszusammenhang voraussetzt (und ursprünglich nicht als Buch-, sondern als heilsgeschichtlicher Anschluss gemeint war). Zur Kritik an der Fortschreibungsthese vgl. Höffken, Jesaja, 112f: „Dass der Autor Jes 6 (und anderes) gelesen hat, ist deutlich [...]. Dass er seine Darstellung als Fortführung der Jes-Vision angelegt hat, ist aber zu bezweifeln: Die im Text agierenden Sprecher werden als neue Größen eingeführt.“ 195 Vgl. Ehring, Rückkehr, 158, und zum Motiv der „erfüllten Zeit“ ausführlicher Hartenstein, Archiv, 115–118. 196 Vgl. auch Höffken, Mardukinterpretation, 18: „Auf die Frage der zwischenzeitlichen Situierung des Gottes zwischen Zornes- und Gnadenwirken kann verschieden geantwortet werden: Aufenthalt im Himmel, Aufenthalt im fremden Land.“ 197 Übers.: TUAT II, 65–68 (Hecker). 198 Vgl. Höffken, Mardukinterpretation, 21.
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
nur dann sinnvoll, wenn die Verschleppung eines Kultbildes ins feindliche Ausland erklärt werden muss, was hier nicht der Fall ist.“ 199
Dann aber ist als Verstehenshorizont der Abwesenheit JHWHs noch einmal auf die zweite Option zu verweisen, da es wenig überzeugend ist, dass das Gotteskonzept von Jes 40–52* hier völlig aus dem Rahmen der üblichen altorientalischen Denkvoraussetzungen herausfällt. Einen Aufenthalt der Gottheit im Himmel schildern z.B. die Nabonid-Inschriften. Der Himmelsaufstieg (Verb elû) begegnet in Tafel I der Adad-guppi-Stele: „[Seit] Sîn, der König der Götter, mit seiner Stadt (8)und seinem Tempel gezürnt hatte, zum Himmel aufgestiegen war (ilû šamamiš), (und so) die Stadt und (9)die Menschen, die darinnen, Verwüstung erlitten hatten ...“ 200
Die Gegenbewegung dokumentiert Tafel I der Harrān-Stele: ˘
„... (daß nämlich Du,) Sîn, der Herr der Götter und Göttinnen (bist), die im Himmel wohnen, der Du zur Zeit Nabû-naʾids, des Königs von Bābil, (7)vom Himmel (wieder in Dein geliebtes Heiligtum Ehulhul zurück)gekommen bist.“ 201 ˘ ˘
Vom Himmelsaufstieg berichten in diesem Zusammenhang ferner die Nebukadnezar-Inschrift RIMB 2, B.2.4.8 (Z. 19: die Schutzgötter des Landes steigen in den Himmel auf), die „Marduk-Prophetie“ 202 (I,25: Marduk lässt Schakkan und Nisaba in den Himmel aufsteigen) sowie die Babylon-Inschriften Asarhaddons (§11 Ep. 8a und b: die übrigen Götter und die Schutzgötter fliegen wie Vögel davon und steigen zum Himmel auf). Dass sich (vertikaler) Rückzug in den Himmel und (horizontale) prozessionsartige Rückkehr aus dem fremden Land nicht gegenseitig ausschließen müssen, geht aus Adad-guppi-Stele II,17ff hervor: „die Hand (18)Sîns, Ningals, Nuskus und Sadarnunnas (,sie) aus (19)Bābil, der Stadt seines Königtums, (fortführend) ergriff er [Nabonid, CK].“ 203 Dieses Nebeneinander ist auch für die (horizontale) Rückkehr in Jes 40,3–5 zu bedenken. Für den Verstehenshorizont von 40,1–5(.9–11) ist weiter zu beachten, dass die Disputationsworte 40,12–31* bereits vorlagen und
199 Ehring, Rückkehr, 162. „Das freiwillige Exil im Ausland bietet sich vor allem dann an, wenn ein Kultbild nicht zerstört, sondern eindeutig von den Siegern verschleppt wurde. Dennoch ist der entscheidende Aspekt der Aussage aus Sicht der Betroffenen nicht, dass der Gott sich jetzt in einem konkreten fremden Land aufhält, sondern die Unzugänglichkeit des Gottes für seine Verehrer und die Abwesenheit von seinem eigentlichen Wohnort. Dass die Rückkehr in Frame, RIMB 2, B.2.4.9 aus Elam geschieht, darf meines Erachtens daher nicht überbewertet und vor allem nicht auf eine Rückkehr JHWHs aus Babylon übertragen werden.“ (A. a.O., 153f, Anm. 579). 200 Schaudig, Inschriften, 510 (Text: 502). 201 Schaudig, Inschriften, 496 (Text: 487). 202 Übers.: TUAT II, 66 (Hecker). 203 Schaudig, Inschriften, 511. Vgl. Ehring, Rückkehr, 115: „Dabei stehen die beiden unterschiedlichen Vorstellungen – die Verborgenheit im Himmel und die Rückkehr in einer ‚irdischen‘ Prozession – nicht im Widerspruch zueinander, sondern sind vor dem Hintergrund der komplexen Frage nach dem Verhältnis von Kultbild und Gottheit ‚an sich‘ in Mesopotamien zu verstehen.“
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dass dort ein im weitesten Sinn himmlisches Thronen JHWHs vorausgesetzt ist (40,22). 204 Auch wenn die zitierten Passagen von einem Himmelsaufenthalt der abwesenden Götter einen Beitrag zum Verständnis von Jes 40* leisten können, ist allerdings mit Ehring festzuhalten: „Entscheidend ist, dass er [JHWH, CK] seine Rückkehr zum Zion, d. h. zum Zentrum seiner Königsherrschaft, von einem unzugänglichen Ort aus antritt, an dem keine Kommunikation mit ihm möglich war – hier als Wüste 205, d. h. absolute Peripherie, vorgestellt.“ 206
Während also Zorn und Abwendung JHWHs nur mehr oder weniger angedeutet werden (Teil 1 des Schemas, s. o.), wird seine Wiederzuwendung in 40,3–5(.9–11) und 52,7–10 plastisch geschildert. Und hier sind die Gemeinsamkeiten mit den mesopotamischen Texten mit Händen zu greifen: In Analogie zu diesen schildern Jes 40,3–5(.9–11) und 52,7–10 die Rückkehr JHWHs im Bild einer sichtbaren Prozession des Königsgottes von der Peripherie in seine heilige Stadt Zion-Jerusalem. Um das individuelle Profil der deuterojesajanischen Rückkehrtexte herauszuarbeiten, empfiehlt es sich auch hier, die Unterschiede zu den übrigen altorientalischen Quellen zu benennen. Dabei fällt auf, dass bei der Rückkehr JHWHs einige wesentliche Requisiten fehlen: 1. Ein gerechter König, der JHWHs Erbarmen findet und seine Rückkehr in die Wege leitet und begleitet; 2. ein Kultbild, das die Rückkehr JHWHs sichtbar macht; 3. ein fertiggestellter Tempel als Ziel der Rückkehr JHWHs. Zu 1.: Die (ältere) Dtjes-Überlieferung kennt zwar sehr wohl eine von JHWH berufene und beauftragte königliche Figur: nämlich den Perserkönig Kyros (vgl. Jes 45,1–7*). Während jedoch in den mesopotamischen Rückkehrtexten der König die Gottheit bei der Hand nimmt und zurückführt (vgl. z.B. die Adad-guppiStele II, 17–21) 207, stehen bei Dtjes die Indienstnahme des Kyros, der seinerseits –
204
Hier ist allerdings sicher nicht an ein Nacheinander zu denken (das Part. הישבbetont die dauerhafte Herrschaft über den Horizontkreis der Erde); außerdem ist wie in der mesopotamischen Bildtheologie der Zusammenhang von JHWH und seiner irdischen Repräsentation, seinem כבוד, zu bedenken. 205 Zu anderen Interpretationen der „Wüste“ vgl. Berges, HThKAT, 104. Berges sieht in „Wüste“ und „Steppe“ eine „Metapher für den trostlosen Zustand Jerusalems und des Gottesvolkes in exilischnachexilischer Zeit“ (ebd.). Diese und die von Ehring bevorzugte kosmologische Deutung im Sinn des Zentrum-Peripherie-Denkens schließen sich m. E. nicht aus. Zu beachten ist ferner, dass „Wüste“ als Sinnbild für Chaos auch in den mesopotamischen Rückkehrtexten begegnet (vgl. Frame, RIMB 2, B.2.4.8 Z. 24; B.2.4.9 Z. 4). 206 Ehring, Rückkehr, 162. 207 Text und Übers.: Schaudig, Inschriften, 500–513.
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in Analogie zum Kyros-Zylinder 208 – von JHWH bei der Hand genommen wird (45,1), und das Konzept der Rückkehr JHWHs weithin unverbunden nebeneinander. 209 Das Fehlen einer irdischen Königsgestalt bei der Rückkehr JHWHs ist zwar einerseits mit der geschichtlichen Situation des Exils zu erklären, andererseits deutet es auf eine Grundsatzentscheidung der deuterojesajanischen Verfasserkreise hin: Ein judäischer König, der wie in vorexilischer Zeit für den JHWH-Kult verantwortlich zeichnete und so die Präsenz JHWHs in seiner Stadt zu garantieren hatte, ist offensichtlich nicht länger vorgesehen. 210 Der grundsätzlich akzeptierte persische König hat sich aber in den JHWH-Kult nicht einzumischen. Erst ein später, nachexilischer Zusatz bringt Kyros mit dem Tempelbau in Verbindung (vgl. Jes 44,28; vgl. 2 Chr 36,23; Esr 1,2; 6,3) 211. Statt einen irdischen König einzubeziehen, betonen Jes 40* und 52* die Rückkehr JHWHs als König, der ganz autonom und politisch unabhängig agiert. 212 Dabei dürfte kaum zufällig mit dem Zitat in 52,7 auf die JHWH-König-Psalmen angespielt sein („ מלך אלהיךKönig geworden ist dein Gott“ in Umkehrung der Formel „ יהוה מלךJHWH ist König [geworden]“, die den Gottesnamen betont an erster Stelle nennt; vgl. Ps 93,1 u.ö.). Die JHWH-König-Vorstellung ist eng mit der Jerusalemer Tempeltheologie verbunden und zielt auf Zion-Jerusalem als „Zentrum der Königsherrschaft Jhwhs“ und „Ort der besonderen Gottespräsenz“ 213.
208 „Marduk, der e[rhabene (,der) Enlil der Götter,] wurde umgestimmt, wandte der Gesamtheit der Wohnstätten, deren Wohnung darniederlag, und den Menschen des Landes Sumer und Akkad, die zu Leichen geworden, [sein] Gemüt zu (und) faßte Erbarmen, alle Länder insgesamt sah er prüfend an u[nd] (12)suchte gründlich und ergriff dann mit seiner Hand einen gerechten König, seinen Herzenswunsch, Kūraš, den König der Stadt Anšan, berief er mit Namen, zur Königsherrschaft über das gesamte All nannte er seinen Namen.“ (Schaudig, Inschriften, 555). 209 Dies gilt trotz der von Ehring, Rückkehr, 208–219, herausgestellten Bezüge zwischen den übrigen altorientalischen Rückkehrtexten und Jes 45,1–7; denn – wie Ehring konzediert – gehören zum einen die Themen Berufung, Beauftragung und göttlicher Beistand zum Standardrepertoire altorientalischer Königsinschriften (a.a.O., 218), zum anderen spielt Kyros bei der Rückkehr JHWHs eben keine Rolle (anders in dem späten Vers 44,28!). Die Folgerung, „das in den Rückkehrtexten selbst noch nicht aufgenommene Thema der Berufung eines Herrschers, der für die konkrete Umsetzung der positiven Folgen der göttlichen Wiederzuwendung sorgt, in den Kyros-Texten zu erkennen und letztere somit als inhaltliche Ergänzung zu den ‚Rückkehrtexten‘ zu verstehen“ (a.a.O., 219), ist deshalb weder literarhistorisch (die Kyros-Texte dürften älter sein als der Rahmen in 40* und 52*) noch traditionsgeschichtlich (die Hauptfunktion des Königs ist in den Rückkehrtexten eine im weitesten Sinn kultische), sondern höchstens in einem sehr allgemeinen Sinn überzeugend. 210 Vgl. auch Berges, Jesaja, 340, und Schmid, Hintere Propheten, 341, der in Bezug auf die Deuterojesaja-Grundschrift feststellt: „Der wohl auffälligste Zug findet sich darin, dass für Israel kein eigener König mehr vorgesehen ist, sondern dass die Einordnung in das Perserreich als göttliche Heilssetzung akzeptiert wird.“ 211 Vgl. Berges, HThKAT, 373.390. 212 Vgl. die Zusammenfassung der Hinweise bei Ehring, Rückkehr, 90; vgl. zum Ausruf מלך אלהיךin 52,7 a.a. O., 77–80. 213 Leuenberger, Königtum Gottes, 3.2.3.2.2.
4.4 JHWHs Rückkehr zum Zion: Jes 40,1–5 und 52,7–10
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Zu 2.: In den altorientalischen Vergleichstexten vollzieht sich die sichtbare Rückkehr der Gottheit in einer Prozession in den Tempel, die z. T. mit Lichtphänomenen einhergeht. In Jes 40,3–5 zielt der Weg JHWHs auf das „Aufgedecktwerden“ ( גלהni.) 214 der „Herrlichkeit JHWHs“ ( )כבוד יהוה215, die von „allem Fleisch“ ( )כל־בשר יחדוgesehen wird ()ראה. 216 Dies erinnert sowohl an Jes 6,3 („die Fülle der ganzen Erde ist seine Herrlichkeit“) 217 als auch an das mesopotamische Konzept des melammu „Schreckensglanz“ (oder: „the unbeatable light“ 218), der sich ähnlich universal ausbreitet: „Auch in Mesopotamien bedeckt (katāmu, sahāpu) der ˘ (malû) melammu ‚Glanz‘ der Götter und Könige Himmel und Erde oder erfüllt die ganze Erde (Belege CAD M II/10f.).“ 219 Die Transformation einer vorgegebenen Szenerie ist in diesem Punkt am auffälligsten; denn die Vorstellung einer horizontalen und (möglicherweise) von Lichtphänomenen begleiteten Prozession, die für alle Welt sichtbar ist (Jes 40,3– 5), ist streng genommen auf die „Gottheit in Gestalt ihres Kultbildes“ 220 bezogen. Ein Kultbild JHWHs ist jedoch nicht (mehr?) vorhanden. Der tempeltheologische Terminus כבודerscheint hier in einer analogen Funktion wie ein Kultbild: als Repräsentationsgestalt JHWHs. 221 Hartenstein hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die „Wahl des alten tempeltheologischen Präsenzbegriffs כבודauch das nicht ausdrücklich genannte Ziel des Weges impliziert: Jerusalem als Wohnsitz JHWHs,
214 Das Verb „ גלהaufdecken“ begegnet im ni. als „spezifischer Offenbarungsterminus“ (Zobel, ThWAT I, 1026). „Wiederum handelt es sich hierbei um eine Entlehnung aus dem profanen Bereich, wo es ‚sich jemandem zeigen‘, ‚sich vor jemandem entblößen‘ oder ähnlich bedeutet ...“ (A.a.O., 1026f). Die Wahl von גלהanstelle des geläufigeren terminus technicus für das Erscheinen Gottes ( ראהvgl. Schnutenhaus, Kommen, 10) könnte mit dem Motiv der Abwesenheit bzw. Verborgenheit Gottes zusammenhängen: „ גלהaufdecken, entblößen, enthüllen“ setzt einen vorhergehenden Zustand der Verhüllung bzw. Verborgenheit voraus (vgl. Jes 6). Vgl. auch Hartenstein, Archiv, 109f (allerdings ohne den Zusammenhang mit )גלה. 215 Vgl. zu diesem Begriff in den verschiedenen literarischen Schichten des Dtjes-Buchs Wagner, Herrlichkeit, 168–193. Wagner hält den Beleg in Jes 40,5 für den Quellpunkt des Phänomens in Jes 40– 55. Zum Traditionshintergrund von 40,5 vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 69–78, und Ehring, Rückkehr, 45f. 216 Zur Frage der Gestalthaftigkeit JHWHs in Jes 40* und 52* vgl. Ehring, Rückkehr, 159–161. 217 Vgl. zum Traditionshintergrund dieser Aussage Hartenstein, Unzugänglichkeit, 69–76. 218 So der Titel der jüngsten Monographie zu diesem mythischen Konzept (vgl. Aster, Light). 219 Weinfeld, ThWAT IV, 30. Vgl. kritisch zu Weinfelds Verbindung von melammu und dem Motiv des „Füllens der Erde“ Aster, Light, 291–295, der darauf hinweist, dass das Motiv zwar mit göttlichen Lichtphänomenen verbunden ist (z.B. namrirrū), wobei astrale Gottheiten beschrieben werden (vgl. a.a.O., 292f), nicht jedoch mit melammu. 220 Ehring, Rückkehr, 160. Dies ergibt sich daraus, „dass zum Teil explizit vom Leuchten der ‚Gestalt‘ des Gottes die Rede ist oder vor der Rückkehr die prachtvolle Restauration seines Kultbildes beschrieben wird“ (ebd.). 221 Vgl. Hartenstein, Archiv, 115: „Die spezifische Differenz liegt in Jes 40,1ff vor allem in der Verwendung des tempeltheologischen Begriffs כבוד, der nicht auf ein Kultbild bezogen war, sondern zur mentalen Ikonographie JHWHs gehörte, welche trotz Kultbildlosigkeit des Jerusalemer Heiligtums eine konkret anschauliche Vorstellung vom ‚Lichtglanz‘ JHWHs vermittelte (vgl. auch Ez 8–11; 43,5).“ Zur Frage der Repräsentation JHWHs im vorexilischen Kult vgl. einerseits Hartenstein, Angesicht, 26–52, und andererseits Köckert, Kultbild.
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4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
das Zentrum nicht nur des Landes, sondern – aufgrund der Entsprechung zwischen Tempel und Kosmos – auch der ganzen Welt“ 222. Dieser Gedanke leitet über zum dritten Punkt. Zu 3.: In den mesopotamischen Texten erfolgt die Rückkehr der Gottheit stets in die Tempelstadt und den eigenen intakten Tempel als irdischen Wohnort. JHWH kehrt demgegenüber nicht in seinen wiederhergestellten Tempel zurück, sondern nach 52,9 merkwürdigerweise in die „Trümmer Jerusalems“. 223 Die wiederhergestellte göttliche Präsenz in Stadt und Tempel mit positiven Folgen für das ganze Land ist als der eigentliche Zielpunkt des Konzepts zu betrachten. Deshalb verlangt die Abweichung vom Schema gerade in diesem Punkt eine Erklärung. Deutlich ist zunächst, dass Jes 40* und 52* auf den tempeltheologisch bedeutsamen geschichtlichen Einschnitt von 587/586 v. Chr. und die damit verbundene brisante Frage „Ist denn JHWH nicht in Zion oder ist ihr König nicht in ihr?“ (Jer 8,19) 224 reagieren. Diese Frage wird mit Hilfe des Rückkehr-Schemas beantwortet: JHWH kehrt nach einer vorherbestimmten Zeit der Abwesenheit zu Zion zurück. Doch welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Tempel? Zu dieser Frage hat Ehring eine m. E. zu einseitige These vorgelegt. Richtig beobachtet ist zunächst, „dass die deuterojesajanischen ‚Rückkehrtexte‘ Jes 40,1– 5.9–11 und Jes 52,7–10 mit der Bedeutung, die sie Zion als Ort der königlichen Präsenz JHWHs und Mittelpunkt der Welt zuschreiben, wieder an die vorexilischen Jerusalemer Zionsdeutungen anknüpfen“ 225. Die folgende Bestimmung des tempeltheologischen Profils von Jes 40* und 52* schießt jedoch m. E. über das Ziel hinaus: „Während in den exemplarisch angeführten Klageliedern der Exilszeit die Zerstörung Zions und des Tempels als klare Anzeichen für die Abwesenheit JHWHs von diesem Ort gelten, können die deuterojesajanischen Texte eine Rückkehr JHWHs nach Zion auch ohne Tempel und im Angesicht der Trümmer denken. Verständlicherweise spielen dabei der JHWH-Thron und das Heiligtum JHWHs keine Rolle mehr, während stattdessen die Gestalt der weiblich personifizierten Stadt Zion/Jerusalem als Zielort der Rückkehr JHWHs in den Vordergrund tritt
222
Hartenstein, Archiv, 110 (kursiv im Original). Vgl. auch Ehring, Rückkehr, 161: „Anders als in den mesopotamischen Texten spielt in den deuterojesajanischen Rückkehrszenarien die Frage der Wiederherstellung des mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels zum Erliegen gekommenen Tempelkultes keine Rolle. Während die mesopotamischen Darstellungen immer voraussetzen, dass am Zielort ein intakter, meist vom königlichen Autor der Inschrift neu und prachtvoll wiederaufgebauter Tempel bereitsteht, in den die Gottheit einziehen kann, kehrt JHWH nach Jerusalem zurück, als dieses noch in Trümmern liegt, denn es sind die ‚Trümmer Jerusalems‘, die aufgefordert werden, angesichts der Rückkehr JHWHs zu jubeln, und die dadurch in Nicht-Mehr-Trümmer verwandelt werden (Jes 52,9).“ 224 Vgl. zur Herausforderung der Tempelzerstörung für die vorexilische Wohnvorstellung Pohlmann, Religion, und Ehring, Rückkehr, 172–175. „Die vollständige und endgültig erscheinende Zerstörung von Zion und Tempel ließ keinen anderen Schluss zu als dass JHWH beide gänzlich verlassen hatte.“ (A.a.O., 173). Zur literarhistorischen Einordnung von Jer 8,19 in die Nähe von 587 vgl. Wanke, ZBK 20.1, 102. 225 Ehring, Rückkehr, 177. 223
4.4 JHWHs Rückkehr zum Zion: Jes 40,1–5 und 52,7–10
127
und die Königsherrschaft JHWHs vor allem als königliches Handeln JHWHs für Zion und Israel ausgedrückt wird.“ 226
Anders als das Zitat insinuieren könnte (JHWH-Thron und Heiligtum spielen „keine Rolle mehr“), ist m. E. der Tempel als Wohnort JHWHs keinesfalls völlig aus dem Blick geraten. Dafür sprechen folgende Gründe. 1. Die Aufnahme der JHWH-König-Formel in 52,7 sowie die Verwendung des Begriffs ( כבוד40,5) hatten deutlich gemacht, dass JHWHs Rückkehr tempeltheologisch fundiert ist. 2. Zwar ist Ehring darin zuzustimmen, dass Zion in den Rückkehrtexten in erster Linie für die Stadt und ihre Bewohner steht, 227 doch geht die spezielle Bedeutung als „Terminus technicus für den Tempelberg als dem Wohnsitz Jahwes“ 228 nicht völlig verloren. Auch ist es zu modern gedacht, die Stadt als „Residenzstadt JHWHs“ 229 zu bezeichnen und dabei vom Tempel als seinem Wohnort zu trennen. M. E. geht schon Ehrings Interpretation der so genannten Zionslieder Ps 46 und Ps 48 in eine falsche Richtung. Unter Aufnahme einer These von Spieckermann, nach der die genannten Psalmen einen „Nebenzweig“ der tempelorientierten Zionstheologie repräsentierten, 230 wird ein eigener „Traditionsstrang“ postuliert, der es ermögliche, „die Präsenz JHWHs in Zion ohne Fokussierung auf den Tempel zu denken“ 231. Doch wären die Gleichsetzungen in Ps 46,5 („Gottesstadt“ = „heiligste der Wohnungen des Höchsten“) oder in Ps 48,2f („Stadt unseres Gottes“ = „Berg Zion“ = „Spitze des Zafon“ = „Stadt eines Großkönigs“) ohne den dabei mitgedachten Tempel als Thron- und Wohnort JHWHs schlechterdings nicht möglich. 232 3. Schließlich spricht das prinzipielle Ineinanderfließen der Begrifflichkeiten von Tempel und Tempelberg/Tempelstadt (Zion-Jerusalem) gegen eine Marginalisierung des Tempelbezugs in Jes 40* und 52*. M. Metzger beschreibt dieses Ineinanderfließen wie folgt: „Aussagen, die vom Zion gemacht werden, können auch vom Tempel und von Jerusalem gemacht werden: Der Zion ist der Thron und (oder) der Fußschemel Jahwes (Ps 99,5.9); das Gleiche gilt vom Jerusalemer Heiligtum (Jer 17,12) und von Jerusalem (Jer 3,17). Jahwe wohnt auf dem Zion (Ps 9,12; 74,2; Joel 4,17.21), er wohnt in Jerusalem (Ps 135,21; Sach 8,3). Der ur-
226
Ehring, Rückkehr, 178f. Vgl. Ehring, Rückkehr, 177. Metzger, Zion, 41. Vgl. auch Stolz, THAT II, 546: „Der Zion ist der Ort, wo Jahwe wohnt oder mindestens erreichbar ist, in erster Linie also der Tempelort.“ 229 Ehring, Rückkehr, 177. 230 Vgl. Spieckermann, Stadtgott, 27, mit der These, „daß aus der Zionstheologie ein Nebenzweig herausgewachsen ist, der die Gegenwart Gottes nicht tempelorientiert, sondern ganz stadtorientiert zu denken versucht, ohne JHWH zu einem Stadtgott mit nur lokaler Zuständigkeit und Bedeutung werden zu lassen“. 231 Ehring, Rückkehr, 171; vgl. ebd. zu Ps 46: „Weder Tempel noch Zionsberg werden erwähnt.“ 232 Vgl. auch die Kritik an Spieckermann bei Janowski, Wohnung, 49, mit Anm. 90. 227 228
128
4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
zeitlichen Gründung des Zion (Ps 48,9; Jes 14,32) entspricht die Gründung des Tempels in der Urzeit (Ex 15,17; Ps 78,69).“ 233
Auch in dieser Hinsicht fügt sich die Jerusalemer Tempeltheologie sehr schön in gemeinaltorientalische Denkmuster ein. Auch für die Tempelstadt Babylon ist ein vergleichbares Ineinanderfließen der Terminologie bezeugt. Wie in Ps 46,5 die Stadt Jerusalem als „heiligste der Wohnungen des Höchsten“ und in Gen 28,17 die Stadt Bet-El als „Haus Gottes“ gilt in Ee V 129 die Stadt Babylon (!) als „Häuser der großen Götter“ 234. Tafel I der listenartigen Komposition Tintir = Babylon legt der babylonischen Hauptstadt zahlreiche Titel bei, die ansonsten dem Tempel als Nabel der Welt und Zentrum der vertikalen Weltenachse gelten. 235 Kein Babylonier wäre auf die Idee gekommen, dass die Götter in der so apostrophierten Stadt ohne Tempel ihren Wohnsitz aufschlagen oder sich zur Versammlung treffen könnten (vgl. Ee V 125–129). 236 M.E steht Zion/Jerusalem in Jes 40–52* – dem Zeltheiligtum in der Priesterschrift vergleichbar – als Platzhalter für den künftigen Zweiten Tempel. Anders als der judäische König, der in Dtjes tatsächlich nicht mehr vorgesehen sein dürfte, gehört der Tempel als irdischer Wohnort JHWHs weiterhin zu den Heilsgütern, deren Wiederherstellung mit seiner königlichen Rückkehr zu Zion möglich ist. Jes 42,1–5(.9–11) und 52,7–10 geben alles in allem eine große Kontinuität zur vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie zu erkennen. Die Rezeption des Rückkehr-Konzepts und ihre Übertragung auf JHWH konnten nur gelingen, weil die vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie als Lokalausprägung altorientalischer Tempeltheologie von folgenden Axiomen bestimmt war: 1. Der Tempel ist der irdische Wohnort der Gottheit. Weil der eigentliche Wohnort der Himmel ist, gilt der Tempel als „Himmel auf Erden“. 2. Die kosmologische Bedeutung des Tempels kommt auch der Tempelstadt zu. 3. Die Zerstörung von Tempel und Stadt wird als (Folge der) Abwesenheit der Gottheit interpretiert. 237 Es liegt nahe, den (noch) fehlenden Tempel mit der zeitgeschichtlichen Situation des Exils in Verbindung zu bringen: Die babylonische Belagerung und Erobe233
Metzger, Zion, 42f. AOAT 375, 243 (in der assyrischen Rezension des Epos gilt der Titel der Stadt Assur; a.a. O., Anm. 3). 235 Vgl. zu Tintir = Babylon George, Babylon, und zur kosmologischen Bedeutung der babylonischen Hauptstadt Maul, Hauptstadt. 236 Vgl. zur Zusammengehörigkeit und wechselseitigen Repräsentanz von Tempel und Stadt in Mesopotamien Sallaberger, RA 13, 523 (§5). 237 Dieses Deuteschema begegnet im Alten Testament erst in frühexilischen Texten (z.B. Ps 74,3; vgl. die Zusammenstellung bei Ehring, Rückkehr, 172–175), doch ist es einerseits nur die Kehrseite der vorexilisch belegten Gleichung von Anwesenheit JHWHs und Schutz/Wohlergehen (z.B. Ps 46*), andererseits setzen die frühexilischen Belege, die ihrerseits keinerlei außerisraelitischen Einfluss zu erkennen geben, das Deuteschema wenigstens als Denkmöglichkeit voraus, da es nach der Katastrophe von 587/586 sehr schnell Anwendung fand. 234
4.5 Fazit
129
rung Jerusalems 588–586 bedeutete das vorläufige Ende von Tempel und Tempelkult (2 Kön 25,9; Jer 39,8; 52,13). 238 Allerdings handeln auch die mesopotamischen Rückkehrtexte vom Verlust dieser Heilsgüter! Doch während die Königsinschriften die jeweilige Heilswende aus der Retrospektive schildern (konkret: nach dem Wiedereinzug der Gottheit in ihren Tempel), proklamiert das prophetische Wort die Rückkehr JHWHs nach Zion-Jerusalem als gegenwärtiges Geschehen (52,8: )יראו בשוב יהוה ציון. 239 Die sichtbare Rückkehr JHWHs ist der Heilswende somit nicht (zeitlich) nachgeordnet, sondern ist deren Ermöglichungsgrund. 240 Darin liegt m. E. der entscheidende Unterschied zu den mesopotamischen Belegen. Dass sich damit manche Dinge in ihrer Gewichtung verschieben, ist naheliegend. Ehring hat gezeigt, dass im Vergleich zur vorexilischen Tempeltheologie Jes 40* und 52* „die Königsherrschaft JHWHs vor allem als sein Handeln als König für Zion und Israel beschreiben“ 241. Eine vergleichbare Transformation vorexilischer Tempeltheologie ist in der etwa zeitgleich entstandenen Priesterschrift zu beobachten, wo die tempeltheologische Präsenzvorstellung ebenfalls auf Israel hin fokussiert wird, indem von JHWHs Wohnen „inmitten der Israeliten“ die Rede ist. Wie hier „Zion“ als Platzhalter/Stellvertreter für den nicht mehr und noch nicht vorhandenen Tempel steht, so in der Priesterschrift das fiktive Zeltheiligtum und das Volk Israel.
4.5 Fazit Schon rein statistisch gesehen (18 Belege für שמיםin Jes 40–55!) spielt der Himmel in Dtjes eine prominente Rolle. Die Mehrzahl der Belege steht dabei in einem schöpfungstheologischen Zusammenhang. Die Beziehung von JHWH und Himmel konnte vor allem anhand der Disputationsworte 40,12–31* untersucht werden, in denen alle hierfür relevanten Vorstellungen begegnen. Der Abschnitt kann vor dem Hintergrund eines nahezu unangefochtenen Forschungskonsenses mit großer Wahrscheinlichkeit in die Übergangszeit von der babylonischen zur persischen Epoche datiert werden. Er gehört damit in die Zeit, in der es in Jerusalem keinen Tempel als irdischen Wohnort JHWHs gab. Da als Entstehungsort Babylon wahrscheinlich zu machen ist, sind Kontakte der Verfasser mit der babylonischen Leitkultur naheliegend. Und so lässt denn auch der Vergleich mit babylonischen Himmelsvorstellungen insbesondere aus dem Enūma eliš auf eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der babylonischen Marduk-Theologie schließen. Folgende Punkte sind hier zu nennen: 238
Vgl. Pohlmann, Religion, 40.54–58. Vgl. zur Zeitstruktur Ehring, Rückkehr, 74f. 240 Vgl. auch Ehring, Rückkehr, 161, mit Hinweis auf die unterschiedlichen Textsorten. 241 Ehring, Rückkehr, 176 (im Original z. T. kursiv). 239
130
4 JHWH über dem Horizontkreis: Gott und der Himmel in Deuterojesaja
1. JHWH hat den Himmel erschaffen (40,22b). Das Motiv des „Ausbreitens“ ( )נטהhat sein Vorbild im Ausspannen der Haut Tiamats in Ee IV 138f. Die dortige Vorstellung wird jedoch stark transformiert. Die Metapher vom „Himmelszelt“ deutet zwar ebenfalls eine schützende Funktion des Himmels für die Bewohner der Erde an (vgl. Ee IV 139f), die unter diesem Himmel wie unter einem Zelt leben; doch betont die Metapher darüber hinaus die Leichtigkeit des Schöpfungsvorgangs („der ausbreitet wie Flor den Himmel“). 2. JHWH hat die Gestirne geschaffen (40,26: „ צבאםihr Heer“). Die Depotenzierung der Astralmächte, die schon im Enūma eliš eine wichtige Rolle spielt (vgl. bes. Ee V), ist in 40,26 noch deutlicher zu greifen: JHWH hat die Gestirne ex nihilo geschaffen, ihnen kommt – anders als in Gen 1,14–19 – auch keine kalendarische, geschweige denn eine mantische Funktion zu. Sie stehen lediglich wie eine gehorsame Armee in Reih und Glied und geben damit Gott die Ehre. 3. Damit verbunden ist eine neue Verortung JHWHs. Er thront nicht auf dem Zion bzw. auf seinem Thron im Jerusalemer Tempel (vgl. Jes 6,1). Er wohnt aber auch nicht im selbstgeschaffenen „Himmelszelt“ (40,22b; so auch nirgends sonst im AT!), sondern „thront“ über dem „Kreis der Erde“, d. h. der Horizontlinie (40,22a). Dieser Übergangsbereich von Himmel und Erde ist ebenfalls vor babylonischem Traditionshintergrund zu verstehen. Wie im Enūma eliš Marduks astraler Repräsentant Nēberu mit der Herrschaft über den Horizont, die entscheidende Schaltstelle des Kosmos, beauftragt ist (vgl. Ee VII 124–134), wodurch Marduk seine Königsherrschaft im Himmel wie auf Erden ausübt, so beherrscht JHWH den Horizontkreis, wodurch ihm universale Macht (über die irdischen und himmlischen Mächte und Gewalten) zukommt (40,22–26). Die in Jes 40–55 insgesamt neunmal belegte Erschaffung des Himmels durch JHWH (40,22b u.ö.) gilt zu Recht als „monotheistisches Kernargument“ (Hartenstein). Doch wie im Enūma eliš ist davon JHWHs Macht über die Gestirne nicht zu trennen, und diese kommt nicht nur in V. 26, sondern schon in V. 22a zum Ausdruck: in seiner Herrschaft über den Übergangsbereich von Himmel und Erde. Es spricht einiges dafür, dass die Erschaffung des Himmels und der Gestirne in den exilischen Disputationsworten Jes 40,12–31* im Alten Testament erstmals belegt ist. Ähnlich innovativ ist die singuläre Vorstellung von JHWHs Thronen „über dem Horizontkreis“. Jes 40,22a ist der erste vergleichsweise sicher (etwa in die Mitte des 6. Jh.) datierbare alttestamentliche Text, der JHWH explizit im himmlischen Bereich verortet. 242 Damit ist die implizite Kosmologie der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie (JHWHs Lokalisierung auf dem himmelhoch aufragenden Thron, Jes 6,1; der Titel „Kerubenthroner“) entscheidend transformiert. Der äußere Auslöser war sicher die Tempelzerstörung. Der Verlust von JHWHs irdischem Wohnort wurde als (Folge der) Abwesenheit JHWHs gedeu-
242
Vgl. o. S. 4, Anm. 21 zu möglichen älteren Texten.
4.5 Fazit
131
tet. Die Thronvorstellung musste entsprechend modifiziert werden. Die Rezeption und Transformation von Marduk-Theologie zeigt jedoch, dass die kosmologischen Modifikationen mit babylonischer „Geburtshilfe“ vonstattengingen. Sie sind im Zusammenhang mit einer in Mesopotamien vorweggenommenen weltbildhaften Verschiebung (Astralisierung des Gottesbildes) zu sehen. Denn wie bei Marduk und anderen mesopotamischen Hauptgöttern steht die Erhöhung JHWHs zum einzigen Gott in Jes 40,12–31* im Zusammenhang mit seiner Astralisierung: JHWH ist Schöpfer des Himmels und der Gestirne und kontrolliert den für die irdische und himmlische Welt entscheidenden Übergangsbereich, den Horizontkreis (40,22.26). Zugespitzt könnte man sagen: Die Himmelskosmologie ist in Dtjes ein Nebenprodukt des Monotheismus. Die Frage nach der Zukunft Jerusalems und nach der Präsenz JHWHs bei seinem Volk war damit freilich noch nicht abschließend beantwortet. Schon die erste, noch vor 520 entstandene Buchedition hat mit Hilfe des Rückkehrmotivs in den Rahmentexten 40,1–11* und 52,7–10 eine zweite Antwort gegeben: JHWH kehrt als Königsgott zu seiner heiligen Stadt Jerusalem-Zion zurück und wird dort (selbstverständlich in seinem Tempel!) wieder seinen irdischen Wohnsitz beziehen. Mit 40,12–31* und den Rückkehrtexten besteht ein Nebeneinander zweier Präsenzvorstellungen: JHWHs astrales Thronen über dem Horizontkreis und seine erneute Präsenz in Zion-Jerusalem. Beide Präsenzvorstellungen setzen unterschiedliche theologische Akzente: Die astrale Präsenz stärker JHWHs universale Herrschaft und seine welterhaltende Macht, die Präsenz in Jerusalem-Zion stärker die rettende Nähe zu seinem Volk. 243 Das Nebeneinander, das vor dem Hintergrund des antiken mythischen Denkens zu sehen ist, erinnert wiederum an die Präsenz Marduks im Enūma eliš, der astral als Nēberu (als Wächter und Schützer des Horizontbereichs) erscheint und als Königsgott zugleich seinen irdischen Wohnsitz in seiner Stadt Babylon hat (auch hier steht die Stadt als „Häuser der Götter“ [Ee V] im Mittelpunkt, obwohl klar ist, dass dies nicht ohne die darin lokalisierten Wohntempel möglich ist!). Die astrale und die urbane bzw. kultische Präsenz bilden weder für Marduk noch für JHWH einen Gegensatz, sondern sind zwei Aspekte ihrer gottköniglichen Herrschaft.
243 Die tempeltheologisch vermittelte Nähe JHWHs zu seinem Volk Israel teilen die Rückkehrtexte mit Ez 43 und der Priesterschrift. Doch anders als P und Ez ist Dtjes nicht an der konkreten Gestalt des künftigen Tempels interessiert; wichtig ist allein, dass JHWH nach der Katastrophe zurückkehrt und in Zion-Jerusalem wie vormals seinen Wohnsitz einnimmt.
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches 5.1 Der lexikalische Befund Das Lexem שמיםist im Ezechielbuch neunmal belegt, wobei die allermeisten Vorkommen für die vorliegende Untersuchung von geringer Bedeutung sind. In 1,1 begegnet השמיםals Subjekt: „Die Himmel öffneten sich ( פתחni.) ...“ Nach Ez 8,3 hebt ein Geist/Wind ( )רוחden Propheten empor „zwischen Erde und Himmel“, um ihn nach Jerusalem zu bringen. In 32,7.8 heißt es, JHWH werde bei der Vernichtung des ägyptischen Königs den Himmel verdecken ( כסהpi.) und alle Lichtkörper (wörtlich: „Leuchten des Lichts“ 1) am/im Himmel ( )בשמיםverdunkeln ( קדרhi.). Die übrigen fünf Belege beziehen sich auf die Wendung „Vögel des Himmels“ (29,5; 31,6.13; 32,4; 38,20). Daneben begegnet in 1,22.23.25.26 sowie in 10,1 das Wort „ רקיעFeste/Platte“, das andernorts parallel zu שמיםsteht (vgl. Ps 19,2) und in der Eingangsvision Ez 1,4–28 (sowie innerhalb der ersten Tempelvision 10,1) u.a. als Basis für den göttlichen Thron („ כסאThron“ in 1,26 und 10,1) fungiert. Die Untersuchung von Ez 1 soll daher im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen, verbunden mit der Frage, welches Himmelskonzept dort bezeugt ist und wo seine traditionsgeschichtlichen Wurzeln liegen. Auf die Himmelsvorstellung von 1,4–28 dürfte auch der hier einzig relevante Beleg von שמיםin 1,1 zu beziehen sein. JHWHs Gegenwart im Tempel wird demgegenüber vor allem in den beiden Tempelvisionen Ez 8–11 und 40–48 thematisiert (vgl. das Verb „ שכןwohnen“ in 43,7.9 sowie die zahlreichen Belege des für die Gottespräsenz im Ezechielbuch konstitutiven Begriffs „ כבודHerrlichkeit“: 1,28; 3,12.23; 8,4; 9,3; 10,4.18f; 11,22f; 39,21; 43,2.4; 44,4 2). Gegenstand der Untersuchung sind damit in erster Linie die Himmelsvision in 1,4–2,8 sowie die erste und zweite Tempelvision in 8–11 und 40ff. Für die tra-
1 Das Nomen מאורist als Bezeichnung für Himmelskörper im Alten Testament nur noch in Gen 1,14–16 und Ps 74,16 (Leuchte und Sonne) belegt. 2 Vgl. hierzu die eingehende Untersuchung von Wagner, Herrlichkeit, 238–285.
134
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
ditionsgeschichtliche Rückfrage stehen dabei die jeweiligen Grundschichten im Fokus, die – wie sich zeigen wird – literarhistorisch auf einer Ebene liegen dürften.
5.2 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen zum Ezechielbuch Das Ezechielbuch selbst hat eine ziemlich genaue Vorstellung von seiner Entstehung: Es gibt sich aus als autobiograhischer Bericht eines Priestersohnes namens Ezechiel ben Busi, der im Rahmen der ersten Deportation unter Nebukadnezzar II. im Jahr 597 v. Chr. nach Babylon verschleppt worden sei und zwischen 594 und 572 in Babylon gewirkt habe (vgl. die Datierungen in 1,2 und 29,17). Abgesehen von 1,2f ist das Buch konsequent als Ich-Bericht des Propheten stilisiert. Aufgrund seiner inneren Geschlossenheit ist das Buch in Vergangenheit und Gegenwart öfter als entweder authentischer oder pseudepigraphischer einheitlicher Entwurf beurteilt worden. 3 Doch sprechen stilistische und inhaltlich-konzeptionelle Spannungen sowie die uneinheitliche Textgeschichte für eine langwährende, komplexe Entstehungsgeschichte. Die Textgeschichte des Ezechielbuchs ist ähnlich verwickelt wie die des Jeremiabuchs. 4 LXX – die MT ansonsten sehr genau wiedergibt – ist gegenüber diesem etwa 4–5% kürzer. 5 Ein Vergleich der beiden Fassungen führt zu dem Ergebnis, dass MT und LXX „reflect two different redactional stages of the book“ 6. Das Ezechielbuch scheint demnach wie das Jeremiabuch in mehreren Editionen existiert zu haben, weshalb bei der Rekonstruktion Textkritik und Literarkritik oftmals ineinanderfließen. 7 Gegenüber LXX bezeugt MT zahlreiche exegetische und harmonisierende Erweiterungen. Nach Schwagmeier datiert diese prämasoretische Fortschreibung in das 3. oder 2. Jh. v. Chr. Daraus folgt, dass sich in der
3 Vgl. zu synchronen bzw. „holistischen“ Erklärungsmodellen Pohlmann, Texterschließung, 254–259. 4 Vgl. zur Textgeschichte einerseits die eingehende Monographie von Schwagmeier (Untersuchungen) und andererseits den knappen Überblick bei Nihan (Ezechiel, 418f). 5 Vgl. Tov, Ezekiel, 91. 6 Tov, Ezekiel, 101. 7 Vgl. zur Verhältnisbestimmung von Text- und Literarkritik Fischer, Text, 194–201, und zu den unterschiedlich bestimmten Zielen der Textkritik einerseits Becker, Exegese, 19 („Strenggenommen beschäftigt sich die Textkritik [...] ausschließlich mit der Wiederherstellung der Textgestalt, die nach 100 n. Chr. in autoritativer Geltung stand bzw. allmählich autoritative Geltung erlangte.“) und andererseits Utzschneider/Nitsche, Arbeitsbuch, 46 („Die Textkritik hat das Ziel, aus den überlieferten textgeschichtlichen Varianten diejenigen zu ermitteln, die den Endtext nach Abschluss des ‚produktiven Wachstums‘ der Literargeschichte repräsentiert oder ihm nahekommt.“)
5.2 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen zum Ezechielbuch
135
Regel zwar nicht der Wortlaut, wohl aber der Textumfang an LXX zu orientieren hat, 8 was für Ez 1 zu berücksichtigen ist. 9 Aber auch die entstehungsgeschichtlich ältere Edition, die z. T. mit Hilfe von LXX zu ermitteln ist, zeigt noch deutliche Spuren einer komplexen Entstehungsgeschichte. Auch wenn eine konsensfähige redaktionsgeschichtliche Theorie noch nicht in Sicht ist, 10 findet ein im Wesentlichen drei- bzw. vierstufiges Entstehungsmodell in jüngerer Zeit zunehmend Akzeptanz: 11 1. Ein älteres Prophetenbuch Ez 4–24* mit Gerichtsworten gegen Jerusalem, das in der babylonischen Epoche entstanden ist. 12 „Vielleicht ist genau dieses Buch im Abschnitt Ez 2,9–10 gemeint, der von einer Schriftrolle handelt, die ‚auf der Vorderseite und auf der Rückseite beschrieben [war], und auf ihr aufgeschrieben waren Klagen, Seufzer und Wehrufe‘.“ 13 Den Kern des älteren Prophetenbuchs bildeten vermutlich poetische Texte wie Ez 15*, 17* oder 19*. 14 2. Eine Pro-Gola-Redaktion 15. Bei ihr „steht die Überzeugung im Hintergrund, daß die Wende von der Unheils- zur Heilszeit erst mit der Rückführung der ersten Gola eintreten wird. Daneben wird den nach 597 v. Chr. im Lande Verbliebenen kein Platz in der künftigen Heilsgeschichte Jahwes mit seinem Volk eingeräumt.“ 16 8 „Der masoretische Text dieses Buches ist ein junger Text, in den unter sachgeleiteter Perspektive eingegriffen wurde, der erweitert und stellenweise abgeändert wurde – zugespitzt könnte man EzMT als Rezeptionstext charakterisieren, der seinerseits schon ein älteres Buch auslegt. Die masoretische Überlieferung mag, wie Vergleiche des mittelalterlichen Textbestands mit dem Befund vom Toten Meer zeigen, den prämasoretischen Text treu überliefern – nur ist dieser Ez-Text nicht der ältesterreichbare Buchtext und schon gar nicht der ‚Urtext‘ dieses Buchs. Demgegenüber verdient die griechische Überlieferung des Buches mit Blick auf den Textbestand im einzelnen hohes Vertrauen, obgleich die LXX zu Ez einen Mischtext darstellt, der zwar Struktur und längeren Text in Kap. 36 in Übereinstimmung mit MT bietet, in den sonstigen Einzelpassagen aber durch den erhaltenen Kurztext den älteren Buchtext bewahrt hat. Der ‚Urtext‘ des Ezechielbuchs liegt aber weder mit LXX noch überhaupt mit G vor, nicht zuletzt weil es sich bei diesen Textzeugen um Übersetzungen handelt, er liegt aber auch nicht mit MT vor. Ein ‚Urtext‘ des Ezechielbuches wäre in der zu rekonstruierenden Vorlage von p967, abzüglich der Angleichungen an den hebräischen Text und unter Berücksichtigung der speziellen lexikalischen Verhältnisse des Griechen zu finden.“ (Schwagmeier, Untersuchungen, 368). 9 Vgl. zur textkritischen Analyse von Ez 1 Lust, Notes. In meinen Übersetzungen sind die MT-Überschüsse in eckige Klammern gesetzt. 10 Ein knappes Referat der verschiedenen Positionen bieten Albertz, Exilszeit, 261–263, sowie Pohlmann, Texterschließung, 248–254. 11 Vgl. in diesem Sinn Pohlmann, Ezechiel, 81–95; Schmid, Hintere Propheten, 365–369; Nihan, Ezechiel, 422–427. 12 Vgl. Nihan, Ezechiel, 422. Vgl. Pohlmann, ATD 22/1, 34–36, sowie ders., Ezechiel, 90–94. 13 Nihan, Ezechiel, 422. 14 Pohlmann, ATD 22/1, 37–39; Schmid, Hintere Propheten, 368; Nihan, Ezechiel, 422. 15 Vgl. zur Terminologie Nihan, Ezechiel, 423. Vgl. zur Forschungsgeschichte Pohlmann, Ezechiel, 88–90 (dort auch die Pohlmann vorausgehenden Vertreter einer golaorientierten Redaktion). Für eine ausführliche Beschreibung dieser Redaktion vgl. Rudnig, Heilig, 73–77. 16 Pohlmann, ATD 22/1, 27. Vgl. zu den theologiegeschichtlichen Implikationen der Redaktion Schmid, Literaturgeschichte, 167: „Wie es scheint, begegnet man hier erstmals in der Theologiegeschichte des antiken Israel dem Konzept, dass die Heilsgröße Israel aufgegeben wird und innerhalb Israels geschieden wird.“
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Die Entstehung der Pro-Gola-Redaktion wird in der ersten Hälfte der persischen Epoche vermutet. 3. Eine (mehrstufige) Pro-Diaspora-Redaktion aus der fortgeschrittenen persischen Epoche. Texte dieser Bearbeitung vertreten z. T. ein gegenüber der älteren Pro-Gola-Redaktion gegenläufiges Anliegen: „[I]n ihnen wird über das Israel in der Diaspora, die Zerstreuung unter die Völker und in die Länder, deren Hintergründe und künftige Entwicklungen reflektiert und damit die Sonderstellung der ersten Gola nivelliert.“ 17 4. Darüber hinaus ist mit punktuellen protoapokalyptischen bzw. apokalyptischen Bearbeitungen seit der hellenistischen Epoche bis in die hasmonäische Zeit hinein zu rechnen. 18 Am bekanntesten ist die makkabäerzeitliche, das Bildwort von der Restitution des exilierten Israel zu einem Auferweckungstext ausdeutende Überformung der Vision von den Totengebeinen Ez 37. 19 Aber wie vor allem Halperin gezeigt hat, ist auch der Abschnitt über die „Räder“ ( )אופניםin Ez 10,9– 17 angelologisch überarbeitet worden, indem die Ofannim wie die Lebewesen = Keruben als eigenständige Engelwesen dargestellt werden. 20 Derlei Nachinterpretationen sind vor allem innerhalb der Visionsschilderungen immer wieder punktuell anzutreffen. Auch Ez 1 ist trotz seiner wegweisenden Anfangsstellung nicht gänzlich von späteren Einträgen verschont geblieben. 21 Schon die Bucheinleitung Ez 1,1 dürfte sich einer solch späten protoapokalyptischen Bearbeitung verdanken. 22 Der Versuch einer redaktionsgeschichtlichen Einordnung der hier relevanten Visionen sowie die Datierungsfrage sollen am Ende des Kapitels noch einmal aufgegriffen werden.
17
Pohlmann, ATD 22/1, 28. Vgl. ders., Ezechiel, 85–88; Nihan, Ezechiel, 423f. Vgl. Pohlmann, Ezechiel, 81–85; Schmid, Hintere Propheten, 368f; Nihan, Ezechiel, 426. Vgl. zu den jüngsten Eingriffen in das Buch auch Konkel, Ezechielbuch. 19 Vgl. Schmid, Hintere Propheten, 368f. 20 Vgl. Halperin, Exegetical Character, sowie ders., Faces, 45–47. 21 So aber die Tendenz bei Halperin, Faces, 47: „[C]hapter 1 was a fixed text from relatively early times. The later editors and commentators, who filled chapter 10 with their exegetical suggestions, considered chapter 1 too sacred to meddle with.“ Sein Argument, die Identifikation der Wesen mit den Keruben hätte ansonsten schon in Ez 1 stattgefunden, überzeugt nicht, da diese Identifikation überhaupt erst angesichts der Tempelkeruben in Ez 10 notwendig war (darüber hinaus dürften die femininen Suffixe in Ez 1 Spuren dieser Identifikation darstellen). 22 Vgl. zu den späten Belegen für das Motiv der Himmelsöffnung Lentzen-Deis, „Himmelsöffnung“ (Verweis bei Pohlmann, Ezechiel, 83, der allerdings den Einleitungsvers 1,1 mit dem Grundbestand von 1,4–28 auf einer literarischen Ebene sieht). 18
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
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5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28 5.3.1 Ez 1,4–28 im Kontext des Berufungsberichts Ez 1–3 Der Großabschnitt 1,1–3,26, der die Berufung des Propheten Ezechiel beschreibt, ist ausweislich zahlreicher Spannungen und Ungereimtheiten nicht in einem Zuge entstanden. In 3,16 markieren Datierung und Wortereignisformel eine Zäsur, welche die beiden Abschnitte 3,17–21 und 3,22–27 an die Zeichenhandlungen in Kap. 4f anschließt, mit denen sie dadurch einen eigenen Erzählkomplex bilden. In großer Einmütigkeit werden 3,17–21 als sekundär beurteilt, denn dort wird die unbedingte Gerichtsankündigung der vorangehenden Verse (vgl. z.B. die „Gattungen“ auf der Schriftrolle in 2,10b) durch die Einführung der Wächterfunktion (von „ צפהspähen“) des Propheten in eine bedingte verwandelt, die zugleich die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes reflektiert. Der Prophet soll „warnen“ (זהר2 hi. „jemanden warnen, ermahnen“), damit der Frevler umkehrt ( )שובund sein Leben rettet ( חיהpi.). 23 Mit Zimmerli handelt es sich bei 3,17–21 um eine Kompilation aus Ez 18 und 33. 24 Schwieriger ist die Beurteilung von 3,22–27. 3,22 könnte zwar unproblematisch an den Abschluss der Visionsschilderungen in 3,15 (oder an 3,16a) anschließen, doch gibt es gute Gründe, auch diesen Abschnitt als Fortschreibung zu betrachten, welche die Wächterperikope 3,17–21 schon voraussetzt. Auffällig ist schon, dass nach der breit ausgeführten Vision in 1,4–28 in 3,23(ab – )והנה24a eine erneute Schau der Herrlichkeit JHWHs erfolgt, und dies in einer „fast flüchtig zu nennende[n] Beiläufigkeit“ 25. Die neue Vision, die diesmal nicht am Kanal Kebar (vgl. 1,3), sondern in der Ebene (( )בקעהvgl. 3,22) lokalisiert ist, 26 reiht sich ein in ein – wie sich noch zeigen wird – sekundäres Verweissystem zwischen den großen Visionsschilderungen: 3,23 → 1,3.28 (die Herrlichkeit JHWHs, wie die Herrlichkeit, die ich am Kanal Kebar gesehen hatte) 8,4 → 3,23 (die Herrlichkeit des Gottes Israels, wie die Erscheinung, die ich in der Ebene gesehen hatte)
23 „Zum Ankündigen kommenden Gerichtes (Ez 28–33) tritt das warnende Mahnen und die Bereitung der Gemeinde für die Möglichkeit von ‚Leben‘ durch seine warnende Mahnung.“ (Zimmerli, Phänomen, 189). 24 Vgl. Zimmerli, BK XIII/1, 87f, sowie ders. Phänomen, 188f; vgl. zum sekundären Charakter außerdem Sedlmeier, NSK 21/1, 105; Nihan, Ezechiel, 426. 25 Zimmerli, BK XIII/1, 105. Zimmerli fragt sich, ob „eine ältere Fassung des Wortes die in Anlehnung an Kap. 1f. zugesetzten Versteile 23(von והנהab) – 24anoch nicht enthielt“ (a.a.O., 106). 26 Vgl. zum buchinternen Bezugspunkt dieser Örtlichkeit Sedlmeier, NSK 21/1, 108: „Die recht allgemein gehaltene Ortsangabe ‚die Ebene‘ (V. 22) schlägt einen Bogen zu Ez 37,1, wo die gleiche Formulierung gebraucht ist. ‚Die Ebene‘ wird somit zum Ort, an dem das Gericht seinen Ausgang nimmt (3,22), wie zum Ort, von dem aus ein Weg in eine neue und heilvolle Zukunft führt (37,1).“
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
43,3 → 8,4+1,3.28 ([die Herrlichkeit des Gottes Israels,] wie die Erscheinung, die ich gesehen hatte, als er gekommen war, um die Stadt zu vernichten ... wie die Erscheinung, die ich am Kanal Kebar gesehen hatte) Zum anderen haben sowohl 3,22–27 wie 3,17–21 ein Gegenstück in Ez 33, wo das Motiv der Stummheit des Propheten wieder aufgegriffen wird (vgl. 33,21f sowie 24,25–27). Wächteramt und Stummheit erwecken im Verbund den Eindruck, „dass sie von ihrem ursprünglichen Ort nach vorne getragen und dabei ausgeweitet bzw. vergrundsätzlicht wurden“ 27. Sieht man darüber hinaus, dass 3,26f in weisheitlicher Terminologie (etwa das Verb יכחhi. „zurechtweisen“) 28 den sekundären Abschnitt 3,17–21 korrigiert, indem JHWH den Propheten zum Verstummen bringt („Du wirst für sie nicht zum Mann, der zurechtweist [ יכחhi.].“) und die Verantwortung für das kommende Gericht nun doch nicht ausschließlich beim Propheten und seiner Hörerschaft liegt (anders 3,17–21: Der Prophet als „Warner“ bzw. „Mahner“ [זהר2 hi.]), so dürfte es sich bei 3,22–27 alles in allem um einen tertiären Anhang an den Berufungsbericht handeln. 29 Im Hinblick auf ihre Einheitlichkeit verdächtig sind des Weiteren die Eingangsverse 1,1–3, da hier zwei konkurrierende Bucheinleitungen nebeneinanderstehen. 1,1 datiert das Folgende in ein ominöses 30. Jahr, 30 1,2f in das fünfte Jahr der Verbannung König Jojachins. Mit Pohlmann ist 1,2f als die ältere Überschrift zu begreifen, 31 der später V. 1 (mit Blick auf die Vision 1,4–28) vorangestellt worden ist. Das darin enthaltene Motiv der Himmelsöffnung, das theologiegeschichtlich erst in Texten bezeugt ist, die der Apokalyptik nahestehen, 32 deutet darauf hin, dass diese Buchüberschrift zu einem relativ späten Zeitpunkt dem Buch vorangestellt worden ist. 27 Hossfeld, Ezechiel, 604; so auch Sedlmeier, NSK 21/1, 105. „In 33,21f reicht die Stummheit vom Abend bis zum Morgen, an dem die Nachricht vom Fall der Stadt eintrifft. In 24,25–27 hat sie sich auf die Periode vom historischen Fall der Stadt bis zum Datum von 33,21 ausgedehnt [...]. In 3,16a.22– 27 stigmatisiert sie den gesamten Zeitraum der Unheilsverkündigung von der Berufung (593 v. Chr.) bis zum Eintreffen der Nachricht vom Fall der Stadt (585 v. Chr.) und ist nur als intermittierende Stummheit und Unheilszeichen zu verstehen.“ (Hossfeld, Ezechiel, 604). 28 Die größte Belegdichte findet sich in Spr und Hi, vgl. Liedke, THAT I, 730–732. 29 Vgl. zu 3,22–27 als Korrektur von 3,16–21 auch Pohlmann, ATD 22/1, 76f. 30 Vgl. zu den Deutungsoptionen Sedlmeier, NSK 21/1, 76f. 31 Vgl. Pohlmann, ATD 22/1, 48: „Wie ein Blick auf Überschriften in Hag 1,1 und Sach 1,1 erhellt, erfüllt die Textfolge von 1,2–3a alle Voraussetzungen für eine ursprünglich selbständige Überschrift, die entsprechend der verwendeten Wortereignisformel (‚da erging das Wort Jahwes an Ezechiel‘) als Einleitung zu einer Sammlung oder zu einem Buch von Prophetenworten fungieren konnte. Das trifft für 1,1 für sich genommen jedenfalls nicht zu.“ 32 Vgl. Pohlmann, Ezechiel, 83, Anm. 38, mit Verweis auf die Untersuchung von Lentzen-Deis, „Himmelsöffnung“ (ebd., Anm. 39). Pohlmann sieht in diesem Einleitungsvers, den er literarhistorisch mit 1,4–28 verbindet, „[e]in deutliches Indiz für eine bereits der Apokalyptik nahestehende Bearbeitung“ (ebd.). Doch anstatt die gesamte Vision nach diesem Motiv zu datieren, liegt es näher, 1,1 als wesentlich später (eben auch später als 1,4–28) hinzugefügte Buchüberschrift zu verstehen, die das ganze Ezechielbuch in die Nähe der apokalyptischen Literatur bringt. 1,1 steht damit in Zusammenhang mit jüngsten apokalyptisch-angelologischen Bearbeitungen, die punktuell vor allem in den Visionen greifbar werden.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
139
Sind 1,1 und 3,17–21.22–26 als sekundär ausgegrenzt, bleiben als (vorläufiger!) Grundbestand 1,2–3,15, bestehend aus einer Einleitung (1,2f) sowie zwei Visionen, die jeweils auf eine Gottesrede abzielen (1,4–28+2,1–8 und 2,9–3,3+3,4– 3,15). Ohne 3,17–21.22–27 ist 3,16 als Überleitung zu den Zeichenhandlungen der Kap. 4f zu betrachten, 33 welche im Kern dem Berufungsbericht in Gestalt von 1,2–3,15* entstehungsgeschichtlich schon vorausgegangen sein dürften. 34 Aber auch 1,2–3,15, insbesondere das Nebeneinander von zwei Visionen mit nur leicht variierten, insgesamt auffällig redundanten Redeanteilen, dürften kaum auf einen einzigen Verfasser zurückgehen. Schon Zimmerli hat die Visionen gattungs- bzw. traditionsgeschichtlich differenziert: Während sich die Buchrollenvision in die Traditionslinie anderer prophetischer Berufungsberichte im Alten Testament einreihen ließe, gelte dies nicht für die Himmelsvision, welche „in ihrer feierlichen Steilheit“ 35 analogielos sei. „So scheint sich traditionsgeschichtlich die Trennung von Ez 1 und 2f. zu empfehlen.“ 36 Behrens hat die gattungs- und traditionsgeschichtliche Eigenständigkeit der beiden Visionen noch einmal eingehend begründet: „In Ez 1,1–3,15 finden sich zwei vollständige, ursprünglich voneinander unabhängige prophetische Visionsschilderungen.“ 37 Auf die Vision von der Herrlichkeit JHWHs in 1,4–2,8a folgt – nach einer Überleitung in 2,8b – die Vision von der Buchrolle in 2,9–3,9. Beide Visionsschilderungen bestehen jeweils aus einem Visions- und einem Dialogteil. 38 Was die Visionsteile angeht, gehen 1,4–28 und 2,9–3,3 völlig unterschiedliche Wege: Während die Buchrollenvision älteren prophetischen Visionsschilderungen nahesteht (vor allem Jer 1,9ff) 39, gibt die Himmelsvision eine deutliche Nähe zur frühnachexilischen Priesterschrift zu erkennen. 40 Die beiden Dialogteile haben bemerkenswerterweise eine „beinahe identisch[e]“ 41 Botschaft: „In beiden Fällen wird Ezechiel aufgefordert, dem widerspenstigen Israel Jahwes (Gerichts-)Wort anzusagen.“ 42 Anders als Zimmerli zieht Behrens aus diesem komplexen Befund redaktionsgeschichtliche Konsequenzen, die durch folgende Textbeobachtungen geboten 33
So auch Sedlmeier, NSK 21/1, 105. Vgl. z.B. Pohlmann, ATD 22/1, 33f und 81–84. 35 Zimmerli, BK XIII/1, 18. 36 Ebd. Redaktionsgeschichtlich schlägt Zimmerli jedoch einen anderen Weg ein: „So wenig sich aber in Jes 6 Thronvision und Wortbeauftragung scheiden lassen, so wenig ist in Ez 11–315eine Scheidung von Thron- und Buchrollenvision erlaubt. Ez 1 bleibt ohne die Weiterführung in Ez 2f. ein Torso.“ (A.a.O., 35). Zwar bleibt Ez 1 ohne das Folgende in der Tat ein Torso, doch gilt dies nicht umgekehrt für 2,9ff ohne 1,4–2,8 (s. u.). 37 Behrens, Visionsschilderungen, 206. 38 Vgl. die Tabelle bei Behrens, Visionsschilderungen, 185f. 39 Jer 1,9ff ist möglicherweise eine dtr Überarbeitung (vgl. z.B. Wanke, ZBK 20.1, 28); aber auch so käme man etwa in die frühexilische Epoche und damit in die zeitliche Nähe zu Ez 2,9–3,9. 40 Vgl. Behrens, Visionsschilderung, 195. 41 Behrens, Visionsschilderungen, 186. 42 Ebd. 34
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
erscheinen: Die Wiederholung des Sendungsauftrags („ich sende dich“ [2,3; vgl. 3,5f]; „rede zu“ [2,4()אמר.7]; „gehe und rede zu ...“ [3,1.4; 3,11]) sowie charakteristischer Formeln („ob sie hören oder es lassen“ [2,5.7; 3,11; vgl. 3,27]; „denn ein Haus der Widerspenstigkeit sind sie“ [2,5.7; 3,9; vgl. 3,27] 43; „fürchte dich nicht“ [2,6; 3,9]) weisen 2,3–8 und 3,4–9 als Dubletten aus, wobei die gemeinsamen Themen und Formeln in 2,3–8 „wie assoziativ aus Ez 3,4–9 aufgenommen [wirken]“ 44. Diese textanalytischen Beobachtungen sprechen im Verbund mit den gattungs- und traditionsgeschichtlichen Argumenten für eine literargeschichtliche Priorität der Buchrollenvision 2,9–3,9. 45 Nach Behrens könnte die Buchrollenvision „eine ältere Sammlung von Ezechielworten eröffnet haben“ 46, während er die Himmelsvision in die zeitliche Nähe der Priesterschrift stellt. 47 Der Großabschnitt Ez 1–3 mag demnach in einer früheren Buchfassung lediglich aus einer Bucheinleitung 1,2f sowie der Buchrollenvision in 2,9–3,9 bestanden haben, bevor die gewichtige Himmelsvision in 1,4–2,8 vorangestellt worden ist. In diesem Zusammenhang dürften auch 3,10–15 hinzugefügt worden sein, die mit 1,4–28 einen Rahmen um die ältere Buchrollenvision bilden. 48 Die für die vorliegende Untersuchung relevante Himmelsvision in 1,4–28 sowie der Rückbezug auf diese in 3,12f weisen allerdings ihrerseits noch Spuren von Bearbeitung auf, denen im Folgenden nachzugehen ist.
5.3.2 Entstehungsgeschichtliche Bemerkungen zu 1,4–28 und 3,12 f Um den Nachvollzug der folgenden entstehungsgeschichtlichen Bemerkungen zu erleichtern, sei diesen eine Übersetzung der Himmelsvision vorangestellt: 49
43 Vgl. zu „ מריWiderspenstigkeit“ Schwienhorst, ThWAT V, 8: „mārāh ist [...] ein negatives Wertungswort und bezeichnet einen wissentlichen, grundsätzlichen und trotzigen Ungehorsam.“ Das Nomen ist in Ez 16mal belegt (von insgesamt 22 Belegen im AT, vgl. a.a.O., 8f), 15mal in der Verbindung „Haus (der) Widerspenstigkeit“ (Ez 2,5.6.7[LXX].8; 3,9.26.27; 12,2a.b.3.9.25; 17,12; 24,3; 44,6[LXX]; [in 2,8 Abstractum pro concreto: „widerspenstig“]). Nach Sedlmeier, NSK 21/1, 97, werde mit der Verbindung „Haus (der) Widerspenstigkeit“ der Ehrenname „Haus Israel“ aufgegriffen und „in das Gegenteil verkehrt“. 44 Behrens, Visionsschilderungen, 205. Vgl. den eingehenden Vergleich a.a.O., 204f. 45 Vgl. Behrens, Visionsschilderungen, 203f: „Die Buchrollenvision Ez 2,9–3,9 bildet somit einen in sich konsistenten, von der Schilderung der Erscheinung der Herrlichkeit Jahwes in Ez 1f. unabhängigen Text. Dabei legt die relative Kürze und die Nähe der Buchrollenvision zu älteren prophetischen Texten die Vermutung nahe, daß es sich bei Ez 2,9–3,9 innerhalb von Ez 1,1–3,15 um den älteren Text handelt.“ 46 Behrens, Visionsschilderungen, 206. 47 Vgl. Behrens, Visionsschilderungen, 196, der dabei jedoch für eine „noch exilische Entstehung“ plädiert. 48 Vgl. Behrens, Visionsschilderungen, 207. 49 Auslassungen in LXX sind in eckige Klammern, mutmaßlich sekundäre Textstellen sind kursiv gesetzt. Einzelne Abschnitte des Kap. werden im weiteren Verlauf noch einmal in Übersetzung dargeboten, dort folgen auch weitere text- und literarkritische Begründungen.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
141
(1,4)
Und ich sah: Und siehe, ein Sturmwind kam vom Zafon her, eine große Wolke und ein hin und her zuckendes Feuer, und Lichtglanz um sie ringsum, 50 und aus seiner Mitte wie der Glanz von Bernstein, aus der Mitte des Feuers 51. (5)Und aus seiner Mitte (erschien) die Gestalt von vier Lebewesen. Und dies (war) ihr Anblick: Die Gestalt von Menschen (war) ihnen. (6)Und vier Gesichter (waren) einem (jeden), und vier Flügel (waren) einem (jeden) [von ihnen] 52. (7) Und ihre Beine (waren) ein gerades Bein, und ihre Fußsohlen (waren) wie die Fußsohle eines Jungstiers; glänzend wie der Glanz von polierter Bronze. (8)Und Menschenhände (waren) unter ihren Flügeln an ihren vier Seiten. Und ihre Gesichter [und ihre Flügel] 53 (waren) bei den vieren; (9)[miteinander verbunden (waren) ihre Flügel;] 54 sie wendeten sich nicht um, wenn sie gingen; ein jedes in der Richtung seines Angesichts gingen sie. (10)Und die Gestalt ihrer Gesichter (war) ein Menschengesicht, und ein Löwengesicht (war) zur Rechten bei den vieren, und ein Stiergesicht (war) von der Linken den vieren, und ein Adlergesicht (war) den vieren. (11) [Und ihre Gesichter] 55 Und ihre Flügel (waren) von oben her ausgespannt; jedem (waren) zwei, die miteinander verbunden (waren), und zwei, die ihre Körper bedeckten. (12)Und jedes in der Richtung seines Angesichts gingen sie; wohin der Geist gehen wollte, gingen sie; sie wendeten sich nicht um, wenn sie gingen. (13)Und die Gestalt der Lebewesen, ihr Anblick (war) wie von brennenden Feuerkohlen; wie der Anblick von Fackeln fuhr es hin und her zwischen den Lebewesen; und Lichtglanz (war) dem Feuer, und aus dem Feuer gingen Blitze heraus. [(14)Und die Lebewesen liefen hin und her wie der Anblick von Blitzen.] 56 (15) Und ich sah [die Lebewesen] 57, und siehe, ein Rad (war) auf dem Boden neben den Lebewesen, bei den vieren 58. (16)Der Anblick der Räder [und ihre Machart] 59 (war) wie der Glanz von Goldtopas. Und eine Gestalt (war) den vieren. [Und ihr Anblick] 60 Und ihre Machart (war), wie wenn ein Rad mitten in einem Rad wäre. (17)Nach ihren vier Seiten gingen sie [, wenn sie gingen]; sie wendeten sich nicht um, wenn sie gingen. (18)Und ihre Felgen, und Höhe (war) ihnen (?), und Furcht (war) ihnen (?); 61 und ihre Felgen (waren) voller Augen ringsum bei den vieren. (19)Und wenn die Lebewesen gingen, gingen (auch) die Räder neben ihnen; und wenn die Lebewesen sich vom Boden erhoben, erhoben sich die Räder. (20)Wohin der Geist gehen wollte, dorthin gingen sie [, wohin der Geist gehen wollte] 62. Und die Räder erhoben sich gleichzeitig mit ihnen, denn der Geist des Lebewesens war in den Rädern. (21)Wenn sie gingen, gingen (auch) sie, und wenn sie standen, dann standen (auch) sie; und wenn sie sich vom Boden erhoben, erhoben sie [die Räder] 63 sich gleichzeitig mit ihnen. Denn der Geist des Lebewesens war in den Rädern.
50 Vermutlich eine Hinzufügung aus 1,27, vgl. App. BHS und zur Begründung Zimmerli, BK XIII/ 1, 4 z.St. 51 Vermutlich eine Hinzufügung aufgrund des Einschubs in V. 4a, vgl. Zimmerli, BK XIII/1, 4 z.St. 52 Möglicherweise eine Hinzufügung, vgl. LXX. 53 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 14. 54 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 14. 55 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 14f. 56 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 16f. 57 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 17f. 58 Mit LXX, vgl. App. BHS. 59 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 18. 60 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 18. 61 MT ist an dieser Stelle unverständlich, vgl. App. BHS. 62 Vermutlich zu streichen in Folge von Dittographie. 63 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 20.
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
(22)
Und die Gestalt über den Häuptern des Lebewesens (war) eine Platte /Feste wie der Glanz von [furchterregendem] 64 Eis, ausgebreitet oben über ihren Häuptern. (23)Und unter der Platte (waren) ihre Flügel ausgestreckt, einer gegen den anderen, jedem (waren) zwei, die ihre Körper bedeckten. (24)Und ich hörte das Rauschen ihrer Flügel wie das Rauschen großer Wasser, [wie die Stimme Schaddays] 65, wenn sie gingen [, das Rauschen einer Volksmenge, wie das Rauschen eines Heerlagers] 66; wenn sie standen, ließen sie ihre Flügel sinken. (25)Und es war ein Rauschen über der Platte, die über ihrem Haupte war. [Wenn sie standen, ließen sie ihre Flügel sinken.] 67 (26) Und oberhalb der Platte, die über ihrem Haupte war, (war) wie der Anblick eines Lapislazulisteins die Gestalt eines Throns. Und auf der Gestalt eines Throns (war) eine Gestalt wie der Anblick eines Menschen, oben auf ihm. (27) Und ich sah: Wie der Glanz von Bernstein [, wie der Anblick von Feuer (war) ein Gehäuse um es ringsum] 68 vom Anblick seiner Hüften nach oben, und vom Anblick seiner Hüften nach unten sah ich: Wie der Anblick von Feuer. Und ein Lichtglanz war bei ihm (sc. dem Menschen) ringsum. (28)Wie der Anblick des Bogens, der am Tag des Regens in der Wolke ist, so (war) der Anblick des Lichtglanzes ringsum. Das war der Anblick der Gestalt der Herrlichkeit JHWHs.
Die Vision in 1,4–28 ist in ihrer vorliegenden Gestalt deutlich dreigeteilt, erkennbar an der Form „( ואראUnd ich sah ...“) in V. 4, V. 15 und V. 27. V. 4–14 beschreiben die vier Lebewesen; V. 15–26 handeln von den Rädern neben und der Platte über den Lebewesen; V. 27f schildern das Sehen der Herrlichkeit JHWHs. V. 27f bekommen durch die neue Eröffnung mit ואראeinen Akzent: Hier liegt das Ziel und der Höhepunkt der Vision. Dieses Ziel wird auch schon durch lexematische Querbezüge in V. 4 angedeutet, der mit V. 27f einen Rahmen bildet. Die Stichworte „Wolke“ ()ענן, „Feuer“ ()אש, „Bernstein/Elektrum“ ( )חשמלwerden in V. 4 eingeführt und begegnen in V. 27f in chiastischer Umkehrung: „Bernstein/ Elektrum“, „Feuer“, „Wolke“. „Scheint die Erwähnung der Wolke, des glänzenden Feuers und des Elektrons für die nachfolgende Schilderung der vier Wesen zuerst unerheblich, ja geradezu unverständlich, so wird vom Ende der Vision her klar, daß bereits am Anfang der ְכּבוׄד־ ְיהָוהdas eigentliche Ziel ist, wenn dieses in V. 4 auch nur retrospektiv von V. 27f. her erkannt werden kann.“ 69
Formal-stilistisch sticht der häufige Gebrauch von Vergleichspartikeln ( )כund umschreibenden „Pufferbegriffe[n]“ 70 ( דמותund מראה, besonders in V. 28) ins Auge, welche die thronende Gottheit mehr verschleiern als offenbaren.
64 Das Wort ist in 4QEzb bezeugt, der Ausfall in LXX ist übersetzungstechnisch erklärbar, vgl. Lust, Notes, 20f. 65 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 21f. 66 Vermutlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 21f. 67 Vermutlich zu streichen in Folge von Dittographie. 68 Wahrscheinlich eine Hinzufügung, vgl. LXX und Lust, Notes, 23, sowie Zimmerli, BK XIII/1, 8 z.St., der das MT-Plus als „an falscher Stelle in den Text geratenes Interpretament zu der Aussage von 27bβ “ונגה לו סביבdeutet. Vgl. auch Wagner, Ez 1, 243. 69 Behrens, Visionsschilderungen, 189. Es sei hier schon angemerkt, dass das Stichwort „Wolke“ darüber hinaus auf JHWHs Auszug aus dem Tempel in 10,4 vorverweist. 70 Greenberg, HThKAT, 52.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
143
Für die Rekonstruktion der Grundschicht von Ez 1 ist m. E. der Vergleich mit Ez 10 entscheidend. Die Visionsschilderung in Ez 10 – der Auszug der göttlichen Herrlichkeit aus dem Jerusalemer Tempel – nimmt vielfach auf Ez 1 Bezug. So werden etwa die namenlosen Lebewesen, die in Ez 1,5ff als Himmelsträger fungieren, in 10,15.20 mit den traditionellen, gemäß 1 Kön 6,23–28 den Thron JHWHs bildenden Tempelkeruben identifiziert. 71 Ez 10 ist hinsichtlich der Übereinstimmungen mit der Eingangsvision zwar grundsätzlich von Ez 1 abhängig, scheint aber – wie neuerdings gesehen wird 72 – umgekehrt auch auf die Eingangsvision rückgewirkt zu haben. Diesem Umstand dürfte der oftmals unmotivierte Wechsel des grammatikalischen Geschlechts im Gebrauch der Pronominalsuffixe in Ez 1 geschuldet sein. 73 Um die Priorität einzelner Motive ermitteln zu können, ist grundsätzlich zu fragen, in welchem der beiden Texte die Motive fester verankert sind. Die Feuerkohlen, von denen in 1,13f die Rede ist (vgl. die Dubletten zu V. 5), werden in 10,2 74 (vgl. 10,6f) für eine Zeichenhandlung im Tempel und in der Stadt gebraucht: Das Ausstreuen der Feuerkohlen über Jerusalem symbolisiert dort JHWHs vernichtendes Feuergericht an der Stadt. 75 Vermutlich sind die
71 Folge der Identifikation der Himmelsträger aus Ez 1,5ff mit den Tempelkeruben der Grundschicht von Ez 10 ist ein spannungsreiches Nebeneinander zweier Kerubenkonzepte in der vorliegenden Gestalt von Kap. 10 (vgl. etwa die knappe Darstellung bei Riede, Kerub/Keruben; vgl. auch Hossfeld, Tempelvision, 160–162, sowie u. S. 171). Zur Erklärung des nur einen Tempelkeruben vermutet Hossfeld, „daß der Singular ‚Kerub‘ (9,3a; 10,2.4) auf der Ebene des Endtextes als Kollektivsingular die beiden salomonischen Keruben von den vier Keruben (Plural) des Thronwagens unterscheiden soll“ (a.a.O., 161). Insgesamt ist für die Visionen in Ez 1–3 und 8–11 mit jüngeren und jüngsten Harmonisierungen zu rechnen. Halperin spricht etwa in Bezug auf Ez 10,14 von einer Tendenz „observable in subsequent Jewish angelology, to transfer the properties of one type of angel onto another“ (Exegetical Character, 139; vgl. die Hinweise ebd., Anm. 35). 72 Vgl. Uehlinger/Trufaut, Ezekiel 1, 147ff mit der Tabelle 151f. 73 Vgl. auch Uehlinger/Trufaut, Ezekiel 1, in Bezug auf die wechselseitige Abhängigkeit der Kapitel: „This to-and-fro probably accounts for much of the well-known confusion of feminine and masculine suffixes in chap. 1.“ Der Versuch, die Konfusion im Suffixgebrauch mit dem Gestaltungswillen der ursprünglichen Verfasserschaft zu erklären, „so dass der Autor mit der Gestaltung zunächst Verwirrung beim Leser stiftet“, welcher „im Leseprozess die Erfahrung des Propheten nach[vollzieht], der ihm Unbekanntes schaut, um am Ende zu verstehen, was er sieht“ (Wagner, Ez 1, 238, vgl. auch 237), scheint mir noch nicht für die Grundschicht plausibel zu sein, sondern erst, als die Wesen in Ez 1 mit den Keruben in Ez 10 ebendort sekundär identifiziert worden sind. Vgl. dazu auch Keel, Jahwe-Visionen, 213, Anm. 203, nach dem der Wechsel erfolgt sei, „weil für den Autor die betreffenden Wesen praktisch geschlechtslos waren“. – Es ist m. E. nicht auszuschließen, dass der Suffixwechsel und der diesem zugrundeliegende Wechsel des grammatikalischen Geschlechts einer zunehmend angelologischen Überformung der Eingangsvision geschuldet ist. In diesem Zusammenhang ist etwa auf den angelologischen Terminus „ רוחGeistwesen“ zu verweisen, der in Qumran im Plural maskulin und feminin konstruiert werden kann (vgl. Fabry, ThWAT VII, 419 u. 421). 74 Zur entstehungsgeschichtlichen Erklärung von 10,2 vgl. Hossfeld, Tempelvision, 161. 75 Vgl. zum tempeltheologischen Hintergrund Lev 16,12 und dazu Fuhs, ThWAT I, 1006: „Das zu Ehren JHWHs entzündete Feuer wandelt sich in seine Zornesglut, die mit besonderer Vernichtungskraft die eigene Stadt zerstört.“ Vgl. zum Traditionshintergrund des Kohlenmotivs des Weiteren Grätz, Wettergott, 118 mit Anm. 152.
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Feuerkohlen demnach von 10,2 nach 1,13f gewandert. 76 Das Rauschen ( )קולder Flügel bereitet in 10,5 77 die kurze Gottesrede in 10,6 vor („wie der Lärm [ ]קולdes El Schadday, wenn er redet“); in 1,23–25 wirkt die Aufnahme dieses Motivs reichlich deplatziert und verursacht eine Dublette zu V. 11 78 (die Stelle wurde noch später angelologisch nachinterpretiert, vgl. auch V. 14) 79. Auch hier dürfte Kap. 10 der Quellort gewesen sein. Anders scheinen mir die Dinge in 1,15–18 im Vergleich zu 10,9–12 zu liegen. Hier spricht schon die textkritische Faustregel lectio difficilior probabilior für die Ursprünglichkeit von Ez 1. Wie Uehlinger/Trufaut gezeigt haben, widersetzt sich das Bild in 1,18 (Felgen [der Räder] voller Augen) im Kontext der Thronwagenhypothese jeglicher ikonographischer Evidenz; 10,12 (Rücken [der Keruben] voller Augen) biete demgegenüber im Kontext von V. 12 ein in sich nachvollziehbares und ikonographisch belegtes Bild: „a description of creatures whose bodies included backs, hands and wings all covered by eyes. As a matter of fact, such beings are attested in Late-Egyptian and related Egypto-Phoenician iconography [...].“ 80 Diese noch relativ spät belegten Wesen mögen in der Tat das Anschauungsmaterial für 10,12 geliefert haben. Doch ist Halperins These einer angelologischen Einschreibung in 10,9–17m. E. die plausiblere Erklärung der Unterschiede zu Ez 1. Er deutet den Abschnitt als Kommentar zu 1,15–21, wobei der Redaktor sein Hauptaugenmerk auf die dort beschriebenen „Räder“ richte: „He turns these ‚wheels‘ from machines into angels, almost literally fleshing them out. In verse 11, he equips them with heads; in verse 12, with flesh, arms, and wings. (It is clear both from the context of these verses and from their relationship to 1:17–18 that their subject is the ʾofannim – not, as commentators normally assume, the ḥayyot-cherubim.)“ 81
76 Vgl. zum sekundären Charakter von 1,13f auch Keel, Jahwe-Visionen, 143, mit Verweis auf „zentrale alttestamentliche Theophanieschilderungen“ (Feuerkohlen: Ps 18,9.13f = 2 Sam 22,9.13; Fackeln: Gen 15,17; Blitze: Ex 19,16 u.ö.). Aber auch nach Keel „[könnte] [d]er sozusagen materielle Anstoß für die Nachinterpretation in 1,13f [...] von 10,2 ausgegangen sein“ (ebd., Anm. 16); so für V. 13 auch Zimmerli, BK XIII/1, 55. – Vgl. zu V. 14 auch LXX und dazu Lust, Notes, 16f. 77 Ez 10,5f sind ihrerseits Bestandteil einer sekundären Angleichung der Grundvision an Ez 1, vgl. Hossfeld, Tempelvision, 162. Für die akustischen Phänomene verweist Hossfeld auf Ez 37,7 (vgl. ebd.). 78 Vgl. schon Zimmerli, BK, XIII/1, 68: „Die unglückliche Nachholung eines Elementes, das die Dinge unterhalb der festen Platte betrifft, an einer Stelle, wo die Gesamtbeschreibung schon über diese Stelle hinaus gediehen ist, macht den sekundären Charakter der Aussagen von 123–25 besonders augenfällig.“ Vgl. auch Keel, Jahwe-Visionen, 144f. 79 Vgl. Halperin, Faces, 59 und passim, und zu 1,14 Evans, Angelology. 80 Uehlinger/Trufaut, Ezekiel 1, 150. 81 Halperin, Faces, 45f. Vgl. a.a.O., 46 zu 10,14: „While he does not go so far as to specify what the heads of the ʾofannim look like, a later author made up for his reticence by inserting verse 14 into his text (in MT only: the Alexandrian translator did not know this passage).“ Zu den Ofannim neben Kerubim und Serafim als Engelwesen in frühjüdischen Texten s. Halperin, Exegetical Character, 136, Anm. 20.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
145
Die problematische Vorstellung von „Rädern“ voller „Augen“ in 1,18 mag die Umdeutung der „Räder“ zu Engelwesen mit befördert haben. Die Richtung der Abhängigkeit verläuft hier jedenfalls von Ez 1 nach 10. Diese Beobachtung trägt allerdings noch nicht viel aus für die Frage, ob 1,15– 21 zum Grundbestand der Eingangsvision gehören. Der Abschnitt wird in der Forschung vielfach als sekundärer Einschub beurteilt. Neben den bekannten Suffixwechseln wird dies vor allem mit der erneuten Einleitungsformel ( וארא )והנהin V. 15 begründet, die etwa bei der Beschreibung des Thronenden in 1,26 fehlt, und auf eine „gewisse Disproportion der Akzentsetzung“ 82 hindeute, die dem Stück ein zu großes Gewicht verleihe. Keel hat darüber hinaus ein konzeptionelles Argument stark gemacht: „Wenn in der ursprünglichen Vision das ‚Kommen‘ Jahwes angedeutet werden soll, dann durch den Sturmwind, das alte Gefährt, mit dem Jahwe von Süden her nach Kanaan zu kommen pflegte. Der eigentliche Grund, warum Jahwe den nach Babylonien Deportierten aber nahe sein kann, zeigt sich erst, als das neue Bild im alten Rahmen der Sturmtheophanie sichtbar wird: Jahwes Thronen im Himmel. Diese Antwort ist viel grundsätzlicher als die einer neu gewonnenen Mobilität des Thrones durch geschickt angebrachte Flügel und Räder.“ 83
In der Tat wird die Analyse von Ez 8–11 zeigen, dass diejenigen Abschnitte, die die Vorstellung der Mobilität der Herrlichkeit JHWHs mit den Visionselementen aus Ez 1 verbinden, dort sekundär sind, wohingegen der Auszug der Herrlichkeit JHWHs aus dem Tempel und aus Jerusalem mit anderen Mitteln beschrieben wird. Aber es ist prinzipiell fraglich, ob die Räder in 1,15–21 tatsächlich von Anfang an für die Mobilität der Herrlichkeit JHWHs standen. Dies setzt nämlich voraus, dass die Deutung als „Thronwagen“ stimmt. 84 Doch ist nicht auszuschließen, dass die tragenden Elemente des in der vorliegenden Gestalt nur noch schwer verständlichen Abschnitts – „Rad“ bzw. „Räder“ und „Augen“ – metaphorisch auf den unterhalb der Platte (V. 22) vorgestellten Sternenhimmel verwiesen haben. 85 Darauf deuten erstens Parallelen zu griechischen 86 und babylonischen 87 Text- und 82
Zimmerli, BK XIII/1, 27. Keel, Jahwe-Visionen, 252. Vgl. a.a.O., 251f: „Die Räder, die die im Grundbestand gar nicht vorhandene besondere Mobilität unterstreichen sollen, sind von der Literarkritik und der Motivgeschichte mit vereinten Kräften als sekundär erwiesen worden.“ Vgl. für weitere Argumente Wagner, Ez 1, 244–246. 84 Die Thronwagen-Interpretation ist spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. belegt (Sir 49,8; vgl. 1 Chr 28,18, dieser Beleg ist strittig), vgl. Halperin, Faces, 48, sowie die Belege bei Mettinger, Dethronement, 105, Anm. 21a. Eine ikonographisch gestützte Modifikation dieser These bietet Keel, Jahwe-Visionen, 187: „Es scheint mit am wahrscheinlichsten, dass ein Ergänzer in Ez 1 gerade angesichts des Ansehens, das der Götterwagen im persischen Reich genoß, die ezechielische Vision um die Räder vervollständigt hat.“ 85 Vgl. etwa die Andeutungen bei Kingsley, Ezekiel, 340f mit Anm. 9. 86 Vgl. Halpern, Genesis 1, sowie Gertz, Polemik, 153. 87 Vgl. z.B. Uehlinger/Trufaut, Ezekiel 1, 158 in Bezug auf die babylonische Glyptik: „When seen against this background, the wheel-like feature represented on the seals may well reflect some 83
146
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Bildquellen hin, und zweitens würde sich diese Deutung konzeptionell besser in den Kontext von Ez 1,4–28* einfügen als die eines Thronwagens. 88 Auch wenn es kaum möglich ist, in 1,15–21 eine entsprechende Grundschicht zu rekonstruieren, ist es unter diesen Voraussetzungen denkbar, dass einzelne Elemente des Abschnitts Teil der ursprünglichen Himmelsvision waren. Im Hinblick auf das Motiv der Beweglichkeit der Lebewesen sind außerdem wenigstens V. 9b (als Vorwegnahme von V. 12) 89 sowie V. 12bα (die Vorstellung der Geist-gesteuerten Bewegung) 90 als sekundär zu beurteilen. Bedenkt man den Traditionshintergrund von 1,5–22 (s. u.), so erscheint es nicht ganz abwegig, dass das Motiv der Bewegung (mit „ הלךgehen“ und סבבni. „die Richtung ändern“) insgesamt einer Nachinterpretation geschuldet ist. Jedenfalls dürfte hier ursprünglich kaum der Schwerpunkt der Vision gelegen haben. 91 Für den Grundtext 92 ergibt sich daraus folgende Gliederung: Gliederung der Vision 1,4–28 V. 4
Klammer mit V. 27f: Wolke, Feuer, Bernstein
V. 4–14* V. 5f
Die vier Wesen Summarische Prolepse – Gestalt von Menschen – Vier Gesichter – Vier Flügel Explikation (Beschreibung der Wesen von unten nach oben) – Beine und Füße (7) – Menschenhände (8a) – Gesichter (8b–10*) – Flügel (11)
וארא והנה
V. 15–26* V. 15–21* V. 22.26
Die Räder, die Platte und der Thron Die vier Räder ()אצל החיות Die Platte ()על־ראשי החיה
וארא והנה
V. 27f V. 27f
Die Herrlichkeit JHWHs ()כבוד יהוה Klammer mit V. 4: Bernstein, Feuer, Wolke
V. 7–11*
וארא
concept relating to the circular nature of heavenly spheres, or of a particular constellation, of not to the circular movement of astral bodies or of the stellar system in general.“ 88 S. hierzu u. S. 164–168. 89 Vgl. Zimmerli, BK XIII/1, 63, sowie Keel, Jahwe-Visionen, 142: „[D]er Vers 9b [nimmt] den Vers 12 vorweg und überträgt, was dort von den Wesen gesagt wird, nicht gerade sinnvoll auf die Gesichter.“ 90 Vgl. Zimmerli, BK XIII/1, 63; Keel, Jahwe-Visionen, 142. 91 Vgl. auch Keel, Jahwe-Visionen, 252, sowie Hartenstein, Wolkendunkel, 149. 92 S. o. die Übersetzung S. 141f. Vgl. für einen umfangreicheren Grundbestand Wagner, Ez 1, 246: „Als sekundäre Anteile lassen sich [...] die V. 14.15–21.23b1–4.25.27bβ von der Grundschicht der Vision Ez 1,4–28* abheben.“
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
147
3,12f 3,12–13 greifen deutlich Elemente der Himmelsvision in 1,4–28 auf. Deshalb stellt sich die Frage nach dem literarischen Verhältnis der Texte: Liegen 3,12–13 insgesamt oder zum Teil auf einer literarischen Ebene mit 1,4–28? Nach V. 12f hört der Prophet den „Lärm“ ( )קולeines großen Bebens ( )רעש93, als sich die Herrlichkeit JHWHs von ihrem Ort erhebt (רום, vgl. zu dieser Konjektur App. BHS): nämlich – wie V. 13 erklärt 94 – das Rauschen ( )קולder Flügel der Lebewesen (1,24; vgl. 10,5) sowie den Lärm ( )קולder Räder. Die Verbindung des Lärms mit den Flügeln der Lebewesen und den Rädern in V. 13 ist ausweislich der literarischen Wiederaufnahme von „Lärm eines großen Bebens“ (V. 13b) sekundär. 95 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die überlieferte Gestalt von V. 12b: „Gepriesen ()ברוך sei die Herrlichkeit JHWHs von seinem Ort“. Wie Halperin gezeigt hat, dürfte es sich dabei gegen die vorherrschende Sicht nicht um einen schlichten Schreibfehler handeln 96 (immerhin ist die Lesart textkritisch unstrittig, vgl. z.B. LXX), sondern um eine absichtliche angelologische Korrektur nach Jes 6,3. 97 Doch dann liegt es nahe, den als sekundär erwiesenen V. 13 ebenfalls jener angeologischen Bearbeitung zuzuweisen: „[J]ust as Isaiah suggests that the attendant beings cry out their formula antiphonally, so the altered text of Ezekiel: the ‚voice of the ʾofannim‘ answers the ‚wings of the ḥayyot.‘ The wings of the ḥayyot thus give the impression of being their organs of song [...] and the ʾofannim, ‚wheels,‘ no longer appear as the mechanical objects we might have imagined, but as active supernatural beings who correspond to the ḥayyot.“ 98
Das Motiv der „Stimme“ ( )קולder Flügel der Lebewesen, das weder in 1,24 (vgl. die angelologischen Zusätze in MT: „der Lärm [ ]קולeiner Volksmenge wie der Lärm eines Heerlagers“) 99 noch in 10,5 zum Grundtext gehört, könnte hier seinen Quellort haben. Der Grundbestand von 3,12f (mit רוםin V. 12b) lautete demnach ursprünglich: Und Geist hob mich empor, und ich hörte hinter mir den Lärm eines großen Bebens, als sich die Herrlichkeit JHWHs von ihrem Ort erhob.
93 רעשbegegnet in diesem Sinn noch in 37,7; anders in dem protoapokalyptischen Stück 38,19 (Erdbeben als Zeichen des Weltgerichts). 94 Das וzu Beginn von V. 13 dürfte im vorliegenden Text als waw-explicativum zu verstehen sein. 95 Vgl. auch Zimmerli, BK XIII/1, 82: „Die Nachinterpretation hat [...] in 13 das 12 in unbestimmtem Geheimnis gehaltene Reden vom רעשׁdurch den Hinweis auf das Rauschen der Flügel der Wesen (124) und das Rasseln der Räder (nach 115 ff. ergänzt) entschleiert. Im Grundtext entspricht der Weggang der Herrlichkeit Jahwes ברעשׁseinem Kommen in (Wetter-)Wolke und Blitz (Gewitter) 14.“ 96 So etwa Zimmerli, BK XIII/1, 12. 97 Vgl. Halperin, Faces, 44f. 98 Halperin, Faces, 45. 99 Vgl. Dan 10,6. Vgl. zu einer hymnischen Interpretation auch von 1,23 in LXX Halperin, Faces, 59.
148
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Somit bildeten 1,4 und 3,12f ursprünglich einen Rahmen um den Berufungskomplex: Mit „Sturmwind“ und „Beben“ werden jeweils Theophanielemente wachgerufen. Das Motiv des „Emporgehobenwerdens“ weist darüber hinaus schon auf die erste Tempelvision voraus (vgl. die Belege in 8,3 und 11,1.24).
5.3.3 Traditionsgeschichtliche Aspekte der Himmelsvision in 1,4–28* 5.3.3.1 JHWHs Kommen als Wettergott Nach 1,2f, der vorgegebenen Einleitung, empfängt der Prophet die folgende Vision im fünften Jahr der Verbannung Jojachins am Kanal Kebar. Das erste, was der Prophet sieht, ist ein Sturmwind ()רוח סערה, der vom Zafon kommt ()באה מן־הצפון. (4)
Und ich sah: Und siehe, ein Sturmwind kam vom Zafon her, eine große Wolke und ein hin und her zuckendes Feuer, und Lichtglanz um sie ringsum, und aus seiner Mitte wie der Glanz von Bernstein, aus der Mitte des Feuers. 100
Das Wort צפוןsteht im Alten Testament u.a. für den mythischen Gottesberg (Jes 14,13), der mit Zion-Jerusalem identifiziert werden kann (Ps 48,3), oder – später – schlicht für den Himmel (Hi 26,7). 101 Im Hinblick auf Ez 1,4 ist vor allem der Beleg in dem Zionspsalm 48 von Bedeutung, der mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Theologumenon der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie widerspiegelt 102. (3)
Berg Zion, Gipfel des Zafon, Stadt eines Großkönigs.
JHWHs Kommen „vom Zafon“ in Ez 1,4 ist im Horizont Jerusalemer Weltbildvorstellungen kaum als bloße Richtungsangabe zu verstehen. 103 Es evoziert – zumal im Kontext von V. 4 – Jerusalemer Wettergott- und Tempeltheologie. 104 Die Frage, woher JHWH erscheint, ist somit vor genau diesem Hintergrund zu beantworten. Der Gottesberg Zafon steht dann in erster Linie für die vertikale Verbindung
100
Vgl. die text- und literarkritischen Hinweise auf S. 141. Vgl. Niehr, DDD, 929. 102 Vgl. zu Ps 48 im Kontext der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie o. S. 28f. 103 Vgl. Zimmerli, BK XIII/1, 51: „Die Formulierung [in Ps 48,3, CK] verrät deutlicher als alles andere, daß die konkret geographische Vorstellung in der Aussage durchaus zweitrangig geworden ist.“ Daher spielt es keine Rolle, dass Jerusalem für Ezechiel „im Süden [...], bestenfalls im Westen [...], aber jedenfalls nicht im Norden“ (Keel, Jahwe-Visionen, 142, Anm. 9) lag. Keel selbst folgert ebd.: „Mit Zafon ist in Ez 1 wohl der zum Himmel emporragende Berg im Norden oder der Himmel gemeint [...].“ Allerdings dürfte ein tempeltheologisch geprägter Judäer eben diesen Berg im Norden mit dem Zion, dem Himmel auf Erden, gleichgesetzt haben, egal wo er sich geographisch befand. 104 Die Begleiterscheinungen der Theophanie – Sturmwind, Wolke und Feuer ( אש מתלקחתnoch Ex 9,24, dort allerdings vermutlich aus Ez 1,4 nachgetragen; vgl. Albertz, ZBK, 2.1, 164) – erinnern an den kämpfenden Wettergott in der vorexilischen Theophanieschilderung Ps 18,8–16* (vgl. zur Analyse Müller, Wettergott, 18–42), wobei Ez 1,4ff die „Richtungsangabe“ צפוןzions- und tempeltheologisch modifiziert. Vgl. zum Traditionshintergrund von Ez 1,4 auch Lipiński, ThWAT VI, 1099, der u.a. auf das Wettergott-Epitheton „Wolkenreiter“ aufmerksam macht. 101
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
149
von irdischem und himmlischem Wohnsitz JHWHs; er ist mithin Symbol für den mythischen Ort JHWHs, der im Jerusalemer Tempel in die irdisch-geschichtliche Welt hineinragt. 105 JHWHs Kommen מן־הצפוןin 1,4 ist darüber hinaus nicht von seinem Kommen מדרך הקדיםin 43,2, im Zusammenhang der zweiten Tempelvision, zu trennen. In beiden Fällen fließen reales und mythisches Raumverständnis ineinander. Zeichnet 1,4 JHWH als vom Zion-Zafon kommenden, von Sturmund Gewitterphänomenen begleiteten Wettergott, so 43,1–9* als vom Ost-Horizont nach Jerusalem zurückkehrenden, von Lichtphänomenen begleiteten Sonnengott. 5.3.3.2 Ez 1 und die Ikonographie der Flügelsonne Mit Einführung der „Lebewesen“ ( )חיותin 1,5ff ändert sich der Traditionshintergrund der Vision grundlegend. 106 (5)
Und aus seiner Mitte (erschien) die Gestalt von vier Lebewesen. Und dies (war) ihr Anblick: Die Gestalt von Menschen (war) ihnen. (6)Und vier Gesichter (waren) einem (jeden), und vier Flügel (waren) einem (jeden) [von ihnen]. (7)Und ihre Beine (waren) ein gerades Bein, und ihre Fußsohlen (waren) wie die Fußsohle eines Jungstiers; glänzend wie der Glanz von polierter Bronze. (8)Und Menschenhände (waren) unter ihren Flügeln an ihren vier Seiten. Und ihre Gesichter [und ihre Flügel] (waren) bei den vieren; (9)[miteinander verbunden (waren) ihre Flügel;] sie wendeten sich nicht um, wenn sie gingen; ein jedes in der Richtung seines Angesichts gingen sie. (10)Und die Gestalt ihrer Gesichter (war) ein Menschengesicht, und ein Löwengesicht (war) zur Rechten bei den vieren, und ein Stiergesicht (war) von der Linken den vieren, und ein Adlergesicht (war) den vieren. (11)[Und ihre Gesichter] Und ihre Flügel (waren) von oben her ausgespannt; jedem (waren) zwei, die miteinander verbunden (waren), und zwei, die ihre Körper bedeckten. (12)Und jedes in der Richtung seines Angesichts gingen sie; wohin der Geist gehen wollte, gingen sie; sie wendeten sich nicht um, wenn sie gingen. 107
Das Bildrepertoire von 1,5–28* ist vielfach untersucht worden, am gründlichsten von Keel. Einigkeit herrscht mittlerweile in der Deutung der vier Lebewesen 108 als mythische Himmelsträger, die in Syrien-Palästina wie in Mesopotamien
105
Vgl. auch Zimmerli, BK XIII/1, 51: „Die Erscheinung kommt vom Orte Jahwes her.“ „Im (Grundbestand von) Kap. 1 wird die Struktur der Vision durch die Verbindung zweier Motive von ganz verschiedener Herkunft bestimmt, nämlich durch die des traditionellen Kommens Jahwes im Gewittersturm mit der Herrlichkeit des thronenden Gottes.“ (Keel, Jahwe-Visionen, 190). 107 Vgl. die text- und literarkritischen Hinweise auf S. 141. 108 Die Vierzahl der Himmelsträger steht – so die These von Uehlinger/Trufaut, die die Wesen ikonographisch mit mesopotamischen kusarikkū verbinden – für die vier Himmelsrichtungen. „In contrast to the four ḥayyôt of Ez. 1, the kusarikkū always appear in pairs. This may be explained as an iconographical convention of two-dimensional images which concentrate on the primary horizons relevant for cosmology, i. e. east and west. The latter are the basic crossing-points, inter alia, for the appearance and disappearance of all celestial bodies. In contrast, the four ḥayyôt in Ez. 1 represent the four horizons or quarters of the universe; their number stresses divine mastery of the universe in his total extension.“ (Uehlinger/Trufaut, Ezekiel 1, 153). 106
150
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
eine lange Tradition haben. 109 Auch für die vier Gesichter der Himmelsträger – nach V. 10: Menschengesicht, Löwengesicht, Stiergesicht und Adlergesicht – ist ikonographisches Vergleichsmaterial beigebracht worden. Keel hat in diesem Zusammenhang auf Reliefs (auf einem Podium und einem Sockel) aus dem Tempel von ʿAin Dara in Nordsyrien aufmerksam gemacht, auf denen vier Gattungen von Mischwesen – (menschengesichtige) Berggötter, sodann Löwen-, Stier und Vogelmenschen – abgebildet sind. 110 Die Wesen sind vor anatolisch-syrischem Traditionshintergrund als Atlanten zu deuten, welche „Gegebenheiten der himmlischen Welt, Gottheiten oder den Himmel selbst, stützen oder tragen und damit über die irdische Welt hinausheben“ 111. Nach Weippert diente das Podium als Basis für ein Götterbild. „Das Podium ist zwar der irdische Ort, an dem die Götter in ihren Bildern manifest sind, zugleich aber ‚symbolisch‘ auch der ‚Himmel‘, ihr eigentlicher Wohnsitz. Diesen Sachverhalt stellen die ‚Atlanten‘ [...] sicher, indem sie gleichsam die Oberfläche des Podiums über den irdischen Bereich (konkret den Fußboden der Cella) hinausheben.“ 112
Anders als in Ez 1 hat hier jeder Atlant nur jeweils ein Gesicht. Die bislang analogielose Viergesichtigkeit deutet Keel daher als „visionäre Steigerung“ 113. Die kultische Deutung der genannten Reliefbasen legt nahe, dass mit den Himmelsträgern – wie schon mit der Angabe „vom Zafon“ in V. 4 – ein weiteres tempeltheologisches Motiv anklingt. 114 Tempeltheologische Konnotationen weist auch die Schilderung der Erscheinungen oberhalb der Platte auf – insbesondere die Elemente „Thron“ und „Herrlichkeit“: (22)
Und die Gestalt über den Häuptern des Lebewesens (war) eine Platte /Feste wie der Glanz von [furchterregendem] Eis, ausgebreitet oben über ihren Häuptern. [...] (26)Und oberhalb der Platte, die über ihrem Haupte war, (war) wie der Anblick eines Lapislazulisteins die Gestalt eines Throns. Und auf der Gestalt eines Throns (war) eine Gestalt wie der Anblick eines Menschen, oben auf ihm. (27)Und ich sah: Wie der Glanz von Bernstein [, wie der Anblick von Feuer (war) ein Gehäuse um es ringsum] vom Anblick seiner Hüften nach oben, und vom Anblick seiner Hüften nach unten sah ich: Wie der Anblick von Feuer. Und ein Lichtglanz war bei ihm [sc. dem Menschen] ringsum. (28)Wie der Anblick des Bogens, der am Tag des Regens in
109 Vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 191–250 (Zusammenfassung: 246–250). Nach Keel, Geschichte, 702, ist die Ikonographie von Ez 1 im Vergleich zu der in Jes 6 „eindeutig vorderasiatisch und nicht ägyptisch (Serafim) inspiriert“. 110 Vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 237–239 mit Abb. 183–185, sowie ders., Geschichte, 699–701 mit Abb. 471–473. 111 Weippert, Berggötter, 246. 112 Weippert, Berggötter, 247. Vgl. zur Deutung des Sockels ders., a.a.O., 248: „Wahrscheinlich ist mir [...], daß der Sockel ein Element der himmlischen Welt trug, die Statue oder Stele einer Gottheit oder auch etwas, das den Himmel selbst zu repräsentieren vermochte, etwa ein Wasserbecken als ‚symbolische‘ Darstellung des Himmelsozeans.“ 113 Keel, Geschichte, 701, mit Verweis auf die sechs Flügel der Serfim in Jes 6 im Gegensatz zu den ikonographisch bezeugten vier Flügeln. 114 Weippert, Berggötter, 248 verweist im Zusammenhang der Reliefbasen auf das Eherne Meer und die Kesselwagen des Salomonischen Tempels.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
151
Abb. 2: Neuassyrisches Rollsiegel mit Gottheit auf Pferd (7 Jh. v. Chr.). der Wolke ist, so (war) der Anblick des Lichtglanzes ringsum. Das war der Anblick der Gestalt der Herrlichkeit JHWHs. 115
Schließt man die weiteren Elemente der Vision – Platte, Thron und Thronender – in die ikonographische Analyse ein, so legt sich näherhin der Vergleich mit einer Komposition nahe, die vielfach auf neuassyrischen und achämenidischen Siegeln bezeugt ist: „Sie zeigt im Wesentlichen zwei Himmelsträger, die die geflügelte Scheibe, d. h. den Himmel mit dem Sonnengott oder eine solarisierte Hauptgottheit [...], hochheben [...]. Es handelt sich ursprünglich also um eine Sonnengott-Komposition.“ 116 Ez 1 am nächsten kommt eine neuassyrische Siegeldarstellung der Flügelsonne, die zwei (dreidimensional: vier) Stiermenschen zeigt, die eine Platte stützen. In diese Platte ist in Hüfthöhe eine anthropomorphe, geflügelte Gottheit eingebunden. Die Gottheit steht auf einem flachen Podest, welches sich auf einem Pferd befindet, und ist sehr wahrscheinlich mit dem Sonnengott zu identifizieren 117 (s. Abbildungen 2 und 3) 118. Die Beschreibung der Thronherrlichkeit ( )כבודoberhalb der Platte in 1,22ff weckt darüber hinaus Assoziationen an das zeitgenössische mesopotamische 115
Vgl. die text- und literarkritischen Hinweise auf S. 142. Keel, Geschichte, 699. Anders noch vor dem Hintergrund einer schlechteren Belegsituation ders., Jahwe-Visionen, 249. 117 Vgl. zur Bildinterpretation Klingbeil, Yahweh, 201f, und. zum Vergleich mit Ez 1 Uehlinger/ Trufaut, Ezekiel 1, 153 (vgl. 167, Abb. 1); Hartenstein, Wolkendunkel, 140, Anm. 60 (vgl. 170, Tafel 2,1); vgl. auch Keel, Geschichte, 700 mit Abb. 469; Schmid, Hintere Propheten, 367 mit Abb. 15. 118 Keel-Leu/Teissier, Rollsiegel, S. 213f, 407, 448; Nr. 236. 116
152
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Abb. 3: Neuassyrisches Rollsiegel mit Gottheit auf Pferd, Umzeichnung (7 Jh. v. Chr.).
Konzept des melammu, des göttlichen Lichtglanzes. 119 „Prime among these is the fact that both are visual phenomena, and more specifically, radiant ones.“ 120 Dies lässt sich an folgenden Gemeinsamkeiten substanziieren: 1. Der Vergleich „wie Glanz von furcherregendem Eis 121“ ( )כעין הקרח הנוראerinnert an die Verbindung puluhti melammi („meaning either terror of the melammu or terrifying melammu“ 122) ˘(vgl. auch zu Ez 1,18). 2. Sowohl Bernsteinglanz ( )כעין חשמלals auch Feuer ( )כמראה־אשsind Elemente, die mit melammu in Verbindung gebracht werden. 123
119 Vgl. zu diesem Konzept die eingehende Monographie von Aster, Light. Aster definiert melammu als „the covering, outer layer, or outward appearance of a person, being, or object, or rays emanating from a person of being, that demonstrate the irreversible or supreme power of that person, being, or object“ (a.a. O., 352). 120 Aster, Light, 311f. 121 Vgl. zur Übersetzung mit „Eis“ statt mit „Kristall“ (so LXX) Hausmann, ThWAT VII, 177: „Angesichts der sonst eindeutigen Verwendung von qæraḥ liegt jedoch keine Veranlassung vor, hier mit ‚Kristall‘ zu übersetzen, denn auch von sauberem, gefrorenem Wasser kann intensiver Glanz ausgehen [...].“ 122 Aster, Light, 352. „Puluhtu refers to the melammu and specifically to its terrifying character.“ ˘ (Ebd.). Vgl. a.a. O., 81–85. 123 Vgl. zum Zusammenhang von melammu und Feuer (girru) Aster, Light, 56–59 (mit insbesondere neubabylonischen Belegen), und zum Zusammenhang von Lichtglanz (des Gottes Marduk bzw.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
153
3. Schließlich evoziert die Wendung „Lichtglanz (war) ringsum [sc. den Thronenden]“ ( )ונגה לו סביבikonographische Darstellungen des melammu in Verbindung mit einer anthropomorphen Gottheit. „The nogah surrounding the figure consists of a spectrum of light, which forms a sort of halo surrounding the whole figure.“ 124 Insbesondere der letzte Punkt bringt den Visionsabschnitt 1,22–28* wiederum mit der Ikonographie der Flügelsonne 125 in Verbindung, ein Motiv, welches vermutlich als bildliche Darstellung des göttlichen melammu fungieren konnte. 126 Die Ikonographie der Flügelsonne war zwar ursprünglich fest mit dem Sonnengott verbunden, konnte aber auch mit anderen Hauptgöttern assoziiert werden. 127 Aster hat – nach Vorläufern 128 – auf die Darstellung des Motivs auf neuassyrischen Reliefs hingewiesen, welche den assyrischen Hauptgott Aššur in einer Sonnenscheibe zeigt 129 (s. Abbildung 4) 130. Aster unterscheidet auf diesem Bild zwei Schichten von Strahlen: „one which immediately surrounds the divinity’s body, consisting of short multicolored horizontal and vertical strips, and a second layer of flame-like triangles surrounding a circle in which the god’s body is located.“ 131 Darüber hinaus können beim Lichtkleid der Gottheit im Hüftbereich noch zwei Ebenen unterschieden werden: „[O]ne which surrounds the upper part of the god’s body, and a second one, consisting of vertical strips, which engulfs the area where his legs should be.“ 132 Speziell die Beschreibung in Ez 1,27, nach der die Gestalt des Thronenden im seiner Statue) und Bernstein = elmēšu Bodi, Book, 92–94 (vgl. zu den Belegen aus dem Erra-Epos auch Aster, Light, 54–56). 124 Aster, Light, 304. Bemerkenswerterweise erinnert die Schilderung in Ez 1,26–28* an die Beschreibung einer Statue im Zusammenhang eines Mundwaschungsrituals, wo es von der Gottheit heißt: „On the day when the god was created (and) the pure statue was completed, the god was visible in all the lands. He is clothed in splendor, ... he is surrounded with radiance (melammu), he is endowed with an awesome radiance, he shines out splendidly, the statue appears brilliantly.“ (Übers.: Walker/Dick, mīš pî Ritual, 98). Spiegelt sich in Ez 1,26–28* die Erinnerung an ein JHWH-Bild im vorexilischen Tempelkult? 125 Vgl. dazu Klingbeil, Yahweh, 196–205; sowie Lauber, Ikonographie. 126 Vgl. zum Zusammenhang von Gott in der Flügelsonne und melammu Aster, Light, 104–106. „It is possible that the artists did not intend the sun-disk to portray melammu. Even if they did not so intend, it is likely that viewers would have connected this imagery with the rhetoric of divine melammu as a tool for ensuring royal victory over enemies known to them from Neo-Assyrian royal inscriptions.“ (A.a.O., 106). 127 Vgl. zur Frage der Identität der Gottheit in der Flügelsonne Aster, Light, 117, der sich van Burens These einer fließenden Identität anschließt: „It originally was associated with Shamash, but came to portray Ninurta later in the first millennium. If we accept Van Buren’s position, we can note the fluid nature of this motif: it can be used to portray a variety of gods, at different times.“ 128 Vgl. etwa Keel, Jahwe-Visionen, 260–263 mit Abbildung 189, sowie Mettinger, Dethronement, 103f mit Fig. 5. 129 „In these reliefs, Aššur is portrayed as battling the enemies, while surrounded by what seems to be a fiery halo.“ (Aster, Light, 105). 130 Keel, Jahwe-Visionen, 262, Abb. 189. 131 Aster, Light, 312. 132 Ebd.
154
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Abb. 4: Emaillierter Ziegel mit dem Gott Assur in der Sonnenscheibe (9. Jh. v. Chr.)
Hüftbereich nach oben mit Bernstein und nach unten mit Feuer zu vergleichen und darüber hinaus von einem Lichtglanz ( )נגהumgeben ist, könnte darauf hindeuten, „that these depictions were one of the many images which influenced Ezekiel’s description“ 133. Unbeschadet einer möglichen Beeinflussung der Visionsschilderung durch die mesopotamische Ikonographie ist zu bedenken, dass die Darstellung JHWHs in Gestalt der Flügelsonne in Juda im 6. Jh. v. Chr. vermutlich nicht neu ist, wie die Hiskija-zeitlichen lmlk-Stempelabdrücke mit dem Symbol der Flügelsonne belegen (vgl. auch den perserzeitlichen Beleg Mal 3,20) 134. Im Hinblick auf Ez 1 ist nun bemerkenswert, dass ein im Jahr 2006 nahe der Gihon-Quelle entdeckter Siegelabdruck die Verbindung von Flügelsonne und Thron bezeugt. 135
133 Aster, Light, 313 (dort auch zur Frage einer möglichen Vermittlung der Tradition in der neubabylonischen Epoche). „Thus, both Ezekiel and Neo-Assyrian art depict a doubly-bifurcated radiance, with an inner layer and an outer layer, as well as an upper part and a lower part.“ (Ebd.). Seine These eines doppelten Strahlenkranzes basiert allerdings auf der vermutlich sekundären Lesart von 1,27a von MT (s. o.). Die Differenzierung der anthropomorphen Gottheit im Hüftbereich teilt 1,27 auch mit dem oben S. 151f gezeigten Siegelbild des Sonnengottes in der Himmelsplatte. 134 Vgl. Lauber, Ikonographie, 96f. „Wenn die Flügelsonne im Zusammenhang königlicher Heraldik in Israel und Juda verwendet wurde, war man sich deshalb wohl bewusst, dass dies die Darstellung des israelitischen Königsgottes JHWH in der Gestalt der Flügelsonne implizierte.“ (A.a.O., 97). 135 Vgl. Keel, Geschichte, 302–307 mit Abb. 191. Damit ist wenigstens ein Einwand gegen die Verbindung von Ez 1 mit der Ikonographie der Flügelsonne, nämlich das Fehlen des Thronmotivs (vgl. etwa Podella, Lichtkleid, 202), entkräftet. Keels Überlegung, im Tempel Salomos habe vielleicht „ursprünglich ein leerer Stuhl als Sitz des Sonnengottes gestanden“ und „Ez 1,5–7 wäre eine Erinnerung
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
155
Im Hinblick auf die Nähe der Schilderung in Ez 1,22–28* zum mesopotamischen melammu-Konzept ist noch ein weiterer Gesichtspunkt zu würdigen. Aster hat in seiner eingehenden Untersuchung des mesopotamischen Konzepts darauf hingewiesen, dass der כבודJHWHs im Ezechielbuch anders als in anderen כבוד-Konzepten explizit als strahlend beschrieben wird (vgl. 1,26–28*; 10,4; 43,2*). 136 Diese Beobachtung ist im Kontext einer diachronen Transformation des melammu-Konzepts in den mesopotamischen Quellen zu sehen, in denen melammu ab der Sargonidenzeit zunehmend mit einem strahlenden Lichtphänomen identifiziert wird. 137 Aster vermutet für diese Transformation einen dreistufigen Prozess: Erstens die zunehmend militärisch-propagandistische Verwendung des Begriffs melammu in neuassyrischen Königsinschriften; zweitens die visuelle Darstellung des Konzepts in der neuassyrischen Kunst unter Verwendung der strahlenden Flügelsonne; drittens die Rezeption der bildhaften Darstellung in den schriftlichen Quellen seit der Sargonidenzeit. 138 Die Frage, weshalb man sich für die Darstellung JHWHs des mesopotamischen melammu-Konzepts bedient haben könnte, wirft die grundsätzlichere Frage auf, welche Bedeutung der melammu für die Götter hatte. Nach Aster bekommt ein Gott melammu zugeschrieben als Legitimation und Indikator für seine Position als höchster und mächtigster Gott. 139 Diese legitimierende Bedeutung könnte auch in Bezug auf die Darstellung JHWHs in den Visionen des Ezechielbuches eine Rolle spielen. Auch in Dtjes hatte sich die Astralisierung als eine Konsequenz bzw. ein Vehikel des Monotheismus erwiesen. Das bislang herangezogene ikonographische Vergleichsmaterial zeigt, dass die Himmelsvision eine komplexe traditionsgeschichtliche Komposition darstellt. Als gemeinsame Schnittmenge der genannten Parallelen ist deren Affinität zur mesopotamischen Sonnengottheit zu nennen. Ohne Analogie ist bei all diesen Bildern die Vorstellung, dass die anthropomorphe Gottheit „über dem Himmel wie über
an sie“ (a.a.O., 302), erscheint allerdings sehr hypothetisch, zumal Ez 1 die thronende Gottheit eindeutig in anthropomorpher Gestalt beschreibt. 136 Vgl. Aster, Light, 311. Aster schreibt zum Vergleich mit P: „This changing visual aspect of the kabod allows us to trace the influence of the Akkadian material. The visual appearance of the kabod in Ezekiel provides a clear link to Akkadian melammu and its visual representation, a link which is absent in the material attributed to P.“ (A.a.O., 355). Allerdings deutet sich in dem Vergleich der Herrlichkeit JHWHs mit einem „verzehrenden Feuer“ in Ex 24,17 (P) eine ähnliche Vorstellung wie in Ez 1,27f an (s. u. S. 206–208). 137 Vgl. Aster, Light, 53: „A review of the textual evidence [...] shows that from the eighth century on, the meaning of melammu changed and melammu came to mean radiance.“ Vgl. die Besprechung der Belege a.a.O., 52ff. Vgl. zur Verbindung des Verbs namāru „leuchten“ mit melammu a.a.O., 52: „[...] namāru does not appear as the predicate of melammu in texts earlier than the eighth century.“ 138 Vgl. Aster, Light, 100–106. „Thus, radiance and melammu became equated in texts beginning in the Sargonid period.“ (A.a.O., 101). 139 Vgl. die Besprechung der Belege (u.a. Ee I 67f und 103) bei Aster, Light, 66–75. „In all these passages, wearing melammu indicates supremacy among the gods.“ (A.a.O., 70).
156
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
einer Platte [thront]“ 140. Dies zeigt, dass noch eine andere Tradition prägend war, die der Vision das entscheidende konzeptionelle Profil verliehen hat. 141 5.3.3.3 Ez 1 und der kosmologische Kommentartext KAR 307 Das Himmelskonzept von Ez 1,4–28* weist – wie schon länger gesehen wurde 142 – eine frappante Nähe zu KAR 307 auf, 143 einem neuassyrischen Kommentartext, 144 der in einer Privatbibliothek einer Exorzistenfamilie in Assur gefunden worden ist. 145 Der kosmologische Kommentar ist Teil einer Texttradition, deren Anliegen es war „to find ways of making existing theology accord more precisely with the facts of the natural world“ 146. In KAR 307 werden kosmologische Vorstellungen des Enūma eliš rezipiert und zugleich transformiert. Dies gilt auch für den hier relevanten Abschnitt über den Aufbau des Kosmos: KAR 307 Z. 30–33 147 „(30) Der obere Himmel aus luludānītu-Stein ist für Anu. Er ließ die 300 Igigi-Götter darin wohnen. (31) Der mittlere Himmel aus saggilmud-Stein ist für die Igigi-Götter. Bēl saß darin in einem erhabenen Schrein (= Cella oder Tempel) (paramāhu) ˘ (32) auf einem (Thron-)Sockel (parakku) aus uqnû-Stein und ließ eine Lampe (buṣinnu) aus elmēšu-Stein leuchten. (33) Der untere Himmel aus ašpu-Stein ist für die Sterne 148. Die Sternbilder der Götter zeichnete er darin ein.“
Der hier nur zum Teil zitierte Text beschreibt einen vertikal geschichteten Kosmos, der aus drei Himmelsschichten (und drei Erdschichten) besteht. Jeder der drei Himmel wird mit einem Stein in Verbindung gebracht, deren Auswahl nach
140
Keel, Jahwe-Visionen, 272. Vgl. dazu grundsätzlich Uehlinger/Trufaut, Ezekiel 1, 152f: „Still, we should reckon with the possibility or even probability that not all the visionary features will find strict ‚parallels‘ in iconography, since both authors and redactors of the book of Ezekiel were probably as much influenced by literature and written or oral traditions, as by actual visual images.“ 142 Vgl. Kingsley, Ezekiel, 341, Anm. 12, mit Verweis auf einen Artikel von Driver von 1951. 143 Text und Übers.: SAA III 39; vgl. zur Interpretation Horowitz, Cosmic Geography, 3–19. 144 Zum Alter des in KAR bezeugten kosmologischen Konzepts vgl. Livingstone, Explanatory Works, 87: „Anu and Enlil are no longer important enough to merit separate mention, and Marduk’s seat is in heaven where he is the main god. A date later than the late part of the second millennium, the date of Enūma eliš, must therefore be assigned to the composition as a whole.“ Vgl. auch Horowitz, Cosmic Geography, 4f. 145 Vgl. SAA III, XIX. 146 Livingstone, Explanatory Works, 71. 147 Übersetzung in Anlehnung an Pongratz-Leisten, Programmatik, 17. 148 An dieser Stelle ist ein Pluraldeterminativ zu ergänzen, vgl. SAA III 39 Z. 33 („The lower heaven of jasper is of the stars. He drew the constellations of the gods on it.“); vgl. auch Horowitz, Cosmic Geography, 3. Einen anderen Lösungsweg geht Pongratz-Leisten, Programmatik, 17, Anm. 92. 141
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
157
Ausweis der Farben sowohl mythischen als auch naturkundlichen Überlegungen entspringt. Der vermutlich rötlich zu denkende luludānītu-Stein des oberen Himmels dürfte sich „unknown religious or mythological considerations“ 149 verdanken. Der saggilmud-Stein des mittleren Himmels wird u.a. in der Serie Abnušikinšu mit blauem Lapislazuli in Verbindung gebracht. Besonders hier zeigt sich das Ineinanderfließen von mythologischer und empirischer Ebene, insofern die blaue Farbe nahelegt, „that the bottom surface of the Middle Heavens was visible from the earth’s surface“ 150. Dazu fügt sich, dass der ašpu-Stein des unteren Himmels als „a type of chalcedony, a hard, glassy, often translucent stone“ 151 beschrieben werden kann. Der untere Himmel aus ašpu-Stein dürfte demnach auf den blauen mittleren Himmel hin transparent gedacht sein, wohingegen der mittlere Himmel aus saggilmud-Stein u.a. dazu diente, den irdisch-menschlichen Blick auf den Götterhimmel zu verhindern. 152 Der Kommentar versteht die drei Himmel offenbar als solide, runde 153 Steinplatten 154, welche jeweils einem atmosphärischen Zwischenraum als Dach dienen. 155
149
Horowitz, Cosmic Geography, 10. Horowitz, Cosmic Geography, 11. Horowitz, Cosmic Geography, 13. „In his Natural History (37 37 115), Pliny states that ancient jasper (iaspis) was often translucent.“ (A.a.O., 14). 152 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 14: „There is no evidence that saggilmud-stone is translucent, so the blue saggilmud-stone floor of the Middle Heavens apparently kept humans from seeing into the homes of Anu, the Igigi, and Bel in the Middle Heavens and Highest Heavens, above the saggilmudstone.“ 153 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 264f. 154 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 263: „The identification of astronomical bodies with stones, although probably originally based simply on color, may have lead to a tradition that the heavens themselves were composed of stone. Such a belief might have been confirmed by finding stone meteors that fell from the sky.“ 155 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 9: „[I]t must be assumed that the floors of each level of the heavens were composed of a different type of stone, and that there was open space between each stone floor, just as there is open space between the earth’s surface and the Lower Heavens. Furthermore, it may be assumed that each stone floor was visible from below and served as a roof for the region below.“ Vgl. auch Huxley, Shape, 189f: „With the earth as a ‚floor‘, the portion of the cosmos allotted to mortal humanity is like a vast chamber in which we live out the span of our days. The two celestial occupation levels mentioned in the text, I suggest, were similarly conceived as vast but finite spaces, each with a ground and sky like a massive chamber. The lower level, from which Bēl ruled, had our jasper sky as its ground and had the middle heaven, made of saggilmut-stone, as its sky or roof canopy. The upper level, in which Anu dwelt, was above this again, and having the saggilmut-stone heaven as its floor, it was roofed over with the heaven of luludānītu-stone, which formed the topmost limit of the cosmos. Modern usage tends to distinguish between ‚sky‘ and ‚heaven‘, so it is perhaps easier to think of the stone ‚heavens‘ as ‚skies‘, and the occupation levels as ‚heavens‘. Thus, KAR 307 mentions two heavens, an upper heaven and a lower heaven, defined by three stone skies.“ 150 151
158
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Der Aufbau des Kosmos nach KAR 307: Bezeichnung der Schicht
Bewohner
Material
Oberer Himmel Mittlerer Himmel Unterer Himmel Obere Erde Mittlere Erde Untere Erde
Gott Anu + 300 Igigi-Götter Gott Bel-Marduk Sterne Menschen Gott Ea 600 Anunnaki-Götter
luludānītu-Stein (rötlich) saggilmud-Stein (blau) ašpu-Stein (transparent)
Neu gegenüber Enūma eliš ist vor allem Marduks Promotion in den mittleren Himmel, die vor dem Hintergrund älterer Zuordnungen in Atramhasis und En˘ ūma eliš (vgl. Ee V 145f) die Erhöhung Marduks und die damit einhergehende Marginalisierung des einstigen Götterkönigs Enlil zum Ausdruck bringt. 156 Die kosmische Zuordnung der Hauptgötter in Atr, Ee und KAR 307: Himmel Zwischenhimmel Erde Apsû
Atr
Ee
KAR 307
Anu
Anu Enlil Marduk Ea
Anu Marduk – Ea
Enlil Ea
Für den Vergleich mit Ez 1 ist nun entscheidend, wie Marduk in KAR 307 konkret dargestellt wird. Um dieser Frage nachzugehen, sind die Z. 31f näher in den Blick zu nehmen: „Der mittlere Himmel aus saggilmud-Stein ist für die Igigi-Götter. Bēl saß darin in einem erhabenen Schrein (= Cella oder Tempel) (paramāhu) auf einem (Thron-)Sockel (parakku) aus ˘ uqnû-Stein und ließ eine Lampe (buṣinnu) aus elmēšu-Stein leuchten.“ (KAR 307, Z. 31 f) 157
Deutlich ist: Bēl-Marduk thront/sitzt (wašābu) im (mittleren) Himmel in einem Tempelschrein (paramāhu). Bei dem neben paramāhu gebrauchten tempeltheolo˘ gischen Begriff parakku˘dürfte es sich um einen Gegenstand im Inneren der Cella handeln, vermutlich um den (Thron-)Sockel (vgl. AHw II, 828). Dieses Podest ist aus Lapislazuli-Stein (uqnû, vgl. AHw III, 1426). Z. 32 ist schwer verständlich. Aber wahrscheinlich ist sie dahingehend zu interpretieren, dass Marduk in seiner himmlischen Cella eine Lampe (buṣinnu) aus elmešu-Stein leuchten lässt
156 157
Vgl. auch Livingstone, Explanatory Works, 86–88. Übersetzung in Anlehnung an Pongratz-Leisten, Programmatik, 17.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
159
(namāru). 158 Betrachtet man nun die Terminologie von Z. 32 näher, so zeigt sich, dass der thronende Marduk hier deutlich astrale bzw. solare Züge trägt. Bereits im Enūma eliš war Marduk im Zuge seiner Erhöhung zum Götterkönig astralisiert und mit dem Sonnengott identifiziert worden (s. o.). Diese Identifikation ist – wie Podella richtig beobachtet hat 159 – auch in KAR 307 vorausgesetzt, explizit formuliert in Z. r. 5: 160 šá libbi dš[amaš d]marduk šá libbi dsîn(30) dnabû(ná) „Der inmitten von Šamaš ist Marduk, der inmitten von Sîn ist Nabû.“
Auch die Beschreibung von Marduks himmlischem Thronen in Z. 32 greift diese Vorstellung auf. Zunächst, indem Marduk wie Šamaš metaphorisch als Lichtquelle (buṣinnu) dargestellt wird: Er lässt eine Lampe (buṣinnu) leuchten (namāru). Das dabei verwendete Verb namāru begegnet u.a. in den Šamaš-Epitheta mušnamir ukli „der die Dunkelheit hell macht“ und mušnamir erṣeti raqašti „der die weite Erde hell macht“ 161. 162 Ferner ist das Lexem in einem Abschnitt im Enūma eliš belegt, in dem Marduk als „Sohn von Šamaš“ und „der Strahlende der Götter“ (Ee VI 127; vgl. VI 155: Namru als Name Marduks) apostrophiert wird: „In seinem glänzenden Licht (nūrīšu namru) mögen sie [die Menschen] beständig umherwandeln.“ (Ee VI 128) 163
Die Lampe wird mit elmēšu-Stein in Verbindung gebracht. Die Kontroverse, ob elmēšu – „wohl ein kostbarer, gelbscheinender Stein“ (AHw 1, 205), „a quasi-
158
Emendation nach CAD E, 107: „he (Marduk) took his seat in a chamber of lapis lazuli, he lit the lamp (made of) e.-stone“; so auch Livingstone in SAA III 39, 100: (Marduk „has made a lamp of electrum shine there“.) und Horowitz, Cosmic Geography, 4 („He made a lamp? of electrum shine inside.“). 159 Podella, Lichtkleid, 204 160 Umschrift: Livingstone, Explanatory Works, 82. Vgl. zu Text und Übers. auch SAA III 39, und zur Interpretation Livingstone, Explanatory Works, 90f. 161 Großer Šamaš-Hymnus, Z. 176f; Übers.: TUAT.NF 7, 72 (Hecker); Text und weitere Belege: CAD N I, 218 (s.v. 9a). Dieses Motiv wird in der zweiten Tempelvision in Jes 43,2b noch einmal begegnen: Die Erde erstrahlt/leuchtet von JHWHs Herrlichkeit (vgl. auch Gen 1,15.17). 162 Die Metapher der Lichtquelle ist charakteristisch für den Sonnengott. Sie steht wohl auch im Hintergrund des Verbs napāhu, das in mesopotamischen Texten häufig den Sonnenaufgang, das Auf˘ strahlen des Sonnengottes Šamaš zum Ausdruck bringt (vgl. CAD N I, 263). „The Verb napāhu means ˘ In this ‚to blow‘ and is applied to the act of blowing on glowing embers to produce a flaming fire. case, the verb is also used ingressively with the meaning ‚to flare up.‘ Blowing on embers must have been a daily occurrence in ancient Mesopotamian households. One did not produce fire, which was a difficult and tedious process. Instead, one must have relied on keeping fires going even if fuel was precious. When not in use, the fire was covered so as to keep it as low as possible without extinguishing it; when flame was needed one blew on the glowing embers. The application of the term napāhu to rising heavenly bodies and perhaps šú, ‚to cover,‘ to the setting sun suggests that at some point˘in the development of Babylonian thinking the sun was conceived as fire that was covered by the earth as it sank beneath the horizon it was fanned by the moving air, the ‚morning breeze‘ perhaps, into the flaming stage again. The same process applied to all heavenly bodies.“ (Heimpel, Sun, 142). 163 Übers.: AOAT 375, 272.
160
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
mythical precious stone of great brilliancy“ (CAD E, 108) 164 – an dieser Stelle ein Metall (Electrum) oder einen Stein (Bernstein) bezeichnet, kann aufgrund von neueren Arbeiten zugunsten von Bernstein entschieden werden. 165 Bodi hat zudem in einer eingehenden Wortuntersuchung gezeigt, dass elmēšu-Bernstein astral konnotiert ist. „In numerous texts the term refers to the exceptional brilliance of astral bodies.“ 166 In diesen Kontext gehört auch die nächste Parallele zu KAR 307 Z. 32 in einem Ištar-Orakel an den neuassyrischen König Asarhaddon, wo die Göttin Ištar von ihrem himmlischen Wohnsitz aus mit Hilfe von elmēšuLicht (nūr ša elmeši) ihrem irdischen Günstling Asarhaddon leuchtet (namāru): „From the golden cella in the midst of heaven I will keep watch over you. I will make a light of elmešu-stone shine before Esarhaddon, the King of Assyria.“ 167
Wie im Enūma eliš geht auch in KAR 307 Marduks Astralisierung mit einer Depotenzierung der Gestirne einher. Die Beschreibung des Sternenhimmels in KAR 307, Z. 33 knüpft deutlich an Ee V 1f an. „(1) Er schuf den Standort für die großen Götter (2) Die Sterne, ihr Abbild, stellte er als Sternbilder 168 auf.“ 169
Marduks ordnende Herrschaft über die Sterne als Repräsentanten der großen Götter ist in KAR 307 vorausgesetzt, neu ist die terminologische Explikation eines Sternenhimmels 170 sowie die Vorstellung einer Einzeichnung der Sternbilder in die untere Himmelsplatte, die deren eigenständige Beweglichkeit ausschließt,
164 Die mythologische und zugleich astrale Bedeutung des Begriffs wird sehr schön deutlich anhand der Umschreibung nūr šamê ša kīma išāti „Licht des Himmels, das wie Feuer (scheint)“ (CAD E, 108). 165 Vgl. Kingsley, Ezekiel, 342, in Bezug auf KAR 307: „the fact that the word here is written with the ‚abnu‘ or ‚stone‘ prefix almost certainly points, once again, not to electrum but to amber.“ Vgl. auch Bodi, Book, 88–94, der hauptsächlich mit den Belegen im Erra-Epos argumentiert, wo elmēšu mit einem mēšu-Baum in Verbindung gebracht wird. Bodi weist in diesem Zusammenhang auf die Nähe zwischen Ez 1,27 und dem Erra-Epos hin: „In Ezekiel חשׁמלis used in the description of a shining divine being who appeared in a vision, took him by his forelocks and lifted him up, while in Erra I 148, elmēšu is used for the fabrication of divine statues where this precious stone contributed to the shining aspect of the statue.“ (a. a.O., 94). Bodi postuliert eine Abhängigkeit der Ezechielvisionen vom ErraEpos (a.a.O., 218: „composed with reference to an ancient Mesopotamian literary tradition reflected in the Poem of Erra“; vgl. die Kritik an dieser These bei Ehring, Rückkehr, 199). Allerdings erklärt sich der Gebrauch von חשמל-Bernstein in 1,4.27 (Ez 8,2 ist sekundär) einfacher im Zusammenhang der These einer Rezeption des in KAR 307 bezeugten Himmel-Thron-Konzepts. Unbeschadet dessen ist der Hinweis auf die Kultbilder für den hiesigen Traditionshintergrund natürlich relevant. 166 Bodi, Book, 94. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Ort des Sonnenaufgangs, der Horizont, z.B. in Tf. IV des Gilgameš-Epos als Edelsteingarten vorgestellt ist (vgl. Podella, Lichtkleid, 205f). 167 Text und Übers.: Horowitz, Cosmic Geography, 13. „Offenbar begleitet Ištar den König durch ein ihm vorangehendes ‚himmlisches Licht‘ (siehe dazu vielleicht auch Ps 119,105).“ (Hartenstein, Wolkendunkel, 148, Anm. 97). 168 Zu lumašu „Sternbild“ vgl. auch Ee IV 19, 23, 24, 25, 26 (Marduk vernichtet und erschafft ein Sternbild als Zeichen seiner gottköniglichen Macht). 169 Übers.: AOAT 375, 228. 170 Vgl. zum Sternenhimmel elâtu in Ee o. S. 118.
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
161
deren Bewegung sich vielmehr der Rotation der Himmelsplatte zu verdanken scheint. 171 „Der untere Himmel aus ašpu-Stein ist für die Sterne. Die Sternbilder der Götter zeichnete er darin ein.“ (KAR 307, Z. 33) 172
Wendet man sich nun wieder Ez 1* zu, so ist es vor allem die Beschreibung des Thronenden in ihrem räumlich-symbolischen Kontext, die beide Texte miteinander verbindet. Nach V. 26 befindet sich oberhalb der Platte die Gestalt eines Throns „wie der Anblick eines Lapislazuli ( )אבן־ספיר173“ und auf dieser „eine Gestalt wie der Anblick eines Menschen ( “)אדם174. Nach V. 27 war der Thronende oberhalb der Hüfte „wie der Glanz von Bernstein ( )חשמל175“. Wie eine Korrektur wirkt in V. 28 die Feststellung, dass es sich bei alldem lediglich um den „Anblick der Gestalt der Herrlichkeit JHWHs“ gehandelt hat. 176 Aber unbeschadet dessen wird JHWH in 1,22–27* in den Grundlinien ganz nach dem Vorbild des anthropomorph thronenden Bēl-Marduk dargestellt. Dem entspricht, dass JHWH in Ez 1,22–27* wie Marduk in KAR 307 mit astralen Bezügen belegt ist. Diese Bezüge sind für Ez 1* oben anhand der Nähe zur Ikonographie der Flügelsonne bereits herausgestellt worden. Anhand des Begriffs „ נגהGlanz, heller Schein“, der als Leitwort die Himmelsvision (1,[4.13.]27.28) mit der ersten Tempelvision verbindet (10,4), sei dies noch einmal traditionsgeschichtlich vertieft: Das Wort begegnet im Alten Testament vorwiegend in zwei Funktionen: Zum einen steht es in Opposition zu Begriffen für Finsternis (Jes 9,1 [ ;]חשך50,10 [ ;]חשכה59,9 [;]אפלה ;חשך 60,1–3 [ ;]ערפל ;חשךAm 5,20 [)]אפל ;חשך, zum anderen sind astrale Konnotationen unverkennbar (2 Sam 23,4 [Sonne]; Jes 60,3.19 [Mond]; Joel 2,10; 4,15 [Sterne]; vgl. Jes 13,10; Spr 4,18). 177
171 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 14f, sowie Huxley, Shape, 192. Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung dieser auch in anderen mythologischen Texten bezeugten Vorstellung vgl. Horowitz, EBR 2, 1104f: „Such traditions indicate that ancient Mesopotamians, even outside the context of formal written astronomy, recognized that the fixed stars moved in set patterns with respect to each other over the course of the year and that these patterns could be explained on the basis of mathematics.“ 172 Vgl. o. Anm. 147f. 173 Vgl. zur Identifikation mit Lapislazuli und zum Traditionshintergrund des Steins Keel, JahweVisionen, 255–260. 174 Nach Hartenstein, Wolkendunkel, 144, wird von der Gottesgestalt, „offenbar in bewußter Vermeidung eines zu deutlichen Anthropomorphismus, gerade nicht gesagt [...], daß sie dort ‚thront‘ (der Terminus technicus ישׁב, wie etwa in Jes 6,1, fehlt; vgl. dagegen ušib in KAR 307, 32)“. 175 Vgl. zur Identifikation mit Bernstein Kingsley, Ezekiel, 339f. 176 Vgl. Hartenstein, Wolkendunkel 144: „Nicht Gottes Königsgestalt selbst, sondern seine ‚Thronherrlichkeit‘, sein Lichtglanz ( כבודV. 28), wird hier in bewußter Korrektur der mesopotamischen Tradition im Himmelsinneren gesehen.“ Die sogleich korrigierte anthropomorphe Darstellung JHWHs ist m. E. ein deutlicher Hinweis auf den babylonischen Traditionshintergrund, der sich durch den Vergleich mit der Ikonographie der Flügelsonne und KAR 307 gut erschließt. 177 Vgl. zur Traditionsgeschichte des Begriffs Podella, Lichtkleid, 206–209, bes. 206, Anm. 211.
162
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Die astralen bzw. solaren Konnotationen bestätigen sich auch an einem außerbiblischen Beleg auf der Wandinschrift vom Tell Deir ʿAlla (ca. 800 v. Chr.), wo es in einer Rede der Götter an die Sonnengöttin heißt: „Du wirst die Schleusen(riegel) des Himmels mit deinem Gewölk verstopfen. Dort sei Finsternis ()חשך, und nicht Glanz ()נגה, Dunkelheit ()עטם, und nic[ht] dein Strahlen (!)סמרכי Du wirst Schrecken bewirken [durch -----] Finsternis. Aber grolle nicht für immer.“ 178
„Glanz“ ( )נגהsteht hier wie in vielen Fällen im Alten Testament in Opposition zu Finsternis ( )חשךund ist zugleich eine Wirkung der Sonnengöttin, die in diesem Gerichtskontext allerdings außer Kraft gesetzt ist. Dieser Traditionshintergrund ist auch für die Belege in Ez 1,27f und 10,4 in Rechnung zu stellen. 179 In Ez 1,27* umgibt der Glanz ( )נגהden Thronenden wie ein Nimbus; nach V. 28 gleicht dieser Glanz den „im Sonnenlicht sich bildenden Spektralfarben“ 180 des Regenbogens. Dazu fügt sich die Beschreibung des Thronenden in V. 27*, die oberhalb der Hüfte mit Bernstein und unterhalb der Hüfte mit Feuer verglichen wird. „Ein goldfarben bzw. rötlich-gelber Lichtschein geht von der Figur auf dem Thron aus. Das ganze Phänomen ließe sich zusammenfassend so beschreiben: Auf einem Lapislazulithron im Himmel erscheint ein menschengestaltiger Königsgott, von dem sonnen- und feuerartiger, d. h. gelblich-roter Lichtschein ausgeht, während der Thron und die Figur des Thronenden von buntfarbigen Lichtstrahlen umhüllt werden.“ 181
Gemeinsam ist den Texten nicht nur die solare Interpretation des im Himmel thronenden Hauptgottes, auch die Abgrenzung und Beschaffenheit der himmlischen Welt ist ähnlich beschrieben. Zwar erscheint der in KAR 307 beschriebene dreistöckige Himmel in Ez 1* dem Gotteskonzept der Verfasser gemäß reduziert, 182 dennoch sind auch hier die Gemeinsamkeiten unverkennbar. Wie in KAR 307 bildet in Ez 1,22 eine Platte ( )רקיע183 die Basis für den Thron und die Gott178
Kombination I, Z. 6f. Textrekonstruktion und Übers.: Blum, Kombination I, 577. Vgl. Podella, Lichtkleid, 206: „Himmlischer, durch das Sonnenlicht hervorgebrachter Lichtglanz umflutet somit die Figur des Thronenden und gilt Ezechiel als Abbild des כבוד יהוה.“ 180 Podella, Lichtkleid, 202 (im Original kursiv). „Der Thronende ist also von verschiedenfarbigem Licht umgeben.“ (Ebd.). 181 Podella, Lichtkleid, 202. 182 Auch nach Hartenstein, Wolkendunkel, 144, wird die hinter KAR 307 liegende Tradition „im Blick auf die eine, auch sonst im Alten Testament ab der exilischen Zeit belegte Himmelsplatte abgewandelt“. 183 Bei dieser Platte handelt es sich nicht um „eine Platte am Thronwagen Jahwes“ (so Bartelmus, ThWAT VIII, 209; vgl. auch Görg, ThWAT VII, 673, der für Mesopotamien „keine sprechenden Analogien“ entdeckt; KAR 307 beweist das Gegenteil!), sondern um die Himmelsplatte, wie sowohl der traditions- und religionsgeschichtliche Vergleich (s. u. S. 196ff) als auch ikonographische Belege (s. etwa S. 151f) zeigen. 179
163
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
heit. Wenn diese Platte mit „Glanz von furchterregendem Eis“ ()כעין הקרח הנורא verglichen wird, so „evoziert es wohl die Intensität und farbliche Qualität des Glanzes“ 184. Der durchsichtige, ins bläuliche gehende Charakter von gefrorenem Wasser legt nahe, dass hier die transparente ašpu-Stein-Platte und die blaue saggilmud-Stein-Platte aus KAR 307 zu einer einzigen Platte verschmolzen sind.
Götterhimmel
Sternenhimmel
KAR 307
Ez 1
luludānītu-Stein Bernstein-Lampe Lapislazuli-Thron saggilmud-Stein-Platte ašpu-Stein-Platte
Bernstein-Glanz Lapislazuli-Thron Eis-Platte
Die Nähe zwischen Ez 1* und KAR 307 spricht für eine traditionsgeschichtliche Abhängigkeit von der in KAR 307 bezeugten Himmelstradition, welche ausweislich des Paralleltextes AO 8196 nicht singulär ist. 185 Für eine solche hat sich m. E. zuerst Kingsley ausgesprochen: „Beyond every reasonable possibility of doubt the parallel is far too exact just to be a coincidence, and there can be no question of the Babylonian version deriving from the Jewish.“ 186
Für eine mögliche Vermittlung der Tradition ist von Interesse, dass laut dem Kolophon eines verwandten Textes jener Text „seems incidentally to have been written by a Hebrew scribe (Šemaya)“ 187. Der Beleg hat Konsequenzen für die Frage der literatursoziologischen Möglichkeiten judäischer Exulanten, die wohl selbst dort Zugang zur babylonischen Tradition haben konnten, wo diese sich als Geheim-
184
Keel, Jahwe-Visionen, 254f. Mit KAR 307 und AO 8196 ist die Tradition in zwei zeitlich und gattungsmäßig unterschiedlichen Texten bezeugt: „The presentation of lists of cosmic regions in both KAR 307 (a mystical-religious text) and AO 8196 (an astronomical-astrological text) demonstrates that the beliefs expressed in the lists were part of both the general religious traditions of Mesopotamia and the tenets of Mesopotamian astronomy and astrology.“ (Horowitz, Cosmic Geography, 8). 186 Kingsley, Ezekiel, 342: „The parallel between Ezekiel’s vision and the imagery in the Babylonian text is remarkable. In both cases the Lord is seated on his throne above the lowest heaven, or heaven of the stars; the throne is made of lapis lazuli, and illuminated by the gleam of amber. Beyond every reasonable possibility of doubt the parallel is far too exact just to be a coincidence, and there can be no question of the Babylonian version deriving from the Jewish.“ Vgl. auch Hartenstein, Wolkendunkel, 142: „Die Beschreibung in Ez 1 (und in Ex 24,10) ist m. E. kaum anders denn als Aufnahme dieses Konzepts [sc. des in KAR 307 bezeugten, CK] und als Auseinandersetzung mit ihm verständlich.“ 187 SAA III, XXV. 185
164
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
wissenschaft (pirištu ilāni rabûti „Geheimnis der großen Götter“, vgl. SAA III 39, Z. r. 26) 188 ausgibt. 189 Möglicherweise wirft die Gliederung des Kosmos in KAR 307 auch ein neues Licht auf den schwierigen Abschnitt Ez 1,15–21. Schon Eisler hat 1910 darauf aufmerksam gemacht, dass die Rede von „Rädern“ ()אופנים, die konzentrische Kreise zu bilden scheinen (V. 16b: „wie wenn ein Rad mitten im andern Rad wäre“ 190), und von „Augen“ auf den Felgen der Räder („ihre Felgen waren voller Augen ringsum“, V. 18) metaphorisch auf den Sternenhimmel verweisen und ihre nächste Parallele in den Überlieferungen des Anaximander von Milet haben. 191 Die Einsicht, dass Ez 1* von dem in KAR 307 bezeugten Himmelskonzept abhängig ist, in dem unterhalb der den Gottesthron tragenden Himmelsplatte der Sternenhimmel angesiedelt ist, macht die alte metaphorische Deutung der Räder noch einmal interessanter. 192 Sind die „Räder“, die „wie der Glanz von Goldtopas“ ()כעין תרשיש (V. 16a) 193 strahlen 194, und deren Felgen voller „Augen“ 195 sind, möglicherweise als Umlaufbahnen der Himmelskörper zu deuten? 188 Nach Kingsley, Ezekiel, 345, ist in Ez 1 in gewisser Weise auch die Vorstellung, dass es sich um esoterische Literatur handelt, rezipiert worden, wenn man sich die Wirkungsgeschichte der Vision vor Augen führt (vgl. zur Wirkungsgeschichte von Ez 1 Ego, Reduktion, sowie Liss, Interpretation). 189 „This provides undisputable proof that Western exiles could make it into the Babylonian scholarly curriculum already during the early days of the golah and even enter the arcanes of privileged esoteric information (pirištu ilāni rabûti ‚secret of the great gods‘). Ezekiel would not have been an isolated case.“ (Uehlinger/Trufaut, Ezekiel 1, 165). 190 Nach Zimmerli ist an ein „Scheibenrad mit einer Zeichnung konzentrischer Kreise zu denken“ (BK XIII/1, 65). Doch sind Scheibenräder im 1. Jt. v. Chr. nicht belegt, vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 265. 191 Vgl. Eisler, Weltenmantel, 202; vgl. auch West, Philosophy, 88f. 192 Vgl. Kingsley, Ezekiel, 340f mit Anm. 9, sowie Uehlinger/Trufaut, 163: „Uncertainty in details notwithstanding, the compound of raqîaʿ (firmament), ḥayyôt and wheels strongly recalls the Babylonian concept of the lower heaven as solid sphere rotating according to a totally coordinated circular principle.“ 193 Vgl. zu ( תרשישbelegt in Ex 28,20; 39,13; Ez 1,16; 10,9; 28,13; Hld 5,14; Dan 10,6) Zwickel, Edelsteine, 61: „In der Regel identifiziert man den antiken ‚Goldstein‘ mit dem gelben Topas (Goldtopas, Citrin), der in Spanien in größeren Mengen in der Nähe von Cordoba und Salamanca gefunden wird.“ 194 Der schwierige MT von 1,18aβ (vgl. LXX) („und Höhe (war) ihnen, und Furcht (war) ihnen“) ist nach Aster vor dem Hintergrund des mesopotamischen melammu-Konzepts zu verstehen: „Puluhtu ˘ means the ‚terrifying quality of the melammu‘ [...]. Thus, the phrase yirʾâ lahem in Ezek. 1:18 indicates that the ʾopannim were both terrifying and luminous.“ (Aster, Light, 306; vgl. schon Weinfeld, ThWAT IV, 32). In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass melammu auch eine astrale Bedeutung hat und das Strahlen der Himmelskörper zum Ausdruck bringen kann (vgl. Aster, Light, 71–73; vgl. auch 57f). 195 Der metaphorische Gebrauch von „Auge“ als Umschreibung eines Himmelskörpers ist auch bei den Nachbarkulturen belegt. In Ägpyten galt die Sonne als „Auge des Re“, der Mond als „Auge des Horus“. Der mythologischen Erklärung der Mondphasen dient die Vorstellung, Horus habe im Kampf gegen Seth sein Auge verloren, es jedoch von Thot wiedergebracht und geheilt bekommen (vgl. Stendebach, ThWAT VI, 32). Ein vergleichbarer metaphorischer Gebrauch ist auch für Mesopotamien nachzuweisen (vgl. a.a.O., 33). Für das späte Alte Testament ist auf Sach 4 zu verweisen, wo die in einer Vision geschauten sieben Lampen eines Leuchters in V. 10 metaphorisch als „Augen JHWHs“ interpretiert werden, die über der Erde umherstreifen ( שוטpil.) (vgl. a.a.O., 46). Im Hinblick auf die Siebenzahl der Lampen bzw. Augen ist daran zu erinnern, dass es nach babylonischer Zählweise 7 Planeten gab (neben den fünf eigentlichen noch Sonne und Mond).
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
165
Der Vorsokratiker Anaximander (ca. 610–546 v. Chr.) vergleicht die Umlaufbahnen von Sonne und Mond mit Wagenrädern: „Anaximander [sagt, die Sonne] sei ein Kreis, 28-mal so groß wie die Erde, dem Rad eines Wagens ähnlich (ἁρματείῳ τροχῷ παραπλήσιον), mit hohler Felge voll Feuer, die an einer Stelle durch eine Öffnung wie durch ein Blasebalgrohr sichtbar wird. Und dies sei die Sonne.“ (DK 12 A 21) 196 „Anaximander [sagt, der Mond] sei ein Kreis, 19-mal so groß wie die Erde, dem Rad eines Wagens ähnlich (ὃμοιον ἁρματείῳ [τροχῷ]), mit hohler Felge voll Feuer, wie der der Sonne. Er liege schief, ebenso wie jene, und habe ein Ausblaseloch wie ein Blasebalgrohr. Die Finsternisse erfolgten entsprechend den Wendungen des Rades.“ (DK 12 A 21) 197
Diese Räder besitzen hohle Felgen, die mit Feuer gefüllt sind. Löcher in der Felge ermöglichen es, dass das Licht des Feuers ausstrahlt. Diese Löcher bilden die jeweils sichtbaren Gestirne. Wenn die Löcher von der Luft verstopft werden, entsteht eine Finsternis. Das Verstopfen der Löcher erklärt auch die Mondphasen. „Die Gestirne entstünden als Feuerkreis (κύκλον πυρός), der sich aus dem kosmischen Feuer abgesondert hat und von der Luft eingeschlossen worden ist. [An den Gestirnen] gebe es als Ausblaselöcher (ἐκπνοάς) gewisse röhrenartige Durchgänge, an welchen diese sichtbar seien; deshalb entstünden auch die Finsternisse, wenn die Ausblaselöcher verstopft würden.“ (DK 12 A 11) 198
Die Metapher der Wagenräder legt nahe, dass Anaximander sich die Bahnen der Himmelskörper als vollständige Kreise gedacht hat, die sich entweder – wie bei Anaximenes – „wie der Filzhut um unseren Kopf “ (DK 13 A 7) um die Erde herumdrehen, oder – wovon sich Anaximenes als abweichende Meinung abgrenzt – auch unter der Erde durchlaufen. Letztere Möglichkeit setzt voraus, dass Anaximander die Erde als frei im Raum schwebend gedacht hat. Das heißt freilich noch nicht, dass die Erde für ihn eine Kugel war. Er stellte sich die Erde vielmehr als Zylinder vor (vgl. DK 12 A 11 und DK 12 A 10). Anaximander versucht des Weiteren über spekulative Zahlenangaben die Räder in eine Reihenfolge zu bringen. „Anaximander, Metrodoros von Chios und Krates haben an die oberste Stelle aller Gestirne die Sonne gesetzt, ihr folge der Mond, unter ihnen stünden Fixsterne und Planeten.“ (DK 12 A 18)
Nach der Rekonstruktion von Diels und anderen scheint Anaximander Sterne, Mond und Sonne mit der Zahlenfolge 9, 18 und 27 in Verbindung gebracht zu haben. 199 Diese Zahlen finden sich schon bei Hesiod: Nach Hesiod fällt ein Amboss 9 Tage lang vom Himmel zur Erde und weitere 9 bis in den Tartaros. Die Zif-
196
Text und Übers.: Gemelli Marciano, Vorsokratiker, 44f. Text und Übers.: Gemelli Marciano, Vorsokratiker, 44f. 198 Text und Übers.: Gemelli Marciano, Vorsokratiker, 42f. 199 Vgl. dazu und für das Folgende Couprie, Discovery, 211–218. 197
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Abb. 5: Eine Darstellung von Anaximanders Universum (nach D. Couprie).
fer 9 (3 × 3) hat im griechischen Zahlensystem eine symbolische Bedeutung. Hier verschwimmen demnach mythologische und naturkundliche Einsichten. Der unterschiedliche Umfang der Räder macht deutlich, dass die Himmelskörper nicht alle im selben Abstand zu denken sind, sondern sich in verschiedenen Entfernungen von der Erde befinden und mithin konzentrische Kreise bilden. D. Couprie schreibt in seinem Rekonstruktionsversuch Anaximander drei große Einsichten zu: 200 Erstens, dass die Himmelskörper vollständige Kreise durchlaufen, zweitens, dass die zylinderförmige Erde frei im Raum schwebt und drittens, dass die Himmelskörper unterschiedlich weit von der Erde entfernt sind. Couprie hat darüber hinaus versucht, die kosmologischen Überlieferungen Anaximanders in einem Weltmodell zu visualisieren (s. Abbildung 5) 201. Wie jede bildliche Darstellung kommt es dabei zu Vereindeutigungen, die die wohl absichtlich bildhaften und metaphorischen Texte nicht hergeben. Dennoch dürfte das Bild dem nahekommen, was ein antiker Leser nach der Lektüre von Anaximanders kosmologischen Thesen vor Augen gehabt hatte. Die Überlieferungen Anaximanders geben frappante Parallelen zu Ez 1,15–21 zu erkennen:
200 201
Vgl. Couprie, Discovery, 201–211. Couprie, Anaximander, 6h (Figure 1).
5.3 Die Himmelsvision Ez 1,4–28
167
1. Der metaphorische Gebrauch des „Wagenrades“ (τροχόσ) für die Himmelskörper zeigt, dass dieses Bild im antiken Mittellmeerraum des 6. Jh. v. Chr. möglich war; mit dem Bild ist der Gedanke der Bewegung bzw. Rotation verbunden, der auch in Ez 1* begegnet; auch dort wird betont, dass es nur eine Richtung gibt und dass die Räder in festen Bahnen gehen (V. 17). 2. Die durch die Zahlenangaben implizierte konzentrische Gestalt der Wagenräder erinnert an die kryptische Umschreibung „wie wenn ein Rad mitten im Rad wäre“ in V. 16b. 3. Das Bild der „Ausblaselöcher“ kann neben das Bild der „Augen“ auf den Felgen gestellt werden. Für eine Erklärung der Gemeinsamkeiten zwischen Ez 1* und Anaximander ist es von Bedeutung, dass offensichtlich beide Überlieferungen von der mesopotamischen Tradition geprägt sind, aber diese ganz unterschiedlich rezipiert haben. Für Ez 1* ist in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Ikonographie der Flügelsonne sowie das in KAR 307 bezeugte Himmelskonzept hinzuweisen. Für Anaximander hat sich vor allem W. Burkert mit guten Gründen für eine traditionsgeschichtliche Abhängigkeit von mesopotamischen Vorstellungen ausgesprochen. 202 Wenn Anaximander drei Himmel übereinander schichtet und dabei den im Griechischen sonst unüblichen Plural οὐρανοί gebraucht, wenn er die Fixsterne vor Mond und Sonne platziert und dies mit mythischen Zahlenspekulationen verbindet, wenn er schließlich eine zylinderförmige Gestalt der Erde postuliert, so hat all dies Parallelen in dem kosmologischen Kommentar KAR 307. 203 Möglicherweise lassen sich auch für die Metapher der „Wagenräder“ Anknüpfungspunkte in der babylonischen Tradition finden, die erklären könnten, warum an verschiedenen Orten ähnliche Umschreibungen gewählt werden konnten. Versuchsweise wäre hier etwa an die Rede von den „Pfaden des Himmels“ (harrānu) zu denken, die den Himmel von Ost nach West durchziehen. Drei sind ˘den Sternen reserviert (Anu-, Enlil- und Ea-Pfad), dann gibt es noch je einen für Sonne und Mond. Die Pfade hatten u.a. die Funktion „to locate heavenly bodies in the sky, just as modern astronomers use degrees of latitude and longitude“ 204. Besonders interessant ist nun, dass diese Pfade in zwei wichtigen astronomischen Werken („Astrolabes“ und Mul-Apin) als „circles, with stars returning to their original positions each year“ 205 dargestellt werden. „Thus each path should consist of 360 degrees.“ 206 Drei weitere astronomisch-astrologische Texte (BM 38693+; STT 202
Vgl. z.B. Burkert, Weltmodelle, bes. 183f; ders., Griechen, bes. 55–78. Eine zylinderförmige Gestalt des Universums erschließt aus Enūma eliš und KAR 307 Livingstone, Explanatory Works, 81. Zu einem u.a. aufgrund von KAR 307 aus konzentrischen Kreisen vorgestellten Kosmos vgl. auch Huxley, Shape, bes. 197. 204 Horowitz, Cosmic Geography, 254. 205 Horowitz, Cosmic Geography, 257f. 206 Horowitz, Cosmic Geography, 258. 203
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
340:12; AO 6478) 207 beschreiben den Enlil-Pfad als vollständigen Kreis, weshalb Horowitz die Umlaufbahn mit einem „Riesenrad“ vergleicht: „The identification of the Path of Enlil as a perfect circle seems to imply that the Path of Enlil was conceived as a circular band of stars moving in a constant east-west ‚ferris-wheel‘ motion.“ 208 Die Zahl der Pfade ist eher für Anaximanders Sternen-, Sonnen- und Mondrad hilfreich. Für die Vierzahl der Räder in Ez 1* ist vielleicht an die in astronomischen Texten belegte Vorstellung der 4 Quadranten zu denken, die mit den vier Winden und Horizonten verbunden werden und ebenfalls einer Einteilung des Sternenhimmels dienen. 209 Wären Ez 1,15–21* tatsächlich mit dem Sternenhimmel zu identifizieren 210, so ergäbe sich für Ez 1,4–28* folgende „Geographie des Himmels“: Die „Geographie des Himmels“ nach Ez 1: V. 27f
Die Herrlichkeit JHWHs (Bernstein, Feuer, Lichtglanz)
V. 26 V. 22 V. 15–21* V. 4–14*
Die Gestalt eines Throns (Lapislazuli) Eine Himmelsplatte (glänzendes Eis) Sternenhimmel (Goldtopas) Anthropomorphe Himmelsträger (Bronze)
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff 5.4.1 Ezechiel 8–11: Der Auszug der Herrlichkeit 5.4.1.1 Entstehungsgeschichtliche Bemerkungen Die erste Tempelvision Ez 8–11 ist in ihrer vorliegenden Gestalt grob zweigeteilt mit 11,1 als Haupteinschnitt, wobei das Motiv des Emporgehoben-Werdens durch den Geist (8,3; 11,1; 11,24) jeweils die Ortsveränderung des Propheten markiert 211: Von den Verbannten nach Jerusalem (nördliches Tor des Tempels) → 207
Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 264f. Horowitz, Cosmic Geography, 186. „In such an astronomical model, stars would be located above the earth’s surface for six month of the year, and below the earth’s surface for the remaining six months of the year.“ (Ebd.) – „Although it is never explicitly stated how the Sun, Moon, stars, and planets reach the gates of heaven in other texts, it is logical to assume that the astronomical paths continued below the horizon. This may be confirmed by AO 6478, where a full circuit of the Path of Enlil includes travel below the horizon.“ (A.a.O., 267). Vgl. zu dieser Frage auch Rochberg, Cosmology, 328f. 209 Vgl. zu den vier Quadranten Horowitz, Cosmic Geography, 259f. 210 An dieser Stelle sei nochmals die Unsicherheit im Hinblick auf die Rekonstruktion und das Verständniss von Ez 1,15–21 betont. 211 Vgl. auch Ruwe, Veränderung, 12 mit Anm. 20. 208
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
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vom nördlichen Tor des Tempels zum östlichen Tor des Tempels → vom östlichen Tor des Tempels zu den Verbannten. Dieser Textkomplex ist allerdings ausweislich zahlreicher sprachlicher und konzeptioneller Spannungen kaum als literarische Einheit zu begreifen. 212 Ez 11,1–21 gelten schon lange als „Fremdkörper“ 213 innerhalb der ersten Tempelvision. Zum einen steht das Motiv des Emporgehoben-Werdens in 11,1 in Konkurrenz zu den übrigen Standortwechseln innerhalb Jerusalems (vgl. 8,7.14.16), die eine Stadtführung in vier Etappen von Nord nach Süd untergliedern (s. u.); zum anderen wird das im Vorkontext heraufbeschworene Totalgericht gegenüber der Stadt Jerusalem und ihrer Menschen in 11,1–21 unvermittelt in ein Teilgericht abgemildert. 214 Das Disputationswort 11,14–21 als Zielpunkt des Abschnitts 215 deutet mit dem Antagonismus zwischen den „Bewohnern Jerusalems“ ( )ישבי ירושלםund dem „ganzen Haus Israel insgesamt“ ( )כל בית ישראל כלהzunächst auf die Pro-Gola-Redaktion, die in der babylonischen Gola das wahre Israel verkörpert sah, als verantwortlichen Verfasserkreis hin 216; doch die Verheißung einer Sammlung der Zerstreuten ( פוץni.) 217 aus den Völkern und Ländern legt nahe, dass der ganze Abschnitt doch eher auf die spätere Pro-Diaspora-Redaktion zurückgeht, die aber möglicherweise auf älteres Material zurückgegriffen hat. 218
212
Vgl. zur Forschungsgeschichte Pohlmann, Ezechiel, 144–148. Zimmerli, BK XIII/1, 202. 214 Vgl. zu diesem und weiteren Argumenten Hossfeld, Tempelvision, 153f, sowie Sedlmeier, NSK 21/1, 134f. 215 Möglicherweise ist dieser Abschnitt in mehreren Stufen gewachsen, vgl. z.B. Hossfeld, Tempelvision, 155f. Vgl. auch Sedlmeier, NSK 21/1, 135: „Inwieweit sich innerhalb von Ez 11,1–21 noch weitere Bearbeitungsschichten finden, mag dahingestellt bleiben. Doch darf mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass 11,1–21 später in eine vorgegebene Visionserzählung vom Auszug der göttlichen Herrlichkeit aus dem Tempel von Jerusalem eingefügt wurde, um so den sich ereignenden Abbruch der Heilsgeschichte mit dem gottgewirkten Neubeginn zu kontrastieren und zu komplettieren.“ 216 Vgl. Krüger, Geschichtskonzepte, 321: „Die Gegenüberstellung von ישבי ירושלםund כל בית ( ישראל כלה15) zeugt von einer für das EB (Ezechielbuch, CK) völlig atypischen ‚exklusiven‘ IsraelKonzeption: Die ‚Bewohner Jerusalems‘ sind aus ‚Israel‘ ausgeschlossen; ‚Israel‘ ist mit der babylonischen Gola identifiziert. Während den im Land Zurückgebliebenen ‚Unheil‘ angesagt wird, erhalten gleichzeitig die Exilierten eine ‚Heils‘ankündigung.“ Vgl. auch Schmid, Literaturgeschichte, 168. 217 Vgl. zu der stereotypen Verheißung einer Sammlung der Zerstreuten in Ezechiel Ringgren, ThWAT VI, 546. 218 Vgl. Pohlmann, ATD 22/1, 165–170; Nihan, Ezechiel, 423. – Gegen eine solche Ansetzung spricht auch nicht, dass sich innerhalb von 11,14–21 manche Aussagen auf die Exilssituation beziehen lassen. Das מעטin Ez 11,16b ist zwar mit Ruwe, Veränderung, 10, im temporalen Sinn zu verstehen: „Ich bin ihnen für kurze Zeit zum Heiligtum geworden in den Ländern, in die sie gekommen sind.“ „Der Satz bringt konkret zum Ausdruck, daß selbst für die kurze Zeit der Exilssituation die Unterstellung von Gottesferne hinsichtlich der Exilierten unzutreffend ist.“ (A.a.O., 10f). Auch ist Ruwe darin zuzustimmen, dass das Gotteswort mit dem Vorwurf der Gottesferne in V. 15 zu verbinden ist: „Es ist offensichtlich, daß sich die beiden Gottesworte in V. 16 und V. 17 präzise auf diese beiden Statements der Jerusalemer zurückbeziehen: V. 17 rekurriert auf V. 15bγ, indem der Behauptung der Jerusalemer, die eigentlichen Besitzer des Landes zu sein, durch die Verheißung widersprochen wird, daß die Exilierten aus den Ländern und Nationen gesammelt werden und ihnen die אדמת ישראלgege213
170
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Auch nach der Ausgrenzung von 11,1–21 gibt der verbleibende Textbestand noch zahlreiche Nachträge zu erkennen. Für die vorliegende Fragestellung sind einerseits diejenigen Abschnitte relevant, die vom Auszug der Herrlichkeit JHWHs berichten, und andererseits alle Bezugnahmen auf die Himmelsvision in Ez 1. In beiden Fällen ist zu fragen, ob die entsprechenden Texte zum Grundbestand der ersten Tempelvision gehören. Nach der m. E. überzeugenden Rekonstruktion von Hossfeld 219, die in weiten Teilen mit der von Zimmerli übereingeht 220, sind u.a. folgende Verse als Nachträge zu beurteilen: Ez 8 8,2–3a schildern die Erscheinung eines Mannes (איש, nach LXX ανδρός, vgl. 40,3), der merkwürdigerweise das Aussehen JHWHs hat, wie es 1,26b–27 berichtet hatten. 221 In 8,4 trifft der Prophet auf die „Herrlichkeit des Gottes Israels“, die er in der Ebene gesehen hatte (vgl. 3,23). Doch diese Begegnung erfolgt vor dem eigentlichen Beginn der Vision in 8,5 zu früh und steht in Spannung zum כבוד-Konzept der Grundschicht (s. u.). 222 Ez 9–11 Die Notiz in 9,3a nimmt 10,4 vorweg, geht allerdings sprachlich 223 eigene Wege: 224 „Und die Herrlichkeit des Gottes Israels hatte sich erhoben ( עלהni.; vgl. Ex 40,36.37 Ps) vom Keruben (LXX: Pl.), auf dem (LXX: Pl.) sie war, zur ()אל Schwelle des Hauses.“ In 10,1 werden Platte und Thron aus 1,22ff eingeführt; die Trägerfunktion der Lebewesen ( )חיותhaben jetzt die Keruben übernommen (vor deren Identifikation
ben wird. V. 16 bezieht sich dagegen auf das Verdikt zurück, daß die Verbannten ‚fern von JHWH sind‘ (V. 15bβ).“ (A.a.O., 7). Doch gegen Ruwe dürfte der Abschnitt als Teil der Pro-Diaspora-Redaktion nur rückblickend die Tempellosigkeit der Exilszeit als vergangene Epoche in den Blick nehmen: Die Zerstreuung unter die Völker ist vorausgesetzt, eine Rückkehr in die Heimat für die Zukunft erwartet. Das kultische Interim liegt in der Vergangenheit, der Zweite Tempel steht schon wieder, was die Rückkehr nach Jerusalem noch dringlicher macht. Die Textpragmatik von 11,16 dürfte in eine ähnliche Richtung gehen wie die von 2 Chr 36,23: Eine Aufforderung an die versprengte Judenheit, ins Land zurückzukehren. 219 Vgl. Hossfeld, Tempelvision, 156–164. 220 Vgl. Zimmerli, BK XIII/1, 201ff und die Rekonstruktion des Grundbestands 205f. Vgl. auch Keel, Jahwe-Visionen, 145–151. 221 Vgl. Hossfeld, Tempelvision, 157: „Offensichtlich will hier in 8,2–3a eine Redaktion die Berufungsvision in Kap. 1 sowie die erste und zweite Tempelvision miteinander systematisierend verbinden.“ 222 Vgl. Hossfeld, Tempelvision, 157f: „Die ‚Herrlichkeit des Gottes Israels‘ ist eine ständig bewegliche Präsenz Jahwes, die die Visionen vom Kebar, von der Ebene, die erste und zweite Tempelvision miteinander verbindet und jeweils am Ort des Geschehens erscheint.“ 223 9,3a: „Die Herrlichkeit des Gottes Israels“ // 10,4: „Die Herrlichkeit JHWHs“; 9,3a: עלהni. // 10,4: ;רום9,3a „zur ( )אלSchwelle des Hauses“ // 10,4: „auf ( )עלdie Schwelle des Hauses“. 224 Vgl. zum sekundären Charakter Hossfeld, Tempelvision, 160. Vgl. zur Rekonstruktion der Grundschicht von Kap. 9 a. a.O., 159f.
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
171
in 10,15.20 kommt die „Schau“ [ ]ואראהder Keruben als Himmelsträger jedoch streng genommen zu früh). 225 Für die weitere literarkritische Beurteilung von Ez 10 (und 11,22f) ist mit Hossfeld die Beobachtung entscheidend, dass in diesem Kapitel zwei כבודKonzeptionen miteinander konkurrieren: „Die eine haben wir schon in 8,4 und 9,3a kennengelernt. Es ist die ‚Herrlichkeit des Gottes Israels‘, die in eigenständiger Beweglichkeit an den jeweiligen Orten des Visionsgeschehens erscheint wie die Herrlichkeit Jahwes in der Priesterschrift. Die andere Vorstellung gehört zur Grundvision. Nach ihr ist die ‚Herrlichkeit Jahwes‘ anwesend über dem salomonischen Kerubenthron im Allerheiligsten des Tempels und verläßt diesen Standort zum Zeichen des Gerichtes und der endgültigen Trennung Jahwes von Jerusalem.“ 226 Damit einher geht ein Nebeneinander zweier Kerubenkonzepte ab 10,2ff. Entsprachen die Keruben in der Grundschicht noch im Wesentlichen den vorexilischen Tempelkeruben 227, die im Allerheiligsten des Salomonischen Tempels den Gottesthron bildeten, so macht sie die sekundäre Gleichsetzung mit den Himmelsträgern aus 1,5ff (vgl. 10,15.20) zu beweglichen Trägern der Himmelsplatte bzw. der Herrlichkeit JHWHs. 228 Nicht zuletzt aufgrund dieser Einsicht kann für Kap. 10 (und 11,22f) folgender Grundbestand wahrscheinlich gemacht werden: 10,2*.4.7*.18a.19b* und 11,23. 229 Nach Ausgrenzung von 11,1–21 sowie der übrigen Nachträge ergibt sich für die erste Tempelvision folgender Aufbau: Die Vision besteht demnach aus einem Rahmen in 8,1–3 und 11,24f und einem Visionsbericht. In den Rahmenteilen entsprechen sich die Elemente spiegelbildlich: „Der Kontakt mit der alltäglichen Umgebung in 8,1a und 11,25; die Anzeige
225
Vgl. zum sekundären Charakter des Verses Hossfeld, Tempelvision, 161. Hossfeld, Tempelvision, 160f. 227 Konsequenterweise verlautet bei der Rückkehr der Herrlichkeit JHWHs in 43,1–9* nichts von den Keruben als Trägern der beweglichen Herrlichkeit. 228 Nach Hossfeld, Tempelvision, 161, ist das Nebeneinander von Keruben und Kerub innerhalb der ersten Tempelvision redaktionsgeschichtlich zu erklären, wobei er vermutet, „daß der Singular ‚Kerub‘ (9,3a; 10,2.4) auf der Ebene des Endtextes als Kollektivsingular die beiden salomonischen Keruben von den vier Keruben (Plural) des Thronwagens unterscheiden soll“. – Ruwe, Veränderung, 15f, hält Ez 10 für weitgehend einheitlich und postuliert einen Erkenntnisprozess des Propheten bezüglich der Keruben: „Die Keruben gehören danach nicht mehr (wie vordem) primär zum Tempel, sondern bilden unabhängig vom Tempel einen Teil der Sphäre Gottes.“ (A.a.O., 16). Damit ist zwar der vorliegende Text sachgemäß beschrieben, jedoch war dies sehr wahrscheinlich nicht der Sinn der Grundschicht, wie das spannungsreiche Nebeneinander der Konzeptionen in Kap. 10 deutlich macht. Vor allem ist mit Uehlinger/Trufaut aus ikonographischer Sicht auch für diesen fiktiven Text kaum anzunehmen, dass der Priesterprophet die Mischwesen aus Ez 1 mit den Jerusalemer Tempelkeruben verwechselt haben bzw. diese nicht erkannt haben soll: „[C]learly, the beasts of chap. 1 do not look as kǝrûbîm, as any educated ancient reader would at once have recognized, and they are first of all skybearers representing the horizons [...]. In chap. 8–11, on the other hand, they simply had to be identified with kǝrûbîm since the scenario there required traditional temple symbolism.“ (Uehlinger/ Trufaut, Ezekiel 1, 149, Anm. 31; vgl. in diesem Sinn schon Halperin, Faces, 43). 229 Vgl. das Resümee bei Hossfeld, Tempelvision, 163f. Vgl. zu 10,9–16 o. S. 143–145. 226
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
einer Vision durch die Hand-Jahwes-Formel in 8,1b und der Hinweis auf die Aufhebung des Gesichts in 11,24b; schließlich die Entrückung durch den Geist in 8,3b und in 11,24a.“ 230 Im Visionsbericht schildert der Prophet eine Stadt- und Tempelführung. Diese gliedert sich in zwei Teile mit jeweils vier Etappen, wobei der erste Teil in vier Szenen die Verschuldung Israels aufzeigt (Kap. 8) und der zweite Teil in vier Phasen das Gericht JHWHs und den Auszug seiner Herrlichkeit (Kap. 9–11) beschreibt: 231 „Der Prophet wird in vier Etappen von Nord nach Süd in das Zentrum des Tempelbereichs geführt (8,3 mit dem Standort am Eingang zum Nordtor der Stadtmauer; 8,7 Eingang des Vorhofes; 8,14 Eingang des Nordtores am Innenhof; 8,16 Innenhof des Tempels). Dieser Nord-Süd-Bewegung des Propheten entsprechen die vier Etappen der West-Ost-Bewegung der Herrlichkeit Jahwes (vom Kerubenthron im Allerheiligsten zur Tempelschwelle 10,4; von der Tempelschwelle zum Osttor des Tempelhofes 10,18a.19b; vom Osttor, mitten aus der Stadt, zum Ölberg 11,23).“ 232
Für die vorliegende Arbeit ist vor allem der zweite Teil der Vision von Interesse, der den Auszug der Herrlichkeit JHWHs aus dem Tempel und aus Jerusalem schildert. Deshalb soll im Folgenden der Grundbestand der Kap. 10f aus traditionsgeschichtlichem Blickwinkel noch einmal näher betrachtet werden. 5.4.1.2 Traditionsgeschichtliche Aspekte der ersten Tempelvision Die Verse 10,2* und 10,7* bereiten dem Verständnis erhebliche Schwierigkeiten, weil hier sekundär beide Kerubenkonzepte ineinanderfließen. Die Grundschicht von V. 2* mag den Auftrag an den Linnenbekleideten enthalten haben, seine Hände mit „glühenden Kohlen aus dem Zwischenraum hinsichtlich der Keruben“ zu füllen, um sie über der Stadt auszustreuen; V. 7* dürfte dann die Ausführung berichtet haben, 233 wohingegen das Ausstreuen der Kohlen nicht mehr berichtet wird. 234 Zwischen Auftrag und Ausführung setzt in V. 4 der Auszug der Herrlichkeit JHWHs ein, der – wie gesagt – in Analogie zur Stadt- und Tempelführung in vier Etappen erfolgt 235:
230
Hossfeld, Tempelvision, 156f (dort auch zur Rekonstruktion der Grundschicht). Insofern ist der Visionsbericht als „begründetes Gerichtswort, bestehend aus Schuld und Strafe, gestaltet“ (Sedlmeier, NSK 21/1, 136). 232 Hossfeld, Tempelvision, 153; vgl. auch Sedlmeier, NSK 21/1, 136f. 233 Vgl. Hossfeld, Tempelvision, 161f. „Ein weiterer Redaktor hat wohl den Kollektivsingular der vorhergehenden Redaktion wörtlich verstanden und im Stil von Jes 6,6f seinen Einzelkerub zwischengeschaltet, um den direkten Kontakt zwischen dem Linnenbekleideten und dem Feuer des Räucheraltars zu vermeiden.“ (A.a. O., 162). 234 Vgl. zu diesem, für alttestamentliche Texte durchaus üblichen literarischen Verfahren, das deshalb nicht auf einen Textausfall hindeuten muss, Pohlmann, ATD 22/1, 152, Anm. 714. 235 Vgl. Hossfeld, Tempelvision, 153. 231
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
173
„Da erhob sich ( )רוםdie Herrlichkeit JHWHs vom Keruben (LXX: pl.) 236 auf ( )עלdie Schwelle ( )מפתן237 des Hauses. Und das Haus wurde erfüllt mit der (!) Wolke, der Vorhof aber war erfüllt mit dem Lichtglanz ( )נגהder Herrlichkeit JHWHs.“
10,4 bezieht sich deutlich auf die Himmelsvision zurück. In der Grundschicht der Himmelsvision hatte sich – wenn 3,12* ursprünglich sein sollte – die Herrlichkeit JHWHs, nachdem sie in 1,28 effektvoll eingeführt worden war, „von ihrem Ort“ (nach 1,3 am Kanal Kebar) erhoben ()רום, danach war von ihr nicht mehr die Rede. 10,4 knüpft sprachlich daran an, wenn sich laut 10,4 die Herrlichkeit JHWHs von den Tempelkeruben auf die Schwelle des Tempelhauses erhebt (ebenfalls )רום. Ein Rückbezug auf die Himmelsvision Ez 1* erfolgt sodann mit Hilfe der Leitworte „Wolke“ (הענן, in 10,4 determiniert!) und „Glanz“ ()נגה. Beide Begriffe verzahnen nicht nur die erste Tempelvision mit der Himmelsvision, sondern darüber hinaus (wenigstens implizit) die erste mit der zweiten Tempelvision. Verknüpfung der Visionen mit Hilfe der Leitwörter ענןund נגה Wolke ()ענן
Glanz ()נגה
1,4
Eine „große Wolke“ kommt vom Zafon
1,27f
10,4
Die (!) Wolke erfüllt den Tempel,
10,4
43,5
Die Herrlichkeit JHWHs erfüllt den Tempel
43,2
Der Lichtglanz umgibt den Thronenden, er leuchtet wie der Regenbogen = Herrlichkeit JHWHs Der Lichtglanz der Herrlichkeit JHWHs erfüllt den Vorhof Die Herrlichkeit des Gottes Israels macht die Erde leuchten
Hartenstein hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Wolke in der ersten Tempelvision eine ganz andere Bedeutung hat als in der Priesterschrift (vgl. zur Wolke in P Ex 16,10; 24,15a – 18aα*; 40,34f): „Offenbar ist ענןin Ez 10,4 nicht wie in der Priesterschrift als Begleiterscheinung der positiven Anwesenheit Gottes, sondern vielmehr als ein Zeichen seiner sich unheilvoll einstellenden Abwesenheit zu verstehen: Statt der sich nach Osten hin von Tempel und Stadt entfernenden ‚Herrlichkeit‘ bleibt nur ein undurchdringliches Wolkendunkel im Heiligtum zurück, wie man hier wohl paraphrasieren kann (der Parallelismus: ‚Haus‘ – ‚Vorhof ‘ // ‚Wolke‘ – ‚Glanz‘, legt für den Tempel die Assoziation von Dunkelheit nahe).“ 238
236 Vgl. Hossfeld, Tempelvision, 161: „Im ezechielischen Grundtext wird der normale Plural für die salomonischen Keruben gegolten haben.“ Dies ist allerdings trotz des Plurals in LXX eine literarkritische, keine textkritische Entscheidung. 237 Vgl. Keel, Jahwe-Visionen, 129, Anm. 4, sowie Zwickel, סףII, 27, nach dem מפתןkonkret „den Innenbereich des Schwellensteins“ (Ebd.) bezeichnet. „Wenn die Herrlichkeit Jahwes sich auf die innere Schwellenhälfte begibt (Ez 9,3; 10,4; vgl. 10,18) so bleibt sie noch immer im Heiligtum. Sie begibt sich nur unmittelbar an den Eingang des Tempels, verläßt diesen aber nicht.“ (Ebd.). 238 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 141. „[...] Ez 10,4 scheint [...] ‚Herrlichkeit‘ und ‚Wolke‘ als einander ausschließende Größen zu verstehen. Sie dienen hier zur Markierung seiner Zugänglichkeit ( )כבודbzw. seiner Unzugänglichkeit im Heiligtum ()ענן.“ (A.a.O., 143). Vgl. zum Traditionshinter-
174
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Diese Einschätzung bestätigt sich an 1,4. Schon dort hat die Wolke in Verbindung mit den übrigen Theophanie-Elementen wie dem „Sturmwind“ ( ;רוח סערהvgl. zu dieser Wortverbindung noch Ez 13,11.13 [ ;]רוח סערותPs 55,9; 107,25; 148,8 [רוח )]סערהdurchaus bedrohliche Konnotationen. Erscheint sie in Ps 18 als Waffe des kämpfenden Wettergottes (vgl. V. 13 239), so vermittelt sie andernorts „den Eindruck der Zornesgewalt Gottes und des endzeitlichen Gerichts über seine Feinde (Zef 1,15 Nah 1,3 Ez 30,3.18 32,7 34,12)“ 240. So gesehen, deutet sich über das Wolkenmotiv in 1,4 schon JHWHs Gericht über Jerusalem und den Tempel an, das sich in 10,4 zu verwirklichen beginnt. Ist die Wolke als Zeichen der Abwesenheit zu deuten, so umgekehrt der Lichtglanz ()נגה, mit dem sich der Vorhof gefüllt hat, als Zeichen der göttlichen Gegenwart. 241 10,18a.19b* und 11,23 schildern den weiteren Auszug der Herrlichkeit JHWHs aus dem Tempel zum Berg östlich der Stadt. Da zog die Herrlichkeit JHWHs aus dem Haus [weg von der Schwelle] 242 [...]. (19)[...] Und sie [m. Sg.: die Herrlichkeit JHWHs] blieb stehen (am) Eingang des östlichen Tores des Hauses JHWHs [...]. (11,23)Da stieg die Herrlichkeit JHWHs auf ( )עלהaus der Mitte der Stadt. Und sie blieb stehen über/auf dem Berg, der östlich der Stadt (war).
Wie schon in 1,4 das Wort „ צפוןZafon/Norden“ keine bloße Richtungsangabe darstellte, so auch hier die Notiz über das Entschwinden der Herrlichkeit JHWHs gen Osten auf den Berg. „ קדםOsten“ ist dem mythischen Raumverständnis gemäß der Ort der aufgehenden Sonne, mit dem sich im Alten Orient zahlreiche mythologische Vorstellungen verbinden. Desgleichen dürfte bei dem Verweis auf den „Berg“ ( )הרvor dem Hintergrund der Gottesbergvorstellung (vgl. Ex 24,16 P, und zu Jerusalem als Gottesberg Ez 43,7a, s. u.) mehr mitschwingen, als ein bloß topographischer Bezug auf den Ölberg. Darauf könnte auch die Verwendung des Verbs „ עלהaufsteigen“ hindeuten, das in den mesopotamischen Rückkehrtexten den Rückzug der Gottheit aus dem irdischen Tempel in den Götterhimmel signalisiert. 243 Der Sinn dieser Angaben wird sich erst von 43,1–9* her erschließen, dort soll dieser Gedanke auch weiter verfolgt werden.
grund a.a.O., 140–144. Nach Hartenstein verweist Ez 10,4 „auf eine mögliche Wirkungsgeschichte der Jesajavision“ (a.a.O., 149); in Jes 6,4b ist es der Rauch, der den Tempel unzugänglich macht. Zu 1 Kön 8,10f als von P abhängige Fortschreibung des Tempelweihspruchs 8,12f vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 144–146. 239 Dort begegnet das Wort ebenfalls in Opposition zu JHWHs Lichtglanz ()נגה. 240 Görg, NBL III, 1124. Vgl. auch den Zusammenhang von „Gewölk“, Dunkelheit und Gericht in dem oben zitierten Abschnitt der Deir ʿAlla-Inschrift, s. o. S. 162. 241 Vgl. zu diesem Begriff oben zu 1,27f (S. 162f) sowie unten zu 43,2 (S. 176ff). 242 Möglicherweise eine Hinzufügung, vgl. LXX. 243 S. o. S. 118ff; vgl. auch Gen 35,13.
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
175
5.4.2 Ez 40ff: Die Rückkehr der Herrlichkeit 5.4.2.1 Entstehungsgeschichtliche Bemerkungen Die zwei jüngeren Monographien zum so genannten Verfassungsentwurf Ez 40– 48 von Rudnig und Konkel stimmen darin überein, dass die Vision in einem mehrstufigen Redaktionsprozess entstanden ist und die Grundschicht in Ez 43 mit der Rückkehr der Herrlichkeit JHWHs in den Tempel ihren (bei Rudnig vorläufigen) Höhepunkt gefunden hat. 244 Bei der konkreten Rekonstruktion dieser Grundschicht und ihrer redaktionsgeschichtlichen Verortung liegen die beiden jedoch weit auseinander. Nach Rudnig gehören zum Grundbestand die Texte zum Thema „Tempel“ in Ez 40,1.2b*.4*.17.28aα.47b.48f; 41,1–4*.15b–20a*; 43,6a.7a, 245 zu denen noch Texte zu den Themen „Fürst“ und „Land“ aus Ez 44–47 zu ergänzen sind. 246 Diese Grundschicht ist laut Rudnig Teil der golaorientierten Redaktion des Ezechielbuches aus der ersten Hälfe des 5. Jh. v. Chr. 247 Nach Konkel besteht die noch exilisch zu datierende 248 Grundschicht aus 40,1.3f.5–37.44-46a.47-49; 41,1–15a; 42,15.20aβ.b; 43,1f.3b–10 und „stellt mit der Beschreibung des neuen Tempels und der Rückkehr des Kabod das Gegenstück zur ersten Tempelvision Ez 8–11* dar“ 249. Für die Aussageabsicht dieser Grundschicht ist Konkel zufolge die Datumsangabe in 40,1 entscheidend: „Der Text zielt auf den politisch-religiösen Herrschaftsanspruch des babylonischen Neujahrsfestes: Während am 10. Nisan, dem Höhepunkt des Neujahrsfestes, die Götter des Reiches allesamt in Babylon weilen, macht JHWH sich an diesem Tag auf den Weg nach Jerusalem, um dort in seinem Tempel ‚für immer‘ Wohnung zu nehmen.“ 250
Die Unterschiede in der Rekonstruktion betreffen auch Ez 43,1–9. Der Abschnitt besteht aus einem Visionsteil, der die Rückkehr der Herrlichkeit JHWHs in den Tempel schildert (V. 1–6), und einer JHWH-Rede 251, in der die Verheißung der
244
Vgl. zur Forschungsgeschichte Pohlmann, Ezechiel, 130–144. Vgl. Rudnig, Heilig, 133. „Gerahmt durch eine visionäre Einleitung (40,1.2b*.4*) und die Gegenwartszusage (43,6a.7a), wird eine Beschreibung des neuen Heiligtums (v. a. des Kernbaus und der sparsamen Wandverkleidung) vor Augen gestellt, die sich am salomonischen Tempel orientiert. Die Darstellung konzentriert sich nach dem Schema ‚Anlage – Ausstattung‘ auf die wesentlichen Grunddaten und zielt auf Jahwes Gegenwart im Heiligtum ab.“ (A.a.O., 133f). 246 „Die Texte konkretisieren die Verheißungen von Ez 37,25–28* mit ihren drei zentralen Themen ‚Tempel‘, ‚Fürst‘ und ‚Land‘.“ (Rudnig, Heilig, 191). 247 Vgl. Rudnig, Heilig, 196f. 248 Vgl. Konkel, Architektonik, 269. 249 Konkel, Architektonik, 244. 250 Konkel, Architektonik, 268f. 251 „Es wird nicht explizit gesagt, daß es der Kabod ist, der zum Propheten spricht, sondern indirekt wird klargestellt, daß es nur der Kabod sein kann, der das Wort an den Propheten richtet (vgl. 1,28b; 2,1–3).“ (Konkel, Architektonik, 77). 245
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
göttlichen Gegenwart im Tempel das Ziel darstellt (V. 7–9 252). Während der Abschnitt für Konkel weitgehend einheitlich ist (lediglich V. 3a wird als Nachtrag identifiziert) 253, rechnet Rudnig mit einer tiefgreifenden Bearbeitung, so dass als Grundbestand lediglich V. 6a.7a verbleiben. 254 Die Argumente für diese weitreichende Zusammenstreichung sind jedoch nicht überzeugend. Im Horizont altorientalischer Tempeltheologie ist es etwa kaum möglich, innerhalb von 43,4– 7a dichotomisch zwischen einer „schlichten Jahwe-Präsenz-Vorstellung“ 255 und einer reflektierten כבוד-Theologie zu differenzieren. Das sprachliche Nebeneinander von JHWHs „Ich“ und JHWHs Herrlichkeit ist auch für P belegt 256 und entspricht den Gepflogenheiten altorientalischer Bildtheologie; denn auch in mesopotamischen Quellen wird sprachlich nicht zwischen der Präsenz der Gottheit an sich und der ihrer Repräsentation (Statue oder Symbol) unterschieden. 257 Auch ist es nicht zwingend, 43,7b–9 als „nachträgliche Konditionierung der an sich unbedingten Gegenwartszusage“ 258 in V. 7a zu interpretieren. Zwar ist V. 9b als Folgetempus zu V. 9a zu deuten, 259 doch kann die Konstruktion mühelos so gelesen werden, dass JHWH durch Auszug und Rückkehr (Gericht [vgl. V. 8bβ] und Heil) das Volk zuvor befähigt, die Vergehen der Vergangenheit in Zukunft nicht mehr zu tun (vgl. die nachzeitigen Imperfekta in V. 7b und V. 9a sowie das temporale עתהin V. 9a). 260 Demnach ist mit Konkel von einem weitgehend einheitlichen Abschnitt 43,1–9 auszugehen. 5.4.2.2 Traditionsgeschichtliche Aspekte in Ez 43,1–9* a.) JHWHs Rückkehr als Sonnengott. Nachdem Ezechiel im 25. Jahr der Verbannung noch einmal nach Jerusalem entrückt wurde (40,1), bekommt er in 43,1–
252 Die Rede reicht eigentlich bis V. 12 (vgl. zum sekundären Charakter von V. 11f Konkel, Architektonik, 81f). Nach Konkel bildet V. 10 (als Gegenstück zu 40,4) den Schlussvers der ursprünglichen Tempelvision (a.a.O., 80f). Doch dagegen spricht, dass die Aufforderung zur Vermessung des Tempels nach einer Fortsetzung verlangt, so dass auch dieser Vers sekundär sein dürfte (vgl. Rudnig, Rezension, 387). 253 Vgl. Konkel, Architektonik, 80–82. 254 Vgl. Rudnig, Heilig, 83–96. 255 Rudnig, Heilig, 89. 256 Vgl. z.B. Lev 9,23 (JHWHs Herrlichkeit) mit 9,24 (JHWH). 257 Vgl. Hundley, Gods, 235 (Symbol und Gottheit) und 277 (Statue und Gottheit: „In the majority of cases, the statue is simply identified as the god, that is, the texts generally make no body-soul dichotomy.“ 258 Rudnig, Heilig, 85. „Dadurch wird die Vermeidung von Greueln, Hurerei etc. zur Vorbedingung von Jahwes Anwesenheit unter den Israeliten – eine Denkweise, die der einfachen Aussage von V.7a schlichtweg widerspricht.“ (Ebd.). 259 Vgl. Rudnig, Heilig, 85. 260 Diesen Hinweis verdanke ich meinem Kollegen Dirk Schwiderski. Vgl. auch Zimmerli, BK XIII/ 2, 1084: „Was gefordert wird, ist aber nicht Vorbedingung für die Rückkehr Jahwes zu seinem Volke. Diese ist ganz unkonditional angesagt. Wohl aber spricht 9 die ganz unausweichliche Konsequenz dieses Geschehens aus.“ Vgl. auch Janowski, Schekina-Theologie, 126 mit Anm. 30.
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
177
9* von einem „Mann“ den künftigen Tempel gezeigt. 261 Ziel- und Höhepunkt der Tempelführung ist die Rückkehr der Herrlichkeit JHWHs: (1)
Und er führte mich zu dem Tor, dem Tor 262, das nach Osten weist. (2)Und siehe, die Herrlichkeit des Gottes Israels ( )כבוד אלהי ישראלkam von Osten, und ihr Rauschen (war) wie das Rauschen großer Wasser 263 und die Erde/das Land ( )הארץleuchtete/erstrahlte ( אורhi.) von seiner Herrlichkeit. (3)[...] 264 Und ich fiel auf mein Angesicht. (4)Und die Herrlichkeit JHWHs kam in das Haus durch das Tor, das mit seiner Front nach Osten (weist). (5)Und ein Wind ( )רוחhob mich empor und brachte mich zum inneren Vorhof. 265 Und siehe, die Herrlichkeit JHWHs hatte das Haus erfüllt ()מלא. (6)Und ich hörte einen (mit sich) 266 zu mir reden aus dem Haus heraus, und der Mann 267 stand neben mir.
Die Grundschichten der beiden Tempelvisionen beschreiben JHWHs zornige Abwendung von seinem Heiligtum (8f; 10,2*.4.7*.18a.19b*; 11,23) und seine spätere Rückkehr in den neuen Tempel (43,1–9*) und bieten damit eine Erklärung für die religiöse Katastrophe von 587 (die Zerstörung von Stadt und Tempel) und für die Hoffnung auf deren Überwindung. Wie mehrere Studien herausgearbeitet haben, ist dieser Vorstellungszusammenhang in mesopotamischen Texten verschiedener Epochen greifbar. 268 Block hat das Motiv des Verlassens des Tempels/der Stadt („divine abandonment“) in mesopotamischen Texten von sumerischen Stadtklagen aus dem 2. Jt. bis zum Kyros-Zylinder aus dem 6. Jh. gesichtet und folgendes Schema herausgefiltert: „Cause: Human Provocation – Motive: Divine Anger – Effect: Disaster – Deity’s Altered Disposition – Deity’s Return to City – Divine Selection of a Ruler – Final Peace and Prosperity“ 269. Die Beobachtung, dass in den mesopotamischen Texten ein fester Vorstellungszusammenhang vorliegt, ist nicht zuletzt für die redaktionsgeschichtliche Beurteilung der Tempelvisionen von großer Bedeutung. Denn sie spricht gegen die These einer literarhistorischen Differenzierung von Auszug (10,4.18f; 11,23) und Rückkehr der Herrlichkeit JHWHs
261
Vgl. zur Charakterisierung der Grundschicht Konkel, Architektonik, 244–270. Vgl. zur Ursprünglichkeit des MT mit dem emphatisch verdoppelten שערKonkel, Architektonik, 71f. 263 V. 2bα dürfte eine nachträgliche Angleichung an die vorangehenden Visionen sein (vgl. 1,24). Das Motiv war schon in 1,24 nachgetragen, ist dort mit den Flügeln der Wesen verbunden, die in 43,1– 9* keine Rolle spielen. Traditionsgeschichtlich gehört das Motiv auch nicht zu einer JHWH-Theophanie, sondern umschreibt mehrfach das gegen JHWH andringende Chaos (vgl. Ps 29,3; 93,4; Jer 17,12). Vgl. die noch jüngere Exegese in 43,2 LXX und dazu Lust, Exegesis, 211–215. 264 V. 3a dürfte eine nachträgliche buchübergreifende Verzahnung der Visionen darstellen (vgl. auch 3,23a und 8,4), vgl. Zimmerli, BK XIII/1, 1077, und Konkel, Architektonik, 80. 265 Vgl. zu diesem Motiv noch 2,2; 3,12.14; 8,3; 11,1.24: davon sind 8,3 und 11,24 vermutlich ursprünglich. 266 Zur Deutung des hitp. vgl. Sedlmeier, NSK 21/2, 295. 267 Vgl. App. BHS und Ez 40,4. Nach Konkel, Architektonik, 73, wird der Mann durch den fehlenden Artikel mit Absicht „unbestimmt in den Hintergrund versetzt“. 268 Vgl. Block, Gods, 125–161; ders., Divine Abandonment; Bodi, Book, 183–218; Ehring, Rückkehr, 191–203. 269 Vgl. Block, Divine Abandonment, 32f. 262
178
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
(43,1–9*); beide Komponenten des Konzepts liegen aller Wahrscheinlichkeit nach auf ein und derselben literarischen Ebene. 270 Anders als Jes 40* und 52* wird in Ez 8–11* JHWHs Auszug ausführlich begründet, wobei – durchaus ironisch – mit einer Verdrehung von Ursache und Wirkung argumentiert wird. Während die Jerusalemer behaupteten, JHWH habe das Land verlassen (vgl. 8,12; 9,9), womit sie ihre Untaten legitimierten, die darin gipfelten, dass sie das Land mit Gewalttat ( )חמסgefüllt haben (9,9; vgl. 8,17 [sek.]) 271, war JHWH noch präsent und konnte die Verfehlungen sehen. Erst diese provozierten seinen Auszug. 272 Wie in Jes 6 dient dabei das Verb מלאals Leitwort: Das Land wird mit Gewalttat gefüllt (9,9), der Tempel entsprechend mit der Wolke als Zeichen der Abwesenheit JHWHs (10,4). 273 Das Motiv impliziert vor dem Hintergrund der mesopotamischen Rückkehrtexte durchaus ein Festhalten an der Jerusalemer Tempeltheologie: „So long as Yahweh remained in his temple the city stood. However, once he had left, neither gods nor humans could prevent the mighty Babylonian conqueror from storming in.“ 274 Ein weiterer Unterschied zu den dtjes Rückkehrtexten besteht darin, dass Ez 43,1–9* JHWHs Rückkehr in Analogie zu den mesopotamischen Texten explizit als Rückkehr in den eigenen Wohntempel beschreiben, wohingegen Jes 40* und 52* lediglich eine Rückkehr nach Zion-Jerusalem schildern. Da das Konzept im Zusammenhang der dtjes Rückkehrtexte ausführlicher behandelt worden ist, sollen an dieser Stelle lediglich zwei Aspekte hervorgehoben werden, bei denen Ez gegenüber Dtjes eigene Wege geht: Erstens die enge Anbindung an die vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie, die sich vor allem in der Gottesrede Ez 43,7–9 zeigt, und zweitens die astrale bzw. solare Ausdeutung der Rückkehr JHWHs, die in Ez 43,1–6* zum Ausdruck kommt. Beide Aspekte hängen z. T. miteinander zusammen. Hatte sich schon in 10,4bβ die göttliche Gegenwart außerhalb des Tempels mit dem Lichtglanz der Herrlichkeit JHWHs verbunden ( ;נגה כבוד יהוהvgl. 1,27f), so wird dieses Motiv in 43,2bβ im Zusammenhang der Rückkehr JHWHs wieder aufgegriffen und dabei noch ausgeweitet: Die Herrlichkeit JHWHs ( )כבודוmacht, dass die ganze Erde erstrahlt ( אורhi.). Die Vorstellung, dass JHWHs Herrlichkeit eine 270
„[T]he links between Ezekiel’s vision of Yahweh’s departure from the temple in chapters 8–11 and extrabiblical accounts of divine abandonment suggest to the reader that the prophet’s story cannot end with Yahweh’s exit from the land (11:22–23). The pattern of Mesopotamian accounts leads one to expect the appointment of a new king, the institution of peace and prosperity to the people, and the return of Yahweh to his temple.“ (Block, Divine Abandonment, 40). 271 Auch hier ist die Nähe zu P mit Händen zu greifen, vgl. Gen 6,11.13. 272 „To the Babylonians a deity’s abandonment of his temple and his city was provoked by the sins of the people; to the people of Judah, the former justified the latter.“ (Block, Divine Abandonment, 36) 273 S. o. S. 173f, und zum traditionsgeschichtlichen Zusammenhang mit Jes 6 Hartenstein, Unzugänglichkeit, 140–150. 274 Block, Divine Abandonment, 42.
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
179
solch universale Wirkung erzielt, dürfte zunächst einen Topos der Jerusalemer Tempeltheologie spiegeln, der den – auch epigraphisch bezeugten – universalen Herrschaftsanspruch des „Gottes von Jerusalem“ zum Ausdruck bringt: Der auf dem Zion thronende JHWH ist zugleich „der Gott der ganzen Erde“ (ʾlhy kl hʾrṣ) (BLay[7]:1) 275. Als zwei Beispiele aus dem Bereich der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie seien nur Jes 6,3 („Heilig, heilig, heilig ist JHWH Zebaoth, die Fülle der ganzen Erde ist seine Herrlichkeit.“) und Ps 24,1f („JHWH gehören die Erde und ihre Fülle, der Erdkreis und die darauf wohnen.“) genannt. Dieser Topos wird allerdings in Ez 43,2bβ in ganz bestimmter Weise ausgedeutet. Das Besondere sind die durch die Lichtmetaphorik gegebenen solaren Konnotationen. Die Herrlichkeit wird nicht als „Fülle“ ( ;מלאJes 6,3) bezeichnet, sie „offenbart“ bzw. „entblößt“ sich auch nicht ( ;גלהJes 40,5); stattdessen wird durch die Wortwahl an die solare Metaphorik in 1,27f angeknüpft. Das Verb „( אורhell sein/werden“; im hi. „erstrahlen“) ist im Alten Testament u.a. mit dem Hell-Werden am Morgen (z.B. Gen 44,3) oder dem Leuchten der Himmelskörper (Gen 1,15.17) verbunden. Das Nomen „ אורLicht“ beschreibt – neben verwandten Begriffen 276 – in Theophanieschilderungen das Kommen JHWHs nach Art des Sonnengottes, etwa in Hab 3 (vgl. Dtn 33,2; Jes 60,1) 277: „3a Gott kommt von Teman, der Heilige vom Gebirge Paran. Sela. 3b Seine Hoheit ( )הודbedeckt den Himmel und sein Glanz ( )תהלהfüllt die Erde. 4a Und ein Leuchten ( )נגהwie das (Sonnen-)Licht ( )אורerscheint, Strahlen (gehen aus) von seiner Hand, 4b und da(rin) ist die Verhüllung seiner Stärke.“ 278
Öffnet man den Blick über das Alte Testament hinaus, so ist es eben vor allem der Sonnengott, der die Erde mit seinem Lichtglanz bedeckt 279: „(174) Welche Berge denn sind nicht mit deinen Strahlen bekleidet, (175) welche Weltufer denn werden nicht erwärmt von den Strahlen deines Lichts? (176) Der die Finsternis leuchten läßt, die Dunkelheit erhellt, (177) der die Finsternis öffnet, die weite Erde erhellt,
275
Vgl. zu Text und Kommentar Renz/Röllig, HAE I/1, 242–251, sowie Renz, Beitrag, 310f. Vgl. auch Hartenstein, Archiv, 128: „Es zeigt sich hier eine Stadtgottkonzeption, die implizit eine kosmologische Aussage macht: Mit Jerusalem ist auf der horizontalen Ebene ein topographisches und symbolisches Zentrum markiert, dem sein unmittelbares Umland (‚Berge Judas‘) bis hin zur ‚ganzen Erde‘ als Umkreis zugeordnet sind.“ 276 Vgl. zu den bedeutungsverwandten Vokabeln Sæbø, THAT I, 87f. 277 Vgl. zu Dtn 33,2 und Hab 3,4 Leuenberger, Gott, 50f. „Der ursprüngliche Wettergott Jhwh erhält – nach dem Ausgeführten am ehesten wohl in der mittleren Königszeit – sonnenhafte Züge und manifestiert sich nach Art der Sonnengottheiten.“ (A.a.O., 51). Vgl. zu den Belegen auch Kutter, Sonnengottheiten, 380–385, die für eine Spätdatierung der Texte ins 4./3. Jh. plädiert (a.a.O., 383f). 278 Übers.: Perlitt, ATD 25/1, 85. 279 Vgl. zum Traditionshintergrund auch Hartenstein, Unzugänglichkeit, 69–76.
180
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
(178) der den Tag hell macht, mittags Hitze auf die Erde herabsteigen läßt, (179) der die weite Erde wie eine Flamme versengt, (180) der die Tage verkürzt, die Nächte verlängert, (181) der Kälte, Frost, Eis (und) Schnee [entstehen läßt], (182) [der das T]or [aufmacht], den Riegel des Himmels (und) die Türen der Wohnstätten weit öffnet ...“ 280
Die solaren Konnotationen von Ez 43,1–9* gewinnen noch deutlicher an Profil, wenn V. 2a mit einbezogen wird. In Anlehnung an JHWHs Kommen ( )בואvon Norden/Zafon in 1,4 wird JHWHs 281 Kommen ( )בואaus Richtung „Osten“, dem Ort des Sonnenaufgangs, der Kontaktzone von Himmel und Erde, geschildert. 282 Hier wird – wie Konkel richtig gesehen hat – nicht weniger als JHWHs Epiphanie als Sonne beschrieben. 283 „Der Kabod kehrt im Stile des Sonnengottes und nicht des Wettergottes in sein Heiligtum zurück: Der Anbruch des Tages symbolisiert JHWHs Sieg über die Mächte der Finsternis. Die Rückkehr JHWHs in sein Heiligtum konnotiert auf diese Weise Rettung für Israel.“ 284
Die astrale bzw. solare Deutung verbindet nun, und das ist m.W. bislang übersehen worden, die zweite Tempelvision mit der Himmelsvision. Denn schon dort wird die Transformation des Gotteskonzepts vorbereitet, indem JHWH sich von einem vom Zion-Zafon kommenden und von Sturm- und Gewitterphänomenen begleiteten Wettergott (1,4) zu einem im Himmel thronenden und von einem Lichtglanz umgebenen Sonnengott wandelt (1,26–28*). Die Schilderung von JHWHs Rückkehr nach Art des Sonnengottes in Ez 43,1–9* ist somit nicht zu trennen von der Darstellung seiner himmlischen Thronsphäre in Ez 1*. 285
280 Der große Šamaš-Hymnus, Z. 174–182; Übers.: TUAT.NF 7, 72 (Hecker). Die Vorstellung kann mit dem Konzept des melammu verbunden sein: „(11) Dein Schreckensglanz sucht immer wieder [...], (12) die vier Weltufer [setzt du] wie Gir[ra in Brand].“ (Ebd.); vgl. dazu Aster, Light, 73: „The sun’s radiance is here seen as a manifestation of the melammu of Shamash only because the hymn speaks of the power of Shamash and his supremacy. Sunshine is seen as a visual demonstration of his power and supremacy.“ 281 Das feierliche Epitheton „Gott Israels“ ( )אלהי ׳שראלist in 43,2a anders als in der ersten Tempelvision (vgl. die sekundären Belege in 8,4; 9,3; 10,18.19; 11,22) keineswegs ein Indiz für eine Bearbeitung (so etwa Pohlmann, ATD 22/2, 571), sondern bewusst im Hinblick auf 43,7–9 gewählt: Nach seiner Rückkehr nach Jerusalem und in den Tempel ist der Israelbezug für JHWH konstitutiv; weil JHWH für immer „inmitten der Israeliten“ wohnen will (43,7.9), ist er der „Gott Israels“. – Ex 24,9–11 teilt nicht nur mit Ez 1 das Himmels-Thron-Konzept, sondern greift auch den Gottestitel aus 43,2a auf (vgl. zu dem späten Text Hartenstein, Wolkendunkel, 136–152). 282 Vgl. zu den vielfältigen Bedeutungen, die sich im Alten Orient mit dem Osthorizont verbinden, o. S. 108ff. 283 Vgl. Konkel, Architektonik, 264: „Wenn [...] in Ez 43,2 vom Erstrahlen des Landes durch den von Osten kommenden Kabod die Rede ist, dann ist dies als Sonnenaufgang vorzustellen [...]. Ez 43,2 spielt einen Topos der Erscheinung JHWHs als Sonne ein (vgl. z.B. Dtn 33,2; Hab 3,3f; Jes 60,1–4).“ 284 Konkel, Architektonik, 265. 285 Der Zusammenhang wird durch kleinere Querbezüge bekräftigt; vgl. etwa das Niederfallen des Propheten in 43,3 und 1,28 sowie die Einleitung der Gottesreden in 43,5 und 1,28; 2,2.
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
181
Erst von 43,1–9* erschließt sich JHWHs Auszug gen Osten (10,19b*; 11,23). 286 Auch die Konkretion der Vergehen erscheint nach JHWHs Rückkehr in der Rolle des Sonnengottes in einem anderen Licht. Bündelt 43,8b die Schuld des Hauses Israel durch das Stichwort „Greuel“ ()תועבותם אשר עשו, so entsteht dadurch ein Querbezug zur ersten Tempelvision, in der wiederholt von „großen Greueln“ ( )תועבות גדלותdie Rede war (8,6.13.15 u.ö.). Eines aus dieser Reihe, Ez 8,16, mehrheitlich als eine Polemik gegen eine kultische Verehrung der Sonne als JHWH interpretiert, 287 weist ihrerseits auf die Rückkehr JHWHs von Osten voraus: Und er brachte mich zum inneren Vorhof des Hauses JHWHs, und siehe, am Eingang des Tempels JHWHs, zwischen der Vorhalle und dem Altar (waren) etwa 25 Mann mit ihren Rücken zum Tempel JHWHs und ihren Gesichtern gen Osten. Und diese warfen sich [gen Osten] 288 zur Sonne hin nieder.
Die Verbindung der Rückkehr JHWHs mit Lichtphänomenen ruft noch einmal das mesopotamische melammu-Konzept in Erinnerung, das schon für 1,27f herangezogen worden war. Im Horizont der mesopotamischen Rückkehrtexte ist nämlich auf ein im „Erra-Epos“ 289 bezeugtes Motiv zu verweisen. Marduks melammu als Symbol seiner Macht gewinnt dort sichtbare Gestalt in der Intensität des Strahlens seiner Kleidung. 290 Zeigte sich Marduks Machtverlust u.a. an seinem schäbigen Ornat (I, 127f), so geht umgekehrt die Wiedererlangung seiner Souveränität mit der Wiederherstellung seines strahlenden Ornats und der Aufrichtung seines melammu einher (III 50f) 291. „The re-establishment of his power is expressed in three ways. First, his ornaments are made to shine; second, his melammu is raised; and third, he holds his mace. The melammu and the mace are indicators of royal status in Mesopotamian civilization, and the radiant shine is both a universal and a Mesopotamian symbol of power. The return of power is visually represented by the shine of the ornaments, and connected to the god’s melammu.“ 292
Die Betonung der universalen Sichtbarkeit von JHWHs „Herrlichkeit“ in Ez 43,2 („die Erde erstrahlt von seiner Herrlichkeit“) gewinnt vor diesem Hintergrund
286
Mit Ez 8–11* teilt 43,1–9* die Rückkehr in mehreren Etappen (erst östliches Tor [V. 1f], dann „Haus“ [V. 4]). 287 Vgl. z.B. Irsigler, Mythos, 30: „Jene Männer, die mit dem Rücken zum JHWH-Tempel sich nach Osten zur Sonne hin verehrend niederwerfen, werden prophetisch gebrandmarkt, nicht deshalb, weil sie etwa einen solar konnotierten JHWH, sondern weil sie die Sonne als JHWH verehren, obwohl sie sich selber nicht als Verräter am JHWH-Glauben betrachteten.“ Vgl. zu den Deutungsmöglichkeiten Kutter, Sonnengottheiten, 364, Anm. 56. 288 Fehlt in LXX. 289 Vgl. zum Zusammenhang dieses Literaturwerks mit dem Ezechielbuch grundsätzlich Bodi, Book, und für eine deutsche Übers. des „Erra-Epos“ TUAT III, 781–801 (Müller). 290 Vgl. Aster, Light, 54: „In the Poem of Erra, the level of radiance that the god’s garments have indicates the level of the god’s power.“ 291 Vgl. Aster, Light, 55, mit Text und Übers. der Zeilen, die aufgrund des fragmentarischen Charakters von Tafel III nicht in TUAT wiedergegeben sind. 292 Aster, Light, 55f.
182
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
noch deutlicher an Kontur: JHWHs Rückkehr geschieht in königlicher Machtvollkommenheit, und diese ist anhand des Strahlens der Erde universal wahrnehmbar. b.) JHWHs Wohnen im Tempel „inmitten der Israeliten“. Auf die Schilderung der Rückkehr JHWHs folgt eine die Vision und vermutlich eine vorläufige Gestalt des Ezechielbuches abschließende Gottesrede 293: (7)
Und er sprach zu mir: Menschensohn, (siehe) 294 den Ort meines Thrones ( )מקום כסאיund den Ort meiner Fußsohlen ()מקום כפות רגלי, wo ich wohnen werde ( )שכןinmitten der Israeliten ( )בתוך בני־ישראלfür immer. Und nicht mehr wird das Haus Israel meinen heiligen Namen verunreinigen, sie und ihre Könige, mit ihrer Hurerei und mit den Leichen ihrer Könige, bei deren Tod 295, (8) indem sie ihre Schwelle (סף2) 296 neben meine Schwelle und ihren Türpfosten neben meinen Türpfosten setzten, so dass (nur) eine Wand zwischen mir und zwischen ihnen (war) und sie meinen heiligen Namen verunreinigten durch ihre Greuel, die sie getan hatten, so dass ich sie auffraß in meinem Zorn. (9) Nun werden sie ihre Hurerei und die Leichen ihrer Könige von mir fernhalten, so dass ich wohnen werde in ihrer Mitte für immer.
Janowski hat die konzentrische Struktur der Gottesrede herausgearbeitet, die aus einem doppelten Rahmen und einem Zentrum besteht 297 und wie folgt wiedergegeben werden kann: A Verheißung der bleibenden Gegenwart JHWHs „inmitten der Israeliten“ (7a) B Zukünftige Befähigung der Israeliten, JHWH treu zu sein (7b) C Untreue der Israeliten und JHWHs Gericht in der Vergangenheit (8) 293 Vgl. zu den Heilsverheißungen in Ez 37,25ff Klein, Schriftauslegung, 169–210, die in den Wohnaussagen von 37,25–28* „eine gegenüber 43,6–7a sekundäre Nachinterpretation“ (a.a.O., 193) erkennt. 294 Mit Konkel, Architektonik, 73, ist die Konstruktion als Anakoluth zu deuten. 295 Vgl. App. BHS und Konkel, Architektonik, 73. „Der Ausdruck meint schlicht ‚bei ihrem Tod‘: Da in vorexilischer Zeit Tempel- und Palastbereich direkt aneinandergrenzten (43,8), hatte der Tod eines Königs in seinem Haus die Verunreinigung des Tempels zur Folge. Von daher ist an der Übersetzung ‚und die Leichen ihrer Könige‘ von ופגרי מלכיהםfestzuhalten.“ Allenfalls könnte man mit Schmitt, Totenversorgung, 503f, noch an Königsbestattungen denken: „Ez 43,7ff polemisiert wahrscheinlich gegen den Brauch der Bestattung der Könige im Palast und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tempel, der durch die Nähe der Kadaver verunreinigt wird.“ Anders z.B. Kühn, Totengedenken, 397, nach der in Ez 43,7–9 „mit großer Wahrscheinlichkeit ein Kult für die verstorbenen Könige“ angeprangert werde. 296 Wenn in Ez [9,3.]10,4.18 מפתןund in 43,8 סף2 verwendet wird, so ist dies kein Grund für eine literarhistorische Differenzierung. „Vielmehr handelt es sich um einen bewußt verwendeten unterschiedlichen Aspekt des Schwellensteins: סףII meint die Innenseite, מפתןdagegen die Außenseite der Schwelle.“ (Zwickel, סףII, 27). In 43,8 ist demnach der „erhöhte, nach außen gerichtete Bereich des Schwellensteins“ (a.a.O., 26) gemeint. Mit dem „Türpfosten“ ()מזוזה, der sich auf der vertieften Innenseite des gestuften Schwellensteins befand (vgl. a.a.O., 26), kommen somit beide Bereiche der Schwelle als Kontakt- und Grenzzone in den Blick. 297 Vgl. Janowski, Schekina-Theologie, 125f. – Die kunstvolle Struktur des Abschnitts bestätigt noch einmal die Einheitlichkeit von 43,7–9; vgl. Konkel, Architektonik, 80: „Die Entfernung auch nur eines Elements aus 7–9 zerstört den Gesamtzusammenhang.“
5.4 Die Tempelvisionen in 8–11* und 40ff
183
B0 Zukünftige Befähigung der Israeliten, JHWH treu zu sein (9a) A0 Verheißung der bleibenden Gegenwart JHWHs „inmitten der Israeliten“ (9b)
Auch die Gottesrede knüpft durch Stichwortbezüge an die erste Tempelvision an. So weisen die „Greuel“ in V. 8 zurück auf die stereotype Aufzählung von „großen Greueln“ in 8,3ff, und JHWHs wohnen „inmitten der Israeliten“ ()בתוך בני־ישראל wirkt wie eine Anspielung auf JHWHs Auszug aus der „Mitte der Stadt“ ()תוך העיר in 11,23. 298 Was die Verheißung der bleibenden Gegenwart JHWHs betrifft, die die Einheit eröffnet und beschließt und damit als den eigentlichen Zielpunkt markiert, so ist sowohl eine Anlehnung an die vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie als auch eine Transformation derselben zu konstatieren. Die Himmelsvision sowie die Tempelvisionen weisen Bezüge zur Jerusalemer Thronvorstellung auf. In Ez 1* ist dieser Zusammenhang implizit durch das Kommen JHWHs „vom Zafon“ (V. 4; vgl. Ps 48,3) sowie durch die Elemente „Thron“ und „Herrlichkeit“ (V. 26–28*) vorhanden. In der ersten Tempelvision Ez 8–11*, die auf die Zerstörung des irdischen Wohnsitzes JHWHs hinausläuft, ist der Begriff „Thron“ ( )כסאnur in Anlehnung an 1,27 sekundär belegt (10,1). Der im Tempel gedachte Kerubenthron (vgl. den Titel „Kerubenthroner“ in 1 Sam 4,4; 2 Sam 6,2; Ps 99,1 u.ö.) wird lediglich angedeutet durch die Formulierung „aus dem Zwischenraum hinsichtlich der Keruben“ (מבינות לכרובים, 10,2*.7*), was statt auf die zu erwartende Verortung der glühenden Kohlen auf dem Räucheraltar (der sich historisch vermutlich am Eingang des Tempels befand 299) auf das Allerheiligste und näherhin auf den dort stehenden Thron anspielen dürfte. 300 Erst die zweite Tempelvision spricht, nachdem das Gericht vorbei ist, in Bezug auf Jerusalem als dem irdischen Wohnsitz JHWHs wieder explizit von JHWHs „Thron“ ( )כסאund seinem „Fußschemel“ ( )הדם301 (43,7a) (vgl. zu מקוםals Heiligtumsbegriff z.B. Ps 24,3 und Gen 28* 302) – Begriffe, die mit der Gottesbergvorstellung verbunden sind (vgl. auch den „Berg“ in 11,23). Allerdings fehlt – wie schon in Ez 1 (und wie in P) – das Verb „ ישבsitzen/thronen“.
298
Vgl. für weitere Querbezüge Konkel, Architektonik, 78f. Vgl. Zwickel, Tempel, 144. 300 Vgl. Sedlmeier, NSK 21/1, 150. 301 Gemeint ist bei „Ort meiner Fußsohlen“ der zum Thron gehörende Fußschemel (vgl. Jes 66,1; Ps 99,5, 110,1; 132,7; Klgl 2,1; 1 Chr 28,2) „Im Alten Testament kann der Zion bald als Thronsitz (Ps 9,12; 68,17; Jer 14,19.21) bald als Fußschemel (Ps 99,5.9; Klgl 2,1) Jahwes verstanden werden. In Jer 17,12 wird der ‚Ort des Heiligtums‘ [...] als hochragender Thron, in Jes 60,13 als Fußschemel (‚Ort meiner Füße‘) bezeichnet. Ez 43,7 verbindet beide Vorstellungen – Thron und Fußschemel – mit dem auf hochragenden Berg errichteten Heiligtum.“ (Metzger, Wohnstatt, 156). „Die Austauschbarkeit von Berg, Heiligtum, Thron und Fußschemel ist im Alten Testament auf dem Hintergrund der Gesamtkonzeption der Gottesbergvorstellung zu sehen.“ (Ebd.). Vgl. zur Tempeltheologie als Traditionshintergrund der Begriffe auch Janowski, Schekina-Theologie, 126f. 302 Vgl. Metzger, Wohnstatt, 148f, Anm. 31. 299
184
5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Die Jerusalemer Tempeltheologie mit ihrer Vorstellung von einem Wohnen JHWHs auf dem Zion (vgl. Jes 8,18) bzw. im Tempel (1Kön 8,12; mit ישב: Jes 6,1) wird aber nun transformiert zu einem Wohnen im Tempel (so betont V. 7aα!) „inmitten der Israeliten“ (V. 7aβ). 303 „Man kann diese Transformation so beschreiben, dass die Schekina-Theologie ihre ausschließliche vertikale Dimension einbüßt und um eine horizontale Dimension ergänzt oder erweitert wird, d. h. sie erhält jetzt zusätzlich eine nationale, auf die Restitution Israels als ‚Volk Gottes‘ bezogene, geradezu ‚ekklesiologische‘ Dimension, insofern JHWH statt im Tempel oder auf dem Zion nunmehr ‚inmitten der Israeliten‘ wohnen will.“ 304
43,7a und 9b teilen mit der Priesterschrift die Formel „wohnen inmitten der Israeliten“ (vgl. Ex 25,8; 29,45f), so dass „in jedem Fall mit einer traditionsgeschichtlichen Abhängigkeit zu rechnen ist“ 305. Anders als in P wird aber die Thronvorstellung rezipiert. Auch der Aspekt der bleibenden Gegenwart ( )לעולםist gegenüber P herausgestellt. Möglicherweise rezipiert Ez 43,1–9* hier ebenfalls Jerusalemer Tempeltheologie. Denn auch der alte Tempelweihspruch 1Kön 8,12 306 spricht von einem immerwährenden Wohnen ( )שכןim Wolkendunkel des Tempels ()מכון לשבתך עולמים.
5.5 Versuch einer redaktionsgeschichtlichen Einordnung der Visionen Innerhalb der drei Visionen Ez 1–3*, 8–11* und 40ff konnten jeweils Grundschichten rekonstruiert werden, die durch sprachliche und konzeptionelle Querbezüge untereinander verknüpft sind. Gleichwohl sind nach Abzug zahlreicher sekundärer Angleichungen und Systematisierungen zwischen den Tempelvisionen und der Himmelsvision auch die Unterschiede insbesondere in der Darstellung der Thronsphäre JHWHs in Ez 1–3* einerseits und 8–11*.40ff andererseits deutlich geworden. Nach Ez 1* erscheint die Herrlichkeit JHWHs in Wetter- und Lichtphänomenen dem Propheten im Land der Verbannten (V. 4 und 22–28*). Viergesichtige, stierfüßige Wesen mit Flügeln (V. 5–11*) tragen eine Platte, die als Basis für den Gottesthron und eine Menschengestalt fungiert (V. 22–28*). In
303
Vgl. zur Traditionsgeschichte des Motivs Janowski, Einwohnung. Janowski, Einwohnung, 263. Damit präzisiert Janowski frühere Ausführungen zum Thema (vgl. ders., Schekina-Theologie, bes. 144) und reagiert auf die Kritik von Rudnig, Gottes Gegenwart, 268.277f, der von einer „unzulässige[n] Engführung“ (a.a.O., 278) in Janowskis Deutung der exilischen Schekina-Theologie spricht, weil darin der Tempelbezug verloren zu gehen drohe. Mit Rudnig ist in jedem Fall zu betonen, dass sich in Ez 43.7.9 ebenso wie in P „die Verheißung, inmitten des Volkes wohnen zu wollen, auf die Gegenwart im Heiligtum, das jeweils im unmittelbaren Kontext genannt wird [bezieht]“ (ebd.). 305 Konkel, Architektonik, 266. 306 Vgl. hierzu Leuenberger, Gott, 44–47. 304
5.5 Versuch einer redaktionsgeschichtlichen Einordnung der Visionen
185
Ez 8–11* befindet sich die Herrlichkeit JHWHs im Jerusalemer Tempel über den Keruben, von denen sie sich in mehreren Etappen entfernt: Von den Keruben auf die Tempelschwelle (10,4), vom Tempel zum östlichen Tor (10,18f), aus der Mitte der Stadt zum Berg östlich der Stadt (11,23). Die Unterschiede könnten für eine literarhistorische Differenzierung zwischen Ez 1* einerseits und den Tempelvisionen andererseits sprechen. Doch gibt es m. E. gute Argumente für einen ursprünglichen Zusammenhang der drei Visionen: 1. Dass JHWHs Rückkehr in 43,1–9* nach Jerusalem und in den Tempel seinen in 8–11* geschilderten Auszug voraussetzen, steht außer Frage. 2. Vor dem Traditionshintergrund der mesopotamischen Rückkehrtexte, in denen Auszug und Rückkehr der Gottheit einen festen Vorstellungszusammenhang bilden, blieben aber umgekehrt auch die Auszugsnotizen in 8–11* ohne ihre erzählerische Fortsetzung in 43,1–9* ein Fragment. Insbesondere zielt JHWHs Auszug aus Jerusalem gen Osten (10,19b*; 11,23) von vorneherein auf seine Rückkehr als Sonnengott in 43,1–6*. Ohne die zweite Tempelvision bliebe diese Richtungsangabe unerklärlich. 3. Die Funktion von „Wolke“ und „Lichtglanz“ in 10,4 (dort determiniert!) setzt deren entsprechende Einführung in 1,4.27f voraus. 4. Ebenso knüpft JHWHs Rückkehr als Sonnengott in 43,2* an seine solare Charakterisierung in 1,27f an. 5. In allen drei Visionen wird der göttliche – כבודin Analogie zum kontemporären mesopotamischen melammu-Konzept – als strahlendes Lichtphänomen beschrieben (vgl. 1,27f; 10,4; 43,2*). Die Unterschiede in der Darstellungsweise dürften dagegen nicht zuletzt dem unterschiedlichen Setting der Visionen geschuldet sein: In Ez 1* sieht der Prophet die himmlische Thronsphäre JHWHs nicht im Jerusalemer Tempel (vgl. Jes 6*), sondern unter den nach Babylon Deportierten (stilistisch markiert durch die vielen Vergleiche und Pufferbegriffe, inhaltlich durch die intensive Rezeption babylonischer Traditionen). 307 Die beiden Tempelvisionen sind demgegenüber auf den (alten und neuen) irdischen Jerusalemer Tempel bezogen, die Anknüpfung an die Gegebenheiten der vorexilischen Tempeltheologie ist viel stärker (auch fehlen in den Grundschichten die für Ez 1* charakteristischen Stilmittel sowie das babylonische Lokalkolorit). Für eine redaktionsgeschichtliche Einordnung der Grundschichten der drei Visionen ist deren Pro-Gola-Perspektive entscheidend: Der Prophet als Vertreter der ersten Gola sieht JHWH unter den Verbannten (Ez 1–3*), die zurückgebliebenen Bewohner Jerusalems sind dagegen für JHWHs Auszug aus dem Tempel und das folgende Gericht, als Deutung der Ereignisse von 587ff, verantwortlich
307 Dieser Gedanke ist in 11,16b in einem jüngeren Abschnitt aufgegriffen und im Sinn einer zeitlich befristeten Tempelpräsenz JHWHs unter den Verbannten gedeutet worden.
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
(8–11*). 308 Die These einer Pro-Gola-Redaktion, wie sie nach Vorläufern vor allem von Pohlmann begründet worden ist, ist allerdings in zweierlei Hinsicht zu modifizieren: Zum einen ist mit Schmid davon auszugehen, dass schon die der Pro-Gola-Redaktion vorgegebene Buchgestalt eine wenigstens implizite Golaorientierung aufwies. „Der historische Prophet Ezechiel gehörte offenbar selbst zu den 597 v. Chr. nach Babylon Deportierten, dementsprechend sind die Worte seines Buches in ihren Datierungen durchgehend auf dieses Datum geeicht.“ 309 Dies würde es u.a. ermöglichen, die gegenüber der Himmelsvision als älter eingestufte Buchrollenvision mit der Datierung nach Jojachin und ihrer Verortung unter den Verbannten (1,2f; 2,9–3,9*) einem älteren Prophetenbuch aus der ersten Hälfte des 6. Jh. zuzuweisen, 310 die möglicherweise in Babylon zu verorten ist, bevor das Buch in Palästina von den Heimgekehrten für ihre Zwecke neu gestaltet und insbesondere um die großen buchstrukturierenden Visionen erweitert worden ist. 311 Zum anderen ist die von Pohlmann und Rudnig vorgeschlagene Datierung der Pro-Gola-Redaktion ins 5. Jh. v. Chr. 312 kritisch zu hinterfragen. Vor allem zwei Gründe sprechen für eine Ansetzung der Visionen als Teil der Pro-Gola-Redaktion in die beginnende persische Epoche, 313 in zeitlicher Nähe zur Priesterschrift: 1. Konkel hat für eine spätexilische Datierung von Ez 40ff zahlreiche Argumente beigebracht: Vor allem die in 40–42* geschilderte Architektur sowie die in 43,7–9 beschriebene unmittelbare Nachbarschaft von Tempel und Palast spiegeln noch vorexilische Verhältnisse. „Dies läßt insgesamt den sicheren Schluß zu, daß die Grundschicht der zweiten Tempelvision der exilischen Zeit entstammt. Der terminus post quem für die Abfassung ist aufgrund des in 40,1 genannten Datums der 28. April 573. [... ] Denkbar wäre, daß den Anstoß für die Ausarbeitung des Entwurfs die Begnadigung Jojachins durch Amel-Marduk (562 v. Chr.) gab.“ 314 308 Vgl. auch Schmid, Hintere Propheten, 366f, sowie Nihan, Ezechiel, 423: „Das von der Deportation 597 v. Chr. verschonte und danach auf sich selbst gestellte Volk ist durch seine Untaten und Greuel verantwortlich für den Auszug der Gottheit (Ez 8–11*), die offensichtlich den 597 v. Chr. Exilanten (sic.!) nach Babylon folgt (11,22–25), sowie für die Zerstörung der Stadt.“ 309 Schmid, Literaturgeschichte, 168. 310 Vgl. Behrens, Visionsschilderungen, 206. 311 Vgl. Albertz, Exilszeit, 264. 312 Vgl. Pohlmann, ATD 22/1, 34 (ausgehendes 5. Jh.); Rudnig, Heilig, 194–197 (erste Hälfte 5. Jh.). 313 Schmid, Literaturgeschichte, 166–170, mahnt zwar einen größeren zeitlichen Abstand zu 597 an, da es sich „um Legitimationstexte für Heimkehrer aus dem Exil zu handeln [scheint]“ (a.a.O., 167), gibt jedoch zu bedenken, dass die golaorientierten Texte des Jeremiabuches die entsprechenden Texte des Ezechielbuches schon voraussetzen dürften (vgl. a.a.O., 168). Dementsprechend datiert er die Redaktion in die frühe Perserzeit (vgl. a. a.O., 131). Nihan, Ezechiel, 428, setzt die Redaktion am Ende des 6. Jh. an. 314 Konkel, Architektonik, 269. Mit der zweiten Tempelvision argumentiert auch Albertz, Exilszeit, 264: „Da die teilweise utopischen Konzepte von Ez 40–48 jedoch nur zum geringsten Teil mit der ab 520 geschaffenen Realität übereinstimmen, ist es ganz unwahrscheinlich, daß sie noch nach Abschluß des Tempelbaus 515 entwickelt sein sollten.“ Vgl. auch Schmid, Literaturgeschichte, 132.
5.6 Fazit
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2. Die Nähe zur Priesterschrift, die nicht im Sinn einer schlichten literarischen Abhängigkeit des einen vom anderen Literaturbereich zu beantworten ist, spricht für eine wechselseitige traditionsgeschichtliche Abhängigkeit und damit für eine zeitnahe Entstehung. Die Nähe zur Priesterschrift gilt im Übrigen nicht nur für Ez 1* 315, sondern ist auch in den Tempelvisionen mit Händen zu greifen (etwa der Hauptvorwurf an die Bewohner Jerusalems in Ez 9,9 mit dem Schlagwort „ חמסGewalt“ aus Gen 6,11.13; signifikant ist auch die Wendung „wohnen inmitten der Israeliten“ in 43,7a.9b, vgl. Ex 25,8; 29,45f 316). 317 Wenn Ez 43,1–9* richtig als Ziel- und Höhepunkt der Pro-Gola-Buchedition bestimmt ist, dann ist darüber hinaus die strukturelle Nähe zur Priesterschrift in Anschlag zu bringen: Auch P findet gemäß dem Konsens der Forschung in Ex 40* bzw. Lev 9*/16* mit der Einwohnung der Herrlichkeit JHWHs im Zeltheiligtum seinen Ziel- und Höhepunkt.
5.6 Fazit In den Visionen Ez 1–3, 8–11 und 40ff können jeweils Grundschichten rekonstruiert werden, die vielfach aufeinander Bezug nehmen und Teil der Pro-GolaRedaktion des Ezchielbuches aus der beginnenden persischen Zeit sind. Ez 1* erscheint JHWH in seiner himmlischen Thronsphäre dem Propheten. Das Besondere ist dabei nicht, dass der Thron mobil ist, sondern dass in Ez 1* die himmlische Thronsphäre an einem (anderen, nichtkultischen) irdischen Ort erscheint, nämlich bei den Verbannten von 597 318 (vgl. die jüngere Deutung in 11,16b); in Ez 43* ist gemäß altorientalischer Tempeltheologie der Normalzustand wieder hergestellt: Der Jerusalemer Tempel ist Wohnstatt JHWHs und damit „Himmel auf Erden“. 319
Auch Rudnig rechnet mit „(golaorientierte[n]) Programmen aus exilischer und frühnachexilischer Zeit“ (Heilig, 198). 315 Vgl. Behrens, Visionsschilderungen, 195: „Die verklausulierte ‚Gottesbeschreibung‘ in Ez 1 geht nicht auf Ezechiel selbst zurück, sondern stammt vermutlich von Prophetenschülern, die sprachlich und sachlich der Priesterschrift nahestehen.“ Vgl. zum Verhältnis von Ez 1 und P auch a.a.O., 193– 198. Vgl. zu einer Datierung von Ez 1 in zeitlicher Nähe zu P auch Hartenstein, Wolkendunkel, 152. 316 „Die Parallelen weisen einen derart engen sprachlichen Bezug auf, daß in jedem Fall mit einer traditionsgeschichtlichen Abhängigkeit zu rechnen ist, doch dürfte es schwer sein, die Richtung der Abhängigkeit zu bestimmen.“ (Konkel, Architektonik, 266). 317 Vgl. zum Verhältnis von Ez 40ff und P Konkel, Architektonik, 267f, und zum Verhältnis von Ezechielbuch und Priesterschrift Schwagmeier, Untersuchungen, 347 mit Anm. 1246 u. 1249 (Lit.). 318 Hartenstein, Wolkendunkel, 148, sieht „die Pointe der in Ez 1 (und 10,1ff.) geschauten ‚Thronherrlichkeit‘ Gottes in einer im Verhältnis zur vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie neuartigen kosmologischen Verortung des JHWH-Throns, die dessen Überlegenheit und seine (in der Vision) ermöglichte Zugänglichkeit angesichts von Tempelzerstörung und Exil herausstellt.“ 319 Vgl. Wagner, Herrlichkeit, 285: „Mit der Rückkehr des kābôd ist die himmlische Thronsphäre im Tempel präsent.“
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5 JHWHs himmlischer Thron: Gott und der Himmel in den Visionen des Ezechielbuches
Anders als Jes 6 (z.B. die Serafen) ist die Vision eindeutig vor mesopotamischem Traditionshintergrund zu deuten. Diesen bilden ikonographische Darstellungen von Gottheiten in der Flügelsonne sowie eine u.a. in KAR 307 bezeugte mesopotamische Himmelstradition, nach der der obere Teil des Kosmos aus drei übereinander geschichteten, auf Steinplatten basierenden Himmeln besteht, deren mittlerer den babylonischen Hauptgott Bel-Marduk in Gestalt einer thronenden Sonnengottheit beherbergt. In KAR 307, einem Enūma eliš rezipierenden neuassyrischen Kommentartext, sind seinerseits religionsgeschichtliche Verschiebungen zu beobachten. Die entscheidende weltbildhafte Verschiebung zwischen Enūma eliš und KAR 307 besteht m. E. darin, dass der gemäß traditioneller Tempeltheologie entscheidende kosmische Bereich – die irdisch-menschliche Ebene mit Babylon als Nabel der Welt und Zentrum der vertikalen Weltenachse – in KAR 307 durch den Himmel ersetzt wird: Der göttliche Held Marduk hat seinen Wohnsitz nach Enūma eliš im irdischen Heiligtum (im Esagil in Babylon), in KAR 307 dagegen im himmlischen Heiligtum, dem Bereich, der in Enūma eliš für Enlil vorgesehen war. Darin drückt sich nicht nur die weitere Erhöhung Marduks aus (er steht im Enūma eliš grundsätzlich schon an der Spitze des babylonischen Pantheons), sondern auch eine Neubewertung des Himmels als göttlichem Thronsitz im Zusammenhang einer fortschreitenden Astralisierung der Hauptgötter. Vor diesem Hintergrund sind die solaren Konnotationen in den Ezechielvisionen zu verstehen (vor allem 1,27f; 10,4; 43,2). Die Beschreibung des כבודin Ez 1*, der anders als in der Tempeltheologie der vorexilischen Zeit nicht nur Attribut, sondern lichthaft wahrnehmbare Repräsentationsgestalt JHWHs ist, sowie seine Rückkehr „von Osten“ in Ez 43,2, bei der die ganze Erde aufstrahlt, präsentieren JHWH in der Rolle des Sonnengottes. Die solaren Konnotationen sind weder in Bezug auf den JHWH-Glauben im Allgemeinen noch auf den Jerusalemer Tempel im Besonderen neu. Neben der vorgegebenen Ost-West-Ausrichtung des Tempels spricht eine ganze Reihe von Gründen für die Annahme, dass der Staats- und Dynastiegott JHWH bereits in vorexilischer Zeit solare Züge aufwies, und es ist nicht auszuschließen, dass Jerusalem und der Tempel schon in vorisraelitischer Zeit mit solarer Symbolik verbunden waren. 320 Neu ist allerdings in den Visionen, dass die Solarisierung JHWHs mit der כבודKonzeption und der Frage nach seiner (himmlischen und irdischen) Präsenz verbunden ist. Wie in Dtjes JHWHs Thronen im Himmel (über dem Horizontkreis) mit seiner Herrschaft über die Sterne und astralen Konnotationen verknüpft war, so geht auch hier JHWHs Thronen über der Himmelsplatte mit einer Übernahme von Zügen des Sonnengottes einher. Mit den solaren Charakteristika übernimmt JHWH auch traditionelle Funktionen des Sonnengottes: JHWH erscheint in den
320 Vgl. Leuenberger, Gott, 39–60. Vgl. zu „JHWH als ‚Sonnengott‘ in Israel und Juda“ die eingehende Studie von Kutter, Sonnengottheiten, 355–417.
5.6 Fazit
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Visionen als Richter der Ungerechten (Ez 8–11*; vgl. 43,7b–9a) und Retter seines Volkes (Ez 40ff, bes. 43,2). Die himmlische Position sowie die Betonung seiner strahlenden „Herrlichkeit“ (in Anlehnung an das mesopotamische melammuKonzept) streichen JHWHs einzigartige universale Macht als Königsgott heraus. JHWHs Thronen „auf der Himmelsplatte“, wie es in Ez 1* in Aufnahme einer babylonischen Tradition vielleicht erstmals im Alten Testament bezeugt ist, hat inner- (vgl. etwa Ex 24,9–11; Dan 7) wie außerbiblisch (vgl. etwa die Henochliteratur) eine grandiose Wirkungsgeschichte entfaltet.
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift 6.1 Entstehungsgeschichtliche Vorbemerkungen Die Priesterschrift gilt in der alttestamentlichen Wissenschaft als derjenige Literaturbereich, welcher sich aufgrund von sprachlichen und sachlichen Merkmalen am sichersten abgrenzen und literarhistorisch einordnen lässt. 1 Gleichwohl gibt es auch hier strittige Fragen. Die vorliegende Untersuchung geht von folgenden literarhistorischen Grunddaten aus: 1. Was den literarischen Charakter der Priesterschrift (Pg) 2 angeht, halte ich es mit der Mehrheit der Forschung weiterhin für wahrscheinlicher, dass diese ursprünglich als selbständige Quelle existiert hat, bevor sie mit der nichtpriesterschriftlichen Literatur auf unterschiedliche Weise verschmolzen worden ist. 3 Allerdings sind – ganz offensichtlich in der Erzelterngeschichte, 4 weniger offensichtlich in der Exodusgeschichte 5 und noch weniger in der Sinaigeschichte – nichtpriesterschriftliche Texte bzw. Traditionen bekannt: Die Priesterschrift reagiert auf das ältere Material, korrigiert es mitunter, ist in jedem Fall nicht völlig frei in der Darstellung. 6 1 Carr, Formation, 109, vergleicht die Rekonstruktionsunterschiede von priesterschriftlichen Texten auf der einen und nichtpriesterschriftlichen Texten auf der anderen Seite mit den Unterschieden in der Rekonstruktion des Johannesevangeliums einerseits und der Synoptiker andererseits in Tatians Diatessaron: „John in the Diatessaron would be the equivalent to ‚P‘ in the Pentateuch.“ 2 g P steht für die Priestergrundschrift. Es hat sich in der Forschung bewährt, Ergänzungen der noch selbständigen Priesterschrift (Ps für „sekundär“) von Ergänzungen zu unterscheiden, die die Verbindung mit dem nichtpriesterschriftlichen Material bereits voraussetzen (RP für „Pentateuchredaktion“). 3 Vgl. zu den Argumenten z.B. Kratz, Komposition, 247; Zenger/Frevel, Werk, 194–196; Gertz, Tora, 241f. 4 Vgl. auch Gertz, Tradition, 391, der in Erwägung zieht, dass P in Gen 12ff als eine Redaktion des vorgegebenen nichtpriesterschriftlichen Bestands gedeutet werden könnte. 5 Vgl. aber etwa Albertz, ZBK 2.1, 21f, der im Bereich von Ex 1–18 P als Bearbeitungsschicht beurteilt. 6 Insofern ist P auch nicht als unabhängige, sondern als eigen- oder selbstständige Quellenschrift zu bestimmen. Vgl. auch Carr, Formation, 294: „Based on the above-described links of P and nonP, it is apparent that the authors of P know of the existence of that post-D composition and could presuppose that their audience does as well.“ – Einen eigenen Lösungsweg, diesem komplexen Befund gerecht zu werden, geht Blum, der die priesterliche Schicht weder eindeutig als Quelle noch als Bearbeitung einstufen möchte und zugleich die damit einhergehenden Interpretationsprobleme anspricht: „Z. T. erweisen sich die priesterlichen Texte eben als Bearbeitungen, die in Anlehnung an und im Zusammenspiel mit der vor-priesterlichen Überlieferung gedeutet werden wollen, z. T. aber stehen
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
2. Während der Anfang der Priesterschrift in Gen 1,1–2,3 außer Frage steht, ist ihr Ende und Zielpunkt umstritten. Das Gros der Forschung ist der Ansicht, dass das Ziel der priesterschriftlichen Ursprungsgeschichte Israels am Sinai erreicht ist, wo Gottes Verheißung seiner Gegenwart bei seinem Volk realisiert wird (vgl. den Verweiszusammenhang Gen 17,7f → Ex 6,7 → Ex 29,45f). Doch hier kommen in gleicher Weise Texte wie Ex 29*, Ex 40*, Lev 9* oder Lev 16* in Betracht. Tut man das verbreitete Vorurteil beiseite, P habe in erster Linie narrative Texte enthalten, könnte die Grundschrift ohne Weiteres im Sühneritual in Lev 16* ihren würdigen Höhe- und Schlusspunkt haben. 7 3. Aus inhaltlich-konzeptionellen Gründen ist die Priesterschrift 8 vermutlich in der persischen Epoche entstanden. 9 Nicht leicht zu beantworten ist indes die Frage nach dem Verhältnis zum Zweiten Tempel, nämlich ob die Priesterschrift eine Gründungslegende des bereits errichteten Tempels oder einen „kritisch-utopischen Beitrag zur Diskussion um den noch nicht vollendeten Tempelbau“ 10 bietet. Für Letzteres spricht, dass wesentliche Anliegen der Priesterschrift im Zweiten Tempel keine Entsprechung gefunden haben, 11 so dass eine Datierung um 520 v. Chr. am wahrscheinlichsten ist. 12 sie distanziert, kontrastierend oder gar korrigierend neben der vorgegebenen Überlieferung, ohne mit dieser harmonisiert werden zu wollen – und zwischen diesen Möglichkeiten ist wiederum mit einer Reihe von Zwischentönen zu rechnen.“ (Studien, 222). Vgl. auch Wöhrle, Fremdlinge, der die priesterlichen Texte in den einzelnen Überlieferungskomplexen unterschiedlich, teils als Redaktion und teils als Quelle, beurteilt. 7 Vgl. die ausführliche Darstellung der vertretenen Positionen bei Zenger/Frevel, Werk, 196– 203, sowie die eingehende Diskussion bei Nihan, Torah, 20–30; zu Lev 16 als Schlussstein von Pg vgl. Köckert, Leben, 105, und vor allem die eingehende Begründung dieser These bei Nihan, Torah. 8 In diese Grundschrift sind aller Wahrscheinlichkeit nach ältere priesterliche Traditionen eingegangen, vgl. Carr, Formation, 294–296. „Thus, the author(s) of P ... should be conceived not as composers of brand new works but as combined collectors and expanders of tradition, and any effort at dating their work should be focused not on the material they likely appropriated (e. g., Gen 1:1–2:3 or Leviticus 1–7, 14, etc.) but on the connecting narrative and broader narrative frame that more likely originated with them.“ (A. a.O., 296). 9 Vgl. z.B. Gertz, Tora, 243f, sowie die ausführliche Begründung bei Nihan, Torah, 383–394, der eine Ansetzung zu Beginn des 5. Jh. präferiert. 10 Zenger/Frevel, Werk, 203. 11 So z.B. das für die priesterliche Sühnetheologie fundamentale Ensemble aus Lade und Kapporet Ex 25,10ff. Vgl. zum utopischen Charakter von P auch Carr, Formation, 297f „[T]he earliest form of the Priestly tabernacle narrative seems to have described the creation of a utopian wilderness tabernacle unconnected to the specifics of the Second Temple ... “ (A.a.O., 297); einen utopischen Entwurf sieht auch Weimar, Studien, 316f, der allerdings vor dem Hintergrund eines kleineren Bestands der Grundschrift anders argumentiert. 12 Zu dieser Ansetzung sowie zu Überlegungen zu Entstehungsort und Trägerschaft vgl. Zenger/Frevel, Werk, 203: „Versteht man das starke Interesse von Pg am Heiligtum nicht als Ätiologie der nachexilischen Kultgemeinde mit dem 515 v. Chr. wiedererrichteten Jerusalemer Tempel als Zentrum ..., sondern als kritisch-utopischen Beitrag zur Diskussion um den noch nicht vollendeten Tempelbau, legt sich eine Datierung um 520 v. Chr. nahe ... Als Entstehungsort und -milieu sind Priesterkreise im Exil anzunehmen, die mit Pg eine Grundlagenreflexion in der Gottes- und Geschichtskrise des Exils durchführen, wobei sie sich bei ihrer schöpfungstheologischen Grundlegung in Gen 1–11* zugleich kritisch mit den babylonischen Schöpfungs- und Sintflutmythen auseinander setzen (Auf-
6.2 Der lexikalische Befund
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6.2 Der lexikalische Befund Das hebräische Lexem „ שמיםHimmel“ begegnet in der Priesterschrift 21mal 13, davon entfallen 10 Vorkommen auf Gen 1,1–2,3. Eine Durchsicht der Belege zeigt, dass שמיםin der Priesterschrift – vielleicht abgesehen von dem Merismus in Gen 1,1 – ausschließlich den sichtbaren Himmel bezeichnet, also mit sky ins Englische übersetzt werden müsste. Einmal abgesehen von Gen 1,6–8, dem Bericht über die Erschaffung des Himmels, erfährt man in der Priesterschrift vergleichsweise wenig über den Himmel: שמיםist der Ort der Gestirne (Gen 1,14–19), er begrenzt den Lebensraum der Flugtiere (Gen 1,20b), die als עוף־השמיםbezeichnet werden können (Gen 1,26.28.30; vgl. 9,2), er markiert den irdischen Bereich „unter dem Himmel“ (Gen 1,9; 6,17; 7,19) oder dient als Richtungsangabe (wenn etwa Mose im Plagenzyklus Ofenruß gen Himmel streut [Ex 9,8.19] oder seine Hand gen Himmel streckt [Ex 9,22.23; 10,21.22]). Selbst Gen 1,6–8, die einzige Stelle, in der Gott und Himmel explizit in ein Verhältnis gesetzt werden, verrät wenig über die nähere Beschaffenheit des Himmels. Vor allem das Verschweigen der himmlischen Welt ist bemerkenswert, zumal zeitnahe biblische Texte den Gotteshimmel als wichtiges Thema entdecken. In Ez 1 schaut der Prophet in einer Vision die oberhalb der Himmelsplatte thronende Gottesherrlichkeit. 14 Jes 40,22 verbindet die Erschaffung des Himmels durch JHWH mit dessen kosmischem Wohnsitz. 15 Hi 1f gewährt der Leserschaft tiefe und vielsagende Einblicke in den himmlischen Hofstaat. Wie ist dieser Befund in der Priesterschrift zu deuten? Öfter wird angenommen, das Desinteresse an der himmlischen Welt sei dem weit entwickelten Gotteskonzept der Priesterschrift zu verdanken. Der universal gedachte eine und einzige Gott sei streng von der Welt unterschieden. So postulierte schon H. Gunkel aufgrund von Gen 35,13 eine „religiöse Scheu des P ..., den überirdischen Gott in die Dinge der Welt zu verflechten“ 16. Konkret auf die Frage nach JHWH und dem Himmel bezogen, deutet K. Schmid den Befund im Sinne einer strikten Diastase: nahme und Umdeutung). Zugleich bieten sie mit ihrem Konzept vom ‚Zeltheiligtum‘, das vom Volk unter Inspiration des Gottesgeistes als Heiligtum für alle errichtet wird, einen Gegenentwurf zur staatsbezogenen Tempeltheologie der Königszeit.“ – Dessen ungeachtet scheint für die priesterlichen Verf. weiterhin die Hoffnung auf eine Restitution des judäischen Königtums zu bestehen; vgl. Gen 35,11f; 17,6.16 und dazu Blum, Volk, 28. 13 Gen 1,1.8.9.14.15.17.20.26.28.30.; 6,17; 7,11.19; 8,2; 9,2; Ex 9,8.19.22.23; 10,21.22. Vermutlich sekundär sind die Belege in Gen 2,1 (das „Heer des Himmels“, vgl. Witte, Urgeschichte, 120f) und 2,4a (Toledotformel mit Merismus „Himmel und Erde“, vgl. Gertz, Tora, 238, Anm. 39) sowie in Ex 16,4 („Brot vom Himmel“, vgl. Albertz, ZBK 2.1, 256 u. 269). An der Belegsituation ändert sich auch dann nichts, wenn man die Priesterschrift bis Dtn 34* ausdehnt (vgl. z.B. die Übersicht der Rekonstruktion bei Frevel, Land, 380). 14 S. Kap. 5. 15 S. Kap. 4. 16 Gunkel, Genesis, XCV.
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
„In Gen 1 ist der Himmel mithin nicht Wohnstatt oder Domäne Gottes, wie besonders im religionsgeschichtlichen Vergleich mit der dreifach aufgefächerten Himmelsvorstellung des ‚Enuma eliš‘ auffällt. Gott als Schöpfer steht vielmehr grundsätzlich jenseits der Schöpfungswerke Himmel und Erde ...“ 17 „Gott selber ‚wohnt‘ gemäß der Priesterschrift genau genommen weder im Himmel noch im Tempel, sondern unterscheidet sich als Schöpfer grundsätzlich von der Schöpfung ...“ 18, steht dieser „gewissermaßen alokal gegenüber“ 19.
Problematisch an dieser These ist, dass das Gotteskonzept der Priesterschrift damit nicht nur auffällig isoliert im Vergleich zu anderen alttestamentlichen und altorientalischen Konzepten dasteht, die damit leicht in den Verdacht geraten, naiv zu sein; vielmehr wird es auch dem Befund in der Priesterschrift nicht gerecht, wo hier und da eben doch das Vorhandensein einer himmlischen Welt angedeutet wird (vgl. z.B. Gen 1,26 20 und 5,24 21). Ich möchte demgegenüber zeigen, dass das Desinteresse der Priesterschrift am Götterhimmel nicht zuletzt ihrer traditionellen Vorstellung von der Gegenwart Gottes geschuldet ist. 22 Denn die Priesterschrift sticht zwar heraus aus exilischnachexilischen Konzepten, die JHWHs Wohnen und Thronen im Himmel betonen; sie fügt sich jedoch gut in andere, meist vorexilische Konzepte, die als Lokalausprägungen altorientalischer Tempeltheologie einen vergleichbaren Umgang mit dem Himmel spiegeln. Um dies zu begründen, ist die Priesterschrift als Gesamtentwurf in den Blick zu nehmen. Zuerst gehe ich kurz auf Gen 1,1–2,3* und 6–8* ein. Dann wende ich mich den Heiligtumstexten zu, in denen das Lexem שמיםzwar nicht begegnet, die aber für die Frage nach der Gegenwart Gottes in der Priesterschrift zentral sind. Zuletzt untersuche ich mit Gen 35,6a.9–15 einen Abschnitt, der – als priesterschriftliche Dublette zu Gen 28,10–22* – ebenfalls vorexilische Tempeltheologie rezipiert und das anhand von Ex 24–40 (bzw. Lev 16) gewonnene Resultat von anderer Seite her bestätigen wird.
17 Schmid, Himmelsgott, 133; vgl. schon Kratz, Gottesräume, 424. Enūma eliš ist allerdings, zumindest was die Verortung des Königsgottes Marduk angeht, näher an P, als von Schmid angedeutet: Marduk „wohnt“ nach Enūma eliš nicht im Himmel, sondern im Esagil in Babylon (s. u.). 18 Schmid, Himmelsgott, 135. 19 Schmid, Schöpfung, 89. 20 Dass sich Gen 1,26 auf den himmlischen Hofstaat bezieht, ist m. E. die plausibelste Auflösung der Pluralform „Lasst uns Menschen machen ...“. Vgl. Witte, Urgeschichte, 121 mit Anm. 11; Kaiser, Theologie 2, 301–303; Gertz, Polemik, 142f. Der Nachtrag in Gen 2,1 greift mit dem HofstaatTerminus „Heer“ ( )צבאden kommunikativen Plural in Gen 1,26 auf, der „[i]nhaltlich konkretisiert“ (Witte, Urgeschichte, 121) wird, und behauptet zugleich Gottes Schöpfermacht über die himmlische Welt (vgl. Ps 33,6): „Könnte es nach 1,26 scheinen, als seien die Gott umgebenden Wesen bereits vor der Schöpfung da, so stellt 2,1 auf knappe Weise sicher, daß diese auch Geschöpfe Gottes sind, ohne umfassend in den Schöpfungsbericht eingreifen zu müssen.“ (Ebd.; vgl. auch a.a.O., 207 u. 238–244). 21 Vgl. zur Entrückung Henochs Schmitt, Entrückung, 152–175, und zu altorientalischen Beispielen Maul, Himmelfahrt. 22 Hinzu kommt sicherlich, dass Gen 1,1–2,3 vor allem an der Lebenswelt des Menschen interessiert ist. Denn nicht nur der Götterhimmel, sondern auch das Totenreich wird nicht thematisiert.
6.3 Gen 1,1–2,3: Die Erschaffung des רקיע-Himmels
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6.3 Gen 1,1–2,3: Die Erschaffung des רקיע-Himmels In Gen 1,1–2,3 spielen die Ordnungskategorien Raum und Zeit eine wesentliche Rolle. 23 Nachdem Gott am ersten Schöpfungstag durch die Scheidung von Licht und Finsternis die Ordnungskategorie „Zeit“ geschaffen hat (V. 3–5), strukturiert er am zweiten Schöpfungstag durch die vertikale Trennung des Wassers den „Raum“ (V. 6–8): 6
Und Gott sprach: Es sei ein רקיעmitten in dem Wasser ( )המים24, so dass er zwischen Wasser und Wasser scheidet. 7Und Gott machte den רקיע, so dass er schied zwischen dem Wasser, das unterhalb des ( רקיעist), und dem Wasser, das oberhalb des ( רקיעist). Und es geschah so. 8Und Gott nannte den רקיעHimmel ()שמים. Und es wurde Abend und es wurde Morgen. Ein zweiter Tag.
Gott und Himmel sind in Gen 1,6–8 nur insofern verbunden, als Gott den Himmel in Wort und Tat geschaffen hat. Im Gegensatz zu den in der Vorweltschilderung in V. 2 genannten Größen „Finsternis“ ( )חשךund „Urozean“ ( )תהוםwird das Geschaffensein des Himmels durch die Schöpfungsakte des „Machens“ (V. 7: )עשהund „Benennens“ (V. 8: )קראbetont, worin sich Gen 1,6–8 von der babylonischen Kosmologie etwa des Enūma eliš unterscheidet, weil der Himmel dort zumindest materialiter Marduks Schöpfungshandeln schon vorgegeben ist. 25 Darüber hinaus wird aber weder gesagt, wie der Himmel befestigt ist, noch was sich – außer Wasser – oberhalb des Himmels befindet. שמיםist in Gen 1 „kein sakraler Sonderraum“ 26, sondern hat eine geradezu profane 27 Funktion: Der רקיע, der in Gen 1,8 von Gott שמים28 genannt wird 29 und innerhalb der Priesterschrift nur in
23
Vgl. dazu etwa Janowski, Welt, 36f. Der Artikel markiert wie in V. 2b die Identität mit dem vertikal noch nicht geschiedenen Urozean in V. 2a, vgl. Gertz, Polemik, 142. 25 Vgl. Hartenstein, JHWH, 396. 26 Schmid, Himmelsgott, 132: Der Himmel ist „kein sakraler Sonderraum, sondern hat die Funktion mit seiner Wölbung den Lebensraum Erde zu gewährleisten“. Von einer „Wölbung“ ist allerdings in Gen 1 keine Rede (s. u.). 27 Anders Hutzli, Conception, 598, der dem „ רקיעun rôle actif dans le processus de la création“ zuweist. 28 Wenn der רקיע, der in Gen 1,6–8 als „Wasserscheide“ fungiert (מבדיל בין מים למים, V. 6), in V. 8 von Gott שמיםgenannt wird, so klingt dies wie eine Ätiologie für das Wort „ שמיםHimmel“, das aufgrund der Assonanz volksetymologisch mit „ מיםWasser“ in Verbindung gebracht werden konnte (Relativpronomen ש+ „ = מיםOrt des Wassers“, vgl. Soggin, THAT II, 966; vgl. zu dieser Volketymologie in mesopotamischen Texten auch Lambert, RlA 4, 412, und Horowitz, Cosmic Geography, 224) 29 Die Umwidmung des funktionalen Begriffs רקיעmit dem geläufigen Terminus für „Himmel“ שמיםin V. 8 ist in V. 9 umgesetzt, wenn es dort המים מתחת השמיםstatt המים אשר מתחת לרקיעin V. 7 heißt. Bei der Verortung der Gestirne (V. 14.15.17.20) sowie der Flugtiere (V. 20) wird das Kompositum רקיע השמיםverwendet, danach ist stets השמיםin Gebrauch (die archaisierende Form ohne Artikel [vgl. z.B. Gen 14,19.22] ist in P – abgesehen von Gen 1,8, wo der Terminus eingeführt wird – nicht bezeugt). Halpern, Genesis 1, 430, macht aufgrund der Verbindungen von Gen 1,5 (Licht → Tag; Finsternis → Nacht) zu Recht darauf aufmerksam, dass die Gleichsetzung der Begriffe in Gen 1,8 keine völlige Identität bedeutet. Dagegen spricht auch die Verbindung רקיע השמים. 24
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
Gen 1 begegnet (dort 9mal), soll wie ein schützendes Dach den darunter befindlichen Lebensraum vor dem oberen Chaoswasser abschotten 30 – eine Funktion, die in der priesterschriftlichen Fluterzählung einmalig außer Kraft gesetzt wird (Gen 7,11; vgl. 8,2): „11Im 600. Lebensjahr Noahs, im zweiten Monat, am siebzehnten Tag des Monats, an diesem Tag spalteten sich die Quellorte des großen Urozeans ( )מעינת תהום31, und die Luken des Himmels ( )ארבת השמיםöffneten sich.“ 32
Weniger eindeutig als die Funktion des רקיעist seine Bedeutung und Übersetzung. Dass der Terminus רקיעhier weder eine Gewölbeform impliziert 33 noch als eine dem ägyptischen Luftgott Schu vergleichbare „Ausdehnung“ 34 zu verstehen ist, sondern am ehesten eine feste Platte bezeichnet, legen erstens die Wortherkunft, zweitens der Traditionshintergrund und drittens der Kontext in Gen 1 nahe: 1. Das Wort רקיעstammt von der Wurzel „ רקעausbreiten, zertreten“ und bedeutet daher zunächst „das Breitgeschlagene, (Metall-)Platte“ 35. Die Wurzel רקעist im Alten Testament 11mal in vier verschiedenen Stammformen belegt. Im qal beschreibt das Verb im Schöpfungskontext mit Gott als Subjekt das „Ausbreiten“ der Erde in Jes 42,5 und 44,24 (jeweils parallel zum „Ausspannen“ [ ]נטהdes Himmels) sowie in Ps 136,6 („über dem Wasser“). 36 Die übrigen qal-Belege sind mit „zerstampfen“ (der Feinde, 2 Sam 22,43) bzw. „auf-
30 Darin ist sich die Forschung einig; vgl. z.B. Walton, Genesis 1, 161: „The cosmic waters posed a continual threat, and the rāqīʿa was created to establish cosmic order.“ 31 Das hebräische תהוםist zwar kein akk. Lehnwort und kann auch nicht von der babylonischen Chaosgöttin Tiamtu abgeleitet werden (vgl. Gertz, Polemik, 140–142), dürfte aber einerseits mit akk. tâmtu(m) „Meer“ wurzelverwandt sein (vgl. Waschke, ThWAT VIII, 564) und hat andererseits die mythisch-chaotische Bedeutung, die dem Urmeer in altorientalischen Schöpfungstexten wie Enūma eliš anhaftet, nie völlig abgelegt (so zu Recht Waschke, ThWAT VIII, 564.566). Wenn in Gen 7,11 und 8,2 תהוםin Opposition zu שמיםsteht, bezeichnet das Wort offensichtlich nur noch das unterirdische Wasser, während es in Gen 1,2 das vertikal noch nicht geschiedene Wasser insgesamt bezeichnen konnte. 32 Nach Hutzli, Conception, 604f, ist der (Wieder-)Gebrauch von ( תהוםvgl. dagegen Gen 1,2b.6.7.9.10: )]ה[מיםund das Fehlen von רקיעin diesen Versen nicht zufällig: רקיעsteht in der Priesterschrift für Schutz und Ordnung und wird folgerichtig in Gen 7,11; 8,2 nicht verwendet; תהוםist in der Priesterschrift eine bedrohliche kosmische Größe, die allein bei der Schilderung der chaotischen Vorwelt (Gen 1,2) sowie bei der einmalig die Welt ins Chaos zurückwerfenden Flut Erwähnung findet (Gen 7,11; 8,2). Steck hat darauf hingewiesen, dass im priesterschriftlichen Schöpfungsbericht „die Benennung selbst ein konstitutiver Schöpfungsakt [ist]“ (Schöpfungsbericht, 81); deshalb wird in Gen 1,9f allein das Wasser unter dem Himmel mit einem Namen gewürdigt („ ימיםMeere“), während das „zurückgedämmte“ (a.a. O., 80, Anm. 304) überhimmlische Wasser namenlos bleibt. 33 An eine Gewölbeform dürfte Stadelman, Conception, 59, denken, der das Wort mit „a beaten out hemispheric dome stretched across the sky“ umschreibt. Auch in neueren Studien (vgl. z.B. Schmid, Himmelsgott, 132) sowie in modernen Übersetzungen (vgl. z.B. Zürcher 2007 zu Ez 1,22) ist diese Vorstellung immer noch anzutreffen. 34 So Walton, Genesis 1, 157–161. 35 KAHAL, 557; vgl. auch Görg, ThWAT VII, 668. 36 Zur Kontroverse, ob an diesen Stellen mit „ausbreiten“ oder „befestigen“ zu übersetzen sei, vgl. Houtman, Himmel, 223f.
6.3 Gen 1,1–2,3: Die Erschaffung des רקיע-Himmels
197
stampfen“ (in Ez 6,11 als Gestus des Unwillens, in Ez 25,6 als Gestus der Freude; jeweils parallel zum Händeklatschen) zu übersetzen. Im pi. ist an drei Stellen vom „Breitschlagen/-hämmern“ von Metall die Rede: in Ex 39,3 werden Goldplatten für die Priestergewänder breitgehämmert; in Num 17,4 wird aus Räucherpfannen ein Überzug für den Altar breitgehämmert (vgl. ׅרֻקֵּﬠי פחיםin Num 17,3: „platt geschlagenes an Platten“ (KAHAL, 557); in Jes 40,19 heißt es im Kontext der Götterbildpolemik, der Schmied „überziehe“ das Kultbild mit Gold. Der pu.-Beleg in Jer 10,9 benennt breit gehämmertes Silber aus Tarschisch (KAHAL, 557: „zu Platten geschlagen“). Houtman resümiert: „[I]n der intensiven Stammform wird רקעausschließlich im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Metall verwendet und beschreibt das verfeinte ‚Stampfen‘, das ‚Plätten‘ von Metall zu einem dünnen Blatt durch den Goldschmied ...“ 37 Eine Gewölbeform des רקיעlegen diese Stellen nicht nahe. Der für die Interpretation des Begriffs רקיעinhaltlich nächstliegende, einzige hi.-Beleg des Verbs רקעin Hi 37,18, wo Elihu Hiob die rhetorische Frage stellt, ob er wie JHWH den Wolkenhimmel („ )שחקיםbreit hämmern“ bzw. „ausbreiten“ könne „fest wie einen gegossenen Spiegel“ (der in der Antike ein geschliffenes Metallstück war), verweist vor allem auf die Festigkeit des Himmels; er deutet ebenfalls nicht auf eine Gewölbeform hin. 38 Eine Betrachtung der Belege mit der Wurzel רקעlegt für das Wort רקיעalles in allem weder eine Gewölbeform noch eine Übersetzung mit „Ausdehnung“ nahe. Die Übersetzung von רקיעsollte in jedem Fall die Aspekte des Festgestampftseins und des Plattgestampftseins berücksichtigen. 39 2. Ein ähnliches Bild ergibt eine Sichtung der Belege von רקיעim Alten Testament. Unter diesen dürften diejenigen in Ezechiel und der Priesterschrift die ältesten sein. Ps 150,1 („ רקיעseiner Macht“ parallel zu )קדשוund Dan 12,3 („Glanz“ des ( )רקיעvgl. auch Sir 43,1.8: στερεώμα) sind eindeutig viel später zu datieren (vermutlich 2. Jh. v. Chr. 40). Umstritten ist einzig der Beleg in Ps 19,2 41; jedoch wird Ps 19 zunehmend der persischen oder gar hellenistischen Zeit zugeordnet. 42 Damit sind die Belege in Gen 1 und Ez 1 für die (innerbiblische) traditionsgeschichtliche Rückfrage die entscheidenden Belege, die von den übrigen
37
Houtman, Himmel, 223. Der späte Beleg (vgl. z.B. Schmid, Literaturgeschichte, 183, der ihn in die ptolemäische Epoche datiert), der aus רקיעdenominiert sein könnte (vgl. Ges18, 1269 [Verweis auf Duhm], sowie Houtman, Himmel, 227), dürfte schon in die Rezeptionsgeschichte von Gen 1 gehören. 39 So mit Houtman, Himmel, 230. 40 Im Gegensatz zu den älteren Belegen in Gen 1 und Ps 19 hat in Ps 150,1 und Dan 12,3 das Wort רקיעden geläufigen Terminus שמיםersetzt; beide Stellen zeigen bereits Einflüsse der außerbiblischen apokalyptischen Literatur (vgl. zu Ps 150 etwa 1QHa). 41 Ps 19,2 bietet ( הרקיעdeterminiert!) im synonymen Paralellismus Membrorum zu השמים. 42 Vgl. die ausführliche Begründung der späten Datierung bei Grund, Psalm 19, 71–73 u. 282–293 (sowie 142, Anm. 141 und 191f zu Gen 1 als vorausgesetztem Himmelskonzept). Anders z.B. Hutzli, Conception, 606. 38
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
bereits vorausgesetzt sein dürften. 43 Hier ist jedoch schwer zu sagen, ob die רקיעVorstellung zuerst in Ez oder in P – oder in beiden Literaturbereichen unabhängig voneinander – eingeführt worden ist. Allerdings legen traditionsgeschichtliche Erwägungen nahe, dass die Vorstellung zuerst in Ez, dann – vermutlich in Kenntnis von Ez – in P erscheint: Ez 1 ist deutlich von einem mesopotamischen Himmelskonzept abhängig, das den Himmel in Form von übereinander geschichteten Platten aus verschiedenen Edelsteinen beschreibt, in dessen Zentrum, dem mittleren Himmel, der Götterkönig Bel-Marduk thront. 44 Die Bezeichnung dieser soliden, eisartigen Bodenplatte, die den Gottesthron trägt, mit dem Wort רקיעin Ez 1,22ff (vgl. 10,1) leuchtet unmittelbar ein. 45 Das Himmelskonzept von P ist demgegenüber ein traditionsgeschichtliches Amalgam: Auf der einen Seite ist da das Motiv einer vertikalen Trennung des überhimmlischen Wassers, 46 wie es neben Gen 1 bislang bemerkenswerterweise allein im Enūma eliš (Ee IV 135–140) bezeugt ist, 47 wo – anschaulicher als in Gen 1 – die Haut der Tiamat als Schutzdach dient 48: „135 Der Herr ruhte, um ihren Leichnam zu betrachten, 136 Um den Fötus zu teilen, um Kunstvolles zu schaffen. 137 Er zerbrach sie wie einen Dörrfisch entzwei; 138 Aus ihrer Hälfte setzte er ein (,) den Himmel (,) gestaltete er dann als Dach (ṣullulu). 139 Er zog eine Haut (mašku) ein (šadādu), er postierte Wächter; 140 Ihr Wasser nicht herausgehen zu lassen, befahl er ihnen dann.“ 49
43 In der inner- wie außerbiblischen Rezeptionsgeschichte von Gen 1 und Ez 1 ist der „ רקיעmit – allerdings durchaus verschiedenen – Wesen aus der Umgebung des himmlischen Throns bzw. mit Gestirnen in Verbindung gebracht worden“ (Grund, Psalm 19, 142). 44 S. Kap. 5. 45 Vgl. auch Houtman, Himmel, 229: „Was die Form von רקיעbetrifft, spricht Ez. 1:22 dafür, an eine Plattform zu denken. Die Tatsache, daß in Gen. 1 der רקיעdazu dient, Wasser zu tragen, und er in Hi. 37:18 mit einem Spiegel verglichen wird, unterstützt diese Vorstellung (vgl. auch Ex 24:10 ... und Ps. 150:1).“ 46 Vgl. zu dem verbreiteten Motiv des überhimmlischen Wassers Seely, Firmament II, und Rochberg, History, und speziell zu Ugarit Korpel, Rift, 561f. 47 Vgl. Lambert, Myths, 171: „There seems to be no Mesopotamian parallel to the Epic’s concept of a separation of cosmic waters [...]“ – „The first chapter of Genesis provides the closest parallel to the division of cosmic waters.“ Vgl. auch Walton, Genesis 1, 160. 48 Nach Walton, Genesis 1, 160, Anm. 112, sei das Ausspannen der Haut der Tiamat „semantically similar to the Hebrew use of the verb rqʿ“. Doch besteht der entscheidende Unterschied in der Beschaffenheit der Dachkonstruktionen: Die „Haut“ (mašku) der Tiamat fügt sich materialiter schlecht ein in das durch die Wurzel רקעvorgegebene Bedeutungsspektrum von ( רקיעs. o.). Eher klingt das „Ausspannen“ der Haut der Tiamat als Schutzdach vor ihrem Wasser (Ee IV 135–140) im „Ausspannen“ des Himmels „wie ein Zelt“ in Jes 40,21f nach (vgl. auch Hartenstein, JHWH, 402, und o. S. 98–105). 49 Übers.: AOAT 375, 224–225.
6.3 Gen 1,1–2,3: Die Erschaffung des רקיע-Himmels
199
Doch dieses Motiv ist in Gen 1 verbunden mit der Vorstellung einer (freischwebenden?) 50 festen Platte ( )רקיע51, wie sie – abhängig von einer babylonischen Tradition, die ihrerseits Ee rezipiert – etwa zeitgleich in Ez 1 bezeugt ist. 52 3. Informationen über die Beschaffenheit des רקיעliefern indirekt auch die weiteren Belege in Gen 1. Der רקיע השמיםerscheint in Gen 1,14–19 in Bezug auf die Erschaffung der Gestirne. Wie in Gen 1,6–8 wird auch hier das Geschaffensein der Gestirne in Wort (V. 14f) und Tat (V. 16: )עשהbetont, worin sich Gen 1 wiederum von Enūma eliš und der dort implizierten (ungeordneten) Präexistenz der Sterne unterscheidet. 53 Die Funktion der „Lichter“ ( )מארתist in Gen 1,14–19 eine dreifache: Sie sollen 1.) Tag und Nacht differenzieren, 2.) die Zeit rhythmisieren und 3.) die Erde beleuchten. 54 Voraussetzung für diesen ganz auf die Menschenwelt ausgerichteten Herrschaftsauftrag (V. 16.18: )משל55 ist deren Sichtbarkeit für den Menschen. Dementsprechend beschreibt die Ausführungsnotiz in V. 16f die Befestigung der „Lichter“ (Sonne, Mond und Sterne) am/im רקיע-Himmel, der hier als Hintergrundfläche für Himmelserscheinungen 56 fungiert: „Und Gott machte die zwei großen Lichter, das größere Licht zur Herrschaft über den Tag und das kleinere Licht zur Herrschaft über die Nacht und die Sterne. Und er setzte sie an/in ()ב den רקיע השמים...“
Dass רקיע השמיםhier eher als Fläche denn als Raum zu verstehen ist, legen auch religionsgeschichtliche Vergleichstexte nahe, auf die B. Halpern 57 und J. C. Gertz 58 50 KAR 307 verzichtet anders als Enūma eliš auf das mythologische Konzept einer vertikalen Befestigung der kosmischen Schichten mit Hilfe von Bändern (riksu) und Seilen (ṣerretu) bzw. eines mit dem Schwanz der Tiamat gleichgesetzten Durmah (vgl. Ee V 59; VII 95); auch Gen 1 verschweigt, wie ˘ die Himmelsplatte befestigt ist. 51 Vgl. zum Motiv eines soliden Himmels Seely, Firmament I. 52 Beide Vorstellungen – der Himmel bestehend aus Wasser oder aus Stein – begegnen unabhängig voneinander in mesopotamischen Texten, vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 262f. – In der Rezeptionsgeschichte von Gen 1 wird die Verbindung von unterschiedlichen Vorstellungen noch weitergeführt, indem der Himmelsozean mit dem Wohnsitz Gottes verschmolzen wird (vgl. Ps 104,3 und Ps 148,1–6; zu den im Hintergrund stehenden unterschiedlichen Weltbildern vgl. Bartelmus, ThWAT VIII, 214f, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass schon Enūma eliš das Nebeneinander des wässrigen Himmels mit dem Himmel als Wohnort der Götter bezeugt, vgl. Ee IV 126–146). 53 Vgl. Horowitz, Elements, 40–42: „[...] [W]e may understand that before the acts of Marduk in Enuma Elish V 1–8, the starry sky was in a state of chaos with stars and constellations haphazardly thrown here and there, moving in no particular order, following no particular pattern in space and time – something like biblical tōhū wā-bōhū in space.“ (A.a.O., 41f). 54 Die kalendarische Funktion der Gestirne teilt Gen 1 mit Enūma eliš (vgl. Ee V 1ff). Lambert sieht in dieser Funktionsbestimmung „the real interest of the author“: „The stars with which he deals fix the year, then he passes to the moon, by which the month is fixed, and he concludes this part of his work by treating the sun, the regulator of the day.“ (Creation Myths, 172). 55 Vgl. zum Herrschaftsmotiv in Bezug auf die Gestirne die eingehende Analyse bei Grund, Entstehung, 221–223. 56 Vgl. Jenni, Präposition, 190 (Rubrik 2268). 57 Halpern, Genesis 1. 58 Gertz, Polemik.
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hingewiesen haben. Nach dem assyrischen Kommentartext KAR 307 hat Bēl-Marduk bei der Ausgestaltung des Kosmos die vergöttlichten Fixsterne in die unterste von drei edelsteinartigen Himmelsplatten eingezeichnet. 59 „Der untere Himmel aus ašpu-Stein ist für die lumaši-Sterne. Die Konstellation der Götter zeichnete (eṣēru) 60 er darin (ina muhhi) 61 ein.“ ˘˘
Die Vorstellung, dass die Gestirne in einem soliden, flächigen Himmel verankert sind, hat eine frappante Parallele in der Kosmographie des griechischen Naturphilosophen Anaximenes 62, der annahm, „die Gestirne seien wie Nägel an einem eisartigen Himmel befestigt“ (DK 13A14) 63. 64 Was KAR 307 und Gen 1 – sollte V. 17 entsprechend zu deuten sein – nur implizieren, dass nämlich eine unabhängige Bewegung der Sterne 65 und vor allem eine Unterweltsfahrt 66 außerhalb der Vorstellung liegen, macht Anaximenes explizit, wenn er behauptet, „die Gestirne bewegen sich nicht unter der Erde hindurch, wie es andere angenommen haben, sondern um die Erde herum, wie sich der Filzhut um unseren Kopf herumdreht“ (DK 13A7). 67 Erst ein Vergleich mit einem zwar literarhistorisch jüngeren, aber traditionsgeschichtlich älteren, weil bewusst archaisierenden Text wie Ps 19,5b–7 verdeutlicht die Besonderheit der genannten kosmographischen Vorstellungen. 68 In Ps 19,5b („Der Sonne hat er [sc. Gott, V. 2a] in/an ihnen ([ )בהםsc. den Himmeln, V. 2a] 69
59 Übers. nach: SAA III 39 Z. 33; vgl. zur Interpretation der Stelle Horowitz, Cosmic Geography, 13–15 u. 258. 60 Für einen weiteren Beleg dieser Vorstellung vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 146f. 61 Vgl. zur Verwendung dieser Präposition Horowitz, Cosmic Geography, 15: „The terminology of KAR 307 33 suggests that the stars and constellations were thought to be etched directly onto the jasper surface of the Lower Heavens.“ 62 Vgl. zu Anaximenes Rapp, Vorsokratiker, 48–55, bes. 54. 63 Übers.: Gemelli Marciano, Vorsokratiker, 79. Dort ist noch die – nicht auf Anaximenes zurückgeführte – Vorstellung bezeugt, „die Gestirne seien feurige Blätter gleich wie Bilder“ (ebd.). 64 Vgl. Gertz, Polemik, 151. Halpern, Genesis 1, 432 deutet vor dem griechischen Traditionshintergrund die „Lichter“ in Gen 1,14–19 als Membrane, die das zuvor geschaffene Licht (Gen 1,3) die Erde beleuchten lassen: „[...] [T]hese entities ‚in the plate of the heavens‘ must be intermediaries, functioning as membranes, which regulate how much light negotiates the division between the extracosmic region of Yhwh and his light and the cosmic region between the earth and the sky.“ Vgl. kritisch dazu Gertz, Polemik, 153, Anm. 58. 65 „A tradition that the fixed-stars were inscribed onto the surface of the heavens implies that this surface rotated every 24 hours, since inscribed stars could not move independently. This tradition is reasonable since stars and constellations maintain fixed positions relative to one another as if inscribed on a rotating sphere. The Sun, Moon, and planets do not maintain fixed positions in relation to the stars, leading later Greek, Hebrew, and Arabic astronomers to speculate that these heavenly bodies were located on different levels or spheres from the fixed stars.“ (Horowitz, Cosmic Geography, 15; vgl. a.a. O., 258, sowie ders., Elements, 42). 66 Vgl. zu dieser Vorstellung Grund, Psalm 19, 201–213. 67 Gemelli Marciano, Vorsokratiker, 79. 68 Vgl. zur Auslegung von Ps 19,5b–7 Grund, Psalm 19, 173–213. 69 בהםist auf השמיםin V. 2a zu beziehen, vgl. Grund, Psalm 19, 28f. Vgl. zum Verständnis der Aussage auch a.a.O., 174–176, wo überzeugend einer Deutung im Sinn einer Konkurrenz zwischen
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ein Zelt aufgerichtet.“) „charakterisiert ׄאֶהלden kosmischen Sitz der Sonne als den himmlischen Wohnsitz eines Gott untergeordneten, aber zugleich auch nahe zugeordneten, weil für die kosmische Ordnung äußerst bedeutenden Geschöpfes“ 70. Die folgende mythisierende Beschreibung der Sonne, die wie ein Bräutigam aus dem Brautgemach heraustritt und wie ein Held den Kosmos durchläuft und alles Geschehen überblickt, zielt – wie sonst im Alten Orient – auf den Bestand der gerechten Weltordnung. 71 Anders als in Gen 1 steht diese richterliche Funktion der Sonne ganz im Fokus des Psalms. Die Sonne ist dementsprechend ein von der Himmelsplatte (vgl. V. 2b) unabhängiger Himmelskörper, der den als Raum gedachten Himmel (und die Unterwelt?) auf Gottes Geheiß durchschreitet (V. 7). Demgegenüber teilt Gen 1 mit dem neuassyrischen Kommentartext und dem griechischen Naturphilosophen die stärker kosmologischen Interessen verpflichtete Sicht auf den Sternenhimmel als einer soliden Fläche, an der die Gestirne unbeweglich befestigt sind. Darüber hinaus bieten alle drei Traditionsbereiche im weitesten Sinn Spekulationen über die Größenverhältnisse und die Entfernungen der Gestirne: 72 Gen 1,16: Sonne = „große Leuchte“ ( → )המאור הגדלMond = „kleine Leuchte“ ()המאור הקטן KAR 307: „40 double hours is the disc of the sun. 60 double hours is the disc of the moon.“ (SAA III 39r.4) DK 12 A 18/21/22: Sonne (28mal so groß wie die Erde) → Mond (19mal so groß wie die Erde) → Gestirne
Die Verbindung רקיע השמיםbegegnet sodann und letztmals in Gen 1,20. Gen 1,20– 23 berichtet u.a. die Erschaffung der Flugtiere, deren Lebensraum doppelt begrenzt ist: Er ist nach unten durch den Erdboden begrenzt ( )על־הארץund nach oben durch den רקיע השמים, an dem sie entlang fliegen ( )על־פני רקיע השמים73. Die Präposition על־פניzeigt dabei an, dass רקיעeine feste Begrenzung meint: Vögel können zwar „im“ Himmel ( )בשמיםfliegen (vgl. Dtn 4,17), aber nicht „im“ רקיע,
dem Wohnort Gottes und dem der Sonne widersprochen wird: „Vielmehr ist die Bereitung eines Zeltes im Himmel als Einordnung der Sonne in den Bereich des im Himmel thronenden Königs- und Schöpfergottes, und vor allem als ihre Zuordnung zu dessen königlichem Sitz und Herrschaftsbereich zu verstehen.“ (A.a.O., 176). 70 Grund, Psalm 19, 194 (zum Vergleich mit Ps 104,2f). 71 Vgl. Grund, Psalm 19, 192. 72 Vgl. zu einem weiteren astronomisch-astrologischen Text des 7. Jh., der bemüht ist, den Sternenhimmel nach eher mathematischen Gesichtspunkten zu beschreiben, Horowitz, Cosmic Geography, 147f. 73 Vgl. zur Bedeutung der Präposition על־פניin Gen 1,20b van Wolde, Biblical Studies, 163–165 (Verweis bei de Hulster, Review, Anm. 9).
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sondern nur zwischen diesem und der Erdoberfläche. 74 Dies spricht gegen eine Übersetzung mit „Ausdehnung“ bzw. „expanse“. 75 Nimmt man alle Informationen zusammen, so wird weder eine Übersetzung des Begriffs רקיעmit „Gewölbe“ noch mit „Ausdehnung“ dem Befund gerecht. 76 Für ( רקיע )השמיםerscheint von daher eine Übersetzung mit „Himmelsfeste“ oder „Himmelsplatte“ sachgemäß. 77
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“ Betrachtet man den priesterschriftlichen Schöpfungstext für sich, so ist das Verhältnis zwischen Gott und Himmel in der Tat auf die Relation von Schöpfer und Geschöpf begrenzt. Die himmlische Welt liegt – einmal abgesehen von der vagen Formulierung in Gen 1,26 und dem explizierenden Nachtrag in 2,1 – außerhalb des Blickwinkels von Gen 1,1–2,3*. Die Situation ist jedoch eine andere, wenn die Priesterschrift als Gesamtentwurf in den Blick genommen wird. Doch bevor ich mich der priesterschriftlichen Sinaigeschichte Ex 19ff zuwende, sind einige Grunddaten altorientalischer Tempeltheologie in Erinnerung zu rufen 78 und in mancher Hinsicht zu vertiefen: Der Tempel ist im Alten Orient in erster Linie der Wohnort der Gottheit. Damit einher geht seine kosmologische Bedeutung, die vor allem in zwei Entsprechungsverhältnissen Ausdruck findet: Erstens ist das Heiligtum zeitlich mit der Weltschöpfung verbunden. Im babylonischen Weltschöpfungsepos Enūma eliš etwa ist der Zusammenhang von Schöpfung und Heiligtumsbau überdeutlich:
74 Vgl. Seely, Firmament I, 237f. Schon der religionsgeschichtliche Vergleich führt Seely zu dem Ergebnis: „The historical meaning of raqiaʿ in Gen 1:6–8 is, accordingly, ‚a solid sky‘.“ (A.a.O., 235). 75 Walton, Genesis 1, umschreibt רקיעmit „the space between heaven and earth“ (159) oder „a bubble ... between the waters“ (ebd.). Ausgangspunkt seiner Deutung ist der verbale Beleg in Hi 37,18. Seiner Meinung nach ist nicht der Terminus רקיעmit „solid sky“ (a.a.O., 157) wiederzugeben, sondern das meist mit „Wolken“ übersetzte Wort שחקים. „Given the fresh analysis of šěḥāqîm, I propose that rāqīʿa refers to the space created when the šěḥāqîm were put in place. This would explain why the birds and sun and moon are seen to be in the rāqīʿa.“ (A.a.O., 157). „[T]he rāqīʿa is the space opened up by ‚spreading out‘ (rqʿ, Job 37:18) the šěḥāqîm to hold back the waters above, and by ‚spreading out‘ (rqʿ, e. g., Isa 42:5) the earth over the waters.“ (A.a.O., 160). Abgesehen davon, dass der späte Beleg in Hi 37,18 nicht in die Vor-, sondern in die Nachgeschichte von Gen 1 gehört, wiederrät Gen 1,20b dieser speziellen These. Vgl. zur Kritik an Walton auch de Hulster, Review. 76 Vgl. für weitere Argumente gegen die Gewölbeform Schwindt, Weltbilder, 7f. 77 Vgl. Schwindt, Weltbilder, 8: „Die Vorstellung des Himmels als ebene Dachfläche erklärt sich empirisch leicht aus dem Empfinden, dass er überall auf der Erde gleich hoch zu sein scheint.“ – Die Deutung als Himmelsplatte fügt sich nicht zuletzt auch gut ein in den Befund in mesopotamischen Quellen, die ebenfalls den Himmel als Gewölbe nicht kennen, vgl. Lambert, Cosmology, 61f; Horowitz, Cosmic Geography, 264f; Hutter, Religionen, 57; vgl. allerdings jüngst Wiggermann, Mythologie, 128f, der u.a. aufgrund von frühen piktographischen Formen der Keilschriftzeichen auf einen ovalen bzw. linsen-förmigen Kosmos schließt. 78 S. Kap. 2.
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
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Ea tötet Apsu und schafft den gleichnamigen unterirdischen Süßwasserozean, woraufhin er ebendort seinen Wohnsitz errichtet; Marduk tötet Tiamat, gestaltet aus ihr Himmel und Erde und errichtet seinen Wohnsitz in Babylon, dem Ort des „Urhügels“ 79. Das zweite Entsprechungsverhältnis ist die räumliche Entsprechung von irdischem und himmlischem Heiligtum. Dies lässt sich ebenfalls anhand von Enūma eliš demonstrieren. Über den Bau des Marduktempels heißt es in Ee VI,61–68: „Als das zweite Jahr herankam, errichteten sie (die Götter) den First von Esagil, eine Nachbildung (mihirtu: „Kopie, Entsprechung, Gegenstück“) 80 des Apsu. Sie erbauten den hohen Tempelturm˘ des Apsu, und richteten sein(en) ... für Anu, Enlil und Ea als Wohnstätte ein. (65) Er saß majestätisch vor ihnen und musterte seine Hörner, die mit der Basis von Escharra eben waren. Nachdem sie die Arbeit an Esagil vollendet hatten, errichteten die Anunnaki alle ihre eigenen Heiligtümer.“ 81
Der Wohnsitz Marduks ist nicht nur eine Entsprechung des Apsu (mehret Apsî), ˘ womit sondern nach Ee V 120 auch eine Entsprechung des Ešarra (mehret Ešarra), ˘ der Tempel Esagil die irdische Entsprechung der Götterpaläste der beiden übrigen kosmischen Regionen ist: des Palastes im Himmel (Ešarra) sowie des Palastes unter der Erde (Apsu). Esagil und die Stadt Babylon markieren somit das Zentrum der vertikalen Weltenachse und verbinden die irdisch-geschichtliche Welt mit der Götterwelt. 82 Deshalb heißt der babylonische Tempelturm „Haus, Fundament von Himmel und Erde“ (É.TEMEN.AN.KI) und die Stadt Babylon „Häuser der großen Götter“ (bītāti ilī rabûti) (Ee V 129). Der neuassyrische König Asarhaddon zeigt sich Jahrhunderte später als mit babylonischer Tempeltheologie bestens vertraut, wenn er in einer Inschrift beschreibt, wie er den Marduktempel Esagil „ganz nach seinem alten Plane“ 83 neugegründet hat: „Esagila, den Palast der Götter, 48... der Wassertiefe, das Ebenbild 49 von Ešarra (tamšil Ešarra) 84, das Gegenstück 50der Wohnung des Ea (mehret šu˘ 79 Vgl. auch Ambos, Baurituale, 48: „Die Götter hatten sich ihre Tempel während der Erschaffung der Welt selbst erbaut; daher war der Grundplan eines Heiligtums seit alters her vorgegeben und galt als das Ebenbild kosmischer Lokalitäten wie dem Apsû, dem zwischen Himmel und Erde befindlichen Ešarra oder dem Sternenhimmel.“ Vgl. zum „Urhügel“ Maul, Hauptstadt, 116: „Mit ihm verbinden sich recht urtümliche Vorstellungen von der Weltentstehung. Aus den vorzeitlichen Urwassern, in denen Salz- und Süßwasser noch nicht geschieden waren, so glaubte man, habe sich zu Anbeginn der Welt der Urhügel, eben jener ‚Heilige Hügel‘ erhoben.“ 80 Vgl. CAD M II, 51 (mihirtu 2b): „counterpart“. 81 Übers.: TUAT III, 593 ˘(Lambert). Vgl. zur Interpretation der Stelle Janowski, Himmel, 95–98. 82 Vgl. Maul, Hauptstadt, 114: „Das Esagil galt sowohl als Ebenbild des Palastes Eas im apsû als auch als Ebenbild des über dem Esagil gedachten himmlischen Palastes Ans. Jeder der drei kosmischen Bereiche, der Himmel, die Erdoberfläche und die Erde, wird dieser Vorstellung zufolge von einem Götterpalast beherrscht. Gemeinsam bilden alle drei Paläste eine vertikale Achse, in deren Zentrum Babylon mit dem Tempel Marduks liegt.“ Vgl. auch van Ess, Tempel, 77ff, die zeigt, dass sich kosmologische Konzepte bis in die Architektur hinein niedergeschlagen haben. 83 Borger, Inschriften, 21 (Z. 45). 84 Vgl. CAD T, 148f (tamšīlu 2a; vgl. auch 1b): „image, resemblance, counterpart, equivalent“.
204
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
bat Ea), das Ebenbild 51des Ikû-Gestirnes (tamšil MUL Ikû), baute ich auf 52und vollendete es ...“ 85 Der Text namens „Ein spätbabylonischer Hymnus auf den Tempel Ezida in Borsippa“ 86 belegt, dass die im Enūma eliš bezeugte Vorstellung noch Jahrhunderte später anzutreffen ist und auf andere Tempel(-Städte) übertragen werden konnte 87: „(1) Wie ist doch die Stadt Borsippa dem Himmel ähn[lich]! (2) Ein Ebenbild (šinnatu) 88 von Ešarra ist das hohe Ezida! (3) Alles, was es da gibt, ist zur Freude des Gottes! (4) Der Stadt Zierde verschönern Gärten! (5) Sein Scheitel reicht an die Wolken, (6) sein tiefgründendes Fundament überdeckt die Unterwelt!“ 89
Im Hintergrund dieser (Ur-)Bild-Abbild-Relationen 90 steht ein mythisches Raumverständnis, nach dem an bestimmten irdischen Repräsentationsorten „der Unterschied zwischen Himmel und Erde, zwischen ‚Diesseits‘ und ‚Jenseits‘ aufgehoben ist“ 91. Notwendige Denkvoraussetzung für diese Verbindung des irdischen Heiligtums mit dem unsichtbaren Götterhimmel ist die Annahme, dass dieses den irdischen Wohnsitz der himmlischen Götter darstellt. 92 Wie die vorangehenden Kapitel deutlich gemacht haben, sind vergleichbare Vorstellungen für die vorexilische Zeit im Alten Testament bezeugt. Gemäß der Jerusalemer Tempeltheologie wohnt bzw. thront JHWH im Tempel bzw. auf dem Zion (Jes 8,18). Sein Thron besteht von Anbeginn (Ps 93*) und überragt den irdischen Tempel wie ein Gottesberg (Jes 6*); der Zion konnte gar mit dem syrischen Gottesberg Zafon identifiziert werden (Ps 48,2f; vgl. Jes 14,13). Für das Nordreich Israel bezeugt Gen 28* eine babylonisch geprägte Tempeltheologie. Wie Babylon gilt Bet-El als „Haus Gottes“ bzw. „Tor des Himmels“ und Zentrum der Weltenachse (der sog. „Himmelsleiter“, V. 12), auf der Götter die kosmischen Bereiche durchschreiten konnten. Wie in anderen Kultstädten ist Bet-El der Wohnsitz Gottes („Fürwahr, JHWH ist an diesem Ort“, V. 16). All diese Texte zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Interesse ganz auf den Tempel, den Tempelberg oder die Tempelstadt, also auf den irdischen Repräsentationsort des Himmels, bezogen ist.
85
Borger, Inschriften, 21 (Z. 47–52). Vgl. Köcher, Hymnus. Vgl. auch Lambert, Myths, 199f. 88 Vgl. CAD Š III, 48 (šinnatu c): „equal, rival“. 89 Übers.: TUAT.NF 7, 79 (Hecker). 90 Die Rede von Urbild – Abbild darf natürlich nicht im platonischen Sinn (miss)verstanden werden, vgl. Pola, Priesterschrift, 244. 91 Metzger, Wohnstatt, 144. Vgl. allerdings die Relativierung dieser These o. S. 36ff. 92 Vgl. für Ägypten Hornung, Der Eine, 223–227, und für Mesopotamien Hundley, Gods, 277– 281. 86 87
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
205
In Anlehnung an Hartenstein können derlei Konzeptionen mit der Wendung „implizite Kosmologie“ 93 bezeichnet werden. Wie rezipiert nun P die ihr vorgegebene Tempeltheologie? Um diese Frage zu beantworten, sind vornehmlich die narrativen Heiligtumstexte ab Ex 24ff in den Blick zu nehmen. 94 Das Zeltheiligtum, nach einhelliger Meinung eine Rückprojektion des Jerusalemer Tempels in die Vorzeit, 95 ist in der Priesterschrift weiterhin der Wohnsitz JHWHs bzw. seiner Präsenzgestalt: seiner „Herrlichkeit“ ( )כבוד96, die im Heiligtum eine dem Kultbild vergleichbare Funktion erfüllt. 97 Mit der Wohnvorstellung finden sich aber auch die kosmologischen Entsprechungsverhältnisse: Die zeitliche Verbindung zur Weltschöpfung und die räumliche Verbindung zum Götterhimmel. Dass das „Wohnen“ ( )שכן98 JHWHs „inmitten der Israeliten“ das Ziel des priesterschriftlichen Heiligtumskonzepts ist, ergibt sich schon aus der kompositorischen Platzierung der שכן-Aussagen in Ex 24–40*. 99 Zunächst markieren Ex 24,16 und 40,34f als ein äußerer Rahmen „die Ortsveränderung des Kabod vom Sinai ins Zeltheiligtum“ 100. 93
Hartenstein, Unzugänglichkeit, 21–23. Die Rekonstruktion von Pg ab Ex 25 folgt im Wesentlichen der von Nihan, Torah, vorgelegten. Demnach folgten nach der Ankunft in der Wüste Sinai (Ex 19,1): Ex 24,15b–18aα; 25,1.2aα.8– 9; 25,10–40* (a.a.O., 43–50); 26,1–27,19* (a.a.O., 39–42); Ex 28–29* (a.a.O., 51–58); 29,43–46; 39f (wenige Verse: a.a.O., 58 [mit Noth]) Lev 1–3*; 8–9*; 11–16* (a.a.O., 111ff). Eine kleinere Lösung bietet etwa Weimar, Studien, 272ff: Ex 19,1 + 24,15b–18aα; 25,1.2aα.8.9*; 26,1–29*.30; 29,45f; 39,43; 40,17.34. – Die nachfolgende Argumentation ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Umfang von Pg im letzteren Sinn bestimmt wird, da die entscheidenden Texte Bestand haben. 95 Vgl. zur Projektionsthese schon Wellhausen, Prolegomena, 37, nach dem die priesterschriftliche „Stiftshütte“ (so die Übersetzung von M. Luther) „ihrer Bedeutung nach nicht ein einfaches provisorisches Obdach der Lade auf dem Marsche ist, sondern das einzige legitime Heiligtum der Gemeinde der zwölf Stämme vor Salomo und darum also eine Projektion des späteren Tempels“. Umstritten ist allerdings, ob der Zweite Tempel nur als Programm oder schon als Bauwerk vorausgesetzt ist. 96 Die Belege in Pg: Ex 16,7.10; 24,16f; 40,34f; Lev 9,6.23. 97 Wie beim Kultbild können in P der Begriff כבוד, der Gottesname JHWH oder das göttliche „Ich“ promiscue gebraucht werden, vgl. z.B. die Ankündigung in Lev 9,4b mit 9,23. Vgl. zum כבודin Pg auch Wagner, Herrlichkeit, 117: „Er ist vergleichbar mit der deuteronomistischen Vorstellung vom שׁםJHWHs, der im Tempel wohnt, ein personifiziertes Abstraktum, das die göttliche Gegenwart beschreibt. Dem kābôd kommt die Visualisierung der Gegenwart JHWHs im Heiligtum zu. Er wohnt im Heiligtum, füllt es aus und verlässt es wieder, wenn JHWH das Volk zum Weiterzug auffordert. [...] Der kābôd steht also synonym für die sichtbare Präsenz JHWHs.“ Vgl. auch Aster, Light, 267–275. 98 Das Verbum שכןbegegnet in Pg nur am Sinai (Ex 24,16; 25,8; 29,45f; 40,35). Vgl. zur Bedeutung der Wurzel שכןHulst, THAT II, 906: „Über Art und Zeitdauer des Aufenthalts läßt sich vom Verbum her nichts sagen, hier entscheidet einfach der Kontext.“ 99 Weimar, Studien, 272, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass das „Stilmittel der inklusorischen Verklammerung“ in den Heiligtumstexten wie überhaupt in der Priesterschrift eine wichtige Rolle spielt. 100 Köckert, Leben, 103. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die vergleichsweise drastische Präsenzvorstellung von 24,16 (P) (JHWHs Verortung auf dem Berg) durch die nachexilische Fortschreibung in 24,9–11 korrigiert wird, „die Gottes Thron auch am Sinai im Himmel lokalisiert“ (Hartenstein, Wolkendunkel, 151). 94
206
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
Ex 24,15b–18aα 101
Ex 40
15
34
[...] Und die Wolke ( )ענןbedeckte ( כסהpi.) den Berg. 16 Und die Herrlichkeit JHWHs ()כבוד יהוה ließ sich nieder /wohnte ( )שכןauf dem Berg Sinai, und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage. Da rief er zu Mose am siebten Tag mitten aus der Wolke. 17 Das Aussehen der Herrlichkeit JHWHs (war) wie ein verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges vor den Augen der Israeliten. 102 18 Und Mose ging mitten in die Wolke hinein [...]
Und die Wolke bedeckte das Zelt der Begegnung, und die Herrlichkeit JHWHs erfüllte ()מלא die Wohnung ()משכן.
35
Und Mose konnte nicht in das Zelt der Begegnung hineingehen; denn die Wolke hatte sich niedergelassen /wohnte auf ihm, und die Herrlichkeit JHWHs hatte die Wohnung erfüllt.
Einerseits ist mit Ex 40,34f ein Zielpunkt erreicht, insofern das Heiligtum nunmehr von der Gottheit bezogen ist. 103 V. 34b stellt fest: „Der Kabod JHWHs erfüllte die Wohnung“ (und V. 35b wiederholt diesen entscheidenden Satz 104). Die Priesterschrift greift mit der Kombination von כבודals Präsenzgestalt JHWHs, dem Verbum מלאund dem Heiligtumsbegriff משכןeinen Topos der altorientalischen Tempeltheologie auf, 105 wie er auch dem folgenden Abschluss des
101 Schmid, Sinai, 115–122, hat jüngst dafür plädiert, den Abschnitt Ex 24,15b–18a nach-priesterschriftlich zu verorten. Seine Argumente: 1. Die Determinationen von „Wolke“ und „Berg“; 2. Das „Berg-Schweigen“ nach 24,15b–18a; 3. die singuläre Wohnvorstellung des Abschnitts, die schon LXX korrigiert habe. Die Argumente sind m. E. nicht überzeugend. 1. ist P – wie gesagt (s. o. S. 191, Anm. 6) – nicht völlig frei in der Darstellung, was die Determination erklärt (vgl. u. S. 207, Anm. 107); 2. beschreibt P den Übergang vom Berg zum Zeltheiligtum; der Berg spielt dann keine Rolle mehr (vgl. Blum, Studien, 313: „Mußte Mose in Ex 24 noch den Berg hinaufsteigen, damit Gott mit ihm kommunizieren konnte, so ist Gott nach der Fertigstellung des Mischkan selbst ‚bei‘ dem Volk, und des Berges bedarf es von nun an nicht mehr.“); 3. korrigiert die LXX nicht die singuläre Wohnvorstellung in 24,16 (der Kabod „wohnt“ auf dem Berg), sondern sie hat grundsätzlich ein Problem mit der priesterlichen Wohntheologie, wie die Übersetzungen von Ex 25,8; 29,45f; 40,35 und Lev 16,16 vor Augen führen (vgl. zu 25,8 und 29,45f Karrer/Kraus, Septuaginta I, 310). 102 Vgl. zur Ursprünglichkeit von 24,17 Nihan, Torah, 53f mit Anm. 178 (anders z.B. Weimar, Studien, 292, Anm. 79). 103 Nach Nihan, Torah, 53f, verwirklicht sich in Ex 40,35 zudem die שכן-Verheißung von Ex 25,8 und 29,45. 104 Wie in Gen 35,13.14.15 (dreimal „der Ort, an dem er zu Jakob gesprochen hatte“) betont P theologisch wichtige Aussagen durch Redundanz. 105 Vgl. auch Hartenstein, Unzugänglichkeit, 139: „Diese ‚Fülle‘-Aussagen in Verbindung mit dem Heiligtum erweisen sich als ein offenbar festliegendes Element der Tempelvorstellungen, das im positiven Sinn speziell dann gebraucht wird, wenn es um die erstmalige oder die erneute Erscheinung Gottes im Heiligtum geht, auf die hin er dort in geregelter kultischer Kommunikation erreichbar ist (Tempelweihe, Wiedereinweihung des Tempels).“ Vgl. auch Weinfeld, ThWAT IV, 30.
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
207
spätbabylonischen Hymnus auf den Nabû-Tempel Ezida in Borsippa zugrunde liegt: „Setze dich auf deinen Thron (ina šubtika tišabma), Sohn des Bēl. Möge sich dein Haus Ezida mit Glanz füllen (bītka Ezida tašilta limla).“ 106
Andererseits ist dieser Rahmen durch die Präsenzgestalten „Wolke“ und „Herrlichkeit“ nach vorn mit Ex 16,7.10 und nach hinten mit Lev 9,23f (und 16,2.13) verknüpft und weist somit Ex 40,34f als nur vorläufigen Endpunkt innerhalb der priesterschriftlichen Heiligtumskonzeption aus. Die Priesterschrift konnte an das vor-priesterschriftliche Motiv der Wolke bzw. Wolkensäule anknüpfen (vgl. z. B. Ex 14,19b.20*) 107, hat es jedoch dahingehend modifiziert, dass die Wolke jetzt nicht in erster Linie „als Manifestation schützender Gottesnähe“ 108 in Erscheinung tritt (vor dem Traditionshintergrund der Wettergott- und Theophanievorstellung, vgl. Ps 18,8–16*), sondern der schützenden Verhüllung der Gottheit dient (vor dem Traditionshintergrund der Tempeltheologie, vgl. 1Kön 8,12; vgl. auch – abhängig von P – 1 Kön 8,10f//2 Chr 5,13f) 109; sie steht damit im Dienst der sich narrativ entfaltenden Nähe Gottes in der priesterschriftlichen Sinaigeschichte: Der כבודJHWHs erscheint dem Volk erst angesichts des ersten Opfergottesdienstes unverhüllt (Lev 9,23f); vorher ist er in der Wolke verhüllt. 110 In Ex 16 111, der Erzählung von der Entdeckung des Sabbat, kündigen Mose und Aaron in V. 7 den Israeliten an, dass sie die Herrlichkeit JHWHs ()כבוד יהוה am Morgen ( )בקר112 sehen werden ( ראהqal). In V. 10 heißt es dann:
106 Köcher, Hymnus, 239 (Z. 17f). Vgl. zur Übersetzung Ambos, Baurituale, 47. Vgl. zum tempeltheologischen Hintergrund von akk. tašīltu „splendor“ CAD T, 287 (a), und grundsätzlich zu numinosen Lichtphänomenen in Mesopotamien Römer, Lichterscheinungen, bes. 77–79, sowie Aster, Light, 22–121. Vgl. als Beispiel für das Fülle-Motiv nach der Rückkehr einer Gottheit in sein Heiligtum Frame, RIMB 2, B.2.2.4.9, S. 30: „17–18) The Lord entered and took up his peaceful abode 19–20) Kasulim (‚Gate of Radiance‘), his lordly shrine, became bright, filled with rejoicing.“ 107 Vgl. Gertz, Tradition, 206–231, bes. 209–214. Dass Wolke und Berg in Ex 24,15b determiniert sind, bestätigt die Annahme, dass P das nicht-P Material kennt (anders Schmid, Sinai, 116f, für den die Determinationen ein erstes Indiz sind, den Abschnitt Ex 24,15b–18a der Priesterschrift abzusprechen). 108 So Albertz, ZBK 2.1, 238, in Charakterisierung der vor-priesterschriftlichen Wolken- und (anders als Gertz) Feuersäule als Bestandteil der älteren Schilfmeererzählung; diese datiert er bereits in die frühe Königszeit (a.a.O., 247f). 109 Zum tempeltheologischen Traditionshintergrund des Wolkenmotivs vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit, 139–149. 110 Den zwischen Ex 16* und Lev 9* erfolgenden Offenbarungsprogress mit Lev 9,23f als Höhepunkt und die Bedeutung der Sinaigeschichte für das Gesamtgefüge der Priesterschrift hat Zenger zu Recht betont, vgl. Zenger, Bogen, 157–160: „[E]rst jetzt ist der in Gen 1 eröffnete Geschehensbogen zu seinem Abschluß gekommen. Das in Gen 1 formelhaft wiederholt betonte ‚Sehen Gottes‘ auf sein Werk hat sich darin vollendet, daß nun ‚das ganze Volk‘ sieht und jubelt.“ (A.a.O., 160). 111 Vgl. zur Analyse des Kapitels Albertz, ZBK 2.1, 256–278. 112 Nach Podella, Lichtkleid, 267, „scheint PG mit dem Morgenmotiv bereits implizit solare Vorstellungen vorauszusetzen“; vgl. a.a.O., 217f und 224f.
208
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
Und es geschah, als Aaron zu der ganzen Gemeinde der Israeliten redete, da wandten sie sich zur Wüste, und siehe, die Herrlichkeit JHWHs ( )כבוד יהוהwar erschienen ( ראהni.) 113 in der Wolke ( )ֶבָּﬠָנן114.
Die Gottesbegegnung in Ex 16 zeigt zwar, „dass JHWH auch schon vor dem Bau des Heiligtums seinem Volk in seiner ganzen Majestät sichtbar nahekam“ 115, doch erscheint sie hier in der Wüste verhüllt in der Wolke. Dies wiederholt sich in 24,15b–18aα, unbeschadet der Tatsache, dass der Vergleich „wie verzehrendes Feuer“ in V. 17 die „einzige[n] visuelle[n] Qualifikation“ 116 der Herrlichkeit JHWHs in der Priesterschrift bietet, womit die Konzeption in die Nähe der solar konnotierten Beschreibung der Herrlichkeit JHWHs in Ez 1,27f (vgl. 10,4 und 43,2) rückt. 117 In Lev 9,23f, beim ersten Opfer, ist die Situation eine andere. Dort zeigt sich JHWH seinem Volk unverhüllt. Und auch für Mose ändern sich die Modalitäten der Gottesnähe, auch ihm ist eine unmittelbare Gottesbegegnung zunächst nicht möglich: „Die auf dem Berg ruhende ( )שכן118 Jahweherrlichkeit ( )כבודerfüllt ( )מלאdie Wohnung ()משכן, während die Wolke zunächst den Berg und dann das Zelt schützend bedeckt. Sie verhüllt Jahwes Kabod dem Volk; denn nur Mose kann – von Jahwe gerufen – ‚mitten in die Wolke‘ hineingehen (Ex 24,18a), um die Anweisungen zum Bau des Heiligtums von Gott entgegenzunehmen. Aber auch mitten in der Wolke bleibt Mose die Herrlichkeit Jahwes verhüllt. Nachdem der Bau des Heiligtums vollendet ist (39,42f.; 40,17) und Jahwes Kabod es erfüllt (40,34), verwehrt die Jahwes Gegenwart verhüllende Wolke Mose den Zutritt, der – draußen stehend – Jahwe vom Heiligtum her reden hört (40,35; Lev 1,1).“ 119
113
Vgl. das „Erscheinen“ Gottes vor Abram und Jakob in Gen 17,1 und 35,9. Zur Determination von „Wolke“ (so auch in Ex 24,15b!) vgl. Albertz, ZBK 2.1, 271: „Wenn der PB1 dabei die Erscheinung der ‚Herrlichkeit JHWHs‘ (kebôd yhwh) mit ‚der Wolke‘ (mit Artikel!) verband, dann griff er damit wahrscheinlich auf die nicht-priesterliche Vorstellung von der Wolkenund Feuersäule zurück (13,21–22; 14,19b–20.24).“ Anders als in Ex 24,15b könnte es sich allerdings auch um eine (masoretische?) Neuinterpretation handeln, denn der Konsonantenbestand wäre ohne Artikel identisch (vgl. auch LXX, die das Wort „Wolke“ in Ex 16,10 ohne Artikel wiedergibt). 115 Albertz, ZBK 2.1, 271. 116 Podella, Lichtkleid, 225. 117 Vgl. Podella, Lichtkleid, 225: „Die rötlich-gelbe Farbe der Morgensonne weist eine sehr ähnliche Farbgebung wie Feuerflammen auf. Sollte also die über einer Bergspitze (vgl. )בראשׁ ההרliegende Morgenröte in Ex 24,17 gemeint sein?“ 118 Struppe, Herrlichkeit, 14, hat vorgeschlagen, bei dem Verb שכןanhand der verwendeten Präpositionen עלoder בתוךzwischen einer direktiven („sich niederlassen“) und einer mansiven („wohnen“) Bedeutung zu differenzieren. Allerdings sagt auch dies nichts über die Dauer des Verweilens aus: Dass in Ex 24,16 an ein zeitlich begrenztes „Wohnen“ gedacht ist, ergibt sich aus dem Kontext (vgl. Ex 40,34f). Schmid, Sinai, 119, erblickt im „Wohnen“ der Wolke auf dem Berg – eine „singuläre Vorstellung“ [ebd.], vgl. aber Ex 40,35 – wiederum ein Argument gegen die Zugehörigkeit von Ex 24,15b– 18a zu Pg. Wie anders hätte man aber die Ortsveränderung vom Berg zum Zeltheiligtum besser ausdrücken können? 119 Köckert, Leben, 103. 114
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
209
In Lev 9,23f ist die Wolke verschwunden 120: Mose und Aaron haben freien Zutritt zum Heiligtum, das ganze Volk sieht die Herrlichkeit JHWHs unverhüllt (vgl. Lev 9,4b.6): 121 23
Und Mose und Aaron gingen hinein in das Zelt der Begegnung ()אהל מועד. Und als sie herauskamen, segneten sie das Volk. Da erschien die Herrlichkeit JHWHs ( )כבוד יהוהdem ganzen Volk. 24Und Feuer ging von JHWH aus und verzehrte auf dem Altar das Brandopfer und die Fettstücke. Als das ganze Volk es sah, jauchzten sie und fielen auf ihr Angesicht.
Theologisch noch wichtiger ist sodann ein innerer Rahmen in Ex 25,8 und 29,45f, 122 der die Anweisungen zum Heiligtumsbau umschließt und auf das „Wohnen“ JHWHs „inmitten der Israeliten“ zielt 123. Ex 25,8
Ex 29,43–46 124
8
43
Sie sollen mir ein Heiligtum ( )מקדשmachen, und ich werde in ihrer Mitte wohnen ()שכן בתוכם.
Und ich werde dort den Israeliten begegnen, und ich werde mich als heilig erweisen ()קדש in/durch meine/r Herrlichkeit. 44Und ich werde das Zelt der Begegnung und den Altar heiligen ()קדש. Und den Aaron und seine Söhne werde ich heiligen, damit sie für mich als Priester dienen. 45Und ich werde wohnen inmitten der Israeliten ( )שכן בתוך בני ישראלund werde für sie Gott sein. 46Und sie werden erkennen, dass ich, JHWH, ihr Gott (bin), der ich sie aus dem Land Ägypten herausgeführt habe, um in ihrer Mitte zu wohnen, ich, JHWH, ihr Gott.
120 Sie begegnet wieder in Lev 16,2.13, vgl. zum Zusammenhang des Wolkenmotivs in Ex 24*, Ex 40* und Lev 16* Nihan, Torah 365.378f. „While Moses was admitted inside the cloud in Ex 24:15b–18aα, Aaron is likewise allowed to stand before Yahweh in Lev 16; and as Yahweh appeared to Moses in Ex 25:22 and spoke to him ‚from above the kapporet‘ (Lev 16:2b) whenever the censer-incense ritual is performed inside the inner-sanctum. Thus, P’s account of the gradual establishment of a sacrificial cult in which the divine revelation at Mt Sinai can be permanently re-enacted in the ritual is also, simultaneously, the account of the eventual replacement of the prophetic (i. e., Mosaic) mediation by the priestly-sacrificial (Aaronite) one.“ (A.a.O., 379) 121 Vgl. auch Nihan, Torah, 91: „The inauguration of the sacrificial cult in ch. 9 establishes a new form of relationship between Yahweh and Israel, in which Israel is now given the means to overcome the division between sacred and profane to approach Yahweh in the holy realm where he dwells. This new relationship is emphasized by a twofold device: the leaders of the community, Moses and Aaron, are allowed for the first time to enter the house of the deity (Lev 9:23a), while the rest of the community is authorized to see the ‚splendor‘ ( )כבודof Yahweh (9:24a).“ Vgl. auch Köckert, Leben, 103: „Indem die Priesterschrift jene Ortsveränderung des Kabod sich nicht schon in der Erfüllung des Heiligtums erschöpfen, sondern im öffentlichen Erscheinen zum Ziel kommen läßt, macht sie deutlich, daß ihre Heiligtumskonzeption nicht an Gottes verborgener Präsenz, sondern an seiner Offenbarungsgegenwart orientiert ist.“ 122 Vgl. zu diesem Rahmen auch Weimar, Studien, 287–291, und Köckert, Leben, 103f. 123 Vgl. zur Traditionsgeschichte der so genannten Schekina-Theologie Janowski, Schekina-Theologie, sowie ders., Einwohnung. 124 Vgl. zur Ursprünglichkeit von Ex 29,43–46 Köckert, Leben, 103, Anm. 127, sowie ausführlich Nihan, Torah, 36–38 (anders z.B. Weimar, Studien, 275, Anm. 22, der Ex 29,43f als Nachtrag betrachtet).
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
Die Stellen sind durch die Verheißung der Gottesgegenwart sowie durch die Wurzel קדשaufeinander bezogen. Zugleich sind sie konzeptionell mit anderen zentralen Texten der priesterschriftlichen Sinaigeschichte, aber auch mit der priesterschriftlichen Exodus- und Erzelterngeschichte verknüpft. Der erste שכן-Beleg des inneren Rahmens, Ex 25,8, macht deutlich, dass die Formel ( שכן בתוך בני ישראלEx 29,45) bzw. ( שכן בתוכםEx 25,8; 29,46) letztlich „auf die Gegenwart im Heiligtum“ 125 bezogen ist. Die Verschränkung mit der halben Bundesformel in 29,45f betont dabei die personale Beziehung: Das Wohnen im Heiligtum dient der Begegnung zwischen JHWH und seinem Volk Israel. 126 Zugleich erfüllt sich darin die Abraham (und Mose) zugesagte Bundesverheißung, der Gott Israels sein zu wollen und JHWH als Gott zu erkennen (Gen 17,7f; Ex 6,2–8). 127 Bei der Formel שכן בתוך בני ישראל, in deren Gebrauch zu Recht „[d]as eigentliche Spezifikum der Wohnverheißung von Pg“ 128 gesehen wird, handelt es sich um eine Transformation einer lokalen (ein konkreter Ort) 129 in eine personale Bezugsgröße (Israel). Allerdings sollte bei der „personalisierte[n] Ortsangabe“ 130 der Israelbezug nicht auf Kosten des Tempel(-Stadt)bezugs überbetont werden, etwa mit der These, „daß das שׁכןJahwes prinzipiell an jedem Ort geschehen kann, wo sich die בני ישׂראלbefinden“ 131. Damit erscheint mir die grandiose Fiktion eines mitwandernden Zeltheiligtums unterbestimmt zu sein; dann hätte das Verb שכןauch schon früher im Erzählverlauf gebraucht werden können (z.B. bei den „Erscheinungen“ in Gen 35,9–15 oder in Ex 16*). Das „Wohnen“ JHWHs ist streng auf das Heiligtum als Leerstelle für den Jerusalemer Tempel bezogen. 132 Die Formel שכן בתוך בני ישראל, in der in der Tat eine lokale Bezugsgröße (Zion/ 125
Rudnig, Jahwe, 278. Vgl. zur Bedeutung der halben Bundesformel auch Owczarek, Vorstellung, 234–239. 127 Vgl. dazu auch Janowski, Sühne, 323f. 128 Owczarek, Vorstellung, 233. 129 Vgl. zum Traditionshintergrund der Formel Owczarek, Vorstellung, 232f: „Beim Vergleich mit den übrigen Belegen für שׁכןmit בתוךbzw. בfällt auf, daß in der Regel als Bezugswort ein konkreter Ort angegeben wird. Oder es findet sich eine Umschreibung mit המקום.“ Owczarek verweist auf folgende Belege: Jes 8,18; Joel 4,17.21; Ps 68,17; 74,2 (Bezugsgröße Zion). Sach 8,3; Ps 135,21; 1 Chr 23,25 (Bezugsgröße Jerusalem). Für den priesterschriftlichen Gebrauch ist vor allem der Beleg in Sach 8,3 (vgl. Sach 2,14) sprechend: „So hat JHWH gesprochen: Ich bin zum Zion zurückgekehrt und ich wohne inmitten Jerusalems ()שכן בתוך ירושלם.“ Vgl. zu den Sach-Belegen und den Konsequenzen für die Deutung der Formel auch Rudnig, Jahwe, 278. Vgl. zum Traditionshintergrund der Formel des Weiteren die vielen akk. Belege im Kontext von ramȗ „wohnen“ (CAD R, S. 134–136). 130 So treffend Struppe, Herrlichkeit, 60 (Verweis bei Owczarek, Vorstellung, 233). 131 Owczarek, Vorstellung, 233: „Das bedeutet, daß das שׁכןJahwes prinzipiell an jedem Ort geschehen kann, wo sich die בני ישׂראלbefinden. Zwar stellt auch für Pg die Gegenwart Jahwes in Jerusalem bzw. dem Jerusalemer Tempel den Idealfall dar. Doch schließt das nicht aus, daß sich Jahwe zeitweise auch an anderen Orten ‚inmitten der Israeliten‘ aufhalten kann. Die Bindung an ‚Israel‘ durch seine Bundeszusage an Abraham ist für Pg der lokalen Bindung an Jerusalem übergeordnet.“ 132 Die Wohnvorstellung in der Priesterschrift ist konzeptionell zu unterscheiden von Vorstellungen, die das „Wohnen“ Gottes auf Menschen beziehen und den Menschen als Tempel Gottes verstehen (vgl. etwa Jes 57,15). 126
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
211
Jerusalem) durch eine personale (Israel) ersetzt worden ist, ist m. E. der priesterschriftlichen Fiktion eines „wandernde[n] Tempel[s] der Wüste“ (J. Popper) 133 geschuldet. 134 Insofern ist die Umschreibung des Zeltheiligtums als „Zion auf der Wanderung“ 135 durchaus berechtigt. Ex 29,43f appliziert sodann mit Hilfe der Wurzel יעד136 den Modus der Gottesgegenwart auf das bewegliche Zeltheiligtum: „Die ortsfeste Konzeption vom ‚Thron/thronen‘ erscheint transformiert zu einem ‚auf Begegnung zielenden Verweilen‘.“ 137 Janowski hat m. E. richtig beobachtet, dass in Ex 29,43f der „der Sache nach durch Ex 24,15bff. vorbereitete Begriff ֹאֶהל ֹמוֵﬠדinterpretierend eingeführt und so eine theologische Ätiologie des Terminus ֹאֶהל ֹמוֵﬠדgegeben [wird]: Dieses Zelt ist der Ort in Israel, an dem Jahwe Mose bzw. den Israeliten ‚begegnet‘ (Ex 29,42b.43a).“ 138
133
Zitiert nach Pola, Priesterschrift, 245, Anm. 136. Die Formel ist zu vergleichen mit der Zentralisationsformel in Dtn 12, die den erwählten Ort Jerusalem ebenfalls nicht nennen darf, ohne die Fiktion einer vorstaatlichen Moserede aufzugeben. 135 So Pola, Priesterschrift, 245, in Abwandlung der Rede vom „Sinai auf der Wanderung“ (Görg). Vgl. auch Podella, Lichtkleid, 220: „Die Herrlichkeitstheologie der Priesterschrift erscheint so explizit als Heiligtumstheologie, als Tempeltheologie. Das Heiligtum ist nicht nur ‚der Sinai auf der Wanderung‘ [Janowski], sondern zugleich ein ‚mobiler Tempel‘!“ 136 Für die Etymologie der Wurzel יעדist ugaritisch yʿd „(Zeitpunkt) bestimmen“ zu beachten (vgl. KAHAL, 218); יעדni. mit Gott als Subjekt („sich treffen lassen, sich offenbaren“, vgl. Ges18, 474) ist in Pg nur Ex 25,22 und 29,42.43 belegt (vgl. darüber hinaus noch Ex 30,6.36; Num 17,19). Der Gebrauch scheint auf P zurückzugehen, da das Verb יעדni. „sich treffen“ in kultisch-tempeltheologischem Kontext vor P nicht bezeugt ist (vgl. auch Nihan, Torah, 47 mit Anm. 146). 137 Podella, Lichtkleid, 221. Zu Recht sieht Nihan keinen Widerspruch zwischen שכןund יעדin P: „As the place where Yahweh’s כבודdwells, the משכן, built on the heavenly pattern (Ex 25:9, 40; further 26:30; 27:8), is indeed the only place where he can be encountered by his people.“ (Torah, 47). 138 Janowski, Sühne, 326 (allerdings dürfte V. 42b sekundär sein, vgl. Nihan, Torah, 36f mit Anm. 83). Vgl. zur Analyse des Begriffs אהל מועדJanowski, Sühne, 306, Anm. 175. Dass es eine P vorgegebene ältere Zelt-Tradition gibt, wird in der jüngeren Forschung mit guten Gründen in Zweifel gezogen (vgl. z.B. Nihan, Torah, 47). – Das Zeltheiligtum ist zwar fiktiv, aber nicht außerhalb des damals Vorstellbaren (vgl. Houtman, Zeltheiligtum). Zum Erfahrungshintergrund für die perserzeitliche Priesterschrift sei lediglich auf den „mobilen Palast“ des persischen Großkönigs verwiesen: „Auf seinen Reisen und bei seinen Feldzügen wohnte der König in einem ‚Zelt‘ von gewaltigen Ausmaßen, das durch bestimmte Charakteristika leicht als das des Königs zu erkennen war. Es ist wegen seiner Größe, seiner Komplexität und Ausstattung, aber nicht zuletzt auch wegen seiner Funktion zu Recht als ‚mobiler Palast‘ bezeichnet worden: dort, wo sich der Herrscher gerade aufhält, ist auch das Zentrum seiner königlichen Macht und Autorität. Im Zelt, beim König, befanden sich jeweils die Insignien seiner Macht, und es verwundert nicht, daß etwa Alexander, nach Issos, seinen Anspruch auf die Herrschaft über ganz Asien durch die Inbesitznahme von Zelt und Hoheitszeichen unterstrich.“ (Wiesehöfer, Persien, 70). Vgl. zur Zelt-Metapher auch Hartenstein, Angesicht, 165f: Hartenstein erwägt, dass „Zelt“ als Metapher für ein Heiligtum schon in der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie in Gebrauch gewesen sein könnte (zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund s. ebd. Anm. 82). Einen Zusammenhang mit der Metapher vom „Himmelszelt“ in DtJes ist dagegen unwahrscheinlich (so aber Grund, Psalm 19, 174), da dieses weder in Jes 40,22 noch in Ps 104,2 als Wohnzelt JHWHs fungiert (s. o. S. 101ff). 134
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
Neben der Verheißung der Gottesgegenwart sind die Stellen durch die Wurzel קדשverbunden. Der Terminus Heiligtum ()מקדש, der in Ex 25,8a – einmalig in Pg – belegt ist, 139 wird in Ex 29,43f verbal aufgegriffen: JHWH wird sich als heilig erweisen und das Heiligtum samt Priesterschaft heiligen. 140 Wie Nihan m. E. richtig gesehen hat, zielt auch Ex 29,43f letztlich auf Lev 9,23f: „The promise that Yahweh will consecrate the tent and the altar through his כבודis not related in Ex 40:34–35, but corresponds exactly to what is recounted in Lev 9:23–24 when the כבודappears to the Israelites and devors the sacrifices on the altar.“ 141 Fragt man nach der kosmologischen Bedeutung der priesterschriftlichen Heiligtumskonzeption, so ist festzustellen, dass beide für die altorientalische Tempeltheologie charakteristischen Entsprechungsverhältnisse anzutreffen sind: Der zeitliche Rückgriff auf die Weltschöpfung und der räumliche Ausgriff auf den Götterhimmel. Der Schöpfungsbezug des Heiligtums wird in der Priesterschrift durch kompositorische und literarische Querverbindungen zwischen Ex 24–40* und Gen 1,1– 2,3* zum Ausdruck gebracht. Diese Bezüge sind vielfach beschrieben worden und sollen deshalb nur angedeutet werden. Es handelt sich in erster Linie um das 6/7Tage-Schema in Ex 24,16b–18a (vgl. Gen 1,3–31→ 2,2f; vgl. auch Ex 16,26) sowie die Parallelisierung von JHWHs und Moses Handeln in der Abfolge sehen – billigen – segnen in Ex 39f (vgl. Gen 1,31 u. 2,2f). 142 Ich möchte demgegenüber ausführlicher auf die räumliche Entsprechung eingehen, wonach der Tempel Zentrum einer vertikalen Achse und Entsprechung des götterweltlichen Heiligtums ist. Diese Vorstellung kommt in der Priesterschrift vornehmlich darin zum Ausdruck, dass das Heiligtum nach einem „Urbild“ oder „Vorbild“ ( )תבנית143 errichtet werden soll.
139 Eine Anspielung auf Gen 2,3 ( קדשpi.) ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der übrigen Querbezüge zwischen Sinai und Schöpfung sehr wahrscheinlich, vgl. auch Baumgart, Umkehr, 504f. 140 In diesem Zusammenhang ist auf „P’s love for paronomasia“ (Nihan, Torah, 38) hinzuweisen, die die priesterschriftliche Heiligtumsterminologie prägt: Neben Ex 25,8/29,43f (קדש/ )מקדשnoch Ex 25,8f (שכן/ )משכןund Ex 29,43f (יעד/)אהל מועד. 141 Nihan, Torah, 53. 142 Vgl. zu diesen und weiteren Bezügen zwischen Schöpfung und Tempelbau Weinfeld, Sabbath; Weimar, Studien, 269–317; Janowski, Tempel; Baumgart, Umkehr, 503–506; Grund, Entstehung, 257–273. Zur Intention der Bezüge erklärt Janowski: Am Sinai „hat die in der Schöpfung grundgelegte Hinwendung Gottes zur Welt / zum Menschen als Gemeinschaft des Schöpfers mit Israel ihr Ziel erreicht, und umgekehrt hat sich Israel hier das schöpfungstheologische Geheimnis des ‚siebten Tages‘ erschlossen, an dem JHWH den Mose zur Beauftragung mit dem Heiligtumsbau in die Wolke hineinrief.“ (Tempel, 244). 143 Das Wort ist ein Derivat der Wurzel „ בנהbauen“, vgl. KAHAL, 647. Vgl. zu dem Terminus Schroer, Bilder, 336: Demnach ist „ תבניתein Begriff, der die Beziehung eines künstlich geschaffenen Gebildes zu einer ihm entsprechenden gestalthaften Wirklichkeit als formale Entsprechung und Aehnlichkeit akzentuiert“ (ebd.). Die Belege in Ex 25,9.40 deutet sie als „Vorbild (Modell, Plan, Entwurf) zu etwas noch zu Schaffendem“ (ebd.).
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
213
Die תבנית-Notizen in Ex 25,8; 25,40 und 26,30 144 (vgl. 1 Chr 28,11.12; 2 Kön 16,10; 1 Chr 28,18f) umschließen die Anweisungen zum Bau der Geräte (Ex 25,10–39*) sowie der Wohnung (Ex 26,1–29*). 145 Sie stellen sicher, dass das irdische Heiligtum seinem himmlischen Vorbild exakt entspricht. Ex 25,9: Wohnung und Geräte – wie JHWH Mose (im Folgenden) zeigen wird (Pt. hi.): 9 Nach allem, was ich dir zeige: dem Vorbild/Modell ( )תבניתder Wohnung und dem Vorbild / Modell ( )תבניתall ihrer Geräte, so sollt ihr es machen. Ex 25,10ff: Anweisungen zum Bau der Geräte Ex 25,40: Geräte (Suff. 3. Pl.) – wie Mose gezeigt worden ist (vorzeitig: Pt. ho.): 40 Und sieh und mache (es) nach 146 ihrem Vorbild/Modell ()בתבניתם, das dir auf dem Berg gezeigt worden ist. Ex 26,1ff: Anweisungen zum Bau der Wohnung Ex 26,30: Wohnung – wie Mose gezeigt worden ist (vorzeitig: Perf. ho.): 30 Und du sollst aufrichten die Wohnung entsprechend ihrer Ordnung ()כמשפטו, wie sie dir auf dem Berg gezeigt worden ist.
Die Vorstellung, dass der irdische Tempel nach einem himmlischen Vorbild geschaffen worden sei, ist im Alten Testament erstmals in der Priesterschrift greifbar (vgl. dann 1 Chr 28,11f.18f 147) und ist von dort in frühjüdischen (und frühchristlichen) Kreisen breit rezipiert worden. 148 So exzeptionell die Vorstellung im Alten Testament auch ist, so verbreitet war sie in der altorientalischen Tempeltheologie, zumal babylonischer Ausprägung, wie die Hinweise auf Enūma eliš und davon abhängige jüngere Texte zeigen, wo für die Urbild-Abbild-Relation verschiedene Begriffe gebraucht werden können (s. Kap. 2). 149 In der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie haftete die vertikale Dimension des Tempels demgegenüber vermutlich vornehmlich am Gottesthron (und der Lade?). Das legen Texte wie Jes 6* und Ps 93* sowie der Titel „Kerubenthroner“ 144 Vgl. zur Ursprünglichkeit dieser Stellen Nihan, Torah, 42, Anm. 114. Vgl. zur Deutung der Vorstellung auch Weimar, Studien, 279–286, der jedoch nur 25,9* und 26,30 für ursprünglich hält. Schmid, Sinai, 117–119, hält sämtliche תבנית-Notizen für sekundär. 145 Vgl. auch Weimar, Studien, 279–286, der allerdings die Notiz in 25,40 zusammen mit dem ganzen Abschnitt 25,10ff für sekundär hält (vgl. bes. a.a.O., 274), vgl. dagegen Nihan, Torah, 43f. 146 Die Präposition בist als Beth normae zu deuten. 147 Wenn Schmid, Sinai, 118, die תבנית-Belege in Ex 25,9 und 40 als „‚chronistische‘ Neuinterpretation der priesterschriftlichen Heiligtumstexte“ zu interpretieren versucht, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Chronikbelege schon aufgrund ihrer traditionsgeschichtlichen Mischgestalt als jünger zu beurteilen sind; vgl. z.B. Japhet, HThKAT, 448, mit dem Fazit: „Demnach hat der Chronist den Terminus תבניתvom Bau der Stiftshütte mit Ezechiels Vorstellung von einer schriftlichen Übermittlung des Plans [vgl. Ez 43,10–12, CK] kombiniert und beide zusammen in die Errichtung des salomonischen Tempels eingeführt, wo ursprünglich kein Plan erwähnt war.“ – Auch die Wendung בית כפרתin 1 Chr 28,11 (vgl. Ex 25,18ff) macht die Abhängigkeit von priesterschriftlicher Theologie deutlich. 148 Vgl. zu dieser Wirkungsgeschichte Ego, Himmel, 27–61. 149 Vgl. zu Ee als Vergleichstext zu Ex 25ff (P) auch Nihan, Torah, 59f. Vgl. auch Baumgart, Umkehr, 499–503, der auf einen weiteren babylonischen Vergleichstext hinweist. Der Text mit dem Titel „Eine zweisprachige Beschwörung mit Schöpfungsmythos“ (TUAT III, 608f) bezeugt vermutlich ebenfalls die Urbild-Abbild-Relation, wenn in den Z. 12–16 statt realen Heiligtümern lediglich „die Vorgabe für ein irdisches Heiligtum (oder für mehrere Heiligtümer?)“ beschrieben wird (a.a.O., 501).
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
nahe. Das Thronen des Königsgottes ist in der Priesterschrift derjenige Vorstellungskomplex, der am stärksten transformiert worden ist, weshalb der Titel von Mettingers einschlägiger Monographie – „The Dethronement of Sabaoth“ – die Veränderung treffend wiedergibt. 150 Die Priesterschrift deutet JHWH vor dem Hintergrund eines universalen Gotteskonzepts nicht als Königsgott (über andere Götter) 151; von einem Thron ist in P keine Rede, das Verb „ ישבthronen“ nicht belegt, der Titel „Zebaoth“ fehlt ebenso wie ein expliziter Verweis auf einen himmlischen Hofstaat (vgl. lediglich die Andeutung in Gen 1,26). Möglicherweise war für diese Transformation die Tempelzerstörung von 587 und die Kultunterbrechung der Folgejahre mit entscheidend. 152 Allerdings ist mit der Zurückweisung des Thronmotivs die damit verbundene vertikale Kosmologie nicht gänzlich getilgt worden, wie schon die Urbild-AbbildRelation zwischen himmlischem und irdischem Heiligtum zeigt. Darüber hinaus enthält das priesterschriftliche Konzept weitere Hinweise auf eine vertikale Kosmologie. Folgt man der literarischen Analyse der priesterschriftlichen Sinaigeschichte von Nihan, so gehörte auch ein Kernbestand von Ex 25,10ff zu Pg. 153 Die Anweisungen zum Bau der Lade beschreiben u.a. den für die priesterschriftliche Sühnetheologie eminent wichtigen Zusammenhang von Kapporet („Sühneort“), Keruben 154 und Lade ( = ארוןKasten). Der hier relevante Abschnitt lautet: 155 (17)
Und du sollst eine Kapporet aus reinem Gold machen: zweieinhalb Ellen ihre Länge und anderthalb Ellen ihre Breite. (18)Und du sollst zwei goldene Keruben machen; in getriebener Arbeit sollst du sie machen, aus den beiden Enden der Kapporet. (19)Den einen Kerub mache am einen Ende und den anderen Kerub am anderen Ende. Aus der Kapporet sollt ihr die Keruben machen an ihren beiden Enden. 156 (20)Und die Keruben sollen die Flügel nach oben ausbreiten und mit ihren Flügeln die Kapporet beschirmen. Und ihre Gesichter sollen einander (zugewandt) sein, zur Kapporet sollen die Gesichter der Keruben (zugewandt) sein. (21)Und du sollst 150 Mettinger, Dethronement, 80ff. Gegen Mettinger (a.a.O., 97.113f) ist allerdings m. E. mit einer größeren Kontinuität zwischen vorexilischer Tempeltheologie/Zionstheologie und dem priesterschriftlichen Heiligtumskonzept zu rechnen (s. u.). 151 Dessen unbeschadet wird JHWH im priesterschriftlichen Entwurf als Königsgott dargestellt: „Unter Einbeziehung des Sieges über den ägyptischen Pharao (König als Repräsentant des Gottes) am Schilfmeer benennt PG alle drei Traditionskomplexe, die die Macht und Wirksamkeit eines königlichen Gottes entfalten: Schöpfung (Gen 1,1–2,4a) – (Chaos)Kampf gegen ägyptische Feinde (Ex 14) – Heiligtumserwerb (Ex 25–40).“ (Podella, Lichtkleid, 221). 152 Vgl. zu dieser These Mettinger, Dethronement, 111–114. 153 Vgl. Nihan, Torah, 43f. Anders z.B. Weimar, Studien, 273f. Weimar argumentiert 1. mit der problematischen Stellung des Abschnitts im Gesamtzusammenhang der Anweisungen (nämlich schon vor der „Wohnung“), 2. dem Fehlen der Lade im weiteren Verlauf von P und 3. der Wiederaufnahme von V. 8f in V. 40. Aber: Wenn P – mit Nihan – bis Lev 16 reichte, ist die exponierte Lage dieses Abschnitts logisch, da Lade und Kapporet beim Versöhnungstag eine wichtige Funktion haben. Zu bedenken ist ferner: Weshalb sollte ausgerechnet mit 25,10ff ein Abschnitt über einen Kultgegenstand nachträglich geschaffen und vorangestellt worden sein, der in seiner Entstehungszeit (Ps) keinen Anhalt an der Realität des (inzwischen entstandenen) Zweiten Tempels hat? 154 Vgl. zu diesen Mischwesen Riede, Keruben/Kerubenthroner. 155 Vgl. zu diesem Abschnitt die eingehende Analyse von Janowski, Sühne, 339–346. 156 Zu V. 19 als Nachtrag vgl. Janowski, Sühne, 341; Nihan, Torah, 48, Anm. 152.
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die Kapporet oben auf die Lade geben. In die Lade aber sollst du die Gesetzesbestimmungen ( )העדתlegen, die ich dir geben werde. 157 (22)Und ich will dir dort begegnen ( )יעדund mit dir reden von oberhalb der Kapporet her, von (dem Raum) zwischen den beiden Keruben her, die auf der Lade der Gesetzesbestimmungen ist, alles, was ich dir für die Israeliten auftragen werde 158. (Ex 25,17–22)
Bemerkenswert ist zunächst die gegenüber dem (wohl wenigstens im Groben die vorexilischen Verhältnisse spiegelnden) Bericht in 1 Kön 6 modifizierte Sicht der Keruben. Sie sind nämlich weitgehend ihrer Eigenständigkeit beraubt und verschmelzen mit der von P neu geschaffenen Kapporet. Nach 1 Kön 6,23–28 befanden sich im Salomonischen Tempel zwei Keruben aus Olivenholz gefertigt und mit Gold überzogen im Debir. Sie waren 10 Ellen (ca. 5m) hoch, standen parallel, die Augen zum Hauptraum gerichtet, wobei sich die inneren Flügel berührten. 159 Aufgrund des Epithetons „Kerubenthroner“ (1 Sam 4,4; 2 Sam 6,2; 2 Kön 19,15; Jes 37,16; Ps 80,2; 99,1; 1 Chr 13,6) liegt die Annahme nahe, dass sie – in Analogie zu den syrisch-phönizischen Sphingenthronen 160 – als Tragtiere des (unsichtbar oder in Gestalt einer anthropomorphen Kultstatue) thronenden Gottes fungierten und dabei den Ort markierten, „an dem himmlischer und irdischer Bereich ineinander übergehen“ 161. In der Priesterschrift kommt es nun zu einer tiefgreifenden Neuinterpretation dieser gewaltigen Tempelkeruben. Die goldenen Keruben schrumpfen zu zwei kleinen Figürchen zusammen, die – sich vis-à-vis gegenüberstehend – an den beiden Enden der Kapporet angebracht sind, um die darunterliegende Lade zu „beschirmen“ oder zu „verhüllen“ (סכך, Ex 25,20). S. Schroer hat treffend von einer „‚Zähmung‘ der Keruben in der Priesterschrift“ 162 gesprochen. Im Gegensatz zu der Darstellung in 1 Kön 6 zeichnet sich die in Ex 25 durch einen „Verzicht auf ikonographische Konkretisierung“ 163 aus, die ihre Ursache darin haben dürfte, „dass die Priesterschrift auch in ihrer Kerubenkonzeption nicht ein ‚Sehbild‘, sondern ein ‚Denkbild‘ vermitteln will“ 164. Trotz der „Zähmung“ der Keruben ist jedoch zu bedenken, dass die Priesterschrift diese Mischwesen mit ihren kosmologischen Implikationen offensichtlich weiterhin in ihr tempeltheologisches Konzept integriert haben wollte: Die Keruben beschirmen die Kapporet, den Ort der inten-
157 Die Vorstellung, die Lade habe als Behälter für die Gesetze fungiert, stammt aus Dtn 10,1–5 und ist in P sekundär; sie stülpt über die hier beschriebene kosmologische Lade-Kapporet-Konzeption eine damit konkurrierende spät-dtr Konzeption (vgl. u. S. 216–219). 158 Zu V. 22b als Zusatz vgl. Janowski, Sühne, 343. 159 Vgl. den Rekonstruktionsversuch bei Zwickel, Tempel, Taf. 8; vgl. auch a.a.O., 101–104. 160 Diese dienten im 2. Jt. dem König, im 1. Jt. zunehmend Göttern als Thronsitz und sind leer erst seit der Perserzeit belegt, vgl. Köckert, Kultbild, 390–395. 161 Janowski, Sühne, 290. 162 Schroer, Bilder, 130. 163 Janowski, Sühne, 343. 164 Janowski, Sühne, 343.
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sivsten Gottesnähe (vgl. auch 1 Kön 8,7 165). 166 Bringt man die in Ex 25,17–22* betont enge Verbindung von Kapporet und Keruben in Anschlag, so legt sich mit Nihan die Vermutung nahe, dass die Kapporet in der Priesterschrift den Platz des vorexilischen Kerubenthrons eingenommen hat: Sie verdichtet den Ort, wo sich Himmel und Erde berühren, weil Gott dort präsent ist und Begegnung ( יעדni., vgl. 29,43f 167) ermöglicht. Ein zweiter Aspekt ist möglicherweise von Bedeutung. Janowski hat auf das Fehlen einer Höhenangabe der Kapporet in Ex 25,17 (vgl. demgegenüber die Beschreibung der Lade in Ex 25,10) aufmerksam gemacht. Er folgert: „Die ַכֹּפֶּרתist eben kein ‚Deckel‘ für die Lade, sondern – jenseits vordergründiger Dinglichkeit – der in die Form einer ‚reinen Ebene‘ gefaßte Ort der Gegenwart Gottes in Israel.“ 168 Wie die Keruben und der hochragende Thron im Salomonischen Tempel ist sie „Grenzmarkierung zum Transzendenzbereich“ 169.
Exkurs: ארן העדות An dieser Stelle ist in einem Exkurs auf die Wendung ארן העדותeinzugehen, die über Ex 25,10–22 hinaus das priesterschriftliche Heiligtumskonzept tangiert. In Ex 25,10–22 konkurrieren offensichtlich zwei Lade-Konzeptionen: 170 Nach der 165
Der Vers dürfte von priesterlicher Theologie geprägt sein, vgl. Würthwein, ATD 11,1, 87. Der enge Zusammenhang zwischen Kapporet und Keruben verdeutlicht die Intention der Priesterschrift: „nicht wie ehedem die auf dem Gottesberg Zion befindlichen Keruben als Tragtiere der (unsichtbar) thronenden Gottheit, sondern nunmehr die mit ihnen materialiter verbundene ַכֹּפֶּרתals den Ort der Präsenz des begegnenden Gottes auszuweisen, d. h. als den Ort, an dem himmlischer und irdischer Bereich ‚sich berühren‘, an dem der transzendente Gott in seiner Kondeszendenz nahe ist, ‚begegnet‘.“ (Janowski, Sühne, 345f). Vgl. in diesem Sinn auch Nihan, Torah, 46. „But the space between the two cherubim – which, as hybrid beings, mark themselves the boundary between heaven and earth – nevertheless remains the axis mundi, the focal point where heaven and earth converge.“ 167 Ex 25,22 weist auf die Lev 1,1ff folgende Gottesrede voraus: „das ‚Begegnen‘ erfolgt um des Redens mit dem Adressaten der ‚Begegnung‘ willen.“ (Görg, ThWAT III, 705). Owczarek, Vorstellung, 61, erkennt eine literarkritisch relevante Spannung zwischen Ex 25,22 und 29,43ff hinsichtlich der Adressaten und des Ortes der Begegnung. Vgl. dagegen Nihan, Torah, 48, der gegen diese These die unterschiedlichen Funktionen des יעדin Anschlag bringt: „[T]he nature of this encounter differs in the two cases. For Israel, this is primarily through the sacrificial cult; in this respect, it is not a coincidence if 29:43 connects Yahweh’s encounter with Israel to the ‚consecration‘ of the tent by Yahweh’s כבוד, an unmistakable reference to Lev 9:23–24, the notice concluding the account of the institution of the sacrificial cult. Yahweh’s encounter with Moses, on the other hand, occurs in Ex 25:22 by means of the revelation to him of further laws for Israel proclaimed from above the kapporet – a reference to the sequel of P’s account in Leviticus (Lev 1:1ff.), following the building of the tent.“ 168 Janowski, Sühne, 347 (mit Verweis auf Gese); vgl. schon a.a.O., 275. 169 Janowski, Sühne, 347. Vgl. auch Nihan, Torah, 46: „On its vertical axis, the kapporet is not limited to the dimensions of the earthly sanctuary, but it reaches up to the divine throne of heaven.“ Allerdings sollte das Argumentum ex silentio der fehlenden Höhenangabe auch nicht überbewertet werden. Es ist ebenso möglich, dass die Höhenangabe bei einer plattenartigen Konstruktion schlicht als überflüssig erachtet wurde. Zudem hätte die raumsprengende Vertikale, wie zB. in Jes 6,1 der hoch aufragende Gottesthron ()כסא רם ונשא, durchaus begrifflich expliziert werden können. 170 Das gilt m. E. auch dann, wenn Ex 25,10–22 in Gänze Ps zugeordnet wird, vgl. in diesem Sinn auch Owczarek, Vorstellung, 59–63. 166
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
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einen ist die Lade in Verbindung mit der Kapporet Ort der Gottesgegenwart im Zeltheiligtum, sie dient in erster Linie der Beweglichkeit der Kapporet (V. 10– 22*); 171 nach der anderen fungiert sie als Behälter der ( עדותV. 16.21b). Die konzeptionelle Spannung lässt sich m. E. nur literarhistorisch erklären. Während die Verbindung von Lade, Kapporet und Keruben in diesem Abschnitt ursprünglich ist, handelt es sich bei Ex 25,16 und 21b (vgl. Ex 31,18) um spätere Hinzufügungen, die die Vorstellung der Lade als Behälter für den Dekalog/das Gesetz aus Dtn 10,1–5 nachtragen. 172 Dann ist aber auch die Wendung ארן העדותin V. 22 verdächtig; denn diese dürfte die zuvor genannte Behälterfunktion der Lade voraussetzen. Allerdings fehlt es nicht an Stimmen, die gerade dies bestreiten und demgegenüber einen (weiteren) Funktionswechsel der Lade postulieren, der jedoch mit einem problematischen Bedeutungswandel des Begriffs עדותeinhergeht. Die Frage lautet: Setzt die Wendung ארן העדותdie Behälterfunktion der Lade voraus, für die sie dann synekdochisch steht, oder ist die Wendung irgendwie anders zu erklären? Ausgangspunkt für letztere Vermutung ist die Beobachtung, dass die Kontexte von – ארן העדותabgesehen von Ex 31,7, wo eine Verschreibung vorliegen könnte 173 – nicht zwingend die Behältervorstellung der Lade verlangen. Owczarek geht etwa von einer ursprünglichen Bedeutung „Lade des Zeugnisses“ aus, „weil mit ihr die Verheißung verbunden ist, daß sich Jahwe an diesem Ort ‚bezeugen‘ wird ( עודII hi)“ 174. Der spät-dtr Pentateuchredaktor, der für Ex 25,16 und 21b verantwortlich zeichne, habe „den priesterschriftlichen Terminus עדותund wohl auch die Bezeichnung der Lade als ארון העדתbereits vorgefunden und im Rahmen der priesterschriftlichen Erzählung mit Hilfe seiner Ladedeutung neu interpretiert“ 175. Dem schließt sich Nihan an mit dem zusätzlichen Hinweis, dass die Wendung erstmals in Ex 25,22 erscheint: „There precisely, Yahweh announces to Moses that he will encounter him ( יעדNi.) and speak to him ‚from upon the kapporet [...] that is above the Ark of the ʿēdût‘, the Ark being explicitly defined, in this passage, as the very place where Yahweh is present inside his sanctuary.“ 176 Doch gegen diese These sprechen schon linguistische Gründe, da der Begriff עדותhöchst wahrscheinlich nicht von „ עדZeuge“ abzuleiten ist. 177 Auch Porzig hält eine Umdeutung des Begriffs für wahrscheinlich, geht allerdings etymologisch einen anderen Weg: „Die Paronomasie ( יעד – עדותz.B. Ex 30,6.36; Num 17,19 171 Vgl. Janowski, Sühne, 340: „Die Lade ist ‚nur‘ technisch mit der ַכֹּפֶּרתverbunden, um die Transportabilität dieses unberührbaren Gerätes (Lev 16,21a.bα) zu ermöglichen, d. h. sie fungiert als kostbar ausgestatteter (Ex 25,11; 37,2: )ָזָהב ָטהוׄרund mit großer Sorgfalt zu behandelnder (Num 4,5f.) tragbarer (Ex 25,13–15), kastenförmiger Sockel oder Untersatz der ַכֹּפֶּרת.“ 172 Vgl. auch und mit weiteren Argumenten Nihan, Torah, 48f. 173 Vgl. Nihan, Torah, 50 mit Anm. 161 (dort ist Ex 31,7 zu Ex 30,7 verschrieben!). 174 Owczarek, Vorstellung, 170. 175 Owcrarek, Vorstellung, 171. 176 Nihan, Torah, 50. 177 Vgl. Talshir, ֵﬠדוׄת, 118.
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
und Ex 25,16.21b.22 in der Endgestalt) spräche dann dafür, daß ʾarôn (hā-)ʿedût auch etymologisch ursprünglich so etwas wie die ‚Lade der Begegnung‘ bzw. der Selbstmitteilung Gottes bedeutet hätte.“ 178 Der Annahme einer Paronomasie steht allerdings u.a. entgegen, dass es eine solche von der Wurzel יעדschon gibt: – יעד ( מועדvgl. Ex 29,43f). Hätte man die Lade als „Lade der Begegnung“ in das System noch einbeziehen wollen, hätte die Verbindung ארון המועדnähergelegen. Das entscheidende Argument gegen beide Thesen ist jedoch der Traditionshintergrund der Wendung ארון העדות. Denn wie wahrscheinlich ist es, dass es im Alten Testament zwei analoge Ladebezeichnungen gab, die ursprünglich völlig verschiedene Bedeutungen hatten, einmal ( ארון הבריתvgl. z.B. Dtn 9,9), einmal ?ארון העדותNoch unwahrscheinlicher wird diese Annahme, wenn man bedenkt, dass עדותeine deutliche und kaum zufällige Nähe zum aramäischen Parallelbegriff von „ בריתVertrag“ zu erkennen gibt: nämlich zu aram. ʿdy „Vertragsbestimmungen“ (pl. tantum). Ein etymologischer Zusammenhang von hebr. ( עדותurspr. ֵﬠדוׄת, ebenfalls ein pl. tantum 179) und aram. ʿdy hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. 180 Vor diesem Hintergrund liegt es näher, dass das Wort עדותnicht nur in Ex 25,16.21b (vgl. noch Ex 31,7; 40,20), sondern grundsätzlich auf die dtr Behälterfunktion des ארון העדותzu beziehen ist 181 und in der Priesterschrift gänzlich sekundär ist. Quellort der Vorstellung wäre dann Dtn 10,1–5 182, und die Wendung ארון העדותwäre in Anlehnung an ( ארון הבריתDtn 9,9 u.ö.), aber mit Ersetzung des für die priesterliche Bundestheologie bereits gnadentheologisch besetzten Begriffs ( בריתvgl. die bedingungslosen ברית-Texte in Gen 9 und 17) durch Aufnahme des (ursprünglich aramäischen) Parallelbegriffs עדותsekundär in die priesterliche Sinaigeschichte eingetragen worden. 183 Nihan, der diesen radikaleren Lösungsweg ebenfalls in Erwägung zieht, verwirft ihn vor allem aufgrund der zahlreichen 178
Porzig, Lade, 26. Vgl. zur ursprünglichen Form und den Transformationen des Begriffs Talshir, ֵﬠדוׄת, 115–120. 180 Vgl. Lemaire, Inscription, 101–104; Simian-Yofre, ThWAT V, 1109f; Verf., Vertrag, 102–104. 181 Dass dies für die priesterlichen Belege funktioniert, zeigt die Übersicht bei van Leeuwen, THAT II, 217: „Das Nomen ʿēdūt [...] bezeichnet an weitaus den meisten Stellen den Inhalt der Lade nach der priesterlichen Tradition: Jahwe hat Mose den Auftrag erteilt, die ʿēdūt, die er ihm geben werde, in die Lade zu legen (Ex 25,16.21; vgl. 40,20). Nach Ex 31,7 sollen Beraleel und Oholiab die Lade für die ʿēdūt machen. Daher wird die Lade ʿarōn hāʿēdūt genannt (Ex 25,22; 26,33.34; 30,6.26; 39,35; 40,3.5.21; Num 4,5; 7,89; Jos 4,16), das Wanderheiligtum, in dem sich die Lade befand, miškan hāʿēdūt (Ex 38,21; Num 1,50.53; 10,11) oder ʾōhæl hāʿēdūt (Num 9,15; 17,22.23; 18,2; 2 Chr 24,6). Ferner soll Aaron einen Krug mit Manna (Ex 16,34) und Mose Räucherwerk (Ex 30,36) und den Stab Aarons (Num 17,19.25) ‚vor die ʿēdūt‘ legen; es ist die Rede von der Deckplatte, die über der ʿēdūt (Ex 30,6; Lev 16,13) bzw. auf der Lade (Num 7,89) lag, und vom Vorhang, der sich über der ʿēdūt (Ex 27,21; vgl. Lev 24,3) bzw. vor der Lade (Ex 30,6) befand.“ 182 Vermutlich ein spät-dtr Text, der sich seinerseits schon mit P im Gespräch befindet, vgl. Verf., Tafelmotiv, 31–35 (a.a.O., 35 ff auch zum Traditionshintergrund der Vertragstafeln). 183 Vgl. dazu Simian-Yofre, ThWAT V, 1126: „In allen diesen Texten, die allgemein P zugeschrieben werden, scheint es ein systematisches Anliegen zu sein, ʿēd̲ūt̲ zu verwenden, wo die dtn-dtr Tradition berît̲ gebraucht hätte ...“ – Dass sich dabei das Verständnis der Inhalte gegenüber der dtr Tradition verändert hat (dort befand sich der Dekalog in der Lade, vgl. Dtn 5,22; 10,1–5), ist möglich: „Das Lexem עדותist zu unbestimmt, als daß man genau sagen könnte, welche Normen oder welche 179
6.4 Ex 24ff: Das Zeltheiligtum als „Himmel auf Erden“
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Belege, an denen העדותfür sich steht. 184 Doch dieser Einwand lässt sich entkräften. Denn von den absoluten Belegen von העדות185 wäre für Pg – selbst in der großzügigen Rekonstruktion von Nihan – nur Lev 16,13 zu reklamieren, wo das Wort hinzugefügt worden sein kann. In Verbindung mit „Lade“ wären für Pg – wiederum in der Rekonstruktion von Nihan – allein Ex 25,22 und 26,33(34) in Anschlag zu bringen; an diesen Stellen wäre eine spätere Ergänzung ebenfalls gut möglich. Nihan ist zuzustimmen, dass es vom Befund her unwahrscheinlich ist, dass sämtliche Belege erst nach der Verbindung der Priesterschrift mit den nichtpriesterschriftlichen Texten ergänzt worden sind. 186 Jedoch kann die Übernahme in die Priesterschrift auch schon vorher erfolgt sein. Denn Voraussetzung für die Begriffsbildung ist nicht zwingend ein gemeinsamer „Buch“-Zusammenhang mit den dtr Ladetexten, es genügt ein Kenntnis-Zusammenhang, wie er bei vielen priesterschriftlichen Texten in Bezug auf vor- und neben-priesterschriftliche Texte und Traditionen anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus denkbar, dass der Begriff ארון העדותsekundär in die noch selbstständige Priesterschrift eingeführt und nach und nach systematisch in den einschlägigen Kontexten hinzugefügt worden ist (das spiegelt auch noch die Textgeschichte, vgl. z. B. die LXX zu Ex 25,10) – und einfaches העדותdann auch synekdochisch für die Lade gebraucht werden konnte. (Exkursende) Die Kontinuität zur altorientalischen Tempeltheologie zeigt, dass das priesterschriftliche Zeltheiligtum als Platzhalter für den Jerusalemer Tempel als „Himmel auf Erden“ galt. 187 Es ist der Wohnort Gottes und der Ort, der zeitlich mit der Schöpfung und räumlich mit dem Götterhimmel verbunden ist. Die vertikale Dimension wird anders als in der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie nicht über den Thron, sondern mithilfe der in mesopotamischen Quellen breit bezeugten Urbild-Abbild-Relation sowie der kosmologisch bedeutsamen Verbindung von Lade, Kapporet und Keruben als Brennpunkt der Gottesgegenwart zum Ausdruck gebracht.
Gesetzeskorpora die sinaitischen Heiligtumstexte darunter begreifen. Vielleicht ist diese Unbestimmtheit auch bewußt. Man wird aber kaum fehlgehen, wenn man darunter die gesamte Gesetzestradition des Sinai, soweit sie den sinaitischen Heiligtumstexten vorlag, versteht.“ (Utzschneider, Heiligtum, 116). 184 Vgl. Nihan, Torah, 49, Anm. 159. 185 Vgl. die Auflistung bei Nihan, Torah, 49, Anm. 159. Auch sämtliche Belege für die Wendungen ( משכן העדותEx 38,21; Num 1,50.53; 10,11) und ( אהל העדותNum 9,15; 17,22.23; 18,2; 2 Chr 24,6) befinden sich in sekundären Abschnitten. 186 Nihan, Torah, 49, weist Ex 25,16.21b und 31,18 der Pentateuchredaktion zu, bezeichnet aber eine generelle Zuweisung des Begriffs עדותals „arbitrary“. 187 Vgl. auch Pola, Priesterschrift, 319–325, bes. 324f, sowie Nihan, Torah, 388–392.
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6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
6.5 Die Umdeutung der Tempeltheologie von Gen 28 in Gen 35 Die Priesterschrift rezipiert an einer weiteren Stelle vorexilische Tempeltheologie, nämlich in Gen 35,11–15, der Reformulierung der Erzählung von Jakobs Traum in Bet-El in Gen 28,10–22*. Der Umgang von Gen 35 mit Gen 28 ist aufschlussreich für die Frage nach dem Wohnort Gottes in P. Innerhalb der priesterschriftlichen Jakobgeschichte (Gen *25,12–Ex 1,7) 188 nimmt die Gotteserscheinung in Bet-El eine hervorgehobene Stellung ein, die auch anhand ihrer Platzierung im Zentrum der Gesamtkomposition erkennbar ist: Gen 35,9–15 wird einerseits gerahmt durch die Toledot der Brüderpaare Ismael (Gen 25,12ff) und Isaak (Gen 25,19ff) sowie Esau (Gen 26,1ff) und Jakob (Gen 37,2ff) sowie andererseits durch die Notizen von Jakobs Heimkehr ins Land Kanaan (35,6aα) bzw. zu Isaak (35,27–29). 189 Wie P. Weimar mit Hinweis auf Gen 28,1–3 und 48,3–4 als Vor- und Rückverweise auf Gen 35,9–15 herausstellt, ist „die Verleihung des Segens an Jakob als die zentrale Aussage dieser Geschichte“ 190 zu begreifen: „[W]ährend Abraham der Mann des Bundes ist, erscheint Jakob als Mann des Segens.“ 191 Ein genauer Vergleich mit Gen 28 wird allerdings zeigen, dass die priesterschriftliche Darstellung der Gotteserscheinung in Bet-El noch eine weitere Absicht verfolgt. Gen 35,6aα.9–15 verbindet zwei Gottesbegegnungen der vorgegebenen nichtpriesterschriftlichen Jakobgeschichte: die von Jakobs Traum in Bet-El in Gen 28,10–22* und die von seinem Kampf am Jabbok in Gen 32,23–33*. Der Abschnitt ist klar strukturiert (er gliedert sich in zwei Gottesreden [Gen 35,10abα// 11f], die jeweils auf eine Umbenennung hinauslaufen [Gen 35,10bβ//15]) 192 und ist im Wesentlichen einheitlich. 193
188 Vgl. zu Ausgrenzung und Komposition der priesterschriftlichen Jakobgeschichte Weimar, Studien, 227–368; vgl. auch Kratz, Komposition, 242f. 189 Vgl. die Übersicht bei Weimar, Studien, 264. 190 Weimar, Studien, 266. 191 Gross, Jakob, 344. 192 Vgl. Weimar, Studien, 242, Anm. 64. 193 Zur Ursprünglichkeit von Gen 35,14f vgl. die Argumente bei Groß, Jakob, 335–337, Anm. 4; Blum, Komposition, 266 mit Anm. 22; Carr, Genesis 28,10–22, 89, Anm. 24; sowie insbesondere bei de Pury, Umgang, 47, der in Bezug auf die für nach-deuteronomische Theologen anstößige Mazzebe treffend feststellt, dass „das Thema für Pg irgendwie überholt“ sei. – Was die Entstehung des Abschnitts angeht, so führt De Pury (nach einem Vorschlag Gunkels [Genesis, 387]) bedenkenswerte Gründe für eine mögliche redaktionelle Umstellung von Gen 35,9f vor 11–15 an (Umgang, 46–48; vgl. dazu kritisch Weimar, Studien, 241f, Anm. 57). Einen stark reduzierten P-Anteil (Gen 35,11– 13a) rekonstruiert Becker, Jakob, 169–176. Wöhrle, Fremdlinge, 85–95, identifiziert in Gen 35,6*.9– 13.22b.23-29 die priesterliche Schicht, die er jedoch nicht als Quelle, sondern als Redaktion beurteilt.
6.5 Die Umdeutung der Tempeltheologie von Gen 28 in Gen 35
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„(6)Und Jakob kam nach Lus, das im Land Kanaan (ist) [...] 194. (9) Und Gott erschien dem Jakob noch einmal 195, als er aus Paddan-Aram kam, und segnete ihn. (10) Und Gott sprach zu ihm: Dein Name (ist) Jakob. Dein Name soll nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel soll dein Name sein! Und er gab ihm den Namen Israel. (11)Und Gott sprach zu ihm: Ich (bin) El Schadday, sei fruchtbar und werde zahlreich; ein Volk und eine Schar von Völkern wird aus dir entstehen, und Könige werden aus deinen Lenden hervorgehen. (12)Und das Land, das ich Abraham und Isaak gegeben habe, dir will ich es geben, und deinen Nachkommen nach dir will ich das Land geben. (13)Und Gott stieg von ihm auf an dem Ort, an dem er mit ihm geredet hatte. (14)Und Jakob richtete eine Mazzebe auf an dem Ort, an dem er mit ihm geredet hatte, eine Mazzebe aus Stein, und spendete darauf ein Trankopfer und goß Öl darauf. (15)Und Jakob gab dem Ort, wo Gott mit ihm geredet hatte, den Namen Bet-El.“
Vergleicht man nun Gen 35,11–15 mit Gen 28,10–22*, so zeigt sich, dass in Gen 35 nahezu jeder Erzählzug dupliziert ist (sogar das Steinmotiv aus Gen 28,11.18, das ohne Not hätte gestrichen werden können); daher gilt Gen 35,9–15 mit E. Blum völlig zu Recht als „eine der ganz wenigen ‚echten‘ Dubletten in der Genesis“ 196. Allerdings wollte P kaum „seine Version neben die von Gen 28“ 197 stellen, sondern diese durch eine eigene, korrigierte ersetzen, wie ein Vergleich der beiden Versionen zeigt. 198 An Gemeinsamkeiten sind im einzelnen zu nennen: 199 1. Die Selbstvorstellung Gottes; 2. Eine Landverheißung; 3. Eine Mehrungsverheißung; 200 4. Die Aufstellung und Salbung einer Mazzebe; 5. Die Benennung des Ortes als Bet-El. Die Aufnahme der Leitwörter מקום, אבןund מצבהsowie wörtliche Entsprechungen zwischen Gen 28,18.19a und 35,14f 201 machen deutlich, dass die Verf. der Priesterschrift die ältere Jakobgeschichte als Text vorliegen bzw. memoriert hatten und auf dieser Grundlage reformulieren konnten.
194 Die (vorweggenommene, vgl. V. 15) Identifikation mit Bet-El sowie V. 6b sind als Ergänzungen zu betrachten; vgl. z.B. Köhlmoos, Bet-El, 251, Anm. 89. 195 Das „noch einmal“ in V. 9 ist ein Zusatz, der nötig wurde, als Gen 35 mit Gen 28 in einen Erzählzusammenhang gestellt worden ist; vgl. schon Nöldeke, Untersuchung, 27: „Im Anfang 35,9 ist das ‚ עודzum zweiten Mal‘ natürlich ein Einschiebsel des Redactors.“ Wenn man mit De Pury, Umgang, 46–48, eine Umstellung der V. 9f vornimmt (s. u.), erübrigt sich dieser Eingriff. 196 Blum, Komposition, 267. 197 So Blum, Komposition, 268. 198 Vgl. zur Kritik an Blum Carr, Genesis 28,10–22, 89f mit Anm. 26: „In summary, elements in Gen. 35:9–15 indicate not only that it is a later addition to its context, but that it was originally composed to be part of a narrative strand apart from that context. In this Priestly strand, Jacob had not yet been to Bethel or erected a pillar there, God had not yet introduced himself or given promises, and Jacob had not yet been renamed ‚Israel‘.“ (A.a.O., 89f). Nach der Zusammenstellung des P- und Nicht-P-Materials – mühsam kaschiert durch das Wörtchen עודin Gen 35,9 – ist die Lage eine andere: „Within the present text, Bethel appears as both the dwelling place of God (Gen. 28:18–19) and the
222
35,6aα 35,9
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
Gen 35,6*.9–15 (P)
Gen 28* (NP)
Jakob kommt nach Lus im Land 28,11 Kanaan Gotteserscheinung und Segen, 32,30 nachdem Jakob aus Paddan-Aram heimgekehrt ist
Jakob trifft auf „den Ort“
35,10 35,11f
Umbenennung in Israel Gottesrede: Selbstvorstellung (El Schadday) Nachkommen Nationen und Könige Land
32,29 28,13f
35,13
Gott steigt auf vom „Ort“, an dem er zu Jakob gesprochen hatte (vgl. V. 14 und 15) Errichtung einer Mazzebe und kultische Handlung Umbenennung in Bet-El (vgl. V. 6aα)
28,16f
35,14 35,15
28,18 28,19a
Segen für Jakob durch einen nächtlichen Angreifer am Jabbok nach der Rückkehr von Laban und vor der Begegnung mit Esau Umbenennung in Israel Gottesrede: Selbstvorstellung (JHWH, der Gott Abrahams und Isaaks) Land Nachkommen Segensmittlerschaft JHWH ist präsent am „Ort“ („Tor des Himmels“, „Haus Gottes“) Errichtung einer Mazzebe und kultische Handlung Benennung als Bet-El
Bemerkenswert sind die Unterschiede: 202 Zum einen sind es Unterschiede, die priesterschriftliche Eigenheiten darstellen: 1. Der Gottesname ist dem priesterschriftlichen Stufenmodell angepasst worden, nach dem sich Gott den Erzeltern als El Schadday offenbart hat (V. 11; vgl. Gen 17,1; 28,3; 48,3); 2. Die Sprache ist typisch priester(schrift)lich (z.B. V. 11: פרהund [ רבהGen 1,22.28; 8,17; 9,1.7; 17,6.20; 28,3; 48,4]; עמים/[ קהל גויםGen 28,3; 48,4; vgl. 17,4f]); 3. Die Landverheißung gilt – wie andernorts in P (Gen 28,4; vgl. 17,8; 48,4) – als schon bei den Erzvätern verwirklicht (V. 12). Andere Unterschiede scheinen absichtliche Korrekturen an der vorgegebenen Tradition zu spiegeln: 1. Die Gottesbegegnung ist nicht als Traum stilisiert: Jakob sieht nichts, sondern er hört nur.
place where God talked to Jacob (Gen. 35:13–14). In this way what was a Priestly substitution correcting its non-P counterpart, now simply adds another perspective.“ (A.a.O., 89). 199 Vgl. auch Gross, Jakob, 341. 200 Das Fehlen einer Verheißung des Mitseins Gottes (vgl. Gen 28,15) könnte dem Umstand geschuldet sein, dass diese zentrale Verheißung in P allein dem Abraham und nur im Zusammenhang mit dem Bund gegeben werden sollte (vgl. Gen 17,7b.8b; vgl. Ex 6,7; 29,45f). 201 Vgl. die Gegenüberstellung bei Blum, Komposition, 267. 202 Vgl. auch Gross, Jakob, 342, sowie Blum, Komposition, 268f.
6.5 Die Umdeutung der Tempeltheologie von Gen 28 in Gen 35
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2. Das Verhältnis Gottes zum „Ort“ ist ein tiefgreifend anderes: Gott wohnt nicht dort („Fürwahr, JHWH ist an diesem Ort“, Gen 28,16), sondern er ist kurzzeitig anwesend, um zu Jakob zu sprechen (dreimal heißt es: „der Ort, an dem er zu Jakob gesprochen hatte“!). Dabei wird sein Kommen mit dem Verb ראהni. „erscheinen“ 203 und sein Gehen mit dem Verb „ עלהauffahren“ (ohne konkretes Ziel) ausgedrückt. „Bethel ist nicht ein Ort, an dem Gott anwesend ist, sondern an dem er erschien und von dem er sogleich wieder auffuhr; es ist auch kein Ort, an dem Gott wohnt, sondern wo er einmal offenbarend gesprochen hat. So hat die dreifache Betonung ‚an dem Ort, an dem er mit ihm gesprochen hatte‘ eine wichtige Funktion.“ 204
Wenn Gen 35,13 betont, JHWH sei nach seiner Offenbarung von Bet-El wieder „aufgestiegen“ ()עלה, so klingt dies an den Himmelsaufstieg einer Gottheit im Zusammenhang ihrer Abwendung vom irdischen Heiligtum an – einem in mesopotamischen Texten mehrfach belegten Topos. 205 Dabei kann der Himmelsaufstieg einerseits aufgrund einer Gefahr erfolgen, wie in Tf. XI, Z. 114f des GilgamešEpos: 206 „Selbst die Götter packte da vor der Sintflut die Angst! Sie wichen zurück, sie hoben sich fort in den Himmel des Anum.“
Andererseits kann der Himmelsaufstieg als zornige Abwendung vom irdischen Heiligtum beschrieben werden, wie in den Babylon-Inschriften Asarhaddons oder den Nabonid-Inschriften: „43bDie Götter und Göttinnen, 44die darin wohnten, 45flogen fort wie Vögel und stiegen 46zum Himmel empor (elû).“ 207 (Ash 14,43–46) „[Seit] Sîn, der König der Götter, mit seiner Stadt (8)und seinem Tempel gezürnt hatte, zum Himmel aufgestiegen war (ilû šamamiš), (und so) die Stadt und (9)die Menschen, die darinnen, Verwüstung erlitten hatten ...“ 208 (Adad-guppi-Stele, Tf. I)
3. Auch der Umgang mit der Mazzebe ist ein anderer: Der „Stein“, den Jakob nach Gen 28,11 an sein „Kopfende“ gelegt und nach 28,18 als Mazzebe aufgestellt hat, scheint gerade noch in der umständlichen Formulierung מצבת אבןdurch (V. 14), die nach Blum „einem Verständnis von מצבהals kultischem terminus technicus 203 Nach Schnutenhaus, Kommen, 10 haben etwa 45 der insgesamt 103 Belege für ראהni. „Göttliches zum Subjekt“. Das Schema Erscheinen Gottes und Verheißungsrede ist P vorgegeben, vgl. Gen 12,6; 18,1 und hierzu a.a.O., 11. 204 Gross, Jakob, 337, Anm. 4; vgl. auch a.a.O., 342: „Obwohl sich P offensichtlich von seiner Tradition gezwungen sah, den Ort Bethel zu erwähnen und durch seine Benennung zu betonen, hat er doch alles versucht, um die Bedeutung dieses Ortes als solchen herabzumindern.“ 205 Vgl. hierzu Kap. 4 und 5 (zu Dtjes und Ez). 206 Übers.: Maul, Gilgamesch-Epos, 144. 207 Übers.: Borger, Inschriften, 14. 208 Übers.: Schaudig, Inschriften, 510 (Text 502).
224
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
vor[beugt]“ 209. Andererseits wird der „Kopf “ der Mazzebe, der in Gen 28,18 den Bezug zur Weltenachse im Traumbild herstellt (vgl. ראשin V. 12 [„Kopf “ der Stiege] und in V. 18 [„Kopf “ der Mazzebe]) überhaupt nicht mehr erwähnt, die Mazzebe als Symbol der Himmel und Erde verbindenden Achse damit abgewertet. Einen interpretierenden Eingriff dürfte auch die Formulierung ויסך עליו נסךdarstellen. 210 4. An der in der älteren Tradition im Fokus stehenden Benennung des Ortes (Gen 28,19a) kommen die Verf. der Priesterschrift nicht vorbei, aber V. 6aα (die Notiz über Jakobs Heimkehr nach Kanaan 211) stellt klar, dass es sich bei Bet-El eigentlich um die Stadt Lus handelt, die lediglich umbenannt wird (V. 15; anders 28,19a, wo es um eine Erstbenennung geht!). Es greift zu kurz, in diesen Korrekturen allein die Kritik an einem vermeintlich naiven Gottesbild zu sehen. Es geht nicht grundsätzlich darum, eine archaische Präsenztheologie durch eine moderne Erscheinungstheologie zu ersetzen. Dagegen spricht zum einen, dass die Priesterschrift – wie sich gezeigt hat – am Sinai und in Bezug auf das Zeltheiligtum sehr wohl eine Wohntheologie vertreten kann. Zum anderen weisen die P-Texte in Gen 35 selbst in eine andere Stoßrichtung. Auf das Korn genommen wird hier nämlich nicht die Vorstellung der Gegenwart Gottes im Tempel an sich, sondern in Bezug auf den Kultort Bet-El, der vor dem Hintergrund der für P vorausgesetzten Kultzentralisationsforderung keinerlei Legitimität hat. Dementsprechend versuchen die P-Texte, Bet-El als theologisch und kosmologisch bedeutsamen Tempelort zu marginalisieren. 212 Was Jakob in Bet-El erfahren hat, ist qualitativ nichts anderes als das, was Abraham zuvor auch ohne einen konkreten heiligen Ort erfahren hatte (vgl. Gen 17,1.22). Dafür, dass der Ort im Mittelpunkt der Korrekturmaßnahmen steht, könnte außerdem die Benennung mit Lus sprechen. Denn der Ortsname Lus = „Mandelbaum“ 213, der in Gen 35,6aα ursprünglich, aber in Gen 28,19b deutlich nachge-
209
Blum, Komposition, 268. Vgl. Blum, Komposition, 269: „Es geht nicht um die Weihung einer ‚Massebe‘, sondern um ein einmaliges Libationsopfer, das hier offenbar als Reaktion auf die Gotteserscheinung verstanden sein will.“ Carr, Genesis 28,10–22, 89, Anm. 24, macht darauf aufmerksam, dass ein Libationsopfer im Gegensatz zu einem Tieropfer keinen Tempel voraussetzt (mit Verweis auf Albertz, Religionsgeschichte 2, 385). P verstößt also auch hier nicht gegen die Kultzentralisationsforderung. 211 Vgl. zur Deutung von בואim Sinn von „Heimkehren“ Weimar, Studien, 242, Anm. 59. 212 Vgl. zu dieser Marginalisierung und ihren theologischen Gründen auch Koenen, Bethel, 197– 199. 213 Vgl. zu diesem Symbolnamen Jericke, Ortsnamen, 187, sowie o. S. 59. 210
6.5 Die Umdeutung der Tempeltheologie von Gen 28 in Gen 35
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tragen ist 214, dürfte von P eigens geschaffen sein, „um den Bezug des Altars auf Bet-El so weit als möglich zu verschleiern“ 215. Der Name Bet-El = Haus Gottes, der vor dem Hintergrund altorientalischer Tempeltheologie die Anwesenheit Gottes sowie der Gottesboten am Ort kennzeichnet (Gen 28,16; vgl. Ee V 125–130), ist nurmehr ein Relikt der Tradition. Der zweite priesterschriftliche Beleg von Lus in Gen 48,3f 216, wo Jakob im Gespräch mit Josef auf die Gotteserscheinung in Gen 35 rekurriert, wird den Namen Bet-El gar nicht erst erwähnen: 3
Und Jakob sagte zu Josef: El Schadday erschien mir in Lus im Land Kanaan und segnete mich und sprach zu mir: „Siehe, ich will dich fruchtbar machen und dich vermehren, und ich will dich zu einer Schar von Völkern machen und dieses Land deiner Nachkommenschaft nach dir zum ewigen Eigentum geben“. 4
Die Priesterschrift steht am Beginn einer judäischen Rezeptionsgeschichte von Gen 28, die die theologische Bedeutung des nordisraelitischen Kultorts zu Gunsten der einen heiligen Stadt Jerusalem immer weiter herunterzuspielen versucht. 217 Alles in allem hebelt die priesterschriftliche Bet-El-Version in Gen 35 die tempeltheologische Präsenzvorstellung von Gen 28* weitgehend aus. Bet-El ist nicht mehr der Ort, der Himmel und Erde verbindet, an dem JHWH gegenwärtig ist, sondern markiert lediglich eine Gottesbegegnung unter anderen (vgl. für P Gen 17,1; Ex 16,10). 218 Am Sinai ist die Situation eine andere: Hier ist sowohl die Präsenztheologie („wohnen“) als auch die tempeltheologische Vorstellung einer vertikalen Dimension im Heiligtum (die für Bet-El bestritten worden ist) legitim.
214 28,19b, die Erklärung, dass vorher Lus der Name der „Stadt“ war, fügt sich nicht in den vorgegebenen Erzählverlauf, nach dem Jakob zufällig auf einen „Ort“ trifft (V. 11), von dem nicht mehr gesagt wird, als dass es dort Steine gibt (V. 11). 215 Köhlmoos, Bet-El, 254. „Nur in der Unterordnung unter das theologische Konzept der Priesterschrift und mit der Verschleierung Bet-Els als ‚Luz‘ ist die Tradition von JHWH in Bet-El für die Priesterschrift akzeptabel.“ (A.a.O., 255). 216 Vgl. zur Zugehörigkeit von Gen 48,3f (im Gegensatz zu 48,5f) zu Pg Weimar, Studien, 257, Anm. 104. 217 Auch LXX verlegt, indem sie zum einen den Ortsnamen „Bet-El“ vermeidet und wörtlich mit „Haus Gottes“ (Οἶκος θεοῦ) übersetzt und zum anderen den jüngeren, priesterschriftlichen (Symbol-)Namen Lus = Mandelbaum (s. o.) zu „Ulamlus“ (Ουλαμλους) verfälscht, den „Ort“ implizit nach Jerusalem (vgl. hierzu Koenen, Bethel, 201f, und zu weiteren Versuchen, den „Ort“ zu verlegen a.a.O., 202–209). 218 Vgl. schon Blum, Komposition, 269: „Gen 35,9ff ‚erzählt‘ demnach die Bethelepisode neu in einer ‚revidierten‘ Fassung, bei der sie jeden kultätiologischen Inhalts entleert wird. Aus dem heiligen Ort, der Wohnung Gottes, wird die Stätte einer einmaligen Wortoffenbarung, aus dem heiligen Stein ein Erinnerungsmal.“
226
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
6.6 Fazit In Gen 1,1–2,3* ist Gott Erschaffer des Himmels (V. 6–8) und der Gestirne (V. 14– 19). Die Erschaffung des רקיע-Himmels dient der Ausgrenzung der Chaoswasser (V. 2), wobei das Motiv einer Trennung der Wasser in (unter-)irdische und überhimmlische darüber hinaus singulär in Enūma eliš begegnet, was eine entsprechende Kenntnis der priesterlichen Verf. nahelegt. Gegen Enūma eliš und mit Jes 40ff betonen Gen 1,14–19 die Erschaffung der Gestirne ex nihilo. Deren Depotenzierung, die schon in Enūma eliš mit der Erhöhung Marduks einhergeht, ist allerdings in Gen 1 weniger intensiv als in Jes 40ff; immerhin wird ihnen eine (begrenzte) Herrschaft zugestanden (vgl. die Wurzel משלin V. 16 und 18). Die priesterlichen Verf. stellen (mit Enūma eliš) die kalendarische Funktion der Gestirne in den Vordergrund, aber betonen (über Enūma eliš hinaus) deren Leuchtfunktion, die sich auch in der Bezeichnung der Gestirne als „Leuchten“ wiederspiegelt. Anders als Jes 40ff vermeiden sie jegliche Polemik gegenüber den leitenden babylonischen Vorstellungen. 219 Gen 1,1–2,3 sagt bei alledem an keiner Stelle, dass JHWH im Himmel wohnt. Dieser Befund ist jedoch nicht zwingend so zu deuten, dass die Priesterschrift Gott völlig ortlos denkt. Insbesondere der Vergleich mit dem tempeltheologischen Konzept des Enūma eliš legt die Intention von P offen. Schmid streicht für seine Deutung der Priesterschrift vor allem den Kontrast zwischen beiden Konzepten heraus: „Im Rahmen von Enūma eliš ist zu beobachten, dass der dreifach gestufte Himmel nach seiner Erschaffung dann von Gottheiten als Wohnstatt bezogen wird – entsprechend ihrer Hierarchie. Der Unterschied zu Gen 1 besteht nun eben nicht allein darin, dass Gen 1 – als monotheistischer Text – nur eine Gottheit kennt, sondern auch darin, dass der Himmel überhaupt nicht als Wohnstatt Gottes in Frage kommt. Vielmehr scheint Gott der Schöpfung gewissermaßen alokal gegenüberzustehen.“ 220
Allerdings bewohnt im Enūma eliš der mit JHWH vergleichbare Schöpfergott Marduk nun gerade nicht den Himmel, sondern er ist der irdisch-menschlichen Ebene zugeordnet: Er „wohnt“ im Esagila in Babylon (Ee V 119–124). Lambert erkennt darin sogar eine religionsgeschichtliche Innovation des Epos: „Marduk’s position is on earth in Esagil, and this is probably the most shocking innovation. Quite generally in ancient Mesopotamian religion, the gods were conceived to have an otherworldly home, above or beneath the world of men, and their occupation of temples on the earth did not affect this in any way. [...] Yet the scheme of Enūma Eliš gives Marduk no other home than Esagil. He resided there, at the central point of the whole universe, to which from time to time the gods from above and below would assemble. This conception gave to the city
219 220
Vgl. hierzu Gertz, Polemik. Schmid, Schöpfung, 89.
6.6 Fazit
227
of Babylon a prestige which no other city could then match. Thus, the whole purpose of the author in describing the various parts of the universe is to lead up to Babylon [...].“ 221
Wie Lambert m. E. richtig sieht, zielt diese Besonderheit im Enūma eliš darauf, die Tempelstadt Babylon in eine herausragende Position zu rücken. Meiner Ansicht nach ist eben dies auch das vornehmliche Interesse der Priesterschrift. Sie will die Stellung Jerusalems als einzigartigen Tempelort betonen. Deshalb ist das Zeltheiligtum in der Fiktion der einzige explizite Wohnort JHWHs. Die Priesterschrift teilt somit auch in dieser Hinsicht eine Besonderheit der Marduk-Theologie des Enūma eliš – und steht in großer Kontinuität zur impliziten Kosmologie der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie. Das Heiligtumskonzept der Priesterschrift in Ex 24ff fügt sich ebenfalls gut in den altorientalischen Kontext ein. Das Zeltheiligtum ist zeitlich auf die Schöpfung und räumlich auf JHWHs hintergründigen Wohnort transparent. Bei beiden Relationen sind Gemeinsamkeiten mit mesopotamischer Tempeltheologie zu konstatieren. Ersterer Aspekt wird in P mit Hilfe von Querbezügen zwischen Gen 1,1–2,3 und Ex 24ff zum Ausdruck gebracht, letzterer Aspekt vor allem mit Hilfe der mesopotamischen Urbild-Abbild-Beziehung zwischen irdischem und himmlischem Tempel. Darüber hinaus ist die Aufnahme und Transformation vorexilischer Jerusalemer Tempeltheologie festzustellen. Die Aufnahme besteht dabei vor allem darin, dass das Zeltheiligtum weiterhin als JHWHs Wohnort gilt (Wurzel )שכןsowie als zentraler Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren (Zusammenhang von Lade, Kapporet und Keruben). 222 Die Transformation betrifft zum einen ein gewandeltes Bild von JHWHs כבודals seiner Präsenzgestalt im Heiligtum, das in vieler Hinsicht mit dem in Dtjes und Ez übereinstimmt, und zum anderen das weitgehende Ausblenden der gottköniglichen Dimension der Jerusalemer Tempeltheologie (JHWHs Thronen [ישב, כסאsowie der Titel „Keruben-Throner“] und JHWHs Hofstaat 223 [der Zebaoth-Titel]). Doch wie sonst bei tempeltheologischen Konzeptionen ist der Götterhimmel Denkvoraussetzung für den irdischen Tempel als „Himmel auf Erden“. Vor diesem Hintergrund erscheinen diejenigen priesterschriftlichen Belege in einem neuen Licht, die andeuten, dass P mehr über die himmlische Welt weiß, als sie zu sagen für nötig hält. In Gen 17 und 35 wird das Aufsteigen Gottes mit dem in Mesopotamien üblichen Terminus elû „aufsteigen“ bezeichnet, um deutlich zu machen, dass es sich um eine punktuelle Begegnung JHWHs handelt. An den 221
Lambert, Myths, 199. Vgl. zum Unterschied zu anderen tempeltheologischen Konzepten Nihan, Torah, 392: „[...] P concurs with the assertion of some prophetic circles that the Second Temple has remained the place where Yahweh dwells ( )שכןin the middle ( )בתוךof his community (cf. Zech 2:14, 15; 8:3, 8; also Ez 43:7, 9; in P: Ex 25:8; 29:45–46). Yet contrary to postexilic prophecy, this statement does not represent the fulfillment of an imminent eschatological restoration but rather the return to the order initially intended by Yahweh.“ 223 Vgl. allerdings die implizite Bezugnahme in Gen 1,26. 222
228
6 Himmelsfeste und Heiligtum: Gott und der Himmel in der Priesterschrift
Himmel wird auch zu denken sein, wenn in Ex 2,23 die Schmerzensschreie der versklavten Israeliten zu Gott „aufsteigen“ (vgl. 2 Chr 30,27). Gen 1,26 ist am einfachsten vor dem Hintergrund der Hofstaatvorstellung zu deuten, und schließlich ist auch die Entrückung Henochs in Gen 5,24 ohne die Annahme eines Götterhimmels nur schwer zu erklären. 224 Die Priesterschrift vertritt demnach in Bezug auf JHWHs Wohnort eine implizite und in Bezug auf JHWHs Schöpfung eine explizite Kosmologie. Dieses Nebeneinander macht deutlich, dass hinsichtlich der Wohnvorstellung keine einlinige Entwicklung von der impliziten zur expliziten Kosmologie stattgefunden hat; vielmehr ist die implizite Kosmologie der vorexilischen Tempeltheologie mit ihrer Betonung von Gottes kultischer Präsenz auch noch nach 587 v. Chr. von Bedeutung. Andere Konzepte konnten daran anknüpfen (vgl. etwa Sach 8,3).
224 Vgl. auch Kaiser, Theologie 2, 191: „Wenn Gott seinen Entschluß, den Menschen zu erschaffen, dem himmlischen Hofstaat bekannt gibt; wenn er Henoch von der Erde entrückt und wenn er Mose das Modell der Zeltwohnung zeigt, so ist dabei offensichtlich vorausgesetzt, dass er selbst im Himmel wohnt und sein himmlischer Palast das Urbild des irdischen Heiligtums darstellt. Aber das Interesse der Priesterschrift gilt nicht der himmlischen Wohnung, sondern der Gegenwart Jahwes inmitten seines Volkes.“
7 Schlussbetrachtung Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Beobachtung, dass im Alten Testament der Himmel im Allgemeinen und der Himmel als Wohnort Gottes im Besonderen erst vergleichsweise spät zu einem relevanten Gegenstand theologischer Reflexion geworden ist. 1 Deutet schon die ungleiche Verteilung der insgesamt 458 Belege für „Himmel“ (hebr. šāmayîm / aram. šemayā) in diese Richtung, so bestätigt eine literarhistorische Perspektive die These, dass die Vorstellung von Gottes himmlischer Wohnstatt im Alten Testament erst seit der Exilszeit sicher nachweisbar ist. In der persischen und hellenistischen Zeit gewinnt die Vorstellung in biblischen und außerbiblischen Quellen derart an Plausibilität, dass der lokale Zusammenhang zwischen Gott und Himmel u.a. für das Christentum zu einem selbstverständlichen Glaubensgut geworden ist, welches erst durch die weltbildhaften Erschütterungen seit der Kopernikanischen Wende wieder in Frage steht. Die Vorstellung von JHWHs Wohnort hat mithin in der babylonischen Zeit – konkreter: zwischen der Zerstörung des sog. Salomonischen Tempels (587/6 v. Chr.) und dem Wiederaufbau des Zweiten Tempels (520–515 v. Chr.) – einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Vor diesem Hintergrund war im Einleitungskapitel als Gegenstand der Arbeit die Frage formuliert worden, weshalb und mit welchen Mitteln und vor welchem Traditionshintergrund JHWHs Verortung im Himmel seit der Exilszeit zu einem wichtigen Gegenstand theologischer Reflexion geworden ist. Diese Frage soll an dieser Stelle abschließend noch einmal aufgegriffen werden. Dabei sollen – im Sinn einer Historischen Kosmologie (Janowski) – zunächst die aus den Einzeltexten bzw. einzelnen Textbereichen erhobenen Konzeptionen vom göttlichen Wohnort referiert werden, bevor eine übergreifende Betrachtung erfolgt. Die vorexilische Jerusalemer Tempeltheologie, deren Textvertreter weitestgehend in die neuassyrische Zeit (8. und 7. Jh. v. Chr.) datieren, lokalisiert Gott an keiner Stelle explizit im „Himmel“; insofern bezeugt sie lediglich eine „implizite Kosmologie“ (Hartenstein). Der hintergründige Wohnort des Königsgottes JHWH wird in den einschlägigen Texten vielmehr durch die irdischen Größen Thron/Tempel (Ps 93*; Jes 6,1–4) bzw. Tempelberg/Tempelstadt (Ex 15,17;
1 Das soll selbstverständlich nicht ausschließen, dass der Himmel (etwa seine Größe und Weite) seit jeher eine besondere Faszination auf die Menschen ausgeübt hat, was auch in den ältesten Teilen des Alten Testaments seinen Niederschlag gefunden haben dürfte.
230
7 Schlussbetrachtung
Ps 48,2f) repräsentiert, welche als Orte der Gottesgegenwart die irdisch-geschichtlichen Dimensionen übersteigen. Gleichwohl weisen diese Texte, die allesamt von der Gottesbergvorstellung geprägt sind, durchaus einen Himmelsbezug auf. Dieser ergibt sich einerseits durch den religionsgeschichtlichen Vergleich. Denn gemäß den besser dokumentierten benachbarten Gottesbergvorstellungen syrischer, kleinasiatischer und griechischer Provenienz war der Gottesberg im antiken mythischen Denken uranisch konnotiert oder sogar mit dem Himmel gleichgesetzt. Auch weitere Elemente (z.B. die Serafen- und die Hofstaatvorstellung in Jes 6*) deuten darauf hin, dass der Jerusalemer Tempel wie sonst im Alten Orient als irdischer Himmel oder „Himmel auf Erden“ galt. Denkvoraussetzung für dieses Verständnis des Heiligtums ist eine Verortung der Götter in der himmlischen Welt. Allerdings gelten der Tempel als Himmel auf Erden und der eigentliche Götterhimmel weder im Alten Testament noch im übrigen Alten Orient als schlicht identisch. Vielmehr steht die irdische Wohnstatt – einem Kultbild vergleichbar – in einem Repräsentations- oder Entsprechungsverhältnis zur himmlischen Wohnstatt. Der Tempel ermöglicht als irdischer Himmel die kultische Präsenz Gottes. Die Erzählung von Jakobs Traum in Bet-El (Gen 28,10–22*) bezeugt eine israelitische Tempeltradition aus der neuassyrischen Zeit, in der die Tempelstadt BetEl in Anlehnung an die mesopotamische Tempeltheologie als vertikales Zentrum der Himmel und Erde/Unterwelt verbindenden „Himmelstreppe“ ( )סלםgilt (vgl. die Vorstellung einer vertikalen Weltenachse im Enūma eliš sowie die akk. Belege für eine „Himmelstreppe“ [simmiltu]). JHWH wird – wie in der impliziten Kosmologie der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie – in erster Linie in der irdischen Tempelstadt verortet („Fürwahr, JHWH ist an diesem Ort“, V. 16; vgl. auch das wohl absichtsvolle Oszillieren in V. 13*: „Und siehe, JHWH stand auf ihr [der Treppe] bzw. vor ihm [Jakob]“); diese gilt aber gemäß dem Entsprechungsdenken als „Tor des Himmels“ und „Haus Gottes“ (Epitheta, die für die Tempelstädte Babylon und Arbela belegt sind). Die exilischen Disputationsworte Jes 40,12–31*, die im Kontext der Grundschicht der Dtjes-Überlieferung vermutlich in Babylonien entstanden sind, spiegeln – das zeigt vor allem der Vergleich mit dem Enūma eliš – eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der babylonischen Marduk-Theologie. JHWH hat – wie Marduk – den Himmel erschaffen (40,22b) und Macht über die Gestirne (40,26). Doch gegenüber dem Enūma eliš wird zum einen die Leichtigkeit des Schöpfungsvorgangs betont (vgl. Jes 40,22b „der ausbreitet [ ]נטהwie Flor den Himmel“ mit dem „Ausbreiten“ der Haut Tiamats in Ee IV 138f ); zum anderen ist die Depotenzierung der Astralmächte noch deutlicher zu greifen, die anders als in Ee V in Jes 40,26 ex nihilo erschaffen werden und deren einzige Funktion es ist, wie eine gehorsame Armee in Reih und Glied vor JHWH zu stehen. Was die Präsenz JHWHs angeht, so wohnt dieser laut 40,22a weder im Tempel (vgl. 6,1) noch im selbst erschaffenen Himmelszelt (40,22b), vielmehr „thront“ er über dem „Kreis
7 Schlussbetrachtung
231
der Erde“, d. h. der Horizontlinie. Diese im Alten Testament singuläre Verortung ist ebenfalls vor babylonischem Traditionshintergrund zu verstehen. Wie im Enūma eliš Marduks astraler Repräsentant Nēberu mit der Herrschaft über den Horizont, die entscheidende Schaltstelle des Kosmos, beauftragt ist (vgl. Ee VII 124–134), wodurch Marduk seine Königsherrschaft im Himmel wie auf Erden ausübt, so beherrscht JHWH den gesamten Horizontkreis, wodurch ihm universale Macht über die irdischen und himmlischen Mächte und Gewalten zukommt (40,22–26). Jes 40,22a ist der erste vergleichsweise sicher (etwa in die Mitte des 6. Jh.) datierbare alttestamentliche Text, der JHWH explizit im himmlischen Bereich verortet. Damit ist die implizite Kosmologie der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie (vgl. Jes 6,1: JHWHs Lokalisierung auf dem himmelhoch aufragenden Thron) entscheidend transformiert. Die Frage nach der Zukunft Jerusalems und nach der Präsenz JHWHs bei seinem Volk war damit freilich noch nicht abschließend beantwortet. Schon die erste, noch vor 520 entstandene Buchedition hat mit Hilfe des Rückkehrmotivs in den Rahmentexten 40,1–11* und 52,7–10 eine zweite Antwort gegeben: JHWH kehrt als Königsgott zu seiner heiligen Stadt Jerusalem-Zion zurück und wird dort (selbstverständlich in seinem Tempel!) wieder seinen irdischen Wohnsitz beziehen. Dieses Nebeneinander erinnert wiederum an die Präsenz Marduks im Enūma eliš, der astral als Nēberu (als Wächter und Schützer des Horizontbereichs) erscheint und als Königsgott zugleich seinen irdischen Wohnsitz in seiner Stadt Babylon hat. Die astrale und die urbane bzw. kultische Präsenz bilden weder für Marduk noch für JHWH einen Gegensatz, sondern sind zwei Aspekte ihrer gottköniglichen Herrschaft. Die Grundschichten der Visionsschilderungen in Ez 1–3, 8–11 und 40ff sind Teil der Pro-Gola-Redaktion aus der beginnenden persischen Zeit. In Ez 1* erscheint JHWH dem Propheten in seiner himmlischen Thronsphäre bei den Verbannten von 597; Ez 8–11 schildern seinen Auszug aus dem Jerusalemer Tempel, der damit dem Untergang geweiht ist; in Ez 43* ist gemäß altorientalischer Tempeltheologie der Normalzustand wiederhergestellt: der Jerusalemer Tempel als Wohnstatt JHWHs und Himmel auf Erden. Den Traditionshintergrund von Ez 1 (der mit Lichtphänomenen ausgestattete kabôd JHWHs auf einem Lapislazulithron oberhalb einer transparenten Himmelsplatte) bilden ikonographische Darstellungen von Gottheiten in der Flügelsonne sowie eine u.a. in KAR 307 bezeugte babylonische Himmelstradition. Nach ihr besteht der obere Teil des Kosmos aus drei übereinandergeschichteten, auf Steinplatten basierenden Himmeln, deren mittlerer den babylonischen Hauptgott Bel-Marduk in Gestalt einer thronenden Sonnengottheit beherbergt. Vor diesem Hintergrund sind die solaren Konnotationen in den Ezechielvisionen zu verstehen (vor allem die Beschreibung des kabôd in 1,27f sowie seine Rückkehr „von Osten“ in Ez 43,2), die JHWH – wie Marduk in KAR 307 – in der Rolle des Sonnengottes präsentieren. Gegenüber früheren Solarisierungstendenzen ist die Solarisierung JHWHs in den Ez-Visionen mit der kabôd-Konzeption und der Frage nach seiner (himmlischen und irdischen) Präsenz
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7 Schlussbetrachtung
verbunden. Wie in Dtjes JHWHs Thronen im Himmel (über dem Horizontkreis) mit seiner Herrschaft über die Sterne und astralen Konnotationen verknüpft war, so geht auch hier JHWHs Thronen über der Himmelsplatte mit einer Übernahme von Zügen des Sonnengottes einher. Die Priesterschrift ist neben Dtjes der zweite Textbereich, der in einem intensiven Gespräch mit dem Enūma eliš entstanden ist. Im Schöpfungstext Gen 1,1– 2,3* gilt Gott als Erschaffer des Himmels (V. 6–8) und der Gestirne (V. 14–19). Die Erschaffung des rāqîʿa-Himmels als vertikale Trennlinie dient der Ausgrenzung der Chaoswasser (V. 2) – eine Vorstellung, die bislang allein im Enūma eliš und in Gen 1 belegt ist. Gegen Enūma eliš und mit Dtjes betonen Gen 1,14– 19 die Erschaffung der Gestirne ex nihilo. Deren Depotenzierung ist allerdings in Gen 1 weniger intensiv als in Dtjes, da ihnen immerhin eine kalendarische Funktion zugestanden wird (vgl. die Wurzel „ משלherrschen“ in V. 16 und V. 18). Obwohl Gen 1,1–2,3 JHWHs Wohnort nicht expliziert, bedeutet dies nicht zwingend, dass die Priesterschrift Gott völlig ortlos denkt. Der Vergleich mit dem tempeltheologischen Konzept des Enūma eliš deutet in eine andere Richtung. Im Enūma eliš erhält der Götterkönig Marduk nach der Erschaffung und Gestaltung des Kosmos Babylon als seinen Wohnsitz, womit die Tempelstadt in eine herausragende Position gerückt wird. Eben dies dürfte auch das vornehmliche Interesse der Priesterschrift gewesen sein. Sie will die Stellung Jerusalems als einzigartigen Tempelort betonen. Deshalb ist das Zeltheiligtum – in der Fiktion der Priesterschrift Platzhalter für den Jerusalemer Tempel – der einzige explizite Wohnort JHWHs. 2 Die Priesterschrift teilt somit auch in dieser Hinsicht eine Besonderheit der Marduk-Theologie des Enūma eliš – und steht in großer Kontinuität zur impliziten Kosmologie der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie. Das Heiligtumskonzept der Priesterschrift (Ex 24ff) fügt sich ebenfalls gut in den altorientalischen Kontext ein, da beide für die altorientalische Tempeltheologie charakteristischen Relationen vorhanden sind: Der zeitliche Rückgriff auf die Weltschöpfung und der räumliche Ausgriff auf den Götterhimmel. Letzteres kommt in der Priesterschrift vornehmlich darin zum Ausdruck, dass das Zeltheiligtum nach einem himmlischen „Urbild“ oder „Vorbild“ ( )תבניתerrichtet werden soll (Ex 25,8; 25,40; 26,30). Die Vorstellung einer Entsprechung zwischen einem irdischen und einem götterweltlichen Tempel hat Parallelen im Enūma eliš und anderen mesopotamischen Texten. Vor diesem Hintergrund erscheinen diejenigen priesterschriftlichen Belege in einem neuen Licht, die eine lokale Beziehung zwischen Gott und Himmel andeuten (Gen 1,26; 5,24; 17,22; 35,13; Ex 2,23).
2 Diesem Ziel dient vermutlich auch die Bestreitung der auf Bet-El bezogenen Wohnvorstellung von Gen 28* im priesterschriftlichen Seitenstück in Gen 35*: Das Heiligtum von Bet-El ist nicht der Wohnort JHWHs.
7 Schlussbetrachtung
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Weshalb und mit welchen Mitteln und vor welchem Traditionshintergrund ist also JHWHs Verortung im Himmel in der Exilszeit zu einem wichtigen Gegenstand theologischer Reflexion geworden? Was die Gründe für den Wandel der Wohnvorstellungen angeht, so ist als der äußere Auslöser sicher die Tempelzerstörung im Jahre 587/6 v. Chr. zu bestimmen. In den drei untersuchten exilischen Entwürfen spielt die Frage nach dem irdischen Tempel eine entscheidende Rolle: In den Heiligtumstexten der Priesterschrift über die Fiktion eines Zeltheiligtums als Platzhalter des Jerusalemer Tempels, in Dtjes und Ez über das Motiv der Rückkehr JHWHs in den Jerusalemer Tempel (Ez) bzw. in die Tempelstadt Zion-Jerusalem (Dtjes). Der Verlust von JHWHs irdischem Wohnort wurde in diesen Texten als (Folge der) Abwesenheit JHWHs gedeutet (vgl. Jes 40,1–11*; Ez 8–11*). Die Thron- und Wohnvorstellung musste entsprechend modifiziert werden. Dabei wirkte sich aber ein weiterer entscheidender Faktor aus: Eine in den altorientalischen Quellen verschiedentlich greifbare weltbildhafte Verschiebung, die als Uranisierung (Astralisierung/Solarisierung) der Hauptgötter charakterisiert werden kann. 3 Das zeigt sich vor allem bei Dtjes. Wie bei anderen levantinischen und mesopotamischen Hauptgöttern steht die Erhöhung JHWHs zum einzigen Gott in Jes 40,12–31* in Verbindung mit seiner Astralisierung: JHWH ist Schöpfer des Himmels und der Gestirne und kontrolliert den für die irdische und himmlische Welt entscheidenden Übergangsbereich, den Horizontkreis (40,22.26). Insofern könnte man mit gewissem Recht behaupten, dass die Himmelskosmologie bei Dtjes als Nebenprodukt des Monotheismus in Erscheinung trete. Auch in Ez geht JHWHs Versetzung in den Himmel einher mit seiner Solarisierung, wobei mit der Rezeption von KAR 307 eine Tendenz fortgeführt wird, die in der mesopotamischen Marduk-Theologie schon angelegt ist. Dazu fügt sich, dass sich die Priesterschrift, die im Hinblick auf JHWHs Verortung im Wesentlichen an der impliziten Kosmologie der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie festhält, gegenüber einer Solarisierung bzw. Astralisierung JHWHs resistent zeigt, unbeschadet einer mit Dtjes parallel gehenden partiellen Degradierung der Astralmächte (Gen 1,14–19). In allen drei exilischen Entwürfen wird auch eine Transformation der Präsenzvorstellung deutlich: Ist der kabôd in der vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie noch als Attribut JHWHs verstanden worden (vgl. etwa Jes 6,3), so mutiert er bei Dtjes, Ez (und P) zu einer Repräsentationsgestalt JHWHs, die (für das Volk oder universal) sichtbar ist und – wie der kontemporäre mesopotamische melammu („Schreckensglanz“) – solar konnotiert ist. In Ez und Dtjes (auch in P?) legt der Traditionshintergrund nahe, dass der kabôd mit der Vorstellung eines Kultbildes verbunden war und dieses ersetzen soll (bei Dtjes: die Prozession des
3
Vgl. etwa Kutter, Sonnengottheiten, 14 und passim.
234
7 Schlussbetrachtung
kabôd; bei Ez: die anthropomorphe Beschreibung des kabôd; bei P: die „Füllung“ des Heiligtums mit dem kabôd); ob diese Feststellung zugleich als Hinweis auf das Vorhandensein eines Kultbildes im vorexilischen Kult gewertet werden darf, oder ausschließlich dem Traditionshintergrund geschuldet ist, ist hier nicht zu entscheiden. Die Präsenzvorstellung ändert sich auch insofern, als Ez und P den lokalen Bezug (auf das Heiligtum) durch einen personal-volksbezogenen („wohnen inmitten der Israeliten“) erweitern, was bei P nicht zuletzt der Fiktion eines Zeltheiligtums und bei beiden Entwürfen mutmaßlich der (noch) tempellosen Situation geschuldet ist. Die Explikation der himmlischen Wohnstatt gehört im Alten Testament also einerseits phänomenologisch in einen breiteren Strom der Uranisierung der Hauptgötter, darüber hinaus geben die untersuchten tempeltheologischen Entwürfe der Exilszeit aber einen konkreten Rezeptionsweg zu erkennen. Die große Nähe zur Marduk-Theologie macht deutlich, dass die Transformationen der Himmelskosmologie in einem intensiven Dialog mit der damaligen babylonischen Leitkultur vollzogen worden sind. Sowohl die Explikation der himmlischen Wohnstatt in Dtjes und Ez 1 als auch die Vorstellung von JHWH als Erschaffer des Himmels in Dtjes und der Priesterschrift (Gen 1,1–2,3) spiegeln die Auseinandersetzung mit der babylonischen Marduk-Theologie, wobei JHWH in jedem Entwurf ein ganz individuelles Profil gewinnt. In Dtjes erscheint JHWH als Marduk-Nēberu (Astralisierung), in Ez als Marduk-Šamaš (Solarisierung) und in der Priesterschrift als Schöpfer des Himmels und der Erde. Die Entdeckung des Himmels als eines relevanten Gegenstandes der theologischen Reflexion, ist – so könnte man etwas zugespitzt formulieren – in der Exilszeit mit babylonischer Geburtshilfe vonstattengegangen. Die untersuchten exilischen Entwürfe machen des Weiteren deutlich, dass hier nicht eine einlinige Entwicklung der Wohnvorstellung vom Tempel zum Himmel stattgefunden hat. Die Texte geben neben offensichtlichen Transformationen eine große Kontinuität gegenüber älteren Vorstellungen zu erkennen. Die Priesterschrift steht hinsichtlich der Wohnvorstellung in großer Kontinuität zur vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie mit ihrer impliziten Kosmologie. Die realgeschichtliche Erfahrung der Tempelzerstörung wird dabei vor dem Hintergrund des Konzepts eines Zeltheiligtums als Rückprojektion des Jerusalemer Tempels in die Vorzeit weitgehend ausgeblendet. Dtjes und Ez gehen hinsichtlich der Verarbeitung der Erfahrung von 587/6 v. Chr. einen anderen Weg. Aber auch diese prophetischen Entwürfe stehen in Kontinuität zu älteren Vorstellungen. Die Explikation der himmlischen Wohnstatt steht bei ihnen in Zusammenhang mit der in mesopotamischen Quellen öfter bezeugten Vorstellung einer Rückkehr Gottes zu ihrem Wohntempel nach einer temporären Abwesenheit (vgl. Ez 43*; Jes 40,1– 11*; 52,7–10*). Die Vorstellung von JHWHs himmlischer Wohnstatt verdrängt also nicht die seiner irdischen, sondern beide werden über ein Repräsentationsoder Entsprechungsverhältnis zusammengeführt. Deshalb ist in diesen Entwürfen
7 Schlussbetrachtung
235
ein – für die altorientalische Tempeltheologie nicht ungewöhnliches – Nebeneinander von himmlischer und irdischer Wohnstatt anzutreffen, wie es (einige Jahrzehnte später) im spät-dtr Tempelweihgebet 1 Kön 8 mit Hilfe der Differenzierung von JHWHs Namen im Tempel und JHWH im Himmel geradezu systematischreflektiert vorliegt. 4 Auch wenn der Himmel als Wohnort Gottes seit der Exilszeit zunehmend an Bedeutung gewinnt, behält der Tempel als irdischer Himmel innerhalb des Alten Testaments doch ein großes Gewicht, insofern explizit tempelkritische Stimmen wie 1 Kön 8,27 oder Jes 66,1ff die Ausnahme bleiben. Alles in allem zeichnen sich die exilisch-nachexilischen Entwürfe somit durch eine große Kontinuität gegenüber vorexilischen Traditionen sowie durch eine große Pluriformität hinsichtlich der Vorstellungen vom Wohnort JHWHs aus. Die in der vorliegenden Arbeit rekonstruierten kosmologischen Konzeptionen beinhalten durchaus systematisch-theologische Implikationen: Biblische Schöpfungs- oder Wohnvorstellungen sind abhängig vom kulturellen Kontext und dem jeweils vorherrschenden Weltbild. Sie explizieren den Glauben an Gott vor dem Hintergrund der zeitgenössischen religiösen und naturkundlichen Wissensbestände und sie versuchen, auf der Höhe der Zeit zu sein. Dies belegen sämtliche untersuchten Entwürfe, die das kosmologische Know-how ihrer Zeit, besonders der mesopotamischen Leitkulturen, in ihre Theologie integrieren. Insbesondere die drei exilischen Entwürfe – Dtjes, Ez und P – belegen die enge Anlehnung an babylonische religiös-naturkundliche Vorstellungen. Natürlich wollen die alten Texte keine naturwissenschaftlich-kosmologischen Traktate sein, sie wollen keine Weltentstehungstheorien bieten. Aber das Wissen der damaligen Zeit ist eingeflossen in das Bekenntnis, dass Gott die Welt geschaffen hat und in ihr auf geheimnisvolle Weise gegenwärtig ist. Von den Entwürfen des Alten Testaments können wir lernen, dass auch unser Reden von Gott und Schöpfung naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht ignorieren darf, dass die Explikation des Glaubens an Gottes Schöpfermacht und Gegenwart mit dem jeweiligen Stand der Wissenschaft kompatibel sein sollte, um Zeitgenossinnen und Zeitgenossen in ihrem Vertrauen auf Gott als guten Grund ihres Lebens zu vergewissern.
4
S. o. S. 6.
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Stellenregister In Auswahl. Hauptfundstellen erscheinen fettgedruckt.
Altes Testament Genesis 1 1,1 1,1–2,3 1,1–2,4a 1,2.6–8 1,7 1,14–19 1,15.17 1,16 1,22.28 1,26 2,1 2,4a 5,24 6–8 6–9 6,11.13 6,17 7,6 7,7 7,10 7,11 7,17 7,19 8,2 8,17 9 9,1.7 9,2 9,11 9,15 9,21 9,24 9,28 10,1 10,32 11,1–9 11,4 11,5 11,6f
40, 105 4 192–202, 212, 226, 227, 232, 234 214 106 103 110, 116, 130, 133, 233 159, 179 117 222 4, 214, 227, 228, 232 116, 117 193 4, 194, 228, 232 194 106 187 106, 193 106 106 106 73, 106, 193, 196 106 193 73, 106, 193, 196 222 218 222 193 106 106 101 47 106 106 106 4, 85 81, 83 4 72
11,10 12,1–4a.6–8 12,6 12,8 13,14–17 14,20 15,7 15,17 17 17,1 17,1.22 17,4f 17,6.16 17,6.20 17,7f 17,22 18,1 18,1ff 18,1–15 18,2 19,1–3 20,3 21,17 21,30 22,17 24,23–25 26,24 26,25 27 26,23 26,24 26,33 27,41–45 27,43 27,46–28,9 28 28,1–3 28,1–9 28,3 28,3f 28,10 28,10–19a 28,10–22
106 56 223 99 56 64 57, 65 144 218, 227 57, 208, 222, 225 224 222 193 222 60, 192, 210, 222 232 223 72 101 84 66 55, 65 71 82 4 66 57 99 53 54 57, 65 54 46, 53, 54, 65 52 46, 52 26, 45–86, 183, 204, 232 220 53 222 60 53f 64–68, 86 47–64, 194, 220–225, 230
258 28,11 28,12 28,12f 28,13 28,13f 28,13–15 28,15a 28,16 28,16f 28,17 28,17f 28,18 28,19 28,20–22 28,22 29–32 29,1 29,2ff 30,37 31 31,10 31,11 31,11–13 31,13 31,45.51f 31,48 32 32,2 32,2f 32,2b.3 32,3 32,22ff 32,23–33 32,26.33 32,31 33,17 33,18a 33,19 35 35,1–7 35,1–15 35,3 35,6 35,6a.9–15 35,9 35,9–15 35,10–12 35,11 35,11f 35,11–15 35,13 35,13f 35,13.14.15 35,20 35,21
Stellenregister 81, 84 4, 69, 71, 72, 75, 77, 81, 82, 83, 84, 85, 204 76, 82 77, 84, 85 83 54–59 83 77, 86, 204 76, 84, 85 71, 73, 76, 80, 128 80 77, 80, 82 59, 84 59–64 71, 73, 76, 80, 82 52, 53 52, 53, 58, 68 53 59 82 65 57, 71, 72 55 57, 65 80 82 68, 84 72 67, 71 57 67 57 84, 220 83 67 55 59 99 82, 227 64 52, 53, 220–225 83 59 64, 80, 194, 220, 222 208 60, 210 59 57 193 63 174, 193, 232 59 206 80 99
35,27–29 37,2ff 37,7 44,3 46,3 48,3 48,3f 48,4 48,5f 49,15 Exodus 2,23 3,6 6,2 6,2–8 6,7 9,8.19 9,22.23 9,24 10,21.22 13,21–22 14 14,19 14,19.20 14,19b–20.24 15,12 15,17 16 16,4 16,7.10 16,10 16,26 16,34 17,9f 19,1 19,16 19,20 20,4 24–40 24,4 24,9–11 24,10 24,15–18 24,16 24,17 25,8 25,10ff 25,40 26,1 26,30 26,33.34 27,21 28,20
220 220 49 179 57, 65 59, 222 220, 225 222 225 99 228, 232 57 57 210 192, 222 193 193 148 193 208 214 71 207 208 84 18, 19, 27, 36, 43, 128, 229 210 193 205, 207 173, 208, 225 212 218 81 205 144 81 4 194, 205–219, 227 80 180, 189 163, 198 173, 206 174, 205 81, 155 184, 187, 209, 213, 227, 232 192, 214–219 213, 232 99 213, 232 218 218 164
259
Stellenregister 29,43f 29,43–46 29,45 29,45f 30,6.26 30,6.36 30,7 30,36 31,7 31,18 34,5 37,2 38,21 39,3 39,13 39,35 40 40,3.5.21 40,20 40,34f 40,36.37
216, 211, 212, 218 209 60 184, 187, 192, 222, 227 218 217 217 218 217, 218 217, 219 84 217 218 197 164 218 187, 192 218 218 173, 205, 206 170
Leviticus 1,1 1,1ff 9 9,4b 9,4b.6 9,6.23 9,23 9,23f 9,24 11,45 16 16,2b 16,2.13 16,12 16,13 16,21 22,33 24,3 25,38 26,45
208 216 187 205 209 205 176 207, 208, 209, 212, 216 176 60 187, 192, 194, 214 209 207, 209 143 218, 219 217 60 218 60 60
Numeri 1,50.53 4,5 4,5f 7,89 9,15 10,11 15,41 17,3 17,19 17,19.25 17,22.23 18,2
218 218 217 218 218 218 60 197 211, 217 218 218 218
Deuteronomium 4,17 4,19 5,22 9,9 10,1–5 11,11 17,3 29,9 29,12 30,12 33,2 34,1
201 4, 116 218 218 215, 217, 218 4 116 84 60 4 179 81
Josua 4,16 24,26f
218 82
Richter 4,11 4,17–22 6,20 6,21 6,26 7,13 13,6.9 17,5 19,11–21
99 101 71 83 81 101 71 73 66
1. Samuel 1,11 3,10 3,11 4,4 10,1 29,9
59, 60 84 55, 65 105, 183, 215 82 71
2. Samuel 6,2 6,17 14,17.20 15,32 19,28 22,3 22,9.13 22,17 22,43 23,4
105, 183, 215 99 71 81 71 29 144 22 196 161
1. Könige 6 6f 6,1–22 6,23–28 8 8,7 8,4a.6–11 8,10f
215 26 15 143, 215 5–7, 9 216 5 174, 207
260
Stellenregister
8,12 8,12f 8,27 8,(29)30–53 8,30 18,42 19,5.7 22 22,19 22,19–22
184, 207 5–6, 174 5, 105, 235 5–7 85 81 83 26 4 4
2. Könige 2,1 2,11 7,2.19 16,10 17,15 17,16 17,28 19,15 19,23 21,3 21,5 22,19 23 23,4 23,5 25,9 33,3 33,5
4 4 73 213 20 116 58 105, 215 22 116 116 116 13 116 116 129 116 116
Jesaja 6
6,1 6,1–4 6,3 6,4 6,5 6,6f 6,7 8,18 9,1 13,10 14,12ff 14,13 14,13f 14,32 24,18 24,21 25,30 26,10 26,19 33,5
17, 18, 19, 23–27, 31, 32, 33, 41, 42, 43, 72, 86, 121, 125, 139, 150, 178, 185, 188, 204, 230 4, 105, 114, 118, 130, 161, 184, 216, 231 8–9, 229 18, 125, 147, 179, 233 174 4, 83 172 55 27, 184, 204, 210 161 161 115 148, 204 4 128 73 8, 22, 117 22 22 84 8
34,2 34,4 37,16 37,24a 38,10 40 40ff 40,1–11 40,5 40,10 40,12 40,12–17 40,12–31 40,(18)21–26 40,19 40,21f 40,21–27 40,22 40,22–26 40,26 42,5 42,7 43,2 43,10b–12a 43,28 44,13 44,23 44,24 44,26b 44,28 45,1 45,1f 45,1–7 45,8 45,12 45,13 45,18 46f 47,13 48,13 49,8 49,13 49,14 49,14f 50,3 50,10 51,2f 51,6 51,13 51,16 51,17–19 52 52,1
117 116, 117 105, 215 22 72 178 13, 87, 88, 89, 226 88, 89, 90, 91, 118–129, 131, 231, 233, 234 179 92 87, 88 88, 93–97 90, 92–118, 122, 129, 130, 131, 230 97–118 197 95, 198 88 87, 88, 96, 105–118, 123, 130, 131, 193, 211, 233 130, 231 87, 88, 119, 130. 131, 233 87, 99, 196, 202 92 159 95 88 106, 107 87 87, 99, 101, 196 92 88, 92, 124 124 89 123 87 87, 99, 101, 116, 117 92 87, 102, 107 89 87 87 92 87 119 89 87 161 89 87, 117 87, 99 87, 99 89 178 120
Stellenregister 52,1f 52,7–10 52,9 52,11 52,11f 54,2 55,9 55,10 56–66 56,7 57,14–19 57,15 59,9 60,1 60,1–3 60,13 60,19 63,15 64,10 66,1 66,1f 66,1ff
119 88, 89, 90, 91, 118–129, 131, 231, 234 92 88, 92 89 102 87 87, 88 9 7 8 8–9, 22, 210 161 179 161 183 161 8 7 183 5 8–9, 235
Jeremia 1,9 1,9ff 3,17 8,2 8,19 10,9 10,12 14,19.21 17,12 17,13 19,13 23,18–22 31,12 31,37 39,8 51,9 51,15 52,13
83 139 127 116 126 197 99 183 18, 19, 22, 127, 177, 183 84 116 4 22 83 128 83 99 128
Ezechiel 1 1,1 1,2f 1,3 1,4 1,4–28 1,5ff 1,15–21 1,22ff 1,22–28 1,24 1,26–27
12, 193, 198, 199, 234 4, 133, 136 134, 148 173 173, 174, 180, 183 133, 136, 140–168 171 164–168 170, 198 4 177 170
1,26–28 1,27f 1,28 1–3 2,1–3 2,2 2,9–10 3,12 3,12f 3,14 3,23 4f 6,11 8,3 8,4 8,7 8,14 8,16 8f 8–11 9,3 9,9 10 10,1 10,2 10,4 10,4.18f 10,5 10,6 10,7 10,9 10,9–17 10,18 10,19 11,1 11,22f 11,23 11,24 12,2.3.9.25 13,11.13 15 17 17,12 17,23 18 19 20,40 24,3 24,25–27 25,6 28,13 29,5 29,17
261 180, 183 173, 178, 179, 181, 208 175 137–140, 184–189, 231 175 177, 180 135 133, 173, 177 147–148 177 133, 170, 177 137, 139 197 133, 148, 168, 177 133, 137, 138, 177 169 169 169, 181 177 13, 125, 133, 143, 168–174, 175, 178, 181, 183, 184–189, 231, 233 133, 182 187 143f 133, 198 177 142, 155, 161, 162, 177, 182, 208 133 147 147 177 164 136 177, 182 177 148, 168, 177 133 177 148, 168, 177 140 174 135 135 140 22 137 135 22 140 138 197 164 133 134
262
Stellenregister
30,3.18 31,6.13 32,4 32,7 32,7.8 33 34,12 34,14 34,24 37,1 37,7 37,25–28 38,12 38,19 38,20 39,21 40,3 43 43,1–9 43,2 43,2.4 43,3 43,5 43,7 43,7.9 43,10–12 44,4 44,6
174 133 133 174 133 137, 138 174 22 60 137 144, 147 175, 182 105 147 133 133 170 131, 231, 234 149, 171, 174, 175–189 149, 155, 173, 208 133 138 125, 173 227 133 213 133 140
Hosea 12
58
Joel 2,10 4,15 4,17 4,21
161 161 127, 210 127, 210
Amos 5,8 5,20 7,7 9,1 9,1–4 9,3 9,5
117 161 84 84 67 83 83
Jona 2,7
84
Micha 1,3
85
Nahum 1,3
174
Habakuk 3,3f
179
Zephanja 1,5 1,15
116 174
Haggai 1,1
138
Sacharja 1,1 2,14 2,15 3 4,10 6,5 8,3 8,8 12,1
138 210, 227 227 26 164 72 12, 127, 210, 227, 228 227 99
Maleachi 3,10 3,20
64, 73 154
Psalmen 2,4 2,6 7,7 7,8 8,4 9,2 9,12 9,14 18,3 18,7 18,8–16 18,9.13f 18,10 18,13 18,17 19 19,2 19,5 19,5b–7 22,4 22,30 24 24,1f 24,3 24,7.9 29 29,3 33,6 33,13 33,18 42,5 46 46,5 46,8 46,12
10, 11, 105 10, 11 22 22 117 105 127, 183 72 29 22 148, 207 144 99 174 22 2 4, 133, 197, 200 101, 102, 103 108, 200 105 84 17, 18 179 183 81 105–106, 114 177 116, 117, 194, 196 9 9 73 18, 19, 29 29, 127, 128 29 29
263
Stellenregister 47,9 48 48,2 48,2f 48,2–4 48,3 48,9 55,9 55,20 65,9 68,17 68,19 71,20 73,24 74 74,2 74,3 74,16 78,23 78,65 78,69 80,2 82,1 88,4 91,11f 93 93,1 93,2 93,4 99,1 99,5 99,9 102,13 103,21 104,2 104,2f 104,2b–4b 104,3 104,4 104,32 107,18 107,25 110,1 113,6 102,20 103,20 107,18 113,5 119 119,8 119,105 123,1 132,7 135,21
105 19, 31, 42 34, 43 18, 19, 127, 204, 230 28f 35, 148, 183 128 174 105 108 183, 210 22 84 4 11 27f, 127, 210 128 133 73 47 128 105, 215 72 83 71 18, 19, 20–23, 27, 31, 32, 33, 36, 42, 43, 114, 204, 213, 229 17, 124 34 34, 117, 177 105, 183, 215 127, 183 127, 183 105 116 99, 101, 211 201 102f 199 71 83 72 174 183 9 8, 9, 22 71 83 105 20 21 160 105 183 127, 210
139,8 144,5 144,7 148,1–6 148,2 148,2f 148,4 148,5 148,7 148,8 150,1
83 83, 99 22 199 71 116 103 117 83 174 197, 198
Hiob 1 1f 1,6 1–2 2,1 4,18 9,8 9,9 20,6 22,13f 22,14 26,7 26,10 37,18 38,17
72 193 72 26 72 71 99 117 83 107 95, 106 99, 148 107 197, 198, 202 72
Proverbien 4,18 8,27 30,4
161 107 4
Hoheslied 5,14
164
Klagelieder 1,13 2,1 5 5,19
22 183 11 105
Daniel 7 7,9f 8,9–13 8,10f 10,6 12,3
26, 189 4 117 116 164 197
Esra 1,1 1,2 6,3
13 88, 124 88, 124
Nehemia 9,6
116, 117
264 1. Chronik 13,6 15,1 16,1 23,25 28,2 28,11f 28,18 28,18f 2. Chronik 1,4 5,13f 18,18 24,6 28,9 30,27 34,9 36,16 36,22 36,23
Stellenregister
Mesopotamien 105, 215 99 99 210 183 213 145 213 99 207 116 218 83 228 73 71 13 88, 124, 170
Apokryphen Jesus Sirach 43,1ff 43,1.8 43,12 44,17 49,8 50,5–7 51,9
102 197 107 106 145 102 72
Weisheit 13,2
117
Tobit
64
Neues Testament Matthäus 6,9
3f
Antikes Judentum 1QHa
197
Hirbet Bēt Layy ˘ BLay[7]:1
18
Tell Deir ʿAlla Kombination I
162, 179
Adad-guppi-Stele I II
122, 223 122, 123
AO 8196
118, 163
AsarhaddonInschriften
81, 223
Atramhasīs ˘ – I 11–20 VI 64 VI 82 VII 149
158 104 104 104 104
Enūma eliš I 67f I 71 I 92–100 I 101f I 103 IV IV 11 IV 19–26 IV 27f IV 61ff IV 74 IV 125–128 IV 126–146 IV 127–V 66 IV 135–140 IV 135–146 IV 135ff IV 137–146 IV 138 IV 138f IV 138–140 IV 139 IV 139f IV 141 IV 142–144 IV 142–146 IV 145f IV 146 V V 1f V 1ff V 1–8 V 1–11 V 1–22 V 5f V 5–8 V 6–8 V 11f V 47–52
155 103 96 112 155 160 118 111f 111 76 85 75 199 104 198 94f 99 118 100 130, 230 103 104 130 96, 97, 111, 112 104 103 77, 104 103 130, 131, 230 160 111 117, 118, 199 109 110 112 115 116 117 96
265
Stellenregister V 47–58 V 52 V 59 V 59–61 V 61 V 62 V 68 V 119–122 V 119–124 V 119–125 V 119–130 V 120 V 122 V 125–128 V 125–129 V 126 V 128 V 129 V 137 V 138 V 142 V 145 f VI 51 f VI 61 ff VI 64 VI 65 f VI 70 VI 72 VI 73 VI 127 f VI 144 VI 155 VII 15–17 VII 40 VII 83 VII 95 VII 124–134 VII 127 VII 128 f VII 129 VII 132–134 VII 135
100 97 76, 77, 199 100 100 99, 100 76 94, 118 226 74 75 41, 203 104 76 128 85 85 76, 78, 128, 203 78 85 85 158 75 74, 203 104 77 104 104 85 112, 159 104 159 116 85 117 76, 199 97, 110, 111, 112, 114, 115, 130 97 95 97 231 85
Erra-Epos I 127f I 148 III 50 f
181 160 181
Gilgameš-Epos IV XI 31 f XI 114 f
160 10 223
Großer Šamaš-Hymnus Z. 176f 159 Z. 174–182 179f
Harran-Stele ˘ Tafel I
122
Inannas Erhöhung III 47–71
113
Marduk-Prophetie I, 25
122
RIMB 2 B.2.4.9 B.2.4.8
120, 123, 207 122, 123
Ludlul bēl nēmeqi IV 105–112
100
Nergal und Ereškigal V 42ff 70 VI 18ff 70 Preislied auf Arbela
30, 41, 78
Sonnentafel
36–41
State Archives of Assyria SAA III 2 112 SAA III 2,8 97 SAA III 8 78 SAA III 25 163 SAA III 39 = KAR 307 118, 156–164, 167, 188, 199, 200, 201 Tintir I V
29f, 75, 76, 77, 78, 83, 128 79
VAT 3847 8786
30, 41, 204, 207 7f
Kleinasien CTH 345
33
Ugarit KTU 1.2 III 1.3 I 21f 1.3 III 28–31 1.3 IV 20 1.3–4 1.4 V 56–57 1.6 I 56–65 I.65 1.101,1–8
108 29, 32 28 28 35 33 33 35 32f
266
Stellenregister
Griechenland Anaximander DK 12 A 10 DK 12 A 11 DK 12 A 18 DK 12 A 21 DK 12 A 22 DK 13 A 7 DK 13 A 14
165 165 165, 201 165, 201 201 165, 200 200
Homerische Epen Il I 497 Il I 499 Il V 867f Il VIII 394 Il IX 128 Il XV 189–193 Il XV 193 Od XX 103 Od XX 113
34 33 34 34 34 34 33 34 34
Autorenregister Albani, M. 87, 89, 93–96, 98, 101, 107, 108, 112, 114–116, 119 Albertz, R. 13, 16, 27, 28, 89, 91, 92, 135, 148, 186, 191, 193, 207, 208, 224 Al-Rawi, F. N. H. 79 Ambos, C. 38, 81, 203, 207 Annus, A. 101 Aster, S. Z. 125, 152, 153, 155, 164, 180, 181, 205, 207 Baltzer, K. 108 Bar-Efrat, S. 50 Bartelmus, R. 4, 8, 83, 87, 103, 162, 199 Barthel, J. 23, 24 Baumgart, N. C. 212, 213 Becker, U. 23, 45, 54, 56, 57, 64, 76, 134, 220 Behrens, A. 139, 140, 142, 186, 187 Berges, U. 87–94, 97, 105, 108, 123, 124 Berlejung, A. 80, 82 Beuken, W. A. M. 81 Blenkinsopp, J. 58, 93, 108 Block, D. I. 177, 178 Block-Smith, E. 82 Blum, E. 15, 45, 47, 49, 51, 53–58, 60, 61, 64, 66, 67, 69, 71, 162, 191, 193, 206, 220–222, 224, 225 Bodi, D. 153, 160, 177, 181 Bonnet, C. 82 Borger, R. 81, 119, 203, 204, 223 Burkert, W. 167
Ess, M. van 77, 203 Evans, A. 144 Evers, D. 1–3 Fabry, H.J 69, 108, 143 Fetz, L. 1–3 Ficker, R. 71 Finkelstein, I. 58 Fischer, A. A. 134 Fischer, E. P. 1 Firmage, E. 22 Fleischer, G. 47 Fokkelman, J. P. 48, 49, 59, 60, 61, 72, 82, 84 Frahm, E. 78 Frame, G. 120, 123, 207 Freedman, D. N. 71 Frevel, C. 13, 191–193 Fuhs, H. 143
Dahmen, U. 22 Dick, M. B. 153 Dietrich, M. 32, 35 Dyk, P. J. van 66, 67
Gabriel, G. 76, 99 Gamberoni, J. 85 Geier, M. 2 Gemelli Marciano, M. L. 165, 200 Gerstenberger, E. 6 George, A. R. 17, 29, 30, 75, 77–79, 81, 83, 128 Gertz, J. C. 6, 14, 53, 56, 85, 145, 191, 192, 194, 195, 196, 199, 200, 207, 226 Gesche, P. D. 77 Gese, H. 2 Giercke-Ungermann, A. 16 Görg, M. 102, 162, 174, 196, 216 Grätz, S. 9, 143 Graupner, A. 49, 50 Greenberg, M. 142 Gross, W. 220, 222, 223 Grund, A. 87, 103, 197–201, 211, 212 Gunkel, H. 4, 5, 193, 220
Edzard, D. O. 17, 36, 71, 81, 82 Ego, B. 8, 9, 28, 164, 213 Ehring, C. 89, 91, 92, 119–129, 177 Eisler, R. 164 Eissfeldt, O. 32 Eliade, M. 1 Elliger, K. 88, 95, 98, 101, 107, 108
Haas, V. 33 Habel, N. C. 99, 102 Halperin, B. 136, 144, 145, 147 Halpern, B. 195, 199, 200 Hartenstein, F. 5, 6, 9–11, 14–16, 18, 19, 22, 24–28, 31, 32, 35, 41, 45, 67, 69, 76, 84, 86, 92, 95, 97–102, 105, 106, 119–121, 125, 126,
Carr, D. M. 55, 191, 192, 220, 221, 224 Couprie, D. 165, 166
268
Autorenregister
146, 151, 161–163, 173, 174, 178–180, 187, 195, 198, 204, 206, 207, 211, 229 Hausmann, J. 152 Heimpel, W. 108, 159 Hermisson, H.-J. 92, 93, 98, 102 Höffken, P. 23, 88, 114, 119, 121 Hornung, E. 43, 204 Horowitz, W. 3, 70, 73, 76, 77, 85, 94, 100, 101, 107–110, 113, 117, 118, 156, 157, 159–161, 163, 167, 168, 195, 199–202 Hossfeld, F.-L. 20, 21, 28, 103, 138, 143, 144, 169–173 Houtman, C. 69, 99, 105, 108, 196–198, 211 Hruška, B. 113 Hulst, A. R. 205 Hulster, I. J. de 201, 202 Hundley, M. B. 14, 16, 17, 36, 42, 43, 77, 176, 204 Hurowitz, V. A. 36, 69, 75, 77, 79, 80, 83 Husser, J.-M. 50 Hutter, M. 69–80, 82, 202 Hutzli, J. 195–197 Huxley, M. 107, 113, 157, 161, 167 Irsigler, H. 32, 34, 181 Janowski, B. 3, 5, 11, 14, 16–18, 20–22, 32, 35, 36, 42, 127, 176, 182–184, 203, 210–212, 214–216, 229 Japhet, S. 213 Jenni, E. 199 Jeremias, J. 20–22, 84, 116 Jericke, D. 54, 58, 59, 64, 224 Joüon, P. 47 Kaiser, O. 7, 59, 88, 89, 117, 194, 228 Kant, I. 2 Karrer, M. 206 Keel, O. 2, 16, 25–27, 41, 143–146, 148–151, 153, 154, 156, 161, 163, 170, 173 Keller, M. 6, 7 King, L. W. 36 Kingsley, P. 145, 156, 160, 161, 163, 164 Klein, A. 182 Klein, R. A. 52 Klingbeil, M. 151, 153 Koch, C. 4, 218 Koch, J. 109–111, 114 Koch, K. 12, 13, 20, 99, 102 Köcher, F. 30, 204, 207 Köckert, M. 52, 54–57, 67, 71, 72, 125, 192, 205, 208, 209, 215 Köhlmoos, M. 45, 55, 64, 65, 67, 221, 225 Koenen, K. 80, 82, 224, 225 Konkel, M. 136, 175–177, 180, 182–184, 186, 187
Korpel, M. C. A. 198 Kramolisch, H. 33 Kratz, R. G. 21, 53, 54, 89–91, 106, 191, 194, 220 Kraus, W. 206 Krüger, A. 98, 99, 102 Krüger, T. 20, 169 Kühn, D. 182 Kutter, J. 108, 179, 181, 188 Lambert, W. G. 8, 78, 100, 104, 110, 113, 195, 199, 202, 204, 227 Lanckau, J. 47, 49, 54, 55, 65, 69 Landsberger, B. 69 Lauber, S. 153, 154 Leeuwen, C. van 218 Lelli, F. 117 Lentzen-Deis, F. 136, 138 Lenzi, A. 101 Leuenberger, M. 16, 18, 28, 116, 124, 180, 184, 188 Levin, C. 53, 57, 60, 64, 69 Lichtenstein, M. 18, 29 Lipiński, E. 29, 148 Liss, H. 164 Livingstone, A. 75, 156, 158, 159, 167 Loretz, O. 32, 35 Lundquist, J. M. 16, 36 Lust, J. 135, 141, 142, 144, 177 Mach, M. 72, 117 Mankowski, P. V. 69 Maul, S. M. 7, 16, 17, 73–77, 85, 100, 118, 128, 194, 203, 223 Martin, K. 27 Meier, S. A. 71 Meeteren, N. van 108 Mettinger, T. N. D. 145, 153, 214 Metzger, M. 5–7, 10, 18, 28, 31, 38–41, 45, 127, 128, 183 Meyer, E. 33 Milgrom, J. 22 Millard, A. R. 69 Mommer, P. 97 Müller, R. 20, 21, 23, 24, 99, 105, 106, 148, 181 Muraoka, T. 47 Niehr, H. 5, 29, 31, 32, 72, 82, 108, 148 Nihan, C. 60, 134–137, 169, 186, 192, 205, 206, 209, 211–214, 216, 217–219, 227 Nitsche, S. A. 68, 84 Nentel, J. 6 Nöldeke, T. 221 Oeming, M. 3, 20 Oorschot, J. van 89–93, 97, 119
Autorenregister Osing, J. 33 Otto, E. 16, 27, 54, 60, 64, 69, 72 Ottosson, M. 84 Owczarek, S. 210, 216, 217 Paganini, S. 16 Perlitt, L. 179 Podella, T. 102, 154, 159–162, 207, 208, 211, 214 Pohlmann, F. 92, 126, 129, 134–136, 138, 139, 169, 172, 175, 180, 186 Pola, T. 204, 211, 219 Pongratz-Leisten, B. 17, 36, 79, 97, 111–113, 156, 158 Porzig, P. 218 Pury, A. de 52, 59, 64, 71, 73, 220, 221 Radner, K. 7 Rapp, C. 200 Reich, K. H. 2 Reindl, J. 84 Rendtorff, R. 47, 49, 59, 60, 71 Renz, J. 17, 18, 179 Richter, W. 64 Riede, P. 214 Ringgren, H. 29, 98, 99, 116, 169 Rochberg, F. 111, 112, 168, 198 Röllig, W. 18, 35, 179 Römer, T. 207 Rösel, C. 24 Rohde, M. 5 Rose, M. 60, 63 Rudnig, T. A. 12, 135, 175, 176, 184, 186, 187, 210 Rudolph, W. 51, 71, 72 Rupé, H. 34 Ruwe, A. 168, 169, 171 Sæbø, M. 179 Sallaberger, W. 128 Sauer, G. 102 Schaudig, H. 119, 122, 123, 223 Schmid, H. H. 84 Schmid, K. 5, 8, 11, 12, 19, 52, 53, 56, 89, 124, 135, 136, 151, 169, 186, 194–197, 207, 208, 213, 226 Schmitt, A. 194 Schmitt, R. 63, 80, 182 Schnutenhaus, F. 125, 223 Schroer, S. 212, 215 Schwagmeier, P. 134, 135 Schwienhorst, L. 83, 140 Schwindt, R. 202 Sedlmeier, F. 137–140, 169, 172, 177, 183 Seebass, H. 60 Seely, P. H. 198, 199, 202
269
Seidl, U. 38, 39, 40 Seters, J. van 54 Seybold, K. 106, 108 Simian-Yofre, H. 218 Singer-Avitz, L. 58 Smith, M. S. 32, 33, 34, 35 Soggin, J. A. 195 Spieckermann, H. 20, 21, 127 Stadelmann, L. I. J. 107, 196 Stähli, H.-P. 22 Staubli, T. 101 Steck, O. H. 15, 45, 196 Stendebach, F. J. 164 Stenmans, P. 106 Stipp, H. J. 24 Stolz, F. 127 Strauss, D. F. 1 Struppe, U. 208, 210 Stummer, F. 93–95, 119 Talshir, D. 217, 218 Thureau-Dangin, F. 94 Tov, E. 134 Trufaut, S. 143–145, 149, 151, 156, 164, 171 Uehlinger, C. 69, 143–145, 149, 151, 156, 164, 171 Unger, E. 76 Utzschneider, H. 68, 81, 84, 219 Valentin, P. 2 Valkama, K. 58 Veenhof, K. R. 89 Vetter, D. 65 Volz, P. 51, 71, 72 Wagner, A. 96 Wagner, T. 5, 125, 133, 142, 143, 145, 187, 205 Wahl, H. M. 45, 86 Walker, C. 153 Walton, J. H. 82, 196, 198, 202 Wanke, G. 99, 126, 139 Waschke, E.-J. 196 Weiher, A. 34 Weimar, P. 192, 205, 206, 209, 212–214, 220, 224, 225 Weinfeld, M. 125, 164, 206, 212 Weippert, M. 150 Wellhausen, J. 45, 50, 63, 72, 84, 205 Werlitz, J. 89–93, 119 West, M. L. 164 Westermann, C. 55, 62, 65, 108, 116 White, E. 26 Wiesehöfer, J. 211 Wiggermann, F. A. M. 202 Wilcke, C. 104
270 Wildberger, H. 25 Willi-Plein, I. 82 Willoughby, B. E. 71 Witte, M. 116, 193, 194 Wöhrle, J. 192, 220 Wolde, E. J. van 201 Woods, C. 38–41, 107–109, 114, 115 Wright, J. E. 3, 14, 115 Würthwein, E. 6
Autorenregister Zapff, B. M. 8, 9 Zenger, E. 20, 21, 28, 103, 191, 192, 207 Zimmerli, W. 57, 137, 139, 141, 142, 144–149, 169, 170, 176, 177 Zobel, H.-J. 125 Zwickel, W. 15, 27, 164, 182, 183, 215
Stichwortregister Aššur (Gott) 36, 78, 113, 153, 154 Astralisierung/Solarisierung/Uranisierung 12, 108, 111–113, 115, 131, 151, 155, 159, 160, 162, 178–181, 185, 188, 207, 208, 231, 233, 234 Berg 6, 18, 81, 93–95, 97, 172, 174, 179, 185, 205–208, 213 Bet-El 45–86, 128, 204, 220, 225, 230, 232 Boten (Gottes)/Engel 1, 45, 46, 49–51, 56, 67, 70–72, 75, 85, 86, 117, 136, 144, 145, 225 Bund/Vertrag 20, 82, 210, 218, 220, 222 Chaos(kampf) 21–23, 34, 97, 100, 101, 106, 111, 123, 177, 196, 199, 214, 226, 232 Entsprechung/Entsprechungsdenken 6, 10, 16–18, 30, 35, 40, 41, 43, 74, 77, 78, 84, 86, 104, 126, 202, 203, 205, 212, 230, 232, 234, Exil, babylonisches 114, 119–124, 126, 128, 130, 136, 162, 164, 169, 170, 175, 184, 186, 187, 192, 194, 229, 231, 233–235 Firmament 109–111, 113, 164 Flügelsonne 149, 151, 153–155, 161, 167, 188, 231 Gewölbe(form) 107, 108, 196, 197, 202 Gottesberg/Götterberg 10, 12, 15, 18–20, 22, 23, 26–36, 42, 43, 81, 86, 148, 149, 174, 183, 204, 216, 230 Heer (des Himmels) 115–117, 130, 142, 147, 193, 194 Herrlichkeit (siehe auch Lichtglanz und Melammu) 25, 26, 125, 133, 137–140, 142, 143, 145–147, 149, 151, 155, 159, 161, 168–179, 181, 183–185, 187, 189, 193, 205–209, 211 Himmel – Fundament des Himmels 36, 75, 108, 113, 203 – „Himmel auf Erden“ 17, 18, 22, 30, 32, 33, 35, 36, 40–43, 73, 84, 86, 128, 148, 187, 219, 227, 230, 231
– Himmelsgott/Gott des Himmels 9, 12 13, 70, 101 – Himmelsleiter/Himmelstreppe 17, 26, 45, 49, 51, 69–71, 76, 77, 79, 80, 82, 86, 204, 230 – Himmelsozean 38–40, 103, 106, 108, 150, 199 – Himmelstor 30, 45, 46, 49–51, 62, 67, 72, 73, 76, 78, 85, 114, 204, 222, 230 – Himmelszelt 87, 88, 98, 99–103, 105, 107, 130, 198, 201 Höhe/Himmelshöhe / Bergeshöhe 1, 8, 18, 20–23, 28, 29, 33, 34, 42, 87, 105, 109, 113, 115, 117, 118, 141, 164 Hofstaat 16, 24, 26, 71, 72, 75, 193, 194, 214, 227, 228, 230 Horizont/Horizontkreis 40, 98, 107–112, 114, 115, 118, 119, 123, 130, 131, 149, 160, 168,180, 188, 231–233 Kapporet 192, 209, 214–217, 219, 227 Keruben/Kerubim 26, 136, 143, 144, 170–173, 183, 185, 214–217, 219, 227 Kerubenthron/Kerubenthroner 17, 105, 130, 171, 172, 183, 213, 215, 216 Königtum Gottes 21, 22, 32, 33, 74, 106, 113, 122 Kosmologie 1, 3, 13, 14, 103, 131, 195, 214, 229 – explizite/implizite 11, 15, 42, 86, 106, 130, 205, 227–234 Kultbild 7, 16, 38–43, 63, 80, 82, 89, 97, 120–123, 125, 160, 197, 205, 230, 233, 234 Lade 99, 192, 205, 213–219, 227 Lichtglanz (siehe auch Herrlichkeit und Melammu) 125, 141, 142, 148, 150, 151, 154, 162, 168, 173, 174, 178–180, 185 Marduk (Gott) 74–79, 81, 85, 93–98, 100, 101, 103, 104, 108–118, 120–122, 124, 129–131, 152, 156, 158–161, 181, 188, 194, 195, 198–200, 203, 226, 227, 230–234 Mazzebe 46, 48, 51, 61–64, 77, 80–83, 86, 220–224 Melammu/Schreckensglanz (siehe auch Herrlichkeit und Lichtglanz) 125, 152, 153, 155, 164, 180, 181, 185, 189, 233
272
Stichwortregister
Monotheismus 95, 96, 108, 131, 155, 233 Namens-Theologie/Schem-Theologie 6–7, 10, 235 Nēberu 95, 97, 109–116, 130, 131, 231, 234 Prozession 122, 123, 125, 233 Repräsentation 7, 18, 19, 43, 80, 82, 109, 123, 125, 176, 188, 204, 230, 233, 234 Rückkehr Gottes 88–92, 118, 119–129, 131, 171, 174–178, 180–182, 185, 188, 207, 231, 233, 234 Salomonischer Tempel 5, 6, 13, 15, 27, 150, 171, 175, 213, 215, 216, 229 Schemel/Fußschemel (Gottes) 9, 23, 127, 183 Schöpfung 15, 17–20, 35, 36, 38, 43, 74, 87, 88, 93–98, 101–103, 107, 116, 129, 130, 192, 194–196, 202, 205, 212–214, 219, 226–228, 230, 232, 235 Seraf(en)/Serafim 24–27, 41, 144, 150, 188, 230 Sonnengott 7, 37–40, 70, 71, 95, 108, 109, 112, 113, 149, 151–155, 159, 162, 176, 179–181, 185, 188, 231, 232 Sterne/Sternenhimmel/Gestirne 1, 4, 34, 38, 40, 88, 95, 97, 101, 109–111, 113–118, 130, 131, 145, 156, 158, 160, 161, 163–168, 188, 193, 195, 198–201, 203, 204, 226, 230, 232, 233 Süßwasserozean 40, 104, 203 Tempelberg (s. auch Zion) 17–19, 27–29, 35, 42, 127, 204, 229 Tempelstadt 16–19, 29, 30, 34–36, 41–43, 73, 74, 76, 78, 79, 84, 85, 92, 126–128, 204, 227, 229, 230, 232, 233 Tempelweihe/Tempelweihgebet 5–7, 174, 184, 206, 235 Theophanie 84, 144, 145, 148, 174, 177, 179, 207
Thronrat 4, 17, 25, 26, 43, 72, 116 Thronwagen 143–146, 162, 171 Tiamat/Tiamtu 74, 77, 95–97, 100, 101, 104, 109–111, 117, 130, 196, 198, 199, 203, 230 Ugarit 19, 23, 27–29, 31–36, 42, 72, 106, 198, 211 Urbild-Abbild Relation 204, 213, 214, 219, 227 (Ur-)Flut/Sintflut 21, 36, 39, 73, 95, 105, 106, 114, 192, 196, 223 (Ur-)Meer 20, 31, 34, 67, 87, 94, 95, 104, 107, 135, 196 (Ur-)Ozean 38, 40, 100, 108, 195–197, 199, 203 Weltberg 18, 35, 36, 42 Weltbild 1–3, 12, 13, 18, 39, 40, 69, 70, 107, 131, 148, 188, 199, 229, 233, 235 (Welten-)Achse/vertikale Achse 1, 17–19, 22, 24, 29, 30, 35, 63, 67, 73–78, 80, 82–86, 128, 188, 203, 204, 212, 224, 230 Wettergott 32, 33, 99, 105, 106, 148, 149, 174, 179, 180, 207 Wolke(ndunkel) 5, 6, 34, 99, 141, 142, 146–148, 151, 173, 174, 178, 184, 185, 197, 202, 204, 206–209, 212 Zafon/Zaphon 12, 28, 29, 31–35, 42, 43, 127, 141, 148–150, 173, 174, 180, 183, 204 Zebaoth 17, 25–27, 29, 98, 179, 214, 227 Zeltheiligtum/Zelt der Begegnung 128, 129, 187, 193, 202, 205, 206, 208–211, 217, 219, 224, 227, 228 Zion (siehe auch Tempelberg) 7, 10, 12, 13, 15–19, 22, 27–29, 31, 34, 35, 42, 88–92, 98, 105, 114, 118, 119, 123, 124, 126–131, 148, 149, 178–180, 183, 184, 204, 210, 211, 214, 216, 231, 233 Zweiter Tempel 6, 9, 12, 13, 89, 92, 128, 170, 192, 205, 214, 229